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Full text of "Historische Studien"

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Historische 
Studien 



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■7~ 



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HISTORISCHE STUDIEN 



VERÖFFENTLICHT 
VON 

E. EBERING 

DR. PHIL. 



HEFT X. 

OESTERREICH UND DIE ANFÄNGE DES BEFREIUNGSKRIEGES VON 1813. 
VON DR. FRIEDRICH LUCKWALDT. 



BERLIN 1898. 



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Oesterreich 



und die Anfänge des 



Befreiungskrieges von 1813. 



Vom Abschluss der Allianz mit Frankreich bis zum Eintritt 



in die Koalition. 



Von 



Friedrich Luckwaldt 

Dr. phTl. 



Berlin 1898. 

Verlag von E. Ebering. 



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Herrn Prof. Dr. Max Lehmann, 



meinem Lehrer und Freunde, 



in Dankbarkeit und Verehrung 



zugeeignet. 



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Vorwort. 



Indem ich der Öffentlichkeit eine neue Darstellung der 
Politik Oesterreichs zu Beginn des Befreiungskrieges über- 
gebe, kann und. soll es nicht meine Absicht sein, des län- 
geren die Bedürfnisfrage zu erörtern. Sie zu beantworten, 
überlasse ich dem Buche selbst. Ich will vielmehr kurz 
sagen, wie die Arbeit entstanden ist. 

Jch begann sie vor nunmehr zwei Jahren in Göttingen 
auf eine freundliche Anregung von Herrn Professor Max 
Lehmann, der ihr denn auch im weiteren Verlauf stets ein 
lebhaftes, durch Rat und That bezeigtes Interesse bewahrt hat. 
Dabei war der ursprüngliche Gedanke, den „Stoff zu einem 
Geschichtswerk", den nach dem Urteil eines berufenen Kri- 
tikers Wilhelm Oncken in seiner vielzitierten Publikation 
nur gegeben hatte, unter anderen Gesichtspunkten und in 
anderer Form nun wirklich zu einem Geschichtswerk aus- 
zugestalten. Aber ein eingehenderes Studium tiberzeugte 
mich bald, dass doch auch dieser Stoff, wie wertvoll und 
ergiebig immer, der Ergänzung und Berichtigung dringend 
bedürfe. In manchen Fällen half die ältere, namentlich 
französische Litteratur und die grosse Anzahl später er- 
schienener Bücher und Aufsätze, aus denen ich mit beson- 
derem Dank die sorgfältige Abhandlung von Oiste hervor- 
hebe. In andern stellten sich Probleme heraus, die, wenn 
überhaupt, nur durch Einblick in die originalen Akten eine 
Lösung finden konnten. So entschloss ich mich -im Früh- 



- VTTT — 



jähr 1806, nacli Wien zu gehen und meine Forschungen an 
Ort und Stelle fortzusetzen. 

Die Liberalität der k. und k. Archivleitungen ist sprich- 
wörtlich. Auch ich habe sie reichlich erfahren und kann 
das herzliche Wohlwollen nicht genug rühmen, das man mir, 
dem namenlosen Anfänger, überall entgegenbrachte. Mein 
Dank dafür erreicht nur Herrn Feldmarschalllieutenant 
v. Wetzer, den verdienstvollen Direktor des k. und k. Kriegs- 
archivs; Alfred v. Arncth, der mich noch im letzten März 
rüstig und schaffensfroh empfing, ist inzwischen der Welt 
und der Wissenschaft entrissen worden, und ich muss mich 
begnügen , dem seltenen Mann allezeit ein pietätvolles An- 
denken, zu bewahren. Dass sein Geist in der Verwaltung 
des k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs fortleben wird, 
dafür bürgt die Persönlichkeit seines Nachfolgers, Herrn 
Hofrats Dr. W T inter, und der Kreis liebenswürdigster Beam- 
ten, der ihn umgiebt. Ich fühle mich ihnen allen mehr oder 
weniger verpflichtet, namentlich aber den Herrn Dr. Hans 
Schiitter und Arpad Györy von Nadudvar, die mir meine 
Arbeiten auf das dankenswerteste erleichtert und auch sonst 
freundschaftliche Teilnahme bewiesen haben. 

W r as nun jene Arbeiten selbst anlangt, so ging es mir, 
wie es bei archivalischcn Studien leicht gehen soll: ich fand, 
wo ich nicht suchte, und suchte, wo ich nicht fand. Ich 
hatte gerechnet, meine Darstellung in der Hauptsache auf 
die Sitzungsberichte der Staatskonferenz und gewisser für 
finanzielle und militärische Angelegenheiten niedergesetzter 
Spezialkommissionen zu begründen. Aber Nachfragen in 
fünf verschiedenen Archiven blieben trotz bereitwilligster Be- 
mühungen der Herrn Beamten erfolglos. Nicht einmal die 
von mir genau bezeichneten Akten des Stadionschen Finanz- 
komites waren aufzufinden. Nur auf dem Kriegsarchiv, wo 
ich überhaupt eine Fülle wichtigster noch unbekannter Stücke 
einsehen durfte, wurde mir das Protokoll einer militärischen 
Konferenz vom 14. Mai vorgelegt. Es wiegt ganze Bündel 



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— IX - 



anderer Akten auf und lässt mich also doppelt bedauern, 
dass ich sonst auf verstreute Notizen und sogar Zeitungs- 
artikel zurückgreifen musste, um über die wichtigsten inner- 
politischen Vorgänge Klarheit zu gewinnen. 

Umso voller flössen gegen meine Erwartung die Quellen für 
die auswärtigen Ereignisse. Nicht nur, dass mir eine Reihe 
litterarisch noch nicht verwerteter Archivalien zugänglich 
gemacht wurden, auch da, wo bereits andere vor mir ge- 
erntet, blieb Raum für eine Nachlese, wie ich sie so reich 
nie geträumt hätte. Die Vorträge Metternichs, die Berichte 
Lcbzelterns, Bubnas, Stadions ergaben die erwünschtesten 
und überraschendsten Aufschlüsse. Zumal den letztgenannten 
verdanke ich Stunden reinen Glücks und kann mir deshalb 
nicht versagen, wenigstens die drei schönsten ausführlich 
abzudrucken. Im Übrigen verfolgt der Anhang nur den be- 
scheidenen Zweck, die Belege in den Anmerkungen zu er- 
gänzen. Das einzige Stück, das über diesen Rahmen, aller- 
dings auch erheblich, hinausgeht, das Memoire Gentz' wird 
schon wegen der Bedeutung, die ihm Napoleon beilegte, 
hoffentlich allen Freunden des grossen Publizisten will- 
kommen sein. 

Damit entlasse ich ein Buch, an das sich für mich eine 
Fülle wechselndster Erinnerungen knüpfen. Es hat mich 
begleitet auf die Schneehöhen der Alpen, an den Strand 
des Meeres, in die sonnigen Gefilde Italiens. In Göttingen 
und Wien, Heidelberg und dem heimischen Stettin ist an 
ihm gearbeitet worden. Möge es siel» in den beschränkten 
Grenzen, die der Wirkung einer historischen Monographie 
gesteckt sind, angenehm und nützlich erweisen. 

Berlin, im November 1897. 

Friedrich Luckwaldt 



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Inhalt 



' Einleitung S. 1. 

1 . K ap i t e 1 : Oesterreich nach dem Frieden von Wien. S. 4. 

Kritische Lage de« Staates. S. 4. — Gehiet. S. 4. — 
Finanzen. S. 6. — Heerwesen. S. 10. — Persönlichkeiten: Kaiser 
Franz. S. 12. — Metternich. S. 14. — Seine Regiorungsgrundstltze. 
S. 16. — Verhältnis zu Frankreich. S. 18. — Voraussicht eiues 
französisch-russischen Krieges. S. 20. — Interessengegensätze zu 
Russland. S. 20. — Neutralität oder Bund mit Napoleon? S. 22. — 
Gründe flir den letzteren. S. 24. — Ungarn. 8. 25. — Aktive Neu- 
tralitat. S. 27. — Vertrag vom 14. Marz 1812. S. 28. - Gutes Ein- 
vernehmen mit Napoleon. S. 30. — Gleichzeitige Verhandlungen 
mit dem Zaren. S. 32. — Erfolge der grossen Armee. S. 35. — 
Metternich verzweifelt an der europäischen Fortexistenz Russ- 
lands. S. 36. 



2. Kapitel: Am Scheideweg S. 37 

Nachrichten von der russischen Katastrophe. S, 37. — 
Kindruck auf das Volk. S. 37. — Die Aristokratie. S. 38. — Kaiser 
und Kaiserin. S. 39. — Den leitenden Minister. S. 41. — Russische 
Anträge. S.42. — Metternich nimmt sie ungünstig auf. S. 44. — Halt 
russische Erfolge weder fiir sicher. S. 47. — Noch unhedingt 
wünschenswert. S. 4H. — Will auch nichts für Frankreich thun. 
S. 50. - Vielmehr independent werden und dazu Unterhandlungen 
anknüpfen. S. 61. — Erste Schritte im Sinne dos Friedens S. 62. - 
Müssen verstärkt wieder aufgenommen werden. S. 53. — Weisungen 
für Floret 9. Dez. 1H12. S. 55. - Verwendung, nicht Vermittlung. 
S. 56. -- Friedensaktion und Allianz. S. uß. — Unklarheit der 
Situation. S. 59. 



B.Kapitel: Oesterreich nnd Frankreich. . . . S. 60. 

Brief Napoleons 14. Dez. 1812. S. 00. - Wünscht einen 
oesterreichischen Gesandten ad interim. S. 61. — Sendung Buhnas: 
dessen Persönlichkeit. S.Ö2. — Sylvosteraudienz hei Napoleon. S.63.— 



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— XII — 



Friedensverwendung angenommen. S. 66. -- Verbalnote Ottos 17. 

Jannar S.67. — Die Probe auf das Exempel. S.Q9. — Brief Napoleons 

7. Januar. S.71. — Begleitsehreiben Bassanos. 8.72. — Eindruck auf 

Metternich. S. 74. — Erster Schritt Uber den Marlivertrag hinaus; 

Verhältnisse de» Auxiliarkorpa. S. 75. — Anstett in QHtrow ; bean- 

~. 1 '. ■ 

tragt Waffenstillstand auf drei MhiihI» 1 , S. 7s. — Schwarzenbergs 

Stellung dazu. S. 79. — Weisungen nun Wien. S. HO. — Entgegen - 
gesetzte Befehle de» Vizekönigs. S. Hl. — Neue Zusammenkunft 
mit Anstett 24. Januar; Waffenstillstand. 8. BS. — Dessen Bedeutung. 
S. 83. — OstensiHr* Handschreiben nn Schwarzenberg. S. 84. — 
Jliiluia hei Napoleon Ii, Februar. S. H.*> ■- Dieser sehr zornig. S ST>, - 
henkt bald ein. S. sti. -- Metternich t rin mph i ert . 8. S7. - Mufft, auf 
weitere Zugeständnisse S. 89. — Und auf Frieden. 8. 90. — Der 
beste Weg dazu. S. 91. 



4. Kapitel: Oesterreich und Prenssen S. 03. 

Allgemeines Verhältnis der beiden deutschen Vor - 
machte. 8. 93. — Hardenberg sucht Einverständnis mit Metternich. 
8. 93. - Ohne Erfolg. S. 94. — Russland fordert Abfall von Napoleon. 
S. m. Konig und Kanzler nicht abgeneigt. S. 95. Machen doch 
ilir Handeln von Oesterreich abhangig. S.9K. — Metternich schwankt. 
S. *-*7. — Man wird drängender. 8. !In. — Sendet Knc^ehe ck. S. 99. 
Dessen Instruktionen. S. 99. — Empfang in Wien. 8. 102. — Ent- 
täuschungen. 8. !')■>. — Audienz beim Kaiser. 8. 1<>4. - Eindrücke 

in Breslau. S. 106. — l)ns Bündnis von Xalisch. S. ICK. Tlmt der 

Rücksicht, auf Oesterreich keinen Eintrag. S. 108. — Die Stimmung 
in Wien wird freundlicher. S. 109. — Doch bestehen innere Gegen - 
sätze fort. S. III. ~ Die deutsche Frage. S. 112. Die populäre 
Bewegung. S. 114. — Plane Erzherzogs Johanns. 8. 1i6. — Tugend- 
Veii-iu und M arxaufrufc. S. 117. — Kabinet >p<d il ik und (iei>t des 

neuen J ahrhund e rt s , 8. II'.'. 



5. Kapitel: Wessenberg und Lebzeltern. . . . S. 121. 

Wesscnberg. S. 121. — Traditionelle Ib-zichungen der 
Hofe von St. James und Wien. S. 122. — Abneigung gegen die. 
Friedensantrage Oesterreichs. S. 123. — Neuerdings noch gesteigert. 
8. 124. — Der Prinzregent lehnt ab. S. 125. — Auch Instruktionen 
vom 10. März helfen nichts. 9. 126. — Piesshetze. S. 127. — Keine 
Subsidien. S. liH. — Peinliche T.age des Gesandten. 8. 129. -- Ver - 
handlungen mit Russland. 8. 190. — Brief Alexanders 29. Dez. 1812. 
S. 131. — Stackelberg in Wien. 8. 182. — Die Mission nach Kaiisch. 
8. 133. — Nur Lcl'zeltern. S. 134. — Verzögerung seiner Ankunft.. 
S. 134. — Seine Instruktionen. 8. I3fi. — Enttäuschung des Zaren. 
8. I.t8 — Nimmt Lebzeltern trotzdem gut auf. S. 137. — Acceptiert 
die Friedensverwendang. S. 138. — Dauernd misstrauisch. S. 139. - 
Aber nur umso nachgiebiger. 8. 141. — Die l'olent'rage, 8. 142. — 



- ^iii - 



jjebzeltern für Bussland gewonnen. S. 14ö. — Empfiehlt rasehe, 
Schildorh.-lmng. S. 147. — Metternich denkt nicht daran. S. 149. - 
Hält Stnt ketberg mit .seinen Bündnisantrügen hin. 8. 150. — Der 
Russe, hofft auf diu treibende Kraft der Ereignisse.. S. lül. 



6. Kapitel: Bewaffnete Vermittlung S. 153. 

Notwe ndigkeit. ml siliuilt-iieri-r Stellungnahme. S. 153. 
Plan, Napoleon in letzter Stunde zum Frieden zu bestimmen, S 1 fSA. - 
Schwarzenberg dazu ansersehen; bin Ende Marz zurückgehalten. 
S. 155. ■— Spinn Instrukt iouen. S, lüfi. — Ki'in f ' Ii i in» t nin S ITiSt — 
Ankunft in Paris. S. 100. — Erste Audienz bei Napoleon. S. 161. — 
Der Imperator wünscht. Waffenstillstand. S. 16j. — Abgelehnt; 
Ttesultattoalgkcit der ganzen Mission. S. 165. — Gleichzeitige Ent - 
wii klungin Wien; Personenwechsel in der französischen Botsehart, 
S. Ufr!. Aufregung 'Ii s Volkes. S. 163. — Verbalnote Narhonnes 
7. April. S. 170. — Ihr.- Vorgesrhiehte. S. 171. - Auslegung dureh 
Metternich. S. 172. — Erklärung der bewaffneten Vermittlung. 
S. 173. — Die neuen Ideon in der Praxia. S. 175. — Poniatowsky. 
S. 176. — Vorschläge der Russen, ihn unschädlich zti machen. S. 176. 

Ausgestaltet zur Konvention vum '.AI, Marz. S. 177. 1 ).» r Rück - 
zug 'les A nxi1i;i rknri's \er/ii^t-rl sich. S, ITH — Fuhrt zu diplo - 
matischen Auaeinandoraetzungcn mit Frankreich. S. 190. — Narbonne 
bei Metternich. S. 181. - Seine Verbalnote vom 21. April. S. 184. - 
Antworten darauf. 8. lft r i — Der Bruch scheint nahe. S. 1SH 



7. Kapitel: Vorbereitungen zum Kampf. . . . S. 187. 

Militärische VersllnrnniimB wahrend den Wintern. 8. 187. — 
Mobilisierung eines Ohservationakorps. 8. 186. — Mehr gegen Ruaa - 
land als gegen Frankreich. S. 189. — Die andern "BTeereateile. 8. 190. 
— Finanzielle Schwierigkeiten. 8.191. — Notwendigkeit, nene Geld - 
mittel zu h o seh allen , Beratungen darüber. S 192. - Finanzkomite 
unter Stadion. S. 194, — Patent vom l'>, April. S. IT». — Neue 
Rüstungen. S. 196. — Brauchen Zeit zu ihrer Vollendung. S. 200. — 
Inzwischen Position diplomatisch zu veratarken. 8. 201. — Ver - 
handlungen nur Neapel. S. 'J<U. — Mit den Rheinbundsstaaten; 
Volksgtimmiir.g im napoloonischen Deutschland. S. 203. — Die 
Höfe. S. '204. — Aller Augen auf Oesterreich gerichtet. S. 207. — 
Metternich nützt, daa nicht ans. S. 20K — Will nnr Nentralititt. 
S. 209. — Aufnahme »einer Antrage. S. 210. — Böse Vorzeichen. 
S. 210. - Veranche, Sachsen zu gewinnen. S. 211. — Konvention 
vom 20. April. S. 213. — Übler Eindruck auf die Verbündeten. 
S. 214. Metternich, von Lebzeltern gemahnt, sucht zu be - 
schwichtigen. 8. 216. — Depeschen vom 29. April. S. 217. — Ver - 
sprechen Anschluas an die Koalition. 8.218. 



- XIV - 

8. Kapitel: Rückwärts S. 219 

Ungunstiger Verlauf des Frühjahrsfeldzugs. S. 219. 
Oesterreich mitschuldig daran. S. 220. — Kann noch alle» wieder 
gut machen. S. 220. — Sendung Scharnhorsts. S. 221. — Heroische 
Anläufe in den ernten Maitagen. S. 222, — Rückschlag. S. 223. — 
K.daer Frans. S. 224. - Metternich. S. 2-25. - Lilsst den Abfall d«r 
Mittelstaaten geschehen. S. 226. — Vorgänge in Prag. S. 228. — 
Der Durchmarsch der Polen. S. 228. — Rücksendung Ehibnaa zu 
Napoleon; Keine Instruktionen 11. Mai. S. 281. — Werden noch ab - 
ge.soluvürht. S. 2&i. — Handsrhieiln-n um] In .st Miktionen 2.i. Mui, 
S 2M. — \\'Hiii<T A nssi cht auf Krieg i'ijr die Verbim* let i'Ti . S.'JÜT. -- 
Militärische Verhältnisse. S. 237. — Zustünde der Hanptarmee. 
S. 2B8. — Schwierigkeiten der Moiiturheschaflung. S. 239. — Rüstnngs - 
antrüge Schwarzenbergs und Radetzkya. S. 240. — Opposition Belle- 
gardes. S. '241. — Konteren/, vom 1 1, Mai. S. 242. -- Ihr negatives 
Resultat, S. 24 M, - Letzter Versuch Hu I. 1/Kv - 17. Mai. S. 211. 
Entscheidung des Kaisers, S. 21"> — Kurklänlige 1 »islnkations- 
verändertingen. S. 24» i. Aufsehen und Wirkung. S. 247. 



9. Kapitel: Waffenstillstand S. 249. 

AV atU-ü^tin ^ttmdriwiii i ac l 'e des \\ 'icm r H o| e s, S, 2 4, 1 >, — 
Wird Napoleon sie erfüllen V S. 2">Q. — Seine militärisch.' Lag.*. 
S OTiA — FHrcht.pt «inmi Hund dnr drtd Ostmächte. S. 251. - Mnss 
Alexander zum Austritt bewegen. 8. 252. — Oder Franz vom Ein - 
tritt zurückhalten. S. 266. — Schlügt die Familiensaitc an; Mario 
Luise. S. 254. — (liebt die Allianz mit Oesterreich noch nicht ver - 
löre, n. S. 2Ti».i. — Macht Buhim e.iin: ilithr.unissc.cuc l'i. Mui. S. 'Jö7, 

. — Erklärt sich Tags darauf für den Waffenstillstand. S. 259. — 

Bubnaa Brief an Stadion IS. Mai. S. 260. — Trifft am Morgen 
der Bantzener Schlacht ein. S. 261. — Verbündete anfangs ab - 
geneigt. S. 261. — Knesebeck bewirkt einen Umschwung. S. 263. — 
Auch jetzt noch wenig Entgegenkommen. S. 264. — Verlauf der 
Verhandlungen ; französisches Ultimatum. S. 265. — Annehmen 
oder ablehnen? S. 266. — Die Rücksicht auf die Hofbnrg ent- 
scheidet. S. 267. — Konvention vom 4. Juni. S. 26H — Stimmung 
in Oesterreich. S. 268. — Übersiedlung des Hofes nach Gitschin. 
S. 269. — Hauptstädtische Parteien. S. 270. — Ihika der Mann der 
Situation. S. 272. — Man hofft auf Frieden; die Watt'enstillstands- 
theorie. S. 273. - Ihre Hinfälligkeit. S. 274. - Stadion. S. 275. 



10. Kapitel: Der Vertrag von Reicheiihach. . . S. 270. 

Ankunft Stadions im verbündeten Hau|>Ujiuii t ier. S. 276, 
— Reflexionen und Vorsätze. S. 276. — Selbständiges Verhalten. 
S. 277. — Günstige Beurteilung der Lage. S. 278. -- Mahnungen 
zum Krieg. S. 290. - Ihr Eindruck in Gitscbin. S. 282. — Gespenst 



- XV - 



französisch-russischer Sonderverhandlungen; Canlainconrt. S. 288. 
— Metternich kommt dem Zaren entgegen. S. 284. — MissiofTNessel- 
rodes. S. 285. — Oesterreichische Note vom 7. Jnni. S. 287. — 
Sonstige Liebeszeichen. S. 288. — Neue RüatungBanträge. S. 289. — 
Werden angenommen; Bildung zweier Reservekorps. S. 291. — In 
Rjiichgnhach geht es nicht nach Wunsch. S. 292. — Opposition 
gegen das Minimum Oesterreichs. S. 293. — Die Frage der Hanse- 
städte. 8. 294. — Der Streit um die Form der Friedenskonferenzen. 
S. 296. — Die Zarenreise nach Opotschna. S. 297. — Vorgeschichte. 
S. 298. — Äusserer Hergang. S. 299. — Persönliche Kindrücke. 
S. 300. - Sachliche Ergebnisse. S. äOl. — Redigierung des event. 
Bündnisvertrages. S. WH. — Seine Bedeutung. S. 3<H. — Nesselrode 
zum zweiten Mal bei Kaiser Franz. S. 905. — Gehobene Stimmung 
im verbündeten Hauptquartier. S. 906. — Honnungen auf Ab- 
kürzung der Wartezeit, S. B07. 



11. Kapitel: Neue Ungewissheit. S. 308. 

Vorbetrachtung. S. 908. — Bubnii in Liegnitz und Dresden. ' 
S. 309. — Die beiden grossen Fragen im Verhältnis Oesterreichs 
zu Frankreich. 9. 310. — Metternichs Entrevüewilnsche. S. 311. — 
Endliche Einladung zu Napoleon. S. 312. — Grosse Erwartungen. 
S.318. — Die Audienz vom 23. Juni. S.314. - Allgemeine Würdigung. 
S.314. — Verhalten Napoleons. S.H15. - Metternichs. S.H18. - Die 
eigentlichen Verhandlungen. S. 320. — Der Verzicht auf die Allianz. 
S. 321. — Was wird nun aus der Annahme der Vermittlung ? S. 922. 
— Die eutscheidende Audienz vom 80. Juni. S. 323. — Konvention i 
vom gleichen Tag. S. 324. — Veilängerung des Waffenstillstandes. 
S. 325. — Oesterreichs Interesse daran in militärischer Hinsicht. 
S. 326. - In politischer. S. 327. - Neue Friedonspläno; England. 
S. 328. — Gegensatz zum Vertrag von Reichenbach. S. 329. — Die 
Konferenz in Rntiborschitz 4. Juli. S. 330. — Lebzeltern beim Zaren. 
S. 882. — Allgemeine Verstimmung. S. 8;S4. — Stadion bittet um 
Abberufung. S. 335 - Metternichs Vortrag vom 12. Juli. S. 336. - 
Die Antwort des Kaisers. S. 338. 



12. Kapitel: Die Entscheidung S. 339. 

Die Politik Oesterreichs von den Ereignissen abhängig. 
S. 889. — Vittoria. S. 840. — Trachenberg; allgemeines Verhältnis 
der Verbündeten zu Schweden und Dänemark. S.341. — Bernadotte 
regt eine Entrevüe an. S. 342. - Verlauf und Resultat. S. 343. — 
Stellung der Hofburg. S. 344. — Karl Johann für Kaiser Franz ge- 
wonnen. S. 345. — Der Operationsplan. S. 346. — Aufnahme in 
Oesterreich; Sendung Latours. S. 348. — Denkschrift Rudutzkys. 
S. 349. — Letzte Mobilisierungen. S. 349. — Mission Nngent. S. «50. 
Befestigungsarbeiten. S. 352. — Die Volfendnng der Rüstungen 
reizt zum Krieg. S.363. — Am meisten doch das Verhalten Napoleons 



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S. 854. — Keine Passe für einen Gesandten nach England. S. 354. — 
Keine Bevollmächtigten zum Kongress in Prag. S. 355. — Die Er- 
nennung Anstetts. S. S6?f. — Ungewissheit über die Verlängerung 
des Waffenstillstandes. S. 357. — Napoleon glaubt nicht an Oester- 
reichs Entschlossenheit. 8. 35a - Das Volk thntsÄehlich fllr 
Frieden. S. 358. — Die Regierung entscheidet sich fllr Krieg- Note 
vom 22. Juli. S. 359. — Der grosse Umschwung in Prag. S. 390. — 
Canloincourt erscheint nun doch als Bevollmächtigter. S. 361. — 
Seine Gesinnungen und Instruktionen. S. 36i. — Der Streit um den 
Verhandlungsmodus. 8. 362. — Hoffnungen und Befürchtungen. 
S. 364. — Caulnincourts geheimer Schritt bei Metternich. 8.366. — 
Dessen Ultimatum. S. 8b7. — Napoleon nimmt es nicht nn. S.36U — 
Letzte Audienz Bubnas 9. August. S. 309. — Die Katastrophe, ß. 370. 



Anhang. 

1. Kaiser Alexander an Kaiser Franz 17/29. Dezember 

1812 S. 373. 

2. Propositions du Üommandant en ehef des armees 
ßusses S. 374. 

3. Allerhöchstes Handschreiben an den Hofkriegsrats- 
präsidenten Graf Bellegarde 14. April. 1813. . . S. 37G. 

4. Verbalnote des französischen Gesandten Graf 
Narbonne an Graf Metternich 7. April 1813. . . S. 377. 

5. Stadion an Metternich [30. Mai 1813] S. 382. 

6. Stadion an Metternich 2. Juni 1813 S. 382. 

7. Stadion an Metternich 8. Juni 1813 S. 385. 

8. Gentz, Res u nie de la Situation actuelle des affaires, 
Vienne ce 4 juin 1813 S. 388. 



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Es wird immer eine der merkwürdigsten und folgen- 
schwersten Thatsachen unserer vaterländischen Geschichte 
bleiben, dass die grosse Erhebung des Jahres 1813 sich in 
ihrem ersten Teil ohne die Macht vollzog, die durch viert- 
halb Jahrhunderte an der Spitze der deutschen Angelegen- 
heiten gestanden hatte und noch eben jetzt bis 1809 fast 
zwei Dezennien unter den mutigsten und beharrlichsten 
Bekämpfern französischer Weltherrschaft zu linden ge- 
wesen war. Es ist schwer zu ermessen, welche Entwick- 
lung eine andere Politik Oesterreichs als die damals be- 
folgte der deutschen Frage gegeben hätte. Was immer 
Friedrich der Grosse für die Hebung der moralischen und 
physischen Kräfte seines Staates getlian hatte, die be- 
rechtigten Ansprüche Preusscns auf die Hegemonie in 
Deutschland datieren doch erst aus den Befreiungskriegen. 
Um die Wende des Jahres 1812 waren die Augen des 
deutschen Volkes noch weit mehr nach Wien als nach 
Berlin gerichtet. Noch immer war die Kaiseridee in den 
Massen der Nation und in ihren besten Köpfen lebendig. 
Man weiss, wie Stein von einer Wiederkehr der Herrlich- 
keit der Ottonen und Staufer träumte, und sein Schwager 
Wallmoden mochte noch im April 1818 vielen aus der 
Seele sprechen, als er meinte, Deutschland sei und bleibe 
doch eine verlassene Waise, solange der Kaiser sich nicht 
seiner annehme. 1 



1. Wallraoden an Gcntz, Breslau 6. April 1813 bei Klinkow- 
ström: Aus der alten Registratur der Staatskanzlei S. 104. 




Die Eifersucht der Mächte, sonst stets ein 'Haupt- 
hindernis deutscher Einheit, schien in ihr Gegenteil um- 
geschlagen. Im russischen Hauptquartier wie zu Carleton- 
house, dem Sitz dos englischen Prinzregenten, konnte man 
sich in Versuchen, den Entsagungsakt von 1806 wieder 
rückgängig zu machen, nicht genug thun. Selbst der ehe- 
malige Jakobiner am schwedischen Thron Hess sich in 
diesem Sinne vernehmen. 1 In der That, wenn es über- 
haupt möglich war, die deutsche Frage in grossdeutschem 
Sinn zu lösen: jetzt war welthistorisch der letzte Moment 
dazu. 

Aber auch von diesem Höchsten abgesehen, hätte ein 
rascher Anschluss Oesterreichs an die Koalition die grossesten 
Chancen geboten. Es war doch so, wie Metternich der 
französischen Regierung zu Gemüt führte 2 : auf einen Wink 
des Kaisers erhoben sich 50 Millionen in Deutschland und 
Italien. Der preussischc König wurde nicht müde zu ver- 
sichern, dass er in allem den Intentionen der Hofburg 
folgen werde. Die Rheinbundsfürsten konnten, ihrer 
Truppen fast bis auf den letzten Mann beraubt, keinen 
Widerstand wagen und hätten es vielleicht nicht einmal 
gewollt; denn an der Elbe wie an der Isar und am Nesen- 
bach, überall herrschte Kummer und Zorn über die nutz- 
losen Opfer des russischen Feldzuges. Kein Zweifel, ein 
Aufruf, wie ihn Gentz schon 1808 vorgeschlagen 3 , der 
ihnen Unverletzlichkeit von Gebiet und Souverainität zu- 



1. Gegen Neipperg Mitte Februar 1813. vgl. Woynar: 
Oesterreichs Beziehungen zu Schweden und Dänemark in den 
Jahren 1813 und 1814. Arch. f. oesterr. Geschichte 77. 407. u. 411. 

2. Weisungen für Floret 9. Dez. 1812 bei Oncken: Oesterreich 
und Preussen im Befreiungskriege I. 382. Bericht Ottos an Bas- 
sano 16. Dez. 1812 bei Fain. Manuscrit de 1813 I. 288. 

3. Gentz: Aus dem Nachlass. Briefe und Denkschriften. 
Wien 1867 IL 116 ff. 



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— 8 — 



sagte, hätte schon jetzt um die Jahreswende das bewirkt, 
was im Spätherbst dann wirklich geschah: der deutsche 
Süden hätte die eben noch so stolz getragenen Ketten ab- 
gestreift. Im Nordwesten aber wäre das Feuer des Auf- 
ruhrs, das, ohne ausreichende Unterstützung gelassen, sich 
im Frühjahr so traurig selbst verzehrte, zur mächtigen 
Flamme emporgewachsen, und in den ehemaligen oester- 
reichischen Provinzen hätte es wie 1809 in Tirol eines ein- 
fachen Aufrufs bedurft, um die treuen Landeskinder mit 
Freudigkeit unter die geliebton schwarzgelben Fahnen 
zurückkehren zu lassen. Der Krieg, der an Elbe und 
Spree anfangs so unglücklich geführt werden musste, hätte 
am Rhein und an der oberen Donau begonnen, und wer 
will sagen, ob das Ereignis von Fontaineblau nicht schon 
dreiviertel Jahre früher herbeigeführt wäre. 

Es sind das nicht so sehr nur vorwitzige Phantasien 
eines Epigonen. Schon einsichtsvolle Zeitgenossen empfanden 
ähnlich. Sie beklagten, dass Oesterreich den günstigen 
Augenblick nicht ergriffen habe, in dem es sich zum Diktator 
von Europa erheben konnte. 1 Aber der Blick auf das, 
was bei raschem Einsatz aller Kräfte möglich gewesen 
wäre, darf nicht blind machen gegen die Hindernisse, die 
einem solchen denn doch auch entgegenstanden. Wer sich 
die Mühe nimmt, den Gedanken der leitenden Männer Schritt 
für Schritt und nach allen Seiten nachzugehen, wird sich 
bald einer Verkettung innerer und äusserer Schwierigkeiten 
gegenüber sehen, die ihnT die ernstesten Zweifel erregen, 
ob er im gleichen Fall kräftiger gehandelt hätte. 

Zunächst: Der Staat war nicht mehr das Oesterreich 
von 1809. 



1. Vgl. Radetzky: Denkschriften militärisch - politischen 
Inhalts S. 130. 

l* 



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•i 



Erstes Kapitel. 



Oesterreich nach dem Frieden von Wien. 

Die an Krisen doch wahrlich reiche Geschichte des 
Hauses Habsburg weist wenig gefahrvollere Lagen auf als 
die, in die der Wiener Frieden das Reich versetzte. In 
den bangen Tagen, die seinem Abschluss vorangingen 
(8. Oktober), hatte Friedrich Gentz es für die grosse Frage 
erklärt, ob der Staat auch nur noch ein Jahr bestehen 
könne, 1 und während der ganzen Folgezeit bis 1812 konnte 
man aus dem Munde jedes aufgeklärten und unterrichteten 
Mannes hören, dass die Monarchie am Rande eines schreck- 
lichen Abgrunds stände, aus dem sie nur durch einen glück- 
lichen Zufall zu retten sei. Wilhelm von Humboldt, der 
davon berichtete, erwehrte sich der Beobachtung nicht, dass 
selbst die traurigen heimischen Verhältnisse noch besser 
seien als das, was er als Gesandter in Wien seit Herbst 
1H10 täglich vor Augen sah! 2 

Schon ganz äusserlich glich der stolze Kaiserstaat be- 
denklich einer Ruine. Die Gebietsabtretungen, die der Korse 
im Schönbrunner Schlosse diktiert hatte, waren nach Um- 
fang — 2058 Quadratmeilcn mit 3 400 000 Seelen — und 
Wert gleich beträchtlich. Von den zwei natürlichen Boll- 

1. Tagebücher von Friedrich von Gentz. Leipzig 1873. 1, 187. 

2. Bericht vom 24. Nov. 1810 bei Bruno Gebhardt: W. v. 
Humboldt als Gesandter in Wien 1810 — 1813. Deutsche Zeit- 
schrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12. Heft 1. 77 ff. 



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— 5 — 



werken, die das Land nach Westen deckten, riesigen 
Bastionen gleich die Kurtinc des Donauthales flankierend, 1 
war nur noch das nördliche, Böhmen, wesentlich unberührt, 
von dem südlichen war schon 1805 Tirol abgebröckelt, jetzt 
folgten Salzburg, das Inn viertel, Villach und alles Land 
rechts der Save. 3 Damit war man von Böhmen bis Bosnien 
ohne militärische Grenze. 3 Der Verlust Triests und der 
il lyrischen Küste versperrte jeden direkten Zugang zum 
Meer, ohne den doch eine Grossmacht nicht leben kann, 
und zudem war das neue Illyricum eine unheimliche 
Schöpfung. Schon jetzt Hessen sich Stimmen vernehmen, 
dass es nur als der Embryo zu betrachten sei, der „er- 
wachsen, genährt, gepflegt und erzogen, dereinst die hohe 
Bestimmung erhalten solle, das erste Vaterland der Künste 
und Wissenschaften wieder hervorzurufen, den schönsten 
Himmelstrich von ganz Europa dem Islamismus, der Bar- 
barei, der Roheit und Ignoranz zu entreissen und der Kultur 
wiederzuschenken 4 ''; 4 und jedenfalls war eine Ausdehnung 
seiner Grenzen bis zur Drau oder Mur, also auf Koston 
Steierniarks und Slavoniens sehr zu fürchten. Nicht 
besser sah es im Nordosten ans. Dass die über hundert 
Meilen lange* Gimzstrecke Galiziens unhaltbar war, sprang 
jedem .'Militär in die Augen, 6 und dem Politik or musste der 
ganze polnische Besitz seit der neuerlichen Vergrösser ung 
des Herzogtums Warschau durch Westgalizien als höchst pro- 

( i: »i (• •; . m :■. '<;:.•/ :• .vi • : ' i- 'ir./. .».• 

1. Radetzky, Denkschriften S. 128. 

2. Artikel III, 1 und 2 des Wiener .Friedens. 

3. Radeteky, Denkschriften S. 129. 

4. Oesterreich nach dein Friedon von Wien 1809. Politisch- 
militär. Studie eines Zeitgenossen. Mitth. des K. IL Kriegs- 
archivs 1882. S. 166. 

5. Graf Radeteky, Biographische Skizze von einem oostem 
Veteranen S. 116. 

6. Radeteky, Denkschriften S. 59. 



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— 6 — 



blematisch erscheinen. 1 Konnte nicht ein Wort Napoleons 
den Aufruhr in das moralisch noch nicht eroberte Land 
tragen? Ganz im Osten endlich begann der Russe durch 
seinen Anteil an der galizischen Beute 8 und die bedrohlichen 
Fortschritte in der Türkei das unzufriedene Ungarn zu 
umklammern. 

Bei alledem war es nicht die Frage der Gebiets Ver- 
änderungen gewesen, an der in letzter Stunde das Friedens- 
werk zu scheitern drohte, sondern der anscheinend unter- 
geordnete Streit um 50 Millionen Livres Kriegskontribution 
weniger oder mehr. Hier hatten die Unterhändler, um 
nur den so nötigen Abschluss herbeizuführen, ihre In- 
struktionen überschreiten müssen, das Wohl des Staates 
mehr bedenkend als die unausbleibliche Ungnade des Sou- 
verains. 3 Die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen man 
zu kämpfen hatte, waren eben derart, auf alle Zweige des 
Staatslebens den grössten und verhängnisvollsten Einfluss 
zu üben. Eine gute Finanzverwaltung hatte nie zu den 
Dingen gehört, durch die sich der Kaiserstaat auszeichnete. 
Kein Wunder, dass er jetzt, wo ganz Europa unter dem 
Zeichen des jungen Papiergeldes stand, mit grossen Schritten 
dem Staatsbankerott entgegeneilte. 4 Zuerst 1762, in grösserem 
Umfang aber erst während des ersten Koalitionskrieges 
hatte man unverzinsliche Noten, sogenannte Bankozettel, 



1. Oesterreich nach dem Frieden von Wien S. 155. 

2. Artikel III, 5 des Friedens verspricht Russland 400000 
Seelen im östlichsten Teil des alten Galizien; ausgeführt im 
Vertrag von Loopol 7/19. März 1810. 

S. Gentz, Tagebücher I. 192. 195 f. 202. 203 f. Die ganze 
Schale des kaiserlichen Zornes ergoss sich auf Bubna. 

4. Die beste Darstellung dieser Dinge ist wohl noch immer 
die von Springer: Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener 
Frieden 1809. Leipzig 1863. I, 143—177. Interessante archiva- 
lische Mitteilungen bei Beer: Die Finanzen Oesterreichs im 19. 
Jahrh. Prag. 1877. 



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— 7 — 



seit 1797 mit Zwangskurs, ausgegeben. Die grossen Kosten 
der Kämpfe gegen Frankreich und eine leichtsinnige Ver- 
waltung hatten dann zusammengewirkt, um eine rasche 
Vermehrung verbunden mit entsprechender Entwertung, 
herbeizuführen. 1 In das Jahr 1809 war man schon mit 
einem Kurse von 221 V 8 Gulden Papier = 100 Gulden Gold 
eingetreten, der Krieg hob ihn auf 405 5 / 8 . 2 Immer weiteren 
Kreisen teilte sich die Überzeugung mit, dass es so nicht 
weiter gehen dürfe, dass etwas zur Hebung der Banko- 
zettel geschehen müsse, die zu allem Unglück nun auch 
noch in grossen Massen aus den abgetretenen Ländern 
zurückströmten. Da aber die Staatseinnahmen gleichzeitig 
von 66,8 (1808) auf 24,9 Millionen (1810) herabsanken 8 
und also kaum die Zinsen der verzinslichen Staatsschuld — 
von 350 Millionen (1792) war sie auf 658 angewachsen* — 
• mit 27 Millionen 5 deckten, so glich diese Aufgabe gefährlich 
der Lösung der Quadratur des Zirkels. Nicht einmal das 
Defizit war fortzuschaffen, im Kriegsjahr hatte es 45,1 Mil- 
lionen betragen, jetzt (1810) stieg es noch, auf 49.* Das 
Metall verschwand fast gänzlich aus den Kassen; im Juli 1810 
standen 1011,8 Millionen Bankozetteln und 137,6 Millionen 
unterwortigem Kupfergcld, das sich bei der urtoilslosen 
Landbevölkerung einer unverdienten grösseren Beliebtheit 
erfreute, nur 3,1 Millionen Gold- und Silbermünzen gegen- 
über. 7 Die Kursschwankungen spotteten jeder Beschreibung. 



1. Die Summe der umlaufenden Bankozettel veranschlagt 
Springer I, 152 auf 1796 : 47. 1800 : 201. 1806 : 450 Millionen. 

2. Beer S. 393. 

3. Diese Zahlen ergiebt die Tabelle bei Beer S. 391. S. 392 
erscheinen sie freilich als 68,7 und 26,1. 

4. Häusser, Deutsche Geschichte III, 456. 

5. Beer S. 47. 

6. Beer S. 392. Die Zahl dürfte eher zu niedrig gegriffen 
sein. Springer I, 154 giebt schon das von 1807 auf 66 Millionen an. 

7. Beer S. 393. 



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— 8 - 



Im Dezember 1810 kam man auf 1095 und darüber an. 1 Ein- 
sichtsvolle Männer wie Radetzky empfahlen eine beschränkte 
Rückkehr zur Naturalwirtschaft. 2 Dio Regierung selbst 
schien auf die extremstem Theorieen des Merkantilsystems 
zu schworen. Nicht nur, dass sie allen ausländischen Pro- 
dukten den Eingang so gut wie versperrte, 3 selbst die 
Erteilung von Reisepässen band sie an die ausdrückliche 
Genehmigung des Kaisers, wesentlich nur „um den Geld- 
ausfluss in das Ausland zu beschränken. M4 Der Staats- 
kredit als solcher war vernichtet. Der Hofkammerpräsident 
Graf O'donnel gestand es selbst zu, dass nur noch dem 
Privatkredit des Fiskus als Eigentümers von Grund und 
Boden werbende Kraft innewohne. 5 Aber sein darauf 
gegründeter Reformplan (26. Februar 1810) 6 konnte, schon 
an sich allzu kompliziert, umso weniger gelingen, als der 
begabte und rechtliche Mann zu früh für den Staat — • 
4. Mai 1810 — plötzlich starb. Sein Nachfolger, Graf 
Wallis, glaubte nur von einer Gewaltkur, einer rücksichts- 
losen Devalvierung, Heil erwarten zu dürfen, die er dann 
auch nicht ohne jene Überhastung, die all seinem Wirken 
nun einmal anklebte, Anfang 1811 wirklich ins Werk setzte. 
Sein Finanzpatent vom 20. Februar 1811, bekannt gemacht 
15. März, verordnete Einziehung der Bankozettel zum Kurs 
von 500 gegen die schon von O'donnel geschaffenen Ein- 
lösungsscheine, deren Höchstbetrag zugleich auf ein Fünftel des 
im Umlauf befindlichen Papiers, 212, 159, 750 Gulden, fixiert 
wurde. Damit war der Staatsbankerott in aller Form erklärt. 
Ein Schrei des Entsetzens ging durch das Volk. Gewiss die 

1. Springer I, 168. 

2. „Meine Ansichten. Wien 9. Dezember 1809". Radetzky, 
Denkschriften S. 3 ff. vgl. besonders S. 14 — 21. 

3. Beispiele bei Springer I, 161 und Beer S. 63. 

4. Kaiser Franz an Metternich. Pressburg 7. Dez. 1809. H-A. 

5. Vortrag vom 6. Januar 1810 bei Beer S. 51. 
0. Springer I, 158—160. 



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I 



— 9 — 

Teurung vorher war drückend genug gewesen, man bezahlte 
beispielsweise den Klafter hartes Holz mit 90 Gulden, aber 
es hatte sich doch das nationalökonomische Gesetz bewährt, 
dass die Entwertung gegenüber den Waaren mit der gegen- 
über dem Metall nicht gleichen Schritt hält: jetzt konnten 
sich die Preise den veränderten Geldverhältnisscn so rasch 
nicht anpassen. Hinzu kam eine andere böse Folge jeder 
Währungsänderung, die flüchtige und unzweckmässige Einzel- 
bestimmungen in diesem Falle noch verschärften: das ganze 
Schuldwesen geriet in Verwirrung. Hier fand sich der 
Schuldner, dort der Gläubiger übervorteilt. Und zu alledem 
wurde auch die finanzielle Stellung des Bürgers zum Staat 
auf das empfindlichste verschoben. Was wollte der Verzicht 
auf die im letzten September ausgeschriebenen Vermögens- 
steuern Grosses bedeuten, da man die andern Steuern in 
Einlösungsscheinen, also um das Fünffache höher bezahlen 
musste? 1 Die Beamten und Pensionäre sahen sich bis zu 
vier Fünfteln ihres Einkommens beraubt, 2 dem Ruin gegen- 
über. Nicht nur die Familie Grillparzer verlor ihren letzten 
Notgroschon. 3 Mit 300 — 400 Gulden besoldet, die zur 
Hälfte auf eine selbst bescheidene Vorstadtwohnung darauf 
gingen, mussten die unteren Beamten schliesslich schon 
groschenweise borgen. Sogar die Offiziere hungerten. 4 — 
Und doch war es nicht die Zerstörung so vieler privater 
Existenzen, die dem Patrioten das unselige Februarpatent 
in erster Linie verleidete. Weit schwerer wog der Vor- 
wurf, dass es die Aktionsfähigkeit des Staates lähmte, ja 
fast vernichtete. Jene Beschränkung der Einlösungsscheine, 

1. Springer I, 169. 

2. ebenda S. 171. 

3. Grillparzer, Selbstbiographie. Werke herausg. v. Sauer 
XIX. 49. 

4. Berichto des Vicepräsidcnton der Polizeihofstelle Baron 
Hager v. 15. Mär/ und 3. Juni 1812 bei Wortlieitner: Wien und 
das Kriegsjahr 1813. Arch. f. oesterr. Gesch. 79. 378 ff. 



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■ 



- 10 — 



so sehr sie im System liegen und theoretisch zu billigen 
sein mochte, nahm der Regierung die Möglichkeit in kritischen 
Tagen durch Vermehrung des Papiergeldes rasch Hilfs- 
quellen zu eröffnen, wie sie bei der mit jedem Staatsbankerott 
verbundenen Minderung oder Vernichtung der Steuerkraft 
und des Kredits anderweitig durch Auflagen oder Anleihen 
doch nicht mehr zu erschliessen waren. 

Es konnte nicht fehlen, dass diese leidigen finanziellen 
Verhältnisse wahrhaft zerstörend auf das wichtigste und 
kostspieligste Gebiet staatlicher Thätigkeit zurückwirkten: 
das Heerwesen. Sobald man sich ernstlicher mit der Frage 
der Finanzregulierung beschäftigt hatte, waren Abstriche 
am Heeresbudget, wie sie ja auch der Friedensvertrag 
nahelegte — nach ihm durfte Oesterreich nur 150 00Ö Mann 
unFer Waffen halten — , als bequemstes und sicherstes 
Mittel dazu ernstlich in Erwägung gezogen worden. Un- 
mittelbar nach Abschluss des Friedens (Ofen, 20. Oktober 
1809) hatte Erzherzog Rainer eine Reduktion der Armee 
auf 60 000 Mann befürwortet, 1 und diese beschränkte An- 
sicht brach sich in den regierenden Kreisen mehr und mehr 
Hahn. Es war vergebens, dass Radetzky gerade umgekehrt 
auf eine erhöhte Anwendung des Grundsatzes: si vis pacem 
para bellum drang 2 und Metternich in einem seiner schönsten 
Vorträge (IL Januar 1810) 8 davor warnte, sich nur der 
göttlichen Vorsicht und dem Zufall zu überlassen. Er 
bekämpfte die Anschauung, als könne es eine iso- 
lierte innere Politik geben, die ohne Rücksicht auf die 
äusseren Gefahren ihren Weg ginge. Nur unter dem Schutz 
eines angemessenen Wehrstandes sei die Ausführung eines 

1. Beer S. 45. 

2. Bisher seien alle Zweige der Staatsverwaltung nur ge- 
schaffen gewesen, Frieden zu geniessen, nicht Frieden zu er- 
halten. Radetzky an Fürst Liechtenstein Pressburg 1. Dez. 1809. 
Mitth. des K. K. Kriegsarchivs 1884. S. 361 ff. 

3. H-A. Abgedruckt auch bei Beer S. 55 f. 



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— )1 — 



Finanzpianos möglich, den Napoleon in seinem Keime er- 
sticken werde, wenn er zu jeder Stunde die Monarchie mit 
100 000 Mann erobern könne. Man müsse durchaus, so sehr 
eine Beschränkung der aktiven Armee auf 150 000 Mann 
durch Recht und Thatsachen geboten sei, wenigstens die 
Kadrcs erhalten und also auf jeden Wink jene Zahl ver- 
doppeln können; aber wie beredt er das und Befestigung 
geeigneter Grenzplätze als „einzige und letzte Stützen 
unserer Existenz" empfehlen mochte, an entscheidender 
Stelle hatte es das Sparsystem über seine gesundere Politik 
davongetragen. Die allerhöchste Resolution vom 29. Ja- 
nuar 1810 erklärte Wiederherstellung der Ordnung im Innern 
für den ersten und wichtigsten Zweck und wandte sich 
gegen einen „die Kräfte des Staates übersteigenden Militär- 
aufwand". Was unter dem Regime O'donnel begonnen 
hatte, setzte sich unter Wallis in gesteigertem Masse fort. 
Noch in späteren Jahren meinte Radetzky bitter, dieser Mann 
habe der Armee nicht weniger tiefe Wunden geschlagen als 
Napoleon selbst. 1 Man ging eben in der Hofkammer von der 
Ansicht aus, dass Oesterreich für die nächsten zehn, ja 
vielleicht dreissig Jahre doch nicht an einen Krieg denken 
dürfe. So war es noch viel, dass man mit Ausnahme der 
zwölf, deren Aullösung eine Folge der letzten Abtretungen 
war, wenigstens die Zahl der Regimenter bestehen Hess. 
Dafür wurde jedes einzelne auf einen Umfang reduziert, 
der noch hinter dem eines normalen Bataillons erheblich 
zurückblieb. Von den drei Bataillonen der deutschen 
Regimentor stand nämlich das dritte unter dem Namen 
Chargen depot nur noch auf dem Papier, und bei den 
andern begnügte man sich mit einem Locostand von je 
300 : 50 auf jede Kompagnie. Lediglich zur Exerzierzeit 
im Herbst wurde diese Zahl auf vier Wochen verdoppelt. 
Nicht besser erging es der Kavallerie. Sie verlor ihre 



1. Radetzky, Biographie S. 104. 



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- V2 - 



dritten resp. vierten Divisionen und kam also in den 

schweren — Kürassier- und Dragoner Regimentern auf je 

vier, in den leichten — Chevauxlcgers, Ulanen und Husaren 
— auf sechs Schwadronen herab. Die Jägerbataillono vol- 
lends wurden fast aufgelöst, von ihren sechs Kompagnien 
blieben nur zwei erhalten. Einzig die ungarischen Regi- 
menter behielten ihre 120 Gemeine per Kompagnie. 1 Kurz 
es war wirklich so, wie Metternich im Frühjahr 1813 rück- 
schauend bekannte: man hätte etwa 1811 Mühe gehabt, von 
einem Augenblick zum andern auch nur 60 000 Mann zu 
versammeln. 2 Wahrlich eine unwürdige Situation für eine 
Grossmacht. Hinzu kam, dass die Vernachlässigung alles 
dessen, was sonst zur Rüstung eines Staates gehört, mit der 
der eigentlichen Armee gleichen Schritt hielt. Umsonst 
entwarf Radctzky sorgfältige Pläne für ausgedehnte Be- 
festigungen an der Westgrenze. 8 Sein schönes Wort, dass 
dafür aufgewandte Summen auf grosse Zinsen gelegt seien, 
weil durch sie der Staat gesichert und erhalten werde, fand 
in der Hofkammer keine Stätte. — Man verliess das be- 
währte Vorratssystem, wonach die Ausrüstung für die 
mobile Armee stets bereit liegen muss. Die Gewehrfabriken 
stellten ihre Arbeit ein. Nicht einmal für die Reparatur 
abgenutzter Waffen fand man die Mittel. Sic wurden mit 
all ihren Schäden in die Zeughäuser gelegt, weil Wallis 
statt 500 000 nur 30 000 Gulden bewilligte. 4 

Es waren Zustände, wie sie trauriger nicht gedacht 
werden konnten, und hinzu kam, dass sich nirgends Aussicht 
auf Besserung eröffnete; denn das war das eigentliche Ver- 
hängnis: sie lagen nicht nur in veränderlichen äusserlichen 
Konjunkturen begründet, sondern ganz wesentlich auch in 



1. Radctzky, Biographie S. 102 f. 

2. Metternich an Lebzeltern 29. April 1813. Onckon II, 632. 

3. Radetzky, Denkschriften S. 47 ff. und S. 63 ff. 

4. Vortrag Bellegardes. Wien 14, Juni 1813. K-A. 



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- 13 - 

der Persönlichkeit derer, die den dauernden Beruf gehabt 
hätten ihnen abzuhelfen. Man lese die Schilderungen, die 
Gentz 1 und Humboldt 2 von den Verwaltungsbehörden des 
Landes entwarfen: Anarchie und Ideenlosigkeit allenthalben; 
nur wenige Minister, die an Geist oder Willen irgend über 
den Durchschnitt hervorragten, auch sie aber zu hofmännisch- 
geschmeidig wie Bollegarde oder zu sehr im Bannkreis des 
Ressorts befangen wie Wallis. Und vollends schlimm sah 
es um die entscheidende Stelle aus. Kaiser Franz 3 hatte 
unzweifelhaft Eigenschaften, die ihm einen Anspruch auf 
den gern gehörten Ehrennamen des „Guten" verliehen. 
Sein Privatleben war untadelig. Sparsam bis zum Geiz, 
fragte er wenig nach Prunk und Glanz. Am wohlsten war 
ihm, wenn er in seinem einfachen Burgzimmer die laufenden 
Eingaben der verschiedenen Hofstellen mit emsigem Fleiss 
erledigen oder in der Stille eines bescheidenen Edelsitzes 
die harmlosen Zerstreuungen des Landlebens gemessen 
konnte. Sehr gern auch erteilte er nach der schönen Sitte 
seines Hauses öffentliche Audienzen, wobei er dann mit 
einer aus Neugierde und Wohlwollen gemischten Teilnahme 
die Sorgen des kleinen Mannes anhörte, um ihn im volks- 
tümlichen Wiener Dialekt freundlich zu bescheiden. Und 
überhaupt durfte er in seinem Testament seine Liebe seinen 
Völkern vermachen. 4 Wir haben von ihm aus entscheidungs- 
schwerer Stunde das Bekenntnis, dass er mit Leib und Seele 
an seinen so guten Unterthanen, so schönen Ländern hänge. 5 
Aber bei alledem war er nicht der Mann, ihnen Segen 

1. Tagebücher I, 247 f. 

2. Gebhardt a. a. 0. S. 86. 90. 99. 102. 

3. Springerl, 107 ff. Gentz, Tagebüch. I, multis locis. (Hormayr) 
Lebensbilder ans dem Befreiungskriege II, 56 ff: Gutachten eines in 
der englischen Befreiungsarmee dienenden Stabsoffiziers 26.Apr. 181 3. 

4. Springer I, 440. 

5. Allerhöchste Resolution auf Metternichs Vortrag vom 
12. Juli 1813. Oncken H, 407 f. 



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— 14 — 

zu bringen. Eigentlich politische Tugenden fehlten ihm 
ganz. Sein Mut wurde bezweifelt. 1 Sein Verstand, in 
Beurteilung des Nächstliegenden oft richtig und scharf, 
reichte nicht aus, grosse Dinge gross aufzufassen. Es 
war schwer, ihn zu einem Entschluss zu bringen, und 
auch dann nicht sicher, dass er dabei beharrte; 
denn obwohl nicht fähig, selbst zu regieren, besass er 
mindestens in unserer Zeit noch entfernt die Selbstver- 
leugnung nicht, andern einen entscheidenden Einfluss ein- 
zuräumen. 2 Vielmehr konnte niemand eifersüchtiger Uber 
seine Herrscherrechte wachen. Zumal vom Volk wollte er 
sich nicht dreinreden lassen. Alle freiheitlichen Regungen 
waren ihm als jakobinisch ein Greuel, und in ihrer Ver- 
folgung verfuhr er zuweilen mit einer Härte, die einem 
selbst davon Betroffenen 3 den bösen Vergleich mit Ludwig XI. 
eingab. Doch auch seinen Ministern machten sein Arg- 
wohn und Eigensinn, die beiden hässlichsten Eigenschaften 
seines Charakters, nicht wenig zu schaffen, üm sie nicht 
durch allzu häufige bedingungslose Annahme ihrer Vorschläge 
zu verwöhnen, hörte er lieber die zahlreichen, oft ganz 
subalternen unverantwortlichen Ratgeber, die ihm am Hof 
und im Lande lebten. So genoss sein Generaladjudant, 
1 1. Feldmarschalllieutenant Graf Duka eine Machtstellung, der 
sich die höchsten Politiker und Militärs beugen mussten, 
und doch hatte Stadion nur zu Recht, wenn er ihn ver- 
ächtlich den Wurm nannte, der um den Thron unseres 
guten Kaisers kriecht. 4 

Nur wer das alles bedenkt, kann der Politik des Mannes 
gerecht werden, der seit dem Oktober 1809 das Staatsruder 

1. Gentz, Tagebücher I. 162 redet geradezu von la poltron- 
norie naturelle de l'empereur. 

2. Gentz, Tagobüchor I. 252. 

<" 3. Hormayr in dem Libell: Kaiser Franz und Metternich. 
4. Stadion an Metternich. Reichenbach 8. Juni 1813. H-A. 
s. Anhang. 



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- 15 - 

lenkte. Vielleicht, dass ein anderer die Hindernisse früher 
und vollständiger Uberwunden hätte; Graf Metternich aber 
gehörte nicht zu jenen feurigen Herrschernaturen, die den 
Beruf in sich fühlen, der Welt um sich Gesetze zu geben, 
und lieber Amt und Gunst als ihren Willen opfern. 

Ein Sohn der Rheinlande, 1 aufgewachsen an den 
lebenslustigen geistlichen Höfen der Pfaffengasse, konnte er 
sein ganzes Leben lang weder die Gefühls- und Denkweise 
des ancien regime, noch das leichte Temperament des 
Rheinfranken verleugnen. Von der Natur verschwenderisch 
ausgestattet, eine Erscheinung von vollendeter Schönheit 
und Eleganz, brillanter Kauseur und perfekter Kavalier, 
war er dazu geschaffen, den Löwen der Salons zu spielen. 
Seine Feinde — und nicht nur sie — wollten wissen, dass 
er über dem Salon das Bureau vernachlässige, sie raunten 
sich boshaft zu, er disseriere dort stundenlang, ob auch ein 
Weib Minister des Auswärtigen sein könne oder ob der 
Tabaksschnupfer die Fasten breche; 9 und dass er im Punkt 
der Liebe sehr schwach sei, hätten auch seine besten 
Freunde nicht leugnen dürfen. Im persönlichen Umgang 
zeigte er Güte und Offenheit. Seine Untergebenen hingen 
an ihm. Selbst ein so bedeutender Mensch wie Gentz 
empfand zumal in späteren Jahren eine schwärmerische 
Zuneigung für den jüngeren Freund. Fernerstehende mochte 
seine masslose Eitelkeit je und je abstossen. Für die Di- 
plomatie, wo er — von Dresden nach Berlin und von dort 
nach Paris berufen — rasche Karriere gemacht hatte, 
brachte er ausser jenen gesellschaftlichen Talenten eine 
rasche Feder, eine leichte Auffassung, unbedingte Herrschaft 
über sich selbst und eine sogar von Napoleon bewunderte 



1. Vgl. ßailleu. Allg. d. Biographie XXIII. 777 ff. 

2. So erzählt Erzherzog Johann in seinem Tagebuch Januar 
1812, bei Krones: Aus Oesterreichs stillen und bewegten Jahren 
S. 141. 



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- 16 - 



Fähigkeit für die Intrigue mit. Wo es galt, durch Versteck- 
spielen eine unangenehme Antwort zu vermeiden, einer 
misslichen Sache die unverfänglichste Wendung zu geben oder 
im Widerstreit der Interessen eine mittlere Linie zu finden, 
die ohne einen zu befriedigen, doch alle zu befriedigen schien, 
konnte ihn keiner übertreffen. Gewohnt in jedem grösseren 
Schriftstück seine Unabhängigkeit von abstrakten Begriffen 
zu betonen, hüllte er sich äusserlich trotzdem gern in den 
Mantel des Philosophen, aber im Wesen waren seiner Politik 
grosse Gedanken allerdings fremd. Es entsprach seiner 
mehr weiblichen als männlichen Natur die Dinge statt seiner 
' entscheiden zu lassen: eompter un peu sur les ev&nemcnts 
war doch immer seiner Weisheit letzter Schluss, ja er machte 
kein Hehl daraus, dass er sich für ein besonderes Talent 
halte „zu zaudern, die Momente des Ausbruchs hinaus zu 
schieben". 1 

Die Regierungsgrundsätze, mit denen er in sein neues 
Amt eintrat, waren im allgemeinen der Lage des Staates 
angemessen. Wie die meisten grossen Leiter der aus- 



1. Vgl. Humboldts Berichte vom 2(>. Dez. 1810 und 17. 
Februar 1811 bei Gebhardt S. 100 f*. Graf Hardenberg an Münster 24. 
Mai 1812 bei Oneken TT, 88. Gentz, Tagebücher an zahlreichen 
Stellen. Springerl, 128 — 138. Sehr geistreich das Urteil Grillparzers 
(Werke XTV, 151 ff.), das er in die Worte: „ein ausgezeichneter 
Diplomat, aber ein schlechter Politiker" zusammenfasst und S. 161 
schlies8t: „Wenn der hier ausgesprochene Tadel etwa den Schein 
derGeringschätzigkoit angenommen hätte, somuss man sich dagegen 
hiermit ausdrücklich verwahren. Fürst Metternich war von Haus 
aus ein Mann von Ehre und Gefühl, entschlossen und mutig, der 
Verstand aber in den diplomatischen Salons unter Weibern und 
Höflingen ausgebildet, mehr poliert als gestählt, mit der Spitze 
ritzend statt mit der Schneide trennend und, durch eine glück- 
liche Auffassungsgabe verführt, das Resultat der Untersuchung 
vor der Operation des Untersuchene antizipierend." 



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- 11 - 



wärtigen Angelegenheiten griff er in die innere Verwaltung, 
von deren Details der Nichtoesterreicher ohnehin wenig ver- 
stand, nur zusammenhangslos und dilettantisch ein. Von \ 
Paris hatte er eine grosse Bewunderung der französischen 
Polizei- und Vcrwaltungsdespotie mitgebracht, mit deren 
intimer Kenntnis er gern prahlte. 1 Er glaubte seinem 
Kaiser „nicht genug Strenge bei Nichtbefolgung direkter 
Befehle 44 einschärfen zu können, blinder Gehorsam sei vor 
allem nötig. 2 Die Errichtung einer politischen Polizei nach ' • 
napoleonischem Muster war eine seiner ersten Sorgen. 11 
Die Zeitungen überwachte er streng. Wir haben wenig 
beredtere Vorträge von seiner Hand als den, wo er sich 
über eine ohne sein Wissen erfolgte Publikation aus den 
Kreisen des Generalquartiermeisterstabes ereifert, der wie 
ein Status in statu handele. 4 Er erkannte nicht unrichtig, 
dass Oesterreichs moralische Stärke in seinem Ansehen als 
Vereinigungspunkt alles dessen beruhe, was von altehr- 
würdigen Prinzipien, Formen und Anschauungen noch übrig 
sei. 5 Mochte diese Auffassung für die innere Politik ver- 
hängnisvolle Keime in sich tragen, wie sie ihn z. B. schon 



jetzt, 1810, zum Gegner der von O'donnel beantragten Ver- 
staatlichung des Kirchengutes machte /• nach aussen be- 




wahrte sie ihn vor jenem gänzlichen Anschluss an Frank- 
reich unter Preisgabe aller Traditionen, zu dem eben in 



1. Vorträge 19. Nov. 1809. H.-A. 

2. Vortrage 9. Nov. 1809. H.-A. 

3. Vorträge 19. Nov. 1809. H.-A. 

4. Vorträge 12. Mai 1812. Es handelte sich um einen Auf- 
satz Weidens im 5. Heft dor Mil. Zeitschrift 1812 über die 
Militärverfassung Russlands. 

5. Gentz, Tagebücher I, 223. Ähnliche Äusserungen in 
Metternichs Vortrag vom 17. Januar 1811. Aus Metternichs 
nachgelasseneu Papieren IT, 409. 

G. Beer, S. 57, 59. 



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/ 

- 18 - 

\ 

\ den ersten Wochen seiner Ministorschaft ein ungenannter 
\ hoher Staatsmann von umfassender Bildung und scharfem 
, Verstand durch eine herrliche Denkschrift 1 den Kaiser fort- 
zureissen suchte. 

Immerhin verschloss auch er sich nicht dem von diesem 
zitierten Rat des Phokion, dass man entweder mit den 
Waffen siegen oder des Siegers Freund sein müsse. Er 
stellte sich rückhaltlos auf den Boden des letzten Friedens. 
« Jeder antifranzösischen Zeitungsäusserung wurde sorgfältig 
vorgebeugt. 3 Er wandte alles auf, dem neuen französischen 
Botschafter Grafen Otto denselben ehrenvollen und freund- 
lichen Empfang zu bereiten, den Fürst Schwarzenberg in 
Frankreich gefunden hatte. Die Werbung Napoleons um 
die Erzherzogin Marie Luise machte ihn glücklich. Er maass 
sich sehr mit Unrecht alles Verdienst daran bei und freute 
sich des Jubels der wetterwendischen Wiener Bevölkerung, ..„. 
die dem französischen Freiwerber — Herzog von Neufchatel 
i und Wagram — die Pferde ausspannte und die grosse Nach- 
richt an der Börse mit einer selbst der Regierung unheim- 
lichen Hausse begrüsste.a 

in dreifacher Beziehung sollte dies „grösste und 
wichtigste Ereignis unserer thatenreiehen Zeit 444 nach seiner 
Ansicht Oesterreich und Europa zum Heil gereichen, es 

1. Das schon erwähnte: Oesterreich nach dorn Frieden von 
Wien 1809. Über die Persönlichkeit des Verfassers sagen die 
Mitth. d. K. K. Kriegsarchivs 1882 leider nichts. 

2. Handbillet an die Länderchefs 3. Nov. 1809, von M. ver- 
anlasst Vorträge 23. Nov. 1809. H.-A. 

3. Gentz, Tagebücher I, 228. Fevrier 21. Metternich est 
ivre de joie, voyant a quel point la grande nouvelle reussit, il 
ne craint plus d'attribuer a son art et h son merite la totalite 
de cet eveneinent, peut-etre memo ce qui en est dü au hazard ou 
a des causes etrangeres ä notre cour. — Die Bankozettel standen 
fast auf 250. ibidem. 

4. Oesterreich nach dem Frieden von Wien S. 169. 



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sollte die vorläufige Ruhe der Monarchie sichern, den Stand 
der Ruhe soviel als möglich auf das übrige Europa aus- 
dehnen, endlich die Mittel an die Hand geben, „die Wunden 
der letzten an traurigen Ereignissen so reichen Jahre zu 
heilen und nun gerüstet die erhabene Stufe, auf welcher 
der oesterreichische Thron in Europa steht, im Frieden so- 
wohl als auch bei künftigen Angriffen gegen jeden äusseren 
Feind behaupten zu können." 1 

Um alles dies um so sicherer zu bewirken, hielt er seine 
eigene Anwesenheit in Paris für notwendig. Er hoffte 
wesentliche Milderungen des Wiener Friedens durchsetzen 
zu können. Selbst an die Rückgabe eines Hafens am adri- 
atischen Meer wagte er zu denken. Vor allem kam 
es ihm darauf an, das Verhältnis der beiden Kaiserhöfe 
auf Gleichheit und wechselseitige Vorteile zu gründen. 
Oesterreich sollte die Orossmachtstellung, die es soeben ver- 
loren, wieder erringen. Man kann nicht sagen, dass der 
Aufenthalt in Paris, obwohl er entgegen dem ursprünglichen 
Plan — er sollte nur wenige Wochen dauern — bis in den 
September hinein verlängert wurde, ganz den gewünschten 
Erfolg gehabt hätte. Was erreicht wurde, wog alle die 
Missstände, die sich aus einer halbjährlichen Abwesenheit 
des Staatslenkers ergeben mussten, nicht auf. Die Feinde des 
Ministers sparten den Tadel nicht, 2 ferner stehende Beob- 

1. Vortrag 14. März 1810. H.-A., dem auch das Folgende ent- 
nommen ist. 

2. Wohl das härteste Urteil fällt Erzherzog Johann: „Er (M.) 
macht etwas unserm Kaiser weiss, geht nach Paris, hat eine 
lange Unterredung mit Napoleon, wo er wahrscheinlich schön 
gebeten haben wird. Darauf im Moniteur der Artikel, den 
Metternich gern gesehen, er bleibt dort, richtet nicht« aus als für 
seine Güter und einen Kommerztraktat, der gleich dosavouiert, 
werden musste, weil er so schlecht war, reist Napoleon nach, 
setzt sich aus, dass zweimal verboten wird, ihm Pferde zu geben, 
damit er umkehre, kommt zurück mit, nichts und spiegelt weiss 



achter wie der preussische Gesandte 1 konnten ihr Bedauern 
nicht verhehlen. Was das Schlimmste war, Metternich kam 
nicht zurück, wie er gegangen. Friedrich Gentz, der vor 
der Abreise den gerechten und verständigen Ideen des 
Grafen lebhaften Beifall gezollt hatte, glaubte nachher Grund 
zu haben, sich über eine ott grelle Dissonanz ihrer politischen 
Meinungen zu beklagen. 2 

Eines war dem Minister jedenfalls klar geworden. An 
jene Ruhe Europas, von der er geträumt hatte, war fürs 
erste nicht zu denken. Er hatte genug gesehen, um zu 
wissen, dass „der monströse Zweck einer Alleinherrschaft 
über den Kontinent" allem Tlmn Napoleons zu Grunde liege. 
Damit war aber der Ausbruch eines Krieges zwischen 
Frankreich und Russland als unvermeidlich gegeben, und so 
beschäftigte er sich denn früh mit der Partei, die man in 
dieser Krise zu ergreifen habe. '* ' • 

Das Verhältnis des Kaiserstaates zu seinem russi- 
schen Nachbarn war seit längerem getrübt. Die 
Balkanfrage begann damals zuerst in die politischen Be- 
ziehungen beider Mächte störend hincinzuspielen. Je mehr 
Oesterreich im Westen verlor, desto mehr musste es sein 
Angesicht nach Osten wenden. Schon 1805 hatte in guten 
Köpfen der Gedanke entstehen können, den Schwerpunkt 
der Monarchie nach Ungarn zu verlegen. 4 Jetzt vollends 



Gott dem Kaiser vor, so der Glaube, dass wir Illyrien zurück 
erhalten." Krones: Aus Oestorreichs stillen und bewogten Jahren, 
S. 140. Hinsichtlieh des Handelsvertrages erhalten diese Angaben 
eine willkommene Bestätigung durch A. Beers Studie: Zur Sendung 
Metternichs nach Paris. Mitth. d. Instituts für oesterr. Geschichts- 
forschung XVI, 115—124. 

1. Bericht vom 26. September 1810, bei Gebhardt a. a. O. 

2. Gentz, Tagebücher I, 229, 214, 256. 

3. Vortrag vom 17. Januar 1811. Nachgelassene Papiere 
II, 409. 

4. Springer I, 75. 




1. Oesterreich nach dem Frieden von Wien, S. 170. 

2. F. Martens, Recueil des Traitös et Conventions conclus 
par la Russio III, 74. 

3. Fürst Metternich an Kaiser Franz 28. März 1810. Hand- 
schreiben vom 31. März 1810. H.-A. 



mochten viele die Meinung teilen, die ganze Tendenz 
oesterreichischen Politik liege in ihrem Namen: „Oesterm 
das ist das Reich gegen Osten." Hier dachten sie die 
Entschädigung für die Opfer des letzten Krieges zu 
finden. Üher allem Land links der Donau bis zum 
Schwarzen Meer sollte die schwarzgelbe Flagge wehen, 
rechts der Donau aber die Balkanhalbinsel als ein 
zweites Italien die Stätte für habsburgische Sekundo- 
genituren abgeben. 1 Und während man sich in solchen 
Phantasien erging, nahm der Russe seit 1806 eins nach 
? dem andern die Gebiete, auf die man selbst sein Auge 
geworfen! Wenn Napoleon die Besetzung der Moldau und 
Walachei durch den Zaren zu Erfurt in. der ausgesprochenen 
Absicht anerkannt hatte, damit einen Zankapfel zwischen 
die beiden Kaiserhöfe des Ostens zu würfen, 2 so hatte er 
wieder einmal sehr richtig gerechnet. Oesterreich konnte 
sie umso weniger ruhig mit ansehen, als grosse handels- 
politische Interessen auf dem Spiel standen. Setzten sich 
die Russen hier dauernd fest, so war der Handel nach der 
Levante gefährdet. J^hon jetzt traten die russischen Be- 
fehlshaber mit brutaler Rücksichtslosigkeit gegen die 
oesterreichischen Unterthanen in den occupierten türkischen 
Provinzen auf. Nicht nur, dass man sie durch Einquar- 
tierung und Fuhrleistung fast zu Grunde richtete: man 
erklärte sie ihrer Privilegien und Immunitäten verlustig 
und eröffnete ihnen kurzer Hand, dass sie binnen sechs 
Monaten sich als russische Unterthanen zu erklären oder 
auszuwandern hätten. 3 Dem gegenüber musste die Türkei, 
von deren altersschwacher Verträglichkeit man Ähnliches 



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oo 

nicht zu erwarten hatte, in umso hellerem Lieht erscheinen. 
Metternich rühmte in ihr gleich zu Anfang seiner Minister- 
laufbahn wie dann später fort und fort den„besten, erprobtesten 
und ruhigsten Nachbarn." 1 Er enthielt sich nicht nur 
jeder Unterstützung der aufgeregten Serben, sondern hätte 
sogar, wenn das dem Kaiser nicht zu weit gegangen wäre, gern 
zwei in griechischer Sprache zu Wien gedruckte Zeitungen 
kassiert, weil sie der Pforte unbequem sein könnten und 
man einem etwaigen Sehritt von ihrer Seite vorbeugen müsse. 3 

Hinzu kam der begreifliche Groll über ßusslands Ver- 
halten im letzten Krieg, wo es zwar nicht grosse Thätig- 
keit entwickelt, dafür aber an der Beute teilgenommen hatte; 
konnte nicht dasselbe Schicksal wie Ostgalizien auch 
Siebenbürgen und der Bukowina zu teil werden? 3 Dass man 
sich in Petersburg zu keinerlei Rücksicht verpflichtet fühlte, 
zeigte ja zur Genüge die Besetzung Belgrads, von der man 
wusste, dass Oesterreich sie als Schlag ins Gesicht empfinden 
musste. 4 

So sehr aber auch diese Verhältnisse zu Zeiten selbst 
einen direkten Krieg gegen Russland nahelegten, 5 ursprüng- 



1. vgl. seinen Bericht, über eine Unterredung mit dem russ. 
Gesandten Graf Seimwaloff. Vorträge 10. März 1810. H.-A. 

2. Vortrüge 2. Febr., Allerhöchste Entscheidung 14. Mai 1812. 

3. Oncken II, 83. 

4. Sie geschah Auf. 1811. Noch am 10. März 1810 hatte 
Sehuwaloff erklärt, sein Kabinet habe aucli nicht die entfernteste 
Absicht auf die Oberherrschaft über Serbien. Humboldt beklagte 
das Vorgehen der Russen tief (Bericht 2. März 1811). 

5. Im März 1811 kam es angesichts bedrohlicher russischer 
Truppenanhäufungen an der Grenze Galiziens und der Bukowina 
dahin, dass Metternich sich die Autorisation erbat, dem russischen 
Gesandten gelegentlich keinen Zweifel zu lassen, dass Oesterreich 
jede Verletzung seines Gebietes als eine Kriegserklärung ansehen 
werde. Vortrag vom 26. März 1811. Nachgelassene Papiere 
II, 421. 



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— 23 - 



lieh war Metternich einer Allianz mit Frankreich doch 
wenig geneigt. Er sah in dem Bund mit einer Macht, 
eieren ausschliessende Absicht die Zerstörung der bisherigen 
Ordnung der Dinge sei, Krieg gegen heilige, unwandelbare ! , 
Grundsätze, also gegen Oesterreichs direktestes Interesse 
geführt, und verwahrte sich dagegen, dass k. k. Truppen in 
gleichen Reihen mit den französischen und konföderierten 
Raufen fechten sollten. Nur die gänzliche Unmöglichkeit 
anders zu handeln, könne dazu zwingen. 1 Indessen zehn 
Monate darauf glaubte er diese Unmöglichkeit thatsächlich 
eingetreten. Es waren mancherlei Gründe, die zunächst 
eine einfache Neutralität unthunlich, als den sicheren 
und unvermeidlichen Untergang der Monarchie 2 erscheinen 
Hessen. In Italien und lllyrien war die Stimmung so, dass 
auf die erste Nachricht vom Ausbruch eines neuen Welt- 
krieges, von England genährt, der Aufstand gegen die 
Unterdrücker ausbrechen konnte. Mochte man sich dann 
in der Hofburg noch so loyal jeder Unterstützung enthalten, 
wer stand dafür, dass nicht Napoleon, den erwünschten 
Vorwand ergreifend, einem ungerüsteten Oesterreich den 
Gnadenstoss geben werde? Und wenn auch dieses Äusserste 
nicht geschah, so schien mindestens der Verlust Galiziens 
unvermeidlich, sobald Napoleon das Wort von der Wieder- 
herstellung Polens aussprach, zu dem man ihn im Fall des 
Krieges mit Russland entschlossen wusste, und die pol- ^ 
nischen Besitzungen Oesterreichs nicht ausdrücklich aus- 
nahm. 

Nun hätte sich das freilich schon durch eine ,modi- 
fizierte' d. h. bewaffnete Neutralität abwenden lassen, indem 
sie ermöglichte, „im Moment jener hohen Spannung, die dem 
Krieg stets vorangeht," in Unterhandlungen wegen eines 



_ 1. Vortrag v. 17. Januar 1811. ebenda S. 409ff. 

2. Aus dem Vortrag vom 28. November 1811, dem auch das 
Folgende entnommen ist. Nachgelassene Papiere II, 42Gff. 



\ 



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— 24 — 



Austausches Galiziens einzutreten, sonst ciber war auch 
ihr ein aktives Mitwirken vorzuziehen. Napoleon, der im 
September 1810 nur jene beantragt hatte, schien es zu 
wünschen, 1 und Fürst Schwarzenberg, ein Mann edel und 
rein wie wenige, 2 aber im Banne des Imperators, der ihn 
als Freund und Kameraden behandelte, bot in Wien selbst 
seinen ganzen Eintluss auf, die Entscheidung in diesem 
vSinne herbeizuführen. Erwägungen der äusseren und inneren 
Politik unterstützten sein Drängen. 

Aller Anschein sprach doch unleugbar für französische 
Siege, 3 und winkten dann nicht dem Verbündeten Frank- 
reichs die namhaftesten Vorteile? Mindestens auf Tllyrien 
und einen Teil von Oberoesterreich durfte man bestimmt 
rechnen, aber auch auf Schlesien fielen begehrliche Blicke. 
Die Traditionen von 1750" lebten wieder auf. Nicht als ob die 
Eifersucht der deutschen Vormächte sich in alter Stärke in das 
neue Jahrhundert hinübergerettet hätte. Zumal jetzt nach dem 
Fall der Monarchie Friedrichs des Grossen fehlten alle 
Vorbedingungen dafür. Aber man war in Wien geneigt, 
den Nachbarstaat als auf dem Aussterbeetat befindlich an- 
zunehmen, und da hielt man es nicht für Sünde, der am 
Ende doch unvermeidlichen Vollendung des Werkes von 
Tilsit an seinem Teil etwas vorzuarbeiten. Vielleicht 
gelang es Insinuationen bei beiden Teilen, ein Bündnis 
zwischen Preussen und Russland zu bewirken, das auch 



1. Vortrag Metternichs vom 25. April 1811. Nachgelassene 
Papiere II, 424ff. 

2. Diesem Eindruck wird sich niemand entziehen können, 
der die „Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Fürsten K. zu 
Schwarzenberg" von A. Prokesch liest, die durchaus den Stempel 
der Wahrheit tragen. Er wird durch alles, was man sonst ans 
den Akten und zeitgenössischen Berichten z. B. Humboldts erfahrt, 
bestätigt. 

3. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren II, 437. 



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— 25 — 



schon unter dorn Gesichtspunkt des Gleichgewichts der 
Kräfte erwünscht war; 1 und ging man selbst dann mit 
Frankreich zusammen, so konnte einem bei der Verteilung y 
der Beute die „bequem gelegene und im Fall der Wieder- 
herstellung Polens fast unumgänglich nötige Provinz" un- 
möglich entgehen; eröffnete doch der Korse selbst für den 
Fall, dass Friedrich Wilhelm sich ihm verbünde und seine 
Pflichten treu erfülle, recht bestimmte Aussicht auf eine 
Oesterreich günstige Lösung-der schlesischen Frage. 2 

Neben solchem äusseren Machtzuwachs Hess sich am 
Ende auch eine Gesundung der inneren Verhältnisse er- 
warten, die sich nach Metternichs traurigem Geständnis 
„nicht nur in einem verwickelten Zustand, sondern in der 
bedenklichsten aller Lagen" befanden. Je grössere Ver- 
luste man im Kampf mit einer Macht erlitten, der eine 
rücksichtslos moderne Gesetzgebung alle Kräfte entfesselt 
hatte, umso schmerzlicher empfand man in Wien, dass eine 
mittelalterliche Verfassung, unmöglich machte, die trans- 
leithanische Reichshälfte zu den Lasten der Landes- 
verteidigung und -Verwaltung entsprechend heranzuziehen. 
Man berechnete in militärischen Kreisen, dass Ungarn im 
Verhältnis zu den Erbländern von 171)2 bis 180(> 80 Mil- 
lionen Gulden zu wenig zu einem Krieg beigetragen habe, 



1. Wie sehr Metternich in diesen Gedanken lebte, zeigt sein 
Ärger über die „endliche Hingebung Preusscns an Frankreich": 
Russland hat demnach auf die unverzeihlichste W T oise seinen 
grossen Prozess verloren, und ich kann die Überlieferung 
Preussens an Frankreich nur als die i mm inen teste erste Stufe 
des fftr Russlaud wahrscheinlichen Unglücks betrachten. Vor- 
träge 8. Februar 1812. H.A. 

2. Gegen Schwarzenberg 17. Dez. 1811. vgl. über diese Dinge 
Metternichs Vorträge vom 17. Januar 1811, 28. November 1811, 
15. Januar 1812. Sämtlich in den Nachgelassenen Papieren 
II, 409ff. 



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- 2f> — 



dessen Zweck doch die Abwendung der Revolution ge- 
wesen sei, die keiner Landesverfassung so gefährlich wäre 
wie gerade der seinigen; eine Summe, die sich bis 1809 
noch verdoppeln würde. 1 Man spottete, dass im letzten 
Krieg für die Insurrektion das Holz zu Sätteln erst aus- 
geschrieben sei, als der Feind schon auf den Glacis von 
Wien gestanden hätte. 2 Bei jeder Gelegenheit sprach 
man von der „Eroberung" Ungarns als etwas unbedingt 
Notwendigem, wenn man auch einen bestimmten Plan noch 
nicht hatte. 3 Unter diesen Stimmungen wurde der Reichs- 
tag auf den 25. August 1811 nach Pressburg berufen. 4 
Er sollte durch eine Garantie für 100 Millionen Einlösungs- 
scheine und proportionalen Beitrag zu ihrer Tilgung und 
Amortisation die Durchführung des Finanzpatentcs erleich- 
tern und zudem über die gewöhnliche Subsidie von 5 200 000 
hinaus jährlich 12 Millionen zur Deckung des Defizits be- 
willigen. Statt dessen bestritt er erst die Rechtsgiltigkeit des 
ganzen Patentes, dann die Opportunität seiner einzelnen 
Bestimmungen und erklärte sich nach langem Hin und Her 
lediglich zu ejner auf etwa sieben Millionen Gulden ver- 
anschlagten Naturalleistung bereit, als ob, wie "die Re- 
gierung treffend bemerkte, die Einlösungsscheine mit Korn 
und Hafer getilgt werden könnten. Hüben und drüben fiel 
in den hitzigen Verhandlungen manches bittere Wort; ihre 
Erfolglosigkeit rückte den Gedanken an den Staatsstreich, 
mit dem man bisher gespielt hatte, in greifbare Nähe. Für 

1. Radetzky, Denkseliriften S. 15 und IG. 

2. Diese Geschichte wärmte Hormayr (an Hager) noch 1813 
auf. Vgl. Wertheimer, Wien und das Kriogsjahr 1813. 

3. Gentz, Tagebücher I, 247. On sent que la conquete de 
la Hongrie est la premiere condition de toute reforme essentielle; 
on le dit dans toutes les occasions, mais personne n'a un plan. 

4. Für 'das Folgende: Springer I, 178—98: Der ungarische 
Reichstag 1811. 



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einen solchen aber bot nichts bessere Gelegenheit als ein 
Krieg an Frankreichs Seite. Wie, wenn man das Hilfs- 
korps überwiegend aus ungarischen Regimentern bildete 
und die zum Garnisondienst nicht erforderlichen deutschen 
jenseit der Leitha „bis zum Tag ihrer Bestimmung im 
Innern" als ein Reserve- und Beobachtungskorps gegen 
Serbien aufstellte? Metternich wusste seinem Kaiser nichts 
Besseres anzuraten. 1 . , 

So wurdo denn im Rat der Krone das Bündnis mit 
Frankreich beschlossen (Anfang Dezember), 2 aber nicht in dem 
von Schwarzenberg gewünschten Umfang. Um 100000 Mann 
zu stellen, wie er beantragte, fühlte man sich militärisch 
und linanziell zu schwach. Und warum überhaupt durch 
eine derart entschiedene Stellungnahme alle Brücken hinter 
sich abbrechen, da doch ein Sieg Russlands, wie unwahr- 
scheinlich immer, nicht ausser den Grenzen der Möglichkeit 
lag? Am Ende genügten auch 30— 40000 Mann, um den , 
versprochenen Lohn aktiven Mitwirkens zu gewinnen, zu- 
mal man ihnen allenfalls durch Verleihung des Oberbefehls 
an den von Napoleon so hoch geschätzten Erzherzog Karl 
einen besonderen Reiz geben konnte,/ 5 und dann blieb man 
in den bescheidenen Grenzen einer blossen Auxiliarmacht 
und durfte als solche den Anspruch erheben, von beiden 
streitenden Teilen als neutral anerkannt zu werden. Also 
Vorteile im Fall französischer Siege, keine Nachteile im 
Fall französischer Niederlagen und dabei die Möglichkeit, 
bei den durch den Krieg erforderten Rüstungen die Armee 
unbeargwöhnt von aussen und weniger behindert im Innern 

1. Vortrag vom 15. Januar 1812. Nachgelassene Papiero 
II, 441. Vgl. auch die Beobachtungen des Grafen Hardenberg 
bei Oncken II, 82 und b7. 

2. Oncken II, 73. 

3. Vgl. Schwarzenbergs Bericht vom 17. Dez. 1811 nach 
Metternichs Auszug. Nachgelassene Papiere II, 442. 



— 28 — 



für künftige Entscheidungen auf einen würdigeren Fuss zu 
bringen. 1 In der That, Metternich hatte Grund, auf dies 
„System mittlerer Nüancen", für das Gentz 2 den Ausdruck 
„aktive Neutralität" fand, stolz zu sein. Es kam nur 
darauf an, es glücklich in die Praxis zu überführen, und 
auch das gelang überraschend gut. 

Napoleon beobachtete freilich gegenüber dem Übereifer 
des oesterrcichischen Botschafters zunächst eine kluge 
Zurückhaltung, 3 schliesslich aber wurde die Allianz doch 
wesentlich nach den Wiener Vorschlägen perfekt gemacht 
(14. März 1812). 4 Sie gab sich in ihren neun öffentlichen 
Artikeln als ein Freund sc hafts- und Garantievertrag, der 
durch die Verbürgung der Integrität der ottomanischen 
.Pforte (Art. <>) : ' den oesterrcichischen, durch die ausdrück- 
liche Anerkennung der freien Schifffahrt der Neutralen und 



1. Ich erwähne das mit Absicht nur mehr nebenbei; denn 
einmal findet sich dieser Gesichtspunkt nicht in den vornehmlich 
massgebenden Vorträgen Metternichs, sondern mir in seinen 
Äusserungen gegen Graf Hardenberg (Oncken II, 82 und 87), 
und dann blieb es jedenfalls bei Velleitäten. Wenn der Minister 
dein gläubigen Hannoveraner versicherte, Oesterreich werde binnen 
Kurzem 120000 Manu in der Nähe des Kriegsschauplatzes ver- 
sammelt haben, so werden wir sehen, dass diese Zahl noch im 
April 1813 nicht erreicht war. 

2. DepecheS inedites aux hospodars de Valachie 1,8 (2 fevrier 
1813). 

3. Vorträge Metternichs 2G. Januar 1812. H. A. 

4. Abgedruckt bei Martens „Nouveau reeueil" I, 427—431. 

5. Damit nahm Napoleon seino ^Anerkennung der russischen 
Besetzung von Moldau und Walachei zurück. Sonst war es damit 
so ernst nicht. Man erwog in Paris und Wien, wenn erst der 
Kusse geschlagen und ein Königreich Polen hergestollt sei, über 
die Türken herzufallen und Oesterreich die Donauprovinzen zu 
erobern. Vgl. Metternichs nachgelassene Papiere II, 443. Aus 
dem Tagebuch Erzherzog Johanns. April 1812. S. 00 f. 



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die neuerliche Verpflichtung auf die Kontinentalsperre 
(Art. 7) den französischen Interessen entgegenkam. Nur 
falls die Staaten eines der Kontrahenten von einer Invasion 
bedroht würden, sollte der andere 24000 Mann zu B^uss 
und 6000 zu Pferd mit 60 Geschützen zu Hilfe senden 
(Art. 3—5). Der wirkliche Zweck des Bündnisses wurde erst 
in den geheimen Artikeln offenbar, die nicht nur an Zahl 
— elf gegen neun — die anderen übertrafen. Hier wurden 
die allgemeinen Sätze des ersten Teils recht willkürlich 
auf den speziellen Fall des französisch-russischen Krieges 
angewandt. Das Hilfskorps sollte gestellt werden, obwohl 
doch Frankreich eine russische „Invasion" nicht zu fürchten 
hatte. Es sollte aus einer Kavallerie- und drei Infanterie- 
divisionen bestehen und nach den unmittelbaren Befehlen 
des Kaisers der Franzosen handeln. Dagegen durfte es 
nicht getrennt, seines Charakters als eorps diatinet et 
separd entkleidet werden. (Art. 4.) 

Was die französischen Gegenleistungen dafür anbetraf, 
so entsprachen sie nicht ganz den Wünschen Metternichs, 
insofern er sich mit Hoffnungen getragen hatte, etwa gleich 
zu Anfang des Feldzugs die Rückgabe mindestens eines 
Teiles der illyrischen Provinzen als Acquisitionsobjekt zu 
erhalten 1 und diese im Vertrag nur als Kompensation für 
einen späteren freiwilligen Austausch Galiziens figurierten. 
Dafür aber liess die ausdrückliche Garantie des polnischen 
Besitzes an Bündigkeit nichts zu fordern übrig, und unter 
dem allgemeinen Versprechen von Entschädigungen und 
Gebietsvergrösserungen weit über das hinaus, was Oester- 



1. Nachgelassene Papiere II, 439. Erzherzog Johann weiss 
Anfang Februar 1812 in seinem Tagebuch (S. 67) zu erzählen, 
man habe nach Paris geschrieben, den Antrag gemacht, Illyrien 
und Tirol (wohl ein Missvcrständnis) zu besetzen, solange der 
Krieg dauere, dadurch dort Ruhe zu erhalten und dann zurück- 
zugeben. Er glaubte sich zu diesem Geschäft ausersehen. 



- 30 - 



reich nach den Lasten und Opfern seiner Mitwirkung be- 
anspruchen könne, die vielmehr ein Denkmal der innigen 
und dauerhaften Verbindung beider Mächte sein würden, 1 
mochten sich die Optimisten am Wiener Hof sehr viel und 
sehr Bestimmtes vorstellen. 

Jedenfalls freute sich Metternich des gelungenen Werkes. 
Das war doch wieder einmal ein Vertrag, ganz auf dem 
Fuss der Gleichheit und Gegenseitigkeit abgeschlossen, der 
selbst den Vergleich mit der Allianz von 1756 nicht zu 
scheuen hatte. 2 Arbeitete man geschickt in dieser Richtung 
fort, so mussten die Beziehungen zu Frankreich noch die 
denkbar besten werden. 

Da war es denn ein arger Strich durch die Rechnung, 
dass der Sieger von Aspern trotz der beredten Bitten des 
Ministers und der Grobheiten des empörten kaiserlichen 
-Bruders standhaft bei der Weigerung blieb, das Kommando 
des Hilfskorps zu übernehmen. 3 Aber vielleicht Hess ein 
umso eifrigeres Entgegenkommen des Hofes Napoleon 
diesen Echec verwinden. Der Kaiser nahm die französische 
Einladung nach Dresden, die ihm ziemlich zugleich mit dem 



1. Art. 7 verheiast des indomnites ct. des aggrandissements de 
territoire qui nun seulemcnt compensent los saerifiees et oharges 
de la Cooperation de Sadito Majoste daus la guerre, mais qui 
soient un monumeiit de l'union intime et durable qui existe entre 
les deux Souverains. 

2. vgl. Metternichs Äusserungen gegen Graf Hardenberg. 
Oncken II, 82. 

3. Aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns S. (K). Nach S. Ol 
äusserte sich Franz einige Tage nach dem Auftritt mit Karl noch 
sehr bitter über sein Verhalten: Der General oder Beamte könne 
sich wohl pensionieren lassen oder quittieren, wenn er nicht 
gehen wolle, allein seine Brüder seien verpflichtet, alles für den 
Staat zu thun; es sei das dritte Mal, dass er (Karl) ihm dies 
thue, das werde er nie verzeihen und er ihn nicht mehr brauchen, 
wenn er es selbst suchte. 



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~ 31 - 



Vertrag zukam (24. März), 1 bereitwilligst an; auch für die 1 
widerstrebende Gattin sagte er ohne ihr Wissen zu. 3 In 
der zweiten Hälfte des Mai fand die verabredete Zusammen- . 
kunft thatsächlich statt. 3 Man verstand sich sehr gut. Der 
Korse war die Liebenswürdigkeit und Rücksicht selbst. Ei 
versicherte neuerdings, dass er den Polen die Erlaubnis 
zur Wiederherstellung ihres Königreiches nur so weit geben 
werde, als das oesterreichische Galizien nicht in Frage 
komme, 4 erklärte sich mit der Beschränkung der oester- 
reicbischen Mitwirkung ganz einverstanden 3 und willigte 
zum sichtbaren Zeichen, dass sein Misstrauon geschwunden 
sei, in die Annullierung des lästigen dritten geheimen 
Artikels des Wiener Friedens, wonach Altfranzosen, Piemon- 
tesen und Venezianer aus k. k. Diensten und Staaten zu 
entfernen waren. ß Nach seiner Abreise zur Armee (28. Mai) 
T>egab sich die französische Kaiserin, gar auf mehrere Wochen 
zum Besuch ihres Vaters nach Prag. Kurz, es war klar 
für alle Welt: zwischen den Höfen , von Paris und Wien 
herrschte volles Einverständnis. ( 

Einverständnis herrschte aber auch, wenn gleich tiel 
im geheimen, zwischen dem oesterreicjiischen Staatslenkei 
und den Gegnern Frankreichs. Metternich versäumte nicht 
das System der aktiven Neutralität auch nach dieser Seite 
auszubauen. Er hatte Sorge getragen, sich im Vertrag von 
jeder Hilfeleistung gegen England und jenseits der Pyre- 
näen ausdrücklich entbinden zu lassen; jetzt hob er diese 
Rücksicht in einem kaiserlichen Handschreiben an den 



1. Vorträge Metternichs 24. März 1812. H.-A. 

2. Aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns S. 59. / 

3. Napoleon traf am 17., Kaiser Franz am 18. in Dresden / 



ein. vgl. Helfert, Marie Luise S. 210. 



4. Vorträge Metternichs 7. Juni 1812. H.-A. 

5. Vorträge Metternichs 22. Juni 1812. H.-A. 
G. Vorträge Metternichs 4. Juni 1812. H.-A. 




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- 32 - 

Prinzregenten gebührend hervor und sprach die Erwartung 
aus, dass man in London daraufhin dem Oesterreich kom- 
promittierenden Insurrektionsplan für Oberitalien und die 
illyrischen Provinzen keine Folge geben werde' (19. April).' 

Schwieriger schien die Regelung der Beziehungen zu 
Russland, indessen kam man ihm von Petersburg her auf 
halbem Wege entgegen. Hier hätte man Uberhaupt seit 
längerem ein besseres Verhältnis zu dem Verbündeten der 
Koalitionskriege gern gesehen, aber wenn auf alle An- 
näherungsversuche bei Kaiser Franz und seinem Minister 
die ständige Antwort gewesen war: erst Friede mit den 
Türken! 2 , so hatte man sich zu diesem Opfer freilich nicht 
entschliessen können. Das Höchste war gewesen, dass man, 
auch kaum im Ernst und jedenfalls nur gegen Galizien, eine 
Teilung der Beute angeboten hatte. 3 Die unklare, ab- 
springende Politik Aloxanders und das Misstrauen des un- 
fähigen Romanzoff hatten das Ihrige gethan, alle Ver- 
handlungen über ein Bündnis von vornherein zu verfahren. 

Jetzt (Anfang 1812) wandte sich der Zar, trotz der 
ewigen Friedensversicherungen von Wien her denn doch 
unruhig geworden, direkt an Kaiser Franz, um ihn unter 
„freundschaftlicher" Erinnerung an alle Übel, die Frankreich 
seinem Land zugefügt habe, zu Erklärungen über seine Ab- 
sichten in der nächsten Zukunft zu veranlassen. 4 Metter- 
nich 5 fand das Verlangen billig und bediente sich seiner 
Gewohnheit gemäss des russischen Gesandten zu einer 
Antwort auf die kaiserliche Frage. Er teilte dem Grafen 

1. Vorträge Metternichs 10. April 1812. H.-A. 

2. Martens III., 75 u. 77. 

3. ebenda S. 78 f. Die Frage, ob der dort angeführte Brief dos 
Zaren vom 8. Februar 1811 abgeschickt worden sei oder nicht, 
die M. selbst aufwirft, ist nach Metternichs Vortrag vom 26. März 
1811 (Nachgelassene Papiere II, 422) zu bejahen. 

4. Martens III, 86. 

5. Vorträge 23. Februar 1812. H.-A. 



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— 33 — 



Staekelberg, der darob aus allen Himmeln fiel, den Allianz- 
vertrag vom 14. März mit und fügte hinzu, dass trotzdem 
die Kabinete von Petersburg und Wien sich im geheimen 
über ihre politischen Ansichten verständigen könnten. Das 
Hilfskorps werde -nur in der Gegend, der Bukowina operieren 
und auf keinen Fall vermehrt werden. 1 

Damit nicht genug, empfing Kaiser Franz persönlich 
den Gesandten (6. Mai). Er sprach sein Bedauern aus 
über die gegenwärtige Lage der Dinge. Nachdem er alles 
gethan, sie zu vermeiden, sei er schliesslich der dira necessitas 
gewichen. Er werde sich auf Erfüllung seiner vertrags- 
mässigen Verpflichtungen beschränken, ohne sich jemals 
als jmrtie prineipah zu betrachten, wofern ihn Russland 
nicht dazu zwänge. Der Zar sollte in der Stunde des 
Friedens an ihm einen thätigen Freund im französischen 
Lager finden, ohne während des Krieges einen wirklichen 
Feind sich gegenüber zu haben.* Zugleich, desavouierte 
er_den unbesonnenen Grafen Neipperg, der als Gesandter ■ 
in Stockholm einem für ihn unverbindlichen,, nicht einmal 
ernst gemeinten Befehl Schwarzenbergs :< gefolgt war und 
den schwedischen Hof zum Krieg gegen Kussland auf- 
gefordert hatte. 

Wie dankbar man an der Newa für diese Versicherungen 
sein mochte, sie genügten doch nicht, alle Zweifel zu zer- 
streuen. Was war die Bestimmung der Truppen, die sich 
in Galizien und Siebenbürgen unter dem Namen eines Re- 
servekorps in nicht unbeträchtlicher Stärke, 30-40000 Mann, 
sammelten? So gab der Zar dem nach Wien zurück- 

1. Marten* III, 87. 

2. que la Russie retrouverait le jour d'un aecoraodement 
un ami actif dans le camp francais sans avoir rencöntre un ennemi 
direct pendant la guerro. Diese Äusserungen wenigstens empfahl 
der Minister für die Audienz „morgen früh". Vorträge 5. Mai 
1812. H. A. 

3. vgl. Fain, Manuscrit de 1812. I, 31. 

3 



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- 34 - 



kehrenden Ritter v. Lebzeltern zwei neue Fragen mit auf 
den Weg. Er wollte wissen, was geschehen werde, wenn 
das Auxiliarkorps in die oesterreichischen Grenzen zurück- 
gedrängt würde, und wünschte die Garantie zu haben, 
dass der Kaiser seine Mitwirkung nicht über ein Korps von 
30000 Mann ausdehnen werde. Metternich umging die erste 
Frage, indem er die ihr zu Grunde liegende Voraussetzung 
dahin erweiterte, dass die französische Hauptarmee sich 
nach Oesterreich flüchte, und für diesen Fall natürlich Russ- 
land das Recht einräumte, von der Neutralität des Kaiser- 
staatcs abzusehen, der dann freilich seinerseits mit ganzer 
Kraft in Aktion treten würde; auf die andere dagegen bat 
er seinen Herrn rund und nett zu antworten, dass das 
zweite galizische und neunte siebenbürgische Korps nur 
zur Verteidigung seiner Provinzen aufgestellt wären. Dar- 
über habe man auch in Dresden gegen Napoleon keinen 
Zweifel gelassen. Übrigens liege die Beschränkung auf die 
30000 Mann des Hilfskorps schon in den Worten des Allianz- 
traktates. Wolle der Zar das durch eine entsprechende 
Gegenerklärung 1 und die Zusicherung unverbrüchlichsten 
Geheimnisses erwidern, so werde er, Franz, sein Wort geben, 
dass seine Truppen gegen Russland nicht vermehrt würden. 2 

Das waren keine leeren Redensarten. Am 20. Juni er- 
gingen Handschreiben an die Kommandierenden in Galizien 
und Siebenbürgen, die Metternich getrost an Stackelberg 
mitteilen konnte, 3 und Fürst Schwarzenberg, nunmehr 
zum Befehlshaber des Auxiliarkorps ernannt, erhielt die 
ausdrückliche Weisung, die bisherigen politischen Verhält- 
nisse zu Russland, insoweit dies mit der WaiTenehrc ver- 



1. nämlich, dass er sich eines Einfalls in oesterroichisehes 
Gebiet enthalten werde. Für Abgabe dieser Erklärung wurde 
eine Frist von sechs Wochen gesetzt. Vgl. Onoken II, 94. 

2. Vorträge Metternichs 22. Juni 1812. H.-A. 

3. Vorträge Metternichs 20. u. 22. Juni 1812. H. A. 



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einbar sei, zu berücksichtigen. 1 Die diplomatischen Be- . 
Ziehungen wurden nur äusserlich abgebrochen. Ein Mitglied 
der russischen Gesandtschaft, Herr v. Ott, durfte in Wien 
bleiben; Stackelberg selbst fand in der schönen Hauptstadt 
der grünen Steiermark ein angenehmes Asyl und empfing 
dort von Zeit zu Zeit die Besuche Lebzelterns und Briefe 
Metternichs, der seine ganze Liebenswürdigkeit aufbot, da- 
mit der Graf sich nach wie vor comme ehcz nous fühle. 

Währenddem drang die französische Armee, von den 
tapfern, aber ungeschickt geführten Gegnern nur wenig aufge- 
halten, mit märchenhafter Schnelligkeit in das Innere de« 
heiligen Russlands vor. Die Tage Alexanders des Grossen 
schienen wiederzukehren. Wer wollte sagen, ob nicht auch der 
neue Weltbezwinger seinen Siegeslauf erst am Ganges hemmen 
werde? Schon auf dem Marsch durch Preussen hatte man 
von dem Zug nach Indien sprechen hören. 2 In dem „letzten 
Kampf der alten Ordnung der Dinge gegen die Umwälzungs- 
pläne Napoleons" Ä konnte der völlige Sieg der letzteren 
nicht länger mehr zweifelhaft sein. 

Das wenigstens war die Meinung in Wien. Hier gab 
man nichts auf die Propheten in der Wüste, die ohne gegen 
die unverzeihlichen Fehler der russischen Heerführung irgend 
blind zu sein, doch, falls nur Alexander fest bliebe, auf die 
unglaubliche Ausdauer der Truppen, den Opfermut des 
Volkes, die grosse Ausdehnung des Reiches, das Klima etc. 
allerlei Hoffnungen auf ein Russland günstiges Endresultat 

1. Radetzky, Biographic S. 114. Von dieser Instruktion bis 
zum „Scheinkrieg," von dem Oncken (II, 94) redet, ist aber doch 
noch ein weiter Schritt; dass der nicht gethan wurde, weist über- 
zeugend nach v. Angeli: Die Teilnahme des k. k. oesterreichischen 
Auxiliarkorps im Feldzug Napoleons I. gegen Russland. Mitth. 
d. k. k. Kriegsarchivs 1884. S. 1 ff. 

2. vgl. A. Pflster: Aus dem Lager des Rheinbundes 1812. 
Preuss. Jahrbucher 82, 440. 

3. So nennt ihn Metternich (Nachgelassene Papiere II, 426). 



- 36 - 



gründeten. 1 Metternich schrieb schon am 81. August an 
Stackelberg, er könne nicht schildern, was in ihm vorginge , 
Europa auf eine Karte setzen und sie so ausspielen , das tiber- 
stiege alles, worauf er gefasst gewesen sei: 3 und als dann 
vollends am 30. September der französische Legations- 
sekretär La Blanche den auf einem Diner beim Grafen 
Ferdinand Palffy in Herrnais versammelten oesterreichischen 
Staatsmännern die seit einigen Tagen erwartete Nachricht 
von Moskaus Fall zugetragen hatte, 3 galt ihm der Unter- 
gang der europäischen Existenz Russlands als besiegelt. 
Auch der Brand der alten Zarenstadt, den man in Berlin 
weit besser zu würdigen verstand, 4 änderte nichts an dieser 
Überzeugung. Noch am 5. Oktober, als er schon davon 
wusste, vermass er sich selbst die Möglichkeit russischer 
Erfolge zu leugnen. , /( f H- 

Aber während e^init ' Überlegener Sicherheit erklärte: 
ich tilge aus meiner Berechnung die thätige Unterstützung 
einer Sache, die keine ist/- bereiteten sich schon die Er- 
eignisse vor, die ihn vor die folgenschwerste Entscheidung 
seines Lebens stellen sollten. 



1. vgl. die Beilago zum Bericht Zichys aus Berlin vom 3. Sept. 
1812 und den Brief Hardenbergs an Metternich 4. Sept. 1812 
bei Oncken I, 371 ff. u. 375 ff. 

2. je ne saurais Vous depeindre, mon eher Comte, ce qui se 
passe en moi. Mettre l'Europe sur une carte et la jouer ainsi surpasse 
sans doute tout ce a quoi nous pouvions nous attendre. H.-A. 

3. Gentz, Tagebücher 1,262. Metternich erwartete die Nachricht 
schon 26. September. Vortrage. H.-A. 

4. Oncken I, 21. 

5. wie alle erwähnten Urteile über Russland: Metternich an 
Hardenberg 5. Okt. 1812. Oncken I, 378 ff. 



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Zweites Kapitel. 



Am Scheideweg. 

Seit Ende Oktober Hessen die Berichte aus Wilna und 
Moskau, einer immer deutlicher als der andere, erkennen, 
dass die Lage der grossen Armee in den Ruinen der feind- 
lichen Hauptstadt, fern von ihren Kommunikationen, gegen- 
über einem national und religiös erregten Volk, endlich im 
Angesicht des Winters nichts weniger als glänzend sei. Im 
französischen Lager selbst sollten die Moskauer Ereignisse 
und der Marsch der Russen auf Kaluga lebhafte Bestürzung 
hervorgerufen haben. 1 Anfang November erfuhr man dann 
den Rückzug. 2 Jetzt gab sogar Metternich gegen Humboldt 3 
die kritische Lage Napoleons zu; und was die nächsten 
sechs Wochen an Nachrichten brachten, entschleierte vollends 
die ganze Furchtbarkeit der Katastrophe. Die Vernichtung 
der. ..französischen Reitcnn, die Auflösung der fast auf ein 
Nichts zusammengeschmolzenen Armee nach den Kämpfen 
an der Beresina, die Flucht Napoleons (12. Dezember) 4 
wurden nach einander in Wien bekannt. 

Der Eindruck war auch hier ein gewaltiger. Das Volk 
war von seinem Enthusiasmus für die französische Heirat 
sehr bald zurückgekommen. Der „Schwiegersohn" hatte die 



1. Floret an Metternich 9. Oktober 1812. Onckcn I, 21. 

2. Oncken II, 97. 

8. Vgl. dessen Bericht vom 18. Nov. 1812 bei Gebhardt S. 118. 
4. Oncken H, 100. 



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— 38 — 

erwarteten Erleichterungen nicht gewährt. Teurung und 
Steuerdruck waren nur noch gewachsen. Man glaubte in 
verschiedenen unliebsamen Verwaltungsmassregeln, z. B. 
der Schöpfung eines Requisitionsfonds im Frühjahr 1812, 
französische Einflüsse zu bemerken, und die allezeit ge- 
\ schäftige Phantasie des Wieners, die noch heute so wunder- 
bare Blüten treibt, knüpfte daran die Legende von geheimen 
Verträgen, durch die sich der Kaiser verpflichtet habe, 
nach und nach die ganze französische Konstitution und 
Staatsverwaltung in Oesterreich einzuführen. 1 Grund genug, 
um den „Sakervolti" und „Antichrist" in allen Tonarten zu 
verwünschen. 2 Das Bündnis vom März war, wie Metternich 
selbst zugestand,' sehr unpopulär. Vielfach glaubte man 
/, \ // den Minister von Paris her bestochen. So war es nur 
natürlich, dass die Erfolge der Küssen mit Jubel begrüsst 
/ wurden. In den meisten Familien trank man weidlich auf 
J i» das Wohl der Sieger, und die Wirte segneten den Namen 
Kutusoffs, der ihnen in den letzten Wochen eine unge- 
wöhnlich reiche Einnahme verschafft hatte. 4 

In den Kreisen der Aristokratie war die Stimmung 
ähnlich. Hier hatte eine grosse Partei die ehebrecherische 
Verbindung mit dem korsischen Parvenü von vornherein 
laut und rücksichtslos getadelt, und die folgenden Ereignisse 
hatten ihre Reihen nur verstärkt. Hochstehende Damen von 
, Schönheit und Geist warben ihr Anhänger, allen voran die 
drei Prinzessinnen von Kurland und die Fürstin Bagration, 
eine Frau ebenso lieblich und sanft von Angesicht 5 wie in- 




1. Bericht Hagers vom 3. Juni 181*2 bei Wertheimer: Wien 



und das Kriegsjahr 1813. S. 380. 

2. ebenda S. 3G5. 

3. An Stackelberg 3. Juli 1812. H.-A. 

4. Bericht Hagers vom 21. Nov. 1812 bei Wertheiiner S. 3G0. 

5. So stellt sie das reizende Aquaroll von Isabey, eben aus 1812, 
dar, das Sommer 180Ö auf der Wiener Kongress-Ausstellung war. 



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- 39 - 

trigant und sittenlos, die, wie man spöttelte,, aus Interesse 
an der Politik drei JJjnistern nach einander angehört hatte, 
und in deren Salons jedenfalls Metternich ein gern und oft 
gesehener Gast war. 1 Diese Küssen und Russophilen er- 
sehnten den Augenblick, wo das unnatürliche Bündnis mit dem 
Usurpator gelöst würde. Sie Hessen es sich angelegen sein, 
die eigene Regierung gegen Prankreich zu kompromittieren, 
indem sie die geheimen Beziehungen zu Petersburg ans Licht 
zerrten. So trug Graf Ferdinand PalfTy Anfang November 
einen Brief, den ihm die als Maitresse des Zaren bekannte 
Fürstin Narischkin geschrieben hatte, acht Tage lang zum 
Ärger Metternichs in der ganzen Stadt herum. 2 „Alle 
Welt ausgenommen einige, die gross an Namen, aber 
klein an Geist und Charakter 44 , wünschte Anschluss an die 
Russen und Krieg mit Napoleon. :< Ein Appell an das Volk 
würde gerade um die Jahreswende jubelnd begrüsst 
worden sein. 

Aber an entscheidender Stelle wehte der Wind 
aus einer ganz andern Richtung. Kaiser Franz war dem 
neuen Verbündeten und Verwandten anfangs gewiss nur sehr 
kühl und zögernd entgegengekommen. Wenn Marie Luise 
den zärtlichen Gatten in den hellsten Farben schilderte, so 
schüttelte er dazu noch im Herbst 1811 nur den Kopf: 
Sie mag sagen, was sie will, ich kann den Kerl doch 
nicht leiden, 4 und auch jetzt gönnte er ihm die jüngste 
Lektion von Herzen. Man kolportierte kaum mit Unrecht I 
in der Hauptstadt die Äusserung: Nun mag mein Schwieger- 
sohn auch erfahren, dass in der Welt nicht alles so geht, 



1. Gentz, Tagebücher I, inultis locis. Vandal: Napoleon et 
Alexandre I. v. III, 18. 

2. Metternich an Stikelborg 13. Nov. 1812. H.-A. i 

3. Rückschauende» Urteil eines Zeitgenossen über die ^ 
Stimmung des letzten Winters 17. Juli 1813. Wertheimer S. 3G9. 

4. Graf Hardenberg an Münster 16. Sept. 1811. Oncken 11,66. 



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wie man es sich in den Kopf setzt. 1 Indessen hatte der 
Imperator im letzten Mai doch nicht umsonst den ganzen 
Zauber seiner hinreissenden Persönlichkeit aufgeboten. Als 
der Erzherzog Johann Anfang Juni den Bruder sprach, fand 
er ihn ganz von Napoleon eingenommen. Einmal über das 
andere murmelte er zwischen den Zähnen: er ist doch ein 
ganzer Kerl. Und überhaupt hatte das Ereignis von 1810 
nicht ohne Einwirkung auf sein Verhältnis zu Paris bleiben 
können. So kalt war sein Herz nicht, dass es nicht gebangt 
hätte, das Glück der geliebten Tochter zu zerstören, 2 und 
schon seinem Stolz musste der Gedanke widerwärtig sein, 
den Enkel dereinst vielleicht des Thrones beraubt zu sehen. 
Auch ohne das hätte ihn seine natürliche, durch sovicle böse 
Erfahrungen noch vermehrte Furchtsamkeit zum Gegner 
eines raschen Bruches mit Frankreich gemacht; mahnte 
doch selbst die Kaiserin, von der sich Napoleon begreiflicher- 
weise eines so ganz andern versah, davon ab. 

Eine durch unaufhörliches Kranken nervös überreizte}, 
aber geistvolle und hochsinnige Fürstin von grosser An- 



1. Bericht Hagers vom 21. Nov. 1812. Wertheimer S. 360. 

2. Umgekehrt Häusser, Deutsche Geschichte IV, 191: „Die 
junge Verwandtschaft mit dein Imperator und das Verhältnis zur 
Tochter übte dabei kaum wesentlichen Einfluss; die den Kaiser 
näher kannten, waren nie darüber im Zweifel, dass seine kalte 
Seele weichen und liebevollen Empfindungen unzugänglich sei." 
Dagegen spricht vor allem das Zeugnis Stadions, der Franz doch 
auch „näher kannte. 14 Er schliesst schon im Winter ein (undatiertes) 
Memoire mit den Worten: „je n'ai pas voulu y parier des 
relations personnelles de S. M. et des sentiments paternels qu'Elle 
ne cessera certainement jamais de vouer a son auguste fille et a son 
petit fils" und noch am 2. Juni 1813 erblickt er einen Hauptgrund 
des oesterreichischen Zögerns „dans le coeur de l'Empereur/' Auch 
aus Helferts „Marie Luise" gewinnt man den Eindruck, dass 
das Verhältnis zwischen Vater und Tochter ein sehr herzliches war. 



mut und Liebenswürdigkeit, war Maria Ludovica d'Este 1 
1809 bis zum letzten Augenblick gegen den Frieden ge- 
wesen und hatte sich dadurch den Zorn desselben Gentz 
zugezogen, der ein halbes Jahr später sie allein für fähig 
erklärte, in den heillosen Zuständen des Vaterlandes Wandel 
zu schaffen. Auch die Heirat der Stieftochter hatte sie nicht 
gern gesehen. Jetzt, obwohl in ihrem Hass gegen den 
Thronräuber unerschüttert und von seinem endlichen Sturz 
innig überzeugt, riet sie wiederholt, sich independent zu 
stellen und zuzusehen, wie die Massen sich gegenseitig 
aufrieben. a 

Die Ansichten des leitenden Ministers stimmten im all- 
gemeinen mit den am Hof wirksamen Tendenzen Uberein. 
Ihm erregte die grosse Wendung des russischen Feldzugs 
die wechselndsten Gefühle. Bald erklärte er, sowenig er 
sonst klar sehe, doch dessen gewiss zu sein, dass bei 
richtigem Vorgehen in keinem Fall Schlechtes daraus er- 
wachsen könne, 3 und dann wieder stimmte er gegen Stackel- 
berg in den Stossseufzer Schwarzenbergs ein: que la chute 
(Vun grand komme est lourde! „Dieses Wort ist so tief, 
dass alle Entwürfe der armen Mittelmächte sich darauf 
richten müssen, nicht zermalmt zu werden . . . Teilen Sie 
mit mir die Überzeugung, dass es Umstände geben kann, 
wo es für einen Menschen ein grosses Unglück ist, an einem 
Platz wie dem meinigen zu stehen. Aber wie er selbst 

1. Vgl. Wertheimer: Die drei ersten Frauen des Kaisers 
Franz. S. 77 — 133. Guglia: Kaiserin Maria Ludovica. 

2. Wertheimer 8. 113. 

3. An Stackelberg 18. Dezember 1812. H.-A.: J'y vois un peu 
plus clair maintenant, sans toutefois me rendre eompte encore de 
ce qui arrivera de tout cela; dans aueun cas du raauvais, si on 
s'y prend bien, et c'est a cela que je voue tous mes soins. 

4. An Stackelberg 5. Januar 1813. H.-A. Ce mot est si 
profond que tous les calculs de l'Autriche et, des pauvres inter- 
mediaires doivent se diriger de maniere ä ne pas en etre ecra- 



- 42 - 



hier hinzufügte: „obwohl die Aussichten sehr schön sind," so 
überwog doch am Ende immer die Zuversicht, und in der 
That hätte er sich keinen besseren Ausgang des Weltkrieges 
wünschen können. 1 Grosse Erfolge der einen oder der 
andern Macht ohne Erschöpfung ihrer Streitmittel hätten 
Oesterreichs Lage nur noch peinlicher gemacht. Stattdessen 
fand es sich stark durch die Schwächung jener „beiden 
grössten Kolosse der älteren und neueren Geschichte", deren 
Andrang aufzuhalten der Minister, „der inneren Lebens- 
kräfte des Staates beraubt", vordem oft hatte verzweifeln 
wollen. ' J Noch am 5. Oktober war all sein Dichten und 
Trachten nur dahin gegangen, aus dem gewaltigen Hingen 
wenigstens den bisher bewahrten Schatten von Unabhängig- 
keit in bessere Zeiten hinüberzuretten, wo man dann dereinst 
vielleicht auch die wirkliche Unabhängigkeit zurückge- 
winnen könnte, „die für den Staat das ist, was die Gesund- 
heit für den Einzelnen." Jetzt waren diese besseren Zeiten 
mit einem Schlage da und mit ihnen vor Mit- und Nachwelt 
die Pflicht sie auszunutzen. Metternich verkannte das nicht, 
aber über das Wie hatte er seine eigenen Gedanken. 

Schon Anfang November war von aussen die Frage an 
ihn herangetreten, ob er, mit Preussen vereint, das Bündnis 
mit Frankreich brechen und der grossen Armee in den 
Kücken fallen sollte. Um diese Zeit tauchte ein Herr von 
Butjakin mit geheimen Aufträgen des Petersburger Hofes 
in Wien auf und meldete sich an den galizisehcn Vorposten 
der ehemalige oesterreichische Offizier v. Maurer, der als 

sees . . . Adieu, partagez avee taoi la convietion qu'il peut y 
avoir des circonstances oü il est tres inalhoureux pour un indi- 
vidu de se trouver a uu poste tel que le uiien, quoique los 
chances soient trös belles. 

1. Vgl. für das Folgende Metternich an Floret 3. Januar 1813. 
Oncken I, 80f. U.Metternich an Hardenberg 5. Oktober 181'2. Oncken 
I, 378 ff. 

2. Vorträge 15. Juli 1812. H.-A. 



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- 43 _ 



„Deserteur" nicht Uber die Grenze gelassen, in einem 
Schreiben an den Feldzeugmeister Prinzen Keuss, Kom- 
mandanten des Reservekorps, sicli für den Träger einer 
kaiserlichen Botschaft ausgab. 1 Gegen Ende des Monats 
aber Uberbrachte der russische Kamnierjunker v. Petersen 
in einer zehn Schub langen Kiste die erbeutete Standarte 
des Regimentes Oreilly, begleitet von einem Brief Roman- 
zoffs, 2 und wiederum nach drei Wochen stellte sich der sym- 
pathische junge Lord Walpole bei Metternich vor, der Form 
nach durch Lord Cathcart. also den englischen Gesandten 
in Petersburg, empfohlen, in Wirklichkeit nach eigenem Ge- 
ständnis ein russischer Sendbote. 3 Ja, nicht genug mit 
solchen vereinzelten Schritten, hätte der Zar gern einen ge- 
regelten diplomatischen Geheimverkehr mit der Hofburg. in 
die Wege geleitet. Es gab in der Wfener Gesellschaft eine 
Persönlichkeit, die sich vortrefflich dafür eignete. Bis 1808 
russischer Botschafter am Kaiserhofe, hatte Graf Andreas 
Cyrill Razumoffsky 4 wesentliche Vorrechte der Exterri- 



1. Metternich an Stackelberg 10. Nov., 13. Nov. 1812. H.-A. 

2. Vortrage Metternichs 29. Nov. 1812. H.-A. 

3. Metternich an Stackelberg 5. Januar 1813: II y a pres 
de trois semaiues quo se trouve ici Milord Walpolo. Gent« er- 
fuhr die Ankunft des Engländers 17. Dezember (Tagebücher I, 
263). Instruktion und Empfehlungsschreiben bei Oncken: Vom 
Vorabend des Befreiungskrieges (Histor. Taschenbuch G. Folge, 
12. Jahrg. S. 7 — 11). Danach sollte W. in erster Linie Oester- 
reich zu bestimmen suchen, dass es die Gelegenheit ergreife, um 
seine politische Verbindung mit Frankreich aufzuheben durch 
Frieden und Bündnis mit Russland und durch Aufgebot aller 
seiner Streitkräfte. Dafür wurde über die alten Grenzen hinaus 
eine Gebietsausdehnung besonders nach der Seite Italiens hin 
in Aussicht gestellt. Über den Verlauf der Sendung enthält der 
Onckenscho Aufsatz, der dann bald ausschliesslich zu Boyen 
übergeht, nichts. 

4. Vgl. Vandal, Napoleon et Alexandre I. v. III, 17. 202. 



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- 44 — 



torialität in ein glänzendes Privatleben hinübergerettet. 1 
Bei Hof und Adel gern gesehen, auch beim Volk beliebt, 
hauste er wie ein kleiner König in seinem Palais an der 
Landstrasse, das er durch eine Holzbrücke mit dem Prater 
verbinden liess. 2 Im Frühjahr hatte er zu den wenigen 
Russen gehört, die man nicht nach den böhmischen Bädern, 
dem Rendezvous aller Gegner Napoleons, abschob, 3 jetzt im 
November begann er erst ganz formlos, dann durch" einen 
Brief Nesselrodes ausdrucklich dazu ermächtigt, mit Metter- 
nich von Geschäften zu sprechen, auf eine Annäherung der 
beiden Kaiserhöfc des Ostens hinzuarbeiten. 4 

Die Wirkung alles dessen auf den Minister war nicht 
die gewünschte. Zwar es befriedigte ihn, sich von Russland 
derart nicht nur geschont, sondern sogar umworben zu 
sehen, und er triumphierte: Solange eine Macht Schmeichler 
und Neider hat, ist sie ihrem Untergang nicht nahe. 5 Aber 
sonst machten ihm die russischen Anträge wenig Freude. 
Schon ihre Form stiess ihn zurück. Er beklagte sich über 
das Übermass von Indiskretion, mit dem man von Peters- 
burg aus die delikaten Beziehungen zwischen den beiden 
Kaiserhöfen behandele." Überall witterte er die Absicht, 
ihn zu kompromittieren. Selbst die hier und da beliebte Frei- 
lassung oesterreichischer Gefangener auf Ehrenwort erregte 
seinen Zorn, 7 und jene ritterlich zurückgestellte Fahne riet 
er, um Aufseilen zu vermeiden, nicht an die Militärbehörden 

1. Nämlich Freiheit vom Liniengeld, von Klassen- und 
Personalsteuor, ja eignen Gerichtsstand ffir sich und seine zahl- 
reiche Dienerschaft. Vorträge Metternichs 10. März 1810. H.-A. 

2. An der Stelle der heutigen Sophienbrücke. Die Strasse, 
die auf sie zuführt, trägt seinen Namen. 

3. Vorträge Metternichs 19. Juni 1812. H.-A. 

4. Metternich an Stackelberg 13., 23. November 1812. H.-A. 

5. Vorträge 20. November 1812. H.-A. 

G. An Stackelberg 13. November 1812. H.-A. 
7. Vorträge 5. November 1812. H.-A. 



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- 45 - 

abzugeben, sondern vor der Hand in der Hof- und 
Staatskanzlei liegen zu lassen. 1 Er wollte nicht, dass ein 
durch soviel Schwierigkeiten so geschickt geführtes Werk 
wie das System der aktiven Neutralität noch im Hafen 
scheitere. Das Auftreten Butjakins gab Anlass zu den 
gereiztesten Vorstellungen gegen den persönlich anerkannt 
unschuldigen Stackelberg. Der Russe hatte zuviel Pro- 
klamationen, Pamphlete, Privatbriefe an alle Welt mit sich 
gebracht, als dass nicht seine Ankunft in vierundzwanzig 
Stunden Stadtgespräch gewesen wäre. So erklärte sich 
denn Metternich kategorisch ausser Stande, in Zukunft ähn- 
liche Sendlinge zu empfangen: nicht ich bin zu .tadeln, 
wenn ich keinen Menschen mehr über die Grenze lasse. 2 
Er drohte wiederholt, wenn man in dieser Art fortführe, 
sich auch seinerseits nicht mehr an die Verabredungen des 
Juni binden zu wollen, und stellte v. Ott, der die Briefe 
verteilt hatte, und dessen Benehmen er überhaupt unter 
aller Kritik fand, ziemlich unverblümt Ausweisung in Aus- 
sicht. 3 Kaiser Franz aber, durch einen aller Etiquette ent- 
gegen direkt an ihn gerichteten Brief Crossards, des in 
russische Dienste übergetretenen französischen Legitimisten, 
noch besonders verstimmt, Hess durch den Mund seines 
Ministers nach Petersburg hin seine Unzufriedenheit über 
ein Vorgehen ausdrücken „gleich sehr entgegen den frü- 
heren Festsetzungen wie den Rücksichten, die eine Macht 
der andern schuldet." Er erwarte, dass die Umtriebe mit 
ihrer blossen Aufdeckung gegen den Zaren ein Ende finden 
würden; denn er sei weit entfernt, auch nur die Möglich- 
keit zuzugeben, dass S. Kaiserliche Majestät davon untcr- 



1. Vorträge 29. November 1812. H.-A. 

2. Wie das Vorausgehende in dem Brief an Stackelberg 
vom 10. November 1812. H.-A. 

3. Metternich an Stackelberg 13., 23. November 1812. H.-A. 



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- 46 — 



richtet wären. 1 Auch Walpole fand, obwohl die Ereignisse 
seit Mitte November doch wesentlich vorgeschritten waren, 
keine freundlichere Aufnahme. Metternich spöttelte über 
den kleinen diplomatischen Jockey, der sich seinerseits von 
seinen Herrn Landsleuten von der Opposition durchgeprügelt 
(fesse) fände, und sprach missmutig von „Wesen so zwei- 
deutiger Gattung". Jedenfalls ging er nicht in die „Falle". 
Es war schon viel, dass er dem Lord verstattetc einige 
Wochen in Wien zu bleiben; im übrigen erklärte er ihm 
gleich anfangs rund heraus, er habe ihm nichts zu sagen, 
und willigte vierzehn Tage später, nachdem der Engländer 
sich inzwischen scheinbar sehr diskret benommen hatte, 
nur unter der Bedingung in die Abscndung eines Kuriers, 
dass Walpole jene abweisende Antwort nicht verschweige, 
„ohne sie doch mit dem Anspruch zu verwechseln, dass 



1. Metternich an Stackelberg 13. November 1812: L'empereur 
m'ordonnc en oonsequenee de vous inviter, Mr. le Comto, a 
transmettre directenicut a l'empereur Votre maitre la peine qu'il 
ressent d'une marehe aussi contraire aux stipulation« qui ont eu 
lieu entre nous au inois de juin qu' aux egards qu' uue puissanee 
doit ä une autre. S. M. J. desire que Vous ajoutiez qu'EUe 
s'attend a ce que des menees, qui ne peuvent que oompromettre 
les rapports qui existent entre les deux cours, trouveront leur flu 
par la deeouverte qua nous croyons faire a S. M. J. do toutes 
los Russies de leur existence, l'empereur Francis etant loin 
d'admettre meme la possibilite que S. M. J. en soit instruite et 
ne supposant pas que Ton cherche a forcer l'Autricho a regarder 
comme annulles les susdits arrangements. ... S. M. J. desire 
egaleraent. que Vous invitiez Kutusoflf a deTendre a Mr. de 
Crossard de continuer l'indeeente correspondance qu'il a ose ouvrir 
avee TEmpereur qui n'est point habitue a en avoir avec des 
offlciers etrangers. S. M. J. a ordonne qu'on renvnyat toutes ses 
lettres. 



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- 47 - 



Oesterreich sich Uberhaupt Eröffnungen versage". 1 Das 
Gleiche liess er durch Razumoffsky nach Petersburg 
schreiben. i 

Es war klar: ein Abfall zu Russlaml lag fürs erste 7 
jßntfcrnt nicht in seiner Absicht. Dazu hätte er vor allem \ 
die Gewissheit russischer Erfolge haben müssen, und die 
Geschichte des letzten Jahres schien die nicht zu verbürgen. 
Russland hatte Fehler auf Fehler gehäuft, auch nicht ein 
militärisches Talent auf die Bühne gestellt. 2 Über den 
„usurpierten" Ruhm Kutusoffs zuckten die Diplomaten der 
Hofburg die Achsel; und um nur das zu erwähnen, was 
sie am nächsten anging, wie elend hatte Tschitschagoff 
gegen Schwarzenberg manövriert; statt seine Übermacht 
auszunutzen, hatte er dem Oesterreicher Zeit gelassen 
Verstärkungen heranzuziehen, die ganze Expedition hatte 
ihres Zweckes verfehlt, die Donauarmee wäre schliesslich 
nützlicher gewesen, wenn man sie von vornherein mit dem 
Hauptheer vereinigt hätte. 8 Im allgemeinen hatten die Russen 
gesiegt, dadurch, dass sie sich nicht schlugen; 4 würden 
sie es auch thun, wenn es nun wirklich zum Schlagen kam, 
wenn nicht mehr die Elemente das Beste leisteten? Ja, 
würden sie überhaupt noch energisch vordringen, sobald sie 
sicher wären, einen Teil der feindlichen Macht durch einen 
gefälligen Bundesgenossen abgezogen zu sehen? Man glaubte 
in Wien den glücklichen Ausgang des bisherigen Kampfes 
ganz wesentlich in seiner Natur als rein russisches Unter- 
nehmen begründet. Mit den Koalitionskriegen hatte man 

1. sans cepewlant le confondre avec la pretention que 1' Au triebe 
se refusait a dos explications; vgl. den Brief an Staekelberg vom 
5. Januar 1813, dem das Vorstehende überhaupt entnommen ist. 
Einige Züge giebt auch der vom 10. Januar. 

2. Weisungen für Bubna. 20. Dez. Iöl2. Oncken I, 390. 

3. loh gebe das Urteil Metternichs (an Stackelberg 29. Okt. 
1812. H.-A.) 

4. Weisungen für Floret 9. Dezember 1812. Oncken I, 582. 



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- 48 - 

zu schlechte Erfahrungen gemacht, 1 und dahei war man zu 
ihrer Zeit in der Verfassung gewesen, allenfalls allein einem 
feindlichen Ansturm Trotz zu bieten, während man sich 
jetzt militärisch und finanziell gelähmt sah. Gewiss auch 
Napoleon hatte ungeheure Verluste; erlitten; aber „die Hilfs- 

^ mittel des Genius sind wunderbar V selbst Stadion hielt für 
unzweifelhaft, dass der Imperator bis zum Frühjahr ein 
neues furchtbares Heer zusammenbringen werde/' Jeden- 
falls würde ein Vernichtungskampf gegen ihn unter mehreren 
Jahren nicht durchzuführen sein, und wo dann die Mittel 
hernehmen, solange ein Mann wie Graf Wallis das Ohr 
des sparsamen und friedliebenden Monarchen besass? 4 

Bei dem allen war es nun vollends sehr zweifelhaft, ob 

. grosse Siege Russlands über Frankreich überhaupt im wohl- 
verstandenen Interesse der Hofburg lagen. Zu Napoleon 
war man doch in den letzten drei Jahren in ein ganz an- 
nehmbares Verhältnis gekommen. Er bezeigte dem kaiser- 
liehen Schwiegervater Rücksichten, er behandelte den 
oesterrcichischen Gesandten mit Auszeichnung, Metternich 
persönlich durfte mit Vergnügen an seinen letzten Pariser 
Aufenthalt zurückdenken. Das Bündnis mit Frankreich war 
kein Novum, es hatte seit 1756 Jahrzehnte lang bestanden, 
es war auch, zumal jetzt, nicht unnatürlich. Seit Oesterreich 



1. Weisungen für Neipporg 25. Dezember 1812. Si la guerre 
actuolle a eu un resultat tres-different des guerres precedentes, 
ce resultat n'est dü qu'a la eirconstanco particuliere iju'ullc est 
entierement russe et non pas une de ces guerres de coalitiou 
daus lesquelles l'Autriche ou la Prusse et rAllemagnc entiere 
fournissaient les moyens de subsistance aux arm£es francaises 
et ou les premieres de ces puissances offraient 1'appAt du butin 
et des indemnites aux Confederes de la France. H.-A. 

2. Weisungen für Florct 9. Dez. 1812. Oncken I, 382. 

3. Undatiertes Memoire aus dem Anfang 1813. H.-A. 

4. So «äusserte sich Metternich gegen Graf Hardenberg (an 
Münster 9. Nov. 1812. Oncken II, 9(>). 



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- 49 - 

auf seine deutsche Rolle verzichtet, hatte es keine direkten 
Streitpunkte mehr mit einem Land, dessen eigentliches Gebiet 
nirgends seine Grenzen berührte. Die allerdings unbequeme 
v_Ausdehnung der napoleonischen Macht.sphäre aber war am 
i-^V Ende nichts Dauerndes. Hatte nicht der Imperator selbst < ! 
" 1809 in Schönbrunn zu Bubna gesagt: Tout cela peut durer, 

^ taut (juc feoriste. La France ne peut pas faire la yuerre 
- au-delu du Rhin. Bonaparte Va pu; mais avec moi tout 



est fini't 1 



•■■> 



Russland gegenüber entfiel dieser Trost. Seine Über- 
v legenheit beruht»; auf den Verhältnissen, nicht auf der Person 
des Herrschers, 2 und dazu war sie auch an sich weit lästiger. 
Hier erhoben sich auf Schritt und Tritt Interessengegen- 
sätze. War die orientalische Gefaju^ durch Rückgabe der 
^ DonaufUrstenHhncrini Frieden von Bukarest für den Augen- 
blick beseitigt, so musste man dafür umsomehr in Polen 
russische Eroberungsgelüste fürchten: , Napoleon hatte Ga- 
TTzien garantiert, der siegreiche Zar konnte es in die Tasche 
stecken. Hinzu kam, dass das ganze Auftreten «lieser Halb- 
harbaren in Wien höchst unsympathisch war. Man hatte 
sich seit 1807 in eine wahre Verachtung der „stets ein- 
seitigen, unberechenbaren, bald hohen, bald niedrigen, stets 

1. Gentz, Tagebücher I, 108. Ähnliche Erwägungen waren 
in Wiener Kreisen schon nach dem Pressburger Frieden hervor- 
getreten. Lebensbilder aus dem Befreiungskriege I, 349. 

2. Napoleon unterliess nicht dtis gelegentlich hervorzuheben. 
So sagte er am 1. März 1813, wieder zu Bubna: Wenn ich 
nicht mehr sein werde, wird Frankreich für Deutschland nie 
mehr geführlieh werden, wohl aber die russische Nation. Sehen 
Sie doch, was Russland jetzt schon unter einer so schwachen 
Regierung macht. Kaiser Alexander ist der schwächste unter den 

Jtfonarchen. Was wird nicht diese Nation erst machen, wenn sie 
einmal einen starken Mann an ihrer Spitze hat? Vgl. Oiste: Der 
Beitritt Oesterreichs zur Koalition im Jahre 1813. Mitth. d. k. k. 
'"TTriegsarchivs 1894. S. 23« f. 



/ 



V 



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— DO — 

eigenmächtigen" 1 russischen Politik hineingeredet, Wenn 
(Jentz 1808 gewünscht hatte: Möge Deutschland aus seinen 
Ruinen wieder emporsteigen, ohne dass Russland eine Hand 
daran lege, 2 so darf man diesen Wunsch auch 1812 und 
1813 noch bei vielen seihst patriotisch begeisterten Männern, 
wie vielmehr erst bei Metternich und seinem Herrn voraus- 
setzen. Es fehlt« in Petersburg doch offenbar an Mass und guter 
Sitte. Während Napoleon sich mehr und mehr zu erfreulich 
/ konservativen Regierungsgrundsätzen bekannte," umgab sich 
Alexander mit revolutionären Köpfen aus aller Herren 
Ländern. Kaiser Franz fragte ärgerlich, welch Vertrauen 
man auf die Rüekkehr einer Regierung zu ewig wahren 
Ideen haben solle, wenn man Stein das Kabinet und Crossard 
die Armee beeinflussen sehe. 4 Äusserstcn Falls hätte man 
noch lieber eine Oberherrschaft Frankreichs als die Russlands 
ertragen. 5 

Darum aber war man doch noch nicht gewillt, etwas Ener- 
gisches gegen die Sieger von 1812 zu thun. In denselben 
Tagen, als Metternich Walpole zum eisten Mal abwies, er- 
klärte, er nach Paris: jede tliätigcre Mitwirkung unserer- 
. seits würde unmöglich sein.* Es wäre Wahnsinn gewesen, 
^ sich ohne zwingende Not den Russen entgegenzuwerfen, 

während die französische Armee auf ein Nichts zusammen- 


1. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren II, 430. 

2. Gentz: Aus dem Nacblass II, 127. 

3. z. B. während der Dresdener Zusammenkunft, vgl. Metter- 
nichs nachgelassene Papiere I, 123 f. 

4. quelle confiance veut-on que nous ayons dans le retour 
d'un gouvernement a des idees eterttelleineni vraies, quand nous 
voyons Stein influeneor le cabinet et Crossard l'armee. Das teilt 
Metternich als Äusserung des Kaisers Stackelberg mit (13. Nov. 
1812. H. A.). 

5. Beobachtung Wilhelms v. Humboldt aus dem November 
1812. Gebhardt S. 117. 

G. Weisungen für Bubna 20. Dez. 1812. Oncken I, 392. 



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— 61 — 

geschmolzen war, eine neue vor Monaten nicht heran sein 
konnte. Schon die Stimmung des Volkes verbot es. 

Es mochte, vielmehr wirklich am geratensten erscheinen, 
dem Wunsch der Kaiserin zu folgen und sich independent 
zu_stclien. 1 Schade nur, dsuss sich das leichter sagen als i 
ausführen Hess. Man war doch einmal mit Prankreich ver- 
bündet und hatte ein Hilfskorps, die Hälfte der mobilen 
Armee, gegen Russland im Pelde. Zog man es offen zurück, 
sagte man ohne weiteres die Allianz auf, so stand man 
gleich nicht mehr independent da, sondern musste beim 
Zaren vor dem unvermeidlichen Zorn Napoleons Schutz 
suchen. 

Es erwuchs also die Notwendigkeit, das, was auf ein- 
mal unmöglich war, auf dem sicheren Weg geschickter 
Unterhandlung zu erreichen, und auf solche Unterhandlung 
sah sich Metternich noch von einem ganz anderen Aus- 
gangspunkt hingeführt, 

Seiner Politik war von Anfang an eine Tendenz zu 
gunsten des Friedens eigen gewesen, die, in seinem Cha- 
rakter begründet, durch den kampfunfähigen Zustand des 
Staates verstärkt worden war. Er hatte gethan, was er 
konnte, um in Paris und Petersburg vom Krieg abzu- 
mahnen. Obwohl im Grunde von dessen Unvenneidlichkeit 
Uberzeugt, hatte er bis zuletzt jeden Hoffnungsanker wie 
die beabsichtigte Sendung Nesselrodes' 2 zu Napoleon und die 
Mission Narbonnes 3 begierig ergriffen. Noch in Dresden 
war einen Augenblick davon die Rede gewesen, dass der 
oesterreichische Monarch sich in Gesellschaft Napoleons zur 
Armee begebe, um persönlich in zwölfter Stunde eine Aus- 



1. Vgl. oben S. 41. 

2. Vortrüge 23. Februar 1812. H.-A: Die Mission des Grafen 
Nesselrode nach Paris, der letzte, obgleich schwache Anker einer 
möglichen Hoffnung zur Ausgleichung, findet, nicht mehr statt. 

3. Vortrüge 10. Mai 1812. H.-A. 

4* 



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- 52 - 



söhnung der beiden Kaiser zu bewirken. 1 1810 vor seiner 
Pariser Reise hatte Metternich sogar eine Mitwirkung zum 
Seefrieden ins Auge gefasst, allerdings gleich mit dem resi- 
gnierten Zusatz: leider getraue ich mich nicht diesen Wunsch 
zur Hoffnung aufkommen zu lassen. 2 Durch den that- 
sächlichen Ausbruch des Weltkrieges waren seine Friedens- 
pläne nur verschoben, nicht ertötet worden. Kaum schien 
die Entscheidung für Frankreich da zu sein, als er wieder 
mit ihnen ans Licht trat (5. Oktober). „Die ungeheuren 
Ereignisse in Spanien, tfie"lu7heiTvolle Lage Russlands, die 
Erschöpfung der Kontinentalmächte und das allgemein, auch 
in England tief empfundene Bedürfnis nach Ruhe" galten 
ihm als hinreichende Operationsbasis. Er erinnerte sich, 
dass Napoleon im Mai einen oesterreichischen Schritt in 
London gewünscht hatte; damals hatte er ihn abgelehnt, 
weil er ihm nicht den Charakter hatte geben dürfen, der 

1 allein Oesterreich ziemte. Wie wenn er jetzt selbständig 
und doch durch die Dresdener Anregung gegen Napoleon 
gedeckt darauf zurückkäme? Eine ähnliche Eröffnung gegen 
Frankreich sollte folgen; und an Stackelberg hatte er sich 
schon zwei Tage, bevor er dem preussischen Staatskauzlcr 
diesen Plan entwickelte, 11 mit der Frage gewandt, ob es 
nicht ein Mittel gebe, ein Ende zu machen: es sei schwerer 
Fehler zu verbessern als keine zu begehen. Gewiss zeigten 
sich viel Schwierigkeiten, aber würden sie im Frühjahr 

I geringer sein? 4 Anfang November, als bereits das Miss- 
liche in der Lage der grossen Armee einzuleuchten begann, 
gewannen diese etwas luftigen Entwürfe festere Gestalt. 



1. Über diesen sehr merkwürdigen Plan, hinter dem sich 
wahrscheinlich auch eine Intriguc gegen Erzherzog Joseph verbarg, 
, siehe Krones: Aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns S. 62 f. 
( , 2. Vorträge 14. März 1810. H.-A. 

i ■ 3. Metternich an Hardenberg 5. Okt. 1812. Oncken I, 378ff. 

4. Metternich an Stackelberg 3. Oktober 1812. H.-A. 



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53 - / 



Der Botschaftsrat v. Floret. der als Mitglied der Pariser 
Gesandtsrhaft dem Herzog von ßassano nach Wilna 
gefolgt war, erhielt den Auftrag, 1 dem französischen 
Minister als politischen Traum zu eröffnen, dass jetzt 
der Augenblick gekommen sei, vom allgemeinen Frieden 
zu reden. Wenige Tag«' später fand der „freiwillige und 
unmittelbar oesterreichische" Schritt in England, der hier 
offiziell angekündigt wurde, thatsächlich statt. Metternich 
übergab dem j.Jrafen Hardenberg, der ohne öffentlichen 
Charakter die Interessen Englands und Hannovers mit Eifer 
und Erfolg in Wien vertrat, eine Verbalnote, die in dem 
später stereotyp werdenden Ton von der zentralen Lage, 
der Freiheit von Selbsttäuschung und der Unparteilichkeit 
Oesterreichs sprach und unter Komplimenten für den er- 
leuchteten Fürsten an der Spitze des Inselreiches die Frage 
unterbreitete, __ob nicht der allgemeine Friede in dieser 
Lage der Dinge vielleicht eher zu erhoffen sei, als in jeder 
andern. 3 Ähnliche Mitteilungen dürften durch Butjakin 
nach Petersburg gelangt sein. 

Mochten diese Anträge sich in ihrer Schüchternheit, ja 
Demut von vornherein durch die Ereignisse Uberholt tinden, 
sie gaben doch den Grund ab, auf dem man fortbauen 
musste auch jetzt, wo Oesterreichs Lage sich im Lauf der 
politischen Entwicklung von Tag zu Tag günstiger ge- 
staltete. Liess sich denn ein besserer Gebrauch des Ein- 
tlusses, der dem Staat über Nacht zugefallen war, erdenken, 
als indem man der Menschheit den Frieden zu geben suchte, 
„dies grosse und einzige Heilmittel für alle Übel, die uns 
heute niederdrücken, diese Wohlthat als solche erkannt von 
allen verständigen und aufgeklärten Geistern, und zu deren 
Genuss selbst die, die heute noch blinde Leidenschaften, 
chimärische Hoffnungen oder Befürchtungen im entgegen- 



1 



1. 4. November 1812. vgl. Onckon I, 30. 

2. 9. November 1812. Oneken I, 30 f. und II, 95. 



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- 51 - 



gesetzten Sinn fortreissen, sich bald beglückwünschen 
würden' 4 ? 1 Metternich gestand, nur nocli von diesem hei- 
ligen Unternehmen zu träumen. - 

Freilich die Aussichten waren nicht glänzend: darüber 
gab sich selbst sein Optimismus keiner Täuschung hin.* 
Es Hess sich nicht erwarten, dass das Glück der russischen 
Waffen, verbunden mit den eignen Erfolgen in Spanien, die 
Stimmung jenseits des Kanals in friedlichem Sinne becin- 
tlusst haben würde, 4 und es blieb vor allem noch sehr 
zweifelhaft, ob Napoleon, dessen Minister den politischen 
Traum vom November allerdings sehr freundlich aufge- 
nommen hatte, 5 zu irgendwelchen Zugeständnissen geneigt 
sei. Indessen einen Trumpf hatte man doch in der Hand. 
Ein billiges Sonderabkommen zwischen Frankreich und 
Russland, das in der Hauptsache alles beim Alten Hess, 
schien für diesmal ausgeschlossen. Es war nicht zu 
fürchten, dass der Zar die Vorteile des Winters so leichten 
Kaufes preisgeben würde. Wie hätte er sonst als weithin 
sichtbares Zeichen und Pfand seiner Absicht, die Waffen 
nicht ohne den neuen Hundesgenossen niederzulegen, Eng- 
land seine Flotte anvertraut? Ohnehin musstc jede Einzel- 
verhandlung an der Frage der Kontinentalsperre scheitern. 
Ms lag offenbar nicht mehr in der Macht der russischen 
Regierung, der Nation von neuem Beschränkungen aufzu- 
erlegen, deren sie sich jetzt ledig fand, und andrerseits 

1. Oentz, Depeehcs inedites I, ti. 

2. An Stackelherg_ 10. November 1812 über die Anaire 
Malet: Tout cela ost hon daua le sens du la paix, et je ue reve 
<|iie cellc-la. Der Ausdruck ,,sainte entreprise" findet sich in der 
Depesche an Florot v. 18. Februar 1813. Oncken I, 430. 

3. An Hardenberg 13. Dezember 1812: en parlarit de chames 
pour cette derniere (une negoeiation generale), je suis loin de les 
eonfondre avee de l'espoir. H.-A. 

4. Oncken I, 31. 

5. Oncken I, 32 f. 



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- 55 - 



konnte, so scliicn es, Napoleon auf ein so wichtiges Stück 
seines politischen Systems unmöglich verzichten — ausser 
eben im allgemeinen Frieden. 1 

Hier also galt es einzusetzen, nach Wilna hin recht 
eindringlich die Unmöglichkeit einer Neuauflage von Tilsit 
und zugleich die Aussichtslosigkeit eines zweiten Krieges 
gegen Kussland darzuthun. Dann lieh der Imperator 
oesterreichischen Vorschlägen am Ende ein williges Ohr, 
zumal sie ihm vorerst keine Opfer zumuten, nur die Form, 
nicht den Inhalt des Friedensgeschältes regeln sollten. 

So ergingen denn am 9. Dezember 1812 die berühmten 
neuen Weisungen für Floret.- Sie zeigten einen Ton der 
Entschiedenheit, der in eingeweihten Kreisen einigermassen 
überraschte. 3 Aus jeder Zeile sprach „das volle Gefühl 
unseres Zuwachses an Unabhängigkeit 4 ', dessen starke Nüan- 
zierung der Minister dem Botschaftsrat noch ausdrücklich f 
einschärfte. 4 Man gebürdete sich als die Macht, die durch 
ein Wort 50 Millionen Menschen in Bewegung setzen 
könne, und wollte ganz folgerichtig seine Verwendung für 
den Frieden und nun gar deren vorherige Mitteilung an 
Frankreich als eine Art Gnade, einen besonderen Beweis 
seiner guten Gesinnungen betrachtet wissen. 

Nach solchen stolzen Worten mochte es auf den ersten 
Blick Wunder nehmen, dass schliesslich das Ganze doch 
nur auf die bescheidene Bitte hinauslief, den Verhandlungen 
mit Kussland und England den Charakter der Unabhängig- 
keit und Freiwilligkeit geben zu dürfen, aber sah man 
schärfer zu, so war es wirklich das, worauf es der oester- 
reichischen Diplomatie ankommen musste. 

1. Für diesen Abschnitt: Metternich an Zichy 26. November, I 
an Hardenberg 13. Dezember 1812. H. A. Weisungen für Floret, 
9. Dezember. Oncken. I, 382. 383 f. 

2. In extenso bei Oncken I, 380-386. 

3. Graf Hardenberg an Münster 12. Dez. 1812. Oncken II, 97. 

4. Oncken I, 386. 



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— 56 — 



_ Wir erinnern uns, dass ilir nächstes Ziel Independenz 
_war. Sie wollte sich die Möglichkeit wahren, unbeirrt von 
aussen und innen, einstweilen noch den Gang der Ereignisse 
zu Rate zu ziehen. 1 Eine Friedens verniitteiung mit aus- 
geführtem oder auch nur angedeutetem Programm hätte 
dem nicht entsprochen, da sie eine Verpflichtung gegen die 
f ablehnende Partei cinschloss; die Friedens Verwendung da- 

gegen konnte schon an sich nur förderlich dazu sein. Sie 
nahm den abschlägigen Antworten an beide Teile den ver- 
letzenden Stachel und beschwichtigte zugleich den Aufschrei 
des Volkes gegen die französische Tyrannei, der immer ver- 
nehmlicher zu den Ohren der Regierung drang. Wenn sich 
nun vollends erreichen Hess, dass Napoleon ihre Form gemäss 
den Florctschen Anträgen ganz in das Relieben Oesterreichs 
stellte, so war ein grosser Schritt vorwärts gethan. Dann 
war man autorisiert, zu den Gegnern Frankreichs in offizielle 
Beziehungen zu treten und auf ihre Entschlüsse Einfluss zu 
üben. 2 Auch die Stellung zu Napoleon selbst konnte auf 
die Dauer nicht unverschoben bleiben. Führte man erst 
einmal gegen die andern Mächte „die Sprache völligster 
Unabhängigkeit", so war unausbleiblich, dass man allmählich 
V auch gegen ihn nicht nur als treuer Alliierter auftrat, 

Doch bleibt es sehr zweifelhaft, ob Metternich sich 
dieser letzteu Konsequenzen von vornherein voll bewusst 
war. Vielmehr mochte er zunächst von Graf Otto noch 
mit einigem Recht als erster Anhänger des französischen 

1. Metternich an Zichy 13. Dez. 1812 wünscht d'arrivcr a 
une attitude qui nous ouvrit los chances de pouvoir consulter la 
niarche des evenements. H.-A. 

2. Das versöhnte auch einen Mann der That wie Stadion 
mit Metternichs Politik. Er sagt in seinem undatierten Memoire: 

I Les offres d'intervention quo nous avons faites ne doivent donc 

, . . conduire dans ce moment qu'a etablir des liaisons officielles 
avec les puissances bclligerant.es et a prendre une influence dans 
leurs conseils. H.-A. 



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- 57 - 



Bündnisses gepriesen werden. 1 Selbst in einer möglichen 
Ablehnung seiner Intervention durch Napoleon sah er nichts 
als den besten aller Gründe, um eine Nichtvermehrung des 
Hilfskorps zu rechtfertigen, und erklärte seinem Gesandten 
am preussischen Hofe zugleich (13. Dezember), er denke 
nicht an eine Verletzung der gegenwärtigen Beziehungen 
zu Frankreich in dem von Russland gewünschten Sinn: 
das widerstritte ebenso dem Charakter des Kaisers als 
allen Grundsätzen. 2 Acht Tage später erging an Schwarzen- 
berg der Befehl, mit ganzer Energie auf eine Dislozierung 
seiner Truppen in der Nähe der galizisclien Grenze zu 
dringen, nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, er dürfte 
es nicht bis zum Bruch treiben, der Seiner Kaiserlichen 
Majestät nicht von fern in den- Sinn käme; 15 und als am 
Weihnachtstage die Instruktionen für den Grafen Neipperg, den 
man nach Stockholm zurückschicken wollte, die Staats- 
kanzlei verliessen, stand darin zu lesen, der Gesandte habe 
dem französischen Botschafter besondere Rücksichten zu be- 



1. Otto an Hassane 28. Dez. 1812: le premier partisan de 
l'alliance francaise. Faiu, Manuscrit de 1813. I, 2'JO. 

2. An Ziehy 13. Dez. 1812. Si les puissancü.s entreut, dans 
nos vuea et aeeeptent notre Intervention, l'Autrichc se irouve 
de fait en rapport avee tonte«. Si la France les rejette, nous 
aurions le meilleur de tous les inotif« a faire valoir vis-ä-vis 
d'elle pour ne pas angmenter notre Cooperation dans la präsente 
gnerre, si memo nous etions dans le cas de devoir chercher des 
pretextes pour cela . . . Will regier selon les interets geueraux 
de l'Europe et les interets particuliers de 1'Autriche notre röle 
futur, saus violer nos rapports aetuels avec la France dans le 
sens desire par le Cabinet Russe, ce qui repugnerait autant au 
caractere de l'empereur qu'a tous les prineipes. H.-A. 

3. Ordre au Prince de Schwarzenberg (en chiffres) Vicnne 
le 20 dec. 1812 bei don Depeschen an Ziehy vom 25. Dezember: 
II nous importc . . de toutc maniere quo notre armen tint sur 
un point rapproche de nos frontiöres sur territoire Varsovien, 



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— 58 — 



zeigen, dagegen zu den Vertretern der mit Frankreich 
und deshalb mit Oesterreich — das also war die aktive 
Neutralität — im Krieg befindlichen Mächte nur allgemein 
gesellschaftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten. Für den 
möglichen Fall aber, dass der Kronprinz auf kräftigere 
Entschlüsse gegen Frankreich' dränge, war eine Erwiderung 
vorgesehen, die in dem Satz gipfelte, der Kaiser verstehe 
nicht, wie man aus Nützlichkeitsgründen heilig; Verpflich- 
tungen brechen könne, er würde glauben, dadurch den 
Charakter der Loyalität abzulegen, welcher die Politik 
Oesterreichs jeder Zeit so hervorragend ausgezeichnet habe. 1 
Indessen sind auch hier wieder Einschränkungen ge- 
boten, wie denn überhaupt die vielgestaltige und oft wider- 
spruchsvolle Politik Metternichs mit ihrer beständigen 
Rücksicht auf die Ereignisse jeder streng logischen Kon- 
struktion aufs äusserst» widerstrebt. So bedingungslos, wie 
es nach den erwähnten Worten scheinen könnte, schwor 
der Minister nicht mehr auf den Märzvertrag. Indem er 
ihn dem französischen Gesandten in immer neuen Wen- 
dungen als ewig und notwendig pries, begann er doch 
schon jenes Werk der Umdeutung,. das in seinen Folgen 
zu dem Akt vom 2t). Juni 181 :? führte. Zuerst in einer 
Note an Stackelberg d. d. 2.'$. November 1812 liess er die 
Allianz mit Frankreich als unendlich beschränkt, als eine 

iio tut cm que pour einpeeher quo les Kusses u'aeheveut la 
eouquete peut-ötre quo trop faoilo du Duelie. Vous auroz doue 
ä ne rien uegliger pour puusser votro argunieutatiou cn faveur 
de la position desiree meine assez loin, pour quo la soule rupture 
de l'alliance, qui u'oiitre nulleineut dans les vues de S. M. J., 
servit de bornes ä votre insistauee. H.-A. 

1. Que rEmpereur iguore, comineut par des niotifs de con- 
vouaueo quelconquo il est possiolo de rompro des ongagomeuts 
saeres, que 8. M. croirait saus doute deposer par une couduite 
paroillo le caraotore de ioyalite qui de Unit teiups a.omincmment 
distiugue h\ politique de J'Autricho. H.-A. 

« 



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- 59 - 



Allianz des Friedens erscheinen. 1 Das war an sich eine 
Auslegung, über die man reden konnte: die öffentlichen 
Artikel begünstigten sie entschieden, ausdrücklich erklärten |. 
ja die Eingangsworte für die Absicht der Kontrahenten, 
durch die Innigkeit und Kraft ihrer Vereinigung beizutragen, 
sei es zur Erhaltung des Kontinental-, sei es zur Wieder- 
herstellung des Seefriedens. Daruni aber barg sie nicht 
weniger für später die gefährlichsten Keime. War die 
Allianz wirklich nur eine Allianz des Friedens, so hatte sie 
am Ende bindende Kraft auch nur, soweit sie den Frieden 
förderte, wurde hinfällig, sobald sie ihm im Wege stand: 
der Friede und zwar der Friede VMtih»yi>v, die Wiederher- 
stellung des europäischen Gleichgewichts ergab sich als das 
Primäre, die Allianz als das Sekundäre. 

Nun hätte Metternich gewiss am liebsten beides vereint, 
Niemand zerstört gern das eigene Werk. Die Herstellung ' 
des guten Verhältnisses zu Frankreich war bisher die ein- 
zige Frucht seines Ministeriums. Daran hatte er seine 
besten Kräfte gesetzt, darauf blickte er mit dem meisten 
Stolz. Nichts natürlicher, als dass er es jetzt auch, soweit 
möglich, zu erhalten suchte und entschlossen war, um diesen 
Preis beim Flieden selbst mit bescheideneren Zugeständ- 
nissen vorlieb zu nehmen. 2 

Aber würde der Imperator solchen für ihn vorteilhaften 
Neigungen entgegenkommen? Und was geschah, wenn er- 
es nicht that? So lag alles noch dunkel und chaotisch da. 
Auch die beginnenden Verhandlungen mit Frankreich sollten 
völlige Klarheit vorerst nicht bringen. 



1. L'allianee infiniment limitee entre 1' Antriebe et la France 
n'est qu'une allianee de paix. II.-A. 

2. Vgl. Stadions Äusserungen über Metternich gegen Graf 
Hardenberg, Oncken II, 104; H.'s eigene Beobachtungen ebenda II, 
99; Bericht Humboldts 23. Dezember iH12 bei Gebhardt S. 120 f. 



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Drittes Kapitel. 



Oesterreich und Frankreich. 

Am 14. Dezember benutzte der fliehende Imperator 
die Rast in Dresden, um dem kaiserlichen Schwiegervater 
in längerem Brief vorzustellen, wie wichtig es wäre, dass 
er seine Streitmacht gegen Russland auf 60000 Mann ver- 
mehre: „Ich bin voll Vertrauen in die (Jesinnungen Ew. 
Majestät. Das Bündnis, das wir geschlossen haben, bildet 
ein bleibendes System, aus dein unsere Völker so grosse 
Vorteile ziehen sollen, dass ich glaube, Ew. Majestät werden 
alles thun, was sie mir zu Dresden versprochen haben, um 
den Triumph der geineinsamen Sache zu sichern und uns 
rasch zu einem angemessenen Frieden zu führen. Sie können 
gewiss sein, dass Sic mich meinerseits stets bereit finden 
werden, alles zu thun, was Ihnen angenehm sein und Sie 
von dem Wert, den ich unsern gegenwärtigen Beziehungen 
beilege, überzeugen kann." 1 

Diese Bitte hatte kein besseres Schicksal als ihre be- 
scheideneren Vorgänger aus dem Herbst. 5 Metternich lehnte 
sie? rundweg ab: man habt? mit sich allein genug zu thun, 3 
und das allerhöchste Antwortschreiben erwähnte sie über- 
haupt nicht, es begnügte sich mit einigen Phrasen des Be- 

1. Correspondance de Napoleon I. XXIV, 340. 

2. Vgl. ebenda S. HK), 207. Fain, Manuscrit de 1H12. II, 12HT. 

3. Da« ist der langen Rede kurzer Sinn. Weisungen für 
Bubna. 20. Dezember 1812. Oncken I, 391. 



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- 61 - 

■ 

daucrns über die letzten Ereignisse und der beständigen 
Teilnahme an dem Ergehen eines Alliierten, mit dem den 
Kaiser „das heiligste Band" verknüpfe. 1 

Dagegen fand ein zweiter Wunsch Napoleons umso 
bereitwilligeres Entgegenkommen. Er hatte angeregt, 
während der so nötigen Anwesenheit Sehwarzenbergs beim 
Heer einen oesterreichischen Gesandten ad intcrim nach 
Paris zu schicken, 3 und das eben war auch die Absicht am 
Wiener Hof. Nicht als ob man hier die Anknüpfung einer 
Unterhandlung über den Märzvertrag im Sinn gehabt hätte. 3 
Dafür war die Zeit noch nicht da, und jedenfalls durfte sie 
nicht in Paris unter den Augen des Imperators stattfinden, 
der — die Beispiele von St. Julien und Oubril zeigten es — 
leicht zu Unbesonnenheiten fortreissen konnte, sondern war 
nach Wien an den harmlosen Grafen Otto zu verweisen, 
wo Metternich dann die Hauptrolle spielen würde. Aber es 
erschien erwünscht, der Sprache zu Gunsten des Friedens, 
die Floret gegen Hassano hatte führen sollen, durch einen 
Mann von grösserem Eintluss beim Kaiser selbst Gehör zu 
verschaffen, 4 und vor allem: es galt, sich sobald als möglich 
über den moralischen Eindruck der russischen Katastrophe 
auf Napoleon zu vergewissern und durch einen eignen 
Schritt allen denen zuvorzukommen, die von Krankreich 



1. Oncken I, 392 f. 

12. Pcut-ctrc V. M. jugera-t-Elle utile d'y envoyor quolqu'un 
en l'absenee de son amhassadeur, dont la presence est si utile 
u l'armee. 

3. Wenn Bignon, Histoire de France sous Napoleon XI, 313 
das behauptet, so leitet ihn das Missverständiiis des Ottosohen 
Berichtes vom 3. Jan. 1813: II (Metternich) pense toujours que 
cet officier gen 6ml (Bubna) sora agreahle h 8. M. et, qu 1 il pourra 
remplir a Paris des fonetions diplomatiques. Fain, Manuscrit de 
]813. I, 291. 

4. Weisungen für Bubna. Oncken I, 390 ff. 



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- 02 - 



ans gemacht werden konnten. 1 Schon verlautete ja in der 
diplomatischen Welt, dass Gaulaincourt oder Diiroc als 
ausserordentliche Gesandte nach Wien bestimmt seien. 2 

So wurde denn am 20. Dezeinher 1812 Feldmarschall- 
lieutenant Graf Ferdinand Huhna zu Napoleon abgefertigt 
der Form nach nur, um das kaiserliche Handschreiben zu 
Überbringen. Die Wahl des Sendboten machte der glück- 
lichen Hand des Ministers alle Ehre. Einem alten böh- 
mischen Kriegergeschlecht entstammend* -- Bubna heisst 
die Trommel — , gehörte er zu den besten Männern des 
damaligen Oesterreichs. Gleich ausgezeichnet im Feld wie 
auf dem diplomatischen Parket, war er sein ganzes Leben 
lang der eivis inteyer, belhtor fortis und moderator sapiens, 
als den das dankbare Mailand den für das Vaterland zu 
früh Verstorbenen ehrte. In seiner Jugend priesen ihn die 
Zeitgenossen als einen Achill an Gestalt, Mut und Kraft; 
jetzt war er, obwohl erst 4-1 Jahr alt, zwar durch ein Fuss- 
leiden häufig an der freien Bewegung behindert, aber Geist 
und Herz hatte er sich frisch bewahrt. Er war noch immer 
derselbe, der als junger Oberlieutenant 1791 im Prater 
drohend zusamniengerottete Haufen durch eine witzige An- 
rede beschwichtigt und zur Verhöhnung der Wühler ge- 
trieben hatte. Noch keiner hatte ihn je um einen guten 



1. Metternich an Zichy ftber die Sendung Bubnas 25. Dez. 
1812: S. M. I. a Ate guide«; dans netto determination par denx 
motifa: eelni de s'assurer le plntöt possihl« de reffet moral qne 
les dorniers evenoments ponrraiont avoir prodnit. sur Napoleon et 
en seeond lien le desir de prevonir par utie demarche de notre 
cöte toutes celles qni pourraient etre faites vis-A.-vis de nous. H.-A. 

2 Zichy an Metternich 18. Dez. 1812: On a ete infonne ici, 
inais non officiellement <pie le duc de Vicence on le marechal 
Duroc etaient destines ä remplir nne mis.iion extraordinaire a 
Vieime. H.-A. 

3. vgl. Wurzbach. Biographisches Lexikon des Kaisertums 
Oesterreich II, 183— 180. Hormayr, Lebensbilder I, 21G f. 



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- 63 



Einfall verlogen gesehen. Eine gutmütige Offenheit eroberte 
ihm die Herzen auch da, wo er in aller Gemütlichkeit die 
bittersten Wahrheiten sagte. Seine Berichte, fast sämtlich 
deutsch konzipiert und erst durch einen Attache übersetzt, 1 
erfreuen durch scharfe Beobachtung, lebhaften Witz, bei 
aller Schlichtheit markige und bilderreiche Sprache und ein 
oft überraschend treffendes Urteil, lassen also das Entzücken 
eines Gentz 2 über „alles, was dieser göttliche Karl schreibt," 
völlig begreifen. 

Was ihn nun aber für seine jetzige Mission noch be- 
sonders empfahl, war seine Eigenschaft als Militär, auf der 
fussend, er jede Negoziation ungezwungen ablehnen konnte, 
und die genaue Kenntnis, die er sich bei den Knodens- 
Verhandlungen in Schönbrunn von dem Charakter des Im- 
perators erworben hatte. Auch das spielte mit, dass diesem 
der einsichtige und fügsame Bevollmächtigte von I8(H) als 
Zeuge für die Ergebenheit Oesterreichs hochwillkommen 
sein musste. 

Am 30. Dezember traf Bubna, durch heftige Gichtanfällo 
etwas aufgehalten, in Paris ein. Am Abend darauf empfing 
ihn der Kaiser, und so fand in den letzten Stunden des schick- 
salschweren Jahres die erste jener langen Unterredungen 
zwischen Napoleon und oesterreichischen Unterhändlern statt, 
an denen die Geschichte der Genesis der Freiheitkriege so 
reich ist, Der Imperator war ungewöhnlich liebenswürdig; 
gleich in der ersten Minute legte er den Hut ab, scherzte 
über die persönlichen Verhältnisse des Grafen, den er sicht- 
lich erfreut war wiederzusehen, und fühlte den armen poda- 
grischen General während der zweieinhalbstündigen Audienz 
nach seiner Art unaufhörlich im Zimmer auf und ab, so 

1. z. B. Buluia an Metternich 2. Januar 1813, P. S. 3. Januar: 
ich habe gleich nach der Audienz meine Depesche No. 1 und 
die 2to gestern auf deutsch entworfen, und Wacken hat sie 
Ii herset zt. 

2. Briefe an Pilat. T, 72. 



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- 64 - 

dass dessen geschwollene FUsse bald nicht mehr fort- 
gekonnt hätten. 1 

Trotz dieses freundlichen Empfanges war der Eindruck, 
den ßubna aus den Tuilerien mit fortnahm, kein günstiger. 
Er gestand später, im Anfang seines Pariser Aufenthaltes 
in Napoleon nur den Eroberer gesehen zu haben, der eine 
grosse Niederlage erfuhren hat und nun an nichts anderes 
mehr denkt als an Rache und an Mittel, sie sich zu ver- 
/ schaffen. 2 In der That sprach der Imperator so. als wenn 
^ alle Lehren der letzten Monate für ihn verloren gewesen 
wären. Er behandelte das ungeheure Gottesgericht ge- 
flissentlich tm hagatclte. Die Russen seien nicht mehr die 
Alten, er achte sie geringer als je. Von ihrem nationalen 
Fanatismus mache man sehr zu Unrecht soviel Wesens: 
Nur die Kronbauern waren für den Kaiser Alexander, 
die andern und der Mittelstand waren ganz für mich. 
Übrigens sei man in Russland nicht weniger erschöpft als 
er, die Infanterie sei vernichtet: zu fürchten habe ich 
nichts als einige Kosakenangriffe, die Verfolgung kann sich 
höchstens bis zur Weichsel ausdehnen/ 1 Alle Schuld an 
seinen Misscrfolgcn schob er auf die Kälte, die bis 20° an- 
steigend, seine Soldaten stumpf gemacht habe. Die Ele- 
mente hätten ihn besiegt; denn Schlachten habe er keine 
verloren. Daneben gefiel er sich ausnahmsweise einmal in 
der Rolle des Menschenfreundes. Der Mann von Jaffa ent- 
blödete sich nicht, sein Zögern in Moskau damit zu ent- 

1. Diese Einzelheiten aus oinein Privat brief Bubnas an 
Metternich 2. Januar 1813. H.-A. 

2. Bubna an Metternich 8. März 1813: Au commencenient 
Je mon sejour h Paris je n'ai vu Jans l'Eniperour »pfun con- 
uuörant apre« avoir essuyiS un grand eehee. Vengeanee et les 
moyens de prendre sa revanohe paraissaient exelusivement occuper 
son esprit. H.-A. 

3. Die Unterredung nach dem Bericht Bubnas bei Oncken 
I, O0-(i7. 



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- 65 - 

schuldigen , dass er es nicht über sich gebracht habe, 
2000 tapfere Soldaten verwundet zurückzulassen. 1 Der 
plötzlichen Abreise von der Armee, auf deren üblen Ein- 
druck Bubna hinwies, wollte er keinerlei symptomatische 
Bedeutung zuerkennen. Er sei zurückgekommen, um im 
Innern seines Reiches Anordnungen zu treffen, die ihn so 
wie so auf sechs Wochen nach Haus geführt hätten. v 
Nächstdem habe er den Engländern und seinem Volk zeigen / 
^jvollen, dass er noch nicht tot, sondern lebendig und ge- 
sund sei. Seine Rückkehr habe denn auch den besten Ein- 
druck gemacht. 

Jedenfalls war seine Lust am Krieg durch die jüngsten 
Erfahrungen nicht erschüttert.. Er malte sich in grossen 
Zügen den Verlauf der nächsten Kampagne aus. „Ich 
werde Schlachten liefern, das Schicksal wird das Übrige 
entscheiden" sagte er mit der majestätischen Kürze des 
Ausdrucks, die ihm zu Zeiten zu Gebote stand. Immer 
wieder kam er auf die erbetene Vermehrung des Auxiliar- 
körps zurück. Die Gegengründc des Generals wollte er 
nicht gelten lassen: Warum könnte der Kaiser von Oester- 
reich nichts für den Krieg thun? Truppen habt Ihr genug, 
eine Armee schon mobil in Galizien. Ich wünschte nur 
30 000 Mann mehr^jworunter 12 000 Mann Reiterei., Habt 
Ihr kein Geld, so werden wir ein neues Abkommen treffen, 
und ich verpflichte mich Euch Geld zu schaffen. 

Es stand damit nicht im Widerspruch, wenn er die 
Anträge hinsichtlich der Friedensvcrwendung sehr freund- 
Hch _ aufnahm. Sie war am Ende von Rüstungen untrennbar, 
und diese konnten, so rechnete er, nur ihm zu statten 
kommen. Mindestens musste er so zu einem günstigen Ab- 
schluss mit Russland gelangen; es war ja klar, welchen 



1. Diese Äusserung im Stil der Enthüllung zu behandeln, 
wie Oncken I, 61 Aura, thut, verbietet doch wohl der bekannte 
Charakter Napoleons. 



X 



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- GC 



Einfluss ein Wort Oesterreichs bei seiner natürlichen 
Flankenstellung im Lager des Zaren haben würde. — Er 
erklärte mit einer später dann immer wiederholten Phrase, 
Kaiser Franz die schöne Rolle des Friedensstifters zu 
gönnen, und ging verständnisvoll darauf ein, dass die 
Schritte bei Russland und England sich nur als^Eingebungen 
von dessen persönlichem Wunsch und keinenfalls als eine 
von Frankreich eingeblasene Idee darzustellen hätten. Er 
gestand offen, einen allgemeinen Frieden für unmöglich zu 
halten, da man ihn in Loudon nicht wolle. Immerhin 
wünschte er das Kabinet von St. James durch einen ge- 
schickten Mann sondiert und versprach als Lohn für die 
Befriedung der See das lang begehrte Illyrien. 

Ja, Bubna war in der Erfüllung seiner Aufgabe, den 
Kaiser reden zu machen, so glücklich, dass er sogar eine 
Art Friedensprogramm nach Wien mitteilen konnte. Nun 
wies das freilich dürftig genug nur das eine Opfer des 
Verzichtes auf die Tilsiter Abmachungen mit Alexander 
auf, von dem sich Napoleon Wunderdinge zu versprechen 
schien; denn von einer „Rückgabe" Portugals, die er ge- 
lobte, konnte im Ernst nicht die Rede sein, und dass er 
beim Frieden seine Armeen aus Spanien zurückziehen 
würde, das übrigens seiner Dynastie verbleiben sollte, ver- 
stand sich eigentlich von selbst. 

Aber Metternich glaubte doch Grund zu haben, mit 
den Ergebnissen der Audienz zufriedener zu sein als 
sein Gesandter. Er sah in jenem Programm nicht das 
letzte Wort des Imperators. Vielleicht genügte die Preis- 
gabe der Kontinentalsperre, 1 die er noch Ende November 
für ausgeschlossen gehalten, 2 um in ihm Hoffnungen auf 
grössere Zugeständnisse zu erwecken; und jedenfalls Hess er 



1. Nichts Geringeres bedeutete jener Verzieht auf die Tilsiter 
Abmachungen. 

2. Metternich an Zichy 2G. Nov. 1812. vgl. oben S. 54. 



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» 



_ G7 - 

sich die Freude über die Annahme der oesterreichischen 
Intervention durch keine eura posterior vergällen. Das 
war doch immer ein Erfolg, den er der taglich wachsenden 
Schaar seiner Feinde entgegenhalten konnte. Schon am 
10. Januar hatte er Stackelberg geschrieben: „Alles be- 
weist mir, dass Napoleon seine Lage erkannt hat" l , und am 
Tag darauf bei Empfang von ßubnas Depeschen versicherte 
er dem französischen Gesandten, der das hocherfreut so- 
gleich durch einen Kurier nach Paris meldete, er finde 
darin die Bürgschaft für die lange Dauer der Allianz und 
den Erfolg der Unterhandlungen. 2 

Seine Befriedigung sollte bald noch wachsen. Er hatte 
von Anfang an den grössten Wert darauf gelegt, seine in 
diplomatischer Form gestellten Anträge auch in diplo- 
matischer Form beantwortet zu sehen; 9 und es war 
ganz im Sinno seiner Instruktion gewesen, wenn Bubua 
gleich während der Audienz um eine offizielle Bestätigung 
der kaiserlichen Äusserungen gebeten hatte. Damals hatte 
sich Napoleon ablehnend verhalten: es sei sehr schwierig, 
dass er im Voraus seinen Rücktritt vom Vertrag zu Tilsit 
ausspräche. Solche Dinge machten sich besser mündlich 
ab. 4 Nach einigen Tagen aber besann er sich eines 
Bessern, und am 17. Januar konnte Graf Otto eine Verbal- 
note übergeben, die jene Äusserungen so vollständig und 
rückhaltlos wiederholte, wie man in Wien nur irgend ver- 
langen durfte. 5 

1. Tout mo prouve quo Napoleon a senti sa position. H.-A. 

2. Vgl. Ottos Bericht vom Jl. Januar. Fain, Manuscrit de 
1813. I, 2i)4ff. Das Präsentatum der ersten Berichte ßubnas 
ist thatsächlich 11. Januar. 

3. Zusatzinstruktion für ßubna 20. Dez. 1812. 

4. Oncken I, 66. 

5. Extrait de depeehe de Mr. le Duo de Bassano ä Mr. le 
Cointe Otto, remis en forme de note verbale par ce demier le 17 
janvier 1813. H.-A. 

J 6* 



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- 68 - 



Da hiess es zunächst von der Intervention: Seine 
Majestät werden Sich dem Schritt nicht versagen, den 
Oesterreich thun will, Sic werden ihn sogar mit Vergnügen 



die Bitte um Vermehrung des Hilfskorps nicht: Seine 
Majestät hoffen, dass der Wiener Hof mit der nötigen 
Energie handeln wird in einer Sache, die mehr noch die 
seinige ist als die Frankreichs. 3 Die Priedensbedingungen 
wurden schärfer umschrieben, kein durch Senatuskonsult 
einverleibtes Gebiet dürfe dem Reiche entfremdet werden, 
die geringste Konzession im Widerspruch mit den ver- 
fassungsmässigen Grundsätzen sei unmöglich. „Die 
jllyrischen Provinzen, Dalmatien, Korfu und ganz Spanien 
lind dem Reich nicht verfassungsmässig vereinigt; Seine 
Majestät könnten also, im Fall man mit England unter- 
handelte, nach den Umständen dazu geführt werden, in 
Ihnen Kompensationsobjekte zu finden." :{ Russland wurden 
in sehr gnädigem Ton die alten Anerbietungen erneut: 
Wenn es nur von den Verpflichtungen des Tilsiter 



1. S. M. no so rofusera pas a la demarche que veut faire 
l'Autriohe, Elle la verra meme avec plaiair. 

2. S. M. espero que la Cour de Vienne agira avec la vigueur 
convenable dans une cause, qui est la sicnne plus cncore que celle 
de la France, et qu'elle portera son coips auxiliaire ä 60000 
hommes . . . S. M. fournirait les sommes necessaires. 

3. II y a d'abord un point duquel la France ne se departira 
jamais, c'est qu'aucun des territoires rounis par des Senatus- 
Consultes ne peut ctrc aßpare de l'Empire. En un mot, la plus MgtNrts 
conceasion contraire aux principea constitutionnels de la France est 
irapossible . . . Les Provincea lllyriennes, la Dalmatie, Corfou et 
aucune partie de TEspagne ne sont reunies constitutionnelleinent ä 
l'Empire, S. M. pourrait donc dans le cas on Ton traiterait avec 
l'Angleterre etre conduite selon . lea circonstances ä y trouver 
des objets de compensation. 



sehen. 1 Sollte 




bleiben, so fehlte natürlich 



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— 69 — 

^Vertrages .befreit sein und die Integrität von Russisch- I 
Polen bewahren will, werden Seine Majestät, was auch 
Ihre Vorbereitungen sind, und welches Vertrauen Sie in 
Ihre Mittel setzen dürfen, doch nur Ihre Liebe für den 
Frieden zu Rate ziehen und dessen Abscliluss mit Freuden j 
sehen. 1 Das Wichtigste war entschieden der Schluss: In- ^ 
dem Seine Majestät sich den Schritten des Wiener Hofes 
nicht widersetzen, wollen Sie dabei für Nichts gelten. 
Sio wünschen, dass der Wiener Hof sie von sich aus thue 
auf eine unabhängige Art und ohne andern Antrieb als 
seinen ""Wunsch, den Frieden wiederhergestellt zu sehen. 2 — ( 
Eine vollständigere Anerkennung des Oesterreich ischen Ver- 
handlungsprinzips war undenkbar. 

Und auch die Probe auf das Exempel stimmte, wenn- 
gleich es hier ohne die Furcht sich verrechnet zu haben 
nicht abging. Die Note befand sich kaum in den Händen 
des Ministers, als ihm der Bericht des Herzogs von Bassano 
an den Senat offiziell im Entwurf mitgeteilt wurde. Da las 
er denn manches, was seine fein berechneten Kreise auf 
das Empfindlichste zu stören schien. Das Friedensprogramm 
wurde in seiner ganzen Beschränktheit urbi et orbi ver- 
kündet, die Möglichkeit eines französisch-russischen Sonder- 

v abkommens betont, endlich hiess es gar: Seine Majestät 



1. Si eile (la Russie) ne veut qu'etre affranchie des Obli- 
gation!* du traitu de Tilsit et conserver Tintegrite de la Pologne 
Russe, quels que soient les preparatifs de l'Einpereur, quelle que 
soit la oonfianeo qu'il doivo mottre dans les raoyens dont il ' 
dispose, S. M. I. ne consultora que son amour pour la paix et le 
verra se faire avec plaisir. 

2. En ne s'opposant point aux demarches de la Cour de 
Vienne, S. M. I. n'y veut etro pour rien. Elle desire que la Cour 
de Vienne les fasse d'elle- möme d'une rnauiere independanto et 
sans autre iinpulsion que son desir de voir la paix retablie. Vgl. 
Oncken I, 81. 



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— 70 — 



haben Sich geneigt gezeigt, Frieden zu machen. 1 Wurde 
das gedruckt, so war es mit Unabhängigkeit und Frei- 
willigkeit, ja mit der ganzen oesterreichischen Intervention 
aus. Dann erschien sie mit Frankreich vereinbart. Oester- 
reich durfte die Sache des Friedens nicht mehr mit rein 
oesterreichischen Gründen verteidigen, sein Gesandter sank 
zum französischen Agenten herab 3 , und man wies ihm in 
London einfach die Thür. Metternich war sehr aufgebracht 
und protestierte in einer geharnischten Note (19. Januar) 
dagegen, dass das so heilsame Unternehmen einer Friedens- 
stiftung in eine zwecklose Blamage ausarte. 3 Aber schon 
die nächsten Tage sahen ihn wieder glücklicher als je. 4 Der 
Boniteur vom 12. Januar enthielt die anstössigen Stellen 
nicht, und ein Brief Bassanos an Otto, den dieser im Aus- 
zug in die Staatskanzlei sandte, kommentierte: Ich habe 
bei der Drucklegung meines Berichtes alles unterdrückt, 
was auf die Unterhandlung Bezug hat. Es war nützlich, 
dass der Senat die Neigungen Seiner Majestät für den 
Frieden kennen lernte. Sie wünschen ihn für das Wohl 



1. Elle (S. M. I.) s'est inontree disposee ä faire la paix. Diese 
Stolle choquierte am meisten. Für das Ganze Metternichs Ver- 
balnote an Otto 19. Januar 1813. H.-A. 

2. La deinarehe n'est plus simplement autrichienne, eile est 
eonoerteo avec la France. L'Autriche n'a plus le droit de 
defendre la cause de la paix par des argumenta puremeut autri- 
chiens, eile n'est plus puissance simplement intervenante, 
son Envoye devient des ce moment porteur de paroles au nom 
de la France. 

3. Que l'ontreprise si salutaire d'une paeification ne degenero 
en une compromission gratuite pour l'Autriche . . 

4. Bericht Ottos vom 21. Januar 1813 bei Fain, Manuscrit 
de 1813. I, 296 ff. Je sors de chez le ministre que j'ai laisse 
extreraement satisfait des nouvelles de Paris . . . Le ministre 
est enchante d'avoir les mains libres. Je ne Tai jamais vu plus 
heureux qu'aujourd'hui. 



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— 71 - 

Ihrer Völker. Aber Sie haben nicht geglaubt, Ihrem r / _ !T ' 
Wunsch eine Publizität geben zu sollen, die den Schritten 
Oesterreichs schaden könnte. 1 

Doch nicht aller Schriftwechsel mit Paris war so freund- 
licher Natur. Vielmehr zeigte sich gleich in den ersten 
Stadien der Verhandlung der verhängnisvolle Fehler der 
französischen Politik, bei grosser Nachsicht in der Sache 
oft zur ungelegensten Stunde durch unpassende und be- 
leidigende Formen den in dieser Hinsicht sehr empfindlichen 
Wiener Hof zu verletzen. Es war eben so, wie Bubna be- 
richtete: man entsagt hart der süssen Gewohnheit, allen 
Völkern gebietend zu sprechen, es kostet ihnen viel, andere 
Nationen als selbständige Wesen zu behandeln. 9 

Napoleon hatte von dem oesterreichischen Gesandten 
manches hören müssen, was ihm unangenehm in die Ohren 
klang. Der Grund konnte nur sein, dass man in Wien 
den russischen Bulletins zu viel Glauben beimass. So 
suchte er denn in einem Brief an Kaiser Franz, 3 der nach 
Umfang und Ton allem Hohn sprach, was sonst im schrift- 
lichen Verkehr von Souverainen üblich ist, deren „platte 
Erfindungen", „Verrücktheiten" und „Fälschungen" gründlich 
zu widerlegen (7. Januar). Gegen das, was er hier mit \ 
krämerhafter Geschäftigkeit an Zahlen, Daten und Notizen 
zusammentrug, erschien selbst die Sprache in der Sylvester- 
audienz noch einsichtig und wahr. Zu einer Zeit, wo der 
Name „grosse Armee," wie Bignon so schön sagt, nur noch 

1. Otto an Metternich 20. Januar teilt aus einem Reskript 
Bassanos mit: J'ai supprime dans inon rapport eu le donnant a 
l'impression tout ce qui est relatif ä la negociation. II etait utile 
que le Senat connüt les dispositions de S. M. pour la paix. Elle 
la desire pour le bien de ses peuples. Mais Elle n'a pas cru 
devoir donner ä son veeu une publicite qui pourrait nuire aux 
demarches de l'Autricho. H.-A. vjsjl. auch Oncken I, 81. 

2. Privatbrief an Metternich 31. Januar 1813. H.-A. 

3. Oncken I, 393—396. 



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— 72 



eine Grabschrift war, 1 wagte er ihre Stärke auf mehr als 
200000 Streiter anzugeben, wie sich denn sogar der ver- 
ständige Graf Otto zum Träger einer Nachricht gemacht 
hatte, wonach die Franzosen nur 40000 Mann verloren 
haben sollten. 2 Es war noch viel, dass er zugab, seine 
Truppen hätten gelitten. Dafür versicherte er mit unfrucht- 
barer Sophistik, dass die Russen ihm keine Kanone, keinen 
Adler, vor der Fahne von einigen Tirailleurs abgesehen 
auch keine Gefangenen abgenommen hätten. Mitte März 
wollte er 300 Bataillone an Elbe und Oder haben. Er 
prahlte den neuen Feldzug mit einem Heer beginnen zu 
können, das um ein Drittel grösser sei als das der letzten 
Kampagne. Der Ausgang sei nicht zweifelhaft. Wenn er 
sich trotzdem den Friedensverhandlungen Oesterreichs fügte, 
so säumte er nicht, diese „Gefälligkeit" in das rechte Licht 
zu stellen. 

Noch stärker drückte sich die bedientenhafte Beflissen- 
heit des Herzogs von Bassano aus, der dem Brief des Ge- 
bieters ein Schreiben an Metternich' beifügte (8. Januar). 3 
„Und wenn die grosse Armee bis zum letzten Mann im 
Niemen ertrunkon wäre, würden wir nicht weniger im- 
stande sein, im Frühling mit der gewohnten Überlegenheit 
unserer Waffen wieder auf dem Plan zu erscheinen/' Hess 
er sich im Ton des Orakels vernehmen. Er leugnete, dass 
die Verhältnisse ausserordentliche Massrcgeln erheischten, 
die gewöhnlichen Mittel reichten vollständig aus; der Kaiser 
habe an Geld, Menschen und guter Meinung alles, um noch 
grössere Dinge zu thun, als er bereits geleistet. — Doch 
das war nur Vorspiel, in der Hauptsache kam es ihm da- 

| rauf an, mit dem Wiener Kollegen über das Wort von den 

— ■ . 

1. Bignon XII, 41 Ce nom n'ctait plus qu'une epitapho. 

2. Otto an Metternich 1. Januar 1813 auf Grund der Mit- 
teilungen eines neapolitanischen Kuriers. H.-A. 

3. Oucken I, 396—400. 



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fünfzig Millionen abzurechnen, die sich auf Oesterreichs 
Wink erheben würden. Durch eigene Zufälligkeiten hatte 
er erst eben davon erfahren. Floret, dem freigestellt war, 
von seinen Weisungen nicht in ganzem Umfang Gebrauch zu 
machen, 1 muss den Passus unterdrückt haben, und der Be- 
richt des französischen Gesandten vom 16. Dezember 1812, 
der ihn auch enthielt, hatte, noch nach Wilna adressiert, 
Paris um vierzehn Tage zu spät erreicht. 2 Nun war be- 
greiflich, dass die versteckte Drohung hier Schrecken und 
Ärger erregte, aber im Grunde handelte es sich nur um 
eine gelegentliche Äusserung, und das thatsächliche Ver- 
halten der oesterreichischen Regierung war bisher streng 
loyal gewesen. So hätte die Klugheit geboten, gleich hier 
jene Kunst des Ignorierens zu üben, die man später doch 
erlernen musste. Sattdessen fuhr ßassanos schwerstes 
Geschütz auf. Der Kaiser sehe darin nur die Meinung 
von Koterien, sonst hätte er auf der Stelle ausserordent- 
liche Massregeln ergriffen. Wenn Metternich von 50 Mil- 
lionen Anhängern Oesterreichs rede, wieviel würden dann 
erst unter den Fahnen Frankreichs marschieren? Er wolle 
nicht einen Augenblick an der Hundestreue des Ministers 
zweifeln. Sollte sich aber der Wiener Hof wirklich den 
Intriguen hingeben, die man rings um ihn anzettele, und 
auf längst zerstörte Illusionen zurückkommen, so würde 
die Existenz beider Kaisermächte gleichermasscn proble- ( 
matisch werden. Das war verständlich, und zu allem Über- j 
fluss wiederholte er es noch einmal mit denselben Aus- 
drücken und fügte die Andeutung bei, dass auch der Ein- 
fltiss der Familien bände, so heilsam er wirkte, doch nicht 
Uber jeden Zweifel erhaben sei. Schliesslich setzte er fast 
beleidigend einen Termin für den Widerruf an. Am 1. Fe- 



1. Oncken 1, 384. 

2. Fain, Mauusorit de 1813. I, 288. 



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bruar werde der gesetzgebende Körper eröffnet; bis dahin 
müsstcn auch die leisesten Wolken zerstreut sein. 

Man kann nicht sagen, dass diese Sprache in Wien 
ganz ihres Eindrucks verfehlt hätte. Metternich gebärdete 
sich in seiner vortrefflich stilisierten Antwort (23. Januar) 1 
als die gekränkte Unschuld. Er zog sich gegenüber dem 
Bericht Ottos, für den er keine Verantwortung trage, 
auf die Weisungen an Floret zurück. Die inkriminierte 
Äusserung wiederholte er zwar, aber in abgeschwächter 
Form' und im Zusammenhang erbaulicher Betrachtungen 
über die Abneigung seines Kaisers gegen jene Gesell- 
schaften der Finsternis, die eine weise Politik fort und 
fort bemüht gewesen sei seinem Land fern zu halten. 
.Ja, sogar zu einer sachlichen Konzession licss er sich — 
mindestens scheinbar — herbei. Bassano hatte die Zurück- 
sendung Neippergs nach Stockholm umso mehr gemissbilligt, 
als man mit dessen Benehmen in Berlin unzufrieden ge- 
wesen war.* Sofort (16. Januar) erging an Zichy die 
Weisung, den Grafen in_ Berlin zurückzuhalten oder ihm 
doch, falls sie ihn noch irgend vor seiner Einschiffung er- 
reichen könnte, die Ordre zur Verschiebung der Reise nach- 
zuschicken. 4 

Indessen dies beides betraf doch nur Nebendinge; in 
seinem allgemeinen Gang liess sieh Metternich durch keine 
Drohbriefe von Paris her beirren. Vielmehr wurden gerade 
in den Tagen nach ihrem Empfang unter seiner Mitwirkung 
Entschlüsse gefasst, durch die ein ganz neues Element in 
die Verhandlungen mit Frankreich kam. Bisher hatten sich 

1. Oncken I, 400—402. 

2. Jetzt waren es nur noch gainj allgemein „Millionen"', die 
Oesterreichs feste und unerschütterliche Haltung in richtigen 
Grenzen hielt. S. 401. 

3. Onckeu 1, 399 f. 

4. Metternich an Zichy 16. Januar, an Neipperg 16. Jauuar 
11. -A. Die Ordre erreichte den Gesandten nicht. 



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diese streng auf dem Boden des Märzvertrages bewegt; jetzt 
'geschah der erste Schritt darüber hinaus zur Unabhängigkeit. 

Es war kein Zufall, dass der Anlass von den Verhält- 
nissen des Auxiliarkorps ausging. Wir sahen, wie dessen 
Teilnahme am Krieg gegen Russland von der Hofburg mehr 
und mehr als ein lästiges Hindernis der ersehnten Inde- 
pendenz empfunden werden musste. Es lag tief in der Ent- 
stehungsgeschichte der Allianz begründet, dass man die . 
^aktive Neutralität, die man doch nur geschaffen, um an 
den Vorteilen eines französischen Sieges Anteil nehmen zu 
können, jetzt, wo dieser ausgeschlossen seinen, in eine ein- 
fache Neutralität zu verwandeln wünschte. Immerhin 
"hätten solche allgemeinen Stimmungen nicht so rasch zu 1 
einer Entscheidung geführt, wenn nicht sehr spezielle 
Gründe militärischer Art hinzu gekommen wären. Das Korps 
Schwarzenbergs durfte als ein sehr wesentlicher und wert- 
voller Teil der oesterreichischen Armee gelten. Es hatte in 
den Kämpfen und Märschen eines wechselreichen Feldzuges 
auf schwierigem Terrain die schätzbarste Kriegserfahrung 
erworben; mehr als nötig aus Kadres zusammengesetzt 1 — 
es zählte an 20 Regimenter 2 — bedeutete es einen uner- 



1. vgl. Metternichs nachgelassene Papiere I, 12(5. Die 
Absicht des Hofkriegsrntspräsidonten wäre danach gewesen, 
durch die Ausfüllung der Kadres mit Mannschaft eine grössere 
Streitmacht bereit zu stellen. Wirklich ist schon 1812 befohlen 
worden, die 3. Bataillone und 3. u. 4. Divisionen der zum 
Auxiliarkorps bestimmten Regimenter auf den kompletten Kriegs- 
fuss zu setzen. Das war aber am 14. Mai 1813 noch nicht 
geschehen -(Konferenzprotokoll v. 14. Mai 1813. K.-A.). Was 
Metternich weiter von einem Observationskorps in Böhmen sagt, 
ist Verwechslung mit den Rüstungen im Frühjahr 1813. 

1. Ebenda; genauer 19 Regimenter, 6 Bataillone (Jäger, 
Grenzer, Grenadiere); vgl. die Tabelle bei Angeli a. a. 0. S. 12 f. 
Das Korps, anfangs 25 Bat,, 44 Schwadronen, 8 Kompagnien stark, 
wurde während des Feldzugs noch ergänzt, so dass es in einer 



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^setzlichen Stamm für neue Mobilmachungen; vor allem: es 
stellte mit den 30—40000 Mann im fernen Osten Galiziens 
und Siebenbürgens die einzige Macht dar, über die man 
aus dem Stegreif verfügen konnte. So war seine Erhaltung 
für Oesterreich recht eigentlich Lebensfrage, und diese 
wurde akut, seit sich französische Winterquartiere an der 

^Weichsel, mit denen man noch am 13. Dezember als dem 
schlimmsten, wenngleich wahrscheinlichen Fall gerechnet 
hatte/ mit wachsender Sicherheit als unmöglich ergaben. 
Durfte man zusehen, wie seine besten Truppen in die Flucht 
der grossen Armee mit hineingerissen oder gar als Grenz- 
hut an der Weichsel in nutzlosen Gefechten verbraucht wurden? 

Anfangs hatte man gehofft, durch eine gütliche Kinigung 
mit dem Bundesgenossen um dies Schlimmste herumzu- 
kommen. Schwarzenberg erhielt den Befehl, beim fran- 
zösischen Hauptquartier eine Dislozierung an der galizischen 
Grenze zu beantragen 2 , und Bubna sollte diese Bitte dem 
Imperator persönlich vortragen. 3 Aber Napoleon bemerkte 
nur einmal ganz beiläufig und unverbindlich: Wenn der 
Kaiser von Oesterreich meine Bedingungen nicht annehmbar 
findet, so wird es ihm frei stehen, die 30000 Mann, die bei 
meiner Armee sind, zurückzuziehen; 4 im übrigen wich er 
beharrlich aus und liess durch seinen Minister eine runde 
Absage erteilen. 1 So blieb denn nur der Weg der Selbst- 
hilfe, und alles lud ein, ihn zu betreten. 

Ordre de bataille, Konskie IG. Februar 1813 32 Bat, 50 Schw. 
und in dem Allerunterthänigsten Präsidial Vortrag vom 10. April 
1813 32 Bat., 50 Schw., 11 Komp. aufweist K.-A. 

1. Metternich an Ztehy 13. Dez. 1812: Napoleon sera probable- 
ment force a prondre ses quartier» d'hyver sur la Vistule. H.-A. 
^ 2. Vgl. oben S. 57. 

3. Weisungen vom 20. Dez. 1812. Oucken I, 392. Reskript 
vom 3. Januar 1813. ebenda S. 99. 

4. Ebenda S. 66. 

5. Criste S. 204. 



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Seit 1 den letzten Tagen des Jahres 1812 war von einem 
eigentlichen Krieg zwischen Russen und Oesterreichern 
nicht mehr die Rede gewesen. Kam es einmal zu Schar- 
mützeln, so wurden die Gefangenen alsbald zurückgestellt, 
oft unter schmeichelhaften Versicherungen wie: man sehe die 
oesterreichischen Waffen allezeit lieher neben als gegen sich. 
Die Stimmung der oesterreichischen Soldaten und namentlich 
Offiziere kam dem entgegen. Sie waren mit der Regierung, 
die sie zu Mitstreitern der verhassten Franzosen machte, 
sehr unzufrieden, 2 und wieder wie im Herbst 1809 :i hörte 
man gelegentlich die herbsten Urteile über den kaiserlichen 
Herrn: Das Jahrhundert sei nicht das Jahrhundert der 
Dynastien. Was gingen die Deutschon die entarteten Ge- 
schlechter an, die sie beherrschten? Der Sturz dieser 
Familien sei das kleinste Unglück. 4 

Der Feldmarschall selbst hatte sich alle Mühe gegeben, 
den tatsächlichen Waffenstillstand der Vorposten in einen 
rechtlichen mit 24- oder 48 stündiger Kündigung zu ver- 
wandeln und war von Mürat und Berthier in dieser löblichen 
Absicht eifrig bestärkt worden; 5 dem aber wich man auf 

1. Für die Darstellung des Folgenden durfte ich wichtige 
Aktenstücke des Fürstl. Schwarzenbergisehen Archivs zu Worlik 
benutzen, die in beglaubigten Abschriften auf dem Kriegsarchiv 
in Wien unter den Feldakten des Auxiliarkorps aufbewahrt sind. 

2. Schwarzenberg selbst sagte zu Anstett: Ich zweifle, ob 
unter meinen Tmppen ein einziger Mann ist, der nicht mit 
Widerwillen in den Krieg für die Sache Frankreichs gezogen 
wäre. Criste S. 193 f. 

_ 3. Gentz, Tagebücher I, 183, 188. 
4. Bignon XI, 439 f. 

&. König v. Neapel an Schwarzenberg 23. Dez. 1812: Je 
apprendrai surtout avec plaisir que Vous avez conclu un armistice 
tacite et non par ecrit qui Vous mettrait k raeme de bien asseoir 
Vos quartiere d'hj'ver et de Vous y refaire de Vos grandes 
fatigues. Ebenso der Herzog v. Neufchatel 24. Dez. 1812. H.-A. 




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der Gegenseite aus: es fänden keine Feindseligkeiten zwischen 
Oesterreich und Russland mehr statt, daraus gehe Waffen- 
ruhe von seihst hervor, und am 6. Januar erschien der 
^Staatsrat Anstett mit ganz andern Anträgen zu Ostrow in 
der Nähe des oesterreichischen Hauptquartiers. 1 

Der eifrige Elsässer war in der Hofburg keine beliebte 
Persönlichkeit. Eben Schwarzenberg hatte 1809 als Ge- 
sandter in Petersburg Uber seine missgünstigen Berichte 
offiziell Klage führen müssen. So ging es bei der Zu- 
sammenkunft ohne eine gewisse Peinlichkeit nicht ab. 9 In- 
dessen Anstett war nicht der Mann, sich lange von der- 
gleichen Erinnerungen anfechten zu lassen; er begann also 
zunächst Stimmung zu machen, erzählte viel von dem 
Wunsch seines Herrn, die alten Beziehungen zwischen 
beiden Reichen Wiederaufleben zu sehen, und gab in 
richtiger Erkenntnis dessen, was in Wien am meisten von 
einem Anschluss an Russland abhalten konnte, die feierlicho 
Versicherung, dass weder ejnc Wiederherstellung Polens 
noch ein Wechsel der regierenden Dynastie in Frankreich 
irgend in Frage kommen werde. Alles sei bereit, Oesterreich 
wieder in den Besitz seiner alten Provinzen zu setzen, da 
werde es doch nicht die Fortschritte der russischen Heere 
aufhalten wollen, deren Anstrengungen von nun an nur dem 
einen Zweck der Wiederherstellung des europäischen Gleich- 
gewichts geweiht wären. 

Nach dieser schwungvollen Einleitung zog er eine von 
Kutusoff gezeichnete Vollmacht hervor und beantragte 
einen Waffenstillstand auf drei Monate. Als Demarkations- 
linie bot er nach einer geheimen Instruktion nichts Ge- 

1. Schwarzenberg an Herzog v. Neufchatcl. Pultusk8. Jan. 1813: 
Etant arrive a Ostrow le G ä midi, j'y ai recu bientot apres 
Mr. Anstädt, qui a le grade de general, mais qui so trouve depuis 
longtemps employe dans la diplomatie. K. A. 

2. Vgl. Schwarzenbergs Bericht an Metternich. Pultusk 
8. Januar 1813. Oncken I, 427—429. 



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ringercs, als die alte galizische Grenze, Lublin und Krakau 
inbegriffen. Natürlich könne die Waffenruhe nur partiell 
sein; denn der französischen Armee werde man sie nicht 
einmal an der Oder gewähren. 

Schwarzenbergs Lage demgegenüber war sehr schwierig. 
Er betonte mit edler Würde, dass Pflicht und Ehre und 
nicht persönliche Neigung das Verhalten eines Soldaten 
bestimme, bekannte sich als solidarisch mit den Bundes- 
genossen und deshalb ausser Stande, auf einen Waffen- 
stillstand einzugehen, der nicht auch sie umfasse; aber ganz 
ablehnen konnte er so, wie die Dinge lagen, doch nicht. 
Es war klar, dass die Russen nicht gutwillig auf den Marsch 
zur Oder verzichten würden, erst kürzlich am Weihnachts- 
tage hatte ihm General Scherbatoff versichert, man bedürfe 
keiner Ruhe; 1 so wäre denn eine Schlacht unvermeidlich 
gewesen, deren Last bei dem jämmerlichen Zustand der 
französischen Truppen seine 30 000 Mann allein hätten aus- 
halten müssen. Zu diesen Erwägungen kamen die Befehle 
aus W r ien, die ihn anwiesen, sich an die galizische Grenze 
heranzuziehen. Kurz, er erklärte sich bereit, „Mittel zu 
suchen, die ohne im geringsten der Ehre seiner Armee zu 
nahe zu treten, doch die Möglichkeit zur Vermeidung von 
Verwicklungen böten, wie sie, ohne ein wirkliches Resultat 
zu Gunsten der allierten Armeen herbeizuführen, nur zu 
unnötigem Blutvergiessen Anlass geben könnten"; und erbot 
sich in Anwendung dessen den Übergang Uber die Weichsel 
auszuführen, wenn ihn ein starkes Korps gegen Grodno und 
Plock mit Umgehung bedrohe und zugleich Reynier — der 
General des mit ihm vereinigten VII. französischen Korps — 
genötigt wurde, sich auf Praga rückwärts zu konzentrieren." 
Des weiteren würde er sich durch drohende Bewegungen 
der Russen gegen Radom hinlänglich berechtigt halten, an 



1. Schwarzen borg an Herzog v. Neufchatel. Warschau 
2^ Januar 1815. K.-A. 



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diePiliza zurückzugehen und dort Winterquartiere zu beziehen; 
da aber diese Verabredungen bindende Kraft nur haben könnten, 
falls sein Kurier ihm die nötige Autorisation seiner Regierung 
zurückbrächte, bat er, bis zu dessen Rückkehr alle russischen 
Bewegungen einzustellen. In diesem Sinn war auch die 
äusserst taktvolle schriftliche Antwort an den Zaren abge- 
fasst, auf der Anstett bestand. Sie gab zugleich die Ver- 
sicherung, dass sein Souverain mit Eifer alle Mittel ergreifen 
werde, um Ordnung und Ruhe in Europa wiederherzustellen, 
doch nur soweit das ohne Abweichung von seinen strengen 
Grundsätzen von Rechtlichkeit und Loyalität geschehen könne. 1 
In Wien hatte man eben eine Ordre ausgestellt, die 
dringend „eine mündliche Übereinkunft zwischen den beider- 
seitigen Vorpostenkommandanten gegen eine Aufkündigungs- 
zeit auch nur von wenigen Stunden" empfahl, als der Be- 
richt Schwarzenbergs einlief (16. Januar). 2 , Sofort erging ein 
zweiter den neuen VerluTltnissen angemessener Befehl. Man 
war im wesentlichen mit den Intentionen des Feldmarschalls 
einverstanden, zeigte sich aber noch ängstlicher bemüht, 
keine Ombrage zu machen. Reynier sollte in die Verab- 
redung eingeschlossen, womöglich nicht ein förmlicher Waffen- 
stillstand, sondern nur die Kündigungsfrist ausbedungen, 
diese wieder nach der Stellung des französischen Heeres 
bemessen werden, umso länger, je weiter es entfernt und je 
weniger widerstandsfähig es sei; denn noch immer rechnete 
man mit einer Aufnahme der Offensive. 3 Vor allem erregte 

1. Schwarzenberg an Kaiser Alexander 8. Januar 1813: 
Lea intentiona de raon Souverain nie sont, suffisamment connuos 
pour pouvoir assurer d'avanco qu'il saisira avee etnpreaaement tous 
les moyena qui se presentent pour retablir l'ordre et la tranquillite 
en Europc, sans oependant devier de Ses prineipes severe« de 
droiture et de lo}'alit.e. K.-A. 

2. Das Präsentatum: 13. Januar bei Onoken I, 427 ist irrig. 

3. Allerhöchstes Handschreiben an Schwarzenberg, 16. Jan. 
1813. An der entscheidenden Stelle wird eingeschärft, „dass die 



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die angebotene Demarkationslinie die grossten Bedenken. 
Piliza und Bug hatten die Grenze des 1809 abgetretenen 
Westgalizien gebildet. Wenn man sie jetzt besetzte, so 
konnte leicht der Verdacht entstehen, als sei es Oesterreich 
um Occupation seiner alten Provinzen zu thun. Mindestens 
Lublin und das rechte Weichselufer durften nicht einbezogen 
werden, da nach dem Übergang über die Weichsel keine 
strategischen Erwägungen für die Besetzung dieser Gegenden 
sprachen. Vielmehr wünschte man eine Linie, die von der 
Weichsel auf die Piliza zuliefe, diese durchschnitte, Czen- 
stochau einschlösse und dann an die preussische Grenze 
anstiesse. 

Es war am 23. Januar, dass der Kurier mit dem 
kaiserlichen Handschreiben in Pultusk beim Fürsten an- 
langte. Der hatte sich inzwischen von den Polen und vom 
Vizekönig bestürmt gesehen, Warschau und Modlin zu 
halten, aber seine ehrliche Überzeugung von der Unmög- 
lichkeit solchen Beginnens war nicht erschüttert worden. 
Modlin forderte zu seiner Verteidigung 8—10000 Mann, 
während es doch nur 3000 Unterkunft bieten konnte. An 
bombensicheren Baulichkeiten fehlte es mit Ausnahme eines 
Pulvermagazins und einer Bäckerei gänzlich. Die Besatzung 
bestand aus zwei littauischen Regimentern, die noch nicht 
einmal gekleidet waren. Von den drei Kronwerken waren 
nur zwei in Verteidigungszustand. Warschau zu halten 

Aufkündigung dieses Waffenstillstands nach der Lage bemessen 
werde, die Sie von der alliierten Armee haben werden; je 
weiter nämlich diese von Ihnen entfernt sein wird, und je weniger 
sie imstande ist, einigon Widerstand zu leisten, desto länger 
kann die Aufkündigungszeit sein, die Sie festsetzen können, weil 
der alliierten Armee bei ihrer weiten Entfernung von Ihnen selbst 
auch, wenn selbe in den Stand gesetzt sein wird, die Offensive 
wieder zu ergreifen, von keinem Nachteil sein kann, ob alsdann 
bei Meinem Auxiliarkorps die Feindseligkeiten um einige Tage 
früher oder später den Anfang nehmen." K.-A. 

o 



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machte die Jahreszeit schwierig. Da die Weichsel aller 
Orten zugefroren war, hätte man in der Stadt selbst als 
auf dem dominanten Ufer Aufstellung nehmen müssen, 
dann aber wäre man bei der Überlegenheit der feind- 
lichen Kavallerie leicht mit der Verpflegung ins Gedränge 
gekommen. 1 So wies Schwarzenberg Eugens Verlangen mit der 
Bemerkung zurück, dass der Hauptzweck dermalen sein müsse, 
die noch Übrigen Streitkräfte möglichst zu erhalten, 2 und 
trug unbekümmert um das „thörichte" Gerede der Warschauer 
kein Bedenken, von seinen neuen Weisungen in ganzem 
Umfang Gebrauch zu machen. Gleich am 24. Januar fand 
zu Wyszkow eine zweite Unterredung mit Anstett statt, 
der sich aus dem russischen Hauptquartier unverzüglich 
wieder zu den Vorposten begeben hatte. 3 Es wurde ver- 
abredet, dass das Auxiliarkorps sich successive nach War- 
schau, hinter die Piliza und bis Ende Februar in eine 
Linie zurückziehen würde, „die von Josefow längst dem 
Kamienabach über Kunow, Bodzecin längst den Gebirgs- 
ländern bisLapuschno auf der Poststrasse über Malagosz nach 
Zarnovice an der alten Westgalizischen Grenze führt." 4 Erhielte 
diese Linie Billigung, so sollte ein Artikel über einen 
Waffenstillstand unter dem Siegel grösster Verschwiegenheit 
aufgesetzt, von den beiden Marschällen gezeichnet und aus- 
gewechselt werden. Die Kündigung würde eine vierzehn- 
tägigo sein. 6 Damit war das eigentliche Geschäft bereits 

1. Schwarzenberg an Kaiser Franz 23. Januar 1813 (vor 
Empfang der Ordre vom 1(5.). K.-A. 

2. Schwarzenberg an den Vizekönig 19. Januar 1813. K.-A. 

3. Anstett an Schwarzenberg 2/11. Januar 1813: L'Enipercur 
a voulu que je retournasse immediatement aux avantpostes pour 
y entendre la reponse que V. A. m'a fait esperer dans le terme 
de 15 jours. K.-A. 

4. Vgl. Martens, Recueildcs traites conclus par laRussieIII,91. 

5. Resume de la conversation du 12/24 janvier 1813. K.-A. 
. . . . Si cette ligne est adoptee, il sera passe un article de 



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perfekt, und es wollte nicht mehr viel sagen, dass die Kon- 
vention sechs Tage später auch in aller Form unterzeichnet 
wurde (30. Januar). 

Sie war unzweifelhaft ein Akt von grösster Tragweite. 
_Sie erleichterte den Vormarsch der Russen nach der Oder, 
schuf freiere Bahn für eine Verständigung der beiden Kaisor- 
höfc des Ostens und lockerte das Abhängigkeitsverhältnis 
zu Frankreich. Aber man sollte sicli doch auch vor Über- 
schätzung in Acht nehmen. Das Auxiliarkorps trat noch 
nicht aus dem Kriege aus. Indem es statt des beantragten 
Waffenstillstandes auf drei Monate nur einen solchen auf 
unbestimmte Zeit schloss, wahrte es sich die Möglichkeit, 
durch die vierzehntägige Kündigung nur wenig behindert, 
jederzeit mit dem Bundesgenossen zusammen die Feindselig- 
keiten neu zu beginnen, und diese blosse Möglichkeit musstc 
bei seiner gefährlichen Flankenstellung das russische Heer 
zu einer der französischen Sache günstigen Vorsicht und 
Langsamkeit der Operationen veranlassen. So handelte es 
sich vorerst nicht um einen Bruch der Allianz, sondern nur 
um eine durch die Umstände entschuldigte Überschreitung . tvm 
der Kompetenz. 

Es war von höchster Wichtigkeit, dieser Auffassung 
bei Napoleon Eingang zu verschaffen. Dabei half Metter- 
nich wieder einmal sein bekanntes Glück. Nachdem, die 
entscheidende Ordre ergangen war (16. Januar), wurden die 
r _A4>rcise Mürats von der Armee und die Verlegung des 
grossen Hauptquartiers nach Posen in Wien bekannt, beides 
Thatsachen wie gemacht, einen Rückzug der Oesterreicher 
auf Krakau und in weiterer Folge einen Waffenstillstand 
nachträglich zu rechtfertigen. So that denn der Minister, 
als ob es ein Handschreiben vom 16. Januar überhaupt 



1 



f; i 



Convention sous le sceau dn plus grand soorot pour un armiatice. 
Cot, articlo sera signe reeiproquemment des deux mareohaux et 
echange entre eux. La denonciation sera de 15 jours. 1 t\\ 



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nicht gäbe, und setzte wie unter dem frischen Eindruck 
jener Nachrichten mit sorgfältiger Auswahl jedes einzelnen 
Wortes höchst persönlich ein neues auf, das, für Schwarzen- 
berg moutarde apres dmer, in den Verhandlungen mit 
Frankreich umso bessere Dienste leisten konnte (24. Januar). 1 
Es führte die Waffenruhe, deren Details doch schon vor 
acht Tagen beraten waren, als ein völliges Novum ein und 
knüpfte sie heuchlerisch an eine Fülle von Voraussetzungen 
und Kautelen. Nur wenn kein anderes Mittel mehr bliebe, 
um nicht die Verbindung mit Krakau zu verlieren, sollte 
der Feldmarschall zu ihrem Abschluss ermächtigt sein. Zur 
sachlichen Rechtfertigung hicss es allerdings deutlich genug: 
Mein Auxiliarkorps mit den Sachsen allein kann ohnehin 
nichts unternehmen, was den letzten Überbleibseln der 
alliierten Armee von irgend einem noch so geringen Nutzen 
sein könnte. 2 

Auch an direkten Entschuldigungen Hess man es nicht 
fehlen. Kaiser Franz versicherte, die selbständigen Wei- 
sungen nur erteilt zu haben, „da der Stellvertreter Ew. Maj. 
die Armee verlassen hat,** 3 und Metternich beeiferte sich 
erklären zu lassen, dass das Auxiliarkorps doshalb um 
nichts weniger unter dem unmittelbaren Befehl Napoleons 
bliebe. Wenn man es auch an die andern Korps heran- 



1. In französischer Fassung bei Onoken I, 408. Das deutsche 
Original, nachdem ich zitiere, unter den Vorträgen Metternichs. H.-A. 

2. Dass man den rein ostensiblen Charakter dieser Ordre 
bisher verkannt hat, erklärt sich aus der Unkenntnis des Hand- 
schreibens vom 16.; immerhin hätte es auch früher schon auf- 
fallen sollen, dass die Antwort auf russische Anorbietungen, die 
man seit dem 16. hatte, erst am 24. erfolgt sei, und dass der 
wichtigste Bestandteil der bei Martens abgedruckten Konvention, 
nämlich der Rückzugsplan, eben von jenem Tage datiert, an dem 
der angeblich entscheidende Befehl erst die Staatskanzlei verliess. 

3. An Napoleon 24. Januar 1813. Oncken I, 407. 



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zöge, sei man doch weit entfernt, Natur und Zweck der 
verschiedenen Heeresteile zu vermengen. 1 

Aber bei alledem blieb die Sache doch sehr misslich. 
Wer stand dafür, dass nicht der Imperator durch den Wald 
von Phrasen hindurch nur die eine Thatsache der Preis- 
gabe der Weichsellinie sehen und den Befehl an Schwarzen- i 
berg mit der That Yorks auf eine Linio stellen würde? 
Bubna ging einen schweren Gang, als er sich in der Frühe 
des 3. Februar in die Tuilerien begab, um sich der neuesten 
Aufträge seines Hofes zu entledigen. 

Napoleon war zunächst die gute Laune selbst. 2 Er 
sprach seine Freude über den Beginn der Friedensverhand- 
lungen aus und gestand, da Kaiser Franz sich über den 
Mangel an Vertrauen in jenem Brief vom 7. Januar be- 
klagt hatte, mit gewinnender Offenheit den begangenen 
faux pas ein. „Das ist ein Geschwätz, ich hätte es 
mir schenken können. . . Teilen Sie Ihrem Herrn mit, 
dass mir nichts ferner lag als die Absicht zu drohen." 
Aber kaum hatte er von den auf das Auxiliarkorps 
bezüglichen Aktenstücken Kenntnis genommen, als seine 
Stimmung jäh umschlug. Das sei ein schlechtes Stück, 
gegen den Vertrags ein erster Schritt zum Abfall, sprudelte 
er hervor. Wenn das Korps von seiner Armee getrennt 
würde, sei es gleich Null für seine Zwecke. Mit dem 
Scharfblick, der ihn auszeichnete, erkannte er, dass die be- 
waffnete Vermittlung im Hintergrund aller Schritte Metter- 
nichs lauere: Ich habe Eure Intervention für den Frieden 
angenommen, _ein bewaffneter Vermittler passt mir nicht. 
Bisher hatte er sieh der Einsicht, dass Oesterreichs Stellung 
zu ihm eine andere geworden war als die des bescheidenen 
Alliierten von 1812, beharrlich verschlossen. Noch eben 
hatte er im Hinblick auf York von Schwarzenberg gesagt: 

1. An Bubna 25. Januar No. 2. Oncken I, 405. 

2. Für das Folgende: Oncken I, 103 ff. auf Grund des 
Bubnasehen Berichtes vom 3. Februar. 



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l Das ist ein Mann, dessen ich sicher bin und auf den ich 
; bauen kann. 1 Jetzt wurde ihm klar, dass um Oesterreich 
beim Bunde zu erhalten, doch wohl etwas Positives ge- 
schehen müsse. Er Uberlegte laut: Ich vertraue auf den 
Kaiser und auf Metternich, aber man kann sich nicht ver- 
hehlen, dass ich ... dass Frankreich Oesterreich viel 
Böses zugefügt hat. Das lässt ein Gefühl der Bitterkeit 
zurück, das nicht so leicht verwischt werden kann. Und 
dann deutete er sehr verständlich die Möglichkeit einer 
Modifikation des Märzvertrages an: Als ich bemerkte, dass 
der Vertrag von Tilsit Russland lästig wurde, habe ich 
Vereinbarungen vorgeschlagen; ich war bereit zu unter- 
, handeln, aber Russland wollte nicht. Das ist der Gang 
meiner Politik. Man hält mich für einen Hitzkopf; man irrt 
sich, ich bin ein Rechner; ich wäge meine Mittel und die 
der andern. Ich bin aufrichtig, ich verhehle mir nicht, 
welchen Einfluss ein Wechsel des politischen Systems in 
Oesterreich auf meine Angelegenheiten haben könnte. 2 

Sein Verhalten in der nächsten Zeit entsprach diesen 
Worten. Noch am solben Abend Hess er Bubna bitten, die 
Unterredung vom Morgen entweder ganz zu unterdrücken 
oder nur das Angenehme daraus zu melden, 3 und verdoppelte 
fortan die Rücksichten gegen ihn. 4 Die Ordre an Schwarzen- 
berg bezeichnete Bassano sogleich als nur schlecht abgefasst,* 



1. Voila un hoinrue dont je suis sur et sur lequel je puis 
conipter. Floret an Metternich 1. Februar No. 4 c. H. A. 

2. Vgl. Cristo S. 228 f., Bignon XI, 323. Oneken I, 107 
teilt auH der ganzen, so überaus wichtigen Stelle nur den kleinen 
Satz mit: On me croit une tete emportee, on se trompe, je suis 
un nomine de ealcul. Je pese mes moyens et ceux des autres. 

3. Oncken I, 107, Oiste S. 229. 

4. Floret an Metternich 12. Fobruar. Cristo S. 229. 

5. L' ordre donne au Princc Schwarzenberg n'est qu'eventuel. 
Cot ordre, eomme l'obsorve 1'Empereur, n'est au plus (juc mal 
libelie. Bericht Bubnas 4. Februar. Cristo S. 229 Anm. 2. 



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und des Weiteren Uberging man den Zwischenfall so völlig 
mit Stillschweigen, als wäre alles, was gethan war, wohl- 
gethan. 1 Der Gesandte kam nie in die Verlegenheit, die 
Argumente, die ihm von Wien zur Verteidigung souffliert 
wurden, 2 zu gebrauchen. Später, als er dann die Waffeu- 
sti Iistandskonvention selbst zur Kenntnis der französischen 
Regierung brachte, erklärte man sich mit diesem arrangement 
de ghüral ä yhu'ral, mit der Demarkationslinie und vor 
allem der kurzen Kündigungsfrist sogar ganz einverstanden. 3 
Metternich triumphierte. Ob er die Dinge nun vom 
persönlichen oder vom politischen Standpunkt ansah, er 
hätte sich keine bessere Entwicklung wünschen können. 
Um die Jahreswende waren seine Freunde nicht ohne Sorge 
wegen eines möglichen Sturzes gewesen, 4 jetzt erhielt er 
durch Ernennung zum Kanzler des Theresionordens einen 
weithin sichtbaren Beweis des kaiserlichen Vertrauens, und 
die Lage des Staates war derart, dass er das stolze Ver- 
sprechen wagen durfte: „Wir sind an den Tag der Ent- 
scheidung gelangt. Die Tugenden Ew. Majestät werden 
den Lohn ernten, der in der Länge nur guten Regenten 
vorbehalten ist." 5 Mit wie geringen Hoffnungen hatte er die 



1. Bericht Bubnas 1. Marz: on passe tellcment sous silenee 
cette affaire, comine si tout ee qui a ete fait etait bion fait. H.-A. 

2. Sehr charakteristisch darunter das folgende: Metternich 
an Bubna 18. Februar No. 3: l'iiupossibilitc dans laquollo se 
serait trouve l'Empereur d'approuver que le Prince de Schwarzen- 
berg sacrifiät, par de fausses manevuvres le corps auxiliaire vu 
tneme reffet que la vaine destruetiun de ce corps eilt produit 
sur l'armee entiere. Vous eonnaissez assez l'esprit de notre 
militaire pour savoir que pareil fait eut suffit pour annulier du 
coup^Tespoir que l'Empereur Napoleon peut nourrir sur une 
Cooperation active de notre part pour la carapagne prochaine. H.-A. 

3. Bericht Bubnas 9. März praes. 17. März. H.-A. 

4. Otto an Bassano 28. Dez. 1812. Fain I, 289 ff. * 

5. Vorträge 3. März. Er fähr! fort: Ew. Maj. mit Rat und 




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icdensaktion begonnen, und wieviel hatte er nun schon 
erreicht! Die Verwendung Oestorreichs war vorbehaltlos 
angenommen. Napoleon hatte auf die Kontinentalsperre 
in Russland verzichtet» Hoffnungen auf Illyrien eröffnet. 
Selbst der Waffenstillstand war „gut aufgenommen" worden: 
„So wahr ist es, dass Handeln allein Nichts, zur rechten 
Zeit Handeln und richtig Vorstellen hingegen Alles ist." 1 
Neuerdings schienen auch die Bemühungen, den Imperator 
bezüglich des Herzogtums Warschau nachgiebig zu stimmen, 
einen endlichen Erfolg zu versprechen. Die Mitteilung von 
Aktenstücken, welche die Pläne Alexanders und seiner pol- 
nischen Freunde enthüllten, hatte ihn Mitte Februar zu der 
Äusserung veranlasst: „Ich bin fern von Polen. Was ich gethan 
habe, habe ich nur bedingungsweise gethan. Man muss 
sehen" 2 ; und in der Audienz vom 1. März lachte er weidlich 
über den Vergleich der Polen mit den französischen Emi- 
granten, wie ihn Metternich in einer ostensiblen Depesche 
vom 18. Februar ausgeführt hatte 3 : „Was wollen Sie? Die 
Menschen sind überall dieselben." 4 In der Sache selbst Hess 
er sich freilich nichts anderes entlocken als die einfache 
Versicherung, dass er sich nicht für Polen schlagen werde, 5 
aber auch sio klang doch schon ganz anders als das „ich 



That — mit der gänzlichsten Hingebung und Aufopferung dienen 
zu können ist mein Ruhm; meine schwachen Bemühungen von 
Allerhöchstdenselben anerkannt zu sehen ist mein Lohn. H.-A. 

1. Vorträge Metternichs 17. März. H.-A. 

2. Je suis loin de la Pologne; ce quo j'ai fait, je Tai fait 
conditionnellement; — il faut voir. Bericht Bubuas 19. Februar 
en chiffres. H.-A. 

3. Oncken I, 431. 

4. Que voulez-Vous? Les hommes sont partout les meines, 
Bericht Bubnas 4. März. H.-A. 

5. Ebenda. 



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trete kein Dorf vom Herzogtum Warschau ab" in der Syl- 
vestcraudienz. 1 

Und was man sonst aus Paris erfuhr, war geeignet, 
noch weitere Zugeständnisse hoffen zu lassen. Gewiss, man 
wusste um die ewig denkwürdige Thätigkeit und Umsicht, 
mit der Napoleon die Verluste des letzten Feldzuges zu er- 
setzen bemüht war, aber man liess sich durch den ge- 
machten Enthusiasmus der Adressen und Opfergaben doch 
darüber nicht täuschen, dass dies rücksichtslose Hüsten im 
Volk sehr viel böses Blut machte. In der Vendec und 
Bretagne war es zu offener Empörung gekommen, auch 
anderwärts, selbst in Paris hatte es beim Aufbruch der neu 
ausgehobenen Mannschaft an Excessen aller Art nicht ge- 
fehlt. 2 Die Nation begrüssto jedes Anzeichen einer fried- 
lichen Wendung. Im Senat war man glücklich über die 
leiseste Aussicht auf umfassendere Abtretungen. 3 Marschälle 
und Staatsmänner, um ihre fetten deutschen Dotationen be- 
sorgt, Hessen die Kopie hängen und wollten von Krieg 
nichts hören. 4 

Dieso Erscheinungen machten im Ausland den tiefsten Ein- 
druck. Ein sonst ganz nüchterner oesterreichischer Politiker 
warf allen Ernstes die Frage auf, ob Napoleon bei solcher 



1. Oncken I, 65. 

2. Oncken I, 93. Berichte Bubnas 31. Jan. und 8. März. H.-A. 

3. So erzählt Floret (4. Februar): Sur lo rapport du Duc de 
Bassano dans la seance du 10 janvier quelques senatours obser- 
vent qu'apres avoir etabli le principe qu'on ne detacherait rien 
de ce qui est eonstitutionnellement reuni ä l'Erapire, on avait fait 
l'application ä. la Hollande et aux Villea Anseatiques, et que 
plus tard, lorsque dans le meine discours il a ete question des 
objets qu'on ne rendrait pas, on avait nomine la Hollande, snns 
faire mention des Villes Anseatiques. Ces senatours, dispöses 
peut-etre a croire ce qu'ils desirent, veulent dans ce silence voir une 
porte ouverte pour an arrangement sur les susdites villes. H.-A. 

4. Bericht Bubnas 8. März. H.-A. 



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Besorgnis im Innern wolil wagen würde, den Überrest 
seiner Macht ausser Landes zu schicken, 1 und es war also 
gar nicht ohne Verdienst, wenn Bubna darauf hinwios, dass 
dergleichen Stimmungen im ernsten Kalkül keine Rücksicht 
vordienten. 2 Immerhin glaubte doch auch er den Kaiser 
durch die Erfahrungen der letzten Wochen, das Vorrücken 
der Russen über die Weichsel, das er noch am 31. Dezember 
für unmöglich erklärt hatte, und vor allem den Waffenstillstand 
beim Auxiliarkorps zu ernstestem Nachdenken über seine Lage 
veranlasst. Der grosse Kriegsmann mochte sich sagen, dass 
eine Armee von Rekruten das Werkzeug nicht sei, um 
Lorheeren zu pflücken. 3 Wie fieberhaft man auch arbeitete, 
die Infanterie war noch ungelenk, die Artillerie so schlecht 
bespannt, dass man zweifeln konnte, ob ihre Pferde auch 
nur den Rhein erreichen würden, 4 dii^ Kavallerie ein „höchst 
unbeweglicher Klumpen", über den der schneidige oester- 
reichische Reiteroffizier seinen Spott ausgoss. 5 

So bewiesen die Nachrichten aus Paris Metternich 
Übereinstimmend, „dass unsere Hoffnung, die äusserste Grenze 
des Möglichen inbetreff der Friedensmöglichkeit zu er- 
reichen, sicher mit einiger Wahrscheinlichkeit verbunden 
ist." 6 Es schien nur darauf anzukommen, die Stimmung 



1. Memoire eines Ungenannten, von Metternich tun 3. Februar 
an den Kaiser übersandt mit dem Urteil, es sei schlecht geschrieben, 
aber rein und gut gedacht: „Der mir unbekannte Verfasser hat 
sich auf dem Wege der Regierung gefunden, ohne es in solcher 
Ausdehnung zu vermuten, er ratet das, was bereits eingeleitet 
und teilweise ausgeführt ist.'' Vortrüge Metternichs. 11.- A. Ich 
zitiere es fortan: Februar- Memoire. 

2. Bericht Bubuas 31. Januar. (Jriste S. 214. 

3. Das Vorstehende auf Grund von Bubnas Bericht 8. praes. 
17. März. fl.-A. 

4. Bericht Bubnas 16. Februar. H.-A. 

5. Bericht Bubnas 31. Januar. H.-A. 

G. Vorträge Metternichs 17. März. H.-A. 



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des Imperators richtig auszunutzen. Nun lebte der Minister 
aber der festen Überzeugung, dass von allen Staatsmännern 
des Zeitalters er am besten mit Napoleon zu roden wisse. 1 Kr 
hielt ihn nicht für so eisenköpfig wie die andern. 2 Durch 
Festigkeit und Ausdauer, :i verbunden mit Liebenswürdigkeit 
in der Form, hoffte er ihn nach und nach zur Aner- 
kennung der Notwendigkeit eines Wechsels in den terri- 
torialen Verhältnissen der Staaten bringen zu können. Sollte 
der Gedanke, sich durch einon allgemeinen Frieden die Zu- 
neigung seiner Völker zu gewinnen und sich mit dem 
Menschengeschlecht zu versöhnen, ohne Anziehungskraft für 
einen Mann sein, den man in Wien mit Recht mehr als 
einer Art Ehrgeiz zugänglich glaubte? 4 Nur durfte man sich 
freilich nicht die „offenbar übertriebenen und unausführbaren" 
Bedingungen der kriegführenden Mächte zu eigen machen. 
Wie wollte man der „Stimme der Vernunft" bei Napoleon 
Eingang verschaffen, wenn diese nicht wirklich die Stimme 
der Vernunft, gerecht und annehmbar war? Also „Basen von 
einleuchtender Gerechtigkeit, gemässigt ohne Knauserei, 



1. Noch am 30. Juni fand Wilhelm v. Humboldt es angezeigt, 
diosem Glauben' zu schmeicheln, er schrieb Metternich: Jl n'y a 
au mondo certainement que Vous qui puissiez reussir a exercer 

une grande influence sur l'homine (Napoleon). H.-A. j i 

2. Vgl. soine sehr lesenswerte Studie über Napoleon Bonaparlo 
aus dem Jahre 1820. Nachgelassene Papiere I, 275 — 2U1. Da 

lieisst es S. 277: Sans etre Tesclave de ses plans, il savait, los 
abandonner ou les modifier, du moment que son poiut de vue 
venait a ehanger, ou lorsque de nouvelles combinaisons lui 
offraient le moyen de l'atteindre plus efficacement par des voies 
differentes. 

3. Vorträge 8. Februar 1813: Festigkeit und Ausdauer, mit 
diesen beiden Ingredienzien hoffe ich zu Gott, Ew. Majestät auf 
eine bessere Zukunft vorbereiten zu können. H.-A. 

4. Gentz: Resume de la Situation actuelle des affaires, Vienne 
ce 4 juin 1813. s. Anhang. 



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umfassend ohne Überspanntheit," auch nicht ein fiir allemal 
unabänderlich, sondern sorglich nach den Umständou be- 
messen! Schon im Januar teilte Metternich gegen Knese- 
beck seine Wünsche in Maximum, Medium und Minimum. 1 

Und noch ein anderes war nötig. Man musste die 
Stellung Frankreichs unter der Hand schwächen, die eigene 
mit allen Mitteln stärken. Es galt, wie Gcntz später so 
schön sagte, seinen Friedcnsplan als eine Art Ultimatum 
von ganz Europa zu überreichen und ihn mit allem zu 
unterstützen, was die unabhängigen Mächte Überzeugend- 
stes auf der einen, Imposantestes auf der andern Seite 
finden konnten im innigen Verein ihrer Grundsätze, ihrer 
Gesichtspunkte, ihrer Entschlüsse, ihrer Hilfsquellen und 
ihrer Anstrengungen. 

So waren denn schon Anfang Februar Gesandte 
Oesterreichs nach London und Kaiisch gegangen, um eine 
Verständigung mit England und Russland anzubahnen, und 
hatte Metternich den Abfall Preussens von Frankreich nach 
einigem Schwanken „mit günstigen Augen angesehen". 



1. So wenigstens behauptete es der Zar am 8. März gegen 
Lebzelten» (vgl. dessen Bericht. H.-A.). Mr. de Knesebeck m'a 
dit plus que Vous; dans ses entretions secrets avoc Metternich, 
ce ministre lui a parle de bases generales qu'il divisait en 
Maximum, Medium et Minimum. — L'Empereur me les detailla. 
Leider giebt Lebzeltorn sie nicht wieder. Indessen wird mau 
behaupten dürfen, dass Maximum und Minimum sich nicht 
wesentlich von denen des 7. Mai (s. u.) unterschieden. Für das 
Maximum ergiebt sich das aus dem ebenfalls gegen Knesebeck 
geäusserten Wunseh, die Russen möchten erklären, man werde 
Frankreich jenseit des Rheins, der Alpen und der Pyrenäen 
nicht angreifen, ebonso wenig seine Dynastie verjagen. Pertz, 
Gneisenau II, 503. 

' , L * 



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Viertes Kapitel. 

Oesterreich und Preussen. 

Es geht nicht an, das Verhältnis der beiden deutschen 
Vormächte am Vorabend des Freiheitskrieges als ein wirk- 
lich inniges darzustellen. Zwar in Berlin hätte man un- 
möglich hingebender und demütiger vor den Stürmen, die 
das lecke Staatsschiff bald rechts bald links an Klippen 
ganz zu zerschellen drohten, bei der Hofburg Schutz und 
Rat suchen können. Metternich aber hatte auf die Politik 
eines Kaunitz, wie wir schon sahen, entfernt nicht so voll- 
ständig verzichtet wie die preussischen Staatsmänner auf 
die fridericianischen Traditionen. Er liess sich das Liebes- 
werben des Nachbarn gefallen, weil und soweit es ihm 
nützlich war, ein herzliches Gefühl der Gemeinsamkeit blieb 
ihm fremd. 

Zuerst in einer Zeit, wo der russisch-französische Krieg 
auf der Höhe stand und sein armes Land, des auswärtigen 
Handels beraubt, aus den tausend Wunden des französischen 
Durchzugs blutete, hatte sich der preussischo Staatskanzlcr 
in der Bedrängnis seines Herzens direkt und persönlich 
an den Kollegen in Wien mit der Frage gewandt, 
wie man aus dem traurigen Dilemma herauskommen 
könne, entweder zu wenig zu leisten und sich dadurch 
um die Frucht der bisherigen Opfer zu bringen oder aber 
sich durch ein Zuviel der Leistungen ganz zu Grunde zu 
richten. Er wünschte ein möglichst enges Einverständnis 



■ 



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94 - 



in dieser Richtung. Mindestens einige Basen, einige 
Evcntualgrundsätze müsse man aufstellen (4. September). 1 

Metternich fand es angezeigt, die Ungeduld des Fragers 2 
erst am 5. Oktober zu befriedigen, und auch jetzt noch gab 
er Steine statt Brot. 3 Was wollte die allgemeine Betonung 
der Interessengemeinschaft beider Staaten bedeuten, da er 
doch für die Gegenwart die Verschiedenheit ihrer Lage mit 
den stärksten Accenten hervorhob? Der Rat am Schluss 
aber, den oesterreichischen Fliedensplan zu unterstützen, 
war wahrlich das Letzte, was der Monarchie frommte. 
Mochte der stärkere Nachbar in seiner geschützteren Lage 
bei einem System des Temporisicrens seine Rechnung 
finden : für Preussen lagen die Dinge bald so, dass jeder 
sogenannte Zeitgewinn Zeitverlust 4 und Heil nur von raschen 
und kräftigen Entschlüssen zu erwarten war. 

Früher noch als in Wien hatte man in Berlin die 
russische Aufforderung zum Abfall von Frankreich. Schon 
am 28. Oktober hielt Hardenberg einen vom Zaren inspi- 
rierten Brief des Grafen Licven, früheren Gesandten am 
preussischen Hof, (d. d. 2. Oktober) in Händen, der unter 
Hinweis darauf, wie Russland den Feind ins Innere des Reichs 
gezogen, eindringlich mahnte, die so gewonnene Freiheit 
des Wollens und Handelns im Bund mit Oesterreich zum 
eignen wie zum Heil Europas zu benutzen. 5 Es lag etwas 



1. Oncken I, 375—378. 

2. Ebenda. J'attendrai avec impatience la communication de 
Vos idees. 

3. Oncken I, 378—380. Dass Hardenberg entfernt nicht, so 
erbaut war wie Oncken (I, 20 f.), ergiebt sich aus seinem Brief 
an Gneisenau 15. Oktober 1812. M. Lehmann: Gneisenans 
Sendung nach Schweden und England. Hist. Ztschr. 62, 401 ff. 

4. Nach einer Äusserung Yorks. Vgl. M.Lehmann, Scharnhorst 
II, 487. 

5. Oncken I, 22 — 26. Duncker: Aus der Zeit Friedrichs des 
Grosson und Friedrich Wilhelms III. S. 447 f. 



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in diesem Weekruf, was des Kanzlers eignen Stimmungen 
entsprach. Vor vierzehn Tagen hatte er gegen Gneisenau 
ganz ähnliche Gedanken erörtert. 1 Und Uberhaupt schien 
alles, Vergangenheit und Zukunft, auf den Anschluss an 
Russland hinzuweisen. Es war ja erst ein Jahr her, dass 
dieser auf das ernstlichste und andauerndste die Gemüter be- 
schäftigt hatte; und hatte damals an entscheidendster Stelle 
schliesslich der Wagemut gefehlt, so war man doch auch 
als Alliierter Frankreichs mit seinen Sympathien weit mehr 
auf der Gegenseite geblieben. Niemals hatte Hardenberg 
so völlig wie Metternich an der Möglichkeit russischer Er- 
folge verzweifelt. Friedrich Wilhelm verband persönliche 
Freundschaft mit Alexander. Furcht und Hoffnung wirkten 
mit. Unterlag Napoleon, und stand man dann noch auf 
der Seite des Besiegten, so durfte man nicht ohne Besorgnis 
sein, dass die Russen im Streben nach der Wcichsellinie 
auch vor Ostpreussen nicht Halt machen würden; denn ] 
dass die Freundschaft des Zaren nur soweit ging, als sie 
mit seinem Vorteil zusammenfiel, hatten die Erfahrungen 
von Tilsit bewiesen. Für den Fall des Bundes aber stellte 
er schon jetzt unter deutlichem Hinweis auf die Königreiche I 
von Napoleons Gnaden 2 Gebietserweiterung in Aussicht. 

So war man denn nicht ohne Verständnis für die 
Mahnung, mit der Schüler, der preussische Gesandte in 
Petersburg, jenen Lievenschen Brief begleitet hatte: Möchten 
Oesterreich und Preussen den Mut fassen, frei sein zu 
wollen! nie war wohl der Augenblick vorteilhafter, und 
niemals dürfte ein so vorteilhafter wiederkommen. 3 Aber 
den rettenden Entschluss, nun auch schnell und auf eigene 
Faust zu handeln, fand man darum einstweilen noch nicht. 
Wieder wie in letzter Instanz ja auch 1811 machte man 



1. Eben in jenem Brief vom 15. Octobor. Hiat. Ztechr. G2, 491 ff. 

2. Oncken I, 26. 

3. Onckon I, 27. 



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sein Thun und Lassen von Oesterreich abhängig. Mit ihm 
wollte man gern kräftige Massregeln ergreifen, ohne seine 
Hilfe glaubte man die Hände in den Schoss legen zu müssen, 1 
sowenig selbst Hardenberg ein Bedauern Uber diosc Un- 
thätigkeit fremd war. 2 Wie nämlich, wenn der Wiener 
Hof Napoleon treu blieb und die Gelegenheit ersah, Schlesien 
zurückzunehmen? Ausgesogen, erschöpft, war man nicht 
imstande, einen solchen Angriff zu ertragen, zumal der 
Kusse bei dieser Konstellation möglicherweise in seinen 
Grenzen blieb. Und geschah auch dies Äusscrste nicht, 
so konnte man doch, falls Oesterreichs Beitritt zum Bund 
kein Gegengewicht schuf, garzu leicht in die Rolle eines 
russischen Vasallen herabsinken. Zu diesen sachlichen Er- 
wägungen kam die persönliche Abneigung des Königs gegen 
„heroische" Pläne. 3 Er hätte es gern gesehen, wenn 
Kaiser Franz ihm dio Verantwortung der Entscheidung ab- 
genommen hätte. Demgemäss sah er von einer direkten 
Antwort nach Petersburg vorerst ab 4 und liess statt dessen 
dem oesterreichischen Gesandten erklären, ohne Oester- 
reich könne er nichts unternehmen, wenn aber diese Macht 
ihn unterstützte, würde er nicht zögern, sein System zu 
wechseln und alle Mittel zu einem Versuch zu vereinigen, 
das fremde Joch abzuschütteln. Graf Z-ichy zweifelte nicht 
an der Wahrheit solcher Worte. Er berichtete vier Wochen 

1. Hardenberg an Gneisenau Anf. Nov. 1812. Hist. Ztschr. 
G2, 500 f. Vermessenheit wäre es, die uns unfehlbar in den 
Abgrund stürzte, wenn wir allein auftreten wollten. 

2. An Gneisenau 23. November. Hist. Ztschr. G2, 502 f. 

3. M. Lehmann, Scharnhorst II, 474. 

4. Sie erfolgte erst durch einen Brief an Gneisenau 23. November 
und durch die Mission des Majors Lützow 10. Dezember. Duncker 
S. 460, 452. Wenn Oncken I, 27 dio Aussorung gegen Zichy 
als „Antwort" bezeichnet und ihre Kühnheit hervorhebt, so ist 
das ein durch die Fassung des Z.- sehen Berichtes entschuldigter 
Irrtum. 



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— 97 — 



später als das Resultat eigner Beobachtungen: Es steht 
fest, dass die jüngsten Ereignisse und die Sprache, 
welche Kaiser Alexander gegen den König geführt hat, ihm 
einen tiefen Eindruck gemacht haben. Der geringste An- 
stoss von unserer Seite würde vielleicht dem natürlichen 
Hang zum Siege verhelfen, der ihn immer zu Gunsten 
Russlands stimmt. 1 

Metternichs Stellung demgegenüber war anfangs keine 
feste und konsequente. Es scheint, dass er sich nicht klar 
war, ob er Preussen zum Bund mit Russland oder zum An- 
schluss an die eigene Friedenspolitik in ihrem ganzen Um- 
fang veranlassen solle,' wobei sich dann die beiden deutschen 
Mittelmächte als imposante Barriere zwischen die feindlichen 
Kaiserreiche geschoben hätten. Einmal wies er, wenn auch 
mit Einschärfung grosser Vorsicht, seinen Gesandten an, im 
Sinn des Oktoberbriefes an Hardenberg auf die „sehr reelle 
Verschiedenheit" in der Lage beider Staaten aufmerksam 
zu machen," die Oesterreich erlaube, den tertiw gaudms 
zu spielen, während Preussen als Kriegsschauplatz dienen 
werde; und dann wieder schrieb er dem preussischen Staats- 
kanzler: Unser Gang ist ausgesprochen genug, um den 
Mächten als Richtschnur zu dienen, die uns das Vertrauen 
schenken, unsere Haltung zu Rate zu ziehen, um ihre danach 
zu regeln. 4 In der letzten Richtung lag es, dass er Boyen, 



1. An Metternich 26. November 1812. H.-A. 

2. Noch am 16. Januar schrieb er an Zichy: nos calculs 
portent ä peu pres avec los meines chances sur les deux alter- 
natives. Oncken I, 411. Vgl. für die zweite Alternative: Graf 
Hardenberg an Münster 12. Dezember 1812. Oncken H, 98. 

3. An Zichy 26. November 1812 No. 2. H.-A. 

4. An Hardenberg 13. Dezember 1812: Notre marche est assez 
prononceo pour servir de boussole aux puissances qui nous 
vouent la confiance de eonsulter notre attitude dans l'intention 
du regier la leur. H.-A. 

7 



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- 98 



der mit Aufträgen des Zaren für Friedrich Wilhelm an der 
galizischen Grenze angekommen war, unter Berufung auf 
einen allgemeinen Befehl, wonach kein in russische Dienste 
getretener deutscher Offizier ins Land hinein durfte, durch 
Reuss zurückhalten liess, bis er sich vergewissert hätte, ob 
man ihn in Berlin empfangen wolle oder nicht. 1 

Hier war man mittlerweile, je näher die Russen kamen, 
und je klarer der Untergang der grossen Armee sich heraus- 
stellte, umso dringender geworden. Eben in jenen Tagen, 
als man die von Napoleon erbetene Vermehrung des Bundes- 
kontingents mit Hinweis auf die Garnisonen der Oderfestungen 
ablehnte, eröffnete Hardenberg Zichy als persönliche Meinung 
, des Königs, dass jetzt mehr als je der Augenblick günstig 
sei, damit Oesterreich, mit Preussen vereint, sich für 
eine den Umständen angemessene Haltung entscheide, 
um den letzten Versuch zu machen, Europa den Frieden 
zu geben. Wenn aber dieser Schritt ohne Erfolg bliebe, so 
sei es dringend geboten, die Mittel zu bereiten, um im 
Frühjahr eine_bewaffnete Vermittlung ins Werk zu setzen, 
auf der fassend, man zu der den Interessen und der Unabhän- 
gigkeit beider Monarchien entsprechenden Rolle kommenkönne. 
Seine Majestät wären entschlossen, alle dazu nötigen Opfer 
zu bringen. 3 Und nichtgenug mit solchen Insinuationen, einigten 



1. Metternich an Zichy 13. Dezember 1812 No. 3. H.-A. 

2. Zichy an Metternich 18. Dezember 1812: II (le roi) a 
charge Mr. de Hardenberg de me prevenir confidentiellement 
comme l'opinion peraonnelle de S. M. qu'Elle entrevoyait plus 
que jamais le moment propiee pour que PAutriche jointe a la 
Prusse so decide ä prendre une attitude conforme aux circon- 
stances pour faire la derniere tentation de donner la paix ä 
PEuropo, mais que si cette demarche restait infruetueuse, il est 
urgent de preparer les moyens d'effectuer au printemps une 
mediation armee qui servirait de pivot pour deployer le röle 
convenable aux interetsetäl'independance desdeux monarchies. Der 
König sei entschlossen de porter tous les sacrifices necessaires. H.-A. 



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— 99 — 

sich Friedrich Wilhelm und seine Räte nach dem Grund- 
satz: Oesterreich muss führen, Preussen aber vorwärts 
treiben, 1 durch einen mit den Verhältnissen vertrauten Unter- 
händler in der Hofburg selbst für ein kräftiges Zusammen- 
gehn zu wirken. Sie hatten hier ohnehin nur an schon 
vorhandene Ansätze anzuknüpfen. Metternich selbst hatte 
die Absendung eines sicheren Mannes über Schlesien em- 
pfohlen, als er die schüchterne Bitte Hardenbergs um ein 
Rendezvous oder die Erlaubnis zu einer Reise des Grafen 
Zichy an seinen Hof 9 wegen des zu grossen Aufsehens ab- 
lehnte (13. Dezember). So wurde dem oesterreichischen 
Botschafter am 23. Dezember offiziell mitgeteilt, der König 
werde den Obersten v. d. Knesebeck mit geheimen Aufträgen 
nach Wien schicken pour exposer les bases militaires de la 
Prasse et les concerter ensuite avec Celles de VAutriche, 3 zu 
deutsch: um eine Militärkonvention zu vereinbaren, und am 
4. Januar reiste der designierte Gesandte als Kaufmann 
Hellwig thatsächlich ab, 4 ausgedehnte Vollmacht zum Ab- 
schluss einer Allianz 5 und merkwürdig widerspruchsreiche 
und konfuse Instruktionen in der Tasche. 6 

In ihnen spiegelte sich so recht die Unklarheit und 
Unentschiedenheit der preussischen Politik jener Tage. Auf 
der einen Seite zeigten sie von Oesterreichs Stellung und 
Macht die übertriebensten Begriffe. Die Weisungen für 
Floret und Bubna erschienen als „der Ausfluss des ganz 



1. Vgl. Ancillons Denkschrift v. 24. Dez. 1812. Duncker S. 457. 

2. Hardenberg an Metternich 25. Nov. praes. 2. Dez., Bericht 
Zichys 26. Nov. 1812. H.-A. 

3. Bericht Zichys 23. Dez. 1812. H.-A. 

4. Bericht Zichys 4. Januar 1813. H.-A. 

5. Ebenda; Duncker S. 462, 463. 

6. Im Auszug bei Oncken I, 118—126. Nach F. v. Meer- 
heimb: Zur Geschichte des Krieges im Jahr 1813. Ztschr. f. Pr. 
Geschichte X, 140 sind die Instruktionen von Ancillon, die 
Zusatzinstruktion von Hardenberg verfasst. j 

7* 



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— 100 — 



entschlossenen und ausgesprochenen Willens, an den Ereig- 
nissen des Tages thätigen und greifbaren Anteil zu nehmen." 
Alles sollte auf „Zusammenhang und Kraft" deuten. 1 
Knesebeck selbst begeisterte sich zu einer förmlichen Prosaode 
auf den wiedergeborenen Kaiserstaat. 2 Aber auf der andern 
brach doch auch wieder die dunkle Erkenntnis der wahren 
Sachlage hervor, wie sie durch Humboldts Berichte gefördert 
war. 3 Es wurde die Frage aufgeworfen, ob der Wiener Hof 
seine Erklärung durch kriegerische Massregeln bekräftigen, 
ob er den Frieden nach grossen und umfassenden Gesichts- 
punkten gebieten oder nur für sich selbst Vorteile heraus- 
schlagen wolle.* Ja, es galt als noch nicht ausgemacht, ob 
die ganze diplomatische Aktion für oder gegen Frankreich 
begonnen sei. 5 Diesem schwankenden Urteil entsprach die 
geringe Bestimmtheit der Anträge. In erster Linie wünschte 
man natürlich, dass Oesterreich seine Vermittlung stärker 
accentuiere. Sie müsse nicht angeboten, sondern angekündigt 
werden und vor allem eine bewaffnete sein. Liesse sich 
darüber Gewissheit erlangen, so sollte der Gesandte erklären, 
sein König erwarte eine formelle Einladung zum Beitritt. 6 
Als Friedensbasis wurden die Verträge von Amiens und 
Lüneville bezeichnet. 7 Schlimmsten Falls mochte für Preussen 



auch Rückgabe des Herzogtums "Warschau genügen/ — In- 
dessen mitten zwischen solche Vermittlungspläne schob sich, 
zumal in der Zusatzinstruktion, ein Gedanke sehr anderer 
Natur fast beherrschend ein. Die jüngsten Nachrichten, 
besonders ein am 30. Dezember eingetroffener Brief Boyens, 

1. Onckeu I, 119. 

2. Oncken I, 116 f. 

3. Gebhardt S. 119 ff. 

4. Oncken I, 120. 

5. Duncker S. 462. 

6. Oncken I, 120. 

7. Oncken I, 126. 

8. Oncken I, 125, Meerheirab S. 141. 






- 101 — 

der die Gefahr für Ostpreussen stark hervorhob, 1 und die 
That Yorks, eben während der Redaktion der Weisungen 
in Berlin bekannt geworden, 2 duldeten keinen Zweifel mehr 
darüber, dass einer Vereinigung mit dem Zaren weiterhin nicht 
durch Halbheiten werde ausgewichen werden können; sie 
aber ohne vorläufige Zustimmung des Wiener Hofes und die 
positive Zusicherung seiner Beihilfe zu vollziehen, erschien 
noch immer als zu gefährlich, die Bundesgenossen konnten 
ja bis zum Niemen zurückgeworfen werden. _So_ wurde eine • 
kategorische Erklärung erbeten für den Fall, dass die Russen 
die Weichsel überschritten, und versichert, man werde ohne 
Einwilligung Oesterreichs nicht mit ihnen abschliessen, / 
wüusche jedoch diese Einwilligung und glaube, dass sie im 
Interesse Oesterreichs selbst liege. 3 

Alles in allem waren sich die preussischen Staatsmänner 
offenbar nur über einen Punkt recht einig. Die Mission als 
solche musste, gleichviel in welchem Sinn, die günstigsten 
Folgen haben. Sie malten sich aus, dass der Oberst, der doch 
durch sein pedantisches und eigenmächtiges Eingreifen 
überall nur Hemmnis und Verwirrung stiftete, berichtigend, 
verbessernd, beschleunigend auf alle Massrcgeln des Wiener 
Kabinets einwirken werde, 4 und rechneten dabei auf die 
Lokalkenntnis, die er sich 1807 und 1809 erworben hatte. 
Mehr noch mochte ihm zu statten kommen, dass er, wie 
Zichy befriedigt schrieb, ganz und garnicht zur Sekte des 
Tugendbundes gehörte. 5 

Aber w r as wollte selbst das sagen, da die sachlichen 
Erwägungen der oesterreichischen Diplomatie so wenig mit 



1. Oncken I, 123. 

2. Die vorbereitende Naehricht 2. Januar, die Thatsache 
4. Januar. Oncken I, 129. 

3. Oncken I, 124f. Duncker S. 467. 

4. Oncken I, 120. 

5. Bericht Zichys 23. Dez. 1812. H.-A. 



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— 102 — 

den preussischcn Wünschen übereinstimmten? Eine schwere 
Enttäuschung war unvermeidlich. 

Zwar Metternich empfing Knesebeck gleich nach seiner 
Ankunft (12. Januar) und sehr liebenswürdig. Wie das so 
seine Art war, plauderte er ganz zwanglos über alle Fragen 
des Augenblicks, entwickelte seinen diplomatischen Feld- 
zugsplan. 1 diskutierte das Friedensprogramm, 2 gab allerlei 
gute Ratschläge, wie man den Abfall zu Russland am besten 
ins Werk setzen könne, 3 und was dergleichen unverbindliche 
Auslassungen mehr waren; in der Sache jedoch zeigte er 
sehr wenig Entgegenkommen. Er betonte, dass ein fremdes 
Kabinet nicht über die Rolle einer befreundeten Macht in 
ganz verschiedener Stellung entscheiden dürfe, und des- 
avouierte hinter dem Rücken des Gesandten unter bos- 
haften [Bemerkungen über die preussischcn Staatsmänner, 
die sich ihrem König gegenüber durch seine Zustimmung 
stark machen wollten, den langen und mühsamen Bericht, 
den jener von der Unterredung des ersten Tages gemacht 
hatte. 4 Nur über einen Punkt sprach er sich unzweideutig 
aus. Friedrich Wilhelm hatte es der Entscheidung des 
Wiener Hofes anheimgestellt, ob er nach Breslau gehen 



1. Oncken I, 138 ff. 

2. Vgl. oben S. 92 Anin. 1. 

3. Pertz, Gnoisenau II, 503. Sobald die russische Macht an 
der Oder angelangt ist, lässt der Kaiser Aloxander dem König 
erklären, er sei jetzt im Besitz von drei Vierteln seiner Staaten und 
gebe ihm 24 Stunden Zeit sich zu erklären, wolle er sein Gegner 
bleiben, so wäre er um sein Reich. Diese Erklärung sei dann 
dem französischen Gesandten mitzuteilen mit der Frage, ob 
Frankreich in 24 Stunden ihn schützen könne. Dem König 
bleibe also nichts übrig, als gezwungen Russlands Partei zu 
nehmen. 

4. Metternich an Zichy 16. (nachträglich datiert statt 13.) 
Januar. Oncken I, 409 f.; an Zichy 16. Januar en chiffre. Oncken 
1,410 f. Der Bericht Knesebecks 14, Januar. Oncken I, 138—144. 



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— 103 - 



jsolle oder nicht. 1 Metternich erklärte sich aus „zwanzig 
Gründen/' damit einverstanden und wurde nicht müde, als 
beste Lösung der gegenwärtigen Verwickelung Neutralisierung 
Schlesiens, der einzigen Provinz, die augenblicklich noch ' 
wirklich preussisch sei, anzupreisen. 2 Aber gerade dieser 
Rat war lediglich vom Egoismus eingegeben. Der Scharf- 
blick Wilhelms v. Humboldt, der diesmal nicht wie 1811 
bei Seite geschoben wurde, erkannte sofort, dass dadurch 
Preussen politisch eine Null und Schlesien ganz an das 
oesterreichische System gebunden würde^ Man wünsche es 
in Wien nur, damit die Russen sich nicht Oesterreich 
"^näherten. 3 Auch Knesebeck* war wie aus den Wolken ge- 
fallen, er hatte Oesterreich so fest in der Rolle des aktiven 
Vermittlers geglaubt, und nun musste er sehen, dass es 
noch nicht einmal ein passiver war; erklärte doch Metternich 
ein Abziehen des Auxiliarkorps als offenen Bruch mit 
Frankreich für unmöglich :> und hatte selbst vor den Aus- 
drücken mtäiateur und Mediation als zu schroff eine heilige 
Scheu. 6 So unangenehm die Erkenntnis war, es konnte 
kein Zweifel sein, dass man sich in Wien die drei Möglich- 
keiten einer Neutralität oder einer Unterstützung Frank- 
reichs oder Russlands offen halten wollte. Einzig das 
sichtliche Bemühen, die russische Partei mittelbar zu stärken, 
erregte dem Abgesandten die Hoffnung, die Entscheidung 
werde schliesslich nicht nach der französischen Seite fallen. 

Unter solchen Umständen konnte von hochpolitischen 
Allianzverhandlungen nicht wohl die Rede sein. Die beiden 
Preussen beschränkten sich also nach einem matten Versuch 



1. Duncker S. 463. 

2. Oncken I, 410, 143. 

3. Bericht 16. Januar. Gebhardt S. 124. 

4. An Hardenberg 19. Januar. Oncken I, 148 f. 

5. Oncken I, 141. 

6. Gebhardt S. 127. 



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■ « . - . 



— 101 — 

in jenem Sinn 1 mit ihren Bemühungen wesentlich darauf, eine 
offizielle Äusserung zu erhalten, die ihren König bei seinem 
Übertritt zu Russland deckte, aber auch hier waren sie nicht 
glücklich. Bei Metternichs beharrlichem Ausweichen mussten 
sie einen Schritt nach dem andern entgegenkommen. An- 
fangs verlangten sie noch „die feste und sichere Erklärung, 
dass der Kaiser entschlossen sei, seine Truppen nicht mehr 
mit den französischen zu vereinen und nicht am Kampf 
gegen die Feinde Frankreichs teilzunehmen." 2 Schliesslich 
wollten sie sich mit der Zusicherung begnügen, dass wenig- 
stens Preussen beim Anschluss an Russland nichts zu 
fürchten habe, und dass Oesterreich sein Hilfskorps nicht 
vermehren werde (26. Januar). 3 Selbst darauf war keine 
ganz befriedigende Antwort zu erlangen, obwohl sich Met- 
ternich unter dem frischen Eindruck der jüngst angekündigten 
grossen französischen Aushebungen in der zweiten Woche 
zugänglicher gezeigt hatte. 4 Immerhin fand er es gut, 
Knesebeck selbst zu versichern und durch seinen Herrn 
versichern zu lassen, dass man das in Frage stehende 
Bündnis nicht ungern sehe. 

Am Vormittag des 28. Januar wurde der Oberst in 
einfach bürgerlichem Kostüm vom Kaiser empfangen. 6 Franz 
war in seiner Art recht gnädig. In jenem väterlich schul- 
meisternden Ton, der ihm eigen war, sprach er über die 
Weltlage. Sein drittes Wort war, man solle „vernünftig" 
sein. Selbstverständlich hol) er das Streben nach Ruhe 
und Ordnung als Grundlage seiner Politik hervor; je nach- 



1. Gemeinsame Note vom 18. Januar. Gebhardt S. 125. 

2. Ebenda. 

3. Oncken I, 153. Das Datum der Note Oncken II, 108. 

4. Oncken II, 105. Gebhardt S. 129. 

5. Vortrüge Metternichs 27. Januar. Der Obrist Hellwig wird 
die Ehre haben sich im einfachen bürgerlichen costume morgen 
früh '/ 2 11 in Allerhöchstdero Antichambre einzufinden. 



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dem die andern sich betrügen, werde er sich stellen; er 



wünschte, dass Russland nicht zu grosse Prätensionen 
mache und Napoleon gegen Rückgabe einiger Inseln sie 
bewillige, was aber in den beiden entgegengesetzten Fällen 
zu geschehen habe, darüber half er sich mit einem „es werde 
sich zeigen, man müsse abwarten" leicht genug hinweg. 
Über sein Friedensprogramm wusste er nur zu sagen, er 
wolle keinen französischen Frieden, sondern einen solchen, 
wie ihn Oesterreich brauche. Was die Russen anlangte, 
so äusserte er befriedigt, sie schienen stark und verständig 
zu sein, und forderte ganz wie Friedrich Wilhelm, 1 dass , 
sie ja nicht an den Rhein gingen, sondern mit der Haupt- 
macht an der Oder blieben. Über die Hauptfrage, seine 
Stellung zu Prcussen, sprach er sich wesentlich bestimmter 
und offener aus als sein Minister, der ihm auch für diese 
Audienz nur nichtssagende allgemeine Phrasen diktiert hatte. 2 
Er erkannte an, dass der König sich werde an Russland 



1. M. Lehmann, Scharnhorst II, 474. 

2. Vorträge 27. Januar 1813. Ew. Majestät, dürften ihm 
(Knesebeck) Folgendes zu sagen geruhen. Dass Allerhöchst Sie 
in die Wahl der zu ergreifenden Partei des Königs keinen Ein- 
fluss zu nehmen für gut finden, weil Allerhöchst Ihre Anhäng- 
lichkeit an den König Ihnen die Gefahren einer jeden von ihm 
zu wählenden Partie nur zu sehr vorspiegelt. . . Ew. Majestät 
dürften ferner versichern, dass der König, welch immer eine 
Rolle er ergreife, dieselben Ansprüche auf Ihre Freundschaft 
behalten werde und Allerhöchstdieselben auf die vollkommenste 
Erwiderung dieser Gesinnungen zählen. Endlich, dass Knesebeck 
beroits durch mich von der Allerhöchsten Gesinnung in betreff 
der allgemeinen Angelegenheiten unterrichtet sei und Allerhöchst- 
dieselben nur noch die Versicherung zusetzen könnten . . , dass 
Ew. Maj. nie gewohnt sei, Dinge halb zu beendigen, und daher 
wünschen müssten, dass die Mächte Allerhöchst Ihrem Gang 
beistimmten, wo Sie sodann beweisen könnten, dass allein das 
Glück Europas Ihren Absichten und Zwecken vorschwebe. H.-A. 




— 106 — 



1 



anschliessen müssen, und versicherte, ihm darum nicht gram 
sein, auch sein Auxiliarkorps auf keinen Fall verstärken zu 
wollen. Vielmehr gab er sein Wort, dass die in Mähren 
und an der schlesischen Grenze zu bildende Armee nie gegen 
Preussen gebraucht werden würde. 1 

Leider lauteten die offiziellen schriftlichen Äusserungen 
der oesterreichischen Regierung über diesen letzten Punkt 
weit weniger befriedigend. Das kaiserliche Handschreiben 
(d. d. 28. Januar) überging ihn mit Stillschweigen und 
eine Note an die preussichen Gesandten vom Tag vorher 
klang gar in die Drohung aus, dass, falls Russland und 
England Oesterreichs Weg kreuzten, es sich genötigt sehen 
könne, die beschränkten Hilfsleistungen, die sich aus dem 
Vertrag mit Frankreich ergäben, weiter auszudehnen. 9 

So hatte Knesebeck im Grund nicht vielmehr erreicht 
als vor dreizehn Monaten sein grosser Antipode Scharnhorst. 
Auch dem hatte Metternich den Bund mit Russland em- 
pfohlen und ein Herz „voller redlicher deutscher und guter 
Gesinnungen gegen Preussen" geheuchelt. 3 Wer stand 
dafür, dass diesmal nicht mehr begehrliche Hoffnungen auf 
Schlesien hinter den Freundschaftsversicherungen lauerten? 
Hardenberg war von den ersten Nachrichten aus Wien 
wenig befriedigt: es gebe dort viel schöne Phrasen, aber 
keine That, 4 und noch um die Monatswende schon in Bres- 
lau, wohin das HoÜager inzwischen verlegt war, rechnete 



. i- 1 * 



1. Oncken I, ]50 — 153 auf Grund einer undatierten eigenen 
Niederschrift Knesebecks. Vgl. auch „Eine diplomatische Trilogie 
aus dorn Leben Karl Friedrichs v. d. Knesebeck 14 S. 171. 

2. Oncken I, 412, 415f. Das Datum der Note giebt ein 
Bericht des Grafen Hardenberg, ebenda II, 109. 

3. M. Lehmann, Scharnhorst II, 433. 

4. Bericht Omptedas 23. Januar 1813. Le chancelier me dit 
qu'il avait des nouvelles pou satisfaisantes de Knesebeck , qu'il y 
avait beaueoup de heiles phrases, mais point d'aetion. Polit 
Nachlass II, 347. 



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Ancilion in einer über alle Massen kleinmütigen Denkschrift »• • t*-' 1, 
mit der Möglichkeit, dass Oesterreichs augenblickliche Neu- ' ^ - 
tralität mit bewaffneter Parteinahme für Frankreich enden /.. 
werde. 1 Die persönliche Berichterstattung des zurück- ^ • <\ ( 
gekehrten Abgesandten beruhigte etwas. 2 Er wusste viel /\. \- IS 
Erfreuliches zu erzählen von dem, was man in der Hofburg ^ ^ e 
ahnen lasse. Immerhin befriedigte das wirklich Gesagte 
auch ihn wenig, ja er gab zu, dass Oesterreich einer grossen /u ct M V' v - ! ' 
Macht unwürdig auftrete; 3 und derart schwankend war die vi^u./ 
Stimmung in Breslau überhaupt. Heute war man ruhig, - ;Vu 
und morgen gewann vielleicht wieder die Besorgnis Ober- 
hand, dass den schönen Worten der Tuilericn die Trennung 
der deutschen Vormächte doch am Ende gelingen werde. 4 
Der Kanzler zog allerlei Parallelen zwischen der unbegreif- 
lich langen Zeit, die man jenseit der Berge zu seinen 
Rüstungen brauchte, und dem, was Preussen mit so unend- 
lich geringeren Hilfsmitteln möglich mache, und scherzte 
gutlaunig, das Verhalten Oesterreichs gegen die andern 
Mächte^ie es zum Krieg verlocke, erinnere etwas an die 
Fabel von der Katze und dem Affen, der sich die Kastanien 
aus dem Feuer holen lasse. 5 In allen Gesellschaftskreisen 
war die ängstliche Spannung auf das, was man in Wien be- 



1. d. d. 4. Februar, publiziert von M. Lehmann. Hist. 
Ztschr. 68, 275 ff. 

~~27~Recht hübsch sagt Ancilion in seinem nach Knesebecks 
Rückkehr geschriebenen Supplement au memoire: Ces nouvelles 
(de Vienne) pourraient etre moins satisfaisantes, mais elles de- 
vraicut l'etre bien davantage. ebenda S. 297. 

3. vgl. seine Denkschrift vom 6. Februar. Oncken I, 
167—170. 

4. So fast wörtlich in Zichys Bericht vom 11. Februar. 
Oncken I, 161. Auch Zichys Bericht vom 15. Februar. Oncken 
I, 181 kommt in Frage. 

5. Ompteda an Graf Hardenberg 25. Februar. Polit. Nachlass 
III, 27. La Fontaine, Choix de Fahles IX, 12. 



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- 108 — 



schliessen werde, verbreitet. Zichy berichtete: der Adel, 
das Militär, die Geistlichkeit, die Kaufleute und der letzte 
Kleinbürger thun Wünsche für Oesterreich und erwarten 
ihr Heil von den kraftvollen und festen Massregeln, die es 
ergreifen wird, um eine russische oder französische Vor- 
\/" herrschaft durch seine Achtung gebietende Stellung zu ver- 

hindern. 1 Die abenteuerlichsten Gerüchte wurden verbreitet, 
bald sollte der Erzherzog Karl mit wichtigen Aufträgen 
vom Kaiser in Breslau ankommen, bald zwischen Harden- 
berg und Zichy eine Allianz gezeichnet sein. 2 

Währenddem wurde der Übergang zu Russland wirk- 
lich vollzogen. Am 8. Februar ging derselbe Knesebeck, 
, / der in Wien mit seinen Bündnisanträgen so unglücklich ge- 
wesen war, nach Kaliseh ab, um mit dem immer drängen- 
der werdenden Zaren einen Freundschafts- und Friedens- 
vertrag abzuschliessen; und als er die Verhandlungen durch 
Eigenmacht und Schwerfälligkeit verfahren hatte, brachten 
sie Stein luid Anstctt in Breslau selbst rasch und glücklich 
zu Ende (2(f. Februar). Die Rücksicht auf Oesterreich er- 
litt dadurch keine Verminderung. Knesebeck erhielt den 
ausdrücklichen Befehl, über nichts abzuschliessen, was den 
Interessen der Hofburg zuwider sei, sich vielmehr stets als 
das wesentliche Ziel vor Augen zu halten, im Verein mit 
Russland Oesterreich zum Beitritt zu bringen. 3 Vielleicht, 
dass seine starre ünnachgiebigkeit gegen die polnischen 
Wünsche der russischen Regierung auf Lehren zurückging, 
die er aus Wien mitgebracht. Der Vertrag von Breslau- 
Kalisch wurde am 13. März Metternich mitgeteilt, 4 und 
wenige Tage nach seinem Absohl uss Hess der König Zichy 
durch Vertrauenspersonen erklären, alles, was der Kaiser 



1. Bericht Zichys 3. Februar pr. 8. Februar. H.-A. 

2. Bericht Zichys 5. März. H.-A. 

3. Oncken L 183 f. 



4. Oncken I, 42«. , 

■-.je.*- 



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— 109 — 



ihm sage oder riete, werde für ihn von grösstem Gewicht 
sein; denn, durch Neigung und durch die Interessen seiner 
Völker an den Zaren gebunden, habe er doch nur zu dem 
ocsterrcichischen Monarchen rechtes Vertrauen. Es sei seine 
Überzeugung, dass, wenn der Kaiser nicht an den deutschen 
Angelegenheiten teilnehme, niemals eiue feste, auf sicherer 
Grundlage ruhende Ordnung der Dinge hergestellt werden 
könne. 1 

Solche Worte fielen in Wien je länger, je mehr auf 
fruchtbaren Boden. Metternich erkannte sehr gut, welchen 
Vorteil es bot, einen so uneigennützigen Freund im Lager 
Alexanders zu haben; hatte er doch wesentlich, um durch 
Preussen mässigend auf Russland einzuwirken, den Bund 
zwischen beiden begünstigt und lieh noch Anfang April \ 
dem Wunsch Ausdruck, dass^Preussen in Kaiisch mehr den 
Ton angebe. 2 Und auch abgesehen davon bekannten er 
und sein Kaiser sich, je mehr die Berichte aus Breslau und 
Berlin 3 erkennen Hessen, dass der totgeglaubte Nachbar- 
staat eine herrliche Auferstehung feiere, umso ehrlicher zu 
den Gedanken von 1808 und 1809, in welchen Jahren es 
Friedrich Gentz für keines Beweises bedürftig erklärt hatte, 
dass die Existenz einer bedeutenden Mittelmacht zwischen 
Frankreich und Russland nicht bloss ein wesentlicher Vor- 



1. Bericht Zichys 5. März.. Le roi m'a fait insinuor par des per- 
sonnes qui jouissentdesa confianco quo tout ce que l'Empereur notre 
augusto maitre lui dirait ou conseillerait dans loa circonstances 
actuelles, serait pour lui du plus grand poids, qu'attache par 
inclination et par les interets de ses peuples k l'Empereur 
Alexandre, il n'eprouvait de la confiance que pour le Souverain 
de FAutriche, et qu'il avait la conviction qu'a- moins quo l'Em- 
pereur ne voulüt prendre part aux affaires de l'Allemagne, il ne 
pourrait jamais s'etablir un ordre de choses stablo et reposant 
sur des bases solides. H.-A. 

2. Gebhardt S. 138. 

3. Hier war Graf Bombelles zurückgeblieben. 



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teil, sondern ein offenbares Bedürfnis für Deutschland sei. 1 
Franz hatte schon gegen Knesebeck geäussert, wenn ein- 
mal wieder Ruhe und Ordnung in die Welt kommen sollte, 
müssten Preusscn und Oesterreich mit Deutschland ein 
Gegengewicht gegen Frankreich und Russland bilden. 2 Vier- 
zehn Tage später sagte er Humboldt persönlich, dass die 
Massregeln, die er in Breslau treffen sehe, ihm die höchste 
Achtung einflössten. 3 Metternich aber, der, weniger günstig 
gesinnt, noch am 16. Februar dem französischen Gesandten 
ein System europäischen Gleichgewichts entwickelt hatte, 
in dem Frankreich, Oesterreich und die Türkei Russland 
und England gegenüberstanden und die preussische Mo- 
narchie überhaupt nicht genannt war, 4 nahm im Laufe des 
März deren Verstärkung auch offiziell in sein Programm 
auf und rechnete fortan, mit ihr vereint, hier dem mos- 
kowitischen und dort dem napoleonischcn Koloss die Wage 
zu halten. Seine Agenten in Krakau bezeichneten Bignon 
seit dem 24. März nicht mehr Überlieferung Schlesiens als 
bestes Mittel, um Oesterreich zu gewinnen. 5 Sein Wohl- 
wollen gegen die preussischen Staatsmänner nahm sichtlich zu. 
Wie anders klang die Note, mit der er den Abschluss des 



1. Aus dem Nachlass II, 123. 

2. Oncken I, 151. 

8. Ompteda, Polit. Nachlass III, 27. 

4. Vgl. Ottos Bericht vom 17. Februar. Fain, Manuscrit de 
1813 I, 307. 

5. Bignon XI, 437. Pendant le mois de mars, les agents 
autrichiens de Baum et Neumann (correspondants directs de Mr. 
de Metternich) n'avaient pas cesse de me repeter que l'Empereur 
Napoleon s'assurerait par la eession de la Silesie le concours 
sincere de l'Autriche. Seit dorn 24. März sei das anders ge- 
worden. — Ich habe mich nach langer Überlegung nicht ent- 
schliessen können, diese Nachricht zu verwerfen; denn Bignon 
ist einmal an und für sich ein sehr unterrichteter Autor, dessen 
Zuverlässigkeit sich oft überraschend bewährt, und dann tritt 



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- 111 - 

Bündniswerkes von Kaiisch begrüsste (17. März), 1 als die, 
mit der er sieben Wochen vorher zu dessen Anfängen Stel- 
lung genommen hatte. Die Kriegserklärung, der Aufruf 
an mein Volk und die Stiftung des eisernen Kreuzes gaben 
ihm Gelegenheit zu den liebenswürdigsten Komplimenten 
gegen den froh überraschten Humboldt. 3 Übrigens be- 
urteilte er das Manifest Hippels auch im Gedankenaustausch 
mit seinem Herrn sehr günstig. Er gestand, einen „bün- i 
digeren, gemesseneren, zweckmässigeren Aufruf" nicht für 
möglich zu halten. 8 

So schien es äusserlich, als ob die Beziehungen der 
beiden Mächte nicht herzlicher sein könnten. Selbst ein so 
heller Kopf wie Wilhelm v. Humboldt pries gelegentlich 
in begeisterten Worten ihre enge und unwandelbare Ver- 
bindung, ja verstieg sich zu der Hyperbel, dass vielleicht 
niemals zwischen zwei Höfen überzeugendere Beweise des 
Vertrauens ausgetauscht wären. 4 Und doch lauerten in 
der Tiefe unUberbrückliche Gegensätze, die, wenngleich sie 
zu voller Entfaltung erst in Frankfurt und Wien kamen, f 
auch jetzt schon hier und da hervortraten. f\ , ( < ' 

Es war der deutsche Freiheitskrieg, in den die preus- 
sische Regierung durch die Macht der populären Erhebung 
hineingerissen wurde, in Wien wollte man, wenn ja ge- 



gerado diese Erzählung mit grösster Bestimmtheit auf. Indessen 
die Konsequenzen, die er daraus zieht, scheinen mir doch zu 
weitgehend. Was Baum und v. Neumann sagton, ist trotz ihrer 
nicht eigentlich subalternen Stellung — Baum war ein älterer 
Hofrat von manchen Vordiensten, Neumann werden wir noch als 
Attache von Bubua begegnen — für die Erkenntnis der oester- 
reichischen Politik nur von sekundärer Bedeutung. 

1. Abgedruckt bei Oncken I, 429 f. 

2. Oncken I, 504. 

3. Vorträge Metternichs 24. März. H.-A. 

4. Bericht vom 31. März. Gebhardt S. 157. 



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kämpft werden sollte, weder von einem deutschen noch 
von einem Freiheitskrieg wissen. — 

Kaiser Franz war fest* entschlossen, die römische Kaiser- 
kröne, nach der er doch nur die Hand Tiatte - auszustrecken 
brauchen, nicht wieder aufzusetzen. Mochten die Zeit- 
genossen darüber „seufzen": das strenge Gericht der Nach- 
welt, das Kotzebue 1 ihm androhte, ist ausgeblieben. Wir 
vermissen in den Erwägungen der oesterreichischen Staats- 
lenker 2 den hohen Schwung grosser Ideen; Logik und 
Konsequenz können wir ihnen nicht absprechen. Sie sagten 
sich nicht unrichtig, dass die Entwickelung seit 1801 nicht 
mehr rückgängig zu machen sei. Durften sie im Ernst daran 
denken, die geistlichen Fürstentümer, Reichsstädte und Reichs- 
ritterschaft wiederherzustellen, durch die allein doch sich ehe- 
mals ein massiger kaiserlicher Einfluss durchgesetzt hatte? 3 
Oder giug es an, die Fürsten des Rheinbundes zur Zurückgabe 
ihrer jungen Souveränität an Kaiser und Reich zu zwingen? 
Würden sich dann nicht zu dem Grundübel des früheren 
Reichswesens, den unvermeidlichen Reibungen zwischen dem 
souverainen Oberhaupt und der Landeshoheit der Einzel- 
staaten, die moralischen Wirkungen dieses Zwanges, es 
steigernd, hinzugesellen? Und was endlich sollte mit 
Preussen geschehen, das dem Reich schon vor seinem Unter- 
gang langsam entwachsen war? Die alte Verfassung 
Deutschlands war eben wirklich bis in ihre Urstoffe zer- 



1. vgl. das russisch -deutsche Volksblatt, herausgegeben von 
Kotzebue No. 10. Berlin 22. April 181b: Wenn jetzt Franz II. 
die deutsche Krone nicht wieder auf sein Haupt setzt, da er nur 
die Hand darnach ausstrecken darf, so werden die Zeitgenossen 
seufzen, und die Nachwelt wird ihn strenge richten. 

2. vgl. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 131 ff. 

3. vgl. Steins Denkschrift ans dem September 1812. P«rt.z 
III, 140 ff.""" 



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— 113 — 



stört. 1 Aber wenn ja ein Kaiser im früheren Sinn unmög- 
lich war, „das konstitutionelle erbliche Haupt eines echten 
deutschen Bundes" 2 war es nicht; und hätte also für Metter- 
nich und seinen Herrn das Wort „deutscher Sinn" etwas 
mehr als „den Wert einer Mythe" 3 gehabt, so würden sie 
mindestens auf jene „Grundlinien einer deutschen Föderativ- 
verfassung" zurückgekommen sein,jlie Gentz 1808 mit dem 
ihm eigenen Blick für das Möglich(Tund Zweckmässige ent- 
jvorfen hatte. 4 Statt dessen behandelten sie die deutsche 
Frage mit ausgesprochener Gleichgiltigkeit. Nur eines stand 
für sie fest: aus jener Aufteilung Deutschlands nach der 
Mainlinie zwischen Preussen und Oostorreich, wie sie seit 
1806 immer wieder von Berlin her angeregt worden war, 
durfte nichts werden. Knesebeck täuschte sich bitter, 
als er aus allerlei allgemeinen Bemerkungen Metternichs 
über die Notwendigkeit, die süddeutschen und norddeutschen 
Staaten verschieden zu behandeln, da jene erobern, diese 
nur ihr Joch abschütteln wollten, ein Wohlwollen für die 
preussischen Wünsche heraushörte.-'' Zumal dem Kaiser , | 
selbst waren sie sehr ärgerlich; die bekannte, dem säch- 
sischen Hof gegebene Versicherung, dass Seine Kaiserliche 
Majestät niemals ein preussisches Protektorat über Deutsch- 
land dulcTen würden und die veralteten Pläne einer Teilung 
Deutschlands in Süd und Nord ebenso wenig zulässig seien. , 
ging auf seine Initiative zurück. 6 Am besten blieb schon 



1. Gentz: Aus dem Nachlass II, 116. / ^ 

~ 2. ebenda. 

3. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 136. 
—.4. Qentz: Aus. dem Nachlasa.II, 135ff. 

5. Vgl. Pertz, Gneisenau II, 502; Oncken I, 168. 

6. Instruktionen für Esterhazy 14. April. Oncken II, 268. 
Vorträge Metternichs 14. April: „Ew. Maj. sehr richtige Be- 
merkungen über die Instruktionen des Fürsten Esterhazy glaube 
ich gehorsamst folgendermassen aufklären zu müssen. 1. . . . 
2. Die Stelle in Rücksicht des Protektorats Preussens über 

8 



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- 114 - 



alles beim Alten. So oft Humboldt mit Metternich über 
diese Dinge sprach, fand er ihn zu der Idee neigend, „die 
Fürsten, die jetzt den Rheinbund bilden, unabhängig zu 
1 lassen," wenn er auch irgend einem festern Band zwischen 
den deutschen Staaten „nicht absolut entgegen" war. 1 Und 
noch im Juli schrieb Gentz: der Graf will nun einmal von 
neuen Massregeln für Deutschland nichts hören. 2 Er sprach 
nur von Grossmächten und politischen Systemen und ver- 
mied es sichtlich, das Wort „deutsch" in den Mund zu 
nehmen. 3 

Aber freilich nicht nur, weil er eine Wiederherstellung 
des alten Reiches ablehnte; denn jenes Wort war zu seiner 
ursprünglichen Bedeutung zurückgekehrt, wieder wie vor 
tausend Jahron bedeutete es volkstümlich; und eben diese 
Volkstümlichkeit war dem Kaiser und seinem Minister in 
tiefster Seele verhasst. Zwar in den Verhandlungen mit 
Frankreich gebrauchte man den Geist der Gärung, der 
Uberall herrsche und täglich an Kraft gewinne, als will- 
kommenes Schreckmittel. 4 Man malte die Stimmung der 
Völker, die, unter unerhörten Lasten zusammenbrechend, 
keine andere Aussicht hätten, als die Reste ihres Ver- 



das nördliche Deutschland habe ich auf die folgende, weit weniger 
verbindliche Weise modifiziert: (folgt der zitierte Passus) — 
Franz bezeichnete die Abänderung anfangs als „recht", schliess- 
lich aber fand er doch wieder zu bemerken, „ob nicht . . dort 
die Ausdrücke gemildert werden sollten, wo gesagt wird, dass 
wir nicht leiden werden, dass Preussen ein Protektorat in 
Deutschland erhalte, indem es dorh eine Frage ist, ob wir 
Krieg dieserwegen führen sollten, wenn es eines in Norddeutseh- 
land erhielte. H.-A. 
1. Gebhardt S. 132. 
- 2. An Pilat 18. Juli 1813. I, 39. 

3. Gebhardt S. 139. 

4. Vgl., auch für das Folgende, das ostensible Reskript an 
Floret 18. Februar (1). Oncken I, 434 ff. 




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- 115 - 



mögens und das Leben ihrer Kinder für die französische 
oder russische Suprematie zu opfern, mit den stärksten 
Farben aus und liess, vielleicht in Anlehnung an ein schönes 
Wort von Hardenberg, 1 die Möglichkeit durchblicken, dass 
Mitteleuropa sich in ein zweites Spanien verwandeln könne. 
In Wirklichkeit aber trat man der populären Bewegung 
entgegen, wo und wie man sie fassen konnte. Metternich 
meinte mit einem Schein von Logik, mit revolutionären 
Mitteln sei die Welt nicht zu retten, man würde in diesem 
Genre doch immer hinter den Meistern von 1793 und 1794 
und ihren noch lebenden Schülern zurückbleiben. 2 Noch im 
Dezember 1812 hatte ihm Kaiser Franz befohlen, das für 
alle Beamten bestehende Verbot des Beitritts zu geheimen 
Gesellschaften mit dem strengsten Ernst und unter An- 
drohung unnachsichtlicher Entlassung in Erinnerung zu 
bringen. 3 Um Aufregung zu vermeiden, wurden die Ein- 
zelheiten der Konvention von Tauroggen und der rus- 
sisch-oesterreichische Waffenstillstand, soweit möglich, der f 
Kenntnis des Publikums entzogen. 4 _Die Polizei entfaltete 
eine lieberhafte Thätigkeit: „die der benachbarten Staaten" 
wäre dieser Arbeit nicht gewachsen"; 5 ihr Chef, Baron 
Hager, wurde mit Rücksicht auf sein „im gegenwärtigen 
Äugenblick besonders wichtiges Amt" vom Vizepräsidenten 



1. Hardenberg hatte zu St. Harsan gesagt, Napoleon werde V • 
in Preussen ein zweites Spanien finden. Zichys Bericht darüber 
datiert vom 14. Februar. Oncken I, 175. 

2. An Staekelberg 12. Januar: je ne crois pas que des 
nioyens revolutionnaires sauveront le monde, nous aurons beau 
travailler dans ce genre que nous rosterons en arriere des maitres 
de 1793 et 94 et de leurs diseiples tout vivants en 1813. H.-A. 

3. Kaiserliches Handschreiben 17. Dezember 1812. H.-A. 
Vorträge Metternichs. 

4. Metternich an Bubna 25. Januar, 28. Februar. Oncken 
I, 404, 43^. 

5. Metternich an Floret. 18. Februar. Oncken I, 436. 

8* 



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- 110 - 



zum Präsidenten der Polizeihofstelle befördert. 1 Und wirk- 
lieb kam sie einer weitverzweigten Verschwörung auf die 
Spur, an deren Spitze kein Geringerer als des Kaisers 
Bruder Johann stand. Ein unklarer Enthusiast voll Ehr- 
geiz und Thatendrang, den es kränkte, die Kräfte seines 
jungen Geistes und Körpers in einem nutz- und freud- 
losen Alltagsleben zersplittern zu müssen, hatte sich der 
Erzherzog um die Jahreswende den Plänen seiner tiroler 
Umgebung umso williger hingegeben, als er den Kaiser bei 
einem Gespräch über die neugeschaffene Weltlage „abge- 
spannt, zweifelhaft und bloss abwarten wollend" gefunden 
hatte. 2 Wenn an entscheidender Stelle keine Neigung war. 
den grossen Augenblick gross zu benutzen, so galt es eben 
auf eigene Hand zu handeln- Englische Agenten schürten 
das Feuer. Sie versprachen, für Waffen, Geld und Munition 
zu sorgen. Von Tirol und Vorarlberg sollte die Erhebung 
ausgehen, „der Schneelawinc gleich" die ganze Gebirgskette, 
die Schweiz, das Veltlin, Kärnthcn, Krain, Verona, Illyrien 
mit sich fortreissen. Eine englische Flotte würde in 
Fiume landen, von Sardinion aus ein Handstreich auf Genua 
geschehen. Im weiteren Verlaul mochte auch der deutsche 
Süden in die Bewegung hineingezogen werden. Der Erz- 
herzog lebte und webte in diesen Gedanken: „Si Dens 
nobiseum, quis contra not? Bin ich glücklich, geht die 
Sache vorwärts, dann werden alle die Augen aufreisseu, 
bewundern und sagen: wer hätte dies geglaubt?" 3 Zu 
Ostern sollte es losgehen, schon erwog er, heinilich Wien 
zu verlassen, da (7. März) wurde durch den Verrat eines 
Teilnehmers alles entdeckt. Hormayr und Schneider ver- 



1. Kaiserliches Handachreiben v. 4. März. H.-A. 

2. Kronea: Aus dem Tagebuch Erzherzog .Johanns. 8. 74. 
Für die ganze Darstellung ausser Krön es auch Wertheiiner, Wion 
und das Kriogsjahr 1813 S. 384. ^ 

3. Kronea S. 82 f. w« 



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- 117 - 



schwanden im Kerker, andere Verhaftungen und Aus- 
weisungen folgten. Der prinzliche Träumer, der noch immer 
allerlei Illusionen nährte, musste sein Ehrenwort geben, in 
Wien zu bleiben, und wurde unter die geheimo Aufsicht 
des Feldmarschalllieutcnants Graf Nimptsch gestellt. Erst 

18H3 durfte er sein geliebtes Tirol wieder betreten. 1 

- — — - - - » 

So hatte man denn im eignen Land die „Lunten" des 
Aufstandes noch im letzten Augenblick unschädlich ge- 
macht und sah mit umso grösserer Selbstgenügsamkeit und 
Indignation auf Preussen, das dem Dämon der Revolution 
immer sicherer zu verfallen schien. Es war in Wien 
Glaubenssatz, dass der Staat Friedrichs des Grossen von der 
im Finstern schleichenden Sekte des Tugend- Vereins unter- 
graben sei. Hardenberg und vor allem Wilhelm v. Hum- 
boldt sollten dazu gehören. Graf Zichy, beschränkt, ängst- 
lich, ohne Verständnis für deutsches Wesen, und sein 
Legationssekretär G raf Born helles thaten ihr Möglichstes, 
diesen Wahn zu nähren. 2 Die That Yorks, der vergessen 
habe, dass ein König über ihm sei, schien nicht anders ge- 
deutet werden zu können. Die wahrscheinliche Reak- 
tivierung Gneisenaus, :i der grosse Einfluss, den der höchst 
verdächtige Scharnhorst, neuerdings wieder übte, gaben 
weitere Beweise. Kaiser Franz meinte bitter, in Preussen 
stehe der König neben dem Volk, was ihm die schrecklichste 



1. Krones S. 19 f. 

. 2. Vgl. Oncken I, 299. Am 5. März 1813 warnte Zichy 

' wieder einmal vor Humboldt: Je ne crois pas me tromper en 
rangeant dana cette classe (der Revolutionäre) Mr. de Hum- 
boldt _qui_avec infiniment d'esprit et de conduite est tellement 
en relations avoc toutes les personnes qui appartienneut a cette 
confrerie pour ne pas m'imposer le devoir d'y appeler serieu- 
seraent Tattention de V. E.. H.-A, 

3. Ebenda. 



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— 118 — 



aller Aussichten sei 1 , und Metternich verglich schnöde genug 
die Ministerien Alexanders und Friedrich Wilhelms mit 
Wohlfahrtsausschüssen. 2 Graf Zichy aber benutzte eine 
Anregung Hardenbergs wegen Freilassung des 1812 eben 
auf preussischen Wunsch eingekerkerten Gruner, um eine 
diplomatische Aktion zu gunsten der öffentlichen Absage 
an die geheimen Gesellschaften in Sccne zu setzen, die, 
wenn auch kaum von Wien aus unterstützt, den preus- 
sischen Staatsmännern doch manches Kopfzerbrechen ver- 
ursachte. 3 Und statt dass dadurch das Ärgernis beseitigt 
wurde, nahm es vielmehr immer noch zu! Erhielt nicht 
zum April Kotzebue Censurl'reiheit für seinen russisch- 
deutschen Volksfreund, der in zuchtlosen und plebejischen 
Artikeln auf die niedersten Instinkte der Masse spekulierte? 
Und was war das für eine Sprache in den Proklamationen 
der verbündeten Heerführer! Schon im Februar hatte 



[ W;. ,\ Wittgenstein den undeutschen Handlangern der ihren Geist 
aushauchenden Tyrannei das Gericht der schwerbeleidigten 
Nation oder gar ein Leben in den Bergwerken Sibiriens in 
Aussicht gestellt. 4 Jetzt vollends beim Einmarsch in säch- 
sisches Gebiet erliessen er und sein Freund Blücher Aufrufe, 11 
I die selbst im eignen'Lager verstimmten. Zwar König Friedrich 
August selbst, der nur nicht sprechen dürfe, wie es ihm ge- 
wiss ums deutsche Herz sei, behandelten sie nicht ohne 
Schonung, ja wünschton ihm mit mehr Wohlwollen als Ge- 



1. An Napoleon 17. Februar: De toutes los chances los plus 
l'unestos saus doute et les plus opposöcs a ma facon de voir 
sont Celles qui teudeut ä dissoudre les liens sacres entro les 
Souverains et les Peuples et placent, ainsi quo la Prusse nous offre 
dans ce mouient l'exemple, Je Souverain ä cöte de son peuple. H.-A. 

2. Gegen Narbonne. Vgl. Lofebvre, Histoire des cabinets de 
l'Europe pendant le consulat et l'empire V, 277. 

3. Oncken I, 292—300. 

4. Criste S. 254. 

5. Wittgenstein: Berlin 23. März, Blücher: Bunzlau 23, März. 



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— 119 — 

schmack, dass er, „so Gott will," noch 45 Jahre in Frieden 
und Uberfluss regieren möge. "Aber seiner Mahnung zur / 
Ruhe fand sich der bedenkliche Satz gegenübergestellt, dass i{M/J- 
Ruhe ein Verbrechen sei: wer nicht mit der Freiheit ist, / 
ist gegen sie. Es wurde der alte Ruhm der Sachsen 
heraufbeschworen, die 30 Jahre lang auch gegen einen 
herrschsüchtigen Kaiser der Franken gekämpft hätten; und 
von Napoleon, dem man in Wien doch jede mögliche Rück- 
sicht erwies, überhaupt in so unehrerbietigen Ausdrücken, 
wie: Vandalismus, arglistige, gleisnerische Politik, ehrsüch- 
tige, raubgierige Entwürfe gesprochen. „Gottes Langmut 
ist erschöpft, wir werden siegen. Wir ziehen, wohin der 
Finger der Vorsehung uns weist. Wir bringen Eucli die 
Morgenröte eines neuen Tages. Auf! Vereinigt Euch mit 
uns, erhebt die Fahne des Aufstandes und seid frei. — Be- 
waffnet Euch, und wäre es auch mit Sicheln und Sensen 
und Keulen, und vertilgt die Fremdlinge von Eurem Boden." 
Ohne Frage, ein Land, wo von oben herab solcho Sprache 
beliebt wurde, versank für die kühlen und feinen Diplo- 
maten der Hofburg tiefer und tiefer in einen Zustand 
völliger Anarchie. Sie erkannten gern an, dass die Re- 
gierung das Feuer, das sie entzündete, mit Erfolg gegen 
die französische Unterdrückung lenke, aber auch das stand 
für sie ausser Zweifel, dass es sich im Moment, wo ihm 
dies Ziel genommen würde, verzehrend gegen seine jetzigen 
Nährväter wenden würde. 1 

Es war der weltgeschichtliche Gegensatz der Kabinets- 
politik des ancien regime zu dem Geist des 19. Jahrhunderts, 



1. So jammerte Bombelles am 9. April über l'etat d'anarchie, 
dans lequel ce pays-ci se plongc de plus cn plus. Lo gouver- 
nement allume et attise lui-meme un feu qu'il dirige mainteuant 
avec succes contre l'opprcssion de la France; mais ce feu 
devorera saus aueun doute ceux qui lc nourrissent dans ce 
momeiit-ci, des qu'il inanquera do but. H.-A. 



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- 120 



der sich in solchen Urteilen aussprach. Was man in Wien 
wollte, war zweifellos gut und achtungswert, wenn auch die 
Mittel im einzelnen nicht immer den Charakter der beharr- 
lich gerühmten Loyalität trugen. Wer durfte es tadeln, 
dass Kaiser Franz davor zurückschreckte, seinem verarmten 
Land die Lasten eines neuen Krieges aufzubürden, einen 
feierlichen, zu Recht bestehenden Vertrag zu brechen und 
über das Herz der Tochter zum Siege zu schreiten, um 
dann vielleicht zum Schluss die Vorherrschaft Frankreichs 
mit der Russlands zu vertauschen? Und verdiente es nicht 
sogar alles Lob, dass er die Vereinigung seiner Pflichten 
gegen Volk, Europa und Bundesgenossen 1 in dem Streben 
nach einem Frieden fand, der nicht nur Oesterreich selbst 
Vorteile zuwenden sollte? Gewiss, ein Souverain des 18. Jahr- 
hunderts, der so gehandelt hätte, würde als weise und edel 
gepriesen sein. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Mit 
Napoleon war ein Element des Gewaltsamen wie in die 
Kriegführung so auch in die Politik eingedrungen. Wo 
die Mächte rings umher ihr Alles auf eine Karte setzten, 
musste die vorsichtige, nach beiden Seiten gedeckte Diplomatie 
des Wiener Hofes als klein, als hinter der Grösse des Momentes 
zurückbleibend erscheinen. 

Es ist ein befremdendes Schauspiel, die Oesterreich ischen 
Unterhändler in Kaiisch und London sich um die Annahme 
von blossen Formen mühen zu sehen, während das ganze 
übrige Europa zum Entscheidungskampf um die Freiheit der 
Menschheit bereitstand. 



1. Lo inoyen de placer daus Vaecord le plus parfait ce 
qu'Elle devait ä son peuple, ä son Allie, a l'Europe. Weisungen 
für Schwarzenberg 28. März 181H. Oncken I, 441, 



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Fünftes Kapitel 



Wessenberg und Lebzcltcrn. 

Ein Schritt Oesterreichs bei England und Russland 
konnte der diplomatischen Welt nicht überraschend kommen. 
Er lag in der Natur des Metterii ichsehen Friedensplanes 
und war den andern Mächten seit lange angekündigt. Um 
Mitte Januar kannten ihre Gesandten offiziell sogar die 
Namen der Männer, die die undankbare Aufgabe erhielten, 
ohne eine andere Gegenleistung als das vage Versprechen 
bewaffneter Vermittlung bieten zu können, die gegen 
Napoleon verbündeten Höfe zur Herabstimmung ihrer For- 
derungen 1 und Steigerung ihrer Leistungen zu bewegen, 
daneben fast zu Kundschaftern degradiert, ihre finanziellen 
und militärischen Mittel in Erfahrung zu bringen. 2 

Die Persönlichkeit des nach London bestimmten Ge- 
sandten musste die besten Hoffnungen auf ein Gelingen 
seines Auftrags erwecken. Johann Philipp Freiherr v. 
Wessenberg, in einem langen Leben als Mensch und Staats- 
mann stets gleich bewährt gefunden, galt schon damals, 
obwohl erst neununddreissigjährig, von seiner Thätigkeit in 
Berlin 1809 und seinem Gesandtschaftsposten in München 
her als hervorragend geschickt und thätig. Auch Glück 



1. So schrieb Lebzeltern, Kaiisch 11. März an Metternich: 
En se mettant a la place de ces heureux Moscovites, il faut 
avouer . . que nous voulons lea habituer ä se contenter de peu, H.-A. 

2- Das wird namentlich aus dem Februannemoire deutlich. 



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- 122 - 

wussten ihm seine Freunde nachzurühmen. 1 Wie konnten 
sie ahnen, dass es ihn diesmal gänzlich verlassen würde? 
Und doch waltete von vornherein ein Unstern Uher seiner 
Mission. 

Am 8. Februar aus Wien abgefertigt, kam er nach 
einer wahren Odyssee von Umwegen und Aufenthalten in 
Hamburg und dann 14 Tage lang in Heisingborg, 2 erst 
am 29. März, also nach 48 tätiger Reise, in London an. 8 
Hier traf er sehr verwickelte Verhältnisse. 

Die Beziehungen der Höfe von St. James und Wien 
waren an sich, wie bekannt, traditionell gute. Seit den 
Tagen Wilhelms III. hatten die englischen Könige in mancher 
Gefahr treu zum Haus Habsburg gestanden. Das Zwischen- 
spiel des siebenjährigen Krieges war durch die jüngste 
Waffenbrüderschaft in den Kämpfen gegen die französische 
Revolution und ihren welterobernden Sohn reichlich ver- 
gessen gemacht. Und wenn dann auch Napoleon seit 1808 
die alten Freunde zu trennen gesucht hatte, wenn die 
diplomatischen Beziehungen offiziell hatten abgebrochen 
werden müssen und der Kaiserstaat der Kontinentalsperre 
beigetreten war, so hatte sich doch ein gewisses Einver- 
nehmen erhalten. Wir sahen schon, wie Metternich in dem 
Bündnisvertrag vom 14. März 1812, der sonst die Politik 
von 175(5 erneuerte, England von den Gegnern Oesterreichs 
auszunehmen bedacht war; und in London wiederum meinte 
man es bei allem Groll über die neueste Wendung ihrer 
Politik gewiss noch immer mit keinem Staat so gut wie mit 
der alten Monarchie an der Donau. Das allgemeine 

1. So pries Florot (an Metternich 1. Februar) die Wahl W.8 
als sehr glücklieh: il est actif, adroit et, surtout, il est heureux. 

2. Berichte Wessenbergs, Heisingborg 12., 14. März. H.-A. 

3. Berichte Wessonbergs, London 1. April. Apres avoir 
eprouve sur mer les meines guignons coinme sur terre, je suis 
arrive enfin lo 29 de mars a Londres apres un voyage de 48 
jours a dater do inon depart de Vienne. H.-A. 



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_ 123 — 



Interesse Englands wie das besondere des Hauses Hannover 
forderten gleichmässig die Erneuerung ihrer alten Herrlich- 
keit. Nur so konnte man zugleich ein europäisches Gegen- 
gewicht gegen Frankreich und ein deutsches gegen Preussen 
schaffen, ohne fürchten zu müssen, dass die Verstärkung 
einer allen maritimen Interessen derart fremden Macht die 
Zirkel der eigenen Welthandels- und Seeherrschaftspolitik 
im geringsten störte. Wenn irgendwo, so bestand beim 
Prinzregenten der aufrichtige Wunsch, dass Franz II. 
wieder seines alten Amtes als deutscher Kaiser walte; er 
hatte die Entsagung von 1806 nie anerkannt und erklärte 
vollends jetzt, es nicht zu können noch zu wollen. 1 Damit 
nicht genug, fehlte es keineswegs ganz an Verständnis für 
die gegenwärtige Politik Oesterreichs. En petit comite be- 
kannten die leitenden Männer, es sei sehr verständig, dass 
es sich nicht aussprechen wolle, bevor die Armeen der 
Verbündeten rechts der Elbe eine starke Position gewonnen 
hätten. 2 

Aber trotz alledem wiesen sie jedes Eingehen auf die 
Wiener Vermittlungswünsche weit von sich. Hatte man 
deshalb 20 Jahre lang Krieg geführt, um ihn jetzt, wo die 
Chancen günstiger standen als seit lange, durch einen vor- 
eiligen Frieden zu beendigen? War denn Herausgeben je 
die Sache Englands gewesen, dass Metternich so kühn von 
Kompensationen französischer Abtretungen redete, und was 
wurde aus den grossen Träumen von einem anstrasischen 
Reich, in denen der Prinzregent und sein getreuer Graf 
Münster lebten, wenn Westphalen erhalten und das rechte 
Rheinufer französisch blieb? 



1. Gegen Wessonberg 9. April. 

2. Berichte Wassenbergs London 13. April 1813 en chiffre: 
Je sais au reste de tres bonne souree qu'on le trouve tres sage de la 
part de l'Autrieho qu'elle ne veut pas se prononcer, avant quo les 
arinees coalisees du nord ne se soient etablies en force sur la 
rive droite de l'Elbe. If.-A. 



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— 124 — 



So hatte die englische Regierung jene einleitende Ver- 
balnote vom 9. November überhaupt nicht beantwortet, an- 
geblich, „um vorher die Äusserungen des Wiener Hofes Uber 
die sehr vorteilhaften Anträge zu vernehmen, welche Russland 
gemacht hatte, und die vom Regenten durch seinen Beitritt 
unterstützt sind" l ; und am 3. Februar begleitete der ,JCurier" 
die erste Nachricht von einer oesterreichischen Mission nach 
London mit den wenig einladenden Worten: „Wenn Oester- 
reichs Wünsche auf eine feste Verbindung mit Russland und 
uns gehen sollten, werden wir die Ankunft seines Gesandten mit 
Vergnügen begrüssen, aber wir wollen keine Angebote seiner 
Vermittlung, keinen dieser hinterlistigen Versuche, Zeitzuge- 
winnen und die Russen mitten in ihrer Sieges- und Ruhmeslauf- 
bahn aufzuhalten. Keine Vermittlung und am allerwenigsten 
so eine, als jemand aus Buonapartes Vasallenschaar geben 
kann! Jetzt ist nicht die Zeit, auf eine Unterhandlung zu hören 
oder zu denken. Frieden zu machen, ohne Deutschland zu 
befreien und das zu zerstören, was Buonaparte unverschämt 
sein Kontinentalsystem nannte, hiesse die goldene Gelegenheit 
wegwerfen, die das Schicksal uns bescheert hat." 3 

Seitdem war die Stimmung nicht freundlicher geworden, 
und ein buser Zufall wollte es, dass gerade in den Tagen 



J. Vgl. oben S. 53. Münster an Ompteda 26. Januar. 
Ompteda, Polit. Nachlass III, 39. 

2. Ii Anstria would connect herseif firmly with Russia and 
us, wo shall hail the arrival of her Minister with pleasurc. But 
we wish for no proffers of her mediation, nono of those insidious 
attempts to gain time and check the Russians in the füll line 
of their victory and glory. No mediation and least.of all such 
mediation, as one of ßuonaparte's vassalry can give. This is not 
the time to listen to or to think of a negociation for peaee. It 
were to throw away the golden opportunity which fortune has 
given us, to malte peace without emaneipating Germany and 
destro} f ing, was Buonaparte impudently called bis Continental 
System. Beilage zum Bericht Lebzelterns vom 14. März. H.-A. 



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- 125 - 



der Ankunft Wessenbergs dje Verhaftung Hormayrs und 
Schneiders und die Anrede Napoleons an den gesetz- 
gebenden Körper vom 23. März in London bekannt wurden, 
in der es hiess, dass die Integrität des französischen Reiches 
noch in keiner Verhandlung in Frage gestellt sei und es f 
auch in Zukunft nicht werden solle. Kam dies zweit« nicht 
überraschend, so erregte die Unterdrückung der tiroler Ver- 
schwörung umso bittere Gefühle, in denen sich Ärger über 
vergebens aufgewandtes Geld und der Tyrannenhass des 
freien Engländers wunderlich mischten. Die Times ent- 
blödete sich nicht, Kaiser Franz niedrige Undankbarkeit 
vorzuwerfen, die zu bezeichnen, Worte zu schwach wären, 
und von Herabwürdigung als Mensch und Herrscher zu 
reden. Jedenfalls mahnte auch sie, vor hinterlistigen Vor- 
schlägen auf der Hut zu sein. 1 , 

Unter diesen Umständen wagte der Prinzregent nicht 
einmal den Oesterreicher öffentlich zu empfangen, sondern 
Hess ihm den Wunsch ausdrücken, dass seine Mission geheim 
bleiben möge. 2 Und wenn er dann persönlich in der Audienz 
am Nachmittag des 9. April auch ganz Liebenswürdigkeit 
und Beredsamkeit war, 8 so zeigte er sachlich keinerlei 
Nachgiebigkeit gegen die Metternichsehen Anträge. Viel- 
mehr wies er auf die jüngste Rede Napoleons hin und hielt 
trotz Wessenbergs Widerspruch daran fest, dass das, was 
seine Sendung motiviert habe, nicht mehr bestände. Oester- 
reich sei von der französischen Regierung auf die frechste 
Art Lügen gestraft worden. Napoleon wolle keinen Frieden, v 
man könne also von Wien aus seine Intervention oder 
Vermittlung nicht mehr anbieten, ohne sich zu kom- 
promittieren. 4 

1. Times 1. April 1813. No. 8874. 

2. Berichte Wessenbergs 5. April. H.-A. 

3. Woynar a. a. O. S. 408. 

4. Wessenbergs Berichte 9. April: . . Vous voyez, mon eher 
Wesaenberg, quo ee qui a niotive Votre mission n'existe plus et 



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- 126 — 



Dieselbe Antwort wurde dem Gesandten in einer Note 
Castlereaghs vom gleichen Tage offiziell zugestellt. Der Prinz- 
regcnt sehe sich ausser Stande, auf eine Unterhandlung einzu- 
gehen, die keinerlei Aussicht auf ein günstiges Ende böte. 1 
Es half nichts, dass wenige Tage später (14. April) die neuen 
Weisungen aus Wien (d. d. 10. März) einliefen, die seit 
längerem angekündigt, von den englischen Staatsmännern 
mit Spannung erwartet worden waren. Sie verhiessen zwar 
eine Verstärkung der Sprache gegen Frankreich, redeten 
sehr wider die Wahrheit von 120000 Mann, die „ausser 
Zweifel" Ende März unter Waffen stehen würden, und er- 
klärten mit verständlichem Bezug auf den eben entdeckten 
Insurrektionsplan das volle Einverständnis Oesterreichs mit 
englischen Operationen in Italien: „wir werden z. B. mit 
Befriedigung vernehmen, dass Venedig und Genua besetzt 
sind." 8 In der Hauptsache aber war es wieder das alte 
Lied: „Wir sind einstweilen nur erst intervenierende Macht; 
die allgemeinen Aussichten und das Benehmen der Mächte 
gegen uns werden uns möglicherweise zur Vermittlung be- 
stimmen; und diese Vermittlung kann ausser bei lächerlichen, 
mit gerechten Gleichgewichtsideen unverträglichen Ansprüchen 



que l'Autriche ae trouvo avoir rocu lo plus insolent dementi de 
la part du gouverneinent franeais . . . Napoleon ne veut pas la 
paix . . l'Autriche ne peut, donc plus ofirir son entremise ni sa 
mediation saus se compromettre. H.-A. 

1. The Prinee Regent . . does not feel himself at liberty to 
tend himself to a negociation which affords no prospect of a 
favorable conclusion. Dieser Weigerung war durch die Annahme, 
dass Oesterreich jetzt selbst nicht mehr an einen Frieden glauben 
könne, in etwas der Stachel genommen. H.-A. 

2. Nous sommes loin de vouloir arreter des Operations que 
les Anglais pourraient projeter en Italic. Nous apprendrons par 
oxcinple avee satisfaction que Yeniso et. Genes aurnient ete 
occupes. H.-A. 



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- 127 — 



der Verbündeten nur zum allgemeinen Frieden oder zum 
Krieg mit Frankreich führen." 1 Und die geringe Wirkung, 
die solche Versprechungen allenfalls haben konnten, wurde 
vollends vernichtet, als man die Rückkehr des Fürsten v./ 
Schwarzenberg nach Paris erfuhr. 

Eine Presshetze begann, wie sie damals noch nur in 
England möglich war. Die absurdesten Gerüchte wurden 
verbreitet. Bald sollte Kaiser Franz, bald Metternich in 
Kaiisch gesehen sein, bald die oesterreichische Armee in 
Wolhynien, 80 000 Mann stark, sich mit den Russen ver- 
einigt haben, und weitere 100 000 Mann nach Italien be- 
ordert sein.* Daneben standen Artikel, die mit zügelloser 
Frechheit die Annahme der deutschen Kaiserkrone forderten. 
Es war zu lesen, dass die Helden, die mit Wittgenstein ge- 
blutet, niemals einen Sklaven zum Oberhaupt nehmen würden, 
der beim Namen ßuonaparte zittere und sich ducke: Lassen 
wir Franz darüber nachdenken! Lassen wir ihn den Deutschen 
den wahren Sinn der Proklamationen enthüllen, indem er 
sich selbst zu ihrem Kaiser erklärt, oder lassen wir ihm 
die Wahl, sein ganzes Leben lang die Gouvernante des , 
Königs von Rom zu spielen. Es werden sich in seiner 
hohen Familie Personen linden, die deren alten Ruhm wieder- i 
herstellen.» „Es ist ein Vergnügen unter einem freieu 
Volk zu leben," seufzte Wessenberg, 4 wenn ihm solche /' 



1. Attachez-vous constamment a l'adage que nous nc sommes 
encore que puissance intervenante, quo lea chances publique« et 
la conduite des Puissaneos envers nous pourront nous porter a 
la mediation et qiva moins de pr^tentions ridicules et contraires 
a de justes idees d'equilibre de la part des puissances coalisees 
notre mediation ne peut mener qu'ä la paix generale ou bien 
a la guerre avec la France. H.-A. 

2. Berichte Wessenbergs IG. April. Morning Chroniele 16. April. 

3. The Star 17. April. 

4. C'est un plaisir, comme Vous voyez, de vivre parmi un 
peuple libre. Berichte 20. April. H.-A. 



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— 128 - 

und ähnliche Geschmacklosigkeiten von den Redakteuren be- 
flissen ins Hotel geschickt wurden. 

Und hätte er noch an der offiziellen Welt einen festen 
Rückhalt gehabt! Stattdessen gefiel sich Castlereagh darin, 
ihm die Massregeln seiner Regierung offenkundig zu tadeln, 1 
und Hess, um einer Verstärkung der parlamentarischen 
Friedenspartei vorzubeugen, im Volk verbreiten, die oester- 
reichischen Vorschläge seien unannehmbar. 2 Der Prinzregent 
aber und Graf Münster hielten es nicht für indiskret und 
illoyal, die Berichte des Grafen Hardenberg überall herumzu- 
tragen, damit Oesterreich kompromittiert und zur Erklärung 
gegen Frankreich gezwungen werde. 3 

Dabei war doch niemand zu sprechen, wo es galt ihm 
die Mittel zu jenem energischen Auftreten zu liefern, auf 
das man so rücksichtslos hinarbeitete. Wessenberg war, 
eb<m durch das Reskript vom 10. März, angewiesen worden 
das Terrain über die Möglichkeit von Subsidien zu sondieren, 
allen Verhandlungen darüber selbstverständlich einen ganz ~ 
eventuellen Charakter zu geben. Er brauchte nicht lange, 
um sich zu überzeugen, dass von Geldleistungen Englands 
ebensowenig die Rede war wie von einer Anerkennung der 
Intervention. Der ewige Krieg hatte allmählich auch die 
Taschen des reichsten Staates Europas erschöpft. Teurung 
und Steuerdruck waren fast unerträglich, die Zahl der 
Armen nahm täglich zu; um sehr bescheiden zu leben, 
musstc man sehr reich sein. 4 Da hatte das Parlament 
ganz allgemein die Pflicht, die Hand auf den Beutel zu 

1. Berichte 16. April. Wessenberg rächte sich, indem er 
schrieb: Sa Seigneurie n'est pas au reste un grand aigle en 
politiquo et son plus grand merite est d'etre parent de Lady 
Harfort, la belle en titre du Princc de Galles. H.-A. 

2. Berichte Wessenbergs 13. April. H.-A. 
8. Berichte Wessenbergs 16. April. H.-A. 

4. Berichte Wessenbergs 18. April: il faut etre tres riche 
pour vivre tres medioerement. H.-A. 



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- 129 - 



s 



/ 

I 



1 



halten; und wenn es sich ja zu Aufwendungen herbeiliess, 
so gingen die Subsidien vor, die der Prinzregent für Be- 
waffnung Hannovers beantragte, und hatten die Ansprüche 
Oesterreichs umso weniger Aussicht auf Berücksichtigung, 
als seine Schulden, wie Münster rund heraus erklärte, ohne- 
hin bereits zu hoch aufgelaufen wären. Jedenfalls war an eine 
Unterstützung für bewaffnete Neutralität von" vornherein 
nicht zu denken, 1 und selbst für offene Teilnahme am Krieg 
■gegen '"Frankreich glaubte der Gesandte noch am 11. Mai 
im Maximum und unter drückendsten Bedingungen nur 
V« Million Pfund erwirken zu können; das aber, meinte er 
stolz, verlohnt nicht der Mühe für eine Macht, die nocli 
nicht betteln muss. 

Seine persönliche Stellung litt unter dem ungünstigen 
Schicksal seiner Anträge. Man schien seine Abreise nicht 
erwarten zu können. Immer wieder tauchte das Gerücht 
davon auf. Die Minister vermieden einmal vierzehn Tage 
lang jede Unterredung mit ihm, 2 und als sie höflicher wurden, 
war wieder mit dem Prinzregenten kein Auskommen. 3 Das 
wurde umso schlimmer, je länger die Weisungen aus Wien 
ausblieben. Woche auf Woche verging, ohne dass Metter- 
nich seinem armen Gesandten auch nur eine Zeile über 
den Kanal sandte. Geschah das in Wahrheit nur, weil er 
nach der Ablehnung seiner Vorschläge eine weitere Kor- 
respondenz mit England einstweilen für zwecklos hielt, 4 so 
war doch natürlich, dass sich in London die Meinung fest- 
setzte, 5 der Wiener Hof habe Wessenberg sein Vertrauen 
entzogen, und die englische Regierung deshalb ihren Bot- 
schafter am russischen Hof Lord Cathcart zu direkten Ver- 



1. Berichte 16. April en chiffro. H.-A. 

2. Berichte 7. Mai. H.-A. 

3. Berichte 7. Juni. H.-A. 

4. Entwurf neuer Weisungen Ende Juni. H.-A. 

5. Der Unterstaatssekretär Cooke sprach sie offen aus. 

v 



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- 130 - 



handlungen mit Oesterreich bevollmächtigte. Der feinfühlige 
deutsche Edelmann war aufs äusserste verletzt. Von Haus 
ohne rechtes Verständnis für britisches Wesen, wurde er 
in seinen Urteilen von Tag zu Tag bitterer und ungerechter. 
Zuletzt fand schlechthin nichts mehr Gnade vor seinen 
Augen. Selbst dem Sieg von Vittoria stand er skeptisch 
gegenüber. So mit seiner Umgebung zerfallen, ohne ge- 
schäftliche Thätigkeit, unter dem Klima leidend und der . 
häuslichen Freuden einer glücklichen Ehe durch völlige 
Trennung beraubt, hatte er endlich nur den einen brennenden 
Wunsch, aus einem Reich fortzukommen, wo er fürchtete, 
schliesslich auf einem Landsitz vor Insulten Schutz suchen 
zu müssen. 1 

Er ahnte nicht, dass, während er in den beweglichsten 
Briefen immer dieselbe Bitte wiederholte, schon die grosse 
" Wendung der heimischen Politik nahe war, durch die seiner 
Mission ein neuer Inhalt gegeben wurde. 

Damit sie aber eintreten konnte, hatten die Verband- 
lungen mit dem Zaren einen glücklicheren und frucht- 
bareren Verlauf nehmen müssen; denn einstweilen war in 
den ersten Monaten 1813 von jenem Einvernehmen, das 
nachher in den Verträgen von Reichenbach und Töplitz 
seinen Ausdruck fand, nichts zu merken. Vielmehr stimmte 
noch _am 3. Februar Metternich bedingungslos einem Memoire 
zu, in dem es hiess: nun ist das siegreiche Russland für 
Oesterreich ebenso gefährlich, als es bis jetzt Frankreich 
war 2 ; und die einzige grössere Rüstungsmassregel, zu der 
sich der Kaiser während des Winters entschloss, richtete, 
wie wir sehen werden, ihre Spitze eingestandenerniassen 

1. Berichte 30. Juli: V. E. jugera, si raon sejour ici offre 
encore assez d'utilite pour on compenser les depenses et les 
desagremens. . Je serai bientöt dans le cas de tne cacher dans 
quelque campagne pour ne poiut m'exposer a des insultes. Ähnlich 
2. August. H.-A. 

2. Februar-Memoire. 



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/ 



- 131 - 

nach Osten. Das Misstrauen war zu tief eingewurzelt, als 
dass es selbst der ganz eigenhändige Brief 1 hätte zerstören a'sm 1 < -v ' 
können, in dem Alexander (d. d. Wilna 17.^9. Dezember) ^ ;\ ^ i f. 
unter Bezugnahme auf die entscheidenden Erfolge seiner ( r '; 
Anstrengungen den oesterreichischen Herrscher gebeten hatte, 
ihren Beziehungen einen neuen Grad von Innigkeit zu ' 
geben; und doch gehörte er zu den feurigsten und edelsten ^ 
Ergüssen, die die Geschichte aus der Feder des trotz aller \ J * r 
Fehler so höchst anziehenden Monarchen aufbewahrt hat. ■ v 
Sehr schön betonte der Zar das einigende Moment, welches y " 
in seinem Streben nach der Befreiung Europas läge. Falls , ' \ 
der Kaiser die unvergleichlichen Chancen des Augenblicks 
mit ihm zur Erreichung dieses grossen Zieles benutzen 
wolle, stellte er die thätigste Mitwirkung von seiner Seite 
und Wiedereinsetzung in alle alten Besitzungen des Hauses 
Oesterreich mit den stärksten und schmeichelhaftesten Aus- 
drücken in sichere Aussicht. In dem Schwung seiner Be- ( 
redtsamkeit verstieg er sich zu der Behauptung, Franz 
könne seinem Reich ohne Blutvergiossen den alten Glanz 
zurückgeben; wenn er die Besetzung der abgetretenen Pro- 
vinzen befehle, so habe Frankreich nicht die Mittel, ihm , 
auch nur den geringsten Widerstand zu leisten. Die Hinder- 
nisse, die sich aus dem Bündnis von 1812 ergaben, suchte 
er mit dem nicht sehr glücklichen Hinweis zu beseitigen, v 
dass ja auch 1809 ein Friedensvertrag Oesterreich an Napoleon 
gebunden habe, ohne dass darum weniger die Gunst der Lage 
allein in Betracht gekommen wäre, die sich doch mit der gegen- 
wärtigen nicht vergleichen lasse. Zum Schluss beschwor er 
den nüchternen Habsburger mit glühenden Worten, eine so v 
schöne Gelegenheit nicht aus der Hand zu geben, um seinen 
Namen gross zu machen, nicht durch einen Ruhm voll Blut, 
sondern den einzigen seines Herzens würdigen: als Heiland 



1. Siehe den Anhang. H.-A. 



f 



I • ' 



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- 132 - 



Europas und der Menschheit, der Welt Ruhe und Glück 
zurückzubringen. 

Eine ähnliche Sprache führte Graf Stackelberg, den sich 
Metternich Ende Januar nach Wien hatte kommen lassen. 1 
Er wies mit berechtigtem Stolz darauf hin, dass Russland 
für alle Zeit seine Unabhängigkeit erkämpft habe. Um sich 
in Zukunft auch gegen jede Beleidigung zu schützen, bedürfe 
es einer Barriere gegen Frankreich. Nun brauchte es dazu 
gewiss nur den am meisten ausgesetzten Teil des Herzogtums 
Warschau in eine Wüste zu verwandeln. Aber der Zar 
denke grossherziger und weiter. Er fände in einer Wieder- 
herstellung der oesterreichischen und preussischen Monarchie 
den besten Schutz; ihr wolle er seine herrlichen Mittel 
weihen. Metternich drückte demgegenüber seine Erkennt- 
lichkeit für die russischen Anerbiet ungen aus, meinte 
aber trocken, er könne; seine Lage nicht so ansehen, wie 
man es in Wilna von ihm wünsche. Übrigens ermunterte 
er den Gesandten, die Russen sollten sich in ihren mili- 
tärischen Operationen doch nicht aufhalten lassen, die viel- 
mehr nach der Meinung Kaiser Franz' nicht lebhaft genug 
betrieben werden könnten, hörte geduldig und mit schein- 
barer Zustimmung zu, wie der Graf bereits von einem ein- 
heitlichen Oberbefehl über die verbündeten Heere Oester- 
reichs, Russlands, Preussens und Schwedens träumte und 
dazu ganz vag Bernadotte und Moreau, sehr bestimmt aber 
Kutusoff vorschlug, 2 und suchte den oesterreichischen Friedens- 



1. Die Einladung erfolgte durch Brief vom 16. Januar. Das 
Folgende beruht auf dem Auszug einer Depesche Stackelbergs 
an Nesselrode vom 13./25. Januar 1813. H.-A. 

2. So erzählt Stackelberg rückblickend in einem Bericht vom 
28. Februar (a. St.), der sich auszugsweise unter Lebzelterns 
Berichten findet. 



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- 133 - 



plan, dessen Aussiebten er stark betonte, 1 dadurch schmack- 
hafter zu machen, dass er auf das Beispiel Napoleons hin- 
wies, der aucli immer neben seinen militärischen Erfolgen 
diplomatische Manöver hergehen liessc. Wirklich gelang es 
ihm, dem wohlgesinnten Russen, auf den er gleich anfangs 
als auf eine starke Säule in diesen kritischen Momenten 
gerechnet hatte. 2 die Unterschrift unter eine Note zu ent- [ 
reissen, durch die nach Paris hin die Unmöglichkeit eines 
Sonderfriedens mit Alexander dargethan werden sollte. Sie 
hob als Ziel der russischen Politik die Ruhe Europas her- , 
vor, beteuerte die Solidarität mit England und verbürgte 
sich dafür, dass die Persönlichkeit, welche der Wiener Hof 
zu Eröffnungen im Sinn des Friedens an den Zaren schicken 
werde, mit allen gebührenden Rücksichten empfangen werden 
würde. 3 

War Stackelberg von dieser Begegnung alles in allem 
nicht unbefriedigt und glaubte immerhin einen Fortschritt 
im Auftreten Oesterreichs gegen den November konstatieren 
zu dürfen, so knüpften sich an die Mission ins russische 
Hauptquartier Umstände, die solche Meinung als ungerecht- 
fertigten Optimismus erscheinen Hessen. 

Zunächst musste die Wahl des Gesandten sehr gemischte 
Gefühle erregen. Nach Paris war gleich im Dezember 
ein Graf und hoher Militär geschickt worden und sollte 
bald der Fürst Schwarzenberg von neuem abgehen, der 
nach Rang und Stand einer der ersten Männer der 
Monarchie war, nach England wurde doch wenigstens ein 
Diplomat bestimmt, der schon einen selbständigen Gesandt- 
schaftsposten bekleidet hatte, nach Russland aber hielt 



1. L'Einpereur Francis . . croit l'Erapcreur Napolöon disposÄ 
ä de tres grands sacrifices. 

2. An Stackelberg 12. Januar 1813: je compte sur Vous dans 
ces grands moments commc sur une forte colonne. H.-A. 

3. Onoken II, 112. 



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man es nur für nötig, einen einfachcn'ljcgationsrat und 
Ritter zu entsenden, dem damals noch niemand weissagte, 
dass er als Botschafter und Graf eine glänzende Laufbahn 
beschliessen werde. Gewiss Herr v. Lebzeltcrn hatte Eigen- 
schaften, die ihn dem Zaren noch von Petersburg her als 
angenehmen Gesellschafter wert machten. Er war lebhaft, 
witzig bis zur Frivolität, ungezwungen, dabei klug und 
gewandt, und die unedlen Sitten, die Stein so hart an ihm 
tadelte, 1 nahm ihm am moskowiti sehen Hof sonst niemand 
übel. Aber wäre er persönlich noch zehnmal sympathischer 
gewesen, das Manko an Titel und Geburt konnte nicht 
anders als die russische Eitelkeit verletzen. 2 

Dazu erlitt seine Ankunft, schon am 16. Januar als 
nahe angekündigt, 3 die grössten Verzögerungen. Metternich 
wollte nicht eher in sachliche Verhandlungen eintreten, 
als bis Russland durch den vollzogenen Bund mit 
Preussen zur Fortführung seiner Befreiungspläne moralisch 
gezwungen sei und zugleich durch ein Vorrücken an die 
Oder die Flankenstellung Oesterreichs so eindrucksvoll und 
bedrohlich gemacht habe, dass es wohl oder übel den 
Intentionen der Hofburg folgen müsste. Als sekundäre 
Erwägung kam vielleicht hinzu, dass die Mission Lebzelterns 
der Wesscnbergs zeitlich parallel gehen sollte. 4 Genug, 
der Legationsrat verlicss Wien zwar am 9. Februar,* hatte 
aber bis zum 1. März in den traurigen Hauptquartieren 



1. Pertz. Stein III, 364. 

2. Zichy an Metternich, Breslau 13. Mürz auf Grund von 
propos aus der zarischen Umgebung. H.-A. 

3. Metternich an Stackelberg 16. Januar. H.-A. 

4. Vgl. namentlich Graf Hardenberg an Münster 7. Februar 
1813. Oncken H, 111. 

5. Bericht Lebzelterns. Bautzen 8. Mai: parti depuis le 9 
fevrier de Vienne. Damit stimmt die Angabe in Watzdorfs 
Bericht vom 10. März. Oncken II, 23!). 



— 135 - 

des Auxiliarkorps Konskie und Micchow ohne Anregung 
und Bequemlichkeit auf seine Instruk tion en zu warten. 1 

Und als sie endlich anlangten, welche Abneigung gegen ' /' 
Russland . sprach da aus ihnen! Metternich sah in dem, 
was seit dem Bruch mit Frankreich geschehen war, noch , 
immer nur eine Kette politischer und militärischer Fehler, 1 
die ganz gegen alles Erwarten der Erfolg gekrönt habe. 
Er tadelte den stets zu Extremen geneigten Geist der 
russischen Regierung, und wenn er zugab, dass dieser, gut 
geleitet, den Mittelmächten Vorteil bringen könne, so über- 
wog doch sehr entschieden die Furcht, er möchte von der 
europäischen Linie abweichen oder in vermessene Sicherheit 
ausarten und dann die unheilvollsten Folgen für jene haben. 1 
Auch das Gespenst von Tilsit und Erfurt hatte seine 
Schrecken noch nicht verloren: man sei nur zu oft das 
Opfer plötzlichster und ausserordent liebster System Wechsel , 
des Kabinets von St. Petersburg geworden. Von irgend ' 
welchem Entgegenkommen war bei solcher Stimmung nicht 
die Rede. Es hiess mit unverhohlenem Triumph: die weiteren 
Operationen der Russen hängen so zu sagen von unserm 
guten Willen ab, wir können sie aufhalten oder begünstigen, 
der Augenblick zum Unterhandeln ist also gekommen. 
Lebzelterns Aufgabe wurde ausdrücklich darauf beschränkt, 
nur Antworten zu empfangen. Den Anträgen des Zaren 
vom 29. Dezember aber widerfuhr kaum die Ehre einer 
Erwähnung. Die Instruktionen selbst schwiegen sie tot, 



1. Das ergiebt sich aus der Privatkorrespondenz Lebzelterns 
mit Metternich. L. war am 12. Februar in Krakau, vom 15.-25. 
in Konskie, daun ging er, da das ihn deckende oesterreichische 
Detachement vor Kosaken und Smolensk-Dragonern weichen 
musste, 38 Wegstunden rückwärts nach Miechow. Vgl. auch 
P. Bailleu Histor. Zeitschrift XXXVII, 147, der mit dem ihm 
eigenen Scharfsinn bereits aus inneren Gründen auf eine spätere 
Abfassung der Instruktionen schloss. 



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und das vertrauliche kaiserliche Handschreiben begnügte 
sich mit einem kühlen Dank für die „freundlichen Absichten" 
und „odeln Gefühle." 1 

Es war eine ^Enttäuschung für Alexander, wie sie sich 
schmerzlicher kaum denken liess. Er hatte sich eine herzlich 
zustimmende Antwort und hatte sie sich rasch versprochen, 
schon Anfang Februar hatte er ihr mit Ungeduld entgegen- 
gesehen. 2 Und nun erst diese rücksichtslose Verlängerung 
der Wartezeit; denn trotz aller verlegenen Ausreden von 
Krankheit und schlechten Wegen zweifelte er keinen Augen- 
blick an den diplomatischen Gründen von Lebzeltcrns lang- 
samer Reise — , und dann nicht das mindeste Zeichen von 
Vertrauen oder Hingebung, die wahren Absichten der Hof- 
burg nach wie vor in einen dichten Schleier von Phrasen 
gehüllt, ihr Gesandter lediglich mit dem Angebot der Ver- 
wendung, also der „ostensiblen Frage" betraut!;' Gewiss, es 
begriff sich, dass die ernsten Besorgnisse vor der Flanken- 
stellung Oesterreichs, die er durch eine offene Aussprache 
hatte beschwichtigen wollen, in verstärkter Kraft wieder- 
auflebten. Den Wert der schönen Worte, mit denen 
Metternich Stackclberg köderte, kannte er ja aus dem Vorjahr 
zur Genüge. Damals hatte es in einer oesterreichisehen 
Depesche nach Petersburg geheissen: endlich ist das Wort 
Neutralität ausgesprochen, während doch in Wirklichkeit 

1. Die Instruktionen Oncken I, 421 — 425. Die Kaiserlichen 
Handschreiben ebenda S. 448, sie sind auf den 8. Februar vor- 
datiert. 

2. Lebzeltern an Metternich, Kouskic 19. Februar: Monsieur 
le colonel Latour m'a parle de l'impatience quo Ton temoi^nait 
au quartier general russe d'y voir arriver la reponse de la Cour 
de Vienne. H.-A. 

3. Un second motif de raefiance a ete de me voir charge de 
la simple proposition de notre entremise, de la question ostensible 
uniqueraent. Wie alles Vorhergehende in den Depeschen der 
ersten Expedition Lebzelterns vom 11. März. H.-A. 




- 137 — 

gerade zu der Zeit die Allianz mit Frankreich gezeichnet 
wurde. 1 Auch jetzt wieder glaubte er im Vorgehen des 
Wiener Hofes eine geheime Tendenz zu gunsten Napoleons 
zu erkennen. 1 ' 

Bei alledem war er klug genug, dem Oesterreicher, 
der am 5. März in Kaiisch angekommen war, einen sehr 
herzlichen Empfang zu bereiten. Wie er solche Scenen liebte, 
fragte er erst: Sind Sie noch der alte Lebzeltern vom Quai 
anglais oder kommen sie als zugeknöpfter Diplomat? und 
als der Gesandte das erstere lebhaft beteuerte, schloss er 
ihn in die Arme und küsste ihn auf beide Wangen. 3 Auch 
sonst überhäufte er ihn als „alten Freund" mit Liebens- 
würdigkeiten. Er zog ihn zur Tafel, lud ihn trotz seines 
nicht militärischen Charakters zur Parade ein, ging stunden- 
* lang allein mit ihm spazieren, was der Oesterreicher bald 
als seine einzige Erholung in „diesem elenden Loch" be- 
trachtete, und drückte je und je die schmeichelhafte Hoffnung 
aus, ihn später als Botschafter in Petersburg zu haben. 4 
Nur ganz selten warf die Unzufriedenheit mit der in Wien 
beliebten Politik einen Schatten auf dies angenehme Ver- 
hältnis. 6 Und wie der Herr, so seine Umgebung, „die sich 
nach seinen Gebärden und seinem Gesichtsausdruck richtet." 



1. So erzählte Alexander Lebzeltern. Berichte 8. März. H.-A. 

2. ebenda. Oncken I, 353. 

3. Privatbrief Lebzelterns an Metternich, Kaiisch 11. März: 
Des quo l'empereur me vit, il ine demanda: „ßtes-vous le memo 
Lebzeltern du quai anglais ou venez-vous ici eu diplomato serre?" 
— ,,Je suis Lebzeltern qui ne change point, Sirc, ni de sentiments 
ni d'opinions ni de maniere franche et ouverte de les exprimer." 
Alors je recus l'acrolade fiouveraine la plus expressive et deux 
baisers imperiaux sur les deux joues. Je ne suis ni fier ni cruel, je 
les rendis do hon c<eur. H.-A. 

4. Berichte und Briefe vom 1*2., 26., oO. März. H.-A. 

5. Berichte Lebzelterns 5. April No. 7. H.-A. 




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Zumal Nessclrodc zeigte sich „freundlich und verbindlich 
wie immer." 1 

Anfangs freilich schien es, als sollte es mit derlei 
persönlichen Rücksichten sein Bewenden haben. 2 Der Zar 
sträubte sich, die Verwendung Oesterreichs anzunehmen, 
bevor er wisse 5 welcher Art der Friede sei, den es vermitteln 
wolle, und was es im Fall des Misslingens thun werde'." 
Er lehnte sich gegen Formen auf, die nur zur Ver- 
geudung kostbarer Zeit führen könnten, und drang wieder 
wie in seinem Wilnaer Brief auf rasche Occupation der 
alten habsburgischen Provinzen, vor allem Tirols und j 
Italiens bisMantua. Man solle erklären, Besitznahme recht- 
mässigen Eigentums und nicht Krieg mit Frankreich sei ; 
die Absicht. Spräche man dann von einem allgemeinen , 
Kongress, so werde man leicht zu Resultaten kommen; denn 
übermässige Ansprüche Englands unterstütze auch er nicht; 
die Interessen des Kontinents müssten allem voran- 
gehen. 3 

Schliesslich aber gab er nach. Lebzeltern hatte noch 
einmal schriftlich in einem übrigens nur vorgelesenen Briefe 
(d. d. 9. März) im Sinn seiner Instruktionen darauf auf- 
merksam gemacht, dass die Verbündeten Gefahr liefen, 
Oesterreich in der Verteidigung der allgemeinen Sache zu 
lähmen, wenn sie sich nicht seinem Gange anschlössen. 
Russland werde kein Opfer zugemutet, da man weit entfernt 
sei, seine Operationen aufhalten zu wollen. Überdies 
könne eine Ablehnung oder zögernde Annahme der Friedens- 
verwendung nur die moralische Position Napoleons stärken, 
der sich ihr seinerseits ohne Vorbehalt gefügt habe. — Das 



1. Lebzeltern an Metternich 11. März. H.-A. 

2. Ebenda: on m'a tres bien recu, maisj'aurais prefere qu'on 
in'cnt fait la moue et que V. E. eut ete xnioux satisfaite sur 
des objets essentiels. 

3. Berichte Lebzelterns 8. März. H.-A. 



— 139 — 



wirkte. Zwei Tage später hielt er eine Note Nesselrodes 
in Händen, die mit einem kleinen Seitenhieb auf die allem 
Brauch widersprechende Stellung Oesterreichs, 1 das, obwohl 
noch im Krieg, eine Verwendung für den Frieden anbiete, 
die Anerkennung dieser Intervention aussprach, falls sie 
auch von England, Preussen und Schweden angenommen 
werde. Seine erste Aufgabe, formelle Beziehungen zwischen 
den beiden Mächten herzustellen, war gelöst. Es blieb die 
zweite, schwierigere, ihnen einen reellen Inhalt von Vertrauen 
zu geben. 

Hier ging es ohne starke Rückschläge nicht ab. Nicht 
als ob seine feine Beredsamkeit wirkungslos verhallt wäre. 
Zu Zeiten schien es vielmehr, als wollte der Zar die arg- 
wöhnische Furcht vor Metternichs Plänen entschlossen ver- 
bannen. So kam er aus Breslau, wo der Kanzler Harden- \ 
berg und sein grällicher Vetter um die Wette für Oesterreich 
gesprochen hatten, vergnügt und zufrieden nach Kaiisch 
zurück (19. März). 8 Aber nach einigen Tagen gewann sie 1 
immer wieder Gewalt über ihn und fuhr fort, einen verhäng- 
nisvollen Einfluss auf seine militärischen Massregeln zu 
äussern. Dem Zögern des Hauptheeres in Kaiisch, das 1 , 
er Lebzeltern gleich anfangs als in ihr begründet dar- 
stellte, 3 wurde erst am 7. April ein Ende gemacht. Die 
Nachrichten aus Wien befriedigten die Herrn des russischen 
Hoflagers eben günstigsten Falls nur halb. Freuten sie sich , 
der Note, mit der Metternich zu der preussischen Kriegser- 
klärung Stellung genommen hatte, so schüttelten sie den 
Kopf dazu, dass die diplomatischen Beziehungen zu Hum- 

- . * 

1. . . cependant il faut en convenir que c'est la premiere 
fois que l'on voit une puissance encore~en 'guerre proposer une 
entremise pour la paix. Los forme» et les^usages sont contraires 
ä une pareille attribution. Nesselrode an Metternich, Kaiisch 
27. Februar/ 11. März 1813. H.-A. 

2. Berichte Lebzelterns 22. März. H.-A. 

3. Berichte Lebzelterns 8. Marz. H.-A. 



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— 140 — 



boldt offiziell abgebrochen wurden. 1 Und vollends bei der 
Mission Schwarzenbergs überwogen die ärgerlichen Momente 
für sie sehr entschieden. Sie sagten offen heraus, dass der 
Gesandte vom März 1812 nicht gut im März 1813 verwandt 
werden könne, und seinen berühmten Instruktionen zollten 
sie nur wegen ihrer trefflich entwickelten Grundsätze einigen 
Beifall. Ja, wenn noch eine runde und sofortige Antwort 
gefordert und ein Termin dafür festgesetzt wäre! So aber 
vermissten sie die rechte Entschiedenheit, hielten sie nur 
für geeignet, Verhandlungen einzuleiten und Zeit zu gewinnen. 
Der Zar persönlich fühlte sich durch die Erinnerung an 
Tilsit, wo Russland seinen eigenen Willen so zu sagen vertagt 
habe, 2 auf das peinlichste berührt; er sehe auch darin wieder 
die Animosität, die in allem regiere, was aus der Feder des 
Wiener Kabinets hervorgehe. 8 — Mindestens ein Vor- 
wurf schien der oesterreichischen Politik nicht zu er- 
sparen: ihre Formen standen nicht auf der Höhe des 
ungeheuren Moments. 4 War es nicht die Schuld eben 
des Kaiser Franz, den Metternich als so gewissenhaft 
schilderte, wenn man jetzt noch sein Blut an einen zweifel- 
haften Kampf mit Napoleon setzen musste, während doch 
bei rechtzeitiger Mitwirkung Oesterreichs schon der letzte 
Franzose über den Rhein gejagt war? So konnte es Lcb- 
zeltern beim Aufbruch gegen die Elbe oft genug hören, und 
dann und wann brach eine noch viel feindseligere Auffassung 
hervor: Gesterreich wolle den Erfolg der ersten Schlacht 

1. Berichte Lebzelterns 25. März. No. 5 A . H.-A. 

2. Cette puissance (la Russio) eut l'air d'avoir ajourne sa 
propre volonte. Oncken I, 440. 

3. Berichte Lebzelterns 25., 30. März, 18. April. H.-A. 

4. Les forraes que vous avez adoptees, sontrelles de niveau 
avec l'iinmensite et l'hnportnnce du nioment actucl? Äusserung 
des Zaren. Berichte Lebzelterns 30. März No. G B . Für das 
Folgende Berichte Lebzelterns 6. April No. 8 A . H.-A. 



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abwarten und sich bis dahin eine Hinterthür zur Versöhnung 
mit Frankreich offenhalten, jedenfalls sein Übergewicht auf 
die Schwächung beider Teile begründen. Wenn Napoleon 
ihm seine alten Provinzen anbiete, stehe niemand dafür, 
dass es nicht gemeinsame Sache mit ihm mache. 1 

Doch war das, recht besehen, den Interessen der Hof- 
burg nichts weniger als abträglich. Alexander sagte sich, 
dass sie nur durch äusserstes Entgegenkommen aus ihrer 
jetzigen Haltung „quälend für Euch und uns'' herausgebracht 
werden könne, und wenn ihm deshalb auch gelegentlich die 
unwillige Äusserung entfuhr: Soll ich mich denn vor Euch 
auf die Knie werfen? 1 , so Uberbot er sich thatsächlich in 
Woldwollen und Hingabe gegen den spröden Nachbarstaat. 
In seinem noch sehr allgemeinen Friedensprogramm nahm 
Wiederherstellung Oesterreichs nach Macht und Gebiet die 
erste Stelle ein. 3 Fast demütig gab er sein Wort, auch 
jede andere in Wien gewünschte Basis als die seine zu 
verfechten. Er erklärte sich bereit, die feierliche Verpflich- 
tung einzugehen, die Waffen niemals anders als im Einver- 
ständnis mit Kaiser Franz niederzulegen; erst müssten 
Oesterreich und Preussen im freien und friedlichen Besitz 
ihrer notwendigen Vergrößerungen sein. Lieber, so beteuerte 
er, wolle er noch einmal alle Schrecken und alles Elend durch- 
machen, dessen Zeuge er gewesen sei, als sie preisgeben! 4 



1. Berichte Lebzelterns 8., 30. März, 6. April. H.-A. 

2. Est-il possible que je doive nie mettre a genoux pour 
Vous conjurer do sauver l'Europe dans ce moment unique, vrai 
bienfait de la Providence. Berichte Lebzelterns 8. März. H.-A. 

8. Sonst wies es nur noch la reintegration de la Prasse 
in den Status von 1806 und l'affranchissement de l ? Allemagne auf. 
Von Holland, Italien und den Hansestädten redete man noch 
nicht. Berichte Lebzelterns 22. März No. 4 B . H.-A. 

4. Berichte Lebzelterns 8., 30. März, dicken I, 354, 35C, 360. 
Die S. 360 erwähnte Unterredung fand nicht auf der Parade, 
sondern auf der Promenade statt. 



- 142 - 



Dieselben Rücksichten übte er im einzelnen. Sehr anders 
als sein Hofpublizist Kotzebue, der einfach den Cor- 
neilleschcn Vers zitierte: un rentable roi riest ni mari 7ti 
perc* berührte er schonend und mit feinem Takt das Ver- 
wandtschaftsverhältnis zu Napoleon, das die Entschlüsse 
des Kaisers beeinflussen müsse, und versprach von vorn- 
herein allen Massregeln zuzustimmen, die man in der Hof- 
burg bezüglich der Kaiserin Marie Luise und des Königs 
von Rom zu treffen gedenke. So schwer ihm das wurde, 
vermied er alles, was die Stellung Oesterreichs zu den 
deutschen Angelegenheiten irgend zu präjudizieren geeignet 
war. Nur weil man in Wien die versprochenen Eröffnungen 
Uber seine Wünsche von Woche zu Woche verschob, blieb 
der Aufruf von Kaiisch in allgemeinen Phrasen stecken. 
Mindestens Süddeutschland sollte ganz dem Einfluss der 
alten Kaisermacht unterstellt werden. Der Zar schlug vor, 
Metternich möge seine Schritte bei den dortigen Höfen zugleich 
im Namen der Alliierten thun, und erbot sich, alle Aktenstücke, 
die man ihm diesbezüglich fertig zusende, zu unterzeichnen. 2 
Endlich* kam es ihm auch darauf an, Lebzeltern hin- 
sichtlich Polens zu beruhigen, und das war in der That sehr 
nötig, nötiger noch, als er selbst ahnen mochte. Ein 
böser Zufall hatte es nämlich gewollt, dass Ende Januar ein 
Sekretär des Fürsten Adam Czartoryski, vom russischen Hof- 
lager zurückkehrend, bei Brody in die Hände der Oesterreicher 
gefallen war, 3 dessen Papiere sehr merkwürdige geheime Unter- 
handlungen enthüllten. . Danach hatten sich (21. November) 
die warschauischen Minister Matuszevicz und Mostowski 

1. Ergänzungsblätter zum russisch-deutschen Volksblatt No. 1. 
26. April 1813: Möchte doch irgend ein Hofrat dem Kaiser Franz 
jenen Vers des Corneille ins Ohr raunen: un veritable roi iTcst 
ni mari ni pere. 

2. Berichte Lebzelterns 30. März, 6. April. Oncken I, 361, 
332; 24. April. H.-A. 

3. Oncken I, 230. 



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— 143 — 

an den Fürsten nach Wien gewandt und ihn in aller Form be- 
vollmächtigt v im Kamen der General-Konföderation mit dem 
kaiserlichen Jugendfreund auf Grund eines ausgeführten Pro- 
gramms abzuschliessen, nach dem Polen und Litthauen, in 
ihren alten Grenzen wiederhergestellt, in Realunion mit 
Russland vereinigt werden sollten. 1 Und diese Anträge waren 
von Alexander nicht abgewiesen worden. Vielmehr hatte 



• 1. Copie des pieces envoyees de Varsovie ä N. N. le 21 Nov. 
No. 2 „projet": La Pologne et la Litliuanie dans leura anciennes 
limites appartiendront heieditairoment a. S. M. J. et a Ses des- 
cendans. 

Ello les gouvernera par un Vice-Roi et par la Constitution de 
1791 corrigee on par eelle du Diiehe modifiee. 

L'armee polonaise sera de 10Ü 000 hommes, entretenus par le 
pays. II n'y aura dans le pays de troupes etrangeros, hormis la 
garde de S. M. J. et Son Vice-Roi. 

II y a\ira une garde polonaise aupres de S. M. J. 

Le Royaume de Pologne et de Litlmanie sera partie inte- \ J 
graute de l'Empire, mais ne pourra lui etre autrement incorpore. / 

Tous les actes du Gouvernement et de 1' Administration scront 
faits en langue polonaise. 

Les sujets reeiproques pourront s'etablir, se transporter et 
posseder des proprietes dans les deux pays sans obstacles. 

Nul etranger ne pourra exorner des fonetions administratives 
ou publiques dans le Royaume de Pologne et de Lithuanie sans 
y posseder une propriete foneiere d'une valeur proportionnee 
par la loi. 

Le commerce entre les deux pays sera entierement libre. 

Lorsque les base« preliminaires seront convenues et signees, 
une Diete generale convoquee a Varsovie reglera le tout con- 
stitutionnelleraent. — No. 1 „note" ist weniger interessant. 
Es handelt swh um die Aktenstücke, die sich nach Oncken 
I, 221 „auf dem Archiv zu Wien bis jetzt nicht gefunden haben." { 
Die Briefe Czartoryskis vom t>. und 27. Dezember waren, was 
"T^ei Oncken vielleicht nicht genügend hervortritt, in Wien nicht 
bekannt. 




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er sich neuerdings zu seinen alten Lieblingsplänen bekannt; 
die öffentliche Meinung und die Rücksicht auf Oesterreich 
und Preussen, die sich sonst Frankreich in die Arme 
würfen, hinderten einstweilen noch ihre offene Kundgabe, 
mit dem Fortschreiten der kriegerischen Ereignisse würden 
sie ans Licht treten. 1 

Solche Worte erschienen doppelt bedenklich, wenn man 
jetzt die geheimen Artikel des Vertrages von Breslau- 
Kalisch gleichsam als Illustration daneben hielt. Wie sollte 
man es deuten, dass sie, statt einfach die Rückkehr Friedrich 
Wilhelms in seine polnischen Besitzungen zu stipulieren, 
nur eine Garantie des alten Preussens und die vage Zu- 
sicherung eines Gebietes gaben, das militärisch und politisch 
dessen Verbindung mit Schlesien herstellte? 3 Und auch das 
Auftauchen Czartoryskis in Kaiisch (31. März) war kein 
beruhigendes Symptom. 

Alexander fühlte das selbst und suchte deshalb Lebzeltern 
gleich am nächsten Tag den ganz unpolitischen Charakter 
dieser Anwesenheit klar zu machen: „Es ist nur Wind- 
beutelei in diesen Köpfen da. Es lässt sich nichts mit ihnen 
anfangen. Ich bin 4usdrtickJichj nicht in Warschau ge- 
wesen; und überhaupt muss mein Benehmen im Herzogtum 
von Ihrem Hof gebilligt werden. Ich habe nur daran ge- 
dacht, ihm kein Misstrauen zu erregen. u -' Mehr ins ein- 
zelne einzugehen, überliess er seinem Staatssekretär. Jfessel- 
rode wiederholte zunächst in der positivsten Weise die Zu- 
sicherungen hinsichtlich des 1800 abgetretenen Galizicns. 
Er bestätigte gern, dass es als schon völlfg Oesterreich 

1. Alexander an Czartoryaki 1/13. Januar. Oneken I, 220 ft. 
''- 2. Oneken I, 269 f. 

3. II n'y a que du vent dans cos tetes-la, il n'y a rien a en 
faire. Je n'ai pas ete ä Varsovie exprös, et en general ma conduite 
dans le Duche doit etre approuvee par votre cour, je n'ai pense 
qu'ä ne lui dünner aueun ombrage. Berichte Lebzelterns 6. April 
No. 8C. H.-A. 



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Uberlassen anzusehen sei, und forderte auf, einstweilen 
Krakau und die übrigen festen Platze, die man besetzt 
habe, auch zu behalten. Im übrigen gestand er unum- 
wunden zu, dass er beim Einmarsch ins Warschauische selbst 
einen Augenblick wegen einer Wiederherstellung des Polen- 
reiches Besorgnisse gehabt habe, grosse Besorgnisse. Jetzt 
aber sei er über diesen unpolitischen und unpopulären Plan 
völlig beruhigt. Das Streben nach der Weichselgrenze Hess 
sich ganz nicht ableugnen, so gab er ihm den harmlosen 
Anstrich einer kleinen Eitelkeit, indem er nur von einer 
schmalen Landzunge sprach, mit der man sich rühmen 
könnte das Weichselgebiet zu berühren. 1 

Die erhoffte Wirkung blieb aus. Lebzeltern erschien 
es nach wie vor zu absurd, dass der Zar sich mit dem 
Ruhm seiner Waffen begnügen und nicht für die grossen 
Opfer Befriedigung persönlicher Interessen suchen sollte. Es 
überraschte ihn kaum noch, als er etwas später die Reise 
des Fürsten Adam nach Warschau erfuhr, und er zweifelte 
nicht, dass der schlaue Pole dort unter der Hand die Zügel 
der Regierung führe. 

Sonst aber war er gleich nach den ersten Tagen für 
die Sache Russlands gewonnen. Mit Vorurteilen war er 
nach Kaiisch gekommen. Übermut und Masslosigkeit hatte 
er zu linden gedacht. Sein erster Brief sprach noch höhnisch 
von diesen glücklichen Moskowitern und ihrem Sultan. 2 Mehr 
und mehr jedoch überzeugte er sich, dass Unglück und 
Erfolg des letzten Jahres den Charakter der Russen gehoben 
und vertieft hatten. Er war voll Lobes für die Disziplin, 
das frische Aussehen und die gute Haltung des gemeinen Sol- 
daten, und bei den Offizieren vermisstc er wohlthuend die ge- 
wohnte Prahlerei. Sie standen bei aller Kampfesfreudigkeit 
noch unter dem erschütternden Eindruck der Schrecknisse, 

1. Berichte Lebzeiten« 6. April. Oncken I, 279—281. 

2. Lebzeltern an Metternich II. März. H.-A. 

10 



- 146 - 



deren Zeugen sie gewesen waren. Schaudernd erzählten sie, 
dass man in den Gouvernements von Minsk, Smolensk und 
Moskau 142 000 französische Leichen verbrannt habe und 
in der Umgebung von Wilna 46 570. 1 Ünter den leitenden 
Persönlichkeiten Araktschejeff, Wolkonsky, Toll, Nessclrode 
und Anstett, die alle durch Eifer und Freundschaft ver- 
bunden seien, bemerkte er eine Einigkeit und ein Zusammen- 
wirken, die ihn überraschten. 3 Romanzoff, von dem Metter- 
nich im Sommer boshaft gemeint hatte, seine hohen politischen 
Einsichten kosteten dem Staat mehr als manche verlorene 
Schlacht, 3 schien für immer kalt gestellt zu sein. In letzter 
Jnstanz war der Zar sein eigener Minister. Er arbeitete 
viel und allein. Sein Selbstvertrauen hatte sich gesteigert. 
Statt dass das Glück ihn übermütig gemacht hätte, waren 
seine politischen Ansichten weit gemässigter und der all- 
gemeinen Sache vorteilhafter als ehedem. Wieder wie in 
seinen besten Tagen bezauberte er die Herzen: „Ich gäbe 
alles in der Welt darum, wenn dieser Fürst und Ew. Ex- 
cellenz sich näher kennten, ich weiss keine zwei andern Wesen, 
weichebesser zu einander passten ", schriebl jebzeltern an Metter- 
nich, 4 und das wollte bei seiner begeisterten Anhänglichkeit an 

1. Lcbzolterns Berichte 10. März No. 1«. Die Stärke der 
russischen Armee gieht er (6. April 8 A ) sehr hoch an: 109—114000 
Linientruppen und 25000 Kosaken zwischen Weichsel und Elbe. 
Jenseits der Weichsel „nach Knesebeck, Löwenhjelm (schwed. 
Gesandten) und den russischen Generalen": 200000 Mann, 
60 000 gut exerzierte Milizen und 15 000 Kosaken. Alexander 
selbst berechnete das preussisch-rnssische Herr bekanntlich auf 
534000 Mann. Bernhardi, Toll II, 508 f. 
i • 2. Berichte 8., 10. März. H.-A. 

3. Metternich an Stackelberg 28. Juni: Vous pouvez perdre 
des batailles qui Vous coüteront moins eher que les hautes vues 
politiques du chancelier. H.-A. 

4. 30. März. Je donnerais tout au monde pour que ce Prince 
et V. E. se connussent niieux. Je ne connais pas deux etres 



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- 147 - 

den Chef viel sagen. Überhaupt schwindelte ihm oft der Kopf 
über der Oesterreich günstigen Wandlung der Dinge am russi- 
schen Hofe. Noch vor einem Jahre hatte es in diesen Kreisen ge- 
heissen: alles für mich durch die andern oder auf Kosten 
der andern, und jetzt schien man sich zu dem Grund- 
satz zu bekennen: alles für die andern und nichts für mich 
als das Wohl der andern. War es eine wunderbare Än- 
derung der Charaktere oder nur ein schlau verdecktes 
Spiel? Dem „schönen Traum," dass sein Vaterland wirklich 
die alte Machtstellung in Deutschland wiedererwürbe, wie 
das Alexander und die englische Partei wünschten, hielt 
die Kaltblütigkeit und Vorsicht des gewiegten Diplomaten 
nur schwer stand. Er erklärte 20 Jahre seines Lebens 
geben zu wollen, wenn Oesterreich im Augenblick 200000 Mann 
in Marsch zu setzen hätte. 1 Jedenfalls plaidierte er feurig 
für den Anschluss an den jetzt noch so grossmütigen Zaren. 
Konnte nicht ein längeres Zögern dessen ehrgeizige Pläne 
zu neuem Leben erwecken? Noch hatte der Wiener Hof 
alle Vorteile der Initiative. Später musste die Mitwirkung 
anderer, wenn auch kleinerer, Staaten die Zahl der geltend 
zu machenden Ansprüche, Rechte und Verdienste zu seinem 
Schaden vermehren. Auch sonst aber war mit Zeit nichts 
zu gewinnen. Sobald die Verbündeten erst, wie doch wahr- 
scheinlich, entscheidende Erfolge errungen hatten, fielen die 
Dienste Oesterreichs notwendig im Preis, man niass ihn 
mit mehr Sparsamkeit und Eifersucht ab. Und was wurde 
aus der guten Meinung „gegründet auf ruhmvolle Er- 



au monde qui sc conviendraient davantage. Nun ist allerdings zu 
sagen, dass das, was nach Bericht v. 6. April. 8 A für die 
Depeschen vom 30. März folgt, wahrscheinlich auch von dem 
Brief gilt, d. h. dass er in ostensiblem Sinne redigiert ist. Aber aus 
den sonstigen Äusserungen Lebzelterns geht hervor, dass dem 
nur eine leise Verstärkung des Tones auf Rechnung zu setzen ist. 
1. Berichto 22. März. Oncken I, 359 f. Criste S. 240. 

10* 



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innerungen und alte Zuneigung," die die Welt dem Kaiser- 
staat bisher bewahrt hatte? Musste sie nicht zu gunsten 
Russlands abnehmen, wenn er fortfuhr eine passive Linie 
einzuhalten, während alle andern handelten?' 

Lebzeltern fühlte seine bescheidene Person der Grösse 
des Augenblicks entfernt nicht gewachsen. 3 Seine Instruk- 
tionen schienen ihm überholt, die rein negative Rolle, die 
ihm vorgeschrieben war, bedrückte ihn. Die Aufgabe, „zu 
hören und zu berichten, keine Frage zu präjudizieren, Be- 
sorgnisse zu beschwichtigen, Vertrauen zu erregen und die 
Armee zum Vorrücken zu veranlassen", glaubte er erfüllt 
zu haben. :{ Schon Ende März bat er um Abberufung. Er 
wusste, das^ein Grösserer nach ihm kommen werde: warum 
wurde dessen Ankunft, der russischen Regierung seit lange 
angekündigt, 4 von Woche zu Woche verschoben? Wenn 
schon Graf Stadion, ursprünglich designiert/- nun doch nicht 



1. Berichte Lebzelterns 22. März. H.-A. 

2. An Metternich 26. März. Je sais m'evaluer, Mr. le Comte, 
a un grain de difference — ces affaires m'imposent et je suis 
loin, enormement loin d'etre a lcur hauteur sous aueun rapport; 
je redoute de me trouver iusensiblement dans des questions 
majeures. H.-A. 

3. Bericht vom 18. April. D^pourvu d' Instructions sur 
cent objets, j'espere d'avoir rumpli raa tüche c'est a dire ecooter 
et rapporter, ne prejuger aueune question, calmer autant que 
possible les inquietudes (dont plusieurs auraient ete facilement 
evitees), exciter de la confiance en notre Cabinet et engager 
P Armee h avancer et a agir, autant qu'il dependait de moi d'y 
exciter l'Empereur. H.-A. 

4. Schon gegen Stackelberg sprach Metternich im Januar 
von einem negociateur tres marquant, dor nach Lebzeltern kommen 
sollte. Vgl. St.'8 Bericht v. 13./25. Januar. H.-A. Eine ähn- 
liche Ankündigung in dem Brief Franz' an Alexander 8. Februar. 
Oncken I, 44b. 

5. Bericht Lebzelterns 8. März. Oncken I, 353. 



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- 149 — 

gleich abkommen konnte — er war zum Vorsitzenden einer 
Finanzkommission ernannt (16. März) — so musste man 
eben einen andern Minister Seiner Majestät schicken, denn 
einer ausgezeichneten Persönlichkeit von Rang und Gewicht, 
die dem Geist und den Augen zu imponieren wusste, brauchte 
es durchaus: das wurde Lcbzeltcrn nicht müde zu predigen. 1 
Lange vergebens. Für Metternich war die Mission 
seines grösseren Vorgängers einstweilen nur der bequeme 
Vorwand, mit dem er allen lästigen Anträgen ausweichen 
konnte: „wir wünschen nicht den Eröffnungen Stadions vor- 
zugreifen" J : sie wirklich ins Werk zu setzen, hütete ersieh 
aus guten Gründen. Der leitende Minister von 1809 im Haupt- 
quartier der Verbündeten sah zu sehr nach einem System- 
wechsel aus, als dass diese Massregcl schon jetzt in seinen 
Kalkül gepasst hätte. Da lud er lieber Graf Stackelberg ; 
ein, wieder dauernd in Wien Aufenthalt zu nehmen (An- k 
fang März), und befolgte ihm gegenüber mit gewohnter 
Meisterschaft den Grundsatz, in unverbindlicher Unter- 
haltung die grössten Hoffnungen zu erregen und doch 
jedes wirkliche Zugeständnis in amtlicher Form zu ver- 
meiden. 

Dazu war umso mehr Veranlassung, als die russische 
Regierung sich den Anschein gab, eine Erklärung des Wiener 
Kabinets erzwingen zu wollen. Stackelberg nämlich über- 
reichte im Auszug eine Depesche Nesselrodes (d. d. 

1. Berichte 22. März 4°: Si Mr. le C te Stadion ne devait plus 
recevoir la destination annoncee, . . je crois de mon devoir envers 
mon Souverain et envers moi- meine d'exposer respectueusement 
qu'il serait urgent qu'un Ministre de S. M. distingue et verse 
dans les grandes affaires vtnt au plutöt me remplacer . . Je 
conserve nöanmoins l'espoir que Mr. le C te Stadion viendra «ä 
Kaliscn. — Brief vom 26. März: Ici il faut un homme distingue, 
döcore et de poids, il faut imposer ä Tesprit et aux yeux. H.-A. 

2. Metternich au Lebzeltern 11. April: uous desirons ne 
pas antieiper sur les expliö&tions de Stadion. H.-A. 



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- 150 - 



30. Januar/ 11. Februar), die die Annahme der Mediations- 
vorschläge"kürzer Hand an die Bedingung knüpfte, entweder 
offen die Verbindung mit Napoleon abzubrechen oder sich 
doch durch eine geheime Konvention zum Anschluss an 
die Alliierten zu verpflichten, falls die. Präliminarverhand- 
lungen zu keinem befriedigenden Resultat führten. „Oester- 
reichs Haltung muss notwendig freimütiger und positiver 
werden, sonst wird es sich alles Vertrauens von Seiten Russ- 
lands berauben." 1 Metternich zeigte nicht die mindeste 
Verlegenheit, sondern sprach sich ganz unbefangen für die 
zweite Alternative aus, aber als der eifrige Russe bat, dann 
doch gleich den Akt aufzusetzen, lehnte er das natürlich 
rundweg ab. Das „formellste" Versprechen, dass Kaiser 
Franz von diesem Augenblick an jenen Vorschlag genehmige, 
war alles, was er sich für diesmal entreissen Hess 2 ; und 
auch im weiteren hatte das immer wiederholte Drängen 
auf eine rdponse explicite nur den Erfolg, dass er eine Note 
verfasste (2. April), die nichts sagte, was sich nicht ent- 
weder von selbst verstand oder schon früher versprochen 
war. Er stellte die ganze Auseinandersetzung als sehr 
überflüssig hin. Der Gang der Ereignisse habe im Grunde 
jede Verpflichtung, wie sie der Zar in dem entfernten Zeit- 
punkt des 11. Februar hätte wünschen können, weit hinter 
sich gelassen. Indessen sei er doch zu der Erklärung auto- 
risiert, dass die erste Alternative sich in geradem Wider- 
spruch mit dem Plan befände, den der Kaiser sich un- 
wandelbar vorgesetzt habe; hinsichtlich der zweiten zögerten 
Seine Majestät nicht zu versichern, dass Sie Ihrer Ver- 

1. Martens III, 97. M. giebt das Datum des 31. Januar. 
Das des 30. ergiebt sich aus Stackelbergs Bericht 27. Februar/ 
11. März und Metternichs Note an Stackelberg 2. April. 

2. Bericht Stackelbcrgs vom 27. Februar /II. März ab- 
schriftlich in den Papieren Lebzelterns, dem er wie mancher 
andere auch von Nesselrode, eigentlich nur zur Einsicht, mit- 
geteilt wurde. H.-A. 



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mittlung ihre volle Entfaltung geben und also, falls Frank- 
reich die von Ihnen für nötig gehaltenen Friedensbasen 
verwürfe, die Mittel, welche die Vorsehung in Ihre Hände 
gelegt hätte, gebrauchen würden, um in vollstem Einver- 
nehmen mit den verbündeten Mächten für Wiederherstellung 
einer dauernden Ordnung der Dinge zu wirken. 1 

Solche „ganz sinnlosen" a Phrasen konnten den Ge- 
sandten nicht befriedigen. Sein Urteil schwankte hin und 
her. Zu Zeiten war sein Misstrauen in die Absichten des 
Wiener Hofes geschwunden: die eigentliche Frage sei ent- 
schieden, das quo modo auch, nur um das quo tempore 
handele es sich noch. Aber dann wieder übermannte ihn der 
Missmut Uber die „veralteten Gepflogenheiten" und die „scha- 
blonenhafte Langsamkeit" der oesterreichischen Regierung. 
Wenn Metternich seine Verhandlungen mit Napoleon als 
Komödie bezeichnete, so meinte er witzig, leider würde der 
letzte Akt noch auf sich warten lassen. 3 Am letzten Ende 
hoffte er alles von der treibenden Kraft der Ereignisse. 
„Graf Metternich, so führte er in seinem gedankenvollen, 
aber bis zur Unverständlichkeit schwerfälligen Französisch 4 
aus, möchte in der Schachpartie, die er sich zu spielen vor- 
nahm, am liebsten nur seine Bauern von Feld zu Feld 
rücken lassen, aber ich schmeichele mir, dass er sich durch 
all das, was mir vor der Thüre zu stehen scheint, genötigt 
sehen wird, die rascheren Sprünge der Offiziere seines 
Schachbrettes in Anspruch zu nehmen." 6 

1. Verbalnote an Stackelberg 2. April. H.-A. 

2. So nannte sie Stackelberg selbst. Martens III, 100. 

3. Berichte Stackelbergs vom 27. Februar/ 11. März und 
11. /23. März. H.-A. 

4 Berichte Lebzelterns 22. März No. 4 Reserve: on regrette 
seulcment qu'il n'ecrive pas coinme il parle et que la redaction de 
'ses depeches les rende souvent difficile ä comprendre. H.-A. 

5. Mr. le Comte Metternich voudrait, dans la partie d'echec 
qu'il se proposa, faire marcher ses pions de case en case, mais 



— 152 — 

Er hatte sehr Recht. Die Dinge drängten in der That 
zur Entwicklung. Aber noch war Oesterreich für einen 
Vortrag von Reichenbach, wie er ihn hatte beantragen 
müssen, nicht reif. Noch hatte keine Schlacht gezeigt, 
wieweit die Kräfte der Verbündeten reichten. Noch 
steckten die eigenen Rüstungen in den ersten Anfängen. 
Noch konnte die Mission Schwarzenbergs eine friedliche 
Lösung der Krise herbeiführen. 



je me flatte que la marche plus rapide des of'fieiers de son echi- 
quier lui sera imposee par tout ce qui me semble a la veille de 
se passer. Bericht vom 27. Februar|ll. März. H.-A. 



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Sechstes Kapitel. 



Bewaffnete Vermittlung. 

Was Metternich bis Ende März gethan, war wesentlich 
nur vorbereitender Natur gewesen. Er hatte Uberall sondiert, 
Verbindungen angeknüpft, bereitwillig Ratschläge und Ver- 
sprechungen gegeben, dabei sorglich vermieden, sich nach 
irgend einer Seite festzulegen. Das war gegangen, solange 
auch die allgemeinen Angelegenheiten einen gewissen Still- 
stand zeigten, die russische Hauptarmee hinter der Oder 
Erholung von den Strapazen des letzten Feldzugs suchte 
und Napoleon hinter dem Rhein ein neues Heer organisierte. 
Indem nun aber mit dem Beginn der besseren Jahreszeit 
die Aussicht auf neue Schlachten täglich näher rückte, war 
auch für die Politik der Hofburg ein Schritt aus der bis- 
herigen Reserve heraus geboten. 

Niemand erkannte das besser als der leitende Minister. 
Er hatte seit lange den Zeitpunkt ins Auge gefasst, wo die 
Intervention Oesterreichs sich in eine bewaffnete Vermittlung 
verwandeln sollte. Schon in den Instruktionen für Wassen- 
berg und Lebzeltern war davon die Rede gewesen. Es war 
sein Wunsch, eine zweite Kampagne zu verhindern. 1 



1. Der Verfasser dos erwähnten Februar-Memoires sagt da- . 
rüber: „Die Sprache als Mediateur würdo sodann . . et.\va noch 
zurecht eintreten können, um eine zweite Kampagne zu ver- 
hindern, welches gewiss das wünschenswerteste wäre, 



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— 154 — 



Nur wenn das gelang, durfte er hoffen, seinem Land 
die vorteilhaften Doppelbeziehungen zu beiden Parteien zu 
bewahren; ein Wiederbeginn der Feindseligkeiten zwang es 
über kurz oder lang zu einer Entscheidung, und jede Ent- 
scheidung war in seinen Augen mit unberechenbaren Ge- 
fahren verknüpft. Es musste durchaus versucht werden, 
den Imperator durch eine Verstärkung der Sprache noch in 
letzter Stunde zu wirklichen Zugeständnissen zu bringen, 
mindestens aber eine Unterhandlung thatsächlich ins Werk 
zu setzen, deren Fäden auch die ersten Kanonenschüsse 
nicht zerrcissen könnten. 1 

Der Mann für diese grosse Aktion, durch die die Klein- 
arbeit der letzten Wochen gekrönt werden sollte, war seit 
lange gefunden. Gleich bei der Rückkehr Napoleons hatte 
die Frage nach der Besetzung des Pariser Gesandtschafts- 
postens die leitenden Wiener Kreise beschäftigt. Wir sahen 
schon, wie man sich über die erste Verlegenheit durcli die 
Sendung Bubnas ebenso rasch wie glücklich hinweghalf, 
aber die Wahl des wirklichen Botschafters machte umso 
grössere Schwierigkeiten. Es scheint, dass Metternich vor- 
- ix übergehend allen Ernstes daran dachte, den unbequemen 
' | ^Grafen Stadion nach Frankreich abzuschieben 2 ; es kam auch 
wirklich bis zu einer Anfrage Hubiias beim Herzog von 
Bassano; indessen der lehnte höflich ab, und so verfiel man 
schliesslich auf den "einfachsten Ausweg, den Fürsten 

und wohin mithin unser ganzes Bestreben gerichtet 
wcrdcifmüsste." Die gesperrt gedruckten Worte sind doppelt 
unterstrichen und, wahrscheinlich von Metternichs Hand, mit NB. 
am Rand noch besonders vermerkt. 

1. Instruktionen für Schwarzenberg 28. März 1813. Oncken 
I, 444. 

2. Bubna an Metternich 2. Januar 1813: Wacken hat mich 
versichert, dass Ew. Excellenz nicht unangenehm wäre, wenn 
Graf Stadion einstweilen hier als Botschafter angestellt werden 
könnte. H.-A. 



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Schwarzenberg, den die eingeleiteten Waffenstillstandsvcr- 
Tmndlungen bei der Armee entbehrlich machen mussten, auf 
seinen alten Posten zurückzuschicken. Schon am 24. Januar 
wurde diese Absicht offiziell nach Paris mitgeteilt. 1 Der 
Feldmarschall erhielt Ordre, das Kommando einstweilen an 
Baron Frimont abzugeben, und erschien am 14. Februar 
in Wien. 2 Einer baldigen Abreise an den französischen 
Hof wäre äusserlich nichts im Weg gewesen, und thatsächlich 
bezeichnete sie Kaiser Franz in einem Handschreiben an 
Napoleon als in etwa acht Tagen bevorstehend (17. Februar), 
aber es ging ähnlich wie bei der Sendung Stadions ins 
Hauptquartier der Verbündeten: aus der einen Woche 
wurden fünf, und noch immer sass der Fürst ruhig in der 
Kaiserstadt. 

Wozu auch die Sache überstürzen? Floret hatte sehr 
Recht: solange Oesterreichs Rolle negativ war, genügte 
Bubna vollkommen: sein unverwüstliches Phlegma kam ihm 
sogar prächtig zu statten. Für den Hauptschlag aber, den 
auch der Botschaftsrat dem Fürsten vorbehalten wünschte, 3 
war das Ereignis abzuwarten, das die oesterreichische Diplo- 
matie seit dem Januar begünstigt hatte. Stand Napoleon 
erst vor dem russisch-preussischen Bündnis als einer 
vollzogenen Thatsache, so duiftv man hoffen, selbst für 
grössere Ansprüche willigeres Gehör zu finden. 

\ 

1. Kaiser Franz an Napoleon 24. Januar 1813. Oncken 
I, 407. 

2. Metternich an Bubna 18. Februar 1813. Oncken I, 430: 
Le Prince de Schwarzenberg est arrive ici lo 14. 

3. Floret an Metternich 1. Febr. 1813: Bubna en attendant 
remplit bien l'intervalle, tant que notre rölo doit rester negatif, 
son imperturbable flegme le sert admirablement, mais du mo- 
ment qu'il faudra un grand coup de eollier, il n'y a que le 
Prince qui puisse le donner. H.-A. 



- 150 - 



Es war also weder ein zufälliges Zusammentreffen noch 
die Folge von Metternichs Unpässliehkeit, 1 dass der Bot- 
schafter gerade kurz nach Bekanntwerden der preussischen 
Kriegserklärung endlich nach - Paris abgefertigt wurde 
(28. März) v Die grössteif T2rwartungen begleiteten ihn. 
Gentz prophezeite dem Hospodar der Walachei, dass diese 
Mission, vor drei oder vier Wochen noch ein gewöhnlicher 
Schritt, jetzt unmittelbar auf die künftigen Geschicke 
Europas einwirken werde. Nichts berechtige zum Glauben 
an die Unversöhnlichkeit Napoleons. Da könne ihn der 
Fürst, glücklicherweise ein Mann, den er achte und zärtlich 
liebe wie wenig andere, recht wohl zu einer entscheidenden 
« Erklärung zu gunsten des Friedens veranlassen. 3 

, ' . > Es schien nicht an seinen Instruktionen zu liegen, dass 

\ ' Vi ' f i' J( ,\' L das nicht geschah. Sie gehörten nach Form und Gedanken- 
■K\ gehalt zu dem Besten, was wir aus Metternichs Feder 
besitzen. 3 In grossen Zügen entrollten sie das Gesamtbild der 
, , politischen Verhältnisse, wie sie sich seit 1807 durch den 
j ( Umsturz aller Gleichgewichtsideen entwickelt hätten. Von 



t v ' ' ' •' 



1. Als solche beliebte es Metternich in einem ostensiblen 
t Reskript für Lebzeltern 23. März 1813 hinzustellen: Schwarzcn- 

berg sentit en route pour Paris sans la malheureuse incoramo- 
t „ dite qui pendant pres de 15 jours m'a k peu pres prive de toute 
'\ possibilite de ine livrer ä un travail fort et assidu. Dagegen 

spricht, dass die Instruktionen für den Fürsten längst vorbe- 
reitet waren. Lebzeltorn belehrt uns (Depesche vom 22. März. 
H.-A.), dass schon Humboldts Bericht vom 9. März Details aus 
ihnen mitteilte. Richtig ist nur, dass der Minister während des 
ganzen Winters und namentlich im März viel krankte, so dass 
der Kaiser zuweilen zu ihm kommen musste, um seinen Vortrag 
~ . i yv - entgegenzunehmen. Lebzeltorn beschwört ihn einmal (30. März), 
fl . > seine Gesundheit mehr zu schonen, weniger zu arbeiten. 

/ 1 ; 2. Depeches inedites I. 11 mars 1813. 

3. Abgedruckt bei Onckeu 1, 439-445. 



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dem Krieg 1812 hiess es milde, er sei aus der Natur der 
Dinge selbst hervorgegangen, und zum ersten Mal erhob 
der Minister den Anspruch, sein Resultat in ganzer Aus- 
dehnung vorausgefühlt zu haben. Die gegenwärtige Lage 
erschien durchaus als Produkt des Bundes von Kaiisch. 
Vordem wollte man sich in Wien nur mit möglichst rascher 
Versöhnung der Kaiserhöfe von Paris und Petersburg be- 
schäftigt haben. Durch die Allianz Preusscns mit Russland 
aber, ein Ereignis von allerhöchster Bedeutung, sei die 
Stellung Kaiser Franz' zu Europa wie zu seinem eigenen 
Volk erschwert worden; alle Fragen hätten ein anderes 
Ansehen erhalten, es bedürfe neuer Massregeln, neuer Aus- 
sprachen zwischen Frankreich und Oesterreich. Damit 
wurde denn gleich jetzt ein verheissungs voller Anfang 
gemacht. Während doch Napoleon den ganzen Kontinent 
seinem Willen hatte unterwerfen wollen, fand sich hier vier 
Mächten ein unbestreitbares Recht auf Unabhängigkeit zu- 
gesprochen: Frankreich und Russland zu beiden Seiten, 
Oesterreich und Preussen im Centrum des festländischen 
Europa: ja alle diese Staaten erschienen in ihrer sicheren 
und zufriedenen Existenz wechselseitig durch einander be- 
dingt derart, dass das Interesse der Mittelmächte die gleich- 
mässige Blüte der Kaiserreiche des Ostens und Westens 
fordere, die Ruhe dieser aber wieder von einer breiten, durch 
starke Mittelmächte zu bildenden Barriere abhänge. So 
wie die Dinge lagen, war es der letzte Punkt, auf den es 
ankam; denn dass Frankreich und Russland einer besonderen 
Fürsorge nicht bedürften, setzte Metternich umständlich 
auseinander, jenes, durch den Rhein und seinen dreifachen 
Festungsgürtel, dieses durch ein schreckliches Klima natürlich 
geschützt, ständen sie an ihrer einzigen Grenze unver- 
wundbar da. Anders die Mittelmächte. Von beiden Seiten 
dauernd bedroht, könnten sie Heil nur in verständiger, mass- 
voller Politik und treuem Zusammenhalten finden. Jede 
Schwächung der einen führe den unmittelbarsten Schlag 



- 168 - 

gegen den Bestand der andern. Die Anwendung auf die 
Gegenwart war mit Händen zu greifen, überdies wurde sie 
noch ausdrücklich gemacht: Oesterreich werde die Rückkehr 
Preussens zu völligster Unabhängigkeit jeder Zeit mit Ver- 
gnügen sehen und könne umgekehrt die Möglichkeit von 
dessen Zerstörung nicht zugeben, da es sonst das eigene 
Todesurteil unterschreibe. 

Das klang sehr würdig und entschieden; aber 
was bedeuteten die gewundenen Sätze dazwischen? 
Wollte man sich vielleicht eine Hinterthür offen halten, 
durch die sich bei gänzlichem Zusammenbruch der 
Monarchie Friedrichs des Grossen die alten schlesischen 
Ansprüche einführen Hessen? 1 Auch sonst zeigte sich ja 
leider aller Orten, dass Oesterreich, wie Metternich ver- 
traulich gestand, 2 zu offenem Bruch weder militärisch noch 
finanziell genügend gerüstet war, um die rechte eindrucks- 
volle Sprache zu führen. Es war doch eine sehr vage 
Drohung, wenn gefragt wurde, welches Allianzsystem je 
dem Einfluss der Zeit und dem Gang der grossen Ereignisse 
widerstanden habe, die sich nun einmal so oft unabhängig 
von dem ausgesprochensten Willen der Fürsten entwickelten, 



1. Die Stello (Oncken I, 442) lautet: L' Au triebe serait- 
elle invitee a partager les depouilles de la Prusse? L'Em- 
pereur eloigne de toutes vues de conquetos qui luttoraient avec 
ses prineipes les plus immuahles, no clierehera janmis un bien- 
etre illusoire dans la ruine d'un Etat ami. Cependant eu renon- 
cant a uu aussi sterile profit, l'Autriche hors de toute pro- 
portion avec les puissances voisines, succumberait bientöt victime 
de futures et d'immanquables dissentions. Los resultats de la 
marche politique la plus loyale et la plus desinteressee, mais en 
meme temps la moins prevoyante et la plus faible, tourneraient 
en entier contre nous. — Sie passt so schlecht zum Vorangehenden 
wie zum Folgenden, dass man sie für eingeschoben halten 
möchte. 

2. Gegen Humboldt. Oncken I, S19. 



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und zu einem „Ultimatuni'" fehlte vor allem die Spe- 
zialisierung irgend welcher Bedingungen. Wie man sich 
in Wien den Frieden im einzelnen dachte, zu dessen all- 
gemeiner Bezeichnung dem reichen Phrasenschatz der fran- 
zösischen Sprache immer neue schwungvolle Wendungen 
entnommen wurden, darüber gestatteten eben auch die In- 
struktionen Schwarzenbergs nur Vermutungen. Das war 
ja wohl klar: Jenscit des Rheins sollte der französische 
Einfluss aufhören; denn nicht umsonst fand sich gleich ein- 
gangs die Einverleibung Hollands un<J der 32. iMilitärdivision 
unter den Gründen des Krieges von 1812 so stark hervor- 
gehoben. Aber Italiens wurde mit keiner Silbe gedacht 
und die spanische Frage als nur Frankreich und England 
angehend ausdrücklich ausgeschieden. 

Jedenfalls blieb es rätselhaft, wie der leitende Minister 
dem preussischen Gesandten versichern konnte, eine 
Unterhandlung werde überhaupt nur dann beginnen, wenn 
Napoleon die nötigen Grundlagen durch Unterzeichnung 
von Präliminarpunkten vollständig und ohne Rückhalt an- 
nehme.* Viel eher liess sich gerade umgekehrt der Wunsch 
herauslesen, eine Negoziation um jeden Preis zu stände zu 
bringen, und müsste man auch alles Andere der Zeit über- 
lassen. Ja, der einzige konkrete Antrag ging dahin, der 
französische Kaiser möge offiziell den Willen kundgeben, 
einen Unterhändler an einen nach wechselseitiger Bequemlich- 
keit zu wählenden Ort zu schicken, vorausgesetzt, dass die 
andern Mächte das Gleiche thäten. Das war eine Beschrän- 
kung auf das Leichteste und Nächstliegende, die schlecht 
genug zu dem grossen Zug der vorhergegangenen syste- 
matischen Erörterungen stimmte. Greller als irgend sonst 



1. Als solches bezeichnete der Fürst in München seine Wei- 
sungen. Vgl. den Bericht des preussischen Cies c h » ita träger s 
Jouffroy vom 5. April bei Oncken I, 339. 

2. Vgl. Gebhardt S. 138. 



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trat hier der Zwiespalt zwischen Wollen und Können zu 
Tage. Es musste sich zeigen, ob Napoleon mehr das 
Raisonnement oder die Nutzanwendung ins Auge fasste. 
Geschah das Letztere — und sein Charakter machte es wahr- 
scheinlich — , so mochte der Wunsch, auf soviel Blutvergiessen 
die Friedensströme fliessen zu sehen, wie er am Schluss 
des Aktenstückes so schön ausgedrückt war, noch lange 
seiner Erfüllung harren. 

Am Abend des 7. April traf der Botschafter in Paris 
— ein, das er vor elf Monaten Unter so ganz anderen Um- 

ständen verlassen hatte. Kaiser und Minister empfingen 
ihn als alten Freund. Anfangs war Napoleon nicht mit 
demselben Feuer wie Bassano auf den Vorschlag seiner 
Rückkehr eingegangen. 1 Seitdem aber hatte er die be- 
ruhigenden Momente darin besser gewürdigt. Es blieb nicht 
ohne Eindruck, wenn Kaiser Franz ihm vorstellte, der Fürst 
könne in seiner doppelten Eigenschaft als Gesandter und 
Oberkommandant des Auxiliarkorps den Gang der Ver- 
handlungen fördern, falls es zu solchen käme, und die Be- 
fehle für den nächsten Feldzug einholen, falls dieser 
entgegen seinen teuersten Wünschen stattfände. 2 So schrieb 
' (\ \> er eben am 7. April an Lebrün: Was Oesterreich anlangt, 
so braucht man sich keine Sorge zu machen. Der Fürst 
Schwarzenberg kommt, heut an: zwischen beiden Höfen be- 
stehen die innigsten Beziehungen. a 



1. Bericht FWets 1. Fobrunr H.A. 

2. Kaiser Franz an Napoleon 17. Februar: Le Prince de 
Schwarzenberg en sa double qualite d'Ambassadeur et de General 
en chef du corps auxiliaire peut servir pres de V. M. la marche 
des negociations. s'il devait s'en etablir, et prendre les ordres 
pour une campagne prochaine, si contre mes vneux les plus chers 
eile devait avoir lieu. H.-A. 

3. Correspondance XXV, 195. 



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- 161 - 



Am Vormittag des 9. fand in St. Cloud die erste 
Audienz statt. 1 Nicht ohne Befangenheit trat der Imperator 
dem Mann gegenüber, der durch dritthalb Jahre ein Zeuge 
seines höchsten Glückes gewesen war. Er fürchtete sichtlich, 
seitdem auch in dessen Augen an Ansehen verloren zu 
haben. Er war nachdenklicher, seine Haltung weniger sicher, 
seine Sprache weniger schneidend als sonst; aber die alte 
Frische und Gewandtheit der Konversation war ihm ge- 
blieben, und seine Liebenswürdigkeit hätte unmöglich grösser 
sein können. Recht geflissentlich bediente er sich der An- 
rede „mm eher ami", ja er gewann es über sich, dem Feld- 
marschall, gegen dessen Kriegführung er doch manches auf 
dem Herzen hatte, lächelnd das feine Kompliment zu 
machen: Vous avez faxt une belle campagne — Vous.* Vier 
volle Stunden behielt er ihn im Schlosse und berührte, nach 
seiner Art häufig von einem zum andern abspringend und 
reichlich Bonmots und saloppe Wendungen einstreuend, jede 
Frage der gegenwärtigen Situation. 

In Sachen des Friedens zunächst spielte er die be- 
kannte, diesmal noch etwas mehr sentimental gefärbte 
Komödie. Er wies zwar geschickt darauf hin, dass die 
Intervention Oesterreichs bisher in vier Monaten noch zu 
nichts geführt hätte, erklärte aber trotzdem seine unver- 
änderte Bereitwilligkeit, auf Verhandlungen einzugehen. 
Dieser Krieg widerstehe ihm. Er werde noch mehr Blut 
kosten als der letzte, und es sei doch schon genug geflossen. 
Was er bei öffentlichen Gelegenheiten von Bedingungen 
gesagt, wollte er nicht ernst genommen wissen: So muss 
man zur Nation reden, um ihren Eifer aufzurufen; die 



1. Vgl. Schwarzenbergs genauen Bericht 14. April A. bei 
Onoken II, 618—625. 

2. A. Prokesch, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Feld- 
marschalls Fürsten Carl zu Schwarzenberg. Neue Ausgabe; 
Wien 1861. S. 169. 

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Sprache, die man in den Kabinetten beim Unterhandeln 
führt, ist das nicht. Das grosse Hindernis eines Ausgleichs 
erblickte erjn England, wo die Stimmung mehr als je er- 
hitzt sei und jedes abgeschmackte Gerücht über seine Person 
Glauben und Verbreitung fände. Auch Russlands Nei gung 
zum Frieden zog er stark in Zweifel; der EntseMuss, zu 
dem es Preussen fortgerissen habe, beweise ihm das Gegen- 
teil. Es war vergebens, dass Schwarzenberg ganz aus dem 
Geist der oesterreichischen Politik heraus darlegte, Russland 
werde gerade, um jenes Ziel desto rascher und wirksamer 
zu erreichen, möglichst viel Streitkräfte gesammelt haben. 
Indem es sich alles dessen bemächtigen wolle, was rechts des 
Rheins läge, glaube es am ehesten einen Frieden herbei- 
führen zu können, der die Ruhe Europa sichere. „Es hat 
sehr Unrecht, fuhr__der Korse auf, dann würde die Frage 
noch viel schwieriger sein. Der Friede war im Dezember 
leichter als im Januar, im Januar leichter als im Februar 

und so fort, ^enn ich einen entehrenden Frieden Schlüsse, 

wäre das mein Untergang. Ich bin neu, ich muss auf die 
öffentliche Meinung mehr Rücksicht nehmen, weil ich ihrer 
bedarf. Der Franzose hat lebhafte Phantasie, er liebt den 
Ruhm, die Aufregung, er ist nervös. Wissen Sie, wo die 
Grundursache vom Sturz der Bourbonen zu suchen ist? 
Sie datiert von Rossbach her." 

Übrigens sprach er von dem Abfall Preussens sonst 
mit einer Mässigung, an der sich sein Herr Bruder in 
Kassel ein Beispiel hätte nehmen sollen. 1 Wohl gab er zu 

1. Wio Jerome die preussische Kriegserklärung ansah, er- 
giebt sich aus einem Bericht des oesterreichischen Gesandten 
Baron Schall 15. April 1813, der wenigstens anmerkungsweise 
mitgeteilt werden mag: „Als nachher von der Allianz des Königs 
von Preussen mit Russland die Rede war, konnte der König 
seinen Unwillen über das mit aller Treulosigkeit und Verstellung 
ausgeführte Benehmen Preussens nicht bergen. S. Maj. erzählton 
mir ferner, dass der Kaiser von Russland den König von Preussen 



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- 163 - 



verstehen, dass Oesterreich bei etwas gutem Willen den 
Nachbarn hätte hindern können, und gestattete sich einige 
Bosheiten gegen den grossen Friedrich und seine Leute, die 
niemals Treue gehalten hätten, dann aber meinte er ganz 
ruhig, man müsse sehen, was daraus erwachsen werde. 
Hätten die Preussen Erfolge, so konnten sie sicher bis an 
den Rhein kommen; sei das Schicksal ihm günstig, so 
stände sein Entschluss fest. Er werde drei Loose aus dem 
Land machen, von denen jcclelifälls" eins und das beste 
Oesterreich zufallen solle. 

Verfing dieser Köder, so war der neue Feldzug freilich 
einfach genug, "und" der Kaiser brauchte im Ernst nicht zu 
fürchten, dass er das Fell des Bären geteilt habe, ehe er 
erlegt sei. Dann wurde eben, wie er sich nicht nur heute 
wohlgefällig ausmalte, das Auxiliarkorps durch die Polen 
Poniatowskys und Teile des Observationskorps auf 
50000 Mann gebracht und kündigte im Augenblick des 
französischen Anmarsches gegen die Elbe den Waffen- 
stillstand mit den Russen auf. Zugleich fiel ein zweites 
oesterreichisches Heer von 30 bis 40000 Mann, etwa unter 
Erzherzog Karl, von Böhmen aus in Schlesien ein, und es 
brauchte nur noch eines Sieges der Hauptarmee, der diese 
Provinz von aller Verbindung mit Russland und der 
Festung Kolberg d. h. England abschnitt, um den Unter- 
gang der Monarchie zu besiegeln. 1 

eher mit Veracht ung als mit Hochachtung empfangen habe, hingegen 
dem Kronprinzen viel Zuneigung beweise, weswegen man eine be- 
sondere Absicht vermute; dass es lächerlich sei, aus Breslau, das 
man den Oosterreichern abgenommen habe, von Wiedererwerbung 
der väterlichen Erbschaft in Westphalen zu sprechen. Preussen 
werde wohl seinen Lohn bekommen und von niemand bedauert, 
werden. H. A. 

1. Vgl. den Bericht Schwarzenbergs. Oncken II, 621 f. u. 
624. Daneben als wertvolle Ergänzung die im Anhang mitgeteilto 
Verbalnote Narbounes vom 7. April 1813. 

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- 164 - 



Aber wenn auch diese günstigste Kombination nicht 
möglich sein sollte, stellte Napoleon den kommenden Er- 
eignissen doch die Ruhe des Fatalisten entgegen. Mit einer 
stolzen Gewissheit, der es an Grösse nicht fehlte, meinteer: 
Ich bin sicher, dass ich sie schlage. Sie können mir im • 
einzelnen schaden, sie rechnen auf ihre Kavallerie, sie 
wissen, dass meine noch nicht formiert ist, sie werden mir 
vielleicht 3000 Mann hier und 5000 dort fangen; ich werde 
sie gewähren lassen, das entscheidet nichts, ich werde 
manövrieren, werde sie im ganzen aufsuchen, sie zu einer 
Schlacht oder zur Preisgabe von Terrain zwingen, ich rechne 
nur auf Danzig, wenn ich das verliere, täusche ich mich, 
es wäre ein Fehlschlag, auf die andern Festungen gebe ich 
nichts. Nur eine Möglichkeit Hess ihn nicht gleichgültig: 
dass Oesterreich offen gegen ihn aufträte. Das, gestand 
er, würdo ein grosses Unglück sein, das grösste, das ihm 
zustossen könne. Selbst eine Niederlage schien er in diesem 
Fall nicht für ausgeschlossen zu halten. Und indem er 
. davon sprach, suchte er zugleich gewandt vorzubeugen. In 
richtiger Erkenntnis dessen, was dem ängstlichen Schwieger- 
vater der schrecklichste der Schrecken war, stellte er als 
Folge seines Sturzes den der Dynastie und als dessen Folge 
wieder eine Jakobinerherrschaft hin, bei der dann nicht ab- 
zusehen sei, wo das Feuer Halt machen werde. Daneben 
übte er in allem, was den Kaiserstaat betraf, eine ihm sonst 
fremde, fast ängstliche Rücksicht, die Schwarzenberg mit 
sichtlicher Befriedigung verzeichnete. 1 Aber weiter als auf 
solche Äusserlichkeiten erstreckten sich die Wirkungen 
jener Furcht augenscheinlich nicht. Von einem wirklichen 
Zugeständnis im Sinn der Gleichgcwichtsidccn, die der Ge- 
sandte nicht eben glänzend entwickelte, war keine Rede. 
Vielmehr hielt er sich, wie vorauszusehen, lediglich an die 
Forderung der Beschickung eines Kongresses, und auch sie 



J. Bericht vom 14. April C. Oncken II, 029. 



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wusste er unter der Hand in seinem Sinn umzugestalten. 
Er schob die Initiative dein Zaren zu 1 und legte den Nach- 
druck statt auf Verhandlungen auf einen Waffenstillstand, 
der die Gegner hinter die Elbe zurückführen sollte. Nun 
stand Schwarzenberg für seine Person diesem letzteren 
nicht unfreundlich gegenüber, er legte dar, die so ge- 
wonnene Zeit würde den Verbündeten von noch grösserem 
Nutzen sein als dein französischen Kaiser, und dass der 
eigne Staat in anbetracht seiner noch ganz unentwickelten 
Streitkräfte sich etwas Besseres nicht wünschen konnte, 
war ja ohne weiteres einleuchtend; aber von Wien aus, 
wohin der Antrag schon vorher direkt gelangt war (7. April), 
kam strikte Weisung, jeden Schritt in diesem Sinn als 
zwecklos kompromittierend abzulehnen, solange nicht 
Auseinandersetzungen über allgemeine Basen stattgehabt 
hätten. Dergleichen Vorschläge, die man einfach als Be- 
weis der Schwäche ansehen werde, könnten nur dazu 
dienen, die Stellung Frankreichs und Oesterreichs in ein 
falsches Licht zu setzen und die der Verbündeten in den 
Augen der Völker mächtig zu erhöhen. 2 

Damit war die gänzliche Resultat losigkeit einer Mission 
besiegelt, die Europa wochenlang Stoff zu Hoffnungen und 
Befürchtungen gegeben hatte. Auch eine zweite Audienz, 
die der zur Armee abgehende Imperator dem Botschafter 
am 14. bewilligte, verlief als einfaches Gespräch. 3 Einige 

1. Schwarzenbergs Bericht 14. April A. Oncken II, 619: Je 
suis pret ä faire la paix; que ine demnndc-t-on? je jie puis pas 
prendre l'initiative, ce scrait devoir capituler, comine si j'etais 
clans uu fort; c'est aux autres a mo faire des propositions. Und 
weiter S. 621 : Du niomcnt que vous m'annoncerez que le negoci- 
ateur russe arrive, le mien y sera rendu en meme temps. 

2. Verbalnote Schwarzenbergs 22. April bei Fain I, 461. 
Sie beruht auf einein Reskript Metternichs vom 14. April. 

3. Vgl. das von Floret geschriebene Journal remis par le Prince 
de Schwarzenberg ä Vienno le 4 mai 1813. Leider erfahren wir 



Stirn mungsberichte und Anekdoten, das war alles, was 
der Fürst zur unverhohlenen Enttäuschung seiner Re- 
gierung in den ersten Maitagen nach Wien heimbrachte. 
Als Diplomat hatte er Napoleon nicht zu besiegen ver- 
mocht. Vielleicht gelang es ihm dereinst als Feldherrn 
besser und erwies sich das Wort prophetisch, das jener ihm 
beim Abschied zurief: Vouz avez le bäton de marechal. Lc 
bäton, cela veut dire schlagen celui quon a devant soi. 1 
Noch war es freilich soweit nicht, aber die Sache des 
Krieges hatte doch, derweil er an der Seine Zeit und. Mühe 
verschwendete, an der Donau selbst die erfreulichsten Fort- 
schritte gemacht. 

Hier standen die Dinge unter dem Zeichen eines Per- 
sonenwechsels in der französischen Gesandtschaft. Bis vor 
wenigen Wochen hatte Graf Otto das erste Kaiserreich an 
der Hofburg vertreten. Der war im Januar 1810 nicht 
ohne Vorurteile nach Wien gekommen und hatte sich in 
den ersten Jahren weder mit der hauptstädtischen Gesell- 
schaft noch mit dem leitenden Minister befreunden können. 2 
Mit der Zeit aber war der Liebenswürdigkeit Metternichs 
hier eine vollständige Eroberung gelungen. Der mürrische, 
misstrauische Mann zeigte sich zuletzt wie entzückt von 
dem jüngeren Kollegen, dem er Loyalität und Freimut an- 

nur: il (Napoleon) parla au prince avec une confiance plus gründe 
encoro qu'il n'avait teinoignee a la prämiere audience. Es ist 
dieselbe Geschichte, der wir bei den Audienzen Metternichs in 
Dresden begegnen werden. 

1. Prokesch, Denkwürdigkeiten 8. 1G9. Der Fürst erwiderte 
mit der Bescheidenheit, die ihn überhaupt auszeichnete: Oui, 
Sire, iFTaut le desirer, il s'agit de lo pouvoir. 

2. So berichtet Humboldt aus dem Jahr 1811. Gebhardt 
S. 103. Übrigens besitzen wir auch direkte ßoweise dafür in 
den oft sehr amüsanten, immer aber boshaften Anekdoten und Cha- 
rakteristiken, die Vandal, Napoleon et Alexandre I. v. III den 
Depeschen Ottos entnimmt. 



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dichtete, ja das sonst gewiss selten gehörte Prädikat einer 
äme honnete spendete, 1 und was die Hauptsache war, seine 
Berichte atmeten eine so gute Gesinnung, als wenn man 
sie in der Staatskanzlei diktiert hätte.* Der Grund davon 
war doch nicht nur DUpicrung, 3 sondern eine aufrichtige 
Übereinstimmung mit den Zielen der oestcrreichischcn 
Politik. Auch Otto gehörte eben zu jener zahlreichen 
Klasse französischer Diplomaten und Militärs, die sich mehr 
oder minder zu dem bekannten, was Talleyrand geistreich 
in die Antithese zusammenfasste: Napoleon muss das Kaiser- 
reich aufgeben und König von Frankreich werden. 4 Die 
Mitwirkung beim Frieden von Amiens bildete zu sehr die 
stolzeste Erinnerung seines Lebens, als dass er nicht das 
System jener .Jahre noch immer für das Europa und 
dem eignen Land heilsamste hätte ansehen sollen. Jedenfalls 
erklärte er sich ganz einverstanden mit den Instruktionen 



1. Otto an Metternich 9. März: Je serai tres heureux de 
conserver les rapports d'aniitiö qu'une conformite de vues et de 
prineipes a etablis ontre nous et d'etre pres de ma Cour l'inter- 
prete et le garant de la loyaute qui earacterise si 6mineniment 
le ininistere de V. E.. — Ähnlich 10. März: Les marques d'amitte 
qne V. E. m'a donnecs personnellcment ne s'effaceront jamais 
de mon souvenir. 30. März: J'emportc avec moi la ferme 
conviction de la purete et de la Ragesse des vues de l'Empereur 
Votre maitre. En suivant la route que V. E. s'est tracee, eile 
arrivera a la plus grande celebrite a laquelle une äme honnete 
puisse aspirer, celle d'avoir contribuö au repos du monde. H.-A. 

2. So urteilte Bubna. Oncken I, 56. 
b. Dagegen zuerst ßignon XI, 3441. 

4. Das Journal remis par le Prince de Schwarzenberg er- 
wähnt unter dem 15. April eine Gesellschaft bei Talleyrand: Le 
Prince passa la soireo chez Je Prince de Benevent, qui disserta 
beaueoup sur sa these favoritc, la paix, pensant qu'il n'y avait 
que l'Autriche qui puisse la donner, en s'y prenaut bien et appuy- 
ant sa mediation sur une grande armee. Le Prince lui assura 



— ins — 



für Schwarzenberg, die ihm nicht minder als den Gesandten 
der Verbündeten gezeigt wurden. 1 

Einem solchen Mann glaubte Napoleon in diesen 
kritischen Zeiten seinen wichtigsten Uesandtschaftsposten 
nicht länger anvertrauen zu dürfen. Schon um die Jahres- 
wende hatte man in Paris von seiner Ersetzung durch 
eine schneidigere, der kaiserlichen Politik unbedingter er- 
gebene Persönlichkeit gesprochen. Bubna wusstc zu bc- 
t < A i richten (2. Januar), dass_Savary, als Polizeiminister blamiert, 

sich eifrig um die Stellung bewerbe. Da aber dessen Er- 
nennung in Wien den übelsten Eindruck gemacht haben 
würde, so war die Wahl des Imperators schliesslich auf 
seinen Flügeladjudanten Grafen Louis Narbonne gefallen. 
Otto musste am 7. Februar seine Abberufung anzeigen, 2 
und am 17. März erschien sein Nachfolger in der Kaiser- 
stadt. 

Metternich war von diesem Tausch begreiflicherweise 
wenig erbaut und sah nur darin einen schwachen Trost, 
dass Napoleon den scheidenden Gesandten zum Staatsministcr 
und Präsidenten der diplomatischen Sektion im Staatsrat 
ernannte; denn so sehr er das neugeschaffene Amt als Mon- 
strosität belächelte, schien ihm der ganze Vorgang den Be- 
weis zu liefern, dass der Kaiser dennoch Wahrheit in den 
Berichten Ottos gefunden haben müsse und ihm also die 



que c'etait notre unique but et que nous etions prets n l'appuyer 
de toua nos efforts, que l'Empcreur Napoleon lui-meme nous in- 
vitait a prendre cette attitude. II faut, dit l'autre, que l'Empereur 
devienne Roi de France; jusqu'ici tout ce qu'il a fait, a ete 
fait pour PEmpire. II a perdu l'Enipire lorsqu'il a perdu l'arinee: 
du inoment qu'il ne voudra plus faire la guerre pour 1'armee, 
il fera la paix pour le peuple franeais et alors il deviendra 
roi. H.-A. 

1. Vorträge Metternichs 29. März. H.-A. 

2. Otto an Metternich 7. Februar. H.-A. 



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1(59 - 



Lage der Dinge in ihrer wahren Ansicht einleuchtender 
werde. 1 Auchdiese Illusion aber sollte ihm durch das Auftreten 
des neuen Mannes bald genommen werden. Ein Kavalier 
der alten französischen Schuh;, 2 mit der Prätension, trotz 
seiner 57 Jahre jedem Frauenherzen gefahrlich zu werden, 
Hess Graf Narbonne doch durchaus jene feine und leise 
Art der Geschäftsbehandlung vermissen, die den Diplo- 
maten des aneien regime sonst so gut zu Gesichte steht. 
Er kannte nur das eine Streben, dem Herrn zu gefallen, 
der sich seit 1812 gern an seiner geistreichen Konver- 
sation ergötzte, und nur gar zu oft lag ihm weniger die 
Sache als der Effekt am Herzen. Hinzu kam, dass er als 
General und Hofmann für sein jetziges Amt entfernt nicht 
die nötige Erfahrung mitbrachte. „Neu in Wien und neu 
in den Geschäften" lautete denn auch sehr bald die Formel, 
mit der man in der Staatskanzlei die fremde Erscheinung 
glaubte begreifen zu können. 3 Übrigens war schon der 
erste Eindruck auf beiden Seiten gleich unvorteilhaft. 
Metternich schrieb bissig an Zichy 4 : Narbonne ist seit acht 
Tagen hier, er ist gekommen ohne Instruktionen, ohne Ge- 
sichtspunkte, ohne Geld, mit einem Wort," wie ich voraus- 
sah, dass der Mann kommen würde, von dem mir Napoleon 
in Dresden sagte, er schicke ihn nur, wenn es sich nicht 
um Unterhandlungen, sondern um Phrasen handele. Der 
Franzose aber berichtete eine Woche später indigniert: , , 
Überall hier, in den Cafes, an den Mauern, in dem Gerede 
der Leute tritt der Abscheu vor dem Namen Frankreich 
zu Tage. Alles Unglück, was das Land drückt, die 

1. Vorträge Metternichs 10. März 1813. H.-A. 

2. Vgl. Lefebvre V, 254, Ernouf, Maret p. 510, Helfert, 
Marie Luise S. 25G, Bericht Schwarzenbergs vom 14. April 1813 
A. Onckon II, «23, Berichte Bubnas 7., 20. Juli 1813. H.-A. 

3. Ostensibles Reskript Metternichs an Bubna Ii). Mai 1813: 
ainbassadeur neuf ä Vienne et neuf aux affaires. H.-A. 

4. 23. März 1813. Oncken I, 311. 



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- 170 - 



Teurung, die Geldknappheit, schiebt man uns in die 
Schuhe. Der Hass der Salons gegen uns .grenzt an Raserei 
(1. April). 1 

In der That durfte die Stimmung, in Wieji unter dem 
Einfluss der Erhebung Preussens gerade in diesen Tagen 
für sehr erhitzt gelten, und sie wurde es noch mehr, als 
sich in der zweiten Aprilwoche plötzlich das Gerücht ver- 
breitete, eine neue Allianz mit Napoleon stelle 300000 Oester- 
reicher in den Dienst des „fürchterlichen Machtmenschen". 
Seit 1809 wollte man keine ähnliche Aufregung gesehen 
haben. Die Wut des Volkes gegen die verkauften Minister 
kannte keine Grenzen, insbesondere Metternich wurde unge- 
scheut das Ende des schwedischen Reichskanzlers Axel 
Fersen prophezeit. Selbst der Armee teilt sich die Em- 
pörung mit. Es gab Offiziere, die erklärten, ihre Soldaten 
würden eher die Waffen wegwerfen als für Frankreich 
kämpfen, leicht könne man ein Seitenstück zur Kapitulation 
Yorks erleben. 2 Dabei blieb der Ursprung der aufreizenden 
Nachricht in geheimnisvolles Dunkel gehüllt. Einige wiesen 
mit Fingern auf die französische Botschaft und wollten an 
der Weiterverbreitung den Anhängern Stadions Schuld 
geben, 3 Metternich wieder sah in ihr „nichts als ein Hilfs- 
" mittel der Agioteurs, um ihrem unglücklichen Spiel zu Hilfe 
zu kommen." 4 Nur soviel Hess sich mit einiger Sicherheit 
sagen: es bestand ein gewisser Zusammenhang zwischen 
ihr und der Note, die Narbonne am 7. April im Auftrag 
seiner Regierung übergab. Dann aber irrte das Publikum 
sich gründlich: Jenes Aktenstück half nicht eine neue 
engere Allianz schliessen, sondern wurde das äussere Mittel, 
die Bande der alten zu lösen. — 



1. Lofebvre V, 276 f. 

2. Wertheimer S. 365 ff., 387 f. 

3. Wertheimer S. 366. 

4. Vorträge Metternichs 14. April 1813. H.-A. 



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Wir erinnern uns, dass Napoleon schon am 3. Februar, 
wenn auch nur ganz von fern, Änderungen des März- 
vertrages angeregt hatte. 1 Jetzt, wo durch den Bund von 
Italisch die Lage so wesentlich kompliziert war, hielt man 
es in Paris für angezeigt, etwas deutlicher darauf zurück- 
zukommen. Es war am 26. März auf der gewöhnlichen 
Soiree beim Herzog von Bassano eben im Verlauf eines 
Gespräches über die Vorgänge in Preussen, als der Minister 
dem Grafen Bubna offen heraus sagte, sein Herr erwarte, 
dass Oesterreich neue Arrangements mit ihm träfe, und da- 
mit den Wunsch nach Vorschlägen von Wien her so ver- 
ständlich wie möglich durchblicken Hess. Der General zeigte 
sich wie immer der Situation gewachsen. Er entgegnete 
ruhig und bestimmt, wenn die französische Regierung Ver- 
langen nach andern Vereinbarungen mit seinem Hof ver- 
spüre, so möge sie Narbonne in Stand setzen, eine offene 
Sprache zu führen und bestimmte Vorteile in Aussicht zu 
stellen. Da nämlich im gegenwärtigen Zeitalter leere Worte 
keinen Wert mehr hätten, könne Metternich nur solchen 
Vorschlägen Gehör schenken, die Fürst und Volk zur Ent- 
schädigung für neue Opfer wirkliche Gegenleistungen böten. 
Diese Sprache verfehlte ihres Eindrucks nicht. Bassano 
meinte nach einigem Nachdenken naiv genug: Sie glauben 
also, dass etwas Positives nötig ist? 2 und expedierte gleich 
am nächsten Tage nach Wien umfängliche Instruktionen, 
die nun in der That an Bestimmtheit nichts zu wünschen 
übrig Hessen. 

Sie eben waren es, von deren Inhalt der Gesandte dem 
oesterreichischen Minister erst mündlich und dann auf aus- 
drücklichen Wunsch auch schriftlich in Form einer Verbal- 
note 3 Mitteilung machte. Selbst der oberflächlichste Beob- 



1. Siehe oben £>. 86. 

2. Bericht Bubnas 27. März 1813. H.-A. 

3. Siehe den Anhang. 



-172 - 



achter hätte erkannt, dass sie nach Gedanken und Form 
unmittelbar auf den Imperator zurückgingen. Man glaubt 
ihn zu »Schwarzenberg reden zu hören : dasselbe abgerissene 
Durcheinander von Kriegsplänen, Verhandlungsvorschlägen 
und Anerbietungen, in das sich ein logischer Gedanken- 
gang schlechthin nicht hineinbringen lässt. Und welch ein 
Gegensatz zu jenen Weisungen, die Metternich fast am 
gleichen Tage seinem Botschafter nach Paris mitgab ! Dort 
eine geschlossene Kette an sich trefflicher Prinzipien, die 
doch nirgends auf den konkreten Fall angewandt wurden, 
hier ausdrückliche Ablehnung jeder abstrakten Idee als 
resultatlos in einem Augenblick, wo die Zeit mit reissender 
Schnelligkeit enteile, „ein seltenes Vergessen aller Grund- 
sätze, aller rechtlichen und politischen Begriffe" 1 und da- 
neben die fesselndsten Züge einer genialen Realpolitik. 

Freilich jetzt sollte diese einmal ihren Meister finden. 
Das, worauf es Napoleon ankam, war ersichtlich nur, 
Oestorreich statt mit dreissig- mit hunderttausend Mann in 
den neuen Krieg hereinzuziehen. Aber indem er ihm zu 
dem Zweck die Stellung einer Hauptmacht, in einigen 
( Wendungen fast die des Schiedsrichters zuwies, hatte eine 
sophistische Staatskunst die Möglichkeit, die Nichtanwcnd- 
barkeit der geheimen Artikel der Allianz auf die Umstände 
des Augenblicks als von ihm selbst zugestanden zu be- 
haupten. 2 Unischrieben jene nicht die Rolle des Staates 
klar als die einer Auxiliarmacht, und konnte man etwa 
zugleich das nach dem Buchstaben des Traktats und Haupt- 



1. So urteilte Metternich. Vorträge 10. April 1813. H.-A. 

2. Sehr hübsch heisst es in der von Schwarzenberg über- 
reichten Votbainote 22. April: S. M. ne peut donc que partager 
1'opinion de S. M. L'Emperour des Francais que los stipulations 
des secours limites du traite de l'allianco no sont pas applicables 
aux circonstances du moment. 



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macht nach dem jetzigen Wunsch des Kontrahenten sein? 1 
Scliloss nicht eines das andere mit Notwendigkeit aus? 
Eigentlich zwingend war diese Beweisführung gewiss nicht, 
aber sie hatte den Schein für sich und vor allem, was dem 
Minister am meisten am Herzen liegen mochte, Kaiser 
Franz beruhigte sich bei ihr. Bisher hatte der allem 
Drängen stets entgegengehalten, dass man erst die Allianz 
heraushaben müsse, 2 jetzt gelang es Metternich ihm plau- 
sibel zu machen, Napoleon selbst gebe ihm das Recht, eine 
schlechthin unabhängige Stellung einzunehmen. Der 
Minister hatte während des Gespräches mit Narbonne eine 
kühle Haltung zu bewahren verstanden ; a als er dann aber 
erst aus der Hofburg vom Vortrag zurückkam, erschien er 
den befreundeten Diplomaten heiterer und zufriedener als 
je. 4 Es mochten ihm die stolzen und frohlockenden Worte 
auf dem Gesicht geschrieben stehen, die er seinem Herrn 
zurief: Alles hängt nun von uns selbst ab, in uns selbst 
müssen wir Kraft und Mittel finden, welche dem merk- 
würdigsten Augenblick den endlichen und glücklichen Aus- 
schlag geben können und mit Gottes und Ew. Majestät 
Hilfe auch geben werden. 5 

Zunächst brauchte man jetzt doch nicht länger mit der 
offenen Proklamierung jener Idee zu warten, die, unaus- 
gesprochen und verkümmert allerdings, schon der Mission 
Schwarzenbergs zu Grunde gelegen hatte. Am 11. April 
erging die Mitteilung ins Hauptquartier der Verbündeten: 
Der Kaiser wird seiner Stellung als bewaffneter Ver- 



1. Kaiser JPranz an Napoleon 26. April: Je ne puis etre u 
la fois partie Mcondaire et principale. H.-A. 

2. Sprin«6r 1, 216. 

3. Lcftbvro V, 277. 

4. Graf Hardenberg an Münster 11., Watzdorf an Senfft 
10. April 1813. Oncken II, 200 u. 265. 

5. Vorträge 10. April 1813. H.-A. 



mittler 1 unverzüglich ihre ganze Entfaltung geben; und dem 
französischen Botschafter hatte Metternich gleich bei der 
Verlesung der Note bedeutet, der langen Rede kurzer Sinn 
Hesse sich in drei Sätze zusammenfassen, wovon der erste 
und wichtigste: Napoleon hegt Vertrauen genug in 
die Grundsätze der Billigkeit des oesterreichischen Kaisers, 
um zu wünschen, dass er die Rolle einer blossen inter- 
venierenden Macht mit jener einer armierten Mediation 
vertausche 

Das war denn auch das Thema der von Narhonne er- 
betenen offiziellen Antwort (14. April), <lie_ Schwarzenberg 

in Paris als Verbalnote überreichte (22. April). Sie gab 
sich äusserlich wie gewöhnlich sehr zahm und vorsichtig 
und überbot sich förmlich in Versicherungen der Bündnis- 
treue: auch nicht ein Wort finde der Kaiser an seinen 
geschriebenen Beziehungen zu Frankreich zu ändern, das 
er vielmehr für seinen natürlichsten Alliierten^ ansehe. 3 
Materiell aber trat sie ganz" ungescheut mit einem - Vor- 
schlag ans Tageslicht, der dann später in den Verhand- 
lungen des Juni so hoho Bedeutung gewann: man könne 



1. L'JSmperour va inoontinont donner tout le developpement 
ä son attitude de mediateur arm 6. Onoken II, 205. 

2. Vorträge 10. April 1813. H.-A. Gegenüber der Darstellung 
bei Oncken II, 200 und in dem von ihm II, 266 f. abgedruckten 
Bericht. Watzdorfs muss darauf aufmerksam gemacht werden, 
dass sich von einer ausdrücklichen Anerkennung der bewaffneten 
Vermittlung Oesterreichs in der Note kein Wort findet. Die 
Phrase, in der sie Metternich implicite enthalten glaubte, lautet: 
L'Autriche qui s'est mise cn avant pour la paix et qui la desire 
si vivement doit prendre pour tendre a ce but une couleur pro- 
noncee, insister sur l'ouverture immediate d'une negociation, exiger 
que des plenipotentiaires soient noium^s, qu'un armistice soit conclu, 
et entrer dans la lutte comme partie principale. Vgl. Verbalnote 
Schwarzenbergs 22. April. Fain I, 454 f. 

3. Fain I, 458. 461. 



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- 175 - 

r 

für die Dauer eines Krieges, der Natur und Schauplatz 
verändert habe, die nach dem Text des Vertrages Oester- 
reich in militärischer Beziehung auferlegten Beschränkungen 
durch gemeinsames Abkommen suspendieren. Dass der 
Traktat nur 30 000 Mann Hilfstruppen bedinge, werde den 
Kaiser nicht hindern, seine Leistungen für den Kampf dar- 
über hinaus auszudehnen, falls die Verbündeten sich ver- 
nünftigen Vorschlägen nicht fügten. — Noch war die Kehr- 
seite der Medaille nicht ganz enthüllt, indessen mochte 
der, so wie er dastand, unlogische Satz: die eine wie die 
andere dieser Möglichkeiten entspringen aus der Macht der 
Umstände, auch jetztschon zeigen, was man verschwiegen hatte. 1 

Vollends klar wurde das, als sich sogleich Gelegenheit 
bot, die neuen Theorien vor aller Welt in die Praxis zu 
übertragen. Wieder waren es die Verhältnisse des Auxiliar- 
korps, die den Wiener Hof einen Schritt weiter drängten. , 
Die Stellung der Truppe, wie sie das Abkommen vom 
30. Januar festgelegt hatte, konnte ihrer Natur nach nur 
eine interimistische sein. Über kurz oder lang musste das 
Verlangen siegen, sie mit den andern Armeeteilen zu ver- 
einigen. Ein äusseres Ereignis half diese innere Entwicklung 
beschleunigen. 

Schon Mitte Februar nach der Vernichtung Rcynicrs 
bei Kaiisch geschah es, dass Fürst Joseph Poniatowsky, 
allein nicht fähig, den Hussen die Spitze zu bieten, sich zur 
besseren Organisation seines beständig wachsenden Korps 
hinter die oesterrcichischen Linien in die Nähe der preussisehen 
Grenze zog. Durch diese Bewegung fühlten sich nun aber 
sowohl der Zar wie namentlich sein hoher Verbündeter auf 
das empfindlichste gestört. Es schien jetzt nicht mehr un- 
bedenklich, Schlesien von Truppen zu entblössen, 2 und auch 



1. Fain I, 457 f. 

2. Ohne Scharnhorsts wohlthätigo Eigenmaeht hätte Friedrich 
Wilhelm aus Furclit vor den Polen die brandenburgische Brigade, 



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— 176 — 



abgesehen davon bildeten die Desertionen zu Poniatowsky, 
die in grosser Zahl gemeldet wurden, einen Grund zu Ärger 
und Besorgnis. So war der Marsch der Polen denn gleich 
einer der ersten Gegenstände, über die Alexander den neu 
angekommenen Lebzeltern befragte. Sonst so schonend, 
forderte er hier doch gebieterisch : Auf alle Fälle verbürgt 
mir ihre Ruhe für die Zukunft, 1 und überliess die weitern 
Verhandlungen über die besten Mittel dazu einer Konferenz, 
zu der der Gesandte mit Toll und Anstett am Morgen des 
9. März zusammentrat. Die Diskussion gestaltete sich auch 
diesmal sehr lebhaft, und schliesslich übergaben die Russen 
ein Schriftstück, das in fünf Punkten ihre Vorschläge 
resümierte. 

Am liebsten hätten sie es gesehen, wenn die Oesterreicher 
entweder ein russisches Korps zur „Vernichtung des Auf- 
ruhrherdes 41 in aller Stille in die Demarkationslinie herein- 
gelassen oder die Polen ihrerseits mit Güte oder Gewalt 
entwaffnet hätten. Da aber nach den Erklärungen Leb- 
zelterns nicht zu hoffen war, dass diese beiden zugleich 
einfachen und gründlichen Mittel in der Hofburg Gnade 
finden würden, so hatten sie noch drei andere zur Auswahl 
gestellt, die sich im Grunde mehr ergänzten als ausschlössen. 
Danach wollten sie gegen die rechte und linke Flanke des 
Auxiliarkorps Truppen vorschieben und so dem oesterreichi- 
schen Kommandanten die Möglichkeit geben, seine Stellung 
für unhaltbar zu erklären. Die weitere Folge wäre dann 
entweder der Rat an Poniatowsky, seine Regimenter auf- 

das beste Drittel der in Schlesien stehenden Truppen, zurück- 
behalten. Auch so blieb das neumärkische Dragonerregiraent 
an der Ostgrenzo boi Gleiwitz bis zum 29. März, um im Verein 
mit der Garnison von Kosel die bedrohten Eisenwerke zu 
schützen. M. Lehmann, Scharnhorst II, 507 f., 570 f. 

1. Enfin restez garants de leur tranquillite ä l'avenir. Bericht 
Lebzelterns, Kaiisch 10. März. H.-A., dem auch alles Andere 
entnommen ist. 



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- 177 - 



zulösen, oder ein Rückzug hinter die Weichsel unter Be- 
setzung von Krakau und Sandomierz als Brückenköpfen oder 
endlich eine zeitweilige Änderung der Demarkationslinie zu 
dem Zweck, die Verbindungen mit der Observationsarmee 
in Böhmen zu erhalten. 1 

Soweit die offiziellen Anträge. Sie gaben schon an 
und für sich reichliches Wasser auf die Mühle des Ministers. 
Zu allem Überfluss aber fügte der Gesandte noch berichtend 
hinzu, man sei in Kaiisch bereit, nötigenfalls den Waffen- 1 
stillstand aufzusagen, und werde die beiden Korps auf den 
Flügeln in der Richtung und Stärke marschieren lassen, die 
der Wiener Hof bestimme. Hinsichtlich der Polen sei es 
vielleicht das Beste, ihnen den Durchmarsch durch den 
Kaiserstaat anzubieten. Das würde zugleich Napoleon zu 
Dank verpflichten. 

Es braucht keine grosse Phantasie, um sich die Freude 
Metternichs vorzustellen, als er Depesche und Beilage 
empfing. Das war doch einmal wieder eine würdige Auf- 
gabe für seinen erfindungsreichen Kopf! Wie leicht Hess 
sich mit den so freigebig dargebotenen Mitteln eine Komödie 
inscenieren, in deren Verlauf zwar auch Poniatowsky sein 
Heimatland verlassen würde, die aber der Hauptsache nach 
das weit höhere Ziel verfolgte, das Auxiliarkorps ohne offenen 
Bruch der Allianz auf oesterreichisches Territorium zurück- 
zuziehen ! 

Man schob eben einfach die Kündigung der Konvention 
vom 30. Januar beherrschend in den Vordergrund und liess 
sie durch den Hinweis auf die unerträgliche Polengefahr 
motivieren. Alles Weitere ergaben dann schon die russischen 
Vorschläge, nämlich Scheinumgehung, Räumung des linken 
Weichselufers, aber Behauptung von Krakau und Sandomierz, 
zu denen zweckmässig wohl noch Opatovice hinzukam. War 

1. Propositions du Commandant on chef des armees russes. 
Beilage zu Lebzelterns Bericht. Sieho Anhang. 

12 



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— 178 - 



das programmmässig geschehen, so mochte ein neuer Waffen- 
stillstand auf vierzehntägige Kündigung das sinnvolle 
Kriegsspiel beenden. 

Einstweilen säumte der Minister nicht es ins Werk zu 
setzen. Am 23. März entwickelte er den Plan in ausführlichen 
Instruktionen für Lebzeltern; und da man im Lager des 
Zaren natürlich mit beiden Händen zugriff, so konnte schon 
sechs Tage später in tiefem Geheimnis ein formloses Ab- 
kommen unterzeichnet werden, das bis auf den Wortlaut 
den Metternichschen Intentionen folgte. Nur brachte der 
vorsichtige Gesandte noch die Bestimmung hinein, dass die 
russischen Korps dem oesterreichischen an Stärke mindestens 
gleich kommen müssten. 1 Kein Zweifel, bis dahin hatte die 
Entwicklung den kühnsten Erwartungen der Wiener Staats- 
männer entsprochen. 

Von nun an aber lief die Sache so glatt nicht mehr 
ab, wie sie gewünscht hätten. Gleich mit der Kündigung 
der Waffenruhe wollte es nicht klappen. Statt in den 
ersten Tagen des Monats, wie ausgemacht, übersandte sie 
Sacken erst am 11. April. 2 Erlitt schon dadurch der seit 
einer Woche bis ins Einzelste festgestellte Rückzug nach 



1. Instruktionen und Vertrag bei Oncken II, 201 — 204. Es 
ist Onckens Verdienst, zuerst den Zusammenhang der bis 
dahin nicht einmal allgemein anerkannten Konvention mit 
einer oesterreichischen Vorlage enthüllt zu haben. Diese seihst 
aber entspringt bei ihm fertig aus dem Haupt Metternichs, 
während ihn doch schon die Worte d' apres le projet du comman- 
dant en chef de l'armee russe (S. 201) darüber hätten belehren 
können, dass auch sie eine Vorgeschichte hat. 

2. So Bignon XI, 443. 445. Lefebvre V, 279. Wenn sich 
daneben z. B. bei Oncken II, 200 und in einer Note Narbonnes 
(Fain I, 465) der 12. angegeben findet, so liegt die Erklärung 
vielleicht darin, dass der Brief Sackens vom 11. datiert, aber 
erst am 12. in die Hände Frimonts gelangt sein mag. Darauf 
weist namentlich die Angabe Metternichs an Lebzeltern 18. April 



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- 179 - 

Galizien 1 die ärgerlichsten Verzögerungen, so wirkte vollends 
das Verhältnis zu Poniatowsky kreuzend und hemmend auf 
alle Dispositionen ein. Der stolze Pole hatte so garnicht 
das Zeug, die Marionette Metternichs zu spielen, der sieges- 
gewiss eben jetzt mit dem gefügigen Sachsen Watzdorf eine 
Konvention über den waffenlosen Durchzug des Warschaui- 
schen Armeekorps zustande brachte (8. April). 2 Er war zwar 
darauf eingegangen, die drohende Stellung an der schlesischen 
Grenze mitKantonierungen an derWeichselzu vertauschen, und 
erklärte sich sogar zum Rückzug in den Rayon von Pod- 
gorze bereit, als ihm Frimont mit biedermännischer Offen- 
heit die kühne „Vermutung" mitteilte, dass die Russen die 
Feindseligkeiten von neuem beginnen würden. Aber wenn 
schon bis an dessen entfernteste Grenze, aus dem Herzogtum 
heraus wollte er nicht gehen. Mindestens musste vorher 
ein Äusserstes an schlauen Zögerungen versucht werden. 
Die ersten Vorbesprechungen (2. und 4. April) blieben des- 

(Oncken II, 212), wonach die vierzehn Tage Kündigungsfrist 
courent depuis le 11 ou le 12 de ce mois. Metternichs Ver- 
stimmung über die Verzögerung ergiebt sich aus dem Reskript 
an Lebzeltern 11. April 1813. Oncken II, 205. 

1. ,. Verschiedene vorläufige Entwürfe, welche zwischen dem 
FML. Baron Frimont mit dem Gefertigten in Absicht auf den 
Rückzug des Auxiliar-Korps auf das rechte Weichsolufer am 
4. dieses zu Miechow verabredet wurden." Tarnow 6. April 
gez. Prohaska (Kommandant der im westlichen Galizien stehenden 
Division des Resorvekorps). K-A. Danach kam am weitesten 
östlich zwischen Dunajoc und Raba die Division Trauttenberg 
zu stehen. An sie sollten sich ßianchi, rückwärts an die Raba 
gelehnt, vorwärts den Landweg von Krakau nach Mislenice als 
Grenze, und Siegenthal, in weiter Aufstellung bis an die Sola 
vorstossend, links anschliessen. Die äusserste Linke ward den 
drei Husarenregimentern des ßaron Fröhlich angewiesen, dio in 
der Gegend der Biala, also schon nahe der schlesischen Grenze, 
Quartiere zu beziehen hatten. 

2. Abgedruckt bei Fain I, 472—479. 

12* 



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- 180 - 



halb ganz resultatlos, und auch nachdem der Akt vom 
11. April einen Zweifel über den Ernst der Lage nicht mehr 
erlaubte, vermied der Fürst mit peinlicher Sorgfalt alles, 
was als Einwilligung in den Übertritt auf oesterreichisches 
Gebiet hätte gedeutet werden können. Immer wieder lehnte 
er es in der verbindlichsten Form ab, Angaben über Stand 
und Kolonnenzahl seines Korps einzureichen. Bald machte 
er sein Handeln von Weisungen Narbonnes, bald von direkten 
Befehlen Napoleons abhängig und zog sich im übrigon 
auf den ganz korrekten Standpunkt zurück, vorerst den 
wirklichen Ablauf des Waffenstillstandes abwarten zu wollen. 
Diese Taktik trug ihre Früchte. Frimont, der ihm ursprünglich 
den 19. April für Boginn des Abmarsches bestimmt hatte, sah 
sich gezwungen, den Termin bis zum 3. Mai zu verlängern 
und auch dann noch statt nach den Polen, wie er gerechnet, 
schon vor ihnen die Weichsel zu überschreiten, wodurch zu 
allem andern die Möglichkeit entfiel, die genannten drei 
wichtigen Brückenköpfe für den Kaiserstaat zu halten. 1 

Und nicht genug mit diesen Strichen durch die mili- 
tärische Rechnung, glückte der ganze Schritt auch politisch 
entfernt nicht so gut wie der ähnliche, vorbereitende im 
Januar. Der Grund lag darin, dass die Aktion Oesterreichs 
mit einer sich in entgegengesetztem Sinne bewegenden fran- 
zösischen zusammenstiess. 

Napoleon hatte, wie wir sahen, schon gegen Schwarzen- 
berg, gleichsam sondierend, von einem Wiedereingreifen 
des Auxiliarkorps in den Kampf gesprochen. Da aber aus 
dem Fürsten nichts anderes herauszubekommen war als 
halbe, ausweichende Redensarten, 3 so entschloss er sich 

1. Frimont an Bollegarde 26. März 1813. K.-A. Metternich 
an Lebzeltern 18. April 1813. Oncken II, 212. Bignon XI, 445, 
446, 450, 461 f.. 

2. Vgl. Oncken II, 622 oben. Geradezu klassisch ist die 
Antwort, die er auf eine letzte sehr kategorische Anfrage Bas- 
sanos ain 16. April gab: que sans doute on denoucerait l'ar- 



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- 181 — 



rasch, die Frage in Wien selbst zur Entscheidung zu bringen. |. 
Er Hess Narbonnc anweisen (11. April), den Befehl zur 
Kündigung des Waffenstillstandes als unmittelbare Folge 
seiner bevorstehenden Ankunft in Mainz in Aussicht zu 
stellen und sich über dessen vorbehaltlose Ausführung zu 
vergewissern : „Es wird von höchster Wichtigkeit, dass General ' 
Frimont aufs Wort gehorcht". 1 

Der Gesandte that, wie ihm geheissen, aber indem er 
sich am 18. April mit seinen neuen Instruktionen bei Metter- 
nich einfand, musste er gewahr werden, dass^ sich die 
Situation über Nacht von Grund aus verändert hatte. Der 
Minister erklärte unter Hinweis auf den Tags vorher ein- 1 
gelaufenen Brief Sackens, die Ordre des Kaisers sei über- 
holt, die Hussen wären ihrerseits vorgegangen, 2 und Hess 
keinen Zweifel, dass im weiteren Verlauf der Rückzug des 
Auxiliarkorps unvermeidlich werde. Unter solchen Um- 
ständen blieb dem Franzosen nichts übrig, als dem Buch- 
staben seiner Weisungen entgegen zu handeln, um ihren 
Geist zu retten. Es hiess, dieselbe Kündigung des Waffen- 
stillstands, die er als Wunsch seines Herrn hatte voraus- 
sagen sollen, rückgängig machen oder besser aufhalten; 
denn jetzt wäre ihr Effekt das Gegenteil des beabsichtigten 
gewesen. Er bot also alles auf, um Metternich zu bewegen, 
dass er sich beim russischen Hauptquartier für Zurücknahme 
der Erklärung vom 11. oder für Festsetzung eines neuen 
Rayons verwende, und Hess sich nicht abschrecken, als 
der Minister einen solchen Antrag als aussichtslos bo- 



mistice, liiais qu'il etait bitin jM isuade quo rEmpereur n'oxigerait 
pas cette denonciation, avant quo son armee ftit a la hautcur de 
nous. Sans cela il aventurerait notre poaition. Vgl. das Journal 
remis par le Prince de Schwarzenberg. H.-A. 

1. Siehe das Exzerpt in Narbonnea Verbalnote vom 21. April 
1813. Fain I, 464. 

.2 Oncken II, 211 Anm. 



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- 182 - 



zeichnete. Ihm kam es ja nicht so sehr auf den wirklichen 
Erfolg als darauf an, Zeit zu gewinnen, die drohende Preis- 
gabe des linken Weichselufers noch mindestens um die vier- 
zehn Tage der Kündigungsfrist hinauszuschieben, vor deren 
Ablauf die Befehle Napoleons den oesterreichischen Kom- 
mandanten erreicht haben konnten. 1 Zu dem Zweck schien ihm 
selbst ein wertvolles Zugeständnis erlaubt. Er zeigte sich 
bereit, Poniatowsky den Befehl zugehen zu lassen, ohne 
weitere Anfrage den Weisungen Frimonts zu folgen 
und die Übereinkunft vom 8. April pünktlich aus- 



1. Das ergiebt sich namentlich aus der Note vom 21. April, 
wo es heisst (Fain I, 4f>5): Le soussigne etait d'autant plus 
fonde ä croire qu'au moins le terme de quinze jours serait ob- 
serve, que, lorsque S. Exc. Mr. le comte de Metternich s'etait 
decide, lc 16(?) du courant, a donner des ordres a M. de Lebzeltern, 
pour demander la revocation de la denonciation de rarmistico . . 
il avait 6te calcule que la reponse portee directement au general 
Frimont pouvait lui arriver, avant qu'il eüt offectue son mou- 
vement, et que des ordres lui seraient expedies a ce sujet; il est 
aisö de voir que si cet arrangement avait ete rempli, les ordres 
de S. M. l'empereur de France, qui doivent etre expedies d ? Er- 
furth lo 20, seraient facilement parvenus au commandant du corps 
auxiliaire avant l'expiration de quinze jours. Wenn man diese 
Worte als Schlüssel nimmt, so verschwindet der anfangs un- 
lösbar scheinende Widerspruch zwischen der Darstellung bei 
Lefebvre V, 279 f, die auf Narbonnes Bericht beruht, und Metter- 
nichs Reskript an Lebzeltern 18. April bei Oncken II, 212. 
Was Oncken II, 214 über die Gesinnung dos Gandten sagt, lasst 
sich nicht halten. Man begreift schwer, wie er trotz der doch gewiss 
authentischen Note vom 21. und der auch von Graf Hardenberg 
(Oncken II, 217) bezeugten Sprache, die Narbonnc wenige Tage 
später gegen Kaiser Franz führte, die Behauptung aufstollen 
kann, der Franzos habe sich in die Notwendigkeit des Rück- 
zugs aus Polen I e eits vollständig gefunden gehabt. — Wenn 
die Berichte Nail nnes falsch „koloriert" sind, darf man auch 
die Zeichnung e werfen? 



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- 183 - 



zuführen. 1 Daneben freilich erlaubte er sich eine Sprache, 
die seine Instruktionen an Rücksichtslosigkeit weit Uberbot. 
Er teilte Metternich ganz lakonisch mit, der Kaiser sehe 
das Hilfskorps als Teil seines Heeres an und werde ihm 
seinen Platz anweisen, und als der Oesterreicher mit Hin- 
blick auf die Schwäche der Truppe einwarf, dies einzige 
Bollwerk Galiziens einem ungleichen Kampf aussetzen 
Messe das Herz der Monarchie preisgeben, fuhr er auf: 
Sorgen sie, dass das Korps in seiner jetzigen Stellung bleibt; 
wenn es sich zurückzieht, fällt Ihnen die Verantwortung 
für die Verwicklungen zu, die sich daraus ergeben 
werden. 2 

Ist es so unwahrscheinlich, dass diese Konferenz dem 
Minister den peinlichsten Eindruck machte? 8 Bisher war es 
so gut gelungen, die Bande des Märzvertrages unmerklich 
zu lockern. Eben erst hatte er mit der Auslegung der 
Note vom 7. April einen Meistemig gcthan; er stand im 
Begriff, durch klug begründete Eortnahme des letzten 
Pfandes das kunstvolle Gebäude zu krönen. Sollte es nun 
noch in elfter Stunde zu einem ernsten Konflikt kommen, 
ehe man militärisch gerüstet und eines Sieges der Ver- 
bündeten sicher war? Gewaltsame Scenen waren ohnehin 
nicht nach seinem Geschmack, und jetzt kam noch die Be- 
sorgnis hinzu, wie sie auf den immer ängstlichen Herrn 
wirken würden. Er beeiferte sich also, Narbonno Schein- 



1. Dass dieses Zugeständnis nur unter der geschilderten 
Voraussetzung geschah, beweist das Verhalten des Gesandten, 
als die Konferenz vom 20. jede Hoffnung auf Zeitgewinn illu- 
sorisch machte. Er erklärte jetzt: So werde ich den Polen be- 
fehlen, sich allein zu schlagen und als Parteigänger sich den 
Russen entgegenzuwerfen. Bericht Watzdorfs 20. April 1813. 
Oncken H, 635. 

2. Lefebvro V, 280. 

3. Darum bleibt die Schilderung Narbonne-Lefebvres natür- 
lich doch stark übertrieben. 



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- 184 - 



beföhle an Frimont und Lebzeltern vorzuzeigen, die dessen 
Vorschlägen entsprachen, und dem Kaiser noch am späten 
Abend davon „zu Allerhöchstdero Beruhigung" Mitteilung 

■ 

zu machen. 1 In der Sache selbst aber wich er keinen 
Schritt. 

Als der Botschafter am 20. wieder bei ihm vorsprach, 3 
i überraschte er ihn scheinbar verlegen mit der Nachricht, 
wie man soeben erfahre, sei das Auxiliarkorps in vollem 
Marsch gegen die Weichsel. Narbonne war nicht der 
' Mann, diesen Hohn auf alle seine Berechnungen ruhig hin- 
zunehmen. Leidenschaftlich von Natur, kannte er kaum 
noch ein Mass in Drohungen und Vorwürfen. Selbst dem 
lang verhaltenen Groll über den Waffenstillstand im Januar 
Hess er jetzt auf einmal freien Lauf. Und noch 
mehr. Er nahm keinen Anstand, die wesentlichen Punkte 
Tags darauf in einer Verbalnote zu wiederholen. Sie ent- 
,' wickelte mit schneidender Schärfe, Seine Majestät hätten 
^ noch niemals gehört oder hören können, dass der Wunsch 
nach Frieden einen bestehenden Vertrag aufhöbe, dieser 
j Vertrag bedinge ein Hilfskorps, das unter den Befehlen des 
J Kaisers stehen solle; wenn es nun nicht gehorche, was 
dürfe man daraus nicht alles schliessen? und klang unter 
ausdrücklicher Anrufung des Traktats von Paris in die 
kategorische Forderung aus, dass Frimont auf der Stelle 



1. Vorträge 18. April 1813, 10 Uhr nachts. Ob die beiden 
Erlasse am 18. nur vorgezeigt oder auch geschrieben und auf 
den 17. etwa vordatiert sind, wird sich schwer entscheiden 
lassen. Für das Letztere spricht, dass Metternich gegen Leb- 
zeltern 18. April (Oncken II, 212) den ostensiblen Schritt bei 
Russland als Folge der Wünsche des Gesandten darstellt. 

2. Lefebvre V, 280. Oncken II, 215 nach einem Bericht 
Graf Hardenbergs v. 21. . Nach der Note vom 21. hätte Metter- 
nich die Erklärung aber schon le lendemain de cette communi- 
cation (vom 18.), also am 19. abgegeben. Mit den Daten ist 
eben nicht alles in Ordnung. 



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angewiesen werde, mit allen Mitteln die durch den Waffen- 
stillstand bestimmte Stellung zu behaupten und in ihr die 
Befehle zu erwarten, die es Napoleon belieben werde, ihm 
zukommen zu lassen. 1 

Kaiser und Minister 3 bedauerten tief, dass durch diese 
Behandlung in diplomatischer Form eine Sache, die sie gern 
en bagatelle abgemacht hatten, an die grosse (i locke ge- 
hängt war. Wie beharrlich sie auch von „nebensächlicher 
Frage" und „untergeordnetem Gesichtspunkt" redeten, den 
Befehlen Napoleons die durch den russischen Sehritt gänz- 
lich veränderte Lage entgegenhielten und dem unbequemen 
Dränger Narbonrre das Recht absprachen, im Namen seines 
Herrn aufzutreten: einer prinzipiellen Erörterung der Streit- 
frage war nun nicht mehr auszuweichen, und diese wieder 
zwang, die letzten Konsequenzen der neuen Rolle zu ent- 
hüllen. 

Die Antworten, die man schriftlich und mündlich er- 
teilte, bewegten sich übereinstimmend um den Satz, dass 
sich mit der von Napoleon doch selbst gewünschten be- 
waffneten Vermittlung eine partielle Teilnahme am Kampf 
nicht vereinen lasse: Zugleich einen Waffenstillstand auf- 
zusagen und widerstreitende Interessen vereinigen zu wollen, 
seTein Unding; und daneben machten sie immer weniger 
"ein Hehl daraus, dass die Vermittlung sich gegen den 
jetzigen Bundesgenossen kehren könne. Noch versicherte 
zwar Kaiser Franz in der Audienz, die er am 23. April 
dem französischen Botschafter gewährte, alle seine Truppen, 
nicht 100000 allein, ständen zu Napoleons Verfügung, wenn 
er, wie zu hoffen, auf vernünftige Vorschläge einginge, und 

1. Die Note in extenso bei Fain I, 463 — 466. 

2. Für das Folgende: Die Berichte über die Audienz vom 
23. April: Lcfübvre (Narbonne) V, 282 ff. und üncken (Graf 
Hardenberg) II, 217 f. Kaiser Franz an Napoleon 26. April. H.-A. 
Metternich an Narborine 26. April. Fain I, 467—471. 



- 186 — 



dass os mit diesen berühmten „vernünftigen" Vorschlägen 
nicht gar so viel auf sich hatte, zeigte die Äusserung, es 
wäre Wahnsinn, über den Rhein zu wollen und nicht noch 
einige Macht auf dem diesseitigen Ufer zu lassen, Ab- 
geschmacktheit, etwas in Italien zu versuchen. Aber schon 
brach doch auch in derselben Stunde der harte Dynasten- 
stolz des Habsburgers gegenüber dem Emporkömmling an 
der Seine sehr peinlich hervor: wenn Napoleon unterliege, 

i so hätte die Kaiserherrlichkeit seiner Familie ein für alle 
Mal ein Ende, wenn er, Franz, dagegen geschlagen werde, 
sei seinem Sohn um nichts weniger die Krone sicher, 1 und 

i in einem Brief an den Schwiegersohn hiess es drei Tage 
darauf deutlich genug, dass vor dem Wunsch nach Frieden 
jede andere Rücksicht schweigen müsse. Jede Verlängerung 
des Krieges wie jede dauerlose Vereinbarung, die den 
Fürsten nicht gestatte, sich mit beharrlichem Ernst der 
Unterdrückung des jakobinischen Gärungsstoffes zu 
widmen, würde in kurzem die Existenz der Throne be- 
drohen. 2 

Das war eine Sprache, die den Bruch mit Frankreich 
in bedenkliche Nähe rückte. Indem man sie führte, erwuchs 
die Notwendigkeit, mehr als bisher für einen möglichen 
Krieg vorzusorgen. Die bewaffnete Vermittlung Hess sich 
nicht denken ohne ein scharfes, schneidiges Schwert in der 
Hand; einstweilen aber ruhte dies noch stumpf in der 
Scheide. 



1. Graf Hardenberg an Münster 2. Mai. Oncken II, 218. 
Auch Humboldt weiss von dieser Äusserung zu erzählen 
(23. April). Vgl. Mcorhcimb. Zischr. f. Pr. Gesch. X, 151. 

2. Mon unique v(cu est celui d'arriver ä la paix. Je lui 
subordonne toute autre consideration. — Toute Prolongation de 



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Siebentes Kapitel. 



Vorbereitungen zum Kampf. 

Es hatte in Oesterreich von Anfang an nicht an 
Männern gefehlt, die auf Entwicklung imposanter Streit- 
kräfte drangen, damit man die Unabhängigkeit, die man 
diplomatisch zu erreichen suchte, gegebenen Falls auch 
militärisch zu behaupten vermöge. Unter dieser Bedingung: 
wenn höchste Anstrengung im Innern Hand in Hand damit 
ginge, wollte selbst ein Stadion die zuwartende, negative 
Haltung der Regierung nach Aussen, die nun einmal durch 
den augenblicklichen Mangel an Machtmitteln geboten schien, 
begreifen und billigen. 1 

Aber hier lag die schwere Versäumnis Metternichs. 
Theoretisch ganz einverstanden, besass er die Energie 
nicht, um sich mit ganzem Einfluss für jene Vor- 
schläge einzusetzen, sondern Hess es geschehen, dass wieder 
wie so oft die traditionelle Gemächlichkeit über die bessere 
Einsicht den Sieg davontrug. Für den Kaiser war der 
Gesichtspunkt massgebend, es dürfo nichts kosten, und die 
Minister, „wie Hund und Katze übereinander," konnten sich 
nicht einigen. Eiferte Baldacci für den Krieg, so sagte 

la guerre comme tout arrangemcnt precairo qui ne permettait 
pas aus Souverains de vouer des soins soutenus et tres serieux 
pour etouffer le ferment jakobin qui so developpe jour- 
nellemcnt d'avantage, menacerait sous peu Fexistenee meine des 
trönes. H.-A. 

1. Undatiertes Memoire Stadions; Febmar-Memoire. H.-A. 



- 188 — 



Wallis sein tiefsinniges Sprüche!: Oesterreich müsse sich 
vergessen machen; wenn es nichts habe, würden ihm weder 
Russen noch Franzosen etwas thun. Jm Hofkriegsrat endlich 
feierte die geistloseste Pedanterie wahre Triumphe. Die 
Herren dort wollten jetzt die Armee aufstellen, mit dem 
1. März die erste Reserve, mit dem 1. April die zweite, 
mit dem 1. Mai die erste Landwehr, l.Juni die zweite und 
dann über den herfallen, der den Kürzeren gezogen hätte. 1 
Wer aber gegen diesen Schlendrian protestierte wie Radctzky, 
der mochte sich hüten, dass ihm nicht Zeit wurde, „fern von 
Madrid" über seine tugcndbündlerische Gesinnung nachzu- 
denken. 2 So kam es während des ganzen Winters nur zu 
halben Massregeln, und auch dazu nur zögernd und am 
unrechten Orte. 

Das erste war gewesen, dass man noch im Dezember 
1812 die siebenbürgischen Truppen nach der Bukowina 
und die hier stehenden nach (lalizien zur Vereinigung mit 
dem Reservekorps dirigierte. 3 Doch das entschlossene Vor- 
rücken der Russen überzeugte bald, dass blosse Dislokations- 
verändeningen auf die Dauer nicht genügten, und es wurde 
beschlossen, durch neue- Mobilisierungen die schlagfertige 
Armee einschliesslich der Korps Schaizenberg und l'euss 
auf 100 000 Mann zu ergänzen. Schon am 4. Januar wusste 
Graf Hardenberg davon zu berichten,* am 25. reichte der 



1. Krones. Tagebuch Erzherzog Johanna. S. 76. 81. 8G. 91. 

2. Radctzky inusste Anfang Februar die Direktion des Ge- 
neralstabes abgeben und wurde, allerdings nur auf dem Papier, 
als Truppendivisionür nach Böhmen versetzt. Ebenda S. 82. 84. 
Die Biographie gleitet über diese L'ngnade hinweg. Dass Radctzky 
als Tugendfreund beargwöhnt wurde, zeigt ein Schreiben Arm- 
brusters an Hager 2. August 1813 bei Wertheimer S. 399. 

3. 18. Dezember 1812. Vgl. Instruktionen für Bubna 20. De- 
zember 1812. Oncken I, 391. Bericht Reuss' an den Hofkriegs- 
rat 5. Januar 1813. K.-A. 

4. Oncken II, 103. 



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— 189 - 

Hofkriegsratspräsident die verlangten Vorschläge ein, und 
am 9. Februar — nach fünf Wochen — erging denn auch 
glücklich das kaiserliche Handschreiben, das ihrem wichtig- 
sten Teil die Ausführung sicherte. Bcllcgarde hatte in den 
gegebenen Grenzen unzweifelhaft fein und sorgfältig ge- 
arbeitet. Ganz praktisch gewann er zu den sechzig und 
einigen Tausend Mann der beiden mobilen Korps weitere 
9456 durch Kompletierung ihrer Regimenter auf den Kriegs- 
stand, und was dann noch an der gewünschten Zahl fehlte, 
wollte er durch Errichtung einer neuen Armee von 22 Ba- 
taillonen und 34 Schwadronen, 27740 Mann und 5:359 Pferden, 
mit neun Batterien zu (>2 Geschützen gedeckt wissen. 1 Ins- 
besondere auch die Zusammensetzung dieses „Observations- 
korps" verdiente alles Lob. Es wurden von der Infanterie 
diejenigen Regimenter gewählt die im Stande am stärksten 
waren und also die geringste Einberufung von Reserve- 
männern erforderten, während bei der Kavallerie die grösste 
Entfernung des Regimentes den Ausschlag gab, da die nahe 
liegenden ohnehin nötigenfalls sogleich zur Verstärkung 
herangezogen werden konnten. 1 

Aber was sollte es heissen, dass die neue Armee sich 
nicht im Donauthal auf der Aiiinarschstrasse der Franzosen 
oder zum Angriff gegen die Rheinhundsstaaten im Nord- 
westwinkel Böhmens zu formieren hatte, s onde rn an der 
^m ährische n und seines i sehen Grenze? 2 Dort war sie für 



1. Oiste S. 223 f. K.-A. G 1—69, 12. Nach den angefahrten 
Grundsätzen entfielen von den neu mobil zu machenden Truppen 
auf Böhmen 14 Bataillone, 6 Schwadronen, Inner-Oesterreich 2 
Bat (Maiburg, Regiment Lusignan), Nieder-Oesterreich 1 Bat 
(Jäger, Mauthausen), auf Ungarn 2 Bat, 24 Schw., Mähren 4 Schw., 
Slavonion 1 Bat. (Grenzer, Mitrowitz), ßanat 2 Bat. (Grenzer). 

2. Bellegarde an Kolowrat, den Höchstkommandierenden des 
Ob8ervationskorps,_12. März 1813 verordnete folgende Dislokation: 
Division Weissenwolf: Gr. Skalitz, Neustadt, Dobruska, Soliutz 



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- 190 - 

Russlaad eine ernste Bedrohung: um Napoleon gefährlich 
zu werden, brauchte sie Wochen, und ohnehin dachte man 
nicht, sie vor Anfang April zusammen zu haben. 1 

Wann vollends die andern 70000 Mann der auf dem 
Papier so stattlich herausgereebneten Streitmacht auch nur 
im östlichen Böhmen sein würden, liess sich einstweilen 
noch garnicht absehen. Die Heranziehung des Auxiliar- 
korps war eine Frage der hohen Politik; und das Reserve- 
korps, um die Jahreswende in weit zerstreuten Quartieren 
an der russisch -galizischen Grenze, erhielt zwar Ordre 
(25. Januar), sucecssiv an der Weichsel aufwärts zu rücken, 
beeilte sich aber so wenig, dass es mit Ausnahme der schon 
zu Ende Februar nach Tarnow, Woynitz, Bochnia, Mis- 
lenice, Kalvarya vorgeschobenen Division Prohaska (8 Ba- 
taillone, 6 Schwadronen) erst in den letzten Apriltagen auf 
neuen Befehl in der noch recht entfernten Stellung zwischen 
San und Dunajec eintraf. 2 

V V 

Chlumetz, Neu-Bitschow, Horic, Smiritz. Division Colloredo: 
Libczan, Königgrätz, Josephstadt, Hohonbruck und Kosteletz. 
Division Radetzky: Czaslau, Prelouc, Pardubitz, Chrudim. 
Division Chasteler: Chrast, Skutsch, Prossetsch, Policzka, Hohcn- 
mauth, Wildenschwert, Leitomtschl. Pontons, Lautbrücken, Fuhr- 
wesen und Artilleriereserve wurden bezeichnenderweise in den 
Westen der Aufstellung nach Kollin, Kuttenberg, Deutschbrod 
dirigiert. Das alles war aber schon eine Verbesserung gegen 
den von Kolowrat 4. März eingereichten Entwurf, der sogar 
Nachod, Schatzlar und Gabi als Standquartiere aufführte. — Dass 
das oben ausgesprochene Urteil schon 1813 selbst gehört wurde, 
ergiebt sich aus Gebhardt S. 127. 

1. Bellegarde an Kolowrat 12. März. K.-A. 

2. Bellegarde an Reuss 25. Januar. (K.-A. G 1 — 69, 15.) 
Wirkung: Dislokation und Einteilung des Reservpkorps und der 
immobilen Truppen in Galizien 61. Januar (K.-A. Reservekorps I. 
35). Danach das Gros der Truppen (20 Bat. 36 Schw.) in und 
um Lemberg. Bellegarde an Reuss 27. März (K.-A. G 1—69, 
37): „Die gegenwärtige Dislokation des R.-C. im ganzen den der- 



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- 191 - 

Zu alledem kam hinzu, dass die neue Mobilisierung 
auf die ärgerlichsten finanziellen Schwierigkeiten sticss. 
Kaiser Franz wollte (5. Februar) zur Bestreitung ihrer Kos- 
ten nur den lächerlich kleinen Betrag von 600000 Gulden 
W. W. bewilligen und machte den Hofkriegsratspräsidenten 
noch ausdrücklich für Einhaltung der Summe „streng ver- 
antwortlich". Natürlich war das diesem trotzdem nicht mög- 
lich. Er berechnete, dass die erste Ausrüstung der zu 
errichtenden Armee 3,000 344 fl 7 kr und ihr fortlaufender 
Unterhalt monatlich 437834 Ü 287s kr beanspruchen werde. 1 
Mindestens weitere 2,202724 fl 287 2 kr also glaubte er von 
der HofkammtT fordern zu dürfen (25. Februar). Hier aber 
fand er wie gewöhnlich verschlossene Thüren. Wallis 
antwortete (27. Februar), durch Auszahlung jener 600000 fl an 
das Observations- und weiterer 100000 an das Auxiliarkorps, 
endlich einen soeben erfolgten Schuhankauf für 50000 sei 
der Staatssäckel vor der Hand erschöpft, und verwies kühl 
auf das bisherige ordinäre, doch ohnehin ganz unzureichende 
Geldquantum von 2,585408 fl. 56V 9 kr. 2 Nicht viel glück- 
licher war ein zweiter Versuch direkt beim Kaiser (7. März). 
Dieser Hess 12 Tage auf einen Bescheid warten und gewährte 



maligen Verhältnissen, wo längs der ganzen von demselben be- 
setzten Landes- und Grenzstrecke alle russischen Truppen vor- 
längst sich weggezogen haben, keineswegs entsprechend. kt Darauf 
dann: Marschplan vom 4. April (K.-A. Reservekorps IV. 6), der 
Vorrücken auf der ganzen Linie befiehlt. 

1. Vortrag Bellegardes 7. März. K.-A. D 1—17, 119. 

2. Bellegarde bemerkt dazu: Selbst diese Anweisung, die 
gegen die berechnete monatliche Gelderfordernis von 3 718 430 
um 1 133 021 zu gering ausfällt, ist jedoch z. T. nur auf dem 
Papier, indem hierunter 47188J fl 40 kr begriffen sind, die in 
Ungarn und' Siebenbürgen als Kontribution eingehen sollen, wo- 
von aber die militärischen Kassen nach der bisherigen Erfahruug 
wenig zu erwarten haben. 



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1 

I 



- 192 - 

auch dann nur kaum ein Fünftel, 400000, die zur Hälfte 
sogleich, zur andern erst mit letztem März als EAra- 
ordinarium anzuweisen seien. So blieb es denn bei dem 
Zustand, den Bellegarde so bitter beklagt hatte: „Es kön- 
nen die neuauszuhebenden Rekruten weder gehörig gekleidet 
und gerüstet noch verpflegt, die für die Kavallerie erforder- 
lichen Pferde nicht erkauft, die Truppen nicht mit den zum 
Marsch erforderlichen Gleldverlägen versehen, die Fuhr- 
wesens- und Artilleriebespannungen nicht geordnet, und 
überhaupt die zur Formierung des Observationskorps in 
Böhmen unausweichlich erforderlichen Massregeln nicht in 
Ausübung gebracht werden." 

Aber das war eben wirklich die finanzielle Lage des 
Staates, dass schon ein Schuhankauf in seinen Kassen eine 
empfindliche Lücke verursachte. Jetzt zeigte sich recht, 
was für ein Fehler das Patent vom 20. Februar 1811 gewesen 
war. Nicht nur Metternich sehnte sich schmerzlich nach 
den alten Bankozetteln zurück. 1 Sie hatte man nach Bedarf 
vermehren können. Seitdem band eine feierliche Verpflichtung 
der Regierung die Hände, auch nur einen Einlösungsschein 
neu zu kreieren, und doch waren selbst nach bescheidenster 
Berechnung mindestens 20 bis 30 Millionen Gulden notwendig, 
um den Ansprüchen der Lage gerecht zu werden.' Woher 
sie nehmen, ohne dem im Umlauf befindlichen Papier durch 
Emission eines neuen zu schaden oder das verarmte Volk 
durch erhöhte Auflagen zu erbittern? Über diese verzwei- 
felte Frage zerbrach man sich in der engen Konferenz seit 
Anfang Januar vergebens den Kopf. 2 Wie sehr man auch 



1. Vgl. seine Äusserungen gegen Knesebeck. Oncken I, 149. 
Sehr hart urteilt der Verfasser des Februar- Meraoires überglas 
System Wallis, das die reiche Monarchie in weniger als zwei 
Jahren verarmt und ausser Stand gesetzt habe, die durch 20 
Jahre so reichlich geleistete Hilfe in Zukunft inohr verschaffen 
zu können. H.-A. 

2. Wenigstens brachten die Berlinischen Nachrichten vom 



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- 193 — 



sann, aus nichts wollte sich nichts machen lassen, und die 
Erkenntnis war unabweisbar, dass man das eine oder das 
andere jener beiden Übel schliesslich doch werde auf sich 
nehmen müssen; welches, darüber gingen dann freilich die 
Meinungen weit auseinander, je nachdem wirtschaftliche oder 
politische Gesichtspunkte für den einzelnen massgebend 
waren. Der Hofkammerpräsident selbst, der die mühsam 
hergestellte Ordnung im Staatshaushalt um jeden Preis zu 
retten strebte, legte ein System drückendster Steuergesetze 
vor, 1 Graf Karl Zichy umgekehrt, aus der Zeit seiner eignen 
unseligen Ministerschaft (1802—1808) mit der Kunst des 
^Geldmachens nur allzu vertraut, 3 erschien mit einem Ent- , 
wurf zur Ausgabe hypothezierter Tresorscheine auf dem 
Plan 3 und wirkte [so im Sinne Metternichs, dem vor allem 
daran lag, dass die neuen Massregeln auf der Stelle zum 
Ziel führten. Jedenfalls, was immer im Publikum und in 
Hofkreisen für Gerüchte schwirrten — man munkelte sogar 
von einer Zwangsanleihe von 30 Millionen 4 — , war die ganze 
Angelegenheit bis Mitte März in Wahrheit um keinen Schritt 



30. Januar No. 13 einen 16. Januar datierten Artikel „Aus dem 
Oesterreichischen," in dem es hiess: der Finanzminister hat die 
Anweisung bekommen, sobald als möglich einen Plan zu entwerfen, 
wie die neuen Ausgaben zu bestreiten sind, ohne dem Papier zu 
schaden, welches jetzt im Umlauf ist. Man rechnet die ausser- 
ordentlichen Ausgaben . . . auf 20 Milionen Gulden, und die 
Regierung wünscht zu keiner neuen Kontribution zu schreiten. 

1. Bericht Ottos 20. März 1813. Fain I, 312. 

2. Vgl. Springer I, 150 f, 156. 

3. Krones, Tagebuch Erzherzog Johanns 13. März. S. 86. 

4. Schlesische privilegierte Zeitung No. 31. Sonnabend 
13. März 1813 auf Grund Wiener Nachrichten vom 24. Februar. 
Sie bezeichnete zugleich die Gerüchte über neue Kassen- oder 
Tresorscheine als ganz unrichtig, „indem S. M. der Kaiser die 
Masse des zirkulierenden Papiergeldes unter keinem Vorwand 
oder Benennung vennehrt wissen will." 



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vorwärts gekommen. Da gelang es Metternich, über den 
noch immer äusserst einflussreichen, vom Kaiser persönlich 
hochgeschätzten Grafen Wallis einen vorläufigen Sieg davon- 
zutragen. Er setzte durch, dass über dessen Kopf hinweg 
aus Mitgliedern der Einlösungs- und Tilgungsdeputation, 
Beamten der Hofkammer und dem Staatsrat v. Bedekowics 1 
unter dem Vorsitz des jetzt endlich wieder beschäftigten 
Grafen Stadion 2 eine Kommission gebildet wurde zur „rück- 
sichtslosesten Beleuchtung der Mittel, wie dem Staat die 
freie Disposition von wenigstens 30 Millionen Gulden W. W. 
am zweckmässigsten und schnellsten gesichert werden könne". 
Da neue Steuern nur bei vollster Sicherheit ihrer Einbring- 
lichkeit und als partielle Hilfsmittel in Betracht kommen 
sollten, war die Frage im Grund schon für das Papiergeld 
entschieden, es handelte sich wesentlich nur noch um das 
Wie. 3 In den Kreisen des Hofkammerpräsidenten spie man 
denn auch Gift und Galle gegen das „Finanzkomite": all' die 
Herren^ die dort der Finanzverlegenheit steuern wollten, 
hätten gerade an den Zerrüttungen dos öffentlichen und 



1. Nämlich Graf Wrbna, Graf Larisch, Graf Hcrborstoin, 
Barbier, Freiherr v. Lederer, Joseph v. Hauer. — Wallis wurde 
die Verwendung „von Individuen seiner Stelle" in einem bis zur 
Grobheit kurzen Handschreiben mitgeteilt 17. März. H.-A. 

2. Es verdient hervorgehoben zu werden, wie von Anfang 
an seit der russischen Katastrophe die Überzeugung verbreitet 
war, dieser Mann müsse in dieser Zeit, gebraucht werden. Wir 
sahen, dass er von Metternich zum Gesandten in Paris ausersehen 
war. Jene „Berlinischen Nachrichten" vom 30. Januar wollten 
wissen, dass er sich unverzüglich, als Kaiserlicher Kommissär zur 
Armee begeben worde. In Kassel fragte Ende Fobruar der 
Minister Jeromes, Graf Fürstenstein, mit sichtlicher Neugierde, 
ob es wahr sei, dass Stadion eine grosse bedeutende Anstellung 
erhalten habe. Berichte Schalls 25. Februar 1813. H.-A. 

3. Vorträge Metternichs 16. März 1813. H.-A. 



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— 195 — 

Privatvermögens unter den Lebenden und den Toten don 
grössten Anteil gehabt; 1 und der Kurs des Metallgeldes, 
Anfang 1813 schon 138, stieg auf 150— 160. 2 , Am 19. März 
begann die Kommission ihre Sitzungen, 3 am 6. April konnte 
Metternich ihre Vorschläge dem Kaiser unterbreiten, 4 und 
am 22. brachte das Amtsblatt der Wiener Zeitung das vom 
16. datierte Patent. 

Es war, wie unschuldig es sich gab 6 , ein offen- 
barer Bruch der Zusagen des Ediktes vom 20. Februar 
1811, dessen Schöpfer denn auch am Tag«^ vor der 
Unterzeichnung unter gleichzeitiger Ernennung zum 
Staats- und Konferenzminister den erbetenen Abschied er- 
hielt. Der Grundgedanke, „im Weg der Antizipation auf 
einen Teil des sichersten Staatseinkommens einen beträcht- 
lichen und sogleich verfügbaren Fonds zu gründen," war ja 
recht schön, und wenn zu diesem Zweck zwölf Jahre hin- 
durch je 3 3 / 4 Millionen Gulden aus den Grundsteuerein- 
nahmen der deutschen, böhmischen und galizischen Pro- 
vinzen (§1) an die Einlösungs- und Tilgungsdeputation 
abgeführt (§§ 2. 3), einstweilen in Höhe des Gesamt- 
betrages 45 Millionen Antizipationsscheine mit Zwangskurs 
ausgegeben werden sollten (§§ 4. 7), so Hess sich auch dagegen 
am Ende nicht viel sagen; aber indem kein Wort belehrte, wie 
jener Entgang von jährlich 3 3 / 4 Millionen ersetzt werden 



1. Prof. Watteroth an Hager 13. April. Wertheimer S. 389 ff. 

2. Vgl. die Kursberichte der Wiener Zeitung. 

3. Ottos Bericht 20. März. Fain I, 312: Cette commission a 
commence hier ses seances. 

4. Vorträge 6. April. Den Eingang des Patentes fibersandte 
er 9. April. H.-A. 

5. Es versicherte: Da wir nun fest bei dem Entschlüsse 
beharren, die durch das Patent vom 20. Februar 1811 festgesetzte 
und bekannt gemachte Summe von Einlösungsscheinen nie und 
in koinem Fall zu vermehren. 

13* 



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- 196 - 



würde, 1 und wohl die regelmässige Vertilgung der ent- 
sprechenden Quote von Scheinen (§ 6), nicht aber die 
Un Vermeidbarkeit der ganzen Summe feierlich zugesichert 
wurde, konnte es niemandem zweifelhaft bleiben, dass alles 
doch nur auf eine thatsäehlich unbeschränkte Vermehrung 
der Einlösungsscheine unter anderm Namen hinauslief, wo- 
mit denn auch die Verweisung der Verwaltung an die 
gleiche Behörde stimmte. 

Indessen zu wie böser Ernte die hier gestreute Saat 
später auch reifte, 3 für den Augenblick waren endlich die 
nötigen Geldmittel in den Händen der Regierung, und zumal 
Metternich wusste zu gut, dass jeder weitere Augenblick 
Verlust unersetzlich sei, um mit ihrer Ausnutzung zu 
zögern. 

Am selben Tage, wo er Frankreich gegenüber offiziell 
von bewaffneter Vermittlung zu sprechen begann (14. April), 
liess er dem Hofkriegsratspräsidenten durch kaiserliches 
Handschreiben den Befehl zugehen, für den militärisch jetzt 
zum ersten Mal ins Auge gefassten Fall eines Krieges mit 
Napoleon ungesäumt eine Vorlage Uber die Einteilung zweier 
Armeen zu machen, von denen die eine nach dem süd- 
lichen Deutschland, die andere nach Oberitalien zu bestimmen 
Sei. Die Aufstellung einer gehörigen Reserve verstehe sich 
von selbst, nicht minder, dass das Reservekorps sich nach 
Westen in Marsch setze und mit Ausnahme der zum Pest- 
kordon benötigten Mannschaften die noch in Siebonbürgen 
und der Bukowina stehenden Truppen nach Galizien vor- 
gezogen würden. 8 

Bellegarde kam der erhaltenen Weisung pünktlichst 

1. Vielmehr waren Massregeln dazu nur „vorbehalten." Man 
scheint in der Kommission eine Einkommensteuer erwogen zu 

• haben. Vorträge Metternichs 6. April 1813. H.-A. 

2. Die Antizipationsschcino wurden bis 1816 heimlich um 
; das Neunfache, auf 426£5GJ75fl. vermehrt. Springer I, 175. 

/ v 3. Siehe Anhang. 



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nach. Er veranlasste den Prinzen Reuss, die kaum im 
Gebiet des San angelangten Divisionen Novack und Mayer 
auf Bochnia und Radivojevich mit seinem bukowinischcn 
Korps nach Grodek, Janow, Jaworow in die Nähe von 
Lemberg zu dirigieren, 1 und machte sich selbst mit Fleiss 
und Umsicht daran, nach den etwas dilettantisch ober- 
flächlichen Angaben Metternichs einen umfänglichen Vortrag 
auszuarbeiten (16. April). 8 Ein Blick in die letzten Standes- 
rapporte zeigte ihm, dass gegenwärtig 101 150 Mann und 
17908 Pferde auf den Kriegsfuss formiert waren. 3 So 
brauchte es der Mobilisierung von neuen 21 Bataillonen 
und 10 Schwadronen, um das Material für die zwei ge- 
wünschten Armeen von je 60000 Mann zu gewinnen. Wie 
sich diese im einzelnen zusammenzusetzen hatten, war nicht 
schwer zu sagen. Für die erste, deutsche, bot sich als 
natürlicher Stamm das Obscrvationskorps, weitere 11082 Mann 
erhielt man durch Heranziehung der noch auf dem Friedens- 
fuss berindlichen böhmischen Regimenter (10 Bataillone), 
und die dann verbleibende Lücke füllte zweckmässig das 
Auxiliarkorps aus. Dabei konnte es noch gern eine Divi- 
sion (8 Bataillone, 9880 Mann) an die zweite Armee ab- 
geben, die sich ihrerseits um das Reservekorps als gegebenen 
Mittelpunkt gruppierte. Sie würde die Stärke der ersten: 
56 Bataillone, 84 Schwadronen, 64192 Mann, 11173 Pferde 
nicht erreichen, immerhin Hess sie sich durch 11 Bataillone, 
10 Schwadronen neuauszurüstender Truppen aus Ungarn, 

1. Marschplan vom 24. April. K.-A. Reservekorps IV, 14. 

2. Allerunterthänigster Präsidialvortrag. Wien 16. April, 
überreicht 18. April zusammen mit „Vorläufigem unterthänigsten 
Antrag". K.-A. G. 1— 69|51. 

3. Nämlich Auxiliarkorps: 32 Bat, 11 Komp., 50Schw., 33 340 
Mann 5814 Pferde. Reservekorps: 28 Bat., 11 Komp., 42 Schw., 
33 383 Mann 5857 Pferde. Truppen in der Bukowina: 4 Bat., 
1 Komp., 6 Schw., 5277 Mann 918 Pferde. Observationskorps: 
22 Bat., 8 Komp., 34 Schw., 29 150 Mann 5319 Pferde. 



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Slavonien und Inner-Oesterreich 1 auf 47 Bataillone, 52 Schwa- 
dronen, 54937 Mann, 7426 Pferde bringen. Gegen ihre 
Bestimmung nach Italien mochte der Hofkriegsratspräsidont 
begründete Bedenken haben, er schlug also vor, sie möge 
sich einstweilen an der mährischen Grenze längs der Waag 
zwischen Trencsin und Tyrnau oder auch in Mähren 
selbst zwischen March und Thaya sammeln, von wo sie 
eintretenden Falls nach allen Richtungen sogleich in Be- 
wegung gesetzt werden könne. Bei der Infanterie aus 
Inner-Oesterreich empfehle es sich vielleicht, „zur Ver- 
meidung jedes Aufsehens und aller voreiligen Gerüchte" 
zunächst nur dahin zu wirken, dass sich jede Kompagnie 
durch Einberufung von Beurlaubten und assentierten Re- 
servemännern auf 100, jedes dritte Bataillon auf 400 Mann 
formiere. 2 Mindestens war das die Art, auf die er die „selbst- 
verständliche" Reserve vorzubereiten wünschte. Sie sofort 
aufzustellen, dazu hatte er sich in Wallis' harter Schule zu 
sehr ans Rechnen gewöhnt. Vielmehr sollten sich dio hier 
in Frage kommenden 36 Bataillone, 34 Schwadronen 3 in 
der Stille ihrer Friedensquartiere um insgesamt 16000 Mann 
verstärken und ruhig die Epoche abwarten, die ihre 
wirkliche Mobilmachung und Zusammenziehung erfordern 
würde. 



1. Nämlich 2 Bat. Grenadiere aus Ofen, 2 Bat. Johann Jella- 
ehich aus Slavouien, 2 Bat. Jäger, 1 Grenadiere Faber, 2 Bat. 
Chasteler, 2 Hohenlohe« ßartenstein sämtlich aus Inner-Oesterreich, 
6 Schw. Erzherzog Karl Uhlanen, 4 Hohenlohe Dragoner. 

2. Dagegen wären die beiden Jäger-Bataillone sofort mobil 
zu machen, „da diese bei ihrem so äusserst geringen Friedensstand 
hierzu längere Zeit benötigen." 

3. Nämlich: aus Mähren 10 Bat. Füsiliere, 4 Schw. Kürassiere, 
aus Nieder -Oesterreich 1 Bat. Jager, 7 Grenadiere, 12 Füsiliere, 4 
Schw. Kürassiere, 6 Uhlanen, aus Ungarn 6 Bat. Füsiliere, 8 
Schw. Kürassiere, 6 Uhlanen, aus dem Banat 6 Schw. Husaren, 
im ganzen 44 513 Mann 5359 Pferde. — Zu den genannten drei 



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So fehlte auch diesen Anträgen noch viel an wirk- 
licher Grösse und Kraft, aber gegen die Monate vorher be- 
zeichneten sie doch einen entschiedenen Fortschritt, schon 
dadurch, dass nicht wieder Wochen dahinschwanden, ehe 
sie zur Ausführung gelangten. Gleich am 20. erliess der 
Kaiser, sogar noch etwas über sie hinausgehend, den Befehl, 
in Böhmen und Mähren 14 Bataillone und 4 Schwadronen 
zur Vereinigung mit dem Observationskorps vorzubereiten; 1 
am 22. willigte er in die Einsetzung einer besonderen engen 
Konferenz für alle mit der Rüstung im Zusammenhang 
stehenden Fragen, 2 und am 28. genehmigte er ausdrücklich 
die Vorschläge seines Ministors „in Ansehung der Mobil- 
machung und Verstärkung der Truppen in ihrem ganzen 
Umfang, " während er sich über Bestimmung und Aufstellung 
allerdings weitere Befehle vorbehielt und vor der Hand nur 
Heranziehung der entfernteren Regimenter anordnete. Kurz, 

Armeen kamen ergänzend hinzu: ein Korps an der Illyrischen 
Grenze 8420 Mann 91 V Pferde, 5 Bat., 6 Schw. und das Korps 
Radivojewich 3 Bat., (> Schw., an das sich noch 13 dritte Ba- 
taillone und die 4. Division Palatiualhusaren anzuschliessen hatten. 
Alles in allem wirklich 180—190000 Mann, wie Metternich ver- 
kündigte (Oncken II, 216, 631). 

1. Es waren die Grenadierbataillone Berger und Oklopsia, 
die Infanterieregimenter Vogelsang, Kolowrat, Reuss-Plauen, 
Reuss-Greiz, Fröhlich und Albert Gyulay und das Kürassier- 
regiment Kaiser. Vgl. Bellegarde an das Generalkommando in 
Böhmen 20. April. K.-A. Wenn Bellegarde sechs Tage später 
in einen Präsidialvortrag von 20 in Böhmen neu mobilgemachten 
Bataillonen spricht, so zählt er die 6 dritten Bataillone mit, 
dio indess nur auf den Friedensfuss von 400 Mann formiert 
wurden. 

2. Vorträge Metternichs 22, April mit allerhöchster Resolu- 
tion. Die Konferenz sollte aus Metternich, Ugarte, Bellegarde, 
„und wo es auf militärische Dispositionen ankommt," auch Duka 
bestehen und von dem genannten Grafen Zichy präsidiert 
werden. 



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— 200 — 



alles deutete darauf hin, dass es endlich Ernst sei, und 
Gentz hatte Recht, seinen englischen Freunden zu schreiben: 
die Sachen gehen gut, zweifelt nicht daran; gebt uns 
ein wenig Zeit, und Ihr werdet mit uns zufrieden sein. 1 

Zeit freilich brauchte man nur zu nötig. Vor dem 
24. Mai — darüber täuschte sich selbst Metternich nicht 
fort — konnte man keins der neuen Heere auch nur nach 
seinen wesentlichsten Bestandteilen gesammelt haben. Die 
Versäumnisse des Winters schienen nicht wieder gut zu 
machen. Wo blieb jetzt der stolze Traum, an der Spitze 
von 100 — 150000 Mann den Streitenden im entscheidenden 
Augenblick Halt und Frieden zu gebieten? Statt dessen 
musste man als ohnmächtiger Zuschauer die erste Schlacht 
herannahen sehen, die eben nicht auf die Vollendung der 
Rüstungen Oesterreichs wartete. Endete sie mit einem 
Sieg Napoleons, so war noch nichts verloren, und in dem 
Sinn durfte die Politik der Hofburg in der That als auf 
eine Niederlage der Verbündeten berechnet gelten. 2 Aber 
wie, wenn sich nun diesen das Glück günstig erwies? Dann 
lief man Gefahr, bei der Teilung der Welt leer auszugehen, 
falls man nicht gerade für Frankreich Partei nahm, was 
wieder die öffentliche Meinung verbot. In der That, Stadion 
sagte nicht zu viel, wenn er rückblickend meinte, man sei 
den ganzen Mai hindurch auf Gnade und Ungnade den Er- 
eignissen preisgegeben gewesen. 3 

1. Diaries and letters of Sir George Jackson. Bath Ar- 
ehives II, 7B. 

2. Es ist bekannt, dass Metternich sie mit Vorliebe so dar- 
zustellen suchte. Vgl. den Bericht des Grafen Hardenberg vom 
2. Mai bei Oncken II, 219. 

3. An Metternich, Striegau 27. Mai: «Tai frequemment d6- 
plore le malheur qui ne nous a pas permis d'avoir nos inoyens 
prete et en place deja ä la fin d'Avril, ce qui nous a mis aussi 
pendant tout le courant de Mai a la raorci des evönements. 
H.-A. 



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Doch violleicht liess sich dem Prekären der ganzen 
Stellung durch geschickte diplomatische Manöver einiger- 
massen abhelfen. Es war ja nicht das erste Mal in seiner 
Amtsführung, dass der leitende Staatsmann sich vor der 
Aufgabe sah, den schreienden Widerspruch zwischen dem 
altüberkommenen Ansehen der Monarchie und ihren realen 
Machtmitteln auszugleichen. So baute er auch jetzt wieder 
getrost auf die in langer Praxis erworbene Gewandtheit. 
Er bemühte sich eifrigst, die Mittlerstellung Oesterreichs 
durch Angliedern ng der kleineren Staaten politisch zu ver- 
stärken und suchte einstweilen die Verbündeten bei guter 
Laune zu halten. 

Am harmlosesten in jener Richtung waren seine Ver- 
handlungen mit Neapel. König Joachim hatte die Ver- 
nichtung der grossen Armee zu sehr als eingeweihtester 
Zeuge mit erlebt, als dass ihm nicht der Sturz Napoleons 
im Bereich der Möglichkeit erschienen wäre, und da er mit 
dem herrischen Schwager ohnehin nicht gut stand, so trug 
er sich fortan nur noch mit Plänen, wie er bei einem all- 
gemeinen Schiffbruch der kaiserlichen Dynastie den Thron, 
den er „durch eine eigene Schickung der Vorsehung" be- 
stiegen, „zum Besten seines ihm sehr ergebenen Volkes" 
behaupten könne. Dabei fiel sein Auge auf Oesterreich, 
nach Metternichs hübschem Wort: den „Beichtvater" 1 aller 
Hilfsbedürftigen. Unter dem durchsichtigen Vorwand, es 
handele sich um Pferdekäufe, fand sich in seinem Auftrag 
kein Geringerer als der Fürst Cariatti gegen Ende März 
über München in Wien ein. 2 Anfangs hielt er sich zwei- 
felnd zurück; dann erbat er, der Gewährung vorher ver- 
sichert, eine Unterredung mit Metternich und schilderte 
diesem nun mit südlicher Lebhaftigkeit das Verlangen 



1. Watzdorf an Senfft 26. März. Oncken II, 256. 

2. IleHefnich an Lebzeltern 23. Marz No. 3. Vortrag vom 
17. April, dem alles Folgende entnommen ist. 



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— 202 — 



seines Herrn, sich ganz an den politischen Gang des Kaiser- 
hofes anzuschliessen. Der Hinweis, dass dabei nicht nur 
Worte in Frage kämen, sondern auch Unterstützung dieser 
Worte, verwirrte ihn nicht im mindesten: eben auf den 
Zweck gingen die Absichten des Königs; und als der 
Minister sich teilnehmend nach der neapolitanischen Armee 
erkundigte, versicherte er, Seine Majestät würden 40000 Mann 
zu den Befehlen Oesterreichs stellen, indem er nicht ohne 
Stolz hinzufügte, dass diese Zahl unter der persönlichen 
Führung eines so berühmten Generals nur als eine sehr 
ausgiebige Heihilfe angesehen werden könne. Das alles 
klang umso verlockender, als irgendwelche Gebiets vergrösse- 
rung nicht verlangt, vielmehr ausdrücklicher Verzicht auf 
das freilich nie besessene Sizilien angeboten wurde; aber da 
der Italiener die gesprächsweise hingeworfene Frage nach 
Kreditiv und Vollmachten verneinte und nur deren baldige 
Herbeischaffung durch zwei ihm beigegebene Gardeoföziere 
versprach, so fehlte für ein näheres Eingehen auf die An- 
träge im Augenblick noch der Boden. Metternich begnügte 
sich also, die Automation seines Kaisers zu einer Antwort 
einzuholen, die unter Versicherungen des allgemeinen Wohl- 
wollens für den König wie der besonderen Freude über seinen 
jetzigen Schritt den Wunsch nach weiteren Eröffnungen 
ausdrückte. 1 Man weiss, dass der Verlauf der Ereignisse 
solchen weiteren Eröffnungen zunächst nicht günstig war. 
Es sollte viel Wasser die Donau hinabüiessen, ehe sich aus 
der Konferenz vom 17. April 1813 der Vertrag vom 11. Ja- 
nuar 1814 entwickelte. 2 

1. Ew. Majestät seyen bereit, die eigentlichen Absichten des 
Königs näher zu vernehmen, dass Allerhöchst dieselben koinen 
Anstand nehmen würden, demselben in allen Gelegenheiten Be- 
weise Ihrer Freundschaft zu geben und übrigens den Anschluss 
an Ew. Majestät politischen, nur auf allgemeine Kuhe und Frieden 
gerichteten Gang mit Vergnügen sehen dürften. 

2. Über eine Zwischenstufe in dieser Entwicklung unter- 



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Immerhin gegen das Verhalten des Ministers licss sich 
dabei kaum etwas einwenden: desto ernsteren Vorwürfen 
begegnete seine Politik gegen die Rheinbundsstaaten; denn 
wenn sie sich gleich in sehr ähnlichen Bahnen bewegte, so 
stand hier doch ganz Anderes und Grösseres auf dem Spiel. 

Alle zeitgenössischen Beobachter stimmen Uberoin, dass 
das russische Gottesgericht auch im napoleonischen Deutsch- 
land patriotische Hoffnungen erweckte. Aus Westphalcn 
kam Kunde von Aufständen und Desertionen in bedenk- 
lichstem Umfang; sogar in der Residenz sollte sich die 
Konskriptionsziehung unter dem Ruf: es lebe Kaiser 
Alexander! vollzogen haben. 1 In Baiern durfte* der 
preussische Gesandte dem Grafen Montgolas drohen, das 
Beispiel Norddeutschlands werde sich wie ein Steppenfeuer 
den Völkern des Südens mitteilen, 2 und über Würtemberg 
schrieb der eigene König, dass das Missvergnügen mit allem, 
was französisch sei, täglich steige. Schon sehe man in 
Biberach und anderer Orten auf dem Land Aufrufe an den 



richtet uns ein Bericht des Freiherrn von Hruby vom 26. Aug. 1813: 
„Dor neapolitanische Gesandte, Herr Graf von Caraeciolo erhielt 
von seinem König während dessen Aufenthaltes in München den 
Auftrag, mir zu eröffnen, dass Er zu dem Schritt, sich in das 
französische Hauptquartier zu begeben, durch Oesterreichs fort- 
währendes Stillschweigen über seine wahren Absichten gezwungen 
worden sey. SelbsterhaJtung, um nicht zwischon Thür und Angel 
zu kommen, sey seiner Handlungsweise eigentlicher Beweggrund. 
Er sey jedoch fest entschlossen, sobald sich das Kriegstheator 
auf italienischem Boden befinden werde, die Armee zu verlassen 
und zur Verteidigung seiner eignen Staaten zurückzukehren. 
H.-A. 

1. Bericht Schalls, Kassel 6. Februar. H.-A. 

2. Oncken I, 337. Dass er es durfte, zeigtTdie Angabe des 
Prinzen Ferdinand von Koburg (an Metternich. Breslau 29. März 
H.-A.): Die Stimmung des Volkes, und was noch wichtiger ist, 
der Truppen und deren Chefs ist ganz gegen Frankreich. 



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- 204 



Mauern, die Befreiung von dem drückenden Joch verlangten. 1 
Selbst ein Mann, der für die Gefühle der Volksseele so sehr 
jedes Verständnisses entbehrte wie Fürst Hatzfeld, bekannte, 
nicht mit zu starken Farben die Begeisterung schildern zu 
können, die er auf der Fahrt durch Schwaben und Franken 
allüberall für die gute Sache gefunden habe. 2 

Bis in die höchsten Kroiso hinauf war der Umschlag 
der Stimmung mehr oder minder deutlich zu spüren. Einzig 
in Kassel konnte von einer ernsthaften Erschütterung des 
französischen Systems nicht die Rede sein, so gern die 
Minister Napoleon die überrheinischen Departements abge- 
nommen und damit dem eigenen Staate oine grössere Selb- 
ständigkeit ermöglicht gesehen hätten. 3 Aber schon am 
Dresdener Hof, wo (He rheinbündischo Gesinnung in der 
Furcht für das Herzogtum Warschau und der alten Riva- 
lität gegen Preussen doch einen starken Rückhalt hatte, 
hörte man Äusserungen wie: wer weiss? wir werden viel- 
leicht bald von unseren Ketten frei sein. 4 In München 



1. A. Pfister. Aus dem Lager des Rheinbunds 1812. 1813. 
S. 182. 204. 

2. Bericht vom 13. April. Oncken I, 322. 

3. Metternich hat denn auch garnicht erst, wie die Note 
Bassanos vom 18. August (Fain II, 217) und ihr folgend manche 
Schriftsteller andeuten, den Versuch gemacht, Jerome auf seine 
Seite zu ziehen. Er liessT dem Kasseler Hof Ende Februar die 
Annahme der Intervention Oesterreichs durch Napoleon notifizieren 
(Berichte Schalls 25, Februar), das war alles. Von weiteren Ver- 
handlungen wissen die Berichte Schalls absolut nichts, umso- 
mehr von allerlei offenen und versteckten Feindseligkeiten gegen 
Oesterreich zu erzählen, die die Stellung des Gesandten wenig 
beneidenswert machten (z. B. 25. April und 16. Mai). — Den im 
Text angedeuteten Wunsch äusserte Graf Fürstenstein am 
25. Februar. 

4. Vorträge Metternichs 20. März 1813. H.-A. 



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- 205 



schwankten Max Joseph 1 und Montgelas 3 , dafür war der 
einflussreiche Graf Wrede, der sich durch die jüngst er- 
fahrene Behandlung seitens der kaiserlichen 'Marschälle in 
seinem Ehrgeiz tötlich verletzt fand, zur antifranzösischen w — - 
Partei übergegangen, 3 und deren anerkanntes Haupt, Krön- , 
prinz Ludwig, trug sich, wie sein Vertrauter Prinz Ferdinand 
von Sachscn-Koburg nach Wien berichtete, 4 mit fast aben- 
teuerlichen Plänen. Er wollte im äussersten Fall bei einer 
Annäherung der Verbündeten an die bairische Grenze als 
einstweiliger Regent die Zügel der Regierung ergreifen, 
seine Truppen zu jenen stossen lassen und alle der franzö- 
sischen Sache treuen Landsleute zurückrufen, im Weigerungs- 
falle aber für Feinde dos Vaterlandes erklären. Vollends 
endlich in Stuttgart, wo man nun einmal im Guten und 
Bösen immer am stärksten empfand, schien alles auf den 
Bruch mit Frankreich hinzutreiben. 5 König Friedrich sagte 
gleich zu Neujahr ostentativ alle Festlichkeiten ab, liess 
ohne Rücksicht auf Pariser Wünsche die langen Totenlisten 
seines furchtbar, von 14000 auf 143 brauchbare Soldaten, 
zusammengeschmolzenen Bundeskontingentes in den Blättern 
veröffentlichen, verhängte über den missliebigen Gesandten 



1. Prinz Ferdinand von Sachsen Koburg s. o. urteilt: Der 
König schwankt, fürchtet Preussen, sodann Oesterreich, vorzüglich 
aber Insurrektionen. 

2. Über ihn schreibt Baron Binder, Stuttgart 4. April: 
Montgelas ne me parait jouer que le röle de monsieur de Haug- 
witz en 1806 et de monsieur de Romanzoff en 1812, celui de se 
mettre & la töte du parti de Topposition qu'il n'est pas assez fort 
de reprimer. H.-A. 

3. Berichte Hrubys 19. März en chiffres. H.-A. 

4. 29. März. Siehe oben. 

5. Über diese Dinge besitzen wir neuerdings das soeben 
zitierte Buch von Pfister. Interessante Ergänzungen dazu geben 
die geistvollen Berichte des oesterreichischen Geschäftsträgers 
Baron Binder auf dem Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien. 



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- 200 - 



Üümoustier eine Art gesellschaftlichen Boykotts 1 und gab 
dem Imperator, der sich über dies Verhalten beschwerte 
(18. Januar), in einem stolzen Brief zu verstehen, dass die 
Herren von Würtembcrg acht Jahrhunderte lang ohne 
fremde Ratschläge regiert hätten (26. Januar). 3 Schon 
hatte er auch die Formel gefunden, die einen Abfall vor ; 
seinem weiten Gewissen rechtfertigte: die Rheinbundsakte 
bände ihre Unterzeichner nur so lange, als Napoleon seinen 
Verpflichtungen als „Protektor" nachkommen könnte. 3 Noch 
weiter ging natürlich der Kronprinz, in diesen Dingen 
einmal ausnahmsweise ganz mit dem ungeliebten Vater 
einverstanden. Er hatte am dritten Ort geheime Zu- 
sammenkünfte mit dem k. k. Geschäftsträger, erklärte, 
tausendmal einen fremden Dienst der traurigen Aussicht 
vorzuziehen, als Sklave über Sklaven zu herrschen, und 
verstieg sich gar zu dem Bekenntnis: er sei von Herzen 
noch ebenso guter Oesterreicher wie damals, "als er die 
weisse Uniform getragen. 4 Dasselbe boeiferte sich der 
leitende Minister Graf Zeppelin zu versichern: ich habe 
meine schönsten Jahre in Ihrem Dienst verbracht, und 

1. Pfister S. 179, 190 f. 

2. Schlossb erger, Polit. u. militär. Korrespondenz König 
Friedrichs v. Würtemberg S. 267 — 272. Die im Text gegebene, 
nur dem Sinn, nicht den Worten entsprechende Version kur- 
sierte in der diplomatischen Welt. 

3. Binder berichtet über die Audienz des Fürsten Schwar- 
zenberg 4. April. La principale idee que le Roi a mise en 
avant dans cette conversation et qu'il a retournee de mille 
manieres etait que les engagements des souverains de la Confede- 
ration n'etaieut obligatoires, qu'autant que la France pouvait 
leur aecorder la protection qu'elle leur avait promise. C'est lä 
le grand argument que la sagacite du roi de Würtemberg a saisi 
avec force et qui peut appuyer aujourd'hui la defection de tous 
les souverains du second ordre qui se trouvent enveloppes au 
rayon russe. 

4. Berichte Binders 3., 4. April, 19. Mai. H.-A. 



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— 207 — 

fügte mit fast komischem Pathos hinzu: doch wenn Oester- 
reich die Sache Europas verriete, könnte ich zu seinem 
Untergang Beifall klatschen und mit eigner Hand den 
Feuerbrand in die Stadt Wien werfen. 1 

Das gerade aber war nun im höchsten Mass bezeichnend. 
Die Sache stand in der That so, dass die Rheinbundsfürstcn 
noch mehr als Mürat ihr. Schicksal im Fall grosser russischer 
oder französischer Erfolge nur durch Kaiser Franz glaubten 
sichern zu können. 2 Sie wussten sehr gut, wie Recht 
Napoleon hatte, wenn er drohte, der Löwe sei so tot noch 
nicht, dass man ihm einen Fusstritt geben dürfe. 3 Leicht 
mochte der Sieger so vieler Schlachten auch diesmal wieder 
das Glück an seine Fahnen fesseln und dann unter den 
Abtrünnigen fürchterlich Musterung halten. Selbst König 
Friedrich hatte es deshalb für notwendig erachtet, im 
Februar durch die ausserordentliche Mission des Grafen 
Zeppelin nach Paris eine Art Kanossagang zu thun. 4 Doch 
gesetzt auch, dor grosse Kriegsfürst unterlag, so schienen 
die Mittelstaaten der Scylla nur entronnen zu sein, um 
in die Charybdis zu fallen. In dem Verhalten der Ver- 
bündeten war manches, was sie deren Vordringen bis an 
den Rhein nicht minder als die Fortdauer des französischen 



1. Mr. de Zeppelin se aurpaase dana ce moment; la droiture 
de son coeur lui tient Heu de genie. Je auis Autrichien de cceur 
et d'äme, me dit-il l'autre jour, et j'ai passe mes plus helles 
annees a Votro Service ; mais si l'Autriche pouvait trahir la cause 
de l'Europe, je pourrais applaudir a aa ruine et de ina main 
mettre le feu ä la ville de Vienne. Berichte Binders 3. April. 
H.A. 

2. Der Auadruck stammt von Mürat. Vorträge Metternichs 
17. April. H.-A. 

3. Gegen Wintzingerode in der stürmischen Audienz vom 
3. Februar. Die Äusserung lauteto eigentlich noch derber. 
Pfister S. 191. 

4. Pfister S. 19b— 206. 



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- 208 - 

Druckes fürchten liess. Montgelas sprach den Kollegen in 
Dresden und Stuttgart gewiss aus der Seele, wenn er klagte, 
Preussen trage den Geist der Rebellion durch alle Länder, 
um die Bande zwischen den Unterthanen und dem Souverain 
zu zerreissen, und sein Tadel gegen die „weder der Zeit 
noch den Umständen angemessenen Alternativanträge" wie 
die „zu grosse Lebhaftigkeit der Personen, durch die sie 
gemacht würden," durfte ebenso für typisch gelten. 1 

Da bot sich denn wie von selbst Oesterreich als Retter 
aus dem bösen Dilemma. Nicht genug, dass es kraft seiner 
freundschaftlichen Beziehungen zu beiden Parteien in ent- 
scheidender Stunde beim Sieger ein gutes Wort einlegen 
konnte, es spielte sich mehr und mehr auf den neutralen 
Vermittler hinaus und gab so vielleicht den erwünschten 
Mittelpunkt für jenen süddeutschen Neutralitätsbund, der 
die Lieblingsidee namentlich des bairischen Ministers war. 8 
Wenn es aber aktiv am Krieg teilnahm, so hatte wenigstens 
die Qual des Wählens ein Ende; dann liess sich der Sieg 
der von ihm ergriffenen Sache mit Sicherheit vorhersagen, 
und die Pflicht der Selbsterhaltung gebot, sich ihr ebenfalls 
anzuschliessen. Hinzu kam die trotz so vieler Umwälzungen 
noch nicht erloschene Vorstellung, dass die alte Kaiser- 
macht an der Donau der natürliche Schutzherr des deutschen 
Südens sei. Kurz, an den Eöfen des Rheinbunds waren 
aller Augen in Hoffnung und Furcht 3 auf die Wiener 
Staatskanzlei gerichtet. 

Metternich fühlte das sehr gut heraus, er sprach von 
der „Rolle, die uns in jenen Gegenden ebenfalls vorbehalten 



1. Oncken I, 348; Bericht Hrubys 11. April. H.-A. 

2. Berichte Hrubys 80. März, 2., 9. April. H.-A. 

3. Bericht Binders 13. Januar en chiftres: on a demesur6- 
ment peur de nous et on est inquiet au dela de toute oxpres- 
sion du röle que nous jouerons apres la deconfiture des Francais. 
H.-A. 



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ist"; 1 doppelt schade, dass der Gang seiner Politik ihn 
hinderte, sie anders denn als schlechter Komödiant zu 
spielen. Am sichersten hätte auch jetzt noch jener Weg 
zum Ziel geführt, den Gentz 1808 gewiesen hatte: unter 
gleichzeitiger Vorlegung der Grundzüge einer deutschen 
Bundesverfassung den Fürsten Souveränität und Gebiets- 
umfang zu garantieren und als Gegenleistung sofortige Ab- 
sage an Frankreich zu fordern. Das wäre den Königen 
von Napoleons Gnaden wohl zuerst überraschend gekommen, 
schliesslich hätten sie sich willig gefügt. 2 Aber für eine 
solche Sprache fehlten so, wie die Dingo in der Hofburg 
nun einmal lagen, alle Voraussetzungen. Es war unmöglich, 
auf offenen Bruch mit dem Imperator zu dringen, solange 
man sich selbst ängstlich die Möglichkeit einer Rückkehr 
zu den Verpflichtungen von 1812 offen hielt; und wie wollte 
man ein deutsches Programm aufstellen, während man am 
liebsten alle Länder des alten Reiches sich selbst überlassen 
hätte? 

So begnügte sich der Minister mit einer Halbheit; er 
versprach auf das bündigste jene Garantie und verlangte 
dafür nichts weiter, als dass die Höfe des Südens nicht 
neue Zerstörungswaffen lieferten, sondern Oesterreich die 
Zeit Hessen, seine Massregeln zu entfalten. „Alles, was 
Süddeutschland thäte, um sie nicht zu unterstützen oder 
gar um ihnen entgegenzuarbeiten, wäre ohne Widerspruch 
der schlagendste Beweis, dass jedes Nationalgefühl und 
jede Hoffnung auf eine bessere Ordnung der Dinge ver- 
loren ist." 3 



1. Vorträge 4. April. H.-A. 

2. Mindestens für Würtemberg ist das ausdrücklich bezeugt 
durch den Bericht des preussischen Geschäftsträgers Scholz 9. März. 
Oncken I, 321. 

3. Metternich an Binder 7. April. H.-A. Die Stelle verdient 
die ausführliche Wiedergabe, weil der hier beliebte Appell an 



- 210 - 



Die günstige Aufnahme dieser Eröffnungen in München 
und Stuttgart war vorauszusehen. Fürst Schwarzenberg, 
der auf der Durchreise nach Paris nicht verfehlte, sich den 
Majestäten vorzustellen, wurde hier wie dort mit ausge- 
zeichneter Höflichkeit empfangen. Man gab deutlich die 
Freude darüber zu erkennen, mit keinen direkten Anträgen 
gedrängt zu werden und doch für jeden möglichen Fall die 
Versicherung zu erhalten, dass Kaiser Franz von den dies- 
seitigen Provinzen nichts ohne wechselseitige Übereinkunft 
und Entschädigung ansprechen wolle. 1 Und als dann nach 
kaum zwei Wochen von Wien aus (d. d. 7. April) die aus- 
drückliche Aufforderung kam, zu weiteren Verhandlungen 
eine Vertrauensperson mit ausgedehnten Vollmachten zu 
delegieren, entschloss sich wenigstens König Friedrich so- 
gleich zur Absendung des Obersten v. Varnbüler 2 , während 
man an der Isar allerdings mehr Freude als Eifer zeigte. 3 

Aber was nützte das alles? Gleichzeitig mit den ersten 
schüchternen Schritten zur Annäherung an Oesterreich 
spielten sich zwei Vorgänge ab, die die trübsten Be- 
fürchtungen für die Zukunft erwecken mussten. Montgelas 



das Nationalgefühl in Metternichs Mund ungemein seltsam ist. — 
Ahnliche Anträge schon im Februar: Metternich an Binder 
18. Februar. Oncken I, 445. Beidemal wurde natürlich auch der 
ba irische Hof nicht vergessen. 

1. Berichte Hrubys 2. April, Binders 3. und 4. April. H.-A. 

2. Bericht Binders 14. April. H.-A. 

3. Bericht Hrubys 11. April. Montgelas versprach nur, den 
in Wien ohnehin beglaubigten Grafen Rechberg mit den erforder- 
lichen Instruktionen zu versehen, und diese Instruktionen 
scheinen Metternich nicht befriedigt zu haben, wenigstens schreibt 
er in den Weisungen für Stadion: La communication bavaroiso 
a porte toute Pempreinte de la faussete et de la peur . . nous 
reglerons notre conduite vis-ä-vis de la Baviere d'apres la marche 
seule des evenements militaires. H.-A. So schlimm kam es be- 
kanntlich ganz und garnicht. 



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- 211 - 



stellte dem preussischen Geschäftsträger brüsk seine Pässe 
zu (11. April), 1 und der würtembergische Despot, der sich 
bis dahin standhaft geweigert hatte, Truppen ausser Landes 
zu schicken, erteilte auf neues Drängen Napoleons trotz 
aller Abmahnungen von Sohn und Minister sechs Bataillonen 
Infanterie und zwei Regimentern Kavallerie Marschbefehl 
nach Würzburg. 9 Es Hess sich nicht ändern: Solange kein 1 
oesterreichisches Heer an den Grenzen von Süddeutschland 
erschien, konnten die Rheinbundsfürsten sich den franzö- 
sischen Befehlen nicht entziehen ; und Metternich sollte sich 
sehr bald überzeugen, dass man ein Ziel nicht immer auch 
umso leichter erreicht, je niedriger man es sich steckt: 
aktives Auftreten der Mittelstaaten gegen Napoleon wäre 
vielleicht zu erwirken gewesen, Neutralität war es nicht. 

Diese Erfahrung blieb schliesslich auch da nicht er- 
spart, wo zunächst ein Scheinerfolg die eifrigsten Be- 
mühungen gekrönt hatte, bei don Verhandlungen mit 
JSachsen.L, Es war natürlich, dass es dem Minister auf 
dessen Gewinnung mehr noch als auf die der andern 
deutschen Staaten ankam. Sie bot anfangs die glänzende 
Chance, die nordböhmische Grenze zu decken und, nur das 
nördlichste Deutschland freilassend, sich mit breiter Masse 
neutralen Landes zwischen die Kämpfer zu schieben; und 
wenn diese günstigste Möglichkeit mit dem Vorrücken der 
Verbündeten an die Elbe fortfiel, so blieben doch sonst \ 
Gründe genug in ihrer Vollkraft bestehen. Es galt, einen 
friedlichen Nachbarn vor den von Russland geförderten 
Eroberungsgelüsten einer Macht zu schützen, die man um 



1. Oncken I, 348. 

2. Bericht Binders 14. April H.-A. Der entscheidende Brief 
Napoleons Saint-Cloud 8. April. Corr. XXV, 203- 

3. Sehr ausführlich dargestellt von Oncken im vierten Ka- 
pitel des zweiten Bandes „Graf Metternich und Graf Senfft." 
S. 229—297. 

14» 



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— 212 - 

keinen Preis nach dieser Seite vergrössert wünschte, ja 
auch ein weit weniger schönes Motiv spielte hinein, das 
Napoleon bei seinem Blick für das Niedrige im Menschen 
sofort erkannte: der Anschluss Friedrich Augusts an Oester- 
reich musste den Herzog von Warschau mit Frankreich 
entzweien und damit eine Einigung in der polnischen Frage 
erleichtern. 1 

So gingen denn die ersten Versuche einer Anknüpfung 
bis Anfang Februar zurück. Schon damals erklärte Kaiser 
Franz dem sächsischen Gesandten Grafen Watzdorf, wenn 
der König sein Land verlassen sollte, werde er ihn mit 
Freuden als Gast bei sich aufnehmen. Aber erst nachdem 
der Hof vor den in die Lausitz eingerückten Kosaken 
nach Plauen geflohen war (25. Februar) und das brutale 
Verfahren der napoleonischen Generale auch die über- 
zeugtesten Franzosenfreunde bekehrt hatte, trat Metternich 
endgiltig aus seiner bisher mehr beobachtenden Haltung 
heraus. Mitte März überbrachte sein Gesandter Fürst 
Esterhazy Friedrich August die schriftliche Einladung in 
die kaiserlichen Staaten und fügte mündlich hinzu, Seine 
Majestät, die sicherlich ebenso wie Kaiser Franz den 
Frieden wünschten, möchten diesem Wunsch auch Ihrerseits 
offen Ausdruck geben. Eine solche Erklärung wäre bei 
aller anscheinenden Harmlosigkeit nichts anderes gewesen 
als eine Schwenkung von Frankreich zu Oesterreich, und 
da Esterhazy als Entgelt nur Garantie des Königreichs 
Sachsen, nicht auch des Herzogtums Warschau bieten 
konnte, so zögerte Graf Senfft, der Dresdener Premier- 
minister, anfangs beharrlich .darauf einzugehen. Einer jener 
mittelstaatlichen Plänemacher, die auf sächsischem Boden 
auch sonst wohl gediehen sind, gefiel er sich in Phantasien, 
wie man den Grossherzog von Würzburg nach Warschau 
verpflanzen und mit einer wettini sehen Prinzessin ver- 

1. Bignon XII, 39. 



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— 213 — 

mählen, Sachsen durch Teile von Oesterreich und dieses 
wieder durch Schlesien schadlos halten könne, und kam dera- 
gemäss immer auf die Forderung zurück, dass, wenn schon 
sein Herr den „namenlosen Seelenschmerz" einer Trennung 
von seinen treuen Polen auf sich nähme, er mindestens 
volle Bürgschaft für seine gerechten Entschädigungsan- 
sprüche verlangen müsse. Indessen die Lage der Dinge 
erlaubte doch offenbar nicht, Bedingungen zu stellen. Je 
mehr sich die Verbündeten als Herrn des Landes auf- 
spielten, desto dringender wurde es, durch eine Abkunft 
mit Oesterreich um jeden Preis etwas Schriftliches, wenigstens 
für die Integrität der schon angetasteten deutschen Gebiete 
zu erhalten; und da Metternich Klugheit genug besass, um 
den Herren durcli scheinbares Entgegenkommen den unver- 
meidlichen Rückzug zu erleichtern, so brachte er nach 
einigem Hin und Her mit dem arglosen Watzdorf am 20. 
April eine Konvention» zustande, die sich schon durch 
ihren Titel — Senfft hätte einen öffentlichen „Vertrag" ge- 
wünscht 3 — als Sieg seiner Anschauungen bekundete. Darin 
gewährleistete die Hofburg dem König mit bewusstem 
Doppelsinn 3 den Besitz seiner „ISrhlande" und vorpflichtete 
sich, wenn die Abtretung Warschaus ganz unvermeidlich 
[wäre, eine angemessene Entschädigung auszuwirken, jeden- 
falls über die Territorien der mitteldeutschen Kleinfürsten 
nicht anders als zu seinem Vorteil zu verfügen. Umgekehrt 
schloss sich Sachsen in aller Form der bewaffneten Ver- 
mittlung Oesterreichs an und stellte für den Fall eines 

1. Abgedruckt bei Oncken II, 636 f. 

2. Memoires du de Senfft p. 217 f. Siehe auch die be- 
gleitende Depesche Watzdorfs 20. April. Oncken II, 634 f." 

3. Ebenda. Le Comte Metternich dans nos discussions a 
cependant ä ce qu'il me parait trouve un terme moyen assez 
heureux, pour eviter cette question, celui de parier d'etats here- 
ditates de S. M. Or corame le Duche serait aussi hereditaire - > 
sans doute, il n'est pas nomhiativement exclus de la garantie. 



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- 214 - 



Krieges seine Truppen unter kaiserlichen Oberbefehl. — Kaum 
je sind Vertragsbestimmungen rascher ausgeführt worden. 
Friedrich August hatte die wirkliche Unterzeichnung gar 
nicht abgewartet, um Regensburg zu verlassen, wo er seit 
f drei Wochen Schutz vor den Russen suchte. Die Ratifi- 
kation erteilte er am 21. schon in Linz und begab sich von 
da sogleich nach Prag. Bald darauf überschritten die 
Garde zu Fuss" und die von Napoleon so heiss begehrte 
Kavallorie bei Waldmünchen die böhmische Grenze. 1 

Es konnte nicht fehlen, dass diese Dinge bei den 
kriegführenden Mächten das grösste Aufsehen erregten. 
Vergebens sagte Metternich Narbonne mit freundlichem 
Scherz, der König sei wie eine Bombe nach Oesterreich 
hineingeplatzt, 3 und versicherte in einem Reskript an Leb- 
zeltern mit echt jesuitischer reservatio mentalis, der sächsische 
Hof habe keiner schriftlichen Zusagen und Verpflichtungen 
bedurft, um seinen Sitz in Prag zu nehmen 8 : von den 
Verhandlungen, so geheim sie geführt wurden, war doch 
zuviel in die Öffentlichkeit gedrungen, um nicht hüben und 
drüben zu verstimmen. 

Nun stand man mit Frankreich gegenwärtig ohnehin 
so schlecht, dass es auf einen Beschwerdepunkt mehr oder 
weniger so sehr nicht ankam. Aber durfte man es zu- 
gleich mit den Verbündeten verderben? und auch hier lag 
die Gefahr vor, dass das Mass überlief. 

Die Leiter der russischen und preussischen Politik 
hatten in den letzten Wochen gerade genug Enttäuschungen 
ertragen müssen. Wie war es denn Hardenberg ergangen, 
als er unter dem Eindruck gewisser Kalischer Beobachtungen 

1. Oncken U, 273, 284. Memoires de Senfft p. 212. 

2. Bignon XII, 39. Nach Ernouf, Maret p. 531 lautete die 
Äusserung anders: II nous est arriv6 comme la foudre. Nar- 
bonne erwiderte mit schlagfertigem Witz: Comme la foudre 
soit! mais je vous crois aussi habile que Franklin a la diriger. 

3. Oncken II, 284 f. 



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— 215 - 

zweimal kurz hintereinander an den oesterreichischen Kollegen 
mit der Bitte herantrat, Nessclrode und ihm zur Besprechung 
der deutschen und polnischen Frage eine geheime Zusammen- 
kunft, etwa eine Tagereise von Wien, zu gewähren? 1 E» 
erhielt trotz aller lebhaften Beredsamkeit eine höfliche Ab- 
weisung, die durch den ewigen Hinweis auf die in drei 
oder vier Tagen bevorstehende Ankunft Stadions kaum 
wesentlich versüsst wurde. a Und ganz ähnlich betrauerte 
der Zar gescheiterte Entrevüeprojekte. Schon im März 
hatte er wiederholt den Wunsch geäussert, durch direkte 
Aussprache mit Kaiser Franz die persönlichen Vorurteile 
von 1805 und 1809 zu zerstören. Haid waren es Seine 
Majestät selbst, die er wiederzusehen, bald die Kaiserin, 
bald die Stadt Wien, die er kennen zu lernen verlangte 
Einige Wochen später versicherte gar sein Hofmarschall 
Graf Tolstoy mit etwas barbarischer Aufdringlichkeit: ein 
Wort von Euch, und wir fliegen, wohin Ihr wollt. 3 Aber 
statt dass dies eine Wort gesprochen wurde, hatten wedei 
Franz noch Metternich bis Ende April auch nur auf die 
ßreslauer Briefe Alexanders zu antworten geruht. Der 
empfindliche Selbstherrscher fühlte sich tief gekränkt und 
verfehlte nicht, seinen Arger gelegentlich offen zu zeigen. 4 

Doch verschwanden all diese kleineren Beschwerden 
neben dem Entrüstungssturm, den die sächsische Politik 
Metternichs im verbündeten Hauptquartier entfesselte. 5 Die 
Minister begriffen schon nicht, wäTutir~cr ihnen überhaupt 
ihre norddeutschen Zirkel störte, da sie seiner Thätigkeit 
im Süden ein so weites Feld anstandslos eingeräumt hätten. 



1. An Metternich, Breslau 11., 18. April. Oncken I, 446 f. 

2. Oncken I, 328. 

3. Berichte Lebzelterns 25. März, 11. April. H.-A. 

4. Berichte Lebzelterns 30. April. H.-A. 

5. Für das Folgende die Berichte Lebzelterns 24 April. 
H.-A., 27., 30. Aprü. Oncken H, 277, 637 ff. 



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— 21C — 




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Vollends, was sie durch Humboldt von den einzelnen Be- 
stimmungen des geheimen Vertrages erfuhren, gab immer 
von neuem Stoff zu den erregtesten Auseinandersetzungen * 
mit dem armen Lebzeltern. Selbst das verhältnismässig ( 
Unschuldigste, die Garantie des königlichen Sachsens, passte / 
offenbar nicht in ihre Rechnung, da sie das Land längst ) 
als gute Beute ins Auge gefasst hatten; und wagten sie l. 
das nicht gerade heraus zu sagen, so fragten sie umso 
piquierter, wo und wie eine Entschädigung für Warschau 
beschafft werden sollte, ja warum sie überhaupt notwendig 
sei, indem das Herzogtum für seinen Besitzer doch nur 
eine lästige Bürde und überdies geraubtes Gut dargestellt 
habe. Noch weniger wollten sie von Neutralität hören. 
Die Zukunft hätten sie vielleicht schliesslich der Zukunft 
überlassen, aber dass sich auch in der Gegenwart durch 
ein paar Federzüge hinter ihrem Rücken alle Dispositionen 
auf das peinlichste durchkreuzt fanden, dass die königliche 
Immediatkommission mit verstecktem Hinweis auf Oesterreich 
den billigsten Anforderungen des Zentral- Verwaltungsrates 
zähen Widerstand entgegensetzte und der Kommandant von 
Torgau, anfangs einer Auslieferung der wichtigen Festung 
nicht abgeneigt, mit einem Mal Schwierigkeiten machte, 
war schlechthin unerträglich; und Nosselrode wie Harden- 
berg erklärten denn auch ausdrücklich, eine Neutralität 
Friedrich Augusts ihrerseits unter keinen Umständen aner- 
kennen zu können. Was, stellten sie vor, hätte man in 
Wien gesagt, wenn Russland 1809, als die k. k. Armeen 
in Baiern einrückten, diesen Staat als neutral unter seinen 
Schutz genommen hätte? Jedenfalls war das Ende vom 
Lied: das Verhalten der Hofburg sei weder klar noch ver- 
trauenerweckend. 

Lebzeltern beobachtete diese Entwicklung, auch abge- 
sehen von den persönlichen Unannehmlichkeiten, die sie ihm 
reichlich brachte, mit stoigender Sorge. Schon am 24., vor 
den letzten kritischen Auftritten, schrieb er beschwörend an 



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- 217 — 



den Herrn und Meister, noch sei Oesterreich imstande, 
nach dem Rezept: suaviter in modo, forüter in re Alles nach 
seinem Willen zu lenken, „aber ich möchte mich nicht 
verbürgen, dass diese Möglichkeit dauern wird, wenn wir 
weiter mit Erklärungen zögern, zumal falls von den Alli- 
ierton eine Schlacht gewonnen würde." 

Die Mahnung fiel auf fruchtbaren Boden. Wahrschein- 
lich unter ihrem Eindruck 1 fertigte Metternich am 29. zwei 
Depeschen nach Dresden ab, die wohl geeignet waren, hier 
wieder jenes Vortrauen einzuflössen, ohne das die Ver- 
bündeten als Sieger die Interessen der Hofburg, als Be- 
siegte mit dem Kampf die Sache Europas preisgeben konnten.* 
So offen und positiv hatte er in all den Wochen vorher 
noch niemals gesprochen. Wer die ersten Weisungen für 
Lebzcltern noch frisch im Gedächtnis hatte, traute seinen 
Augen nicht, jetzt plötzlich von dem schönsten Impuls, der 
gesundesten politischen Berechnung und der hohen Weisheit 
des Zaren zu lesen. Dagegen redete der Minister von der * 
eignen Politik beinahe im Ton der Entschuldigung. Dass 
sie wirklich dem Frieden hatte dienen sollen, erwähnte er 
nur nebenbei, als wichtigere Zwecke erschienen die Ver- 
stärkung und Vorschiebung der Armeen und die Lösung der 
„diplomatischen Beziehungen" zu Frankreich, wie er die 
Allianz von 1812 beschönigend nannte. Für die schwächliche 
Haltung bisher fand er fast ein Zuviel von Rechtfertigungs- , 
gründen: den Mangel an Truppen, die Loyalität des Kaisers, 
die Finanznot, die Furcht vor den Rheinbündlern, endlich 
die Scheu, Oberitalien, Tirol und Illyrien in unnützen 
Kämpfen ohne rechte Unterstützung sich verbluten zu lassen. 
Wichtiger waren die Zusicherungen für die Zukunft. Jetzt 
wurde amtlich wiederholt, was Humboldt mit einer kleinen 

1. Darauf deutet der Eingang. Das Präsentatum des Berichtes 
vom 24. ist 28. morgens. 

2. Abgedruckt bei Oncken II, 630—634. 



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— 218 — 



Verstärkung schon am 21. berichtet hatte, 1 dass am 24. Mai 
125 — 130000 Mann mit einer Reserve von mindestens 50000 
bereit stehen würden. Davon sollten 60000 im vorderen 
Böhmen nötigenfalls französische Fortschritte aufhalten; 
denn das wurde wieder und wieder betont, dass uueh die 
völligste augenblickliche Niederlage der Verbündeten nicht 
nur nicht eine Änderung in Oesterreichs Vorgehen be- 
wirken, sondern nur zu umso kräftigeren Massregeln be- 
stimmen werde; und am Schluss hiess es gar unter stolzer 
Erinnerung an die Geschichte des Kaiserstaates in den 
letzten 20 Jahren: der Krieg wird mit einem Sieg Napoleons 
sowenig zu Ende sein, wie mit seinem Rückzug hinter den 
Rhein. In dem einen wie dem andern Fall wird Oesterreich 
sich in die vorderste Reihe gestellt sehen. Die erste und 
schwerste Last wird auf uns fallen. Wir fürchten grosse 
Aufgaben nicht. 

Solche hohen Worte schienen keine ausweichende 
* Deutung mehr zuzulassen. Es war offenbar wirklich so, 
wie auch der preussische Gesandte in Wien verhiess: in 
vier bis fünf Wochen stand der gänzliche Anschluss an den 
Bund von Kaiisch bevor 2 ; und Lebzcltern hatte ein Recht 
zu jubeln: Wie sich nun die Dinge wenden "mögen, Oester- 
reich wird immer die schönste Palme gepflückt haben, und 
Europa wird es als seinen wahren Befreier betrachten. 3 

Aber währenddem hatten sich die Dinge thatsächlich 
gewandt. An demselben Nachmittag des 2. Mai, als er 
seine neuen Instruktionen empfing, liel auf dem blutge- 
düngten Felde von Lützen jene Entscheidung, die wie so- 
viele andere Hoffnungen auch die auf den Beitritt Oester- 
reichs für lange Monate vertagen sollte. 



1. M. Lehmann, Scharnhorst II, 609. 

2. Gebhardt S. 143. 

3. Bericht vom 4. Mai H.-A. 



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Achtes Kapitel. 



Rückwärts. 

Die deutsche Geschichte verzeichnet wenig grausamere 
Enttäuschungen als den Frühjahrsfeldzug von 1813. Auf 
die vielverheissenden Anfänge der ersten Apriltage folgten 
Wochen des schädlichsten Stillstands an Saale und Elster; 
und als endlich die allzu lang verzögerte Ankunft der 
russischen Hauptarmee ein kräftigeres Vorrücken nach 
Westen erlaubt hätte, zog auch Napoleon schon auf der 
Strasse von 1806 heran, um bei Leipzig seine Vereinigung 
mit dem Vizekönig zu bewirken. Sein Heer bestand zum 
grossen Teil aus Knaben, 1 die vielleicht erst auf dem 
Marsch den Gebrauch des Gewehres lernten, 9 zumal seine 
Kavallerie war nach Mann und Ross zu jeder ernsten Auf- 
gabe untauglich, aber er hatte die Überlegenheit der Zahl 
und zeigte, was das schlechtere Werkzeug in Händen des 
geübteren Meisters vermag. Die Schlacht bei Gross-Görschen, 
an sich unentschieden, war in ihren Ergebnissen für die 
Verbündeten einer Niederlage gleich zu achten. Sie gingen 
hinter die Elbe, ja die Spree zurück: und wer wollte sagen, 
wo ein Aufhalten sein würde, wenn auch hier das Kriegs- 

1. Der Würtemberger Zeppelin schrieb Paris 14. Februar 
an seinen König über französische Truppen, die er gesehen: 
Kein einziger Soldat konnte 18 Jahre alt sein, und diese jungen 
Knaben erlagen unter der Last ihrer Gowehre und Tornister, 
Pfister, Aus dem Lager des Rheinbunds S. 191. 

2. Bignon XII, 4. 



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— 220 - 



glück sich gegen sie wandte? Nicht nur Friedrich Wilhelm 
mochten bange Erinnerungen an Auerstiidt beschleichen. 1 
An diesem Ausgang trug Oesterreich sein gut Teil der 
\ Schuld. Ohne seine zweideutige, zuwartende Politik wäre 
i Kutusoff früher von Kaiisch aufgebrochen, 2 hätte Sacken, 
statt in der langwierigen Polenkomödie eine Statistenrolle 
zu spielen, die numerische Schwäche des alliierten Heeres 
wirksam ausgleichen können, 3 wäre mindestens durch Ein- 
nahme Torgaus die Behauptung der Elblinie erleichtert 
worden. 4 Ganz abgesehen von den entscheidenden Folgen, 
die ein rasches, aktives Auftreten des Kaiserstaates im 
März oder April gehabt hätte. 

Umso gebieterischer erwuchs die Pflicht, durch treue 
Erfüllung der letzten Versprechungen das Versäumte und 
Verdorbene wieder gut zu machen, und noch war es nicht 
zu spät dazu. Je weiter Napoleon längs der böhmischen 
Grenze vorstiess, desto günstiger stellten sich die Chancen 
für einen oesterreichischen Angriff in Flanke und Rücken. 
Schon von 25000 Mann k. k. Infanterie versprach sich 
Stein, dass sie den Korsen Uber den Rhein jagen könnten; 6 
und jedenfalls hatte die verheissene Armee von 60000 bei 
gleichzeitiger Wiederaufnahme der Offensive durch die 
Alliierten gewonnenes Spiel für die Befreiung Oesterreichs 



1. Droysen, York II, 61. 

2. S. oben S. 139. 

3. Bignon XI, 463. 

4. Knesebeck „Über die militärische Lage der Russischen 
und Preus8ischen Armeen" Bautzen 11. Mai: Die Elbe bei 
Dresden zu halten, wollto man nicht wagen in der Ungewiss- 
heit, in welcher man mit Torgau war. H.-A. Möglich wäre das 
vielleicht doch gewesen. Wenigstens urteilt Gneisenau: Man 
verliess solche (die Elbe) ohne Not, obgleich man vorgegeben 
hatte, hinter dieser Schutzwehr verweilen zu wollen. An Münster, 
P uschkau b. Striegau 29. Mai. Lebensbilder II, 285. 

5. Lebensbilder II, 203. 



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- 221 - 



und Europas. 1 Nie, ausgenommen den letzten Feldzug von 
1812, meinte Gneisenau, sei Napoleon in gefährlicherer Lage 
gewesen. 2 Aus dem verbündeten Hauptquartier kamen denn 
auch Mahnungen auf Mahnungen: man zähle die Minuten 
zum Beitritt Kaiser Franz'. 8 Weniger Truppen früher in 
die Wagschale geworfen, würden sicherer zum Ziel führen 
als zögern, bis alle Mittel vereint wären. 4 Noch am Tage 
nach der Lützener Schlacht hatte Knesebeck tief erschüttert 
geschrieben: Möchte sich doch der oesterreichische Hof er- 
klären und unmittelbar handeln, so wäre die Freiheit Europas 
gerettet. Es ist aber Zeit — 0, mein Gott, wie kann man 
das nicht fühlen? Sollen wir denn der Übermacht erliegen? 5 
Und bald darauf wurde kein Geringerer als der wunde 
Scharnhorst nach Wien abgefertigt, um an Ort und Stelle 
auf raschen Beginn der Operationen zu dringen. 

Er sollte die Kaiserstadt nicht mehr betreten. Anfangs 
hatte sich Metternich den Anschein gegeben, als erwarte 
er ihn mit Ungeduld. Aber als der General nun wirklich 
auf der Reise und schon hinter Znaym war, Hess er ihm 
den höflichen Wink zukommen, lieber nach Prag, an den 



1. Stadion an Metternich 26. Mai (eigenhändig). II est cer- 
tain que si on considere ia position militaire sur la carte, on 
devrait croire qu'une armeo autrichienne, däbouchant de quelque 
partie que ee füt de la Boheme dans les derrieres de l'armee 
francaise, jouerait le jeu sür pour la delivrance de 1'Autriche et 
de l'Europe. H.-A. 

2. Pertz, Gneisenau II, 665. 

3. Nesselrode an Metternich 29. April/ 11. Mai. H.-A. 

4. Nesselrode an Stadion 22. Mai zur Mitteilung nach Wien : 
En debouchant avec moins de moyens, mais au plus tot et en 
devancant memo, si c'est possibls, l'epoque fixee, eile (l'Autriche) 
est plua sure d'attendre le but qu ? en differant, jusqu'a ce que 
tous 868 moyens soyent reunis. H.-A. 

5. Oncken II, 299. 



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— 222 — 



Sitz des neuen Armeekommandos, umzukehren. Die Dinge 
hatten in der Hofburg mittlerweile wieder einmal ein ander 
Gesicht erhalten. 

In den ersten Maitagen war zunächst alles in bestem 
Zuge gewesen. Die Mission Stadions fand jetzt, wo ihre 
Vorbedingung, die erste Schlacht, nach menschlicher Be- 
rechnung eingetreten sein musste, thatsächlich statt (7. Mai), 
und die Instruktionen, die der Gesandte mitnahm, 1 enthielten 
neben anderem Deutungsfähigeren doch den bezeichnenden 
Auftrag, die Grundlagen eines militärischen Zusammen- 
wirkens zu vereinbaren.' Vollends das begleitende kaiser- 
liche Handschreiben wurde von Nesselrode nicht ohne 
Grund als mehr wert denn 'ein Vertrag gerühmt. 3 Da 
stand zu lesen von der „Sache, die uns gemeinsam ist", 
und ward die Hoffnung ausgedrückt, dass, falls der er- 
sehnte Friede nicht ohne Blutvergiessen erreichbar wäre, 
„unsere vereinten Kräfte" zu dem edelsten Ziel führen 
würden, das die Mächte sich stecken könnten. 4 Die mili- 
tärischen Massregeln entsprachen diesen Worten. Es er- 
ging Befehl, die böhmische Armee auf 120 000 Mann zu 
vermehren und deshalb zunächst noch zwei Divisionen, 
Prohaska und Civalart, vom Reservekorps zu ihr stossen 
I zu lassen. 6 Zugleich wurde endlich der Oberkommandant 
ernannt (8. Mai); und wenn die Wahl auch nicht den Erz- 
herzog Karl traf, den die Aktionspartei während des 



1. Die Hauptinstruktion bei Oncken II, 640 ff. 

2. II (Stadion) ne negligera rien . . pour convenir des bases 
d'une Cooperation active militaire de notre part dans le cas de 
la non-reussite de nos soins en faveur de la paix. 

3. Nesselrode an Stadion 4.|16. Mai: La lettre de l'Em- 
pereur Francis est parfaite, eile est pour nous plus qu'un 
traite. H.-A. 

4. Oncken II, 644. 
6. Criste S. 249. 



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— 223 — 

Winters vergebens vorgeschlagen "hatte, 1 so sollte doch der f 
an seiner Statt erhobene Schwarzenberg seinen französischen. 
Sympathien gänzlich entsagt haben 2 und gesellte sich 
obenein auf Empfehlung des Fürsten Lichtenstein * in dem 
wieder zu Gnaden angenommenen Radetzky einen aner- 
kannt energischen und kriegseifrigen Generalstabschef bei. 
Jedenfalls musste es das günstigste Vorurteil erwecken, dass / 
die neue Armeeleitung, glcichgiltig ob Napoleon siege oder 
unterliege, für die erste Aufstellung der Truppen die Gegend 
von Eger, Saatz, Prag, Beraun und Pilsen ins Auge 
fasste. 4 . 

Da fielen mitten in solche heroischen Anläufe die 
immer bestimmteren Nachrichten von dem Rückzug, der 
dem anfänglich signalisierten Sieg der Verbündeten gefolgt 
sei; und was man auch in Wien vorher versprochen hatte 
oder gar nachher versicherte, 5 sie wirkten ebenso über- 
raschend wie niederschmetternd. Nun die Stunde schlug, 
fühlte man sich doch nicht stark, die „grossen Aufgaben 14 



1. Krones, Tagebuch Erzherzog Johanns S. 79. 91. 

2. Bignon XII, 102. 

8. Erinnerungen aus dem Leben des Feldmarschalls Grafen 
Radetzky. Eine Selbstbiographie. Mitth. des k. k. Kriegsarchivs 
1887. S. 71. 

4. Radetzky, Denkschriften S. 94 

5. Es handelt sich um die berufenen Worte, mit denen 
Kaiser Franz seinem Schwiegersohn die Mission Stadions schmack- 
hafter machen wollte (11. Mai): «Tai cru devoir attendre pour 
effectuer cet envoi le moment que depuis longtemps j'ai prevu; 
celui oü une premiere affaire aurait amorti bien des passions 
et dissipe beaueoup de chimeres. Oncken II, 648. Dass es auch 
mit dieser Voraussicht soviel nicht auf sich hatte, zeigt ein Brief 
Metternichs an Neaselrode 2J. April: Si Napoleon veut faire la 
folie de se battre, tachez que Ton ne se demonte pas par un 
revers que je ne crois pas trop possible. Nachgelassene Papiere 
I, 243. 



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- 224 - 



wirklich auf sich zu nehmen. Zumal an allerhöchster Stelle 
gewannen Stimmungen die Oberhand, die bisher wohl zurück- 
gedrängt, aber nicht überwunden waren. 

Kaiser Franz hatte sich halb gegen seinen Willen von 
Metternich zu der entschiedenen Stellungnahme der letzten 
Wochen fortreissen lassen. Zuletzt war in ihm immer 
wieder der Wunsch durchgebrochen, „Frankreich gegenüber 
in keine Verlegenheit zu kommen." Die Antwort auf die : 
neapolitanischen Anträge befahl er so einzurichten, dass sie 
auch von Napoleon gewusst werden könnte, den grossen 
Rüstungsplan genehmigte er nur mit dem ausdrücklichen 
Hinzufügen, dass man auf das sorgfältigste alles vermeiden 
müsse, was zu voreiligen Gerüchten Anlass gebe, bei den 
letzten Weisungen für Lebzeltern fragte er zweifelnd, ob 
die Erklärung, so zu sagen in jedem Fall gegen Frankreich 
zu halten, nicht zu gewagt und zu frühzeitig sei 1 . Jetzt 
vollends hätte er gern alles zurückgenommen. Es machte 
ihm den tiefsten Eindruck, dass nicht einmal der Mangel 
an Kavallerie für Napoleon ein Hindernis gewesen war, die 
Alliierten zurückzudrängen. Der Schlachtengewaltige, gegen 
den er viermal mit stets gleich ungünstigem Erfolg die 
Kriegsfurie entfesselt hatte, erschien ihm unbesiegbarer als 
je. Schon sah er die französischen Armeen an der Weichsel 
oder gar im Herzen der eigenen Staaten. Die Sache stand 
so, dass selbst Graf Hardenberg mit seiner freundlichen 
Beurteilung aller Wiener Verhältnisse sich der Überzeugung 
nicht erwehren konnte, es würde „absolute Neutralität" die 
Antwort gewesen sein, wenn der Imperator kategorisch eine 
Erklärung über Oesterreichs künftige Stellung verlangt hätte; 
und auch ohne das machte die geängstigte Majestät Metternich 



1. Allerhöchste Resolutionen auf Vorträge Metternichs 17., 
18., 30. April. H.-A. und den Vortrag Bellegardes 16. April. K.-A. 



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— 225 — 



sehr lebhafte Scenen über die Zweckmässigkeit seiner diplo- 
matischen Künste. 1 

Dieser selbst bewahrte etwas mehr Haltung. Er liebte 
es sogar, sich als Opfer des kaiserlichen Kleinmuts hinzu- 
stellen. Wenn er Souverain wäre, versicherte er wohl in 
der Folge, würde er seine Lage als vorzüglich ansehen: für 
einen oesterreichischen Minister sei sie zum wenigsten recht 
schwierig. 3 Oder er warf sich in die Brust: Der Politik 
einer grossen Macht zieme Unveränderlichkeit, er sei 
kein Haugwitz, der sich mit dem Winde drehe. 3 Aber 
solch Tugendstolz stand dem Mann schlecht, der noch 
vor vier Monaten das Glaubensbekenntnis gethan hatte: 
quand on epouse les circonstances, on est toujours fort* und 
überhaupt lag viel Heuchelei in alledem. Auch ihn schreckten 
die Fehler der Verbündeten. Er meinte mit bitterem Spott: 
„Schwerlich möchte es etwas schlechter Ersonnenes und 
schlechter Ausgeführtes geben als ihren Feldzugsplan, auf 
den wir nicht haben einwirken können, weil es niemals - 
möglich war, sich ihn zu verschaffen; und warum das? Er 
existiert nicht!" 5 Ja, noch Mitte Juni, als der Waffenstillstand 
schon die Gemüter beruhigt hatte, gestand er, die Möglichkeit, 
dass sich die Erfahrungen des Frühjahrs erneuten, lasse ihn 
den Frieden dem Würfelspiel eines Krieges vorziehen, der 
in der Folge eben so schlecht geführt werden könnte, wie 
er bis jetzt geführt worden sei. 6 Jedenfalls gab er sich 



1. Graf Hardenherg an Münster 24. Mai. Oncken II, 310. 



4. Gegen Knesebeck. Meer heim b S. 142. 

5. An Binder 12. Mai: II serait difficile de rien voir ni de 
plus mal combine ni de plus mal defendu que leur plan militaire, 
sur lequel nous n'avons pas pu intiuer parcequ'il n'a jamais 
ete possible de se le proeurer, faute sans doute d'existence. 



6. An denselben 15. Juni: Et c'est le calcul sur la possibi- 




2. Meerheimb a. a. 0. S. 153. 

3. Lefebvre V, 318. 



H.-A. 



r, 



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- 226 - 



willig dazu her, den diplomatischen Rückzug anzutreten, mit 
dem man nach bewährtem Grundsatz den Kriegsereignissen 
„zur Seite blieb". 

Zunächst sah er geduldig zu, wie die deutschen Mittel- 
staaten, auf deren Gewinnung er einen so grossen Teil der 
Arbeit des April verwandt v hatte, einer nach dem andern 
ihren Weg zu dem Sieger von Lützen zurückfanden. Aais 
München erhielt er Nachricht, Max Joseph sei ganz vom 
Vizekönig Eugen gewonnen und umgestimmt, Montgelas die 
'personifizierte Furcht, der Kronprinz so tief in Ungnade, 
dass er nicht einmal zum Besuch des Vaters nach der 
Hauptstadt kommen dürfe. 1 Von Stuttgart schrieb Binder: 
meine Rolle hier ist ausgespielt. 2 Varnbüler wurde abbe- 
rufen, und Zeppelin begleitete die Ankündigung dieses Ent- 
schlusses mit dem verständlichen Hinweis, dass man die Unter- 
handlungen erst wieder aufnehmen könne, wenn sich die 
oesterreichischen Heere im Süden Deutschlands befänden.* 
Der König aber überliess sich seinem „natürlichen Hang 
für den Tyrannen Europas" 4 in dem Grade, dass er die eben 
erst umworbene Macht auf das schamloseste denunzierte. 6 
Noch betrübender waren die Vorgänge, die sich auf 
die Kunde von den neuen Erfolgen Napoleons am säch- 
sischen Hoflager in Prag abspielten. Hier hatte es gleich 
in den ersten Maitagen Aufregungen genug gegeben. Am 

lite du renouvellement de ces memes fautes qui nous fait preferer 
la paix aux chances de la continuation d'une guerre qui pourra 
etre aussi mal conduite dans la suite, qu'elle Pa ete jusqu'a 
preseut H.-A. 

1. Berichte Hrubys 25. Mai. H.-A. 

2. Privatbrief an Metternich 15. Mai. H.-A. 

3. Bericht Binders 19. Mai. H.-A. 

4. Äusserung des Kronprinzen ebenda: Despote par prin- 
cipe comme il Test, ü a un penchant naturel pour le Tyran de 
l'Europe. 

5. Schlossberger S. 296 f. 299. 301. 305. 



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- 227 — 

3. traf ein Brief Karl Augusts von Weimar ein, der dem 
königlichen Vetter die Drohung des Imperators übermittelte: 
wenn er gegen mich ist, wird er alles, was er bat, verlieren, 1 
und Tags darauf erschien der französische Gesandte Serra, 
um Torgau und die Kavallerie für Napoleon zurückzufordern. 
Friedrich August blieb zur grossen Freude seines Ministers 
zunächst noch fest, aber als am Abend des 6. der Ausgang 
der LUtzcner Schlacht bekannt wurde, war es um die müh- 
sam behauptete Standhaftigkeit geschehen. Er gab die 
Sache der Verbündeten verloren und sagte sich nicht ohne 
Grund, dass bei der zögernden Langsamkeit, die Oesterreich 
in seineu Rüstungen und seinem diplomatischen Gang beliebe, 
auch von dieser Seite wenig zu erwarten sei. Seine Angst 
kannte keine Grenzen. Er fiel bei offener Tafel in Krämpfe. 5 » _ 
Zu allem Unglück bestürmten ihn auch die Königin und 
Prinzessin Auguste, die Verzeihung des Schrecklichen an- 
zuflehen. Graf Senfft, mit Vorwürfen überhäuft, konnte 
trotz besserer Einsicht die Entwicklung nicht aufhalten 
und nahm seine Entlassung, nachdem er in letzter Amts- 
handlung den Systemwechsel nach Wien hin zu recht- 
fertigen gesucht hatte. Schon am Morgen des 7. wurde 
Serra die Gewährung seines Verlangens mündlich ange- 
kündigt, und am 8. bestätigte sie der gebeugte Monarch 
in einem Brief, der an Unterwürfigkeit nichts zu wünschen 
übrig Hess. 3 Doch war das Mass der Demütigung noch 
nicht voll. Gleich der nächste Tag brachte ein französisches 
Ultimatum, das unter Gewährung von nur sechs Stunden 
Bedenkzeit zu den beiden andern Forderungen noch die 
dritte kränkendste stellte, der König solle sich durch 
schriftliche Erklärung ausdrücklich als dem Rheinbund an- 



1. Flathe, Geschichte Sachsens III, 164. 

2. Lebensbilder II, 199. 
8. Flathe III, 349 f. 

5* 



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— 228 — 

gehörig bekennen. 1 Natürlich wurde auch dem gewill- 
fahrtet, und in der Frühe des 10. verliess Friedrich August 
sein böhmisches Asyl, um die Erfahrung reicher, dass ein 
Mittelstaat im Kampf grosser Nachbarn eine Neutralität 
nicht zu bewahren vermag. 

Dass das einen offenen Bruch des kaum drei Wochen 
vorher geschlossenen Vertrages bedeutete, Hess sich durch 
keine Senfftische Dialektik fortdemonstrieren 8 ; und schon 
die Ehre, wie vielmehr die Zweckmässigkeit hätte gefordert, 
diesen Affront oesterreichischerseits mit Repressalien zu er- 
widern. Gelegenheit dazu bot sich genug. Man konnte 
den König mit seinen Schätzen und Soldaten im Land 
zurückhalten, 3 oder wenn das zu gewaltsam schien, nun 
wohl so blieb der Rat, mit Annullierung der Konvention 
vom 8. April und Auflösung des polnischen Korps zu ant- 
worten. 

Die Verbündeten hätten nichts sehnlicher gewünscht. 
Dieser Poniatowsky war ihnen ein Dorn im Auge. Er 
durfte seine Regimenter Napoleon durchaus nicht zuführen; 
denn es handelte sich dabei um keine unbedeutende Ver- 
stärkung des Gegners. Schon an sich war das Korps ganz 
ansehnlich: oesterreichische Offiziere, die es nachher auf 
dem Durchmarsch beobachteten, zählten 13768 Mann, 4 und 
dann kamen noch zwei besondere Rücksichten hinzu; eine 



1. Flathe III, 168. 

2. Sen£ft an Watzdorf 8. Mai machte das Geschehene als 
Ausfluss einer juste delicatesse vis-a-vis de S. M. l'Empereur 
d'Autriche geltend. Oncken II, 290. 

3. Metternich begnügte sich auch hier mit einem seiner be- 
liebten kleinen Mittel : er versprach in seinem Vortrag vom 12. Mai, 
sich unverzüglich mit dem Hofkriegsratspräsidenten ins Einver- 
nehmen über die zu ergreifenden Nüanceu zu setzen, um auf die 
einzige, nicht kompromittierende Weise den Übergang der 
Sachsen aus Böhmen soviel thunlichst zu verzögern. H.-A. 

4. K.-A. Hauptarmee VI, 83, 91, 92, 97. 




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— 229 — 



militärische: es bestand fast zur Hälfte aus Kavallerie 
(6456 Pferde), .die, gut beritten, nur wenig mit Rekruten 
durchsetzt, den empfindlichsten Mangel des französischen 
Heeres ausglich; und eine politische: unter seinen Fahnen 
dienten eine Menge Söhne der ersten Familien Polens, die, 
von neuem an das System des Imperators gefesselt, die 
schädlichsten Verbindungen mit ihrem Vaterland aufrecht 
erhalten konnten. 1 So hatte man denn von Breslau aus 
Mitte April auf eigene Hand einen schüchternen Versuch 
l^ihTtcht, den Fürsten zu gewinnen. Man verfasste eine 
Proklamation, die den Polen in allgemeinen Ausdrücken 
Schutz und eine politische Existenz zusicherte, und schickte 
damit den Fürsten Anton Radziwill, von dem das Ganze 
ausging, nach Krakau. Aber der wachsame Bignon stellte • 
dem vornehmen Emissär zwei Gensdarmen vor sem Hotel, 
nahm ihm seine Papiere ab und Hess ihn abends darauf 
(21. April) durch einen Offizier über die Grenze geleiten. 2 
Die Staatsaktion hatte mit einer Farce geendet. 

Um so nötiger wurde es, dass Oesterreich eingriff, j 
Alexander und Xesselrode hatten schon vorher Andeutungen { 
fallen lassen, jetzt [Mitte Mai) traten sie mit förmlichen 
Anträgen hervor. 3 Metienuch hielt sie hin wie gewöhnlich. 
Er gab Stackelberg die beruhigendsten Versicherungen und ' 
verwies im übrigen auf Stadion, der gerade über diesen 
Punkt die weitgehendsten Instruktionen habe; jedoch es 
fand sich, dass der Gesandte selbst von solchen Instruktionen 
am allerwenigsten wusste, 4 und in Wirklichkeit geschah das 
Gegenteil des Erbetenen. Mächtiger als jede andre Erwägung 



1. Hardenberg an Metternich 18. April. Oncken I, 446 f. 

2. Ebenda; Kundschaftsnachrichten, Lemberg 28. April. K.-A. 
Reservekorps IV. 24; Memoires de Senffit p. 219. 

3. Berichte Lebzelterns 24. April, Stadions 14., 19. Mai, 
Brief Nesselrodes 20. Mai. H.-A. 

4. Berichte Stadions 19. Mai. H.-A. 



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- 230 - 



zeigte sich in Wien die Furcht vor Napoleon. Man erkannte 
nicht nur jene Vereinbarung vom 8. Aprü nach wie vor als 
bindend an, sondern fügte sich geduldig allen Launen 
Poniatowskys, der heute marschierte, morgen in den Rayon 
von Podgorze zurückwollte und übermorgen erklärte, nicht 
vom Platz zu weichen. 1 „Seine Majestät sind so entfernt 
wie je, auf die Bewegungen des Korps einwirken zu wollen" 
schrieb der Minister an den französischen Botschafter und 
fügte hinzu, auch Frimont habe erneuten Befehl vom Hof- 
kriegsrat erhalten, die Polen in keiner Weise zu hindern.* 

Ja, nicht genug selbst damit. Es brauchte nur einiger 
Drohungen, dass das Mass voll sei, um die Bedingungen 
des Durchmarsches trotz Prag erheblich günstiger zu ge- 
| stalten. Schon am 16. Mai verzichtete Metternich auf die 
^ „entehrende" Bestimmung, dass die Polen auf oesterreichischem 
' Staatsgebiet die Waffen niederlegen müssten. Am 20. präsen- 
/ tierte er als „neuen Beweis der Rücksicht und Willfährigkeit 
\ gegen den Kaiser der Franzosen" einen abgekürzten Marsch- 
( plan, der sie, statt wie ursprünglich bestimmt, an die bairische 
Grenze, Neuhaus links lassend, in achtzehn Märschen von 
Austerlitz nach Giesshübel führte, und vierzehn Tage später 
(4. Juni) gestand er gar die damals noch aus „zwingenden 
Gründen" verweigerte Direktion auf Zittau zu, um dem 
allerdings unerfüllbaren Verlangen, Poniatowsky sollte nach 
Schweidnitz vorbrechen, nicht eine nackte Ablehnung ent- 
gegenzusetzen. 3 



1. Hudelist an Stadion 25. Mai: Lea colonnes polonaises qui 
marchent un jour, vcalent retourner Pautre dans le rayon de 
Podgorze et declarent le troisieme qu'elles ne bougeront pas sans 
un nouvel ordre de PEmpereur Napoleon. H.-A. 

2. Lettre offizielle Metternichs an Narbonne 14. Mai. H.-A. 

3. Bignon XI, 464 f.; Lettres offizielles an Narbonne 16., 
20. Mai; kaiserliches Handschreiben an Friedrich August 22. Mai; 
Reskript an Bubna 4. Juni. H.-A, 



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— 231 - 

Es war im Kleinen dasselbe Schauspiel, das die all- 
gemeinpolitischen Verhandlungen mit Napoleon im Grossen 
boten. Sie hatten sehr bald nach der Lützener Schlacht von f 
neuem begonnen. Schon bevor deren Ausfall bekannt wurde, 
war als Gegenstück zur Mission Stadions die Zurücksendung 
Bubnas ins französische Hauptquartier geplant gewesen. • 
- Aber während diese erst nur der diplomatischen Symmetrie j 
hatte dienen sollen, 1 gewann sie unter den veränderten Ver- 
hältnissen eine sehr reelle Bedeutung. Gleich an einem 
ganz ausserlichen Umstand trat das zu Tage. Noch im 
Moment der Abreise wurde dem General in aller Eile das 
Kommandeurkreuz des Leopoldsordons verliehen, nicht so 
sehr wegen seiner zweifellosen Verdienste, als damit der 
Imperator, der eine Auszeichnung für ihn gewünscht hatte, 2 
sich durch den prompten Erfolg der Empfehlung geschmeichelt 
fühle. 3 Und vollends deutlich zeigten seine Instruktione n 4 
den Umschlag der Stimmung. Sie reichten in mrem 
ersten Entwurf gewiss in die Tage der Hoffnung zurück; 
denn noch redeten sie davon, dass die bevorstehenden Er- 
öffnungen die Beziehungen zu Frankreich endgiltig regeln 
sollten, wiesen wiederholt und mit Nachdruck auf die mili- 
tärischen Mittel des Staates hin und wollten keinen Zweifel 
darüber gelassen wissen, dass, wenn Napoleon sich der 
Stimme der Vernunft verschliesse, der Wiener Hof zu seinem 
Bedauern gezwungen sein werde, seinen auf das Wohl aller 
gerichteten Absichten mit Waffengewalt Gehör zu verschaffen. 
Aber im eigentlich Wesentlichen, den Friedensbedingungen, 
bezeichneten sie bereits einen Rückschritt selbst hinter das, 
was vor vier Tagen Stadion den Verbündeten als Minimum 



1. Oncken H, 308 nach einem Ausdruck Stadions. 

2. Napoleon an Kaiser Franz 13. April. Corr. XXV, 226. 

3. Vortrage Metternichs 11. Mai. H.-A. 

4. Oncken II, 645 ff. 



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— 232 — 

der Ansprüche hatto mitteilen dürfen. 1 Sie verlangten vor- 
behaltlos lediglich die Auflösung des Herzogtunis Warschau, 
die Rückgabe Illyricns und den Verzicht auf die rechts- 
rheinischen Departements: von der Frage des Rheinbundes 
hiess es, sio ginge Oesterreich unmittelbar nichts an, und 
(üe Grenzberichtigung gegen ßaiern sollte nur gesprächs- 
weise gestreift werden. 

In Wahrheit, das kaiserliche Handschreiben* konnte 
mit gutem Gewissen versichern: „Der Vermittler ist der 
Freund Ew. Majestät", und an und für sich gab es einen 
neuen Beweis dafür. Sehr möglich, dass Franz die Vorlage 
seines Ministers höchstselbst im Sinn grösserer Hingabe 
geändert hatte. 3 So wie er es abschickte, schmeichelte es 
in nicht eben glänzendem Französisch: Ich werde mich 
beglückwünschen, zu dem heilsamsten Werk beigetragen zu 
haben, wenn Ew. Majestät meine Anstrengungen durch die 
Mässigung unterstützen, die Ihre Regierung unter die glor- 
reichsten versetzen und Ew. Majestät die glücklichste Zukunft 
sichern wird, indem sie auf unerschütterliche Grundlagen die 
Dynastie stellt, die Sie begründet haben, und deren Existenz 
mit der meinen eins geworden ist. 



1. In seinen Instruktionen (Onckon II, 644) heisst es: Le 
Minimum des pretentions de l'Autriche dans une paix devrait etre: 
] .,Le recouvrement des provinces Ulyrionnes y compris Ja Dalmatie. 

/ 2. La cessation du Duche de Varsovie. 3. Une nouvelle frontiere 
^ contre la Bayiere. Le Minimum des pretentions des Puissances: 
1. Le retour de la Prusse meridionale au Roi de Prusse. /2. La 
renonciation de PEmpereur des Francais a ses departemens d'outre- 
JRhin. 3. La renonciation ä la confederation du Rhin, du moins en 
partie ou avec modifications. 

2. Oncken II, 648 f. 

3. So berichtet Graf Hardenberg. Oncken II, 310. Welches 
im einzelnen diese Veränderungen waren, liess Bich leider nicht 
feststellen, da der erste Entwurf Metternichs nicht mehr bei den 
Akten war, 



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— 233 _ 



Und doch erschien alles schon am nächsten Morgen zu 
mutig. Eine Zusatzinstruktion vom 12. befahl dem Gesandten, 
für den Fall, dass er den Imperator sehr aufgebracht fände, 
das heikle Thema des Protektorats über Deutschland Uber- 
haupt nicht zu berühren und bis auf Weiteres nur als 
Oesterreicher, nicht als Vermittler zu sprechen. 1 Das Letztere 
war offenbar die Brücke zu weiterem Rückzug. Wozu 
denn bei einer Halbheit stehen bleiben und nicht einfach auf 
die „Verwendung" des Winters zurückgreifen? Eine Woche 
später wurde dieser Schritt thatsächlich gemacht. Metter- 
nich schickte Bubna jetzt (19. Mai) zur Mitteilung an den 
Herzog von Bassano ein wohlstilisiertes Schreiben, 2 in dem 
er versprach, als „lntervenant" die Bedingungen Napoleons 
zu unterstützend Auch sonst kam er dem geschmähten 
Haugwitz darin recht nahe. Mit den stärksten Farben 
schilderte er die Friedensliebe seines Herren: ,.Er verabscheut 
den Krieg. Er würde ihn zumal gegen Frankreich nur aus 
Notwehr beginnen. Er hält aus voller Überzeugung fest 
an der Allianz" 3 ; und von der Schlacht bei Lützen wagte er 
zu sagen: „Sie hat unserer Erwartung entsprochen. Eine 



1. Supplement d'instruction au Comte de Bubna, Vienne le 
12 mai: Dans le cas quo vous dussiez trouver l'Empereur Na- 
poleon tres monte, vous ne touchcrez pas la question du Protec- 
torat sur PAllemagne et vous attendrez que nous vous donnions 
les directions de parier en mediateur, tandis que actuellement 
cneore vous ne parlez qu'en Autrichien. H.-A. 

2. Da Bubna am 19. Mai bereits auf der Rückreise von 
Dresden war, konnte er den Brief erst bei seiner zweiten Mission 
am 31. Mai in Liegnitz dem Herzog vorlesen. Vgl. seinen 
Bericht vom 2. Juni. H.-A. 

3. PEmpereur ne veut que la paix, il deteste la guerre. II 
ne ferait surtout la guerre ä. la France qu'ä son corps defendant, 
11 tient ä l'alliance de pleine conviction. 



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— 234 — 



neue Schlacht scheint sich vorzubereiten. Der Kaiser wird 
sie gewinnen wie die erste". 1 

Ihren Höhepunkt aber erreichte die ganze Entwicklung, 
als am 21. Bubna unerwartet aus Dresden wieder in Wien 
auftauchte: Seine Berichte zeigten auf der einen Seite den 
gewaltigen Zorn Napoleons und eröffneten doch auf der 
andern allerlei Aussichten für einen mindestens Oesterreich 
nicht ungünstigen Frieden. Es galt also durch doppelte 
Mässigung jenen zu beschwichtigen und diesen aufzuhelfen. 
Kaiser und Minister beschlossen, den General unverzüglich 
auf seinen Posten zurückreisen zu lassen, und gaben ihm 
ein Handschreiben und Weisungen mit auf den Weg, denen 
gegenüber die Sprache vom 11. Mai noch fest und würdig 
erscheinen musste. 

Franz durfte diesmal auf einen der herrlichsten Briefe 
antworten, die aus der Feder seines grossen Schwieger- 
sohnes hervorgegangen waren. „Wenn Ew. Majestät noch 
einiges Interesse an meinem Wohlergehen nehmen, hatte 
Napoleon ihn beschworen,' so sorgen Sie für meine Ehre! 
Ich bin entschlossen, nötigenfalls lieber zu sterben an der 

! Spitze alles dessen, was Frankreich an hochgesinnten 
Männern nährt, als zum Gelächter der Engländer zu werden. 
Denken Ew. Majestät an die Zukunft. Zerstören Sie nicht 
die Frucht von drei Jahren der Freundschaft. Opfern Sie 

i nicht das Glück unserer Generation, das Ihres Lebens und 
das wahre Beste Ihrer Unterthanen, warum soll ich nicht 
sagen: eines Teiles Ihrer Familie, der Ihnen so aufrichtig 
zugethan ist." 



1. Elle a repondu a notre attente. Uno nouvelle bataille a 
l'air de se preparer. II (Napoleon) la gagnera comme la premiere. 

2. Dresden 17. Mai. Corr. XXV, 350. Metternich erklärte 
den Brief ganz fein für „ein seltenes Gemisch von Natürlichkeit 
— ich möchte fast sagen — Herzlichkeit und zugleich von 
grosser Kunst." Vorträge 21. Mai. H.-A. 



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— 235 — 



Es lag nahe, daran anzuknüpfen. Aber war es nötig 
zu beteuern: „Legen Ew. Majestät die Sorge für Ihre Ehre 
in meine Hand! An dem Tag, wo ich Ihnen die Tochter 
gab, ist diese Ehre die meine geworden, und ich werde sie, 
wenn Sie mir beistehen, als die meine zu verteidigen 
wissen"? 1 Es schien ja fast, als sei man durch Zauber- 
schlag in das Jahr vorher zurückversetzt worden, wo 
eben in den Tagen die Dresdener Verbrüderungsfeste statt- 
gefunden hatten. 

Die eigentlichen Instruktionen 2 schwächten diesen Ein- 
druck kaum ab. Mit peinlicher Kasuistik schieden sie die 
drei Fälle, dass Napoleon gesiegt, nichts Entscheidendes 
unternommen, eine Niederlage erlitten habe. Selbst im 
letzten durfte der Gesandte sich nicht mit den Forderungen 
identifizieren, die soeben (d. d. Wurschen 16. Mai) von den 
Verbündeten offiziell mitgeteilt wurden 3 : „unsere Ideen weichen 
nach Umfang und Einzelheiten wesentlich ab"; und doch 
enthielt jenes Programm nichts, was nicht vor zwei Wochen 
auch Metternich als Vorbedingungen für einen guten Fest- 
landsfriedcn bezeichnet hatte. 4 Vollends für den ersten, der 



1. Que Votre Majeste depose entre mes mains le soin de Son 
honneur! Le jour oü je lui ai donne ma fille cet honueur est 
devenu le mien, et je Baurai, si Elle me seconde, le deTendro 
comme le mien. Kaiser Franz an Napoleon 23. Mai. H.-A. 

2. Oncken II, 673 ff. 

3. Oncken II, 318. , 

4. In den Weisungen für Stadion 7. Mai (Oncken II, 644) ; 
heisst es: Une paix continentale bonne serait: 1. Le retablissement 
des pays constituant Tancien royaume de Pologne dans l'etat avant 
la derniere paix deVienne. 2. Le retablissement de la Prusse dans 
ses anciennes possessions dans le nörd de l'Allemagne. 3. La 
restitution de la part de la France de tout ce qu'elie a en Alle- 
magne au-dela du Rhin. 4. La Hollande, pays indöpendant. le la 
France. 5. La restitution de toutes les provinces francaises en 
Italie. 6. Le retablissement du pape dans ses possessions Italiennes. 



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- 236 — 



als der wahrscheinlichste die ausführlichste Erörterung fand, 
sollte Bubna nicht einmal an dem abgeschwächten Minimum 
vom 11. festhalten. Vielmehr wurde hinsichtlich der rechts- 
rheinischen Departements nur noch ein mindestens eventuelles 
Abkommen gewünscht, „das im letzten Ende sich auf ein 
Abkommen über das rechte Elbufer beschränken könnte," 
und die Frage des Rheinbundes sah sich gar mit der 
spanischen auf eine Linie gestellt, ad Jcalendas graeeas, bis 
zu einem allgemeinen Kongress vertagt. Von der Grenze 
gegen Baiern verlautete überhaupt kein Wort mehr; der 
Gesandte hatte gleich beim ersten Mal davon geschwiegen, 
weil er fürchtete, der Imperator werde das Max Joseph in 
schwärzestem Licht darstellen. 1 

Und solche offenbar ungenügenden Friedensbasen ver- 
sicherte der Wiener Hof nicht etwa als kleineres Übel sich 
gefallen zu lassen, sondern mit der ganzen Kraft seiner 
Stellung zu unterstützen. 2 Dem entsprach es, dass das all- 
gemeine Verhältnis zu Napoleon als weit inniger dargestellt 
wurde als das zu den Verbündeten: Oesterreich sei frei von 
jedem politischen Band ausser gegenüber Frankreich. Es 
stand wieder alles wie in den Wintermonaten. Auch die 



7. Pour l'Autriche, la frontiere en Italie, teile qu'elle avait jusqu'a 
la paix de Luueville. La frontiere du Miucio ou de l'Oglio avec 
les forteresscB ; Je Tirol et rinn, les provinces Dalmatiennes et le 
retour de tout ce q'elle a perdu de ce cöte-la parlapauc de Vienne. 

8. Pour l'AUemagne, cessation de la Suprematie de Napoleon. Eta- 
blissement d'un Systeme quelconque qui reunisso les interets de 
ce pays ä ceux de l'Europe. 9. Le royaume d'Italie hors des 
mains de l'Empereur des Francais. 

1. Bericht Bubnas 16. Mai. Onckon II, 654. 

2. Es heisst: Vous aurez, monsieur le Comte, ä faire entrevoir 
ä l'Empereur des Francais que dans le cas quo S. M. J. düt 
entrer dans ces poiuts de vue, notre auguste maitre . . . ap- 
puyerait de toute la forco de son attitudo l'acceptation do 
ces conditions comme bases de paeification. 



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- 237 - 



Lieblingsphrase von damals holte der Minister von neuem 
hervor: Wir können nichts für den Kaiser der Franzosen 
thun, aber alles filr unsere gemeinsamen Interessen. Kurz, 
es durfte nicht wunder nehmen, wenn der Mann, dem diese 
Sprache vorgeschrieben ward, noch immer mit der Möglich- 
keit rechnete, dass die Mediation in den Krieg für Frank- 
reich führe; 1 und jedenfalls waren die Aussichten auf den 
Krieg gegen Frankreich geringer als je. Es warf ein f 
grelles Licht auf die Lage, dass eben jetzt die „Berliner 
Zeitung" in Wien polizeilichem Verbot verfiel aus keinem 
andern Grunde, als weil sie verkündigte, Oesterreich werde 
bis zum 24. Mai gemeinsame Sache mit den Russen machen. 3 
Man wollte nicht mehr an das Wort erinnert sein, das man i 
vor nicht vier Wochen in so feierlicher Weise gegeben 
hatte. / 

Übrigens war man thatsächiieh schon nicht mehr im- 
stande, es einzulösen. Es fehlten die 60,000 Mann an der : 
Eger, die den Fortschritten Napoleons hatten Halt gebieten | 
"sollen. Auch auf militärischem Gebiet war die Schlacht bei 
Gross-Görschen, wie Stadion klagte, 3 das Signal für „Hinder- 
nisse und Aufenthalte ärgerlichster Natur" geworden, und 
dabei hätte hier allein unausgesetzte Anspannung aller 
Kräfte zum Ziel geführt. 

Denn zunächst, Anfang Mai, stand die „Hauptarmee 
in Böhmen" so sehr nur auf dem Papier, dass der neue 
Generalissimus, ohne seinen Geschäften das Geringste zu 
vergeben, noch zwei Wochen lang die Annehmlichkeiten des 



1. Bubna sagt in den feinen Bemerkungen, mit denen er 
(Wien 22. Mai. Oncken II, 658) seinen ausführlichen Berieht 
begleitet: Sollte die Mediation in^den Krieg für Frankreich 
führen, so sind die dermaligen aufgestellten Streitkräfte hin- 
länglich. 

2. Krones, Tagebuch Erzherzog Johanns S. 20. 1 

3. Bericht 3. Juni. Ouckeu II, 661. 



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- 238 



Wiener Lebens geniessen durfte. 1 Wirklich zur Stelle war nur 
das Observationskorps ; die neu mobilgemachten 14 Bataillone 
und vier Schwadronen exerzierten noch ruhig in ihren 
Friedensquartieren; die beiden Divisionen des Reservekorps 
konnten, Prohaska nicht vor dem 20. Mai Czaslau, Civalart 
nicht vor dem 31. Deutschbrod erreichen; und was die Truppen 
vom Auxiliarkorps anbetraf, so liess sich über die 14 Bataillone 
und 26 Schwadronen unter Bianchi, Fröhlich und Scheither 
etwas Gewisses solange überhaupt nicht sagen, als die 
Entschlüsse Poniatowskys in Dunkel gehüllt blieben, Siegen- 
thal aber führte seine 10 Bataillone und 12 Schwadronen 
günstigsten Falls zum 26. nach Czaslau. s 

Dazu fehlte auch innerhalb der einzelnen Divisionen 
und Regimenter viel an wirklicher Kriegsbereitschaft. Ins- 
besondere das Auxiliarkorps, sonst berufen, den moralischen 
Kern des Heeres zu bilden, hatte den bescheidenen Ruhm 
des russischen Feldzugs mit grossen Verlusten an Menschen 
und Material erkauft. Die Zahl seiner Kranken betrug 
Anfang April 6000 3 ; noch Mitte Juni war der Stand seiner 
leichten Kavallerieregimenter so niedrig, dass manche 
Schwadron nur 60 bis 80 Pferde aufwies. 4 Es war die 
ganze Zeit hindurch garnicht oder schlecht besoldet worden, 
Schwarzenberg hatte aus eigener Tasche an 8000 Gulden 

1. Das Datum seiner Abreise steht nicht genau fest. Metter- 
nich in einem Vortrag vom 18. Mai schreibt: Schwarzenberg 
geht morgen früh nach Böhmen /ab; nach Radetzky, Biographie 

i. S. 138 hätten sich Feldmarschall und Generalstabschef seit dem 

23. in Prag befunden. Der in den Lebensbildern II, 203f. abge- 
druckte Brief des Ministers F. v. — Prag 31. Mai spricht von 
der „endlich gestern" erfolgten Ankunft des Kommandierenden 
Generals. 

2. Radetzky, Memoire über die Aufstellung und Bedürfnisse 
der Observationsarmee in Böhmen, Wien 9. Mai 1813, in den 
Denkschriften S. 93 ff., übrigens nicht vollständig, abgedruckt. 

3. Prohaska, „Verschiedene vorläufige Entwürfe" 6. April. K.-A. 

4. Vortrag Schwarzenbergs 14. Juni. K.-A. 



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- 239 - 



auslegen müssen, um seine Offiziere nicht darben zu lassen. 1 
Der gemeine Mann vollends war abgerissen, und der Mangel 
am Nötigsten wirkte nachteilig auf seine Disziplin. 8 

Bei der Ausrüstung der neuen Truppen aber rächte 
sich das Sparsystem der letzten Jahre, von dem Lebzeltern 
sehr richtig bemerkte, dass es eintretenden Falls das 
Doppelte koste. Für nichts war vorgesorgt. Während man 
120000 Stück Tuch brauchte, Hessen sich kaum 33000 be- 
schaffen. Es blieb nichts übrig, als Linienkompagnien in 
die unförmigen Mäntel zu stecken, die von der Landwehr 
her in Prag lagen. Als Radetzky in die böhmische Haupt- 
stadt kam, musste er die Handwerker aller Zünfte in Reit- 
bahnen und Tanzsälen zu emsigster Arbeit vereinen, um die 
nötigen Monturen und Rüstungen herzustellen, und das gelang 
erst, nachdem er eigenmächtig eine Million Gulden Landes- 
einnahmen zu a conto - Zahlungen an die Fabriken und 
Handelsleute verwandt hatte 3 ; denn überall wirkte es 
hemmend ein, dass der Kredit der Militärverwaltung verloren 
war. Wenn die Lieferanten auf Forderungen von zwei Mil- 
lionen Gulden aus dem Vorjahr bisher auch nicht einen Kreuzer 
Abschlagszahlung erhalten hatten, so war es ihnen freilich 
nicht zu verdenken, dass sie keine Geschäfte mehr mit dem 
Staat machen wollten. 4 Sie hatten vielleicht nicht einmal 
mehr die Mittel, um das nötige Rohmaterial zu beschaffen. 
So stellton die Schuhmacher die Arbeit ein, weil ihnen das 

1. Vortrag ßellegardea 26. April. K.-A. 

2. Criate S. 225. Lebzeltern schreibt in einem Privatbrief 
an Metternich vom 26. März über les details que l'on a ici sur 
le mauvais etat de notre armee, sur la misere des officiers reduits 
a l'aumöne, sur le mauvais genre d'economie qui finit par coüter 
le double ä l'occasion. H.-A. 

3. Autobiographie. Mitth. des k. k. Kriegsarchivs 1887, 
S. 72. 

4. Wie alle übrigen Einzelheiten aus dem Vortrag Bellegardes 
13. Juni. K.-A. 



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- 240 - 

Geld zu Leder fehlte. 1 Im Grossen sah es mit dem Material 
kaum besser aus. Statt acht Kompagnien Pionieren mit 
60 Pontons gab es nur vier mit 30, statt 40 Batterien noch 
am 3. Juni nur elf, und die Transportdivisionen waren noch 
nicht rechi verwendbar. 2 

Der' Generalstabschef hatte gleich anfangs (9. Mai) auf 
die wichtigsten dieser Mängel hingewiesen und allerlei Vor- 
schlägegemacht, wie man die gegenwärtig selbst auf dem Papier 
nur 87000 Mann starke Armee wirklich auf 120000 bringen 
könne. 3 Als nun vollends die Erfolge Napoleons bekannt 
wurden, erschien ihm die Waffe, mit der man den schweren 
Kampf wagen wollte, doppelt unzureichend. Auch ihm hatte 
der Rückzug^alles Vertrauen in die Verbündeten benommen. 
Er empfahl, ihre Operationen nur als accessorischen Nutzen 
zu betrachten, und redete sich ein, dass, sobald Oesterreich sich 
erklärt habe, der Imperator von den alten Gegnern ablassen 
und mit ganzer Macht über den neuen herfallen würde. 4 
Der Feldmarschall teilte diese Ansicht, und so einigten sich 
beide leicht über eine Reihe weitaussehender Anträge, die 
die Monarchie noch in elfter Stunde in Stand setzen sollten, 
solchem Angriff mit Ehren zu begegnen (IL, 14. Mai). 

Ihre erste Sorge galt natürlich dem eignen Heer. Sie 
wünschten nicht nur seine Feld truppen durch 19 Bataillone und 
32 Schwadronen verstärkt, sondern auch die dritten Bataillone 
und dritten und vierten Divisionen seiner Regimenter auf den 
Kriegsfuss gesetzt und nach Böhmen verlegt, damit die leichte 
Ergänzung von Verlusten gesichert sei. Demnächst drangen 
sie auf grösseren Schutz der West- und Südgrenze. Es 
empfahl sich offenbar, „wenngleich zur Vermeidung aus- 
wärtiger Aufsichtigkeit nicht gleich itzt, so doch in Zeiten« 

1. Oiste S. 226. 

2. Radetzky, Denkschriften S. 97 f. Vortrag Schwarzenbergs 
3. Juni. K.-A. 

3. Radetzky, Denkschriften S. 93 fl. 

4. Radetzky, Denkschriften S. 103 f. 



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- 241 - 



auf Verschanzungen im Donauthal vorzudenken; und uner- 
läßlich war die Mobilisierung aller noch irgend verfügbarer 
Truppen. Erfolgte sie, so Hessen sich aus den Feld- 
bataillonen und -Schwadronen zwei Armeen von 50000 und 
14000, jene an der Enns, diese zur Deckung Wiens bilden, 
und stellten die dritten Bataillone und vierten Divisionen 
an öSOOO Mann für Garnisonen und Reserven. 1 

Es kam nun alles darauf an, dass diese Rüstungspläne 
rasch und vollständig zur Durchführung gelangten. Einen 
Augenblick schien es so, als ob mindestens dem wichtigsten, 
der Vermehrung der Hauptarmee, ein günstiges Schicksal 
beschieden sei. Der Kaiser blieb bei dem Wunsch, 120000 
Mann in Böhmen zu haben» und vollzog anstandslos das 
Handschreiben, dessen Entwurf Schwarzenberg gleich seinem 
Vortrag beigelegt hatte. Es verfügte, dass neben andern 
sechs Bataillonen und 18 Schwadronen die Divisionen 
Novack und Pflacher, 13 Bataillone 14 Schwadronen, aus 
Oalizien herangezogen würden (12. Mai). 

Da aber erhob sich im Schosse des Hofkriegsrats eine 
umso heftigere Opposition. Bellegarde mochte es schon 
nicht gern gesehen haben, dass entgegen' seinen Vorschlägen 
vom 1(>. April Prohaska und Civalart vom Rcservekorps 
abgezweigt worden waren. Indessen er hatte sich gefügt 
und aus dem Rest sowie der Division Ptlacher vom Auxiliar- 
korps die „Observationsarmee in Galizien" unter Reuss in 
Stärke von vorläufig 19 Bataillonen und 38 Schwadronen 
gebildet. Diese abermals um fast zwei Drittel geduldig ver- , 
mindern zu lassen, wie es der neueste kaiserliche Befehl 
wollte, vertrug sich nicht mit seinem Stolz. Er erhob 
Protest gegen ihre „grosse Schwächung und beinahe ganz- j 
liehe Auflösung". Sechs Bataillone und 24 Schwadronen, 

• 

von denen die drei Bataillone und sechs Schwadronen unter , 
Radivojevich noch dazu erst am 5. Juni in Bochnia ein- 



1. Oiste S. 252. 

16 



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- SU2 - 

träfen, seien die Macht nicht, um wichtigen Ereignissen, wie 
sie eine schnelle Veränderung des Kriegstheaters mit sieh 
bringen könnte, die Stirn zu bieten; schon die zweifelhafte 
Haltung Poniatowskys mache ein angemessenes Obser- 
vationskorps notwendig. — All seine Mühe schien ihm ver- 
schwendet. Mit schlecht verhehltem Unmut fragte er, „ob 
nunmehr auch und in welcher Stärke die Aufstellung der 
zweiten Armee stattfinden solle, und was Seine Majestät 
rücksichtlich der Vorbereitung zu einer Reservearmee an- 
zuordnen geruhen würden". Man kannte sich ja vor Ordre 
und Kontreordre kaum mehr aus. Am 8. Mai war der 
dafür vorzüglich geeignete Frimont zum lnterimskomman- 
danten der zweiten Arme«' bestimmt worden, jetzt figurierte 
er auf einmal unter den Divisionären der ersten. 1 

Ohne Eindruck blieben diese Vorstellungen nicht. 
Franz vereinigte die beiden Gegner mit Metternich und 
Duka zu einer Konferenz und überwies ihr die Beratung 
der Schwarzenbergischen Anträge (13. Mai). Damit war 
deren Loos in die Hände von Männern gelegt, die «ur den 
einen Wunsch kannten, dem drohenden Krieg zu entgehen 
und deshalb jede Oinbrago zu vermeiden. Die Verstärkung 
der böhmischen Armee wurde glatt abgelehnt: 80 Bataillone 
und 98 Schwadronen wären ausreichend; und den andern 
Vorschlägen bezeigte man höchstens ein platonisches Wohl- 
wollen. Am meisten noch der kriegsmässigen Aufstellung 
der Ergänzungsmannschaft fürs Hauptheer. Bellegarde er- 
kannte sie als eine sehr kräftige und wünschenswerte Mass- 
regel an; aber er verwies auf die bekannten Schwierigkeiten, 
denen die Beschaffung von Montur und Remonten be- 
gegne. Einstweilen habe man — und die Herren hielten 
das für sehr „rücksichtswürdig" — mit der Ausrüstung 
der seit vierzehn Tagen in Formierung begriffenen Truppen 
gerade genug zu thun, ja es sei eine traurige Thatsache, 

1. Vortrag Bellegardes 13. Mai. K.-A. 



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- 243 - 

dass die dritten Bataillone und dritten und vierten Divisionen 
des Auxiliarkorps, die nach allerböcbsteni Befehl schon im 
vorigen Jahr auf den Kriegsfuss hätten gesetzt werden ' 
sollen, noch heute entfernt nicht in richtiger Stärke da- 
stünden. Würde da die gleiche Massregel bei einer soviel j 
grösseren Zahl von Regimentern etwa besser glücken? Der 
Präsident bezeichnete es, solange nicht für Material vorge- 
sorgt sei, als eine ,.platte Unmöglichkeit" und stellte ein- 
dringlich vor, wie die einzige Folge die sein werde, dass 
man ungekleidete und unausgerüstete Rekruten, statt 
Kavallerie unberittene, zu keinem Dienst verwendbare Leute 
zu ernähren und neue Chargen zu kreieren habe, die, ohne 
etwas Wesentliches zu effektuieren, nachher dem Staat als 
Supernumerare lästig fielen, „welches besonders auf den 
Fall empfindlich wäre, wenn es, wie es doch nach allen 
diesen Prämissen sehr zu wünschen ist, zu garkeinem 
Krieg kommen sollte." 

Wo solche Argumente verfingen, konnte die Mobil- 
machung aller noch übrigen Regimenter und Formierung 
eines Korps an der Enns noch weniger auf günstige Auf- 
nahme rechnen. Mindestens wollte die Konferenzmehrheit 
zuvor die eisten Depeschen von Bubna und Stadion ab- 
warten; denn gleich jetzt damit anzufangen, erschien ihr 
kaum anders als verbrecherische Tollkühnheit, „weil, wie es 
im Protokoll heisst, Napoleon durch Truppenaufstellungen 
und Verschanzungen gegen Baiern, Italien und Illyrien so- 
wie auch durch alle Schritte, die nur bloss als gegen Ihn 
gerichtet angesehen werden können, sich aufgefordert finden 
dürfte, den Ausbruch des Krieges, den man zu vermeiden 
suchet, wirklich herbeizuführen und zu beschleunigen." 

So war denn das Resultat der Beratung der annselige 

Beschluss, zunächst nur die präsenten mobilen Truppen mit 

allein auszurüsten, alsdann erst die zugehörigen dritten 

Bataillone und dritten und vierten Divisionen auf den 

Kriegsfuss zu setzen und vollends zur Errichtung der Re- 

le* 



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— 244 — 



servedivisionen und -Schwadronen nicht eher zu schreiten, 
als bis der Krieg wirklich ausbräche oder die Wahrschein- 
lichkeit dafür so gross sei, dass kein Aufschub mehr 
stattfinden könne. 1 Das hiess wirklich vergessen, in welcher 
Zeit man lebte, und welchem Gegner man gegen überstand. 
Radetzky glaubte sich denn auch nicht dabei beruhigen zu 
dürfen. Er entschloss sich zu einem letzten Versuch, der 
Sache der Kraft zum Siege zu verhelfen, und wandte seine 
ganze ruhige Beredsamkeit an eine Denkschrift, die besser, 
als Sehwarzenberg das in der Debatte gethan haben mochte, 
die Kinjö1irj^3e4legardeg.^ügeii das grosse RUstuttggprogranim 
zurückwies (17. Mai). 8 Wenn die Konferenz, um „alles un- 
nötige Aufsehen und jede daraus entstehende Missdeutung" 
zu vermeiden, sogar die angeordnete Mobilmachung der 
Wiener Kavallerieregimenter Moritz Lichtenstein-Kuirassiere 
und Schwarzenberg-Uhlanen vor der Hand unterlassen 
wünschte, so sprach er es offen aus: die Rüstungen unserer 

1. Konferenz-Protokoll vom 14. Mai 1813, welches in Gemäss- 
heit dc8 allerhöchsten Handschreibens vom 13. dieses Monats die 
Anwesenden: Metternich, Bellegarde, Schwarzenberg, Duka über 
die von Schwarzenberg überreichten Anträge . . zu unterlegen 
die Gnade haben. K.-A. 

2. Über die Aufstellung einer Armee zur Vermittlung eines 
dauerhaften Friedens. Wien 17. May 1813. K.-A. Der Abdruck 
in den „Denkschriften" S. 85 ff. trägt das falsche Datum des 
17. März; und dieser Lesefehler eines flüchtigen Herausgebers: 
rz statt y ist seit fast 40 Jahreu iu die Darstellung aller derer 
übergegangen, die das Memoire überhaupt benutzten, wobei dann 
noch dazu die Bezeichnung Napoleons als „mutmasslichen Geg- 
ners" nach dieser oder jener Richtung allorlei Schlüsse auf die 
oesterreichische Politik des Winters veranlasst hat. Die einzige 
Spur, die vielleicht auf Entdeckung des Irrtums hätte leiten 
können, die Angabe nämlich, dass „jeder der beiden krieg- 
führenden Teile bereits in voller Schlagfertigkeit dastehet" (was 
Mitte März doch bekanntlich noch nicht der Fall war), ist, soweit 
ch sehe, von niemand beachtet worden. 



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— 245 — 



Armee sind schon dermassen weit vorgeschritten, dass trotz 
aller Vermittlungsversuche man sich unmöglich verhehlen 
darf, welch ernsthafte Deutung unserm Benehmen gegeben 
werde; und führte den Friedensaposteln zu Gemüt: die 
Hoffnung, es werde nicht zum Krieg kommen, wiegt den 
unendlichen Nachteil bei weitem nicht auf, der entstehen 
muss, falls nicht alle Vorbereitungen noch vor dem wirk- 
lichen Ausbruch der Feindseligkeiten getroffen werden. 

Es scheint, dass 4er Kaiser sich der zwingenden Logik 
dieser Sätze nicht ganz entziehen konnte. Vielleicht auch 
sah er ohnehin weiter als sein Hofkriegsratspräsident. Genug, 
er kam der Aktionspartei einen Schritt entgegen. 

Zunächst hatten ihn die Klagen über die mangelhafte 
Ausrüstung der mobilen Truppen sichtlich auf das peinlichste 
berührt. Er schärfte ein, mit unausgesetzter Eile Montur 
und Remonten in solcher Ausdehnung zu beschaffen, „dass 
dadurch, wenn ich auch alle meine Truppen mobil zu machen 
beschliesse, die Erfordernis vollkommen und in gehöriger 
Zeit bedeckt werden kann w ; und es war . ihm offenbar sehr 
ernst mit diesem Befehl: sonst hatte er den Minister hin- 
sichtlich der Kosten nicht von den gewöhnlichen Vorschriften 
entbunden und allein an den Hofkanzlcr Grafen Ugartc 
verwiesen, der seit Wallis' Abgang provisorisch die Finanzen 
verwaltete. Die Mahnung zu „möglichster Wirtschaft" konnte 
sich sein sparsamer Sinn allerdings auch jetzt nicht erlassen. 

Schon das alles war, wenn derselbe Faden, so doch 
eine stärkere Nummer als die Konferenzbeschlüsse, und in 
einem andern Punkte ging das Handschreiben gar aus- 
drücklich über diese hinaus. Es befahl, die Ergänzungs- 
mnnnschaft für die in Böhmen stehenden Regimenter sogleich 
auf den Kriegsfuss zu setzen. 

So hatte Radctzky immerhin einen Erfolg zu ver- 
zeichnen. Aber freilich in dem, was für den Augenblick 
das Wichtigste war, behaupteten die Gegner den am 14. er- 
rungenen Sieg. Franz willigte ein, dass die Truppen, über 



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— 246 — 



die der ganze Streit entbrannt war, der zweiten Armee 
verblieben, und behielt sieh nur vor, die weitere EntSchliessung 
wegen der Verstärkung der ersten nächstens zu erteilen.' 

Alles in allein: es konnte nach den Vorgängen der 
letzton acht Tage kein Zweifel sein, dass ein rasches Ein- 
greifen zu gunsten der Verbündeten für die leitenden Wiener 
Kreise nicht mehr in Frage kam. Auch die Aufstellung 
der Armee trug dem Rechnung. Gerade hier Hessen sich 
die Wirkungen der Kriegsereignisse auf das deutlichste 
verfolgen. 

Ursprünglich hatten sich, wie wir sahen, die Truppen 
zwischen Elbe und Böhmerwald an der Eger konzentrieren 
sollen. Aber kaum war Radetzky zu schriftlicher Formulierung 
dieses Planes geschritten (9. Mai), als ihn auch schon die 
Kunde vom Vordringen Napoleons veranlasste, ihn zu wider- 
raten (10. Mai). Seine kühnsten Hoffnungen beschränkten • 
sich jetzt darauf, dass das russisch-preussische Heer sich 
bis Mitte Juni an der Oder hielte, und dem schien eine 
Dislokation ä cheval der Elbe besser zu entsprechen. - Er 
dachte sich die Armee, in zwei Treffen mit Avantgarde und 
Reserve gegliedert, thatsächlich ganz gleichmässig auf beide 
Ufer des Flusses verteilt, so dass auf dem linken doch noch 
die erste leichte Division an der Strasse von Saaz und 



1. Allerhöchstes Handschreiben an Bellegarde, Laxen bürg 
20. Mai. K.-A. Es verordnete endlich im Einverständnis mit 
dem Hofkriegsratspräsidenten noch einige Mobilisierungen, die 
aber zu unbedeutend sind, um anders als anmerkungsweise er- 
wähnt zu werden. Es handelte sich nämlich bei den „in Ungarn 
und Inner -Oesterreich noch nicht mobilgemachten Infanterie- 
regimentern 14 im Grunde nur um 6 Bataillone in Ungarn; die 
7 aus Inner - Oesterreich waren schon am 16. April zur 2. Armee 
angetragen, nur dass damals bei 5 von ihnen noch nicht gleich 
volle Mobilisierung, sondern Verstärkung des Friedensstandes 
beliebt wurde. Siehe oben S. 198. 

2. Radetzky, Biographie S. 135, 



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— 247 — 



Budin nach Sachsen, drei Linieninfanteriedivisionen an der 
Eger von Saaz l>is Theresienstadt, endlich je eine Infanterie- 
und Kavalleriereservedivision in der Linie Prag-Beraun 
Standquartiere beziehen sollten. Leider aber blieb es nicht 
bei dieser ersten, vielleicht nicht ganz unzweckmässigen 
Änderung. Schon als Schwarzenberg den Entwurf seines 
Stabschefs übersandte, sprach er in dem Begleitschreiben 
nicht eben zuversichtlich von „einer etwaigen wirklichen 
Erklärung" für die Alliierten und versicherte : „Ich habe 
für dermalen mich betliessen, die Truppen etwas von der 
Grenze entfernt zu halten, um dadurch eine eifersucht- 
gebende Aufrichtigkeit zu beseitigen." 1 Dieses Bestreben 
trug bald weitere Früchte. Auch die Ordre de bataille vom 
11. wurde verworfen, und eine neue vom 25. 2 Hess auf dem 
linken Elbufer nur noch die eine leichte Division Lichten- 
stein, 4 Bataillone 12 Schwadronen, alle andern Truppen 
hatten nunmehr auf dem rechten Stellung zu nehmen: die 
zweite leichte Division Schneller als Grenzwache längs des 
Gebirgs von Gabel bis Trautenau. die sechs Liniendivisionen 
in zwei treffen von Jaromer über Gitschin, Münchengrätz, 
Hühnerwasser bis Leitineritz und von Smiritz über Neu- 
Bitschow, Rozdalowitz, Jungbunzlau, Sowinka bis Melnik, 
die Reserve aber zum grössten Teil (eine Kavallerie-, eine 
gemischte und zwei Infanteriedivisionen) in und um Prag, 
in dem Winkel zwischen Elbe und Moldau und an der 
Strasse nach Beneschau, nur die zweite Kavalleriereserve- 
division noch weit auf dem rechten Flügel bis an die 
mährische Grenze. — 

Solche Befehle und Gegenbefehle konnten nicht 



1. 14. Mai. K.-A. Auoh Kolowrat an Hardegg 24. Mai er- 
wähnt die „herabgelangte Direktion, in den gegenwärtigen Ver- 
hältnissen so wenig als möglich durch zu nahe vorgeschobene 
Vortruppen die auswärtige Aufmerksamkeit zu erregen." K.-A. 

2. K.-A. Hauptarmee V, 60 1 /,. 



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— 248 — 



anders als auch ausserhalb des Kaiserstaatos überall 
das lebhafteste Aufsehen erregen. Nicht der König 
von Würtemberg allein, dem seine Spione zutrugen, dass 
mehrere böhmische Regimenter neuerdings in ihre Garnisonen 
zurückgekehrt wären, mochte daraus hämisch auf einen 
Systemwechsel der Hofburg sch Hessen. 1 Und dem Aufsehen 
gab die Wirkung nichts nach. Indem die Rüstungen Oester- 
reichs zu weit vorgeschritten waren, um nicht Napoleon 
zu beunrülugen^ und doch nicht weit genug, um den Ver- 
bündeten eine Stütze zu gewähren, sahen sich beide krieg- 
führende Teile gezwungen, den Waffenstillstandswünschen 
ein günstiges Ohr zu leihen, die seit längerem von Wien 
her mit steigender Dringlichkeit geäussert wurden. Frank- 
reich, um den alten Bundesgenossen wiederzugewinnen, 
Russland und Preusscn, um sich des neuen völlig zu ver- 
sichern, willigten sie noch einmal ein, dass die Waffen den 
Federn der Diplomaten Platz machten. 



J. An Napoleon 5. Juni. Schloasbergcr S. 305. 



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Neuntes Kapitel. 



Waffenstillstand. 

Der Gedanke, die Entscheidung des ungeheuren Kampfes 
durch eine Waffenruhe für längere oder kürzere Zeit zu 
vertagen, tauchte nicht erst jetzt zum ersten Mal auf. 
Schon im März und April hatte Napoleon ein solches Ab- 
kommen von Oesterreich vermittelt gewünscht. Aber damals 
war Metternich ein bezüglicher Antrag bei den Alliierten 
zu aussichtslos erschienen , als dass er der Anregung 
Folge gegeben hätte. 1 

Durch die Schlacht bei Grossgörsehen war diese Sach- 
lage offenbar verändert worden. Sie hatte im verbündeten 
Lager die hindernden Illusionen gewiss zerstört, und andrer- 
seits machten die raschen Fortschritte der französischen 
Waffen, dass auch der Wiener Hof selbst einen Stillstand 
in den Operationen, der ohnehin in der Tendenz seiner 
Politik lag, mit jedem Tag für notwendiger ansah. In den 
Instruktionen, die Bubna am 11. Mai nach Dresden mit- | 
nahm, hiess es noch mehr beiläufig: „Wenn der Kaiser eine 
augenblickliche Waffenruhe in seinem Interesse finden sollte, 
so ist der Herr Graf autorisiert, diesen Wunsch ins rus- 
sische und preussische Hauptquartier mitzuteilen," und war 
diu Elbe als Demarkationslinie empfohlen. 3 Aber schon am 

13. schickte ihm der Minister Vollmacht, die Oder bis 

- ) 

1. Vgl. oben S. 165 f. 
% Onckcn II, 647 f. 



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— 250 — 



zum Punkt der alten T Schlesien durchsehneidenden Militär- 
strasse und damit Debloquierung der Festungen an diesem 
Fluss anzubieten. 1 Das hätte den Alliierten, die damals 
doch noch an der Spree standen, neben 40 Meilen Terrain 
alle Verbindungen mit dem Norden gekostet 3 und gab also 
den besten Reweis, welchen entscheidenden Wert man in 
der Hofburg auf eine zustimmende Erklärung des Imperators 
legte. 

Es war die grosse Frage, ob sie erfolgen würde. 

Die Erfahrungen des Feldzugs waren an sich kaum danach 
angethan, Napoleon auf die Anträge der Monate vorher 
zurückkommen zu lassen. Zwar, es fehlte auch hier nicht 
an Schattenseiten. Die Kavallerie erwies sich der That 
als ungenügend. Die Gegner zeigten eine ungewohnte 
wilde Tapferkeit. Man verlor mehr Gefangene und Tro- 
phäen, als man erbeutete. 3 Nirgends endlich zeigte sich noch 
die rechte Lust am Krieg. Der Kaiser niusste seinen alten 
Waffengefährten höhnisch die Sehnsucht nach den Annehm- 
lichkeiten des Privatlebens vorhalten, und aus der Heimat 
berichtete der Polizeiminister, dass der Sieg bei Lützen 
nur deshalb bejubelt sei, weil er Aussicht auf Frieden er- 
öffne. 4 Aber schliesslich, es ging doch vorwärts. Schon 
gebot in Sachsen wieder französischer Einfluss. Ein zweiter 
Sieg mochte den Feind an die äussersten Grenzen deut- 
schen Landes führen. Dann noch ein letzter Versuch, und 
Russland zog sich auf sich selbst zurück, Preussen wie 



1. Metternich an Bubna 13. Mai, pr. 17. vormittags. H.-A. 

2. Stadion an Metternich 19. Mai. H.-A. 

3. Besonders ungehalten war Napoleon darüber bekanntlich 
nach der Schlacht von Bautzen. Er Bagte (Lefebvre V, 350) 
Commeut apres une teile boucherie aueun reaultat, point de 
prisonniera! Oes «jens-Ja ne ine laisscront pas im elou. 

4- Fain I, 430; Bericht Bubnas 22. Mai. Oncken II, 058. 



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nach dem Tag von Friedland seinem Schicksal überlassend. 1 
Napoleon hätte nicht mehr er selbst sein müssen, wenn vor 
solchen Aussichten nicht alle anderen Erwägungen ver- 
stummt wären. 

Nur freilich eins bildete dafür die unerläßliche Voraus- 
setzung: dass die Partie bis zuletzt allein zwischen ihm 
und den Verbündeten blieb und keine neue Macht ihm im 
entscheidenden Augenblick das Spiel umwarf: und hier eben 
häuften sich seit einigen Wochen die Zweifel. 

Auch schon im Winter war der Imperator wohl jezu- 
weilen von Misstrauen gegen das Wiener Kabinet befallen 
worden. Aber es hatte sich dabei doch mehr um vorüber- 
gehende Stimmungen gehandelt, und noch am 24. April 
schrieb er aus Mainz: Wie ich die Dinge ansehen mag, 
ich gelange zu dem Schluss. Oesterreich wird dem alten 
System treu oder neutral bleiben. 2 Erst als er zwei Tage 
darauf in Erfurt die Berichte Narbonnes über seine letzten k 
Auseinandersetzungen mit Metternich erhielt, wurde er 
stutzig; er fand, dass sie mit den Versicherungen Schwarzen- 
bergs nicht zusammenstimmten. Vollends dann nach der 
Schlacht vom 2. Mai in Dresden kamen ihm von allen 
Seiten Nachrichten zu, die ihm das falsche Spiel der Hof- 
bürg und ihr völliges Einverständnis mit seinen Feinden zu 
beweisen schienen. Der König von Sachsen berichtete ihm 
reuig jede Einzelheit seiner Verhandlungen mit der Wiener 
Regierung. Aufgefangene Depeschen Humboldts und Stackel- 
bergs erzählten, dass der oesterreichische Minister versprochen 



1. Schon am 4. Mai schrieb Napoleon an König Friedrich 
(Corr. XXV, 313): L'Emperour de Russie et le Roi de Prusse se 
dirigent sur Dresde, je les y poursuis. Ceci nous nienera ä 
la Vistule. 

2. Tous les calculs poasibles me portent a penser que l'Au- 
fcriche persistera dans son Systeme ou sera neutre. Corr. XXV, 
265. Kr schrieb es allerdings an den König von Würtemberg. 



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— 252 — 



habe, sie in der Nacht wecken zu lassen, wenn wichtige 
Ereignisse gemeldet würden, ja sogar genaue Angaben Uber 
die Stärke der französischen Armeen sollte Metternich dem 
Russen gemacht haben. Aus Stuttgart aber warnte König 
Friedrich: Oesterreich rüste Tag und Nacht, schon wären 
in Böhmen 130000, an der bairischen Grenze 30000 Mann 
auf dem Kriegsfuss. 1 

Und trug das allzudoutlich den Stempel der Über- 
treibung, Napoleon wusste doch so gut wie seine Gegner, 
dass auch die Hälfte jener Zahl ihn in die kritischte Lage 
bringen könnte. Die Truppenkonzentrationen in seiner 
Flanke genierten ihn merklich. 2 Wie, wenn plötzlich, 
während er vielleicht schon in Schlesien stand, [der Bund 
der drei Ostmächte, ihn rings umklammernd, emporwuchs? 

Er beschloss, dieser Gefahr entgegenzuarbeiten, solange 
es noch Zeit war. Dazu boten sich offenbar zwei Mittel. 
Er musste Russland zum Austritt aus der Allianz bewegen 
oder Oesterreich vom Eintritt zurückhalten. Das erste 
hatte seine unstreitigen Vorzüge. Nicht nur, dass es sich 
schon einmal vor sechs Jahren aufs beste bewährt hatte: 
einer Versöhnungsscene zwischen den beiden mächtigsten 
Herrschern des Abendlands nach unerhört blutigem und 
ruhmvollem Kampf konnte auch jener Effekt auf das grosse 
Publikum nicht fehlen, mit dem der Schüler Talmas zu 
rechnen gewohnt war: und endlich kamen noch Gründe 
hinzu, die der sonst weniger Wählerische allerdings mehr 
auf der Zunge als im Herzen tragen mochte. Der Zar 
hatte ihm einen „guten Krieg" gemacht: warum da nicht 



1. Lebensbilder III, 464; Caulaincourt an Narbonne 14. Mai. 
Lefebvre V, 321; Äusserungen Napoleons gegen Bubna. Oncken 
II, 649 f.; Bignon XI, 462; Sehlossberger S. 296. 

2. Zu Bubna sagte er: Votre armement en Boheme est fait 
pour me domier des inquietudes; il me gene dans ines Opera- 
tions. Oncken U, 652, 



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— 263 — 

einige Opfer in Polen bringen? Die Hofburg für ihre Zwei- 
züngigkeit und Anmassung noch durch Abtretungen zu be- 
lohnen, ging gegen seinen Stolz. Was er mit Blut ge- 
wonnen, wollte er nur gegen Blut herausgeben und sich 
nicht durch Verhandeln und berechnetes Zuwarten abdringen 
lassen. Ihn ärgerte der „honigsüsse, sentimentale Ton" der 
oesterreichischen ^Forderungen. Mit Hosenwasser verführe 
man nur Frauen, meinte er bitter und redete sich je länger 
je mehr in Zorn gegen Metternich hinein, der die Intrigue 
für Politik nehme.' 

Indessen gab es auf der andern Seite doch auch Er- 
wägungen, die ihm, zumal wenn Alexander fest blieb, eine 
Wiederherstellung des guten Verhältnisses von 1812 
wünschenswert machten. Er war zu sehr Parvenü, um 
nicht auf die Freundschaft des ältesten Herrscherhauses 
Europas den grössten Wert zu legen. Durch sie liel 
gleichsam ein Abglanz jener Legitimität auf sein Haupt, 
die er zu Zeiten schmerzlich vermisste. Es fehlte ihm nicht 
an Gefühl für die Eintagsnatur seiner Schöpfungen: die 
Ehe mit der habsburgischen Prinzessin hatte ihnen Dauer 
verleihen sollen. Ob das der richtige Weg gewesen war, 
stand jetzt nicht mehr in Frage. Der Versuch, „das Neue 
mit dem Alten zu verschmelzen, die gothischen Vorurteile 
mit den Institutionen meines Jahrhundert«" 2 , war einmal 
geschehen, und mit seinen Konsequenzen musste gerechnet 
werden. Dazu aber gehörte die Notwendigkeit, „das oester- 
reichische Blut in Frankreich nicht verhasst zu machen." 3 
Wenn jetzt sein Schwiegervater in die Reihen der Gegner 

1. Instruktionen für Caulaincourt 17. Mai. Corr. XXV, 348;. 
Napoleon an Eugen 2. Juni. Corr. XXV, 405; Äusserungen 
gegen Bubna. Oncken II, G51 ; Lebensbilder III, 4G1. 

2. Als solchen bezeichnete Napoleon die Ehe gegen Metter- 
nich am 20. Juni. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 150 j 

3. Je ne veux pas rendre odieux le sang autrichien a la 
France, mehrmals wiederholt gegen Bubna. Oncken II, 651 f. 



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- 254 — 



übertrat, so war die Zukunft seiner Dynastie wieder ins 
Ungewisse gestellt; dann durfte sein Erbe einmal nicht auf 
die Gunst des Volkes rechnen, weil, nicht auf die der 
Kabinette, obwohl er der Sohn einer Erzherzogin war. 

Zum Glück schienen solche Interessen Kaiser Franz 
seinerseits nicht fremd sein zu können, und so lag neben 
dem möglichen Übel zugleich das Heilmittel. Der Im- 
perator riet nicht nur Narbonne bei dessen Abreise nach 
Wien, die Familiensaite anzuschlagen, 1 sondern handelte 
auch selbst auf das geschickteste nach diesem Rezept. Er 
wurde nicht müde, dem Vater die Liebenswürdigkeit, die 
Tugenden und Talente der Tochter zu preisen, die er liebe 
wie nichts anderes auf der Welt, 2 die sein erster Minister 
sei, :i und es geschah nicht zum wenigsten in der irrigen 
Hoffnung, damit in der Hofburg zu gefallen, dass er sie 
zur Regentin ernannte, eine Zeit lang sogar ihre feierliche 
Krönung ins Auge fasste. 4 Marie Luise aber musste seit 
Monaten in immer neuen Briefen an den liebsten Papa die 
Themata von der „bis zum Thränen" rührenden Anhäng- 
lichkeit und dem kriegerischen und aktiven Geist der Nation, 
der erstaunlichen Menge Truppen und der Lustigkeit und 
Zufriedenheit des Gatten variieren. Stets hiess es dann: 



1. Villemain , Souvenirs Contemporains d'Histoire et de 
Litte rature I, 291. 

2. Certes on ne me reproche pas d'avoir le cruur trop ai- 
mant, mais si j'aime quelque chose au monde, c'eat ma femme. 
Gegen Bubna. Oncken II, 651. 

3. Napoleon an Kaiser Franz 4. Mai. J'ai des nouvelles 
journalieres de PIniperatrice, dont je continue d'etre extremement 
satisfait. Elle est aujourd'hui mon premier ministre, et eile 
s'en acquitte & mon grand contentement; je n<* veux pas le 
laisscr ignorer a Votre Majeste, sachnut, combien cela fera plaisir 
k son co<ur paternel. Corr. XXV, 312. 

4. Krnouf, Maretp. 500: dass dies»? Hoffnung irrig war, zeigt 
Gentz' Brief an Caradja 14. April. Depeches inedites I, 14 ff. 



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— 255 - 

Der Kaiser trägt mir auf, Union viel Schönes zu sagen. 
Der Kaiser zeigt sich sehr gut für Sie, es vergeht kein 
Tag, wo er mir nicht sagt, wie er Sie liebt, besonders seit 
er Sie in Dresden gesehen hat, oder es wurde gar eine 
förmliche Familienidylle ausgemalt: Wenn der Kaiser von 
der Krönung redet, sagt er mir immer, ich hoffe, dass, 
wenn dann der Friede und ein Waffenstillstand geschlossen 
ist, Papa auch hierher kommen wird, und diese Jdee macht 
uns recht glücklich. 1 Jetzt, nach der Schlacht bei Lützen 
schien die Zeit für einen Hauptsehlag da zu sein. Die . 
Regentin berief, kaum ohne höheren Befehl^ Herrn v. Floret 
zu sich, der seit Schwarzenbergs Fortgang die Geschäfte 
der Pariser Botschaft versah, und sprach ihm von der Un- 
ruhe, die ihr die neuerdings auftauchenden Gerüchte von 
einem nahen Bruche verursachten (10. Mai). Die Erbitterung 
Napoleons gegen ihren Vater werde in dem Fall keine 
Grenzen haben, er werde dann alle andern bei Seite lassen 
und seine Klüfte ganz gegen Oesterreich wenden: über 
diese Kräfte aber möge man sich keinen Illusionen hin- 
geben; es sei unermesslich, was alle Tage zur Armee ab- 
ginge. Kurz, sie müsste das grösste Unglück für Familie 
und Heimat besorgen. Zugleich mahnte sie Franz direkt 
in einem bei aller Zärtlichkeit sehr energischen Brief: Seyn 
Sie versichert, dass Sie nie einen Nutzen vom Krieg haben 
werden. Der Kaiser hat sich darauf erwartet, er hat eine 
..Million Streiter unter den Waffen. 2 



1. Briefe vom 31. Januar, IB., 10. März, 13., 24. April. Helfert 
S. 237 ff, 242. 

2. Helfert S. 218 f. Diu Million Streiter begegnet auch sonst 
öfter in französischen Kommunikationen. So bezifferte der Her- 
zog von Bassano in einem Reskript an Narhonne d.d. 11. April, 
das dieser im Auszug Metternich mitteilte, die Truppen 
Napoleons auf 640000 neue, 200000 alte Soldaten, 260000 in 
Spanien, zusammen 1 100000, ungerechnet Gensdarmerie, National- 



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^- 256 - 

Würde die Mahnung den beabsichtigten Erfolg haben? 
Die Äusserungen Florets machten es nicht unwahrschein- 
lich. Er erklärte der Kaiserin, der Charakter ihres er- 
lauchten Vaters müsse ihr Bürgschaft sein, dass er von 
einem Bündnis nicht lassen werde, das so sehr im Interesse 
beider Teile liege. Und überhaupt gab der Imperator die 
Hoffnung noch lange nicht auf, mit Oesterreich in Güte 
fertig zu werden. Was in den letzten Wochen an feind- 
seligen* "Noten aus Wien gekommen war, schob er wesent- 
lich auf das allzu hitzige Vorgehen seines Gesandten. Nar- 
bonne hätte die oesterreichische Regierung zu keiner Aus- 
sprache zwingen sollen. Dann wäre ihr „der erste Schritt 
vom Wege der Allianz/' erspart geblieben, und die fran- 
zösischen Erfolge hätten sie von selbst zu ihren Verpflich- 
tungen zurückgeführt. 1 Auch jetzt noch brachten einige 
freundliche Briefe und allgemeine Versprechungen gewiss 
vieles wieder ins Gleiche, und das Übrige besorgten dann 
wirksame Drohungen. Zumal in Italien musste der Zu- 
stand dahin geändert werden, „dass ich es bin, der 
beunruhigt, nicht Oesterreich." Schon am 12. Mai wurde 
deshalb der Vizekönig Eugen über die Alpen geschickt, 
um die Observationsarmee an der Etsch auf 80 bis 90 Ba- 
taillone zu bringen und durch Zeitungsnachrichten und pri- 
vate Ausstreuungen dafür zu sorgen, dass man in Wien 
150000 Mann zum Einfall von Süden her bereit glaube. 2 
So durch Hoffnung und Furcht gezügelt, Hess sich die Hof- 
burg vielleicht bis zur Vernichtung der Verbündeten hin- 
halten, und war die Aussicht auf diese günstigste Lösung 

garde und die 60000 Mann Rheinbundskontingente. Und diese 
Berechnung bezeichnete er mit naiver Frechheit als ein apereu 
qui porte avec soi la conviction. H.-A. 

1. Caulaincourt an Narbonne 4. Mai. Lefebvre V, 311. Bignon 
XI, 456 f. 

2. Napoleon an Eugen 12., 18. Mai. Corr. XXV, 334, 
357 ff. 



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- 257 - 

* 

zu gering, so mochte ein längerer Waffenstillstand Stärke 
und Schlagfertigkeit dos Heeres 'so erhöhen, das es schlimm- 
sten Falls auch einem dritten Gegner siegreich widerstehen 
konnte. ^ 

Die Aufnahme der neuesten oesterreichischen Vorschläge 
entsprach diesen Stimmungen und Entwürfen. Kaum hatte 
der Imperator, von einem Ritt heimkehrend, die Ankunft 
Bubnas in Dresden erfahren, als er ihn auch trotz der 
• späten Stunde — es ging bereits auf acht — in das könig- 
liche Schloss zu sich bescheiden liess (16. Mai)J. Er empfing 
ihn anfangs ganz freundlich, dann aber fand er es ange- 
zeigt, eine seiner beliebten Jähzornsscenen aufzuführen. 
„Was thut man bei Euch?'' brach er los. „Ihr rüstet! Gegen 
wen rüstet ihr? Es kann nur gegen mich sein; denn Ihr 
habt mir seiner Zeit gesagt, dass die Stimmung des Landes 
zu sehr gegen mich ist, als dass der Kaiser etwas für mich 
thun könne. Eure Rüstungen müssen mich also beun- 
ruhigen." Und nun ging es durch fünf Stunden bis nach 
Mitternacht mit glühender Vehemenz über die oesterreichische 
Politik her. ^Ich will nichts wissen von Eurer bewaffneten 
Vermittlung. Ihr bringt die Fragen nur in Verwirrung. 
Lasst mich meine Sachen mit dem Kaiser von Russ- 
land allein ordnen. Wir werden uns einigen, wir sind 
immer auf gutem Fuss mit einander geblieben. — Wer seid 
denn Ihr? Sprecht Ihr mir als Herzog von Lothringen? 
als Herzog von Mailand? von Brabant? Oder als Gross- 
herzog von Florenz? Was will man von mir? Durch 
Stockschläge erhält man nichts von einem Franzosen. — 
Ich werde nichts abtreten, nicht ein Dorf von dem, was 
dem Reich verfassungsmässig einverleibt ist. Ein Mann, 
der vom einfachen Bürger zum Thron gelangt ist und 
20 Jahre im Feuer gestanden hat, fürchtet die Kugeln 



1. Alles Folgende nach dem Berichte Bubnas. Oncken II, 
649 ff. 

17 



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— 258 — 

nicht, fürchtet die Drohungen nicht. Ich mache mir nichts 
aus meinem Leben und ebenso wenig aus dem Leben der andern. 
Ich schwanke nicht mein Leben zu opfern und achte das 
von 10OO00 Mann nicht höher; ich würde eine Million 
opfern, wenn es sein muss. Ihr werdet mit Gewalt nichts 
erreichen, wir werden uns in vielen Feldzügen schlagen, 
Ihr werdet mich nur durch wiederholte Siege bezwingen. 
Ich werde vielleicht untergehen und meine Dynastie mit 
mir. Alles das gilt mir gleich. Ihr wollt mir Italien und 
v/ Deutschland entreissen, Ihr wollt mich entehren. Mein 
Herr, die Ehre über alles, dann Weib, dann Kind, dann • 
Dynastie! Wir werden die Welt und die bestehende Ord- 
nung der Dinge umwälzen. Die Existenz der Monarchien 
wird problematisch werden. Die beste der brauen wird das 
Opfer sein. Frankreich fällt den Jakobinern zur Beute. Und 
das Kind, in dessen Adern das oesterreichische Blut fliesst, 
was wird aus ihm?" Der Imperator verfiel auf einige Zeit 
in jenen elegischen Ton, der ihm so garnicht stand. Aber bald 
klang es wieder zornig und hart: „Ich habe Illyrien mit 
j f ( einer Million Menschen erkauft. Ihr werdet es mir nicht 
■\ : » ' entreissen, ohne die gleiche Summe zu verausgaben. Ihr 
wollt im Trüben fischen ... Ihr könnt mir keinen Krieg 
machen mit 46 Millionen neuer Scheine. Ihr müsst 
400000 Mann aufbringen, um mir mit Erfolg entgegenzu- 
treten. Die Begeisterung Eurer Nation, von der Ihr soviel 
Aufhebens macht, wird sich verlieren, wenn der Kaiser erst 
Opfer von ihr fordert. Ihr nennt Euch noch meine Alli- 
ierten, dabei erleichtert Ihr die Bewegungen der Russen,... 
indem Ihr Eure Truppen abzieht und die Polen aus 
Krakau jagt. Und was habt Ihr für mich gethan; für 
Euren sogenannten Bundesgenossen? Ihr nehmt mir das 
Hilfskorps in dem Augenblick, in dem mir Schwarzenberg 
in Paris versichert, dass diese Truppe marschieren wird, 
wohin ich befehle. Ich kenn« diese Spitzfindigkeiten nicht, 
ich bin wohl zuweilen grob in der Politik, aber niemals 



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— 269 - 



falsch! Ich betrachte den Pariser Vertrag als gebrochen. 
Wenn Ihr noch meine Alliierten seid, so niuss ein anderer 

• 

an die Stelle treten. — Garantiert mir zuerst meine Staaten, 
ich meine die verfassungsmässig einverleibten Provinzen. 
Sobald Oesterreich nicht mehr mein Bundesgenosse ist, 
kann es nicht Vermittler sein. Das regierende Haus ist 
italienisch, die Familie der Erzherzogin Beatrix 1 ist italienisch. 
Oesterreich ist die einzige Macht, die viel eingebüsst hat 
in Italien und anderswo. Wie sollte ich einen Staat, der 
selbst interessiert ist und soviel Verlorenes zurückzufordern 
hat, zum Vermittler nehmen? — Ehemals heischten die 
Barbarenhorden den Tribut der zivilisierten Völker; diese 
bezahlten ihn auch, aber die Barbaren kamen jeden Augen- 
blick wieder, und schliesslich schlug man sich. So fordert 
Ihr mir erst nur Illyrien ab, dann werdet Ihr Venedig 
fordern, dann Mailand, dann Toskana und werdet mich 
also doch zum Krieg zwingen, da ist es schon besser, gleich 
damit zu beginnen. Ja! Wenn Ihr Provinzen haben wollt, 
so muss Blut fliessen." 

Erst gegen Ende der Audienz beruhigte er sich etwas. 
Er fragte, ob Bubna Vollmacht zu einer Unterhandlung 
habe, und als der verneinte, beauftragte er ihn, sogleich 
nach Wien zurückzukehren und dort offiziell zu erklären, 
dass er bereit sei, für das Haus Oesterreich Opfer zu 
bringen. 

Wer mit Napoleons Taktik vertraut war, konnte vor- 
aussehen, dass die weitere Entwicklung sich im Sinn der 
letzten Worte, nicht der wilden Ergüsse zuvor, vollziehen 
würde. Wirklich erschien Caulaincourt, den der Imperator 
noch in der Nacht gerufen hatte, am nächsten Morgen in 
aller Frühe im Hotel des Gesandten, hörte mit vieler Ruhe 
und einer durch verständnisvolle Fragen bezeugten Teil- 
nahme alles an, was dieser als Wünsche seines Kabinets 



1. Mutter der Kaiserin Maria Ludovika. 

17* 



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- Ö6Ö - 



entwickelte, und gab schliesslich eine längere Erklärung ab, 
die die Vorwürfe von gestern zurücknahm und ausdrücklich 
wiederholte: der Kaiser scheint geneigt, Oesterreich einige 
Vorteile zuzuwenden, wenn sie der Wiederherstellung des 
Friedens dienen könnten. Nur will er nicht, dass man den 
Kreis des Popilius um ihn beschreibe. — Damit nicht genug, 
entschuldigte sich Napoleon auch direkt. Er empfing Bubna 
am Mittag noch einmal und war jetzt ganz gelassen und 
freundlich. Er scherzte, frischte alte Erinnerungen aus seinen 
italienischen Feldzügen auf und nahm es mit hellem Lachen 
hin, als der Oesterreicher launig den allgemeinen Wunsch 
dahin definierte, Seine Majestät möchten endlich Empereur 
werden und Ihre Vorliebe für den Imperator in castris ab- 
legen. Was aber aller äusserlichen Liebenswürdigkeit erst 
den rechten Wert gab t er zeigte sich dem Gedanken einer 
Waffenruhe günstig, von der er noch vor vierzehn Stunden 
gepoltert hatte, sie führe zu nichts. „Schreiben Sie, be- 
' antwortete er die erneute Frage des Generals, dass ich 
zum Frieden geneigt bin, — die Herren sollen Bevoll- 
mächtigte senden und hören lassen, was sie wollen. Sagen 
Sie, dass ich einen Waffenstillstand annehme; macht man 
ihn gleich, so gehe ich hinter die Elbe, und die alliierte 
Armee ziehe hinter die Oder . . . Wenn in der Zwischen- 
zeit eine Schlacht geliefert wird, sie mag glücklich oder 
unglücklich für mich ausfallen, so . . . muss dann jede 
Armee aus der Stellung, in welcher sie sich befinden wird, 
einen gleichen Rückschritt machen, und zwischen beiden 
ein neutrales Terrain bleiben." 

Bubna beeiferte sich, der Weisung nachzukommen. Noch 
am Abend dieses wichtigen 17. Mai reichte er dem Herzog 
von Vicenza den Entwurf für den gewünschten Brief an 
Stadion ein. Am nächsten Mittag erhielt er ihn mit einigen 
eigenhändigen Abänderungen Napoleons zurück, und bald 
darauf eilte der Legationssekretär v. Neumann auf dem 



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— 261 — 



kürzesten Weg über Lobositz-Gabel nach Görlitz, um das 
schicksalsschwere Schreiben 1 an seine Adresse zu befördern. 

Nunmehr hatten die Verbündeten das Wort. Ihnen war 
das Verlangen nach einer Waffenruhe bisher ganz fremd 
gewesen. Dieselbe Aussicht auf ein Eingreifen Oesterreichs, 
das ihrem Feind eine Unterbrechung des Kampfes nahelegte, 
Hess sie an seiner kräftigen Fortführung ihr Interesse finden ; 
und auf dem Kriegsschauplatz standen die Dinge mindestens 
noch nicht verzweifelt. Es musste sich zeigen, ob vielleicht 
doch jene Hoffnung in so weite Ferne rückte und die 
militärische Lage sich zugleich fortdauernd so verschlechterte, 
dass auch sie einer Zeit der Erholung und Sammlung zu 
bedürfen glaubten. 

Einstweilen jedenfalls schien es nicht, als sollte der 
Antrag des Imperators auf günstigen Boden fallen. Gleich 
das war kein gutes Omen, dass der Kurier statt am 19. 
abends, wie Bubna gerechnet hatte, 3 erst am Morgen der • 
Bautzener Schlacht bei Stadion eintraf. 3 Der Graf freute 
sich der Überraschung wenig. Schon über die Depesche 

1. Abgedruckt bei Fain 1, 393 ff. Es erwähnt zunächst den j 
Wunsch Napoleons nach einem Kongress zur Regelung des all- 
gemeinen oder auch dos Kontinentalfriedens, dann fährt es fort: 
Le congres une fois arrete, si les puissances belligerantes vou- t 
laient conclure un armistice ou une Suspension d' armes, l'em- ; 
pereur m'a paru aussi dispose ä s'y preter. Ayant l'honneur 
d'informer V. E. de ces dispositions de l'empereur des Francais, 
roi u je pense qu'Elle voudra bien intervenir pres des 
souverains allies, s'ils trouvent cet armistice de leur convenance, 
pour que les ouvertures d'usage en pareil cas soient faites en 
consequence aux avant-postes francais. Das Versprechen, dass 
die französische Armee sich hinter die Elbe zurückziehen werde, 
enthielt es nicht. Napoleon hatte es aus dem Entwurf gestrichen. 
Bignon XII, 98. 

2. Vgl. seinen Bericht Oncken II, 656. 

3. Berichte Stadions 21. Mai. H.-A. 



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— 262 — 

Metternichs, die ihn von der Vollmacht seines Kollegen im 
französischen Hauptquartier unterrichtete, war er erschrocken 
gewesen. Hoffentlich, schrieb er zurück, werde der General 
nicht davon Gebrauch machen; denn sonst könne Napoleon 
mit beiden Händen zugreifen, und gerade für Oesterreich 
sei ein Waffenstillstand das wenigst Wünschenswerte. 1 
Mindestens er selbst mochte nicht dazu beitragen und hatte 
deshalb entgegen den Direktiven seines Hofes bisher mit 
Nesselrode noch nie im Ernst über die grosse Frage ver- 
handelt. 2 Jetzt freilich durfte er sich der lästigen Pflicht 
nicht länger entziehen. Er schickte Hardenberg eine Kopie 
des Schreibens und machte sich mit dem Original sogleich 
nach Wurschen ins nahe Hauptquartier der Monarchen auf 
den Weg. 3 Hier fand er alles in Unruhe und Aufregung 
wegen des beginnenden Kampfes. Der Zar war gerade im 
Begriff, zu Pferde zu steigen. Er fragte, ob Annahme oder 
Nichtannahme des Waffenstillstandes auf die Haltung Oester- 
reichs Einfluss haben werde, und wie Stadion darüber denke. 
Der Gesandte vermied eine offene Antwort. Er versicherte 
nicht eben wahrheitsgemäss, dass die Vorschläge ohne Zuthun 
des Wiener Kabinets gemacht wären und also in einer 
höflichen Ablehnung nichts Kränkendes für die Hofburg 
liegen könne. 4 Das genügte Alexander. Er ritt ab und 
überliess die weitere Erörterung seinem Staatssekretär. Der 
wurde dann mit dem Oesterreicher leicht eins, man solle 
ausweichend an Bubna schreiben, dass sein Brief im Augen- 
blick einer Schlacht angekommen sei, die beide Souveraine 

1. Berichte und Briefe 19., 21. Mai. H.-A. 

2. Bericht vom 19. Mai. H.-A. 

3. Wie alles Folgende nach dem Bericht vom 21. Mai. 
H.-A. 

4. Que ces propositions n'ayant point leur origine ä Vienne, 
mais ayant ete faites par 1'Empereur des Frai^ais sans avoir 
passe par notre cabinet, il ne pouvait rien y avoir de dösobli- 
geant pour ce dernier dans un refus. H.-A» 



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— 263 — 



aus dem Hauptquartier entfernt habe, und eine Erklärung 
darauf erst nach deren Rückkehr erfolgen werde. 1 Übrigens 
sprach er sich selbst flir den Fall einer Niederlage gegen 
die Waffenruhe aus, es müsste sich denn darum handeln, 
dem offenbaren Untergang zu entrinnen ; und auch Harden- 
berg äusserte sich sehr stark in ablehnendem Sinn. 

Diese Stimmung schien anfangs vorzuhalten, obwohl man 
am Nachmittag des 21. den Rückzug angetreten hatte. Noch 
am frühen Morgen des 22. entwickelte Nesselrode dem 
Gesandten die Idee, in der Antwort an Bubna, ganz wie 
dessen Brief selbst es andeute, die Frage des Waffenstill- 
standes von der des Kongresses abhängen zu lassen und in 
diesen nur zu willigen, wenn sich Frankreich zuvor über 
die Friodensbedingungen erklärt habe. 2 In den nächsten 
Stunden aber vollzog sich, vom preussischen Lager aus« 
gehend, ein entscheidender Umschwung. Um die Mittags- 
zeit erschien der Russe von neuem bei Stadion und brachte 
diesmal Knesebeck mit, der einen Wunsch seines Hofes zu 
entwickeln begehre. Der einflussreiche General schickte 
sich dem auch alsbald an, in längerer Rede für einen 
Waffenstillstand auf kurze Kündigung zu plaidieren, der 
den Allierten Berlin und die untere Elbe beliesse. Er 
leugnete nicht, dass, wenn Oesterreich Ende des Monats 
losschlüge, dies eine unnötige, ja schädliche Massregel sei, 
aber da der Termin des Eingreifens umgekehrt bis Mitte 
Juni hinausgeschoben zu werden schiene, sähe er kein 



1. Que sa lettre ayant ete presentee au moment d'une ba- 
taille qui avait eloigne les deux Souverains du quartier general, 
je recevrais la reponse, aussitöt que j'aurais pu prendre les 
ordres de L. L. M. M. 

2. d'aeeepter le congres, des que la France se serait expliquee 
sur les conditions de paix . . et de laisser aussi que la lettre 
meme du Comte Bubna parait l'indiquer la question de l'armistice 
dependante de cette premiere. Berichte Stadions 22. Mai. H.-A. 



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— 264 — 

anderes Mittel, um die Staaten seines Königs nicht ganz zu 
opfern und nicht völlig aus der Stellung zu weichen, in der 
der Wiener Hof bei seiner Erklärung die Verbündeten 
wünschen müsse. Auch der Russe trat jetzt wenigstens 
nicht mehr dagegen ein : eine Waffenruhe sei den Interessen 
seines Staates nicht zuwider und könne Preussen nützen, 
also wünsche der Zar sie ebenfalls. Der Gesandte selbst 
redete in keiner Weise zu. Er glaubte nicht, dass Napoleon 
hinsichtlich der Demarkation nachgiebiger sein werde als 
vor der Schlacht in Dresden. Da aber der russische Stolz 
einem direkten Schritt widerstrebte, so willigte er gern ein, 
nach den Angaben Nesselrodes und des inzwischen auch 
noch hinzugekommenen Hardenberg an den Herzog von 
Neufchatel zu schreiben, dass die Verbündeten jederzeit 
bereit wären, in Verhandlungen über einen Waffenstillstand 
einzutreten und bevollmächtigte Offiziere zu den Vorposten 
zu schicken. Ohnehin war dieser Brief 1 so kurz und un- 
verbindlich gehalten, dass er sich keinen Erfolg davon 
versprach; ihn in freundlicherem Sinn zu ändern, hatte er 
kein Interesse gefunden. 

Wirklich verlautete in den nächsten Tagen nichts aus 
dem französischen Hauptquartier; und Knesebeck und seine 
Gesinnungsgenossen, Uber Berlin und die Terrainverluste 
ruhiger geworden, hatten sich bereits mit der Fortdauer 
des Kampfes ausgesöhnt. 3 Da traf am 27. Mai doch noch 
ein wesentlich zustimmendes Schreiben des Herzogs von 
Bassano (d. d. Görlitz 25. Mai) ein, der um den politischen 
Charakter der Sache zu betonen, die Beantwortung statt 
Berthiers übernommen hatte, und bewirkte im Verein mit 
dem gleichzeitigen Ansuchen Caulaincourts, 8 dass die 



1. Fain I, 433 f. 

2. Berichte Stadions 26. Mai. H.-A. 

3. Sein Brief bei Fain I, 434 f. Nach Bignon XII, 122 hätte 
Nesselrode 26, Mai geantwortet; nun aber trägt die Kopie dieser 



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— 2ß5 — 



Generale Grafen Schouwaloff und Kleist zu den feindlichen 
Vorposten gesandt wurden. Allerdings zeigten die Ver- 
bündeten in der Sache auch jetzt noch wenig Entgegen- 
kommen. Von einem Kongress, wie ihn der französische 
Minister wieder in den Vordergrund gestellt hatte^jEQllten 
jie_ nichts wissen ; das wäre eine Zerstörung der Allianz, 
äusserte Allexander neuerdings. 1 Die Bevollmächtigten er- 
hielten die strikte Weisung, sich auf keine politische Er- 
örterung einzulassen; und die militärischen Bedingungen, 
unter denen sie abschliessen durften, waren recht anspruchs- 
voll. Napoleon konnte schon die gewünschte Demarkations- 
linie: preussische Grenze bis zur Elbe, Elbe bis zur Mündung, 
also Hamburg frei, nicht wohl gewähren, und eine vierzehn- 
tägige Dauer des Stillstandes bei drei- bis sechstägiger 
Kündigung bot ihm vollends nur Nachteile. Er brauchte 
drei Monate zur Vollendung seiner Rüstungen und zur Ein- 
leitung erfolgreicher Sonderverhandlungen; acht oder allen- 
falls sechs Wochen aber stellten das Äusserste dar, mit 
dem sich der von ihm delegierte Caulaincourt begnügen 
durfte. 3 So war in den ersten stürmischen Sitzungen eine 
Einigung nicht zu erzielen. Dem Imperator riss die Geduld 
ob des schädlichen Zeitverlustes. Er griff nach seiner Ge- 
wohnheit durch, und am 3. Juni hielt man im verbündeten 



Antwort auf dem Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien das 
Datum Striegau 16./28. Mai, und dafür spricht, dass auch die 
Vollmachten (Fain I, 483) und Instruktionen für die Delegierten 
der Verbündeten Striegau 16./28. Mai ausgestellt sind. Man 
konnte sich den Luxus, zwei Tage unnötig mit der Bevollmäch- 
tigung zu warten, nicht mehr gestatten. 

1. Berichte Stadions 28. Mai. H.-A. 

2. Vgl. die Instruktionen für Caulaincourt 26. Mai (wohl irr- 
tümlich für 29., da die Vollmachten für Schouwaloff und Kleist 
d. d. 28. als bekannt vorausgesetzt werden), 30. Mai, 1. Juni 
10 Uhr vormittags, 1. Juni 3 Uhr nachmittags, 2., 3., 4. Juni. 
Corr. XXV, 383ff., 3b8f., 394ff., 400f., 405f., 416f. 



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- 266 - 



Hauptquartier einjltimatum in Händen, das sehr liberal 
im Punkt der Demarkation, umso kategorischer auf dem 
27. Juli als frühestem Anfang der Feindseligkeiten bestand. 1 

Sollte man annehmen oder ablohnen? Man fühlte tief 
den ganzen Ernst der Entscheidung. Ein vierzehntägiger 
Waffenstillstand war eine rein militärische Massrcgel, ein 
sechswöchentlicher hatte auch seine politische und moralische 
Seite. Ihn abschliessen hiess offen bekennen, dass man 
nicht fähig gewesen war, die Vorteile der geübteren Truppe 
auszunutzen, und jedenfalls auf diese Vorteile in Zukunft 
verzichten ; denn nach seinem Ablauf musste das napoleonische 
Heer wieder in alter Herrlichkeit dastehen. Wie leicht 
konnte ferner das Feuer der Begeisterung, schon jetzt ab- 
gekühlt, ganz verrauchen; und waren nicht Verhandlungen 
unvermeidlich, durch die es Napoleon vielleicht glückte, 
seine Gegner zu trennen und einen faulen Frieden herbei- 
zuführen? Manch einem erschien ein Eingehen auf die fran- 
zösische Forderung als Preisgabe der Sache Europas. 3 

Auf der andern Seite aber bot doch auch eine Fort- 
setzung der Feindseligkeiten die bedenklichsten Aussichten. 
Man war in Stellungen, die sich ohne Schlacht nur noch 
wenige Tage halten Hessen, 3 eben jetzt schnitt der Fall 
Breslaus den Weg nach Norden völlig ab (1. Juni), schon 
drängte der russische Oberfeldherr auf den Rückzug an die 
Weichsel; und kam es dazu, so war es um das Einver- 
ständnis zwischen den Verbündeten von Kaiisch geschehen, 
vor allem: es war dann illusorisch, auf den Beitritt Oester- 
reichs zu rechnen. 4 

1. Bericht Stadion» 3. Juni. Oncken II, 661. 

2. Anstett erklärte Stadion (Oncken II, 662), que des que 
cet armistice de deux mois ä peu pres serait aeeepte, il regarde- 
rait la cause de l'Europe comme abandonnee, les trois grandes 
Puissances comme perdues. 

3. Berichte Stadions 27. Mai. H.-A. 

4- Blücher an Barklay 1. Juni. Droysen, York II, 93. 



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_ 267 — 

Diese Rücksicht auf die Hofburg musste den Ausschlag 
geben. Am Nachmittag jenes 3. Juni erschienen Knesebeck 
und Anstett, die beiden Häupter der Waffenstillstands- und 
der Kriegspartei bei Stadion. 1 um ihm die Entscheidung 
der grossen Frage anheimzustellen. Wieder wie schon am 
22. Mai fehlte es nicht an offenen und versteckten Vor- 
würfen gegen die Haltung des Wiener Kabinets, das, wie 
Anstett polterte, doch wohl nicht den Untergang Russlands 
und Preussens mit seinem eignen Sturz erkaufen wolle; 
und schon an sich war die Lage des Gesandten peinlich 
genug. Im persönlichen wie im Staatsinteresse konnte er 
die schwere Verantwortung eines offenen Ja oder Nein un- 
möglich auf sich nehmen. Eine äusserliche Neutralität ver- 
stand sich von selbst. Aber ganz zu schweigen ging auch 
nicht an. Er versicherte, dass ein Waffenstillstand bis 
Ende Juni Oesterreich sehr viel stärker machen werde, und 
gab auf eine ausdrückliche Anfrage Knesebecks zu: sein 
Herr habe in der That nicht genug Vertrauen in das 
Waflfenglück, um nicht am liebsten durch Unterhandlung 
und ohne Schwertstreich die wesentlichsten Bedingungen 
für die Ruhe Europas zu erlangen. Mehr brauchte es 
nicht, um den Herren zu zeigen, wohin die Wünsche der 
Hofburg gingen. Sie beschlossen die Bevollmächtigten zu 
instruieren, dass man in einen vierwöchentlichen Waffen- 
stillstand mit sechstägiger Kündigung willige, der, falls man 
inzwischen über die Grundlagen der Verhandlung einig ge- 
worden sei, um weitere vier Wochen verlängert werden 
könne. Von diesem unglücklichen Kompromiss' bis zur 
völligen Unterwerfung unter das Ultimatum Napoleons war 
nur ein Schritt; er wurde gethan. Am 4. Juni nachmittags 
2 Uhr 3 unterzeichneten die Generale mit Caulaincourt zu 



1. Vgl. dessen Bericht Onckcn II, 660 ff. 

2. Napoleons Zorn darüber siehe Corr. XXV, 416. 

3. Napoleon an Bassano 4. Juni 4 Uhr nm, Corr. XXV, 418. 



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Poischwitz die Konvention, nach der der Kriegslärm bis 
zum 27. Juli zu schweigen hatte. 1 

Doch wollte weder hüben noch drüben eine rechte 
Freude über den gelungenen Abschluss aufkommen. Man 
weiss, mit welchem Schmerz die preussischen Patrioten die 
„dunkelste Trauerbotschaft" empfingen; 2 und auch den Im- 
perator quälten allerlei Zweifel. Er glaubte nachgiebiger 
gewesen zu sein, als sich mit seiner Ehre vertrüge, und 
verschloss sich der trüben Ahnung nicht, dass sein jüngster 
Schritt ihm leicht sehr verhängnisvoll werden könnte.» 

Nur am oesterreichischen Hoflager hätte die Befriedigung 
unmöglich grösser sein können. Gleich als Bubna be- 
richtete, dass Napoleon sich einem Waffenstillstand noch 
immer willig zeige, war Metternich ein Stein vom Herzen 
gefallen. Er redete von dem „besten Erfolg" der Mission 
und schrieb dem Kaiser triumphierend: „Ich hoffe, Ew. 
Majestät werden sich neuerdings zu überzeugen geruhen, 
dass unser Gang der Rechte ist." Wirklich versicherte 
Franz den gescholtenen Minister wieder seines vollen Ver- 
trauens: „Gerechtfertiget ist gewiss durch das, was bisher 
geschieht, der Gang, den Sie mir angerathen", 4 und beide fassten 
nun ernstlicher den Plan ins Auge, den sie schon am 11. nach 
Dresden hin angekündigt hatten 6 : sich zur Erleichterung 
der Verhandlungen in die Nähe des Kriegsschauplatzes zu 
verfügen. 6 

1. Abgedruckt bei Fain I, 484 ff. 

2. Arndt: Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem 
Reichsfreiherrn von Stein. Herausg. v. R. Geerds. S. 137. 

3. Corr. XXV, 406. Lefebvre V, 354. 

4. Vortrag vom 21. Mai mit allerhöchster Resolution darauf. 
Vgl. auch den Bericht des Grafen Hardenberg 24. Mai. Oncken 
II, 311. 

5. Kaiser Franz an Napoleon 11. Mai. Oncken U, 648 f. 

6. Bereits am 27. bat Metternich (Vorträge. H.-A.), „sich 
in der Stille bereit zu halten, um sich, in dem Fall der Waffen- 



- 269 - 

Das eigentliche Signal dazu aber gab doch erst eine 
am 30. eintreffende Depesche Stadions (d. d. 26.), die, den 
Waffenstillstand in Frage stellend, zugleich die sensationelle 
Nachricht enthielt, die Verbündeten hätten die bis Bunzlau 
und Goldberg verfolgte Richtung auf Breslau verlassen und 
plötzlich im tiefsten Geheimnis die Strasse nach Schweidnitz, 
Brieg und Oppeln eingeschlagen. 1 Damit gewann die Lage 
ein sehr kritisches Ansehen; denn wie wenig die Bewegung 
bei der Unmöglichkeit, die durch französische Festungen 
beherrschte Oderlinie zu halten, strategisch einer auch in i 
Wien anerkannten 2 Begründung entbehrte, man witterte 
daneben die Absicht, „Oesterreich an die Wand zu drücken", 3 
moralisch und politisch zürn Anschluss zu zwingen. Wurde 
jetzt der Krieg fortgesetzt, so war die sorglieh vermiedene 
offene Erklärung am Ende doch vielleicht unausweichlich. 1 
Es schien kein Augenblick mehr zu verlieren. Metternich 
fuhr sofort zum Kaiser nach- Laxenburg heraus und bat 
ihn, womöglich schon folgenden Tags an die nordböhmische 



stillstand angenommen werden sollte, selbst nach Böhmen zu 
verfügen, um so der Negociation näher zu sein." 

1. Bericht Stadions 26. Mai pr. 30. H.-A. Metternich an Stadion 
30. Mai. Oncken II, 659 f. 

2. La directum que prend l'armee alli^e est fort approuvee 
par l'Empereur et sans contredit pröferable ä la retraite sur 
l'Oder. Ebenda. 

3. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 143. So 
Unrecht hatte man damit kaum. Die Verbündeten selbst 
machten den Entschluss geltend als „la plus forte preuve de 
confiance qu'on avait daus les assurances et dans les paroles du 
Cabinet de Vienne, puisque ce n'cst qu'autant qu'on pouvait 
compter avec certitude sur une prompte Cooperation de l'Autriche 
que cette position de l'armee dans les camps retranch^s pouvait 
etre bonue et pouvait etre soutenue pendant quelque temps." 
Berichte Stadions 26. Mai. H.-A. 



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- 270 - 



Grenze abzureisen. 1 Dabei sollte der Ort als Residenz ge- 
wählt werden, der zwischen Dresden und dem Hauptquartier 
der Verbündeten am meisten in der Mitte läge. Man nahm 
eine Karte zur Hand und entschied sich leicht für Gitschin, 



Alle Vorbereitungen wurden mit grösser Schnelligkeit ge- 
troffen. ^m^J. .ThpL morgens um 5 Uhr verliess Franz 
mit kleinem Gefolge die Hauptstadt, am 3. schon war die 
Verlegung des Hofes eine vollzogene Thatsache. 

Natürlich erregte sie überall das grosste Aufsehen. In 
Wien selbst stand man wie vor einem ßätsel. Man sprach 
tagelang von nichts anderni und sehr ^ verschieden wie die 
Parteien waren die Kommentare. Noch immer gab es, zu- 

1. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 142 ff. Wenn 
Metternich behauptet, auf die Nachricht vom Verlust der ßautze- 
ner Schlacht, die er am 29. Mai 4 Uhr nachmittags gehabt, 
nach Laxenburg geeilt zu sein, so muss das trotz der genauen 
Angabe der Tagesstunde ein Irrtum sein. Denn der Bericht 
Stadions vom 22., der über den Ausgang keinen Zweifel lässt, 
trägt das Präsentatum des 25., und wenn der Minister selbst an 
diesem Tag auch nicht in Wien war, so kehrte er doch spätestens 
am 27. zurück. 

2. Häusser IV, 216 behauptet: „Das Schloss Gitschin ... lag 
von Dresden ziemlich weit weg, aber nahe genug beim Haupt- 
quartier der Verbündeten." Thatsächlich sind die Entfernungen 
ziemlich gleich. — Überhaupt waren Kaiser Franz und sein 
Minister ängstlich bemüht, Licht und Schatten bei allen Mass- 
regel n gleichmässig auf beide Parteien zu verteilen. So resol- 
vierte Franz auf die Gesuche um Gestattung von Getreideausfuhr: 
Ich gestatte jedem der vier Höfe (Frankreich, Sachsen, Russland, 
Preussen) nur den Ankauf und die Ausfuhr von 20,000 Motzen 
Weizen, 20,000 Motzen Roggen, 10,000 Metzen Gerste und 10,000 
Metzen Hafer. Sachsen und Frankreich müssen in Böhmen, Preussen 
und Russland in Mähren und Galizien kaufen (31. Mai. H.-A.). Es 
bedarf das ausdrücklicher Erwähnung, weil Oncken (II, 2535) ver- 
sichert, dass dieser „grosse Dienst" nur den Verbündeten geleistetsei. 



ein Schloss 




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- 2fl - 



mal im Adel, einen stattlichen Kreis von Leuten, die den 
Tag nicht erwarten konnten, wo das Wort Krieg ausge- 
sprochen würde. Nach ihnen hätte es nur eines herzhaften 
Entschlusses bedurft, um den Knoten mit einem Schlag zu 
zerhauen, und besonders eifrige Friedensgegner wie der 
fahrende Ritter Nugent setzten denn auch mit Erfolg die , 
Taktik des Winters fort: den Imperator von allen ihm 
feindseligen Schritten Oesterreichs zu unterrichten, damit 
Metternich, unrettbar kompromittiert, schliesslich keine Wahl 
mehr habe. 1 Die andern begnügten sich in den Salons 
über die Politik der Regierung zu Gericht zu sitzen, wo 
zum Entsetzen des ruheseligen Gentz* jedes gesellschaftliche 
Behagen seit lange einem wüsten Raisonnieren und Deraison- 
nieren gewichen war. Man durfte zweifeln, ob überhaupt 
eine Massregel Gnade vor ihren Augen finden würde. Die 
gegenwärtige jedenfalls galt ihnen als erstes Glied schmäh- 
licher Friedensverhandlungen. 3 



Doch Hessen sich daneben in steigender Zahl auch selir 
andere Stimmen vernehmen. Die Zeiten waren gewesen, 
wo ein selbst nicht einmal kriegslustiger Mann hatte dafür 
bürgen wollen, daas es in Oesterreich ebenso leicht sei wie 
in Deutschland und Preussen eine allgemeine Bewaffnung 
hervorzubringen. 4 Wesentlich nur noch in Böhmen und 
seiner herrlichen Hauptstadt, wo Schwarzenberg, Radetzky 
und der Oberstburggraf Kolowrat in edlem Wetteifer für 
die gute Sache wirkten, konnte sich der Patriot über Schwung 
und Begeisterung freuen. 6 Sonst begann sich bereits jener 
hässliche Kleinmut zu regen, von dem die Berichte aus dem 

1. Nugcut an Münster 31. Mai. Lebensbilder II, 144f. 

2. Vgl. namentlich seinen Brief an Metternich 10. Juni. Aus 
Metternichs nachgelassenen Papieren I, 245 f. 

3. Genta an Metternich 5. Juni. Ebenda I, 244f. 

4. Prof. Watteroth an Hager 14. April. Wertheimer S. 3G6. 

5. Stadion an Metternich 8. Juni nach Äusserungen Steins. 
Siehe den Anhang. 




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- 272 - 



Juli so peinliche Einzelheiten erzählen. 1 Die Ansicht durfte 
noch Anspruch auf Grösse machen, die Oesterreich einem 
rechtlichen Mann verglich, der durch den ungerechtesten 
Gegner zu einem Zweikampf gezwungen werden könne, 
wenngleich er und alle seine Freunde sich nicht verbärgen, 
dass der Gegner zehnmal besser schösse. 2 Gar manchem 
erschien selbst die Reise nach Gitschin als ein frevles 
Beginnen, an dessen Verantwortung die Urheber dereinst 
schwer würden zu tragen haben; denn was sei sie anders 
wenn nicht das Signal zum Krieg? 

Die so sprachen, zeigten, dass sie von der Stimmung 
in den höchsten Regionen keine Ahnung hatten. Hier rief 
alles nach Frieden, üuka imTseiner ängstlichen Beschränkt- 
heit war der Mann der Situation. Eben in den Tagen nach 
Abschluss des Waffenstillstandes (8. Juni) gab er eine neue 
glänzende Probe von der natürlichen Verkehrtheit seines 
Geistes. Schwarzenberg hatte beantragt, bei Prag ein be- 
festigtes Lager, bei Theresienstadt und an der Donau 
Brückenköpfe anzulegen. Die militärische Notwendigkeit 
dieser Massregeln leuchtete ein, und zudem griffen sie, wie 
der Feldmarschall gleich vorsorglich betonte, als rein 
defensiver Art durchaus in den Geist der Vermittlung ein. 
Trotzdem brachte es der Generaladjudant fertig, ihre vor- 
läufige Ablehnung zu empfehlen. Er benutzte die Gelegen- 
heit, um dem Kaiser die ohnehin nur allzu oft bedachte 
Thatsache in Erinnerung zu bringen, dass man diesmal kaum 
etwas Uber ein Drittel der Streitkräfte von 1809 aufgestellt 
habe, und tadelte, dass die vorgeschlagenen Rüstungen sich 
bestimmt nur gegen Frankreich allein und nicht gegen 
Russland und Preussen zugleich aussprächen, „welches nach 
meiner wenigen Einsicht doch notwendig wäre, um di« 
kriegführenden Mächte zu überzeugen, dass man nichts Ein- 



1. Wertheimer 3681., 393ff. 

2. Gente an Metternich 5. Juni. Oncken II, 370 f. 



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— 273 — 

seitiges — nur einen billigen Frieden von beiden Teilen 
fordert" 1 Selbst Metternich sah sich genötigt, mit diesen 
Einflüssen zu rechnen. Vielleicht, dass er in anderer Um- 
gebung kräftiger aufgetreten wäre; so begrüsste er den 
Waffenstillstand als die „grösste aller Wohlthaten" und lebte 
der Hoffnung, dass über seine bescheidenen Forderungen 
eine Einigung möglich sein werde.' Schon am 29. Mai hatte 
er Franz in einem Erlass an Graf Wallis die Worte in den 
Mund gelegt: Die Entwickelung des gegenwärtigen politischen 
Standes dürfte mir bald erlauben, meine hauptsächliche 
Aufmerksamkeit auf die inneren Verhältnisse meinerMonarchie 
zu richten 3 ; und als sein Freund Gentz sechs Tage später 
am Schlus8 eines Rückblicks auf die letzten Ereignisse seit 
dem Untergang der grossen Armee die verschiedenen 
Möglichkeiten der endlichen Lösung erörterte, erklärte 
er die Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Ausgleichs für 
überwiegend. 4 Die Jämmerlichkeit des dann Erreichten zu 
bemänteln, hatte der grosso Publizist ein System blendender ! 1 
Schein gründe ersonnen. Nach ihm war die Herrschaft Na- 
poleons wesentlich erschüttert und untergraben. Es handelte 
sich also nicht sowohl darum, ihren Sturz herbeizuführen 
oder nicht, als vielmehr um die Art, wie man ihn am 
besten beschleunigte. Dazu aber schien ein vorteilhafter 
„Waffenstillstand", und brachte er nur den Verzicht auf 
Polen, das beste Mittel. Das Grösste und Entscheidendste 
durfte man ja ohnehin bereits als unwiderruflich gewonnen 
verzeichnen: die enge Verbindung zwischen Oesterreich, 
Russland und Preussen und die Verbreitung der Über- 
zeugung, dass die Hofburg den gegenwärtigen Zustand von 

1. Duka au Kaiser Franz 8. Juni. K.-A. Hauptarme» 
VI,46 Vr 

2. An Stadion 6. Juni. Onckeu H, 663 f. 

3. Vortrage 29. Mai. H.-A. 

4. Resume de la Situation actuelle des affaires. Siehe den 
Anhang. 

' ' 18 



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2*74 - 



Europa für unzulässig, mit allen Ideen von Ordnung, Ruhe 
und Gerechtigkeit streitend, mithin durchaus anormaliseh^ 
und unerträglich ansehe. Es gehörte viel Idealismus dazu, 
in dem Letzteren mehr als in sechs der französischen Ober- 
herrschaft entrissenen Provinzen zu erblicken. 1 Doch be- 
wegte sich auch der Minister wesentlich in diesem Ge- 
r dankenkreis. Er tröstete^ den Grafen Hardenberg* damit, 
/ dass der abzuschliessende Friede nur ein Waffenstillstand 
■ sei, in dem man sich zu neuen Anstrengungen sammeln 
> werde. Deren Erfolg aber wäre sehr gut vorbereitet, wenn 
man sich eine Operationslinie sichern könne, die am adriati- 
schen Meer begönne und am baltischen endige. 

Das innerlich Hohle und Nichtige solcher Worte blieb 
dem schärferen Auge nicht verborgen. Jene Linie mochte 
sich auf der Karte recht gut ausnehmen: thatsächlich Hess 
sie den besten Teil Europas in Häriden des einzigen Na- 
poleon und teilte den schlechteren unter drei Mächte auf, 
von denen die beiden Frankreich benachbarten notwendig 
zu dessen Provinzen herabsanken, vorausgesetzt, dass Russ- 
land nicht die Kraft oder den Willen hatte, sie zu seinen 
Sklaven zu machen. Wer wollte für Illyrien auch nur ein 
halbes Jahr gutsagen, wenn die Macht des Imperators in 
Italien und Deutschland ungebrochen blieb? Preussen stand 



1. Diese Theorien zuerst ausfuhrlich entwickelt in dem Brief 
an Metternich 10. Juni (aus Metternichs nachgelassenen Papieren 
I, 245 ff.). Seine Überzeugung von der Erschütterung des napo- 
leonischen Systems hat G. auch sonst ausgesprochen z. B. sehr 
stark 10. Juli_ gegen George Jackson: „Je suis persuade que 
nous ratteindrons (meinen Lebenszweck: die Vernichtung Na- 

j poleons) . . Je ne vous parle pas de ce qui se fera d'ici a trois 
mois ou dans un an ou dans tel ou tel espace de temps termine, 
mais je sais que nous vivrons pour voir le triomphe de notre 
cause et que „les portes de l'enfer ne prevaudront pas contre" 
cette conviction. Jackson v X>iairies. Bath Archives II, 160. 

2. Vgl. dessen Bericht vom 31. Mai. Oncken II, 325. 



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- 2% - 

dann nach wie vor jeder Invasion offen, die man von Paris aus f 

zu befehlen beliebte. Russland würde zum zweiten Mal ft ; 

der Narr nicht sein mitzuthun. Gewiss musste ein fauler 

Frieden nach zwei Jahren einen neuen Krieg herauffuhren. \ 

Aber eitel war die Hoffnung, ihn unter besseren Aussichten ' 

zu beginnen. Gerade umgekehrt Hess sich voraussagen, ■ \ ' i 

dass man nicht den Mut haben würde, ihn zu beginnen, 

nicht die Kraft ihn auszufechten, nicht den politischen 

Kredit, Um einem andern europäischen Staat gemeinsam zu 

machen. 

Es war ein Glück für Oesterreich und die Welt, dass 
sich unter seinen Diplomaten ein Mann fand, der feurigen 
Herzens und klaren Kopfes mit sieghafter Beredsamkeit 
immer wieder auf diese Folgen hinwies und dabei an einem 
Platze stand, wo seine Worte sich auch in Thaten umsetzen 
konnten. Wer will sagen, ob ohne den Grafen Stad ion 
im Hauptquartier der Alliierten jener von Gentz gepriesene 
Bund der drei Ostmächte die Krisen des Mai und Juni 
überdauert hätte? 

Der Vertrag von Reichenbach ist wesentlich sein Werk. 



18* 



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Zehnt«» Kapitel. 



Der Vertrag von Reichenbach. 

Von vornherein hatte sich an die Mission des Grafen 
Stadion für die Verbündeten die Hoffnung geknüpft, dass 
er die Allianz mit Oesterreich bringen werde. Als „Träger 
von Gesetz und Propheten" 1 war er mit jeder Woche un- 
geduldiger erwartet worden. Endlich am 12. Mai traf die 
ersehnte Nachricht ein, dass er nur noch wenige Stunden 
vom Hauptquartier entfernt sei, und nun jubelte alles mit 
dem aus peinlichster Lage befreiten Lebzeltern: Dem Himmel 
sei Dank, da sind Ew. Excellenz angekommen. 3 

Der alsfr Begrüsste überliess sich derweilen im Reise- 
wagen den ernstesten Reflexionen. 3 Er gedachte, wieviele 
Punkte seiner Instruktionen in den wenigen Tagen seit 
ihrer Ausfertigung durch den ehernen Schritt der Ereignisse 
überholt seien, und war nicht ohne Sorge wegen eines 
stjrmischen Empfanges bei den Allierten, der doppelt un- 
angenehm werden konnte, wenn man sich einfallen liess, 
nach Wallenstein ischem Muster den Mann vom Amt zu 
unterscheiden. W T ürde man ihm nicht die Langsamkeit 
seines Hofes als die Ursache alles Unglücks vorwerfen, 
darauf dringen, dass die oesterreichische Armee mindestens 

1. Berichte Lebzelterns 18. April. H.-A. 

2. Graces au Ciel, voilä V. E. arrivee. Lebzeltern an Stadion 
12. Mai. H.-A. 

3. Stadion an Metternich, Friedland 12. Mai. H.-A. 



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— 277 - 



jetzt unverzüglich in Aktion trete? Und er durfte das 
frühestens nach vierzehn Tagen versprechen! 

Es waren wenig angenehme Aussichten, aber was galt 
auch das Behagen des einzelnen unter so einzigartigen, 
entscheidungsvollen Umständen? Der Graf durchdrang sich 
mit der Überzeugung, dass jetzt der Augenblick gekommen 
sei, wo die Haltung und Festigkeit der verbündeten Monarchen 
über die Politik Oesterreichs und das Schicksal Europas 
bestimmen 1 müsse, und klar stand ihm als seine Aufgabe 
vor Augen: „diese Leute auf deutschem Gebiet festzuhalten 
und den Russen den Mut zu wahren, Europäer zu bleiben". 
Dazu gab es offenbar nur einen Weg. Er musste ihnen 
unbedingtes Vertrauen in die Gesinnung seiner Regierung 
einflössen, nötigenfalls indem er über unzureichende In- 
struktionen hinausging und schädliche ignorierte. So er- 
klärte er Metternich gleich jetzt offen heraus: für diesen 
wesentlichen Punkt kann ich mich nicht zu sehr kompro- 
mittieren, und legte später dem Grafen Hardenberg das 
Geständnis ab, er mache sich kein Gewissen daraus, seine 
Pflichten als guter Oesterreicher mehr als die eines ab- 
hängigen Ministers anzusehen.' 

Zunächst freilich blieb er noch einigermassen in den 
Grenzen seines Auftrages, wenn er eine Militärkonvention 
anregte und den russischen Vertragswünschen gegenüber 
versicherte, er habe zwar keine Vollmachten oder genaueren 
Instruktionen nach dieser Richtung, werde jedoch mit den 
Ministern der verbündeten Mächte gern über einen Eventuil- 
_ traktat verhandeln, der das Verhalten Oesterreichs nach 
Ablehnung seiner Vorschläge durch Napoleon regele. Zeit 
verlöre man dabei nicht, da man ja die Form der Be- 
stätigung wählen könne, die von Alexander und Friedrich 



1. Stadion an Metternich 10. Mai. H.-A. 

2. Graf Hardenberg an Münster 21. Juni. Onoken II, 350 



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- 278 - 



Wilhelm im Februar beliebt sei. 1 Aber das war unzweifel- 
haft nicht mehr im Sinne Metternichs, dass er Nesselrodo 
ein Friedensprogramm entwickelte, welches, weit mehr dem 
Maximum als demMinimum seiner Weisungen entsprechend, für 
Oesterreich die Grenzen vor 1805, für Preussen Durchführung 
der Kalischer Abmachungen, für ganz Deutschland Freiheit 
von französischem Einfluss forderte'; und seine abweisende 
Haltung gegenüber dem Wiener Lieblingswunsch des Waffen- 
stillstandes kennen wir bereits. Er sah die Dinge eben mit 
ganz andern Augen an. Während man in der Hofburg 
geneigt war, alles verloren zu geben, schrieb er, als handele 
es sich um etwas Selbstverständliches: Ich habe unbedenk- 
lich nach allen Seiten hin den Gang befolgt, zu dem ich 
bei meiner Abreise aus Wien für den Fall autorisiert wurde, 
dass die Dinge den Alliierten günstig erschienen. 3 

Natürlich fehlte es da nicht an schweren inneren 
Kämpfen. Er fühlte sich oft so unglücklich, dass ihn nur 
die Furcht, der guten Sache zu schaden, auf seinem Posten 
zurückhielt. Wenn er wieder einmal eine Ordre im Sinn 
des diplomatischen Rückzugs erhalten hatte, konnte es 
! kommen, dass er einige Stunden brauchte, um sich über 
v ^ die ungeheure Verschiedenheit seiner Thätigkeit und der 

\ daheim massgebenden Gesichtspunkte zu beruhigen. 4 

Aber er liess nichts unversucht, diese Verschiedenheit 
durch eine günstige Schilderung der Lage in ihrer Quelle, 
der Furcht und Hoffnungslosigkeit des Hofes, zu beseitigen. 
Gleich in seinem ersten Bericht (13. Mai) versicherte er, die 
Sachen ständen weit besser, als er gedacht, man sei von 

1. Berichte 14. Mai. H.-A. 

2. Relation Nesselrodes über eine Unterredung mit Stadion 
boi dessen Berichten vom 16. Mai. H.-A. 

3. Berichte 16. Mai. H.-A. 

4. Graf Hardenberg an Münster 21. Juni. Oncken II, 351. 
Stadion an Metternich ohne Datum, wahrscheinlich 18, oder 
20, Mai, H.-A. 



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- 270 - 



Ubermut und Kleinmut gleich weit entfernt, und fortan 
rühmte er immer wieder die Ruhe, Ausdauer und Stand- 
haftigkeit seiner Umgebung. Zumal Alexander hatte es ihm 
angethan. Schon in der Antrittsaudienz war er von der 
Sachkenntnis und Urteilsschärfe des Zaren entzückt gewesen, 
und einen noch stärkeren Eindruck nahm er aus einer 
Unterredung hinfort, die er sich nach der Bautzener Schlacht 
nicht ohne vorheriges Zögern erbat. Konnte sich das 
Wiener Kabinet eine bessere Gesinnung wünschen, als sie aus 
dem Geständnis sprach, man werde in offener Feldschlacht 
immer geschlagen werden, aber bei der Erschöpfung Napoleons 
lasse zähes Ausharren auf schliesslichen Erfolg hoffen? 1 
Die Bürgschaft für solche Worte lag in den Verhältnissen 
selbst; Stadion bemerkte sehr richtig, dass Oesterreich, wenn 
überhaupt je, so jetzt auf die Festigkeit der Gegner Frank- 
reichs rechnen dürfe, wo der eine von ihnen nur in ihr die 
Hoffnung auf irgend welche Existenz finde und der andere, 
durch die Erfahrungen des letzten Jahres über die Unver- 
letzlichkeit des eigenen Gebietes beruhigt, dem alten panischen 
Schrecken nicht mehr zugänglich sei. Er leugnete die 
militärischen und politischen Fehler der Verbündeten nicht, 
den Rückzug am 3. Mai nannte er hart genug eino unge- 
heure Ungeschicklichkeit, aber er hielt dem gegenüber, wie 
leicht man von Wien aus Ein fluss auf ihre Operationen gewinnen 
könne: sie wollen nichts Besseres als unsern Ratschlägen 
folgen. 2 Und der schönen Armee zollte er das höchste Lob. 
Er wurde nicht müde, die gute Ordnung des. Rückzugs her- 
vorzuheben, der in der Geschichte einzig dastehe, insofern 
die Weichenden Trophäen gewönnen und die Verfolger 
stündlich Verluste erführen. 3 Jeden Tag könne das ver- 
bündete Heer die Offensive wieder aufnehmen. Soldaten, 



1. Berichte 23. Mai. Oncken II, 329 f. 

2. Berichte 16. Mai, Brief 2. Juni. H.-A. 

3. Berichte 22., 26., 27. Mai. 2. Juni. Ü.-A. 



> v ■ •. i. 



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Offiziere, Generäle, alle forderten sie, nur das Misstrauen 
der Sou veraine in die Fähigkeit der leitenden Männer und 
die eitle Scheu, eine dritte Schlacht zu verlieren, lasse es 
nicht dazu kommen. 85000 Mann mit 570 bis 600 Geschützen 
seien bei Schweidnitz versammelt. 1 

Das ceterum censeo solcher Beobachtungen war stets: 
Halten wir Wort, brechen wir mit unserer Armee aus Böhmen 
vor! Er warnte: das sei die v böseste aller Möglichkeiten, 
dass Napoleon Oesterreich durch ein Einzelzugeständnis bei 
Seite schöbe und so in seinem Händen behielte, um es später 
das Gewicht seiner Rache fühlen zu lassen; denn die 
Beziehungen zu Frankreich müssten seit mehr als einem 
Monat als entschieden betrachtet werden. Man habe zuviel 
gethan oder vielmehr zuviel unterlassen, als dass Napoleon 
ernstlich an den wahren Absichten Oesterreichs zweifeln 
könne. Und mit grosser Geschicklichkeit spielte er den 
Metternich des April gegen den des Mai aus: sie wären 
doch früher einigt gewesen, dass jeder Marsch vorwärts die 
Lage des Imperators umso kritischer und prekärer mache, 
wenn nur die Alliierten festblieben; dass eine anfängliche 
Niederlage der Russen das Beste sei. 2 

Diese Sprache wurde umso stärker, je mehr sich das 
verbündete Heer den Grenzen jenes deutschen Landes 
näherte, auf dem er es um jeden Preis hatte festhalten 
wollen. Mit dem Rechtsab marsch an die böhmische Grenze 
schien ihm die letzte Stunde gekommen, bis zu der Oester- 
reich das Zögern und die Unschlüssigkeit seiner militärischen 
und politischen Haltung hatte treiben dürfen. 3 Erklärte es sich 

1. Bericht No. 11 D und Brief y gm. 2. , Juni. H.-A. 

2. Stadion an Metternich [18. oder20. Mai]; an denselben 26. Mai: 
Rappelez-vous ce que nous avons parle et discute ensemble 
plus d'une fois sur le cas de revers de la Russie, pourvu qu'elle 
enträt en jeu et qu'elle ne quittat pas la partie. Eh bieu, nous 
sommes tout ä fait dans cette Situation aupposee alors !a meilleure, 
H.-A. 

ö. Berichte 27. Mai. H.-A. 



— 281 — 



auch jetzt nicht binnen acht bis zehn Tagen, so zog der 
Zar seine Russen hinter die Weichsel zurück oder machte 
gar Frieden mit einem Feind, gegen den er von der be- 
rufensten Macht ohne Unterstützung gelassen war. 

Das abzuwenden, nahm Stadion alle Kraft seiner Bered- 
samkeit und Dialektik zu einer Reihe feuriger Mahnungen 
an die kriegsscheue Regierung zusammen. 1 Mit rücksichts- 
loser Offenheit hielt er der oesterreichischen Politik ihre j 
Sünden vor: „Diese Leute sind geschlagen durch unsere 
Schuld, durch die Halbheit unseres Wollens, unserer Mittel, 
unserer Sprache; sie werden immer noch gut davonkommen 
und Oesterreich die Kosten des Vergleichs tragen lassen. , 
Frankreich und Russland, müde, einem Hof Komplimente zu 
machen, der seine Macht freiwillig gelähmt hat, werden sich y x 
in Güte einigen und uns unserem Untergang preisgeben." 
Er protestierte gegen eine Unterhandlung, „die durch ihre 1 
Dauer Napoleon aus aller Verlegenheit zieht und unsere 
Fesseln für immer zusammennietet", er protestierte vor allem j 
gegen die Mctternichschen Bedingungen, die den Weg des ; 
Todes für die Monarchie bedeuteten, zu einem Frieden führen j 
würden, der noch weniger einer sei als alle seine Vorgänger \ 
seit 1797. „Und warum, fragte er weiter, warum all diese 
Zerstörung dessen, was bisher dem reissenden Strom der 
Ereignisse widerstand? Weil die Russen und Preussen mit 
hundert und so und soviel tausend Mann jenscit der Oder 
sind und Verstärkungen von fast gleicher Zahl erwarten! 
weil es Napoleon in seiner augenblicklichen Lage wenig 
behaglich ist und er das Zurückweichen Oesterreichs 
brauchen kann, um einige Monate zu gewinnen, seine 
Kavallerie zu reorganisieren, zahlreiche Verstärkungen her- 
anzuziehen und sich von neuem zum Herrn über das gegen 
ihn verschworene Europa zu machen ! rf Er wusste wohl, 



h 27. Mai, 30. Mai, 2. Juni. H,-A. 



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— 282 



wo der Hauptgrund dieser Unbegreiflichkeiten zu suchen 
sei, dass es in erster Linie darauf ankomme, dio ängstliche 
Friedensliebe des Kaisers zu überwinden. So wagte er die 
Vermutung, schon eine starke Demonstration werde genügen, 
um wenigstens leidliche Bedingungen zu erhalten, und ver- 
sicherte aus voller Überzeugung: „Das Urteil unseres guten 
Herrn ist bereits gesprochen im Herzen Napoleons, alles 
beweist, dass er der Rache geweiht ist." Metternich selbst 
aber rief er am Schluss eines solchen Briefes die herrlichen 

• 

Worte zu: „Denken Sie zwei-, zehn-, hundertmal nach über 
die Partei, die Oesterreich zu ergreifen hat. Sie wird uns 
entweder in Wahrheit zu der grossen Rolle des Friedens- 
• Vermittlers oder zu Knechtung und Auflösung führen. Zeit 
verloren, alles verloren. Die Schäferstunde hat geschlagen, 
aber während wir über sie reden, entweicht sie. Leben Sie 
wohl. Ich glaubte, unsere Parole sei: Mut, Festigkeit und 
Ausdauer." 

Man kann diese vergilbten Blätter mit den kleinen, 
kritzligen Schriftzügen noch heute nicht ohne Ergriffenheit 
lesen. Vollends damals machten sie den tiefsten Eindruck. 
Metternich schrieb dem Rivalen bewundernd: Sie schlagen 
sich so heldenhaft, dass man durch Sie und noch einmal 
durch Sie und zum dritten Mal durch Sie viel in unserm 
traurigen Land erreichen würde; ja selbst der Kaiser, auf 
den das „traurige Land" nicht zum wenigsten gemünzt war, 
Hess ihm seine denkbar grösste Zufriedenheit ausdrücken, 
er würdige die ganze Haltung des Gesandten umsomehr, 
als er aus dessen Privatbriefen ersehe, dass er sich dabei 
unendlich oft sozusagen seines eigenen Selbst entäussern 
müsse. 1 

Und mH solcher persönlichen Anerkennung behielt es 
nicht sein Bewenden. Auch in der Sache selbst durfte der 



1. Metternich an Stadion 14. Juni, 6. Juni. Oncken H, 
671, 663. 



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— 283 — 



Patriot sich eines bescheidenen Erfolges freuen. Dabei 
kam ihm zu Statten, dass eins seiner stärksten Argumente, 
die Gefahr einer Neuauflage von Tilsit, durch gewisse Vor- 
gänge auf französischer Seite eine ernste Bestätigung fand. 

Zuerst am 19., dann unter dem Vorwand, es handele sich [ t 
nur um den Waffenstillstand, am 25. Mai hatte der beim 
Zaren von früher her so beliebte Caulaincoürt um die Ehre 
einer persönlichen Unterredung gebeten. 1 Nun war der 
Erfolg zunächst freilich ein sehr negativer gewesen. > ; 
Alexander hatte „die goldene Brücke zur Befreiung von 
den lntriguen Metternichs", „die schöne Gelegenheit zu 
glänzender Rache für den albernen Zug der Oester- 
reicher nach Russland" nicht benutzt. Vielmehr hatte 
er den Herzog das erste Mal gebeten, ihm durch Ver- 
mittlung des oesterreichischen Kabinets die Eröffnungen zu 
machen, mit denen er beauftragt sei,' und das zweite nicht 
ohne Ironie antworten lassen, man wolle ihm die Mühe einer 
Reise um einen rein militärischen Gegenstand sparen. 3 
Aber der französische Diplomat setzte diese Versuche bei 
den Waffenstillstandsverhandlungen mit der ihm angeborenen 
Liebenswürdigkeit fort. Er bereitete den bevollmächtigten 
Generälen einen ausgezeichneten Empfang und trank bei 
einem ihm zu Ehren veranstalteten Diner gar auf die russische 
Armee, was umsomehr bemerkt wurde, als nun auch Schou- ] 
waloff mit einem Toast auf das brave französische Heer 
erwiderte. 4 — Die Festigkeit des Zaren konnte ihre Grenzen 
finden. Schon jetzt drohte Wilhelm v. Humboldt mit der 
Möglichkeit, dass die Verbündeten sich ohne Rücksicht auf 
die Interessen der Hofburg mit Napoleon vertrügen 6 ; und 



1. Seine Instruktionen bei Lefebvre V, 331 ff. 

2. Lefebvre V, 343. 

3. Nesselrode an Caulaincoürt 28. Mai. ßignon XII, 122. 

4. Berichte Stadions 29. Mai. H.-A. Criste S. 281. 
&. Berichte Stadions 2. Juni No. 11^ H.-A, 



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— 284 - 



wenn Alexander selbst Stadion beteuerte, er fürchte alle 
französischen SendlingCi werde sich nicht auf Gespräche 
mit ihnen einlassen, so fügte er doch sogleich hinzu: solange 
ich noch nicht alle Hoffnung auf Oesterreich verloren habe. 1 

Es musste also wohl oder Übel etwas Positives ge- 
schehen, damit diese Hoffnung gegenüber den Lockungen 
des Korsen erhalten blieb; und zwar gleich nach zwei , t 
Seiten hin. Napoleon hatte ßubna in Dresden offen heraus 
gesagt, er werde Russland das Herzogtum Warschau an- 
bieten. 3 Das war ein Köder, dessen Anziehungskraft Oester- 
reich doppelt zu fürchten hatte, wenn es fortfuhr, das Herzog- ' 1 
tum wesentlich nur für sich und Preussen in Anspruch zu 
nehmen. So besann sich Metternich schleunigst auf die 
Ehrenpflicht, dafür zu sorgen, dass der Zar seinem Volk 
Trophäen heimbringe, und bevollmächtigte Stadion zu Vor- 
besprechungen über ein Abkommen, das die ]Verteilung[der 
warschauischen Länder zwischen Oesterreich/Äusslariif und . 
Preussen regelte. 3 

Sodann begann er nun endlieh auch jenen Vertrag mit 
freundlicheren Augen anzusehen, den Nesselrode schon 
M Anfang Februar angeregt hatte, und 71er seither von Stackel- J 
berg und Humboldt um die Wette erbeten war. Gewiss 
die Verpflichtung, bei Ablehnung festumschriebener 
Bedingungen an einem festumschriebenen Zeitpunkt die 
Waffen zu ergreifen, widerstrebte ihm und seiner 
Mobilitätspolitik noch immer. Er schalt sie „entweder 
unnütz an sich oder unverträglich mit unserer Mittlerrolle" 4 . 
Aber dafür würde derselbe Vertrag dann auch die Garantie | 1 
enthalten, dass die Verbündeten sich auf keinerlei Sonder-- 
Verhandlungen mit Frankreich einliessen, und eine solche 

1. Bericht Stadions 29. Mai. H.-A. 

2. Bericht Bubnas 16. Mai. Oncken II, 652. 

3. Metternich an Stadion 8. Juni. Qncken 11^664 f. - ^ 

4. Metternich an Stadion 11. Juni. Oncken II, 665 ff. 



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- 286 - 

Garantie erschien, zumal angesichts des lh. ^ 
Standes, mit jedem Tage mehr unentbehrlich. 

Es traf sich gut, dass während sich derart 
für sie günstiger gestaltete, die jUten russischen v 
mit verstärkter Energie erneuert wurden. 

Im verbündeten Hauptquartier hatte man trotz Stadio. 
von der rückläufigen Wendung der oesterreichischen Politik 
zu viel erfahren, um nicht ernstlich in Unruhe zu geraten, j 
Die unbegreifliche Nachsicht gegen Friedrich August und , 
Poniatowsky, die ewige Verlängerung des zur Vollendung 
der Rüstungen beanspruchten Zeitraumes waren Gegenstände 
lebhaftesten Bedauerns gewesen. Auch daran hatte man 
Anstoss genommen, dass Metternich seinen Gesandten fast 
vierzehn Tage lang ohne jede Nachricht oder Weisung liess. 1 
Den Höhepunkt jedoch erreichte die Missstimmung, als 
durch Stackelberg und dann auch durch direkte Mitteilung 
des Wiener Kabinets Auszüge aus jenen Instruktionen be-. 
kannt wurden, mit denen Bubna am 23. Mai zu Napoleon 
zurückgekehrt war. Darum also hatte man auf dringendes 
Verlangen Stadions sein Friedensprogramm in zwei schönen, 
von Wohlwollen für Oesterreich überfliessendeu Noten 
formuliert, damit es dem Imperator nicht einmal vorgelegt, 
geschweige denn von Wien aus unterstützt wurde! Vielmehr 
schien es, als sollte der General die französische Regierung 
um ihre Bedingungen fragen. Aufregung und Empörung 
waren allgemein. Hardenberg, wie zu Boden geschmettert, 
überliess sich dumpfer Trauer. Nesselrode, der sich persön- * ' 
lieh für ein Bündnis mit Oesterreich engagiert hatte, fühlte 
seinen jungen Einfluss wanken. Er eilte zu Stadion und 
überhäufte ihn mit Vorwürfen. Das hiesso alles widerrufen, 
was die Depeschen Metternichs und die Briefe Kaiser 
Franz' versprochen hätten oder wenigstens geschienen hätten 



1. Bericht Stadions 27. Mai. H.-A. Der Expedition vom 13. 
folgte erst am 26. eine neue. 



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zu versprechen, wenn man sie im natürlichen Sinn läse. 
Eine Stunde darauf beschied der Zar den Gesandten zu 
sich. Er bewahrte mehr Ruhe, aber urteilte nicht weniger 

/ bitter Uber die Wiener Staatsweisheit, die Napoleon in einer 
fast verzweifelten Lage das Mittel gebe, Zeit .zu gewinnen 
und alle Federn treuloser Verhandlung spielen zu lassen; 
sie müsse die Monarchie zum Untergang führen. Jedenfalls 
beschloss er, sich Klarheit zu verschaffen. Endlich einmal 
sollte der Schleier fallen, welche Bedingungen die Hofburg 
mit Heeresmacht unterstützen und welchen Endtermin sie 
für die Unterhandlung festsetzen würde. Nesselrode hatte 
ihm Vertrauen zu Metternich eingeflösst, so mochte er jetzt 
sehen, was er in Wien erreichen konnte. 1 Entschluss und 
Ausführung waren eins. Schon der nächste Tag fand den 
Staatssekretär auf der Reise, ausgestattet mit einer Reihe 
von Briefen, die, einer drängender als der andere, an die 

| Beharrlichkeit und Gewissenhaftigkeit Kaiser Franz' appel- 
lierten.* „Mit einem einzigen Wort, schrieb Alexander, 
können Ew. Majestät Uber das Schicksal Europas ent- 
scheiden," und Hardenberg stellte beweglich vor: „Der ge- 
ringste Aufschub wird die schrecklichsten Folgen für uns 
alle haben." 

Es war derselbe Ton, den man bei der Sendung Scharn- 
horsts vergebens angeschlagen hatte. Aber dem Russen 
lächelte das Glück, das sich dem würdigeren Preussen ver- 
sagt hatte. Freilich in die Kaiserstadt kam auch er nicht 
hinein. Als er in Brünn anlangte, erfuhr er die Abreise 
des Hofes nach Gitschin und machte sich nun gleichfalls 
dahin auf den Weg. In Kollin holte er den oesterreichischen 
Minister ein, der ihn zum guten Anfang alsbald einlud, das 



1. Bericht Stadions 29. Mai. H.-A. 

2, Alezander an Kaiser Franz, Friedrich Wilhelm an Kaiser 
Franz, Hardenberg an Metternich 30. Mai. H.-A. 



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lästige Inkognito aufzugeben. 1 Die beiden Staatsmänner 
kannten sich von früher her und verstanden sich rasch. 
Wenn Stadion gefürchtet hatte, die Mission werde wenig } 
gelegen kommen, so erklärte sie Metternich nach einigen , i l 
Tagen für ein wirkliches Glück, und auch der Kaiser, sonst 
so leicht zu verstimmen, bezeigte seine unbegrenzte Zu- 
friedenheit mit dem Abgesandten, der, geschmeidig und 
bestimmbar wie er war, den oesterreichischen Wünschen \ \y ( 
nach Möglichkeit entgegenkam. 2 Die eigentliche Verhandlung 
wurde durch die Nachricht vom Äbschluss des Waffenstill- 
standes in letzter Stunde auf das wesentlichste erleichtert. 
Damit nämlich ergab sich ein Endpunkt für die Friedens- 
vermittlung von selbst, und was deren Grundlagen anbetraf, 
so wagte Metternich jetzt, wo die unmittelbare Gefahr fürs 
erste noch einmal abgewandt war, seine Bedingungen wieder 
ein wenig heraufzusetzen. In einer Note, die er unter den 
Augen des Russen am 7. Juni niederschrieb,* bezeichnete er 
vier Punkte als conditiones sine quibus non: Auflösung des 
Herzogtums Warschau; Vergrößerung Preusscns infolge 
/ ; dieser Auflösung und Rückgabe von Danzig; Rückgabe der 1— ^ 
1 ' 1 illyrischen Provinzen an Oesterreich; endlich Wiederher- 
stellung der Hansestädte, zum mindesten Hamburgs und 
Lübecks und ein wenigstens eventuelles, mit dem allgemeinen 
Frieden verbundenes Abkommen über die Freigabe der 
übrigen Teile der 32. Militärdivision. Zwei weitere Punkte: 
Auflösung des Rheinbundes und Wiederaufbau Preussens 
annähernd in der Ausdehnung vor 1805 versprach er mit 

" • 

1. Metternich an Stadion 3. Juni Oncken II, 660. Was 
Metternich später (1. Juni 1820. Nachgelassene Papiere III, 332) 
Ober das Zusammentreffen mit Nesselrode erzählte, hat nur in- 
sofern Interesse, als es uns seine lebhafte Phantasie erkennen 
lässt. 

2. Metternich an Stadion 6. Juni. Oncken H, 663 f. u. • 
H.-A. 

3. Bericht Stadions 9. Juni. H.-A. 



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- 288 - 

aller möglichen Wärme zu unterstützen. Auf dieser Basis 
sollte Stadion zur Unterzeichnung eines Bündnisvertrages 
bevollmächtigt werden, während zugleich ein militärischer 
Kongress in Prag Uber den künftigen Feldzugsplan zu 
beraten hätte. 1 Das begleitende kaiserliche Handschreiben 
atmete dasselbe Wohlwollen. Es betonte die Überzeugung, 
dass nur in der innigsten Verbindung der drei Ostmächte 
Aussichten des Heils lägen, und schloss mit den zwiefach 
bedeutsamen Worten: Von diesem Weg abweichen hiesse 
den eigenen Untergang wollen; ihn zu verfolgen, werden 
mich Ew. Majestät ebenso treu finden, wie Sie mir gelobt 
haben es Ihrerseits zu sein. v 

Auch nachdem Nesselrode auf seinen dermalen sehr 
gefährdeten Posten zurückgekehrt war, dauerte die gute 
Stimmung fort. Anstett hatte an die offizielle Mitteilung 
des Waffenstillstandes den Wunsch geknüpft, man möge nun 
keinen Augenblick mehr verlieren, um die Oesterreich und 
den Verbündeten gemeinsamen Gesichtspunkte so unzwei- 
deutig festzulegen, dass weder für Zweifel noch für Er- 
örterungen irgend welcher Art Raum bliebe 3 : Sofort beeiferte 
sich Metternich, dem Zaren die grosse Befriedigung seines 
Herrn darüber auszudrücken 4 ; und als man russischerseits 
ziemlich gereizt Uber den Ausbleib der Vollmachten für 
Stadion Klage führte, 6 traf er schleunigst das Auskunfts- 
mittel, den Gesandten stattdessen mit gleichwertigen kaiser- 
lichen Handschreiben zu versehen, damit der langsame 

1. Oncken II, 336 ff., der die Note aber auf Grund eines 
mit leichtester Mühe zu berichtigenden Schreib- oder Gedächtnis- 
fehlers des Grafen Hardenberg durch Stadion übergeben lässt. 
Warum dann wohl die erste Konferenz darüber (Oncken Ii, 339) 
erst am 10. stattgefunden hätte?! 

2. Kaiser Franz an Alexander 7. Juni. H.-A. 
S. Anstett an Stadion 5. Juni. H.-A. 

4. Metternich an Stadion 8. Juni. Oncken II, 664 f. 

5. Nesselrode an Metternich 9. Juni. H.-A. 



/ 

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- 289 - 



Geschäftsgang der Kanzlei die Geduld der Herren jenseit 
der Berge nicht auf zu harte Proben setze. 1 

Es war klar: die Zeit der Ausflüchte und des Versteck- r , 
spielens hatte ihr Ende erreicht; njair'hatte sich entschlossen, ? ~ & 
die mittlerweile gefährlich gewordene Freiheit zu gunsten 
eines zunächst allerdings noch sehr problematischen Bünd- * 
nisses aufzugeben. 

Neue ausgedehnte Rüstungsmassregeln zeigten, dass 
man sich der Tragweite des bevorstehenden Schrittes bewusst 
war. Kaum war der Waffenstillstand geschlossen, als Kaiser 
Franz auch schon von Prag und Reichen bach aus gleichmässig 
bestürmt wurde, die kostbare Zeit zur Verstärkung seiner 
militärischen Stellung zu benutzen. Der Beweis für die 
Notwendigkeit Hess sich leicht erbringen. Man brauchte 
nur einen flüchtigen Blick in die Kundschaftsnachrichten zu 
werfen, um zu erkennen, wie auf feindlicher Seite alles 
Thätigkeit und Bewegung sei. In ganz Frankreich sollten 
Aushebungen stattfinden. Vom Rhein her wurde der An- 
marsch beträchtlicher Truppenmassen gemeldet. Aus Spanien 7 
zog der grösste Teil des Heeres ab und konnte bis zum 

27. Juli recht wohl an der Elbe sein. Die italienische 

- v 

Armee unter Eugen wuchs täglich. In Deutschland ging 
der König von Sachsen den andern Rhein bundsfürsten mit 
gutem Beispiel voran, indem er sein Kontingent verdoppelte. 
Umgekehrt sah es um das eigne Heer noch immer sehr 
traurig aus. Nur die wenigsten Regimenter erfreuten sich 
kompletten Standes. Durchschnittlich fehlten 80 Mann auf 
das Bataillon und 10 Mann auf die Schwadron, und hier 
und da stieg der Abgang noch weit höher, bis auf das Drei- 
fache. Alles in allem hatte man statt 100000 nur etwa 80000 . 

Mann den wahrscheinlich 150 bis 180000 Napoleons ent- 
gegenzustellen. Es war Radetzky, der zum grossen Ärger 
des Hofkriegsratspräsidenten mit ganzer Energie auf dies 

1. Metternich an Stadion 11. Juni. Oncken II, 665 ff. 



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- 290 - 

Missverhältnis hinwies-^Stadion aber mahnte: Bringen wir 
uns nicht in die Lage, morgen zu beklagen, was wir heute 
nicht gethan haben, und traf sich mit dem militärischen 
Gesinnungsgenossen 3 in der Betrachtung: der Kampf, der 
für uns leicht gewesen wäre im Laufe des Maimouats, leb- 
hafter, aber vielleicht noch vorteilhafter und entscheidender, 
wenn wir zwischen dem 1. und 8. oder 10. Juni aus unseren 
Grenzen hätten vorbrechen können, wird nun zweifelhaft 
und mühevoll werden, aber wenn er, wie ich davon Uber- 
zeugt bin, am letzten Ende unvermeidlich ist, so wollen wir 
wenigstens nicht durch Schwanken und Zögern die Aus- 
sichten ganz gegen Oesterreich wenden. 3 

Die konkreten Anträge, die hinter solchen und ähnlichen 
Worten standen, bezogen sich zunächst auf alles das, was 
sich im Mai gegen die Opposition des Hofkriegsratspräsidenten 
nicht hatte durchsetzen lassen: Mobilisierung der dritten 
Bataillone, Aufstellung der Reservedivisionen, Heranziehung 
der galizischen Truppen von ßochnia und Lemberg; schritten 
dann aber auch, wenngleich nicht ohne Vorbehalt, zu dem 
Wunsch nach Organisierung der Landwehr fort. 4 Die in 
Prag herrschende Animosität gegen Bellegarde fand dabei 
in dem Verlangen Ausdruck, dass die betreffenden Befehle 
von Seiner Majestät selbst ausgehen und nicht dem Hof- 
kriegsrat wie gewöhnlich vor der Resolution noch besondere 
Vorschläge abverlangt werden möchten: Sonst lähmt der 
bureaukratische Geschäftsgang die Ausführung, und das 



1. Über den Waffenstillstand, und was derselbe für Folgen 
haben wird. Prag 10. Juni. Denkschriften S. 104 ff. Der Wider- 
spruch des Hofkriegsratspräsidenten : Allerunterthänigster Präsidial- 
vortrag 13. Juni; an Schwarzenberg 14. Juni. K.-A. 

2. Vgl. Radetzky, Denkschriften S. 180 f. 

3. Stadion an Metternich 8. Juni. Siehe den Anhang. 

4. Zuerst in einem Vortrag Schwarzenbergs vom 3. Juni. 
K.-A. 



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- 291 - 



Kostbarste von allem, die Zeit, ist unwiederbringlich ver- 
loren. 1 

Diesem Grundsatz entsprechend liess es Schwarzen- 1 
berg, der sich die Pläne seines Stabschefs wie immer zu 
eigen machte, nicht beim Hin- und Herkorrespondieren 
bewenden, sondern eilte in dessen Begleitung nach Git- 
schin, dem Kaiser persönlich Vortrag zu halten (13. Juni). 9 
In einer militärischen Konferenz, an der unter dem Vorsitz 
Metternichs ausserdem noch der Oberstburggraf und der 
unvermeidliche Duka teilnahmen, entwickelte er hier seine 
Anträge und drang durch (14. Juni). Ein kaiserliches 
Handschreiben vom 15. verordnete bis herab zu der übrigens 
schon seit dem 5. vorbereiteten 3 Formierung der Landwehr 
alles, was zur Mobilisierung der ganzen Armee bisher noch 
gefehlt hatte, und traf nun endlich Fürsorge, dass zum | > 
Schutz des Donauthales in Ober- und Inncr-Oesterreich je 
ein Reservekorps gebildet wurde. Die Stämme dazu musste 
natürlich die Observationsarmee in Galizien hergeben, die in 
ihrer gegenwärtigen Stellung zwischen Dunajec und Skawa 4 
offenbar überflüssig geworden war; und zwar sollte sich 
die kleinere Hälfte, sieben Bataillone 26 Schwadronen, 
unter dem Befehl des bisherigen Kommandanten Fürsten 
Reuss im südlichen Böhmen und Mähren zwischen Budweis 
und Znaym mit 16 Bataiilonen acht Schwadronen aus 
Mähren und den ungarischen Ländern gleich jetzt, später 
auch mit 20 Bataillonen und 10 Schwadronen aus Ober- 
und Nieder-Oesterreich vereinigen, die aber einstweilen noch 
zweckmässig in ihren Quartieren blieben. Der grösseren 
dagegen wurde als vorläufiges Marschziel die Strecke Trenc- 



1. Radetzky, Denkschriften 8. 109 f. 

2. Metternich an Stadion 14. Juni. Onckon II, 671. 

3. Schon an diesem Tage hatte ein HandbiJlet die Standes- 
regulierung der Landwehr anbefohlen. 

4. Dislokationstabelle 1. Juni. K.-A. 

iy* 



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- 292 - 



sin-Pressburg bestimmt, damit sie an der Donau den un* 
garischen und slavonischen Regimentern die Hand reiche, 
die in Stärke von neun Bataillonen 28 Schwadronen auf 
dem rechten Ufer von Komorn und Veszprim an die oester- 
reichische Grenze rücken würden. War das geschehen, so zog 
sie nach Inner-Oesterreich und Kroatien hinein, wo weitere elf 
Bataillone sie erwarteten. Der Kommandant, Feldzeug- 
meister Baron Hiller, hatte sich seinen Truppen voraus so- 
gleich nach Oedenburg zu begeben. 1 

Es leuchtet ein, wieviel wehrhafter Oesterreich dastehen 
musste, wenn diese Beschlüsse erst Wirklichkeit geworden 
waren. Dann konnte es den Truppenkonzentrationen an 
den westlichen und südwestlichen Grenzen mit einigem Gleich- 
mut zusehen, es verfügte wirklich über jene 180000 Mann 
Feldtruppen, deren es sich schon Ende April zu Unrecht ge- 
rühmt hatte, allenthalben einberufene Reserven stellten un- 
verzüglichen Ersatz jedes Verlustes sicher, und die Land- 
wehren ergänzten die Garnisonen der Festungen auf das 
Zweckmässigste. Kurz, die Patrioten hatten allen Grund 
mit der neuesten Entwicklung auf militärischem Gebiet zu- 
frieden zu sein. Leider aber war es auf diplomatischem der- 
weilen nicht so ganz nach Wunsch gegangen. 

Die Verhandlungen über die Vertragsgrundlagen vom 
7. Juni wollten anfangs den glatten Verlauf durchaus nicht 
nehmen, auf den Metternich vielleicht gehofft hatte. Der 
Zar, während Nesselrodes Abwesenheit von dem rücksichts- 
loseren Anstett bearbeitet, war von dem wenig entscheidenden 
Ausgang der Reise seines Staatssekretärs nicht sonderlich 
erbaut.» Die Bedingungen, die Oesterreich zu vertreten 
versprach, erschienen ihm denn doch gar zu bescheiden, 
verglichen mit denen, die er und sein hoher Verbündeter, 
\V urschen 16. Mai, aufgestellt und auch nach der Schlacht 



1. Criste S. 288 ff. 

2. Bericht Stadions 9. Juui. H.-A. 



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— 203 — 



bei Bautzen ausdrücklich aufrecht erhalten hatten. 1 Statt 
„Wiederherstellung Oesterreichs in dem Umfang von Macht, 
Gebiet und Bevölkerung vor 1805" beanspruchten sie ent- 
fernt nicht die Grenzen vor 1809; der „Wiederaufbau Preussens 
Jn den Verhältnissen vor 1806" .wurde in den conditiones 
»ine quibus non auf Rückerwerb Danzigs und der polnischen 
Besitzungen beschränkt, auch sonst nur „annähernd" vcr- , 
sprochen. Von „Auflösung des Rheinbundes, Unabhängig- 
keit Deutschlands und Rückgabe der in Norddeutschland 
einverleibten Provinzen" war nur eventuell, von „Trennung 
Hollands von Frankreich", „Wiedereinsetzung der alten 
.Dynastie in Spanien" und „Befreiung Italiens in all seinen 
Teilen" überhaupt nicht die Rede. Einzig die vierte ihrer 
sieben Forderungen, die Auflösung des Herzogtums 
Wärschau, fand sich unverkürzt auf dem oesterreichi- 
schen Programm. Es war ein hartes Ansinnen, dass 
man es trotzdem annehmen sollte. Mindestens das Prinzip 
musste gewahrt werden. So verlangten denn Nesselrode 
und Hardenberg in den Konferenzen, die am 10. und 
12. Juni bei Stadion abgehalten wurden, zunächst kategorisch 
die Mitteilung der Wurschener Artikel an Napoleon 3 und 
Hessen sich dann erst auf eine Diskussion der Metternich- 
schen Note ein. Auch hierbei kam es noch zu hoftigen 
Auseinandersetzungen. Wie Stadion es vorausgesehen hatte, \ 
wurde namentlich das Minimum für Preussen beanstandet. 
Hardenberg forderte mindestens Magdeburg und einige 
andere Punkte am linken Elbufer^ Überhaupt zeigte er 
sich sehr schwierig. Er meinte bitter, etwas besser als ein 
schlechter Waffenstillstand müsse der künftige Frieden denn 

1. Oncken H, 318 f. Nesselrode und Hardenberg an Stadion 
22. Mai. H.-A. 

2. Resume des Conferences tenues le 10 et le 12 juin entre 
L. L. E. E. Mrs. le Baron de Hardenberg, le Comte de Nesselrode 
et le Comte de Stadion au sujet de la Piece rapportee par Mr. 
le Comte de Nesselrode de Gitschin. H.-A, 



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— 294 — 



doch sein, und fragte, wie sich Kaiser Franz die Konsoli- 
dierung Oesterreichs und Preussens durch einen Gebietser- 
werb denke, der schon an sich keine fühlbare Verstärkung 
darstelle, und dessen Sicherheit zudem von dem guten 
Willen Napoleons abhänge. 1 Der Gesandte beruhigte, so 
gut er konnte, dann und wann von Nesselrode unterstützt, 
der in Gitschin vollends für Oesterreich gewonnen war. Er 
erklärte zunächst auf das bestimmteste, dass das Minimum 
nicht so gemeint sei, als ob seine Ablehnung durch die 
Verbündeten die Hofburg auf die Gegenseite führen 
würde. Vielmehr bezeichne es nur das Mass dessen, was 
sie mit den Waffen gegen Napoleon zu unterstützen bereit 
wäre. Alsdann bat er, überhaupt die sechs Bedingungen in 
der Beratung nicht scheiden zu wollen, es handele sich für 
heute ja nicht um den Krieg, sondern um die Unterhand- 
lung, und bei dieser werde sein Kabinet eben alle sechs 
Artikel und nicht nur die vier conditiones si?ie quibus non 
zu Grunde legen. Die Note vom 7. Juni, die beide trenne, 
habe rein konfidentiellen Charakter. 3 

Damit war nun aber die eigentliche Schwierigkeit nur 
umgangen, nicht überwunden. Es blieb bestehen, dass die 
Verbündeten das Minimum Oesterreichs verwarfen; und dass 
man es in Gitschin daraufhin erhöhen würde, war keinerlei 
Aussicht. Gerade umgekehrt zeigte man Lust, es noch 
weiter herabzusetzen. Sehr bald nach Nesselrodes Abreise 
hatte sich die Nachricht verbreitet, dass Hamburg und 
Lübeck von den Franzosen und Dänen noch rechtzeitig vor 
Beginn des Waffenstillstandes zurückerobert wären, und 
diese Thatsache, schon an sich höchlich zu beklagen, er- 
schien in doppelt traurigem Licht, wenn man eine andere, 
kurz vorher bekannt gewordene, mit ihr zusammenhielt. 



1. Stadions Bericht 11. Juni. H.-A. Einiges daraus auch bei 
Oncken II, 339 f. 

Bericht 12. Juni. H.-A. 



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- 295 — 



Durch einen Zufall nämlich war Metternich (6. Juni) ein 
Reskript ßassanos an Narbonnc 1 in die Hände gespielt 
worden, nach dem der König von Dänemark alle seine 
holsteinischen Truppen unter den Befehl Davousts und 
Vandammes gestellt und den Baron von Kaas als ausser- 
ordentlichen Gesandten nach Dresden geschickt hätte. 
Damit tauchte die Möglichkeit eines neuen französisch- , 
dänischen Bündnisses am politischen Horizont auf, und wie | 
leicht konnte Friedrich VI., uachdem er von Russland und 
England so thöricht brüskiert war, um eine Garantie für 
das bedrohte Norwegen zu erhalten, Napoleon den Besitz 
der rechtselbischen Gebiete verbürgen. Geschah das aber, 
so schwand jede Hoffnung, in einem blossen Kontinental- 
frieden jene Freiheit der Hansestädte zu erwirken, die man 
unvorsichtig genug als conditio sine qua non bezeichnet 
hatte. Kaiser Franz geriet in lebhafte Unruhe, und Metter- 
nich musste an Stadion schreiben, er möge sehen, ob sich 
dem Artikel 4 nicht eine minder gefährliche Fassung geben 
lasse. Es werde wünschenswert, dass auch für Hamburg 
und Lübeck wie für die andern Teile der 32. Militär- 
division nur ein eventuelles, mit dem allgemeinen Frieden 
verbundenes Abkommen unbedingt gefordert werde. Er 
fügte auf besonderem Blatt hinzu, der Gesandte werde sich 
durch seine Bemühungen in dieser Richtung in den Augen 
des Kaisers ein besonderes Verdienst erwerben. 2 

Indessen er sah doch ein, dass man in einer so deli- 
katen Frage den Bogen nicht überspannen dürfe Es war 
nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben, dass Nesselrode ihn 
in richtiger Vorahnung schon am 9. beschworen hatte: Vor 
allem weichen Sie hinsichtlich Hamburgs nicht zurück, das 



1. 4. Juni, abschriftlich bei dem Reskript Metternichs an 
Stadion 6. Juni. H.-A. 

2. 11. Juni. H.-A. Das ausführliche Reskript Oncken II, 
665 1 



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- 296 — 

! würde alles Vertrauen zerstören. 1 So ermächtigte er 
Stadion, falls der neue Vorbehalt oinen zu grossen Sturm 
hervorriefe, nicht weiter darauf zu bestehen. 

Ohnehin gab es für den Augenblick noch andere 
Differenzen, deren Lösung weit mehr drängte. Sie betrafen 
die Form der einzuleitenden Friedensverhandlungen. Metter- 
nich dachte sich die Sache so, dass sich Bevollmächtigte 
Russlands, Preussens und Frankreichs in Gitschin versammeln 
und unter seiner Vermittlung das Friedenswerk fördern 
würden. Das sicherte Oesterreich Einfluss auf alle Be- 
schlüsse und setzte es doch gegenüber Napoleon nicht zu 
sehr aus. Nur schade, dass sich die Verbündeten so ganz 
andere Ideen gemacht hatten. Zumal der Zar wollte schon 
aus Rücksicht auf England und Schweden ein für allemal 
nichts von einer direkten Berührung mit Frankreich hören 
und sträubte sich insbesondere gegen jeden selbständigen 
Schritt zu einer Negoziation auf beschränkterer Grundlage 
als der von Wurschen. 3 Deshalb schlugen die Minister am 
10. Juni vor, die Unterhandlung möge sich ohne unmittel- 
bares Eingreifen russischer und preussischer Bevollmächtigter 
rein zwischen den Höfen von Paris und Wien abspielen, 8 
und jedenfalls war es das Höchste, dass sie einen Ver- 
mittlungsvorschlag Stadions annahmen, wonach die Friedens- 
konferenzen thatsächlich nur von Oesterreichern und Fran- 
zosen abgehalten werden, jedoch beglaubigte Gesandte der 
Alliierten am selben Ort anwesend sein sollten, um etwaige 
Streitigkeiten sogleich zu schlichten. 4 Metternich wieder 
fand das unzulässig und abgeschmackt. Es vertrug sich 

1. Nesselrode an Metternich 9. Juni. H.-A. 

2. Bericht Stadions 12. Juni. H.-A. 

3. Que la negociation se conduise directement entre la France 
et l'Autriche sans l'intervention iinmediate des Plenipotentiaires 
Russee et Prussiens. Resume des Conferences etc. H.-A. 

4. Qu'effectivement les Conferences pourraient se tenir entre les 
Plenipotentiaires Autrichiens et Francais, mais que des personnes 



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- 297 - 

offenbar nicht mit der bisherigen Stellung der Hofburg, die 
derart aus einem Vermittler zwischen beiden Parteien 
zum Sachwalter der einen geworden wäre. Und dann ging 
Napoleon niemals darauf ein. Ihm lag vor allem an direkten 
Verhandlungen mit den Verbündeten: das wusste man zur 
Gentige. Erwiesen sich diese als unmöglich, so schickte er 
entweder überhaupt keinen Bevollmächtigten nach G-itschin 
oder rief den bereits abgesandten sofort zurück. Es kamen 
also gar keine Konferenzen zu Stande; und 'Kaiser Franz 
hatte sich die nun einmal in den Kopf gesetzt. Er ver- 
langte den materiellen Beweis für die ünnachgiebigkeit 
seines Schwiegersohns. Sonst blieb sein Schwert in der 
Scheide. 1 

Mindestens für jetzt kreuzte der Eigensinn des Zaren 
alle Dispositionen. Mett ernich hatte gerade 4as Schreiben 
expedieren wollen, das die französischen Bevollmächtigten 
" auf den 20. Juni nach Gitschin einlud, als die Berichte über 
"llie'Reicfienbacher Verhandlungen einliefen. Natürlich be- 
hielt er es nunmehr zurück. 2 

Auch auf verbündeter Seite war die Stimmung nicht 
die beste. Wilhelm v. Humboldt, der seit dem 10. aus Wien 
zurück war und mit ungewohntem Eifer in die Debatten 
eingriff, gefiel sich darin, Stadion zu erklären, er sehe den 
Augenblick kommen, wo man den Krieg ohne Oesterreich 
fortsetzen müsste. 3 Es schien schlecht zu stehen um das junge 
Vertragswerk. 

Da brachten eine Reihe persönlicher Besprechungen der 
leitenden Männer in weniger als einer Woche alles ins rechte 
Geleis. Den Anlass dazu gab ein Besuch Alexanders bei sei- 
nen Schwestern in Böhmen. Es war nicht das erste Mal 

^_ „ , ~ - ■ ■■ * ■ — - ■ - » 

aecreditees par lea cours allieea fussent dans le meme lieu pour 
aplan ir sur le champ les discussions qui s'eleveraient. 

1. Metternich an Stadion 14. Juni. Oncken II, 670f. 

2. Ebenda. ^ - 

3. Bericht Stadions 12. Juni. Ö--A, 



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- 298 — 



in diesem Jahre, dass er oesterreichischen Boden betrat. 
Schon Ende April, ganz kurz vor der Schlacht bei Lützen, 
hatte er unter dem Namen eines Grafen Romanoff als „frei- 
williger Gefangener" Kaiser Franz' einen Abstecher >acIT 
Teplitz gemacht, um sich dort mit der Grossfürstin Maria 
zu treffen. Zugleich war für den 7. Mai ein zweites 
Rendezvous mit der Grossfürstin Katharina, verwitweten 
Prinzessin von Oldenburg, verabredet worden; aber die 
Kriegsereignisse hatten es vereitelt. 1 Mit Abschluss des 
Waffenstillstandes kam man darauf wie auf so manches 
andere zurück; und Kaiser Franz Hess das Colloredosche 
Schloss Opotschna, drei Meilen von der schlesischen 
Grenze schön gelegen, zum Ort der Begegnung anbieten. 9 
Nun wäre es nur natürlich gewesen, dass er als Landes- 
herr dort die Honneurs gemacht hätte; denn diesmal konnte 
er sich offenbar nicht wie bei Teplitz mit der weiten Ent- 
fernung seiner Residenz entschuldigen 3 ; und der Zar, den 
durchaus nicht brüderliche Liebe allein bestimmte, hegte 
denn auch die sehr entschiedene Hoffnung, jetzt endlich der 
ersehnten Zusammenkunft gewürdigt zu werden. 4 Vielleicht 
Hess er sogar durch den in militärischem Auftrag nach 
Gitschin gesandten Grafen Toll ausdrücklich darum an- 
fragen. 5 Aber Franz glaubte die Dinge für einen so auf- 



1. Bericht Lebzelterns 27. April. H.-A. König Friedrich 
von Würtemberg an Napoleon 11. Mai. Schlossberger S. 297. 

2. Oncken II, 3B1. Wahrscheinlich durch den zurück- 
kehrenden Nesselrode. Wenigstens ist in dessen Schreiben an 
Metternich vom 9. Juni von einer Reise des Zaren nach Opotschna 
zuerst und doch sckon als von etwas Bekanntem die Rede. 

3. An Alexander 7. Mai. Oncken II, 644f. 

4. Bericht Stadions 22. Juni. H.-A. 

5. Metternich an Bubna 16. Juni: S. M. J. a envoye ici 
de son quartier general de Reichenbach un de ses generaux 
pour prevenir notre auguste Maitre qu'Elle avait fixe son arrivee 
k Opotschna pour le 16 juin et qu'Elle desirait savoir, si & 



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— 299 - 



fälligen Schritt wie eine Entrevüe der Monarchen von Russland 
und Oesterreich noch nicht reif. Er begnügte sich zu erlauben, 
dass man sonst alles that, um dem fürstlichen Gast den Auf- 
enthalt angenehm zu machen. Als Alexander am Nachmittag 
des 16. bei Nachod die böhmische Erde betrat, scholl ihm der 
Jubelruf des zahlreich versammelten Landvolkes entgegen. 1 
Tm nahen Eatiborschitz begrüsste ihn die anmutige Schloss- 
herrin, Herzogin von Sagan. In Opotschna selbst, wohin 
er noch am Abend weiterreiste, waren zwei ungarische 
Infanterie- und zwei Kavallerieregimenter zu seinen Ehren 
versammelt, deren Führer, der lustige Prinz Louis Lichten- 
stein, sich im Fluge das Herz des gefühlvollen Selbstherr- 
schers eroberte. 3 Vor allem' jedoch der leitende Minister 
eilte in Person herbei, ihn willkommen zu heissen. Es war 
für Metternich nicht ohne Gefahr, den Herrn, den nur sein *£-<^u> 
/ Einfluss von Unterwerfung unter Napoleon fernhielt» .allein ? 

den Einflüsterungen der Duka und Konsorten zu überlassen, 8 
* aber mächtiger als solche Befürchtungen erwies sich die 

Hoffnung, durch eine mündliche Aussprache aus dem Dilemma ' \ 
der letzten Verhandlungen herauszukommen. Namentlich 
eine Begegnung mit Stadion lag ihm am Herzen; er hätte 
sie veranlasst, auch wenn aus der Zarenreiso nichts ge- 



cette occasion il serait agreable ä l'Empereur de se rencontrer 
avec Elle. L'Empereur a decline cette demiere proposition, 
en ajoutant que la paix faite, un rendez-vous avec l'Empereur 
Alexandre lui fera le plus grand plaisir. H.-A. 

1. Vgl. die anschauliche Schilderung Gentz' (Ratiborzicz lo 
17 juin). Briefe an Pilat I, 14. 

2. Bericht Stadions 22. Juni. H.-A. 

8. Metternich an Stadion [15. Juni]. Je reaterai le jeudi et 
le vendredi matin (17. u. 18.), s'il le faut, avec l'Empereur 
(Alexandre) et je retournerai droit ici, parcequ'il est du plus 
haut interet que je n'y laiase pas seul l'Empereur (Francois). 
H.-A, 



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worden wäre. 1 Nachdem er, am Morgen des 16. aus Git- 
schin abgereist, die Nacht auf Ratiborschitz bei seiner Ge- 
liebten verbracht hatte, stellte er sich am nächsten Mittag 
dem Zaren vor. Der Eindruck, den beide Männer in den 
Konferenzen dieses und des folgenden Tages auf einander 
machten, war ein sehr günstiger. Alexander gestand, man 
habe ihm gegen den Grafen grosses Misstrauen eingeflösst, 
aber das sei jetzt ganz ausgelöscht, er hege vielmehr die feste 
Zuversicht, dass der Minister thun werde und gethan habe, was 
in seinen Kräften stehe. Metternich aber sagte, als er von | 
Opotschna zurückkehrte, voll ehrlicher Bewunderung: er ist 
ein Kaiser im vollsten Sinne des Wortes. Noch begeisterter 
war Gentz, der seit dem 11. Juni kaum ohne Zuthun des j 
Freundes und Chefs auf dem „wahrhafthimmlischen" Landhaus 
der Herzogin Wohnung genommen hatte und die Kaisertage von 
Ratiborschitz und Opotschna mit gewohnter Anschaulichkeit 
dem treuen Pilat beschrieb. Er glaubte beim Zaren „nichts 
als uninteressierte, reine und edle Absichten" wahTzühehmeh 
und meinte rückblickend, als der fürstliche Gast die 
Grenze schon seit 36 Stunden hinter sich hatte: „Wir sind 
alle entzückt von ihm, nur eine Stimme über die in seiner 
Person aufs glücklichste gemischte Würde und Grazie, über 
seinen Verstand, seine durchaus vortreffliche Konversation, 
seinen Edelmut, seine Offenheit und seine unendliche 
Liebenswürdigkeit." Diese Zuneigung beruhte auf Gegen- 
seitigkeit. Auch Alexander war vielleicht mehr noch 
als durch die Darlegungen des Ministers durch die 
geistvolle Beredsamkeit des grossen Publizisten für die 
Sache Oesterreichs gewonnen worden. Er hatte ihn als 
alten Gegner Napoleons gleich am ersten Tage auf das 
schmeichelhafteste ausgezeichnet. Am 22. zog er ihn „trotz 
aller Protestationen wegen ermangelnder hochzeitlicher 
Kleider" zur Tafel und besprach sich nachher drei Stunden 



1. An Stadion 14. Juni. Oncken II, 670 f. 



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- 301 — 



lang mit ihm über die politische Lage. Gentz entwickelte 1 
wesentlich sein uns bekanntes System von den beiden un- 
geheuren Resultaten, die man bereits gewonnen habe. Einig- 
keit sei die Hauptsache. Wenn der Kaiser von Oesterreich 
ihn frage, was er thun sollte, falls Russland und Preussen 
unerschütterlich auf Fortsetzung des Kampfes beständen, 
so würde sein Rat sein: lieber Krieg als ein Vorgehen, das 
uns neuerdings von jenen beiden Mächten trennt. Aber 
ebenso umgekehrt empfehle er dem Zaren Frieden, wenn 
die Hofburg absoIut~Ieinen TTrleg woHe. Alexander hörte 
mit gespannter Aufmerksamkeit zu und sagte zum Schluss: 
Das ist sehr wahr, sehr schön. Das nenne ich doch noch 
als Staatsmann reden. Einigkeit ist nötiger als alles Übrige. 1 

Neben solchen Gesprächen mit dem Souverain gingen 
nicht minder erfolgreiche Ministerkonferenzen her. _Am 17. 
- und 18. verhandelte Metternich mit Nesselrode zu Opotschna, 
^ am 19. und am Vormittag des 20. mit den Preussen Harden- 
berg und Humboldt, die dringend um ein Rendezvous ge- 
beten hatten,'-. zu Ratiborschitz; und hier wie dort nahm 
er die befriedigende Gewissheit mit fort, „in einigen Unter- 
redungen mehr als in drei Wochen Korrespondenz bewirkt 
zu haben. W3 Zunächst gelang es ihm, den Ministern endlich 
die unbequeme Forderung auszureden, dass ihre Wurschenef 
Artikel Napoleon zur Kenntnis gebracht würden: das wäre 
Wasser auf die Mühle des_ Korsen, der darauf brenne, f 
seinem kriegsmüden Volk durch das Bild der verlangten 
Opfer die unausweichliche Notwendigkeit weiteren Kampfes 
darzuthun: warum sonst dringe er gegen Bubna so eifrig 
auf die Mitteilung jener Bedingungen? Nun bliebe es aber 
ihm gegenüber das einzig wahre und heilsame Prinzip, stets 



1. Gentz au Pilat 11., 17., 25. Juni. I, 7, 13 ff., 18; an 
Metternich 22. Juni. Nachgelassene Papiere I, 251 ff. 

2. Vorträge Metternichs 18. Juni. H.-A. 

3. Vorträge 19. Juni. H.-A. 



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- 302 - 

das Gegenteil von dem zu thun, was er wünsche. 1 — 
Weniger einfach lag die Sache hinsichtlich des oesterreichiscben 
Friedensprogramms. Hier machten Nesselrode wie die 
beiden Preussen wiederum die verzweifeltsten Anstrengungen, 
damit mindestens die Punkte 5 und 6 unter die conditiones 
sine quibus non aufgenommen würden. Mit der Waffenstill- 
standstheorie konnten sie sich nicht befreunden. Sie hoben 
hervor, dass ein Zusammenwirken wie jetzt auch bei fort- 
dauernder Verbindung zwischen den drei Höfen so bald 
nicht wieder möglich sein werde. Heute fänden sich deren 
Streitkräfte versammelt, zu wechselseitiger Unterstützung 
fähig und bereit; Organisierung und Geist liessen nichts zu 
wünschen übrig; auch die numerische Überlegenheit spräche 
zu ihren Gunsten. Später würde der erste Stoss erfolgen, 
bevor die russischen Heere Zeit hätten, die Überzahl der 
französischen auszugleichen; und man wisse aus den Er- 
fahrungen der letzten Kriege, wie schwer Fehlschläge zu 
Beginn eines Feldzugs wieder gut zu machen wären. Es 
half alles nichts. Der Oesterreicher zog sich auf die persön- 
liche Abneigung seines Kaisers gegen weiteres Entgegen- 
kommen zurück, und sie mussten sich begnügen in zwei 
wesentlich gleichlautenden Noten (d. d. Opotschna 7/19. 
und Ratiborschitz 20. Juni) ihre Bitte schriftlich zu wieder- 
holen, indem sie zugleich die ausdrückliche Erklärung ab- 
gaben, dass man auf das oesterreichische Minimum hin einen 
Frieden nicht sch liessen könnte. 2 Metternich Hess das gern 
zu; ihm kam es darauf an, dass die Verbündeten einst- 
weilen in Verhandlungen willigten; ob sie sich schliesslich 
bei dem von der Hofburg zugewiesenen Loos beruhigten 
oder nicht, war eine cura posterior. Jenes aber setzte er 
durch, und auch in dem heiklen Streit über den Ver- 



1. Graf Hardenberg an Münster 21. Juni. Oncken II, 354. 
Lebzeltern an Metternich 5. Juli. H.-A. 

2. Oncken II, 357 ff. 



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- 303 - 



handlungsmodus fand er eine mindestens scheinbare Lösung. 
Gewandt, wie er gerade in solchen Dingen war, griff er 
jenen Vorschlag Stadions auf und modelte ihn dahin um, 
dass die vermittelnde Macht die kriegführenden Teile ein- 
laden sollte, bei ihr beglaubigte Bevollmächtigte abzu- 
schicken, die zunächst allein zum Zusammentritt und zur 
Beratung ermächtigt sein und ihren Charakter als Bevoll- 
mächtigte erst in dem Augenblick enthüllen würden, wo es 
nach Feststellung der Grundlagen nur noch abzuschliessen 
gelte. 1 Was dabei unter „Ermächtigung zum Zusammen- 
tritt" zu verstehen sei, blieb dunkel. Die Verbündeten 
mochten sich sagen, dass Ermächtigung noch lange nicht 
Verpflichtung bedeute, und Metternich umgekehrt hatte 
offenbar nur eine bescheidenere Form der Bevollmächtigung 
im Sinne. Aber diese selbe Deutungsfähigkeit, die bald 
neue Meinungsverschiedenheiten veranlassen sollte, machte 
für den Augenblick, dass man sich allerseits mit dem Kom- 
promiss zufrieden gab. Es wurde beschlossen, die Ver- 
handlung in Gitschin am 27. Juni zu eröffnen. 3 

Nach alledem unterlag der Abschluss des vorbereitenden 
Bündnisvertrages keinen weiteren Bedenken mehr. Metter- 
nich und Hardenberg hielten es nicht einmal für nötig, 
seine endgiltige Redigierung zu überwachen, sondern kehrten 
am Mittag des 20. nach Gitschin und Reichenbach zurück 



1. Graf Hardenberg an Münster 21. Juni. Oncken II, 355. 
Wenn irgendwo, so macht sich hier jener Mangel an authentischen 
Mitteilungen über die Konferenzen von Opotschna bemerkbar, 
den auch Ranke: Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten 
von Hardenberg III, 320 beklagt Man weiss nicht, wieviel von } 
der Unklarheit den wirklichen Beschlüssen, wieviel dem Refe- 
renten zur Last fallt. Mindestens das erste „Bevollmächtigte" ist 
offenbar irreführend, man möchte es durch „Unterhändler" er- 
setzen. Zu allem Unglück teilt Oncken gegen seine Gewohnheit 
nur die deutsche Übersetzung, nicht den Originaltext mit. 

2. Gentz au Pilat 20. Juni. I, 17. 



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- 304 - 

und legten jene in* die Hände von Humboldt und Gentz, die 
deshalb am folgenden Morgen zu Nesselrode, Stadion und 
Lebzeltern nach Opotschna herüberführen. Nur Gentz war 
nicht^wohl bei dem aufgetragenen Werk; alle andern wett- 
eiferten mit offenbarer Lust, die Form zu finden, die Oester- 
reich am festesten bände und am stärksten kompromittiere. 1 
Wirklich gelang das überraschend gut. Die Passung der 
entscheidenden beiden ersten Artikel Hess keine Lücke, durch 
die die geschmeidige Auslegungskunst eines Metternich hätte 
entwischen können.* Artikel 1 verpflichtete den Kaiser von 
Oesterreich, seine Waffen mit denen Russlands und Preussens 
zu vereinigen, falls bis zum 20. Juli d. J. Frankreich die 

«- — von ihm gestellten Bedingungen nicht angenommen hätte. 

Artikel 2 führte diese Bedingungen: das Minimum vom 
y( 7. Juni ausdrücklich auf, ohne dass dabei den Wünschen 

i ' Franz' hinsichtlich der Hansestädte Rechnung getragen , 
wäre. Vielmehr bedeutete die einzige Änderung eine Er- 
weiterung. Humboldt hatte schon in Reichenbach angeregt, 
die im Grunde selbstverständliche Räumung der preussischen 
und polnischen Festungen unter 2 explicite zu fordern 3 : das 
geschah jetzt thatsächllch. — Es war ein voller Erfolg der 
Verbündeten, und kein irgend empfindlicheres Opfer an 
Bewegungsfreiheit verbitterte ihn. Sie versprachen ja ihrer- 
seits nur, was. sie sich ohnehin zum Gesetz gemacht hatten : 
keinerlei Einflüsterungen oder Anträge anzuhören, die 
während des Waffenstillstandes mittelbar oder unmittelbar 
durch das französische Kabinet an sie gelangen würden 
(Art. 9). Von einer Verpflichtung auf das oesterreichische 
sine qua non war nicht die Rede; es wurde einfach kon- 
v statiert, dass der Kaiser von Oesterreich die Höfe von 
Russland und Preussen eingeladen habe, unter seiner Vcr- 



1. Gentz au Metternich G. Juli. Oncken II, 372. 

2. Der Vertrag gedruckt bei Martens III, 105 ff. 

3. Gebhardt, W. v. Humboldt als Staatsmann I, 441 f., 447. 



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- 305 - 

mittlung mit Frankreich in Unterhandlung zu treten Über 
Vitien vorläufigen Frieden, der einem allgemeinen als Grund- 
lage dienen könne, und dass er die Bedingungen bestimmt 
habe, die er notwendig ßlnde zur Wiederherstellung eines 
Zustandes des Gleichgewichts und dauernder Ruhe in Europa: 
wie die andern Kontrahenten sich dazu verhielten, verriet 
keine Silbe. 1 

Trotzdem machte der Zar noch einen letzten Versuch, 
das Minimum zu erweitern. Nesselrode musste den Vertrags- 
entwurf persönlich nach Gitschin überbringen und bei dieser 
Gelegenheit die Vorstellungen der Note vom 19. Juni 
mündlich und unmittelbar beim Kaiser erneuern. Natürlich • 
war das verlorene Liebesmüh. Franz spielte nach dem Rat 
seines Ministers* ein wenig den Gekränkten. Er bemerkte 
nicht unzutreffend, dass die ganze Konvention unnötig 
gewesen wäre, wenn man ihm das verdiente Vertrauen 
geschenkt hätte, und erklärte gar, die Nichtannahme seiner 
conditiones sine quibus non würde ihn berechtigen, nun auch 
die Verpflichtungen, welche für ihn aus der Note vom 7. Juni 
entsprängen, als annulliert zu betrachten. Jedenfalls lehnte 
er ein Hinausgehen über das Minimum entschieden aT>, da 
er es mit vielem Vorbedacht so zusammengestellt habe, dass 
es allen Interessenten wünschenswerte Vorteile biete. Dafür 



1. _Gut auseinandergesetzt bei Oncken II, 365. Artikel 1 
lautet wörtlich: S. M. l'Empereur d'Autriche ayant invite les 
Cours de Russie et de Prusse ä entrer sous Sa mediation en 
negociation avec la France pour une paix prealable et qui 
puisse servir de base a une paix generale et S. M. ayant fix6 les 
conditions qu'Elle croit necessaires au retablisseraent d'un 6tat 
d'equilibre et de tranquillite durable en Europe, Elle s'engage 
k declarer la guerre a la France et a joindre Ses armes a Celles 
de la Russie et de la Prusse, si jusqu'au vingt juillet de cette ' 
annee la France n'a point accept6 ces conditions. 

2. Vorträge Metternichs 24. Juni mit allerh. Res.: Nach ihrem 
Einrathen habe ich mich gegen Graf Nesselrode geäussert. H.-A. 

au 



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- 306 - 

aber lauteten seine sonstigen Äusserungen umso befriedigender. 
Er betonte, dass er Alexander voll vertraue, versprach, 
sicher alles, was über die vier, sogar über die sechs Punkte 
zu erlangen sein könnte^ zu unterstützen, und liess keinen 
Zweifel an dem Entechluss, seine Ansichten mit bewaffneter 
Hand verfechten zu wollen. Einmal im Krieg werde er sich 
dann an keiner Nebenkonsideration mehr stossen, sondern 
"TIem höchsten Ziel nachstreben. Das Handschreiben, das er dem 
Grafen nach Reichenbach mitgab, kam dem Eindruck solcher 
Versicherungen mächtig zu Hilfe. Es erwiderte das Lob, 
das der Zar den „schönen" oesterreichischen Regimentern 
gespendet hatte, mit den vielverheissenden Worten: Ich 
zweifle nicht, dass, wenn der Tag der grossen Entscheidung 
gekommen ist, die Truppen, die Ew. Majestät mit Ihrer 
Aufmerksamkeit beehrt haben, die würdigen Nebenbuhler 
der tapferen russischen Armee sein, und vereinigt für die- 
selbe Sache, die schmeichelhafte Meinung Ew. Majestät 
rechtfertigen werden. 1 

So war denn im verbündeten Hauptquartier nach der 
Rückkehr der leitenden Persönlichkeiten alles eitel Freude 
und Hoffnung. Alexander, von dessen Übellaunigkeit, 
Zweifel und Argwohn Stadion in den Tagen vor Opotschna 
manches zu leiden gehabt hatte, zeigte sich in einer Audienz 
am Abend des 25. so heiter und vergnügt wie noch nie, 
und sein grosserjtentor. Stein schrieb befriedigt Uber die 
oesterreichischen Verhältnisse: Das Materielle zum Krieg 
ist da, der Geist in der Armee und Nation vortrefflich, 
nach der Meinung aller an diesen Angelegenheiten teil- 
nehmenden Personen die Gesinnungen Metternichs Vertrauen 
verdienend. Auch Stadion glaubte sich am Ziel seiner 
Wünsche. Er versicherte dem Grafen Hardenberg glücklich, 
die Zusammenkunft Metternichs mit dem Zaren habe sehr 



1. Kaiser Franz an Alexander 24. Juni. H.-A. 



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- 307 - 



gut gethan; viele Wolken, die vor seinen Augen aufgestiegen 
wären, hätten sich zerstreut. 1 

Das Bündnis mit Oesterreich galt als besiegelt Schon 
trank der preussische Staatskanzler an offener Tafel auf 
„die nicht mehr Neutralen", und der Gesandte that ihm 
nach kurzem Besinnen Bescheid.» Die bevorstehenden Ver- 
handlungen beunruhigten niemand. Napoleon würde schou 
nicht auf die vier Bedingungen eingehen. Nur die Warte- 
zeit bis zum Beginn des gemeinsamen Kampfes war peinlich. 
Aber vielleicht liess sie sich abkürzen. Der Überfall der 
Lützower, der eben in diesen Tagen bekannt wurde, machte 
weitere Verletzungen des Waffenstillstandes nicht unwahr- 
scheinlich. Dann wollten sich die Verbündeten nicht mehr 
an eine Verpflichtung gebunden halten, deren Vorteile nur 
noch auf Seiten des Gegners lagen. Gleich jetzt erbaten 
sie vom Kaiser von Oesterreich die Erklärung, dass auch 
er einen schweren Bruch der Waffenruhe durch Prankreich 
als Beweggrund ansehen werde, den Zeitpunkt seiner Mit- 
wirkung vorzurücken. 3 

Nur wenige Tage noch, und sie sollten aus allen 
Himmeln gerissen werden. Der Vertrag von Reichenbach Ou^ X^u\ 
war kaum förmlich unterzeichnet (27. Juni), als sich in Dresden ^ 
bereits Abmachungen vorbereiteten, die seinen eventuellen^ ^ 
Charakter in Erinnerung riefen, ja den Bruch seiner wich- v <-j^ l ^ oY ' 
tigsten Zusage bedeuteten. f ! - 

Noch einmal wurde alles ins Ungewisse gestellt ! 



1. Berichte Stadions 26. Juni. H.-A. ; Stein an Münster 
29. Juni. PertzIII, 380; Graf Hardenberg an Munster 25. Juni. 
Oncken H, 366. 

2. Jackson, Diairies. Bath Archives H, 136. 

3. Noten Nesselrodes und Hardenbergs 28. Juni. H.-A. 

20* 



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Elftes Kapitel. 



Neue Ungewissheit 

Die Entwicklung der oesterreichischen Politik vom 
Abschluss der französischen Allianz bis zum Kongress von 
Prag vollzieht sich fast nach den Gesetzen des Dramas. 
Aus den Verhältnissen des Krieges von 1812, der Expo- 
sition, bildet sich in den Wintermonaten, immer steigend, 
der Konflikt heraus, dargestellt durch die nach der 
Intention auf das gleiche Ziel gerichteten, in Wirklichkeit 
widerstreitenden Verhandlungen mit Frankreich einer-, mit 
Russland, England, Preussen andrerseits. Im April und 
in den ersten Maitagen erreicht er den Höhepunkt: 
Metternich schreitet in seinen Erklärungen gegen Narbonne 
bis nahe an den Bruch vor und gicbt den Alliierten Zu- 
sagen, die fast einem Bündnis gleichkommen. Aber kaum 
ist das Wort von der „Sache, die uns gemeinsam ist," ge- 
fallen, als auch schon, veranlasst durch die Nachricht von 
den Erfolgen Napoleons, rasch und entschieden der Um- 
schwung eintritt. Er wird durch die zumal in einigen 
Persönlichkeiten noch mächtigen Tendenzen des April über- 
wunden, alles scheint dem glücklichen Ende nahe zu sein, 
— da, wie auf der Bühne bei herannahender Katastrophe 
noch einmal die Hoffnung oder Furcht geweckt zu werden 
pflegt, es möchte schliesslich doch anders kommen, schiebt 
sich auch hier als erregendes Moment zwischen die Be- 
schlüsse von Opotschna und die Kriegserklärung die 
Dresdener Reise Metternichs mit ihren Folgen. 



- 309 - 

Sie konnte die Eingeweihteren freilich an sich allzusehr 
nicht überraschen; denn während die Verbandlungen mit 
den Alliierten eifrigst betrieben wurden, hatten doch die 
mit ihrem Gegner keinen Augenblick geruht. Noch in den 
Tagen vor Abschluss des Waffenstillstandes war Graf 
Bubna, dessen ewiges Hin- und Herreisen bereits Aufsehen 
zu erregen begann,, mit seinen Instruktionen vom 23. Mai 
in der Nähe des französischen Hauptquartiers erschienen 
(31. Mai). Er durfte in Liegnitz dem Herzog v. Bassano 
Hie Ansiditen seines Kabinets in verschiedenen Unter- 
redungen ausführlich entwickeln und dafür allerlei mehr 
oder minder befriedigende FriedcnswUnsche und -pläne ein- 
tauschen. 1 Aber der Zutritt zu Napoleon selbst blieb ihm 
versperrt. Der Imperator fühlte sich gerade damals mehr 
noch als sonst von den „lächerlichen Ansprüchen" Oester- 
reichs und seiner „grenzenlosen Frechheit" angewidert 2 und 
wünschte vor allem nicht, dass man ihm bei seinen Ver- 
handlungen mit den Verbündeten irgend in die Karten sähe. 
So begnügte er sich, dem Gesandten durch seinen Minister 
das Handschreiben des Schwiegervaters abfordern zu lassen, 
und schickte nach dessen Lektüre Befehl, gemeinsam nach 
Dresden zu gehen und sich dort weiter zu besprechen. 
Auf der Fahrt vernahm der Oesterreicher die Übersiedlung 
des Hofes nach Gitschin und benutzte die dadurch gebotene 
Gelegenheit, noch einmal persönlich die Befehle seines 
Chefs einzuholen. 3 Erst am 9. Juni betrat er zum dritten 
Mal in diesem Jahr die sächsische Hauptstadt. 

1. Berichte 2. Juni. H.-A; Einiges bei Oncken II, 382. 

2. Corr. XXV. 401, 403, 404. Wer diese Briefe an Eugen 
und Clarke liest, begreift schwer, wie Bassano Bubna aus einem 
kaiserlichen Schreiben am 8. Juni den Passus vorlesen konnte: 
Je suis tres satisfait des Communications qu'il (Bubna) vous a 
faites, j'ai vu avec plaisir que nos rapports de famille et d'alliance 
restent permanens. Berichto Bubnas 3. Juni. H.-A. 

3. Metternich an Stadion 6. Juni. H.-A. 



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Und auch jetzt hatte er kein Glück mit seinen Be- 
mühungen, in das allmählich ganz verwirrte Verhältnis der 
beiden Alliierten von 1812 Ordnung und Klarheit zu 
bringen. Es wollte sich keine Lösung zeigen für jene zwei 
grossen Fragen, die schon durch die Verhandlungen des 
\ April aufgeworfen waren: wie denn Frankreich eigentlich 
zur bewaffneten Vermittlung Oesterreichs, und wie dieses 
wieder zum Pariser Vertrag stünde. Dabei empfand man 
in Gitschin mit jedem Tage mehr die Notwendigkeit, 
mindestens den ersten Punkt zu regeln. Es durfte nicht 
so weitergehen, dass man zugleich von den Verbündeten 
mit Ostentation fast als Schiedsrichter vorgeschoben und 
von Napoleon höchstens als die intervenierende Macht vom 
Winter respektiert wurde. Der Geniestreich mit der Aus- 
legung der Note vom 7. April war offenbar, misslungen. 
Ttfan wusste, dass bei den Waffenstillstandskonferenzen die 
französischen Bevollmächtigten sichtlich vermieden hatten, 
der oesterreichischen Mediation zu gedenken; 1 und zu allem 
Überfluss wandte sich der Herzog von Bassano im Ge- 
spräch mit Bubna ausdrücklich gegen die Fiktion, als gehe 
ihre Übernahme auf den Wunsch des Pariser Kabinets 
zurück, das gelte vielmehr lediglich von der Verwendung. 
Er schien nicht Übel Lust zu haben, die Hofburg bei dem 
geplanten Kongress mit der Rolle des Zeugen abzuspeisen. 2 
Jedenfalls forderte er für Anerkennung ihrer Mittlerstellung 
den höchsten Preis. Er komplizierte die an sich einfache 
Frage in wohlverstandenem Interesse mit der andern 
heikleren nach dem Fortbestand der Allianz, indem er die 
Antwort auf diese letztere zur Vorbedingung jeder weiteren 
Entscheidung machte: ehe man sich über die bewaffnete 
Vermittlung Oesterreichs ausspreche, müsse man wissen, ob 



1. Bericht Schouwaloffs an Nesselrode 31. Mai bei den 
Depeschen Stadions vom 2. Juni. H.-A. 

2, Berichte Bubnas 16., 18. Juni. H.-A. 



_ . . . . . ~ I ) 



es noch gemäss des Traktats vom 14. März 1812 Garant ' 
des französischen Staatsgebietes sei. 1 Und damit war wieder 
Metternich ganz und garnicht gedient. Er hatte zwar selbst 
schon vor acht Wochen und sehr bestimmt noch eben 
durch Bubna ein Abkommen vorgeschlagen, das unter ße- ^'M-'. ,, - v — ~ 
kräftigung der allgemeinen Grundsätze des Bündnisvertrages /•" , <*-* r 
dessen einzelne Artikel, soweit sie auf die augenblickliche !/vuw^ 
Lage keine Anwendung zuliessen, einstweilen unter Vor- ' <- t j. 
behalt stellen würde, aber er gedachte die Verhandlungen . ' 
darüber solange hinauszuschieben, bis Napoleon die oester- 
reichischen Friedensbedingungen angenommen hätte. Als .< / 
daher der französische Minister Bubna neuerdings nach 
seinen Vollmachten fragte, musste dieser, wie bei seiner 
ersten Anwesenheit in Dresden, verneinend antworten. Die * . . , 
Strafe blieb nicht aus. Unter nichtigen Vorwänden wurde 
ihm eine bereits zugesagte Audienz beim Kaiser entzogen 
(14. Juni).» 

Wie bei den Verhandlungen mit den Verbündeten konnte, 
wenn überhaupt etwas, nur eine mündliche Aussprache der 
leitenden Männer einen Ausweg aus der Zwickmühle eröffnen. 
War es aber hier bisher nicht dazu gekommen, so lag 
die Schuld nicht an Metternich. Lange schon, bevor , 
von ßiner Begegnung mit dem Zaren die Rede gewesen war, 
noch aus Wien hatte er Bassano ein Rendezvous angeboten, 
Prag schiene ihm der geeignetste Ort, nötigenfalls werde er — 
bis Teplitz entgegenreisen. 4 Aber der Herzog, ohne die 
ausgestreckte Hand schroff zurückzuweisen, zeigte doch keinen 
Eifer einzuschlagen. Bubna musste in Liegnitz schon ziem- 



I » ' 

l - I • . 



/ 



lieh aufdringlich werden, damit er nur eben die kühle Er- 
laubnis erhielt, seinen Chef zu benachrichtigen, es sei wahr- , , 

1. Note Bassanos 15. Juni. Fain II, 117 ff. 

2. Instruktionen für Bubna 23. Mai. Oncken II, 677. Berichte 
Bubnas 14. Juni. H.-A. 

3. Oncken II, 383. 

4- Ostensibles Reskript an Bubna 19. Mai. H.-A. 



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— 312 — 



scheinlich, dass er bald zu einer Zusammenkunft gerufen 
werde. Und in Dresden bot sich zunächst dasselbe Bild. 
Selbst ein Generalsturm, den der Gesandte nach mehreren 
andern vergeblichen Versuchen am 14. Juni unternahm, 
hatte keinen Erfolg. Auf seine Mitteilung, dass Metternich 
ihm durch den gestrigen Kurier abermals den Wunsch 
bezeigt habe, sich über die Formen der zu eröffnenden 
Friedensunterhandlung mit dem französischen Minister per- 
sönlich zu verständigen, ward ihm die trockene Antwort, es 
komme auf die Formen ja garnicht an ; und auch als er sich 
mit dieser Ablehnung nicht zufrieden gab, vielmehr den 
sonstigen Nutzen einer Entrevtie beredt hervorhob, verstand 
sich der Herzog nur zu dem vagen Versprechen, er werde 
versuchen die Erlaubnis des Kaisers zu erhalten. Natür- 
lich erhielt er sie nicht und rückte stattdessen zwei Tage 
darauf mit dem Vorschlag heraus, Metternich möge sich 
auf ein paar Stunden inkognito nach Dresden begeben. Das 
wies nun aber wieder Bubna mit Entrüstung zurück, Minister 
des Auswärtigen pflegten nicht inkognito zu reisen, und so 
schien das Hin und Her schliesslich mit der gewiss nicht 
willkommenen Sendung eines französischen Diplomaten nach 
Gitschin enden zu sollen. 1 Da brachte der folgenreiche 
Besuch des Zaren in Opotschna auch diese Sache zu glück- 
lichem Abschluss. Kaum nämlich hatte sich das Gerücht 
davon in Dresden verbreitet, als Bassano mit einem Mal 
liebenswürdigere Saiten aufzog. Er sprach erfreut die Hoff- 
nung aus, jetzt werde Metternich doch wohl auch zu Napoleon 
unter seinem wahren Namen kommen können, und begleitete 
diese Einladung mit den verheissungsvollen Worten, der 
Kaiser erstrebe nichts anderes als einen Frieden von der 
Art, dass jeder gern in der durch ihn vereinbarten Stellung 
bliebe.' 



1. Berichte Bubnas 3., 14., 16., 17. Juni. H.-A. 

2. Berichte Bubnas 18. Juni. H.-A. 



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— 313 — 



Dom oesterreichischen Minister genügte das. Als er, 
von der schlesischen Grenze zurückkehrend, den Bericht 
Bubnas in Gi tscbin vorfand (21. Juni), klagte er wohl halb 
scherzend Uber sein trauriges Schicksal, das ihn nach Dresden 
rufe, aber entschloss sich doch sofort, dem Rufe Folge zu 
leisten. Hätte nicht die Sendung Nesselrodes Aufschub 
gebracht, er wäre schon am 23. nachts abgereist; so fuhr 
er am Mittag des 24. nach Sachsen zu. 1 Eine weltgeschicht- 
liche Entscheidung schien sich vorzubereiten. Gentz schrieb : 
„Von diesem Punkt aus muss die Welt, sei es nun durch 
Krieg oder Frieden, wieder in ihre Angeln gehoben werden." 
Und nicht weniger harrte Humboldt, der bei dem Freund 
in Ratiborschitz zurückgeblieben war, mit äusserster Spannung 
auf die ersten Nachrichten von Metternich. Aber ein Tag 
nach dem andern verging, und das erhoffte „grosse Licht" 
wollte sich nicht „über die ganze Scene verbreiten." Aus 
der Erwartung wurde Ungeduld, aus der Ungeduld Ver- 
zweiflung. Woher auf einmal diese tinliche Stockung nach 
vierzehn Tagen des höchsten Interesses? Hatte nicht der 
Minister ursprünglich nur 24 Stunden bei Napoleon bleiben 
wollen? Und nun kehrte und kehrte er nicht zurück. Würde 
etwa wieder wie bei der Mission Schwarzenbergs eine grosse 
Enttäuschung das Ende sein?* 

Thatsächlich hatten die Dinge in Dresden einen sehr 
merkwürdigen Verlauf genommen. Metternich war am 
Mittag des 25. Juni angekommen. Da sich aber der Kaiser 
gerade auf einer Fahrt nach Königsbrticke befand und nicht 
vor Nacht zurückscin konnte, musste er sich für diesen 
Tag mit einem Besuch beim Herzog von Bassano begnügen. 
Erst am Morgen des 26. wurde er zu Napoleon ins Palais 
Markolini berufen. Als er die Dienstsäle betrat, las er auf 



1. Metternich an Stadion 23. Juni. Oncken U, 672 f. 

2. Gentz an Pilat 25., 27., 29. Juni, 2. Juli I, 18. ff. Hum- 
boldt an Metternich 30. Juni. H- A. 



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- 314 - 



den Gesichtern all der bekannten ordengeschmückten 
Generäle gespannteste Erwartung. Berthier geleitete ihn. 
I Er flüsterte ihm noch gerade zu: „Vergessen Sie nicht, dass 
Europa den Frieden braucht und namentlich Frankreich, 
welches nur den Frieden will." Dann öffneten sich die 
ThUren der nach dem Garten heraus gelegenen kaiserlichen 
Gemächer: Der Gewaltige stand allein da in der Mitte des 
Zimmers, den Degen an der Seite, den Hut unter dem Arm. 
Alsbald kam er dem Minister ruhig, ja heiter entgegen und 
that die übliche Frage nach dem Befinden des kaiserlichen 
Schwiegervaters. Die berühmte achteinhalbstündige Unter- 
redung begann. Es war ein Viertel auf zwölf Uhr. 

Wer heute die Geschichte diplomatischer Verhandlungen 
schreibt, ist im allgemeinen übel daran. Er läuft Gefahr, 
vor lauter Bäumen den Wald, vor lauter Noten, Reskripten 
und Depeschen die grossen Umrisse zu tibersehen und über- 
sehen zu lassen, und neidet zu Zeiten den Historikern des 
Altertums die Möglichkeit, in freierfundener Rede und Gegen- 
rede der handelnden Männer das eigentlich Wesentliche und 
Charakteristische hervorzuheben. Aber doch auch er kommt 
hier und da an Scenen, wo der Inhalt langer politischer 
Einzelkämpfe in dem offenen Gegenübertreten der ent- 
scheidenden Persönlichkeiten kurz und dramatisch der An- 
schauung vermittelt wird; und dann kann es geschehen, 
dass er ihnen, weil sie einen so unschätzbaren Wert für 
die Erkenntnis haben, auch für die thatsächliche Ent- # 
wicklung eine Bedeutung beimisst, die sie überhaupt nicht, 
oder nicht in dem Masse und nach der Seite gehabt haben. 
Das eben ist der Fall bei der Dresdener Audienz vom 
26. Juni 1813. Sie liess die oesterreichische und französische 
Politik in ihren eigentlichen Trägern gleichsam personifiziert 
aufeinander prallen. Was lag da näher als die Annahme, 
dass sie zugleich jenen kriegerischen Ausgang entschieden 
habe, den das Gegenspiel beider Mächte schliesslich nahm? 
In Wirklichkeit war dem nicht so. 



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— .315 - 



Äusserlich ging es allerdings hart genug her. Ein Zeuge 
hätte mehr als einmal den Bruch für unvermeidlich gehalten. 1 
Napoleon Ubcrliess sich ganz seinem ungezügelten korsischen 
Temperament. Bald durchmass er mit hastigen Schritten 
das Zimmer, bald stürmte er, den Minister neben sich, in 
den Garten hinaus. Drohen und Schmeicheln, Poltern und 
Plaudern, Cynismen und pathetische Deklamationen wechselten 
jäh mit einander ab. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 
zogen an seinem aufgeregten Geist vorüber. Er sprach von 
der inneren Lage in Frankreich, dem Stärkeverhältnis der 
Armeen, vertiefte sich in lange und kleinliche Einzel- 
erörterungen über den russischen Feldzug, dessen ungünstigen 
Eindruck abzuschwächen, er offenbar auch jetzt noch für nötig 
hielt. Schliesslich aber kehrte er doch immer wieder zu 
wilden Anklagen gegen die oesterreichisehe Diplomatie 
zurück, wilderen, als sie selbst Bubna in jener Mainacht 
hatte hören müssen. „Ihr wollt also den Krieg? fuhr er 
Metternich gleich nach den ersten Worten an. Schön, wir ,' 
werden ihn machen. Bei Lützen habe ich die preussische 
Armee vernichtet, bei Bautzen die Russen besiegt. Jetzt 
wünscht Ihr an die Reihe zu kommen. Es sei. Wir geben 
uns Stelldichein in Wien. Je mehr Ihr Verbündete seid, 
umso leichter und sicherer werde ich Euch schlagen. Die 
Menschen sind unverbesserlich, die Erfahrung ist für sie 

1. Gentz an Caradja 4. Juli. Depöches inedites I, 25 ff. 
Vgl. für das Folgende sonst die beiden gleichzeitigen, leider 
ganz kurzen Berichte Metternichs an den Kaiser: Oncken II, 
384 f. u. 678, dann aber auch die späteren Erzählungen von 
Fain: Manuscrit de 1813. II, 36 ff. und Metternich selbst: Nach- 
gelassene Papiere I, 150 ff. Beide, und zwar, wie schon Ranke, 
Hardenberg III, 323 hervorhebt, jene nicht weniger als diese, 
enthalten eine Fülle charakteristischer Einzelheiten, die die au- 
thentischen Dokumente auf das wünschenswerteste ergänzen 
und nur da zu verwerfen sind, wo sie mit letzteren in Wider- 
spruch stehen. Einiges endlich bei Marmont, Memoires IV, 82 f. 



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— 31G — 



verloren. Dreimal habe ich den Kaiser Franz wieder auf 
seinen Thron gesetzt. Ich habe ihm versprochen, mein Leben 
lang in Frieden mit ihm zu bleiben. Ich habe seine Tochter 
geheiratet. Gleich damals sagte ich mir: Du machst eine 
Dummheit. Ich habe sie gemacht und bereue es heute." 
I5T tadelte, dass der Minister erst so spät komme. Ein 
Monat sei schon verloren, und die oesterreichische Vermittlung 
würde durch ihre Unthätigkeit fast feindlich. „Es scheint, 
dass es Euch nicht mehr passt, die Unverletzlichkeit des 
französischen Reiches zu garantieren: gut, es mag sein; 
aber warum es mir nicht eher erklären, warum es mir nicht 
offen heraussagen lassen bei meiner Rückkehr aus Russland 
durch Bubna oder später durch Schwarzenberg? Vielleicht 
hätte ich dann meine Pläne geändert, vielleicht sogar wäre 
ich garnicht erst ins Feld gezogen. Indem Ihr mich meine 
Kräfte in neuen Anstrengungen erschöpfen liesst, rechnetet 
Ihr ohne Zweifel auf eine weniger reissende Entwicklung 
der Dinge. Diese kühnen Anstrengungen, der Sieg hat sie 
gekrönt. Ich gewinne zwei Schlachten, meine geschwächten 
Feinde sind auf dem Punkt, von ihren Illusionen zurück- 
zukommen. Plötzlich schiebt Ihr Euch dazwischen, sprecht 
mir von Waffenstillstand und Vermittlung, sprecht ihnen 
von Bündnis, und alles verwirrt sich. Ohne Eure unselige 
Intervention wäre der Frieden zwischen den Alliierten und 
mir geschlossen. Was hat denn der Waffenstillstand bisher 
für Früchte gezeitigt? Ich kenne keine anderen als die beiden 
Verträge von Rcichenbach, die England soeben von Preussen 
und Russland erlangt hat. Man spricht auch von einem 
Vertrag mit einer dritten Macht, aber Sie haben ja Herrn 
von Stadion an Ort und Stelle, Metternich, und müssen also 
in dieser Hinsicht besser unterrichtet sein als ich. Gestehen 
Sie nur: seit Oesterreich den Titel 'Vermittler' angenommen 
"hat, ist es nicht mehr auf meiner Seite, es ist nicht mehr 
unparteiisch, es ist Feind! Ihr wolltet Euch erklären, als 
der Sieg von Lützen Euch zurückhielt. Da Ihr mich noch 



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- 31? - 

in so furchtgebietender Verfassung saht, habt Ihr das Be- 
dürfnis gefühlt, Eure Streitkräfte zu verstärken, und deshalb 
gestrebt, Zeit zu gewinnen. Jetzt ist die grosse Frage für 
Euch, ob Ihr mich prellen könnt, ohne das Schwert 
zu ziehen, oder ob Ihr Euch offen in die Reihen meiner 
Gegner werfen müsst." Wenn es wirklich so stand, liessen 
seine heutigen Äusserungen jedenfalls keinen Zweifel, dass 
der zweite Fall der bei weitem wahrscheinlichere sei. Er 
gab nur eben die gewohnte Versicherung, dass er nicht«? 
gegen einen Frieden habe, und fügte sofort drohend hinzu, . 
lieber aber als einen entehrenden schliessen, werde er unter- ' 
gehen: „Ich habe es dem Kaiser geschrieben: meine Ehre 
über Alles und dann erst der Friede." Die eifrige Ver- ! 
Währung Metternichs, dass entehrende Vorschlüge für seinen 
Herrn überhaupt nicht in Frage kämen, machte ihm keinen 
Eindruck. Er Hess ihn nicht einmal ausreden: „Wohlan, 
was verstehen Sie unter Frieden, welches sind ihre Be- 
dingungen? Wollen Sie mich plündern? Wollen Sie Italien, 
Brabant, Lothringen? Ich werde nicht einen Zoll Erde ab- 
treten; ich schliesse Frieden auf dem status quo ante bellum. 
-Ich werde sogar einen Teil des Herzogtums Warschau an 
Russland geben. Euch werde ich nichts geben, weil Ihr 
mich nicht geschlagen habt, auch an Preussen nichts, weil 
es mich verriet. Wenn Ihr Wcstgalizien wollt; wenn Preussen 
einen Teil seiner alten Besitzungen will, so kann sich das 
machen, aber gegen Entschädigungen. Illyrien zu erobern, 
hat mir 300000 Mann gekostet. Wünscht Ihr es wieder, 
so müsst Ihr die gleiche Zahl Menschen verausgaben." 
Dann höhnte er: „Ihr denkt nur daran, wie Ihr Euer Schäfchen ' 
ins Trockene bringen könnt auf jeden Fall. Ihr tragt Eure 
Allianz von einem Hauptquartier ins andere, um immer dort 
zu sein, wo geteilt wird. Und Ihr sprecht mir von Eurer 
Achtung vor den Rechten unabhängiger Staaten! In Wahr- 
heit wollt Ihr Italien, Russland will Polen, Schweden will 
Norwegen, Preussen will Sachsen, und England will Holland 



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- 318 - 

und Belgien. Mit einem Wort: Der Friede ist nur ein 
Vorwand. Ihr habt alle nur das eine Ziel der Zertrümmerung 
v des französischen Reiches. Und solchen Plan heisst mein 
Schwiegervater gut! Er schickt Sie! In welche Stellung 
will er mich gegenüber dem französischen Volk bringen? 
Er täuscht sich sehr, wenn er glaubt, ein verstümmelter 
Thron könne ein Asyl sein für seine Tochter und seinen 
Enkel." Wieder wie in den Audienzen des Frühjahrs durch- 
zuckte ihn die Ahnung, dass die Würfel doch wohl gegen 
ihn fallen möchten, und wieder wie damals bemerkte er, 
halb Schauspieler, halb wirklich Uberzeugt: „Ich werde viel- 
leicht untergehen, aber ich werde die Throne und die ganze 
menschliche Gesellschaft in meinen Sturz mitreissen." 1 

Metternich hielt sich demgegenüber sehr würdig. Er 
war nach dem Zeugnis Gentz' von vornherein in einer 
grossen, ja erhabenen Gemütsstimmung nach Dresden ge- 
kommen. 1 Als er nun vollends wirklich vor Napoleon stand 
und der Völkerbezwinger seine hasslichsten Seiten enthüllte, 
. v f ^ wuchs in ihm mit jeder Minute das Gefühl von der Stärke 

seiner Stellung. Er betrachtete sich als den Vertreter 
^, , der gesamten europäischen Gesellschaft. Der tobende Im- 

^ perator erschien ihm klein. Es war bezeichnend, dass er 
sich nicht bückte, als jener im Zorn den Hut zur Erde warf, 
' i sondern dem ruhiger Gewordenen überliess, ihn selbst aufzu- 
heben. Mit ernsten, leidenschaftslosen Worten, mots de proto- 
cole, wie ßignon spöttelt, 8 denen es doch zur rechten Zeit an 

1. So erzählt Metternich in seiner Studie: Napoleon Bona- 
parte. Ein Portrait Nachgelassene Papiere I, 287. 

2. Gentz an Pilat 27. Juni. I, 28: Graf Metternich ist in 
einer grossen, ich glaube mich berechtigt zu sagen: erhabenen 
Gemütsstimmung nach Dresden gereist. Ich wollte, dass die, 
welche ihn bloss für einen feinen, gewandten, kalkulierenden 
Staatsmann halten, den Brief lesen könnten, den er mir vor 
seiner Abreise geschrieben hat. 

3. Bignou XII, 165. 



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319 - 



Schwung und Kraft nicht fehlte, wiederholteer mündlich all das, 
was er in denNoten und Instruktionen der Monate vorherzu pre- 
digen nicht müde geworden war. Er komme in dem wichtigsten 
Augenblick für die zukünftigen Beziehungen zwischen den beiden 
Reichen, ja für ganz Europa. Von Napoleon hänge es ab, 
der Welt den Frieden und damit seiner Regierung die festeste 
aller Grundlagen, allgemeine Dankbarkeit, zu geben. Wenn 
er diesen Moment entweichen Hesse, wo würden dann die 
Umwälzungen Grenze und Ziel finden? „Der Kaiser mein 
Herr hat Pflichten zu erfüllen, vor denen Erwägungen zweiten 
Ranges in seinen Augen stets verschwinden werden. Das 
Schicksal Europas, seine Zukunft wie die Ihre, alles das ruht 
heute in Ihrer Hand. Es besteht ein unlöslicher Wider- 
spruch zwischen Europa und den Plänen, die Sie bisher 
verfolgt haben,. Die Welt braucht den Frieden; um ihn zu ' \ \ 
sichern, müssen Sie in Machtgrenzen zurückkehren, die mit 
der allgemeinen Ruhe verträglich sind, oder Sie werden unter- r ., ?., , 1 
liegen im Kampf. Heute können Sie noch Frieden machen, \ " / 
morgen können Sie es nicht mehr. Mein Kaiser wird sein 
Verfahren regeln nach der Stimme seines Gewissens; an 
Ihnen, Sire, ist es die Ihrige zu hören." Das war eine 
starke Sprache, und auch sonst gab es mehr als einen Mo- 
ment, wo nach Metternichs eignem Geständnis seine Worte 
ganz das Gewicht einer förmlichen Kriegserklärung hatten. 
Aber wie hoch die Wogen der Debatte zuweilen gingen, er 
verlor doch das nächste Ziel seiner Iteise nie aus dem Auge. | 
Er hob hervor, dass er nicht berufen sei, hier die Bedingungen 
des künftigen Friedens zu erörtern. Vielmehr habe er nur 
auf möglichst beschleunigte Vereinigung von Bevollmächtigten 
unter oesterreichischer Vermittlung oder aber darauf Zu 
dringen, dass der Kaiser sich ausdrücklich weigere, unter 
dieser Vermittlung zu unterhandeln. Wären dann die 
Diplomaten erst einmal zusammen, so stände einer Diskussion 
über die Grundlagen des Friedenswerkes nichts mehr im 
Wege; jedenfalls würde Oesterreich in dieser wichtigen 



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- 320 - 

Situation mit vollster Unparteilichkeit seines Mittleramtes 
walten. Solche Mässigung trug ihre Früchte. Es zeigte 
sich wieder, dass bei stürmischen Verhandlungen stets der 
den Sieg gewinnt, der die Herrschaft über sich selbst be- 
hält. Napoleon lenkte gegen Ende der Audienz ein. Als 
er den Minister entliess, war der Ton seiner Rede ruhig 
und milde geworden. Die Züge seines Gesichtes waren 
wegen der einfallenden Dunkelheit nicht mehr zu erkennen. 
Er begleitete Metternich bis an die Thür des Dienstsalons, 
und die Hand auf die Thürklinke legend, sagte er:_ Wir 
sehen uns doch wieder? 1 

Wirklich verlängerte der Minister seinen Aufent- 
halt, und nun wiederholten sich die Vorgänge vom 17. 
Mai. Der Imperator bewies sich, nachdem er seinen 

1. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 156. Metter- 
nich erzählt dann freilich weiter: „Zu Befehl, Majestät, war 
meine Antwort, aber ich habe keine Hoffnung, den Zweck 
meiner Mission zu erreichen". „Nun wohl, entgegnete Napoleon, 
indem er mir auf die Schultern klopfte, wissen Sie, was ge- 
schehen wird? Sie werden mir nicht den Krieg machen". — „Sie 
sind verloren, Sire, rief ich lebhaft aus, ich hatte ein Vorgefühl 
davon beim Kommen, jetzt beim Gehen habe ich die Ge- 
wissheit". — Und das Gleiche will er zu Berthier gesagt haben, 
als dieser ihn fragte, ob er mit dem Kaiser zufrieden gewesen 
sei: „Ja, er hat mir vollen Aufechluss gewährt Mit dem Mann 
ist's aus". Aber es scheint nicht, als ob es sich hier um mehr 
als ein vaücinium ex eventu handelte. Zunächst ist mit Erttouf, 
Maret p. 562 auf die zitierte Depesche Genta' an Caradja hinzu- 
weisen, in der es heisst: on se separa dans des dispositions trea 
amicales; und dann kennen wir seit kurzem durch Ffister, Aus 
dem Lager des Rheinbunds S. 801 auch von Metternich selbst 
eine gleichzeitige Äusserung, die ganz anders lautet. Als ihn 
nämlich am Tage nach der Audienz der würtembergische Ge- 
sandte um Auskunft bat, was er dem König berichten könne, 
war die Autwort: Schreiben Sie, ich sei in der ihm be- 
wussten Angelegenheit hier, sehe aber noch nicht klar. 



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- m - 

Zorn ausgetobt hatte, in den eigentlichen Verhandlungen 
nachgiebiger und umgänglicher, als anzunehmen gewesen 
wäre. Immerhin boten sie auch so noch Schwierigkeiten in v 
Fülle. Metternich kam in den nächsten vier Tagen kaum 
zur Ruhe. Fortwährend hiess es Besuche machen und 
empfangen. Konferenzen mit dem Herzog von Bassano und 
dem Kaiser selbst lösten sich ab. In der Zwischenzeit 
mussten offizielle Aktenstücke gelesen und beantwortet 
werden. Kurz, er hatte nicht so unrecht, wenn er seinem 
Herrn von „beispiellosen Kämpfen" berichtete. 1 

Arn raschesten und gründlichsten ordnete sich wider 
Erwarten die Angelegenheit der Allianz. Nachdem sich 
die Minister gegenseitig über ihre Vollmachten verständigt 
hatten, ging der französische in einer Note vom 27. die 
Artikel des Bündnisses einzeln durch und fragte bei jedem, 
ob Oesterreich ihn geändert wünsche oder nicht. Metter- 
nichs Antwort war sehr merkwürdig. Er zeigte jetzt wirk- 
lieh die „eiserne Stirn", mit der allein man nach seiner 
Meinung gegen Napoleon aufkommen konnte, erklärte kurz- 
ab, die Unabhängigkeit, die im Wesen des Vermittlers liege, 
vertrage sich wohl mit dein Geist, nicht aber mit dem 
Buchstaben des Pariser Bündnisses, und beantragte dem- 
gemäss eine Vereinbarung, nach der ganz allgemein „die 
Bestimmungen besagten Traktats, welche der Unparteilichkeit 
des Vermittlers Abbruch thun würden," für die ganze Dauer 
der Verhandlung ausser Kraft gesetzt werden sollten, vor- 
behaltlich der Möglichkeit, sie später mit den durch den 
Frieden gegebenen Modifikationen Wiederaufleben zu lassen. 
Was eine solche Vereinbarung in Wirklichkeit bedeutete, 
konnte der scharfen Logik Napoleons nicht unklar sein. 
Er erwiderte durch Bassano: „Es ist in Niemandes Macht, zu 
bewirken, dass das bestehe, was nicht besteht. Also könnte 

1. Metternich an Kaiser Franz 28. Juni. Oncken II, 394 f. 
Vgl. sonst Nachgelassene Papiere I, 159. 

21 



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- 322 - 



man nicht sagen, dass der Allianzvertrag besteht, wenn 
alle seine Bestimmungen unter Vorbehalt gestellt wären," 
und verzichtete nicht ohne Würde auf eine Verpflichtung, 
von der er nicht wolle, dass sie seinen Freunden lästig falle. 1 
Aber was wurde nun aus der Annahme der oester- 
reichischen Vermittlung, die er bisher stets von erneuter 
vertragsmässiger Garantie des französischen Staatsgebietes 
abhängig gemacht hatte? Indem die eine Frage glatt aus- 
schied, gewann die andere nur ein umso kritischeres Ansehen. 
An Stelle der alten traten neue, nicht weniger unerfüllbare 
Forderungen. Sie betrafen Art und Form der einzuleiten- 
den Unterhandlung. Weder der vorläufige Kontinental- 
Jriedea, auf den sich Metternich zunächst beschränken 
wollte, noch die bescheidene Vereinigung weniger Bevoll- 
mächtigter passten in Napoleons Entwürfe. Er konnte den 
doppelten Zweck des Zeitgewinnes und der Irreleitung der 
öffentlichen Meinung voll nur erreichen, wenn er mit dem 
Gedanken eines allgemeinen Friedens kokettierte und den 
schwerfälligen Apparat eines Kongresses d la Münster, 
Nymwegen, Ryswyk und Utrecht in Scene setzte. So ma- 
nifestierte d(-nn sein Minister in schwungvollen Worten den 
Wunsch, „das durch dreissig (sie!) Kriegsjahre erschütterte 
Europa wieder in seinen Grundlagen zu festigen und an 
die Stelle von Teilfrieden einen allgemeinen zu setzen, der 
nicht im Kabinet, sondern vor ganz Europa und im An- 
gesicht aller Völker verhandelt wird"; ja, er legte einen 
ausgeführten Vertragsentwurf vor, nach dem sich die Ver- 
mittlung Oesterreichs auch auf England, die Vereinigten 
Staaten, den König von Spanien, die Regentschaft in Cadiz, 
Uberhaupt sämtliche Mächte der beiden kriegführenden 
Parteien zu erstrecken hätte. Als Ort des Kongresses 
würde man Prag oder Wien vorziehen. 2 Und zugleich er- 

1. Fain II, 137 ff. 

2. Replique du duc de Bassano relativement a la mediation ; 
Caiievas de Convention, Dresde le 29 juin 1813. Faiu II, 142 ff. 



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schien hier implicite noch ein anderer, weit wichtigerer 
Wunsch des französischen Kaisers. Er hatte sich gleich in 
der Audienz vom 26. Mühe gegeben, Oesterreich auf den 
Stand der bewaffneten Neutralität zu fixieren, möglicher- 
weise sogar Illyrien ais Preis dafür angeboten. 1 Jetzt 
sollte das damals Versagte auf Umwegen erreicht werden. 
Es wurde verlangt, dass die Unterhandlung, auch wenn eine 
der kriegführenden Mächte am 20. Juli den Waffenstillstand 
aufsagte, keine Unterbrechung erlitte, und gleichzeitig dem 
Vermittler strengste Unparteilichkeit zur Pflicht gemacht. 
Das hiess nicht mehr und nicht weniger, als Oesterreich 
musste zusehen, wie Napoleon die Verbündeten zu Paaren 
trieb. 2 Metternich war über die Zumutung empört. Er will 
die Übersendung des Entwurfes mit der einfachen Anzeige 
beantwortet haben, dass er Dresden unverzüglich verlassen 
werde. Indessen kam es nicht zur Ausführung dieser 
Drohung. In der Frühe des nächsten Tages (30. Juni), 
kurz vor der für seine Abreise bestimmten Stunde, erhielt 
er ein Billet des Herzogs von Bassano, das ihn zu acht ins 
Palais Markolini bestellte. Der Imperator ging gerade im 
Garten spazieren. Er empfing den Grafen mit dem scherzen- 
den Vorwurf: Nun, Sie spielen den Gekränkten, weshalb 
denn? Dann prüfte er das Elaborat seines Ministers Artikel 
für Artikel und sagte schliesslich: Vielleicht verstehen wir 
zwei uns besser, Sie und ich; kommen Sie in mein Kabinet 
und verständigen wir uns. — So geschah es denn auch. 
Als Metternich ihn nach fünfstündiger Audienz verliess, 
hatte er die definitive Anerkennung der oesterreichischen 
Vermittlung in der Tasche; und was etwa sonst noch zu 

1. Fournier, Napoleon I, Bd. HI, 144. Dass der Imperator 
niyrten böt,"erzählr Fain, und auch Metternich behauptete es 
am 4. Juli gegen Graf Hardenberg. Vgl. Oncken II, 399 f. 
Sicher ist es trotzdem nicht. 

2. Gut auseinandergesetzt von Beitzke, Geschichte der 
Deutscheu Freiheitskriege I, 626. 

Ja* 



- 324 - 

ordnen war, brachte der Herzog von Bassano ins Reine. 
Dieser fuhr dreimal bei ihm vor; das letzte Mal noch um 
ein Uhr nach Mitternacht. Da aber war der Graf schon 
fort; ein Adjudant Bubnas musste sich aufs Pferd werfen 
und ihm ein Handschreiben Napoleons an Kaiser Franz 
nachbringen. 1 Es warnte vor einem Krieg, der das Unglück 
der oesterreichischen Staaten sein und die Leiden der Welt 
vermehren würde, und zeigte durch den ungewöhnlich kalten 
Ton, dass der Imperator mit dem Ergebnis der letzten 
Verhandlungen alles andere eher als zufrieden war. 2 

Thatsächlich enteprachjie Konvention vom 30. Juni. 
_1813 nur in dem einen Punkt ganz dem französischen Ent- 
wurf, dass sie Prag und nicht mehr Gitschin als Sitz des 
jzu eröffnenden^öngresses bezeichnete. Dagegen war die 
Frage,_ob Kontinental-, ob allgemeiner Frieden, unentschieden 
gelassen. Es wurde die Vermittlung Oesterreichs für den 
einen oder den andern angenommen (Art. 1 und 2) und einst- 

1. Vgl. Metternichs eigne Erzählung in den Nachgelassenen 
Papieren und den Bericht des Würtembergers Beroldingen bei 
Pfister, Aus dem Lager des Rheinbunds S. 301. Dieser Bericht 

^Bestätigt auf das erwünschteste, dass erst am 30. die Vermittlung 
des Wiener Hofes endgiltig angenommen worden ist, Sonst 
könnten darüber trotz des Datums der Konvention Zweifel ob- 
walten. Grentz nämlich meldet Caradja, dass diese la veille de 
son (Metternichs) depart vereinbart sei. — Sehr schwierig liegen 
die Dinge bei dem Oncken II, 394 f. abgedruckten Schreiben 
Metternichs, das über „die definitive Annahme der Mediation 
Ew. Majestät" triumphiert Es ist datiert 28. Juni, wo davon 
noch nicht die Bede sein konnte; deshalb glaubt Oncken an 
einen Schreibfehler für 29., aber sicher ist das nicht, und jeden- 
falls charakterisiert die Thatsache, dass noch Gitschin als Ver- 
sammlungsort für die Bevollmächtigten erscheint, den Siegesjubel 
als verfrüht. 

2. Corr. XXV, 514. Der Arger Napoleons geht noch deut- 
licher aus zwei Briefen an Eugen vom 28. Juni und 1. Juli 
hervor. Da heisst es: L'Autriche continue ä se comporter mal 
. . Toutes les probalites paraissent pour la guerre. 



— 325 — 

weilen einfach bestimmt, dass sich die Bevollmächtigten 
Frankreichs, Russlands und Preussens vordem 5. Juli 
versammeln sollten (Art, 3). Bassano musste sich begnügen 
seine weitergehenden Wünsche in einem ganz unverbindlichen 
„zweiten Projekt für die Anwendung der oesterreichischen 
Vermittlung auf den allgemeinen Frieden" 1 niederzulegen, 
das er Metternich zur Mitteilung an die Verbündeten [ 
einhändigte. Vollends von einer bewaffneten Neutralität 
Oesterreichs in irgend welcher Form fand sich kein Wort 
mehr. Hinsichtlich der Dauer der Unterhandlung war es 
zu einem Kompromiss gekommen, das geradezu die Grund- 
lage der ganzen Verständigung bildete. Der Kongress sollte 
nun entgegen dem französischen Antrag nach Wiederaufnahme 
der Feindseligkeiten nicht weitertagen , dafür aber wurde 
diese soweit hinausgeschoben, dass doch genügend Zeit für 
seine Beratungen blieb. Im vierten Artikel verpflichtete 
sich der französische Kaiser, den Waffenstillstand nicht vor 
dem 10. August zu kündigen, und der oesterreichische be- 
hielt sich vor, dieselbe Zusage von den Verbündeten zu er- 
wirken. 

Wer dabei eigentlich die Initiative ergriffen hat, wird 
sich wohl nie mit völliger Sicherheit sagen lassen. Schon 
nach wenigen Wochen leugnete man hüben und drüben um 
die Wette, als erster die Verlängerung der Waffenruhe er- 
beten zu haben. 2 Und vielleicht brauchte es wirklich keiner 

1. Fain II, 1451 Die Konvention vom 30. ebenda S. 45 f. 

2. Vgl. das von Napoleon inspirierte Schreiben der Kommis- 
säre Dümoustier und Flahault d. d. 19. Juli 1813. Corr. XXV, 
575 f. und andrerseits die Note Metternichs vom 22. Juli. Fain 
II, 165 ff. In den Memoiren Metternichs schwankt die Dar- 
stellung , doch so , dass in der Hauptsache der Verfasser, 
schon aus Eitelkeit, das Verdienst an der heilsamen Massregel 
sich beiroisst. Die Ansichten der Historiker gehen weit ausein- 
ander. Ranke, Hardenberg III,; 329 entscheidet sich dafür, 
dass der Antrag von Napoleon gestellt sei, Ernouf, Maret p. 565 



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— 326 — 



besonderen Bitte: man traf sich ohne sie auf dem einzigen 
Weg, der friedlich aus den Differenzen der letzten Ver- 
1 handlungen herausführte; denn, wie immer der Beschluss 
entstanden sein mag, ihr Interesse fanden beide Parteien 
daran, und zwar Metternich nicht weniger als Napoleon. 

Der oesterreichische Minister war ursprünglich in den 
Grundsätzen des Reichenbacher Vertrages nach Dresden 
gekommen. Noch am 25. hatte er eine Note übergeben, 
die sich mit Hinweis auf die kampfbereiten Armeen gegen 
jede Verlängerung eines einfachen Waffenstillstandes ver- 
wahrte. 1 Aber als ihm Tags darauf der Imperator die 
Standestabellen des französischen Heeres vorlegte, wurden 
denn doch Zweifel in ihm wach, ob wohl die eigenen 
Rüstungen bis zum festgesetzten Tage schon weit genug 
gediehen wären, um den Feind zu bestehen, der, wie auch 
sonst verlautete,' offenbar über eine grössere Macht ver- 
fügte als selbst 1809. Er sandte noch in der Nacht nach 
der Audienz einen Adjudanten mit dieser Frage zum Fürsten 

und neuerdings mit origineller, aber nicht einwandsfreier Be- 
gründung^Fournier, Napoleon I, Bd. III, 146 f. schieben die 
Initiative ebenso energisch dem Oesterreich ischen Minister zu. ^ 
Ich würde ihnen bedingt beistimmen, wenn nicht eine Depesche 
Bubnas vom 2. Juli (H.-A) wäre, in der es heisst: J'ai fait 
aussi mon possible pour approfondir la raison qui avait porte 
l'Empereur a insister autant sur la Prolongation de l'armistice. 
Nun ist die Entwicklung dieser Gründe freilich recht eigen- 
tümlich: als vornehmstes Motif erscheint der Wunsch, Nach- > 
richten aus Spanien zu haben; Bekleidung und Einexerzierung 
der Truppen, Beendigung der Befestigungsarbeiten etc. sollen 
erst in zweiter Linie kommen, militärische Verstärkungen über- 
haupt nicht zu erwarten sein. Kurz, der Verdacht liegt nahe, 
dass es sich um eine bestellte Arbeit zur Begütigung der Ver- 
bündeten handelt, aber beweisen lässt sich das nicht, und so 
bleibt es für die ganze Frage bei dem non liquet. 

1. d. d. 22. Juni. Fain II, 129 ff. 

2. z. B. von Wrede. Bericht Hrubys 25. Juni. H.-A. 




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Schwarzenberg und erhielt nach 32 Stunden die Antwort, 
dass man in drei Wochen mehr um 75000 Mann stärker 
sein werde. Von Stund an war sein Entschluss gefasst. 
Er trachtete, jene drei Wochen zu gewinnen. — So wenigstens 
erzählen seine Memoiren (1, 158), und gesetzt auch, es wäre 
viel romanhafte Ausschmückung dabei, 1 thatsächlich lagen 
die Dinge so, dass Oesterreich die längere Vorbereitungszeit 
nur zu nötig hatte. 

Noch am 17. August ist seine Armee nach glaub- 
würdigem Zeugnis als „reine militärische Unschuld" ins 
Feld gerückt.* Am 27. Juli wären weder die beiden Re- 
servekorps schlagfertig formiert noch die sonstigen Mass- 
regeln zum Schutz des bedroht geglaubten Wien wie nament- 
lich die arg vernachlässigten Schanzarbeiten im Donauthal 
vollendet gewesen. Die Organisierung der Landwehr und 
Reserve steckte noch in den ersten Anfängen, der Marsch- 
befehl für die ungarische Tnsurrektion stand erst bevor. 
Die sonst kriegsbereiten Linientruppen aber mochten die 
Frist zu der so nötigen Vervollständigung ihrer Monturen 
gebrauchen. 

Kurz, die Verlängerung des Waffenstillstandes war 
nützlich, wenn es zum Kriege kam. Und vielleicht auch 



1. Es giebt wirklich ein Memoire des Feldmarschalls über 
die Frage, ob die Verlängerung des Waffenstillstandes militärisch 
heilsam sei oder nicht. Metternich legte es am 4. Juli den 
Ministern der Verbündeten vor. Aber wir kennen den Inhalt 
nur aus dem Bericht des Grafen Hardenberg vom 5. Juli 
(Oncken II, 397) und das Datum überhaupt nicht. 

2. Radetzky, Selbstbiographie S. 73. Zu den Angaben dort 
stimmt ein Brief Napoleons an König Friedrich von Würtemberg 
vom 30. August: On ne peut simaginer le mauvais etat de 
l'armee autrichienne. Elle n'est en campagne que depuis quel- 
ques jours et Ia moitie de ses soldats sont presque nus et sans 
souliers. Les troia quarts ne sont que des recrues levees depuis 
six semaines. Schlossberger S. 3J6, 



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— 328 — 

half sie diesen noch ganz vermeiden. So überraschend es 
klingt, in Metternich hatte der Verlauf [der Dresdener Ver- 
handlungen die schon fast erloschenen Friedenshoffnungen 
von neuem geweckt. 1 Überstieg nicht das, was er bewirkt, 
„vieles von dem, was man sich gewöhnlich zu erlangen 
dünkt, wenn man den französischen Kaiser nur oberflächlich 
beurteilt"? Trotz aller flammenden Proteste vorher hatte 
Napoleon im entscheidenden Moment gutwillig auf die Allianz 
verzichtet, die bewaffnete Vermittlung Oesterreichs aner- 
kannt. Konnte es da nicht ähnlich mit den Abtretungen 
gehen, die er jetzt noch entrüstet verweigerte? Und wenn 
schon die Chancen für einen „solchen Kontinentalfrieden, 
wie wir ihn wünschen," schlecht genug standen, so war 
die Stimmung des Imperators einem annehmbaren allge- 
meinen Frieden anscheinend umso günstiger. Er erklärte 
wiederholt, dafür grosse Opfer bringen und über Erwarten 
nachgiebig und gefällig sein zu wollen. Die „fast unüber- 
steiglichen Hindernisse" aber, die sich hier von anderer 
Seite erhoben, lohnten immerhin den Versuch einer Über- 
windung. Wie, wenn man in elfter Stunde einen neuen 
Schritt bei England unternahm? An Gründen dafür fehlte 
es nicht. Es war bekannt, dass die Verbündeten den Hof 
von St. James eingeladen hatten, zur Wahrung seiner Inter- 
essen eine Persönlichkeit zu den Unterhandlungen zu 
schicken. Und dass diese Einladung nicht ganz aussichts- 
los sei, schien das Verhalten Lord Cathcarts gegen Stadion 
zu beweisen. Der schwerfällige Brite hatte zwar anfäng- 
lich von dem Oesterreicher ebenso wenig Notiz genommen 
wie von dem übrigen schreibenden Hauptquartier, sondern 
nur Aug und Ohr für die Truppen gehabt, bei denen er 



1. Vgl. für das Folgende: Instruktionen t würfe und In- 
struktionen für Wesaenberg Mitte Juni, 8. Juli. H.-A ; Metternich 
an Kaiser Franz 28. Juni. Oncken H t 394 f; Gent? an Caradja 
4. Juli, 



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— 320 — 



beständig hemmgaloppierte; aber sobald das vorläufige Ende 
der Feindseligkeiten ihm Zeit liess, sich den seiner Be- 
gabung so garnicht entsprechenden diplomatischen Ge- 
schäften zu widmen, war er zu Stadion gekommen, um sein 
Ministerium wegon der unfreundlichen Aufnahme der 
Wessenbergischen Vorschläge zu entschuldigen: im April 
sei das System Oesterreichs noch weniger ausgesprochen 
gewesen, und man habe deshalb den Sinn der ersten Er- 
öffnungen nicht recht verstanden. 1 Unter solchen Umständen 
war Metternich schon Mitte Juni in Dresden vorstellig ge- 
worden, ob Bassano einem Kurier von ihm Pässe über 
Calais ausfertigen werde, 2 und nur die noch immer mangelnde 
Anerkennung seiner Vermittlung durch Frankreich hatte ihn 
zurückgehalten, die bereitwillig erteilte Erlaubnis sogleich 
auszunutzen. Jetzt, wo jene Anerkennung erfolgt war, 
stand der Expedition der neuen Depeschen für Wcssenberg, 
an denen er seit Wochen arbeitete, offenbar nichts mehr 
im Weg. Wenn nun in der englischen Regierung auch nur 
die geringste Neigung lebte, den Krieg nicht zu verewigen, 
so konnte sie seiner Meinung nach aus dem gegenwärtigen 
Augenblick grossen Nutzen ziehen. Das Erscheinen des 
britischen Bevollmächtigten am Ende der Verhandlungen 
musste diesen eine ganz neue, grossartige Wendung geben, 
und unmöglich war es nicht: der Kurier, ohne Aufenthalt 
abgefertigt, traf zeitig genug in London ein, damit es in 
der Macht des Engländers lag, vor Auflösung des Kon- 
gresses in Prag zu sein. Allerdings nur, wenn dafür der 
10. August, nicht wenn der 20. Juli festgesetzt war. Auch 
in dieser Hinsicht also passte die Konvention vom 30. Juni 
in die Entwürfe des oesterreichischen Ministers. 

Aber welch ein Widerspruch bestand zwischen ihr und 



1. Berichte Stadions 7. Juni. H.-A.; Stein an Münster 19. Mai, 
Pertz ni, 357. 

% Berichte Bubnas 16. Juni. H.-A, 



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— 330 — 



dem Geist, ja dem Buchstaben des Reichenbacher Vertrages 
und der anderen Verabredungen der Kaisertagc von 
Opotechna und Ratiborschitz. Gleich, dass die Friedensver- 
handlungen nun doch etwas von der Feierlichkeit eines 
völkerrechtlichen Kongresses erhalten, nicht im unbekannten 
Gitschin, sondern im glänzenden Prag stattfinden und mit 
wirklichen Bevollmächtigten beschickt werden sollten, musstc 
im verbündeten Hauptquartier, wo man sie als eine Farce 
zum Privatvergnügen Kaiser Franz' gern so unscheinbar 
wie möglich gestaltet hätte, als übermässige Willfährigkeit 
gegen französische Wünsche verstimmen. Und vollends die 
Verlängerung des Waffenstillstands empfand man als Schlag 
ins Gesicht. So war denn der Grundpfeiler des jungen 
Vertragswerkos bereits zusammengestürzt, während die 
Tinte von der Unterschrift Stadions noch kaum getrocknet 
war. Schon rein militärisch, zumal in Anbetracht der Ver- 
pflegung, genierte die aufgezwungene neue Ruhezeit aufs 
empfindlichste. Doch trat dieser Gesichtspunkt hinter dem 
politischen ganz zurück. Solange der 20. Juli als End- 
termin feststand, hatte man nicht gefürchtet, dass die Ver- 
handlungen zum Frieden führen würden: jetzt konnten sie 
es vielleicht doch, da überdies nichts verbürgte, dass Oester- 
reich nicht eine abermalige Verlängerung der Frist, vielleicht 
gar eine Verminderung seiner Bedingungen beliebte. Wie 
wenig es sich durch feierliche Zusagen gebunden erachtete, 
hatte sich ja zur Genüge gezeigt. 

Metternich durfte sich also auf heftige Angriffe gefasst 
machen, als er am Abend des 3. Juli in Ratiborschitz von 
neuem mit den verbündeten Diplomaten zusammentraf, von 
denen er vor vierzehn Tagen in so gutem Einvernehmen 
geschieden war. 1 Er hatte sie auf das Grcnzschloss ein- 
geladen, um durch einen Zusatzartikel zur Konvention vom 



1. Vgl. namentlich Oncken II, 396 ff, der wieder Graf Harden- 
berg (an Münster 5, Juli) nacherzählt, 



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27. Juni die Verlängerung des Waffenstillstandes auch nach 
dieser Seite zu sichern und zugleich zu sehen, ob sich nicht 
die Napoleon halb und halb versprochene Bevollmächtigung 
der russischen und preussischen Gesandten zu direkten 
Verhandlungen mit den französischen erwirken lasse. Dar- 
über kam es denn am 4. in aller Form zu einer Konferenz. 
Es war ein stürmischer Sonntag. Die Minister bestanden 
auf ihrem Schein. Sie lehnten die oesterreichischen Wünsche 
hinsichtlich der/Form des Kongresses rundweg ab und ver- 
legten desservÄnfangjT auf den 5., dann auf den 8. fixierte 
Eröffnung au* den 12. Juli zurück. 1 Die Hinausschiebung 
des Endtermins bezeichneten sie unverblümt als Wortbruch 
und sträubten sich so hartnäckig dagegen, dass Metternich 
sich schliesslich kalt auf die Erklärung zurückzog: das 
Recht, am 27. Juli die Feindseligkeiten zu beginnen, sei den 
Alliierten allerdings unbenommen, aber er könne nicht ver- 
bürgen, dass dann Kaiser Franz nicht unbedingteste Neu- 
tralität beobachten werde. Selbst das hatte nicht volle 
Wirkung. Nesselrode und Hardenberg behielten sich eine 
endgiltige Äusserung vor, bis sie ihren Souverainen Bericht 
erstattet hätten, und so wenig war sicher, ob die zu 
gunsten der Dresdener Verabredungen ausfallen würde, 
dass Stadion die Ratifikation des Reichenbacher Vertrages 
nur mit der ausdrücklichen Weisung eingehändigt erhielt, 
sie nicht ohne vorherige Annahme des Zusatzartikels aus- 
zuwechseln.* 

Unter diesen Umständen kam alles darauf an, die 
verbündeten Monarchen oder, da der König von Preussen 

1. Metternich an Bassano 3., 8. Juli. Fain II, 148 f. 

2. Oncken II, 396. Thatsächlich geschah die Auswechslung 
erst am 26. Juli (Berichte Stadions No. 29 c ), obwohl der Text 
des Vertrages dafür nur die Frist von sechs Tagen Hess. Aus 
diesem Sachverhalt erklärt sich die Behauptung Bignons (XII, 212), 
Kaiser Franz habe die Konvention vom 27. Juni erst am 27, Juli 
ratifiziert. 



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- 332 - 

sich willig dem begabteren und mächtigeren Freund unter- 
ordnete, den Zaren unmittelbar zu gewinnen. Die Aufgabe 
war sehr undankbar. Lösen konnte sie offenbar nur einer, 
und dieser eine, der erklärte Liebling Lebzeltern, über- 
nahm sie nur mit äusserstem Widerstreben. Er trug zu- 
nächst Sorge, ein kaiserliches Handschreiben zu entwerfen, 
das die Verlängerung des Waffenstillstandes als „unbedeuten- 
den Zeitverlust," „kleine Erweiterung des ersten Artikels," 
\ kurz en bagatelle behandelte und nicht ohne Hinweis auf 
die „Einigung durch Grundsätze und gemeinsames Interesse" 
; » rein aus militärischen Gründen zu rechtfertigen suchte. 9 

, Dann begab er sich damit und mit einer Denkschrift 
Schwarzenbergs, die diese militärischen Gründe des näheren 
darlegte^ nach Pcterswaldau ins russische Hoflager. Alexander 
empfing ihn sofort (5. Juli). Er sprach feuriger als je. Rede- 
gewalt und Argumente waren denen der Minister in Ratibor- 
schitz weit überlegen. Er leugnete, dass Napoleon aus den 
> , ^ Dresdener Beschlüssen keinen Vorteil ziehen werde, leugnete 
die Gefahr für den Süden Oesterreichs; das Memoire sei 
hinterdrein bestellte Arbeit. „Denn würdet Ihr, fragte er 
ungläubig, bis zum letzten Augenblick Eure Grenze und 
Eure Hauptstadt ungedeckt gelassen haben?" Und selbst 
wenn Gefahr bestünde, so erinnerte er an jene Versicherung 
vom 29. April, dass man auch die grösste Aufgabe nicht 
fürchte. „Stelle sich doch, rief er aus, Oesterreich sich 
selbst gegenüber, wie es vor drei Monaten war, und wie es 
heute ist; vergleiche es einmal seine Worte und Ver- 
sprechungen von damals und jetzt!" Die Verbündeten hätten 
ihnen getraut, sich mit nimmermüder Gefälligkeit allen 
Wünschen von Wien her oft gegen ihr eigenstes Interesse 



1. Für das Folgende Lebzelterns „Recit d'uno conversation 
avec PEmpereur Alexandre a Peterawaldau le 5 juillet 1813", 
H.-A. Einiges daraus auch bei Oncken H, 400 f. 

2. Kaiser Franz an Alexander 3. Juli. H.-A. 

\ 



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- 3ä3 - 

gefügt, nie die Sprache gebraucht, die sie gegen jede andere 
Macht hätten anwenden müssen ; jetzt sehe man die Resultate. 
Er beklagte sich, dass Frankreich soeben ansehnliche Mengen 
Getreide aus Oesterreich habe beziehen dürfen. Lebzeltern 
war selbst über das Faktum erstaunt, er versuchte es, so 
gut es ging, mit der dem Vermittler geziemenden Unpartei- 
lichkeit zu entschuldigen. Aber da kam er schlecht an. 
Alexander fuhr auf, es sei immer wieder das alte Lied, 
man gebe wirkliche Vorteile für elende Grillen dahin, und 
in welchen Umständen! Sein Urteil über die Gesamtpolitik 
Oesterreichs lautete ähnlich. In der verblendeten Hoffnung, 
Napoleon anders als. durch Waffengewalt zu einem erträg- 
lichen Frieden zu bringen, habe es die Dinge soweit kommen 
lassen, dass es gegenwärtig, in den eigenen Netzen gefangen, 
um sich nur herauszuziehen, nicht mehr den starken und 
dauerhaften Frieden erstrebe, mit dem es Europa geködert, 
sondern nur einen Frieden Uberhaupt, gleichgiltig gegen die 
furchtbaren Konsequenzen einer solchen freiwilligen Preis- 
gabe der Vorteile, die glückliche, so nie wieder herbei- 
zuführende Kombinationen darböten. Denn was würde ge- 
schehen? Frankreichs Macht würde konsolidiert werden, 
Preussen in alter Hilflosigkeit dastehen, Oesterreich sich 
höchstens um die illyrischen Provinzen bereichert finden, 
die ohne Tirol bei vielen kommerziellen Vorteilen doch auch 
keinen politischen Machtzuwachs gewährten, und die ihm 
zudem Niemand garantieren könnte. Russland endlich, von 
Metternich in die Mitte Europas gelockt, müsste sich wieder 
in seine Grenzen zurückziehen, er, der Kaiser, mit Kummer 
über soviel vergebliche Opfer und dem beschämenden Gefühl, 
einem schwächeren Feind gewichen zu sein. — Er holte 
einen Etat hervor, nach dem sich die Stärke der alliierten 
Armeen einschliesslich 250000 Oesterreicher auf 777000 Mann 
belief: „Und damit sollen wir die Sache Europas und die 
Ehre unserer Waffen preisgeben!" Im rechten Moment über- 
reichte Lcbzeltern das kaiserliche Handschreiben. Es that 



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- 834 - 



seine Wirkung. Der Zar äusserte wohl noch allerlei Zweifel, 
ob der 10. August denn auch das definitive Ende der 
Zögerungen sein werde, schliesslich aber meinte er ritterlich, 
er dürfe und wolle sich wegen Kaiser Franz keine Unruhe 
machen; denn annehmen, dass dieser seine Heere nicht mit 
denen Eusslands und Preussens vereinigen werde, hiesse 
ihn beleidigen. Es wäre das in den Augen der Völker 
eine Rolle, die weder der Würde, noch der Treue, noch der 
Gewissenhaftigkeit des Monarchen von Oesterreich entspräche, 
und das Todesurteil für seine Staaten. 

Wirklich Hess er nach der Audienz dem preussischen 
Staatskanzler durch Anstett sagen, er sei der Ansicht, dass 
man noch einmal den Wünschen Oesterreichs nachgebe, und 
genehmigte zwei Tage darauf, nachdem auch Friedrich 
Wilhelm zugestimmt hatte, eine Note Nesselrodes, die mit 
Rücksicht auf die bedrohte Lage der Stadt Wien in aller 
Form das „Opfer" der Verlängerung des Waffenstillstandes 
verhiess. 1 

Doch fehlte viel, dass mit der Differenz selbst auch die 
Verstimmung über die ganze Angelegenheit aus der Welt 
geschafft wäre. Alexander überliess sich trotz des Lebzeltern 
gegebenen Versprechens wieder ganz jenen Gefühlen des 
Argwohns und Misstrauens gegen Oesterreich, die die Tage 
von Opotschna so glücklich zurückgedrängt hatten. Zum 
ersten Mal musste Stadion aus seinem Munde hören, dass, 
wenn die Politik der Hofburg zu gänzlicher Preisgabe der 
Sache der Verbündeten und Europas führte, für Russland 
allein Mittel zu einer Sonderverhandlung mit Frankreich 
bestünden; und das Gleiche deutete Nesselrode an, als er 
Metternich vor dem üblen Eindruck der Dresdener Beschlüsse 
warnte: „Die Folgen eines solchen Eindrucks sind unbe- 
rechenbar. Er könnte uns leicht auf einen falschen Weg 



1. Nesselrode an Stadion 25. Juni/7. Juli. H.-A. 



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- 835 - 



werfen, der für Euch noch ärgerlicher wäre als für uns." 1 
Im ganzen Hauptquartier gab es nur betrübte Gesichter. 
Der oesterreichische Gesandte selbst versank auf einige 
Tage in dumpfe Verzweiflung. „Ich habe mich, schrieb er, 
bisher mit Entsagung dazu hergegeben, Argumente zu ver- 
treten, an die ich nicht glaube, und den verbündeten Höfen 
die Einwilligung in eine Folge von Massregeln zu entreissen, 
die ganz ebenso verderblich für Oesterreich wie ihrem eignen 
Interesse entgegen waren." Dabei sei ihm die Hoffnung eine 
Stütze gewesen, dass am Ende doch sein Kaiser in den 
Krieg eintrete: „Die Eröffnungen Ew. Excellenz zu Ratibor- 
schitz haben mir bewiesen, dass ich mich dessen zu Unrecht 
geschmeichelt . . . Der Augenblick ist gekommen, wo mein 
Aufenthalt im Hauptquartier der verbündeten Monarchen 
ohne Zweck und Nutzen werden wird. Meine Mission sollte 
auf Vertrauen gegründet sein, dies Vertrauen ist zerstört." 
So bat er dringend um seine Abberufung. Man möge ihn 
ersetzen durch einen Menschen, der besser als er den hohen 
Absichten des kaiserlichen Herrn entspräche und weniger 
über den Abgrund erschrecke, den dieser sich unter seinen 
Schritten grübe. 2 

Ferner Stehende urteilten noch weit härter. Stein 
redete jetzt von „einem eitlen, pfiffigen, leichtsinnigen, flachen 
Metternich" und klagte Münster: „Zu spät hat sich der gute 
Nesselrode überzeugt,_dass Metternich flach unmoralisch 
und doppelsinnig sey; er handelt entweder als ein Verräter, 
oder was wahrscheinlicher ist, er besitzt nicht die Kraft 
und den auf persönliches Ansehen gegründeten Einfluss, 
um seinen Kaiser zu lenken und zu beherrschen . . . Seine 
Politik bietet denen Ratschlägen des Menschenverstandes 
Hohn. Auf ihn ist die Äusserung des Mephistopheles im 
Doktor Faust anwendbar: 

1. Berichte Stadions 7. Juli; Nesselrode an Metternich 
7. Juli. H. A. 

2. Stadion an Metternich 7. Juli. H.-A. 



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| _ 336 - 

Ein Kerl, der finassiert, 

Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide 

Von einem bösen Geist im Kreis herumgefülirt, 

Und ringsumher liegt schöne grüne Weide." ' 

Der Engländer Jackson aber verzeichnete in sein Tagebuch 
(12. Juli): „Ein Bote Addingtons bringt unbefriedigende Nach- 
richten aus Prag. Addington hat eine private Unterredung mit 
Baron Binder gehabt, der als Dolmetsch der Ansichten Metter- 
nichs gelten kann, da er sein erster Sekretär ist, und bezeichnet 
dessen Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der 
Dinge als entweder schwach oder verabscheuungs würdig; 
was werde die Zeit an den Tag bringen. Jedenfalls jedoch 
* wären sie den Hoffnungen und Erwartungen der Verbündeten 
sehr ungünstig." 5 ' 

Addington musste gut unterrichtet sein. Am oester- 
reichischen Hoflager, das inzwischen dem Kongress zu- 
lieb von Gitschin nach Brandeis bei Prag verlegt war, 
stand das Barometer thatsächlich wieder auf Frieden. 
Metternich versicherte Wessenberg nach einer Aufzählung 
der letzten Rüstungsbefehle: „All dieser Apparat hält uns 
nicht ab, die ernstesten Erwägungen anzustellen über die 
Gefahren eines Krieges, in dem Napoleon alles aufbieten 
wird, was er an materiellen und moralischen Hilfsmitteln 
besitzt, und nun gar über die Gefahren eines Koalitions- 
' krieges. Der Kaiser wird das Unmögliche versuchen, um 
einen Frieden herbeizuführen." 3 Und den besten Beweis 
dafür gab die Denkschrift, die er wenige Tage später als 
Prolog zur Eröffnung der Prager Verhandlungen seinem 
Herrn unterbreitete (12. Juli). Sie trug zwar durch die Würde 
und Feierlichkeit des Tones der stark hervorgehobenen Be- 



1. Stein an Gneisenau 19., an Münster 17. Juli. Pertz 
III, 391 ff. 

2. Jackson, Diaries. Bath Archives II, 151. 

3. Instruktionen für Wessenberg 8. Juli. H.-A. 



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- 337 - 



dcutung „einer der grössten Krisen" voll Rechnung und riet 
einsichtig genug, selbst in dem Fall für die Verbündeten 
einzutreten, dass eine friedliche Einigung Uber das Minimum 
Oesterreichs an ihrem Widerspruch scheiterte; aber in der 
Hauptsache drehte sie sich doch um die sehr andere Frage, 
die nach der Konvention vom 27. Juni von Rechtswegen 
Uberhaupt nicht mehr aufgeworfen werden durfte, ob der 
Kaiser auch wirklich „unerschütterlich bestimmt" sei, bei 
Ablehnung der dort festgesetzten Bedingungen durch Napoleon 
„die gerechte Sache der Entscheidung der Waffen Oester- 
reichs und des ganzen übrigen vereinten Europas anzuver- 
trauen.' Um auf sie eine feste bejahende Antwort zu er 
halten, glaubte der Minister mit ungewöhnlich ernster 
Beredsamkeit vorstellen zu müssen, wie er sonst „mit dem 
besten Willen für das Wohl des Staates lediglich das 
leidigste Werkzeug der Vernichtung aller politischen Kon- 
sideration, aller moralischen Höhe und des Auflösens aller 
inneren und äusseren Bande der Staatsverwaltung" sein 
werde. Und sehr bedenklich war es, dass er einen even- 
tuellen Verzicht auf Illyrien bis zum Seefrieden als „ein 
noch müglichesTemperament der vier Friedensbasen" anregte. 
„Niemand, schrieb er, kann Ew. Majestät zwingen, für eine 
die Monarchie allein angehende Verzichtleistung gegen Aller- 
höchst Ihre Berechnung Krieg zu führen." 

Das hiess sich geflissentlich selbst belügen. Der Verzicht 
auf Illyrien ging keineswegs nur Oesterreich allein an, auch 
Russland und Preussen hatten ein sehr entschiedenes 
Interesse daran. Denn wenn sie schon unmittelbar keine 
Schwächung erfuhren, so wurde doch der gemeinsame 
Gegner verstärkt, und mit diesem Gegner gab es nach 
Metternichs eigner Theorie nur „Waffenstillstand." Zudem 
machte jede weitere Schmälerung des Minimums die Voraus- 

1. Vortrag und allerhöchste Resolution darauf bei Oncken 
II, 402 ff. 

22 



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- 338 - 



Setzung hinfälliger, unter der allein sie sieb mit der Hof- 
burg über dasselbe geeinigt hatten: dass nämlich Napoleon 
die an sich ungenügenden Bedingungen abweisen würde. 

Aber solche Erwägungen existierten für Kaiser Franz 
noch weniger als für seinen Minister. Er Hess Metternich 
in der sehr gnädigen Resolution freie Hand hinsichtlich 
Illyriens und wünschte überdies auch den „Punkt wegen der 
Hansestädte" ausgeglichen. Es war, als ob ein Vertrag von 
Reichenbach überhaupt nicht bestände. Und wer wollte 
sagen, wohin der Wunsch nach „Frieden, dauerhaftem 
Frieden" 1 noch filhren würde, wenn der Imperator ihm recht- 
zeitig entgegenkam? 

Glücklicherweise geschah das nicht, und andererseits 
wurden die Aussichten für die Verbündeten mit' jedem Tag 
günstiger. Der Himmel liebte Oesterreich mehr, als es 
verdiente. 9 



1. Eben in der erwähnten Resolution. Neun Tage zuvor 
hatte der Kaiser an Napoleon direkt geschrieben: Tous mes 
voeux seront remplis, si un arrangement amiable peut terminer 
ineessauiment la guerre deaastreuse aetuelle. Vgl. Bailleu, 
Fürstenbriefe an Napoleon I. Hist. Ztschr. 58, 463. 

2. Stadion an Metternich 14. Juli: II me parait . . . que le 
Ciel nous aime plus que nous le meritons. H.-A. 



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Zwölftes Kapitel 



Die Entscheidung. 

„Mich hat Erfahrung und vielfältiges Studium zu der 
Überzeugung gebracht, dass der Mensch und die Welt ein- 
ander durchaus nur wechselseitig beherrschen können, und 
die Krankheit weit weniger vom Arzt als der Arzt von der 
Natur der Krankheit das Gesetz annehmen muss. In der 
praktischen Politik giebt es eigentlich garkein System mehr 
für mich: es ist nichts als eine Kunst, und der beste Künstler 
der, der in jedem gegebenen Augenblick seines Instrumentes 
am meisten Herr ist." Mit diesen Worten lieferte 
Gentz dem auf Krieg drängenden Pilat den Schlüssel zur 
oesterreichischen Politik unserer Epoche. 1 Sie hatte von 
Anfang an auf eine kühne Initiative verzichtet: es durfte 
für symptomatisch gelten, dass gerade die wichtigsten 
Missionen immer erst Monate nach ihrer Ankündigung that- 
sächlich vollzogen und die Gesandten auch dann noch oft 
wochenlang und in den entscheidendsten Augenblicken ohne 
ausreichende Instruktionen gelassen wurden. Vielmehr war 
sie stets zuwartend und geschmeidig an der Seite der Er- 
eignisse geblieben. Mit ihnen war sie vorgeschritten bis 
Anfang Mai, mit ihnen geduldig zurückgewichen nach dem 
Tag von Gross-Görschen, mit ihnen stand sie jetzt schon 
wochenlang still, bald hierhin, bald dorthin neigend, seit der 
Waffenstillstand alles in der Schwebe gelassen hatte. So 
— 

1. An Pilat G. Juli. I, 3'2 f. 

22* 

■ 



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- 840 - 



war die grosse Frage, ob sich schliesslich in den äusseren 
Umständen Anreiz und Nötigung genug zu einem Kampf 
finden würde, den aus innerem, freiem Entschluss aufzu- 
nehmen, man die Kraft bisher nicht besessen hatte. — 

Auch die allgemeine Freiheitsbewegung gegen Napoleon 
zeigt ein ritornar' al segno. An dem nationalen Widerstand 
der Spanier hatte sie sich einst, entzündet, nun fügte es 
sich, dass sie auch in ihrem endlichen Sieg durch die Er- 
eignisse jenseit der Pyrenäen eingeleitet und gefördert wurde. 
Noch in den letzten Stunden des Juni kam nach Dresden 
die Nachricht von der vernichtenden Niederlage, die Lord 
Wellington den Franzosen am 21. bei Vittoria bereitet 
hatte. Der Imperator hielt sie ängstlich geheim , man 
munkelte, dass er selbst Bassano die Einzelheiten verberge. 
Aber der schlaue Bubna hatte doch schon am 2. Juli her- 
aus, dass in Spanien sebr beunruhigende Dinge vor sich 
gehen müssten; denn Marschall Soult sei im tiefsten 
Geheimnis nach Paris abgereist, um sich von dort auf den 
südwestlichen Kriegsschauplatz zu begeben. Und drei Tage 
später konnte er ausführlicher berichten: alle Artillerie sei 
verloren, das aufgelöste Heer, von der Verbindung mit 
Bayonne abgeschnitten, in voller Flucht nach den Bergen 
von Pamplona, die ganze Katastrophe wohl dem Rückzug 
von Moskau vergleichbar. Der moralische Eindruck solcher 
Daten war ungeheuer. Während Bassano nur von grossen 
Konzentrationen der kaiserlichen Armee redete, glaubte man 
auswärts, dass es mit den Franzosen in Spanien für diesmal 
vorbei sei, ja der und jener wollte wissen, dass Castafios 
schon auf französischem Boden stehe. Der Name Wellingtons 
war in aller Munde. Friedrich üentz jubelte, entzückt über . 
„das unerwartete Heil": „Ich gebe ihm morgen meine Stimme 
zum Diktator von Europa" und fragte emphatisch: „Ist der 
Ruhm Bonapartes wohl etwas anderes als eine Seifenblase 
gegen den Ruhm dieses Mannes, der in gediegener Herr- 
lichkeit allen Jahrhunderten trotzen und die Nachwelt mit 



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- 341 - 



dem unsrigen, insofern dies möglich ist, aussöhnen wird?" 
Aber bei alledem war es sehr übertrieben, wenn der eng- 
lische Stolz nach der Kriegserklärung Oesterreichs orakelte: 
„Es kann kein Zweifel sein, dass wir Wellington dafür zu 
danken haben." Kaiser Franz und sein Minister kannten 
den Sieg von Vittoria mit allen Einzelheiten seit sechs Tagen, 
als sie noch zu gunsten des Friedens selbst auf Gewinn 
Illyriens verzichten wollten. 1 

* ■ * 

Weit stärker schon beeinflussten sie die unscheinbareren 
Vorgänge, die sich vom 9. bis 12. Juli auf Schloss Trachen- 
berg in Schlesien abspielten. 

Seit lange war das Verhältnis der Alliierten zu Schweden 
den oesterreichischen Diplomaten ein Gegenstand gespanntester 
und nicht eben wohlwollender Aufmerksamkeit gewesen. 2 , \ I 
Sie beklagten es tief, dass der Zar sich im Vertrag von Abo 
(30. August 1812)» ,zu dem unbedachten Versprechen Nor- 
wegens hatte verleiten lassen ; und wenn dieser erste Schritt 
in der Weltlage des Vorjahres eine gewisse Entschuldigung 
fand, so schienen ihnen die weiteren, die sich gegenüber 
Dänemark daraus ergaben, mehr noch als alle militärischen 
Fehler gegen die Einsicht im verbündeten Hauptquartier 
zu sprechen. Es wäre doch wahrlich kein grosses Ding 
gewesen, den geängsteten Hof von Kopenhagen ganz zu 
sich herüberzuziehen. Sein Gesandter in Wien Graf 
Bernstorff verlangte nichts weiter als die Zusage, dass man 
Norwegen nicht eher fordern werde, bis die Entschädigung 



1. Vgl. Berichte Bubnas 2., 5., 7. Juli. H. A. Gentz, Briefe 
an Pilat I, 37 ff., 44. Jackson , Diaries, ßath Archives II, 204. 

2. Vgl. die zitierte verdienstvolle Monographie von Woynar 
im 77. Band des Archivs für oesterr. Geschichte, die nur an 
einer entschiedenen Parteilichkeit für Karl Johann und gegen 
Dänemark leidet. 

3. Abgedruckt bei Oncken: Vom Vorabend des Befreiungs- 
krieges. Histor. Taschenbuch 0.. Folge. 12. Jahrgang S. 18 ff. 



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- 342 - 

* dafür thatsächlich zur Verfügung der Mächte stände.' Aber 
\ in Verhandlungen, wie sie an Ungeschick und Falschheit 
) ihres Gleichen suchten, hatte man sich selbst dazu im Ernst 
| und auf die Dauer nicht bereit gefunden, und das Ende vom 
| Liede war gewesen, dass dänische Truppen den Franzosen 
die Hansestädte zurückgewinnen halfen. Dabei hatte man 
nicht einmal verstanden, durch den Verzicht auf die Bundes- 
genossenschaft Friedrichs VI. die des schwedischen Kron- 
prinzen umso wirksamer zu machen. Was war nicht alles 
jiuch in Wien von Bernadotte erwartet worden! Ejn neuer 
Gustav Adolf, hatte er an der Spitze eines halb schwedischen, 
halb deutschen Heeres von 60000 Mann, mit jedem Marsch 
vorwärts nur umso stärker werdend, das empörte Land von 
Pommern his zur holländischen Grenze in raschem Sieges- 
lauf befreien sollen. 2 Und nun trat er statt Ende April 
erst Mitte Mai in Stralsund ans Land, traf keinerlei An- 
stalten zur Vereinigung mit Bülow und Wallmoden, ja sah 
ruhig dem Fall Hamburgs zu, der nach seiner Rechnung 
die Alliierten gänzlich mit Dänemark Uberwerfen sollte. 
Denn einstweilen misstraute er. und nicht ohne Grund, der 
Ehrlichkeit Alexanders. Wo waren die 35000 Russen, die 
ihm vertragsmässig seitdem November 1812 gebührten? Und 
machte man nicht Miene, das Versprechen Norwegens ab- 
zuschwächen? Das Auftreten Dolgoruckis in Kopenhagen 
hatte, obwohl der allzu eifrige Gesandte durch brüske Ab- 
berufung (24. April) vor aller Welt desavouiert war, im 
schwedischen Lager den peinlichsten Eindruck hinterlassen. 3 
Die wiederholten Missionen Pozzo di Borgos machten die 
Sache mindestens nicht besser, und endlich schlug Karl Jo- 



1. Metternich Hess diesen Vorschlag den Verbündeten als 
„le temperament le plus heureux" empfehlen. Reskript an Leb- 
zeltern 29. April No. 3. Woynar S. 522 f. 

2. Gentz, Resume etc. Siehe den Anhang. 

3. Woynar S. 433 ff. 



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- 343 — 



hann, um die Missverständnisse zu heben, durch Vermittlung 
des Erbprinzen von Meklcnburg eine Entrevüe in — Kolberg 
vor. 1 Aber ehe noch dieser nach Form und Inhalt gleich 
unpassende Antrag an seine Adresse gelangte, wurde der - 
Waffenstillstand in Stralsund bekannt. Bernadotte glaubte 
"jetzt die Möglichkeit eines Friedens zu sehen, der über seine 
Interessen zur Tagesordnung überginge, und lenkte ein. Er , 
schrieb, dem Zaren einen von Ergebenheit überfliessenden, 
hochpathetischen Brief und erbot sich, bis Berlin entgegen- 
zureisen (10. Juni). 5 Auch das war nicht sein letztes 
Wort, und so einigte man sich über eine Zusammen- 
kunft in Trachenberg, einer fürstlich hatzfeldischen Standes- 
herrschaft unfern der Bartsch, sechs Meilen nördlich von 
Breslau. .- { .^ 

Hier trafen am 9. Juli abends die Monarchen von Russ- 
land und Preussen und in der Nacht, durch einen Unfall 
aufgehalten, auch der Kronprinz ein. 3 Sein blosses Erscheinen 
genügte, Misstrauen und Vorurteil zu besiegen. Stein hatte 
sehr Recht, wenn er im Hinblick auf ihn das schwedische 
Wesen einer Seifenblase verglich: mochte sich später immer- 
hin ein bedauerlicher Mangel an Charakter und Zuverlässig- 
keit offenbaren, im ersten Augenblick bestachen sein schillern- 
der Geist und seine hinreissende Liebenswürdigkeit. Alexanders 
romantischen Neigungen kam die Persönlichkeit des schönen 
Gascogners mit der feurigen Beredsamkeit und dem leb- 
haften Temperament ohnehin entgegen, aber auch der 
nüchterne Friedrich Wilhelm, der doch einen unwillkürlichen 
Schauder nicht hatte verbergen können, als der Feind von 
1806 und 7 ihn umarmte, äusserte schon nach der ersten 
Unterredung: „es ist nicht zu leugnen, dass der Kronprinz 



1. Berichte Stadions 12. Juni. H.-A. 

2. Woynar S. 452 f. 

3. In die vordem arg verwirrten Daten hat endlich Woynar 
S. 463 ff. Ordnung gebracht. 



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- 344 — 

ein sehr einnehmender und kluger Herr ist." 1 Bei solchen 
Stimmungen wurden die Schwierigkeiten, die einer kräftigen 
Mitwirkung der schwedischen Truppen entgegenstanden, 
leicht überwunden. In der sonntäglichen Konferenz vom 
ll.jjulir an der ausser ßernadotte die Russen v. Suchtelen, 
Wolkonsky und Toll, der Preusse Knesebeck und der 
schwedische Marschall v. Stedingk teilnahmen, wurde be- 
schlossen, dass zu seinen 30000 Mann 39320 Preussen, 23000 
Russen und die 10000 der deutschen Legion unter Wall- 
moden stosscn sollten. Diese Nordarmee — so setzte der 
Tags darauf unterzeichnete Feldzugsplan fest — würde ein 
Korps von 15 bis 20000 Mann zur Beobachtung Hamburgs 
und Lübecks detachieren, mit der andern Macht gegen die 
Elbe operieren und, diesen Fluss zwischen Torgau und 
Magdeburg überschreitend, sich auf dem linken Ufer mit 
der auf 50000 Mann angenommenen schlesischen Armee zum 
Vormarsch auf Leipzig vereinigen. 

Nun war aber mit der Ordnung interner Angelegenheiten 
der Verbündeten die Bedeutung der Entrevüe entfernt nicht 
erschöpft. Vielmehr kam es zugleich darauf an, das Ver- 
hältnis Karl Johanns zu Kaiser Franz zu regeln. Oester- 
reich beherrschte die Situation zu unbestritten, als dass 
nicht in jeder Verhandlung zuerst seine Wünsche berück- 
sichtigt wären; und an dieser nahm, wie man wusste, sein 
Monarch obendrein besonders lebhaften Anteil. Er lebte in 
derselben Überschätzung der strategischen Talente des ehe- 
maligen französischen Marschalls, der man im Lager der 
Alliierten begegnete. Auch er dachte sich in ihm eine Art 
Antinapoleon, sozusagen den Beelzebub, durch den man 
den korsischen Teufel austreiben könnte. Schon am 23. Juni 
ermächtigte deshalb Metternich Stadion zu der Erklärung, 
„dass die Mitwirkung Oesterreichs mehr oder weniger von 



1. Jackson, Diaries. Bath Archives II, 166 nach Erzählung 
Ancillons. Pertz, Gnciscnau III, 114. 



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— 345 — 

k 

derVorstellung abhinge, die man von der des Kronprinzen 
haben werde, dass diese letztere erstaunlichen Einfluss auf 
den Kaiser übe", und regte zugleich für seine Person in 
bekannter Vorliebe fUr das äuaserlich Systematische einen 
Feldzugsplan an, nach dem, schön abgestuft, die eigne 
Armee eine Defensive mit offensivem Anstrich, die russisch- 
preussische eine gemässigte, die schwedische aber eine kraft- 
volle Offensive aufgegeben erhielt. Hatte der Gesandte 
solche Gedanken dem Vertreter Schwedens im Hauptquartier 
direkt mitteilen sollen, 1 so war es nur konsequent, dass er 
— wahrscheinlich am 3. Juli in Ratiborschitz — den Befehl 
erhielt, im Gefolge der Monarchen die Reise nach Trachen- 
berg mitzumachen. Bernadotte trat ihm nicht ohne grosses 
Misstrauen gegenüber. Der verbreitete Verdacht, dass 
Oesterreich die beiden grössten Mächte Europas sich zer- 
fleischen lassen und am Ende zu dem Stärkeren übergehen 
wolle, war tief in ihm eingewurzelt. Aber die feste und 
offene Sprache Stadions that ihre Wirkung. Wie der Kron- 
prinz gestand, nicht als fahrender Ritter der Freiheit, sondern 
einzig in der Absicht auf Norwegen gegen Napoleon das* 
Schwert gezogen zu haben, so beruhigte ihn besonders die 
Versicherung, dass der Wiener Hof im Fall des Krieges 
lind unter Voraussetzung kräftiger Teilnahme am Kampf 
dieselben Verpflichtungen gegen Schweden übernehmen werde 
wie die Verbündeten. Und vollends war er für Oesterreich 
gewonnen, als kurz vor seiner Abreise am 12. mittags noch 
ein Handschreiben Kaiser Franz' anlangte, in dem der stolze 
Autokrat dem ehemaligen Jakobiner als seinem „Bruder 
und Vetter" die schmeichelhafte Versicherung gab: „Ich 
sehe in der Mitwirkung Ew. Konigl. Hoheit eine der stärksten 
Stützen der Sache, die die Mächte sich von neuem berufen 
finden können, mit den Waffen zu verteidigen. Die Talente 
Ew. Königl. Hoheit und Ihre Hingabe an die gemeinsame 



1. Metternich an Stadion 23. Juni. Onck<*n II, 673, 



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Sache werden den vereinten Anstrengungen der ersten 
Mächte Europas ungemein zu statten kommen." Karl 
Johann zeigte sich entzückt, gerührt. Er bat um die Er- 
laubnis, das ehrenvolle Schreiben den Monarchen und Lord 
Oathcart mitteilen zu dürfen. «Jedenfalls versprach er, die 
hohe Meinung durch grössten Eifer zu rechtfertigen, und 
schon vorher hatte er sich allem gefügt, was zu gunsten 
Oesterreichs im Operationsplan bestimmt wurde. 1 

Die Ansätze zu einem gemeinsamen Operationsplan für 
die oesterreichischen und verbündeten Truppen gingen bis 
in den Anfang Mai zurück. Damals (10. Mai) hatten 
Schwarzenberg und Radetzky nach Wurschen hin den Rat 
erteilt, sich in der Defensive zu halten, „bis eine bedeutende 
auswärtige Kriegsmacht den grössten Teil des französischen 
Heeres auf sich zieht," und als Antwort umgehend „Vor- 
schläge über den Feldzugsplan" zurückerhalten, die, von 
Wolkonsky und Knesebeck unterzeichnet, auf die wechsel- 
seitige Flankenstellung der beiden Heere gegen Napoleon 
die für alle möglichen Fälle gennu spezialisierte Forderung 
gründeten, dass stets der weniger bedrohte Teil dem be- 
drohteren durch einen Angriff auf die Kommunikationen des 
Feindes Luft schaffe. Nach Abschluss des Waffenstill- 
standes wurden diese Verhandlungen von neuem aufge- 
nommen. Die Note Metternichs vom 7. Juni enthielt, wie 
wir sahen^ neben den bedeutsamen politischen Eröffnungen 
die Anregung, — etwa auf einem militärischen Kongress in 
Prag — den künftigen Operationsplan zu vereinbaren, und 
einem ähnlichen Wunsch gab auch der oesterreichische 
Generalissimus direkt Ausdruck. Nun traf es sich gut, 
dass eben in diesen Tagen (9. Juni) der hochbegabte Graf Toll 
dem Zaren eine seitdem vielbesprochene Denkschrift ein- 



1. Vgl. den Bericht Stadions 14. Juli bei Woynar S. 525—534 
und ebenda S. 460 f. Der Brief Kaiser Franz 9. Juli in Cast- 
lereagh, Correspondence VIII, 415. 



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- 347 - 



reichte, die wohl geeignet schien, solchen Vorbesprechungen 
zur Grundlage zu dienen. Sic empfahl, durch eine allge- 
meine konzentrische Offensive dem als bei weitem schwächer 
angenommenen Feind das Gesetz zu gehen. Was sie dann 
im einzelnen ausführte, erlitt hier und da Änderungen. 
So wurde die Möglichkeit eines französischen Hauptschlages 
gegen Oesterreich beherrschend in den Vordergrund ge- 
schoben und für diesen Fall der Abmarsch nicht des ganzen 
russischen Heeres nach Böhmen, sondern nur der 25000 
Mann unter Wittgenstein angeboten. Aber in der Haupt- 
sache fand sie doch den Beifall der massgebenden Faktoren, 
und der junge General durfte seine Vorschläge am 14. Juni 
zum Schrecken des argwöhnischen Kaisers Franz in eigner 
Person nach Gitschin überbringen, wo sich Schwarzenberg 
mündlich lebhaft zustimmend, schriftlich jedoch umso kühler 
und nichtssagender äusserte. Jetzt bauten die in Trachcn- 
berg versammelten Strategen auf diesem Boden fort. • Sie 
stellten das in der Anwendung durch die älteren Gedanken 
des Mai allerdings mannigfach modifizierte Prinzip auf: 
„alle verbündeten Heere werden die Offensive ergreifen, 
und das Lager des Feindes wird ihr Rendezvous sein" und 
einigten sich, die oesterreichische Armee nun doch nach 
jenem ersten Gedanken Tolls und einem neueren Antrag 
Knesebecks, der davon das Heil Europas abhängig glaubte, 
nicht nur mit 25000, sondern mit 00 bis 100000 Mann, der 
grösseren Hälfte der in Schlesien versammelten Truppen, 
zu verstärken. Ja, selbst deren Rest sollte eventuell, statt 
die Vereinigung mit der Nordarmee zu suchen, unverzüglich 
nach Böhmen abmarschieren. Man wies ihm die bescheidenste 
Rolle zu, ohne zu ahnen, wie völlig man von der späteren 
Entwicklung Lügen gestraft werden würde. 1 



1. Vgl. Radetaky, Biographie S. 133 ff; Oncken II, 321, 658 f; 
Bernhardi, Toll III, Beilagen 1 u. 2, S. 481 ff. Der Trachen- 
berger OperatioiiRplan bei Plotho. Der Krieg in Deutsehland und 



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— 848 — 



Auf der andern Seite der Borge war man von diesen 
Ergebnissen der Trachenbcrgcr Konferenzen erklärlicher- 
weise sehr befriedigt. Gentz hatte noch am 6. Juli höhnisch 
geschrieben: „Der Kronprinz verlangt nur eine Kleinigkeit; 
ausser den bekannten Privatforderungen soviel Truppen, 
dass mit seinen 25000 eine Armee von 100000 heraus- 
kommt. Dann verspricht er das Himmelreich zu stiften." 
Jetzt sprach er in Ausdrücken des höchsten Lobes von ihm 
und bemerkte im allgemeinen: „Gewiss ist aber, dass nie 
grössere Anstalten und Kombinationen zur Erreichung eines 
grossen Zweckes gemacht worden sind." 1 

Für die oesterreichische Heeresleitung erübrigte es, zu 
dem Operationsplan, der ohne ihre Mitwirkung entstanden 
war und denn auch jede spezielle Regelung der Verhältnisse 
der so freigebig ausgestatteten böhmischen Armee vermieden 
hatte, ihrerseits Stellung zu nehmen. So ging denn (19. 
Juli*) in der Person des Obersten Graf Latour endlich jener 
„höhere Oesterreich ische Offizier" nach Reichen bach ab, um 
dessen Entsendung namentlich der Zar seit Anfang Mai 
immer wieder und nicht ohne Gereiztheit gebeten hatte. 2 
Sein Auftrag war, eine Denkschrift Radetzkys zu über- 



Frankreich in den Jahren 1813 und 14. Bd. II, Beilage 1. Für 
die Kontroversen, die sich an seine Entstehung knüpfen, ist auf 
die musterhafte Arbeit von Gustav Roloflf: Die Entstehung des 
Operationaplanes für den Herbstfeldzug von 1813. Militär- Wochen- 
blatt 1892, No. 58 — 60 zu verweisen. R. legt überzeugend dar, 
dass von allen, denen die Urheberschaft des Planes zugeschrieben 
worden ist, am meisten Anspruch Toll hat, wenn auch in einigen 
Punkten die Entwürfe Knesebecks und Bernadettes massgebend 
waren. — Die Dissertation von O. Wehner „Uber zwei Denk- 
schriften Radetzkys aus dem Frühjahr 1813" ist reich an Irr- 
tümern und in der Hauptsache abzulehnen. 

1. Briefe au Pilat 6., 17. Juli. I, 34, 39. 

2. Alexander an Kaiser Franz 30. Mai: Berichte Stadions 
2. Juni. H.-A. 



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bringen, die am 7. Juli entworfen, auch eben am 12. in 
Brandeis vorgelegt und vom Kaiser genehmigt worden war. 1 
Sie bedeutete eine unverkennbare Abweichung zugleich 
von den Trachenberger Beschlüssen« und den älteren eigenen 
Entwürfen des oesterreichischen Strategen. Noch am 10. 
Juni hatte er der kräftigsten Offensive der Hauptarmee das 
Wort geredet. 3 Jetzt bekannte er sich zu dem Grundsatz: 
^Offfinsive gegen die Minder-, Defensive gegen die Mehrzahl; 
und da es ihm „aus allen Gründen der Probabilität" nach 
wie vor für „allein wahrscheinlich" galt, dass diese Mehr- 
zahl sieli den Oesterreichern gegenüber finden werde, so 
liefen seine umständlichen Erörterungen aller möglichen 
Fälle immer wieder auf die Forderung hinaus, dass die 
beiden fremden Armeen, namentlich die Bernadottes, mit 
der unablässigsten Anstrengung die Offensive orgreifen und 
fortsetzen müssten, während die eigene eine wohlberechnete 
Defensive beobachten werde. Aber der Gedanke an den 
mit gemeinsamen Kräften zu führenden Hauptschlag fand 
sich doch auch in diesem Operationsplan; und jedenfalls 
unterliess Oesterreich nichts, dem Feind, sei es nun offensiv 
oder defensiv, in Achtung gebietender Verfassung entgegen- 
zutreten. 

Am 12. Juli erging aus dem kaiserlichen Kabinet wieder 
einmal einer jener grossen Rüstungsbefehle, die sich seitdem 
14. April in der Mitte jedes Monats wiederholt hatten. Zur 
Mobilisierung der regulären Armee und der Landwehr liess 
sich nichts Wesentliches mehr thun. Es wurde nur nocli 
angeordnet, alle dritten Bataillone, die man zum Dienst in 
den rückwärtigen Provinzen nicht unumgänglich benötige. 

1. Oiste S. 301 ff. Oncken II, 429 ff. Der Abdruck der 
Denkschrift in der Biographie Radetzkys S. 157 ff. zeigt mannig- 
fache Abweichungen gegen das Original auf dem k. k. Kriegs- 
archiv. 

2. Roloff a. a. 0. S. 1615 ff. 

3. Radetzky, Denkschriften S. 107. 



— 350 — 



ferner alle ersten Bataillone der Landwehr und dritten 
Divisionen der deutschen Kavallerie sogleich nach ihrer 
Formierung zu ihren Regimentern zu schicken. Dafür fasste 



lationsstand nur irgend gestatte, in allen deutschen und 
galizischen Provinzen noch mindestens 38 Landwehrbataillone, 
ja sogar „wirkliche" Bataillone für die Infanterieregimenter 
gebildet werden. 1 Auch in Ungarn wurde gerüstet. Anfang 
Juli erschien der kaiserliche Generaladjudant Freiherr v. 
Kutschera beim Palatin, um die Bewaffnung des Landes zu 
beantragen. Die Stimmung der Magnaten kam dem entgegen. 
Sie begnügten sich nicht, dem Imperator als dem Feind ihrer 
Verfassung bei schäumendem Becher wilde Pereats zu bringen, 
sondern verstärkten extra legem ihre Husarenregimenter um 
ein Drittel und zeigten grossen Eifer beim Aufgebot der 
Insurrektion, die nach Kosakenart in Pulks formiert wurde. 2 
So schien es, als wollten Kaiser und Minister allgemach 
in die Bahnen von 1809 zurücklenken, und noch ein anderes 
Faktum sprach . dafür. Dieselben Pläne, deren Förderung 
vor vier Monaten Kerker und Ausweisung gebracht hatte, 
wurden jetzt von der Regierung selbst aufgenommen. Nugent 
hatte doch nicht umsonst seit Wochen am kaiserlichen Hof- 
\ lager geschürt. Er erhielt Mitte Juli den Auftrag, nach 
Reichenbach zu reisen und sich dort bei Lord Cathcart für 



„eine Unterstützung an Geld zu den Vorbereitungen im 
, südlichen Teil der Monarchie" zu verwenden, ohne dass der 
Hof darin erscheine oder sich unmittelbar zu etwas 
verpflichte. Der Biite machte allerlei Schwierigkeiten. 
Wenn der General die Vorteile auseinandersetzte, die Eng- 
land auch von einem Aufstand in Tirol haben werde, so 



1. Kaiser Franz an Bellegarde 12. Juli. K.-A. 

2. Wertheimer S. 374 f., 395. Jackson, Diaries. Bath Ar- 
ehives II, 191. Berichte Bubnas 7. Juli. H.-A. 




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— 351 



wollte ihm das durchaus nicht einleuchten, und ganz allge- 
mein trug er Bedenken, einem „Privatmann" eine grössere 
Summe Geldes einzuhändigen. Schliesslich aber nach langem 
Hin und Her willigte er ein, Nugent 30000 Pfund in Wechseln 
sogleich mitzugeben und weitere 30000 nachzuliefern, wenn 
sich der Wiener Hof durch bejahende Antwort auf drei in 
einer besonderen Note formulierte Fragepunkte offiziell 
anheischig mache, im Kriegsfall 4000 Mann Infanterie und 
1000 Männ Kavallerie unter Nugent selbst an der Save zu 
halten, sowie Aufstellung und Ausrüstung der sechs kroatischen 
Regimenter von der früheren Miliüirgrenze zu versuchen. 
Wirklich erklärte sich Metternich mindestens mündlich ein- 
verstanden. Aber indem Nugent das nach Reichenbach 
meldete (27. Juli), musste er zugleich hinzufügen, dass Erz- 
herzog Johann vorerst nicht in dem Geschäft erscheinen 
dürfe. 1 — Das war eine Halbheit, die einen grossen Erfolg 

1. Berichte Stadions 22. Juli. H.-A. Die Berichte Nugente 
mit Beilagen auf dem Kriegsarchiv, Haupt - Armee 69/192. 
Sein Brief vom 27. Juli bei Oncken II, 70G f. An ihn knüpft 
sich ein merkwürdiges Äli.ss Verständnis des Autors. Obwohl 
ihm die Berichte Stadions vorgelegen haben, weiss er nichts 
von der wirklichen Unterhandlung Nugents. Dafür ist ihm un- 
glücklicherweise eine Depesche Castlereaghs an Cathcart July 5 
in die Hände gefallen, die, nach drei Kategorien geordnet, die 
Wünsche Englands hinsichtlich des allgemeinen Friedens ent- 
wickelt. Nun hat zwar Cathcart, wie aus seiner Antwort August 6 
hervorgeht, die Depesche überhaupt erst am 31. Juli erhalten; 
aber das hindert Oncken nicht, die drei Punkte des Briefes von 
27., die Metternich „völlig billigt", mit jenen drei Kategorien 
zu identifizieren, und wir dürfen uns also der guten Gesinnung 
eines Ministers freuen, der ein Programm annimmt, das er über- 
haupt noch nicht kennt. Cathcart aber genügte das offenbar 
noch nicht. Nachdem er die Depesche wirklich bekommen hatte: 
am Abend des 31. Juli, eilte er mit märchenhafter Schnelligkeit 
über die Berge und erschien s<hon „am nächsten Morgen 1 ' in 
Brandeis bei Kaiser Franz, um Kaiser Franz die befohlenen 



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- 352 - 



von vornherein ausschloss; und überhaupt kam auf die 
ganze Diversion allzuviel nicht an. Die Hauptsache blieb, 
dass die Dinge in Böhmen und an der Donau einen guten 
Verlauf nahmen. 

Hier galt es. nachdem die nötigen Mensehen für den 
Entscheidungskampf aufgebracht waren, vor allein für 
die' toten Verteidigungsmitte) mehr als bisher zu sorgen.' 
So wurde denn namentlich im nördlichen Böhmen Tag und 
Nacht gesebanzt und gebaut, um das Terrain für die Be- 
wegungen der Hauptarmee günstig zu gestalten. Da man 
sie mit Beginn der Feindseligkeiten auf das linke Elbufer in 
die Linie Budin-Laun einrücken lassen wollte, nahm man 
Bedacht, diese schon an sich feste Stellung durch umfang- 
reiche fortifikatorisebe Arbeiten noch zu verstärken. Gleich 
das Eindringen durchs Elbthal sollte den Franzosen durch 
die Restauration des dazu wunderbar geeigneten Tetscbener 
Schlosses verperrt werden. Würde man trotzdem zum Rück- 
zug genötigt, so lag alles daran, dass man Moldau und- Elbe 
überschreiten konnte, ohne durch einen Marsch nach Prag 
den letzten Fluss und zugleich die Verbindung mit den 
Alliierten zu verlieren. Damit ergab sich die Notwendigkeit 

Eröffnungen zu machen. Kaiser Franz erklärte sieh wie sein 
Ministor „vorbehaltlos" einverstanden. — 80 wenigstens stellt es 
Oncken II, 462 dar und beruft sich dafür auf Cathcarts eigenen 
Bericht (Oncken II, 700). Thatsächlich ist hier von einem „Kaiser 41 
die Rede; aber dieser Kaiser ist, kann nur sein Kaiser — 
Alexander; denn für ihn allein ist das englische Programm 
bestimmt. 

1. Vgl. für das Folgende: Oiste 8. 291 ff. Radetzky, Biographie 
S. 162 ff.; Denkschriften 8. 121 ff. Das dort abgedruckte Memoire: 
„Was ist nötig, um die Offensivunternehmungen berechnen zu 
können?" ist zu Unrecht „im Juni 1813" datiert. Es muss: August 
heissen; denn es ist klar, dass der 17. d. M., der als erster Tag 
möglicher französischer Operationen mehrmals erwähnt wird, 
nur der 17. August sein kann, und zudem wird die Kenntnis 
der Trachenberger Beschlüsse vorausgesetzt. 



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- 363 - 

für Brückenköpfe bei Mclnik an der Elbe und Alt-Anholitsch 
gegenüber Wcltrus an der Moldau. Auch eine zweite 
Defensivstellung rechts der Elbe mochte nützlich werden, 
schon allein für den allerdings unwahrscheinlichen Fall 
französischen Anmarsches auf diesem Ufer. Da bot sich 
wie von selbst das Lager von Mikenhan an der Polzen, das 
schon 1778 verschanzt war und sich noch in haltbarem 
Zustand befand. Es wurde ausgebessert und erweitert. 
Prag selbst kam durch Befestigungen auf der Kleinseite in die 
Lage, mindestens einem Handstreich ruhig entgegensehen zu 
können. Thcresienstadt, Josephstadt und Königgrätz wurden 
in Verteidigungszustand gesetzt. An der Westgrenze erschien 
das Thal der Traun vor andern zur Befestigung geeignet. . 
So wurden bei Gmunden, Lambach und dem von 1809 her 
berühmten Ebelsberg starke Defensivstellungen geschaffen. 
An der Donau selbst entstand bei Wallsee ein festes Lager 
und bei Tulln ein Brückenkopf. 

Alle diese Massregeln waren ursprünglich getroffen, 
weil man für jeden Kall bereit sein wollte, nicht weil man 
zum Krieg entschlossen war. Auch Bubna, an dessen 
Friedensliebe niemand zweifeln dürfte, selbst wenn er sie 
nicht ausdrücklich bekennte, wuTde nicht müde sie anzu- 
raten 1 , und es ist unendlich charakteristisch, dass der Kaiser 
am selben Tag, an dem er jenen letzton grossen Rüstungs- 
befehl erlicss, gegen seinen Minister „Frieden, dauerhaften 
Frieden" als das für jeden redlichen Mann Erwünschteste 
bezeichnete. Aber indem sie mit jedem Tag mehr aus dem 
Stadium der Vorbereitung in das der Vollendung übertraten, 
indem die böhmische Armee kampfbereit dastand, die beiden 
Reservekorps bis zum 10. August zum Schutz der 
Westgrenzen gegen ßaiern und Italien versammelt sein 



1. An Metternich 2. Juli. Comme ami de la paix, je crois 
devoir vous dire franchement que ijoub ne l'atteindrons pas a 
moins que le gouvernement ne developpe tous ses moyens. H.-A. 

23 



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- 864 - 

konnten, für den Notfall Landwehr nnd Ergänzungsmann- 
schaft nicht fehlte, mussten sie nun ihrerseits die Stimmung 
im kriegerischen Sinne beeinflussen. Auch Franz erfuhr, 
dass eine gute Waffe die Lust erweckt, sie zu benutzen. 
Er sprach sich seit Ende Juli für den Kampf aus. 1 Das 
Beste dazu hatte allerdings nicht die Schlacht von Vittoria, 
nicht die Entrevüe von .Traclienberg, nicht auch die 
Vollendung der eignen Rüstungen, sondern Napoleon selbst 
..gethan. Er zeigte, dass es vergeblich war, auf sein „Ver- 
nünftigwerden" zu hoffen, 

Zunächst vereitelte er unerwartet und ohne Grund die 
schönen Träume von einem allgemeinen Frieden. Am Nach- 
mittag des 9. Juli meldete sich bei Bubna der nach London 
bestimmte Kurier Beck. Der Gesandte begab sich sogleich 
zum Herzog von Bassano, um die versprochenen Pässe über 
Calais zu erbitten, und schien dafür auch anfangs das 
willigste Entgegenkommen zu finden. Der Minister meinte 
liebenswürdig, Seine Majestät willigten nicht nur ein, dass 
der englische Bevollmächtigte über Calais, sondern auch, 
dass er über jeden andern Hafen am Kanal den Weg nähme. 
Nur bat er, ihm den Brief Metternichs an Oastlereagh da- 
zulassen, damit er ihn zuvor dem Kaiser zeige. Bubna, der 
höchste Eile im Spiel wusste, schickte einmal, zweimal nach 
den Pässen ins Ministerium. Immer vergebens. Endlich 
am Nachmittag des 10. erklärte Maret, sich doch noch mit 
Metternich über einige Punkte jenes Briefes verständigen 
zu müssen. Man möge die Absendung Becks bis zur Rück- 
kehr seines Kuriers verschieben. Dem war nicht wohl zu 
widersprechen. Aber als der General nach einigen Tagen 
durch Neumann von neuem nachfragen liess, bot sich das- 
selbe Bild. Der Herzog erinnerte sich jetzt jenes Ent- 



1. Ompteda an Minister Bremer 25. Juli. Polit. Nachlass 
III, 177; Gentz an Jackson 4. August. Diaries. Bath Archives 

n, 200. 



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- 355 - 

Wurfes für den Seefrieden, den er am 30. Juni dem oester- 
reichischen Kollegen zur Mitteilung an die Verbündeten 
mitgegeben hatte. Die Mission nach London sei verfrüht, 
solange der Kaiser nicht die Antwort darauf habe und die 
andern Mächte, die durch ihre politischen und kommerziellen 
Beziehungen ein Recht der Teilnahme besässen, wie Schweden, 
Dänemark u. s. w. zum Kongrcss berufen könne. — Jetzt 
wusstc Bubna, was die Glocke geschlagen hatte; er schickte s 
den Kurier mit allen seinen Depeschen nach Prag zurück 
(15. Juli). Fünf Tage später berichtete er nach Äusserungen 
der „Unterrichteten": „Die Licblingsidee soll nun der 
Kontincntalfricden mit Ausschluss des englischen Gesandten 
sein." 1 Und auch damit sah es schlecht aus. 

Der Kongress von Prag, auf den die oesterreichische 
Diplomatie seit fast einem halben Jahr hingearbeitet hatte, 2 
entwickelte sich zu einer der grössten politischen Komödien, 
die die Weltgeschichte verzeichnet. Am 12. Juli, dem Tag 
seiner Eröffnung, waren wohl die Vertreter von Russland und 
Preussen anwesend ; was aber Frankreich anbetraf, so wusste 
man noch nicht einmal offiziell, wen es schicken werde; ge- 
schweige, dass seine Bevollmächtigten bereits erschienen 
wären: denn Narbonne, der seit dem 10. in der böhmischen 
Hauptstadt weilte, sagte er sei blos sein Reisender, und blieb 
im Gasthof. 8 Napoleon fand es eben in seinem Interesse, ^ 
sich mit den Verhandlungen nicht zu beeilen, er lebte der 
Hoffnung, dass die jüngste Verlängerung des Waffenstill- 
standes nicht die letzte sein werde, wie man denn in der 
Dresdener Gesellschaft schon ganz unbefangen von einer 
Waffenruhe bis in den September hinein redete, 4 und dachte 



1. Berichte Bubnas 10., 14., 15., 20. Juli. H.-A. 

2. Instruktionen für Wessenberg 8. Februar. Oncfcen I, 420. 

3. Genta, Briefe an Pilat I, 36. 

4. Berichte Bubnas 2., 20. Juli. H.-A. 

23» 



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- 35C - 



deshalb einstweilen zu temporisieren. An Gelegenheit dazu 
fehlte es nicht. 

Zunächst konnte die Wahl der gegnerischen Bevoll- 
mächtigten allerdings verstimmen. Zwar gegen den preussi- 
schen, Humboldt, liess sich nicht viel einwenden, er war 
ein Mann von Rang und anerkanntem Geist, dabei, wenn 
kein Franzosenfreund, so doch gemässigt und verbindlich; 
aber in der Hauptsache kam es nicht auf ihn, sondern auf 
den Russen an, und dieser war im höchsten Mass persona 
ingrata. Es standen doch wahrlich genug Diplomaten zur 
Verfügung des Zaren: Nesselrode, Stackelberg, Razumoffsky, 
Alopäus; warum wurde da trotz aller Bitten Oesterreichs 
nur ein Vertreter geschickt und als der eine gerade Anstett, 
gegen den gleichmässig sachliche und persönliche Erwägungen 
sprachen? Er hatte noch nie einen Gesandtschaftsposten be- 
kleidet. Er fiel zudem als geborener Elsasser unter das 
Edikt vom 26. August 1811, wonach Franzosen im Dienst 
einer fremden Macht nicht als Bevollmächtigte gebraucht 
werden durften bei einem Vertrag, der die Interessen 
Frankreichs berührte. Vor allem sein Hass gegen Napoleon, 
seine Abneigung gegen den Frieden, seine Unzugänglichkeit 
und Grobheit waren hinlänglich bekannt, um schon die 
Oesterreicher seine Ernennung als mauvaise plaisanierie be- 
dauern zu lassen. 1 Der Imperator vollends affektierte , darin 
eine persönliche Beleidigung zu sehen, und verbreitete, er 
werde nun auch seinerseits nicht den ursprünglich designierten 
Herzog von Vicenza, sondern etwa Bignon bevollmächtigen, 
denselben Bignon, der sich den Oesterreichern durch seine 
Thätigkeit in Krakau so unbequem und verhasst gemacht 
hatte. Es kam soweit, dass Metternich sich bereits für das 
Präsidium dieses Kongresses zu schade hielt. Er schrieb 



1. Fain II, 72; Gentz, Briefe an Pilat 16. Juli. I, 56. Wie 
Napoleon die Ernennung A.s fruktifizierte, siehe Lecestre, Lettres 
inedites de Napoleon I. v. II, 274, 280. 



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- 357 - 

dem Kaiser: „Die Wahl des Gesandten Bignon gehört zu f 
den elendesten. Sollte sie sich bestätigen, so werde ich Ew. 
Majestät erneuert vorschlagen, mich durch Baron Binder 
substituieren zu lassen." Franz aber, immer auf Vermittlung 
bedacht, forderte vorerst ein Gutachten, „ob es nicht zweck- 
mässig wäre, die Alliierten zu bewegen, vornehmere Bevoll- 
mächtigte nach Prag zu schicken." 1 

Übrigens mochten diese Sorgen einstweilen noch ganz 
verfrüht erscheinen; denn Napoleon entsandte zunächst weder 
Caulaincourt noch Bignon, sondern Uberhaupt keinen Ver- 
treter. Den Vorwand dazu gab die Ungewissheit Uber die 
Verlängerung des Waffenstillstandes. Sie bestand bis zum t 
15. Juli thatsächlich. Die erste Erklärung Metternichs, dass 
die Verbündeten den 10. August als Endpunkt der Ver- 
handlungen angenommen hätten, genUgte begreiflicher- 
weise nicht; und es war also ganz ernst gemeint, wenn am 
9. Juli Narbonne plötzlich Rcisebefehl erhielt, um sich in 
Prag selbst bestimmtere Auskunft zu holen. Am 15. Juli ■ 
indessen konnte Bubna dem Herzog von Bassano Depeschen 
vorlesen, die jeden Zweifel ausschlössen, und zugleich kam 
aus Neumarkt, wo zur AusfUhrungder Konvention vom 4. Juni 
eine Art militärischen Kongresses tagte, die Nachricht, dass 
die Generäle Schouwaloff und Krusemarck von der Ver- 
längerung der Waffenruhe offiziell in Kenntnis gesetzt wären. 
Wirklich wurde nun auch die aufs höchste gespannte Neu- 
gier der in Dresden versammelten Diplomaten endlich be- 
friedigt und trotz Anstett Caulaincourt zum ersten, Narbonne 
zum zweiten Bevollmächtigten ernannt (16. Juli). 2 Aber eigent- 
lichen Ernst machte man noch immer nicht. Die formelle 
Übereinkunft mit den Alliierten stiess auf Schwierigkeiten. 
Ihre Kommissäre wollten infolge eines Missverständnisses 



1. Vorträge Metternichs 15. Juli mit allerh. Resolution. H.-A. 

2. Berichte Bubnas 7., 16. Juli. H.-A. Bassano an Metternich 
16. Juli. Fain II, 153 f. 



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— 358 — 



die Kündigungsfrist in die 20 Tage bis zum 10. August ein- 
begriffen wissen und widersetzten sich der Forderung, dass 
in die von Frankreich behaupteten Festungen französische 
Offiziere geschickt werden sollten. Das genügte, damit der 
Herzog von Vicenza am Hoflager zurückgehalten wurde und 
Narbonne, als er am 21. zum ersten Mal eine amtliche Mit- 
teilung machte, nichts als Aktenstücke über diese Differenzen 
vorzuweisen hatte. 1 

Es war klar: Napoleon glaubte Oesterreich alles bieten 
, zu- dürfen. Er hielt es im Ernst nicht für möglich, dass 
sein Schwiegervater in den Krieg gegen ihn eintreten werde. 
Man wolle den Frieden oder eine gut bezahlte Neutralität. 2 
Schrieb doch auch sein Gesandter aus Prag, die Stimmung 
für den Krieg sei ganz geschwunden, die Rüstungen Hessen 
nach, Metternich habe sich mit Schwarzenberg überworfen, 
der Feldmarschall solle nur noch die Reiterei kommandieren, 
den Oberbefehl an Erzherzog Karl abgeben, der Minister 
sei zwei Finger breit vor seinem Sturz. 3 
; Nun lagen die Dinge tbatsächlich so, dass die grosse 

Menge mehr noch als im Juni den Frieden wünschte. Zumal 
in Wien herrschte blasse Furcht. Es war, als ob der Feind 
schon vor den Thoren stände. Die Behörden und Hofämter 
packten um die Wette. Unter den armen Leuten kursierte 
die Redensart: „ich höre sie schon wieder trommeln." In 
den Salons orakelte man, Russland und Preussen würden 
den Krieg lau führen und so Napoleon instand setzen, 
seine grösste Macht gegen Oesterreich zu wenden, das nichts 
als das Loos der Zerstückelung zu erwarten habe. Selbst 

1. Genta, Depeches inedites 25. Juli 1813. I, 3G f. 

2. Vgl. Caulaincourts Äusserungen gegen Metternich 28. Juli. 
Oncken II, 679. Marmont sagt in seinen Memoiren (IV, 82 f.): 
L'Empereur reconnut claireinent la propension de l'Autriche a 
devenir son ennemie, mais il refusait toujours ä croire qu'elle 
s'y decidät. 

3. Berichte Bubnas 20., 29. Juli. H.-A. 



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— 369 — 



die militärischen Kreise zeigten jetzt auffallenden Kleinmut. 
Die Herren vom Hofkriegsrat erzählten Schauergeschichten 
von der schlechten Ausrüstung der Armee: aus Mangel an 
Leinwand müssten ganze Bataillone das Hemd auf dem 
blossen Leibe tragen, Pferde fehlten so viel, dass nicht 
einmal zwei Divisionen bei jedem Regiment beritten wären. 
Die älteren Generäle wieder äusserten Besorgnisse hinsicht- 
lich der Führung. Alle Welt kenne sein persönliches 
Attachement an Schwarzenberg, Hess sich Fürst Alois 
Lichtenstein vernehmen, aber zum kommandierenden Ge- 
neralen tauge er durchaus nicht, er könne nicht leugnen, 
dass ihm vor dem Ausgang bange sei. Das mildeste und 
verbreitetste Urteil war, dass der Krieg um drei Monate 
zu spät komme. 1 

Was aber die Regierung anbetraf, so gestattete sie 
dieser populären Strömung ebensowenig Einfluss auf ihre 
Entschlüsse wie der entgegengesetzten im Winter. Während 
im Land der Krieg zusehends unbeliebter ward, überzeugte 
sie sich jeden Tag mehr, dass er unvermeidlich und nützlich 
sei. Die letzten Winkelzüge Napoleons . hatten selbst die 1 

o Langmut Kaiser Franz' und seines Ministers erschöpft. Das 
Mass war' voll gewesen. Jene Mitteilung Narbonnes am 
21., wonach die Ankunft Caulaincourts abermals in weitem 
Felde erschien, brachte es zum Überlaufen. Metternich 
riet seinem Herrn, „alle Zügel schiessen zu lassen," 2 und 
schickte im Einklang damit eine Note an Bassano, die selbst 

^..die Noten des April an Entschiedenheit weit überbot 
(22. Juli). Sie erwähnte des „peinlichen Eindrucks" der 
jüngsten Verzögerung und bat um schleunige Angabe des 
Termins, bis zu dem die französischen Bevollmächtigten 
eintreffen würden: Seine Majestät wünschten lebhaft, nicht 



1. Wertheimer S. 368 ff. 393 ff., Bericht Hudolists, Wien 
28. Juli; Bericht ßubnas 20. Juli. H.-A. 

2. Vorträge 22. Juli. H.-A. 



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- 360 — 



neue Zwischenfälle einem unersetzlichen Zeitverlust als 
f Grund dienen zu sehen. Vor allem sie deutete einen folgen- 

schweren Entschluss an, den der Minister dem französischen 
Gesandten ungewöhnlich bewegt zugleich mündlich mitteilte, 
dass der Waffenstillstand auch nicht eine Stunde über den 
10. August hinaus verlängert werden würde. 1 „Indem der 
Kaiser, hiess es, den kriegführenden Mächten seine Ver- 
x j, mittlung anbot, wurde er nicht nur von dem Wunsch nach / 

Frieden geleitet; in gleichem Mass bestimmte ihn die Not- \ 
wendigkeit, so rasch wie möglich deu Lasten ein Ziel zu 
setzen, die oft mehr als der Krieg selbst die Völker drücken 
während jenes Zwist&zustandes, der weder Krieg noch f 
Frieden ist." Diese Note wurde in eingeweihten Kreisen 
als Vorläufer der Kriegserklärung angesehen. Gentz schrieb 
in sichtlicher Aufregung: „Übrigens ist Krieg, Krieg mein 
Lied: weil alle Welt Krieg will, so sei es Krieg." Auch 
Narbonnc fühlte, dass eine Entscheidung gefallen sei. Er 
berichtete, Metternich zeige in der Unterhaltung nicht mehr 
die alte Ungeduld, müsse also seine Partei genommen haben. 
Was er fürchtete, hofften die Gesandten der Verbündeten. 
Humboldt, dessen Depeschen noch am 18. voller Besorgnis 
gewesen waren, meinte am 23. beruhigt: „Der Ausgang 
unseres singulären und bizarren Kongresses erscheint mir 
nicht zweifelhaft." Und nicht weniger sandten Anstett und 
Graf Hardenberg glückverheissende Berichte an ihre Re- 
gierungen. Metternich wiederholte ihnen ja bei jeder Ge- 
legenheit, er kümmere sich nicht mehr um Brief- 
und Notenwechsel, um die vier oder sechs Bedingungen, 
man brauche den Krieg, werde ihn am 11. August erklären, 
und das war nicht mehr blosses Gerede wie die schönen 
Phrasen, mit denen er Anstett am 12. Juli zu gewinnen 
gesucht hatte. Auch seinem Vater versicherte er: „Der 
Krieg wird mit Aussichten auf Erfolg beginnen, die alle 



1. Lefebvre V, 367; die Note bei Faw II, 165 ff. 



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- 361 — 



Ihre Vorstellungen weit hinter sich lassen", und über- 
raschte Stadion durch die stolzen Worte: „Da keine unserer 
Berechnungen und der meinigen insbesondere auf Frieden 
hinausläuft, so sehe ich jeder Entwicklung mit äusserster 
Ruhe entgegen, seit unsere Massregeln getroffen sind." Kurz, 
der Umschwung der Stimmung in Prag war allgemein und 
schwer zu schildern. Wie Gentz Bombelles schrieb, man 
erwartete nur noch Heil von Kanonenschüssen und spürte 
etwas in sich von jener Zuversicht der Kreuzfahrer: Dem 
vult, Deus vtUt. Lediglich aus Schicklichkeit dachte man 
den 10. August abzuwarten und legte wenig Gewicht auf 
die Verhandlungen, die nun doch noch begannen. 1 

Die Note vom 22. hatte auch in Dresden ihres Ein- 
drucks nicht verfehlt. Napoleon schickte im letzten Moment 
— schon war an die verbündeten Truppen Marschbefehl 
ergangen* — nach Neumarkt Befehl, die Verlängerung des 
Waffenstillstandes zu unterzeichnen, ohne auf der Entsendung 
französischer Offiziere in die von ihm besetzten Festungen 
zu bestehen, und nahm Caulaincourt nicht, wie ursprünglich 
beabsichtigt, auf die Reise mit, zu der er in der Frühe des 

25. in tiefstem Geheimnis aufbrach, sondern wies ihn an, 
sich für Prag fertig zu machen. Am 25. konnte Narbonne 
diesen Entschluss offiziell kundgeben, und drei Tage darauf j 
zog der Herzog von Vicenza in Person mit grossem Gepränge 

in die böhmische Hauptstadt ein. a Seine Gesinnungen waren 

1. Gentz, Briefe an Pilat 22. Juli. I, 44; Bignon XII, 204; 1 
Gebhardt, Humboldt als Staatsmann I, 470 f.; Berichte Stadions 

26. Juli. H.-A.; Graf Hardenberg an Münster 27. Juli. Oncken 
II, 437 f.; Bogdanowit8chII, 227 ff; Aus Metternichs nachgelassenen 
Papieren I, 255; Metternich an Stadion 28. Juli. H.-A; Klinkow- 
ström, Aus der alten Registratur S. 79; Gentz an Jackson 
80. Juli. Diaries. Bath Archives II, 184 f. 

2. Droysen, York II, 112. 

3. Gentz, Depeches inedites I, 37 f. Berichte Bubnas 25. Juli. 
H.-A. Gebhardt, Humboldt als Staatsmann I, 475. 



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— 362 — 



die besten. Er durfte für den edelsten Vertreter jener zahl- 
~ reichen Partei gelten, die der Weltpolitik des vaterlandslosen 
Imperators vom Standpunkt des französischen Patriotismus 
opponierte und endlich einmal mit dem System des ewigen 
'Krieges gebrochen wünschte. So hatte er gleich seine Er- 
nennung am 16. Bubna voll freudigen Eifers mitgeteilt 
und führte jetzt gegen Metternich in der ersten Unterredung 
eine Sprache, die einem minder Eingeweihten im Munde 
eines napoleonischen Staatsmannes unglaublich erschienen 
wäre. Er riet, alles zu fordern, was gerecht sei, und be- 
sonders, was als wirkliche Friedensgrundlage erschiene ; man 
werde es leichter erlangen als wenig, weil sich Napoleon 
sagen werde: Oesterreich will lieber Krieg als Waffenstill- 
stand. Beim Abschied aber erklärte er gar: „Ich bin in 
den Fragen des Augenblicks ebenso sehr Europäer wie Sie. 
Führen Sic uns nach Frankreich zurück durch Frieden oder 
Krieg, und Sie sollen gesegnet sein von 30 Millionen Franzosen 
und allen aufgeklärten Dienern und Freunden des Kaisers." 1 
Bei alledem war mit seiner Ankunft fürs erste wenig ge- 
wonnen. Seine Instruktionen 2 mit dem Uti possidetis als 
Grundlage "und der gehässigen Weigerung, Oesterreich, das 
keine Opfer gebracht, auch nur ein Dorf abzutreten, waren 
ganz ungenügend, schränkten, s wie er selbst offen gestand, 
seine Tätigkeit einstweilen auf ein amuser le tapis ein. Statt 
dass man also die kurze noch übrige Zeit umso eifriger zu 
Verhandlungen benutzte, wurde sie mit einem unfruchtbaren 
Streit über deren Formen vergeudet. Es handelte sich hier 
noch immer um die alte Frage, ob die Kongressteilnehmer 
zu unmittelbarer Beratung zusammentreten oder nur an die 
Vermittelnde Macht gewiesen sein würden. Metternich war . 
ihrer Lösung zunächst ausgewichen. Er hatte den Verbün- 



1. Metternichs Bericht über die Unterredung: Oncken II, 679f. 

2. Lefebvre V, 368 f. 



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_ 363 - 

i 

doten in diesem, der französischen Regierung in jene 
mehr oder minder bestimmte Zusagen gemacht. A 
der Konferenz vom 4. Juli war das anders geworden. Die 
erneute Weigerung der russischen und^rcussischen Staats- 
männer .gegen jede direkte Verhandlung mit* Frankreich 
hatte bewirkt, dass er nun auch seinerseits den Gedanken 
daran aufgab. Er Hess bereits Mitte Juli durch ßubna an- 
regen, dass die Vertreter der kriegführenden Mächte, „in 
Anbetracht der Kürze der Zeit 44 von förmlichen Konferenzen 
mit ihrem zeitraubenden Beiwerk absehen und sich ihre 
gegenseitigen Ansichten einfach durch Noten an den Ver- \ 
mittler mitteilen sollten. 2 Für diesen Modus sprach, dass er 
1779 in Teschen, allerdings erst in fünf Monaten, zum Ziel 
geführt hatte. Sonst bot er Angriffspunkte genug, um nach 
Napoleons Ansicht fortgesetzte Opposition und damit neuen 
Aufschub zu motivieren. Seine Gesandten mussten zur 
Prüfung und Mitteilung ihrer Vollmachten eine offene Sitzung 
verlangen und nahmen den nunmehr (29. Juli) offiziell 
wiederholten Vorschlag des oesterreichischen Kabinets nur 
ad referendum,' indem sie ihrerscits^auf der_ Anwendung der 
Formen von Ryswyk bostanden. 3 Es half nichts, dass Met- ^ - 
ternich sie auf die Rücksicht verwies, die Russland und i / ' 
Preussen ihren Alliierten schuldeten, und beredt vorstellte, 
„Frankreich frei von jeder Verbindung, welche seinem Gange 

1. So versicherte seine am 25. Juni übergebene Note vom 22.: 
II n'entre aueunement dans les vues de Tempereur d'Autriche 
de confondre sa Mediation avec des formes qui emporteraient 
l'exclusion des negociateurs eharges de defendre directement les 
interets des hautes parties contractantes. Fain II, 132. Auch 
Art. 3 der Konvention vom 30. Juni: „les pleuipotentiaires . . . 
se reuniront" konnte allenfalls von französischer Seite ins 
Feld geführt werden. Vgl. Ernouf, Maret p. 580. 

2. Bignon XII, 201. 

STHetteruich an Stadion 30. Juli. Oncken II, 681. Fain 
II, 171 ff. 



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— 304 — 

Schranken setzen könne, müsse einige Nachgiebigkeit in der 
Form gegen Mächte bezeigen, welche so viele Beweise des 
guten Willens in dem Grunde der Frage gegeben hätten". 
Die Vollmachten blieben in den Mappen der Franzosen, und 
der verhängnisvolle 10. August rückte näher und näher, 
ohne dass der Kongress auch nur eröffnet wäre. 1 

Aber hinter diesen Chikanen, die Caulaincourt vertrau- 
lich selbst als solche bezeichnete, stand die Möglichkeit, dass 
in zwölfter Stunde doch noclr etwas im Sinne des Friedens 
geschähe. Wie Metternich schrieb: „Prag ist für das Pu- 
blikum, und was ausserhalb Prags geschieht, ist die Sache". 3 
Jene geheimnisvolle Reise des Imperators hatte, wie man 
jetzt wusste, Mainz zum Ziel. Hier sollten seine Minister 
ihm die dringendsten Vorstellungen machen. Wer konnte 
sagen, welchen Binfluss sie, welchen die endliche Qewissheit, 
dass Oesterreich zum Krieg entschlossen sei, die Caulain- 
court mit allen Mitteln zu geben suchte, auf den zu raschen 
Entschlüssen geneigten Imperator üben würde? Wenn er 
auch erst am 5. August vom Rhein zurückerwartet wurde 
und schwer abzusehen war, wie man nur physisch in den 
fünf verbleibenden Tagen zum Abschluss kommen könnte, 
unmöglich war bei einem so ungewöhnlichen Menschen am 
Ende nichts, 3 und Hoffnungen und Befürchtungen wagten 
sich noch einmal hervor. 

Bubna schrieb glücklich: „Ich freue mich, dass die Ge- 
sandten einmal beisammen sind. Wenn dann Ew. Exc. 
Ihrem Grundsatz treu bleiben, den sicheren Gewinn im 
Frieden dem glänzenderen, aber unsichern im Krieg vor- 
zuziehen, so glaube ich mit Zuversicht an ein günstiges 
Resultat. Wenn, wie ich hoffe, das Werk gekrönt wird, 
so hat unser guter Kaiser den schönsten Augenblick erlebt, 



1. Vorträge Metternichs 5. August. H.-A. 

2. Aus Metternichs nachgelassenen Papieren I, 256. 

3. Metternich an Stadion 30. Juli. Oncken II, 680 f. 



» 



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— 365 — 



den je ein Souverain gehabt hat, und Sie, Herr Graf, ein 
glänzendes Ministerium!!" 1 Stadion umgekehrt hielt die 
Lage für „unendlich gefahrvoll*, falls man in Brandeis 
nicht über die Bedingungen vom 27. Juni hinausginge. 
Schon am 14. Juli hatte er Metternich gemahnt: „Um 
Gottes Willen machen Sie gute Arbeit oder wenigstens, 
dass sie erträglich sei. Es wird eine Sünde gegen die Vor- 
sehung sein, anders zu handeln. Das Glück rächt sich an 
denen, die es nicht beachten." 2 Jetzt wandte er sich 
direkt an den Kaiser mit einer herrlichen Denkschrift, 
Krone und Abschluss der langen Reihe seiner Weckrufe , 
zum Kampf. Mit möglichster Unbefangenheit würdigte er 
das Minimum des Reichen bacher Vertrages als das Ergebnis 
einer Stimmung, in der man geglaubt habe, nur noch 
wählen zu dürfen zwischen einer Schilderhebung, welche den 
sofortigen Zusammenbruch Oesterreichs herbeiführen, und 
einem Frieden, der es erst durch seine Folgen zu gründe 
richten könnte. Aber seitdem hätten sich die Dinge völlig 
verändert: „400000 Streiter der besten Truppen Europas 
sind in der Front und in den Flanken des französischen 
Heeres bereit, gleich nach Beginn der Feindseligkeiten den 
Gegner im Rücken anzugreifen und auf seine Verbindungen 
zu fallen; zwischen den vier grossen Mächten ein ein- 
mütiges Verständnis, der Feind in übler militärischer Lage, 
schwer getroffen durch die Ereignisse in Spanien und im 
Süden Frankreichs, gezwungen, einen Teil der zahlreichen 
Streitkräfte, auf die er rechnete, ins Innere zu schicken; 
unzufriedene Völker hinter seinen Armeen, seine eigenen 
Verbündeten bereit, sich gegen ihn zu wenden, sobald er 



1. Bubna an Metternich 30. Juli. H.-A. 

2. Pour l'amour de Dieu faites de la bonne besogne, ou du 
moins qu'elle soit aupportable. Ce sera pecher contre la pro- 
vidence que d'en agir autrement. La Fortune so venge de ceux 
qui la negligent. H.-A. 



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— ODO — 

ein grosses Unglück erlitten haben wird." Kurz, ein un- 
günstiger Ausgang schiene ausgeschlossen, die Aussicht auf 
Erfolg gewiss, wenn man sie nicht absichtlich zerstöre. 
Damit erwachse für den Kaiser die heilige Pflicht, kraftvoll 
und willensmächtig Gebrauch zu machen von den sicheren 
Mitteln, die die Vorsehung in seine Hände gelegt habe, um 
seine Völker aus dem Zustand der Abhängigkeit und der 
Leiden zu erlösen und seinem Reich gesicherte Grenzen und 
einen freien und dauerhaften Bestand zurückzugeben. Am 
wenigsten der Vertrag von Reichenbach wäre im Wege. 
Er verpflichte wohl, die Ablehnung der vier Bedingungen 
mit der Kriegserklärung zu beantworten, nicht aber den 
1 casus belli durchaus nur auf jene zu beschränken. Mindestens 
eine starke Grenze in der Lombardei, die alte gegen 
Baiern, Tirol, Vernichtung des Rheinbundes und eine andere 
Besitzordnung in Italien müssten zusätzlich gefordert werden. 1 
Stadion schrieb das in rfer unbestimmten Vorahnung, 
es werde Uberflüssig sein; im allgemeinen aber war die 
Stimmung jenseits der Berge unsicher und gedrückt. Man 
vegetierte in Erwartung der Ereignisse. Als der Engländer 
Jackson in Landeck den Geburtstag des Königs von Preussen 
mitfeiern half, bemerkto er, selbst von Zweifeln gequält: 
Jedermann ist in einem Zustand der Ängstlichkeit wegen des 
Ausgangs der Unterhandlungen und wenig zum Vergnügen 
aufgelegt. 3 

Wirklich geschah, was man fürchtete. Nachdem er 
diesen Schritt durch eine scharfe Note gegen Oesterreich 
und die Verbündeten masquiert hatte, erschien am Abend 
des 6. August der Herzog von Vicenza bei Metternich, 
um ihm im tiefsten Geheimnis — selbst Narbonne sollte 
nicht davon wissen — die Frage vorzulegen, was Oester- 



1. Oncken-Ii, 441 ff. 

2. Stein an Frau v. Stein 3. August. Pertz III, 395. Jackson, 
Diariea. Bath Archives H, 187. 



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— 067 — | 

reich unter Frieden verstehe, und unter welchen Be- 
dingungen es sich entweder mit Frankreich verbünden oder 
neutral bleiben werde. Der Minister, den eine solche Mit- 
teilung vor vier, ja vor drei Wochen sicher noch erfreut 
hätte, erschien jetzt verwirrt. Immerhin versprach er, die 
Entscheidung seines Herrn einzuholen uod sie folgenden 
Nachmittags um 5 Uhr dem Franzosen mitzuteilen. In der 
Nacht hatte er ein langes Gespräch mit Gentz. Am 
nächsten Morgen fuhr er nach Brandeis hinaus und war 
auch wirklich zur festgesetzten Stunde zurück. Aber nur 
wenige Minuten nach ihm kam ein Kurier an, der ihn von 
neuem zum Kaiser beschied. So erhielt Caulaincourt erst 
am 8. die mit Spannung erwartete Antwort. Metternich • 
diktierte ihm als Ultimatum Oesterreichs in etwas ver- 
änderter Form die sechs Bedingungen der Note vom 7. Juni 
unter Anfügung einer siebenten, die durch „wechselseitige ; 
Garantie des Besitzstandes jeder Macht gross oder klein" • 
den beliebten napoleonischen Ländertausohen einen Riegel 
vorschob. Da man den Frieden ernstlich nicht mehr wollte, 
das Kriegsmanifest bereits seit mehr als einer Woche unter 
der Feder Gentz' war, hätte es nahe gelegen, statt jeder 
Antwort auf die französische Frage seinerseits Anträge zu 
verlangen, und die Bevollmächtigten der Verbündeten rieten 
das dringend; aber trotz einiger Schwankungen, die sich in 
den Vorgängen vom 7. deutlich spiegeln, überwog schliess- 
lich der Wunsch, „alles zu thun, damit nicht auf uns die 
Schuld haftet, wenn es zum Krieg kommt." Ohnehin lief 
in der Sache beides auf eins hinaus. Metternich hatte ein 
Recht, Stadion zu schreiben: „Die Art, wie wir die Frage 
gestellt haben, ist ebenso rund wie natürlich, sie lässt keine 
Möglichkeit für ein Ja von Seiten Napoleons." Denn einmal , 
hatte er Sorge getragen den 10. August ganz peremptorisch - 
als Termin zu bezeichnen, bis wann das Ultimatum ange- 
nommen, sein müsse; vom II an wollte sich der Kaiser 
nicht mehr daran gebunden erachten, und dann Hess die 



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- 368 - 

Einführung der Bedingungen eine Hinterthür, durch die man 
jederzeit entschlüpfen konnte. Es wurde nur gesagt, dass 
Russland und Preussen einen friedlichen Ausgleich an sie 
zu knüpfen schienen, und auch das lediglich auf Grund 
; vertraulicher Vorbesprechungen. 1 

Vor allem den Verbündeten selbst durfte kein Zweifel 
über diesen Sachverhalt zurückbleiben. Deshalb warHumboldt 
4ind Anstett das Ultimatum mitgeteilt, noch ehe es an Caulain- 
court gelangte. Sie hatten Einwendungen erhoben, sich 
an das Äusserliche geklammert, ihre Berichte mochten nicht 
günstig ausgefallen sein. So schickte Metternich die bezüg- 
lichen Depeschen an Stadion nicht durch einen einfachen 
Kurier, sondern den in solchen Fällen unschätzbaren Leb- 
zeltern, damit dieser mündlich die nötigen Erläuterungen 
gebe. 1 — Der Anwalt hatte keinen harten Stand, Uber- 
zeugender als er redeten die Thatsachen. 

Napoleon nahm das Ultimatum Oesterreichs nicht an, 
mit wie ernster Beredsamkeit sein Gesandter ihn darum 
beschwor. Er glaubte auch mit halben Zugeständnissen zum 
( Ziel zu kommen; wenn aber nicht, so war der Krieg immer 
noch besser als ein Friede, der seinem Imperium einen 
tötlichen Schlag versetzte. Er wusste besser als seine tiber- 
klugen Räte, dass er sein müsse, wie er war, oder nicht 
sein werde. Ein Mann, dessen Herrschaftsgelüsten Europa 
nicht genügt hatte, konnte wieder ins Nichts zurückkehren: 
„König von Frankreich" konnte er niemals werden. 



1. Thiers, Histoire du Consulat et de l'Empire XVI, 212—218; 
Ernouf, Maret p. 586 ff.; Gent«, Tagebücher I, 265. Metternich an 
Stadion 8. August. H.-A. — Oncken II, 450 f. und andere Schrift- 
steller lassen Metternich das Ultimatum schon am 7. übergeben. 
Da9 ist handgreiflich falsch. Wie sollte es dann erst am 9. 
3 Uhr nachmittags in Dresden gewesen sein?! 

2. Reskripte Metternichs an Stadion 8. August. Oncken 
II. 681 ff. 



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— 369 - 

Am 9. August um 3 Uhr nachmittags trafen die Be- 
richte Oaulaincourts in Dresden ein. Um 6 empfing der 
Kaiser JBubna, den er seit dem Mai nicht mehr gesprochen 
hatte. Die Audienz dauerte zwei Stunden. Während der , 
ganzen Zeit war er in ausserordentlich gelassener Stimmung 
wie jemand, der seine Partei auf alle Fälle genommen hat. 
Gleich nach den ersten Worten sagte er: „Ich habe Sie 
rufen lassen, um Sie zu fragen, ob es ein Mittel giebt Frieden 
zu machen." Dann bezeichnete er die Opfer, die er bringen 
wolle: Abtretung von Warschau gegen mässige Entschädi- 
gung für den König von Sachsen; Jllyrien mit Dalmatien 
und Ragusa, doch ohne Istrien, Danzig unter Schleifung der 
Festungswerke. Hamburg und Lübeck herzugeben, sei un- 
möglich. „Sie sehen, ich will viel für den Frieden thun. 
Meine Alliierten verlieren, ich abandoniere eine ganze Nation, 
die viel geleistet hat, aber behandelt mich nicht, als wenn 
ich schon geschlagen wäre. Ihr könntet nicht mehr begehren, 
wenn ich vier Schlachten verloren hätte." 

Bubna war entzückt. Er lebte noch in den Anschauungen 
seiner Instruktionen vom 23. Mai, die auch vor sechs Wochen 
durch Metternichs Auftreten in Dresden nur bekräftigt worden 
waren. So zweifelte er nicht, dass der Friede zu Stande 
kommen werde, und erbaute sich schon jetzt daran, wie dann 
Russland Kaiser Franz Ruhe und Vergrösserung, Preussen 
neues Aufleben zu verdanken habe. „Das versetzt uns 
ordentlich, schrieb er dem Minister, in die alten Zeiten wieder, 
wo der Einfluss von Oesterreich etwas gegolten hat. Wenn 
auch hie und da mancher Fantast unbefriedigt wird, so er- 
wartet Sie doch der Segen der Welt und der Menschheit, 
wenn es Ruhe wird." 1 

1. Berichte Bubnas 9. August nachts. Oncken II, 684 ff. Vgl. 
für den Schluss: Lefebvre V, 393 ff ; Ernouf, Maret p. 593; Fain 
II, 195 ff, 218; Gebhardt, Humboldt als Staatsmann I, 480; 
Oncken II, 457; Gentz, Depeches inedites I, 43; Bignon XII, 
240f.; Baur, Prinsess Wilhelm S. 160. 

24 



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- 370 - 



Die wirkliche Entwicklung vollzog sich in sehr anderen 
Bahnen. Der Imperator hatte dieselben Vorschläge, nur 
anspruchsvoller und mehr spezialisiert, schriftlich an 
Caulaincourt geschickt. Sie wären auch am 10. erfolglos 
gewesen ; zu allem Überfluss kamen sie, ,von Napoleon aus 
Trotz über Nacht zurückbehalten, erst am 11. in Prag an. 
Inzwischen war die Entscheidung gefallen. 



Buchstäblich „die Uhr in der Hand" wartete man die 
schicksalsschwere Mitternachtsstunde des 10. August ab. Mit 
dem Schlage zwölf zeigten Anstett und Humboldt an, dass 
/ ihre Vollmachten erloschen seien. Der Kongress war zu 
Ende, ehe er begonnen hatte. Zugleich übersandte Metter- 
nich Narbonne als dem Gesandten Frankreichs die Kriegs- 
erklärung. 

Und während längs der französischen Linien bei Lichter- 
glanz und Gesang zum letzten Mal der Napoleonstag ge- 
feiert wurde, leuchteten als Boten einer neuen besseren 
Zeit auf dem Kamm des Grenzgebirges Flammenzeichen auf, 
den Russen und Preussen zu künden, dass sie in das jetzt 
verbündete Oesterreich einrücken dürften. 

Die drei Adler flogen endlich zusammen. Erst Paris 
sollte ihr Ziel sein. 




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Anhang. 



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Kaiser Alexander an Kaiser Franz 17/29. Dezember 1812. 1 

Monsieur mon Frere. L'importance qu'il y aurait pour nos 
interets reciproques 2 comme pour ceux de l'Europe en general, 
de donner aux rapports que j'ai eu le bonheur d'entretenir avec 
Votre Majeste dans ces circonstances difficiles, un nouveau degre 
d'intimite, me determine a lui annoncer raoi meme les resultats 
decisifs, par les quels la Providance a beni mes efforts. Iis sont 
tels qu'apres avoir assure l'independance de mon Empire, je 
puis tourner mes vues vers le grand but de la delivrance de 
l'Europe. II nous unissait jadis et n'a jamais cesse de constituer 
le voeu le plus eher de mon cceur. A aueune epoque il ne 
s'est presente pour le realiser des chances pareilles ä Celles 
qu'ofFre aujourd'hui la destruetion totale de l'Armee Francaise. — 
Si Votre Majeste Imperiale se d£cidait ä les saisir, Elle pourra 
compter sur la Cooperation la plus active de ma part, et je 
m'estimerais heureux en poursuivant un objet aussi important, de 
pouvoir egalement contribuer ä procurer a Ses Etats les agran- 
di8sements que reclament si imperieusement l'equilibre du con- 
tinaut comme l'interet de Sa Monarchie. L'occasiou de reparer 
les pertes que l'Autriche a faites est unique, et la reintegration 
.de toutes ses anciennes possessions ne scaurait qu'etre conforme 
k ma politique. — Que Votre Majeste me permette de lui parier avec 
cette sincerite de la quelle je ne me suis jämais departi envers 
Elle. Votre Majeste peut profitant de ce moment inapreciable 
rendre a son Empire son ancienne splendeur pour ainsi dire 
sans effusion de Sang. Qu'elle ordonne seulement la reocupation / 
de ses anciens Etats et la France n'a pas les moyens de lui 

1. In deutscher Übersetzung bei Woynar S. 398f. 

2. Die Orthographie des Originals ist beibehalten. 



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- 374 - 



• 



; J opposer la moindre resistanee. Qu'elle veuille so rappeler qu'on 
v J 1809 un traite de Paix la liait de meine a la France; cependant 

Votre Majeste a juge de l'interet de son Empire de la rompre 
/\^v V '- s trouvant le moraent favorable puisque la grande majorite des 
forces Fran9aises etaient en Espague. Le moment actuel est 
bien plus propice encore, et en reparant des malheurs passes, 
en rendant ä Son Empire tonte sa puissanco, Elle sera le sauveur 
de l'Europe, de l'humanite entiere, car eile amenera la paix 
generale en remetant l'equilibre entre les Puissances du Con- 
tinant. — Ah, Sire, qu'il me soit permis de me livrer ä cet elan 
qu'un espoir pareil fait naitre dans tout coBur sensible. Je la 
conjure de ne pas laisser echaper une occasion aussi belle 
d'illustrer son nom, non par une gloire de Sang maie par la seule 
digne de son ccBur, Celle d'avoir rendu le repos et le bonheur 
a l'humanite. C'est avec les sentiments de l'attachenient le plus 
vray que je suis: de Votre Majeste Imperiale le bon frere 

Vilna 17. Decembre 1812. Alexandre. 



2. 

Propositions da Commandant en chef des armees Russes. 1 

i. 

Le reste des troupes Saxonnes et du Duehe s'etant portees 
en filant par la route de Czenstokau, derriere les Cantonnemeuts 
du Corps auxiliaire, les troupes russes feront une marche, que 
les avant-Postes autrichiens ne pourront pas signaler dans 
leur position actuelle pour aller surprendre dans Cracovie les 
Debris polonais. Apres avoir aneanti ce foyer d'inquietudes 
commun les Russes se replieront pour ne point gener le passage 
de la Vistule. 

Ou bien 
2. 

Le Corps auxiliaire Autrichien, en avouant la Convention 
d'armistice desarmera par persuasion ou par tel autre moyen 

]. BeiInge zu Lebzelterus Bericht, Knlisch 10. März I F . Vgl. oben S. 176f. 



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— 37Ö - 



qu'il jugera convenable, les 2 / 8 des troupes du Duche et renverra 
dans ses foyers tout ce qui appartiont aux nouvelles levees qui 
ont ete faites dans le pays dejä occupe par les armes russes et 
prendra des mesures pourqu'aucun individu ne puisse plus re- 
joindre les Cadres etablis a Cracovie. 

Ou bien 

3. 

Les Russes pousseront des Corps sur le flaue droit et gauche 
des Corps autrichieus. Le general anuoncera alors, ue pouvoir 
plus teuir, d'abord parceque, resserr6 dans sa position, les vivres 
lui inanqueront, 2 de parceque la paix etant faite entre la Russio 
et la Prusse, des forces superieures peuvent tomber ä travers 
de la Silösie sur Cracovie, et parceque, le General autrichien no 
pouvant point abbandonner ses Communications avec la Gallicie 
Orientale, les Prussiens auraieut beau jeu pour une expedition 
de ce genre. Que 1 D'apres cet 6tat de choses qui est fonde en 
prineipes militaires, il ne reste pas d'autro parti k prendre au 
Corps sous les ordres du Prince Joseph que de se dissoudre. 
Le General Frimont donnera cet avis salutaire. S'il ne fait point 
d'impression , les Autrichiens declareront que raalgr^ eux ils sont 
obliges d'abbandonuer les Polonais ä leurs propres forces. 

Ou bien 

4. 

Le Corps auxiliaire en se repliant occuperait les ponts de Sen- 
domir et de Cracovie. La Vistule deviendrait ligne de Demar- 
cation et la ville de Cracovie tete de pont. 

Ou bien 

5. 

Changement temporaire de la ligne de Demarcation repre- 
sente aux Polonais comme motive par un J mouvement de 
flanc des forces russes et tendant a conserver les Communications 
avec le Corps d'observatiou. 



1. eingeschoben. 

2. Korrektur des Zaren statt: attribne nu. 



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— 37f» - 



3. 

Allerhöchstes Handschreiben an den Hofkriegsrats- 
präsidenten Graf Bellegarde H. April 1813. 1 

Lieber Feldmarschall Graf Bellegarde. Der politische Stand 
meiner Verhältnisse mit dem Ausland ist Ihnen durch meinen 
Minister der auswärtigen Angelegenheiten bekannt gemacht 
worden. Die bewaffnete Mediation, welche ich übernommen 
habe, fordert Anstalten in Militairischer Hinsicht — der Aus- 
schlag der einzuleitenden Negoziation ist so wenig vorhinein zu 
berechnen, dass ich mich auf jeden Fall bereit zu halten habe. 
Die Aufstellung meines Corps an der schlesisehen Glänze und 
die noch stattfindende Gegenwart eines nicht unbeträchtlichen 
Truppencorps in Galizien geben meinen Worten Gewicht gegen 
Russland. Sollte sich jedoch die Notwendigkeit eines Krieges 
mit Frankreich ergeben, so ist bei Zeiten an die gehörige Ein- 
teilung und Aufstellung der hierzu geeigneten Armeen für zu 
denken. Sie haben mir demnach ungesäumt die Vorlago einer 
ähnlichen Einteilung auf eine nach dem südlichen Deutschland 
und eine nach dem oberen Italien zu bestimmende Armee zu 
unterlegen.* Die Aufstellung einer gehörigen Reserve versteht 
sich von selbst. Da die Abrückung des Auxiliarcorps nach 
Böhmen bereits verordnet ist, hierin aber wegen des nicht auf- 
gekündigten Waffenstillstands von Seite der Russen ein Zeit- 
verlust eintritt, so haben Sie die unverzügliche Einleitung zu 
treffen, dass von dem Reservecorps die erforderlichen 
Truppen 3 sich unverzüglich in Marsch setzen und dies zwar 
mit gehöriger Rücksicht, dass keine Kreutzung mit dem Auxiliar- 
corps eintrete; nicht minder haben Sie den Befehl zu erlassen, 



1. Der Entwurf von Metternich übersandt mit den Worten: „Ew. Maj. 
Dürften Allergnttdigst geruhen, nun, da die nötigen Finanzmittel herbeigeschafft 
werden können, und jeder Augenblick Verlust unersetzlich ist, das folgende 
Handbillet an den Hof kriegsraths-Prasiilenten zu erlassen." Der Vortrag tragt 
das falsche Datum des 14. Marz. Das richtige ergiebt sich aus der Ausfertigung 
auf dem Kriegsarchiv. Ohnehin wilrde der Inhalt eine Entstehung im Marz 
ausschliessen. 

2. Ein vom Kaiser gestrichener Passus gab die Starke beider Armeen auf 
60000 Mann an. 

3. Korrektur des Kaisers statt : die Division Prohaska. 



• 



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- 377 - 



dass mit Ausnahme der zum Pestcordon benöthigten Mannschaft 
die annoch in Siebenbürgen und der Bukowina 1 liegenden 
Truppen sogleich 1 nach Galizien vorgezogen werden. 



4. 

Verbalnote des französischen Gesandten Graf Narbonne 
an Graf Metternich vom 7. April 1813. 

L'ambassadeur de France u'empresse de satisfaire au desir 
qu'a temoigne Son Excellence, Monsieur le comte de Metternich, 
Ministre d'Etat et des affaires etrangeres, d'avoir une note ver- 
bale des Communications qui ont ete l'objet de leur Conference 
de ce matin. 

S. M. l'Empereur des Francais veut que ses intentions et ses 
projets soient toujours completement connues de son Auguste 
allie, dans toutes les suppositions possibles. 

L' Ambassadeur se fait donc un devoir de retracer ä son 
Excellence los poiuts dont il est utile d'avoir une idee precise 
et dont le sens est si propre k faire entrevoir des arrangemcnts 
k la fois de la plus haute importance pour l'Europe et du plus 
grand avantage pour S. M. l'Empereur d'Autriche. C'est, uni- 
quement, pour arriver a ce but, si desire par rAutriche, que 
l'armee francaise se trouvera au 1 er de Mai plus forte ä tous 
egards qu'elle n'^tait au commencement de la demiere cy^mpagne. 

Le Gouvernement francaia croit que la Russie est bien loin 
de partager ces loyales intentions et qu'enyvree par les circon- 
stances du moment, eile concoit de grandes esperances de la 
Prolongation de la guerre. ^ 

Dans cette circonstancc, 1' Antriebe qui s'est mise en avant 
jiour la paix et qui la desire si vivement, doit prendre, pour 

tendre ä ce but, une couleur prononcee, insister sur l'ouverture 
"immödiate d'une negociation , exiger que des plenipotentiaires 

soient nommes, qu'un armistice soit conclu et entrer dans la 

lutte comme partie principale. 

1. Zusätze des Rainers. 



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- 378 - 



Cette resolution auraifc des avantages immediats. L'Autriche 
pouvant disposer de 100000 horames dans la Situation actuelle, 
le faible accroissement de forces, que la Prusse donnera k la 
jRijssie, se trouverait annulle, mais encore cette puissance serait 
obligee de secourir la Prusse. La resolution de l'Autriche ferait 
faire de serieusea retiexions a la Russie et l'Autriche arriverait 
a ce qu'elle desire: la Paix. 

Comrae toute idee abstraite n'est d'aucun resultat dans un 
moment ou le tems court avec rapidite, on va tracer le mode 
d'execution du parti que devrait prendre l'Autriche. 

Dans les premiers jours de Mai, lorsque l'Empereur des 
Francais sera de sa personne sur la rive droite de l'Elbe avec 
plus de 300000 hommes, l'Autriche pourrait renforcer l'armee 
de Cracovie et la porter avec les troupes du Prince Poniatowsky 
a plus de 500C0 homraes. L'armee de Cracovie doit etre de 
30000 hommes, les Polonais en ont 10000; ce serait donc une 
quinzaine de mille hommes a y ajouter. Ces mouvemens ayant 
lieu en Avril, l'armee, se concentrant, se mettrait sur une po- 
sition defensive, mais serait prete ä reprendre l'offensive. Un 
Corps de 30 ä 40000 hommes se rassemblerait en Boheme, sur 
la frontiere de la Silesie. pret ä se reunir par la gauche, sur 
l'ordre, avec l'armee Fran^aise. Le jour oü l'Empereur arriverait 
ä la tete de l'armee du Mein, sur l'Elbe, le Ministre de l'Autriche 
ferait sa declaration ä l'Empereur Alexandre. L'armee de Cra- 
covie denoncerait son armistice et les troupes du corps de Bo- 
heme sortiraient de leurs cantonements et camperaient dans une 
bonne position. 

Si l'Empereur Alexandre se refusait ä entrer en negociation, 
il est facile de prevoir que les Russes seraient promptement 
repousses; l'Autriche entrerait dans la Silesie et en ferait la 
conquete avec le corps de Boheme: Le corps de Cracovie, joint 
au corps Polonais, se reunirait ä l'Empereur sur la Vistule. 

Pour qui connait la Situation de la Russie, les pertes qu'elle 
a faites, reffet de ce developpement de forces ne peut etre 
incertain. Aussitöt que les troupes francaises apparaitront aussi 
fortes, aussi bien organisees qu'elles le sont, la Russie, au lieu 
de se complaire dans ses illusions, — envisagera serieusement 
les affaires, et se rendra aux desirs de l'Autriche ; si non, la 



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- 379 - 

conquete facile de la Silesie, pays abondant oA les troupes Au- 
trichicnne8 foront volontier« la guerre, est immanquable. ^ 

Ainsi la maniere d'intervenir de l'Autriche pour tirer l'Empe- 
reur Alexandre de son enivremont, et le porter & la paix, est 
bien determinee et n'exige pas d'autres efforts que ceux que 
l'Autriche a dejä faits. 

Seulement les conditions viaisemblables et possiblea de cette 
paix ne peuvent etre arretees entre la France et l'Autriche que 
d'apres les propositions apportees par le P c « Schwarzenberg et 
les Instructions qui seront donnees en consequence ä 1' Ambassa- 
deur de France. 

Mais il est possible que la Russie dans son aveuglement 
prefere la guerre, et qu'elle-meme prepare ainsi les grands sucees 
qui en seraient pour la France et pour l'Autriche le resultat 
certain. Dans ce cas, l'Autriche ne peut manquer de prevoir la 
perte de la Prusse, et il n'est pas sans utilite qu'elle soit in- 
formee, d'avance, des dispositions generales de la France pour 
cette hypothese. 

La population de la Monarchie Prussienne est de 5 Millions: 
On en fonnerait trois lots: Un million resterait k la Prusse sur 
la rivo droite de la Vistule, deux millions iraient a l'Autriche, 
et denx millions ä la Saxe ou ä la Westphalie. Le plus beau 
lot serait pour l'Autriche. La Silesie, qui se reunit ä la Boheme 
et qui est la plus belle et la mcilleure partio des possessions 
Prussiennes, est hors de toute comparaisou avec ce qui revien- 
drait aux fautres] 1 allies de sa Majeste, l'Empereur des Franvais. 

Les moyens militairs de 1'Autriche devaient s'elever a 100000 
hommes, 30 ä 40000 pour l'armee de Silesie, 30 ou 35 pour 
celle du P ce Schwarzenberg; le reste ä la disposition de la France 
dans la Bukowine et dans la Gallicie. 

Le but de la grande armee serait de couper la Silesie de 
tonte communication avec la Russie et Colberg, afin que l'armee 
Autrichienne n'eprouvät aueun obstacle dans la conquete de cette 
provinee. 

Oes points politiques. arranges, les Operations militaires Tetant 
egalement, il reste ä bien convenir des demarches de l'Autriche. 

I. Von fremder Hund eingeschoben. 



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— 380 — 



Les jours sont comptes. 

Dans les premiers jours de Mai, l'Empereur serait sur l'Elbe; 
l'armee de Boheme et celle de Cracovie agiraient comme U a 
ete dit. 

Le Ministre Autrichien pres de l'Empereur Alexandre deman- 
derait que l'intervention de l'Autriche fut admise, et que des 
plenipotentiaires fussent nommes par la France, l'Autriche, la 
Russie et la Prusse. Un armistice serait convenu pendant la 
negociation. 

Les plenipotentiaires se reuniraient entre Breslau et Dresde. 
Si les anglais voulaient en envoyer un, il serait recu. 
Mais l'armistice a ses difficultes. Dantzig, Thorn, Modlin 
ont des approvi8ionnement8 pour un tems determine. Ges appro- 
visionnements devraient rester intacts. II Berait pourvu a la 
commuuication de ces places pendant toute la duree de l'ar- 
mistice, de sorte que l'armistice venant ä cesaer, leur approvi- 
sionnement se trouvät dans le raeme etat qu'auparavant; autre- 
ment l'armistice serait t.out ä l'avantage de l'ennemi, puisqu'il 
aurait ces places sans courir aucune chance. 

L'ai-mistice une fois admis, les negociations ne pourraient 
etre longues. Les armees Autrichiennes et Francaises y gagne- 
raient plus que les armees Russes et Prussiennes. II serait 
donc de l'interet de la Russie de rompre ou de conclure, mais 
quand on se sera vu, il sera difficile de rompre. Le langage 
et le poids de l'Autriche feraient bien plus dans la balance que 
les moyens de la Prusse, et en Russie la paix doit etre le vceu 
public et le besoin gen^ral. 
^ L'Empereur Alexandre et le Roi de Prusse etant ä Breslau, 

•'. l'Empereur d'Autriche pouvant venir k Prague, gt l'Empereur 

Napoleon pouvant etre ä Dresde, les parties coutractantes se 
trouveraient rapprochees, de maniere que les negociations pour- 
raient etre poussees avec une grande activite. 

Si la Russie refuse d'envoyer les plenipotentiaires ou si, 
apres les avoir envoyes, l'armistice est rompu, les corps se met- 
tront en mouvement et les Operations commcnceront. 

L' Ambassadeur resume les principaux objets de cette note. 
La defection de la Prusse offre des circonstances nouvelles 
qui doivent influer sur les determinations de l'Autriche. 



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- 381 - 

La response evasive de la Rusaie donne peu d'esperance de 
la paix. Le parti qu'a pris cette Puissance de porter la Prusse 
a uu eolat semble annoncer par des raisons qui ont et6 deduites 
qu'elle est d6cid6e k continuer la guerre. 

L'Autriche peut encore contribuer ä vainojre ces dispositions, 
mais eile n'y parviendra qu'en se prononcant et en prenant une 
attitude decidee. 

Elle est interessee a le faire, si, en effet, son entremise eat 
dedaignäe, et 'si comme la France en a l'assurauce, eile veut 
reellement la paix ; il est Evident, aujourd'hui, que des demarches 
faibles ou equivoques ne sauraient y conduire. 

Elle y est egalement interessee, si la guerre ne peut Stre 
evitee. Le parti qu'a pris la Prusse amene des chances aux- 
quelles rAutriche ne peut pas s'exposer, de meme qu'elle ne 
peut y ötre etrangere. 

Ces chances arrivant, l'Autriche <ioit connaitre quels en 
seraient les resultats et la part qu'elle pourrait y prendre. Le 
Gouvernement francais s'explique categoriquement ä cet egard. 

D ne s'agit pas de demander ä la Russie de traiter sans 
ses allies et en se separant d'eux, mais afin d'empecher l'Autriche 
de devenir partie principale dans la guerre, d'ouvrir une negoci- 
ation oü tous ses allies seraient admis. 

Des Communications aussi claires et aussi precises, ne peu- 
vent laisser aucun doute sur la confiance et la franchise avec 
laquelle 8. M. l'Empereur veut que ses ministres s'expliquent, et 
l'ambassadeur de France en remplißsant les intentions de son 
Maltre a k se feüciter de n'avoir ä employer qu'une langue si bien 
entendue par 8. M. l'Empereur d'Autriche et si bien parlee 
par 8. Ex. le Ministre des relations exterieures. 

II ne doute que Monsieur le Comte de Metternich n'approuve 
les motifs qui lui font desirer d'obtenir, dans le plus bref delai 
possible, une repouse que S. M. l'Empereur a de si pressantes 
raisons de connaitre. 

L' Ambassadeur de France saisit cette occasion pour renou- 
veller a Son Excellence les assurances de sa haute cousideration. 

Vienne le 7 Avril 1813. 
A Son ExcetteJlce Monsieur le Comte de Metternich 
Ministre dCEtat et des affaires Hrangeres. 



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- 382 - 
B. 

. Stadion an Metternich [30. Mai]. 1 

J'ai travaille dans tout cela comme si c'etait ma conviction 
et mon siateme, et je continuerai de raerae. Mais je n'en suis 
pas moins convaincu que nous preuous le faux parti et Selon 
tout calcul raiso nable le chemin de la ruine. Or: ces gens-ci 
sont battus par notre faute, par nos demies volontes, nos demis 
moyens, notre demi langage et alors enx sortirout toujours bien 
de Paffaire et laisseront TAutriche a faire les frais de leur 
raccomodement, ou bien nous parvenons au but de nos desirs ä 
une negociation qui tire par sa duree raeme Napoleon de tous 
les embarras et rive douc nos fers pour toujours ou bien: la 
France et la fiussie las de faire des compliments avec une Cour 
qui a volontalrement paralise ses moyens s'arrangent a l'amiable 
et nous abanderont ä Aiotre perte. La supposition la plus heu- 
reuse et bien au dela de mes esperances c'est sous notre Medi- 
ation une paix platree aux plus petites de nos petites conditio ns 
qui au bout de deux ans prepare la necessite d'une nouvelle 
guerre que nous n'aurons ni le courage de commencer ni la force 
de soutenir ni le credit politique de rendre commune k quelque 
puissance de l'Europe que ce soit. 

Pensez k deux et k dix et a cent fois sur le parti que 
TAutriche a a prendre. II la conduira ou au veritable grand 
role de mediateur de la paix et de l'Europe ou ä l'asservissement, 
k la dissolution, au par tage. Le temps perdu, tout est perdu. 
L'heure du berger a sonne, mais tandis que nous en discutons 
eile passe. Adieu. Je croyais que notre mot etait Courage, fer- 
mete et conatance. Tout a vous 

Stadion. 

* 

6. 

Stadion an Metternich 2. Juni. 

Dans mes depeches de ce Jour je me suis tenu, mon eher 
Comte, dans les bornes strictes de rapport. Mais je ne puis 

1. Der undatierte Brief liegt der Expedition vom 8. Jnni \>vi \ doefc gehört 
«tr wahrscheinlicher zu der vom 80. Hai. 



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- 383 — 



laisser partir cette expedition sans voua adresser directement encore 
quelques reflexions dont l'importance de la circonstance et le danger 
que notre marche politique nous präsente me fait un devoir. Vous 
vous trompez positivement sur le fait quand vous jugez de la 
Situation des allies. Iis ont fait une enorme gaucherie en se 
retirant apres les affaires du 2. derriere l'Elbe. Iis n'ont pas 
mana3uvre aussi bien que Napoleon quand ils ont perdu une 
bataille aupres de Bautzen; ils auraient peut-etre dü ralentir ou 
arreter leur retraite au Bober, a la Katzbäch, a quelque autre 
position, mais leur aruaee est reatee intacte malgre leurs fautes, 
rEnnemi se trouve plus embarrasae dans la poursuite qu'eux 
dans la retraite. Iis pourraient reprendre tous lea jours l'offen- 
sive et avec avantage. Le soldat, l'officier, les generaux meme 
le demandent, la defiance des souverains dans la capacite de 
leurs feseurs, le jeu de l'amour propre qui ne leur laisse plus 
courir les risques de perdre une troisieme bataille les retient; 
hors du pais qui souffre dans cet Etat des choses, la Situation 
de Napoleon n'en devient pas raeilleure, et il n'y a qu'a regarder 
la carte et compter le nombre d'houimes que l'Autriche d'un 
cöte et le prince royal de Suede 1 de l'autre pourraient faire agir 
dans le dos des francais remis ä cet easaim de partisana et 
au Corps de Bülow, pour se demontrer la facilite et la certitude 
d'avoir la meilleure paix, si ou avait la volonte de la vouloir. 

Yqus._yqus plaignez de Pexageration des eonditions enon- 
cees a Wurschen. C'etait ä la verite a peu pres la meilleure 
paix possible qu'on mettait en avant. L'arrivee de Mr. de 
Nesaelrode vous a dü prouver, combien les allies etaient aiaes ä 
manier lä-dessus et k se laisser marchander jusqu'aux degres 
d'une paix passable. Mais quelle raison y a-t-il dans tout ce 
qui est arrive pour vouloir non seulement la plus mauvaise, mais 

1. Dazu am Bande: Je nomine le prince royal de Suede parceque on 
compte ici sur lui et qu'on avance avec beaucoup de bonne raison que cet homme 
qui veut trafiquer de aon secours, en deviendrait beauconp meilleur marchand dös 
qu'il verrait l'Autriche entrer en lioe et par consequent moins de valenr a sa 
marchandise. H donne 1«b troupes sut'doises pour 25000 h. et elles »ont peut- 
etre entre 18 et 20000 eflectifs. Ce nombre de plus ou rooina ne change pas le 
fonds de mon raiaonnement d'autant que les mfimes complications qxii rendent 
le secours de la Suede moins eftectif, paraliseraient de mßme les moyens suedois 
contre les allies, si eile voulait (ce qu'elle ne peut peut-ßtre plus) cbanger tout' 
a-iait son sisteme. 



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- 384 - 

ehcore une paix qui en serait moins une que toutes les paix qui 
ont ete sigriees depuis 1797? 

Vous repondez: ila sont trop maladroits, meme dans la meü- 
leure Situation possible ils ne sauraient en tirer parti. H me 
semble que nous avons vu qu'ils ne sont pas savans pour donner 
bataille et qu'ils font des fautes. Dans la totalite cependant ils 
se sont superieurement bien battus, ils ont agi avec suite, avec 
constance, leur contenauce l'emporte sur celle des troupes de 
Napoleon. D'ailleurs des que nous entrerons en activite, ils ne 
demandent pas de niieux que de suivre nos conseils. 

Toutes ces considerations auraient encore peu de valeur 
pour rooi, s'il s'agissait pour PAutriche du plus ou du moins 
de bien, du plus ou du moins d'avantage. Au contraire, les 
conditiotis que vous posez actuellement et dont vous parlez dans 
votre dep£che particuliere sont le plus grand mal et le chemin 
du n6ant pour la monarchie autrichienne. Les provinces illiri- 
ennes et la Dalmatie?! qui nous les garantit pour six moix, si 
tout le sisteme de Napoleon reste dans toute sa force en Italie 
et en Allemague, si la Prusse, ecrasee par les tributaires fran- 
cais jusqu'ä FElbe reste ouverte a chaque invasion que le 
Cabinet francais commandera? Cette guerre terminee d'une 
maniere aussi funeste, pourrons-nous mettre cinquant mille 
hommes en plan pour garder la frontiere? La Prusse pourra-t- 
elle en mettre 30 mille pour se defendre? La Russio vuudra-t- 
elle etre assez dupe pour rentrer en Jeu pour quelque partie du 
oontinent que ce soit 

Votre Idee d'une ligne de la ßaltique ä TAdriatique peut 
tout äu plus s'enluminer assez jolimeut sur une carte, mais eile 
donne la grosse et bonne moitie de l'Europe a la France, et 
l'autre moitie plus reculee et plus mauvaise ä partage entre trois 
puissances dont les 2 voisines de la France en deviendront ne- 
cessairement une province, des que la Russie n'a pas la force 
ou pas la volonte d'en faire ses esclaves. 

Et pourquoi, mon eher comte, toute cette ruine, toute cette 
demolition de ce qui avait resist^ encoro au torrent des 6v£ne- 
ments? parceque les Russes et les Prussiens sont avec cent et 
tant de mille hommes au delä de l'Oder ä attendre des renforts 
d'k peu pres egale force et parceque Napoleon peu k l'aise dans 



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- 386 - 



aa Situation actuelle a besoin de tout ce recul de l'Autriche pour 
gagner quelques mois, reformer sa cavalerie, atirer de nom- 
breux renforts et se rendre de nouveau maitre del'Europe con- 
spiree contre lui. 

Je cherche la raison de tout ce qui abat mon courage dans 
le coeur de l'Empereur et dans les motifs respectables qui 
peuvent lui faire craindre la guerre meme sous les circonstances 
les plus rassurantes. 1 Mais quand il s'agit de son existence, quand 
il doit se dire que son jugement est dejä port6 dans Farne de 
Napoleon, quand tout demontre qu'il est voue a la Vengeance . . . 

Pensez, mon eher Comte, ä la conservation de notre bon 
souverain , a celle de la monarchie autrichienne et ä votre propre 
Gloire. Adieu. Je suis plus que jamais tout a vous 

Stadion. 



7. 

Stadion an Metternich 8. Juni. 

- 

Que j'ajoute quelques mots sur des objets plus confidentiels 
a mes depeches de ce jour. 

Un tres grand mal dans ce quartier general, c'est Mr. de 
Knesebeck dirigeant a peu pres seul en derniere instance les 
mouvemens militaires et meme quelques mesures politiques qui 
y ont rapport. L'Empereur Alexandre n'a personne autour de lui 
qui entende la theorie de la Guerre ou du moins qui sache la 
parier. Le general Toll, jeune homme d'une fort bonne tournure, 
n'est *q\?err söüsordre du prince Wolkonsky et n'a pas assez 
d'influence dans les discussions du quartier general. On tient sur 
tout objet quelconque un Conseil militaire entre les deux sou- 
verains, le commandant en chef, Wolkonsky ou Toll et puis Mr. de 
Knesebeck« L'einpereur par une sorte de deference pour le roi de 
Prasse, par defiance peut-Ätre encore dans ses generaux qui 
* 

1. Zusatz am Bande: aveo une contenance ferme je anis enolin de croire 
que mfime dans ce moment-ci une forte dömonstration sufürait pour arriver 
du moins ä de bonne s conditions au üeu des plus mauvaises dont nous voulons 
noua eontenter. 



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- 366 - 



entendent moina la pedanterie du mutier et ont la parole moins 
savante, finit presque toujours par se rendre a l'avis de ce 
dernier. Or c'eat poaitivement un de ces hommes qui ä force de 
peser et de repeser et de contrepeaer tous les argumenta pour 
et contre savent tout au plus le lendemain ce qu'il aurait fallu 
faire la veille, et qui courageux devant l'ennemi n'ont ui cobut 
ni courage quand il a'agit de prendre une determination tant 
soit peu vigoureuae. Voilä de quoi conviennent meme ses amia. 
Sea ennemia en direut pia. Maia tout le monde deaire ardemment 
que le General Scharnhorat puiaae arriver bientöt et il me semble 
que c'eat vraiment neceasaire. 

Je ne aaia ai le Courier ruase qui eat parti cette nuit ne 
porte paa ä Mr. de Neaselrode l'ordre de rester encore chez 
voua et de ne paa se rendre ici. La bonne äme Anataedt veut 
aana contredit profiter de aon abaence et mel un grand interät 
ä la prolonger. Je crois au contraire qu'il eat important, qu'il 
eat meme indispensable pour placer ici la question dana notre 
point de vue que Mr. de N. revienne et qu'il rende compte de 
bouche k l'Empereur. C'eat ä Voua, mon eher Comte, ä mettre 
de l'ordre k ceci. 

Mr. de Stein revenant de Prague vient de passer chez moi. 
H dlt^oefveille de noa~ troupes, du prince Schwarzenberg, de 
Radetzky, du grand bourgrave, de l'Eaprit qui anime tout cela 
et laiaae le reste dan8 le doute ce qui ä mon avis eat ce qu'il 
peut faire de mieux. II m'a dit, comme bruit de Ville, qu'on 
enverrait ici de la part de notre armee le colonel Comte de 
Latour. Je ne aaia a'il eat vrai, mai8 eu tout caa penaez k deux 
foia, mon eher Comte, ä l'homme que Voua laiaaeriez envoyer 
ici. II faut qu'il ait l'eaprit juate, du calme dana l'obaervation 
et qu'il aoit depourvu de tout eaprit d'intrigue. 

On aerait aan8 doute fort charme ici d'entendre une propoaition 
d'entrevue entre lea deux Souveraina. Ne croyant paa ce moment-ci 
fort propice k une teile invitation, j'ai ai bien fait qu'on ne m'en 
a paa meme temoigne le desir quoique je soia aaaure qu'il existe. 
II me auffit de voua en avoir averti. 

Votre depeche particuliere, mon eher Comte, portee par 
Kemperle a produit en moi une aenaation penible. Elle confirme 
ee que je craignaia et ce que je aupposai8. Ce n'eat pa8 la 



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— ^87 — 



Situation politique de l'Europe ni meme notre position militaire 
qui determine nos conseils, mais des considerations interieures et 
personelles. Comment est-il possible qu'ii ne espece aussi 
meprisa ble ^u'un Duka decide en dernier ressort de la^estmee 
de la Monarchie autrichienne? Je reste k la conviction plusieurs 
^018 exprimee que nous ne sommes plus les maitres de notre 
mar che et que les Evenements nous emporteront. Que du moins 
pour ce cas nos moyens soient prets, suffisamment actives, aussi 
forts que Pexige la circonstance et que nous ne nous mettions 
pas aussi au regime de deplorer le Lendemain ce que nous 
n'avons pas fait la Veille. Pensons qu'il s'agit pour nous de 
l'existence ou de la destruction et agissons en consequence, 
sans nous embarrasser de ce qu'en dira cette vermine qui ramge 
autour du tröne de notre bon empereur. 

Vous pensez sans doute comrae moi qu'il est tems ä present 
de mettre beaucoup de celerite dans notre marche materielle. 
J'attends lä - dessus des informations et des instructions. C'est 
surtout la Prusse qui les presse, et effectivement il n' y a pas 
de tems a perdre si nous ne voulons pas encore rester en 
arriere du moment. La lutte qui pour nous aurait ete aisee 
pendant le cours du mois de Mai ; plus vive, mais peut-etre plus 
avantageuse et plus decisive encore, si nous avions pu sortir de 
nos frontieres entre le 1 er et le 8 ou 10 du Juin, va devenir douteuse 
et penible, mais si comme j'en suis persuade eile est finalement 
inevitable que du moins nous ne la rendions pas ä force d'in- 
certitudes et de lentettr tout ä fait decidee coutre TAutriche. 

Laissez-moi, je Vous prie avec instance, mon eher Comte, 
hors du Congres de la paix. II n'y aurait d'apres votre propre 
idee qu' un plenipotentiaire des autres puissances. Ce serait un 
desavantage pour l'Autriche d'en avoir deux et deux du möme 
rang et independans l'un de l'autre. Les considerations du Ser- 
vice de l'Empereur sont si fortes lä- dessus que meme nomme 
je refuserais positivement. Adieu, eher Comte. Tout ä Vous 
de Coeur et d'ame 

ce 8 Juin 1813. Stadion. 



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- 388 - 

" Gentz, 
^ • Kesume de la Situation actuelle des affaires. 

Vienne ce 4. Jörn 1818. 1 

La retraite des armees alliees de l'Elbe sur l'Oder a la suite 
des avantages remport^s par l'Empereur Napoleon dans les jour- 
n6es du 2 et du 21 Mai nous a conduit ä une nouvelle epoque 
de la guerre. II vaut la peine de s'y arreter un moment pour 
comprendre comment des combinaisons en apparence si grandes 
out pu avoir de si faibles resultats et comment ä d'aussi bril- 
lautes esperances ont pu succeder les cruels embarras dans les- 
quels l'Europe se voit de nouyeau plonge. > 

L'e'quilibre du pouvoir avait et6 depuis des siecles la sau- 
vegarde de Findependance et de la prospe>it6 des Etats Euro- 
päern?. La destruction de cet equilibre par les aequisitions enormes 
de la France 2 est depuis dix ans le fleau des souverains et des 
peuples. Ceux meme qui par leur Situation locale etaient les 
plus attaches 4 la Puissance de Napoleon ne mecounaistsaient 
point cette verite. 3 II n'y avait au fond qu'une voix en Europe 
sur la necessitä de changer un eiät de choses, que chaque moment 
de sa duree rendait plus dur et plus insupportable, et avec lequel 



1. Bubna an Metternich, Dresden 9. August nachts: Der Kaiser hat mir ein 
Memoire gegeben, was in Wien cirknlieren und von Gentz sein soll, S. M. sagen, 
das enthülle unsere ganze Politik. Ich lasse es abschreiben und werde es über- 
senden. — Derselbe an denselben, Dresden 12. August, Nachschrift: Ich über- 
sende E. E. in der Anlage die figurierte Abschrift des Meraoirs, so der Kaiser 
Napoleon mir jüngstin gegeben hat. Alles, was mit roter Tinte geschrieben 
ist, war durch fremde Feder im Original angesetzt. Es scheint, dass diese 
Schrift adaptiert wurde für den Druck , die ausgestrichenen Stellen führen mich 
auf diese Vermutung. — 

Wahrscheinlich steht es im Zusammenhang mit diesen Berichten, wenn 
Gentz selbst, Tagebücher I, 270, bei Erwähnung der Schlacht bei Leipzig erzahlt, 
dass Napoleons persönlicher Hass gegen ihn „sich noch wenige Monate zuvor 
(wahrend Bubnas Anwesenheit zu Dresden) bei Gelegenheit einer durch Zufall 
oder Verrath in seine Hände gefallenen, im Monat Marz von mir abgefassten 
geheimen Stnatsschrift offenbarte". Da der fragliche Teil der Tagebücher nur 
ein spaterer Auszug aus den ursprünglichen ist^ kann „Marz" leicht Schreib- 
oder Lesefehler für Mai sein, und das Memoire ist gewiss schon in diesem Monat 
beg 



2. Französischer Zusatz: et de l'Angleterre. 
ji. .,Ceux- verite" französisoheraeits gestrichen. 



1 



v 



V 



V 



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— 389 — 



«Tailleurs il semblait inutile de se flatter d'une paix perma- 
nente. 

Apres les revers de l'armee Francaise en Russie on crut enfin 
avoir touche au moment oft des vobux si longtemps et si uni- 
versellement nourris pourraient se realiser. L'Allemagne et 
l'Italie tressaillirent ä l'idee de voir disparaitre le joug etranger. 1 
On regarda l'alliance entre la Russie, PAngleterre et la Suede, 
suivie bientöt de l'accession de la Prasse, comme une base 
assez solide pour porter un grand plan de regen eration po\i- 
tique. 

Dans les progres que les Russes avaient faits, depuis que 
la chance eut tourne contre leur ennemi, dans les grands pr6- 
paratifs, qu'üs annoncaient pour pousser leurs Operations, dans 
l'enthousiasrae qui s'empara de tous les pays entre l'Oder et 
PElbe, pn crut avoir le presage certain d'un changement total. 
Mais comme rien d'essentiel ni en bien ni en mal ne pouvait se 
faire Sans l'Autriche, c'est principalement sur eile que se fixait 
l'attention de tout le monde, et c'est sur le plus ou le moins de 
probabilite de sa Cooperation au salut commun 2 que se mesura 
d'un jour ä l'autre l'espoir d'y atteindre ou lapeurde levoir manquer. 

Le gouvernement Autrichien etait beaucoup trop eclaire 
pour ne pas sentir dans tonte son etendue l'importance extreme 
d'une Situation pareille. Le ministre qui dirige les affaires etran- 
geres de cette Monarchie est sans contredit et de l'aveu de tous 
ceux, qui savent juger ce genre de merite, un des hommes 
d'Etat les plus habiles qui se soient jamais trouves k la töte des 
grandes affaires. Le cabinet, dont ce ministre est l'äme, n'avait 
envisagä l'alliance avec la France conclue en 1812 que comme 
une de ces mesures. temporaires par lesquelles dans des conjonc- \ 
tures infiniment cntiques, en assurant son existence et en mena- 
geant ses ressources, on fait face aux orages du moment et se 
reserve a un avenir plus propice. 

L'Autriche n'avait pas perdu de vue un instant l'etat radical 
de desordre et de maladie qui affligeait toutes los parties de 
l'Europe et la necessite urgente d'y porter remede aussitöt qu'il 

1. „L'Allemagne — Oranger" franzüRischerseita gestrichen. 
2- Die letzten drei Worte französiaoherseite gestrichen. 




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— 390 — 



s'offrirait une perspective raisonnable de * succes.TElle profita 
donc sana hesiter des eveneirents de l'automne dernier et des le 
mois de däcembrc eile fit des demarches supeVieurement bion 
calcul^es, pour offrir un point de reuuion a toutes les puissances 
inte>ess6es au r^tablissement de l'6quilibre politique, pour pr6- 
parer le gouvernement Francais lui-möme ä reconnaitre la nöces- 
sit6 d'un changement, pour se d^tacher peu a peu et avec tous 
les menagements justes et sages d'un lien qui ne convenait plus 
a- la position toute nouvelle, dans laquelle eile se trouvait placee, 
et aux plans, que cette nouvelle position lui faisait un devoir 
d'embrasser, et pour r^pondre enfin au cri g£ne>al de PEurope 
qui appelait le Gouvernement Autrichien ä mettre un terrae 
a ses souffrances et ä reconstituer un veritable Systeme foe- 
deratif. 1 

II y avait deux voies pour arriver a ce grand but, celle des 
ndgociations et des armes. 

L'immense majori te des contemporains entraines comme cela 
arrive toujours par des apparences passageres et trompeuses, par 
les projets et les illusions du moment, par l'engouement ou les 
haines personnelles, ätait prononc^e pour la continuation de la 
guerre et l'envisagea comme le seul moyen infaillible, de ra- 
mener un meilleur ordre de choses. Cette maniere de voir pre- 
valut non seulement jlans la masse des peuples, mais malheu- 
reusement aussi dans les classes superieures de la soci£t6 et 
parmi ceux, qui guidaient les cabinets. Un petit nombre d'hommes 
sages, mais qui osaient ä peine elever leurs voix, etait d'un 
avis ditfförent. Iis se mefiaient des moyens militaires de la 
Russie, assez respectables pour defendre ses provinces et peut- 
6tre pour inqui6ter ses voisins, mais trop faibles, trop peu 
soutenus et beaucoup trop eloign^s du th^ätre pour des expe- 
ditions du centre de l'Europe; ils se mefiaient des talents de ses 
generaux dans des entreprises difficiles par elles-mßmes et qu'ils 
avaient a exäcuter contre un des premiers maitres en fait d'art 
militaire; ils se mefiaient de l'efficacit6 et surtout de la stabilitä 
d'une nouvelle coalition, ayant devant leurs yeux Texemple de 
quatre ou cinq de ces masses enormes qui au lieu de rdsister 

l. ,.et pour repondre — foederatif-' frunzÖMscherBeits gestrichen. 



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- 391 - 



\ 



au torrent, on avaient accelere et grossi les ravages; ils se me- 
fiaient enfin de l'exaltation populaire, ressort precaire et fragile, ~ 
qui a moins d'etre manie par un geuie superieur ne se soutient 
que pendant Pheure du succes et se brise au premier coup de |^\.^ 
vent, annoncant Parrivee des desastres. Iis croyaient, qu'un 
moyen beaucoup plus sür de profiter des avantages du moment, 
des impressions, que des revers sans exemple avaient faites sur 
l'esprit de Pempereur Napoleon, et de la destruction subite de 
plus de la moitie de ses forces militaires etait celui d'etablir 
un grand plan de pacification sur des bases d'une justice evidente 
moderees sans mesquinerie, larges sans extravagance, de presenter 
ce plan, pour la reussite duquel les pays soumis ä Napoleon et 
la France a la tete auraient fait des vceux tout aussi ardents 
que ceux, qui l'auraient mis en avant, comme une espece d'Ulti- 
matum de l'Europe toute entiere et de Pappuyer de tout ce que 
les puissances independantes auraient trouve de plus persuasif 
d'un cdte, de plus imposant de Pautre dans Punion intime de 
leurs principes, de leurs vues, de leurs resolutions, de leurs 
ressourcea et de leurs efforts. 

Si une demarche pareille eoncertee entre PAutriche, la 
Russie, l'Angletene, la Pruase. le Danemarc etc. etc. avait ete 
faite dans les premiers jours de msrs, (peut-etre encore 4 ou 6 
semainc8 plus tard) l'effet out ete graud et probablement decisif. 
Napoleon savait parfaitement bien, que l'armee qu'il formait pour 
une nouvelle campagne ue vaudrait pas celle, qu'il avait perdue 
en depit de Paveugle obeissance, avec laquelle on executait ses 
ordres; il sentait que les difficultes, le mecontentement, la resis- 
tance secrete, Phorreur de la guerre et la haine contre sa per- 
sonne augmentaient dans des progressions effrayantes; il common- 
^ait k etre fatigue d'une lutte, qui en supposant meme ce qu'il 
ne pouvait jamais supposer, que tous les adversaires finiront 
par se soumettre ä son pouvoir, ne lui offrait plus aucun avan- 
tage reel et dans laquelle, comme il veuait de Papprendre par 
une terrible experience, il etait chaque jour menace de rencontrer 
meme le tombeau de sa gloire. Un projet de paix, qui en le 
laissant en possessio!) d'un empire bien plus puissant que celui 
de Louis XIV, ne lui enlevait que des provinces detaohees, qu'il 
etait impossiblo ni de retenir ui de gouverner ä la longue, et 




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— 392 - 



lui ouvrit dans une paix generale un vaste charap, pour regagner 
les affections de ses peuples et pour se reconcilier avec le genre 
humain, n'aurait pas ete quoiqu'on en pense, sana attrait pour un 
homme accessible a plus d'un genre d'ambition, et l'idee, que ce 
meme projet unanimement adopte par tant de puissances ne serait 
plus legerement abandonne et defendu avec vigueur, l'aurait cer- 
tainement port6 ä des reflexions serieuses. La repugnance, que 
dans plusieurs de ses discours publice et dans quelques-unes de 
ses Conferences particulieres ü a exprime pour les cessions et 
les sacrifices que la paix lui imposait de toute necessitä, ne 
prouve rien contre ce raison nement. Des propositions isolees de 
teile ou teile cour, des insinuations timides, des demi-ouvertures 
articulees par tel ou tel ministre ou agent, loin de faire flöchir 
un souverain du caractere de Napoleon ne tendaient precisement 
qu'i l'avertir de l'absence de ce meme concert göneral, seule 
mesure assez fortement concue pour le frapper et pour fixer en 
meme temps l'opinion d'une raaniere tout-a-fait irresistible. 

Ce concert ne pouvait pas s'etablir, parceque les cabinets 
qui devaient y concourir, n'etaient nullement d'accord entre eux 
sur les bases et les conditions d'une paix generale et que, tandis 
que leyuns voulaient les adapter ä ce qui leur parut reel et prac- 
tiquable, les autres se livraient, pour les definir, aux illusions 
brillantes, qui composaient tout le fond de leur politique. 

L'Autriche avait sagemeut appercu qu'une preponderance 
aussi colossale que celle qu'il s'agissait de combattre ne pouvait 
pas etre detruite d'un seul coup, que ce serait une entreprise 
chimerique, que de vouloir assigner a l'Empire Francais les 
Hmites, que dans un calcul de theorie on exigerait pour l'eta- 
blissement et la conservation d'un equilibre parfait, que dans 
la Situation oü nous nous trouvons tous aujourd'hui, vivant sur 
nos dernieres ressources, mesurees d'un epuisement total, il fallait 
viser non pas ä ce qui comblerait nos vaeux, mais k ce qui nous 
etait strictement necessaire, que, pourvu que l'on püt obtenir 
une garantie raisonnable pour l'independance des Etats, qui ont 
survecus aux orages des temps, et par lä meme la perspective 
d'un meilleur Systeme politique pour l'avenir, il fallait se con- 
tenter d'un aussi grand avantage et renoncer ä une perfection 
ideale. 



i 

♦ 



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— 393 - 

Le cabinet de Vienne partait du principe lumineux qu'il 
etait indispensable pour la tranquillite future de FEurope troublee 
et ensanglantee depuis si longtemps bientöt par les conquetes de 
la France, bientöt par les projets de la Russie, d'empScher que 
ces deux grandes puissances ne puissent ni s'attaquer en enva- 
hissant et dechirant les pays, qui les separent, ni se prSter la 
main pour opprimer irapunement leurs vuisins, que pour cet 
effet les deux principaux etats de l'Alleinagne, l'Autriche et la 
PrussePretablis autant que possible dans leurs anciennes dimen- 

^sions devaient former deux grands corps intermediaires, capables 
de maintenir la balance, que pour le reste de l'AUemagne 
quelquesoitsa forme et sa Constitution, [plus ilj serait soustrait 4 l'in- 
fluence etrangere, plus il se trouverait en harmonie avec ce Sys- 
teme^ puisque la domination de la France en decö. du Rhin ätait 
tout aussi contraire k l'interet general de l'Europe, que la domi- 

n ation d e JaTJüssie en decä de la Vistule, que cette base cen- 
trale une fois posee, les puissances placees sur la periphere du 
cercle y trouveraient egalement leur soutien, que l'Espagne et 
la partie independante de l'Italie et tout ce qui par des com- 
binaisons iutures se detacherait de l'Empire Fran9ais dans le 
midi serait alors tout aussi assure contre de nouveaux enva- 
hissements de la part de la France que la Porte Ottomane et 
les Etats de la Baltique le seraient et devraient toujours Tetre 
de toute tentation quelconque de la part de la Russie, que quoi- 
que tous ces arrangements ne regardassent directement que le 
continent^l'Angleterre formerait la clef de la voüte et en signant 
la paix generale fondee sur le retablissement plein et entier des 
Communications commerciales entre tous les peuples et toutes 
les parties de la terre, conserverait le droit et le pouvoir de sur- 
veiller de tout temps le maintien de cet ordre de choses et de 
diriger ses forces contre ceux qui voudraient le subvertir ou le 
deranger de nouveau. Celle etait la substance du plan sur lequel 
le gouvernement Autrichien aurait desire de batir la paix. 

Le& vues et les pretentions de la Russie ne coincideraient 
_-que jusqu'a un certain point avec Celles de TAutriche. 11 serait 
iujuste de ne pas reconnaitre que, quelqu r ait 6t6 dans d'autres 
temps le Systeme et la conduite de la Russie, l'empereur Alex- 
andre a deploye dans cette derniere epoque et a inspire k 



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— 394 — 

tout ce qui l'entonre de pres un desinteressement et une_magna- 
nimite k toute epreuve. Ce n'eat donc pas dans des vues 
H'aggrandisBement ou seulement de profit aux depens de la cause 
commune qu'il aurait mis obstacle a aucun projet de pacifi- 
cation, mais par l'exaltation generale, il a cru avec tous ceux 
4u'il ecouta,- qu'il consujta, qu'il rencontra, qu'apres les sucoes, 
qui avaient enfle ses voiles, rien n'etait hors de la portee de 
son ascendant, que ce serait de sa part une politique mal 
entendue et presque deahonorante que teile, qui se bornerait a 
une demi-reatauration de l'Europe, que le moment etait beau- 
coup trop favorable pour ne pa8 demander la plenitude de roati- 
tutiona et fermer une fois pour toutea lea aources des desordres 
et des calamites. Guidee par cea principea la Ruasie, ä l'epoque 
oü son alliance avec la Prusae fut aignee, ne se serait pas con- 
tentee de moins que l'afiranchisaement de l'Allemagne, de la 
Hollande et de l'Italie toute entiere; le Rhin, lea Alpe8 et les 
Pyrenäes c'etaient la les aeules frontieres, qu'elle voulait accorder 
ä l'Empire Franvais. 

__X-<© gouvernement Britannique et ceux qui partageaient ses 
V / sentiments, prenaient un vol encore plus hardi. A Londres l'en- 
thou8iasme produit par la defaite de l'armee Francaise en Ruaaie, 
Vi "j avait degenere en veritable delire. Non seulement lea gazettea 
et le public, mai8 la cour, le8 ministreB, les membrea du par- 
lement — tout le monde etait persuade que la derniere heure de 
Napoleon avait sonne et qu'il ne s'agisaait plus de le combattre, 
mais simplement de l'achever et de lui porter, comme on disait, 
le coup de gräce. Quant aux Russes on les traitait en demi- 
Dieux, la reputation usurpee de Kutusow, un des generaux les 
plus mediocres de notro tempa, eclipsa presque la gloire impe- 
rissable de Lord Wellington, et d'apres le langage constant des 
feuillep publiques, de Celles surtout qui etaient tout particu- 
lierement devouees au gouvernement, les armees victorieuses du 
Dniepre et de la Duina renforcees par les miracles, que le patrio- 
tisme allait. operer parmi les peuples d'Allemagne, se precipi- 
taient sur le Rhin et apres avoir delivre tous les pays conquis, 
faisaient eclater la revolte dans toutes les partiea de la France. 
Avec des diapoaitiona et des attentes pareilles il etait difficile 
de 8'arreter a des conditions de paix; en moins les plus extra- 



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— 3«J5 — 



vagantes devaient aeules etre admises et goutees et en 
gouvernemeut Anglais semblait redouter jusqu' k l'idee et jus- 
qu'ä l'apparence d'une negociation, 

Lorsque Mr. de Weaaenberg arriva a Londres a la fin de 
^3lars, pour apprendre lea intentiona de ce gouvernement et 
l'inatruire des demarches que l'Autriche comptait faire en 
faveur d'une pacification generale, il recut pour reponae une 
lettre du Prince Regent a J'Empereur d'Autriche, dans laquelle 
celui-ci fut conjure de joindre aana delai aea force8 aux armeea 
"Triomphantea dea Alliea de l'Angleterre pour accelerer la chute 
du Tyran. L'acharnement etait ai grand qu'on ne demandait 
paa m6me au cabinet de Vienne, quel prix il voulait mettre 4 
aon acceasion, on lui aurait abandonne a aon gre la moitie 
du midi de l'Europe, on invitait mßme, o^ pj-esaait HSm- 
pereur de reprendre la V couronne .Imperiale de rAUemagne 
pour laquelle par des raiaona d'une haute aagesae ce souverain 
se montrait tres-indifferent. II est vrai, que la Ruaaie et la 
Pru8se n'adoptaient point dans toute leur etendue les prin- 
cipea exagerea de l'Angleterre, maia leur liaiaon etroite avec 
cette puisaance lea obligeait toujoura a un certain d£gre a 
menager aea illusiona et a partager see erreurs pasaionneea. 

Au milieu de cea terriblea diaparates, il etait difficile de 
a'accorder aur un projet de pacification quelconque. Bien plus 
que cela; lea puiasances, qui traitaient cea graudea questions, 
au Heu de Be rapprocher, ne faisaient au fonda (peut-etre aana 
le vouloir) que se de>outer et ae dejouer reciproquement. Elles 
a'imaginaient travailler au meme objet, et le fait eat, qu'elles 
marchaient dans des directions diametralement opposeea. Le 
cabinet de Vienne guido par des calculs sages et modäres ne 
regardait les preparatifs de guerre que comme le moyen de faire 
reussir les negociations. Les allies ne parlaient de negociation, 
que pour gagner un nouveau pretexte de continuer la guerro 
^_et surtout pour y entrainer l'Autriohe. 

Comme on ne pouvait, ou ne voulait pas^se concerter sur 
la paix dans le tems on il eut ete poasible de la proposer avec 
grand avantage ä Napoleon, il ne resta aux puiasances qu'a se 
concerter sur la guerre, maia ici se preaentait d'autres obstacles. 



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- 396 - 

\ L'Autriche avait depuis la guerre de 1809 considerablement. 
_reduit son armee. L'etat de ses finances l'avait engagee k cette 
reduction. Les cadres, il est vrai, etaient restes, et en autant 
qu'il ne s'agissait que d'hommes, pour les remplir, on savait bien 
que cette Monarchie n'en manquait jamais. Mais lorsque k la 
fin de l'annee 1812 le besoin d'une armee active se fit sentir, on 
s'apercut bientöt que de grands efforts pecuniaires seraient indis- 
pensables pour le rassemblement et Pequipement des troupes, 
l'acquisition des chevaux et la restauration de plusieurs branches 
militaires qu'une economie peut-etre exageree avait considerab- 
lement demontees dans les annees precedentes. Le ministre 
qui presida alors au departement des finances etait l'ennemi 
declare des grandes depcnses et en etat de protestation perma- 
nente contre toute mesure qui pouvait exiger des sacrifices d'argent. 

r L'empereur approuvait au fond et souteuait lui-raeme le Systeme 
de ce ministre, et malgre le grand credit de Monsieur de Metter- 
nich pour les affaires de la haute politique, l'opposition du comte 
Wallis arreta et entrava tous ses projets. Ce n'est proprement 
que depuis la resolution d'eloigner le comte de Wallis de l'admi- 
nistration des finances, c'est-ä-dire, depuis le conimencejQfiiuVd^avril. 
que le gouvernement prit son veritable effort, car ce n'est que 
"depuis cette epoque que Ton put s'occuper serieusement de 
mettre l'armee sur le pied de guerre et de trouver les fonds pour 
la maintenir. 

Le cabinet de Vienne n'avait jamais cache a la France ni 
avant, ni apres avoir signe son traite d'alliancc avoc eile, qu'il 
regardait comme un tissu d'anomalies, et comme une source 
intarissablo de trouble et de calamites l'etat, dans lequel 
l'extension sans mesure de l'Empire Francais avait place PEu- 
rope. Apres les desastres de l'armee Francaise en ftussie, la 
cour de Vienne avec une sincerite et un courage qui honoreront 

\ toujours ceux qui dirigeaient ses affaires, avait declare & l'em- 
pereur Napoleon qu'un changement quelconque etait necessaire, 
qu'il fallait enfin raettre un terme aux convulsions qui ravageaient 
taut de pays et ä cette incertitude cruelle qui planait sans cesse 
sur taut de souverains et de peuples; que l'interet bien entendu 
de l'empereur Napoleon lui-meme, la conservation de sa dynastie 

• et la consolidation de son gouvernement l'appelait a etablir une 



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- 39? - . 

paix juste et durable; que l'Autriche decidee sur sa marche ne 
cesserait plus de trayailler ä cette paix et que plutöt que de 
perdre un moment auasi favorable pour y parvenir, que celui ! 
que les circonstances avaient amene, eile entreprendrait tout 
pour en profiter et au risque m£me de se brouiller avec la 
France, quoique travaillant pour eile aussi bien que pour les 
autres puissances, consacrerait ä cet objet jusqu'ä ses derniers 
moyens. 

Ces repräsentations se firent avec tant de precision et de 
fermetä et en meme temps avec tant f(e delicatesse et tant de 
menagements personnels que l'empereur Napoleon se vit pour 
ainsi dire force de les ecouter et de les accueillir. II est asaez 
probable qu'il fut secretement bless6 de ce langage et mäcontent 
de l'esprit d'independance avec lequel l'Autriche exposait et de- 
fendait son Systeme et annoncait sa marche politique. Mais la 
loyaute et la sagesse de cette demarche, en lui ötant tout pre- 
texte raisonnable de se livrer a des plaintes contr'elle, le desarma 
entierement. Si au mois de Fevrier ou de Mars l'Autriche avait ( 
^euJOOOOO hommes sur pied, et prets a fräpper au premier signal, 
il est difficile de calculer, ce" que cette puissance toute seule 
aurait obtenu par ses negociations habiles. Privee de ce grand 
argument subsidiaire, ses demarches ne purent avoir qu'un effet 
incomplet. C'etaient les difficultes et les ^cüeils, contre lesquels 
les armements de l'Autriche avaient ä lutter dans son interieur 
et les calculs que Napoleon pourrait fonder sur ces obstacles 
qui s'opposerent au succes de la premiere mission du general 
Bub na. / 

C'est par les memes circonstances fatales qu'echoua au mois. 
d'Avril la grande tentation du Prince Schwa,rzemberg, quoique 
les instructions, qui lui servaient de base, fussent un chef d'oeuvre 
de principes et de raisonnement dont Napoleon fut frappe lui- 
meme. Mais il se contenta d'applaudir aux verites, que la cour de 
Vienne fit entendre d'une maniere si victorieuse, et de dissimilier 
le ressentiment secret, qu'il en eprouvait, tandis que, ne pouvant 
ignorer la lenteur de ses preparatifs et de ses mouvements, il se 
flattait d'atteindre au moment, oü il pourrait se passer de ces 
lecons^ II ne restait dans cet 6tat de choses qu' un seul moyen, 
qu'une seule combinaison pour reunir dans une entreprise commune 



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— 398 — 

les souverains qui reclamaient une paiz stabile et les changements 
politiques, sans lesquels il n'etait pas possible de l'etablir. N'ayant 
pas pu s'accorder sur une negociation g£ne>ale, ne pouvant pas 
compter non plus sur rintervention armee de l'Autriche (et de 
tout ce que cette puissance devait entraitier avec eile) pour le 
raoment oü Napoleon devait reparaitre en Alleraagtie, il iallait 
absolument diriger les Operations de maniere ä ne pas compro- 
mettre les forces, qu'on avait ä sa disposition avant que Celles 
| de l'Autriche ne pussent Stre en etat de cooperer, ce qui d'apres 
les Communications confidentielles, que le cabinet de Yienne lui- 
m§me eut soin de faire ä ce sujet, ne pouvait avoir lieu qu'entre 
le 10 et le 20 du mois de Juin. Jusque lä le grand point 6tait, 
non pas d'avancer au hazard et de se bercer de conquötes illu- 
soires, mais d'occuper des positions bien choisies, d'attendre 
rarrivee de ses renforts, de se preparer ä des entreprises vigou- 
reuses, et de laisser a chacun de ceux, qui devaient en prendre 
part, le temps necessaire pour achever ses preparatifs ä son tour. 
Au moment, oü TAutriche eut ete präte et döcidee a faire agir 
son armee, quelqu' evenement que se fttt pass^ dans l'intervalle, 
la partie devait ßtre completement liee, la force intacte, et 
habilement distribuee et chaque ressort parfaitement monte 
pour des coups decicifs. II est vrai que l'Empereur Napoleon 
n'avait pas laisse le temps aux allies d'executer un pareil Systeme 
> ■ f% )^ dans toute la latitude de sa perfection. Se trouvant a la t^te de 
110000 hommes avant la fin du mois d'Avril et ne pouvant pas 
se meprendre sur les motifs qui auraient porte ses ennemis k 
temporiser et ä menager leurs moyeiis, nul doute que par des 
Operations hardies et rapides il ne les eüt entames et forces 
ä l'action en depit de leurs calculs. Mais tout ce que cette 
objection peut prouver, c'est que la coalition de 1813 malgre les 
immenses avantages qu'elle avait sur toutes les coalitions pre- 
cedentes, partageait ä un certain point les vices et les inconv^nients 
inseparables de ces machin es compliquees. Puisqu'un bon Systeme 
n'est pas exempt de parties vulnerables, s'ensuit-il qu'il vaille 
mieux en embrasser un mauvais? Le tort des alliäs etait toujours 
d'avoir m6counu la nature de leur position et la conduite, qu'elle 
leur prescrivait imperieusement. Car, comme s'il n'en eut pas etö 
assez du danger inevitable, auquel les exposait dans toute hypothese 





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l'intervalle entre l'ouverture de la campagne et l'epoque de la 
maturite des armements Autrichiens, ils provoquerent et acce- 
lererent eux-memes ce danger par des mouvements precipitäs et 
des attaques temeraires. 

Plusieurs erreurs avaient concouru pour les jeter dans cette 
fausse route. D'abord ils avaient eu de la peiue a croire, que 
Napoleon apres de si grands desastres parviendrait ä creer une 
armee nombreuse dans moins de/quatre raois, quoique des avis 
d'une authenticite indubitable ^-eussent dü les y preparer depuis 
le mois de Fävrier. Ensuite ils s'etaient exagere leurs propres I 
nombres. On savait de tout temps qu'une armee Russe offre \ 
rarement dans la realite plus de la moitie des combattants que ] ^ f'.' 
les list-es officielles lui assignent. Cette fois ci, comme il s'agissait j I ^ 
de si grands objets, et qu'effectivement de si grands efforts avaient 
ete faits dans toutes les parties de l'Empire Russe, les esprits 
incredules etaient disposes ä admettre une exception ä la regle 
commune. D'apres les tableaux les plus detailles dresses par 
les authorites les plus competentes, communiques ä plusieurs 
reprises aux cabinets directement iuteresses, a connaitre la verite 
tonte entiere, tableaux specialeroent garantis par les hommes du , 
metier les plus instruits et auxquels il etait impossible de sup- 
poser aucun motif de mauvaise foi ou d'ostentation, on ne pouvait 
pas se refuser de croire que 1' Armee Russe et Prussienne reunies f , 

preaenteraient au commencemOnt de Mai un total de 160000 
hommes pour le moins, et cependant ce calcul se trouva en 
defaut. 11 est douteux aujourd'hui si la force des alli^s entre 
l'Elbe et l'Oder a jamais monte ä 120000 hommes effectifs. 
Enfin on s'etait flatte, que l'excellente qualite de ces troupes et 
leur bonne volonte et l'esprit qui les animait compenserait 
amplement l'avantage, que la sup6riorit£ du nombre pouvait 
donner ä l'armee Fran^aise extremement mal composee et tout- 
ä-fait degoütee de la guerre. Mais on oublia qu'un instrument 
tres-imparfait ou mßme decidement mauvais peut entre les mains 
d'un maltre consomme l'emporter sur Tinstrument le plus exquis, 
confie ä des artistes mediocres, et on fut surpris, peut-ötre mßme 
consterne de voir ce principe incontestable triompher de nouveau 
dans la joumee de Lützen. 

On dira et avec raison que, si les allies ne s'etaient pas 



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- 400 - 



avances sur la Sale, Napoleon n'en aurait pas moins passe l'FJbe 
pour les chercher daus teile position qu'ils eussent pu choisir. 
Mais si cette position avait &t& bonae en elle-meme et fortifiee 
au 8urplus par des retranchenients, si rien n'avait £t6 näglige 
pour d^truire les moyens de passer la riviere, ou pour opposer 
au moins ä ce passage toutes les difficultäs que l'art pouvait 
suggerer, si on avait obligö Napoleon ou de le forcer au risque 
de grands sacrifices, ou de se porter sur des points plus faciles 
par des detours considerables, personne ne niera qu'il eüt ete 
possible de gagner 3 oir 4 semaines sur l'epoque de la premiere 
bataille rangee. Or trois ou quatre semaines etaient beaucoup 
dans les circonstances donnees. Ce delai aurait d'abord assure 
aux allies 25 ä 30000i hommes de plus, car on sait, que les corps 
Bous les ordres de Barcley de Tolly et de Sacken arriverent, 
Tun ä Bautzen peu de jours avant la bataille du 21 Mai» et 
l'autre a Breslau ä l'epoque meme ou peu apres cette bataille,, 
mais ce qui etait encore tout autrement important, c'est que 
chaque jour de ces trois ou quatre semaines rapprochait le moment 
oü l'armee Autrichienne devait etre eh etat d'agir. Plus on tou- 
chait de pres a ce moment, et plus la grande proximite de cette 
armee auiait influe sur Ja marche de la guerre. Les mouve- 
ments de Napoleon auraient &t£ moins libres, moins decid^s, peut- 
etre moins rapides si une diversion aussi puissante l'avait menace 
pour ainsi dire de la veille au lendemain, et toute autre choae 
egale, les allies se seraient battus sur chaque point dounö avec 
plus de confiance et de pers6ve>ance, s'ils avaient eu la perspec- 
tive prochaine de cette diversion. Depuis le commencement de 
leur retraite les allies ont repetö souvent_et repetent encore, non 
seulement dans les depeches ministerielles mais dans les articles 
meme destines au public „qu'ils ont de tres-bonues raisons 
pour ne pas esposer aux hazards d'une seule journäe des forces, 
qu'il vaut beaucoup mieux reserver pour des conjonctures 
plus avantageuses et des entreprises plus decisives." Lesens 
de ces observations n'est pas difficile ä saisir. Mais pour 6tre 
consequent dans ce Systeme, il fallait s'en penetrer tout-a-fait 
et ne rien confier au hazard pendant que le temps faisait mürir 
les „conjonctures avantageuses" auxquelles on s'attendait. 

Apres tout, si les allies ont fait de faux calculs militaires 



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- 401 - 



ou, s'ils se sont ecartes de la ligne, qu'ils jugeraient eux-memes 
la plus süre et la plus sage, les erreurs, dans lesquelles ils 
sont tombes, peuvent £tre excusees et meme justifiees sous de 
certains points de vue, et lorsqu'on pense au noble devouement 
et k la valeur brillante, qu'ils ont deployes dans cette carriere 
perilleuse, il est plus juste de les plaindre et de plaindre l'Eu- 
rope avec eux, que de les rendre severement responsables du 
malheureux resultat de leurs efforts. Mais ce qu'il est bien plus 
difficile d'excuser, ce sont les fausses combinaisons politiquea 
par lesquelles ils ont gratuitement ruine leurs projets, en paraly- 
sant les moyens qui avaient dü en assurer l'execution. Leur 
faute capitale dans ce genre-lä etait l'engagement qu'ils avaient 
pris envers la Suede et l'obstination, avec laqueDe^ils ont per- 
siste dans cet engagement. 

II serait inutile d'examiner ici quels ont ete proprement les 
motifs qui ont dirige la conduite politique du prince royal de 
Suede. II parait que dans ce singulier personnage il y a eu un 
melange d'elevation de passions ardentes, de vues ambitieuses et 
de calculs d'interet personnel. II n'etait point inaccessible k 
Tattrait de la gloire, que lui promettait une Cooperation sincere 
au retablissement de l'ordre en Europe v sa haine particujiere 
_contre Napoleon qu'il accuse de lui avoir escamote le grand lot 
exaltait son desir de le combattre et en meme temps il ne per- 
dait pas de vue les mesures necessaires pour consolider sa 
position en Suede et pour y assurer la fortune de sa famille; 
croyant que la restitution de la Finnlande que les Kusses avaient 
enlevee a sa nouvelle patrie par la guerre la plus injuste, qui se 
soit jamais faite, rencontrerait trop de difficultes, ou que le 
moment n'etait pas convenable pour la demander, ou bien que 
la Suede n'en retirerait qu'un avantage precaire, dont une cam- 
pagne malheureuse pouvait la priver de nouveau, il jeta les yeux 
Sur la Norvege et regarda des son aveuement ä la succession du 
tröne l'acquisition de ce pays comme le grand but de toutes ses 
demarches et comme un titre sur lequel il voulait fonder sa 
grandeur et sa popularite pour tout l'avenir. Le projet n'etait 
certainement ni juste ni loyal mais le monde est si bien fami- 
^liarisö avec l'ambition et le desir des conquStes, que personne 
n'aurait songe a en faire un grand crime ä celui qui l'avait concu. 




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— 402 — 



*9 



Le Prince Royal de Suede faisait son metier en cherchant k 
s'aggrandir, ceux, qui avaient interet a le favoriser, faisaient le 
leur e» l'assistant de leur inieux, maia rien au monde n'aurait 
dü les determiner ä sacrifier k sßs vues particulieres les grands 
et vastes objets pour lesquels ils etaient armes eux-mömes; rien 
ue pouvait les justifier d'avoir corapromis et renverse leurs 
propres plans — des plana qui devaient fixer le sort du monde, pour 
travailler d'abord aux succes de ceux qu'un Allie du second ordre 
avait imagines pour son propre compte, pour recevoir la loi de 
cet allie et obtemperer au moindre de ses caprices. 

L'empereur de Russie avait donne son premier conaentiment 
a ce malheureux projet de la Norvege dana lea Conferences 
i d'Abo qui eurent Heu au mois de tf>* e 1812. Cette(j)remiere^/ 
\ promease 6tait excusable. I/Empereur alors Sans allie 8ur le 
continent et aasailli par les forces de l'Europe entiere rassem- 
blees sous les drapeaux de l'Empereur Napoleon devait necessaire- 
ment attacher un grand prix a unc acquisition aussi interessante 
que celle de l'amitie artive et du »ele prononce du Prince Royal 
de Suede. Copenhague etait envisage comme une cour irrevo- 
cablement attachee au Systeme Francais, et personue n'aurait 
rdve ä cette epoque, que aix mois plus tard il s'agirait d'une 
coalition contre la France oü on put avoir besoin du Danemarc. 
Mais lorsqu'au mois de Mars cctte püissance annonca'le voeu 
de faire sa paix avec 1' Angleterre , et l'intention de joindre la 
cause des allies, la question avait change de face. 

Repondre ä celui, qui voua offre un avantage reel, que pour 
etre admis ä vous servir, il doit commencer par abandonner a 
un tiera la moitie de sa fortune, etait d'une incongruite et mßme 
d'une abaurdite palpables, et personne ne pouvait ignorer que le 
Danemarc ne souscrirait jamais a la condition arbitraire et 
choquante qu'on lui demandait en forme de preliminaire de son 
accession. Le gouvemement Anglais le sentait bien. La reunion 
de la Norvege avec la Suede avait toujours röpugne ä sa 
1 politique, et il ne s'aveuglait pas sur les suites funestes de ce 
projet dans un moment oü on ne put y voir qu' une pomme de 
discorde jetee entre les puissances du Nord. Mais entraine par 
un exces tres blamable de condescendance pour la Russie et par 
la peur plus blamable encore d'offenser le prince Royal de Suede, 



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— 403 



le jfouvernement Anglais se rendit aux instances de ses allies et 
"Hans une heure fatale confirma les stipulations du traite d'Abo. 
Apres avoir par ces mesures irreflechies detruit tout espoir d'uno 
ition quelconque de la part du Danemarc, il ne manquait 



plus que d'etre prive encore de celle de la Suede, pour laquelle on 
venait de payer un prix aussi exorbitant. Le prlnce Royal, non 
content d'avoir obtenu pour ses projets la garantie de l'Angle- 
terre, de la Russie et merae de la Prusse 1 , s'avisa d'exiger 
de ces puissalices, comme condition prealable des secours, 
qu'il devait preter ä la cause commune, d'engager la cour 
de Copenhague ä consentir la cession de la Norvege et ä le 
mettre sur-le-champ en possessio n de la partie septentrionale de 
ce pays. En attendant, que l'on fit droit a cette pretention extra- 
vagaute t il se mit en etat de guerre avec le Danemarc, et au Heu 
de se rendre en Allemagne ä la fin d'Avril, comme il Pavait 
solennellement promis, n' y arriva que quatre semaines plus tard, 
declarant, qu'avant tout il ferait flechir la cour de Copenhague, 
et qu'eri/suite il tournerait ses armes contre les Fran9ais. Les 
allies se soumirent a cette conduite inouie avec une faiblesse 
vraiment inconcevable et loin de faire rentrer dans le devoir un 
prince qui se jouait ainsi de leurs interets et de ses engagements 
les ministres ßritanniques lui accorderent des subsides enormes. 

Gräce ä ces incidents deplorables, une des parties essentielles 
du plan, qu'on avait forme contre la France a completement et 
peut-etre irreparablement manque. On avait arrete de reunir sur 
le bas Elbe un corps d'armee de 50 ä 60 mille hommes, dont 
la moitie serait formee par la Suede et Pautre moitie par lä 
Prusse, en y comprenant les levees volontaires, sur lesquelles 
on n'avait pas tort de compter, vues les dispositions excellentes 
des habitants de ce pays. Si les Suedois etaient arrives ä 
temps, ce corps aurait traverse le Nord de 1' Allemagne jusqu'aux 
frontieres de la Hollande, non seulement sans rencontrer d'obstacles 
serieux, mais en se renforcant meme en mesure qu'il avancait. 



1 Französisch«!- Zusatz: dan.i le trait« qui fut aigxx^ entre la Suede etia 
Pi usae ä la fin du mois d'Avril, le Roi de Pi uskc prorait d'aasiater la Suisde avec 
25000 hommes pour la conquöte de la Norvöge. Cependant on avait ingeuieuse- 
ment ajoutö, que cette stipulation n'etait executable qu'apres que la Prnsee 
aurait reconquis ses propres provinces. 



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— 404 — 



üne diversion de cette importance aurait changÄ toute la face de 
la campagne, modine tous les projets de Napoleon, et rendu ä 
peu pres impossibles ses Operations sur Erfurth et Dresde. Au 
lieu de ces avantages incalculahles, l'expedition mesquine, par 
laquelle on se flattait 1 de soulever le Nord de l'Allemagne a du 
echouer en depit du Savoir-faire et des talents que quelques-uns 
des meilleurs officiers de l'armee Russe y ont mis en oeuvre; des 
pays, qui croyaient toucher ä leur delivrance sont rentres sous le 
joug avec la triste perspective d'un redoublement d'oppression et 
de calamitös; les Communications avec l'Angleterre a peine ouvertes 
sont ferm^es de nouveau et (Tun jour ä l'autre la ville deHambourg 
est menacee de la contre-revolution^ la plus cruelle. 

C'est aussi que d'un cöte rinaction prevue et dans les 
circonstances donnees/inevitable lpeme^e l'Autriche et de l'autre 
cdt6 la scission gratuitement amen6e par des fautes positives entre 
les puissances du nord ont degarni les deux flaues de la 
coalition et que la Russie et la Prusse, placees au centre ont dü 
soutenir seules avec des forces tres-infeYieures le choc impetueux 
d'une armee conduite par Napoleon pendant tout le premier mois 
de la campagne. 

Voila donc le point, oü v cette grande affaire se trouve 
aujourd'hui. II serait plus que t^meraire de s'aventurer dans des 
conjectures sur son issue finale, vmais il est bien permis d'observer, 
qu'apres la tournure, qu'elle vient de prendre, les grandes 
esperances, que tant de personnes nourrissaient, il y a deux mois, 
et que les hommes les plus sensös et les plus froids ne pouvaient 
pas absolument condamner, ont recu un echec considerable ; 2 sans 
6tre aecompagnee d'aucune de ces circonstances sinistres par 
lesquelles dans les campagnes de .1806 et 1809 ces premiers 
revers conduisirent a une ruine totale, la retraite des allies a 
cependant d£teriore leur Situation et affaibli leur cause sous plus 
d'un rapport essentiel. Voici en peu de mots le resume des 
inconvenients majeura qu'elle a entralnes. 

1 0 L'opinion publique, a laquelle on attachait un si grand 
prix pour le succes de cette gueire, qui effectivement en etait 

1. In der originalen Copie figuree steht flatter. 

2. Die Copie figur6e hat hier Komm», hinter totale Semikolon. Der Sinn 
f ordert mit Notwendigkeit umgekehrte Interpunktion. 



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— 405 — 

un des principaux instrumenta et qu'on avait montee et electrisee 
par tous les moyens imaginables^a perdu tout son elan et va 

_bientöt succomber sous le poids des nou volles adversites dont 
Jes i peuples sont ecrases. Iis s'etaient livres a un reve d'inde- 
pendance et de bonheur. Le reveil est terrible. 

2VLa confiance est rendue k l'armee Francaise, dont le 
decourageraent etait grand apres les desastres de la derniere 
campagne. L'empereur Napoleon avait perdu meme une partie 
de ce pouvoir magique qu'il exe^ait egalement sur ceux qui 
l'aiment, comme sur ceux qui le detestent. II l'a repris en entier. 
Le soldat, qui commen^ait a le regarder avec un peu moins de 
respect et k lui vouer une soumission moins aveugle, est etonne 
de se retrouver k son ancienne hauteur et obeit comme toujours. 

3° Un changement analogue doit s'etre op6re dans l'&me de 
Napoleon lui-meme. II est impossible, que les malheurs et surtout 
les humiliations qu'il avait eprouvees pendant la deconfiture de 
son armee en Russie ne Paient pas profondement afFecte, et 
en effet ceux, qui l'ontvu apres son retour k Paris, n'ont pas man- 

_jque de~»*apercevoir de cet effet. C'etait \k l'epoque oü il aurait 
fallu negocier avec lui. II n'aurait jamais souscrit k ces sacri- 
fices immenses, que l'aveuglement de quelques o^binets et l'exal- 
tation, qui s'etait emparee de tous les esprits, croyait alors pou- 
voir lui dicter; mais il aurait consenti ä des cessions conside- 
rables. Aujourd'hui il doit sentir de nouveau cette confiance 
dans son genie et sa fortune, qui etait un des premiers elements 
de sa grandeur. II sera donc beaucoup moins traitable, et si 
tant est, qu'il se prete k la paix, les conditions en seront beau- 
coup moins avantageuses. 

4° Le retard de la diversion du Nord a essentielle- 
ment favorise les progres de la grande armee francaise. Main- 
tenant ces progres arreteront k leur tour la diversion du Nord. 
Car si meme tous les obstacles politiques, contre lesquels cette 
diversion a lutte jusqu'ici, disparaissaient tout-ä-coup, il est 
difficile d'imaginer, comment, dans l'etat actuel des choses la 
force principale des allies se trouvant dans un coin de la Siiesie, 
on entreprendrait une marche sur le bas-Rhin, ou obtiendrait seu- 
lement des avantages durables entre l'Elbe et la Weser. 

5° La diversion, que l'on attendait de l'Autriche, doit se 



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regsentir de meme du chaugement, qui a eu lieu dans la position 
respective des puissances eti guerre, et de tous les resultata 
fächeux de la retraite celui-ci est le plus funeste pour les allies. 

Autriche s'etait plhcee dans l'alternative ou d'engager Napo- 
leon a une paix sur des bases moderees -en elles-memesi mais 
toujours penibles pour son auib\tion, ou bieu s'il n'y avait pas 
moyen d'y parvenir, d'appuyer de ses armes le parti, qui com- 
battait pour cette paix. Cette attitude est restee la meme, mais 
eile a perdu une grande partie de sa iorce et de son aplomb. 
Aujourd'hui le fardeau de la guerre tomberait principalement 
sur l'Autriche; cette consideration ne peut pas echapper au ca- 
~T>inet de Vienne et doit necessairement influer sur ses demarches. 
Elle doit le rendre plus accominodant dans ses negociations et 
plus circonspect dans ses Operations militairea. Par consequent, 
si cette crise couduit a la paix, cette paix sera non seulement 
au dessous de ce que les allies ayraient pu esperer ou demander, 
mais peut-etre encore au dessous de ce que la cour de Vienne 
aurait exige et obtenu elle-meme dans des circonatances moins 
perilleuses, et si l'Autriche echouant completement dans ses ne- 
gociations n'a plus d'autre choix que la guerre, cette guerre se 
fera avec moins de confiance, ävec une volonte moins prononcee 
et par lä meme avec moins de succes qu'elle se serait faite avant 
que le noeud de la coalition eüt ete rompu. 

En reflechissant sur ce qui peut provenir de la constellation 
extraordinaire qui plane sur l'Europe et particuberement sur 
la Monarchie Autrichienne on trouve qu'il y a quatre denoue- 
ments possibles. 

Ou que l'Autriche reussisse ä s'entendre avec l'empereur Na- 
poleon sur les bases essentielles de la paix et que cet accord 
prealable conduise a une negociation generale. 

Ou que, contrariöc dans lous ses desseins pacifiques. l'Autriche 
i reunisse ses armes ä cclles des puissances coalisees pour forcer 
la France ä adopter les conditions qu'on lui propose. 

Ou que la guerre continue entre la France et les Souverains 
allies sajis que l'Autriche se declare pour aucun parti. 

| Ou enfin que l'Autriche reprenne le Systeme de 1812 et se 
; joigne ä la France contre la coalition. 



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Lea deux derniers cas 8ont extremement peu probables. 
1/Autricb.e s'est trop avancee tant par ses negociations que par 
ses lirmements, pour qu'elre~puiss3 songer a la neutralit£, et la 
resolution de faire la guerre en faveur de la France serait telle- 
ment incompatible avec ses principes avoues, avec la marche 
qu'elle a tenue depuis six mois, avec l'esprit et la tendence de 
son Systeme politique qu'a. moins d'un changement de ministere 
ou de quelque catastrophe tres-violente il n'est gueres possible 
de l'admettre. 

Quant aux deux premiers cas, les chances paraissent ä peu 
pres egales pour l'un et pour l'autre et les opinione sont fort 
partagees sur les resultats. Cependant lorsqu'on se rappeile que 
l'empereur Napoleon a des motifs de tout genre pour ^viter une 
rupture avec l'Autriche et que de l'autre cöte le cabinet de 
Vienne ne procedera a la guerre qu' a defaut de tout autre 
exp6dient, il faut convenir que la probabilite d'un rapprochement 
pacifique est preponderante. ^ Toutes fois eile peut manquer, soit 
par de nouveaux avanta^es superieurs, que Napoleon rempor- 
terait contre les allies, soit par l'ascendant final de son ambition 
sur toute consideration politique et personnelle, soit enfin par le 
desir secret de se venger d'une puissance, dont les princi- 
pes et les calculs s'etaieut trop accordes avec ceux de ses 
ennemis. 

Ce grand probleme s'eclaircira dans tres peu de temps. 



Sinnstörende Druckfehler: 

S. 170, Z. 14 statt: teilt lies: teilte. 

S. 250, Z. 13 statt: der That lies: in der That. 

S. 261, Z. 6 statt: das lies: die. 

8. 336, Z. 12 statt: was werde lies: was, werde. 

S. 355, Z. 23 statt: blos sein lies: bloss ein. 



Druck von E. Ebering, Berlin W., Linkstrusse 16. 



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-in 



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