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Full text of "Globus; illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde"

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Globus 




s. WV/ 



^\TY O/. 







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Illustrierte 

Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde 

V'cnünii't mit den Zeitscliriffen „Has Ausland“ und „Aus allen Welfteileii“ 



Begründet 1862 von Karl Andree 



Ueraos^egeben von 



Kieliard Andre«* mul II. Singer 



I > r e i n n d 11 e li t z i g s t e r Band 



H r a u u a c li w p i g 

Druck und Verlag »on Friedrich Viewe.g und Sohn 

i9oa 



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Inhaltsverzeichnis des LXXXIII. Bandes. 



AIIs:(‘iiii‘iiu‘s. 

Zur AuMprai'hß frcimlßr I 

Xampu .Sßni* und .Huk* '29i. 

Hie Anffiuh^ Keoifra]ihiHcher Kur* 
flchuDK in St>en Kolmiinlwirt- 

Hcbftflli<‘he« Kuiiiitee •'140, Lßjruiijf 
cinp« zweiten deutschen KnlieLs nneh 
Nurdnmerika 3^4. Berliner (iesell- I 
«chafi für Knlkunde 387. FMelien* 
in)iAlt und Bevölkerung Kurupa« 338. . 



Europa. 

Oen(!«rkiand a. Östrrreicli*rn|rani. 

Aii.'gmbungcin im Danewerk bei 
I1>. Hnibfnfa, Beitrüge 
xurKemitnia derti«fn der Lechthnler » 
Mit Karlen *.^1. Blind. Kkiz* | 
zeit aus elrnfs-lutlirintriscbeu Qk^um- 
rien. Mit Abbild. 'i4. luv. Kobelt, \ 
Au* den Ablmndluiigeti de* deiltatdieii . 
HeeHachereivereins fi.3. Neue Krsehei* | 
nungeii in der Kntwirkelnng der jii- | 
divhen Bevidkerung int IieuUrhen i 
lUdcbe B5. Behren*. l>ie Wt-ser ! 
110. )V4. Bugiel, l*ülni»cbe Sagen | 
Hua der l’rnviuz IVieen 137. l‘r- 
ge'Hrbirbte Nonl«'e*tböhuipn* 147. \ 

Ihw« HitrbmiMjr Samnuu« bei St. Mi- | 
cbael (Salzburg) 14«. Jiiger. Inn»- | 
bnn-Jt, eine enlge*ohirbttirhe Bi- | 
(rachtuiig 137. DieMebrliugsgehurten 
im KViiiigreich Saehwu id3. Olx'r- | 
huiuiuer iil>er die KntwicVelung der 
Kartographie der Btivriscberi Alpen } 
IHO. StatistiHche* au* den^Krei-M-n I 
Thoru und Marienwerder 374. <ia- . 
vazzi, Kiszeiupuren auf dem Vele- | 
Idi 37A. l>ie hinnenlandiHclte Wnn- | 
derung und ihre Kiu-kwirkung auf 
<iie rmgangiwprai'he in Österreich ' 
376. Beitrüge zur pfiilzi)M.'ben Mund- 
artfiu^chung 37«. Hnlbfiifa. Zwei ■ 
.Heen in dar MorHnunlnndm'hafl de* I 
BodenMM* (Rohleinm* und l>og«r«»*e). j 
Mit Karle 36H. Cohn* rutcrKiK'liun- j 
gen über das IMankion d«* L>>'Mcntin ' 
30“. Köhnartige Hnicbeinung nlwr 
Beriiii 334. Der Blautupf liei Blau- 
beuern 340. Die Ln Teno-K|nrb- 
griltK-r im \Vijrliend*erjn*phen rnlei- 
land 336. Die angeblich falw-bo [ 
An**prm:bu von Düsburg. Suhi. Kim- i 
feld 371. Di«- Iniiid Baitrum 373. 
Dio Verbreitung der Bandwunnkrank- 1 
beit in KI*al*'IaKhring«*ti 373. Kiii- 
wickeluug*ge*ebk'hie d«-r Diiiii'u an 



der Weütkfist« von Schle*uig 3S6. 
Der rrsprung der Mar*c]iländereieii 
im deutacben Nurdaoegebiet .367. 
Bbanerugamenflura %’«n Ikdimen 366. 
Die Ortsnamen Badnn* und die frühe- 
ren BeH'aldangsverhfthniiue 386. 

Schweiz, Skandinavien, DSneitiark 
n. Orof^britaunlen. Ausgrabung 
dt» Mugahügel* (irpsala) 10. Han- 
sen , Veründerungen auf der Kart« 
von .lütland 41. Vigström. tieUter- 
und Oe«iwiistembcrglaulK! nun Västra 
(Ji'dtigu und SkStie (Hcbwi-ileti) 43. 
Blütner üUt die KnDtvhung der glar- 
tieriMdieii Aljicuaeen 84. Die Dueiien- 
grenze in Skandinavien loo. Hef* 
über die Gewitter in der Schweiz 
164. Siedelungzart in Italien IHU. 
Krankrrirh, Spanien, Portngal und 
Italien. Der Kinfluf» der 1‘yrenüen 
auf die Tierwanderungen luO. Der 
Wulkeiibrucb vom Septemlier 19o3 
in Sizilien 344. Broniineran* Ver- 
HMch einer Murphoiiieirie der pyru- 
iiüi*cben Halbinsel 376. 

Enrnpil.M-heK Knfslaud and die Hai* 
kanballilnael. Hearliciteu* Mammut- 
kuiK'hen von Kiew. Mil .\bbild. 36. 
Götze, Kine neue steinzeitliche Sta- 
tion in Serbien. Mit Abbildgn. 37. 
Ib'itlerdurfer in Burslniid H4. Der 
Moekaiier Dialekt IIH. l)ie Knd- 
moriluen von WeifBrufsland 160. 
Katzer, Da* l'opovu |»olje in der 
Herct'guvina. Mit Abbild. 101. Wei- 
tere Kntdeckuugen zur Vorgeschichte 
Kieian 3u7. Struck, Die inacedoni- 
scbeii Seen. Mit Karteu uud Abbild. 
313. 33«. Cvijk’* .\tlu* der gruben 
Seen der Bi»lkunbalbtnsid 344. 
TKchiiluk. Kinige Krgebni*.*« der 
Munimne\|>e«liti(m 346. Das Honie- 
risrlici und das heutige Itluika 376. 
übt>r die Siedeluiigen de.* {Mlkolitbi- 
M'beii Menschen in Kiirslaixl 3‘J3. 
Die .\utbru|KdogiH der KuinAiien ao7. 
Wei fae II be rg. Kimlcrfreud und 
-leid bei den Bi'idrussiscben Juden 
31&. Die Verbreitung und Bekümpfuiig 
der Ijepra in Ksltand 35S. Die Ge- 
samtzahl der Kalmücken 3.V^. Kin 
eigentüiulichiT Braueli in Bubland 
.306. Kine pduiizcngeugmphi*ehe Ib*- 
Schreibung de* Guuveini-iiienU Wla- 
dimir S-*i6. Diu fnihern und gegeu- 
«ärlige Verbreitung des Bilwr* im 
ru**i«c)ten Reiche .356. Sc.hueiier. 
Aland. Mit Abbild. 3.*>9. Kalv-hungen 
V4in Anti>|Uitaten iu Kulslaud 373. 
Italienische .\u*grubungon auf Kreta 
373. iMr lj**we in Uriechend 38ö. 



Asien. 

Kleinasieii, Iran u. Arahlrn. Prof. 
Sellin* Ausgrabungen iin Teil Tan* 
nek (ralästina) 35. Der llilmend 
und rtie Ijandschaft Siatan 52. Ki»r- 
liers W'ariilernng von Dnniasku* nach 
Djuf 8.H. Buge, Kleinasien als 
Wiege der wis*eniichnfUichen Krd- 
kunde I6&. 166. Ausgrabungen bei 
Geser in l'ahlsiina 237. rräbiatori- 
Bche* aus Tersivn 3U4. Mann, Ar- 
chäologisches au* Brrsirn. Mit Ab- 
tüld. 337. 

Aslatbrhes Rufslnntl. Tolmat*cliew* 
Kxpedition nach dem Kusnezkischen 
Alatau 67. Klimatische Schwankun- 
gen in Nordsibirien 176. Andrer, 
Asiatisch-amerikanische Kolklore-Be- 
ziehungen an der B(*ringBstraf*e 34.*>. 
Dnini, der neue rufMisebe llaudels- 
hafen am Stillen Uzeau 375. Krfor- 
schling de* Karnbugns 339. Die 
Mi'iglichkeit eines einstigen Zusani- 
Uienbangis von Sachalin mit dem 
Kesl lande 388. 

niinr.4l.*rhrK Reich, Tibet, Japan 
und Korea. Der neue ehin&*iache 
Handelabafen Tsinhwangtau 36. 
Karte von Stein* Uelsen iu Osttur- 
kestan 51. Weihaiwei 51. Beli- 
gattia Tibet reise 1738.30 66. l>er 
ItaiiHurs und sein Gebiet 100. t'auip- 
bidls Reise durch die Mongolei 147. 
Diu Runiitinscln I6.'t. Stenz. Gene- 
ral Tscban-t’chien . ein chinesischer 
Kurwhungsruisender de* zweiUfH 
Jahrhunderts 293. B. L. Jacks Wan- 
derungen ini Norden von Tscbenglu 
,3U6. Fedtsrhenkos Reise in den west- 
lichen Tiens^'han 372. v. Kleist, 
Die Kiseiilrithnbauteii in China 363. 
Glet*cher«puren in .fiipiiu 387. 
Vorder* und Hlnteiindleo, Indo* 
nesifei. Weitere Rei*en der Herr«*n 
Sarasin in Celeb*'-*. Von J*alu 
nach ralopiM* 4'». Stevens. Die 
Srliöpfung.-wage der Drang Temia 
auf der llnlhiitsel Mahtka 47. Beob- 
achtungen üWr i'eitdelotorungen in 
Indien 146, Kanp, Uei^>n auf der 
litsel Nias bei Sumatra. Mit Abbild. 
149. 171. Bütimeyer, Die Niigala- 
wedda* in Ceylon. Mit .\bbild. 3ul. 
330 . -*Hl. Dfkpert, Ül«T einen der 
BegrHbni*(dätze der Asche Buddha*. 
Mit Abbild. 33.5. Iteiitschlaud* Kin- 
dringen iu China 338. ist der 
M«mnt Kverest mit dem Gaunsankar 
identi*chf 375. P. und F. Sarasin. 



402301 



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VT 



InhaltsverxeiohniR dos LXXXIII. Bandes. 



Über (lieTcmla von Hiid-CVIebtw. Idit 
AbbiM. 277. Reise der H«-rreu Br. 

P. n. F. Sarasin in der siidi‘«tliehen 
Halbinsel von Celebes 349. (ira- 
matzka. Kaffen der Kbantti und 
Siuffpbü (Aseam) 364. 

Afrika. 

AJIgenielnfS. Sintfgr, 1>ie deui<fhe 
Afrikafor«cliUHK 197. (IradmensunK 
in Afrika .HOd. 

WordafHka nd die »»bar». l>as 
XÜ5tau»urk von As»uwt>. Mit Ale 
hitd. 7ö. Hr- Hagaltert Hchwnfelda 
Bt‘i»e in den ^t^ypiisclten Sudan 11.'»» | 

Maniuis di'^ Sri^'nzaeH Keinen in Ma - 
rokko Ul'J. TlnUleckxin^: gn’fser go - 
mnu.-rtjT RuiinMi im Tra~H7. .sisfhen ' 
Kmlan 291. rntersuehunL» du« ])?rhe- I 
Iwrl Sprliun ilurrb Eutten Zabat 354. 
lli.1 .luilfii der Mgab 354. 

WestufHka« Singer. Zur Fe^tleynnp^ 

dor Ortungen Kameruns 224. Die llri- 
U»n in Niiceria 258. Htriimiwdi* \S%ui - 
derüngfu im RalilUDde jrtt». Kor» 
sehungen der deut-»cheii R«miuw- 
Twchadsee • Expo<litic>n 2~4. von 
Sohkopp. Zwergviilker in Kameruii 
284. I>as epani<<:be fleblet am Muni 
2W. T<nfo mi 

Klose, Das R(^a^^ari^o^^c■ Mit A!^ 
bild. 309. 341. Von tsebkopp. He- 
Ugiö^e Anschammgen der Hakoko 
(Kamerun) .1317 

XqiaUrUlea ,%Trika und der Sttdan. 

T>r. ViM»hyk.tw^ neue Heio' nach (M~ 
nfriV« U9, Mit>iün iie«< Vicumtv ilu 
Hourg 147. 2^. Kdrster, Vom 
Xynnsn sniii Victoria Kyanw 209. 
Din Si h iffi.>iHi.v«»rhkltnissB auf dem 
ol»erfii Xil 211, Die Ugamlalrnhn 
'iVi. Radoliffes Karte der ytlproviiiZ 
2'J7. Thome. Hii.' Götzen am Kili - 
mandaebaro. Mit Abbild. 231. Der 
vulkaniwhe Cbanikter des Meru- 
herKPH. Erwiderung vi»n Brix För- 
ster 244. Fiirwbmigen der deut- 
schen Benno - Ts»diad*oe - Expe«l)tion 
274. Abkonmien^ «berj die (Irenzc 
zwi«M*hen dem kgypüscben Sudan 
und .\be*sinipu 276. ViTnicssung 
des Victoria Nyanna durch cngllerbe 
TojKigraphen 289. Moisel» Karte 
über die Verbreitung nutxlmrer 
Bodenschätze in Deutsch -Ostafrika 
292. Französische Forschungen im 
Hchari • und Tsrhatiseegebiet 314. 
Neue koiigtwtaatliche Fisenlwhnplilne 
324. Förster. Ib-uiach-Ostafrika 
19(H) bis Idiri .H5u. liic Mission Du- 
chesne-Foiirnet 3.*»5. Förster, Bri- 
tisch - Ostafrika und der VicU>rin 
XMtnsa 37n. 

8M«friki. Die Fi«<.hriiif»exi>Hlitio» 1 
1 I>eut«ch-Siidw lyjiwfrika) 35. Oentz, 
Sange der Hereros in I>>-ut.Hob-Snd - 
westafnka 60. Oeutz, Kinige H«7I - 
träce zur K«-iuitt>is der -indweftafri - 
Itani^rhtoi YL>llei-n-hRftfii 1. Mit 
Abbild. 2 »jT. Deutatih Siidw&stafrika 
ini Jahre 1902 .S2n. Ein Hafen für 
Transvaal S.S.'>. Die Kiinene-SaiiitH-si* 
KxptHlition des Kolonialw’irt.srhnft- 
liehen Komitee«. Mit Abbild. .378. 

.kfVIkanische Inseln. K.artognipbie 
Matlftgaskars 68. Dr. Voeltzkows 
m'ue Reise nach ttstafrika 99. Bahn- 
bau auf Madagaskar 196. 

Aiiioi-ika. 

HrlMwch» NordaimTika und Alaska. 

A n il re»>, A->a^i»eh - atiierikatiwh'.- 
Folklore-B»-ziehui>geii an der B«‘niig— 



stralTiwy 245. D. Hanburvs weitem 
Forachungen im nurtllirben Canada 
JT:.. A. fl. HriA>k8' HeLie zum Alouot 
Mc Kinli-v Forschungen im 

Wrangellgobirge iu .\laska 354. Das 
Klima Kanada-s 367. 

Vereinigte SUaten. Wevgold. Das 

indianische l.«i|erzidt im Kgl. Mii - 
MOini f- Völki-rkutulf. IL-j-liu. Mit 
Abb. und farbiger Tafel al« Simder- 
lieiiage I. 164. Her Mf»*chUMH'l>«»eu- 
M»hadel von Steuln-ttville it>liiol 19. 
KnchniaU die Ueachichte de« HixsUe 
si]ipideltas 132. Die New Yorker 
Juden 219. Eine Neuaufnahme des 
Canons des Colorado 227. Trwkene 
und nasse Perioden in den Vereinigten 
Staaten 292. Die Käfer Colorados ä'ui. 
MexUo« Zentralnmeiika wnd West * 
Indien. Sa n per. Mittel.-uiirnkäm - 

Bi-li.- Wnffi-Ti im Himli rio'ii (ö-hrinu-bi-. 

Mit Abbild. 53. Schott. B.-ot»ich - 
tungen und Studien in den Revolu- 
ttoDsgebif ten vtm Ibiniingo. iiiifti 
timl ViTiwtuilR wkliri.iiil Ifitmr ini 
Frühjahr Iftn-j unti-rtmmmeneii Keii»-. 
Mit Ahtäld. 69- 83. Di e hU-liii-kanlß 
und «iie letzten ül»erreBte der Ka- 
rilwn auf Dominica 82- Happet, 
Kille Rei«i- iiti..r den Isilimu^ vou 
PniiamK. Mit .Vlibild. 247. Preufs. 
X4iv humi*.- in det iuexikaiiiju".h,eii iiu- 
ligion. Mit .\bbild. 253. 268. För - 
ste ni a n n , Zusammt-uhang zw eier 
InM-hriften Voll Palenque 2^1 . ÜIh.t 

«tlA VeilVi..h..i> nn iImt Wiixl.» viinlltin . 
tAiiiiilj iui .tnhre lUQ-J 3uK. Hin vub 

kanischeu KriintiMneii auf den wi-»t - 

iiiitinebpi. lim-lii 371, 

SBdnmerlka. Hchott, Be<dnichtnngi-ti 
und Studien in den Hevoiutioii»^ - 
gebieteti von Domingo, Haiti mnl 
Yetiezuebi WRLreiiil ciiici- iiii l'riih- 
jnhr 1902 unternommenen Reise. Mit 
Abbild. 69. 35. Sievers. I>ast«»biet 
xwix’heii dein rcavnli und dem Ph- 
cUitea-Pichis (Ostiieru), nach den 
ReU..ii iby« l’rulr.» F. OuJiTU-l SnliL 73. 

y»hgre ^^aybri^^hb.^H üWr di«; Krmnr 

düng des lt4-i»enden Ouido B>gg}ani 
82. l*ie H<’liikhtiM>g d«rs chili^sch - 
argentinischen Orenzstreitea 1 15. 
Kocb, Der Pamdie^gartiü» als 
Ss'hnity.niotiv der Puyaguu-liuUaner. 
Mit Abbild. 117. Heich u. Stegel- 
m'atiii. Bi-i™den Imliäm-iTt dt-, t'ru- 

bflinl»« iii.il Ki.vir«. 'Mir VUiiM lr;.i 

Sievers. Zur Schreibw>ji«-e der Ort.-s - 
und, SrnttmtnsnsTTien .in Smlgumnlu 
ITIJ. Arlejiten fnr di»- Feitlegung 
der Orenzc y.vk»]u-ii Bra=ilj.-!> tind 
J’eru 179. ■\iiihroi'‘di'gi-chv» au» der 
Klfrhnnl.hMllI'- (i'l’liiin K.ri«-Ti>iizii > 
19i\. Hnuthnl. Di» Entsrhcidmig 
im «rgentiniscb-clulenischen Orenz- 
streit. Mit einer Kart«’ 199. K«n- 
kins verunglückte Besteigung des 
Aconcagua 227, Pn>fess<»r Dr. Iliins 
MeyeiN Kt»r»chHT)g«rei*.p in die.\liden 
KeuHdors 2tH'. Tbe«»lor Koi-h« ethme 
graphische Siudienreis«- nach Bra- 
silien 324. I'ii-o>iirgcs Reise im vene- 
zidaniscln-n (luayana 3Ö5. 



Australien ii. O/t-nnleii. 

/oiiderN.vn. Die Erweiterung unserer 
Kenntnisse von Nje*U-rländisch Neu 
Oiiiuea II. Dh< tran«|ui«'itis(-hu Ka- 
l>el 19. Spiele der Fingeb<jrcDcn son 
Nord-yueenslond. Mit .\bbildg. 2«. 
K a r u t z. Fngauo- po|.id<>. Malaü- 
sche KinHüsse im BiMnarcknrchipel. 
Mit Atdilld. 26. Kräuicr, Vulkani- 
echer Au«bruch auf Sa%aii .M. Hills 



Reine ins Innere von Westau^tmlien 
68. V. Bnlow, Der vulkanische Aus- 
bruch auf der Insel Savaii loa. Bau 
der australischen Süd-Nordlmhn 132. 
Seidel. Die deutstrhen Salomon- 
inseln sonst und jetzt. Mit einer 
Karte als Sonderbeilage 181. Diirre 
iu Austruliun 196. Keincckes Karte 
der Insel Savaii 211. Maurice« niid 
Murrays Reise durch flen Austral- 
kontinent 228. Krämer iila-r die Be- 
deutung des Haiitpiginente l)ci den 
Kikm«iani*ni 291. Kchurtz, Die Her- 
kunft der .Moriori 325. Wuhliuinnns 
Studienrei-M* nach SHtnoa .339. v»n 
Bülow, Die Verwaltung der Tiarnl- 
geuieinden in Deutscb-Haunai .373. 



Pulargeblete ii. Ozenm-. 

I>a« Testament de« Nonlisdfahrers 
AndW-«» :tZi, Smith obftr ilnw Wr. 
bultiiU der «rkti»i>I.An \t..Hti«itf..ofRiina 

zur nntarktisi*hcn 52. lieologische 

Ib-obachtmigeii und Vegotntton»'Ver - 
I böhnioii! Mio PiiM.-oiiiii ImIhiiiI ilT. 

Die Forachuog*reise der whw»H\i - 
w.hcn Sü<I|i(>lnr»‘Xiieditiou nach .^lid - 
^■rgien. Mit .Clibild. to3. Hutf-s- 
aktioti für die deiitseln- SiidflHP-' 
»-xi»i‘<Hti)u 116. Di»- ImsvI t'iriinsev 
fl<land> 162. Dir P.-latv-xi>editioii 
de-« Rinm Toll 179. 243. J. Ii.<_har- 
rot« Fahrt nach Jitti Maven 211. 
Andreriiji-«laille uml NupJeii.iki'yld- 
driikniiil 212. Kn-t.s. Stmlii-u mi 
iLfelleli M nii«.1uk5ii-rH für .bn> \i.nl. 
ailnntisi-hen Ozean 223, .Myliiis 
KrichstutM \V«^tirr-’iii1nnrb'xiH'di>i<in 
•-'28, Will der scholti«nrlieii btulpolar- 
cxpeilithm 244. Die ernten Erfolge 
der engÜM-hen Sud|Kil:ireX|M-«lition 
2i^- Mtonoini in .>>tor-F 

Imlrn 267. !.«• h m a n n - F i Ihes. Is- 

tlindiaebw KiiLli-rki-ümiT 273. Polar- 
expeilitionen '269. Von der schwe - 
»li^'h • rus>is«-heti tir»»ltne-«-.mig 289. 
Die Hud|Milnre\|icdi(iotieit .139. I)ie 
palä«.iuto|rtgisch«n Krgebniv*e der Kx- 
podition Sverdrtips 3ö4. Die äui'ser- 
sl<-ii («reuzeii du« Ai-ki-rUiun in doii 
Polarhindein 3ae. 

Hydrogrnpliio, 

Mi‘lo»n>luglo.(»eoi>li.vsik. 

Hnllifar«. ?iir k-miHii> it.-r 

S.‘cii der lR-chtlmler Aliw». .Mit 
Karten 21. t»ew itteri'h«'t«>gnu»hie 3r». 
Frech olH-r das Klitmt der gisdogi - 
acheii N'frgnnpenheit .M. Bs-it«-lli 
ül»er den rr’Uirnng den Kolll|la»««^^ 
i 83. Krebs nls-r meteorologische H<wdi - 

I w ass*Ti»r»»gnosen H.3. Alster liulden 

iilwr den KmHuf» das HolienklimaH 
I atif «lie ?.u«aitime.n»etzung des Blutes 

84. Stirccher üt>er l.awinenablage- 
rnngen imV Behrens. Die AVe«er 
HO, _124. _ G reim,. it- r- 

• >. hi.'lV. i. in (ira? 147. Ki.-b-« ot- f 

I ♦.iT...is.-hi>ii i»roi-k U.-». WrP»_r«s 

iilH-r d<-n .roten ScIhuh-- vom H. 
Mai-y l!<ol I4i«, KefdiaebtnriLO'-n ot»t-r 
Pendelst. »riingen in Indien 14**. M'ei - 
tere« zur Dmcheni»et»-ontlogie 1«»H. 
Hers oLtir die üewiUer_ir»_' ü f S- lm > i/- 
lri4. Oreim, Ihe Abbildutig der Vor - 
I bmifj'rltetuli.n. .NMiMdt’.Mtlniielt-ilif-Eüaii- 

I y.o.^_..lT_J,7S Klitn-tlL-»cbe_Sclt\vau - 

kungen in Nordsibirieii 179. Diim- 
in Aii-itrRliri. Itjü. BlUliht;,- ul-.r"ntr 

Witkunuswei-e der Wassefw irb>d iin 

tUttfsezulfcia . ,,,Vk2iz.w;C,-..2,lI.w,— 

hi.. i.iu.-r.im[iM-lo iL Se.^n■ Mil K li 



InhaltSTorzeiohnii dea LXXXIII. Baudea. 



Vll 



t(>n uml AhKililg. ‘il.H. 23^. Kreba, 
ft« d«*r nou»»« Mnnatxkftiif' 
für «!*'« Xnrdntlaiitiifchoii Ozean 223. 
I»iT Wulkeubruch vom Rp|>teml>er 
1902 in Smiien 244. Cviji»» Ailn» 
dor jfrofwm Kvrn der Bnlkftnhnlb* 
244. Halbfara, Zwei Soi^» iti 
der M«>r»nen)iuidw*hftft dea Bodetiaeea 
IS'hleiiiH«!* und Tit-yeraee). Mit Kjirte 
2!<rt. I>«T StHUlifHll vom 22. und 23. 
Kt'lmmr 2«». Vim der •PbwwliaKh- 
ru*ai«rben <lmdme»i)un;( 269. Trok- 
ki*ne und nnxae l'eritKteii in den Ver- 
eiiiijrt«^« Staaten 2^2. Ciradnie»uii{? 
in Afriktt 3oß. luternationnler Bai* 
lonaufsiioif vom d- Januar I9u3 307. 
('ohiiH ('ntemuchunfren über dua 
l’lanku.»« duH J^dwetitiii 307. Keller 
iilK?r KWh» und Flut 3o7. Föhrmiiij?«* 
Krarhuitiutiif üImt Ib-rlin 324. Er- 
ft>r>M-(iUiiir dea K»rabuc<ta 339. Der 
Blauto^tf lH‘i Blnubeureri 34u. Vel- 
den üt»ei- kliniHtiM-he Kurt>rie 34u. 
Du.a Klima Kanudna 337. 



Geologie. 

D.'i’ Mi..u-1.ii>.M>li.u.nMfli!k.G>l von 

vülf tuhio) 19 Kriimvr, Vulkani - 

■i.-li.T Aio.l»riifK niifSHVuii .^1_ Krt»«-ti 
nta.T -Li» Klimti der if«.-olotf>i»elM-n 
Ver;/fttigi-nhi-it ftl- rnHil«»tfi>trli>‘ 
idwtriiliiiigen und Ve)reUiü«iD«verbält- 
iiiaan Von INMse.aHion iHlaiid 67. Blu- 
iner iilter die EntatehuiiK der glar- 
iieriM'ben Al]ieiiaeen 64. Bericht 
üK>r die Ulctiiciionu'hwankuuKen des 
Jahre» ISU'I lirt. v. Bülow. Der 
vulkaniarhe Auühruch auf der Initei 
Kiivaii ]o8. Nochmaln rlie («eschichte 
dcH Mi««ia»i|>|>Khdtas 1.32. Das Hoch- 
nuMir HaiinioiHi Iwi St. Michael (Salz- 
hiirK) 143. Jüger, Innabruck, rlm* 
e.rdgeM’hichtlichc Betruchtuiig 137. 
Die Sjilzlairt-ratAUeii der Alpen 163. 
Der l'ultgoiiboden 164. Die Knd- 
nioniuen von WeUarufainnd 18u. 
Kntaer, Daa 1 'o|i4>to {»uljc in der 
llerci*govinn. Mit Abb. 191. linin- 
lien ulier die Wirkinijr«wei'*e der 
\Va<<Herwirhid im dk-fiteiiden Wasaer 
211. Erklärung der alten Ktraiul- 
linien 212. K. Snefs niter die Kin- 
leiltiiig der heifHen Quellen 227. Der 
vulkunische Charakter de» Meru* 
larrg'*». Kraiderung von Bria For- 
ater 244. üuvazzi. Ki«zeit*|»urcu 
auf dem Velebit 27,'i. OImt dun Vr- 
aprung der Klirren 290. 

Kart** »Dht dio Verbreitung nutz- 
bjiivr KcHieu-M'lmtzc in Ibuitach-Oat- 
ftfrika 2Ö2. Cla*r diu Krdl»el>un an 
der Küste von Ouateiimla 3o3. Der 
Blautopf bid Bliiuheuren 340. Ihe 
|>alHi>nto|o}rj«-heu Ergebnisse der Kx- 
p<HliU'm Sverdrups 3:>4. Das Atlan- 
tiaprohlem 33a. Die vulkaniaclmn 
Eru|ittonan auf den \io<tiiidiHcheii 
lii!««lii .371. Knlaickelungsgeschichu* 
der Dünen an di*r WustkiUie von 
Srhh*swig 36 h. (aieiNchurspureu in 
Japan .187. Der Trsprung der Marsch- 
lämlDreien iiti deuisidten Nordnee- 
gobiet 367. Die Aft’iglichkeit eiutn 
ein^tigun Zuiammenhatigs von Sacha- 
lin mit dem Festlaude 366. 



llofniibclies mul Zoo- 
logisclics. 

li'i 31ü.-.:hii-.-,:!.-Mi-_i:LiJLi; x<"L -Muu 

tw;«Mito tutu«ii U«. 1 iit<-r»ucmm24»ri 

iil«;r Go- ttlirmiiki h.-l \ >tm liit-di-mtr 



RAugetlere 86. Smith über das Yer- 



h.altin« 








Ku- 


beit. 


Aus dnn Abhandlungen 


du« 






logischfi JleobftClitungen Und Vegie 




land 6 


7. Di« Hobe des Vogi-ldtiges 




tuugen 


68. Krebs QTter Kiitartuiic 


von Blüten im Zusaninienhang 


mit 


nnonnalen Witteruiiirsverhliltnissen 


im Früblint' und Sommer 1902 K+. 


Diw Buchemrrenze in Hkandinasden 


KK». 


Der Einrtiir« der Fvr«näen 


auf di< 


c 'rierwaiidenitigeu 100. 


Pa- 


Inekv 


lits-r die lamlesübliche 


Ein- 


teilung der lainiierfiiunen 115. 


Ver- 


breitung der Galaviasjirleri 


116. 



Oreim, Die Abbildung der vorherT' 
.sehenden MTinde durch die I^lanxen- 
welt 178. Verbreitung, SUuidorts- 
ansprüche und Geschichte der echten 
Kastanie 160. Das Ziel 160. Leh- 
III a n n - F i I h 4^4 , Uhindische Futter- 
krjiuter 273. Die frühere Verl>rei- 
tung des Mufflons 27rt. Ein gehörn- 
tes Et>ciluhufti«r aus Ägypten 292. 
Die Käfer Colonulos 3.’>ri. Eine 
pdanzengeographischo Beschreibung 
des (tuuvcmeiuenui Wladimir 3.‘i6. 
Die frühere uml gegenHkrlige Ver- 
breitung des Bibers im ruitsischen 
Ibdch 3ÖH. Die gengraphUebe Ver- 
breitung der Seeotter und der Biiren- 
roblie 367. Der Lowe in Griechenland 
3M8. l’haneroguuivnHora von Böhmen 
36H. The Ortsnamen Baden« und die 
früheren Bewaldungsverhältnisse 366. 



Urgcsclilclite. 

Ein iiMFOi'-.-Ii' - S.iiunnbild 
HUB rii.tn Urouyi.nlt.T l:'>. Du> korni. 
fcfhi-n Totniuirm-ii Ui>il dio ilti-risidi«» 

Be^olkrrung Korsikas Ift. Au«gm - 
hinii^ des llok^ahügel» (|T]isn|?t) pj. 
Au-«gr-.ibuiiireu im Danewerk Wi 
Schloswiy 19. Kudtilf Martin üb«r 

iifi> m-iililbLBrlit4ti tu 4li>r 

Schwulz 2>i. i‘fof- Sellins Austrra - 
huntren im Teil Taanuk ll*alS«tina') 
:tJi- Dio iM-jtrlM-n.-li-ti Mnnmiutlnoi-h.-Ti 

\«in Kiew. Mit Abbihlum:uii 3rt, 
G<ity,»-, Kille tuMie ;«tfitl/eitliehf Sta - 
ti«in in Serbien. Mit .\ld>i|dif. .H7. 
Hranco über d«.a futoilen Mrna<-b^» 
62. Krause. Kann Skandinavien 
das Staiiiniland der Blonden und der 
liidiigurmanun tein'l U'O. I>ur 13. 
liiteniationah' ..ymevikunistenktmirrers 
in Kuu York l.'tü, ki.i-Biiu-h.' T«iton. 
umun 132. Hoernes, Das Cammtf 
nien- Kim- antiohiiehe Stammform ih-r 
neolithisfhe« Kultur We«i«reuf>em>. 
Mit Abbildungen 139. Wolle- 
mann. J»as Endo der .Nephrit - 
frage’* 144. l'rgetichichte Xordwest. - 
bohinens 147. Höfer, Die itid^ 
genuantsche Frage durch die 
Archliotogie beantwortet UM. Much 
ül>er dun prühistorischcn Bergbau in 
den Alpe« 1 H 2 . Dio Herstdtujig 
Vorgesc.JiicTUlirher i'liongefafse ili? 
Broiiy«- und H uJlBtniUieit im uberL-ii 
Donnutfau IH3. .\rttfannKil.jgt«ches 
aus der EUThanlshohle tCltima Es- 
la-rancn) l'JH. Weitere Entduckunyen 
zur Vorgeyhiuhtc Kreta« 207, Aus - 
grabmme« Iwi tti»tw»r in i*ala«tum 
227. Dm frithere Vorbreiturip du« 
■Miiniiiu. jTii. Sclimi.U, H.-rmniiii 

illM.p 3ii. Ktumiii»... 

:;eschi4'hle d«>s MeJWheti 26.*». Klit - 
<lerkti«g grofser gemauerter Buinen 



im franzflsischen Sudan ‘iW l. Dbpr 
die Siedelungcn des palftolitbiscben 
Metisfhen in Rufaland 292. WAbi - 
stori«ches aus rersieu 304. Mann. 
Archiiolttfische« au» Perslim. Mit 
Abbild. 327. WiUer. Das Verhrei - 
tuogszentrum der nordeuroiikischen 
Ra>^ 3.3,3. Die La Tene-Flachgrtber 
im W ürtteinl»ergischen Dpterland S.'iH. 
Schmidt, neuer ihluvialer 

H<-hadcltypa.sY .357. Ituiienischo Au» - 
grabuDgeu auf Kreta .372. WiUit. 
Ileitrag zur Urgeachichte dos Men - 
when 3H2. 



Anthropologie. 

Die blauen Fh?cke tn der Kreuzgegend 
der Xeugel~H»ri‘nen Iwi <Ien M<mtp)len 
19. Odöntologischft Ergebnis«« für 
die Atithropohyie 2o. Blind, Skiz - 
zen aus elHafw-ltttbringischen OMUa- 



viThälLiiiw dor S.-.>otflnlb..l»lt> uiol 
diT t;o«.irhUliöht»n Iwi Hpn MgnB/->>^n 

und de« Anthrotsiidcp 35. Bolks 
knuiiologische rutcrsuchmigen hol- 
lüntli-schcr Schädel H4. Wilser. 
Antln-opologia suecica 92. Anthro» 
>oIo|^iscb^ aus der Kberhanlsböhle 
ritima E»i*erapzu) I*j 6. IVr rnter- 
kiefer der Antbro|wmorpheii und des 
Menschen 244. Hehinidt, Hermann 
KlM*tscKs Thnnrlli"rilM»ir'‘ df» 
geschichte de« Menachen 283. Krä - 
mer üb«-‘r die Bedeutung des Haut- 
pigment-« bei den Satuoanem 291. 
Die .^l>^brolH^log^*^ d<.»r Humanen 3Q7. 
Weinla-rg üiier die Ursachen der 
Mebrliiig«gcburteri .WH. Gcechlecht 
und Krankheit .324. Mati»>gkH ülwr 
die Beziehungen des Hirtigewjcbts 
und der Schadelkaiiäzit;it zur pvV - 
chischen ThAtigkeit des Menschen 

:t-2A_ llnt^iBebitsiH in ilAr 4V>fn> iW 
KltoHi.<..n U'i nignnlii»hmn iirtri moih. 
Iifdn»n Indivülunn .34 lL Drpl nwiiw 
Fklle von l*scudohcnuaiihroditi»mus 
Ijeim Menschen 340. Die Pygmäen 
mul iiire avsteniatisrhe Stellung in- 
nerhalb iln» Mensche«gw»c)ih*chts 35:>, 
Schmidt. Ein neuer ^llhiviater 
Schäileltypaa? 3i7. W User. Beitrag 
zur llrgeachichte des Menache« Hs2. 

Etliiiognipliic liebst 
Volkskunde. 

Weygoid, Da« indiani.4che Leiterzeit 
im König]. Museum für Völkerkunde 
zu Berlin. Mit einer farbigen Tafel 
als SonderlMMlagf I. 164. Hör- 
mann, I>er KrhcllcnlKigen der Her- 
dentiere und ahttliche HoixgerAte 7. 
Adaehi, Ouruch der KiiropKer 14. 
Spiele dar Eingeborenen von Nord- 
Queunsiand. Mit Abbild. So. Kn- 
r u t z , Engano • Ihipolo. Malaii.sche 
Einthisse itn Bisiiiarck-Arcfai|>el. Mit 
Abbild. 26. Hörmann, Die Schel- 
ten der Henlenticre. Mit Abbild. 
30. Vigfltröm. Geister- und Ge- 
s)iensCeral>erg]aul>«' au« Vüstra Giüiige 
und Skäue (SchwiMlen) 4.H. Ste- 
vens. Die Schöprung*-^ge der Drang 
Temia auf der ilülbinsel Malnka 47. 
Klapperbretter 52. 196. 291. 323, 

Küpper. Mittclamehkanische Waf- 
fen tm m<«lenien Gebrauche. Mit 
Abbild. .'»3. Neue Erscheinungen in 
der Knta ickeliiiig der Judiichcii B<- 
TOlkerung im DeUUicheii Keirhe 65. 
(■ e nt z , Sange der Herero» in Di-utxch- 



VIII 



InbaltaverseichiiiB des IjXXXIII. Bandet. 



HndwfHtafnka flO. Bettlenlörfi^r in 
KurnUtti«! 84. Für«! etua II n. ZM>i 
Mayahivroglypboti. Mit Aiiliilil. 

I>«rr M«i»kauer Dialekt litt. Koch. 
Der Parailiesgarten nb< Schnitxmutiv 
il**r Vaya((uä-lnilianer. Mit AbbiM. 
117. Bugiel, Poluiache Hagen au^ 
«lerl'ruvinz i’osen l‘i7. Dur 13. iuter- 
nationale Amerikniu*tenkongrer« in 
New York I3n. Die babyloninch- 
awyriftchün Schö|«fung*«agon 1 
Keich uml Htegelinnnn. Bei ileii 
Iniiiauerti dca Unibuuiba und Kn- 
vira. Mit Abbild. I3.H. Uaap, Hei- 
«eri auf der ltnwl Nia.« Ixd Sumatra. 
Mil Abbild. 14d. 171. Peob, Die 
epUche Vulktpoetie an dor Petscliora 
1&6. Kenner. MuUa Ali Mahdi* 
bajew über die Krankheiten der Kir* 
gi<en Dtl. Aducbi ü1h.t da« Alter 
der Hyphilin in Japan ltt‘J. Die 
MehrlingAgcbiirten im Kouigndch 
Sachsen löS. Hlevers«, Zur Sehreib- 
weiae der DrU- und Stainnieittiainen 
in Hiidainerika 170. Tiltowieruiig^n 
Wi Frauen der Öffentlichen und ge- 
heimen ProiiiituUon 178. Hiiti- 
meyer. Die Nilgalaweddas in Cey- 
lon tlOi. 'J2M. '.2GI. Die New Yorker 
Juden 219. Thuine. Die Uidzen am 
Kilimandscharo. Mit Abbild. 
Totzner. Seoh-n- und Knlnuinnchcn* 
glauix.! bei Deutschen, Slawen und 
BalU-n 235. Andree, Asiaiisch- 
amerikanischi- Folklore- Beziehungen 
au der BeringstrafM* 245. Preufs. 
Die Sünde iu der ine\iknui.<w*hen Ke- 
ligion 253. 2rtd. Htatistiarhes aii.« den 
KreDen Thurn und Marieuwerder 
274. Die biiiDeuliindinche Wande- 
rung und ihre Knckwjrkung auf die 
Umgangssprache in Österreich 27d. 
Beiträge xur pfülzisrheu Mundart- 
forschung 276. P. und F. Ha rasin, 
Olicr dieTuäla von Küd-Celelies. Mit 
Ahbild. 277. Körsteinanu, Zus;im- 
menhang zweier Iniw'hriften von Ihi- 
leiHiue 2H|. von Kchkopp, Zwerg- 
völker in Kamerun 284. Uoldziher, 
DerHeelcuvogidim islamischen Vfdks- 
glauben .HuI. C'hainberlain über die 
indianischen Wörter in der englischen 
Sprache Nonlamerikas 30«. Klose, 
Das Bassarivolk. Mit Ahbildg. 3ou. 
341. Welfscnberg, K tnderfreud 
uml -leid Im ‘1 den siidrussisohcu Juden. 
Mit .\hbild. 31.5. Hchurtz, Die 
Herkunft der Moriuri 325. von 
Hclikop]), Ileligiuse Anschauungen 
der Bakoko iKameruu) 33]. llunkc. 
Ballistische« über H<>geii und Pfeil. 
.Mit Abbild. .34.5. 3U.5. Appenzeller 
VoJksliiHler 34a. Die .tuileii der Oase 
Mzab 354. l>ia Verbreitung und He- 
kilinpfung der I^epra in Festland 35.5. 
Die Pygmäen und ihre syoteinaliscbu 
Stellung innerhalb des Monschen- 
geschlechts 355. F.in altotiüinlicher 
Brauch in Kur»land 350. (trn- 
matzka. Sagen der Kliainii und 
Hingidiu (A’.sniii) 304. Die Veruiil- 
tung der I*andgemein<len in Deut»«ch- 

SaiiMKt ST.H. 

Hioij^riililiiccii. Xekro- 
logc. 

Dr. Anton Stuzln-rg + 52. Dr. Josef 
ChavHiine + IVO. .lanu-s Olai.sher f 
211. Wolkcnhaiier, Dr. Karl von 
Scherzer+. Mit Porlnii 221*. (tiisiiiv 
Kailde t 2S*i- Fninz von Schwarz f 
•2KO. Dr. Heinrich Hi-huiiz t 3 <j7. 



T)r. .htsef Knrensperger t 339. Gustav 
Mvin«‘cke f 33B. Lerchis-l'uschkaitii 
t 371. Paul du Chaillu f 371. 



Karten und Plilne. 

l>er Zürcher See 21. Der Spullcrsvc 
22. Iler Formarinsee 22. Dirk- 
Gerrits/- Archipel mit der srliwetli- 
sehen Winterstation auf Rnow-Hill- 
Land lu4. Die deub-chen Salomon- 
inseln 1 :2tK>o0üo. Sonderbeilage zu 
Nr. 12. Karte des chilenisch-argen- 
tinischen Grenzgebietas 1 : lUOO<kuM> 
200. Übersichtskärtchen der mace- 
douiseben Seen 1 :750(K»0 214. Hpezial- 
kärtchen der Seebecken von Petersko, 
tlatrowo und Nimin I : 1200OU 218. 
Ein Hilick ans der MohiuenlaadschaD 
am Nordufer de« Btnlen^c«*« mit dein 
Hchleinsee und Degerw«. 1:2.5QA0 
286. 



Abbildungen. I 

Karopa. Frakturiertc» Keinur aus ■ 
einem mittelaUerlichcu HeiDhausc [ 
Lotbriiigens 24. Hteinzeillichc Fi- j 
guren aus Serbien .38 bi« 41. Schädel * 
aus elsars-lothriugiscben Beiiihäusem 
102. Allneolithi«e}je Fliutwerkzeuge 
au* der Provinz Verona l4o. Bei- j 
galM-n eines altrieolithLschen Grniws | 
von Breonio Wi Verona 140. Flint- i 
Werkzeuge von t'anipigny 142. Skizze 
zur Krlauterungder Spei* und Schluck- 
thätigkeit der Ponore in einem Polj« 
192. Das Po|K>vo |Kdje <II«-rccguvinal 
iin S4jmmer 19.H. Iiu« Popovo {«dje 
im Winter 193. Kurven der Schwan- 
kungen des O»tro»o«ees 218. Kahn 
iKinlmuml auf dem Ochrida-us» 239. | 

.KinuletthaLfdtänder für Säuglinge i 
(«üdrussiscUc Juden) 316. Kinder- I 
Spielzeug bei den «ädrussisclieu Juden I 
317 bi« 319 .Aussicht vom Badhaus- | 
berge in Marielmmn (Aland) .3rt0. | 

Der Fiirj'*UDd in Finstroni 3H1. 
Hrhlorsriiiuen von Ka»rellho|in 3HI. 1 
Kuineij der Fe<tung Boinarsund 363. | 

Partie >mn Sei-bade auf Muckelu 
3H2. 

.islen* Adu Katiia, Ahm-ngiVt/c iNin«) j 

150. Ucstell mit mitnulirlK-n und 
weiliehen Abni-nliguren iNinsl ir<0. I 
Sirahu, Wächtergötze (Niaal l5o, { 
Hihara. Knüppelgötze (Nins) 1.51. 
Aneinandergereihte Kiiüpprlg<'Hzcn , 

151. .\dnh»l‘o, D.^pjielzeUgengötze * 

<Nia«) l.'»2. Waffen au« Nia» 152. | 

15.3. Pri(!«tertrommeln (Nia«| 153. I 
Dlii'geliänge, Bartbimii'ii (Nias) 153. 1 
KriegHian/»>nnu»Siid-Nia«173. Kriegs- | 
niesiHT aus Süd- Nias 174. Scheide 
eine« Kriegsmes«ers aus Fadoro 174. 
Kriegsme-iser aus Fndoro 174. Korb , 
an der Si*heide de« Kriegsniessers aus | 
Fftdor»* 174. Ki»«-rner Hi-h« aus Snd- 
Nia» 174. Kopf des Sud - Nia«>er« 
Kochol.-m 175. Gott der Feste i Nias) 

176. le.H!eraer Schuppen(Kin/er aus 
llili Mataluo 177. Griff eines sehr 
allen Kriegstnewrs au« Hili Mntnluo I 

177. Korb mi >Kt .Scheide d«-» Kriegs- I 
mi'MMer« aus Hili Mntuluo 177. Der 
Danigalawetida Kairo mit ««-iiier Fa- 
mili»! 2o2. Friiher bewohnte W««lda- 
boblc in Nilgnia 203. Pon>mala nu< 
Meunebedda iiu Jnlire IH9U 206. pi» ] 
romola au« Henne|N*dda im .Inhre , 
](*U2 2U0. Der S.tkya Stupa mil den 
.\U'gi*nlmng«-M de« Herrn pejtpe 
(liiiddliriH (irabl 225. Der Sarkophag 
Buddhas in der Hidile 325. Huiliibas * 



Sarkophag 225. Die fünf Gefäfsc 
de« Hdkya 226. Kiiule im 

Humbinigarlen 226. KthuogmphUchu 
Objekte der Xnturwctldas 263. Kin 
Toäla 27b. Sicingeräte au« den 
Höhlen der Toäla 279. Keule der 
Toala 28u. Achäm«iiidi«cho Felseu- 
grälier bei l«.S4\käwund 327. Moine 
liih bei Bisetüu 32s. Haulenkapitäl 
liei Bisetnn 326. Dorf Särmäj 329. 
]>cr Uuiueubügcl vou sTiriiiäj mit 
Slcinnmuer 329. Ornamentierter SUdu 
au« i^rniitj 329. ilitrsiu; Die be- 
hauene Felswand 329. Wasserbecken 
bei ll^sin 330. Qala i Dizbär Iwi 
Harsiu 330. Kiiulenkapitale und St4t- 
lue bei Tät4 i Bustän 33o. Belief 
.Investitur Schapiir« II." zu Taq i 
Bu«läu 33Ü. 

Afrika. Der Staudamin von Assuan 
76. Aufmauem de« Staudunmic« von 
Assuan 77. Südseite lies SUiiidnimne« 
von Assuan 78. Die Kchifr«schk‘U«e 
des Ktaudamme« von Assuan im Hau 
78. Thor iu der HchiffHrtchlense von 
A««uan 79. Scbiff««chieu.se im Damme 
von .Aasiul 79. Der zuerst aufgeDm- 
deiie Götze beim Häuptling Lesiu 
f KiliiimndschAro) 231. G<">tzM aus der 
Landschaft l'ru 231. («ölzen aus 
Kilkisrho 232 bi« 2.34. 1‘fcilo und 
Pfeilspitzen der BuHchleulo 297. Bo- 
gen und Kticher der Buschleute 296. 
Buschmauii vou Makaui l»ei GohabU 
mil Jagdausrüstung 298. Haltung 
der Hände l>eim Spanneu des Bogen« 
(Ihisehleute) 29«. Oberes Knete eine« 
St<K-ke« zum Spriiighnsenfaiigi Kirri 
(Huschleulc) 298. WildM'blinge der 
Knlaharibuschleiiio 299. Feuer- 
zeug der Kala]mriliu«chleiiti- 299. 
BuHi-Innamiweih, Feuer machend 299. 
Buschmann mit WuHserHäcken und 
Kirri 3uo. Töpfe der Buschlcuie und 
Herenw :Ulo. Junger Buschniutin, 
mit einem JngdI>og«‘n Musik machend 
3iK>. Junger Bassarimnim 310. Bas- 
Nvrijuiigfrau vou 15 bis 16 Jahnui 

311. Kine BassarifamiHc iu Kore 

312. Vorlmlle eine« Ma-isstrigehöfls 
in Wodaiide 313. Ha^Ari.w.'hmieil 
au« Nnparba 342. Baflseribäupiling 
und Gemeinderat 343. Die Kubango 
olk-rlintb Mnsxaca 378. Ilült«' in Ka- 
vaiiga am Kulxmga 379. Iut l>iiign 
uiit« rhalb t'hijija 379. Hiitte (mit 
Schniizenden) um 1/mga 38o. Brücke 
ül«-r den Ouiriri 38o. Stromschnelleii 
d<w Kulei 3H1. 

.loierlka. Das indianische l>oderzelt 
im 5Iuseuin für Vrdkerkunde zu Ber- 
lin aiiKgcbn-itei. Hoiulcrbcilagi- zu 
Nr. 1. Die wichtigsten Röietxeich- 
niing«‘n auf dem indianischen Ledi-r- 
zelt zu Berlin 2. Da« Lt-di-rzelt dt-« 
Berliner Museum» für Völkerkuude 
in entsprecheuder Umgebung 3. Mos- 
«luito-lndianeriunge. Vogel si'^hiersend 
-'•4. Indiiinische Pfeile und Bögen 56. 
58. Bngeiihaliung verschiedener mit- 
telami-rikanischer Indiauerstämmu .57. 
Dumiit-^o t'ity 7u. Slrafsetibild au« 
Cnj) llaitien 7o. Blick auf ilie Stadl 
(.'ap Huiiieii 71. I.a Gnain» 66. 
Ibische der Hmnbuldtwoide am Gu- 
alreriiir« Ik-i Uaraca« H6. (irup{^- \*mi 
K onigspahiien l«‘i i'uracn« 87, Zucker 
rx>)irpt!anzung auf der Planiaire Mn- 
riura zwischen tlem Vnlendnwv und 
der KMstencf>rdillere a*. Au« dem 
Berulriüde v«.ii L«*« Tei|Ue« 88. Fufs- 
Impften d*-s Gencnil.« Nircda« Holand«i 
in t'iin'ipniio i Vi-nr/in-Inl 91. .Mavu- 
hiernglypheii 9.5 bis 97. Tnliakpfeif«-ii 



dby Googltj 




I iilinlt 8 vArx<*ialiniii den liXXXlIf. Httnrle«. 



tx 



il<>r (‘hnci.>iD<UaiiKr 1 1 h \ti« |*^i. l)(»|rh«' 
der KHM*hii)auH 137. Nun 

rnnnnm ‘J4’«. Kingnnu zuin frnnx«'>- 
Hiwpitn) in l'aimmi« 
ColumlnniiiM'hr« Militär Am 

(Kniinl vchi l^a- 
tiaiiiä) -’M. iK-r itrofiw ('iilt'brnt'iii* 
ürliiiitt (Kanal von i'nitam:i) 

I>H»> Ta({ 08 zpich(>n .Hund*, itz- 
ruintli. mit ludnem l^tron, «Umii 
T' nie^gutt. und dmii d»*rn Ti«!»* v<m*- 
fnlkmi-n SiiiidiT 1 AiiiiM'zikot 'Jtd*. 

1)h« l*uli|U«^>‘fär<t in d«*r Hiiim^kMcln^n 

SHmiiilmitf :!7n. I)»« Ki‘ilutiK*‘li^ari' 

mit d<-in 0|)f**mu‘»s*‘'r im Uarhpn 
( Alrmcxikot ‘.iTu. Die Ktd}{ö(tin Tou* 
atlictm <Aliine.xikn) ’i71. Die Krd* 
eottheit t Altmexiko) *.17*.), 

Australien und Ozoanleii. Kaden- 
Hjiiele der Kinifelxirenen v«»n Nord- 
tiue<*n»lHnd ‘JO. Sin'i'rsiii/toi u.-srimfte, 
t)i«> ttialnii«riieii P.ittllilf!* zeigen, aus 
dem Di«inarck-Art'lii|>ei i’ti. u7. 

Fulnrirebletc. Snn«'- Hill - Land mit 
d(‘V Hcliwedi-tclien WiiiterMaiiim h>4. 

Ide Mailiueht in der ('umlwrlaodbai 
In.'i. Der iloränenfjord M’umlH.Tland- 
bail D»5. Kegenerifreiider OletsctoT 
der (’umlHTlandhai lOri. Tu!»«tkgm!* 
tCuiiil>erlandlMii) It>n. Stje-Klefanten 
tCiimlx'rlandlmi) 1*»7. 

l'r^e^chirhte. Benrlteiteie Mammut- 
kiiiK'heii vi>n Kiew :tö. Steinxcitüche 
Punde nuii SiM'liieii ln« 41. Alt- 
l«"•Uthi^n’lle Flintwerkzeuge au« der 
l*r<ivinz Vemna 14o. Jk‘iirnlN‘n ein«** 
aUu»*i>littu8chen Grat**» von Hrcsmi» 
l»ei Verona l4o. Pliniwnrkzeuge v»m 
Cntnpijfny 14J. Aehäinenidiitnln* F«l* 
seiigrälK’i' Itei Isüakäwiiiul 5J7. Mo- 
tndith Itei Di<*etün 3'iH. Sdulenka|>ita) 
l*pi l)i««‘tiin 3‘JÄ. Itorf SÄrm.\) 3i5». 
iN'r Hiiineiiliüget von Stirmivj mit 
St«‘imiiauerAi9. Omaiiientierivr Stein 
ati* Särmnj 329. Ilär«ia: Die Iw- 
hauene_Fe|«waiul 329. \Va'*''erlwwken 
l>pi llnrwin 33o. tjnla i Diz)>ur Iw'i 
Hdrsiii .430. Saulenkaintiil" und Sia- 
Ule Iwd T:ni i lln«tnn 4.Ho. Kelief 
.Ii»ve<tiinr Sehnpiin« II.* zu Tn-j i 
.3:10. 

FtlinoirrH|»hiry Anthroptilogla und 
Volkskunde. Dafl indianuehe 
Zell im Mu^e'im für V-dkerkunde zu 
llerlin ausgebnntet. SonderlMulage 
zu Xr. I. Die wiihtigsteti K4itel- 
zeichnuniren auf dem indinni«4'hen 
Ltwlerzelt zu Berlin 2. Das I^ler- 
zelt des Berliner Mnsenmn für Vivlker* 
künde in «iiLnprveliendei- rinKabiing 
3. SchelleulH'gen und SeheUfuikamfeu 
9. 9. Külie mit ScbelleulH.>geii lu. 
Fadeii«pielc der lIlngclMircnen vem 1 
NorvI -Qiieenxland 2o. KrakinrierteN ; 
Femur aus einem miindalterlirlien 1 
Deinlmtlwe Lothringens 24. Kpeer* 
spitzen und -iwliafte, die mMlaü-w'heii 
Kindufs zeigen, aus dem Bisiimrek' I 
Archij»el 2t). 27. Ty|w*ii v»»n Keliellen ! 
der Henlentiero .42. .'i3. Mo#i|iiilo- 
IlidiaiMT, junge , Viigel si'hiefMMid f>4. , 

lniiianis«die Pfeile und Bt'ueu .%»). 58. , 

Hommhaltuiig versrliiedener iiiittel- 
niiienkatiisi’lier itnliHitei-wtamme 37. 
Muvahieri^glypliait 95 bis 97. Sebu- 
del aun elsarw-lotliriiigHi'heu Bein- 
hiiu>eni lo2. Dolche der KaM-hipauä 
13*). Adit Sntiia, Aliii«-ng<dzu (Niast 
i5u. tipsioil mit mätinüchen und 
weiblichen AlitienligunMi (Xiu«) IS*>. 
Siniha, \Vachi*^rg«»irt; (Ninsl 13*J. 1 
Biliara, Kmip(>dgotze iSias) I.M I 
.Vneinnndergereihte Knü|>peig<Vtzen‘ 
l.**l. Aduhoru. Dop|ielzeiigengi>Ue 
(Sias) 132. Waffen ans Xias 152. i 



1.5.*). l*rit“«h^rtrommehi tXias) ir>8. 
olirgcdiilnge, Barihindeii (Xius) 153. | 

Kriegslanzen atis Küd-Xias 173. j 
Kriegsmesser aUs Süd-Xias 174, j 
Scheide eine« Kriegsmessers nus Fa- j 
duvo 174. Korb an <ler Scheide d<>s | 
Kriegsmessersaus Fudon» 174 Kijwmcr | 
Hehn nus Süd*Xia« J74, Kopf de* l 
Süd - XiHwers Korlndet« 17,5. Gott | 
der Feste rXias) 17d. I^wlenier j 
Schn|i|ieti|K(ii7er aus Hili Mataluo I 
177. Griff «‘iiies sehr ulteii Kriegs* 
me»sers aus ilili Mnt.aluo 177. Korb 
AU derS*'hpi'le des Kriegpme'MTs aus i 
Hili Mat.'vliio ITT. I)«r D.anigatawndda i 
Kaira mit seiner Funiilie 2i>2. Früher ' 
lw>wohiitu Wcddah'diie in Xilgnin 2**3. 
I'oroiiinlti ati!< Heutndiedda im Jahre 
I8l*u 2v)t>. l'oromaln au« Heniiebedda 
im Jaiire 19U2 Der zuert>t auf- ' 

gefundene Gutz4 > Ihüiu li.tuptlitig 
l<ewio < KilitimndM'haro) 23|. Götze I 
aus der I.HndschAft l'ru S3|. Götzen 
aus Kiboscho 232 bis 2.‘)4. Kahn ! 
iFinltAUiii) auf d*-m Oehridasee 239. i 
K«hn*jgra|«hi*cbe Objekte der Xnliir- [ 
weddas2rt.3. DiisTngeszeiWien „Hund*, i 
ii'/cuiiitii, mit Hehlern Paiisin, dom 
Todusgott. und rh.'in dem TcnIo vor- 
falluneii Sünder tAltme.viku) 2U9. 
Das Pulquegpfäfs der Uilimeksc-hcn 
Sammlung 270. Das F.rdiingeheucr 
mit dein Opferm'-s«LT iiu Karhvn (All- 
niexlko) 270. Die Knlg^diin Vouat- 
licue lAltmexiko) 271. Die Krdgott- | 
hi‘it t .\hmexiko) 272. KinTnila 278. ] 

Sieinger.üte au* den Höhlen der 
Ttmla 279. Keule der Tnala 280. 
Pfeile und PfeilHpitzeii der Uu«<'h- 
leute 297. Bogen und Köcher der 
BuM.*hIeiito 298. Buschmann von Mii- 
kam bciGoliabis mit JagtlatisrÜHtung 
29H. Ilultuiigder llrinileIwiniS|ianiion 
dos Bogen« < Buschlcute) 29 h. Olieres 
Knile eine« Stockes zum 8pringbnH«u- 
fang; Kirri (Bu«chloutet 298. Wild- 
Mrhliiig« der Kalaharibiischleute 299. 
Feiier/ong der Kalaharibuflchleuto 
299. Bnschniamivnüb, Feuer mHoüenil 
299. itiwhinHiin mit Wa*«er«i»eken 
und Kirri 3*»o, Topfe der Bii«c)deute 
und Hereros 300. Jungi-r Busch- 
iiiann, mit einem Jagilhogen Musik 
mapbeiid ^K)0. Junger IkiHHarünnnn 
310. BasHarijungfraii von l*> bis lü j 
Jahren 311. Kine Massarifümilie in 
Kore 312, Vorhallo eini's Bassari- j 
gelmfts in W'wIhU'I«* . 313, Amulett- i 
haUbändor fürSäuglingc(südrussi«che l 
Juden) 318. Kitiderspiidxeug (lei den ' 
südriissiiM'heii Juden 317 bi* .*<19. j 
BasHari»«''hmie4i au« Xa|iarlM 342. ( 
B(UiHarih:iuptJing und Gemeiuilerat | 
343. Pfeillänge in Centimeter üb«*r j 
B«*genlänge in r«-ntimet4T 34.'». Pfeil j 
schaftlange in (.Vntimeier üb» r Bogen* ! 
lange in t'euiimet*T :-i4.'». Pfeilgevsieht 
in Gramm tilw-r Bogenlänge in ('»'nti- 
iiii'ier 348. B«igeiig<-wicht in Kilo- 
gramm üb*-r Bogeiiläng*- in Centi- 
ineter 34t). Pfeilgewirht in Gramm 
über Bogengeuicht in Kilogramm 
348. i44-b»-iidige Kraft in Meter- 
kilogramm üImt BogenUug.- in Kilo- 
grainiii '<48. Gesebwindigkeit in 
Meter üU-r B«*geiigewichl iti Kilo- 
gramin 348. S|«aniiungskurve eito'S 
s> inmetriHchen , leicht g«-krüuuuten 
Hoiz-mhbogeiis (Xiligu) 388. S|Min- 
ninigskurveii zweier Ms>minetri«ch<T. 
zu-aimueiigesi-iztcr r**kurvjerb-r Holz 
Iwigeii (Japan) 388. S^uiniiMiigskurveit 
zweier synimeiriwlier, rekiirv ie|i‘T, 
xusamniengeselxter Bog<-|l »tlR Holz, 
Horn imd S«-line (TurktiiUin) .189. | 

BIDliiKse. Karl von S<'her/er 229. I 



Büclu'i'scliau. 

.Vdi’ineit. Ibüträge zur Sifwleluiigs?***^ 
graphie des unteren MosidgeliietH 259. 
Beranl, Le« Phiüiiriens et l'OdysjMÜ* 1 

HH. 

Biewk, Durch Indien ins ver«chlosHeiie 
Land Xe(nil 18 . 

Borrwlowskij, Karte durAIandsidiurei 1 1.'«. 
Bn-iteiistein. ‘21 Jahre in Indien llt 19.5. 
Hühler. Kielh(»ni und Jolly. Grundrif« 
tk*r ind«mri«chen Phibdngie und Alter- 
tumskunde. li>. lieft; Mrsiizin l.')l. 
t'lozel und Villumur, Les coutuines in- 
lUgeiie* de la t'i*to d’Ivnire 99. 
de Cock und Terlinck. Kinderwpel en 
Kinderlust in Zuid-Xederland 2.59. 
t'iKik. Die erste Snd|K>lurnacbt 337. 
tTivelUiri, Ateuni cimeU della cartu* 
gmti» iiiedievale csiNtentl a Verona 
287. 

Ibw'kert. Gnimlziige der Handel«, und 
Wrkehiw«g»^»graphie 388. 

Itorpfeld, Troja und Ilion 114. 
luive. Deut.sch-SüdwtMafrika 2U9. 
Filchner. Fin Uitt filM>r die I*Hinir 288. 
Fi'irstemami, Kommentar zur Madrider 
Ma.vnhiindschrift .137. 

Funke, .Vits Dciit«ch-BrasUicu 49. 
GuSutundsMon, Islnnds Kultur ved Aar* 
huiidrswUkiflet 19ov) 17. 

(«üfsfeldt. Gruudziige der astrunmiiiHi'h- 
giHigruphischeti OnslieHtimuiung auf 
Foi'sohungsrpiseu 338. 

Haas, lieM'hichte iles ChriHtentiimH in 
Ju|Kin .34. 

llaiMH*rt , Die neuen deutlichen Krwer* 
hlitigeii in iUt Siidsce 19.5, 

Heger, Alle Melalltiviiimeln au« Süd- 
oHtasien 88. 

Hei«-rli undOswhsli. l*rge«H*hiclite Gn»u- 
liündetiH 147. 

llelluolt. Weltgt'Hchichte It 49. 
Kleelwirger. Vulk«kundUche-> an« Fim-Ii- 
b»ch in der ITalz 385. 

Koch. Die Guaiknnigrup|>e 113. 
KoHHiiitm. Die indogermanisclH* Frage 
.ArchaologiiH'h beantwortet 181. 
KKlmer, Die Saninninsidn II 1, 195. 
Kmhmer. Die Ib'-xielmngcn Rtir«lnnds 
zu Persien 288 . 

l^aach. Die Ursache und Bedeutung 
der Knilwlten im Volkiiglauben und 
Vülksbrauch Ja. 

laulerlMigen. Kninprani.-r Märchen 18. 
Lenschuu, ihus Wehknlatlneiz 353. 
Leite, Diir-es-Sahiam 338. 

Ludwig Amadeu« v<m Savoyen, Die 
„htellii Pohire’ im Kinmeer 2o9. 
.Maler, lleHearrhe« in the t't-ntnil Por- 
tion of the Ufiumatsintla Vall*>y 2 * 8 . 
Martin. Wandtafeln für den Unterricht 
in der AnthrofNilogie, Kihnographie 
und G**ographie 99. 

Mein. L'HriireA 17. 

X(‘dderich , WirtHchafi«geogruphi«che 
VerhUUui.««e. .VusieileluiigH- und B«- 
vt'dkeningHverteiluug im GHtfalLscheii 
Hügel- und Tieflande 8l. 
OlH*rhuium*T, Konstantinopel unWi Sul- 
tim Soliman dem Gr*>rs**n 338. 
t>p|Hd. Die Unumwulle nach Getschichle. 

.Vnlmu. Vemrlwitung mol Handel 17. 
Olt«». l*flan/er- und ■i»g. •rielten auf Su- 
luatra 258. 

l'eters. Im Goldlaud d**« AUertuiiis 33. 
Pi«-pers, Mimicry. Selektion, Darwinis- 
niu« .353. 

lta<iih.'. I>i« Sammlungen d**« Kaiiknsi- 
Hclo'fi Musi-uins. Ibind V: .Vrehä»*- 
logie 30.5. 

Kaizel, Die Kr«1e und »In» l.»''lw-ii II 131. 
Ilen««*li, Vor»* Dab* «ig I jelde 49. 



jigilized l y G^bgle 




X 



Inhaltflvertciehni» LXXXIII. Uundec. 



lU*U"ch«*l. Volk^ktunUiobe Str**if*iin:«.* 

Utl. 

Rikli, Ifaitaniwlit* Ri>i!><*!<iut1it!u »uf cinvr 
Krri]iliti)p«falirt durch Korsika 17. 

Kuhrtuich. Vom KauknHUst zum Mittfl- 
iiiwr 99 . 

Sundrr. Dif Wandi^rlicutMrhrcck**!! iunl 
ihre Rekaiiiljfuti^ in unsei-aii afri- 
katiiM*heii Ki»lnnitH*n 14^. 

Hartnri, IH<* K|>et»uiig d»*r Tnt<»u :b)5. 

Si’liUfer, M«*C’bto«rfii in den AljJtM), Hpji- j 
»ien. Kordrtfrik». Kalifoniien und | 
Mexiko 18. 

Hchfttix, WeHtafrika ti«i. 

Schief«, Qm-r durch Mexiko 48. 

Schütz. l>te 1.4>hre vtm dein Wesen mul 
den Wnndernngen der magnetLichen 
1*ole der Krd© 

Schwalbe. Orundrif« der Mijiemlogie 
und Owdfigif .W". | 

Segoiix.v, Mar*|tiis de, Viiynge« an Mn- 
roc giMi. 

Seler, Oo^amineltc Abhundlungen xur 
amerikanischen Spnieh- und Alter- 
tumskunde Ihl. I 

Siever«, VenexiielH und die deutschen 
lutt.Te««eti H53. 

Skeiit, Kahles iiud Fulk-Talv" frutn an 
F!it«ieru Korent ll-i. 

S]it*igade und Moisel, Undser deutscher 
Koloiiinkatlas 99. 

Stephuny. Iter nltt^te ileuii^che Wohn- 
Ihiu und seine Kinrichtiiiur. II. 1kl. 
303. 

Ktratz, hie Kör]H-r(oniien in Kun«l und 
Leben der Japaner r»(». 

SundlaTir. Sv«;rig«* Imid <»ch folk 3?*.'». 

l'nniUjpw, hie baralui und die Kulun- 
diiw'ltQ Steppe iui Ik.Teich des Al- 
taiischen Ik-zirks -.‘>8. 

Virchow. .VuMtraliei- «t*>. 

Wahner, has Simtienwendgeliirgi- 113. 

Wehle und Mucke, Sprichwörter, sprich- 
würtUche Rodcnsarien und Ausdrücke 
der tiherlniisiixer Wenden '.^39. 

Wilutzkv, Voi^eBchichte iIp« Utiebl«. I 
50. 

Zabel, hun h die Matidscliurci und Si- 
birien :.'u8. 

Ziiiimertnann, hie K<>l»tiin)iH>litjk der 
Nifilerliinder 



Mitarbeiter. 

Adiiehi, IhinUiro, hr. ttied., Strafshurtr. 
Andree. K.. Krof.. |tr. phil.. München. 
Bnuilierg. hr. uic<i., IxK-kwiiz liei 
hresden. 

Mehrens. hr.. tiberlehrer. lirannschwcig. 



Render, Ü.. hr.« <M«.*rbürvcrineister, 
Breslau. 

Uerkhan. t>.. SHiiiiät.srai. I>r. in«>d.. 
Bmuif»'h«eig, 

lUinri. K.. hr. med.. Stnifshurg. 
hoiichal. L.. hr. phil.. Mu--euinsa«i- 
»teilt. Wien. 

Dugiel, W.. hr. uieti.. l'uns. 

V. Hulou'. W., >lata|MM» tSiivnih. 
Bim’hner. L.. hr., München. 

Kenner, K., St. Fcti*r«burg. 

FoMtemaDn, K-, (tcheiiurai., Charlotten- 
bürg. 

Kiirster, Briv, tM»erMileu(nant a. 1>-, 
)lüm*heu. 

Krietlrich, Kmat, hr., Ih-ivatdt«ent, 
Ivcipiig. 

tlavnzzi, A.. Itr.. .Susak lei Kiuine- 
iieiiiz, I^cutnant. Metz, 
tfuldzilier. J., Kruf.. hr-, Bodn|>e«t. 
Hölze, hr., Ltirt-ktorinliissistetii. 
Berlin. 

t*rnl>owäky, K., I>irekt«»r de< ziiolngi- 
Hchen Harten», Breslau. 

(frauiatzka, M. C„ Krau. München. 
Hreiiii, H., I'rt'f.. lO*. phi].. hannstadi. 
Hniither, S., l'tof., hr., Münriieii. 
llalhfar», \\\, Vrof., hr. phil., Neuhnl- 
deiishdien. 

Hiium-ii. R-, hr., Oldesloe. 

Hauihal. H.. Prof., hr.. La l’lata, Ar- 
gentinieii. 

Heinrich. Kntst. hr. mcd-. Ka»sel. 
Höfer. I’., Prt»f. u. Olterlehivr, Wer- 
nigermle. 

llonimun. K., S’iirnltei-o. 

I^^el•n^•s, .M., Prof., hr. phil.. Wien. 
Hutter, Haupnnaiitt a. h.. Weilheim 
in Ikiyerii. 

Iimiiimuel. Haupininnn n. h., Kuger». 
4föger, .L.„ Heueraldirektor. München. 
Kntzer. Krhxlrich. l<and4!sgeuloge, hr-, 
Saraji-w«. 

V. Kleist. Olwrsth-'Ui rinnt n. h-, Steghi/. 
Klose, ii.. Berlin. 

Knbidt. W.. hr., Schnimheiin a. .M. 
Kwh. Th'.*<)i|or. hr.. Berlin, z. /-i. Bra- 
silien. 

Köniicke, hr., tMnTlchr«r, Mnhiheim 
n. Rh. 

KoHsitiiin. H., Prof., hr., Ih-rlin. 
Kramer. Augustin, Marinestalmarzi. hr. 
me<i., kiel. 

Krau.<*e. Krnst H. L.. StahKMrzt. hr. med.. 
Saarloiiis. 

KrelH. Wilhelm. t.U»erlehryr. Mün«ier 
im Kisaf». 

ImM-li. Hicli-, hr., Ilorii (Niedor-Ostoi- 
reu-h). 

ledmuMin-Kilhe». .M.. Krüiilvin, Berlin. 
l.chinann'NitM'hH. R., hr., las Ptala. 

Argentinien. 

Ia>ra>ti/en. Kiel. 



Mann. Oskar, hr., unfKeiiMui in PiTsien. 

Mehlis, Ih-nf., hr., NeiiMadi. Pfalz. 

Meyer. B.. Heheinirat, hirektor d*-» 
ethuogr. Museums, hreiulen. 

Mover. Hnus, Prof., I)i , lAUpzig, r. Zt- 
Keuador. 

(.»Piwrt. ti.. Prof., Berlin. 

Palloske, IL, Olierlehrer. irfsnde.shnt in 
S(-hle«ioii. 

Peeh, Tmugfitt, J^ipzig. 

J^ieper, OlM.-rlehrer. hr., HuinUnneii. 

Prenf», K.Tli., hr.. Steglitz bei Berlin. 

Ranp, Hugo, Kuiistgiirtuer, Ih-ann- 
»chweig. 

Kanke, K. K.. hr«, Iniier-Ai'osa. tiniu- 
biiinien. 

ihitzel. Friedrich. hr. phil., 

Ijeipzig. 

Ucich n. Ktogelmnnn. Knufleiito, Bra- 
'•ilii-n. 

Reinecko. hr.. Rodakti-ur. Rreslnii. 

B«uh. K.. hr. phil, Bildiothekar. 
Ilnilc a. H. 

Rüge. Sophu». Gehoimrnt, Pnd., hr. 
phil, Khitzsche l«i hresden. 

Rutimcvi-r, I»r., ISszcnt, Ba«»*l. 

Sapjier, Kurl, Prof-, l»r.. Tiibingi n. 

SuiniHln. hl*. P. und hr. K., Basel z. Zl. 
Mnca.xsi<r auf t Vlebe*. 

V. Schkupi». KlH-rliar*1, B-rlin. 

Schmidt, Kmll. Prof., hr., .lunn. 

Kchsiener, H., Wien. 

Bchott, HerhAfil, l)r., Humburg. 

t Scliurtz, Heinrich, hr., 'BmiMT, 

Neidet, II., Rektor. Berlin. 

Biuver», W., Prof., hr.. (iiefseu. 

Singer, li., Redakteur. Berlin. 

V. d. SleineD. K-. Prof., hr., Berlin. 

Htenz. H. M., i’., St. Wendel liei Snar- 
hrncken. 

Striirk, Adolf. SnNmik. 

Tetzner. K.. Ohorh-lirer. hr.. la-ipzig. 

TliileniuM, H., Prof., hr.. Breslau. 

Thom'*. P.. .\|*osiol. Mit«ioTnir in Ki- 
hrrscho fKilimamhclinn»). 

Tschulok, S.. Zürich. 

Vigströni, Ksn. Stot-khoUn. 

Voigt. Krik. hr., Tumlm lud Ktru-khoUn. 

WeihonWrg, S.. hr., KliaabsMhgnsd. 

Weygohl, Kriodrich. Maler, I,(>ui<vilU> 
tkentucks h 

Wiher, Fiiiduig, hr, med.. lieidclU-rg. 

Winter, A., lahmt in Kurland. 

Wirilernit*. Moritz, Pr»»f.. hr., l’rag. 

Wolketihauer. \V., Pix»f., hr.. Bremen. 

Wtdlemnnn, A., ohcrkdirer, hr., Bniun- 
srhtveig. 

ZiiiiiiiiU'cr, ](., Pnd.. Ih., Ludsvigshisfen 
M. Rh. 

Ziumiermann, K. W. R., hr., I'r.’suii' 
w'hweig. 

Zondervan. Henry. OI.erlehn-r. Hr.»- 
ningen. 



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I 







lXfJL.~OtKtX.yt ■ 



l»as iiidianiscliiv Lpdprzrll lpi. Mu 

pi. IltlZOC 



‘i'zrll Im- Muspun 

... .... ■ . , , ... ...200 D, V lOOOk.’ 

tviDMitM* rigurt*n iiua um luuide vergrtutvrt mit KornMp«>iidi<*n‘od«ii n«4uii 
j«ti« der M*lerei«ii dureb Buebttalxm bvxeittbnat. 



'4eii 

Oben liuks 




Völkerkiimli' v.\i licrlln au5;tr(‘breitet. 

<‘ii Ihu Kat«ufi»ri^ dor Ki'>t<>l/eiohiiun(fnii int durch Zahlen. 



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GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE 

VEREINIOT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

lIERAirSGEIiER: 1'rof. D«. R. ANDREE. VERLAG vos FRIEUR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIU. Nr. i. BRAUNSCHWEIG. 1. Januar 1903. 

N»ei»<lruck anr ('teralakttiifl vH da# 



Das indianische Lederzelt 

im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin. 

VoQ Friedericb Weygold. Louiaville, Kentucky. 

Mit einer farbigen Tafel ah Sonderboilage. 



haa indianUcho lyederxelt ini Kgl. Museum für Völker- 
kunde befindet sich seit dem .fahre 1640 in Berlin und 
gehört zu den zahlreichen ethnographischen Gegeustüuden 
älterer Zeit, welche ohne gendgundu Angaben über Iler* 
kunft und ursprüngliche Verwendung in die europäischen 
Sammlungen golangten. Der vorige Besitzer hatte das 
Stück aus der Sammlung des Sekretärs der franzoaischeu 
(reüandtachaft in Washington übeniommen und machte 
darüber die Angabe, es sei eine j,Medizintant«*^ (frz. 
tonte) und rühre von den „Medicme Indian:«'* her. 

Die Figuren auf der Zeltdecke hielt er für die Dar- 
stellung einer von drei Stämmen abguhultuneu Jagd. 
Die Zeltilecke besteht aus gegerbter Itfißelhaut. IHe 
flöhe des Zelter« bis zum Krtmzangspunki der Zeltstangen 
beträgt 1,70 m, der Durchmesser au der Grundfläche 
2,45 m. Die Form Ui die typische der leichten i/eder- 
zelte der nordamerikanischen Prärie-fudiancr, während 
die Gröfse auffalleud hinter derjenigen der gewöhnlichen 
Wobmmgszelte zurückbleibt. 

Iler beduub’nde ethnograpUischo Wert des Stuckes 
beruht in erster Linie auf den zahlreichen (etwa lOO) 
Figuren, mit denou die äufsere Fläche der Zeltdecke be- 
deckt ist. Die Umrisse der gröf seren farbigen Darstel- 
laugen auf der Rückseite, sowie die Figuren auf der 
Thürklappe — eiu über ciu bufeissnförmig gekrümmtes 
Holz gespannteK Leder — sind eiogebraunt, während 
die Umrisse der kleineren Figuren anscheinend mit 
einem spitzen Instrument eiugeritzt sind. Die Farben 
grün, gelb und hellrot sind vermutlich einheimische Erd- 
furbeu und mit Fett oder Leimwassur als Bindemittel 
nufgetragen, während die braunroten Figuren rechts und 
links vom Eingang und am oberen Teile des Zeltes den läu- 
druck von RöU‘lz«*ichnuugeu machen und der bequemeren 
Unterscheidung wegen im Folgenden als solche bezeich- 
net werden sollen. Von den diesen Anf.‘«atz begleitenden 
.Abbildungen stellt die farbige Tafel die ganze Fläche 
der ausgebreiteteu Zeltdecke nebst der lliürklappe und 
einigen Kiuz4)lheiten der erstereu Figur in vergröDerteiu 
Mafsstabe dar. Seite 2 i»t der wichtigere Teil der Rötel- 
Zeichnungen vergröfsertdargestelU, während die Original- 
abbUduiig des Verfassers da» aufgoschlageuo Zelt Seite 3 
mit entsprecheudor Umgebung zeigt. Die Büfieldecke 
mit dem grolsen Sonneiiornament und die Adlerfeder- 
baube bei den beiden ludianerfigiureu im Vordergründe 
dieser Abbildung, sowie die AdJerfederhaube bei dem 
Reiter im Fliniergrunde sind nach Exumpiaren imGrassi- 
Musuiun in Leipzig gezeichnet. 

(Hobu« LXXXill. Mr. 1. 



Bezüglich der kün.Htlerisohen Form der Darstellungen 
auf dem Zelte fällt zunächst schon bei flüchtiger Be- 
trachtung auf, dals hier zwei gänzlich voneinander ver- 
schiedene Künstlerhandschrifteu vertreten sind, woraus 
der Verfasser mit Bestimmtheit auf die Urheberschaft 
von mindesteu.H zwei Könstlom (im primitivsten Sinne 
des Wortes), eiuos Malers und eines Zeichners, schlietseii 
zu dürfen glanbt. Die grol-se farbige dekorative Komposition 
auf der Rückseite des Zeltes (auf der farbigen Tafel durch 
grotse Buebätaben A bis N liezeicbnet) mit ihrer ver- 
bältnismäfsig sorgfältigen und sauberen Technik steht 
io auffallendem Gegensatz zu den jeder dekorativen An- 
ordnung baren, in der Ausführung ruhen und im wesent- 
lichen einfarbigen Rötel/cicbnuugeu D- (Dt*^ letzteren 
sind auf der Tafel durch die Zahlen 1 bis 39 bezeichnet) 
Im übrigen zeigen die Figuren die für die ältere india- 
nische Kunst typii'che Unfähigkeit, verschiedene An- 
richten, z. B. Vorder- und Seitenansicht auseinander zu 
halten, bezw. folgerichtig durchzufübreu. Die ProfiJ- 
köpfu zeigen noch häuflg zwei .Augen, wie liei dem 
grofsen BtUTel (K), dessen Hörner und Ohren die Vorder- 
ansicht zeigen. Die Füfse sind noch oft durch die Fuf»- 
spur ersetzt wie bei dem Büfiel und den Bären (Fig. 19 
und 97). Bei dem Herd (I) ist ein Kompromifs gemacht 
zwischen der Futhform und der Spur*). 

Die alten indianiKcben Künstler zeichneten ebenso 
wie unsere Kinder, nicht wie sie sahen, sondern wai« 
sie wufsleu. 

Bekanntlich diente nun die Zeicheakunnt bei den In- 
dianern nicht nur zu rein objektiven Darsteilungon, son- 
dern die Zeicbnuiigeu wurden durch besondere ideogra- 
phische Be/iebungen der Figuren zu einander zu einer 
je nach der Kulturstufe des Volkes mehr oder weniger 
ausgebildetun BUdor.^ebrift Unter den Darsteliungeii 
dieser Art bildeten wieder eine Kategorie die sogen, 
mnemonischen Aufzeichnungen von Liedern und anderen 
l berliefcrungen, bei dcucii die einzelnen Figuren den 
allgemeinen Inhalt der einzelnen Strophen oder Sätze 
anduuteten und so das Gedächtnis des Rezitierenden 
unterstützten bezüglich eines vorher von ihm auswendig 



’) Die Figuren 5, 20, 21. 32, 39, 34, 30, 3s uml der 
Vogel tu der (.«rup)>e 36 zeigen zwar eine andere Farbe, ge- 
höreu aber ihrer Btelluug und dem SlUe nach zum Werk 
dea Zeichners. 

*) Pfei-deftgur hei MaU^ry, nl^icture-writiug of the Aiut.- 
ricau Indians'*. Tentb Annual Heptiri nf the Buri-au of 
Lthnology, 16SB — 86, p. SOS. 

1 



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Fr. ^VeJg;üld: Dfti indianisohe Ledorzelt im K5ni(;liehon Miiaeam für Vdlkorkundo zu Burlin. 



3 



gelomtun Textes, ohne 
jedoch einem Nicbtein- 
f^eweihten irgend einen 
.\nbah’>]>uukt zu tfebeu 
bezüglich de-H Wort- 
lautes «liüses Textes *). 
Um eine solche mnemu* 
nische Hilderschrift liaii- 
dolt 08 sieb nach der 
Ansicht des Verfassers 
bei den Darstellungen 
»uf dem Zelte, wenig* 
stens bei derGrupjie der 
Ur>telzeichnungen. 
kann sich demnoeb in 
dem Torliegenden .\uf- 
sutz nur durum bandeln, 
begründete Vermut un- 
gen nufzustellen über 
tien aUgemeinen lubult 
tler l>aratelltingen und 
daraus, soweit dies 
möglich ist, Schlüsse zu 
zieheu auf den Stamm, 
welchem die Verfertiger 
des Stückes angebörten, 
sowie üWr die ursprüng- 
liche Verwendung des 
letzteren. 

Die Hauptfigur in 
der grofsen Farbigen 
KompoHition auf der 
Uückseite des Zeltes ist 

di« grofse Pfeife (F), 
«leren Stiel mit Tier 
Flügeln — die Zahl vier 
gilt als heilig mit llüek- 
siebt auf die vier Hirn* 
melsriclitungen — mit 
zweimal je rier Daunen- 
federn und sieben ab- 
wechselnd grün und gelb 
la'iualten Feldern ge- 
schmückt ist Unten der 
Pftiifeiikopf zeigt Form 
und Farbe der typi-cben 
t'atlinitköpfe vom soge- 
iiaiiuteii heiligen Pfeifen- 
Hteiiibruch im Fände der 
Dakota. Die hier vor- 
liegetide Form der ge- 
Hügelteu l’feife findet 
im Prinzip ihre Parallele 
Ihm einer Figur in der 
von Mullery mitgeteilten 
Zensusliste des I)i<koüi* 
b&iiptliugs *Red Cloiid, 
welche dort als ,.I)«nner- 
pfeifo“ , d. h. als eine 
ITeife mit den Flügeln 
des Donnervogels be- 
zeichnet ist*}, ln unver- 
kennbarer ideographi- 
scher lleziehung zur 
Figur flor Pfeif« steht 

*) Siehe Muiler)r. «H). 
cit., p. 2S1 ff. 

Siehe Mallery, op. 
cit., p. 4ea. 




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Uas I.rdpnrU dr. Berliner Xnsrnnn. tdr Tmkerknnde In enleprechender irmirebanf. 

Gcseichnrt T«n Kr. W«Tg<iW. , 



4 



Fr. \Veyj?old: Daa indianiiieho hederselt im Königlichen Mmeum für Völkerkunde *n Herlin- 



hier diejenige der kleinen grünen Sonne (B) über derselben, 
heu Hauch der ersten Züge aus der Pfeife in die Richtung 
der vier Himmelsgegenden» de« Zeniths oder der Sonne 
zu blasen, oder die Pfeife selbst der Sonne darzubietoti 
im Sinne eines Opfers oder Gebetes, war eine bei fast 
allen Stämmen verbreitete Sitte, hati Gegen«täck zur 
Figur der Sonne bildet diejenige des schwarzen IlüBel- 
stieres unter der Pfeife (K). Ib»r Hüffol war bei den 
sioiixatjtxnmen ^), speziell bei den Pakota, ein Symbol 
der Erde, aus welcher er der Sage nach bervorgegangen 
war. In der Gebeirnaprache der Medizinmänner der 
Dakota wurde der Name de:« BüfTob (tatanka) auch ge- 
braucht, um die Menschen zu bezeichnen, welche nach 
dem 01aul>en vieler Stimme denselben Ursprung hatten. 
Der grotse, helle Fleck auf der Seite des Tieres .soll 
offenbar die heller gefärbte Stolle auf dem Felle de.s 
Stieres darstcUeii. Recht« und link« von der Pfeife hind 
zwei grofse mythologische Schlangen abgebildet. IKu 
Figur links (K) stellt den nAlm der Klapperschlangen*^ dar. 
da» Frhild dieser Tiergattung, vrelcdies, den zcMdbeisti» 
sehen .Anschauungen der Prärioslänimo eiit«pre<’hend, 
göttliches Ansehen genofs. Der aufKergewöhnlicbe ('ha- 
rakter des Tieres ist ang<Hleiitet durch die Hörner, das 
Symbol besonderer Äfacbt und Überlegenheit. Die trich- 
terförmige Fortsetzung dos Schnauzeneiules «oll oKenbar 
die breite Zunge de'* Tieres darstellen. The wellenförmige 
Linie, welche vom Kopfende un^gcht, ist eine sogen. 
Heiligkeitelinio („Wakan^linie). Mit dieser Linie wer- 
den in der Bilderschrift der Siouxstämme wie auch in 
der der Algonkins die Darstellungen von Tieren, Men- 
schen und selbst von unl>e)ebten (iegenständen ansge- 
staUet, welchen die FJgenschaft des Unerklärlichen, Über- 
uatürlichen oder Heiligen ziikonimt*). 

Dio Mitte dos Kopfes der grofscu Schlange ist al« 
Hauptsitz dieser Kgenschaft noch besonder« mit einer 
holcheii Linie bezeichnet, Kechts nul>en dom unteren 
Fnde der grofsen Klapperschlange befindeu sich sehr 
undeutliche, oingoritzie Konturnn einer kipineron, ge- 
hörnten, el>o!ifall'< mit Klappern versehenen Schlange (N). 
.Vufserdem sind Andeutungen von Fütsen oder Flossen 
vorhamlen, welche ebenso wie der Leib des Tieres gelbe 
Farbspuren zeigen. Ks ist die« ein wohl absichtlich un- 
vollendet gehliebcne« Bild des grofsen WasM'iruugobmiors, 
welches nach der Angabe der Dakota in Gestalt einer 
riesigen gelben, gebörutcu und mit Fülsen versehenen 
Klapperschlange die Seen und I'Tösse der Heimat jenes 
.'Stammes bewohnte*). Ihr Anblick allein verur.sachti* 
Erstarrung und Tod, Grund genug, auch hei dur .Abbil- 
dung Vorsicht walten zu lassen. 

Zwischen diesen Schlangen und der grotsen Pfeife i.^t 
die Figur eine« Reitern mit einem grünen Schilde auf 
einem grün und rot bemalten Pferde (H). wolclifiii rechts 
von der Pfeife ein lediges, aber mit einem Zügel ver- 
sobiicH Pferd (I) entspricht, über welchem ein grüner 
Donnervogel Hcbwebt. 

Diese letztere Griip{M‘ ist mit auffallender, judenfaUs 
nicht zufälliger Verletzung der Symmetrie von der Pfeife 

*) 7m den Khnixstämmen pobiVrvn ziiiiÄch»t dio Sioux 
(sprich Su oder Siu) in ciigi-reiii Sinne f*der Dakota, ferner 
die (tntaha. Maiidaneii, ilidatsa (Afönitari), Osatres, Mixsuuri 
und mehrere andere weniger bedeutende Stamme. Vcrgl. 
J. W. l‘Dw-el(. „In<linii I.inguixtic ('amitiex*. Annual Keport 
nf tbe Itnreau «•£ KtbnoUnfV. lääfi — «e. 

•) Sicln* Mallery, op. cii., p. 4ä*J ft. Ferner S. II. Riggs, 
,.A Dnkota-Knglish Dicthuiary* unter dem Worte „wakan“. 
in (len Contributinus lo N**rth American Kthni»h*gy, vo|, VII. 
Ferner b*-i D. J. Brint<m , 'ITie >IvthB of the New Worhl, 
p. «3. 

*) Siehe Dor*ey. Telou Fidk • lore Notes. Journal of 
American Folk-h»re, vol. II, i>. 186. 



durch die Figur der grolsen grünen Schlange (0) ge- 
trennt. Der Mythologie der Dakota zufolge werden 
Donner und Blitz durch grofse Vögel hervorgehracht. 
Dieser Itonnervögel, deren Naturvorbild im allgemeinen 
der (itdd- mler Steinadler (aqnila cdirysaötos) ist, giebt 
e« vier Arten, gelbe, grüne, rote und schwarze, welche 
auf dem Zelt alle vertreten sind •*), wenn man die Farbe 
der RötclzeichmiDgen im Gegennatz zur hellroten Farbe 
de« Maler« al.s indifferent oder schwarz gelten Uf«L 

Bei der Betrachtung der besprochenen Gruppe drangt 
sieb unwillkürlich «in Vergleich auf zwischen dicter und 
der Darntelluiig auf dem ersten Zyklu.**, welcher dem 
merkwürdigen Kalender (winter count«) der Dakota in 
der von Siallery“) mitgeteilten Fassttng de« Batti-ste 
Good vorangestcUl i«t I>ort «(eben die Figuren einer 
weifsen Büffelkuh, einer Pfeife und der Osten, welcher 
dort durch eine« Ulanen Farbfleck angedentet i«t, in 
gegenseitiger Beziehung, und zwar al« «ymlMdlsche Dar- 
stellung der Pfeifenmythe*'*) der Dakota, welche den 
Ursprung de« ehemaligen StaimneaheiligtuniK diese« 
Volke« erzählt und den beiden von Mallery und J. 3foo- 
ney**) mitgcleiltcn Fassungen zufolge etwa folgenden 
luliuU hat: Zwei Männer der Dakota erblickten eine« 
Tage« auf der Jag*! ein schöne« junges AVeib. Ihi es 
nicht zu ihrem Stamme gehörte, Hcblng der eine Jäger 
«einem Kameraden vor, sie zu töten. Obwohl dieser da- 
gegen war, schickte sich jener an, seinem Vorschlag ent- 
sprechend zu handeln. In diesem Augenblick löste da» 
Weib von ihren Knöcheln und ihrem Ta?il)e Schlangen 
und schwang dieselben über ihrem H.'iupte, worauf der 
feindlich geMiunto Jäger plotzlirb verxcliwand (Fig. IV). 
Hierauf w andte sie sich an den anderen Jäger, überreichte 
ibm eine Pfeife alsSymlw)! des Frieden**, bezeichueie sich 
«elbst alii die weifsu (heilige) Büffelkuh und machte ihn u. a. 
besonders aufmerksam auf di« Beziehung der Pfeifu zum 
ÖKtlichen (und westlichen) Himmel. Hierauf verschwand 
das gebeininiHVoUe Weib, und man fand in der Nähe 
eine grofse Büffelherde. Ein Zusaminenbung zwischen 
der Darstellung des ßaUixie G(km 1 uud der hier vor- 
liegenden Gruppe i«t nach der Ansicht des Verfassers 
iiitTcrkennbar und dürfte so zu erklären «ein. dafs die 
letztere Bezug hat auf eine ältere Kossung der er- 
wähnten Mythe. Wenn da« Zelt mit »einem Eingang 
nach Osten gerichtet wurde, wie das z. B. bei der .Auf- 
stellung der Medizinhütten vieler ^'täiumc Sitte war, s« 
wie» da« Muiulstürk dt-r Pfeife in die Richtung der 
Morgensonne, ein Getlaiike, der durch die immerhin auf- 
fallende grüne Farl>e der kleinen Sruine über der Pfeife 
angedeutet erscheint, <la blau bezw. grün — die beiden 
Farben gelbm lad vielen Stämmen als identiRcb *•) — 
narb der Darstellung des Battiste (iood die Farbe des 
0«teu« i«t. Ks würde dies eine weitere tlbereinstimmung 
der beiden Ihirstellungen ergeben. 

.Aufser den la'iden Kranichen (Abh. .A und Cl mit 
den beiden Schlangen in oder vielmehr an denS^biiäbehi 
und den beiden Hasen bei D gehören noi-b zu der far- 
bigen Komposition die beiden gr*»t»en. mit .Adlerfedeni 
bfihangenen grünen Schilde auf den Seilen de« Zelt«*« 
(Abh. L und M). ln <k*r Äfitte ihrer Flftch«* zeigen die 

") Im «ler tlestalt enUprecheu «lie hier v*irlie)fetnlo5 Fi- 
(rim>n (bei I, P, O, 9 un«I .*19) allerdings nicht gennu den 
Angaben von Ibirscy in A Study of Siouan Cult». Annual 
H«>port of the Bureau of Kthmüogy, IHää— P‘t. p. 44J. 

*) Mallery, op. cit., I’l. XXI. 

*•) Mallery, op. cit., p. 290. 

“) J. Mooney, The rtho»t.-dance Beliin'o»». Atniual Keport 
t»f the Bureau of Kihnol'ury, IS92— II, p. lu 62 . 

‘•) Vergl. auch Mif« Fletcber bei Dnrsey, A Study «>f 
Siouaii t'iilui. Annual Report of the Bureau of Kthnology, 
1889— iM), p. 530. 



- Dy Cjoogle 




6 



Fr. N\r>y 2 Mtd: Dm inilianischp Lederzelt im Kdni(rlich«n Mnseum für Völk«rkuude zu Barlin. 



Schiidv JuB Düd der S<mn<s im Gegensatz /.xi Fig. B, in 
der eihfach’tten und gfwöhuliebBteu Form iiU roi« Scheibe 
ohne Strahlen. Die hier Torliegende Form des Schildes 
berührt sieh mit der des gn>fsen. aber moist au.n nieb* 
reren konzentrischen Strahienkreiseu bestehenden .Somien- 
omamuntus welches häufig auf den Dufteldecken der 
PrArieaUmme gefunden wird. Den uinzeluen. meist 
durch eme imeke in zwei Hälften geteilten .Strafden 
dieses Soniienuruameiits liegt als Naturvorbild die Adler- 
feder zu Grunde, wie u. a. aus einer vielleicht nicht gunz 
richtig gefafsteu liemerkung de« I*rinzeii von \Vied her- 
vorgeht. Hei der Beschreibung der grofsen, gehörnten 
Adlerfederhanlmii X) der indianischen Krieger sagt er: 
^Auf ihren Uisourubeu bezeichnen sie (die Mandanen) 
dies« Fe^lermützen öfters durch das Bild einer Sonne 
Ks hiefse wohl richtiger: «Auf den Bisonroben stellen 
sie öfters die Sonne unter dem Bilde einer Federmfilzo 
dar.*^ Auf alle Fälle geht auch aus dieser Bemerkung 
des Prinzen hervor, dafs die Indianer sich die Strahlen 
der Sonne als ebien Kranz von Adlerftslem dachten und 
demgcmäfs dar&taliten. (Offenbar liegt das Smnensyiiibol 
auch der hier vorliegeudeii Form des runden, mit .\dler- 
fe<leni behangenen Schildes zu Grunde, el>enso wie Jener 
anderen Form der groDeu Feilurbauben, bei der die 
Federn gleichsam als Strablenkmaz den Kopf oder das 
Gesicht des Kriegers umgehen eine Form, auf welche 
die obige Bcmierkung des Priuzen in erster Linie iHkfst. 

Hietlurch erklärt sich auch das fast immer im Prin- 
zip gleiche Muster auf dem Stirnband dieser Hauben, 
das Zickzack- oder Dreieckmotiv, welches deninacb 
ebciisu wio die eiuzeluuit Federn der HuuIh« aln Sumien- 
»trahl zu deuten wäre”). Die v<m der I.ängsachsc der 
Foderstrahleii au den Schilden in stumjdem Winkel ub- 
weiclicnden Zipfel erklären sich aus den kleinen Büscheln 
von l’ferdehaareu, welche die Indianer an der Spitze, 
besonders der als Kopfschmuck getragenen Adlerfedern, 
anzubringen pflegen. 

ln der gridsen ürupjx.* der Rötclzeichnungen links 
vom Kingang ist Nr. 1 , an der Spitze des Zeltes ein 
Stern, in einer für die ältere Kunst der Prärie^tämme 
ungewöhnlichen Form. Der Stern in der ulten indiani- 
schen Kunst zeigt in der Kegel nur vier Strahlen. In 
der dckoniGvcn Kunst beruht die dort ungemein häu- 
fige F brm des Sternes meist auf derjenigen des Kreises 
mit acht Kadieii (wie hei Fig. 1 7 der Kötelzeichnungen **)]. 
Gewöhnlich werden vier der KreiBsegmente mit dunkle- 
rer Farlte auRgeföUt, und es entsteht al.sdaim ein Stern 
in Gest4ilt eines Malte»erkruuz4>s. Fig. 17 ist durch eine 
Zickzacklinie, die hier vielleicht den Schweif euie^ Me- 
teors darstellen soll, mit einen] geflügelten PhantAsie- 
wesen verbunden. Kinige Stämme dauliteu sich gewisse 
Sterne ab Tiere *^), und die Meteore im besonderen als 
Raubtiere, welche sich auf ihre Reute stürzen *°). Kb 

'*) Hiebe die Abbildung de* Verfa*s<*ni auf H. 3, Ferner 
(len Rüderatlas xu .Maximilian, Prinr. von Wied, Keise nach 
Kurdainerika, Tnb. 17, und bei Catlin, North American ln- 
dians, vol. II, die farbige DarMellnug einer Itecke der Mau* 
(lauen mit dem grorsen Honueuornament. 

‘*) Siebe den Kelter auf der Abbildung des Verfasaem, 
S. X Ferner Prinz Maximilian von Wied, op. eit., Tab. 13. 

I'rinz Mazitniliaii von Wied, <>p. cit., Rd. II, S. 111. 

'*) Vergl. die Abbildung de« Verfassers imd Prinz Maxi* 
milian von W'ied, op. eil., Tab. 4B, Fig. 6. 

*0 Vergl. hiermit die Zickzacklinie im Innern des Sonueti- 
omameiiteB. 

'*) Für diese uud diu andercu auf der Haupttafel fehlen- 
den Zahlen vergleiche die gröfseren Abbildungen auf der Dar- 
sUdluiig der wic.htigHten Rruelxeichnungvn. ‘i. 

Vergl. Dorsey. Osa^e Traditions, Aunual Report (»f the 
Rui'cau of Ktbnology, I8«4 — p. 3S4. 

••) Vergl. J. Müonoy. op. cIt,, p. 6s2. 

Glol.io. LXXXIII. Nr. 1. 



Dtag hier eine ähnliche Vorstellung Vorgelegen haben. 
Ftg. 2 ist ein kleines iNäugetier. deBseu Stellung in der 
Regiou der llimmelsköriK^r nicht auffällt, wenn inan l>c- 
rücksiebtigt, dafs sich die Dakota z. B. daK Abnehmen 
des Mondea durch die Gefräfciigkeit himmlischer Nage- 
tier« erklni'en. Fig. 3 und 4 sind DounerTugel mit ge* 
BchioBscnen Scbnälteln. Die I.eiber zeigen das Herz mit 
der sogen. Lcbeusliole, einer l■■or^^, w'elche sehr ver- 
schieden gedeutet wird. Hier bezeichnet sie wohl nur 
den mystischen, übernutürlieheo Charakter de.s Tieres i). 
Fig. r» ist vielleicht eine Hüfl'elkiih^^) (gehörnter BiberV), 
durch die mystische grüne Farbe als höheres Woaen ge- 
kennzeichnet. Fig. 0 ist ein Menscheupaar, dessen my- 
thischer Charakter durch '^eine st«dlung in der Luftregion 
augedeutet i.st**). Auch Fig. 7, ein l*ferd, ist hier nicht 
unmöglich, denn es gab z. B. auch Adlerpferde; vielleicht 
gehört es über auch mit Grup|>e 11 in die Krdregion, 
da der vordere Rand der Zeltdecke, ebenso wie der un- 
ten^ dicBo Geltung zu haben scheint. Zu Gruppe 11, 
welcher auf dem gegenüberliegendeu Runde der Zelt- 
deckv Fig. 37, der Grizzlybär, entspricht, mag erwähnt 
werden, dafs es bei den Dakota Medizimuanner gab, 
welche gegen Heile und Gewehrkugeln gefeit waren. 
Sie erlangten diese Kraft angeblich dadurch, dafs der 
Geist eines (irizzlyltären in ihnen Wohnung uahm**). 
Fig. 8 (bei den Röielzuichnung«>n) ist ein Kranich mit 
einer toten Schlange im Schnabel und einer lebenden zu 
seinen F'üTseu. Bei 9 ist ein Paar von Donnervögeln, 
welche aus vollem Ilaltse brüllen (donnern). Fig. 10 ist 
ein manler- oder fuchsahnliches Tier, und darüber ein 
Kaninchen (?). Von besonderem Interesse ist Fig. 13 
(bei den Ilötelzeichnungen). 

Es ist dies eins d(<r ältesten und vurbreitetsteii Sym- 
bole der indianischen Kunst K» fand sich bereits bei 
den sogen. Mouudbuilders , wie bei den alten Mexi- 
kanern, und ist auch den heutigen Indiauero der ver- 
schifKlcnsten Stamme wohl bekanut. Bei den DukotA 
spielte es unter dem Namen nFmane** eine grofse Rull« 
bei gew issen reUgiö«-L'U Zercmonieeii *'^). Die Figur be- 
steht im wesentlichen aus einem Kreuz mit gleich laugen 
Armen. Dieser Teil ist ein Symbol der vier Winde oder 
Himmelsrichtungen. Hierzu kommt noch ein (Quadrat 
(bei einigen Stämmen ist es ein Kreis), zu welchem die 
Arme des Kreuzes die meist über die Kcken hinaus ver- 
längerten IHiigonalen bilden. Das (Quadrat ist ein Sym- 
bol der Erde. Die den Sidten des Quadrates parallel 
laufenden geraden Linien im Innern der Figur iiiögeu 
hier vurschicdeQ« Erd- (Hier llimmclsrt'giouen IxHleuten, 
wie «olcbe in der ^lythologie verschiedener Stämme er- 
wähnt werden Di« beiden mit den Spitzen im Zen- 
trum der Figur zusamincnstofseudeu, mit ?'arbe ausge- 
füllten Dreiecke sind vermutlich Symbole von Zunith 
und Nadir *'). Die Figur ist hier aufserdem Tcrvoll- 
ständig! durch ein« .Vndeiitiing des nach ituliHni»cher 



Vergl. auch die Figuren bei H. .\udree, .\lte Tniiumelu 
indinniacher Medizinmämier. (llohus. ltd. 75, S. 14. 

”) Vergl. Fig. JW und Dorscy. Hi»aau CuIm. p. b'AT. 

“) Vergl. auch D'*raey, A Htudy of Siouan Cults, Aunual 
Report of th« Ituroau of Ktlmology, iss^— ao, p. 5Z'i. 

**) Dorwy, .\ Htudy of Siouan Cults. AnmtHl K*‘[>«>rr of 
the Bureau of Kthuology. — 9u. p. CXVIII. 

**) Vergl. UolmcB. .\rt iu Shell of the .\ucieut Amencau*. 
Aunuui Rüijort of the ilureau of Kthnology. Is8ü—Hl, PI. 1.VIM 
and PI. LI X, f«*mer C. Thomas Notes uu t 'ertoin Maya and Me* 
xican ManuscripU. Annniil Report of the Rurrnit of Kili- 
nol^y, IS81 — B'J, p. öl u. 6*i. 

^ Dorsey, op. cit., p. 4il. 

*^) Siehe die Figur bei IKirsoy, ()*age Traditions. .\uch 
bei Mallery. (»p. cit., p. 

”) Vei^l. Powell , On RegiineiitMlion. .Vmiual Report of 
the Bureau of Kthnology, 1H9.^ — M, p. CXVIII. 

2 



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Kr. \Vejrgol4: r>as indianisrhe I.odorzelt >m Köuiglieben Museum für Völkerkunde zn Berlin. 



4i 



AuffuNisung die Erde umgulwnden Wassers in (it>r>talt 
von licht Ottern [yj*®). Kerner zeigen die vier Enden 
den Kreuzea Siiubole der vier TlimmelMdchtungen. 

Dn dem VerfasKer binker keine ähnlichen Hjmboli- 
sehen Oar»Udiungen der ein/eliieu Hitnuielsrichtungen 
liekauni geworden sind, ko imifs er sinh bei der I)eu> 
tiing dieser Figuren auf VerumtuDgeu beschränken, 
welche er »war Bii begründen suchen wird, förderen 
Kichiigkuit er sich jedoch keineswegb verbürgen kann. 

l'nter dun vier Himiiiulsriehtimgeu galten bei dun 
SiüUXKlÄmmen ■ der Osten und Westen vorzughweise aN [ 
heilig, (Hier, wie die Bnkuta nugten, „wakan*; offenbar j 
wegen ihrer Beziehung zur auf> und uotergehenden | 
Sonne. Oeinentsprucheml dürften die Iniideu mit der , 
oben besproebunen „Wakanlinie** vergebenen Enden des 
Kreuze« den OKten bezw. den We^tun bezeichnen- Kim* 
dritte „ Wakaniinie“ ist schwach geritzt erkennbar au 
dem dem grofeen Sonnenscbilde zugewandten Arme des 
Kr<MiZ4»s, welcher aulserdum viulluichi in Beziehung »U'ht 
zu der langgestreckten spindelförmigen Kigur (12), 
deren Hälften verschiedene Karhen zeigen und dureh 
eine I.ücke getrennt «ind. 

Es ist dies nach der .Vnaiuhi des Verfassers ein I''eder- 
strahl aus dem oben erwähnten grolseii Sonnenornu* 
ment ^®). IHese Kinler^lrahlen sind auf den Büffeldecken, 
welche das grofso Sonnenornauieiit zeigen, häufig al« 
selbatäudige Uandverzierung, meist paarig, angebracht. 
Oie Kigur hat, ibrein Ursprung entsprechend, auf diu j 
Sonue lh‘zug und dürfte duiiinacli hier den Süden be- | 
zeichnen. 

Von den beiden anderen zuerst erwähnten, mit der ' 
„MTaktmlinie“ verseheuen .\rmeii müNte soinit der nach ; 
unten gerichtete .\nu ilen Osten und der obere den | 
Westen darstelleii. Oie (tal>eluiig der westliclien «Wa- 
kanlinie** endet einerHeits in der Kigur eines Tieres 
(Eicbhöruchen?), andenu'Keit« in einer dreieckigen Figur, 
welche ein Zelt dar.stelieii mag. Oie letztere Figur zeigt 
«lie (^iiurlinien, welche in der iudiaiiiscbtm Bilderschrift ' 
tieii mystisch -mytliischen Tharakter der damit ausge> 
Zeichneten Figur andeuteii Nach der .\nscliaiiuiig ^ 
einiger l'riiriestämuie steht im Westen das Haus der ' 
Sinne in Oestiilt eines prächtigen Zelte*>. Na<*h Westen 
wandert auch eine ih-r drei, hezw. vier Sjelen iler ver- 
storbenen Oakota. Ihr Weg führt dort üImu- einen 
reitsenden Strom, dessen suhuialer Steg von eiiMT nnge- 
lieuruii Schlange (Kig. UV) bewacht winl. Oer vierte 
.ärm müfstu nach der hier entwickelten .\urra«sung den 
Nonien bezeichnen. Oie Mythologie der Oakota nennt 
zwar nu'iKt den Westen als die Heimat der Ibmnerwesen • 
— mni ein ^olcbes dürfte hier die geflugelb* Kigur dar- : 
!>te]leii — , doch wäre die hier vermiitlicb vorliegende .. 
.VuriaHsuiig ebenso begründet, weiche den Oounervugel 
dem Norden ziiweist, der ilimnielsgegeiid, aus welcher I 
im l^iide der I>akota iin Frühjahr die ersten (iewitter > 
kommen. IHe Figur, welclie dem redileii Flügel des • 
Vogels beigegehen ist , mag einen Beutel <»der Sack he- | 
zeichnen, aus dem Blitz und Wind (Hagel?) fahren. 
Möglicherweise hat der Zeichner, wenn er wirklich dem 
Stamme der Oakota augtdiörte, auch an den im Norden 
woliiieuden Wettergott Hevoka oder Waziya geilacht. 

**) Vergl. dia Figur der Otter t»ei Hrigmaii, The Mide- 
uiwin or (irand MHÜcine Society of th« Ojibw;«\. Aumial 
RßjHirt of ttie Bureau of Kihuoltigy. »a. p. y&3. 

■") Hit' gewöhnliche Form der stilisierten Adlerfeiler zeigt 
di<*s»* Bücke nicht. Ilagcgeii fehlt die letzten» zuweil*'H bei 
d*'ii Sirahlen de« SoimemiriiainentÄ, Veryl. Fig. lä u. 33. 

•*) Siehe nucli die Figur de» Zelt4-» h«•i iJorsey. A Study 
of Sioiian Cult«, p. die Figur der Otter bei Hoffman, 

op. cit., S. 25.S und S. li<7, Fig. Ö. Die Figuren In'i .\ndrev, 
Op. cit. und di« vorliegende Kig. 35. 



Fig. 15 ist ein Wulf oder Hund. Fig. 16 und 19 sind zwei 
Bären. Bei den Oakota kommt der Kigeiinanie „Eiaemer 
Irrizzlybar'^ vor®^), welcher offenbar auf ein mythische« 
Tier Bezug hat. In dem Eisen erblickten diese Stäinme. 
denen die Bearbeitung des Metalls ursprünglich fremd 
war, eiueu Wsunders geheimnisvollen Stoff und bezetch- 
neten dasselbe in der Bilderschrift durch die mystische 
blaue (grüne) Farlie. Fig. 18 ist eiu Federstrabi, hier 
durch da« olieii erwähnte Uaarbü«chel vervolUtändigt 
Fig. 20 ist ein Fisch. Fig. 21 ist eine Schildkröte, 
welche durch eine weitere Gattung von „Geisterlinien" ^*) 
als mythisches Wesen gekennzeichnet i.nt. Kig. 22 ist 
ein Kranich. Fig. 23 ist ein Fisch, unter der Krdregion 
liefindlich. ebenso wie die Figuren liei 24, welche dem- 
nach eine .\rt von Wühltieren (hpennophilua?) durstelleu 
dürften. Fig. 25 sind zwei fliegende Vogel. Kig. 26 
und 28 Kind zwei hühiierartige Vögel, vielleicht auch der 
„lo<iii" o»ler Eistaucher. Fig. 27 ist der schwarze ame- 
rikaui-cbe Bär (ursiis americaum»). Fig. 29 ist ein 
grofser weifser Vogel — geih ist Ersatzfarhe für weil«, 
ebenso wie grün für blau — mit schwarzen Flügeln und 
eingezoL'enem Hals; e« ist vielleicht die Srhneegans 
(anser hypi’iboreu», vielleicht auch der „white loon"). 

Oie Figuren bei 30 siud uiikemitlich. Fig. 31 ist 
die Eibelle eine der hauffg.sten Formen, besonders in 
der dekorativen Kun«t der Indianer. Fig. 32 i.«! eine 
Schildkröte mit einem menschlichen, gehörnten Kopf. 

Oie grofse Gruppe der Hötclzeiclinuugun zeigt elieusu 
wie die farhigi! Gruppe auf der Bück«eite de» ZelG's 
einen durchaus S4»]h>‘tiindigen Charakter und entspricht 
unter den bisher wiedergej.rc‘hencn hier in Betracht knin- 
meiiden OarstelluiigKii wohl am meisten der von llorsi'V 
leider uuvuUstandig veröfteutlichten sogen. Krieg«-charte 
der Kansa«**) und dürfte ebenso wie diese eine ume- 
muniM'he .\iifzeichuung von Eiedern «ein, hei der jede 
Figur, wie oben gesagt, den Inhalt eine!» Eieiles oder 
Ver.ses amlcutet, ohne jeiloch einen .\ufschliifs über den 
Wortlaut de««elbeu zu geb<'U. Ein gewis«er Plan in der 
Anordnung der Figuren ist auch l»ei dieser Gruppe in- 
Kofern unverkennbar, als die«elhc iiueb dem uralten zoo- 
tliei»ti»cheQ Sobeuia in der Bcilienfolge von olien nach 
unten Bildnisse und (ileichnisse (Symbole) dessen zeigt, 
wa« oben im Himmel, uutcii auf Pxden und iiu Wasser 
(iimO unter der Erde ist, 

Oie Figuri'n der driltcii grofseu Region der Zelt- 
fläche reclits vom F'.ingang siml verhältnisinftrsig sjüirlich 
und auch von geringerem InteresHe als die oben be- 
sprochenen (»nipjien. Auch liier i«t das Imi den anderen 
Gruppen erkennbare Prinzip in der Verteilung der Fi- 
giinm über die Zidtnache im we«entlicben gewahrt. 
Oben an der Spitz« sind einzelne und paarige Feder- 
«Irahluu (bei 33), oS^enhar mit Bezug auf die Sunne. Bei 
34 .«ind zwei Pflunzi'iiformeii. Heilig w'aren den India- 
nern unter «h'ii Pflanzen vornehmlich die (Vdor. Hei 
mehreren stammen wurde um oberen Teil »ler ^feilizin- 
hött« ein .\st angehraelit. angeblich, nin die bösen (ieister 
fern zu ballen**). Fig. 35 ist ein Ooniiervogcl mit der 

•*) iKirsey, A Study uf Siouan t'ult.s, p. 540. 

•*) Siehe da« SMuneoomaiiK'iii auf der Heck« bei C'stlin 
op. cit. 

*^) Hie borsteiinrLigeit ,«pirit*Hn»-.«'‘ linden «ich häiing in 
der BilderM'hrift. der Ujibway, iismentlich )>ei der Harstel- 
lUDg de« uivthi«chen weif-ien Biiren. Sieh« Iloffnisn, op. rit., 
p. «;i9. 

“) Sieh« Mallery, op. eil., ji. 

•*) Horney. Mouniing and War Custom« of the Knona«. 
in The American Naiitrali^t, vol. XIX, p. hsft, TI. XX. p. «7rt. 
liermdlie in .\ Study of Siouan Aninial Ke|K>rt of tbe 

Hurititu of Kthnology, Ikksi — l»n. p. 333. 

'’ß Vergl. auch die tVder in der Lnfir*-i;inn l»ei HunH»y, 
Osago Tradition«,. 



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K. HöriiiaoEi: Der Schellenliogei» «lt<r Heriieiitiure und ähnliche iloixgeräte. 



7 



oben bei Hg. 13 beMprocbeiien Art Ton .^lIciHgkeite* 
Ituien**. Fig. 36 ist ein grdnes (mythiKcheit) Säugetier, 
vielleicht eine BüfTelkuh >*). Fig. 3H ist ein gelber 
(=r weifner mler heiliger! Wapitibirvch. Hei (iruppe 39 
i»t eti noch fraglich, solange aicb keine Analo^een finde?), 
ob ilie Figur rl««» Vogels in Hezichuiig steht zu dein dar> 
unter befiudlichen Men8eheii|mar. 

Bei O ist ein grufKer roter Dtinnerrogel mit grünem 
Leib. Hei D ist eine aiisobeitieud ubsichtliehe paarige 
/usamtneuKtellung imgleiclmt*tiger Tiere, einer Schild- 
kröte und einen Vogels, wie bei B eine (Milche von einer 
Schildkröte (mit einer undeutlich gegabelten «Wakuu- 
liuie**) und Schlaiigo, wofür »ich in der indinnixchen 
Mythologie entsprechende Beispiele finden. Bei sind, 
«lern KrdsymlMd auf der anderen Seite des Zelte» ent- 
sprechend, zwei grüne Kreus^ Symbole der vier llim- 
meihriclitiingen. 

Cm den unteren Band des Zeltes zieht sich ein 
Reiterfries. Auf einigen Pferden fehlt allerdings die 
Figur de» Iteiter», vielleicht infolge zufüUigen Verwischeiis, 
dem der untere Rand des Zeltes durch da» .\uflogen von 
Baseiistücken und Steinen besonders stark auegesetzt 
war. IHe Anzahl der Pferde betrügt auf jetler Seite sielien, 
ebenso die .Anzahl der P'clder auf der groFson Pfeife. 

Die Zahl sieben galt ebenso wie die Vier bei vielen 
Stümiueii als heilig mit Rücksicht auf die sieben (vier) Ke- 
gionen: Ost, West, Nord, Süd, Zcailh, Nadir und Zen- 
trum. Eine besondere Rolle scheint diese Zahl bei den 
Dakota, dem Volk dar sieben UatsfeutM', gespielt zu 
haben, bei denen auch die Auzahi der Gentes innerhalb 
luehrurer dor »ieben Stamme sieben betrug **). 

**) Vergi. die Bemerkung Uber den „Büffel in der oberen 
Welt“ bei Dorsey, Biouan Cults, p. 597. 

**! Vergl. Dorsey. Hinuan C’ulu, p. 380. 

**) Siehe IKirsey, Hiouan SociuIr>gy, Aunual Bep<»rt of tbe 
Bureau <d Kthiiology. 18Ö3—S4. Vergl. auch D»irsey, Oitage 
Tradition", p. 997. 



Was nun zum Scblnfs die Frage nach der ursprüng- 
lichen Verwundung des Zeltes und der Stammesangehörig- 
keit »einer Verfertiger betrißt, so ergiebt sieb aus dcu 
obigen .Ausführungen zunächst die Thatsacbe mit 
Sicherheit, dafs es sich bui den Figuren auf dem Zelt 
der Hauptsache nach nicht um pr«ifane, sondern um 
mythologische Darstellungen handelt. Dieser Cm- 
staud, wie die auffallend germge GrOtse des Stückes 
spiicht gegen eine Verwendung dersell»en zu gewöhn- 
lichen, d. h. Wohn uugsz wecken. Die sogen. Meiluinzelie, 
an welche der eingangs erwähnte vorige Besitzer des 
Stückes dachte, waren hei den Siouzsiammen wie hei 
den .Algonkins (OJibwuy, Menomini u. s. w.) aufsergewühn- 
lieh grulse Hütten, in welchen Tänze xind andere Zer4- 
monieen von Zanliererverelneu mit oft erheblicher Mit- 
gliederzahl abgehalten wurden. 

In der farbigen Ilauptgruppe, welche jedenfull'« die 
älteste und viulleicht die einzige ursprünglich geplante 
Dekoration des Zelte» darstellt, herrscht das Bild einer 
grofsnn, mit symbolischen Verzierungen ausgestatteten 
Zuremonialpfeife vor, und zwar in etnum Zusammenhang, 
welcher auffallend an die oben erwähnte Darstellung 
der Pfeifeutuythe der Dakota erinnert. Ks ist de.Hbalb 
die Vermutung begründet, dafs es sich hier um ein Zelt 
bandelt, welches ehemals zur Aufbewahrung einer sogen. 
boUigen Pfeife als StaiiimesbeUigtums eines der westlichen 
Pr&rieatämme, wahr»cheinlich eines der weit verbreiteten 
Siuuxstammc diente*^). 

Auf alle Falle besitzt das Köuigl. Museum für Völ- 
kerkunde in Berlin in diesem Stück eine der unifang- 
reich»teo und inU^re^santesteu Onginaldarstellungen zur 
Mythologie der we»tbcheu PrÄrie-Indianer. 



Wrgl. die Abblildungvn ähulichor Zelte der Omaha 
bei Doraey, Biouan Cult«, p. 4UH und 409. f«*mer über di« 
heilige Ifelfe der .\rapabo. J. Moouey, op. cit., p. 960. 



Der Schellenbogen der Herdentiere und ähnliche Heizgeräte. 

Von K. llörmauii. Xüruberg. 



ln vielen, namentlich gebirgigen Gegenden ist es 
üblich, den Ilerdentiereu — Kühen, Schafen, Ziegen — • 
ein Geläute umzuliAiigon, solange sie während der 
Sommerzeit atif die Weide getrieben werden. Dieser 
Gebrauch ist auch in den Bergen und Thälern des mitt- 
leren ^'^uDki^cbcD Jura in Nurdbuyern zu Hause und 
zum Teil auch vor dem Gebirge, im unteren Pegnitzthal 
beispielsweise, bis in die Nähe Nürnbergs. 

Das Geläute besteht au» Kiseiischellen. die vormitt«*]»! 
zweier I^derstrupfen an einem hölzernen Gerät hängen, 
da» in wechseludur Grofse und Breit« aus «’iiieiii Holzlireti 
zugeiwhnitteii und bogenförmig gekrümmt ist (Abb. 8). 
Die Hirten machen sich dies Geräte .«eibet und nennen 
es ,,$chetlenhogeu‘'. 

IHo verschiedenen Partieen des Schelienboguns tragen 
Namen. Die Wölbung, mit welcher der Bogen dem 
Nucken des Tieres aufliegt, heiDt das „Gewölbe'* und 
ist zugleich die Stellu »einer gröCeteu Breite, die 
zwischen 10 und 2f> cm schwankt. Nach den Enden zu 
wird dor Ikigen um ein Genüge» schmäler, die Enden 
»iod eiförmig oval. Zwischen dein Gewölbe und dem 
unteren Knd« ist am Band dß.s Bogens beiderseits je ein 
halbrunder Kinschuitt. Diese Einschnitte nennt man ' 
„die Obren“. Die Partie zwischen den Ohren und dem , 
Gewölbe heifst „der Ilalsteil“, <li«jeuige unterhalb j 
der Ohren Backen“. I 

Glohtu LXXXUl. Nr. 1. 



Die Nuhellenbögeu tragen farbige Ornamente, welche 
di« Hirten ebeiifall» stdbst herstclieii. Prof. Ranke bat 
zuerst auf diese iiitoi‘e«»HUie Volkskunst aufmerksam 
gemacht *) und mit mn so greiserer Wahrsebeiolicbkeit 
die Vemiutung, dat» sie der »lavUclien Volkskunst ver- 
wandt »ei, au»ge»procheu, als auch die Bevölkerung in 
Nordbayem ehemal» stark mit Slaven durrb.setzt war. 

IH« Hirten unterscheiden verschiedene Arten ihrer 
Oniameiit« mit NaTneii und verHichern, dat» jede .\ri 
während einer gewissen Zeit in Mode gewesen »ui. Die 
Untersuchung der Ornamente hat da» auch bestätigt. 
Ihre höchst« .\ii»bildung, ihre Hluti'zeit, hatten die liirten- 
oruameiite in den fünfziger oder sechziger Jubrtm de» 
vorigen JahrliunderU erreicht. Siutdem »ind »ie lH>»tän- 
dig im Rückgang begriffen, sowohl wa> da» Verbrei- 
tiiugsgi'biet anhelangt, als auch die Sorgfalt, welche auf 
ihre Hersts-llung verwendet wird. 

Der weiUiu» gröf»te Teil aller Hirtenornuuiente uiii- 
fafst gegenständliche 1 Darstellungen. W' a» daran < >rnaiiient 
zu nennen i»i, »ind uuHschliefslicb Pfianzetiuntamente: 
vereinzelt »ind auch Figuren, etwa» häufiger wappi'n- 
artige Embleme, aus dem Werkzeug der DorHiaudwerker 
' au.sgewäblt, in di« stets »ehr einfachen KompoeitioiuMi 

*) Rauke, Zur twjer. Vulkxkuud«; a. Midelfriiiik. Onia- 
' mente, S. 51 der Bcitr. x. .\nthiMp. u- liRvemii, 

I »i. Ti. 

2 * 



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K. Il»riiiiinn. l>f>r .Scht'|]enK«>g4'ii ilt'r uud »ht3Ürlie llol/gcrate. 

lutt L*inbc/üguu. AUe Art«i> (Uei>i'r lbii>ivlliiiig«iii dutieivii j voruiiifncbt . r>o nur zw(ü .scbräg^p, i*icb kruuzcmir* 

nufi jüngerer Zeit Ibe ältere Hirteuormtnjentik kennt i gerade liiuieu vorbiuidon sind ( Abb. 4), die bei uaderen 
mir geoiuetrircbe lüu'rttcdlungen, d<H:h eind Srbelletibögeii ' Kxeui]ditren h]h ein reines A n d re ii nk rr? u z erkenntlicli 
dieser Art selten anzutrefleii. I»er KiitwickeluiigsgHng werden (Abb. bk l»ie letztere Art ist ullerdings «ebr 
der IlirtenoriiHiaentik siebt »lsi> im Kiiiklntig mit den selten, denn sie int selnm sehr alt, al>er die daraus ber^ 
orgiuiischeii Kutwickidiingsgesetzeii der jillgeniuincti Or* vurgegangunen l'uibildungoD sind in ganz Nurdlmyurn 
miuentik, für welrho .lie anrh insofern zu interessanten ancb dort, wo schon längst <lie Bögen, wie in der uiittel- 
ViTgleicbeti Atilata giebt, als die verschiedenen Arten kriiiikisehen Kbcmo, aufser (tebrancrh gesetzt sind, als die 
grnfstenteils durch allmähliche l'mfuruiung des Vorbau* nahezu allein benschenden Backeudekorutionen so all- 
«Icueii auseinander bervorgi'gangen siml. geiuein Terbivitet gewesen, Huts auch an der ebeiiials 

Zum Beweis greife ieb den HauptbcBtandteil ihrer entsprechend gröfBeren Ausdehnung der reinen AudreriB- 
Pnanzenomaincote, die lilüteiifnrin der r«ipe, in der kreuze kein Zweifel besteht. 

auf Scliellenbögeii hiinfigfeUm Form heraiiH (Abb. 1 1. I>ie Bio Kntwickelung vorn .\ndreaskrenz zur Tulpe ist 

Tul|>e ist überbanpt ein I.ieblingsbild der dentsclien idlenlings uiebt ganz so programmgemäts vor sieb ge- 
Volkskunst , das Belno \N erbschätzung der Tnlpenlieb- gangen, und aurb Her Nachweis dieses V^organges ist 
habfrei der zweiten Hälfte des 17. .lahrliiindurts ver* niebt ganz ho einfach, als es nach obiger Barstulliing 
«lunkl, als die Tulpinizwielieln unter wahnsinnigen Preisen ; vielleicht den Anschein hat. Aufsenlem giebt cs auch 
von Holland aus in die Wflt gingun. In die Volkskunst Tnl{»en von anderer und ganz versi-hicdener Herkunft, 
fand <lie luljK? verhältnisinäfsig ball! Hingang, der Hirten* Aber auf Abuliclie Weise wurden auch andere und W- 
urnameiitik gebrut sie jedoch »T.st seit »-twa der ersten mukIpis die geometri-clien iCinzelhgiircn der ältesten 
llälhe des 19. .lahrhiindert.H an. fn der Weise, wie hier I>ekürations»tufe nach und naclj in gegenständliche Bar* 
wiedergogebeu, ist sic hier und da als grof.ses Hanptbild | steUungeu übergeführt. Bei den Kreisfiguren f.Abb. 7) 
auf Schellenl>r^eTi angebracht, meist aber tritt sie als | war«m ilie Veränderungen weniger bedeutend, sie wurden 
Steilgelblüte der NolMUidckorationen auf. fast unverändert oder einfach halbiert als Bluiuon un 

In eitlem dieser Art der Pflanzciionniineule umuittulbar einer archfiistisch rohen l'flanzenornameiitik verwendet, 
vorauBgegungenen geometri.schen Schcllenbogenstü hat die er*t iin I.aufe des 19. .labrhunderts vollendetere 
ilie Tulpe einen formverwiuidten Vorgänger in einer , Formen aimahtu. 

eln-ns« häufigen geoiii e t r i sch e ti Figur (Abb. *J), In Thüringen und dem Harz finden sich zum gleichen 




deren t^btaaelznng in gegenständliche Burstellungsweise I Zweck des SchellentrageiiH Holzgeräto von Btwa.s anderer 
eben dieTnI|>e ist. .\ber uucli diese Figur war nicht als I und iiielirfauli wechselnder Form und uiit anderem Namen. 
I'ertiifca von Anfang au vorhanden und ist ainli niclit Man nennt sie „Schellenbügel“ niid „Kaufen“ oder 

entlehnt. Sie wurde in fler unb'ren l’aiiie di-s Bogmis, „Kamfen“. .Sie halien einen Imdeiiteni! Kchmäleren Hiils- 

anf dem Backen unter <leiu Kinflnfs der eiförmig ovaleu teil als der Schellctibogeii und einen Backeu, dessen 

Form demselben während langer Zeiträume herangiduldet, (restalt zwischen runder, hufeisenförmiger und ovaler 

und mat uU sie die liier wiedei gegebene .\usprilgung Form wecliselt. die biswoileii ain h iler des gleichen Teiles 

erlangt hatte, war sie auf den Halsteil verpflanzt worden am Schellenbogen entspricht (Abb. 9). iVrr llu’sieil ist 

und beseitigte hier eine älteix* Itarstelluiigsurt von eben* niclit imuM>r ornauieuiiert, und wenn eres Ut, so si-lieint 

falls geoiiietrisclier Bescbaflenheit. seine Bekoration doch weit weniger charaktcristiei h und 

Bie llidnteile waren bis dahin die Träger einer von gUdidiförmig als diejenige in Nt>rdbayeru zu sfiu, die 
der ib’s Blicken« siiliHtisch ganz gesonderten ttrnanientik l>c'timmten ornomeiitaleii Stilgesetzen folgt. Bus kann 

gewesfii, webHio atcii in tapetirinirtig uiii/eordneten l.inii'ii* I aber auch lUNngelhafte Beobai'filiing suiii, denn die Bügel* 
Mpielcii bewegte. Bas Muster, welches au^ dieser An* uiiterMichuug konnte nicht in «O ausgedeliDtem Mafsc 

Ordnung ent.steht, ist einer textilen 'Technik, dem Stricken, »tattfinilon wie iliejenige d«tr .*schellenbögen. 

entnuuiineii . so ilafs der HalBleil wie mit einem wuit* Bagogcii sirnl die Backen des ItügeU allgemein und 

masohigen Netz grober Schnüre, auf farhigem Unter- zuweilen sehr reich mit geometrischen Motiven ge- 

tri'und, überzogen erscheint (Abb. ti). .\uf dem Bucken schmückt, die in Kerbschnitl ausgeführt und farbig 

hat diese (iruppe von < »niaineiiteu den Vorgänger der bemalt sind. Ks Iierrscht grofse Mumiigfaltigkeit unter 

Abb. 2 in Cbergangsvariutioneti , aus denen ereichtlicli den Biickemlekoratiouen, sowtdil wan die .Motive als anrli 

ist, Jafs die urspiÜuglicbe VerunluHsnug der Figur eine die K»niH)osition anbelangt. .\bcr eine gixilse (Jruppe 

ganz allgenieine Tan fass n ngsli n ie war, die in einiger unterscheidet «ich ganz bestimmt, sie verwendet mehr 

Kiitfernuiig vom Aufseurnud den Backen umzieht (Abb. 3b <ider weniger ausscblielslicb das Andreaskreuz als 

Kine uinlere (imp|K* von ttrnamenten des Halsteiles einzige Bekoration. Ks ist dies ein auffnllender Anklaug 

weist statt der taje-lfinirtig «ich fortziehcndcu Stritrk* ati «las älteste nordbayeriselu' Motiv. 

»Ulster nur g«*onietriHche Kinzelfiguren auf, Kreise mit ver- Bie Fntersuclnnig der llolzgeräte stellte solche .\n* 

schiedt'inni l'uUuiigon (Abb. 7). K« sind das lii«' ältesten klänge aber auch an diesen fest. Ban.-ich Hind die itord* 

B«^korationen auf ''chellenlNtgen. iint«?r d«*neu oder hInWr bayei-ise)jcn Ihigcn Tbfiriiigcr Bügel einer gewissen Form 

»lenen J«i»'b iiicbls ainbTcs undir nui-bwei-«?ii Infijt. .\nch mit verbi'«‘it«*rtem Ilalsteil ( Abb. 1 2). Biesor \*«Tbreiteruug 

bei dicBcii (tniain«‘nten ist die Kinfassnng auf dein Backen verdtinken die Ohren, «las nie fehleinle l'lmruhtcristikuin 

iinzutreffen wde Ihm d«Mi vorigen, aber lüiufig noch w«“it«'r [ des nor»ll>i»yrisclu-« Bogen*, welclu's «lie Sonderiitellung 



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K. llörnianD: I>ur Scbüllonhotfcn dor Herdentiere und ähiiliebe llolzgerate. 



de« Backen:« TerurKAcht-, ihre blntstebung. ]>er Scbelleu- 
hogen mula daher Jünger Mein, aU der Scbellenbögel int, 
der in einer beiden Crebieten ehemalM gemeinsamen Form 
und mit der gleichen Aüdreaekreuxdfknration eiii^lmalH 
in ganz Milte]dellt^cbUud zu IIau:<e war> Diese alt- 
tliQringische «»der initieldeiUscbe Stammform beider 
Bogen> und l)ekoraiiunsarten batte ein Verbreitung^* 
grbiet Toiu Harz durch Thüringen bis in die Nähe der 
lK>iiau \iud Tum SpeHsart bis zum Fichtelgebirge und 
weit in die südliche Oberpfalz» 

Die geographische Verteilung der Ältesten Motive 
den nonlbajerischen llirtenornamentes giebt folgendes 
Bild: Andreaskreuze durch den Harz und Thüringen 
nach Nonlbaj'eru bis nahe zur Donau; Kreisfigureii 
(Abb. 7) mit Andreaskreuzen zusammen nur in Nord* 
bayerii , vurzugKweiNO iin Jura; Kreisfigureii allein ohne 
Andreaskreuze, ein minimaler Bestand von Schellenlaigen 
in der Nähe des Fichtelgebirgen. Die Frage nacb der 
Herkunft dieser alten Mrdive beantwortet aicb nun 
leichter. IHe Andreaskreuze sind deutsch, dafür bürgt 
ihr genchloaeeues und allgemeines .\uftreteii in dem aus- 
gedehnten mitteldeutschen Gebiet, in welchem sie über- 
dien auch in anderer Anwendung häufig sind, z. B. Ihmiii 
Hausbau. 

Die KreinÜgureii .sind als lunzelvorkommnisse zwar 




Scliellenhügen und Sei 



ü 

geHesseuo I>ekoratioD oder Zeiebnuug trug, da» douUobe 
Andreaakreuz nämlich. Dieses mufs demnach schon vor 
dem 8. mler 7. Jahrhundert aufgekoiuuieu sein. 

Nach der »Bavaria“ *) ist der ehemalige Grundstock 
der Bevölkerung Nordhayerns von Thüringer .\likuiift, 
ein NiiHlenichlug aus der Zeit des grufeeu Thüringer 
Heiches, welches vom 5. bis zum 6. Jahrhundert he* 
stniideu und vom Harz bis zur Donau gereicht hat. Die 
geographische Verteilung der Scbellenliugen und -bügel 
zusammen, d. h. das (xobiet der ehemaligen alttbürin- 
gischen Bogonslammforut, «ntapricht noch Jetzt ziemlich 
genau den Grenzen des alttliüringischen Iteiches. Wenn 
hImo ehemals eine einheitliche Form der Hulzgeräte, ein' 
beitlicb« Dekoration, deren wichtigsb* das .\iidrea.skreu/. 
war, in diesem ganzen Gebiet bestanden haben, so kann 
auch nur eine einheitliche Bevölkerung im Besitz der- 
selben gewesen sein. Kine solche war aber nach dem 
6. Jahrhundert, nach dem Zusammenbruch des thflriu- 
gischen Reiches in Mitteldeutschland niemals wieder vor- 
handen. Ks i.st daher die .\nnahme gerechtfertigt, <lafs 
im 5. und 6. Jahrhundert in Mittuldeutschlaud die Herden 
auf der Weide halb, d. h. nur auf dem Backen, dekorierte 
Hidzgerate , die oben nachgewiesenu alttbüriugiseho 
Stammform der jetzigeu mitteldeutschen Geräte, trugen. 

F.in in gleicher Form gebogenes Ilolzbrett halien die 




von vielen Orten her bekannt, al>er auf geschlossenem 
Verbreitungsgebiet sind sie häufig nur im slavischeii, 
inabe-sonderH im benachbarten böhmisch -mährischen 
Formenschatz. Die Kreise der Hirtenomamentik sind 
also slavizob. 

Ks ist hier nicht der Raum, die verwhUMleiieu 
Möglichkeiten durohzusprechen, wann die Dekorationen 
in dieser Verteilung — deutsch der Backen, .slavisch der 
Halsteil — auf die SchelleniMigen gekommen sind. lU 
»ei deshalb nur die wahrscheinlichste hier erwähnt, der 
auch Ranke schon gedacht hat, dafs die sfavischen (Orna- 
mente ein Besitz der eheniaU slavi*chen Bev«dkerungs- 
teile in Nordbayern waren und mit diesen dahin ge- 
kommen sind, was im 7. und 8. Jahrhundert geschehen 
Ut. K» braucht nun durchaus nicht die erste oder «ine 
tler ersten Sorgen ilieser Kiiiwnnderer gewesen zu »eiu, 
ihre Ih'korarionen <ider Zeichen auf Srhellünb»»gen zu 
setzen; wie lange Zeit darüla^r biugegangeii ist, bis e» 
geschah, ist ziemlich gluichgültig, der blavisehe Formen- 
schatz hielt sich eben länger als ihr Volkstum. Dafs 
aber die Itekorationen selbst auf «ehr frühe Zeit zurück- 
weisen, kann man doraiy» schliefsen , dafs nur die primi- 
tivsten, sozu.sagen prähistorischen Zeulien anzutreffeu sind. 

Ks entsteht mm die Frage; Warum haben sich die 
slavi»ehen Zeichen nicht auch auf dijm Backen — von tier 
erwähnten kleinen Gruppe beim Fichtelgebirge abge- 
sehen — sondeni nur auf den» Halsteil angc'iedeltV Kin- 
fach darum nicht, weil der Backen schon eine allein- 



I ehenfalls »Sch4dleulK»gen‘* genannten, ehemals häufigen. 
I Jetzt nuhi^U ganz verschwundenen Geräte des gleichen 
Zweckes in Tirol. Doch habon sie eine andere, für jetzt 
I nicht weiter interessierende Dek<»ratiou und eine teil- 
I weise andere ScheUeiibefestigting. Ihr Hauptmerkmal 
^ aber ist, dat» sie backenlo'i sind, d. h. das Ilolzbrett ist 
I vom Gewölbe bis an die Kiiden gleich breit und ohne 
Kinschnitte oder Ohren (Abb. 10). Gleiche Bögen finden 
sich aber auch bei der bajiivariKchen Bevölkerung der 
östlichen Oberpfalz, an der IVripberie des Verbreilungs- 
* gebiete» der erstbeschriebenon Itögen (-M)b. 8) allerdings 
; nicht häufig. Zwischen der Oberpfalz und Tirol, aus 
1 Südbnjern, sind keine Uolzgerflte bekannt, .\lleiu ea ist 
' Inilzdem möglich, duts die Imjuvarische Bevölkerung 
zwischen der Donau uud den Alpen das Gerat ehemals 
auch in Benutzung hatte, uIkt weil die Art der Vieh- 
haltung gegen früher sich geändert hat, ist es dort iiuf»cr 
(iehraiich gekumincii, wie du» beisjtielswfise in der mittel- 
fränkischen Kl>eue etwa seit dem Jahr |840 auch der 
Fall ist. Die Bögen tlieser .\rt kann man bajuvurische 
und südbayorisebe nennen. 

Ich habe obeu crwälint, dafs die Scholleiibugel in 
Thüringen iukIi einen zweiten Naiucii tragen: .Kaufen“. 
I im Harz lautet da« Wort »Kainlen“. Die ItiMleutuiig 
des Worte» ist ganz unlH‘kannt. weder im mittel-. Hoch 

} *) Bavni-iH. laiud>s. uml Volkskunde de» Kuuigretchs 

Bayer«, a. Bd, K IIUM. 



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10 



K. ilurmunii: Uit Srhetlonhoifon der lleiiltMitiert- und iliiilirhH HoIxKerüt«*. 



im a!thorhdenti»ch«*n Wortschatz iat es auffindbar. I>a- 
tfotfou iwl seine Erklärung unter ZuhAlfenahnie des Kutf* 
lischen nin^Hcb. I>as Stnmiuwort ..kam** ixt ein rer* 
alteter englischer Ausdruck für „gebogen, gekrümmt, 
Tenlreht“. Ideselbe Bedeutung hat der PruviuzialiMuus 
cambering; camber bedeutet «ein bogenförmig Husge- 
baues Stück Bauholz*, auch den gekrümmten Kstzen- 
Inickel. Manach wftre die Boduiiitiug wohl auch im 
Albloutschen iliejenige eines gebogenen, gekrümmten 
Stückes Holz gewesen, was Tollkuumien zutreffend ist; 
der Name tind mit ihm die Geräte dieses Namens würden 
also weit in die germanische Vorzeit zurückreichen, und 
dafür sprechen auch andere I’maUlmlv. 

lH«r gleiche Name für Geräte desselben Zweckes 
findet sich nämlich auch in der Schweiz; er lautet dort 
allerdings «Kämfeii*', aber es ist unverkennbar da.s««ll»u 
Wort. In Siidtirol, wahrscheinlich soweit es alenmnni.sch 
bevölkert ist, lautet der entsprechende Aiiädrurk «Katu- 
Hie .Schweizer Kämfen sind zum Teil «ehr reich 



bei denen sie fast störend, wenigstens uncrklärlioh er- 
scheinen. Pie auswärts gerichtete Stellung der b'ndeii 
im Zusammenhalt mit dem gleichen Namen machen die 
Peutung zulässig, dafs auch die Kämfenform keine zu- 
fällige udiT spät ent.^tandene , sondern alt ist und dafs 
mit dem Namen einst auch die p't>rni in Thüringen hei- 
misch war. Pas könnte jedoch nur vor dem 5. .lahr- 
bundert gewesen «ein. Es würde dies in die Zeit xiirück- 
leiten, als das Suebenvolk, die nachmaligen .\lemannen, 
seine Wanderungen noch nicht augetreten hatte. Pie 
Annahme gewinnt dadurch ati Wahrscheinlichkeit, dafs 
der suehi!>che Stamm, der vom 3. Jahrhundert an nach 
der oberen Potiau auswanderte, die semnoniachen Jii- 
thungen, ihre alten Wnlmsitze zwischen hübe und Havel, 
also in di*r Nähe des Harzes hatten*), wo die Aussprache 
des Wortes noch jetzt Kamfen lautet. Mit der .Aus- 
wanderung dieses Volkes gelangten Name und Geräte 
nach Süden, alwr der Name und in den Schafkamfen auch 
eine .Andeutung der alten Form erhielten sich im Nonien 




Kühe mit Srhellenbogen. Gegend von Hersbrark. 



dekorierte Holzgeräte. Abgesehen davon unt<>rscheiden 
sie sich von den bajuvarischen und allen anderen da- 
durch, dafs sie nach auswärts gerichtete Endeu liabeu 
(Abb. 11). 

Gerate mit diesem Merkmal und von nachweislich 
holiem .Alter — 100 und mehr Jahre alt — finden sich 
vereinzelt auch in anderen Gegenden, so z. ß. in Sans- 
pareil in der Fränkischen Schweiz, in Netihamiiier iiu 
Spesfvart. Wahrscheinlicl« sind sie gelegentlich mit 
Schweizer A’ieh. welches jj» vielfach zu Züchtungszweckeu 
ciiigeführt wurde, nti die betn^ffeuden Ort« gelangt. 
Stiche gelegentlichen Übertragungen genügen indessen 
nicht, um ein so uulH’kannles und auffallendes Wort 
wie Kämfen oder Kiimrca In Gegenden zu verpffunzen, 
die für ähnliche Geräte schon eingebürgerte Namen haben. 
Auf diese Weitte kann also die Kenntnis des Namens 
nicht nach Thüringen und dem Harz gelangt "Utu. Pa- 
von, dafs sich im W<^ten zwi*^chen Thüringen und der 
Schweiz die gleicben Geräte mit demselben Namen vt)r- 
finden, ist auch nicht ilie Hede, im unteren Rheinthal 
giebl es überhaupt nichts dergleichen, und im Schwarz- 
wald hat man wie in den Vogesen seit alters IGemeii, 
um die Schellen uuzuhängen. Alter wenn auch irgeml 
ein Zusammenhang jemals bestanden hätte, so bliebe rirtclj 
«lie Formver-rbieiienheit der Geräte in beiden Gebieten 
unerklärt, die nicht erst kürzlich entstamlen sein kann, 
da die jetzige thüringische Form bis ins ß. mier 5. Jahr- 
hundert zurückgeführt werden nmfs. 

Nach auswärts gerichtete Enden in SchellenlMlgen 
sind auch in Thüringen nicht ganz unbekaiint, aber nicht 
Ikü Kuh-, Honderu an den weit kleineren >cliHfkaiifen, 



deshalh, weil Telle des Volkes zurückgeblieben sind. — 
Pi« v<iii der Zeit de« thüringischen Reiches im 5. Jahr- 
hundert an in ganz Mitteldeutschland vorbaiideneu 
Geräte müssen in ihrer unteren Partie schon eine Ver- 
hreitenmg, einen Racken gebuht haben, weil da« .Andrea«- 
kreuzzeiclien darauf untergebraebt war. Piese Verbreite- 
rung ist nicht an der Kamfen-, «ondern an der 
Bogeiiform vor «ich gegangen. Eine solche Annahme 
hat aW zur Voraussetzung, dafs solche Geräte zwischen 
dem 3. und f). Jahrhundert in Mitteldeutechland vor- 
handen waren, au demm die Veräiiflerung vor «ich geben 
konnte. Zti jener Zelt ssGcn Hermunduren und diesen 
verwandte .Mark«»maiinen, die iM'karmtlich in späteren 
Wohnsitzen Bajiivartui genannt wurden, in dicHen Gegen- 
den. hic .Annahme, «lufs «iu schon zu jener Zeit im 
Be-itz dcH «Schelleubtigcns“ , den ich <ibon als bajiivari- 
«chen beschrieben habe, gewesen sind, ist in hvp<jtbetischer 
AVeise zulässig. 

Es würden sich also für da» alte Peutachland zwei 
Terechiedene llo]zhogentTi>en ergeben, die Kamfen- und 
die Bogenform. Krater« ist fast utiv«Täridert in der 
Schweiz, letztere fast unverändert in Nordtirol und in 
reilen der Oberpfniz bi« zur Gegenwart mler wenigsten« 
bi.s in die jüngste Vergangenheit erhalten geblieben. 
Au« dem Bogen ging die altibüringische Form mit 
einem Backen und aus dieser die jetzigen Sehellenbügel 
in Thüringen -Harz und die Schellenbögen in Nord- 
bayom hervor. 

*) V. Krckerl, Wnmierungen umi Sic(|>>)uni;en der geruiHiii- 
«cheti Klamme in MiUcIvuropa. Herliii h»oi. Karte VIII. 



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Henri Zondervitu: r>ie Krweitarunfr nnoorer Kemitninao von Niederiäadisoh Neu-(iuinua. 



11 



Mnu braucht die Wahr^chemliobkcit der zu begründen I 
Tersiichten llypotheae nicht in Abrede zu stellen, aber . 
OK muf.^ zugegeben worden, dafn keine thateärhlirhoo 
Ik'weiae dafür Torkaudeii aind und auch uieiiiale mehr | 
zum Vurechein kommen können, denn lloiz iat ein ko j 
vergkuglichea Material, dat» kelno Huffnung beatebt, Ge- . 
räto auH ao alter Zeit |emalK noch anfzufinden. Und 
dr>ch lüfKi »ich efn wenn auch indirtfkter NachwetH führen, 
iiUiuUch verittiiteUt der Schellen. In einem folgenden | 



Artikel aoUen daher auch die Schellen kurz beeprochvu 
werden. 

Da» Manuekript für eine grölHero Verüffontlichung, 
die ulloH l‘jnHchli«gige erschöpfend behandelt und he- 
aondera auch die Grundlagen für die hier zum Teil 
uhiio Molch» wiederg»g»l>oiien llyputheBou nachwoi»t, int 
fertiggextellt unter dem Titel: ,I>er Schellenbogeii. Küie 
Monographie der lliriengeräte de» FränkiKchen JiiraH untl 
anderer (»egenden.“ 



Die Erweiterung unserer Kenntnisse von Niederländisch Neu -Guinea. 

Von Henri ZouderTan. Groningen. 



Hoi keiner der gröfseron niederländiKchen Inseln int 
unser ^Vi«>a»u bis heute so lückenbaft und lieschrankt 
geblieben al« bei Neu -Guinea. Trotz der zahlreichen 
Keinen von nioderländtMcheu und fremden Forschern 
Uugt das unbetretene Gebiet schon an, sobald man sich 
ein oder zwei Tagereiaen von der Küste entfernt, hat. 
Hin« Karte dieser Insel, welche nur wigseuschaftlich ver- 
bürgte ’rbatsachen bringen würde, würde sich als ein 
riesiger weilser, von einem schinalcu bunten Saum um- 
gebeuor Flecken darstellen und die einzelnen Linien, 
welche bekannte MufsteiJe oder Keiserouten im Innern 
augel>on, würden nur wenig dazu l>eitragi‘i). die Ein- 
förmigkeit diese.» Fleckens zu unterbrechen. Ks ist da- 
her eine erfreuliche Erscheinung, dals die niederländische 
Regierung, allerdings aus politischen Rücksichten, vor 
einigen Jahren beschlossen hat, diesem östlichen, austra- 
li.'ichen Teil ihres Kuloi]ialrviche<j gröfsercs Interesse zu 
widmen. l>urch Anstellung von Reauiten daselbst wird 
sich auch in wissenschaftlicher und wirtwjhafllicher Hin- 
sicht das Hunkul allmählich lichten, ja zu einem kleinen 
Teil bat solches bereits stattgefunden, Nach einem in 
der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderte verfehlten 
Versuch, die Insel tfaataachlich in Resitz zu nehmen, hat 
es mehr als ein halbes Jahrhundert gedauert, bis der 
zweite Versuch gemacht wurde, welcher «ehr wahrecheiu- 
lich ein besseres Ergebnis verspricht. 

An der Südkuste sind zu beiden Seiten der nieiler- 
iäodbich-englischen Grenzscheide die Tugereetämme Mefs- 
hafl , deren rogelmäfMig wiederkehreude Haubzüge die 
Nachbarstämme in fortwährendem Schrecken halten *)• 
Nicht nur ertönen wiederholt Klagen bet der niederlän- 
dischen Regierung über von ihnen verübte .Angriffe in 
dem niederlämliscfaen (lebiei, so z. R. im August 189(i 
auf ein englisches Schiff, 1898 auf den auf der Thtjrxday- 
insel ansässigen deutschen Kaufmann ('. W. Dammköhler 
und 1901 auf den lüigländer G. \V. Pim und di» 
Deutschen Damiuköbler und P. Hreuer, wobei letzterer 
den Tod fand, während die beiden crHU*ren verwundet 
und ganz ausgeraubt wurden ^), sondern die nie<ier!&n- 
diseben Tugerea untemahnjen auch fortwährend Raub- 
züge in da.« cngUtMshe (»ebiet. Auf einer Heisedes uieder- 
Iftndisrh-indischen Dampfer» „Generaal Pel“ wunlen am 
27. Dezemlwr 1899 in 8" 36' .»udl. Hr. und 140*^ 12^ö«tl. L., 
also ganz nahe hei dur Grenzlinie, ein Offizier und zwei 

') Her Namo .Tugera* ist in dem niederländischen Küsten- 
teile bekannt und (MNieutet in der Kpracho d«>s etiglUchen 
(ietaets ,Mesw>rträ:;er‘‘. ItersidlMr rtilirt von eitiem zum Kopf, 
»beclilngen tid*limrnten M**hmt her, welcliu# die Tujr‘*re an 
einem Bindfaden la-feMtigt um den Kais trauen. «Tugare'' 
ist daher eigentlich «in Hpitznatue, ebennu wie „Papua“, was 
.Sklave“ bedeutet. Kolotuaal Veralai; Anhamr A. S. 2. 

•) Aunual Report on British New-duinea Ist*?— I89W; 
Koiimiaal Verslag 1901, Anhang A, H. 2fT. 



Maschinisten, welche sich ans I.And begehen und zu weit 
in iias Inner» gewagt hatten, gefangvu gonommuu, er- 
mordet und aufgefrassen ’), 

Schon 1893 wurde von einem uie<lcrländiHchen .\um- 
schufs geuiiu der Punkt fastgelegt, wo die Südküste von 
dem 141. Meridian von Gr. geschnitten wird, um dadurch 
in Zukunft foststelleu zu können, ob die Räuber auf 
niederländi.»cbeai oder engliscbem Gebiet sefHhaft waren. 
K-h wurde beHtimmt, dafs die (irenzc von dem Aleridiaii 
der Mündung du« Bensl>acbffus»es in 141*^ 1' 47,9" östl. L. 
nordwärts laufen sollte, bis an den Klynuf» und weiter 
diesen Flufs entlang, bis der genannte Meridian den 
FluD zum zweiten Mal» schneidet^). 

IKe Art und Weiae, wie die niederländische Ragiormig 
ihre Autorität an den Küsten Neu-Guinaos aufrecht zu 
erhalten suchte, indem nie nämlich diuselben dann und 
wann von einem Kriegsschiffe befahren lief«, zeigt» zieh 
als durchaus ungenügend und so wurde 1898 bescblosBeD, 
zwei Henmte (KontroUoure) dorthin zu schicken. Jeder 
bekam eiuc Abteilung aogenaunter Polizeisoldaten, sowie 
»inen kleinen Dampfer zu seiner Verfügung, während 
später in jedem Teil ein Assiatent-Kontrolleur angcBtetlt 
wurde. !>er Beamte der „.Vfdeeling Noord Niauw-Gninea“ 

I erhielt Monukwari (Landacbafi Doreh) ala -Standort, wulche 
; Stelle in Übereinstimmung mit den dort jahrelang tbäti- 
\ gen Missionaren ausgewählt wurde; derjenige der Ab- 
■ ieilung „West- en Zuid-Nieiiw -Guinea“ Fak-Fak (I^aud- 
echaft K.tpaur) an der Westküste *’). Weil «ich heraus- 
stellte, dafs in dieser Weis« den Raubzügeu der Tugores 
nicht Einhalt gethan werden konnte, wurde im Januar 
1902 eine selbständige dritte Abteilung „Zuid-Nieuw- 
Guinea“ gebildet, weicbe sich von Kap 8teenboom bis 
au die Mündung des ifensbachflusKea erstrekt, mit 
Meraukf als Sitz des Regiernngsbeainten (AssiBtent- 
Resideut), sowie einer Ih^satzung von 4 Offizienm und 
160 S4»ldaten*>. 

Di» fortwährenden Reisen der Heantten. welche mög- 
lichst danach atrebteii, mit dou Küsteiibcwohncm in 
näher» Berührung zu kommen, haben dazu beigetragen, 
die dortige politische und wirtschaftliche I^ge zu ver- 
bes8»ni und auch unser» Kenntnisse dieser Gegumlen 
ein wenig zu bereichern. In letzterer Hinsicht ist es zu 
bedauern, <lafK für die g<H>graphisch» .\u»bildung der 
Beamten vouRegieruugK wegen nicht mehr Sorg» getragen 
wird, denn jetzt beschränken sich die Mitteilungen in 
den umtlichuQ Berichten mir zu oft auf die Erwähnung 

*) Kiiieti ausführlichen, rem dum B4>»mU*ti in Kak Kak 
aufgHstellien B*-*richr ülwr di© späieren N.ichspüningcn. «Ins 
1,0« dieser Unglücklich«!) lK*ir»ffend, hracht» der Javiwh«’ 
L*ourant‘vom I. -fmii 1900. 

*) Tijdechr. V. h. Ki>n. \©d. Aar«lr. Ocn. löOI, S. Say. 

Kidnuiaal Verslag 8. 23. 

•) Kbend. 1902, 8. 8. 



1 , Goo 




12 



Henri /uii'lervn ii: IHi* Kr\»c‘itnrutif! iinserfr KciintttiB«e von N iederlätidiflch Nvu-H uiiiea. 



der Namen vuq l4iml>‘('hHrtea, Dörfern. Flußmündungen 
und Vulkii^täinnien. 

A)p* eri^te Aufgabe haben dieUeamteu dafür zu Horgeii. 
daß die fortwährenden Fehden unter den Kingelioreueii. 
»owie ilie uuaui!ge»etzte gegeuüeitige Heraubung aufhört. 
Kn IuS’>eu üich jetzt xrlimi in die«er Ueziehiiug nn nielire- 
ren Stellen erfreuliche Fortschritte Terzeiebnen. So lieifst 
e» von der Wcstkünte ^): Iho früher verlaNnoneu Küsten- 
dörfer wenlen jetzt allmäblich mehr bevölkert und in 
dereu Nahe Äcker angelegt, währt>nd die vordtMii auf 
der liistel Tubi Sernn unansnigeu Kuufleute alle nach 
Fak-Fiik überBiedelteii. /war wird hh ni»ch Iäng*‘re /.eit 
dauern und viel AuBtrenguug orfurdurit, biH allerorten 
Uuhe und Frieden herrachen wird, abi>r eine Zunahme 
der Wohlfahrt bt jetzt schon <la und dort sichthar. 
Neue IWrfer «nt.-teben. die tiärten werden sorgfältiger 
W&rbeitet, die Zahl der größeren .'•chifFo nimmt zu. .Auch 
au der Nordküste, a'o bia dabin Kriegs- und llaubsüg«* 
an der Tagesordnung waren, ist manches Iwsser ge- 
worden, trotzdem die Hestrebungeii derHeamteu dadurch, 
dafs es keine einflußreichen näujiUinge zu ihrer Unter- 
stützung giebt, Mehr erschwert werden. Dennoch ist 
man hier schon so weit gekommen, daß die F.ingehoreneii 
sich über erlittenes 1‘nrccht oder bei entarheidenden 
Fragen hülfusucheud an den Iki^amten wenden. llier 
ist di« Uegiernng jetzt auch ini stände, Krkiindigungeii 
einzuzieheii über die Verhüliuisse doa Hiuterluude», wo 
die Itevölkenmg noch auf sehr tiefer Kulturstufe steht, 
llesuuderi« in der Gegend östlich des Maccluergolfe» sind 
Mordzäga an der Tagesordnung und ebenso ist die He- 
Tülkentng des Arfakgebirges in ewiger Fehde begriffen *>. 
Noch weit schlimmer sieht es an der Südküste uns, wo 
di« Tu^>rvs sogar einen Angriff auf die niederUndisclu- 
Niedcrlassnng versuchten, jedoch ziirückgeschlageti wur- 
den, nachher aber noch manche ^fordthut an Personen 
verübtem, welche sich aulserhalb <l«r Itrahßperr« des 
Militärlagers wagten. Dabei wüteten Kraukbeituu, be- 
sonders Bern -Harri und FieWr fürchterlich unter den 
Arbeitern sow'obl aß unter den Soldaten, so daß in den 
Niederlanden zu wiederholten ^^alcll Siinimen laut 
wurtlen, die Niederlassung an der Sfldküste entweder 
aufzuheben oder wenig.-teus nach einer amleren Stelle 
zu verlegen. 

In der aUerletzten Zelt scheint aber, wie aus den 
jüngst erschieneueu HegierungBheriebteu und den insel- 
imUHcheD Zeitungen bervurgeht, sowohl ge»undheitlich 
aß auch was das Betragen der FJogelmreiien angelit, 
eine merkliche Benserung eingetreten zu sein. Min austra- 
lischea Handelshaus errichtete nämlich in Merauk« einen 
Tuko (Bazar) und ließ datiellist ein Schiff zurück, um je 
noch Ißdarf Waren von «ler Thursday-Iusel zu holen '”*). 
Ks hat Bich dort ein fester Markt entwickelt, wo von 
den I’npnas 1‘isong, Kokosnüsse, Vögel, Schweine, Kän- 
guru» und Fische gegen Messer und Äxte vertauacht 
werden. Ohne die geringste .Aiig^t und Scheu verk4dircii 
»tie Kingebiirenen hitu’ mit den H*>wohnerii der Nieder- 
lassung. 

Voll den Heben der Beamten sind zu erwähnen 
ersten» diejonige im August 1H5BI von Fak-Fak nach 
den I Dörfern an den Golf vouBeruuw und an den Ißtoui- 
GoU (Mac riuer). .Vn diesen ladden Baien wohnen Ttm 
Kap Uunmkaiii an die Stamme Berauw, Ihuitoiii, .\jer 
Karanas. Sekar, Sopi uml Onin. hu Juni und November- 
Dezember lÖlMt wurden Helsen in südlicher Hiebtung 
unteriioinmen. Von Kn)) Bnik bis Ka{> Kntumin i-t die 
Küste hoch und »teil und gänzlich unbewohnt. Sie ent- 

*) Koloiiiiial Versink luoo und isol. 

") Kßoitl. lWO'J, K. 

*) Kliend. a. »n. 



hält zwei gute Fluchthäfen, von denen einer bei Kap 
Wap in der Nähe Kap Katumins aß ZwischenstaGon 
sehr geeignet ist. Bis K»|* Bum bleibt die Küste steil; 
sie ist schlecht bevölkert als Folge der früheren Haub- 
züge dorthin; das Innere ist etwas mehr bewohnt. An 
der Nurdküste fand Juni IsflO eine Heise bis an die 
niederläudiscb- deutsch« Grenze statt. Auch befuhr in 
diesem Jahre der Dumpfer „Generaal iVl“ die Südküste 
bis zur (Treiizscbeide, wobei sich der oben erwähnte 
traurig« ZwisidiHnfall eruignetc. 

Im Jahre IKUO wunle die Küste von Fak-Fak nord- 
wärts bis in die Gegend von Sipatnaiiam, östlich der Insel 
Bniu Putih befahren und einu wichUge Keise der Süd- 
kfiste entlang bi» zur Thiirsday-Insel fand statt, wo Bi- 
spreirhungen mit dem Stattbalter von Britisch Neu-Guiuen 
und dem Gouverneur der Torre* -Struits behuß Maß- 
regeßrgreifung gegen die Hauhzüge der Tiigeres gepflogen 
wurden. Bei dieser Heise wurden Verbindungen mit 
dem Tiiiiowakastamm angeknüpft, welcher zwischen Ka{> 

Biiru und Kap St4H>nbuom wohnt und wo in nordwot- 
südösllicher Hiebtung an den gleichnamigen Flüssen die 
I^indscliafteD Buru, Nnpuk«, Potawai, Katya, Kottegak, 

Aidua, I’mar, Jeruwe. Taukejuk, Nojayak, Jerak, Pejok- 
wak, Paiirauke. Fwaiidyak, Kipiak, Mn)>arak, Akurak. 

Wamokak, l'tauata, Mu{M>roke und Wauokak gelegen 
sind. Vt>n Kap Steeuboom bis Providciitiaalbaiik wohnt 
der Tiniekauwestanitu, in dessen Gebiet von Nordwest 
nach Südost au den Flüs-en gleichen Namens die Lnud- 
Hchaften Kamoroknk, Paripyak, l)iirowyak. Bigowyak, 

Mimikak, Wanyak, Attuku, Nuwerepi und luyak auge- 
troffen wertb'ti. Attoka gegenüber liegt die lusel Puridi. 
weiter östlich um l'marflnfs die Landschaft Uniar. Der 
Torostamm hat sich an beiden Seiten iler niederländisch- 
hritisi'hen Grenze angesicdelt. Die Südküste ßt reich 
an geschätzten Holzarten, sowie an Kokoiinüsseu. Massooi 
und Paradiesvögeln, das benachbarte Meer an Perlmutter- 
austem, Perlen und Tri)mng. Daher wurde die nieder- 
ländisch-indische Hegiening schon verschiedontlicb von 
australischen linndieni und Perlffschern darum ange- 
gangen. »ich dort niederlasaen zu dürfen. Auch von 
.Missionaren der Thursday- lusel wurde an sie das An- 
suchen gerii-hlet, unter den F.ingelM>reuen ihre Thätigkeit 
aiisülven zu dürfen. I>ie Bevrdkerung ist, wie schon er- 
wähnt, durch ihre Raub- und KriegsMicht weit unil breit 
bekannt und gefün'htet. Dats ee ihr andererseits an 
Begabung nicht fehlt, beweist »i« dadurch, daß z. B. 
die Fferbewohner des unteren Meraukeflusses große 
\\ aKserbehälter aiilcgen, welche klare», gute» Triiik- 
wasser enthalten, du das Flufswasser brackiseh ist; sie 
verbinden ihre Itörfwr durch zwei Meter breite, gut iinter- 
haUciie Wege, legen um die Wohnungen hohe Zaiiii« an, 
sind gut« Ack«rhauer, her«iten große Mengen Sago, 
züchten mit Vorliebe Blumen . schmfickei) die Pfeiler 
ihrer Häuser, ihre Boote, Waffen, Geräte, .SihumckHacheii, 
ja fast joden (tegoustand mit zierlicher Si'hniizarbeit, 
liefern vorzügliche» Fleirhtwerk und Seile und verstehen 
es, mehrere Farlum geschmackvoll anzuwendeu. Aller- 
dings heißt e» auch von ihnen: ..Kein Volksstanim Neu- 
Guineas ist .mi bildiiugsfähig wie di« Kiugeborem-u dieser 
Strecke der Südkißte 

Von den zahlreichmi Flüssen der Südküsle wurden 
zwei erforscht und kartiert, nämlich der .\mherauke und 
der Merauke. An der Ainl)«raukt‘mündung liegt da» 

Dorf Kuinlieke. «lesseu Bevölkerung sich anfang» aß 
»ehr fi‘ie<l liebend und zugänglich, nachher nluT aß frech 
iintl diebiNch kennzeiebnete. Ik>r Fluß itt bß 25 Meilen 
von der Mündung gut schiffbar und hat hohe Ufer, 

'*> Koloniaal Verklag 190I, Beilage A. S. 14. 

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13 



Henri /.«nxh^rvau: IHe KrvreitHruiijr utificrvr Kenittiiiiiac vi»n NiederländiBoh Nou^Ti uinra. 



welche etark bevölkort tiiiid. Der lloileu i«>^t mi» 
KchichM-eoi UiniisKtein undScbiefer ziiMninmeiif^eeetzt mul 
i«n vielen StMleii wit hohen («rashAukim IxHieckt, welche 
in gri^i>erer Kntfenmnjf von der Kiii>te umfanj'reicher 
und mit Kokfx>nuTNW*nldun^en bedeckt Hiiid, zwhtclu'tt 
welchen die Dörfer liuffen. Der Merauke oder Mrouke 
wurde 40 Meilen und UIOl von neuem bis an neine 
Quelle befahren. Au» dem errfen Hericht erfuhren wir, 
dafs es ein schöner, breiter und tiefer Klufs Ist. dessen 
Ufer nn der Munduoi;; 3 m koch niixl. .\uch hier 
tret^'U ausj^edehnte . fruchtbare (ira8{)!ateuiis auf. mit 
KokosiiufswnldiiDgen bedeckt und <lirht bevölkert, l-lrst 
20 Meilen von der Kü»le enthalt der Flufs hUl»e!>, tnuk- 
Imres WasMer. Die Bewohner zeigten sieb als sehr feind* 
aelilf und machten es zum Schlüsse nöti^, das Itorf 
Kajukurike »iiuimscberu. Kbensu wie bei dem Ambe* 
ranke ist die Landschaft reich au vielen brüten Nipah-. 
Hainbus*, Nibun^- und andertui Holzarten. Bei der Fahrt 
auf dem Meraiike im April 1901 drang der Marine* 
leutnaiit Hrust bi» 7*20' 17" Midi. Br. und 14Ü"49'33" 
iNitl. L. vor, wo die Schi&barkeii auch für Schalupjien 
ihr Knde erreicht")* Der Flufs entsteht hier au» der 
Abwät-Kerung eines auHgedohnten Moraatwaldes und bildet 
aiifung» einen unlmleutcuden Bach, welcher sich in 7* 
26' 17" zu einem kleinen See erweitert, von etwa -10 m 
Durchnio!v'*er und ganz von undurchdringlichem Wald 
eingefufst. Weiter abwärt» erhält der Merauke bald 10 
bis 15 Ul Breite und 5 bis 6 m Tiefe. Die zahlreichen 
in dem Flufs wachsenden, sowie die vielen treibenden 
toten Baumstämme er»chweren aber überall die Schifl- 
burkeit in hohetu Mafse, was durch die zähen Rotang- 
uiid Schlingpflanzen noch verschlimmert wird. Die Ufer 
hleiben lange Zeit niedrig und sind au mancher Stelle 
üherschwemiut, der Fluf» strömt grÖtstenteUs durch eine 
monotone Morastiandsrhaft in Kordsädrichtung mit vielen 
scharfun Biegungen. Soguuaniite nGrasbänke** sind zahl* 
reich, werden nach schwerem Hegen oft losgerissen und 
stromabwari» geführt. Da» lltuhirlaud liegt höher und 
ist bevölkert. In 6*1' 12" fällt ein Xebenfliif» in die 
Merauke. Durselbo wurde bis au die britisebe Grenz« 
befahren, hat ein« oft westlich« Hiebtung, eine mittler« 
Tief« von 9 bis 10 m, an der Grenze 30 m Breite und 
dunsellHUi Habitus wie der Uauptstrom. Von hier an 
ändert letztoror abar deinen ('harnkter, indem die Ufer 
hoher werden und die Morastlaiidschaft verschwindet; 
hingegen giobt es zahlreich« (iraKbäiike und besonder» 
nah« der Küste kommen überschwemmte Strecken viel* 
fach vor; vermutlich infolge täglicher Überschwemmungen 
de» Meere». Der FiuTs wendet sich nach südwcatlicher 
und westlicher Uichtuiig, bat eine wechselnde Tiefe, in 
der Nähe der Mündung bi» 500 m Breite und gut be* 
völkerte Ufer. Die Bewohner stimineii mit denen der 
KüHte überein. 

In geriugur F.ntformmg von der .Nlünduiig der Merauke 
fliefst die Selerika in da» Meer. .\n ihrer Mündung Hegt 
das Dorf gleichen N'amun». (iui unterhaltene Wege, 
welche auch für Pferde gangbar sind, zumal über diu 
Wa»s«rläuf(> Brucken errichtet sind, führen von hier in 
du» Innere, welche» gut bevölkert ist. Das»ell>e gilt auch 
von der Gegend zwischen KapWenerik« und dem Java- 
flufs, obwohl »ich am Kü»teu»uum »elhnt keine Dörfer 
befinden, ln der Nähe dea .laviiflu»»«» i»t die Knete 
stark mit Hhixophoren ImwachHuii und keine Spur eine» 
festen Boden» zu »eben "). 

Auf einer Reis« nach dem Golf von Beraitw im 
August 1901 wtmlcii dio an der Südkäste derselheti 

•D Ti.i«l»chrift v. h. Kon. Ned. Aardr. Oen- 1002, K. ff. 
I>« Krouke rivier (mit Karte). 

'*> Tijdschrift v. h. .\an1r. Oen. llHtl, S.5öt,l.c. 



liegenden Dörfer Uumbati, Patipi, Sekar, Wertuwar und 
Aerguui, sodann an dem anderen Ufer die l.aiidscbaft 
Bim besucht. Wie schlimm die Verhältuisec hier noch 
sind, geht um besten daraus hervor, daf» «» am Birafluf» 
nicht eine Niederlassung giebt: denn aus Furcht vor den 
; ewigen Überfällen bat die Bevölkerung ihre Fkirfer an 
den Nelwnflüssen gebaut, welche nur für klein« Nachen 
schiffbar sind. Duui»ell>en Zustande bifgegnoi man au dur 
ganzen Södw'estküste bi.» an die IMHangbai. 

.\n dur N(»rdküsto wurden 1901 und 1902 mehrere 
Fahrten in der Geelvinkbat ausgidührt, viele der dortigen 
Inseln besucht und di« Küsi« bis an die deutsche Grenze 
befahren, wahrend da» KriegssohilT „('eram'^ die Küste 
der Ilumbflldthai (Juli - September 1901) aufnahm und 
die loige de» Meridians 141* ö»tl. L. genau bestimmte, 
wobei auch der Tamifluf» und der Santanisee erforscht 
wurden. Im September 1901 machte der Regienings* 
boumtc innerbalb sieben Tage «ine t^berhindreise von 
Karwan an der Geelvinkbsi bi» au den Mac Huergolf 
und zurück ' *). 

Die »fM?beii erwähnt« Erfui-schung de» Santanisees ge- 
‘ schab (August 1901) von Jautefa, der tnntireu Bucht der 
Humboldtbai. aus"). .\uf der Heise dorthin wurden 
als Lastträger l*apuafrauou benutzt, welch« 50 Pfund 
auf dem Kücken trugen in einem Sack, dessen Schnür« 
um di« Stirn geschluugon waren. T«ilweiMs waren diese 
Frauen ohne jede Kleiduug,t«ihi trugen sie einen Lenden* 
gürtel. jedoch auf ihre Frisur batten si« alle Sorgfalt 
angewandt ‘‘)- 

Der See hat eine sehr unregelinäfsige Gestalt nnd ist 
ganz von bewaldebm, 150 bis 300ui hoben Hügeln ein* 
geschloKseu. Da» Uferhiud ist da und dort schlammig 
und trägt alsdann Sag<jwä)der. Der See dehnt »ich in 
OHtwetiilicher Hichiuug au» , ist etwa 10 Seemeilen lang, 
im Mittel 25 m tief und wird von dem Djafnri ent- 
wässert, dessen Ursprimg am «Vstlicbim Knde bei dem 
Dorfe Poceh liegt. 1 >ih an dem S«e gelegenen IWrfer 
sind: Poi^b, Ajapa, Asse«, Netiar, Ifnar, Poejub. Jube, 
Assöe. Abuar. ^imboro. Ifaar farengkoug, Lesur. .lachoute 
und Dojob. Die Bewohner sind von kleinerer Statur als 
an der HumlmMtlmi, scheinen friedliebend und tüchtige 
.\ckerbauer zu sein und legen grofsu (rärten an. .(«der 
Buwohner hat »ein Boot, nlfa** geheifsen, nur einer Person 
Kaum bietend-, ilaneben giebt e» aber auch „Franenboote“ 
(Kahig), welch« bis für 12 ]*ersonun geeignet sind. Nur 
verheiratete Frauen tragen einen Schamgürtel, dun un- 
verheirateten ist er untersagt. Das Haar wird n>t ge- 
färbt und mit Federn geschmückt, da» Gericht teilweise 
aogeschwärzt, während bunte nnd scharf rieebende Blätter, 
welche auf dum Röcken, dun .\nu- und Buiuringen be* 
fusGgt werden, den Schmuck vollenden. Als WaflVn 
dienen Pfeil nnd Bogen und Dolche, während lang« höl* 
zerue Speere wahrscheinlich nur bei der «Tagd Verwendung 
I finden. Die Waffen zeigen oft schön« Schnitzarbeit. 
J Auch Schweinezucht und Fischrmig wurden butriehen. 
Die Wohnungen »tehen auf Pfählen, sind groI». iilmr 
dunkel, das Dach reicht bi» auf den Boden. Nur in Haar 
giebt es einen Teiu|>el von ähnlicher Form als an der 
llumlmldtbai. hingegun in jedem Dorf eine oder mehrere 
Wohnungen zum nächtlichen Aufenthalt der Jüngling«, 
zum Abhalten von Versammlungen und Aufenthaltsort 

Koloiiiaal Vemlag Ittoz. S. 6ä. 

‘*) Man vurgleirhu über die»«n Kuq auch die Mittuilungun 
des Missionars G. L. Kink in dur Tijd«c-hrift v. h. Kon. NVd. 
Aardr. Gen. K. Ü25 ff., und Inder 'J‘iid*«‘hrift v.h.Katnv. 

(;cn.. Bd. XXXIX. S. UH ff. 

*^) Tijdsrhrifi v. h. Kim. Nud. Aardr. Gun. n»Q2, S. 

Hut Kiiiitaniinuur. Ilui (‘y«*lo<)p 2 uWr^fu. Ii.* Wilhulmina-of 
Tami rivier. 






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14 



llr. Buiitan» Ad«chi: 



T»u Frtfuiflen. Auch finden wir dort Häuptliugfe, deren 
Autorität gröftmr iNt als an andereu Orten Neu-tTuineuii. 

Oie Henteigimg den fi670m hohen Gipfels Oafonto 
oder Oafousero duit Cycloopgebirge» erfolgte bei schlechter 
WiUäriiitg, so duf.*> keine Aussicht Di«>glich war. Dennoch 
scheint es festaustobun, dafs «» in die-«em Teile der luael 
kein i^ntrulgehirge giebt. Hingegen gelang es, roii dem 
Snntanise«« aus dem Djafuri entlang in den Tuini- oder 
WiJhL‘tu]iiiuflufs au gelangen und auf dem letzteren die 
Kü^te zu erreichen. Ks ergab sich dabei, daf» der Tami 
nur für die Boot« mit uiuhuinuscher Mauusebaft schiff« 
bar ist. 

CTber die ArFu oder .\rfusi, welche im Hiuterlund der 
kleinen (teelviukbai und der Boropeiibai an Neu*(iuineaH 
Xordkiiste wohnen, machte der Missionar Mnuleuburgh 
nähere Mitteilungen Sie leben in der Umgegend des 
200 m hohenftunung Blangan und Ntiuiiiien ihrem Xuraeren 
nach mit den ArFaks überein, sind nur kleiner, äugst« 
lieber und unkultivierter. Ihr Name rührt wahrschein- 
lich von nHalifuru*^ (Bergbewohner) her. .\n Körper« 
schmutz und Hautausschlngen überbieteti sie wohl jeden 
anderen Stamiu dieser Insel. Ihr Haar tragen sie in kleinen 
Locken als Kränze um den Kopf, von Kleidern tragen sie 
nur einen Lendengürfel. Die Wohnungen sind auf hohen 
Pfählen gebaut und der i«äuge nach iuzweiTeilegetailtreine 
Abteilung für die Männer, die andere für die Frauen. So- 
gar die Mahlzeiten werden uiebt gemeinsam eingenommen. 
Der mehr intime Verkehr der beiden Geschlucbier findet 

**) Tijdschrifi V. h. Ko«. Ned. Asnlr. den. 1»02. S. l63ff. 



(reruob der Kurupier. 



I 



mir iiii Walde statt Kine KlieschlieFsung wird voll- 
zogen, nachdem Mann und Frau einige Zeit zusammen- 
gelebt habun und ein Kind geboren ist. Die Hoebzeits- 
feierlicb keilen dauern im allgemeinen einen Monat. .\U 
Liebliiigstiare gelteu die Schweine, welche innncliiual 
von den Frauen ernährt werden, ladchen werden in 
sitzender Haltung geräuchert und getrocknet, »odanii in 
einem ausgebrannten Baumstamm aufbewahrt. Kang- 
unterachiede giebt es nicht bei den Bewohnern; man hat 
weder Häuptlinge noch Sklaven. Diu Bevölkerung übt 
einen sehr primitiven Ackerbau aus und lebt hau^dsäch- 
licb von Sago. .\1» Waffen dienen ihnen Speure, sowie 
l^fuU und Bogen, lin Kriege verlegen sie sich Vorzugs« 
weise auf Meuchelmord. Geschieht ein Kriegsziig aus 
Uachc. so versucht man einen Kopf zu erbeuten, bei der 
Heimkehr wird um densellwii zuhn Tage und Näcbte ge« 
tanzt und gesungen. 

lane bedeutende Krweitening unserer Kenntnisse 
Neu-Guiuea.'« ist zu erwarten von der wissenschaftlichen 
Forschungsreise noch der Humboldibai, welche augeii- 
bUcklicb von der „Maat-«chsppij ter bevordenog van hcl 
Natmirkundig oiiderzf>ek der Nuderlandsche Koloni^u** 
vorbereitet wird. Sie m> 11 im Jahr 1903 zur Ausführung 
kominen. Die niederländische Regierung hat 10000 
Gulden dafür besliiumt. der Geologe Prof. ILWichmann 
in Utrecht die wi><Henscha{tlichu Führung übernommen. 
F.r wird von Dr. vau de Saude als Arzt und Herrn de 
Beaufort als Zoologen begleitet werden , während sich 
H. A. Jiorentz als Zoologe auf eigene Kosten der 
dition angescblossen iiah 



Geruch der Europäer. 

V'oD i^r. Buntnro Adachi (aus Japan). Strafshuiy. 



Über den Negergeruch hat man schon oft gesprochen, 
von dem Geruch dcrEun»päcr dagegen ist bis jetzt kaum 
die Rede gewesen. Auf das Wenige, was hierüber au- 
gemerkt wurde *>, werde ich keinen Bezug nobmen, mich 
ganz kurz fasHtm und iiiicb lediglich auf meine eigenen 
Krfabrungun als Nichtuurupäer buschräiikeii. 

Der Europäergeruch ist in Japan allgemein Wkanut *). 
Für die Japaner ist der Geruch der Kuropaer sehr anf- 
falluud, besonderst derder Kiinijkäerimieu. Er ist stochend 
und ranzig, nach Individuen aber vursebiedou, bald süfs- 
lieh, bald bitter. Oft ist der Geruch so stark, dafs er 
das ganze Zimmer erfüllt. Der Geruch steht in engem 
ZusHininenlmug mit dem Alter. Kinder und Greise riechen 
nicht oder weniger als l^iit« im kräftigen Alter. Muu 
könnte glauben, dafs die Europäer von ihrem eigenen 
Geruch nichts wissen, oder ihn doch weniger empfinden 
als die Ja[>aner. So viel aber ist gewifs, dafs die hiurupäcr 



*) Ami ree. Vnlkeru'erucli- Korrwsp.-Klatt dur deutschen 
f. Aiiihr., Kthn. u. t'rg. 187B, Xr. r>; und Ktboo- 
grapbiwehe l'amlleleu und Vergleiche. Neue Folge 1839. — 
('loi|uet, Osphre<)iologtH (aus dem Franzimschon übersetzt, 
ls-24). «>- (ialopin. Lo parfum de la femme et le sensolfaetif 
«lans Tamour 1839. — Kiigen, Bi« *exu**llo Uspbr«wiologi« 
1900. — -laeger, Kutdeckun>' der 8«wle. Ibl. I ii. II. I3H4 
und 133&. — Kreiill, Die SchwutrsHekreiion (l'liveiutiitfie der 
Haut) in Mraceka Handbuch der Hautkrankheiten, Z. Abt., 
I9U1. — Montn. lies odeurn du corp« humain 1883. — 
Tör&k, Krankheit der SchweifHdrüiiuu iu Mraeek« UandUueh 
der Hautkrankheiten. 9. Abt., 1901. — Untrudileu Pields 
of Aothropology. By a Kreuch Anny-Siirgeou. Pari». Kecond 
Edit. Vol. I. ('bapterll, J398. — Zwaardemakor. Die 
J*hy«ioIogiv de» Geruchs. (Übereetzt von Junker v. Isitigegg 
1895.) 

D Ais*r noch nie wiMeuscbaftlich behandelt. 



I nicht wissen, dufs ihr Geruch ibiieu eigentümlich ist, und 
I ebenso gewifs, dafs sie ihn nicht sonderlich beachten, 
i Ja es sollen im allgemeinen die Männer den Geruch der 
; Frauen (und umgekehrt) mehr angenehm fühlen. Inter- 
I essaut ist auch, daD betreffs europäischer Weiber für 
I Japaner diu (icruchsumpfiiuiung mit der Zeit sichänderL 
[ Diu uietsleii Japaner, die längere Zeit in Eumpa bleiben, 

} finden den Geruch der F.uro{)äurinnen anfangs sehr 
widerlich, nach Motmteu aber nicht mehr, endlich »ft 
sogar mehr angenehm und wollüstige Vorstellungen her- 
vorrnfend. — Zugleich auch wt ihnen der Geruch der 
Muituer nicht mehr so auffallend. — I^r Geruch stebt 
zweifellos mit der Gescblecbtethätigkeit in Zusaoimen- 
hang. 

Der Geruch kommt fast aiisNcbliefslicb aus der Achsel- 
grube und ist da so bcharrücb, dafs er — selbst bei 
' nicht so stark riechenden liidividuen — vermittelst .Seife 
nicht ganz zu entfornen ist und in wenigen 'Minuten 
nach dem gründlichsten Wa.scheii wieder ziemlich stark 
hervortritt. Der Riechstoff des Sebweitses muts also 
schon aus den .\chseldrÜ9on stummen. Auf die Ansicht, 
I dafs der .\cbselgerucb der Europäer mit der Geschlechts- 
j thätigkeit in Beziehung steht, könnte mau eventuell ge- 
I bracht werden bei Erinnerung der Thatsachu, dafs bei 
verschiedenen Wirbeltieren während der Paarungszeit 
die Funktion der Riechdrüsen sich «teigert 

Was für Geruch die gelben Rassen haben, ist diesen 
selbst nicht bekannt, und auch ich konnte hui ihnen 
nicht einen allgemeinen Geruch finden *) wie bei 1‘mropäcrn 

*) Man , l’hincsea riechen. Dieser Geruch ist aber 
nicht Körpergeruch , sonilem röhrt niebr her von der l'n* 
, reinlichkeit. 



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A. Lormixeu: Kin nordisches So 

<Hlor Negern. AllenUiign kommt aui'U Uei .Ia|»:iiiern, 
aller nur h«>rbst -•‘eiten und nieUt bei Krauen ^Voki- 
shiu“ oder mit |K>puUrem \^ nrt „Waki-kusa“ (Achsel» 
grubenge'tank) vor. der dem Kurupftergernch gleich ist. 
Nach chinnsiiirhen in<Hli3dni'‘cben Ilüchern kommt dieser 
Geruch auch bei rhineseii selten vor. Kin Japaner, der 
»Yoki-shiti“ an »ich hat, i?»t niilitärfiBi ‘*). Und eine mit 
diesem (iuruck behaftete Japanerin ist wogen der Schwie- 
rigkeit der Heirat häufig unglücklich, llotonen aber 
will ich, dals nach der Heirat der Geruch iniiorhalb der 
Klie nicht mehr vimiigeiiehm gefühlt zu wenlen scheint. 
Ja es ist sehr möglich, dufs die Hoteiligtt'ii, wie man 
vielleicht auch vermuUui wird, heimlich den Geruch 
„geniefseij**, obsebon ich noch keinen nirheren Beweis zu 
Gunsten dieser Anuuhme augelMUi kann. Für gt‘wöhu- 
lich riecht die Achselgrube de-n JapanerH gar 
uiclit. weder für Japaner noch für Kurojiüer, 
selbst bei lang veriinchlAsHigter Heinigung 
n i ch t. 

Kf xcbeiiit mir, dafs Kuropüer starker schwitzen als 
.fn|>aiier; l>ei jenen l>emerko i(h die Kleidiing>isiücko 
unterm Arme sehr stark durchge^obwitzt, was mau bei 
Japanern i'elteuer triffb JedenfalU i-vt ei« eine unbe- 
streitburiMind anffallende Tlmtsnche, daf«« die Schwoifs- 
drü-HOii der Kuropaer viel gröfser ^ind als di« 
der Japaner, l>ei welch letzteren man die IlrÜM*U 
inakro>kopi».i'h nicht findon kann*). Man darf über iiicbt 
allein v<»n .•‘türkerem Schwitzm« den (tenich des Knro|iäeni 
ubleiteii wollen; stark M'liwilzendo Ja|ianer haben ge- 
wöhnlich auch keine riechend** (»rnbe. 

Bezrigli**!) mikro-kopincliur rnterMicbungtm der Achi^el- 
drü»**n mufs tob i'iiiMweileii auf »pftter verweifen. Worauf 
cs mir hier niikaiu. war — als im tiegon^atz zu 
den Japanern — hervorzuh**lH»ii, ilafi» «üe Srlivveifs- 
drüsen <ler Acb^ellnihle Ik'I den Kumi»nern gröNcr sind 
und daff die (inibu riecht. 

*) All einen m* ho«-hgnulia*‘n (ieruch, wie ich in Kuropa 
jeden Tag zu iieobaehten (relegcuheit hats*. kann ich inicti 
i*ei Japanern nur in einigon Kiillcn *Timi**ni. 

Jtei .\>ki'«hiu“ in »i'hwächerem tlraii« natürlich nicht. 

.\iicli K**gunei «aifte mir, dafs er *h'n*eH*eu t‘uter«ehied 
tiemcrkt habe. 



Ein norilische« Soniienhild aus dem Bronzealter. 

Von A. Lureozen. Kiel. 

Kin pHiiu'onder latndmann machte vor etwa drei M'^naten 
aufTrundholm Moor in ilcr Od«'M.nrile. dom nordwostlichen 
Ausläuf'-r Seelands, einen Fund von aur*ierordenllich«*ni archihe 
logische» InteresM*, der nainenilich von hesonderor liodoutung 
für den vorgeHchiithtlichen Kultur de« Niirdens ist. Der Fund 
Itentcht aus einer einseitiir vergiildoten bronzenen Sonnen- 
sclieibe und einem llronzopf erde. Vielehe i*eido auf dem 
rntorgostelle eines sechsraderi gen Wagens stehen. 
In d**r kurzon Zeit ist «'s gohmgr». «lie «•inzeinen Teile wieder 
h«r/.uste]len und aiieinnnder zu fitgen, so dafs das tlaiize 
nunmehr zur Aufstellung in der vorgeschichtlichen .\hieilung 
«Ic» düiiWhen Nationalmuseums bereit ist und eine Veri'ffent* 
Jichung über d*-n Fund in naher Aussicht steht. 

Btier uineu v«jm Direktor >*rof. Sophus Müller am 
liJ. Noveiubi*r in der k«inigl. uor«lisch**n Altcrtumsgasellschaft 
gehaltenen Vortrag i**i ein lk*vicbt in der Nntionaltidende 
('.^4. Novl.r. lUU'ii erstattet, den der Vorirajrendu an FrAuleiu 
J‘r»f. •). Me«t*irf in Kiel öliersendet hat und welcher von 
d**rcn Suite froundlichst für einen Bericht iin ,,<tlnhus“ zur 
Verfügung gestellt wurde. 

Danach initstammt da** Sotinctibild von Trundholm dem 
Alteren nonliscUen Bronzealtor (etwa lOoo v. (Iir.). In jeder 
Beziehung dem skandinavischen KulturkreisH angehi>rig. ist 
OS unzweifelhaft nm'diwhe Artieit, was auch aus iler raib. 
kreiR- und 8piraIf*>nuigeD Oniami-niik der einzelnen Stücke 
herv**rgebl. Ks ist zu iioi<icn Seiten L'rwidbt uml winl durch 
zwei l'J.vtfcn gvbil*l*.*t. welche durch eiiini breiten, ange. 
gosseneii Kähmen vcrliuixien sind. Die eine Seiti; ist mit 



nnenbild bub dem Dronzeulter. 15 



' einer (toldplatte belegt, welch« in die Ornamentik hinein- 
geprefst ist. Besonders überraschend ist lUe Figur des ITerdes. 
Bisher galt es als feststehend, dafs derartig«* runde, figürliche 
Arbeiten dem Bismzealter fremd seien ; thatsächlicb ist aber 
das Pferd das schönst« Stück in seiner Art. selbst mit ent- 
sproch«*nden St.iick«*n aus «i*-n klassischen iJinderD verglich**u. 

, l4?hwjcrig«T ist di« Beantwortung «1er Frage nach der archAte 
logischen Bedeutung des (ianzen. Mag man auch sclmell 
darülier ini klaren m.dn. daf« es ein thmnenbild ist, «o wird 
. es doch .«'hwer, Beweisroomento zu tlnden, weil das Stück 
einzig in seiner Art ist und Vergleichsmaterial fehlt. Zwar 
wird die S«»nne au«*h in Ägypten, (‘halditn, .\ss\rien. jas*«gar 
in Mvkena in (iestalt ein«r Scheilie al^gehiMet. »brr kein 
derartiges rttück zeigt die gewöhnliche OniHineiitik des Ite- 
treffiuideit Zeitalters, wie dies bei «lern dAiiischt-n der Fall ist. 
Dafs die Hcheilie mit OoM bekleidet , wird, ist sehr natürlich, 
und dic-er rmstand ist auch aus Ägypten Is'kannt: in der 
Kegel ist die S«»nnen««*heilie *l«»rt jedtwh nicht oniauieiitiert. 
zuweilen hat sie ate r Sirnhleii. In Assyrien trügt dii>Hcheü>e 
Bild«-]' un>l kann .Anne als Strahlen halten. In ««iner mykeni- 
schen Darstellung ist sie mit Strahlen bed«*ckl. Keim* <li**sur 
Darsicllimgen «-iit^prichi jed(s*h ganz der (liinisohKit. Nur 
ein einziger Fund lüfst sich mit <li«*MT vergleichen. Von den 
aus etwa 1 *H)uv. (’hr. stuiimiendcn Urälwrn bei Bologna sind 
einige Steinsäul**n iM-kiiiint, welche «*l>en S4*niienbilder tragen. 
Au« ilnrs*'lli«n («egend kennt iimii Ähnliche Soiineiihihlcr mit 
Strahlen. Diest-r (‘mstaml wird von um tto gr<ifsi*n*r Be- 
deiitung, wenn mau erwiigt. dafs gera*!« in deraelliei) tilgend 
Broiizearheiten mit ähnlichiT tlrnannuitik wi» di« diiniM'he 
gefunden sin«l. Sowohl das Pfenl als «las Sonni'iihild stehen 
auf d*un Wagen; «las l’fcrtl hat die Sonne an einem Bainle 
hinter sich her g«*iitog«n. das von einer n«o am Kande der 
Sonne nach einer th*e :«n «icr Vi>nlerhrust iles Pfenl«*s führte. 
Ihks Pfer«ieg«*w'hiri* ist durch Ortiauiente angedeuiet. Di<n« 
•‘Himert zwar an «len Sonnengott, der in seinem mit l'fenlun 
bespannten Wagen üls>r den llimm«'! fahrt; hier ist j«shtcb 
w<Ml*‘r Sonnengott noch Wagen vorhanden. Die Vorst**liung 
von dem fabrcntl«-ii Sonnetigtriie ist iihrigcns nicht alt. Homer 
kennt, sie nicht; zum «Tso-nmal tritt sie In ilcn Hymnen und 
auf Vas«-ii mit schwarzen ^Figuren auf ruteiii t«ruiide v«m 
etwa 70U V. t'hr. auf. In Agvpten (*rschaint di*> Sonn« nie- 
mals in einem Wagen, stets in einem B«.K>t«*. ln den in*iischon 
VtMloii i«t zwar oft von ü**iu fahrenden Sonnengott«* die BMe, 

- aber attch hier •-rscheini die .Annahme nicht n<>lwmidig. dafs 
die Voi>t*‘llung hIUt al- dinjenigi* aus t«ri«»chvulnnd sei. — 
Si» winl «las dänisch« Sonneiildld da« Ülu*3it«, iimi es kann 
nicht iii.« Ausstrahlung klasaisclier Vopit*'llutigen isürnchtet 
werden: eher liegt die Sach«* »o. dafs «Irn v«jH entwick«*li«n 
Vorstellung* n aiuler**, einfachere Versuch«, dielk-uegung «ier 
Soune zu erklären, vorau.>g«*gangen sin*l. und inati hat zu 
•lieseiii Zweck«« HU d»s Pfenl angekniipft. dfo* ImssIo und edelste 
Haustier, welc}i*>s man damals haU«. Di*' Orimmeiitik deutet 
zwar Pferd«*geiH'hirr au: inan ist jedoch zu dem Krg*'hnis 
. gekommen, ein« am Knmle dus Sonnenbildes. ein«» aiMien* 
an der Vtmlerlirust des lTerd*r« anxui*riug«-ii umi beide liurch 
I ein Zugband zu vcrliin«!«-». Wahnw'h**inhch w-ir*l sich ciuniAl 
■ zeigen, dafs «l«Tartige V«srsu**h«*, *li« B»-weguiig «1er S**niie zu 
erklären, überull in Kuropa in wexontlioh ül>erein«iimincndur 
AVfti*«' gemacht sind. 

{ Auf ll« l|nri«tniugiü‘leirM*n koinim u, oft Kreisknmze und 
Ähnlich«* Figuren vor, w*;lc|i« man al« Cb«.*rreste«*im*s Sonneii- 
kult.iis gedeutet und mit dem Nam**n Ka<lkr«*uxe 1>cl«*gt hat. 
Diesu-r Sumienkultn« wird ins Steimiiter verlegt, uud hiutcr 
der angeführten Deutung <ler Kadkreuze verhirgt sich der 
UtMiauke an «Ion fuhreinlen Sonnemgott. Beides ist nicht 
richtig. Weiiu sie auch ein paarmal an der nach Sudan 
gerii:ht«*ten S«*ito d«*r Stein** in «ünem Kiexenls-tt gefunden 
sind, so schliefst dies doch nicht au«, dafs sie *-rst im Bronze- 
alter eiir.«taii«len sind. ThatsÄchlich zeigt ein Vergleich mit 
den schwedischen HeUoristniDgs.«t«itien. an denen dio Sonne 
in vielen verschi«'donen Weisen (aU V*'rtiefungeii, Kr>-ise mit 
Strahlen. Kruiskri*u/e) durg«*«teltt ist, dafs es Bilderder eigent- 
lichen S*<nn«Jii«ch*>ilw sind. 

Itafs Sonne und Pferd auf einen Wagen gestellt «ind. 
»•rursacht gewisHe Kchwierigkeit4*n. Viel hat «1«ir 4iv>ianke 
für sich, daf« das Bild b**WQglich mnn müsse, da «lic Sonne 
sich ja auch lMt>wegc. Auch au«!«*re tM-g«*nstHnde au.« dem 
I Br«inz«»Iter »iml auf Ki'ulem angebracht, «<► aus Danomark 
' ^***‘ grofs«.^ Kessi‘1wag«‘n v«ui SkaH**rup, und im ribrig«*n Kuro|uv 
hat man ein** ganze Kidh«* ähiili«’her Fiimle giuunrht. .Auch 
> in «piitorer vorgcsi'hichtlichcr Zeit wurden tiebraiiehsgogon- 
stand« oft auf Kad«*rii aug«*brachi. J<*«l>H-h kennt iimn au« 
Nordeuropa ein*' Keibe von Aiif«tellungeu auf primiiiveii 
Wagen, welch** nur sakrah* Be«leutung h»lM*ii köniieti. Tiere 
und M**nschen griippii>reu sich uni «ino grCif-'r«* Figur, inut- 
ntafslichcrweis« einen G**tt. .Auch in Krami*>n in Th«>«s:ih**n 



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IG 



Hie kornisoben Totcnurimn und die ibpritcbe Hevolkerung Koraikas. 



wunie »*m (löuerbild *u gowijwca Zeiten »nf einoin Wagen 
imibefgefiibren. Zu Zeiten der T)ikrr« dienten die.to Fahrten 
der Hegt'iibiweliwbruDg. liii flaiomoninctien Tem]iel batte mau 
goldene (sefAfH«, welche auf Häderii ruhten, und Tacitux er- 
zählt, wie Nerthuü. die Göttin der Uonnnnen. durchs l^aud 
fuhr. K<i kaun es auch mit dum Sonm-nhilde gewesen sein. 
Um uirksam sein zu kOnuen, luufste es lieweglich sein. Mau 
kann sich vorslelleii, dafs der kleine Wagen vnn Truudlndin 
eine verkleinerte Nuchhildung de« gnifsen I'ruzessionswagens 
sein sollte, und die^ wäre jetlenfnlbi eine anspm'hende Mög- 
lichkeit. Mit IlezuK auf die Fahrt der Götterbilder wäre 
noch an die Itnndfahrt der Göttin Freyr in Schwellen zu 
eriununi. und die n'>mische .grofse Mutter'* war ebenfalls zu 
Wagen, .ledoch liegt all di4>ses zeitlich und räumlich zu fern, 
als dai's uiAi) vun <la aus einen Schlufs in llezug auf den 
Sonnenwagen von Trundholm ziehen könnte. Dal's er alter 
ein Kultusbild dnrstellt, kann nicht bezweifelt werden. Durch 
ihu urht^lten die Hypothesen über den SimuenkuItUH im nörd- 
lichen Kuropa festen Uorlen unter den Fnlken. i'lierhnupt 
wird es immer wahns'heinlicher. dafs die älteste Heligiosität 
KaturgOttem in der Forui v<in Gegenständen diente. Der 
Sftiiuendieust im Korden mufs ein Glied der Kultursuumie 
will, welche der Kor«b‘u im Br«mzealter aus dem Kodon 
empflng. Möglioherwei^ sind gleichzeitig voll entwickelte 
Göttergestalten vorhanden gowcjien. Jedenfalls Iwgegneii wir 
solchen um die Zeit, da die neue Kulturstri>raung zur Ibinier- 
zeit nlter den Koriteu bemubricht, und auf dem Silbergefäfse 
von Gundcstnip sind diese gaüfen »mischen Giitter abgcbildct. 
Krst gegen «len Abschlufs der vorgeschicbllicbuu Zeit treten 
tlie imrdiscliuD Gö|torg<-slaltcn auf, welch«» wir aus dm 
schriftlichen tjuelten kennen. Da fährt die Sonne iui \Vngen 
über den Uiuimel, elienMi Wfie der rCmiischc Gott, aber von 
einem Sonucnknltus ist nicht länger die Ke<le. 



Die küralachen Totennrnon und die Iberlürhe 
Herdlkerung Korsikas. 

Die w ichtigsten archäologischen Fundgegenstände Korsikas 
sind Totenuruen, die mau an verschiedenen Stellen der Insel 
entdeckt hat. 

Schon Filippini. ein korsiwher Scliriftstcller des lä. Jahr- 
hunderts. herichtet, dafs läbS liei Herstellung der Festungs- 
werke von St. Floreut liei Bastiu eine grufse Zahl von Thou- 
uruen in einer Tiefe von nngefähr 15cm gefunden wurden: 
sie waren genügend grofs. um einen Menschen zu fassen, 
und hermetisch vctM-hlossm: in der That enthielten sie auch 
MenschenkniM'hen. und lateinische Inschriften auf einlgeu 
sollen von einer gn>rsen Schlacht lu-richtet haben, in der 
Tausende von Kriugern unigekouimeii M-ien. 

Jacobi un«l ltobi«)uet erwähnen lK;t5 solche Skelettumen 
aus der <b»g«‘nd von Ajarcio. .Merimee (Iö4ü), andere in Wein- 
bergen bei Kt. Jwiii {Aj«coio)au*gegraWne, in denen sich neben 
iiieiir iKler Weniger erhaltenen Skelettuu noch Kupfer' und 
Sillierriiige fanden. 11**1 Sarteno wurden lti74 sog**naunte 
,Sart*ophages en terre cuite* iiusgegralK*n. wi-Ichn wohl etien- 
falN nichts anderes als Skelettumen waren, und 1 hu 4 in 
Villa di-Fara*«» bei Calvi (im Kordwesten der Insel) eine Urne 
mit einem Meu<*cbetiskeU*tt . l«i der aufscrdeui uoi*h eine 
Sleiiia.xi go-fniideti wurd«*. Alle vorhatidcnou Kachrichten ülx'r 
«liew kor!>i!H-heii Totenuriien bat in einem kritischen BerichP; 
jutzt l>r. A. Hloch ((‘or»e pri'-bistoriqn«*, DuUeliu» d<‘ la «ociet^ 
d’Anthr>*p«>logie 1U0*2. p. 344 ff.) zusammengefafst , dem wir 
hier folgen. l>er neuest** Fuuil wunle lavü von ('b. Ferton 
Itei Domfari«» gotnarht. also ganz im Süden der Insel. Es 
hiiiideli üicl) um ein«) lang«, ein Menschenskelett enthaltende 
ri-iM*, die erste, die sinnt dem Skelett erhalten blieb. Die 
Urne, deren Abbililung wir hior wi«**lergel»en, lag horizontal 
im Humus in einer Tiefe von 30 hin 40cni. 

l>ie Kkeb'ttteile fanden sich alle am Grunde der T'nie. 
ganz am Ende der noch am lN!9ten <*rhalteue, sagittal in zwei 
Hälften zerfnlIom)S<-hä<1cl. aufsardem llumeru«teilc. Schlüsael- 
la*inu. Wirh»*|. V*»«» den Beinen fand sich mir i*in Geleuk- 
ku]if des Femur. .Aus dem Krbaltungszustaud der Knochen 
liefse sich wohl darauf schliers«‘n, dafs der l^eichuuni in aus- 
gestreckter Laue, den Kopf nach dem Grund, die B«ine nach 
ölen iu der zu diesem Zwecke an ihrem oliereii Teile nuf- 
ges*‘hl»g«m«ti Um«* iH'graben wtirden war. Itie l.änge der 
Urne lieirug Im. ihr gK>f«ter Quenlurcbmesser 47cm, ihr 
kleinster iMirrhriieswr 37 cm; am Grund«* läuft <Ue Urne in 
eine fast cylindrische Spitze von 1 1 cm aus. der«*ii Durch- 
juti<»ser am Grunde 5. am freien Knde .3,05 cm iHöntgt. Wie 
schon erwähnt, war der ober«' Teil der Unie in Kttti-ke zer- 
lir<H-hen, M> dafs über seine Form nichts Genaues angegeben 
wcnlen kann. Nach einem noch vorhandenen Kente zu 



8chli«*fw*n. waren ursprünglich ein oder zwei Henkel vor- 
handen; di<* Urne gleicht also, abgesehen v«iu ihn‘in viel 
weiteren Halsteile, suhr einer grofsen riünischeu Amphora, 
wie sie zur .AuflaiW'nhning von Wein. Honig u. s. w. Verwen- 
dung fanden. Die Dicke der Wand schwankt zwischen 5 und 
an den meisten Steilen beträgt sie unuofnhr lern. 
Di« Masse ist gewöhnlicher Töpferlehm; kreisförmig«) Streifen 
darauf üouten ihre Herstellung auf d«*r Töpferscheibe an ; 
sie ist gut gebrannt, hart. j«**l4K*h nicht spröde, unglasiert, 
gmnat- bis zinnob»*rn>t. 

In Korsika gab ex n]**o eine Z«Mt. in dev die Toteu in lie* 
sonderen Unum liegraWii wurden, eine llcgräbuisCorm, die 
sicherlich nicht ri'imischen Ursprungs i*l — trotz der oben 
erwähnten zweifelhaften lateinim-hi'ii lns**hrift auf «*inig«*n 
Urnen — denn schon Dimlorus v»»n Sizilien beschreibt sie 
als oigcntüinlich ausschltefslich für <Ue Bewohner der Balearen, 
woraus fidgt, dafs sch«<n zu seiner Zeit (1. Jahrhundert v. Uhr.) 
in Korsika dieser Brauch vers**hwunden war. 

Heute wissen wir nu« archibilogischen Funden, dafs auch 
andere Völker des Altertums di«*se Begräbni«forin kannteu : 
BO fanden sieh in C'haldäa nach Troyon 5öctn hohe Urnen, 
die Skelette in zusainmengekrümmter Stellung enthielten, 
aodero von So cm bi« l,8Üm Höh«* in Tiiya (nach Calvert) 
und dem thrakischeu Uhersonos. ebenfalls mit vullNtandigeii 
Skdetleii; erst notienling«, Oktober IttOl, ontdeckte A. Gaudin 
in Yortnn im alf«*ii Myslon grufse Urnen mit Mcnschen- 
knochtm und LeicbeiilieigalieD. Aus dem Südosten von Spa- 
nien keimt man aus den Ausgmbuug«.‘u der Hnider Siret 
ebenfalls zahlreiche Toteuumeu. die eine gew im»e Ähnlichkeit 
mit den von K<*rsika beschriebenen nufweisen, gr«»fj*e und 
kleine für Erwachsene und Kimler; die gröfstun darunter 
hatten «in« Ilöh«r von 0,80 bis i,0&m; an den Skeletten waren 
die Knie«* gegen da« Kinn hinaufgezogeii. 

In Sardinien hat iiiaii gleiche Urnen bislang noch Dicht 
gefunden, wohl aber im Konleu Afrikas, in Algier und Tunis, 
in Biskm, Htora (Provinz Uoustantiii«*) und Uberaga (bei 
Algier) Kicht zu verwechseln sind di«j*e Skwletiurnen, in 
deuuD «lie Knochen vollsläudtg «>bne jode Anzeichen einer 
Verbrennung nufgt'fun«b*n wenlen, uiit jemn allenthallHii 
schon ausgegrala*nei) .A.schcuumen , di« zum Teil elH-nfalls 
noch Skelettteüe enthalten, aber immer mit deutlichen Spuren 
der Kinw'irkung de« Feuers. Wir kennen also eine lleihv 
beimcblMii't«*r Fuud*^tclt«n von Skelettumen: Kor«ika. die 
Balearen. Hüd"|>ani«;n und Kordafrika. 

In«l«.-u) Dr. Blot'h noch die antiken und heutigen anthro- 
pob»gis**hcii und ethnographischen Verhältnia»« Korsikas über- 
schaut und mit den vorgoschichtllchen. unter denen di<»e 
Urnen eine herv<irragend« Bolle s|iiclen, vergleicht, kommt 
er Bchliefslich zu der Frage, welch«« A'olk die ursprünglichen 




Bewohner gew-t*«**n. dem auch die Urnen zuzutchreibeu sind. 
Kr antwortet: Nicht« ander»« ergieht «ich, als daf« die ersten 
Bewtdiner von Korsika verwandt mit den Iberern warent 

Die vorgi'whichtlichen Skelettunicn der Korsen sind dle- 
oeiben wie die der llwrer. Im AU>‘r(uiii war «li«* (ä»uvade bei 
den Korsen ebenso gebräiichtich wie Im*I den Ibtirerii, trugen 
die Einwohner Kopfzier und Fursbokleidutig der Ilierer und 
hattou noch einige canlabrische W>*rter in ihrer Sprache zur 
Zeit Konecas, und «chliefslich sind die modernen Korsen iu 
der (rWr/abi d4dich«>rephai wie die Spanier. Aufs^'nleni soll 
es uncli d»!u Furschungeii des l^rinzcu L. L. Ibmapatie (1877) 
noch 14 Ortsnamen in Korsika geben, di« anscheinend m der 
busklschen Sprache die gleich«*ri sind, s«> z. B. Mut«dn. wo «lie 
I>rahislorischo Stadt dun*h M- .Miilaspina enüleckt wurde. An- 
scheinen«! war la*i den neolithis**h«n Kursen die Bestattung 
d«*r Tt»l«*n in Union nicht gebräurhlich. genau wie im Süd- 
«Mten Spani«*ns. wo von drei aufeinander ff>lg«*nden prähistori- 
schen Kulturstufen ln der ersten (neolithi«i*bvn) gar keine 
Urnen, iu der zweiten, der Ül«ergang"p«.Tio«le von der Stein- 
zeit zur 3letallz«*it. nur Aschenunicii uinl erst in iler «Iritten. 
dem M«*taIlzeitÄlicr, die Slcktturnt'n verwandt wurdet) , wie 
die Brüder 8ir>*t na«'hgew'i«**oii liuts-u. 

Korsika ist alw) von dun Iliurern )s-sie«lelt worden, jenem 
Volkssianime . der. ursprünglich iu Kordafrika aiisaasig, all- 
mälilicb nicht nur S|innit*u, sondern weiterhin auch Sardinien. 
Korsika, (iaüien überttutete. 



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Büeberiohaa. 



17 



Bflcherschau. 



VhI()t iRUiida Kultur v«il Aurbuud- { 

rednkiftet 1900. med en I n i1 l«d n 1 ng om IrIau«!» 
Nntur Af Th. Thorc>dd««t), KitjieuhagAii 1903. 

Wir ]>4*uUiAh4^n he*>itxrii eine ganze Kethe Tun Werken : 
«i\»er UInnd, darunter einige >on hieiltendein Werte. Al*er , 
sie alle wnd vi>n Niohti^^liindoni gt*i»chrifl»en, die im lK-«ton i 
Fall« einige Wochen «»der Moimie auf lolnnd zugcbmcht 
haben, «fahrend e« unn an der Cberoetzung eino* von einem j 
einheimiHchen Verfewer gcotdirieltenen Werke* iil>er jene« j 
Iwtnd leider noch immer fehlt. Bo würde denn eine Uber- I 
tragung de* oben genannten trefflichen Werke«, da« von rwei i 
der oraten Kenner ihrer iRiäniliwben Heimst Terfafst worden ' 
int, eine von jedem, der auf diesem Gebiete arbeitet, schwor j 
em|tfundrne Liicke auafülieii. lH»ui Werke, da* mit lOfa Jht* 
derti geflchmückt i«t, wie sie in sidcher Fülle und Güte kein i 
andere« W'erk ober Island bietet, gebt eine von Th. Tbor<Mhl»en, j 
dem beröhmten Verfatser der .Gewchiehte der i«lilndi«chen , 
Oeogniphie* (öbenetzt von Angunt Gebhardt, l/eipxig 1897) 
und Erforweher dos unbekannten Innern l*landa, geschriebene 
Schilderung der iRlfandinrhcn Natur al« Kinleitnng sorau«. 
l>a* oigentllcbc Werk, da« den Drizenten an der Unisersitftt 
XU Ko|)enhagen Vall>T Gu^iindsaon, Mitglied de« isliindi- 
Mchen I^andtage«, tum Yerfs«««r hat, umfafnt %'on 8. 15 bi« 
124 eine Ihirstellung der i*lAndi«ch«n Kulturzustftnde hiii 
A nfänge de« 20. .lahrhunderi«. THo Titel der ver«ebid<1enen 
Ahnchnitte, die wir hier folgen lassen . gel»en einen llogriR 
von dem reichen Inhalte: 1. Die Bevölkerung und Züge aus 
ihrem tAglicheu Leben. 2. Da« politische liCben und «eine 
Organe. 3. Das AuHt!Arung«we«en. 4. Litteratur und Kunst. 

5. Da« praktische Ijoben (ökonumiiiche, Erwerbs- und Verkehrs- 
verhAlltiiMo). fl. Gesundheitliche und W'ohlfahrtaemrich- , 
tungen. — Die statistischen Angal»on de* Buche« beruhen | 
meist auf den amtlichen TalMsIlen, die alljährlich al« Boitnge , 
zur aBegierungszeitung für Island* (Btjörnarti^indi f.vrir Is- 
land) erscheinen. Zum Schlüsse folgen auf B. 125 bi* Itio 
Froli^n aus der diehteriscUen und prosaischen Litteratur dos 
heutigen Islands, die bekanntlich von einem in Anbetracht 
iler Kleinheit des Volkes crBiaunlichen Beichtum ist; die 
Auswahl der prosaischen Htiicke ist unter dem «obr em- 
pfehlenswerten Gesichtspunkte getruffen wonlen, daCs sie 
einen Einblick in das inländische Volkslelien ennüglicht. Wir 
können diesem Werke, dessen Verdfrentllehuug — ein Bttwei« 
für seine Go«]icgenhcit — durch t*uCer«tntzungeu Mütens des 
Carlsbcrgfimd« und des aAussebusse« für die Hebung der 
VfdksaufklArung* gesichert wurde, und das, wie es heifst, 
demnächst ins Englische übertragen worden wird, nur den 
l»!*len Erfolg und — einen deutschen Überaclzor wünschen. 

Ilr. M. Rtkli: Botanische Keisesludien auf einer Früh- 
lingsfabrt durch Korsika. 140B. Mit 29 Ixiidscliafc«- 
und Vegetationslnidem, grOfstenteils nach ph'>tograpbi«chen 
Aufnahmen von Dr. G. Kenn in Basel. Zürich. Fiisi und I 
B.*er, 190.1. 

Mancher, der Korsika Itendn hat, wird beim DurclitdAltem 
diese« Küche« mit mir aiisrufen: Hütte es mich doch damals 
auf meinen Wanderungen in der Macchia, am Sec«trand <ider 
im Schatten der Buchen- und l*inus Ijincio-Willder der korsi- I 
<<heii Berge begleitet! Jtslenfalls wenle ich Rikli* Botatiis<-he 
Keisestudieii nicht zurücklassen, wenn mir je noch einmal 
vergönnt «ein «oUte, den korsischen Strand zu betreten. Die 
neuen Pflanzeoarton und Vegetationsforraen brauchen, tun 
rocht, verstanden x« werden, einen kundigen Führer. Der fehlte 
hi* jeläti. K» ist dankenswert . daf* der junge Züricher Botani- 
ker, dem wir schon eitiige hülsM-he gi'ogmphisch-touristiwhe 
Keiseberichte iiber Korsika verdanken, au* «einen Tagohücheni 
und Herbarien da« zusamiiieiigestellt hat. wa« von Interesse 
für den Botaniker, aber auch für don G«^>grBpben untl int 
allgemeinen für jeden Naturfreund .«ein muf«. Bikli i«t ein 
fleifsiger JfaMdtachier. hat Hjim für Landschaft und Men‘<'he»i 
und ist in der sehr zen»t reuten botanischen iiitteratur ül»crKf»r- 
*ika wohl bewandert. Er sendet eine g*ngraphisch-gci»|«tgi«ch- 
latidHchaftliche Hchilderiing der Inse) %orau*. l»-«pricht dann 
die allgeiiieitieii t'lmrakter/iige der ktirsiwhen Flum, lK}-**nderH 
die MaKMHthaftigkeit mancher .\rteii, die selbst dem Laien 
lUiffallt, nnd die Spuren der Kinwirkung des ircH^keneii Kli 
mas. Dann schildert er die immergrüne Busch- und Niciter- 
waldvegetation der Macchia, die Felseiiheiden , die Strand- 
vegetation, die Kulturen, die Gebirgswälder und die alpine 
Flora des korsischen Hochgebirge*. Zum Schluf'« giebt er 
ein zivniUch gutes LiUcniturverzeichnl«, /.u dem, ich mir er- 
laube rwoi NBchtrfag4- zu geben: I. Nuiition, Etüde <Mir lu 



Constitution g«ktlogi(|ue de ia Corse. Mit einer sehr «k-höneu 
ganlogischen Karte in l : 320000. i*aris 1397. 2. Katzel, I.a 
('onut, f'.tude nnlhro|KigAogrnpbii|U«. Annales de (*<^»g^Bphic 
1899. Iias ertt^^re entliAlt die einzige gennue goulogische Be- 
schreibung Korsika« mit sehr wcKvollen g«y*graph(8ch<‘n Be- 
merkungen, das andere enthält .\iigat»en iil»er deu ctrogra- 
phischeu Bau und die Küste, Iwsonders die Rias W'eaitkorsika«. 

Uikli* Buch criuuort in manchen Be/iehungen an Btran- 
burgcrsBuch über die Riviera; wenn es auch nicht an Glanz 
der KchiMertingi-n mit demselben wetteifern kann , Wrilhrt 
es uns dafür wohltliuetid durch diu grof«e Liebe, mit der der 
Verfasser seinem Bi«»ff gegenUtiersteht, und den Mangel jeg- 
lichen WtinM*hes zu gifanzen; wir wandern gern mit dem 
sachlichen und hevcheidenen 31ann. Die l’tlanxenUsieii «ind 
manchmal etwas tPN'ken, aber lehmdch. Einige Illustrationen 
sind wirklich neu und lehrreich, schön ist der Lariciowaid 
von Alton«, aber uin komischer Mifs^riff ist die Einfügung 
der Karikatur de* löwenahnlicben Felsens von Roccapina, 
den vor einigen Jahren ein Zdehuer da* Tour du M>>D<ie mit 
grimmem Ijöwenantlitz nnd domlichen Taixco abgez^dcbnei. 
wie er in der Natur durchaus nicht ist. 

Leipzig. Friedrich Katzel. 

B. Mein: L'Kritrea delle «ue origini a tutto Hanno 

1901. Milano, Ulrico Hoejdi, 1902. Preis 2 Lire. 

Der A'erfasser, ein italiemwlier KommissariaL«of6zier, hat 
|>erHitN eine Geschichte der Bchiacht bei Adua, die 1901 in 
dritter Auflage erachieu und ein La Colonia Eritrea betitelte« 
Werk veröffentlicht (beide bei Battci in Fnmia), von dem 
auch schon eine zweite Auflage vorliegt. Das angezeigte 
W'erkchen ist nur ein Auszug der letztangefnbrten Schrift 
und wie jene sachlich , knap}* und übersichtlich goerlwitet ; 
es bildet ein BAudehon von Ifl.t Beiten in der tiekannten 
j Bammlung von .Mnnuali Hoepti“. Der Krieg mit Alieasinien 
und insbe«onder« die Schlacht bei Adua sind etwas ausfiihr- 
lieber iM'haudelt; was dav«*r und dahinter liegt, um so Süch- 
tiger und abgerineener. Dem Verfasser soll damit kein Vor- 
wurf gemacht worden , nennt er doch sellwt sein Büchlein 
eine zusamroengedrängt« Chronik.. 

In einem Anhang werden in knappster F<imi geboten : 

1. Geographische und statistische Notiien ülwr Er>thräa; 

2. rharnkter nnd Bitten der Bevölkerung Krythhias; 3. da* 
Benadirgebiet; 4. die Reisen des Hauptnmnns Vittorio Bott^go, 
alle* gleichem in nuce. 

Eine i’fwrsichtskarte und ein Plan der Bchiacht bei 
Adua sind beigegelwn, die den Anforderungen geuügen. 

Prof. Dr. Oppeli Die Baumwolle uacb Geschichte. 

Anbau. Verarbeitung and Handel, sowie nach ihrer 

Stellung im Volksleben und in der Btaatswirtschaft. 

745 Seiten. Mit 23fl Karton und Abbildungen. 1/oipzig, 

Duncker und ilumblot, 1902. Preis ?0 Mk. 

Die F.ngiAtider halten «-in Wort coitim is klug, und in 
der *I*hat ist da« er«io IVxtilprodukt der Enie nach Zahl d«-r 
Fabriken und Arbeiter wobi dazu angethan. diese stolze Be- 
zeichnung zu verdienen. Ober 100 Millionen Bnuinwoll- 
xpindeln sind iet/.! in Thfatigkvit, darunter fl'/t Millionen ini 
Deutschen Reich, dn« unter den Raumwollo verarbeitenden 
liiiiiderii an dritter Stelle «teilt. Die Gesamtorzengung vjin 
Baumwolle ist jetzt jjtbriich auf 3<u>0 Millionen Kilogramm 
gestiegen, wovon da* Deutsche Reich durchschnittlich für 
nlH-r 20U Millionen Mark iM-zieht — nmii erwAge diene ge- 
waltige Suiuiue. mit der wir dem Auslände, zuerst den Ver- 
' einigten Staaten, tributpflichtig sind, und man kann die 
Wichtigkeit der Baumwolle, deren ein je«ler vom Säugling 
bis zum Greise bedarf, danach cmieosen. 

Der llauptverkchr mit Rohlmumw»»lle für DeiitKchland 
g6.<«’hieht üts-r Brüiiieti (1900 üt«er 1'/^ Millionen Üallen), und 
hier ist auch hu« kleiticn .\nfangeii die Bremer Baumwoll- 
Itörse «nlsianden, die den grorseii nationalen Bauinwolluiarkt 
' für dn* Deutsche Reich «larxtellt, und der das hohe Venlirnst 
! zukoinmt , an« im Bezug der Baumwolle wirtschaftlich vom 
I .\iislniido unabhAngig gemacht zu habv-ii. Auch das vorlie- 
I gi-ude grofse Werk ist im Aufträge di«-*er RTVrse \«rfafst 
' u*u'den, und die Wahl de.« iV-arlteiier« ist «ine durchau« 

I glücklicho gewesen, linnri Prof. Op|>ei war seit längerer Zeit 
!«ch<m durch wirl«cliafLsgei>t.'raphii»che Arlnjiten vorteilhaft 
I bekannt und durvb <-iiie Bereisung der Vereinigten Staaten. 
' des llauptbauinw«i]|laiides, gut vorlM-reitet. Allerdings gc- 
I hörte Mut dazu, wenn ein uinzelnor «ich an eine solche 
I Riesenaufgal>e, wie die Schilderung der Baumwolle in allen 



r 




Ifi Bdouertehau. 



ihren Terschiedenen Beziehungen, wagte, und auch kein ein* 
zelner BourtoUer kann dem vielseitigen Werke gerecht wer* 
den; alier nach dem Kimlrueke, welchen der Berichtenttatter 
gewonnen bat, handelt e« »ich um eine tüchtig« Arbeit. Kine 
»ehr grofü« Litiemttir, die auf 2ü Beiten aufgfführl wird, i«t 
l’enutxt «’orden, dm'h ntuuen wir uim hier auf den VerfaMer 
verlaüten. der die Quellen nur flumniarificb anfiihrt, wahrend 
wir oft im einzelnen gern Ikdege und Nachweine fhr man- 
ches Gesagte gewünscht hrtttcii. Iho Karten sind lehrreich 
und fibereichtiich . führend im Itilderschuiuck (namentlich 
liaumwoUtrachteii meist nach Iwkunuten Holzscbuitteu) 
manches entbehrlich erscheint. .Tedenfnll-t gebührt I'rof. 0|»|iel 
Dank, data er den gewaltigen Stoff in einem Rviule wuhl- 
gegUedert und mit gutem Kegistcr versehen uns vorgnfiihH hat. 

Ks erübrigt nur newh. da wir hier auf Kinzelhoitcn nicht 
eingeheii künnen. den Inhalt kurz aufzufühnui. Kr behan- 
delt die Geschichte, Ibitanik, den Anbau und die Kmte der 
HaumwoIIc, die Beschaffenhott der Faser, ilen Handel mit 
RohiHaumwolle, die VerarWItung und den Handel mit Fabri- 
katen, die Baumwolle im Völkerlehen und ln der StaaLMwirl- 
schaft. Daran whlief>>t sich der lätid«‘rkundIicho Teil, in 
welchem natargemüfs die Vereinigten Staaten den breitesten 
Baum einnehmen. l>as Studium des anregenden Werkes 
hinterlafot am SchluiMHi die Überzeugung, d.af* einer der ge- 
waltigsten Zweige der Weltwirtschaft hi>T in gründlicher 
Weise behandelt wunle und dufs alle, dio mit (1er Hnumwidb* 
in irgend einer Weise be«(\h&fttgt sind, gut thun wenlen, 
sich eingehend mit dem Buche au befassen. v. C. 

Dr* Kalmand Schilfert llochtuuren in den Alpen, Spa- 
nien. Kordafrika, Kalifornien und Slexiko. .Mit 
photographischen Abbildungen und 7 Fart>endriick''n. 
176 Seiten. Leipzig, .1. Weber, 190». Breis 10 Mk. 

Der Heiz dieses Buches ist ein mannigfniliger. Der Text 
ist im beiten Sinne gemcinverst&DdUch und zeigt meistens 
ein« gute Kenntnis der verschiedenen vom Verfahr bereisten 
Länder. Hauptsache sind ihm seine mit grofser Gewamlibeit 
durchg«?führtcn , oft sehr »chw’ierigen Bergbesteigungen, die 
er alter nicht Mofs unternimmt, um sagen zu können, «len 
oder den uubezwungenen Gipffl halte ich zuerst erstieguu. 
sondern die Freud« am NaiurgenuTs treibt ihn hiMnnf. urnl 
in der von Menscheu unberührten KinsarnkKit fühlt er sich 
gehoben, und er wcilk dieses Gefühl auch anderen zu ver- 
mitteln. Der Hauptraiz des prächtig ausgestatteteu. auf dem 
schwersten Papier schön gedruckten Werkes liegt al**T iit 
seinen Abbildungen. Die vortr»'fflich nu«gefübrion Aijunndl- 
drucke des Pop(tkate|>etl, des Ixiacvibuail , der Ruinen von 
Xocbicaico, der Tempelpyramide von Tepoztlau in Mexiko, 
des Kraters des (trizaba sind geographisch wertvoll; dazu 
geselleu »ch noch zahlreiche landschaftliche und ethnogra- 
phische Autotypioen aus den im Titel genannten Landern. 
Sicht alles ist in dem Werke dem Berg>(K>rt gewiilmut; auch 
in den Klieuvii wufste der ««iigurciste Verfa.sser vortn-fflicb 
zu IxMjbachten und zu photographieren: das Ganze ist eine 
eigenartig« Bureichenmg der neuen. *o stark attschwellendoii 
HeiseliUcratur. 

Dr. Kurt Boet'ki Durch Indien ins ver«chlos«eue 
Land Nepal. Kthimgraphist.'ho un<l photogmphisrhr 
Studienblatter. Mit 36 Separatbilderu. einem I'anonuua 
und 24 m Abbildungen im Texte nach photi>graphischen 
.\ufnaliiiicn des Verfassers. ,HI9 Seiten. Loipzig. Ferdi- 
nand Hin n. Sohn. Preis in Mk. 

Dr. Kurt Bta-ck hat «ich vor oinigeti .lahrou durch seine 
, Indischen Gletscherfahrten* votieilhafi als Heiseschrifistellcr 
eingefiihrt. Kr hat aber nicht nur Inctien nach der S«*ite 
seiner grofsartigen Gobirgswelt studiert, sondern auf uieiler- 
Imlteii Keisen mit dor verschiedenartigen Meiischenwelt sich 
innig vortrant gotnacht, Die GalH* einer foseeluden, leichten 
und Motten Krziihlung «loht ihm zu GcIxUr . und dailurch, 
dafs er seine vielfachen iiersi'inlichAn Alienit-uer eininix'bt. 
gestaltet sich das ganze Ruch zu oiner sehr untorhaltcndcn 
Ix’ktiire. Man verlange hier nicht ein tieferes Kingehen in die 
iiiannigfachcu Sitten un<i ethnographischen Probleme Indiens, 
wiewohl diese gestreift werden. Kin« aber hat Dkock« Werk 
vor anderen imli«i'hcn Ilcisebeschreibungen voraus; er hat 
nämlich, als Künstler ln soineni Fache, das iudi«che lA*l>en 



in seinen Photogrsphicen anschaulicher und vtalfkltiger mit 
der f'amcrB f«>stg«mRgt‘it als irgend jemand vor ihm. Die 
Bauten und Landschaften halwii wir ja auch andorweitig oft 
genug dargestelU gefallen; was alter neu ist, da« Kind die zahl 
reichen Bilder, di« uns die Indier in all ihren Letsrnsaufse* 
ruugen vor Augen fuhren. Das sehr schon aURg*‘siatt«(c 
Werk gipfolt in einem Besuche des Königreichs Nepal, das, 
halb so grofs wie Preufsen . sich am Südfufse de« Himal-aja 
hin erstreckt und uoch s» gut wie verachloMien , in seinem 
westlichen Teile auch noch fast unliekannt iiu I^r 
engliache KinMufs ist dort auch heut« noch ein s»>hr 
Iteechrftnkrer. F.« gelang dem Verfaswr, die Kriaubnis zum 
Kintritt zu erhallen und er war damals der einzig** Europäer 
in dem Lande. Bi« zur Hauptstadt Katmandu und an den 
Fufs des höchsten Berges der Krde (Moutit Kvamst) drang 
Dr. Hoeck vor. und mit dem UiichsilM'fehlemien der nc|>ali- 
seben Armee hatte er G<*«präche auch ülier Deutschland, 
aus denen hervorging, dafs englische Verleumdungen nlier 
unser Volk bi» dorthin ilimn Weg genommen liaben. Boeck 
bietei uns die lie«ien Ansichten au» Neiutl, di« biHhar vor- 
öffcntlicht wunlen, iiaiiienTlich der gnifsairtigen Tempul 
bauieii , und schon darum liehält da« schön« Werk cinvn 
bleibenden Wert. 

Berlin. Dr. A. Heng stak«. * 

Wilhelm Ledcrbogeii: Kameruner Märchen. Berliti. 

Deutscher Kolunialverlag (G. Mcinecke). 

Bin MoQschenaUer ist darüber vergangen, seit Dr. Bleek, 
ein dentsehftr Gelehrter in der Kapstadt, sein klein«« Werk 
,B«>im-H'ke Fuchs in Afrika* (Weimar Ib70) v«röffeutiicht« 
und damit den Anfang uiachte zu der langen Reih« von 
Kchriften üb*>r die afrikanische VolksliUeratur, wie mau 
wohl sagen darf. B«i allen Negervölkerri wenlen Falsda und 
Märchen erzählt, denen jung und alt lau-*<'ht, genau «o aie 
l>ei tins. nur «iafs die Tiore darin ein« hervorragender« Rollo 
spielen als liei uu«. Aber aueb die»** afrikuiiisrhen Märchen leh- 
ren Moral, «iezeigon uns die f.ist und Schlaiilieit der Tier«, niid 
an dieStoll« unser«« Keinet’ko, Fuchs iriit.die Hohildkrüto. Die 
vorliegvuden Märchen, die der Verfasser, früher Iieliiw in 
Katuonin. aus dem Vulksuitimlc selbst sammelt« und über- 
setzt«. Ixrwpisen. wie hoch dor Mutterwitz bei doo Kamerunoni 
tu Achtung Stuhl, und ülM-rraschen durch manche eipruttiui- 
liehe Krklainug von Naturereignissen. Von den 53 miige* 
loilteii Märchen handeln dio meisten von Tieren, nur «ine 
kleine Zahl v<in ^Icnschen, und mancher darin vorkotumendo 
Hichtorspruch zeugt von W’eishoit. wie z. B. die Klage des 
Ki ug«’s gingen da« Waseor. in welcher eins «lom anderen vor- 
geworfen halto, c« sei unnütz. I)*t Richter gab dem Kruge 
uiins'ht; wäre da.« Wasser nicht vor ihm dagewcsao, »o 
würde er nicht gekauft worden soin^ 

Dr. Kirhard Lascht Iho t'rsacbe und Bedeutung *ier 

Krdbebcii itti Volksglauben und Vulksbrauch. 

(S.-A. aut d»-m .Archiv fiir Ueligioiisw-ia«*tisrhHft, V. Bd„ 

Heft 3 und 4.) 1902. 

Mit der von dem Verfasser gewöhtiien Gründlichkeit und 
aulseritrdeiiiMi'liQii Qiiellenkenntnia Itehandelf di« vorliegende 
Arts'it di«* vcr«c)üedeueu Fi*rmeu des Rrdlielwuglauhans nach 
folgender Kinteiliiiig: I. Da» Krdbeben wird Dänrnneu, Gi>t- 
tern, Heroen, Rioeii zugWM'hrielsm; 2, ausgehend von der 
Vorstellung, dafs dii*se Knlbobriierrogcr in oder unter der 
Krde hausen, entsteht die Vurstelliing \oin .Krdeutiügor“ 
(di« demnach nicht mit dem KrdlMiWnglnulien sich decken 
kann, wie Tylor moiiitj. und zwar fungieren als S4i|che aiirsi*r 
«len gcjmnnten W«s«n Tiere: K**hildkri*te . Fiwh, S<'lilnng**. 
Klwr. Stier. AnhnngsweiM; wer»t**n kurz noch die Ahwehr- 
iiiafsregi-hi lh-spj-*H*hen. I>er Verfa«s**r führt die verscliie*!«*- 
uen Sagen nn«l Meiiiungeti \on der rrsache de» ErdWbeiis 
iui Gegensatz zu Tylor, der Myihologt^ionmg und roh« 
wi«»en«cha£ÜichcT]n'orisieiuiignls kb-menti* l»?trachie», allein 
auf das KaiisallMHlhrfni» zuriick. Was der .Arbeit iM-soudm-n 
W«*rt \orb-iht. i<i di« gewjssenhafii- Verwertung der leider 
soii«t so venuichlAssjgten holländischen I.ittsratiir nl>er das 
an wichtig*‘ii Thaiszchun für all« ähnlichen rntersuchungen 
so nbori'L’iehe iudonflsi<-ti. 

Wien. Dr. L. Hoiichal. 



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Kleine Kachriobten. 



Kleine Nacbnchten. 

Abdrock tmr lait QuellBiiAB^be 



— Ktockhoim, 2ä. Nov. 190!2. Ausgrabun»; des I 
Hogahügcls. Kin hochwichtiger Kund au» al^^^nunni»cher 
Vonceit wurde kürzlich in den an prähiBtorischen UrabiuHleu | 
reichen Umgebungen UpiiaiA» un« Licht gefördert. Auf 
VeranlaasuDg de» Erbffirsten Gustav Adutf von Schonen I 
waren in einen] der grör«tein Hüg<elgräT>er auf der Migenanntcn ! 
HogHhübc Nachgrabungen verai»>talt«t wunlHi», zu denen 
mehrere namhafte Aiiertumtfomcher Schweden» hinzugezogeii 
waren. Nach mehrwöchigen Vorarbeiten glückte es am ( 
18. Not. 190:1, bis zur eigentlichen GraU^ammer vurzudringen. 
Schon vorher hatte mau einige kleinere Gugenständ« !iuf> | 
gefunden . u. a. eine dem jüngeren Kiaenaiter angehüreude 
l*f«ibpitze und eine alte Kalkpfuife, welch letztere augon- [ 
Bcheinlich nm dun v<ir mehreren hundert Jahren vmi dem : 
alten Lautlushauptuiann v. GilideiiU^rg in l*(>»Ala an gleicher 
Stelle vetiMi«taUeten Nachgrabungen herrührte. Ks lag somit | 
inmicrhiu die M^Uchkeit v<ir, dafs die Grabkamtuer anlärnlich 
Jener hltercn Ausgrabungen wehr oder weniger in Mitleideii- | 
sebnft gezogen war und einen Teil ihres wertvollen Inhalte« I 
hatte hergeben müssen, ülückiicborwei»« xteilU; sich heraus, 
dafs diese Befürchtungen unbegründet waren. IHc eigent- 
liche Grabkamnicr U-stand, wie b«i zahlreichen uordgerma- 
titschen HAiiptliugs- und FürstengrAliorn, teils aus übereinander > 
geaohichteten Stein}datteu und Bh'ckeu , teils aus einem 
kuustTull zusawmeugefügteii KichenbuUwerk. welch letzteres 
sich dank der günstigen Beschaffenheit dea umgebenden Krd- 
reiches zum gröfsteu Teile wuhlerhaltcu zeigte. Nachdem 
man die ursprnngbehe Logo des Bollw erkes durch Messungen 
und photographische Aufnahmen fcst.gestcllt hatte, wurde 
di« Grwbkaminer geöffnet. l>«*r Inhalt Wttand aus kleineren 
Mciigett verkohlter Kut*chenreste , ferner einer aus Gold ge- 
fertigten, mit den übUcheu kuuzcutrLscheii Ziorünico ter* 
seheneik Hbula . wie sie die alten Gonuanen bekanntlich als 
Kleiderverschlufs auf der Brust trugen, und »chlicrstich einem 
prichtig erhalb’ucn Bronzemshwort mit rundet« SchuUsrande 
und kunstroUcr, au« Hom gefertigter Heftctiilage. Aus der ' 
gunzen Bcschnffenhcit d«^ Gnthfundes liefB sich der sichere i 
Kchlufs ziehen . dafs die Anlage der BtAttc noch bis in die | 
Quurtar|>enode des schwedw'.hen Brunzeallers (lOtK) v. Chr.) * 
zurückdatiert werden mufs, eine Fe.<(t«teilu»g, die bei den 
schweilischeu Archaolngen keine genüge Ülierrnsehung her- 
vornef, danach einer alUtn un«! durch maticherhd historische | 
übcrliefrningen lieaiiulgtiut .'\imaluae das Uogagrab die 
ülfcrrenUi des sagenhaften Königs Björn, der um (Ibh Jahr 
80 U II. Chr. also volle 180o Jahre später als der wirkliche 
Träger der anfg>Tmideiicu Bronzcrüstuiig — regierte, bergen 
sollte. Da es auigfschlosaeii erscheint, daf« es sich hierlwi 
um eine mirsverstätidliche Auslegung der hist<trischcu Quellen- 
angaben haudelt, so neigt man der Annahiue zu, dafs der 
Uogabügel aufser dem Jetzt geöffneten Grabmale jt^enfall« 
noch Dielirere andere, aus vcrBclLiedciicn Zeitaltern herrühreude 
Gräber euthiUt. Ob «ich unter diesen letzteren der Begrilbuls- 
ort des alten Vikitigerheldeu Björn jetzt noch ausfindig 
machen iassett wird, erscheint indestteu ziemlich fragwönlig, 
da, wie erwähnt, bestimmte Kunde darüber vorliogt, dafs 
schon vor mehreren hundert Jahren an gleicher Ktelle von 
arrhäoic^gisch interessierten oder beutelustigen Adelsherrcn 
Nachforschungen vorgenommeri worden sind , l>ei denen das 
verliäliuismftrsig junge Grabmal König Björns jcdenfalU iu 
erster Heihe in Tribut gesetzt sein dürfte. Trotz diiwer un- [ 
günstigen Bachlagc hat der Krbfürst Gustaf Adolf auf Vor* > 
schlag des berühmten Archäidugeu Krufesaor« Montelius an* I 
geonliiet, dafs die Ausgrabuugsnrbeiten einstweilen noch in I 
v«*rscbiedenen lüchtungen fortgesetzt werden, dumil alle | 
Oberreate aus der alteren Vikiiigcr/eit gewis-teubaft zu Tage | 
gef«»rilert weiden. Ähnliche Grabfunde, wie die jetzt Imi I 
Hoga zu Tage geförderten, wurden übrigens vor einiger Zeit , 
auch in Vettholma angetj'offen, doch handelte es sich dort i 
um Pundstöcke von minder charakterisUacher Bedeutung und { 
archäologi«chor Beziehung. £. Voigt. | 

~ Der Moschusochsenschädel von Steubenville 1 
(Ohio). Auf der Versammlung der AroericanAasociation for | 
the Advatice of Science, die im Juli in IHttaburgh stattfand, 
wurde von S. iluston ein Bruchstück eines Moschusochsuu- 
M'ibadcls gezeigt . der kurz vorher in der Nähe von SteulM*n- 
ville in Ohio fm Thal de» Ohiufluascs gefnmien worden war. 
Huston hat dann dun Schädel au J. L. Hatcher vom t'arnegie- 
museum geaandt, und dieser veröffentlicht in der .Science*' 
Nummer vom 81. Oktober 190*2 Huston» Pundbericht und da» 
Krgebni« seiner eigenen X'ntersuchung. Die Fundstelle liegt 



am Ostabhang des Ubiotbale» oliurhalb der höchsten Wasser- 
werke und zwar au einer glazialen Terrasse; da« Mnt>>riaj, 
in dem der Schädel lag, ist Kies uud Saud und rührt zum 
kleineren Teil von dem Gestein iu der Nähe, zum giörserun 
T*‘ii von dem Granit im Nonleu der grofseu S«eu her. Kr* 
halten war die ganze Gohiruböhle, die auch mit lUesem 
Material ausgefüilt war. Hatcher erklärt, ur habe kein Be- 
denken , den Schädel dem Ovibos cavifroiis zuzuschreiben. 
Interessant sei er namentlich deshalb, weil er ein neues 
Beweisstück für die faunistiachen Veränderungen wäre, die 
in dem ganzen Gebiete wahrend der Eiszeit vor sich gegangen 
sind. Kehle Beste jenes Tieres sind bisher an folgenden 
Stellen gefunden wonlen : bol Fori Oibrnm im ludiancrterri- 
lorium, iu den (üounties HU Ismis, New Madrid und ßanfön 
in Missouri, in der Trumbull ('oanty in Ohio, bei Big Bonn 
Lick iu Kentucky , au zwei verschiedenen Stellen Pennsyl- 
vauieus und bei Council Bluffs in Iowa entweder in 
glazialen Ablagerungen oder in solchen, die sonst irgendwie 
mit der Eiszeit in Ikiziehung «tehen. Da mau, sagt llatcher, 
nicht gut aiiuehmen kann , dafs der M«m'hus<.>eh<« in jener 
Zeit klimatische Verhäliniw vorzi^, die sehr verschieden 
von denen aiud , unter denen er jetzt lebt, so mufs man 
»chliefsen. dafs er mit dem vorrQckenden Ki»e nach Hüdeii 
wunderte bis zu einer Linie, die drei laler vier Grad über 
der Hüdgrenze de« Eises hiuauslag. 

— Die Ausgrabungen im Dauewerk bei Kehleswig 
sind im Jahre l9ui von Friedrich Knorr fortgesetzt 
worden. Bestätigt wird dadurch abermals, dafs ea am 
Selker Noor die einst berühmte untergegangene oordi-sche 
HaudelssUndt Uaithabu umachl<.>«8eu hat. \Vi« jetzt die Mit- 
teiluDgeu du« Anthropologischen Vereins für Schleewig-ilolstein 
(tieft 15, Kiel 190'j) beriebteti , sind im ganzen durch die 
Grabungen ülier 30U0 Fundsachen zu Tage gefördert und in 
da» Kieler MuM*um gebracht worden. Auf«er grofiteu Mengen 
von Knochen, bearlieitetem Hirschgeweih, Schlacken, Hau«- 
bew'urf, durchlöcherten Thunkugeln, Pragmenteu von Mühl- 
steinen uud Lava (vom Hhein), Schleifsteinen, GefäCsscherhen 
wurden kleine Geräte und einige Waffen gehoben. Es fanden 
sich ini Schutt Knochen, Schleifsteine, ScUmclzticgvI für 
Bruuz'!, Gnfsfurtneii aus Speckstein für Sllberlnitreu ; an 
Ki«engerät Scheren, Nadeln, Messer, Bohrer, Meirsel. 
Sicheln u«w. Au Waffen gut erhaltene Speer- und Pfeilspitzen, 
eiu Schaertgriff. Dazu auch Bronzebarren , Beecblagstüeke, 
Pinzetten und «in Ortband aus Bruuz«, Hniemou und Nadeln 
auH Knochen, Spinnwirtel, Perlen, nultearlieil^tor Bernstein. 
— Diese Pundstücke würdeu auf die Zeit vi«nl0. bis 12. Jahr- 
hundert führen und auf einen aoi^edehnteii Handel von 
Uaithabu «chliefsen lassen, worauf auch die I>avamüh)ei> au» 
rheinischer Lava , Ktchachaufeln au.« Schwülen und Speck- 
st«-ingonif«e hiuweiran. 

— Ib*«»fe»snr Baelz in Tokyo, der seit 2»]Jahr»*« .«ich mit 
der Beobachtung und wisaenscliaftlicben Deutung der blauen 
Klecken in der Kreuzgegend der Neugeborenen bei 
Mongolen bew^häfligt hat, worüber »ich allmählich eine 
grufse Litt«ratur und der Nachweis dieser Flecken auch bei 
den N«ug*.‘bor«ncn anderer Kasmm entwickelt« (zuletzt Ten 
Knto im Globus, Bd. 81, Nr. 15), hat jetzt die Sach« noch 
weit.er verfolgt und gezeigt, ilafs diese blauen Klecken 
das feinst« Ueagens für die Unterscheidung der 
weifsen Kns.se von allen übrigen Kassen abgeben. 
(Intcnistioualea Zentralblatt für Authropologie 190:;, H. 329.) 
Es gelang ihm, die«e blauen Flocken auch bei deu Neu- 
geborenen südamurikaiiischHr Indianer uachztiweisen. wo sie, 
in Brasilien, Geui|>apu heif««n. nach dem blauwcbwarzfärlwndeu 
Safte der Geuipapalme. Beimischung indianischen Blutes 
bei WeiCwn äufsert sieb lUK’b in der Wiederkehr der blauen 
Flecken btd späteren Nachkommen. Bei einem Weifsen aber 
sind sie nie beobachtet worden und sie sind daher als .ein 
«inineiit wichtiges raa»eDdiagno«ti«ches Merkmal* HufzitftuMen. 

— Das trauspazif ische Kabel, an dem die eugiieche 
Telegraph Cönstruction and Maintenance Company »eit zwei 
Jahren Imul«, ist mit Vidlcndung de« letzten IVilstnckes 
Quoenslund — NeUM*vIaiul m den letzten Tilgen de« Oktolmr 
fertig geworden. 1b*r Kau ging Uber folgend« Stationen; 
Vancx>uv«r — Fanriiiigins«] S84ö km, Faoiiingitis«! — Fidschi 
3490 km, Fidschi -Norfolkinsel 1630km, Norfolkinsel— Moreton- 
bai (Queensland) 145okni und Moretonbai — Neuseeland 820 km; 
daa Kabel ist also 13235 km lang. Die Kosten betragen 







2i> Kleine N 



2 MiUirtncu Pfund. IMpesfiben , die au« Anlaf« der Fertig- 
«tellung nach London gfuandt wurden , kamen dort auf d«'m 
neuen Entliehen Wege in 10 Htuudeu 25 Uinuteu, auf dem 
wectlieben Wege in 13 Btundcu 90 Minuten an. JCin Katiel' 
Strang umspannt nunmehr die ganze Krde. 

— Auf dem 13. Kuugref» der »ehweizerischen geogra- 
phiHcbvD «lesellscbaften in Zurieh im September 1902 sprach 
l*rofe««i>r Rudolf Martin über den iieolithischeu 
Menschen in der Bchweiz. Die besterbaltencn Schädel 
und Knochen dieses Menschen stammen vom («runde der Seen, 
aus TorfmcMreti und Hohlen. IHe frühesten aufgofundetieu 
Reste sind poetglazial» ncolithiseh und stammen haupts&chlich 
au« Ffahi(«uten. Kincr der b*'«(urhAlteuon Sc.bkdoi Ut erst 
kürzlich dem Egolzwyler Moor enihobeti worden. I>aun 
grlnsn auch Kühlen und FoUwohnungen , wie Dnchsenbnhl 
und Schw’etzembild, gute Aiislieutc. Am wichtigsten alter für 
die Frage nach der Physis der Sleinzoitnieuscheu in der 
Schweiz sind die Ura^dtten geworden, so vor allem 
Chamblandes bei Lausanue und Ulis bei Brig im Wallis. 
Diese Otüber sind Kifllengrttber aus Steinplatten von nur 
1,2 m lAngo und 0,8 ni Breite; die Leichen wurden darin in 
huckender »der kaueruder Stellung Iteigew^ut UewOhnlich 
enthalten diese Steinkisten zwei Skelette, deren eiue.s regel- 
mkfsig einem Manne, deren andere« einer Frau gehört Das 
l&fst die Vermutung zu, ilaf« dort einst die Sitte hcrnichte, 
dafs die Uattiu dem Manne in den Tod folgen mufste. Aus 
den spärlichen Grabbeigaben geht mit gröuter Wahrsebein* < 
Uehkeit hervor, dafs diese Orübur ein Alter von miudetsiens 
4004) Jahren bfäsiUeu. W'io sah der neolilhische Mensch aus? 
Die Berechnung von VerhAItriiszahlen aus Lftnge, Breito und 
Ohrhbhe der Schädel eiyiebt eine leichte Orthodolichuce- 
phalie, d. h. die Schidel sind relativ lang und rnäfsig hoch- 
Als mittlere Korporgrüfse tlndvn wir für den Mann 1,00 m, für 
die Frau 1,43 m, also kieinwüchsige Leute. Auf Grund von 
Pfahlbausciiädeln nahm man bi«ber an . dafs in der reinen 
Steinzeit der Schweiz nur Ropräwmtantcn einer brachycephalen 
Rasse vorkämen ; neuere Funde lehren, dafs neben den Hund- 
köpfen auch schon ein kleingewiichsener dolicbocepbaler 
Typus erscheint. 

— VonWalkoff rühren einig« oduntologisehe Krgeb- 
nisse für die Anthropologie her (Österr.-ungar. Viertel- 
jahrsebr f. Zahnheilkde. 18. Jahrg. 1002). Verfasser müchtc 
nach seinen anthropologischen und histologischen Diiter- 
«uchungen die Behauptung energisch vertroten, daf'< die 
diluvialen Vorfahren in Bezug auf Kiefer und Zähne auf der 
Hohe der Ausbildung standen, während wir uns bereits seit 
lange auf dem alMleigcndou Aste der Kniwickelung befinden. 
Man boharrt allerdings noch vielfach l>ei der althergebrachten 
Atitichi, daf« der Mensch das in jeiler W'eise höchst organi- 
sierte Wesen sei. Für die Kiefer und Zähne des heutigen 
Menschen ist eine sulche Annahme keineswegs aufr*M;ht zu 
erhalten. Die sichtbar mang<-ihafte Stellung , Form und 
äufserat mangelhafte Struktur der Zähne, das Mifsverhältnis 
XU den Kiefern anOrnfse und viele andere Fehler und Krank- 
heiten sind zu eklatant, als daf« man von den Kiefern und 
Zähnen der heutigen Heuscheu als höchst organisierten 
Formen sprechen kann. Verfusaer möchte gerade da« («egen- 
teil anwprechen. Die weitaus meisten Kiefer und /ahne der 
heutigen Menschen, ganz Iwaouders aber der Kulturvölker, 
zeigen eine derartig verbreitete pnthob^ische Bildung, dafs 
man von einer ullgemeitien Degeneration jener Organe sprechen 
kann. Die diluvialen Vorfahren des Menschen hatten dagegen 
iti Bozug auf den inneren und ftufseren Bau weit bessere und 
deshalb auch funktioneil weit mehr leistende Kiefer uud Zähne. 
Kt waren das nicht etwa Excefsbildungen« wnderu Organe 
von höchster spezifischer Leistungsfähigkeit und bester funktio- 
neller An|>assung. Nicht die Kiefer und Zähne jener Vor- 
fahren, sondern unsere heutigen «ind pathoK»giscb veranlagt. 



— Waller K. Roth in BrLiliane hat iu North (^ucenslaud 
Ktiiography Bulletin No. 4, 1002 eine Abhandlung. Games, 
H{>orts , Amüsement« veröffentlicht , in welcher er wertvolle 
lleiträg« zu dem jüngsten B«>ndergvbiet der Kthnographie 
bringt, dossen Bedeutung lange verkannt und eiwl in neue.ster 
Zeit gewürdigt wurde, es »iml die Spiele und Verwaodtes. 
Dalwi steht nicht einmal notwendig das psychologische 
Inlerdsse im Vordergrund ; das Spiel bewahrt nicht selten 
die Abbilder alter Ger-tle auf oder enthält noch die Heate 
verschwundener Gebn'iurliu, so daf« seine Krfomchuug un- 
mittelbar der Kthnographiu dient. Fruilicb ist ciue zuNamm*m- 
fa«sende DaraUdluiig nicht m*~>glicb; noch für längere Zeit 
müssen di« Kinzeldarstellungen henwehen. Zu den letzteren 
gehört di« an Abbildnngeu reiche Abhandlung des Verfassers, 



•ohriohten. 



die sich auf Nord-Queensland beschränkt. Von dem Reichtum 
an Bpieleii giebt schon seine Einteilung des Materiale« einen 
Begriff; eruntervcheidet; 1. imaginative Spiele (Erzählungen), 
2. realistische (Spielzeug, Pfianzeii, Kunsirauchen), 3. imitative 
(Zeichnen. Malen, Nachahmung natürlicher Objekte und 
Krscheinungen durch Bewegungen u. s. w.), 4. Unterschoidung«- 
«piete (Suchen, Raten). 3. Kainpfspiele, 8. Treilwpiule (Ball, 
S{»««r), 7. .exuitative Spiele*, die wie Tanz uud Gesang wuhl 
hauptsächlich die rhythmischen Spiele umfassen. Bermerkens- 
wert Ist z. B. die Verwendung einer Bchnur beim 8|)eerwurf, 
wie sie in Keu-ralodonioti und den Neu-Hebriden üblich war 
uud von lladdon neuerdings aus Britisch Neu -Guinea be- 
schrieben wui-de. Von Interesse sind auch die vielfachen 
Schnur- und Fadenspiele, l>ei welchen t. H. ritzende, stehende, 
fliegende Vögel durch eine vei-Rchiungene Schnur dargesb^Ut 
wenlen. Eine iknzahl der letzteren haben wir hier nach 
Nr. 1711 der Nature abgcbildet. Vielleicht werden gerade 
di««c Schnunpirle einmal wertvoll werden in Verbindung 
mit Fragen der Ornamentik '). Während meines leider sehr 




Padmaplele der Eingeborenen von Nord*Qaeensland 
mit beigegebenen Figuren der dargestcllten T5gel. 



kurzen .kufenthaltes auf Yale Island an der Kiidkfist« von 
Britisch Neu- Guinea sah ich Kinder mit dem bpiele be- 
schäftigt, e« wurden I'apageion oder Tauben dargest«llt. 
Vielleicht besteht ein Parallclismus zw*isch«n der Reduktion 
de« Vorbildes auf die verschlungen« 8chuur oder den ge- 
brochenen Strich , au« dem «ich willkommene Erläuterungen 
SU mancher Ornamente ergeta-n köuneti. iMm Europäer «ind 
iMudo nicht immer leicht verständlich ; es kann aber ver- 
mutet werden, daf« der Eingelxirene bei seiner Schnitzarbeit 
durch die Sohurspiela in einer bc*timmton Richtung beein- 
fiufst wird ; da« Ergelmi« braucht dann nicht eimoal mit 
demj4-nigen nbereinzustinimcti, da« au« der rein goomctrischen 
Reduktion des Vorbildv-s hervitrgehu U. Thllenlua 

*) Die Ksiienspiele haben »eit längerer Zeit die Aufenerksamkeit 
«1er Ethnogrspbeo em-gl, ««hun wegen ihrer eigrurtigen Verbreitung, 
worüber K. AnJree (litliuograph. I'sraltelen, Neue Folge, 1889. 
S, 96 0',) handelt. Von den melatici.iM'b(n Inseln berichlei Uber 
die«c Spiele Codrington (The Melanedans, 1B91, p. 341), von den 
Etkitnooi Bm> (Mitl. Aothropol. Ge«. Wien 1B88, S, 85), von den 
Karays in Innerbrasilieo Kbrenreicl« ( VerotTentl. <1. Mu>. f. Völker- 
kunde In lierl’B, II. S. 90, 1891). Di« lUnptTei-iireituog dci Spiele» 
hegt, wie Andree nschwie« , bei den milnio-polynettacben Völkern. 



Verantworü. Redakteur: Prof. Dr. R. Andree, Braunsehweig, Fallerslcberthor-iVoineBafde 13. Druck: Frie«lr. Viewef u. 8«ha. Uraun»«bweif . 

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GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR L.^NDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT KIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HERAIISOEBKK: P«of. Du. R. ANDREE. VERLAG von FRIEDR. VIF.WEO & SOHN. 



Bd. LXXXIII. Nr. a. 



BRAUNSCHWEIG. 



8. Januar 1903. 



Nadidrvck aur nach Ctwiwlakuoft mt dor VarlK^hiuwllunfl 



Beiträge zur Kenntnis der Seen der Lechthaler Alpen. 



Vou Wilbelm Halbfafa. 



Im (iebiet dea <>b«)rKt«n liecbthnleH f^iebt es drei llnuptt? 

lluchheen Tun tiiiiij^er (irotNe: der /ürHchernep, Spullert«- nebi« 

»oe und Formarinsee. fieii zuerst |reuuunti‘ii» den höchst- Schvrftc 
gelegenen unter ihnen, entwüa.sert der l>ei hach in den til>er ui 
IamIi uiumiindeadu Zürscbbttch , der Spullerosee wird au dnsi 
durch deu Sprenzbacb zur AWeuz im S'ornrlber^chen mittels 
KioNterthnl entw&ssert, während der ForOTarinsee ohne Meter i 
oberflächlichen Abflufs ist, wohl aber uuterirdii!>che Ab- ' l'iitersi 
flnnse wahrscheinlich gleichfalls ine KliMtertfaal besitzt. Mitteili 
Ül>er die TiefouTorhälitihtite aller drei Seen war mir bia währt 
dahin iiicbt» l^ekannt geworden, und sicherlich exi»tiereii Xählnni 
auch in der Litteratur keine Hicberen Angaben hierüber, auf der 

ich beschlofs daher auläfalicb 

meines heurigen Sommer- » 90 . , . y y 

aufeuthaltem am Hr>densee, sie 
auNZiiloten. Da ich Torher in 
Krfahrung gebracht hiitte.dafi« 

Hukuiueiu der drei Seen Fahr- 
zeuge Torhandeu siud . so 
wandte ich mich an den Zen- 

tralansscburK des lleutscheu '* 

und t.leterreicbischen Alpen- . » 1 ^ 

rerein» mit der Ritt«, mir du» /« 7 / 

dem Verein zugehörige trag- \ V 

bare<>sgoo<lboot zur Verfügung ^ 

zu stellen. Für die Rcreit- 

Willigkeit, mit der er meiner /^ * « / s 

Ritt« Folg« leiKtetc, »prcche ( ** 

ich dem Vereine meinen Ter- ^ 

bindlichsten Rank au», ebenso 

Herrn Prof. Rr. Kberhard Der ZUrschersee. 

Fugger in Salzburg, welcher 

den Trnn»|K>rl ruii Salzburg aus besorgt hatte. Rer gelotet, 
Tnin»{H>rt «les Roote» Ton der .\rlborgbahu»t4itioii I^aiigen genau 
am« über Stuben, Zürseb, /ürseher-<ee. l/cch, Zug, Spullers- suches 
»ee. TaniiiegfT, Furmariuseu nach der Station Rulaas Roduiin 

geschah durch zwei Träger, welche »11 der zuHamiiieii fludet ^ 



llaupUtärke ist die leichte Zusammensetzbarkeit und 
aebi« leichte Beweglichkeit auf dem Wasser; »eine 
Schwäche ist sein geringer Widerstand dem Wind gegen- 
tilier und die Uiimöglichkeit, eine grofsere [.otmasebine 
au dasselbe Wfestigen zu können. Raa Loten geschah 
mittels eine» einfachen Kurl>elapparates mit einer in 
Meter eingeteilten Schnur, der sich liereit« liei meinen 
rntorsuebuogou m den Pommersoben Seen (Petermaiins 
Mitteilungen, Krgänziingabeft 136, S. 5) durchaus be- 
währt hati«>; die Fixierung der geloteten Stellen durch 
Zählung der Rndersehlägo und Kinpeilung in Fixpunkte 
auf dem Lande, wobei der nicht zuin Rudern Tcrwendetu 

Träger hülfreirhe Rieuste 

«y ofw leistete. Rie Temperaturheob- 

achtungen wurden aiis- 
yT I niihmslus mit einem Fmkehr- 

/ yN l tbcrniometer Kgerscher Kun- 

// *■ * \ \ atruktion vorgenommen. 

^ 9 • \ I Rer Zflrseherseo, der 

*^9 I i I höchstgelegene der drei Seen 

^ ! I ** '****’ ““ 

e Hälfte 

^ I 1 I einer zwar mürben, aber 

I j immerbiu noch 10 bi» 15cm 

^ dicken Kisdeke bedeckt; die- 

j. selbe zu durchbrechen gelang 

^ nicht, auch erschien es nicht 

goraton, sich mit dem Boot 
den scharfen Fasrändern zu 

* iiäheru , da eie leicht orateres 

’heraee. verletzen konnten; es wurde 

also nur an einigen Stellen 
gelotet, und eine »yKteiuatbehe .Vuslotung wurde er»t 
genau 14 Tage »pater gelegentlich eines zweiten Re- 
suches Torgenoiuuien. Wie di« Tiefenkarte zeigt, ist das 
Rocluiirelier des Sees ein einfaches: »eine tiefste Stelle Ih;- 
fludet ^ich ziemlich genau in der Mitte, dort, wo er am 



etwa 45 Kilo »cbweren La»t tüchtig zu tragen hatten, | lireiteston ist; dort stürzen »eine Ffer auch am steilMten 



zumal bei den teilweise steilen und schlechten Wegen. 

FJgentlicb »ind solche schweren Lasten auf die Rauer 
geeigneter durch MiiU zu Iiefördem, da es aber in jener 
(icbirgsgegeiul au solchen gänzlich fehlte und auch 
ITerd« auf mehr»*re Tage nicht zu bekommen waren, 
mufsi«‘ man schon notgedrungen zu eiucui uienschliehen 
Beförderungsmittel greifen. Ras (IsgoodlKiot, von dem 
ich eine kurze Ib'schreihung in der l'mschau gcgol>cn 
habe, hat »ich niirscronientlirh gut bewährt und kann 
für alle ähnlichen Fäll« .»ehr empfohlen wenleii; seine 
Globus LXXXIII Nr. 2. 



in die Tiefe ab. Nach 4lem im Norden gelegenen .\uk- 
flufs zu lind in der Westecke, wo die Nische in den 
Felswänden am deutlichsten ausgeprägt i.st, ist der See 
am flachsten; an der zweiten Stelle Tcrlierl er durch 
herahstürzendes Terrain mehr und mehr an Termin und 
ist noch seichter als an dem entgegensetzten Knde. Rer 
mit einem geringen, ziemlich bell gefärbten Siblaium 
bedeckt« Boden ist anstehender Fel», der See selb-nt ein 
au.sgesprochencr Zirktissce, wie dii* meisten v«m Fugg«‘r 
im Sitlzbiirgiscliun ausgelotcten iloebseeu, und die l>eiden ^ 

3 ' 

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22 



Wilhelm Hnlhfeirt: Iteitrü^o 7ur Kcnotni)« dvr Seen der I.eohthalor AIppn. 



nod^ren Hochneen in den Leehthftler Alpen auch. Üljer 
die Temperatur' und diu iKircbHioLtigkeit.sverbAltnisae 
9. Tftbelle II, S. 23. 

Der SpullersHcu nicht in »u romuniisehor 



Auch der Spullerssee ist ein natürliches echtes Fels- 
bocken. 

Die IkMlenknitfiguration ist, wie die Tiefenkarte aeigt, 
«ine sehr einfache; der Boden fallt jedoch jetxt an der 




hlinsamkoit wie der Zürschorseo, fünf Minutuu von i«oi- 
iiom nördlichen Ufer untfomt befindet sich Tielniehr die 
grofse zu Dnlnas gehörige Spu]lursalp<^ Auch s^tünteu 
die ihn eiuschliefseiidon Ih'rgc lauge niolit so steil nb wie 
dort. An seinem Nord- 
ufor, oben dort, wo 
die Alpe liegt, sehen 
wir eine gauz oltone 
FlSche, welche etwa 
halb so grofs w'ie der 
See selbst ist; es er- 
scheint sehr wahr- 
scheinlich, dafs diu 
Kbene in früherer 
Zeit gloichfulls Tom 
See bedeckt gewesen 
ist, welcher vor etwa 
20 Jahren durch die 
Sprengung von Füllen 
um etwa ’/j m ge- 
soiikt wurde. Nuhun 
dom starken Abflnts 
he^it'/.t dur SpulhTs- 
soe zahlreiche kleine 
Zuflüsse, welche dafür 
sorgen, dafn sein 
Wasseifttand ziemlicli 
gloichuiäfnig bleibt, 
vremigätena nach der 
Aussage eines Sen- 
nen, <ler in dortiger 
Gegend schon 30 
•fahre hindurch wah- 
rend de* Sommer.* 
thätig war. 




Der Fonuarliisee. 



Nordüeite steiler ab, als an der dum B«rg zugukehrtun 
Südseite, was unzweifelhaft mit der einstigen Ausdehnung 
des Sees zu^ammcuhängt. Nimmt man dieeo hinzu, so 
ist die Böschung am steileren Südufer ganz bedeutend 

gröfser. Die Isobatke 
15 m umfafst noch 
beinahe 40lVoz. der 
Gesnmtnberflächeund 
sie verbreitet sich 
über einen durchaus 
ebenen Soeboden. Die 
Sennen, denen ich 
das Resultat meiner 
Messungen mitteüte, 
waren sehr erstaunt 
über die Regclmfttsig- 
keii des Seebodens, 
den sie für sehr un- 
eben gehalten liatien, 
nur in der äuf*oi>ten 
WoHtecke, inmitten 
L’iuus flacheren Gu- 
l»ietes, befindet sich 
«•iuo luchartigo Ver- 
tiefung, dort ragt 
auch ein grotner Fels 
aus dem Wasiur em- 
por, der vermutlich 
aber nicht in situ 
gewachRcn , sondern 
vou üben hurnbge- 
stürzt ist. 

Der Formariii- 
soe ist von den drei 
Seen wolil «Icrjnnige, 



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Wilhelm llalbfafs: lloitrige zur KeaDtoiz dtr Se<*u der Leehihalur Alpou. 



23 



vrelcher am meiateu ?on den Touriztau aufgoaucht wird, 
denn nur 20 Minuten Ton ihm entfernt befindet «ich die 
Kreibui^er Hütte der Al|)euvereinfl »Sektion Freiburg, 
welche auch mir ala Stützpunkt bei meinen Arbeiten ge- 
dient hat. 

Kr iat kleiner ula der SpuUei^aee , aber nicht uner- 
heblich tiefer. Zur Zeit meiner Medanitgen war neine i 
Maxitnaltiefe nahezu 28 tu, doch berichteit* der mich be- j 
gleitende Führer Gautuer am Halttax, der ihn seit lau- ' 
gern kennt, daft« er Hchon bU zu einem !*unkt an einem 
Febeii gestanden bat. dessen Höhe ich zu etwa 4 m über | 
dem augenblicklichen Spiegel roafi«, so dafs er also bei 
Hochwasser eine Tiefe bis 32 m erreichen kann. Wie i 
ich schon oben hervorhob, ist der Forrnarinsee ohne 
oberflächlichen Abflufs, besitzt aber zahlreiche nicht un- 
bedeutende Zuflüsse, vieiloicht auch noch uiiterirdiHche 
Zuspeisungen, so dafs, wenn man annimnit. dafs die 
unterirdischen Abflüsse sich zu Zeiten verstopfen, ein 
häufiges Schwanken des Niveaus sehr erklärlich und |ene ^ 
Angabe von Gantner grofse Wabrscheinlichkeit für sich ; 
hat. Ks dürfte sich lohnen, wenn die Alpenrereins-Sektion i 
Freiburg ein Pegel am S«e aufatellen würde. 

IHe Auslotimg des Furmarinsees ergab, dafs dieser 
Soc ein nicht ganz so einfach gegliedertes Becken he- 
sitzt wie die andertm btddenSnen. Zwar liegt der tiefste 
Punkt des Sees ziemlich in der Mitte, doch erfährt die i 
Isubate von 15 m südlich von der tiefsten Gegend des 
Seen eine nicht unbedeutende Einschnürung, namentlich ; 
am Ostufer des Sees, wo sich oiTenbsr eine mächtige j 
Felsenbauk bis tief unter die Oberfläche des Sees hinein- ! 
schiebt und eine gleicbiiiäfsige Böschung des Seerandes I 
hindert 

Fnweit des grölsten Einflusses in der Nordwestecke 
liegt etwa 5 m vom lifer entfernt ein mafsig grofser | 
Felsblock, der von restcui Lund durch eine 1 ni tiefe j 
lintiefe getrennt ist Sonstige lochartige Vertiefungen sind | 
mir nirgends aufgeNtotseii, es ist alier nicht auMgeschlosHen, 
wenn auch nicht gerade walirscheiidioh, duts sich im 
nordöstlichen Teile »les Sees, wo eigentliche I,otungen 
nicht mehr stattfinden konnten, weil zunvhmouder Wind ; 
die Fortführung der .\rbciteu verhindert«, solche finden | 
werden, (iauz hervorragend Iwi diesem See ist seine 
Hurchsiehtigkeit, erst in 9 m Tiefe ent'^obw’and die Li- 
burnausche Scheibt? dem Auge, und wunderbar klar 
spiegelten sich im Wasser die Fölsen und Berge seiner' 
riugehung, lH?sondcrs die Roiwuud, di« am meisten von j 
der Freiburger Hütte aus bestiegene BergapitM. 

Vergleicht man di« Tiefenkarten der drei Seen mit 
denjenigen anderer Zirkusseeu, z. B, des Feldsees im 
Schwarzwald (s. Peten«. Mitteil. 1898, Heft 11), so fällt 
»«fort die Ungleichmäfsigkcit des dort durch den S«»e 
gelegten Profil» auf; beim Feldsee, der durch eine Moräne 
gestaut ist, Hegt dio grötste Tiefe weit näher der Fels- | 
nischu als dem Ausfluü, derselbe l'niKtand kehrt unter ' 
kleineren Verhältnissen beim Glaswaldsee wieder. Bei 



den natärlicheu Felsbecken der l^hthuler Alpen ist 
der Botlen mehr irichterföraig, und die tiefste Stelle 
liegt in der Mitte oder nahezu in der Mitte. IHe Tiefen- 
kurte des Spuliersu« lalst wohl am deutlichsten erkennen, 
daf» die Anschauung Fugger» {Mitt. d. Geogr. Ges. in 
Wien 1896, S. 638), der den normalen Felssee als 
Unterbrechung in der Auswaschung eines Thules, den 
Sec also als ein« geiitört« Thalhildung aiisieht, das Ki<‘b- 
tige tnflt. 

HieTemperaturmeusungen zeigen, daf» der Zfirscher- 
see am 15. Juli noch sirutificalloQ inverse besafs, 14 Tage 
später jedoch normal« Wärmeschichtung, immerhin war 
sein Wiuuer sehr erheblich kälter aU da» der beiden 
anderen Seen, im Forrnarinsee war das Bodenwasser 
noch unter der Temperatur der grOfsten Hicbtigkeit. 
Noch iuteres!*anter« ^sultate ergaben sich aus den 
Durchsichtigkeitsbestimmungen; während der Forroarin- 
see aufserordentlich klares Wasser besitzt, sind der 
SpuUerssee und der Zürschersee weit umlurcbstcbtigur, 
obwohl ihre Temperatur tiefer Hegt. Obwohl ich kei- 
nerlei planktologi^che Untenmehungen vomahm, kann 
ich doch die Meinung auflsprechen, dafs dieser gewaltige 
Unterschied in der Durchsichtigkeit keineswegs auf 
gröt»er«m oder geringerem Gehalt an Organismen beruht, 
Mondem auf der verschiedenen Speisung der Seen. Wäh- 
rend die nächste Umgegend des Forznariiisces keine 
Schnoefelder mehr aufwies, wurden der SpuHerssee, be- 
sonders aber der Zürschersco reichlich mit direktem 
SchneewaMser gespeist, wodurch sich die auffällige Trü- 
bung ihre» Wassers einfach erklärt. 



Tabelle II. 





1 ' 1 

Ziimcher**»* 


Hpuller***"« 1 


Kiinwarin* 

see 


Batiiin der Keob- j 


15. VII. 


29.VI1. 


I6.V11. 


1 I7.V1I. 


achtuDg . . . . 1 
Temperatur der 


3 p. 


1 3 p. 


I 11a. 


9a. 


Luft 

Toinpcrutiir de* 1 

Wassers an der \ 


Uf* 




1 III* 


11—14“ 

1 


Olierflächft . . . ' 


3.U* 


Kl* 


1 1 


! 13" 


Temp. in 1 m Tiefe 


1 — , 


y,H® 


11,4* 




- . 2 - _ ' 


i — 


j ».<!” 


10,4* 


1 II.«“ 


. . 3 . . 1 


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5,3" 


- .1*«!« - 1 


S.H“ 


1 4* 




4,5" 


. .14. . 




3,«* , 


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— 


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1 


I — 1 


1 l.-'V 


i 3.«* 


. s 1 


\ - 


— 




* B *' f» n 

Tiefe, in welcher 
die läbuniausrbe 
Kcheilw d. Au);e | 


! 


l 




1 3,U* 


entschwindet . . | 


1 1 III 




i im 


j 9 in 



Tabelle I. 



Karne des Sees 


? Hohe iUwr 
1, dom Meere 

t m 


Areal 

lia 


(iröfste 'Mittlere , 
1 Tiefe 

1 ni '' 


Volumen 

cbm 


r 

' Mittl.re riiifaog 

Itmcliliiu: 

, km 


Zithl der Lutun^cen 
überhaupt . pro hs 


Ziimchenwc 


. 1 213» 


4.4 


1 15 ! 7,1 


315 OUO 


! 11.5' 1 1.0 


86 1 


19 


Hpullersaco 


1750 


1H.4 


! 19 11.3 ' 


2 OHO OUO 


1 7,8" 1 , 9 :. 


90 ' 


5 


Formarinsoe 


. ISüt) 


15.2 


2H 1.3,5 ' 


2 050 ÜOO 


1 10.4- 1 1,5 


140 i 


9 



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24 



K. Itlind: SkixTu-ii »u« cliafi-lotbriotriieheii (^sKusrieu. 



Skizzen aus elsafs- lothringischen Ossuarien. 



Von Ih*. nietl. K. I 

I. Kr aktn r iertes Komur aun einem mi ttel n 1 1 er- 
lichen Heinhaiise Lothrin^enK. 

Zu einer Zeit, wo die niirni'fpe ungeahnte Krfol^e 
7eiti;^ und vertrauensTol] ihrer vreitereii hlntwickelun^ 
ent^e^enblickeu darf, richtet eich der Blick mir noch 
selten rückwärts auf deren entlegenste Anfänge. Kiid 
dr»rli hallen Kufällige Kunde einzelner KmK*henprii|Nirnte 
uns gi'rudo über die Khirurgie der alleralWsten /eiten 
wertvolle und ilberraschende Aufklärungen gchrHcht ; sie 
beweisen, dnfs echou daiuule nicht nur langdauermle knn> 
«ervative Beliaiidliingsmelhodcn chirurgischer Knochnn- 
erkrunkungcti. souderii auch 0|icrationcn eingreifendster 
Art erfidgreich ausgefflhrt wurden. 

Aus derartigen Kunden hat sieb inustiikarlig eine 
Skizze der npf^hUtoriscljen ('birurgie <!er Steinzeit“ zii- 
saminensetzen lassen M. Ks ergieht sich zunächst aus 
den eheusu interessanten wie geistreichen Arheiten von 
Pruuieres. IltNM'a u. a. dafs si-hon zur Steinzeit trotz 
der tcrhnischeii Schwierigkeiten infolge der riizuläiig- 
Hi'hkeit der SilexgerSte die Schäde)tre{>anntion eine weit- 
verbreitete und um I.s>bendcn vielfach mit Krfolg auageübte 
Operation war. fanden sich doch sowohl in Kraukreich. 
Ihihinen u. s. w. aU in nordamerikanischen und alt- 
peruanischen ürahstätton Schädel mit Trepauations- 
offiiungeii. bei denen die anatomische Beschaffenheit des 
Kandes nicht bezweifeln läfst » dafs sie längere Zeit vor 
dem Tode des iictrcffenden Individuums angelegt waren. 

Auch eine rnterschenkelfraktur, denm lleilnngsresul- 
tut wohl jeden imKlemeu t'birurgen zufriedenctolleu 
würde’), fand sich in einem Steinzeitgrabe, ferner eine 
unter konservativer Behandlung in recht winkehge^r Ver- 
steifung (also der gtiiistigsten Stellung) ausgeheilte chro- 
nisch-eiterige Kntzunduug des Kufsgelenks mit Nekrose 
am unteren Schienbeiiiende — ein Kall, der hmgtlauermle 
Kühe, viel Zeit und (reduld erfordert haben mufs. 

Im entgegeiigeMü zten Sinne sprechen dagegen z. B. 
die ultägyptiKrhen Skelettfuiide *) jener ältesten, lieim 
l'vramtdeiibau verunglückten ^rnfallverletzteii“ , neben 
deren (..eichen das ahgeschlageiie Ikdii, der nhgeschlagene 
Arm bestattet waren, ohne dafs sich an den Knoeben- 
stümpfen irgend welche Zeichen eines llcilungspruzesses 
fanden — ein Beweis für die tlhimincht der damaligen 
t'birurgie, die den raschen Totl unch solchen Verletzungen 
nicht uufzuhnlteii vermochte. 

So sind einzelne solcher Kunde für die betrefifende 
K}Nicho bisweilen von cburakteristischer Bedeutung, lob 
bin nun gelegejitlicli der autbro|MdotfiRcbeii Burch- 
forscbiing der elsafs -Inthringischeu Beinhüuscr. deren 
Ki-gehiiis ich in früheren Arbeiten niedergolegt habe * u. *), 
in den Besitz eines Kuocbenstückes gelangt, das in tlieseiu 
Sinne ebenfalls einiges luteres-*«« iH^aiisprucben dürfte: 
dasselbe fand sich neben vielen Hunderten von Si-hädeln 
in dem uiitteluJterlichcu luthriiigischeu Beinhause von 
Seh<>rbuch , über das ich seiner Zeit ^) folgende.-« schrieb : 

*) TiUniann«. l'l»er prähistorische t'hirurgie. l«aTigeub«>eks 
Aich. f. klin. t'hir., Jkl. ‘J». Ikm:». 

*) Bull, «t« la ^s*. «l'Afiilmjpot. «)«• l’ari«. 1«74 u. ff. 

■) V. Ocf»-|f, Agypt. Medizin der Pvrauildeiizeit. Neu- 
tiiirjrer-Pagels Hamlli. il. tieach. d. Med. 

*) Blind. IHü Schodelforraen der el4äasi>.clien Uevi>lkeriing 
in alter und neuer Zeit. Kine authro|s>|.-hist. Studie ülwr 
7ou Schädel aus den t-Uäss. t^suarien. Beitr. z. Aiitliro|sil. 
Kls.-Lothr., ltd. I. lieft I, 

Blind , Ihr Srhädclfornieu iiu SchtirUicher Beinhiiuse. 
I>i«*<e|li«ti Beitrage, lid. I, Hefl X 



I i nd - Strafsburg. 

,.Iu Scborbacli (S-horjiocb 1210, Schorjiarhp 1,'102, 
Xofpach 1.31.'», Seborputb 1.544, Scherbacb 1771), das 
4 km nördlich von Bitsch in einem abgelegenen Seiteii- 
tbälcheii der iiönllicben Vogesen liegt, hat sich von der 
alten, der .Vhtei Stürzclhrouu gehörigen Kirche mir «ler 
Turm erlmlteu, ein romanischer Bau des 12. .lahrhumlerts. 
An der AiifsenMUte des umderncu Laiigsi-biffes trägt ein 
Stein fulgundv Inschrift; 

»Anno ah. inc. Dom. M. XBIII. dedic. est. her. 
pt-i'lesia. Vin. i(L sepb a venenibiU Teotwino apostolici. 
legato, in honure. S, Marie. S. crucU. S. itemigii. «pis. 
S. Baurentii mar. liCiMieguni m. S, Viiieeutii m. Herardü. 
tierhardü. lüldulfi. epis. Leoni» Vill. 

Die Paläographie deratdbeii entspricht dem 12. Jahr- 
hundert. Neben der Kiixhe steht das Bemhatis. der 
einzige romanische Ban dieser Art, welcher wenigsten« 
im »üdwe«tlichen Ihsutschland erhalten ist und JedeufHlls 
eine» der interesnaiitasleii Kxemplar«^ von Ossuarien ’). 
KrnusD, der ihm eine auHführliciie BeM'hreihnng widmet, 
versetzt danselW ehcufalU in die Zeit des in der Inschrift 
erwähnten Tbeotw'in, der 1133 zum Kanlinat erhoben, als 
1/egat des ajwstolischen Stuhles in lluutscbland wirkte 
und 1138 Kaiser Konrad III. zu .Vachen krönte.“ 

Ihm ollenliar wie die Schädel aus dem benacbbarteii 
Krimibofe stammende Präparat blickt daher unter Um- 
ständen auf ein äufserst beträchtlicfauH Alter zurück. 
MHdizinisclies Interesse bietet e# nun insofern, al» es 
einem Bruch de» rechten Oberacheokelknocheus dicht 
nnterhaib dcHseu Mitte entspricht, der genau in der 
Stellung verheilt ist, wie »io Wi -\usachluf» jeder thera- 
peutischen Kinwirkung den Naturgesotzcii entsprechend 
zustande kommen mufs, bezw. wie die ohne liewiebtszug- 
verband im einfachen, unzui-ctcbeiiden Fixationsverbaml 
(Schienen-, Uipaverband u. s. w.) zu erfolgen pfl egt. 

Infolge de» elaHti.schon Zugi>» der kräftigi'U Ober- 
scbenkolinu.skeln muf» u» zunächst, wenn derselbe nicht 
künstlich durch eiitaprecheudeii ttegengewichtszug auf- 
gehuWii wird, durch Ver.Hchiehuiig der Knocbenbruch* 
Stücke in der Uiugsachse zu starker Verkürzung des 
Femur kommen, die im vorliegenden Kalle sogar das 
Imträchtliche Mafs von 12 cm erreichte; ferner bilden die 
Brucbstilcke infolge des Zuges der einzelnen .Mu.skel- 
gruppeii au den KrMwhenbrucbstückeii in der Hegel einen 
nach vorne offenen stumpfen Winkel, wie er auch hier 
(». .Mtb. 2) besteht, und endlich dreht »ich in der Hückeii- 
lage da» untere Bruchstück (hezw. das ganze Bein von 
der Bruchstelle ab) infolge der Schwere des Ktifsee und 
dessen Neigung, nach aufsen zu fallen, stark auswärts, 
SU dafs iiu Vorliegenden Falle l>ei der Betrachtung von 
vorn (». .\hl). 1) das Kiiiet'iide des Ketnur mit den Olier- 
scheiikelkoiidylcn fast im Profil statt en face erscheint. 
Die Beschaffenheit der mächtigen kallöscn KniM'heii- 
wucherung, welche die la-iden Kiimdieustücke auf eine 
liänge von 17,5 eiii hin vereinigt, mit ihren Kmmheii- 
kanten, mit ihren durch uachtrnglichen Knocheuschwuiul 
bedingten Auskeliliiugeu, Durcbbohruiigcn u. s. w. läfst 
mit Be.stimmUieit aussagen. daf« das verletzte Individuum 

*) .\niio at» iiieiiruntionc doTniiiica MCXI.III. öoilicata est 
bat*«' it-clusia VIII. ithis septt-mliria n vt-nerahili Teolwim> 
npiwtotici ^•<;ato in liunore S. .Mariae, S. ernris, K. Kemigii 
eiiiscopi, 8. biiureiitii mnrtyri«, S. L**o(jegMrii martvris. 
H. ViaceiiUi mai'I.iris, Ib-ranlii. Gerhardii, HilJulH episctipo 
rum. lieoiii« VIII. pnpae. 

Kraus. Kunst uml Altertum in Kl«nrs-U'>ihriugeu. 



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K. lUiml: ^»ktxxp» 

iiMch ilrni Knocliuiibnirli iiocli /pit, ialireliuiff 

lebt baWn uiuf!*. 

\Vt‘lt‘he Hebandlung alior inug /eu|;oti ver> 

ffaiigenpr JAhrhunilprb* 21t t<Ml guwcinlt*n som? Wtir 
in jener entlegenen (iegeiid der waldbedeckten llerr>>cbaft 
MilHL'h • ZweibrUrkeu , xu eiiier /eit. deren rnMliikte mit 
Iteeht u]j* „die böehste Potenz der Sterilitiit“ bezeiehnel 
worden »>ind *), eine ganz iimretiügende ftrztlirlie Tlterapie 
— ein einfheber fixierender Verband, der »lie Ibdlung^- 
vorgÄiige der Natur in keiner WeUe zu beeiuflu>*-en ver- 
inoehte — , war es nur jene niyhti>*ehe (teliHndlungs* 
metbiHle, die auch beutt‘ in niinirbeu iibgelegiaien 




Femur* 

AUb. 1 von vorn. Abb. von aufüeii. 



OrtKchaftau lAitbringoiiN noch nicht au**geit>ttet i«t? 
My^tiijcbe /eichen und mystische Sprftcb«, die, wie ch iin 
gennanittchun „Merseburger •'N‘gen" heilst. „Bein zu Bein, 
Blut zu Blut, trlieil ZU tilied“' frtgeu s«dlen uml die als 
Cberreste iirurlscher Medizin du» gröfsto elbiudogi»ehe 
Interesse waebriifen, lautet tloeh schon eine derartige 
Formel im aanskritUcheii Atharvareda^): 

Zusammen sei mit Mark dein Mark. 

ZuMimmen »ei mit (ilied dein {tiie<l, 

/iisainiiien waeiis dein alte» Fleisch 
l'nd aneh der Krim-hen wach« da/til 



II. Inschriften elsnfs - lotli riiigixcher Ossuii ri eo. 

Die Sitte, Oasuarleii anzulegen, d. h. die auf freiem 
Fehle gefundenen oder auf Begrähnisplützeu zufüllig 
oder absichtlich wieiler ansgograbciion Skelettreste unter 
besonderer Berücksichtigung und Sehonung «ler Sdiildel 

■) Pagel, (iesch. der Heilktle- int Mittelalter. Neuburger* 
Iblgelt liandl». d. l*e«*l». d. Med. lUol. 

*1 Bloch, liidisrhe X»*ubnrger • l*asfU llnndb. 

d. ttasch. d. Me*l. It*01. 



■loLliringisoheti Ossuarien. 26 

in oft sehr gruTser /iiLl aufzuspeichern, läfsl sieb bis auf 
Urzeiten ziiruckverfolgeii. Schon zur Steinzeit Ist sie 
iiachwi’isbur und ohn** sonstige zugehörige Skelettteile 
sind zjihlreicbe Schüdol in ucolithischeu (rniborhöhlen 
geborgen worden, wie es Funde aus Belgien, Frankreich. 
Deiitsehlaud und Spuiiicn durtbun 

Im Mittelalter ist die Sitte elietifulls Weit verbreitet 
und viel gtu1l»t, überall oiit>tehen Beinhüiiser mit vielen 
Taii.senden von Srbädeln und s{H>ziell im l'Jsafs lassen 
sich dieselben von <ler Schweizer (»renze bis Weifsenburg, 
nnderersuits bis tief nach Lothringen hinein verfolgen, 
wenn luich heute der gnifste Teil dieser Moiiuinente be> 
diiuerlicberweise verschwunden i«t. Die uiM*b erhaltenen 
(ts.siiarien — einige dersellien sind seit meiner l’liter- 
siiehiiiig bereits Neubiuiteii ziim Opfer gefallen, die anderen 
einem sicheren Untergänge geweiht — ,die ich zum liogeu- 
mIjiim! einer 189S erschienenen nnthro]M)lr>giKrlieii Studie 
mnt'lien konnte“), liegen meist innerhalb von Friedhöfen 
( Lup.xtein, /iibern, Kpfig, Schan'aclibergheim, Srhorharh) 
mlcr doch auf dem Ihaleii ehemaliger Begnibnisplatze 
tKaywershergl, deren Beste sie Hiifuahmcu, zum Teil auch 
bilden sie wie die Meywihrer Kapelle hei Ammersebweyer. 
die SL SebaNtianska{»elle bei Dainbach die einzigen Bimste 
längst verschwundener Ortsclmften. Auch architektonisch 
»ind die Beiiibüuser von gröfstem lntore«se. sind doch 
gotische und nmmiiisehe, Barock' und Benaissanco' 
bauten vertreten; überall hat sich ferner die Sage dieser 
nierkwünUgen Altertümer bemächtigt, irrtümlicherweise 
die Schädel bald auf die Fiiifälle der Kugellender (13l>r) 
iiihI I37r> “)J oder der Armagnacs (1444), bald auf die 
fürcittcrlicheu Metzeleien des BatiernkriegeH (1.525) osler 
auf die Schlachten de.« 30jährigen Krieges zurückführend: 
d.tch ieh mufs mir ver«ag<*n, hier auf alle diese »oniifser- 
ordentiieh iiiteiv.s.sniii«‘ii Verhältnisse einzugehen, um so 
mehr, als sie ticgeiistuml einer gröfseren Arbeit in Bild 
unil ^^'ort wenlen sollen. 

liier sei nur auf Grund der Inschriften mehrerer 
“«»uarieii darauf hingewiesen. in wie eigenartigem unil 
zugieieli vcrKchiedeiiartigem Sinne diese mächtigen und 
mit ihren bi» ül>er lOOOU Schädeln in der That im|K)' 
sanO'ii „mcuieiito mori** die Volkspbaiitasie beeinflussen. 
Da istes bald nur der Imdaucnide Wehruf über die grofse 
/abl der In einer (iriift vereinigten tipfer des uuerbitt' 
liehen Tode», dem wir iti der Inschrift des Ossimrs in der 
kürzlich abgebrochenen gotischen Kirche von Scher» 
Weiler begegnen : 

.Ist nicht eine sonder«* Klag 
Drevst'heii Tnitsoiid hi einem Gnibf* 

In Kaysersberg batte oflenbar mehr das tiefühl der 
I alles gleichiiiach(*u«lcn Majestät de.n Todes vorgeherrscht, 

I begleitet von einer gewissen Befrti'digung, «Infs dieser 
, T(h 1 keinen Unterschied kennt und wenigstens mi Grabi* 
' hoch und nietlrig, arm uml r«<'icb friedlich nebeneinander 
bettet; die liiMclirirt des Beinbau«es, dessen Kiiigang die 
.lahreszahl 1463 trägt, lautet: 

,Si* ivt'# rorlit. 

Da Hegt der Meister bri sein«*ni Knecht.“ 

Wie eine Wanmng. ein „mementu muri*^ klingt endlich 
der Spruch eines Iothringi.«chen Beinhause.*«: 

.l.ietH* liriiilei* uml Hi-liwnsterii, 

Wir waren uo,*h ge-.tent 
Htark null g«‘suittl wie ihr: 

O «'ht. morgen »ei«l ihr wie wir — * 

‘•) Kraipont. Is?« N«*ii|ithli|ue« de la Men«e. Bruxelic« lüt«'. 

**) Blind, hs*. «*it.. Ueft I uml 3 der „Beitr. z. AntlirMjs,|. 
Klsars teithringcns“, K«!. I. 

*') Bltii‘l, Das Massciiirrab von Thunicnim. KNässische 
Sehlarlnfeldresle .lU« der Z«*it der . Kiig«‘llBinler* - Kinfalle 
Diesellieii IHinlge (in Vorls*reiTnug liogriff* in*s 

HefH. 



ülul<uv l.XXXIII. Nr. 



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|)r. Kicliarti Kurutz; 



(lerMpUic Gefianke, man ja auch büukI häufiger »nt 

(rrAbe^inxrhriftpii iH'gugnpt uud ilrti ich in etwas anderer 
Form emt kilrr.lich auf einem (irabstein des llrrni 
du Terrier von liirrkwuld in der Kirchhofstiiaiier zu 
OlM'rschäfTolsbeim iKlsafs) laa: 

.Swh Hilt«*r Crnuta »ux-h Helm ntK’h Stal* 

Hat itiicli errett v(»m («rab. 

Retleack« n Lft^er bitt für mich 

Was mir heuth gwbebii. trifft morjfer» «lieh.* 

Und dieser Eindruck des Todes in den dunkeln uud 
moderigen Totengewölben ist inmitten der blühenden 



und grünenden Fluren ein tiui so tieferer; katiiu al>er 
verlassen wir in Kaysersberg die stille Gruft, da winkt 
auch Hcbon auf der sonnigen Stralae mit den rrdundlichen 
mittelalterlichen tieluiudeti und den schlanken Festuugs* 
türmen der zierliche Stadtbrunneii mit der köstlichen, 
weinfrohen Inschrift : 

,l»ritick»lu was»T in «b'iin Krago« 

VIht I>i«L'1i es kalt iliti Mng*ni 
l>ritik mnsj|r alten siilailn Wein 
Ruth icb vn he« mich uaacr sein.* 

(Forts, folut.) 



V 



Engano-Popolo. 

MalaiisHit' KiiinUssii ini Hisiiiürck- Archipel. 

Von l*r. Hicliard Karutz. I<fll»e<*k. 



Die Speere von der Insel Enganu, westlich Sumatras. I 
sind .seit langem in hoU&udiselit>ii Museen Hownhl wie in ! 
deutschen vertreten, wenn auch ihr« Zahl einige Dutzend 
nicht ühersebreiien dürfte. Ik^kannt sind daher ihre 
innerhalb einer kleineren Variationsbreite wechselnden, 
im ganzen immer cbarakterisUschen Formen, über weniger 
scheint bislang ihre überraschende Ähnlichkeit mit ge* j 
wissen Waffen aus Popolo (Maity) die Aufmerksamkeit [ 
Her Ethnographen erregt zu haben. Um die.ses von ‘ 
der bisherigen Popolo-Eitteratur Versäumte nachznholen, 
und um zur weiteren einschlägigen Untersuchung der in ; 
den Sammlungen liegenden Stücke, eventuell zu einer 
vergleichenden Arbeit Ql>er die Entwickelung ihrer Kon- 
struktion anzuregen, die gewifs lohnen würde, veröffeiiG 
liehe ich hier die folgenden vier Exemplare, die das 
Mnsenru für Völkerkunde in Lübeck voriges Jahr durch 
Herrn C. M. Pleyte aus der Sammlung des vi»rstc»rbenen 
Kolonel ran Sypestein erworben hat. 

Ich gehe ZunHehnt die lleschreihung der Sp<>ern, um 
iiMchber an sie einige kurze llemerkiingen zu kuüpfen. 

.\bb. l: S|M»erspitae (Katalog Nr. 3091, 
der Schaft fehlt). Sie hestebt aus d<-r 
eigentlichen Spitze, einem Mittelstück ! 
und einer aus gefluckieneii Schnüren uud 
darüber gesebmierttu' llarzmasse gehil- 
det4‘U Hülse, die Mittclstück und Schaft 
vonleiii verband, un*l aus der »1er letztere 
lierausgefallen ist. Das Mittelstück bildet 
ein 11 cm langer, 1* ,cm breiter, platter, 
mit einem llolzfutter aiisgefülltcr Köhren* . 
knni'lieii. der ainlen zwei gegeiiüherliegen* 
den Kanten mit je drei Längsschlitzen 
zur .Aufiiabiiie eiserner, zweischneidiger 
Zaektü» von der Fi>riii etwa eines Vogiäl- 
schimliols versehen ist, die mit ihn^r Dasis 
in dem genannten Holzfutter stecken, in 
situ imponieren die zwei entsprucbeiideti 
Zacken beider Seiten alaein einzige» niond- ; 
sicbelförmiges Stück. Das ol>ere Ende 
«les Kuoebeus hat man versucht zur Auf- i 
nähme des Stieles einer breiten sagitialen 
Spitze im Lungsdurchme.sser zu spalten. Ih>i dem Ver- 
such ist die eine Hälfte ahgesprinigen, und man hat das 
fehlende Stück durch ein llolzplättcheu ersetzt, das nun 
mittels Dastumschiiflrung an das stehen gebliebene Kno- 
■'hcuetide gepreCst ist, so dafs eine Scheide entsteht, di«* 
den Stiel der S]»itze aufnimmt. Diese UniKchnürung ist 
wh* jene der Srhaftmittelstürkv«*rhindung mit Harz* 
hiasse ülmrdeckt und gi?<licbtet. 




.Xlih. 1. 
*/< I'«» Or. 



Abb. 2 : Speer (Katalog Nr. 3092). -Sein ««herer Teil 
bat eine ähnliche ZiisammenHetziing wie die eben be- 
schriebene Speerspitze: er hoteht aus einem platten 
Rt'ibrenknocben als Mittelstück, desacn Schmalseiten je- 
doch nur je zweimal zur Aufnahme der analogen Kisen- 
zaokcii durchbohrt sind, der mit Harz gedichteten 
St'IinuruniwickeluDg, die ihn mit dem Sebaft verbindet, 
und einem in du* obere Ende ««ingelasmmen scharframligeti 
Eisen von der Form eines nnregelmäfsigen Vierecks, 
dessen Sciicnkunteu gerade laufen, während die obere 
leh'bt konvex, die untere stärker konkav geschnitten ist, 
und dessen Fläche zwei rund ausgeschlageno Durch- 
lochungen zeigt. Die Sicherung dieses Endstücks ge- 
scliiehl nicht durch Hastuim^cbnürung, aondem durch ein 
heruiug«*schiniedetes breites Fiscnhand. Der schlanke, 
spitz anslaufende Schaft ist ISOcm lang. aii.s leichtem, 
hellbraiiiieiu Holz gut gearbeitet und mit einem eilige* 
ritzten Ornament verziert, das Streifen von doppelreihig 
angcfirdueten /ickzacklinien bildet. Einer dieser Streifen, 
die teil» gerade, in der l.äiig»8chse de» Schaftes, laufen, 
teil» ihn in halber Spirale umziehen, zeigt eine etwas 
andere Form, insofern er aus einer einzigen Zickzack- 
linie besteht, in deren nach unten ofienen Winkeln je 
eine oder mehrere kurze Strichelungen eingefügt sind 
(Abb. 2a). (ianz oben am Sebaft »iebt man drei isolierte 
/eichen von der in .\bb. 2a sicbt))Bien Gestalt. 

Ahb. 3: SpciT (Katalog Nr. 3093). Der 174 cm lange 
Schaft ist aus demselben Holz und von derselben Form 
wie bei Nr. 3092. Auch das Ornament ist dasselbe, nur 
bildet e.s eine unniiterbrochene, nicht in Streifen geteilte 
Zickzacklinie, die in halber SpirniwinJiing den Schaft 
umzieht, im olierslen Abschnitt dreireihig, weiter unten 
zweireihig und auf dem bei weitem gr«'dsten 'IVil ein- 
reihig ist, während sie auf dem vorigen S|»ecr durchweg 
zweireihig war. Da.s 12 cm lange Mittelstück ist von 
«1er gleichen Form wie der Knticbeii der vorigen Numiuern, 
aber uns Holz, 2 cm breit, ^((rm dick und an den Schmal- 
seiten mit je drei in «1er Längsrichtung liegenden Aus- 
schnitten zur Aufnahme von eisernen Zacken versehen; 

»eine Verbindung mit «lern Schaft wird, soweit sb'htbar, 
durch eine breite Ei»enband«pirale bergeslellt, deren 
Enden durch «•ingej'cblagene Stifte befestigt, uud deren 
Lücken am oberen und unteren Kunde ausgepicht sind. 

Ob das MitteGtück aufserdem noch in einem Schlitz de» 

Schaftes «tei'kt. ist ohne Zerstöirnng «ies .'stücke» nicht 
zu sagen. Eine Tour der .Spirale ist an zwei gegenüber- 
liegenden Stellen von Nägi-lu durchbohrt, die mit ihren 
Spitzen 2', cm weit ab Widi*rhaken nach unten v«ir- 
rogen. Ein dritter, Fast 3 cm weit v«in*teheDder Nngel 

Di5,;,..w Dy LiOOgU 




I)i‘. Ui<‘li»ril Ki«riit/; 



tritt unterhalb d**K KiHenhiindcfi nucL unten lierauK. I>a» 
obere Kiide des MitUdstAckes ist in der der Kbeiie der 
Zacken parallelen Lfin^'^richliin^ gespnlten, um eine 
Spitze iiufziinehmeti, die hier verloren ^fe^autfen ist, viel- 
leicht ul>er diesellH; Form hatte wie Ahb. 1. Gefiebert 
war diese Verbindung durch ein berntiigidegt«'s 2 ein 




*7 



über die Kante gebogen und auf derselben Seite in .«echs 
parallel nach uuUm gerichtete, 2cm lange Widerhaken 
aufgelöst ist, die einzeln genau den Zacken der bisher 




Abb. b. 



Aliti. 

Zelrbiinng de» Scharte». 

breites Kiseiibaiid, <1 hh in gleicber 
Weise wie jene Spiraleiitour von zwei 
»eitlich lierHiissteheiiden , gegenüber- 
geslellteu Niigeln als Widerhaken 
riurobbohrt ist. 

Abb. 4: Speer (Katjilog Nr. 36K4). 
Iter l(i2cin lange Schaft ist den vo- 
rigen gleich, mir etwas dunkler ge- 
lieizt, mit demselben (h'naiuent der 
zwei- l>ezw. dreireihigen Zickzacklinie 
binleckt. Aufftcrdeui aber zeigt <)ns 
obere Kiide die cigentüniliclie Verzii-rnng, die .\bb. 4a 
zeigt: drei erlmben geschnitzte, kurze, »piergcKtellt <lcn 
halben Schjiftuinfang ileckeinb- Zickzackstn-ifeii, <lie seit- 
lich in eine Sj)irale auslanfen. deren Kndpnnkt durch 
ein kh'iiies einge-chlagene« Kiseiistifti’lu-ii lK*tuiil ist. i 
has oliere >cliafu*inle ist zur Anfnaliiue der Fisc-nspitze 
geschlitzt, ilie, v«>n der Form etwa einer .\|esserklinge, 

2 cm breit, 16cin lang, am Knde schwach hakenförmig 



Abb. ' 



lM*srhricbcnen Stücke gleich gestaltet sind. IHe Siclie- 
ruiig tier S[»itze g«*scbieht durch eine Ndimirumwickelutig, 
unter deren uiitei'em Rande ein Nagel 3*/, cm weit ab 
Widerhaken hervortritt. 

So weit tlas Material , 

unseres .Museums. Zur 
Musreicheiideii ethiiugra- 
phischeii Wünligungdie^er 
sehr merkwürdigen tm- 
gano.s|>eere liedürfte e» 
nun allerdings einer be- 
(•uiidereii, auf weit gröfse- 
reii Grundlagen ruhenden 
.Arbeit, die sieb mit <ler 
hhitwickelung der For- 
men. mit den Hczichuiigen 
zu sonstigen Vorkomm- 
nissen Imlicns und Indo- 
nesien», mit deu bisher 
bekannt gewordenpn mbr 
n«>ch aufzusuclietideii 
Resten tlei Voi eiserizcit zu 






.\t>b. 4a. 

Ornanieut des Schalles. 



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hl', liii'liaitl Kiiiiit/. 



bottcbAftigi'ii buben wlirde. liier murü ich mich iluber 
mit nur einigen kurzen Anfubnin^eii beß^iiüf^n. 

Ks iiiitt'riiejft kmnem /weife). (Inffi c» auf Kii|;unu ' 
eine St<>in> bezw. Holzzeit ^e^ebeii bat, iiml ibiN ihr erst 
vor TerbnltnituiäfFiiff kurzer Zeit ibireb die hjnrübrniiif 
de» KiM;i)M ein Knde ^unicbt worden ItuMtinn 

macht die Hemerkmi^ «Vor Kinfflhreing den Kifcnw 
i;i*briui('bie iimii unf Kii^uuo Lanzen mit fcuerLrebiirleter 
Holzspitze“ ; Uoaenberj; bildet einen <leti uns*erijreTi 
Hbnlicheii Speer ab und sn^d duzii^): „l>ie Spitzen der 
Lanzen nnd der unter denselben befindliche «licke Wulst 
sind Ton dünnem KiNeti verfertigt, welches <)ie lliindets* 
leiife in der Form Tun t?<*wöbii]ielien Messern nach 
Kii^funo brin^'cn. Uu den liewtdinern, welche T<ir ffur 
nicht Innrer Zeit nuch in «ler Stein|M>rnKlu lebten, die 
Schmiedekunst fremd ist, hu verfertigen sie diese Teile 
mit ^rufsem (ie'cliick nmt livwuiidurun);swürdiv'er<tedubl 
durch Klopfen unil Feilen auf kaltelii Weifo.“ Ifei 
liiglioli beifst in der IWsprechuiig der von Modig- 
liani mitgebrachten Sanmilungen von den Kngatio- 
Kpeereh“^): ,.F»»rmerly tbey wer« tippial with hone, 

Oawfunl savfi, tbat tbe sp4.‘ar points uf the Kngano 
natives were of fishbone. and indeed one Tery old one 
collected by Modigliani 1ms a singulär foreshaft (|>erbaps 
the original point) nmde with tbe ii|>icul por(ii>n of tlie 
ramtis of a holpbin'» lua*er jaw with tbe teeüi attaeluNl, 
to this has beeil faHtened an irou b]a<le of tlie iisual bar* 
bed typ«*.“ Von Steinwerkzeugen beifst es hier weiter: 

|iestle made of coral-rock and verv siniilar to jioine 
I have s<*eii front tbe Camline (Hnk) and Hawuiian isliiiids 
ia yet uaed at Kngaiiu. An iron aze is imw iiswi by 
iheat* islanderK. it is ralled bnrlu, nnd ia baftM in true 
Mikntiicsian style recalling tbe slu'l) (Tridtirnn) adze-azes 
of Palnii an rahm and also tbe stuiie • bbtd«‘<l ■ lHeliela<« 
of Kenrpumi on tbe S. K. c«ia»t r>f Neii-4tiiinea: the iron 
blade is iHMind witb mtang to a sort of fore-sbaft . . . 

.Man darf annelituen, dafs spätere Forschungen auf 
Kngano rioeb mehr lleweisstucke für die metallhise /eit 
und noch m«‘br LlrnFgaiigsrormeii zu i Ngo fördern werden, 
aus denen di« nrsprtlinglicbeti Vorbilder für die Werke 
der Kiseii|M*riodo zu erkennen sind. Im besonderen mag 
«las für unser«* eigentUiiilieiu-n Speere gellun, nneh dein 
heute llekannteii alH>r kann nmn sich den tintig «ler Knt- 
vtickelung wohl so vorstellcii, «lufs di«> Kngaiioleute früher 
mit Zähnen und scharfen Kn«icbenstüeken )H*wehrte S|M*rre 
batten, dafs aie dietn* Zähne nach Kinführiing des Kisens 
einzeln in dem neuen Material naclibildt>t«*n, dufs sie end- 
lich b'rnten, die Klinge mit den Widerhaken ans einem 
Stuck zu formen und damit die höchste Stufe dieser 
KntwickeluiigsiTihe zu b«'treten, Sanitlitdie Sjteer«*. die 
Modigliani iiiitg<*bracbt Imt 0* '*>n<l mit eint*r Ausnahme, 
«iereii Material Kupfer i-t, ans Kisen und bilden zwei 
Tv|k*ii, einen selteneren mit messerfönnigem lllait und 
einen hanfigereM, „harpooii * like am) cut in big barbs, 
iisually twt» on each side“. Her letztere Tvpus i^t d«T 
gewohnlicbe bei «len WurfsjK*«‘ren. und bei ihm wierb*nini 
scheint die aus einem Stfiek geformt«* Klinge — «Ije sitiiter«* 
Form — vi«‘l häufiger zu «ein nU «lie ältere mit ge- 
tr«‘nnteii MitteUtück«*n uii«) /Jthiien. nach .\rt unserer 
ilrei erstell Kxeinphire. W«*uigstens habe ich in «len 
Museen «li«‘sen Kimlnick lH>koimncii, da» Verhältnis läfst 
-i«*h aber zahleniimfslg s*>hr leicht feststellen. 

*) ,Sumaim und Naclih«i‘s«*hafi“, n«'is«H*rg«*t*nlsi«e uialStu 
dien. Ibriiii 

*) ,1’cr -Mnlaiis«du* An*hi|H*l‘, H. 5uH. 

t»igledi. ,N'*t«-s on «h»* t:ih«'*gn«|»hienl oJleciiiuiH f«ir- 
ineii hv lir. K. M«s)igliiini* . Iiilerit. .\rchiv f. Ktlumgraphie, 
IM. vi. K. i;m. 

*) U»\ «01.. K. i:m. 



CWr das Ornament des Schaftes will ich kurz be- 
merken, dafs UH in der Hauptsache, dun mehrreihigen 
/ii’kzacklinien, demjenigen der „Keule als Waffe der 
Frauen von Kugami“ entspricht, die von Schmeltz im 
j Intern. Archiv f. Kthn«»graphje, Hd. VI, S. til. be»chriebeu 
und abgebildet worden ist. Ob die Figur am oberen 
Schafteiule des vierten SjM»«*res (.\bb. 4a) ein Augen- 
Xiisun - ttrnainent , also ein stilisiertes Gesicht, das an 
Itayakrormen erinnert, sein h«>] 1, mufs durch weitere Ver- 
gleiehBobjekte entschieden wcrd«*n. Hinsichtlich der 
Vi'rweiidung erinnere ich an Ratzel» Hemerkung ): 
„Hi«< Lanze tritt in «ler R«*wafYuung «ler Malaien zurück. 
Sie ist hniiptsncblich Jagd- und /icrwaft'e, letztei*es ua- 
luentlich unf Java“, die auch für iinsere S|H*ere zutreffen 
dürfte. Sekundär und zufällig ist natürlich diu von 
Motligliani gPHeheno .\rt des Gebrauche», bei der die 
Sperre an di*n Widerhaken aufgeliängt wurden, „<la sie 
wegen de» schlanken, spitz nuslaufouden Sefaafto» nicht 
auf den ItiHleii gi'stcllt werden ktmuten“. 

Am interessantesten an den lieschriebeiien Kngano- 
s|M*eren ist jedoch ihre .Ähnlichkeit mit gewisHeti /ahn- 
Waffen aus f’<»pol<», wie sie durch v. Luschan, Meyer, 
Farkinson, Fartington, Wohlh«>ld und mich ver- 
i'iffeiitlicht worden siml^) Hiese /ahnwaff«*!! verteilen 
sich, s«>w<dt bisher bekannt, auf zwei Tyjien, solche mit 
llaifiscbzähnen — das häufiger«* Vorkommnis — und 
solche mit zahiiforiiiigen Zacken aus SchU«lkrot, die nur 
in wtuiigeii Kxemplaren bisher zu uns gekommen sind. 
Hi«* erstcre .\rt wurde auch zuerst be«>bacht«*t. und ihre 
fast viilllg«« l'bereinstimniuiig mit d«oi bekannteii Arlieitcii 
der (iillH*rtiii8u)uner gab natürlich sofort .^ulafs, Rc> 
zi«‘hungen der Fo(MiI«>hewohiier zu den Mikn>ne«ieru 
auzun«*htuen. 1)1«* spätere FnierHUchung der Omam«*ntik 
hat die.oe .\miahme iinturatützt. Ob fi^eilich diene Re- 
I Ziehungen in einer «lirekten llesie<le)uiig 1 'u{k>Ioh «lurch 
Mikronesier oilor nur in KuItureinBüssen lH*statiden, die 
später in einer uns unbekannt«*n Weise durch regel- 
uiäfsige Handelsverbindungen «Hier gelegentlicbe» Ver- 
i s«*hlngenw«*nlen wn«i Aiitreilien von Rooteii die Insel 
getroffen, iiiufH immer noch iinentsehitHlmi bleiWn, zumal 
' sich gezeigt hat, dufs auf die Foriiienhildung de»Fo]>olo- 
kiilturbcsitzes noch andere al» mikroneaisclie Klemente 
I cingewirkt haben Ich konnte darauf aufmerksam 
I nuichun'), dafs t>rnatneiitmi>tive von Keulen nnd Speeren 
Fo|h«]os auf |>olyue»ischen Tapamatten wiedtirkehren, daf« 
also R«>iiiini.scenzen an eine jMilynesiache oder mit den 
: FulyimsiiTU geiueinsaiu«* Heimat oder ein s]»äteres Hinzii- 
treti'n |Hdynesi»«-]i«*r F<iriiieii zu der Fo)M>lokuitur neben 

• <l«*r ClH'rniihm«^ mikroiiesi.s«'hei- Art zu lH.*U]erk«*n seien. 
Na«‘h Sfulosten sriieineii auch gewiss« .Ähnlichkeiten mit 
«len TaltiiwieruiigflniustiTii der Frauen auf d«*n Laugh- 
laiidiDscln zu weisen, die Thileiiiu» in<lieser Zeitschrift 
(Ikl. J^l. S. O» 17) VMriiflentlicht hat. 

i I)4ml)i«'lier noch als die.s«* R<‘zi«*huiigeii zum tlNteii 
wurden diejenigen zum West«*n durch die Hinweise 
FHrkins««ns auf d«*ii Mahiiisehen Arehijwl. (iestützt 
auf die Thnt'4U’he, dafs .„alljährlleli Ikiot«* von Temate 
: noch bis über ^fatly binausg«>hcn“ '), liafs er auf der Insel 
I Hertraiid (Nonlktiste v«*n N«*n -Guinea) Kingeboreiie ge- 
troffiM Imtle, die mulnÜHeh sprnehen, uii«! v«m dt*nen 
einer iiiTernate selbst gewesen war. «laf« dieser V«*rk«*br 
seil .luhrhuiuit'rteii zu lH*Ht«>hen selii«*n, f«»Ig«*rte Farkin- 
soll Ulis «ler .Umlicbk«’it gewiseer lang«*r llolzschwerter 

') ■V«ilk«*rkun«b*‘. II, S. 4««:J. 

I *) liitertial- .\r«.’h. f. Kthimgrnphie. Ikl. H. 9, II, 1?. IS. 

I .Weilers B**m«'rkuiig« II zur KtbiHigraphie *I«t Mall% 

. iiisel*. (rii«*rnat. .Vn'h. f. Ktltn««gni|>tiie. IUI, K-l. 

* *) Intern. .\r«'fi. f. Kihii'*jrr.. Ii«l. S. vM's 



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Pr. Iticliiirtl KuratK: Ki<(fnun>Po|ioln. 






mit maluiifU'huD KineiiwafTen ’), daf« jene aun der Nach* 
Hl)uutn)f der ietxiereii entstanden seien, t. Luachau 
trat ihm s|jäter l>ei, indem er die Vorbilder in chinoai- 
st-ben. ja|>aiiiMcben oder luulaiiscben iVankwaf^en suchte 
Haixen jCflaubte in den eif^imrttgeti Ildteu au» Panda* 
nusblatterii AnkUuge an den Osten den Malaiischen 
Archipele, z. R Timor, zu erkeuueu. 

Hierher gehören mm meines Krachteiia auch die 
khiganOKpecre. Wie schon genagt, wurden iiaWri den 
mit echten HaifischzÄhiieu l>ewehrten Waffen uuhPojwIo 
in geringerer .Vtizahl auch solche bekannt, die in zwei 
gegenübcrgcstellUm Heihen mit zabimrtigrti Sebüdkrut- 
zacken besetzt waren. Abb. R zeigt eines niiscrer Kxem* 
plnro im Püliecker MuH4.<um für Vrdkerkunde. .Man war 
atifaiig« geneigt, sie wegen ihrer oberßftchlu'hen Ähnlich- 
keit mit den (iilherts|ieeren ehenfallH dem inikronesiKchen 
Kulturkreise anzugliedem und als Umwandlung der Zahu- 
waffen zu betrachten. So sagt Par k i n #on '♦): „IHe 
orwühiiteu neuen Speere aus Purour (eben die mit Schild- 
krotzneken) sind gewisaermalsen eine Modifizierung der 
mit Ilnifinchzahnen bewehrten S|»eere aus Maity'*, um 
freilich binzuzufügeu; ^rutemchiede sind jedoch so 
vielfache vorhanden, dafs diese Waffen als bisher unhe- 
kaniit angesehen werden könueu.** Ich habe früher | 
gleichfalls geglaubt, dafs hier die nrsprüngUcheit Zähue. I 
weil nicht erhaltUrh, durch öhnlicbe Spitzen von Schild- | 
krot ersetzt worden seien. 

Indessen sprach doch manches gegen diese .Auf- 
fassung. Schuu Parkinsou macht diu gelegentliche 
Bemerkung, dafs auf allen ihm bekaiiiitcu Kxeinplaren 
eine Befestigung raitttds Schnüre wie l)ei den llaifisch- 
fUihnwaffen nicht erkeunbar seien **), und ich uiufa sagen, 
dafs mir diese Verschiedenheit stets aufgefallen ist, und 
data sic ntir als ein nicht aus der Welt zu schaffender 
Beweis gegen die Kiitwickelung im obigen Sinne gilt 
Pi« Pu|Kiloleute sind ganz ausgezeichnete Nachbildncr 
fremder Formen. Ih»s zeigen die langen hcllubarden- 
artigen llolzschwert-er mit asiatischem .Vnkliiiig, das zeigt 
ferner folgende Beiucrktiug Parkinsons'*!: „Nachdem 
seit wenigen Jahren europäische F.isengernte auch hier 
eingeführt wurden, worden diusuüien heroits sehr genau 
in llulz nachgeahmt So wurden mir geratle und ge- 
]H»genv BuscbmoK«er aus Holz, ebenso .\xte mit Stiel aus 
tleuiaelben Material aiigelmten. Beide waren den Origi- 
nalen genau nachgeahmt, und auch kleine Details nicht 
vergx'ssfin worden.** 

Ks ist daher nicht erfindlich, warum man an unseren 
Waffen die Haifischzabue durch Scbildkrotzackuu ersetzt 
haben sollte, t*hne die Schimrbefestigung mit zu (iher- 
neliaien. Schon die einfache Nachahmung hätte auf 
diese nicht verzichtet, aber auch die Pauerhafligkeit und 
Haltbarkeit dieser .Art der Befestigung inufste ein Mo- 
ment für ihre Beilndmliuiig sein. Weiterhin K]>racheii 
gegen den ungenonmieiien I^ntwicke!ung^gnng die geringe 
Zahl der Zacken, die grutsen .Ahstäude zwtachcii ihnen 
und ihre immerhin abweichenden Formen, A'ersrhieden- 
heiten, die eine Nachahmungsfühigkeit von der Kraft der 
Pu|K»]okunst nicht hätte anfkommen lassen. 

.Vlies das zusammen legte die Hoffnung nahe, dafs 
sich auch für die Schüdkrotzackeiiwaffen Vorbilder in 
älteren KuHnrkreisen finden wfmieii, wie sie für die 
Ilolzschwerter und für die S|)cer» mit Haifischzähnen 
bereits erkannt waren, und diese Hoffnung scheint mir 



I durch die Enganospeere verwirklicht zu sein. Ich glaub« 
in der That, dafs sie die unmittelbaren Modelle für unsere 
PojMi]i*wuffcri gewesen wind: di« Form der einzelner» 
j Zacke stimmt mit mathematischer Genauigkeit mit der- 
I jeuigen der eiserueu Widerhaken fll>or**in •— erst in wei- 
I terer Eiitwickelung werden |e zwei gegenöborsteheude 
j Za«'ken zu einem einzigen ninndsichelförmigen Stück 
vereinigt — , die .Ausschnitt« des Schafte», in denen die 
Basis der Zacken lagert, die Befestigung in ihnen, die 
vreiten Abstände zwischen ihnen, die Ahsetzung des 
zarkentragendeii Teiles gegen den übrigen Schaft als 
Rust des MittelstQckew an den Kiscni»})eeren, alles das 
wird beim Vergleichen der Kiigatio- und der Po|Kdo- 
wtAck« von der Chereinstimmiing ülierzeugen, 

Fragen wir mm, wie diese riarreinstimmung zu er- 
klären ist, so wird man zuvorderst von einer zufälligen 
Ähnlichkeit aelhstäiidig entKtandener Formen abschen 
können. bU Pt zu unwahrscheiulicfa, dafs zwei verschie- 
dene Stellen so analoge Produkte der Technik selbst 
urrtcr verwandten Maierialbedingungen liefern sollten. 
Eine Ülwrführung von Popolowaffen nach Engano mit 
dort nachfolgender Umbildung widerspräche allen unseren 
Kenntnissen von dem Gange der Völker- und Kultur- 
»tn")mnngcn in Indonesien und der Sfidsee, es bleibt alao 
nur der umgekehrte M’^eg von Erigauo nach Popolo als 
der einzige übrig, den die Speerf<irm genommen liaUen 
kann. 

Pnf» dieser Weg möglich war, unterliegt keinem 
Zwtnful. Modigliani erzählt, daf» vor ungefähr fünfzig 
Jahren biiginesiwcbe Hämller die SyphUi.*« auf Engano 
eingeführt haben sollen*'*); Bastian berichtet, dafs im 
Jahre 1863 auf Kngam» durch liugiiiesen Sklaven ge- 
raubt wurden, und von deren Sprache Wort« in der 
Sprache der niederen Bevölkerung Kitganu» enthalten 
sind, und ferner, dafs Malaien von (’elebes an die Palau 
angetrichmi sind Von den Erfahrungen Parkinsons 
war bereist die Rede. Nach den Untersuchungen von 
Thilenius'*) ist hier)»ei die Wirkung des äquati^rialen 
Gegenstromes in erster Linie zu berücksichtigen . der 
an» der Celebe»soe zum Südrande der Karolinen läuft, 
und aus dem zu Zeiten ungünstigt*r Windverhilthissc 
wehr wohl R«>te nach Süden berausgetriel>en werden 
komiteu, wobei eich an erstmalige zufällige Fahrten 
spätere absichtliche und horechnete al» dauernde Handels- 
verbindungen anschlossen. .Auch die Köstenfahri um 
Xeu-Guinea hemm mag Malaien nach Popolo geführt 
haben, iedenfalls ist die Strecke von Engano nach Popdo, 
wenn auch indirekt und mit Zeitunterhrechiingen, häufig 
thatsächlich xurückgelegt worden. Ik»r Transport von 
Fhiganuspeeren nach Popdo rückt daher ohne weiteres 
in den Bereich der Möglichkeit. Halten wir es nun zwar 
für ausgemacht, dafs Spt>ore von Engano die Vorbilder 
für di« Si’hildkrotznckenwaffen der l’opidoleub- abgegeben 
bal>en, so bleibt noch die Frage offen, <»b das zur Zeit 
der Steinpericxle Engano» der Fall gewesen ist oder nach 
der Kinfülirung de» Eisens. Wir haben gehört, dafs an 
den Engattosjtceren erst in jüngerer Zeit das Eisen ihr 
ur-prüngliebes primitives Material verdrängt bat Es 
wäre denkbar, dafs alle Knganospeert« nach Po|K)io ge- 
kommen sind, und dafs wir in den Waffen dieser Insel 
die Form der ersteren im Original oder iiachgeahmt 
wiederfinden. Es bleibt dann sogar unix'uummen, 
Parkinson beiznpflichten wenn er sagt •'): „Pie Miilty- 



•) Intern. Arch. f. Fthnour., IW. P. 8. lS»ä. 

'•) «lobas, Bd. 7H. H. 73. 

*') Anfhistiiobaf^nversaimiilung in Piitwek isa7. 
*') Intern. An*li. f. Ktlinngr., IW. H. S. 'iini. 

‘^> KlK-iWa, B(l. fl. K. 

'*) Olobus. loc. eit. 



•P \4>r. eil.. R I*>». 

I '") Iss*, eil., S. i:tl. 

„Kthiingniphische I*w*udonior|tho)ieii in diT >«ii«l<»*»**. 
I tilobus 81, Nr. 8, und .Kthnoitrapliisehe Krcebtiiss»- mi' M*»- 
lnnesi**ii*. Nova Acta, Abh. d. Kais. Carol. Halle 

I •") Olobiis, b*r. eit-, S. 78, 



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30 



K. Ilcirtuami: l>t» Schelh'ii «1er llcrdviitieri'. 



und Durourleut« gebüreu unxweifeUiart dem tnaUio* 
}H>lYnei*iMcben Stamme an und K^^böron möglicborweiae 
zu den ui>)>rünglicbt‘a »»iatUcben AuHUiiiidereni. weiche 
nach Oaten vordringend nich hier niederlietaen und mit 
den inoiAuei«ii!icbi‘ii Nachbnni nieninlM iu VerlMiidutig 
traten.“ 

Oder aber man nimmt an, dat?* KiiganoM|>cer(? vou 
der hier beschriebenen Art, alm» Stücke der — jungen — 
Kiseuzeit, nncb I'o{>ulo Ter^rhlejipt und toii de^Heii Kin* 
gelmreiien im >Uterial ihre.« Iniiides uiüglichat getreu 
nachgeahmt worden nind. In die.Hom Falle hftUeii wir 
einen iiitereaaanten Kreislauf de» Materiales; AufKngani» 
sin<l l^inzen^pitzeii aus Knochen und Zähnen «»rigiiiell. 
diu Kinfuhr des Kiseiis bedingt ihre Her»lelluiig mit dem 
neuen MetAll unter Heibehnltung der Form, die neuen 



S|teere kummeu dann zu Menschen, die n«.Krh in der 
Steinzeit leben und das ihnen unerreichbare Kisen elien- 
falls unter Beibehaltung der Form wieder durch die 
ur«prilnglichen Stoffe ersetzen und so ganz oder annähernd 
ZU den Ausgangsivpen zurückkehren. I>te Besiedelung 
iVpolos bat dann ebenso gut wie von Westen her, durch 
den äquatorialen (i<>genstrum (Thileniiis) ron Osten hur, 
von den (iilbertinseln etwa, erfolgen können, und die 
inalaiiNclieii VorbiMer der Wafien mögen durch s|iätere 
zufällige und uufruiwillige Besucher aus der CelebosKee 
nach Popolo gekommen sein. Welcher der beiden Mmli 
! den Thataacbeii entspricht, mufs vorläufig unentschieden 
I bleiben. Vielleicht wird die Frage später sehr einfach 
durch Funde von eisenien S|>eeren oder einzelnen eisernen 
! Widerhaken auf Popolu gelöst worden. 



Die Schellen der Herdentiere. 



Von K. Hör mann. Nrtrnberg. 



Fin Turausgegnngener Artikel liesehäftigie sich mit 
den hölz4U*ncu üeriiteii, welche unter dem Namen von 
Schuliunbögen, -bfigeln. Kaufen. Kämfcii in Mitbddeutsrb* 
iaud und den deutsch l>esiedeltcu Älpenlnnderu zuui 
Teil noch in Gehratich sind und in noch nicht featge- 
stellten Formen auch tn uutserdeutscheu Landern ueln'n 
den oder anstatt der im allgemeinen häufigeren Leder* 
riemen l>eiiutzt werden, um den Tieren während des 
Sommors auf der Weide Schellen anziilegon. 

I>en Namen „Schelle“ führen mindestens dreierlei 
verschiedene Instrumente, von denen nur eins aus.scbliefs* 
lieh als Viehschelle für weidende Tiere verwentlc! winl, 
wühroml die anderen beiden in der Hauptsarfae anderen 
/wecken dienen. Das Folgende wird sich daher auf die 
eigentlichen Vtehscbellen beschränken und die anderen 
nur einrähucn, um die riiterschiwle festzustellen. 

Das allgemeinste und bestbekaiiiit«' lustruuieui ist 
die Glocke. Ihr baupUächlicbetes Bestimiinmgsmerk* 
mul ist die Herstellung durch Guts. Die fürs Vieh 
bestimmten Glocken buben nnscheinend tratlitionell ent- 
weder einen elliptiscbcn oder einen rechteckigen tjuer* 
schnitt, was auch an den bis jetzt bekannten autikeu 
Bronzegluckeu zu beobachten ist. l>as andere Instru- 
ment ist die kugelig-runde Schelle, wie sie Z. B. an 
Narrenkappen oder als Schellengeläute am Pferdegeschirr 
üblich ist. Sie giebt den meisten Anlafs zu Irrtiimern, 
denn sie ist ohne allgemein bekannten Namen. Vjf 
cnipfichlt sich daher, die diaicktischo Bezeichnung 
«Bollern“ zu verallgemeinern, unter welcliem sie bei 
den mittelfrAnkis4 ben Bauern bekannt sind M. Das 
dritte Insü'umeni, die eigentliche Viobsclielle, trägt 
fa»t slet.s nur das Weidevieb, nnd gelegentlich tnigen 
auch die Karawanen fuhrembm Tiere, die xogen. Weg- 
weiser. Schellen in Ländern, wo Schellen üblich sind. 
Doch hat nmii dazu häufiger Glt>cken von liesiiinmter 
Form. 

Die Schellen sind ülkerall von gleicher llerstellungs- 
ui't, die sie cben«u sehr von den Boilern als von den 
tilockcn uiiter'>cheidet. Das Mat«>rial ist entweder Kisen 
4»der Kiseii-, .'fi*s8iiig-, Ktipfer • Blee li. Bronzcschelloii 

') Orimms lil•ut>«ehuH WörtL-rbueb kennt «itu* nlicriicuischo 
Ito^cichnung .Bolle*, weiche vielleicht auf liie Hor*ti-lhings- 
weisc HDspiep , ab**r zu vi^lOcutig ist, um sHchdioitiich zu 
«ein. Her N'nnie Bolteni. ü»s (ieklapper der lii«Lniinente 
keimteirhucnd . ist daher xorzaziehen. (ianx zu verwerfeti 
ist die he/eifhnuiig nitndn* in Mevet» KoiixersaTions- 
Lexikoii unter ,S<*he||e*. 



sind bis jetzt noch nicht ziiiii Vorschein gekoiumeu, was 
so benannt wird, bat sich immer als GliH’ke, d. h. als 
gegossen herausgestelll. Die Schellen werden vielleicht 
überall in ländlichen Kleinltetrieben bergestellt. Der in 
doppelter Höbe der gewünschten Schelle zugesehnittene 
Blechstreifen wird in der Mitte abgehogeti, gefalzt, der 
Falz bildet den Kücken. Die Seiten sind hei den eisernen 
Schellen verschweifst , bei den Kisenblecbschellen ver- 
nietet. F.M giebt auch auf amleru Art hergestellte schcl- 
Icnartige Instrumente, die an Ort und Stelle meist einen 
eigenen Namen haben, der sie von den Schellen unter- 
scheidet. Solche Namen sollten jederzeit beibebalteii 
werden. 

.Mle hia jetzt bekannten Schellenarten sind auf zwei 
/uschnittfonnen des Metall- oder Biechstreifens vor der 
Verarbeitung zurückzuführen. Typus I giebt glocken- 
förmige, d. b. von oben nach unten weiter werdende 
Schellen. Typus II bildet Schellen, die vou oben nach 
unten enger werden. .Schlauchartige, 

H d. h. von oben nach unten gleich weite 
Schellen sind bi«ber nur in einer Art 
(a. die t'bergangsform der Tabelle) be- 
kannt, welche zur Aufstellung eines l>o- 
sonderen Typus nicht berechtigt. Jeder 
Typ». I. Typus kann in dreierlei G att u u gen ’^>***** '*• 
Vorkommen , welche durch das Ver- 
hältni-s der Hübe zum breitesten Durchmesser bestiiumt 
wenleii; a) nivdriger als breit; h) ebenso hoch als 
breit; c) höher als breit. f)ie Gattungen unter- 
scheiden sich in lokale .Arten, und diese umfassen 
Schellen der vor.-tchiedensten Grüfsen. Di« Gröfse «ler 
Sdiellen ist für die Bestimmung unwcMentlic-li. ln den 
iiHchfulgciidcn Tabellen ist zuin besseren Vergleich der 
Gattun§^iinterschiede für alle darge«te)lteu S'bellcii ein 
breitester Durebmnsser von durchweg gleicher Breite zu 
Grunde gelegt und danach das Ibihcriverhällnis jeder 
.Schelle koiislniiert. 

IH« Kinzelbestandteile der Scbi-Ileii haben ebonfalls 
Wert für die rntersiicbung, da sie Vergleichsnicrkmalu 
bieten. So ist beispielsweise der Klöp|>el nicht immer 
din'kt, sondern mitunter vermittelst einer Lederscbleife 
im Innern iler Subellc liefestigt. Zuweilen ist der Klöp- 
p4*I ein glattes, unten etwa 1 qcm dickes Eisenstäbchen, 
andere Male ein nagcläbnlicbcr Stift mit Hngc‘*chmied<^ 
tem Knopf u. dgl. Die Schelle wir«! dem Tiere so iim- 
gehängt, dafs d»*r Klöppel beim .Anschlägen stet.« nach 
den zwei sich uäcli-( gegeuülH'rstehendcii *si lielleiirHiidern. 




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K. llürniutiti; IMr Schollou ili-r ÜHr«l€!iiti<4re. 



Sl 



iiHcb dt*r Si'biimlacbMf der Schelle, 8chwin>ft. Itenondere 
venlieiit der üalgeii, d. h. die Aiibüiij^e- 
schleife. An der die Schtdle Kr it«t tit der Hegel 

durch iien Unckeii der Schelle ge»to[t«en. der fiufsere 
(tulgen trägt die Schelle, der innere den Klöp}sel. Murieb' 
mul int der äiifMore Galgen auFgenietet; HiifAprer und 
innen^r Galgen sind danr> zwei getreuiite Teile. 

In der Hegel int der (ralgen in der Kängenachne de» 
ScbelleurQckeiin eiugewtzt. dal>ei mutn die Schelle no he< 
Fertigt nein, dat'« nie nach der Querachse nchwiiigeii und 
anschlageu kann. liet der livlAndiacheu Schelle ist dien 
dadurch erreicht, dafs der Galgen <|uer zur Lüngenachse 
de» Hückeu» gestellt int. I>en WechneluK in dieser Hin- 
»icht henondei*« vcnhlchtig sind die nur »ufgenietettrn 
(tnlgen. l>er (lulgen int entweder aus einem glatten 
Kinenntift (u) oder aus einem Kiscuband geluigen, das 
l»eiin HAcken und im Innern der Schelle in die stiftfonu 



b 



ülnrgeht (Abi). ()). Heble Miiterialieii koumicn srhun 
I)ei den antiken Schellen der Saalhurg tiHheueiimnder Tor. 

Hie GeHtalt den äutnereu (ialgctie richtet sich nach 
der Hefentigungsart und nach dem .Material, au welchem 
die Schelle getragen wird. Hin jetzt sind viererlei For> 
tuen äufecrer (ialgeii hckaniit, aber die dazu gehürende 
Tragart i»t nicht von jeder bestimmt ermittelt. Halb- 
runde Galgen, kurz, sind Üblich, wenn ilia Schelle au 
einem Holz- oder Kinenstah wler au einem Ring getragen 
wird; langgestreckt und Rach, wenn sie an einem Hieineii 
«ider ähnlichem flachbreiteii Gegeustand gleitet oder der 
Galgen durch einen Schlitz des Kietumts ge.«teckt und 
mit uutergelegtein Lederpolstcr am Hieiueii festgenäht 
ist. .So Ußfeatigte Schellen sind nicht ahuehmbur. 
Hachfursuige Galgen werden an Ilolzstegen oder 
Kisenstäl)on getragen. Rechteckige Galgen sind 1 h*! 
Glocken bAuHg, kommen aber auch l>ei Schallen vor; 
sie sind wahrscheinlich nur für Hietncn bestimmt. Kreia- 
ruiidu Galgen aiiul mir bei Glocken bekannt, xiu 
wenlen durch einen Schlitz ini Riemen gesteckt, ein 
«jucrgelegter Kiscustift verhindert da» Hurehgleiteu. 
.\utserdein gieht e» noch den aus einem der vorigen, 
wahrscheinlich dein rechteckigen, uutetundenen ge- 
knickten Galgen — »iehe Thüringer und Jura-Schulleii 
— , der an zwei l.,ederstrupfi‘n hangt. 

K» ist einleuchtend, dafs die Kenntnis der Gestalt 
des äufseren Galgens erlaubt, die Tragweise, falls sie 
überhaupt mit Sicherheit ermittelt ist, auch diimt zu 
hesiiiinnen, wenn da» Traggerftt, der Schellenrieiuen oder 
Schelleiihogen u.s.w., aelbst fehlt. Tnd das winl immer 
der Kall sein hei Schellen aus früheren Zeit^ieriodeu. die 
z. H. hei Ausgrabungen gefunden werden. .\uf diese 
.\rt kann man selbst vorgeschichtliche Trugweisun und 
Truggvräte mit ziemlicher Sicherheit rekonstruieren, über 
w'elche man ohne dieses nie etwas erfahren würde. IHe 
derzeit noch mangelhafte Keiiutni» de» einschlägigen 
.Materials macht allerdings Xunlckhaltung hei solcher 
indirekten HeweiNfUbrung zur Pflicht, deuti die , Schel- 
lenkunde'* ist erst im Kiitstehen begriffen, /u den bis- 
her auf diesem Gehiett* und auf dem der Trtiggcrate- 
Uiitersuchungen erzielten Kesultaten hat eine grofseZabi 
von Behörden und .Mitarhoitern in verschiedenen I.äodem 
Kuropas in dankenswertester Weise heigetragen und 
werden der Sache hoReutlirh auch fcriierhiu ihre riiter- 
stützung gewahren. 



Bis jetzt sind Sobelleu von folgender Herkunft be- 
kannt; antike Schellon von der Ausgrabung bei der 
Saalbnrg, welche als römische« Kastell unil Niederlassung 
wahrend der Jahre 70 bis 203 n. (*hr. bei Homburg vor 
<ler Höhe bestand. Krfihhistoriscbe oder mittel- 
j alterliche Schellen aus MUtelfrankeii , gefunden bei 
; Ausgnibutigcti. Neuzeitliche Schellen au» Skaiidi« 
navien, Livland, Thüringen, Bayern, dem Schwarzwald, 
der Schweiz, den Pyrenäen. Bosnien, <M- und West- 
afrika. Schellenfurmigu Instrumente birgt .Afrika in 
grofscr Zahl. Hie Verteilung der Schellenarten nach 
Gattung und Typus ergieht sich aus der ZuHammeustellung 
auf Seite .32 und 33 (s. die beiden umstehenden Ta- 
bellen). 

Wie hierauN ersichtlich, ist der Typus 1 seit dem 
Altertum vertreten, wÄlirend der Typus II bi» jetzt mir 
an neuzeitlichen .\rten Itekannt i»t. Krsterer ist nach 
der gegenwärtigen Kenutiii» auf die nördlichen, letz- 
tci'er auf die südlichen Arten ix'schränkt. IHe Jura- 
schellen gehören beiden Typen an und vermitteln auch 
in einer bc»H)ndercn Ühergang»form zwischen beiden. 

Hie antiken und die ufrikauisehen Scbelleu sind von 
Schmiedeeisen, alle anderen von Blech. Was das Vor- 
hältni» der Höhe zur Breite unhelangt, mi ist die 
Gattung (I in Kuropa nur für das Altertum und «lie 
frübhistorischo Zeit konstatioi’t; die Hudeutung der afri- 
kanischen -\rten, welche eluuifalls hierher gehören, für 
europäische Vergleiche lafst »ich nicht erkennen. Hie 
Gattung h, ebenso hoch als breit, schliefst bislang nur 
neuzeitlich europäische Schellen in sirh. wobei e» un- 
entschieden bleil>eii uiuls, wie weit nach rückwärts der 
Ih'griff ^neuzeitlich'* auszudehnen ist. Hie Gattung c 
ist dauernd, seit der Romorzint, iu Mitteldeutschland 
heimisch. Hie verMchiedene« Arten der Gattuug zeigen, 
dat» wühi'cud diese» Zeiträume» verschiedene .Änderungen 
an ihr vor »ich gegangen sind. Hmge, die ulten .\rten, 
haben rechteckige Galgen, eine Form, welche eine an- 
dere als die bis zur Gegenwart an zwei Letlcmirupfen 
übliche Tragart und der geknirkto Galgen vorau»»eizt. 

Ks hat also einstmals eine .Änderung der Tragweise und 
infolge dessen auch de» Traggeräte» in Mittcldeiitechland 
atattgefumieu, wie dies In dem .\i'iikel „Her S^'hellen- 
bogeu“ 1 mm der l’ntersuchung der Holzbögeu als wahr- 
scheinlich angenommen wurde. Inwieweit beide Vor- 
gänge gleichzeitig waren, und oh die Änderung der 
Geräte nicht einen Schellenwechnel überhaupt, von Gat- 
tung la zu Ic, zur VeraulaKsuug hat, ist fraglich. 

Hio Chereinstimmuiig der Harz-Thüringer Schelleuart 
mit den Juraart<Mi ist augenscheinlicher als diejenige det- 
HoIz)»ogcngeräte in lM»iden Gebieten. Wähi'eiid aber Thü- 
ringen nur eine Scbellenart, und zwar von gleicher Form 
wie die antike besitzt. gieh( es im Fränkischen Jura 
dreierlei Arhui , von denen nur eine dem antiken und 
niedlichen Typus I angehört, während die Widen an- 
deren «lern südlichen Typu» II hitmeigen und zngebOren. 

Hie Jurasclielleu lassen demnach in interessanter Weise 
I einen starken südlichen hlinfluf» erkennen, der auch an 
. den Iiolzl)ög^« >tu Jura nachzuweisen war. Ihe Unter- 
suchung der Si'helIeD bestätigt also die Ki^ehniHse der 
Schelleiibogeu-rnterauchuug. 

.Anstelle de» antiken ScbniiedeeiHens wurde in histo- 
rischer Zeit gewalzte» Kiseiiblech zur Schelienfabrikutioii 
verwendet, welches man schon iin Mittelalter mit einem 
andersmetalligen, kupfernen oder luessingenen Fl)ei'ziur 
zu hediwken verstand, der durch ein primitive», alter- 
tümliche» Verfuhren erzielt winl. Fast alle deiitsrheii 
Schellen und die livländiscbe Art halMui <liescii Fberzug. 

K» ist bisher littorari-rh unhekamit . dut» die Technik, 

Kisen mit nudercii iiiiedleu Metnllrii zu nlHT/ieheii, »choii 

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32 



K. Ilnrmttiin: I>ir Schollen der Herdentiere. 



Von oben nach iintoii ^locrkeDförmifc weiter nerdende Sehollen. 



Typ UH 1. 



Gattung 


Itls jetzt b*>kanute Arten 


Vonlero 

Ansicht 


Seitliche 

Atwichl 


l’nterer 

Selielleiil-fiml 


Galgen 


a« 


1. Antike EisenscUelle von der Saattiurg, inhgeteilt 
durch Kgl. Reg.' Baumeister H. Joeobi. Mit )>eitlicbpn 
Hchweirsnahteri. 










2. Trühgearhichtlirhe Schelle, gefunden liei einer Aus* 
grahung am Lindenbttht (Uertibrack). An den Heilen 
vernietet. Ber Galgen hat die Bandfonn. 


i 

m 


1 


1 


A IlHIlil ') 




1. Hkandinavische Schelle; nach einer Pkotogra]ihie 
vom NordUka Muse<‘t in Stockholm. Galgen auf- 
genietet. An den Seiten vernietet. 


1 




1 1 

1 1 






2. LivlAndiache Schelle. An den Seiten vernietet. Stark 
viTmemüngt. IVr (ialgen bai die Bandfonu , »lebt 
aber i|Uer zum Schellenrhcken. 


A 

1 

1 


1 


- 


A » 




1. .Antike KiAea^chelle von der Saalburg, mitgeteilt 
durch Königl. Reg Baumeister H. Jacotri. Mit seit* 
liehen Sehweirsnähten. 


1 


1 


1 

1 • 


**?' Slift 


e» 


2. Krühgeschirhiliche oder mitudalterliche Schelle, ge- 
funden bei einer Ausgrabung in der Knhlneh (Nürn 
1 lierg). An ileii Seiten vomietet. Verkupfert. i 


1 

1 


I 


1 

1 


^ Stifl 




Ji. Thüringer Schelle. .\n den Seiu-ii vemiutul. V«r 
iiiessingt. 


M 


i 


' • 


^ Stift 




4 . Jiiraaehelle aus dem Fränkischen Jura (Kordbayerii). 
An den Sciteu veruiele». Venm-ssiniri (ruwcileti ver- 
kiipfeiil- Jetzt fast ganz aufser Gebraiieh. 


1 


1 


• 


Sliri 




rbprKang.Hforni zwiseheii 


Typus 1 und 


II. 






c. 


4. Jurasehelle aus dem Fränkischen Jura (Nordlnvern). 
.Au den Seiten vernietet. VerineMingt (zuweilen 
verkupfert ). 


1 1 


1 


1 

• 


Stift 



im Mittttldher mler noch früher in Ihmticlilaud Aiiweu* 
duuK fnnd. Verkupfern von Kinen und Stahl iui ande- 
rem Zweck, z. H. ul» VorhereituuK zum Verkühlen ist 
seit IÜU3 hekiuint. Dah Venuessinjten aber soll erst 
1S41 in Kn^land erfunden worden »ein. Kh wäre wichtig, 
zu erfahren, i>h auch in anderen Landern das Veruiessin^u 
der Schellen seit nlter Zeit fiblirb ist. 

hls kann mir Zufall »ein, dafs bis jetzt keine anderen 
als neiizeitlichu Schellen vom Typus II bekannt sind, die 
alle deo> Süden anjfebören; denn diu .\rten der Gat- 
tung 11b zeigen eine ebeuso nahe Verwandtschaft unter 
sich wie die Arten der Gattung le, die sich 17 bis 13 
Jahrhunderte zurückTerfolgeu lassen. 

Man wird vieUeicht daran zweifeln, ob die Merkmale 
fler Arten so konstant sind, dafs sie Schlüsse für die 
Veriipuigenheit erlauben. Von kleinen Schwankungen 
abgusebuu, ist jedueh die Herstelluug dieser so plump 
HUsseheiideii lustrumente eine sehr sorgfältige uud war 
es auch früher schon. An der kleinsten bokuiiuteu 
Schelle z. II., aus frühgeschichtlicher Zeit Htammend. 
32 uiiii h<u'h. sind die Merkmale der Form, des Galgens, 



des Klöp|>els exakt zum Ansdrnok gebracht. Von der 
Sehellenforschnng sind daher wichtige Aufschlüsse zu 
urwartun, wenn erst reichlicheres Material vorharideu 
sein wird. Wie schon jetzt die ethmigraphischLMi Ver- 
schiebungen und Verhaltiiissu einer fernen Vergtingon- 
beit für einzelne Teile I>eutschlamls in den Soludlontrag- 
geHtellmi und den Schellen wiedererkaimt werden konnten, 
so dürft« die Sehelleiiforscbuug auch für aufaerdeutsebu 
lüiider nicht ergebnislos bleiben. LeidiT sind in vielen 
Uegeudeu, selbst auf der in alten (Tehrftncheii so kon- 
servativen Halkanhalbinset z. 11., mehr noch in Spanien, 
Frankreich. Holland und den nünlUchen Ländern die 
Geräte nebst den Schellen schon sehr selten geworden. 
o<ler überhaupt uur uoch bei alten Leuten zu erfragen. 
M<'>rhU' daher das Sammelu von Tbatsachen und Kr- 
kundigungeii bald und energi>eh in .\ngriQ geiiouiinen 
werdeu! 



') Nach ib'i) Ab)Ml<liiri<,'«Mi in .IncoUi , l>a« Rtiiiierknsiell 
Snnllinrg. Tnf. XXXVl, Kr. 1 uim) Nr. 'J. lieHiuen die antiken 
Sehelleitarteii ilieH,‘r UiiflUltg zweierlei Onlgeiiforuieü. 

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Bächorschau. 



23 



Von oIm'o nAf'h iintou fn^^er w«rdf>nile HcliHloii. 

TypuH II. 



Gattung Bis jetzt bekannt« Arten 

y 


Vonlere 

Ansicht 


! Seitliche rnterer 

Anaieht Kchellenrand 


i 

Galgen 

1 


[ Jumschelle aus dem Krhnkischen Jura (Nonlbayern). 

^ An den Heiten vernietet. Vernu'iBitigt («nwcilen 

1 ; verkupfert). 


W 




1 


' 1. Allgäuer St'helle. An den Keilen vernietet. Ver- 
measingt. 


m 


' » 1 - 

t 


1 

! Baud 


a. Schwarrwaldsrltelle. Nach der Abbildung: Klgiir 93, 
„Alte Kuhglocke* (richtiger -schelle) in Lndw. NVii- 
raann. l>er Hi'hwarzwald. Der innere Galgen ist 
nicht ersichtlich. 


1 

• 

1 


\ 

• , - 


1 

1 

Hand 


h. i rt. Sebweizor Ki-helle (Treichel). Nach Zeichnungen 

1 von J.Aegler, Lehrer in Wohlan, Kanton Bern. Der 

innere Galgen ist nicht ersichtlich. 


# 


• 1 - 


^ ? 

1 


4. Pyrenftenschelle. Nach einer vorläudgen Mitteilung 
von Dr. I». Laloy-Bordwiiix. Von Kupfer. 


o 


» ! f 

1 




' A. IhMnische Schelle. Mitgeieilt von D. (’iro Truhelka 
' (Sarajewo). Der Galgen ist niifgenietet. 


■ 1 


• 1 - 


( ■ Band 


‘ Kammersteiner Hi-helle (Mitteifranken). An den Seiten 
vomiotet. 


m 


1 1 - 


1 Ghu« Galgen 


.\frikani«che St'hellen aus der Sammlung des v«r- 
^ stiorbenen LeiMiiniits Siadelhauer, initgeieUi durch 

Alois Keiler u. Komp. (München). An ilen Seiten 
S4-hweifsnähle. 


1 

i 

m \ 


1 

• 1 ♦ 


tihne Galgen 



Bficherschau. 



Carl Pelnri«: Im <!*•!• Aiti^rtuniit. Kum’Iiuiijr**» 

xwiiH*h»*n SMiubeni und Sahi. XVI und 4 uh SHiiHii, eiwa 
loti Aldiildun^ren und xw**! Kanen. München. J. K. l«eh- 
nmnn. lIMcj. Fnds 14 Mk. 

I>r. Karl Petent' Huch nlier ftcinc beiden ȟdiMtAfrikaiii* 
Hclien Keinen liegt mm endlich in einer engliHidieii und deui- 
»rlien Au'igabe vur; du« ttrigiiiul wheiMt ln eMgli»cher Spruche 
gpschrieltcn. und die deutsche Ain«gal>e eine nicht vnn Peter« 
«elliKt lN>M>rgte riM*ntei7ung iIhvoii xii sein. Oer Inhalt ist 
bunt und uird vor allem den Geographen enttäuitchen. Zu- 
näclixt U'enlen KejMeerletmiMe mitgeteilt, wobei die lieiden 
rnliTtodmiungen von 1HO0 und 19nl xuaauunengeworfen «ind; 
dann kommen die lieiden Kapitel übt*r die Ophir- und die 
Piintfrage. und hierauf fcdgeii »irder Keiiiexkizxeu und 
Bchliel'itlich wirtxehaftxgeogrnphiwhe Kr«»rterungen und Mit- 
teilungen. V«*n den Karten i«! die eine die lielixlext'he. «lie 
Peter« wh*m IttB.'» veri)flentliclii hatte, und auf deren Tr- 
«prung er in/wUchen mui S. Kuge nufmerk.Hani gemacht wur- 
den i«tt di« andere ist ein dürftigen Clier«>ic1it«biatr. das nicht ein- 
mal für die liektüre des Buches ausivicht. Wir btHlaueni es. 
dalV Peter« es nicht für niitig gehalten hat mler nicht im 
Ntande gewesen ist. «einelhniten aufzunehmen; denn sie ver- 
laufen zw-inchen Samliesi und l'uitali in einem nur wenig 
isler gar nicht bekannten Gebiet. Bie illustrative AuoxtMl- 
tung «teht auf einem whr nieilrigen N'iv<*au. denn die zahl- 
losen llarstellungeu von Jagd-, ^'i«e- und I.agei-ozeiien sind 
nlicnfallx nur für ein <jUHnnnerle«eptiblikuni vun Intereaae. 
Abbildungen von den durch Peter« aufgefundenen Ktiiiien 



fehlen faxt ganz, und die wirklich bmnchlmren nrcUrodogischeii 
lllUHtmtiinien \r.. K. SimlMibvel lieireffen Gebiete, in die 
Peter« gar nicht gekommen ist. llreimal wird IVter«* Pov- 

i trät geb«rteu. Da« Huch ist übrigens im landläutigen Sinne 
ganz interesBAUt, und das vuUstkndig uuabhüngigo rrteil ile« 
Verfn-wa-rs über KlKaJcsien und die portugiesischen Besitxungen 
cixdieint uu» ItRachteiiMWerl. 

Her Befcrrnt kann «ich mit Rücksicht auf den Raum 
hier nur mit den Arc1utob>gi>M.dien Teilen de« Werke« le-schaf- 
tigen. die wohl auch nach Peter«* Ansicht die wichtigsten 
sind. Peters' Kntdeckungcn auf diesem (»ebieie sind verhiili- 
nUuiäfsig dürftig: «r hat die Puraruinen. die offenlMii- viel 
älter als die von Sinilmbve sind, und die anscheinend antiken 
Kupferminen bei Meleetter anfgefiinden , da« ist hu ziemlich 
alle«, und «) entfällt die Hanpuhätigkeit Peters’ zur Atif- 
klärniig nrrhäob»giwh-geschichllic|ier Kragen auf <lie Arla-it 
am Kiudierilwh. ilie er doch «o nlwprechend Nmrteih. Wir 
erkennen heute an. dal« Peters «ich um die lä'eiuiig der 
Ophirfmge Verilienste erworlien hat. J>er Referent Ui mit 
P••te^>* eler Ansicht, ilaf« .ie*le Thwwie, die Ophir anderwärt.« 
als in Küdostafrik» «ucht. nicht mehr zu halten ist. und er 
glaubt auch mit Peter«, dal« die von Schweinfurth »l*et**r- 
niHiins Mittoilungeii I90'J. Liit.-Ber. Nr. acceptieiie Mei- 
nung Kinne«, ttphir sei nicht diettold pnsduziereiiile. «ondcrn 
die Oobl Verteilende Htelle und lüge an der «riiiarabi-M'heti 
Kn«ti>, eine ganz unnötige Koniplizierung d(>« itphirpivdilenix 
bedeutet und an« gewicjitigen Oründen alxzuweisen ist. lüe 
Juden waren nicht in der l^ge, atdchc Schätz«, wie ai« &>a- 



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34 



Büchur8ch»ii. 



loni» <)urvh w*iu(‘ un<( iliraiuH <»rhi«U. iri I»di»*n «.Kl(fr 

SnilHnibi«'ii zu kniif»*n ««1»^ mil (t»-ti,-aU zu nHhm»'ii. IVt«’rii 
hat «le«ball) rwlit , wenn er ln•‘iMt, mun müitii** »ich iiarli 
••itieni t>UKtunp<fäbigen uunM-beu. bnvi>r mau 

••ntiM'heideniie SehUW-e zur 0|»hirfni;fe ziehen «liirfe, und ein 
Mdi'beM Miuenvrf'biet Uge elH'ii nur in SiiiloMafrikn. Kr hm 
(Inriii Ml »ehr recht, daf-» wir l•tylm>l«l|;i«•chet 1 und 

Hthn<>ifra|>hiM'hen ,Bew»*i-.mittcl* ali K|delerfi«*n nicht weiter 
211 beriihmi hraurbeu un<l «ic glatt atdehnen kimnen. Sprä- 
chet» wir v»»n einem Vi*rdien>it l’«*t«rs’, ao dürfen wir niider- 
üeita nicht verg«>««eii, daft nicht er dn» entM.’hi’idcndH Material 
zuKiinuncngeliracht bat. sundern dafi) dnii durch Schlichter, 
llcnt. \Vil|i»ughhy, Hall und N«'nl gewnniM'U worlcn i*i. Sa- 
nieritlich niiid c'« Hall und Ncai. «Iii> uii« in ihrem urischätz- 
Imnui Huche (.Tin* Atictcni ItuiiH nf Uhixh'^ia' , l^ondon 
ernt eine rechte Vorstellung von dem uni^eheiireii I'in- 
faii^ und der enlrückenden Retclthaltigkeii des «iidir*i»fri- 
kaiiischen Ruiiit‘ngebiet*i vermittelt balieti, und nnf diesiT 
Veröffentlichung konnte l’eten* l»ereii« fufsen. Ikigegen 
«cheiut da^ Keanesche Buch („The Gold «>f Ophir''. London 
tüut) ihm teilweiii« da.i Konzept verilorlnm zu ha)>en; denn 
er erkennt gelegentlich an. daf« utyiiiologiiiche und philo- 
l«^i«che Ik'weismittcl ziemlich nulwü^ächlich wären, schätzt 
«ie atH*r ihntaächlieh m.‘hr hoch ein. Im Ihinzip mag die 
Ophirfnig« nun vielleicht gelimt sein, wichtige Nel>enfrag«n 
hleihen aber noch dunkel- So die Ir'nige, oh «s sich in Mn* 
nika, Inyanga, Maschona u. s. w. unt ein a!t«emiti»ches Sie- 
delungs- und KnhiniHatiouagt'hiet, oder ala-r nur um ein Ans- 
boutungsgebiet handelt, l'eters scheint aji ein Kolonisations- 
gehiet nicht zu glauben ; allem di« grofse Zahl der Ihtuw erke, 
die nicht der Minenarbeit und ihrem Schutz godient hab«m 
können (die Terrassen' und Tompidaulagen) . widerspricht 
doch dies«7r Aimahuie- Dunkel ist auch das Alter der klte- 
sten Roste. Dr. Schlichter hat für den Bau des Tempels in 
Simbabye das Jahr 1100 lierausgerechnetj alier e* giebt 
offenbar viel ältere, primitivere Bauwerke, und die Kidoni- 
satioD reicht jedenfalls bis tief in zweite Jahrtausend zurück. 
Hall und Neal (a. a. 0., S. 23 und eoust) meinen, dafs we- 
nigstens zwei (1er Bauwerk« um 2000 v.t'hr. entstanden sein 

lUU9»eU. 

ln einem nur kurzen Kapitel behandelt Peters die Punt- 
frage. Ägyptische Verbindungen mit Hüdostafrika sind »chon 
vor Peters und auch V(»r Brngsch vermutet worden, (lewlsae 
Figuren, z. B. die öfter, zuletzt bei Hall und Soal H. 142 
und 144 abgebüdotcu Vogelbildcr aus Seifenstein, wurden 
als „ilgyptiscii” Hngespruchuii, der Missionar C'rawfonl wollte 
s<ignr Vor ein paur Jahrou zwischen Tanganika und Lunpulu 
eine ägy|>Usche Hphinz entdeckt haben! Solclie Anklänge 
lioskAgen als^r nicht viel, denn die semitische Kunst, vi»r 
allem die nicht sehr Bchöpferische phonizisch«, ist gerade um 
die Zeit der grofsen Punifabrt (um 1500) von der .ägyptischen 
stark boointlurst gewesen. Peters folgt in der Puntfrage der 
hier nicht sehr sicheren Führung l>r. Kduard Glasers. Da- 
nach sei Punl für die Ägypter der ganze, über die Küsten 
des Indischen Ozoans reichend» Kultur- und Kindufskreis der 
SemiUMi geweson, nicht nur die sQdlichon Küsb-n des Roten 
Meeres «slcr die Küsten des Uolfs von Ad»n. deshalb hätten 
sich auch nicht notwendigerweise alle die in den Imwbrifteri 
erwähnten ägyptischen Puntfahrten nach ein und dein.<*ellK'U 
Gebiet zu richten brauchen. Jedenfalls könne die unter 
der Königin llatachepsut untemominene Puntfahrt — mit 
dieser Iwschäftigt sich Peters — nur nach Küdostafrika ge- 
gangen sein. iVlf'rs legt seiner Beweisführung die Inschriften 
utnl bildlichen Darstiellungeu im Tempel Ih-ir-el-Bahri bei 
Theben nach der Brugschschen Ül»ertrnguug und Kriäutening 
zu Gruinle und fuhrt etwa folgendes aus: Nur in Smlost- 
afrika könnten so viel Gold, Kupfer und Kdelsteine vorhanden 
und erreichbar gewesen aoin, als die Puntfahrer heiuigi-bracht 
hätten; in dem fraglichen Gebiet ent<leckt4> Biischiitanus- 
ZL-ichmmgen älinelten ägypGschen. die Bewohner jener Pont- 
gegond hätten also mit den Ägyptern in Verbindung ge- 
standen, von ihnen gelernt ; die Hottentotten seien jedenfalls 
Bastarde aus Ägyptern und Bu«chuiunuum , und die llotten- 
lotleiiHpnn'he sei nach la'psiiis mit der ägy [»tischen verwandt; 
Ik-grabnisart , Mond- und Skarnlüenverchrung seien bei den | 
Hutteiitotteii sowie l*el <lcn Ägypten» iilwreinstitnim'iid : 
»-‘ndlich Is^weisH die rscbebtiügtir, die Hatsche|i»>nts Bruder 
und Nachfolger Thutni<»sis III. darsUdlt, dafs d»>rt, wo sie 
gefunden, näiulich ,unier 17* sü<ll. Br. und l>stl. L.“. ein 
ägypU*(*her (iuuveriteur residiert hal»«, dem sie ins Grab 
gelegt sei. Zum Ülierflufs wären auch etymoh>gi«chu .\n- 
klänge lH*nchtenswert. Die Ktyniologi« kann auch hier aus 
dem S|>iel bl«il)eu: ira übrigen erlautien wir uns folgende 
H»‘iiierkutig»;u: l>ie Buschmamiszeichnungeu . deren Kopi»*u 
IVters von einem Bewohner l'nitalis erhielt, unterscheiden 



sich in nichts von den schon liekannten und sehen nicht 
mehr ägyptisch aus al.« alle anderen, .kiif Beziehungen der 
BuschmänmT und HottentottAii zu deu Ägyptern der Kegada- 
zeit ist schon von verschiedenen Sidten aufmerksam gemacht 
Worden: unter den lUHdithischen Ägyptern herrschte kleine 
Körfiergestalt vor. und Messung*‘ii ati Bchädcln aus »lor 
Negadagralwtätte haUm keine Übereinstimmung mit den 
Ägypiom der Pharaonenzeit ergehen, und Hinweise auf die 
Hottentulteu Und Uuschmännor vuranlafst; auch zeigen Ne- 
gadatlgureii FettsteirsigkeiU Di»*ac hier berührten Fragen 
ruhen alter noch ganz im liutikeln, und für ihre B<-nntw«tr- 
tung müfaten viel frühere Peritsieo der ufrikaniacben Völker- 
goachichte faerangez^nfeh werden ,ala die Zeit der Puntfahrt 
unter Hatschcp«>ut. Von diesen Ägyptern haben die Hiidost- 
afrikauer jedenfalls nicht.s gelernt. Damit fällt auch Peters' 
Bastardtheorie in sich zuwimmen. Auch di« übrigen Ankiänge 
liernlireii viel weiter entlegene, dunkle Zeite|MX'hen. Die 
l’schebtiügur ist nach Fliuders Potria echt, sIht ma^n kennt 
die Stell« nicht, wo sie gefuinlen; sie kann durch einen Zu- 
fall venH'hie[»pi w«»rden sein. Nimmt man alier wirklich an, 
dufs im Innern, bt*i Tet«*, ein ägyptischer G»»uvemetir ge- 
aeaaen hat, »o mufs man fest«‘re l^/iehutigen der Ägypter 
zu j»-nen Gebieleu^^voraussvtzcn urnl sich fnigeti, wi»her es 
k«>mnie, daf* die Ägypter nicht zahlreichere und ileuflichere 
S[»uren ihrer AiiweHenheit zurückgelaasnii haWn als diese 
Figur. XS'anim beaitzen wir solche Spuren von den Semiten 
und nicht von den Ägyptern, die doch auch ein {siar Jahr- 
hunderte aus Punt Gold geholt haben? .Vui der Deir-el- 
Bahriiuschrifl und den Bildcni geht ferner hervor, dafs diu 
Leute, mit »lenen di« i'untfahrer in Ik’rührung kamen, in 
Pfahlluiuhütten wohnten und einen Vorgang, w-ic die Lau- 
«hing Fremder lu grofsen Schiffeti, noch nicht gesehen hätten, 
ülwr lieides g»ht P»*tcn« liinwug. Wir abt.T meinen, die lasute 
konnten sich d«W‘h kaum wumlcrn. wenn sie wirklich an der 
stidoscafiikaniacheii Küste safsan; denn densellMiii Weg hattun 
ja auch die Semiten genoumieu, ebenfalls fremdartige Men- 
schen mit grofsen Schiffen. Pet»M w»gt, man nenne ihm ein 
l>and an der »jden arabischen oder Koinalküste. auf das die 
Beschreibung der Inschrift [»asae. das solche RHichiümer 
lierg<‘. Darauf ist zu erwidern, dafs die Angalien der In- 
schrift und der bildlichen Darstidluugen üliertrieben sein 
ilürftcn. Die ägyptisch»* Gescbichuchrelbung ist, soweit sie 
sich in solchen Denkiualem äufoert, eine rein hutische. d. h. 
sie ist ganz einseitig zumBuhino »les Herrschers ausgestaltot ; 
sie tragt stark auf, macht aus Mück«m Klefanb-n. Di« D»*ir- 
el-Bahriinschrifc giebt viele liätMd auf. die wir ul»«ns«> wenig 
lösen können, wie si» Peters gelöst hat. und es ist nur eine 
Vermutung, wenn wir ineimm, dafs sie Dinge durcheinander 
wirft und vereinigt, die sich gar nicht auf eine einzige Kx- 
[KHÜlion liezogen halKüi. Ist e.s so ganz sicher, dafs da nur 
Sec-Kx|»editi»>nei» hiiieinverwebt sind Kann man nicht an 
Nilfahrteo denken? Wio hale.-n di«» Ägypter als scblM-ht« 
Seeleute d«m Weg zur Sambcsimündung und weiter ge- 
funden? Wie kommt es, d.af« sie darüber mit den Semiten 
nicht in Kondikt geraten sind? Das schwierige Problem 
läfst sieb mit den Hnlfsmitteln, ül»er die Peters verfügt, nicht 
lösen, und so intereSHaiit uns das kleine Kapitel nLus Ziel 
iler Puntfahrten“ in seinem Buch erschienen ist, überzeugt 
hat er uns mit «einer Puuttheorie nicht , trotzdem »-r sich 
auf »»inen Forscher wie Glaser la^riifen kann. H. Hinger. 

Pfarrer Hnns Haas: Geschichte des rhristentums in 
Japan. 1. Krsi»» Kiuführung des t'lirisrentuins in .Tapati 
durch Franz Xavjer. (Suppleiiiffnt der ^Miiieiluiigen“ der 
lieutschen Gesidischaft für Natur- pnd V<dkerkuiide Ost- 
asien«.) 3ül Ki'itcn. Tirkyo 1902. 

D»*r evangelische, in T«»ky«» lel»en»l»* Verfasser hat hier 
mit iiiustcrhaftor Gründlichkeit «in Werk g«‘liufert., das na- 
mentlich auch l»»-i Katholiken weg»‘n wiioT l'n|>aiieilichkeit. 
und Weil dem Kinfiihrcr de« rhristenlunin, Franz Xavier. im 
b'Vhstvn Mafs«' Ger*ic>iiigk»it »i«lerfHhrl, eine gut»- Aufnahino 
finden wird. Ja. man kann sHgen. Hua« siollt Franz Xavier 
als sein»n l.ieblingshelden hinl Z»ütgeii«>S'<i»(*li<' japanische 
tjuelleii zur Geschii-hie de« riiristetitnms ••teli.-n nur sehr 
s|»ärlirh zu Gelsue. »ienn die japnni.srhe ln>|ui«in«»n hat, als 
die Tokugawaregierung den Ifa-chlufi» gefafst Imttc, die 
I freKHl»'. als «tantsgefährlich erkannte Religion mit Stumpf 
und Siii'l auszurotteii. ülieran« gründliidi aufgeräumt. Der 
Vt-rfas-or halt«- daher in »lieseiti ersten Teile we**entlich nach 
«len Bori»'liten v.«n .^U•ndlälld••rn zn arU-iten , wiewohl ihm 
sein Aufeiitbalt im Laielo Iwi d»T R••nr^cilullg der ganzen 
Verhähni«*.»- gruT-«» Dienste b-ist«*tc. VnrtfcPnich ist auch in 
den er«t»'it KaptteJn die Ki(f»iei'kung'ge«<'hicht«‘ Japans V4*ii 
Mar>»o Polo an l»ehniiilelt. 




Kleine Kachricfatcu. 






Kleine Nachrichten. 

Abdrai-k tiut mit Qaelli'D.Air.M ipMt.ttet. 



— Da« TeHtament dv* Nordpolfahrer« Andrtle 
ul vnt jetal Itekannt geworden- Da« 8cbrift«töck int vom 
m. Mai 1K97 mithin etwa 2'/^ Monate vor dem Unglück* 
liehen Aufstiege von der Adventhai auf ftpiubortrvn — da- 
tiert und hat folgenden kurzen Inhalt: .Ich Kalomon 
August Andr4e verfüge hiermit nU meinen letzten Willen, 
dar« meine gesamte Hinterlassenschaft mit vollem BesiUrecht 
an meinen Bnider, Kapitän zur Hoe Krntt Wilhelm Aiidree, 
übergehe, indem ich zugleich den Wunsch ausHpreche, dafs 
das Krlw) von ihm in Übereinstimmung mit den speziellen 
Abrichten nutzbar gemacht werde, di« ihm mündlich von 
mir zur Kenntnis gebracht worden sind oder möglichen* 
falles zukünftig noch Itekaniit gegelien weiten. Mit 
Rücksicht hierauf soll meinem Bruder die alleinig«* Befugnis 
zustchen, alle zur Regulierung und Liquidierung meiner 
Hinterlasaeoschaft g«*«iguei erscheinenden tiebritte vorzuueh- 
meu 8. A- Andrt'e, Ob«ring«mi<'ur des Königl- Patent- und 
Registcrwcrkca.“ 

2!wischen den Zeilen des Testaments läfst sich uu«chw'«*r 
hcrauslesen, dafs die getrnff'erie mündlich« Verabredung in 
Andrtles eigenen Augen kaum mehr als einen provisoriacheii 
Charakter hatto. l>or kühne Kntdeckungsfahrer war von dem 
glücklichen Verlauf« seiner Ballonreii*« so unerschütterlich 
überzeugt., dafs es ihm gar nicht in den Kinn kam. nähere 
Bestinmiungeii Über seine ziemlich umfangreiche Hinterlassen- 
schaft zu trefTeu. Kr !>egnügi« sich vielmehr damit, seinem 
Bruder die summarische Vollmacht zu geben, im Falle eines 
ungünstigen Krgelmisses »eine gesamte Hab« zu gleichen 
Teilen an die gesetzlich erbberechtigten Mitglieder der 
Andreesclien Familie zu verteilen. Da inzwischen fast fünf 
.lahre verflossen sind, , ohne dafs die Kunde von der glück- 
lichen Bergung der •Omen” -Fahrer eingetroffen wäre, hat 
Direktor Andrt^e das Kmueben an di« Behörden gorichtet, 
«einen veraehutlenen Bruder als gesetzlich verstttrben zu 
erklären. Dafs diesem Krsuchen von zuständiger 8eite Rech- 
nung getragen werden wird, dürfte kaum in Zweifel zu ziehen 
«ein, denn auch di« schwedische K^ierung hat schon durch 
offlzielle Streichung der AndrfMiseben Stelle am Kgl. Patent* 
amte in Ktockholm ihre Ülicrreuguug zu erkennen gegeben, 
dafs sie den kühnen Ballimfabrur für verschollen hält. K. V. 

*» Die Fischflnfsexpedition (Deutsch • Kü d w «st- 
uf r i k a). Kin wisaenscbaftlich wirtwhaftlicbes Unternehmen 
von grofser Üedeutang ist vom kolonialwirtschaftlklten 
Komitee vurbereitot worden, eine Kxpmlition zur Untersuchung 
dfs Fischflussos. dessen heut« ungenutzt abfllefsend© Waswr- 
mengen man der Kutwickelung dea deutsoh-südweeUfrika- 
niacben Schutzgebiete« durch Anlage eines gescbltusiüieu 
Netzes von Stauanlagen dienstbar machen will. Als Auf- 
galM*n d«r Kxpedilion. für die ÖO 000 Mk. aus der Wohlfahrt«- 
loiu-he bewilligt sind und deren I>eituug der Ingenieur 
Alexander Kuhn übernommen hat, werden bezeichnet; die 
Herstellung einer *geographi«cb orientierten" Karte des ge* 
samten Kischflofsgebieies in 1 : lOOOOü mit l>ar«t»*llDDg der 
liodeuplaslik ; die Aufnahme einer Anzahl von Lag<q>tiinen 
für tStauwerke mit Pnqekten und Kosteuvtiranscblllgen ; An- 
regung und Anleitung der Farmen, (fes«llsi*haft«u und latkal- 
lieliönlen im Fischflufsgebiet zur unmittelbaren luangrilT' 
nähme von Staudämmeu und fortgesetzte Förderung solcher 
(.'ntcmohmungeti durch Rat und 1'hat. Ferner hat di«K.x|»e- 
ditioD, der eine Ktudieiireiin» in Britisch-Küdufrikn vorangehen 
soll, geologische Forschungen, lH»tanjsche Katnmlungan 
(namentlich von Weidegräsern) und mete»>rologi»che Jlc-ole 
Hi'htungen Aus/uführen. Der Plan l>e«agt daun weiter: durch 
das Zusammenwirken vieler Sammelbecken soll der Abflufs- 
Vorgang des jetzt zur Regeureit ungenutzt ahfliefsenden 
Wasser» verz*»g»Tt und der Allgemeinheit nut/lmr gemacht 
werden. Das in tlen tjn«llgebi«tcii dun-h Stauweiher ge- 
wonnene Niedom‘hbig«wa«»er »nit ausscbliefslich zur Hettiing 
der Viehzucht (FulU-r- und 'Wiesenliau) Verwendung fliiden. 
Durch (las Zurürkhaiten einer gröfseron Menge von Wasser 
im liande wird sich auch das Klima ändern, und es ist 
sicher aiizuuehnien , dafs eine vermehrte Verdunstung auch 
verstärkte NioderscblHge zur Folge hMlH*n winl. Die 
Hmnunerung der Abwässer der lHinlwlrt»chafilichi-i» Beiriet'C 
(nach Bewässerung der Wieacn und Haate 0 an vielen Kinzet- 
berkeri nach AusIkiu des ganzen Systems, der freilich einen 
Zeitraum von 20 und mehr Jahren umfassen winl. dürfte 
im Stande sein, ein schmales Rinnaal im FiHchHurslM'tt zu 
erzeugen, da;« ständig oder doch den gröfsten Teil des 



•Tahres über Wasser führen wird. Dadurch wird der 
Fischfiufs zur l«l*cn*i»endendcn Arterie de« ganzen Süden» 
werden. Die Ausreise der Kxf»«dition soll am 31. Januar HK)3 
erfolgen. (Vers, de« Arljeitsaussch. des kol. - wirtsch. Kom. 
vom 30. Ukt. hHi2.) 

— Die Oröfsenverhältnisso der Bcbädelhöhle tind 
der 0 «sichtshöhen boi den Menschen und den An- 
thropoiden untersuchte Alfred Jacob! (Inaug.-IHss. Leijh 
zlg IMlX Nach seinen Knrachungen giebt Mantegazzas 
Verfahren der Orbitalmessung um 4,5 ccm zu geringe Resultate. 
Der Orbitalraum ist im allgemeinen bet de» höheren Ka.\«en 
kleiner, der Index cephalo orbitaiis gröfser als liei den nie- 
deren Rasaeu. Die doUchocephalen Bchädel haben geräumige 
Augenhöhlen und einen grukeren Index cephaloorbitaiis aU 
die brachycepbalen Schädel. Die Differenz zwischen d«r 
Orbitalka}tazitftt des Mannes und de» Wribes ist eine sehr 
verschiedene (im Mittel 7,3 ecm). Auf einer je höheren Kul- 
turstufe ein Volk sich beflndet, desto geringer ist im ullgu- 
meinen der l'uterschied zwiachen der OrbUalkapazität beider 
Oeachlechtor. Der Index cephalo-orbitalis ist beim Wejlie etwa 
1,2 Kinheiten höher als Iteim Manne. Unter den Anihivt-- 
poidon sWhl der Trogb»d>lc« niger in der Kapazität wie jm 
Index den uiMeren Rassen der Meu»chen am nächsten. Mir 
funebniender Körpergri^fse der Anthropoiden nimmt die Or- 
bitalkapazität bedeutend zu, der Index cephaio-orbitaiis ab. 
Mautegazzas Messung der fossae nasales giebt ebenfalls zu 
geringe Resultate. Di« Ausdehnung der Nasenhöhlen winl 
durch iStenoeo oder Ausweitung dos Rinas maxillaris beein- 
flußt Die Kapazität der fossau nasales nimmt im allge- 
meinen bei den Kulturvölkern ab, bei den Naturvölkern zu. 
Der Index cephalo-nasalis zeigt ein umgekehrte« Verhalteu. 
Der Mann bat 15 ccm grftfsere Natcnböhlon als da« Weib, 
alter einen um zwei Kinheiten geringeren Index cephaln- 
nasaiis. Kine kuliische Messung der Mundhöhle ist. aus- 
führbar and von Bedeutung für Rasfleuuuterscbiede. Hie ge- 
stattet die Festatclluug eiues Index cephalo-fncialu, ebenso 
eines Index oni-cephalicii» und eines oro-iia«alis. Die Mund- 
höhle ist beim Manne 15 ccm gröfaer als Iwim Weibe. Krstc- 
rer hat einen um eine Einheit kleineren Iudex oro-c«phalicus 
als da.« Weib. Auf einer je höheren Kulturstufe tdii Vidk 
steht, desto gröfser ist der ludox oro-cephalis. Der weibliche 
Schinqianse nähert sich In der Mundhöhlenkapazilät und im 
Index oro-cepbalicns dem Menschen am nächsten. 

~ ln den •(•emeinnntzigen Blättern für He«^ri und 
Nassau* 1902, Nr. 9 bis II. hat Dr. Kobelt bemerkenswetie 
Worte über Gewittergeographie geliefert. Von seinen 
eigenen Beobachtungen in »einem Wohnort 8cbw-anheim aus- 
gehend, kommt er daljci zu Vnrxchlägtm üljer eine neue Art 
der OrgauiMitioti derOew-icterlieobAcbtungeu uud derGesiebts- 
punkte für die Verarlteitung derscllicii, die von der heute 
iiei den tiieteorxdogischen Zentralen üblichen zum Teil al>- 
weiebt. Ihifs dieaell« gewiß geeignet wäre, wertvolle Anf- 
schlüsae nicht nur über die Zugrichtungeu der Gewitter, son- 
dern über die Mechanik der*elt>cn ülierhaupt zu liefern, wird 
«►fort klar, daß alajr dl« Vorschläge verwirklicht werden 
können, i«t fraglich. Erstens dürfte «« schwor fallen, die 
gröfsere Zahl v<m Leuten zu finden, die mit Verständnis be- 
obachten, andererseit« dürfte aber auch den meteoroIogUeheii 
Z^uitralen. die mit anderen Arbeiten schon überlastet sind, 
di«' Zeit fehlen, ein derartig ausgedehnte« Mnt4>rial, wie es 
nach Krfiillung der ersten Bt-dingung voraussichtlich ein- 
laufeii würde, 1» geeigneter Weise zu sichten und zu be- 
arbeiten. Diejenigen aber, web'he sieh für die in lie«!«' 
stehende Nattin-rscbeinuiig interessieren, nnögen hienlurcb 
auf den Aufsatz nufmerk^m gemacht werden , aU ein Bei- 
spiel, wie man b*Kdiachtcii und auch in kleinem Kreis« 
Beiträge zum Wcitorlmu «l«*r WisacuscUiift sammeln kann. 

— Prof. Sellins Ausgrabungen im Teil Taannek 
(Palästina). Mit Cnterstützung <l«r Wiener Akatlunii** der 
Wissenschaften und einiger Priratleiit«* hat Prof. Dr. Sellin 
aus Wien iin Frühjahr uml Sommer 19U2 in Paliistiim sehr 
ergehnj«reiche Au«grabimgen v«iniehm*'n können. Der Teil 
Taannek liegt in der KU-rie von Megidd«». er ist die Stätte 
<ic» ulten biblischen Taciimch. das einstigen Sitze« vim-s 
ksiiiiiaiiitischen Königs nnd «|>ätfTen Sitze« eine« i«rneliii«<'bet» 
Gouverneurs. Wie Sellin in der „Ki»Iu, Ztg.” la'richtet. I«.* 
gHiiu«n die Arbeiteu am 10. März und dau'-rten fünf MouuUn 




Kieme Nachrichten. 



V 



:t6 



Hie k^eti au» dem Bcbutt an drei verscUieil<*nen 8teH»<ii de« 
MuküIk drei »ach AnJaee und liuuArt gut erhaliene nunje» 
»MH kauaauitiiu'her, iiaiiunoui)H’)i('r und au« •ipftti!tr»elili*cher 
Zi'il frei : ebenso ein arabix’he« Hehlof«. (iefuiiden wurden j 
Topfe, Lam|»en, Waffen. M)UHti}(e (ierüte, auch eini}^ Hkara- j 
Ivivii. Ilmter der einen Bur>r har|{ ein ^>rHes Leirhenfeld j 
Qiwa 2 ( 0 , in Knifaen Kritiken twiKosetzte KindiTleirhen. Aurh ; 
un-hrere KuIUtÄtten wurden nuft^BÜeckt: ein kanaanilisrher | 
KeUaltar, zwei Libatiunaaitulen au« israelitincher Zeit und eine ' 
formlirh« Htrafoe von Kultiiäulen. In vielun lYivathiiu«>rn ^ 
fanden sich Bilder der kunaaniliHchen Astarte, daneben auch 
Ai;v ptisrhe „(•Otze»'*. 1>a« Hautgcrtit )>ezeug:t« eine tiefgehende 
phiinizisrhe, t>|ikter griechische Heniritiusaung. l'nmittelbar 
unter vielen Hkuicem war ein Toter ItestatU-t. ln einer 
Schicht von I^hmhausern, I bis "i m unter der ioraelitiHchcn 
Burg, wurde itoiiann ein schwarzer Hicgelrvlinder gefunden, 
der aufser zwei Giitierbildem eine babyloniai'he und eine 
ägy ptische Inschrift trug; er staimnieiwa aus dein Jahre i'OOO 
V. rhr. — «uine neue Bestätigung dafür, dafs l'alästina, 
ehe die Israeliten ins Lan«l kamen, bereits vull< 
siAndig mit ägyptischer und babylonischer Kultur 
durchsetzt war“. l>«iuailch»t stiefs Sellin ui unter der 
UberHitche im Süden auf viele Bruchstrioku von getliigelten 
Tierleiberu. von Mensrhrn- und leVwen köpfen aus dickem, 
hartem Thon. I>ie Zusammenseuung ergab einen ganz eigen- 
artigen lUtucheritttar: an zwei Seiten waren reliefartig je 
drei (.’herubtni und zwei Ldwen herau^gearbeiiet , auf der 
Vorderseite der Lebeunlaium unigelinn von zwei SteinU'icken, 
auf einer Seitenwand ein Mensch, der eine Schlange würgt, 
Kellin meint, man batic hier zum enden Mal ein Kultgvrrat 
gefunden, auf dem wahrftcheiniieh dem Jehova Opfer dar* 
gebracht wonten seien; zum «rstun Mnl eines der s» oft im 
allen Teatameui genannten Hörner des Alurs im Original, 
zum ersten Mal auch eiue Darstellung, aus der man ent- 
nehmen konnte, wie die spateren Israeliten sieb diet'berubime 
vorgestelit heben: Hen«4-henkopf , laiweuleib. Flügel. Vor 
allem aber lege der Altar von neuem dafür Zeugnis ab. wie 
die Mythen der umwohnenden Völker auf Israid eiugewirkt 
hat>eii. Heilin weist zum Hrhlufs darauf hin, wie lohnend 
solrha Forschungen gersule in PaliUtina wiiren , und fonlert < 
auch duutHckc wiss«n«rhaft licke Kreise zur Ileieiligiing auf. ! 



— - Vergleicbenit* anatomische l'utersurbungou itber 
die Ohrmuachel v ersc hied en er Hüugeiiere ftihnni 
Job. Kchmidt (Inaug.*lMss. ladpzig 1M>2) zu dem Hatz, üaf» : 
sich die am nämlichen Urgnii des MHnst'heii festgesteliten | 
anutomiseben Merkmale in ihren Kinzelbeitvn mehr oder | 
minder deutlich erkennen laseen. Die Ohrmuschel des Men- ' 
sehen ist als ein rudimentäres Organ aufzufaaseu; die starke 
Kinruiluug der Helix wie diu geringe Ausdehnung der Foasa 
«raphoiilea ist eiue Folge der Verkieiuerung der Muschel. 
Dae Tuburrulum Darwini homims ist mit der Hpiize de* 
tierischen Ohres identisch. Die Incisurae Haiit<»rini hmiiinis 
eiitsprechun den tiefen Kinschiiitten zwischen den Fortskizeii 
des aboraleii Kaudus, weiche den Tubus mit bilden helfen. ' 
MtW'ie der völligen Trennung zwischen letzterem und dem j 
Kiugknor|Mil des Tivruhres. Die Hpina helicis kommt auch 
t>ei den verschuKloncii Tierarten vor; sie ist- als ein s|H»zift- 
scher V<irsprung des oralen Uundos Ixuw. als rudimeotäre« 

( rus helicis laterale aufzufassen. Ibis Heutnium üarTiere ist 
ein Krganzuiigsknor}>el für den komplizierten Bewegungs- 
Hpparat der Muschel; es fehlt dem Menschen infolge der 
starken Keduktiim der Kopfuhniiusrhaln. Ihis Ohrläppchen 
ist kein dem Menschen ausscbU>Ts|ich zugohörigun Uobildo. 
Die Plicae Huririilares des Tierohres wenlen liuitti Mensrhen 
nicht iHNihaehtet ; kommen Wi Ivtzterutu falt<>imriige Gebilde 
vor, dann handelt <*s sich um .\luiomiiiiiten, welche in der 
Kegel die Anthelix betreffen. Die (‘anideti wie Fehden ver- 
fügen ülier ein besonderes Anhangsorgan (Hauttasche) des 
Margo abvtralis. welche den anderen 1'ieren und dem Men- 
schen mangelt. 

— Der neue chinesische HaiideUhafen Tsin* 
hwangtau. Am lö. Dezember DKil ist der an der West- 
küste der Hai von I«iautuug (40* iii>rdl. Br.) gelegene H.vfen I 
Tsinhwangtau dem Handel ge^'iffnet witrden, vornehmlich zu ■ 
dem Zweck, rugelmarsige l'o«>t\erlijndungen ülicr See mit dem ’ 
Süden zu sichern. Nach BsTichten des /ollamts in Tientsin 
sind die Hoffnungen, die man auf den neuen Hafuu gesetzt 
hatte, nicht geläu«clit worden- Ttie ilafeiiarlieiten sind noch 
nicht vollendet. d<M*h durfte der aui'sere Wellonbraidier mit 
Ablauf des Jahn*» MHJ*.! s>> weit fertig «ein, dais hiuier ihm 
jederzeit zehn Dampfer Si'hiiiz tindeii können: diese .Mule 



soll auch zu liöschungszweckeu dienen uud erhält darum 
eine Ih'eite von IHm und vier (teleise. Ks wird erwartet. 
dnlV der nuue Hafeu den Verkehr mit schweren <*ntem nach 
dem Korden tliiuas an sich ziehen winl, b«>»unders den mit 
Kohle, auch dafs er vielleicht rin Industriezentrum ersten 
Range« für Kisent«ahnmaterial werden wird. Die Befürchtung, 
dafs Tsinhwangtau dem Hand»! Tientsins Abbruch tbun wird, 
dürft« sich vorläuHg nicht erfüllen; denn der ueue Hafen 
hat eiu eigenes grofses llintorisind bis zur Onvfs^n Mauer. 



— > Die bearbeiteten Mainmutknochen von Kiew. 
Wieilerholt ist im Ulobus auf die Feststellung des palänii* 
thischen Menschen in der rkraine hingewiesen worden, 
dessen Nachlafs V. Chvoika liei Auf^rabungeu in der 
St. Cyrillstrafse zu Kiew aufgefunden hat. In etwa ‘JOm 
Tiefe wurde unter mächtigen leiffi- und Sandschichb<n in 
einer grünlichgrauen SandiU'hicht , die auf blauen tertiären 
Thotien lagerte, uiiie ganz gewaltige Menge von Mammut* 
ktiocheii untennischt mit Holzkuhlou. kalzinierten Kms'hen 
und zugeai'hlagenen Feuersteinen von der paläolithiMcben Form, 
welche die Franzosen type mngdalcDien nennen , gefunden, 
(’hvoika hat «eine Ausgrabungen nn der l^treffenden Stelle 
fortgesetzt und ist so glücklich gewe»en, dort auch vim 
Menscheiihaud iH'arlKÜtete Maiiiinutitofszälnie aufzuffnden, 
worüWr die mit drei Tafeln ausgestaitele Arlieit von 
Tli. Volkov (Magilaloiiske Mai»t4'rsiw o na rkminij in den 
Schriften der Scltewischenki»gesells(’hafi , Ik!. 4ti, 1/emWrg 
nähere Auskunft giebi. Der eine Maiumutzabu ist 




Roarbeiti't« MammutkiiiH'hen vniilKtew. 



beinahe ganz mit Kinritzungen Iwdeckt, die von MHii«-lien- 
hand herrnhren mnssen . aber vollkommen unveratäiidlirli 
sind; vielleicht kann miin einen Vogolkupf in dar einen 
Zeichnung erkonnen T Die amlercn gei»metrischen Linien. 
Zickzacke, Zahiisrhiiitte . Parallelen sind nur insofern von 
lielaiig, als es Volkov gelungen ist. deren sehr nuffallende 
('lM*reiiistimnimiu mit franziwischen paläolithischen Knmdien- 
riuungen (Tv|<e magdalenieu) uachzuweisen , wie sie l»ei 
Mortillet, Piette, itircMl u. n. aligubildct sind. Während als*r 
diese |wlaolithis<*h>‘ii Fuudi* Friiiikr*nchs stets mit dem Kenntier 
vergKselInchaftet sitnl , fehlt das letztere in den grof«cii 
KnuclienablsgeriingHn von Kiew und iilK>rhaupi in der l'kraitie 
vollständig. Die verwandten Knncheiilager von Neu .klexan- 
drowvk. ilontzi, Koslenki zeigen iiiasaenhaft das Maitimui. 
l«läo|ithisch zugeschlageiie Feuersteine — aber keine Spur 
Vom Renntivr. Wie in Italini und Spanien fehlt es auch hier. 
Dalier in Fninkreicti «lic tiravierkunst vorzugsweise die dort 
h tuHgen Ketintierknochen und Geweihe lienntjri«., «ährend in 
der rkmine das MuinniiitelfenlM*iii fnr die frnh<‘Kten Kunst- 
versuche benutzt wuiile. 



Vera»t«<ull. Kedsktcur: l'ref. Dr. K. Audicr, Brsunsthwrig, K«l!<T»leberl]ior*Pronieiitulc IX *— Dru<k; Kritslr. VIewrg ii. 8»hn, Rrsuasi liwctg. 



iy GoogU 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FOk LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HER AI'SGEBF.R: Pkop. D«. R. ANDRER. VERT.AO von FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIH. Nr. 3. BRAUNSCHWEIG. 15. Januar 1903. 



aMf bm 4) ('bcrvinkutiA mit dw V*rl« 4 rtii«t»lluMjr 



Eine neue steinzeitliche Station in Serbien. 

Vom I>r. A. tlfit*«. Derliii. 



St.‘it4l<>m vor mmuH'br elf Jubreii 7.mu «rxtenuial uuf , 
die Verbreitung der Htindkeraiuik und ihre Ib'deutuiig 
al.« Merkiiiul einer Kiiltureinheit aurmerküiim gomacbt 
und dub«>i Mcbon auub die etbnologiucbo Seite der Finge 
ge.Htreilt wurde, hat Mcb die Fornchiing mit Kifer dieser 
(ini|ipi> ziigewandl, und VerfaFiner hat die P'reude, zu auhen, 
wie seine danmli gegelietie Anregung weite Kreis« ge- 
zogen liat und wie jetzt l’rübistonker und Arcbäologon 
in getueiiisauier Arbeit dum gleicben Ziele zuntreWti. 
Iter springende Funkt de.s Problem» Hegt ja in der Kigen- 
schuft der Haiidkenimik ul» IHndegliud zwischen der 
uiitteleuropilischen Steinzeit und den alten Kulturen im 
öotliehen Mitteliueergeldet; nainentlicb gilt e» jetzt, eine 
gute Verbindung mit Trujn herzu»telleu. Hier ist ja 
das Vorbaudenseiii von IhtndkerMUilk »ch«>ii länger be- 
kannt, aber über ihre Klnordnuug in die vielen Schichten 
de» Hurglirtgel» berrsfbto n«M'h in weiten Kreisen Un- 
sirherheit. Fr>>t durch die beiden letzten uagrabungun 
in Troju und die dadureli eriiiogUebte Neubearbeitung 
der Scblienmnn- Sammlung durch II. Schmidt mid dem 
\’erfiis»er i^l die Stellung der dortigen Hamlkeramik ge- 
siehert wiirden, vor allem kennt man auch die allgemeinen 
kulturellen VerbalinUse bettser. Hier in Troja liegt aber 
der Schlüssel für da» Problem der Handkeramik, liier 
»töfst Oecident und Orient zusammen, hier liegegnet »ich 
die Unndkernniik mit asiatiiicheu Kulturen, von hier 
laufen die Faden einerseit.» über da» Halkan- und Donau- 
gebiet nach Mitteleurojia, umlerersoit» ülK*r Vorderasieii 
nach Oateii und Süden. 

Die Verbindung mit Mitteleuropa i»t leider immer 
noch reclit lückenhaft und deslialb i«t jetler einscbldgige 
l-'und im Ibilkan- und unteren Dunnugtdiiet von Wichtig- 
keit. Kürzlich ist min eine neue Fuiid»telle eubleckt 
wonirn, welche bi»lim' nur in geringem Umfang uuter- 
»ueht ist, aller doch schon recht bedeutsame Funde 
geliefert hat und der bekannten Station von Hutiiitr »ich 
elHmbfiiiig an die Seite zu »teilen verBpricht, Ka i»t die 
Station von Jublauicu in S*rbien, üIkt welche Dr. Va»»it», 
Kustos am Nationalmuseum zu Ilelgrud, in einer reich 
iilu»triert4‘ti Abhandlung iMTichtet ')• IHc Fundstelle ist 
ein Hügel von 35 bi» 40 hu Ausdehnung, wovon bisher I 
nur Mli|tn iintei sucht wunleu. IHe Mächtigkeit «ler 
ulten Kulturschicht schwankt zwischun 1,80 in und 0,30 in. 
Zunächst stief» man beim Ausgraben auf die als llfitten- 

') Vuxflits, Die ii*sililhi<H'he Station .lablaiiic« bei MlsIJii- 
lii/je in SeriMoii. Mit AbltHd. (SomleralMlruek uuk «lem 
Archiv f. .tnthmpol. XXVII.) Itruunsrliweig, Krieür. Vieweg 
u. Sohn, 1 »'.I 2 . 4 * 6 » Seilen. 

Gl«l>us LXXXill. Nr, 3. 



reste bekannten gebrannten I.ebiuklumpen, von denen 
ein Stück an der geglätteten Seite eine dünne Schicht 
eine» weifsen Überzuges zeigL Die Wände waren al»o 
ofieubttr getüncht, wie e» ja auch in der neolithiseben 
.\iisiedeliiiig von Grofsgartach bei Ilcilbronn der Full 
ist, übrigen» wunle auch bei den letzten Ausgrabungen 
in Troja an llaiire-Hten der zweiten Ansiedelung weifse 
Tünch« beobachtet. Unter den llüttHiiresten kamen Ge- 
fäfsMcherlHm, Knoclieu, Steinvrerkzeuge, Tbonfiguren u. a. 
zum Vorschein, und unter di(>sen lagiui die Feuerstellen 
mit Mühlsteinen und anderen gröfscreu Steinen. I nter 
dieser ersten Schicht folgt eine zweite au» Asche und 
gellier Krde mit Gefur»»cherl>oD. Trotzdem die Keramik 
beider Schichten vuueinaiider verschieden sein »oll, indem 
»ie in der unteren Schicht feiner, in der oberen roher 
uusgefübrl ist, hat Vassits bei der liesebreibung der 
Funde auf dieses für die Chronologie bedeutsame Moment 
leider keine Kück<*icht geiiuiiimen; mau darf aber wohl 
die Krwartung au.ssprechen, daf» dies l>ei einer Ileurbei- 
tung künftiger Ausgrabungen an dieser Stelle, die buneiit- 
lich nicht hinge auf sich warten lassen, uachgtdiuit wird. 

Wo» die Funde von Jahlanica aiiszeichnet, ist ihr 
grofser Reichtum un figürlichen Dursteiluugeii. Nicht 
weniger oIh 83 kleine Thoustutuetteii und Hrucb»tücke 
von »oicben wunlun auf dem kleinen bisher untersuchten 
Raume gefunden, während diu Station von Hut mir bi» 
zum Jahre 183b nur 72 solcher Figuren geliefert hatte. 
Sie sind ziemlich roh gebildet und teilwei.se mit einge- 
ritzten Zeichnungen veraeben; an manchen Stücken »iud 
S]mren einer roten Ikimalung erkennbar. VassiU unter- 
scheidet bei den menschlichen Figuren — soweit das 
Giiflcblocht erkennbar ist, durchgängig weibliche — »olche 
mit einer vogelkopfuKigeii Itilduug de> (tt^siehU (.\bli. l, 
2 u. .3) und einen fortgeschrittenen Typu» (.\bb. 4); da- 
neben giebt es uoeh Figuren, die keiner der beiden 
Gru)>]MUi ziigutcUt werden können, wie Abb. 5. 

ln der ersten Grupp« »ind einige Kxumplare »itzend 
und halb liegend in rober Weise dargeetelli. und zwar 
kommen die.Ne nur in der oberen Schicht bis zu 1 lu Tieb* 
vor; die übrigen Figuren »tulicn aufreebt auf dem »tein|iel- 
art’gen Unterteil. Unter den fortgescliritteiicii Typim 
befindet sich ein Fragment, dessen Kopfbildmig eine 
auffallende Ähnlichkeit mit den Manuorfiguren von 
Naxn» und .\morgo» bat. Im übrigen zeigen die Köpfe 
I eine andere Ausprägung, iiameutlicli tritt die starke Hc- 
tonung der .\ ug»*n hervor, welche durch einen eingerit ztiui 
Hulbkrei» (Hier ein Dreieck umrandet und zuweilen 
plastisch dargestellt sind. 

6 



r 



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Dr. A. GMxe: Kine neue steinxeitliche Station in Serbien. 




Abb. tf. 



Abu 5. 



Abb. 



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Dr A. (iötte: Kiue neue stcinseitÜche Station in Serbien. 



Auch dio Frafftnente, die sich manffeN eines Kopfes | in den Arnistiinipfen. an den lläfien und in Monkrochtur 
nicht in die beiden Gru|>|M.*n einordnau taN?<eii, xei|feit Riehtunff an einer Querleiste »u Hinterkopfe durch den 
genu|K des Intere.ssantan, namentlich hinHichtlicb dar noch weichen Thon diirchjfestochen sind. VaasiU var- 
Aiisgt'Htultung der unteren KbrjHtrhHlfte. So nmtet der | mutet wohl mit Hecht, dafs sie zur AufimbmeATon 




Ahh. 7. Abu. 9. 



Torso (Abb. 6) mit der dezent modellierten (iosftfspurtie, 
den Aii((adeuteteri Ileinen und namentlich dem eiKautniii- 
licheti Knick in der Taille f^aiiz wie die Karikatur einer 
lientigen MiHledame an. 

IHa Künstler Ton .Inblnnicn bej;nü|fteii sich nicht mit 
«ler rein plANttHcheii Itarstelluiiif ihrer Fitfürclien. sniiderii 
suchten sie diindi weitere /iithaten AiiMZU‘*chinückeii. 
Hu ist xiinilch'-t «üe rote Ffirliun^ der t tlierfliiclie zu 
nennen, Ton der ziemlich oft Uherreste noch vorhanden 




Abk 

sind. Ferner hat man nach iH'kuniiter neolithischer 
Weise ein^csehnitteiie nnd ein}((tritzte Linien Hii}^>bntcht 
iiiiil mit weifser Mass«* aus^efüilt. Kitrentfimlich sind 
kleine 1 /jeher, die in horizontah>r Richtung in der (fegend 
der Ohren, seitlich um Kopfe (an der Kopfbedeckung?), i 




FiMlerii, llluiueu iiiiil ähnlichen schmückenden Zuthatoii 
lie.stitnnit waren. 

hie eingetiefteii Ltiiien dienen teiU zttr Hez«>ichiiung 
von K«»rpej*teilen, wie der .tilgen, der »agittnlen Rttckeii- 
und lianchlinie mit dem durch eiiiori Ktn.stich dargesteliteii 
Nabel, teils zur .\ndeiitung der Kleiduhtf. .Mini eraieht 
hieraus, dafs der Oberkörjier nackt diugestellt ist, wäh> 
rend <lio l.<‘tiden mit je einem Schurz an der V'oriler* 
und Rückseite la'deckt sind; der Schurz gebt iiämlicb 
nicht herum, Hondern ist an den .Seiten häufig unter' 
brochen, auch ist die vordere iiitd hiutere Hälfte imusteiia 
TcrsebuNleii treziuchnet. hie genannten IVtaiia sinil an 




Alik 10. 



eler als Ihuspiei niisgewählten Fig. 7 sielilbar; dii-ses 
Stück hat aber eine in .lablanicu nur einmal vorkoinmeiide 
Kigentünilichkeit, nämlich ilie har.stelliing der Vulva, 
wouigstetiH aieht Vassita das kleine hreieck zu lachen 
Nabel iinil Schurz aln solche an. Hierbei ist nur iiuf* 
fällig, dafs sie über dum Schurz angebracht ist. 

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40 



Dr. A. Gotzti. Kino neae ntuinzoitlieho Station in Surhien. 



l)io ItoklL<iiluri^ dvr Figuren Ton Jnl»lAiiicH mit einem 
einfachen Seburz {n>'ht- AnlafH zu einigen Uenierkungen, 
welche Vas^it.'i' vortruBliehe Ucschreilnmg ergAnzen und 
einen lUuwci« auf die N«tur der dargestellten Figuren 
geben mögen. Itei den kiinnitischeii VerhältniaNen Ser> 
biens — e» Hegt kein Grund zu der Annahme vor, dnfK »iv 
zur jiiiigereii Steinzeit wesentlich niidera gewesen »ind — 
i^t ein kurzer Seburz nU einzigea Kleidungantüek nicht 
wahrBchuinlicb, und die Hewobner von Jublanien wenlen 
sieh wohl in anderer Weise gegen die rnbilden der 




nbcr völlig unbekleidet dargestellt «ind. IHe nlhidebuM**^ 
der eypriacfaen Figuren, die bAiifig in der Form eines 
hreiei^ks erscheint, ist nicht eine neue Ziitbat, sondem 
die Umwandlung eines Körfierteilu» der IsturBguren. K** 
ist nicht etwa ein Symbol für den weiblicb«*n Gesehlecht»- 
teil sehlechtliin, vielmebr gebt es uiiT die als Itreieck 




Witterung gcacbützt Imlien. Wenn aber die laiidesfib* 
liehe Ib’kleidung nicht der Schurz war, wie kamen sie 
dazu, ihre Thonfigürchen so auszustattenV Vor der lle- 
antwortung dieser Frage sei auf einen anderen Funkt 
uurmerksHUi gemacht. Iin ganzen llereicliu der Hand- 
kerainik zeigt sich die Neigung zu plastischen figürlichen 
Ihirstellungen, sie ist aber !ui Norden und Westen des 
Vorbreituiigsgebietes sehr schwach und gewinnt nur iiu 
Südosten an Intensität. Namentlich sind ea die Ibir- 
Stellungen menschlicher Figuren, die fast nusschlicfsHcb 
auf das letztere Gebiet beschränkt sind. F.s liegt nun 
nabe, diese Krsebeinung auf eine von aufsen kommende 
Finwirkung zurOckzufübren, und du bietet sieb unge- 
zwungen dia benachbarte Kultur des ägnisrlieii utiil des 
östlichen Mittelmeergebietes dar. welche vermöge ihrer 
höheren Kntwickeliiiigs<.tufe wohl im stände war, in 
geistiger und materieller lb>ziehuiig die neolitbisrben 
Völker <ler Ilaiidkcnituik zu b<H>influssen. Hier fimleu 
wir nun auch die Vorbilder für die Figuren iler südilst- 
lichen Bandkeramik. Vuasits hui schon eine seiner Fi- 
guren bezügiic'h der Kopfbildung mit den MariiiorBgnren 
von Naxos und Amorgos verglieben. Und den Typus 
der nackten, mit einem Stduirz bekleideten weiblichen 
Figuren treffen wir in den cyprisebeu Idolen wieder au. 
die mit ihrer badehosenartigen Bekleidung, den ge- 
sehlosseneu Ib'inon. dem Hals- und Ohrsohmuck die 
llauptmerkumle der Figiimi von dablanira zeigen. IHesc 
cyprischen Idole sind eine formelle Weiterbildung der 
vonlerasiatiseheii Istarbilder. welche elH*nso gchcbinückl. 



darge.stelltu unterste Fartie des Biiinjdos zurück, in der 
Weise, dafs die beiden Seiten die Lcisteiifalten bezeichnen. 
Mull kaun das an tb*m bekannten Bleiidol von Troja sehr 
schön sehen, freilieh nicht an den bisbiTitfen Abbildungeu. 
weiche durchgängig die hier in Betracht koininemleii 
Uetails unrichtig wiedergeben *). Hier siml nämlich an 




A»>b. l:s. 



der iintervu Spitze des Dreiecks die Dalueii »•elbst ange- 
deutet, das Dreieck kann also nicht <liis Symlxd für die 
Vulva sein, sondern stellt etu'n die unterste Bninpfpartio 
dar. WH» auch im übrigen aus den Fro]Hirtioiien der Blei- 
figur ersichtlich ist. 

’) Kine gr*UHU*' Und zuverlässige .Xbhildnng l>otin<let sieh 
in dem jeizt erscheinetideii Hurhe ,'l'rnja und lliou“, B»*t- 
läge 44. l'‘ig. 



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Prof. K. Hauten; Vereiiderungou auf der Karte von Jütland. 



41 



Man sieht aUo einen formellen ÜlMsrgaug von dun 
iiuekteii Ixtarfigiireu su den cypriMcheu lladehoseuidoleu 
und von dienen /u den Kiguren von Juldanica, und man 
<l»rf wohl iuinuhmi'U, dufs mit der Form auch die Ile* 
deutuug der Figur hbernegangen ist, wenigstens in dem 
allifeineineii Sinn als Idol, als I Darstellung einer Gottheit. 

l>ie grofse Menge der in Jabiuuica gefundenen Figuren 
braucht dieser Auffassung nicht zu widersprechen, hat 
mau dtich auch in Troja grofse Mengen der bekannten 
kleinen Murmoridole gefunden. 

l>ie Th&tigkeit der M«>delleure v«m Jablanica hat .‘•ich 
nicht in der iDarstellung menschlicher Figuren erschöpft, 
sic erstreckte sich auch auf diu Xachbildung von Tieren, 



als auch in feinerer Ausfilhrung von Butmir, Troja und 
Mitteleuropa (Abb. 13); zu dieser Grup)»e würde wohl 
auch der Futsbecher (.\hb. 14) zu rechnen sein. Anderer* 
seits treten aber Formen und Techniken auf, welche 
.sonst der Bundkeramik fremd sind und zum Teil ihre 
Analogieeu in Troja und Phrygien haben, wie die von 
Vassits unter Abb. 112 wiedurgegelienen scharfkantig pro* 
filierten trefntse mit tiUttestricheii in Intervallen, das 
Heukelgefäfs Ahb. 15 u. n. Xamentlich ist es der Ho* 
brauch der hrebscheibu , welcher in der europAisobeii 
Itaiidkeramik ganz fehlt Sind cs zwei gleicfaalterige 
Gruppuu von rersebiedener Herkunft, die sich in Ja* 
blanicu gemischt habuu oder sind hier versebtedeue Zeit* 




Abb. 14. 

Gefätseii und auduruu GegenstAudeii. Hiu Tiere, an* 
scheinend sämtlich Ochstrn oder Kühe (mit .\usiiiihme 
eines aus Stein gearbeiteten Vogclko]>rcs), erinnern in 
ihrer rohun Ausführung und ihren geringen Ihuieii.siouvu 
au dio Figuren vou Pilin uml Troja (Ahb. H); die Mo* 
dullu vou Gufäfsen sind ubeufallH sehr klein und ruh 
ausgefühil (Ahb. U), so duf« sie den Typus nur ganz im 
allgeuiuiuen erkennen lo«.<ien. Ferner kommen uigeDtüiu- 
licbu Gebilde mit zwei bornurtigun Auswüchsen (Abb. 10), 
ein kleiner vierUnuiger Schemel, in welchem Vussits 
einen Cutursatz für eine Figur vermutet, ein Breifufs, 
kleine Kugel iiud einige thönertie Gegenstände in Form 
der uiarniuruun Stubkuäufe aus Troja vor (Abb. II). 
Merkwürdigerweise wurde nur ein geformter Thonwirtel 
gefunden, dafür aber eine Anzahl durchbohrter runder 
GefäfsNcherlien, ferner einige Wehstuhlgewicbto uml eine 
grofse .Vuzabl runder Tlumkugeln von durchschnittlich 
5 cm llurchmesser, deren Zweck nicht recht crHicbtlich 
ist; möglich, dats sie nach Va-^sit-n als .'‘•chleuderge»cho.‘«8o 
dienten. 

IHe Keramik bat keinen einheitlichen Charukter. 
Kiiierseiis ist diu typische Bundkeramik vertreten und 
zwar sowohl in der gröberen Technik von Tordos (Abb. 12) 



p<*riotlen vertre- 
ten V Kille sichert* 

Aütwüil wird 
diirclt <]us relativ 
noch spärliche 
Funilmaterial er- .\bh. 15. 

Schwert, und dt>ob 

wäre UH wichtig, gerade an diesem von di'Ui mittelländi- 
schen Kulturgebietc zieiulich entfernten Orte die Yerhäll- 
nisse klar und sicher festzulegeii. |Die Beoelmfieubeit 
der Fiiudsti'Ile Ti>rspriuht ju nach dem, was Vussits dar- 
über bereits inUgeteilt hat, 1h*i einer schieUtweisen l iiter- 
Huchuug in gröfserem Kmfaugu gute Besultate in chrono- 
logischer Hinsicht. 

Bie Station von .fablanira scheint also berufen zu 
sein, bei der Krörh'ruiig der neolithischen Verhältnisse 
in Zukunft eine wichtig« Holle zu spielen; Vassits bat 
sicli eiu grofses Verdienst erworben, dals er ihre Wichtig- 
keit sofort erkannt und dann uucli nicht gezögert hat, 
dio Vorläufigen Kigebiii.sse zu veröEfentlicheii. Mit der 
Ilufiuuug auf eine recht baldige Uutersucliung der ganzen 
Fundstelle sei der Wuuscli eine» guten Krfolges v**r- 
buiiden. 



Veränderangen auf der Karte von Jütland. 

Von Prof. H, Hausen. Oldesloe. 



Die Zunahme der Bevölkerung, dio höheron An- 
sprüche, diu an das Kebuii gestellt werden, kurz, <ler 
äiifsere Zwang hat ohne Frag« am meisten dazu go* 
trieben, die Fläch*' des Kultnrhtsleiis möglichst zu ver- 
gndserii und auch das tuimiur günstig« Land künstlich 
zu iM'SMorem umzugeatalteu. Bjiiielam spielt Iwi zivili- 



sierten Völkern auch ein hleiiles .Moment mit: es ist 
etwas Unwürdige’*, wenn mau aiiKchuincnd ertragloses 
IjUiuI immer tälland bhnbeii läfst; man innrs, auch wenn 
die Krfolge zwcifellmrt sind, de>*svn I rbarmachung in 
jeder Weise fordern. iDie Heitlekulturge'ellschafl**n vur- 
ilunkeu mehr dem letzt«‘reii rtu**taiide als dem ersteren 

G ^ 

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Ulol’us LXXXlii. Nr. J. 



Prof. II. Hansen: Veränderungen auf der Karte von Jütland. 



iÜ 

tLr Eiitetelieti. Ilervornigend Ut in diesem Gebiete, wae 
in ujQi»t<rem nördlichMi) NachbarHtaate geleistet ist; nicht 
nur sind aungeduhute Heidegebicte uufgefonttut — in 
Sildwestjütlaiid sind fast 50 (Jiiadratmeilen während des 
19. Jahrhunderts in Kultur genommen — es sind auch 
zahlreiche Seen und Meeresbuchten, deren Ertrug höchst 
unl»eileuteud war, durch Trockenlegungen zu Kulturland 
geworden. I)adurch hat sich du» kartographische 
sehen mancher Teile nicht uiJWeseutlich geändert Im 
04. Hunde des „Globus**, 366 F. habe ich die grötste 
Trockenlegung, die des l,aiumeFjordcs auf der Insel See* 
luud, besprochen, liecht erheblich sind uueb die Arlieiten 
uuf der Halbinsel JütlHiid gewesen; auf deutschen 
Atlauicn sind zum Teil noch bis in die neueste Zeit 
Seen rerzeichnei gehlitdK'U, die seit Jahren nicht niclu* 
vorhanden waren. Ein Hericht über die Imleuttuidsten, 
meist uncli auf kluiiiereu Karten au verfolgenden Melio* 
rationell, die einen rühmlichen Heweis von der Huhrig* 
keit der Hänen geben, wird daher wilikommun s«>in. 

her Sjörriugsee iu der Hundborg-Harde im nord- 
westlichen Jütland, 5km westlich von Thisted, dehnte 
sich Tun der KiscnbahnstaÜoii Njörrtng bis au die hier 
fast 7kui breiten hüuen aus, etwa 8km laug bei einer 
Hrcite von 1 bis l*/|kui. Kr ist wie mehrere benueb* 
barte Seen l•ut^tundeIl durch die hüneu, die den Tbälerti 
den Weg in das Meer Ters|>errten und aus ihnen S*en 
machten. Als Beweis für einen ebemais nie<lrigeren 
Wasserstaud dient, dafs östlich von Hosvang an einer 
Stelle, wo das Wasser fast 2* m tief gewesen war, eine 
vorhistorische Begräbnisstätte Hufgefuuden wurde. Hei 
der Austrocknung wurde der Wasserstand um 17 bis 
18 Fufs gesenkt; die frühere absolut« Höhe des Spiegels 
inufs etwa 50 Fuls betragen haben, da bei der Landes- 
vermeH.siing der Sehlammbodcn 32 bis 33Fnfs eiTeichte. 
Trotz der Kahu des Meeres ging der alte Abnufs nicht 
durch die Dünen, sondern südwärts durch eineBeihe von 
Strnudseen in den westlichen Teil des Biimfjordes. 1858 
wurden von Kapit&n Jagd die Vurhandlungou mit den 
.\uliegeru des Soes über eine Austrocknung auf gemein- 
same Kosten eröffnet, aber die meisten scheuten aus 
Furcht vor der Höbe der Kosten zurück und übertrugen 
dem Kapitän Jagd ihr Anrecht au den See ohne Ent- 
achädiguug. So wurde Jagd Eigentümer des ganzen 
Areals von etwa 1550 Tonnen (ä 0,552 ha). Im Früh- 
jahr 1859 wurde die Wassermühle Fadderslnll aufgekauft 
und iiiedorgeiegt und ein neuer Kanal zwischen Mühle 
und See gegraben; am 12. August 1860 konnte dem 
Wasser durch den Kanal Abfluh gegeben werden. Zwar 
war der Kanal noch nicht fertig, doch wollte man einen 
Teil des SeoH trocken legen, um das Besäen zu beginnen. 
Im Sommer IH61 wurde der Kanal fertig, 1H62 der Hof 
Egebruk^!*ande gebaut, 1862 und 1864 Kabs(4ill und 
Meiercigebäude auf Kosvang; 1862 war der westliche 
Teil des Se**8 mit Grai^sameii besät. Aber noch 1803 
w’ar ein grofser Teil mit Wasser bedeckt, da man sich 
nur mit gror.son Schwierigkeiten durch die halbflilssigen 
Schlammmassen hindiircbarbeiten konnte; eiu luteriius- 
kanal schallte nach und nach so viel Wasser fort, dafs 
der Hauptkanal durch die breiteHteü Schlammmassen 
fortgesetzt werden konnte und der See bis auf 50 Tonnen 
vom Wasser entblöfst wurde. 1866 verkaufte Jagd den 
See adfver Kgebuksholm mit 200 Tuiineu. die er für 
160 OOü Kronen behielt, für die Kosten an Hasuiussen 
in ttdense; nach dessen Tode kamen sie für 770000 Kronen 
an die IHskoiitokasse iu Odeiise, die die .Aktii'Ugescilschaft 
Sjörring*ee bildete. RaMijusHen hatte 1868 bis lt<b9 den 
Hauptkanal vertiefen lassen und den ganzen St^e geleert 
(80000 Kronen ('nkuatetu); der Kanal wurde io zwei 
Arme geteilt, ein Arm nördlich in den Ladegaardavig 



geleitet, einer nach Süden, um da» Wasser desSperring- 
see» Bufzunehmeu, der dann auch 1876 bi» 1877 durch 
diesen Kanal ausgetrocknet wurde. Nördlich vom 
Sjörringaee liegt der kleine Vangsce, ohuo sichtbaren 
AbHula. Man Huchte ihn zu verkleinern durch Bohrung 
von Löchern in dun Kalkuutergruiid, doch 8<tg t>ieh alle» 
voll von Schlamm. Auf der nördlichen Seite des Sjörring- 
see» brachen inzwischen mäebiigo ijuelien hervor, die 
jedenfalls vom Vangj^ee berrührten, sie haben aber keine 
dauernde Störung veranlalst. ln regenreichen Sommern, 
wie 1888 und besonders 1H91 und 1892, entstanden 
Übersebwemmungeu, die man durch Mühlen zu beseitigeu 
suchte. Eine weitere Vertiefung du» Kana]» ist an der 
Höhe der Konten gescheitert. — Der grofse Heichtum 
des Schlamme» au Kalk war t’rsachu der übcrra.scbend 
grolticn Fruchtbarkeit, die allerdings später bald abuabm, 
so doft) Düngung nötig wurde. Von den 1300 Tonnen 
des Hofe» Ko»vang waren 800 Tonnen Thon und 
500 Tonnen „StrandlKHlen“, letzten*r von sehr geiuischtur 
BeschiiKunbeit, vom sieif^^teu Mergel bU zum Flugsand. 
Etwa 10 Tonnen sind mit Laub- und Nadelholz bepflanzt, 
da» im Verhältnis zmii Klima gut gedeiht. — Der l, utor* 
grund enthält Torferdu, was mehrfach Senkungen zur 
Folg» gehabt hat. 

Von gutem Erfolg gekrönt gewesen ist auch die 
Austrocknung de» Tissing-Vig laji Glomstnip im Süd- 
westun der Insel Mors und de.» kleinen Huudsue.» bei 
Seier»lev im Norden Jer^elbon Insel, während der Vur- 
Huch, den Orurn- iiiul Flndu»ee (eben nördlich von dum 
Aggerkaiial) kein so erfreuliche» Ergebnis hatte. 

Verschwunden ist auch der Garbuseo, der nördiiehstt' 
in Jütland, westlich von der Eisenbahn Fredurikshavn — 
Skageu. Sein Abfliils ins Kattegat ist soii 1885 von 
2 Fufs auf 12 F'uf» vertieft , eine mühsame Arbeit iu 
losem Fiiigsandu; dadurch wurden etwa 400 Tonnen 
fruchtbaren SeblammlKideus guwonueii; die Sanddünen 
haben keinen .Schaden gebracht , was man früher Im*- 
fürchtet(>. 

»hebbeh verfiudert ist da» Aussehen des iiönlliebsten 
Teile» des LiiniQordes. I>er Fjord näherte sich mit dem 
Busen Hau-Veile der Jauimerbucht bis auf ungefähr 
4 km ; der Insel Mors gegenüber ragte eine lauge Halb- 
insel, Hatiuä», weit in den Fjord hinein, westlich be- 
grenzt von dem Busen Vuilö»*Veile. Sf>wohl westlich 
wie östlich von Hunnä» hat mau bedeutende Trockeu- 
lüguiigen vorgenoniinen. Die Trockenlegung des öst- 
ticbeii Busens, Bvgholm« und Han -Veile, wurde 1866 
von einer englischen AktieugescUsebaft begonnen durch 
.Inlegiing eine» llauptdainmcs von Oslö» nach (ijottrup- 
Holm von etwa 6 km Länge, er war unten 27 m breit, 
dir Höhe über dem Wasser Iwtrug 2,2 m. I>a er meisten» 
aus Sand bestand, brach er schon vor der Fertigstellung, 
wurde indes 1867 fertig, und TrenhuUu, ein Ilauptaktiouär, 
der da» ganz« Werk übernahm , lief» gewaltige Pump- 
werke uuffübren und begann da» AuHpumpen; in dem 
tieferen Teile de» Han-Veile erbaute er eine grolse Wind- 
uiüblu ziuu .Xusmahlen des Wasser». Iter westliche und 
Dordwestliclie Teil, etwa die Hälfte de» ganzen sich auf 
fast 550C Tonnen belaufenden Areal», bestand au» Lehm- 
boden tHler war mit einer dünnen Schicht Nand bedeckt, 
der Rest war Sund, vermischt mit MiischeUchab-n. 1870 
und 1871 wuixlen die Uingkanäle und Dämme rund um 
da» neue Lund, die Schien»«!) und Abzngskanäle fertig- 
geHtcdlt und der Boden mit Süf'-was»«r überrieselt, da» 
man aus dem iimliegemlen Lande in dem Kanal auf der 
Ost «eite gesammelt hatte, um da» Salz au» dem Boden 
hurausziiscbaffeu. Bi» Ende 1873 ging alle» günstig 
weiter, aber bald nach Neujahr 1874 rif» eine Sturmflut 
den Damm fu«t ganz weg und zerBtört« auch die Wiud- 




Fva VifTütröm: Geister' nnd Geipesttaraber^Unb« aus V&atra GÖidk^ Skaoe (SehvadeaX 



45 



miihlv. 1875 he^nnen neue Unternebiuor sich an 

Hiß Sache zu machen , Tltomn» an<l Andrew LiviDf?rttono 
I^earmouth ; ein neuer, haltbarer I)nmm mit Srhleiiße 
wurde aufgeführt, eine grutwe Mühle mH Turbinen er- 
baut und 1878 die Aiiapumpunp mit grofsen Danipf- 
pam{)en, die in einer Minute 14000 KubikfulH l>ewältigteu. 
begonnen. Ihirch einen Damm von etwa 3,2 km Länge, 
von HannäN nach TborupHolm, wurde der südliche Teil 
(2000 Tonnen) von dem uonilichcn abgetremii und 
zuerst mehrere Jahre hegröiit und gegni.Ht. Nach Fertig- 
stellung dluser Arl>eit machte umn eich an die Trocken- 
legung des Busens weltlich von HanuA», de»* Tüiuiuerby- 
Fjordes und der Veiler von Veslös und Arup. Der 
liauptdamm geht von Hovsor über die Inael liovsor-Hutii 
nach Aruplund; Ringkanäle wurden gegrtihen und der 
Busen leer gepumpt kta auf einen See iin TotnmerbTrpwd, 
der jetzt zur SüfswnsBerfischerei benutzt winl. Das ge- 
wonnene Gebiet giebt eine reiche Menge Heu und vor- 
treHlicbv Weide; ein Ackerhof i»t angelegt und ein Teil 
des Landes um den Hof schon mehrere Jahre als Acker- 
liind benutzt, der Krtrag, besonders an Hafer und Hülsen- 
früchien, war üppig. Die Koafen sind sehr bedeutend 
gewesen, des Krgebnis ist daher noch nicht ganz zufrieden- 
stellend, doch ist eine beascrn Zukunft zu hoffen. Wert- 
voll ist der Reichtum an Wiesen und Weiden, die ge- 
wonnen simL Das Areal beider Busen betrügt etwa 
11000 Tonnen. 

Der Tastuinaee, nabe bei der .'^tjsdt Skive, nurdweat- 
lich von Viborg, ist in den Jahren 1868 bis 1871 trocken 
gelegt und bat etwa 1000 Tonnen nutzbares liand ge- 
liefert. Windmühlen und Dampfinaschineu bringen das 
Wasser in den Ringkaual, der ihn einschliefst. Anfangs 
wurde nur Gras gebaut; als der Boden fester wurde, 
teilte man ihn in Fennen TKoppelu); seit dem 9. .Tahr- 
zehut begauti das PflÖg»*n uinl die Uesäung mit Sommer-, 
später auch mit Winterfrucht. 1872 wurde ein Hof, 
Süvang, aufgeführt und auch noch die erforderlichen 
Nobeugehände, Viehställe, Arbeiterhäuser ti. s. w. 

Fine weitere grofsc Trockenlegung galt dem Koliiid- 
Kund. IHeser erstreckt«« sich in Vorzeiten wahrscheinlich 
als tremiiUMler Sund vom Kattegat durch den östlichen 
Vorsprung Jütlands hi« zum Gnindfj(»rd und Itanders- 
fjord. Durch Hebung tlos Land(^« wurde der westliche 
Teil, der jetzt Moore und Sümpfe enthält, trocken, im 
Osten blieb nur ein achmaler Ausflufs, die Grenmi. Dor 
übrig gebliobonc Koliudsund, 2*,'* Meilen lang, V« 

3Ieile breit, umfafst© 4300 Tonnen. Der ,\bHufH war 
nicht genügend, und oft gab es Klagen über Übi^r- 
scbweiniuuDgeu. 1855 wurde eine Vertiefung der .Au 
vorgeschWgen , al>«r die Kigentümer des angrenzenden 
ftodens konnten sich nicht eiuiguii. 1872 bildet© sich 
ein© Aktiengesellschaft, die die gröfiwre westliche Hälfte 
trocken legen wollte und Vcrtiitgu luil den Aiiliegerti 
schloff«, dafs dies© auf je 100 FJlen Seegrenz« ! bi» 
l’ j Tonnen Land vom See erhielten. Der Plan ging 
dahin, vonTannerup nach Ginnerup durch den See einen 
Dumm zu legen und um die Wcsthalftc einen Kanal zu 
bauen, der die zufUcfseiulni Wasser nufnehinen sollte. 
Sebwierigketten l>eiro Dammhau und die Notwendigkeit, 
den ganzen Seespiegid zu »enkon, Führten zu der Kr- 
Wöiterung dos Plaues, dats «ier ganze See auf einmal 
vorgenommen wurde. IHe Seitenkanäle wunlen bi» 
(Trcnaa auKgcdchut und ini Sommer 1873 die tireima 
reguliert. IHe» hatte ein Sinken de» SeespiegeU am 
2 Fuf» zur Folge; am 3. Mai 1874 begann die Aus- 
pumpung und im Oktober war der gröl»te Teil de» Sees 
trocken. Al>er am 16. .Innuar 1875 brach der Damm 
de» Sadkanal», der auf losen Sebiehten ruhte, nnd das 
I^audwHBser stieg bis auf Fuf» unter dor alten nonnalen 



Hübe. Die Deiche wurden nun sicherer gebaut, im 
Juni 1875 hatte man den Stand vom Oktolx'r 1874 
wre«ler erreicht. Im Januar 1877 droht© bei plötzlich 
uintretondem, starkem Tauwetter ein neuer Durchbruch ; 
man »tach den Deich an einer günstig«:u Stelle durch 
und schützt© »ich dadurch vor dem Auf»er»t©n. Im 
Mai 1877 war alle» wnalor in Ordnung, der Südkaiml 
verbreitert, die Deiche verstärkt. Gleichzeitig hatte man 
mit der .Auftoiliirig de» Botleu» begonnen, Gräben gezogen, 
Weg© angelegt u. s. w. IHe Strandkaut©, die ilen An- 
liegen; zußel, ist zum Teil sandig und steiiiicht, enthält 
al>er auch guten Buden; die Mitte hat fast durchweg 
guten Boden, eine geringe Strecke ist .»andig, Flugsand 
nur ein kleiner Teil. Die Krträg© an Heu waren zum 
Teil »ehr gut; dann wurtle auch Korn geliaiit, W'eizen, 
Gerste, Hafer. Die Gesamtkosten beliefen »ich auf 
2415000 Kronen, dafür waren 2563 Tonnen gewonnen, 
HO dnfs die Tonn© durehschniftlicb auf 950 Kronen zu 
»tehen kam. 1HH4 wurde ein Teil verkauft, A'edö für 
315000 Kronen; jetzt sind dort sechs Paebtböfe mit 
100 bi» 300 Tonnen und 20 kleinere; den Rest betreibt 
die Akliengesellscbiift. Anfang» war die Krnte grofsartig: 
20 faltig© Gerste, 30- bis 36FäItiger Hafer, 20- bis SOfältiger 
AVeizeu. Nach und nach zeigt© Hieb viel Unkraut, der 
Krtrag sank und die hohen PacUtpreis« mufsten zunlck- 
geben. Wenn auch du» angelegte Kapital sich nur inäfi^ig 
verzinst — die Kosten waren sehr hoch — , so ist di© 
Trockenlegung für die Umgegend von hohem Werte 
schon wegen der Wiesen und Weiden. 

THesegröfseren Trockenlegungen sind auch auf Karten 
kleineren Mnfs»tal>cs erkenuhar; es fehlen aber beispiels- 
weise die des Garbost«©» und des Koliiidsundes auf dem 
gr*)F»en Schulatla« von Diercke und (iaebler, S. 104. 

Kleinere Eindämutungeii haben auch anderswo statl- 
gefuiiden, so südlich von .Aarho» 800 bi» 400 Tonnen des 
Bilsen» Norsniinde. 1870 wollte ein© Aktiengesellschaft 
das ganz© Nor eindäminen, doch war der Boden zu sandig; 
e» Kchlnnimt aber allmählich von selbst zu. Ferner ist 
1884 tlie Bucht llaabet auf der Ont»cite der Halbinsel 
Zwischen Htirxen»- und Veilefjord durch einen Damm 
gt^»vhlo»s©u (99 ha), al>er nicht gegen t^berschwmniuungen 
durch da.» Biimenwas.ser gesichert; am Koldingfjord ist 
©in Teil de» Eitang- Yig, etwa 60 Tonnen, trocken gelegt, 
endlich auch Teile de» flachen Stadüfjordes bei Ring- 
Igöbing. 

Oeiüter- and (lespenHieraborglaabo 
aiiH VAstra Gdinge und SkAne (.Schweden). 

(>©$iimtrielt v«m Eva Vigström. 

Wiu lebendig in den im Tit<d genannten I^andschafti'n 
der Geister- und (iespensteraberglauben noch iirt, er- 
kennt mau aus den iiachfolgundim Mitteilungen, die alle 
in der (ivgeuwart gesammelt wurden. 

Im westlichen Göinge wirr! noch oft hoiiizutago eine 
Hasche Uranntwein in den Sarg eines Trinkers gelegt; 
viele Männer bitten darum auf «lern SterWbDtte. Frautui, 
diu während der Schwangerschaft sterben, bekommen 
Kinderzeug und ©ine Schere mit in den Sarg. Das Kind 
mufs |edcnfalls noch gelioren werden, und guschiuht dies 
nicht zu Lebzeiten, so geschieht es, währemi der Sarg 
durch dfiii Fricslhof getragen wird; daher die alt« Sitte, 
den Sarjf für einen Augenblick niederzusotzen. Viele 
älter© Personen bestimmen, dnf» ihnen nach dem Tod© 
hlrd» ein« f.eibbinde umgolcgt w©nle, denn znm jüngsten 
Guricht dürfe man nicht viel anbaben. 

ln Sandhjr etarb di« Sciiwiegeriuutter der Hanna 
SvüH-I’erM. .Auf dem Totenbett« hatte di© Schwieger« 



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44 Kvn V'i|{ström: (ieiiter* uitd <te 8 petiiti‘ralier| 2 lftulie »u» Väatra (I6inxe iin>i Sknno (Sobwoden). 



mutti’r ;ri>b»lirti, die beiden S«hwiegertochtor möchten 
tticb imcii (len Tun ihr getuachtmi Uerttiinmmigeii in die 
l'lrbachart teilen. Hanna erfüllte den M'iinsch der 
Scbwiegermiitterf behielt alH>r einen Wuherkamm zn> 
rück, der für die Schwiigeriu bestimmt war. Kaum war 
dieM'H ge.Hcbeben. alt« nirh nai'litn auf dem UtMleii ein 
sidcber Lärm erhob, als wurde dort alleii kurz und klein 
geKchlagen. Man stellte Vennutnniren über die l riMiche 
den Spuks iiuf, iitni da kam llunnaH Mann auf den Le- 
dankeii. ob wohl alle Wünsche tler verRl<»rben«n Mutier 
erfüllt worden wÄren. .\1» er dann vom ZurflnklHdialten 
doB Kammes erfuhr, drang er darauf, daf.*» lÜeser der 
Schwäijerin atiBtfeliefert werde; nun war wieder Kriisle 
und Hnhe ini Hause. 

In Hulingslöf wnliute ein alter, unverheirateter Son- 
derling. Kr baute sirli ein Hans, richtete dasselbe 
uIht »o unpraktiaeh ein, dafo derjenige, welcher es nach 
iM>in(mi Tmle gekauft hatte, es so nielit bewol)n<‘n konnte. 
Her neue Hesit/er be(/ann dieses Haufl iiaeh seiiioiu tii^ 
Schmack uuizubuiien; iiIm.t uiiii <Mi|stand in dem Hause 
ein arger Lürm, und das lose Ibuiniatcriad wurde stet« 
he-cliädigt gefunden. Her Kigentümer nuifnt4> iiibdge- 
desseii den ( ndmu uurueheii, und au Mteht denn das (»n- 
bäiide n«>ch heutzutage unvollendet da. 

In Hnlingslöf sind viele Leute ermordet worden, 
deren lantus tie-chrei man oft noch hören kann. 

In der Nähe der Kiseiibahiistation geht dort eine 
Krau schim so lungu um. dnfs man gar nicht mehr weifs, 
wer sie zu Lehxeiten gewesen. Kin Sniimied sah sie 
eines .\bends und rief sie nn, weil er UDeiiite, sin sei diu 
Kran des Naehhar«. Sie äffte ihn» wohl iiaeh, antwortet« 
jiMl«H:h nichts. 

Hrei Horrmädcheti kamen eines .\hends von einem 
Tanzvergnügen heim, als -ic plötzlich zu ihren KüNen 
einen Igel heinerkteii. Kaum hatte die eine ihn mit 
der Knfsspitze berührt, als da-- Tierchen zu leuchten 
und zu fljiuimeti iH'ganii. 'I'ags darauf erfuhren die 
Mädchen, dafs die Jungfer l’arnla in die-er lie-fall nin- 
glngo. 

Ilan.s Sveii-son diente bei einem Afamie, d«-m mun 
naebsagte, er liulm seine erste Kran ermonlet, nni eine 
ander«' zu heiraten. Hie-er Mann lö-cdite seitdem nie 
nnclits sein I.ichi aus, iiiid sah man tlnrchs Fenster in» 
/immer, hemerkle iimii tielmn seinem Hette ein /weites 
Licht mit Weifsein Schein. Ha« war sein«' er-te Frau. 
— Nach den» Tisle fand «1er .Mann auch keine Uuh«j; 
oft nieget» nachts <lic 'Ihürei» auf, und es gieht einen 
Ilölletilarin. 

In t)r«'t4irp veniinunt mau oft merkwürdige Laute. 
Haid gleicht «las (ieräusch «ciinnuheiideu fbi—cii, hald 
knistert es wie Feii«>r. -ohald der Knecht da- Heu mit 
der lialH'l herühti. Man erfuhr schliefslirh, e» sei der 
(•eist eine- früheren Jäger-, «1er Freischütze gewesen 
und «leshalb keine Hube gefniideti. 

liei-ter zeigen sich in versrhie«b'uartig‘t«T li«'stnlt; 
oft Rrsch«‘inen sie bhif- al- Feuer und Flammen. Nil» 
Petlersson will einen solehen l«ei-st aus einem Schom- 
-leii» ImlH'ii empor-t«‘igen sehen, der ihm sogar ein 
Stück NVegs gelnncbtet batte. Hnbei behauptete er, -ehr 
wohl einen Feiiermeleor am llinnne] voi» einen» flammen- 
«len («eiste unterschei«b‘ii y.u k<üiu«m. 

Hie von einem Tanzvergnügen heimki^lirende Jugend 
tiUi* (iidiigc la'gegnet«« solch einem (iei-t. .la'iichte uns 
heim, wir bezahlen dir» mit einem Schilling“, sagte «in 
junger Mann. Her («eist that, wie ihm gelieif-eii, diwh 
als <Ier Knceht ins Haus gehen wollte, ohne zu lo'zahlen, 
erkrankte er auf der Stelle. ,\n«ter«' Ihir-cben warfen 
dein (»eiste das (ield-lOck hin, docl» c- entstaitd ein 



Höllenlärm in» Hufe, bis der (»«ist daa («cldsluck g«- 
fuiideu. 

Wbh V««rs(«»rli«me mit (icid anfangeii, i-t nicht zu 
liegreifen. Ha war der Ni-'<e, der iuh'I» lang«! nach 
seinem Tiale j«<de Nacht bei -einem (ieldkii-teu stand, 
füll Mädchen wetbU«« mit einem SchithiniMdier unt ein 
Paar .Scliube, sie wcnlu nachts zu Nisse gehen und ihn 
nin (»eld bitten. Sie fnml Ni-s« nmdi Ihüiii (ieldka-ten. 

Nis-e sagte: „Nimm mich auf den Hüekei» ninl trag 
luieh, wohin ich dir -agen wenle, ich werde dir'« hthnen.“ 

„Wie viel giebat du mirV“ fragt.« daa Mftdcbeii. „Wie 
vii'l verlangst du?“ fragte der («eiat- „lausend Thaler“, 
antwortete «las Mä<lclieit. Her Gei.-t ver-pracb ihr die- 
selben; sie nahm ihn auf den Krieken ni»«l trug ihn auf 
seinen Wnnseb bin zu einem Stein um Wegrande. Hier 
setzte sie ihn nieder, und er machte sieh uu dem Steine 
zu schaffen. Nach«lem J»i«^ wieder ein Stück W«*g« ge- 
gangen, begegm^te ihnen ein Leiiebtgeist, mit «lern wollte 
siel) Nisse ein wenig unterhalten. Hie nächste Hegeguung 
war ein Hund mit g1üben«len .\iigen. Mit demselben 
re«let« Ni-sse auch, «bis Mädchen verlor JotbM'h ni«ht «len 
Mut. soud«'ni trug U»n an den nnfuugs bestimmten Ort. 

HieHes war ein kl«ii)«a Hiiiih mit einen» Hiichfeuster; 

.Nisse bat das Mädchen, sieb so zu stellen, daf« er da- 
Huebfen-ter eiTeieben könnte, .\l.sdauti sollte sie in« 

Hau» gehen und das drinnen wohinmde Weib bitten, »ie 
m«')ge .Nisse verzeihen und ihm den Kintritt in« Hach- 
»(nla^hen gewähivn. .Vueh diesen Wun««di erfüllte da- 
Mädchen den» (»ei-te, brachte ihn «laranf zum Friedhof 
nml eilte a]s«ian!i nach Hause. Hem Schuhmacher er- 
zählte sie nichts von alleticin. bevor sie bei Soummauf- 
gang den Schatz unt*T «lern .Steine an» W«'ge geholaMi. 

Nun hatte ate dii« iauseml l'lialrr und dazu ein Paar 
Schuhe, Her Schuhmacher wollte -loh nun auch in Ni-scs 
I Heilst stellen, aller d«u* ward nie mehr go-eh«ii. 

Manche Menschen, die eine allzu grofs« LieiH* zu 
»hroin (««'ble g«haht. lH>gralN-n mit «b'U»-«'lben ein hdieii- 
des Tier, wtdcljes den Schatz lM'wa«*hen Holl. Lliuual 
sollte die giTUuhte Kri«*gska-n' Karls .\I. gesucht wer- 
den, F.in kluger Mann faml die SUdle am See. IHt 
P latz wurde abgi'grenzt, und die Nachgruhiing begann 
nin Mitternacht. Sie stiid-en «i'lion mit d«Mi Spaten auf 
das Gewölbe, als jilöizlicli ein grofse«, weifse« Pfenl 
durch dasselbe hiiidurchritt und dann v«r-chwan«l. .Us 
«b'r .\lte sl«h vom Schreck erholt, wur»t»‘ er, daf« alle 
Müh«* viTgelieiis g«'W«'sen; das Tiit hat di«* Macht, den 
Schutz um n«‘ni) Klleii im Umkrei-e zu v«>rsetz«'n. Ha 
er di« Himmelsrichtung nicht wnf-tc, verzichtete er auf 
widtere Nachgrabungen. 

Manche vergrabene Schätze werden von Hühnern 
hewacht. 

lu Snialaml ermittelt«*!» Schatzgräber die Sl«dle eine» 

Sjirge«, d«‘V mit den »cb«in»tci» Kostbarkeiten gefüllt war. 

Voller Habsucht und Gier gruben «ie im S« bweif-e ihi-«'» 
Angesichts. Hoib kaum wunle der Sarg »it.'ihtbar, als 
das den ''arg bewachende Hubti einen Schrei aiisstii’f«. 

Hie Männer erschraken, sahen auf, und da deticlitc ihnen, 
als stünde ihr Han» in Flammten. Sie eiit« n beim, aber 
das Haus war iinver-ebrt, und als sic sieh v«»n ihrem 
Irrtuu) üloTzeugt hatten, k**bi't»‘n si«* zu ihrer .Vrlndt 
zurück, «loch siche ila, «ler Siirg war verschwunden. 

In Göinge lebte eine reich«- Ilaueri»locht«-r, «lie ihren 
Heiebtuiu nicht mit einem Maim«^ teilen wollte und d««s- 
hjilb unverehelicht Idieb. .\1 h sie sehoii in die Jahre ge* 
k«immen. h«'iratete der Hnnler ein .Mädchen, das in 
»ehleehtcm Hufe -tainl. HariiU-r Hrg«rle «ich die 
Schwe«ter und -i-hwor, si«' wiinle dem Hruder nicht« 

T«jrerb«m, Sie b«'stin»uite ihr («eld zu i'iner Kirchen- 
glocke, die jetloch nur hei «liT Uestattiuig alter Jung- 

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Woitore Reiten der Herren Saratin in Celebes. 



46 



flauen läuten huUIv. l>amuf ging aber die (ieineinde 
nicht ein, worauf »ie l>e»itiminte, dafs ihre Wertpujjiero 
in ihren Sar^ werden snlUen, wh!< auch geMchab. 

l)er Hnider wollte den Tuttnigräher bewegen, den Sarg 
zu öffnen un«I die Wertpapiere heraii-<zunebnien. Hoch 
als der Pfarrer das erfuhr, gestattete er es nicht, wahr- 
seheinlirb, damit <lie Verstorbene nicht unurehen sollt«. 

Manehu .Menschen gehen um, ohne dafs man den 
ttriiiid erfahren kann, und w'eehselu iiucb ihre (lestalt. 
•S> zeigte sich z. H. der Rittmeister aus Vidtskön« in 
(•«»talt einer Magd, mit einem Krug in der Hand. 

.\ndere Verstorbene zeigen sich, um Lebende zu 
warnen, tnler ihnen Unheil zu Terkftnden. So war es 
z. ß. nicht glQckTurheifxtmd, dem mit seinen schwarzen 
Rossen dahinjagendeu Pfarrer von Vidtsköflc zu 1 h>- 
gegnen. Per Svensson begegnete ihm, als er genide 
über den Teich und <len nahlznun dabinfidir. Per war 
HO verwegen, sich umziiHeben. d»>ch du» bekam ihm nicht 
gut, denn er konnte den Kopf nicht wieiler zurück* 
wenden, und es gelang einem alten Weihe nur mit 
grofcer Mühe, ihn von ilieser Verrenkung zu heilen. 

Jemand, der wohl bis zum jüngsten trericht umgehen 
wird, ist <ler SchuhniHcher von Jerusalem. Vor einiger 
Züit kam er in einen Rauenibof und Wttelte um ßroL 
Kr sah wie ein sich bew’egcnder Scliutien aus; das ihm 
gertdchte ßrot verschwand in »einen Händen, <)och man 
sah nicht, dafn er dasHelbe verzehrte. 



Tcsb-Hfillle werden oft von Verstorbenen angeküiidigt. 
ln IlAstveda ist die Familie des Nil» Per»ka so un diene 
VorbcrsHgiing gvwöbnt, diifH »ie »tets auf den Todenfa)] 
in der Familie vorliendtet »ind. 

.Vnsteckende Krankheiten haben auch iliro Vorzeichen, 
dieses weifs man von der Peatzeit her. Sie zeigte »ich 
damals in (iestalt eines Mannes und einer Frau. Kr 
führte eine Sclianfel und sic einen Ib'seii mit sich. Selian* 
feite er in einem Hanse, ho starben nicht alle Kinwohiier 
darin, fegte sie aber iiaeli, so blieb niemand am I,ebeii. 
In einer Nacht kam dieses Paar in eine Stube, in wel- 
cher ein I'^e|wiur mit MÜtieni einzigen Kinde zu Rette 
Ing. .Als die MutWr die Frau mit dem ltes<m Ihj- 
nierktti. versteckte «ie das Kind zwischen sich und «lein 
Manne. Hie Pc»t liernlirt« Vater und Mutter. In ihrer 
Angst rief die Mutter: „In Jesu Namen, hier ist nie- 
inantl mehr.** Hie Pest glaubte ilir; das Kind blieb am 
Leben lind beerbte das ganze meusehenleer« Ihirf. 

Will nuin verhindern. daN der tJeist Verstorbener 
Wiederkehr«, giefse man sofort das Wasser an.s, w<irin 
die Lelehü gewasebeii. 

Will man nachts v<m ßegegnungen mit (leistern ver- 
schont bleiben, so gidu; man stets auf der rechten Seite 
des Weges und lass« ilmen die linke. 

(übersetzt aus: Meddelanden Tran Samfnndut för 
Nonliska Museirti fntmjaiide. von S. y. Waden- 
stjerna.) 



Weitere Reisen der Herren Sarasin in Celebes. 

Von Palu nach Paloppo. 



Hi« Herren Pani und Fritz Sarasin berichteten 1 
Herrn A. 11. Muyer aus MakasHur vom 3. Novumber I 
das Folgende : ' 

„Sic werden wohl auch aus den/eilunguti utwusvon i 
unseren Schicksalen erfahren haben, die uns auf der 
letzten Reine begegmd iiind. Nun, die Hanpivache ist, 
dafs alles schliefslicb gut abgtdaufen und di« Reize wirk- \ 
lieb iiuageführt werden konnte. .Am 3. Oktober sind wir * 
in Paloppo cingotroffen und am 20. in Makuzear. | 
Aber ohne die grofsartige Hülfe des tfonverneiir** I 
V. Hoevell, der, aobald er unseren ß(>richt erhalten | 
hatte, mit Truppen nach der Paliibai aufbrncli, wären . 
wir nicht durchgekommen und hätten uns mit dem Be- 
suche dos Liuduseus zufriuduu geben müssen, war [ 
eine lange Reise, wir sind .3* -j Monate weggewesen. Mit 
den KrgebniHHcn haben wir allen (.rund zufrieden zu | 
sein. Geographisch da» schönste ist vielleicht die Knt- 
decknng eines grofsen FlufsR.VKtems, des Koro, welches 
einen mächtigen Teil des westlicbeii /entralcelebes 
entwässert, und dann eines GebirgPH, das wir für das 
höchste der Inset bis jetzt nnaebeu muchteu, des Ko- 
rüuwc (dieNaniena&bnlichkeit ist zufällig), nach unserer 
Schätzung 3500 m erreichend. Ha» durchreiste Gebiet • 
ist überaus gebirgig. In etwa vier Wochen gedenken 
wir uns wieder nufzumacben. Unser nächstes /.iel ist ' 
liainontjong mit seinen To .Ala*), welche nun gründ- 
lich untersucht w'erden millen. . . . GeHimdheitlich geht 
es uns sehr gut.“ Zugleich melden die ansdaiiernden 
und crfolgnucben Forscher, dafs sie im Ik‘griffe stehen, 
ihr« Reiseauahente an Säugetieren und Vögeln an da« 
Dresdener Museum ubzusenden. 

Zugloicb traf der -MakanfHarsche Courant“ vom 5. No- 

*) Hi«he Globus, ]li]. 82, K. 28, 1902. In der Öltcrsrhrifl 

ftebt dort irrig Tola Ala statt To .Ala (To s= Merutchi. 



vcmlMir bei Hmrru A. ß. Meyer ein mit «luer ausfülir- 
licberen vorlRnfigen Schilderung der Rciseerlebni»««. Wir 
geben diesen intcreasaiitim llcricbt , der auf direkten 
Mitteilungen der Herren Sarasin l>emht, im folgendou 
in der Übersetzung wieder: 

.Am 5. Juli brachte uns der (Touverneiir von Celehe.« 
nach Pal II. 

Her Zweck unserer Reise war, von hier aus Zentral- 
celebos an der breitesten Stelle von Norden nach Süden 
zu durchi|Ueren , um, im Anschlüsse an unsere frühere 
Heise vom Golf vonßoui über den Possosoo nach dem 
Golf von Tomini, eine Kinsicht in die geographischen, 
natiirhistoriMchen und othnologieclnui A'erhAltnisse dieses 
uubeknnuten Teiles der Insel zu gewinnen» .Us politi- 
scher Begleiter war uns Herr W. H. ßrugman und 
anfserdem für den ersten T(*il der Reise noch der Ge- 
schRftsführer von Honggala. Herr W. II. Niel«, mitge- 
gclieii wurden. 

Bei unserer Ankunft in Palu machten die Fürsten 
von Puln und Tawneli dem tiouvmicur an Bord ihre 
Aufwartung und verspracheu, un.»ere Reise, soweit es in 
ihrer .Macht stAmle, zu unterstützen. Her Fürst von 
Tawaäli hol sich sogar an, tius persönlioh zu Insgleiten 
lind für Träger zu sorgen. 

in der 'Phat glückte ck uns, uugufubr ^0 Träger zu 
crbalteu, so dafs wir, mit utf'cren 40 Makassnren, über 
120 Mann zu befehlen hatten, eine Zahl, die zum Trans- 
{Hirtiercn der IrclNmsmiltcl für eine so weile Rei«e nötig 
erschien. 

.Am 11. Juli begaben wir uns auf den Weg. Beim 
Hiirchzug« durch die Hauptstadt des Fürstentums Sigi, 
einu Tagereise von Palu ins Innere, besuchten air, da 
der ulte Fürst sich iiiipRfslich gciueldet hatte, seinen 
Schwiegersohn und Vertreter, Tome Hompo. Auch 
dieanr versprach, sein B«Hte.<i zu timn, um un« zu helfen. 



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4<> nettere Keiaen der Herren Ssraein in Cetebea. 



Die von ihto mitß:egel)eneti Bt^leiter blieben aber bereits» 
nach Kwet Ta^en zurück. I>a.*« üchone, breite, dicht* 
iNjTölkcrte und durch hohe Hergrackeii ettigcHchlunxcm* 
Puluthal ut »eben durch die Schilderungen der Herren 
Kruijt und .\driaui bekannt geworden, die 1897 aU 
die ernten KurofMter bis< Kulawi vordran^n und toq 
da aui4 den I^iiidiisee benuefaten, die aber ihre beab- 
sichtige Heise Ytm Lin du direkt unch Mapane auf- 
gobeu luufsbm, weil von Si^i ein >;eheimer Gegenbefehl 
icekommen war. 

Am dritten Taffe von Palu erreichten wir den kleinen 
Ort Pttkuli, wo «us einer dicht bewachsenen Schlucht 
der Gumbaaaflufst ins* l^aluthn] herabeturzt und sieb 
mit dum Mia ztim Paluflusso vureinifft* Von hieraus 
wird das Terrain liüffelig, waldreich und dünn bevölkert. 
Am fünften Taffe verliefs un» der l*‘ür»t von Tawacli, 
ohne .Abschied zu nuhuicn, und am •^}chsten kanten wir 
nach Kuiawi, einer reich Isebaiiten FT)ene mit arbdneii 
Heiafeldem, ungefAhr 500 m ülier dem Meeres*spi(>j;el. 

Unsere .Ankunft verursiu-hU» ffrofse Aufreffunff. Das 
«rate, was wir bssrten, war. dafs wir nach Palu zurück 
müfsti'n, denn man hatte berichtet, dafa wir frekomincn 
wären, um ihre Büßel zu schiefMen. .Allein iiimii boruhiffte 
bieh bald, und allmählich entwickelte sich Nelbst ein 
freundschaftliches Verhältnis zwi«cbcn uns und den He- 
wohnenj Kulawis, MSuncr, Frauen und Kinder kamen 
in grofsen Scharen herbei und liefseii sich in ihren farl^en- 
reicbeii Trachten auch gern photographieren. 

l>ie Kiilawier sind ein TuradjaHtanim mit beson- 
dors feinen (iesichUzügcu; allein, wie wir später horten, 
sind sie wegen ihrer vielfältigen Sircifzüge in der ganzen 
Umgegend stehr gefürchtet. 

In der zweiten Nacht in Kuluwi desertierten nielir 
als 50 unserer Träger von Tawaäli, was uns um so 
mehr auffie], als sio am folgenden Morgen di« Hezahlung 
für den ersten Teil der Reise erbeten sollten. Nur 
25 Tawadlier blieben zurück, allein wir hofften, in Ku- 
iawi selbst unseren Verlust witulor ersetzen zu können. 

Von Kuiawi besuchten wir mit unseren luakaKsari- 
sehen Uegieitern — die 25 Tawaelier weigerten sich 
iiiUzugehuu — " den Sov von Lindu. Kr »t zwar im 
V'erhältniR zu den grotsen Recken von Pt>sso o<ler 
Towutt klein, vielleicht nur Hkm lang, aber sehr schön 
und an der tlstHeite von einem hohen (tcbirge, dem 
Ngilalaki, begrenzt. Kr Hegt ungefähr lUOO in Ober 
dem Moeresspiegel und wird einmal ein Luftkurort ersten 
Hanges werden. Hie Krforsebung des S«i's und seiner 
Tierwelt hielt uns einige Tage geschäftig. Die gröfste 
Tiefe hi'stimiiiteii wir mit 65 ui. Wir bifsucbteii auch 
die kleine Insel, die als Regräbnisplatz tüciit. Unter 
den llütixem, die nur bei F'esicii bewohnt weHeti und, 
aUwirda waren. U'er standen, sahen wir tiichren* hölzerne 
Särge stehen. I)prjenige eines Fürsten war iH'sonder» 
schön geschnitzt« an der einen Seite in einen Itöffel, an 
der andei-en in einen Hraehenkopf aiislaufend und mit 
vielen Menschenskalpstuckrhen verziert, die mit Rainhun- 
nägeln daran iHsfesligt waren. 

.Vis wir nach Kuiawi zurückkumen. fanden a'ir diu 
Stimmung aehr zu unsoren rngunsteii verändert.. Trä- 
ger wanui unmöglich zu haben, und als wir unter Zurück- 
lassung von nllem, wa.s einigermnf.sen zu entWIiren war, 
weitiT ziehen widlten. erklärten die Führer, die uns von 
Palu hergebracht Imlten, data sie es nicht wugtuii, weiter 
zu gehen. .Vndere Helsen su'h wegen Krankheit ent- 
schuldigen. her Häuptling von Kuluwi weigerte sich 
eiitscLicilen. uns zu helfen, und als wir nach demtiniude 
fragten, machte «r die tiewte d»*s lla]snh>ichDeidens und 
Migto nichts als: Sigi. Wuh Mdlteii wir nun thiiii? Ohne 
Führer in ein unbekanntes Land cinzudringeD, war uumög* 



lieh. Nach reiflicher Üherlegnng heschlmtsen wir, nach 
Sakedi zurtickzukehron, einen sicheren Ort drei Tage- 
rt'iaen vor K uluwi, um von dort dun Gouverneur von 
(Viehes zu benachrichtigen und ihm anheimzugeheu, was 
zu thiin sei. Fnseres Kraebtens uiiteriag cs nicht dem 
mindesten Zweifel, dafs dies alles von .Anfang an ein 
abgekartetes Spie] gewesen, und dafs das Zurückbleiben 
des Regleiters von Sigi, daun des Fürsten von Ta waöli, 
eines Neffen des FilrKtcn von Sigi, ferner das l»e.sor- 
tieren der Träger, die Weigerung unnoror Führer, weiter 
zu gehen, endlich die mehr otler weniger feindliche 
Haltung von Kuiawi nur eine Folge von IMehlen 
höheren Ortes war. 

Was fidgte, int bekannt. Ikw (iouveriieur cr-schien 
mit einer Streitmacht vor Palu, die Fürnten sprachen 
alle ihr Bedauern über das ,,Mirsverständais*‘ auK und 
versprat’heti. ihr Reatoa zum Gelingen unserer Heise zu 
thun. r»as Vei-b]eil>en der Truppen in Palu sorgte 
dafür, dafs dieses Versprechen auch gtdialten wurdu. 

.Am 28. August brachen wir aufs iioue auf: diesmal 
mit 120 Makassaren und einem grofsen Gefolge von 
füratlicben Würdenträgern. Ilauptniaim Kugelen hatte 
die Freundliebkeit. uns mit einer TrupiienahteUiing noch 
zwei Tagereifteii landeinwärts zu geleiten. Nach einer 
Woche waren wir witaler in Kuiawi. IHe Kuluwicr 
schienen durch unsere Rückkehr -sehr erschreckt, niemand 
kam in unser I>ag«r, wie es früher geacheheu war, sie 
naUmon kein« Geschenk« und boten uns nichts zu kaufen 
an. Naclits hielten ate uns durch unaufltörHchea Schlagen 
von grofsen Lohotroiniiieln in S|Ninming. 

Arn folgenden Tage zogen wir durch hügeliges, gut 
behautes und schönes I>and weiter und kamen bald an 
diu Wassurürheide, die das Gebiet des Paluflussea von 
demjenigen eines viel uiäcbtigereii Strome», des Koro, 
trennt. Zwei Tage folgten wir einem Neljenffusae des 
Koro und erreichten hei dem Itorfe Giuipu den Haupt- 
fliif-s »elb-t. Wir waren uheirascbt von der Gnifse und 
Tiefe tliese» Strrmies, 80 fern der Makas.><ar»trÄrHe. IHe 
Mündung !>ei Lariang (nach Bugischer Bezeichnung) 
ist schon lauge auf den Karlen verzeichnet, der Flufs 
aelbst aber war noch ganz unWkannt. 

Von Gimpu an wurde die HeiM' s<*br sehwieHg. Her 
Weg filhrte mehrere Tagereisen dem rechten l'fer de» 
Koro entlang, einmal uIht die Hteilen Gehängu hoch 
Über dem FIusm\ dann wunler über Felshlöcko im tluls- 
hetto seihst. I>ie Gegend war ao gut wie unbewohnt. 
Kleine Niederlassungen, To])ipikoro, konnte muii um 
amiereii Ffer liegen •*«*hen. Als wir unsere Schritte vom 
Korutha) ülM»r einen ziemlich hohen Bergrücken nach 
Osten lenkten, kaiiicn wir an einen sehr starken Noben- 
flufs. der selbst wle<ler aus zwei kräftigtm Flüssen ent- 
steht. Wir folgten einem der letzteren, dem Malei, und 
erreichten am sechsten Tage von Gimpu die Landschaft 
Bada, eine eigenartige llocliehcne mitten im Gebirge, 
etwa 800 ni über dem Meeresspiegel, wahrselieiiilich eine 
lokale .Senkung. Seit zwei Jahren kommen iii dieser 
Gegend viele KrdhelM*n vor. Hiiigsum zeigten ilie Berge 
zahlreiche helle Flecke, <lie aus Knlrutseliuiigeu ent- 
standen sind. 

.Auf dor Hochebene liegen viele iK'irfer, die gr‘"»fseren 
wegen der steten Kriege von Krdwiilleii, die mit Bambus 
iM’pflaiizt sind, umgehen. IHe To-Badaa erkennen die 
t »berherrscbafl dreier Fürsten an: Sigi. Palu und 
Luwu. Hier trafen wir zu unserer Freude den R<*gie- 
ruiigsmissionar .Vchtnat an, der uns von Paloppo mit 
einem Transport von Lubeiiamittuln entgegengnwuiHt war. 
Kr batte .|0 Tage in Bada unter grtdeun Kutbehruiigen 
und vurschiedene Male mit dem 'l’ode liedroht auf uns 
gewartet. 



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Hrolf Vaughiia Stevviit; lUo Sehupfangsfiago der ^rang Temia auf dar Halbinsal Mal&ka. 



47 



Wir aelhst wiirtlen Ton derlievölkeruiifr gut empfangon. 
Hunderte uu» aiiun Durfeni der Umgegend »trumteii in 
feetlicber Kleidung herbei und braebteu slx Freum)^chaftH> 
Zeichen kleine l’Äckchen lieia, Fier und Uauaiien mit. 
1^0 Kleidung der Frnueu war hucb»<t auffallend. Mit 
ihren weiten, in lireiten Falten bis auf den Huden reichen^ 
den rnterrücken nu» Kiudeii.HtolT, ihrt^n auM farbigen | 
Stoffen mit gafälligeit Mustern gefertigten Miedern, ihrem ' 
reichen Schmuck au IlaUbandern, Aruibauderu, Obrritigeu, 
mit Hüitchein roter Federn im Haar, (Ins ein farbige« I 
Kopfbaud umschlaug, üriunerteu sie gevrtHsermafsen an 
die Trachten der Kokoknzeit. Dui« Gesicht und die 
Hunde verzieren aic mit Uinieii und Punkten au» achwar* 
Xem, wublriocheitdem Harz. Auch junge Mäuiiur pflegen 
das zu thnn. Hiese ti*agen noch den Tjidako (Leuden> 
tuch), andere aber Hosen nach Imgischem Schnitt. IHe 
Kopftücher und Sirihtasclien sind aus reich bemaltem ^ 
Hindenstoff. Die iui Lande selbst geschmiedeten Schwer^ ! 
ter und Lünzen zeichnen sich durch ihre vollendete 
Arbeit aus. 

Nach einigen Tagen Aufenthaltes .setzten wir die 
Heise nach dem Süden fort. Zuerst bekiummeu wir vier 
Tage lang das waldreiche Topupiigebirge von utige- 
fahr 1900 m Höhe, worauf wir wiederum eine offene 
Hochebene erreichten, diu Landschaft Leboni, die Ix^roits 
auaschlierslich unter der Herrschaft von Luwu ateUL 
Auch hier sind die Dörfer befestigt. Der Kinpfung war 
vortrefflich. In einer öffentlichen Veraummlting wurde 
der „Koiupania“ (der niederländischen Hegicrung) öffent* 
lieh Treue geschworen, in der Thal ein auffallendes Kr- 
eignis in einem Lande, das lubher von keinem Kurt>pAer 
besucht worden ist. Iiu Lobo (Geisterhanae) hingen 
Menschouächudel, und zahlreiche Skalpstücke schmückten • 
die Köpfe zweier roher Hol/.figuren, die die Stnmmes- 
vorfahron darstellten. Die Pfeiler im Lohn zeigten, wie j 
auch in Lindu und anderen Orten, frische Dlutspureu. { 
Hier herrscht n&mlich die Gewohnheit., bei verschitMleuen | 
Gelegonboiten Kriegsgefangene und Sklaven zu schlachten. 
Mun geniefst davon ein kleine« Stückchen Gehirn oder 
Fleisch und etwas lUnt. Das soll im Kampfe tapfer machen. | 



Die Nächte in Leboni waren auffallend kalt. Das 
Thermometer sauk bis 11* (\, und doch Hegt die Hoch- 
ebene im Durchschnitt nicht über 1000 m. Der grofse 
Flufs, der sie durchsehneidet, gehört immer noch zum 
Gebiete des Koro. 

Im Süden von Leboni trafen wir wieder auf ein 
Hochgebirge, dessen höchster Gipfel Takala heilst. 
Mehrere Tage verweilten wir auf Höben zwischen 1500 
und 2000 m. Kino sehr reiche Flora und eine eigen- 
artige Vogelwelt entschädigten uns für die Mühselig- 
f keilen, die wir hier zu ertragen hatten. Am vierten 
Tage nach unserer Abreise von Leboni gewahrten wir 
zu unserer Überraschung nach Osten ein gewaltiges Ge- 
birge, Korouwe genannt, unserer .-Vnsiebt nach da» 
höchste, das wir bis jetzt in ('clebe.s sahen und des- 
sen Hobo wir auf 3500 m schätzten. Ks sl€*ht in Ver- 
bindung mil dem Nordramie des Tambokogebirges. 

Dur Weg führte nun stetig hergah ins Thal des Ba- 
liaeeflussGH, der bereits in den Golf von Boni strömt, 
und am achten Tage erreichten wir den grofsen Ort 
Manuuiba, nur noch 50 ni über dem Meeresspiegel. Grotse 
llächen sind hier mit gut hewä.sserten Heisfeldern be- 
deckt, die auch in diesem trockenen Jahr eine gute Krnte 
geliefert hatten. Unsere .\nkuiift wurde mit Kriegstänzen 
und dem Scblachteu von Büffeln gefeiert. 

über WaiLunia, eiuem früher blühenden, jetzt ver- 
fallenen Orte, erreichten wir vier Tage später unser 
l'aidziel Puloppo, wo wir am 3. Oktober unkamen. 

Wir können noch luilteilen, dats unsere ethnographi- 
schen, zoologischen, botaniseben und geologischen Samm- 
hitigen von dieser Reise vieles Intere-nsante erbalteu, und 
forner, dafa die Lage einer grorseuZahJ von Orten astro- 
nomisch bestimmt und ihre Höhe mit dem Siudethonno- 
lueter gemessen wurde, «wodurch das bis jetzt nur fiktiv«« 
Kartenbild vom westlichen ^^ntralcelebes ansehnlich ab- 
geäudert werdeu wird. 

Am 20. 0ktolM«r brachte uns das Dampfschiff der 
Paketfahrtgesellschaft nach 3'/yiiiouatlicher Abwesen- 
heit wohlbehalten in Makassar ans Land. 



Die Schöpfungssage der Drang Temia auf der Halbinsel Maläka'). 

Xna den. Maiinskripten von Hrolf Vaughan Stevens übersetzt 
von IL W. Williams. 



Auiiierkung. In Bil. 69, Nr. 8 u. 9 des Globus ist i 
diese Schöpfungsgeschichte von H. Jansen schon erwähnt ' 
und zum Teil wiedergegeheu w*orden. Seines besonderen 
Interesse« wegen ist eine Übersetzung de« vollen Originals 
hiermit gegeben in der Hoffnung, dnls die VcröffeutHchuug 
dazu beitragen wird, einige dunkle Punkte in der Ge- 
schichte der wilden Stämme von Maläka aufzuklaren. 

Bevor die Sonne gemacht worden war, war die Fxde 
wie ein auf dem Botlen liegende!* Brett, worunter Hundert- 
füfsler, Skorpione und -\mei«en in einer faulenden Ma««« 
wimmelten. Dh>eie Tiere *>ind duii litiutuH ähnlich, welche | 
damals im Dunkel lebten. In einem Loche unter dem > 

') Vielleicht liegt in diesem Namen eine dunkle Krimieriiug 
au den indiwben N:'tga, die Schlange, die die Knie trägt, vor. 
iJer Xaguinytbu» i«t, iu v«*r«chi*«h'neii tiextalteti, fm«i nl>erall ' 
im Archi|H.‘l zu trt«freii. dt« I.]iutverw]iiidtuug Naga* t 

Naing (vielleicht Neiig zu «ii'hreibt«n. dn Steven«' Orthographie 
etwas unsicher UM nicht uiunogHch iüt, l>eweiAt di« Korm 
nang, die das Wort in deu Kei*lnseln ang«mommeD hat. 
Hiermit aber ist nicht gemeint, daf« irgend eine Verwaudt- 
icbaft zwischen Kei-iusulaneni und Temia ülwrhaupt wahr' 
scheinlich ist. Amu. des Übers. 



Brett wohnte Naing, während Snm-mor hoch oben über 
dem Brett seine Wohnung batte. 

Macebmal stieg Sam-mor nieder (auf das Brett hin- 
auf), um xpazieren zu gehen. Du dieses aber dem Nuing 
nicht angenehm war, befahl er den HaDtu«, die Füfse 
Sum-mors zu »techeu und zu beifiieu (wie die AmeiHen 
es noch thun, wenn wir auf sie treten). 

Kines Tage» wurde Sam-mor darüber sehr böi«e und 
hob da» Brett auf, um Naing zu fassen. Darauf fochten 
die betdea und verbuchten einander zu töten. Sam-mor 
gewann die Oberhand, Naing lief fort, stieg in da« Loch 
hinab und verbarg sich. Da Sam-mor wuDte, dats Naing 
da« Licht nicht ertragen k<*nnte, entschlof!« er sich, ihn 
imIo>eh« zu behalten. Während des Kampfes nun hatten 
die beiden grotse Stücke au« der Krde herau.<*geri»seu, um 
diene aufeinander zu werfen (daher «taminen die Hügel 
und diu Berge, <lie wir jetzt auf der Krdo sehen). Sam- 
luor also suchto die grölsteo Felsen, die zu finden waren, 
und häufte sie auf da» lo)ch, um zu verhindern. daD 
Naing herauskam. Dann ging Sam-mur nach seinem 
Wohnorte, nahm daraus etwa» Feuer, und nachdem er 



--J' Guogle 




48 



llrolf VftDghan Stevens: I)ie SohöpfungsBage 

mit Keinen Händen xii einem Ball gerieben battv, | 
kehrte er iiacli dem Kumpfpliitze zurück. Bar> Brett 
warf er buch iu die huft beriiuf mit dem Btdehie, dort 
zu bleiben, und dem Fetierball (der Sonne nämlich) g»b 
er dun Auftrag, das mit dem Berge l)edeckte I^>eh zu 
Imliütei), diiUiitNaing nicht mehr heruuskamv. Beswegeri 
geht die Sinne immer um ilen Berg herum, indem sie 
alle Seiten heliütet. t)bgleicb Naing <ift versucht hat, 
die Berge vi>n der Mündung des liouiies wegzuscbiebeii, 
«obald er sie ein wenig Hut'gebulHUi hat, utufs ei' sie doch 
i^ieder fallen laKsuu — wegen seiner I nfähigkeit, das 
Licht zu ertragen. 

Nun erfuhr die Sumu*, dafs Naing dioMes auf der Seite l 
de» Berge», wo hie selbst nicht war, that. Sam*mor aber 
war nach hciiiem Wohnorte zurückgekebrt , und du die | 
Sonne ihre Wache nicht unterbrechen konnte, um bei 
Sain-mor Bat zu holen, au /.hndete hie ein Feuer an am ' 
Orte, w'u Naing «eine > i'rsucht* machte, herauszukomineii. 
Barauf setzte »ie ihren üang fort. 

J(Nte-mal, wenn die Sonne vorbeigegaitgeii ist, steckt ' 
Naing seinen .\rm aus der Hohle heraii.n und versucht , 
das Feuer mit Krde zu hedeekeu. Wenn es (der Mond 1 
näuilicb) im Laufe seiner Bewegungen vor dem leuche 
erscheint, wirft Naing darauf eine llandvoll Knie, bis er ' 
am Kndo das Feuer gän/Iieh au-löscht und di« S»mue ' 
Doch eins anzüudeii muls. | 

Die Sterne »ind «He heifse A-ehe, di« vom Feuer aus» 
g«*streut w'inl, pnleMiial, wenn Naing eine Haudvoll l’inle 
darauf wirft. Diese .\^schc bewegt sich nach dem Brette 
hinauf, wo «ie hreuiu'iul bleibt. Die von der Asche 
heruusgeworfeiien Funken »in«l die Stei'Dschnu|ipeii. 
Manchmal hat man gesehen, dats Naing einen Feuerstock 
aus dem Munrle herauszug. 

Seitdem ist es immer so g«‘sclM*hen. Al.s Sam-inor 
das Brett in die Luft warf, bildete ea den Himiin'l da 
oben uml wir sehen den unteren 'J'eil. 

Auf der Olierseile dieses Bretteh ist der Ort, wu «lie 
guten Stnden bitigeheu tder HiuiiiieD, nli4‘r wu« «lus fUr i 
ein Ort ist oder was «lie Scchui dort thiin, weifs man t 
nicht, nur, dafs es dort W'eder Ib'irat noch tiehurt, weder ! 
Tod noch irgeud eine Vm'ändi'rung giidit. Was jemand [ 
auch wünscht, «las hat er dort. 

Der Ort Sam -mors liegt weit ttWr dieser Oberseite 
der Welt. 

Da Naing aus dem Loche nicht herauskommen konnte, 
grub er am Boden ein« grofse Hiihle für sich und fi’tr 
seine Hautu». Währuml d«.>s zwisch«oi Sam»mor uml 
Naing gefochtenen Kampfes waren dic»e ilantns er» 
hchmcken fortgclaufen. Kinige liefen in das L«jcIi hinab 
uikI blielioii dort mit Naing eingesperrt. Die imüsten 
aber verbargen sieh iiinter «len v«iu den beiden Kämpfern 
niifeinautlcr geworfenen Hügeln, sind desw«‘gen von Naing 
ausgeschlossen und wohmui jetzt in demsellieu Ort, wo 
«lii^ .Meii*-rheii wohnen. 

(Darauf folgt die üe.-ebielile «1er Srln'ipfung «les 
Menschen.) 

Du Naing bemerkt«', «lafs er dunih die strenge Hut 
«ler Sonne un«l «les Mondes verhindert wurtl«, selhat 
heniuszukoninien, suchte er «tiese zu Überwinden vor» 
mittels der Hantus die lieiiii /.udeckeii «les l/oche» durch 
«len aufgeh'gteli Berg dntufseii blieben. Diesi-s aber 
niifsbitig, ila die Hantus nicht stark genug waren. Su 
<«'buf Naing druufseu ('itie grof>e Anzahl llantus (wie 
die** geschah, konnten «He Ti ntiu nicht erkiüren), welche 
e> aber ebenso wenig fertig brachten, den Machsamen 
(iung d<*r Si>nin; und des Miiiuie.H zu heminen. 

Darauf befahl Naing stiuitlicheii «Iraufxm wohnemh'ii 
iianta**, den BiM'g von Heinein Gefänguisorle aiif/uhebi-u, 
«lamil «T iiaehtH h«>niuskonim<‘n konnte, um, trenn mög- 



iler Orsug Temia auf der HalhinBol MalAka. 

lieh, «lie Sonne zu zeruGiren. Alle Hantus vereicigtou 
danach ihreKr&Fte, und mit Hülfe der unten Wühueuden 
Huutus und de» Naing hoben sie den Berg ein wenig 
nach oben auf und »chüttelten ihn. Ala aber Sum»m«ir 
das Scliütt4'ln des Berges verspürte, kam er zurück, um 
zu sehen, wu» sich ereignete. .\1» ihn die Hantu» sahuu, 
liefen sie gleich fort und verbargen sich in Felsen, Bäu- 
men und Flüssen. Daher kommt es, dafs der Wald 
ulH'rall Toll Hantus ist, uml jeder Baum, ]e<ier FeU, jeder 
Flufs seinen eigenen Hantus hat. Sämtliche Hauius aber 
entflohen von dem Berge, wo Sain*m<fr stand, l’m zu 
verbiialern, dafs die Haiituti ihren Wrauuh wiederholten, 
eiitschlofB «ich Sam-uior. Menschen zu mu«'heu, M'ulche 
gegen die Haiitus kämpfen sollten. Kr nahm also einige 
Funken vom Sonneufeuer (Sterne), die Naing durch die 
aufgeworfene Krde vom M«>nde aligebrocheu hatte, und 
machte daraus sieben Menschen. Darauf .alNar besann 
«>r sich, dafs das Feuer nie sterben würde, au »teilte er 
die sieben .Meu-eheit hin und machte sie nachher zu den 
sielieii Führern o«ler Boten, welche den guten Seelen duii 
Weg nach dt*m Himmel zeigen. Dana nahm er aiebeu 
Blatt«*!*, die in der Nahe wuehsen. und iimchte daraus 
Meus«'hen, welchen er befahl, auf dem Berge zu wohueu 
uml zu verhüten, «lat« «lie Haiitu« den Berg wieder Im?» 
wegen würden. Naing aber fuhr fort die .\nzahl der 
Haiitii» zu veriuehreti, bis us den siebeu Meiiscbeii Uh* 
luoglicb wurde, mit der Gesamtheit zu kämpfen. Auf 
ihre Bitte kam Sam-mor wieder, stellte sie hin und machte 
sie nachher zu Boten, «He die bü««‘U Seelen in die Holle 
fUbl'eii ««illteii (weil die ans Blättern gemachten Meiiseheii 
nach einer gewis»en /eit »tarb(>u, wie die Blätter, au« 
«lenen »ie geumeht worden waren). 

Dann ging Sam-xnor nach seinem Ort zurüek und 
bracht« daran« einen Mann und ein Weib (von welcbeui 
Material, weifs niemand) und st*tzte sie auf den Berg, um 
ilin zu behüti'ii. Dieses l'mir hatt«* hei einer (iebiirt drei 
Nflhne und «Irei luchter. Als die Kinder erwuchsen 
waren, verlangten sie Namen: so nahm «ler älteste S«i|in 
«len Namen (uml «las Zeichen) «*ines Blattes, «ler zweit« 
ih'iijenigeii idues Sterns, der dritte deiijriiigeii einer 
Amei-e an. Jeder heinilete eine Sghw«!ster. 

Du der Sohn, der den lUattimmen augenouimen halte, 
der ält«>ste war, war er Häuptling über die anderen. 
Daher sind nlli'Temia Butins (Hnujttlinge) v«im Blatt-clan. 

D(tr zweite, «l«*r das >tern/.«ucbeii augemiuiuien hatte, 
war in allem sehr geschickt und wunle zu einem /auliert*r. 
So sind alle Tetuiu Zauht'rer von diesvni Totem. 

IkM* «Iritte S«i)in , der «len Namen diu* .Vuieiso hatte, 
w ar «ler Vater der gewöhnlichen Menschen. Ihe Aiiieiseii- 
fnmilien sind immer zahlreicher und fruclitharer gewesen 
wie irgeud eine von den beiden anderen. 

Die Familien «ler drei Siihne und ihrer Fr»«ien ver- 
mehrten sich sehr rasch, »o dtifs sie mit llülf«s der dem 
j zweiten Sohne von der >oiiue, dem Mumie, «len Sternen 
und von Sam-imir s«*lhst gt'geheneii Sprüche und /juilier 
I «lie Hantus iiur:li ihren Verstecken zurücktrieben. 

(Du der ei^t«^ Mensch durch Sum-iu«>r auf den Berg 
gesetzt wur«le, ziehen die Teiniu immer vor, auf «len 
Bergen zu wohneu.) 

Als Naing entdeckte, dafs der Mensch den durch 
>aui-inor auf ihn aufgelegten Berg hewa«'h(« und dafs 
er seih't nicht htTUuskommen kounle, so versuchte er 
I durch einige ander«*, im grof-eu Kampfe au» der flachen 
I Knie h«*rausgp.Hl«if8«>iien und hennisg«’riss«*nen Berge sich 
einen Weg nach ub(‘ii zu bahnen. Diese Versuche haben 
es veriirsuchl, dafs so viele B«-rge in si«h grof»c Ib'dilen 
haben. 

Da di«' .MenM'lit'U nicht genügten, um alle «liese 
B«*rge zu bewaclien, .«lo brnclite Sum-imir n«icb «*iuige 



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Küohertiohfiu. 



4!> 



Mitmior uucl \Veilx*r uii«« ituinuiu Orte um) eie hu 

vüi>iolii«M)eDe später gokomiiit^nen MoiiKcheii 

Wiin*n HH l‘'(»rin mit) Ann^ben andere wie die zu- 

erst ^'inufbteii Temia und daher Icouiait «k« dafs e« iu 
der Welt verBrliiedene Men»clietmu»»<eu giebt. 

« « 

•r 

Die sieben aus Dinttern gemachten Meiisrlieii wachten 
zuerst »ehr sur^rftlti^^, alior iiu Laufe d<‘r /eit wurden 
sie es müde, immerfort wachen und beruniWHiideln zu 
müssen, so uchliefen sie ein. Da» entdeckten bald die 
Huiitus um) scblicbuii, hinter den Hüuiuen und ini rnter- 
holz verhorifeii, wieiler sehr nahe unden Bei*g lieran und 
fin^fen an ihn we^ztischiehen. Nachdem einige von ihnen 



gcM'heu hatten, dafs die sivtivn Hüter scbliufeü, teilten 
sie sich in sie)teii Parteien, um sie anzngreifen nntl ge- 
fangen zu nehmen. Die in den angreifemlen Haufen 
«ich lii>Rndenden llantuM vi>rkleit)cten eich in Tier- «Hier 
Iiisektenfurineii — für jesle Partei eine la-stimiiite Kunu. 
I IHu l*'ormen waren nämlich folgende: 'lausemlfürHler, 
, Schlangen , Ameisen, Tiger. Ulutegel und Afoskitos. 
I IHe«ie kämpften mit den sieben .Männeni. und es war 
der l«ärui dieses Kampfes uml der HuntUH. welche yer- 
I »uebten, den Derg iiMHierzuwerfen, der Snm-mor wieder 
i auf den Schauplatz brachte. Kr trieb die llaiitiis Furt 
: und verurteilte die siclieii Hüter. aD Führer für die im 
I Ilunkeln nach N^nek (der Hölle) gehenden Seelen zu 
■ dienen. 



Bflehersebau. 



Alfred Funke: Ans PetMsch-Jtrasilieu. Bihler aus dem 
l^beu 'ler Deutsrhen im Staate Itio Orande do Sul. Mit 
zahlreirhen AbWildungeu und einer Karte. I^eiinig. It. O. 
Teubuer, 19i>Z. I'rei< 7 Mk. 

In m*hr erfreulicher Weise hat sich im Ib imatlande das 
liitei-i>s.4n an den lieutudinn Südhnisiliens gestei^'ert, die dort 
unter |Hirtugieinsrh »der italienisch retlendeu Nachbarn (reu 
ihr Volk.«tum ttowahrt haben und in j«sler RexUdmng ge* 
«leiben. Uenu’utsprwdiend ist auch neuertlings die Xiitteratur 
ülier Deiitscb'ltnisilien. wie man kurz sagen kann, iin Auf- 
schw-unge begriffen. Kigeuniiig unter den zahlreichen Werken 
i»t das v«irliegende. «leasen Verfasser lange in Itio Grande d» 
Sul lebte und dtaii «diie guh*. Mftitsig<‘ Feder zu Gebote atcht. 
K«‘in H)>iemati«cli«s Buch, sondern bunte Iteisewhihleruugcn 
nach .Art guter Fouillcious. die aber Land und V«>lk in gi.-- 
treiicii Bildeni an uns vurälterziehen in.<t««*n. 

Ifaiis F» llcliiiult: Weltgeschichte. Zweiter Hand: Ost- 
asien umi Ozeanien, der Indische Ozean. Von 31. v. Hrandt, 
l)r. II. Schurtz. I'rof. K. Weute und Pn>f. K. Schmidt. 
Mit 10 Karten, ä Farbemlrucktafrln und 1*> schwarzen 
Ueilagi'ti. Leipzig und Wien. Hi bli« «graphisches Institut. 
190J. 

Kin llauptieil dies«« Handes. .Australien und Ozeanien 
von Prt>f. Weule. ist im Globus, Bd. ä'J, S. lüti vuii 1'rof. 
1’hih‘nius ausführlich tM^sprochen wunlen. Auch die übrigen 
Atischiiitte des Bandes beschäftigen sich mit aufsereuropäi- 
schen Ijändcni und *iind im gmfsen kulturhistorisch-ethno- 
graphischen Stile geschriel>en , «ler das eigenartige und von 
der gewöhnlichen Ginichtsschablone abweichende Werk aus- 
zeichnet. M. v. Brandt, der eh«-inalige deutsche Gesandte 
iu Peking, einer der iHrsteii Kvimer OstHsiviis, hat l'hina. 
Ja|»ao Uiui Korea la'bamlelt. eine aus dem Vollen g«-schöpfte 
lichtv«dte IhirsieJIung, «lie mit einer Warnung achliefst. aus 
der (b’geDwart auf die Zukunft achliafseii zu wollen. Bio 
twhwierige Ge«t‘hich(e HiH*hasiens und Sibtnens hat in Hein- 
rich Schurtz ihren sachkundigen Bc'arbeiter gefunden, dem 
auch die Aufgabe zuHel, Imlonesien und die Austireituiig der 
Malaien zu lN*handeln. Prof. Kniil Schmidt endlich, der 
durch >>eine sch'hten uml griindlichen Werke iilter Indien 
tiekannt ist. bat dif-sos Land und seine Völker io luoistcrhaft 
klarer Wei*e geschihlert. Wicw'«ihl »o verschic^knic Kräfte 
an di**som einen Baude uiiiwirkten , macht er doch einen 
einheitli«*hcn Kindruck. Von allzu reichem Bih1er<chmuck 
ist ahgesehen; es stml vergleichsweise wenige, als-r Vi»rziig- 
lieh ausgofiihrte und zum nähereii A'erstandiiis dienende Tafeln 
lieig«‘gel>en. v. C. 

Br. W. Nrhiefs: tju er durch Mexiko vom Atlantischen 
zum Stiltrii O/ean. Mit Id Lichtdrucklafelri uml ziihl- 
roich«'n Textbilderii- I2H4 SeiieM. BerNn, Dietrich Heiiner 
(Kmsi V«disen), 19Ü'2. Pr**is gebunden H Mark. 

Der Verfasaer ist ein Schweizer Ar/t, welcher, begleitet 
v«m s«-ii)em Bruder, im Winter ieyy/l»i’0 diese mexikani- 
sche Reise unternommen hat, auf «ler er. bs^waffnet mit seinem 
photographischen .Xpparate. zahlreiche Ty|>eu und namentlich 
gute LandschaftsbiUler aufgem'inmcn hat. Kr ist «on Texas 
aus in das Land eingi'trcbm, auf den längeren Htri^’ken f«dgte 
erden ich«m ziemlich aiisgodchntcn Kiscnlmhncn. iu« Sml- 
westen aber und in der Sit-rra Madre ixt er »uf munchem 
schwierigen Wege «lurch die weniger iH'kaimten und )M*iu«'hten 



Gegenden geritten. So lernt« er im Fluge Mexiko v«m Sjui 
Blas am Stillen tizeaii bis Vera t’ruz Hin Atlantj«f.ben k«>nnen 
und aufserdoui die ganre Mitte längs der Ki.M>nbahn von 
der llauptsiatit bis zum Uio Grunde itn Norden. Was «‘r in 
anziehonder Kchihh-rung un* tiieiel. kann nicht den Aii!>j»rucli 
Hilf wisseii*«*hufUiehv 1'iefc mler Neuheit erheben; es ist alter 
(nilzdeiji lehrreich, zeigt uns eine gute H«‘otK(chtung umi 
winl deji, der schnell einen l'lsuitlick nlierdns heutige Mexiko 
gewinnen will, gut unterrichten , wozu die guten J.icht- 
drucke nicht wenig heUmg«'n. Auch «due Besteigung des 
Popocatepetl fehlt nicht, samt der Grupp« der auf s4Miior 
Spitz» plnit«>graphiert«‘n Keisenden. v. C. 

Renarh : Yorc Dale og Fjelde. Hvoriedes fonnen af 
Norges overriade er damiet. (S«md«rdruck aus «Naturen*, 

Sr. 1 bis 5, It«u2. Bergen. J»hn Griegs Ihigtrykkeri, 

In dieser Schrift fafst der bekannt«- norwegische Geolog« 
die Krgehniss«* d«r ncueston Fiirsrhungen ft1»or die Über- 
Hächengestaltung Norwogi-ns /usauiinen- Nach eim-r längeren 
Kinlcitung führt er mit Hülfe einer grofso» Zahl %’on Ab- 
bildungen den Niwhweis, dafs bei dle-st-r «las Hiersende Wasser 
dun gröfsten, das Kis einen weit p-ringi-n-n .Anteil gehabt 
halte. Als bestuiders lehrreiches Beispiel für jene Wirkung 
des Wassers dient ihm das seit IKU3 in widchem Gestein ent- 
standene neue p’lufsbctt iiii Vaerdalcii, «la« nach einem Jahre 
iMtch be<iuem mit einem lk«>t« üls-rschritten werden konnte 
uml drei Jahre s{>ät«r ein ti«-f««, scharf eingcrissenes Thal 
bildete, das auf einer Luftfahr« nls-r«|ucrt wirrl. Weit lang- 
samer. alwr freilich iiiil gröfsercin N/*chdru«:k arbeitet l»ei 
«ler ThalbiUlung das Kis, das in Norwegen sehr häuHg 
«hängende^ Heiti-nthiller gt-bihU-t hat. Bcsniidere Aufmerk- 
samkeit wendet Beust-^h «iim .llan>el?emn' zu, d. fa. jenen 
schwai'h welligen Kl>«nen, «lie dadurch eiitatanden, dafs die 
zehrenden Kräfte durch viel« Jahrtausende auf ein llix’hland 
' eingewirkt hal>en. so «l.afs d«-<s«n 4MK.-rtlftche fast gleiche lli'diu 
mit dem McTcsspiegel erhielt: er fühii einige tyjdwhc Bei- 
spiele von solchen, wiu 'ou Momtdnok'«. jenen Resten eines 
höheren Berglund«‘s, an. die w*-geri ihres festen Gesteins nicht 
habi-n g«s-bn«‘t wenlen k«'^iineii. (•eradohiiisicbtlich der Oher- 
lläcbcnf«»rtn ih‘s Ilocbgebirgcs giebt es nitch eine Menge v«in 
iingi-lösien Kragen. Be/üglii'b der Fjord« mit ihren vielen 
Vi-rzwidgungen hebt Heusch die N««twcndigktdt hervor, j*‘den 
F)i>rdarm und jedes Thal zu messen und zu untersiii’hen. 
wenn auch so viel jetzt f«-ststeh**. dafs z. B. «h-r K«»gncfJor«l 
ein v«m einem grofafii Fluss«- und seinen Ziirtü's«‘n uusg«- 
graboucs Thalsysiem sei, dessen (icf«-rc ’lVile v«im Meere mis 
gefüllt uml w* XU Fj«>nl«-ti wunlen. B«-tr«*ffs «ler Fntstehiing 
«los rbristianiafjonls ist Keiiscb g»-g«mil»«-r Bri'gger, d«rdi»-sen 
bnuptsächlicli in «lor F.iszuii dun'h tiletsclier entsiand«-ti seiu 
läfst, der .\nsii*ht, dafs auch hier in erster Linie das llirrsi-nd«. 

W»ss4-r den Thälern ihre Richtung gegetien hat, währeml 
das Kis nur vorher •*c1uhi vorhandene Thäler uingcsraliole. 

Die auffällige Thatsache der ,Krz» ungetien" Thnb-r, d. 1«. 
ssdeher, «lln ilas woicho Gest«*iii v««rlas)i»-n und il«r«*h festen 
Gnuiit g«-hon, erklärt U«.'usch durch ilic Ammhtn». dafs au 
jenen Sielh-n urspninglich weit-he Kedtmentc \orIiun«b-n ge- 
*■«.»««11 Wien, nach «lereu W«-gzebrung die KlüsAe «li« in dies*T 
vorhanib- 11 « Richtung iH-iWhalten hätten. Kr halt cs für 
' miiglich, dafs dius«-«« ver.si'hwundene (•«-stein der jüngeren 
I Krt-hle angehort haln-. wm« auch durch •-inige Fund«* »uj«n«.*u 
Kiisten w.ahrwhidulich gemacht wird, di« also nicht, wie dir 

.1™ t-y Google 




Bücheraolittu. 



»J 



binb^r vf>rhreit«te Aiinahiiif* iit. von Sriionen mni Dänt^mark 
mit Kicil>ergeii dorthin K*^fnhrt zu sfin braut^hon. Bei der 
Bildung der Uotiendale (Kahre in den Attien (feuannt) haben 
ncherüclt Kis und KrofU aine Krofae Bolle (;uiiiiielt, wenn auvh 
der Vur{;auK noch eingeheader L*nter*(Uehuni; bedarf. Auch 
hhuicUUich der iülduni; der der norwo^isrhun Kiiate \orfre- 
lagerten kouiinentalen l'Inttform macht HcuktIi auf eine Reihe 
von Kchwierigen I*ri>blfliiien nufiuerkxniii. 

H ichard FalleKke. 

Br« i'. H. Stratz: lUe Kürperrurruen in Kun«l und 

Lelien d«'r da|iiiiivr. Mit I TJ in den Text gotlruekiuti 
Atibildungcn und 4 farbieett Tafeln. Siuitgart. Verliig 
von F. Knke. IWO'J. 

Alle:«. Ha« uiim M)ii ziistilndiifer Seile ülH-r Jiijmn zukoimnt. 
)>ean^|>nieht liilereinte. niiid d«>eh die Bewohner di«'^C4 Ixind«*« 
ein h«>c]il>egatite!i Volk mit be><omiera entuiekelteiu Kuiii^t- 
gefühl und mehr eiu(>fftngliclt fi'ir die Kultur do'< WeiUuti« 
als alle übrigen Völker. Aun die«>m Orunde nehmen wir 
daa hier nngezeigte Werk mit Itusondorer Belichtung zur 
iiand; der Vcrfa«»er iat iin« ja achon la’kannt durch aidne 
Werk«: „l>ie ISchönheit de« weildichen K«ir|»er** und ,I»io 
RH-tHenachönbeit dun ^Veilu■l<*. fti vorliegender Arlieit xtützt 
er Mvh hauiitzkchlieh auf Ibtlz, U«ren eigene Beidoiehtungon. 
benutzt und bietet uiia Phoiogrnpbietm und Kuii'twerke, die 
zum gröfsten Teile inK*h nicht verviffentücht find. 

Mit Balz bält der Vorfaa«er die daitaner für ein tietniacli 
von Aino und Mongolen. Zur hVfltatcIlung dea RasientypUfi 
iHiriicksichtigt er. auf tiriiud fmiider und e»g»‘ner Buolmch- 
turigeti, in er«ter lanie da« \V«db, da« die Tta-oMmmerkmale 
in l iel reinerer F«»rin erkennon ln».' 0 'ii mdl. ln*«halb «chibleii 
der Vorfaaser mit Vorliebi* den Körjier deaWenma, wie aueii 
di« tiieiateu .Abbildungen daa imckte Weib wietlergulten. Bei 
der .Vngab« der kör{a‘rliehen KigtuiM’barien der Japaner 
richtet aich der Verfaafer wiederum nach Balz. 

Bieao körperlichen KigeuRchaften aind die der mongoti- 
Rchen Uiim*: Kopf gri'>f*er, Arme und Beine kürzer ini Ver- 
hältni« zur Lünge der WirtadiiHUle iiaeh euro|Mifchern Mafa- 
rtal», tyUjrklofcr br»*iter und kürzer, breite N'aioj. weiter Ate 
«Uiixl xwiw'lien den Augen, MÜtlich vom utmren Na-^enrnrlom 
iilter den inneren .Augonuinkel xjeh bin/iehemte Falleiibitdung 
(.logen. Mongolenfalte), Vortroten iler \a.>eninundgeg«nd Und 
der nach aufaen getichohenen Jochbein« (inongoliacher Ile* 
sichtiitypu«). 

Referent vermifat die AngalK! über dio livetaltung tle» 
harten liaiimena. <ier bei Mämieni iDUtal bruit und wanig 
gewölM. «ein dürfte, und die Form der Zahntaigen. di« bei 
Männern *cln»n geruiidol- zu *ein pflegt. — Wie achoti oben 
erwähnt, Kind die urxprnnglicheii Klernente der jnpaniM'hen 
Miachung ein ueii’ae« (.Viiio) und ein gellieH (von ('hinn ein- 
gewaiiderteH). .Vus die-o'r Mischung la«s«n »ich \«nu'hie4]uiio 
Ty|ien heraufhebmi, welch« Wido Klemeiite in »ich tragRii. 
So untonclieidet Balz einen feinen und «inen grolHtn Typu» 
und betrachtet den mittleren Typu» al» eine weiter« Miachung 
zwi«chen dienen t»«id>m. 

]>er lliiuptuntenM'hivii lM*Ri«ht darin, dnfa <lai> (ieaieht beim 
feineren Typua Rchiiml und lang, beim gn>lH*n breit und kurz, 
dor Kör|N.*r Wint feinen Typu« »chlnnk »md zierlich. Wim 
grollen plump und unlertei/.t i«t. 

Wir können, «ngt Siratz, di« »cUöne Uihlung ib-a tienicht», 
\«m Nacken. S-hultern und .\rmen aU da» «igentMcbe naine 
nalu S.-hoiiheil.»izeicbi-n «1er Japniierin l*«'trai'lileü. desgleichen 
sehr ■ch«'<n« lläint« und klein« Fnffe, dazu ciao »ammetanign 
zarte, matt wejr»g4>llH' Haut; als Fehler dngegen einen zu 
grolWn Kopf, zu »clmiale llnften, zu kurze Beine, Verdickung 
der Knörh«;l. hurrülin-nd vom Siiz.<*n auf iti'iii IbHien. 

Nach diu««Mi die Ki‘ir|H'rforni der .fapaner Wtn'fTendeii 
KriTterungen befprieht der Verfa-<s«-r in einem folg»*nii«n 
.UHchniltrt dun Ja|»«iiiscln-«i S*dimiheiLaWgriff und *li« K«i#me- 
tik. Hier kommt er zu dem Schhissu. ilHfs di« landlautlge 
Aurfassiiiig menschlicher S4-honlieit in Japan sich ans der 
Beurteilung iler lietiiclitaziigK. der Haltung und der Klculnng 
zusamnicn.setzt, tH>i der Frau s«iwohl als beim Maiino. Ibinii 
bi-s|»richt er die 31itt«l, uolcho l>»*»ondcr« die Frauen an- 
Heuden. um ihn.’ kiü-|M>rliclicD Vorz.ng«‘ mi'igÜchst gut zur 
Geltung zu bringen undkün-sllich zu erhöhen. Dioso W.st«h«n 
in idglichen Uit«l<’rn, sorgfältiger BeliaiHltung ilc.s KopfliHitr«» 
und der /.ihn«. Wcifsschminken uipl einer Ib^kleidung. welche 
durdi di« langen , >on olatn nach untoti laiifonilen Gowaml* 
liiiien di« rnterlang« «1er Bein« dein Blick entzieht iiikI tien 
ganz«’ti Kör|M*r ui>hlproportioniert«r und griifser cracheinun 
lüfst. Nirg»-n<ls wird dein Körper tiewalt angethnn und die 
Gesundheit auf Ko«ten do* Whimhehsliegrifl*’« gcacihadigu 
Was dio Natur Schon»>s bietet, winl in künstlerischer Wels« 
hervorgehubeii, was sie vorsagt hat, in gleicher Weis« vor* 
borgen, d«T Gcsninteindruck ist «in hamomischcr. 



ln einem » eiteren AWhnitte; ,lHts Nackt« ini täglichen 
Leben* kommt der Verfanmr auf Grund angeführter Booh* 
aehtiingi-n und TV’ispiete zu dein Vblusse, daf» trotz einem 
feinen. aufMtrordcntlich hoidi entwickelten Kun»tg«fühl .sich 
der Ja|>aner dem nackten inen«chlich«n Körper gegemiher 
den StandpunI t Nnturinen.schen Tiewabrt hat und daf« 
er die klassische hellenische .Auffassung von d«r Schönheit 
dos Nackt«-!! nii-ht kennt uml nicht versteht. l‘nd w-ie im 
lj«ben, Ml i-t «s auch iu der Kunst, di« der Verfasser in 
einem folgouden Abs«-hnitte bi'spricht. 

.Auchuir*. sagt er zum Sehhifs. «können unendlich vivl 
von «b’n Japanern lernen, und wenn aui’h unsere Kultur in 
inain-lier Bezi!*himg «Ue ihrige »lil üIst|io|i hat. wenn wir 
auch geistige StdiiUze «ii-r Wissenschaft und Itidualrie 

W«itz!in, di« iiinen fivinil so liaWn sie dos'li ihrerseit.s 

die nllgemeiii iiM’iiM'hlicli« Naturseide in viel reinerer Form 
hewalirl Und ihren da« ladien veris|e|nd«n Kiinstainn zu einer 
Höhe entwickelt, zu der uii- es trotz reicherer Mittel seit der 
klassischen Zeit der alten llulleiten mich nicht wieder go- 
brarht hnWu.* 

Ks ist ein oigi’nartigin Werk, das hier vorliegt, dicüWT- 
wältigeiid zahlreichen .AbbiMuiigeii nackter weiblicher Ga* 
stallen berechtigen, <«* zu Itozeichncti. Mißlich, ilafs dem 
Vcrfa-<»er es niclii gelang, einige nackte männliche Köi-|>er- 
gO'talien. welch« d«iiTypuH de« Aino gogenülHir ileiu mongo* 
lisrhen Typus zeigen, in .sein Werk aufzuiiehinen. ]>«r An- 
ihro|iolog*‘ mufs ili«» tiedauern, liesgleicheii iler Künstler, der 
»eine Wissema^haft doch nicht allein am Studium weiblicher 
Schoiiheileii Wreichorn will 

Oafs flio Zahl der Abbiidungen durch ueibltcbu nackte 
Gestalten, badeinl. «•hlufcnil, Tojlett« mHcliend, noch r**lch- 
lieber anscliwillt, giebt ibuii Werke dun Anschein, als «di «w 
nufscr Sach- umi Knnstverstiiiidigen auch atnlcr« Kruis« an* 
xtehm «idl. 

Brau lisch weig. Oswald Berkhan. 



Piial Wilntzky; Vorgeschichte du» Rechts. 1. Mann 
iirui Weib, die KhcvurfaMiungen. Seiten. Brosiau, 

K. Trewi*mli, Itfu.'t. 

IM« nicht gerade unlwsleuienile Litteratur i'iWr di« Fr- 
geschichte und Kntetehung der Familie erhiilt durch <la.>> 
Vorliegende Werk einen Zuwachs, w«*lcber sich allerdings 
durch gemeinverstiindliche Behamilung iles Stoffes und 
diefsende Sprache vor manchen einsctilägigen Werken (naiiient- 
licli vor iericn l'usts) vorteilhaft ans/uichiiet und daher dum 
gnifaen l’ublikum zur Orientierung üIht die ini Buchi* U- 
handelten Fragen licstens empfidilen wonlen kann. l>i*m 
FachiiiHiiii (uid der Wisacnschnft wiril aU-r darin kaum etwa» 
Neue» geboten; Verfa».wr leimt sich dun:hw**g «tig an »eine 
Vorgänger auf diesem Gebiete an. deren Schriften ja auch 
das Maierial fiir »eine Induktionen liefern. IM« ursprüng- 
lichen Ouullun wcnlen hingegen nur in den seltensten Fällen 
heraiigezoguu. 

Auch wird ni»n des Verfasser» Ansichten üWr den ge- 
»ell»chaftlich«n rr/usimid. widchu er mit dem Begriffe Hu- 
tarisniii» znsmnmenfalst . kniiin tieistinimun können, und e« 
«r»chijint iin» »ogur geuiigt und «lern .Vnwben du» FkcIk*» 
iiltlriiglicb, derartig «'iiwach iMtgrimilüte Hy[»>ihesen in einem 
«nt.v'hieden mehr für linn Lilien beris-hneteri Buche \or/.u- 
trageii. Hhs i!<t für die Gegner der Wi.s.scnw*.haft nur Wasser 
auf ihre Mühle! l.'brigeiis ist ilic Theorie von der urs]irüng- 
licheij rronnskuität . wie sie Morgan und Rost aufgestellt 
hatten, von Westermarck in seiner vorzügli«’hen „rrgeschichte 
dor Kilo*’ gründlich widerlegt Horden, und nur Köhler aneln 
hat «liese liidire wieder nufg«-wannl, ohne j«d«*ch neue Baweis- 
mittel zu erbringen. 

ln der 'llint l>o«itzeu uir fiir den primitiven Hutürisiniis 
(Frauen - Kommnnisiiius, Pn>ini»Luitiit^ fu.-it keine amleren 
Zniignis.*« »1» eine .Anzahl Steilen 1>«i SchrifLstellern des 
Altertums, welch« uohl als »ehr wenig liuweiskraftig ange- 
»ehun werden inuaM'ii. l'nd geiitdu di« Institution. Vielehe 
Wilutzky nm Post. Köhler u. a. als sicheres Residuum der 
Koinmnnnl«he betrachtet, die frei« Liebe der jungen Leute 
vor der Kli«. Imi Schiirtz in »«irn-in neuesten Buche (Alters- 
klassen und Mämierbnn<le) iin» in ganz and«r«in Lichte ge- 
zeigt. Pli«rhaupt kann da», was Scburlz auf S. 173 bi» 179 
»eine» Ruche» von der bisher li«liebt* n Buweisfiihrung über 
Proiiii.skuiüit und Grupp«-neh«‘ sagt, mit Fug und Ib-i-ht auch 
von Wilutzky» Buch gehen, na» nicht wunder nimmt, d» 
Köhler iu dieser llinHicht sein la’hrmei.iter und Führer ist. 

Kigeiitiimlich brrühren auch in d«m vorliegenden Buche 
gewi»>-e moralisierende Reitexiuneii . welche in der Verberr- 
Itchuiigdcr elielichen Institutionen der modernen Kulturvölker 
gipfeln, ln einem elhm.dugiscben Werke, welche» doch die 
rechtlichen und •o/ialeii Kinrichtungon von Völkern aller Kul- 



V .1 H l.^lr 




Kleine Nachrichten. 



51 



iun>iufen zu untersuchen uiid zu erklären hat , aind solche 
AuKsprüche ühel angebracht. Wührend man zu Kousseaus 
Zeiti'ii im Wilden das Ideal erblickte, ist die angebliche 
Hübe unserer heutigen VtdlkuUur gewimen <Teiat«m derart 
zu Kopfe gestiegen, dufs sic sich hir bi'ruchligt erachten, 
ül«r die Mizinlen Kinrichtungcri von niedriger «tehenden 
Völkern, die zu verstehen wir erst atigefangun halten, glatt 
weg abzuurteilen. Hoffentlich denken nicht alle juristisch > 



vorgebildcten Beamten in IVuLsrhlands Knionieon gleich hart 
von den sozialen Institutionen der von ihnen regierten Vblker! 
: Titd jene, die es thun und demeutapreehHid auch handeln, 
I tragen nicht zum geringsten Brhuld an dem Mifsgeschick, 
I weiches Ikmtschlnnd (und viele andere Kolonialmächte) am 
Beginne seiner Koloniallaufbahn zu wiederholten Malen ge- 
troffen und gehemmt hat. 

Hom I>r. Bichard Lasch. 



Kleine Nachrichten. 

Abtlnick Dar lait QmeUcasnasb* ae&UiUet. 



— Vulkanischer .\ushruch auf Savai^i (Samoa). 
Bio „Sauiuanistdie /ettutig* vom i’2. Nnvemlter bringt Näheres 
über die jüngsten Vorgiinge auf Savari. lH>r Amtmann 
Williains meldete von Matautu am 7. Novem1»er 13 Krd- 
WWiistolsc, wovon zwei heftigere, hnuprsüchlich zwiaclicn 
1 und 4 Uhr morgens. Am a. abends 8 l'hr wurden zwei 
leichte und du heftig»*r Stofs verspürt. Di« Wirkungen des 
KrdljebenH wart'ii, dafs die Hleinkirchu in l'aia, einem Inland- 
Sprengel von Hafune, zusamineiiHel und diu von Sa sinn 
starke Bisse erhielt. Am 8. N«ivoiiil»er gelang cs ilcm zur 
Zeit auf Samoa zwecks erdmagnetischer Studien b>*fltidlichen 
Astnuioinon Dr. Tetens. bis auf etwa I km au den Krater 
heranzukoiiiiii^n. Kr marschiert« am d. von Kasina aus 
mit sechs Saiiioanem und einem IteutMhen ab«uds über 
liCtui, das verlasstm war, nach dem Intanrldorf Aopo, wo 
aufser dem Urtsvorstehur sich noch tioun King>dH»rcne 
befanden, wahrend die Übrige Bevölkerung nach dur Küste 
getlohen war. Nachm '2 Uhr (am 7. Nov.) erfolgt« hier ein 
sehr heftiger Krüstofs, durch den Dr. Tetenz aus dein 
Hchlnfv geweckt wurde. Wegen ausgedehnten Frühstücks 
liegann erst um 11 l'hr vormittags der Weitermarsch. I>a 
die Ao|Kdeute sich an«chhtssen. bt'stand die nuilnga nun aus 
17 IViwoneti . imciidem einer von Sasina wieder umgekehrt 
war. Der Marsch ging erst südöstlich, dann südlich; auf 
einem Moi genannten Blatze wurde in 700 m Hrdie Regens 
halber nach dreistündigem 3larsche Halt gemacht und üi»er- 
naebtet. 

Am 8. November früh ü l'hr ging es weiter. Nach 
l'/t Btundon wurde südlich ein liastpiatz Mat^iga in rj<H> ni 
erreicht, dann bald darauf iu 13>H) tu südwestlich l'alnpaialou. 
Darauf ging «w '/, Stunde siidlich auf einem tirat entlang, 
an dessen tt*ls«ile zwei crb»schcne Kniierlxvken sich 
befanden. Um »‘/i Uhr wunl« der v<m Osten uacti Westen 
streichentle Kamm erreicht, welchen die Samoancr Mangatu 
buuaanleu. Hier wurde ulsttald in südsüilwestlicher Uirblung 
um Abhänge von oinem MangHafi genannten und elua 
ükm entfernten, vielleicht &0 bis lou m höher liiuaufragenden 
Berg Rauch und Dampf ausgemacht. Die Kraterölfnung 
hatte ct«'a 100 tu im Ihirchmiwer; andauernd dogeii rot- 
glühende Steine «iwas über den Baud hinaus oder zurück 
ins Innere. Der Krater liegt in l4aoiu ll«>he. Naher als 
auf 1000 m Kntfernung hemnzuki»mtiien war Dicht möglich. 
Die UrwiiUH’oiume in dnr Nilhe des Kraters waren versengt. 

Aus den Beobachtungen geht hervor, dafs, wie anzii- 
uehnien war, der Krater zu denen gnhl>rt, welchen das nörd- 
liche I<avafeld /wischen Aopo und Asau vor nicht allzu 
langer Zeit seine Kiitstchung verdankt, welches bUIaiig das 
jüngste Zeichen vulkanischer lliätigkeit auf Hamoa war. 
Von diesem unt>ewach«eiien Feld« au«, welches an der 
AopoMcite noch ganz junge Bbarklava zeigt, siebt mau deu 
ostwestlieb streichenden (ieliirgskamin mit s^-ineu zahlreichen 
liarMitkren Kratern st'hi'ui vor sich liegen. Dieser Kamm 
heifsi auch Maiignloa .der lange Borg*, wie sein grl'ifserer 
Vetter auf Hawaii. Bi« jetzt war ein Verlust an Meu*chen- 
lelien auf Samoa nicht zu Is'klageo; auch ist der Schaden 
sehr gering. Dr. Augustin Krämer. 

— Karte von Steius Kaisen in Osttiirkestan. 
Dr. M. A. Steins Vi>rtrag vom 10. •Iimi itH);; ^ur der I.cui- 
doner g«‘ 0 graphi»chen (iesellschnfi ülier sein« Forschungen 
in Ostturkestan ist im I>ezeinl>erheD 1002 des .tieogr. douni." 
erschienen. Über Kteius archäologische Krgelmisse. die «r 
schon 1001 iu seinem ,l’reliminarv Kcp<irt* kurz zusammen 
gestellt hatte, ist im .Gb»bus“ (lid. Kl, 8. 203) eingehender 
berichtet worden; hier s»d nur einiges iit»er w*ine Karte 
bemerkt, die vim der indischen I^nndesaufnahine in I:7rtuö0o 
Veröffentlicht wurden ist, uml von der ein guter Auszug in 
l:1500iHMj das erwähnte Vortragsreferat begleitet. Htein 
reiste im Aufträge der indischen Regierung, die ihm den 
Banditen S— K— für die topographischen Arbeiten mitgab. 
Auf ilessen Mefstihcbaufnahinon . astronomischen Bcolnach* 



tmigen und Triniigtiliorungen lieruht die Karte. Viel unbe- 
kaiinb's Gebiet «rschlofs die Kxpeilitiori nicht, aber Krgänzuiigen 
hat das Karteubild trotzdem durch sie erfahren. Im Westen 
zwischen d«m 37. Breitengrad ülier den Mustagata bis nach 
Kaschgar decken sich Steins Routen mit denen Sven Hedins 
und anderer; das eingehende topographische Bild ist alwr 
trotzdem willkommen, da lledius .\ufnabmen aus diesem 
Teil seines Reisegebiet«.*« bisher nur in einer dürftigen Kkizze 
vorUegen. Schon öfter licgungeii und auch gut darg«*stellt 
ist Steins Weg durch die Oasenreihe im Süden der Hand- 
wüste. Von Kaschgar ülier •larkand. Kh<itan, Kerija und Rija 
Ids zum Anderebett. Sein Weg zwischen Khotan durch die 
Wüste nach den von Hedin entdeckten Huin«nstätten deckt sich 
mit dem des scbwtfslischeii Forschers, dagegen hat S— H— 
«len Kcrijalauf zwischen K«*rija und Kouchk«>r-agil als «*rster 
NUfgcDoinmcn , elamso einig«* Wüstcnteile mit neu auf- 
gefundeiien Ruinen nönllich und in der Nähe de.« Wegestü«>ks 
Khotan — Kerija. lin (tsten folgte Ktein auf einem Abstecher 
nördlich von Nija den Spuren Dutreuil de Rhins von 1841; 
er kam al^er noch ein Htück nördlicher, bis ülier den 
38. Bruitengra«! hinaus, wo an einer v««n de Ubitis verzeicb- 
ncten .alten Htrafso* Ruinen liegen. Östlich davon wurde 
bis zum Andere «*ine neue Rout« verfolgt. Südlich der 
Linie Khotan — Kerija endlich drang die Bteinsche KzpiHlition 
bis zu den Abhängen der Kwenluiiketten und ins Quellgebiet 
des Flusses von Khotan vor und ergänzte und berichtigte 
die hiHherig«n Karten . die vorzugsweise auf J'rschewalski 
zurückgeben, nicht unerheblich, bestmders im Osteu. — l>i« 
Ruinenstätten, im ganzen 21, sind auf der Kart«* rot hc 
zeichnet mi«l zum gr«trs«m Teil auch benannt. 

— In der .Zeitschr. der (b-sellsch. für Krdk. zu Berlin* 
(ltHV2. Heile iH2) veröffentlicht Fr. Frech s«.*hr interessante 
Studien ülw*r da» Klima der gool«»gii‘ohcn Vergangen- 
h«'i(, in denen er in streng folgorichl.igiT Weis« durch alle 
gimltigischen Ären den engen Zusammenhang zwischen dem 
Klima und dem Kohlensäuregelmlt der Atuios])häre uach- 
zuweisen sucht. Im Ans^'hlufs an Arrheuius sieht er in einer 
Zunahme de« Kohlensäuregohaltes der Luft die ph^'sikalische 
Krklärung für die wärmeren Kliniate, in einer Abnahme des' 
scllien für die Kntstchiing kälterer Zeiten, bis zu dvn söge- 
tianoti-n >'.isz«it«‘n. Da nun die K«ihleiisäiirv haiipUichlich 
durch «»rganischc und ch«'iiii«rh(* Bnuu*«« verbraucht wird, 
bilden vulkanisch« Kshalntioncu die einzige Krsatu)uelle für 
diese Verluste. ]*Is nnirs sich also «leiiigein.'krs auch ein inniger 
Zitsamtneiihang zwischen der eruptiven Thätigkeit uud den 
geologisclien Klimaten ergehen, indem einem Maximum der 
Kruiitiomm ein« deutlich wahrnehmluirc Hteigerung, einer 
Abnalim« <ler Kruplionsthätigkeit ein Kinken der Tcmp**ratur 
«iitsprwbrn mnfs«, das zweimal — am Kmle der palilozoiseJicn 
Ara Und Im .knfang der gi>«il<igiach«n Gegenwart • , so stark 
war, dafs es zu einer sogenannten Kiszeit führte. Hierdurch 
wurden natürlich nur dl« klimatischen Verhältnisse der Krde 
al« (intizes lM.N*int1ufst . während für die Gestaltung im ein- 
zelnen die vei‘srhi«.)dci)artige Verteilung von J>and und Meer 
iiihI di«' dadurch lH>ding1o yerändening in den Richtungen 
der Wiml- und Muerosströniungen verantwortlich gciuacht 
wird. Grra. 

— Weihaiwei, die englische .Bachtung* an der Nurd- 
köst« von Kclinntung, zählt nach engli«rhon Kokmialberichtcn 
123 7.Ö0 Kinw'ohurr in .330 D«»rf«rn. Di« Ausnutzung des 
anbaufähigen IttHicns an «len lüTgabhiingcn geschieht mit 
d«.*r iH'kaiinten chinesischen InU-nsiUit. S«jweit die Bew<«bner 
hiorilurrh iii«*ht in Ansjirurh gonoimiicn wcrticii, fertigen sie 
Taue, einige Kahm* um! Is«irl«eiten St^dne. «bvh ist di»-«.* 
Industrie von geringer Bt*deutung. Ks wird auch «twas Fisch- 
fang beG'iehen, deasen Krtrag, so ziemlich die. einzige Kxpori- 
Ware, nach Hüdchinn geht. Der Hafen, der von der Bai und 
der Insel Liukuug gebildet wird, ist vortrefflich, und riol- 
leicht nirgends in China können Handel»- und Kriegsscliiff« 



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KI«ioe Nftehrichten. 






pbt nahe <34>ni l'fer Attkern wie hier; trotzticni aber ii>t Wri- 
haiwvi weni^' eiitwickulimv'<*fahi^' , «in «'in ^cUieuvnwu^ in« 
Inuere fehlt iitul «Ih* im Bau lH*k;nlTstH’ «leiitKrhe Schiiiituii);* 
buhlt «Ira HniMiul tmch Kinutachnu lenken rriiir». Si lieriihren 
denn auch <lie ^(i'OtWn lhiin|if*;i'ltni«‘n Weihniuei nivht, mmi- 
dem i;ehen diiekt itaeh THcliifu, mit dein die kleineren 
Ihim|tfer einer HUbvenii<>nierten Ijinie den Verkehr aufreeht 
erhalten. lM<r I’laii, Weihaiwei, detHen Forts im r1iioe<iHob- 
ja|utni.«chun Krit-Ke zerst^irt wunleii sind, wit>4ier zu la'festioen, 
liesteht nicht, vielmehr mtll es nur als SchifTs^Utio» zweiten 
Uaui^es dienen, sowie als Sauatoriuiii für das enulische 
asiatische («eschwader. An der S|dtze des (.iehiutes steht ein 
britischer Kotuiiiimar, wühreml die Verwaltung dor Stadt und 
der iMVrfer in den ilUnden chinesischer Beamten ruht; der 
Kommissar verfolgt dalasi die Politik, sich iiiclit unnötig in 
die ehiiiHsiscbe Verwaltung einziimiiU'hHii. Kin (iericlitshof 
ist für {'ivil- und Strafsachen eingerichtet, neriifung tiiidot 
nach Hongkong statt. 

— Chor das VerhAlinis der arktischen l'l<*llu«- 
kenfauna zu der antarktischen hat sich der bi'kannte 
MalHkoz^Hthige des Hriiish Muneuiti. Fdgar A. Smith, in 
seiner Festreile tiei der f'lieritahiue des Vorsitzes tlor .Malacie 
logical Society ««f KiiglHiid geiufsoit. Kr lia> die MnlliiBketi 
aus der Auslieute des < 'hallenger, welche von Watsou für 
identisch mit nordischen Arten erklärt wurden, in Verbindung 
mit Watson n<»cb einmal cingohend geprüft. Ks «ind 11 Arten, 
Welche WhIsoii fiir identisch erklärt hat. Havon sclici«it>t 
zunächst die |>olagisehe dnuthina rotnntlnia au«, die von den 
Wellen überallhin gelragen wird. S>rh« weitere Arten ((«he 
iiius uiteus. Kellia suborhicularis, Homr«ii>gyra atoiiius, Natica 
groenlandica, Adusnmiia riaiHÜde« und l)oris lulH'rriilata) 
haben sich aU falsch lH>stimnit erwiesen. Von d<*n vier übri- 
gen ist un«i*re gemeine Miesmuschel (Myiilus «mIuIis) nicht 
bl'ifs arktisch, somleni dun-h alle Meere \erbreitet. Hie drei 
anderen (l'iiuclurella noachina, Itentaliuin kepm und Marga- 
rita inruiidibnium) sind weit \urbrciiete. auch im Ticfwnaser 
der Tro|M*n \t>rkouimende Ain-n. durchaus nicht auf Arktis 
und Antarktis beHtdivankt. 

Letztere« gilt auch imi ganz geringen Ausnahmen für 
alle die Uattuiigen. welche den arktischen und aniarktis«'hen 
(«ewHsaern geiueiiisam siinl. Hier wäre hervorsnihelitm ge- 
wesen, dafs wir von der antarktisi-heii Fauna überhaupt n«H*h 
uicht die geringste Kenntnis halten. l>ie Kx|>ediTion des 
rhallcnger hat duu südliclion Polarkrt-is nirgends ülN>rschritt«n. 
Wus der arktischen Fauna zum Vergleich gegeniiWr gi**ti*llt 
winl. kommt au« Hreiion, welche der ii inilichcn gemärsigten 
eni-precheu und ihiw Molluskenfauna wenigsiens teil- 
wei**- aus subtm|iiNoheii und tropischen t*«biuiun urhalinM 
halten. Kerguelen. Kap H<ii-n ii. s. w. liegen unter dem bo. 
ilreitengradi*. V>>n iliessuu Stamlpunkr«- inis hedarf die Frage 
nach der Jlealeutung der dein Norden und dem Siiduii ge- 
meinsamen. in den Küstrngew Essern «1er Trttpen fehlemlen 
t«attung«-n einer gründlich«-ii Hevision. «lie man freilich wird 
Hiifschielit-n müssen, bi* «lie Gaurs und die anderen ForM-buiigs- 
schiffe glücklirli h«*iiiigckuhri sin«l. K«»belt. 

— Am 1. Dezemlier ivtcj starb lu Goteuburg der sebwe- 
diai'he Z<s«logH Hr. Anton Htuxberg. Intendant am 
d'trtigen ^Ütiseum und in gei>grapliisch«*u Kreisen als einer 
«ler tüchtigsten Teilmdmier an mehreren Nurtlenski<.ild«chen 
l'olare.\p(Hlitionen bekannt. Im .lahr«- 1K75 Itagleiteie er 
Nortleiiskiüld nach Nowaja Semija, ia~d zum Karischeti 
Meer uuil denissei und l>7S/79 auf «ler berühmten Vega- 
Kv|<e«iiii«>n. IWi allen diusen Heisen war der Verstorbene 
als //s*l«ige ihatig. Im -labr'.! Ih» 7 fnlirte er auf Kneten 
«ies Grorskaufmanii« Jamos llicks<tn eine Studienreise nach 
der Kpni um] dem Kaukasus aus. Stu.vlterg war Mitglicnl 
mehrerer gelehrter tiesellH-hafti-ti und man verdankte ihm 
eiHcgrofs«- Zahl von Ahharnliungen und Werke meist {»opulär- 
wissenschaftlicher .\rt auf zoohigisi'lieiu Gebiete. W. W. 

Der lliliitend un«l die Landschaft Sistan. ln 
einem Aufsatz »Th«' G»*ogmphy «-f Southern k‘ersia a« 
affectiiig its ll^sl■»^y* (Si-^ift. (5e«'gr. Mag,, lH*zemlx»r D»02) 
bespricht Majnr I’. M. Ky kt-s. der vortreffliche Kenner 
l'«r«ien», die Voränderun^i-n «le« lliliii«'iidbclfc* und die da- 
durch liervorg«-riifeneii Anih‘rniig«-ri in Verhältnis!M-ii «ler 
Ijiiidsidiall Sistan. Du.« teilweise «ehr rnichlbarc Sisian 
nmfafst in der Hauptsache das Delta de« in den gleich- 
namigen See mundenden Hilmemltlusses; e« wur«le durch das 
.kufll'ockneii des See« infolge der V> •luineiiahnahmc de.s Flu-our« 
iiml vielleicht auch «iiircb die Ausnutzung des Wassern für 
/wecke «ler Kultivierung gebildet. Im Sudo->ten von Sistan liegt 



das Gaud-i'/irra, eine Bodenvertiefung, dio durch den ni 
breitou un<l mit bis zu tOm b«»beii Häu«leni oiiigofafsteu Schela 
mit dem Seo in Verbindung steht. Das ganze G»ud ist wenig- 
stens IKOkui lang lind eiwa frukiii breit und scheint da« alte 
Flufabett des Hilinend zu sein. Heute birgt da« <2aud nur 
an «ler tiefsten Stelle einen Sumpf, und auch Im Frühjahr 
ist n«>ch nicht der zehnte Teil seine« Areals mit Wasser 
l>e«]i»ckt. Im 14. .iahrhundert regulierte ein östlich des beute 
verlassenen Hauwlar liegender Damm, der Banil'i-Ku«taiti. 
den llilmeml in der Weise, daf« ein tiefer Kanal, der llu<l-i- 
Uausdar, sich nach We*len abzweigie un<l die frucbilmre 
Klicne vt>n Haiisdar l>ewässerte, wiihreu'l der llauptsirom 
al« Bml-i-Nasru n<>r«lwärt« ffofs, vtirWi an den grofsen, heute 
verlassenen Städten Behahrisbm und ^üihnlan. Gegen 
Knd«‘ «h-s 14. Jahrhunderts znrsl4''>rte Timur den Damm, und 
die Hausdarelmue wurde eine waaserloae Wüste; aber auch 
der Hihm-nd selliet wurde in .Mitleidenschaft geztkgeu, un«l 
er schuf sich neben dom Bud-i-Nanru weiter nördlich einen 
‘ anderen nach Westen gehenden Ami, den Kud-i-SiKtan, der 
da« bi« dahin nicht liewohnte Gebiet v«m Sehkuha liowä-ssorte. 
Bi« zuni Beginn des 19. Jahrhundert« scln-inon weitere 
.\nderung«-u nicht «tattgefunden zu hab«*u; «lami bildete sich 
da« WasAur iui Gsten de« lluil-t-Na«ru einen iii'Ueii Kanal, 
«loii von Nad-iAli. Dmlurch «Irohte der unter Kultur 
stehendu l'eil trocken zu werden , und deshalb schnitt man 
mit vieler Mühe den Kud-i-Sistan nordlicli v«»n Sehkuha ab. 
1S9Ü endlich b<-gann der Hilmend auch «len Nad-i-Alikanal 
zu verlassen und sich zwischen ihm und «lern Itml i-Nasni n<K*b 
ein Bett zu eiS'iffnen: Si> entstand der heute al« Bud i-rerian 
heknnnte Arm, ein schöner, wasserreicher Flufs nach Hykos, der 
ihn IHOV kreuzte. Die allen Ix-ulo von Sistan m«-intüii joilorh, 
dafs der Hilim>ud w«*hl wieder «ich dem Bud-i-NH«ru zuwemlen 
wurde, uini in «ler Thal h«'>rto man Anfang Noveinlter v. .1. 
von Gr«'iiz«ireiiigkeiieii zwischen Porsien und Afghanistan, 
die infolge Veränderungen im FlufslH tt dc.s Hilmend aus 
gobrorhen s«ion. Dii-se Streitigkeiten liefst-n «ich freilich 
auch dadurch erklären, daf« in Nasn-tahad, der Hauptstadt 
Sistaus. nelien dem russischen Konsul jetzt auch ein «‘Ug- 
li«cher Vertreter residiert, und dadurch wird «las Verständnis 
«ler Asiaten für Gn'nzstreitigkeiU-D «>ft »«^hr geschärft. Dundi 
Sislaii führt ührigens die 189«! erviffneie ,Kngli«cbe Handtüs- 
strafso" von t^iietta nach M***ched. (Clwr die erwähnten 
Veniitdorungeii vergl. auch Syk**« Aufsatz ,A f«*urth Jimrney 
ln Persia* iiu .«««xigr. J«uim.* für Februar iyO;i, wo S. 144/145 
einige inlen-sMinle Kärtchen darnl«er mitgi-ieilt sind.) 

— Das Klapperbreit in W es t preu f«e n. Ihi« von 
Horm Prof*-«Mjr l)r. Andrea l»ewhrielten«* Klapiterbreli. 
de«<en Vorkommen Herr Dr. Kafsner in 1hl. h^, Nr. «u 
de« (il«>bus auch für Bulgarien feststtdlen k«iiiiile, erinneri 
mich an ähnliche Geräte in meiner A«l<»piivheitiint Wost- 
prousfen. Auf d«'m gräflich Gr«>l>en««'lieii Majorat*gutn Neii- 
tli>rfcheii la*i Marieriwvnler war «eit Menschi'iigodenkeii ein 
.K]»p|tei'breU* im Gebmuch. fN war an einem »ehr schönen. 
I IioIm-ii und kmftigen Aliornliaimi Miigebracht, d«-r allgemein 
der .KlapfH^rlNium* hiefs. Das Brett, eine starke, von Alter 
I und Wetter gebniunte Kichenlwtble, eine Klle uii«i darüber 
lang und mohr al« halb s>> breit, hing mit Stricken un zwni 
I f«-«len Ai'iiien, dio am Klapia-rhauin angenagi-lt waren, ln 
' den Winkeln zwischen Baum und Anm-ii wurden die liitnutier- 
I artig«-n. kurz.-«tielig«-n Schlägel eing«'!klemiut. K«>jif nueh «»Imn, 
Stiel nach unten. Zu den Artieitspiiusen und iia«'hher zum 
Wietlerlwgiriii «ler Arlvelt ging «las ,Klap}H*rmäilc|jen' , eine 
Di«Mistmagd des .Hofmanue«'' miur .kufM-lier«, an da« Brett 
iiihI Imarlieiteie f% wirlwlnd im gleichinärsig>-n Takte mit 
den Schlägeln. Di«-«e Fertigkeit inufste, wie «la« Tn>minvlu. 
QiNt gelernt werden. Der Buf er»ehull nicht blof« durch das 
ganze Dorf, ««»iiderii auch weit hinaus iu Garten und Fehl. 
Iia« Brett war für rnbefugie streng verUiten; »dlwt wir 
muiwillig«-ii Buben halten »eUeu iii«*hr al« «'inen hciiidii-hen 
Streich dagegen gewagt. K« diente aursnrd«'tii, in eigentüm- 
licher W«-!«} augivchlagen, al« FeueniieMcr. Lei«ler vermag 
ich nicht zu »ugen. ob das alte Breil uoch im Gt-bniuch ist. 
Ich lial«- sein**'glei*dion in tlou sech/iger Jahren mehrfach 
auf den Vorwerk«.-!! v«>n NHiidi>rf«dieii un<i auf aiuleren Güb-rn 
gesehen. Violh-icht llmlen «ich Leser, z. B. «lor I!«-rr Pfarrer 
in Gi'ors-Tnniinau. Krt-is Marienwenler, die Weitere« dazu 
I Iteriehion k«inneti. liesonders iiK-r «lie Form, Holzart, Auf- 
I hängung, Atrsrhlag un«l heutige Verbr**itiing de« ^Klapper- 
I breite«-, (i'ber die weite Verbruituiig de« K l!ip|«*rlirett*-* ist 
1 zu vorwfison auf .Vndree, Braunscliu. Vi»lk»kuud«.-, zweit«! 

.\uflag»-. S, .Vntnerkung. w.» «lie Litteratur zusjimnien- 
I ge«t« Ilt ist.) 

I Borlin. H. S«-iUeI. 



V'ri4UiM<Mll. Ue«l.ikteiir : i‘rct. I)r. R. Aiidrce, Hrauaschweig, F«llenl«berthar-Pri>m<-nade IJ. — Drurk: Fnrslr. Vieweg u. S«Iib, Brauio>t.)iwcig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIET FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN; ..DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HER AÜSGEBEK: Prok. D«. R. ANDKEE. VERLAG vo» KRIEÜR. VIEWEG & SOHN. 



Bd. LXXXHI. Nr. 4. 



BRAUNSCHWEI G. 

Ka«tiilrurk nur unvb Cb*r«lakanft mit <l«r V«rUff>iumiJ}uuit Kr«tatt«(. 



22. Januar 1903. 



Mitteiamerikanische Waffen itn modernen Gebrauche. 

Vun Karl Sapper. TAbin^en. 



Von all tlnni da'i die miUttiauiorikantHchen 

indiuutn* vor Ankunft der Spanier iui Kampfe ge^eu 
Meiisrhui) und Tiere, wie die Appi^e Vegetation, 

bei Krie;i;, Jatfd und Rodung zu vurw'eudeii pflegten, iat 
der allergröf-tu Teil g&iizUcb von der Uüdflücbe ver- 
^ebwuudeii: dia alten Stein- und llidzinatriiiiiente sind 
Von den WafTou und Kiseugeräten der Neuzeit vcrdrAiigt 
worden, din in stolzem Siageiizui? auch in die entlegeu- 
stuii (regenden vorgetirungen sind und in kürzester 
Frist die altebrwürdigen Überreste dea ubctuuligeti Kultur* 
ziistaiides vollends zum Varscbwindoii zu bringen drohen. 
S<» kannten die (tuatusus in ('ostariea vor eiiu'iii halben 
Juhrbundert uocli kein hUseu, und selbst vor drei Jubr- 
zebiiten bedienten sie sich noch in Jagd und Krieg aus- 
scbliefslicb ihrer Bi»gtm und Pfeile, ihrer Schlingen und 
Fallgrulten, bei der Rodung ihrer alten Keuersteinäxte 
und ilo|z^<cbwcrter; jetzt aber fängt das fiewubr auch 
bei ihnen an »ich einzubürgern , <lie Stablaxt und das 
IbisebinesMT sind ailgemeiu gebräucblicb geworden, und 
die alten llolz.-'cbwerter dienen heutzutage nur noch als 
^äe«tangeu bei der Maissaat, weshall» man sie auch der 
seitliclicii Schneide bereits beruubl bat. Wenn so seihst 
in entlegenen Landstrichen die alten Waffen und Geräte 
selten zu werden beginnen, so ist in den leichter zugänglicfaHti 
und stärker besiedelten Gebieten Mittelainerikas davon 
ülN'rhaupt fast nichts mehr zu sehen; nur der Landmann 
wühlt lieim Pflügen oder Uackou noch vielfach Pfcil- 
und l«anzenspitz4>ii u. dgl. IHiige auf; die steinernen 
Kopfringu alter Keulen sieht man oft noch als Kinder- 
spielzeug, oder sie dienen zuui Aubindeu von Ilühuerii 
auf manchen Indianergeliofteii; die alten Steinlwile sind 
aber zum Gl&ttwerkzeug in den Hündeu der modernen mit- 
telainerikauiscbeii Männer gewonleu und finden unmeiit- 
licli l>ei der Herstellung der Kaffeetrockenplätze (Patios) 
vielfache Verwendung. Hei Aufständen erinnern sich 
die Indianer, so weit sie nicht mit Gewehren versehen 
sind, noch manchmal ihrer alten Waffen, wie z. H. nach 
Rockst robs Mitteilungen die Fbujes im Jahre 1885 die 
Garnison von Nenton in Guatemala mit ziigeschärften 
und augekoblleu Stangen angriffeii, genau so, wie zur 
Zeit der (’oiujuista, a)ii »cblesibt bewaffnete Imliuner- 
scharen den S|)aniuni oft mit „varas tostadas^ zu fAeiW 
zu gehen versucht batten. 

In ständigem praktischen Gebrauch haben sich von 
iill den ulten ÄVaSeu nur noch die Blasrohr«*, die Bügen 
und Pfeile, sowie die Fisebspeere in einigen wenigen 
Gebieten erhalten, und ihrer soll in den folgenden Zeilen 
kui'Z gedacht sein. Blasrohre finden sieh bei den 
tilobiu L.XXXI1I. Nr. 4. 



wenig kultivierten Iiidianerstämmen von Costarica *) 
und Puuutuü, sowie bei den viel hoher stehenden, zur 
Mttyavülkerfamilie gehörenden Stämme der Altos und 
der AUa Verupaz in der Republik Guatemahi. Kiii 
wesentlicher Futerachied zwischen den Blasrohren des 
Südens und Nordens scheint nicht zu bestehen. Hei 
den Kekuhi'Iiidianeru der Alta Venipuz ist das Bhisrohr 
ein einfache^ Holzrohr, das nahe dem einen Kode zur 
tlrleichtorung des Zielens einen kugelfürmigeu , durch 
ein Quar^stückcheii oder eine Bohne gekrönten Auf- 
satz aus Wachs trügt. Dieser .Viifsatz heilst im Kekchi 
xulum oder couacup, das Blasrohr selbst puh che 
(t=; Ilolzrobr, im Gegeiieatz zur Flinte, pub ch'ieh r= 
FJ.senrobr). AU Geschosse «tieneii l.ehmkugeln (sep), 
die auf dem RiUtteller überm Feuer an der (Oberfläche 
etwas gehärtet sind. Jeder Blasrobrschätze trägt einen 
Vorrat diew^r l./ehmkugelu in einer eiiggefli»chteneu 
Tasche (aulep); daran hängt ein «inseitig offener Kno- 
chen (soche)l eines Trutliahiis oder Huhns, der dazu 
dient, den Lehmkugeln genaue Rundung und das fürs 
Blasnibr passend« genaue Kaliber zu verleiben. Wenn 
sieb zwei Blnsruhrschützen bugeguen und begrüfs«n, so 
pflegen sie jeder einen Blick in das Blasrohr des andern 
zu thuii, um zu shIiud, ob der Lauf schön gerudu und 
auch sonst tadellos wi. Die llauptverwendung findet 
das Blasrohr bei der Jagd auf kleinere Vögel; die Ge- 
scbicklicbkeit der Schützen und die Kraft des Geschosses 
sind recht bemerkeiisweri; manchmal sollen den Vögeln 
die Knochen durch di« Lehnikngeln zerbrochen werden, 
(ielegeutlich werden aber auch andere kleine Tiere mit 
dem Blasrohr getötet, und ich habe e» in den .Vlt<i-(’u- 
chiiuiutaues .selbst mit nugesehou, wie ein geschickter 
Indianer einer Schlange mit einem Schustie seines Blas- 
rohres den Kopf zerschmetterte und dann lachend seines 
Wegi-» Kiug. 

Während das Blasrohr sich noch bei manebnn hoch- 
stehenden ludianerstämmen «rhalteti hat, sind Bögen 
und Pfeile nur noch hei tieferstehenJeu Völkeni iiu 
praktischen Jagdgehrauch. Gelegentlich erobern sie 
sich auch wohl vurühergohond wieder ein kleines Gebiet, 
wie gegenwärtig im östlichen Nicaragua zu beobachten 
ist, wo sogar l^liscbling« sich an ihren Gubraiicb ge- 
wöhnt haben; aber es ist nicht zu Wzweifeln, dafs schliefs- 
lichdoch auch hier da.-* Gewehr allein das Feld behaupten 
wird und dufs Bögeu und Pfeile auch hier höchstens 

liu Berliner Museum für Völkerkunde Ündet sich ein 
filaarohr der Brikrl* Indianer. 



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54 



Karl Sa]ipor: MiUelMnivrikaiti>tülio Waffen im nHidernun («ebrauche. 



wie vieUacU iiiiderwürte in Mittelniiierika — aU Kinder* 
bpielzeui; am<daiiern werden. Vor zwei Juhrwhutun bnt 
O. Stoll bei den Cftkcbitjuele» von S. Juan SucHlepeqiiez 
noch zuweilen Pfeile mit Ki^eiihpitzen •) nebet Högen 
lwobachtet; iu^wi^rlu■ll »ind dieHellien uIhm*. wie ei* 
^«cbeim. {fkuzUch nufHer Qebrauch tfekouimen. (te^eu- 
wArti^ Ntnd Hö^en und Pfeile al^ •la^dwuffeii im nörd* 
lichon Miltolamoriku nur noch üblich bei den weiii^f 
zahlreichen I^CHiiduiieii <leH ü^tlicheii (’hia|)a!< und nörd- 
lichen Guatemala, Kowie Imi den [<encaa im afidweatlichen 
Honduras. lui üüdlicheu Mittelamerika ist der Gebrauch 
dieaer Ja^dwafTeu au.N* 
ffmlehnter, da er sich 
noch bei aUcii Indianer- 
stAminen von Pamiinä 
und CoMtaricu findet, 
sowie bei den StAmmen 
des öNtlicben Nicnraj^nu. 

Im usllichon Iluuduras 
daj;eK«n benutzen zur 
Zeit nur noch die Su- 
mo», Mu!M{uitoi4 und 
Payns diese Waffen, 
während diu Jicai|uea 
sie seit ungefähr zwei 
Jahrzehnten auf|(e)rel>en 
haben. Das allmähliohu 
Vordringen der Gewehre 
hat zur Polare gebubt, 
dafs die Itugen und 
Pfeile bei den südlichen 
Stämmen Mit telu meri- 
kan mit immer gerin- 
gerer S<»rgfalt unge- 
fertigt wei den, wie schon 
ein Vergleich der von 
l>r. HuvaUiua I8H2^) 
und von mir 1899^) 
gesamiuelbtn Mribri- 
pfeile ergiebt ; die Folge 
davon i^t natürlich, dafs 
die Treffsicherhüil eben- 
falls ubniinnit, weshalb 
sich denn diene Indianer 
immer mehr den siche- 
roren Gewehnui zuwen- 
den. .Angesichts dieser 
Umstände darf man er- 
warten, dafs die Ver- 
wendung von Hogeii und 
Pfeilen für Jagdzwecke 
in den Hüdlirhen Län- 
dern Mitlelumerikas in 
absehbarer Zeit auf- 
hören wird, während 
wohl das Fischen mit 
Pfeilen sich noch länger erhalten dürfte. Bei den liUcan- 
duuvn ilürfte dagegen der iugdmafsige Gebrauch von 
Bögen uikI Pfutluii für längere Zeit g«'sichurt sein, da 
ilieselhen sie dem Gewehre vorzieheii, weil sein Lärm 
das Wild verscheuche. Bei den Lacanilunen wird aln^r 
auch noch viele Sorgfalt auf IlerstulUiug ihrer WaHen 
verwendet, iiinl daher ist auch die Treffsicherheit dieser 

*) Abi;ebU<iet in Htolls Ktlinolo^ie <lvr liKlinnersiümiiie 
von ttuatumala (Int'-niationale^ Archiv, lieiden issa). Tat. 2, 
Nr. 25 untl 2ä. 

V Ini Mu.<ieuni für Völkerkunde zu lierlin )>elliidlir1i. 

*) liii Stuttgarter Museum tieittullleh. 



I.eute sehr groI», wie mir von vielen genauen Konueni 
derselben versichert worden ist. 

Her grofse ethnologische Gegensatz zwischen den 
Stämmen des nördlichen und des südlichen MittelamerikM 
tritt auch bei ileii Ikigen und Pfeilen derselben deutlich 
zu Tage. 1/eider ist alter das Material, das ich zu stu- 
iliercn Gtdegeitheil hatte'), nicht in jeder Hinsicht voll- 
stäudig gewesen, so dafs eine erschöpfende t'harakte- 
ristik nicht in allen Fällen möglich war. Ks gilt dies 
namentlich von den Ikigeii, da hier vielfach die Sehne 
fehlt oder erst nachträglich angebracht worden ist, ao 
dafs die richtige Be- 
festigungsart nicht zu 
erkeoiien ist. .Auch über 
die Handhabung der 
Bögen und Pfeile ver- 
mag ich nicht genaue 
Auskunft zn geben, 
denn wenn ich auch 
I«acandonen, Mosijuitos 
und Sumos^ <'hiri|M>- 
und Bribri - Indianer 
habe si^biefseii sehen, so 
gunOgen meine .Auf- 
zeichnungeu doch nicht, 
nui die Stellung der 
Hände und Finger ge- 
nau auzugelieii. ln 
der hier nach einer 
Phutographm von Hei- 
land wiedergegelienen 
Abbildung eines Mos- 
«luitokuaheu , welcher 
V'ögel schiefst, erkennt 
man nltur die bei di<>sen 
Indianern übliche Haud- 
hnhnng von Bogen und 
PfeU. 

IHe mittelamerika- 
nisehen Bögen stim- 
lueii insofern unterein- 
ander überein, dafs sie 
ausnahmslos einfach 
sind ; zusammengesetzte 
Bögen kommen weder 
in Mittelamerika , noch 
auch im l»enach1>arteii 
Mexiko vor, ko weit 
<liu historischen Nach- 
richten und die alten 
bildlirlieii Ihirstellnn- 
gen einen Schlufs er- 
lauben. Ihe meisten 
Krieger auf den mexi- 
kaiiiocbeii Bilderband- 
Hchriften hal»en ein- 
faehe, gelH»gene Bögen (Taf. 11, Ahb. 1 u. 2), woniuf mich 
Herr Prof. f^l. Seler freiindlicberwei-<c aufmerksam ge- 
macht hat ; seltener sind die Ik'tgen eingebogeti, wie auf dem 
Lieiizo do Tlaxcula 35 u. 55 iTaf. II, Abb, 3 u. 41. Am 
meisten siebt noch .Vbb. 4 nach einem zusammengesetzten 

*) irti hat»* aiir«ur eii.'viiem Muleritil (lasjenige dar Mti- 
s«‘eii Voll lajiprig, Ibrrlin, Hiiiiilturg. Lülss'k. HrHtinMÜiweiif 
und SiiiitL'nri ls:uut/t und bin dun I<ot1erii der genannten 
Mu.«een für ihr freumlHcbea Knti'egunk<iiiiinfn tier/Urhen 
Ibink sctiuldig. Ik'Similers diiiiku icli über lueiiiem liela'n 
Kreunde Hr. K. Weule für die Lieta*u«wiinligkeii. mit 

der er «ich zur Zeichnung der beigegeheuun Tafel verstand, 
und iVtif. Kd. Seiur. der mir eine Huihe l’aus**n nach azteki- 
sehen Handschriften zur Verfügung »teilte. 




Mo^qulto-üidiaiierjuttf«, A'Ögel 8rhler«eud. 
Aufnahme von H. Heilaoil. 



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Karl Sa|ipur: Mittelamarikauiiich 

nu!«, (loch mnrbt Seler tlnranf aufmerksam, Hafs 
e» sich wahnHcheinlich nur um eiuou etwas eiu^edrückteii 
Ikj^eti mit einer Art ScbntxleKler handelt, wie solches 
lu'i kiilifonÜHchfn Unsren in ähnlicher Weitw? Torkomiut. 

Kinf?e<lriickto H6|;uu kommen auch noch im 

nördlichen Mexiko vor, ho hei den Ya<|ui (Nr. 29 der 
Taf. h. r>hne dafs jedoch alle liU>j;en dieses Stammes der* 
urtifte Form Ijesktsetii Tielmehr dürfte sie nur dann und 
wann in Ermangelung heawrer Stücke jfenominen wer- 
den, <ienn im nördlichen Mexiko ist Hchön gewachsenes 
HoU cl>eu selten, weshalb auch andei*e Böi;en aus jener 
(ie^eiid keiiiesweifs durch schöne Gestalt unFztirallen 
pflegen, wie der kiiotcnreiche Bogen 23B2a des Lübecker 
Mu'>eums (Taf. II, Abb. 5), oder die beiden Bögen 242 u. i 
243 der Seri-lndianer im Hamburger Miis4*um. Von letz- I 
teren ist 242 ästig, schwach gebogen, 243 al>er ziemlich 
sorgfältig geglättet. Itemeiusam ist allen von mir unter- | 
stiebten nordamerikauischeii Bögen eine Hinneigung zum i 
länglich viereckigen yncri>chnitt, vielfach allerdings mit j 
Abrundung gegen die Aufsenseite hin (Nr. 18h, 24a). 
Die Bögmi vnrjüiigen sich nach aiifseii hin; bei den Seri* 
iKigifii ist aber auch die Mitte /um Zweck l>et|uemH]i 
Haltens verjüngt ((Querschnitt Nr. 18c). Din Sehnen 
bestehen (mit Ausnahme des Berliner Yacjuilmgens, der 
eine gedrehte riersehne liesitzt) überall aus gedrehter 
I^anzeiifaser, aber di« Befestigung ist recht verschieden: 
hei den Seribögen findet sich beiderseits am Kode eine 
fldche Kinkerbung, in di« auf einer Seite eine einfache 
Schlinge «ingeffigt wird (Nr. 18a), während am anderen 
Kndc übeufalD eine Schlinge angebracht ist, daneben 
aber mehrfache Uniwickeluiig stattfindet (Nr. lÜa von 
vorn, Iftb von der Seite). Bei Ib»gen 2362a iles Lü- 
becker Museums wirtl der Überschufs der Sehne au liei- 
«len Knden «lurch ümwickelnug geborgen. Der Yaqui- 
bogen Nr. 164 des Braunsebweiger Museums zeigt auf 
einem Kn<le eine Bach« Kerlie und eine einfache Schlinge 
«ler Sehne <Nr. 24 der 'l'afel); auf dem anderen Knde ist 
eine ciiiMÜtige tiefe Kerbe angebracht: die Sobue iat 
hier mehrfach henimgcwickelt (Nr. 2.'>) und läuft in 
uiueu etwa 20 cm lang«n, schmalen I^'derstreifen aus. 
Dagegen ist «lur Yatjuibogen zu Berlin an beiden Seiten 
einfach abgesetzt und besitzt an einem Kn<le ein« ein- 
fache Si'hlinge mit durchgcschobeneiu Knopf (Nr. 23 der 
1'afol), am anderen Knde eine rohe, knofifartige Uuiwirke- 
lung. Die I>äiJg(‘ dieses Bogens beträgt 139 cm, wäh- 
rend der braunschweigische Yaqniho^n l.’>2cm lang ist. 
Bogen 2362a in Lübeck ist 120 cm lang, dio beiden 
Seribögen in Hamburg 152 und IGlem. 

Gegenüber den iiorduiexikaniwben B»»g«ui sind die 
{»acamionenbögen ungtunein sorgfältig gearbeitet. Sie 
stehen au kunistvoller Glättung uiirl .ViismrHlelliernug 
zwar weit hinter den sch<>neii SurinamlM>geii zurück, umcheu 
al»er mit ihrer einfachen, geraden stabform, die nach 
aufsen hin sieh verjüngt, und dem kreisrunden Quer- 
schnitt einen sehr freundlichen Kimlruck. Hin Bogen, 
den ich einem Lacandunen am Pethasee in (’hiapas j>er- 
sönlich abgeuommeii habe, zeigt eine läingu von 182 cm 
bei einem Durchmesser von 2,2 cm in d«^r Mitte und 0,4 
um Knde. Die LacandonenlMigen im Berliner Museum, 
die ich vom Usnmncinta her geHummcU habe, halMui da- 
gegen nur eine Länge von 164 und 144 rni, die beiden 
viui Fr. Sarg gesummeUen Bögen im ladpziger Museum 
sind 146 cm lang, in der Mitte 2 ein he/w. 1,8 cm dick, 
an den Knden 0,9. Sj« siinl nicht sorgfältig geglättet 
und w<ihl nur für den Gebrauch von Kindern bereidiiict 
gewesen, denn es sollen di«* Ib'tgeii bei d«^n Laraiidonen 
all !.uiigc genau der Körperhöhe durBe.sitzcr eubsprei^hen. 
So weit die Ik'igen noch die ursprünglicbe Sebnenbefc-sti- 
giing zeigen, kann mau sehen, «lafs in einer Krstr«i:kung 



le Waffen im nioderneu Gebrauche. ö.*> 

von mehreren reniiroetern gegen das Pmde des Bogens 
hin eine enge f liuwickelung von gepichtem Faden vor- 
handen int, die sich am äufsersien Rand zu einem Wulst 
verdickt und damit ein Widerlager gegen tlie einfach« 
Schlinge der Sehne bildet (Nr. 15 der Tafel I). 

Zu dem kreisrunden (Querschuiti der I^jicandouen- 
bögen (Nr. 15a) steht der länglich viereckige Querschnitt 
«1er Lenca-, Mosquito-, Sumo- und (riiatu-sobögen ini 
Gegensatz. I>or von Herrn Wittkugel gesammelt« B<»g«‘n 
der I.eucas besteht aus Pulmeuholz mit noch deutlichen 
InternrMlieii auf der Innenseite, ist 153 cm lang und 
leicht gebogen ( Wölbungshöhe in der Mitte 4 cot; Nr. lu 
der Tafel), In der Mitte des Bogens sind die Dimen- 
sionen des Querschnitts .3 zu 2 cm, gegen das Knde hin 
2.3 zu 0,8 cm. Auf einer Seit« endi)^ der ibigen mit 
einem kurzen .äbaatz, der eine Schlinge der Sehne auf- 
nimmt (Nr. Ic), auf der Hiideren mit einem längeren 
.Absatz, an dem die verstellbaro Schling« des anderen 
Si'hnenendps liefestigt wird (Nr. 1 h). Ähnlich dürfte 
auch der (l>ereits aufser Gebrauch gekumoieue) Bogen 
der .Iira«|ueH gewe.sim Hein, der elmnfalls einen Tierockigeii 
Iturchsclinitt gehabt und eine Länge von der Höbe der 
Schulter der Besitzer gehabt haben «oll. Der Bogen d«*r 
Payas ist nach Mitteilungen von Don Gregorio Duarto 
ein gerader, nach beulen .Seiten hin sich verjüngender 
Stab von 3 bis .5 Fufa l^nge; über den Querschnitt und 
die Art der Befestigung dur aus Bromeliaceenfascrn ge- 
drehten Sehne konnte ich keine genauere Nachricht er- 
halten. Die Bögen der Sumos und Mosquit«>s sind von 
länglich viereckigem Querschnitt; der von mir gesam- 
melte, im Stuttgarter Museum befindliche Siimol>ogen 
zeigt durchwtig einen Querschnitt von etwa 2,7 zu 
0,6 cm; seine iJinge lieträgt 160 cm; er endigt beider- 
seits in schmalen Absfitzeu, di« zur B«festigung der ein- 
fach gedrehten, aus Burillofasern bestehenden Sehne die- 
nen. Auf der einen Seite ist eine dauernde, zweifach 
geknüpfte Schling« mit zerfasei-tem Kode (Nr. 12) an- 
gebracht, am anderen bjulc befimlet sieb eine verstell- 
Imre L>op)>elschlinge (Nr. 13), es int jedoch nicht ganz 
sicher, ob dies die originale Hefesttgungvweise ist. 

Die Bögen der Giiatuso-Indiauer, die ich messun 
konnte, schwankten in der Länge zwischen 125 und 
140 cm. Iksr von mir gesamniülte Bogen dos Stuttgarter 
Museums ist 126 cm lang, von länglich viereckigem 
Querschnitt, mit jäh verjüngten (mden, an denen die 
aus Burillobast *') hergestellten Sehnen befestigt sind; 
Originalbefestigiing nicht bekannt, da die Sehne verioren 
gegangen ist; Mnturial des Bogans: Holz der Pejivalle- 
palme. Au« dcinselben Material besteht auch der Bogen 
der Chirip>- und Bribri-Indianer; jedoch ist hier der 
Querschnitt rundlich mler oval, am Kode p]«jtzlich zuge* 
«ohärft (Nr. 6 b un«l 7 a). Die drei mir vorliegemleii 
Bögen sind 147 bt*zw. 168 bezw. 174 cm laug, «labei 
fast gerade; Sehne durch einfache Schlinge l^efestigt 
(Nr. 6b), gebildet je aus der aufgel«5steu halben Sehne. 

Gegeuül>er der r«*lativen Kinförmigkeit d«*r mittel- 
amerikani«ichen Bögmi läfst sich bei den Pfeilen eine 
etwas gröUere Mannigfaltigkeit featstellen. und zwar 
Ztdgt sich hier wieder «ehr deutlich der Gegensatz zwi- 
schen d(ui Stämmen des nönlUcben und sü«nichen Mittel- 
nmerika: Du Norden sind dio Pfeile lM*fii*dert, im Süden 
fehlt die Fieclerung alleiithallieu; auch ist hier keine 
anilere .\rt von Plugsicbening angewandt. Daf« die 
I'feile «ler ,Ii«-aques Imfiedcrt waren, ist nur durch münd- 
liche Mitteilungen ]>ekauut geworden; es wunie auch 
mir geaagt, dnts zwei Fwlern angebracht waren: über 

•) Itohmatonal timl goilrtüiie SptmUn* v«m HnrillolKist 
-ind im Htuitgurter Mtiseiiiii nudaiwahrl. 



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Karl SÄppt-r; Mitteinmct'ikttuiiLülit! iiti moilvriicu (lebrauclip. 






die Art clnr li^de^tigun^ könnt«' man mir al>or kciuu 
Auxkunrt tfcbbti. Bei (ii>n Laiaudummpfcilen (Nr. 17, i 
17c) sind ebenfalls zwei Fede>‘ii zur niigHi<'lienint' nahe i 
dem hinteren Knde angohrai'ht, und zwar in der Weitie, | 
dufs der Kiel mir>seu liegt und die Feder dem Schaft | 
platt anliegt; infolgedessen werden die einzelnen l*e<ler- 
flllgel abständig, und es ent>t4>i)t zwiseben ihnen ein 
grolser Lnftrauui (Nr. 17c), so daN die Wirkung bei 
der liUltzerteiluiig äbnlieh sein nnirs, wie l>ei radial uIh 



elu'nfalU durch Uinwickeliing ftrstgehuUeue , halbierte 
Federn, und zwar zeigen alle Pfeile dioes (ttdneles, «lie 
siiherer ll«M'knnft sind, «Irei Federn (Nr. 2C ii. 2ßa tier 
'Pafel un«l Abb. fif, und dieselbe Krsfhuiimtjg beübuehtet 
mau iimb freuiulliclier Mitteilung von Otis T. Mason uueb 
an den im Nationalnniseum von \Vu^hingt<)n v«irban<lenen 
Pbrileii der (\inis von Nayant in Mexiko: es ist dies die 
Uefiederuiigsart, <lie auch iu den Vereinigten Staaten, 
namentlich in Kalifornien, fiberwiegt und an der West- 



Tafel ITl. 





Ahli. 5. Bogen. yiVmker Muspimi — Al*b. 6. Nürdllche.« Hfexlko. \hh. 7, Mexico -TeuuehtltUn. — a. U^him» 

de TliUfuI» 1*. — b. I.ienzo Je TIhi«1ji 15. — c. l.inur. Je TU\:iln '24. — Alili, X. Tepeyami', l.iewu de Tlax«.«!» ^4. — AW*. 0. 
Warfspeer-l’lUlloiloehtlN. Cwl** Teil. l:em. 2b. — Abb. Uk a., b., e. SiWen y. — d. Code« S*Jdn« 7. 



"lehenden, halbierten F«'d«'rn. !)»> Fiule der FtMleni 

ist durch l niwi«‘ke]uiig mit dünnem Fadon festgebolten, 
«W gespaltene Kiel d«vs vorderen Kttdes ist uiiigebogen 
und ebenfalls duroli l'mwick«'lung fcstgehHlieri iN’r. 17d). 
eine lh;festigung-art, die Weide iiUgcIfiedening nennt ’K 
Idese Art der Fiederung srheiut im uordlicluMi Mexiko 
bereits v«il|st«ndig zu fehlen, denn di«- Pfeile jenes (»c- 
biete» im Berliner, Ihuunscbwciger, lluinburger «inl bü- 
be«'kerMiis.jum zeig«-n ausschlieNlieh rudiul auge«)rdnote, 

') Weide, Ib-r afrikanische l'fei). I<oipzig IsVd. t>. 30. 



küst«' Nordami^rikas w«'ii nach dem Nonl«*n hin verlmütei 
ist, wie ein Blick in .Nlnsoiis „Northamericun bows, ar- 
rows an<l «|iiivers“ (Smiths«tiiian Ui |Kirt , |S9.')I) zeigt. 

Nur «'ii» eiuzjg«>r kJ«-iner Pfeil des Haiubiirger Museums, 
tliT xieh offeuhar in das Büiub ) «1er S*-ripfeiJ«- verirrt 
! hat und dessen Herkunft daher iii«*ht mit Birstimmtheit 
unzngeben ixt, zeigt zw«*i gi'geustilndige, ra«liul unge- 
Mr«ln«-(e Feden‘ht*n. Builial angeordneie Federn Zeigen 
j auch die meist»>n PfcilnbbüduntWüi der mexikunischen 
Büderhand-chriftitii, p-durU »iiul di«‘ Abbilduugun zu 
I scheinatiseh gehalten, als «laN sich xagen liefse, ob zwei 



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Karl .Sn p per: Mitteln mcriknuitch' 



wl»»r drei Federn niigebmehl waren (Taf. III, Abi». 7 u. S). 
Neben der Rttdinlstellung der Federn kommt aber auch 
die Flacbetellunj; Tor, wie der unterste Pfeil den Lienzo 
i)e Tlnxciiia (Abb. 8 ) anzudeuten M*keint. Alle I’feile 
«len Hildlichen Mittelamerikn, einschlier:«-lich durjeuig<*n 
der lloruMjues und Guaiinies, Hind da^e^en uiibefttHiert. 
und Aueh aua dem uördlicbeti Südamerika ist eine Reibe 
unltefiedertiT Pfeile au« Temchiedenen Ge^endeti be- 
kannt ; wo aber die Grenze di« lH*ne<lerieii Pfeil« 

des SüdeuH Wgfinnt, da» Ufnt aicb Torl&ufi^ noch nicht 
aiiffeben; e» sieht aber zu hoRen, dufs Ilerriuuun Merer, 
der 1896 „Bokoii und Pfeil in Zontralameriku“ bear- 
lM>itet hatte, in absehbarer Zeit dies« int«re 9 t>ant« Fro^e 
lüsen wird. 

Wie in der HeRerlerun^, vo la^Kteht auch in Bexu^ 
auf di« Kerbe ein grofser GegeiiKata zwischen dein Süden 
und Xonbm Mitudauierikns; die unbefiederten Pfeile von 
Nicaragua, ('ostarica und Patintna liesitzen keine Kerlie. 
wähnutd die befiederten Pfeile des Nortleus alle eine 
mehr oder weniger tief« Keriw besitzen, in die dieStfhne 
aufgenommen wird (Abb. 6 und Nr. 17, 17c, 21. 26, 27 
der Tafel). Gewissermafsen den Übei^aug zwiscben den 
nördlichen mid sQdlirheu Pfeilen bilden «lie federlosen 
l.eneapfetle , die «ine flacbe Plinkerbung zeigen und 
obeiisu wie die Pfeile der benachbarten Jii-a 4 {ue.s in vieler 
Hinsicht eine gewisse Sonderstellung in Mittelamenka 
einnebmen. Ob di« Jicaquepfeile eine Kerbe lH>safsen 
oder nicht, konnte ich nicht mehr in Krfabrnng bringen, 
als ich mtnii 1H98 und 1900 im Jicaquegebiet btdand. 

In Bezug auf die Zusammensetzung befinden sich die 
meisten inittelHmerikauierben und nonbnexikanisehen 
Pfeil« in einer gewissen übereiustimtuuug, insofern rin 
iloUschuft, der die Spitze trägt, oder in seinem vorderen 
Teile bildet, in ein Kohr liineingesteckt und durcti Um* 
Wickelung befestigt zu sein pflegt. .\uch das hintere 
Knde de« Kohrschaftes ist durch Umwirkeluug, bei den 
GuatusftpFeilen sogar durch einen richtigen, um Fmle 
verdeckten Knäuel gegen .\ussplltt«rn. Zerdrücken und 
sonstige Bttsebädigung gesichert. Statt der knotigen 
«iulieimischen Bohre wertlen jetzt gewöhnlich kuotenlose 
Blfltenstengel des Zuckerrohres genommen. 

ln den Oimeiisiouen schwanken die Pfeile alter aufser- 
onlentlich; di« von mir gemesse'iieu Giialusopfeile hatten 
als Kxtreme 218 und 24Hcm liäugc, die Bribrijagdpfeile 
129 und 155 cm, während ein Fisebpfeil der (hiripo* 
iudianer 213 cm mafs. Die der von mir ge- 

messenen Suiuopfeile waren 181 und 204 cm. Hie Pfeile 
der dieaijues sollen dagegen nur etwa 60cm lang ge- 
wesen sein, und dl« I<encapfeile, die ich kenne, schwan- 
ken ebenfalls nur zwischen 59 und 6 Hcm Tango , wäli- 
reiid <üe von Herrn Sarg gesammelten Tacandonenpfeile 
des 1 , 1 ‘ipziger Miisonms wieder zwischen 116 und 129cm 
scliwnnkoit, die von mir gesammelten Pfeile der Tacan- 
doiieii des Usumaciiita in Berlin zwischen 130 und 139, 
die I.acnndonenpfeih' von Petha {('hiu)»Msl zwischen 143 
und 147. Hagegen haben <iie Yaquipfeile in Berlin mnl 
Bruiinschweig 82 und 92 cm als Kxtrt>me, die Seripfeile 
(Katalog Nr. 250) in Hamburg 90 und 9.3 cm. Hie 
anderen nordmexikanischen Pfeile in Hamburg 8 l und 
87 cm, iti l.ülH’ck (Nr. 113, 114, 115) 82 und h 8 cm. 
.\l>er es sind nicht nur die (Tcsanildimensiitnen aufser- 
(»nientlich verschieden, son 4 tern auch das I.aiigeiiverhdll- 
nis zwischen Kohr uinl Ilolzscluift: die Bohre der Gua- 
tusupfeile erreichen P /4 bis 2 m iJiiige, die Hulzsclmfte 
über * in, und da die (rc-iiuitläiige dieser Pfeile im W aldes- 
dickicht allzu UulN‘i|Ueiii zu tragen wäre, so nebmen die 
Gimtiisns auch di<> l»eiden Bestaiidtcile ihrer Pfeile ge- 
trennt inii und setzen sie erst uiiniittell>ai' vor den» (hv 
liraucli zusunniieii. Hie schon we-entlich kiirzeivu Pfeile 



Waffen im modernen Gebrauoh«. 5U 

der Briliri- und GuHimi-lndianer werden dagegen für 
den Transport nicht mehr auseinander genommen, son- 
dern sind stets schnfsfertig. Bei den Jagdpfeilen der 
Bribris und Guaimis ist <!er Bohrschaft noch 90 bis 
120 cm lang (bet einem P'iäcbpfeil »ogar 123 cm), Imu 
den StimopFeilen 83 bis 110 cm. Hie llolzeinsätze sind 
von ansehnlicher Länge und werden mehr mler weniger 
tief ins Bohr hinoinges<'bol»eu und durch rmwickclimg 
feslgehalten. Hie Ibdirschafte bei den Lacandooenpfeilen 
des lAÜpzigor Museums sind 65 bi» 85 cm hing, di« des 
Berliner Museums 85 bis 88 cm lang, die von Petha 84 
bis 96 cm. Hur Holzeinsatz ragt bei letzteren um 46 
bis 50 cm hervor und ist auch l>ei den übrigen Lacan- 
donenpfeilen von entspreebender Länge, llagegen ist 
der lioLzeinsutz bei mHUchen Lenrapfeilen so kurz, dals 
er überhaupt nicht aus dem Bofir hervorragt, wie bei 
dem .lagdpfeil (Nr. 3 der Tafel), während bei <len Vogel- 
pfeileu der 1/encas (Nr. 2b), el^enso wie bei denen d«r 
l^candonen (Nr. 16) nur der Holzknnpf aus dem Bohre 
hervorsrhaut. Ganz ähnlich wie di« r<encapfeile müssen 
nach einer brieflichen Mitteilung von Hon Gregorio Hn- 
nrte auch die Pfeile der Payas konstruiert gewusen sein, 
mit eingelassenen Ilolzpflörken an lieiden Seiten; ein 
Unterhchied ist nur insofern festzustollen, als die Länge 
der Payapfeile 3 bi« 5 P'ut» beträgt und die I'orm <1«^ 
Holzkmtpfes der Vugidpfeile (chijKites) mehr mit der der 
Lacandoiien-Viigelpfeile übereiiistimmt, soweit eine rohe 
Zeichnung Huartt's hierüber überhaupt Aufschlufs giebt: 
statt einer scharfen Kaute in der Mitto des Knopfes 
findet sich hier aber eine kugelige Kundung. 

Sehr grofse l’nt«rschictle zeigen nun die einzetneu 
iTeile in Bezug auf ihr« Spitzen, die teils durrb die be- 
sonder« Form des Holzeinsatzcs, teil« durch eingefügte 
nnd festgebundene Frcmdkör|K‘r gebildet werden. Hi« 
gröfste Übereinstimmung zeigt sich hier noch bei den 
Fischpfeilnn, indem ülierall, wi» bei mittelnmerikanisrhen 
ludianer-tämmen solch« Pfeile Vorkommen, einfache, 
runde, vom zugespitzte Holzscbäfte ins Kohr eingefügt 
werden, so l>ei den Bribri. den Guatiisos, den Sumo« und 
Moequitos, sowie d«n l^tcandunen, nur mit dem Unter- 
schied, dnfs bei den Lacanduuen die Zuschärfung ganz 
allmählich erfolgt, bei den südlicheren Stämmen aber 
ziemlich plötzlich (Nr. 14a). Ziemlich grofse ÜlH*rein- 
stimmung herrscht auch noch in Bezug auf die V<igel- 
pfeil« — die übrigens nicht nur zur Jagd auf Vögel, 
sondern auch auf sonstige kleine Tierchen verwendet 
wenlen, und bei den Payas ntwh dazu dienen, Pfeile, die 
sich mit ihrer Fisenspitzc in Baumzweige festgernnnt 
haben, dadurch wieder loszumnchen, dafs man in ge- 
ringer Fntfemung davon mit dem Vogelpfei) auf den 
Ast schiefst und ihn so tücbtig erschüttert. Di« Form 
der Spitz«’ der Vogelpfeihi erkennt man aus Nr. 16, 2b 
nnd .5 der Tafel I. 

Für die .Iag«l auf anderes Wild werden Pfeile ver- 
wendet, die ein« leist ungsfähig«>re Spitze Wsitzen, und 
zwar lassen die Uicandoneii eine F»‘uerstein»pitBe. di« 
sie mit einem llirschlioriibeil zure<:ht geschlagen haben, 
in einen Schlitz des llolzsehafte« ein und binden sie «lann 
fest (Nr. 17 und 17a der Taf«*l). Wenn nun eine Feuer- 
steinspitz« sich im Holz fcstreuiit, so bleibt der Pfeil 
stecken; aWr beim Versuch, die Spitze berHuszuziehen, 
bricht sie ab, und der I wicundone «pUtteri nun mit seinem 
Bu«chni«-sser am Stumpf Splitterrbeu um Splitterchen ab, 
bi.H wieder eine Pfeilspitz«’, freilich weil kleineren Format« 
daraus tfewurden ist. Ht ein gröfseres Wild nur ange- 
schosseii, HO streift es bei der Flucht meist den Pfeil 
ab, wobei die Feuersteinspitze gewöhnlich iui f.eib des 
Tieres bbdbt. Hie spitz«*nloseii Pfeile werden nun v«m 
den l.acau 4 ioiien wieder gesammelt und «liirch .\ufbiudcn 



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r.0 



Karl Sapper: Mittölamerikaniicbe ^VHffen im modernen Oebranehe. 



einer neuen SpiUe TerroUcitändi^ denn Sebaft und Hohr 
iQÜHsen monatelnug: im Ilaiieh der Hütto lagern» um 
gegen Angriffe von Wflrniern sicher zu sein, und darum 
sind die bereit« zur Verwendung gelangten T’feilteile 
immerhin ein wertvoller Besitz. — Neuerdings wird 
dann und waun auch Spiegelglas statt Feuerstein zu 
Pfeilspitzen verarbeitet. Vor der Ankunft der Spanier 
war in weiten Gebieten MittelamerikaH und Mexikos Ob- 
sidian das Spitzenmaterial gewesen , und in manchen 
Gebieten, wie in der Alta Verapaz, lassen sich noch die 
ehemaligen Verbreituiigsgrenzei) der Feuerstein- und der 
Obsidianspitzen ziemlich genau featstellen. Bei den njir 
bekannten Pfeilen der nordmexikanischen Stamme im 
Hamburger und Lübecker Museum sind ebenfalls Pfeil- 
spitzen aus Feuerstein, Jaspis, Gla« oder anderem üe- 
steinsmaterial üblich, teils mit sintlichen Kiuschuitten 
zur Erleichterung des Festbiiidenn (Nr. 20 und 20 a der 
Tafel), teils ohne dieselben. 1 dagegen fehlen Steiuspitzen 
volistandig bei den Yaquipfeilen, vielmehr Iftuft hier 
einfach der Holzeimsatz in eine rohe rundliche oder in 
eine acharf «hgesetzte, drei- t>dor vierkantige Spitze aus 
(Nr. 27 der Tafel). Hie Auafühj'ung der YaquipfeU- 
epitze iat so plump, dafs man an ihrer Wirksamkeit 
zweifeln milfste, wouu nicht mitgeieilt wäre, dals sie 
l|ergiftet »ind. lu Mittelamerika ist Vergiftung nicht 
üblich, und erst lenseits* de« Isthmu» von Panama be- 
ginnt wieder das Gebiet vergifteter Pfeile. 

Ähnlich wie die Yaquipfeile müssen auch die Jicaque- 
pfüHe beschaffen gewesen sein , denn es wurde mir be- 
richtet, dafs sie eine llolzspitze besafseu, die nach dem 
vorderen Ende plötzlich verdickt war und dann in eine 
Spitze ausliuf. Mit dt-u Jicaquos l^eginut das Gebiet der 
Holzspitzen in Mittelamerika: alle St&mmc der Ostab- 
dacbiing von Nicaragua, <’ostArica und Panama scheinen 
urMpr&nglich ain»sehJiefsltch Holzspitzou besessen zu 
haben, die natürlich ans sehr hartem Material bestanden 
(und zwar aus dem Holz dur Pejavallepalme, wfthrond 
die Jicaqtiespitzen aus Lnncetilloholz hergestellt waren). 
IHe Holzspitzen sind teils rund (Sumos, Mosquitos, Gua- 
tiisotf), teils drei- oder vierkantig (Stämme von Tala- 
matica und Panaiu4) und werden, wie ich mich pers5n- 
lich überzeugen konnte, nach dem Gebrauch eventuell 
immer wit5der frisch geepitzt, wobei da« Buschmesaer 
wie ein Hobel benutzt wird. I>a Affen die glatten Pfeile 
wieder aus ihrem Leibe herauazuziehen vermögen, so 
werden gegen aie vielfach Pfeile angewendet, an denen 
Widerhaken in einer (Nr. 9) oder mehreren Keihen 
(Nr. 8 der Tafel) angebracht sind, und dlcaulbe Methode 
ist auch bei den I.acandniien üblich. Ha Obrigeos viu- 
fachu ffidzspitzen gegen grofses Wild nur geringe Wir- 
kung au«zuüben vermögen, so bat man nachträglich 
vitdfach begonnen, für diesen Zweck die Ilolzspitzeu 
<lurch Kiiisetzen einer zurechtgufeilten Eisen- oder Stahl- 
spitze zu veiü<tdrkeii (z. B. Nr. 10 der Tafel) und auch 
die nordtnßxikaniachen Stämme (Seri) haben zuweilen 
ihre Steiuspitze durch ein« F-isenapitz« eraetzt, wahrend 
«lie Lacaudonuu bisher «teU ihren Steinspitzen treu ge- 
blitjben sind. Oie Jagilpfeile der Lenca« und der Payna 
be-tehen (uutser «lern Kohraehaft mit hinten eingesetztem 
IfolzpRnck) aus einer gefeilten Stafüspitze, die in einen 
vorn eingiisetzten Holzpflock eingelassen ist (Nr. 3 der 
'rafeli. hon Oregr)rio huarte, der jahrelang Schulmeister 
in dem Payadorfe ('uliui (I)ulre Nombru) gewesen ist 
und die Payas daher genau kennt, teilt mir aber brief- 
lich mit, dafs die Puyus statt eisunier auch Ikunspitzen 
verwenden, hie Pfeile der hondureuischeii Indianer- 
stamme zeigen ja überhaupt sowohl gegenülM*r ihren 
mirdlichen aU gegenüber ihren südlichen Nachbarn 
manche merkwünlige Eigentümlichkeit. 



Verzierung der Pfeile kommt zur Zeit in l^littel- 
limerika nirgend« mehr vor; dagegen zeigen manche 
nordmexikanische Pfoile (Seri) höbstho Bemalung mit 
verschimlHoeu Farben, besonders in der Gegend der Be- 
fiederung (Nr. 21 der Tafel), und «s dürft« jeder Be- 
sitzer o<ier jede Familie immer das gleich« Muster wäh- 
len; wenigstens zeigen die Samnilungsexemplare vielfach 
genau dieselbe Bemalung. 

Köcher scheinen in Zentralaracrika gegenwärtig nur 
noch bei den l^ncas üblich zu sein: ea sind rohe Leder- 
köcher mit einer Lederschleife zmn Tragen, hie Jica- 
ques steckten dagegen ihre Pfeile von oben und rück- 
wärtB in den Gürtel ihres Gewandes und trugeu sie no, 
die Befiederung nach oben gerichtet, auf dem Rücken, 
hie Guatusos nehmen ihre Riesenpfeilo auseinander und 
tragen sie bei der Jagd in der Hand. IHe Talamiiuca- 
ludiaiier (Cbiripoiind Bribri) haben die Länge ihrer Jagd- 
pfed« ') reduziert uml brauchen sie daher beim Wandern 
nicht auseinander zu nehmen, sondern tragen sie mit 
dem Bogen zusammen als ein offenes Bündel auf der 
Schulter o<ler unter dem Arm. IHe Lacandonen, die 
ihren Pfeilen überhaupt weit gröfaer© Sorgfalt widmen, 
nrabüllen ihr Pfeilbündel bei dem Wege durch den Wald 
mit einem etwas längeren, weichen und ziemlich breiten 
Rindenstück, das die Pfeile vollständig bedeckt und also 
eine Art Köcher vorstelll. Ich hatte eine solche Kindeo- 
hiÜle den ans Berliner Musoura geschickten Lucandoueu- 
pfeUen beigegeben, jedoch ist dieselbe nicht aufbewahrt 
worden». 

Aufser Bogen und Pfeilen waren früher bei Jagd und 
Krieg vielfach auch W'urfspeere gebräuchlich, die teils 
direkt mit der Hand geschleudert, teils durch ein Wurf- 
brett entsandt wunlen. Sind solche Wurfbretter in 
Mexiko noch jetzt an einzelnen Stellen in Gebrauch *■), 
so waren sie früher auch in /entralamerika üblich, wie 
ja Seler erat kürzlich tJberreste davon in ('haculä (Gua- 
temala) gefunden hat •*). (fegenwärtig sind dagegen in 
Mittulamerika nur noch bei den Sumos und M^niquitos 
Wurfspeere in Gebrauch; sie worden unmittelbar mit 
der Hand geschleudert und dienen nur zum Fischen. 
Zwei solcher Fischspoere habe ich vom Rio Bocay in 
Nicaragua nach Stuttgart gebracht. Sie sind genau so 
gebaut wie lܫ .Sumopfeile (Nr. 14 der Tafel), nur ist 
der Hartholzeiosatz wesentlich langer: die beiden Fisch- 
speere sind 305 hezw, 327 cm laug, der R«>hrstengcl 126 
Imjz. 140 cm. Pie grötste Dicke des Holzschaftes beträgt 

0. 9 l>ezw. 1 cm. Bei der selbst für Bootfabrten unbe- 
quemen Länge der Fischspeere ist es begreiflich, dafs 
sie häufig uiisciiiander genommen werden. Bei dem 
längeren Fisebspeor in Stuttgart kann man beobachten, 
dafs der Holzeinsatz allein 213 cm lang ist und 25 cm 
tief in das Rohr hineiugesrboben ist. Eine Befiedening 
fehlt natürlich hier; es ist aber auf aztukiseben Bilder- 
handschriften trotz der schematischen Zeichnung deut- 
lich kenntlich, dafs manch« der mexikanischen Wurf- 
speere eine Fiugsicheruug besafsen (Taf. III, Abb.9); auch 
erkennt man leicht, dafs md>en hakenbesetzieu Holz- 
spitzen auch Steinspitzen in Gebrauch waren, und ('od. 
Seiden 9 (Taf. HI, .\bb. 10) zeigt auch, dafs die Befesti- 
gung derselben offenbar gleich war wi« bei den Seris noch 
heutzutage. Dafs auch die MaterialverachicHlenheit der 

1. anzen- und Speeropitzen (besoudom Feuerstein und 
Obsidian) in gleicher Weise sich in verschiedenen Ge- 
bieten geltend macht, wi« bei den Pfedlspitzen, wissen 
wir BUR .\usgrahungen. 

*) Bi© Fischpfeile derselhon sind ebenfallü sehr lang. 

•> fllobu«. B<1. 7«. S. 2<W. 

R«ler, Die allen Ansiedelungen vuii C^aculä, 8. I6H. 
Berlin 1901 . 



J Google 




Karl Sapper; Mittelamerikaniaehe Waffrn im moderiH^ii ftehrauehe. 



«I 



Überblicken wir das bisher Gesagte, so crgiebt «ich, 
ilats in Mittelmuerika ron den alten Waffen nur noch 
recht wenig im modernen Gebrauch sind, und dal» 
eigentlich nur den Högen und Pfeilen eine etwa« weitere 
Verbreitung zukommt, b^s zeigt »ich hier eine xierulic-h 
einheitliche Gestaltung der Högen, aber recht verpcbiedene 
Kutwickeluiig der Pfeilformen, »md zwar stehen hier die 
Pfeile der zum Mayavolk gehörigen I^candoncn im 
schroffen Gegensatz zu den unter -«ich ziemlich einheit- 
lichen Pfeilen der uicaraguanischen, costaricaniseben und 
(»anamäni-schen Stämme, wahrend di« Pfeile der houdii- 
rerdschen Indianer wieder eine gewisse Sonderstellung 
einnebroen. Obgleich die durchaus verschiedene Art der 
HeGcylerutig ©ine weife Kluft zwischen den Pfeilen der 
Lacaiidoneu und der uordmexikanischen Stämme klaffen 
läfst, so ist doi'h die Verwendung von Steinspitzen und 
Kerben in beiden Gebieten zu beobachten und bringt 
die Lacandoneii in nah© ethnologische Beziehung zum 
beiiachbarten Nordamerika, während die langen fioder- 
losen und kcrbloseii Pfeile des aüdlichen Mittelamerika 
entschieden auf benachbarte Gebiete Sfidamsrikas hin- 
deuten, die kleinen Pfeile der hondurcniscbeu Stämme 
aber durch ihren eigenartigen Hau (Holzpflock im Bohr- 
schaft bei Pencas und !*aya«) auffalleu und nur durch 
den Mangel an Beffoderung sich den Pfeilen der süd- 
lichen Stämme etwas nähern. Anderseits neigen aber 
die sonst nicht näher bekannten Pfeile der Jicaque« 
durch den Besitz von zwei Flugfedern am Kiide nach 
dem Typus der I.acandonenpfeile hin, wälireud di© Holz- 
spitz© eher nach den Büdliehen Pfeilen hinweist, die 
.Ausgestaltung dieser Holzspitze aber offenbar ganz 
eigenartig war und wieder durch KuUehuung von den 
Mayas nach den südlichen Stämmen erklärt werden kann. 

Es besteht hier etwa divs«elbe Verhältnis wie bei den 
archäologischen Funden der Jicaquegebiete **)• 
nämlich neben vielem Eigenartigen doch entschieden 
noch Entlehnungen ans dem Mayakulturkreis verkommen. 
Es zeigt überhaupt di© Betrachtung de© mittelamerika- 
«chen Pfeils beroits die ganz© ethnologische (»ruppierutig 
des Gcbieia, denn dor Verbreitung der Hauptpfeil ty|»en 
entspricht auch di© Verteilung der wichtigsten Kultur- 
kreise, und es stimmt damit zugleich auch beinahe die 
Verteilung der Sprachen überein; die einzige Aunnahme 
bilden hier die Sumo» und Moaquitos, die in Bezug auf 
ihre Pfeile und sonstigen Kiiliurbesitz den südlicheren 
Stammen »ehr nahe stehen, Bogen und Pfeil sogar aus 
genau demselben Material herstellen wie jene, aber 
sprachlich nach den freilich ri^ht mangelhaften bisheri- 
gen rntersuchungen zur Gruppe der isolierten Stämme 
des mittleren Zmitndamerika gerechnet werden müssen. 
Nun inufs man freilich annehmeti, dafs di© Mosquitoi 
sich erst spät in Nicaragua festgesetzt haben und d«Is 
sic ihren Kulturbesitz zum Teil den Sumos entlehnten, 
und e.H handelt »ich also nur noch um die Fraget», wie es 
kommt, dafs die Sumos in ihrum Kulturbesitz den süd- 
lichen Stämmen so nahe «tebeu — eine Frag©, di« vor- 
läufig noch nicht gelöst wenlen kann. 

Scheu wir von den kleineren Uuterschietlun der mittel- 
amerikanischen Pfeile ab, -so bemerken wir aufaer der 
höchst auffallenden VerKcbiedenheit in den Grofsenverbält- 
itissen haupt’'ächlich «inen grofsen Gegensatz ; Beffederung 
im Norden, Mangel einer solchen im Süden, und e« 
knüpfen sich au tUese Beobachtungen manch© Fragen 
von allgemeinem Interesse, über die Technik des Bogen- 
schiefsens überhaupt. Seitdem Weul© in seinem fl.Afri- 
kantscheu Pfeü“ mit genialem Griff diese wichtig© Frage 

“) Verhandlungen der Berliner Anthropedogisrhen (iwll- 
•T.haft. te. März 1898. 



aufgeworfen hat, kann man si© in einer Pfeihirbeit nicht 
mehr ganz übergeben, und sie «oll auch hier kurz ge- 
streift werden, obglsich wir uns auf einem geographisch 
»ehr engen und an Pfeilformen sehr armen Gebiet Ih;- 
wegen. 

Weide sagt (a. a. 0., S.6 I, dafs der PfeiJ nach lünge, 
Form und Gewicht dein Bogen cnteprechen mü»«e, um 
ein« gewisse Treffsicherheit zu gewährleisten, und darin 
wird man ihm wohl allseitig ]^>cht geben. Allerdings 
scheinen die zentralamerlkanischeu Verhältnisse bei ob<*r- 
flächlichur Betrachtung dagegen zu sprechen, denu hier 
gehören gerade zu deu gröfsten Pfcücn (2,25 bi.» 2,'> m 
lang!) die kleinsten Bögen (125 bi« 140 cm) — Gua- 
tusos — , während zu den kleinsten Pfeilen (,59 bis 
08 cm) wesentUrh gröfsere Bögen gehören (153 cm) — 
Lencas — , und zu den gröfsten Bögen (Eacandonen bis 
182 cm) nur niälsig lange Pfeile (143 bi« 147 cm). Allein 
der Widerspruch ist nur ©in scheinbarer, denn die I*ängc 
dev Bogens an sieb ist nicht da« Entscheidende, sondern 
der Bau des Bogens und die Beschaffenheit de« MatcriHls, 
besonders dos Holzes: ein zusammengcHetzter aaiatischer 
Bogen von der Länge der I^ucabögen würde freilich 
«in© viel zu grofse Spanntiefe ergeben, als dafs man mit 
ihm di« kleinen Lencapfeüe absi-hloudom könnte, da« 
zäh«, schwer biegsame Palinenholz der einfacbon Ijenca- 
bögen entwickelt aber auch «chun hei kleiner Spanntiof© 
eine hinreichende Scbleuderkraft, Au« d6msell>cu Grunde 
genügen auch die kurzen Guatusobögen für ihre enorm 
langen Pfeilu, die zu den gröfsten dor ganzen Erd« ge- 
hören. 

Wenn also im Gröfsenverbältnis zwischen Bogen und 
Pfeil eine äufserliche Übereinstimmung keinesweg» un- 
bedingt erforderlicli ist, so hat Weul© doch unbedingt 
Recht, Wenn er «agt, dafs di© zu einem bestimmten Bogen 
gehörigen Pfeil© unter sieb möglichst genau überein- 
stimmen müssen. Ide Schwierigkeit besteht freilich, 
dafs man bei dem in Sammlungen befindlichen Material 
gewöhnlich nicht weife, ob di© vorhandenen lYeile von 
einem Besitzer und Verfertiger, oder von mehreren ab- 
Htamraen, und schon darum ist es schwer, nach Miiseum«- 
material allein eine endgültige Eutecheidung über tech- 
nische Fragen fällen zu wollen, di« bei Bogen nnd Pfeil 
Huftaucheu; uancbmal findet man freilich unter dem 
Pfeilmaterial eines MuHeuma für «in bestimmtes Gebiet 
ganz aufserordentlicho Übereinstimmung, und Weule 
nennt einige frappante Beispiele au« Afrika; in solchen 
Fällen darf man wohl annehmen, dafs di« gesammelten 
Pfeil« einst die Geschosse eines Mannes gewesen waren, 
während im entgegengesetzten Full die Möglichkeit 
bleibt, dafs die Ungloirbartigkeit davon berrührt, daf» 
die verschiedenartigen Meile auch von verschiiMienüu 
Besitzern stammten. 1 fieser Full tritt z. B. ein bei den 
von mir gesammelten Pfeilen au« Costarica und Nica- 
ragua, während die von mir in Petha gegaramelten La- 
caudoneupfeUe au« drin thatsächlichcn Gebrauch des Be- 
eitzers unmittelbar auf mich übergingeu. Auch die 
Lacandonenpfeilc de« Berliner Museums stammen von 
einem Verfertiger her — Chapin am Rio Lacantun — ; 
sie stimmen untereinander noch besser überein, aU die 
von Petha, die vielfiich beschädigt sind und daher nicht 
«o recht untereinander verglichen werden dürfen. Recht 
zufriedenstellend ist auch diu übereinstinimunK der La- 
cnudoneiipfeile de« leipziger Museums untereinander; 
dagegen sind die genannten drei Gruppen von Lacan- 
dunenpfeilen gegenseitig stark verschttHlen in Bezug auf 
die Ifimeijsionen; stet« jedmdi bleiWo di« Pfeile in gleich- 
artigem Verhältnis zum zugehörigen Bogen: di« Pfeile 
und Bötreii von Leipzig «ind um kleinsten. di<> von Petlm 
diH gröfsten, di« Berliner halten «ich in der Mitt*-. B»- 




H2 



Karl Sn|>{»ei'; MittelmncriktiDiBche Waffen im nutdcrncii («obrauobc. 



merkenswert isi aber aoch, dat» der Schwerpunkt eine 
zieuiliob gieichfßmiige l^ge hei allen Pfeilen Imibehält, 
und eH Hcheint mir, data die« (ileicbb)oiben der Schwer» 
punkUlage noch wichtiger w&re, als dat^ gleichförmige 
Gewicht der Pfeile, auf das Weule hauptsächlich Wert 
legi. In der Thut ist bei den von mir untersuchten 



Pfeilen auch die Konstanr. der SchwerpunktsUge stärker 
ausgesprochen, als die des Gewichts: giebt man zur Ile» 
Stimmung derselben das Prozeutverbältnis der Gesamt- 
länge nnd des Pfeüabachnitts vom Schweqiunkt bis zur 
Spitze an, so Bndet man folgende Schwankungen (siehe 
TabuUe 1): 





Tabelle 1. 


OesainilAuge 


ächw ■•rpunk Ulagu 
Proa 


(iewicht 


a Lacandunenpfeüe 
31 LacBiidoneDpfeile 
6 Ijacandouenpfeile 


Von Petba 

(Berliner Iduneum) 

(Leipziger Muiteuiu) ...... 


147 bis 143 

11«, 5. 12a 


HK.a bis 47.6 i 

, 43, .3 
36.6 , 4.1,4 


3U bin 44 
32 „ 38 
30 , 41 



IHe fttr Affen berechuetcu l*feUe mit Widerhaken I sind die VogtdpfeUe und FisehpfeUe meist leichter als 
haben einen etwas schwereren ^olzeiD^atz und weichen j der Durchschnitt, die Scbwerpunktalage bleibt aber wenig 
also etwas Ton den übrigen Jagdpfeilcn ab; dagegen i verändert (Tabelle 11): 



Tabelle 11. 


Länge 


St*hwerpunkUlage 


(lewicbt 






Trac. 


li 


2 Affenpfeile des Berliner Museums 


133 und 137 


36,r> bis 3«,1 


19 und 44 


1 VogelpfeÜ • • , 


13b, 5 


.38 


31 


1 Fischpfeil , h • 


134 


41 


3.5,5 


1 Pischpfeil von IVtha i 


131 


40.,'i 


3.H 


2 Fischpfeilo des Loipxiger Musoums ' 


131,3 und 134 


4S.8 und 43.1 


33 und 35 



Da die Scbwerpunktilage ziemlich gleich bleibt, muts | 
auch die Flugkurve gleichartig bleiben, was für die j 
Treffsicherheit sehr wichtig ist. Fürs Fischen kommt 
diese Flugkurve allerdings nicht in Iletracht. da nur ans | 
nächster Nähe auf Fische geschossen werden kann. | 
Wenn schon bei den befiederten Pacaiidonenpfeilen | 
der Schwerpunkt ziemlich weit nach vom gerückt ist, i 
so mufs dies besonders auch bei den Pfeilen der süd» | 



liehen Stämme der Fall sein, da diese der Flugsicherung 
entbehren und offenbar mir durch die Verlegung des 
Schwerpunkts nach vorn der gerade, sichere Hug er- 
möglicht wird. Schon Weule bat (a. a. 0., S. 24) auf 
diese SchwerpimkUlage der ftederlo^en I*feile aufmerksam 
gemacht. Kiuige Zahlen aus dem südlirhen Mittidamerika 
führen sie uns ebenfalls vor Augen (Tabelle 111). 



Tabelle III. 


Üesanit längt* 


L Schworpuuktxlage 


1 


i*wicht 

II 


5 LencApfeile 


59 bis 


68 


19.4 bis 


27 


26,.5 


' bis 


45 


3 Knmopfoile 


181 , 


304 


34,7 , 


40,4 


75 




9H 


2 Bamuflschspenre 


305 , 


397,5 


e . 


45,6 


144 




180 


3 Guatusopfeiio 


218,5 , 


248 


2H.I , 


40,9 


«2 




103 


10 Bribripfi'ile (189U gtKammKit) 


140.5 . 


1.58 


12.2 . 


42,4 


52 




72 


1 Bribrifisebpfeil (18tf9 gesammelt) 


213 




39 






»H 




1 Bribrivogeipfeil (Berlin) 


139 




35,2 






62 




l Bribrija^pfeil mit drei Hakenreifen 


1.50 




38 






45 




1 Bribrijagdpfiul mit Bisunspitze 


129 




35,3 






t 





Sind auch hier die Verschie<lenheiten in der Schwer- 
pouktslage recht ausehnUoh, su sind sie doch stets we- 
sentlich geringer als die GewriohtsunterHcbiede, und 
imnu>r sind sie ziemlich weit vorgerückt. Bemerkona- 
wert ist auch, dafs die SchwerpuiikUlage bei den Fisch- 
Hpeeren der Sumos fast mit der der Pfeile rtbereinstimmt, 
wie oben zn ersehen ist, so dafs das Anbringen des 
Rohrschaftes lediglich dazu dienen mag, den Schwer- 
punkt nach vom zu rücken nnd damit eine gewisse 
Fhigsicbcruug zu erzielen. 

Du jefloch auch die befiederten I.acandoiienpfeile den 
Stdiwerpunkt ziemlich weit nach vorn gerückt ha1>en, so 
laf>t sich auf «leiii niittelamerikanischen (iebiet die inter- 
essante Frage nicht entscheiden, ob überlmiipt die Ver- 
legung des Schwerpunkts nach vorn für die fiederlosen 
Pfeile ein durcbiius weseiitlicheH ^fonient sei, und ob 
dies nicht überhaupt für alle Pfeile, also mich die 1 h<- 
fieilei'teii, g«*ltH. Fm eine festere tirundlage für Beunt- 
wortung dieser Frage zu gewinnen, habe ich daher noch 
eine Reibe anderer Pfeile aus vcr-cbiedeneii Gebieten 
daraufhin iinti’r-ucht und folgende Resnltnte erhalten 
(siebe Tala-dle IN', S. 6H); 



Überblickt man diese Piste, eo erkennt man, dafs in 
der Tbat diu fietlerlosuu Pfeile iui allgemeinen den 
Sebwerpunkt etwas weiter nach vorn haben als die be- 
fiederten, die ihn manchmal hi« in die Mitte oder sogar 
auf die hintere Hälfte von ncken können. Die verhält- 
iiismätsig grofseii Scbwerpunktsschwaiikmigen rühren 
b'ils davon her, dafs die Pfeile elnm von verscbit'dmion 
Besitzern berrührcu , die sich je an eine be.sondure 
Scbwerpunktslage gewi'ihnt halnm, zum Teil hängen rie 
aber auch mit dem Spitzenmaterial zusammen; Holz- 
spitzen, die narb dem Gebrauch immer neu gespitzt wer- 
den müssen, bringen eine allmähliche Verrückung des 
Schwerpunkts zu stände, <la tler Holzciusatz aus härterem 
und schwererem Material ist als der Bohrschaft; ander- 
»eitM erfolgt alH,>r bei Verweiidimg von Stein- und Glas- 
spitzen eine plötzliche, freilich nicht sehr grofHu, Ver- 
schiebung des Schwerpunkts, wenn ilie Spitze abbricht 
und aUN ihren Re.-ten eine neue, kleinern zun^chtgeatutzt 
wird, während Hein- oder gar Ki«enspiizch der Abnutzung 
viel weniger unterliegen und daher noch die Schwer- 
piinktslage lange konstant erhalten können. 

T>ie groftfe, itllgemeiiu' Frage, welchcu Kiiifltifs die 



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I>r. NV. Kdlii'it: Aus tl«ii A l))itii]dhin}ef ii des deutsclifii Soefixohereiverehis. (U) 

liefimlerutiK; und der Maii^d dorf-eUwsu auf den Klug ! uthnograpliischan dar LAaung nAher gebracht 

dar uU'QImmi, habuii uir auf mitWlainerikaiii»cbem wanlen können; eine eiakte Lösung ixt jedorh nur durch 

Gebiet weder bjaen, noch auch weHentlicb fördcnt köii- : da“ Kxperiment iii«>glich — und ich nHVht» diuM als ein 
neu; Me wird erst nach langer, gtaluldigur lbsi»bacbtuug ! iuteresKautex ballixtisclie’» iVcddeUi der Iteaobtung |Üii* 
des i’feilpflugs und aorgffiltiger iMirchmuaterung de«« j gerer Mathematiker oder Physiker aiiempfehlen. 



Tsiielle IV. ' li»ountm«K« ' HohwerpunkWagi! Gewicht 



Pro«- g 



a) Befiederte Tfuile: 

13 Yaifuipfeile (Berlin) 




8h 


bis 


1 

08 ( 


38 


bis 


40 1 


30 


bis 


46 


7 Yaquipfeile (BraunschweigJ 




; 82.5 


. 


88 


39.0 




46,1 I 


nabe 


50 


6 Meripfeiie (Hamburg) 




1 00,5 




9.) 1 


38.9 




43,1 


32 


bis 


35 


5 ITeiie aus Nordmexiko (Lübeck^ 




1 0,3 




88.8 . 


46,0 




49.9 1 


20 


, 


30 


54 Pfeile der Wakamba mit Kisenspitze (Leipzig) 
17 Iftülc der Wakamba mit HoDspitxc (Zsdpzig) . 




58.S 




71,3 ' 


48.8 




51.H 


12,5 




87,5 




«3 




68,5 


52.8 




54,2 


13.5 




18,5 


8 Usindjapfeilu mit Kiüonspitzc (^*ipzig) .... 




78 


. 


85 


33,1 




S»,2 


36 




58 


b) Unbeti«>derte Ifeilo: 

10 Pfeile vom Rio Ns|m» mit BeinspiUu (Leipzig) . 


i 


206 




813,5 i 


37,9 




39,8 


148 




185 


5 Pfeile vom Rio Napo mit Holzwiderhuken . . 




150 




221 


35,7 




41,9 ' 


69.5 


„ 


1H4 


72 Barbapteile — Afrika — mit vergifteter Eis«‘us] 


piU«^ (l«eipzig) 


40.5 


, 


44.6 1 


35,9 


. 


31,9 


10 


, 


19 


10 i*feile von den Salomonsiiutelu mit Hol^pit/en 1 


[Leipzig) . . . 


128,5 


• 


167 j 


36,5 


- 


4rt,8 


30 


■ 


108 



Ans den Abhandlnngren de» dentschen SeeflschereirereiBs. 

l>ie Thätigkott de« deutschen HeeUacberuivereiiu, die eine 
iuiuii'r weitere Auttlehnuug gewinnt, bescheukt fast alijkbr- 
licb di« wUsooiichaftiicha Welt mit einem Ban«i«.‘ Abhaud- 
luuK«ii, der nicht nur nach der praktischen Seite hin fdrder 
lieh wirk«'ti, Mindern auch Terschiedenv Wiseensgobiet«, wie 
die Hydrographie und Zoologie, durch vorzQglicbe Arlieiteti 
bereichern. Jetzt liege» wi^er zwei Bünde vor, über die 
im nachstehenden berichtet wei-de» »ull '). 

Her erste Abschnitt des ü. Bande« behandelt die Kischerei 
auf den J>ir»cb und die audoreu wichtigeren Arten, mit Aus 
nahm« des HeriuK», dem dar zweite Absohnitt gewidmet ist, 
und der WalUcre und der Auxieru, «lereu Fang mau nicht 
eigeuUicli als Fischerei liezeichneu kann. Iten AuJtang macht, 
w ie billig, die lK>r*chdecherei an den l^ifoteu, welch« zu allen 
Zeiten bei der iiorwegiu-heii ScetWeherei in erster Linie ge- 
standen hat, Bowithl was den Beichtum des Fanges als was 
seine tiMcherheit betrifft, ln letzterer Hinsicht haben freilich 
die Jahr« lavv und IIKIO den alt4«n Olaubcn l>e«leDkltch er- 
schüttert: gegenüber 3&,fl bis 46,5 Hilltoiien Ftscheu iu den 
vorhergehenden Jaiiren ergab nur noch 15 MitUoneu, 

ItfUO gar nur sV, HUU»uen Stück, ohne daik mau eine be- 
stimmte l'rsachc dafür angeben könnte. Hie Iturschtischerei 
an den Lofoten ist bekanntlich im wesentlichen Winter- 
ftseberei; sie beginnt schon im Uezember, erreicht ihren 
Höhepunkt im Januar und Februar und nimmt im M&n 
langsam ab. Früher galt der 14. April als Ku>ltcrmin und 
gleichzeitig als Anfang «1er Fischerei au P'imnarkeii; jetzt 
bleibeu viele Fischer im Westfjord — - der Meerenge zwianhen 
den Lüfiden und Norwegen bis der Telegraph ihneu die 
Ankunft der Fischschwknue auf den nördlicheren Fisch- 
grümlen mehlet I>er Telegraph ist für <lie norwegische 
Fischerei ülierhaupt «in ganz unentbehrliches Hülfsmittel 
gewortleu, uud dio Regierung hat ihr Bestes guthaii, um alle 
den Fischfang betreffenden Nachrichten so rasch wio irg«md 
imiglich zur allgemeinen Kenntnis zu bringeu. Hie Vögte 
und Aintmünner der verschiedenen Bezirke sammeln alle auf 
die Fischerei bezüglichen Nachrichten und üliermitteln sie 
miudtwtcns «iuiual wöchentlich — in der tlaisuD auch öfter — 
an bestimmte ZeutmbteUun. von denen sie umgehend au alle 
TelHgraphcnilmtcr weiter gegeben werden uud zwar zur »o- 
furiigen V«itrr>ffentlichung. Atu wichtigsten iitt das natürlich 
für (len ,Süd*. deu Heriug. d«-s»en itchwüruie bald hier, bald 
dort iu liesuiider» grofser Menge aufireten; alwr auch beim 
Horschfang kann viel Ueld gespart werden, wenn die Fischer 
nicht eher auazulaufen brauchen, als bis sichere Nachrichten 
iilier das Eintreffen der Fische da sind. 

Jm Weslfjord wurden am 16. März IbdS beinahe 30000 

*) Ablundlungeo des Deutschen SeclucherelTer«ln>. Band 0 : 
Hie JteettM'herei Norwegcai. Von Bäcker, Hclncke u&d Renkliig. 
Mit 110 Tsfela In Lichtdruck und zablrekhen AbMIilungen in Text. 
Hrrlio, (>tt<v 8s11e, 190l. Frei.« 8 Mark. Band 7: IHe Ostsee- 

Kspeüilion 1001. Von lleUnch. lleitisrh, Apstein und Sebiemrns. 
Mit Karten, Tabellen and Abbildungen. Berlin, Otto Salle, 10O*J. 
Freia 8 klsrk. 



Fi<w;her gezählt , deren Heimat sich l&ngs der ni.n'wcgiacheii 
Küste über acht volle Breitegrad«.* erstreckt. Zu Ihrer Briauf- 
stchiigung «ntseiuM die Kugierung neun Beamte mit 27 Huter- 
bcamten, aufserdeiu sieben Ärzte, die bei der angestrangten 
gefahrvollen ThAtigkeit ln dem rauben Winterwetter mehr 
wie genug zu thun tinden. Die Fischer wohnen narzum Teil 
auf ihren Schiffen; die meisten suchen Unterkunft amskrande. 
wo die Landbesitzer eigene HolzhAusehen (Kirrboder) zum 
Vormicten au sie errichtet haben. l>ae kleine Hörfeben 
Uenningsvacr mit 6« Kiuwohncnk bat z. B. Unterkunfu- 
rüume für etwa 4O00 Fischer, und diese reichen nicht immer 
aus. Zu den Fischern kommen die nötigen Handwerker, 
auch allerhand fahrendes Volk, und bauptadi hlich die Fiach- 
kkufer, die Handelsherren aus Bergen, au« Kristiansuud. al>er 
auch aus Hrontheim und Aaleiiorg. in 1S98 mit 554 Fahp 
zeugen, die eiue Besatzung von 2549 Mann hat4en. t(cä<cht 
wira mit Netzen, Langleinco und Handaitgeln; als Kreier für 
di« Angeln dienen Heringe, Tintendsche und Hiesinuscheln. 

Vm die Mitte des April liegiimen die Scharen der Fischer 
sich zu lichten; sie gehen nordwärts zum Fang dee Lodde- 
dorsches. Um diese Zeit kemunt nAmlich die Lixlde, der 
nordische Btint l^MoUutus villosua), in Bchareu zum l,aiclien 
an die Küste und mit ihm sein grimuiigtrtcr Verfolger, der 
ikirscb, den hier alxo nicht der Fortpdatuungslrieb, sondern 
die leicht /u erlangende Nahrung in den Bereich des 
jwhen führt. Der Norweger läfst es sich freilich nicht auit- 
red«n, daCi es die Walüsche sind, welche die beiden Kisi-:harten 
au die Küste treiben. Hie Fischerei ist hier wasenUirh Angcil- 
Üscherei, die in Netzen gefangene Lodde mufs den KMer 
liefern; die Zahl der Fischer beläuft mch manchmal auf 
2U000, der Fang dauert bis Ende Mai o«ler Anfang Juni. 

Uieichzeitig mit dem L'fotenfang findet eine nicht un- 
wichtige Horschtlscherei weiter südlich bei Ktoreggeu statt, 
w«> der KosUandssoeke] Norwegens ebenfalls weit nach Westen 
v«irspringt, aber ohne Inseln zu tragen, wie an den Lrjfoten. 
Diese Bänke wenlcn hauptsächlich von einer an der benach- 
barten Küste Hnsäiwigen Fisefaeroibevölkerung ausg**beutet, 
welche auch im Hommer einen »ehr eiotrtglielien Fiwhfung 
betreibt. Kristiansund und Aatesund sind die Hauptorte; sie 
verwenden auch Dampfer un<! gröfsere Fischerfahrzeuge. 
Vom Klima mehr begünstigt, halmu sie in den letzten Jahren 
•inen erheblichen Aufschwung genommen und z. B. in 1808 
etwa 0'/« Millionen l>orac.he gefangen. 

Von den Dorschen wird vor allen Dingen die l^ber auf 
Leherthran verarbeitet; in 1898 waren dazu 110 Dampfappa- 
rate im Dang, aber ein guter Teil, und zwar genuir die 
feinsten Borten, wird gewonnen, indem mau die Lebern in 
Fässer schichtet und dort sich M:lbet überläfsL Das Fleisch 
wird noch in alter Weise zu Klipptlach und Htuckfisch rer- 
arlieitei. Die Köpfe gelten, getrocknet und gemahlen, einen 
geschälzten Ouano, der Bogen wird in gn>fs«n <Juantität«n 
(4UO00 bis döOOu hl) gesalzen nach den Mittelmcerlandern au»- 
geführt, wo er als Ki'ider beim Hardinenfang dient, die 
ächwimmblusen werden teils zu Kischleim verarbeitet, teils 
geben sie als Uelaiine nach den Mittelmeerlandem, nach 
Weslindieii uud selbst nach China: endlich geben die Zungen, 
getalzon und getrocknet, einen wichiigeti Ausfuhrartikel nach 



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G-l 



hr. \V. KoUelt: Aua <leii AljbHiidlutiK«n des dt^utsehen Seefisclieri'ivereiiiH. 



Hpa.ni*^» wo nie als r>eUkateme gelten. T*nbenutxt bleibt fant 
iiirhu v<nu Oorscb. 

(vegeniil^r d^m Ik>mch kouiDien die anderen SpeiseÜscUe, 
der Hei (ifadus carbonarius). der Kcbellflficb (Hvse, Gadus 
aeglednus) und die Platttiscbe fiir den (bcpttri viel weniger 
zur Geltung. l>ocb ist bcsundeni an den oben erwäbnteu 
UäukL'U von Htoreggen der HonmierfaDg mit Angeln von Be- 
deutung; für Hcblvppuet/e i<(t die HHlenU^scfaaffenheit xu 
ungünstig. Oefangeu w»;rden Itetnrnder?« der Leng (Lote 
luolva), der Heilbutt (HipfKigUuHius vulgaris) und die Brosme 
(Bt^mmius biMsme). l>ie Aalesunder t'isober gehen üV>rigens 
auch über die tiefe Rinne der Xordsee hinaus auf das groCie 
Plateau. Der Pang gebt meistens in £is uach Kngland. Von 
einiger Bedeutung ist aufserdem ün Huden noch der Fang 
der Makrele, des i^ch.ses und der Meerforclle, und Htavanger 
verarbeitet viel Öprutt (Brisling) zu Konserven. 

Nur die Ueringsfiwherei stellt sich dem Ibtrschfang eben- 
bürüg zur fteite. ,I>ie norwegiseben Horingsiftsclicrejen sind 
der besi>»dereti Natur des lAitdea entsprechend in jeder Be- 
ziehung so eigenartig, dnfs sie sich mit keiner anderen der 
furopAischen Heringsfisebereien vergleichen lassen, ln einem 
entschiedenen Gegensatz stehen sie vor allem zu der schotti- 
schen und besonders zu der holländischen und deutschen 
Fischerei in der Nordsee. Hind diese alle, namentlich die 
letzteren, als eine Hochseefischerei auf mehr oder weniger 
laicbreife Hcrb<theringc anzusebeu, so handelt es «ioh in 
Norwegen um eine Kiistenfischerci im strengsten Binne des 
Wortes, und im weaentlichen um einen Hering, deasen Laich- 
zeit in den Winter und in die ersten Frübjäbrsroonate fällt, 
der aber nicht nur um dies« Zeit, um zu laichen, die KCut« 
aufsucht, sondern auch zu anderen Zeiten de« Jahres, na- 
mentlich in der zweiten Hälfte desselben, von Juli bis No- 
vember, iu grofseu Scharen in Landnähe zu kommen pfiegt. 
Ha er als winterlaichendcr Hering gerade um die letztge- 
nannt« Zeit im besten Km&hrungszustaudo ist und auch die 
innersten Winkel der tief uiuHcbneidetiden Fjorde aufsurht, 
so liegen die FangverhiUtiü*«« hier iu Norwegen wohl günstiger 
als in irgend einem ande.ren Lande, insbesondere soweit der 
Fang fetter und daher wertvoller Fische in Betracht kommt. 
Es kommt noch hinzu, dafs der Hering der norwegischen 
Westküste grOfser ist, als alle anderen europäischen Lokal- 
f«>rmen des Herings, wa« besonders deshalb ins Gewicht fällt, 
weil damit auch seine jüngeren, halbwüchsigen Altenwtadien 
immer noch eine wertvolle Ware bilden.* 

Hie norwegischen Fischer unterscheiden sufser dem Bris 
ling (Sprotte, Ciupea sprottus) fünf verschiedene Heringe. 
Hie moderne Zoologie sieht in ihnen nur Kassen und Alters- 
stufen de* gemeiucu Ilehngs (Clupea harengus), unterscheidet 
aber zwei gut verscbiciieno Lokalrassen, den Winterhoring 
des Hkageraks oder OsUaudshehng. der üu Hkagerak heimata- 
l)er©cbtigt ist, und den Frühjahrshonng der Wi-stküstc, zu 
dem der Vaaraitd, der Htorsild, der Fedsild und zürn 
gnifsen Teile auch der kleine Hmaasild gebären. Hie sind 
beide von dum schottischen Hering vollständig verschieden 
und es ist völlig ausgeschlnasen, dafs die grofsen Hchwan- 
kuugen im Ertrag der Ueringsfischerei von Wanderungen der 
Fisebsarhwärm« von einem Gestade der Nordsee zum anderen 
herrirhren. Her norwegische Heriug ist ausschliefslich ein 
Bewohner der Flachscc bis zu 300 in Tiefe, und er kann in 
den Fjorden selbst vom Lande aus mit Netzen gutengen 
werden. Er ist aber iu seinen Wanderungen uiiberocheubar 
und launenhaft, der Ertrag der Fischerei schwankend und 
unsicher. Hie Hildeperiotleii, in denen der Fisch iu rnmasseu ; 
erscheint, wechseln mit Hepre^ionen , manchmal von langer \ 
Hauer. Bis Iä71 liufertu der Vaaraiid die Hauptmasse des 
Fanges, von |i$75 bis in die letzteu Jahre blieb er beinahe 
vollständig aus. IHt Htorsild, im 18. Jahrhundert der wichtigste 
Hering, mied die norwegische Küste von I75ä bis 1881, kam 
dann wieder von 1H61 bis IR74. wo manchmal über 800000 
Tonneu gefaugen wurden, und versebwaud wieder bis 1805. 
Die neueren I'nterauchungeu machen et wabrschetnUch, dafs 
in den schlechten Zeiten die Heringsxchwärm« einfach weiter 
draursen blieben und nur für die Küstenfiacherei unerreichbar 
sind, denn die llochseetlscherei in der Nordsee kennt solebe 
kolossale Hchwankungen nicht. I<okale Amlerungen in den 
I^aicfapIäUcn habon liei der vorzüglichen Organisation des 
teleuruphischeii Nachrichtendienstes keine B«<lentuug mehr 
für den .\usfall des Ucsamtfanges. 

Gegenwärtig , wo VaarsUd und Htorsild den Küsten fern 
bleiben, ist der Somuierfang dev Fodsiids der weitaus wich- 
tigste. Er bearbaftigte von 187i» bis IH97 durchschnittlich 
sä WO Fischer und brachte «inen jährlichen Ertrag von 
7'wiOOO hl Heringen. Sein Fang beginnt im Juli; erbat seine 
gröfste Bedeutung erst erlangt durch den Telegraphen, welcher 
das Kintruffeu grofaer Schw'ärme alsbald meldet, und dur«'.h 
den Dampf, der es dem Fiac.ber möglich macht, die günstigeu 



Stellen ra.sch zu erreichen. Zu einem Notbrug, d. h. einem 
vollständigen Notzbetrieb, gehdrt jetzt ein Dampfer, der die 
eigentlichen Fischurfabrzeugv mit Zubehör rasch von einem 
Fiscbgnmdo auf den andereu bringt- Der Betrieb eines 
solchen Notbrug ist meistens ein genosHenschafUiehcr, V>ei dem 
alle TeilueUmer an düm Ertrag lH$teiligt sind. Man sucht 
mit dem grofscQ Hperrnetz (Hturnot) einen Heritigsschwarm 
einxuscbliefsen, drängt ihn dann Jaitgsam an günstige Stellen 
der Küste und läfst ihn hier ein paar Tage im Netz steheo, 
bis die Fische die aufgenommene Nahrung (Aatz) verdaut 
und sich Husgeleert haben. Hann wird der ^hwann durch 
kleinere Netze in Abteilungen gesondert und eine nach der 
anderen ausgeftscht. Im Jahre 1897 wurde im Eidsfjord bei 
Vesteraalen ein tkhwarm ringekreist, der 4A4000hl zubr- 
ruiteter Handelsware ergab. Her Wert des Fangos schwankt« 
in den neunziger Jahren zwischen SA91000 Kronen in 1895 
und 885000 Kronen in löOß. Von dem Somim-rhering geht 
ein guter Teil nach Deutschlaiid. 

Her Vaaraiid, der nach zwanzigjähriger Pause jetzt wieder 
häufiger erscheint, wird au Südnorwegen im Januar und Fe- 
bruar gefangen, mit kleineren Netzen und auch von Fischerei - 
genosseuBchaften. In 18<>9 ergab sein Fang noch 950000hl. 
iu 1878 war «r gleich Null. Her Htorsild bleibt durchschnitt- 
lich weitor draufseu als die andorcu Können; sein Wioder- 
auftreten wird wahrscheinlich die Veranlassung zur Einfüh- 
ruug dor llix;hsoefischerdi mit Treibnetzen gelien, xu welcher 
die Regierung erhebliche HuU%entioneu bewilligt hat. Man 
hat jetzt schon gelernt, den Htorsild auch weiter draufsen zu 
finden und zu fangen. 

In den letzten 35 Jahren führte Norwegen durchschnitt- 
lich 300 Millionen Kil'^gramm Fischcreiprodukte aus im Werte 
von 51 Millionen Ueic^mark; davon entfallen 69 Frox. auf 
don Dorsch, 39,8 Proz. auf den Hering, 4,5 auf audere 

Fischarten. Hio Ausfuhr frischer Heringe begann in den 
achtziger Jahren und ül)ersteigt jetzt eine Million Mark. 

Zu dem eigeutlicheu Fischfang ist in den letzten Jahr- 
zehnten ahi neuer Industriezweig die Jagd auf die Waltiere 
getreten, welcher Ih’ofensoi' Henking ein sehr iDieresiante.s 
Kapitel widmet. Es rind nach der mit Abbildungen be- 
gleiteten Aufzähluug etwa 15 Arten, die Delphine mitgcrechnet, 
welche von den au günstigen Küstenpunkten gelegenen Hta- 
tionen mit Dampfern gejagt und mit Granatkanonen erlegt 
werden. Hie Entwickelung der WaJjagd ist eng verbunden 
mit dem Nemcn Hvend Foyn; ein gute« Porträt desaelbeu 
ziert die Abhandlung. Mit dem Harpunengeschütz können 
jetzt sämLliche Arteu gejagt vtvrdeu; wichtig sind nur): der 
Blauwal (Balaetmptcra slbtaidi Gray), der Finwal (B. mus- 
culos Comp.), der Buckelwal (Megaptera Iniops Fahr.) und 
der Heiwal (Balaenoptera borealis Lesson). Am wichtigsten 
ist der Finwal, obwohl der Blauwal an sich wertvoller ist; 
es wurden alier von 1876 bis 1899 zusammen 7016 Finwale 
erbeutet, an Blauwalen dagegen von 1868 bis 1899 nur 1748. 
Hie erlegten Wale werden zu den Htationen geschleppt und 
dort verarbeitet. Es werden an den meisten Htationeii nicht 
nur Thrau und Borten gewonnen, auch das Fleisch wird zu 
Ouano verarlsjitet, hier und da »ognr die Knochen. Aufser- 
dem werden für die immer häufiger Norwegen Itesuchendeu 
Touriideu Htbeke aus den Kiefuniknocheii angefertigt, die 
allerdings im .Anfang einen üblen Geruch haben. Hie nor- 
wegischen Waljäger dehnen übrigeus ihr Jagdgebiet immer 
weiter aus und haben neuerdings auch Stationen auf den 
Farder angelegt. Hie Ausbeute beläuft sich jetzt schon auf 
etwa eine Million Kronen jährlich. 

Cnbedeutrnd im Vergleich zu den vorgenannten Indu- 
strieen ist der norwegischo Austurufaug. An Vemucheu mit 
künstlicher Au^ternzucht hat man es in Südnorwegen ja 
nicht fohlen la.HM»n , alwr motstens ist Geld daboi verloren 
wunlen. Einigen Erfolg hat mau auf der Inael Tysnaes er- 
zielt, in einem Küstoiiteiche, wo stifses Wasser in einer dünnen 
Schicht über das Meerwaaser binflief^t und das Salzwassar 
sich im Honuuer bis zu 26 bis 37* C. erhitzt'), wahrend die 
Temperatur des Säfswass*'rs nicht über 16* gebt, setzt die 
Auster sehr reichliche Brut ab; sie wird in Bündeln von 
Birkenreisem aufgefangen und dünn in reinem Heewasser 
weiter kultiviert. Ibicb sind auch hier die fiuanzielien Resul- 
tate nicht allzu günstig. 

Ülter den 7. Iland können wir «ns kürxer fa«m*n, obwohl 
sein Inhalt eine erheblich gri>r«er« praktiiiche Beti«utuiig 

*) Diese F.rs4'h«iDUBg wird von Rasch aut di« G&ruog organt* 
«eher SobsUoern zurOckgHiihrt. Meines WiMirits hat eise gani 
analoge Kracheinung io mit Hüfswasser Ixslsckten SalttHehen eines 
unganacheo KaJes, detaeu Name mir aber entfallen ist, eine attfa«r*t 
einfache Erklärung in dem vfrsehiedeoen Verbaltro des sör»en und 
des salzigt-Q Wassers gegenüber der Wirme der rinfallendee Hnaoen* 
strahlen gefunden. 




f)r. Z.: Nftuc Krtclioiuuii{r«n in f]«>r Ktitwickehiuj^ (it>r indischen Berjilkoruiig im Deutschen Keiolio. 4i5 



für die deutsche i^flscliervi hat. Kr enth&It diedetMillierten 
Mericht« über eine Kxpe<Htion, welche der dfaitsche Bce- 
dscliercirerein im Jahre IWi *ur Krforschun^ der Fisch- 
griindt- der Ostsee an.inandU*. Von ihrem Krfolg hing e* ah, 
ob eine HochseeSacberei in gn>tserem MafKRtal« versucht 
werden »olite. I>ie Resultate sind aber nicht «ehr ormutigend j 
gewesen. Res^mders hatlieh von der Linie Rügen— twbonen | 
erwiesen sich Fauna und Flora ungemein eintönig und arm, | 
dabei der Iksien für die Fischerei mit Schieppnetyoti so un- 
geeignet wie möglich. Auch an Htellen, wo von t^berdschung 
keine Rede sein konnte, waren HpeiaeHsche selten und meist 
klein. Wostlich der gauanuten Linie bessern «ich allerdings 
die Verliiiltiiisse, e* ist eine lohnende Fischerei möglich, doch 
ist die Fischfamin nirgends so reich, dafs ein Rctrieb im 
grofsen mit Dampf lohnen würde. Ibo günstigsten Verhält- 
nisse fanden sich in den KüstengcwAsserti und auf den schon 
seit alter Zeit rogelmäfsig hetischten küstennahen BAnken. 
Durch die Verwendung von etwas gr(>fs«ren, seetüchtigeren, ' 
mit einem Motor ver^benen Fahr2augen würde «ich der Kr- 
trag hier erheblich steigern lassen. Von zooge<'graphisch«m * 
Irilerossc ist das völlige Fehlen des Aals und aoiner sämt- 
lichen Kntwickolungssiufen sowohl in den Fungeti als auch 
im Mageninhalt der gofangonen Fische. Von Süfswasacr- 
Hschen wurde überhaupt nur der drotstacheligu Ktichllng 
(tiaster'Mteus acultatus L.) angetruffen- Dr. W, Kobelt 



Neue Rrarhflnungen in der Knlnlckelnng der JUdUrken I 
Devölkening Im Deutschen Reiche. 

ln Heft 3 und lieft d des 23. Randes der dritten Folge 
der Hildebrand -t’onradtchen Jahrbücher für Nationaiökono 
niie und Statistik, 8. 874 ff. und S. 760 ff., giebt Arthur Buppin 
eine statistische Darstellung über .die sozialen V’crhkltnisRe 
der .luden in Preufson und in Iteutschland“ , in welcher er 
wichtige neue Krschoinnngen in der Kntwickalung der jüdi- 
sebeu Bevölkerung rablenmarsig uacliweiat und in ihren TTr- 
sachen naher zu ergründen sucht. Von der rund T'/t^iRioucn 
iMtragenden jiidiachen Bevölkerung clcr Krdc entfallen auf 
das iK'Utacho Reich 570OU0. Der Anteil der Juden an der 
Oesamtbevölkerung des Deutscltan Reiches ist in dem Zeit* 
absebnitt 1871,00 von 12, & pro Mille auf 11,5 pro Mille zu- 
rück gegan gen; in l'rvufsen zeigt ucli dieser Rückgang 
seil lUM in ständiger und verstärkter Weise, 1860 macliten 
die -luden I3.S pro Millo der Bevölkerung aus. luOO nur noch 
1 1.4 pro Mille. I 

Bezüglich der Isabeiisfähigkeii zeigt sich zunächst l>ei den 
von jüdischen Kltem tieborenen ein nicht unerheblich giinsti- ■ 
gare« Veriikltnis als bei den aus christlichen Khen Oetaironcn. j 
Auf loou eheliche tteburten von jüdischen Kltem entfallen 
in Preufacn nur 32,07 Totgelmrene. während bei 1000 solchen 
(leburton von christlichen Kltem 35,64 Totgebnrene gezählt 
werden, was mit der durchschnittlich bosscron sozialen l^age 
der Judou zUNatmuenhängt. 

Kin auffallend grofser Rückgang tritt dann alter in der 
jüdischen Ueburteuzif fer io Krscheiuuug. Nach dem ' 
Durchschnitt aus den Jahren lK2o bis 1H6Ü kommen in 
l'reufsen auf lüOö Juden noch 97,20 Oeburteu, im -Jahrfünft 
I67a ö2 ist divee Zahl auf 30,82 hitiabgegangen, in dem Jahr- 
fünft I6e6i*2 auf 24.54 und endlich in dem -lahrfünft 1803. v*7 
auf 22,25. Dagegen entilelen auf lOOOrhnsten 1878, H2 .Hy,52 
un>l IN03 07 38,15 (ieburten, so dafs also Itel ihnen die De- 
burtenzil¥**r jetzt nicht weit hinter dem D<>p|M>iltnn der bei 
den Juden zurückbleibt. Wir haben hier eine Thataache von 
gri'ifstei- Bedeutung, die auch für die Zukunft dee deutschen 
•ludentums von ontscheidendetii KinHufs sein wird. .Die 
innersten (iriinde dieses ülieraus auffälligen OeburteDriiek- 
ganges lassen «ich mit völliger Michvrheii ontiirlich nicht 
er*chlief««n: sie sind vielleicht am eraien noch auf den im 
in. Jahrhundert stark gewachsenen Wuhlsiand der jüdischen 
ReviVlkorung zuruckzufiihreii, der ja, wie das Btfispiel Frank- 
reichs zeigte, das Zwcikindei‘S3'stem oder zum mindesten eine 
Kinschränkung der Kinderzahl zur Folge hat.* Wahrend | 
noch nach Milte vorigen Jahrhunderts jüdische Khen mit 
12,15 und mehr Kindern durchaus keine Seltenheit waren, I 
•ind sic heute fast gänzlich verschwunden. iMc Hetoiligung I 
der jüdischen Khepaare an UKK> GeburtHo ist in Preitfsen in I 
den 17 J»hn-n 1882 , ganz rapide von ü,V>8 im Jahrfünft , 
Is7a a2 auf 6,15 im Jahrfünft 1HH5 yn gesunken. Hiormit | 
ist auch di<‘ Ursach«* für den Hiickgang des .Anteils der Juden ' 
an dur (i*r>iitntbev4dkennig gegeWn. ] 

Noch ungünstiger wüi^e sich al>er da.« Verhältnis zeigen, | 
wenn nicht durch die .sehr günstige KterbezifTer der -Juden | 



ein gewisser Ausgleich herlwigeführt würde. Die Zahl der 
iin Alter über 15 Jahr vervtorbeucn Juden hat «ich von 
.H47S im Jahre 1677 auf 4.S74 im -fahr© 1890 (für Preufsen) 
erhöht, wa« wesentlich mit auf dio Zunahme der abmduten 
Zahl der Juden in dem fragUclien Zeiträume zurücJtznfnhren 
ist. .Andererseits hat sich aber die Zahl der im Alter unter 
15 Jahr ventorbenen Juden — hierbei kommen in erster 
Linie dio Käugiinge in Frage — von 2850 iin Jahre 1877 auf 
1260 im Jahre 1899, alaif um mehr al« di© Hälfte vermindert. 
Die Sterbeziffer der Juden war im Jahrfünft 187a «2 mit 
17,53 pro Mille schon erheblich günstiger als die dert’hrislen 
zu 25,23 pro Mille, aie ist al>ur iui Jahrfünft 1693.07 mtch 
bis auf 14,73 pro Mille (dio der Christen auf 21,28 prxi Mille) 
herahgesunken, avine Zahl, die als MortalitäUzifTcr der Gesamt - 
lievölkerung heut« von koinem Staate der Welt errvicht wird 
und al« Ideal der Hygiene angestreht wenlen könnte*. 

Das Krgehuis aus der Zusanmienziohung der Geburt«* und 
8tArlN'fäl|e, also hier der ül«rschufs der Geburten ülter die 
8ierliefälle, erweist sich wiederum für die jüdische Bevölke- 
rung nicht günstig, denn dieser ülKCrschufs ist im Abnehnn-n 
liegriffen, w.Ahrend h«i der christlichen Bevölkerung das um- 
gekehrte Verhältnis stattHndet. Im Jahrfünft 1678..62 twtnig 
der Oberschufs hoi den Juden ms'h 12.79 pro Mille, er ist 
daun alarr im Jahrfünft 189.3 97 bis auf 7,52 proätili« zurück- 
gegang«*n; anderrnHÜts ist er bei den tHiristen von 14,29 pr<» 
Mille in den Jahren 1876/82 bis auf 16,31 pro Mille in den 
-Tahren 1693/97 angowachsen. 

Seit den mehenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist 
auch die Anzahl der jüdischen Kheschliersungen in ihntm 
Verhältnis zu den christlichen Khe*chlief«uugen in l>eachtens- 
werter Weis« zurnckgegangen: während in dem Jahr- 
fünft 187.V'T9 in Proufsou auf 1000 christliche Kheachliefkungcn 
11,42 jüdiachr «nttleicn, stellt sich im Jahrfünft 1895,99 dies« 
AVrhältnUzahl nur auf 9,49. Im letzten Viertel de« 19. Jahr- 
hunderts liMbeii sich übrigens die Mischehen der Juden 
mit Christen ganz wesentlich vermehrt mid zwar nament- 
lich die jüdisch- christlichen Mischehen (Jude mit tliristin'. 
Im Jahro 1875 wurden in Preur»on 156 christlich -jüdisch« 
und 121 jüdisch-christliche Mischehen eingegangeu, im Jahr« 
1899 sind diese .Mischehen aber auf 212 und 271 angewachsen; 
während am 1. D«zemlior 1885 in ganz Preufsen 1011 Christ- 
lioh-jüdiaclie und lUHi jüdisch-christliche Miscli«hen bestanden, 
wunien zehn Jahre sfiäter (1695) l>«roits 1.530 und 1757 der- 
selben gezählt Itomentsprochnnd ist die Zunahme der Misch- 
ehen eine ganz erheblich «-tärkere als die der rein jüdiscb«n 
Khen ; für di« Rassvnvonnischung ist damit «in sehr h«- 
deuteiiclor FortachrUt zu vurzeichnen. Die Mischehen thun 
clal>ei alter w«N«nUicli dem Judentum wti-derum Abbruch. 
,Die aus den Mischehen hervorgehenden Kinder w-erdeu nicht, 
wie es das natürliche Verhältnis erheischen wurde, je zur 
Hälfte Juden und Christen , «mdeni das Übergewicht der 
christlichen Bevölkerung zeigt sich darin, dafs nie mit 
zoDtripetalor KraD di« Kinder aun Mischehen an «ich xieht 
und nur wenig« dem Judentum xurückläfst. Von allen im 
Haushalt« ihrer Kltent IclH-nden Kindern aus Mischehen (in 
Preufseu im Jahre 1895) wurden 75,5.8 Pr«>z. in der christ- 
lichen Religion erzogen und nur 34,47 Proz. in der jüdischen; 
dazu kommt aber, dafs bei letzteren vielfach noch tütcrtritiK 
zum Christentum nach erlangter VoUjnhrigkeit statttimlen. 
Bnzüglich der GeburtenbätiÜgkcii und der Vitalität stehen 
die Mischehen keineswegs, wie e« vielfach behauptet winl, 
ungünstiger da wie die sonstigen Khen.* 

Gleichwie nach dem Krw«u-bsM>«n di« Juden fast aus- 
schliefslich in Handel und Industrie, den hauptsächlich städti- 
schen Krwerhszwt’igen (und hierin wiederum vorwiegender 
in der Is'sseren sozialen Htellung, denn während iiu Handel 
Ihü den Cliriston die Sellwtändigeu um etwa die Hälfte der 
AnguslelUeit und Ar)>eit«r nusinachen, bilden bei den Juden 
di« SeBmiändigen die Mdirhoit. dio Angestellten und Arbeiter 
k«uunien niii* auf etwa fünf Sieheiiiid d«rson>enl, vertreten 
sind, haben die -ludett ihren Kit/ auch vorherrschend 
in den Städten. So lebten um 2. Ilezemher 1695 von den 
gesamten Juden im l>eutBi'hori Reiche 43,46 Pn>z. in den 
Hiädten mit mehr al« SuüCH) Kinw<ihnem, wogegen in der 
christlichen Bevölkerung die in die«en Städtoti iKÜH-ndcn nur 
auf 17,92Proz. kamen; für Prtmfson vorwehärft »ich dieser 
(legKiisatz noch. ilic. fraglichen V«rh:tltni«zahlmi hermdtrien 
sich hier auf 47,97 I*roz. und 17,37 Pn«z. , Der Zug nach den 
htadten hat sich, wie er in dir ganzen deutschen Bevölke- 
rung in den letzten Jahrzehnten zu konstatieren ist, hei den 
Juden in lK>s<ind<3rs starkem Mafsc geregt: am 1. Dezember 
1871 lebten in Preiifaen er«t 31,85 Pr«»z., am 2. llezerulwr l**!*.'' 
al>or 57,a.i Pro/, nller -luduii in den Sitwlten mit ülwr 2oom» 
KinwnhiiertC* Dr. Z. 




BüohurRohnu. 



Bflcherschau. 



Kran/. H<*fcr: Alt«* MctHlltroinmelu au.« Hüdusta^ieii. 
Mit l'titerstät7.uii^ der (io««lIi(chaft rur Fordenintr d<rot* 
«ober Wisaeu*K:biift , Kmiül und l>itteratur in iü'ihfnen. 
Xpbst einem Bande mit 4S Tafel«. Loipzii;. Karl W, 
llinrwmann, 190'J. Preis (gebunden lOO Mk. 

Aligesehi'D von den vor wenig'«« Jahr«*n erst bekannt 
gewonlenen Bnmzen au« Bunin in W«:«lafhkn hat kein Gegen* 
stand BUS die«em Metall in der letxten Zeit die Ktbnographen 
so eingehend lieachAftigt wie die alten .Rronrepauken* oder 
1‘ruimneln, von denen im vorliegenden Prarhtwerke dio liede 
ist. U«i viel auch Berufene, wie A. B. Mever, Fojr, de (iroot 
und lindere daiHiber schon geachriebeu halien, so ist doch 
iKK'h nicht das letzte Vr'ort gesprochen, und es hpifst noch 
itniner adhuc «uh judice lis «st. uaioeiitlich wenn es sich um 
da« rnprungsgehiei dieser Trommeln handelt. Kmt Mut 
.'0 Jahren treten sie in Kuropu in die Wissenschaft ein; uian 
wofste nicht, »as man mit den eilten liekamit gewordenen 
K.teni|'laren aufangen sollt«, diu man fiir (iAfsrae hielt, bis 
man ihren Zweck erkannte. Bie Fort«, vor allem die Orna- 
mente, forderten xum Studium auf, und Klhnographeit wie 
Kinologen begannen sich damit zu lieschäftigen, so dafs eine 
kleine Litteratur darüber auwuchs, aus der vor allem da« 
grofe Werk von A. B. Mayor und W. Foy, .BronzeiMiuken 
au« Kudoatasien” (Dresden 1497) und die Arbeit von deUnnit, 
.Antieke Ketaltromnien in don Oostindischen Archiiwl“ 
(Amsterdam 1894) hervorragten. 

Seit jenen VcröffontUchung«*« siml diu anfangs in unse- 
ren Museeu iH;hr spiirlicb vertretenen Trommeln zu einer 
stattlichen Anzahl angawachsen , di« in ihren Ornainenten 
nvuo Stiktziiunkte ftlr die Beurteilung der Herkunft boten. 
Die weite gec^raphisch« Verbreitung, welche dieaun alten 
Tnimmehi zukommt, von China an durch den ustindiseben 
Archipel, führte liezüglirli der Herkunft zu verschiedenen 
Mutmafsungen; die Deutung der Ornamente verursachtv 
Schwierigkeiten, und Fragen mannigfacher Art, di« sich an 
die Trimimcln knüpft««, waren zu Kiseti. Da ist e« denn 
mit Dank auzuurkennen, dafs als Krwuiterutiir unserer his- 
herigru Kenntnisse der venliente Leiter des Wiener ethno- 
irraphi«ehen Museums, Franz Heger, mit Bieuentleifs und 
Kcharfsinn sich nochmals, wenn auch nicht ahechliofseud. 
der Sache in dem vorliegenden Werke bemächtigt hat. Kr 
gelangte bezUgÜch der Herkunftsfragon, um diese vorweg zu 
nehmen, zu dem Krgobnis, „dafs der Crspning dieser Troni- 
meln bei dun l.^bewohnern dos heutigen südlichen China 
(Miaotse, IjoIo. Kchan u. ». w.) zu suchen «el*- 

Bis zum Jahre 1897 waren yj dieser 'rniimnoln liekamit 
uinl durch A. B. Meyer bi'schriehen; Hftg«r gelang es, ll-l 
Weitere Stück« aufzuünden und wissenschaftlich zu lie- 
«chro.ü>en, so dafs heute über 190 Stuck die Grundlage für 
die Kenntnis dieser in gleicher Weise für die Altertumskunde 
Küdostasiuns , die Kunstguschichte und Ornamentik bedeut- 
samen Trommeln bilden. Die Trommeln sind von Kalgnn 
in der Mongolei als nOnllichstem Punkte über ganz China. 
Hiuterimlieii , den ostindisrhen Archii>el bis nahezu Neu- 
Guinea verbreitet und zerfallen, nach Heger, in vier gut ge- 
«chii*<lene Haupttyfiun, zwisclien denen allerdings auch ('iMr- 
gangsfiirniAii l^*«tehen. Dünne« Metallblecli von 1 bis 8 mm 
Srftrk« bildet d«*ii Stoff der Trommeln, die oben eine kreis- 
runde Platte haben, die auf einem unten offenen Cylinder 
aufsitzt, d**r durch horizontale Leisten in Zonen zerlegt und 
oniamuntiert ist; am Cylinder mindesten« vier Henkel, Alle 
Trommeln sind !«amt den Henkeln, Ornarueiiten, Ittdiefvurzie- 
runguti und plastlsehun Figuren iiniuer au« eiiiuni Stück gc- 
goMsun. Diu ist Nur«c.hiutlen, aber iui ZiHainmeiihnngv 

stellend mit den einzelnen Typen; die grüfste bisher bekatini 
geworden« Trommel hat eine Hübe von 9i’o mm und einuti 
Durchmesser der Platte von 1290 mm: die kleinste 19t nun 
Hohe. 3IHinm Plattendnrchinesaer. ZwiKhen die^ii beiden 
Kxtnnnen stehen die übrigen. Das ttowicht schwankt zwi- 
schen i'J und 12^ kg. Die chemische Zusammensetzung an- 
liulnngi-nd, ist ein starker Bleigebalt (bi« 2*t Pruz.) hervoi 
zulieliun; Hiiuptiuetall ist das Kupfer, und Zirm kommt erst 
in dritter Linie, so daf» Heger den Ausilruck .Bronze* für 
diese tiegensiande verwirft und sie ah «.Muialltisunnieln'’ 
l•ezeichnet. Kingelo-nd wird diu technische Herstellung dicker 
feiiiwaiidigen 4fuf'n<tiicko erörtert, di« von Fm'bluuteii ai« 
ejni' Tcdlendete. du« Intercssu einu* jeden Kunstgiehej-s er- 
regende geschildert winl. Killen Imdeiilenden 'IVil de« Werke« 
nimmt uiidlieh di« uiigemem sorgf.Miig geführte l'ntursuchung 
üliur die Omnnioute der 'l'roniineln in Anspruch. Der plusii- 
N'he S*’liinuek. die Itelief- und ein/e|t»en Verzierungen «urdeu 



eingehend gewürdigt und srhliersUch das Krgubiiis gswouneti' 
Die Haiiptzonen der Trommeln enthielten ursprünglich Dar- 
«tollungen bustimmter. wahrscheinlich festlicher Gelegenheiten 
aus dem l^ben der von den Chinesen unter der allgemeinen 
Bezeichnung asüdliche Rarhuren* zusammeugefursten ViMker. 
Aus dieseu szenischen Darstellungen siud durch allmähliche 
Ktilisierung Omainente geworden . die in unvcratAndliche 
Formen ül»ergeführt oder durch fremde neue Muster ersetzt 
wurden. Hchlicfslich wird Alter und Herkunft heHprochen. 
Hier Iftfat Heger den Kinologen da« Wort, deren Urteile und 
(JneUennachweise (besonders de Groot) er anführt. Sach 
chinesischen Nachrichten sind diese Metalltrommuln schon 
im Beginn unserer Zeitrechnung verfertigt worden, in den 
südlichen Provinzen, wo die von den Chinesen ülierw iindeneii 
,Man«* wohnen, welche dio Trummuln beim Gotieedienst ge- 
brauchten und um das Volk iin Kriegsfall zu den Waffen 
Eil rufen. Man bewahrte sie in den Wohnungen der Häupt- 
linge auf und in boddhlstiacheii Klnstertemi*eln zum Kufen 
der Brüder zum Gebet. Oft gab man sie den Grufsen mit 
in das Grab; stets waren es (iegetiibkitde von hohem W'ert«, 
auf deren Besitz sehr viel gehalten wurde. Kin ausfülir- 
lieber« Litieraturverzuichnis schließit das Imdeutsame Werk 
Hegers, das. wenn auch nicht ahsehliefsend, doch die Hachu 
wesentlich iHrdort und als ein w ichtiger Beitrag zur Archäo- 
logie und KuustgoschiebU* Ostasiens stets von blcibuudum 
Werto sein wird. 

Prof. Dr. Rudolf Yirrhow: Australier. 20 Hlmngiwphi- 
9chu und anthropologisch« Tafultt. (Journal des Museum- 
Oodelfrov, Heft lü.j Hamburg, I.. Fri«derichseu k t^*., 
1902. 

Kin unvuliendutes Werk, da« fast nur au« kostbaren 
Tafeln besteht iiud ohne Text in di« Welt geht . mit «ineni 
sehr pietätvoll gehaltenen Vorworte di>s lledakh'um d«« 
grofsen , eingegangenen Journals des Mii«4*uros Godeffroy, 
Dr. Ludwig FriederiehM-n , dem man atarr diu Horg«n nn- 
merkt . welche tr 27 .Jahre lang um diuse* WVrk getragen 
hat. Denn an lange ist us her. diif« Virchow diese letriun 
20 Tafeln drucken Hufs, ohne dafs «r jemals dazu kam, den 
Text zu scbreilieu, trotz vieler Anläufe dazu. Da Virrhuw 
auch diu Bi-arheitung durch «inen anderen Fachmann ab- 
lehnte, ao ist es nur zu billigen und mit Freud« zu Iw- 
grüfseu, dafs FriiMlHrichsen nach d«s Meisters Tode die Tafeln 
allein vprOffeutlieht«, die «cnist ungenutzt geblieben sein 
würden. Cnd er verdient dafür den Dank der Anthr(»iH>lcigeD 
und Ethnographen. 

Ks handelt sich um Kkulettc. Schädel und uthnographi- 
sehe Gugen«tändc. welche in Queen*land gesammelt wunJun, 
ehemals einen Teil des lienihmten Museum« Goileffroy in 
Hamburg hilduten und sich jetzt im Isuipziger Mu*«uin für 
Volkerkund« N'ilnden. Die Abbildungen sind nach dem 
Standpunkte damaliger graphischer Technik — nehr schim 
ausgefallen. Ganz ohne Erläuterung sind indessen di«>s« 
Tafeln nicht geblieben. Die Schädel, Skelette und ethno- 
graphischen Gegenstände sind nämlich in ilum liekannteii, 
1881 erM-hienenun Katologu du« Museums Godeffroy von 
Sehmultz und Krause lKiig«*r «Hier kürzer erwähnt, und Dr. 
FrieduricliMjn ha» in dankenswurtor Weise alle« au« jeio-m 
KHtali>g>- itiisgezogon und den Tafeln beigugubuii, was sich auf die 
durgusti-lUen Gcgun-*iände bezieht. Fp-ilioh l«t in 27 Jahren die 
.\nt)ir«>|:<iIogi« und Kthnographi« w-«-«-nllicli fr»rtg«-u*hriirun, und 
manches Gesagte erscJieint heute in anderem Tüchte. Al>er u« 
liandelt sich um <len Stand vr>m Jahre IH76, in dem Virchow 
den Text «chreilien wollte! So int Friederich^en* gewählter 
Ausweg nur zu begrüfsen, und da« Tafelwerk wird, wenn 
auch «pät'T Neubearbeitungen «intreien sollten, doch einen 
bleibenden Wert flir Antliro|K>li^e und Fltliimgraphie .Austra- 
lien« iHjhaupUm. 

UieUard Androu 

Moritz Schanzt Wustafrika. 415 Suiten. Berlin, Wilhelm 
Küs.seri>tr, I9l'S. 

. Wie in meinem jüngsten Buche «Ost- und KÜdafrika« ge- 
denke ich auch im vorliegenden Werke '•Westafrika- dem I«e»<‘r 
in gedrängter Form eine allgemeine l'liersicht ülier die darin 
iH'spruchenen Ijänder zu gelam und dabei in mbglichst oh- 
jektivvr Weise beeonders dio Geschichte der Koloni- 
sation, dio Kiiirichtiing der Verwaltungen und die 
wlrtscliaftlichon Verhältnisse zu lierücksichtigen.* 

Mit diuaett W>>rtun Iw^gitiut dor Vurfasser das einleitende 
Kapitel diunus suiiteü neuesten Wurkus (des verdienten Heise- 




Kleine Naobrichtoo. 



H7 



und KoiimiAlAehriftHtoll^n); nod j«der. der wi »ufmerkaam 
ffcieMo hat, wird am BehloDi hin«ufd{^n mÖMcn: diea« Ab- 
«icht Ut meist gelöst worden. (HUeklieh und Oberacbau ge- 
während ist der Aufbau des Werke». Naeb einem aligenieinen 
Cberblick aber die geKbichtlkheii, ireogrupbischen. etbni»- 
graphischan. komnierziellea u. a. w. VerbAltiuw« Westafrika« 
librrhftupt folgt lietraehtung der einxelnen Landstriche i 
gruppeDWeine imch den derzeitigen ltesit/iua«*)iieii zusammen- 
gefafsL In jeder dieser i*rup|>en werden di« einzelnen <le- 
biet« haupUAchlieh nach den in daii ziüerten Kingangsworten 
betuiilau Ktchtungen knapp und kurz, aber nichts desto we- 
niger eingehend durchbesprochen. Wohlthuend wirkt lUe vor- 
nehme objektive Huhe. 

Gerade aber, weil sich das Werk w» vorteilhaft von an- 
deren Schriften »ogen. Welireisender nuterwheidet und ihm 
hoher Wert und innere Bedeutung innewohnt, nnVhte ich | 
wuusrhcD, dafs es auch in rein wissenschaftlicher Hin- | 
sieht cl«u*u durchweg einwandfrei wäre, ln dieser Richtung j 
sind verschiedene, wenn auch nicht gerade wesentliche Un- > 
genauigkeiU'ti unterlaufen. So sind z. H. die Grenzen des 1 
Sudan d(M*b nicht mit aiaer »ulcheo Besthmnthoit festzulegeii. ' 
wie die« auf R 4 in dem Giwamthbcrblick geschah (vgl. hierzu Pas- 
saiges Adaiiiau». S. HA9). Die in gleichem Kapitel S. 8 u. f. ge- 
gebene Hoderige«taltung ist doch recht Hllgemciu gehalten. 
I'nter den hydsigrapliischeti AngnlH-n K. d u. f. ist für den 
an der Kainernuküste mündenden Saimga mler Ix>mllurs als 
Name, wohl aus Versehen, der seiner einen Mündung: Kongo 
(die andere heifst Kenga) aufgeführt. Bei dieser Geleji^nheit 
sei gleich erwähnt, dals der C'am|>odur8 nach den neuesten 
frmizosiHcfacn (und deutschen) Forschungen durchaus nicht 
mehr als „unlfodeutcnder Küsttinduf**. wie er B. S4 noch ge- I 
riannt Ist. aiigesprocbeu w-erdeu darf, sondeni ein atisgedehn- i 
tea HtnmigebU't zu bilden scheint-. Hei Besprechung des 1 
Klimas u. s. w. (8. » u. f.) sind die geschilderten meteoro- 
logischen Verhältnisse xuni Teil zu eng l>egrenzt, zum Teil 
sind Landstriche /u.-gimmengerafst. die ganz verschiedenen 
ineteoroiogiwhen Bedingungen unierworft^n sind; der ineteo- 
nilogiscfae Aquauw. der gerade die GuineAgchiete so K’harf 
scheidet, fand nicht genügende Beachtung; wie auch der 
Wännei<|uator nicht auf 5° nördl. Br., wndern weit nörd- 
licher li^t. Kndlich sei mich eine geographiache Furiebtig- 
keil lierichtigt: der Mendif Ut nicht m h<H3h, wie 

S. 8*24 angegelten. »otidem nur ,KK) bis 400 m. In ctlitiogra- 
phiM-her Hinsicht Ut mir ein Ratz 8. 185 iinversUindlich: Iwi | 
der Besprechung ilnr KingeUircnen in Französisch Kongo 



heifst es: Diese (die Kingelxirerien) sind teils <*chUt Neger, 
weist alter Bantu'f bei der gleichen Gelegenheit ist von zwei 
Uantustämmen die Rede: den Fan und M(Mingwe; iw sind 
die« nicht zwei verschiedene Ktäiume, sondern zwei verschiedene 
Namen für ein und denselben Ktannn (neltenliei Wmerkt 
nicht Mpongwe. sondern Mimiigwe). 

Auch ein paar gawhichtliche Unrichtigkuiten sind zu ver- 
Itassern; B. ist von einer K\|>edit)un Tappenbecks Uüdi bis 
iaa9 im Aufträge der .Afrikanischen GttselUchaft* die Rede 
— Tap|>enlieck war in diesien -Inhreti mit Hnuiitmanii Kund 
im deutschen Reichsdienst, in Kaniorun thätig; d«r auf 8 . *288 
unter den ersten Kamerunforschern aufgeführte Naniu .Hornig* 
ist wohl ein Schreibversehen; damn auscliiiefsend sind l»ei 
Aufzählung der Krfolge der l>r. Grunersrhen t»zw. der Dr. 
l'assarge-Kxp'.-dition in Togo bezw. Kamerun wnhl die der 
ersierrn. nicht «Iwr auch die der letzteren genannt, was — 
wi« die Stelle lautet - zu Mifsverständnis Vemnlassurig gelwn 
kann. Sa«*hlich nioc-ht« ich hierzu t^emerkon. dafs die laii- 
stungeu der Zintgraffachcii und Morgensche», sowie der Kling- 
sehen u. s. w. aiutlicheu Kx^HHÜtion doch wie bisher zu 
gering eingeschätn sind; ohne deren vrwberHiteude Aufklärung 
und Krschlieftung hätten die nachfolgenden privaten Fnier- 
nebuieti d<>« Kauieruu- liezw. Togo-Koinitee« wohl nicht da» 
erreicht, was ihnen tbatsäc-hlich gelungen ist. 

Derartige kleinere Ungenauigkeiicn. von denen ich di<* 
Wesentlichsten — iin Inieresaa? de« Werkes — anfgnftihrt 
habe, thun seinem Gesainiwerte nicht den geringsi«-n Kintrag. 
Kinnial sind sie an sich ja nicht schwer ins Gewicht fallend, 
und dann ItetrefTen sie nicht die Haupttendenz des Buches: 
l'nterweisung über die kolonialpuUtischen und kolonialwirt- 
schafUkheu V'erhällnitM« Westafrikaa — und darin liegt ja 
der Hauptz«‘eok «eine« Buches. Und dieser ist nach meiner 
Überzeugung erreicht: o« ist ein w'ertvulle«, unentbebrlirhes 
Hnndbuch für jeden, der in irgend einer Thätigkeit an 
Afrikas Westküste sich beihtdet oder binausgeht, wie nicht 
minder für jeden, der sich zu Hau»- üt>er alle Verhältnisse 
dort ilmufsen unterrichten will. Und niM^h etwas: gerade 
aus den geschichtlichen Kapiteln die*m Baches, aus dem ge- 
schilderten Kiitwickelungs- und Werdegang der verschiedenen 
Koiouieeii verechiedaoer europäischer Btaateu kann man er- 
sehen und lernen, wie man'« machen und wie mau’s nicht 
machen soll. 

Hinsichtlich der Aussttiuung hätte ich nur einen Wnn*ch: 
Hoignbe einer Üliersichiskarte. 

Hutter. 



Kleine Nachrichten. 

AMrark nur oiU Qui^nc-uautiube 



~ Tolniatscbews Kxpedition nach dem Kusiiezki- 
scheu AlaCau an der Grenze der sibirischen Regierungs- 
bezirke Tomsk und Irkutsk im 8"mtner Hmi'j verlief nach 
dem Vorträge de« Bvisenden in der Petersburger ge <grapbi«chen 
Oc*cll*cJuifi v.-m 18. NovcmlHsr im ganzen günstig. Das 
untersuchte Gebiet hibb-t di<‘ Wasserscheide zwischen dem 
Flufsliccken de« Ol> und des -leniMci und steigt von Westen 
im grufM*M und ganzen allinählicli an, fällt alter nach Osten 
in jähen AlHinrxeii Itciimhe senkrecht ab. Fis i:<r vollkumtiien 
uiibewobiit und liereiiet daher dem Forscher groi'He Bchwierig- 
keiten. Zum Aa.*igangs- und Ausriistungspunkt war die Btadt 
Kusnezk gewählt worden, weit hier alles Fkfoixlerlirhe zu 
liedeutend billigeren Preisen zu haben war, als an der Ost- 
seite im Regierungsbezirk Joiiisseisk. Von Kiimexk aus folgte 
<lie F.xpedition zunächst dem Lauf des Flusse« Tom bis zum 
Dorfe Pialkanieschek und tring dort an den Ftufs Naxa« üb<T, wo 
»ich einer der si:höttsten U-cslernwälder l»elindet. Hier wurde 
die Grenze zwiachen den unlerkarbontiichen .\biagerungen 
und dem oberilevnnischeu rillen Sandstein übersebritten und 
weiter ging es längs dem Bergrücken Tulun-syrt, der sich 
etwa 8(M) bis 90i> in Aber dem Meeretsspiegel erhebt und mit 
Nadelholz, vorwiegend Fichteu und vetvinzelteu Uedem, 
bewachsen ist. — Die Seenforschungen des Rednern hatten 
keine umfassenden iimnologischen l’ntvrsuchungen zum 
Zweck, sondern tj>ezi«U geologisch morphologisch« und s«>llteti 
die Gestaltung der Seeliecken im ZtisHmiiierihang mit der 
Orsigmphie der ganzen Gegend zu ergründen suchen- Zn 
dem Behnfe wurde jeder einzelne 8ee sorgfältig vemiHsaeii 
und eine Karle entworfen, die sich auf zwei Basislinien 
stützte. Alt manchen Orlen lagen inohrei'e Seen in nnmittcl- 
barer Nähe voiieinand«i', aber staffelbirmig in venechkden 
bohent Niveau, und die Gewässer der li-dtercn ergossen sich 



in male.ri»chen Wasserfällen in die tiefer liegenden, lin 
ganzen hat er 18 Scoii erblickt., und t‘2 von ihnen unter- 
sucht. die bisher noch auf keiner Karte verzeichnet waren. 
Von gixkfMmi Inteis'sse war auch, was der Retlner von den 
Glacialgebiidcn iMirichteio, die er an einer Menge von Ses*ti 
hat fest.stvilcn können. Moränen sind vielfach vorUatiden. 
elieniot rundlich ahgeiw'hlifTene Fel«en mit den charakteristi- 
schen parallelen KriUen. 

— Geolrygische BeobachtUDgen von K. Philippi und eine 
Schilderung der Vegetationsvcrhältiiis*« von Kroil Werth von 
Pofsession- Island Hilden wir in den Veri'ifT. d. Inst, f, 
Moorevkimde, Heft tl, ltM)'2. i>as Kitand Iwul sich au« Hach 
gelagerten Stri'imen liasaltisc.her l«ava auf, welche mit Bänken 
von gnÜMMti, vulkanischem Agglomerat wachiellagern. Spuren 
einer Gletscherwirkung vermochte J’hiüppi nirgend« wahr/u- 
nehmen, ebenso wenig FlnCsschotter. Iter Hache Kegel des 
Hauptgipfels stellt wohl zweifellm die ursprünL'liclie 01»er- 
Häche des Stratovulkans dar. Gcnaner« Forschungen liofwMi 
sich nicht nnstellen, da der Aufonihnli an I^irxl nur *-twn 
drei Stunden Iwtrug. Immerhin konnte Werth die Zahl der 
BlütenpHanzen , von denen durch die Uhalleng*‘r- Kxpedition 
fünf Iwkannt geworden waren, auf das Dreifache erhöben, 
welche «ämtlich anch auf Kergueleuland vi>rkommen, zum 
Teil auch Von den Marion- und llmrdinscln voriiegen. Die 
eigentüiulicben V«rbäUui«»e dieser siibantarktischen Insel- 
grup|>en mit ihren heftigen Winden und drin wiederholt 
hervorgeholainen fast gänzlichen Mangel an Hugfähig«Mi ln- 
, sekti-u liefsen urwarteu. dafs ilie««dben auch in eigenartiger 
Weise sich in den Bestänbiiiigseinnchuingen der Blüten- 
pHanren dieser In«eln wi*-«lerspiegt*lii. Meikwürdigerwel«»» 
zeigt nufser den Gräsern uiul w'ohl auch .limeus keine der 







Kleiuc Nachi'icbtttii. 



iMiUetipnnuxeti nu*gMiiror}ien« AtipMRUiig nn Windl^fttAubuii)?, | 
i«i durch den Blütfimiochaiiiomu« xuiiiichnt Kreuz ; 
lw«tüubuiig Itegünaiigt, tx*i nu»hImlw<indHm iMsektfOjbeaucb ; 
nWr in ver»chieileuer Weiü« spontane SeDwtbeatiiubiiug uu»g' 
lieh geniAcht. Vegetative Vermehrung ist daneben i<ei d«‘ii • 
meisten Prtnnzen der laset durch Ausliiuferbildung zu Hnden. 
Jedenfalls ist die 1^'rage nach der Herkunft der Flora cler 
Inseln noch unbeautwoHot, wenn sie auch uusgesprnchrne Be- 
ziehungen zum südlichsten Hiidamerika zweifellm »ufweist. 
Auch der Zuoiugc konnte eine licibe von TlMreh feststellMu, 
worunter einige Insekten sich Iwtlnden, welche den laniach- 
barten Kerguelen scheinbar fehlen. 

— Hills Keise ins Innere von W estHUStralien* ^ 
iiii aAdelaide Obeerver** vum 4. Oktober finden sich einige 
Kinzelheiten ülier eine Kei«4>, die im Auftrag« eines Hyndi* 
kates H. W, Hill im Jahre 1900 in die Kastern Bivisioti 
Westaustraliens unts'rnommen batte. Hauptzweck war, in 
der Uegeud der Uebirgskottvn, die zwischen 'J4* und ä7* s. Br. 
die groffie australische Wüste unterbrechen, naidi Krzeu zu 
pr«s>p«‘ktiereu. DicUeuU* führte vom Wellsset* in ostnbrdlicher 
Kichtung über das Vmi Treueplat«utu und die Warburton-, 
Httrrowr* und Rawlinsonkette über die südaustralische ttrenze 
nach der iVtermanukette. Wie Maurice, der doaseilie Uebiet 
vi»n der Södküste erreicht hat , ist auch llili der festeu ] 
Überzeugung, dafs ein Teil des erforschten lindes («old { 
führt, kr meint auch, dafs in der Hegend artesisches und 
subartesisches Wasser vorhanden ist , so dafs nicht nur die 
Kinrichtung eine* Wcgi^s zwiwch«n West- und tSüdaustralicn 
etwa unter dem «6. rarnllel möglich wAr«^, s<»ndorn auch 
der Bau der transaustralis4'.heu Bahn. Bafs periodischer 
Bugen, der manchmal sogar den Charakter von Oi'uiaen aii- 
uiinmt, in der Nachbarschaft der erwähnten («ehirge füllt, ! 
wirtl nach Uill von der grofseu Zahl der t'reeks erwiesen, - 
die strahlenförmig von ihnen ausgehen; allerdings scheint j 
dann das Wasser nach wenigen Kilometern unter dem Sande ; 
zu verschwinden und seinen W«^ südwüi'ts zum Meere in I 
unterirdischeTi Kanüluu zu suchen. Inmitten der mit Hund 
und Hpinifezgrus Iwdockteii kVüste fand Hill Wasser iu rvicb- 
licher Menge, nachdem er durch diu unter dem bando lieg«-nde 
zersetzte gneisahulicbe Gestein ein Ixtch von 5 bis h im 
gegraben hatte. 

— Für die Kartographie Madagaskars liabfu die 
FranztHten seit dem Jahr«; aufserordentlich viel geleistet. 
Kine Skizze, die General Gallienis Aufsatz .Les travaux | 
gfVigrapbiqucs ü Madagawar* in «lai Oüogr.* vom NuvembiT ' 
Iwigefiigt ist, vcmuac.baulicbt das Triangulationsuctz, 
mit dem die Inael iu deu Jahren IKldt — 11H)1 überzogen ! 
worden ist. Kino Dreieck.skelte geht vou NonI nach Küd 
über gan/. Madag:iskar, von IhAgo-Kuurex nach Fort. Dauphin- 
Von ihr zwvigeti zieh ostwärts Ketten von Tanaiiartvo nach 
Tamatave und Aiulevorant« und von Fiaiianiiitsoa naob 
Maiiaujary (Ostküste) ab. Jener grofsen Kette partillel lauft 
itu Westen eine kürzere von Majunga nach Tulear; an drei 
btellon steht sie mit der üstlichon in Verbindung, aufaerdem 
sendet sie uoc)i drei Ahaw'eigungcn an die Ostküste und eine 
vierte tief in den Büsiwesten hinein. SclIietverständUch 
geben zahlreiche astroiioiiii«che Fizpuukte diesem Netze Halt. 
IK9H bt'gann man mit der Bearbeitung einheitlicher Kurten. 
1S99/ll>tK> erschien zunächst eine Madsigaskurkart« iu 
I : I &UUÜUU in 2t) Blattern, die auf der Purii»er Weltaus- 
stellung /u sehen war. Ferner w'urde von eine 

Karte in 1:2 &uO<tOO und eine andere in 1 : 1 uuo Oou heraus- : 
gegeben, und gleichzeitig begann man mit der Beurlwituug | 
einer Kurt« in l:M)OuOO, die fast fertig ist und nächstens 
vollständig verOffentlicbt sein wird. Knolich ist man an die | 
Herstellung von Blättern in I : 200 OOu herangegangen , von 
duuou mehrere bereits vortiegcii. Nebenher werden i'liine 
grtifsen Mafssiubes vou den grüfsten Htädu-u und Karten 
iilHT die wichtigsten Verkehrswege hemusgegelwn. Bemerkens- , 
wort ist, dttfs nicht nur dk* Zeichiiurig, Mmdcni auch der | 
Druck aller Karten in der Ktdoitie sellmt itewirkt winl, un<l j 
dafs dazu eiti I'ersttnal aus KingelH>renen herangezogen < 
wtirden ist, die für diese ArlieitMii ganz erstaunliche Fähig- 
keiten zeigen. Gallit^ni meint mit Bocht, daN nicht nur tli«- i 
Geographen mit dem Stande der Kartographie Madagaskar!« 
zufri(‘d(*n sein können, sondern dafs auch für wirtsehaftliche 
Zwi-cku aller Art ausreichen«ie Grundlagen oder Orient ioruugs- 
inilt«*l vorhanden sind. Mit der deulAcben K<.donialkarto- 
graphie. so technisch schone und wissenschaftlich hochstehetnic 
N'uniffentlirhuiigeti sii> liefert, ist es lehler noch lange nicht 
so weil. Dumi bei uns ist das Geld für s«>lche Zwecke immer 
n«'>ch st-hr knapp. 



— über ein Gßtzenopfer der heidnischen Tschu- 
waschen, das im Herbst I902 iin ru«si!«chen Gouvumement 
Kasan statigefumlen hat, l>erichtet d«tr Kasunski Telegmf 
naebstuhundes: Vor einigen W>«chen wurde von den heid- 
nischen l'rivstern der Beh-hl erteilt, iu dem v«»n Titchuw'aschen 
bewohnten D«>rf«^ Ach|>erdino. Wolost Mamajewka, Butter, 
Milch, Kalz und Graupen einzuaammeln, um den Gbtzen mit 
diesen P^Mlukten ein Opfer darzubringen, damit diese diu 
verschmachtende Krd« mit Hegen en|uicken. Als von der 
Bt'vidkerung verschiedene S]iendeu in gvuiigeuder Mengo zu- 
stuiimcngetragen worden waren , versnmmclU'n »ich die 
Bewohner des Dorfes auf einem Felda. l>ort wurtio eine 
auf die Anordnung eines heldniscbaii Pri<.>sten gefangene 
Schwalbe mit folgundau Worten fiiegan gvlaseen: , Schwalbe, 
vernimm unseren Befehl, schwinge dich zu Gott und sage 
ihm. dafs er Kegen sende; wird dir nicht geglaubt, so teile 
mit, dafs du gesalht bist.* Nachdem die Schwalbe fort- 
gurtogen war, wurde am Baude eine» Sumpfes ein üpfermahl 
ntig«:Hchtut, während dessen die Tschuwaschen laute Gebete 
v«rrichu-ien und ihren orthodoxen Dorfgenossen versicherten, 
diifs sie HS tiur Ihnen, den Tschuwaschen, zu verdanken 
hätten, wenn sich Kegen einstoll«. Zufällig g(»fi «s am 
nächsten Tage in HtrC^mun, und es erscheint b^reiflich, «laN 
die Tschuwasebeu durch diese« lireignis in ihrem Aber- 
glauben bestärkt wurden. 

— IIbI i trat tis Tibclrelse 173H Sl». In der Mo/.zo- 
Borgeth-Biblj«itliuk in Macomia findet sich «in Bericht über 
ein«- K**b«e nach TilHrt, die 1733, :)9 von einem Kapuziner- 
uiissionar nauiens ('as.siAii«* Beligatti ausgefübrt wollen ist; 
Bcligatti weilte bis l“M im Ijande und Ut der Verfasst-r 
eines „Alphabetum Til>etauum'‘ und anderer SchriDen. Der 
erste B.and seines Keisetagebuebs ist nun mit einigen Kür 
Zungen von Prof. Alberto Magtiaghi in der „Rivista Ge«)grafic-a 
Italiana* Bd. VIII u. IX veri'iffeiitlicht wordeu. Ks beschreibt 
Üelligattis Seefahrt zur Gangesmündung, diu Reise durch da« 
nördliche Indien nach Nepal, «lie SlädU-, die er dort besuchte, 
und die Sitten, die er kunueii lernte, «>wie seine Ankunft 
in Kuti an der tibetanischen (»rciizc. Beligattis Weg üljer 
«fen Pnfs Timgla (inirdüstlich von Katuiandu), durch das 
Dingrilhal, ülwr Gyangtac und am See Vaudoktscho vorbei 
und der Flmpfang dureb dun König sind in grüCsurer Aus- 
führlichkeit behnndult und dos Volk und seine Gebräuche 
ni't einem Detail geschildert, das iu den Schriften der alten 
Missioiinre nicht gewbhulich ist. Am Schlufs des ersten 
Bandes verspricht Beligatti, «r w«dle im nächsten eine voll- 
Btiiudige Beschreibung der Tibetaner und ihre« I>andcs sowie 
von Nepal geben, leider aber ist «las klanuskript verloren 
gegangen. Doch lindun sich einig« ergftuzentic Mitteilungen 
in Beiigattis Lob<-n*lH-!««.*hr«ibung, di« vt»n lu-inem Bcgl«*iter 
(■ius«>ppu Berniiii v»-rfnNt tsl. lVmurk«iiisWKrt erscheint, «laN 
die Sitten d«-r TjlteUmer sich seit jener Zeit wenig geändert 
hals-n, und dafs viele von B«ligattis Bt^obachtungun von Hur 
und andt-reruii späteren Reisenden bestätigt worden sind. 

— Fr. V. Lucanus kommt in soineru Vorträge über die 
Hobe des Vogelzuges auf Grund aeronautischer 
Beobachtungen (Verhdl. des 5. intern. Zoologuukongrvssus. 
B«irUn I901/Ü2) zu dem Krgebiiis, daN im aJlgemeineu di« 
Grenze der V«>g«l bereit» in vmur rolatjven Hoho von 4i»0 m 
überschritten w'i. Kine gnd's«-HHt«nhvit ist wenn noch iil>er 
4UOtn r«‘((«ti>Qr HOhe Vrtgel auf Ballonfahrten angetmfTan 
w’crilen. Mit in di«‘ Lüflt^ guuomntuti« und «lort losgelassene 
Vt'igel riiegen l»ei klamn Wetter «lirekt zur Krd« hcmleiier: 
nur ein über den Widkeii freigclassetier Hänfling wuNie sich 
xuaä«'h.st im Wolkenmecr nicht xurecht xu fintlen; eine plötz- 
lich Mh‘htbar werdende Wolkemiffnung benutzte, er dann sofort, 
um zur Knie zurückzukehreu. Die Vogel scheiDen zu ihn-r 
Mi'iuutierung d«s freien iltrerbln-kes über die Krde zu bisdiirfen. 
Ko kann also nicht ein uns uoltekanutes instinktives Ab- 
niessungsvermitgeii M»in, was die Vögel auf ihren Wanderungen 
leitet, sondern dn-Fulbun werden sich auf ihren Wanderungen 
mwh der Ge«taltimg iler Kr>tid>crfiäche orientieren, ln 
iiu.-teori»logisi’h«*r Hinsicht wini «laher die Bewölkung ein 
wichtiges M«mient bikloii, wtdclies diu Hube des Vogultluges 
)M‘uint!uNi. Di«;oi}s spriclit dagegen, dafs die Zugstrafsen iu 
boherun R«-gionon Hegen. Denn je Inthcr «lio Vögel fiiege» 
würden, um au «-hur würden sie in die liHgc kommen, üiwr 
Wolken fii'-gun zu müssen. Kolche W«ilkensohichluu würden 
alter daiin die Vogel zwingen, wieder tiefer hinabxiigelien, 
um noch die Knie erkunnen zu können. Kiii häufiger Wechsel 
iu «ler H«>be ihres Fluues würde alx-r nur eine unnütze Zeit- 
und Kraftvcrschwemlung Is-deuten. welche die Natur stets 
v«;niieidet. 



V'rmnlwortl, Kedskicur: Fiüf. Dr. K. Aiidree, Brstiiisi-hwelg. Fallentlrbc-rtbor-l'rumcuade l.t. Btuik: Frinlr. Vjrwrp« u, Sühn, Brnunx-hwetg. 




GLOBUS. 

ILLÜSTRIERTH ZEITSCHRIFT FOR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN; ,J)AS AUSLAND" UND ,JIUS ALLEN WELTTEILEN". 

HER AIISOEBF.R: Pnor. D«. R. ANDREE. >?}«■ VERLAG VON FRIEDR. VIF.WEG * SOHN. 

Bd. LXXXni. Nr. 5. BRAUNSCHWEIG. 29. Januar 1903. 

Naelxl/ucli mmf Mrii nf( der VerlaitetiModluiig geetAUet. 



Beobachtungen und Studien in den Revolutionsgebieten 
von Domingo, Haiti und Venezuela während einer im Frühjahr 1902 

unternommenen Reise. 



Von I>r. (rorbard Schott* Hamburg« 



(Hieran B Abbilduugen nach Originalphotographieen dea Verfassers.) 

I. 



ln gröfseren /eitperioden wechseln die Scbauplfttze 
der bxdu, auf die sich das llauptintereese geographischer 
Kreise jeweils konzentriert. Jetzt, seit etwa einem Jahre, 
richten sich die Hlicke sowohl der Kaebgeographen als 
auch all dor]euigea, welche au deu Kulturfortschritten, 
an Handel und Verkehr in fremden lA&ndem irgendwie 
beteiligt sind, Torwiegend nach Westindien. Für die 
geographische Welt ist der gewaltige Ausbruch der 
Vulkane auf Martinique und St. Vincent ein hochbedeut" 
»ames Ereignis^); in weiten Handels- und Industrie- 
kreisen gerade Deutschlands werden andererseits die 
Hevolutioncu von Haiti, Venezuela, Kolumbien u. s. w. 
mit man darf sagen Horgenroller Aufmerksamkeit ver- 
folgt. Ks war dem Verfasser, dank dem Kiitgegen- 
kommen des Keichs- Marineamtes und der Hamburg- 
Aiuerika-Linie, vergönnt, im Frühjahr vorigen Jahres eine 
Studienreise nach WesCiudieu auszuführen, welche ihn in 
schneller Folge hintereinander, aber noch unter günstig- 
sten Umstünden, über St. Thomas nach verschiedenen 
Plätzen von Puerto Rico, Santo Domingo, Haiti, Venezuela 
und Trinidad gebracht hat. Im Vergleich mit früheren in 
verschiedenen Teilen der Erde gewouueiuiu Anschauungen 
ist dabei dem Verfasser sozusagen eine ganz neue Welt 
aufgeguugen, uud es aei hiervon einiges berichtet, zumal 
die Revolution in Domingo in ihrem Ende, diejenige von 
Veuezuela mitten in ihrem Verlaufe und die Revolution 
von Haiti in ihren Anfängen beobachtet werden konnte. 

') Die durch den Verein für Krdkunde zu Leipzig erfolgte 
Kn1»endung eine« solch* hervorragenden Hachkenner« «de 
Prof. 8apper nach WoNtindiuu zum Studium der dortigen 
vulkanischen Ausbrüche und Krdbeben ist dafür BeWei* 
genug; lK*kaimUich haben auch Fraukreieb, Kugtand und Nord- 
amerika wisNennchaftliche Expeditionen entsandt. — Der Ver* 
fatner dieser Zeilen ist nur setdis Tage nach dem Untergänge 
St. PterreN in etwa SüOkm Entfernung westlich von Marti- 
nuiue auf der Reise zwischen Port of Spain und 8t. Thomas 
entlang gefahren, konnte aber aus inneren und äufsercu 
Gründen diesen Vorgängen leider keine weitere Aufmerksam- 
keit widmen, über die im Mai v. J. im Karibischen Meere 
beubaebteten und als Folg« der ErupUoneu zu deutenden 
auffäUtgen AbenddämmeroDgen vergl. man u. a. Annalen der 
Hydrographie 1902, R. 430, 43ß und ^tenn. Qoograph. Mitteü. 
1902, Juniheft. 



Dats bei einem so vorübergehenden Aufenthalte, wi« 
dem]ouigun des Verfassers, die Schilderungen subjektiv 
gefärbt sein müssen, dats sie mit den Ergebnissen der 
durch viele Monate hindurch fortgeseizieii und wieder- 
holteu Forschungsreisen von Prof. Siever« u. a. m. 
Dicht verglichen werden dürfen, ist selb.^tverständlioh. 



1. Domingo. 

Was zuerst die Kreolenrepuhlik Santo Domingo 
an der Süd- uud Ostküst« Haitis oder llispaniola.s an- 
langt, so ist sie von deu drei KepubUken augenblicklich 
bei weitem die erträglichste; sie hat sogar eine ver- 
hältnismäßig lauge Periode der Ruhe uud Jlntwickelung 
hinter sieb, und die jüngste Revolution im April 1902 
kam so plötzlich und verlief so schuell, daß nachhaltige 
Schädigung kaum in Fn^e steht Ke war die reine 
Komöilie. Präsident Jimenea, der früher in Hamburg 
längere Zeit bebufs kaufmänuiseber Ausbildung tbatig 
gewesen war, wurde von zwei (ieneralen, Horacio Vasquez 
uud Kamöu Cäoeres, um 1. Mai fortgejagt, einen Tag 
nach des Verfassers Abreise von Domingo City. Schon 
in Sau Pedro de Macoris im Osten von Domingo City 
lief in den letzten Tagen des April jedermann bis herab 
zu den 14- bis 15 jährigen Bengeln mit Gewehren und 
Messern, und in der Hauptstadt kuuute man am 30. den 
Kanonendonner hören, als die Aufständischen den Über- 
gang über den Ozamaflufs erzwangen, zwei Stunden 
Weges entfernt. Viele Geschäfte waren geschloi^sen, die 
Straßen fast ausgestorben; jüngere männliche Personen 
hielten sich aus Furcht, geprefst zu werden, versteckt. 

Jimenea hatte nur etwa 700 Mann Soldaten zur Ver- 
fügung uud hatte keine Zeit gefunden, aus den größeren 
MÜitärposten die Leute heranzuzieben — unser Dampfer 
„Croatia“ sollte dies noch in letzter Stunde thiin, aber 
die Sache zerschlug sich — , zum allgemeinen Glück; 
denn damit vollzog nich das Ende der Umwälzung 
vergleichNWotHe friedlich uud unblutig. Immerhin erhielt 
man hier den ersten Vorgeschmack von der Unruhe, 

Aufregung und lahmenden, demoralisierenden Wirkung 
solcher Gewaltstreiche. 

_ igilized by Goo^Ic 



G)«Ui« l.XXXIIt. Nr. b. 



70 



8cliott: |{r4>1)avhtuDft«;u ü. Stndien in den Hevr>lutionfl(r6^>ict^n vr»n r>r»D)ingo. Haiti ti. Veneauela. 





Abb. 1. Domlnfo CItj. Ha» Fort mit dem t'ulDinbaKtiimi, Tom Ozamaflafit 
flOH geneheD. 



[>ie (leutticbiru lutcrei^scu hiud im Staate Huiitiugo, 
vurglirhen mit denen in Haiti und Venezuela, nn> un- 
bedeutend.sten. Un» llau|jige>«chäft konzentriert :<ich, 
Nebr zum Scbudeu de» Imudea — wie überall, wo die 
Hlüte eines Staate» oder einer Kolooiu von einem 
l’MKlukte abhängig geworden ist — , auf oiii iVodukt» 
auf <len Hobrzucker, de»»en Au»fubi* ausscblierxliob 
nach New York mittel» einer <iirekien amerikanischen 
Hampferlinio erfolgt. Naob Heutschlund kamen im 
Jubru L90I mir für 6 MiHioneu Mark (ülter, nämlicb 
etw^is Kaffee (ÜOOOQO Mk.), Kakao (2,2 Millionen Mark) 
u. a. Ul.; <ler ganze Wareiiuuniatz mit Heutacbland (IiU' 
unii Kxport gerechnet) belief »ich auf die relativ gering- 
fügige Summe von rund 10 Millionen Mark. Aber der 
üandel ist, dies i«t du" M’icbtige, im eiitscbiedeneii Auf- 
schwiinge begrifTen, indem er in den letzten fünf Jahren 
um 2T) l'roz. gri'dser geworden ist; dagegen hat der 
Handel sowohl mit Haiti wie mit Venezuela infolge 
der noch zu hoschreibendeu Mifs* 
wirtiH'haft in Jenen Kepiiblikeii 
abgenoiiiiiien. Hier in Homingo 
ist die Situation noch leidlich 
gut, was nicht zuletzt darauf 
zurückzufnhren ist. dafs hier die 
Kreolen, abo die im Lande ge- 
borenen Nachkömmlinge der seit 
des t'olumbus' /eiten eiiigewau- 
derten Spuiiicr, <üe lierrsrhende 
Klasse bilden und niebt etwa, 
wie in dem Nachbarraubstaato 
Haiti, die sogeiiauiiten „freien** 

N’eg'er. I nter den clominikuni- 
sehen Kreolen trifft man hoch- 
gebildete I^i’Ute, welche z. H. 
ffiefseiid deutsch sprechtm und 
ein aufrichtiges, iiefergehendes 
Interesse für die Krinnerung.»- 
denkniäler an di« greif»»» Vergan- 
genheit und für die Hlüte des 
Imndes in der Zukunft bekunden. 

Hie alten hist4>riBcheu Kriiiue- 
riingeii Idlden ül>erhaupt für den 
Fr»*m<len den Hanptanziehungs- 



puukt in Homingo ('ity. .\uf der 
Ileedo weit dniufseii fällt schon 
der sogenannte ('ohimbuKturm 
(Abb. 1) in das .\uge, innerhalb 
eines Forts am rechten l'fer des 
Ozuiuaffusses von dem l'mtdecker 
der neuen M’elt selbst an der 
Stelle erbaut, wo der Flufa sich 
in das Meer ergiefst, und wo west- 
lich und östlich von der ISIünduiig 
die meist schwere Brandung an 
dem unterhöhlten, hohen, porösen 
Katkhteinge.stade jede Imnduug 
grölsurcr Menscheninassen iin- 
milglieh macht. Seiner Zeit hat 
daher dies ( olumbusfort den Zu- 
gang zur Stadt von der Seeseitc 
vollkommen beherrscht. AVie 
wundelbur gerade hier des 
Schicksals I^iune gespitdt hat, ist 
bekannt: 1498 war die Stadt 
Homingo von ColumbuB auf 
»einer dritten Reise, sechs Jahre 
nach der Kiitdockung der Insel, 
gegründet worden, und zwei 
Jahre später, 1500, wurde Co- 
lumhiis, ob.schou .Vdiniral und königlicher S(atthalt4*r. vom 
»panischen Kommissur Bol>adilln in eben diesem Turm 
für mehrere Monate gefangen gesetzt. Von 1502bi»15Ü9 
bat der zweite Statthalter Hispaniolas, Nicolas Ovando, in 
Homingo geberrachi. A'ou 1509 bis l:’>14 hielt Hiego 
(’olumhus, der älteste Sohn des Kntdeckers. unter hält- 
faltung liesonders grofseu Glanzes und Aufwandes Hof; 
eine mächtige Kuine »uinea INtlnsten mit schönen Thoren 
steht noch in unmittelbarer Nähe der Laadungsatelle am 
Flusse. ln diesen Jahren 1508 bi» 1538 entstanden 
auch die grofsen Kirchen, die Kathedrale; eine noch in 
Ruinen herrliche Itominikanerkirche im nördlichen Stadt- 
teil ist l.'<42 durch ein Krdbeben zerstört worden. -Auf 
den unendlichen Streit, ob die in pomjHiser Umrahmung 
nuf Onyxsäuien aufgestuilte Kisenkiste in der Kathedrale 
wirklich je die (iebeinc des grofsen (’olumbus enthalten 
hat oder noch enthält, lohnt es nicht eiiizugeben. 

Hio gornd(»zu gewaltige, ma.sBive Stadtmauer ist an 



Abb. 2. Strafsenhilil an» Kap Haitlen. 



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Schott: BeobaohtoagAQ a. Studteo io deo Rcrolutioncgabietcn ron Domingo, Haiti n. Venexiiela. 71 



duQ luuütcD Stellen Buhr wob) erhalten; die Stadt macht 
in den meisten Teilen dnrchaua den Kindruck einer 
Holiden, HpaniMchen Stadl; diu IläuHpr, ganz aus Steinen 
erbaut, sind meist in ordentlichem ZuHtaude, der Gegon- 
aatz zu den Tausenden von Trümmersttttten in den 
baitianiacben Platzen und auch zu den elenden Lehm* 
lidtten einea grofseu Teiles der veuezoianiacbeii Me- 
Tölkerung ist ein gewaltiger. Darüber mufa mau 
natürlich biuwegaehen, data die aufgudunseiien Kadaver 
von krepierten Hunden auf der Strafe im Sunueiibruiide 
liegen bleiben, und über den Kleischmarkt gelie man 
lieber auch nicht, wenn man sich den Appetit nicht I 
verderben will. , 

Allüberall, trotz den muderneii Leuebtturmea, einer I 
teilweiaen elektrischen Strafsenbeloiichtuiig, führen die l 
alt^paniscben Krinnerungen eine eindringliche Sprache | 
von der V'ergänglichkeit aller Macht. Im ('olumbusfort 
an der Stelle, wo man die schönste .\uBBicht hat, nach 
Westen auf die Sta<jt, nach Süden auf die Karibische 
S«o, nach Osten über den Klufa und über diu nickenden 
Wipfel eines KokospalmwaldcH hinweg auf die Zucker- 
plantagen, liegen Dutzende von 
mächtigen, aber ganz vorrosteteu 
Schiffsknnonenrohren ältesten Da- 
tums: wenn sie erzählen konnten! 

Während die kleine Revolution 
in Domingo u]h reine Komörlin mit 
Fug und Hecht noch bezeichnet 
werden konnte, liegen in Haiti 
die Dinge wesentlich »rnater. Hier 
wird eine Trugikomüdiu, diu 
offenbar noch nicht ganz zu Knde 
ist, aufgefuhrt; um sic zu ver- 
stehen. mufs mau die hhiUtehung 
<ler Xegerrepublik kurz be- 
trachten. 

2. IluitL 

Die beiden Republiken l>o- 
mingo und Haiti halben nur wenig 
gemoinsiim; durch Tradition, Re- 
vülkeruDg, Sprache und llildung 
sind vieluiehr fast unüberbrück- 
bnn* Gegensätze gesebuffeu. Reich- 
lich hundert Jahre lang, von 
rund 1500 bis U>00, war die 
ganze Insel liispaniola in dem 
alleinigen Ilesitze Spaniens; aber sie wurde bald gegen- 
über anderen Kulonieen gänzlich vernuchlflsaigt, verwahr- 
lost und aiitBer acht gelassen. So konnte es ge- 
.scheben , daffl seit 1630 die Franzosen sich im ganzem 
westlichen Teil der Insel feaUutzten, und flchlielslich eine 
blühende Kolonie Frankreichs entstand, diu 1597 von 
S|Minien anerkannt werden mulste. Rund 100 Jahre 
dauerte wiciler die Blüte dieses frauz/isischeu lluiti, von 
1700 bis IHÜO; aber freilich beruhte sio ausachliefsllch 
auf der Grundlage rücksicbtsluscster Negersklaverei. 
.\uf den grotseu Zuckerplantagen verfügten die Herren j 
unangefochten über T«>d und Leben der Sklaven; sie 
lebten seihst auf dun üppigsten VUleusitzen in raffiniertem 
Luxus, während die Sklaven kaum hatten, ihre Blötse 
zu bedecken; dies iat die Zeit, für welche Haiti in Kurupu 
ala das Kden Frankreichs geschildert wini. (’ni 1790 
zählte mnn im franzrotischeii Teil eine hallte Million 
Negerskbiveu, im dominiktmischen. ul^o spanischen Teil 
der Insch der kümmerlich exiatierte. imr etwa 15000. 

Die französische Revolution brachte auch auf Haiti 
den l'msturz; diu geknechteten Schwarzen erhoben sich | 
und nacb gran»<umeu Kämpfen wurde 1H04 die rniib- | 



I hängigkeit und Herrschaft der schwarzen Hasae pro- 
) kininiert. Die Weifsen, von jeher in der Minderzahl, 
waren ermordet oder geflohen, die indianische l'r- 
hevölkeriing war ja schon seit über 200 Jahren so gut 
wie uufgeriebeu. So erklärt »ich das Vorhamlertsein 
einer Republik, die fast ausscbliefslich von den Nach- 
kommen früherer afrikanischer Neger bewohnt und be- 
herrscht winl. Diifa diu Kreolen in der Xacbbarrepnblik 
Domingo hD Nachkommen der Spanier nirhta von der 
Negerbande in Haiti wis.sen wollen, ist verständlich; in 
Domingo wird nur apatiiacb gesprochen, in Haiti ein 
verdorbenes Französisch. Der rnahbängigkeitskrieg von 
Haiti hat Güter im Werte von Hunderten von Millionen 
vernichtet, Haiti wurde eine Wüstenei und hat »ich 
unter der I^tterwirtachnft der Neger nie wieder erholt, 
auch heute tiiich 100 .fahren iMH'h nicht; es gerät viel- 
mehr immer tiefer in den Sumpf kultureller, moralischer 
I Verkommenheit. llaarHträuhende Mitteilungen hierüber, 

I diu leider Gottes wahr und tiiclii einmal übertrieben 
sind, werden jetzt ans Anlafs iler neuen Revolution viel- 
I fach von den Tageszeitungen gebracht. 



Dem bisherigen Präsidenten Theresias Simon Sani 
war der Boden Haitis zu heif» gewordeu: obscliuii seine 
Amt'<zeit noch nicht abgelaufcii war, verliefs er, wenige 
Tage vor des Wrla.sser» Ankunft in Haiti, auf dem 
französischen l*ostdampfer das I,Jiml und hat sich nach 
Paris begebeu. Beinah© wäre er und da» Geld, da» er 
zweifellos hat mitgehen heifsen, eine Beute des Ozeans 
gewonieii, da der Ihiuipfur in einem westindischen Orkan 
dem Untergang nahe gekommen int. Unmittelbar da- 
nach, nl.Ho etwa um die Mitte Mai. hegiinnen verschiedene 
Geimralu um den erledigten Präsideiitun|He>tcn »ich zu 
raufen; der .Vusgang kann uns, soweit die Persönlich- 
keiten als .»olche in Frage kommen, vollkomnieti gleich- 
gültig »ein. ln Kap Haitien, dein bedeutendsten Handels- 
platz der Republik nach der Hauptstadt Port au Princu, 
kamen Knde Mai <lie ersten Unruhen vor; Morde, will- 
kürliche Krscbiefsuiigen waren an der Tagesordnung, 
ln Fort Liberte t»o nmgetauft au» Fort Dauphin -eit 
der „Befreiung“), wo Verfasser sich am längsten auf- 
gehalten hat, blich damals noch alles friedlich, wenn- 
schon uralte Kanonen mitlun auf die Striifsen geschafl't 
wurden und der Kuropaer abend» von den vaga- 



"nr— 




Abb. 3. Blick auf die Stadt Kap Haltien von dem Ankerplatz aus. 



r 



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Sehott: Beoba4htung«it u. Studien iu den KovolutiuiiiK«bi«teD von Oomingo, Haiti u. Venuzuol». 



bondierenden Soldaten belftstigt wurde. — Charakte- 
ristisch für die haitiaoizcben Plfitze iat der geradezu 
unsagbare Zuntaiid der H&uaer; mau siebt foat ebenso 
viele Rainen wie bewohnte Häuser in den Straften. Kap 
Haitien ist nun allerdings 1842^ genau am Tage de» 
grofsen Hamburger Brandes, durch ein Krdbebeu zerstört 
worden, wobei etwa 1000 Menschen ihr I^Wn ein- 
büCsteii; aber auch anderwärts, wo kein solch ele- 
mentares Kreignis Trümmer geschaffen hat, wechseln in 
<len öden Strafaenreihen Ruinen überall ab mit elenden 
Holzbaracken. T>er haitianische Neger ist viel zu faul, 
ein Haus auszubessem*, daher sind die alten französischen 
Steinbauteu überall, soweit sie nicht im Befruiungakriege 
zerstört und verbranut wurden, im Laufe der Zeit ver- 
fallen, verlassen, und „des HimmeU Wolken schauen hoch 
hinein^. Unkraut-, tropische Schlingpflanzen, Bananen- 
gebüsch, hier und da eine Kokospalme verdecken den 
schlimmsten Teil der Schuttmassen mitleidsvoll (.\bb. 2K 
Das Pflaster ist ebenso entsctzliuh wo es überhaupt 
vorhanden ist — , wie der auf ihm Hegende Schmutz 
grofs ist; selbst in einem Platz wie Furt Liberty, einem 
bedeutenden Ausfuhrort für Blauholz, giebt en keine 
Strafseubeleiicbtung, und abends liegen gegebenenfalls 
Neger, Hunde und Schweine neben- und durcheinander 
an der Strafse. Liherte, mit zahlreichen alten, aber 
natürlich zerfallenen Befestigungen, ist an einer grofsen 
Lagune gelegen, welche Hunderte von Schiffen auf- 
nehmen könnte und jedenfalls nächst der grofsen Samanä- 
bttcht den prachtvollsten Naturhafen der In'iel bildet, 
w'enn auch der Zugang zur liagime infolge vorgelagerter 
Korallenriffe recht eng und nicht ungefährlich ist. Kap 
Haitien liegt malerisch am Abhänge hoher (lebirge, 
ehenfalls an der Nordküste (Abb. 3). Hier in die.sen 
Gegenden mufs auch Isabclla gestanden haben, die erste 
von Uolunibus gegründete Hauptstadt Hispaniolas, welche 
aber wegen Fieber bald verlas-seii werden moTste und 
durch Homingo 1498 ersetzt wurde. 

Das Land ist, wenn es auch noch wieder ent- 
wickelungsfähig sein mag. heutzutage nicht solch 
Paradies durch natürliche Vegetation oder Bebauung, 
wie man nach den Schilderungen früherer Zeiten er- 
warten könnte. Ungeheure Strecken liegen brach; wir 
sind stundenweit geritten, ohne etwiu« andere« als dürre, 
tuimuvenartige Gevtränefaer, Agaven und Kakteen zu 
treffen. Der poröse Kalkstein, aus dem die Insel zu fünf 
.\chtel besteht, verlangt sorgfältige Bewässerung und Pflege 
der Ackerkrutiio; <lavon ist aber nicht die Rede. Hin 
Plantagenland wie Java, Sumatra u. s. w. ist die Insel 
im cniremteHten nicht. In der feuchten Zone der Küsten- 
striche winl Zuckerrohr gebaut, abfn* unvollkommen 
ausgeuntzt; in den trockenen bJjenen überwiegen die 
Akazien, Kakteen, hier wird etwas Baumwolle gepflanzt 
und Blauholz geschlagen. In den höheren Tbälcrn mit 
gemäCsigter Temperatur findet man Kaffee, aber seine 
Aufbereitung ist meistens sehr schlecht, »o dafs die 
Qualität fast alles zu wünschen übrig lAfst. ist eben 
alle» ohne .\u»nahme verwahrIo»t. Dazt» kommt, dals 
der haitianische Neger immer iu einzeln stehenden, weit 
verstreuten Hütten a\if dem Lande lebt; von den paar 
>tädten abgcMehou, giebt es kaum irgendwelche ge- 



schlossenen Dörfer. Die oinzcluo Familie lebt stumpf- 
sinnig mit ihrem halbverhungerten Vieh zusammen in 
den Tag hinein; eine wenn auch mäfsige .\rl>eitsteUang. 
wie sie aebun durch kleine Gemeinden gewährleistet wird, 
fehlt im grötsten Teile de» Lande» völlig. Damit ent- 
fällt auch jeder Wegebau; kurzum, alles macht einen 
öden, traurigen Eindruck. 

Setzt man den Handelsumsatz, den Deotsohland 
1897, also vor fünf Jahren, mit Haiti hatte =r 100, so 
beträgt er heute nur noch 42 Proz.; dies ist der 
sprechendste Beweis für den unerhörten Rückgang aller 
Verhältnisse. Dabei ist nicht utwu nur unser HandeU- 
auteü ul» solcher gesunken, im üef^uteil, Deutschland 
»teht an der ersten Stelle unter allen mit dieser Neger- 
republik in Handelsverkehr befindlichen Nationen. l)er 
Rückgang ist eben infolge der unbeschreiblichen Mil-s- 
wirtsebaft ein allgemeiner. Unsere Interessen werden, 
soweit der Wert des Im- und Exportes iu Frage kommt, 
11 MUlionen Mark augenblicklich nicht übersobreitöu; 
davon kommen 9 Millionen auf Einfuhr, nur etwa 
l Million auf die Ausfuhr, was für den niedrigen KuUur- 
zuHtand des Lundes »ehr charakteristisch ist. Wieviel 
deutsches Kapital aufserdein im Lande angelegt ist, ent- 
zieht sich der Kenntnis dos Vei^fasser»; »ehr erbublichc 
Summen werden es wohl nicht sein. 

SelbHtverstämllich wird der deutsche Kaufmann dort 
von dem Deutschen Reich uach wie vor energisch zu 
schützen sein, wenn es gilt, Willkürakten oder Drücke- 
bergoreion der Neger entgegenzutreton; es ist dies ja 
auch wiederholt, so 1872, 1896 und kürzlich wieiler 
im vorigen Jahre, geschehen. Im übrigen, möchte man 
glauben, kann Haiti samt Domingo, also die ganze 
Insel, dentseberseiU getrost ihrem Schicksale überlassen 
bleiben. Heute, da Kuba in absehbarer Zeit auch formell 
in aiucrikanisehem Besitz »ein wird, Puerto Rico bereit» 
in faktischem Besitz der Vereinigten Staaten ist, kann 
ja darüber, w'vm llispaniola einst zufälit, ein Zweifel 
nicht mehr bestehen, auch ohne die jüngsten Reden de» 
amerikanischen PrAsidenteu. Noch vor 10 bis 12 Jahren 
wäre es vielleicht möglich gewesen, gclf^entlich der 
Flottendemonstrationeu eiueu Hafen dauernd zu besetzen; 
die wundervolle Saroanäbai an der Ostkäste Domingos 
ist wiederholt dazu ausersehen gewesen und hätte mit 
einem Schlage unserer gesamten Position in We»liudieu 
ein underu» .\ussehen gegeben. I.eidor ist es nicht 
80 weit gekommen, und die Sache ist nicht mehr imch- 
zubolen. 

In gauz wesentlichen Punkten venicbie<ien von den 
bisher skizzierten Verhältuissen liegen die Dinge in 
Venezuela. Hier sind die kultureilen und natürlichen Be- 
dingungen andere, hier sind geradezu gewaltige deutsche 
Kapitalien (etwa 200 Mill. Mark nach niedriger Schätzung) 
angelegt, hier, auf dem Küdamerikauischen Festlande, 
liegt endlich auch die politische Situation etwas ander- 
als auf den grofsen Aiitilleu. Die revolutionären Vor- 
gänge in Venezuela erheischen weitgehende Beachtung. 
Die behufs Scbuldeueiutreibung von Deuti<«hland uud 
Plngltimi erklärte Blockade der Kü-«teu hat von neuem 
da-s Augenmerk der gu»ainten politischen Welt auf den 
Orinocostaat hingeleukt. 



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l*rof. W. Siever«: Dua Gebiet zwiechen dem ticeyali und dem Paohitea-Picbi« (Oatperu). 



78 



Das Gebiet zwischen dem Ucayali und dem Pachitea-Pichis (Ostperü). 

Nach (len Reisen des l’ailre Fr. Gabriel 8ala dargestellt 

von Prof. W. SiererK. (rtelNen. 



Auch in Peru hat» namentlich nach Gründung? der 
Geo^ifraphischon GeatdUchaft iu Lima» die Ilitufiifkeit an 
Ucinen der Peruaner in unbekamitere (iebietc ihre» Lau- 
de» sugenommen und die Hegieruiig »cbeint ebenfallü 
ncuerdiiig» elwa» uiuhr für diuM« i^wecke ulirigzu babe». 
I^eider gelangen Berichte nicht Ton allen derartigen Keinen 
nach Kuropa und manch wertTolle Nachricht Aber Peru 
mag daher für un» verlureu gehen. So i»! auch er»t Tor 
kurzem der Bericht eine» Pater» der Barfüfser (PeecalzoK) 
TOD Lima über eine 1896 97 iro Aufträge dur Kegierung 
Peru» Dueb dem Gebiet zwischen Ucayali und Pachltea- 
Piebi» gemachte Kej»e nach Kuropa gekommen, aus 
dti»»vn wertvollen Angaben hier einige Mitteilungen ge- 
macht werden wllen. 

Per Pater Fray Gabriel Sala erhielt im Oktober 1896 
den Auftrag, eine (Expedition zur KrforMhuiig des besten 
Wege» zwiHchen dem Thal von (lianchamayo und einem 
am Alto Ucayali aufzuKUchemlen Hufen zu letten. Kr 
empfing zu dieeent Zweck 1000 Sole.» und legte die Keine 
in der Zeit vom 12. Novemlier 1896 bi» zum 28. März 
1897 zurück. Von Sau Luia de Sbuaru nahe der Mün- 
dung de» Paucartambo in den Pereiie (etwa 10® 20' »üd- 
lich und 7&®20' westlich) zog er über da» Gebirge nach 
dem Rio Azupizn und diesen abwüid» bi» zum Puerto 
Bennudez am Rio ISchi» (etwa 10®20' »üdlich und 74®50' ’ 
wotftlich). Dann fuhr er in Booten dein Piebia und I 
Pachitea, «lowie den Bajo Ucayali hinab bi» Macinea (etwa [ 
8^30' Büdlioh und 74® 10' westlich), weiter den Ucayali [ 
aufwürt» bi» (.'hieotaa (etwa 10*23' «üdiieb und 74® [ 
westlich) und marschierte nun iu 34 Tagen in west»fid- | 
westlicher Richtung über den Gran Pajonal, die (irufse , 
Savanne, nach Sau Luis de Sbuaro zurück. 

Der dariil»er erschienene Reisebericht') ist 198 Seiten 
stark. Kr zerfällt iu einen gröFHeron, die Schilderung 
der Reise und einen kleineren, allgemeine zusammen- } 
fassende Bemerkungen enthaltenden Teil und enthält 
viele, zum Teil sehr primitive, al>er doch auechtuiHohe 
Abbildungen und eine rohe Karte, sowie einige Profü- 
tafeln des zurfickgelegten Wege». Der Bericht ist »cbltchi 
und eiufach und daher glaubwürdig gesobriei>eii. Was 
für die Geographie darin Beiuerken»werte* entbaltffn 
Ut, ziehe ich im folgenden aim. 

Flüsse. Der Rio Piohis kann von San Luis de 
Shnaro au» zur Zeit nur auf einem beschwerlichen NV ege 
über die Cordülere erreicht werden, der in I700m Hohe 
den Pats von t*bunea ropabu ul»ersteigt. liier legte 
1896, 97 der Ingeuieur Grana eine faUrbure Strnfse au. 
Wie weit diese geführt wonlen ist, gebt au» dem Bericht 
nicht genau hervor. Man gelangt zunächst zum Ober- 
lauf de» Palcazu und dunu über einen zweiten 1700 m 
hohen Pafs zum Azupizii, einem Quellfiusse des Piebis. 
Kurz vor dem Puerto Benuudez geht dem Piebis von 
Südosteii «in zweiter Mazarate(|iii, an 

dem der bekannte Puerto 'l'ucker liegt, deu Admiral 
Tucker in den siebziger Jubren des 19. Jabrhiitidert« 
fand. Von Puerto Bermudez an iat der Pichis sclnfTlmr, 
zur Ib'genzeit sogar noch etwa» weiter aufwärts bis 
Aotaiui oder QuiutoHoqui vor dem ZiisainiiienflufH des 
Azupizü und Mazarateqiii. 

') Apuntos do Viajs del K. I*. Fr. Gabriel Haia. Kx|»he 
rucinii (Je h« IU(m Piebi», l*Mchiloa y Alto l'cayali y ile In 
Region dcl Gran INijonal. Lima KtU7. 

Ulobo« LX.XXUl. Nr. b. 



Der Pichis empfängt dann von Südasten den .\na- 
«piiali und den Aporo(|uiali. Dieser letztere kann von 
Kunoos und Balsas bis nahe an seine Quellen im später 
zu erwähnenden Gran Pajonal liefuhrcn werden. Unter- 
halb der Mündung des A{K)r«qniaU liegt der Zusainmen- 
fluTs des PieUis und Palcazu. Hier bat sieh um linken 
Ufer des Palcazu die C'olonia Ambiiia am Puerto Pieroia 
gebildut. Aufser Peruanern kommen auch Detiiscbe vom 
Mairo und ('huchurras häufiger hierher, besonders an 
der Mündung de» Pozuzu in den Palcazu. Am Pozuzu 
liegt bekanntlich die oft erwähnte deutsche Kolonie des 
Tiroler Pfarrer.» Kgg. Auch Leute aus Huäuuoo am 
uboren Huallagu haben um Mairo eine Ansiedelung ge- 
bildet. 

Weiter unten am Pachitea, welchen Namen der Huts 
Picbi» nach der Vereinigung mit dem Palcazu annimmt, 
liegt die .Ansiedelung des Pauliuo Rengife und von Lopez; 
1896 waren viele Kautschuksammler dort tbätig, am 
Abujao allein etwa 1000. Aulserdem befindet sich eine 
lJ4^gua oberhalb der genannten Ansiedelung der Platz 
Lus Banu». Au der Mündung de» Puchitea in den Ucayali 
erhoben »ich int 18. Jahrhundert Mis»iou»gebäude von 
La Flur del Ucayali, von ihnen ist jedoch zur Zeit keine 
Spur mehr vurhatideii. Fier Ucayali wird jetzt von der 
Mündung de» Pachitea ab in den Bajo Ucayali oder 
utiieren und den .Vlto Ucayali oder oberen Kluf» unter- 
schieden. I)er Strom ist trotz seiner Breite für die Schiff- 
fahrt wenig geeignet, weil eraufKorordentlich Rchwauken- 
den Wasserstaud bat; daher ist er für tiefgebeude .Schiffe 
selbst in der Zeit de» lIocbwas.serH nur schwer und nicht 
ohne Gefahr zu befahren, ih'r bekannte Erforweher des 
oberen Ucayali. Carlos Firtnin Fiscarrald (gest. 1898), 
' bestellte daher in Europa besonders gebaute Dampfer 
für die FlufMcbirfahrt. Bald findet mati 6 bruzadu» Wasser, 
bald nur eine, und da» wechselt oft ini Laufe von 24 Stun- 
den. sind also rasch verlaufende plötzliche Schwel- 
luiigen bei Hochfluten vorbundeii. Nach Sala Ui der 
Ucayali vom Cuiuaria (9®4r/ südlich) an eine contiuua 
oorrcutada, 1»e»tän<Uge Strömung, und enthiiit auch viele 
Inseln und Banke, sowio Treibholz in grofser Menge. 
Außerdem kommen nachmittags gefährlicbu Wiriwdwinde 
hinzu, so daU sogar die Dampfer daun die Mitte des 
Ftiisses vermeidHii. Am unteren Orinoco lernte ich ähn- 
liche Wiiidstßfse unter dem Namen Uhubasco kennen. 
Am Ucayali wächst massenhaft die caüa de Guaya- 
quil, das Guayaquil -.^cliiifrohr, oft von 10cm Durch- 
inosser und mit Euiferuungc» von 50 cm von Knoten 
zu Kmiton. Ifie Indiiiner lienutzen e» zur Herstellung 
von Speeren utid Lanzen. AuUerdum aber sind die durch 
die häufigen Nacliflnteii mit Schlick gedüngten Ufer des 
Flusses sehr brauchbar zu IHauzungen, namentlich von 
lUnuiien. 

Die Entfernungen auf den Flüssen sind etwa 
folgende: Vom ]^ierto Uermudez am Pichi» bi» zum 

Puerto Pieroia in Bai»»» drei, in Kanoe» zwei, in 
Lauchas ein Tag; vom Puerto Pieroia bis MacUea fünf, 
in Kanoe» vier, in Laucha» aiidertbalh Tage. Von Macisea 
den Ucayali aufwärts ln» niicot»a (etwa 4 km unterhalb 
der Viielta del Diablo) in Kam»*» zwölf bi» fünfzehn, mit 
Dampfern »ech» bi» acht Tage. >ala berichtet auch einiges 
über die Möglichkeit, vom obermi Ucayali zum Miulre de 
Dios zu gelangen (siebe Geogr. Jahrb. XXII, S. 376 77). 




74 



Prof. W. Sievera: Daa Gebiet swiachen dem Uoayali und dem Paohitea-Pioliia (Oatperü). 



Vüu dem später Ton Viellerobe ala Basis benutzten 
Miiihafrua oder Mi^bahuA, einem Zufluss« des Ucayali, 
braucht luun ^«t ueuu Tag»\ um niitlioob^n an di« Trag- 
stelle zu kommen. Diese ist vier Stunden laug und 
20 m boeb. Dann »ebifit man »ich auf dem Cachpajal 
(nach Viollerobe ('aspaiali) zum Manu «in, anfangs einer 
Quebrada, dann nach fünf Tagen einem bedeutenden 
Fiiisec von einer Breite bis zu 2 Cuadraa, etwa 250 ni. 
Man braucht neun Tage, um bis zum ^radru de I>ioa zu 
kommen, und auf diesem noch secb« weitere bis zur eilten 
bolivianiscbeii Barrnca, Carmu, des Nicola« Suarez und 
Jeaua Koca. Weiter sind noch zwölf Tage bis zur ersten 
„('achuela“ (Stromschnelle, wohl aus dem portugiesi.schen 
(’aeboeiru abgeleitet), Namens b^piTauzu, zurückzulegen, 
also rund 10 Tage von Misbagua bU zu diesem Punkte 
lind das auch noch flufi^abwärts. Umgekehrt wird die 
P'ahrt noch bedeutend lüiigcru Zeit in Anspruch nubmen. 

Das Gubirgslaiid zwischen dem (Jcaynli und i 
dem Bereue bei San Luis und der (irun Pajona). ' 
Zieht man toii Chicotsa gegen den Grau Pa|umil, m> 
benutzt man am besten das Thal des ('hicotsa und Cat- 
singari zum Aufstieg. Die Quellen dieser Bäche liegen 
noch nahe dom Ucayali, kaum 15 km vom Flusse, alter 
bereit« in 1500 m Höhe. l)as Land ist hier etwa 350 m 
hoch, kiesig und trocken, sandig und gelbbraun gefärbt; 
diu Berge sind sehr steil und bestehen aus weichem Sand- 
stein. ln 800 m Höhe liegt die Casa Marino am Rio 
CaUingari. Von hier bis zutn Gran Pajoiial dehnt sich 
ein überaus trockenes, waBseranne« Land au«. Kb be- 
steht aus 1500 bi« IdOOm hohen Ketten aus weir«em 
Sundstein, es scheint mir jedoch wahrscheinlicher, dafs 
hier Kalkstein vorherrBcht, da Sula von grofseu Schlünden, 
in denen «ich das Wasser sammelt, von versiegenden 
FlÜBBun, Trockenbutten und unterirdischen Wasserl&ufen 
rodet. Wuhrflcbulnlicb sind alle die genannten Erschei- 
nungen nichts anderes als Karstphänomene. IH« Vege- 
tation besteht meisten« au« (iebüseb, Baume fehlen, die 
Tierwelt tritt ganz zurück und Indianer giebt ex «o gut 
wiu nicht. Immerhin giebt es Yuca- und AnaiiaspBan- 
zungen und Sala hält das Land für geeignet zum Wein- 
bau. Durch das trockene I^nd ziehen norxlwärt<i der 
Rio Perdido und das grofKc Trockuubeit de« Rio Marina« 
(1200 m). ln 1600 m Höhe liegt die Casa Fiuiruri. 

Der Grau Pojonal ist eine 1500 m hohe, hügelig« 
bis wellige Eben« von 25 km Durcbme«ser zwischen 2tK)<) 
bis 2500 m hohen Gebirgen. Der lÜKlen ist vielfach 
aumprtg, also vermutlich da« Becken eines alten Gebirgs- 
sees, der, wie e« «cheiut, uach Norden entwä««ert wurden 
i«t. Wenigsten« liegen am nordwestlicbcii Ende de« Gran 
Pajoual die Spiegel der Quellbächu dea Apuroquiali und 
pHirini in lOOÜm Hübe. Die Vegetation besteht vor- 
wiegend aus Gra.« und erinnert mit ihren Gamelotales 
.“ehr an die Gegend zwischen (’banchaiuayo und dom Cerro 
de la Snl. Früher war der Pajonai da« Durchzugsland 
für Expeditionen, diu Salz vom Cerro de laSnl nachdem 
l'cayaii brachten; heute kauft man da« Salz von den 
Dampfern auf dem Ucayali. Daher beginnen di« zahi- 
reiclien. den Pajoiml kreuzenden Wege zu verschwinden, 
die Zahl der Bewohner nimmt ab und Salz ist kaum noch 
vorbanden, l' ürdic Zukunft könute aber der Grau Pajonai 
Vieh nach dem Ucayali und (jbaiichamayo liefern, zumal 
da der Aparoqui^i bi« weit aufwärt.« scbiflbar ist. Von 
den im 18. .lahrhunderi auf dem Grau Pajoual vorhan- 
denen Mi^HÜinaren fand Sula keine .'“pur mehr. 

Zwischen dem Gran Pujonal und dem Perenc liegt 
eio sehr schwierig zu kreuzende« Gebirgsland, dessen 
Höhen 1500 bi« 2000. de.-^«en Tbäler 1200 bi« läOOiu 
erivicben. IHe Uasa Luca« zwischen Pairini und Aporo- 
quiali liegt 170U, Capiroinaclii auf der Höbe 17U0, da« 



Haus Mazaratequi 1600, mehrere Übergangsstellen über 
die Höhen 1800m hoch, während die Flutsbetien des 
L'niperiali 1*100, de« Mazaratequi 1220, de« Quimari 
1400, des Auaquiari 1300 m Höhe erreicbeu. IHe nach 
Sala wenigstens am Rio Muzaratequi aus horizontal ge- 
lagertem Sandstein bestehenden Berge «ollen im äufsersten 
Fall 2100 m Höhe erreichen und zahlraicbu Wasserfälle 
tragen. Ihre Gehänge sind meisten« sehr steil, ihre Be- 
steigung sehr schwierig. 

Gegen den Perene zu werden die Höhen geringer, 
die Pafsühergänge fallen auf 1400, die Thal.*u)blen auf 
1200 bis 1000 m. Dur Rio AoUiui oder Antes hat 
1100, der Shuasi 1200, der Huaebuiigari 1100, die Rio« 
Uuatrero und .^lueTriant 1100 m, die Qiiebrada Yuri- 
maqui lUOÜm, der Rio Perene am ZusummcDfluN mit 
dem l'biriqui nur 7O0m Höhe. Die Breite der Flüsse, 
die zuui Perene laufen, beträgt meist 40 bis 50, ihrel'iefe 
* 2 bi« IVj m. Bi« zuui Rio .Sotsbini trifft man noch 
immer Kampa- Indianer, je<loch frie<iliche, ange«iedelte. 
Hier liegt die schöne, vielleuht Kautschuk enthalteudo 
Pampa Ileruiüsa und hier sinkt das Flufsbett desSotshini 
auf 700 in herab. Dagegim ist die Höbe de« Pajonai 
de Metraro nabe San Luis de Sbiiaro 18U0 m, die Höbe 
diese.« Orte.« selbst ist nicht angegeben. 

Kl i m a. Da« Klima de« Ücayali- Picbi« -Pacbitca- 
Gebiete« ist wenig bekannt. Man besitzt nur einige 
Beulmchtuiigen von Chanchaniayo (von Gibbon) und von 
Iquito«. Danach bustebi in Chanchamayo überhaupt 
keine wirkliche Trockenzeit, sondern nur eine Ab- 
scbwächung der Begenzeit in den lilunateu Juni bis Ok- 
tober, also Niederschläge in allen Monaten. In Iquito« 
fallen solche ebenfalls in allen Monaten mit zwei Maximi« 
im März und Dezember, und Abscbwäcbimg der Regen- 
zeit vom Juni bi« ftktol>er mit je unter 200 mm. Karl 
ScbichUd*) giebt eine Kurve für den Gong der Jahres- 
zeiten am Ucayali, wonach der Mai das Maximum der 
Ri'geninenge bezeichnet, der Oktober das .Minimum, wäh- 
rend ferner eine zweite Verringerung im Dezember- Januar 
■Htattfiiidet Ihimit scheinen die kurzen, über fast für 
jeden Reisetag initgeteilten Benbachtungen Salas über- 
einzustimmeu. Der RiHseude hielt sich gerade in der 
zweiten Dezemberhälfb“, vom 12. bis 31. Dezember 1896, 
in Maci«ea am Ucayali auf und berichtet hier von dem 
ihm sehr auffallenden Verauo, der so stark sei. als ob 
man sich im Juli oder .Xiigust, also in den trockensten 
Monaten des Thules von Chauebamayo, befiude. Tag und 
Nacht waren gleicbmäfsig klar und hell, aber der Hufs 
trotzdem hoch, woraus er mit Recht auf Ni('dcr«chläge 
im gebirgigen Qtieilgebiete <!es Ucayali schliefst. Die 
.\bschwüchung der Regenzeit im Dezetnlier gilt also 
offenbar auch fürMacisea (8‘ südlich) und hat vorau»- 
sichtlicfa dieselben Frsaoben wie in Sarayucu; meine« 
Erachtens liegen diese in dem Auffangen der Niwler- 
.“cblüge durch die im Osten vorgelagerten .\udes Cono- 
tuaua«, dein mälsig hoben Höhenzug zwischen dem Ucayali 
einerseits und dcua Yacarana und Jurua anderseits. 

Vergleicht man dazu die Notiz Sala«. daf« die Flüsse 
de« in Rede stehemlHntiebiete«, insbesondere wohl Piebis- 
Paebitea und ihre Nuebbum, oft im Juni, Juli und No- 
vember fast trocken Jagen und der Schiffahrt dann die 
griifsten Hindenu«se berpit«*ten, so kommt man für diese 
Gebiete zu einer Zweiteilung der Regenzeit, die 
somit in die Monate Dezember bi« Mai und .\ugust bis 
Oktober fiele. Diese Einteilung würde freilich der Kurve 
Schichtel« für den Feayali durchaus widersprechen und 
aucli der Angabe Salu«, wonach er am 23. November 
«üdlieh de« ('bivis am Piohis Regen batte, doch ist zu 

*) bchichtel, Der Amazoneuitrom, Strafjiburg 1893. 




I*rof. W. Sievers: Dns Gebiet xwischen dem 



beachtent (la[ü letzterer Ort boreit» um Gebfin^^e der 
Cordillere, nicht allzu «reit von Cbaiichumayo, uli>o nalu* 
dem Gebiet mit Hegen in allen Monafen^Uegt. Auch die 
Temperatur lug in Macisea uach Sala niedrig, nftmlich 
nur 25“ K. = 30® G,, nach unKeror Meinung demnach 
keinuKWcgH niedrig, und der Reiuendu klagt auch aonst 
über die unertrftgUche Hitze im Ucajalithale. 

Je weiter »ich nnn Sabi im Januar vom unteren nach 
dem oberen Ucayali bewegte, um ao «tftrker wurden diu 
Regen. Schon am 6. und 7. Januar fielen Regen in 
Puutijau nördlich Tahuarapa (etwa 10® 25' nüdltch) und 
der Fluts war fortgesetzt hoch. Kbenfalli» batte er vom 
1. bis 25. Januar täglich Regenschauer in der Gegend 
von t'hicoUa, aufi^er am 19., au dem kaum Nebel auf- 
traten. IHese Nebel sind überhaupt bezeichnend für 
alle Flüase dieser Gegond; aie sind hüuCg ao dicht, dafs 
es sich nicht empfiehlt, den Lagerplatz zu verlassen, 
bevor sie sich beben. Vom 27. bis 31. Januar hatte 
•Sala abermals strömenden Kegen und dieser setzte sich 
auch bis in den Februar fort. Auf dem Marsche von 
Ucajali nach dum Gran Pajoual wurde Sala am 24. Fe- 
bruar und am 2. und 4. März durch Hegen belästigt, in 
Hüben von 200, 800 und 1600 m, also ofieubar am Auf- 
stiege zu der ersten höheren Gebirgskette westlich des 
Gcajali. Nach Ülierschreitung dieser gulangto er dagegen 
am 5. bis 6. März beim Abstieg vom Gebirge zum Gran 
Paional augenscheinlich in den Rogenschatten, in ganz 
wasserarmes I>and mit Trockenbetteu. Hio im Mürz 
fallenden Regen sind also wahrscheinlich Steigungsregen 
hei Passat. Dafür »{U'icht auch, daG Sala beim Aufstieg 
vom Gran Pajomd auf die diesen im Westen begrenzen- 
den Herge nahe dem Quellfius.'ie de» Picbi.'i, Mazurat4M]ui, 
wieder am 11., 14. um! 15. 31ärz in 1300 bis IHOOiu 
Höhe >»chwere RegengUs.^e erlebte. Auf dem Rest des 
Weges, also nach Olierquoruiig der Wasserscheide gegen 
den Pureuö, werden dagegen wieder aufaer am 25, März 
keine Niederschläge mehr erwähnt, suiiduru im Gegenteil 
beim Ubiriqui, nahe dem Peruue, klare-s, trockenes Wetter. 

Indianer. Übur dio Indiauer des Pichis, Pachitca 
und Ucajali sind die Bemorkuugen Salami spärlicher, aU 
man hätte erwarten sollen. Am Paebitea sitzen viele 
Kaschibo, luisondcrs an den Quebradas Sbeboja und 
Suugarojacu, sowie an den Quellen des Aguaitia und 
Pisqui, /iiflüsspn des Ucajali. Sie guhun ganz nackt und 
bedecken nur den After mit Haumrinde in Korbform. 
Ihre Rogen nnd Pfeile sind plump, letztere halwn auch 
keine Federn um oberen Pinde. 

In Macisea lernte Sala die Konibo kennen. Es 
waren etwa drcitidg Personen, die für ihre Kinder die 
Taufe bogohrtuu. Die P'rauen trugen am Halse viele 
.'^Ubermünzen, meist braaUisebu und peruanische, die 
Schädel der Kinder zeigten die künstliche Deformation 
mittels Bretterauflagc. Geradlinige Figuren bilden die 
Stammeaahzeiebun, und diese P'iguren kehren auch bei 
allen ihreu Gerätschaften, Töpfen, Schüssuln, Tullern, 
Kanoes und Rudern wieder. Der Häuptling Antonio 
trug eine weifso Hose und einen schwarzen Itock. ,Vuch 
in der Casa Kranquini am Ucajali (etwa unter 10® süd- 
lich) fand Sala druifaig Konibo als Arbeiter derWeifsen. 

In Chicotsa begegnete er füuf Kanoes mit Schipibo 
oder Ghipivo, welche Kautschuk für Cumaria f9” 30' 
südlich) geladen hatten. Sie waren alle am ganzen 
Körper bemalt, die Frauen mi-br als die Minner, uament- 
lieh im Gesiebt, an Brust, Gürtel, Rücken nnd Beinen, 
und zwar in derselben sjminutrischeu Weise wie die 
Konibo und Kaschibo. Kleiduug irgend welcher Art 
tragen sie überhaupt für gewöhnlich nicht, doch pfiugeu 
die Erwachsenen sieb in Gegenwart der Weifsen mit 
Duckuu und Tüchern zu behängen. .Vueh sie ül»en die 



t'eajali und dem Paehitea-Piebis fOitperüV 7 ^ 

l>efonnation des Schädels Wi Neugelmreneii : unter eine 
.\rt Strohkamm, den sie mit Biudfaden zu halUm suchen, 
legen sie ein baumwollenes Kissen, darüber eine Binde; 
so drückHi sie den weichen Schädel ziemlich schmerzlos 
zurück und geben ihm die Form eines Kegels. Als Grund 
für diese Sitte gel>en sie an , dafs auf diese Weise das 
Haar nicht in das Gesicht hinge. 

IHe Kampa de« Gran Pajonal geben fast ganz nackt 
und sind rot Ixmialt. Sie sind stark bewaffnet, meist 
mit Pfeilen und Bugen; über ihre Sitten wird wenig mit- 
geteilt, doch giebt Sala .^prachprubon und beschreibt 
ausführlicher ilire lärmenden und drohenden Begrülsungs- 
zeremonieen. Ihre Zahl ist gering, ihre Wohnart zer- 
streute Hütten zwischen PHaiizungen; infolge des I’m- 
standus, dafs der Gran Pajonal nicht mehr Durchgangs- 
grbiet für die vom Ucajali kommenden, .Salz holenden 
Karawanen ist, nimmt ihre Zahl rasch ab. 

Wirtschaftliches, ln den wenigen Ansiedelungen 
am Ucajali baut man namentlich Bauanen, die auf dem 
vom Flusse überschwemmten, mit Schlick bedeckten 
Niederungen vorzüglich gedeihen, autsurdem Yuka, Mai«, 
Bohnen und Zucker. .Vus letzterem zieht man Brannt- 
wein, Agnardiente und hält überdies Vieh. Während der 
Überschwemmungen kommen die Tiere de« M'aldes, na- 
mentlich Hirsche und Waldhühner an die Ansiedelungen. 
Der Wald liefert Holz für die l>ampfer, vor allem aber 
Kautn;cbuk. Der K n u t sc h n k ba ndel war bereite 
1096 97 ül>erall in Blüte. Am Mairo, PichU, Paohitea 
und den benachbarten Zuflüssen safsen überall Kuut- 
«cbukMummler, und manche neue Posten entstanden auf 
diese Weise, wie der von Paulino Ueiigife am Paebitea 
bei Baüo«. Am Abujao waren 1000 Arbeiter mit dem 
Sammeln d«*a Kautschuks beschäftigt Viele Indianer 
wurden dazu verwendet, an der Uasa P'ranquini am 
Ucajali z. B. fünf Kanous mit Schipibos. Die arrolia 
(ll*;, kg) Kautschuk galt ilamaD in Iqiiitos 20 Soles = 
10 Mark. In Iquitos ist das Ij«beh sehr teuer und schlecht 
ist für die Tafel gesorgt, am oberen Ucajali «iml [.eben«- 
inittul weniger schwer zu erlangen, aber die Preise 
sind hier noch höher. P)ine Arroba Fett kostete, den 
peruanischen Sul zu 2Mk. gerochnut, 30, 50 kg Mehl 36, 
4.5 kg (2 Quintal) Bohuen 2Ü, die Arrolm. Reis 36, ein 
Brut von 30 kg 10, din Plasche Aguardientu etwa 1, die 
Flasche Rotwein 1*’,, die P'lnBchu Uognac in Mi"chahua 0, 
45 kg (1 Quintal) Kaffee in Iquitos 40 Mark. Für ein 
Paar Stiefel liezahlte mau 30, für eine Hose 6, für ein 
fuincs Hemd 10, für ein einfaches 3 Mark. Kino zwei- 
läufige FHute erstand tmm für 80, eine einläufige für 
40, Pulver das Pfund für 6. Munition das Pfund für 
eine WiiicbesterbüchKc aber kostet« 100, 100 Patruiieii 
dazu 12 Mark. In Iquitos batte dio Arroba Salz einen 
Wert von 8, am oberon Ucajali von 14 Mark. Auf dom 
FiscarrahDchen Dampfer „Bermmlcz*' betrug derPassage- 
prois für den Tag 10. Mark in erster, 5 in zweiter Klasse. 

Ganz besonders bedenklich sind aber die Folgen des 
Kautschiikhaiidels. Zwangsweise Wegführung der In- 
dianer, Transport Gefangener in Ketten, das Verspielen 
von Dienstbot«n, rücksichtslose Verdrängnng de« einen 
durch den anderen, Mord, Totschlag und Raub sind nn 
der Tagesordnung und von irgend welcher Verfolgung 
der Verbrecher ist keine Rede. Diese schauerlichen Zu- 
stäudu finden denn auch ihre Ik-atutiguug ln der neuer- 
dings mehrfach gemeldeten Auflehnung der Indianer 
gegen ihre Peiniger, die Kautschuksanimier. 

Ansiedelungen. IHe Zahl der .Ansiedelungen ist 
gering. Meist sind es nur Kiuzelhütteu zwischen Banaiien- 
pfianzungen oder Niederlassungen der Kautschuksammler, 
wie der Posten von Paiilino Rungife um Pachitea, oder 




7ß 



Da» Nilatauvrerk %'on A»*uan. 



die Cava FerDando FraiH|iiini in ('umaria am Ucajali, 
oder der Hafen (’hi«ea des Kmilio Va^tquez am Ucayali^ 
beide mit Trapicbee, endlich Chicotaa de« Francisco 
Asequi am Ucayali nnd dieColonin Amhina am Pachitea- 
Palcazu. Auf einer Insel unterhalb der Mümlun|< des 
Paebitua in den Ucayali liefen einif^e Hütten der Konibo, 
weiter abwärtn Anaiedelunjren der Kaschilioyaiio. (’a- 
aerioa, gröfsere Anaamtulungen von Häum;rn, «iiid selten; 
dahin gehören die ('olonia Ambina am /ueammennuase 
von Piebia und Palcaxu zum Pachitaa, Ilaüos am Pachitea, 
Santa Maria und da« 15 m hoch über dem Ucayali ge> 
legene Maciaea. Zwineben dem Ucayali und dem Hrun 
Pajonal l^estehen nur auf der kurzen Strecke bU zum 
('aUingari Ansiedelungen, dann folgt in wasserarmem 
I«ande auf eine lauge Strecke ein fast menschenieere« 
Oebiet ohne Pflanzung noch Hütte, ^a selbst ohuu Tiere 
des Walde«. Im Pajonal selbst giebt es nur Hütten oder 



llüttengruppen inmitten von Pflanzungen von Main, Gran, 
Quillu 1111(1 Farnen; viele der Häuser und Pflanzungen 
sind aber wegqp des Kückgange« der iievölkerungszahl 
verlassen. Zwischen dem Pajonal und dem Perene ist 
die Besiedelung wieder geringer, ausgenommen auf der 
Höhe Ton Impiiriheni, die ihr Wasser zum AnaquiaU- 
Piebis sendet, um! in einigen Th&ioni der zum Perene 
laufenden kleinen nördlichen Zuflüsse, wie des Aiiapiari; 
auch auf der aussichtsreichen Höhe von .\purinquiohue 
finden sich Häuser, dann aber erst wieder am Yurina* 
quiflusBü im Pajonal de Metraro. Hier waren 1897 
die Häiim*r englischer Kolonisten von den Indianern 
ausgerunbt und verbrannt, diu Bewohner selbst getötet 
wonlen. Schon auf dem Gran Pajonal hörte Sala von 
den Kampa, dafs der Heros Amachegua den Imlianem 
zur Hülfe berniedurgestiegeu sei und dats diese bei 
Cbancbamayo mit den Weifsen im Kampfe lägen. 



Das Nilstauwerk von Assuan. 



Am 10. Dezember 1902 ist eines der gewaltigsten 
Kulturwerke, da« die moderne Technik gescbaJluu hat, 
seiner Bestimmung übergeben worden ; denn an jenem | 
Tage fügte die Herzogin von Uonnaught in Gegenwart i 
des Kbedive, des diplomatischen Korps und einer grofseu | 
Zahl geladener und ungeladener tiaste den letzten Stein- | 



[ werke sind noch zu vervollstindigen, aber die ganze 
Kinrichtung steht bereit» so fest geschlossen da, dafs sie 
sofort ihru Aufgalie erfüllen kann und erfüllen wird; 
wir glauben daher, ihr hier einige Bemerkungen widmen 
zu sollen. 

Nach menschlichem Krmusseii wird wohl keine Technik 




Abh. 1. Der Staudamm von Assnan) IS Monate vor seiner Totlendang. 

Oie Photographie Ut wältrcD'1 der SonoeniiaKtemira vom 11. November 1901 uufgeiiommen. 



block in den riesigen Damm, den die ägyptische Kegie- 
rung oberhalb der Stadt Assuan nnd im .\ugesicht der 
Tempel von Pbilä quer durch den ersten Katarakt des 
alten Vater KU hat führen lassen. Ks ist ein Bau fast 
so riesig und imponierend vielleicht wie die stolzusien 
Denkmäler aus grauer Hgypti«cher Vorzeit, die Pyramiden, 
aber seine Bedeutung liegt natürlich auf einem ganz 
anderen Gebiet: es ist oin Werk grofsartigster, prakti- 
scher Uaudeskultur, ein Werk, das seinen Segen bis in 
alle Kanäle und Wassergräben, bis in jedes Kildörfcheii 
hinein ausstrahlen lassen wtni. Die« und jenes ist noch 
an dem Staudamm von .Aesuati zu thun, einzelne Keben- 



der Welt je im »taiide sein, diu wüsten sandigen oder 
steinigen Teile .Ägyptens in fruchtbare Ackerfeldur zu 
verwandeln; allein darauf kommt e» auch nicht an. Kr- 
wünsrbt und erreichbar ist nur, dafs der schmale Streifen 
kulturfähigeii Landes zu iH^iden Seiten des Stromu«, dafs 
seine .-Vuswuituugeii und das Delta produktiver werden, 
als sie es heute mangels einer stets ausreichenden Wasser- 
meugu sind, dafs also der von den regelmäfsigen Über- 
Bchwemuiungon abgesclztu bufruchtuude Nilschlamm 
ulierali dort zur Verfügung steht, wo er Gutes stiften 
kuuute. Bisher war das nicht der Fall trotz mancher 
kostspieligen .-Inlagen. Im .Altertum sind Reservoirs und 

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!)•■ Nilstaawerk von Aibubd. 



TJ 



SobleiiHenwerke vorhanden gewesen, die uit HiÜfe des 
in der heutigen IjandsrhaFt Kayuin Hegenden MörtHaeeii 
Unterägypteii ausgiebig bewässerten, und nach einer He> 
rechnung, die eich freilich schwer narhprüfen lAfst, soll 
man dort 1 1 800 Millionen Kubikmeter Waseer, also fast 
»wölfniHl mehr als heute bei Assuan, haben aiifspeicbern 



breite durcheetsenden Standamm, sondern an ein System 
von kleineren Dftmmen zwischen denl'furn und den dort 
im Strome liegenden vier FebeninBeln. Vier Jahre hin- 
durch währten die Vorstudien und blrwägiingen, ohne 
dafs merkwQrdigurweise Zeit und Geld für eine gründ- 
liche rnterauchung der FeUart des Fliirshottes übrig 




Abb. 2. Anfmauern des Staudaumes von Assuan. 



kömieu; jedenfalls aber besteht dieses Wunderwerk der 
alten ägyptischen Ingenieure schon lange nicht mehr. 
Der grutsartigste flau ans jüngeren Tagen ist der unter 
Mehemed Ali von fraiizösiachen Tu<rbnikern errichtete 
Ihimm, der am Scheitel des Deltas quer durch die Arme 
von Rosetta und Damietta geht, at>er er kommt nur einem 
Teile Unierägyptens zu gute. Das neue Werk jedoch 
bat die Aufgabe, die Landeskultur auch Oberägj’ptens, 
MittolägypienK mit dem Fayum und ganz rnterftgyplens 
zu beben, die Uewässomugsarbeit zu erleichtern und zu 
TerbilHgeii; und auch die Nilncbiffahrt, die um ersten 
Katarakt gewöhnlich eine iiubesiegUcbe Schranke fand, 
soll von ihm profitieren. Ileschlounigt wurde die Aus- 
führung des Projektes durch die Krkenntnis, dafs die 
Cl»erscbwemmung>höhe des NUs im Laufe der letzten 
Jahre infolge einer in ganz Ostafrika herrschenden Dürre- 
periode langsam, aber stetig immer weiter zurückging 
und somit eine Wolke ernster Gefahr heraufzu/.iuben 
schien. Wie eine Bestätigung der Ansicht, dafs es höchste 
Zeit war, nimmt sich die Krscheinung aus, dafs gerade 
im letzten Jahre die Überscbwemiiiung sehr schlecht war. 

Der erste, der auf den Gedanken kam, durch einen 
Staudnmni oberhalb Assuan eine radikale Änderung in 
den seitherigen, nicht befriodigeuden Vorb&Utiissen herbei- 
zufQbreu, war — wie wir einem Aufsatz« des Ingenieurs 
Sir Benjamin Baker im „T.uudon Miigazine** entneh- 
men D — der bekannte Sir Samuel White Baker, und 
was dieser vor vierzig Jahren im Auge hatte, das iM jetzt 
genau an der von ihm genannten Stelle aiisgefübrt wor- 
den; denn sie bezeichnet« auch Willcocks, der (’hef- 
ingenieur der ägyptUebou Regierung, auf Grund einer 
vor nun neun Jahren unternommenen Studienreise bis 
noch Wadi Haifa hinauf als die geeignetste, und das 
luiernatiouale Komitee schlofs sich seiner .\uschauung 
1894 an. Allerdings dachte Willcocks damals nicht an 
einen einhoitlicbeii, die ganze sehr l>eträcbtliche Fluts- 

'I l'osere Abbildungen sind diesem Aufsatz elwufalls ent- 
Donunen. 



gewesen wäre, und dieser Umstand führte nachher beim 
Hau zu sehr unangenehmen und kostspieligen Cber- 
rasnhiingen; es stellte sich nämlich heran», dafs derFeU 
an mehreren Stellen bis zu betriiebt lieber Tiefe n^>uge- 
sund“, d. h. brüchig ist, weshalb man genötigt war, die 
Fundamente hier und da bis zu 12 m tiefer zu legen, 
als mau es ursprünglich für erforderlich gehalteu hatte. 

Da die Dicke des Dammes au der Basis beinahe 30 m 
beträgt, so lätst sich leicht ermessen, welch riesige 
Quantitäten von Granitmauerwerk schliefslich mehr ge- 
braucht wurden. LordCromer, den man darauf aufmerk- 
sam gemacht hatte, entschied jedoch, dafs der Damm 
gebaut werden müsse, ganz gleich, wieviel Zeit und Geld 
er koste. Im Februar 1898 sohlofs die Ägyptische Re- 
gierung mit der Firma Sir John Aird u. t'o. den Bau- 
kontrakt und mit der Firma Ransomes und Rapier den 
Vertrag über die Klsenkunsiruktionen ; danach sollt« 
der Staudamm von Assuan Knde 1903 fertig, d. b. be- 
nutzbar sein und zwei Millionen Pfd. Sterl. kosten mit 
Einschlufs der Schiffsschleuse und der Arbeiten zur 
Sicherung der Denkmäler von Philä. In Wirklichkeit 
haben sieb die Konten auf 3340000 Pfd. Sterl. belaufen, 
der Damm selbst aber wurde ein volles Jahr früher fertig, 
als vertrugsmAfsig bedingt war. (Abb. 1.) 

Die Firma John .äird u.CV machte sich nach Unter- 
zeichnung des Kontrakts sofort ans Werk uu<l begann 
damit, in der Nähe der Baustelle ArbeiterbAuser, Bureaus, 
liäden, Lazarette, Kisenbahnen, Muscbinensrhuppuii und 
Ähnliches herzuricht«ii, und noch vorSchlufs des Jahres 
1898 waren Tausende von Kingeboreneii und Hunderte 
von italienischen Grauitmauruni in Tbätigkeit; am 
12. Februar 1899 legte der Herzog von t'onnaught den 
sogen. Gruudsteiu. Ks kam Inti der Arbeit zunächst 
darauf an, die Gewalt der Katarakte zu brechen, die 
zwischen den Stromiuseln brausten. Man legte zu diesem 
Zweck provisorische WAlle aus Bruchsteinen durch drei 
iler Flufsarme, indem mau schwere Blöcke, oft solche bis 
zu 12 Tonnen Gewicht, versenkte; so war der erste Arm 
am 17. Mai 1899 durch einen solchen Steinwall ge- 

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78 



Das Kilitenwerlc von Aainan. 





getichnittene St«ine yorweudet Mai> mufate 
sich daboi aoitweUe sehr beeilen , um vor 
dem Steigen des Nil» zurechtxukummeu« und 
»o wurden oft bi» xu 3600 Tonnen Mauer* 
werk an einem Tage fertiggeKtellt Ktwa 
1 1 000 Arbeiter wurden im Maximum be- 
»cbftftigt, darunter 1000 europäische 
Maurer imd andere Werkleute. 

Wie erwähnt, waren gleichzeitig rer* 
»chiedene andere .\rbeiten auszuführen, 
unter anderem der Schutz der Insel Pbilä 
XU bewirken. Wenn von Dezember bin 
Mai da» von dem Dumm gebildete Reser- 
voir g<‘lüllt ixt, wird Philä stellenweise 
überflutet werden. Die dortigen, aus ver- 
schiedenen Kpooben der ägyptischen Vorzeit 
Htammenden Hauten aber, von denen 
einige sehr gut erhalten sind, und die das 
Ziel zahlloser Touristen bilden, stehen zum 
Teil auf losem, schlammigem und sandigem 
Untergrund, der, wenn er sich mit Wasser 
vollgesogen bat, sich senken und die 
Ruinen gefährden würde. Daher sind alte 
wichtigen Bauwerke, darunter das be- 
kannte Lager Pharaus, entwiKler auf Stabl- 

Ahh. 3. SIdselte des 8taudamnies von Assnaa. 

RecKls itas RcM*rroir. 

schlossen. Die Tiefe betrug dort etwa 9 in und die 
Stromgesefawindigkeit 24 km in der Stunde, ln einem 
anderen Falle half mau sich, indem man gleich ganze 
Kisenbahnwaggous mit Steinblöcken, diu durch Stahltaue 
miteinander verbunden waren, in den Katarakt stürzte. 

Es trat nun aber Hochwasser ein, und die .\rbeiten 
mulsten für dessen Dauer unterbrochen werdcu — auch 
eine abnorme Schwierigkeit, die sich dann auch noch 
wiederholte. Im November 1899 nahm man sie wieder 
auf, und man dämmte 
jetzt im ruhigen Wasser 
oberhalb des ßruchstein- 
walles mit Sandsäcken 
und tüudeichuugon au« 

Kies» die Stellen für die 
Fundamente des eiguiii- 
lichen Dnniiues ab und 
pumpte sie aus. Das war, 
wie Baker sagt, eine auf- 
regende Zeit; denn rann 
konnte uicht wissen . ob 
es gelingen würde, das 
Bett trocken zu legen, 
und ob das Wasser nicht 
durch die Spalten im 
Fels wieder hineinstür- 
zeu und die .Arbeit zer- 
stören würde. Man stellte 
mm deshalb für oitieii 
engen Kanal 24 Stück 
zwölfzöllige Zentrifugal- 
pumpeu in Bereitschaft. 

Ksging aller alles besser, 
als man iHdürchtet batte, 
es konnte gemauert wer- 
den, und der Bau uabiii 
oineti ocbnellen Fort- 
gang. (.\bb. 2.) Im In- 
nuru wurden Bruch- 
steine gelegt, für die 

äuf.seren Teile dagegen Abb. 4. Die SchilTsschlenfte des Dammes von Assnan im Bau. 



träger gebracht oder bis auf den Fel» unter- 
mauert worden. Das war natürlich bei der 
Gebrechlichkeit der Bauwerke, der Brüchig- 
keit des Gesteins und der Unsicherheit des Sandbodens 
eine aufsorordeotlich schwere und gefahrvolle Aufgabe, 
und obwohl sie gelang, bleibt es trotzdem fraglich, ob 
die .Arbeit viel geholfen haben wird. Übrigens war der 
Damm zunächst um ein paar Meter höher projektiert, 
und nur auf den F.inspriicb der gelehrten Welt verstand 
man sich dazu, ihn niedriger zu halten, damit die Insel 
nicht ganz überflutet und die Ruinen rettungslos zerstört 
würden. Man verzichtete damit auf 2* ’j Millionen Kubik- 



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Dm Nilttauwerk von Aisaan. 



79 





Abb. 5. Thor in der 8chifTi»scklea»e von Aii&uaa. 

meter Sümwastsor^ abor uh aiud doch noch iminur über 
1000 Millionen Kubikmeter, die man wird aufspeiebum 
kdnneu. 

Der Damm bst iu :<cuier heutigen Gestalt (Abb. 3) von 
Ufer zu Ufer 1962 m lang, 30 m hoch (von den Fuuda' 
uienteu aus gerechnet etwa 40 m), oben 7, unten 27 m 
breü. Dax Gesamtgewicht des Mauerwerks wird auf aber 
1 Million Tonnen geschfitzt; zum Ver- 
gleich tsei bemerkt, dals das Stein- 
gewicht der Cheopspynimide 7 Mill. 

Tonnen beträgt — aber die alten 
Itaumebster brauchten für sie auch 
viel mehr als fünf Jahre. I>er Hohen* 
unterschied des Wassers o1>erhalb und 
unterhalb des Dammea bemifst sich 
auf 20 m. Zur Hegulierung des Ab- 
Russes dienen 140 untere und 40 
obere Scbleusentboru von je 7 X 2 
bezw. 3,5 X 2 m Ausdehnung; 130 
davon sind nach dem Sioiiev - Roller- 
aystem gebaut« Durch alle Schleusen 
zusammen können 47 5 000 cbm Wa-<ser 
io der Sekunde laufen. 

Am Wpstufer des Nils ist der Damm 
durch eine Scbiffsscbleiise (Abb. 4) 
unterbrochen, die auch von gröfseren 
Dampfern benutzt werden kann und 
ihnen den Weg bis Wadi Haifa (zweiter 
Katarakt) eröRnet. Die Schleuse ver- 
lauft rechtwiukelig zum Damm und 
Hem Ufer jiaralle] und ist durch fünf 



Schlenseuthoru in vier Schleusenkasten geteilt. Die 
Schleusentbore (.\bb. 5) sind 9,7 m breit und bis zu 
20 m hoch. Die Konstruktion weicht von der üblichen 
ganz ah, wie aus der .Vbbildiing hurvorgeht. 

Wenn der Flufs im Steigen begriffen ist, werden alle 
Schleusen des Dammes offen gehalten, und das rote, dicke 
Wasser kann ungehindert hindurch, ohne dats der be- 
’ fruchtende Schlamm abgelagert wird. Nach dem Schwel- 
I len, sobald das Wasser klar geworden und die durch- 
I gehende Wassermenge bis auf 2000 cbm in der Sekunde 
I gefallen ist, worden die Schleusentbore fast alle ge- 
schlossen, so dafs zwischen l>ezeiiiber und Mürz das 
Iteservuir allniäblich gefüllt wird. Zwischen Mai und 
Juli werden sie wieder geöffnet, ]e nach dem Staude des 
Nils und <len Bedürfnissen des (rotrHide1>aues. Der Hoden- 
wert des Gebietes, dem die Anlage zu gute kommt, soll 
sich dadtirch um 400 bis 600 Millionen Mark — matirbe 
sprechen gar von der dop|)eitun Summe! — vergröfsem. 
Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, dafs das Hau- 
kapital sich geradezu glanzeud verzinsen wird. 

Über die sonstigen Finrichtungeii, zu denen der Damm 
von Assuan uutigit', sei folgendes In^merkt: der erwähnte 
alte Diiiinn im Delta ist durch besondere Hülfswebre 
verstärkt wurden, damit dort der Wasserdruck etwas 
gemindert wird. Diese.-* Werk wurde in drei Jahren — 
mit dun Unterbrechungun zur ilochwasserzeit — mit 
einem Kostenaufwand von üOOÜOO Pfd. Storl. von dem 
Major Hruwu, dem Geuerulinspektor für die Hewässerung 
UnterägypteiiH, ausgeführt, der daWi manche neuen und 
für den Techniker interessanten Methoden zur Anwen- 
dung brachte. Das wichtigste Werk jedoch, das eiuu 
grötstmöglicbe Ausnutzung des bei .Assuan aufgespeicher- 
ten Wassers gewährleisten soll, ist der hei Assiut (Siut), 
560 km unterhalb .Assuan, quer durch den Nil gelegte 
Steindamm, der im Winter 1898 von John Aird u. Co. 
begonnen und im Frühjahr 1902 vollendet wurde. Kr 
zeigt kleiuure Dimensionen als der Damm von .Abbuiiu, 
ist 838 m lang und l2,Öm hoch und enthält lll ge- 
wölbte Schleuseuthore von 4,9 X 1,2 m Ausdehnung, die 
nach Bedarf ge^chlossuu worden köuuou. SpeziuU hat 
diese Anlage den Zweck, die Hewässerung Mittelägyptens 
und des Fayums zu verbessern und utwa 121 000 bu neues 
liznd kiilturfähig zu machen, indem sie dem etwas ober- 
halb abgeheudeu ibrahimkunal iiielir Wasser zuführt 
Der eigeuiliohe Damm ruht auf einer 26 in breiten und 



Abb. i(. Schiffsschleuse im Hanniie von .AssInt 



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80 



(T.eult: Singe der Harerui in Deiitsah-Südwestafrika. 



3 m dicken Dnttfonu au:^ Mauerwurk, diu wiiKier einem 
IWt AUH ^uDieiMenien Pfählen aufgesetzi i«it. Die^c 
Pfahle sind In den Sand des FlufshetteM 0 m tief eilige- 
Henkt, Hchliefsen somit da« WaKHer yöllig ah und hindern 
es daran, das Maurrwerk zu unterminieren. Der Knision 
dus Flutsbettes begegnet in»ii durch 20 m lange »ironmuf 
geführte St«*in|)Ackungeii mit Lehmschiag. Der Bau ging 
hier in der Weise vor »ich, dafs man dae Stück des Fluts- 
IwtteN, das während der Saison bearbeitet werden sollte, 
durch Dämme aus Frde und Sandsäcken pinstännte und 
mit einer liutturie von 17 ^wulfzTiIHgen Zentrifugal* 
maschinen das Wasser auspumpte und fernhielk Si« 
hfttb'u auHgereicht, eine Stadt von zwei Millionen Kiii* 
wobneri) mit Wasser su versorgen. Da der Sand stets 
nachzuxtürzpn drohte und ül>er lOOO (Quellen im Fliils* 
bette aufbracheu, mutste man mit fieberhafter Kilo und 
mit allen irgend verfügbaren Kräft4>n arbeiten; durch* 
Nchnittlicb waren im Mai und Juni 1900 täglich 13OO0 
Arbeiter beschäftigt, und Millionen Saudsäcke wur- 
den verbraucht. Auch hier ist an der Westseite eine 
Schiffsschleuse angelegt (Abh. 6). Der Ihrahimkanal 
selbst erhielt einen neuen Regulator mit neun Bugen 
und Schleusen. 

Noch war das Stauwerk von AnKUaii nicht vollendet, 
als die ägyptiHchu Regierung bereits noch weitere Dämme 
projektierte; sie will solche auch zwischen CbartuiD und 
As.simn anlegeu, um den Bauiuwollenhau in die Hube zu 
bringen, für den bis nach Cbartum hinauf ein geeignetes 
Feld vorhanden sein soll, l'iid noch mehr: man hat 
berechnet, data für ganz Ägypten, den Sudan einge* 
schlossen, 3U 10 Milliuncu Kubikmeter Wasser mehr nötig 
wären. 1000 Millionen Kubikmeter liefert das Stauwerk 
von .Assuan; für den Rest will mau die NU>*een, den 
Viktoria-Xyiuisa, den .Mbert-Nyansa und den Tsanasee, 
beranziebeii. Ülior das Wie gehen die Ansichten der 
Ingenieure noch auseinander; aber goütanwird in aWeh* 
barer Zeit wohl doch etwas werden. Hai sich doch Kug* 
land in ijeinem Mitte Dezemlwr vorüIFentüchteu Grenz* 
vertrage mit Mentdik aiisbedungeii, dafs dieser im 
TsanaaiH] keine Hauten ansführen lassen darf, die die 
UewäsMjruiig ÄgyptenM beeinträchtigen könnten; der See 
ist also gewissermaff^eu unter englische KuntruUe gestellt. 
Man niufs für die Tbatkraft und die Freudigkeit der 
Kngläiider, Kapital in ihre Besitzungen zu werfen, wirk* 
lieh Bewunderung hegun; so leicht macht es ihnen keiner 
nach! 



Sängt* der Uereros in Deiitftoh-SndwrHtafrika. 

Voll Lcutimnt a. D. Gentz. 

Die Dichtkunst der Hereros ist eine ziemlich priini* 
tive, howolil, was den Inhalt als auch die Form ihrer 
(iesauge betrißt. Die Melodie ist die Hauptsache. 
Aber auch diese ist, obgleich wohlklingend, doch ein* 
förmig und sich häufig wiederholeud. 

Ks liegt weder ein besonders liufer Sinn, noch ein 
hohur pocti>>cb(T Wert in dieNen Gesängen, welche die 
alltäglichsten Dinge behandeln: Szenen von der Jagd, 
aus der Häuslichkeit und dem täglichen Leben und alles, 
was dein llerer«> merkwürdig oder auffällig erscheint. 
|l;;Kunder.>i alle F.inricbtiingen der Dcutecbcu und diese 
liitzlpreu selbst: Wie die Soldaten reiten und in den 
Oorlog (Krieg) ziehen, und von dem „grofstm Bohr“ (Ka- 
none), das sie n^pr^'t^ben'* Ihsncd; wie der Missionar ge- 
kommen ist und was er erzählt bat; von iler Kisenbahn, 
vom Klavier, dem „grofsen Ka^tou, auf den die Weifsen 
mit den Händen schlagen und Mic^ik machen*^ u. s. w. 

lH*r Vorsänger, gewidnilich ein junger Bursche, singt 



eine Strophe vor, und der aus Weibern und Kindern 
bestehende (’hor singt dieselbe, nach dem Rhythmus des 
Gesanges mit den IläuduR klatschend, nach, zweimal, 
dreimal, oft zehnmal hintereinander, je nachdem sie dem 
Inhalt derselben einen besonderen Nachdruck verleiben 
wollen oder über densellien Freude oder Schadenfreude 
empßuden, oder aber auch wohl der Vorsänger Zeit 
braucht, sich eine neue Strophe zurechtzulegen. E» hao* 
delt sich dabei scheinbar nicht um einen festen Wort- 
laut, noch wouiger um eine bestimmte Reihenfolge der 
einzelnen Strophen. Gewöhnlich ßiebt der Vorsänger 
auch einige improvisierte Stropheu zu Khren des weifsen 
Zuhörers ein. Für einige Platten Tabak sin^n nie be* 
reitwilligHt, soviel man hören will, und man hat genü- 
gend Zeit, sieh den Inhalt einer Strophe während der 
häufigen Wiederholimg derselbim von einem der hollän- 
disch sprechenden Kingeborcueu übersetzen zu lassen. 

Ich will versueben, liier den Inhalt einiger solcher von 
mir gehörter Gesinge als Beispiele wiedenBiigeben. 



Vom Bur Oainbende^). 

«Oamdwnde, beude, bende, Oam-bende, bsmle* — l#- 
ginnt der VurȊDger*). 

,,Oam-beude, bende, beude, Onm-liende. bende* — fällt 
der Chor ein, die Strophe mehrmals wiederholend. 

«Oam-bende ist domm, Oam-Iieiide ist duumi.* — Fp>h- 
lockeiid fällt der Chor ein und wiederholt die Strophe scchs- 
blA siebenmal. 

,Oamd>ende ist üuimn, er hat seine Rinder vorecheukt* 
— Onm>beiide kommt geritten und will seine Rinder wieder 
hallen. 

,l>u hast mir die Rinder sellwt geHCfaenkt* — sagt Sa- 
ronna. 

.Aber es sind meine Rinder’ •— «gt Oam-bende, 

,Ks sind schon muiuor Mutter Rinder gewesen.* 

•OaiU'bvnde ist dumm. Oam-bende ist dumm, Uam*bende 
ist dumm.* 

Oam-Wnde reitet nach Gobalna 

Der Loutuaiit”) a1>or sagt: 

.Solch dummen Rur halte ich noch nie gesehen.* 

Oam-beude sagt: 

.Wenn das so ist, wäre es schon liesser, wenn ich gleich 
tot wäre.* 

.Oani'bende ist dumm, t)am*bende ist dumm.’ 

II. 

Die Deutschen reiteu nach Jomldnde*). 

Sic reiten ununterbrochen, ohne zu schlafen. 

Kin Hohr (Gewehr) halten sie mit und an der Seite ein 
langes Messer (KalHÜ, Seitengewehr). 

Auf dem Kopf trogen sic kleine Kappen (Militärmützeul. 

Sie reiten schnell und <>hue zu schlafen die ganze Nacht 
hindurch. 

Weit ab in dem anderen Land haben sie Krieg gemacht 
mit den Hottentotten. 

Hie haben das «grofse Rohr* sprechen lassen und viele 
Ho<teut4ttteii totgemaeht. 

Hie buben die IIi>ttentotten in die Flucht gejagt und laut 
gejubelt und llurm geschrieen. 

’) £iu Bur, den die KingelMiroiien. die Jedem Eur<»pner, 
den sie kennen lernen, auch sofort einen Nomon beih*g«m, 
.Oam-Iiemle* getauft halten — seinen wirklichen Kamen will 
ich verachweigen , hnti«. als er von einem der gmCsen 
Stores in Windboek gepfändet werden wdlte. all sein Vieh, 
seinen einzigen Benitz, einem Hereroweib Namens Haronna 
.gcerhenkt’ unter der Bt^dingung, dafs sie nach Beendigung 
des Prozesses ihm dasselbe zurnckgeben sollte. Als der Bur 
jedoch später kam und win Vieh zurtickforderte, verweigerte 
das schlaue Weib die Rnckgutte unter der Begründung, dafs 
sie ein Üetwhenk nicht zuriickzugvlwn brauche, wenn sie nicht 
wolle. 

*) Ich gebt* in möglichst treuer Übersetzung den W'ori' 
laut so wied**r, nie ihn mir mein Indnieisrh, eine ilerero- 
frau, in das Hullandische üliertrug. 

■) I>er DistrikU'hef. 

*) Rielfontijti U*i Gobabin. 



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Buob«r*ohftu. 



81 



Danu lind «ie wivder zurack{;eritt«D nach Wmdbo«k und 
•ind nun hierher gekommen. 

Bie sind früher nicht geweeen, der Herrgott hat «le geeaudt- 
Bie koDimen daher, wo der Mond ist. 
f)* «ind noch viel mehr dort, nn kommen immer neue. 
l>ie deuUeben (Soldaten) drillen, wie kleine Kinder 
spielen. 

Wir haben noch nie gesehen ,'dahi grufse Menschen epie* 
len wie Kinder. 

Sie bleiben nicht auf dem Wege, sondern laufen ins 
Feld und auf die Hohen ^). 

Wenn eie zu Ende gerillt haben, dann sagt einer: 

.Der hat’i schlecht gemacht, der wird eingesperrt.* 

m. 

Der Bulle geht hemm und bespringt alle seine Kühe. 
Die lieute streiten sich; die einen sagen: 

.Unser Bulle bespringt mehr." 

*) Beim Exerzieren und Felddienstübeu. 



Die anderen meinen, ihr Bulle bespringt mehr. 

Die Deutschen haben einen Bullen über das grobe Wasser 
gebracht *). 

Kr läuft auch herum und bespringt die Kühe. 

Aber er kann nicht schün schreien, seine Kehle ist zu. 
Und seine Hbmer sind klein und nach vom gebogen 
wie bei einem Behafbock. 

Die Bonne ist unter, und der Bulle hat alle seine Kühe 
besprungen. 

Von der Kisenhahn singen aie, dafs die DeuUeheu 
einen Weg gemacht haben und mit hasensobienen 1>e* 
legt, auf denen die „Fäsenbahn“ läuft. — Sie läuft über 
alle Berge. — Au ihren beiden Seiten »Wist eie Waaser 
heraus. ~ Wenn sie an einen Ort kommt, schreit sie laut. 

— Sie läuft furchtbar schnell und fällt doch nie um. 

— Und jeder fragt: , Wohin läuft sie?“ 

*) Simmenthaler Bullen zur Verbesserung der Zucht. 



Bficherschau. 



Dr. Wllhelui Nedderichi Wirtsebaftsgeographische 
Verhältnisse, Ansiedelungen und Bevölkerungs- 
verteilung imOstfäiischen Hügel- und Tiefland e. 
(Heft S des 14. Bei des der Forschungen zur deutschen 
Landes- und Volkskunde.) Stuttgart, J. Kngelhom, 1902. 

Derartige B<)n(ler<larsU>Uungea rinzolner geographischer 
Abeohnitte, die im wesentlichen auf unmittelbarer Erkundung 
und eigener Anschauung beruhen, müssten wir mit Freud« 
begrülVen, da sie da» Intt^rease für die VerhältnUse des Vater- 
landes erwecken. Auch bezüglich der vorliegenden Arbeit, 
die zweifellos mit Sachkenntnis und anerkennenswertem Fleifs 
verfafst ist, wird dieses in erster Linie der Fall sein, wenu- 
gleich wir zu manchen Einzelheiten unser Einverständnis 
nicht erklären können. Die allgomein« Anordnung des Gan- 
zen ist als zweekmäfsig zu billigen. Nachdem in der Ein- 
leitung die Begrenzung des Gebietes vnrgenommen, wird eine 
Übersicht der geologischen und geograpbUeheit Verhältnisse 
und eine nähere Darstellung der wirtschaftsgeograpbischen 
Verhältnisse und der Bevölkerungsverteilung gegeben, sowie 
die Zusammensetzung und die Verteilung der Bevölkerung in 
den einzelnen Landsebafteo näher ktargclegt, wobei das ost- 
fälische Hügellaud und das Tiefland auseinander gehalten, in 
ersterem aber sodann neun, im zweiten drei geographisch 
ekennzeiebnete Gebietsahschnitte unterachieden werden. .\uf 
iese Weise werden wir zunächst Uber die allgemeinen viel- 
seitigen Verhältnisse des Gebiets zusammenhängend unter- 
richtet und danach wird uns «ine Bebilderung der einzelnen 
Landschaften des Gebiets vorgoffihrt, in welcher der Verfasser 
nicht nur jode einzelne Landschaft, sondern ebernnäfsig auch i 
jnJe einzelne BiHloIung in derselben im speziellen charakte- 
risiert und dabei die KrTungenschaften seiner unifasseDden 
rntersuebuogen au Ort und Stelle aufs beste verwertet. 

Die Aufrollung des Ganzen ist durchaus zu billigen, nicht 
SU aber verschiedene, zum Teil auch wichtige Einzelheiten. 
Dahin gehören die Boroebnungen über die Bevölkerungs- 
dichte für di« verschiedvnou in Frage kunimcndeu geologi- 
schen Formationen, welche in dem Alwchnltt über die Be- 
völkemiigsverteilung und zum Teil auch in dem speziellen 
Teil bei den einzelnen Landsclfaften vorgenommen sind. 
Wie nicht zu verkennen, wurden diese Berechnungen mit 
gtvfser Mühe und Borgfalt durchgefiihrt, ihr Ergebnis kann 
jedoch als ein zutreffendes und zu weiteren Bchlüssen be- 
rechtigendes nicht angesehen werden, weil aus prinzipiellen 
Mängeln in den nachgewiesenen Zahlendaten der in Frage 
gezogne Kintlafs nicht rein oder auch nur annähernd rein 
zur Erscheinung kommen kann und daneben auch dem Zu- 
fall ein vielfach ausschlaggebender Bpietraum bleibt; auf 
dieao'Frnge näher «inzugeben, würde uns hier zu weit führen, i 
wir behalu*n uns dieses für eine lieeondere Arbidt vor. Ferner 
berechnet der Verfasser in dem speziellen Teil vielfach für 
die einzelnen Ortschaften auf Grund der Angaben, welche 
er über die Arbeiten in d(*n verschiedenen gröfsereii <a!or 
auch kleineren Ktablisaeinents, namentlinh industriellen, ein- 
gez4igen hat, das nähere Frozentverhaltnii der Industrie- 
laivölkcnmg, der landwirtschaftlichen Bcvolkening u. s. w. j 
nach einem allgenieiaen scUeinatischcn Grundsatz, ohne dabei j 
die sonstigen Verhältnisse der Ortschaft näher in Hechnuug j 
zu /Iahen. Eine Beih«! dieser Berechnungen wjhl jedem, der 



die wirklichen Verhältnisse der einzelnen Ortschaften näher 
kennt, sofort aD nicht zutreffend in die Augen fallen, and 
dadurch müssen die erzielten Ergebnisse im allgemeinen die 
Zuverlässigkeit und damit ihren Wert verlieren; prinzipiell 
ist dahin zu bemerken, wie einerseits derartige meist nur 
ungefähre Angaben doch wenig geeignet erMcheinen, Berech- 
nungen der fraglichen Art zu Grunde gelegt zu werden, und 
anderseits der Grundsatz der Barechnung sich nur bei gri^fse- 
rou Znhlenmassen, bezüglich deren die nötige Ausgleichung 
gegebou sein kann, anwendbar eru'eist. AU ein besonders 
krassas Beispiel, welches aber keineswegs vereinzelt dasteht, 
heben wir nur heraus, dab B. 113 die beiden Ortschaften 
Linse und Westerbrak als reine Hteinbrecherdörfer mit 100 
Proz. Bteinbruchsarbeitera bezeichnet sind, während Linse 
bei einer Einwohnerschaft von 192 Köpfen eine Feldmark 
von 243 ha 'mit ö grofseu Bauernbesitzungen (20 bis 100 ha), 
li mittlervn Bauern^itzungeo (& bis 20 ha), Skieinen Bauern- 
besitzongen (2 bis 5 ha) und 0 Parzellenbesitzuogen (20 a bis 
2 ha) aufzoweisen hat, Westerbrak bei einer Einwohner^haft 
von 176 Köpfen aber eine Feldmark von 455 ha mit einem 
Grofsgrundl^itz (über 100 hn, Rittergut), 4 mittleren, S kei- 
nen Bauernberitzungen und 9 ParzvUeubesiUungen ; bei der 
Volkszählung 1900 machten die Besitzer der vorbezeiebneten 
Biellen von mehr oder gegen 1 ha nebst den beamteten Per- 
sonen unter Zurechnung lediglich der mit ihnen zu einer 
Wohn- und hauxwirtschaftlichen Gemeinschaft vereinigten 
\ Personen in Linse 134 oder 57,6 Proz. der Gesamtbevölkcrung 
und in Westerbrak 61 oder «33 Proz. der Gesamtbevölkerang 
aus, wobei aber die laudwirtsebaftUeben Tagelöhner mit 
ihren Familien . die in Westerbrak des Rittergutes w^n 
! stärker in Frage kommen, anfser Betracht gelassen und, die 
‘ angeblich ausachlteUliche Bteinbrecherbevölkerung ist damit 
wohl genügend beleuchtet. Neben dem Vorbezeichneten Ün- 
. den sich dann aber iin einzelnen, sowohl was allgemeine Be- 
I trachtungen und Bchlüase, als was Bpezialangaben aolangt, 
mancherlei Ungenauigkaiten und Unrichtigkeiten. Zu ersteren 
‘ rechnen wir die Behauptung 8- 16, dafs in den achtziger 
Jahren des 19. Jahrhunderui d«r Zuckerrübenbau in gröfse- 
rem Mafsstabe für das fragliche Gebiet begonnen habe; von 
den jetzt 75 Zuckerfabriken der Prorinz Hannover (43) und 
des Herzogtums Braunschw-eig (3‘i) bestanden 1377/76 bereits 
56 (27 bezw. 29) und in den Regierungsbezirken Hannover 
und Hitdesbeim, sowie den braunschweigischen Kreisen Braun- 
schweig, Wolfenbüttel, Onndersfaeiin und Holzminden wurden 
1678 insgesamt bereits 22530ha Zuckerrütien angebaut, wel- 
cher .\nbau sich allerdings 1383 auf 37 303 ha und 1900 auf 
5U726ha erhöht hat; es ist mithin im fraglichen Gebiet der 
Zuckerrübenanbau schon in den siebziger Jahren und früher 
in einem gröfseren Mafsstab>.‘ betrieben worden, wenn er auch 
später immer noch ejoon weiteren Aufschwung genommen 
hat. Dnfs die östlichen l^vin/en stellenweise ebenso dicht 
bevölkert sein sollen wie das in Betracht gezc^ene Gebiet 
‘ (6. 17), erscheint gleicherweise aU eine sehr fragwürdige Be- 
hauptung , wenn mau berücksichtigt, dafs die Bevölkcnmgs 
dichte de« letzterun einschliorslicb der gröfseren Btädte auf 
187, ohne solche auf 61 Einwohner für 1 qkm vom Verfa»ser 
berechnet wird, während sich die Einwohnerzahl für 1 qkm 
nur in einem der ,35 Kreise der 1*rovinz Ostpreufsen (Stadt- 



62 



Kleiue Naohriobten. 



krtfia« aufaer Itetracht i;aIaMeu; Bevolkeniiij^abl etDAcbliera- 
lieh der i^fseren StüUit«) auf über 80 bta 100) erbebt, 
desgleichen nur in vier Kretiien der ^5 der Provinz ^Ve8t• 
preuf^cn tMaximtim eiirafi über 100), de«gleicb«Q in einem 
Kreinv der VH der Prtjvinz Pommern (80 bi* öO) und in fünf 
KreiMMt der 40 der Provinz Poaen (Mazimum etwaa iU>erl2o). 
Aue den zahlreichen unrichtigen Spezialangalten sei nur noch 
einiges hervorgehohen. Wenden, Weudeasen und Wendhauseu 
welche B. 92 als am linkon Okerufer angegeben wenleu, Ue* 
gen östlich am rechten Ufer der Oker und gehören überhaupt 
nicht mehr zu dom in Betracht gezogenen OeldoL B. 98 nind 
als itu Jahre 1H04 eröffnet die Bahnen Braunschweig— Meine— 
Iscobnttel und Bruunschwalg — Gifhorn angeführt; es bandelt < 
«ich hier aber um ein and dieaolbe Bahnlinie Braunechweii; — 
Meine — Isenbüttel — Gij^orn; 180.'* ist nicht eine Linie Braun* 
9chweig; -Helmstedt-'Öbisfelde, aondeni nur eine Linie Helm- 
stedt— Obisfeldc eröffnet; die genannten Bahnen berühren 
übrigens das in k'iage stehende Gebiet gar nicht. l>afs in 
Gandersheim 14 Pruz. der Qe^mtbvvöikorung in dorOigarren- 
fahrikation ihren Krworbszweig hnlnui (B. 81), ist unrichtig; 
es besteht dort eine Kilialhibrik, welche 4S ArWUer l>o* 
sehäftigt, daneben giebt es ouoh einige kleine Betri'^bo, die 
mit zwei bis drei Gehfilfon arbeiten; vielleicht liegt eine 
Verwechslung mit Seesen vor. Oer Tabakbau in der Mähe 
Von Gandersheim ist keineswegs j.axusbau (H. 81), sondern 
regelrochtcr Krtragsaubau; die Anbauer bepHauzen aber mit 



Biieksiebt auf die Steuer, um der weniger Weiterungen bie- 
tenden Plächensteuer zu unterliegen, lediglich kleinere Par- 
zellen. Oafs .viele* Handwerker, Kaiifleuti* und Beamte in 
der Stadt liraunschweig einen Spargolanbau auf Pnchtland 
als Nclnjiierwerb botreiKm (8. 188), i»*!. unrichtig, es dürft« 
solches Wohl nur verrinzeli ausnahmsw'eise verkommen; oio 
Spargelanliau von 15 bis 20 Morgen, der als DurchschniU 
hingestellt wird, ist schon ein gröfserer. der gewöhiilieb« 
Anbau der Pächter und kleineren Besitzer vollzieht sich in 
Parzellen von 4 bis 5 Morgen. Eine Zuckerfabrik Osterlinde 
(B. 187) giebt es nicht, gemeint ist die Zuckerfabrik Burg- 
dorf. welche aber auch auf Bui^orfer Feldmark li^L Diese 
Aufzählung van Ungenauigkeiten. welche wir vielleicht noch 
wesenUich erweitern könnten. Ufst aber mit Deutlichkeit 
ersehen, wie schwer et ist, auch ein verhkliuiHmäftig doch 
immer noch basebranktere.« Gebiet selbst auf Grund eigener 
Anschauung und unmittelbarer Ermiuelungeii wirtschaftsgeo- 
graphisch darzusteUcn. Kt ist nach Mafsgabe der Gesaiut- 
arbeit nicht zu bezweifeln , dafs der Verfasser mit grofsem 
Fleifs und i!>orgfaU verfahren itt, trotzdem konnten ihm aber 
zahlreiche Irrtumer unterlaufen. W«»entlich ist dievwi in 
der allgemeinen Behwierigkeit derartiger Darstellungoo, die 
eine grobe Viebeitigkeit vorauasetzen, liegntndet und daher 
mehr der Arbeit an sich als dem Verfasser /.u/.ureebnen. 

Brauufchweig. Dr. F. W. B. Zimmermann. 



Kleine Nachrichten. 

Abdrack nur siH QusU«assir«l>* zo'tsutl. 



— Die Schicksale und die letzten Überreste der 
Karibon auf der Antil loninsel Dominica werden von 
dem Verwalter Hiwkcth Bell in einem amtlJchen Kolonial- 
berichte geschildert. Man welb, wie Knghiuder, Franxoten 
und Spanier gleichtnäbig »ich an der Vernichtniig der InM-l- 
kariben beteiligten und wie diese rasch au Zahl almahmen. 
Im Jahre 1748 wunie Dominica diesen Indianern als neutraler 
Boilon überw'iwen, aber schon 15 Jahro tpnU'r nahmen die 
Kngiümler diulnsvl für sich und ülwrlieboii den Kariben «ine 
292 Acre* grofs« Beaervaiion. Der ganze Btanim toll 1791 
mK?h aus 20 bis 90 Familien bestanden haben; der Geschmack 
für Menschendeisrh war alter damals ihnen schon »bbandi*n 
gekommen. Seitdem hat sich ihre Zahl nicht vermindert ; 
noch etwa 400 nennen sich Kariben. doch glaubt Bell, dafs 
höchstens 120 reinblüGg sind. Bo stehen sie ab die letzten 
echten Westimlier noch da. denn die augon. Kariben vrm 
8t. Viiicwnt sind Mischlinge mit vttrhcrrschendetn Negrrblute. 
schon 1700 ab .schwarze Kariben" bezeichnet, gegenülwr 
den .roten* von Dominica und Guadeloupe. Nach ^11 zeigen 
die marh vorhandenen reinblütigen Kariben .unzweifHlhaft 
monguloiden Typus und ein Karibenkiod kann von einem 
chinesischen oder tatarischen Kinde kaum unierschieden 
wardon". was keineswegs anffäÜt, wenn man weifs, wie häufig 
der muogolotde Typus unter dun ludinncni vorkoinint, so 
dafs daraufiliin Oskar Petchel die .\merikaner zu seiner Grupjt« 
der .mongolenkhnlichen Völker* rechnete. Das Haar der 
domiiiikniiisrhen Kariben ist sttwff, grob, schön blauschwarx; 
ihre Hauthirbo braun bis rötlich^olb. Die Hprache ist er- 
l<HM‘hen. Bich selbst nennen sie .Kreib“ («ngiisrhe Schreibart 
Üribe, ndmend auf scribe). Hin sind Fischer, bauen gute 
Kanne* und fertigen wasMinlichte Körbe, aucli treilwn sie 
etwas Liuidbau und Viehzucht. Mischehen mit Negern neh- 
men XU, in denen schliefslicli in kurzer Zeit diese letztun 
Kariben aufgegaugen sein werden. 

— Nähere Nachrichten über die Krmordun(^ des 
verdienten italienischen Ueisenden Guido Boggiani, 
dessen Biographie der Globus, Bd. 82, 8. 358, brachte, gehen 
uns in dem nachstehenden Briefe au.v Ln Plata zu : Nach- 

dem der F(»rscher seit Ulngerer Zeit verachollen war, fürchtet« 
man nm sein Lelicn und in Asuncion bildete sich eine Kom- 
tni«ion, um ihn aufsuchen zu lassen. Beauftragt damit 
wurde (wir richten uns im folgenden nach einem Artikel der 
Tageszeitung .l^a Prensa* von Buenos Aires vom 28. November) 
Herr Jose F. Cancio, ein Spanier, gut bekannt auf dem zu 
liureisrtidcn Gebiete. Am 28. Juli reiste er von Asunciun an 
Bord de* Ihuupfers «Lalo* ab, begleitet ^on zehn Mann, diu 
mit H^ierungswaffen au«gerü.4tet «*aren. In M8t)aoos. \on 
wo die eigentliche Kxpnditicm ausgehen sollte, (•rwies«'ii sich 
die Waffun als unbrauchbar, die Besitzer der Farm, die i 
Herren ('asado. stellten aber andere zur Verfügung, und so I 
brach denn die Kxiwdition am II. August auf, (’anrio mit < 



«cinon 10 Manu, 12 31aultieren und 14 Herden. Am 24. Bep- 
tember gelangten sie zu den Chamococos, donm Kazike-Toruk 
den Weitermarsch hindern «alcr nur gegen B«'/ablung eiues 
Tributs gestatten wollte, ('nncio lud ihn zu einer Be- 
sprechung ein. nahm ihn, obwohl er von etlichen 2i) Indianern 
liegleitct W’ar, gefangen und drr»hta ihm mit dem Tode, wenn 
er ülM-r das Hchicksal Bitggianis nichts aussageu würde. Da 
dies nicht geschah, lief* Cancio die drei Chatnocucos, die 
iKirtugiesisch sprachen, gefangen nubmen; der Venlncht war 
(»ugründot, als die Führer Bnggianis elienfalls Portugiesisch 
verstanden. Nachdem die Kx|>edition liereits l.% Tage die 
t'hamocociM verlassen hatte, cDtwischttm zwei der miige- 
führten Gufaugenen. Der dritte, Luciono, wurde einer Bchein* 
füsilierung unterworfen, und erzählte anfangs, die benach- 
Imrtun (.'»romonis hstteu B«.>ggiani ermordet, gestand dann 
aller den Mord ein, und in der That fand die Expedition die 
von den Kaubticren zerHcischten Reste Boggiani» (der Kopf 
kenntlich an Goldploinbun des Gebisses), sowie di« eine« Be- 
gleiters, bekannt unter dem Bpitznamen Gavilan, ferner den 
photographischen Apparat und andere Hütchen. Der Tod 
Boggiauis wie seines Begleiters war durch Hiebe auf den 
Kopf erfolgt. -ledenfalls wollte muii ihn beraulwa. — Am 
4. November langte die Expedition in Medanns wieder an 
und am 14. schiffte sie sich auf dem «Poea^las* nach Asun- 
cion ein, Wf> sie am 17. November den Mörder Luclouo den 
paraguayischen Behörden ülierweisen konnte. — Ko weit der 
Zeitungsartikel. Genauerea über die Ermittelung des Mörders 
sowie die AiiCHndung der Ucsta des unglücklichen Forschers 
werden wohl »iiätere Berichte bringen. — Bekanntlich hat 
schon vor einiger Zeit Boggianis ^mmlung das Berliner 
Königlich« Miisoum Dir Völkerkunde erworben; wune groftw 
phoiogruphische Hatmnlung vurschie<lcner Indianertypen, 
mindestens 50 Platten, wollte Boggiani in den Annalen des 
La Flata-Museums publizieren, doch war dieses damals leider 
nicht möglich. Glücklicherweise befinden sich die Platten in 
sicherem Gewahrsam und können so der Wissenschaft gerettet 
werden. 

Lh Flat«. U. Lehmann-Nitsche. 

— W. Braiico macht in .seinem Vortrag« über den 
fossilen 51 en sehen (Verhandl. des 5. iiiteriiaC. Zoologen- 
kongresses zu BitHu 1901, .02) den Voi'schlag, den Schleier 
etwas mehr zu liifteu, der über dem Grade der Verwandt- 
schaft von Mansch und Menschenaffen liegt. Einmal schlägt 
er Einimpfung wdchi-r Krankheiten vor, di« spezifisch mensch- 
lich sind, auf Menschenaffen , danu will er künstliche 
Kreuzungen zwischen Mensch und Meusclienaffon durcH 
künstliche Befruchtung eines Anihropoinorphenwetbchcnn 
vi>rgenonimeu wissen. Wie beider Blut vollkommen gleiclt 
ist, werden sich da auch Eizelle und 8|>erma ganz identimG) 
verhalten? Aua l‘f«r<l und Esel, Hund und Wolf, Hase uud 
Kaninch'ui erhält man Bastarde. Gilt Gleiches auch vom 




Kleine Naobriohten. 



es 



Men»cb und Menschenaffen? Kr/ähiun^en in Afrika be- 
richten freilich vom Itanb der NugoriDneii durch Gorillas 
dofhisl von Bwianlf n higher ulchU bekannt jjeworden; darauf 
ntH‘r ki>mmt es allein an. Wenn aller selbst niirh heute eine 
fruchtbare Kreiixunit zwischen Mensch und MennchenafTcn 
nicht mehr inti|(lich ist , so mut« es doch einst eine Zeit ge- 
geben haben, in welcher sie m«>Klich war. 8«mit crifähe sich 
vielleicht für den heifs umstrittenen rUhecunthropus aus Java 
v»m Kugen Gubuis noch eine vierte I*cutiing: Jenes rätsel- 
hafte Wesen der Vorzeit, es wärt' vielleicht nicht Mensch 
noch Affe, auch nicht das Bindegliesl zwischen Affe und 
Mensch, es wäre vielleicht ein Bnsrard aus einem jung- 
tertiären Menschen und M»>ns<‘henaffen, ein Mischling also 
aus jener Zeit, in welcher Mensch und 3Ienscheuaff« sich 
noch näher standen als in der (tcgsmwart. 

— BertelU über den Vrsprung des Kompaasus. 
Pater T. Bertelli , der sich seit Uuger als einem Men.schen- 
alter mit der Krage nach dem l'rsprung dos Kom{>asaes 
beschäftigt und über seine Ktudivn vielfach in italio- 
niscbeii wisaenschaftlichcn Zeitschriften l>erichtot hat , war 
zu folgenden hchlüsiwu gekummen: Weder in griechischen 
und latoiniw’hon , noch in anderen Schriften bis zum 
10. •lahrlmiidert n. ('hr. dndet sich irgend eine Anspielung 
ttlier die Richtkraft des Magnets; diese Kraft war innerhalb 
der christlichen Zeitrechnung einigen chinesischoD und 
japanischen Alechanikern bi^kannt; der erste rohe Kompafs. 
eine Rchwinimoudo Nadel, wurde ins Mittolmcer um das 
10. Jahrhundert durch Burger von AnmlÜ eingeführt, die 
ihn daun erheblich verbesserten und ihn unter den italie- 
nischen Seeleuten verbreiteten; viel s|>äter erst war der 
Kompafs bei den Aral>en) in Gebrauch, die durch die 
Italiener davon Kenntnis erhielten. l>ie Namen derer, die 
den Kompafs eiuführten und verbe»iert«n, sind nach Bertelli 
alle unbokiinnt geblieben, und die aus der zweiten iliilfto 
des 10. Jahrhuudertis herrührende Ül)erlieferung , dafs ein 
gewiKser Flavlo oder Giovanni tiioi» (Goia oder (iioa) der 
eigentliche Krilnder war, ist vhllig tmglaubwürdig. Iheae 
Anschauungen wurden von den meisten Fachleuten auch 
auf»erhalb Italiens geteilt, bis auf dem Geograpbeuk<ingrefs 
in Florenz von It^O^ Oberst Antonio Botto die Ansicht des 
Abbd Abondio Collina verf<)cht, die dahin ging, dafs der 
Kompafs nicht chinesischen Ursprung*, «Mindern von den 
Ainslßaiioni erfunden und vervollkoummet worden eei. die 
sich dabei auf die schon den Griechen und Kornern eigen 
gewesene Kenntnis von den Kig^nschaften des Magnetes 
gestiitzt hätten, ln der nUiv. («cogr. Itnl.* für 1902 erwidert 
nun Bertelli auf dii-^o Kritik. Kr hält seine Meinung auf- 
recht, dafi di« Polarität der Nadel vor dom 10. Jahrhundert 
unbekannt war, und sucht zu beweisen, daf* die ('bin«*sen 
.Hüdzeigor'^ liesafscii, die nusschlicfHlivh für Reimm des 
Kaisers Verwendung fanden, und dafs ein [uiar ehinesi.sc.hc 
und japanische Hchiffe nach der schw-immenden Nadel 
gesteuert wurden. Biesee primitive Instrument wmrdc im 
UcteD gebraucht und, nach Verliesserungen durch die Amal 
tianer, an der afriknni'scheD Küste; In den norduuroieiierhen 
Me*>ron bis ins 17. Jahrhundert. I>ie lutzte VorbooM-rung, 
fine Kompnf!<schoibe. die sich mit der Nadel bewegt, wurtlc 
gegen Kmle des 13. Jahrhunderts eingefUhrt. 

— In der getvph.vsikalitcben Abteilung der deutschen Nalur- 
fiirschervemammlung zu Karlslmd ( 10 U 2 ) sprach Wilhelm 
Krebs über meteorologische II och w»ss er Prognosen 
und Hiidoro in da* Ochiel der Fernprognose einzu- 
rechnende Gugensliinde. Dieser Vortrag schlofs sich 
an den auf der Naturforschorversammlung zu München 1990 
gehaltenen über die meteondogischun Ursachen der Huch- . 
wasserkata.strophen in den mitteleuropäischen Gebirgsiämicni, 
der m Bd. 90 des .(tlobus" H. .t27 auszugsweise wieilci^gelieu *), 
und unter den Arbeiten .Aus dom Archiv der dcuLschen bee- 
wartc" 1000 als Nr. 0 vollständig abgednirkt ist. Der Hotiimer 
1902 ergab cim-n HondHrfall dieser Art von Hochwasaern, 
deren Krklärung in schweren und anhaltenden Kegonfälien 
infolge Interferenz von Luftdruckdepressionoo oticr -Uimieu 
vemchie^lener Herkunft gefunden wurde. Jener Sondcrfall 
lietraf grufsstädtiecho Gebiete, besonder* am 14. April 1902 
Berlin, und Uefs Beteiligung de« vor »Ilern »m Montag- 
morgen. inftdgo der Anheixung hMUslirher und industrieller 
Fem-rungsanlagen, aufstcigemleii I.uftsiroms an solcher Intir- 

’) An dieser Stelle sei ein in dem Referat enthaltener 
T»r«ckfehtHr berichtigt. Die Treffricherhoit der Hochwasser- 
Prognosen, die von Krebs in wöchentlichen WeUnrberichten 
nach Wifi vor durch das Hamburger Fremdenblatt verbffent- 
Ucht werden, betrug »chon Kode 1999, nach 2Vi jähriger 
Praxis, 90 und nicht 20 Proz. (A. a. O., Z. 12 v. u.) 



I ferenx erkennen. Sturmtlutpr<>gno»f>ii fürdie deutschen Küsten 
erfuhren in dejuwllion Jahre 1902 zwar Lrefflicho Bestätigung, 
können b>‘i der Kompliziertheit der dabei in Rücksicht zu 
ziehenden Luftdruck- und Windanderungeu aber nur »1* Ge- 
l'-genhwitserzeugni.'eMi gelten. (.ärchenhoKls .Wellall" I90L02, 
H. 2ü4 bis 209.) Ihnen reihen sich in die«>er Hinsicht noch 
I Fernprognijsen an, die von dar Verlegung barometrischer 
31axima, von Beobachtuugen halobildender Kiswolken, ihrer 
Bewegung und SchmeUung (A. a. O., K. 2*9 bis 293), von 
Kisverhilinissen und .MoererQlrÖmungen im Atlantik, von 
Luftiransp*»ri durch (\vkloneu und von Wogcnbildungcu im 
Lufimeere ausg«-hfiii. AU« diese Fernprognoften sind wogen 
der geringen, ülier eine Dekade selten hinausreichemicn l>Huer 
ihrer Geltung als metoorulogische von den weiterrfüchenden 
klimntjulogisclum Fernprognosen zu unterscheiden. Die süd- 
ufrikatitsrheD Metcoroli^cn Hulchiiis (Knvsna) und Mel- 
drum (Mauritius) sind die älteren wisscnschafüicbcn Ver- 
treter solcher klimatologischen Fernprognoaen. Auf Grund 
der alljährlich ffistgwtelUen Relativ/ahlen von Konm-ofl<s'ken. 
die in 10 bis 12 jährigen IVrioden wechseln, schlo«»ni sie auf 
trockene oder regenreiche und stürmische Jahre. Brückner 
stellte seit 1*K7 aus Witterung*-, WaMcrslands- und Krnte- 
berichten seine etwa 35 jährige Periode fest, die neuerdings 
von Lockyer durch Untersuichungen über die Art der Zu- 
und Abtiahnie jener IleUtivzHhleu mit den t^tuifindeckeii in 
Beziehung gesetzt ist. Krebs selbst maf* den Krgfibniaseii 
der statistischen Untersuchungen Brückners von vurnlierein 
Bedeutung nur für die eiiropäisclion , besonders mittei- 
eurupaischen Breiten t*ei. aus denen Brückner iiu wesent- 
lichen auch »ein Material Imimgen hat. ln diasfiin Blick 
vermochte Krebs sie ebetifalla mit den KrgebnisMui einer 
Untersuchungen Einklang zu setzen, die er 1991 dom Reichs- 
amt de* Innern zur Verfügung gostclit und in der Folge 
noch nicht veröffentlicht halte. Die von ihm für Fern- 
pn^iusen auf asiatischen und eun>|iäiachen Gebieten ach<in 
mit Erfolg verwafidten WittfirungsvcHegungen aus niederen 
nach höheren Breiten verlaufen mit einer Geschwindigkeit 
von durchschnittlich 3,2 Breitengraden im Jahre. Vollzieht 
sich dieses lang.suin« Pulsieren der Erdatmosphäre gletch- 
mäfsig durch alle Breiten. *«» wird cs die ganze Erde in 
90:3.2 alwi in 17,3 Jahre» Iietroffon haben. Das ist aber 
fast genait die Hnifte eine« Brilcknerschcn Cyklus. 

— A. Fordera Wanderung von Damaskus nach 
Djof. Noch längerer Pause hat wieder einmal ein Europäer, 
der Reverend A. Fortler aus Jerusalem, die am nördlichen 
Rande der Nefud liegende Oase Djof besucht. Die ein- 
gehendste Beschreibung des Itjof hat Palgrave in seinem 
klas«isch«n Buche gegeben, der es aber direkt von Osten her 
erreichte; weitere Mitteilungen vonlanken wir I*'rau Blunt 
und Professor Kuting. auch Baren Noble hat einige Notizen 
geliefert. Die zuletzt gi-nannten drei Reiacndcn kamen von 
Damaskus. Forder bfischreibt seine Reise, die bin und zurück 
S'/f M«'tmte in Anspruch nahm, im .Googr. Journ.* für 
iHizeiulier 1902. vergifst aber zu sagen, wann er sie ausgefnhrt 
hat. Die Htrafs« ist genau fN> unsicher, wie zu Noldc* Zeit; 
die 10UO Kamele zählende Karawane, mit der Foriler bis 
Kaf reiste , wurde zum Schutz gegen die Räuber von 20u 
bewaffneten Keltern begleitet und docli angegriffen, und die 
klein« RcGegeHellschaft, in deren Gefolge Fürder nach Djof 
kam, verlor bei einem anderen überfall zwei Leute. Bei 
Kaf bestieg Forder einen Toll, einen Hügel mit gut orhaltvnon 
Ruinen von Festungswerken und Cisternen. Einen Miniero» 
Teil snh dur Reisende bei Ithera (wohl E^tsery unserer 
Karten), den er jedoch nicht besuchen durfte; er giebt davon 
«ln« intervasaute Photographie und bemerkt, dafs «d>en eben- 
falls Mwuerwerk zu sehen war. Au einem alten Tbore in 
Ithera fand E'ordor «ine Inschrift, deren Btichstaben ihm 
nabathäische zu sein schienen, ln der Nähe dee Ortes liegen 
zahlreiche salzigo t^uellen, die ausgel>«ut«t und deran E'.r- 
zeugnisse von Karawanen au* Itamaskus, Bagdad und Mekka 
geholt wordfiii. Djof soll nach E'order 4o0üo Einwohner 
zählen, wie der vom Sultan von Neilsch«! eingesetzte Gouver- 
neur mitteilte; er meinte ala.-r wohl dio ganz« t>asc, und 
dann würde dieso Zahl mit der von Palgnive nngegoheneii 
stimmen. Nulde gtebt für die Stadt louou hU I2OO0 an. 
Zaliluiittel ist in Djof der Maria-Therasienthalcr, der dort 
,Kchu«chi* heifst- Gartenerzeuguisai' sind in Olierdurs vor- 
hand«n. E'Udsch alier müssen die Bewohner von dou Notnadun 
kaufen, und im übrigen sind sie auf Händler aus Bagdad, 
Mekka und Diunaskus angewiesen; Brot ist ein s«hr ntrer 
Artikel. l>ie Woitcrrei«o nach Ha>l ♦•rschien E'order nicht 
ratsam, da der Sultan mit dem Scheik von Kuweit im Kriege 
lag und von der Hauptstadt abwewend war; er kehrte «lao 
auf demselben Wege, den er gekummen, nach Damaskus 
zurück. 




84 



Kleine Neohriehteo. 



Über Kntertuiig von Blüten in ZusAinmenbang 
mit anvmslen WitterungsTerhültniBsen im Frühling 
und tiomiuer 1902 iH^richu-te Krebs auf der deutschen 
NaturforscberverRaiimihmg zu Karlftbad 1902. Dieser Vortrag 
knüpfte an einen früher gehaltenen an. Die Aachener Ver- 
sammlung 1900 halt« dem Redner Uelegenheit gegeben, 
Winden (Ccmvolvulus urveusis) au« Barr im Klsafs vorzu- 
legen, deren Blüten durch Dialyee au* der gewöhnlichen 
Trichterform in eine UUenartige Bternform übergefdlirt waren. 
Di« Fache hit iucte<.*rologii«chM Intervfute deshalb, weil die 
örtlichen und zeitlichen VerhiUtnisae, mvtoorologiechcn An- 
tchanungen entsprechend, auf die tK'-sondere Wirkung eine« Mai- 
frnetc« deuteten . der die Heben in der Barrer Ücgvnd ge- 
schüdigt hatte. (Verhaudluiigeu der (tescllachafi deutscher 
Naturforscher und Ärzte zu Aachen 1900. U. Teil, 1. Uälftv. 
Leipzig liHJl. 8. 50 bis 51.) Die Diatjae kommt auf eine 
Kntwickeinmrsheminung hinaus, da die Windenblüten ur- 
sprünglich mit fünf Blattansätzen für die Krone angelegt 
werden. Die Wirkung einer Hiiomalen Teiui^raturerniedri- 
gung zur Zeit dieser ersten Anlage ist a]s«i leicht verständ- 
lich. Das Jahr 1901 brachte keine Frostschäden ini Früh- 
eommer und liefs thaisAchlich auch im Barrer Oebiet die 
Dialyse hü Winden der gleichen Hleile vermissen. Durch 
(«chweren N»chtfn>«i in der verhftngnisreichen Hiininelfabrts- 
woche 1902 wurde die Erwartung dc.^sclbvu Eulatiutigs- 
vorganges crwt-ckt und durch den Erfolg bestätigt. ])ia- 
lytisch« Wiudeu, dieses Mal auch in verschiedenen Stadien 
der Entartung, fanden sich an dersclbeu und auch au ähnlich 
gelegenen Stellen der Barrer Weinberge. Kurze Feuilletons 
in der uord* und südwestdeutscheu l’resse, die das etwa noch 
vorhandene Beobcichtungamaterinl zusammentroibou sollten, 
hatten das bemerkenswert« Ergebnis, dafs aus beiden Uebieten 
Beobachtungen über Dialyse, Verkümmerung und Vergrünung 
von Blütenanlagen verschiedener nndereu Ptlanzeii, wie l’etu- 
uia, I/onicera, Kchiuui u. a., «ingiugeii, die aber dem all- 
gemein kühlen, trüben, über doch nicht niederM-hlagareichen 
Weller der 8ouimerm»nate zugescUrielK-ii werden luursteu. 
Der enge ZusAinmenhaug solcher sonst KultivatioiMeinilüssen 
zugeschrlebeneii Hemmungsbildungeu mit anomalen, nicht 
allein durch niedere Tem|M<ratur. »ondem auch durch 
neblige Trübung der Atmosphäre au die Arktis eriunenulen 
WittcrungHVL-rhHltniwM lag aber zu Tage. Die Vergrünung 
liefs, im Blick auf das Gesetz phyttiolugischer Zweckmäisig- 
keit, einen dem WärmenjBügel gleichgerichteten KiuÜuf« des 
Ijlchtmangels erkennen, Alan kauu sie geradezu als Folge 
und Korrektiv der Lichtarmut auffas.seu. Inwieferu au diceer 
eigenartigen trockenen Trübung der Atmosphäre die mittel' 
amerikanischen und südustasiatischen Vulkanausbrüche iiiit- 
gewirkt haben, ist eine offene Frage. Jedeufalls lasseu die 
»eit Juli beobachteten sehr intensiven Purpurlicbter der 
Nachdämmerung auf Kuhwelten feinen Ftauhes in l>esondei‘s 
holiei) Fehiebteu der Atmosphäre schliefsen. Au* den tieferen 
kann der dorthin gelangte Htaiib duiH'h die Kondeii<a(iou der 
atmoApharischen Feuchtigkeit zu Neb«l und Niet1erscbl)^' 
Bchou herabgezogen worden sein. 

*— BettlerdArf er in Rufsiand. In der angesehenen 
russischen Zeitung .Nowoje Wrciuja“ Nr. 9594 vom 18. No- 
vember 1902 sind die tTiiiersuchungen des Pr. Zbankow 
über die Wandergewerbe io Unrslaud ut>gedruckt und zu 
diesen gehört auch die Bettelei. Fhi Wtteln in ArteNeu oder 
ganzen Dörfern die Bauern vieler Gouvemoroents. Im 
WereUker Kreis© heifken striche Belilrr ,8chuwaliki‘ und im 
Ssudogodsker Kreise .Odojewzy“. ,Di« hauptaäohliche, «chSd- 
liche Seite dieser Wanderung ist. daf* die Leichtigkeit und 
sogar der ÜberHufs des •VejHÜeustes- zu groftwr Trunksucht 
und Liederlichkeit führt. Denn von der Wanderung heim- 
gekehrt, veranstalten diese Annen zu Hause fortlaufende 
Fastlichkeiten mit den unverschämtesten Gelagen. Das alles 
erweist einen nicht wünschenswerten Kinflufs auf die Tin- 
wohnenden und «uf die Bettler selbst. Ik-nn »eia Mädchen 
au* guter Familie heiratet einen Bettler . der nur schlecht 
bettelt, nicht*; und ein Mädchen der Odojewzy, das sogar 
in eine reiche Familie und in ein nicht bettelndes Dorf hin- 
cinbeiratet, fährt trotzdem zu betteln fort, tn>U aller Lieb- 
kosungen, Drx'hungen und Frügel von Feiten des Mannes 
und der Familie. 8o grofk ist die Macht der Gewohnheit 
sowohl an diesem traurigen rinherzieben, als auch an seinen 
anderen Aussichten. Mau mufs noch eine traurige and 
schrecklich« Erscheinung dieses Wandergewerbes vernjerken: 
die umhcrziehendeii , professionellen BotGer stehlen Kinder 
und vcntüuuiieln sie auf die furchtbarste Weise, um das 
Mitleid des Publikums zu erregen ; sie stechen ihnen die 
Augen aus, verrenken ihnen die Hände und Füf»C, bringen 



ihnen Wunden und Geschwüre bei u. s. w. Alles dies ist 
nur möglich bei der Wauderbettclei, da die am Ort bleibenden 
Bettler sich vor den Augen ihrer Mitbewohner zu solchen 
Bchoufslichkeiten nicht entachlicfscn.* Bo weit Pr. Zbtiukow. 
Pie ,Now. Wr.* fügt seinen Ausführungen hinzu: Pie 
bcttolmlen Dörfer sind hu Ort und Ftelle »ehr gut bekannt; 
der Auszug auf Bettelei geschieht nicht heimlich; alle Bettler 
holen sich einen Pafs. 

— L. Bulk kommt in seinen kraiilologischen Unter- 
suchungen holländischer Hcfaadel (Zeitschr. f. Morph. 
und Anthrop-, Bd. 5. 1902) zu dem Schlufssatze, dafs den 
mitgeteitteii ^Ziehungen zwischen absoluten Mafsen und 
Indici-s, wie jenen zwischen Indice* und Schädelfomien und 
Kapazität nur ein relativer Wert beizulcgi-n ist. Penn man 
darf nicht veigt-sseti, dafs aufsor jenen Fonnerscheinuugen. 
die sich in inathematiiwher Weise zum Ausdruck bringen 
lassen, doch Immer eine Schüdelgruppe, in einer iKistiromten 
Uogeud gesammelt, noch ein eigentümliches Gepräge bwitzt, 
einen Merknialenkuuiplex , welcher sich nicht in einfacher 
Weise durch Zahlen oder RcUtiouen andeuten läfit. Und 
«elljstverständlich, dafs dieser, insoweit auch mehr lokalisierte 
Wölbungen der Himka]tsel dazu gehöre», seinen FlinHufs auf 
di« Kapazität der einzeluen Bchädd und der SchädelgrupiM-n 
geltend macht. Es ist gewifs erwunwbt, f’iitersuchungen, 
wie sie von Holk an holländischen Bchädelu vorgenummen 
sind, anzustellen an einer Schädelgruppe aus irgend einer 
anderen Gcg*-*nd. um liebsten an einer solchen mit ülierwiegend 
brachyccpbaler Bevölkerung, aber, um das Richtig*.- und End- 
gültig« kennen zu lernen, braucht man mehr Angaben zur 
Vergleichung, Kontmllieruiig w ie Ausfüllung des noch Lücken- 
haften. 

— Baniuel Blunier giebt (Phil. Piss, von Basel 1902) 
Beiträge zur Entstehung der glarneriscnen Alpen- 
aeen, die eng mit der eiszeitlichen Vergletscherung verknüpft 
ist. Die Seen de« Gernesitgebirges liegen meistens in kahr- 
ähnlichen Uühlfonnen. Ihre Becken ei«d teil« Felsbocken, 
entstanden durch eine lokal stärker abscbleifende Wirkung 
des t1ief->enden Kises, teils gemischten Ursprungs, d. h. de 
liegen nur zu einem Teil in anstehendem Fels, zu einem 
andei'en aber in glazialen oder Huviuglazialeo Aufschüttungen. 
Pie Seen de« Kalk- und rk-hiefergebirges sind Polinenseen, 
welche ihr« KuUtehmig in erster Linie der chemischen und 
mechanischen Emsion des nach Spalten untcrinlisch ab- 
rtiffiwmlen Wassers und in zweiter Linie der alwchleifendon. 
transportierenden und ablagcrudou Wirkung einer abetmaligen 
Gletscher- ro#p. Fimablagcruug verdanken. Dieser zweite 
Faktor hat bewirkt, dafs viele iHdineo»«)*-» eine äufscre Ähn- 
lichkeit mit wirklichen Kahmcon Rufwdsen; man könnte sie 
deshalb als Pseudo-Kahrseen bezoichnen. Aus der vertikalen 
Verbreitung der wirklichen und l*seudt»-Kahraeen, sowie der 
Kahre ohne Feen kann ein HchJufs auf die I*age der eiszeit- 
lichen Schneegrenze in den Olurner Alpen ge/t»gen werden. 
Wir kommen zu einer Kehneogrenzhöhe von I8u0 bis 1500 m, 
während die maximale Kisstromhüb« de« Liuthgleuchers im 
Glarner Hinterland U«ö bi« 1500 m l»etrug. 

— Über den Flinfluf« des Höhenklimas auf die Zu- 
sammensetzung des Blutes teilt E. Abderhaiden(Med. 
Di)U». Bn.*el 1902) mit: Pie beim Übergang von einem tiefer 

gfU-gmen Urt« (Basel) zu einem höher gelegenen (8t. Moriir.) 
beoUtchtei« Zunahni« der Zahl der roten Blutkörperchen und 
der Hämoglubirimengc ist im wesentlichen eine relative und 
keine abwjlutc, d. h, sie eulspricbt keiner Neubildung von 
roten Blutkörperchen und von Hämoglobin. Pie b«im Über- 
gang von einem höher gi>lngenen Orte (Ht. M>>riix) zu dent 
tiefer gelegenen Basel beobachtete Abnahme der Zahl der 
roten Blutkörperchen wie d«r Hämoglobiumooge istebenfalD 
eine relative und keine absolute, d. h. der Oesamtbeetand an 
roten Blutkörperchen und an Hämoglobin bloibt unverändert. 
Auch die folgenden Besultafe sprechen — wenn auch unbe- 
dingt — gegen eine wirklich« Vermehrung resp. Abnahme 
der Zahl der ntten Blutköri>erchen und des Hämoglobins; 
1. Pas rapide Ansteigen der Zahl der roten Blutkörperchen 
and dc4i Hämoglobins bei der Ankunft in 8t. Moritz; 2. das 
Fehlen jeglicher und auf eine vermehrte Neubildung bin- 
deutender Formelemeijle — kernbaltige rote Blutkörper- 
chen u. s. wr. — . ebenso das Fehlen jeglicher, auf einen ver- 
mehrtftn Untergang hinweisender Pro*iukte, wie Schatten und 
dergleichen; M, di« l«eim Abfall der Blutkörperchenzahl und 
der Hämogtobinabnahnie vermifste intensivere Eisenrenktion 
in den Geweben, al« Ausdruck einer stattgehabteo vermehrten 
Blutkörpercheuzeretörung. 



Vcrsiiiworti. Kedskteur: l*Tof. Pr. K. Andrt«, Braaasehweig, Pallcrslcberthar-I'itimmsilr 13. — Drark; Kriedr. Vlewcg o. Sohn, Brsonschweig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

yEREnncT hit den Zeitschriften: „das aosland“ und „aus allen Weltteilen“. 

HERAUSGEBER: PRor. Dr. R. ANDREE. VERLAG vom FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 6. BRAUNSCHWEIG. 5. Februar 1903. 

ÜRichJracIi nur tuwh (7ber«inkimrt aill der VerU^fihAadlang gntotteL 



Beobachtungen und Studien in den Revolutionsgebieten 
von Domingo, Haiti und Venezuela während einer im Frühjahr 1902 

unternommenen Reise. 

Von Dr. Gerhard Schott. Hamburg. 

(iÜencu D AbbildunKfn nach OriKinalphotographii^n d<» VerfassiTft.) 

II. 



Venezuela. 

Venezuela reicht alu |iolitiachei» Gebilde bekanntlich 
weit nach Süden bis über den Orinoko binaua, aber die 
Territorien »üdlich von dici»eu] Strom, zumal an duaeen 
OlN^rlauf, kommen für unsere llandel»l>eziebuugen sowie 
für die kulturelle Bedeutung Vimezuelaa vorläufig nur 
K«br wenig in Betracht. Das gesamte Interesse und auch 
die revolutionären Bewegungen konzentrieren sieb in 
dem sogimaiinteu BuodcNdistrikt mit der UauptKtadi ('a- 
räcas, ferner in dem Staate Carabobo mit der Haupt- 
stadt Valencia; hier oder bei Carnuas, den zwei wichtig- 
sten Städten des Bandes, fällt gewöhnlich die kintscheidung 
über Erfolg oder Niebterfolg einer Hevolutiou. Ferner 
spielt der Staat Bermiidez im Orient eine Rolle mit den 
Plätzen Barcelona, Cunianä, Carnpano; der letztgenannt« 
Staat wird diesmal von der Kevolutiou ganz besonders 
mitgenommen, wie wir noch sehen wcnlen. 

Itas Zeutralgcbiut um (.'aräens — Valencia, der Sitz 
der venezolaniHcheii Kultur und Bildung, hat iii den 
zwei Hilfen Ba Guaira und Puerto Cabello seine .\us- 
gangspforten und adrd durch die drei hUseubahulinien 
Ba (iumira — (!aracas, Puerto t’abello — Valencia un«! die 
Verbinduugaliiiie Valencia— -raricas gut dem Verkehr 
erschlossen; es hat damit einen Kies4mvorsprniig vor 
allen anderen Teilen des Bandes. Diu Kisenbalineii sind 
um HO wichtiger, aD durch die Küstenkordillere ein zu- 
nächst unüberwindlich eracheinendes Verkehrshindernis 
nach dem Innern guschufieii ist. Wer vor Ba Guaira 
(Abb. 4) geankert und die ohne jede« Vorland unmittel- 
bar aus dem Meere bis in die Wolken hinein sUdl uiu- 
{wrragendeii Berge, ein archäisches, aus Glimmerschiefer 
und Gneis bestehendes Gebirge, gesehen hat, der weifs, 
wie merkwUnlig abgelegen und unzugänglich t'urucas in 
einem lli>chthale über OÜO in hoch hinter der Kordillere, 
hinter der Wasserscheide, gelegen ist. Gerade hier er- 
reicht die Kordillere ihre höchsten Erhebungen, so in 
der berühmten, von Humboldt bestiegenen Silta de Ca- 
räcEH, welche mit auiiähenid J7U0 m absoluter und 
1800 m relativer Höht» über dem Guairetlial den irnjio- 
nierenden Abschluts der nördJtcbeu (fubirgsumwallung 
von (aracas bildet. Nur 9 km in der Luftlinie i.st (’a- 



rncas von La Guaira entfernt, aber die Bahn mufs, um 
allin&hlicb die Höhe zu guwimieu, 36 km in dun unglaub- 
lichsten ÄViudungeii abfabren; es dürfte wenig Berg- 
bahnen auf der Welt geben, welche älmlich kühne .An- 
lage zeigen, wenn auch eben diese Anlage in techmschur 
llinsicbt vielfach mangelhaft sein mag. (Jni »charfe 
Felsenkunteu herum, über tiefe Scbluchtuu, in denen die 
tropische Vegetation wuchert, hinweg, an Felswänden 
entlang, die (k> steil neben dem Wagen in ungeheure 
.'Vbgründe abfalleii, dats der .Atem einem beim Hinab- 
Kchaueti stockt, geht es aufwärts. Bange /eit bleibt der 
Blick auf das Meer frei in einem herrlichen Pauorama; 
Kcblietslich sind wir mitten drin iui Hochgebirge. Wol- 
kenfetzen fUegcii um uns, drohend nahe ragen von allen 
Seiten die Häupter der Berge. Von Bodenkultur ist in 
diesem Felsenlabyrintb nur wenig die iiede; vielfach 
fehlt sogar natürliche Vegetation. 

Anders gestaltet sich der .Anblick, wenn wir in den 
gesegneten Landstrichen hinter der Küstenkordillere, 
zwi.schen CaräcaH und Valencia, reisen, in den Thälem 
des (fuains des Tuy, des Aragua und an den Ufern des 
Valeiiciasees, Fast überall zwar erblickt man im Norden 
nahebei die langgezogeue Kette der eben erwähnten 
KüsteukordiUere; besonders grofsartig ist ihr Anblick 
vom V’aleiicia.Hee aus, widl mau dort nur mehr etwa 
400 m über dem Meeresspiegel sich befindet, und daher 
die relative Erhebung durchKohnittlich fast liedeutender 
ist als bei (’aräcas. Im Süden, in ziemlich liedeuteiiden 
Fernen, scblieUt eine ununterbrochene Reihe von Berg- 
gipfeln, die lunenkoniillere, den Horizont in dieser Rich- 
tung auch ab. .Aber rund um uns haben wir blühende 
Mai.-«-, /nckerrohr- und Bauinwollenfelder, an den Flüs.-M<n 
die im Wind» sich wiegenden Büsche der Salix Hum- 
boldtiuiia (.Abb. 5), einzelne hocbragfiid«* KönigNpalmeii 
(.Abb. 6), Bananen u. s. w. .An den Berggehängeu wer- 
den wir die KaHeepluutagun gewahr, uiul da, wo das 
I.4ind noch nicht vom Ackerbau in Besitz genommen int, 
erstrecken sieh, von natürlichen Zäunen und IB-ckeii 
umgeben, grofse Viehweiden, Kraals für Pfenl«, .Maul- 
tiere, Rindvieh, die s<igenaimteu Potreros. In. der klaren 
Ihdeuchtuiig durch eine strahlende Tropensotme machen 
diene Ilochthäler einen entzückenden Eindruck; alles 



11 

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Ülotu» LX.SXUJ. Nr. 0. 



Schott: Beob»chtuuKen u. Stadien in den Hovolutionogebieten von lUimin^o, Haiti u. Yenezufia. 





Abb. 4. La Gaaira. Rllrk Yom Hafen auf die ller^e der KUMeukurdlllere. 
([)ie uberra Teil« der Ivtilvrcn >111(1 In Wolken gehüllt.) Aut K«i ein venefolniiikchri KiicgtorhilT. 



flckeiiit Ordiiuuf;, AVolilntaiid, /nfriedeiiheit zu atmen, 
allch niuiiHchlic'her Thätigkeit zu bczeuf^eii. 

Als typisches Heispie) für einen tnjpi)H::hen (irofs* 
betrieb in Venezuela nel das einer deutschen Dantatfeii* 
geneUnchaft gehörende Mariiiru am Nurdufer des Vulcu- 
eiasees angeführt, wo Verfasser mehrere Tav»e sich anf- 
gehaltcn hat. Ha ist dies eine (iegund, in der Alexander 
T. Iluiubohlt gereist ist, er beschreibt die am Fiifse des 
Südh&uges der Küstenkordillere befindlichen heifsen 
Quellen, welche in nächater Nähe dor I*fiauzung Hegen; 
hier hat auch Dr. Preuts, der Leiter des botanischen 
(larients von Kamerun, auf »einer amerikHiiiseheu Kxpe- 
ditiun vor drei Jahren Studien gemacht. l>as (tfddrgs* 
panoraina ist hier besonders grotsartig. Unzweifelhaft be« 
findet man sich auf altem Seebudeu, wie die noch zahlreich 
in den] alluTtalen rntergriind sichtbaren Hrucbstüeko 
weitser Muscheln beweisen. Abb. 7 ist als ebarakteri* 
stisches Laud(«chaftsbild der Um- 
gegend Ton Mariara entnommen. 

Übrigen» ist die Verbindung 
zwischen Caracas und den) Staate 
(‘arabolio (Valencia) nicht hu ein- 
fach. wie es nach dem Gesagten 
Tielleicht scheinen keinnte. Man 
kann nickt einfach am Südabhang 
«ler „curdillera co.stanera" 
entlang fahren; es schiebt sicli 
vielmehr zwiH;hen Caracas und 
La Victoria (da gelegen, wo man 
das Niveau des früher beileutend 
uusgedebuturen Valenciasee» er- 
reicht) ein mit der Krtsten- 
kordillere nur lose verbundenes 
liebliches, alH*r ungemein wirres, 
wenn auch nicht aiisgeilelintes 
Hergland ein, eine Art IhTg- 
knoten. Ks »ind die Altos von 
Lo» Teijue.H, welche in einigen 
(lipfeln bis 170U m aufrageu 
(Abb. H). Lies Hergland bat den 
KisenbahnlMui zu einem so müh- 
seligen und koHtspieligeü ge- 
luaclit, <lafti ein Werk entstunden Abb. 



ist, welche» die Hahn ronCarn<'a» 
nach Lu Ouuiru zwar nicht uu 
Kühnheit, aber hinsichtlich der 
geleihteteii Arbeit noch liei weitem 
Abertriflt. H6 Tunnel und mehr 
als 1!>0 Viudnkte, zum Teil von 
gewultigen Abinessungeu , drüu- 
gen .sich auf einer nur T>0 km 
langen .'strecke ztisuiunieii *) — 
die ganze Bahnlinie Valt-ncia hat 
ISO km — ; nichts Ähnliches 
hüben wir in heutscblnnd, und 
auch die lierühmten .\]|H‘nbahnen 
können kaum einen Vergleich mit 
diesem Werke, dus ausschlieN- 
lieh von <leutschi-n Ingenieuren 
unter cleiikbar gröfsten Schwie- 
rigkeiten ini tropischen Soimeii- 
bratid gebaut wurden i.st, iius- 
balten. In dem Tunnel von Coro- 
zal winl eine Spc'höhe von 1227 m 
erreicht. Infolge der lundachuft- 
lichen Keize ihn^r Umgebung 
und der Stdieiiswurdigkeit der go- 
railezn genialen Überwindung der 
Terrainfurmen würde diese Hahn- 
strecke «ler Mittelpunkt der touristischen Heisen werden, 
wenn sie statt in .Sudaiiierika in Xentraleuropa läge, 
liier gilt wirklich: man mufs selbst gesehen bal>en, 
heHchreiben läfst sich die imponierende Wirkung des 
tiesamtbUde» nicht. 

Aurli sonst sind eine Ibuhe gut angelegter und gut 
iinterhalGuier FahrstratHeu in diesem kultiviertesten Teile 
Venezuelas vorhanden. IKe Häfen weUen Schulzbauten, 
Leuchtfeuer auf. I>iu Stätlie sind zum Teil elektrisch 
lieleucLtct; StratHcnbahnen, von Maultieren gezogen, ver- 
mitteln den Verkehr innerhalb derselben. IHe Häuser 
sind solid gebaut und urdvnÜicb unterhalUm, die Fin- 
wohnerzithl nimmt zu; kurzum, dieser zentrale Teil i.st 



*) Hins rharukieristische Abtüldung von licri Viailukteu 
und Tuimelii di«*scr lloliiiliriic hiil der „(ilnhiis* tri Hand H4i. 
S. ’iH4 getirarlil. 



Bei Caracaa. BUsche der lluiiibuldtweide am Gualrefluf»« 



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Schott: Boohftehtungcn n. Stndifii in den Rerolntionegebirten von Domingo. H«iti u. Veaeznela. 67 





Abli. e. Ilel rArAca.H« (t(a|i|»e von Königspalmen (Oreuduxa). 



ein Land, da« an sich je<!em gefallen wird und entMsbie- 
dem* Fortschritte zeigt. 

Im Oüten, dem Staate Hcrnuidez, liegen die VerhÄlt- 
iiiaRe ziemlich anders. Auf mehr oder weniger offencu 
Rvttden uuifs man ankern. Die Städte erncheinen ver- 
wahrlost und sind im Rückgang begriffen; vielfach sieht 
mau Ruüieii mitten an den Siratsen der Stadt, wie in 
Haiti, und was heil ist, ist so nüchtern, öde un<l schmuck- 
lofl wie nur irgend möglich. Von Kiseubtilmen oder 
Fuhrstrafsen ist keine Rede; nur balsbr4n herische Saum- 
pfade durchziehen das I^ud. Diu Revölkerutig lebt 
durchweg ärmlich und kennt keinerlei feineren Lolteiis- 
genuts. Diese Schilderung gilt sowohl von ('arn|mno, 
dum ndativ bedeutendsten Hniidelsplutzn jetzt an der 
Nordostküste, als auch von dem durch Huinholdt b«*- 
sonders bekannt gewonletien t'iimana, von Rarrelona 
und anderen Orten. IHe Küsteii- 
kordillere zieht auch hier noch 
in Hchönen und meist sogar recht 
üppig bewaMoten Rergkuppeii 
entlang; es ist auch hier nw^h 
das stark gefaltete archäische 
tiebirge wie bei t'aräeas, doch 
hat die ilöbu der Katuiiilinie er- 
heblich ahgenoinmeii. 

Hesouderes Interesse dürfen 
die reichen Schwefelerzlager 
von rhaguaraiiins in Aiisprucli, 
welche in einer Meereshrdie von 
2.'’>0 bis -l‘iO m und 17 km im 
Süden v<m rarü|auio zu Tage 
liegen. Die Konzession für den 
Abhau *hat eine deutsche, mit 
etwa 8 Millionen Mark arbei- 
t4*mle A kt iengcsellscbart , deren 
Sitz in Köln ist, erworlmn. Die 
Hauptmasse des Schwefels liegt 
in schwarzem Schiefer un<l ist 
wahrscheinlich ein Zersptziings* 
pro<lukt defl in den Schiefern 
reichlich vorhaudeuon Schwefel- 
kieses. AnderwÄrts, z. H. am .\hh. 

Vesuv, tritt ja Schwefel auch als 



Suhlimatiun von vulkanischen 
Kxlialationen auf, doch ist diea 
hier nur in geringem Mafse 
der Fall, indem einige Solfa- 
taren. heifse Sehwefehpiellen, 
vorlmudeii sind. Mit Vulkanis- 
mus haben die Scbwufellager 
von Chaguammus im übrigen 
niehts zu thun, wie denn über- 
haupt in Venezuela vulkanische 
KrsebeinuugeD eine sehr unter- 
geordnete Rull« »piclun. Die 
Schwefelerze sind im Tagebau 
gewinnbar. ihre durchschnittliche 
Mächtigkeit beträgt 2 m, ihr 
durchschnittlicher Oehalt au 
.Schwefel ist zu 65 Proz. ermit- 
telt worden. IHe» i»t ein unge- 
mein hoher Prozentsatz, <lu man 
in den berühmten oder viel- 
mehr berüchtigten Schwofelherg- 
werken Siziliens jetzt F.r/.e von 
mir 1.5 bis 30 Rroz. Oehalt nh- 
baut. Das Arual, auf welchem 
der Schwefel sozusagen mit Hän- 
den greifbar ist, umfafst 12 ha; 
ea ist «in« Produktion von 30000 Tons jährlich geplant, 
di« in cl«r Hauptsache nach New York verschifft wcnlcn 
soll. Da Sizilien allein jährlich fast 500000 Tons pro- 
duziert, so wird dieiie NeiiprrMluktion verhältnisinäfsig 
gering sein. Kino sehr solide DrahtseUbahn ist bis zur 
Ku.Mte hin bereits fertiggestellt, der Retrieb kann unter 
den günstigsten Tmständen sofort eröffnet werden, so- 
bald nur erst Ruhe im Lande eingetreten sein wird: 
aber gerade hier wogen ja seit April v. J. ununterbrochen 
die Fluten der Revolution hin und her. 

Was die sonstigen I3o<lenprodiikt« der vom Yer- 
faaser Iwtrotcnen und im vorstehenden kurz geschilder- 
ten venezolanischen Staaten anbelangt . so handelt es 
sich in erster Linie um Krzeugniste dos .\ckur- und 
Plantagenbaues, und man miifs unterscheiden zwischen 
Prmlukton, die im Ijande selbst verbraucht werden, und 



Auf der Plantage Xarlara zwUchen dem Valencla**eo und der 
KBstenkordlllere: eine Zackerrohrpflanzutig, 



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Schott; ßeobaehtuDjreii u. Studien in ileu Kovoluiioniigebieten von l>nniitigo, Haiti u Venezaela 




inolcheD, die exportiert werden und daher Gegenetand 
deM llandoiri der anH&»»igen Europäer ttind. Zu deu 
eratcren gehört der Main und daa Zuckerrohr, ?.n den 
letzteren iler Kaffee und Kakao. Die Maisomie wurde 
im Jahre 1894 nachAuxweia des letzten yenezolanischen 
Statistiachen Jahrbuches (('aracaa I89ß’)] auf 4 Mill. 
Z<mtner gcMhätzt; Mais bildet das Torwiegende Hrot- 



Bchen Kaffees wächst in der Höheurugion von 600 bla 
ir>00iu, in der .sogenannten terra teoiplada, meidet 
also sowohl die ganz heir.son Küstenstriche als diu Hoeh* 
gebirge. Hobe Schattenbäume werden immer gepflanzt, 
so dats man von einer Kaffeeplantage, die man von 
einem Herge aus sicht, nur dun hochstämmigen Wald 
der ScbaUenf)äume erblickt Manche Kaffeedistrikte 



getreide der Venezolaner. An Hohi*7.iicker wurden in | hinter der Küstenkordillere leiden zeitweise aufsorordent- 

- ■ ■ T»l_ n f\ 4 .. ^ J ^ k . — ) ^ 1.^1. . . V. .. In... ..1. W.4 1 ^ U A « .J . M t. a Ct 



demselben Jahre 900000 Ztr. produziert; das Zucker- 
rohr wird in ziemlich primitiven Pressen , die nur 60 
bis 70 Proz. des Saftes gewinnen lu.ssen, gebracht, und 
das Produkt sehr schlecht raffiniert, so duD man selbst 
in den besten Familien nur einen hellbraunen Zucker 
verwendet. Die F.iufuhr weiCeeu, europäischen Zuckers 
ist durch geradezu riesige Einfuhrzölle ganz unterbunden. I Ecuador. 

Unter den Exportarti- 
keln nimmt der Kaffee 
die weitaus erste Stelle 
ein; für die grcifse Mehr- 
zahl der in Veoeznela an- 
sässigen europäischen 
Häuser ist der Kaffeepreis 
das A und 0 des Geschäftes. 

Die Schwankungen in der 
Menge und im Preise des 
KaSees sind hier gröfser 
als bei irgend einem an- 
deren Produkt«: im all- 
gemeinen sind Menge und 
Preis im letzten Jahrzehnt 
hnrahgegangen. Für 1894 
wird eine Prtxluktion von 
2,3 Millionen Zentner an- 
gegeben, (Ar die jüngste 
Zeit nur eine solche von 
1,5 Millionen Zentner; der 
Preis des Zentners Kaffee 
war 1894 durchschnittlich 
60 Mk. in Venezuela selbst, 
ist neuerdings aber, und 
zwar einschliefslich des Ex- 
portzolles und der trans- 
uzeanischen Fracht, auf 
etwa 50 Mk. gefallen, so 
dafn der Zentner in Vene- 
zuela selbst jetzt noch viel 
weniger als .'lO Mk. bringt. 

IHeser Rückgang im Kaffeo- 
preise ist allerdings niebt 
eine speziell vuntrzolunische 
Thatsache. da durch die 
nllgumeine Überproduktion 



lieh unter Dürre und Regenlosigkeit. 1784 ist die Kaffee- 
kultur in Venezuela eiugeführt worden. 

I>er Kakao ist das l>esta und borübmteste Produkt 
von Venezuela; der venezolanische Kakao erzielt den 
höchsten Ihirchschnittspreis auf dem Weltmarkt, über- 
trifft darin also noch das hauptsächlichste Kakaoland 
Iteutschland führt« in dem Jahre 1901 für 
rund 7 Millionen Mark 



Abk H. Aus dem Menrlande von Eos Teiiues an der 
deutschen Eisenbahn Caricas-Yalencla. 



in allen Teilen der Erde der Weltmarktpreis für Kaffee 
gewaltig borahgegnngen ist. Deutschland importiertu 19Ü1 
für rund 5 MUIiouun Mark V’enezuela-Kaffee; zum Ver- 
gleich sei erwähnt, dafs wir aus Hrasilien für 70 Millionen, 
aus Guatemala für 25 Milliuuun, aus HoUüiidisch-Indien 
für 16 Millirmen Mark Kaffee importierten. Ilin.Hichtlirh 
der Qualität ist der hrasilianiscbu Kaffuu am niedrigsten 
liuwertut , der Guatumnla-Kaffee dank der vorzüglichen 
Pflege nnd .Vufhereitnng, die er in Guatemala gerade 
auf dun deutschen Rusitzungcu daselbst riiidut, am höch- 
sten. Nach dem Erteile Sachverständiger könnte Vene- 
zuela ganz zweifellos ein erstklassiges Produkt liefern; 
aber die Rehandluug des Kaffees sowohl in der Plantage 
wie nach der Ernte weist uiihe.streitl»are und erbuhlichu 
Mängel auf. Der weitaus grulsiu Teil des vuuezolaiii- 



H*-it l0Va ist kein Jwhriiucli «ietler umchieueit. 



Kakao aus Ecuador und 
für 1550000 Mk. Kakao 
aus Venezuela ein; die 
Ernte in Venezuela ist auf 
25ÜOIK) Ztr., der Export 
auf rund 200000 Ztr. zu 
schätzen. Der Kakao ist 
so recht ein Produkt der 
brütenden Troijensouue, er 
verlangt andauernde Hitze 
und zugleich Feuchtigkeit 
und wächst daher fast nur 
inderterra caliente. Der 
best« Kakao wächst in den 
kleinen engen Hergschluch- 
teu und Ikirgtbälem , die 
sich zwischen En Guaira 
und Puerto Eubena nach 
Norden, nach dum Karai- 
htschen Meere zu öffnen. 
V(»m Meeresspiegel bis etwa 
lOü oder 200 m Meeres- 
hube. Okumare, Sau hlste- 
ban, Ehoroni vi. s. w. sind 
durch ihre Kakauplantagcn 
berühmte Orte. Hier wächst 
die geschätzteste, die 
Eriullo-Variotäi, im Han- 
del als „cacao de la 
costa** bekannt; sie ist ge- 
kennzeichnet durch die 
stark geriefte, unrcgel« 
mäfsige Form der h'rücbte 
und bringt etwa 130 Mk. 
pro/,eninorscbouanOrt und 
Stelle. Im Orient, mit dem 
AuHfuhrhafen Eanipano. wird auch viel Kakao produziort, 
doch ist die ('ariipuno-f'arietät bedeutend schlechter, an 
sich schon und iiifulgo muiigolhafiur Ruhandlung — wie 
ja alles im Osten mntigelhaft ist — minderwurtig; sie 
bringt nur 40 bis 50 Mk. für den Zentner. — .Auch der 
Kakao wird stets unter Schattuubäumun gepflanzt; der 
Kakaohaum gieht erst nach sieben bis neun Jahren eine 
volle Ernte, aber dafür besteht auch das Sprichwort zu 
Hecht: „Kakao ist Gold, Kaffee ist Silber.“ 

Iiu allgt'inuinun luidot fler .\ckur- und Plantagenbau 
Venezuelas unter ziemlich schlechten .A rhoiterverhält- 
nissen; nicht hlotH in unseren deutschen Kolonieeo, wio 
z. 11. in Kamerun, ist diu .Arheiturfragu eine crux. 
Auf einem .Areal, das so grofs ist wie Deutschland und 
Frankreich zusaninieugeuummon, leben nur 2,5 Millionen 
Menschen. Der Arl>eitermaugel wird noch dadurch vur> 
schärft, dafs in Friedens- wie besonders in Revolutioos- 



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Schott: Beobaohtnogeo u. Studien in den Hevolutionsgebieten von Domingo, Haiti o. Veneznela. 89 



Zeiten die niftniilicho BeTölkermig zum Militiir geprefst | 
wird. In uonibigen Zeitläuften yorRieckeii »ich die * 
Mänuur, und diu enttu besorgte Frage auf deu riuntageu ) 
früh Morgens ist dann nach der Zidd der zur Arbeit er- 1 
Nchienenen Männer. ! 

Als ein bedeutsamer Faktor in der Warteebätzung I 
Veneziiabui mnfs endlich auch die uiuheimiKcho Vieh* | 
Zucht gelten. Hierüber liegen zwei sebr Terecbiedene 
»tatistiHcbe Krhebttngen yor; die erste findet sich in dem 
amtlichen Jahrbuch Venezuelas fflr das Jahr 1894 und 
giebt den Viehstond folgendermatsen an: 



Uiiidviifh .... 




Z.3 


5fill. 


Stück 


Schafe, Ziegen 




1,* 


, 




Sebwuinu .... 




1.« 






Pfi’ide 




o,Z 






Maiiltii’t'e . . . 




Ü.Ui» „ 




K**’l 




0,4 




- 






6,8 


Mül. 


Stück. 


Diu andere Zohloureih« stammt von Dr. Preiifs^): 


Itindvi.h .... 




8,5 


Mill. 


Stück 


Krhafe, Ziugeii 




5,5 






Schweine .... 




■J.Ü 






Pferde ..... 




0,4 






Mauiticru . . . 




0.3 






»el 




0,8 










17,5 


Mill. 


Stück. 


Selbst wenn mau eine 


erhebliche 


Zunahme des Vieh- 


bestandes seit 1894 aunehmeii 


will 


ohschun sie nicht 


wahr.’icheinlich ist, so ist 


doch 


eine 


Differenz von ülK*r 



11 Millionen Tieren sicherlich unrichtig und mufs auf i 
irgend einem Irrtum beruhen. Vermutlich haben sieb | 
in die hohen Zahlen von Preiifa Fehler eingeschlicheii, 
da das atutliche statistische Juhrlmcli suwieso das Ue> 
.‘itreben schon zeigt, alles inügUchst günstig darzustellcu. 
Trotzdem ist auf alle Fälle, wenn man bedenkt, dafs die 
Zahl der in Vetiezueln lehcudeii Menschen auf nur 
2,.^ Millionen geschätzt wird, der Viehreichtnoi ein sehr 
grofsur; er konnte aber für die Zwecke des Kxp)rteN 
nach Nordamerika bedeutend noch gesteigert werden, 
ln Mariara wird be<leutender Wert auf die Viehzucht ■ 
gdegt. i 

IHt Wert der Ausfuhr aller yenezolanischen Pro- - 
dukte aus den zwei grofsten lläfeu, LaGuaira und Puerto 
Fabello, wird im Durcbscbnltt der Jahre 1881* bis 1894 auf ' 
75 Millionen Mark iährlicb, der Wert der Einfuhr da- I 
selbst auf fiO Millionen Mark angegeben. Der detitsche | 
Handel mit ganz Venezuela betrug im Jahre 1901 rund | 



18 Millionen, er war Anfang der neunziger Jahre um 
etwa 10 Millionen Mark grdtser. ln den letzten fünf 
Jahren zeigt eben, dank den ewigen Ib^yolutionen und dank 
s|>eziell der Mifswirisebaft Castrus, der vuuezolaniache 
Handel trotz der ungeheuren nntdrlichen Reichtümer des 
Landes eine absteigende Tendenz; der prozentischa Han- 
delsanteil Deutschlands hat sich aber nicht vermindert, 
sondern erhöht. 

Für uns Deutschen sind mit den 18 Millionen Mark 
llaudelswert unsere Interessen io Venezuela aber noch 
nicht erschöpft. Eine Sonderstellung und besondere 
Bimcbiung yordieneu die in der »(irofseu Veuozuela* 
bahn“ angelegten 70 Millionen Mark deutoeben Kapi- 
tabi. Kinigu geogniphiscbo und teebnisebo banxelhcitun 
über dies bedeutende Unternehmen wurden schon oben^) 
in anderem Zusamroeiihauge erwähnt. l>ic Finanzierung 
des Unternobmeuä ist bekanntlich gemeinsam durch diu 
Diskouto-Oesellschaft in Berlin und die Norddeutsche 
Bank in Hamburg erfolgt, und die Nichtzahlung uiuer 
TOD der yenezolaniscben Kegierung übernommenen Zius- 
garantie sowie weiterhin wiedurholto direkte Schädi- 
gungen des Bahnbetriebes bilden einen erbebücben Teil 
unticrer {>olitischen Differenzen mit Venezuela. Gerade 
diu deutsche Bahn rentiert sich leider schlecht oder viel- 
mehr nicht, obschon die Unterhaltungskosten, zumal da« 
Reitaraturpokontu , bei der Vorzüglichkeit der Anlage 
relativ viel geringer sind als bei den in ziemlich schlech- 
tem Stande befindlichen zwei kleinen englischen An- 
süUlufababnen nach Puerto ('abello bezw. nach LaGuaim. 
Es fehlt der deutschen Bahn vor allem an einem nur irgend 
genügenden Güterverkehr; während diu englische Schmul- 
sfiiirbahn Uaräcas — La Guaira im Jahre 1901 auf 1 km 
1,6 Millionen Kilogramm (»Qiur kuforderte, kamen auf 
1 km der deutschen Balm nur 140000 kg. Zum Teil ist 
diese Beschäftigungslosigkeit kaum heilbar, wenigstens 
nicht in absehbarer Zeit, da ein la'trächtUcher Teil der 
Strecke in kulturlosem Berglandu liegt; zuin Teil dürfte 
ihr abzubulfun sein, wenn es gelingt, die engli^^cbu La 
Guaira-Bahn auzukaufen und auf dieselbe Geleisbreite 
mit der deutschen zu bringen. Wie diu Dinge jetzt 
liegen, müssen die Güter in Caracas umgeladeu werden: 
da ziehen es viele Verfrachter des Inueni vor, ihre Maul- 
tierkaruwanen, diu sie doch bb zur Station der deut- 
schen Bahn in Gang setzen inüfsten, gleich bis Caracas 
an die englische Station laufen zu laHMeR. — Die Sta- 
tistik über iliu Butriebseinunhuien für das letzte Jahr 
(1901) ergiebt für alle drei Bahnen folgendeH: 



Eisenbahn Länge 

I) 

i km 


Bcfritz 


PerBimenverkchr 
Passagiere Bolivar*) 


Güterverkehr 
Kilngramm BoUvar*) 


Qesamt- 
uinnahme i 
in Bolivar*) 


Abnahme 
der Kin- 
»abmen 
seit 1895 


Canicas — Valencia HO | 

Ituaira — (.'aräcas 38 I 

Valunoia — Puerto Cabtdlo . . . ' 54 


deutsch 
1 engl, 
»•iigi. 


120 00<l ! 

47 000 

20 ooo : 


780 000 
547 000 
132 000 


35,5 Mill. ' 958 000 

tW.b ^ I 554 000 

15,4 , 640 000 


1 738 0(MJ 
1 881 000 
763 000 1 


5 Pn*z. 
S9 , 

46 „ 



Obwohl also die deutsche Bahn fast fünfmal länger 
ist als <liu La Guaira — t'aracHN-nahn, hat sie doch eine 
geriiigoru Qesamteinnahmo aU diese zu verzeichnen, 
übrigens geheu die Kiunalimcn alh^ Bahnen seit 189b 
fast ständig zurück eine natürliche Folge der Kevo- 
liitionen — und e» ist ein Lichtblick in den traurigen 
Verhältnissen, dafn der allgemeine Bürkgang weitaus arn 
wenigsten diu deutschu Buhn betrifft, liu Jahre iNS.b 
nahm die deuthche Bahn 1,824 Millionen BoUvar ein, 

*) Kxpoditiuu nach Zentral- und Südamerika (Kolonial- 

wirtmhaft-l. Kouuteo). Berlin s. att. 



die Lu Guairu-Bahn 2,666 Millionen BoHvur, diu Puerto 
('abello-Bahn 1,428 Millionen Bolivar, so dab die Miit 
1895 bi’« 190! zu Tage gi-trebme VrnninderuDg airh 
auf 5 Proz., bezw. 29 Proz., bezw. 46 Proz. berechnet! 

Zu den uatürlirben Keichtümern, zu der Schönheit 
und Fruchtbarkeit der gröbteii Teile des Lande» stehen 
in schneidendem GegeriHatze die ül*er die Mafien elen- 
den politischen Zustande, verschuldet nicht durch 
äut»«re Feinde, sondern lediglich durch die Venezi*lam*r 

s. H. 8«. * 

*) I H«ilivur •= 0,8 Mk. 



Globus LXXXill. Nr. 8. 



r *• 

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M) So)iott: I{eubaohtQDgr«D u. Stadien in den Hevoiatious^ebieten von I>umingo, Hüiti u. VeueEuel». 



reibet. AVa« fdr Leute !*ind eigentlich die VeueKoiarier, 
die ohne Uevniultomni, ohne Kämpfe gegeneinander ihr 
I^beu nicht hiiibringi'n xu können M^heiiieu? IHeVene* 
acdaner weihet bilden »ich wohl ein oder verwuchen 
wenigHteiifl andere glanhon zu machen, daf» «ie heut« 
eine homogene Kation darstellen. i>ayon iwt aber nicht 
die Kedu, schon die ungemein grurse Rasacnmischung 
Terhietet dies. Heu Grundstock der llovölkeriing machen 
wohl di« Kreolen aus, also die itn Land« gelM>renen Narh- 
kuiuineii der früheren spanischen KroWrer und Kiuwari- 
derer, wie ja auch Spanisch die einzige und allgemeine 
l^andeaspracho ist; die Kreulou mögen 25 i'roz. der Ge- 
saiutlhjvölkerung bilden. I>azu kommen U Proz. reine, | 
vorwiegend in den ganz heifsen Küstenstrichen leidend« 
Neger; etwa lü I^z. haben noch iudianisehi’s Blut in 
den Adern, (•ind also, wenn sie auch nicht reinen Blutes 
sind, auf dt« alt« rrltevölkerung zurückzuführen; ferner 
rechne man l bis l,f> IVoz. Weifse. Der Rest aber, 
mehr als h.'i Broz., besteht aus einer Mischrasse, in der 
Krooleii, Neger, Weifse u. h. w. zu Mestizen, Mulatten 
geworden sind; dies« witslermn haben sich in allen denk- 
baren Vurietiteii im Laufe der (fenerationeu vermengt. 
Dafs ein solches Volk keine gemeiiisaiue nationale Idee 
beherboi^en kann, «ine Idee, die es ihm möglich macht, 
die Kinzelleidenschaft und «Ins Kinzelintereswe dem AU- 
genieinwohl unterzunrdium, liegt auf der Band und ist 
um KO weniger verwunderlich, wenn man aufserdem den 
sehr ikiedrigen Hiidungsstand der Bevölkerung 1>ede)ikt. 
Nach dom eigoueu Zugeständnis der venezolanischen Re- 
gierung konnten von den 2’ | Millionen Kinwohnern des 
.lahres 1^94 2 Milltonun w'cder schreiben noch lesen! 
Dies ist also ein Land, das es durchaus verdient, von 
einer höher kultivierten Kasse lieherrscht zu werden, zu 
seinem eigenen Wohl. 

Was die im Lande ansässigen Weifsen hetriflt, so 
liegen, wiederum für ld94, fulgtuidc amtliche Angabtm 
vor: 

Nordamerikaner nur ...... 

Kpunicr l4uou 

Kniiizuio’n 2 .'■lOo 

Jnrutsclu* I «MIO 

Italiener ;i 2 no 

KhglaiiUer a 150 

lioUätirler ,H «no 

rund . . 30 0(Hi 

= 1,2 Proz. der Gesamtbevijlkening. 

Gesetzt, diese statistieche Aufstellung sei mir einiger- 
mafsen richtig, so fällt zunächst di« ungemeiu DiHlrig« 
.Vnzalil der im Lunde wohnenden Nurdiiiuurikancr auf; 
in der lliiit kommt letzteren, so sehr sie sich gebärden, 
keine thataächliche Kollo im Handel und Wandei zu; 
dies wollen wir uns fiir die polltischoSchlursbetruchtung 
wohl merken. Unter den 14000 Spaniein und den 
H200 Italienern diirrt4‘ii viele kleine Landwirte und 
Handwerker sein, welche ihre ursjirünglicht* Staat>Hngu- 
hörigkeit längst verloren bozw. aufgegebeii haben. Ks 
ist auch nicht so selir die absolute Zahl als vielimdir 
der Umstand .\usschlag geliend, welches Kieinent die be- 
ireOeiideii Weifsen itu Lande darKtelleii: und da kann 
es einem Zweifel nicht unterliegen und ist allseitig an- 
erkannt. dafs die Deutschen di« weitaus erste 
Stellung unter den Kuropaern einnebmeii, iu 
jeder Beziehung und im ganzen Lande. Nicht 
hiofs im Grofsliaiide] uherwiegt das Dcutachtum, auch 
als Ingenieure, Techniker, Ärzte ii. s. w. vertreUui Deut- 
sche iu hervorrugemlstem Mafse Bildung und Intelligenz. 

. - — Wie schon obenerwähnt wurde, darf man dietiesamt- 
: :böhe des in Venezuela arbeitenden deutschen Kapitals 
'-auf reichlich 200 Milliuneu Mark schätzen. Dieser Um- i 



stand und die Tbatsache, dafs Vunezueta der uns um 
uächsU'ii gelegene grüfsere Staat Südamerikas ist, ver- 
langen. dafs wir die Hevolutiouen daselbst mit ganz an- 
deren .\ugen bebrachteii als dio Kevolutiunen in Ikuumgo 
oder gar in Haiti. 

Seit 1886 haben die Bürgurkrioge iu Venezuela fast 
niemala aufgohört. 1899 vertrieb der jetzige Präsident 
t'astro in einer verbaltiitsoiäraig kurzen Kevulution sei- 
nen Vurgänger .Vudrade. Was alles hat man damal»* 
von Castro und seinen guten Vorhätzen erwartet, und 
wie furchtbar ist mau enttäuscht worden! Skrupelloser, 
zügelloser wie Castro hui kaum ein anderer Präsident 
gelebt, in der schaiiiloaesteii Weise den Staat systema- 
tisch hoHiuhlen, die Vertreter der europäischen Kultur- 
staaten beleidigt und io jeder Beziehung die .■Mlüreu 
eines Diktators angenommen. Seit Dezembci 1901 hat 
deshalb M. A. Mato-*, einer der ersten Uinanzleute und 
einer der gehildet.'iten Venezolaner, dem Kcgiiueiit (‘astro« 
den Krieg erklärt; seit April 1902 sind die Kämjife 
richtig in Flufs gekommen, aber es scheint diesmal die 
«Revuluciön Lihertadora’* zum Fluche des Landes 
ganz besonders langsame Fortschritte zu machen, so daL 
uugenhlicklich (November 1902) trotz mier gerade wegen 
angeblicher Siege Castros das hmd« nicht ahzusehen und 
sogar zweifelhaft ist, in welcher Weise die Kntscheidung 
fallen wird. 

Den hisberigen Verlauf der Kämpfe in den verschie- 
denen Lumlcsteilen näher zu l^eschndhen, hatte kein all- 
gemeineres lnt«reH^e; es genügen folgende Angaben. In 
den meisten Fällen erfolgt die erst« Fa-behung in den 
Llauosdistrikten; die Revoluiiou greift dünn niirdwärts 
durch, oft in den Staat Caralxjho am Valeiiciaaee, also 
in die Mitte des l.umles hinein, von wo der letzte .S:hlag 
auf die Hauptstadt Carücas geführt wird. Diesmal ging 
die Kevidution auch von den Llanot.g(ddeten , aber den 
östlichen Goguiiden hei Muturin, aus, und dem Insurgenteu- 
general Nicola» Holandu gelang e», durch die Schlachten 
hei Guanagunun am 22. April und hei Curupäuo am 
29. April und 6. Mai fast den ganzen Orient iu seine (Ge- 
walt zu bringen. Wenige Tage nach dem 6. Mai war 
der Verfasser in Carupano W den Kuvulutionären. Seit- 
dem ist in Coro, in Barcelona, in Ciudad Ik>livar am 
Orinoko, ja auch in La tiuuira, der Hafenstadt von Ca- 
racas, gekämpft worden. Ende Oktober fanden sudiiun 
die blutigen, iagtdang »udauernden Kämpfe bei l,a Vic- 
toria iu der Näh« vom Valeuciaae« statt, in denen 
Castro sieh den Sieg zugesehrie1>eu hat. 

Was die allgemein militärische Seit« dieser Revolution 
und aller Temizolauiscben Kevolutionou bet rillt, so stehen 
der jeweiligen Regierung in Caräca.M leidlich gedrillte, 
nach französiarhem iNfuster bekleidet« reguläre Triip|>en 
zur Verfügung; ihr« Zahl reicht aber im KriegHfell bei 
weitem nicht nua und wird durch skrujiellosestes Presi-eu 
der männlichen Bevölkerung vergröfsert, Pliue dem 
äufsi*reii Anblick nach gänzlich unmilitäriacbe Rotte 
stellen die Heerhaufeii der Revolution dar; hiervon mag 
eine der in ('arupauo am 12. Mai aufgcnouimenen Ori- 
ginal])huiogra] fiieeii (Ahb. 9> ein« Vorstellung ge- 
währen. Berufssoldaten sind ülwrhsupt nicht darunter; 
auch die aogenuunten ^General«** und „Obersten* sind 
in normalen Zeiten kleine Haziendenbesitzer caler Kauf- 
leuto, Handwerker u. dergl. Das einzige Alizeiclien und 
Kennzeichen der Revolutionäre ist diesmal «in breites, 
weifses Hutband, welches die schwarze Inschrift „Viva 
el general Nicolas Rolando* »sler „viva el Guerra“ 
trägt Rolando. früher Kaufiuann, i.st ein oRenhar 
recht iH'fiihigter, augenblicklich sicher der tüchtigste 
Anführer. Rolando hat durch die spartanische Kinfach- 
heit und diibei .Vnständigkeit suiner auLeren Kmchtdiuiug 




Schott: ßcobcohtonfrcn u. Stadien in den ReTolntioDagehieten von Dotnint^o, Haiti u. Venesnela. 91 



und I^bcnswei^u, durch .sein ruhiffe» und freundlichcD 
WoMn einen vor«Af;licheti Kiudnu'k auf una gemacht. 
Auch t>cin ArtillurieuberHt, Manuel ('innero^ aus Ciudad 
Bolivar am (h'itioko, Ixt eine xympailiiaehe, elnxtiaohe 
Krttcheimmg. 

Die Muuiixchaftuu, um eine grorso, weifse Fuhne ge- 
schart, gehen ganx nach ihrem Belieben in mehr oder 
weniger vollxt&ndigur Bekleidung; xutu Teil sind es 
IjCtite, die l>ei glOckliohem Ausgang der Itrvolution ihrer 
Belohnung in irgend einer Art sicher sind, zum weitaus 
gröCsten Teil aber sind sie an der Suche in keiner Weise 
interessiert, .nondern durch die militArische Lage der he- 
treffenileii ProTinx einfach gezwungen, mitzuthun. Trotz 
elendester Bewaffnung und Cnkenntuis im Schiefsen 
schlagen sich nach den fibereinstimiiienden Beriebtuu 
alle Munui*cliaft4ui auf das tapferste, und xwur utiob die 
g«)|>refsten I«oute sowohl der Regierung wie die der 
Revolution. In den Kfimpfen um und in ('nrüpuno, we- 



nige Tage vor dem .\ufuntbalt des Verfassers daselbst, 
waren nach zuverlässigen Angaben 700 bis ROO Mann 
als Gesamtverlust auf beiden Seiten zu rechnen; die 
Leute hielten Stand bis zur letzten Patrone. Am be- 
daaeniBwerieBtcu siud die Verwundeten. Von luizarett- 
cinriobtungen, Ambulanzen ist kaum eine Spur vorhan- 
den. IHe Verwundeten, zumal die der Gegenpartei, 
bleiben liegen, wo sic fallen; kein Mensch kümmert sich 
um sie, und so sterben sie eines geradezu fürcbterlicben 
Todes, indem sic unter den .Strahleu der erbarmungs- 
losen Tropensonne verschmachten und von deti Moskitos, 
Fliegen und Aasgeiern zunächst an den Augen aiige- 
fressen werden. In diesen Kämpfen kommen Greuel 
vor, die denen des letzten südafrikanischen Kri<‘ges 
sicherlich uichtx nachgel>en. 

lin t*aufe der Monate gewinnt die Katnpfusweise auf 
beiden Seiten natürlicherweise an Schärfe und Roheit; 
die RegicruDgs|>artei bat sich nicht gescheut, am 6. Mai 
die offene Stadt rarüpatio zu boiubanlicrun, wobei fast 
nur Frauen und Kinder umkamen, du die Rcvolutions- 



I truppen vorher geschützte Stellungen eingenommen 
hatten. Der deutsche Dampfer „('rualia**, mit welchem 
I der Verfasser t'arüpano am 13. besuchte, wurde daher 
von Flüchtlingeu aus allen Kreisen der auf das hüohste 
geängstigten Bevölkerung förmlich gealQrmt und konnte 
in Abwesenheit eines europäischen Kriegsschiffes sich 
der Aufgabe nicht entziehen, diese I^uto, die all ihr 
Hab und Gut im Stieb liefnen, nach Trinidad in Sicher- 
heit zu bringen. 

Es wäre min ein durch nichts gerechtfertigter Opti* 
mismus, auzuuehmeu, dafs Matos, falls ihm die fVäsideiit- 
sehaft wirklich noch Zufällen sollte, der wahre Befreier 
des Landes werdeu wird; er wird zunächst danach 
trachten, seine für die Revolution gemachten persönlichen 
.Ausgaben, welche 1 Million Mark bereits weit über- 
schreiten dürften, irgendwie, und zwar mit landesüblichen 
ungeheuren Zinsen, wieder zu gewinnen. Nach unseren 
Begriffen moralisch einwandfreie Präsidenten hat es in 



Venezuela überhaupt nicht gegeben, Guxman Bianco, den 
man inmierliin zu den guten Präsidenten zählen mag, 
nicht ausgenommen. Das Gewebe bleibt immer dasselbe, 
e.s kommt nur eine andere Nummer an die Reihe. Aufser- 
deiii scheint diesmal nach verschicHleuuu Anzeichen die 
Gefalir grofs, dafs, wenn erst ('astni verjagt ist, dein 
Matos, da er selbst kein Kriogsmatin und Heerführer 
ist. der Präsidentenstulil von seinen Generalen streitig 
gemacht werden wird; möglicherweise schliefst sich also 
an die Revolution ein Kampf der Revolutionäre nnter- 
einaiider unmittelbar an: kurzum, die .\u<!>ivhten -iiid 
auf lodeu Fall uusngbar traurige und jämmerliche: die 
Kniten auf den Kaffee- und Kakaoplaniagen verkommen 
aus Mangel au Arbitern, der Fxport und Import stockt 
vollständig; schon sind, da l^adung fehlt, zahlreiche 
Dampferuz]>editiuneu nach Venezuela ausgefallen. Der 
Schaden wächst in das Uie^enhafte. 

Simon Bolivar, der iiii .\nfangdex vorigen Jahrhunderts 
die spanische Vorherrschaft in Südamerika zertrümmerte, 
iudeui er das heutige hlcuatlor, Kolumbien und Venezuela in 




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T.udwig WUaer: Anthropologie snaoioa. 



iYi 

20jiihngem Kriagu kaniit-o MHinoTiandslanto uimI 

hat vor K*iuem Todo, allerdings untar dem Kiiidruck<> dor 
▼on Seiten des Landes ihm gezeigten ('ndaukharkeit, die 
nachstehende bittere ('harakteriatik der Zustände und 
tröbe ZukunftsToraussage gegeben: ^Uei uns zu Lande 
horrscht weder Voi*trauen zwischen den einzelnen Leuten 
noch zwiacheu den verschiedenen Stämmen. Unseru 
Verträge sind wertloses Papier, unsere Konst itutiou ist 
Terletzbar. unsere Wahlen arten in Küiupta atis, unsere 
Freiheit ist Anarchie und unser Leben eine Qual. Vene- 
zuela ist nicht zu boherrschen . . . .feiio, welche der He- 
volution gi'dicut hohen, hahen im Meere gepflügt. I>ns 
einzige Vernünftige, was mau hier Ihun kann, ist aus- 
ziiwandern; denn unsere Länder fallen uufuhlhar in die 
(iewalt der geaetzloaen Massen, welche sie künrtigbiu 
mit der ganzen Grausamkeit mtd Gefdifsigkeit kleiner 
Tyrannen auslieutcu werden. IHe Kuropäer werden es 
nicht so schatzen-wurt Rüden, dafs sie dies Land in ihren 
Besitz nehmen würden. Wenn es möglich wan% dafs 
ein Teil der Welt in seinen Urzustand zurückkehren 
künnte, so wflnle dies zweifellos mit uuserciii Lande der 
Fall sein,“ 

So weit die Prophezeiung Bolivars aus dmn .fahre 
1880, die zu einem grofseu Teil bereits eingetruffen ist. 
Dafs wir Deut-seben mit Venezuela keinen Kruberuugs* 
krieg anfangen können, wie es manche Ileilssporue wohl 
mochten, dafs wir überhaupt das militariHcbc Eingreifen 
Att Laiiil vermeiden müssen, ist «leinjenigen. der p'uee 
tropischen Lundes und Volkes Natur kennt, klar, und 
der Verfasser weifs, dafs auch unsere bi'sten Vertreter, 
die Kaufloute , kein bewalTnetes Eingreifen wOnsebon : 
wir würden ja vor einer ähnlichen, schier unlösbaren ^ 
Aufgabe stehen wie England gegenüber den Ilurenstaabm. 



.\uch hat gerade der Ifefreinngükainpf der südamerikani- 
schen Hepubliken gezeigt, dato das damals doeh immer- 
hin no<*h sehr niacbtigo Spanien von Europa aus dom 
Aufstande uiclil gewachsen war. Ein kürzlich gemachter 
Vorschlag scheint unseren Interc.H^en zu geuügei»; wir 
müssen unsere flnanziellc Oberherrschaft in Venezuela 
in irgond welcher Weise dauernd und in staatsrechtlicher 
Fonu so festlegen, dafs, ähnlich wie in Ägypten, eine 
Kontrolle über die Haupteiiuiabmeu des Landes durch 
eine euro|>ttischu Finatizkomuassioii ausgeübt wird, 
welche im übrigen den Staut Venezuela ab {K>litisches 
Gebilde unberührt lÄLt — Nur eine Entwickelung 
müssen wir bereit sein selbst mit Waffengewalt zu ver- 
hiudern, näiulich dun Übergang Vonezuelas in den Be- 
sitz der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Wir 
sehen, dafs augenblicklich die l'iiitod States noch 
keine wirtschaftlich bi'^ieutende Stellung im I.ande ein- 
nehtiiou, aber das riesenhafte Auachwelleii der |Hditiscben 
Ansprüche derselben läfst ein Obergreifen der .Monroe- 
doktrin auch auf .Südamerika möglich erscheinen. l>eutsch- 
laiid und allu anderen mit Südamerika in Verkehr stehen- 
den uuro|mtaclien Länder haben ein Lebensintercsae 
daran, zu verhindern, dafs auch Südamerika eine Kolonie 
der Vereinigten Staaten wird — die Gndsen Antillen 
mögen ihnen zufalleii, daran ist nicht« mehr zu ändern — ; 
die Frago alier, ob Südamerika, ein ganzer Erdteil, 
europäischem Einflüsse erhalten und enropäischera Han- 
del geöffnet bhuht, oder ob auch Südamerika den Ver- 
einigten StimtiMi zuffillt und damit diu W>sthemi8pfaAre 
eine .^hier er<lrückendo Übermuebt überEurope» gewinnt, 
die Frage winl jedenfalls in der Hanpisache durch das 
I Schicksal Venezuela.s entschieden werden; hic Hhodtis, 
hic salta. 



Anthropologia suecica. 

Vou I)r. Ludwig Wilser. 



Als wir vor 18 Jahriui in Karlsruhe mit der Unter- • 
Huchung Ivadischcr Soldaten und W4dirpflichtigen *) Im- ‘ 
gnrinen, gaben wir uns der Hoffnung hin, unser Beispiel ' 
würde im In- und .Vuslaiidc Nachahiunng flnden und I 
damit eiueu Überblick über die Verbreitung der Hussen 
und die Zusamniciisctzutig der Völker eriiMiglicbeii. Leider 
aber ist gerade in HeutBchland, da solche Erbehungen 
ulierdingH sehr mühsam sind, grof^e llingehung und 
Opferwilligkeit erfordern und meist nicht die gebührende 
Anerktmnung finden, mit Ausnahiue einiger örtlich hn- 
»chrüiikter .\ufuahtnen ’), seitdem so gut wie nichts mehr 
geschehen. Im Ausland dagegen war man nicht müfsig. 
und di« Wissenschaft verfügt jetzt über die Ergebnisse 
wertvoller und umfangreicher Untersuchungen aus den 
mei'<ten Nachbarländern, so be.sonder» (Vterreich (Weis- 
buch), Italien (Livi), S|mnien (Olöriz und Araiizudi), 
Frnnkri‘ich (('ollignon), England (Beddoe), Norwegen 
(.\rho), Hufsland (Zogrof und Bogdanow), Kinulnnd 
( \\ Os terlu nd ). Erfreiilicherweiso ist durch die vor 
kurzem erschienene Anthropologin suecica^), ein praclit- 

') Die Ergelmisna der auf eine Iteihe von Jahreu »ich 
vrstrockeiiduri Knf4*rsuchuiig<'n «!nd niedergeh^t in Aitim<>us 
Werk »/.ur Ant)iiv{»<.>logie der Itadcrier*. •li.'iia, (i. Ki«rher. 
1HH9. 

') Ko die ('titcrxucbmig der Kchulkimler im tUierwint 
ileiibromi durch meinen Freund Kebliz, bei der ich mich 
auch in einigen Uörfern beteiligt halte- lierieht auf der | 
Anthro(sdogunveniHmmluug in Lindau 1S99. | 

•) Anlliru|silogia suecica. Ib-iträge zur Anthru]>oIogi« der j 
Schweden. Mit l.^o Tabellen, 14 Karten uud 7 Pr>»|sü‘tio]]8- ! 



voll ausgestattetes Werk von hervorragender wissen- 
schaftlicher Bedeutung, da« seinen Herausgebern, den 
Professoren Ketzins in Stockholm uud Fürst in Lund, 
alte Ehre mat'bt, die noch übrig geblielmno Lücke aus- 
gefüllt, der Ring geschlo.ssen. Sj^hon 1885 waren wir 
j ül)ci‘ 20 ugt, dafs Schweden unter allen europäischen Län- 
dern eine Sunderstellung eiimehtue und seine Bevölkerung 
I sich durch auffallende Reinheit der Ha-se auszeichnen 
I müsse; .\miuou und ich hatten daher dio .\hsiclit, eine 
SrtinnnuTeisu* nach dem Noreb-n zu tiiiternehiuen und zum 
Vergleich mit unseren badischen einige sebwedbehe 
Truppenteile zu untersiu’hen. Äufscre Gründe verhinder- 
ten die .Ausführung diesca schönen Plane-s, wir dürfen 
miH «her schmeicheln, daf« das grofsartige schwedische 
riitttriiehinen durch unser Vorgehen beeinfluNt war, dafs 
dasselbe unser« Vomussetziingeu im vollsten Mafse be- 
stätigt bat. 

Her geistige Urheber und. dürfen wir liinzufügan, auch 
der werktbiitige l'nterstützer des ganzen rnteruobnicns ist 
Prof. Gustav Ketzins in Si«4okhulm, der Sohn von 
.Anders Krtziua, der es als Ehrenpflicht betrachtet, 
das von Meinem Vater begonnene Werk der Kaazeu- 
forsohung für sein Vati'rland zu Eud« zu führen. Has 
vor einigen Jahreu ersoliieuenu, ebenso prachtvoll aiis- 
gestnttet« und dim'^h seine wohlgelungenen Ahhildungen 
nicht minder wertvoll« Werk über die sehwedischeu Vor- 

tafehi in Farbendruck, vielen Kursen und anderen lllu- 
straiioneu. Peutsch« .Ausgabt*. 8iwkh>>lni' 



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[<nd«ig Wilsflr: Anthropolngift sneoici». 



93 



zettRchllilel *) liUdei den er.Hteii Teil und wird nun er* 
gÄnzt durch die itnlhropoiogtHrh«' UiiterKUcl<mig der 
lel>end»*n HeTölkeriiiig; denn fftr Retzius war e» tun 
iienrhäuiender GtMlanke. datx Kein Vaterland, „ohwohl die 
eigentliche Wiege der HrfoiNchuiig der eurupHiaehen 
Hil^^vIK'ba^Hktere, wie der incMieriieii Anthropologie über- 
haupt**, doch 211 den in dieser lüniiicht noch am wenig- 
KtcQ genau unterHUchten lüudont gehörte. Snhon in 
den .fahren 18()2 63 hattu er den IMan einer umfatiiMni- 
dun Krhehiing gefat^t, aber dem Nachfolger seinen Vatei'e, 
dem Kreiherrn V. l>üben, dien Gebiut übfrfa.H<*en und »irh ■ 
Huderen wichtigen Arladten seiner FachwiKMetieehnft. der | 
meiiHrbltchen Anatomie, zugewmidet. Nachdem Ilerr ^ 
▼.Trüben 1892 gestorben war, ohne etwas AbKcldiefKon* i 
de» erreicht, busunderH auch t»hne «seine lietrofienden 
Arl>eiten veriiffenlUcht zu haben, erschien e« um ko not- 
wendiger, die Aufgaben der acbwe<UKchen Anthropoh»gie 
atifs uune thatkrftftig in Augriü zu nebiueii, W'enn man 
Hieb auch in einem l^iide, wo der nWissenKchaftlicbun 
Arbuiter auf jeilein Gebiet^* nur wenige sind, «lie bo- 
dmUendi* AuMtebumig des Landen aber derartig .«tatisti- 
Kcheii Krliebungeu ruebt groffu SchwierigkuiU'n Inetet*, 
mehr als einmal bedenkt, „bevor luan eine solche Arbeit ' 
in Gang setzt**. Aber erst im .fulmt 1H96 kam es dazu, 
dals die Schwedisclie Gesellschaft fftr Autbropologiu und 
Geogrupbiu Ketzins und Haltkrantz, der kurz vorher 
die militäri«ch«*u Aufzeichnungen tther die Körpergröfse 
der Wehrpnichtigen für anthro|>olng]scbe Zwecke bear- 
beitet hatte, mit dt'i- Vorlage von VorschlÄgen für eint? 
gröfsere VoIkHiiutersuchung iMaiiftragte. Ga aber von 
der Regierung die ei-forderlichuu Mittel nicht zu erlangen 
waren, dem einen der Beanftragten niieb die nötige Zeit 
fehlt«*, mufste «lio Sache verschoben werden. Endlich 
im Oktob«*r des gleichen Jahres, bei der Feier des 100. tie- 
burtatages von Anders RetziuK,hnh desstm Sohn aufs 
neue die grotse Bedeutung dos geplanten Unternehmung 
hervor und stellte zugleich 3000 Kronen fftr diu«un Zweck 
zur Verfügung. Die Regierung gewahrte, wenn auch 
keine Geldmittel, so doch die ]->Iaiibiiis zum Vorneiimen 
der Fntt'rsuchungen. Nun kam endlich l.i*hen in die 
Sach«, und iiu Frühling «los .Jahres 1897 wurde von 
einem ganzen Stahe von Profe-^HOren . Doktoren mul 
Kandidaten unter grofsem Entgegenkommen derniilitftri- 
achen Beh«irdon mit der Untersuchung der hei den ver- 
achie4leneii Ftegimentern eingestellten 21jährigen Mann- 
K<dmften der I.andwehr (beväring) begonnen. In dieK«*in 
Jahre wurden in den Standorten der einzelnen Regi- 
menter 22708, im folgundon, 1898, dazu 229HÜ Mann 
untersucht, zusammen also 45688. Von diesen mufsteu 
aus ver^chiwleneM (»runden ungefähr 700 ausgeschieden 
werden, so dafs als Grundlage der iU^rechnungeii 41900 
Manu blielH*n, d. h. 1,81 Proz. der lUHunlichtm, 0,88 Proz. 
der gesamten, rund 5 I (K)OQO Seelen liuiragt'ndcn llevölke- 
rmig von Schweden. Da nur 2ljfthrigu und «lienst- 
taugliche, nlüio iiiiudcstens 157 cm grofse Leute unter- 
sucht wtmieii . ist der StoR ein etwas anderer als 
beiHpielsweise unser badischer, was nicht ohne EinRufs 
auf die Diircbschnittsgröts«« hleilran kann, da diese «birch 
Mindermätsigu solbstvurst&ndlick herunt<«rgc<lrürkt wird. 

Aufgeuouiint'u wurde: l. Geburtsort, auch der F.lttirn, 
2. Gröfse (stehend, sitzund), 3. Armbreite, 4. Kopf (Läng«, 
Breite), 5. Geeicht (oval, rund), 6. .Vugen (blau, grau, 
meliert, braun), 7. llanre (gelb, cendr^, braun, schwarz, 
rot), 8. Autsergew«'>hnlichus als Bemerkungen. Die Kopf- 
mafHu sind mit dem Stangenzirkol gmurnimmi, <Hn f,änge 
nicht in der Horizontalen. Das Gesicht wurde nur in 

*) Crnuia meeica aiilii|ua. Dt'Utsche Atii^'abe. Stockholm 

It^OO. 



zwei l,andscbaften, Ihilame und VAstmaulaiuI, gemessen, 
K«m»t geschätzt. BUne und graue Augen wurden späbT 
uIk helle, gelbe und asebfarheno Haare als blonde zu- 
Hanmiengeruchnet, sodafs die schwedischen und Imdisehen 
Farbonkltissen fast gleich werden und damit der Ver- 
gleiehswert noch mehr steigt, „weil da« Alter der Unter- 
suchten dassolhe oder iHÜuabe dassulbe ist“. Diu Wehr- 
pflichtigen wurden so auf die LnDdschnfti'n verteilt, dnls, 
w«-nn S«)bn und beide F.ltern oder doch ein Elternteil in 
einer Landscliaft gehören waren, der Maiiii zu dieser, 
wenn beide tllturn in einer Htidcren, d«*r Sohn auch zu 
«b*r der KUern, w«?iiii die Kltem in verschiedenen, der 
Sohn zu dur des Vater» gerechnet wurde. 

•An der Um- und .\usr«»climiug hal>en sich, bezeichnend 
für iionlische Verhältnisse, nit-^ht weniger als fünf Ihimen 
iH'tciltgi. Iiu übrigen haben di«^ Herausgeber di« Bear- 
Wiiung so unter sich geteilt, dnfs Rutzlns diu Malse, 
Fftrat diu Furbeti übernahm. IHu Kosten des ganzen 
Unternehmens, die «Ich, obwohl eüizelm* Untursucher auf 
Reisekostcncii tst'^hädigung verzichteten , mit dem ! >ruck 
der nll««rdings iuj«*der üinHirbt umstergültigon Veiöffent- 
lichung auf 15500 Kronen, d. )i. rund 174 10 Mark, be- 
liefen, hat Retzi US in hochherziger Weis«* allein b««sirittun. 
In den Staaten, die so grofw! Summen für wissenschaft- 
liche, oft recht feruliegeinle Zwecke aufweiideu, Kcbuiiit 
man iimnur n«H*h den Wert solcher 4bitersiicliungen der 
Bev«’>lkerung, auf deren Steuerkraft und Wehrfähigkeit 
di»ch die ganze Macht des Staates burnht, zu gering 
einzuschätzuu. ln jeilem Falle haben Uetzius und seine 
Mitarbeiter nicht nur ihrem Vab'rlumle, sondern auch 
der \Visseuschaft einen misoluitzbaruu Dienst geleistet, 

„Ein Blick auf «lie Vorgeschichte und die Geschieht«* 
Schwedens“ leitet das Werk ein. Mit Recht winl hier 
von Ketzins hervorgehobeii , dafs das L.*ind nach der 
Eissehmelz«* suiiie ersten Kinwamlerer über die «lüuischeii 
Inseln urbalten hat. dafs die sftdlichuu Lun<ls<*Imften 
>cboueu, Halland. \N estgotlaml, Bohusiän in ältester Zeit 
am dichtesten hevölk«*rt war«‘ii. Hi«*r war d«*r Haiiptsitz 
d«*r nordischen Steinzcitkultur, und erat während dea 
Br«inzc- und KiHenalterH „drangen die .tnaiedler iinmur 
mehr nach den ö«tlich(*n und nördlichen Gegenden dus 
Landes vor, und diu Verbiiiduug«*n mit den itingebenduii 
Ländern über da.s M«*er wunlen allmählich zahlivicher.“ 
Wenn auch, wie z. B. die Funde .skandiiuiviKcher Waffen 
und Werkzeuge In Fimilaiid z«*igen, von der Steinzeit 
an diu .\u«wundurungen überwogen hab«ui, so la.ssun sich 
doch aus durOeschiehte, abgeseh«*!) vom Handelaverkcdir, 
einig«' Beispiele fftr Kinwanduniug fremder Bestandteile 
aiifrihren; so Kind ini 16. und 17. Jahrhundert duivb 
mehrere Könige in den dnnnlx'Völkerten WaldiandHchaften 
des Nordens zahlreiche Finnen nngesiedelt worden, und 
zniii Bi'triub der Eisenwerke in Ostgotland und Uppland 
kamen zu gleicher Zeit viele wclsche Niederländer, 
Wallonen, ins Land. Infolge de« dreißigjährigen Krieges 
brachten die schwedischen Truppen, die ho lang«* im 
j Ausland« gedient hatten, fremde Fratnm und Offizi«?re 
mit heim, so daß die Mehrzahl „der Edelleute nicht von 
' Hchwe<lit(cher, Hondern von ausländischer Herkunft“ isb 
, Auch der zunchuieude Hände) bewog manch«* Familie, 
)M>sonder» deutsche und holländische, «laruiiter auch judi- 
sches Blut, zur dauerndun Ansiedelung in Schweden. 
Allen das konnte Nclbutverständlick nicht ohne Kinfliits 
auf die ZusammenHetzung der [h*v«>lkerung bleilwn. Im 
ganzen aber ülH'rwicgt, wenn auch selhsiverständlich in 
letzter Zeit Handel und Industrie sich mächtig untwicki'It 
I haben, doch immer noch die auch in Ih'ZUg auf Rein- 
! baltung der Rasse konservative BauernlH'Völkernng. 
I Noch heute lol»t üb«*r die Hälfte (56 Proz.) des schwedi- 
! sehen Volke» von der I,andwirtscl)Hft und Fischerei, und 




n 



Ludwitr WiUer: AnthropoIof^U aaeoiea. 



auch unter <len Arbcitöm Ix’hndcn aich -40000 Hola- 
hauer, deren Lehent^weiae der bäuerlichen ziemlich ähn> 
lieh seil) wird. 

Wenn man die VorzeitHchädel mit denen der heutigen 
lioTölkerunf^ vergleicht, so wird ee „in hohem Grude wiihr- 
«icheinlich, daf» die doliebocephale Bevölkerung, welche 
in den prähi^ioriachen /aMtaltern da>< jetzige Mcbwedische 
l.wnd bewohnte, von eben derRtdl>en hochwüchaigeii, hell- 
haarigen. blauäugigen und liuigköpßgen war**, der 

noch jetzt die >Iehrz4dd der Kiiiwohner nngehört, daf» 
diese llna»e, der „echt germanische Stamm“, auch „nord- 
earo])äi9cbe arisch -germanische Stamm“ (am besten ge- 
hrauchen wir die naturwUsetiNchaftliche Be/.eichnuug 
liomu euru|»aeiiM Linn^) früher „tief(‘r hinab in Kumpn 
gewohnt hat, zeigen die Reihengraber ini Hüdlicben 
Ik‘utscbiand“. Alles deutet durniif bin. dafs die skan- 
dinaviseben Vrdker sich am wenigsten mit fnmidetn Blute 
verniiscbt und „mithin den germanischen Tjr|ins »ui 
reintstvii b<'W’tihrt haben“, (de rrbeimut des geriiiaiiiseben 
Stammes ist für Retzius noch ,.von Dunkel umhüllt“; 
dafs man sie aber dasnrht, wo die Rasse sich am reinsten 
erhalten hat, findet er „erklärlich und iiatürlieh“. Brief- 
lich hat mir der Verfasser mitgeteilt, dafs er bedaure, 
meine Ansicht, als er schon vor einigen .fahren diese 
Kinleitung sehrieh, noch niehi gekamit zu halH’ii. Nach 
dieser ist, wie ich scbuii wiederh<dt ausgesprochen, ueradc 
die schwedische Volksuntersuchung, die über da« Ver- 
breitungszentrum der Tionleuro|mischen Rasse keinen 
Zweifel mehr liifst, für «üe Frage nach der i'rbeiinat der 
Germanen und ihrer Verwandten ausschlaggebend. 

Gehen w'ir nun etw’as näher auf die Kinzclheiteu ein. 
so haben wir zunächst den Wuchs zu beachten. .Aus- 
ländische Anthropologen, Baxter. Gould. Beddoe, 
Bolliiiger, haben früher die durtdischnittliche Grofse 
der Seliweden auf 170em angegeben, Arb<» hat aus alten 
militiirischeu Tabellen berechnet , dafs die schwediacben 
Wclirpnichtigcn, infolge besserer Lebensvcrhältiiisse. wie 
er glaubt, in einem Zeiträume von 30 Jahren (1K4U bis 
1870) um 0,06 Kufs, «1. b. 1 8 mm, grofser gewor«len «eien 
(169 bezw. 171 cm). Dies stimmt mit misereu badischen 
Beobachtungen überein; aiirh Ammon hat ausgerechnet, 
dafs diu Welirpniclitigen seit IH40 etwas gröfscr ge- 
worden sind, hält dies, und wohl mit Recht, mehr für 
eine Wnchstunisbeschleuiiigung als eine wirkliche Grt'tfsfii- 
zunahroe. Die er.ste umfassende Berechnung der Körper- 
gröfso Kchwti^ltHchcr Wehrpflichtiger hat lliiltkrantz 
aiigestellt und 1896 im Ymor, 1897 in der scliwcdischen 
militArkrztlichcu Zidtsebrift verüfTentllcht. Aus den 
Listen, die seit 18.H7 jährlich au das Laiidw'ehrkoiumundo 
eingi^scbickt wcnlen, ermittelte er für 232 367 junge I.eute 
von 21 .lahrun, d. h. ungefähr ein Zehnte] (in« Text steht 
irrtünilicb ein Fünftel) der gesamten inänniiciten Be- 
völkerung, eine DurchschnittsgrofHc vim 169,.*» cm. Die 
neueste Untersuchung 1ml eine noch höhere Mittel/ahl, 
170,8 cm ergel»en; die gröfsten Leute mit 172,7cm hat 
die Insel (totlaiid, die kltdnsten mit 169,0cm La]>pland 
gestellt, was durch ilie Nachbarschaft der Lappen und 
Finnen erklärt werden kann. Ihigegoii ist es nicht ganz 
klar, was dem niebt iinerliebliclieu I nterscliie«] von 1,3 rtn 
/wischen der Ilultkrautzschen IkriK^hmmg und der 
rntersuchmig der Jahre 1897 98 zu Grunde Hegt. Wenn 
ni.'in bmleiikt, dafs hei der nordischen Baase das Wachs- 
tum mit 21 .fuhren noch nielit abgeschlosHen ist. so er- 
scheint ein Zuschlag von l cm als nicht zu hmdi. Jcflen- 
falla gehören die Schweden mit 170,8 fhirchscbiiltlsgrörse 
(für das weibliche Ge*chlecht hat Foraberg. allerdings 
aus kleinen Zahlen, 160cm bnn*chnett zu den höchst- 
gewach-senen Völkern iler Krfl«; 170 cm und darüber 
meKSuii drei Fünftel der schwediscbeti Männer. Kh int 



lehrreich, damit die Diircbachnittsaablen aux anderen 
lindern zu vergleiehen : Norwegen 169,7, Dänemark 
und 5M;hlefiwig 169,2, Schottland 170,8, blngland und Ir- 
land 169, Finnlan<l für die S«;hwt»den 168,4. für die 
Finnen 166,9, hJsafs - luithringon 166,6. Württemberg 
165,0, Baden 165,2, Frunkreich 164,9, Italien 164,5, 
Rufsland 164,2, Schweiz 163,6. Wenn auch diese Zahlen 
keinesweg« auf gleichartigen Unterfiuchnngen l>eruhen, 
so ISfui sich doch deutlich erkennen, dafs im allgemeinen 
die Gri'dse ahnimmt, je weiter mau »ich von der Mkuu- 
diuavischen llalhin>od entfernt. Leider hat man früher 
auf die Messung der laugen Knochen aus vorgeschicht- 
lichen Gröbern wenig Wert gelegt, aus den wenigen, z, B. 
von Guldberg angestellten rntersuchiingen Hcheint aber 
hervorzugeben, daf.s dort die Kftrpergröfse seit den ältesten 
Zeiten ungefähr die gleiche gebliehen ist. 

Ide Mittelzahl Für die Heinlänge ist 80,5 cm, für die 
Armbreite 17B,.5cm, d. h. etwas mehr als die Leibes- 
längu; diu Schweden sind also ziemlich langbeinig und 
laugarmig, und die Grofsteu, so besonders die Gotlinder, 
haben auch die längsten Gliedinatsen. 

in Bezug auf die als Rnssenmerkmnl so wichtige 
Schädelgehtalt Imt sich heniuKgeNtuIlt, dafs die Schwe<icu 
noch langköpfiger sind, als man früher aunahm. Wäh- 
rend nämlich der ältere Retzius und v. I>übeu der 
neuxuitlichen Bevidkerung einen Schädelindex von unge- 
fähr 77, .5 zugeschriebeii , hat die grofse UnterRUchung 
einen durchschnittUchen Kopfindex von nur 77,8 ergeWn. 
Nach Broca zieht Retzius, um den Schädelindex zu 
erhalten, zwei Kinlieitcn ab, giebt aber zu, daD ungefähr 
1,8 das Richtige wäre. Deuiuacb nimmt Schweden mit 
einem Schädelindex von ungefähr 76 im Mittel und 
8" Proz. Langköpfeii (mit Index unter 80), darunter 
.1*1 Proz. echte Dolichocephale (Index unter 7.5), unter 
den eiiropäi*>chen l,äiidern eine elM»n Bolchi* Sonderstellung 
ein wie hinHichtlicli der Kör]M*rgröfse. Am uichsten 
kommen ihm auch hierin wieder die Nachbarländer Nor- 
wegen und I)Hncmurk mit einem Kopfindex von 78 bis 
79, Phigland 78. Spanien 78,2, Dstsej^provinzen 78.5, 
Italien 82,7, Österndch Ö2,5. schwedisch Finnland ühn- 
lieb, gegen Osten steigend, Belgien 80,.'». Luxemburg 
83, Biideu m 3,6, Frankreich 8,3,6, Polen 81,4, Tirol 84.7. 
Rtifsland 8.5,2, Ikisuieii 85,7, Bölimeu 86,3, Rumäniuii 
86,2, Inm‘rasieu 87. Auch hier zeigt cs sich, dafs die 
Kopfe um (M) runder werden, je weiter wir uns von 
Schweden, hesondem nach Osten zu, entfernen; dabei ist 
aller zu Imacbten. dafs der Untcrachied zwischen Kopf- 
und Schädelindex um so grofser winl, je länglicher der 
Kopf ist, und dafs in den sfld- und westeuropäischen 
Landern, Italien, Spanien, Frankreich, Pingland, nicht 
nur eine, sondern zwei laiigköpfige Ba-seu (Homo euro- 
jMieus und II. luediterranenB) an der Zusammensetzung 
der Völker b^'teiligt sind. Hin Gesetz, das wir in Baden 
gefunden, hat sich auch in Schweden bestätigt: Gröfsr 
und Lungköpfigkeit vurerlK'u sieh zusammen, aber nicht 
weil sie notwendig verbunden .'«ein müssen, sondern als 
Merkmale der gleichen Rnsite. Seit der Völkerwande- 
rungszeit hat sich in B.'ideti der Index um nahezu zehn 
Kinheitcn, in .Schweden dagegen seit der Steinzeit kaum 
um eine Kinheit erhiihL 

l>us Gesicht wurde, wie schon erwähnt, nur in zwei 
L«nd>i^haften geine-'Uen, sonst nur geschätzt, was wenig 
zuverliisHig ist. Im allgemeinen scludnen die schmalen 
Gesichter bedeutend in der .Mehrzahl zu sein, diebreiten 
nur in einzeliicu Gegenden bruifiger vorzukummmi. 

Gehen wir mm zu den v»»n Profeimor Fürst bearbeite- 
ten Farben über, so erscheint das srhwcdiaehe als das 
bellhte aller Völker: braune Haut kommt .so gut wie gar 
nicht, schwarzes Haar nur bei 361 Mann, 0.8Pr«.iz., vor, 




K. Köritenittiiu: Zwei Mh jahittro^lyphen. 



«5 



nithezu drei Viertel der gnn£<«u ßevolkeruni; haben helle 
Augeu und lichte» Haar. Itote Haare hntteo 1042 Mann, 
d. h. 2,3 Proz.; der echw<Mlisrh« Torecher j^laubt sie den 
Illonden zurechnen zu mQssen, ich halte sie immer für 
ein Mischliuiu'suierktual. Sicher ist, dafs sie sich sehr 
leicht 7ererheii. so dafg „grofse Geschlechter'* run Hot* 
hnarigeu lieoba<;btet wonlen und manche Gegenden l»e> 
sonders reich an !«olchen sind. 

Wie schon die grolse, vor 20 «Tabren von der I>eut- 
scheu AuÜiropulogischeu Geselldcbaft veranbOtlteie und 
iHjinabe sieben Millionen Kinder umfassende Schuluuler' 
suchung «rgebGQ hat, nehmen auch die hellen Farben von 
Norden nach Süden zu ab. Kinder köimon jedoch mit 
klrwachsenen nicht ohne weiteres verglichen werden , da 
Haare und Augen mit zunehmendum Alter nachdunkeln. 
Ks ist aber gerade ein Merkmal der nordischen Kasse, 
dafs diese Krscheiimng s{>äter und in geringerem Mafse 
eintritt. Viele Schweden haWn bi?« ins bobv Alter gedbe 
Haare, die dann unmittelbar die weifae (ireiiomfarbe an- 
nebuien. 

Von grofser Wichtigkeit »ind <lie von beiden lleraus- 
gL‘beni bearbeiteten Wecbselbuziohungen der einzelnen 
liassHiimerkmalc. Nicht nur hinsichtlich der Laugköpfig- 
keit (die Schwedon haben die „sehr bedeutende'* durch* 
scbmttUcbe Kopflänge von 19,29 cm, und durch die Mitte 
des l4indes , läuft ein breites Kand von »ehr stark ver- 
breitetor Dulicbucepbalie**), sondern auch durch diu bellen 
Farben nebmen «die Hkandinavischen I.ADder und he* 
sonders die skandinavische liulhinsel* (l)iinemark ist 
etwas dunkler) eine Sonderstellung ein und bilden nuiu 
helläugigcH und blondhaariguR Zentrum**, von dem diese 
Merkmale nrmiialw'ftrts nach verschiedenen Hiebtunguu 
hin“ abnehmen. V«>n ganz besonderer Bedeutung int die 
Vereinigung aller Merkmale, echter Holichocephalie (ln* 
dex hin 74), hohen Wuchses (170cm und darüber) und 
heller Farben (lichter Haare und heller Augen), der 
„germanischen Ka-'^se“, d. h. des Homo eurupucus Linnc. 
Mehr als der zehnte Teil de» schwedischen Volkes ge- 
hr»rt noch dieser völlig reinen Kasse an: „ciu höheres 
l'rozent kann wohl nunmelir kein anderes von den ger* 
manischen Lfindern (wir dürfen bin/.nfQgen: fiberbanpi 
kein Fand) aufweisen“. Stellen wir die gleichen An* 
forderuiigen, k» haben wir in Uaden, die wir uns doch 
auch rühmen, von (iermamtn abzustammen, solcher Idente 



nur Proz., d. h. unter 200 Menschen einen einzigen! 
Die diese VurhHltnisüe sehr schon veranschaulichende 
Karte \HI läfst deutlich erkennen, dals sich die reine 
Russe „im inneren Lande nach der neirwegisebeu Grenze 
bin, im Gegensätze zu dem Küstonlande, gegen Aufsere 
l'linmiHchiing am besten bewahrt hat“. 

Diese Ergebnisse sind von der grtdsten Bedeutung 
für di« Völkerkunde, und wir durfeii den MiturbvitBrn 
an dem grofsartigen. nun glücklich zu Knde geführten 
Ciiternohniei), den Iwideu Ileruusgeberii der in ihrer 
prachtvollen Ausstattung, durch ihr« auschaiilicbcn 
Karten, Farbenkreise. Kurven, Tabellen wahrhaft muster* 
gültigen Veröffentlichung, ihrem Vaterlande wie allen 
üermaiieu und der Wissenschaft üburliunpt uiiHero wobl* 
berechtigten Glückwünsche aussprerhen, dafs mimncbr 
„das schwedische Vi»lk, als Ganzes betrachtet, zu den in 
anthnipologischer Hinsicht am eingehendsten unter- 
suchten und bekanntesten Völkern der l'^de“ gehört. 
.Möchte dieser Erfolg zur Nuebeiferuug ausponicn, be- 
sonders in dun Nacbbarblndern, zu denen ja auch die 
nördliche Hälft«' unaercB deutschen Vaterlandes gere<d)net 
I werden tuiifa. Etwas Neues kann zwar nicht mehr lioraus- 
j kommen, wohl alier wird durch wiederholte Bestötigang 
I das bisher Erreichte an Wert gewinnen. 

Noch eine Bemerkung »ei nur zum Schluss« gestattet, 
i Als echter Naturforscher aprudii »ich Ketzius, wie schon 
j nngedmitet, eehr vorsichtig und zurücklinltend au» über 
die Be«Ieuiuug dieser anthropologischen Liitersnchung 
* für di« Frag« nach der Herkunft der Germanen und der 
mit ihnen mehr «>d«r weniger nah verwandten Arier oder 
Indogermaiieu. Wir dürfen meines Krachten», ohne den 
Boden strengster Wissenschaftlichkeit zu verlassen, wohl 
etwas weiter gehen. Das Aiisstrablungsxeiitrnm der 
nordeuropAischen Kasse ist ohne Zweifel gefunden; das 
»cliwcdisehe Volk, da» einzige unter allen Ariern, da» 
»eit der Steinzeit weder »eine Wohnsitze, noch »uine B<^> 
»ebaffenheit geändert hat, bewohnt dieses Zeatrum. Wäre 
seine Heimat nicht zugleich die Urheimat aller stamm- 
verwandten Völker, »o müfsten wir annehmen, dafs das 
V'urbreituugszeutrum der indogernianischeii Sprache ein 
anderes »ei al» das der nordeuropAischen Kasse, daf» die 
Schweden einmal während ihrer Vorgeschichte die Sprache 
gewechselt haben, was beides im höchsten Mafsc un- 
wahrscheinlich ist. 



Zwei Mayahteroglyphen. 

Von K. Förslemaun. 



Die Ik'truchtung beider Sebriftzeichen beiüchiänke | 
ich hier wieder nach meiner gewöhnlichen Art wesent- > 
lieh auf den Drcs4leii8is, um hier einen möglichst fest«>n 
Stützpunkt für weitere Forschting zti schaffen und nicht 
zu viel Verwirrende» durcheinander zu mischen. Das 
erste dieser Ziücben erscheint, von Nels'iisaclieii ahgo- 
sebeii, immer in derselben Form, du» zw«it<- zeigt einig« 
Varianten: 




CD CD CD a 

2m. 2 b. 2c. 2d. 



.Man hat bisher das /eichen 1 als den Kauz cHler 
Tutenvugel gedeutet, in 2 aller den mythischen Vogel 
.Moaii gchelieu und damit richtig erkumit, daf» beide 
nahe zu einander gehören. Ich glaube, da.» Folgende 
wird zeigen, daf» beide, wenn aucli nicht ihrem Ur- 
sprnnge, so doch ihrer Anschauung nach gleich bedeutend 
sind. 

Das Zeichen 1 scheint einen dop|K>lt«n Flug zu be- 
deuten, entweder einen nach oben und einen uueb nuten 
gerichteten «Hier «inen sich imhemdeu und einen »ich 
entfernenden. Da-s Suffix mag Vogelfedrrn andcuten, 
das PrÄfix ist ein iwhr allgemeines vor den verschieden- 
st«>n Zeichen. 

Die Hieroglyphe 2 zeigt auch einen Vogelflug, ge- 
richtet uaeli verschietienen Kichtungen. Itooh glaulie 
ich nicht, «lafs dies diu ursprüngliche Beduiituiig war. 
Sie ist am meisten ähnlich <lem Zeichen des dreizehnten 
Tage« cibx 



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il6 K. Förstemanu: 




Nun Moll zur Ktbno^rapbin der Ut*|)iil>lik Gna- 
teinala (1 h 84), »»ib 4Kler j*ip bwleut«* im Quekohi-, I*o- 
kt»molii*, (^uiche>, r|>iui(t>ca*, Ixil* und .\^utit**rHdial«'ki 
(l4>ii Hauch, während iVre/ im l>iccionario dellu Iciif^uH 
Maya (lM66 bin 1871) dom WorU* cib <Hb IhMlculmi^ 
Tun Kcrz«' uilor Idcki giebt. XN'tmn wir alni cib an Go* 
fäl>eii abKcbildct M'beii, z. B. hrci>(lciitfb< 29a, 29c, 3öu, 
>*o dontct diiM nur kochemlou, ruitchoiulcn liihult. 

Auch imLcr di*n 7.watizi^ngi;;on l'oriu4len, don l'inul, j 
lu'fimlot ’iich (‘iiic, di«' noinito (Chon), woIrliH oin<ui luif* i 
flio^'olidoii Vogol darz(i^t«'lh-ii achcint: 




l.’hen «n'strockt Hirh Yom 23. r>«'/.«'mbi*r bi« 11. Ja- 
nuar; sind hior untor dem lUld«-! do» aufQii'gciidon VogoU 
die r.iinehmcudeii Tage gemeint? 

Ba« Geinoinsainti dur BegrifTo Kitiich und Vog«;! liegt 
aber im .\uf«toigoii. Wenn mm ein V«dk einem Vogel 
göttliobe Khro oi wi«*s, so war ein Hüm'berwork da» »in- 
uighto Opfer für ihn. 

Kinoii sulchen Torgöttorteii Vogel halten aber di(« 
Mayas in ibroui Moun, und da» rituelle Haueborn mit 
iiiigeziimb'toiii Kopal war ilmen mit «len .\ztoken geimMU- 
»am; der Kopnlbeutel gilt al» ritueller Scbiuiick. 

I>resdoii»is lUa sehen wir eine menschliche Guotnlt 
mit M«iankopf abgebiidet; die erst« und zweite der Hie* 
ruglypbon sind ein gewöhnlicbe» M«>anzeicben mit ihrem 
Betoruiinativ, die dritte aber unsere Hieroglyphe 1. 
Biesclbe Verbindung vun Bild und Sebriftzeiehen er- 
»cheiiit in 11a. 

Auf Blatt 19 c und 20o trägt ]<« eine Frau auf dum 
Rüük«m eine Gestalt, deren Kopf ans <loui /eichen 1 be- 
steht, judeufatln ein«' Gottlioii. In beiden Fällen ist 
dieser Kopf mit einem Krnuzu Tun kleinen Strichen um- 
geben, die sehr an die sonstigen Bihlor iiimI Hieroglyphen 
dfl» Moan erinnern. 

Auf Blatt 20a «lagegeii sehen wir eine Frau eine 
eben solche Oestnlt auf den Humlen tragen. 

Als Opfer dagegen fiixleii wir du» Zeichen 2 a auf 
Blatt 4c bi» 5c Tiermnl in den Händen Ton vier ver- 
Ncbiedeuen Göttern (dem D, D, dem pingen Gott und A) 
und darülior unter den Hieroglyphen Tiernml dasselho 
Zeichen. 

Sehr merkwünlig ist die luilUer« Griip|ie des Blattes 
7c. Kino inonschliihe Figur mit MuHuk«>pf (wie auf 
10a) hält das Zeichen 1 in der Hand. Von den vier 
zugehörigen Hieroglyphen ist die zweite ein bekanntes 
Zeichoü «le» Moan. «lio «Iritto deSHcn l>eteriniimtiT, da- 
gegen sowohl «lie erste als vierte unser Zeichen l, 
das also einmal d«^n Gott, einmal das Opfer bfnlentot 
•in«! au »lessen Stelle bes^er eiitmal das Zeichen 2 ge- 
8tand«*n hätte. Naher treten wir dom Wesen unserer 
beiden Z«*ichon, wenn wir die Bedeutung des Moan 
weiter urwfigeii. 

lin Bande G5 de» Globus, S. 24G habe ich iiu .Iahte 
1894 wuhrHrheinlich zu machen gesucht, dafs mit dem | 
.Moan auch die Blejadim gemeint »eien und «Inf» er sich j 
wesentlich auf den 13. der 28 tägigen Momimonaio «ine« 
mit dem Wiederurscheiuen der Bh'jadon beginnenden 
Hituuliuhre» bezieht, wodurch sich auch di« gewöhnlich« 



Zwei Mayabieroglyphen. 

V»*rbindung »einer Hieroglyphe mit der Zahl 13 er- 
klär««. 

Nun blicken wir auf Blatt 24 dos Hresdonais, welcboe 
sich w‘c.seutlii'h damit beschäftigt, das Vetiusjahr mit «iom 
Suiiueujahr in Kinklung zu setzen. Hior sehen wir in 
der ersten Knluume an nemiter Stelle das Voiiiiszeichen. 
an zehnter aber unser Zeichen 2; das mufs also hier 
den Abschliifs de» Souiieuiahres bedeuten. 

lläufig«'i' aber als da» .\ufhöreti des Jahre», gewisser- 
nmr»4m »ein Forlfliogen, iH'zeichiiet dieser Vogel da» 

, FortfUegeii des Lehens, d«‘ii T«h 1, und deshalb sehen wir 
I ihu be^oiiilers mit den Todesguttlieitcn .V und F ver- 
biiiiden. Schon der erste Teil des Hresdensi» bis Blatt 
14 Zeigt «ifter» di« Bezit'huiig zwisehen dem Zeichen 1 
und dem TiMl«.*sgolt A. 

Auf Blatt 5 h erscheint 1 liei dem Bilde des A iin«l 
»einer Hieroglyphe, Blatt 5c desgleichen, Blatt 8n iiud 
9 c elieuso. Besgluicheii auch beim zweiUm BiMe T4UI 
lOu, während wir beim ersten diu Beziehung t«>d 1 zum 
Moaii schon erwähnt haben. .Auch Blatt Ha im dritten 
Bilde buben wir 1 mit .V, im ei'sten sahen wir 1 mit 
dem Moan. Und Blatt 12b i»t sogar zweimal das Zei- 
chen 1 mit A Torhunden. 

.\uch «lor etwas »eltenore Todesgott F Terbiudot sicli 
mit unserem Zeichun. S« auf Blatt Gc sogar zweimal, 
auf Blutt 8c einutul desgleichen, wo im Bilde F das Zei- 
ulieii 1 Anscheinend in einem Hause niedurlegt. Und in 
lüc ist da» Bild des F sowohl mit »einer Hieroglyphe 
als mit dem Zeichen 1 vereint, in 14b erscheinen beide 
Hicr««glyphen miteinander v«'reinigt. 

Statt «lor (lötter A und F zeigen »ich auch andere 
Gestalten hei dein /«'icbeii 1, so auf Blatt 13c ein 
suhwiirzgenecktes Tier und iiiif 11c, wenn auch kein 
Bild, das hior nicht Platz hattu, so doch diu Hieroglyphe 
eines Geiers, wobei ich bemerke, daf» die» auf den Tag 
13 trifft. 

Was en heifsen soll, daN in 4a unser Zeichen mit 
d«!r Gottheit II, in 11c »ogar mit dem Sonnengott G 
verbnodon ist, entziuht »ich inuiner Beuiieilung, ebenso 
«lie Verbindungen in 5a (vb'lleicht F), in 7b, wo im 
Bilde uiu Vogul, aber ketii Moun urscheint, und in 
Blatt 3 beim Menschenopfer. 

Ha» Zeichen 2 ist in diesem Abschnitte uiihekauDt. 
Ganz ander» i»t das ^'erhalten beider Hieroglyphen 
in der Frauenabbüliing Blatt 15 bi» 23, wo je«lenfall» 
die Gcfftlirttn bni der Geburt für Mutter und Kin«l zum 
Au»<lruck kommen und danuhen w'ohl Opfer nötig sind. 
Hier wechseln beide Sohriftzuichen mituinandur ab. 

ln Blatt 15 b stiürzt eine mit dem Todeszeichen ver- 
sehene Frau von oben herab, und darüber ist sowohl die 
l(i«Tt>glyphe des .\ als das Zeichen l zu sehen. 

Blatt IGii trägt die Frau dun .\ auf dem Bücken, 
wahren«! da» Zeichen 1 unt4«r den Hieroglyphen er- 
scheint. Oie drei Bilder Ton IGc stellen drei Frauen 
dar, d«.'ren ]edc einen Vogel auf dum Rücken trägt, von 
denen der erste ein Moan ist, der au«4i al» Hieroglyphe 
erscheint, l'nd in jeder der drei Zeicheugruppuu finden 
wir I, in der ersten und «IritUm aber aufsciMem noch 2. 

Oas Tonalamatl von IGc greift ii««ch mit drei liiero- 
glyphengrup|H'U auf 17 c hinüber, zu denen aber die Bil- 
der f«'hl«'H. Oie erste dieser Grup}Hui zeigt da» Zei- 
chen 1, aber mit ung«}wöhulichein Präfix und Suffix in 
Beziehung zu dem Zeichen «le» I'leileruiausgotte», die 
zw«‘ite unsere 2 in Verhiiidiing mit dem Geier, diu dritte 
2 v«;rbund«m mit d«'m Hunde. Wir werden in 17h ganz 
Ahulicht;» sehuii. 

Blatt 17 a erblicken wir wied«)r den Gott F mit der 
Uicroglyphti l. 



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£. Körstemanu: Zwei Mayabieroglyphen. 



97 



Em ful^t TOii ßlatt 17h hi« IHh ein Ht^cbsh^üiir«*« 
Tonalamatl, rou dem nbur der Ewoite und dritte Teil 
der lUlder eDtbehrea. Alle «ecbn Teile bähen das Zei- 
chen 2, teils 2a, teils 2b, im ernten mit dem Fledermnu»- 
jfott, iui 7weiten mit dem »rbwarxen Gott, im dritten 
mit dem Hunde oder HliUtiere, im vierten mit A, im 
fünftem vielleicht mit I), im «eebsten mit den) M<»an ver- 
bunden. Has vierte und «echette zeigen auch den A und 
den Monn auf dum RUckeu von ?' rauen, das «echste dazu 
auch das Zeichen 1. 

Von 17e bia 18c reicht wieder ein Tcmalamatl, drei- 
teilig mit drei Hüdern. Nur die dritte Gruppe z<‘igt 
uiiacro Zeichen, und zwar iHude zusammen, das erste 
auch mit dem Körper de« A daruDtcr auf dem Hüeken 
einer Frau. 

Kn folgt Blatt 19c, wo wir wieder auf dem Bücken 
der Frau das Zeichen l. unter den Ilieroglyphejj aber 
die de« Gotte« F sehen, in der Fortsetzung auf Blatt 20 
wieder 1 auf dem Rücken der Frau, dazu die lÜern- 
glypho von A. 

Blatt 21b erscheint die Hieroglyphe 1 nel>en der 
des Hundes, der darunter auch als BUd dargestellt ist. 

F.ndlicb auf 22c zweimal die Hieroglyphe l , l^eide 
Male unter der des A. Hamit ist die Frnuenahteiliing 
gescklosaen. 

Über das einmalige Vorkommen der Hieroglyphe 2 
auf Blatt 24 habe ich schon gesprochen. 

Auf den folgenden Blrittorn tritt nun eine sehr merk- 
würdige Krscheiiumg oin; soweit sie nicht zerstört 
sind, enthalten weder Blatt 2o bis 28, die vom Jahres- 
wechsel handeln, noch Blatt 29 bis 45, in denen weaent- 
lieh der Gott B in seinen verschie^lenen sehr weltlicheu 
TbStigkeiten dargestellt ist-, irgendwo eins unserer beiden 
Zeichen, ebenso wenig eine Abbildung des Moan oder 
eine der auf ihn liezügHchen Hieroglyjthen. 

Die einzige Ausnahme findun wir auf Blatt 89c, wo 
die eine der vier Hiuroglyphen der ersten Gruppe au« 
vier Teilen besteht: 

l 2 

8 4 

Hiervon erscheinen 2 und 3 bis ^etzt nur als un- 
wesentliche Ncbenzeicbeu, 4 dagegen ist unser Zeichen 
2v, 1 aber Hcbeint, wie ich naimmilich aus dem unteren 
rechten Teile der Bl&tter 46 bis 50 schliefse, auf dio 
Ilauer von 73 Tagen zu gehen, die sowohl den fünften 
Teil des Sonnenjahres. als den achten des Vemisjahres 
bilden. IHe Ilieroglj'phe steht bei dem 235. Tage eines 
Tonalamatl, könnte niöglicherweiso also mit dem Ablauf 
von 3.73 Tagen, dem rntorsebiede zwischen Venus- 
und Sounenjahr, in Yurbiiidung «tebeu. 

Nun kommen wir zu den Blattern 4G bis 50, auf 
welchen die beiden letztgenannten Jahre zu einander in 
Beziehung gesetzt werden. .\uf der linken Seite sehen 
wir die Hieroglyphen von 20 gnitsenteils noch unbe- 
kitiiuteu Göttern, die sich in den Zoitrauui von 2920 
Tagen teilen. Und gerade die Hieroglyphe des ersten 
dieser Götter besteht aus zwei üWeinander gezeichneten 
Teilen , deren unterer nichts anderes ist als unser Zei- 
chen 2d, während der obere, welcher sich übrigens auf 
der rechten Seit« der Blätter tiiehi'Fach wiederliolt, noch 
ganz unbekniint bleibt. IHese Gottheit regiert üiH<tr 
236 Tage; cs mag Zufall sein, dafa wir an die dien er- 
wähnte 235 erinnurt werden. 

Kine wahre Fundgrube für unsere beiden Zeichen ist 
dagegen die rechte Seite dieser fünf Blätter mit ihren je 
drei Hieroglypboiigruppen , von denen jcdenfallH ziienit 
die halb zoratörte obere, daun die mittlere, zuletzt dio 
uutere über die fünf Blätter hinweg zu lesen ist 



l>as Zeichen l finden wir in den oberen Gruppen 
trotz der Zerstörung noch auf den Blattern 47, 49, 50. 
in den mittleren auf 47, 48, 49, auf 50 sogar zweimal, 
in den unteren auf 46, auf 47 zweimal, auf 49 einmal, 
auf 50 wieder zweimal, im ganzen vierzebnmal Und 
dazu könnten noch «in paar Fälle gehören, wo vielleicht 
die ähnlich« Hieroglyphe des Mondes statt der unseren 
guzeichnet ist 

Bas Zeichen 2 dagegen erscheint immer iu der F'orm 
2a und stet« mit deiiistdben Präfix und Suffix wie 1 in 
den oberen Grupjien von 48 und .50, in den initiieren 
von 40, 48, 49 iiml 50, in den unteren von 46 und 50. 

zusnnimen achtmal. 

Bh der Inhalt hier -ein astronomischer ist, »o wcnleu 
wir hier weniger an Götter oder Opfer als au Zeiträume 
denken, worauf uns auch schon das verwandte Blatt 24 
(siebe oben) hinwies. Noch liegt das tiefere Verständnis 
in tiefem llunkel verhüllt, doch will ich hier wenigstens 
die Kmltage der acht Sonuenjuhre hersetzen und dar- 
unter die Kndtage der fünf Venusjahre verzeichnen, in 
die jene acht Zeiträume fallen: 

365 730 1095 1460 1825 2190 2555 2920 

584 11 GH 17.52 2336 2920 

ln der grofsau Abteilung Blatt 51 bis 5H, w'elchu die 
69teilige, nach meiner Ansicht auf die Mund- und Mer- 
kurbahn K’izügliche und durch nenn bildliche Barstel- 
luugeu unterbrochene Reihe enthält, finden wir das 
Zeichen 2 gar nicht, 1 dagegen, alier mit dem bekaimteu 
blattförmigen Präfix versiihcn, über dem sielienten. astro- 
nomische Zeichen enthalteudeii Bilde mcImiu «tehen an- 
deren gleiuhfalls noch nicht verständlichen Hieroglyphen. 

Auf Blatt 58 stehen rechts zwei Kolumnen mit 17 
Hieroglyphen, die sich auf die Marsbahn zu beziehen, 
und von denen 15 auf je 52 Tage bezüglich erscheinen. 
vUs fünftes unter den 15 erscheint unsere Hieroglyphe I. 
Auch hier deutet sie auf «inen Abschlufs, diesmal al>er 
auf den eines Tonalamatl von 5.52 = 260 Tagen. 

16e nun folgenden Blätter, die eine grofse in die 
achtSchlangenznlilen auslaufende und mit manchen Hie- 
roglyphen versehene Keilio enthalten, entbehren völlig 
unsere lieiden Zeichen. Zunächst erscheint daKseli)« erst 
wie^ler auf BUtt 6.5a in der zweiten Gruppe, ohne Zwi* 
Hchenraum verbunden mit ilem Zeicheu des siebenten 
Tage« oc. Nach meiner .\nsicht liegt hier der 115. Tag 
dieses Abschnitts, also der Abscliluffl eines Merkurjahres, 
und dicht daneben sehen wir auch die von mir als Mer- 
kur angesehene kauenide Person. Sonst erscheint kciiis 
von (leiden Zeichen in diesem Ah%ehiiitt, und auch die 
wiederum in eine Schlange Auslaufenden folgenden Blät- 
ter entlwbren sie. 

Und als wollte die Ilandscbrift gerade an ihrem 
Schlufs die Zusammengehörigkeit iHuder Zeichen lie- 
weisen, schafft sie für ihre letzten Blätter das zu- 
sammengesetzte Zoichen: 




Wir fiiubm es auf Blatt 73 oben an einer .Stelle, die 
sich auf den Tag der Reihe 11,54 -=- 594 bezieht und 
vielleicht nicht zufällig nahe mit dem Veiiusjnlir von 
584 'Pagen zusHmroeiifälic. 

Kndlich aber ist noch das iu 28 'Peile von je 1 .3 Tagen 
zerlegt« rituell« Jahr ins Auge zu fassen, welches sich 
Uber das mittleru und untere Brittcl von Blatt 71 bis 73 
erstreckt. Ich lese erst von 7 1 dio mittler« und uiituru 
Abteilung, daun von 72, zuletzt von 73. Jeder dieser 



by .^oogie 




9B 



Büoheriobnu. 



28 Teilt* wird durch eine Gruppe vou drei Hieroglyphen 
dargv>>telit , und uchtmal fiiidt-u wir unter die»en 3.28 
Hieru^flyphen eine dur beiden hier btf»pn>cheDeu, niemalH 
an or«t(^r, dreimul an Kweitert füiifuinl aii dritter Stelle, 
in der neunten Gruppe sojfar an zweiter tiiitl dritter. 

Die oben (teseicbueto, uiih den Xeichon 1 und 2 zu- 
s‘ttiiimeuge«etzte Mim-oglyphe zeigt »ich xu«r»l Itlatt 72b 
i?i der neunten Oruppt*, dünn 72e in dor 13., 7.3c in 
der 26., während 73b in der 12. nur du» Zeichen 1 zu 
Kühen i»l, da» Zeichen 2 davor aber zerntört zu »ein 
»cheinL Dagegen 72c in der 14. Gruppe haben wir nur 
da» Zeichen 1. 

In den drei anderen Fällun erKcheinen aiirfalleiide 



Vcrbinduugtm. In der zweiten Gnippe, welche aber 
durcb VeiMebcii de» Schreiber« an erster Stelle stebt, 
Blatt 7ll» hot da» Zeichen 2 die Hieroglyphe yax vor 
»ich, der man die Bedeutung von Kraft, Stärke Wilegt. 

Zu Gruppe 9, wo da» untere Zeichen die untere Ver- 
bindung zeigt (Blutt 72b), izi d»» mittlere da» Zeicbeit 
l verbunden mit der kauernden Ber^uii, in der ich den 
I Merkur »ehe, und da» trifft auf den 117. Tug, kurz nach 
[ Ablauf der 115 Tage der Merkur^babii. HndUeb 
} Blatt 72c in der 17. Gruppe erKcheint da» Zeichen 1 
^ und damit verbunden daejeuige de« .fahre« von 360 Tagen, 
; doHHen Zweck an dieser Stelle ich noch nicht ergründet 
; habe. 



Bücherschau. 



Victor Bcrardl I.es Ph^nici**!)» el rtJdy»see I. VII, 
r>9l, 8*. l*uriK, A. Colin, 1802. 'Jfi Kranes. 

Herr V. hat lyOI uud IU<i2 in vielen .\rtikelu 

der Annales de geogmpUie, der Kevue Arch^>logi<|Ue und der 
Itevue liiiitori<|ue die Kr.i^en behandelt, ileren L>>»ung, wie 
er Kie sich denkt, in Buchform zusaiimiengefarKt er nuiunehr 
veröffentlicht. Hier ti«M?häfiigen wir un» tnit dem tiU jetxr 
erschienenen erston Bande. 

Die Vülle von lingnietiKcheii, ge«^m|ihiHcben und to|He 
graphiM<heti Kinzelheitvu und die inannigfaliigvloti DigreuMniDCn 
de« unzweifelhaft gcIehrU’n Vurfa»(>er« niuchen die T^ektilre 
de» breit angelegten Buchs )M‘lbst für einen mit der Iii«ei- 
Hur des östlichen MittelmeerlM*cken» Vertrauten nicht leicht. 
.\Uerding« ist du« Werk in sehr elegantem Französiach 
gc«i'hriet>eu und zinkographtHche Iteprodukliunen von Au»- 
ec-hnitten au« Seekarten meist der frauzösisebeu Marine, deren 
photogmphiiM'be BtHluktion nicht »eiten der I^eaerliehkeit der 
KarteiiNchrift übel mitgenpielt hat, Blichen das VerAtäudniii 
zu vrloichtern. 

V. Bt*rar<l Bucht zwei Aufstellungen zu t>ew-eisen; 1. dafü 
die Phuiuiker eine gi^'ifse Anzahl HaUpuiikte für ihn* Handels- 
fahrUm an den Kiiston und in den Binnenländern des 
östlichen Becken» des Mittelmo<*rs und in den libyschen und 
ilierucheii Meeren in vorhoinerischer Zeit hutteu, deren 
Spuren nur mehr in einzelnen Kaiuon nachzuweison »ind, und 
2. dafs die Odysaee das direkteste Htterari«ehe ZeiigniN für 
diese phoinikischen Xic<lerlaMuiigeii ist. Dur erate Satz ist 
so ziemlich, wenig»UmH was die Oestado betrifft, von tnehri'ren 
Vorgängern: Bochart, Mover«, tiroppe, Olshuuson, OIht- 

bummer u. a. für einzelne Landstricho «Hier auch für gruffie 
(lebiote verf(H:hton worden und wird iin Prinzip kaum 
enisthaft bestritten werden kömieti. Kicher ist, dafs die 
Odyssee das älteste griechische litterarischv Denkmal ist, 
in dem un« von den Hamlolsfahrteu und dem llanilelsgebnreii 
der Phoiniker Kunde wird. 

Das erste Buch handelt cinieitungswdsc von der To[mi- 
logiu (d. 1i. der genauen topographischen Wiinligung der 
Ortsinge und sämtlicher Aoeidentieu der in Ihüracht zu 
ziehenden KrdrAumo) und Toponymio. Wir vennissen zu 
Anfang eine Darb'gung, wie sich der Verfasser grundsätzlich 
zur hoinerisrhßu Frage, insbesondere zu dor Hemuaschälung 
von ,8chicht«n“ verschiedunen Alfers in den hfmierischeu 
Geilichten stellt. Wohl aber gicbl er am (^‘hlufs de» ersten 
Bundes fK. .'>85 f.) kuri'e .kndeunmgen. Nach lA*suug friihetx-r 
Artwiten des Verfaasi.-r» und wiiieM Buche« halte ich den 
Kindruck gewvimien, dafs er itiindoatens die Oilyss«-» als ein 
einheitliches, zu einer und dersellten Zeit (nach Bt'-ranl um 
n5u) verftifstes und später reiligiortes Gedicht auffafsi und 
die Belegstellen damu.« dementsprechend verwertet, l^as zweite 
Huch (Telemacfaeia) lM>handclt vorzugsweise die homerische 
To|K>graphie der Peloponne« (insliesttndcri* Pylos und Pherai), 
da« dritte Buch (Kaly|iso überschrielH-n) Schiffahrt und Schiffe 
in ileti homerischen (hiüchten und Spuren phoinikischer Kin- 
wirkutigeii auf Milielgriet'henland, inbesonderu Boi<>tien, eiid* 
lieh die Topographie de« noriiwestlichsten Libyens und die 
Insel dor Knlyp»«'. die er in dom Kilaud Perejil ^das «paui»che 
W'«»rt betlenlei Peten)tliti««'l) am M'ou aux Singes sucht. 
Das vierte Buch lioscbäftigt sich mit der Schiffahrt der 
Pboiiiiker. der Insel Kyrie, dem SkIn\eubHudel uuil »«mstigem j 
Handelsierkohr. mit Industrie und Kuiistgowertw iler Zeit, 
deren Verhältnisse die homorischen Gedichte schildern, dann 
mit den sogen, heiligen Zahlen (sieben u. a.). Im fünften i 



Buch (N'ausikaa betitelt) liehiindelt er Korfu, die Stadt de« 
Alkinor>«, die Herr IbTard am thdf von l'nlnokastniza am 
Nordwesteu der Insel atiseUl, und die Phaieken. l«t gegen 
die zw<-i oben berausgeschäUen Hauptthesen, die das gaiizo 
Buch hindurch verfochten werden, wenig Wesentliches ein- 
zuwendeu, so werden um so mehr die linguistischen und 
philobigischeii Aufstellungen (Katze wie S. 28 tnf.; ,Koiu», 
i'ouces, liabitude.«, couception, thiioriea, rodyasöt- ue semble i>as 
groeiiuo*) zn Anfechtungen Aniafs gelten. Kln Kiugohen 
darauf an dieser Kteiln ist kaum angebracht und wUi^e zu 
weit führen. Bemerkt sei nur, dafs der Name A»typulmia au« 
linguistischen und b>)«>graphi>»'hen Gründen wohl in keiner 
Weise als ,allc Stadt* erklärt werden darf, »ondom nur, 
wie schon im Buch angeführt worden ist, als .Niederung'^ 
(mit Bochart und 11. Kioport). 

Am wahiwcheiulichsten vou den topographischen Identiff' 
zierungen ist die schon Itekanute: bomerisrheH Py|o«=: Knmikön 
und die von Pherai. Die übrigen sind alle anfechtbar; am 
meisten die vi>n Ogygia = Grotte von Perejil. Wenn man sich 
wirklich auf den lk>den stellt, dafs dem Dichter de« Al>- 
schnittes ülter den Aufenthalt des ()<dys.seus bei Knlypao 
in der Tliat vorhandene (irilichkeiten vor .Vugen geschwebt 
haben, »o niuf« man f*‘«ihnlten, daf« wes4miiiehe Kigt'U- 
schuften: Wiesen. Wasser u. s. w.. dem Kiland Pen*jil fehlen. 

Kine Polemik würde zu weit führen. Mao müfst« eben 
selbst ein Buch schreiben, um das Anfechtbare zu wider- 
legen. 

K» werden viele B«>ricbte englischer und franrösischer 
Beisender auch früherer Jahrhunderte und nameiitUch Ab- 
schnitte au« den Scgelvorscbriften der französischen Marine 
in extenan nngefühii. I,etxtere leider ohne Kritik. Dies« 
S^elvorachriften stimmen ini w««uiitlirbeQ mit denen der 
englischen Marine (Mediterranean lilot) überein. Hier wären 
unltedingt die Segelvorschriften de« Nikolaos Kotzowilli« 
(.Vröc Atlieii 1NV8), die freilich auch, 

was das Nautische l>erriiTt, auf die englischen ziirückgehen, 
XU Ituto zu ziehen gew'*>»en. Diese geWii die Namen fast 
immer richtig, die englischen und franzosisehen al>er geben sie 
nicht «eltun verderbt, ja für Griei'hen unverständlich. Nehmen 
wir iils Ik'ispiul nur den Alsu'hnitt üle-r die lns<d Ainorgi'is 
fB»’'rar«l. K. aus ilem frauz. Hegelhandb. ss MtslitciT. 
Pilot. IV, 85 f. - - 48 ff.). Den Hafen Kofnaoin 

(Knrn.vai'A») nemicu die ersteren W»''#»' (übrigens bedeutet 
der Name keinen Hafen mit grofscr Keetiefo. «ondem einen 
weit und eng in« I.<and ciDgrcifeiiden Golf), die Insel StxQPfui 
liei Amorgo« nennen sie Nikiterio (das Vorgebirge Svdotoc 
Prosino (f/psatro') u. s. f. MindoHtens hiittcn die von den 
Griechen seit langer Zeit gebrauchten Namen in Klnimnem 
beigesetzt werden «ollon. 

Mein« Kracliten« reichen die in den homerischen <»e- 
dichten gegeU-nen io|«egraphlschon AnhultK|Minkte nur selten 
HU«, um mit Bestimmtheit «tiu>‘u,xu können: hier halion wir 
die in dur Dichtung gemeinto (trtliclikeii. du* breit 

wngeb-gte Buch, mit «einen S«'hil<leruugen, die auf eigenen An- 
scliauungeu und gniiauen Mitteilungen zuverlässiger Freunde 
gogründei sind, giubt anzielo-nde Bilder aus dem östlichen 
MUtnlmeerb«H:ken und von einigen Teilen des Atlasnurd- 
libfall«. Ibe ileraiixiehung von Verhältnissen, wie wir sie aus 
der gn>fsen Zeit frunkischer Se>-rahrt«u iin Mittelmeer au« 
dun Werken älterer Kei.n-nder kennon. i«t vcrdieustlich, wird 
»t)er auch in deuWhen Werken, in«busondere seit Ludwig 
Kofs, fa>t immer geübt. ]i. Bürohnur. 



— . d b> 




Kleine KaohrichteD. 



99 



Orufner devUcher KoloaUUtlas. lionrlwitet von Paul 
Spri^ndu und Max MoisvL von der 

KulonialabteiluuK dt« Auswärtigen Amts. Liefernng 2. 
Ueriin, Iliotrich Ueimer (Krn»t Vuh»en), Preis 3 Mk. 

ZwiarhtMi dein Krachninpn der I. Lieferung diem*« kolo- 
nialen Kartenwerke!«, die iiii HO. Kunde des .tlloluis*, K. 
hesproctien wurde, und der Au-t^gnbe der 2. Lieferung. Anfang 
Januar lOiKl, liegen etwa l.t Mmmte; hislier ist es also mit 
dem Atlas rerht iangtaiii vorgegnngen. Ks lag da» zum Teil 
am Mangel an («eldmiiielii, zum Teil aurh um Ktihk'ii uiuer 
aiisreirlieiKlen Zahl Zeldiner; diu letzteren sollen jetzt henm- 
gtr/ogen u'orden sein, und m> darf man wohl darauf reehaeii, 
ilurM die Liefeningcu künftig einander schneller folguti 
wenlüii. Die vorliegende 'l. Lieferung eatliült zwei Hlätter 
Iteutsrh-NeiiguineH 7iuit Ihsumrckarchipel) in l:2ii00no und 
auf einem liiatt Darstellungen der Marianen und Marshall- 
inselu in 1 : dOOoiMiU. Kinzelne («ehietc davon, wie die 
AstrolalM'bAi, der Kordosten der (tazullenhalbinsel. Sai|Hii> 
und Tinian, linden wir auf Kartous in grtirsemi MarM«tdlH!ii 
gezeichnet. Die technische Ausführung auch dieser Blätter 
läfst nichts zu wünschen übrig, sie siml aurserordentltch 
schön, klar und iibersiehilich; aller auch inhatilich und 
wissenschaftlich stehen sie durclmus auf der Höhe, ln dios«‘r 
B<'ziehtiiig macht es heute unseren Kohmialkarlograplien so 
leicht niemand nach, wenn uns auch in der .Kixigkeii* 
anders« KoltmiulsTilker auf diesem Oebieto ,i\ber* sind, weil 
sie sich nicht, so sparsam zeigen. Cbrig<«ns winl man beim 
Ketrarhteii der ersten liehlen KlaUer Hnden, dufs nicht nur 
unsere KeiiuCniB vom Innern Neuguineas und der gröfseren 
Inseln nach wie vor niM’h sehr dürftig ist, Miridem daJ's auch 
kleine Inseln noch nicht mit genrtgimder Sicherheit auf 
Uiiaeren Karten umrisson sind. Immurhiu ist heute wenigstuus 
die Nordkuste von Neumocklenburg ausreichend und 

darin liegt der wesentlichste Fortschritt gegenüber den älteren 
Itar^tellungeu, z. B. von Langhaus. Bei dem Üewirr der Kamen 
für die Inseln und sonstigen geographischen Objekte war es 
für die IVarbeiter je<lenfalls nicht leicht, tiei der Auswahl 
das Kichtige zu tra'ffeii ; indes!«u ist hier kaum etwas zu 
eriunem. ^Vo einheimische Bezeichnungen zu ennitteln 
gewesen sind, hat man erfreulicherweise diese alleti anderen 
Vorgezogen. 

Paul Rohrhach 1 Vom Kaukasus zum Mittelmeer. 
Kiue ilochzeita- und Btudivnreizu durch Armuuien. '2Y4 B. 
mit 42 Abbild. Leipzig, B. (i. Teubner 1903. Preis 5 Mk. 

Das Buch schildert die Hochzeitsreise des Verfassers 
durch da.s russische und türkische Aniienieu und die Gebirgs* 
laudachaften bis an die Küdkitste Kleinasieos. Die grofium 
Armciiienuorde der Jahre 1803 bis 1897 waren unmittcUHir 
vorhergegangen; der ganze verwüstete Zustand des Landes 
nud der Bevölkerung enthüllten sich io einem schreeklicben, 
wochcnlaiigL-n Panursma den Blicken der beiden Beisenden. 
Neben diasen unmitteibar aktuellen Kindriicken ergiebt sich, 
nufgereiht an dem fortschreitenden Faden der B^ise, eine 
maunigfaltige Folge von fiersönlichcD Krlebnissen, |Kditischen, 
kulturgeschichtlichen und ethnographischen Beotechtungen 
aus der bunten Vülkorwelt jener Gebiete. Die landschaft- 
liche Bchildemng und die Bezugnahme auf die historische 
Vergangeiihoic bilden Hintergrund und Kähmen. Zur Ver- 
anm'haulichung des D»rgestellt«ii trageu die Bilder von Volks- 
typen und I^and-chafteu weaenlüch Ijei. Auch der Kenner 
Xeiiophons wie der für dcutaohu WitischnfGiKdltik im Orient 
Intersnsierte hiidel in dem Werke wertvolle Nachrichten. 



Prof. Or. Rudolf Martin: Wandtafeln für den Unter- 
richt in der Anthropologie, Kihnographie und 
Geographie. Zürich. Artistisches Inst. Oroll Füfsli, 1902. 

Von dieaem neuen, grof* angelegten Uutemehiiien liegen 
zwei l'n>betafeln vor im Forinat von 8H X HS cm, die schön 
in Farbendruck hergwstel|t«m Rassentypen eine* Grofsrusseu 
und eine* Kskimo, beide nach Phoiographicen vorgrofsert 
und mit einem erläuturnden Text uus der sachkundigen 
Feder des Züricher Professor* der Anthropologie versehen; 
nur das liesto Quellemuaturial liegt diesem für den .\n- 
schauungsunterrieht liesliiiimte Lehrmittel zu Grunde, das 
nolxtn z'Hilogischen und botanischen Wniidtafein sich seinen 
Platz in der Schute erolwru wird. fLs wird eine kleine Aus- 
gabe von H Tafeln zum J'reise von 28 Mark und eine grüfscre 
von 24 Tafoln zun] Preise von 84 .Mark abgegeben. .Imlen- 
falls wird das schöne Werk dazu lieitragen. auch die I.ehre 
vom Menschen und seinen Hassen volkstümlicher zu machen, 
als es bisher noch der Fall war. Dr. Sengstake. 

Clozel et Vlllaiiiur: Les coiitumv* ituligi-nes du la Cöte 
d'lvoirc. Avec Uno carte ethn«igraphi>|ue. Paris, Cballa- 
mul. IWi. 

Kin für die Völkerkunde, insliesondere die Kecbt*an«chau- 
ungun der Naturvölker werividles, iiihaltreiches Work, das, 
wie die MeraUKgebur, Gutiermlsekrctitr und OI>urrichter in 
Bingerville, hoffen, wer ,in Frankreich (wir fügen hinzu: 
auch in andereu Lünderu) sich ernstlich mit afrikanischer 
Boziolc^iu und Ki1tn<igraphte bowhüfUgt, wer über die wichti- 
gen Fragen des Verhaltens gegenüber den Kingeborenen der 
Kohiiiieen und der Behandlung derselben uachdenkt, mit Teil- 
nahme lesen wird*. Der Inhalt besteht im wesentlichen aus 
den Antworten auf ein im Mürz I9ul vom Htaltlialter der 
Klfcnbeinküste an setue l'nterbeamten erlassenes Rundschrei- 
ben. Die zwei Mtllhiueu eingeborener Bewohner der frau- 
zoedschen KIfenboinküst« gehören nicht der gleichen KaRse 
an und haVn verschieilene Hprachen uitd Kitten. Vier Haupt- 
bestandteile law>eii sich unterscheiden: Agni (AaehantJ, 
ätKluiMj), Maiule (400000, Ua.4s« vom Kenegal), Lagunen* 
bevölkerung (Mischiiuge verschietleuer Rassen uud Yiilkor, 
40UU0U) und Kruleute (Crewnien, Hchiffslieaauung, 4UOOOO). 
Kic alle «ind in viele kleine Yölkchen gespalten u?td müssen 
teil* als Urbt«wohiier angesehen werden, teils alsEinwunderer, 
die vor längerer mler kürzerer Zeit au* dem nHtöf<^rland*. 
wie die fraiizösischen Verfasser schreilam, gekommen sind. 
Die Mnndc sind Mo>mmino>laner, die übrigen Fetischaiibeter. 
ihre Hilten xiud zwar im einzelnen verschieden, im grufsen 
und ganzen aller doch übercitistimmeud, manchmal au Alt- 
euru{>itim.’heM erimiemd. Alle* Iwrubt auf der Familie, dem 
gemeinsamen Grundbesitz und dem Mutterrecht. Die Strafe 
soll weniger eine Züchtigung der übelthiUer als eine Knt- 
schSdigUng der Benachteiligten sein; daher kann selbst die 
Todesstrafe in den meisten Fällen durch eine tioldzablung, 
eine Art Wergeid, al^löat werden. üott««gerichte sind ge- 
bräuchlich. Sklaverei besteht, alier in milder Form. Bei Erb- 
schaften gilt nachstehende Reihenfolge: 1. leibliche Brüder 
oiier Schwestern nach der Erstgeburt; 2. HlUme oder Töchter 
leiblicher Hchwasteru: 9. leibliche Brüder oder Schwestern 
der Mutter; 4. Söhne oder Töchter von Schwejiteni der Mutter; 
5. Stiefgeschwister; 6. Böb)i« und Töchter; 7. Söhne und 
Töchter vü« Brüdern; 8. i»i>n*tige Verwatidt«. ln Bezug auf 
MMistigo Einxelheitoti !«ei auf da* gehaltvolle Bucli eellmi. ver- 
wiesen. I*. W. 



Kleine Nachrichten. 

Abdnu'k otir mit tpielkaang»]« gcvUttcl. 



— Dr. Voeltzkow* neue Heise nach Ontafrika. Kino 
neue, natura jssensehaftiiehen Zwecken gtiwidinete Reis« nach 
Oxtafrika hat im Januar d. -I. Dr. Voeltzkow angetreten, 
Und zwar auf Kosten dor Ifeckmami-Wenlzcl-Htifiung. Wie 
Voeltzkow im Noteinbi-r v. .1. iti der .I.<oo]>o|diiia' miUeilte, 
wünscht or in erster I.inio eine rntersuehung der Zusammen- 
setzung und des Aufbaues der Riffe au der oslafrikanischeii 
Küste zwischen dem 3. und dem 25. Omd südl. Br. vorzu- 
nehmen, will alwr auch aoderu Fntgeu in den Bereich suiner 
Forschuugen ziehen, ln seiner früheren Arbeit über den 
Auflmu und die Entstehung der Aldabrain«oln hatte Vi>oltzkow 
näher dai^elegt, dafs neb für jeiio Inselgruppe eine Zu- 
aammensetzuug de* KiffkaUes aus deu Beeten kleiuster 
T.elwwcson ergeben habe, so dafs man hier eine mächtige 



I Kalkliank vor sich hätte, die ohne Beteiligung von Korallen 
I gi'bihlet sei. Die iluf««re Ähnlichkeit des .Mdahmriffes mit 
I den frülier von Voeltzkow beRUchten Riffen an der Witu- 
I kiisie, auf Sunsilmr und Madagaskar, führte deu Forscher 
I zu der VernuKung, daf* man es vielleicht im ganzen Bereich 
. de* W)«üichen Imliachen Ozean* im wesentlichen mit einer 
: einheiilichcti Bildung grofser Bänke homogtujcn Kalkes durch 

I die Tlintigkeit mikroskopischer Organismen zu thun halten 
konnte, und dafs i-nt durch eine spätere Ül>errindung jener 
I Banke durch Korallen während dos Kmporsteigous nunmehr 
I Korallenriffe vurgetäuscht werdcu. Bestätigt sich diese Ver- 
' luutuug einer einheitlichen Bildung für da* ganze ültcr 
20 Breitengrade reichend« Gebiet, so würde das eine Änderung 
* unserer .\nschauung ülier die Entstehung der Riffe jener 




100 



Kleine Nftohrichten. 



Geltenden biHljn|tQn; miui liiitt*« dfton keine Kenkmig vor 
■ich, Kondern wäre gtimdt^zu g*^KWungen. eine Hebung der 
Rfuik Ma in den Bereich der rüTbildendeu Korallen anKU* 
iiehtiien. Hie Kei^e aull IV« bu 'i Jahre dauern und in 
ft»lgende Gebiete fuhren: Wituin^oln, >iaufiibHr, Haha, J'embu, 
Comoren, 31adagafikar (hier will Voolukow auch die grrifsen 
been de« innorrn H<Hr]tp)Hteaui« und die Wiixten doM Buden« 
uuten<U(')ieu), In«eln iin Kanal von Mozambique, (iiorioau 
und Maiiritju«. 

— Die Uuchengrenzo in Kkandinavieu. Der «rhwe- 
dische Pdanzengt'K'graph Alb. Siisaon lieferte eine Anzahl 
Arbeiten ülx*r die VegeUiion «eine» VnUTlundeB, denen wir 
folgend** auch für Aiithro|K>|og«n und Linguisten interewante 
Anga1>cn cntnohuien. Die Buche l»t allgemein verbreitet an 
der Weatkuxte bis TosMene und Quille in Bohu« . an der 
OxtkDste fast bU Kuliunr. Zerstreute Standorte finden sich 
an der Wttstküste bis üTier die Baudesgreiixe hinaus narb 
Kristianaand in Norwegen, ein einzelner Htaudort noch 
nördlich von Bergen. An der Ostkiistv kommt die Huche 
zerstreut bis Sanet Anna unweit Uingarum in tistgotland 
vor, im Binnenlandu bis Vndeiiä« und Kuaasa nonllich von 
Muriesia<) atu Weiter Be«*, lije vorgeseholH'nen (Standorte 
liegen nicht besuudera gescbfitzt, wuidern sind zum Teil den 
Nord- und (.tstwinden ausgwetz». Gepflanzte Buchen g«* 
deihen noch ül>er Upsala hinau« , bi« Hü" 2^'. wo sie nicht 
nur V4*getieren, sondern keitiifähige Hamen reifen. Itetmiach 
hat die Buche ihre klimatische Grenze io Schweden nicht 
erreicht. Wie diese in den mitieleart^puUchen Gebirgen 
höher liegt als di« Kichengrenze, so liegt sie in Bkandinavieu 
wahrsebeiulich nordwärts von derselben. Di« Kichengreuz« 
liegt au der Ostsee au der ^lündung der I^usno Hlf, tiu 
JUunenlaiide steneuw.-ei«e schon bei 59", stelteuwoim ül»er 
HU" nörtll. Kr. Die relativ geringe Verbreitung der Buche 
in Bknnditiavien ist darauf xurückzufithren, dafs dies« Baum- 
art erst spät «ingeWHudert ist und sich w'egeu der Schwer* 
bewegliclikeit ihrer Früchte nur langsam ausbreitet. Die 
Bichel ist der Verschleppung anscheinend bcs«er angepafst 
alt die Biuhel. Brust H. L. Kraus». 

— Wie er»t jetzt l«katmt wird, ist atti 7. Dezember v. J. 
der zur Zeit in geographischeii Kreisen woblbekanute öster* 
raichischp tic<q(raph Dr. Jotef Cfaavanne in Buenos-Aires 
in Argentinien im &7. Lebensjahr« gestorben. Geboren am 
7. August IK4H zu Graz, studiert« tihavanno ln I^rag und 
Üraz. ben-wte D*67 bis 1 m 69 di« rnhm. Mexiko, Wrstindlen 
und Noniafrika, war dann an der Meteoi^thigischen Keich»* 
austalt in Wien thätig und redigierte von 1H7& an einige 
Zeit die .Mitteilungen der treographi-schen tiesellschaft" in 
Wien. Nach Arendts Tode l>*Hl führte er auch kurze Zeit 
di« lledaktion der .D. Utindschau für Geogr. und Htatistik*. 
Im Februar IHM ging t'havanno im .\ufirag« dot Brnsscier 
Ge«*gniphi»ch«ii Instituts nach dem Kongo, tmi hier to|*o* 
graphiM'bß AufnahuiHii zu machen (vurgl. 1‘etennnmts Milt. 

und ditnn wandert« er iHj*« plötzlich nach Büd- 

aiuvriku ans und trat in Buenos-Aires als Beaniter in das 
dortige htdrograjihivhe Amt «in: seitdem h*»rt« man nichts 
mehr von ihm. C'liatann« hat eine Beihe ganz wertvoller 
Arbeiten geliefert, gouannt seien nur: .Die T«ui|>eraturv«r- 
hältnisso Von nstorroich-rngHrn" (Wien 1 h 71); ,Dio Baliara“ 
(IH7H): .Afrika im Lichte unserer Tage* (IHhl); .Die mittlere 
H<'di« .Afrikas* (IHUl): .Afrikas Hlrtnn« und Flüsse' (iKür-i): 
.iteiaen utid Forschungen im alten und neueu Kongostaat' 
in den Jahren IHM und 1 hH5 (1hH 7): .rhysikal.-statist. Hand- 
atlas von Osterreich'Ungam“ (1 hh 4 bis 1 kj!I'). Auch besorgte 
i'havanno di« 7. Auflago v«*n Batbis .Allgcmoiiier Krd- 
iMJschreibimg" (IhHhsi) und v«r«>W'eniliclito di« zur Zeit 
vortrefflicb« Thysikal. Wandkart« von Afrika. W. W. 

— Den Binflufs der Fyronäen auf die Tierwan«i«* 
rungen zwisrhon Frankruich und Spanien »childert K. F. 
BcharfT (Verhaiidl. d. inleni. 5. Zootogenkongn^sses luül 0‘J). 
Jedenfalls veniienen die Hauptsätze Beaebtung. wonach, o^ 
gleich *lie Fyrenilen ilor Tierv**rbn‘itiing zwischen *lon ge- 
dachten iJindern «in Hindernis in den Weg st-t/cn. dieselt«en 
dennoch auf «1er Ost* und WesGeit« leicht umgangen worden 
sind. Di« älteren weitverbreiteten .Arten diirfieii wolil meislens 
über den tiebirgskamni gewandert S4*iii, wuIhü als wahrscliein- 
Ik'h anzunehmen ist, dafs dies« Wanderung in der Hegel v*>r 
der Biszoit stattgefuuden hat. liu i'inzelxien führt Verfasser { 
aus. dafs sich Iteispielsweim* «iie p>rcnänK*he Wtldzii*ge nicht 1 
nur in diesem Gebirge, sondern auch in Z<-utral- und Süd- | 
Spanien wie in Poriiignl tliide; «ler nit*-lisie Verwandle ist di« 
Ziege des östlichen Kaukasus. Die Büsat-liuaus ist auf das ' 



pyrenäische Gebiet im weiteren Sinne beschränkt; nächster 
Verw andter ebenfalls in Osteuropa. Die Gemse hat von Osten 
die Berg*) iiberKhritb’u und bewohnt die ganz*- canlahnsch« 
Kette. Murmeltier. Hchnechaso und l'arna«sius Apollo er- 
imiem an di« Alpen. Wir kennen keine mir im pyrenäücheu 
Gebiete elnlieimiarhen Reptilien. l>er Fyrenäenmolch hat 
wisier Verwandte in Spanien noch in Frankreich; er gehurt 
mit koniikanifichen und sardinischan Molchen in eine Hippe. 
Molge mamiorata und paluiata scheinen die L'yienäen erst 
vor verhäUnismäfsig kurror Zeit überschritten zu haben. Von 
den Froecharten gelangten einige über da* trennende Ge- 
birge, andere nur bis an den Fufs dt-»e1U‘U. Die meisten 
der weit verbreiteten «'•stllcheti Mollusken drangen nur bU an 
den Fufa der Byreiiäen vor, nur ciuzelne wenige hiibeu ueb 
auf spanischem Gebiet eingebürgert. 

— Der ilanflurs und aein Gebiet. Das Land, welche» 
der Han, der in der Nähe von liankou mundende grofse 
Neltenfluis des Jaugtsekiang, zwis4-hen Hsiangjang uml 
Kanktiu durchzieht, proiluziert, wie eat in einem amtlichen 
englischen Bericht heifst, viel Getreide, das dreimal geerntet 
wird. Zumeist ist es Weizen und Gerste. Bine grofse Menu« 
des überschüssigen Getreides aus diesem Teil Hupet kotnuit 
in Hankou auf den Markt. Die Gebiet« olterhalb Hsiongjang 
produzieren Hcsani in »K*dcut«n*len OujintiUlten; Reis wäcbBi 
dagt^cn wenig aui'ser Itei liankou und oberhalb Nganlit. 
Neben tletrenle »ind Baumwolle, Heide, Kaoliang (zur Wein- 
destiilatitm) uml Bohnen die Haupterzeug niue. Für die 
Lebhaftigkeit des Verkehr« auf dem Flusse spricht der Um- 
stand, dafs die Likinst.'stiouen täglich von etwra 300 Dschunken 
passiert w-civl«n. Aufwärts bis Ngaulu giobt es HtA*ito von 
Be«luutung nicht, ilsiangjaug, das HOOkm oberhalb Hnuknu 
liegt, ist ein wichtiger riati; auch Lauhvikou, weiter 4*ls9r- 
halb und »n der Grenze mit Hunan, hat einige Bedeutung 
und empfängt v«iu liankou BauiiiwoHeugarn , Htückgüter, 
fremde Oie uml Zucker zum weiteren Al^tz, während es 
Sesam und Bohnen binuntersandet , wozu deutsche und eng- 
liKhe Kaufleute in Uankou gemietete Dschunken hinauf- 
scbicken. Für Dampfer ist der Hsnflufa nicht fahrbar, und 
auch für l>schuuken etwas unsicher. Der fmnde Handel 
auf dem Flusse ist im Vergleich zutn chinesischen recht 
bedi-ulungsliMs. und er win! c» bleiben, solang** nur der Flufa 
als VerkehrKstrarse in Betracht kommt. Wie schon erwähnt, 
liegen gröfsere Städte unterhalb Hsiaugjang nicht, und 
solche können sich auch »cbi>n deshalb nicht bilden, weil 
die Clwrschw«mtnimgeu zu gefährlich sind und der llan 
seinen Lauf in aufserurdentlich kurzer Zeit zu ändern pflegt, 
so dnfs Htivite. di« cheniais am Ufer lagen, mehrere Kilo- 
meter landi-inwärta versot/c worden sind, Das ist z. B. Wi 
Nganln der Fall gewesen. Der gewunden« und unbeständige 
^uf des Han und die im Sommer einti-t-ieiulen verheerenden 
Überschwemmungen werden seine Bedeutung als HandeU- 
strafs« immer auf einem niedrigen Niveau halten. 

— I>ie La w i uenabiagerungen will F. W. Hpreeber 
(Jahrb. d. Schweiz. Al(M‘nklub, 37. Jahrg., 1902) nach der Art 
ihres Materials und der Dauer ihre» IV-«teheu» in fidgeude 
Klassen einteÜMi: I. %'orübergehendt< Alluviooen, deren Ma- 
terial Itastebt aus a) gewohulichetu. feinkörnigem, aus Schnee- 
krystallen «»ier Teilen von solchen bestehendem Hchne«. 
llierhor gehört di« Mehrzahl d«r rezenten Grund - und 
Btanblawiiicnablagcrungcu, ausgenommen die h'im- un<i 
GleLscherlawinen. b) Gewithii liebem Schuoe. der aicb alter 
allmählich in kirn verwandelt hat. Hierher geh^'ren «lie 
I«awinenHlIuvionen in der Näh« der Schnwgrcnze, oder an 
geticUützten Stellen tiefnier Thalrugionen. ausgenommen die 
obigen und die vereisten, e) klnischnee, hcrrühnftid von 
Firnlawiuen, die in 'Thalregionen unterhalb der Kchneegrenzo 
i]i«*lerxcf«hn‘ti sind und dort gänzlich abschuielzen. dj Glet- 
when-is, herrührend von Gletscherlawineu. 2. Di« zweite 
Atäeilung bilden dnuemd*- Alluvioncn, den-n Material besteht 
aus a) g«wohnli*-liem Schnee, «ler allmählich in Firn ülior- 
gcht und durch AbM-hinelzung *Kler Verdunstung in loco »ich 
entfernt, aber vor gänzlicher Kutferuung durch anderes «r- 
neuert winl (\erflrnte Ailuvionen). 1>) Gew-öhnli hem Sehne«, 
der siH'cessivo- in Firn und Bis übergegaiigen ist (vereist« 
AlluvioiM'ii). c) Kim, der als solcher sich wie derjenige in 2a 
Verhält (Firiialliivioncn). d) Fini. der ailinäblich in Bis 
iilwiVehi (ven-iste FirnalJuvitmun). e) G|*-tst’h«r«is (Gletscher- 
lawiiienaUuvhineii). Das in der Alluvion vorhanden« nr- 
«prünglich« tnler dur*-h M«(atm»rphose »u.s Schn**« taier Firn 
eutsiandoin- Bis «ler unter 2c, d, e angcgelienen Arten kann 
entw'eitur »tationär bli-ilK'o (Mier sich furlbewegeu, sei als 
«•igener s**ll«län*ligBr Gletscb**r. »ei es als Teil «ities «dchen. 



Vrruntwiirtl. Kedsbtsur: l'ruf. Dr. K. Andre«, Braun«* hwelg, FnllerslelK'rthor-Fruuiruad« 13. — Dru*'k; Frirdr. Virwrg u. Huhn, Brauusi-hireig. 




GLOBUS. 

ILLÜSTKlliRTH ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE 

VEREIHIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: ,J)AS ADSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HERAUSGEBER: Pkop. D«. R. ANPREE. VERLAG von FRIEPR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIH. Nr. 7. BRAUNSCHWEIG. 19. Februar 1903. 

Nachdruck oar luuh Cbcrviakui-fl mit der Verianah&ntlluBg gestaUat. 



Skizzen aus elsafs-lothringischen Ossuarien. 

Von l)r. nied. K. Hliml-Strar«burjf. 

(FortMtzung.) 



111. WisaoiiiichuftltchuM Krgobnia dor autbrofio- 
metrischen Ihii'chfora c h ii itg der eläuta>lotb- 
ringiachen Ileinbftuaer. 

Kiitaprerheiid miiijer reichen geschichtlichen Ver* 
gangciihcit — die Spuren dea Meuachen reichen bin zur 
I hluviulzeii zurück — biutet das hllüHra auch vom »uthro- 
{M>h)gi^ch - historiaehen Standpunkte uua weitgehmidatcM 
IiitercKKe dar: aeit uralter Zeit bildete «.•» die Ileeretralso, 
wu V%Älker iiiannigfacfahter Art in ilerühning treten 
Riiir»teii, wfthruitd ea andererseits ein Streitgebiet war 
mul blieb, wu nich die verbchieilenartigsten Stüratne und 
IlaMcn iu der HerrtMshafi ablüaten und Tcruiiachen iiiufNten. 
Wir müssen unx unter Uiuweii« auf frühere Schilde^ 
ruugpQ *)i *) versagen, hier auf die anthro{»o]ugische tie> 
schichte des hllsasses zur älteren und jüngeren Steinzeit, 
die durch neueste Funde eine wesentliche Bereicherung 
erfahren wirtl ^), auf diejenige der Brunze', HuUatait* 
und l.a-T(‘ue«Periode einziigeheu. Jedeufalls ist — ab- 
gesehen vuu den paläolithischeii und neolithischen Ver- 
tretern der Cro-Magmm-HaKge, neben welcher der 
Furfooztypu.H nur bei einer verschwindend kleinen Grup|ie 
aiiftritt — die neuere eiaässische Bevölkerung aus zwei 
verschiedenen Kompunenten horvurgcgimgeu: eiuoiul ist 
cs jenes Volk, das seine Toten in den Tuomli bestattete 
und das, wenn nicht als identisch, so doch als aufs 
nächste verwandt mit den Kelten, den vorrömtschen 
Bewohnern des mittleren Frankreich, betrachtet wird; 
diese Vertreter der kurzköpßgen ,,a]pinen Rasse^ mochten 
allerdings in den Städten durch römisches Blut, auf dem 
Laude durch schon vor l’äsars Zeiten «ingodrungene 
germanische Lleinoiite (Trilmker) biaMnUufst sein, so dids 
die rein gebliebene Bevölkerung im wesentlicben auf die 
gebirgigen Teile des Landes beschränkt blieb. Baiiebua 
kuiiimen als zweiter Hftupifaktor infolge der verschiedenen 
Fremden Invasionen rein germanische, langachädelige 
Klemeute in Betracht, die Ailemannen und im Norden 
des lindes die Franken. 

Auffallend blieb es aber, daU die heutige elstUsiscbe 
Bevrdki'rmig trotz dieser Beimengung langscbädeliger 
Klementu sogar kurzköpfiger ist als die einstige gallo- 
romisehe Bevölkerung stdbst, soweit sie uns aus Grab- 

') Sehwaihe, HevölkeruugsverhähiiiNM», in nBai Keichs- 
laiid Klsafs- IjiUbriogen*. 

*) Blind. Um», cit. 

*) Kin SieiMzeitgrälierfHld t»ei Krstein. ^Strafsh. PcMf' v<im 
•iO. April IW2. 

Globua LXXXTII. Nr. 7. 



fanden bekannt wurde. Aber letztere stammen atis- 
Rchüefslich aus den stark rönuM'h beeiiinurst«n Städten 
her und dürften daher wohl nicht ohne weiteres einen 
Schlufs auf die physUcho Be-Hchafifenheit der hreitereii 
Bevölkerungsschichten zulasseu, weder auf die mehr 
germanisebe Flemente umfassende Bevölkerung des Rachen 
Landes noch auf die am reinsten geblielienen Bewohner 
des Gebirge.H. 

Im Hinblick auf diese Lücke war das Afaterial der 
Beinbäuser von doppeltem Worte, seine Bearbeitung um 
so dringender gelioten, als es bis ins späte Mittelalter 
zurflekführend die Kluft zwischen alter und neuer Zeit 
in befriedigendster Wei<io ülierbrfickt, da die geographische 
Lage der Beinbäuser und die Verkebrsvorhältnisse der 
Zeit, welche die Ossuarien entstehen sah, für die lUdn- 
heii des Materials bürgen: dasselbe ist Ausscliliefslich 
aus Besten der ländlichen Bevölkerung am Fufse oder 
in Thälern dor Vogesen zusammengesetzt. 

Ihn (itiigohcnder Unten<uchung v<m 700 Schädeln aus 
den Beiuhäuscru von Zaberti, Lupstein, Schurrachberg- 
heim, Kpfig, l>ambach (('nterelsafs), von Kaysersberg 
und Ammerschweyer (Oberelaafs) ergab es sich, dafs <Ue 
Schädelgestaltiing durchweg derp*nigen rein alpiner, 
„keltischer“ Volksgruppen, z. B. der Bretagne, Auvergne, 
Savoyen, Grauhfluden u. k. w., entspricht, liegt doch iler 
Durchschnitt*) des Schädeliiidcx bei 85, also laTeits 
innerhalb der Grenzen der Hyperbruchycephalie ! Im 
Mittel betrug er als Maximum 84,3 bezw. 84,2 inAmmcr- 
schweyer und Zabem, als Minimum 82,0 in Lupstein. 
Ül»erall waren es den absoluten Mafsett nach grctfse, kurz, 
breit und hoch gebaute, teilweise direkt als „kubisch** 
zu bezeichnende Kranieii (s. Abb. 1. u. 2) mit flncbeiii. 
fast senkrecht abfallendem Hinterhaupt, hohem Gesicht 
mit breiter, nur wenig hoher Nasen- und runder Augen- 
höhlenöffnuug kurz, mit allen für den alpinen Uasstm* 
Charakter typischen F.igunschaften; in verschwindend 
kleiner Anzahl nur fanden sich fremde, lluch- und lang- 
Hchädelige Formen mit stark vorKpringendem, pyramiden- 
artig facettiertem Hinterhaupt (e. Abb. 3), wie es sich 
bt>i den Fmiikeiischädeln feststellen läTst; in etwas häu- 
figerem Verhältiüsso endlich traten Mischfurmen auf 
(s. .Abh. 4), die bei noch uusgesproebener Brachycepbalie 
rein alpinen Bau, aber doch ein uhrglasartig gf;wölbtes 
Hinterhauptsbein als einzige .Abweichung vom ty]>iscben 
Ra.ssenschHdol aufweisen. So umfafste die Gruppe der 

Bei graphiM'her DHrstt'Ilung. 

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K. Blind: Skixzon am olsar8*I«>thrin|{iseheii Osauarien. 



llrnoliyc«*phali»' 8 i.r»n d**r M<*iMK*pphnH«< 13,71 Proz., 
tlnr I)()]icboc4*phalio nur 1,70 iVuz. dur SchiUlul! 

f)i<>Hpa Kr^bni» Ufst .«ich dahin zuf'nnim<»nfna«4>n, daf» 
hchon im «pnU'rcn Mitielaltcr am Baude der Vo^uacti 
eine il1>erwieffen«l knrxköpfifp* lleTölkerun^ von alpinem 
Ka»«encliarakter aafH — > und weit iiithur al» die vage 



im Klaafa aeit der Zeit, in welche die (irQnduug der 
0«auarieu fkllt, aiifHerurdentlich rein erhalten — erreicht 
doch der llurchachnitUindex noch heute 80,8 Hei Männern 
und 81,4 Hei rrnueti ^). Port, wo die Vermischung mit 
frentden Klomeuten diu gröfati» Intensität erreichen intiTüte, 
in der Stadt, sinkt der Iudex, wie meine an-joUäasiachen 




Abb. I. Hchüdrl ans dem IlcInhaiiHe ron /ahrrn. — Abli. i. Kinderschädel ans dem Heinhause von Zähem. — 
Abb. Schädel aas dem Heinhause von llaitibacli. — AM*. 4. Schädel au« dem Heinhause von Kpfig (Ti>iciikai<rll«- 

St. 3il;iiK*rethi*). — Abli. h. MlkrorephalcBscliiUlel ans dem Heiahanse ton Kaysershenr. — Abb. tta u. «ib. Hydro* 
cephalenschädel aus d«‘iii Helnhausr von Schorbach (Uahr.). — Abb. 7a u. 7b. Sphenucephnlenschädel ans dem 



Helahause von H 

Vermiitting einer aus iinHekannten Gründen stets ziineh* 
mendeii Brachyceplmlii' liegt doch niittT diesen rinständen 
die .\uuahme, dafs aurli schon zu gnllu’römi«4'her Zeit 
die von fremden Heiiiiischtingeii ver«chi»iit gH)dielH>rie 
l>reilere Bevidkermigsscbicht um und im tiebirge ähuliehe 
Beschaffenheit, kelti^^ch^alpinen lypus darhnt. 

Trotz aller Beimi«chuitgen hat sich die Bracliycephalie 



chorhach (Uthr.). 

Kommilitonen der Strafshiirger Universität vorgenom* 
menen Untersuchungen ergalien, bis auf 81,0. um für 
da« flache Land auf 82.3, für die gebirgigen Kantone 
auf anzll^tl■igeIl und endlich udt 87,5 (Uollignon) 
«ein Musituiim in den reinsten Besten jener uralten 

•) SehwaMte, lue. cM. 



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101 



Die Forsohungiireise der «oliwedi^ohen Südpolexpedition nach Süd georgien. 



VogenenboYölkernng xu erreichen, deren »chwanshaarige, 
dunkeläugige, klein gebaute Vertreter mitdem eigentüm- 
lichen, fremdartigen Patins eine dem l'ntergang geweiht« 
fremde Kolonie in der eigenun Hoiiuat bilden. 

IV. raihol ogische Schädciformeii. 

Rs hat gewit» nicht an tochniaclien Schwierigkeiten 
und HindernifiMen aller Art gefehlt, an denen die Diirch- 
furMchung der lUdnhäuRer gar maiicheR Mal zu scheitern 
drohte, hin endlich ein wiHMeunohaftlichei« hlrgehui'« ge- 
sichert war ein ganzi's Kapitel von Leid und Lunt 
einen Anthro{>o!ogeii. War z. il. in Kayserslierg die 
VnterRUchung nur dadurch erachwert, data da« IteinhnuM 
zugleich einen vielbeMUchten AndachtMori bildet und dulü 
auH den meterhohen, kunstvoll und fest gefügten Knochuu- 
pyrainiden einzeinu Schädel nur mit allergrufsitfr Mühe 
iierausgozogen worden konnten, w'ubrend doch ledeR mi- 
liuhsame Aufsehen dringend vermie<Ien werden niufst«, 
so blieb in anderen Ortschaften di« iman^nehme Krfah- 
ruog nicht aus, dafs ein längerer und erfolgreicher lie- < 
such im BeiidmuiMi überhaupt nur \ml>eaierkt, bUweilen 
nur hei Nacht und Nobel möglich war; in Znberii ar- 
iK'iteto ich mehreru Tage hindurch auf einem vcrnioilern- 
deu Sarge neben einem uralten Taufstein bei düsterem 
Kerzenlicht in einer Krypta mit vielen Tausenden boch- 
aufgetürmter, prächtig gebleichter Schädel, wohin als 
einzig« OB'nnng nur ein engstes T^örtchen nach einer 
Klet^rpartie über des Sakristaiis Wein- und Kartoffel- 
vorrute führt ; in Schorbach lag mein« Arbeitsstätte 
auf einem Querlmlken dicht unterhalb de» UeiiihausdacheM, 
auf dem die glühenden Sounensirablen mit prasselmlem 
(iewitterregen ahwecbselten, während Schädel für Schädel 
mühsam an einem llakeu bis zum luftigen !>ahuratorium 
emp>rgezogeu werden mufste, bald wieder war es ein 
Kaum, dessen geringe Hohe nicht einmal das Knieeu ge- 
stattete und in den ich mich nur mühsHin iltirch ein 
engstes Fensterchen hineinurhBiten konnte, . . . 

I>och ich darf auf diese technischen Schwierigkeiten 
niclii weiter eingehou, ich mütste ja verraten, wie ich 
mit einem für die Sammlung geretteten seltenen Kxeni- 
plare l>ei Wind und Wetter durch die lierge wandert«, 
wie ich kilometerweite Nachttuärsche nicht scheuen durfte, 
um der angedrofateii KoutroUieruug muiiiur Reisetasche 
zu entgehen. Ich durfte damals wohl schreiben, dats 
„nur derjenige die lledeutung solcher ungünstigen Ver- 
hältnisse richtig zu schätzen W'eifs, der tagelang 
Aber den Grahstein in der Sonnenhitze des Ib>rfklrch- 
bofes oder den morschen Uetstuhl in feucbtdunkelem 
Grahgcwrdbe geneigt Hundert« der feinen Messungen 
Uli siauhbedcckten, zerfallenden Schndeln vorgenoinmen 
und eigenhändig in die Zählkarten eingetragen bat . . 

Denn sollte die unthroiMimetrische l)iiU*raucbuiig des 
so nngeheiier reiclum Schädelniaterials «ine thaiauchlich { 



brauchbare Statistik, cinwundsfrei« Mittelwert« und ein 
klares Hild des mittelaiterlicheu ßevolkcrungRtypns iiefom, 
so mufsto unbedingt eine möglicliHt grots« .Anzahl von 
S^rhädein untersucht werden, nicht nur, um unvermeid- 
liche Variationen innerhalb des Hassenoharukters selbst 
uuszugleicbmi, sondern vor allem auch, um den hlinOufs 
fremder Bciiniscfaungea, eventuell aber auch pathologi- 
scher Kcftinde auszumerzen. Direkt krankhaft verändert« 
.Schädel wurden selbstverständlich von vornherein aus- 
gBM'rhlossen ; und dafs sic keineswegs zu den Selten- 
heitun gehörten und eine nur wenig Nummern uuifasbeude 
Statistik wesentlich zu beeinfliisAmi im stände gewesen 
wären, miigeu folgende drei pathologischen Tyju'n be- 
weisen : 

1. MikrocepbaleiiKchädel aus dem Kuysenthorger Hein- 
Itause (.Abb. 5). 

Infolge verfrühter Verknöcherung der das Wachstum 
ermöglichenden Schädelnähte L^t die Schädelkapsel hoch- 
gradig in der Grufsonentwickeiung zurückgeblielien 
(Umfang 444 min) und zeigt gleichniärstg gerundeten, 
kugtdartigen Dan, woliei jedoch die Höhe gräfser ist als 
die Breite (II t B = 106,9 : 100), Zu dieser Sciiädel- 
kapsel steht die Gröfa« des Gerichte.H in unffullendem 
Mifsverhältnis, auch fällt das affemartig TorApringendu 
Profil auf; abnorme I<ago des NusenansatzeN, Abnormi- 
täten des Baues der .Augenhöhlen, Asymmetrie ii. s. w. 
vervollständigen den durchaus pttthoiogischvii lUdund. 

2. Hydrocephaleusehädcl aus dem Schorbacher Bein- 
hause (.Abh. 6 a und b). 

Dieser Schädel zeigt das umgekehrte Gröfsenmifsver- 
hältnis zwischen Gesichisskelett und Schädelkapsel; 
letzter« zeigt nämlich kolossal«, wob) auf in der Jugend 
durchgemachle „Wnsscrkopf^-Bihlung zuriickxnführende 
Grofseu-, besonders Breiteuentfaliung, so dafs In Vonler- 
ausicht (Abb. 6a) ausgedebiitß seitiieh« Schädelpartieen 
sichtbar wenlen. Horizontalumfang 545 uim, Ind. 93,8. 
.Auch an diesem Schade] besteht OhrigenK ausgesprochene 
.Asyiniuctriu zu Unguusten der Unken Schädelhälft«. 

3. Sphtmocephalenschädel aus dem Schorbacher Bein- 
hause (.Ahh. 7 a und h). 

Infolge von frühzeitiger isolierter Verknöch«rung der 
das Breitcnaacbstum erinöglichendeii Pfeilnaht erfolgte 
nur noch Längenwachstum, es kam zu einem auffallen- 
den Mit sverhältnis zwischen Länge und Breite (Index 69) 
unter gleichzeitiger Bildung einer kaninmrtigen I.eisU« 
(„Keilschädel“) längs de.H einstigen Verlaufes der l'feil- 
imht, wie sie Iku der RückunKicht (.Ahh. 7b) zum Aus- 
druck kommt. 

Solche pathologisch <leformi«rt«n Schädel weichen 
natürlich bald nach der cimm, Imid nach der anderen 
Richtung vom typischen Kassenchaniktur ah und können 
daher hei der Aufstellung eine» solchen keine Berfick- 
{ sicliligung beanspruchen. 



Die Forschungsreise der schwedischen Südpolexpedition 
nach Südgeorgien'). 



Nachdem der «Antarclic** von seiner ersten Sommer- 
fahrt., die die Krforachung des Dirk-Gerritsz-I<amles zum 
Ziele hatte, am 26. März 1902 mich Poi't Stanley auf 
den FulklunrUuseln zurück gekehrt war, ülioriinhtu an 
Htdllü des eigentlichen Leiters der gesamten Forschnngs- 
reise. des iKizenten O, Nordenskjöld , der zur Uher- 

') Nach «lern Bericht« von .1. (i. Antlni'ssoii, P«>rt Ktaiiley. 
den ia. .)uti 19m;. im A'nier lfMr>, Hoft .*<. 



Winterung auf Siiow-Hill-Land im Dirk-(territHZ-Archi{)ei 
zurückgehliehen war, der Dozent J. G. AndersMin die 
einstweilige Leitung. Dieser war bereits am 21. Februar 
Hilf den Falklandinseln eingefrofien . hatte sofort eine 
Forschungsreise nach dem weHtlichen Teile der Itisel- 
grup|M* angi'treten und »elilofs »ich am 29. März den 
übrigen an. F.r traf nun unverzüglich di« V«>rherei- 
tiiiigen zur Krlediguiig der ihm von Norden^kjöld für 
den Winter (.April bis Sejüeniher) gestellten .Aufgaben, 



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104 



Die Poraehungareiev der achwediaoben Südpolexpedition uaeb Südgeorgien. 



S7m ff- S7* fS’ ÄJe' 




DIrk*(teiTit»x-.trrhlpel mit der WiBten«lat{on aaf Knuw-lllll>I.fttid. 



nfiinlirb Südguorgien, die Falklandinseln und das Keuer- 
laiid zwecks Ausführung naturwisacnacbaftlicher Arbeiten 
7.11 beMiirbeii. I>cr wisscuscbaftliehe Stab bestand wiibrend 
dieser Zeit aii.H folgenden Personen: .1. G. Anderitiwm als 
Geologe , Dr. A. Obliu und Kandidat K. A. Andersson 
ala Zoologen, Kandidat Skottsberg als liotaniker, 
laHitnniit S. .\. Ihiiw als Kartograph, Meteorologe und 
Hydrograph. 

Die ül>errnbri nach Südgeorgien dauerte vom 11. bis 
22. .\pril; der „Antari-tic** steuert« zunärbst an einem 
Teile der Xordustküate eiitlimg, um euieti vorläufigen 
lM)erbliek zu gewinnen, und lief daun in die Cumlierlami* 
bai ein. Du» Land war noch ziemlich scbiicefrei, und 
der erste Ausllug an lutnd am 23. .\pril war von 
ruhigem, soimigeiu Wetter begünstigt. In Erfüllung 
eitle» Wiinsclien de» .-VduiimlitAtHrats Dr. t>. Neumayer 
fand aUdann ein Desuch der deutschen .'Station in der 
Huynlbai »tatt, um ihren gegenwärtigen Zustand fest- 
zuslellcn. Obgleich das Sebiflf scboti am 27. in diese 
Dai einlief, konnte doch infolge von amlnuenideui 
Schnca'sturTD erst am 29. di« Verbindung mit dem lainde 
hergestelll werden. Das Haus war in leidlich gutem 
Zustande und enthielt einige Vegetahilien , die teilweise 
noch brauchbar waren, wahrend dagegen die astro- 
iioinischei) und magnetischen Observatorien zum grofsen 
Teile durch Sturm xenttort waren. Der nahe gelegen« 
Krokisiusherg wurde von Skottsherg zur .Ablesung der 
von der deutschen Kundfahrt 1883 zarflckgelasseneii 
Maximum -Thmmioinetcr bestiegen, 
aber diu Instrument« waren zer> 
stört. .\m 1. Mai liefseti sich .1. G. 

AmlerHsoii, Düse und Skottsherg 
nebst einem .Arbeiter in dert'umber- 
iaiidlMii an das l.and setzen, wo- 
sell»st auf der Heede zwischen den 
Widen Fpirdarmen «in ausgezeich- 
neter HooGiafen war, W&hreiid der 
«Antarctic'* zur Ausführung zoolo- 
gi'icber Arbeiten bis zuin 12. Mai 
riuf dem Meere kreuzte, l>er .\um- 
fiug war im ganzen vom Wetter 
»■ehr hegniistigt. nur an zwei Tagen machte ein schwerer 
SchiiecHturm alle .\rhciten unmöglich. Auf .Märacben und 
Do(»tra]irteii wurde der Fjonl zum gröfsten Teile atifge- 
iiomiiieii, sowie hirdogisrhe rntersuchuiigen und Studien 



über das Gestein und die früheren 
Vergleischerungflii betrieben, die eine 
nicht geringe .\usbeute ergaben. Wäh- 
rend dieser Zeit liatte der „.\utareiic** 
die Bay of Islea, die Possessionhai 
und eine fast südöstlich von dieser 
belegen«, auf dun Karten nicht näher 
augeguhene Bucht besucht, di>ch wur- 
den die Arbeiten durch fast uii- 
nufhörliche Schneestürme »ehr er- 
schwert. Alsdann blieb der 
urclic“ die ganze übrige Zeit, die 
man auf SQdgeorgian zuhmrhte, d. h. 
vom 14. Mai bis zum 14. Juni, in 
einem ausgezeichneten, wohl ge- 
schützten Hafen im Innern des süd- 
lichen Fjordnrm^, doch so, dafs «r 
während de» Tages zur Vornahme 
von Lotungen und zoologischen Ar- 
beiten öfter auf den Fjord hinaus- 
fuhr. In den beiden ersten Wochen, 
vom 14. bis 26. Mai, war das Wetter 
ruhig und sonnig; der Schnee srhmolr. 
zum grofsen Teile fort, die Tem)K*- 
ratur stand oft mehrere (rrade über dem Nullpunkte, 
und da» l,and batte ein fast sommerliches Aussehen. In 
dieser Zeit wurde auch der Best des zu erforschenden 
Gebietes aufgouommcD, die geologischen Arbeiten er- 
folgten unter den günstigsten l’niRtAnden, und Z<K)lugeu 
und Botaniker waren Ruifsig an der Arbeit. .Am 27. Mai 
wurde das I.and von einer etwa 0.2 m hohen Schnee- 
decke überzogen, und vom 5. hi» 12. Juni erhöhten fast 
uuuutcrbruchene, heftige Sebneestürme diese bis auf 1 m. 
.Am l.ö. .luni verliefs das Schiff die rumherlaudbai und 
stellte vermittelst einer Kette von Lotungen die Tiefe 
und Breite der Kfisteiibank fest. Die Kückfiihrt führte 
infolge heftigen Sturmes in einem weiten Bogen bis zu 
48** 27' südl. Br., w«> eine neue, nördlichere Lutungsreihp 
aufgemunnien und Tiefen bis zu &997 m festgestellt 
wimlen. Tiefseefischungeii hatten reichen l'^folg. .Am 
4. Juli war der „Antarctic“ wieder in Port Stanley. 

Do nur ein Teil des antarktischen Winter» für Süd- 
georgien zur Verfügung stand, so hatte man von vorn- 
Itendn beschlossen, die Forschungen auf die klimatisch 
mehr begünstigte Nordostküste zu liosehrnnken, und hier 
wurde diu ('iimherlaiidbui ausgewäblt, weil sie nach 
älteren Karten eine der gröfsten Buchten von Südgeorgieii 
ist und besonders verlockend für imturwi»senschaftliche 
rntersuchiingeii erschien. Düse fertigte eine Karte im 
Mafaatabe von 1:100000 an, nach der die Mündung 
der Cumhcrlandhai eine Breite von lOkni hat. Di<>se 
teilt »ich im Innern in zwei Arme, von denen der we»t- 




Abt). -l. Snow-Illll-Laud mit der Wlntcntatloa an der durcK Striche 
angegebenen Stelle. 



I liehe 16 km lang und 7 km breit, der südliche 15 km 
1 lang und 6 km breit ist. Jener hat zwei kleinere Suilen- 
I arme, dieser einen gndsereii von 7km l.änge. IHesc 
I «irei Seitenarme sind, wie noch näher ausgeführl werden 



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I>ic Fi>rschua};«r«ifte «lor »ohwodisvhvn Su<lpoIex|>e«litio]i nach ändjceurffinu. 



105 



TcUu der Bai uiüudeu Hechs (Bet* 
hcber. Abgesehen von (lie:ieo weist 
ihn* rmf^biiiiff eine Anziihl Thal* 
(/letMcber, sowie uuf den Abhängou 
und Kiimmen d«?h (tebirgeN ein« Meng« 
Huiigegleti‘cber auf. ÜberuU niiduii 
»ieb S|Hiron einer ein^tigeu» weit um* 
fu'i’temleren Vergletscherung. Pie «li* 
geruudeteii Formen der niedrigeren 
Höhen und di« mächtigen Muränen 
in den ThAleru mit ••chöneii Gesteins* 
srlirammen sprechen ein« lieredte 
Spriiche. Wuhraeheinlich war die 
riiiniHU'landbai r.nr /eit der stärk- 
sten Vergletscherung von mächtigen 
I'lis.Htrömen volUtündig nusgefUllt, 
die. ini äufseren Teile d«r Hai ver- 
einigt, unabhängig von den Hoden* 
verlm)tnis*i!u die Mündung über* 
sehritteu und mit einer überhän* 
gunflen /unge ins Meer vorsprangen, 
deren Luge durch di« gegenwärtig« 
Kiisteiibank, welche 13ü m über der 
Fjurdritinu liegt , beHtimmt sein 
dürfte. Zu der dumuligen Zeit war 
das Fund fast vollständig von Glet- 
schern bedeckt, und nur die höheren (iabirgskämme, 
welch« ebenfalls zum grofseu Teil von Hängegletschern 
bedeckt waren, erhoben sich als Glulscherscbeideti und 
Nnnutakks ans der zusammenhängenden Ktsdecke. Autser 
dieser fast völligen Vereisung des I,uudes läfst sich auch 
eine jüngere, weit weniger umfangreiche wahrueliiiieii. 
di« iiide«s«n ül>eraus |irnchtige Knd- und Seitenmoränen 
liinterlnssen hat Piesu lafst sich am besten an einem 
NelH*iiannu des südlichen Fjonlarmes studieren, der des- 
halb den Namen Moräneiifiurd erhielt. In diesen mömlen 
jetzt nur zwei kleinere Kissiroin«, aber vor seiner 
Mümtung liegt in Form eine*' Bogens ein gewaltiger 
KudinurtinenwulJ , der au den Seiten sich bis zu 43 m 
über das Meer erhebt und in der Mitte eine beinahe 
blursgelcgtu Scbrutike bildet, die den Muräueufjord 
gegen den Hanptfjord ubgreuzt. Pa der Moräneiifjonl 
wenigstens 143 m tief ist, niufs die wirkliche Hübe des 
Moränenwalles auf etwa 200 lu geschätzt werden. Zu 
beiden Seiten des Moränenfjords liegen prachtvidlu, nach 
aiifsen glcichniäf^ig sich HeiikuiiduSuitenmoränenteiTHSseii, 

gewesen sein kann, da dieser int 
April 1002 in»ch ein Stück über »lio 
äufserste von den Peutscbeli beob- 
achtete Grenze hinnusreiebte. 

Kille Cbersicht über die geolo- • 



soll, besuiidei's bemerkenswert wegen ihrer geologischen 
Gleticberverhältiiisse. Anfser der genannten Karte, die 
die Hai nebst dem umliegenden Laudgebieic, d. b. eine 
Fläche von 700 bis HOO (Quadratkilometer umfafst, hat 
Puse noch weitere im Mafsstahe von 1:50000 von 
einigen Teilen angefertigt, die geologi'<ch oingeheuder 
untersucht wurden. Tiefenlotungen wurden innerhalb 
lier Hai und vor ihrer Mündung gegen 40 uusgefuhrt; 
dies« zeigen, dafs <lie Huuptrinnt* eine Tiefe von 250 bis 
.'HO m hat und nach aiifseu von einer Küstenbank be- 
grenzt wird, die 177 bis 179 m tief liegt und nach der 
Tiefsei* zn mit einem H70 ui hohen Abhang sich senkt. 
Von dem Hafen des «Aiitarctic^ iin .Südarine der ('umher- ^ 
landhai, der ausgehib^t wnnle, fertigt« man eine KarU* , 
im Mafsstubo von 1 : 10001) an. Während des Aufent- 
halte* in «ler Ibtyalhai wurde iler in* Meer vorspriugeinle 
Teil des Hofsgletschers gemesMui und festgestellt, <la(s 
das von den deiUscheii Forschern nachgewieseno Zurück- 
weichen des (iletschers um 800 bis 900 m (vom .\ugust | 
1882 bis .\ugust lH83j nur vnrübergehenih*r Natur | 




Atib. 3. IHe Maihucht In der ( Hiiiberlaudhal ; an den niedrigen Stellen 
überall ult Tissukgrns bedeckt. 



giseben Verhältnisse kann erst nach 
mikroskopischer Untersuchung iler 
reichen Sainiulung von (ie*teins- 
prohen erfolgen, •'chon jetzt kann 
indessen erwähnt werden, dafs eine 
«chönu Faltung, ilereii Kichtung mit 
der iJiiigsrichtmig von Siblgeoruien 
heinahezusummenfällt.imchgewiescn 
und dufs in einem (iesleiu (wahr- 
scheinlich einem Kruptivlnni «ine 
.Muschel • Versteinerung gefmnleu 
wurde, <ii« nach niiherer Unter- 
suchung zur Hestimmurig des .\1* 
lers jener Fonuntion geeignet sein 




ilürftt*. 

Für ülüt«chers(ndi«ii bietet die 
Cuiuberlaiidbai ein überaus dniik- 
Imres Feld, ln die v«‘rschie«leneu 



Alih. Hrr Moränriirjonl (( iimberlamihal) mit den zwei rltiamler 
xarenaniKen SiiK/en der Kndmorilneii« zwischen Ihnen ein« fast 
blorsgeleft« Schranke. 



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Globus LXXXIII. Sr. 7. 



14 



|)ic‘ Forsch ung»ri;i«e der «chwedischeu Südpolexpedition nach Sii<lgOorgicn. 



KMi 




Abb. b. Kegenrrlerftider (aletsclier der i umherUndbal; «{oer Uber 
dem Wasser liegen die drei alten Muränen. 



deren hüt*h>^(e noch im AuI>ter^>ten Teile des Fjords 101 m 
üliur dum Meeresspiegel liegt Aus den angegebenen Zahlen 
lafüt sich HchliefMen, dafo die Kisma^iHe. die einst dieses 
Fjordthai füllte, im änfseren Teile ungefähr 2')0 m m&chtig 
war, während zu gleicher Zeit seine Ausdehnung in die 
l.Ange 7 km butrug. Das Aussehen aller der geschilderten 
Knd- und Seiteuuuir&iieu macht es wahrscheinlich, dals 
sie eher auf eine spätere Zunahme der Vergletscherung 
7cm Südgei»rgien als auf einen bloNen Stillstand im 
Zurückweicben der älteren, grofsen Vereisung zurück- 
znfnhren sind. .Ähnliche Wahrnehmungen wurden auch 
im westlichen Arme der Cumburlandbai gemacht, wo 
zwei kleinere Nebenarme ebenfalls durch Kndmoräneu' 
walle ubgeschloHseu werden. 

In botanischer Ileziehiing war die Jahreszeit natür* 
lieh nicht hcHcmders getdgnet, doch wunleii 13 Phanero> 
gainen beobachtet, die die deutschen F<»r»eher aus Koyal* 
bai angeführt liubeti, und aufserdein zwei neue. Von 
Kryptogamen wurden umfangreiche Sammhiugen aiige^ 
legt. Auch das ftiirsere Bild der Pnanzenwelt und die 
biologischen VerhältniHM! wurden studiert, und liesonders 
bemerkenswerte Standorte und bezeiebuende BHanzeii 
wurden jibotograpbiert. Bie Meeresa)g<m wurden unter- 
sucht, indem man einerseits Strand- 
formen wimmelte, andorerseita Algen 
mit Netzen fischte, bis zu lii Malen 
in Terschtwlenen Tiefen von 0,5 bi» 
lOOm. Bit' zoohtgiNcheii .\r)K'iten 
bestanden in Tiefen- und Pliinktoii- 
fiKcherei in fünf gnifsercii und klei- 
neren Binnenseen des Gebietes, im 
SHiiimeln der ziemlich einförmigen 
lusekteiifnuna und im Konservieren 
von Vogelbälgeii. .Vutsurdem wur- 
den von cluit in der Cumberlaiidbai 
büiifitfen Seeleopiirdeii und S*e- 
Klefanten Felle von verschiwlenen 
Altersstufen, Skelette und Kmbryos 
gesammelt. Weit iinifinigreicber war 
das Krgebni.s der zcMtlogisuhen .\r- 
beiteii auf dem .Meere. Wulm'nd der 



Fahrten zwischen den Falkluiitl- 
inselii und Stidgeorgieu sowie 1 m>- 
sonders in den Buchten dieser Ini^l- 
gruppe sind 2.*> Tiefseefischzüg« 
in Tiefen zwischen 1 und 310 m 
ausgefülirt. Verschiedene von diesen 
ergaben eine ungewöhnlich reiche 
Ausbeuteeincr an Arten und FUnzel- 
wesen reichen, besonder» üppig aus- 
gebildeten TierwolL Bie Zeit 
der ('berfahrt nach Südgeorgien war 
bauptsilchlich riauktouarbeilen ge- 
widmet. Ahgesebeii von dem regel- 
inftfsiguti Fischen an der Ober- 
(läcbe wurden sieben KeihentiefcMi- 
züge mit einem Feinmaschigen 
Netz hi» zu einer Tiefe von 500 ui 
ausgeführt. Auch drei senkrechte 
Tiefenzüge in einer gröfseren Tiefe 
(2(t00 bis 2700 Ul) fanden statt, 
teils mit einem kleinen feiit- 
inascfaigen Netz, teil» mit einem 
solchen von .Mittelgröfse und einer 
Maschenweite vou luim, sowie ili 
Verbindung mit den letztgeuauDten 
Netzen, mit einem Netze von 3,2 m 
Burchiuesscr au der t^nnng und 
l ccm Maschenweite. So erhielt 
man reiche Sammlungen von Tiefseetierformen: eigen- 
tümliche Fische, prachtvidle .Medusen, seltsame Krusta- 
ceen u. ». w. Von einer gröfscruu Anzahl vou Tiefsoe- 
und llanktonformen mit vurwickulter oder weniger 
haltbarer Färbung bat Skottsberg naturgetreue Ahbil* 
diingeii uacb dem I.eben aiigcfurtigt. 

.Vuf dem Gebiete der Meereskunde .sind wichtige 
Knbleckuugeii gemacht wunleu, und zwar in der bisher 
durch keine Tiefenlotung erforschten Gegend zwischen 
den Falklandinseln im Westen, der Bouvetiiisel im (bten 
und dem 40* südl. Br. im Norden. Nach der Annahme 
von Hans Reiter bietet sich hier ein auffälliges tiegeii- 
stück zu dum Bogen, den die Cordilleren über die An- 
tillen iK'Scbreiben , indem hier im sfidlicben Teile des 
.Ulantischen t tzenns ein gleicher Bogen sich zu erstrecken 
scheint über das Feuerland, die Statenin»el, die Burd- 
wookluink, Shagrocks, Südgeorgien, die Südsandwiuh- 
insein, Sadurkneyin»eln, Südshetlundiuseln und die Birk 
Gerritszgnippe. Zur ßestäligiiiig dieser Annahme ist 
indessen eine geoioglscbe Krfor'<chuiig der gunannten 
Inselgruppen, sowie Tiefenlotungeri in ihrer l ingebuiig 
und zwischen ihnen erforderlich. Bazu haben ilie 
„Antarctic'^-ForBcher den er»t4'ii Beitrag geleistet, ln 




Abb. a. Tussokgras, 1.0 m hoch. CamberlaiHlhni. Mai BMt2. 



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IMc F4irtclianf(Drei«e d«r «tih wedisohen Smljiolexpodition n»ch S<i<lKC«>ri;ien. 



107 




Abb. 7. See*Elef»til) alte» Männchen (l'unberUndbal). 



genwl«*r Linie awiHchen den Falklnndinrteln und Sbnf;* 
rocke wurden folgende T^itungen auegofübri; 
r>J* 7' siidl. Ib-.. :*5"4i>' wrtH. L. , . . UJOiii 

•Vi*47' . . 51*3»»' , .... >50111 , 

:»3« rt' . , 47* 7' , .... SrtSiHn , 

IHese drei Tiefen, obgleich nn sich recht beachten.«»- 
wert, liegen nmllirh von der Linie Ilurdwtmkbank und 
Sbagrocke und haben deehnlb mit der Torliegendun Frage 
unmittelbar niebta zu thuu. .\utaerordentlich wichtig 
tat dagegen eine Lotung genau in der Mitte zwiacben 
Shagrock» un»! Sftdgeorgien auf 53'^ 4H' hüdl. Ilr. und 
40^ 57' wet«tl. L., die eine Tiefe T»jn 3380 m ergab und 
Homii heweiat, dafa hier keine Gruiidbaiik vurbutidcn iat. 
Uaa iat indeaaen an aich kein 
(iegenbeweis gegen die .Annahme 
von ileitcr, da ein uraprünglicb 
ununterbrochener Faltungübogeii 
durcli apAtere Verachiebungen 
zeratQckt worden aein kann. Ibe 
Ileobachtung einer auageprAgten 
(rebirg^faltung auf Sfidgeorgien 
nebst dem Funde einer Verateine- 
riing daaulbst wird dereinai ihren 
Platz in der Erörterung der Heiter* 
acheu Hy|M>tbeae erhalten. Auf der 
Rückfahrt fand man nordweatüch 
von Südge<irgien überraschend 
grsifse Tiefen, nämlich auf 50° 5 H* 
aüdl. Hr. und 3K° 54' weatl. L. 

4704 III, Tielleicht eine nicht ganz 
genaue Ziffer, da es nicht völlig 
sicher feststand, ob der Itodeii er- 
reicht war, sowie auf 48° 27'sQdi. Rr. 
und 42° lt>' westl. 5997 m. Iiu 
Zusntmuenhange mit den dreizehn 
Tieboilotungen auf hoher See sind 
nun mehr mW weniger vollständige 
Reihen von Tiefseewärmegraden 



und WuBserprubeii gonommort wor- 
den. Ihe eigenartigen Tiefenver* 
bältnisse im Morftnenfjord sind 
oben bewlirielten worden. Der 
Hau]>tfjord ist 250, der Moränen- 
fjord mindeHtens 14H in tief, winl 
alter v(»u jenem durch oinoii Knd* 
inoränenwatl abgesperrt, der an 
Keiner tiefsten Stelle nur iingefAlir 
10 m tief unter der Oberfläche des 
Fjords liegt. Kigentümlich sind 
die WärmcTerhältniKKe des AVasKers. 
Während in dem llaiiptrjord in 
250 m Tiefe * Llö** (’. und in 
108 in Tiefe mitten vor der Moränen- 
sebranke 1,55° ('. heiTHchten, 
hatte «1er Moränenfjord in einer 
Tiefe von 14>< in — 0,35® das 
Wasser dieses abgeK|)errten Fjords 
w'ar also offenbar durch die zwei 
in ihn mündenden Gletscher ab* 
gekühlt. In dieser kalten Fjord* 
höhle fand man mittels Fischens 
in einer Tiefe von lUÜ bis I4H m 
in einer nicht geringen .Anzahl 
Tierformen, die einmal für die Tier- 
ge«>grapbie von Redeutung werden dürften. Erwähnens- 
wert ist es noch, dafs wöhrenil der Fahrt nach Süd* 
georgien nicht ein einziger arktischer Eisberg wahr- 
genommen wurde. 



Nach einer spaiei'en Mitteilung vom 17. .August 1902 
arbeiteten die Forscher voiu 18. .luli bis zum 13. August 
in der Gegend von Port l^ouis auf den F'alklandiuscln 
und uiufNtu Dozent Obüti infolge eines l.iingeuleidcus 
nach Europa zurückkchrpii. TWr die Forschungen auf 
den FalklandinKelii wird ein liesondurur Rericht er* 
scheinen. 




Abb. S. 8ee-Elefant) Junges MUimchen (( umbrrlamlhai). 



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W. w Hülow; I>ur v ulkunisch«* Atixbruch uiif <lt>r Iiitol Suvaii (|)«iit8oh'Sumoa'l. 



Der vulkanische Ausbruch auf der Insel Savaii (Deutsch-Samoa). 



Hc'obiu'httit V(i 

Mii1iipt»o, 30. (ikiubür 1Ö02. 

.Am 20. (1. Mta. rantb'ii mi'brm'e (rrt'if^-cnt iiud kleineru 
Knlnlöt^o vtfttt, über die in uarhwtehender Tabelle, soweit 
Wobachtet, daajenijfe antfe^elam ist, wa>< ohne Iii»tru- 
mente und ((onu^mide VorkenntnisHc beubaelitct werden 
konnte. 

Ks weht4* Sttdont|iaesut und dus Mwr blieb vor 
und nach den Krdsb>(»en unverändert- liie scheinbare 
ISichtun); der Krdwelle war von Südeu naeb Norden. 
Ileobaelitungspunkt war eine kleine Auhohc auf der 
Nordseite der Innel Savaii, /.wischen t|en llörferii Snriino 
und SaFotu f^elegen : 



Oaiura ‘Jaguiereii Stark«; Zeinlaiifr 



29. Okl. 1902 r»h 40"» |t. m. sehr stark ;t0 K«'kutuleii 

, , , S,45,,, M-|ia:keh»'r 2 

, , , "«45,,, solir scliwjieli 1 , 

, , . 11.47 1 

HO. „ , 12, 20„h. • sUirk 2 , 

31. Oktoltcr. 

.Vm gestrigen Tage machten sieh viele aehwäcbere 
und ein stärkerer Krdstofs bemerkbar — der letztere 
zwiscben 0 und 10 I hr vormittags. .\m Abend btv 
merkte mnu eine schwarze Itaucbsäule aus dom Mittel' 
gebirge, dem Tuasivi, aufateigen. Iler luaHivi besteht 
auH einem Komplexe von mehreren, mehr oder weniger 
parallel von Osten nach Westen laufenden Gebirgsketten, 
die unregeimäfsig durch (^uerriegel verbunden sind, 
zwischen denen sieh vielfach einzelne Dergkegel erhebeii. 
.Alle diese llerge sind vnlkauiHcben rrsprunges. Viele 
sind mit mehr oder weniger gut erhidteueti Kratern vor* 
sehen, von denen einige mit Tagewasser caler Quell- 
wusiH>r gefüllt stinl. 

Hei llunkelwerdeii erschien an Stelle der Kaucbsäule 
eine Feuernnule. 

Die bestürzt« Bevölkerung brachte Alte, Kranke, 
Schwache und Kinder in den östlicher gelegenen Ort* 
schäften unter. Nietuiind schlief wälirend der Nacht. 
l>er Äusbrüchsherd scheint gerade südlich von Safime 
zu liegen und zwar auf der der Küste zunächst gelegenen 
Burgketie. Der Berg wird von den Kingeborenen al» 
Miiuga maji = Steinl>erg oder Mauga um ^ leuchtender, 
weifsur oder mter Berg bezeichnet, doch ist der Name 
des Berges dem Gedächtnissfi der Bevölkerung fast ent* 
Mcbwunduii. Dalu der mit elueui Kratersee versehene, 
seiner Zeit von Ib'inecke besurhte l*ainä (nicht wie 
fäUchlich geschrieben wird l’aiir-i) auagobruchen sei, hat 
sich nicht bestätigt. 

Heilte morgen konnte ich deutlich wenig'^tuiis zwei 
verschiedene FeuerschlOnde unterscheiden , die in ge* 
riiigvr Kutfernung voneinander liegen. Diu auf dem 
Gebirge liängemton itauchwulkeii verhinderten klare Ans* 
sicht. Kingebnivne behaupten, drei bis fünf Aiisbrnrhs- 
steilen nrkauni zu haben, die sämtlich westlich von 
SaFunu lägen. 

I. November. 

Die vulkani^cliu Thätigk«dt scheint im Znnehnien 
la'grifFen zu sein, .\bends schien die Kuuersaule etwa 
1(K) Kufs hoch zu sein, während die Höhe der dieselbe 



W. V. Büluw. 

mngebunden, wie Feuer leuchtenden Bauclisäule etwa 
30O Fnfs ge.sohätzt wurde. 

bavastnömo haben aidi, soweit bis jetzt hekaimt, 
nicht ergossen, sicherlich nicht nach der Nordküste zu. 

1'^ steht fest, dafs zwei Vulkane in 'l*hutigkcit sind, 
die abwechselnd zu arbeiten scheinen. 

Während der eine nur geringe Thätigkuit unlwickett. 
stöfst dor andere grofse, gelbe, rote, weifse oder 
schwarze UnuchwidUeii ans. In dieser Weise wechseln 
sio all. Der Wind weht aus südlicher Uichtung, so dafs 
das Brausen, Bollen, Donnern und Krachen nach der 
Küste hernhurschallt. Infulgt^ dieses Getöses, in V’cr* 
bihdung mit den Berichten, welcbe gerade jetzt zufällig 
in dem in samoanis«-ln>r Sprache durch dio .Missionan' 
der Lundoner Mission veröffentlichten Missiniisblatl übi^r 
«lie Vorgänge auf Martiulipte bekannt werden, wandern 
diu Kingeborenen aus den den N ulkanen zunächst ge* 
legeneii Ortschafbui am«. Nur einige wenige, mehr be- 
sorgte Kingeborenu blieben zur Bewachung der Häuser 
zurück. 

2. November. 

Heute konnte man am Morgen aufser den lieiduii 
bereits konstatierton auch iuK*h einen dritten, an der 
Westseite der Insel Savaü gelegenen Berg erkennen, dm- 
al»er nur schwache Uauchwolken ausstiets. NachmittagH 
waren diese Rauchwolken nicht mehr sichtbar. Der Berg 
schien südlich von dem Dtirfe .VKaii (welches übiigcns 
auf verscbuHlencn Karten hartnäckig fälschlich .A»aiia 
genannt wird) zu liegen. Nachmittags setzten Gewitter 
ein, diu «ich an den Krnterbcrgen his gegen Morgen- 
grauen aufhieiteu. 

Bei Kintreten der DuiikelbeiC komitu man feBtMtelIrn, 
dafs die l>ciden zuerst tbättgen V'ulknue zu einem 
Vulkane sich vereinigt hatten. Die Thätigkeit dersellM?n 
schien iiu /.uiiebmeti begriffen zu seiu. , 

3. November. 

Heute war der Vulkan um Tage in Wolken gehüllt. 
Am .\hund stellte sich heraus, dafa die FeUeraäiili- 
zuaiiuimeitgi-siiuken, das Feuerbecken dagegen erweitert 
war. tlffenbar hat »ich eine gn>r»e I*avainnsse nach 
der Südseite ergusücn. F.iuc kleine Feuer^telle unterhalb 
dea Vulkaiies, welche übrigens schon am Abend des 
2. Nuvember sichtbur war, zeigt keine besondere Thatig* 
keit. 

4. November. 

Die Fcuurffäche des Viilkuniw gleicht einem Kirr* 
kiicben. Die Flamme steigt nur selten zu bedeutender 
Ib»he auf. Die Gefahr für die Dörfer der Nordseite der 
Insul Savaii scheint vorüber zu sein. Weitere Bericht* 
er-«tattmig halte ich für« er«U‘ nicht für erforderlich. 

Ich komme nun zu ineitieii ethnologischen Bc* 
«ihachtungen. 

Wer jemals die Gelegenheit gehabt hat, den .\us- 
bruch eines Vulkanes oder «len Wiederausbnieh eines 
längst erloschenen Vulkanes zu beobachten, der wird es 
sich erklären können, wiu es kommt, daN alle Natur- 
völker den Gott des Feuers [M-rsonifizieren. 

Man stell« sich nur vor; Zuerst das gewaltige und 
iiu Höhepunkte ruckweise Huticln iler in Geburtswehen 
li -genden Krde. Iiitnn entstuiut unter Donner und Dlitz 



Digitized by Googfe 




Kraiifio: Kano Sknnilttia%‘ien due Stnrnmland der RIonilen und «1er liidti^erntAnen soiiiT 



eine schwarze Uauchwolice dem Gipfel einoe Berge«, 
die znm lUmiiie) nufHcbwobt. Ihr folgt die Feiiereiule, 
T(»r wtdehe sirh, KuJisHen nicht unähnlich, hellere und 
dunklere, d«h«i auch Terscliiedtm gefärbte Bnuchwulken 
Kcbieht'n, die die pbunlu«tiMcbat«‘n Gcutulten bilden. 

Der KingelKUoue erkennt in dieeeii Rauebgebilden 
allerlei ülK^riitlisebe, geheiiuoiBVolle Weiten, die zum 
lliumel nuffteigen oder auch aieh vom Himmel zur Krdo 
zu Kenkeu scheinen. 

Seine längst noch iiicbl verge.ssenen G«>tter kommen 
lH*i der Oberflächlichkett aeiuer Buktdiruug zum ('hri.Ht«‘n- 
tuui, Inii der Beobaebtung dieiier ungewohnten Nutuf' 
ereigiiis^e ihm in Kriimeruug und in soineiit (todimkeii- 
gange entsb'ht eit> Wirrwari der den MUi‘ion8fr(‘undeti 
kaum Freude bereiten dürfte. 

Am Morgen des erNten vulkanischen .\nsbrucbes 
erklärte ein eingeborener kutholischer Religioiislehrer 
hIIpii F.rnstes, dafs er einen Aitu *diie weifse 

Wolke*^ habe vom Himmel hernitrder und in den Krater 
fahren sehen. Kin wealeyanischer eingeborener „Pastor“ 
des IktrfcK Asuu, ln dt^m die HuiiptUiige Tufuga un«l 
Masoe regieren, kanzelte den Weltenregierer etwa 
folgpiidermafsen ab: 

0 Gi»tt! l>u liebst das Feuer des Berges! Du hast 
aber kein Krbarmen mit Tufugu und Masoc. 

Weifst du denn nicht, dufs sie dich lK*singen? Wer 
wird dir i^blieder singen, wenn sie nicht mehr sind? 

( Offenbar schwebte ula höchstes Wesen diesem geist- 
lichen Hirten mehr der G«(tt Tagaloa der Samoaner als 
der Gott «ler Missionare vor. 

Und ein Kircheninttglhul der I/f»ndouer Mission in 
dem Dorfe Matmse, auf der Xordseite der Insel Savaii, 
a|K)»iropbierte das Krdbebeu, welches er personifizierte, 
gerade in dem Momente, als ein kräftiger Krdstols sein 
Haus rfiltelte: Nimm doch das Haus, wenn du es durch- 
aus za haben wünschest, aber Infs mich in Bube. 

Die IVi^onifikation de« h>«U>ebeD» und des unter* 
irdischen Feuers, Mafuie bei den SRuioauern, Maui in 
Tonga, Hawaii, deu Marquesas Inm^lu, Manihiki, Kaeatea. 
Niiie (Savage Island) und Maoriland. in letzterem wird 
eine Vorfahrin des Maui auch Mahniku genannt (Tregear, 
MH4iri*('«jmparative Dictioitary), Mafuik«', weiblich, auf 
den Bowditehinsidn. Mahuie in Tahiti, Maiiike, weiblich, 
in Mangan'wo, Mauiki in ^faugaia (Herveygnippe) ist, 
wie in der alten Welt, «o auch in Polynesien ganz all- 
(femein. 

Und in der That wird keiner, der den Wiederaus* 
bruch eines seit undenklichen /eiten erloschcmm Vul* 



lOÜ 

kanes in einem Lande miterlebt bat, in welchem eine 
solche Nnturorschoinung der jetzt lebenden Bevölkorung 
unbekannt war, sich dem inächGgru Kindrucku ver- 
schlndseu ki^unen . den ein «ulchcs Kreignis auf die 
Phantasie, die Nerven und das körperliche und geistige 
Wuhlbefiiideii ausübt. 

Ttafs nicht die Nerven aller gleich widerstandsfähig 
sind, ist ja natürlich. Iiu ganzen muts man den 
Snmoaneru aber doch da« Zeugnis aiisstelleii , dafs sie 
die verschiedenen vulkanischen .\usbrüclie verhältiiis- 
nmfsig ruhig über sich halxoi ergeben lassen, /war 
verliüfsen sie die lK»rfer, die sie für bedroht hielten, 
kehrten ab«‘r bei 'Jage in ihre Pnanzungen zurück, um 
Nahrungsmittel zu holen. Iiitenrnsant war es, dafs nach 
dem eisten Ausbruche des ^'ulkam's die meisten hlin* 
goborencu ül>er Mageiibeschwerden, Verstopfung oder 
Durchfall und Mangel an Ktslust klagten, also über 
Beschwerden, die hei jungen S<»ldaten bei dem Kintnitu 
in das ernte Geft>cht sich einzustellen pflegen. — Die 
.Vufregung wirkt auf die Mageuiierveii. 

2,'). November. 

Seit dem ersten .\iisbrucbe des Vulkuiies bat eine 
bestimmt erkennbare Kit'iffnung neuer Vulkane un- 
scheinoiid nicht Ktatlgefunden. Fine tiefe, lauggezogene 
Versenkung — *To“ — , wahrscheinlich die Hinter- 
lassenschaft eines zusummciigebruchoiien Vulkane«, scheint 
die Aiisbrochsstelle zu sein, in der sich von Zeit zu Zeit 
neue Öffnungen, neue Feaerschlünde zu bilden scheinen. 

Ibe Ausbruchsst«dle i«t weit entfernt — 12 bis 15 
engl. Meilüii — Tim menschlichen Wohnungen und be- 
hautem Laude. 

Kine Gefahr für Menschen scheint also für jetzt »u 
gut wie ausgesrhlossen, besonders auch dexhalb, well 
tiefe, durch Bergketten und Hügelketten umsäumtc 
Thäler zwischen dimi Kulturlande und dem V’^nlkaiic 
liegen. 

Die letzten heftigen Krdstötac fanden um 21. d. Mts. 
statt. 

.\iigeiibUcklich verhält sieb der Vulkan zw*ar ver* 
haltnismüfsig ruhig; oh es aber rntsam ist, schon jetzt 
die Kingeborcuen zur Kückkehr in ihre iKirfer zu ver- 
anlassen, bleibt für« erste w'ohl noch uueuGchiedeu, da 
die jetzige scheinbare Hube sich doch wohl erst als 
dauernd erweisen mufs. 

Beilauerlich wäre cs, wenn diese Natnrereigiiissr 
eiucn iiuchhalug schädlichen Kinflufs auf die in guter 
Kiitw’ickcliiug begriffene jnugo Kolonie uusühnti soiltun. 



Kann Sknndinavirn das Staiiiinlauil der Klonderi 
und der Iiidogermanon seiiif 
Von Krnat H. L. Krause. Saarlouis. 

Während der Diluvialzeit lebte in Mtiteleurupa eine 
eigentümliche Menscheitform , kruiumlxdnige Wesen mit 
starken .Vugeuhrauenwfllsten , bekannt als Neaiidorthal- 
rasse oder Homo primigenius. Diese Menschen waren 
Träger jener eigentümlichen Kultur, welche wir die 
paläolithische nennen. Ks mag dabinstehen, ob sie 
während der eigentlichen Kiszeiteu im heutigen Deutsch- 
land ansässig waren, oder oh sie immer nur im Siimmer 
als Nomaden zu den m'mllichen Feldern gezogen kamen. 
tJedeafall« sind diese Stämme mib>amt ihrer Kultur 
spätt'.stens bald nach dem Kndu der letzten Kiszoit aus 
.Mitteleuropa verschwunden. 

Die Süiiwestgrenze des letzten Inlandeise« verlief 
durch Schleswig-Holütein, Mecklenburg und Pommern. 



i .\]s das Kis sich zurQckzog, i.«t der damalige Mensch 
ihm nicht gefolgt, nirgends finden sich Spuren {>aläo* 
! lithincher Kultur im (iebiete der jüngsten (tlHzialmoräiie. 
I Und auch in Mittel- und Süddeutschland kennen wir 
j keine )>oHtg!azia]en Geräte diese« Kulturkreises. Nach- 
: dem auch Süd^kandinavien eisfrei geworden war, bewuchs 

I das Laud zunächst mit Zwergsträuch«‘rn und Stauden 
von solchen Arten, die wir jetzt in deu iiiH’hgehirgen 
; und auf der arktischen Tundra sehen. langsam und 
allmählich traten höhere lÜrkenKträncher, dann baum- 
artige Birken und ]'^{ien auf. Noch «päter l>edeckto 
sich das Land für eine «ehr lange Zeit mit Kiefer- 
wählern. Aber Menschen waren noch nicht eingewandert. 
Dann kam eiue Zeit der Srukung des l^andes; .lütland 
und Südskandinavicu h'isten sich ganz allmählich in 
lnselgrup|>en auf. ]>amals war das Klima vielleicht um 
zwei Grad wärmer als jetzt, ln die Wälder der heutigen 
Ontseeländer drang dumaU die Kiche ein. Und nach 



„ ■ - i by Coogie 




110 



I>r. llehrens: IMe Weecr. 



(l«r Klebe kamen Menacben, Träj^er einer neoUthiftoben 
Kultur. Es ist nicht unwahrncheinlich, dafs diese iltesteu 
Hewtihner Skandinaviens die Vorfahren der heutigen 
Ktnwobuer desselben Landes, dafs sie hochgewachsen, 
langscliidelig, blond und blauäugig waren. Bis aiim 
Beginne der Bronzezeit erstreckt sich der Kkandinavisehe 
Kulturkrois auch über die südwestUcho OsiNeeküstc. Die 
binuunlandischc Kultur des heutigen DeutschlandH war 
abnlich, aber doch unterscheidbar. Dann aber drang 
diese flüdlichere Kultur an die Ostsee Tor; Mecklenburg 
verlor seinen Zusamnienbang mit Skandinavien und 
wurde ein doutacbes l^nd. Wabi^cbeiitlich sind diese 
alten Hewobnor Deutschlands nicht 1>etHicbtlicb vor* 
schieden von den alten Skandinaviern gewesen. 

Woher kamen nun diese Völker? Zuweilen klingt 
aus neueren Arbeiten etwas heraus wie eine Hypothese, 
dafs die blonde langsehAdeligo MenschenraRse in Skaiidi'' 
uaviun entaiiioden sei. Das ist naturwissenschaftlich 
nicht denkbar, weil cs gänzlich ohne Analogie dustinde. 
Alle Tier- und Dflanzenarten , welche in Skandinavien 
vorkommcR) und dort zum Teil viel vor dem Menschen 
triugewBiidort sind, finden sich nicht nur auf dieser 
Halbinsel, sondeni auch in anderen Teilen Kuro|ia». und 
zwar lehrt diu Pulaontol(»gie, dats sie ihre atiDerskandi- 
navischen Wohngebiete nicht erst von dort aii.s erobert 
haben. I'anzelne Kormen sind Skandinavien eigentum- 
lieh, aber das sind Hybride oder .\bköujinUngu von 
Hybriden cK^er geringfögige Änderungen einzelner .\rten. 
So kann auch der skandinavische Mensch einzelne K4gen- 
•■irhaften und Merkmale in seiner neuen Heimat ange- 
nommen haben, aber es ist undenkbar, claf^ er sich in 
der geologisch sehr kurzen Zeit, welche seit seiner Kiii- 
wanderuiig vergangen ist, aus einer der anderen uns 
1>ekai)nten (irundformen der Menschheit entwickelt habe. 
Die l.Txkandinarier mö^ixen schon al« Europäer im 
anthro|N>b>gischen Sinne (Homo europaeus) in ihre Wohn- 
sitze eingezogen sein. Wenn man aus den Heer-HtrafNen 
der Tier- und l^flauzcnarten auf die der Munseben 
RchliefHcu darf, dann war die eiszeitliche Heimat dieser 
alten MenKchenart wahrscheinlich au dun Gestaden des 
westlichen Mittelmeeres und iiu nordwestlichen Afrika. 

Wo bliebim die Neandertbaler? Nordwärts folgten sie 
dem Eise nicht. Aus Mitteleuropa vursehwimleii ihre 



Spuren, sobald die eiszeitlichen Felder mit Wald be- 
wachsen. Wenn die l’alAolithiker sieb irgendwo balten 
konnten, so war es in den Gehirgen oder in dun Step|)6n- 
gebiutun Südosteuro|>as. Hier haben sie vielleicht in 
geringerer Zahl gehaust, bis sie von jüngeren Einwan- 
derern aufgerielHUt wurden. Der Homo primiguniu.s 
gehört wie Mammut und andere diluviale Säugetiere der 
Vorwelt an. 

Wie verhalten sich nun die Skandinavier (Hier die 
Germanen überhaupt zu den ihnen sprachvurwandtuii 
und zun) Teil körperlich ähnlichen .\siatcu und Süd- 
eurupäern? Ludw. Wilser meint, die indogermauisehe 
Ursprache sei die .Spra«*he der Urbewohner Skandinaviens 
gewesen und durch Eroberer verbreitet. Do« ist nicht 
ganz wnlirscheinlich. In goRchichtlicher Zeit haben reine 
Germanen ihre Sprache den unterworfonen \*ölkerii nie 
aufguzwungen. Frankreich und Kufslnnd tragen ihre 
j I.niide!*naroen nach germanischen Stämmen, aber die 
Sprache dieser Länder ist nicht germanisch. 1'^ kommt 
hinzu, dats gerade die germanischen Sprachen sich von 
den anderen itidogennanischen durch I^iutverschiebiingen 
uiitur<ebeideii. Diu jüngeren Lautverschiebungen der 
Büttel- und 01»erdeutHcben lassen eich ziemlich sicher auf 
Einwirkung stamuirremder FJemente zurückführun. Von 
den Ursachen der Alteren gcmeingermaDischen Ver- 
schiebung wissen wir nichts. Man darf vermuten, dafs 
diu alten indogenuuniseben Sprachen aus Provinzial- 
und Kolon ialdiaiek tun eines vorgeschichtlichen Reiches 
in ähnlicher Weise hervorgegangen sind wie die roma- 
nischen Sprachen aus dem Lateinischen und die eng- 
lischen Koh)iiiaidialuktu aus dom Kiigtiacbeii. Vielleicht 
existierte irgctidwuuii in neulithischcr Zeit iui europäisch- 
asiatischen Grenzgebiet« ein solche» Reich, in welchem 
die Herren reine oder wenig gemischte Skandinavier, 
die Unterthanen mit skandinavischem Blute durchsetzte 
Abkömniliuge von dunkelhaarigen Kurxköpfen waren, 
und die Sprache dieses Reiches, zu der die Unterthanen 
das meist« beitrugen, war das Urindogermanisebe. welches 
sich dann rückwärts auch in die Heimat der Herren- 
gescblecbter verbreitete. Dafs Mischlinge des Homo 
etiro|>aeus das Zeug dazu liahen, anderen Völkern ihre 
Sprache aufzuzwingen , das lehrt uns die Geschichte des 
Lateinischen, Englischen und Rnssisrhen. 



Die Weser. 

Piine Iiyili-Dgrapliisclie DaMcllung uuf (!nmd ile» von (Icni iireufsiscluMi W'asscr- 
iiusschnstio li<‘raiisgegel)i'iien Wosin’-Kiiis- Werkes'). 



Von Dr. Behren 



Die Weser entsteht aus dem ZuHammetifiuRse zweier 
gnifssTer (^uellflüh««, Werra und Fulda, die zusammen 
ein Nicderschlagxgebiet von 12*f(>0<|km entwäRsern; da- 
von entfallen auf das Gebiet der Fulda i>9ö.~>«jkui und 

*) W«*ser unü Km», ihre Stn«mgcl«lpi** umi ihn* wicbti}r*teu 

Nelwulliisse. Kine h><li-i>in*apbiM’l«e . WRS8*»rwirt*M*haftlicbo 
und waoM'mvhtliche ilarsii'lltintr- Ln Auftmy:»' ücs preufsi- 
»cheii WjwprausschiisBfH liprHU»gei;ctM.*ii vtrn 11. Keller. 
Berlin, Veriaif von l>ietricli Keinmr (Kni»i VmUkuu), )9ot. 
B<l. 1; J*tri»niKel*iete umi tiewii«ser. läl. II; ijneil- und NelHtn 
rtuwe iler Weser (ohne .\ller). IM. 111. IMe Wejnr von 
Müinlön bi» Geestetiiünde. Ifcl. IV; i»ie Aller und die Kmir. 
Tatsdlenhiind : Ktmistische THlsjUen. Mi*tci»r»d*igi!»clie 'l’iils'Uen, 
llydr*>i:raplu«clie l'alsdlen, \V:isserwirtM-h:tfUiclie Tal-llen. 
Atlas mit :>4 Kiirtenlwilngen. 



H. Brauiiscbweig. 

I. 

I nur .'t.’tOö 4|km auf das der W’em». Obgleich hiernach 
j die crstcre mit ihren ZiiflnsKeu den gröfseren Teil des 
I Gebietes abwässert und bei llorbwasRur auch den Haupt- 
j anteil der Wassermassen liefert, kann man sowohl dem 
I Namen als auch ihrer Natur im übrigen nach die W'erra 
al.s den t^tjellflufs der Weser anseben. 

. D«*r Hiiupit|uellbarh der Werra, die Tntcketie Wemi, 
ent.springt in “Stirn Höhe in dem silnrischen .Schiefer- 
I gehirge des Thftringerwaldes; Iwld hinterher vereinigt 
sich mit ihr ein zweiter t^uellhach, die Nasse WVrra. Das 
Gefällo de.H (^iiellbaclies beträgt bei 14,7 kni |,auflänge 
24,9 pro Mille (I : IO), in xlcr übrigen noch 121,3 km 
langen Strex'ke de» OberluiifM. der bei Ileimhold.HliauHen 
endet, alM.T nur I,tl2 pro Mille (1 : Ö19)- IHe Entwicko- 



Digi;:rcc! by Google 




l>r. liohrdDs; liic W»-fier. 



m 



lunjf de« in d^r <^uellstrp«ke betrügt 22,s’i l’roji., 

nimmt über in der unU'rhulb gelegent^n Strt<cko auf 
49, M IVoz. zu. Der t^iiellbach flieDt Ül>er markig grobe», 
vrirwiegeini aiin Kalk»t«in ItestehendeH Gerolie, auH 
dessen Verwitlerung»erzeugni«»en die l'fer aufgebant 
sind. Weiterhin bilden Gesteine de» Huntsandsteiu» und 
Musebeikalks die l’fer, die indessen fast überall aus 
»andig'lehmigent, mit Schotter gemengtem Hoden bestehen, 
während sieh auf der Sohle Sebottur. Kie», Saud und 
Schlick findet In der unteren Streeko de« Oberlauf» b«- 
»ttihcii die I'fer aus lockerem, mit Kiu» durrbeetztem, 
sandigem Lehmboden, wogegen auf der Soble Sand und 
Schlick, <}anebeii aber auch KieKbünke Torbandeu sind. 
Die mittleren Schwankungen de» Wasserspiegels betragen 
innerhalb dieser Strwken 2,2 bis 2,ü m. 

Da» S'icderi-cblagHgebiet unifnFst für den ganzen Ober- | 
lauf eine Fläche von 276(D|km. Ibe von rechts ein* I 
mündenden Seitenl>Äche fliefsen in südwestlicher Hieb- I 
tung vom rimringerwalde; sie kommen mit starkem I 
Gefälle beral» und vcrun»aeben nach »lärkeron Kegenfällen I 
nachteilige Überschwemmungen. Die Ilachufer »ind meist * 
»teil geböscht und die Sohle ist fs»t fiborall mit Kie» 
und Gerölle, in den unteren Strecken auch mit Sand 
bedeckt. Auf der linken Seite der Werra ist da» NieJer- 
»chlagsgebiet bis in die Gegend von Meiningen nur 
schmal, do.thalb sind die ihr zuerst zuflieDendeu Buche 
nur »ehr unbedeutend. F.rst von dort wo dieW’erra in 
grofHein Bogen die Vorbergo der Rhim umfilefst werden 
die ZuflQ»»« gröt»er. Hier empfängt sie die beiden 
größeren Xelxmguwäs»er, dio Fulda und Flster. Beide 
besitzen ein ziemlich starkes Gefälle; dasjenige der I lster, 
das hei einer Lauflange von 57.7 km 9,22 pro Mille be- 
trägt, wir«! zum Betriebe vieler Mubleu HU»geuiitzt, ver- 
ursaebi aber bei plötzlicher Schneeschmelze und .ntarken 
Regengüssen ein schnelles Zusammeiistn'tmfii der Wasser- 
müssen. Die l'Lter entspringt auf dem Nordabhange 
des Heidelvteins und hat nur kleine ZiinüMse. 

l>er Mittellauf der W'erra beginnt bei Heimbolds- 
hauseii. Das in Schichten de» Buntxamlsteins eingenagte 
Thal besitzt bi» zur Ilör»e]müiidimg »anft gerundete 
Tbntwände von geringer Höhe und hat in der 'Hialsohle 
roeist eine BreiU* von diH)m bis 1,2 km. Die Ufer de» 
FiuRses bestehen hier meist aus sumligein Lehmboden, 
während die Sohle aus Sand und Kies zusammengesetzt 
ist. Von Ilürschel ab hat da» hier beginnende und bis 
zum Kude des Mittellaufs oberhalb 'I’reffurt reichende 
Durchbrucbsthal zwischen den »teil bis durchschnittlich 
!.'»() m ansteigeiiden Muscfaelkalkwäiiden selten eine 
griVfaere Sobiciibndte als 800 bis 100 lu. In dieser 
.'^trecke fimlen sich auf der Sohle Ablagerungen von Sand- ' 
steingru» und gn^sun Sand, wie auch von Geröllen un«l 
Schotter in gnTserem l iufauge. Da» (iefälle in dieser 
75,2 km langen Mrecke von HeirulMiIdshau^en bis Treffurt 
beträgt nur 0,572 pro Mille (1 : 1750). Die Flufccnt- 
wickelung erlangt dagegen im VerhnltniH zur Luftlinie 
<leii ganz beträchtlichen Wert von 10H,9 I‘roz., die aller- 
dings hauptsächlich durch <ien vielgekrümmteo Verlauf 
de» Thaies bedingt wird, während die 1'jitwicke.lnng des 
Iiaufca tm Thaie nur 19 Broz. beträgt. Die Wusserstand»- 
Hcltwnnkungeu des Mittellaufs sind nicht wesentlich ver- 
schieden von denen des Oberlaufs; sie betragen liei 
Heimboldshuusen im Mittel etwa 2,.'i m, 

Den gröfsten Zuwachs erhält das Nie<lerscbUg»gebiet , 
der Werra im .\!ittcllaufc durch die Ibimel, die das Kin- 
ziigsgebiet um mehr al» 21 l’roz. Vermehrt. Diese nimmt 
die von der Xordostseite ries 'I*hüringerwatden kommcu- I 
<U‘ii Wasserläufc auf der linken Seite auf. Von rechts I 
münden nur einzelne ganz unWdciitende Bäche iinmittcl- I 
bar in die ilorsel. da hier die Nesse, deren N U'<ler'‘cLlag»- ! 



gebiet mehr als die Hälfte de» ganzen Ilönmlgebietes 
umfafst, alle gröf.sercn Seiteugewässer aufiiimmt und der 
Horsel zuleitet. Die oberhalb und unterhalb der Hörsel- 
münduug der Weira zuflielsendeii Bäche sind durch- 
gehends ziemlich uiibtHleutend. 

Bei Beginn des Unterlauf« erweitert ^ich da» 'Uhal 
»chnell und geht in eine etwa 2,4 km breite Niederung 
tibcr, die nur voriilKTgohond boi VVannfriwl eingeengt 
wird. Indessen eutelehen au verschiedenen Stullen, an 
denen der Fluf» »ich mit tiefen Stofskurveu in das ihn 
um 2<H) bis SiHIm überragende Berglund cingeuagi hat, 
enge, schluchtaiiige Thalstrecken. Wie in der untersten 
Strecke des Mittellauf», finden sich auch um Anfänge des 
Unterlaufs zahlreiche ^cbotterbänke auf der .S>hle des 
Flufülaiifs vor. Die Ufer bestehen in ihren unteren 
Schichten aus Gerölle und Kie», in ihren oberen Teilen 
UUH mehr <Hler mtndor »chwerem Lehm. Das Gefälle de» 
H2 km Inngen (‘nteriaufs beträgt 0,7(t7 proMilIe(l ; 1410)* 
Die Kntwickelung de» Flufsiuufs ist noch zieinjich 1 k- 
trächtlich, da sie einen W'ert von 54,7 Pn>z. besitzt. Die 
Sdiwaukungeii de» Wasserstande» betragen im Mittel 
2,1 bis 2,7 II). Die Zunusse sind nicht unbeileutend. 
Der grötste ist die Wehru, die in 641 in 1 {<>Ll' am 
hoben IlirschlHTg entspringt und al» bedeutendsten 7a\- 
flufs die Sontra aiifuimmi. 

Für den ganzen 208,2 km langen Flufslnuf der Werra 
ergioi>t sich im Durchschnitt ein Gcfällu von 2,26 pro 
.Mille (I : 442), Die Kntwickelung des ganzen Werra- 
laiif» »tfligt auf 112, .5 Proz. 

Der zweite t^nelinufs der Weser, die Fulda, entsteht 
an der Hohen Rhön durch dio Vereinigung mehrerer 
kleiner Bäche, von denen der Hauptqiiellbach (iui Fulda- 
brunnen) bi» H45 m hinauf reicht. In ihrer ganzen 
Länge ist dio Fuidu, mit .\usnahtne dos geräumigen 
ThalkeggeU bei Kassel, mehr oder weniger tief in den 
Buntsandstein der von ihr tlurchfiosseueii Burg- und 
Hügelzügu eiagesehuitten. IHe Tbalwände, die teil» 
sanfte, teils Hchmffe Hänge aufweisen, nelimen nufsab- 
wärt» im allgemuiiten an Höbe zu und steigen in dem 
engen Thale der untersten Stm'ke bi.s zu lH()m auf. In 
den /.ahlreirben Scbleifeu, die darauf binweisen, dafs es 
sieb um ein Krosioasthal handelt, sind die einspringenden 
’l'halwände meist steil, die vurspringenden aber mcLt 
flach guböftcht. IHe Breite de» rhales vergnifsert sich 
in der bi» Uersfeld roichenden Strecke de« OlHu laufh bis 
auf etwa 1 bl» 1,2 km, abgesehen von einzelnen Win- 
dungen, in denen di« Breite zwischen 200 und 500m 
wech.»elt. lin Mittelläufe, der bi» zur Kdcr reicht, wie 
auch in der obersten Strecke des Unterlauf« bis Kassel 
I hin ändert sich die Breite wiederholt zwischen 40U m 
und 1,2 km. Bei K&Mfml l>e»it/.t die iin Thale eingebettet« 
.Klluvialiiicderung eine Breite von 2 bi» 3 km. Gleich 
unterhalb tritt die Fulda in ein Kngtbal, das »chlietsUch 
in den 1km breiten Mündener Thalke».»«] fibergeht. Da» 
Bett l>e»teht am i^utdlbach« meist aus Lehm, wiibreud 
sieb am Oberläufe feiner und grober Sand, doch auch 
öfter Kies vorfindet. Flulaabwärt» iiburwiegt mehr um! 
mehr dor Sand, doch kommen noch mehrfach Kies- 
banke vor. 

Die Wa«»urRtand»»chwaiikungen gewinnen an der 
Fulda fluNabwärt» stetig au Gröfse. Der Fntursebie«! 
zwischen dem niedrigsten und höchsten N\ asserstaude 
beträgt am (^uellbacht* etwa 1,6 bi» 2,0m, im Oberläufe 
2,.’) bi» 3,Xm und am Mittel- »md Futerlaufe oberhalb 
de» Kugthalea 3,0 bi« 4,2 m, in dem Kngthale selbst 5,0 
bi» .'>,5iii. An der Weser erreicht er die (Iröfse von ^,5 m. 

Do» Gefälle lieträgt auf der 38,0 km laugen Quell- 
»trcck« 1»,2 pro Mille (1 : ö.'i), am t>6.1 km langen Olmr- 
laiife pro ^lille (| : 1120), um 73.7 km langen 




112 l>r. Bchfuiis 

Mittelläufe U,7(iU pro Millu (1 : 1820) uuil aiu t4,7 km 
lanj/en {'nt4>rl»tife 0,837 pi'o Millo (l : Kk be- 

initft au der ifunvaut Fulda, din einen Lauf von : 
ffenanit 217,5 km Länf?e besitzt, durchschnittlich 3,39 pro 
MlUe (1 : 295). 

Trotz Heines iiu all^'euieiueu uucli Norden gerichteten 
lainfes erreicht die Kntwickelung de* Flu*«eK wegen 
«einer vielen »chleifeuartigen Windungett den reelii be* 
deutenden Wert von tit»,7 Proz. hui t^iiellbaebo, von 
09,5 Proz. am Obrrluuru, vim 7 1,4 Proz. am Mittelläufe 
und von 00,s Proz. am riiterlaufe. Ffir deu ganzen 
FIuMauf Hleigt er sogar auf 105,2 Proz.; davon entfallt 
aber der gröfste Teil auf die I jtiwickelung des stark 
gewundenen Thaies, die 09 Pro/., betrügt, wahrend die 
Kiitwicktdung des Laufes ini ‘l'hale allerdings auch noch 
eine (iröTse von 22 Proz. hat. 

lOe Fiiede, ein Seitenhach. der sein Wasser aus einer 
Aii/4thl vom Khdugebirge und vom Vogelsberge, buupi> 
sächlich aber von dem beide trebirge verbindenden Lnini* 
rücken konuueuder kleiner Gewässer .sammelt, hat ein 
gröfnere* Niederschlagsgebiet als das t^uellgebiet des 
ilauptlaufs. Ks treten dann eine Anzahl kleiner Ge^ 
WHJtser hinzu, die vom Vogeisherge kommen. Der Über- 
lauf des Flusses geht bU zur Humiomündung. I>ie Hanne, - 
der bedeutendste Zuflufs des Oberlaufes, entspringt auf 
der Hhön in 4(i0ni Höbe. 

I>or Mittellauf hat keine gröfseren Seitenbäche. 

Durch den Hiuzutritt der Kdcr am Degimi des 
Uiiterlaufs vergröfsert sich das hier 3007 qkm grotse 
Gebiet um 3357 qkm. Diu Kder besitzt demnach ein 
grötseres Niederschlagsgebiet al* die Fulda bis zur Kder- 
müudung. Von dem 3.857 <|km gmfKen Kdergebiete ent- 
fällt dabei eine nächc* von 1291 qkm auf das Gebiet der 
Schwalm. 

Die Kder entspringt am Kderkopfe im Pothaargebirge. 
Da» Thal, da« sie durchfliefst, ist im allgemeinen tief 
eingesebnitten. .Vn der von übs'r 100 m hohen lk*rgen 
eingefafhten hiderpforte verengt c* sich von 1 ,5 km auf 
OSO III. Unterhalb derselben beginnt das an den engsten 
Stellen nur löüm, an dun weltostun Stellen .500 bia 
600 m bridte Kro»ionsthal , in dem die I'Mer mit zwei 
grotsen Schleifen zur Fulda fliotst. Ihr Gefällu und ihre 
Kniwickelung sind auf diesem Wege ziemlioh grofs; das 
orstere beträgt diirchschnittlicb 2,70 pro Mille (l : 370), 
wahrend die Kotwickelung des Flufslauf* S9,S Proz. Imj- 
trägt. Vom Kücken des Scliiefergebirges und vom Hunt- 
Kandsteiiigebirge erhält die F^ler nur ganz imbedeutendc 
Hache, die Zuflüsse auf der linken Seite sind ansehnliclter, 
namentlich kommen von der Wiiiterberger Hochfläche 
eine gröfsere .Viiznhl von kleiuuu Wassurlftufun. 

iKsr gröfsle Nebenflufs der Kder, die Schwalm, <lie 
dem Cnterlaufe von rechts her ziiflicDt, entspringt am 
V'oguUberge in einerüruppe von (^uullen, die im Sommer 
versiegen und w'euig zur Speisung des Wassurlauf« Imi- 
tragen. Die Seitengewäsger sind im allgeiueinun recht 
uubvileiitend. Da» Gefälle erreicht für den ganzen 
Wasserlauf eine (irof*e von diircIiRciiuittlich 2,70 pro 
Mille (1 : 371). 

Iin rnturliiijf nimmt die Fulda nur noch zwei gröfsere 
Seitenliäehe auf. 

I>H» Gebiet der oberen Weser miifafst die Kinze]- 
gubietc der von der Vereiiiigimg der iHÜdeii ()ucUflüs«e 
bi** zur WcHcrsoharte (f'orla \Ve;-tpbalica) bin einiuünden- 
den gröfseren und kleineren Zuflüsse. Ks liegt zmn 
größten Teilv iioeh im hessi*-ehen Herg- und HüguÜund«’. 
zum kleineren Teile im niedersäch-isehen lU*rg- und 
llügidlande. Die Grofse dieses ticbiele<i beträgt im ganzen 
(!713qkin, wovon auf die beiden bedeutendsten NelM*n- 
nn^se des AlischuitteH. tlh» Dieniel und die Werre. 1762 



Die Wpjut. 



und 1490 qkm entfallen. Die st romantwickelung beträgt 
auf der 199,6 km laugen Stiveke im Verhältui» zur Luft- 
linie S6,0 Proz., ist alter in einzelnen kürzeren Strecken 
noch gröfser, so namentlich unterhalb Vcithciui, wo »ie 
auf 212,0 Proz. auwäcli«t. I>er gröfste T»‘il der Kiit- 
w’ickulung fällt <lalM>i auf die Thalkrümmnngen. Scitroffe 
RicbtuiigHündemiigen kommun niclit nur in weitmmholeii- 
den .Schlüifen, sondern auch in kflrzer«'n Hiegungen vor; 
indessen gehen hierbei diu HHlbme».ser dar Stromkrüiii- 
inung selten unter 200 in hinunter. Strouispaltungen 
kttnimeii nnr an wenigen Stellen vor und »ind hier inuiHt 
durch .Vldaguriingen schwerer Geschiebe untstauduii. 
.\uch die Strum«i>altuug l>ei Hameln ist wabrsebeinlieli 
durch die Schuttablagening der Hamei verursacht. 

Das Gefälle des Strome« wechselt auf längeren Strecken 
zwischen 0,493 (l : 20S0) und 0,.809 (I : 32321. Im 
allgemeinen nimmt es stromabwärts ab und lieträgt im 
Durchschnitt für die ganze Strecke der oberen Weser 
0,387 (l : 2584) bei Mittelwassurhöhu. .Auf kürzeruu 
Strecken sind die Gefu)lsuuter«uhiede oft recht erbeblicb ; 
beispielsweise finden sich in der mittleren Strecke wieder- 
holt Stellen, au denen das Gefälle bis über 0,6 pro Milie 
anw&ebst, während e» l>ei der Mindciier Hrficke sogar bis 
auf 1,16 pro Mille steigt; anderersHit* nimmt es oberhalb 
de» Hamcluer Wehre« bl* zu 0,023 pro Mille ab. 

Da« Strointiial iat an der edieren We*er überall von 
dtMitlich ausgeprägten Thalwändeii begrenzt. OrofHure 
Lücken sind an der WerremOnilung, an dem Hulzmindener 
Kinschnitte und an der ilatnelncr Senke vorhanden. 

Da« Tliai liegt von Münden bis über die Dieuiel- 
mündung hinaus ganz innerfaalb des hessischen Hunt- 
sand.»tcingebirge«; unterhalb der Diemetmündung ist da» 
Thal auf der Grenze der Huntsandateinformatiuueu des 
recht« gelegenen Solling und dem Muscbelkalke de» link« 
liegenden Höxterscheu Hügellande* einge«chnitteii; bi« 
zur Kinmermünciung bt^fiiidet sich da« Thal meint inm-r- 
balb des Musclndkalke», wähnuid e« weiter unterhalb bi« 
Ilessüch-Oldendorf bin den .Ausläufer de« Keupergebirges 
durcliRchneidet und uuierhaJb auf der Grenze zwischen 
dem link« liegenden Kcup<.T und dem Jura der Wc«er- 
gebirgskette verläuft. .Auf diesen gebirgsbUdenden Ge- 
steinen sind nufser alluvialen auch diluviale Auflage- 
rungen vorhanden. Im allgemeinen ist ein breites und 
flache» Thal vorhanden, nur oberhalb «ler Diemclmündung 
und zwischen der For*tl>ach- und Kmmermünduug han- 
delt e* »ich um ein tief elngeschnitteiie* Krosionsthal. 

Die Breite de* Stromes zwischen den rferrätidorn 
ergiebt «ich im Mittel für die Strecke bi« Karlshafeii zu 
etwa 100 in, von ila bi« zur Kmnierinündung zu etwa 
120 bis 130 m und weiter unterhalb zu ungefähr 130 bis 
140 ni. Bezüglich der t'berschwtunmimgsgefabr bestehen 
an der oberen We-er »ehr günstige VerhältnifiMe, da Ja* 
mittlere Hochwasser iiii gr^ifsen Durchschnitte nur um 
0,5 m höher ist als die ('ferburdeti. 

Die Sohle de« Stromes l>esteht fast durchweg aus fest- 
gelagertem Schotter mul Kies. Die Ffer bestehen in den 
oberen Strecken au« suudigeui Lebiu, von Herstellc ab 
HU« fettem I,irhiiibodeu, dessi'ii Cntergrund teilweise ans 
'l'hon umi .Mergel, teilweise au« Kies und Gerölle gebildet 
ist. An den uiiter«'’ii Strecken bat der Strom wieder fast 
überall aus tbonigem, seltener sandigem o<ler kiesigem 
Leimte be.stebemla Cfer. 

Mit .Ausnahme der beiilen gröfseren bereit» oben ge- 
nannten Nübenflüsse. iler Diemel und der Werre, hamlelt 
e» sieb am I.iiufe «ler olwreii We«t;r nur um Verhältnis- 
mäNig kleine Wasserläufe. V<m Münden bi» ziirWeser- 
sebarte liegt auf der recliten Suite ilu« Strome« die Wn«*ei'- 
scheide mir in geringer Kntfernuiig von ihm, so dafs die 
auf dieser Seite zufliel!>emleu WasserläuFc nur geringe 







Rüoheraohaii. 



113 



I.«üD|^ü oniwickelti, wühreiid sich ila« Gobiot iiuf dor 
linken S«-ite »ehr Tiel welUr aiü^duhnt und daher auch 
Hat* zur Kiitwicknlun^ jfrot»o!*er SdtenzuflClKBe frt*i Ufwl. 

Die auf der Wiuterber^r lIockflAche enUprioji^Htidc 
Dietnel durchflierNt in ihrer Quellatret'ke ein enges, von 
Kteileu Ih'rgon begrciiztuB Thal, das bei llocbwasBer fast 
in ganzer Hraite überttchwemint wird. Itei Scherfede 
gebt dieses Thal in eine 1 bis 2 kiu breite Niederung 
über. Weiter fluisabwärts» TcrÄndert die ThalHohle nielir- 
fach ihre llreitc, imlom sie sich »ehr stark zusammonKieht 
oder zn au»ehnlicher Druite erweitert. Der 1Ü4.9 kui 
lange Klufsiauf erreicht im Verhältnis zu der nur 69,3 km 
betragenden Luftlinie eine Eutwickidting von 31,4 Proz.. 
während in der untersten stark gewundenen Strecke die 
Kntwirkeluiig sugar bis auf lQb,6 Pn)z. steigt. Dhh Ge- 
fälle, das in der obersten Strecke 14,3 pru Mille (1 ; 70) 
l>oträgt, Terminderi sich zwar nach der Mündimg zu, 
doch ist es f(ir den ganzen Flufslauf iiu I>urch»chnitt 
noch immer 5,52praMill« (1 : 181). In dor (^uellstrecke 
ist die Sohle dos Fiursbuttes mit sehr grobem Schotter 
liedeckt, der flufaabwärts an GWifse erheblich ahnimmt. 

The Werre mündet, kurz l>eTOr der Ilauptstrom die 
Wesprscharte erreioht, von links ein. Ihr grötsterNeben- 
flufs ist die Klse. Die vom Teiitohurg«''rwaldt! herab- 
koiuineiideii Wazserl&afe vermögen keine grofse Länge 



zu oiitwickelu, da sie schon nucb etuem verhältnismäfMig 
kurzen Laufe abgefangi'n werden. Noch kleiner sind die 
Iläcbe, die von Norden her in die Werre und Klse mün- 
den, da hier die WasserHcheide ganz nahe an beide Flufs- 
länfe heranrückt, Kiwa.« gröfsereii Itauni zur ICntwicke- 
lung eine« Wasserlauf« bietet nur du« südustJicbe Gebiet, 
aus der die Hega der Werre zulliefsti Das Flufsbett der 
Werre ist überall so tief in das Tbalgelände einge«chiiitten, 
duf.H kleinere IlcM;hwas«er ohne Ausuferung verlaufen. 
Die Ffer besteheu meint aus mehr <Mler weniger sandigem, 
biimosent Lehme, der auf sandigem culer kiesigem Unter- 
gründe ruht. Die Sohle ist meist mit Sand, Btelleiiweise 
auch mit Kiu« bedeckt. Eie Entwickelung des Flufsluufs 
Ist wegi-^n der erheblichen Kichtungsänderung an d«*r 
Kiniiiündung der Klse für 4leii ganzen Was'>erlauf nicht 
linheträchtlich, da sie bei 69.4 km Lauflange und mir 
37,3 km Länge der Imftlinie 86,1 Proz. erreicht, ln den 
einzelnen kleinen Abscbnitten ist dagegen, abgesehen von 
den olniren Strecken, die l’ntwirkelnng nicht sehr be- 
deutend. .\ueb das Gefälle ist nur in <len olmreii Teilen 
«turker, ormäfsigt sieh alier in der Näbe der Mündung 
auf 0,630 pro Mille (1 : l.'>90). 

Auf der rechten Seile der Weser können »ich wegen 
der geringen llreite des NicderRchIngsgebiet«!» nur kleinere 
Wasserläufe entwickeln. 



Bficherschau. 



Fiiblex Si Kolk'Talas fr«Mii au Kastern Kore«t rollec* 
te«l aiul Translnted by Walter Skeat« lllustraCeil b> 

K. If. Towusentl. (‘jimbri«lire. Ai tlie rnivemiiv Vref*. 
1901. H. 

\V. Skeat, der uns in seinem grofxen Werke „Malay 
Magic* (Londim I9u0) in sn vortrelfliclier Weise die volks- 
tümliche Religion der Malaien von Malakka gescbildert hat, 
gicU uns hier eine kleine vtuswahl von Fnlxilii und Märchen, 
di« er im Jahre 1K90 au« ileiii Munde malaiischer Kauern 
sellwi gesammelt. Die iiieisteii deraelWn sind Tierfulielii, in 
denen eine .trt Antilope, von Kkeat ,inousedeer* geiiaiiiit, die 
KoUe dpH Heinecke Fuchs spielt. Die Gescliiciiten sind fast 
alle humoristifich. Kinige derselben nind alte Kekauiite. die 
in anderen Märchen- und Fab«l«ammluugen wiederkehren. 
So «Tlie Felican's PunishmenP (8. laf.). l)«r Pelikan Undon 
liieiet »ich dem Fisch Kuan an, ihn und «eine ganze Familie 
in einen underen Teich zu tragen. Kr tritgt die Fische fort 
und frifst sie auf. Al.s kein Fisch mehr übrig ist. sucht er 
auch den Kreits Ketam zu laurügen, der sieht alter die Spuren 
der gotöt4‘t«n Fische und erwürgt den Pelikan mit «•unen 
Scheren. Die Geschichte ixt identiscli mit dem buddhisti- 
sehen Baka-Jätnka (FatisliAII. Jätakux Nr. .'t3), wi» der Krani<'li 
die RoMe des Pelikans spielt (vergl. auch Benfey. Pantacha- 
tantra I, 1T4 ff.). An die bekannte Geschichte von der un* 
dankbaren Schlange, die ihren Krretter tüten will, erinnert 
die Fabel „The Tiger gvts liLs deaerts* (S. ZO f.): Kin Tiger 
wird in einer Falle gefangen. Ein mitleidiger Munsch Iwfrelt 
ihn, <la der Tiger verspricht, ihm uirhts zu thun. Kaum ist 
der Tiger befreit, si» will er sich auf den Mami stürzen. 
Dieser veranlafst ihn zu warten, bis er einen SirhiedsHcbter 
gefragt, wie es rieb damit verhalte. Kr fragt die Strafse: 
„Ist e« recht, Gates mit liüseni zu vergelten'* Die Ktnirxc 
antwortet: „Ich thue den Menxchen Gutes, «ie alter thun mir 
Ohles, imlciii sie mich verunreinigen.' Sie konimnii zu einem 
Kaum, welcher sagt: „leb thue den Menschen Gutes, sie alter 
sehneideii mir die .\ste ab und fällen mich sttgar.* Kndlieb f 
kommen sie zum Mouiedter. welches die Iwiden bis zur FhIIc 
führt, mn die Sache genau zu untersuchen. Der Tiger mufs ' 
in die Falle xteigou und Hodet hier «einen To<l- JJekrtniit ist 
auch die Fultel ,Thc T)g»T hiuI the Slutdow“ (8. yn f.): Die 
Tiere fürchten sich vor dem Tiger. Das Moustsieer schlägt 
ihm vor, es wolle ihm jerien Tag ein Tier bringen, um ihm 
die Mühe zu ersparen, erst ein Tier jagen zu müssen. Am 
nächsten Tage bringt es ihm ein ganz kleines Kichhömehen 
lind sagt: ,lch konnte dir kein gr5r«urox Tier bringen, denn 
der Weg war vt*n einem fetten alten Tiger versiierrt. der 
mitten auf der Strurxe sitzt.' Da ruft der Tiger: „Koinint, 
wir widieii ihn verjagen!* Sie fohnui ihn zu oiiiein Waxaer. 



zeigen ihm sein Spiegelhild, und da« Mou»Mlcor «agt : „Sieh, 
hier Ist der fette alte Tiger, den wir gesehen.“ Der Tiger 
springt in« Wasser und ertrinkt. Diettellte G«*chie)ite wird 
im Pantschatantra z. K. vom Löwen und lla»en erzählt (vgl. 
Itenfey, Pantschatantra I, 179 ff.). Diese Beispiele dürften 
genügen, um zu zeigen, wie wertvoll die von Kkeat gtwaiii- 
meltuii Krz&hlungen für die vergleichende Märchvnkuntie 
sind. Z» liedaiium ist nur. daf« Kkeat, dem ohne ItSweifel 
mehr zur Verfügung stand, urs in diesem Bändclien nur so 
wenige Pn>ben malaiiw'her Faheldiehtung gegeben hat. und 
es wäre nur zu wünschen, dafs ersieh im Interesse der Wissen- 
schaft zu einer weiteren Gabe entsehliefsen müchte. 

Pmg. M. Winternitz. 

Theodor Kocht Die («uaikurugruppe. Mit zwei Kurten. 
PiMHeiten. (Homierdnick au« Bd. .3ri der Mitteilmigrn der 
Antht*up«dogi»chen tt«<tMrllM’haft in Wien.) ltHi'2. 

Der Verfasser, welcher mit der K.v|>edition Hemnnnii 
Meyer im Innern Küdamerika« war. hat die Ktämme d<^ 
rha<M> zu «einem besonderen Studium giunacht und darülwr 
schon vvrxchiiHlene gediegene Abbandliingeii veh^ffentlichi. 
denen sich die vorlicgcinlo anxchli*Tst Den GlobiisIe«erii 
ist aus Hand m| wohl uik'Ii die reich mit Ahbildimgon ver- 
sehene ArUdt Kt«:hs ül>«r die Guaikuni-otämme in der Kr- 
imieruitg, in welcher ilieae (liesonders die Toln u. Kndimki) 
nach dorotbnograhpiscbeii Seile ausführlich ta-bundeli wunleti. 
Die vorlicgonde gn'ifsere Ahhainllung ist nun eine Krgunzung 
und Krweiterung jener. Iwi der uiiim'ntlich die sprachliclien 
VerhäUnlx'o Wriieksiehtigt wenlen. Reiche W«u'terventeich- 
nisst! nach allen sorgfältig liermt/ten Quellen und eigenen 
Aufzeichnungen, sowie grammatische Skizzen, vergicicheinle 
8prachUilwllen (i^ahlwürter) imichen die Abhandlung zu einer 
x«hr wertvolb-n und für die Kenntnis d*T Kthiiifgraphi«* Hml- 
amerikas iinentlM)hrlichen. 

Dr. Fr. Wfihiier! I>as Konnwondgoblrge im riiier- 
Innthal. Kin Typus alpinen Gehirgxhauit«. 1. Teil. 
Mil 9*t Ahbildiiiip-ti, 19 Licbtdnickiafeln timl einer g«se 
logischen ÜbemichLskarte. liwip/ig u. Wien, Fr. Ih*nticke. 
1903. 

Die eiiigeheade Mon<n:raphic de« Soimwendgehirge.s. von 
dor der erste, reich uuxgifsUtlcle Kami vorliegt, dürfte eine 
vxllsutridigc rniwalzting in unseren .\n.riehU‘n von dem .\uf- 
Imu iliewr Grupiie der nürdlichen Kalkalgun hcrvorrufeii- 
Früher hielt man diesellie für nulV-rorduntlieli einfach 
giäbnut, wie dies in den Zitaten öfter *u Tage tritt, w*'|chc 
in der das Knch einh-iiemb-n , mit ausführlichen kriiixcheit 







114 



Buchtrschau. 



Hemerkungun ver»<?hmmi Oliomirlit «ior Litteratur gex«k>en 
«n<l. Tm tU>n Bau aufziiklilroii, hat sich der VerfaHner vor 
allem bemüht, durch vietjtthrlgc i*4iUhmtnUigiache AufüMmn)- 
longen, sowie genaue i>ein>gr»|jhwche r«tersucbung der vor- 
kuinmeiiiien Sedhneatgcsteiue die notwendigen rnterlagen für 
die (iliMlerung deiwelltou zu schaffen. IHc wichtigsten KeKiiiuitc 
sind eiuesteÜH in einer stratigrHphisclien üliersicht nicdergelegt, 
welche die vorkotnmenden (M>«teine (Werfener Schichte» bis 
Oosauschichten aufwärts) kui-z charnktarieiert , andererariU 
in einem hesimderau Knpitoi über die IhslMkatioasbreccien. 
die im Sunnwendgebirge stratigraphisch wie tektouiscit von 
Iar«oiid«rer Wichtigkeit sind. Weiterhin sei hieraus noch 
hervorgehulten, dafs es l>ei der Tutersuchung der Kscieaver- 
hälliiixs« gelang, die koraliogene Kntstehung der «ugouannUrn 
UifTknlke zu erkennen (— iiachsteinkalk früherer Aut.), so* 
wie das Auftreten von Kadiidarieugesteiueii nachzuweisfn, 
deren Vorkommen mitten in den tiesteinen der Kalkalgen 
natririich für die historische (Icologie der (Irup^ie von gröfster 
Lksleutuiig ist. !ii Htnem zusainmenrasttetideu Abachiiitt iilwr 
die Urograjdiie und Tektonik giebc der Verfasaor eine kurz- 
ginlräogte t'lKTsicht über seine Ansicht v«>m Ikm der Uruppe, 
aus der folgendes mitgeteüt we^len stdi. AU riiigrenzuiig 
wird iui (Ut4*n die Rrandenburger Ache, im Huden das Inn- 
thal, im Suüwostcn und Wesuni der Achensoe, und ini Norden 
die über das Kogljoch fuhrt'iidn Kinseuknng angenommen. 
lUn Pufs des so uingrunzten Oebietes nimmt haupts;ichlich 
der llaiiptdoiomit ein, der mit ziemlich steilen Wituden ale 
bricht , nur am Hildosleck des Achensee# Anden sich auch 
andere üeitoine. Im Norden fklit der ln>h»mit südwiirta. 
seine Wände erheben sich dort bis etwa SüOtim. daun folgt 
eine Kinsenkung. die den Kbssener Kchichteii entspricht, Ül>er 
der sich von neuem schroffe Kalkwände des eigentlichen 
(iipfelgebirges erheben, die pbenfalls südfallendeu jüngeren 
(«esteinen (olierrhätisph-liasiscben Hiffkalk — Agtycbeukalk) 
angehüre». lU im Kndteil die obere Urenze des Haupt- 
dolnnuta viel nietlriger liegt (bei 1300 bis 1400 m), so schien 
dt«s tianze eine u^hr einfach gehauce südwärts uinfaliende 
Sclndlc. Verfa-Hser Itehauptet nun dem geirenüber, dafs der 
Uau nicht *o einfach sei, sondern dafs der Uauptdolumit 
seine grofite Mächtigkeit und htihe Kantenlage im Norden 
.\ufschiehuiigen von Süden her verdanke. Hafs solche Ober- 
s4*hiobungen von Süden her im ganzen tlebirgsstork etwas 
ganz Uewobnliches sind, hat er in den leichter stratigraphisch 
zu gliedernden und deshalh leichter zu erkennenden Uipfel- 
gebiet«» uachznwAistm versucht, und dieser Nachweis ist 
ihm, s«>weit Heferent lieurteiWn kann, der das tielriet leider 
nicht aus |M-rai>nlicher Anschauung kennt, vollständig ge- 
lungen, indem er dort eine mit inialellartiger Kegsdniärsigkeit, 
Sclninheit und Tteutüchkeit auftrstende Hchiippenstruktur 
aufgi'fuiiden hat Die Aufklärung wunle in dem x'orliogenden 
(iebiot durch die Kahlheit der Gehänge wesentlich brgimstigt, 
und »u gelang es, im Ostteil desselben vier (bis sechs) ülwr- 
eiuander geseiii»beiie Mmssp» v<m Hiffkalk zu unierscheidpn 
und durch einen grofKen Teil de* Gebirges zu verfolgen. 
Ihe Iteschreibung dieser Verhältnisse itn einzelnen nimmt 
«len gröfstun Teil dns Werkes ein. Hie winl im vurliogenden 
Katid nur für de» Astiieheu und südlirhe» Teil der Grupp«, 
die liiuge des Haiderjoehs, des ilofait und eigentlichen Honu- 
wendjochs im engeren Hinn durchgofiihrt und in ausge- 
zeichneter Waise erläutert dun*h vorzüglich wiwlergegebeiie 
rhotugraphieen, die zum Teil zu Panoramen der in Betracht 
k<H»mend«n Züge xereinigi sind, zutu 'i'eil Kmzelbilder be- 
sonders interessnnlei' Stellen gelwn. l>ie beigegeltene geo- 
lr»gib4*he Karte i*it nur in grofacii Ziigeu gehalten und stdl 
iin /weiten Hund tiurch eine genauere ersetzt werden, für 
die bis ji't/t noch die pass4>nde (‘nterlage fehlte. 

Prof. |)r. Greim. 

^\ilhi‘lni IMirpreltl« Troja und Ilion. Krgebnisso der 
.\usgrnbumr>*n in «len v«irhisu>ri«chen und historist-hen 
Schichten von Ilion laTO bi« iaj»4. ITiter Mitwirkung von 
A. ürückner, II. v. Kritz»*. A. G«Hze. H. H<*hiniiU. W. Wil- 
Iterg, H. Winnefeld, ü,'i2 Seiton mit 471 Abbiblungen itn 
Text, »ip Heilugen. H Tafeln. Athen, Hock und Harth, lüU‘2. 

Ihks dem deutschen Kaiser gewiilmelo Werk kann nU 
eine für «lie (?egeiiwart al>«chlier!wnde Arlieit g«dten üla*r 
alles, was «»dt Schlieiiiahiis Ausgrnbungeti üla-r «las vor- 
geS4-hi«'btlicb»' uiiil ge««‘biclitlicbe Ilion erforscbl und la*kaniit 
wurilo. K« ist eine mit echt «i»-uls«‘iier Gründlichkeit und 
tb’lehrsauikeit »lurchgefiihrte Zusaiiiiiienfassung um) 
Hevision de« Von Srhlioumiiii und seinen Na«'hfolgerii auf 
Tn'juH Tniuiim'i^tiino geleisteten, eine klnr«*, m^•1h^sli^«•ll 
inu'terliufte, alb-s lierück>ii»-htig»-tiile Huxtdireibung. w«-l»di'*r 
nii-ht tiiir »b-r Fai-hiMiiiin, «uiderti nuch je»b*r lüdicT Gebildete 
ohm» Schsx i«trigk»'it«'n zu bilg'-n x«.»nimg. I’iiil wie w..|il »li«* 
/:tbl ilvr Mitnrladter. di<> l^irpfeM die ilHini reh'liten, ein«> 



nicbi geringe ist, erscheint das Ganz«* doch aus «inetn 
harimtiiischen Gusse und oliiie lieinerkhare Widera{irüche, in 
eluor Haelte, in dar sonst die Meinungen .so stark aufeitiaiid*>r 
plaizeti. 

Die Hnuptarl»eit ftel Kehlienuitins uiteni Mitarbeiter 
Dr. Wilhelm Dorpfehl zu; seine Gehülfen sind mit eiri«r 
AuciihIiuic (dem Numisiiintiker) sämtlich au Ort und Ktelle 
Itei den Ausgrabungen l»eteiligi gewesen, was \on h<iheni 
Wert lad der Heurteilung der früher «»ft zweifelhaften 
Hchiehteuf*dge und den damit xusaomicnhängemlen Fragen 
war. Wfthreml iKirpfeld selbst di« Geschichte der Aus- 
grabungen und die vcrsrhiv<ieuen aufeinander fidgen«}en H»u- 
werke bi« in «la« Licht der Geschichte beschriel«?n hat . 
übernahm llulau't Hchmidi den wichtigen Teil der Keramik, 
Alfred Gütze die Beacbi-eilmug »ler übrigen prähittbirisebcn 
Funde, Winnefeld laihnndelte die Skulpturen untl Grabhügel, 
Hrnckner die Inschriften, II. v. Fritze di« Münzen Ilions. 
Die Gt^hichte Trojas schrieb wietier A. Hrückiier, während 
zum Schlüsse IMrpfeld das homerisch« Tmja im Zusammen- 
hänge mit den Ausgrabungen in der Lamlschaft schildert. 

Wenn man bedenkt, dafs noch lUe» die Phantasieeu eiiias 
gewissfut £rii«t Hiittcher emsi« Beachtung fanden, dafs das. 
was Schllmtmun ausgegrale-n habe. nt«maU Troja -Ilion, 
wmilem ein grofscr Leichtuiverhrenuungaapparat gewesen sei. 
und dieser oigentlich nicht ernst zu n*•hn^enrte Mann »«ar 
nach Tn»ja zur H«si<-htiguiig il«r Fmidstäiie eingeladeii 
wurde, kann man sich ütH*r die Klärung, die heute Platz 
gegriffen hat, nur fnuien. Ks ist jetzt gelungen, »lie v«r- 
schii*denen Schichten und ihre Zeitdauer festzulegeti . uml 
nach D<>rpfeld« rnters»ichuiigon gestaitet sich die F«dge wie 
nach«teh>uid ; 

Ansiedelung. l’ngefilUre Zeitdauer: 

1. rralt« Ansie«lelu»g 30u0-«-2.%iK) vor (-hr. 

2. PrähUtorivhe Hurg 25uO — 20iH) , , 

3.*— .'i. Drei pj-ähutoriMdie Dörfer . . . 2ouo — liOO , , 

fi. Das homerische Troja HKȟ , 

7. ZweivorgriechischeAusioilelungen 1000— 700 , , 

M. Da« griechische Ilion 7oO — 0 , , 

9. Akro()oUs des rOmiwehen Ilion . o— 000 imeli , 

F« gewährt eine eigene Hefriedigung, wenn man sich 
durch die klare Auseinandersetzung des Archäologen iiml 
An'hitekton Dbrpfeid dur«-hg«arla‘li>*t hat — es sind 220 Seiten 
mit vielen lehrreichen .\bbildmigen — und schliefslit'h zu »lur 
t'b«‘r/eugung gelangt, daf# all« neun Schichten reinlic)i und 
gut liestimmt sind. Dann kommen die zwei Prähiatoriker 
/um Worte. Wahrxnnl Sch)i«'iiiaun noch die kerami«chcn 
Krzeugnisse der verschiedenen pSuidte* «üiizqIu Itehandelf«, 
fufst H. Kchutitit alle riterreste der zweiten bi« fünften 
Schiebt zusHmmeii, vor denen noch die uralte erste, über 
denen jene vom homorischan bi« zum röminchen Tr»»jn liegen. 
Dal« di« Töpferscheibe in der erstoo uraiten Ausiwiebmg 
«chon IwDUtzt worden s«i. wie Kchliemaiin nach eiurelneii 
Stücken aimahnt, k^>nnt« Schmidt mit Fug und Hecht zurück- 
weisen. Die Keramik jener Schicht ist eine «cht prä- 
hisbirische, wenn auch eine vorgeschrittene. Sie wiril, wie 
auch 1*ei den fitlgenden Schichten, jetleumiai nach Technik, 
Fonuen und ttrimmentik behaudelt. Fiufache geometriach« 
Midivn zim) in der Ornamentik dieser ältesten Keramik 
iiiHisgelien'l, Liucarverzierung herrscht vor. Die durch 
S<>hlieiuaim bekannt gewordenen und su oft abgebildetea 
aGesichtsvaftcn* wenlen jetzt, ihrer Formeneigentümlich- 
keiten halber, hU „metiMdiengeslaUige* be/eiebnet. Syste- 
matisch zergliedert s«*hreitet in de» 70 von liultert SchmitU 
verfafHten Seiten die gewaltig«, furmverwdiietlen« Fülle der 
Keramik au uns in Htld und Wort vorüls-r, um mit eiuem 
Anhänge ül««r di« Pirhoi, jene gewaltigen «chlnuclt- oder 
hinnmfürmigen Krüge, zu w|ili«riien, diu aicher als Vornxts- 
gef.äfse erkannt wurden, w-i« in ibiiun iThulienc Rest« be- 
weisftii. Auch wurden aie in Räumen gofuntleii, die man als 
Küchen- »Hier Wirütcbarisräuinu »b'Uteti inurm 

Dit- übrigen zahlndchdi präbislonschen Funde haben in 
A. (ii>tze einen h'Tv»UTag**nd aachkuitdigcn He»rl*eiter g«- 
fumluii, der allcnling« bezüglich der Zcitbeetiuiiming der 
Gagenstütiile vielfach v»>u Schiivmanns Deutungen abweichen 
miilHte, jetzt aller (soweit mt'iglich) eine sichere ZunH'hnuug 
der 0»*guiistäu(l»‘ zu den einzelnen Perioden aufatellen konnte. 
Kr iHjImtidelt »lie KJeiugorätti aus Metall, Stein, Kooebeii 
Uinl Th<iii; di«> er'‘te. älteste St'hicht gesondert, die zweite 
bi« fünft« zusamiiienfasiiond. leider ist die erste am wenigsten 
i'rforscht und die mei«t »ehr beHchadiglen Steinhämuicr ge- 
«tnitcn keine typologisch« Kinleilung, so dafs Gütze «ich auf 
technische lieRchreihiiiig, lielmtKlIung der 1k>hrltW'h«r u. durgl. 
iHHchniiiken tiiufstu; von Metall koimncn nur kleine Messi-r 
HU« Kiipf> v («»der Hisiu/e) eigener Art, in Betmehl, vielleicht 
au«‘h einige KniH-)»>-i»gi*ri»te — <hi« ist allu«, was wir von der 




Klein« Nachrichten. 



115 



KuMiir der erxtcn, älieirteu Kchirht n«b«ii den 
negenAtänden kennen. Bei den darüber liegenden Bchirhten 
2 h(K S kommen zunü^hst die liwkamtteii ,Hchatzfuinio' mit 
dem berühmten «Hehatz de* Ih'iamm* in Betracht, eine ganze 
.\nzabl, deren Zu.*amineiu>et/ung und Ik^leiilung aWr «ehr 
verwhie<len i*t. Viele, wesentlich au* HchmuckiMu-hen he 
»teilend, wenien «l« TreHon» reicher Krauen gedeutet; andere, 
li«i denen auch Waffen gefunden wuttleu. sind wtihl Kninilien- 
«chÄtjce gvwceeii. Was die einzelnen Gegenstände aua Metall 
IwtrilTi, M* liHtideU cs »ich nel>en dem Hchmuek, den ^Waffen, 
dem Werkzeug. Hausgerät u. *. w, um »Geld*, jene Tausch- 
mittel in OestAll von Flachkelteii. die Götze zuerst im Globus 
Ikl. 71, H. 217 tiescliriuben und aligebildct hat. Gold. Klektron. 
Stiller sind die verwendeten Metalle; eine Kupferzeit ist für 
die erste Schicht nicht erweisbar; es tritt von der zweiten 
an gleich die Hrunze auf. l'nter den Steingeräten der in 
Rede stehenden Schichten fallen namentlich .Axthämmer von 
einer Grörs«, Feinheit der Ausführung und Schönheit des 
Material* {auch Lapis lazuli) auf, wie sie ähnlich ander- 
weitig kaum gefunden w'urflen. Neben ihnen rohere, einfachere 
Korniaii. 3Ie^w>r aus Feuerstein, ganz ühereinstimuiend mit 
den deutschen. Die ft*chate Scliicht und den Biginn der 
»ielienten rechnet Götze dann der inykenischen Kulturticriode 
zu ; 6* folgen dann weniger ergiebige Si'hiehtun, die !«chou 
mit den Ältere« I’eri«Hlcn der Mctatlzeit Südosteuropas zu- 
»animeiifallen. 

Damit wäre die Anzeige des Werkes, suw-eit diese* in 
den Kähmen des Globus fRllt und der knappe Kaum ea 
gevtattet — leider zu kurz! — , erledigt, denn die folgenden 
Abschnitte über MarmorbiUlwerk«, Inschriften. .Mütuen, die 
Geschichte Trojas entziehen aich unserer Zuständigkeit. 

K. Rerger. 

Borudowskij : Karte der Mandschurei mit alphabeti- 
schem VerzeicImiH der auf ihr vcrzeiclineten Namen. 
St. l’etershurg IbOl. Verlag der Kanzlei des Finanz- 
ministerium-'«. B“. 3.H K. timi Karte (72,.'i X Öü cm). In 
russischer Spracht*. 

Diese Kart«, im Maf.«*iiab von BO Werst auf einen russi- 
schen '/a>\\, wurde zuerst IB07 hurau-'gegeben . als noch die 



Nat‘brichteu ülier die MaudHchun-i aehr spärlich waren. Kino 
zweite Ausgalie erschien Ih 90 und war schon vollständiger. 
Heib'utend auder* wurde es aber noch l)oi der jetzt vorliegen- 
den dritten Ausgabe, inzwischen war eine Heih« gelehrter 
Expeditionen in die Mandschurei gemacht wonlen; v» lagen 
die eistüiltahntechnischen und ge«dogi«chen Kntersachiing«*M 
I der Ingenieur« der chinesiM>h«ii Osllwhn vor, ferner viele 
instrumentale Aufnalimcn und astronomische Ke^timmiingi-u, 
endlich hatten di« intlitArischeii Kxpeditioneii und Kekognos- 
zi«rungeii dos lAiide* infolge des It>>.xerAufstand(>s statige- 
funclen. Alle» das hat viel Lieht iu das alte Material ge 
bracht, sowi« diu Kenntnis d*-« I^nih-s in joib-r Keziehung 
orweitert. Diese geaamten, nach dem Jahre lagti erw-hieiienen 
und vom Verfasser liemitzten Materialiou sind in einem Vur- 
eeichiiis zusammengestellt, das drei Hi'ilun des Texte* ein- 
nimmt. Alwr aufserdem sind noch viele ungi-druckte Ma- 
terialien BUS dem FinanzniiDisterium und Imndschriftliche 
Karten der ÜfHziere der Hchutztrup|ie der chinesischen Ost- 
Imhu la'nutzt wordfii. Das ganz« reiche Material liefs sich 
bei dem Mafsstabe iler Karte nur mit Auswahl verwenden. 
l)er Wirklichkeit ziemlich nahe kommen nach der Versiche- 
rung de* Verfassers die Angaben der liewohnten Orte und 
Verkehrswege, die Lage der einzelnen Gebirgszüge und 
-ma&.*ive hätte dagegen nur annähernd angegelten werden 
kötineti. Bezüglich der Nachbarländer reicht die Kurt«; bi» 
i Söul, T«'hifu, Teking, Tschita, (’haliarowsk, Wladiwostok und 
I meist Qtich etwas darülier hinaus. Das russisch« KHchtgebiet 

i Kwan-tung ist aur»er der Haaptkarte auch noch auf einer 
Nelienknrlo, im Mafwital»- von 20 Werst auf den Zt>ll, dar- 
I gi-»ietU. Fünf ander« Nebonkarlon enthalten Kläne der Htädte 
I B4mIuiiu (Po tu-tio), Giriu (Kirin), Miigdcn, Ningut» und Zizi- 
I kar. Die Tmnsskription der chinesischen Namen i*t die in 
j Kiifsland übliche, nach der nöriliichen. Pekinger Aussprache. 
Das alpbabetische Ortsverzeichnis weist auch synonyme Ih- 
nenuungen auf, die nicht auf der Karl« »tehen. Hei einer 
Anzahl Orte auf dem Verzeichnis ist deren geographische 
Brett« und l^äiige angegelieii unter Nennung der Quelle, t|er 
die Zahlen entnommen sind: e* sind «lies diel’unkte, die liui 
der Bearlieitung der Karle al* Grundlage gedient halten. 

T. Pech- 



Kleine Nachrichten. 

Abdruck nur mit QMllsBsn(tnb< gmUttet 



— Dr. Dagobert Hc1io«ufelds Keise in den ägyp- 
tischen Kudan. ülior di««o schreibt uns der Reisende aus 
Kain», 10. Januar: 

„Xu einer cingehonden wissenschaftlichen Vurliereitung 
auf die«« lieiae bin ich erst gelangt durch das litterarische 
Material, welches hier sich mir darbtit. Die Bildiothek des 
rhiHliv« wtmh: täglich hevueht; Graf Gleichen, der Ghef der 
.'Vbteilung des Gcneralstabes für den Kudan, hatte die Ge- 
fälligkeit, mir Berichte und Karten Alter die cnglisch-Ägyp- 
lischo Intm^Äsensphäre zur Wi-fügung zu stellen und mir 
schriftUch« Kmpfehlungen an sämtliche Mudire der dortigen 
Hauptstalionen zu geben. Für Krythräa «teilte mir der 
italienisch« Gesandte Mar({uis Balw'ago ein warmes Kmpfeh- 
hmgS'cchreilH.'n an den Genemlgouverneur Martini au*. Den 
14. Januar r«i»o ich nach Maviaua. Hier werden La.*t- wl« 
Kciiiier« nebst den erforderlichen Kogleitmamiflchaften an- 
geworWn. Es geht <lann übor Saati, Asmara. ('hereti nach 
Kassain. Von ilort über Gedärcf uml .'Vbu-Harnis nach dem 
Rlau«n Nil. Je nach dem Wasserstandc entweder zu Schiff, 
(Ml«r mit Karawane nach (’hartum und TTm-«d-Duriiian. 
Dann den Weifaen Nil hinauf nach Fam-hoda. Ich mach« 
e« von den Umständen und von dem Intereasanteii. was sich 
auf den einzelnen Plätzen mir darbietet, abhängig, wie lange 
ich Verweile, Professor Schweinfurth war gleichfalls hier in 
Kain». Er hat mich mit sehr wünschenswerten Katwlilägcn 
für meine Ausrüstung unteratritzi." 

— Di« Schlichtung de« chileoisch-argenliniaehon 
Orenzstroites. Da* romanische .\iuerika ist das kla* 
siach« Land der {«renzstreitigkeiten . und di« Widerseitigen 
Ansprüche benachbarter Kepuhliken sind zum Teil so ge- 
waltig. dafs bei ganz einseitigor Erfüllung dieser Ansprüche 
der Nachliarstaai di« Hälfte seines Terriluriums einl'Afsen 
würde. Kchlimm sind di<««* KontrovenM-n in der Kegel nicht, 
sie machen nur den Karr<»grapheii Kopfzerbrechen; eine 
aller i.*t irnrnnr recht liedenklich gewesen; di« zwischen Chile 
nnd .\rgetitinien. Der Gn*nzstreit zwischen diesen am 
weitesten fortgeNchritt>‘n''D »üilamerikaniachen HepuNlken ist 



mindestens 50 Jahre alt, und alle zwei bi* drei Jahre w^urd« 
er aknt. man hört« dann von Küstungen auf iHiiden Seiten 
und der Unvermeidlichkeit «ine» Kriege*. !).■** war auch 
wieder vor Jahresfrist der Fall, und damals .schien e* wirk- 
lich nicht- l»«im Säb«lnt-*«eln bleilien zu w<»||en. Hs gelang 
jedt^ch England, da» viel Kapital in den beiden Kejiublikeii 
Kiigel»*gt uml einen Kri«^ zwisehcn ihnen mehr zu fürcliien 
bat als sie scKarr, auch diesmiil. die Gemüter zu iH-schwich- 
tigen und, was die Hauptsache, sie zu einer ondlirheti Pliiiigutig 
zu bewegen. König Eduard VII. sollte Si-hiedsrichter *oin, 
und eine Kommission mit Oberst H. H. Ifoldieh an der Sjijtze 
Unterlagen und Vi»rschlÄge dazu liefern. FMuanl VII. hat 
die Vorschläge dor Kommission zum Urteil erhoK-ti, und da* 
beunruhigende Moment ist damit jetzt hoffentlich au» der 
Well geschafft. Natürlich liÄlt der Rchiwlsspruch die g<d«leiic 
Mitte zwischen den Ansprüchen beider llopiibliki-n, doch «*», 
daCs di« strittigen Teil« des Nordens in der liHnptsarhe 
Argentinitm . di« de* Südens f'hil« zuge»prochvii sind. Im 
ganzen bat wohl Uliil« an Gebiet etwas gi-wonnen (zwischen 
45 und 4ä* südl. Kr.), abt-r iu den dort wirisc-haftlich wenig 
wichtigen Anden. Die welsch« Kolonie des » 1 ü. Oktolwr* 
(43* sAdl. Kr.) ist mit den Thälern von Nuevo und t'holila 
Argentinien zugefallon; dieses Gebiet verspricht viel für 
Weiden und Ackerbau. Demgegenüber gewinnt t'hile viel 
Waldland und Wolle pn»du/.ienmdp8 Hochland. Die Haupt- 
flache liei der Schlichtung des Htreites ist jedenfnIL*. daf* nun 
jeder der Nachltarn genau weifs, was ihm g<‘hört , uml sich 
ungestört an die Entwickelung seines Gehieb-s heramnachen 
kann. Eine Kartenskizze mit der netian Grenzlinie flmlot 
sich im Januarheft des „(loogr. Joum.“. 

~ Palaoky polemiaiert (VerhdI. d.doutseb. z<m>I. Ges., 
13. Vers., ibu3) gegen die gegenwärtig noch landes- 
übliche Kiuteiliing der I<h nder f a u neu , welche von 
Sclater und Wallacc hcrrühri, aber bt-reit« lange nicht mehr 
dem heutigen /ttstande der Wissenschaft entspricht. K» giebt 
«Iten keine glcichukäfsigeTi Grenzen einzelner Faunen, welche 
für alle Tierklasscn geltend wän*n. .^m wenigsten laugen 




Kieiiio Naohrichten. 



iir> 



liifnu ili«« tiuiorn|^n«*n ttn>l K|uii oiitwickelien 

Sanjratien*. Kio« Tl4*rklH'(«v ••niwickvltv sich 
nach ileu Verhältnisse», welche sie U>i ihrem Kntstuhoii vor- 
fftiul. Wenn auch <li*> Geolugie uicht alle Uätset Kiseiikann, 
HO iiit sie (loch im siande, es liei den meiste» zu thun. Im 
Kpifseu und Konzen ist die vorteitiära Verbraitani; der Tiere 
weni^ wicbti};. Allerdings kOuuteu neue Funde diesen Satz 
noch etwas ändern. Al>er nach d<-n> hisherigen Stande sind 
nur einige Kemaiionzeii wie Kaie, Oanuiden, Uatteria, ('era- 
icMles u. «. w. erwähnenswert. Pas Tertiär ist di« K|Hirhe 
der Kauijenhildung. Wenn Australiaii an dem Fortschritte 
keinen Anteil mehr halte (aufser Srhlangen , Nagern und 
Floderuniusen), Nenseelaiid uur die Fledeniiaiise und Fische, 
so ist diese« ein negatives Krgehni«; e* }>uweisi uur, dafs die 
Kntwickvluiig kein allgemeines, sondern ein lokalisiertus Kr- 
cignis war. Khunso fehlt cs an Pai.«‘n iiWr das Alter der 
Vi'igel iibcrhuu|it, besonders aber der Wasser und Meeres- 
viVgnl. l>io hchildkndcn sind sicher tut Ausstcrlwu l»egriffen. 
Pie Kiderhsen sind gänzlich aberrant. els»n«o i«t di© Ver- 
breitung der S(‘hl.'ing»'n abnorm. Ikd den Fischen zeigt sich 
uine grofsere Ähnlichkeit in der Ti«fsi‘(*. Hei den Vögeln 
giebt es keine iiearktische Region, am schärfsten sind Asien 
wüstlich iiml östlich des Uimaliiya g(*schiedeii. Pie bereits 
von Zittel aufgestellten drei Regionen, Australien. Hüdainerika 
und Kurasieu, als surcessive Schopfuugszeiitren bleilten das 
Pest«, was man bisher weifs. 



— Verbreitung der tlahixlasarten. Aus den de- 
WHSM-rii im ftiifsersteii SUden Amerikas, auf Neuseeland. 
Tasmanien und im siidlirhsleu Australien, war einn furellen- 
ähnliche Fischgnttimg. die (talaxias. bekannt, deren Vertn-tor 
man vor einigoii fahren auch im südlirhsten Afrika, in 
einem süfseu Gewässer Iwi Kapstadt, vorfand. und in dem 
Vorkommen dieser Fischgattuug in allen am weit*>st<'n gegeu 
den 8(id|n>l vorgescht»benen l^ndnmst-eii sah man vielfach 
einen Hevreis dafür, dafs einmal ein grofiwr autarktischer 
K«»itiueiit existiert halwn iniissH. Iiii (iegeusatz zu der 
M^-inung, dafs «a sich hier nur um Siifswass«rt1s(*he handle, 
hatte G. A. }k>ulenger in seinem Huch „Lm pois>iims du 
Imssin du Congo' l>einei'kt, daTs nicht alle Arten derGalaxia« 
auf Süfswassei- tw^chräiikt seien, und dafs die Thatsache, dafs 
eiuigu sowohl in den Flüaseii wie im Meere lebten, gemigi«. 
mii die nU.-«olbHrie Vi-rieilung der üntUiug zu erklären. 
Iloulonger kommt in der «Nature* vom 'i<. Novciutwr v. J. 
uochiiials auf die Angologonheit zuriiek und erinnert daran, 
ilafs F. K. 4'larke in Neuseeinnd mit H. Vullentin auf den 
Falklandinseln gefunden hätten, dafs die Galaxias attenuatus 
auch in der 8ee lebt; in NeuwH.'laud zieht sie zeitweise zum 
Meere hinunter, wo sie von Januar bis Marz laicht, ln 
Clieieinstimmimg mit dicker Gewidtnlieit halH* diese .\rt 
einen viel grofseren V^rbreitungskreis als die anderen Arten. 
Ferner inaebt Houb-uger noch auf eine in den «Ti-ansHCtions* 
des „New- /^alanil Institute" (XXXIV, S. 11M4) von F. W. HuMon 
l>«M*lii'iela*ne Art, Gallaxias boHansi, Kiifmerksam , die im 
Januar lUül liei den Aiicklnndinselti gcfundeti w<>rd>-n ist. 
kr meint dann zum Schlufs, mnii werde nun hofTcnilich zu 
der Kinsicht komiueii, dafs diu Familie der tialaxiiden nicht 
durchaus auf süfse Gewässer be'<chrankt mji. 



— Hülfsakliun für die deutsche Sfidiiolar- 
etpe<liijoii. Von den I>enksrhriften . di« dum Ktat des 
Rcichsamls dos Innern fnr Udgefitgt sind, handelt eine 
von der dout.'when .Siid|>«;|»rexpsslition. Hs wird darin zu- 
nächst um XMcljtmwilligung von •JO.M.ai Mk. für Mehrkosten 
ersucht, die dadurch uiitstamiun sind, dafs der Aufbruch der 
„Guufs* von de« Kerguelun «ich um sechs Wwhen verziigt-rt 
hat. Aufserdeni alter wird der Reichstag um s«Mne Kiu- 
willigiirig da/u ursiicht, dafs für den Fnll . dai’s bis zum 
I. Juni d. J, keine Nachricht von der Kxpeiliiion cingeht. 
das Reiclisanit ein llülfssi-liifl ausrüMen und alr*endeii darf. 
Hie Kosten durften die der englischen llUlfMtx|M-dtlion 
(4s.'i0ü0 3Ik.) zum mindesten err**ichen. lb«.griiMdei wiril diu 
Forderung wie folgt: Pii* cnieiit lH*fragien rmuiischen und 
w jsseiischaftlichen SuchvorstHiidigen" seien «iiumiiehr ein- 
stiimnig* 'lei* (riwrz»‘ugung, dafs angesichts t|er uul'serordeut- 
lichen Schwierigkeiten und ttefabren. denen die duutwlie 
Kx{M**1itioii Imm ilinmi Vordringen in x‘üilig uniH-kannte Ite- 
l*iete Is-gegne. »u«! ,l».r l'nniögliehkeit s*'ustigcr Hülfe Wi 
eim-m « lunigeii l'nfall der .(laiifs* schon dann eine Jlülfs- 
exptsUtjoii vorlwrcitet Werden müs>e, wenn bis zum 1. Juni 
kein« Nachricht eiiigetr«>fTen sein Millte. Auch der 
heiter. Von Prygahki, haU* von de» Kerguelen aus ciuc 



solche Mafsnahiue laifürw ortet . allurditigK daliej iN.iotil, daf« 
es sich nur um ein äufsersies Mufs der Vorsicht handele, 
da er ja für eine zweit« ülierwiiiterung ausgerüstet, und 
mit «iner «»Ichen auch sonst von vornherein gerechnet 
worden sei. Hishcr lag bokanntlich im l'lane, eine Hnlfs- 
«xiailttiou erst daun auszuseuden, wenu bis zum Fiuhjahr 
1904 keine Nachricht eing<^ngen wäre. Zur Änderung 
die««rs Flanes scheint das Vorgehen der Kiighinder die Ver- 
anlassung gegelieii ZU haben, die ein HüIfaSi'hilT lH*r«^iiii ini 
vorigen hotumer al>geschickt hHlwii, da sie zu enistcn IW- 
sorgnisseii um ihre «Discovery* Grund zu halvn glaubten. 
Man kann es mir billigen, dafs unser Kcichsatni des Imierti 
dem Heispiei der Kngländer folgen will; denn ilie (|eut<cho 
Kx|w-diiion sieht sicli ungleich grüf*«rcii Schwierigkeiten 
gegeuiilsT iiN dic oiiglische, dcrcn U|K‘r«lion«basi» tlie gut 
liekaniiie und b-iebt erreichbar«* Küste von Victorialaod ist. 
Pas Ziel der deutschen rntenichmiing ala-r ist Termination- 
land. ala‘r •*« ist keineswegs sicher, dafs db>scs wirklich exi- 
stiert . und cs ist uiigewifs, wohin sie »ich scbliefslich ge* 
wariill hat, wenn jenes l’ularlanti in der ITiat nicht vorhanden 
ist fsier nicht zu erreichen war. Per Reichstag, so darf 
man hoffen, wird der Regierung freie Hand lassen, und wir 
sind dann eine enuite Sorge lo». Sg. 

— Per Moskauer Dialekt gilt lx?kamitlich für den 
liuiipt und typischen Dialekt aller grofsrussischen Gebiete. 
Mail nimmt ihn als Ausgangspunkt 1>ci der Krforschuiig der 
grursru«*i>chen Dialekte und die Kthiiographcu legen ihn 
ihren rntcrsuchungen über di« Sprache des rutaischen VoIkiMi 
zu Grunde. Allein beruht die»e Meinung wirklich auf Wahr- 
heit« Gehiirt der Moskauer Dialekt, wie allgemein ange- 
nommen w'ir*l, thatsächlich zu der südlichen gi’ufsrussischeii 
Dialekigrup|M*« I'in der Sache auf de« Grund zu kommen, 
hat N. W. W'olkow Forsi-huugcn und Reisen in und iini 
Mmkau, sowie in den angrctizcmleii Gouveniemcnts gemacht 
und dabei alle Nuancen der örGichun Sprechweise genau 
beoliachtei. Zu dem gleichen Zwecke hat er auch ein»* 
Menge aller ruxsiacher rrkuuilen und anderer liandschriftcii 
durchforscht. Auf Grund v«>n alledem ist er zu folgrmleti 
Schlüsst-n gekommen; Per Moekauer Dialekt kann nicht als 
der Haupt- und typisch« Vertreter der grorsruasiachen Dia- 
lekte gelten: er kann als kein voll bcHttniintar. reiner Dialekt 
mit scharf ausgeprägten Eigenschapen anerkannt werden. 
Das .A- sagen* (d. i. die Ausaprach*« d<»s o in utiladontcr 
Silbt! als u) in »lern Mt«kau*>r Dialekt erweist sich als 
unerträglich. Man darf anuelunen. dafs auch dort ursprüng- 
lich o gesprochen worden ist, wenn auch vielleicht weniger 
scharf aU in den Gonveriicnienis W'ladiiiiir und Jaroslawl. 
Das .A-sageii" de« Moskauer Dialekts Ist aus den Gouvt^rn«*- 
meiits Kjasati, Tschpmig»>w. Smolensk gekoniiiimi. Ini Gou- 
vernement Moskau i«t «s fast üiwrall v»»n venu-hiedenor Stärke 
und Reinheit; es ist stärker in den südlichen Kreisen, la*- 
deutend schwacher in den nördlichen. Pie uralten Mund- 
arten Moskaus sind uicht südruasis4-h , sondern nordni«si«ch. 
und in alter Zeit hat Moskau zweifellos im Zentrum eines 
nur Bchwaeh gefärbten ,A sagen»* gelegen. (Aus einem V<»r- 
trage Widkuws in der ethnographischen Alaeilung der russi- 
schen Go"gi'aphischeii GeH(*llHchaft am II. |24.| Oktober 1902.) 

— In diT «blich«*n Weis»- erstatten Finslcrw alder und 
Muret wi«-»ier Itcricht über die Gletscherschwan- 
kungen iin Jahr« 1901. (Ia»s vanations periodi<|ue< des 
glacicrs, Vll*ev rapport.) l>erseR)e enthält diesmal S|wzinl- 
berichte au« den Schweizer Alia-n, den (Mtalpen, den itali«- 
nischen und französischen Alpcu, vi>n den skandinavischen 
Liimlcrn nur aus Schweden, von den t’olarländom werden 
besonder» genaue Hericht« aus Grünlund für die nächsten 
Jahr« in .\u««icht gestHllr, Rur«laijd hat einen ausführlichen 
Ib-rirhi ulicr den Kaukasus, einige iilier Nt>w-aja St-uilja 
gesendet, den Kcliliif» macht der Hericht aus den Vereiuigten 
Staaten von Amerika. Fast ülK-rall berichten die lfes>b* 
achter von einem bedeutenden Gl«ti*cher«chwiniien, «las nur 
v»iii ganz Wenigen AusiiKhmon — ilarunt»-r der lickaimt« 
Pevdoraki Glelacher im Kaukasus — iiiiterbr»K-hen wird 
und in den itauphim'-« Alpen *o stark ist, „dafs »lort in ab- 
s»-hbar»-r Zeit das volNtäinlige V»T«cbwind»-n einiger kleiner 
(«lotscbcr KU erwarten st*-ht. Intere««ant dürft« **s im*c 1 i 
Sein, «lafs in d»-r Gieiseberbai in Alaska ein Krdbelien mii« 
solche Menge KNberge abgebrochen hatte, daf* e« d»-n 
Painpretii «inen ganx*-n Siiinn«i' lang iinmöglich war, den 
umristisch zur Zeit viell-esiichien Muirgleischer airzulaufen. 
Kinzclno d».-r Herieht»- sind mit einer Hibliographie der be- 
treftV-ndeti tiebi'-le fnr das Ib-rieblsjahr versehe«. Greim. 



Veruatwurtl. Redakteur: Frof. Dr. R. Andrer, Hrauas<hwcig, Fallersleberthofi'romeaade 13. ■*> Druck: Krirdr. Vieweg o. Soba, HrAuaschweig. 




GLOBUS. 



ILLUSTRIKRTH ZI- ITSCIIRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND" UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
UERAUSGEHEK: Prof. D«. R. ANüREE. VERLAG vos ERIEDR. VIEWEG * SOHN. 

Bd. LXXXm. Nr. 8. BRAUNSCHWEIG. 26. Februar 1903. 

Narlnlnirk n>ir mmtIi rbrrcrinkiiiift mit iJtw Vrrlatr*)i>UMlliiiig 



Der Paradiesgarten als Schnitzmotiv der Payaguä-Indianer. 



Vtm (>r. Tlieixlor Ko(*li. 






ilt*m obi^fti Titel voröHeiitlichto Herr Prof, 
hr. Karl v. d. in Itnud II (1901), Heft 2, S. 009. 
de?« Nutizlduttek^ eine iHdan^reiclie < 

Studie über Srhtiit/.ornnniPiite auf Tnlmkpfeifen der ^ 
Puya^tiM-lndiHiier, die uniuittellmr eliri^tlichein KinRuf^ 
iüre KiitHteliiiu^ vertlaiikeri. Imiidelte sieb tau tlrei i 
«^n>r»iere Metliziiipfeifen und eine • kleinere tiehraiiehs*« 
pfeife, die In ihrem Sebiiitzvrerk Szvueii au» dem ult' ' 
teMtumeiitlicUen PanidieN auf iiidiAni.Ncbe \Vpii>e xii^estiitzt . 
*eii»en. 

In/.wischen haben »icb lutcb drei weitere Kxeuiplure I 
üliiilit'her .\rt uefuiideii, die nicht iinweMentlicIi zur Kr> 
i/ünzunt derSteinenHclieii Erkluniuff lM*itnigen und iieiu? 
tii'üiclit »punkte ei-öfTiien. > 

Wie ich bereit» an amlert-r Stelle betont liaW’). Imt 
die binuiäbri|;e llen'sehuft der Je>iuiten auf die Indianer- I 
»titimue der Paratfuay-C'fer und de» ('haeu einen be* ' 
deutenden KinRuf» aiiA^eübt, der nicht uiiter»chfitzt wer- I 
di'ti darf, /ei^t »ich dieser KinRiif» »chnn in den an | 
italieiii»che ltenni»»nnce erimierndeii Aral»e»keu der Ge- 
füf»mn»tur bei einzelnen Stäumien, wie den Kndiu(^>. I 
den Tereiio-tinaiiÄ, den Ma»koi-.stnmuieti und den Payu* j 
tfuii Melbnt, ?M) buben wir e» hier mit R^rürlichen l>an«te|- 
Innifen zu thiui, die rein chri»iliche MutiTc in iiidiaiii- ) 
»chein Gewand behandeln, und deren Ib*dentiin>f , wie 
wir .»eben werden, den Künstlern »elbst im Kaufe der 
/eit, zmuul uauli Vertreibuni; ihrer Lehrer, iiuverständ« ! 
lieh (/ewonleii ist. .bHienfiillH balH*n die modernen Paya- ^ 
;/MÜ vom ('hri>tentniu keine Almiintf, und iliene Pfeifen i 
wurdmi und werden wohl noch heute von den /anber- i 
ilr/teii lud ihren Uc'^chwörungen trcbrauclii. 

Hei der ^eriiiifeii Verbreitung' de» „KthDulo^i»chen j 
Xotizblatte»'* halte ich e» für an^uine.i»en, hier eine zn- 
»ammeiifn.»»cnde I>ur»teUuu^ der bisher bekannteu Pfei- 
fen zu (fehen, um diese wichtitre Knbleckumr Karl T. d. 
Steinen' eiiimii gröfseren Le-erkrei.» zu übermitteln und 
vielleicht auf noch in anderen Saniuilum^ou vorbuudene 
iihiilicbe Stücke aufmerksam zu machmi. > 

IHe Payagui'i-Indiutier, von deiieu alle die»« ITeifeu ' 
'tumnien, waren von den eraten /eiten «ler Kntdeckung 
an al» kühne und rüuberi»cli<* Flufspiraten gefürchtet. 
Nach jabrhnndertelangeD, blutigen Kümpfen gelang e» 
endlich iui Jahre 1740 dem Statthalter von Paraguay, 
Kaphael de la Moueda, die südliche Abteilung de» Stum- 
me», die »ogen. THknnbii, in A»iincion anzu»iedelii, der 

’> (OobuH, Pil. at. s. 4.1. 

(iUliu I.XXXIII. Nr. 8 . 



.»ich im JaIii'c 1790 aiicli die nördliche Horde, die Sari- 
gue, an»chlof» *). 

Noch zur /eit Azara» auf 1000 Seelen geschätzt, 
fri.oten die Payagun beute, auf 40 bi» T>0 fndividueu zu- 
»ummengeschiuolzeii, in deui Hafenviertel der jtaraguay- 
Kcbeii IlHiijitstadt durch den Hamlel mit Thonge»cliirr, 

Kedurarheiten u. a. ein kümmerlicbeK haaein. 

.SfimtUclie Pfetfeii sind au« »cbwereni, hellhratineni 
Iloiz cylindrisch gearbeitet und der I>&oge nach ilnrcb- 
bohrt, lui QuorxeUnitt de» einen Knde» lioRiidet »ich 
eine trichterförmige Vertiefung zur Aufnahme de» Tabak», 
um anderen Knde ist da» kurze .Miiiidhtiick in der I^Ang»- 
arbee entweder au» di‘iii»tdlfeu Holz pRockaiiig Ang(^- 
»clinitzt (Hier besteht in einem einge»cliohenen Ihimbu»- 
mler Holzrüilircheii , da» Ihö einigen Kxemplaren aiisgi» 
fallen ist. 

l>ie»c uigeutUuilichc Pfeifenform ist typisch für die 
('haco-Stönime und kommt meine» ÄVisseus in keinem 
anderen (ielnete .Südamerika» vor. Hur Jexuitenpater 
Florian llnucke beschreibt nm dn> Mitte de» IS. Jahr- 
hnndeHs die Tabakpfeifen der Mokovi als hohle Kegel 
aus Holz oder Thon, die an dem weiteren Knde mit 
Tabak gefüllt wurden, oder als ein .Stück Rohr, etwa 
fingerinng, du» an dem einen Knde gerade, an dein an- 
dern, wo der Tabak zu liegen kommt, schräg ahgeschnitteii 
wunle'). Ha» .Museum für Völkerkunde zu Iterlin Ih*- 
»itzt solche rohrenurtigen Pfeifen von dun Tochiriguuuu, 

Toba, Kadiuuo und Tereiio ich hier itn Vergleich 

mit Pavaguii-Pfeifeu abbilde (Abb. 1). Ich halte diese 
Form für »pezifixch indianisch, zumal »ie »ich stet» neben 
seitlich gestielten Pfeifen findet, die also mit Köpfen 
versehen und wohl erHt unter dem Kitifluf» der KuropScr 
eat»taudeu sind. Siu mag au» der ('igarre, der von den 
ersten Kutdeckeru nngestauntvn nRaiiclirolle** der ȟd- 
amerikanischen l*ang<dH>renen, hervorgegaiigen »ein, die 
z. 11. noch bei den iinlH’rührteii Stäuimen de» Sehingü 
al» einzige und ur»prünglirh»te .\rt de» Tabukgenu»!-e» 
beobaehtt.*! wurde, iiiul kann gewi»»erRiHfHen ul» „fe^te» 

Heckblatt“* angesehen werden, du» der Indianer «tet» 
zum sofortigen und hfapiemen Gehraneh bereit hntte. 

*) Felix de Axara, Voyage» dun* r.Vmeri*pie M*ridio- 
iinle. ITSi— Ibul. Hd. II, p. Pnri» IMOV. 

*) A. Kobler. H. J., Puter Kloriaii Baiicke, ein 4e«ntt in 
I’araguay (174^* bis Ilrtrt). S. 191. Kegenaburg l»7ü. 

Dies« t»-iden letztvren Stämme wohnten frither elieii- 
falU im Chac»; jetzt «»»tlich vom Itto Parngn»> bei Miiundn 
und »fidlich dnvon. 

I.'» 

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I)r. Theodor Koch: IVor TnrHdies^Mrten als Snhaitzmotiv der i*ayaguü>IudiaDer. 



na 



T^io meidteo der hier zu beHch reihenden Pfeifen haben 
eine bedeutende LAnge. Ks aiml Medizinpfeifrn, die 
von den ZauherArzteu bei ihren Krankeiikiiren und lie> 
Hchwöningen gebrauoht wurden. Scliun Azarn (Knde 
des 18. Jahrhunderts) »childert die ärztlichen Tabak* 
pfeifen der Payaguä als fufslange, faustdicke, der Ijänge 
nach durchbohrte Stäbe*). Demersay (um die Mitte dc!« 
vorigen Jahrhunderts) giebt die goiiuue Dcscbreibung 
einer Uescbwörung bei den Payuguä. wol>ei der /nuber* 
arzt in der rechten Hand eine Kürbisklapjier hielt, in 
der linken „iin loug tube du boU dur qiie j'eus (|tiel* 
i|ue peine ä ruconnaitre pour iine pipe“ ^). Kr 
fährt dann fort: «Fnite de Iwi« dur et jw^ant, coite pipe 



nes des ancdtrus,. etc. et que les premiers navigateurs 
prirent pour dos torches ').“ 

Es freut mich, daN der fi'anzösische Reifende hier 
ufifonbar dieselbe .\n«*ioht vertritt, die ich ausgesprochen 
und verfochten hatte, ehe ich seine Notiz kannte, die 
Ansicht von der Entstehung dieser röhreuartigen Pfeifen 
aus der Cigarre. 

Nach handschriftlichen .Xuf/eicbnuiigen des Sammlers 
Kohde, der 1883 im .\uftrag des Berliner Museums für 
Völkerkunde diu Payagua besuchte, besitzt der Kazike 
als Zoichen «einer Würde einen schön ge«rhnitzt<«n Mock 
und eine groNe Pfeife. (.\hh. 2 nach einer Z4>ichniing 
Rohdes.) Kohde bot dem Häuptling eine ansehnliche 




Abb. I. Tabakpfeifen der Chaco* Indianer. 

n. Tereno, V B. K Kadlu«*o, VB. 1157; c. Toba, VC. 2174; <). Tschirigunno. VA. 11944»; e. IVbiriguuno. VA. 11944^; 
f. Kariiu^, VB. llrtO; g. Payagua, VC. P.'lft; h. l*n,viigiiä. VC. 



ent couvorto du grecque« rdguliores, gravee« aupornciulle* 
ment, uvec unu a?t^z grando pi'rfuctiou. Longuu de 
r>0 contim6tres, eile eat ornee de clous doroa et perc4e 
d'un conduit evase par un bout et termine par un hec 
k Tautre. On rutrouve cot instrument chez d'autres na- 
tion« voisinea, chez les Tobua ot loa Matacus dos Imrds 
du Pilcomayu. II donno uiie idde de cos änormos 
cigaru« fait« uvue lu feuille ruulee du palmier ot 
Io »petun», lesquela jouaient un grand rüle au 
Bräail dana lua cörömoniea dea Tupinambas, cbez 
los Caralbe« des Antillea, toutos les foi« (ju'il fal* 
lait d^cider de la paix ou de la gnerru, evoquer len mä- 



Azara, a. a. 0., Bd. II, p. 13d. 

Alfred Bemersay. iliatoire physique, ecouoniique 
et polithine du Paraguay. Bd. 1. p. .308. Paris 18A0. 



Summe dafür, doch dieser antwortete Uim, die Sachen 
freien «ehr ult und vererbten «ich von Häupt> 
liug auf Häuptling. Wünle er sie fortgeUm, m> 
würden seine Leute ihn töten. 

Zu den von Karl v. d. Steinen behandelten vier 
Pfeifen, drei Medizinpfeifen (A, B, C) und einer ge- 
wöhnlichen Gebrauchspfeife (|1) sind nunmehr drei wei- 
tere Stücke hinztigekommeii , zwei Medizinpfeifen, die 
eine (K) in der ethnographischen Sammlung des städti- 
schen Museum« zu Braunschweig, diu andere (F) im k. k. 
natiirhiatorischeii Hofmusoum zu Wien und eine (ie- 
brauchspfeife (G) im Museum für Völkerkunde zu Berlin, 
ein GuHchenk des Herrn I>aiidsc)iaft«malera Karl Uenike 

Alfred Benieriuiy, IMstoihi phydiiue, <^<>noiiih|ue 
et poHÜque du l'araguay. Bd. I, p. 370. I^n« I8ä0. 



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I>r. Thvo«inr Kooh: Dur Parudics|(urten ala Scbüitzmotiv <]or l’uyHgun-Indianur. 



i« Stvglilz, <l<*r mehrerp .labre lang Studien halber Sild- 
litiiurika, bosoudera Paraguay, bereiste. 

Zwei der im „Etbiiologiscben Noti/blnlt“ beschrie- 
benen Pfeifen A (Ijiv.-Nr. V(\ 28? und B (luv.-Nr. VC. 



Uit 

Den geistreichen Ausfübrnngen Steinen.n, die eiuu 
einwandfreie Deutung tnUssen. entnohme ich folgendes: 
Auf A (Abb. 3) erbebt sich nl!» hohe Caranday-Pulmu 
der Baum der Erkenntnis mit zwei oTalen Krdrbten. 




Al»»>. J. 

Tabakpfeife II der Payagud lult eingelegten StDckehen 8plege1. Schnitzcrri: Ti> re de» PurMdteseK 




llöO) Stullen lange ('ylinder dar: A länger und dünner, i 
44.ncm lang» 4 cui Durchoi., — B kürzer und dicker, . 
30 cm laug und 1 cm Durcbm. !)ie kleine l’feife (' 
iInv.‘Nr. VC. 29) ist flacb und rund, nur 10cm lang 
und mitst 3.5 und 5,n cm im Querschnitt. Bei ist das 
2 cm lange Mundstück pfluckartig ungescliiiitxt: bei B 
)»usteht US in einem eiuge- 
scbobenen Bambusrohr und 
mifst 4,7 cm in der Lünge. 

Bei C fehlt das Mundstück. 

ist an den beiden 
Kudeu mit einem Kranz 
Tun platten Messingnägeln 
verziert. Fiuu Anzahl Nügel 
sind auch Terteilt. über »lie 
Schnitzerei. B zeigt da- 
gegen in regelloeer Ver- 
teilung über dem lylinder- 
luantel 14 eingelegte, recht- 
eckige Stückchen Spiegul. 

FigüilichesSchiiitzwerk, 

.Menschen und Tiere be- 
kannter .\rt neben ge- 
nchwAiizten Menschen und 
fal>elbaften Schlangen und 
Baume darstellend, be- 
dei'kt die Pteifen und hebt 
sich Tun dum belJbrauueii 
Dnindu sehr scharf ab, 
wthl die festen und tiefen 
Schnitte durchgftngig mit 
vreifsem Thun ausgufüllt 
!«iDd. 

Die Wiedergabe Tim 
Bäumen inufstc dem mit 
der btlflenfleii Kunst «ler 
Indianer Vertrauten »ofurt 
als dem Indianer fremd 
auffallen und brncble zu- 
erst Karl T. d. Steinen auf 
den (feilankeii, dafs diese 
Schnitzereien unter euro- 
{mischein Kiuflufs eiitstan- 
»len suiüu. Bei nÄbeier 
IhUrarhtiiiig und nach ein- 
gehender Vergleichung ilur 
Stücke untereinander ge- 
lungtf er zur Cberzeu- 
guog, „dafs auf den Pfeifen 
das alttestamentlichu Para- 
dies . dargostellt sei- aller- 
dings in einer un- etwas 
seltsam berührenden Art 
und Weise“. 



Hechts sitzt Ktb; sie greift mit der linken, roll eus- 
gespreiztun Hand in der Richtung der P'ruebt. während 
sie die rechte esspud zum Mund führt. .4uch zwei I.u- 
gUHtie wollen diu Früchte Terzehren. Wir bemerken 
andere Tiere des Paradieses; über den Leguanen links 
iin Gipfel der Palme einen KletteraHeu mit Kiugelschwanz, 
recht.« der Palme entlang 
einen stattlichen llirech. 
I'nter den Leguanen links 
erstreckt wich noch länger 
als der Hirsch ein rieüiger 
Skorpion. 

Vor allem aber sorg- 
fältig behandelt ist die Ge- 
stalt der Schlange, die 
den ganzen t'ylinder von 
ol>en bis unten in Win- 
dungen durchzieht. Sie 
ist deutlich als Fabelwesen 
iiufgufafst. Der Kopf mit 
der Torgustreckten Zunge 
trägt einen Busch Ton 
Federn oder dergl. — der 
fiuib ist mit uiuum wechseln- 
den Rauten- und Zick- 
/ackmusipr bedeckt und 
läuft in uinu gCHpaltoue 
SchwunzHosee aus; oben 
unter dem Kopf schon wir 
einen .\rm mit drei Klnuen- 
nngern und eymmutrisch 
dazu einen stark gefieder- 
ten FlQgul. Ein hochbei- 
niger Vogp-l mit gebolieiiem 
Flügel und langem Schiiahel 
hackt auf das l'iigetüm 
lüh. Kr erinnert im Ha- 
bitus an Dolichücephalus 
cristatuH, der nach Dobriz- 
liofter') -ein gctfchworunur 
Feind aller Schlangen“ isf. 
.\ls Gegenstück scheu wir 
auf der amleren Seite de> 
Schlungenküpfes ciuett lang- 
halsigen und itiicli sehr 

•) M. l»ot»rizhoff er. 
liu«rhichl< tier .\hi|s»ncr, .tu« 
dem I.Mi»*iiii«chun von A. Kruil, 
bd. I . S. 4.'<W. Wien 17 h:j. 
.Der Huri«, ein Vogu) in 
der (iri'l’w. eines t*torcli**j<, »»t 
t*iu gusenw ■>ruiier K*-iud :itler 
Helilniigen , er Uriiigt nie mit. 
dem Schiinhul um und frif»t 
*iu.‘ 



Ai>h. X Tabakpfeife A der Payagui. 

Mit Mi*ssuigrii«K^cl«i ts'!M*hlagcn. Aufg*'rnllte Sdmitzurei; tini 
jfst vom Munin im l'urudies. 



r~ 



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Alrli. 

AM., 4. TiilnikpMfi. r Iler l*«5»iruii. .\nri!.-i..lii. 
M lilill^.rri: il-r K«». AM.. .•.. Trink- 

liMfi- B iliT Pnjaitn« iiill i-lnifeli'irten MUckrhi'ii 
SpIrKi-l. Aiif;;.T..IIi.- S..linil/.-r..r Tl.Tr .1... I'imi.li.’».-. 
Ai.l.. In II. h. Tiilinkiifelfi. K iliT Pufnini«. M« .M..nMi.f 
..:il!..|M IIII.I Mii.-l..-li.’li !4|.i..i;..| i.l-li.-rl. AurpmlU. 
S..hi.ill...i..i: ■l'.iir..|-|...>liill..|i. rnllii.'. I•l.rnlll.■'ll.■l■■■. 

AM.. ►. Tulnkprelfi" B ller |•|^)Il|CUH. Aiiri;..r..ll' 

(.,.|.i.ilzn|...i: M lilHliu... Ilinn-h. Ai....|--tilinr iiM'-r 

— AM.. P. T«h»kpri.irr li iliT |•«)«ln^«. A.irf.i<.n'.- 
s..|iiiil/..tnl; lluiimi-. ri.-r.-. V..rf»ll .l.-» .Al..ti'- '..n l> 



(,', 0 . 1 .-! 




Iir. Tbendt>r Kooli: Der ParedteBgarteo als Sehuitxmutiv der Fttjtgua'ludiauer. 



121 




InugitchiiftbeUgeu StrauD, desMeti IdeiititAt durch duu 
Vergleich mit den anderen Pfeifen »ioher wird. 

Dam Merkwürdigste ist die Darstellung GuttVaterM 
über dem Baum. Die im Kreise rechtwinklig gebeugten 
Beine sind weit nach aufsen 
gestellt; in der linken Hand 
hAlt er eine über den Arm 
herabbängende Schlange hoch 
em|>or, mit der rechten Hand 
schwingt er eine zweite 
Schlange Aber dem Haupt; 

Gutt Vater ist der grofse 
Zauberer. Dubrishuffer*) 
sagt: »Zauberer" künneii 

(nach dem Glauben der Abi* 
pon) alle Gattungen Schlan- 
gen uidieschüdigt in die Hand 
nehtoen'*. 

Auf der kleinen Pfeife t' 

(Abb. 4), die an dieM*r 
Stolle zum Vergleicb beran- 
zuziohen ist. sehen wir das- 
selbe Motiv in schönerer und 
nwh verstÄndlicherer Auf- 
fassung. Gott Vater tanzt 
und springt wild umher und 
wirbelt zwei Schlangen durch 
die Luft, während eine 
dritte am Bo<leii liegt und 
Anscheinend eine rierU^ sich 
über der nebenstehenden 
(trup}H) windet. liier er- 
kennen wir deutlich den Akt, 
auf den sich die Aufregung 
des Zauberers bezieht und 
die ihrer auch wohl wert 
ist: Kva ist soeben ge- 
schaffen. Sie springt lustig 
empor von dem schliiff 
zurückliogoudcn Adam, der 
nebst <ler ganzen Situation 
durch vier scharf geschnit- 
tene. die zugekohrte Seit« 
diirchHelzende Rippen mit 
Sicherheit orkminhur wird. 

In der Lücke zwischen Gott 
Vater und Adam steht ein 
.straufs als ReprAaentant 
der I*aradiestiere, ähnlich 
wie in A. 

Kn fragt sich, wie die 
übrigen Figuren auf der 
Pfeife A zu deuten sind. 

Die geschwänzte Menschen- 
gestalt mit dem Hirtonstab 
in der Rechten kann, nach 
der langen, spitzen Zickzack- 
linie zu urteilun , in die sich 
sein linker, hoch geschwuu- 
genor .\nu verlängert, nur der 
('herubiui mit dem flam- 
uieudeu Schwerte sein. 

In dem kleinen Raum unter dem pHliiibaum und tu 
dem halh<>n Mafsstabe der übrigen Figuren steht, die 
Hände auf der Brust zutfniuinengeiegt, das Gesicht von 
einem strahlenden Fe<ierdiadem umgeben, mit einer Art 
Mantel Iwbungeu, eine luensrhliche tiestalt, die man 



wohl als ChristuK auzusprechou hat, der immer mit 
reichem Schmuck von den Indiuuern aufgefafsi wird. 

So bliobu für Adam nur die traurige Toufolsgestalt 
oberhalb der Eva übrig, die einen Schwanz mit einer 
Pfeilspitze trägt, mit den 
beiden dreifingerigen K lauen 
zum Herrgott hinaiifgreift 
und mit weit offeuem Muutl 
oder Maul zu ihm zu Npre- 
dien scbeiiiL Der Adam ist 



Mit 



Atüi. Oh u. «tb. 

Taliakpfelfe E der Pa;aguu. 

ingelegteii Stückchen Spiegel. AufgeroUte 
Si'linitzerei : l’araüie» ■ DarsteUung. 



also jedenfalls eine lebuiidige Illnstratiou zu dem Bericht 
Ihdirizboffers >•), „dafs die Abi|KHier den Teufel für 
ihren Grofsvater halten", und „nicht biofn tli« .\biponer, 
sondern auch die benaebbarten Moktdüs, Yupitabikas, 
Tubas, (^uaikurits und ander«* iHjritteno Nalnmen in 



•) Dobrizhoffer. a. a. O., II. Ml. **) Ih»brizh«*ffer. a. a. O.. !l, 112. U«. 

Globus LXXXili. Nr. ». 



rv by 



122 



l>r. Th«oilor Koch: llt'r Paradieng»rteii alt Scbnitznintiv der Payagua-Iiidlauer. 



('bucu i'Ulnnen «ich, Enkel de« Teufeln xti Bein“. — Gott 
Vater, K?a und der Adam der Xlauherexene haben 
keinen Schwanz. Sehr deutlich int mit diesem Schruuck- 
itthck wieder die einzitfu Figur der Pfeife H auBge- 
.ntattet. hört ist der Schwanz nm Knde aungozackt und 
tritt auB dem Mund die Zunge herror. beideei wie bei 
(ler PuradifMBchlunge ruu A. 

hie Pfeife ll (Abb. 5) iat orheblich roher in der 
küiiHtleriHchen Arbeit. Auch der Verfall de» Motiv« i»t 
ersichtlich. Wäre »ie allein erhalten, so hätte mau das 
Paradies wohl kaum erkennen können. Hier wird nur 
noch eine lose Andeutung von Tieren de» Paradieses 
geboten, und int die geschwänzte Meuschenfigur unklar, 
bleibt aber die ileziehung auf das Paradies docli sicher 
dnrch den Palmbauin und eine grofse dämonische Feder- 
Si'hlange mit guspuUcuem Schwänzende. IHe Tiere sind; 
neben der PHlnm oben Rochen und Strauls, darunter ein* 
ander die ßeiiie zukebrend .Ameisenbär und Jaguar (a); 
unter diesen ein zweiter Stniufs, desBen steifen ßeinen 
|b drei Zehen zugoteilt sind, i»nd noch zwei Säugetiere, 
eins (b) mit einem abwärts geboffenen Fuchsschwanz, 
das andere (c) wie eine Katze, abor kleiner als der Ja* 
guar. 

.Auch boi der Pfeife H (.Abb. 2) beschränkt sich die 
hiirstelluug, soweit sie auf der Zeichnung sichtbar ist, 
auf Tiere. Wir erkennen: Tapir, Alligator, -Scblange, 
Schildkröte und Vogel. 

hie künstlerisch und technisch besseren Pfeifen A 
und (' gehen auf den früheren .MiniBterresideaten Herrn 
V. Gülich und das Jahr 1864 zurück, die Pfeife ß ist 
1883 von dem Sammler Rohde erworb«*n wonlen. 

I>ie ßraunsohweiger Pfeife K (Abb. Ga u. b) lat leider 
Fragment. Vom oberen Teil ist ein beträcbtlicheH Stück 
abgebrwhen; auch M>nt(t zeigt «ie vi<de schadhafte 
Stellen, die mit »‘chwurzom Wachs verklebt sind. Aus 
»chwerum, diinkulbrauuem Holz, cylindrisch wie \ und 
ß, uiifst Bto jetzt in der Länge 23 cm; der !>urchmesser 
l>cträgt 4 cm. Pas Mundstück besteht in einem 2 cm 
langen, eingelassenen Holzröhrchen. Vereinzelte, uiiige* 
legte Spiegelstftckchen dienen als Schmuck. I>as die 
Mantelfläche VxHleckende Sebnitzwerk, das durch Aus* 
füilung der Kinschnittc mit weifsem Thon verhältnis- 
mät»ig deutlich hervurtritt, hat durch die Rettchädigiing 
der J^feife sehr gelitten, doch lassen «ich die haupteuch- 
licfasten Paradieatiere erkennen. IHe Ausführung der 
ßilder ist ziemlich roh. .Am st)rgfältigsten ist noch die 
(instalt der grofseu ParadiosBc-hlange behandelt , die au- 
ouheinund den ('ylindcr in seiner ganzen l,änge schräg 
durchzog. I.eiiler fehlt der Kopf. Hie llautzeicbnung 
i‘rinnert in ihren Hauten*, Strich* und PiiuktrmiHtern 
sehr an die Zeichnung der Schlange von A, wie über* 
haupt die ßraunschweiger Pfeife zur Pfeife A die meisten 
ßeziehuiigeii bat, wenn sie .sich auch mit dieser in ße* 
ziig auf Feinheit der .Arbeit nicht im entferntexten ver- 
gleichen läT-t. 

Von (lott Vater, dem «grofsen Zauberer“ auf A, der 
dort furchtlos mit zwei Schlangen operiert, scheint hier 
nur noch ein Arm übrig geblieben zu M>in, dessen drei* 
fiugerige Hand nach einer Schlange fufst, wahrend eine 
zweite mit gespaltenem Schwanzende «ich daneben win- 
det. Das rechts V4m der ersten Schlange liefindUrhe 
Gebilde, du« man auf den ersten ßlick für einen auf 
kindliche Weise gezeichneten Vogelkopf halten könnte, 
möchte ich nach einem Vergleich mit den Pfeifen ß und 
F als Kochen anspreeben. WeibT unten links vom 
Schwanz der ParadiesBchlange erkennen wir indem bein- 
lf*sen Tier mit Vogelleib an der Fleckeiizeichnung des 
Fellus nur schwer einen Jaguar. 



IHe oberen Figuren sind durch den Bruch unvoll- 
ständig und nicht zu identiHzioren. Wir sehen da ati* 
scheinend einen gekrümmten Tierschwanz, zwei mensch- 
liche Fülse von einem Spiegeistück uhgeseizt und einen 
bekleideten, menschlichen Rumpf mit nach einer Seite 
gelw)genen, langen, fufHloseii ßeineu, Rechts davon, 
unterhalb der UruchBtelle. finden sich zwei mit zahl- 
reichen runden Flecken besah* Tiorgestalten, von denun 
die linke mit langem Schwanz und langem Schnabel 
wohl als Vogel zu deuten ist, während die rechte, weitii 
sie auch Vogelgeetalt hat, nach den zwei spitzen Ohren 
zu HchliefKcii, analog dem Jaguar offenbar einen Vier- 
füfsler vorsteUeu hoII. Heiden fehlen die ßciDc. Ein 
Palmhauiii ist nirgends zu entdecken, doch üt es nicht 
unmöglich, dafs eine solche harxteilung ursprünglich 
wirklich vorhanden war, aber den mannigfachen Zer- 
störungen zum Opfer gefallen ist, zumal an dem breiten 
Wachspflaster Schnitzereien zum Vorschein kommen, die 
beute nicht mehr zu erklären sind. 

Wenn nun auch die Pfeife bei ihrer starken ßeschü- 
diguiig eine klare Pentung Ihrer Bildwerke nicht mehr 
znläfst und in ihrer rohen Ausführung bei weitem uicht 
an die schon bcschriebimen Pfeifen heranreiclit, bo bleibt 
diMsh die RHziehniig zum Parudiesgarten ersichtlich. Ja 
die Pfeife K kann als interessaute.s Beispiel dafür gelten, 
wie der iudiauitM^hc Künstler ein von ihm unverstandenes 
^fotiv der Vorfahnui — denn die ßraunschweiger Pfeife 
i.st sicher erheblich jünger als die Berliner Pfeifen — 
nnvollkommeri nachahmte und die eiuzelneu Figuren 
<aler auch nur Teile davon nebeneinander setzte, ohne 
ihre ßeziehungen zu einander und zum Gesamthihl zu 
ahnen. 

Pie Wiener Pfeife F (.Abb. 7a u. h), von der Herr 
Pr. Hein in den Mitteilungen der .Anthropologischen Ge- 
sellschaft in Wien (ßd. XXXI, S. 128 129, 1901) eine 
kurze Anzeige gebracht hat, befand sich ursprünglich in 
der kaiserlichen Schatzkammer und wunle im Jahr 1880 
aus der Ambraser Sutnmiung Ql>ernon)inen (liiv.-Nn 
10444). Im Inventar der Ambraser Sammlung war sie 
unter Nr. 36h der Gruppe XVI mit der Herkunftsangala* 
„Nordamerika** eiiigereiht. 

Sie ist ans schwerem, dunkelbraunem Holz gearbeitet 
und stimmt in der Form um meixteu mit der Pfeife A 
überein. Pie Länge l>eträgt 54,5 cm. der Purchmesser 
an Ijeideu Fmden 3,1, in der Mitte 3,5 cm. Kin 1 cm 
langes Mundstück aus lichtbruunem Holz ist am einen 
Ende eingekittet. 

IHe Mantelfläche ist wie bei den bisher behandelten 
Pfeifen mit schwach erhalH-nem Schnitzwerk verziert, 
das sich infolge der Einreibung des Untergrundes mit 
weitsem Thon scharf hervurheht. iHirch Einschnitte 
sind an Iteiden Enden je vier abscliliefHende Bänder ent- 
standen, die zum Teil mit ornamentalem Sebmuck ver- 
sehen und — besonders die um unteren Knde — reich 
mit Messingnägeln verziert sind. Auch der figürlichen 
Schnitzerei dienen eingescblageiie Messingiiagel und ein* 
gekittete SpiegelRcheibchen, die teilweise “chon Wschä- 
digt sind, als Schmuck. 

Bei dem Bildwerk, du« ('ine hohe kütiflileriscbe Yoll- 
eudiiug zeigt, fällt vor allem, im Gegensatz zu den an- 
deren Itekannten ITeifeii, das gänzliche Fehlen der 
Schlange auf, die besoiiderR auf den Pfeifen A und K 
durch ihre sorgfältige Ausführung sofort als die Haupt- 
sache hervor-licht Dagegen sehen wir in der Mitte 
den typischen Palmbaum — oder hier vielleicht, der Ge- 
stalt nach zu urteilen, eine Banane — mit Widerseits 
herabbäugendon Früchten, den Baum der Erkenntnis, 
und ebenso int das andere Getier des Paradiestrs 
rerhälinisniäfsig gut vertreten, worin die Parstellmig 




I^r. Th«*odur Kneh: f>or i’»r»dii^»^urten al« Schiiitffniotiv der I’aysfriii- Indianer. 



123 



»ich !<ebr der auf l'fuifc B nähert. Wir erkeniicti hier 
in trefflicher Ant«führun)? den Jaguar, kenntlich au 
der King* und Strichzeichnung Heiner Felle» und an 
meinen kiigelfürmigeu I>a» Maul i»t geöffnet 

und läfiit die ^«pitzen, flet-ncheuden Zähne »eben. Zur 
Kcchteii befinden »ich zwei Vugelgotrtult«n, die ein* 
ainler die Heine zukehren. IHe liiika mit aiiffullcnd 
langem ilalN und Schnul>el, kurzem, »teif in die Höhe 
gerichtetem Schwanz und rundem Leib könnte aH eine 
Art Storch gelten, wozu freilich die kurzen, zweizeiligen 
Heine nicht recht pUMveti wuUen. Hie re^^hte, nu deren 
langen, geknickten Heine» wir je drei Zehen zidilen, 
»teilt ihrem ganzen lUhitu» nach einen Strauf» vor. Her 
Terhältui<<iuif»tg dicke, runde, mit wallenden Federn be- 
deckte Leib, di© iriereckige Fon« de» zum Flattern er- 
hobenen, kurzen hlugele liiH»eii an dic:<er I^utung keinen 
Zweifel. Ähnlichen Vogelgewtalton hegegneten wir liereitt» 
auf den Pfeifen und H, während (' einen StrHufa al» 
einzige© Tier zeigt. 

l’nterhalb de» Strauf»«» auf Pfeife F bemerken wir 
eiiirii Vierfüts*ler, den wir auf den nreton Hlick al» Pferd 
anwprechen nidxaen. Hufe, Mäbiie und Schweif sind deut- 
lich erkennbar. Hippen und Hückgrat »ind durch Kin- 
«chnitte angegeben. Kiuechnitte an Kopf und Hai» 
deuten wohl die Zäumung an. Link.» und recht» Tun 
dem Palm»taoim fimlen »ich ein Itochen und ein kleiner 
Vogel, der mit erhobenem Fldgel zu »ebwirren scheint 
und Tiellmcht einen Kolibri darstellen soll, tlr »ebuint 
auf eine noch näher zu beschretbondeGextalt einzupicken. 
Weiter unten sehen wir einen anderen kleinen Vogel mit 
langen Heiuen. KonzentrUche Krei»u, Winkel* und 
Strichomameate »ind nur zur FUlluug da und haben 
weiter keine Hedeiitung. 

Ihi» MerkwilnligHte der ganzen Harstellung sind diu 
vier Teufel.Hgestalten, die al» solche durch jo vier Hörner 
und den in eine Pfeilspitze auslaufenden Schwan» deut- 
lich gekennzeichnet sind. IHe beiden oberen sind hinter- 
einander angebracht und zwar ao, daf» die linke mit 
weit offenem Maul um Hülfe schreiend vor der rechten 
zu fliehen .scheint, w’ährend die beiden unteren einander 
»cUrÄg gegenüber stehen. Bei dreien »ieht man hinter 
dem geöffneten Maul di© spitzen, ffetscheuden Z&hue, bei 
einer tritt aus dem Maul die Zunge mit Pfell.»pitz«nde 
hervor. Kinschniti« uni den Hai» können bei allen vier 
(testaiten als bandartiger .'Schmuck gelten; eine Kette 
■•eheint die Brust des rechten der beiden oberen Teufal 
zu schmöcken. Hände und Ftkf.se sind, soweit der Künstler 
die Zehen iint«;rschicden but, alsdreifingerige, spitze Klauen 
dargostellt. Bemerkenswert sind die KlumpfQf:*© der 
rechten olwren und rerhtou untureu Figur. 

IHe beiden unteren Gestalten stehen offenbar in feind- 
seliger Beziehung zu einander. IHe Unke scheint, dem 
weit offenen .Mau! und den aufgeworfenen Lippen nach 
zu »chliidsen, laut zu schreien und ängstlich mit den 
Hfineu zu strampeln. Wie liel dem .\dara auf Pfeife C 
sind auch bei ihr die Kippen deutlich erkennbar. IHe 
linke Hand, anscheinend zur Faust geballt oder mit einem 
banimer- oder axtahnlicben M'erkzeug bewehrt, hst wie 
zur Abwehr erhoben gegen die ihr schräg gegenüber, bei- 
nahe über ihr stehende Gestalt, IHeser in »einem Aua- 
seben wüsteste Teufel hält in der linken Faust zum Schla- 
gen bereit ein Instrument, das ich als eine zweiteilige, 
in dicke Knoten aungehende (teilsei deuten mucbie. Seine 
KlIenlMigen »ind mit scharfen Krallen versehen, wie 
die fiedermauBähnlieben Flügel unserer alten Teufels- 
bilder. 

Wie ist nun di»* dargeetellte Szene zu erklären? Wir 
sehen auf dein Bildwerk zwei feindliche Parteien: zwei 



teufelartige Gestalten werden von zwei anderen verfolgt 
und bedroht. Die ersteren haben, wenn sie auch aU 
Teufel dargestellt stad, doch weitaus menschlichere Züge 
als Uu'e Gegner, die mit allen cburakteriatischen .Attri- 
buten der HöUenbewohner ausgcgtattel sind. Sic sind 
auch trotz ihres befremdenden Äufaeren als Menscb»*n 
aufziifas.sen. F^r^clieint nicht auch der Adam auf Pfeife 
\ in Toufelsgestalt? Tragen nicht auch der Cherubim 
in A und di© Mcnscheiifigur in B einen Schwanz? 

Ich möchte aumdiiiien, daf» allen diesen Darstellung»*!! 
ouf den Medizinpfeifen der Payagua wirkliche Bilder als 
Vorlagen gedient haben, die die Missionare den Indianern 
tu der Kirche und im rnterriebt voi-Tührten, um möglichst 
anNchaiilich auf die Sinne ihrer IUegebcfohhmen zu wir- 
ken, Mittel, die die katholische Kirche noch heut«, be- 
sonder» in wenig von der Kultur berührten Gegenden 
unsere» Vaterland«», anwendet. Die Indianer ahmten in 
naiver Webe diese Bilder nach und brachten »ie auf ihr»*n 
Medizinpfeifen an, weil »ie sich von ihnen natürlich eine 
ganz besonders stark« Wirkung ver>«pracben. 

So sehen wir auf der Wiener Pfuifo (F) die (juat»*ti 
und Scbrtfcken de» Unglaulien» realistisch dargestellt. 
Die Ungläubigen, in den .\ug»?n der Missionare „Söhne 
de» Toufobi**, treten al» »oirbe .»elbst in Teufelegeslolt 
auf un»i werden von wirklichen Teufeln verfolgt und ge- 
martert. Der Paradiesgarten ist von dem iiidinnischen 
Künstler guwissenuafson nur als Staffage, als fkekoratioii 
verwendet, wie ja auch die Haupt[H.*rsun darin, die Schlange, 
hier fehlt. 

JedenfaU.'i aber haben wir es bei F mit «iii»*m durch* 
au» christlichen Motiv zu thuii, das dem Ursprung und 
der ßodoutuug nach eng verwandt ist mit den Dar- 
stellungen, welche bereit» beschrielien sind auf den an- 
deren Pfeifen. 

IHe vierte der von Karl v, d. Steinen behandi^lteii 
Pfeifen gehört der Rohdeschen Sammlung im Berliner 
Museum für Völkerkunde an und ist eine klein»*, ge- 
wöhnliche GebrauchRpfeife I) (Inv.-Kr. V(*. 936; .\bb. 8) 
von cylindrisoher Form, Gern lang uml 2,5 cm Durcimi. 
mit einem 1,9cm langen, angt‘»clinitzteii .Mundstück. 
Fine bildlich« Dar-tellung ist in feinen IJuieu ringHum 
einge»chnitten und oben und unten durch ein ornamen- 
tales Hundband abgeschlossen. Kine hohe Fiederpaltne 
und zwei kleinere Fächerpalmcu stehen iu einigen Ab* 
»tänden; unten spazieren auf di« llaiiptpalme zu von 
der einen Seite ein Ameiseubär, von der anderen Seite 
ein Hir»ch. Alle» die» steht untereinander in richtigem 
Verhältnis. Aber eine mächtige Schlange, deren Schwanz 
neben dem Palmbaum senkrecht bi» zu Boden bängt, 
und di« sich mit ihrem I.osib huch über eine Fäcberpalme 
hinillierwölht, schnappt mit geöffnetem Maul nach dutu 
Hirach herunter. Immer sind also noch di»j Be.wtaiidteü« 
de» Paradie»mutiv» erhalten, aber »ie »ind schon zu 
ueiieni Sinn verwenilet. 

Die Ocnike«che I’feife (G) üu Berliner Museum für 
Völkerkunde (Inv.-Nr. VC. 2360a; .Vbb, 9) iat ebenfall» 
ein« gewöhnlich« Gebrauebspfeife au.» dunkelbraunem, 
schwerem Holz cyUndrisob gearbeitet, .'V cm lang bei 
2,7 cm Durchm. Da» Mundstück fehlt. IHe Kinschuitte 
du» diu Mantclffachu bedeckenden, ^chwacb erhabenen 
Bildwerke» »ind mit w«if»«ni Thon eingenebeu. l)a.» 
unten abscbliefsuude Rundband ist ebenso ornamentiert 
wie auf Pfeif« D. 

Die Darstellung zeigt deutlich den Verfall de» Motivs 
auf Pfeife I), die off«*nbar G al» Vorbild gedient hat. 
Statt der Fiederpaiiiie »eben wir hier einen vielverästel- 
Uui Baum, auf den von der rechten Seite «in fuchsartigea 
Tier mit buschigem Schwanz zurennt, während ihn zur 
Linken «in tr«flli»*h gez»*icbuet«r Uir»»‘h v«rl&f*>t. IHe 




124 



Pr. Hehrens: Pi« We»«r. 



eilt« FAcberpalnie ist, wenn auch aJ« «olche kauni kenut' 
lieh, noch vorhnnrien, von der anderen dn^^Hi^cn ist nur 
ein (trABbüsrhe) übrig geblieben. Die Schlange int 2 U 
einem rein ornamentabni Band gewurdeii, dax sieb in 
«teiler Wölbung über der FAcberp&line hinzieht. Beide 



F.itden wind breit auxeinaudergubogeti, eine Krinoeruti^ 
an dax geöffnete Maul der Schlange auf P, da« eich hier 
' verdoppelt hat. VoUend« unverntanden eracheint die 
Wiederholung dies»«* Schlangenhandes in umgekehrter 
' I.age am uberun Rund der l'fetfe. 



Die Weser. 

Eine liy<lrograi)tuiiclie Darstellung auf Grund des von dein )ireufsisclien Wasser- 
ausschuRse lierausgegebenim Weser-Kins- Werkes. 

Von Pr. Behrens. Branuschweig. 

II. (Schluts.) 



Da« Gebiet der mittloren Wetier umfatst das KinzugN' 
gebiet aller SeitenzuRüHM der Weser, die zwischen der | 
Weaereeharte und der .Vllermündung binzutreten. . £« 
besitzt eine (rrundrifsHüche von 3l3H<{kin, die fast vnll- 
stlndig dem Fluchlaude angehört. Nur im Süden wird 
es von grölseren Krbebungen begrenzt, und zwar östlich 
der Weser durch die Weserkette und westlich de« Stn)ines 
durch das Wiehengnbirge; davor breitet sich im Osten 
das Aller-We«er>Fiacblaod aus, in dem nur einzelne ge> 
ringe F.rhehungen vorhanden sind, und im Westen die 
Minden-IHiipholzer Ebene, die im Norden durch die nord- 
westdeutsche Bodenscbwelle abgeschloNMen wird. 

Per Strom besitzt auf dieser Strecke eine sehr starke 
Kntwiekelung, die bet 12H,3km Fauflfinge und 79,Hkiu 
Entfernung in der Luftlinie ÖO.H Proz, lietr&gt. Noch 
stärker ist diese Entwickelung auf der Streck« unterhalb 
der Mündung der Grolsen Aue, wfibrtMid sie iu der ober- 
sten Strecke auf 1 4,6 Proz. sinkt. In dem Matse, wie di« 
Entwickelung zunimmt, vermindert sich andeivrseits das 
Gefälle. Teilt man den I^auf des Stromes in zwei Ab- 
schnitte ol>«r- und unterhalb der Auemündiing, so bat 
die ober« Strecke ein durchKchnittUcbe« Gefälle von 
0.273 pro Mille (1:3665), die unten» ein solches von 
0,IM9 pro Mille (1:5303). 

h4ne ausgeprägte Thalbildung findet «ich an der 
mittleren Weser nur auf der obersten Streck« bis unter- 
halb Ovenstädt; dann verRncht «ich da« Thal, indem es | 
»ich nach beiden Seiten zu weiten hlbenen nnsdehnt. 
Erst unterhalb Liebemtu macht «ich durch da« ileran- 
treten der nordwestdeiitscben Brnlen schwelle eine schärfere 
Begrenzung des 'l'hales bemerkbar. l>er Boden inner- 
halb derThalHirecke bis Ovenstädt besteht fast durchweg 
au« Lehm, der «ich auch weiter unterhalb vielfach findet. 

I nter den nicht unter 1,5 ui mächtigen Lehmschichten 
ist feinsandiger Grand vorhanden. THo Stronisohle ist 
meist mit wandernden Geschieben befleckt. Eine be- 
deutend« .Anhäufung von Geschieben bilden di« Liel>e* 
nauer Steine, mehrere au« grobem tieschieb« be«tt>heude 
Riff«. 

Pa auf der rechten Seite der Weser die Wasaerscheide 
uur io geringer Entfernung vom Strome binzieht, so 
können aich hier nur wenige gröUere Bäche entwickeln. 
IHe Itilckehurger Aue entspringt auf der kleinen lioch- 
Räch« zwischen dem Wesergehirge und dem Grofsen 
Süntel ln etwa 270 m Höbe. Ihr Gefälle beträgt auf 
ihn>m 45,5 km langen Lauf im Mitte) 4,18 pro Mille 
(1 : 193). Nach starken RegengösHen und bei plötzlicher 
Srhneeschmelze fliefscii die WusseriuaHsen «ehr «cbnell 
aus den oberen Strecken ab und Qber«chwenim«n da« 
Thal in den gefällsarmeii Strecken. Per Meerbach 
(Meerhecke) Riefst aus dem .31,0 qkm grofsen Steinhmler 



Meere ab und durchzieht eine breite, bruchige und moorige 
Niederung; er mündet l»ei Nienburg in die Weser. 

.Auf der linken .Seite des Stromes, wo da« Nieder- 
«cklagsgebiet viel ausgedehnter i«t, findet sich der einzige 
grotsere ZuRuf« der mittleren Weser, die Gn>fse .Aue, die 
ein NiiHlerschlagagebiet von 1441 qkiu besitzt. Pas Ge- 
fälle der Grofsen Aue ist ziemlich stark. Pa« Thal des 
Wa««erlaufs i«t im allgetueiiien ziemlich breit und (lach, 
«tellenweiae ganz oder nahezu versumpft. Pa« Bett der 
.Aue ist in das Thal mir wenig emgeschnitten, näher nach 
der Mündung zu nagt sich der WasNerlauf indessen mehr 
und mehr ein. IHe Sohle de« Bettes besteht meist au» 
feinem. Ntellonwei«« moorigem Sand«. 

PasGebiet der .Aller gehört in «einem südlichen Teile 
dem Gebirge, iu seinem nördlichen Teile dem Flachlaiule 
au. Pa« ganze Allergebiet umfafst eine Fläche von 
15 504 qkm. davon entfallen auf die beiden gröfsten /.u- 
Rüsse der Aller, nämlich die Oker und die 1/cine, 1902 
und 6.512 qkm. während der gröfste NebenRufs der Leine, 
die Innerste, dieser ein Gebiet von 1235 qkm zubriiigt, 

Pie auf Helmstedter Höhem in F.ggenstedt cut- 
springeude Aller durchRiefst auf ihrer ol>erst«n, im 
allgemeinen uordnorfiwestlich gerichteten Strecke die Aus- 
läufer der Harzer Vorberge, tritt dann aber bei öbis- 
felde vollständig in da« Flachland ein, indem sie hier 
noch Nordwosten um«chwenkt und nunmehr ohne wesent- 
liche Änderung dieser IGchtung der Weser zuRiefst. di« 
sic unterhalb Verden erreicht. 

Trutz dieser einfachen Orundrif«go«taltimg ist die 
Fmtwickeiung de« Flufslaufs nicht unb(^deutend; sie be- 
trägt Für den ganzen 262,9 km hingen Flut« bei einer 
Fntferriiing zwifcbon (Quelle und Mündung in der Luft- 
linie von 171,0 km .53,7 Proz., während sie an dem .56,1 km 
langen Oberlauf, der bis zum Eintritt in den Pröuiliiig 
bei der I i rafliorstor Schleuso reicht, 30,5 Proz., in dem 
89.6 km langen, hi« Celle reichenden Mittelläufe 41,8 Proz. 
und in dem 11 7,2 km langen Unterlaufe 64,4 Proz. be- 
trägt. Diese recht beträchtliche Eiitwickelung, nament- 
lich des Unterlauf«, ist auf die vielfachen grötseren und 
kleineren Biegungen, die der Fluf« macht, zurückzuführen. 

HlnHiohilich de« Gefälle« der Aller kann man drei 
verschiedene Strecken unterschuiden, di« in «ich ziomlicb 
gleich bleiliemles Gefälle behalten, gugetuunander aber 
recht verschiedenartig sind. Pie erste Strecke umfafst 
nur die (juell«trecke. die ein PurchschaitisgefäUe von 
18,3 pro Mille (1 : 54, .5) hat, die zweite Strecke den 
übrigen Teil dos Oberlauf« mit einem Purchschnitta- 
gefülle von 1,42 pro Mille (1 : 707) und di« dritte den 
Mittel- und Unterlauf mit einem Purchschnittsgefälle 
von 0,234 pro Mill« (1 : 4280b Unt4*rba|b der Oker- 
niündung zeigt sich eine gröfscre Abweichung von dem 



d by ^ 



Pr. Bohruiit; Pio Weaer. 



125 



PurchHchuittMiKefilUo. da e« !<ich hier auf 0^374 (1 : 26HO) 
«teigfirt. 

Dan 'rba) der Aller ist mir an Lbrem Überläufe euger; 
doch Hiud auch liier die Thalwünde im nllgeiiieiuen nicht 
Kt4«il gebÖM'bt. Nach Kintritt den l'luxeee in daa Flach- 
luiid breitet Hieb dan Thal weit au^. Im Norden wird 
ea durch die Fünehurger Heide hegrenxt. Nur au 
wenigen Stellen tn*teu uinaelno Aunläufer bis hurt an 
den Fliif»> heran und bildun daun uted abfallende Huch- 
iifer; meiut ziehen «lich dagegen am Fuf.«e der Heide buh- 
gedehnte Moor© hin. Im Mittel- und Fnterlauf© werden 
die lifer vielfach von dünenai'tigen, sandigen Erhebungen 
begleitet. 

Phh Hett der Aller iit in ihrem Oberläufe in leichten : 
l/chni* oder Sandboden tting•^chuit(cll ; die Sohle dee Hettes 
liesteht hier meFt uuu Sand. Nach dem Einii'iti de»; 
FIuKBe« in den l^römling durchschueidot er Mourhodeu, 
doch findet mau auch hier auf der Suhle Saud. Weiter 
nnterhalh, wo der Thnlboden sandig wird, bestehen Sohle 
und l'fer mei«t aus Saud, doch ist auch Kies vorhanden. 
In der Nihe der Mündung wini da» Bett an zwei 
Stellen von Ortateiuhänken durchquert. 

Pie Zuflüsiiie des Oberlauf.» sind, da hier daa Nieder- 
schlagsgehiet zu hehlen Seiten des Waaserlaufa Verhältnis* 
mittsig schmal iai, ziemlich uuhedeuUmd. Xueh dem 
Eintritt in den Prbmling nimmt die Aller eine Anzuhl 
von' kleineren Wasaeriaufeii auf. die von den aüdlicben 
Höben kommen. Nördlich zieht die Wasserscheide ao 
nahe am Flusae entlang, dal» hier kein nennenswerter 
Wassorlauf entetehen kann. Ent weiter in der Lüne- 
burger Heide iat Gelegenheit zur Entwickelung gröfaerer 
Wasseriäufe gegeben. lK>r grötstc nördlich einmüudende 
Seiteuzufiiits der mittleren Aller int die Lachte. 

Pi« bei Müden einmüudende Oker bringt zu deui bi» 
<lahin IhSlqkm groPen Gebiete der Aller einen Zuwach» 
von 1902 qkm; sie ül»ertrüTt also den Hauptlauf nicht 
unerheblich an Fläche. Ihr Gebiet reicht zudem bU in 
die höchaten Teile de« regenreichen llarzo.s hinauf, uo 
daf» ihre Waeserma^seu einen wesentlichen EinFluru auf 
di© Waöserfilhrung der unterhalb ihrer Mündung ge- 
legenen Alleretrecke nuȟht. 

.\1» eigentlicher (juellbach der Oker kann die Grofae 
Oker angesehen werden, die am Fufsu des Bruchherges 
im Oberharze in 839 m Hohe entsteht. Indesoon wird 
dieser Quelllmrh »ehr bald durch den Pammgraben ab* 
gefangen, der das WasHser einer gröfseren Zahl vun 
Sammelteicheu, dio im Gebiete der Innerste liegen, für 
den Bergwerks- und lliittenbetrieb zuführt Pie Grotse 
Oker vermag daher nur hei stärkeren Hegonfällen Wasser 
an die unterhalb gelegenen Strecken abzugelien. 

Pu die Oker schon in ihrer Hurzstrecke dio Nord» 
riebtuug aufnimmt, ho ist ihre Entwickelung trotz vieler 
kleinerer und grutserer Biegungen nicht gerade »ehr er- 
heblich. In dem bi» zur hlckerbachmündung reichenden 
Oberlaufe, der eine Länge von 42,1 km hat, Iwträgt sie 
40,8 Proz. der Länge der Luftlinie, im .52,9 km langen, bi.» 
zur Schunterroündung reichenden Miticllaufe 52,4 Proz., 
im 30,2 km langen Futerlaufe 45,2 Pruz. und für den 
ganzen 125,2 km laugen Lauf der ttker 49,9 Proz. 

Aiifserordentlioh stark ist das Gefälle de» hlusses im 
Oberlaufe, das hier auf der Strecke bi» zum Austritt aus 
dem Harze im Purcbechnitt 31,0 pro Mille (1 : 32) be- 
trägt; noch stärker ist ©» aber in einzelnen kürzeren 
Strecken, wo es bi» nahezu auf MQ pro Mille Mteigt. .\uch 
in deui Vorlamie den Harzes ist ea zunächst noch immer 
recht beträchtlich, vermindert aich aber später erheblich, 

.so duts es im Mittet- und Unterlaufe nur noch eine GrotH© 
von 0,491 und 0,4ÖI pro Mille hat. j 

Im Harze ist da» ttkerthal schmal und von steilen . 



Wunden eingefurst; dabei iiimmi die Tiefe nach dem 
Harzratidu zu, so duls di© Thalsohle hier atelleiiwidse 
bis zu 400 Ul unter den heiiachbartcii Ku)q>vn liegt. 
Nach dem Austritt aus dem Harze erweiU’rt »ich das 
Thal sofort erheblich und flacht »ich auch ganz ht^deutend 
aus. IHe Sihle i«t hier mit SchotteriiinsRen bedeckt. 
Weiterhin in den Harzer Vorbergen weitet sich du« Thal 
mehr und mehr uua und geht bald unterhalb Bruun- 
Hchweig völlig in diu Kbime über. Pa» Flufaliett ist 
dabei im Harze meist in das feste Gestein eingesebnitten 
und mit gröberem (ierölle überaät. In der folgenden 
flacheren Strecke liegt das Bett durchgehends in Schotter- 
ablagerungen, in denen es sich vielfach verzweigt, auch 
1 mancherlei Veränderungen ausgesetzt ist. Bald unter- 
halb Vienenburg Itewegt »ich der Flufs in atifgeschwemni- 
tem Bmlen. Samlahlagerungen kotiiineii aber erst tu der 
untersten Strecke des Flusses vor. 

IHe meisten der aus dem Harze stammenden SeiUn- 
gewässer, unter denen besonders die Uadau, die Ecker 
und die Ilse zu nennen sind, kommen ebenfalls mit starkem 
Gefälle aus dem Gebirge und bringen in <la» nrimittelbiir 
am Harzftilse gelegene Vorland grnfseru Geröllmassen 
mit. Pns gröfst© dieser Wassuriäufe , die Ilse, die ein 
Nicderschlagsgubiet von 2H3 i|km besitzt, mündet erst 
weit unterhalb, nachdem die Oker schon lauge da» Ge- 
birge verlassen hat, ein. In der unterhalb der llse- 
mündung liegenden Strecke mündet zunächst nur eine 
Reihe uiihedeutender Seitenzuflüsse in di« Oker ein. Erst 
liei Beginn des Unterlauf» tritt die Schunter mit einem 
Nii«dorBchlagsgehiet von (i03 qkm hinzu, die aufdortht- 
seito des Elm, »ödwe.stlich von Rubku enUpnngt. 

Per unteren Aller Riefst von der Lüneburger Heide 
eine gau/e Auzahl gröfserer Waseerläufe zu. Pie wichti- 
geren unter diesen sind die Ortze mit 077 qkm, die 
MeiPe mit 339qkm und die Böhme mit ni2qkm Nieder- 
schlagsgehiet. Pie hintwickulung dp» 60,0 km langen 
Laufe» der Ortze betragt 43,2 Proz., da» durehKchnitt- 
liehe G. fiille 0,80 qro MiUe (1 : 1250). 

Auf der linken Seite iiifindet gleich bei Beginn der 
unteren Aller dieFuhse, ein nicht unbeileuteiider /uflufs, 
in den Hauptlauf. Pas Gebiet der .-Mler erhält dadureb 
einen Zuwachs von 1257 qkm, aPo von mehr als einem 
Vierlol der bisherigen Fläche. Ba die F^uhso fast ilurch- 
geheuds flaches Gtdiiet entwässert, so ist ihre Einwirkung 
auf den .\hflufsYurgang der Aller trotz ihrer GröPe nicht 
Wdeutend. !>er FluPlauf zeigt im einzelnen die Eigen- 
tümlichkeit, daf.H er au.» einzelnen Strecken zusammen- 
gesetzt ist, die vorwiegend nach Nordwest und nach 
Nordnordost gerichtet sind. Pa» Thal der F uhse ist sehr 
wenig auHgeprägt und in ihren tiefsten Teilen meist mit 
Wiesen be<loekt. Daa (tefalle Pt nur in den ohemi 
Strecken, wo es durchüchnittlich 1,35 pro Mille (1 ; 742) 
beträgt, etwa» kräftiger, nimmt iw den unteren Streckoii 
alter auf 0,537 (I : 1860) ah. 

Per grötste ZufluP der Aller, die Leine, besitzt ein 
Xioderachlagsgebiet von 6512 qkm. Pie Breite des Leine- 
gehiotfl ist im Hllgemeineu ziemlich klein, nur im niUtlere'ti 
Teile int die Breite grofser. Abgesehen von der Rhuuie 
und der Innerste sind daher die Seitengewäsoer nicht 
»ehr bedeutend. 

IHe (Quelle der Leine liegt auf dum Eichsfcld« hei 
I>einef©]de in einer Höbe von 340 m. Viele kleinere 
Schleifen und Krümmungen und einige grolse Biegungen 
verlängern den Wasserlauf erheblich. Pie Entwickelung 
für den ganzen FliiPlauf beträgt Imi einer Laufläuge von 
279,4 km 75,9 Proz., während sie in der oliersteii drucke 
von dert^uellu bi» zur Biegung bei .\reDshausen 24 Pmz. 

I und in der untcr»ten Strecke uiiterhaUi der -Vue- 
, mündttng 90,1 iVoz. iKdrägt. Pa» Gefälle nimmt dubei 




12 « 



l>r. HehrHna: I)ip Weipr. 



im allgemeiiuni ziemlich rvgeluäfHig al>, da w ^icb auf 
der 79,2 km langen Strecke von der (Quelle bi« zur 
Ubuiueuiilmiimg, al«o iin Oberlaufe auf 2,00 pro Mtlie 
(1 ; 3*11), in der folgenden 107,1 km laugen Strecke des 
Mittellaufs bis zur Ihmemtlnduug niif 0 ,'iBh pro Mille 
(1 : 1760) uml in der 92,8 kut Iniigen Strecke des UiiWr« 
lauf« nur noch «tif 0,'2H0 pro Sülle (I : 3r»70) belSuft. 

In der o)»ersten Strecke der I.eine bU Arenshaumen | 
bin ist das Thal zwar nicht breit, besitzt aber ziemlich I 
flache Tbalwönde. Von Ären«hausen ab tritt der Flufs ! 
sodann in die weit« Göttinger Sänke, die in ihrer Sohle 
/war zienilicli breit ist, aber durch diu ThalwAnde recht 
scharf l>egrenzt wird. I'ntcrhulh <ler Rhume zieht eich 
das l'hnl an TcrschiiHlunen Stellen etwa^ zueamtuen, an 
dou engsten Stellen auf 300 ui. Nach Norden hin er- 
weitert es sich dann wieder und geht Hchliefslirh in die 
Kbeau über. 

l>es Rett ist im allgemeinen nicht sehr tief in die 
Thalsnble eingeschniiten, erst von der lunerstcmundung 
ab bat es höhere* Cfer. Die Tfer bestehcji hier wie auch 
weiter unterhalb aus aufgeschwemintem Hoden. 

Das Niederachlagsgebiei der unmittelbar zur Leine 
entwässernden Wa^serläufe ist an der oberen Strecke 
ziemlich klein. Hi.s zur Kinmutidung der Hhnme, also 
im Oberläufe, erlangt daher die Leine auch erst ein 
Niederschlagsgebiet von 993 qkm. l)ie RLuuie, diu hierzu 
eine it(d>ietsflächu von 1175 qkm htuzufügt, ülH!rtriflt 
demnach mit ihrem Gebiete daa bis hierher reichende 
Leinegubiet ganz erheblich an Fläche. .Vufserdem besitzt 
die Rhuine sehr reichliche Speisung aus ihrer Quelle und 
durch die vom Harze kommenden Seiteugewässer, so dafs 
ihre Wassenuassen in dem .Ahflulsvorgange der Leine 
eine nicht unwesuntliche Rolle tipielen. 

Die Ouello der Rhume liegt in einer Soitentschlucht 
des Rüteiibergs bei Hhum'*priiige in 160 m IlÖhu. Die 
Kiltwickelung de» Flusses ist wegen der vielen gröfseren 
und kleineren Krümmungen nicht unerheblich; sie l>eträgt 
für den ganzen F lnfs 1>ei 42,7 km I>änge 42,8 Hroz. Das 
Gefälle, da» sich im ganzen durchschnittlich auf 1,17 pro 
Mille beläuft, ist dagegen nicht sehr bedeutend. Die 
bedfuttiudiütuu Zuflüsse der Rhume sind die Oder und 
Söse, diu mit sehr starkem üefäUe aus dem Harze kommen. 

Von dou zuiu Mittelläufe der Leim* gehörigen Zu- 
flüssen hat gröfsere Uedeiitnng nur die auf der Hoch- 
fläche des Solling» entspringende llnie. .Sie erreicht die 
Leine unterhalb Kinb<s:k. Ihr Gefälle i»t recht betracht« 
lieh und steigt im SuUtng sogar bi» auf 25 pro Mille. 

Dor gnifste ZufluU zur Leine, die Innerste, hat ihre 
(Quelle im südwestlichen Teile des OherliArzeH in der Nähe 
von Klaiisthul. Ihr Gefälle ist innerhalb des Harze» sehr 
stark, da es von ilirer (Quelle bis znni .Austritt ans dem 
Gebirge 12,7 pro Mille (l : 78) beträgt« Hei Langels- 
heim tritt diu luuurste in den Salzgau ein. <leti sie durch 
ila** Kugthal bei HaddeckeustiHlt wieder verläfst. Auf 
dieser Strecke ennätstgi sich ihr (iefälle auf 3,07 pro 
Mille (1 : 326). Der gröfste Zuflnls ist hier die Nette. 
Auf der untersten Strecke von Hildesheim ah vermindert 
»ich da» (iefälle noch weiter bi« auf 0,929 (I : 1080). 
Die hier eiumündenden Neherihäche sind dnrcliweg von 
keiner grotsen Ihsleutung. 

Unterhalb der KiumOndiiug der lnnei‘»te in die Leine 
bleibt zur Kiitwickelung von Wasserläufun nur Kaum in 
dem (iebiüte südwostlicb von Hannover, daa fast ganz 
durch die Sachseiihageiier Aue und ihre Nebeiihacbe 
eulwäs'crt winl. Das Niederschlagsgebiet ist 597 qkm 
grota. 

Zum unteren Wesergebiete gehören die (iebiete aller 
derieiiigen Wasserläufe, die unterhalb der .Allermündung 
in die Weser oiuwündeu. Da» ganze Gebiet umfalst 



eine Fläche von 7643 qkm. wovon allein auf die lluute 
2592 qkm und auf die l.<e8iim 2047 qkm »ntfalleu, ferner 
bat noch <)ie Gebtum ein (iebiet von 912 (}km. Üsilicb 
der Weser liegt ein grofser Teil de» Gebiete» in dor 
Lüneburger Heide, westlich der Weser auf der nordweat- 
deutschen Hüdeu»chwelle. Der Lauf der Weser wird 
innerhalb dieaes Abschnittes wesentlich vorgczeichuot 
durch da« rechtsseitige Höhenland der Lüneburger Heide, 
die »ich als Goestrücken mehrfach bi« an den Siroui 
hcrunzieht und ihn auf längeren Strecken begleitet. Von 
(fec.'tteiilünde ab fliefst der Strom in einem durch die 
Wirkung von Khb« und Flut mächtig erweiterten Hette 
durch da» Wattenmeer als .Aulseiiweaer nach Nordwesteii 
in da» freie Meer hinaus. 

IHe I.aufeDtwickeluDg de« Strome« von tler .Aller- 
mündung ab ist beträchtlich geringer al» in der vorher- 
gehenden Strecke de» Flachlandes; aie erlangt iu der 
unteren Weser hi» zur bremischen Grenze, wo ungefähr 
da» Tidegebiet beginnt, nur noch einen Wert von 45,7 Pro», 
und «iukt dann bis Klsfleth auf den Wert von 8,3 Proat. 
und von Klsfleth ab auf 5 Proz, Die Krümmungsverhält- 
iiisse sind in dem oberen Abschnitte bi» znr Tidestre<^kt• 
nicht weseutlich ander» al« an dem oberhalb gelegenen 
l^infe des Stromes; im Tidegobicte flndeu «ich dagegen 
nur an einzelnen Stellen oberhalb Hremen Stromkrüm- 
mungen mit etwa 400 ni Halbmesser, wahrend unierhal!» 
Bremen die Halbmeaser nicht unter 1000 in btnabgehen. 

Während da» Gefälle für die ganze mittlere ÄW«eir 
bei Mittelwasser im Durchschnitt 0,230 pro MUle (I : f 348) 
beträgt, sinkt ea an der unteren We.-er qlwrhalb de« 
Tidegehiets bi» auf durehschnittlicb 0,188 pro Milb* 
(1 : 5308). In der Tidestrt’cke ist das Gefälle infolge 
des noch nicht völlig vollendeten .AuHbunea des Bette.« 
noch in fortwährender Umge«taltung begriffen. Die er- 
inittelten Wert« haben daher auch nur vorübergehenden 
Wert. 

Die Stromufer liegen unterhalb der Allennündung 
meist vor jungen Anschwemmungen aus feinem Sande, 
während die höheren, älteren Ufer gcwülmlich an« mittel- 
«ebwerem Lehme, der auf Sand ruht, bestehen. 

Der weitaus grölst« Nebeiifluf« der uiiten*n Weser, 
die Hunte, entsteht auf der Südseite de» Huuptzuges de» 
Wielieugebirgi*» au» tnohrereii <)iie]ibScben und durch- 
bricht diese» in einem engen, scliluchtartigen Tbale. Sit* 
fliefst dann dem Dümmereee zu, aus dem sie auf .seiner 
Nord- und Ostseite mit mehreren .Annen austritt, die 
sich nach und nach wieder vertnnigun, so daf» der Flut» 
nördlich von Diepholz wieder in einem einheitlichen Bette 
fliefst. Kr erreicht die W'e«er bei KLfleth. 

Die Flufsontwickelung an der Hunte i«t im allgemeiuetj 
ziemlich grofs; sie beträgt für die Strecke von der (Quelle 
bis zum I^ümmersee 70,1 Proz. und in der darauffolgen- 
den Streck« bU Oldenburg 65,5 Proz. Verhaltnismafsig 
gering ist sie dagegen unterhalb Oldenburg, wo sie nur 
18,H Proz. beträgt. IH« groLe Kiitwickelung de« Flusse?« 
ist auf beträchtliche Abweichungen de« Laufes von der 
Luftlinie zuröckztifnhn'ii, nur innerhalb der Strecke, in 
der die Hunte die uuniwestdeutsch« BodeiiHchwelle durch- 
bricht, beruht die starke Kutwickelung auf der Bildung 
von vielen Schleifen. Da« (iefälle des Flu»»«» ist nur in 
der oberHten Strecke von einiger Bedeutung, e« beträgt 
nämlich 7.96 pro .Mille oder 1 : 126, bald nach dem Aus- 
tritt des Flusse» au» dein W iehengebirgo sinkt es erheb- 
lich und besitzt olierhalh und unterhalb de» Dümmeraee» 
nur noch die (iröfse von 0,100 pro Mille und 0,194 pro 
Mille; weiterhin nimmt e» zwar wioder zu, sinkt aber in 
der Tidestrecke des Flusse« unterhalb Oldenburg auf 
0,0,31 pro Müle (1 ; 29600). l^a» Thai der Hunte ist 
iu der (jucUstrecke ziemlich eng uud »teilwaudig und 




I>r. W. Ttugiel; Polnisohe Sftgsn anii der Provinz Posen. 127 

nimiut beim Ihirchbrnche durch da» WieUcuKobirgc | steht au« dem Zu!^ammt•nlllU>se der Wtlmme uud der 
schluchtnrtige (iet>t4iU an. I>er Flufs RiefHt dann durch f Hamme. Hie erNtere eiitwisRert Ton dem im ganzen 
ganz uftcnei^ (»eliude; uur, wo es die nordurostdeutMchc [ 2047 i|km grot^iou Niederscblagi»gebtete eine Fiftohe von 
Hodou!>cbwelle durchbricht, treten die 'I*balwftnde stellen- , 1572 i(km uud entspringt auf dem UCIckeu der Lüiic- 
weise hart bis un den FIuFh heniii. . burger Heide in der Nähe de» ^Vilsede^ Herges in 84 ni 

IHe bei V'egexack in dieWe^er mündende Lesum eui' Höbe. 



Polnische Sagen aus der Provinz Posen. 

Von Dt. W, HugieL Paris. 



Hie Provinz Posen wurde bisher von polnischen 
Folkloristen weniger als die anderen Teile Polens unter- 
sucht Desto willkommener scheint uns eine Schrift die 
von der Redaktion des in Posen erscheiueiidea „Dziennik 
Poznaüski'* unternommen wurde uud deren erster Band H 
uns Torliegt. ist dies der Versuch, eine Liste polni- 
scher Flurnanion aus der Provinz Posen zu geben. Über 
hundert Mitarbeiter halben am genatmten Buche mitge- 
wirkt uud mehr als 550 Ortschaften sind darin vertreten. 
Die Arbeit wird fortgeführt werden, denn die Redaktion 
verspricht un» einen zweiten Baud. 

Diu erwähnte Schrift ist in mehr als einer Beziehung 
belangreich. Sie gewährt vor allem Kinblick in die 
Formung der volkstöuilicberi Ortsnamen. Was uns al>ur 
Itesondurs darin aiigcht, ist die ziemlich beträcbtlirhe 
Anzahl der dort zum erstenmal veröffentiichten Sagen. 
IHeselhen sind mustergültig tuedurgeschrieben: ktmpp, 
aller Ausschweifungen bar. Wertvoll ist auch der Um- 
stand, dats sie aus der letzten Zeit k(»mniuii. Sie zeigen 
uns auf diese Art den gugunwärtigen Zustand des Volks- 
glaiil>eu.s in Preiilsisoh-Polen. 

Am zahlreichsten schweben die Volkvsagen um Seen 
und Teiche. Beinuhe jeder grötsere Se« birgt in seinem 
Schofse ein versunkenes Dorf, eine vcrauiik^'ne Kirche 
(»der weuigstuns ein versunkenes Glockenpaar. Jm Dorfe 
Ohm sieht man am Orunde de» dort b(»findlichen Sees 
Swietne (Swentysee) ein versunkene» Dorf; (ilockeii er- 
tönen iiu» di'mseibuu. IiiGultowy gab e» einst einen See, 
welcher heute schon ausgetrocknet ist; die Sage über 
von dem darin versunkenen Dorfe bat sich hi» heut« 
erhalten. Auf dem See von Malpino sieht mau eino 
kleine InseL an ihrem Runde »tand eine Kirche, welche 
plötzlich von den Wellen verschlungen wurde- Ka er- 
tönen In» jetzt Glocken au» dem Seegruude. 

.\hnlicbe Sagen beziehen sich auf den See Luhosz in 
Ijgöw, auf dm See in Grodrisko und auf den Kocielek- 
»ee in Wierzhno. Die Glocken der in den Wellen de» 
lutztereu begrubeiicn Kirche erklingen nur alle 25 .fahre. 
Auch am Grande de» Plulasia;» in Wluseiejewki befindet 
«ich eine Kirche samt Friedhof. Nur entstand hier der 
See erst, nachdem die l»eiden von der Krdo verschlangen 
wurden. 

Der Flufs Ohm bei Konten verschlang ebonfallK ein- 
mal ein Dorf. Au» der Stelle, wo da» Dorf »ich befand 
(die Stelle heifst »Itominikanergrul»«“), ertönen alle .lahre 
nm das Fronleichnamsfest Glocken. 

Der Volksglaube an Wassernixen existiert bei den 
Polen, doch finden wir in unserem Buche nur einen 
einzigen Beitrag zu deiiiselhun. Kr bezieht »ich eben 
auf (len Hutasoe. Wie der Gewährsmann. Herr Niego- 
lowski, l>ei'ichtef, „haben die Wassomixen in dii‘ Wellen 
diese» See» vieb; 1.4‘Ute verlockt**. 

Wobl aber enthalten die Seen ander» Wunderdinge. 
So z. B. taucht von Z(dt zn Zeit au» dem Kobienio 

') Wielkopolskie narwy (KÜne. l’iMen IVOl. 



I in Nowicc ein Kalb empor und ruft „Mama!** Wenn 
aber ein vorübergehende» Me[i»rhenkind das Kalb für 
I ein ersaufendes Tier nimmt uud »ich anschickt, <la»HeIli« 
au» dem Sec ZU zi»dien, so cirscheiiien auf d(?r VV'eUen- 
obcrflucht' riesige Hechte und zirrreifsen den WaghuU in 
Stücke. Solches traurige Los ist einer Bauernfrau zu 
teil geworden. 

I Vor Zeiten kamen die genannten Hechte (oft sogar 
ohne jedweden Grund) au» dom See, »chlüpfteu auf d(ai 
. Krdbodon und üb(>rfiuluD die vorübergehenden Fufsgänger. 

I Kin anderer See, oder eigentlich Teich, „Mnich“ (der 
Münch) genannt (Dorf Snicciska) beherliergt in »einen 
I Wellen einen (wahrscheinlich hülsenden) Mönch, welcher 
' jede Nacht aus d((n GowriBsem auf einem Rof-s eni{H>r- 
stuigt und dann den Weg entlang reitet. 

I Der Teich Karwiniec in Lagowo b«t „unlängst** eine 
andere Kigentümliclikeit. ln seiner Mitte befand »ich 
' eine mit Buschwerk uiidKrIen l»ewachseue schwiiuiuende 
Insel, die je nach dem WindKtofs sich bald hin, bald 
. kor bewegte. K» ist die» eine Parallele füi* die »chwim- 
' menden Inseln, deren einige schon z. B. Straho in seinen 
‘ ober Gallien handelnden Kapiteln nennt. 

. Von demselben Teiche erzählt man. daf» «r in unter- 
' irdischer Verbindung mit dem vier Meilen davon ent- 

i fumien So« von Osieczno steht. Es fielen einst zwei 
Ochsen hinein; »ie kamen lebendig und gesund auf der 
OherflSche des Osiocznasees zum Vorschein. 

In der Nähe von Schroda befand »ich zur Zeit der 
> Republik Polen ein ziemlich grofser Se», S/Jacheiu (lii»» 
• Schlachtzin) geuaunt. HeuU^* erstrecken »ich auf de«seii 
Stelle prächtige Wiesengründi*. .Vn da» .\blassen diese.» 
; S«ee knöpft sich folgende Volkserzähluug : 

: Vor vielen Jahren wohnte in I*ierzchno ein« ruichu 

' GutsheMitzerin. Kiitmal Itegab siu »ich zu Kahn nach 
! der Kirche im iiuheu lk>rf Nietrzanow. Während der 
; Überfahrt geschah ea, daC» ihr kleinu» TöchtcTlciii sich 
! zu »ehr aus ihmt Kahn TorDÜbtrbeugie und infolge dessen 
j ins Was.ser fiel. Vergehens durchsuchte man dun ganzen 
I Sue, dur Korju-r wurdo nicht gefunden. Da ordnete 
I die verzweifelte Mutter da» Ah]m«»en de» Sees an, „um 
auf dies(> Art der ertrunkenen Tochter otu ihrer würdiges 
Begräbni» zu veranstalten“. 

[ Um bei den Gewä».»em zu hleilHm, will ich mehrere 
I auf Quellen bezügliche Kiiizelheiten bervorheben. 

I Auf dem Sankt Martinsberge in der Nähe der Stadl 
Sulmierzyce befindet »ich ein Quell, desHcii Wasser hei- 
i lende Figenschiiften be»itzt. Kinst fiehui in d(>n»elben 
i die Glocken der nahen, jetzt nicht mehr «xistiureiKbui 
' Sankt Martiiiskircbe. Si« blieWn d(Jrt lange liegen. 
Kinnial trank ein .Mädchen au» geuanniem Quell Wasser; 

I sis trank aber, ohne »icb vorher zu bekreuzen. Da 
hängteii smb die Glocken an ihre Haan*. 

Die Gewähr»mHiiner dieser Leg«‘nde, II. II. Gihasiewicz 
und J. l,audowi('z, sagten uns leider nicht, was mit den 
Glocken und dem Mädchen nachher guschah. lud«*** ist 
die Vidkeerzahlting gewif» iiiebt »o fragmentarisch. 



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I>r. W. ßagisl: PolniseliH Sskcd aut dor Provinz PoaoQ. 



\2f^ 

Fine heilsame i^nelle giebt ea noch in RtistKtin i IWzyna* 
quelle). Das Volk ans der l'mgebung binliviit «ich dos 
UnczyDawA^aers ImsuiiderK bei AugenkrunkheiUm. Fine 
wjirmea, ini \Vint<»r nie zufriereiideü Wasser ffthreiido 
(Quelle (in Ofltniwo, nab« am Gopiusee) wird ^HAllentbor“ 
genannt. THoser Name ist gewifs der WiedorkUng de» 
im Mittelalter verbreiteten ülauhous, die Holle befinde 
sich im Kniinneren. Gab'e irgendwo einen warmen 
WiiKMerlanf» so kam ihm »eine Warme von der Xshe 
der Ilrdle. 

Hinein anderen VolkflgUubeu begegnen wir in einer 
Siige, welche sich anf dio Wie?oj ^Zdroje“ („Quellen“) in 
Morcink4»wo btizieht. Mau erzählt, da(» vor Zeiten dort, 
wo sich diu gouunnte Wiese befindet, ein fiberreicher 
Wasserquell sprudelte. Kine solche Menge Wasser ent- 
quoll deiuselbcD, dafs der GutHlH>«itzer schliersHch darin 
„eine ei.seme l'hrtr vernenkte, damit ihm die Wellen die 
ninherliegenden Ftdder nicht übcrschwumuteu“. 

Interessant ist hier erstelle das Versenken der Thfir. 
Her Quell soll luilgchalten, geschlossen wurden, zwischen 
diesem Vorhaben und der Thfir besteht also ein magischer 
Zusammenhang. Zweitens i»t der Umstand, dafs die 
Thür eisern ist, ebenfalls hervorzuheben, denn das Eisen 
wirkt, wie manche Volkssitte e« beweist, liezwingend 
auf die dunklen, gebeiiuen Mächte. Nun nnterliej^ es 
keinem Zweifel, «lute das gennunte Versunken auf die 
iotzteren ubgezlelt war. 

Die zahlreichsten Sagen beziehen sich auf die spuken- 
den Geister. Wie überall findet man auch ini EVsen- 
schen verschiedene Kategorieen derselben. V^s sind die» 
bald Irrlichter, welche einen au» dem Wege führen 
(die Ufer de» See» Wielkio liei Dolsk. mehrere Felder bei 
Uustx'in), bald schwarze Hunde, weiche nacht» auf den 
Wegen uiuhcrlungeru und den Vorftbergehenden Si'hrocken 
uiiiflörsen (Tiefweg bei Dolsk), bald schwarze Herdeu, 
die auf einmal um die Mittagsstunde erscheinen (Felder 
Gory, Kierzki und 1‘odchlebowo l>ei Uuswin). Oder es 
handelt »ich um unbestimmte Mächte, von denen es kurz- 
weg ohne nähere Krklärungun heilst: K-s spukt! „Es 
spukt“ in der Hühle Stiirkowiec Itei Debno, auf dem Felde 
Kobyle liei Pierzchno, in der Umgegend des Grabens 
Koterba in Ki'elkowo, auf dem Kreuzwege Pr/ybolowka, 
wo die Grenzen von vier Di'irfern sich burüUrcii. Ein 
Fuhrmann wird nachts gerne einen lang«ui Umweg 
imu'hen, um nur nicht über die Przybolowkabrüoke zu 
fahren. 

.\uderiiorts ist es der Toufel in höchst eigener l’er- 
»on, der zu spuken geruht, .tui „Schweilenwall“ in 
Hoszki sah niHii vor Zeiten »llo Nächte eine mit vier 
Hapj>cn Iwspannte Karosse, auf deren Rock der Ttuifel 
saf.s. Kr hatte einen Dreispitz auf dem Kopfe und spie 
Funken. Ibu Pferde schnoben ebenfalls Feuer. Ihr Herr 
trieb sic eifrig an, schrie in einem fort hau!, hau! und 
die Karosse »miste so »ebueil tlaliiti, dnfs die Räume sirli 
wie vor einem Windstof» beugten. 

Die Spukgebter von Jankowo gehören zur Kutugorie 
der vom Teufel noch nicht verdrängten Volksdfinionen. 
Am \V,>ide]ilatz«« Ostrowki erschien dort oft „ein Ihiwr“ 
mit den am HinterteUe z«>rschlitzten Hosen. F)r näherte 
sicli den von Hirten angezündeten F’eueni und rief: 
MKilthebeii, Mariochen, ihr »ollts't Srhuhe tragen!“, wor- 
auf ihn die Hirten neckten: „Ihr habt keine Nasenha'her.“ 
Du zeigte er ihnen den hinteren K<irfH*rtt*il und versetzte: 
„.la, aber hier hal>e ich Iv«H*her.“ 

Anständiger und »chweigsumer wureiii anderer Spuk 
aus der l.'nigegend von .lunkowo. Die.scr butte einen 
iint und einen FVaek an. FIr iiiiUerte sich ebenfalls den 
brennenden llerdfeiiern, wärmte »ich daran und pflegte 
dann iimlierwaehsende Sträuche auRZiinnfseii. Sonst sah I 



man ihn die Raine autlung roit4*u, in dieaem Falle bi»<- 
gleiteten ihn vier Hunde. 

.\ndere ^pukgeisb'r »iiid menachlioheii Ursprtuiga. 
So z. R. spuken in Pogoraela um den Ort, wo einst eiii 
Galgen stand,, die Seelen der armen Aufgeknüpften. Auf 
dem Moraste Zörawiee WloRcie]«*wki ist dieselbe Rollt» 
den Seelen der in denselben nach einem Kircbi-nr.aub 
veraunkenen Diebe zugefulleii. In Jankowo Zalesne 
spukt der Gutsbeflitzer Karliöski, welcher im Jahre 1780 
eiut'ii Streit um F'oldgrctizen zwUchon Jankowo luid Pt>- 
grzybowo unschürte. Der Streit artete in eine Schlägen»! 
»US, wobei einer der Jankuwer Lnndleutc seia Leben 
einhüfste. 

Weil Karlinski mittelbar der Frlieber des blutigen 
Streites war, »o spukt er nun auf einem Rappn die 
Raine entlang. Soa-ohl er als »ein Rota speien F'euer. 
„F^ i»t nicht lange her, duf» K. Duczuia, »in mx'h leben- 
der Lnndmanu, dem toten Kitrliiiaki iui Pogrzybuwowaldet 
begegnete.“ 

Rüf.sonder Gei»t iat wahrscheinlich der feuerspeiende 
Hund, der in Rzct:zyca am Hügel „Poganskie groby“ 
(Ueideiigniber) um Mitternacht »pukt. Denn wie man 
erzählt, ist an dieser .SteUe ein IlocbzeiUzug in die Krdo 
venmiikou. Gewits geschah die» nicht ohne Grund, und 
allem .\nscheinc nach ist ca der Bcliuldigate unter allen 
Veraunkenen, der jetzt in genannter Gestalt erscheint. 

In die Krdo versank auch die Kirche in Dobrojewo. 
Am Karfreitag eKöuen aus dem F'rdengrund deren 
Glocken. Der Ort, wo die» geachehen ist, führt den 
Namen „IVzepadln gora“ (vorsunkeuer Berg). 

I nter den anderen Sagen ist zunfichet eine auf die 
Schätze E>ezüglicbe hervorzuheben. 

In Suleucin giebt es auf den Wiesen hier und da 
ziemlich tiefe Vertiefungen. Von einer derselben erzählt 
man : Vor Zeiten bildete die Wiese mit der genannten 

Vertiefung einen Teil de» Dunoj, eines Nelmnarme» dos 
F'luffses WaHe. Flinmal, als der Krieg »usbrach, ver- 
senkte auf dieser Sudle ein Magnat eine eiserne Guldkiste. 
F> fiel bald in der Schlacht und »llea Suchen »einer F>ben 
nach der Kiste war vergeblich. ICndlioh wandte «ich der 
Gutsbesitzer von Sulencin an deu Pfarrer eines der be- 
nachbarten Dörfer; die beiden be»chloa»«n, zu Gelwteu 
und LiUineien Zuflucht zu nehmen. l)er Pfarrer kam 
heran, l>e»prengte mit geweihtem Wasser deu Flut» am 
Ort, wo nach derVolkssage die Geldkiste versoiikt wurde, 
und verrichtete die nötigen Gebete. In der That w urden die 
Zeremoniees mit F)rfo!g gekrönt: die Kiste tauchte aus 
dem WttB^'ergrund hervor. Sie schwamm dem Ufer zu 
und man war »ubon nahe daran, ihrer habhaft zu werden, 
als Ewiscbon dem Pfarrer und dem Gutabesitzer ein Streit 
entstand, ein wie grofser Teil der Kirche Zufällen solle. T>a 
die Streitenden einander nicht nachgeben wollten, so 
versank die Kiste abermids und niemals sah man «ie 
wieder. Nach und nach zog sich auch der FluCs von 
dieser SteUe zurück und jetzt liegt die Kiste »o tief im 
Hoden, duf» man »ie nie heraiiezichen wird. 

Bekanntlich verbleibt narb der Volkssage da» im 
Boden aufgt-bobenc Geld nicht immer in »einem Versteck. 
Kinmal oder mehrmals jährlich bringt e» sein gewöhn- 
licher Kigentiimer, der Teufel, auf die Fli'doberfläcbe, 
um es zu trocknen. Sn war es am Hügel Swiete in 
Strzemkowo. 

Der Teufel, welcher, wie wir o» gesuhen haben, »eine 
Tbäti^keit in Pomui bald nacht», bald bei Tage entfalteL 
konnte nicht umhin, hier und da »eine Futssjiur zu 
hinterlasi«eu. Von ihm gekuiinzeichiiet i»t der „Teufeb- 
»tein** in Kozmin. Man -ieht darauf deutliche Hahnfols- 
»puren. Dabei miif» ich daran erinnern, dafsnnch dem 




l>r. W. Su 

VolkK>flaubeu der Teufel^ifuri^ liaujUnAchlich 
die obi^e Knriu be.‘<itzt. 

Ikdzebulis Ueifer^helferinnen, die Hexen, »ind eben- 
billii nicht unbekannt. Fin Ilüge] beim Horfe Male 
.leziury, fiFy.-ia gdra** (kahler Ik>rg) genannt, gilt alt« 
ein-Htiger Schauplatz ihrer /tK^animenkdiifte. 

In Horuchowo weiftt ein Feld auf einer zieiiilich weiten 
Strecke (ß Morgen) ziegelrote Thonerde auf; iiaeli der 
Vulki<>ugt‘ kommt diei>e Färbung mVoh) Blute der auf 
«iiesein Feld«tflck Terbranuten Hexen“. 

ln l’rzedhfirowowalde befindet eich ein Ort Rubryrzka 
geiiHiiiit. auf den jeder Vorflbergehende bif* heute einen 
dürren Aat hinwirft. Man behauptet, eine Hexe aei an 
dieser Stelle getütet wonlen. Also derselbe Brauch, wie 
in Nordileut!schlau<l das Anfwerfen der Bei!»ighaufen iiu 
Murd*itelleii (, toter Mann“). 

Hat« l>orf WtoHciejewki, welclie» in folklon^tit^:her 
Beziehung von Herrn Niegolua>ki recht gut untersucht 
wimle, besitzt eine Wiese, welche „Kobaczywa“ ({rewürm- 
wiese) heilsl und aus dem (>mnde inU'ressant ist, dafs 
,.,hier eiust SchlHiigeii- und Natteritkönig** hauston“. 

lut iK^rfo Mechlin l>efindet sich ein Feldstück, uu das 
sich unserer .Vnsiebt eine Mürchenreuiinisceiiz knüpft. 
Fj) heilst „Trumna-gdra“ (Sargherg) und bildete einst 
einen Teil des hier nachher goIicht4‘t4'n Waldes. In dieser 
Waldzeit also soll hier „ein glAsenier Sarg zwischen 
lieh Bäumen gehangen Kein“. Ha in Bolen das Märchen 
von Siieen'ittelieu, Tou der auf die Schönheit ihrer Stief- 
tochter eiferfüchtigen Stiefmutter (worauf dann der Er- 
iiiordtmgsversuch des jungen Kindes, ilir Aufenthalt im 
NValde zwischen HAubem, ihr Verfallen in den Todes- 
schlaf infolge des Verachluckens des ihr von der als 
Bettlerio verkleideten Stiefmutter geschenkten vergifteten 
.Vpfels uikI KchiiefsUch das Niederlegeii dorKelbeii in einen 
gUsernen Sarg, welcher hierauf zwischen den Baumen 
aufgehängt wird, bi» ein jagender Prinz densellien 
wuhrniiunit uuil das Mädchen wieder zum Leben bringt) 
allgemein bekannt ist, so glaube icb. dafs zwischen dom- 
seligen und dem Namen des Feldstückes ein Zusauitiicn- 
haug Imoteht. P^s ist aber nicht ausgeschlosKcn, dals 
dieMtr Benennung irgend welche reelle ThatsSaeho zu 
tiruiule liegt. 

i> wären noch mehrere Sagen, welche sich auf ge- 
M'hichilichf l*ursöniichkeiteii iH'ziuheti oder auf ge- 
ecbichtli eher Grundlage lH5ruhen. hervorzuhebeii. 

Auf Sankt Adalbert, welcher in Polen immer einer 
grofsen Vorebrung »ich erfreute, iH'zieheii sich mehrere 
Sagen. In Kakujadj zeigt man einen Stein, welcher 
Spuren von F'ursntapfcn trägt. PN kommt die» daher, weil 
auf dieseui Stein Sankt Adalbert »taml. als er hier predigte. 
In Swi»;tc giebt es einen kleinen See „.leziorko Swi^^te“ 
(Heiligensee). In denselben warf der heilige Adalbert 
die Standbilder der örtlichen heidnischen Götter. Her- 
gleiclitMi Standbilder wurden von ihm auch in den 
Betscher See Tersenkt. .^ufscidem versenkte er in den- 
selben den beidniscbeii Tempel (.bi- heute sicht uiaii 
am S*egrunde versenkte SteinRiesen“). Hierauf gründet« 
er hier eine chrisiljrhe Kirche und stiefa in den Basen 
vor ilerselbeii sellieu Stock. Her Stock entfaltete sich zu 
einer l.iiideiistaude, welche mit den Jalireii einen stiitt- 
licbeii Baum ergab. Man nannte .sie .die heilige Linile'^. 
>ie bestand bis 187."». wo sie vi»n einem Sturme uiuge- 
werfen wurde. AU Napoleon 1. liei Betsche v<irüberritl, 
hielt er bei der T.iiide Stand und drei Orfiziere, <lie von 
den Pferden stiegen, konnten den Baniustanim kaum 
unifas-eu. 

Tn Marciiikowo lebt bis heute die Krinueriing an die 
liier iui .fahre 1227 verübte Kruiordung dc> Königs 
Leszek dea Weif-en von seinem Fi-inde Swiato|H'lk. Man 



gen uuK der Provinz Poson. I21> 

zeigt dort «Ion Teich ^Peiek“, wo ein S-hwitzbad sieb 
befand, in dem I«e»z«‘k kurz vor seiueui Tode einige 
Stunden verbrachte, ln der Nähe aber befindet s«di der 
„Leazekherg“. wo Leszek seinen Mördern erlag. 

Hie Schweden, welidie im 17. Jahrhundert «ich so 
blutig ins GedächtniH der ]H>Inischen Nation eingi>schrieben 
haben, wurden vom Volke in Poaen bis jetzt nicht ver- 
gCNHcn. In wenigstens zwanzig Ortschaften iH-geguei 
iiian „schwwlischeu Wällen“, „Schwedeiihflgeln“, „Schwe- 
dengrälMUi“ n. w. Puii Bergliügid bei liewice beifst 
„Königsberg*', weil dort der Sage nach Karl XII. einst 
gefrühstiickt hat. 

.Ander« Sagen beziehen sich auf örtliche Ereig- 
nisse. So heilst in Wielkic Jeziory ein Teil des Walde- 
„schwarze Müllerin“, weil dort ein Stein sich liefindet, 
der zum Andenken an eine dnscllist hingerichtetc 
„schwarze Müllerin“ eniithtet wurde. Kiu PVldstück in 
Scclcc heifst „Hrciinstätte“ tSpalnik): es stan<i dort die 
Hütte eine.s P’örstcr«, welclier seine PVau ermordete und 
dann, um den .Moni zu verheimlichen, .sein Wohnhaus 
aiizöndete. 

In Michy giebt es iiu Walde eine ziemlich grofsc 
Vertiefung. Sie heilst „Fraueugrube“. Her Sag« nach 
verbarg sich in dieser Griilie zur Kriegszeit die benach- 
barte (iiitsbositzerin und zwei alte lünsÜHller brachten 
ihr Nahrung. Man behauptet, dies«» Grube sbdie ver- 
mittelst zweier unterirdischer Gänge mit anderen unter- 
irdischen Verstecken in Verbiiuluug. 

Ik>r Name iles Dorfes A'hudopsioe(Hürrhnnd) bat zur 
folgenden Sag« .Aiilafs gegeben: llas genannte Dorf ge- 
hört« einem reichen GntslM-sitzer, der zugleich ein eifriger 
Weidmann war. Einmal kam ihm die Lust an, dreien 
unter seinen Liehliugshundon neue Nacnen zu geljcn. 
P'.r ruft also den llundeverwalter zu sich und sagt ihm: 
„Höre du, du wir«t dicMUi drei llimdeu neue Namen 
gellen, die sollen »her derart sein, daN ich sie nicht er- 
raten kann.“ Ik*r Verwalter weigerte sich, aber der 
Herr antwortete: „Hu muNtl“ und verreiste darauf. Ein 
Jahr nachher kommt er zurück tin<l läfst sich ilie Duiule 
zeigon. Her Verwalter führt nie hervor: die Namen sind 
schon ningeäiidert wonlen, so sagt er. Nun bebt der 
Herr an die Hunde zu rufen. PN ucriiil allerlei Namen, 
die Hunde regen sich nicht von der Stelle. Endlich ver- 
zichtete er auf den Gewinn der Sache uiiil bat den Ver- 
walter. die Namen zu nennen. Her Verwalter kratzte 
sich den Kopf und rief dann: Sollte! 

Iter erste Hund lief sogleich auf ihn zu. 

Her andere Ilnnd hiefs: „Wollte niclitl**, der dritte 
„Mufsle!“ 

Her Gutsbesitzer, entzückt über di« Erfindungsgabe 
.seines Verwalters, scheuktu ihm das genannte Dorf, als 
einzige Pflicht wurde ihm die l'Nnahrung einer Kopjad 
Hunde nuferlegt. Das Dorf bmchto aber mir wenige 
EinkOnfb*. denn als zwei Jahre nachher der Magnat dort 
wieder einkehrte, fand er die Hund« entsetzlich ahge- 
magert. Na. wenn diese- lK>rf sogar ein paar Hunde 
nicht eniöhrmi kann, so heifse es Hürrhund iChiido]»- 
Rice), sagte er. 

Obwohl da.s |Hdtii-che Volk selir religiös ist, au kennten 
doch die Mitarbeiter diT „ Wielkopolskie nukwy |M)liie'* 
blofs wenige religiöse Sügen aufliringeii. 

pjne davon bezieht -ich auf einen Streif /wUcbeii 
den Plinwoliiicni von Aförka und Btalzywiew. In der 
Mitte des Weges zwischen diesen zw'et Ihirferu befand 
sich ein «Iritle- Dorf. Diese- bruuiite nieder, blofs da- 
in der Kirrlie aufgehänute .Ahirieiibilil wurde gerettet. 
Hie Einwohner der oben erwälintcn zwei iNirfer -tritlei» 
»ich darüber, wem <las Bild angeboren solle. Iien Zwist 
.«cblichtete d»*r Pfarrer: ent-cliied, daf- da- Bild jenen 



^oogle 




13>» 



Per I 'K interuationale AnicrikaDistoiikongrefs iii New York. 



Parfe 2ttftt)teu solle, dealen Kiuvi'ohDer nui 0»terte>ge 
nach der Vers}M'i‘*nng des Fruh*itück« t>ich zuornt auf dem 
Platze, wo die uhguhrannte Kirche einst ••taud, eiufindet. 
Kin Paiidinaun aii’> M«'»rko trug den 8ieg davon. 

Fane andere rcligiö^^e Sage knöpft sich um» Feld 
„Kataruynki'* bei K'ur 2 ew. Bia I7ö3 stand dort eine 
Kirche, in welcher ein St. Katburinenbild hing, dasWuii-' 
iler wirkte. Piesen Bild war dort aus diesem Grunde 
aufgehüngl wurden, weil die heilige Katharina jieraönlich 
einen Fuhrmann, dessou NVageii in einem benachbarten 
Morast stecken geblieben war, samt Fuhrwerk tmd 
Pfeidou rettete. 

Schliefslich inüsMm wir noch Innznfftgen , dafs an 
jnehreren Orten, wo v orgese h ic li lUche lU-grihnia- 
statieii sich la'fmdeu oder wo prähistorische Funde ge* 
niaebt wurden, das Volk ad hoc Sagen geschaffen hat. 
Haid erzählt oe, dufs in der Nähe eine Räuberhöhle be- 
stand und dafs di<‘ Räuber am angegebenen Ort ihre 
Opfer l>egruh*m, bald erdichtete cs in Bezug auf die Funde 
dieselben Sagen, welche sich auf Schätze beziehen: es 
sei da auch Geld vergruben, der Teufel bewahre e» und 
trockne es von Zeit zu Zeit. 

Solche zwei Sagen bestehen zuui Beispiel gleichzeitig 
nebeneinander in Strzemkowo. 



Brr 1^ Internationale .tmerlkanlHtenkuiigrers 
In New York. 

in den Tagen vorn :!0. lös 'iS. OklotHT v. J. hieli der 
internaiiitnale AnierikaDiHtenkoturrers in New Y'urk seine 
lü. Versammlung ut>- Verfügen «Ue Amerikaner selbst auch 
vielleicht noch niolit üli«r die gröfite Zahl der führenden 
Oeisier auf allen (iebietea dieser ^Visseuschaft vom vierten 
Krdteil. 00 stellen sie doch von dahr zu Jahr eine immer 
wachsende Reibe erfolgreicher Männer in deren Bienst. hoWn 
immer mehr von deren Schätzen; und *0 konnte der Vcrtreler 
der Herliner l’niversität . I*rof. Karl von den Steinen, als er 
in der ieUien Sitzung der dortigeu <ieselL<>chaft für Krdkunde 
über den Kongrefs berichtete, von diesem mit Hecht sagen: 
Bas tiedeutungsvnllste Ergebnis des ungemein lehrreichen 
K<»ngresi*e* sei die Erkenntnis, dafs die ^it vorüber sei, in 
der die amerikanischen Amerikanisten nach Kuro|Hi gekommen 
wären, um hier zu lernen: wenn wir nicht sofort alle Kräfb' 
einstttzteii, nicht Itald zehnmal Mt grofse Mittel wie hishor zu 
iiifthodischer Arbeit in .\merika anlegten, an würden unsere 
Hammlnngen, in denen ganze Kulturen auch nicht mit einem 
Stück vertreten seien, ihren Zweck, amerikanische Ktudieu 
XU ermöglichen, nicht mehr erfüllen können. 

Vertreten waren auf dein Kongref«, wie wir H. t'ham* 
l^erlains lU*richt im , Science'* vuin 5. Bezenibs-r entnehmen. 
%'or allem natürlich die Nordamerikanar und Mexikaner, 
furtmr die /.ontralamerikanis4*hen Kepubiikcii, aus Südamerika 
«lagegen nur .\rgentinien, l'rugua.v und Paraguav, sei es 
durt'h offizielle iielegierte der Regierungen, sei es durch 
Mitgli«Hli>r wissunschafilicher Institut« laler rrivafe. .\us 
Europa waren einige Knirtändcr. Schweden, Italiener und 
Bcutsclie ersi'litenan ; die letztertoi waren von den Steinen 
und Seler, dieser als Vertreter der deutachen Hegivrung. 
SeltAtversiandlich war auch der llurzi.^ von Louttat zugegen, 
ticr verdienstliche Korderi'r der amerikaiiiachen Wissenschaft. 

An allen s«ctis Tagen wurden Vorträge gidmllen , iin 
ganzen "0 bi» HO. Angesichts dieaer riesigen Zahl war 
die Sprechzeit der Redner auf 20 Minuten betne»«en. doch 
knöpften «ich an viele der Vorträge BiskussioiiHii. Es ist also 
lün gewaltige.« Arbeitspfusum twwältigt worden, und inner- 
h.vlb desselben kam jeder Zweig zu seinem Hecht. Viel von 
dem, was vorgetragen wurd4-, war zwar au» der jung^tcu 
Litteratur bekannt, aber lu'hr viel« Thai«ach«'ti und OedHuken 
truU‘11 hier zum «•rstemnal vor die öfTeiittichkeit. Aiuh-re 
Eoiwi'liungsergcbrilsse wurden in besonderen geilruckteii Ar- 
Itoiteii dem Kongrefs ütierreicbt. Als eine hervorstechouda 
und jedHiifalJs »ehr erfreuliche Eigenart der diesmaligen 



Tagung tKzeichnet Chamberlain den l'mstaud, dafs Qualität 
uuQ wissenschaftlicher Wert der Vorträge höher standen aU 
auf manchen der fräheran Tagungen, dafs mehr wirkliches 
festes Wissen sich l»einorktMr machte, und dafs die Zahl 
wilder Thonrieen und dilettantenhaftor Ideen gegen früher 
erheblich abgenommen hatte. Bafs es auch an »idchen nicht 
fehlen konnte, ist nahezu selbstverständlich. 

.\uB der Knlle d«4 Uebutenen können wir hier uurwenig^v 
hervorheben. Professor t'ulin sprach iilter die Hthtiischo 
Bedeutung der HpieJe mit Bezug auf di« Kulturen 
der alten und neuen Well; er meinte, auf Orund des 
heute vorliegenden Miiteriabi sei mau genötigt , an eine 
«ht'iiuiligo und lang anhaltende Wechseltiexiebuug zwischen 
Amerika und Asien zu denken, dergestalt, dafs <h'r EinAufs 
von Amerika aus- und auf Asien und die paziAschvn Inseln 
nborgegangon sei. Ein Vortrag über di« PHtroglyphen von 
Smiths Ferry, den Pr. Holland hielt, führt« zu einer 
Biskuastou über di« Be«hmtuiig wdehcr .ScbrifUeicben*. 
Br. Holland wlhst hielt sie für Erzeugnisse müfsigen Zeit- 
vertreihs^^ von Fi.«chem und Jägern ; Br. AiubruwUi verwi«s 
auf die Ähnlichkeit zwischen den Bilderscbriftzeichen Argen- 
tiniens und des l’ueblogebiets (vergl. weiter unten). 

Ül)er den A 1 g<in k i n spr achsc h a t z trug Br. A. V. 
l' h n in be r la i n vor. Er erläutotie di« wett« Verbreitung 
dieser .amcrindiHchen* Kamili« und ihren Kinflufs auf anderen 
8pr»chlM>r«itz; hierher gehört auch der Kintlufs der Algonkiu- 
dialekt« auf das geH|iroch«ne und geschriebene Englisch 
Amerikits (ül>er läu Worie). L>er Redner befürwortete ein 
eingehendes Studium der Algonkinspracheu. Br. Ambrosetii 
vom argentinischen Natiimalmuseutn besprach die Archäo- 
logie der Ca lcha<{ uigegcnd , deren Alu*rlöm«r dem 
BesitX'tHrid der l’uebloindiaucr Arizona.« und Neumexikoe 
glichen- In der Blskusadou darüber Iiemerkte X>r. Uhl«, 
dafs diese Ähulichkeiten mehr zufällig wären und kein Bc- 
wel» ethnischer Verwandtschaft. Wie vorher von t'hainbcriain, 
BO wurde auch bei einer s|Htteren (tclegenheit das neu« von 
den Anthmpolc^n in Washington erfundene Wort ,Ame- 
rind* gebraucht, was Uelegenheil zu einer lebhaften Aus- 
einandersetzung gab. Br. lli*as nannte das Wort — • unseres 
Krachten« auch mit Recht — «in .Monstrum*, und die übrigen 
Kndnar brachten ihm ebenfalls wenig Etel« eiitg«^n. Zu 
dem von t'uHu auge-V'hlagenen Thema gehört auch Rogoras 
Vortrag Ü1a>r die Folklore des nordöstlichen Sibirien; 
er war jodcnfalls einer der wertvollsten und intoresaantesten 
der Tagung. Der Jledncr verwies auf di« in vielen Fällen 
zu 't'age treteiMio Ähnlichkeit und Identität, die im allge- 
meinen wie ein Iviail zwischon den Legenden und Mytbeu 
Nortlostsihirieus und Nordweatamerikas herrsche; sie bezeugte 
zweifellos eine lange Wechselbtiziehuiig und einen Oedankeii* 
austausch zwischen den lieidcu Kontinenten und wahntcheio' 
lieb auch Usssenbexiehungeu <t«r Hauptvölker jenen Kreises. 
Her Mexikaner Chnvero Itebaiideite u. a. den Pnlcn«|UQ- 
kalonder und schlt>fs damit, dafs detuteii Tugezeichen die- 
s«ll<eri wie die <l«s MnvnkalQmliT» wären. Ikikauntlich ist 
das Vorkommen »«tgenannter Zwerge in Amerika bisher nicht 
festgestellt, van Pauhuys tiesprach das angeblich« Vor- 
handensein solcher Zwerge in Französisch-rtuayana. 
worauf l*rof. von den Steinen äufw'rt«, dafs die liswei*« 
dafi'ir noch koinoswegs iilterxeugcml seien. 

F.in beMiiid«r«r Tag war der inox i k uni sch en Alter- 
luinskund« gewidmet, und zwar las zunächst Prof. Beier 
über die .Bilder- und Hieroglyphenschriften Mexikos 
und Zentralamerikas*; für licMmdera intcresaant und 
wichtig erklärt« or die Mayaiiien>glyph«ri. Batres berichtet« 
j ülier seine Erforschung des 3lontc Alban, der, dem fha- 
^ rakUT der dortigen Funde nach zu tiiiailen, eine Stell« zap<« 
tekiM’h-timyanischer R«rUhrung s«i. Ferner besprach er <li« 
Ausgrabungen in der KscalerillasBirafse in Mexiko, 
I die zur Entdeckung der unter den Trümmern der spni«n-n 
- satanischen Stadt vergrabenen Resten der alten azickisehen 
Stadt geführt balwn Bann hielt. Prof. Keler einen Vor- 
I trag iilM-r alt tu« \ ikanische rcligiöe« Biclitkunst. Auch 
I zwei Bamen kamen an di«s«in Tag« xutn Wort. K«t meint« 
I Frau Nuttall in ihrer ,.\nr«gung für Ma> agelehrte*. 

dafs die klaasitl/iurenden Hufrixe von Numeralien vielleicht 
I in liierogl5Th«n«chriftau gefunden werden ktinnlen. 

! Bie nichste Tagung ilcs Kongresses Hndet 194)4 .huU, 
und zwar auf «in« von l'n'f. von <1cn KtWrieii überbrachte 
I Kinladuiig in Stuttgart. Bas Koiiiitt*e Iiosteht aus dem 
(irafeii I.itid«n (Voiaitzeiiden der rieaeUarhaft für ll.indels- 
I geographie in Stuttgart), Prof. \oii d«n Steinen und Prof. Stder- 




Hüeh crichmu. 



131 



Bücherschau. 



l*rof. Dr* Frlt'drirh Katxel« Die Krde uud <1 hh Lei«». Kih<> 
yHrKleichi'ixif Knlkumk*. Zweiter Band. Mit Ab- 
büduuifen und Knrtun im Text, 1*2 KftrienWUn)^» uiitl 
'2.t l'nfeln. HiUli«igraphiüc.heA Instiiut. 19uV. 

Bai der heute iti clfu meisten AVtjuteuBcktiftKti harmdiemlaii 
S|>ezinlMtoruu;^ der Arbuiteu wird^ die Znbt jener Delehrten 
immer geringer, die einen vollen Ülwrblick über l>eniM:bbarto 
WiMfuisgebiete Ijeaitxeu. Zu diesen wenigen gehört Krie^Irieh 
Hatzel, der auf dem Debiete der Krdkund»* und der Völker- 
kunde gleichmüfitig zu U«u«> ist und nnmit iiiieh im stmide ; 
war. ein Werk uia da« vorlii^nde in harmonischer Weise j 
zu schnfTen. Die Krde und das Leben! Da« im vctriiehinüten ’ 
Sinne geuieioveiNtäudlicb gescbrielieue Werk enthalt eine ^ 
riesenhafte Menge gut verarbeiteter und gegliederter That- 
Sachen. Der vorliegende zweite Baud lM*schreibt iin An- j 
«chlusse an die fe^te Krdriude, die den ertten Band fiillt, 
die Wasser- und die T.ufthulle, um •iann den hiidogiM-han j 
und ai]thro}M>graphi*('han Teil als Krönung de« Werkes am < 
Schlüsse zu l>ehandnln. Wir Iwsit/en jotzt in KatzeU Werk ! 
die neuttsce zusamnicu fassende Kuudo dessen, was über uu«ere , 
Krde uud dn« lieben auf ihr die WiiwuiiKchaft bisher ei'kundet | 
hat. Die Ausstattung ist eine »ehr reiche mit schönen Tafeln j 
und Karten. I 

(iruiidrifs der indo - arischen PhiloloL'ie und Alter- 
tumskunde, begründet von («eorg Bllhlery fortgesetzt 
von F. Klelhorn. S. Band, 10 . Heft; Medizin, viui ellliH« 
Julljr. Strafsburg. Karl d. Trubner, 1901. I40S. 

KbeuHi mustergültig wie d'issclben Verfassers ,Uocht und j 
Sitte“ (Grundrifs U. s, vergl- Globus, Bd. 7o. S. ‘27») ist auch I 
die vorÜegeniie, durch ihr« Übersirlitlichkeil und Vidlntundig- j 
keit gleich ausgezeichnete Darstellung der indisclien Medizin. i 
Iter erste AliechniU Itehandell die medizinische Litte* i 
ratnr der Inder und verfolgt dieselbe von der neuesten 
Zeit bis zurück zu ihren ersten Anfängen in den Be«cbwö- j 
ruogsfoniioln des Atharvavoda und den Zaubcrrilen des i 
Kausikasutra. \S^io auf fa«t allnn Wisxfusgaldeten, haben di« | 
Inder auch auf dem der Moilizin von den dlteicten Zeiten his 
auf den heutigen Tag eine reg« ]ittaran«chc Thatigkeit ent- 
faltet. N«ich beute werden Sanskritwerke über Medizin ver* i 
fafst, und auch die älteren medi/inischeu Werke werden 
immer wieder neu gedruckt und in neuindische Sprachen i 
ülkcrsetzt, wn« beweist, dafs sie gelesen, studiert und benutzt 
Werden. Auf die durch engUschc rottege« und Spitäler ein- 
geführte europ.iiHche .Medizin wird in dicMui Werken nur 
selten Kücksicht genommen. Vielmehr werden die traditio- 
nellen medizinischen Lehren der alten Z*dt immer wieder ! 
von neuem erörtert. S«* sagt -Kdl.v vt*n dem iwä7 verfafsten 
Werk Ä.vurvedavijuHiia des Binoil Lai Ken, dafs es ,ini weKont* 
liehen schon vor D>u0 .lahren ebiutso aligefafst »ein konnte*. 
Hingegen lassen sich gri(>cbi9che Kinflüsse in der indi-chmi 
Medizin ebenso wie in der Astronomie nachweisen. Auch 
{»eniische uud arHbischc KitiHüs«« machen sich seit dem elften 
•lahrhuiidert lieiiierkbar. Auf »io ist immentlich die Kin- 
fiihrung de» Quecksilliers als einfui rniversalhcilmittel« und 
die Verwendung des Opiums zurück/ufiihren. Aiidcrcrueit)* 
sind indische Werke filx-r Medizin auch vielfach ins Persische 
und Arabische übersetzt worden. Die tibetische Medizin i»t 
ganz und gar von der indischen abhängig. Dies ist nameat 
lieh dem KinHufs der Buddhisten, die sich gerade mit der 
medizlnisichHi VriseenscUaft viel U'schüftigt haben, xuzu* 
schreilten. Schon in den heiligen Sidinften de» Buddliismua 
.spielt ja der sagenhafte Arzt Jivaka eine hervorragende Bolle. 
Auch die vor wenigen Jahren in Kashgar gefunden« Bower* 
handschrift. deren Inhalt m»iizini«ch ist, rührt von Buddhisten 
her. Dies« aibr Handschrift ist »uhr wichtig, da nie uns den 
Zustand der indi«ch«n Me^Hzin iui fünften Jalirhundert nach 
t'hhsto deutlich vor Augen führL Als die ältesten und be- 
rüUmt««ten medizinischen Schriftatidler ragen ('tiraka, Susruta 
und Vagbhaia hervor, der«n Werken Jotly ein« eingehende 
Besprechung widmet. 

Der zweite Abechiiitt handeli von den Ärzten uud der 
Therapio. Kr behandelt die Ausbildung, soziale Stellung 
und Tbatigkuit, der Arzt«*. Interessant, ist, dafs schon in 
alter Zeit die Ärzte, um sie von den KurpfuBchom zu unter' 
■olieiden, die Krlaubnis d«a Königs zur Ausübung ihre« Ib** 
rufes halten mufsten. Bezeichnend für di« WrhAlttii.«M* au 
den indiachen Kiirstenhöfen ist es, dafs die Ilofärzt« eine 
hervorragende Stellung oiuuehmen, und dafs sin inalwAoudere 
di« königliche Küche zu überwachen und den Fürsten vor 
Vergiftung zu schützen hatt«^n. In die Therapie auch der 
wisseiischaftlirhen Werke ragt vielfach noch «Ue uralte Volks- 



medizin hinein. Bei der Prognose spielt der (llaulte an Omina 
und an die Bedeutung der Träum« ein« nicht geringe Rolle. 
I'ntcr den Heilmitteln nehmen die Püanzen den ersten Hang 
ein. So nennt Siisrula i'ilier 7Qn ptlanzlichc Heilmittel. Puter 
den aiilnialischeii Huilmittelii Hndm wir llouig. Milch, Galle. 
Feth Mark, Ficlzch, Kot, rrin. Haut, Banieii, Knochen. Seh- 
nen, Horner, Klauen, Haare und GallenHlein de» llind«-« auf- 
gez&hlt. Uperatiouen werden durch GelMite und religirHie 
Zeremonieen eingeleitet. Grofscs Gewicht wird auf die Kr- 
nährung gelegt, und e» heifst, daf« ein verständiger Arzt li«i 
allen Krankheiten /imävhst auf die Ki-getung der Verdauung 
und dann erst auf die eigentlirhe Heilung zu selten hat. Der 
Fleischgenufs, der in den religü^n (feneubürhern untersagt 
ist . wird in den medizinischen Werken auf gewisse Ti«r« 
(beeonders Wildbret and Vögel) eingeschränkt. Auch der 
Gennfs geistiger («etränke, der nach den Holigionsvorzehriften 
aD Todsünde verpTmt i«t, wird in den medizinischen Werken 
unter Vm«täiiden empfohlen, «i besonders zum Zwecke der 
Narkose Imi 0|iarationen. Di« hygienischen Vorschriften der 
Ärzte decken sich gröfstenteÜB mit den religii'»seii Vorschriften 
<i«r Kitual* und Gesetzbücher. 

Der dritte Abschnitt handelt nliur die tlivoretiichen 
A ii»e)iau u ngoti. «Wie ein roter Faden zieht, sich durch 
die ganze Medizin die Ijtihre von den drei tiriindsäften d<*« 
mensi'hlichea Körpers : Wind, Galle und Ki-hieim.“ IM« Patho- 
logie lieschäftigt sich mit diesen drei Grundsafteu und dem 
Blut, auf deren Störung alles Kranksein beruhL Krankheiten, 
deren Kntstchung nicht ersichtlich ist. und welche den üb- 
lichen HeilmethcMlen widerstehen, gellen al« die Folgen einer 
in einem früheren Dasein vollbrachten bösen Thal und müSM'ti 
dundi Bufsen geheilt werden. Ks gtebt sogar umfangreiche 
medizinische Werke, weiche die Krankheiten vom Staudponkt 
der Si'elenwanderungs* und WiedervergeltuugsleUre beschrei- 
ben und die entsprechenden BufHcn , Opfer uud t^pfergalMui 
lehren. Soucheu werden al« Strafen für Ugangene Sumleii 
von den Göttern verhängt oder entstehHn durch den Kiiirtuf« 
der Gestirn«, wohl auch durch Ausdünstung giftig«r Ptlanzon 
und dergleichen. Man inufs si« durch Sühnzerenionieen l»e- 
kämpfen oder die verseuchten Gegenden verlassen. 

Der vierte Abschnitt üb«r Kntwickelungslehre und 
Gynäkologie ist voll von ethnologisch hochinteressniiteu 
Details über Menstruation uud F<trtpt1anzung, Schwunger- 
schaff. Geburt uud W'ochenliett, Pilege und Kriiährung des 
Neugelmn-nen u. «. w. Hier sind Volksglaube und Vidks- 
bratich tief in die medizinische Wissenschaft ttingedrungeu, 
uud die iriHdizinischcn Werk« ergänzen hier vielfach die Ritual- 
büchor. läympaihisch ia-rührt «s uns. dafs die indischen Ärzte 
sich nicht nur um die Krankheiten, sondeni auch um die 
Kr/iehung der Kinder kümmern. „Di« Spialsachen de« kleinen 
Knab*-n »ollen bunt, Geräitsch macbend und unterhaltend 
sein, sie dürfen nicht schwer sein, eine scharfe Spitze halten, 
in den Mund des Kindes dringen, sein lieben gerahrden oder 
es erschrecken. Cu-rhaiipt mufs man sich hüten, ein Kind 
zu erselirecken. oder ihm mit Dämonen zu drohen, auch 
wenn «s ungehorsam ist . weint «»der ni«*ht essen will , weil 
sich si»nst di« graha, die gefnrehieien Krankheitsdämoimn 
de» Kindes, seiner bemächtigen würden. So darf man ein 
Kind auch nicht plötzlich wecken oder es heftig bewegen, 
lim nicht die GnindsUfte dos Körpers zu st<>ren uud die natür- 
lichen Ausecheidungen zu hemmen, mufs es vielmehr in 
hundertfacher Weise zu erfreuen suchen, l’m einer Ver- 
kruRinxung des Kückens vorzubeugeu, lasse man es nicht 
immer auf dem Boden sitzen. Man hüte es auch vor|Wind, 
Soime, Blitz, Kegen, dem Schatten eines Hauw-s, l»i1»en Pla- 
neten, Dämonen und anderen Fährlichkeiten und lasse es 
Amulette tragen.* 

Die folgenden Abschnitte Ifiinf bis acht) behandeln der 
Reihe nach die inneren und di« äufseren Kratikbciton, die 
Krankheiten dos Kopfe*, di« NVrv«ii- und Gcisteskraiikhpiten 
und die Tozikologi«, mit den entsprechenden Heilmethoden. 
Der GlauD- an die Verursachung der Krankheiten durch 
Dämonen und an das Rasessensein tritt namentlich Ih-i den 
Kinderkrankheiten, Iwim Fieber, lad den Pocken und )>ei den 
Geiift<‘skrankheit«n stark in den Vorilcrgrimd. I’iid iiel>«n 
Salljcii und anderen Heilmitteln empfchh-n auch die Äntle 
Opfer, Gebet«; und Siihnzcreiiioiiioen. 

Wenn ich der Bus|tre<'hung dieser ganz vortrefflichen 
Arlteit etwas mehr Raum widmete, s<> geschah es nur dos 
halb, weil wenige nach cl>‘m Titel derselben vermuten wnnlen. 
wieviel Wertvolles und Interc-santes nicht bh'f» für die Ge 
schichte der Medizin und die indische Altertumskunde, s«ti 
dem auch für die Klhnologie darinnen sb^'kt. 

Prag. M- Winiernitz. 




132 



Kleine Naehrichteu. 



Kleine Nachrichten. 



— Iiio b»l>y loiiiich • asdvrisclien HcliöpfunK*- 
Im vfr^Htiffenen Jahn* erM'liien in I.<in'i<>n •'in 
\Vt*rk ,The Soven Tatilf'i» of Crenticm*, in dt-ia ilt-r ll«rau!i- 
ir«>ber. U W. Kiii^ vom MUHoum, das ktrifcbni» 

!>QiM«r Sliiilion iiWr eine R«ihf> von Kfilwhrifttt'Xlon nieiler* 
);ciu^ hut. Kr liut di« B('h»u %on Sir H«iiry Knwlinaon 
ifRfundvtion iMH’lt unvollHüiitdit;i'ti K<*UiH’lirif(lH‘rir1i(H iiber di« 
SrhiVpfuuK durch «in« whr grof"e Zjihl nndcror Toxie liier- 
iilwr er>;uuzt und damit uiu , eiiihoiiltrb«!« 

tianzea g*-schalf«n. Texte und Cbt-rw-fauritfcn «ind ü1k*i- 
•lichllich zUAauimcDKoittollt. Kn «ri'ioht «ich darnu!«, dnik da» 
urufae 1iahyloni»cho SchdpfuiiKak;e<lt(dit in Biedton Sektionen 
iHl«r Tafeln mit zuMvmnien Ht»4 Ztnlcii K>’t«ilt war. wobei 
ofTenbar je<l« Tnfvl dio Eruebni«RH eines Scböpfuni^tüK«* 
)>«.H(-hren»«n üoMte. JHeite Kintcilun)^ ist jedenfalls vorbäitnis' 
iniir^iir späten L>utuius (die iiltusten Kopien, di« wir besitzen. 
)iütmui»‘n aus der Zeit AMurbanipals . ägn bis v. t’hr.l. 
di« originale Funu alter dev babyluniscben uitil as9yri*icben 
Schopf un|{xgeM'liiclite i-t xweifeilo« \ i«|« Tausend «labre alt. üb 
sie hei den Akkadiern oder l>ei «ineiii anderen nicht semi- 
liiH'heii Volk eiitsiandun ist, üvfst sieh heute noch nicht sa^en. 
i'S ist indesaen sehr wahrscheinlich . dafs di« seuiitiachen 
Itabyhmier sie nicht erfuudeit, M>ndera nur enilchnt haben. 
Ibf er>t«n vier Tafeln erithalien di« «r«te Woltschitpfunj'. ■*»« 
Uyiniicii mit «ieni Anfang' hIIhv ÜiiiK«. als Apsu und Tiaiimi 
Waworgottheiion und das typisch« rhaos waren, und fiibren 
bi« auf .Marduk. der Tiaiimt Iwkümpft und ihm den (ianius 
macht. Dann koiiimou wir zur Wdtschopfuni; Maniuks: es 
w'in) dort am Hchluis <ler vierten Tafel erzählt, tlafa die eine 
Korpi-rhalfttr 'riaiuats eine Decke für den lliinniHl bihleie, 
und dafs Marduk di« j^ixifse Dreiheit Aitu, Bet und Kn schuf, 
diu darin w-ohneu ««dlie. Auf der fuuft«o Tafel hören wir 
Von dor BiTestigUiig der Konstellalionen des Tierkreises, von 
der tirimihiti); du» .fahros, un<l ausebeinen«! enthält dieser 
Teil auch deu Hericlil üb*>r die Schöpfung der l’ihinzenwult. 
Die sechste Tuf«! erzählt di« üeschicht« von der Krschaffmig 
des Menschen, den Marduk wrahrscheinlieh in di« Welt ge- 
setzt hat. sowohl um die üötter zu »trafen, als auch um 
eine Kreatur zu haben, die ihn jederzoit verehren würde. 
Marduk — «ater auch Bel ^ wies Ka an, ihm das Haupt alv 
Zuschlägen, und ans dem Blute das aus »einem Knr|ier llofa, 
wur<ie der Mensch gebildet. Kr gebraucht dazu attch . Knochen“, 
die er »ich uchaffen will. Vi*n Beclautung ist dalMM, dafs da» 
itHsyrUt^he Wort für Kiua'hen „issinitu“ heifst, und dafs es 
das genaue .\<|uivalent de» hehräischen ^esour Knochen 
— ist. das tiouesis II, 23 in Verbindung mit dum Ikrichf 
iilter dio Krsohaffung de.s Menm-hen vurkommt. Die Kr- 
»«'halTung des Menschen war der hchlufsakt der Hchöpfuiig. 
und als der erledigt war, venuiinmelt<-n sich die (töttvr mit 
Marduk (der die Knthauptung also iiberlebt hatiu!) an der 
Spii/e in I'iiAidiukkittnku und saugen ihm J.<obhyinnen; diese 
mit fünfzig .\nre«)en au den Outt bilden den Inhalt der 
letzten, der siulN-nteti Tafel. — Die Barallelen zwiaidien 
*r<-ilun divsor Schöpfungssage und der ttenusi» Itewuiseii iilwr 
jeilfii Zweifel, dai's die Juden uin« grofn« .Meng« ihrer reli- 
giöyrii Tatteralur von ihren Verwandten, den Bahyhmiern, 
unlU'htit h.ibcn, und daf^ die Vorstellung von den sieb<-n 
Soln'.pfungstjigen lange vor den Tagen .\brahanis ontslanden tsL 

— N uchntais d te üeschirht e des >I ississippideltas. 
Im HO. Itando de» .itlobus“. S. 34.%, wurde unter der Über- 
M-hrift ./ur tieschichte des Mis-isdppidehas*^ ein Auszug aus 
einetn Aufsat/o W. l'phams iin .American tiwhigisi“ ge- 
geben. Kin anderer Auszug aus die'a*m .\ufMttz ist amdi 
«itu'ch die ^«itungun geg.'viigcn , mid gegen d«ss4.-n .Kogalien 
wendet sich Sophus Kug« in einem kleinen .\rtikel im 
,Dr»*jMl. An/." vom ü. SovHml*er v. J Soweit dieser Artikel 
gleichzeitig die «i lo|iu.»nottx laTicbtigt und ergäii/l, isei folgen- 
«le» daraus miti;etuill: Watds4>eiiiüllers Woltkarl*» i«t mich 

nicht verutfenilicht; es katn aho nur .«ein ülohus in B'-trarht: 
auf «li'-M-m hIkt. der aus ü«m 'lahro i.%07 »rammt, kann von 
enier /«iehuung d«« Missjssippirielta« nicht di« Ib-de sein. 
D.'iiin . V«.-s|uicci hat auf seiner |{«i«e von I4U7 bi« |4 ><h da« 
Deitu mcht g>-fohuii. nt>erhaupt nie einen Küstoiiteil de» nord 
aitn-rikaniwhcn Kestliiiides zu («««ieht bekiuninun. weshalb 
ihn rphiim nicht als GewahrHiimnii in ,\nspruch nrhmuii 
durfte, Kmllich ist dio .\nga)»o rphaiiis irrik'. dal» diu erste 
gute Karte do-s Delta« von fox« (1722/ herrühri. wir Itesilzen 
violmehr «ine ««hr doiitlich« Darstellung dessellH'ii srdinn in 



einer Kiide d«« 17. Jahrhunderts vorli«g**ndcn franz«'rti»cb«n 
M.Hmiskrtptkart« . di« auf lie la Halle und d'lliervUle zurück 
gehl utid 1HU3 in Bari» in der Marcelschcn Kaminluug. ID'- 
priMliiction de rnrtes ot du gloltu» rehitifs u ln d'-couverte d« 
i'.Vmerii|ue du XVle au Wille »i*'c|e“ veri'ffenUicht word»*n 
isu Aus dum Inhalt dieacr Karte ergieht sich auch, dafs di«* 
Hi'hliiaso, die Tphain au» vor de la Halle gestchriebeueu Ib*- 
Hchten übor dcu Zustand de« Deltas gezogen hat, irrig sind. 

— Bau der australischen SiUl-Nordbahn. Mit der 
Weiterführung der Bahn Adelaide- 0»dnadatta «|U«r durch 
den Koutineiit zur Sordküste scheint e» jetzt Kmst werden 
zu »ollen, nachdem der üouvertietir dem Barlauieiil Süti- 
australien» «inun (iesetzentwurf darülw>r vurgelegt hat. Der 
nördliche Kndpuiikt der Bahn »ull Bort Darwin sein, und da 
Itereita eine Linie Burt Darwin’— Biue Creek vorhanden int, 
hieiht mtch ila» «twa UtOo km lauge Stück Oodnadatta-Piu«* 
Creek au»/ulwucn; di« ganr« Olierlandbsvhn Adelaide- Bort 
Darwin winl denmacli eine T.ange von gegen S2o0 km halten. 
Den Bau und Betrieb »oll eine (««»onsebuft übernehmen, zu 
deren Bildung ini In- und Auslaudu aufgi^fordert werden 
wird; iiU Äi|uivalont giebt die Kogieruug l4in>l von im ganzen 
etwa 3öü000<|kin zu landen Seiten der Bahn hör, sie Itehalt 
»ich jedoch das Kocht vor, die»'-» Land und di« Bahn »ell»»t 
wieder zurückzukaufen. während die (iesellschaft da« n«>rd- 
lieh«, l>ereita fertige Endstück Bort l»nrwiu— Blno Cr»jek 
erwerben darf. Dio Spurweite soll l.oa.S m t>vtrag«ii, wficheni- 
lich wenigstens /wcimal soll ein Zug abgelasnen wenlen, der 
32km in der Stunde zuriickzulegen hat: spätestens in acht 
Jahren miifs di« Bahn l•«tri«lHlfähig sein. 



— Zu dun korsischoii Totenurnen. Kin NachbarlHiid 
Korsikas, da» zudem die Verbindung nach Südwesten zu 
mit dom alten Iberieti herstclU. bildet die Jns«lgrup|>c <l«r 
Balearon. Vom Üraligebrauche ilirer Crbewobiier macht 
nun dor griechische Btdyhistur DiiKlorus Siciilus'} eine Mit- 
teilung, die «ehr an ilie von Kur«)ka angeführte erinnert, 
die ini h 3. Bunde il«s .tilobus“ , Nr. l. Seit« 16 nach Dr, 
A. Bloch«: Corae pr«dii«iorii|ue l>«Mpiochen i»t. Dio Stell« 
Ih* 1 Diodi>r: hibUothee« hisiurica, lih. V, cap. IS. w«> er von 
den Balearen ausführlich spricht, lautet folgcndermafM-n 
(«X reewnsione L. Dindorrti. v«»|. 11, p. 22, ift, 2 — 3): 

.Kincu eigcntiimlirheii und völlig — istdiert von dem 
iiii.srignu — ahweichriiden (iehrauch halM-ii «i« in Bezug auf 
das Toieiibegräbnir«. Mit Hölzern /orklopfni sie ili« Glieder 
lies Lcichnnni«, werfen *i« dnnn in «in gi'ofsc» tiefüfs (iiy/ih>r 
I* }'}'«»; ict/ieve« l>oi Homer Gefüfs zu Milch, Wem und 
Bdsovorrnieu) und legen eine gn»fso Anzahl von 

Sfcincti darauf.“ Au» «lioser unla^zwoifclhanm Su-Uo g«ht 
folgende* hervor: 

1. Dieser loibrauch dar BHlearenlmwohncr. di« nach 17,3 
niK-h Höhlen l'ew-«ihiit«n und in utisgcgrnboiieii unleriflischen 
Widmungen »ich nufhi«lt<-u, stobt nach des tirierhon Ansicht 
einzig da. 

2. Auf dio‘«r Toienurne erhob sich ein Kteinhügel, Tu- 
mulu«. 

3. Nach der genngon Kntfernung vom Ibererland 
(ByreimenhulbinscI) waren dieso Crlatwohnar wohl gIcirhfalU 
I berer. 

Iin übrigen ist zu Uizweifeln . ilal* in Korsika die 
u li z«r» t üc k tc II lieichen in di« imuiorhin ongr Thonurne 
hlneiiigescholwii wi»rd«n seien (v«rgl. ttlobus, u. a. U,). Viel- 
mehr ist anzuni'hmen. «laf«, wie ItÜHlor buschreibt, die «in- 
zidm'ti Glieder zuerst zerschlagen oder abgeschni'ten und «o 
zerstückt pideiiicl«! in die Cnie bin«ingcw>irfeii wurden. Di« 
l>ot reffenden Hügel. <H« zunächst als zum Schutze gegen Kaub 
liero hergoKtollt zu denken sind, hat wohl Zeit und Kultur ver- 
nichtut. ohjei|ochdi««er, möglicherweise intportiertnticbrauch 
als Beweis iberischen fJrsprungH ftir die m»n»t als T<tgurer 
angesprochenen Altknrsen gelten kann, bloibt «in« anderu 
Krage, die hier nicht lt«antwort«i wertlcii auH. Mehü». 

hic jiihkerer Zfil.-cno»«e von C. .hilins Csroir, «Icr tiir «eine 
lhiiv*-r«nl!:«-»Gii. Im« ilterr üaeifcn, «»» Kpboros, Kteds», Tiiuscu», 
•link Mu*«< lirii-b. \V«dd niif er«icrcn, c|acn Zeitgeooswo Je» 
Deint>«<fieiirs, gebt die |t*le«rcn«>-hililerun2 zurück; vergl. H. Beter' 
l.>-\ik»u der iie«ildci<lp «U-s Allerlums. S. 1&2 u 166- 



Versiitwortl. Itedskteiir: l’r«f- Dr. II Andre», Braunsebwrig, F:iller*lcl>ertKor*Brf>inpna.ie 13. — Druck.’ Knedr. Vieweg u, Sohn, Brauio.chw«ig. 




GLOBUS. 

ILLUSTKIliRTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN; ,4) AS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HERAHSdEBKR: I'noF, D«. R. ANDREE. VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 9. BRAUNSCHWEIG. 5. März 1903. 

Ka«1wLntck onr &ach Üb«r*inkuofl mH der ItMlMttet. 



Bei den Indianern des Urubamba und des Envira. 

Von Alfred Reich nud Felix StetfeliuAiin. 



Mit einem Be}(leitvrort 

l)ie beiden Herren Alfred Reich uuü Gerft und Felix 
Siegelniaim aus HaDibtirg, denen dai« Berliner Völker^ 
museum eine Auxubl seltener Objekte xerdniikt, haben auf 
meine VeranlaH.Hung den folgatidcn kurzen Beitrag fAr 
duti „Globtifl'* niedergeschrieben. Sie haben aU Kaul- 
leiite Gogeiideu l>erei8t, vuu denen nur wenig zuverlasiige 
Kunde zu unn gelangt, die ▼ou hohem etliuogniphUu'hen 
Interesse sind, und die infolge d«K Kaut^cbukbandels 
heute die sch werkten Umw&lzuugen erfahren, ,\un {>erua- 
uiochen Arbeitern zu.Hainmengeaetzte Truppen 'ron Cau- 
cheru« dringen zu den entlegeiiHten Flünaen Tor und 
treiben während ihre» mehrmonatiiebon Aufenihulta die 
ärgste Kaubwirtecbaft, indem eie die KfimtlicheD Saft> 
bäume (Caktilloa) fällen. Wie es dabei den kleinen 
indianer.Htäiuinen ergeht, kann mau sieh unschwer vor- 
stellen. I>aa grutse Intereese für dan |>eriianiHch*hrafii* 
likcb-lHdivi»chH ttrenzgebiet liegt ▼ornehuiliclt iu den 
voraut*zu»etzendeu und in manchen Zügen auch nach- 
weisbaren Beziehungen der vuden kleinen kulturarmen 
Stämme un den ZuflüHken des oberen Amazonaa zu dem 
alten Inkareich. 

Man kann die grftfse Bedeutung der Tbataache nicht 
verkennen, dafs die Kampa «nler Anti im (jiiellgebiet 
des Uinyali und, wenn auch am Abhang der Anden, so 
diM'h in unmittethariir Narliharüchaft von (Tizco einen 
Nu-Aruukstnnm darsteUen, d. h. der Sprachgnippe zu« 
zurechiien sind, die sich von dort aua nordöetliuh bis 
auf diu Kleineu Aniilleii urstreckt bat und als die vor 
den Karaiben unsäs-sige Urbevölkerung «lieser Inseln 
gilt. lUe Spraebe der Kampa, <lie sich selbst Matschi« 
ganga nennen, iat von I.iicien .\<iam’> nach einem 
älteren spauiccheii Manuskript bearbeitet wurden. Ks 
giebt Aiifserdem eine Anzahl Wärterlisteu , von denen 
ieli aiifübr« die vom (trafen ('aHtelnau *), von P, Marcoy >), 
voll Cb. Wiener*) und vom Franziskaner Cartlus''). 

I>ie von Reieb lN>sncbt«n Kuiiibo, von denen sich 
an verscbicdeiieu Stellen Nie<ierlassungen finden, gehören 
der Panogriippe an, deren bekannteste Vertreter atu 
Ueavali wohnten und noch wohnen, deren Gebiet aber 

') Lurieu Adam. Arte de la leiigua lndi«i«i Anti« «> ('am* 
pa«. J'aris IttäU. 

*) C'nstfdiinu, Kx(H'‘dition dans 1<4 (lartiea reiitrales de 
I'AiiienijUe de Kud. T. V. Paris 18ä0— <11. 

'*) Paul Marroy, Tour <iu Monde |a<u. II, 

t'liarlc-s Wiener, Peroii et Ikdivie. p. .Irto, 7an. Paris 

ISBu. 

*) H. P. Fr. .Ins4‘ rnrdit.s, Tjas Misiones fraiieisenna«, len- 
gua de liH MaeUigangas, p. -l:!'». baivel<<iia 18 hb. 

Otebu« LXXXIII. .Nr. 9 . 



von Karl v. d. Steinen. 

über die t^iieilflüsse mebrt^rer südlicher Tributäre des Ama- 
zonas bis zum Madeira reicht '■). 

Zu eben diesen Pano aiod auch dio dem Kthnographen 
neuen Stäiniiie der Jaiiiinaua und der Kasobinaua 
des Rio F.nvira, bei denen Stegelmann Wörter gesammelt 
hat, zu rechnen. Während der Ucayuli eine alte Mir« 
sionsgeschichte hat und einen heute viel benutzten Ver- 
bindungsweg von Peru zum Amazonas darntellt, ist uns 
der Envira (portugiesisch Kmhira) noch recht unl>e- 
kaunt. Stegeimann ist der .Ansicht, dafa die kartogra- 
phische Harstelluug dieses QueUfltisses des Junta bisher 
, verfehlt ist Nach seiner Auffaasung ist dieser Kuvira, 
der von rcehts den Riusinhu, den Jamiuaua tintl den 
I Junipari, von links denTarauaca aufnimmt, der Haupt- 
, nubenHufs des oberen .furua und bat bisher zu Unrecht 
für kleiner als der Taranaca und als dessen Nebenfiufs 
gegolten. Kr teilt mir ül>er die Geographie der Indianer 
das F'olgeiide mit. Während zwischen dem Kuvira und 
«lern Tarauaca sich Kulino finden, wohnen im obersten 
(Jueligidiiet des pjivira Pakannua oder Bolchindianer 
und Kapanaua oder Kichhörnchenindianer. Alsdann 
leben ■ anf grofsem Gebiet am rechteu Ufer des Fjivirn 
die Kascbiuuua oder Fledermausiudianer und Schah- 
nindaua’) (Hiosinho), ferner diu Jatuinaua cxler 
Mäuueriiidlanur (um Flusse gleichun Namens) bis fast 
zum Juru]>an, endlich die 'rauare (zwischen HioKinho 
und Jamiuaua), von denen uus Stegeimauii speziell be- 
richtet, und iu der Nähe der Mündung des Jamiuaua 
auf dem linken Ufer dos Kuvira vin kleiner nriühaariger“ 
Stamm, die (,'oto oder roten BrQllnRen. 

IKe von den beiden Verfassern mitgebrachton Wörter- 
Hsten sind keineswegs Mystumatisch augeb'gt, aber unter 
den gegenwärtigen Umständen immerhin wertvoll. Ich 
balle die Wörter iu dur öbliobeu W eise geordnet und 
verweise für genauere Vergleiche auf die olmn zitierten 
Werke. 

Kill kleiner Beitrag wird noch für die Piro (oder 
('hoiita<|uin>) geliefert, die an dem (Juillabainba «lor Kar- 
; teil, dom Urubamba ulto dur Reisenden, mdwu den Kampa 
und auch am unteren L'cayaii, hier neben Kuuibo woh- 
nen. Hie Aufnabme erfolgte unfern der Mischagua* 
i mündung ahwärU der Strom.Mjhnellen vonTonqiiini oder 

* *) Kitnul de Iu OrA«st*rie, l>o la famille liitgiiiNnt|no Pan». 

Pitri« lese. 

' ') Kii» .Schahnintoyncu* lliuM zwivhvn dem II. uml 

l'i. (trnde KÜdl. Itr. als .('»iiinivertente* der Piiru«4iiuUen 
. zuiti Muiiu, der von her in den Madru du l>io« iiiihidot. 

17 




m 



KrtI V. d. StviDcu: Hei de» ln»li»nern dot rrabemb« uad dee Knvira. 



Mniiii«|ne. IHe Wörter för Tapir, 2 uud 3 )a«'<cu !<ich 
mit. dt*mm det» Nu-Arujik«tumnu‘ts der JumanA (vjrl. Mar- 
tiua, WurterftHmmiung ItraHÜianiKcher Spmcht>n, Ixtipxig 
1867, S. 250) Türglüichen. 

I6e Abbildung auf St^ite 136 Htallteim' Neiibeic für dt»H 
Herliner Muäftim, mit AReiipulz »ud Keiiern geKchmdckte 
Hambutidolcbe der KAscbinaiia („paka**) dar. l»«r 
nackte (oder in eine Hlätterackeide goi^teckte) I>ülch wirrl 
durch die Fe>deiii btsleckt. (m Augenblick, wenn er 
emporgeriHsen wird, fliegen die Federn in diu Hube, und 
diu mit Harzuiuiüteiti verzierte UambuHkllnge wird ent« 
blbtHt. Karl v. d. Steinen. 

Alfred Keieti: Dio Kniiipfl und die Kiinib<i 
des rriihninbn. 

Meine UeiNu i|uur durch Südamerikn vom i'azifiMcbeii 
zum AtlautUcheu Ozean via l'uzco — U^umbarii - IJcttyali 
— Amazonen!*»!*«»! brachte mich mit verMihiedene» India- 
ner»tämmuti in Üerührung, über deren Gebrauebe ich 
vrlibrend meines moDatelangen .\ufentbultes bei einigen 
oberflächliciie Ucul>achtungen zu machen Gelegenheit 
hatte. 

Atu oberen I rubuntba gelangte icb zuerst zn den 
Kampa, deren MAuner mir im allgemeinen durch kraf* 
tige Konstitution, entwickelte Intelligenz. t«owi« durch 
einnelimeiidei» Autverr gufieluu. Unter den Knmpafraueti 
atiefn icii «dtenfallM auf einzelne achiine und e<lle Typen, 
unmutige, zurte Gestalten mit sanften (inzelleiiaugun. 

Männer wie Frauen tragen ein langet«, sm’kartigez 
Gewand, das hi** unter die Knie reicht (Kunchma ge> 
nanut), aus He!b!*tgea{Hiunenen Hauniwullfltden verfertigt 
und mit einer Frucht atHchietu (Hixa Orellaim) rot- 
braun gefärbt. Bei den Männern hat dieser Sack ein 
vertikales Kopfloch auf Brust und Kücken, bei den 
Frauen ein boriznutalee von Schulter zu Schulter. Dar- 
über hängen sie breite, mehrfarbige Schnüre aus den 
Samen gewisser Früchte , u. a. einer halb purpurroten, 
halb weifseii Hoiine, buairöro genannt, am Hals tragen 
sie Amulette aus Muscheln. Knochen uud Aflenzähneii 
und am Handgelenk schmale Armbänder aus HaumwoH- 
geWubu. 

Die Häuptlinge tragen Itesonders breite Bru-stbehäiige, 
an denen noch ciao ganze Kollektion gvtn>ckneter Tu- 
euus, FapAgeieit u. s. w. baumelt, und um die Stirn ein 
Diadem aus Wurzelrinde, mit zwei gleichfarbigen Fudern 
am hiutcrtui Teile geschmückt. 

Hordenweise wohnen die Kampa zusauimen in kleinen 
l)0rfcheu von acht bis zwölf Ilüttun. immer versteckt 
und in einiger F.Dtfernung vom llauptstrom. 

Mir fiel der Bau der Hütten auf. lk*r gröfste Teil 
war geräumig, luftig, nach allen Seiten offen und diente 
tags über zutu Aufenthalt. Nachts zogen sie sich in eine 
runde Hütte ziiriick, deren Wand sus eisenfesteu l'ulm- 
holzplatten (t'hontn) gefertigt war, von kaum 1 m Höhe 
und darauf erhob ^ich ein nach der Mitte spitz zugi-heii- 
des Dach von ziemlich j«olider Bauart. Als Kiiigang war 
eine 0,5 m hohe ttflfmnig froigelusseii, nur auf dem Hauche 
kriechend gelaugte man in die dunkle uinl dumpfige 
Nuchthütt«. Auf mein Hefragen, weshalb sie nachts ihre 
Dufthiltten gegtui diese dumpfe iVlmusimg vertauschten, 
machte man mir deutlich, <ler Jaguare wegen. Bis da- 
hin halte icb immer im Freien kampiert, die nächste 
Nacht gesellte ich mich indes zu den Kampa. 

/um Fischfang besitzen diese Indianer «ine stark 
nai'k<itisciic Kigeiisciiiift b(*«ilzemle Wurzel, Barbosco g<- 
iianiit. Mit Steinen geklopft, wird diesellH* an geeig- 
iieli'r Stelle ins Wasser geworfon. Im Nu niiuml ilieses | 



«ine milchig« Farl>« an, und l>edeckt sich die Oberfläche 
j mit Huiidurien von F’ischen, <lie teilweise sofort tot, teil- 
I weise nur betäubt obenauf treiben. 

Hin wenig »ppotitrcizeiideH Gebräu, das man mir dort 
^ kredenzte, „ m asch ato wird hum gekauten Maniok* 
wurzeln (Yucca) bereitet und spielt bei den Festlich* 
kuiton der Minguborenen eine Hauptroll«. 

Von den im Kreise um ein grofses irdene« Gefäfs 
sitzenden Jndiunurwoiben) winl die Maniokwurzel ge- 
kaut und in den Topf gespieun. Weiiu das erforderliche 
Quantum fertig i«t, »o ilberlätst man das Mu« der Gä- 
rung, bis es die genügend beinuschuudun Kigeiischaften 
besitzt. Wenn man auch noch »o grofsen N' iderwillen 
gegen aoich Gebräu hat, «o wür<ien sieb die GastgeWr 
höchlichst beleidigt fühlen, wollt« man die Kalabasse 
(paniüco), in dur diuN^r Trank von Mund zu Mund gebt, 
BUsKchlagen. 

Während meines Aufenthaltes starb ein junger 
Kampa; er wurde im Kinbaiiiu flufsabwärt« gebraclit 
nncii einer Waldstelle, unter einen grofsen, schattigen 
Baum gelegt und einfach dort gelassen, um, wie mir 
mein s]urnisch r.adebrechender Kumpajunge mitteilt«, von 
Aasgeiern und wilden Tieren gefressen zu werden. 

Bei den Kunibo am unteren rrubambaflusse hielt 
ich mich auch etwa einen Monat auf und hatte Gelegen- 
heit, einige recht eigenartig« Gebräuche kennen zu 
lernen. 

Sie sind viel weniger schön ala die Kampa; der ungün- 
stige F.indruck wird noch erhöht durch die Gewohnheit, 
diu straffen Haare wie eine Mähne auf den Schultern han- 
gend zu tragen und über die Stirn dicht über den .\ugeii 
verschnitten. U«terlipj>e und Nasenwand wertleu durch- 
Imbrt und durch erster« ein Ilolzstäbchen gesteckt, «bis 
bi« ans Kinn herabreicht. Die Nasenwand wird mit 
einem Faden durchzogen, au dem ein silbernes l*lättcht*n 
o«]«r etwas Ähnliche« hangt. 

Kigeut ümlich ist die Stirn- mler Scbä<lelbilduug d«*r 
KunilH). Die Stirn ist hoch und vollständig nach hinten 
abgeflaebt, der Hintorkopf aber nach vorn zu, «o dafü 
der Schädel Mitraform zeigt. Das wird künstlich er- 
wirkt, indem der zart« Kopf des n«ug«(>ot^uen Kind«*« 
etwa acht Tage laug uiiiteU Kissen und Holztafeln in 
die«« Form fest eingeprefst, geschindelt winl. 

l'Une weitere Kiguntümlicbkeit dieses Staiumu« i«t «li« 
Boschneidung trirkumcisiuu) der Mädchen. 

Sobald ein soiches die Uuifc erlangt, wird eine grotse 
Festlichkeit veranstaltet, bei der der erwähnte .Maschato 
eine Hauptroll« spielt. Nachdem das Mädchen durch reich- 
lichen GeuufH des gegorenen Manioksaftos bis zur Sinn- 
losigkeit trunken gemacht ist, beginnt di« Operation. 
.Auf drei I’fäblen au« palo do balsa wird es ausgestreekt 
und im Beiaein der ganzen to1>enden Gesellschaft tini- 
sehneidet ein alte«, erfahrenes Weib mit eiuem Messer 
aus wildem Bambu«, aus dem auch die Ffeilgpitzen ge- 
fertigt sind, ringsum den Introitus vaginae und trennt 
dns .liuigfenihäutchen von den Suhaiuiippeii los; und 
damit wird die Klitoris vollständig freigelegt. 

Die ulte /utiWriii bestreicht di« blutenden Teile mit 
medizinalen Kräutern und führt nach )*iner Weile einen 
Peiii«. aus liehm geformt und etwas augefuuebtet, in <li« 
Srheirle der Jungfrau ein, und zwar soll dieses I/ehiii- 
werk dem (»lied« des Verlobten genmi entspriH'ben. Ihi« 
mit ist das Mädciieii für die Verheiratung vorbereitet 
und kann ihrem Geiuahl aiisgeliefert werden. 

Junge KnnilK) sah ich, ili« den Schädel voller langer 
tiefer Narben hatten, um die so uiuiichor Student sie 
hätte beneiden können. Mit Stolz und äufserster Be- 
friedigung erklärte mir einer der ib'iiarbteii. dafs sie 
Ih*) ihren .Masi IiHtogelagen , jedenfalls wenn in vorge- 







Kurl V. d. Steinen: Bei den linniinerii dee Urubeinba und des Kuvira. 



136 



rürkteni Stadium, sich ^ej^nseiti/;; packeu und sich 
njfVgliidist viel Schmtte iu die Kopfhaut beixubrüigeii 
suoben. Also auch eine Art Meusur! Tout coinme chez 
nuus! I>asu bedienen sie sich oinee kur}*^u, utwa 6 cm 
langen, gebogenen KiseiioieHserH mit IlulzgriiT («wi' 
Kcheti*^), dn-s sie an Inngeiii Uande auf dem Rücken hän- 
gen buben, stets fertig zum Gebrauch. 

Kinen eigennrtigen mosikalischen Genof» bereitete 
mir eines Abends ein junger Kiinibu. Auf einem aus 
biegsumem UuIsm; gemnehten Rogen, mit einer Sehne von 
etwa 30 cm Länge bespuunt, strich er mit einem (einen 
Holzstäbchen auf und ab nach Art eines Violinbogens. 
Habei nahm er das eine Ende des lk>geng zwischen die 
Zähne, das andere hielt er mit der Unken Hand, mit der 
auch gleichzeitig die einzige Saite ribrierte. Sanfte, 
weiche Tüne wuIste er diesem doch so oinfachen Instrn- 
mouto zu entlocken, die sich zwar nur iu wenig Noten 
bewegten, aber wieder eo ganz im Flinklang sUtudeu 
mit dem dästern Urwaldlebeu und wie eine leise, dumpfe 
Klage erklangen. 



Wßrterlisten (Ausapraohe deutsch). 



A Ka 

Kampa'Indiauer inatevhi- 
ganga 

Weib tjiuBiii 
Knabe iUchuri 
Sonne, Tag burieut« 

Stein uiapi 
Gold pari 

Kuder kmnarims 
Musikinstrument, Flöte soga* 
riuteche 

Bogen piamentsi 

Affe koniainau 
grauer Affe kumaiiinrg 
Wildschwein sluUili 
thite katari 
Eier tauB 

Schlange umserougi 
Baum intschato 
Kinde ischaniairo 

Pi 

Kopf bichihuay 
Weib sritscho, sriUrhone 
Hut saibuptptie 
Kuder «arhuehnpi 
bemalte KalelMiwe kurvädo 
kleiner <*ebwarzer Affe 
iittrhira 
Tapir Schema 
Kiscb pusiiacheko 

K u 

Kopf niapu 
Auge hainweru 
Zunge haiiH 

Lip|>en. Kacben baiigtHcha 
Ohr hampaweki 
Hand, Fiifs baniwkä 
Fufs bamtai 
Sch«'BMZ hamhitiH 

Sonne huari 
Mond uare 
Wsawr bonegg 

Haus schnils» 

Itett aatscb 
Hut maiti 

gewebter Rentei |dnrlut 



pa. 

< ’boutatMilmi’ kamur» 

HuiiiiDe {Ariente 
Bund Bananen piebito 
Cbicha ans Maiidioka schiär, 
noasiri 

Kautschuk kapi 
Sammalgcfäfi aus Siaronari^br 
kapil 

Gunmii kumori, kimorit 
Banmwacb« t<ineri 
gut kametiiii 
schlecht tire kametini 
dort uka 
ja aha 

wie heifst? tata oida 
hast du1 autitu%'iru 
komm her taina kario 
geben wir schami 
adieu noteita 



ro. 

Mandioka tscbiuieka 
t'hicha aus Alandioka kiiyn 
Zuckerrohr putsebakseri 
nein, giebt nicht maleach« 

1 «ape 

2 epi 

3 inapa 

4 epsebku schamkuhue 
& oder 6 satitepja 

kibo. 

Talwkspfeife schinilabu 
Schnaps i«ua 

gemalte Kalebasse kindsrba 

Kanu nunti 

Kuder wiuti 

Jaguar Ino 

Jtaumstamin dasha 

Holz kam 

Zuckerrohr srbrabi 

Haiiano purauln 

Talmk rumwe 

wie heifst? bauri 

es giebl. yama 

giulu nirhl yntMereke 



Felix StegeliUAiin: IMe ludiaiier des Rio 
Fnvlra. 

Der Rio FLiTira (Kiufaira) und der Rio Titrauaca 
hildou Tereiiit den grörKtcii NobenHub des .lurua, jene« 
südlichen VAsallfU des Amazuuenstrumea, der aus der 
äufserstcD Westocke des lKiliTi8cb-brusilisoh-peruaniRi*hen 
Grenzgebiets hervorkommt. IHe Kartographie der bei- 
den QuellSüsse erMcheint mir noch mangelhaft. Auf aih'ii 
Karten siebt der Tarauaca bei weitem gröfsar aus ab 
der Fhivira , während thatsächlich da« Umgekehrte der 
F'aU ist. F>sterer ist vier Tagereisen hinauf sebifihar, 
letzterer sechs bis siel>en. 

Vom oberen Knvira gelangte ich in wenigen Stunden 
zum Rio llrou, unweit seiner Mündung in den eigent- 
lichen tjuetlflufs des Jnrua, ohne auch nur eine Spur 
von dem zwischen Jurua und ICnvira liegenden Tarauaca 
gefunden zu halten, wau, nach der Karte zu urteilen, |a 
ganz unmöglich erschoini. 

Während der letzten Jahre herrschte in dicHeit Ge- 
genden schon ein lebhafter Gummihandel. Jedoch am 
Alto Knvira, wohin ich vor drei Jahren mit peruanischen 
('aucheroR zum erstenmal vordraug, waren die dort an- 
sässigen IndianerstSinme noch nicht mit den räuberischen 
und wethergierigen Caucherohordeii iu feindliche Re- 
rührung gekommen; sie nahmen uns ül»erall mit ihrer 
kindlich-naiven, manchmal wohl auch etwas ängstlich 
zurückhaltenden F'reundlichkeit auf und Loten uns au, 
worüber sie verfügen konnteo. 

Dem Namen nach lernte ich versehiudeno Stämme 
unterscheiden, nämlich: Jaminaua, Kaschiuaua, 

Tauare, Schahniiidaua, Kunibo und andere, die 
mir alle spraohlicb zu derselben Gruppe zu ge- 
hören schienen. Die beiden l>edeutendsteii sind die 
JaiuinauH und Kaschiuaua. Ich will hier eiuiges Kähei'e 
niier die Tauare mitteileu, die ich zuerst kennen 
lemU'. 

Wäbruiid unsere kleine Lancha mit Mühe gegen die 
Strömung des oberen Knvira ankäntpfte, erblickten wir 
eines Morgens plötzlich am F’lutanfer eine nackte braune 
Gestalt mit Maishüschein in den Händen und heftig ge- 
stikulierend und winkend. Raid erschienen auch meh- 
rere, Hämtlich Winalt und nur mit einer Hüftschnur be- 
kleidet. Wir unhiiien sie an Bord und beschenkten sie 
mit einigen werilosen Kleinigkeiten, worüber sie sich 
königlich freuten, besonders der Hriuplling, der ein bun- 
tes Kattunhemd erhalten hatte und ungemein stolz dar- 
auf war. 

An einer geeigneten Stelle landeten wir und folgten 
ihnen nach ihrem Dorf. Der Weg dauert« wohl drei 
Stunden und ging oft durch das Rett eines kleinen 
Raches, so <lafs wir ganze Strecken bis au die Hüfteu 
im Wasser waten mufsten. 

Unterwegs fragte ich durch /eichen meine RegleiU*r, 
ob es noch weit bis zu ihrer Ansieslelung »ei, worauf 
sie mir an den Ftugem bis 4 vorzfthlteii. Später be- 
griff ich auch, was sie damit meinten: wir kauion näin- 
j lieh au vier kleinen, offenen Hütten vorbei, die in reget- 
mätsigen /wischenräuinen von * « Stunden entfernt 
standen und, wie mir »cbieii, als Stadoneii lH>i ihren 
Jagden benutzt werden. 

Als wir in die Nähe der .Vnsiedelung gelangten, wur- 
den wir durch ein langgezogeues Uuh! meiner Begleiter 
angemelciet. ftas Dorf selbst bestand aus fünf geräiimi- 
I gen, mit Palmstroh bedeckten Häusern, deren Dächer 
I ganz bis auf die Flrdu reichten , wlbretid sich an den 
I beiden Seiten »ohmale Eingänge befanden, die des Nachts 



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m 



Kurl V. d. äteinen: Hoi doo ludiftiiern de« Urubrnnliii und de« Knvirn. 



durch Mdtton TorRcblo>«Ken wunleu. An den Tiulon 
(juerbtilkon biiiK<-Mi llHufreinatton und darunter WArei» 
liocb die Hetite von Feuern zu Nohon, die kio den Nackt« 
zur Vertreibunjr dor MuskitoH zu uiiterbaltuu pno^eii. 
Ich weifH nicht, ob daher auch die vielen Brandwunden 
berr&hren, deren Narben ich fa«t bei alloii Indianer* 
kindern »ab. 

An den Wänden waren in Manushöhe Kurbe aiiffo* 
bracht, in denen »io ihre täftUohen (Torätachaften, Baum- 
wolle, «owie Waldfrüchte aufbewahrton. Ba» I)orf be* 
laiid «ich iiimitten einer «uhr bedeutenden .An|)flanzunK> 
Ich «ab dort Mandioka, Maiuako, Bananen von j^anz 
auleeninlentlicher Grdlse, ver«chiedeu[urbi^en, »chüneii 



Al« WafTen benutzen «ie Pfeilo, Lanzen, Keulen und 
Bolchc (vf(l. Abb.: I^olcheder Kancbinaua), welch letalere 
«io an einer um den Kopf j^ebunilenen Schnur tragen. 
Auch traf ich bei dio«eiu Stamm ^rot«o, mit Tapirfell 
nberzo>;ene Schilde, wa« ich «päter Itei keinem anderen 
Stamm bemerkte. 

Jeder Mann verfüjyte über eine oder mehrere Stein- 
äxte, die «ie nach ihrer ei^renen Angabe «ehr weit her 
tfeholt haben mQ««en, da ich im ganzen Kuviragebiet 
nienial« harte« Gentein traf. 

/ur Krzeugung de« Feuer« bedienten «ick die Tauare 
einer Art Feuerbohrer, eine« dünnen Bohre», welche« auf 
einem flachen Stück Holz, in dem «ich kleine Vertipfiiiigeii 




Dolche der Ka«chiaauä. 
Musrum dir VSlkcrkuadr, Hrrliu. 

Abh. la, Ib, le KonvriP Seite der 
Abb. ‘Ja, 2b, 2c. Kookeee Seite der 
Kliwgr. 





Mai«, Krdnn»«e (mani), rriichttrageude Pulnibäume, «pa- 
ni«cheii iTefler (zuui Schnupfen), «owie Baumwolle. 

An llau»ti4Tcu henierkte ich kleine, zottige Hunde 
von ab«chreckender Häßlichkeit, verschiedene* Waldvögel 
(ci'AX, penelope), Papageien, Arara«, «owie einen jungen, 
gefleckten Tapir. 

Manche von den Indianern waren von oben hi« unten 
bemalt, alle hatten von den Mundwinkeln bi« zu den 
Ohrläppchen einen hiaueii Strich ul» Stanimesnhzeiohen 
tätowiert. Bie Männer hatten auf«er der dort filierali 
üblichen Ilüftschnur noch Arm- und Ilals.-chniuck au» später wieder zufällig in dasselbe Borf der 

Affenzähnen und kleinen Waldbeeren, die Weilier trugen Thuhi^ kam, fand irh die Hütten zwar vorU«»pii, doch 

«elbetgewebte baumwuIlenH Schurze und hatten vielfach darinnen war eine große Menge Mai« fein säuberlich bis 
au der durchlwhrten Noseintcheidewaiid lialbnioiidförmige, Manii-hidie aiifgesrhichlet. 

silberne Plättchen hängen. Als Getränk hraiteii die Tauare eine .'\rl Bier an« 

Bei einigen Männern entdeckte ich auch ganz hübsche | Mandioka und Bananen, das in großen, unten spitz zu- 
Federkronen, «owie Armringe aus Bast, in welchen sie laufenden Töpfen aufhewahrt wird. IHese« Bier (kais* 
kleinere Oegeustäiide mit Blättern umhüllt aiifbewahreii. | «üma) dient auch öfter als Tauschwittel, wenn «io iinter- 



hefinden, hin und her gequirlt wird. Bic «o entstehen- 
den Funken «'erden dann mit Baumwolle oder Zunder 
Hufgefanguu. 

Mit .\uKnahme der WusserRchildkröte und de« Tapir 
geiiiefseit <ü« Tauare alles Wild, wa» in jener Gegend 
vorkummt. 

Ben Fischfang hetn'iben sie mit Speeren und Pfeilen 
sowie mit Gift (kataiia), da »ic den Gebrauch der .Angel 
nicht kennen. 



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Kui‘t V. d. Steiuou: Itai iloii IndtftDeru ilo» rruitsTuha and des Knvira. 



!37 



eiuauder eiiitfefatigene liidianerkinder der benacbbai'ten 
Stflmme rerknufeu. | 

iu der Töpferei sind <üe Jaminaim riel weiter als 
alle übrigen. Krxtoro fertigen echon gniix H«id>or gear> 
beitete, bemalte Töpfe an, während die anderen noch 
nicht über die einfach.steu Können hinauHf^kommen sind. 

\Venti sich die Tanarö uuf der Klucht beümleii, so 
suchen sie entweder ihre Spur zu verdecken, indem sie 
dem I^ufe eines Haches foigen, (uler sie legen ITeilspitzeu 
und Hörnen auf ihre Spuren, die sie sorgf&ltig mit | 
trockenem Laubwerk zudecken, um so ihre Verfolger • 
iiiurschuiifAbig zu machen. 

Die von den Indianern gefÜrchtetHte Krankheit ist ; 
der Husten, welcher manchmal seuebenartig auftritt und j 
viele dabinrafft. 

Ihre Toten pflegen sie zu verbrennen. IHe Asche ; 
wird dann in tdticm bohlen Rohre aufbewahrt und bei j 
itnler Mahlzeit etwas davon verzehrt. Sie behaupten, j 
dafs diu Seelen ihrer Verstorbenen Hufsaufwärts gen i 
lliinmet zögen, wfthrend in der Richtung flufsah- 
wärts die Oefilde der Caucheros seien. I)ieser Glaube 
ist ja leicht zu erkläruu, du die Weilseu im oberen Ama> 
zonasgehiet stets vom ilauptHtroui her in die Indianer* 
gebiete vorgedruiigeu sind. 

Am linken Flnfsufer des oberen Knvira traf ich übri- 
gens auch auf einen Indiaiierstamm von ganz uufser- 
gewöhnlichem Aussuhun, u&mlicb rötlicher Haut und 
ganz hellroten Haaren, wie man sie in Deutschland 
Diuuchmal bei .luden triflt. Wir batten von diesem 
Stamm auch einige eingefangene Indianerkiuder, welche 
ihrt«s roten Haares wegen von den übrigen stets „(’oto* 
(Brüllaffe) genannt wurden. 

Als ich am Anfang dieses .lahres mit den sämtlichen 
Cnucberos den oberen Knvira w'iedor verliefs, um iiu 
Htiriis Arbeit zu suchen, hatte sich dort das Bild schon 
ganz wesentlich geäntlert: Die meisten Indiaiierstämme 
waren mit den Weifsen in Feindschaft, von diesen aus 
ihren Dörfern vertrieben und dezimiert. An die Stelle 
sorglosen Nnturlebeus ist ein erbitterter Kzisteuzkainpf 
getreten. Wer dabei der unterliegende und in nicht 
ferner Zeit vom Kidbodeu verschwindendu Teil sein 
wird, ist klar. Sj»che der Forschung wiixl es daher sein, 
zu den noch nicht durch Berübrung mit den Weifsen 
verilorbeiieii Imlianerstämmen zu dringen, ehe es zu 
spät ist. 



Wörterlisten (Aussprache deutsch. Anlauteiides h 
stark aspiriert). 



K u 9c h i I) n u a ( KliilentiauMiiiliarier). 



Körperteile. 

Kopf liuiiuina, inäp>» 
Haar hu<> 

Aug«‘ hiiero 

Ohr pnliuinkl, piWl«rhii 

Niise rilki 

Muiiii kecUä 

Zahn cheitu 

}^tuiurrtsu*t kandi 

Kiuii keshs 

Hals t««hu 

Brust tjtcliiitschi 

Bauch p'<kii 

Penis hiaschki 

Scheid« tsistu 

Kteifs tishi'i 

Hand makil, uuniild 

Finger inanghul 

Knie rantongi» 

Für« tal 



Htatid, Familie, 
t.'aiicherii nä 
Indianer iiähna 

Frau schandü i 

Mädchen iiirahtio j 

Vater epa 
.Mutter (‘•hUA, liiin 
Brnder tM'.hnmhl 
Schwester himndi 

Natur. ' 

Himmel nai 

Kegen manw'hntiaip, hui 
M'asxer ynmhi, huakumä, | 

clmiidü 

Flurs haiidapaketä I 

Bnch, hcnschapitshkn ! 

Wasserfall punnnai , 

kleiner Wasserfall ptjrtjjsiro 



Brde mUibü 
Haudbank mispü 
Aupflanzung chuni 
Weg huai 
Feuer Uchii 

Tracht. 

Kopfschmuck mayati 
Mütze tin'iko 
Hemd, weililicher S«'hurx 
huaiachi 
Knopf knt4i 

PetUHMhuur achindacheti 

Haut, Gerät, Waffen. 
Haus hipäss 
Pach tap» 

Hängematte kriti 
Steinaxt inaschasch, n'>ha. 
brui 

Topf kantorilHi, mnnkn 
Si'hale aechakä 
Schnur ileM’huit 
BtHti »chaschuiki 
Bogen piyakänti 
Pfeil piyä 

Harona (stachliges Rohr, aus 
dem Pfeilspitzen ii. w. 
geartieiiet werden) |Ht- 
knü 

lAnre |mkati 

Dolch (aus domseibon Kohr 
wie pakatä) latka 



Tiere, Pflanzen. 

AITe (niHgimiiA) imo 
, (weifser) huakä 
Fledermaus kast'liia 
Ta])ir Ä 

Wildschwein yä 
Huhn takarii 
PavH (Vogel) kosehö 
Baum hiihui 
Manilioka ät/a 
geolitete Maiidioka inuyiina 
ätza 

lianan«' maiiiä 

t'aiiua braba (Kolir) hiiakata 
Kanlsehlik huii 
Tabak kernmiM» 

Verba, Sätze u. *. w. 
essen imka 
trinken halnki 
kacken kui 

ich werde nehineii kerurnria 
giob mir dsre 
uillst du t aiaiuai 
geh«. lalVt nnti geben kai 
er geht schon kainmgi'i 
iafst uns nach oben geben 
ralxike kaikai 
icb werde töten maoebtine 
kaiuniba 

bring mir Maudioku iim liizji 
viel yamtai. 



J am 1 iiä II a (MiinnerindiaDer). 



Su hsta ntiva. 

(’auehero kuraeburiri 
Indianer imbtia 
Mäuner iami 
Frau sehiiiulo 
Vater «^pA 
Mutter ehuH 
Bruder tscbainbi 
Sohn tsohinaki 

Kegen chuliui 
Wasser huaka 
Flufs huakaa 
Harb paschkü 
.Anpflanzung tsehakasrhüni 

K leid angsst fick aus Bast (Fa- 
«611)). das um den le^ib 
gewickelt wird tindl 
Frauenschurz huatsrhi 

Haut scbiihuo 
Hängematte paiii 
Steinaxt hnii 
Feuerzeug tsisHiti 
Kanun cbulyli 
Flinte iu>'>ti 

Affe »chindo 
Tapir ahmt 
WildHchwein iahiia 
Ariira tsobu (nasal), knndo 
Fisch chiapä 
Schildkröte ischakapä 
WaldschihlkrOte schätmi 

H»lz ’bt 
Maiidiokn ätxa 
Mais ürbiki 
Banane mauia 
Kautschuk kuntya 

Adjectiva, Pronomiuit, 
Verba u. a. w. 
weifs schtlkö 
klein pisrhtH 
grof« *bibua|ins<'buiräti 
nii'bl» wert tsudiaka 
fern ii'huhui 



schwanger piWtu 

ich i 
du miki 
woV chani 
viel ehichä 
ja hiibu 
mdn ma 

ich gehe kanukaiu 
du gehst mikai 
dti heifst keoabui 
töten miariti tiriibiiöke 
er stirlu mabuii 
rer^tofsen isohaka)iiii 

wo Ut der Weg faatukömo 
hüai 

willst du Wasser? huaka 

hui(NiirH 

VS Bist du Mai«? schiki hui* 
]Hii 

b««üle dich! kuschschui , kii* 
schahtiiairi 

bring mir Wasser huaka 
haiahahui 

wo ist dein Han«? chatiiko 
mo M'bühuo 

roste mir Manditikn! itra* 
si'huita 

riNtte mir Ihtnanen! nnmia- 
schuita 

wie beiist du? ebaihiiirnmi 
w«i ist deine Frau? cluitiiko* 
im» miahui 

wie ist dein Name? chaua- 
kümo miki 

wo gehst du hin? huniko mi* 
kai 

Zahlen, 
t hiiistj 
'i rhähiii 
.t mä|)o 

4 in.'tp.'UiakutM'ha 

iiiHpanakuisflikutM'lia 
7 panuo 
10 pnmuri 

ir>. 20 u. s. u. hnihitsi 



Globus LXXXIII. Nr. 9. 



IS 



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188 



Kskimuiiiuaik. 



t^8ktinoiiiu8ik. ! 

In vor»fhit«len«n Berichten von Grönlftndforsrhenj ist ! 
der hübschen Stimme luul des feinen musikalischen fie- | 
hör» der Eskimos gedacht, doch hatte »ich bisher kein 
einziger Forscher der Mühe unti»rzugcii, diu gehürtm 
l.ieder in Noten zu setzen und dun dazugeh5rigen ge- 
nauen Bugleittuxt wiederzugeben. IH'U ersten ciugehen- 
dun Beitrag zur Kunutnis dur Eskimoiuusik verdanken 
wir I>r. Robert Stein, einem geborenen Schlesier aus 
Rengersdorf, der im Jahre 1897 an der Nordgrönlaud- 
Expedition des I^utnnnta Pear; tuilnahm und in den Jahren 
1899 bis 1901 selbst eine Kxpo^iitiun nach Kliesmeru- 
land leitete. Aua seitium iu dem Sammelwerke «The 
white World**, New York 1902, voröffeiitlichten Aufsatz 
„b^kinio Musiu“ eutuehmen wir die folgende Schilderung: 

Sir John Roos (1S18) war der erste, der einen Kakiuio- 
gelang eines StAium es nördlich vrmi CajmYork erwähnte, 
eine .\rt Tanz mit begleitendem ('horgesang, in wtdeheiu ' 
zunächst ein Säuger zehn Miuutuu die W'orte RAmna* 
ayah** sang, worauf ein zweiter als ('horsänger mit den 
Worten „hejar, hujar** eiufiel und schiietHÜch beide zu- 
samineo in sihrilleoi Tone nWihi, wihi“ schrieen. I nter 
GeNichtsverzerrimgen und .Aitgenverdruhuiigun gaben sie 
dabei die gleichen K<ir])er' und Oliedurbewcguogen zum 
besten, wie man sie aus dun Tänzen tnauchur wilden 
Völkerschufteu kennt. Zuletzt näherten sich die zwei 
Tänzer, bis sich ihre Nasen berührten, und bra<*hen dann 
iu ein wildes Gelächter aus, womit <las Schauspi4)l sein 
Ende erreicht hatte. 

•\uch Kane, der denselben Slainin lHö3 bis lH5ö be- 
suchte, buaehruiht einen ähnlichen Gesang, doch I>ckoiii!nt 
luii» emo richtige Voratellung erst aus der Scblldening 
Steins, der sinh den Gesang von einigen die Station Fort 
Magnesia besuchenden Kskiiiios im Jahre 1900 vurführen 
liefs. FunSänger tritt auf mit einer „keillauu** genannten 
Trommel in der linken liaud, die er von unten mit einem 
aus einer Walrofsrippe gefertigten Tronimelschligel 
(katna) schlägt Zu ihrer Ikgleitnng singt er, den 
Körper nach vorn geneigt und seitlich wiegend, mit ge- 
schlossenen Augen, die fulgeiidu Weise, w ahrend diu übrige 
Gesellschaft in tieferer Tonlage mitsingt. Am Ende 
nähert sich ihm ein zweiter, beugt sich über ihn, wobei 
er zwischen den Fingern seiner beiden Ilfinde einen 
kurzen Stock senkrecht hält, dicht über dem Kopfe des 
ersten, und beschreibt daun mit dem oberen Ende des 
Stockes einen Kreis, wobei beide in höherer Tonlage 
„we! wo!“ rufen, und dann zuletzt in ein Gelächter aus- 
breohen. Dann tauschen die beiden die Hollen, der 
zweite nimmt diu Trommel und wird Vorsänger, nach 
ihm folgt ein anderes Paar und so fort. 

Diuse Trommel war das einzige in dem ia^refTcndeu 
Stamme gebrnuchliche Musikinstrument; sie ist etwa 
l Fiifs (engl.) lang und ö bis 9 Zoll breit, und besteht 
aus einer dünngeHchniltunen und dünn in elliptische Form 
gebrachten Walnif8rip|H'(Katiigwia), über die alHTrommel- 
baiid eine die Milz des Walrosses umgebende Haut (iiiapsii) 
oder in Ermangelung dieser zu:<»mtueDgeiiäbteSecbuuds- 
dirme gespannt sind. Der llandgrill (pablua) ist aus 
Knochen oder Mfenlwiii gjdertigt. Durch einen dünnen 
Seehmnisdarm (isidiuia), der in einer längs dem Aufsen- 
rand der Rippe aiigobrachteii Rinne (kitnrota) verlauft, 
wird die Trommclhaut struR gespannt. Eine Anzahl von 
Vertiefungen (imihaiiserwiaK uiiterfaall* der Kliiiio ringsum k 
angebracht, soll nuch Meinung der F.ekinios zur Modu- j 
latii>u des Tones dienen. Der ('horgesang ist bei .Mit- 
wirkung einer gröfseren Anzahl recht pRektvoM und die 
Figur des Vorsängers, dem unter den wiegenden Körper- 1 
l>ewegnngen die langen schwarzen Tlaar«* um dus in > 



höchster Erregung gesjAinnte Gesicht fliegen, trägt nicht 
wenig dazu bei. Mit diesem Cborgesang, hei dem tihri- 
geus Stein nichts von den von Uols angeführten Zwei- 
deutigkeiten feststelien konnte, vertreiben sich die 
Eskimos die Langeweile: wenn der Sturmwind um tlie 
Schneehütte heult, wenn es nicht« zu tbun giebt oder 
bei Verfertigung irgend eines Hausgerätes summen »ie 
ihr „haya-ya-ya“ vor sich hin — stundenlang. 



Mit dem Phonographen ntirgenomiDen. 



, • » I , , * , I # P' S 

; , - I \ ^ 

Ha-ya ya J’h ya ya ya ya ya ha-ya ya ya yn 

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va vn vji vn h«-vn va va na Im - vn va vn vn 
ha-ya yn ya y« ha-ya ya ya ya Iih-vh vh vh y« 

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ha-ya ya ya ya lu»-ya yu ya ya Im-ya ya ya ya 

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ha-VH va va va ha-va va ya vh ha-va va vu va 

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yn ya ya ya Iih-vh ya y.n ya ya ya ya y« 

liH*yn ya ya yn ha-ya yn ya ya ha-ya ya ya ya 

1“ 4 ' i ' H ; i ■: r H ' ^ T: ' 



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hu-ya ya ya yn ha-ya ya ya ya ha-ya ya ya ya 



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ya ya ya ya ha-vii ya ya ya ha-ya ya ya ya 



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ha-ya ya ya ya ha-ya ya ya ya hn-ya ya yn ya 



p I ^ p 



0 0 0 ^ ^ 

?■ ^ ' ' 

ya Va ya we we. 



.\iifser dii'sem Fhurgesang gelang es Stein, niK-h einige 
dreifsig kleine, zum Teil recht ansprechende Liedchen 
uufzuaclireihHu. Ein Teil davon ist nach den gewöhii- 
liehstcn l’olarlieren benannt. So giebt e» ein Lied de» 
Bären, des Fuchses, Hasen, SchneehnhuK, das Gerfalken, 
UalH^n, Krnbbeniauchers, der Kismöwe, Schneeammer und 
andere mehr, Die'*e Lieder weiden alle in cinom charak- 
teristischen sunimenden Ton gesungi>n, so dufs sie sidion 
auf HO Fufs kaum mehr gehört werden, ein lauteres 
Singen wird von den Kakimos sofort als „nicht echt“ 
gerügt. 




Prof. I)r. M. Iloernet; Das ('KiniiiKnieii. 



\m 



Zunichei Ut dabei heryorzubeben , dafH die Lieder 
nicht etwa die Stimme, den (iesan^ des betreffeiiden 
TiereM wiedergel^en »ollen, »ondern sie sind die den 
Tieren in den Mund gelegten Ilerzei)«ergü8se über ihre ! 
l'ingebung, z, 11. des S<?hneeatntuers ül»er die Srhleclitig' 
keit der Kskimojugend, die ihm mit allerhand Fallen und 
Schlbigeii nach dem Ijeben tmcrUtel, de« jungen Krabben* 
taucher» über ihren büseit Feind, die Kitmuwe, die den 
Sommer über alte und junge Taucher vursehlingt. Leider ’ 
kann Stein selber den Sinn der übrigen GesAiige nicht ^ 
angeben, nur wenige Worte konnte er in den einzelnen 
Liedern übersetaen. Damit kommen wir zu dem merk- 
würdigsten Punkt, dat.t nfimlicb die Kakimoe ihm eigenen 
Lieder nicht verstehen! Die Sprache der Lieder ist die ’ 
altertümliche der Vorfahren, die .sich eben nur iin Ided ' 
und wohl auch in ihren oft eine Stunde lang andauern- , 
den religiö-entienängeu erhalten hat. ÄriHcbeinend unter- ' 
scheidet eich diese arebaiaebe Sprache nicht so sehr von 
der gewobnlicben I mgangsHprache, dafs sie nicht unter 
Heranziehung anderer Kskimodislekte konnte interpretiert ’ 
werden. Welche Menge interessanter Aufschlüsse über ! 
du« Geistesleben und die Geschichte dieser sicher mit : 
l'nrecht so oft zu den „Wilden^^ gezählten Völkentebaften 
liefse sich wohl aus einer genaueren Krforsebung dieser 
altertümlichen Liedcrspracho erwarten? Natürlich hiideii 
»ich auch unter den Fskiinoe be^^onders begabte Sänger j 
neben anderen, die auch nicht ein einzige» der Lieder 
Torzutrageu vermögen, alwr sämtlich kannten siedle Lie- 
der und so oft auch der Versuch gemacht wurde, immer 
«'urdc der gleiche Name genannt, wenn ein Tierlied zur 
Probe von di>m Forscher angestüumt wurde. 

Wo wir sangesfrohe Menschen ant reffen, sind wir, ud< 1 
sicher mit einiger ßereebtigung, sofort geneigt, ihren 
Kzistenzkampf als nicht gar schwer und hart zu be* . 
trachten; dürfen wir auch vom leichtlebigen l<^kimu | 
reden, wenn wir sehen, wie er unter den härtesten Lebeiis- 
Imdiugungen ständig den Hungertod vor Augen, im 
ersten Moment der Krleicbtorung sofort sein Liedchen 
anstimrat!? Und so arm die Kskimos überhaupt sind, 
auch ihre besonders begabten Sänger teilen das gewöhn- 
liche Ix>e de» Museusobnes. In recht launiger Weise 
erzählt uns Stein, wie gerade »ein ergiebigster Sänger, 
dem er da» meiste »einer musikalischen F.rriingenschaften 
verdankte, nichts weiter beaafs als die Kleider auf seinem 
l^eibe, einen kleinen Zi>rbrochenen Schlitten und eine 
Hoizbüchse mit allerhand Spielzeug, die er von einem 
Weifaen erhalten, nichtsdestoweniger aber ständig nach 
Hymen» Freuden »cbmachtete, allerdings vorerst mit 
wenig .\ussicht auf Krfolg! 

Das Verdienst Steins wird sicher der Anerkennung 



nicht ermangeln, die Schwierigkeiten bei der sprach- 
lichen und musikuliscben Aufnahme von derartigen Lie- 
dern sind ganz bedeutend; e» dürfte wohl heute sicherlich 
keine übertriebene Forderung mehr sein, dafs der For- 
scher auf seiner Kxpedition über einen guten Phono- 
graphen verfügt lind somit wenigatens bis zu einem ge- 
wissen Graulo in Stand gesetzt winl, das Gehörte in 
unanfechtbarer Weise wiederzugeben. 

Wir lassen hier noch einige der dnreb Dr. Stein anf- 
gezciehneten Kskimolieder folgen, welche steh auf Tiere 
beziehen und einen guUm Begriff von der Art ihrer 
Musik geben. 



Kopainu (HrhaeeaMiner), 

Von I^i«. Kii|> Vork. 



• * i t t t 












^ i 

• i' i' , 



Ai*uiktiing*nii*ii'su-gön, Ai-taktuQ)f*mi'ii-tiu>{rön. 



Tnnli - Mia 



le - le - , 



iMIlli • H 






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kok-tai'*lu - ta ke • meng - um • ti > gön 

Tndlua (Rabe). 

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Vmi Kiiwientrw». 

■< 4^ • m . 



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.\n - üIh h|i - U( nk • in • ni • die - uia nia- 

geh fort auch whlecht- 



iitHiigi • (Uh - iiia 
ri Heilender 



i - II ye I - a yc ya knmg- 
(kräclixHii) 



Nanu (Bär). 



Von AkatimgwH. 
*. • j 

* 9 



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Nä - tiu nie - lie ki • tuiig • h kar • nO • lic 



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5, tV , U V 

im • nu na • mi 



Das Campignien. 

Kine »ngeblicho Stiiinrnfonii dor neolithisclit'ii Kultur Westeuropus. 



Von Prof. Dr. 

Daa (’ampignien, welches zuerst Philipp Salmon als I 
eine seiner drei iieolithischen Stufen Westeuropas auf- I 
stullle, gilt heute ziemlich allgemein, wenigstens in \ 
Frankreich, als Übergangsstufe von der älteren zur 
jüngeren Steinzeit. Ks galt als solche, schon bevor 
Piette io südfranzösischen Mühlen, namentlich io Mo» 
dWzi), sein «Asylien^ und sein „Arisien** entdeckte und 
als Mittelglieder zwischen das Magdalcnien oder die 
jüngst«^ paiäolitbische Stofe and das Zeitalter der ge- , 
glätUden Steinwerkzeuge (sein „Pi'dccyque**) eiimcbob. i 



M. Hoernes. 

Durch diese von den Franzosen mit ßegeistening auf- 
genommene und als endgültige Vernichtung des Hiatus 
liegrülste Kntdeckung ist die Bedeutung des Cainpig- 
nien allcrditigN wieder etwas eingeengt, nämlich auf 
Nordfrankreich beschränkt worden. Neue Kntdeckungen 
haben vor den älteren zumal ihre Neuheit voraus. Allein 
bei unbefangener Ikitrachiuiig miifs man dem (’arnpig- 
nien abbnld wieder den Vorzug ausgedohutcrer Ver- 
breitung vor dum „Asylien“ und dem „.\risien“ eiji- 
rauiiien. Aufser Frankreich haben nämlich niicli ftaUen 



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U<i 



l'rof Pr. M. Iloerne»; Pa* ( anipig«ien. 



und iHlnemnrk daran bofstimmten .\nteil, und Sahnon 
wnlllf eB auch iu Ik^lgien und IPifslaud (Bologoi^ am 
Wrtldai) wiwlorfinden. Mit dem „Asylien“ hat es keinen 
einRigeii der borvoretecbenden /ügo gemein, kis kennt 
keine beiuniteii Kiesel, keine HirKchborafaarpunpit, keine 
ntuelle TotenbestAttmig; »ein« obnrakteristixehen Merk- 
male sind, wie wir gleich schon werden» durchaiiH 
andere, und wenn eine der alten Kulturphasen den llnng i 
einer Zwischenatufe zwischen ftlterer und jüngerer Stein- I 
zeit in AiiKpruch nebiuen darf, »o ist e» diese. War [ 
-de aber, wie die Franzosen von ihr uud vun den I*iette- 
Hchen Zwischenstufen annehmen, mehr als diesV War i 
sie eine wirkliche Stamnifonn der ncolithischen Kultur, | 
eine notwendige Vnraussetzuug, ohne welche diese i 
wenigstens auf bentimmtcm Gebiet und auf bestimmte 



I. 




aber im östlichen Oberitalien und, wie die Funde Hin 
Gangano wahrRoheinlicb machen, auch iui östlichen l iiter- 
italien eine Kulturstufe, welche dort, wo sie genHuer 
untersucht wenlei» konnte, als eine höchst merkwürdige 
Mischung palaoUthischer und neoUthischer Ty|»«n er- 
scheint. In Rivole Veronoae am Ktsch sind e« abris 
SOUS röche (Lagerplätze unter schützenden FeUwäuden), 
deren Steinwerkzeugo sich einerseits an das (’liell«‘en 
aiischliefsan (Abh. 1 u. 2), andererseits in gnitser Zahl 
Solutn'-Hlattformtm zeigen (Abb. 3). Aufserdcm fanden 
sich, aber nur in einer der jüngeren Stationen (Spia^zo), 
nicht in der ältesten (K*'*gano), verschiedene Flintpfeü- 
spitzenformen: mit ausgeschnittener Basis, mit Sebaft- 
zuiigc. mit solcher und Widerliakeu. von rhombisobor 
Gestalt; endlich sogar zwei |K>lierte Steinbeil« uud eiiiigc 
Topfseberben. Ibe Fauna besteht ans teil« ge«Ähmt.oD, 
teils wiblen Tieren der geologischen Gegenwart. — 
Andere abris aous röche und Höhlen au und in den 
MontI Lessiui iui Norden der Provinz. Verona sind die 
bekannten Stationen von Breoiiio, von deren wnnder- 




Abh. 7 bis t4. Beigaben eines altnro- 
Ihkischen Grabe« von Breonio bei Yeroiiiu 
Nsch I.. Pi|(nrini. 



Altiieolithische Fllntwerkxeage aas der Provinz Teronii. 

.Xbb. 1 tiis 3 Kivo]«'; Abb. 4 bis 0, l.'V n. Irt Breonio. 

Nsi-b L. Picorini. 

Weis«* nicht hätte eubteheii können? Da« ist die Frage, 
die wir im Folgenden zu beantworten suchen wollen. 

Die Betrachtung der t'aiupignten wird nm zwe«'k- 
u)ä[sig«t«n T4tn Italien ansgehen, wo «oelMui, aus Anlat» 
einschlägiger Funde am Gnngano (t’apitanata, im alten 
.Apulien) Pigurini D We«en und Genei«i** dieser Stuf© für 
die A]»enninbalbinsel untersucht LaL Bekimntlich um- 
fafst die paläolithische Industrie Italiens nur du« Chelleen 
und das Mousterien. Dagegen fehlen rlie jüngeren 
paläolithiKclien Kulturstufen Frankreichs, das Sohitreen 
und das Magdalcnicn . hier völlig, wenn man von den 
hart au der französischen Grenz«« liegenden ,.Hoten 
Grotten“ bei Meut»me absieht. Da« rätselhaft« „Asylieii“ 
l’iettes erscheint auch nur in diuscu Grutbui und sonst 
nicht weiter nach Süden und Osten. Nun fimlet sich 

*) (‘«ntinuazione üella nivilt.-« palcoliticit iieU' etu iie<>]ilica. 

Bull, paletn. Ital. XXVllI, ld02. p. 15«. 



liehen und mindestens stark verdächtigen Feuerstein- 
aiiefttkten. welche nach Mr»rtill«t u. a. luodcriu' 
Fälschungen, naeb Pigorini zwar echte ArlHMton, aber 
aiiH liistorisch(>r Zeit sind, hier nicht die Rode s«'in soll. 
Das abri sous roch« vtui St*alucoe ergab aus starker und 
unverdächtiger Fundscbichtc Feuersteinwerkzeuge, <Ue 
sieb einerseits (.Abb. 4) an das rhelh^n, andererHeit.« 
(Abb. 5) an da« Soliitrcen anschlielsen, ferner Beile wie 
Abb. ß, ein Typus, der auch am Gangam* und in Rivole 
rorkummt, endlich drei |K)lierte Steinbeile und zahlreiche 
Tupfselierben. Iu «üiieiii der Gräber dieser Station 
(Abb. 7 bis 11) gab es ein lialbneolithisches Heil von 
dem ('anipignytypuR, «len di« FraiizoNen ».bacbe« dites 
pn-pan-es pour le p<ilissug«, mais avant servi saus «‘*tre 
poUe.^“ nennen, eine Iduttförmige Solutn^spitze, vier 
ander« Flintspitzen. darunter 2 Pfeilspitzen mit Schaft- 
zunge (eine ausg«sprocb«‘n neolithischc Form), einen 
llirschhornpfnem und eine .\n/nhl zylindrischer Perlen 
au« weilsein Kalkstein. Weitere Illustrationen dieBor 
Knlturstiife lifderten ein ]>aar kleine Höhlen l>ei Breonio. 
In ('övo)o deH'Orso fand sich ein aiisgesprochetierCbelies- 
keil (.Abb. 15) und im t ov«>lo «iel Salddou ein ebenso 



Trof. I>r. M. iltiariies; Dan <’Bm|>3(rQien. 



NI 



lypi»cher „trancbet“ oder „skiTeispalt^T“ (Abb. 16) d«i* 
frau%ÖHimrh(‘ii bezw. di>r diiuiHcheu Kjükkeii' 

uiiabUii^cnitufc, 

An dieaa Tbatsachan kuüjdt Pi^uriiii eine Beibe yon 
Foltfeniij^mi, widobeu man zui» Teil ohne vreitereK iH'i* 
]tflicliten kann, die aber zum amlereii Teile *>o weit 
flehen, dAf.<) es uiniffe Mühe kostet, Kich mit ihnen aus« 
i*inamlerzim'<tz(tii. IbeMe Mühe wollen wir uns nicht 
verdriefsen lasHeii. 

Mit Tolleu) Hechte vergleicht er die Funde von Rivule 
und llreoiiio mit den Kracheinun^en des (‘am}>ifrnien und 
der aU*‘8ten Kjökkenmöddinger Itünenmrks. Für ihn stam- 
men June italienischen Funde aus dem Beffiiin der jüugeren 
Steinzeit, aber nicht von den ei^rentiichen ncolithiHchmi 
StHmmen (welche nicht Hbris suu« röche, sondern capauue 

— Hütten — bewohnten und nicht geschlagene hliiitäxte, 
Noiidem polierte Grünateiubeile lusnutzten)« sondern von 
Xachkoiumcii der palfiolithischoii Bevölkerung, 
A u( hoch t hon en , welche durch Berührung mit 
jenen eiiiigus ueuliihische Kulturgut erhalten 
hütten. Für ihn gieht es also in dieser Zeit eine 
Doppelbevölkerung Itulieue; ein altoinhei- 
misches, paläolithischea und ein neues, ueo- 
litbiBches Klemout. Ganz mit liecht führt Figuriiii 
auch die sugenaiintcD Solutr(Hj}>eu von Rivole und Broonio 

— sie sind kürzer und gedrungener als die echten fran* 
zösiachun pointca-a-fuuUlu-de'laurier — auf einu jaugeru 
Kntwickelung des t’helleetypus zurück, .'^ie stehen that- 
sächlich dem Achcuiccn, in welchem die Franzosen eine 
«olche Entwickelung in ihrer Heimat erblicken, sehr 
nabe, ^chon längst, lauge ehe mir Figorinia Arbeit zu 
Gesichte kam, konnte ich nicht umhin, in den feineren 
.Arbeiten des Acheulecn Vorboten der gröberen Isirbeer- 
blutiapitzen der Solutre-Stufe zu erkennen. Hält mau sich 
gläubig an Moriillets System, so wagt man kaum zu ver- 
muten, dals sich die InduRtrie von St. Acheul zu der von 
Süluire oder Laugerie baute entwickelt habe; denn da- 
zwischen Hegt angtddich die grofse Eiszeit mit den For- 
men dea Mortületachen Mouaterien. Dennoch scheint jene 
Entwickelung auch auf dem Ibaien Frankreichs so vor 
sich gegangen zu sein, und die Vermutung verliert alles 
Gewagte, wenn man, wie uns die Funde auf Schritt und 
Tritt naholegen, t'hclleen und MousUVien zu einer Stufe, 
dem riiell4*o-Moustcrieii, zusammenzicht. ln Itnlioii voll- 
zog xioh daraelbe PrttzeTs wahmcheinlich erst in jüngerer 
Zeit. Das (’holleo-Moustcncu dauerte hier länger als in 
FiTtnkreich und das SolutnVn oder, besser gesagt, das 
.\rheul4M‘ii avancii berührte sich bereits mit (von auswärts 
kommcudi'n) neolitliUcheii Einflüssen. Ein Magdaleiiien, 
d. h. eine Benntierzeit mit tr|)iKch nordischen Kultur- 
Charakteren, bat es in liiilieii nie gegeben. Das steht 
vollkommen fest. 

Bis hierher kann man also Pigorini ohne woitei^s 
beipflichten. Dagegen winl man sehr stutzig, wenn er 
nunmehr weiter geht und das Sdninnm nicht nur in 
Italien, sondern auch in Eraiiknüch in die neolithisehc 
J^eriode setzt utul wenn er für Frankreich folgerichtig 
auch das noch jüngere Magdalenien als ne<dithische Phase 
l»ctrnchiet. Die Krmiticrzeit neolithisch!? Convinto 
«juindi, sagt er loc. cit. S. 105. Anin. 19: ^('ume suno, 
delia contemporaiieita di quest' ultima (la uiviltä "inagdu- 
lenieiiue«)cou laciviltä neolilicu, e iiutiirale, che la »inag- 
dalenienne» non sin, per me, ]Mileoliticn.^ Er sagt dies, 
obwohl er weiTs, dnfs er sich damit in den vollkommen- 
sten NVidet-xpruch zu allen europäischen IVähistorikern 
setzt. Die Erklärung für diesen Ahfall kann ich nur 
darin sehen, linfs i'tgoriiii das mitteleuro|iäisohe Mngda- 
ienien, eben weil es in Italien fehlt, doch nicht genügend 
kennt. Nur so begreift man, dafs er diese iu einheit- 



lichster .tuspräguiig von Sjtaiiieii bis Biirsland verbr«dt4>tc 
Stufe «tanto iiiiiitato nel eontinente“ fimlen und an- 
nehmen kann, „che si tratti sollanlo di una iuciirsi- 
oiie di po]iolnzioni artiche. spintesi fino alle Alpi e ai 
Pironoi, quando teinporanci! condizioui di rlima b> n>n- 
seiitiroiio, e riliratesi dappoi al mutarsi di (|Uellc condi- 
zioni*. Er fügt hinzu: „E ritengo, che la inrnrsione 
sia avveuuta «luaiido aimetiu uet stid dell'Eunqm giä 
era stata iiuportata la civUtä neiditira.“ (Vergl. luc. cit. 
S. IH2.) 

Man erschrickt förmlich, wenn man dies lie^tt. Allein 
die extreme HiHs])hemie verliert ihre Schreikon, wenn 
mau die P'rageu: was ist pa 1 ä <»lit li i sc h? — was 
nenlithiscliV einmal tiefer fafst, und dazu hauptsäch- 
lich halle ich hier die Feder augesetzt. Diese Fragen 
lassen sich für das gesamte Euriqia nicht in einem 
.Atem lieantworten, und sie werden noch komplizierter, 
wenn man auch die henacliburteii Kontinente der alten 
Welt mit berücksichtigt. Wenn man die netditbische 
Kultur mit ihren Haustieren und Kulturpfliiuzen, ilmrr 
Keramik und ihren geglätteten Steinwerkzeugen, für 
Mitteleuropa wenigstens (woran ich nicht zweiRo und 
was mir gerade ilie angeblichen rhergangserscheinungeii 
beweisen) auswärtigen Ursprunges ist, so uutfs sie anders- 
wo höheren Atters sein. Auch ist sie niebt durch die 
Luft, über die Bandgebiete Europas hinweg, in das Herz 
unseres Weltteils eingedrungen. Es mufs also notwiiiidig 
eine Zeit gegeben haben, in welcher etwa Westasien 
und Nordafrika schon neolithisch, Kuro{>u aber noch 
paläolithiscb gewesen ist. Vermutlich gab e.s dann auch 
eine /eit, in welcher Sudeuropa schon neolithisch, Mittel- 
europa aber noch paläolithiscb war. War dies iu der 
Periode der Fall, welche wir nöMlich der Alpen Magda- 
leition nennen, dann ist es nur ein leerer Wortstreit, 
wenn Pigorini diese Zeit Überhaupt mmlithisch nennen 
will, während wir Imi dem Namen „paläolithiscb ** bleiben. 

Ebenso steht es mit den landläufigen geologisch- 
puläontologischen Bezeichnungen. Wurden die ältesten 
ueolithischen Haustiere (Rind, Schaf, Schwein. Hund) als 
gezähmte Begleiter des Menschen von diosem in Kurojm 
eiugefülirt, so müssen sie irgendwo, vermuUicb unter 
«ndereij klinmtischcn Verhältnissen, domestiziert wortlen 
sein, und diese Zeit iet für jenes derzeit noch nicht näher 
bekannte Gebiet geologische (iegenwart, für Europa aber 
noch IHluvialzeit, möglicherweise „Benntierzeit** osler gar 
noch „Mammutzeit**. Nach aller Wahrscbeinlicbkeit gab 
es auch eine Periode, während welcher man in SAd- 
europa, uamenllich in Italien un<l auf der Balkankalb- 
insel, wo dos Mammut zu mindest höchst selten war 
und das Henntier ganz fehlte, schon Rinder, Schafe 
und Schweine züchtete, in Mitteleuropa aber noch das 
Benntier und den Auerochsen jagte. IHese i’eriode ist 
für Südeuropa gcologiaohe Gegeiiw'art, für Mitteleuropa 
Diluvialzeit. Ut das nicht einleuchtend , und hängt es 
nicht rein vom persönlichen Standpunkt und Ikdieben 
ab, welcher Bezeichnung man den Vorzug giebt. wenn 
man nur eine anwenden will? Für Pigorini, als Italienur, 
ist <las mitteleuropäische Magdub'uicu neoUthiecb und 
geologische Gegenwart; mit gleichem Ib’cbt oder Fn- 
renbt kann eiu französischer oder deutsclier Prähisto- 
riker das Bivolien oder Breonien itaiiens paläolithisnh 
und diluvial nennen; denn IMgoriui selbst «etzt es in 
eine Zeit, iu der auf mitteleuropäiscbem Buden noch das 
Ronutier weidete. 

Aber nicht um Worte und Namen hntidelt es sieb in 
der Wissenschaft, s^^ndem um Thatsachen und deren 
richtigen Begriff. Thatsache ist mm. dafs man in <d>er- 
italieii eine Kuliiirntufe naebgea lesen hat, welche sieb 
einerHeits an eine altere diluviale Kntwirkeliingspbu-e. 




142 



rmf. I>r. M, llourn«! 

I 

Andorereeits an daB ('aaipignion Frankroichs un<t I>Ane* ' 
uarks ADKofaUef?<t. lu Fruukraich düm ('An)|iif(ni<>n 

alle von MortUlet aiifgeBtelltou Kuliurp^riiKltm, von | 
Chell»^n hi« xum Tourassion (Piott«« Asvlieii), doren V'er- ' 
bältniN iintereinandor hier nicht erörtert werden soll, 
▼onutB. I»ie Stafe von Kivole-Breonio fällt aliw» seitlich i 
swiflchen das Ende der ('belleen in Italien und das des 
('uuipiguien in Frankreich — ein sehr weiter Zeitraum 
und zudem ein sehr uiilM<stiinmt«r, da wir nicht wissen, , 
mit welchem l’unktc der Entwickelung Frankreichs das I 
Ende des (’belleen in Italien zuNammenfällt. 

Wenden wir uus nun dem ('umpignieu Frankreichs 
zu *), welcbps neben mancher schönen Eigenschaft den 
grofspu Fehler besitzt, dati* es in Piettes Sysloin absolut ' 
nicht palst, hat nicht das iniodeste gemein mit dem 
„Asylien“, dem „Arisien“ und natürlich auch nichts mit 
dem |,Ptdecy<iue“. I>aber bleibt nichts übrig, als hiizu- 
nehmen. dafs sich io andui'en Gegenden Frankreichs der 
Fbergang auf andere \S’eisH vollzogen hal>e als im 



: Uai r am pignicii. 

sie in unnötiger Weise die geuetisebe Verknüpfung 
wirklich gleichartiger Erscheinungen in weil auseumuder 
liegomlen (JebiHten. IH<* Entwickelung in Xord- und 
Südfrankreich «oll ganz verschieden verlaufen sein; aber 
in Obt;ritalien und Nordfninkreich zeigt sie nahe ver* 
wundtc Züge, und zwischen diesen beiden Eftndeiräunum 
liegt Südfrankreich mit seiner abweichenden Kuiturhubn. 
Mau möchte aniiehmcn, dafs das rampignien, welches 
iu Italien sicher älter ist als in Frankreich, aus jeueu) 
lande nach diesem traiisgredirte: aber das scheint aus* 
geschlossen, wenn man mit ('apitaii das südfranzösisicfae 
.\riaien als gleichzeitige und gleichwertige I’l>ergaiig.‘(- 
stuf« gelten Ulst. IHe beiden facies locaux sind zu 
verschiodon. Nach den franzositichen Prähistorikern war 
im Arisieu wie im Campignien die Zeugung^tkraft vor- 
hauden, welche es brauchte, um die neolitbische Ktiltur 
von innen heraus, in situ, ans Licht zu treiben. Ich 
glaube das we<ler von der einen noch von der anderen 
Stufe. Vom Arision, das eher eine Periode des Kultur- 



III. Alib. 17 lii« *il. 




IV. Abb. bis y4. 




FUntworkzeuge von rmiipigiiy. 

.Vbb. 17 l>U «l- Altert' T.V|t**u (Schaber iitid Kpitztui). Nach I,. ('aftiiND. — Abi». Ti bis *J4. Jüngere 
Typen (pic und iraut'betsV Nacli I.. Cs|>iUn. 



Süden (Capitan, loc. cit. S. 207, 213): ein gefähr- 
lirhitH Prinzip; denn cs präjudiziert der Atiffn^Rung 
dieitH« (^berganges als eines Prozesse;*, der sich in «in- 
Zeinen lokalen Gruppen sclh.ttändig Vollzügen und trotz 
der VerRchiedonheit der (-bergangHerscheinungen zu 
einem ül>eral) gleichen Ergebniaiie, dem PelMj<{iie Piettes, 
den Robenhausion MortilletB, geführt habe. 

IHofl ist in der Tbnt die .\uffassuiig der führenden 
Prähistorikor Frankreichs. Allein bei dieser einfachen 
Konstatierung rein lokaler rbergangsphänoincne von an- 
geblicher Gleichzeitigkeit, aber typUcher Verschiedenheit 
hieibt zunächst die Frage <»ffeu, welche derselben denn 
nun die eigentlichen Staniin- und Mutterformen der neo- 
lithisrhtm Kultur gewesen sind, und fenier erschwert 

*) Pb. Sabiioii, d'Ault du Mcsnil, <'H|tiUiD, (’arnpignien. 
Fitunie «i'un fond de cnliiin«- nu Cauijtigny, coui. de Itlangy- 
«ur* Breslf (Stüne lufer.). bev. iin>n». de r»'c. d'anthr. VIII, 
IN9S, p. SS.'t. — L. l'npitati, Passage du |tateolitbic|ije au n^o- 
lithique. Ltude. a ce poiut de vue. de« induatries du ('am- 
|iigDV. nu C-'ainp de Catenoy, de PVonne et du Unuid Pres* 
xigny. Cougr. inten», pr^hist. XII. 1 $Hh>. 2(Mt.— Die erst* 

genannte Arbeit ist eine Studie nu grand detail, die zweite 
i-in zusammeikfassender PltHrblick. 



rückgauges ist, welche den im Asylien vorhandenen | 

Anbätzeii zum Feldbau und zur Obstbauaizucbt ein 
finde bendtcU*, gedenkeich an anderer Stelle zu sprechen. 

Aber auch das Caiupignien konnte die neolithisebe 
Kultur nicht aus sich selbst erzeugen: auch diese facies 
ist iu ihrer llcdeiituiig überschätzt worden. 

Die Zeitstellung der Formen von t’ampigny ist durch 
d'Ault du Mesnils Uuicrsuchnngen im Sonnnebecken 
I ennittelt. Hier lagert über dem Schotter der Perioden 
von riiolles und SU Acheul ein l.*>fs mit jüngeren, al>er 
noch rein paiaolithischen Kinseblüssen und darüber ein 
I/ctten, in dem teils ni>oh ältere Steiuwerkzeuglypoi». 
teil.« schon neue, geschlagene Formen — plumpe traucheU 
und grofsc pics aber noch keine pidierten Heile vor- 
^ kotmueu. Nach oben hin verfeinert «ich dies« Industrie. 

und es erscheint Poliening der Schneiden oder der ganzen 
^ Flächen an Meisseln und Ih-ilen. Die Funde aus der 
berühmten Wohngrube von Campigny eutsprechen den 
' Formen aus dem unteren (.eiten an der Somme (vor der 
letztgeduchten Verfeinerung). Kein geschliffenes Stück 
war darunUtr. Die altertöiniicheii Typen (vergl. Abb. 17 
bi« 21) zeigen vollküiiiuietie ( bereiiistiiiiuiung mit wirk- 



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I*r»f. l)r. M. ilocrrie«: hat < utn)ti}(uieo. 



U.H 



lieb palüoIitbUcLen Kxeiuplurim: nian ai»ht da don 
Mountierj^chober, deu Solutr»*-l>uppel8cbaber, den btiria 
und ander« Furmen des» Mag<IaKnien, ln ihrer Ge^ell- 
Hcbaft erscheinen aber die schon genannten neuen Foruteu 
(vergJ. Ahb. 2i bis 24); «ahlreiche tranchets (die skive- 
spaiter der Ibinen) und picB, d. h. grob zugehauene, 
nucieusfitruiige Stütsel oder Schlägel unt abgestofseueii 
oder stumpf zugehnuenen Kudun. Zahlreiche Topf* 
Scherben stuunuon teils von gröberen, teils von feineren 
(iefäfiH^u, und letztere trugen zum Teil cingerissene 
Orttamenie; gegitterte Dreiecke und Schachbrettfeldcr, 
rohe Zickzacklinien u. dergl. (I*e t ampignien, loc. cit., 

S. 403 Fig. H7 — 90.) Es sind rohe bandkerumische 
Muster, die auch ihr Wort für die Tielbestrittene iViorität 
der neolitbisuhen llraiulkeramik uiiilegcn. Kin Oefäfs* 
Scherben enthielt den Abdruck eines (ierstunkurnH; auch 
Miilsteine (loc. cit.. Fig. 00 f.) scheinen auf den Feldbau 
hinzudeuten. Die Fauua enthielt Kind, Pferd und 
Hirsch, wovon höt^bsteus ersteres gezähmt war, die Flora 
Ksche und Kiche. Wir »ind also in voller geologischer 
(iegenwart, aber noch nicht iin Zeitalter der tfeschliffenen 
Steiiiwerkzt'UgM (w4>nigstens für dioKo Gegend). Rein 
neolithiHche Altertümer fanden sich erst in der Deck- 
schicht, welche die alte llerdgrube überlagert und aus 
jüngerer Zeit stammt. 

Aulser t'ampignv selbst kannte Salmon schon 1891 
— die Aufstellung des Campignien reicht bis 1885 
zurück — folgende Fundort« und Fundgebiet« dieser 
Stufe iti Nordfrankreich: Vaudeiirs und die Basis der 
llöhlciiKchichten von Kerraont (Yonne), ChampignoUes 
(tbse), ('oiiimercy (Mcurthe*et-Muselle) und die ganze » 
Gegend der Othe (Aube*et* Yonne)- t'apituii stellt neben 
(aiupiguj zunächst die llerdgrubeu des ('amp de Catenoy 
bei Clermout (Oise) mit ganz älinlicher, nur etwas ver* 
feiiierter Steinmamifaktur. dann di« analogen Fund- 
Htelleii von Villejuif l>ei Pains. Etwas nbweii'hcml findet 
er die Kntwickclung un der Vumie und in Grand Pren- 
signy. Hier gehen den ptdierten Steinbeilen Hogenamite 
cbHUches de hache polie voraus, vermeintliche Halb- 
fabrikate, welch« jedoch nicht zur Fertigstellung durch 
Policrung hcBtimmt gewesen, sondern so, wie siu sind, 
gebraucht worden seien, ln die Kinzelheiteu kann hier 
nicht eiugegangun werden; genug: Capitan findet von 
Mas d’Azi) au den Pyrenäen bis Grand Pressigny über- 
all Konvergenz zur rieolithischen Industrie, wiewohl „le 
{Nks^age du ]>aleoiitbi(]ue au neolithi«|iie aii et« difterent 
aux diveixes regiuns**. 

Aus den kritischen Bemerkungen, welehc einige 
Kcnnar nordfranzosiseber Steiuzeilfundscbichten nn Capi- 
tans Referat über das Campignieu auf dem l'sriser 
Kongresj-e knüpften (loc. cit. S. 125 fl.), scheint jedoch 
hervor/ugehen, daf« es nicht ganz leicht ist das Campig- 
nieii und die K]KN|Ii« de ia pierr« {Kilie Überall ausein- 
ander zu halttui und die Typen der ersteren als die 
äliuren zu erkennen. Nach .’Kbbc Breuil findet man in 
ileij ueuliUiiN-’heu Stationen der Departements .äisne und 
Oii'C das t'ampiguieu zuweilen rein, zuweilen gemischt 
mit |X)lierten Steinbeilen und sogar mit imliurten trau* 
cheta. In anderen ist da« verfeinerte (‘ampignieu von 
Eatenoy Iwgleitet von polierten Steinsachen und ver- 
schieden guformten neolithischeii Pfeilspitzen (wie in 
Rivole und Breooiu). Culün fand in den llerdgniben 
von Villejuif ]H>lturte Steiulmile, und Foujii will über- 
haupt keinen Ehtei^chied zwischen den Induatrieen von 
Eaiiipigay und t'atenoy einerseits und den von ihm in 
Nordfrankreich untersuchten rein neolilhischen Stationen 
andererseits anerkennen. Noch ein Schritt, und man 
gelaugt dahin, statt «iner Stufe von Eampigny nur 
nfwh Typen von Fumpigiiy gelten zu lansen, wie es 



Murtillei mit den Zeugnissen für seine paläolithischeii 
Perioden im Museum von Saint-Germaiu widerfahren ist 

Was folgt nun aus alledemV Statt, einem Zuge der 
Zeit nachgebend, ohn«> weiteres jede schwankende Er- 
scheinung als Zeugnis eines an Ort und Stelle, ohne 
uufscre fanwirkung, vor Mich gugangeuon FortechritteH 
von der ]»alä<ilithbchvu zur Deolithisebeu Industrie zu 
proklamieren, hätte mau vielleicht lieber fraguu sollen: 
Wie mufst« eine von uufnen kommende, in übermächtiger 
Kulturbeglcituug auftreteiide, roin Doolithiscbe Stein- 
indiistrie auf die Arbeit der einheimischen Bevölkerung 
«inwirken, welche noch ganz in der paläolithiseben 
Technik befangen war? l.'ud die .\ntwort hätte lauten 
mütisen: So und nicht audertt. Mit audei'eu Worten: 
ich sehe in den sogenannten I bergangserscheinungen 
Oberitalieus. Süd- und Noriifrankreich?* die Uinterlassen- 
»chftft eine.s alteinbeiini.schen l'Jemente». welches unter 
dem Kinfluts einer hemndringenden neuen Kultur halb 
noch im alten, halb schon in einem neuen Stil lebt 
und arbeitet. I)iese Nlensuhen sind nicht so wichtig, 
als man glaubt: denn sie erzeugen nicht die iieolithische 
Kultur, sie nähern sich ihr nur und gehen allmählich in 
Ihr auf. .Sie werden in die neue Kultur bineinguzogen, 
sie münden iu ihr. Sie gehen nicht an der Spitz« einer 
hjitwickelung einher, sondern folgen ihr langsam nach, 
ganz wie man «s von primitiven Leuten erwurien muts, 
die, im Lande sitzen bleibend, eine Umwälzung über »ich 
ergehen lassen. 

Diu „haches ditea pre]mrees ]K>ur Ic ]MjliK»iige, et 
ayaut aervi «aus ctre polles“ mögen iu Frankreich 
1 imiuerliin nicht (wofür man sie im Norden beharrlich 
nimmt) Halbfabrikate, 8<indern fertige Werkzeuge «ein. 
Aber sie sind in meinen .Augen nicht verbelfsonde Vor- 
läufer, Hondern eher rohe Narhahmnngeti der pdierteii 
SteinlH-'ile. Ebenso die .Hclteneti „haches tri*» Hommai- 
remunt iMilieo**. Die Ty|>en des tranchet und de» pio 
scheinen dagegen unabhängig von fremden Einflüssen 
«ntetanden zu sein. T)as Vorkommen des tranchet in 
Italien, Nordfrankreich und Dänemark deutet auf einen 
gcmeinsamcii Grundziig der autoebthonen Kultur iu diesen 
Ländern, welche bestimmt war, einer übermächtig von 
aufseu ciudriugunden Fremdkultur zu friiegen oder «ich 
zu assimilieren. 

Viellei<-bt sind Teile jenes olteinheimiK’hen b^emente», 
eben vor dieser übermächtigen Fremdkultur und ihn-ii 
Trägern, aus Westeuropa nach Osten zuröckgewicbcii 
und habuii an den Küsten der 0«t»ce die Krschebiung 
der Kjökkenmöddinger ins l.reben gerufen, al« 31eu»ihen, 
welche zwar die Töpferei, nicht aber Feldbau und Vieh- 
zucht nngenf*mu3«n hatten. Doch die« ist pure Ver- 
mutung, auf die ich keinen gröT«eren Wert legen möchte. 

Den alten Hiatus will ich insofern demnach aU über- 
brückt gelten lassen, ol» für einige Gebiete Ibdicus und 
Frankreichs Kontinuität der Besiwlulung von der älteren 
bi» in den Beginn der neuerei» Steinzeit erwiesen ist. Für 
durchaus unerwiesen halte ich dagegen di« jetzt .mj 
häufig, unter allgemeiut'!- Akklamation, aultretende An- 
nahme, daf« die Fortschritte, welche ileti YerhältuiHmäfsig 
NO iiuposantcu Rau der neolitbiscbeii Kultur begründeten 
— Feldbau, Viehzucht. Iler.Htelluug geschliflener Steiu- 
werkzouge, Töpferei u.».w. u. ». w. — , in \\ esteurojwi, 
speziell in Frankreich, unabhängig von aufHen, durch 
di« Rlteinh«imi.Hch« Bevölkerung errungen und auKge- 
bildat worden seien. Du.« ist nicht ganz auage.tchlusseii, 
alwr es ist auch, wie gesagt, durch nicht« bewiemni und 
au sich wenig wahrscheinlich. 

Fm das ('ampigtnon auf seinen wahren, vrissenschnft- 
licben Wert zunickzuführen, genügt e», «chlietslich «inen 
Blick auf Dänemark zu werfen. Es ist bisher noch 




144 



I>r. A. Wollöjuun«: Du* 

Ternünftigfn Mt^nM-hen «'Uigefaürn, die Kjokkon- 
iumMiu(^rrf(ufe. d. b. eben du» <'Hii>pigmeu DuncmiU'kH, 
zur Stammform od«*r n(»twc'ndig(>n V4)ram*«et«iing der I 
Kulturstufe der nonliuchun Steiukatumergriber ku Mtein- 
|m*Id. Niemaud i*t auf den abxurden (tedauken TerfHlleD, 
diese hnlin Kultur aut« jener, im Lunde uelbiit. unabhängig 
vor AuCacren Kiiiflilasen und einem anderen Bevölkerung!«* 
elemente »«ich eiitwiikeln zu launen. Steenstrup war 
iiiciit u(i übel lH*raten, al» er ladde Grup|H'n für gleich- | 
zeitige HiuterlASMeii*chHrtei> kulturell differenzierter i'Ue- 
nieiite nahm. Denn die neui^iteii Dnteruuchungen haben 
tbatxächbch gezeigt, dnfci die Kjökkenmöddinger mit ihren 
jüngeren Sdu«hten in di«* Zeit der Steinkaniinergräher. 
der ilaiiHtiere und pulierten Werkzeuge binöbergreifen, 
wenn auch der lU'-giun «lieM«?r Wohn- und Lebeunweise I 
viel weiter zurückreicht. I 

Steht e» itt Frnnkreii'h etwa wesentlich anders? Hier I 
wie d«»rt hnl>ei) wir eine ältere /eit, die sich von der | 
paläolithischen Ara durch gewisse Fortschritte neue, 
ge-chlftgeiie Werkzeugfuriuen, etwiiM Töpferei — abhebt 



Knde d«:r Nephritfrago. 



un<l auf gröfsere Sdshuftigkcil deutet. Aber diese /e*U 
kennt noch keine geschliffenen Steinwerkzeugo, keine 
rituelle Totenbestattung, und die Spuren de» Pflntizon- 
baues fehlen ganz loler sind minimal. .\u Haustieren 
besitzen die Nordländer noch Di«*bts als den Hund, 
während in ituHen aiehur, in Frankreich vielleicht schon 
das Kind gezüchtet ward. Ihtnn macht »ich el>en bei 
«lerselben Bevölkerung im Süden, Westen und Nortleii 
Kurtrpa* der Kiunuts einer jüngeren /eil und einer 
anderen Kultur in langsam steigendem Mafse geltend. 
Polierte Steinwerkzeuge, gescblageiie Pfcil»pitzeu gesellen 
sieb zu den verfeinerten Ärlieiteii im älteren Stil. So 
bat e* Pigorini für Italien, so die Verfasser des grofsen 
Werkes ulwr die .^ffald^dynger für Dänemark aufgefaBt. 
Ks i»t abnolut nicht einzuseben, warum mau die g]ei«'beii 
Verbältnisse in Frankreich nnder» deuten siill, warum 
»ie gerade dort al» )icbtr<prühetMler Kontakt zwisclx'ii 
älterer und jüngerer Steinzeit, als /eugni»*'e für «len 
weNteuro|i&ischen t‘r»prung der lUMdithiseheii Kultur an- 
ge»eh«‘U werden »ollen. 



Das Fiidf der MNrphrilfrago**. 

Von Dr. A. Wollemuuu in Bmuuschwoig. 

N«‘!phrit und Jadeit gehören zu denjenigen Mineralien 
resp. FelHorten, welche Ivei vielen Völkern eine ausge- ' 
dehnte Aiiwetxluug gefunden bulieti und deKhalh in i 
ethnogi’aphi^rbjT lliu»i«dit von hervorragend«»m IMange j 
»iml. Mau hat aus di«*»en (testoineii, besonder» in .Asien, 
F.uropa, .Amerika und N«‘U»eeland, Beile, Schiuuckgeg«*n- 
Ntäude, Amulette und andere Gerätschaften bergf'^tellt. 
I>ie meisten derartigen GegeiiKtände rühren au» prä- 
hi»toriiirher /eit her und find«*n Mich vorwiegend in 
Gräbern un«l Pfahlbauten, doch »ind auch heute noch bei 
wilileii und Migar bei zivilisierten Völkern Nephrit- tiiid 
Jiuicitgeräte im Gebrauch. IHe beiden genannten Gesteine 
z»‘ichneu »ich durch grofse Härte und schöne Farbe uu». 
Der Nephrit gilt nl» ein Glied der varielätenreichen 
Familie der Hornldende^chiefer und ist besonder» der 
als .Aktinolith oder Strahlstein bezeichuet<>n .Vbart der 
Hornblende ulinlich; »eine Farbe Ut lanchgrün, gelblich- 
grün oder mehr graugrün. Der »maragd- bis bläulich- 
grüne Jadeit i»t «lagegeii dem Augit verwandt; seine 
ul» t'hlor«iiuelunit iH'zuiebiiete .\l»art i»t dimkelgrün bi» 
fast schwarz. 

Noch vor kurzer /eit kannte man Fundorte für 
Jadeit nur in A»ieii; für Nephrit ubuiidort und uufner- 
dem an der We»t»eite der Südin.^el von Neu>eelaml. K» 
erschien deshalb rätoi lbaft, woher die AMlkcr .Amerika» 
und Luropas da» Bohiimterin] zu den zahlreiclien vi»ii 
iliui ‘11 beiiutzt«-u N’«*|>hrit- uud Jaduitgerätsebafteu erhalten 
hnheii konnten. Ihiher »teilte man die Hypothese auf, 
die aus die»<>n Gesteinen angefertigteii, in Amerika ge- 
fnixieiieii (iegeii»tände »eien bei Gelegenheit der Be- 
»it^deiuiig Amerika» von .V»ieti au» nach dort gelangt, 
währeml diu in Kuropu gefundenen Nejdirit- und Jadeit- 
gerate «liirch die Völkerwanderung «aler durch alte 
lliindelii Verbindungen zwischen beiden Krdteilen aus 
A»i«*i> noch Kuropa gebracht sein »ollteu. Ihese Hy, lO- 
the»e wurde besonders von Pr«ife»sor Heinrich Fischer ‘) 
in Freihurg in Bad(*ii begründet und fiiini auch bei 
aiid«*ren namhafteu Forsch«*rn auf dem Gebiete der Vor- 
gescbi«‘litu und Volktirkiinde Anklang während andere 

*) Nephrit iiiel nach ihren iiiinemli»ui«chen Kigen- 

»ehufl«-ti , »«wie iiAeli ihrer urgewhichtlicheu und ethno- 
gnt|ilii‘icl]«*n Ktxh'iituiig. Stuttgart Is75. 

’f Nach Ijinilfntchinil und SidiHi«fniuit»itn *«ll<*ii die Rö< 
liier «lie griUVn .Indeiltlnehlarile au» Itaijeti nach Dcutn-h- 



Gelehrte von vornherein eine sohhe Verschleppung von 
Gesteinen oder fertigen Gerätschafluu über Knlteile uud 
Ozeane für höchst miwahrscbeinlieb hielten. I nter diesen 
letzter«ui For»ch<;rii nimmt ohne /w«nfei .Adolf Iteruhnrd 
Meyer, der Direktor des Dresdener etbixtgraphischen 
Museums, die erste Stelle ein. F.r ist in seinen Werken, 

> Schriften uuit Vorträgen für die .Autochthonie dtu 
I Kohtuateriab) zu den in den verschiedenen Krdteilen ge- 
fundenen Nephrit- und Jadeitgeguriständen ciiigetreten. 
Während MeVer in »einen älteren Schriften mehr auf 
Grund allgemeiner Krörteningen d**r .Knsitdit Fi.schei*» 
entgegentritt, konnte er bald mit dem Fortsebreiteu der 
mitierulogischeii Wissenschaften auf Grund neuer For- 
! scliungsergebnisse über die Verbreitung des Nephrit» 
und Jaduits mit mehr i>u»iliveii Thatsuchen gegen die 
Fisclterscbe ImjmrthyjKithese zu Felde ziehen. 

Der Kapitän J. H. Jacohseii brachte Itohnephrit au» 
.Alaska mit, welcher dort anstehend gufun<hm wird und 
von den Kingeborenen zti zahlreichen Gegenständen ver- 
arbeitet ist *). In F.uro}ia w'urdeii Nophritgeschiehe in 
den Ostalpen ini Sannthale bei St. Peter und im Mur- 
tbale hei Graz entdeckt^). 

In der Schweiz fanden die Herruu Beck aus Neu- 
chätel und Mes.sikomiuer au» Wetzikon je ein Jadeit- 
geschiebe am Keueuburger Se«*: aulserdem entdeckte 
mau ein nXcpbritatelier** bei Maurach, wo ausgesägte 
Heile und lö4 .Stücke Bearbeitiiugsabfälle gefunden 
wurden**). Jadeit fand »ich anstehend am Monte Viso 
in Italien^). Auch in Deutechland batte nmn »chon 
früher Bobiiephrit als Gusebiehe in Diluviolablugeruiigen 
nachgewiesen. Hin Nephrithlock wunlc bei Schwem»al 

laiiit iiiitgcliracht uiul l»!i gHai»»uo /•Tomonieti gubrauclit 
hallen. 

*) Jaileit- und Nephritubjekte. A. Amerika und Kuropa. 
J<eipzig iaä‘i. lüi* Nephritfrage kein eihtudogiachu» rroblem. 
iturlin 1883. Kin weiterer Ih*itrag zur „Sepbriäriige". Vertrag, 
gehalten am i&. April 1884 in der Anthropologischen 
Schaft in Wien. 

*) M«\ver. Üb«T Sepbrit und ähnlich« Material at«» 
Alaska, ‘il. Jahn*»beri«’bl d«.*» Vurciu* fur Krdkutido zu 
])ra5<{eii (ls»4>. 

D Meyer, Kin ltohiie|ihritftt>id in Htotermark. Ausland, 
•lahrg.tng 1883. Nr. 27. -- Meyer, Kin zweiter Hohnepbrit' 
fand in Steiermark. Mitteilungen der .Aiitbro|Kdogiachen 
tieKetlschafr in Wien, *Pabrgaog 1893. 

U, Ainlnw, J>*r gegenwärtige Stand der Nophritfmgu. 
.AiKhirul, Jahrgang Nr. 5. 

') Daiiiour, HuMetiii de la ««c. min. 18 k 4 . 4 . |«t|. 



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(troim: IHo WuttomukiL'fBkunft-rpiiz in (iraz. 



U6 



(uonllich v<m Dül>eu, dieses luiitllich tou KiKnihiirijf) 
funden, welchpr nach Krcithaii^d '') aua einer die liraitn* 
kohle überlagernden dilnvialeu Gerüll^chtchi Htumuit. 
HbenfallH aua dem IHluviuni rühren ein l>ei Potadam 
mul ein bei l^eipzig ^'efundener Kephritbluck her; tia der 
letztere 7ti Pfund wog, ao irt ei* t>elbü<tver»tkndlicb un- 
denkbar , dafa wandernde Völker ihn nach Leipzig 
geaühloppt haben. Nach ('redner'^) «liegen Bäuitlicbe 
drei Nephritfunde in einer Z<»ne, welche der Tninsport- 
richtung dos DiliiYmluiiiterial« tou Schwcnlen durch datf 
liorddeutHclie Tiefland bin nach dem Hügel* und Hcrg* 
lande SacbMenn genau eutapricht^, wexhaJb gemmnter 
For&eber anuimmt. dtd^ die drei erwähnten Nephritblücke 
aiiH Skandinavien durch hjs an ihren Ort trans|»ortiert 
sind, ebeitio wie bekanntlich die Heiumt zahlloi«ur anderer 
Ge-*‘chiebe der norddeutachen Tiefebene ohne joden Zweifel 
Skandinavien iat» Ihi, wit* eben erörtert, ditwe früher 
in lh‘ut'ichland gefundenen NephriiiuaHsen nur loio, 
errati-tche Ithlcke waren, ho war für di« «Nephritfrage** 
vüu grotner Bedeutung, dafa durch Traube auch an- 
htebender Nephrit in PeutHchland nachgewi«i<en wurde; 
derai'lhe fand in Schlesien im Sorpeutiu dea Zobten- 
gebirges hei Jordanemühl Nephrit in schmalen Bindern 
uikI grötaeren Hiulag^'ruiigirn anatebond. Burch dieae 
Kiitdeckiing int die lii]porthv|iotheee Fiochern für Beutseb* 
lauci vullütäiuUg hinfaliig geworden, zumal da UereitK 
ein trrfiNof* durchlmhrtea S«rj>entinh«il mit Nophrit- 
einaprengung von dem nur zwei Meilen von .lordana* 
uiühl eutfenit golegenuQ Gniebwitz in Schlesien bekannt 
geworden und nach Arzruni aus einem Material ver* 
fertigt ist, welchem mit dem Gestein von Jurdanamühl 
in allen i'baraktereii übereinstiinmt 'B. 

Vor kurzem ini nun eine für uiiJteran tirgeustaud 
äufserH; wichtige Arbeit v<m A. Bmlmer-Itader '*) in 
Zürich erschienen , welche lH>titelt ist; «Petrographische 
Pniersuchiingen von Steinwerkzeugeii und ihrer Uoh- 
materialien aus achwuizcriHcheu PfahibauHtiiten“ , in 
welcher für viele in der Schweiz gefundene Steingeröte 
auf Grund »ehr sorgfältiger itnd gründlicher (luter- 
Huchungen nachgewieHeu wird, dafs sie aua autoebthonem 
Material atigufortigt aiud. iHe von Bodtuer'lhnler unter* 
Huchten Steinwerkzeuge Htamuieu aim den Pfahlbauten 
^ vom Zugersee, BielerMH*, Neiienbiirgersee, MiirtnerHee, 
Bodeiioee und ZürichsiM*; zuiu Vergleich wurde in der 
Si;hweiz und anderen I Ändern aiiHtehendes und au» den 
Schw'eizerGletscliomblagerungen stamnteoiles Hohiuateria] 
«ingebend untersucht.. l)as gesamte uuterHUchte Material 
wird eiugctuUt in: 

1. Dichte Nephrite. 

2. Bichte Jadeit«. 

3. ('hlorumelauile, |n<loitführimdi> iVruxoiiite, 
Kklr>gite, f*yr<»xengneifle, 

4. Peridot ite, Ser|Hmtiiie. 

r>. Saussuritgabhri»«, Saussiirite. 

Für unsere Betrachtungen kommen besonder» die 
drei ersten Irrupfwi) in Frage. Am »ichi'rHton ist der 
Bowuis für die Autochthoiiie der Nephritwerkzeuge er- 
hi'Hcht. [>er Autor seihst sagt hierüber a. a. O, S. 173: 
«Aus allen diesen rntersucliungen und Berichten dürfte 
zur Kvidenz hervorgeljen, dafs die Nephrite der 

") Fischer, Nephrit und .Indcit. S. Wli. 

*) Über die llerkniift der iiorddentjMdii-n Nephrite. 
Ki*m*«|s»ndemhlHtt iler ih-utsehen .Vnthrop«di*iri*i-heri lb>scH- 
«rhafl, 14. .lahrgang. Nr. 4. April 1883. 

Neu«-« Jahrlmch für Mineralogie, Oeologie und 1‘alä- 
ontulogie. ß«ilRi;ebHTi<i 3. 1885, ti. 4r2. 

*’) Zt-Hchr. f. Kthn, 18M. Verb. ‘J84, Fig. I und ‘i8.S, Auni. 1. 

Neues .lahrhuch für Mineralogie, (ir'ditgie und Palä- 
ontologie. Heilagetuuid Id, 1UU.H, S. li>8. 



Stationen am ZugcrMCe im Gotthardgebiete an* 
stehend sind, von wo sie dtmh Gletscher und Fliifs* 
iranH|)ort in diu Gegend von Zug gelaugitui. Fa>t ubt'itao 
sicher darf aus diesen Miiteilungun auch auf die Her- 
kunft der Nephrite vom Bider- und Neuenbtirgerseu 
ans den Walliseraliwn geschlossen werden.“ Jadeib' 
sind zwar in der Schweiz nm-h nicht anstehend gefundun. 
Interessant nat aber, dafs uiii Jadeitbeil von der Hau- 
Hchanze in Zürich fast genau dieselbe chemische Zii- 
sammeiiNetzang zeigt wie der oben erwähnte, am Monte 
uDsteheiide Jadeit, ln den Schweizer A}(>en .stehen 
dieselben Gestein« an, welche die Jadeite von OlHU'birma 
begleiten, und in <!en Gluisebentblageruiigen dei' west- 
whweizerischen Seen sind sogar jadeithultige Fclsarton 
gefundun. Bus Maturial der meisten Si-hweizcr ('hloni- 
lueianitbeile hat grofse Ähnlichkeit mit \m Onchy am 
GenfurH«« gefundenen Flufs* und Gletschergeschieboii. 
mit .\u8iiahmc des als rhloronieUuitl>eiIfmginent Nr. Öl 
vom Bielersee bezeickueten Stückes , welch«^» gewissen 
Koukretionun in Graniten und Syeniten ähnlich ist 

Nach Betruühtung aller dieser ThutBacbeu dürfen wir 
wohl behaupten, dafs von einer «Nephritfrage“ nicht 
mehr die Itude sein kann, sondurn dafs die Import* 
by]Mtthe8e Fi-schers vollständig beseitigt und di« besonders 
von B. Meyer vertretene .tnnahmo der Autoi'htlioiiie 
dos Koliuiatermls für die aus Nephrit, Jadeit und (’hloro* 
inelanit hergestellten GerätschafGui durch die neueren 
Forschungei] giäuzeiul bestätigt ist. 



Oie WetterarhlerskonfercBZ in Graz. 

Durch das k. k. AekerbauminiMerium in Wien war auf 
den Juli I9i»? eine tuteniationale Kx)iertetik(>nfur«nz nach 
Graz «itil«rufou wonleii, welche «ich mit dem im Vonler* 
gründe tles lulereHsw* Rtehendeu WelterHcbiersen besehäftigim 
flollte. Über di« Verhandlungen derselben lit^gi jsist «urte 
offizielle I’ubtikaCiou (Jahrbücher der k. k. /eutnilnnsUiU für 
Meteuruktgie und Krdmagnetisiuus, Neue Folge, 39. Band) 
vor, die die Ergctmii«« dersellien zu ülierhlicliien gestattet. 
Kingvladeu zu der Konferenz war eine Anzahl öster- 
reichiitcher und auswärtiger Meteorologen, «c>wie Vorstände 
von iHiidwirtschaftücbeti Schulen, von staatUcheti grOfscren 
WeinbaugiiterD, sowie Is>ute, die rieh schon «onst prak- 
I tisch «»der theoreliHch mit dem WeHcrsrhicfsen lie.whaftigt 
hatten, das bekanntlich den Zweck hals-n voll, die Gebiete, 
in doTum g«*ch<ies«n wird, «ladureb vi>r dem Hagel zu 
schiUzeit. F.S war hI«> kuiii allgemeiner Kougrerx, wie die 
italieniachKn, zu dem jedermHDn Zutritt hat. und >-m Mdli« 
auch keiner sein, da «olche mit den üblichsti Erzählungen 
und Beachruibuugeri vi>n dun .Erfolgi-n* des Schiefnens schon 
bis zur riM.TSättiguug %orhanden waren, sondern es sollte 
eine strenge und grimdliche KrOrturung aller Momente, welche 
für und gegen da» Wetteriichiersen in Betracht kommen, ge* 
währkdstet wenlen. Dafs «ine solche Konferenz gera*le nach 
Graz eingeladen wurde, lug sehr nahe, da sich von dort 
aus die Möglichkeit b»t. den \Vi*Uer»chi«fsver»uchBplatz zu 
St. Kiithandn u. d. Liimuing und dn» Wotterschiersgebiet 
vuu Windisch' Fei^iriix zu besuchen. Ersterer, der Fintiu 
Karl Greinilz Steffen gehörig, nimmt alter insofern eine 
wichtige Stelle in den neuer«u Wutterschiffsvcnaichen «in, 
als di>r< in njnrtematischer Weise die viTsrhiwIenen Arten ton 
WottunH'liieriiappnrHton durchg«*prüft und untersncbi wurslen, 

• während von ih’in Windisch-Fcislritzer Gebiet Überhaupt, die 
j neuere Itewegimg für ihm WeTtei-srhiersun, dio «ich nn den 
I Namen des Borgerineisters von Windjwb- Feistritz, Albert 

Siiger, knüpft, sozusagen ausgogHtig»-n ist. riii die Be 
raiungen der Konferviix in die richiigen Woge zu leiten, 

• hntt*' das .\ckerlmuminisluriutii dersollieii die Widen Fragen 
vorgek'gi: Dt das Wi'i!er-«obief«»*n wirks.*m »sler ni»‘ht» und, 
Wenr> duriilier «Mich kein endgiiltige» Prtuil abg^-gt-lam 
werden kniiii, was ist in Zukunft zu ihun und wie vorzu- 
geheuy lind darül»3r als tioneralfferctileii den Direktor der 
Zentralitn*talt fiir Meti-orologie und Krdinngnetismus in Wien 
Pr”f. iVniier, als Bofcrmiieii Oberst v. Ol>erniayor. Pn»f. 

; Tn»D*rt und Prokurist. Suschtiig lu-teJlt. Boiztere dn*i etil- 
I le<ligien sieb ihre.« U*-femt« in der praktivcheii und nnch- 
I ahmcnsweriHii Weise, indem Hie dassnllw schriftlich li.xtcrton, 




UG 



Bäohcrichnu. 



«t tin/i« e» jedi'tii Kunfvr«axt«i)ne'hini'r hiorvicheiid früli vor 
der KtMiferi'DS gedruckt zur iDfomucruiii; ru^Kiulll wcrduii 
konnte. Die drei Hcfcrate »ind der vorliegenden Drucksaclinft 
vollfitdmiig einverleihi und bilden drei uiufangn’ic’hc Atif- 
<«itize, von denen der ervt«, Ton v, Ulienim^'er verfurst, die 
(«o^ebiehee der Schutzmittel gegen llagelM'hläge ttebsodclt. 
Suüchnig. der die urnfHiigreicheii Vemuohe auf dem Schiern- 
|)1 hU zu SL Katharciii leitete und nach eigenen Ideen aUB-^ 
gestaltete, erstattet« einen mit Ahbildutigen erlftuterteu Be- 
richt iilMjr die Technik und Praktik des WetterschierBenü, und 
Trabcri unt4;raucht die Kriterien für die Wirksttmkeii de« 
NVetlomchiefte«« in sehr whnrfsimiiger Wei»e in einem Auf- 
satz, der beitonders auch für die Beantwortung d«-r /weiten 
oben mitgeteihcii Krage reiches MHleriat schuf. Als Anliang 
ist lelzteruni eine Oltersicht iilier die wichtigsten Hagel- 
theorioen beigefügt. Tbur die Verhandlungen der Koufi'rcuz 
ini einzelnen zu berichten durfte hier wohl zu weit fuhren, 
nur ülser das Hrgelmis nibge folgendes niitgt'tuilt wenien. 
Von einer Alwtinimuug über die ernte Krage wurzle ab- 
gesehen. da sich ja natürlich eine solche Krage nicht durch 
Alwtiinmung entscheiden läfst, dagegen gab jeder der 
Kxperten auf Wunsch der einlHTUfenden Hegierung ein meist 
begründete.s, iwhriftliches Gutachten <larülH>r ab, wie er sich 
zu der Frage stelle, lüese Gutachten sind im Wortlaut mit 
versiffeutlicht, und es ergiebt zieh aus ihnen, „dai's die 
Wirksamkeit de« WetiersidiierHeuB nicht nur — wie die er- 
drikkeude MajiiriUit aller Gutachten 1 hui«u — als zweifelhaft, 
souderu l>6i Berücksichtigung aller rmstAndc ntid Abwägung 
der Oiitachten als hftchst zweifelhaft, ja unwahr- 
scheinlich erscheint*. I>i4«e gegenülau' früheren intcniHtio- 
uateu Kougrossen neue Bcssultai ist oft'enbur das der Wahrheit 
eiitaprwheudcre, denn man mtils sich, wie du- auch l'crnter 



hervorbela, vor Augen halten, «lafs dieee Gutachten auf dio 
volle Kenntnis der Thatsa4'.hen und auerkannU* KacKkcnotitt.» 
in Physik und Meteond4)gie gegründet sind, daft sie dozij- 
nach zweifellos vom grlifsien, ja tnafsgelMUtdeu Gewicht 
l'titer denen, die sie Hbgab*ui. Ia‘6ndeu sich aber auch die 
zwei Dtrekuiren der iLiitieuiM’heii Wetterachiefsgeliiete, die 
— Met(*on>logeii von Faeb — sich drei IlugetsaiBons nur 
mit dieteti Beobachtungen bvs4*häftigt halten und deiuuacb 
wohl ein richtigeres rrtoil über dats Welterschiefseii haltöii 
dürften als einer der «itrektischen Wetterwehiefaer", die meist 
gar keine Kinsichl in die Schwierigkeiten iMaitzeu, welche, 
wie Trahert in .seinem Heferat zeigt, der klaren Kntscheidung 
der Krage gegwnülierstelien. Bezüglich der zweiten Fra|?«- 
IteM'hlofs die K4infereuz, die Hegiemng zu ersueben, zur 
Forlactzuiig der Verauche insbe«mdere in Windisch-Kciatritz 
itas ihre zu ihun, froiiit-h in ülperw »egender Mehrzahl in dum 
Sinn, damit dadurch der Nitchweis der thatsächlirhen prak- 
tischen rnwirk’samkcit des WetterschiefsenH geliefert wardon 
k<>nnle. Sie sprach sich je<b*ch vor allen» gegen Anwendung 
zu kleiner Ap{tan»te und zu kleiner tb-biete (unter 4000 haj 
aua, da von deren Unwirk<^iinkeit die ganze Kouforunz ül>er- 
zeugt war. Mit der Subvcutiojiicrung st>lle aber Hand in 
Hand gehen eine genaue t'lKsrwnchung de» Hchiefsens. »M»w»e 
der meteorologiachcn Vorgänge im Kchicfsgcbict, da nur »o 
eine richtige Aufklärung auch der Hcsultai« im einselnei» 
Fall miürlich sei. l^iter allen Umständen mufs man der 
üsterreicbiochen Regierung für die Kinberufung der Konferenz 
Dank wiaaen. da sie wesentlich zur Klärung der Ansichten 
lieigetragen hat und insbeMmdere auch andere Staaten , au 
die etwa Kubventions- und ilhnlicbe Gesuche wegen Wetter- 
achierseus hentutreten. in den Ktami seut. ihre begründete 
KnUcheidung zu treffen. Greim. 



Bficherschau. 



L« Sander: Die Wanderheuschrecken und ihre Be- 
kämpfung in unBpren afrikaniicheii Kolunieen. 
Berlin, D. Reimer (Kriist Vohseu), 19o2. 6 *. VII und 
544 B. 6 Karten. 

Verfasaer hofft mit seinem Buche zu um sn gründlicbereu 
Studien anzuregen , als biaber jede Zusainmeurassuug des 
heutigen Standet unserer Kenntnis diotur Tiere für den deut- 
schen Praktiker in den Kolonieen inangoltc. 

Betonen wir die geographische Seite, so waren %'on jeher 
die Wanderungen der HeuBchrecken für den Menschen das 
Merkwürdigste und Witiiderbarsie in dicocr Frage der Hupfer. 
Dabei ist da«i Wandern eigriitUch ein nicht recht erklärlicher 
Vorgang. Bildet auch Hunger diu Triebfeder, so iM doch 
nicht einzusehe.n, weshalb sie «ich zur Kuttersuch« in solch 
iiugeheuereni Zuge zusammcnscblagcn, wo ein Tier das ander« 
am Kreaoeit hindert. Die Georhwindigkeit d«r Zug« ist aufser 
ordentlich verschieden. «Te ältor die Hupfer und je kahler 
«ler Weg, um oo schneller marschieren ate. 1.7 km dürfte die 
höchste Geschwindigkeit für eine Stunde bei kahlem Feld« 
l»et ragen; für stark mitGrAS bewachsene Stellen mindert sieh 
die Tagvsgesebwindigkeil wohl auf 9,5 km herab. Das Wetter 
hat eiD*3U grufnen KinHufB auf die Bewegung. Bei kaltem, 
luutsem, windigen) Wotler sind die Hupfer weniger bewoguugs- 
iuidig als bet scbüiiem, warm<.‘m Sonnentrhein. Als h«')chste 
Leistung in den Wanderungen will Sander 100 bis 125 km 
augenommen wisseu; in der Ue^rel wrird dieae Kntfernung 
von der Geburtostittte nicht f'rreicht. Di« lleost-hrock« be- 
stimmt hHiiptAächlieh nach dein Geruchssinn und nicht nach 
dem Gericht die Hiclitung auf lievtirxugt« Kutt«rptlanzeu. 
Die Märsche geschehen in der Kegel in den wärmeren Tages- 
stunden, doch sind auch Naebtmäroche lieobaehtot. Das aktive 
Fliegen üben sie gewöhnlich liei Witid«l»lle oder aebwachem 
Winde aus, meist der Windrichtung entgegen. Kalls sie mit 
dem Winde segeln, wie es bei stärkerer Brise und längerem 
Fliegen gewühnlich ist. dann ireilteii sie vor dem Winde, 
d. h. si« kehren den Kopf der Richtung zu. v»m der der 
Wind herkommt, aber von der Richtung ah, in welcher die 
Ueis4‘ gehen soll. 

JSolauge Vorrat da ist, sind die Heuschreck*'n recht 
wählerisch ln ihren Futt4!rpdau/«n. Kine iwdche at^fresseno 
Gegend i)*i. dann rocht ungeeignet für Kmähruug von Nach- 
kommen; sind die Htcllcn aber erst einmal kahl gefresren. 
vernicirlut jeder Hchwanii sie ai» Brutplätze. Am deutlichsten 
wird sich eine Verwüstung in den gemäfsigten Zonen er- 
kennen lassen, wo die «langen im Frühjahr die Felder kahl 
gefreMen haben und die Altan im Herbst ans Brutge.schafi 
gehen, weniger dagegen in den Kudtro]ien, wo die Laudaobaft 



im Vorfrühling «dinehin unter dum Kinrturs der langen 
Trockenzeit dürr und kahl, im uigeutlichen Frühling unter 
dem Kinllufs vou Kugun auch au den bciingMueht gewesanen 
Rtelleu w)c<ler gruii ist. 

Das Klima d«*r tnic'^eueii Hubtro)»eit »teilt die Vereini- 
gung der günstigsten IbMÜngmigcn für den ganzen Kntwicke- 
tungegang de« Insokte«. vom Ablegen »Ics Kio« bis zur Aus- 
bildung des gertügelten Hupfers dar. es werden also die 
Sublropen, oder vielmehr ihre Btroekengebiet«, die Kt>‘p].'eti, 
die besten und ursprünglichen Brutstätten der Wanderheu- 
schrecken gewesen sein. All« Irftndschaften. aus denen Heii- 
schreckunschwärme in andere «inbrechen, lassou Wald uml 
üppigen Ptlanzeiiwuchs v«rmis»eii; es bandelt sich stet« um 
mehr oder weniger hoch gelegene Kbenen, die mit buschigen 
Gräseni und nie<irigam Gestrüpp l>e«tand«n sind. 

Die Mafsreg*‘ln b«wuf»t*r Abwehr ge.'en die Heusidirecken 
Iieginneii bereits in verhältnismäfaig frühen Kulturstadien des 
Menschen, doch vermögen wir hier nicht näher auf dieae 
wie ander« interessantcu S4<iteu des WerkcB einzugehei> , das 
iinsumt Kolonialfreumlcn «mpfohlen sei. K. Ruth. 

Karl Renschel: Volkskundliche Streifzüge. 12 Vor- 
träge ül>«r Kragen der deutschen Volkskunde. Seiten. 
Dresden u. l.«ei])zjg, A. Koch, läOS. 

Rs iBt erfreuUeh. zu sehen, wie der Binn und di« LieW 
zur Volkskunde sich mehr und mehr ausbreiten und ver- 
tiefen, je bedrohter alles Volkstümliche durch den gewaltig 
abschloifendcn Stnmi der heutigen Kuitureutwickelung ist. 
Hier liegen Vorträg« in st'hüner F<irm vor. stets anregend, 
zum Teil auch tiefer f«»r*chend, aber nur eine Beite 
dessen borücksichti^nd. was wir heut« unter Volkskunde 
zusamniciifaHSt'n, nämlich die inwlische. di« tnulitions |M>pii 
laires, und es ist l>«gruif lieh , dafs der Verfuoser sagt: «Die 
deutsche Philologie ist auch die beste Sohule fiir den künf- 
tigen Volksfurscher.* Ohue sie ist freilich nichts anzufangen, 
aber die Foi>chuug wird ganz «inseitig, wem» nicht die miu- 
destous «l«nso iiutwendige Ethnographie berücksichtigt wir»!. 
Gnter Berücksichtigung dieser mächtig uufgeblülituu Wissen- 
schaft hätte der Verfasser vieles in «rgänxeDder Weise seinen 
Vorträgen hinzufügen können, ln einleitenden Kapiteln werdeu 
Begriff. G«S4'hicht4> und B«»deutung der Volkskunde erörtert 
und dann zu dem in sieben Vorträgen erörterten Uaupuheiua 
des Buches. d«m Volkslied«, ülicrg^rangen. Hach der F«st- 
Ntellung dcs»«n, was Kunxtdichtung und Volkspoeeiu unter- 
scheidet, bekennt .«ich der Verfasser ganz zu Bücher» nicht 
ohne .Anf««'h(ung gehliehenen Anschauungen über die Ent- 
stehung dei V'olksiiichtuiig aus th-m .\rb«iuigeBange und giebt 




Klciue NHobrichtea. 



147 



(iattii einan «tixprf>ch<.‘tiden Vortmg Uber diu S«>bnn<lerhtipd, 
di>r )«elb’it rieben <lu»tAV Maver« lietM^tuwUnlifcer Abhnndlung 
Uber ilen gleichen Stoff seine OeltunK behalten diirfte. l>er 
VoriruK Uber die ilenteehen Landschaften und (lat* Volkslieil 
Iwhandelt die Auffassung des leUtereu unter dem (ieaichu*- 
punkie der Stammeseigentüiniichkeiteuv Dieses ist ein dank- 
barer Stoff, der verdiente, Tersrleicheud weiter aui^föhrt 
XU werden, wobei dem im gaiixeu Buche stiefmütlerlirh be- 
dachten Niederdeutschen mehr Kecht werden k<'mntc. K. A. 

J. Helerll und W* Oechsllt Urgeschichte Urau- 
bündeas mit KinBcblufs der Hhmerxeit. Mit fünf 
Tafeln uud einer Karte. (Mitteiluogeu der Auti<|uarischen 
(ieseilachaft in Zürich, TAVil.) ZUrich, Fäsi u. Heer, 
IWX 

Zu den vielen vortrefflichen Abliandlungen der autiqua- 
riacheu Üe»ell*chaft ln Zürich gesellt «ich die vorliegende. 
Welche xusammenfMsend die Urgeachichto des merkadirdlgsti, 
von Deutschen und B<*ninnen bewohnten Berglande» liehan- 
dvlt, über das sich seit iUtcwteu Zeiten ein Völkorgeuibcb 
ausbreitete, dessen Nachlnfa in vorliegender Schrift von zwei 
Meistern beschrieben wird. Heierli behandelt die utgeschicht- 
liehen Fundorte und die Fundgegenstände. Oeohali die 
Oesehichie in vorroinischer und römischer Zeit. Wie natür- 



lich, sind in einem Berglande, da« verhaUniMinüfsig spül der 
Kultur und Hieddung zugüngig w'urde. die ncdithiachen 
Be»te aufsorst spärlich; einige Btcinhnmmer und Feuerstein- 
laiiiellen. die verschleppt nein könn»in, Ut alles, was bisher 
mit Hicberheit festgestellt werden lumnte. l>agegen sind die 
Funde der Bronxexcit xiemlich zahlreich. 90 Fumistelleii. 
darunter bronzezeitliche Ansiedelungen , Werkstfttten und 
Grälwr sind nachgewiesen; neben den durch ganz Mittel- 
europa verbreiteten Tvpen sind viele italische Formen zum 
Vorschein gekommen. .\lJe* wiisl genau beschrieben und ab- 
gebildet, Hchmuck, Oerftte, Waffen, teils Berg-, teil» Paf«funde. 
weiche den Bew-els liHferu. dafa eine Anzahl Gebirgspässe 
(Alhula, FlUela, lycnzerhaide) schon in der Bronzezeit be- 
gangen wurden. Au» der Kisenzeit sind hauptsächlich Grä- 
ber und Ombfelder hinterlassen; vereinzelt reicht die Hall- 
»Lattzeit hierher. Miinzeu, Bronzrstatuetten der Kisenzeit 
führen in die durch Oechsli eingehend beschriebene Uömer- 
zeit hinüber. Kine gute Karte, auf welcher durch vctiKhie- 
denfarbige Unterstreichung die Funde der Stein-. Brsmze- und 
Eisenzeit unterachieden, aufserdem auch die prähistorischen 
ZuichoD für Stationen, t)e]iotfunde. Ansiedelungen, Gräber u.«.w. 
eingetragen find, erleichtert die Überzieht. Die Rtmier»lrarseti 
über die Alpen konnten au der Hand der Funde mit Sicher- 
heit eingetragen wortlen. H. 



Kleine Nachrichten. 

Abdruck a>ir mit QualUnzagalw gcitatict. 



— Weitere Nachrichten über die Mission des Vi- 
comte du Boury iin östUchen Zentralafrika kommen aus 
englischer Quelle. Im Ü2. Bande des .Globus“, S. 297, wimh* 
berichtet, dafs die Mission im Mai von Südoften her den 
mittleren Onio erreicht hatte. Der Londoner geographischen 
Gesellsciiaft wird nun aus Nimule, einer am olieren Nil 
Hegenden Station des UgaiidaproU-ktttrats. mitgeteilt, dafs die 
Mission d»»rl am 9. Heptemlwr v. -I. angelangl »el. Sie war 
durch da» Otnothnl zum Nordende de» Nndolfsee» gegangen, 
in desw-'u Nahe die Routrn Dr. D. Smith'. Austin» und Bright» 
gekreuzt wurden, und wo sie mit den dortigen Stämmen 
einige Zu.sammenstöf»e hatte. Wetter westlich, im Gebiet der 
Jalli, die zum Langnstamin geboren, wurtle du Boury erzählt, 
dafs in Duflle , Türken* wäre«: Nachrichten von der Wieder- 
bt>H>tzimg de» oberen Nil waren also weit ins Innere gelangt. 
Die Leute wufsten auch von Chartmu und Moiultasa. konnten 
da« Nilarabisch sprechen und trugen Hnumwollenzeuge aus 
Hanaihar; wahrscheinlich sind sie Beste der meuternden S<i|- 
daten Kmin Paschas, denen auch die Mnedonatdsche Expedition 
dort begegnet war. Die Gegend liegt etwa 270 km Cwtlieh 
von Nimule. Ka wird auch einiges über di« wissenschaft- 
lichen ErgebnisH« der Mission mitgeteilt. 8o wären am nachten 
rfer de» Omo foasile Beste gefunden worden: von ^ifseii 
Fischen, vun zwei Arten von Krokodilen, von zwei Kiefanten- 
artcii (deren eine wahrscheiniieh viel grüfser war aL» die 
heutigen Arten und eine andere zwerghaft, nicht grftfeer als 
I m Jioch). von drei verwhiwlenen Fyjjuiden, wohl Zebra», 
von Flufspferden, Antilopen u. a vr. Ferner seien prÄhisrto- 
ri»che FeuersteinHchaber gefunde«» worden- du Ikuirv wollte 
auf der Kongoroute zur Wcatkuxte und geflachte .\nrang 
April in Bari» zu «ein. 

— Faitipbnll« Kelsc durch die Mongolei. Wie im 
,G«ogr. Journ.* für danuar iiiitgeteUt wird, i«t der englische 
Konsuiarl>eanitQ C. W. Campbell, der »ich vor ftwa zehn 
Jahren durch eine Beize in Korea Wkanni gi*iiiacht halte, 
Uttch einer bemerkenswerten Wanderung durch n«*ch wenig 
bekannte Teile der iwtlichen Mongidei. vor kurzetii in die 
Heimat zurückgekehrt. Der Aufbruch von f'eking erf<ilgte 
am 3. .luni I9u0 (»oll w'obl heifsi'ii; 1901). i'aiupliell ging 
zunächst üWr Knlgan zum Anguli nor und dann nordöstlich 
durch T«ch»char auf einem neuen Wt^e zum Ibiion vor, 
w<ibei er die alte Yuanhauptatadt Hchaiigttt berührte. Nacli 
einem Besucli de» Dalai n<»r wanderte er in nördlicher und 
iior<l«i«ilichei‘ Hichtung zum ('halchatlufs, einem Tributär de» 
Kerulcn, dem er abwärts bi» zum l'uir nor folgte. Hierauf 
zitg i'amhpell am Kerulen aufwärt«, durch das Gebiel de» 
'IVlwn riian, de» OU*rhcrni der rbalcham«>n^n>It‘ii, und narb 
l'rgH, wo er am fl. September niiiangte. Von I rgn aus machte 
0ambi>ell mehren* Alwtecher, wobei er da» Kenteigebirge 
besuchte, den Ki*rulcn in der Nähe »einer Quollen ülHtno’hritt 
und das Thal de» Grrhon kreuzte: er Iwsuchie auch die 
Kuiiien der alten Uigiirenluiupüitadt Kam-Isiigas und da» be- 
ritlmite Kloster Knlenitsu. vermutlich die Htätto iles alten 



’ Karakorum. Der Beiacnd« w'urd« vmi einem indischen Topo- 
graphen begleitet, der Aufn.nhnioa machte, wähmul er wiber 
Hohen- und Temperatunnessungen vornahm, Breiten 1>eob- 
aebtete und botauisch sammelte, ramplieüs Keiseweg deckt 
sich vielfach mit dem dos J^uitenpater» Qerhillon hn 
■ 17. -Pahrhumlert. 

•— Die I’rgoachichte Nord west böhmens an fesaulnden 
und vielvuitigeii Belagen kennan zu lernen, dazu boten z«'«i 
’ TagosauKflngu der deutacbeu NaturftirscherverKaiiiinluiig zu 
Karlsbad I9U2 Gelogeiiheit, deren einen am 24. SeptcmU*r die 
I geologische .Vhtcilung nach Frunzenabnd, deren anduren am 
27. Keptemlier die prähiHtorischn mich Languge«t und Teplitz 
vemnstalteto. I>ur letztere, in da» Gebiet der Bicia, Bind 
iintiir Führung de« Teplitzer Mmniuniskustti» Kobert v, Wein- 
zierl statt, der al« k. k. Konservator und Inspektor die 
prähistorische Durchforw-hung der deutschen Ijandesteiie 
Bi)hmctis zentralisiert. Auf dem La Tcne-<trälH*rfeld bei 
Langugest waren zwei B«»tnttung>»tf<i'on zur Aushebung 
vorliereitet und eine dritte, s«>wie eine Henlgntb«* so weit 
geöffnet, dafs sh’ den Umfang dieser HUilen erkennen liefsen. 
Der Boiien besteht an» einem »ehr feinen weifseu Bande, der 
besonders an den Wänden der tief«.*r auigehobeneii (li‘älM*r 
ein Ky Stern bräunlicher, paralleler Bänder infolge An- 
reicherung hiimoser Bestandteile aufweist. Ich möchte auch 
an die.ser Stelle die Vermutung auxsprechen. dafs diese Bänder 
Spuren von VerdunstungsriickHtämlen der KeKitnwHHS**r dar- 
»telleu, die im Laufe der seit Anlage der (irälier verstrichenen 
Jahrhunderte bis zu veiNchiudenen Tiefen eingesickert sind. 
Vielleicht «ind demzufolge au.» ihnnn S«-hlüsse auf eine ge- 
nauere Alter«Wsiimiiimig der Gräla-r zu ziehen. Beicbere 
Hchinuokfuiide enthieU von den untersuchten Grabslättcn 
dtejenigi' eines Kindes, dessen .\lter noch an den Zähnen 
Hilf etwa zehn Jahre iMwtiinnii werden konnte, obgleich 
die Itumpfkiiochen. Haut, IlHare, Kk-ider gänzlich dahin 
geschwunden waren. Die auf 8. de» .Globus** IM. 7» 
al^ebildetc M"«rleichc aus dem Daim*ndt*rfer Moor, der jeg- 
licher Miueratisierimg 1 ‘nttwhrt , zeigte fast genau da» cni- 
gegaugeaetzte Verhalten zu dieser in Sand gebetteten Leiche 
annähamd gleichen Alters, von etwa 15(Hi Jahren. Haut, Haare, 
Loder und Wollstoffe tdiulxm erhalten, alle« übrige vertorfic 
«Micr wunlc spurlos zersetzt und uusgclaugt. Der Hervor 
hebung wert ist auch der Gegensatz jener MiHu-loiche zu den 
Knochen- und Uolzfundeti im miiieralisierten FraiizenslKider 
M<ior. Bei jener verschwanden nicht allein die Knochen und 
die aus l'fliinzenfaser hergastcllten NähHidpn, sondern auch 
die Stricke, mit denen »ie geniäfs ihrer Arm- und Beiii- 
»telliing lind nacb Mulsgalw der Ari der Hinrichtung gcfe«ielr 
gewe*en «ein muf«. — l>as „Zentnilinuseiim für di»* Ur- 
geschichte Nonlbi'ihmen.»'* zu Teplitz, d**»sen Sammlnngi-ti zum 
S<*hlufs Itcsichligt wiirdon, lief« vor aMcin eine enge Ver- 
>|uickung de» prähtslorischcn mit dem historischen Klenietit 
«rkeimeii. Darin liegt wohl der Sclilü»«i*l für den loltens- 
werten Wetteifer zwischen StmitgeniuiiKleii uud I'rivnteii 




148 



Kleine Nachrichten. 



lvut<u'lib(ihm«iiii, (Itiiii %'«>r »llem <*>• ««ine Orümiim); und 
Krhaltunt; dankt. lk‘»<»nd«Tit »ar «*r viTtretun ilurcb 

dio eiofarhon l(nu«Ti‘l<*uiii vt>n . deren einer, 

Oi.itui»ai Ant4»ii HiiffmHiiii, auf deo^en (iruud«türk auch 
dio am >7. Hoittemtier nusgehubeneu (irii)wr liegen . 
«iliforwilliger t'ntenitülaung der prühiitoriüchen Korachungofi 
2 UUI kun'eaixmdieranden Mitglie«ie der Teplitzcr Muxciiinx- 
geaelliH'haft eruannt i«t. Oie l>eutJH:blKtiinu'n wurzeln tief in 
ihrer Heimaterde. W. K. 

— ' Das lltiohmonr Sauroooa bui St. Michael im 
L u n g a u • Salzburg iNSAprechun W. Ikirach und V. Zailer 
(Zeitachr- t d. landw. Vemucluwo«. in (»sterreich, 6. Jahrg., 
Die l’ntacfae der M«K>rbildung galam zwei uatnrliche, 
wenig« Meter tiefe Mulden, die nut kalkhaltigein Waaaer der 
nah« vorüberdiersenden Mur g 08 p«i)tt wurden. Durch den 
maswnhaft abgelagerten glimmer* und thonhnltigeu l*hon- 
schlick gingen die Hoen Ungsmn der Verstunipfung entgegen. 
Die zahlreichen «imiiiindemlen Iläche lirarhten ausreichende 
nähratoflltaltige, d»ch kalkarme \Va.Hsenn«ngen mit, wo-lurch 
die Anaieileluiig von meint aus Mark entwickelten Kied- 
grasern Wstehenden SunipfpHauzen viele tiencrau<»ufn hin- 
durch gesichert war. Die |t<-!«iedelmig mit l’ilan/on iM-gann 
zuerst an den tiefsten Stellen der Mulden, und nach Aus- 
föliuug derMdtwri mit Torf breitete sich das Moor bis zu den 
Ilandem aus, stieg langsam über den Kücken, der beide Teile 
tn-tinl«. und später an dem leicht geneigten Abhang hinan- 
Durch Klimaschwankungvu, namentlich regenurme Teritnlen. 
wurde das Niederungsmoor iu seiner weiten-n Kntwickelung 
und Ausdehnung gehemmt; in dieaem Zustande blielwn der 
ganze westliche Kaitd, Teile des Norilramle« u. h. w. Von 
dom gri'ifsien Teile des M«xiros nahm der Wald von Lnrohou, 
KichU'ti und Birken langsam Besitz und entwickelte sich auf 
dem verhältnismiirsig iiabrstofTreichen («rastorf in üppiger 
Weise. Dann siedelten sich TorfimKtse auf <lem reuchten 
humosen WaldlHKlen an- Kauinc, welche den wuchernden 
Hphnguet*!! itn Wege Htamleii, wurden von ihnen am Kufse 
iun"poimett und durch eine undurchdringliche Itecke jeder 
Duft- uitd Feuchtigl Bitszufuhr lieraubt; sie starlx'n ab. wur- 
den vom Sturm uuigerissun und versaiikenin der iiacUgiebiuen 
Torfwhicht- Im l^aufe der weiteren dahrhutiduri** Iwuien 
sich dann die mlt<*htigi*ii Hchichtett des Krioph>>relo-S|>hag- 
nuiiis auf, welche die llHUptmeuge des vorhandenen Torfes 
ausiimolieri. Hierauf siedelten sich Birken in grofserer .Menge 
an; altere Turfschichten lafstehen fast nur aus aufeinander 
gesi^hicbtetor Birkenrinde. Kiuzclnc Kaitieeu de« Itochnuwires 
nähern sich nun dom .Vb^^hlusse ihres Wachstuuis und tragen 
bereits eine ausgesprochone llvidevegetation, andere beitndeii 
sich dagegen lOMdi itu vidlen Wachstum ntid wiirden dieses 
ohne iiiensoblichen KingrifT wohl Jahrhunderti! noch fort- 
suLzeti. Das genaue Alter des Moores anzugetwii diirfce un- 
möglich sein, doch mufs die Bildung so mäclitiger hehiebten 
das DrotJukt jahrhundertelangen Wachstums der Vegetation 
sein. Die Bauiiie des ClaTgangswutdus, der nur eine kleine 
Beriode iu der (ieschichte dinse« MtMires dar>iellt, lassen allein 
liereits nach ihrem SiamraesdurohmeMer auf ein Alter von 
fast einem Jahrhundert schliefsen. Das stellenweise ntehr 
als 7 m mächtige Moor i«t wohl weit über 'JUUO dahre alt. 

Ober artusischoii Druck sprach in der geopbvsi- 
kalisrhei) .\t>U'ihing der deutschen Katurfi>rM*herver»Hmmluni: 
XU KarNItnd IVUJ Wilhelm Krebs, einer Anregung de« 
Bra/er WiMsertmutechuikers l*r<>ftsssor Forebheiiiier folgeiid. 
dein eit an einer Itiskussioii dieses in bautechnischer Hinsicht 
Uta'hwichtigen und in neuerer Z«ut etwas umstriltuuen liegen- 
ttandes lag. Das Jteferat ging aus vuu der rntersucbuug 
des Heriners iit>or das Sciikuiigiifeld der BruniieiikatAstropho 
IM<:( zu Schneidemiihl. Den SHiikuiigsmmn hatte Krebs 
auf Brnud geeigneter AuNineaaungen zu m” bestimmt, 

während die Masse den ausgewurfetien Bodens sich mich 
Schätzung des Ingenieurs ('hudziuski auf ,'>aoo m* In-Iief. 
Diese grofse Cbcreinstimmung im Krgehnis und frnhorc 
Beoliac.htuugen tiWr dio stiitzendu KraD des Brundwasser» 
haUeu Krelis veraiilarst, iiii AnschlntV an d«n K<iiiigidiorge|- 
tieologen i’p'f. dciitzsch lind im Bogensatz su dem inzwiHchcn 
vorMorlwnen («eophv^iker und Ingenieur Htapff örtlich« Kat- 
Stellung des ariesiM-hcii Drurkos anzuiiehmeii und für <len 
dortigen Brunncnausbi'uch di« sonst violbohauptete, a1)«r nie 
lM)wics4-ne KntAtehung nach dur Barnierscheii Theorie d«s 
artesiiwhen Drucks nu-zuschliefsiBn. Nach dis*M*r Au»chauung 
sollte irgend ein Sei-spiegel der pommc-rechuu Si.-^-nplHtle nach 
dem tittsetz der koinniunirieri-udcn Was*-ersäulen den liiuck 
gestellt haben. Sach der anderen, neueren AiiHchannng kam 
iler an«si»rhe Druck durch den IkHlmnlruck einer oberen 



Schicht zu Stande, die auf einer stark wasserführenden, aber 
an allen Heiton von (u-hwer durchlässigen Bodenartau um- 
g«l»«neii Sandschicht lastete. I'iir di«s« Anschauung von 
Krebs, dio in seinen B«itrag«ni übr'r die Ihnhuiaonkuugen in 
Schneidcmnhl zur Zeitschrift für praktiach« Beologi« lHd4 
eimrehoud liognindct wurde, haben sich in der Folge hydn^ 
logische .tutoriiäten wie Ochnenius, Kuefs ii. a. au.s- 
gesproclieii. Di« späteren St^hwiimnaandeiDbrüche in die 
Brulx-ii bei Briix und Dux, von denen auch die letzteren mit 
d«m (juelldmck der seit iMä'J endgültig geschützten Teplitzer 
rr>{U«llen nicht mehr zuxamiuenhäugen können, deuten auf 
«ine ähiilicho Wirksamkeit örtlich aus dem Bodendruck «nt- 
stiiudeiien artraschon I>ruck«s. — Di« folgende Diskusaion, 
nn der sich di« Pmf««soruii _Forrhheim«r (Braz) um) 
Pichl (Prag) lwl«iliirten, ergati ('iMTeinstinuniing in der Haupt- 
fnigo des arl«si*rh«n Wass«rdrucks. M«iiiungsversrhi«*d«nheit 
nur in )b*zug auf die Art, in der von dem Itruckwasaer der 
Sand g«t'iihrt und nach der Anzapfung miCi:*>riasen wird. 

' (Tier den Hin I i. Marx 10QI u«falleii«ii arotcii Srhiieo* 
gi«M J. A. ipp««ti noch einig« Nachiriige (Mitt. d. niiturw. 
Ver. f. Ktoiermark, Heft, I9u.*). .VU Uauptliestnndleil« 
«-rgabim sich für all« Niedorfallung«ort« guarz, Thon, l'alcit 
wie Kis«nox>'de; seltener traten auf Gips. Hornbleud«. Biotit. 
Tuniialin, Branat, Magm-tit. Kpidot. Titanit. Butil, Zirkon. 
Vulkanische Bestandteil« fehlen durchaus. Ib-r tStaub ist 
b'rrestrischen l'rsprungs, «teilt «in Holisches H«diment dar 
und w-ird als l^'ifs bezuichuet. Nach Hcllmanii und Meinardus 
ist aus m«t«Mm>logisch«n Bründeti di« Annithme, der Htaub 
s«) Dnieritstauh. abziiweispii. Die letzter« Annahme fällt 
aller nur ünnn, wenn sicher imchzuweisen ist, dafs jenaeit 
des Wüstengürtels gegen Norden zu kein Latent existiert : 
auch Ib-Ilmann wi« 3l«inaniiis iwhliefsen nur eigentlich aus 
met*‘s>rologisch«u Kücksichiuti di« Abkunft aus einem Latcrit 
des Sudan au«. Km ilir«kini- B«w«is für die Zusammen- 
gohörigkeit d«^ roten Siauli«s mit Uifs ist noch tiiclii ge- 
liefert, elH'uao fehlt der Nachweis einer geimuen ('bHreiii- 
Stimmung mit Wüstensand, währeud di« wenigen AnaUsen 
näher auf Iiaterit hinw-eisen. Was die Menge und die Aus- 
breitung des Staubes bvlrift't, so bedeckte dersellar nach 
Hellmann und Meinardus mit Ausschlufs v«>n Nordostmfslaiid 
wio der 4fHioookm^ grofsen M«*ert1äche xuiaclicn Tuiiis- 
TriiHilis. sowie der des T.vrrh«iii--<cbeti und Adriaiiscbeii 
Meeres ein« Fläch« von 767MjoknP. Die Bewichumeng«, 
und das ist wahmcbeinlieh nur di« unter« Bretixe, wird auf 
I 7Si 000 Tonnen geschützt. 

— Wichtige Beobachtungen über Peodeliiurun- 
gen bat man in Indien geiiuvcht. Bekanniiich sind die 
.Vhweicbutigun dea Pendels von der Veriikalhnle auf d«ti 
Mangel an Bleichmäfuigkeit iu der Bildung der Krdkrust« 
zuriickzuführen. und si« tiewirken erhebliche ruzuträglich- 
keiten für die Laudu«aufuahme. In Indien hatte man nun 
liemer^t, dafs sehr »orgfiiltigL' lÄngun- und Breitenliestiui- 
muugen nicht mit den durch dio Triangulation gi-wonncnen 
Werten zuaiuiimctipasson wollten, und man fuhrt« diese Kr- 
scheiiiung auf die Ungleichheit der .\nziehung auf das 
Pendel zuruck. Natürlich batte man zunächst die gewaltig« 
Bebirgsmasae des Himalaja als die I rsai'he in Verdacht, 
man untersuchte di« Sach« und kam zu dem Ergebnis, daf« 
■{•T Kintlurx des Hiumlaya IhtoiU im zentralen Indien auf- 
tiür«. un<i duls die weiter siidlich beuliiicht«tc]i Difforanzeu 
lokale rrsaclieii halH-ii murxiun. Kin noch gouauerc« Btudiuui 
des Iliiii.ihkVa lind der Tiefen d«s Indischen Ozeans jmloch 
zeigte, dafs der Ilimalaya deiitnwh bis zur Siidspiize Indiens 
zu spuren war, wo die Abweichung dos Pendels noch eine 
bis zwei ^^kuu>l«^ Wtrug. Neue Be«>bachtungen wunlau 
nun Hiige‘>leltt , uud man L-rhicIt das merkwürdige Itesiiltat. 
dais auf einer Station, wo man eine Abweichung xm u"ao 
noch Sudi-it zu timlt'ii erwarten niurtt«, ein« .«olche \<>u o"au 
nach Nonien vorhanden war. Wietier forw'hte man nach, 
und i-s stellt« sich jetzt folgendes heraus. Wenn man «ine 
Linie lou (‘alcutta nach [t«csa zieht, die die Hnlbinxet in 
einer siidost iiordwosllicheu IBclitmig schnciiiet, so bildet diese 
fiir >lie Staiioiion uonilich uud sndüch davon uüie Anziehung« 
Zone. .\uf den im Nonien lioLrenden suttionen weicht das 
Pendel nach Süden, auf den tm Süden liegenden nach Nonien 
ab. Die Wirkung ist. wie wenn ein« unterirdische, sehr 
dichte tiebirgskotte die Halbinsel mehr als ItiOUkm weit von 
lösten nach Westen durchzieht uud das l'entlel zwjacheu 
10 uioi äu' uürdl. Br. lKJ»-iDtlufM . uud di«ni- Kette läuft d«m 
lliiimliiya paraib-l. Die nächst« .kufgali«. die aus der Ib-ole 
achturig *TW«c)ist . wär«. da-« HäLs«l tliescr unterinlischeii 
tM‘birg.-^keito zu lii.'eii utol hcratis/iitiiideii. w'uraus sie besteht. 



V«T«iittt t>rtl. I.'*d.iktcur: I'r«f. Dr. U. Audr«.«, lUnuno hwpig, F«ll«Ti»l«berlk«r-lT««ncii*de 13. — Urut k : Frit-dr. Vitaeg «. Sulio, Uraunst liwriji;, 




GI.OBÜS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCIIRIET FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEBEimOT HIT DEN ZEITSCHRIFTEN; „DAS AUSLAND" UND ,^US ALLEN WELTTEILEN“. 

HERAUSGEBER: Piior. D«. R. ANDRER. VERLAG vo« FRIEDR. VIEWEG t SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 10. BRAUNSCHWEIG. 12. März 1903. 

NMbdruck aur lucfa Ob«rwakuaft nit der VerUff*hdunJ]unf geftettM. 



Reisen auf der Insel Nias bei Sumatra. 

Von H u^o 

[>ie Originale sämtlicher Abhildungeu I^hnden sich im Städtischen Museum zu Uraunscliweig. 

I. 



1. Kord-Nias. 

Aui 27. Juli 1S97 verlieta ich mit fünf LuutoD meiner 
Ntändigen Beglettiuiguud 23 angeworheneii KulinGummg 
SiUiU, den llnujithafen Toti Nia», um den Hili Mudja]Hii, 
eine der höchsten Krhebtingcn der Insel» zu l>e>«teigeD. 
Nach einem vioiTitunJigen Marsche in nördlicher Hieb» 
tung kamen wir in dem Orte Oliira uti, wo mir di« erxten 
Scbwivi'igkeiitm «ntgegentraten. Oie malaiische Bevöl- 
kerung butte bua« Krfahruugtm mit der Tugendhaftigkeit 
der Kuropäer gemacht, weshalb die Leute un« über Nacht 
nicht tiufnehmen wullten; ao war«»n wir denn gezwnngen, 
iti einem Hau^e, da« atefa noch iiu Rohbau befand, zu 
übernachten. 

Alu uAebnieuTage fAhrt« uns der Wog zimiicbat drei 
Stunden an der Kilate entlang. Nach ÜberKchreiten 
eines Flusse» gelaugten wir an eine der an der Küste 
häufigen SaizKiederoieii, wo wir llaHt machten. Oer Weg 

— wenn man von einem Molchen überhaupt reden darf 

— führte uns nun wc.Mtlich landeinwärts, und die Un- 
bilden der Reis« begannen. Selbst Wanderungen durch 
die Maiigruveformation, die ich auf den Ilutuinsclu häu- 
fig unternommen habe, sind Spaziergänge gegenüber dem 
Wege, den wir Jetzt zu beschreiten hatten. Bis an die . 
Kniee in weichem Lcbm watend, daun wieder auf dünnen | 
Baumstämmen über tiefe Schlammlöcher balancierend, 
erreichten wir endlich das ansteigende Gelände. Hier . 
wird der Weg ein wenig trockener, und an die Stelle j 
des Moraste» tritt ein weniger feuchter Boden, liewaehscn 
mit dem mannshohen Alan-Alan (Imperata Koenigii), 
der den Reisenden bis ililt Mad]ujun begleitet und ihm 
deu Wetf bedeutend etuchwerb Wegen die.ser Schwie- 
rigkeiten war icb genötigt, schon auf der Hälfte des 
Weges nach Ilili (ioo, da» icb zur Nachtrast besGmiut 
hatte, Halt zu machen, denn meine sämtlichen Begleiter 
waren ebenso wie ich infolge der drückenden Hitze, die sich 
bU zur Unerträglichkeit steigerte, durch die W’irme- 
strahlung de» Alan-AIaci, auf» ftuNerstc erschopfi. In 
Maudrifa, einem kleinen Oorf mit nur wenigen Häu- 
sern, hat ich den Häuptling freundlich um Aufnahme, 
doch uiu kurzes lah-o (iiuin) war die Antwort des mit 
Kiterl>eulen reichlich bedeckten Mannes, 

Na< hdem icb mich vom ersten Schreck erholt hatte, 
stieg ich mit geladenem Gewehr die l^iter zuin Hause 
hinauf. Meine Javaner Üiaten das gleiche, und »o 
luufste »ich denn der Häuptling gezwungen in da» l'n- 
Olobtti LXXXlIi. Nr. 10. 



vermeidliche fügen, zumal ich ihm für seine „Gastfreiind- 
lichkeit*^ etwas Tabak geschenkt hatte. 

Um 6 Uhr morgen.K des nächsten Tages ging die 
Reise weiter. In Htli Geo wurden bei unserer Ankunft 
alle Leitern an den Häusern aufgezogen. Unsere Bitten, 
uns Wasser zu geben, w'urdcu wieder mit lah-o beant- 
wortet, so dafs wir auch hier da» Faiistrecht in Anwen- 
dung bringen muC»teu. Uiu 2 Uhr nachmittag' erreichten 
wir dann das Ziel des dritten Tage», da." Oorf Ilili 
Bobo. Hier wurde icb äufserbt gastfreundlich aufge- 
nommen und am nächsten Tage l>eiiu Abschie«! sogar 
noch mit einem Huhn l>eHchenkt. 

Ks beschlich mich an diesem Morgen ein gewisse« Ge- 
fühl der Augst, da mir über den Urt Oclarsarar^ I,u- 
sara, den ich zu ^lassicreu batte, wenig Krfreuliches zu 
Obren gekommen war. Zu meiner grofsen ÜlHUTUsckung 
war aber der Häuptling ein Fruundlicber Herr, der meine 
KuiLs in gastlicher Weise mit Siri versorgte. Ändert- . 
halbe Stunde Weges hatten wir m>cb nach Verlussen 
des Oorfes durch den Urwald zurückzulegen, bis wir am 
/iule derlhnse, Hili Madjajan. angelangt waren. Hier 
entlief» ich die Kuli», nachdeni ich ihnen den W'ohlver- 
dienten I.«obn ntisgeznldt batte. 

Oie (iastfreuudlichkeit du» iutigeu fKönigM** von Hili 
Madjajan nahm ich nur wenige Tage in .\iispruch, da 
das Haus, welches ich mir im Busch bauen liets, schon 
am 4. .\ugust bezogen werden kmmte. Von dieser Hütte 
aus, die teilweise den Kindruck eines l/aboratorium», 
teilweise den eine» TrüdoliHdutis machte, entfaltete ich 
nun meine Sammlertbätigkeit. Was zunächst die Finia 
du» Gebietes uubelaugt, so ist diesell>e auf Hili Madjajan 
im Verhältnis zu der ändert^ Urwälder als eine '•«•hr 
einR^uigu zu buzcichuun. Dafür winl der Sammler in 
reichem Mafse durch die schöne Fauit.a entschädigt. Vor 
allen Ibngun waren es die Insekten, die viel Wertvolle» 
lieferten, so Moriuolyce und ändert; ge.MUclite Insekten. 

Auch gelang es mir, eine grof-ne Mengt* r<»u neuen Rep- 
tilien dort zu »Htumelii. Oie Vogelfituna i^t zwar imni- 
nigfaltiger als die der Säugetiere, reicht aber an .\rten- 
zahl nicht an diu aridurcr Gegenden Niederländisrh-lndipn.' 
heran. Bemerkenswert er.schieii mir ein /iegenmelker, 
du»»un glockenhelle, an Geläut uriiinenide Stiuiine schon 
in der Dämmerstunde nu.s weiter Furne zu vernehiiien 
war. Lange alter, larvor man zum ScliUMse anlegeii 
konnte, war der Vogel filtiT die Bflanzuiigen hinweg 
schon wieder in den Wald. .\n SäiigetiiToi Imhe ich jr 

111 



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Ilujr» Raa]»: ReiseD auf dor Insel Niaii bei Humatra. 



IM» 

luifKer den häufigen wilden Schweinen nur einigu HirHche 
und einen nehr grofaen grauen Marder erlegt. Selbst' 
TerntHiidlicIi habe ich hier auch häufig Affen und flie- 
gende Hunde angutrofieii. 

So wiir ich denn nuf nieiiier erateii Sniuuderatation 
eingerichtet und hatte einen Teil de» Nordoxten» der 
lui»el durchzogen, die bei meiner Ankunft mü dem 
l»nuipfer in Gunung Sitoli einen vielTerxprechenden 
Kindruck nuf mich getmichi hatte. I»urch seine gUn- 
Btige l^ge luitt« dlueer Ort sich aum Ilauptplntze der 
luxe] entwickelt, wohin sich Handel und Verkehr zogen, 




Abb. I. .itia Sataa, AbneotriHze. 



lind in de»xen rmgebuiig daa l<and gut bebaut war. i 
Von hier au» ziehen sich auch einige Wege, die mau ab 
Kulehu iM'Xeichiieii kann, läng« der Küxte hin. wiilirmid 
xouxi Tüll VerkehrsHtrafKen auf Nina kelou Rede i»t. Für 
den Sammler ist dieses eine grofse Schwierigkeit, die 
Wegeloaigkeit nütigt ihn, eine ganze Karawane für sich 
zu.sainmeiiziistellen, wenn er das Bintienlaud lH>.»ucben 
will. 

l»ie Pfade führen zunächat durch diu KokospRunzungen, 
die »ich au der Küste hinziehen, erreichen dann auf den 
Hügeln die beatelltun oder hrachliegendeu l^dans (Pfluu- 
ziingeii) und ziehen sich kreuz und quer, ohne eine be- 
stimmte Richtung innezuhalteii, üln^r diese Lin. Hr-ot 



wenn man zwei Stunden von Ounung Sitoli der Küsste 
nach Nonien gefolgt ist, bietet sich dem Saumder Ge- 
legenheit, etwas zu erbeuten. So weit reichen nämlich 
erat die KokoapHunzungen, diu immer eine ziemlich 




Reatell uiH iiiäonlirheii und weiblichen AhneiiHgnren. 



glcicbfönnigi* Flora und Fauna aiifweiaen, die nichts 
Neues bietet. 

Kinigo Wiesen mit vereinzelten Gebüschgru]>|M‘n mid 
ein sich daran anschliefaender Rusch liefum die ersten 
neniienawei'teii Gegenstände. Noch weit«*r nordwärts 
beginnt der Waldstreifen der Küste naher zn in ten und 
zu vurhumpfen, doch weist er nicht den t'liantkier der 
allgemein bekannten Maiigroveformatiou auf, sondern 
hat eher Ähnlichkeit mit einem 
Uruch. Hahiuter schliefst sich 
das Hügelland an, das von 
einigen Flüssen durchzogen 
wird. Fol ist hau|itsärhlich lic- 
wachaeu mit .Alan-Aiangraa. 
niedrigen Sträiivherii und an 
fenchteii Stellen mit emem 
buhen Schilf. Krst auf den 
höchsU'n Krhebungen tritt l'r- 
witld im eigentlichen Sinne des 
Wortes auf. 

Die wenigen Ortschaften, die 
in dor Niialerung liegen, er- 
scheinen dem Reiaeuden wie 
Oasen in einer Wüste. Kheiiso 
wenig anspriM^hend wie der Kin- 
druck tlor Laiidhcbaft ist auch 
der, den die Rewohner nuf 
den P'reuidcn berTürbringen. 

Die Niasser sind ein unglück- 
liches, Toll einer ekelhaften I laut - 
krunkheit schwer heimgesuchtes 
Volk. Solb«, kloio« Kin.Ior W«*-lilenr»lro. 

tragen schon diu Spuren dieser 

Krankheit an «ich. Kirn* ratiuiielle Rewirtsebaftung de» 
Landes, wie sich eine solelie bei anderen malaiischen 
Stämmen findet, wird hier allgemein TermiNt. Die 
Thntigkeil der .Männer l»cscliräukt aich hier auf dii’« 








Iliißi* Kiiitp: HeUcik »uf der Inwel Nia« liei Sumatra. 



Kauen TOii Siri» Schwatzen und Schlnfeu. Höchstens 
stellen sie ntich Fiilleii, um wilde Tiere zu fnopen. hie 
notwendige IlauK- und Fuldiirbeil wird meisten.s von den 
Frauen beaor^^t. Von Fuldfrüi’bteii wird l'bt>l'bi (Hh* 
bitn) und Reis augebaut. hen letzteren verzehren aber 
die NiiUiser in der Kegel nicht »elhst; sic nähren sich 
im Verein mit ihren Schweinen von l'hi-Fbi, während 
sie den Heia entwe<ler nach Gutinng Sitoli bringen und 
dort an <Iie ('hinesen vertauseben oder ihn in irgend 
einer der SnlzsiLKlcreten vernufsern, diu Aherall dort an* 
ziitr«'!Ten sind, wo ein Pfnd von der Küste in diis Innere 
fuhrt. In unmittelbarer Kähe der Ortschaften finden sieb 
(fru|i|>en verschiedener Fruchtbäume, unter denen der 
hurian eine hervorragunde Rolle spielt, Aherall beliebt 
durch das wobUcImiuckuude Fleisch, welches die Samen 



läl 

sehr grotse Anzahl zu erlangen, gräbero und feinere. 
Wenn die Niasser auch einen höchsten (iott kennen, den 
sie Lobelangi nennen, so stehen sie doch, wie es scheint, 
in keinen näheren lleziehungen zu ihm, etwa nach Art 
der christlichen oder jädisoheii (iottesvurstcllungeii. 
Ilauptsucbu ist dem Niasser ein Geister'* und Abnuii' 
kultus. und auf diesen beziehen sich denn auch die Holz* 
götzen. Diese, massenhaft und oft recht künstlerisch 
hergestellt, unterscheiden sich untereinantler stark, auch 
kommen nach dem Gutdünken der Knts oder Prioater 
immer neue Ibdzgötzen auf, ko «iafs eigentlich nur ein 
Kiugeln»rener sich in der Menge zureehtriiiden kann. 
Diu Adusutua oder Abiieiigötzen und die liaiis- oder 
Wäcbtergötzen, Sirnha genannt, siinl die wichtigsten. 
Die .\ hnongötzen, auf welche die meiste Arl>eit vor* 



Abb. 4 Abb. 




umgiebt, berüchtigt abi'r durch den fürchterlichen Gu- 
ruch heim ÖRiien der Frucht. 

Infolge der Trägheit der Dewohner sind die Häuser 
gröfstenteils ohne inneren Schmuck; nur in llili Ih)ho, 
t.lclarsani und Hili Madjajan fanden aich an den inneren 
Stiulun der Häuser sehr niodliohe Reiierscbiiitzereieii. die 
indes aus früheren Zeiten staumien. 

Die Zeitrechnung der Niassur huschrüukt sich auf 
dürftige Kenntnis der Tilge und der .Monate. Kein Re- 
wohner keunt sein Iiehensalter, und die gewöhnliche 
.\ntwort auf eine diesbezügliche Frage lautet iiutncr 
„sehr ult“. Auch der Götzendienst beschränkt sich auf 
das Allernotwendigstc, indem die (iöttur nur, wenn imin 
sie braucht, in Anspruch genommen werden. 

Von den verschiedenen in Holz geschnitzten Götzen- 
bildern, diu mit dem Kultus der Niasser verknüpft sind, 
gelang es mir nach und nach auf meinen Reisen eine 



wendet wird und die zum Teil recht kunstvolle Schnitze- 
reien darstellen, liesitzen besonderen Wert, Sic werden 
angefertigt, wenn ein Niasser, welcher einen oder meh- 
rere Söhne besitzt, gestorben ist. In diesen Ahuengötzen 
tritt dunu durch eine Mauipulutioii des Priesters der 
Geist des YerstorUmen oiii, der somit im Hause der 
Söhne bleibt und ihnen .'M?gen bringt, und dem mau 
opfert. Der schöne, von mir niitgebrachte Ahnengötze 
(Abb. 1) ist aus hartem, schwerem Holz gefertigt und 
67 cm hoch. Die diademartige, reich gegliederte Kopf- 
bedeckung mit nach voru stehender .Spitze ist allein 
25 cm hwh. I»as sebari geschnittene (iesirht ist mit tier 
auf Nias Üblichen Harthinde versehen um! hat kurzen 
Kiunhart; im r»*chten Ohr hängt in dem lunggezogeiion 
Ohrläppchen der Ohmcbmuck aus Messing; die Männer 
tragen ihn nur in einem Ohre. Um den Hals ein Hing, 
weichen nur derjenige tragen <Urf. der auf iler Kopfjagd 



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152 



K«ui{k Koiioii auf der Insel Nias bei Sumatra. 



i*rfol(rr<*ich war. I>ie ^iit gearbeiteten Hftnde halten vor 
«Irr Hnit^t ein (iefnfi«. Uer tieachleebtateil pha]liiM:h mit 
einer Stohbinde verdeckt. IHe pinae Figur aitzend auf 
einem kleinen Schemel. Auch weibliche Alinengötaen 
vrerdvii aufgeatellt» und wenn verHcbiedeue Ahnen iilU 
mäblieh veratorhen alnd« so reiht man deren Hildniaae, 



Familie, die etwa getrennt leben, verlieben. Aufbewah* 
rung finden aie aber gewubulicb bei dem ältesten Nach- 
kommen des ersten Abnengötzen. 

Kine zweite Art von Göiaen atud die in jedem Hauxe 
befindlichen, gewöhnlich an den Pfeilern deNselben an- 
gebrachten Haue- oder Wäebtergötzen, die Siraha, 



Abb. 6. 



Abb. 8. 



Abb. 7. 




Abb. 9 . 




i 




b 



Abb. e. AdiihorO) neppel/enfengfttze. — Abb. 7. KriegHrneHaer aua Nonl-Klaa. — Abb. M. Kiiogamlltco 
aus Arengfasem, Nord-Maa« — Abb. 9 . Krlegslanzen» Nord-Niaa. b a. c Jagdspeere. 





d.b. die Holsfigtiren. aiteiiiander, vcrkiiäpft sie mit einer 
l,atte oder vereinigt nie auf einem Gextell (.\hb. 2). Her 
.\bb. 2 dargextelltc Holzrahmen ixt 36 cm breit nnd 
etwa 40 cm hoch. Fr enthält fünf Figuren nach .Art der 
Abb. 1 besrhriulirnpii Abnungötzen, drei männliche und 
zwei weibliche. Hie Ih'the dieser Figuren wechselt zwi- 
schen 2.5 und 30 cm; die männlichen xind leicht daran 
ei'keuubitr, daH xie duu Ohrschmuck nur im rechten 
Ohr tragen, di« Weiher in l>eiilon Uhren. Hiese Ahneu- 
götzen werden auch au die verschiedenen Glieder der 



welche bald Iwexer, bald geringer geschnitzt sind, und 
die die Aufgabe hal>en. das Haux vor Unglück zu be- 
wahren (Abb. 3). Mein hier abgebildeiex Kxemplar ist 
37cm hoch, viel roher in der Ausführung als die be- 
schriebenen Ahnengutzen und am Kopfe mit zwei flügel- 
artigen Ansätzen versehen. Hax Gesicht ist geschwärzt. 
Ks giebt derartige Hausgötzen von 2 m Höhe. 

Am uifMlrigsten endlich stehen die Hihara, die in 
grufHen Mengen angefertigten Priestergötzen; eigent- 
lich nur eine Sammlung von roh bearbeiteten Holz- 



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Hagn RA«p:?Reii«n auf der Intel Kias bei Saroatra. 



153 







Abb. 7a. 

Grlir einet KrlesTtnieMert nnt Nord*Nfat. 



kndp)»eln oder StAbcfaeii, an denen man durch einfache 
ScbniUorei Mund, Nase and Ohren an^edentei hat, so 
dals eie notdürftig «’in Geeicht 
daratellen. Eine ganze Anzahl 
twlcher Kmlp]>el wird durch Ro- 
tungischnüre oder Palm wedel zn> 
«ammengubundcn, eie ntehcn 
daun in Reih und Glie«! wie die 
Pfähle eines Garteazaunea und 
«iud von Temchiedouur Grötee. 
Man »teilt sie au Terschiedenen 
Plätzen im Hause, auch auf dem 
Dache auf (Abb. 4 u. 5). Die 
in Abb. 5 dnrgesteliten sind 
60 cm hoch. 

Hob in ihrer Ausführung sind 
auch die Kraukheitsgötzeii 
oder Fanguru, die uumentlich, 
wenn Seuchen auftreten , au» 
Rnumklotzeu geschnitzt und im 
Dorf aufgusietlt werden. Ihnen 
ähneln die Aduhoro genannten 



Götzenbilder, die mit der Gerichtsbarkeit in irgend einem 
Ztisammenbauge stehen. Ein tulcher Götze. 73 um hoch, 
mit einem Doppelgettcfat (eint oben, eins unten) soll ala 
Autgleich dafür bergettellt worden sein, daft der Re- 
sitzer, der al» Zeuge anftrai, yon beiden Parteien Ge- 
schenke erhalten batte (Abb. 6). 

Woher die Niasser stammen , ist wohl noch eine 
offene Frage, die man nur mit Hülfe der SprachwisHeu- 
tchaft löten kann. Die .-Knnabme, daft sie mit den Ra- 
tak» yon Sumatra nahe yerwandt »eien, ist alt hinfällig 
erkannt wonlen; die Niasser kennen weder eine ''chrift, 
noch den Kaniiibalitnius, die beide bei den Rataks Vor- 
kommen. Jedenfalls aber giebt es zwei verschiedene 
Klemeuie der Revölkening auf Nias, denn die Leute im 
Norden und Süden sind sehr verschieden voneinander 
in ilezng auf Sitten, Hänserban, Art der Waffen u. s. w. 
Anfser den schon angeführten Götzen will ich hier noch 
einige ethnographische Gegenstände ztir Abbildung briu- 
geo, die fürNord-Nias kennzeichnend sind. In meiner 
grofsen, dem Städtischen Museum zu ßrannschweig über- 
«'ieseneii ethnographischen Sammlung bennden sieb genug 
Stücke, welche den grof.teii Unterschied zwi>‘chen Nord- 
undSüd-Nius darthun — man braucht bloft die länglich- 



Abb. 12. 



Abb. 12. Ohrgehänge. 

Ablk LH. Rarthinde aas Schildpatt. 
Abb. u. Bartbinde ans Leder. 



Abb. 10 u. 11. Prlestortrommeln. 



viereckigen Schilde aus dem Norden und die oben und 
iiiitcn zugospitzteii aus dem Süden gegeneinander über 
zu halten, um die Abweichung zu erkennen, 

Die Kriegsmesser beider Inselbälften sind auch sehr 
verschieden. Abb. 7 u. 7a zeigen ein solches aus deui 



aiobos bXXXni. Nr. 10. 



20 



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154 



P. Höfer: FHc iudog«rti)»uii>ehe Fmge durch die ArchÄolo^ie beantwortet. 



Norden, 65 cm latitf, Klinge mit eim*«iti^cr Schlunde, 
(irifF voll duukelbrttuoeui Holz mit ilurchbrocUeuciu Zinn* 
Zierat. Vom zweiteilig freapalteuen Griff geht zungen* 
oder fühlerartig ein gebogener, mit drei Zinuringeii rcr- 
zierter MetullHtab au». I^nge des Griffes 17 cm. Die 
hölzerne Scheide ist mit Meiu-ingblecb, an dem unteren 
Pmdc mit Zimiblecb bt^cbUgcn luid mit Punkten, in 
Bänder geordnet, verziert. Ktiiheiiiiiücbe Arlieit (hiebe 
Abb. 7 u. 7a). 

Der Norden hat auch Kriegsmutzeii (Abb. 8), welche 
der Süden nicht kenut. Sie bestehen aus einem grul»en 
Geflecht Ton Ffthern der Areugpalme. hind 10 cm hoch 
und ol>en mit einem llolzkreuz überlegt, auf dennen 
Arme Arengfaiierti fuhigebutiden »iiid. 

Die Sjteere (Kriegelanzen) simi auch von denen dea 
Süllen» verschieden. In der Photographie habe ich eine 
Anzahl derselbuu nach meiner Sammlung zuhammeii’ 
gestellt (Abb. fl). Die mit a bezeiebnete I.anze ist 2,21m 
lang, mit dünnem >cbaft aus hcbwereni, braunem Holz, 
sie ist spiralig mit. Messingblech umzogen, die schlanke, 
t‘is4*rn« Spitze ist 36 cm hing und mit einem mit Keifen 
versehenen MessingzwiHcheustück in dom Schaft be> 
fertigt. Die anderen I,ait/.en sind ähnlich gestaltet., 



rechts itriil links, Ihm h und c, sind zwei Jagdspeero für 
die Schweiiujagd, 1,80m lang. Die 25cm lange eiserne 
Spitze nur mit einheitigum Widerhaken. Der Schaft ist 
mit Rotaiiggeflecbt umwuuden. 

Ich bilde noch zwei Trommeln aus Nonl*Nias ab. 
.Vbb. 10. eine 67cm lauge, sandubrförmige Priester* 
trommel aus döuneiu, hartem Holz au?>geböhlt. Durch* 
muHser oben 1 1 cm. Sic ist oben mit Fcguanfell be* 
spanui, das mit KoUnggeflecbt an dem Kumpf der 
Trommel befestigt ist. l.'nten ist sie offen. Die zweit« 
Trommei (.\bb. 11) ist kleiner, nur 25 cm hoch, und 
oben und unten mit Fell bes|>annt, das auch durch sehr 
kun.stlirh geflochtene Kotanglmmlor au dem Hulzkorper 
dur Tnjuimel befestigt ist Beide Trommeln werden 
von PriestiTn bei Opfurhandliingen benutzt 

Da die Kinzulhviten der OhrgehAiigo und der Bart* 
binden, wie sie auf den Afanenbildem Vorkommen, dort 
nicht genau zu sehen sind, bringe ich hier nach meinen 
Grigitialen noch grbtsero Abbilduugim. 1> sind tägliche 
Gebraucbsstücke und lieiiniKche .Arbeit .\bb. 12 der 
schwere messingene Ohrring, Abb. 13 eine Bartbindit 
aus Schildpatt, Abb. 14 eine solche aus I,«4ler, die im 
I Kriege getragen wird. 



Die indogermanische Frage durch die Archäologie beantwortet. 



Die Krage nach der Herkunft der indogeriuaniacben 
Völker, nach der Art und der Zeit ilirer Verbreitung iat 
aufgeworfen worden, seit. lern die .Sprachwissenschaft den 
verwandtechaftiieheu Zusammenhang jener in Kuropa. 
zum Teil auch in Asien verbreiteten Ydlkorst&mme er- 
kannt batte. Was bisher zur Beantwortung der Krage 
durch die Sprachwissenschaft. Anthropologie, Tier* und 
Pflanzengeographie beigebracht worden ist, waren mehr 
oder minder geistreiche Ilypoliieseii. aber doch hatten 
besonders die anthropologischen Krgebnisse dahin ge- 
führt, dafs die früher vermutete asiatische Herkunft auf- 
gegebeu, die europäische behauptet wurde; an bestimmten 
Heweisen zur näheren Krgründung der BViigc fehlte es. 

Und doch inutste die Frage nach der Herkunft der 
UaHse, welch« alfl die eigentlich bewegende in der Welt- 
geschichte erscheint, fortgesetzt das Nachdenken und den 
Spürsinn namentlich des Historiker« reizen, nur luufslc 
der Historiker Für dieses Problem andere Quellen als die 
geschriebenen aufsueben; er mufste, um üln^r schriftlose 
Zeiten und Völker etwas zu erfahren , zu den Kultur- 
resten hcrabsteigen , die in der Krd« ruhen; er mufslo 
zuin Prähistoriker werden; nur die vorgeschichtliche 
Archäologie konnte durch luübuvoile Aufsuchung, sorg- 
fältige Vergleichung, KlassiSziorung, Datierung jener 
Best« sich zur l.üsung der indogermanischen Frage 
rüsten, und konnte hoffen, achliefslich mit dem richtiguii 
Verständnis der vorgeschichtlichen Kulturreste Kuropas 
auch den Schlüssel zur indogermanischen Frage in der 
Hand zu haben. 

Sind wir jetzt schon so weit? können wir an dem 
KuUurnacblafs Zusammengehörigkeit und Verschieden- 
heit der Völker, an der Verbreitung ihrer Produkte das 
Vordringen dieser Völker aufspüreii, ohne in Vermu* 
tungen und Täuschungen zu geraten? — Schon im 
.fahre 1895 bat G. Kossinna die Heimat der Germanen 
aus der Ausdehnung der nordisch-deutschen Kultur in 
der Bronzezeit erwiesen >n dem abgelaufenen .fahre 

') Ko^xitiha, Die vio'uexcbiriitlii'iu* .Vu^linöiUDg «h-r (•«■r- 
ennnen in hi'uw-ltlnml. V>>vtrng auf der .\ntlir*>|Milr.u-en- 
ver-aiiiniluiig /.ii giM|r, in ■! /i'it*chr. ilfi Vrr*-iii'. iVir 

Vulki-rkund«- 



1902 haben sowohl Matthäus Much, als auch Kos* 
sinna cs unternommen, die indogertuntiische Frage 
durch die Archäologie zu lösen*), indem 1>eido dio früher 
als Heimat der (icrinanen erkannte Gegend zugleich als 
dio Urheimat der Indogermnnen in der Steinzeit auf 
Grund des steinzeitlichen Kultiirnnchtasses bestimmten. 

Wir haben ca gewifs als eine wichtige Etappe der 
vorgeschichtlichen Forschung zu begröfsen, dala zwei 
ernste, durch sorgfältige .Arbeiten bekannte, scharfsinnige 
Forscher die archäologischen Krkeniituisse für hinrei- 
chend geklärt hatten, um ein .ho dunkles und schwieriges 
Problem zu lösen, und die Übereinstimmung beider in 
Bezug auf die Urheimat ist geuenüber dem bisherigen 
UmhiTsuchen zweifellos ein wertvolles .Argument für die 
Kicbtigkeit. Die Urheimat, d. h. das Gebiet, aus welchem 
Teile der steinzeitiiefaen Bevölkerung ausgewandert sind, 
dio durch Mischung mit anderen Stämmen sich ermählich 
zu andersgearteten, wenn auch verwandten Völkern ent- 
wickelt haben, sind „die westlichen Küstenländer der 
Ostsee sowie die angrenzenden Gebiete der Nordsee, also 
Südskanilinavien, Dänemark und NorddimUchland bis 
zur Aller. Magdeburg und Odermündung'^, also die Ge- 
gend, welche in der (jüngeren) Steinzeit durch ihre mega* 
litliischeu Grabbautc-n, durch eine ül>ereinBtimiuend ge- 
formte und verzierte (Tiefstich-) Kcrauiik und durch 
gleichartige Geräte, vorwiegend von Feuorsfetii, als 
Kultiircinheit deutlich gekeunzeichnet ist. 

Schon die Thatsache, dafs in diesem Gebiete niemals 
eine Unterbn'diung der Kulturentwickelung von der 
Anfangsperiode der jüngeren Steinzeit bis zu der in den 
Kulturresten deutlich erkennbaren F^inwunderung der 
SUven in Ostelbien stattgefunden hat, kann als Beweis 
dienen, dafs die Germanen hier nicht eingewandert sind, 
sondern von den Anfängen der (jüngeren) Steinzeit, also 
au« dem allgemein indogermanisclien Kuliurziistande 
sich hier entwickelt bähen. 

Die Germanen haben in der Ua-Teiie- und nächst- 

*) IM« l•’rnw iirrhiU»li»jri«*lj 

lir-ftoiworh't in ili*r für Kilin*»li»gie Vorher: 

Mattliiiu» .Miic-ii. Di>- li^r lrnioir,-i-inniM*n im löcliie 
«ler ur:;e?«ciiirhilii*hen Kor*rhuny, IhTÜn li'oz. 



- jy i^üOgk 




P. Hofer: Hie indogerrosnitche Frngo darcb die Arohilologie beautvrortot. 



Ififi 



Folgenden Z«it durch Vordringen verschietlenor Gruppen 
uml StÄmtuü airh über Kuropa bis nach Afrika sieg- 
reich verbreitet. Wenn es gelingt, Völ kerbe weguogeu 
nachiuweiäen, dio in einer viel früheren Periode aus 
demselben Gebiete nach solchen Richtungen statt- 
gefunden haben, in welchen wir spater die indoger- 
manischen Völker aiitreffeu, so spricht eine starke 
Vermutung dafür, ja man wird sich kaum der Schlufs- 
fulgerung entziehen können, dats hier die verschiedencit 
Abzweigungen indogermanischer Gruppen erkannt sind, 
welche durch Unterwerfung ai»derer (nichtindogerma- 
nischer) StAmiuc und vou diesen beeinflulst, sich all- 
inflhiich zu anders gearteten, aber sprachlich immer 
m>ch verwandten Völkern entwickelt haben. Ilierniit 
wäre das indogermanische Problem gelöst und nicht 
nur die Urheimat, sondern auch die Zeit der iiido- 
germanischen Abzweigungen sowie die Wege derselben 
erkannt. 

Kossinua bat seine rntersuchung deshalb auf die 
Ausstrahlungen der skandiimviscb-norddeutschen Kultur 
in der Steinzeit und der ersten Periode der Bronzezeit 
gel ichtet, die auf beileutende ethnologische Abzweigungen 
aus dieser urgermanischen oder indogermanischen Stiimm- 
heimat etwa 20tM> Jahre vor den germanischen Völker- 
wanderungen Kcliliefseti lassen, während in der Zwischen- 
zeit ähnliche Bewegungen nicht nachweisbar sind. Alles 
archäologisch nicht Greifbare, wie die Bildung der Kasse 
in vorneolithischer Zeit, schliefst der Forscher mit strenger 
Methwlc von seiner Untersuebung aus, und gerade diese 
scharfe Sonderung des Nachweisbaren vom blofa \'er- 
muteten giebi den Heduktionen Kossiniias den Charak- 
ter dos ZuverläHsigen, man fühlt sich in Vergleich mit 
den bisherigen Versuchen auf festem, gut w'issenschaft- 
lichcm Boden, und darum w*ird diese l'utorsuchung mit 
ihrer sorgfältigen Durchforschung und scharfsinnigen 
Durchdringung des archäologischen Materials und mit 
ihren methodisch richtigen Schlufsfolgerungen einen 
Markstein in der Behandlung der indogermanischen 
Frage bilden. 

Unter den methodischen Grundsätzen, die den For- 
scher bei dieser schwierigen Untersuchung vor Willkür 
und Täuschung bewahren und zu neuen Aufschlüssen 
führen, sind folgende besonders beachtenswert: Völker- 
hewegungen können nicht aus archäologischen Einzel- 
heiten erschlossen werden, sondern aus der zusammen- 
fasscndeii Betrachtung der Kultur der betrenenden 
Länder in der betreffenden Zeit, einer Betrachtung, die 
natürlich umfussende Kenntnis der vorgeschicbtüchen 
Kulturen auch in ihren Kinzelbeiten und strengste chro- 
nologische Scheidung zur Voraussetzung bat. Ferner; Ein 
Vordringen von Kulturelementeii von Süden nach Norden 
ist gewöhnlich aU Kulturwelie zu deuten; ein Ver- 
pflanzen von nordischem Kulturgut nach Süden ist auf 
Völkerbewegung zurückzufübnui. Ferner; Kennzeichen 
einer Volksauswanderung sind lebhaftere und plötzlich 
auftretende Handelsbeziehungen, die während und nach 
derselben zwischen der neuen und der alten Heimat sich 
herausbilden. Ferner: Fehlt in einer Gegend der Kultur- 
nacblafs hestimuiter Perioden, oder ist er auffallend 
spärlich, während fröbere Perioden gut vertreten sind, 
80 ist auf eine Auswanderung zu schltersen. 

Wir können an dieser Stelle^ nur noch kuine die 
llauptbewegungen anfufaren, die nach Kossinna aus 
dem Kultnrgebiete der nordischen Steinzeit (charak- 
terisiert durch Megalitbgi'äber, Tiefstich - Keramik und 
Feuersteintechnik) gegen Ende der Periode und im 
Beginn der Metalizeil stattgefunden haben. Als Grund- 
lage und VorausMetzuug dieser Nachweisung hat die Kr- 
keuntnis gedieut, dafs der genannten skaudinuvisch- 



norddeutschen Kultur die mitteldeutsche achnurkera- 
mische Kultur und die süd- und südwcstdcutHche band- 
keramischc Kultur fremd gegenüber stehen, dafs demnach 
die Träger dieser beiden Kulturen als Nichtiiidogennanen 
anzuseben sind; eine Ansicht, die ich — nachdem sich 
mir in derselben Zeit, wie Kossinna, das gleichzeitige 
and doch getrennte Nebeneinanderbestehen jener drei 
Steinzeitkulturen und damit die ethnologische Unter- 
scheidung der zugehörigen Bevölkerungen ergeben hat ^) 

— als gut Ijegruiidet und durchaus richtig bezeichnen 
mufs. Erst durch dieso Oronzbestinimung war die Be- 
obachtung und Feststellung der verschiedenen Vurstöfse 

j skandinavisch -norddeutscher Kultur, also indogerma- 
nischer Bevölkerung möglich. 

Folgende Ausstrahlungen aus dem indogermanischen 
Heimatgebicte werden von Kossinna naebgewiesen: 
Die frühesten haben Anfang des dritten Jahrtausends 
stattgefunden, nämlich eine södostwfirts gerichtete, von 
der unteren PJbe und unteren Oder ausgehende, durch 
Kiigelam]>boren und später auch durch jütische blumeii- 
topfartige Becher gekennzeichnete, welche über Hinter- 
pommern, WestpreuTsen , Kujarien und Brandenburg, 
NiedcrsclilcKien nach Galizien und Södrufsiand zu ver- 
folgen ist; diese kann die .Ausgang.^gnippe sowohl für die 
asiatischen Arier wie für die Slawen geworden sein; und 
eine mehr westliche zwischen Saale und Harz aufwärts 
gebende Bewegung, die auch durch die Kugelamphoren 
und deren Begleitgefätse sowie durch den Bernburger 
Typus und nordische Geräte gekennzeichnet ist, dieselbe 
verbreitete sich QHcli Thüringen und Böhmen. Aus diesem 
Stamme ging gegen Ende des dritten Jahrtausends durcli 
Verbindung mit den Ausläufern der südlichen, nichtiodo- 
genuanischen Bevölkerung, welche durch die band- 
keramische Kultur gekenuzeichnet ist. eine Abart der 
Indogermanen hervor, die sich dorch den Mischstil des 
Rössen- Alhshi-imer Typus (nach Ooetze gemiMcht au« 
Bamlk«‘vamik , uordwestdrutscheiu und lh>rnburger Ty- 
pus Di zu erkennen giebt und durch Titüringeii. Hessen, 
Südwestdeutschland verbreitet war. .Aus diesen haben sich 
dann um 2000 (Beginn der Bronzezeit) die zwei Völker- 
Stämme der Italiker und der Kelten entwickelt. Eben- 
falls um 2000 verbreiteten sich von Elbe und Saale her 
iudogurmanische Stäiuiue nach Böinnen, Mähren, Nieder- 
österraicb, gekennzeichnet durch den Auiijetitzer Typus 
und zahlreiche nordische Bronzen; aus dieser Bi‘völkerung 
sind die Illyrier und die Griwhen hervorgegungen. 
Etwas später, um lt>00, hat sich aus frülibroiizezeiilichen 
Siedelurigen in Ungarn dos Volk der Thraken gebildet, 
das sich durch seine Bronzetypen als Ableger rier nor- 
dischen Bronzokultur der ersten Periode erweUt; in 
immer weiteren Zerteilungen hat sich dasselbe über die 
Walachei (Getön), Bulgarien (Thraken) nach Klcinasien 
(Mysen, Pbrygen u. s. w ) verbreitet, in der dritten Pe- 
riode der Bronzi?zeit nuhin es seine Ausdehnung rück- 
wärts nach Norden und Westen: Russisch-Polen, Mittel- 
und Nioderschlesten, Posen, Lausitz, Südbrandenhurg bis 
Havel, Elbe, Saale in gröfstenteils leerstehende Gohiote 

— nach Horodot das gröfstc aller Völker — ; Kos- 
sin na bat diesen von den Karpathen westwärts ausge- 
breiteten tbrakisebon Stämmen den Namen Karpudakeii 
gegeben und hat — meines Wissens als erster — die 
Träger des LauRitzer Typus ethnologisch beBtimmt 

Eine solche Fülle von neuen Auffassungen, Deu- 
tungen, Folgerungen offenbart sich hier, dals luun sich 
nicht wundem wird, wenn im Anfang mancher Zweifel 

*) Verw'l- Jahre*iii'1irift fikr Vurgeschlchie der Ȋr}i*iiK*h- 
] lliüritii!i«clM*n liHiulfr. Halh* 8. 4M Iiih 4ö. 

D Vergi. Globus, Bd. 79, 1901, 8. 108. 



rd by 




T. Peoh: Pie epiaohe Volkspoeaie an der Petacbora. 



I5Tt 

und manche Einrede laut werden sollte. Wer z. B. die I 
llauptgrundlago dieser Anscbiiuungeu nicht zugiebt, ^ 
ntuilich da(g die Verbreitung von Kulturgut auf Völker- 
hewegung scblieUcn lifat, hat es sehr bequem, das Ganze 
dieser archäologisch •ethnographischen Forachung abzu- 
lehnen. Dero gegenüber wird jeder, der die schwachen 
und scbwaukeuden Stützen der bisherigen Tbeurleen 
kennt, froh sein, dafs hier endlich ein thatsächliches . 
Material zur Aufklurung jener in dunkler Frübzeit Tolh ’ 
zogenen Völkerverbreitung vorgefübrt wird, nämlich ihre , 
hinterlaasenen Spuren in Gestillt der in die Erde ver- ' 
senkten Kulturreste. Andere Beweismittel giebt es für ! 
dies Problem nicht. Für die Beweiskraft dieser Hestu 
ist aber noch geltend zu uiacben, dafs Kossinna sich ' 
grofsenteils auf die Tbongefäfse beruft, eine Ware, von • 
der man nicht behaupten wird, dafs sie etwa durch 
Handel weit und zahlreich verbreitet sein kann, die 
viclntohr auf Verbreitung dea l»erv<ubriogendfU Volkes 
hinweist; ebenso wenig wird man annehuion wollen, dafs 
die nordischen Bronzen durch Handel nach Süden ver* 
breitet sind, da gerade in jener Zeit der Süden, d. h. die 
Mittelmeerländer an Produktion und Technik sowie 
durch Besitz dos Bohmuterials die reicheren waren. 

Gegen die Urheimat wird schwerlich mit Grund 
ctvk'aa eiuzuweiiden seiu, da die ungestörte Entwickelung 
der Kultur in dem genannten Gebiete von den neolithi- 
Bchen Anfängen an den Gedanken an Einwanderung 
eines mit fremder Kultur versehenen Volkes ausscLIiefst 
— diese mitgehrachte Kultur roOfste sich ja sonst auch 
in einer anderen Gegend, der eigeatlicbeii Urheiiuat. 
wiederfinden. — Da aber gerade auf den dänischen In- 
seln, in Jütland und Schleswig eine starke vorncolithische 
Bevölkerung durch die Haufen von Speiacabfillen mit 
cingostrcuteu Geräten sich zu erkenoen gegeben hat, 
deren jüngste Schichten sich mit den früheren neoli- 
thisehim Erscheinungen berühren, so ist meines It- 
achtens gerade hier die Herlcitung der Bevölkerung 
von eingesessenen primitiven ürhewohnern gegel»en. 

Viele von Kossinna angeführte Erscheinungen, die 
oft in überraschender Weise als ProlMi für die Richtig- 
keit seiner Auffassungen dienen, niufste mein kurzer 
Bericht übergehen; eine davon soll wenigstens zum 
Schlufs noch angeführt werden, nämlich die Thatsuche, 
dafs in der ersten Periode der Bronzezeit, im Unter- 
schied von den früheren und späteren Perioden, durch 
ganz Deutschland eine recht gleichartige, durch eigene 
'rjrpt'U ausgezeichnete Kultur geherrscht hat, eine d«ut> 
liehe Nachwirkung der am F.nde der Steinzeit vollzogenen 
Verbreitung der Indogci raanen über ganz Deutschland ''). 

Wernigerode. P. Höf er. 

*) Wir verweineii hierauf die »eiier unten in der aBiieher* 
schau“ attgedruckle Bespreehung dcrM-ltien Ahhatidluiig von 
Pnif. Kossinna durch Prof. Hoernea, Wien. Die Ke* 
daktioii. 



Ille epische Volkspoesie an der Petschora. 

t*ni Kfirsrhungen über diesen Oegen^tand zu machen, be- 
reiste N. K. Ontschukow den Unterlauf der iVtsebura zwei- 
mal : am cririchißsten war »oiti« Kei»e im .lahro 1902. Nach 
einem Vorimge, den er in St. Peter»hurg hielt, teilen wir hier 
da« Folgr-nde mit: Kr hat 89 Btlitien (epische Volkslieder), 
I& geistliche Lieder, 44 Lieder und 60 Märchen aufge/eichuet. 
.kufserdeui hat er noch das Archiv der dortigen Kijv'he 
durchsucht und einig« wertvolle, bisher unbekannte Werk« 
gefunden. Die von ihm mitgehrarhten alten Handschriften 
(60 au der Zahl) reä'hen nicht über den Anfang des 



16. Jahrhunderts zurück. Am wichtigsten sind die BvLinen. 
Ontschukow teilt sie nach der Gegend ihrer Aufzeichmmg 
ein in solche von Pustusersk, l'st*Z 3 'lma und vom Flujue 
Pischma. Die genanuten LAndstricbe liegen zwar neltenein- 
aiider, aber die Herkunft ihrer Bewohner ist verschieden, 
weshalb auch die Bylinen verschieden sind. So sind die 
Bewohner von Pustoserak NachkomDJftu von Moskauer Dieuat- 
teuteu, die im 16. Jahrhundert an die Petsrhora in die Palis* 
itadentiefestigung (oatrog) Pustosersk kamen. Die Bewohner 
von Fst-Zylma sind Nowgoroder, die sich im 16. Jahrhundert 
an der Petsohora auriedelten. Ontschukow zeichnete Bylinen 
in 17 versehieileuen ürtuchaften auf von 82 Peri»*>neu, von 
denen 23 Männer und 9 Frauen waren. Alle Rhaps«>den 
waren alte Leute. ül>er 60 Jahre, und mir zwei 40 Jahre alt ; 
jüngere Personen kamen nicht vor. Die alten Lieder singt 
man gewöhnlich beim Fisc-hfang, im Sommer, wo der Lachs auf 
der Pctschorn gefangeu wird, und Im Herbst, wo mnn auf 
den Recii den Weifslacbs fängt. Weibliche Khaimodineii kommen 
nur an der Pischma vor; in den Bezirken von l'st-Zylma 
und Fustosersk sind sie aelten. Das lairf Üst-Zylma , das 
Zenti-ura des Polschorabezirk», Ist ein gvi>fsea Dorf mit zwei 
Kirchen, zwei Schulen und einer Masse von Beamten. ab«T 
die alten Lieiler singt mau auch dort , weil die Ifatvöikerung 
ganz Von der Fischerei lebt und vou der Kultur der Be- 
amten kaum berührt ist. Ontschukow hat nicht alle Hhap- 
aodeu au der Petachora kennen gelenit; er giebt ihre Ge- 
samtzahl auf 80 an. doch ist sic wohl noch höher zu ver- 
anschlagen. 

Wie sind die« Bylinen au die Petschora gelangt! Es 
sind viel« Wege vorhandeu. Sie können dahin gelangt sein 
durch die Verbannten des Moskauer Hufes, die im 16. und 

17. Jahrhundert mit ihrer Dienerschaft hierher gelaugten; 
ferner durch Kaufteute, die nach Pustosersk kamen, um 
Felle zu kaufen , durch Raskotniken u. s. w. Noch vor 
kurzem kannte man an der Potachora mehr Bylinen als jetzt 
und kaimt« sie auch besser. Jetzt ist diese Poesie in Verfall 
gekommen, wenigstens an der unteren Petachora, woOulscbu- 
kuw war. Man f&ngi au die Namen der Helden zu ver- 
wechseln, auch die Zeit der Handlung: so kann man ringen 
hören vou WassUi Buslajew, dafs er in Kiew, uud von 
Ilja Muromcz . dafs «r in Moskau lebte. Die Bylinen aus 
dem Zyklus der äUoreii Helden, von Kwjatogor und Wolga 
Wf«oslawjcwitach mit Mikula, kennt man an der PcUchom 
schon sehr schlecht und weiik von ihnen gewöhnlich nichts 
zu singen, soodern nur zu erzählen. Aber im allgemeinen 
sind die Bylinen an der Petschora doch noch so verbreitet 
und lebendig, dafs Phrasen aus densellxjn zu geflügelten 
Worten im Volke geworden rind. Die Ursache der I^ebens. 
fähigkeit der Bylinen Hegt in der weiten Abgelegenheit des 
PcUichoragebietes, im Raskol und in der grofsen Mufse, die 
die dortigen Ktuwohner liahen , nicht aus Trägheit oder 
Mangel an Arbeit, Mindern bei der Arbeit selbst, nämlich 
beim Fischfang. 

In Bezug auf den Raskol kann man sagen, dafs. die Be- 
völkerung HU dur Petschora mich ganz in den geistigen 
Interessen am Au^ng des 17. Jahrhnmlei'U lebt- Noch 
jetzt l)««tebt ihre einzige und Lieblingslektion im Lesen der 
heiligou und apokryphischen Bücher, der Blatostnija (Oold* 
ströme), Palflru (Altteatamentliches), IHachelan (Dienen). IT<»* 
löge u. 8. w. u. B. w., das, was in den Bylinen vorgoht, er- 
scheint dem Petachoraanwohncr durchaus nicht aU etwas 
rngcwöhnliches. Wunderbares, da sein I^lien auch jetzt 
noch voller Wunder ist. Nach seiner Überzeugung giebt es 
auch jetzt noch Taulierer, die den Menschen in irgend etwas 
verwandeln können, wie es einstmals die boae, grimm« Ma- 
riiika gethan hat, als sie den Dobrynja Nikititsch in «inen 
braunen Auerochsen verwandelte. 

Bylinen wenlen aufser der russischen Bevölkerung an 
der Petschora auch vcm den Hamojeden und den Byijanan 
an der Idima gosiingeu. Die Samojeden singen keine rus- 
sischen Bylinen , sondern ihre eigenen Uber aamojedisehe 
Helden und in samojeilischHr Sprache. Sehr schön erzählen 
sic auch Märchen und kennen auch russische Märchen. Die 
Ishina-ttyrjanen ringen in gebmehenem Russisch ruMische 
Bylinen, die rie zum Teil damals vou ihren rusri*ch«n Nach- 
barn entlehnt haben, als ein TvU der Kusaeii aus ITst-Zylma 
zu ihnen kam und mit ihnen versebmedz. Aber die Byrjanen 
keniian diu Bvlinen wenig und schlecht, di« Mehrzahl der- 
sellieri weifs nicht einmal, was eine Bylina ist. Interessant 
ist. ilafs die Hyrjauen fast gar keine eigene Poesie haben; 
sie behelfen rieh BUsschliefBlich mit der russischen. In 
letzterer Zeit haben sich bei ihnen di« modernen rusri«cheu 
Liedi-r uud Romauzeu sehr rasch «iugebürgert. T. Pech, 




JaliuB Jaeger: Innsbraek. 



157 



Innsbruck. 



Kine ordf^eschichtliche Hetraclitung 

von Julius Jaogor. Münchun. 



Goethe sprirht in und ^Vahrbeit“ (4. Teil) 

von einer Zeit» wu ihn „die zwar höchst löbliche, aber 
doch den Kindruck der schönen KrdoberflAcho vor dem 
Anscbauen des Geistes zurstäckelnde Geognosin noch 
nicht augeiocki** habe, und es ist in der Thai tiichi zu 
verkennen, data das Bestreben, die aufeinanderfolgenden 
verschieJencD Schichten und Uosteiuo, die Faltungen, 
Bröche und V'erwerfungen zu ermitteln, den Gesamtein- j 
druck eiuigermutseu verwischt und beeinträchtigt, den 
wir bei unbefangener Anschauung eines Landi«chaftsbLldes 
gewonnen haben. So übt z. B. die Welt der Dolomiten | 
auf gebildete wie ungcbildetu Gemüter einen cigentüm- , 
liehen Zauber des Feenhaften an.s und regt die mensch- J 
liehe Phantasie zu märchenhaften Vorstellungen an (der 
Urwengarten des Königs Laurinl). Wenn wir dann er- j 
fahren, dafs das nackte Naturgesetz der Verwitterung ' 
und Auswaschung und keinerlei Märchenzauber die 
Burgen, Bastiunon, Zinnen, die Nadeln und Türme, Krker 
und Söller geschaffen habe, welche wir an diesen Dolo- 
miten bewundern, so führt diese Krklärung naturgemafs | 
eine Knttauschung und Ernüchterung herbei. Da es aber | 
ein vergebliches Bemühen sein würde, sich dem wahren ; 
.''achverhalte zu verschlietsen, um uns das völlig naive ; 
Ansebauen und Bewundern der Bchönon Wirklichkeit zu i 
i'etten, »o verschaffen wir uns dadurch Ersatz, dafs wir I 
auf die grotsen Ereignisse der 1‘lrdgcschichte zurückgehen 
und au Stelle des Märchens das natürliche Wunder auf 
uns cinwirkeu lassen, das aus Meeren Land schuf und 
dieses mit Biesenarnien zu hohen Gebirgen türmte, ver- 
bunden durch liebliche Thäler und belebt durch strömende 
Gewässer. 

In diesem Sinne treten wir heute an das zwischen 
hoben Bergen gebreitete Innsbruck heran. Indergrutsou 
'riialfurche des Inns hat diese schöne Stadt gera<le dort 
ihre Stelle gefunden, wo die Sill von den südlich ge- 
legenen Zentralalpen her in dun Innthal sich ergiefst und 
der Inu^trom in grotsem Bogen oberhalb Willen nach 
der nördlichen Seite deslTialps gedrängt wurde, um erst 
unterhalb Amr!is in seine frühere Richtung zurückzn- 
kehren. In diesem grofsen Dreieck des Tbalem war der 
natürliche Platz für eine ausgedehnte mcTiKchliche Siede- 
lang, in der von Ost nach West, von Süd nach Nord und 
umgekehrt der Verkehr zu»>ainmeu]aufen und sich kreuzen 
konnte. Die Stadt liegt aber zugleich auch fast in der 
Mitte des grofsen Längenthaies, in dem sich der Inn 
von Lamlcuk bis Wörgl bewegt und da», wie schon ^ 
A. Schlagintweit wohl richtig bemerkt bat, einer Reihu 
von MuccoBisiven Hebungen, verbunden mit teilweisem j 
Zurücksinkvn der !^taAse in Thäler und Mulden sutne 
Entstehung verdankt D. Dieses lilngentbal nmschliefst 
nach dum gcnanntoii Forscher ganze Gruppen dcrAl|ien 
(tnassifs) als grof-Her Scbollenbruch. bei dem auch die 
Verschiedenheit der Gosteine von Zeutml- und Kalkalppn : 
auf lange Strecken eine Rolle !«pielte und das Wasser 
nur die Denudation und Ausbreitung der Thalsohle be- 

') .UntenurhUDgeQ über die Thalbildung und die Form 
der Gebirgszüge in den Alpen* von Dr. A. Kchlagintweit. 
Jahrbuch dor geologischen Keichsanstalt Wien 1851, Heft 1, 

8. sa. ff. 



sorgte *). Eine tiialbildcnde Bedeutung gewann dagegen 
offenbar das Wasser in den zwei engen Teilen des nicht 
mehr zum Längenthalo zu rechnenden Innihales, nämlich 
in der wilden , langgestreckten Felscnschlucbt von Pon- 
talt im Oberengadin , wo aich ihm ein Quersattel des Ge- 
birges entgegenstellt und in der 8kui langen Felsen* 
Schlucht von Fiusiermünz, endlich auch in dem breiten 
Querthale Wörgl- Kufstein - Ebene *). 

Die Lun<le«kHupt»tadl Innsbruck inmitten des Längen* 
thales wird im Norden von den steilen Kalkmauern des 
Karweuduls, im Süden von einzeliiuu sich an das .Sdiiefer- 
gebiet der Zentralalpen aulehneudeu gleichsam insularen 
Kalkltergen, wie Serien und Saile und dem phyllitiscfaen 
Patscher Küfol umstanden. Der weite Rils des luuthales, 
welcher hier die beiderseitigen Kalkberge trennt, gestattet 
wohl die Annahme, dafs die Bildung des Läugenthales 
erst nach den Ablagerungen des mesozoischen Zeitalters 
erfolgte und zwar im Zusammenhänge mit der Alpen- 
erhebuug im jüngeren Tertiär ^). 

Der Karwondel zeigt durchgreifende Störungen 
durch Faltung und Verrückung an Gleitflächcn, infolge 
dessen Brechung, Zertrümmerung und daneben auch die 
Spuren präalpiner Verwerfungen. „Längs dvsinnthalos 
scheinen tief eingesunkene Schollen den Rand dieser 
Kalkalpen gegen die krjstallinischen Schiefer gebildet 
zu haben *).“ 

Was die Triasgebilde der rechten Innseite be- 
trifft, so hat sich nach Auhicht einiger Geologen über die 

*) Ähnlich deutet auch Lyell. Geologie, Bd. 1, 8. 
für die Erklärung der llaupUhäler und ihres Verlaufes auf 
das Krhid«*!» und Kinken grofsor Teile der Erdrinde . dann 
auf die vem'hiedene Härte der Gesteine, auf Uij«« und HpaUeti 
selbst in horizontalen Stdiichten hin. — B. CoUa, ,AIj»eu", 
8. 2 . 81 , spricht von , Zerspaltungen mit anschliefsHnder Kroidon*. 
— C. liiehter, . Gehirgserliebung und Thalbildung“ in d«r 
Zeitschrift des Alpcnvareins 18^9, 8. 16 ff., hält die Thäler 
für so alt wie das Gebirge sellnt (,aun der Gebirgsmasse 
wurde eino.\uznhi prismatischer Körper, den jetzigen ’i'hälem 
entsprccheiid, herausgenonimen“), führt jod<Jch die K»tst*‘hung 
der liängslhäler auf etwas weicberu Qesteiusf<dge zurück, 
entfttamien bei Zusammeuschub des Gebli^ea, .welche es den 
Gewässern leichter machte als auderswo, sich eine Furche 
zu graben“. 

") Nach Bayberger, ,I>or Inngletsclier* (Ergänziiiigshvft 
Nr. 70 zu l'eteniiami' Mitteilungen 1 H 82 . XV), reicht das 
Querthai VFörgl-Bramienburg tief in die tertiäre Zeit hinein 
und verdankt aufser der W’irkiing mächtiger Gewässer auch 
der Kpalteubilduug mit Bruchräudern seine KnUiahung. *— 
Rothpletz in seinem .Querschnitte durch die Ustalpen* 
1H94 erklärt die Umbiegung des Inn nach Norden bis Wörgi 
durch den Umstand, dafs er von Brizlegg an in eine alte, 
präalpine Meernsbucht cinmündete und in dieser bis Kufstein 
fortlief. 

*) Nach C. Diener, ,I>ar (ieblrgzbau der Ostalpeu*, Zeit- 
schrift des Alfieuvereins 1901, 8. 1 ff., ist die grofse Laug^ 
depresaiou zwischen Zentral- und nördlicher Kalkzone mit 
ihren Ijängsihälum kciocsfails vor dom jüngeren Tertiär ent- 
slanden. während ein Teil der Querthäler, wie das Innthal 
bei Kufstein, bis in die Kreidezeit reichen soll. 

*) Ampferer und Hammer. .Beschreibung des süd- 
lichen Teiles des Karwendelgebirges*, Jahrbuch der geolog. 
Keichsanstalt Wien 169ä, S. 289 ff., welche das Innthal eine 
durch Brüchs veranlafsto Thalung nauuen, kemimen hinsicht- 
lich Aufbaues des südlichen Karwendels zu ähnlichen Uesub 
tatun wie Ttothpletz früher bezüglich des nördliohen Teiles 
dieses Ovbirges; vgl. ZeitacUr. d. AJpenvereins 1688, 6.401 ff. 



.,4h 




Julius Jaoger: luDshruck. 



IM 

Zeutralalpen urMprünKÜch eine vöUige Decke huh Gebilden 
de« TriftüHiifere» |(elegt, welche bei Krhebung der Alpen 
zersprenjft und durch Kineeiikun^, Vcrachiebuiig und 
Kr^JS'ion vieifuch wieder beseitigt oder verrftckt worden 
ist; andere Forscher nebmeu an, es seien nur einzelne 
KHlkitiseln auf die Schiefer ftufge.^etzt und mit ihnen 
durch iiitensiTe Faltung verbunden worden, wie bei Inns- 
bruck dio schonen Pyrainiden der Serie» und Saile nub»t 
den KalkkCigelu, weiter iiu Brennergebiete dann besonders 
der njücbtige Tribulaun und dio Tarutbaler Köpfe im 
Navistbnlo. Für letztere Ansicht möchte man »ich — 
namentlich bei Annahme einer schon kurboniiicbeii 
(variscischun) F'altung der Alpen — wohl mehr bustimmt 
fühlen und in jener Krschiiinung ein Inichtenweises Ein- 
dringen und Chergreifen de» Tria'<meei'es in das alte 
Gebiet der Schiefer vermuten ♦). 

Di« Tertiirzeit hat in der Gegoud von Innsbruck 
keine ue>bestritton«n Spuren in Schichten und Yerateiue- 
rungon hinterla»Heti, während ihr gewifs auch hier die 
gror»o Rolle znfiel, die Alpenerhebung zu vollenden, wo- 
bei namentlich auch das I^üngenthal des Inns, wenn nicht 
seine erste Furchung, so doch die bestimmtere Ausge- 
staltung gefunden haben wird. 

F.iu sehr auffalleudes Gobilde tritt aber jedem Be- 
sclmuur dur Gegend in der weitbekannten sogen. Ilöt- 
tinger Braeci« entgegen, ül«»r deren Zureebimug zum 
Tertiär oder DUurium unter dun Konuern Streit besteht. 
Die Mehrzahl der Gelohrten erblickt in diesem Gesteine, 
welches »ich in dem Mittelgebirge über der sogen. Weiher- 
bürg ausbroitet, eine diluviale und zwar der Interglazinl- 
zeit angehnrende Bildung, da man unter- und oberhalb 
ihrer rötlichen Bänke Moränen tri&t und die in der ßi^ccie 
gefunduoeu PnanzBUversteinemngeu auf ein wärmeres 
Klima al« da» der Eiszeit deuten. Zumeist aus roten 
Sebiefom, Sandstein und Kalkgeschieben bestebeud, ent- 
hält die Brecciedoch hier und da auch Urgehirgsgeschiube, 
und AUS demgrofsen darin angulugten Stotnbruche fallen, 
wie ein jüngster Augonschein gelehrt hat, bei fortdauern- 
der Ausbeutung manchmal grufs« Findlinge krystollini- 
schen Oetitain» heraus. Eigentümlicherweise stehen in 
gröfserer Höhe feinkörnig« weiBe Bänke an, in welchen 
die fossilen Pflanzeureste gefunden wurden, dann weiter 
unten uud enge mit jenen Schichten verbunden fein- und 
grobkörnige rote Bänke, welch letztere gröFsere, durch 
roten (!«tn«ni zu»ammengebackeno Gesii>insfragmente 
enthalb ‘11 0* Yon anderer J^ite wird angeführt, dafs die 

•) Kür di« Ansicht einer totalen oder dcK*U sehr aiwire- 
dehnten Bwleckunjr «ud anzufiihrcn: Penck, „Der Brunner* 
in der /eitet-hr. d. Ai|»«nver«*ios 1SK7, K. 1 IT.; Blaab. „Geo- 
logischer Führer in Tind und Vtirarlbcru* . IfKiy, 8. 138 
(„Weit aUKgehrdreü» Becken“); Frech, .rntersuchung des 
Bretmorgeläetes* in dou Mitteiluni;en des Al|n.‘nvereins IH93. 
H. Löwl. •Bund um den (irofi^ch)cknftr** in der Zoil- 
sebrift des AlfKJiiveruius Ih«h, K. *i7 ff., führt das Vorhanden' 
sein kleiner Schollen und Streifen jüngeren Kalkte mitten 
im rrgebirg« als Zeichen einer «hettmiigen totalen Kalk- 
iMNli-ckung an. Dagegen spricht Gumttel in seinem grofsen 
Werke iilKjr das l*«yeri«che Alj»engeblrge davon, dafs von 
iniisliruck her zerrisaen« Kalkmas^n tief in das Geldet der 
krystaHiiiischeti Schiefer und gegen Sterling seBwt his auf 
die SüdnUlachung der Zentralmnsscu ndchen, und rtndet darin 
die Aiuioutuug eines Vertiiuduugskauals der nörd- 
lichen und südlichen Meere am Bande der Alpen. 
Bichter, .ttehirgserhehung und Thalhildung*. Zeitarhr. d. 
Al|)enveretns l»9». S. IH ff.. Itemerkt, dafs die Kalkrertc in 
den Zentraialjwu teils als Schollen in achweUuider Idige den 
rrge<teiriHU aufliegen, teils in die Falten «iertolliun mit ein* 
geklemmt sind, womus er alier doch nur eine stellenweise 
und nicht sehr mächtige und nicht unuiitcrbrocheiie Ktilk- 
tteiieckuiig ahieitet. 

I>er diluvialen bezw. luterglazialzeit wrisen dieltreccie 
zu: l’enck. Brücknor und du Pastjuior in ,1^ Systeme 
gliu’iairo des Alpes*. |»P4. S. 59 ff., dann Blnas, »Plior di« 
diluvialen Ablagerungen in (ko* rmgebuiig vuu Innsbruck* 



untere Moräne wohl nur eiiio spätere Ablagerung indem 
hier unterwaschenen l'nterbau der Breccie »ei, vielleicht 
in Geatnii einer Emlmoriinc de» mächtigen Sillthalglct' 
»eher», der hier etwa uh die Nordwaud de» Innthulc» 
an»iief». Jn der fraglichen Moiöna »eien krystuIJinischa 
Gehchiebe enthalten, welche der Breccie iiahezu fehlten; 
die Moräne sei an dem Kontakte nicht aufgearbeitet und 
nicht mit roten Wurfener Schiefem augereichert, welche 
doch einen Hauptbestandteil der Breccie bildeten, und 
diese schneide huur.Hcharf an der Obpidächo der wenig 
widersUodsfühigeu Moräne ub. EiidUch deuteten die in 
der Brecci« gefundenen PflunzHnversteinerungen, z. B. 
von Rhododendron ponticum, auf «in gegenüber dem 
heutigen um etwa 10^ C. heiBerus Klima, wiu cs nach 
den übrigen europäischen Funden während de» Diluviums 
nirgends existiert habe. Du» ist wohl der gewichtigste 
Fänwatid, and <lie Frage dürfte wiederholt des geuuuesten 
studiert werden, ob iiio Fund« aus «len bi» jetzt bekannten 
Inierglazialgebieten ähnlicher geographischer Breite 
irgendwo «in« Flora «rweiHen, welche ein nahezu »ub- 
trapiscUe» Klimu uudeuten, mler ub die Innsbrucker 
Funde nicht vielmehr weit von der diluvialen Pflunzun- 
welt ubwuichun und eher auf die Wärmevei‘bäitni.s»e der 
Tertiärzeit binzuweisen scheincu als auf die du» Diluviiitns 
oder »ellHit der Jetztzeit ■'). 

Eine grufse Rulle »pioltu übrigens hier auch, abgeai^hen 
von jener bestrittenen Breccie, die diluviale Zeit, da 
auf dum Innsbrucker Boden das Zusummcntreflen der 
grotsen Gletscher du» Inn- und SiUthalus enorme Massen 
von Eis, l^hotter und Sand vereinigte und auftftrmto. 
Dem luuthalgletscher der ersten Eiszeit wird eine Mäch- 
tigkeit von etwa 1300 m, dum der zweiten eine solch« 
von etwa 1900 m zugeHchriRlwii, und man findet in der 
nördiieheu Kulkalpenkcitu urraUsches Muturiai noch Ihm 
1600 m. Ein Zweig de» Inuthalgletachurs hatte »ich 
kurz vorher bei Ziri abgetrennt und den Seufeldur PaF» 
in einer Höhe von 1400 m überschritten. Solche Fireig- 
nisBu Stollen alleniings stark« Anforderungen an unsere 
heute an gänzlich veränderte Yerhaltuissu gewöhutu Ein- 
bildungskraft. Wenn wir aber die mflebtigun Geröll- 
ablageriuigun im Thal« uud auf dun Höhen betrachten, 
deren Materiiilieii auf weiteu, selbst bi» in die Schweiz 
r«ich«uden 'rmnsport Hinweisen, 00 bleiiit ein wiKseij- 
»chaftlichur Zweifel an der uhumaligen Kxisteuz solcher 
gigantischen VerhältuiMC nicht mehr übrig. — Im ein- 
zelnen fin<l«t man hier in unH«r«m Thale und an den 
Bergwänden eine Reihe von Schuttkegelu, glazialen Stein- 
schottero, breiten Glutscherbetten, Moränen verschiedenen 
.\ltcrs, glazialen Terrahsen, Uundhuckuln und Gletschor- 
HchUffeti*). Aber die (ilazialgeolugeii begnügen »ich hier 

im Jahrbuch d. geol. Keirbsaiistalt Wi«n 1890, h. ^1 ff., und 
Ampferor und Hammer, b*c.cit..K. 327 ff.u.f.w. Hierfür 
auch A. Böhm und die Botaniker Kttinghauseu und 
V. Wettstein. 

•) 80 Hothpletx in MÖnem , 0 coU»giwhcn Qui-rschnitte 
durch die OstaliH^n“ I »94 (F. (Quartär); er rät da« Ahteufen 
eine« Schacht«« von einigen Metern auf tl«r Kohle du« Mayr- 
«rhoD Kteinbruch«, um dasliiegunde der Breccie fustzuatidlen. 
welche» er nicht für eiue älter« Moräne ansieht. IB« gefundenen 
PrtHnzcnrcflt« hält er für Jungtertiär, etwa wie die Fli»ra des 
Bclvederoschottcr« uml rügt, dafs man Jen« fossilen Funde 
iiiohe mehr mit den Pdanven des jüngeren Tertiärs verglichen 
halm. wodurrh mnn w«>hl mehr Verwandtschaft tnitdeckt 
haben würde. — Auch tJngcr uud Htur uahnico ein« jung- 
tertiär« Kntstehutig diese« Ptlanzciils-ttcs an. — t'rednor. 
„Kiemente der Geologie', K. aa«, fulirt an, dai*!* di« Kchiefer- 
kohle von Ttznach und Dümten u. «. w. (w«l<-he nach Heer 
Beste von BoUauneu. Föhren, Lärchen. Krleu, Birken und 
Bergahom enthält), überhaupt die gesamte DiluvialpHanzeto 
weU Itereil» ziemlich di« heutig« i«t, wovon nur <la» Vor- 
kommen einig«r nordischer Formen eine Abwotehung 
bildet. 

*) Vgl. Blaa». I. c., S. 'iü ff. 




Jdlitit Jaep'Ar: Innsbru4*k. 



ir.D 



»uch nicht mit Äwei (U^soitcu, »onderu eins dritte war 
auA dem Uofujuie der Moninen nrhou längere Zeit nu^e- 
iioiumen und in der ueueKion Z«dt will umii so^ar nur 
«icheren Animliuio einer vierten Ki»seit für da» Alj>en- 
laud tfulau^ Mein 

Kiidlich trat auch in dioHim Ge}r«inden eimua] der 
Uückjrang' der (iletHober und die Zeit der Abscliinelauuff 
ein, eine Kpoebe, di« Mich namentlich im Thalc der SUI 
dui*ch jjTolMfl Huviatile Ablagerungen geltend maolite 

Wie ini Mögen. Mittelgebirge da» Itiluvium, aoerlangte 
auch dat> Alluvium hier Heine Hedeutuug, »uwubl durch 
die Schutthalden am Karwendel, als auch durch die 
alluvialen Schotter der 'l'halKohle und die FlureterraHHon 
am Fu(Me der HochterrasMun, gebildet aus AbruUehungeu 
der h'tzterei» und den Schuttkegeln auR den SeitenthÄleni 
— also durch Muren oder durch Ablagerungen des FluHHes 
Helbst eutütauden. 

In den älteren postglazialen Schuttkegehi findet man 
die ersten Artefakte und tneuschiieben Ül^errest« aus 
vurgeachichtlichor Zeit, wühlend die in tleu Alluvial- 
gehilden der Thalebene gefundenen Artefakte meist <ler 
romiHcheii Invasion oder dem Mittehilter augehureu '*). 

Vei*einzelle Funde aus der Steinzeit und reichliche 
Überreste aus Hrouzo- und Kiseuzeit, Ihittleckung ganzer 
Austcileltingeii und zahlreicher Friedhöfe aus diesen Zeiten 
haben zur Genüge dargethan, dafs schon die prühiatori- 
schen Völker vom schönen Tirol Besitz ergriffen hatten 
und wabracbeinlicb bald nach Abschmelzuug der alten 
filetarher — zunächst als Jagende — in die Alpengebiete 
eindrangen. Ihre Wohnplätza nahmen sie mit Vorliebe 
auf den diluvialen Mittelgebirgen. l>ie TerraHseD der 
letzteren, daun auch die Scbolterkegtd der Thaler sind 
es, welche die meisten Spuren T4)rgeHchichtlicber Siede- 
inngen hiuterlirfson und in welchen man rutgehraiinte 
Topf>Msherl>on. Holzkohlen, Knochen von Jagd- und Haus- 
tieren — zum Teil Iwarbeitet — , dann verstreute Stein- 
werkzeuge auffand. Auch Spuren der ftltusteu Bronze 
(von einer ihnlichen Kuiturstufe wie in Sfidtirol) und 
primitive Wohustütteii wurden auf den Mittelgebirgs* 
terraasen de« nördlichen Tirols entdeckt, wenn auch sp&r- 
licher als x. B. in Vorarlberg. Reichere Funde lieferte 
das Kndo der Bronze- und die ältere F.iienzeit (Hallstatt- 
periode). Hierher gehören die Gräberfelder in Matrei 
und Sjjdran» — Flach-, Brand- und SkeleltgrSljer mit 
Bronzegefäfsen, Aschenurnen. Messern und Schmuck- 
beigaben. Wie in anderen Ländern, so findet man 
flbrigeuH auch hier zu den Friedhöfen nicht immer die 
zugehörigen Wohnplätze und umgekelirt. Auch in Völs 
und Hötting fand man Bronze, Jedoch austatt Fibeln 
gerade Nwleln. iJiese Funde aus Bronze- und älterer 
F.iKenzeit führen zur Annahme einer sidshaftcii Bauern- 
schaft in der l'ingehung von Innsbruck in vorgeschicht- 
lirher Zeit und deuten auf terraasenförmige Wohnanlagen 
au den Thalgehängeiu l*äno Gufsstätte au» jener Zeit 
fand sich am Berge Jxe) '*). 

M'elcher Kationalität die«e prübistoriKchon Stfimme 
angehörten, ist hier nr>cb ebenso fraglich wie in allen 
anderen auf solche Spuren imtersuchten Ländern 

**) l’enck und Hrückner— .I>ie Alpen im Ktszeimlter* 
lltOl — unterscheiden nunmehr vier biszeiten in den Alpen, 
drei Interglazialzeiten und »eit der letzten Üiszeit drei gla* 
ziate Stadien. 

") fy« Systeme ginciaire, p. S7 ff. 

•') Blaas, l. c.. 8. JU u. 42. 

'*) Siehe des Näheren die .Vorgeschichte und Oeschichte 
von Tirol und Vomrll>erg‘, in vonuKhclier Weiiu* behandelt 
von Franz v. Wie*4*r in dem Werke .l>ie österreirhisch-unga- 
rische Monarchie in Wort und Bild“, 1H93. H. II* ff. Siehe 
Ktich ,l>ie rrbevölkenmu von Tirol* von Fr. Stolz iMjrj. 

'*) ln MtMlestuW's .Kiiileituu^ in die römische Onsehichte*, 
ülohiu 19U2, Bd. H2, Nr. 1, S. ff., ist der verdienstliche Yer- 



* Manche wollen im vierten vorchristlichen Jahrhundert die 
j Kelten vom Rhein aun in Kordtirol eindringen lasMen, 
i welche jedoch durch die Breiini oder Brennen verhindert 
I wurden »eien, da» eigcuÜtcbe Berglaud zu bcKetzen. 
j AnderseitH sollen von Süden her, l>eilrängt von den kclti- 
I sehen Galliern, die Räter — vermutlich eine etruMkisebe 
j Völkerscbaft — eingedrunge« -Mein, welche einen grofMen 
I Teil von Tirol und das nchweizeri.Mche Grauhüiiden Hieb 
unterwarfen und dem l^ande eine heute noch in einigen 
; Tbälern und vielen llrtsnaraen erhaltene Sprache gegobou 
i haben sollen. Schon dicHen Rätern wird der Bau von 
befe.stigten Wallburgeu auf den .Anböheu zugesebrieben, 
in welchen die aufserbaJb ungeHiedelten Umwohner ihren 
Schutz gegen Feinde finden soUien, z. B. eine solobo auf 
dein Sintchkopf bei .Meran. .Aulser diesen Ktruskern 
»ollen auch illyriscbe Veneter durch da» Vu»terthal 
nach Nordtirol und im letzten vorchristlichen Jahrhundert 
I di« GalHar mit ihrer La-Teiic-Kultur in du» f.und (Gräber- 
feld bei St ririch-üröden) eingednuigen »ein. Hi»tori»ch 
sicher ist en>t die Ül>erwältigung des Alpenlande.s durch 
das Horrschervülk der Römer unter Drusu», dem SGef- 
sohiie des Augii.Mtus, in dem Jahre 15 v. Chr. M'ie 
Huraz in einer Ode an AugustuK schrieb, hui Drusus 
die Geuauueu und Breoueu aus ihren Al]>euburgeu ver- 
triel>en und in einem blutigen Kampfe am Kisack (Isarcus) 
wurden diese Völkerschaften wie die Venosion (Bewohner 
de» Vintschgau) besiegt, während die Kntsoheidungs»- 
»chlacht im Feldzuge des DruKu» und »eine» Bruder» 
Tiberius bei dem seiner Lage nach bestrittenen Hamasia 
im heuGgen Bayern geschJagen wonlen sein mi) 1. IHe 
Plätze im Gebiete der Breoneu Vipiteiium (heute Hter- 
xing), Matreium oder Matreia, Veldideua (Wüten) reichen 
noch in die vorrömiMche Zeit hinauf und es wurden di« 
prähistorischen Umenfriedhöfe in Matrei und Wörgl 
unter der römischen Herrschaft fortbenutzt HruMU» 
legte di« grufse Heeratrafse vom Po an die l>onau mit 
einer Abzweigung über den Brunner an, wutchu Kaiser 
riaudiuM ausbaut« (via Claudia .Augiista) und von Wüten 
über Schamitz (Scarantia), Partenkirchen (Partaouiu), 
Fpfach (Avodiaeum) und Landsberg nach Augsburg 
(Augusta Vindelicorum) führt«, mit einer Verbindungs- 
»traf»« nach Brogenz (Brigautium). Kin« Reihe von 
Ka.»telleu wurde ziim Schutze dieser Strafse angelegt 
welche di« Anwohner zu unterhalten hatten hht waren 

such gemacbi. die KatioualiUU der vorge.»>’:bicbtHchen Völker* 
»chafteu für Italien fiwtxusiellen, als welche er die nord* 
afrikanische Kasse der Ligurer und Iberer, dann den ari»cheii 
Stamm der Proto-Latiner annimnit. ]>er Keferent M. IIoerne»i 
warnt übrigens mit Hecht davor, nicht genügend in Aus- 
dehnung und (leneaU bekannt« Kulturgruppen mit geschieht* 
liehen Völkernnmen zu identifizieren. 

'*) Damasia war nach Htrabit die Akropull» der Likatier 
(Bewohner d«a I/ecbL eines mr^ticlierwHise keltiHchen 
Volkssiamme«. I)ie Römer aullen unter Anle.hnung an diw»e 
.^kn>poiis ihre Angu.sta Yindeliconiin im Jahr« 13 v. Chr. 
gegründet haben. .Andere betrachten Damasia für eine Nieder- 
iatsung auf dem Auerberg« bei Schoogau (}tani«auer) oder 
bei oi>erdorf tm Allgäu (Amuld). Sieh« Bavaria. 2. Bd., 
H. 9S2. Auch Ba,vurdie<c»cn am Ammerw;« führte den Namen 
I)ama«ia- 

**) I>ie KastellH sind nach Popp wahrscheinlich schon 
vor den Strafsen angelegt wt>rden. Von der Kömerstraf»« 
über den Brenner sind verschiedene Meile nzciger aufge- 
funden und üii Ferdinandeum zu Innsbruck wie im Hchlosse 
j Ambra» aufge*tellt w’onleu. -*- Die *«*gun. I tioerurieu, antike 
Kundäicher, enthielte» Htrar»*>nverxeichnisite mit Animbu der 
I Stationen und ihrer Kntrenmiigeii. Für die .Alpen b««itiimnt 
I war da» Itincrariuin Antonini (‘nrucallae. IHe Tabula 
I Peut i n ger i a na , auf der nicht erhaltenen, unter AuguMu» 
i aiigefertigten, gn'fsen römischen WeltVart« l>«ruhend, gieht 
I einen i't»ori»lick iil««r dle.\li»en und ihre Liimlcr. Si»-hc _IHe 
I Alpeltkunde itn .Altertum* v<ni Fr. Kamsauer in der XejiwHiHft 
' de« Alpenvereins 1901, S. 4« ff. 




160 



K. Fenner; Mulla AH Mahdibajow aber die Krankheiten der Kirf^iaen. 



befestigte Stttudlftger mit Waebtbiusem und Tünnen, so 
z. B. hei Auer in Südtirol (KaatoH Köder), Tcriolis(Teriola 
('aMtru), Sähen (Sabiona), auf dem Hügel von Schlot» 
Ambra» u. a. m. l>ie HauptniederlaHüung der Homer in 
Kätieii war aber un der Ausmünduug der BreunerstraNe 
in da» Innthal anstelle dea heutigen Ortes Wüten (Veldi- 
dena) l>ei InnRhruek, deNtteii wichtige Lage dieKum Welt* 
Tolke nicht eutgeheu konnte. 

Schon vom zweiten nachchri-stlichen Juhrhundert an 
hatten die Römer in Rätieii germanische Anfälle zu er- 
dulden, HO von den Markomannen und Goten, dann von 
den Alemannen im 4. und 5. Jahrhundert, welche »ich 
do» westliehuii ToUes von Rütieit bemächtigten; Mcbliet»’ 
lieh wurde da» abendländiache Römerreich za Knde de» 

5. Jahrhundert» durch die Oatgoten l>ewältigt. Im 

6. Jahrhundert drangen von Norden die Bajuvaren ein, 
welche »ich de» Wipp*, Puster- und hUaackihalus iMmäch- 
tigten, von Süden her die Langobarden, mit welchen im 
Ktschthale die Bajuvaren zuhammentrafen. Ira Franken- 
reiche kam da» Land unter Gaugrafun, durch Otto den 
Grofeen unter bayerische Herzoge. Später von eigenen 
Lando»herzogen regiert Meinhard II. und dessen Nach- 
kommen, deren Reihe Margaretha Maiiltnsch beschlietst — , 
wurde Tirol 1363 mit c)ateiTeicb vereinigt und von 
habsburgischeu Grafen regiert, von welchen Friedrich 
mit der leeren Tasche im Beginn des 15. Jahrhunderts 
dieKenidenz von Meran nach Innsbruck verlegte, infolge 
dee Prefsburger Frieden» kam da»I*aud 1806 an Bayern, 
1809 fand der Krhehungskatupf der Tiroler statt und 
1814 wurde Tirol wieder endgültig mit Ohterreicb ver- 
einigt. 

^haut man »ich näher nach den Völkerschaften um, 
welche die Gegend um Innsbruck in altkistorischer Zeit 
besiedelteu, so greift man, soweit unmittelbar Nachweise 
in Ge»talt von KuiiMterzeugnisses fehlen, nuturgemäfs zu 
den urkuudlicbeu und heutigen Namen der Berge, llifiler, 
der Wanaerläufe und Ortschaften. Allerdings hat man 
mit Recht darauf hingewieseu, daf» insbesondere die OrU- 
namen für Knnittelung der Beriedeliingsverhältnisse nicht 
den gleichen Wert haben wie Vcrsluinerungen für Kut- 

rStselung der geologischen Verhältnisse unddnfsaufser 

ihren Namen auch die bauliche Anlage dar Ortschaften, 
die Namen der FeldOureu, Zehniverhältuisse u. s. w. in 
Betracht gezogen werden müssen *'*). Unverkennbar hat 
mm da» deutsebo Element hier das Übergewicht, so zu- 
nächst in den Bergnamen, wie Solstein, Fragenstein. 
Bratidjoc'h, Frau Uütt, lUdtelwurf, Martinswand ii. a., 
dann in einer Reihe von Ortsnamen besonder» auf -ing, 
wie Ilötting, Inzing, LeihlBng, Fiaurling, Miuming, Hei- 
ning, Polllug, Hatting u. s. w., in der fruchtbaren Ebene 
des Innthales gelegen, weiche auf die Einwanderung von 
laudbebaueiiden Bupivarcn ül>er denScbarmtzpat»zurück- 
gefiihrt werden, da solobe in Pernnnennamen wurzelnde 

*0 8ieho I>r. K. Buhn, »Hiedelungen in der Ia>ipziger Tier- 
landsbucht", Globus 190?, Bd. 8. 49. 

‘•) Hielie Dr. Richard Andnw, ,rrslaventum xwisch<*n 
KItie und Rhein r* Globus 190?, Bd. H‘J, H. 239 ff. sub Hne. 



Ortsnamen im übrigen Tirol vermifat worden •■*)• Aufaer- 
dom »iud al» deutsche Ortsnamen noch Mühlau, Hall, 
Rinn, Seefeld, Schönberg, Reith u. s. w. und in «einer 
Endung Innsbruck selbst zu ueunen. Neben dioHen steht 
aber eine Reihe fremdklmgender Namen, hui denen es 
leider kaum gelingen wird, dem guten Rate Hintners zu 
folgen und die Tiroler Ortsnamen wo immer möglich aus 
dem Deutschen zu erklären*®). So sind die Namen von 
Wüten, Wippthul, Matrei, .Scharnitz, Lanz nachweisbar 
au» den alten Namen Veldidena, Vipitenum, Matrcia oder 
Matreium, Scarantia, Lanuu» herzuleiten and werden von 
Waldß den Illyriern (Venetern) zugeteilt, welche, durch 
da« Pustertbal in da» nördliche Tirol eingedrungeii. ver- 
schiedene Spuren hinierliefsen, so in den Namen Vene- 
diger, lacu» Yenetu«, Vennatlml, Veuaders, Venosten (Be- 
wohner de« Vinatgaue») u. «. w. Den Namen Matrei hält 
übrigen» Steub für römisch (Mairoium), Zeuf» für keltisch, 
wofür auch der Name des Inn (Ainos oder Oemif?) ge- 
halten wird. Karweudel kommt nach Walde gleich den 
Karawanken von dem illyrischen Karwaut (felsig), wel- 
cher Sprache auch l'atsch (tirk. Patsi) zugerechnet wird. 
Die Serie« (Somienspitze) »oll von dem rätisehen Serrules 
(Sägen — von den kleinen Seitenzacken dieses Berge» 
so benannt) herrühron , die Saiie von sella Sattel, bezw. 
Scüa romanisch. Pradl leitet man von pratelln, Arzl 
von arcella, kleine \> i««e bezw. Hurg, Absam von avazzone.*«, 
Wihlbacb, Oller abbatioins», Klosterleuio, Vül vom römi- 
schen vüla ah, wähmid dasSchluf»-» bei einer Reihe von 
I Ortsnamen wie Sistrana, AUrau», IgU, Lans von Wolde 
! als romanische Pluralendung betrachtet wird. Mutter» 
wird aus einem alten Stamm mutt, Berg, Hügel, abgeleitet, 
so auch Hohe Mutt, Muttekopf. 

.\ile diese Nnmenserklärungen sind natürlich mehr 
oder weniger unsicher; aber dufs aulser den Römern 
auch andere nichtdeutsche Völkerschaften Tirol besetEt 
. und bttsiedelt haben, die allerdings, mögen sie Rutier, 
Illyrier oder Kelten heiC»cn, eine unverkenubare Ver- 
. wandtBchaft mit den» lateinischen Sprachstamrae bewahren, 
' gebt |a schon au« zahlreichen Anklängen und Funden in 
Nord- und Södtirol hervor und kann daher bei Erklärung 
der hinterbliebeuen Borg-, Flui»- und Ortsnamen nicht 
wohl übersehen werden. Unbekümmert um die Ivosung 
BO interessanter Fragen der WisBonschaft Qutet öhrigen« 
wie ftUerwärt» da« moderne I.,ebeu durch die Siratsi'ti 
dar schönen LandaBlmiiptstadt Innsbruck und die Grof»- 
! zahl der fremden Besucher freut «ich au dem reizenden 
Städte- und l<andBcbaftBbilde, al« wenn e« au« eineui 
! Gusse entstunden wäre und nicht die Arlieit vieler Jahr- 
; tausende, gigantischer Naturkräfte und michtiger Völker- 
' schäften, wert der iiachdonkenden Betrachtung und Ih*- 
wuuderung. 

*') Hiebe Dr. A. Walde, «('her die Grundsätze und den 
Stand der mirdtirolischen Ortanamanforsrbung", Inusbrucker 
N’achHi'btvn 1900. Nr. 97 mit 91. 

**') Siehe Br. V. Hintner, ,f'l>er Hnige Thalnnmen BeuUeh- 
, Tirol« in der ZeiiHchrift „tVitlinande»Jui* von I90u, 8. S9 ff. 

und die Stubaier Ortsnamen, Globus 1902, ]kl. K|, K. .H.S5 ff., 
; bezw. da« Referat von Br. Richard .\ndree hierüber. 



Milln Ali Malidibnjew über die Krankbeileii der 
Kirgisen. 

Weiche Anitcliniiutigeu iilier das Wesen der Krankheiten 
und ihre Behandlung unter dun Kirgiaeii in Kussisch-Turke- 
stau hemchen, wird durch di« handschriftlichen Aufzeich- 
nungen eine« kirgisischen Schriftgeiehrtati, Mulla Ali Mahdi- 
bajew au« Tschiinkent, erwiesen. Kr hat ein Verzeichnis 
der unter don Kirgisen am meisten verbreiteten Krankheiten 
verfafst und glebt Imi jeder Krankheit die für dpn Ktltiir- 



zustand der Kirgisen hiW^hsi bezeiebnonde Bebandlungsweise 
an. Kinige be^^nders charakteristiache Htenen dieser Auf- 
zeichnungeu sind von den in Taschkent crscheiiiendcn «Tur- 
' kestanskija wedomosti'' (1902, Nr. 90) veröffentlicht worden. 
I Wir entnehmen dem nts»i«chen Texte Folgende«; 

.Sehr verbreitet ist unter den Kirgiaen die .kokrjak- 
kurt" (I.ungcuuunii) genaniile Krankheit. Ihr« Symptome 
sind Husten und Kiterbildung in der Limge. Bi« Krankheit 
hat einen lange währenden Verlnuf und erschöpft den 
Kranken »o, daf« er scliliefslich einem Skelett gleicht. Ks 




Ktirhnmchan. 



KU 



k«hm 1i<‘tlui>u vi»u «UtjMor Kmukheil, iloniMX‘li won«1<?ii 
iHe KirifitwMi >n* xutu lntzt«ii Au>i»zui(e i)*;'» l‘nlietiU*n die 
vt*nrhit*<leiiiilen Mittel »u. 

I>er «kok'ilBhotRl“ (i;rnui‘r Husten) verwhout weiler 
juu^' nrrch »It: er rafft uamentlich Kinder bin. Heftige 
Anfälle einoH trockenen Hustens, die den Kranken bie zur 
AtemiiMigkeit en>cbi)pf«*n und dam Kr»tirken nahe bringen, 
Hiiid daa Merkmal dieser Krankheit, die oft von Hrbrccben 
Ikegleitet wird. Ka giebt viele Mitte) gegen den •kok-dshutal*. 
Mau giebt dom Kranken eine Feder zu «AUgeu, die dein 
Flügel einer Mandelkriihe cntmmmtea Msin luufe, damit «ic 
wirke. Di«ie Ke>lei‘ hat der Kranke eo hinge iin Munde zu 
halten, bia er Krleichterung verspürt. Wirkt diese« Mittel 
nicht, »(> kann man nin Wege lauem, bi» ein Reiter auf 
grauem l’fenle und Sn grauem Oowande vorbeikotnmt. 
I>i«^‘D fragt mun um Rat, wie der ggraue HuMtun'* xu heilen 
ist. 8ein Rat i*t. zu befolgen. Ha« beste und wirk«ajnate 
Mittel iat jedoch die Bouillon au« dem Fleisch eine« grauen 
ii^icklein«. Andere empfohlen die Milch von etuor grauen 
Kuh; doch darf der Melkeimer beim Melken die Krde nicht 
berühren. Auch die Galle einer grauen Kuh oder otne« 
anderen Tiere« wird zuweilen dem Kranken zu trinken 
gegeben. 

Für .Nervenleiden aller Art* hat der Kirgise di« Be- 
zeichnung .vom Dühinn geschlagen“. Itshinn und .\dshina 
sind böse Geister, Hämonen; die ersteren sind mimdiche, die 
zweiten weibliche W«*en, die verhängnisvollen Kinßufs auf 
alle«, a'A.s Leben hat, nusuben. Ihre IZathl ist Legion, sie 
werden in verschiedene Kalegorieon eingetcilt. Am meisten 
gefflrrhtet ist die Kategorie der «albasty* and .nuirtu'*. IHe 
Rehandlung der .vom Hshinn Ocschlageuon* ist folgende: 
•Mau lüfst mehrere «Kalendar" (Bettelmönche einer Ordens- 
gemrinschafl) kommen, die die Krankhoit beschwören. 
Ibese umringen den Kranken und rufen immerfort ..hyt hyl 
Allah hyl Allah hyl“ (Gott der Allseiendel). Dies« Be- 
schwörung dauert mindestens drei Tage, auch länger bis 
zu einem Monat. Bessert sich das Beenden des Kranken 
infolge dieser Behandlung ein wenig, so wird ein Haupi 
Vieh geschlachtet , das Fleisch gekocht und verspeist , dio 
Knochen je<loch sorgfältig geaammelt und in das Fell des 
geschlachteten Tieres gelegl-. AlMlanii wird das Fell zu- 
sammengeschlagen und 1» die Stepp« oder an eine Gaheluug 
des Weges gebracht. I>er Kranke reitet mit liiuans. Hier 
wird das I.eideu des Kranken durch eine Reschwörungs- 
fonnel ausgetriehen. Mauebe nehmen in diesem Falle auch 
den Kopf des geschlHcbteten Tieres in die Stepp« mit, be- 
tualeu den eutbauiettMi 8ch&d«l mit schwarzer und nüer 
Farbe und legeu ihn unter da» Gewand an den Busen des 
Kranken. AlManu wirxl der Schädel unter dem Kor]»er d«s 
Kranken hindurnhg«^zoge» und eiligst weggeworfen, worauf 
der Kranke und »eine HcgloUer ilavonlaufen. Di« b«'»aen 
Geister alter, die -iKhitin» und ''Adshina^-, die in dem Kranken 
gvaesen, fallen it)>er den Schädel her und benagen ihn. Hie 
bleiWti, an den Schädel gebannt, am riatz, während der 



Krank« geluiih davotieili- Helfen die genannten uieht, 

80 wenden sich die Verwandten des Kranken an eitu'ii Ischan 
(Geutlichen) und bitten ihn, Gebete iil»er den Kranken zu 
lewu. Hilft auch das nicht, su wird der Kranke beatäudig 
I gefesaelt gehalten. 

Kino Krankheit des Herzens .juruk-jarulgan' (gepiiitzl« 
< Leber) a-ird als die Folge grofsen Bchreckons angesehen. 
' .Die Symptome dieser Krankheit sind die ITnfähigkeit des 
Magens, die Speise zu verdauen, Mifort nach dem ein- 

irotendes Krbrocheii und grofse Schmerzen in der Herzgegend, 
die den Kranken zur VerzweifUiog bringen. In solchen 
Fällen schla^'hten manche «in Tiur. nehmen das Herz her- 
aus und legen es an das Hers des Kranken. Darauf wir<l 
rill« Schale uiit WaMwr auf den Kopf des Kranken gesii'llt 
und mehrt'r« iin Feuer erhitzte Steine ins Wasser geworfen. 
Hierbei beginnt dHs Wasser eigentümlich zu summen und 
die den Kranken umgebenden Kirgiaeu rufen »Kurk! Kurk!» 
aus. I>as ist sowohl eine Kachakmung des im Wasser her- 
vorgerufenen Geriüuschos, wie auch eine Beschwiirungsfonnel, 
; die etwa .fürchte dicht* bedeutet. 

' Bei RheumatiBmus wird filgendes etwas unklar formu- 
, liertai Mittel angewandt. Man sammelt Knochen von ver- 
schiedenen Tieren uud wirft sie in eine Grube. Alsdanu 
; stellt man ein Taburett über die Grube und breitet eine 
Decke darüber. Darauf wird heifser »Plow^ (Reisbrei. 
IMlaf) auf die schmerzhaften Glieder den Knmken gelegt, 
l.st der Rheumatismus chronisch und sind die Sclmterzen so 
stark, dafs der Kranke nicht schlafen kann, m> wird ein 
Kessel bis an den Rand in den Erdboden versenkt und der 
Magen eines im vorigen Jahre ge*H'hlachteten Pferdes ') in 
den Kesse] gelegt und gekocht. Dor Kes»«'! wird zuvor mit 
einer Schilfmatte iHvdat'kt und der Krank« auf diese Matte 
gelegt und mit einer wollenen Decke bwleckt. Tnter de« 
dem Keswel entatn'imenden Dämpfen schwitzt der Kranke 
und schläft ganz ermattet ein, worauf di« Heilung erfolgt, 
auch wenn das lioiden «• *»«rk ist, dafs er gWM'hwolleu« 
Glieder hat. 

Die Krankheit •kirna* (Magenkolikcu) winl durch 
heifse A<«he geheilt, di« mau in eine l'orzellauseliHle legt 
und mit einem Tuch bi*deckt, so dafs die Kuden des Tuches 
am Boden der Hchalo gefafst werden können. Darauf drückt 
mau die Hchale mit dem oberen Rand au den Magr-n iles 
Krankeu. Hind die Hchmerzen bestmders heftig, so wird fol- 
gendes Mittel angewandt; .Man schlachtet einen schwarzen 
Bock, holt die Lunge und das Herz heraiu und schlagt danill 
den entkleideten Kranken lauge; davon lieginut der Krank« 
zu schwitzen und wird gesund.” 

.Übrigens mag Gott es besser wissen l” ruft Mahdii«aj«w 
am Schlufs seiner Aufzeichnungen aus. K. Feuner. 



') Eigentlich der Inhalt des Magens, der zu diesem Zweck 
s|wzietl getixa'knet und im Hi«us]ialt für gelegentlichen Ge- 
brauch Hufbewahrl wird. 



Bücherschau. 



Prof. Dr. GasUr KoHtdnnat Di« indogermanische 

Frag« archäologisch beantwortet. (Zeitschr. f. 

Kibnologie, XXXIV, 1»02. 8. 1«1 bi* m.) 

Der Autor, eigentlich Historiker und Linguist, bekennt 
«ich hier als begeisiertor Anhänger der prähistorischen Archäii- 
h^e. I<eider mufs man gegoti seine Art, diese Fumebung zu 
treilien, die schwersten Bedenken erbeben. Bi« dient ihm 
uäiiilfch, wie schon der Titel sagt, nur dazu, über die indo- 
germanisch« Frag« aVom archäologischen Standpunkte aus 
die bis jetzt sichersten und in den Kinrelbciten bestimmte'ton 
Aufklärungen” zu gewinnen. N'un sind dio EatbüUungeu, 
die er uns bietet, allerdings so boetimmi als nur möglich; 
aller von Hicherheit kann ich keine Spur entdecken. Wieder 
einmal, wie schon so oft, erlebt das prähistorijicho Material 
das alte Mifsgcschivk, von einem neu llinzutretenden, der 
ganz andere Dinge im Kopfe hat, falach beurteilt uud zu 
.\ussagen, die es nicht geben kann, gezwungen zu werden. 
Wns folgert Verfa«'-er nicht alles aus den kaum recht er- 
kannten Kulturgruppeu der jüngeren Hieinzeit und der älteren 
Bnmzezeit Mittel- und N'ortieuropas! .Wir sahen, dafs in 
einer der späteren Perioden der Steinzeit , al>er wohl noch 
am .Anfang des 3. •Jahrtausends, zwei Ströme von Indo- 
gerinanen nach Süden zogen (Kugelamphoren und Uern- 
biirger Ty|ius), im Westen längs der Kl^ und Saale, int 
Osten <U« Oder hinauf. .\us dem westHchen Stamme ging 
mehr gegen Ende de.« 3. .lahrtauseml* in Thüringen, Hessen 
und Hüddeutachlaml durch Verbindung mit üeu Ausläufern 



der südeurotäMselien Hläinme (BAndkcramik) eine Abart der 
ludi^ermaneu hervor (Rössen-AllMhoimer Typus), aus der 
um ‘i(K>0 herum zwei Yolksstümm« sich eutwlckelteti: die 
Italiker und die Kelten (Beginn der Bronzezeit). Gleich- 
falls um 2000 herum vt.-rbreiu»ten «ich von der Saale und 
Elbe her Htnmui« nach Böhmen, Mähren, Niederdaierratch 
(Aunjetitzer Typu«), au* denen unmittelbar die Illyrier 
Und Griechen hervorgiugen. letztere verfaältnDinäfsig spät 
in ihre Heimat oiarfickend. Weiter ostwärts balaiu die 
Arier nebst den Slaven bereits zu Anfang des 3. JaUr- 
tauseud* Ostdeubichland verlassen. Kur bei den Ariern sind 
wir in der l^ge, mit geschichtlichen Daten unsere Folge- 
ruiigen in Verbindung zu bringen”, und so glaubt Verfasser, 
dal« die ostdeutschen Kugeltiaichen- Arier um da* Jahr 
DH)0 V. Ohr. in Ostindien angeknmmen seien. 

Die«e einfache IdeutiÜzierung von prähistonscheu Töpfen 
mit historischen Volk.«stiinimen macht den Eindruck eines 
Beberzes, einer Parodie; aber dem Autor ist es damit heiliger 
Emst. Kr sagt z. B. : ^Der Htuidei geht hierhin oder dorthin“, 
das sind schliefslich bh^fse Worte. Dient' 1'hatsacben bleil-en 
für uns tot, wenn wir keine Erklärung dafur wis>en. l‘nd 
als Erklärung läfat «r nur seine jach, leider nicht nur stdiiHO 
• Einbrüche der Indogennnnen nach «üdliclieren Gebieten“ 
gelten. Naiv liekennt er sich schon eingangs zu seinen v«w- 
gefafsten Meinungen. «Einer der klarst ••rkennb.-reu' (wor- 
aus «rkemiliareii'üi •methodiw*h>‘D l<eitiuitze war für mich, 
daf> die von Süden nach Nonien eib-iiden .\u«breitutigHweileu 






'< .1 'I ''‘k 




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KieiiMt N«ohricliton. 



uiner Kultur ini allg(*m»'in«i) nur fi'tr KuUurwelle» , 

(ite aiDRekc'hrt von Norden nach Hilden (rcrirhteten Ver* 
pdarixun^en zu«amineithäDfieud«r Kulturen iider charakte- 
nsitüchor T**ilo dcn«oUR*n fiir Kruebnisae von Volkerbewegunjfcn 
XU halten «inir. Wozu tiann mtch ein langer wenn 

iut .tiivthodim^heu I.^'ilnat/* itclum da« gnuzc Iteaultal ent- 
halten i«t? Wie leicht sich K<»«iiii)a die «von Nordon nach 
Süden {^richteten VerpdHnzungen ganzer Kulturen* kon- 
^truiertv zeigt aeine liarstelluug des Aunjelitzer Typus. Kine 
Knitchennadel genügt ihm, dessen Herkunft nach Norden zu 
verlegen; ein paar Maiiscbettcnanuhürider vom Glasiuac sind 
ihm sichere Zeugen, dar« die Träger dieser Kultur über 
Bosnien nach Gtiecheninnd gez<>gen sind. Von kleinen Irr- 
tiiinera will ich nur berichtigen, dar« die Melallaai von 
Luschitz l»ei tiiiding keinen Bruaziuichnft hat. sondern ganz 
aus reinem Kupfer liesteht. 

Kossiona wünscht die Clierzeugung von dor Notwendig- 
keit, !>ei allen Fragen der Verbreitung von vi»rgeschichtUchen 
Geriittypeu und liWrhaupt bei allen hOliei-en Kragen der 
Archäologie den ethnologischen L'ntergrund in erster 
Linie zu berücksichtigen, in weitere Kreise der Prä- 
historiker zu tragen, als es ihm bisher gelungen Ist. Ich 
kann nur von Herzen wfitiscben. daf« ihm dies nicht weiter 
gelingen mftge; denn ich Ündo, dafs es schon nn dem Bis- 
herigen mehr al« nliergenug ist. Ks wäre de*r Ruin dor Prä- 
historie. wenn sie der ohnehin starken VcrtMichung, statt von 
den wirklichen (iegenständen ihrer Foriichung überall gleich 
>c>n Rassen und Völkeni zu reilcn, nicht mannhaft widerstünde. 

Wien. M. lioernes. 



Dr. Ern^l Harald Hrhtllz. IHo Lehre von dem Wesen 
und den Wanderungen der magnetischen Pole 
der Krde. Mit 4 Tal«lien und i kartographischen Har 
Stellungen. Berlin. Dietrich Reiinor, 1002. 

0««mi1e zur jetxigi-n Zeit, in der das Inten-sse an der 
Lagi« der ntaj;m*ti«chen Pole, rusp. an ihrer I>agonänd<*rui)g 
dur«'h zwei Kx|K.slitiom*n praktisch In’tbiitigl werden winl, 
dürfte das vorliegende Werkclwm rt*clit kommen. F.* flieht 
unsere seitherige Kenntnis ül>cr die magnetischen Pole in 
möglichst kurzer Form /usnnunenzufa*<sen, indem es bnupt-sHch- 
lich eine auf reichhaltige Benutzung der Litterntur gestützte 
historiicchi* Ülwrsicht der Entwickelung unsrer Anschauungen 
Aber den Kitz und die Art der magnetiw-hen Kraft der Knie 
und über die Annahmen tiezClglirb der Wanderung der 
magnetischen Krdpole giebt. An die Hpitze ist dU- Definitirm 
eines magnetischen Krd]K>Is nach den heutigen, wissenschaft- 
ticheu Ansebauungon. sowie eine Erörterung über die ver- 
M'hicilenon Methoden zu seiner exakten I^ngenbttsiimmung 
gestellt. Wenn auch das Ganze in dem Katz«« gipfelt, dntk 
.sich litker die Bewegung dor luagnetischcn P»k- der Erde 
nach Richtung und (ir«’>rsc heutzutage noch nichts Restiinnitcs 
Aussagen läfst, so dürfte doch die abschiiersende ZusammHu- 
fn^sung unseres seitherigen Wissens gei-ade zu der Zeit richtig 
sein, in der man auf die Kx]iedition von Roald Amundsen. 
Miwie auf dio Onufs-Ex|>odilion die llofTnung setzt, dafs sic 
uns in absehbarer Zeit n«*iics wcm-nilichos Material zur Ib*- 
urteilung d»'r voHiegt-ndi'n Frage liefern w«nb*n. 

Darmst.adt. Grcini. 



Kleine Nachrichten. 

.\tidrucli Bar rait i^ueUcaiitfiaUe gtnlailrt. 



— Ütter die im Norden von Island gelegene Insel 
Grimsey handelt Th. Thoroddsen in get^aphischer Tids- 
skrift lUul bis Heft 7 und K. Dio Insel ist vom nächsten 

lattide etwa 40 km tintremt, 6 km lang und 2 km breit. Die 
giinze Östliche Seite )>cstcht ans steilen, r>0 bis 100 m hohen 
Vf»g«lltergen ohne irgend welche Einschnitte, die von der 
Westküste durch eine Kinsenkuiig getrennt werden, iti der 
sich mehrere kleine Seen befinden. An der nur etwa 10 bis 
20 III hohen Westküste liegen die zehn Hr>ff der Insel. Diese 
lie!(toht aus ftilenuM Basalt, der hier und da von Schlacken 
und I,avabreccie unterbr4»choii wird; doch liegt sie aufserhalb 
«ies vulkanischen Gürtels und ist vielleicht der Kest eines 
gesunkenen Teils des Ba-saltrückens des Nordlandes. Auch 
<lie etwa 7.% km im NNW. von Gr msey gelegen« Insel Kol« 
lM*ins4»y (Möwenklipi)«) scheint aus Bainilt zu bestehen: sie 
steigt steil vom Meeresgründe auf und ist etwa läm hoch. 
Der Ptlaiizenwuchs von Gritnsoy ist sehr dürftig und aus- 
gesprochen |K)lar; von strauchartigen 1‘llanzen ge<deiht nur 
di« polarweide, die bi« 1 Zoll li<M'h wird, roter den 
iilwruua zahlreicher. Keevögeln verdient bemiiidcrs der Konigs- 
alk (Mergulus alle) Erwähnung, der sunat nirgends auf Island 
brütet. Die Vogi-ilN«rge bilden die wichtigste KitinalinniiuvIIe 
der Bewohner, die auch 'rausembi von Eiern nach Nord- 
ishind ausfiihren. Die Fischerei winl in offenen B««*len >)e- 
irielieii. Die Kinwohn«r/ahl schwankt« im lt>. •lalirhuinlert 
zwischen -Pi (lä.Sb) und Uä (itiau). Daa Klima ist varhältnis- 
tmifsig milde. Der Jahresdurchschnitt ist nach 21 jährigen 
Ih'obsehtungen |- l,ri* t’., «ler August ist der wärmste Monat 
mit einer Mi(telti*ui(ierntur von ä.9”, «ler Marz der kälteste 
mit einer si>l<*li6ti v««n — 4 *. Die h«VhstH Wärme, die l*a- 
oltachtet wurde, i«t 20.2“, di« grofste Kalte — .HO*, aber das 
sind Idofse Ausnahmen. Frost wunle lieobacbtet an 191, 
Nii'derschlage an I4:t, Schnee an 5ä Tagen. Die Nie«ler- 
schlüge lM«inigcu H74 mm. iHis Meifr um tlrinisev hat im 
.liinuar durchschnittlich 0”, im Juli ü bis 7*. Bei W«atwind 
ist in «1er Regel ir«*ckenes W««ib-r, während der Dstwhid 
Regen utol Feuchtigkeit bringt (an '»J Tagen Nebel). Öst- 
liche Winde sind am hftuilgaten (NO. la IT^., SO. tä Pntz.), 
Südwinde am seltensten (4 Proz). K. Palleske. 



Ober das Alter der Syphilis in Japan sucht uns 
|)r. B. Adachi (Arch. f. Dermat<i|«>gie, B«l. ‘*4, Heft 1, IlHjH) 
aofznklüri«n. Bisher hatte man auf Grund chiu«sisch«'r und 
jH|«iiniseher Nachrichten angeiiotuiiien, dafs die Syphilis erst 
UM iu. Jahrhundert aus dem Abendlamb' in Ja|>«n ein- 
ife.«chl«(>pt worden sei. Adachi sucht nun den Beweis zu 
führen, dafs die Krankheit sch««n in der Steinzeit in 
Japan vorhaieb-ii gew«-svti, wonach ihr Alter auf mindestens 



30itü Jahre geschätzt werden müfst«. A«lacbi untersucht« 
die prühi«t>»rische Batnmiung des anthropologischen Vereins 
in Tokio, b*-sond«^rs di« nuttischlich«ii Rcsie der Muschel- 
häufen (Kjr>kkennn>dditiger) von Kaisiisbika in der IVovinz 
ShiiD«H*sa, di« fachmännGrh ausgegrnben worden waren, and 
fand darunter ein« stark venlickie Tibia, die nach den l'nter- 
suchungen ini pathologischen Institute zu Tokio für syphi- 
litisch erklärt wurde. — F^ist schon schwierig, nach oinem 
einzigen I)«‘wcisst>icke das Vi»rkoniincn der Syphilis in 
so alter Zeit zu bohaupton; auch wäre zu wiinachen gewesen, 
dafs die Untersuchung des jiathologischen Instituts ausführ- 
licher initgetellt würde, so daf« wir etwas über die durch 
Ebumntion verursachte Schwere dor Tibia sowie über etwa 
vorhamlene Tophi erfahren hätten. Ko lange alier müssen 
wir den Fall für anfechtbar und näherer .Aufklärung b«t- 
«lürftig Iinlieti. 0. Berkhan. 

— Mathäus Much schildert «len prähistorischen 
Bergbau in den Alpen (Zeltschr. d. deutsch, und österr. 
Al|>«nv«reiaB, Bd. SH, 1902). Im Gegensatz zu andenui Ge- 
birgen zogen die Menschen bereits sehr früh in die Alpen 
«■in und waren liemüht, die Hchätze «ler Borge /u gewinnen. 
Au «Ion Salzlagerstätten v««u Hallslall erschienen «ie liereits 
in einem Zeitalter, als ihnen vorerst nur Ktnine nebst Kmx'hen 
und Holz zur Verfertigung ihrer Werkzeuge zu GclsiU- 
standen. Ihe daselbst gefundenen Klein werk zeuge lassen l>ui 
der rnvermi^genhcii der t’trUichkeit, M«uischon zu ernähren, 
keinen Zweifel dsrülwr bestehen, dafs diese nur der Kalz- 
gewiiiiiuiig wegen dorthin gekommen siml. Den Ijeiiten, die 
Kalz und bmuchbare Go«toinsarten in den Bergen fanden, 
folgieii sodann jene anfilem Fuf>«, «liemit Erfolg auf Ku|ifer* 
erze geschürft und sich nicht nur auf der Mitterls'rgs- und 
Kelclialpe festgesetzt, scmilem zwcifelhis auch di«sM*il und 
jeuscit dor Tauf-rnketio Husg«*brcitct hulvn. Gleichzeitig 
wurde «Ite KHlzgewinniing in gröfserein Umfange fortgesetzt, 
wofür die H«rkat«imla)n von Haustiuren auf dem Langacker 
bei Reichonball Zeugnis gel»en. Im Jahrtausend vor Christo 
erfährt die Eiitw ickelung des alpinen B«rg1taut>etriebos eine 
stetige Zunahme. Die Kalzlager von llallstatt un«l Hnllehi, 
wi« di« Guldgrulien der Taiiri«ker hdiren, wie mit Staunens- 
weri«-m üi.-i«-hi«k un«l Eifer dio Schatz« uusgelieutet wimlen. 
Brr«-iU im Beginn jene« Jahrtausends wurde die Aufmerk- 
samkeit der eiubeimischen Ih^rgleiito auch nuf da« Eisen ge- 
lenkt, das m>ri««‘h« Ki-<en gelangte zur lioriihnitheit. In «irii 
Kärntner .Alpen ergruben «io gleichzoitig Bhderz«- und ver- 
wendeten «las «laraus gewonnene Metall zur D«‘koration ihrer 
Th'ingefäfse. Kil»*«r spielte Iwi «b*r inilbd- und nordeurojwi- 
iwheii Bevölkerung ln priihi^U'risoluT Zeit kein« Rolle, und 
da« wiclitigt-re Zinnerz kommt in den .\I)ien nicht v«jr. 







Kluin«; Nftohrichten. 



11 » 



— ülMjr lik* lloDinitiHttlii giobf W. B- Mhxoii im 

(ioiifn'- Joui-ii.* für lUo2 finit;*! Mittfilunt'vn. 

wir FolgeiKiett «nitneluiifn: Bie Japnnfr IteliaiiptKii, tüf liAltt-i) 
die ürup|if iu der zweite» des 16. Jahrhundert« 

entdeckt und mit ihr Iti« 1663 in goh‘;;entlicher Verbindung 
gentaudun, «tbwuhl dio formcilc ite«i(zvrgrfifung en*t 167S 
«tattfand. Der japaninrhv Namv für die tiruppu i«t OuaM- 
waru-jimn; Bunin i«t eine Korruptiun de» jnpHiiixchen Wort« 
muuiii, da« ,un1»ew«htit* liedfUtot, und der Nanitt Anndnrpo 
iüt «panischeu Uraprung». Seit I8‘i7 IwvivikeiieD «ich die 
liüMilu mit whiffbrüchigeu Waitischfäugem , die Kanaketi- 
fratien mit »irh bnichten: zweifelhafte Klemcnte aus Hawaii 
uud v«iu »iiderwArt« kamen hinzu . und sie und ihre Ah- 
kümttiliiige, etwa 7U, bildeten die einzige B«;%-ölkerung bi« 
zur Besitriehiiig durch Ja)MUier. Biene sitbiun heute üb*.’r 
^^U0; t!« ist eine geordnete Verwaltung eingeriehtet wortlen. 
und man hat Schulen, l’cMt und Stmraeii begründet. Monat- 
lich «diimal liiufl ein japanischer Itauipfer dio beiden Haupt- 
in«tdii an- Ble alte Mts^hUngiihewohnerBchaft, heute lut) Seelen, 
«pricht englisch, leid aWr iu der alten primitiven Weise in 
mit PulniblAttertt god*H*kten HiitUm weiter; diuse l^ute sind 
(’hvBten. Bie Männer nehmen während de« Souuner« 
Schitfsdieniite im nortlliohen Bacitle. Bio VegeUiti«in i«t 
tropisch und üppig und weist Ananas, Bananen, Unionen 
lind Orangtui auf. Schlangen uud giftige HepliUeii existieren 
nicht; o« giebt nur wenige Vi.'tgel. iline Laiidplage tued 
die Ameisen und Kakerlaken. Kinu Flfdermaus hat 0,9 m 
KliigeLspiiunuiig. Bjm» Meer wimuieit von HaiflHchen, 
uud der Strand wird von gr«*rii«n Schildkröten aufgrsucht. 
Ktwras Si-hildkrötentieiia-h und Ananas gelangen auf den 
Markt von Tokio; HHuptezportartikel aber ist der Zucker, 
dessen Industrie sjc.fi sehr antwickeit hat. Olwr dio lliidoog 
*b‘r lii!«eli) )iat Professor Yushiwnra von der Tokioer L'ui- 
versiUt folgond«?« f*w^«tellt : Allo In«elu zeigun diesidbv 
^teologitche Formation. Bio beiden l'iitergrup|«en Turhitschi- 
.liuia und Halm-jima bestuheu au« typischen unteraoelschen 
Vulkanen, die nach hantigen Knhepau«en in aufoiininder 
folgenden Kruptioiieii zahlreiche I>avM*>trüiiie aussandten. 
Boiiinach l•egnnneu die unteruioerischuu vulkanischen Aus- 
hriiebe «1er Boiutigruppe in der K««ränepocbe, «io hatten alter 
Vor Beginn de« Miocüus »ufgehöri. Biese alte Viilkiink«-tte 
inüsse daher von tlor Fujikette geti-ennt werden, die zum 
jüngeren Ne»»gän g*;hitrt, toUweise auch noch neuen rrsprung« 
iftU Zweifellos oö^no Vulkaite, die dem Alter der Iktniii- 
kette entspräclieii, seien in Japan bisher nicht gefunden 
wonlen. 

— t’ber dio Meh r lingsgehu rt eii im Künigreich 
Sachsen wUhroud der Jahre 1676 bi« lüOÜ tserichtet Ci. lyom- 
inatzsrb (Zeit«chr. d. k.Skch«. «tat. Bureaus, 96. Jahrg.. 19u‘ij. 
ln dom ganzen Zeitmuine wurden dasellwt 3603656 Kinder 
geiHtren: darunter )>efnnden «ich 6.s<44 Zwillingskinder, 1‘JSI 
Brillinge uml 16 Vierlingtr. Aus den Zahlen für frühere 
Jahrzehnte geht hervor, dal« in d<ni Jahren 1664 bi« 1645 
auf je 100 Hebui'ien überhaupt 1,3 Mehrlingsgeburten ge- 
ktiminen sind, 1646 bi« I68'i Hel die Zilfer auf 1,*.’6 uud 1656 
hi« 1665 hob «ie «ich wiefier auf 1,31; der dreifsigjtihrige Z«it- 
raimi von 1634 bis 1665 hatte alau al« Durchschnitt l,‘i9 l'roz. 
Mehrgeburtoti aufzuweizen. ln )«etreff der letzten Jahre 
zeigt .«icli, dafs die Mütl«<r von MAdchenzwillingeu auch v«>rher 
ein« gröfitere Neigung zu weiblichen Oeburton loigten, das- 
M.dbe zeigte «ich l>«i den Müttern von Knaltenzwillingen: 
Mütter v«in gemischlen Zwilling**» waren vorher von mehr 
Knaben wie Mudehim «'ntbunden worden. Aus dem reichen 
Inhalt «ei ferner hervurgebobuu , es halte den Anschein, al« 
ob die unehelicben (ieburlen iu rascherer Zcitfolge ge.%ch«hen 
wären als die ehelichen. Dagegen i«t vielleicht zu Itemerken, 
dafs unehelich« Oehuiien meistun« Krstguburten sind und als 
solche rascher v*'rlaufeii. N'ai’h dem fünften bis sechsten 
Kiml ist derKintritt einer Zwillingsgeburt statistisch ziemlich 
seiten; die meiste Neigung für die Geburt von Zwillingen 
liegt um di« MiM«- der dreirsigur Jahn*. AI« ung«‘Wöhultche 
Fruchtbarkeit «ei erwühni, <in(s eine zwaiingjiihrigu Frau im 
Vitgtland« 166(1 im Januar mit KnatH'iizwiüingen uud im 
iK'zember desselbtui Jahres mit Mibichcnzwillingeu niederkam. 
All Viertiugsgelturteii waren im Königreich Sachsen bisher 
nur wdehe aus 1647, 1851. 1656, 1669 uud 1670 bekannt; 
dienen fiinf Füllen «tchen vier von 1676 bis lOOo gegenüber. 



~ Weitere« zur Brache nmeteor«tlogio. Der bisher 
ht*chsi« Aufstieg v«tii limcheii mit »**ll»tregi«trierendeii Ap- 
paraten war der von Trapi»«« bei Paris mit 5‘JOOin. Biese 
Höhe ist, wie Prof. Br. Afsiuann iiu .KeichsanreigiT* mit- 
teilt, aiu ti. lii^zeiulwr vom Ucrliner Aer^mautisclicn Oliser* 
vaUrium no>-h iiliertroffen worilen. Bi« Nnh« der gi'aifsoii 



Htadt mit ihren vielen elektrischen Htarkstromlidtuugen 
hemmt gerade die Versuche d*>« genannten Ol*»ervul<»riums 
in ciupKndlichcr Weis«, und der Lage d«» letzteren wegen 
kömmti gerade die günstigsten Wimle. die nordwestliclieu, 
nicht gehörig nusgenutzt werden. An jenem Tage herr«<’hte 
«ine «tarke östliche Luftatromung, die den Brachemiraht aus 
der btadt heraus nach W(*st«n führt«. Benutzt wurden 
lOkm Draht mit sechs Drachen, die bis zu einer Höhe von 
5475 ni gelangten, und somit wunlo der •IU‘Cor*l* von 
TraiipcK «geaehlHgeD“. B<‘im Kinholen Hl* zwar d«r Draht, 
und fünf Brachen traten eine Heise an, glücklicherweise 
aber kam der Higistrierapparat. nachdem er volle 'J4Htuiiden 
in d«r Luft gestanden. 9 km westlich von S^miidau unv«fr- 
sehrt zur Krd«. B*<im Aufstieg hatte eine Tempi'retur von 

— 14,7* geh(*rrscht, in 1000 m wurden — 8,rt*, in P145 m 

— 6,1* gefunden; *wi*ch«ii 2ooo und Suou m herrschte «in« 
fast gleichmufsige Temperatur v»m — 10* bis —11*. Über 
dieser wilrmereii luversionsachicht nuhm di« Tempenitur 
huigsnm bis zu — 15^ ab, blieb aber zwischen 4000 und 50fiöm 
fast unverändert; erst über 5 km Höhe liegann wieder T**m* 
^wraturabnahmc , die bei 5475 m, dem h>K'h«teu erreichten 
1‘unkte, bis zu — 17,7'* fuhrt«. Bie ndative Fcuchiigkeit, 
di« beim Olwervntorluui 96 Pn*z. betiwgcn halte, «ank «cbnell 
und Hoduucnid mit der Krhebung: bei loou ni wurden 
30 Proz., bei 2uo0in 20 Proz., Iwi 3o00 und 4000 in 13 l^oz.. 
bei 50u0ni 6 Proz. und in der gHtfsten Höhe 0 Proa. ge- 
funden. Bie Windgeschwindigkeit am OtiecrvatuHuiii lielrug 
2.5 m in der Kekund«. b*.*i 1000 in schon 15 bis 20 m und in 
gr«>r«crvu Höhen, wo da« Aueinometcr versagt«, inur« die 
liUflstHimung «ine Ge«chwindigkelt von 25 bi« 30 iii gehalA 
haben. Ks braucht kaum liestmders hcrvürgehoti*>n zu w'er- 
den sagt Arsmami — daf« die hienliin'h fcHigesielUe 
Kxbitouz «ine« weit aber *!ie Höhe dos Montblanc hiimuii. 
wiihrscheiulich sogar bi« zu 6 hi« 7 ktn b«rrschend**u gewal- 
tigen östlichen LuftstroincH , vorbiinden mit ganz aiifser- 
ordeniJicher Tr«K:kotih«ii der Luft und einur «rlieblich wAr- 
meren Luftschicht vi»n S bis 4 km Mkchtigkeit, welche j«*d«^s 
AuMeigen von Luft und damit da« Auftreten von Wolken 
uml Niederschlägen uninogücb macht, in dirt'ktem ursäch- 
lichen Zusammenhang mit dom diesmal iirigi’wiihnlich harten 
Frühwinter steht. 

— Über die Halzlagcr«t,»tten der Alpen hielt 
A. .\ig31er einen Vortrag (Milt d oaturw. Ver. f. Steiermark. 
38. Heft. 1902), in welchem er die SalzlagiT von HalUUitt, 
lachl. Ausse«. Hnllein, Hall «lurcligidit und nachweist, dar« 
alle SaLzIager diettos Gebirges Id« in bodenlose Tiefe reichen, 
in w-eichor nur die unmtttenmivu Liegendgesteiu« bis beute 
noch verlM>rgen sind. Die Frag« nach dem Jlcrkomuieii uud 
der Bildung läfst «ich in drei Teile glieilem: Der gc^dogisch« 
ibirizoui und dasLiegeudu der alpinen Snizlager, die Bildung 
und da« Uerkoinmen im einzelnen, die Dmromiung in den 
heutigen Zustand. Was daa Lit^iide aiilangt, so sind «eit 
1850 vornehmlich zwei Ansichten vertivieu, nach welclieu 
uns(‘rc Saizlager den Wi-rfuerschiefern oder der oberen Trina 
zuzuzAhleii sind. Wahrscheinlich liegt da« Liegende der 
Salzlager etwas iilwr dem W'«rrn*T»chiefer, iiiimerlün ist e« 
nicht ausgeschbwsen. dafv in der Reihe d«r Schichten vom 
Werfnerw'hlefer aufwürt* las zum Keuper Lücken vorbanden 
sind . l>eziohutigsw'eise durch Kmer>Iou und Submeraiou die 
GlimierderSalzformatiuD erst nach der folgenden Bubmersioti 
auf den Werfnei'Hchivbten zur Ablagerung gelaiigteu. Das 
Iferkumimm der HaBiagcr ist in d«u Guhcimui««en de« un- 
endlichen Ozeans verborgen. Wie viele Steinsalxlager iiii’igen 
bei der Bildung der Forinutionen, iu welchen «io heute bereit« 
ülienill als vorktiimnend tiachgewies«» wunlon, spurlos ver- 
schwunden «ein, um wieder an einer andere» Stell« «in- 
godanipft zuui Voracheiu zu kommen. Die Fovmbilduug der 
Wreits abgelagerten SalzHcbichten läfst «ich iu zwei Momente 
zusnmmonfassen : I. Ihre rinfonnnug durch dio Ki'driiuzelung 
infolge ihrer Abkühlung. I)er seitliche osiwestliche Druck 
ist lieispielsweijio im l'k'hertithnl von HiUistHtt iu .stauneiio- 
werteti Knickuugeu zu ««heu. hi dj«*«er Periodt» iiüigeu di« 
gi'orsen Sctiolleii der Besbuidmax««n gebrochen uud dio nndereii 
Klemcnte verkittet uud zu*ammciigopr*Mst «ein. 2. Die mit 
gi-oiVn KrscliQttcruiigon verbundene eruptiv« Tliiitigkeit in 
jener Periode, wo dio Kruptivgestoiiio uutwoilcr leilweis« «hIci- 
gaiiz auf dio OlwrUiicbo drangen. 



— Die Herstellung vorgeschichtlicher Thon» 
gefal'se der Bronze- umi H a llsta 1 1 zei t i 111 «iberen 
Donaugau »childert Kdulinniii) im Vertdn mit dem H«»f- 
hnfiicriMcisier I<«hl« in Siginariiigon, als«» einem Fiiclnimnii 
(Hliitt. «I. scbw'äb. .Klhveifi«'. 14. Jahrg., l!»o2). Nacli vielen 
Vursiicheii gttlung es, G«fafs« berzusiellen, «lie sich tiii Bnii-h 





m 



Kluiuc NHcIirichleii 



v(Mi (len Origiual«ii nu« d«*» itrHhhßgehi tu iiielttA unt«r' 
»rhiedea. Au sumtlichvn wirkiii'h ulten beMei'<^n Tliongef 2 lf»«it 
f»n<l Lehle die Au/'oi’URMte aJm xletchmlir!<ii; glatie Wundune:, 
Ja faü( gliltter nU die auf der tt{)Atrreti Itreluk'heibo her* 
getteliten die luneuKeite u ar niemals so glatt. Htets 

aoigvti sich Htriobe, von Uatul und Werkzeugen herrühreud, 
immer der Kmtduug entlang, nieuial« vertikal. l>ie Her- 
stnlluiig hat man »ich etwa fuljj^udermafsen zu denken : 
Zuerst formte inan au4 Thon eine ina-»iive Cme, da« Mo- 
ü«.di, icl&ltete ex <«aul»er und liets es sodann trocknen. Hann 
überzf^ uian e?- mit einer dicken plumpen Schicht Thon, 
Liefs aberiualx hi« zu lederhart trocknen. Dann .xchnitt man 
dio üufsere Schicht Thon in zwei Haihteile durch, KVit« sie 
Itehutxam ab, umwand xie mit einer Schnur mul liofn sie 
U'oeknen. MOgUch, daf« dic9>e Korui noch gebrannt wurde. 
Wdre der Aufbau xchichtenweise guseheheu, »o hatte die 
Auf'Hnrwite derHefkfM! nie tut glatt hergestelll werden kduneu. 
IiTtiimiich i«t ferner dio Anschauung niancher Fr>r«cher. dafx 
zu den ver>chi(*deueii (lefäfien manchmal ein feinerer Thon 
als dünner, I bi» 4 in in starker Clwrzug genommen worden 
xei, der xich dann schön rot, gelb bis weif-dich gebrannt hätte. 
Yerfa-sxer kennt eine Menge Scherbtni mit diesen äurseren 
Kurilen, die alier im Bruche in der Mitte schwarz sind: brennt 
man si« in «barkerem Feuer nach, »o zeigt sich, dafs die 
tlufUfxe «tets nur aus ein und derseltien llionaorte (lurc.h und 
durch bestehen. Auch die bisherig« Aimahiue, der Thon sei 
Ixd den )H.'hwarxen tlefarsen mit einer Karlte venniHcht w(»r* 
den, Iwruht auf einem Irrtum. Lehlc machte die versohieden- 
stvn 1‘roben, bi« es ihm endlich gulaug. den Unginalon völlig 
gleiche Uefarse hurxustellen, und zwar schwarze, dann solche 
mit dem schOnen roten scheinlmren Olierzug aufAufseu- wie 
lunenseite. iin Bruche ab«>i‘ ebenfalls schwarz. J>ie schwarze 
Farbe der Gefäfse wird durch Beimengung fein pulverisierter 
Ifoizkuhle erreicht sein; diese schwarzen Kcherlam halten sich 
Stets besser konserviert. 



— Hcn Polvgonboden (Uutmarkeu), Iwsonders auf 
Kpitzl>ergeu. lieschroibt Th. Wulff (Bot Beob. in Spitzbergen, 
Lund lUO'J): es ist dies ein« für die arktischen l^äuder chsrak- 
terislist'Ue IbHlenfonuation, welche samt ihrer Vegetation in 
d«*h pi1aozcnge<Jgr3kphiiM.‘heD llandbücheru mei.'^tent mit Still* 
iMihweigeu illtergaiigeo wird, tiber di« Lokalitäten schreibt 
Wulff: I>n, wo die Bdrhe sich im Frühling über die Kbene 
ausgierMU), setzt sich ein üb«i*mis feiner i^-hlamm ab. Be- 
Konders in der TUalörfnung hveiteti sich diese aus feinstem 
rotbraunen bcUlamm gebildeten Kl>euun aus; auf diesen aus 
dem feiukörnigsten bomogeueti Krusiousinnterial busteheuden 
Kbcneii bildet sich der Polygonboden aus. Ut das Schiuelz- 
wasser wieder in sein normales Bach- iHlor Flufsliett zurück* 
getreten, lieginnt der B»duu zu trocknen, er wird härter, 
komimkter, steifer; schroitet die Kiutrocknung weiter vor, so 
kau» der Boden «nch nicht weiter zusammenzichon, ohne dafs 
die Kohäsion zwischen seinen Farükein überwunden wird. 
Iiaoge Trurkenriss« entstehen, die sich dernrt kreuzen, dafs 
drei itiase mit fast mathematischer Genauigkeit in einem 
l^uiikt« Zusammentreffen. IH« dabei entstehenden Polygone 
sind meist fünf- Ins sech^wkig. iMe ersten Polygone sind 
stets sehr gnifs. Verfaaser sah deren, welch« bis zu *JOin iu 
den Feiten nutfson. Si’lireitet die Eintrocknung wieder weiter 
vor, so gehen von den bereits fertigen Htrslinien neue aus. 
Welch« diui zuerst gebildete Polygon in immer kleinere zer* 
(tewbhn)ich hört dies« Polygoublldung auf, wenn die 
Ki'iUMi der jüngsten auf 2 bis 3 cm herabgesunken sind. Der 
Ibxleii ist dann glatt wie eine Diele und so hart, dals irmn 
auf ihm gehen kann, ohne die geringste Spur zu Itiotcriasnen. 
Ihi dies« l(irssys(i<uie sich oft ohne Unterbrechung auf einer 
Flärhe von muhrsU'Cu tjuailratkiloiiietern erstrecken, zeigt der 
IbHieii ein iui hi'ichsten Mafse eigentüiidiches Aussehen. Bei 
der nä('h«tru Frulilingsdut wird nun ein Teil wieder über* 
M-hv(einmi, und der Vorgang beginnt vuu neuem. Durch das 
stetig aligelagerto Krosion'imnterial erhebt sich aber die Kbene 
mit der Zeit, und di« Frühjnhrswasser verm<>geD nicht mehr 
auf si« l.eriiberzustn'imeu. Nun erweitern sich die Hisse stetig, 
und die W,'etMtion kann beginnen Fufs zu fassen. Zuerst 
dringen Flochten von den Kanb'ii der Kirae immer weiter in 
das Innere der Polygone vor, der rotbraune Farbentnn des 
I,e]imes wird von niedrigen, plattgedrückteii Flechten Hcbrilt 
für Schritt besiedelt. Dann erscheinen einzeln« klein« Moose, 
bis letztere immer zahlreicher und üppiger werden. Dazwi* 
scheu siedeln sich bald isolierte, weit auseinaiider auftretendc 
höhere Piianzeii nu, wie PotenGlla pulchellu, ('erHstium aipi- 
nuui , Sil^if^tga. Jindm, Sileue u. s. w. Später setzt (Jie 
l^•In^wuide ein, in Geiucinsrliaft mit ihr sucht Saxifraga 



upiHwitifolia L. var. reptans Terrain zu eroltern, und L»ul<i 
erscheint der ganze Boden als ein vtuTtweigi«* 8palierwe*»‘h 
dieser Pdanzen, das hier und da kleine Inseln einer noch 
fort vegetierenden Flechtenvegetaliou eiuschliefst. Im L.iuf»* 
der Zeit wird dann aus der lialixvegetntion «ine Dry»*- un«l 
Andrumedabeidc, später haben wir Andurssonstüfmark , ilon 
Blüteubudeo mit vielerlei Arten vor uns. während aiider* 
wärta an gew-b^xen Stellen des Ptdygonbndens, wo stllistoheucid 
seicht« WaBserunsammlungen den Sommer hindurch sich 
haJleu, der für Spitzbergen »o charakteristische SuinpflKMle*n 
sich bildet. 

— In den Mitteilungen der lliurgauer Naturfoi»cheiid«st» 
OesellM'haft (lieft i:>) giebt Dr. <'l. Hefs einige Bemerkung«.*!» 
ülier die Gewitter in der Schweiz und die Gewdtterztif,^ 
im Thurgau. Die Grumliag« dazu liot das Material der 
Kchw'eixer Mete-'mlogischen Zentralanstalt, besonders die Iso- 
brontenkartcu und zugehörigen Besi'breilningeu. Die Jahre 
IHP 2 bi« 1900 wurden statisliMch nach verschiedenen Richtungen 
hin bearbeitet, um die zeitliche Verteiluug (tägliche und jähr- 
liche Periode), »«wie di« örGiche Zugriehtung der Gewitter 
festzustellen. J>etztore führte auf «ino Anzahl Uauptstrufseti, 
auf denen die uinzeluem Gewitter zum Teil bis 300 kni weit 
verfolgt werden konnten. Von dimen Gewitterziigeu werden 
dann im zweiten Teil nnchmalB «jiezieU di« den KanUm Thur- 
gau Wruhreiiden genauer verfolgt und zum Schlufs kurz auf 
den Ziixauiraenlmiig hiiigewieseo, der zwischen der l^tge aüic» 
Ort.s zu resp. auf einer stark froi|Dentierien Gewitterstrafse 
und der jährlichoti NiederscUlngMumm« dieses t>rts Iteateht. 

— Herr Fr. Weygold sendet der Uedaküou als Krgan- 
zuug zu «einem Aufsätze (s. Nr. 1) folgeud«n Nachtrag: 

Naclidttiii der Verfasser das Manuskript des uhigeu Auf- 
satzes nebst den Illustrationen an den Herausgeber dioaer 
ZuiUchrift abgesandt hatte, brniorkte «r unmittelbar vi*r 
seiner Abreise au einem ungewöhnlich hellen Vormittag auf 
dem Original bei der Figur des Büffels (Fig. Kj »ufserst 
schwach«, aber für ein scharfes Auge bei guter Beleuchtung 
deutlich wahniehmhar« rote Farlxsspuren, welche, den I>ar* 

; Stellungen auf den s]kät«ren Cyklcu des Batti.ste Uood genau 
! entsprechend , das Blut andeuten, welches d«m verwundeten 
Büffel aus dem Maul« strömt. Der r*te Farhdiv:k auf der 
helleren Knliulter des Tieren würile dann hier wie dort das 
Blut der Pfeilwunde bedeuten. 

Die Figur de« Büffels in dieser Form weist somit nach 
der Ansicht dt** Verfassers uiiverkeonlmr auf den Inhalt der 
späteren C>kl«n des Battiste Gtsid hin; zunächst auf den 
zweiuit), welcher von einer mythischen ItüffeljHgd lierivlitet. 

Bei dem zweiten t'yklus ist die Jagd di« llau]>idar*tel- 
lang, (jbur der Figur des verwundeten htier«« sind ITeife 
und Osten angedeutet mit Bezug auf di« Preihuunyth« iiu 
ersten (.'yklus . woiche den Anfang der Zeitret'huuus der 
Dakota bezeichnet. 

Bei dem Z<dt ist ••ffenbar umgekehrt die Damtelhiiig der 
Pfeif anmythe di« Huupt.sacbe und di« Büffeljagd nur 
durch die Figur des verwundeten Stiere« angedeutet. Die 
Beiter auf dem Zeh halH*» mit dieser -lagd nicthts zu thuo, 
da keiner derselben mit einer eigentlichen Jagdwaffe ver- 
sehen ist. 

Dafs die Fn.ssuug der Mythe, welche der DanteHuiig auf 
dem Zelte zu Grumh* liegt, umfangreicher war als die uns 
bekannte. ergi«bi sich aus den Figuren der Kraniche (Fig. A 
und (’) und der Hasen (Iwi 1>) und es ist wahrscheinlich, 
dafs jene Fassung nicht mit dem Verschwind«« der wcifsen 
Büflelkub, «indem mit einer Büffeljagd schlufs, wie das auch 
die letzten Worte der oben wiedergegebeneo Fassung möglich 
und natürlich ersebeinen lassen. Es liegt also hier vermutlich 
«ine V'erbiudung dos Inhalts der ersten beiden Cykicii de* 
Biittist« Go«hJ vor. 

Die Darstellung der welfsen Büffelkuh könnt« aus Grün- 
den religiöser Scheu untcrblielieii sein, wie das Ihiiwey in 
einem Ähnlichen Falle lM*«diachtete. 

Dafs sich in d(*r Darstellung der Pfcifenniythe auf dem 
Zette Pferde »otilnden, ist vom Slandpunkto de* Kattistc 
G(X)d MUS ein .\uachronismiis, da dieser das Krscheinen des 
ursprünglich in Amerika nicht eitihcirnispheii ITcrdw auf «in»* 
viel spätere iVniHlu verwaist. 

Ks «rgiebt sich auch liicfaus, dafs di« iwiden hier mit 
einander vurglichunen Bcis|Hele alter indianischer Bilderschrift 
nicht unmittclliar voneinander alihiingig sind. Es sind ver- 
mutlich zwei ganz selbntaodigu und deshalb wohl in zwei 
verschiedenen Siiuixstäiiimcn entstandene Aufreichniingcii 
«iu und d«nien>en alten Ül>erliefermig. 



Verautwurll. Ucdaklcur: Prüf. Dr. II. Andre«, ltmims> hweig, KalienieLertlior-Pretueüsd« 1 3. — Dru>k: FrieJr. Vieweg u. Sulm, Braun>h-hw«ig. 



GLOBUS. 

ILLUSTRIl'RTE ZKITSCllRllT FOK l..\NDER- UND VÖLKERKUNDE 

VEREIMIGT MIT DEN ZEITSCHHIFTEH : „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HERAIISr.EBF.R: Pnol'. !>«. R. ANDREE. -»:;:«*• VERI.ACi von KRIEUR. VIEWEfl t SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. ii. BRAUNSCHWEIG. 19. März 1903. 

KMlitlruvIi nar Mch CVet«1nkuDft mit der V«rl*gih»iuiluii0 ge«l»Uet. 



Kleinasien als Wiege der wissenschaftlichen Erdkunde. 

Von S. Ru^e. 

I. 



Auf (lotu iutornatianaicMi Googrnpheutug« zu liorlin 
18911 hui Herr Rtttzol duruuf iiufmerkHam ffemachi, <l»fa 
h«i jedem Lande vor allem, eh« man an die Kiuzel« 
Schilderung gehe, die geugruphisch« Lage auf das 
htpvljmoiteBt« charakleriaiert wenle. Gewifs eine durch* 
aus berechtigte Forderung, die in geographischen Hund* 
und lAehrbücbern auch schon mehrfach berQckaichtigt 
wurde. Mit Recht bezeichnete Ratzel die Lage als die 
grötate und zugleich nücbstliegeiide und greifban*ttj 
geographische Kigenschaft (Verhandluugen 11. 932) um) 
wAhltt» als erUuterndes Detapiel Griechenland, ^^t^age 
ich nach der geogmphiHchen Ltge von Griechenland, so 
erhalte ich die verschiedenaten Antw(»rten: Griechenland 
Hegt im Mitteimeer oder, GriecUeulsud liegt auf der 
llalkaDhaibinsel oder, (iriechenland liegt örtlich von 
Italien uud westlich von der TurkeL Das Gröfete, waa 
vor ullem ausgesprochen werden sollte, wird übersehen: 
Die l^ige auf der Krdkugel, in der ^iie. zu den Krd* 
teilen und Meeren. Man kann von Griechenland nicht» 
grofseres sagen als: hh liegt am auraersten Südostrande 
Kuropa», im üstlicheu Mittclmeer gegmi Asien zu. Damit 
Ut sein Klima, seine kulturlicbe Übergangs* und 
V^ormiitlerKtelluug, alter auch sein politisches 
Verhhngnia bezeichnet, tiriechenlands Lago ist keine 
reiu europähicbe mehr, solidem das Land hat eine euro* 
püiscli'iiNiatiscbe Zwischettlagc. 

Das politiNche VerhAngnia Imdeutet aber nichts 
anderes al» die Geschichte des l^andcs. Damit soll aber 
nicht ausgesprochen aeln. dafs aus der liSge mit Not- 
wendigkeit die Geschichte des Landes und N'olkes so 
verlaufen inufKte. wie sie verlaufen ist; sondern nur, 
diiFs die Geschichte so verlaufen konnte, dafs die 
Lage um einfachsten und deutUchshu) die Geschichte de» 
Landes erklärt. 

Die geschichtliche Kntwickeluug eines Izftudes Itedarf 
alter noch eines durchaus sclhständigeu Faktors, das ist 
das Volk, das im Lande wohnt. Durch das Volk be* 
kommt das I^and seine Iledeiitung. So tritt zu dem 
Moment der reinen physischen Geographie, das in der 
i.age liegt, ein {»olitUcb geographischer Geeiclitapunki. 
Uud wie es ganz natürlich ist, dafs wdr in der Länder- 
kunde bei der Schilderung der gcNchicbtlich bervor- 
ragendt'ii Krdstriche länger verweilen, als bei der ge- 
schichtsloaen, ebenso mag bei den wichtigeren Jjludem 
zu der Forderung einer schärferen Bestimmung ihrer 
liUge auch noch die kurze aber treffende Charak- 
teristik der Bedeutung eines Landes zur Kiu- 
OlobuN i.XXXUl. Nr. U. 



füiirung in die Kinzelbetrachtnng nie dringend er- 
wünscht erscheinen. Denn auch dieser Gesichtspunkt 
iat bisher zu wenig heaolitet , meistens aber gar nicht 
berücksichtigt. 

Hin Beispiel dafür ist Kleinasien, (is ist dn.» 

Gegenstück von Griechenland. Ratzels Worte lassen 
sich mit wenig Veränderungen wiederholen, wenn mau 
die Lage Kleinaaicns bezeichnen will: „Ks liegt tm 

AuUersten Westen Asiens, im östlichen Gebiet des Mitlel- 
lueeres gegen Europa zu.** Die Lage ist nicht mehr 
rein asiatisch, Kleinasicn bat eine usiatiacb'eurupäische 
Zwiachenlage. Man kann noch hinznfügen: Kleitmsien 
bildet die Brücke von Asien narb Europa, wie Syrien 
die Brücke von Asien nach Afrika. Wie auf einer 
Brücke lebhafter Menschen verkehr int, wo die Izeiite 
nicht stehen bleilnen dürfeu — so können sieb auf einer 
lÄnderbrücke Vitlker nicht dauernd sefähaft machen. 

Weder Syrien noch Kleinnsien kann daueriidr .Staaten- 
gebüde im Laufe der ganzen Geschichte aufweisen; wohl 
aber vielfache Völkermiscbungen und VölkerrcKte und 
mannigfache, aber nicht uinheitlicho Kulturherde. 

Diese Gesichtspunkte der allgemein ge.scbichtlichen 
Entwickelung sollten bei jedem wichtigen Lande nicht 
unbeachtet bleiben. Oh das bisher geschehen ist, mag 
zum Teil wenigstens aua dem Ergebnis ersichtlich 
werden, da« ich hier aus Wahrnehmungen in einem Teil 
der wichtigsten Hand- und Lehrbücher der Erdkunde 
vorlege. Ich will hier zugleich nix'li tiuf ein Gegenstück 
aufmerksam machen, auf Italien, da.» iin Mittelalter 
eine ähnliche lk*d«utuug für die tjitwickeluiig der Goo* 
graphie und Kartographie gehabt bat, wie Kleiiiasieii in 
alter Xeit. Es wäre entschieden ein Fehler, eine l.ücke 
in der Ilarstellung, wenn geogniphische Hand- und Lehr- 
bücher nichts zu lienchteii wüfsten von iler .tusbildiiiig 
des italieuisehcn SHcweaeiis im Mittelalter, von der Bv- 
mitzung des Kompasse.» auf der See, von den ülH>r- 
raschenden l/oistungen dt>r Kartographen, die zuerst von 
den iJindern atu Mitteluieer eine richtige rmrifszeichnunt; 
zu geben verstanden, und wenn man endlich die grolscn 
l^and- und Secreisenden wie Marcii Polo, Columbus, 

Vespueci u. a. nicht der Erwähnung wert hielte. Etwa» 
ferner mag es schon lieireii, darauf hiuzuweiseu, dafs 
alle Secstaaten: Frankreich, Spanien, Portugal und 
England, bei den ersten Versuchen, eine Kriegsflotte zu 
scbafl’eii, italienische Kapitäne an die Spitze Uirer Marine 
stellten uud dafs bis ins 16. Jahrhuiulert in allen den 
gcnannitui Staaten Italiener entwe^ier die eilten KnI- 

. )y Google 




S. Uligu: Kleiiiut^ieii alt Wieg« der wi«Keii9cliaftitcheii Krdkiiiiile. 



U«(i 

deckungsfahrten leiteten oder trcnig'^ten» begleiteten und 
beschrieben. So rolumbn.« in Sjmnien, radanxioto, 
Autüuio da Kuli und Vospucci in Pürtiigal. Verrazzunu 
in Frankreitdi, GiovaDni Cnboto in Knglaiid und IMgii- 
fetta für die entte Krdumsegelimg. Aber leider werden 
wir uns durch den Augeuscheiu üborzcugen müssen, 
dalsi trotz llamboldt, Ritter und l'esrhel von der Ge- 
si'bicbte der Krdkuude in den geogrnphisckcii Haud- 
bOchern noch wenig zu spüren ist und dafs es selbst 
bei den berufenen Vertretern der geographischen Wissen- 
schaft noch violfarh in dieser Ib?ziehung hapert. 

Ich beginne mm meine Musterung mit dem ersten 
bedeutenden Werke Karl Ritters „l)ie bxtlkuiKU* im 
VerhÄltnift zur Natur um! zur Geschichte des Menschen“. 
Berlin 1817 und |H18. Leider ist ila« Werk unvollendet, 
denn es enthält mir Afrika und .\sien und von Asien 
fehlt einzig und allein Kleiruasieii. Statt einer Fortsetzung 
erschien von 1x22 au eine bedeutend erweiterte Auf- 
lage, tlie Afrika in einem Bande erledigte und für 
Asien 19 Bäu<le erforderte. Ua Ritter auf die Welt- 
stellung eine» I^ande-^ ein Wsonderes Gewicht legte, so 
ist um so mehr zu iKKlatiern, dnfii ln der ersten .Auflage 
gerade Kleioasien fehlt. 

l'nti ein merkwürdiges Verhängnis ist es, dufs auch 
in der 2. Auflage, an der Kitter unermüdlich bis zu 
seinem T<Hle iXfiU arbeitete, einzig und allein von ganz 
Aalen die Weatküsto von Kleinasien unbearbeitet blieb; 
und gerade auf der Westküste liegt für nnaere Be- 
trachtungeo der Schwerpunkt. KleinuMieu sollte nach 
Ritters Plan in drei Bänden von je lOCK) Seiten abge- 
handelt wcnleu. Zwei Bände sind noch ersebiunnn, der 
drittu nicht mehr. Da aber stdbsiverstiliidlich diu all- 
gemeine Übersicht im ersten Bande gegeWii werden 
mufste. au können wir hier auch Augaliou über die Lage 
und Bedeutung Khdnasiena erwarten. .Aber gleich in 
den einleitenden Worten vertröstet uns «1er Verfasser 
auf das Schlufswort des ganzen Werkes. „Dann erst, 
wenn auf diesem Gebiete die ganze Summe der Er- 
fabruuguu der hier seit Jabrtuusenduu zusunimen- 
ströiuenden , . . Völkerschaften . . . sich im wissen* 
acbaftUch geordiietun Ziisiimmcnhuuge . . . überschauen 
läfst, wird die ganze tiefere Bedeutung auch dieser 
inlischen Planeteustelle, in Beziehung auf . . . den 
grutsartigen Kntwickelungsgang der Geschichte 
der Menschheit klarer als zuvor hervorleuchtcn 
können.“ Ks wird also hier ganz sichtlich auf das hin- 
gewiesen, was wir suchen. .Alu^r leider fehlt die Dar- 
legung; nur gelegentlich fällt noch eininul die Beiuerkung, 
dnfs Kleinasien die Brücke vom Orient zum Occident 
bildet. 

Ich kehre nun in den .Anfang des lf>. .lahrhunderts 
zurück. 

Keinerlei Andeulmig über Kleiiiasien in dem ge- 
dachten Sinne findet sich in Steins llutidbuch der 
Geographie und Statistik, I.eipzig 1820, 4. Auflaf^\ 
Band 3. .Auch Blanc. liundUucb des Wissenswürdigstcii 
aus der Natur und Geschichte der Erde und ihrer liu- 
wohner gieht im 2. Bnnde zwar einen Abrifs der älteren 
Geschichte Italiens, ferner eine Ges^diichtu der bildenden 
Küustu und der Musik, aber «hifs die Italiener auch in 
der Geographie hervorrageiides geleistet halmn, scheint 
er nicht gewufst zu haben. Ebenso suchen wir im 
3. Bande 1X4 1 vergeblich bei Kleinasien, ßnden zwar 
auf .3 Seit<'U einen ('burblick über die ulti're Gescbichte, 
aber die griecbl<«eben Kolonieun gar nicht erwähnt; denn 
«liese sind — inerkwärdigerwtdse — • sidioii Band 2, 
S. 462 bis 467 im AnscUlufs an Gru*cbuulnud behandelt. 
Da begegnen wir auch den Namen berühmter Dichter und 
Schriftsteller wie llom<‘r, Ilesiu<l, Auukreoii, Hvru<lu(, 



Dionys von IlaHkarnafs, auch Auaximander von Milet 
ist genannt; aber die Beziehung zu bestimmten Wissen- 
sclmfteii fehlt. 

Gar keine Andeutung ßndet sich in Balbia allgemeiner 
F.rdbescbruibung, Pest 1842, Band 2. Ebenso findet sich 
in Daniels Ilandbucb der Geographie, Halle 1850, Band 1 
zwar etwas Geschichte; aber whh wir auchen. diu Welt* 
Stellung Kleinasiens und seine Bi^duutuug für die Ge- 
schichte der Ertlkunde, bleibt im Dunkel; de.Hgluicben 
Klöden, Handbuch «ler Länder- und Staateukunde. 
Berlin 1X67, 2. Auflage, weder bei Italien norli bei 
Kleinasien; desgleichen Sievers, .Aaieii, Leipzig 1892 
und P. Lehmann, Länder- und Völkerkunde, Band 2, 
Neudamm o. .1. (1001). H. Eitzner giubt in seiner 
kur/gefufsten Wirischaftsgeographie von Anatolien 
(Berlin 1002) nicht einmal die Lage KleinasietiH im 
Sinne RalzviU an. 

Ein einziges Werk im ganzen 19. Jahrhundert, soweit 
ich die Litteriitur huhu zur Hand gehabt, macht eine 
.AtistmhDie und das Ut die gedtegeiiu Benrlieitung de« 
alten Stein.schen Handbuches durch Wappäiis unter 
Mitwirkung mehrerer Gelehrter, lii dieser 7. .Auflage 
t I^eipzig 1864 ) ist Asien von Brauer und Flath benrlieitet. 
liier tat weuigsiens, S. .x3.3, diu WeiUtelliing Kleina.siens 
charakterisiert: nDurcIi ihre eigentümliche Weltlage an 
der Grenze zwischen dum AlM»nd- und .Mfwgunlandu hat 
die Halhiusel in alten Tagen eine grofse Betleut ung für 
die l'.ntwickelung der Menschheit gehabt; sie wirtl sie im 
I^aufe der Zeit iu verstärktem Maisu wtedurgewinnen, 
wenn erst iu Betreff der Verkehrswege eine Aiis- 
gleichmig stattgefunden, ilie gesittete Welt des westlichen 
Europas ihr Angesicht und ihre Strebsamkeit wieder 
gen Morgen gerichtet und den Bann dee Islam iiml des 
Türkentums durch geistigen Kreuzzug gelöst hüben 
wird. Kleinasien ist und bleibt die Brücke zwischen 
dem Abend- und Morgenlande und ihm darf diu Be- 
stiminiiDg zuerkanut werden, dafs es zwischen .Asien und 
Europa vermittele, wie Deutschland zwischen <lem öst- 
lichen und westlichen, dem nördlichen und südlichen 
Europa.“ 

Mit prophetischem Blick siebt der VorfusiHur eine Zeit 
für die Belebung Kloinasien.s anhreeben und zwar durch 
.tnbahnung neuer Verkehrswege. E..s liegt darin ein 
umuittulbarer Hinwei!« auf die durch deutschen Uuter- 
uehmungsgeist begonnenu Bagdadhaiin und wir können 
also die Propbczeihimg auf unsere Tage beziehen. — Die 
Weltlage i.>*t also treffend geschildert, die Bedeutung für 
die Ertlkunde, die aber aus der Lago bervorging, fehlt 
noch. Ihr wollen wir jetzt näher treten. 

Griechenland und Kloinasien liegen, nach der Aus- 
drucksweise Karl Ritters, im Maximum d<tr Anuäberung 
zweier Erdteile. Zwischen iMuden Ländern breitet sich 
ein vielguglludertes Mc4*r aus, «la« mit seinen zahlreichen 
Berginneln den letzten Brückenbogen zwischen .tsiim und 
; Europa schlägt. Alle Lämler rings um das .Ägüische 
Meer herum .tind hohe BerglAiider; offene ’niallHMleii sinil 
j sidtcü; die Bevölkerung wird vor allem tlie Küsten Ih‘- 
I siedeln und mufs, wenn Neigung und Befähigung zum 
StN'wesen vorhanden ist, von <ler S«‘e angezogen werden. 
Denn wo man sich auch auf den Hohen des PVstlandes 
heßndeii mag, überall tauchen, nah und fern, Iii«elhöhen 
aus den Fluten auf und locken aufs Muer hinaus. Und 
man iimg .«ich im Grtcchi.scheii .WcLipel beßndcu wo 
man will, irgend wo ragen wieder die lichthliiuen Ei- 
liindc über dem tiefdunkelii Wasser auf uud bringen 
den abenteuermleii Schiffer, der sie aufsii<dit, endlich ans 
asiatische Gugengustade. l’iiteruehmungslustig, Itdebt- 
beweglicb, voll Phantasie, die herrliche Natur poetisch 
zu Verklären, mufstu ein Volk, das irgend an diese Küsten 




m 



8. Ku{(c: Kleiiittsieri ul« Wip);e der wissun*chiiftHchen Krdkutide. 



niif Muiuen frühen Wanderungen gelangti bald auch 
üUcrall bin über das Wasser »eine Fahrten unternehmen 
und sowohl die Inseln als die Festlniidsränder besiedeln, 
hies Volk waren die (iriechen. Man kann ihnen nicht 
nacbrUhtueu, weder dats sie sehr «efshuft, uocb dafs aie 
sehr sittsam gewesen wären. Ks war ihnen nur wohl 
iwi Tollor Freiheit und Freizügigkeit. Und das Meer 
bot ihnen die beste tielegenheit, sich in ihrer Welt um- 
zusehen. Fühlten sie sich irgend wo beengt, bedrängt, 
in der Freiheit bedroht, dann waren sie glmch bereit, 
ihre Heimat, ihre Stadt preis zu geben, mit Weib und 
Kind, mit Hab und Hut zu ScbiR zu geben und anderswo 
eine neue Heimat zu gewinnen, eine neue Stadt zu 
gründen. So w'tireu also die (friecbcu niemals mit ihren 
Aiisiedeiiingeu gleicbniftfsig über das l>aiid verbreitet; 
eine gleichmäfsige Voiksdichiigkuit hat es nie gegeben. 
Vorwiegend waren die Griechen ein Kaudvulk. See- 
anwohner. 

^Weseutlich ein Küstenvolk» waren die Hellenen über 
weite KiUteDsäume gebreitet, eine dünne Menschen- 
krume überall auf barbarischem Untergrund obur- 
flachlioh gelagert,“ (Gervinus, Geschichte de» 15b Jahrh., 
5, 111.) 

Dufs Griechenland seine ersten Dewohner von Norden 
her erhalten hat» scheint auf Gruud der bisborigeii 
Forschungen festzustchen. Aber es war nicht eine 
einmalige Wanderung und Bosiedtdung, Hondern nach 
langen /eiträumeii folgtun unden* Volksstnumie nach. 
Hie letzte dieser für die Ausbreitung über See und die 
(tründung von l’SaiizsUtdton besonders wichtige Vülker- 
verscliiobung war die sogenannte dorische Wan- 
derung, die man neuerdings etwa um» Jahr 1000 v. t'br. 
ausctzt. iKirch sie wurden griechische Stämme vor- 
nulafst zunächst, nach der Westküste Kleinasien» binül>er 
zu gehen; denn diese Seite der asiatischen Halbinsel bot 
entschieden die meisten Vorteile für eine gedeihliche 
Kutwickidung der Autiedolungeii. Hu» inuere, bis zu 
1200 m ansteigende Hochland Kleinasiens. da» an der 
Nordküste von prachtvollen aber wenig wegsameti 
Waldgebirgen umsäuint ist und nur ganz vereinzelt 
ebenes Küstenvurland besitzt und das iui Süden von 
luächtigcQ Gebirgsmusseii und schwer zugänglichen, von 
kahlen Schluchten zerrisHeiie Fobgebirgo erffillt oder 
durch Hochgubirge wie den Tauru» von dem beifsen 
üppigen Küstenlande geschieden ist, lockte zunächst 
weniger aU diu WuHtsoite, wo das viulfnch von vul- 
kaiibchcn l^fassen durchbrochene Hochland stapelweise 
gegen die Küste sich Miukt und ahbricht, so duU die 
meisten Fiufsthäler eich nach Westen richten und öffnen, 
im Mündungsgebiet fruchtbare .\Uuvioueu geschaßun 
haben und an der durch Inseln bereicherten scbüii ge- 
gliederten Küst« am ehesten an das Bild der heimat- 
lichen Knsteii in Griechenliind erinnerten. So iiahiucn 
denn die Aolier vom nördlichen Teile dieser Küste 
Besitz und dehnten ihre Ansiedelungen vom Helie»{>ont 
bis gegen Smyrna nu«; ihnen folgten in der Mitte die 
innier mit der bluheiidsteu aller Kolouieen. MUct, und 
den äufsersteii Süden von Halikamafs bis Khodo» be- 
setzten die Hörer. Im Laufe der Zeit aber dehnten 
»ich diu .Vnsiedclungeii auch an der Nordseitw bis Trajw- , 
zunt und an der Südseite bi» nach (’ilicien und ('jpern | 
uu». 

Von den Küsten drang man dann an geeigneten 
stellen, namentlich den Flufsthälern folgend, wo diese 
nicht au» engen Schluchten bestanden, sondern zugäng- 
lich waren, in» Binnenland. 

BugÜii'<tigi wunlu diese Besiedelung dadurch, daf» 
Kleina.»ien niemab einen einheitlichen grölservii SUiat 
bildcio; denn in den GcbirgHländem an der Künte saften i 



I 



seit ältester Zeit diu vursehiedeuurtigstuii Volksstämmc: 
Tnmnier, -Semiten, Arier und da» Innere war durch die 
Salzwüstu um den Tuz tschöllü vollHtändig in einen 
Osten untl Westen geschieden. 

So gab 08 zunächst im WeHton, der diu (iriecheii 
zumebt angiug, in älterer Zeit nur oinen giufserun Staat, 
da» I^ydtsche Iteich mit »einem weitberülimten Königin 
Krösus. Aber mit diesom Bcichu wutstun »ich die 
Griechen »o leidlich zu stellen. Anders guHtaitetcii »ich 
die Verhältnisse, ab der Begründer de» Perserreicb» 
ganz Kleinasien unterwarf und auch da» Ljdbehe Reich 
bezw'ang. Ha sahen »ich manche Koloniabtädte in ihren 
Freiheiten bedroht, ihre Bewohner verlief«»! die Küste 
Kleinapieiiff wieder und eroberten »ich eine neue Heimat 
in Süditaliuii oder Sicilicn oder gingen gar bi» zur Süd- 
kütite Frankreichs vor. Städte, die der Persermacht zu 
irotaum wagten, wtu Milet, wurden zerstört. Aber dio 
Peraermacht brach »chon in dem Siegeszuge Alezander» 
des Grofseu zusammen und nun erb]übt«u griechische 
Staaten, wie Bithynieii und Pergau)on im westlichen 
Kleina»ien und das Syrische Reich im Osten. .\her dio 
griechische Kultur butte auch da» ganze I>aud durch- 
drungen und so hinlite griechische Kunst noch bi» in 
die Zeit der Römerherrachaft fort. 

So war durch die Natur des Ijande» und die Ge- 
schichte eine grötaore Buwoglichkeit uud Vielauitigkeit 
der Berührungen und Beziebungun zu anderen Völkern 
gorado d«n kleinaHiatischen (iriccheii lujschiuden. Ha- 
dureh wird auch der Au»»pruch IKigo Bergers (Ge»ch. 
d. wiss. Erdkunde bei d. Grtecben I, 17) erklärlich, daf» 
diu Kntfaltung geographischer Kenntnisse bei 
den Griechen Kleinasien» geradezu unumgäng- 
lich gewaaen »oL Muu bedenke nur, daf» schon im 
Ti.fahrb. lebhafte Verbindungen mit Ägypten angeknüpft 
wurden, daf» Koläua aus Samo8 vor 63ü als erster Grieche 
bei Cadiz den Ozean keimen lernte, dafs um 600 also 
die ganze Länge du» Mittelmeere» bt>kaunt war und um 
diese Zeit auch sebou luilcrische Kolonieen am Schwarzen 
Meure angesetzt wunlan. Her Verkehr mit Ägypten 
mufste zur Kunde vom Roten Meere, diu Hnndeb- 
heziehungen der pontisebun Kolouieen auch zu Nach- 
richten vom südlichen Teil des Kaspischen Sees führen. 
Htirch die Beziehungen zum Penserreichu trat Indien 
mit dem augreuzendett Meere in den GesichtskreiH. Nach 
allen Ilimmebricbtnngen zeigte »ich hinter dem festen 
Lamlu der Spiegel eine» uiihegrcDZien WuUmeeres. 

So bildete sich also zuerst die Vorstellung eines «iio 
Imwohntcn lünder riugx umgebenden Ozean». Itur siim- 
liebe lündruck, eleu man von der Ausdehnung und Ge- 
stalt der Krde gewinnen muble, führte zunächst auf die 
Kreisform uud auf die Kreisgcstalt de» rings umfUefnenden 
Ozeans. Ha.» Wort Okeanos ist aber keiu der griechischen 
Sprache ungehörige» Wort, eio Lehnwort, dessen älteste* 
Form wülil Ogän war. Kji scheint phönizisch zu 

sein und könnte nach ältester AuffasHting »ich auf das 
Meer beziehen, das Kleiiiasien fast auf allen Seiten 
umgab. W enn phönizUche Schiffer von der a.vrischen 
Küste aus um Kleinasien herum bis nach Kolcbis fiihmi, 
hatten sie etwa drei Viertel eine» Kreiou» zurückgelcgt. 
Ha» war der ursprüngliche Okeanon. .Au» Ogäu winl 
aber liei den Griechen auch Ägaii, d. h. Agäische» Meer 
gewordou sein, ebenso wie au» dem semitischen Krob 
(der Abend) Europa gemacht wurde. Wa» .\gän und 
Kreb eigentlich bedeute, wurde später vollständig ver- 
gessen und die geschäftige Phantasie der Griechen 
schuf daraus «iueii König Ageus und eine IVinzessiu 
Europa. — Übrigen» findet, sieb die kurze Form sty- Krei» 
noch im Hebräischen, und es wäre auch denkbar, dafs 
geograplii^rh ziinfirh-t der Kreis dos Gesichtsfelde», der 



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1416 S. iiuiru: K [f'iTiuoi^ii nl» d 



Horizont und dann die KrdachoilM» oder der Hrdkrei» 
fremeint sei, daC'- mau daun hei erweitertem Horizout 
den hinter dem I^ande liegenden WeUenatrom als Ozean 
he?:eiclHiet habe. 

Am Ägäischen Meere (dem alten Ozean, so lan^e man 
das westliche Mittelmeer hiebt kannto) entwickelten »ich 
Auch von aelhat die (ief^naAtze des Morffeu* und Ahend- 
lau<)es: Asien i<<t das Land im S(»nneimnfsang. I‘>Qro|)a 
ini l'nier|?anK. Hei den (iriecUen erhielt sieb noch die 
Kunde, dals Anfänglich nur eine Wiem* an der Westküste 
Kleinasieiih mit dem Kamen Asien belegt wurden aei. 
Hann habe sich der Begriff erweitert und immer weiter 
nach Osten ausgedehnt. Und »Is der Krdteil Asien ins 
rnermcfsliebe nach Osten wuchs, so dals mutt nicht eiu* 
mal mehr eine sichere Knude Ton einem ostasiatiseben 
Ozean halte, <la erhielt das ziierat getaufte Morgtuiland 
den Namen Kleinasien. (Asia niinor.) Ihe wissen* 
schaftiiebe Anschauung hielt daher auch an der Zwei* 
teilung der (.audmassen. au der Kinteilung in zwei Krd* 
teile Kitro|ta und Asien fest. Afrika ist erst später als 
tiritter im Butide aufgeuommen. 

So erscludnen uns die ersten geographischen Auf- 
fasBungeu <ler Ionier in Kleinatfien. Wie im Mittel* 
alter in Genua und Venedig die geographischen W'iauen* 
Schäften und kartographischen Kütiate blühten, »o im 
Alicrlum in Milet. Darum finden wir hier uehen dem 
Bemühen, ein richtige» oder klare* W’elthihl zu gewinnen, 
auch die ersten Ver»uche, du* Weltbild zu entwerfen, 
eine W'eltkarte zu zeichDeii. Ich gebe hier zunächst nur 
eine OberHtebt der ganzen Kntwickclung und werde dann 
uoch die hervorragendsten Männer charakterisieren. Mit 
der Krweiterung de* räumlichen Horizont» durch l^and* 
und Seereisen mntste «ich auch die Vorstellimg von den 
(ie»tirneii und dem Verhältnis der Krde zu ihnen klären. 
Auch diesen Wandel bat die iouische Wi«»eni<ehaft be* 
gönnen. 

Zu einer W eltkarte gehört aber mich eine Welt- 
l)e*chreihung. Die erste »tiimmt au» Milet. Aber al» 
|irakii«cbe Seeleute liedurfteu die Milesier vor allem 
Häfen- und Küetenbeschreibuug, al«o Segelanwei«UDgen 
für die Schilfer. „Umfahrten*^, nannten die 

Griechen solche Hamlbttcher. Ziiervt gaben -sie die 
Kntferimngen nur nach TuguHfahrteii un, h]«o ganz roh 
und zwar uu deu Küaten hin, und die Richtung der 
Fahrt nur nach den Haupthiromel»ricfatungen. Dann 
folgte mit .Abschmüdung der kleineren Buchteu, al»o von 
Kü.stenvi»r«pning zu KftateiivorHprung die Kntfennmgs- 
anguhe. in Stadien zu 600 Htti»che FuD (nler 164,8 m 
gerechnet, und »chlief^liidi folgte die direkte Fahrt von 
Hafen zu Hafen über die hohe See. I>iese IVripluse 
wMirden uimnterbrocheu verbessert, mit Zm>(iltz«‘U ver- 
sehen und liefen .Inbrhunderte lang noch unter dem 
Namen de« ersten Verfasser» oder sie wur<leu für einzelne 
Meer« von jüngeren (ielebrten neu bearl>eitet. l'berall 
»teilen duliei die kleinusiatiacbeii Griechen in erster Keiiie. 
ihre i.eistiiugen gingen auch im frühen .^Iittelalt«^ nicht 
verloren uml gaben »eit dem 13. Jahrhundert den 
italienischen Kartographen die Alittel au die Haud, ihre 
vortrefflichen PortolaDkarteii zu entwerfen. Kin Portolan 
iüt nicht» andere» nt« die SegelHliwei»ung (aler der alte 
iVriplu». 

Die ältuite Vorstellung der Knie aN einer Scheibe 
wurde aber Hcbon hu 5. .lalirhiindert erHrhüttert, wenn 
auch nicht auf oinmal beseitigt. Den Anntuf» gab ein 
kh‘iimi.iutischer Grieche, doch ist e» iingewifs, ob Pytha- 
goras »elhüt oder erat »eine Schüler. Mit der .Annahme 
«ler Kugelgestalt der Krde war aller auch <lie (4elire 
von den versebiedenen IlimmelH* und Krdzoneii ver- 
bunden und damit eine verstitiidni^volleri' Ih^obucbtuiig 



er w iflsenaehnftliehru Krdkund«. 



der kliuiattsclum Krsebeinungun. Wieilcr ein Kluituu-iatc, 
Hippokrate», legte zuerst deu hjufiuls de» Klima« auf 
die körperliche und geistige Kntwickelung de» Menschen 
dar. 

I War almr die fxde eine Kugel, dann batte sie auch 
einen ganz be^Gmmten Umfaug und war nicht uncnü]tc}i, 
wie die ältere ionische Schule lehrte. Dann mufate »ich 
der Umfang auch ines»en la»8«ii. Den ersten Ver»ucb 
in dieser Richtung schreibt mau dem Kiidoxu» aus 
Kiiidit» zu. Selbst die Achaendrehung der Krde wurde 
»ebun vor Alexander» de» GroDen Zeit gelehrt. Doch 
bildet die Zeit de.» groDen makedoniacheu König» auch 
einen wichtigen Ab»chtiiit in der weiteren Kntwickelung 
der Krdktinde. Kiemal» im Altertum war der irdische 
Horizont »o mächtig in kurzer Zeit erweitert. Der 
forschende Blick mehte von Thule im Kortlwc»teii (Shel* 
landim-eln oder Sttdn<irwegeii) bi» nach Indien im Süd* 
u.»ten. Auf Befehl .Mexander» wurdo der Indi»che Ozean 
vom Indus bla zum Kupbrat, und aoeb da» Kaspische 
Meer in seinem südlichen Teile erfor»chK Ihirch die 
gewaUigen Krfolge de» Königs im fernen Asien wurde 
sein Gefolge in einen fönnlichen Tainnel versetzt, das 
Ungewöhnliche, was »Io sahen und was sie erlebten, in 
Sobilderungen und Berichten noch weiter in» Ungemeine, 
ins Märchenhafte zu übertreiben, so daf» die späteren 
Geographen eine schwierige Arbeit vor »ich baiteu, wenn 
sie an die Beschreibung Indiens gingen. Sehr bezeichnend 
sind die Äufserungen Strabo», die er der Beschreibung 
de» I^ande* TorausHchickt (S. 685). 

„Über Indien mufs man uu» mit Nachsicht anhören. 
Denn es int da» entlegenste Land und nicht viele der 
Unserigen crblickion cs; aber auch die e* erblickten, 
sahen mir einige Teile davon, da» Meiste erzählen »ie 
mir vom Hörensagen, und was sie »ahen, haben sie blot» 
beim Vorüberziehen im Kriege und gleichsam im Fluge 
wabrgenommen. Daher berichten sie nicht einmal das- 
selbe von denselben Gugenständeu. Kiner widerspricht 
dem Anderen. Wenn »ie nnn schon über das Gosebeiic 
»o von einander abweichen, was soll mau von dem blofs 
Gehörten halten V . . 

„Dafs freilich Alexander, von »o grofseiu Glücke anf- 
gebläht. solchen Krzähhingen Glaulien schenkte, i*t 
natürlich . . .** 

„Als Alexander eineu gewistMoi Felsen Aonius, deaseii 
Fuf» der Indus nahe bei «einen Quellen bespült, durch 
einen «nuzigeii .Angriff erobert hatte, sagte man prahlenil, 
Herkules habe diesen Felaen dreimal bealünut und sei 
dreimal zuriickgeaohlagen worden. Abkömmlinge der 
Teiluebmer »eine* Kriegszuges aber seien die .^ibä, die 
als Zeichen ihrer .Abstammung die Sitte bewahrten. Felle 
umzubängen, wie Herkules, Keulen zu tragen*^ u. ». w. . . . 

IHe»e Sagen sind nur von Ale.xander» Scbmeichlem 
erdichtet. 

Um dieselbe Zeit rif» bei den Makeduuiern auch die 
Unsitte ein, die Namen der Flüsse und Berge willkürlich 
zu verändern, mler durch selbsterdnchte zu ersetzen. 
So nennt (tnerikritos, der Oherpilot Alexander», zuerst 
die Insel Ceylon Taproliane, wähnmd »ie im Indischen 
Tnmrapani hiefN. 

Die geographische Willkür der Griechen ist in nnsereu 
Tagen ganz besonders durch die Kiiglander weiter ge* 
führt, 80 dafs in keinem Lande die Verwilderung der 
OrtHimmen so schlimm ist aU in Indien. Und die guten 

, Deutacben folgen getreulich nach; nur H. Kiepert hat 
»icli in seinen .Atlanten mannhaft dagi>gen gtiwebrt. 

Der geographische Taumel zur Zeit Alexander» 
wicHlerbülte sich noch einmal im Zeitalter <ler grofsen 
Kntdeckiingen. (•oluinbiis fahndete in Westindien auf 
Sirenen, die Fonquintadoren Südamerika* suchten den 



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ä. Rüge: Kleinasien aU Wiege der wiisentchaftlieheii Krdkamlo. 



Goldkduig oder glaubteu aiu Maruuon leibhaftige Aioh- 
zooen gefunden zu haben. Auch in den alten Fol»eD> 
bauten Nordmcxikoe, in den ('aaaa grnndea, sollten 
märchenhaft reiche Goldlünder Tcrborgeu sein. 

Aber dioeon SchattenHeitun einer grofüen Zeit atanden 
auch glftuzeude Lichter gegenüber. iat schon darauf 
hingewiosen, dafs der Krweiierung dea Honzonts auf der 
Erde, oder dem W achsen des Lurchmessers der bekannten 
Welt, immer ein tieferes Eindringen in die HimmelsrAume 
entspricht. Wenu nun schon vor Alexander die Kugel- 
gestalt der Erde Wkannt war und zu Alexanders Zeit 
der Umfang bereits annähernd richtig auf .300 000 Stadien 
bemessen war, und wenn einige Gclebrte selbst die 
Achsendrubuiig der Erde verkündeten, dann mufste in* 
folge der bedeutenden Erweiterung der Ökumene unter 
Alexander bald auch der letzte Schritt möglich werden, 
der kk'de ihre richtige Stellung im NVeltonrauiue anzu- 
weisen und zu lehren, dats sie sich um die Sonne 
bewege. Liesen Schritt wagte im 3. Jahrhundert 
Tor Ehr. Aristareb von Samos, alim wieder ein kieln- 
aaiaiiseber Grieche. Las Altertum lehnte seine Lehre 
ab, es wurden sogar Stimmen laut, weiche die I.,ehr« 
Aristarchs für gottlos erklärten. Er erfuhr dasselbe 
Schicksal wie Koperuikus. Und stand nicht dieser 
Thomer .\stronom genau ho mitten in der grotsen Zeit 
der Entdeckungen de» 16. Jahrhunderte und hatte die 
erste Kjrdumsegelung mit erlebt, genau wie Aristarch dem 
Zeitalter Alexanders angehört V Und wie 100 Jahre nach 
KoperuikuH Kepler die Gesetze der Plauetcnbeweguug 
festatellte, so trat 100 Jahre nach AristArch der gröfste 
Astronom des Altertums, Hipparch aus Nikaa in 
llithynien, auf. 

Nur eine wiuhtigo kartographische l^istuug scheint 
lange auf sich warten gelassen zu haben: Die Herstellung 
eines (ilobus, eines Fa^balls. .Allein, wenn kaum noch 
der vierte Teil der Erdoberfläche bekannt war, was sollte 
da ein Globus nützenV Oder es lag die Gefahr nahe, 
in den unbekannten Räumen der ErdoberflSebu seine 
l’hantasie frei walten zu lassen oder den griechischen 
Gelehrten Gelegenheit zu geben, ihrer Lust am Syste- 
matisieren ungehemmt zu folgen. Lax ist auch geschehen; 
doim der Verfertiger des ersten (rlobus im Altertum, 
Krates von Mallos iii Cilicien. der in Pergamon lehrte, 
beschenkte uns auf seinem Globus mit zwei phantAstischen 
Ringozeanen in der Richtung der MeridiHue und Lreiteu- 
parallelen. Krntes lebte um dieselbe Zeit wie Hipparch. 

ist aber merkwürdig, dafs auch der erste Globus 
der neuen Zeit, der sich erhalten hat, 1492 von 
Martin Behaim in Nürnberg gebaut ist und wenn man 
genau auf das Jahr achtet, als verfrüht erxcheineu 
muts, da er kurz vor der Entdecktiug Amerikas her- 
gestellt ist, also von der neuen W'elt n<M:h keine An- 
deutung geben konnte. Und doch ahnt man auch auf 
dem BehaimHcbon Globus keine I^ückc in der Kenntnis 
der Erdoberfläche, denn die drei bekannten Eirdteile der 
alten Welt füllen den ganzen Kaum der Globushülle in 
behäbiger Breite aus. Lie Phantasie der kartographischen 
Vorgänger Bebaims hatte auch schon ein übriges gethan. 

So treten also in der Entwickelung der Erdkunde im 
.\ltertum und in der neuen Zeit manche Annlogieen auf. 

Zwischen den beiden Entwickelungszoiten liegt das 
lOüOjäbrige Limkel des MittelalterH, wo der wertvolle 
Schatz der Erkenntnisse grofsenteUs wieder verloren ging. 

Lafs aber im Altertum gerade die asiatischen Griechen 
den llauptanteil an der raschen und glänzenden Eint- 
wickelung der Erdkunde genommen haben, wird aus den 



lt>9 

obigen Darlegungen ersicbtlicb sein. Loch soll hier noch 
nusdrücklicb betont werden, daCs auch außerhalb Kleiu- 
a.siens einzelne bedeutende griechi.srhe Geographen her- 
Tortraten. Zu ihnen sind zu rechnen Aristoteles und 
sein Schüler Dikäarch, in Athen wirkend, wenn auch 
nicht Ton dort stammend, ferner Eiratusthenes aus 
Kyrene und Ptolemäus in Ägypten. 

Leu ganzen Schatz des geographischen ^VisfleDH über- 
; lieferte uns aber, wenn auch nicht immer mit vollem 
^ Verständnis, Strabo aus Amasnia in Puntus, der letzte 
grofse besclireibeiido Geograph, und wieder ein Klein- 
' osiato. 

Ich habe bisher nur in grofsen Zügen die E)nt- 
wickelung der griecbiBchen l')rdkunde vorgaführt, muls 
nun aber noch die wiehtigsteu der alten Erdboachreiber 
nach ihrer Anciennetät berücksichtigen. IHe ganze 
Schar der kleinasiatischen Geographen mag über 40 
betragen. 

Schon E'rHtoflthenes hat im 3. .Tahrhundert vor Chr. 
in seinem leider nicht erhaltenen geographischen Werke 
, den Anazimander von Milet als den l'hilosophen be- 
zeichnet, von dem diu wisseuschaftlichu EIrdkuude ihren 
Anfang nehme. Anazimander, ein Schüler des Thalea, 
ist etwa um 610 vor ('br. geboren. La von seinen 
Schriften sich nichts erhalten hat, so lafst sich auch 
nicht genau mehr futiUtellen, was er selbst und wax 
seine nächsten Schüler gelehrt haben. Man stellt« sich 
, die Knie als einen t’ylinderahschnitt, also als Scheibe 
vor, deren Eibene sich in gleicher Lage mit dem Äquator 
der Weltkugel befand. Später neigte sich die Krdsebeibe 
nach Süden, was durch die stärkere Elinwirkung der 
Sonne für das organische Leben auf der EIrde von grofser 
Wichtigkeit war. Denn nun erst trat durch Verdunstung 
des alles bedeckenden Meeres eine runde Erdiusel aus 
dem Wasser hervor. Ringsum flofs der Ozean, al>er von 
ihm drang das Weltln<^er in das Innere der Elrdinsel ein 
und diese.B Mitteimeer schied die Imwohnbare Erde in 
‘ zwei EIrdteile Asien und Eluropa. So lehrte die ionische 
1 Wi.xsenschaft, während der weltkundige Seemann in 
praklischutn Sinne bald drei Erdteile Asien, Europa 
; und Libyen unterschied. 

j Griechenland lag natürlich in der Mitto der Erdinsel 
und Delphi bildete den Mittelpunkt; wie aber sonst das 
> alte Kartenhild den Verlauf dar Küsten vorführte, läfst 
sich nicht mehr erkennen. Doch steht sicher fest, dafs 
’ die beiden wichtigsten EHeroente, um eine Karte zu 
entwerfen, nämlich die Richtung und Entfernung 
zwischen zwei Kostenpunkten, von den Schiflern fnih- 
I zeitig, wenn auch noch ungenau, beubuchtei wurden, 
j Schon im Homer, in der Odyssee, werden diese Elemente 
mehrfach erwähnt. So heifst Buch IV, Yens 389, „dafs 
er genau dir sagte die Fahrt und die Länge des 
1 Wege» (ödoi* xal Ferner X, 539 „welcher 

I genau dir verkündet die Fahrt und die Mafs« dos 
^ Wege»“, So übersetzt Donner, während Vofa beide Male 
I „die Fuhrt und die Mafse des Weges** setzt. 

Eis waren also zu Homers Zetten (Homer als Kollektiv- 
name) diu Eiemente eines PeripIuH bereits vorhandon; 
denn das vielgestaltige Muer erieiehterte gerade am 
t Mitteimeer sehr die Unirifszeichnung der Karte. ln 
I dieser Beziehung sagt Strabo, S. 120: „.Am meisten aber 
j zeichnet und g^*nUltet die See das Land, ind(‘m lie 
I Busen, hohes .Sleer und Meerongeti bildet, ingleichen 
; auch Landengen, Halbinseln und Vorgebirg«*. Dabei 
helfen aber auch die Ströme und (rebirge . . ., wovon 
die geogrnphische Karte voll isi.** 



OUbu* LXXXIII. Nr. 11. 



22 




170 Prof. Wilhelm Sievera: Zur St'hreibweiee 

I 

Zur SrhreibireUe der Orts* und StammosnAmen 
in Südamerika. ' 

Von Prof. Wilhelm Sievora. Ciefseu. ^ 

! 

IHe Kthnologen haben »eit einiger Zeit «ino neue 
Schreibweise Ihr die Statmuesnumeii der südaiuerikani* 
sehen Indianer einf^eführt. Sie geht von der VurBchie* 
deuheit der Sebreibvreisu eines und desselben Stammes^ 
namens in verschiedenen Sprachen aus, z. H. Houeuu- 
jennus in frauzu-iiscber, Rucuyeiine in deutscher Sprache, 
angeblich auch von der verschiedenartigen Schreibweise 
solcher Stämme, die an der Grenze portugiesischen und 
S{>alli^chen Sprachgebietes, oder in beiden zugleich 
sitzen. Hierfür halie ich jedoeh nicht ein einziges Ueispiel i 
finden können. Aufserdem aber kommt hinzu, dafs | 
man die wirkliche Aussprache auch in der Schreibweise 
wiederzugeben sucht So füllen z. Lb die Ibichstal>en C 
und t'h in der neuen Schroibart ganz vrog. Hie Mataco 
der Spanier werden Matako, die Cblriguano Tschiriguano, 
die Quito Kito, die Mojo Moscbu(Mu 2 o)guschriebi‘n. Aufser* 
dem wird in allen Fällen das s de.^ Plurals weggelassen, wie 
die eben angeführten Worte im Gegensatz zu der früher 
üblichen Art Matacos, Chiriguanos, Quitos, Mojos zu 
schreiben, zeigen. 

Man könnt« sagen , diese Veränderung der bisher 
üblichen Weise »ei nicht so l)edmiteiid, daTs sie nicht von 
den Goographun im Interesse einer einUeitlicheu Schreib- 
weise ohne weiteres angenommen wenlen konnte. Als 
ick jedoch bei der Vorbereitung des neuen Pandes »Süd- 
amerika** meiner Länderkunde vor die Aufgabe gestellt 
wurde, die Schreibart der Namen der Indianerstämme 
für Südamerika festzuatellen, int mir eine Keihe von 
iledenken gekommen, die mich veranlafst haben, hier 
und da von der neuen Schreibweise der Kthnologen nb- 
zuweicben. Da diese Bedenken zum Teil prinzipieller 
Natur und für da» Verhältnis der Geographie zur Kthno- 
logie nicht ohne Wichtigkeit sind, so will ich sie hier 
erörtern. 

Die nahen Beziehungen zwischen Geographie und 
Ethnologie vermögen nicht über die Tbatsaohe binweg- 
zutäuschen, dals der Geograph stets in erster Linie den 
Krdraum, auf dem ein Volk lebt, der Ethnologe aber 
das Volk selbst zu betrachten und za untersuchen bat. 
Die für den Geographen wichtigsten Objekte sind daher 
nicht die Stämme selbst, sondern die von ihnen bewohn- 
ten Landschaften. Daraus ergiebt sich, dafs ein Orts- 
name für den Geographen wichtiger sein luuFs als ein 
Stammesname, für den Ethnologen aber gerade im Ge- 
genteil der Stammesnamo von gröl?«erer Uedeutong ist 
als der Ortsname. 

Wendet mau dieses Prinzip auf Südamerika an, so 
wird man zu seiner Befriedignng gewahr, dafs sehr viel- 
fach Stammes* und (trtsnainen zuaammenfallei). So 
heifseii mehrere Hauptstädte Südamerikas nach Indianer- 
Ntänimei), wie Quito, Bogota, Caracas, und zahllos sind 
die Ortsnamen, welche einfach den Namen eines vor 
längerer oder kürzerer /eit ausgestorbenen Stammes be- 
wahrt haben. Für die mir persönlich vertrauten l^änder 
Venezuela und ('olomhia mache ich mich anheiscliig, 
hunderte solcher Namen in kurzer Zeit zusaminenzu- 
■tellen. Ich verweise der Kürze halber auf meinen An- 
fang dazu für di« Kordillere von Merida <) und auf 
Codazzis Atlas von Venezuela, Taf. 3. 

Hierbei ergiebt sieb bereits die erste Schwierigkeit 
zwischen Geographie und Ethnologie, wenigstens der 
neuesten Hichtung der letzteren. Viele Ortsnamen fäh- 

Die Kordillere von Merida, S. 2D*. 



r Orts- und StammesnanieD in Südamerika. 

ren das Plural -s, da sie aus Genitiven entstanden sind, 
wie Santiago de Leon, de los Cariicas, Timotes, Mucu- 
chies, Ackaguaa, Cbaguaramas, Atures, Maipures in 
Venezuela, aber auch in anderen Staaten. Ich erinnere 
an Yuriniaguas, Omagiias, Urarinas, Iquitos, Baures oder 
Conceivao de Baures, Guarajus oder San Antonio de 
Guarajus. Auch die feststehenden Landschaftsnamen 
haben das Plural -s wie die I^lanos de Mojos. Llanos de 
Cbb^uitos, Llanos de Guarayos. Ebenso führen Flüsse 
das Plural *s, weil eie von den IndianersUmmen ihren 
Namen erhalten kaben, wie der Baures, der Uaupes oder 
Wanpes, derApaparis, derAbaeaxis. Solange die Ethno- 
logen nun die Staihmesnameu ebenfalls mit dem Plural -s 
schrieben, bestand keine Schwierigkeit, seitdem sie al>er 
nicht mehr von den Uaupäa, sondern von den Uaupe- 
Indlanern reden, ist ein Gegensatz zwischen dem Stam- 
mesnamen und dem Flufs-, also Ortinamen entstanden. 
Die Annahmeder neuen Schreibweise der Ethnologen müfste 
schlielslich dazu führen, den Hios Uaupes und Haures die 
Nomen Uaupä und Bauru zu geben, die Landschaften 
zwischen Mamore und (tuapore Llanos de Mojo (Moscho), 
Llanos de Guarnyo und Llanos de Chiquito (Tschikito) 
zu nennen und womöglich Ortschaften , wie Iquitos, Yuri- 
maguus, Achaguas, ja Caracas und Atures, in Ikito, 
Yurimagua, Atnehagua, Karäka und Atnre umzutaufen. 

Dabei kommen nun aber als widersprechende Mo- 
muute das durch das Alter von Jahrhunderten geheiligt« 
Bestehen dieser tlrtsnamen und die Gesetze der spa- 
nischen und portugiesischen Sprache hinzu. Osteres 
verbietet eine Änderung ebeuso, wie es die willkürliche 
Änderung grofser Mengen deutscher Ortsnamen nicht 
gestatten würde, letzteres kommt besonders für einige 
Stammesnamen in Betracht, die aus dem Spanischen 
oder Portugiesischeu abgeleitet sind. Dahin gehören 
z. B. die Orejones, die Motilones und die Botooudos, 
deren Name freilich ganz in Botokuden germanisiert 
worden ist. Wollte man diese Namen nach der Scha- 
blone behandeln, atao das i’lural-s nach der neuesten 
Schreibart der Ethnologen streichen, so würde man der 
Sprache Gewalt anthun und sprachliche Monstra schaf- 
fen, Dämlich <irejone und Motilone. Die Namen kommen 
aber von Orejon, I.angohr, und Motilon, (teseborener. 
Will man also die Stämme in der Einzahl nennen, so 
können sie nur Orejon und Motilon beifsen. 

HoSentlirh wird gegen derartige aus dem Spanischen 
abgeleitete Namen nicht in oben angeführter Weise ge- 
sündigt. 

Die zweite Schwierigkeit besteht in der neuerdings 
geübten Krsetznng des c durch k. Ganz neue Stammes- 
nameii, die erst in den letzten Jahrzehnten bekannt ge- 
worden sind, wie Karayä, Kamayurn, Kadiueu, Kain- 
gung, Kaiuguä, Kustenaü, Mehinakü, wird auch die 
Geographie ohne weiteres übernehmen können. Nicht 
BO einfach liegt die Sache aber bei älteren Staiumes- 
namen. die schon so lange bekannt waren, dafs Orts- 
namen nach ihnen gegeben worden sind. So besitzen 
wir eine Serra Cayapo, besser Cayapö, deren Name von 
dem Stamme der (’ayapit stammt. Die neuere Eihou- 
logie schreibt jedoch Kayapb im Auschluls an die oben 
genannten Namen. Man würde als Geograph auch sehr 
wohl Kayapi't schreiben können, wenn nicht die Serra 
('uyapV bestände. Soll man nun das Gebirge mit C, 
den Volksstamm mit K schreiben? Dazu kann ich mich 
als Geograph nicht verstehen, da der Name (’ayapb der 
ältere, seit laugem für die genannte Wasserscheide und 
Höbenzug eingebürgerte und für den Geographen wich- 
tigere als der Stammosnarae ist. Noch weniger berech- 
tigt dürfte der Ersatz der Schreibart Cayapo durch 




Hugo Raup: Keiaon auf der Insel Nias bei Sumatra. 



171 



Kayapö für den Höheozug sein, schon weil in der por> 
tngieaiacben Sprache kein K ▼orkonirat, der Ortananie 
Serra da (.'aya|M) aber durch den Vorsatz Serra da zu 
einem portngiesiachen wird. 

Ähnlich liegen diu IHuge bei dem Eraatz des Cli 
durch Tsch und des Qu durch K. Wenn man mit der 
neueren Ethnologie statt t'hiriguano Tachiriguano, statt ^ 
Cbarrua Tscbarrua, sbitt ('hibcha Tschibtscha schreibt, : 
so möfste man folgerichtig auch andere Namen mitXsch | 
beginnen lassen, also statt Cbaco Tschako, statt Chile | 
Tachile, statt Chachupoyas TBchatscha{H>yas, statt t'hiriqoi 1 
Tachiriki schreiben. Elbenso erscheint es mir Tom Stand- | 
punkt der (reograpbie aus unmöglich, die Stadt Quito im ] 



Auschluls an den Stammesnamen Kito mit K zu schrei- 
ben, ebenso wenig aber lul&ssig, die Stadt mit Qu, den 
Stammeanamc'D mit K ansofangen. Wollten wir die 
Ethnologie hier maNgebend ^ein lassen, so würde bald 
konsequenterweise auch Ikike statt Iquique, Kiljota statt 
Quillota, Kaktscbikel statt Cakchiquel, Kenikea statt 
Queniquea, Kilindanja statt Quilindaiia zu fordern sein. 

Wohin würden wir aber kommen, wenn diese neue 
etfanoJogisrbe Schreibweise auf geographische Namen an- 
gewendet würde? Ohne Zweifel zur Tuliigen Verwirrung. 
Darum Hchetot es mir nur da möglich, dem neuen System 
der Ethnologen zu folgen, wo nicht ältere, seit Jahr- 
hunderten gebräuchliche Ortsnamen ihm entgegenstehen. 



Reisen auf der Insel Nias bei Sumatra. 



Von Hugo U a ap. 

Die Originale Bänitlicher Abbildungen befinden sich im Städtiseben Museum su Braunsohweig. 

II, (Schlnfs.) 



2. Süd-Nias. 

Nach dem Besuche Ton HUi Madjajan blieb ich un- 
ge^hr 14 Tage in liunung Situli, um die Vorbereitungen 
zu treffen für eine Reise nach Sfld-Ntas, mit der ich 
eine Umscbiflung der ganzen Insel rerltinden wollte. 
Ein kleines Fahrzeug, das ich von den Butuinselu mit- 
gebrarht hatte, wurde reisefertig gemacht, ein anderes 
grufsorus, welches ich gemietet hatte, mit den nötigen 
Vorräten 'versehen. Die Leitung des kleineren Bootes 
öberuabm ich solbsi. während mein Mandur (Führer der 
Leute) die Oberaufsicht über das gröfsere führte. So 
wurde die Reise am 18. September angetroten. Koch 
an demselben Tage gingen wir bei Homene an der 
Ostküste vor Anker, einer gemischt malaiisch-niassischen 
Ansiedelung, in der sich auch eine Missionsstatiou be- 
findet. Am Morgen des 20. wurde die Weiterreise bei 
prachtvollem Wetter aiigetreten. Erste Station war ! 
Ctunung Limbu, eine malaiische .4 nsiedelong. denn die 
niassischen Dörfer befinden sich ausnahmslos landein- 
wärts. 

Wir fuhren hier den kleinen Flufs eine Viertelstunde 
weit aufwärts und gewannen so einen sehr günstigen 
Ankerplatz. Da wir uns hier einige Zeit aufhalteu 
wollten, wurde am Ufer ein Zelt errichtet. Fan fürch- 
terlicher Sturm indessen, verbunden mit schweren Regen- 
güssen, die ein übertreten des Flusses über seine Ffer 
zur Folge batten, zwimgen mich, Dordlich von (iunuug 
Limbu in den Busch einzudringen, um dort ein solides 
W'aldhauH zu bauen. Doch dieser Versuch seheiterte 
vollständig, da nirgends ein für den Bau günstiges Ge- 
lände zu finden war. Am 27. versuchte ich das lliuter- 
laud zu erreichen. Ich wurde dazu ermutigt durch die 
Aussage der Kingeborenen, dafs sich in den Bergen 
grutso Mengen von Kohlen fänden, von denen man mir 
anch eine minderwertige Frohe gezeigt batte. Die un- 
aufhurlichen Kc^eugüsse hatten aber die Wege derartig 
aufgeweicht, dats ich am Abend das Eindringen in das 
Uintorland aufgebeu und mich mit dem Gedanken 
trösten mufste, von der W’eatseite der Insel die betreffen- 
den Orte bequemer eireichen zu können. Hora und 
Fauna der hier betretenen Landstriche sind ganz uner- 
heblich, die Gegend ist durchweg öde und kahl. 

In Guuung Limbu hatte ich Gelegenheit, den sehr 
urwüchsigen Brückenbau dor Niasser kennen zu ler- 
nen. Ziemlich breite Sobluchten überbrUckt man eiu- 



1 fach durch einen langen Rotangstrick, oder aber, wenn 
I die Verhältnisse es gestatten, durch nicht zu starke 
I Baumstämme. Hin etwas höher gespannter Rotang dient 
I als Geländer. Über diese Brücken, deren Überschreiten 
I dem Europäer Schwierigkeiten bereitet, schreiten die 
* Eingeborenen mit schweren Lasten ohne sonderliche 
j Mühe hinweg. 

! In Bezug auf die gesellscbaftlicben Verhältnisse in 
I den Ortschaften bei Gunuug Limbu macht sich der über- 
I gang von Süd- zu Nord-Nias bemerkbar. Der Häupt- 
I ling fängt hier schon au, mehr die Rolle des Tyrannen 
I zu spielen, im Gegensatz zu den Uerrscheni im nördlichen 
I Teile der InseL Auch die Bauart der Häuser, wie die 
! ganze Anlage des Dorfes bildet ein Mittelding zwischen 
den betreffenden Einrichtungen des Nordens und Südens. 

Der allgemeine landschaftliche Eindruck im südlichen 
Innern des fjandes ist ziemlich derselbe, wie ich ihn auf 
dem Wege nach dem HUi Madjaian schilderte. Nur 
zeigt das Küstengebiet dieses auf der Grenze zwischen 
Nord- und Süd-Nias gelegenen Landstriches etwas an- 
dere Formationen. IHrekt am Meeresatrande zieht sich 
ein achmalor Streifen prachtvoUer Casuarüien (C. muri- 
cata) hin, dem nach innen zu ein mehr oder weniger 
trockener breiter W'ieHeiistreifen folgt, hinter dem erst 
der anmpfige, mit vielen Wasseradern durchzogene Bu&oh 
beginnt, ln dum letzturuu halten sich Maasen wilder 
Schweine, sowie viele Karbauen (Büffel) und Hirsche auf; 
auch wird hier eiu Zworghirsch (Napu genannt) nicht 
selten angetroffeii. Im.'^cblamm fertigt sich eine Krabbe 
Baue von grufsem Umfang. Auch traf ich hier einige 
für Nias seltene Vc^el in grofsen Mengen, so einen vor- 
sichtigen, schwer zu erreichenden Strandläufer, den 
meine Malaüen „Bebeck laut“ (See-Ente) nannten. Die 
abgestorbenen Bäume waren durch eine in gndsen Men- 
^ gen vorkommende Papageieuart bevölkert, und als Lands- 
mann konnte Ich unsere gewöhnliche Saatkrähe be- 
I grüfsen. 

I Am 18. Oktober gelang es uns, und zwar bei pracht- 
vollem Moudeiischeiu, von Gunuiig Limbu aus südlich 
in See zu gehen, so dafs wir am nächsten Morgen die 
UeisQ nach Teluk Dalam fortsetzen konnten. Schon 
5Vs Ühr abends lag das Kap von Teluk Dalam am 
Südende von Nias dicht vor uns, doch hinderte uns ein 
Unwetter einzulaufen. So lange es die Beleuchtung ge- 
stattete, versuchten wir da» Schiff zu voraukoru, der 
hohe Seegang indes rifs das Fahrzeug immer wieder los. 



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172 



Raap: Raisen auf dar Iniel Nia« hei Sumatra. 



Um nicht auf die KorallenbÄnko aufzuJaufen, fuhrou wir ; 
wicHler in die offene See, bin «ich endlich um 10 Uhr 
abendM der Wind nach der enij^ofreugesetzten Richtung 
drehte. Allmählich legte »ich du» Unwetter, der Mond 
schien klar, und nach einigem Lavieren fuhren wir 
gegen 2 Uhr uiorgcua in die Bucht von Telnk l)alam ein. 

I)cr Häuptling de» Ortes war »chun vorher von mei- 
ner Ankunft benachrichtigt worden und empfing mich 
noch an demselben Morgen mit mebroron in vollem 
Kriegsücbmuck prangenden Kriegern, von denen einer 
die holUndi»che Flagge trug. Ich hatte nicht viel Sinn 
för seine Höfiichkeitt<bezmigUDgen, »o lange da» grofse 
Schiff, auf dem sich mein Mandur mit dem Ȋmflicheu 
Gepäck befand, noch nicht eingelaufun war. K» hatte 
eine schwere Fahrt durchztimuchen gehabt und war in 
die See zwtachen Sumatra und den Batuinseln veraohlagen 
wollen. .\m Morgen »tatiete mir der greise Häuptling 
wieder in Begleitung mehrerer Krieger einen Besuch ab, 
üheireichte mir 10 HQhner und sprach dann den Wunsch 
auH, meine Schiffe zu besichtigen, wa» ich ihm natürlich 
gern gestattete. Ich besclienktc ihn mit Glasperlen, 
bunten Glaaknöpfen und Tabak. Im Laufe de» Nach- 
mittag» machte ich ihm einen Gegenbesuch iu Begleitung 
seiner beiden Söhne und eines «einer Unterthanen, der 
die hulländiHche Flagge voraustnig. Meine javanische 
Begleitung hatte ihr Fe»tgewand angelegt, ich aelb^t 
hatte mich auch nach Möglichkeit aufgeputzt. Nach 
einer halb- bi.« dreivicrielBtündigeii Wanderung hatten 
wir da» Dorf, welches auf einem Hügel gelegen ist, er- 
reicht. 

]>ie Dörfer des südlichen Nia» ähneln einer klei- 
nen Festung. Vermittelst einer lieiter, die bei Nacht 
aufgezogen wird, gelangt mau in den Ort. Die Häuser 
»tehen eng aneinauder und bilden zti»iunmen ein Vier- 
eck. /iemlich in der Mitte der Unken Häuserreihe vom 
Kingaug aus befindet .«ich da» Haus des Häuptling». 
Der Besitzer empfing mich schon am Kingatig. Nach 
Erledigung der hurkummUcheu ('cremouioen Ul>erreich(e 
ich ihm meine Ge.^cheuke, l>e»teheml iu Stoff, MeHsiiig- 
draht und Tabak, raufste aber dafür den mir angebote- 
nen Siri (allerdings ohne Kalk) kauen. l>er hoho Herr 
»icheite mir in jeder Beziehung »eine Hülfe zu. Kr lud 
mich ein, bei ihm zu wohnen, da es doch auf dem Schiff 
zu unbequem sei. Ich lehnte da» Anerbieten dankend 
ab, äuDorte aber den Wunsch, mir im Walde ein Hau» 
zu bauen. liegrüfst« diesen Plan mit lebhafter Freude, 
hielt sich alier ander»ett» für veqiflichtel, der Unsicher- 
heit der Gegend halber eine Wache v«m 12 Kriegern zu 
»teilen, für die er pro Manu täglich einen Gulden bet 
freier BeköHtigung erhalten sollte. Mein Mandur war 
hierüber ganz entsetzt, da nach seiner Berechnung diese 
12 Krieger im stände waren, noKoren ganzen ReiHVorrat 
in 12 Tagen zu verzehren; scheinbar ging ich indesnen 
auf den Vorschlag ein. B«*im Verlaanen de» Dorfe.» be- 
»cbenkte mich der Häuptling noch mit oiner Ziege und 
Rioru. Den l'ian, ein NValdhaus zu bauen, gab ich in- 
dessen um »o eher auf, al« Fauna und Flora de» Walde.« 
mir nur wenig l->fi>lg in Ausaiebt »teilten. Ich wohnte 
daher wahrend der Dauer meine.» Aufenthaltes in Teluk 
Dalnm mit meinen Leuten auf den Schiffen, die ich 
mitten in der Bucht verankert hatte, um mich unlieh- 
sanien nächtlichen Beaueben »eiteu» de» Häuptlings und 
»einer Krieger zu entziehen. 

Hierbei mufs ich die merkwürdige That»acbe erwäh- 
nen, dats die Niasser der Schiffahrt und Fische- 
rei fast unkundig sind. Fi.sche und Krebse, die eie 
al» Nabroiigsmittel sehr hncli schätzen, werden von 
ihnoii nur l»ei Eintritt der Ebbe auf den ausgudehnteu 
Korallenbänken gesammelt. ~ Die Vogelfauua de.» Stran- 



de» überraschte mich durch ihren Artenreichtum, und 
ver»cfaiedene Vögel, die ich anderwärts nur in wenigen 
Exemplaren beobachtet halte, traf ich hier in grutson 
Mengen an. 

Nie werde ich die herrlichen Mondscheinnächte ver- 
gessen, die ich in der Bucht von Teluk I>alam verlebt 
habe. Wenn mich auch häufig die MoskitoK plagten, »o 
wurde ich doch durch da» Märchenhafte meiner Um- 
gehung und durch den Zauber der mondbeglänzien phos- 
phoreszierenden See reichlich entschädigt. 

Der t'harakter de» Lande» ist hier ein »ehr freund- 
licher. Ausgedehnte Kokuspflanzungen ziehen am Strande 
hin; ihnen »chlicfst «ich nach dem Innern des Lande» zu 
unmittelbar ein »ohöner Wald an, der jedoch »ehr wenig 
von Tieren bevölkert i»t. Die Bewohner der Ortschaften 
sind verhähni»mät»ig intelligiuite I,eute, kriegeri«ch und 
äufaerst geschickt in der Anfertigung von Waffen, Götzen- 
bUdern und Schmuckgegenständen der verschiudenbleii 
Art. 

Die vergleichsweise höhere Kultur und Kunstfertig- 
keit, die in Süd-Niae gegenüber Nord-Nias herrschen, 
zeigt sich deutlich in der ller.»telliing der Waffen, die 
äul»eräi sauber gearbeitet sind. Die malaiischen Völker 
sind ja alle gute FiseuarWiter, und so machen die Ni- 
assur keine Ausnahme. Die vielen Lanzen, die ich 
milgebracht habe (Abb. 15 ii. 16), zoiebnen eich durch 
»ehr schöne Klingen aus, eine jede ist ein individuelles 
.Arbeitsstück dea Schmiede», und nicht zwei sind gleich. 
Die Schäfte aus schwerem, braunem Holz sind durch- 
schnittlich 2 m laug und mit Rotangbinden in .\bstäudeu 
umwunden. 

Besonders bervorzuheben sind die säbelartigen 
Kriegsmosser, die auf den ersten Blick von jenen aus 
Nord-Nias zu unterscheiden sind. Nicht am Heft, der 
Klinge, wohl aber an der Scheide haben sie einen merk- 
würdigen Korb aus Rotauggefiecht. Ob er nach der 
ersten BukanuUehaft mit den alten Körben europäischer 
Degen mif»vorataiidcn nachgcbildet wurde? ist ein 
ruode», durchbrochene» Geflecht von Rotang (Abb. 17), 
da» anfangs leer, allmählich an/«einer Anfsenfläche mit 
allerlei Dingen geschmückt und versehen wird, die sämt- 
lich den Zweck haben, dem Träger der Kriegswaffe Kraft 
zu verleihen, ihn vor feiutlliehen Hieben zu schützen — 
kurz es sind Amulette der verschiedensten Art. Ich 
gehe hier (.Abb. 18, 19 u. 20) ein Kriegsmesscr, das ich 
in Fadoro erworl>en habe. Die 50 cm lange Klinge ist 
einseitig geschliffen, durch ein Me-singzwischenstück mit 
dem Griff aus braunem Holz verbuuden, welcher einen 
gut geschnitzten Tierkopf mit offenem Reichen damtellt. 
Die 6 cm breite Holz»cheide besteht aus zwei Qheruin- 
andergetegten und mit Me«»ingbämlern verbundenen 
Brettchen. Der Korb ist bei diesem Stück ausgezeich- 
net durch aufgebundene Krokodilzähne und durch ein 
Stück gegoBsenus, rosettenartig geformte» europäischen 
Glas. 

Zu der Bewaffnung der Süd-Niu«»er gehören auch 
die selbstgefertigten eisernen Helme (Abb, 21), deren 
ich mehrere erwerben konnte und die offenbar nach 
curopitischen Vorbildern gearbeitet sind, wie ja ähnliche 
Helme aus Messing auch anderweitig im ostindischen 
Archi{wl bei den iHiibgardeii der Fürsten angetroffen 
werden (Uelebes). Der Helm ist haubenfurmig, 16 cm 
hoch, au.s dünnem Eisenblech und uuteu mit Rand ver- 
sehen. Kr i.Ht schön geschmückt mit allerlei straufs- 
artigen Büschen, roten Zetigwülsten, zwei steifen roten 
Zeugstücken, die gelb und schwarz gemustert »ind, gel- 
ben Blattern (aus einer Art Bast) und einem wie Rot.»- 
schweif uussebenden Busch von schwarzen .Arengpalroen- 
fasern. 




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IHe Staatsverfftfieung ist durcbaui denpotiflcb, 
und, wie ea ao b&ufi^ zu »ein pflegt, innd auch di« Sitten 
infolgedeaflen recht grausame. IHe ioi nArdlicben Nias 
im Abaterben begriffene Sitt« des 
Kupf|agena (Koppenauelleu) «tebt 



Köpfen büngen, gelang es mir dr>ch, einen friacb ahge* 
Hchnittenen zu erhalten , der cd>eii dem Messer des Kup* 
p<>nsnellers tur Iteute geworden war. I'x stammt von 
einem Sridniasser NameuH Kulocbeta und wurde sofort 
von mir in Alkohol konserviert. Jetzt befindet sich 
dieser .geschnellt«*' Kopf im herzoglichen naturhistori* 
sehen Museum zu Hrannachweig (Abb. 22). 

Wie wenig hier der bolländiMsbe hjnflufs sich noch 
hat (ieltung Terscbiiffeu können, kann man fumiT daran 
ersehen, dafs auch der Sklavenhandel hier noch 
fortbesteht, wenn uatfirlich auch an den Hauptabsatz- 
platzen die gröfste Vorsicht dal>ei angewandt wird. Mao 
bat mir erzählt, daU ein solcher Handel in folgender 
Weise abgeschlossen wird: Kin Malaie kauft eich von 
einem ffaiiptling eine Anzahl 
Sklaven oder Kriegsgefangene und 
führt sie auf seinem Schilf bei- 
spielsweise nach den Ilatiiinseln. 
geht dann zu einem t'hineaen und 
erzählt, dafs die Leute, die auf den 



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Hugo Raap: Reisen auf der Insel Xias bei Sumatra. 



Abb. 17. Abb. \*. Abb, 1». ' 

Abb. 17. Kriegsniesser aus HUd-Nfas mH Rutangkorb an | 
der Hchelde. ~ Abb. 18. Schelde eines Kriegsmesser» | 
an» Fadorot Korb mit Kr<»kodilzfihnen gesehniflckt. — i 
Abb. 10. Krlegsniesser aus Fadoru. 



hier noch in voller Blüte. Bei jeder gröfseren Fest- 
lichkeit ist eine Anzahl erbeuteter Menschouköpfe nötig, 
und der männliche Xiasser setzt eine besondere Khre 
darin, möglichst viele 
Menschen zu erschlagen, 
um ihnen die Kopfe ab- 
zuschneiden. Habei kann 
man aber nicht behaup- 
ten, dafs er hei Krlan- 
gung dicM^r Trophäen 
itniuer besoudei^ tapfer 
vorgohe, oftmals zieht er 
cs vor, sich in deu Hiu- 
terhalt zu l«‘gen und Vor- 
übergehende meuchlings 
zu überfallen. Findet sich 
keine (ielegeiibuit, die für 
ein Fest notwendige Zahl 
Abb, so. Korb .B dfrSchrld» Kfipf'" auf dio riu« 

d«a KrIoKsmesBor» aiBFadoro ^Voi,e ,u or- 

»It Krokodllrihnrn. „u..on .in 

paar alte Sklaven daran 
glaulKtn. Herjenige, der sich im Besitze eines Kopfes be- 
findet, darf als besonderes Abzeichen seiner binweilen 
etwas zweifelhaften Ueldeutbat einen Ring um den Hals 
tragen. So sehr die Xiasser auch au deu erbeuteten 



Abb. ai. KiHeraer Hein aus SUd-Ma«. 

Inseln arbeiten wollten, ihm noch die Überfahrt schuldeten, 
z. li. .^0 (iulden pro Mann. Iler ('binese übernimmt also die 
Xiasser angeblich in seine Schuld und zahlt. I*> verkauft 
ihnen dann zu hohen Preisen Kleidungsstücke und giebt 
ihnen gelegentlich einen VorHchufs, um dem Spielteufel 
fri'dinen zu können. Kr setzt dieses Manöver so lange 
fori, bis die Scbtdd des Xias.ser» zu einer hohen Summe 
angewnch.sen ist. Ma der vereinbarte I.,ohiisatz aber ein 
»ehr geringer ist, zudem die Zin:<en für das ausgelegte 
und geleistete Kapital sehr hi>ch sind, so wächst all- 
mählich die Scbiilii so au, dafs der Mann nicht mehr 
von seinem Herrn fortkommt und sein Sklave ist. 

IHese Art vt>ii Sklavciibaudel soll auch Nord-Xiaa so 
entvölkert hallen. I>afs bei Kriegszügen Frauen und 
Kinder vom Sieger aU willkommene Beute heimgeführt 
werden, ist tinber nicht zu verwundern. 

Die Bestattung der Toten wird in der Weise 
Husgufiihrt, dafs diu Särge an bestimuite Stellen des 
Waldes getragen und dort au Bäumen aufgebängt oder 



Hugo Itaap: Iteiaen auf der Intel Niat bei Sumatra. 



176 



auf Pfähle gestellt werden. Liegen diu Orisebaftun un> 
mittelbar an der Kflste« so befindet sieb der Kegräbuis- 
platz im Husrbwerk am Strande. An oiiiigou tirteu 
sollen die Särge sogar auf die Koralleubänke gesetzt 
werden, so dufs sie mit der nächsten Flut fortgespiilt 
werden. 

Nur einmal habe ich ein Grub gesehen, wo dur Tote 
in der Krde ruhte, und zwar war dies auf dem Hüi 
Madjajan (Nord-Nias). IHe Gegenstände, die zu dem 
täglichen Gebruueh des Verstorl>en6u gehörten , werden 
in der Nähe dus Sarges aufgehängt. 

Kin Festessen, zu welcliem eine .\nzahl Schweine 
geschlachtet werden, schliefst die Trauerfeierlichkeit. Irn 
nördlichen Nias macht bei dieser Gelegenheit ein grofser 



grofseti Meugen von letztgenanntem Ort nach Atjoh 
verladuu werden, erhandeln die Chinesen anmittelbar 
von den Niassem. Bei diesem Geschäft ist der einhei* 
mische Häuptling der alleinige Vermittler, welcher Um- 
stand aber keineswegs seine Untertbaiiei) vor Übervor- 
teilung KchQtzt. .\.ls TauschstoBfe sind in SQd-Xiaa 
neben tioldstauh, aus dum diu verschiedensten Schiuuck- 
geguuständo hurgestellt werden, Krokodilhäute und -zähne, 
Tigerkralleu. HonnerkeUe und Zähne des Potwals ge- 
bräuchlich. Wenn man diese sechs Artikel in geuügon- 
den Mengen bat, so ist dafür alles in Süd-Nias käuflich. 
Was die „Donnerkeile**, uia>sUcb Lulagoi genannt, be- 
trifft, so sind es alte Steinbeile, die hier und da gefunden 
werden. Sie rühren noch ans der Steinzeit der Insel 




Abu 2'.!. Kopf des Sildalassers Kocholeta. 

Jvtxl itn HrrzoKÜchra nsturiiütorUrhcn Mu^rutn sn BrBUD*cltmei){ beiitMlIicli. 



Topf mit Arak die Runde in der Gesellschaft, von der 
jeder bemüht ist, sein möglichstes zu leisten. 

Es sei an dieser Stolle erwähnt, dafs die IläuptUngo 
der südlichen Ortschaften ihren Cnterthauen den Geuufs 
von ßrauntu'uin untersagt haben. Sie selbst fragen 
auch nicht viel danach. Der Genufs des Palmweins 
(Tüdi) steht nur der Herrscherfaniilie zu. Während 
meines ganzen Aufenthaltes in Süd-Nias hin ich nicht 
ein einziges Mal um den im uördliclieu Teile so viel ver- 
langten Sofi (Arak) angesprocheu worden. 

Der Handel, der hier im Süden g<itriebeii wird, 
kommt durch die Vermittelung eines Malaien zu stände, 
der am Strande sich eine Hütte baut, in deren Nähe er 
den Kern der Kokosmifs, die bekaimtu Kopru, trocknet. 
Von Zeit zu Zeit treffen in diesen llufetiplätzeii chinesi- 
sche Kaufleuto «lu, diu daun die Ware nach Fadang 
oder Guuung Sitoli bringen. Nur die Schweine, die in 



bar und soUun bei Gewittern mit den Blitzen vom Him- 
mel berabgeschleudert »ein. Sie gelten als heilkräftige 
.Amulette und schützen die Häuser vor Blitzschlag — 
es ist also mit ihnen der gleiche .Aberglaube wie in 
Europa mit den alten Steinbeilen verknüpft. 

.Als der Hüu]iiHng von Teluk Dalam eiusah, dal» ich 
mich von ihm nicht ausplüudcni lassen wollte, verhängte 
er über mich und meine Idente die Sperre. Selbst für 
teures Geld war es jetzt unmöglich, I^ebensmittel und 
Ethnngraphica zu erwerben. Erst nach .Anwendung 
einiger Kunstgriffe wurde die S|>mTO aufgi'hohun und 
der Handel mit den Eingeborenen wieder eröffnet. 

So konnte ich denn liefriudigt am 30. Oktober die 
Reise fortsetzen, die uns nach der südlichsten Spitze von 
Nias, nach Lagundi, brachte. Dort wurde ich am 
Strande von einer sonderbaren Gestalt begrüfst, einem 
halb zivilisierten Niaaser, <ler sich längere Zeit in Su- 



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176 



Ho^o Rftftp: R«iB 0 D auf der losol Nias bet äumaira. 



matra aufffehalten und aas dieser frdberen Glansperiode 
einen europiiscbuu Filsbut tuii roter Borte gerettet 
hatte. Kr war jetzt ein Untertban des Häuptlings von 
Fadoro, den er von der Ankunft eines .Schiffes zu be* 
oaehrichtigen hatte. Sofort nach meiner Ankunft Hefs 
ich mir an der KokospRanzung neben dem Hause des 
Malaien eine Hütte aufschlagen, da ich hier einige 
Zeit zu bleiben gedachte. Schon am Abend batte ich 
das VergnAgen, den Häuptling des gefürchteten Fadoro 
mit mehreren Kriegern begrüfaen zu können. Am näch- 
sten Vormittag schlug ich mein Warenhaus auf, und das 
Schachern begann. 

Die Frauen brachten Eier und Hühner. Für ein 
hii wurde eine Glasperle l>ezahlt, für ein Huhn gab ich 
eine Kette von solchen. Schwarze Perlen waren sehr ge- 
snobt, man gab sogar für eine bisweilen zwei YAer. Im 
Verlauf des Vormittags kündigte 
mir wildes Kriegsgebeul einen 
erneuten Besuch des nKüuigs** 
von Fadoi^o an, in dessen Be- 
gleitung sich nicht weniger als 
30 Krieger befanden, die neben 
den landesüblichen Waffen auch 
noch Feuersteingewehre trugen. 

Mir wurde unheimlich zu Mute 
bei dem Gedanken, diese 30 
hungrigen Leute abspeisen zu 
müssen. Trotzdem lud ich den 
Häuptling freundlich ein, meine 
Hütte zu besichtigen, ersuchte 
ihn aber gleichzeitig, seine 
Leute drnufseii zu lassen. Kr 
bewunderte meine Schätze, über- 
reichte mir nach Landeesitte 
eine Anzahl Siritaschen, die ich 
mit Tabak gefüllt sofort zurück- 
gmb, und sagte mir in unzwei- 
deutiger Weise, dafs er Hunger 
habe. 

Sehlietslich überreichte ich 
ihm einige Kleinigkeiten und 
verahscbicdetc ihn, um den 
Sohn de« Häuptlings von Hili 
Mntaluo zu empfangen, der 
mir seinen Besuch in weniger 
aufdringlicher Weise abstattete. 

Nach einigen Tagen wollte 
ich ihm nun den Gegenbesuch 
machen, bekam jedoch auf 
dem Wege einen so heftigen 

Malariaanfall , daf.s ich nach Hau.He getragen werden 
mufste. Ich liefs daher meinen Mandur den Weg allein 
nach Fadoro fortsetzen mit der Weisung, die üblichen 
Geschenke zu überreichen und nach Monschenscbädeln, 
die mit Kokosfasern verziert sind, Nachforschungen an- 
zustellen. Am späten Abend kehrte er zurück, ohne 
einen Schädel, wie ich ihn zu besitzen wünschte, mitzu- 
hringen, doch wollte der menschenfreiiDdlicfae Häuptling 
einen solchen — natürlich gegen hohen l»bn frisch 
herstellen lassen, auf welchen Vorschlag ich aber ver- 
zichtete, da ich ohnehin schon einen frischen Kopf 
besafs. 

Besonders merkwürdig, so erzählten meine I^ute, sei 
das Haus des Häuptlings. Der untere Rand des Ihtcbes 
war nämlich durch aufgehängte Menscbenschädel ver- 
ziert, ähnlich so, wie es in Burnou unter dun Dajaken 
der Fall ist. In Nord-Nias begnügt man sich mit 
Schweineschädeln. Zwei Tage darauf begab ich mich 
nach Hili Mntaluo, um auch dort den Besuch zu er- 




Abb. 'iit. 

Gott der Feste. Aus Hill Xatalno. 



widern. Gegen Mittag erreichte ich den FuCs des Ber- 
ges, auf dem diese schönste Ortschaft der ganzen Insel 
erbaut ist. Der Weg nach Hili Mataluo ist für uiassi- 
sehe Verhältnisse grofsartig zu neunen. Kr führt volle 
zwei Stunden durch den Wald und ist durchweg mit 
Steinen belegt. Hin und wieder sind steiuere Ruhe- 
bänke anfgestellt. Auf den Berg selbst, der sehr steil 
ansteigt, führt eine stvincrue Treppe hinauf, die im 
Falle eines Krieges leicht abgebrochen werden kann, 
ln verschiedenen Stufen sind in Reliefarheit Menschen- 
hände, -fütso und auch ganze Figtiren eingehauen; es 
sind das Denkmäler Verstorbener. Ich habe es damals 
sehr l>edauert, keinen photographischen Apparat bei der 
Hand gehabt zu haben, um den Treppenkopf photogra- 
phieren zu können. Das Dorf selbst gehört zu den 
gröfsten der Insel. Gleich rechts vom Hingang befindet 
sich ein freier Platz, auf dem 
eine grofse Halle, dasGeriebts- 
gebäude, errichtet ist. Die 
grofse Zahl der Menschen- 
schädel, welche dort aufgebängt 
waren, legte beredtes Zeugnis 
davon ah. 

Der kränkliche Häuptling 
konnte mich am Tage meiner 
Ankunft seines Gesundheits- 
zustandes wegen nicht empfau- 
gen und liefs mich bitten , im 
Hause seines Sohnes zu bleiben. 
Hier batte ich Gelegenheit, 
mich von der Geschicklichkeit 
der Bewohner in der Anferti- 
gung nützlicher Oegen.stände 
und von einem gewissen Wohl- 
stände der Herrseberfamilie zu 
überzeugen, (iern bitte ich 
noch mehr ethnographische 
(■egeustände erworben, aber 
die wirklich wertvollen Gegen- 
stände waren fast gar nicht er- 
hältlich, teils des .äberglaubens 
wogen , teils weil die Unkosten 
bei der Herstellung der Sachen 
so grots waren , dafs ich sie 
nicht bezahlen konnte. Nach 
der Herstellung irgend eines 
bessereu Gegenstandes wird 
z. B. ein Fest veranstaltet, hei 
dem mehrere Schweine ge- 
schlachtet werden. 

Trotzdem gelang es mir, hier eine Anzahl recht 
wertvoller ethnographischer Gegenstände zu erwerben. 
I>a stand im Hause dos Häuptlings „der Qott der 
Feste**, der jetzt in das Städtische Museum lu Braun- 
schweig gewandert ist (Abb. 23), eine etwas rohe Holz- 
figur, 68 cm hoch, mit roter Stoffbinde um den Kopf und 
eingesetzten boweglicben .\rmen, wie bei unseren Glieder- 
puppen. In der Rechten sohwiiigt er dun Speer, die 
Linke hält den charakteristischen Schild von Süd-Nias. 
Ih*n mächtig entwickelten Phallus deckt eine Binde von 
Kindenstofi. Die Figur hat noch eine Bartbinde und 
den Halsriug der Kopiieusneller. 

Hin zweites schönes Stück von Hili Mataluo war der 
ScbuppeulederpHuzer (Abb. 24). Unter ihm wird 
eine schwarze Stofljacke mit laugen Ärmeln getragvo, 
deren Aufschläge aus rotem Stoff mit weifsem Zickzack- 
muster sind, wie in der Abbildung zu erkennen. Der 
]*HDzer selbst besteht ans hartem, steifem Ijoder, und 
er wird am unteren Ramie durch einen Kotangstreifen 



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Kau|>: iioisen iiiif der liiwl Nian luä Sumntru. 



177 



vom Kör|)er »bdUihfiMl i<rhaJt4>n. IHo SchiiptM'ii (Narli* 
»hmiiiig alter curopHiecher S«lni])|>cnpnn 2 terV) Kitif! uiitou 
rtiml zugeKcluiiUene I«p<UrKtilcko, diu oben in einen 



früher erwähntoii l^oiinorkeile, dreieckig gestaltet, uind 
da Yerireten. Für die /citbeHliiumung de» alten Stflcku« 
Hcbeiut mir uiiie Figur am Korbu von llelang. ^'ie »teilt 




l 



i 



t 




Schlitz»chnitt de» l'anzer» eiiigelaHHcu '•itid. Dieser, 
65 rm huch, ist mit einer grauweifdichen Farbe über* 
»t riehen. 

Kiidlicii erwarb ich hier ein sicher sehr alte» Kriegs* 
iiicsser mit Korb au der Schelde, 
da» sich nicht nur durch sobönc 
Schnitzerei de» (triffe» (Abb. 25 
II. 26), sondern auch durch den 
nnchen Inhalt und bedeiitungs« 
vulleti Schmuck de» Korbes au»* 
zeichnete. Schneide und KUngu 
zeigen nichts Abweichende» von 
den früher he»chriebeneii Krieg»- 
ineNseni. I>er vortrefflich genrhei* 
tete und verzierte DHff »teilt einen 
geüffneten Tierracheii mit Zunge, 

Zflbucn und zwei nacii oben gv- 
riohteten Hauern dar. llesondpr» 
reich ist da» Kotanggeflecht de» 

Korbe» (.\hb. 27) aupgextattet und 
mit festTurknüpften .\mulcltun vur* 
sehen. Kopfe und Figuren fein 
geschnitzt nach Art der Ahnen- 
götzen, l*almhlfttter(V), zwei Tiere 
mit anfgesperrtem Rarheti (Tiger, 
die aber auf \ia» nicht vorkoiu* 
m»ti), etwa ein hallN*» Dutzend der 



Korb an der Schelde 
von Hili 



eineu Mann dar, welcher den Hahn eiucK Gewuhre» zu 
»paniieti Ncbeiut. Das Gewehr selb»t mit der hruiteii. 
runden, mit einem Kaiide verseheneii Mündung bat die 
Form der alten Doniierbricb»eii, wie »ie noch vor etwa 
200 .lahmi im Ostindi.Hcheii .\r* 
chipel benutzt wurden. 

Ich buschlof», den Tag mit 
der IlesichtiguDg eine» gröfseren 
Teile» der übrigen Häiisor und 
kehrt« erst zum .\bendus»«n in du» 
Hau» muino» Wirte» zurück. Der 
Junge „König'* hatte mir seine 
Vorritte an Hiibuern und Kiern zur 
Verfügung gestellt. Die ganze 
Familie benahm »ich »ehr zurück* 
Imltend, und mein Wirt war 
»ichtlich erfreut . ul» ich ihn er* 
»ucllU^ du» Mahl gemeinsam mit 
mir eiuzunehmen. 

Am närh»t«n .Morgen wurde ich 
von dem gi’ofHeu HAupUiug um* 
pfangen. Vor dum Hause dessel- 
l>en »tandeii drei riesige, mit 
Relief» verzierte Steindenkmüler 
j|or verstorbenen Herr«cher. Da» 
des Kriegsmesser» Hau» »ulbst i»t ein gewaltige», 
Xafalno. au» Kisenbolz gefertigte» Gcbüud«;, 






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l>r. fi. Greim: IMo A Miihlun^ Oit VHrhoriMcIioiiden WiimIo duroli dtt* l’flatizeit wplt. 



duBHOu Matt'ria] ifrörptpiiteil!« Tun duii Uautuiin^elii «tniiirat. 
Kill gewiMücrt feierlinhcf^ Gefühl beiichlich mich, nl» ich, 
nur T(»n inuineiii Maiidur und einem IHcner deti Hüupt' 
liiigs begleitet, den Saal betrat, der l«i Festliclikeiten 
bi»weiU>n ülwr 500 l'Qrsoneii zu fröhlichem Mnlile ver* 
einigt. Nach Verlaijf einer Viertelstunde erschien der 
kränkliche tfäuptling, begrüfritc mich, führit* mich im 
Sutt! herum und erklärte mir die einzelnen Gegoiixtäude 
und ihre Iledeutung, zo u. a. einen ans Holz gcKchnitte* 
nen llithn (Zeichen der Könighwürde), uiich zettgteu die 
Schoitzereien au den Wäudeu von grofzer Geschicklich- 
keit und Kunstsinn. Nachdem ich dann uicim’ GcBcimuke 
überreicht hatte, bat ich nm die »laubnis, die Rüat- 
kamrner mir atiHehen zu dürfen. Ger Häuptling lieTs 
einen Mducr Söhne rufen, und diener führte mich in das 
betreffende Haus, Hier fand ich in sauber geputztem 
Zustande eine grufse Anzahl Feuersieingewebre mit zum 
Teil eingelegt«'!! Kollmn, Juinzen der yerscbiedensteii 
Formen, ^fu8Ner mit an der Scheid« Indcatigteu Körben, 
eiserm^ und lederne Panzer, eiserne Helme u. », w. 

Mit dieMM! Ocgciistämien werden im halle eines 
Kriege« die Hewohnor von Hili Mataiuo ausgerüstet 

Uei der liesichtigung dar weiteren l'ingebung des 
Dorfes zeigte man mir auch die Grunnenanlage, «Uc mit 
eiiieni Hadeplntz yerhunden ist Männer und Frauen 
badun an verycbiudeueii Stellen , auch wird ein lietreteu 
des Fraiicnabteils von Seiten der Männer .schwer l>e- 
straft. Aus sllum, was ich in diesen Tagen gesehen 
habe, kam ich zu dem Schlüsse, dufs die Hewohner des 
tlrtes auf einer, für iiiaH-Hiacbc Verhn!tnia«e sehr hohen 
Kulturstufe stehen. Der Häuptling ist allerdings auch 



; hier wie uiidcrwärts ein I)es}>ot, der Iku seinen HichUu- 
; -Sprüchen meistenteils immer auf den eigenen V«)rteil 
I achtet 

I Am Al>end dieses ergebnisreichen l'ages kehrte ieh 
’ im iSositx« einiger weniger, aber werlToller ethnugraphi- 
sehcr Gegenstände an den Strand zurück. 

I Am 16. November nacht» trat ich die Wiüterreise an. 
I Leider erlaubte c» lueine sehr ert^chütterte Gesundheit 
{ nicht, andere Plätze des südlichen Nias zu besuchen. Da 
I ich aber doch noch nicht zurückkehren widlte, so )H*fahl 
ich, bei den Nakuinseln anzulegen, die ich nm nächsten 
Morgen früh um 6 Uhr erreichte. IHe'«e Inseln, die von 
Malaien und Niassern bewohnt werden, sind der Haupt- 
yersandplatz der auf Nias und Umgebung ge^ammolten 
Koprn. Ks soll dort jährlich von «tiesem Produkt für 
I 10000 Gulden unigesetzt werde«. Infolge ungünstiger 
i Hodenyerbällnisse ist F'loru und Fuunn ohne Utdnug, so- 
j fern man von der hier üppig gedeihenden Kokosjmlme 
ab>ieht. Kino weifse Taube mit schnurzem Schwänze 
und ebensolchen Flügelfedern, die ich auf den Patuinseln 
in grofsen Mengen nngetroffen, auf Nias aber vermiNl 
habe, fiel mir hier durch ihre Anwesenheit ouf. 

Nach dem He.inchc der Nakuinseln lieTs ich noch an 
einigen uiibcwohnU-n St(dlen des nördlichen Nias anlegen, 
bis mich endlich heftig auftretendeH Fieber uud die 
; ersten Auzcicben der Berri-Ilerriknmkheit energisch 
' zwangen, mich wieder in zivilisierte VerbältiUKse zu bc> 
I geben. 

So langte ich denn am 13. lK}Zcm)>er 1Ö07 in Gu- 
nung Situli wieder an, um bald darauf micli Padang 
(Sumatra) abzureiseii. 



Die .thhtldung der r«»rherrsrlienden M'inde durch die 
Pfinnzenwelt. 

imr« die geitamte Oiganiaiiienwelt durch die Verliältuisi!« 
des AufetithalUH>rtfl beeiriHurst wirtl, ist ein Satz, cter in der 
heutigen NaturwUsenscliaft wohl nicht mehr bes*»nder» t*e- 
wiesen zu werden braucht, ani meisten wird sich aber dieser 
Kindufs der geographischen Lage, welche sie einnehmen, an 
den Organistnen xeigon. denen die Lokooiotinuafabigkeit ab- 
geht. Hies gilt vc»r allein für die Gcfäf«pHatizon, di« frei in 
das Luftineer mgen, und sich (h^halb nicht nur an die ge<»* 
lugi«cU<*n uud die Wavserverhaltniss« ihres Stmidoris. sniiderii 
auch an die mntioherlei Verhältnisse des Luftmeers dortselbst 
aitzu(»nsAeti halien. Mit dieser Anpassung hatwn sich in 
neuerer Zeit eine gri.fscrc Anzahl Botaniker lK«<chäfiigt und 
sie in physiulngischor und biidogischer Beziehung weiter \er- 
fi>lgt; um Mt mehr ist'os zu Itegriifseii, dafs auch eiiinml «in 
(«t'itgraph es iiuterniuimt. dieat* Anpassungserscheinungen von 
seinem Standpunkt- aus zu ttetrachten. 

Prof. Krüh (Zürich) hat für seine Studie*! den hier als 
Ülierschrift angegi*benen Tit«l gewählt, d'toh geht «1er Inhalt 
der Arls-it insofern etwas über den TiUd hinaus, als im 
ersten Teil die verschiedenen anormalen W'ucltsftii-men der 
PHanzen. um dt« «s sich hierbei ja allein hamleln kann, auf- 
ge/ählt und nach ihrer Kntstchungsweise kurz beleuchtet 
w»*rden. Si» werden hier tli« Bililiitigswuisen schief wachsender 
Holzpflanzeu bosprwheti, d. h. solcher, Ud denen die ganze 
Pflanze schief steht, und auf die uriachlichen F:tkt«ireii 
/.urlickgeführt. Früh unterscheidet schief« Holzpflanzen der 
(iehatigc, die auf festem Gehänge durch einseitige Pb*M' 
lastuiig, l>ei l>ewegtfm Gehänge «lurch diesi* Bewegung ihr« 
Lage erhalten, sowie at'hiefc Ptlanzen de« Flach lamies. dii* 
tieninders durch Wiuddruck in die Hchiafe I«agH gebracht 
werden. Burch einseitige Beleucliiung isler einseitige ('b«r- 
lastiing mit Sebnoe, Linnen u. a., wjwie durch Wind können 
alN-r Hurli nur die Kronen einseitig beeiiitlurst und dn<hirrh 
die Bildung n.«ymmetriKher Knmen l>ewirkt wenlen. während 
durch Zusammenwirken von niehn^nMt dieser Faktoren ge- 
misi'hte Typen «ntHtehen. Nachdem dann noch der sogen. 
Brcbw'iichsigkeit einig« Worte gewidmet sind, wird zur Kni- 
«tehung der iMgcntlirhen Windfonnen ültergegangen. l>ie- 

*1 Jalire»t>eric]it Oer Oengraphia« h*KtUnographUrhrn tiesrllsrhsft. 
Züricii 1901 bU !90!j. bT bU Uli. 



selben werden auf zweierlei Wiudwirkungen zurückgefiihrt. 
Bas ist erstens die rein mechanische, als windseitiger Bruck, 
der aber nur dann wesentlich l>«ciutlusiM‘nd erscheint, wenn 
er nicht muiueutnu und in grofser Starke (W'imlbruch ralcr 
Windwurf erzeugend), sondern audau«nid und meist mit ge- 
ringerer Intensität auftritt. wialurch di« allmähliche .\u- 
passiing der lebenden Gewächse ermöglicht wird, und zw eitens 
eitle physiologtsr-he. die in der Austrocknung der Teile dos 
Organismus durch den Wiud besteht und ein allmähliches 
«insoitiges Al«terb«*n vcrurstichl. Biesen gegenüber tritt ein« 
Kiiiw'irkiing etwa voi-))and«n«n Kalzgehalls der Luft auf di« 
Pdatizen. von der öfters in Büchern di« K«d« ist. ganz zurück. 
Wenn sie sich überhaupt nachweisuti lUfst. wa* Früh udir in 
Zw'eifel zieht. 

Für die vurliegeudun Fnterauchungen ist aWr als weseiit- 
liciies Moment In-rvoncuhelien, dafs nicht nur dieses Ahsterben 
der oinzeliien Pllanz«nieile. hauptsächlich der Blätter, durch 
AuHtnickiiung auch fern von den Küsten, im Binnenlandc 
beobachtet werden kann, wie Früh durch «in« Anzahl selbst- 
ge«auiinelt«r Ih-ispiele liolc>gt. somlerii dafs an dii^ti Stellen, 
wo Salzp-halt der taifi aln>o|ut nusgeschlos.sen ist, auch die- 
übrigen Beformatiunen der llolzpllanzon sämtlich auftrei«ii. 
woraus Friih srhUer!<t. dafs für diese „Windformen'* allein 
der Wiud verantwortlich zu machen i«t- Sellntverstiuillich 
Werden diesetlwn abi‘r daun auch des«* stärker auftrelen, je 
geringer im Burch«chnitl die Zahl d«r Kalmen und je grv>fM-r 
ili« Windstärke i*t; daher ist es gekommen, dafs man die 
nusgeprägti-ii Windformeii zuerst an den Küsten la-obachtet 
hat, wie die Büneii. und erst später auch im Binnenland« auf 
sie aufmerksam wunle. Ks bat sieh dann hcraiisgostellt, dafs 
I Hufser dem durch kurzdauernde heftige Winde und Wind- 
I Stöfs« aus irgend «iii«r Kiehtiing verursachten Windt»rucb 
und Winduurf utnl den dailurcli g«siali«i«n sogen, llarfen- 
tiäiimen, di« salzfreie bewegte Luft mechanisch und pbysio- 
logiM'h besondere Windformen züchtet, die duivh Tor- 
herrschende his kunstunte Wiinle aus einer I>estiiiimt4'ii 
Uichtung bcrvorgebnicht wurden. Hierher gehören ilie 
a*ynMiieii'iseli«n Kronen ht-t anfn*chter Hauplaehsedes Baumes, 
geneigiii Achr<«n der Ho|/prii«tiz«n mit asymmetrisclian Kronen, 
di« sogen. Tis^'hkronen, Windh«rken und Gesträuchschilder. 
die alle, wie die Büuen, zur lokalen Orientierung filier die 
vorherrscheiele Windrichtung uud. falb diese Iwkaimt sein 
Mjllto, auch Is'i nnsiehligoin Wetter, ähnlleh w-ie der 
Mihis- und FleehlennnsAtz. zur ungefähriMi Ib-«iimmmig der 




Kleiuo Nachrichten. 



179 



Hiinn)elnrichtim(; knnn. Nathrlirli nicht alle 

llolKpHanKHti ttivichiDtirxiff , <Ue vorlicrrcoht'mh-u 

\Vin4io in iler Natur abzuhitHrn mul Kruh xiihll «lunhulb oino 
Anzahl «iHrjcttifren OlMtlijluim*, s>.msli)^*n Laubholzer und 
f'oiitfcrvn Mitt«deuro|»ax auf, nn •Iciieii nich lieiumilMni i;ut die 
betiiirivhenrn Wimlfurmen aii(i|>r>4(;cn. 

Itaf» mm ata-r iliataitchUch die v«ii-|M‘r(*xrhAii<leii Winde 
«ich in dienen Defonuntionen auxprÜKert. fuichc Früh in dom 
Kweiton Tuil MÜiirr Studie nachxuaeiren. lter»r>lh«> imthält 
eine aufVwTvrdpiitlirh Heif«i}(o Aufuiumlunt; aller erreichbaron 
Ihiten über die Windfurrumi, dio freitirb auch zeitfen, welche 
KvorM>u Lücken hier besotidorB in den tiobieten der in>])i»chen i 
l'aa<ate und der ^«m^une mich au^ziifüllen üind. Afit ' 
r•>ich■4lell dielten ilie Quellen int (iebiet der e.xtraimpUchen . 
iifbiete der Wontwinde auf der ni'irdlit'hon Hulbkuttot, woran - 



der Fleiffl de» Verfaßen« nelliat w«>«PMtlirh mit lietoiligt iüt. 
Von lokalen Winden wenb-n die KinilüaHO der Falluitnic und 
der liert'- und Tliniwindo \M-nprochen , von denen iMaondera 
letyteru im Iliiinenliinde dioain i>chürf«den au«g«‘prli|;(en Wiml* 
formen liervorbrinifen und auch für die WindverhälttibM der 
oinzelnou Thäler und Thalb-ilo auf)>«rurdentlich interesKante 
Ihii'piele liefern. Wenn (lau Material, wie t;e9aKt — aber 
nicht durch de« Vorfa«(<ier4 Schuld — lückeuhaft i<d, ro int 
der Nnchweifl der Cboreia^timniuntt xwinchen Windformen 
und vi>rherm*hemli>r Windriehtung doi'h vollständig gelungen, 
wie auch die ladden beigegeltenen Karten beweisen. %on dineii 
die eine die \ur1ierrscbemlHn Winde der Schweix, dio andere 
die vorheri'!>chend<*ii allgemeinen Winde der Knie veraii- 
44'hauli(‘bi. 

Dr. Ci. (• rHiin. 



Kleine Nachrichten. 

AVdrui-k nur mit gmtutUl. 



— Kliniaiiselie Schwankungen in S(»rdsibirien. 
llnnnischen Hcrichteii zufolg«* hat der Winter in Mittel- und 
immentlich in Nord<ibirion UK>‘J erheblich früher und strenger 
«ingpsot/.t. al« mau ihn sonst zu erwarten pl^egte. Pio 
.Nowuje Wrjemja* hat seit einigen Jahien mcteoridogisches 
Material gesammelt, aus weicbein hervorxugehen scheint, dafs 
im ganzen Küstonstrich Nordsibiriens bis weit hinauf zu den 
grofaen Strömen (Oh, Jeiiissoj, I^-na) das Klima in wahrnehm- 
lairer Weis« rauher winl. Im Anfang Septoml>er iiel l>ereit.s 
«< viel Sirhnoe, dafs die lleuomtv nicht mohr eingebracht 
wenlen konnte. In den or»ten Wochen dtis Okbibcr. wenn 
die Kaniojeden nni unteren Ob sonst mit dem Fischfang für 
den Winter iMjgiimen, herrschten schon — W" t’., sudafsSoo- 
kflste, Flüsse, itinnensoun volUtändig tnit Kis bedeckt waren. 
Im November und lN>zemlier Hol dio Külte bis —50* herab; 
das reiche Tierlelrcn der polariachon Zone erstarrte völlig, und 
dio Hewohner verloren den grt^fsten Teil ihrer Kenntierbcrdcn 
durch den Frost, da sie die Herden infolge des unerwarteten 
Kinlu'uohs der Külte nicht mehr eintreiben konnten. Man 
erklärt in UufHland den 0l*eraus strengen WMiiter durch die 
gewaltigen Kismassen. die den ganzen Sommer iil»er das 
Kari-che Meer gesperrt und die i^biffalirt nach dtm Mün- 
dungsgebieten des Ob und des .lenLseej gehemmt halien. Man 
behauptet, dafs iler Kintlufs der aus NO hernntreibenden 
Kistnas^en von dalir zu Jahr inerklicber wird und das Klima 
bis ins europäische Kufsland hinein höchst nachteilig l)oein- 
tlufst; namentlich schreibt man die kalten Sommer und den 
frühen Kintritt des Winters dieser Kinwirkung zu. die auch 
die häutiger und häutiger wieilerkehronden Mifsernten in 
Nord- und Mitfelrufsland hervor/urnfeti scheint. Pie Samo- 
jeden, Welche als die liesten Kenner der Natur ihres Lande« 
gölten, liuhauptvM. dafs die nordische Tundra, d.h. die 
lind Sumpfschichi ülier dem dniUTud gefrorenen IhaU-n, 
langsam, aber unaufhaitsam nach Süden rückt und die Taiga, 
den sibirisclurn Wald. Schritt iiui Strhriti von «liibr zu tiahr 
zuriiekdrängt. liieraus geht die offenbare Abkühlung de« 
Klimas in Nonisibirien hervor, wenngleich wir an den Beginn 
einer neuen Kiszeit in jenen Breiten nicht ohue weiteres 
glaul>en mögen. Vielleicht bandelt e« sii*h nur um «ine 
(leritMliache Schwankung der Temperaturverhaltniss«, die durch 
die Kisschiebung des sibirischen Kisineeres, namentlich des 
Kariseben Meeres, lemnlafst wird. Pie l'rsacheu sind noch 
nicht geklärt., weniiitleich die Tbatxuche mit einiger Sicher- 
beit ffstge«tent ist. Immanuel. 

— f’ber Tütow'ievungen hoi Fraueiiziminorii der 
riffentlichen und geheimen Prostitution linden wir 
einen interessanten ISeitrag von H. Itergb in Kopenhagen 
(Monaish. f. prakt. Ilcrmutol.. Kd. .15, ln der ersten 

Hälfte des vorigen Jahrbnmlerta si'heint diese Kunst unter 
den Pirnen Kopt-iibngens nicht .sehr in Oebrnuch gewesen zu 
sein. Im jtchteii Jahrzehnt verstand es ein frülierer Seemann, 
das T.ätowieren in dieser Menschenklasso einznlHlrgern. 18#U1 
bis IrDö befanden sich unter H04 nachge«chenen rrosiituiertun 
SO tätowierte, darunter 49 allein von dem o1k-m KrwÜbiiten 
gezeichnet«. Pahej scheint die Tütowierungslust unter den 
öffentlichen Frauenrimmerii noch stetig im Hteigi-n zu sein, 
l>ei anderen Individuen des weiblichen Ueschhwht« ktirnmen 
Tübtwierungen nur selten vor. Bei den im Jahn- 1901 unler- 
suchten nicai zu den Itimen Gehörenden wimlc li«i zwei 
Individuen eine Tätowierung olarhnlb des Ktiiee« gvsuhen 
und Iwi einem «ine id*«n am Bnisil»ein. Bei allen anderen 



befanden sie sieb an den oWrt-n Gliedern. B«i *J2 batten «ie 
den SiU nn dun Vorderarmen, bei II an der Innenseite des 
rechten allein, bei 6 an den Oberamioii, la-i «iiifoi am Hand- 
riiekeu und liei einem an einem Finger. Proi Individuen 
zeigten allein «ine oder zwei Figuren, nuuii allein Buclistabim 
und Namen, mitunter dabei Ihtlum und Jahreszahl, fünfzehn 
Figuren neben Buchstalren oder Namen. Dio Buchstaben 
sollten sich auf männliche VerhimIttDgen beziehen, was auch 
die Namen tbaten. Pie Figuren wac<n gewöibnlicher Art; 
drei stellten ein (liei zwei von einem ITeil durchlM>hi't«s) 
Herz dar, drei gefaltete Hände, drei das tianale<tlaulH!-Li«l>«- 
Hoffnung- Kmblcin. zwei die grufse Flaggendekoraiion, zwei 
ein« Kose, die übrigen «inen Zweig mit Blättern, eii^n Mamis- 
kopf. einen gellügelten Fhigdskopf . «ine ganze inlumhehe 
Figur, das git>f!te Si'htff u. s. vf. Zeigten die Dirnen Im-i 
.H 2 Tro/. der In da« Krankenhaus Kingidieferteii Tütowierungeii. 
s(» waren os nnirr den nbrig»'ii Kingeiiefertcn weiblichen 
Giwchlechu nur 9,2rrux. , die aüintU(‘h alter wohl zur gehei- 
men l’fvistitutiini gehörten. 

— Arbeiten für die Festlegung der Grenz« zwi- 
schen Brasilien und Peru. Im Jahre 1901 war eine 
geiiiisrbie KonimisHion mit der Beschaffung tojNtgraphisrher 
riiterlivgcii für eine Festlegung der Grenze zwischen Peru 
und Bni.-*ilicn ttesebaftigt. Pie Gren/«, so wie sie augenblick- 
lich uns)*iv Kurten verxeiebnun. verläuft von der Kimnündung 
des Javuri in den Amazonas (bei Tnlmlingn) den Javari auf- 
würis bis zu deaseii Quelle, die unter H*Mi*südl. Br. angesetzt 
wuimIo. Bis dorihin schiebt sich dann von Huden her von 
Ikdivin iH'anspruchies Gebiet vor. Obwohl die |>eruani9chen 
I Ansprficlio dem Parallel entlang ostwärts bis zum 5fa- 

I deira reichen (vgl. lutztu Auflage von Amirees Handatla«) 
und somit auch dvii ganzen Nonlwestcn Boliv.as )>egreifen, 
scheint man sich nun <loch für die Jnrnrilinie alBtinindlagi* 
entschieden zu hnticn. Ftnem Brief« des Chefs der brusilia- 
nischen Abteilung, Pr. Luiz (Tuls, an die Pariser geographi- 
sche Gesellschaft ist zu entnehmen, dafk die Aufgalie der 
Kommission in einer genauen AuPmhmn dei Javari und der 
HMtrononiischen Bestimmung seiner Hnupbinelle liestand. l^u- 
n.üc)ist wurde die Lage der Grenzstadt Tabaiingj» ermiltelt, 
dann die I<age der Vereinigung des Kio tiaivez mit dem 
»lavAri. Von dort ging man iin Juni den Javari in Booten 
hinauf und im August duivh den Crwald ül>er I^aud nach 
dessen Quelle. Ihre lÄge wurde mit 7*e'.S5” südl. Br. und 
7.H*47'äl'' wesll. L. bestimmt; sie liegt also ein wenig süd- 
licher, als bisher aiigemmiimm wunle. Die bnisilianiacha vVIr 
ivilntig hat auch auf meteorologischem und ethnographischem 
Gebiet gearbeitet. 

— IMc Polarexpedition des Har«»n ToM. Wie di« 
,St. Pntcrsbnrgi-r Zeituin;* mitteilt, ist lA-utnant Martbiesen, 
der Komimindciir des F.x|NslitiotisschilT*-s ,Sarja', mit einem 
Teil der BeiiiHtiiiung Mitte Jnitiiar in Hl. Petersburg ein- 
getruffen. Baron Toll sell*«i. der S^Hjluge Itiruln und der 
.\Htnmoni Keel>erg sind dagegen noch «Iratifsi-n. Von der 
SierpitM'lijeliucht an der W«-stkü«te von Kotainy. wo di« 
.Sarja* auf lUo2 iilK-rw inti-rt hatte, lasgab sich Birula Milt« 
Mai nach d«r iiisnl Neusibirien, um dort den Sommer Üls-r 
zesdogische und sonstig« F(»rschungun aiiszuführen, und Ari- 
fiing Juni brnch Baron Toll mit S-eberg nach der Ihnnieti- 
b)«ei auf. um dieiae genauer zu untersuchen, als es dnrrhdü* 
Joniituiiiticxpedition hatte geschehen können. Heid*- Abteilungen 




Kleiue N'uohriehtcu. 



\m 



w)Ut«>ii im de* Konimom IWS vi>» <li*r »Sorj«“ »Yn;eholi 

wen)«n, d«K’b i*e»'h»iot4* uia« auch von vonihfr*'iii mit (I«t 
M<>^'U chki>it, ilaf* daa nicht auttröhrltiu’ *ein kdonte. und dar* 
man dann scibur die «Harja* aufsurhen miifst«. In ‘Icr Thal 
hat das HohifT wrder mit Hanm Tnll. mich mit itiruln in 
Verhimlunt; treU*n können; die Kirnna-wn nmchu>n alle wiih- 
mid des Aujg'ust iiutomonimenen Vi-rsuche zu »chamUm, es 
kimnto weder Kap WysMoki auf NeUHibirien. wo bicIi Diruln 
MufliiHt, «•rreichl. noch Neu«ibirien im Osten «Hier Westen 
umfahren wervlen, um Kap Knmm(HeiinettinRßl) zu gewinnen. 
Ko ging denn die »Harja' nach Siideii imd lief am 10. Sej>- 
teinber in die Ttkailmcht im (Hien der liemiinündung (71'’46' 
nördl. Br.) ein. Hier iilterwinlert die „Sarja* mit einigen 
Leuten an Bonl. wahrend Matihiosvu mit d<‘n übrigen mir 
der .Lena* Dach Jakmak ging und hi die Heimat zurück* 
kehrte. Dio pLciiu' ülMtmahin auch v<m der .Karja* dan 
ganze wia«entchaftliohe Material. Wann man \un Baron T«dl, 
Seelierg und Birula etwa» hOren wird, ist unsicher. Vielleicht 
weilen sic zur Zeit allo drei auf den Neu^ibirischeii Inseln; 
dann kehren sie vermutlich noch in diesen) Winter zurück. 
Ist Harun Toll jedoch nuf «lor Bennettin.sel festgcbalten wor- 
den, !to dafs er zur Zeit dort (il>*Twintern mufs, so ist die 
Heimkehr des Führer» der Ksi edition erst im nächsten Uerltst 
zu erwarten, .\nfang Februar d. .1. l)eAlMicbtigte der Ingenieur 
Brufsiiew sieb nach den NeusilnriKchen Inaeln zu liegeWn, 
um *ich den drei Forschern zur V«TfiigUiig zu »teilen. 



— Uie Verbreitung, HtandortBanspriiehe wie (te- 
schichte der l'nstauea vesca Gtn., der echten Kastanie, 
behandelt Aruoitl Kngler (Her. d. Schweiz, bot. (ies.. Heft II. 
1901), mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz. DAsell«t 
lassen sich drei vonuinander getrennte Uebiete uDterscheidpn ; 
Kin südwestliche* und westliche», das das untere Khonotbal. 
die Ufer des Heoferscc* und den südÖBtlicheti Fuf» de« Jura 
lang* dem Keueuburger* und Bioleraee umfafst; ein zweites 
bilden die Ufer des Vierwaldstüttomec!* und SCugersees, wäh- 
rend das ostschwoizerisebe vom Hoezthal und dem llheiulbal 
vmi liiur bis Itheincck in sich begreift. Hoher Kalkgehalt 
des Bodens schadet in der Hebweiz dor Kastanie nicht; sie 
gehört demnach zu den vielem Gewächsen, welche für boden- 
stet gehalten wurden, sich schiiefalicb aber in einem Gebiet i 
als kalkscbeu, im anderen als bodeuvag und im dritten sogar 
als kalkhold erweisen, im allgomeincu verlangt die t'astanea 
kieseUäurereiche Bikleu. Was die Geachiebt« de* Baume* 
anlangt, so halt Verfasser ein spontanes Vorkommen der 
Kastanie nur dort für mi>glich, wo sie entweiler allein «»der 
iu Mischung mit anderen Holzarten gcBclilonsene Hi>chwaUi- 
bestämle bililet. Kie dürfte im nörilliohen Frankreich, in 
KlHafs- Lothringen, in der Pfalz, im Gebiet de* Jura wie der 
Alpen, aueb am Hlulabfall der let/tereti nicht autuchthoo sein, 
dagegen hält Kngler sie auf der Ilalkanhulbiusel, im shd* 
lieben t'cgaru, in Stavonien, wie Kroatien, im /.uge des 
Apennin, auf der IberUchen Halbinsel, vielleicht auch iiu 
südlicheu Frankreich für wild, lumierhiti mufs das Vor- 
koiniuen der Kastanie iin rrwaJd. durch Z<i*atumeuwirken 
liwtimmter KlimnlUcher und ökologischer Faktoren bedingt, 
als ziauilich Iie^chränkt erscheinen; ihr heutiges zah'reiche» 
Auftreten iu den Mittelmeerlünderu und ihre weite Verbrei- 
tung im übrigen Kumpa verdankt sie men«chlicben Kiugriffeu. 
Wahreml der Bronzezeit der Italiker, also ungefähr IbOo bis 
lübU vor L'hi'isto, bat die Ka*>taiii« am Küdfufse der Alpen 
noch nicht «AUtiurt. Bes-^ere wohlschmeckende Korten kamen 
wohl erst iui 'i. Jahrhundert vor Christi Geburt von Kleiii- 
Asicii nach <>riecheuland, erst durch die Veredelung erhielt 
iin»er Baum die grofse spätere Verbreitung und 7le(b‘utuiig 
als Fruchthaum. die er beute in Südeurv>pa hat. 



~ Ober die Kndmoranen von Weirsrur»lnnd und 
liitauen verotTentlicht Anna Missuna (Zeitschr. d. deutsch. 
ge«d. Gea., r>9. Ikl., luu‘J) eine Arbeit, der wir folgende* ent 
nehmen. Die Moränen bilden die nördliche, südliche wie 
(•»iliche Vtiiratidung des Wilijalieckeus, auf de»seu h«>h*tH 
Kteileu sie meistenloil.* zu liegen koumien. Hie *ind wohl als 
eine einheitliche Kiitlmorilne aafzufuKieu. welvhe von dem 
WilijagleUcher zur Zeit abgelagert wunle, als da* Landvi* 
während seiner Aliachmclzungsperioile an iwdncm Hndende 
keine koutiuuierliebv Mukso mehr bthleU’. Dio beiden Knd- 
iiioränenllngci .sind ungleich gestaltet; dein südlichen fehlt 
o* an Hoeti, auch ist es keine typische Morünoulaudschaft 
dort. DiiBeJbat »chomt die Ktaumoräne die Hauptr<dle zu 
spielen. Die hier und da auftretende *lark hügelige llelief- 
l'orm sieht MUsuiia als .sekundäre, diiixb Krusiun entstanden 



an, wahrend an dem NordHügel, wi» die Aufschüttung die 
llauptroliu geM|iielt zu Imiven scliaint, die Bedüngungen zur 
Knuiehurig der Ko«n zur Zeit der Altsrbmclzporiodle in <ler 
ursprünglichen Gestaltung dos Bodens uegoben waren. IHe 
vei-Bchiedenen Kudmoräumistücko zeigen ein «ehr ungleich 
frisches AuNsehen. Da sie silmtlich auf einer breiten Wawaer- 
scheidehohe geb-gen sind, die geraume Zeit von dem Scbtn«^lz- 
wa«scr Itespüit ist. haben sie eine starke Kriwiuu erlitten, und 
diese» um »o mehr, je östlicher ihre Ijage war und je früher 
sie abgelagert waren. Dafür, daf* wirklich die liauptmaM»« 
der Sc-hiiudzw Hsm^r dieser östlichen Kichtung der Wasserscheidr 
hinunter gefolgt ist, »prichi die mkehüge Hntwiekelung von 
Kand mit Heidecand auf der breiten vom Nergutsch und von 
der Borosina duivhlloMiteDcn Kbcue. Was den siidlichen Kud* 
iiioränenilitgel anlaogt, *■» scheint derselbe einer HeitenmorMne 
des WilijagleUcher* zu entsprechen, und das JUind im Süden 
der Kndinoräne M'hcint zur Zeit ihrer Abi^fcrung eisfrei go- 
weseii zu »ein. itstlich beobachtete Verfasserin gcachichtoteit 
Sand und (ie»cbiet>ewergel, welche einer ältere» Vergletsche- 
rung anzugehören scheinen und vielerorts von einer mächiifscn 
iiHg».’ lypinchen I/>r*«s ülierlagert sind. 



— SiodelungKart in Italien. Die Volkx/ählung iiii 
Königreich Italien vom IU. Fobruar 1901 hat ergclaui, daf* 
von der Bevolkerungsziffer von 3247S253 Einwohnern 23302 309 
72 Proz. io geschlossenen Ansiedelungen lebten. 9172914 
in Kinzelhöfeu. Auch bei der Volkszählung im Jahre 1391 
trat da» gleiche Verhältnis in dev Besiedelung auf: h'ur iu 
der KmiJia, den Marken und in rmhrien überwug die 
Bcsietlciung in Kinzelhofen die in goschltsisenen Anaiedo- 
luugou, in Toskana waren l>eide B(^iodelUDg*fonueii bei- 
nahe in gleichem Prozentsatz vertreten, in don südlich«*» 
Provinzen und auf den Inseln wohnt die Bevölkerung f«>t 
ausachlicfslich m geschioiMM.-iien Ansiedelungen, eine Tbm- 
sache, die sich schon au* faiidorUchpn Gründen leicht er- 
klären Ufst, und die noch heutzutage durch die klimatischet» 
Verhältnissu und zum Teil nach innen durch die l'iisicbcr- 
heit bi'dingt ist. Halbfafs. 



— Dan Ziesel schildert Arnold Jacobi nach Verbreitung 
und Ijcbenswuise (Archiv f. Natui^ecb., .Jalii^. Aä, 1902. 
I. Band). Dieser Kager bewohnt Schlesien vom südlichsten 
Endpunkte der Provinz bis dicht an die Grenze der Provinz 
Brandenburg, iiu Norden in Kolouieen, die meist auf dem 
linken Oderiifer liegen. Da« Gebiet erweitert sich unver- 
kemibar nach Korden und zwar mKb gegenwärtig. Im 
Königreich Kach»cn ist da» Vorkt»mmeu auf einen kleinen 
Bezirk auf dem Kamme des Erzgebirge« iMischrftiikt. Iin 
übrigen Deutschland Ündot sich der Zioael anscheinemi 
nirgends. Konst kennuii wir io Europa den /Je*el aus 01*er- 
und Kiederi'islerreich. dem grOfsteu Teile von Böhmen, und 
einem ansturseiiden kleinen Bezirke in Hachsen, in (v«ter- 
re)rhiKh-Kcble<Hen wie in Mähren. Ungarn beherbergt ihn 
südlich und weltlich der Karpathen bi* zur Drau, in den 
Balkan*tauten ist er an der nord- und südöstlichen Grenze 
uachgewie-o«n und häuHg in Bulgarien. Ganz abgetrenut 
davon erscheinen Kolonieen im türki!«chen Makedonien und 
bei Konsianiinopel. liumäniett, Wallachei, lb>brud»chau und 
Moldau sind weitere Stand«|uartiere, Bukowina, Bea-Hrabten 
und Podolien sind wohl auch sicher zu nonueu, für West- 
galizien liedarf da* Vorkommen einer genaueren Bestätigung. 
Für die [Ander der unteren D«>iiau liegen nur einzelne Be- 
obachtungen vor, jedenfalls aber bildet das Becken der iHmau 
den IfHUplIidwusbezirk des gemeinen Zic*ei*. IK'cb gehört 
dazu auch das der Oberelbe und der Oder, lüe Hiedelungen 
l>ei Kalunike, am Bu*{H>ru* mul am Bh4Hlo{>egebirge gehören 
zum Kntwässerungsgebiet des Agitischcu Meeres und liesit/en 
mit di-iu Ibinautieckeu gar keinen Zu^ammenham;- 



— In der Z^dwehrift des deutschen und ö«ierreichis«‘hen 
AIp*>n»ereins (1902) setzt Oberhummer seine Mitteiinogeu 
über die Al|>enkiirt«u fort, indem er auf die im v»*rigcn 
■lahrgang gehrwehte Kchilderung der l>arstellung der Alpen 
auf tien Uipi»grnphi»cheu Karten von den ältesten Zeiten au. 
diesmal die Entwickelung der bayerischen Alpen- 
kart ogr» pb i« iui 19. Juhrhundert folgen läfst. Die staat- 
lichen Anfnahineu lie* bayerischen Alpeuanteilt, die ja natür- 
lich auch für fii-t alle privaten kartographischen Arbeiten 
die Griindlnge gebildet haben, weiden dalH^i ihrer historisi’lien 
Aufeiimndcrfolge nach Ixjapiwhmi und durch ausgewähltc 
.Viissi'hDittv au* einzelnen Karieiiblättcm erläutert. 



Vcrsiilwuitl. Ib-iiskteiir : Pr»r. Dr.lt. äiiJree, Urdtinscliweig, KslIenilcI’Crlbui-l'i'emrosilc 13. Dnnk: FileJr. Virweg u. Sebn, Uraunx-hweig. 




■wucnaiA ANS 



Die deat»chen Saloiiioii*liiselii. i:S(K<OüOü. 



(Auwrhnitt «Q« Lieferone t de» grofeeii deiiUchPB KolontnUtI«», Kart« von l>eut»ch'Nru-Guinra. «»tlich«» Blatt 
von I'. S|)rigade und M. Mottel. Berlin. Itietriclt Keituer. 1901.) 



Glubu», Bd. M, Kr. 12. 



VerU]; too l'riedr. Vieweg u. Sohn io Rraunacliweig. 



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GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT > 1 T DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 

HF.RATTSGEBER; Pkof. D«. R. ANDREE. VERLAG von FRIEDE. VIEWF.G & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 12. BR AUNSCH WEI Q. 26. März 1903. 

Skchilmrk aar cuteb Ob«r»lskunfl Mit der VerlegFliNJullang 



Die deutschen Saiomo 

Von II. Sei 
(Mit einer Karte 

Ah wir in den denkwürdigen Jafaron 1SH4 bis 188B 
unnere Kla|;^e an den Gestaden MelatiesienH entfalteten, 
wurden auch die Dordwe»tiicbeu Satomo-Inifelu, uämlich 
lsabel, ('faoisetil und HougainYÜle'Buka uiit sämtlichen 
Nel>unsrliedorn,dor deutschen üerrscbaft eiiiTerleibt. I>ie 
LandeHhoheit in jenen Gebieten Übte zunächst die Neu* 
Guinea-Kt»iupttguia aus, der diesen Hecht durch die kaiser* 
lieben Sohutobriefe vom 17. Mni IdHÖ und 13. Dosuuiber 
1886 in aller Form übertragen war. Leider ging die 
Kompagnie bei der praktischen Aiisfilhriing ihrer aller- 
dings sehr schwierigen und umfaasenden Aufgal)«n nicht 
immer mit dem nötigen Glück und Geecbick vor, und b» 
ist es zu erklären, dafs u. a. der koloniale Nutzwert der 
una ZRgufalleuen Salomo-Iiiscln fast unbeachtet blieb. 
Nur für die Anwerbung von Arbeitern hielt mau sie 
geeignet; denn selbst die MiMsiunare gestanden zu, dafs 
die !*apuas von Kaiser ÄVUbolmslaud , weniger anstellig 
seien als die grofseti, starken und geschickten Salomo- 
Leute**, die debbulb zu allen IHensten in Haus und Plan- 
tagvli gern genommen würden. IKe Kompagnie atellte 
(lemgemäCs einen besonderen Heamteu, den später ver- 
atorbeneu Hotaniker Ludwig Kärnbach, mit dem Segel- 
eeboner „Senta* ausscbliefslich für du» Werbegeaebäft 
ein. Auch der durch mehrere Foracbungfirciscn bekannt 
gewordene Dampfer „Ysnbvl* aoUtc, soweit als möglich, 
denselben Zweck verfolgen. Das iüt mehrfach geschehen, 
und die Berichte über diese Fahrten gaben häufig er- 
wünschte .\ufNchlßsse betreff« der Natur und der Bewobiier 
jener Inseln. Sehr belangreich wurde namentlich eine 
Kxpe<Utiou des LandeKhauptnmmies Krätke, jetzt Fnter- 
Staatssekretär des Keiebspostamte», der vom 9. bis 
28. November 18H8 mit der „Ysabel“ und der „Samoa* 
um Buka uud Boiigainville fuhr und dabet den schon 
vorher von R Parkinson benannten und teilweise unter- 
suchten König Albert-Sniid zuin erstenmal in der ganzen 
Länge |uissierte. Im Jahre 1892 gingen die Werbereisen 
der „Ysabel** bi.» zum Südoude der gleichnamigen Insel 
hinab. Wir erfuhren dadurch, sowie durch einen Be- 
such des Kreuzers „Bussard*, dafs ausgedehnte Strecken, 
vornehmlich am Nord- uud Nonlweatgevtade, die zur 
Zeit der spanischen Kntilecknng und nachher dicht 
besiedelt wureu, ni'ucnliiigs durch dio ewtg<*n Raub- 
Züge der Kopfjäger aus Neii-Georgia und Gundalcunar 
zur menscbchleureu Kiuikle geworden seien. Wir erfubnni 
aber auch, dafa »ich dort, wo dio Bevölkerung nicht so 
arg heimgesuubt wird, wo sich ihrer, wie an der Tausend- 
Globu» LXXXIII. Nr. 12. 



-Inseln sonst und jetzt. 

de). Berlin, 
ata Sonderbeiiage.) 

achiffsbai, dio eugliacbe Melauesian Miüieion IhiitkräfGg 
angenommen bat, ein liedeutender Fortachritt io der 
flultung und J^ebensfQhning der Wilden bemerkbar 
• mache. 

Merkwürdigerwoi»« begegnet uns in den deutschen 
Quellen, eioschiiefslioh der Kapjwrte unserer KriegsüchiEfe, 
kaum ein Ort ül>er die Ineel Choieout Für 1H97 
meldet der kaiserliche Richter Dr. Habt uur ganz kurz, 
ilafa Bougainville sowohl wie (’hoiaenl lediglich „durch 
Handel von BunI der Sohifie aus* be^beitet würden. 
Kin Jahr später hören wir ar>dann von „Verbuchen, auf 
diesen lustiln mit Niederlasaungeu festeu Fufs zu fassen*. 
.Allein die Versuche scheiterten stifort „an der Wildheit 
der Kiugeboroneu uud der Konkurrenz fremder, dort ohne 
' Erlaubnis handeltreibender Schiffe*. Cher die barba- 
rischen Bewohner hiitten bereit» 1768 dio Franzosen am 
I „Kriegerflufs“ traurige Eindrücke gewonnen. .Aber un- 
geachtet der schleunigen Weiterreise entging «s ihnen 
I nicht, dafs der ganze Nordweatteil von t'hoieeul durch 
ein dicht begrüntes und anHcheinend sehr fruchtbares 
Land gebildet wird. Dieat* .Annahme beatätigteu voll- 
auf die Arbeiten de» britischen Vermessungsschiffe» 
„lutrk*, da«, mit dem .Arzt und Geologen Dr.Guppy an 
Bord, in den Jahren 1 m 83 und 18H4 im Salomo-.Arohijiel 
tbntig war. Guppy fand bei seinen .Ausflügen am Mula- 
mnhuli einen tiefgründigen, bunmsen Boden, dazu Wald 
und Wasser in Fülle, also die wichtigsten Yorl>edingiiiigen 
für den Plantagenhau, so diif» er rhoisenl dringend zur 
.Xnluge tropischer Kulturen ompfclileu zu müssen glaubte. 
Diese in eiigliNchen Kolonialkreisen jedenfalls mehr al« 
iNii uns gewürdigten Vtirscblägu gaben dem I.s>ndoner 
Kabiiieit triftigen Grund, die Erwerbung der gelobten 
liiHvl für die Zukunft in» Auge zu fassen. Die Gelegen- 
heit dazu bot «ich bereit» 1 h 99 l>eiui Abscblut« der 
Samua-.Vkte, die uns in .Artikel 11 aufser anderen Opfeni 
noch die Herausgabi* dar „östlich faezw. südöstlich von 
Bougainville gelegenen luacln, welche« letztere mit der 
zugeliörigen Insel Buka bei Deutsohiand verbleibt*, zur 
Pflicht machte. Welche Nachteile uns damit beschert 
sind, wird bald genug die Zukunft lehren, in der man 
über den Verlust von ChoiHCul und lsabel sonder Frage 
ander» denken wird ul» Herr v. Ha«ae-Wnrtegg. Dieser 
glaubte, in seinem Buche ülmr Neu-Guinea und Samoa 
die Bositznnbme uud dio /«»ssiou jener Salomr»- Inseln 
mit einem alten Posseiititel ul» „zwei glückliche Tage* 
buwitzcln zu dürfen. 

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182 



II. Suidel: l>io duiitschon Salouio-Instdn totiKt und jetzt. 



Luider siud wir im Samoahandel auch n<»ch um die 
SbortIaud-Gru{»pe nel>»t Fauro und .•utiulHcIum {n»e)ii 
der IlongainvilleHtrarKt? erleiebturt worden. Wir haben 
Hh hier mit zahlreichen grofsereu und kleineren Küandeu 
zu thuu, deren bedeuiendntes, nämlich Alu, kaum 10 See* 
luuilou Von Buugaiuville ahliegt und seinerzeit nb llrsi- 
deuz <le» Tor neun Jahren Teretorbenen alten Weilsen“ 
freundes und „Königs“ Gorai vim Wichtigkeit wur. 
Burch den Wnfiufs des lotzterou ist die Authn»}Kjphagie 
nicht nur auf Shortlan«! , sondern auch auf den benuidi* 
barten Niederungsdistrikten fou BougainTÜle ansebei* 
ncud ul» beseitigt zu enichteu. In Sbortlnud sprechen 
benb’ fast alle Häuptlinge engliKcb, so dafs sich der 
Fremde leicht mit ilinen verständigen kann. Viele ihn^ 
Cnterthanen waren in Samoa oder im Bivmarck*Arcbipei 
und in Neu-(tuinen als .\rbeitcr bosclrnftigi und batten 
»ich völlig an da» deutsche Hegiment gewöhnt, I>ie Ab- 
tretung der Inseln lief» daher selbst Herrn von lle.sae- 
Wartegg nicht kalt. Sie geschah, wie er .schreibt, ganz 
„ini Widerspruch mit dun imturiicbun Yerbältnissen’' 
und sehr ..gegen den Willtm der deutschen Firmen in 
Herberisbübe“, die an dem Koprahaiidel der Gruppe stark 
beteiligt sind und de.shalb «len Verlust auf da» lebhafteste 
beklagen. Obendrein batten sich kurz vorher auf dem 
Inselchen Poporag die deutsnli-katboliscben Manst^n* 
Missionare angeüiedolb um zunächst in der näheren Um- 
gebung und daun in dem lange verHcblussuneu Bougaiii- 
ville die Bekehrung in Angriff zu nehiiieu ‘). 

Ha.s Samoa-Abkommen gesteht uns zwar in Artikel IV' 
das Recht zu, auf den britiNchen Salomo-lnsL'lu , ein- 
Hchliefslich der von uns aufgegebencu, Arbeiter frei unzu- 
worlwu. hie „Knderklärung“ der Akte macht aber den 
Zusatz, dufs diese Anwerbung nur „unter denselben Be- 
diiiguugeu gestattet »ein §oll, welche grofsbribtniiiscben, 
nicht auf jenen Inseln wohnhaften Unterthanen auferlegt 
sind oder noch auferlegt werden“. Hu.s klingt so 
weit ganz unverrnnglich uud bureclitigt; wa» jedoch dar- 
unter verstaucleu sein kann, beweisen die seit IH9Ö für 
die englischen Salomo -Inseln vorgesehenen „din-kteu 
Steuern“, über deren Höhe timl Wirkung die „deutsche 
Kolonialzeitung“ (1903, Nr. 6) da» hh-forderliobe mitteUt. 

Das »ind die Früchte jener engherzigen Parteipolitik 
nnserpH Reichstage», der am 27. April 1880 unter dem 
verhänguisvoUeu Einfluf» de» Abgt‘or<lueteii Bamberger 
die vom Fürsten Bismarck geforderit^ Reiebsgarantie von 
300000 Mark und damit den günatigsten aller Kolonial- 
verträge ahzniehimn für gut befand. (>umulM konnten 
w'ir für diesen Spottpren» das unguscbmälm'te Krbe de» 
Hauses Godeffroy, d. b. mit anderen Worten die Herr- 
schaft über deu gröfslcn Teil der Süd»cc ohne den 
Widerstand der F.nglamler und Amerikaner nntreten, 
mit denen wir jetzt da» Wenige, was uns geblieben ist, 
noch teilen müssen. 

Statt uns noch weiter mit jKilitischen Rückblicken 
nufzuhulten, wollen wir nunmehr zur geographischen 
Beschreibung der letzten deutschen Salomouen Bouguin- 
ville und Buka übergehen. Sie erhel>eii sich, wie der 
gesamtif ;\rchi{>e], auf einem deutlich erkennbaren iinter- 
aeeischmi iMateau, dessen rmfiing durch den V'erliiuf 
der 1000-Fadoulitiic angegeben wird. Gleichwuhl he- 
»teheii zwischen einzelnen Gliofleni nicht »eiten erhobiiehe 
Senkungen, die bis zu 700 und SOO m hinahreiehen. 
Nur Huka, Itougainvilie und t'hoiseul machen darin eine 
Ausnahme, da sie ganz innerhalb de» lOO-Fndengürtel» 

D Ouf» die Misoion xtk der Weggftfie von Nhorilanil nielil 
guftchwiegen hni . kann man hu« deu ZeiiM-hrifien „Kreuz 
und Kchwei'l* und «OoU will v»*' ergehen, nnmeiiilich itu» 
letzterer, die im Jahrtfaug« 190) die SnuuMi’.Vkie 
razeufliert«. 



' liegen, also ein gemeinsames Ganze darstellen , das an 
zwei Stellen, nämlich im schmalen .\lberteunde und in 
der 45 bi» 18 km breiten Bougainville-Stral»« eine Tren- 
nung erfahren hat. Geologisch betrachtet zerfallen die 
grnfsen Inseln in zwei Klassen, ultvulkanische und jung- 
vulkanische, zu deren ersterer Sau Christoval, Isabel, 
Mntnita und Guadalcaimr gehören, wohingegen die andere 
aus Buka, Bougainviilc, Choiseul und Neu-Georgia ge- 
bildet wird- Für deu rezenteren Ursprung der letzt- 
genannten sprechen schon äulserlich die hohen , syni- 
metri»cheu Kogelberge, deren scharfe Konturen noch wenig 
von den Kinflüssen der atmoBpbärbchen Denudation ge- 
litten haben. Auch die kleinen Inseln ordnen sich in 
zwei Klassim und zwar in solche, welche einen vulka- 
nischen Kern besitzen, und in solche, die völlig zur 
Kalkfurmatiun rechnen. Die Küsten und da» au.»tofsende 
Seichtwas'‘er wimmeln von KorallHubauten. AI» besonder» 
gefährlich gilt das lsabel -Hiß, im O.sten jener Insel, da» 
an 200 km lang und .'>0 km breit ist. Häufig sind die 
I Kiße gehoben, im Durchschnitt um 120 bis 170 m über 
diu jetzige Wasserlinie, wie denn überhaupt unser Archi|>el 
ein Schauplatz liedeuteuder llebuiigHer^cheinungen ist. 
Du» Imweisendie ternissenförmig aiif-Hteigenden, festungs- 
artigen Ge»ta<le und die konzentrischen Zoopbyt> uwälle. 
.Vndererseita la.ssen »ich aber auch Senkungen nicht ver- 
kennen, 80 z. B. in dem vulkanischen Krschütterung»- 
geliiet der Bouguiuville-Stratsc, wo au mehreren Stellen 
ein deutliche» Abw-Hrt»rQckeu zu Tage tritt. I'ür die 
Dauer und den möglichen Fortliestand dieser Senkung 
zeugt ferner die eigenartige Atollkette, welche die Salo- 
monen auf der Nordostseite begleitet. 

Die vulkauisrheThätigkcit beschränkt »ich vorwiegend 
auf einige der kleineren Inseln, die bi»weiJon Zeichen 
unterirdischer Wirkuugen von sich geben. Auch etliclie 
Fumaroleii, ein paar heifse (Quellen und eine Solfatare 
sind ihnen eigen, abgesehen von den Kratern ihrer 
Gipfel. Ein wirklich aktiver Feuersptder iHTindet »ich 
zur Zeit nur auf BougainviUe. ist der Haguuu, etwa 
in der Mitte de» Lunde», der 1884 einen verheerenden 
Auabruch hatte, Imi dem viele FJngeborene um» I/eben 
kamen. Seiblem stöfst er beständig gi*<»f»« Rauch- und 
Daiupfwolken aue, die man auch, alicrding» schwächer, 
hei »einem Nachbar Gninot wahrgeuomuicu haben will, 
üin BO ruhiger verhält »ich heute Savo oder Sesarga, 
eine V'ulkHninsel , welche die Spanier 1567 in heftiger 
Kruptiun »uhuu, die aber nach der letzten Katastrophe 
vor 40 oder 45 Jahren alltnahlich entscblumiuert ist. 
Gleichwohl gehören Krdbehcn und Kr4i.»iöfse in diesem 
wie in den anderen Teilen de» .Vrebiptd» keinesw'eg» zu 
den Scltenheiteu. Namentlich scheint die Bougainville- 
Strofse öfter heimgesucht zu werden. Nach einem Brief de.«« 
Maristenpaters Knglert vom August 1899 traten die 
Krschätterungen dauml» in Poptrag und Umgegend 
fast an jedem Tage auf. „Kürzlich“, schreibt Knglert, 
„war der Waid niu uns herum iii Bewegung wie ein 
.ihreufeld. Ich befand inicb gerade mit dem hoeb- 
wUrdigeu Biftchof Broyer zusaiiimen »uf dem Hügel, 
und wir glaubten, die Krde würde »ich öHnen, »o wurde 
allen goBcbüttett.“ 

Die Insel Buku ist eigentlich nur ein Nebeiiglied 
des grölscren BougainviUe 2). Gleich diesem besitzt e» 
eineu schlanken, geBtreokten Körper, der von Kapllenpan 
oder dem Nordkap bi» zum Sunde 52 km lang ist, bei 
einer Breite von 8 bi» lf>kin. Die starre, wenig auf- 
gcschloMseiiü Ostseite fällt etwa 50 tu hoch »chruß zum 
Meere ab und läfst uu ihrem Fulsc häufig kaum etwa» 

’') Vfigl. ,Hic naliirlichyii Kuitäle »uf den HalnjiHt-lntsfln*, 
OloPiu, Bü. t)7, 8. Otr. 1895. 



If. Seidel: Pie deutschen Saioino-Irtselu «otist und jetsi. 



lan 



Vorstrand frei. Sie wird von einem Riff umpOrtet, da;* 
Mich liicketilo» aue Gestade legt und, autser bei llana* 
han im gleichnumigen IHatrikt, ein I<auden t>chier uu- 
möglich macht. J)azu tobt vom Nordkap an eine so 
furchtbare Rrandang, dat» unsere SeUiffsboote darin 
uufehlbnr zerMchellea wünlen. Um ho erstaunlicher ist 
es, die hliiigeborenen zu beobachten, wie sie „einzeln auf 
ein paar schmalen, zusammengebundenen Palmenwippen** 
durch die llrecher rudern, oft nur, um einige NVuffeu 
oder sonstige Kuriosa an die draufsen pasHierenden 
Fremdeu zu verhandeln. Dur Ufersaum ist trotz seiner 
Knge «licht besiedelt; denn überall erblickt man die 
charakterist ischui), niedrigen Hütten mit den fluch gu* 
wölbten Dächern, die auch auf der Höhe der K!ip}ieu> 
wand, im „(tberlHrido'^, sichtbar wurden. Gute Anker* 
pläUe dürften erst weiter südwärts zu finden sein, wo 
am Beginne der Stratse einige Buchten föbrdonartig in 
das hier ebene, wohlbesiedelte und fruchtbare Inueru 
schneiden. 

Reicher entwickelt ist die Westküste. Sie zeigt durch- 
gängig Mangrovenbostaud mit Hochwald dahiiitur, der 
sich allmahüch zu den Bei^cti em}>orzieht. l>em Strande 
Ist bald in grnfnerer, bald in geringerer hmtfcnuing ein 
mächtiger Zoüphytunkmnz vorgtlngeri. Von KapHenpan 
unter ö” U «üdl. Br. und 154® 35' ühH. L. von (xreenw. 
bis zum tjngang in «len C'arolabafeii hält er sieb hart 
am Ufer. Krst von der sfutzen Halbtnstd »n, die sich 
aus Nordosi vor den Hafuti Mcbtcbi, weicht er in See 
hinatiH und streicht in 6 bis 7 km .\betand parallel mit 
der Küste niicb Sadeu. Dicht untur der genannten Halb- 
insel liegen, durch eui KifTinsoIchen getrennt, die beiden 
Kinfahrten zum Hiifon, der »ich als ein weites, länglich- 
rundes Becken mit mehrfach gezacktem Binnenramle vor 
dem Ik'sucher öffnet. Der Aukergniud ist ausgezeichnet, 
der Windschutz vollständig; nur fehlt es au Trinkwasser. 
Die kleinen BitmeninBelchuu, laut Grundbuch deutscher 
Privatbesitz, sind fast sämtlich unbewohnt unrl dienen 
Tausenden grofser Holztaiibou als Ni^t- und Brutplatz. 
Auf dem Riff erbelton sich sieben niedrige, gat Ijewaldete 
Kilande, die trotz der ungünstigen Wusserverbältnisso 
eine zahlreiche Bevölkerung haben. I>er Binnenkanal 
zwischen Kiff uud Ufer kann selbst von tiefguhunduu 
Kriegsschiffen zu jeder Zeit benutzt werden. .\uf»erdem 
führen zwi»chen den Rißinseln noch etliche sichere 
pHsaagen ins Meer hinaus. 

I>as Innere Bukas bcBtehi nach dem Wenigen, was 
wir darüber wissen, aus einem nördlichen flachen und 
schmalen Teil, Banifs genannt, und aus eiiioiu südlichen 
lireiteren und gebirgigen Teil, der bei den Kingehoreiien 
Tscholof« und '/.o\oU heibt. Die Bürge ragen jedoch 
kaum 300 bl« 400 m empor. Da» Südeiide ist wieder 
flach, ebenso der Nordzipfel BougainvUles, so dafs Wido 
Inseln, aus der Farne geHchen, zusaniiuenznbängen schei- 
nen. Diese Wslirnehraung, verbunden mit den Gefabrcn 
«les von Klippen und Riffen erfüllten Meeres, liat auch 
die flrforsehung de» König AllHfri-Sundes so lange hin- 
ausgezögert. Seine Westzufahrt wird nach auben von 
den Kayser-Inseln umschlossen. Zwischen Toioch, einem 
Gliede dieser Gruppe, und dem SQdwestkap Buka», dem 
ein gewaltiger, von Korallen eingefafstur Felsblock vor- 
gelagert ist, betreten wir die Straf«« und durchkreuzen 
zunächst mühsam und tastend ein weites, von hohen 
Herginseln überragte« Becken, das an landschaftlicher 
Schönheit und wechselnder Szenerie kaum seinesgleichen 
hat. Vor und hinter un» glitzert im hellen Sonueiiscbeiii 
das dunkelblaue Fahrwasser, das jedoch in beängsti- 
gemlur Fülle durch ^marngdgrüne, weifsuuischäumto 
Kiffe bedrohlich eingeengt wird. Ktwa halbwegs zur 
östlichen Pforte liegt die engste und zugleich sidc)ite«te 



Stelle, wo das Schiff inmitten eines Schwarmes von 
Korailenstöcken nur in 9 Fufs Wasser schwimmt. I»t 
diese Klause |»a«siert, so beginnt der zweite .Abschnitt 
des Sundes, der sich fortan ale ein mäl»ig bruitor, nord- 
östlich gerichteter Kauul darstelit, in dem KbW and Flut 
ihr lebbuftes Spiel treiWn. 

Nunmehr k«uumun wir zu Buiigtiinvilie, dergröfsteu 
aller Salomonen, du* den Namen ihre.» Knldeckers trögt, 
während Buka uacb einem Kufe benannt ist, der den 
Franzosen 1768 und dann 1702, als d'KDtrecatsteuux 
auf der Suche nach La Perouse die Insel berührte, 
wiederholt eotgegentönte. Da» Wort wurde von ihnen 
als oiuhuimiscbe Bezeichnung des I.andos HufgefafNt, ist 
aber jedenfalls nur eine Warnung und bedeutet etwa 
„fort, fort!*' Jiougninville milst auf der l.ängHachKe 
reichlich 200 km bei einer Breite von 40 bis 80 km. lk>r 
Flächenraum belöuft sich — Buka eingerechnet — auf 
10000 i|km. Da« zentrale Gebirge wird fast allseitig 
von Nietleruiigen umgeWn, auf welchen «ich neben un- 
gezöhUen Bächeu selbst einige gröfsere Flüsse entwickelt 
haben. Wo diese aus dem Gebirge treten, bilden sie 
mehrfach prächtige Wasserfälle, die bei tiefstchender 
Sonne wie SilbcrHireifen glänzen. .\m Gestade dehnen 
sich diu unvermeidlichen Mangrovcndickichie aus. Die 
Korallen dagegen lassen gewiaae rferstrecken frei, 
wuchern dafür an anderen um so üppiger. Die Küste 
ist ziemlich stark gcglWlert. das zeigt sich bereits 
HU» kurzen Nordgestade vom Kap Schmiele am Albert- 
Sunde bis zum Kap L'.Averdie. Schon auu der Feme 
bemerkt man, etwa in der Mitte zwischen beiden Land- 
spitzen, das hohe und steile, meint mit Ora» bewachsene 
Baniu-Massiv, das aber keine isolierte Erhebung dumtellt. 
wie es zuerst wohl den .änsrbein hat, sondern ein weit 
TorgcschoWiier .Ausläufer de« Kaisergebirges ist. Die 
Küste bildet auf beiden Suiten vorzügliche, tief einge- 
«chnitlune Häfen, deren bester ostwärts von Baniu liegt 
und von den hüngeboreneu l^uiä genannt wird. Kr ist 
gegeu alle Winde geschützt, hat eine breite, sichere Ein- 
fahrt und HU günstige Grumlverhältnisse, dafs selbst 
gröfsere Schiffe fast hart am Lande anlegen können. 
Nach Parkinson« rnafsgebendum Urteil liefsen mch 
hier mit geringen Kosten die nötigen Vorrichtungen zum 
Laden und l«u.‘«chen hersteüen; ein in den innersten 
Winkel müiidumlcr starker uud kühler Bach würde nicht 
nur das erforderliche Trinkwasser liefern, »ondem auch 
zum Antrieb von Kraftmaschinen hervorragend gecigiiot 
nein. .\i»nlich i»t dnr um einen Tagesmarsch östlich von 
T^uä bulegciiu Hafen Tinputs ansgestattet, so dafs mit 
dresun Buchten die trefflichsten .Ausgangapunktu für 
llandclsuntcrDchrnuiigcu und Plaiitagenaidngen gegeben 
sind. I^er .Ackerbo<ten ist sehr Gefgründig, fruchtbar 
und reicblich bewÖHsert. Gegen das Gebirge steigt er 
alimAhlich an und Hcheint hier noch an Fertilität zuzu- 
nebmen. Die Nähe des Gebirges bedingt nicht nur die 
stärkeren UngenfäUe, »ondern mildert auch durch eine 
frische Laudbrise, die wibreud der Nacht übur die 
Niederungen streicht, ganz arheblich die Wärm«. Das 
mindestens 3.50 m huhu und trockene Baniu-Massiv aber 
würde sich, wie kaum eine andere Örtlichkeit, in unver- 
glei<‘hiichcr Weise für ein Sanatorium empfehlen. Der 
Boden gestattet sÄmtUchö Tropenkulturen, und da «r sich 
nach dom Innern nur langsam erhebt, so sind selbst 
Höhenlagen bi« zu 1000 m immerhin leicht zu erreichen. 
„Ich hin“, sagt Parkinson, »von jeher der .Ansicht 
geweaeu, daf« die liisel Bougainville die günstigsten Vor- 
l)cdingungen für Kolonisation in grofHeut Mafsatalw bietet; 
dh-8 i-t aber hei dom oben beschriebenen Territorium 
ganz hosonderH der Fall.“ 

Bei Kap L’.Avwrdie tritt iiocbtnaN ein Sporn des 




1H4 



II. Die deutsrhen Snlonio- [i«»eln »«»itit uud 



Kaiitorgebirgei« Diit »teilen Flanken nahe zur Küf)te heran. 
Ihe aanfierun Uebnnge tragen ßuach und Gra»; wo aber 
jüngere Abbrücbo und Kut^ebungen Mtattgefundeu halten, 
atarren una ttoburfaiGrate und kahle Wände in Kelisameo 
FarlKinkoiitraiiten entgegou. Kap L'Averdio («elber liegt 
auf dem Hachen Filand Iru$, dna von der Ilauptinael 
durch «iueu »chiualen Kanal getrennt iai. der aieh im 
Süden XU dem aehönen, von Parkinaon entderkten und 
benannten Horrog Krnat GOnther-llafen erweitert. Iluld 
darauf ateaeru wir in daa ])innenwu»Her zwischen dem 
Ufer und dem äul»eren Harriorerifl, daa in 2 bi» dkm 
Abaiand und parallel mit den StrandriHeii au der Nord* 
oatseit« entlang streicht. Wieder zeigen sich Anker- 
pl&txe und lUfen, 2 . B. IlatEfeldhufon, Nuuia-Numa und 
die umfangreiche llerbert-Iiai im Süden von Kap Let’raa. 
Danach passieren wir die felsigen Martin 'Inseln, die 
Uottenburg-Bai und die Zeune-Inseln . frdgen von Kap 
Binner bis zur Rauton-liiBel der ^stillen Durchfahrt’* 
und laufen endlich zwischen Kap Freundschaft und der 
Oima-Insol in diu Buuguinville'Stralsu ein. Vorher 
müason wir indes noch einmal Halt machen und zwar 
in der Rüttunburg*Bai, weil hier die Mnriaten ihre 
erste Niederlassung auf der Ilauptinscl angelegt haben. 
Im Uiutergrunde der Bai, wo man auf unserer Karte die 
Namen Kiata oder Kiatu liest, breitet sich die gut 
bevölkerte Landschaft Kieta*) aus. Itranf.^en vor der 
Bucht liegt „wie ein Damm" das langgestreckte Kilund 
Pako])o, dessen Itewohner früher auf Bougainville au- 
sAssig waren, sich jedoch vor den lK>Kl»iidigen Angriffen 
dnr ^BuBchleute“ hierher xurückgexogen hüben. Die 
Missionare kauften für ihre Station auf dem südlicben 
Küitenvursprunge einen ziemlich weit in die See hinaus- 
ragendau Berg, von ihnen „Karmel“ gciuuFt, und be- 
gannen dattelbsi mit dem Hauabau. Das war im Juli 
19U1, und gerade eiu Jahr später imilsten sie l>ereith 
das Feld räumen. Kin rÄuberischer Bergstamm batte 
sie ül>erfallen, zwei gröfsere Schüler erschlagen und die 
Weifsen zur .\brei«o nach Poporag-Schortluud ge- 
zwungen. 

Am Südostgestade Bougainvilles fällt zunächst die 
schmale, wegreu ihrer stark versumpften Ufer als Lan- 
dungsstelle wenig zu empfehlende Bucht von Touolai 
auf, obschon sie an 6km in das Innere dringt. Man 
thut daher besser, die Insel erst bei Komaliai oder der 
Famarch»pitze zu betreten. Soweit das Auge blickt, 
sieht man zu beiden Seiten ein niedriges, mit üppigem 
Grün bedecktes Sandgelände, das infolge au»k<>mmlicber 
Bewässerung sebr fruchtbar erscheint , nlnir leider un- 
besiedelt i»t. Der Pflanzenwuebs zeigt sich sehr ver- 
schiedenartig und reich. Im Wnldesdickirht l>egcgueii 
uns Palmen, Schlinggewächse und Farne jeglicher HröNe 
und Form iin bunleii Durrheinnnder, während näher am 
Strande zierliche Kasuarinen »tehen. deren zartgefiederteH 
Ijaub den deutschen Fremdling lebhaft an die Iteiiiiat- 
licben Nmlelhölzer erinnert. 

Das Wefitufer weist im Hüdlicben Drittel eine flach 
ausgeriindete Bucht auf, die der Kaiserin Angusta zu 
F'hren benannt iat. Sie liegt zwischen Kap Moltkc im 
Norden und der Hflaker-Hnk im Süden. Letzten* greift 
in Gestalt einer niedrigen Landzunge nach Nordwesten 

*) .Di« Kt»go>MJTenen si^eu |>anz deuUicb Ki^ta", »rliretht 
mir Herr Pater i'rovinzial C. M. Klaus, der ain erster Piimier 
»einer MiMion diese Ctejrend vrkuiub'ie. m einem sehr aus* 
fiihrltcbeii Briefe vom 150. «fanuar d,.I. Ich «agc it«'Ui Herrn 

Pater meinen verbind Iich«len Dank fnr »eine Miihe. Lvider 
kann ich den iwieben Inhalt seine» Briefe» hier nicht im ent* 
femte)it**n wiedergebeii; ich buff« aber, dies in einem tteson* 
deren Arttki'l über ^Missionsnachriebten aus Bouicaiii- 
vitle" nachhulen zu können, der vielleicht auch iui Globua 
seinen Platz flndel. 



vor, besitzt aber an der liuien?‘eite einen rückwärtigen 
Huken, diu lluk Liiideuburg, wodurch der kleine, sehr 
hübHchc Gaztdlehafen abgOKchnitten wird. Dieser ist, 
gleich der ganzen Bui, in den Tagen vom 25. bis 
28. Augu»t 1875 von der „Guzellu“ unter Kapitän 
l'reilierrii v.Scbleinitz auf der lierßhniten Forschongs- 
reisu um die Erd« uniursucht und vermaBsen worden. 

Das Kernstück Ihmgainvilles bilden Gebirge, die iudo» 
keine zuBarouienbängende Ling»kettu ausmacben, sondern 
im Parallel von Kap Moltke durch eine Querscharto 
unterbrochen sind. Der nördliche Zug oder da» Kaiser- 
gebirge zeigt bereits unfern der Augu»ta-Bui eine 
Dnrehachnittshöhe von 1000 bis 1300 in. In 5® 50' aüdl. 
Br. türmt es Bich zu einem von drei hervorstechunden 
Spitzen gekrönten Bergplateau auf, dem Balbi unserer 
Karten, der angeblich eine Höhe von 3100 m erreichen 
soll. Viel modriger ist diu Friedrich-spitze und die nord- 
östlich gelegene rhriatlan-Auguwt-Spitze mit ihren gleich- 
artig gebauten Niicbbarn. Bald darauf fällt das Ge- 
birge allmählich zur Kltuiie ub, in die es noch einzelne 
kurze Zöge wie Vorposten eiitseudut. Die vorurwähnti* 
Scharte hinter Kap Moltke wird durch einen flachen 
Sattel ühorhröckt, dor zu dem hüdlicben Kronprinzen- 
gebirge führt. Ks beginnt mit einer vulkanischen Gruppe, 
die von dem noch immer thätigon Bagtmu bis zu dem 
ruhigeren Guinot reicht. Dann folgt eine Kinschnürung, 
jenseits deren, quergelagert, eine Heih« mächtiger Hoch- 
kegcl aiifstuigt , die mit uiueiii Kruterburge von 2500 in 
kulminieren. Etwas abgesondert liegt der Bonmartioi 
zwihcbuii Kap Honrath und Kap Binnor. Völlig isoliert 
erscheinen endlich die Höhen um ToDolni-Hnfeii und 
norduordöhtlicb der Esmarchspitze. 

Um die geographische Eigenart unserer Salomo-Iiihelu 
und deren kolonialen Nutzwert noch mehr zu verstehen, 
ist es notwendig, ihre klimatischen Verhältnisse, 
sowie die wichtigsten Erscheinungen ihrer Flora und 
Fauna einer kurzen Besprechung zu unterziehen. 

Das westliche MelaneRien von Neu-Guinea bis zu den 
Salomonen, ja wahrscheinlich bis xu den Neuen Hebriden, 
gehört klimatisch dem tropisch-australischen 
Monsungebiete au. Dieses wird im ganzen durch 
das Vorherrschen des Nordwest-Monsuns charakterisiert, 
wenn sich auch im einzelnen, nauientlicb in einem so 
bunten Inselgewirr, wie unser Archipel, maneberlei ört- 
liche l'nterschiedu ergeben. Da es an fortlaufenden 
Beobaebtungsreihen und somit auch an den erforder- 
lichen Mafs- und ZsLlennngaben vielfach mangelt, so 
läfst sich gegenwärtig eine genaue Schilderung der 
Wetterlage für die Salomo-Inseln noch nicht durchführen. 
Am kläglichsten ist es in dieser Uiuslcht um den deut- 
schen Anteil bestellt, da wir bisher weder auf Buks noch 
auf Bougainville einen ständigen Posten unterhalten. 
Hoffentlich nehmen sich die .Marixten - Misaionare der 
Sache an, vorausgesetzt, daCs ihuen das Reich oder eine 
wissenschaftliche Stiftung die erforderlichen Instrameote 
zur Verfügung stellt. Zur Zeit können wir nur sagen, 
dafs der .Archipel vorwiegend ein feucht-tropisches See- 
kliina mit erheblichem Regenreiebtuni besitzt Doch 
sind die Niederschläge in den versebiedenen Jahren durch- 
aus nicht gleich. Die hei Guppy veröffentlichten Re- 
gister weisen für die korres|>ondiereiiden 3Iouate Diffe- 
renzen bis zum doppelten und dreifachen Betrage auf, 
und dabei regnet es eigentlioh in jedem Monat zuweilen 
Sogar an jedetii Tage, gleichviel ob der Monsun oder der 
Passat weht Das betont schon Freiherr v. Schleinitz, 
der während seines Aufenthaltes einen „ununterbrochenen 
Wechsel von Flauten mit Regenböen und Stürmen“ er- 
lebte und daher sehr über das nasse, dicke und bäfsliche 
Wetter klagt, ßc-soudera unangenehm und für di« 




II. Seidel: l>ie ileiitnehen 8alomn< I tifieln lonet und jetxt. 



186 



SchiBahrt gef&brlicb aind die plötzlich nuftretenden, 
auch aonat in den Tropen bekannten Gewitter- oder 
Bogeuböen, wie eie nach der Form ihrer Wolken bez<>icbn«t 
werden. Sie zeigen eich natnentlicb darin, wenn SQd- 
oetpuasut und KurdweetmonBun um das Hegimont ntreiten. 

Hie l&brliche NiederschlAgenicnge der Salomunrn 
dürfte HU den Inselküsten etwa 3800 mm betragen. Für 
das gebirgige Innere, namentlich bei 1500 bia 1800 m 
Scehöhe, nimmt Guppy aogar drei- bi« riermal ao viel 
an. Wir würden damit auf einen Satz kommen, der den 
der indischen Khassia-Berge faat erreichte, wenn nicht 
gar überträfe, und diia erncheint uns doch vorläufig aehr 
zweifelhaft. Wie dem aber auch aci, ao viel ateht Jeden- 
falls fest, dafa auf dem Archipel durch die gleich- 
lü&faige und reichliche Befeuchtung eine der wiebtigateu 
Vorbedingungen für die edelsten Tropenkulturen gegeben 
ist. I>n e« ferner auf den gröfaeren I>amlk<Sr|>em nirgend 
an fruchtbarem Erdreich fehlt, ao darf ea uns kaum 
wundern, diifa die Engländer schon am Werke sind, 
diese Vorzüge auszunutzeu. Nur wir Deutschen haben 
bia beute mit diesen gesegneten Strichen noch nichts 
anzufangen verstanden. 

Die Temperaturlage der Salomonen ist etwa die- 
selbe wie in Nen- Guinea. Das Jahresmittel lH>zifiert 
sich auf 26 bis 27'^ Cn bei einer Schwankung von 18 bis 
35* C. Das letztere pjctrera macht sich indes nur bei 
l&ngercr Trocknis geltend. Trutzdom ist das KHuih für 
den Europäer nicht gerade unerträglich zu nennen, da 
am Gestade Jederzeit durch die Soebrise eine wohl* 
tbnende Erfrischung erzeugt winl. Im Gebirge trägt 
schou die Hohe dazu bei, um die l.uft kühler und 
reiner zu erhalten, ganz abgesehen von der während 
der Nacht berabwehenden l.andbrise, die nach Parkin- 
sons Angabe selbst iu der Ebene die Wärme bis auf 
18* C. erniedrigt. Gleichwolil ist das Fieber beinahe 
ül>orall ein stämligur und höchst unliebsamer (iust. Die 
stürmische und am meisten mit Regen bedachte Zeit 
reicht vom Dezember bis Anfang März, ln diesen Mo- 
naten brausen von Süden oder Südosten heftige Orkane 
über den Archipel bin und richten arge Verwüstungen 
au, deren Spuren auf Jahre hinaus sichtbar bleiben. 

Was die Flora der .Salomonen betrifft, so gehört 
der Archipel mit den Bismarck-Inseln und Nca-Guinea zu 
ein und demselben Vegetationsgebiete, das Drude als 
„papuuuische Hegiou*^ zusaminengefafst hat. Auf die 
Mangrovendickichte des Flacbstraudcs folgt landeinwärts 
ein hoher, strotzender Küstenwald, der später in den 
Bergwald übergeht. Auf den IKnibnächen und den 
Flanken der Gebirge dehnen sich öfter uiufangreiche 
Savunoi’u aus, diu vorwiegend mit Alang-Ahinggrat be- 
standen sind. Im Waldbilde treten uns besonders die 
Palmen in grutser Zahl und Fülle entgegen. Neben dem 
Sagobaum erscheint die in mehreren Arten vorhandene 
Areka* oder Betelpalme und am Sandgestade die Kokot. 
Unter imposanten Baniancu wuchern Alpinieu und Heli- 
konien oder sontlerbare Farne, die in trockenen wie in 
nassen Lagen stets in gleicher Menge den Boden be- 
kleiden. Aach an Nutz- und Edelhölzern ist kein Mangel, 
und ebenso wenig dürften Kautscbukpllanzen fehlen, ob- 
sebon nach derartigen Sehätzeu noch tiieinuud ge- 
forscht hat. 

Die Eingeborenen kultivieren Yams, Taro, Bataten 
oder Süfskartnffelri und Bananen, die in manchen Di- 
strikten von auBgezctchneter Güte sind. Wo der Salo- 
monier mit den Weifsen in Beziehung steht, hat er die 
Kokospalme bereits in Zucht genommen, deren Nüsso 
z. B. auf Bougninviile als Wertmesser lieim Tauschhandel 
dienen. D(>r allentbalben Torkommende Pnndanus liefert 
verschiedene wohlschmeckende Gerichte. Die Tacca 
Ulobas I.XXXm. Nr. 12. 



hingegen wird von den .Schwarzen nicht beachtet Da beide 
Geschlechter leidenschaftliche Raucher sind, so hat man 
auch den Anbau des Tabaks versacht, aber ein ganz 
abscheuliches Kraut erzielt, das fürchterlich riecht und 
für den Europäer nicht zu geniefsen ist 

Über die Tierwelt sei gleich bemerkt, dafa das 
gesamte Inielgebiet faunisUsch zur australischer Region 
oder genauer zu deren austromalaiischer Unterabteilung 
gehört. Diese ist, selbst mit Neuseolsnd verglichen, 
ungemein arm an Säugetieren. Nicht einmal die apU- 
centalcu Beutler •— mit .-Vusnabme dos katzeogrotsen 
Kuskn« — kommen auf den Salomonen reichlicher 
vor. Von placontalun Säugern finden wir nur das 
Papuaschwein, etliche Ratten, einen verwilderten Hund 
und mehrere teils insekten-. teils friichtfresaende Fleder- 
mäuse. Die Vögel stehen dunen von Neu-Pommern und 
Kuiscr-Wilhelmsland sehr nahe; sie werden durch Papa- 
geien, Kakadus, Frucht- und Erdtaubcu, Scharrbübner, 
die ihre Eier dem warmen Boden nnvertrauen, und 
KöoigBfiHcher ebarakieristert. Nur Paradiesvögel hat 
man bis jetzt noch nicht entdeckt; dagegen ist es 
dem Gouverneur ▼. Bennigsen gelungen, bei seiner 
letzten IiiBpoktiousrciso im November 1900 die Ezistenz 
des Kasuars für Bougainville wahrscheinlich zu marhen. 
Derselbe lobt dort nach Aussago der Eingeborenen 
in dun Buschwäldern und führt den Namen „Morup”. 
(lleutscbcs Kolouialblatt 1901, 8. 116.) Von Reptilien 
kennt man etwa 20 Arten, darunter das Krokodil, den 
Waran und die merkwürdige Corucia zebrata, ganz ab- 
gesehen von Geckos und sonstigen kleineren Echsen. 
Die Schlangen, giftige und ungiftige, sinil ebenfalls nicht 
selten, und noch bäufigur kommen ullerlei Frösche 
vor. An Fischen ist geradezu Überflufs vorhanden. Der 
Gouverneur v. Bennigsen war auf der erwähnten Reise 
mehrfach Zeuge, wie mit einer einzigen Dynamitpatrone 
über ein Zentner der wohlschiueckendstun Fische go- 
schosHen wurde. Um der nutzlosen Vergeudung dieser 
Naturgabe zu steuern, hat der englische Resident-Com- 
niissionar die sehr vernünftige Verordnung erlasnen, wo- 
nach im britischen Besitz das ,Fischschiefsen* durch 
Farbige verboten ist 

über die Vertreter der niederen Fauna wollen wir 
schweigen. Ilcrvorgehoben sei aber noch einmal die 
schon aus obigen Zeilen ersichtliche Tbatsache, dafs auf 
den Sulomo-lnsein jedes unserer Haustiere fohlt. 
Dieser Mangel, der sich ursprünglich in ganz Ozeanien 
gezeigt hat, fällt um so mehr ins Gewicht, sobald es sich 
um die Anlage dauernder Niederlassungen seitens der 
Weifsen handelt liier steht also der Kulturarbeit noch 
ein weites Feld offen; doch kann mau Tielleichi auf die 
entsprechenden Erfahrungen und Versuche in Neu-Guinea 
und dem Bismarck-.^rchipel zurückgroifon und danach 
mit aller VorHiobt die Auswahl treffen. Selbst die ein- 
fachstti Station vermag ohne ein Zugtier, ohne Rind, 
Schaf oder Ziege auf längere Zeit nicht auszukomnieu; 
das bedingt zum Teil schon die Ernährungsfragu. Auch 
unser GuQügel wird alsdann eiu/.uführen sein und ebenso 
Hund und Katze. 

Über etwaige mineralische Schätze auf Buka 
oder Bougninville ist zur Stunde noch nichts zu sagen. 
Die Schwefel-, Alaun- und Gipslager von Simbo gehören 
den Briten, denen wir 1899 auch Label abgetreten 
haben, wo sich Itmi Uibbes Mitteilung ein goldhaltiges 
Gestein vorfinden soll. Nach Tn»fes.'«»r Thilenius 
(tf)ohiis. Bd. 78, Suite 201) hat inan ferner Sjmren vtm 
Kupfererz enbiuckt. 

Damit verlassen wir dies Thema und wenden uns 
zum Schlafs noch kurz den Eingeborenen zu. die wir 
indcK nicht vom antbropologisohen oder ethnographischen 

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S. Kl«ina!*it‘n als Wiei^o dor wisicnBobaftliahou Erdkunde. 



Standpunkte aus betrachten wollen, aoDdorn lediglich [ 
auf ihre Stellung eu den Wcifeen und ihre sonstige Ver> 
wundbarkeit /m prüfen Torbabeo. Manches ist schon in 
der Kinleitung augedentet, wo u. a. gesagt ist, dnfs die 
Salomo-Inseln seit langem alx unser bestHsAnwerbegebict 
gelten. Der Inspektioosbericht des Herrn ▼. Heunigsen 
l>esUUigt dies ebenfalls, obschon auf der anderen Seit« 
nicht geleugnet werden darf, dafs gerade die Salomouier 
ein Menschenschlag sind, der mit rieler Vorsicht be- 
bandelt sein will. Ernst Tappenbeck, Verfasser eines 
mehrfach absprecbend gehaltenen Haches über Neu* 
Guinea, ist aiigenscheinlicb durch die MordthaUn zweier | 
Ihtkn-JuDgen, begangen an dem \>ekuDDtcu Reisescbrift* ' 
Steller Otto P'hlors, dem Polizeiunteroffizier Piering ' 
und spAter m>cb am liandoshauptmanu v. Hagen, sehr 
gegen die Schwurzen heeiuflutst worden. Wie er in 
einem Vorträge schreibt,, sollen sie fortan in Kaiser Wil« 
helmsland keine Verwendung mehr Buden, und zwar 
nicht hlofs wegen der erwähnten Verbrechen, sondern 
und das dürfte wohl der Hauptgrund sein — wegen 
ihrer gei-iugon Widerstandsfähigkeit gi-guii das dortig« 
Klima. Sie wären in Nou-nuinea noch weicher 

und empfindlicher als Javaneu und Chinesen**. Nur | 
auf Neu-Pommern kommen nie angeblich besser fort, 
seien aber stets unsauber, mitsmutig, düster und uube- , 
recheiibar. Vergleicht mau diese trübe Schilderung mit | 
den Aui«sageu Parkinsons, so wird man zum Glück 
auch umiicbe nicht zu verachtend« Lichtseiten im Cba- ' 
rakter der Salomouier outdecken. Dio gleich« Erfahrung 
haben nicht minder die Maristen - Missionare gemacht, 
soviel sie sonst über die Hoheit und Herzennhärte der 
Kingehorencu klagen müssen. 

Ks ist an den Salonio-Insulaucrn, das wollen wir ja > 
nicht vergessen, früher sehr viel gt*i>ündigt worden, 
besondern durch die englischen „Labour-Tnvde-Scbiffe“, , 
deren ,.\nwerbuiig'‘ in den allermeisten Fällen nichts 
andere« als ein mit List oder Gewalt bewirkter Menschen* I 
raub war. Die nach Australien, Samoa, Fidschi ver- I 
schleppten Eingeborenen kehrten selten oder nie nach 
Hause zurück. Was Wunder also, wenn sie daheim in J 
jedem WHifseo ohne Unterschied ihren geborenen Feind 
erblickten, desseu sie sich, sobald die Müglicbkeii Torlag, 
thuiilichat rasch zu unilcdigim suchten. Wie der Natur* ‘ 



forscher Kibbe mitteiit, fielen von 1892 bis 1894 nicht 
weniger als neun Weifae den Insulanern zum Opfer. Noch 
schrecklicher war 1696 das Massacr« auf Guadalcsnar, 
wo der österreichische Geologe Dr. y. FulloD'Norbeck 
bei einer VcrmcssuugsQbuug mit mehreren Gefährten 
augesichts des begleitenden Kriegsschiffes niedergemaebt 
wurde. 

Die auf solche Unthnten folgenden „Slrafexpeditionen“ 
haben das Übel eher verschlimmert als behoben, da nur 
in den seltensten FhUou der wirklich Schuldige ermittelt 
and abguurteili wird. Selbst wenn es geschieht, so ist 
damit nicht nur nichts erreicht, sondern nur neuer 
Schaden gestiftet, da die Angehörigen des IliDgerichteten 
sofort auf Dlutrache sinnen und diese früher oder später 
an irgend einem Fremden auszuüben wissen. 

Soll eine Itesserung dieses l»edi>ukUcbeii und für den 
Aufschwung der Inseln aufserorduntlich bemmeudeD Zu- 
standes erzielt werden, so mufs der Weifs« zunächst sich 
selber ändern. Er mof« dem Schwarzen gegenüber treu, 
gewissenhaft, mitfühlend, ehrlich und fürsorglich sein, 
ohne dabei jede geboten« Wachsamkeit und scharfe 
Heobaebtung zu vergessen j das Ut er seiner eigenen 
Sicherheit unlxKiingt schuldig. Anderer^ieils darf er in 
dem Schwarzen nicht blot« eine Arbeitskraft sehen, 
sondern auch den Menschen, der gleich uns seine au* 
guborciten Mcuschcureclite bc^sitzt und durch uns iiicht 
nur ausgelKmlot werden, r^ondern auch versittlicht und 
gehoben werden soll. 

Der berüchtigte „Arbeiterfang“ hat inzwit.chcu ein 
Kode gefunden, seit das Werbegesrhäft durch strenge Vor- 
schriften geregelt ist und regierungsseitig der Aufsicht 
unterliegt*). Die beteiligten üesellHchafteu streben über* 
dies schon im eigenen Interesse danach hin, dats ihn' 
Arbeiter ordentlich gehalten und nach Ablauf ihrer Ver- 
träge i)ÜDktlicb in die Heimat zurückbefördert werden. 
Nur dadurch kann sich allmählich ein günstigeres Ver- 
hältnis zwischen den Parteien herausbilden, und die Zeit 
scheint nicht mehr fern zu sein, dafs wenigHiuns in einigen 
Distrikten ein ruhiger und friedlicher Verkehr zwischen 
WeifscD und Schwarzen enUteht. 

*) Vergi. hierzu die «ehr genaue Verordnung üWr •Aus- 
führung von Einirekaironen u.h. w." iui Deutschen Kfdonial- 
biatt 1901, Bd. IS, 8. 779 bis 779. 



Kleinasien als Wiege der wissenschaftlichen Erdkunde. 

V^OD S. U u g e. 

II. (Schlufs,) 



IHc ionische WiMsenschaft beHcbäftigt« sich obenHo 
mit dem Weltall als mit der Erde. Nicht Thules, son- 
dern ein Schüler des Anaximnnder, Auaximones, lehrte 
zuerst, dafs die Moudfinsterni« dadurch entstehe, dafs 
der Moud in den KrdHchatten trete. Doch ist ihm <Ue 
Erde noch eine Scheibe, wie auch alle Ge«<time nur dünne, 
von der l.uft gelingen« Scheiben sind. 

Hekataus von Milet (549 bis 486) batte auf seinen 
weiten Hei«eu ein« umfassende Wultkeimtnis gewonnen 
und schrieb zwischen 520 und 500 die erst« systematische 
Krdbeschmhung unter dem Titel „Krdumwanderuug“ ; 

Leider haben wir davon nur durch 
llerodot eine dürftige Kunde; denn ob die geogTaphischen 
Hucher, von deuen zahlreiche Fragmente geHaiunielt .«ind, 
als echt angesehen werden köiinoii, ist noch nicht ent* 
Mcbiedeu. Die ioni«cbe Lehre von der Erdsebeihe wird 
heihehaltcD, alter Uekatäu« vertritt unter den Griehrteu 



wohl zaerat die Annahme von drei Erdhdlen. Kr war 
tiefer in die Kenntnin der Länder eingiHirungen als seine 
Zeitgenosaeii, seihst al.« sein Nachfolger llerodoL so daf« 
mau, wie Müllenhoff in der Deutschen Altcrtuniskunde I. 
237, sagt, sich von der gi'ofsartigen Aui^dehnung der 
mUeshichett und ionischen Verhindiingeu nirgemls besser 
eine Vr^rstellung machen kann ab aus den dürftigen 
Cberbleibseln seines Werk«.«. Hier wird allerdiings die 
Echtheit der geographischen Fragmente vorausgesetzt. 

AristugorHs von Milet, noch ein Zeitgenosse de« 
Ilvkatüus, w'ar um 500v. l'hr. einer der cinflufsreichsten, 
aber auch gewisHenloseston Männer seiner Zeit, der vor 
; ollem den Aufstand der kluinnsiatischeti Griechen gegen 
die Perserherrsebaft ins Leben rief und auch in S|Mirta 
und Athen lliiiide»genos<eu zu gewinnen suchte. Er 
gehört nicht unter di« Geographen, aber er hesafH eine 
hh-ztafel, iu der der I mkrei'H der guuzeu Ki'de, das ganze 



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S. Ru{(e; Kliünnaien ula Wiepe der wiaa«‘Difvhaftlicben Krdknnde. 



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Meer und alle Flüssr oingejfral^en waren, wie Herodot 
(V, 49) erzlhlt. E» war iilao eine in Metall eingogmbono 
Weltkarte, die Ti^nnutÜch von Hekat&uti nach ionincher 
Auffaasting entworfen war und dom Amtagoras zu Agi- 
tationszwecken diente, denn er nahm sie auf seiner Heine 
nach Griecbenland mit und zeigte eie auch dum Könige 
in Sparta. l)ie» Weltbild ist mm von besonderer Wichtig- 
keit, weil sich daran die Slteste Erklärung einer 
Karte kiuipft Wir können die von Aristsgoras dem 
spartanischen Könige dubei gugubene Erläuterung auch 
aU die älteste Geographiestande ^mit Demonstration an 
der Karte“ ansehen, die uns Herodot aufbewahrt oder 
nach seiner xiemlich gleichalterigen WeltkonntuU ent- 
worfen hat Nicht der ganze Erdkreis wird beschrieben, 
sondern nur «lur Daten, also vor allem das PerseiTeich, 
gegen das Ariatagoraa die europäischen Griechen zum 
Kampfe zu Hülfe rufen wallte und sich dabei, mit Hin- 
weis auf seine Karte, also vernehmen Hofs: Länder 

der Perser liegen hier so nebeneinander, wiu ich es jetzt 
angebe; Neben den Ioniern da die Lydier hier in oinem 
guten Lande und die reichsten an Silber“ (au einer 
anderen Stolle rühmt Herodot, data die Ionier das beste 
Stück der asiatischen Küsto in Besitz genommen hätten). 
I>aim fährt Ariatagoras fort: „Neben den Lydiom hier die 
Pbrygier gegen Morgen, die herdenreichsien von allen 
und die fnichtreichston. Neben den Phrygiern die 
KapjMulo/ier, tUe wir Syrier nennen, l'nd deren Grenz- 
uaebbaro , die Gilicier, die sich an das Meer hier er- 
atreckun, in welchem die Insel Cv])ern hier liegt. Neben 
den CUicierii hier die Armenier, auch ein herdenreiehes 
Volk, und neben den Armeniern die Alatiener (Medien), 
io diesem Lande hier. Neben diesen aber kommt hier 
das (.'baische (SuHianaland), in welchem, an dem Flusse 
rhoaM{ws (Kercha) da Susa selbst liegt, wo der grofse 
König seinen Hof hat“ (Susa beim heutigen IHsful.) 

I^euler hat Herodot hieriuit seinoii Vortrag ahgo- 
schlossen. 

Die Reibe der Milesier endigt mit Aridagorns, denn 
49;» wurde die Stadt Milet von den Persern zerstört. 

Der ersten Hlütezeit der ionischen Schule, dem 6. Jahr- 
hundert V. ehr., gehört nun auch ein kleiua»iatisebur 
Philosoph an„ Pythagoras von Samo«, der den ersten 
An^tofK zu einer richtigen Auffansung von der Erdg<^talt 
gab. Man setzt die lange Lebenszeit dieses Philosophen 
in die Jahre 569 bis 470. Doch sind nur wenig T,ehens- 
umständc genau bokannt. Man nimmt gewöhnlich an, 
dafs er um 532 schon nach Kroioii in Süditalien aus- 
wanderte, um der Gewaltherrschaft des Polykrates zu 
entgehen. Da mm weder Pythagoras noch seine nächsten 
Schüler Schriften hinterlassen haben, so bleibt auch die 
/eit im Dunkeln, wann die pythagoreiache Lehre von 
der Kugelgestalt der Erde zuerst ausgesprochen worden 
ist, ebenso der Ort, wo diese Auffassung zuerst gelehrt 
ist. Dazu woifs man nicht, ob Pythagoras selbst oder 
seine Schüler zuerst die Ansicht ausgtssprochen haben. 
Erwägt man, <!afs Pythagoras nur ein Itrittel seines I^ehens 
in seiner Heimat oder in dem Osten zugebracht und sicli 
dann nach Italien gewendet hat, wo seine Schale sich 
entwickelte, so könnte man geneigt sein, zu glauben, daft, 
die wichtige Lehre erst in Italien ausgebiJdet wäre und 
dafs man ihre Wiege kaum mit Kleinasicn in Verbindung 
bringen dürfte, l’nd doch kann nach meiner Über- 
zeugung nur Kieinaaien, also speziell Samos, in Frage 
kommen, wenn wir den Überlieferungen über das Leben 
des Pythagoras Glaulten schenken wollen, ftannch stu- 
lUerie Pytliagorns in Ägypten und lernte jedonfall.s auch 
die Sternkunde der Ägypter kennen. Nun ist hekunut, 
dats sich zwischen den ionischen Städten und Ägypten 
schon »eit dem 7. Jahrhundert ein lebhafter Verkehr 



outwicktiite. Somit war die Möglichkeit einer Rei^e nach 
Ägyptüu jedenfalls leichter von Kleiiiasicn aus geboten 
als von Italien aus. Auch wird mau wohl eine /eit des 
Studiums naturgemäfif in die früheren, wenn auch nicht 
mehr Jünglingsjahrc zu legen haben. 

Weitei behauptet aber Strabo (XIV, 1, 16 oder S. 638), 
Pythagoras halx^ als er die Zwingherrschaft dos Poly- 
kratos aufkuiinen sah, die Stadt verlassen und sei aus 
ijcmhegierdo nach Ägypten und Baliylon gegangen. 
Die Herrnihafl des Polykrates wahrte von 533 bis 522. 
Demnach würde Pythagoras also 533 auf ReiM.m gegangen 
»ein. „Als er aber“, setzt Strabo noch hinzu, „von dort 
(Ägypten und lUbylonien) zuruckgekehrt, die Zwing- 
hctTHchaft noch fortdauern »ah, schiffte er nach Italien 
und beschlof» dort »ein Leben.“ Es scheint dem- 
nach die auf die Reiscu vci^eudcio /eit oiwa» kurz ge- 
messen, wenn mau amiimmt, Pythagoras sei 532 schon 
nach Italien ausgewandert. Doch ist das NebensachB: 
viel wichtiger ist, dafs Pythagoras, wie so viele seiner 
Lauddoute, auf Reisen Weltkenntnis und Wissen zu er- 
werben suchte und gerado in Ägypten und Babylon die 
‘ Anregungen empfangen haben konnte, aus denen ihm 
die Lehre von der Kugelgestalt der Erde zur Gewifsheil 
wurde. Neuer© Fund© in Bahylonipn lassen erkemien, 
dafs man die»e Erkennini» schon im dritten .lahrtnusend 
im EuphratJandu hesaf». 

Nach einer Mitteilung in der Beilage der AUgemoinen 
Zeitung, Nr. 255 vom 0. November 1902, entdeckte Prof. 
Hilprecht von derLnivefj^ität von Ponnsylvanien um 1890 
20000 Tboniäfelchen der alten königlichen Bibliothek 
zu Nippur, Küdlicfa von Babylon, die sich jetzt zumeist 
in dem kaiserlich ottomauim;ben Museum in Kousiauti- 
nopcl bofliidcu. Die ganze Bibliothek mag 1 50000 Täfel- 
chen umfafHt haben. Dieser grofsartige litterarisehe 
Schatz ist wohl unter der langen, .55jAhrigeu Regierung 
de» König.» Hamurabi 2300v.Chr. entstanden, dun die 
Bibel (Genesis 14, 1) als König Amrapbel von .^iDear 
kennt Hamurabi war ein l»©riihmter GeHelzgcber; ein 
Teil seiner Gesetz© ist abschriftlich in der Bibliothek 
As.surhanipals (650 a. C.) erhallen; er war ferner der- 
jenige Herrscher, der Babylonien zu einem Reiche ver- 
einigte. und förderte vor allem die Litteratur. Und aus 
die.Hcr Litteratur gebt hervor, dals zu seiner /eit den 
Babyloniern schon die Kugelgestalt der Erde be- 
kannt war. 

Wenn dies© AugaWn richtig sind, dann hHl>©D wir 
auch guten Grund, dem IMbagoras selbst schon tÜe 
Kenntnis von der wahren Gestalt der Erde zuzuschreiben. 
.\llein Priesterweisheit war zu allen Zeiten heilig© Weis- 
heit, eie war mit dem Volksglauben und dem Aberglauben 
so eng verknüpft wie di© Asironomie mit der Astrologie 
bis in die Tage Keplers und Newtons. Pie Gestirne 
waren die Gottheiten und ihre Verehrung bildet© einen 
Bestandteil der Religion. Hier an den überlieferten 
Vorstellungen zu rütteln, erschien als Gotteslästerung. 
Das galt bei den Griechen ©bi>nso a'ic bei den BaViylonierii. 
Pythagoras wird sich also nach seiner Heimkehr aus dem 
Osten vorgesehen haben und seine Wissenschaft nicht 
laut verkündigt haben. IHe f.ehre von der Krdschoihe 
stand noch zu fest. Daher die Gehetiulehro bei den 
Pythagorcern, und nicht in dieser Frage allein, daher 
nur die mündliche Aussprache, ohne Niederschrift; denn 
je früher in den Jahrhunderten, uro so fanatischer konnte 
ein Volk.sausbruch »ein. .Alwr ich glaulie, wir können 
nach allen diesen Erwägungen die Entstehung dieser 
neuen pythagoreischen Lehre eher nach Kleiuasieu als 
nach Süilitalieu verlegen. 

Neben der pythagoreischen Schul© entwickelt« sichln 
j Süditaiieu noch eine zweite, die oleatischo Schule, die 




18 R 



S. Ituj;*»: Klf>inaBtPii mIb iler wisBoiiBchaftlichcii Knikundo. 



ihre Wurzeln gleichfnll»! in Kleiniixien bafte. Ibr Be- ' 
grftnder iHt XanophsiiuH hum Kulupboii« um 540 n. i 
Kolophon lieK^ zwischen Smyrna und Milet. Xeno> | 
pbane.H war ein SchUlcr AnuxiiuuuderM und bildete die ' 
[.ehren der ioui'>«ben Phy«k weiter. Als CyruH um i 
540 V. ('br. Kleinasien untenvarF, wanderte ein Teil der 
Bewohner von Kolophon nach Italien aus und gründete 
die Stadt Velia oder Kiea südlieb vom Golf tou Salerno. 
Hier trug Xenophanes Keine I^re vor, wonach die Krde 
noch unbegrenzt und uuendliob acin sollte. I^adurcb 
vermied Xemiphanes den Nachweis worauf die Krde ruhe 
und was für eine Materie sie umgebe. AIk’I* dah Meer 
galt nla die eigentliche (Quelle aller Gew^Bser. Alle 
Griechen haben naturgemärs von jeher ihre gridste Auf- 
merksamkeit dem Meere zugowendet. Die Frage nach 
dem Wesen und der Geetalt des Oat'ans wurde iu allen 
phtloMophiKcheii Schulen erörtert. Harauf führte von aelhiit 
das praktische Bedürfnis, daher haben auch die klein- 
asiatischen Griechen zuerst die Küstenbeschreibungen, 
die SegelanweiBUDgen aii»gebildel. 

Her älteste diewer nautischen Schriftsteller war Skylax 
von Karyanda. Diese dorische Kolonie lag auf der- 
selben Hulbinsol wie HulUcarnafs. Skylax sull als tüchti- 
ger Seemann unter Darius I. (521 bis 485) Kchuu eine 
Fahrt vom Indus zum Roten Meere gemacht hal>en 
(Hermlot IV, 44). Nun ist uns zwar ein Bcriplus unter 
dom Namen den Skylax ülioriiefert, der, von den Sfiulon 
d«K Herkules beginnend, allo Küsten de« Miitelraeeres 
boHchreibt, allein diese« Seolmcli euthali manche AngaWii 
aus viel späterer Zeit, als wo Skylax lebte. Wir sind 
daher zu der Annahme gezwungen, dafs diiM Original 
weKontliche Veränderungen, Verltesseningen und Zusätze 
erhalten hat Durch genauere Untersuchungen ist das 
im weitesten Mafse buatätigt, so dafs ninii fast behaupten 
möchte, vom ursprünglichen Skylax sei nicht viel mehr 
als der Name übrig geblieben. Aber daf« der Name 
Skylax kein leerer Hnueb ist lälst sieb noch nachweisen. 
Die ältesten Angaben über die Segelanw'eisungen gehen 
sicher auf phnniktsebo Quellen zurück, die Ältesten Knt- 
feniuugsmufse sind in Tagefahrten angegeWn. Aber in 
der uns erbaltencn Fa-sung hat der Skylax Tagefahrten 
und Stadien nel>eneiuander. Auch muts der YerfftsM*r 
aus einer griechischen Stadt am Ägäiseben Meere sein, 
denn dies Gebiet ist am genauesten beachrieben. Ihtnn 
sind im 3. und 4. Jahrhundert allerhand Zusätze ein- 
geschol>en. Vielleicht ist das Buch dann zu sehr un- 
genchwollen und man hat sich genötigt geseben, zum 
bw|uemereii Handgebrauch einen Auszug daraus zu 
machen, und dieser Auszug hat dann wieder neue Ver- 
besserungen und Zusätze erfahren. Tn dieser Fassung 
endlich ist die .Schrift uns ül>t>rliefert. Die älteren Formen 
taugten nicht mehr, sie enthielten oft falsche .\ngaben, 
also hat man sie auch nicht weiter ahgeschritd>en und 
erhalten, sondern verkommen lassen. Fbenso ist e« wpater 
den ersten italienischen Seekarten, nameutlich von den 
neuentdeckten Ländern und Küsten ergangen, so ergeht 
•V« auch heute noch den sogen, „alten Karten“, die man 
für wertlos hält, wenn kic 20 bi« 30 Jahre alt sind. Aber 
chenso wie wir beinahe Beit 100 Jahren schon einen 
von Stieler entworfenen Atlas in Händen haben und 
trotz der ungeheueren Vei^nderungen, diu mit dem In- 
halt der Kurten vorgegongen sind, immer den Namen 
Stielor noch l>eib«halteri, obwohl in der neuesten .Auflage, 
von der soeben die 13. und 14.Liefening erschienen ist, 
nicht ein Strich mehr an da« Urigiim) der ersten Anf- 
lag»!! erinnert, so war e§ in ulter Zeit mit dem Namen 
Skylax; man hielt ihn Jahrhunderte bei, so dafs er aus 
einem Ligen namen fast zu einem GattungshegrifT im 
Sinne ein^ Bädekera geworden Ut, 



Kine ganz andere Richtung in der Förderung geo- 
graphischer Arbeiten ftiidcu wir in dem berühmten Arzt 
Hippokrates aus Koa vertreten. Kos liegt nabe und 
südlich von Karyanda. Skylax und Hippokrates waren 
also Nachbarn, vielleicht waren sie auch Zeitgenossen; 
denn <lie Lclauszeit des grofsen Arztes wird in die Jahre 
von 460 big 366 v. Chr. gesetzt. 

Hippokrates ist unter all den bisher genamiten Philo- 
sophen und Geographen die erste noch bekannte, noch 
|H>pu)rire Perwönlichkeit. Die Rhidt Kos war, wie Strabo 
(S. 57) augiebt, zwar nicht gruts, aber am schönsten 
unter allen gebaut und hot von der See her einen 
herrlichen Anblick. In der Vorstadt Btand der sehr l>e- 
rühmto und mit einer Menge von Weibgcschenken ge- 
füllte Tempel des Äskulap. Dieses Heiligtum des 
Asklepina, das Asklepteion, ist am 7. Oktober 1902 von 
Dr. R. Herzog, Privatdnzenten in Tübingen, endlich 
wieder aufgefundeu. Dabei sind roicliliche Funde an 
liiBcbriften und Skulpturen gemacht (Beilage der Allgem. 
Zeitung vom 31. Dez. 1902). Unter den echten .'Schriften 
des Hippokrates ist besonders die etwa um 424 v. Chr. 
verfaUtu Schrift: xtQt i'dwrwn, rdx’wi' wichtig. 

Sie soll den Einfluls von BodengcBtalt, Bewä-Hserung und 
Klima auf da« organi«cbe Leben, namentlich auf den 
Menschen darthun. „Fs war eigentlich za seiner Zeit 
bedenklich“, schreibt Berger (a. a. 0. I, 58), „sich mit 
Meteorologie zu befassen. Darunter venitand man aber 
damals alle die verrufenen I,ehren der Philosophen über 
.Astronomie, Kosmologiu und Meteorologie. Aber er 
stellte seinen Lesern vor, man dürfe sich nicht davon 
ahschrecken lassen, denn der Arzt bedürfe der Astro- 
nomie. — In den wenigen geographischen Zugen, an 
deren Hand Hippokrates seine Vergleichung der beiden 
Erdteile Europa und Asir^n vorninimt, haben wir das 
reinnte und vortrefilichste Zeugnis von der wissenschaft- 
lieben Geographie der Ionier vor uns.“ 

Noch bestimmter äufsert sich S. Günther (Geophysik 
r, 3, zweite Aufl.): „M as Hippokrates anlangt, so legt 

der trefFlirhen kleinen Schrift dieses ursprünglichen 
Denkers und Beobachters, die von Luft, Wasser und 
Ortslage im Zusammenhänge mit den physischen Eigcn- 
sclmftcn des Menschen handelt, kein anderer als Häser. 
dieser verdiente Geschichtschreiber der Medizin, den 
AVer! eines selbständigen Abrisses der physischen 
Erdkunde bei (Lehrbuch der Gescb- d. Medizin I, 144, 
Jena 1875}, wie denn unter anderem darin ganz korrekte 
Gedanken über die Entstehung der Winde, ül>er deren 
Verhältnis zuiu Meere, über deren Bediugtsoin durch 
Jahreszeiten und lokale F.inwirkungen uiedcrgelegt sind. 
Als höchst merkwürdig ist des Hippokrates Einteilung 
der Erdoberfläche in klimatische .Abschnitte um deswillen 
zu verzeichnen, weil demselben die Lehre von der F^d- 
krünimung noch nicht geläufig war.“ 

Als Prolx* der Auffassung und Lehrart des Hippo- 
krates will ich einige Sätze aus seinem AV'crke hervor- 
heben und zwar vom 21. bis 53. Kapitol. 

„In Bezug auf Asien und Europa will ich zeigen, wie 
sehr sie in allen physisohen Momenten voneinander alx 
weichen und wie sie selbst in Bezug nnf den Habitus 
der Bewohner nichts gemein haben. . . . 

In Asien wächst alles schöner und gröfsi^r, auch die 
Sitten der Menschen sind «anfter und freundlicher. Der 
Grund liegt iu der wundervollen Mischung des Klimaa . . . 

Mannheit, Arbeitskraft und Kühnheit scheint dieser 
Natur nicht angeboren, bei ihnen herracht das A'^ergnügen 
vor. . . . 

.Anders iu Europa. Hier ist die Versebiedünheit 
unter den V’rdkem seihst weit grofser, wegen «1er grölsercu 
Verscbietleiibeit der Klimate. 






S. Rüge: Kleinaaien als dor wieseDschaftlieh«iD Erdkunde. 



Wenn nber die Aeiaten Tor den Europftem furcht- 
saroer, weichlicher, schwächlicher, sanfter erscheinen, so 
liegt die l'rsache ini Klima“ (ausführliche Darlegung bei 
den Phasianem), „das in Kälte und Wärme wenig Ver- 
änderung zeigt und sich immer gleich bleibt, wogegen 
ein starker Wechsel die Leidenschaft mehr erregt und 
Kenntnisse uud Eifer mehr anfacht. Der Wechsel ist 
es aber, der den Menseben immer anregt und nicht 
ücblummcrn läfst. 

Wegen dieser Uraacben ist das ganze Monseben- 
gescblocht in Asien unkriegorisch, dann aber auch infolge 
ihrer Ge^etse, denn der bei weitem grütste Teil Asiens 
wird Ton Kouigen l>eheTT3obt. 

Denn wo die Meuschen nicht ihre eigenen Herren 
Hind, sondern l'nterthaneii, da werden eie zum Könige* 
dienst, zu Strapazen und zum Tode für ihre Herren 
gezwungen. . . Sie eelbet haben keinen Vorteil davon. . . 
Wer aber in Asien, Grieche oder Darbar, sein eigener 
Herr ist und die Früchte seiner Arbeit genietet, der ist 
am meisten kriegerisch. . . . 

Übrigens sind auch die Aeiaten untereinander sehr 
verschieden. . . . 

Auch die Völker in Europa eind nach Grötso und 
Geetalt sehr verschieden wegen des Wechsele der Tempe- 
ratur. Hier giehi es heitse Sommer und strenge Winter, 
starke Regengüsse und wieder lange Dürre und häufig 
Winde, wodurch die mannigfachstun Veränderungen ent- 
stehen. 

Darum sind die Europäer auch tapferer als die 
Asiaten, weil sie immer thätig, immer bei der Arbeit 
sind. Sie goborchon such nicht Königen wie die Asiaten. 
Denn wo man unter Köuigoo lebt, mufe man natürlich 
sehr feig werden. . . . 

Der Woohsel des Klima« ist also so mächtig, dats er 
selbst die Katiir verändern kann. Der Mensch ent- 
spricht nach Leib und Seele der Natur seines 
Landes.“ 

Diesen letzten Satz dos Hippokrates möchte ich in 
engerer landschaftlicher Begrenzung auf die Umgebung 
von Kos, der Heimat de« Arztes, beziehen und «agen: 
Gleiche Landesuatur kann auch, natürlich duroh Zeit* 
verhältniiise und /eitströmungen angeregt, eine verwandte 
geistige Thätigkoit anrogeu. Die Lundesnatur um Kos 
ist nun so beschaffen, dats im Südwesten von Kleinasien 
zwei zierlicfao, verschieden ausgeatalteto Oehirgshnlbinseln 
gegen W'esten vorspringen und zwischen sich einen nach 
Osten keilförmig verlaufenden Golf von etwa 100 km 
Länge umschliefsen, in dessen Ausgango die nach .Süd* 
osten geetrecktd Insel Kon liegt. An den äufsoroteu 
westlichen Vorsprüngen der beiden Halbinseln liegen 
zwei griechische Kolonieen, im Norden Karjanda, die 
Heimat des Skylax, im Süden Knidu«. Aufserdem liegt 
auf der Südseite der nördlichen Halbinsel noch die Stadt 
Halikamaf«, der Geburtsort Hcrodots. Nun liegt die 
St«dt Kos derart im Osten ihrer Insel, dafs die Kntfer- 
nuug von da nach allen drei Kolonieen, nach Karyanda, 
Halikamars und Knidus, gleich weit, in Luftlinie ge* 
messen nur einige zwanzig Kilometer, beträgt, während 
Karyandn uod Halikarnafs einander noch näher gerückt 
sind. So dicht bei einander sind nirgends die für die Ge- 
schichte der Erdkunde wichtigen Städte Kleinasiens 
zusammeugertickt. (Es sind ähnliche Entfernungen wie 
von Dresden nach Meifsen, Pulsnitz und Glashütte.) Wir 
werden also unseren Blick noch auf iliilikarnars und 
Knidos zu richten haben. 

Ualikarnafs, der Königssitz der Beherrscher Ka* 
riens, ist in der Kunstgeschichte besonders durch das 
Grabmal de« Königs ISIausolos berühmt geworden. Aus 
Halikarnale stammt Ilerodot, den man lange Zeit als den 



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Vater der Geographie gepriesen hat. Aber mit Unrecht; 
denn wenn auch zahlreiche googpraphische MitteiloDgen 
die uns erhaltenen neuen Bücher seiner Geschichte 
dnrebsetzen, so bleibt er doch vor allem Oescbicht- 
Bchreiber, undStrabo bat ganz recht, wenn er ihn unter 
den hervorragenden Geographen gar nicht aufzählt. 

Aber trotzdem kann er hier nicht übergangen werden, 
weil er, obwohl sein Leben etwa in die Zeit von 464 bis 
406 (?) V. Chr. fallen mag, doch nicht mehr, wie noch 
der etwa« iüngore Hippokrates, der innisohen Schule 
angehöri Kr deutet den Übergang zu einer neuen Zoit 
and neuen Auffassung der Dinge an und übt an der 
ionischen Geographie bereits Kritik. Doch sind soino 
Anschuuongen in Bezug auf die Erdgestalt und das Wesen 
der Sonne noch keineswegs klarer entwickelt als beiden 
Ioniern. Das sieht man z. B. aus seinem Bericht über 
den Feldzng des Xerzes gegen Griechenland ; „ Ala Xerxes 
' mit seinem Heere zum Hellespont aufbrseb“, erzählt er 
allen Ernstes, «verlor sieb“ (NB. bei ganz heiterem Himmel) 
„die Sonne von ihrem Platze am Himmel.“ Er will da- 
mit nicht etwa eine Sonnenfinsternis andeuten, sondern 
ist der Meinung, der Sonnenkörper selbst sei zeitweilig 
verschwunden. 

Man darf daraus scbliefseD, dali die Sonne nach 
Herodots Vorstellung eigentlich ein leichtes, unbeständiges 
W'esen ist, das nicht dem ehernen Schritt der Weltgesetze 
folgen kann oder zu folgen braucht. Denn an einer 
anderen Stelle (II, 24 bis 26) sagt er, „zur Winterzeit 
wird die Sonne durch die Winterstürme aus ihrer alten 
Laufbahn vertrieben“ — also wohl verweht — „und 
kommt ins hintere Libyen“. Hört aber der Wind auf, 
können wir biuzufügen, daun kehrt die Sonne allmäh- 
i lieh auf ihren Platz zurück. 

I VTir wollen ihm aber auf diesem Gebiete nicht weiter 
! folgen. Besser unterrichtet ist er in der Länderkunde. 
Herodot hat wie viele seiner I>and8leute grufse Reisen 
gemacht, den ganzen Ori^t bis nach Persien hinein ge- 
sehen, ist in die russischen Steppen oiugedrungen uud 
kenut westlich die Mittelmeerländer bis Italien. Kr wird 
I sogar der Thurier genannt, weil er 443 von seiner Hei- 
mat nach Thurii(Sybaris) in Kalabrien aaswanderte und 
dort sein Leben beschlofi. Als Geograph besitzt er eine 
guto Beobachtungsgabe und einen gesunden Blick; das 
schliefst aber nicht aus, dafs er sich in recht kindlichem 
Glauben manches Märchen hat aufbäugen lassen. Hierin 
erinnert er lebhaft an unseren ersten deutschen Kosmo- 
grapbon im 1 6. Jahrhundert, Sch. Münster. 

Endlich sind noch die Geographen aus Knidus zu 
nennen: Eudozus und Kteeius. Kuidus, die südlichste 
in der karischen Städtegruppe, hatte zwei Häfen, und 
davor lag eine etwa l,ükm im Umfauge haltende hohe 
lusel, die durch Dämme mit dem Festiande verbunden 
war. .\lso wieder eine lediglich aufs Meer angewiesene 
Pflanzstadt mit weitem Verkehr und einer raschbeweg- 
licben Bevölkerung. Eudoxus und Ktosias sind Zeit- 
genossen, aber ihre Lebenswege scheinen weit auseinan<ler 
I gegangen zu sein. Eudozus ist etwa um 409, Ktesias 
401 geboren. Eudoxus ist Astronom uud Mathematiker, 
' er wurde ein Freund und Schüler Pluto«, als er .381 nach 
j Athen ging. Später besuchte er Sizilien, Orofagriechen- 
I land und 376 Ägypten, kehrte von da erst nach Kariert, 
! daiiu noch Kyzikus am Marmnramcere zurück, besuchte 
, dann noch einmal Athen, gründete 359 eine Schulu in 
i Kuidus und starb daselbst etwa 3^^ Fhr. 

; Dafs er hervorragende geographisebu Arbeiten, die 
j sieb auch wobl auf Länderkunde erstrecken mochten, 
! geliefert hat, mufs man daraus schliefseti, dafs Strabo 
ihn unter den vier bedeuleuden Geographen der Vorzeit; 
I .’Vnaximander, Hekatäu«, Demokrit und Kttdoxus, au 




t!(0 



S. Uufpc: Kldinaftien aU \Vie|(e iler wiaaenichaftlti^hen Frdkuiulc. 



ylerter Stelle aufführl. Wie man sieht, waren drei nnter 
diesen yieren aus Kleinasien. Wenn Kudoxus dann, 
nach anderen Mitteilungen, die I<ftnge und Ilreite der 
Ökumene, „der bewohnten Erde“, gduessen und das Ver- 
hältnis der Ansdehnnng in nurdsüdlicber und ostwcst- 
licher Richtung wie 1 : 2 gefunden, dann motste er mit 
der ionischen Erdkunde gebrochen hulnui, denn dieser 
galt die Erde als uuciidltch, also auch uueriuefslieh. 
(übrigens zeigt sich auch aus der kurzen liel^eusskizzi', 
<!afs die Uewohner von Knidus ein Itdehtltewegliches, 
unstetes Völkchen waren. 

Das bestätigt auch sein Landsmann Ktesias, seines 
Zeichens ein Arzt, wie Hippokrates. Strabo (S. G56) 
nennt ihn den I^ciharat des Artaxorxen. Nach Diodor 
von Sizilien (II, 32) lebte er zur Zeit, da der |üngere 
Cyrus gegen seinen Uruder Artaxerxes zu Felde zog. 
(An diesem Feldzugo nahm bekanntlich Xenophoii niit 
den 10 000 Griechen teil.) Ktesi.^s wurde von den Persern 
gefangen genommen, aber wegen seiner ärztliobim Kennt* 
nisse ehrenvoll am Hofe aufgenommen und brachte dort 
17 Jahre zu. Er schrieb ein in alter Zeit oft genanntes 
Werk über Asien, von diesem Erdteil hatte er aus eigener 
Anschauung vieleGebiet« kennen gelernt. Er behauptete, 
bei seinem Werke die königliche UibUotbek, in der die 
Perser nach ihrer Sitte die alte Geschichte aufgczciclinet 
hatten, {leilsig benutzt zu haben. Doch ist ihm nicht 
der zweifelhafte Ruhm versagt worden, ein arger Eahu- 
lant zu sein. 

Als dritter llQrger aus Knidus mag Agatharchides 
hier augereiht wenlen. der zwar viel später, nändich um 
150 V. ('hr. lebte, aber als f,äudurheachreiber und Histo- 
riker hier sich am besten anschliefst. Er verfafete ein 
umfängliches Gescbichtswerk von 49 llücltern über 
Europa, ferner 10 über Asien und 5 über den Indischen 
Ozean. Leider sind nur Bruchstücke hei Photius und 
Diodor erhalten, die Ursaclie der Verluste Hegt gewifa 
in dem zu grofsen Umfange. .\ls Historiker und melir 
noch als (irammatikvr befleilsigte er sich einer so grofsen 
Weitschweifigkeit und Redseligkeit, dafs man diese Litte* 
ratur schon einfach in die Unterbaltungslektiire ver- 
weisen kann. Vor allem ist aber trotzdem zu beklagen, 
dafs die füuf Rücber ül>er den Indtscbcn Ozean nicht 
erhalten sind. 8ie zeigen deutlich, wie gegen Ende der 
vorchristlichen Zeit der Welt- und Seeverkehr sich immer 
mehr gegen das lange gesuchte Wunderland Indien aus- 
dchute. 

Dagegen lehnt Agatbarebides die Verbindung der Erd- 
kunde mit den astronomischen Elementen vollständig ab, 
weil er von der Sternkunde nichts verstand. 

Da sich aWr gerade hierin, in der Sternkunde, die 
wissetn^cbaftliche Kraft der Kleinaslaten bervortbnt, so 
wenden wir uns nun zu ihren beileutendeii Vertretern. 
Natürlich sind deren Werke samt und xonders bis au! 
kleine U«*ste verschwunden. Der Grund ist namentlich 
bei den mitteialterlicben .\bschreibern nicht schwer zu 
finden. 

Im 4. Jahrhundert v. Chr. war die Lehre von der 
Kugelge>-talt bei den Mathematikern allgemein durch- 
gedrungen. .\riNtoteles (3tl4 bis 322) saiumelte bereits 
die BeweiRo dafür, und einer seiner Schüler, Kudemus 
von Rbodus, der eine Ge.'>chielito der Astronouiiu schrieb, 
lehrte bereits, dals die Schiefe der Ekliptik 24 Grad Im- 
trage oder, wie er sich au'-drücki, daD der .Vbatund des 
Pole" der Ekliptik von dem Pole de- Ai|iiators <ler Seite 
eines in den Kreis gczeichnoten Fünfzcliiiecks gleich sei. 
3 GO® 

(Der Winkel milMe a).-o =n 24® Imtragen [Berger 
II. 93].) 



I Und nun folgte, nur 100 Jahre nach Aristotele», der 
I letzte entscheidende Schritt durch .Vristarch von Sa- 
! mos um 270 v. Chr. Er ist der KopernikuR des Alter- 
i tums. Kr lehrte, dnfs die Welt viel gröfaer sei, als mau 
I bisher aiigenummeii. Nicht die Fixsterne und die Sonne 
bewegen sich, sondern die Erde bewegt sich um die 
Sonne als das Ztminim. Die Fixiternsphäre aber, dert'ii 
Zeutrum ebenfalls in der Sonne liegt, ist unendlich grofs. 
Die Ionier hatten die Krdo für unendlich grofs gchalicn; 
für Aristarch war sie ein Punkt im unendlichen Weltall 
geworden. Dafs Aristarch für solche Lehre als Gottes- 
lästcrcr verschrieen wurde, war zu erwarten. Die Ge- 
bildeten nahmen das Geschrei der Fanatiker natürlich 
lächelnd auf. Einen treKffndeii Beleg dafür finden wir 
in der Schrift Plutarchs über das Gesicht im Monde 
(Kap. 6), worin Plutarch zwar tolerant erscheint, aber 
keineswegs dem Aristarch zustimmt. ln dieser Be- 
ziehung hielt er sich als kluger Mann den Rücken frei. 
Die .Mibandlung über das Gesiebt im Monde ist in Form 
eines Gesprfiches abgefafst. Die betreffende Stelle heifst 
wörtlich so: „Da sagte Lucius lacheud: Hänge uns nur 
keinen Prozefs wegen Unglaubens an den Hals, Teuerster! 
wie einst Kleanthea.** (NB. Der berühmte Gründer der 
stoisclien Schule, Zeuo, war ein Kleinasiate aus Uypern, 
geh. 340 und sein Schäler Kleanth, der aus der Truas 
stammte, ebenfalls.) KJeantb meinte nämlich, ganz 
Griechenland müsse den Samier Aristarch als Ueligions- 
verächter, der den heiligen Wrltherd (die Erde) ver- 
rücke, vor Gericht laden, weil nämlich der Mann, um 
die Tliinmelserscheinungen richtig zu stellen, den Himmel 
gtiliiteheii, die Erde dagegen in einem schiefen Kreise 
(Ekliptik) foriwälzen und zugleich um ibro eigene Achse 
drehen lief». AVir sprechen Ja nicht unsere eigene 
Meinung aus; aber, mein {fester, u. s. w. ^ Man wird 
an das Schicksal Galileis erinnert. Das Altertum bat 
übrigens die Lehre Aristarch» nbgelehnt, so dafs, als 
Ko^HTnikuB wieder damit hervortrat, .selbst die Erinne- 
rung an den kleinasiatischen Vorläufer erloschen war. 

Ein Zeitgenosse des Aristarch war auch derberübrnto 
Kratostbenes, einer der gröfsten Geographen des Alter- 
tums, der 275 in Kyrenc geboren und 194 in Alexandrien 
gestorben i"t. Er war also kein Kleinasiate, mufa aber 
hier genannt werden, nicht allein weil er die erste ratio- 
nelle Erdmessiing ausgefübrt hat, sondern auch weil er 
zuerst eine Projektion der Erdkarte versuchte, die sich 
nicht an den Elementen der ionischen Kunst, mir Bich* 
tuiig und Entfernung der Orte zu verwerten, genügen 
; Hets. sondern astronomisch feste St ützjmnktc suchte. So 
I kam er dazu, über das Weltbild eine Anzahl von Breiton- 
parallelen zu ziehen, die durch Orte gelegt wurden, deren 
gt>offraphiscbe Breite man astronomisch ermittelt batte. 
Aber die Zahl der astronomisch bestimmten Punkte war 
noch viel zu gering, als dafs die Paralleliinien hätten in 
gleichen .Abständen gezogen werden können. Dann aber 
hatte Eratosthenes über seine Karte auch Meridianlinien 
in ungleichen Abständen gezogen, (ienaue Längen- 
bestimmungen zu machen, dazu besafs das Altertum 
noch kein ÄlitteL Also waren auch die Meridiane des 
Eratostheno" von sehr zweifelhaftem Werte. Die Idee 
eines Gradnetzes war zweifellos richtig; aber in der 
' Ausführung Hefs ihn die AViäsenschaft im Stich. 

Gegen das Unzulängliche des Entwurfes richtete sich 
nun die Kritik des gröfsten Astronomen des griechischen 
Altertums, Hipparch aus Nicäa in Bithynien, etwa 
150 V. C'hr. Hipparch ist also wieder ein Kleinasiate. 
Er verlangte als Grundlage eines Jeden Karteneutwurfes 
nur nstroDomiHche Ortsbestimmungen. LängvubL-stim- 
inuugeu hoffte er aus Beobachtungen von Sonnen- und 
Mondfinaternisaen urmittcln zu können. Zu seiner Zeit 




r^r. Friudriuh Katecr: l>s« Fopovo polje in clor llerci’yrnviiin. 



waren aber nooh su wenig Aiikalttipuuktc vorhaudeu, 
daher hat auch Hipparch keine Karte entworfen, sondern 
nur gezeigt, wie das Gradnetz beschaffen sein uiüXste. 
Dadurch legte er den Grund zu der Projektion des 
Ptoleniäus, die gebildet wird durch gleich abständige 
Breitonparallelen und nach Norden konvergierende Meri- 
diane. Den Hahmen bildete ein Trapez. Ilipparch führte 
auch diu Hezoichnuugen der Länge und Breite ein, 
zählte die Breiten vom Ä<[uator aue, diu Laogon dagegen 
vom Meridian von Bhodus, während später Ptolemäu'« 
den Anfangsmeridian westwärts in die Kanarischen Inseln 
(Ferro s|Ȋter) verlegte. Auch die Verwendung der 
chaldiiHch-babjionischen Kreiseinteilung in 360 Grade 
geht auf Hipparch zurück. Die wichiigfiten Grundlinien 
für die Herstellung einer richtigen Weltkarte wtu-un damit 
gegeben. Dals zu seiner Zeit Kratea von MiiUua in 
('ilicien auch den ersten Glohns hergestollt hat, tsoll hier 
nur noch einiuul kurz erwähnt werden; denn ein eigent- 
licher Geograph war Kratee nicht. 

Und mm kommt der letzte bedeutende Kleinas iate, 
Strabo von Ama'teia in Poutiis, der 63 v. Chr. geboren 
und in Kom unter Kaiser Tiberius gestorben ist Das 
Jahr steht nicht es läfst sich aber aus dem Inhalte 
naebweisen, dafs das vierte Buch seiner Geographie im 
Jahre ISp.C. und das zwölfte Buch 24 p. C. geschrieben 
ist. Kr mufs also mindcstcus 87 Jahre gewesen seiu. 
Btrabo stirbt in Rom — ein bdscs Omen; denn in wissen- 
schaftlicher Krdkunde haben die Römer gar nichts ge- 
leistet. Es begann schon bald nach lUppurchs Zeit der 
Verfall. Artemidor von Ephesus, um 100 a. C. und 
der lliHtoriker Polybius verbeblteii ihre Abneigung 
gegen die mathematisch - phyHikaliacbe Erdkunde nicht 
So weit ging Strabo nicht, er ahnt wenigstens die Not- 
wendigkeit der astronomischen und mathematischen 
Hülfsmittel für die Erdkunde, aber er verstand diese 
nickt mehr. Das sieht man besonders in seiner Polemik 
gegen b^atosntbenes, den er glanbte uietHtem zu können. 
Im rnmute über diese .Vnmafsuogen konnte auch Mülleii- 
hofi in seiner deutschen .Altertumskunde (I. 315) sich zu 
dein harten Urteil liioreifsen lassen: »Kin Mann von so 
stumpfen, ja grolmn Sinnen, so kurzem Verstände, ge- 



ringer Verschmitztheit und mälNigom Wissen, wie der 
gute Strabo, der iu das helle Licht dieses Geistes“ (näm- 
lich P)rat 08 theues) „i«ich wagt, cr^cheint notwendig in 
seiner traurigsten Gestalt, und was er in Wahrheit ist, 
wird leider völlig offenbar, ein arger Tölpel.“ 

Man sollte nach solchen Worten meinen, daf» sein 
Werk keiner besonderen .Vchtung wert wäre; und doch 
wäre «ijje solche Ansicht grundfalsch. F.s lag zunächst 
gar nicht in mner Ah.richt, einen so stolzen Bau für die 
wissenschaftliche Krdkuntle zu errichten wie Kratostheues. 
ein Bau, der nur iu Trümmern vor uns liegt. Kr wollte 
eine Länderkunde schreiben, wie H. Berger es charak- 
terisiert (III, 46), zu Nutz und Frommen der Regiert-n- 
deu, zur Anregung, Belehrung und Unterhaltung für die 
gebildeten Kreise Korns. la sollte populär sein, darum 
liefe er die Astronomie und Mathematik möglichst beineite. 

Darin liegt auch der Grund, dafs es Abschreiber ge- 
funden bat und uns erbalteii gehliel>cn ist. 

.Aber das sagt noch nicht genug. Strabos Geographie 
in 17 Büchern ii-t die einzige ausführlich schildernde 
Knikunde, die uns aus dem griechischen Altertum er- 
halten ist. Er fafst nach Seite der Länderkunde das 
griechische Wissen zusauimeu, aber er nimmt überall auf 
die Entwickelung der Wissenschaft Rücksicht', und in 
dieser Bcziehaiig kann man dem Urteile H. Bergern 
(in, 46) gern beipfliebten ; Dankbarkeit mufs das erste 
Gefühl sein, das sein viel genannter Name bei unn er- 
weckt, denn ihm allein vordaukou wir die Mög- 
lichkeit, die Geschichte der griechischen Geo- 
graphie jin Zusammenhänge zu erkennen. Sein 
Werk allein ist erhalten. 

Also dur letzte beschreibende griechische Geograph 
war auch ein KleinaHiate. 

.\us meiner Darlegting wird man wohl die Über- 
zeugung gewinnen, dafs die Kleina.-siaten iu Bezug auf 
die Kntwifkelung der Erdkunde die l'ührung gehabt und 
den Ausbau der Wissenschaft nicht blofs begonnen, sob- 
duru auch durch alle l’huson gefördert und in der 
Länderkunde auch beschlossen buben, während der 
astronomisch' matbematische Ausbau nach den Forde- 
rungen Hipparchs erst durch Ptolemäus vollendet wurde. 



Das Popovo poije in der Hereegovina. 



A'üii Dr. Friedrich 

W«r gegen l'.nde des Winters auf der Reise zu den 
in dieser Zeit schon ini sebönsteu FrüUlingsscbmueko 
prangenden, sonnigen Stätten des dalmatinischen .Adrin- 
strandeM, um dun Terscbiodeiien MifsUchkeiten der See- 
fahrt zu enlgehoti, den bequemen Landweg über Bosnien 
und die Hereeguvina wählt., fährt von der Station Ilutovu 
(etwa zwei Stunden Bahnfahrt juuseits Muatar) an 
stundenlang an einem See dahin. Wer aber in den 
Sominerferien dieHolbu Fahrt macht, findet au Stelle 
dieses Sees ein tiefes Becken, dessen obeneu Boden wobl- 
bebaute Felder bedecken, durch welche eich in zahl- 
reichen Schlingen ein ausgetrockiieter Flufslnuf wie ein ! 
helles Saudband biudnrchwindet. fheser zwischen Fels- I 
lehnen oingeseukt«^ ausgedehnt« Wiutersee und die j 
seine Stelle einiiehniendu wasscrlose Sommerobene 
ist das Popovo polj«, wörtlich: Pfaffeitfeld, eine 

von jenen trogartigon Terraiuaustiefungen, welche eine 
der charakteristischen Eigenheiten der bosninch-hereego- 
vinischen Knrstlaiidniehaft darstellen. 

Das Gebiet des Popovo poije gehört in vieler Be- 
ziehung zu deu interessantesten de*r Hereeguvina. Pis 



K a t z e r. Sarajevo. 

be;*itzt ein sehr mildes Klima und gilt als der gesündeste 
LandcstcU; es ist verhältnismAfsig dicht bevölkert, indem 
sich rund um das Poije zahlreiche Dörfer eng aneinander 
reihen; seine Bevölkerung — vornehmlich orthodoxe 
Serben — ist sitbuirein, fleifsig und sparsam, dulici tndz 
sprichwörtlicher Bedächtigkeit und scheinbarer Unent- 
schlossenheit doch unteruehiueiid, mit grotser Liebe un 
Fiiuiilie und Heimat hängend. Viele Pi.qK>vcaiier wundern 
in die weite Welt, gegenwärtig am häiifignten nach 
.Amerika, wihsen dort als Handwerker mul .Vrbeiter Geld 
zu venlienen, unterstützen freigebig die Ihrigen und 
kehren schliefslich mit ihren P^s(>arnissen wieder auf 
das PcqMiVu zurück, !-o den allgemeinen WohlsGirid 
fönlerml. Man sagt, dafs 70 I’mz. der Auswanderer 
auf ihr SUriufeld ziirückkoinnien und dafs die meisten 
jetzigeu Griiiulbesitzer sich mit Amerikageld freigekauft 
hätten Ü* 

ln oiiier intrn'ssuiiiun Abliandhiiig üht'r das Po|mvu 
poije und die M^rkwünllgkoit*-« von Zjivalii (Wi-s. Aliu«*il. 
aus Btwin. ii. d. 1 Irn-oj:'"-. I. laod, S. :!4 h) Wrichtet t’li r. M t haj • 
lovii*, daf* b«fim liurrhstich der Landviiüe Vi>i> tliici: übi-r 










l)r. Kriodrieh Kat*«T: l>n* Po|»uvo jm»Ij© in der n©rtH'gi>viQa. 



Jodocli nicht mit dioscn an bich gewita interossantcii 
Verb&ltniübcu, aoudcru nur mit dor gtHiphyaikaliechoii 
RuachafFunhcit du» Pu|)Ot» poljo »ollen sich die folgenden 
Zeilen befa^Kon. 

Da&! eigentliche Popovo polje Ut das nordwestliche 
Ende einer mehr al» 50 km langen Terraindepression, 
welche aien\licb parallel zur ndriatinchen Küato von 
llutovo im Nordwesten bis Cicero bei Trebiiye im Süd- 
unlen hiuzieht. In dieser Torrainaustiefang, deren Breite 
zwischen l und 8 km schwankt, ist eine Dreiteilung 
sofort in <üu Augen springend. Das inäfsig grufsc süd- 
östliche und das langgestreckt« nonlwostlicho Ende 
liegen tiefer ols der breit« mittloro Teil, welcher infolge- 
dessen auch trocken bleibt, w&breiid die beiden ersteren 
überschwemmt sind. 

Allo drei .\bschnitte de» Beckens werde« der ganzen 
Lange mich von der Trebinjeim durchzogen, welch« bei 
Bilek, nördlich von Trebinje, gleich als mächtiger Bach 
aus den Kalkfclscn hervorbricht und iiti Popovo polje 
blind endet. Es stellt 



namentlich in den Waldtoilun Triio valje und Prlovine 
bei Poljioe auftreten. Die offen am Tage anstehenden 
Kreidekalk« bilden eine von zahllosen DoLinen zerwühlt« 
Karstflich«, welche zum gröfston Teil von Gebüsch und 
schütterem Wald bestockt ist und nur auf beschrauktesi 
Parzellen bebaut werden kann. Gerade dies« eignen sieb 
aber ganz vorzüglich zum Tabakbau und der hiesige 
Tabak (Sumski duhnii) geniefnt in der Hereegovina einen 
besonders guten Uuf. 

Das Popovo und Cicevo polje sind dagegen durch 
alluviale Anschweromungeu, die vorzugsweise in 
einem thonarmen, feinen Kalksandboden bestehen, voll* 
ständig ausgeebnet und bieten ausgezeichnete Acker- 
und WeidogrÜnde dar, deren P'ruchtbarkeit »o borüliiui 
ist, dafs insbesondere das (Icevo polje nicht ohne Be- 
rechtigung als der Garten der Uereegovina bezeichnet 
werden konnte. Die Äoker werden hier zweimal jährlicb 
l>ebaut nud es wird zweimal geerntet: das erste Mal 
llalufrucht, das zweite Mal Hackfrucht. 

Die l’ruchtbar- 



sich daher die Ter- 
rainaustiefung von 
Trehinje bis gegen 
llutovo als oberirdi- 
sches TbalMiück eines 
unterirdisch begin- 
nenden nnd unter- 
irdisch endenden ty- 
pisebun Karstflussc» 
dar. 

Der die beiden 
Senken an den Phi- 
den der Thjpression 
irutmeud« mittlere 
Hocbteil wii'd in 




keit wird wesentlich 
bedingt durch die 
jährlichen, meist vom 
Oktober bis über 
den Mai andauern- 
den Inundatio- 
ueu,^ welche in 
dem Cicevo und Po- 
povo polje dieselbe 
Kollo spielen wie die 
Überschweininuugen 
des Nils in Ägypten: 
sio vertiefen und 
erneuern die Erd- 
krume durch Zu- 



seiner nördlichen 
Hälfte Lug,, in der 
südlichen Suma ge- 
nannt und besitzt 
die grölste räum- 
liche Ausdehnung, 
nämlich nach einer 
Schätzung von Ph. 
BalHf’), ungefähr 
11700 ha, wogegen 
auf das eigentliche 
Popovo polje 5000, 



Skizze zur ErBtutening der Spei* und HdünckthiltigkeU der Ponore 
ln eine» Polje. 

a, a tiuil l'ooore, die steU W«**«r aufoebtuea, also excl. Scbluckschlündc; 

b wird zum SpcUcblaad. «can der WaMcrzufluriaui dem aourirdUebea Heserroir li 
•0 gvor» ist, dai'i «r doreb den Kana) )>«i c nicht vnllig abgekitet au vrrdru 
vermag. Sobald kein oder nur ein geringer tt'iuftersufluf» aua h stattlindet, 
wirkt b als Saugacklund; 

c ist auHchlieCsUth Speiai'blund und wirkt all solcher nur so lange, aU du 
W’iuarr in> Waaaeripeicbrr h iü>«r der AuafluftmUndung o sti-bt. 

Per Pfeil deutet die Ableitung zum Meer oder in «in tiefer gelegenes Bocken an. 



fuhr foinsandiger 
und tboniger Sedi- 
mente und düngen 
durch orgauiseho 
Niederschläge das 
AUuviallaud. Die Ur- 
sache der Inuuda- 
üon ist das Milsver- 
hältnis zwischen Ab- 
flafs und 7u!lur.H des 
Wassers in da» Polje. 
Diü Plutwässcrung — 



auf das südöstliche t'iccvo polje nur 1800 h» entfallen, abgesehen von der Verdunstung — geschieht tiämlich 
Mit der tieferen Lage bängt' zusuiutueu, daCs aioli diese im (’icevo polje teilweise, im Popovo ausachlietsUcb unter- 

beidcu letzteren auch tu geologischer Beziehung bumer- irdisch durch Schluck-schlünde (Ponore), deren es an den 



kensweii vom höheren mittleren Abschnitt untersoheiden. 



Rändern und an der Sohle de» Poljenheokcn« sehr viele 



Einen Teil von diesem hatte A. Bittiier^") semerzeit 
zufolge einer ihm gemachten .\ngabe, dafs in der Suma 
Kohlen vt>rkäm«n, als Süfswasaerneogen kartiert. Der 
hieran geknüpft« Vorbehalt war sehr am Platz, denn | 
die ganze Lug- und Suin««l>ene gch'’>rt dem Krcide- 
kalk an und die angebliche Kohle ist nicht'* als 
einzelne hochbituminöse oder aspbaltdurchtränkte und 
daher zum Teil entzündbare Kalksteinbcbichtcn, wehihe 



giebt. Im Popovo »ind all« Ponore, welch« sich von 
Orasje abwärts, also K*^<^n llutovo hin, hefinden, aus- 
Bchliefslich als Schlucklöcher thätig, d. li. »i« nehmen 
nur Wasser auf, gelmn aber koinu» ab. Hingegen sind 
die Ponore von OruMjo aufwärts — gegen Trehinjo zu — 
zwar zumeist ebeufallz Schlnckschlüude, wirken aber 
zeitweilig auch als Speilöcher, d. h. sie schütten im 
Herbst Wasser in da» Polje aus, wozu (Iniin n(»cb die 
ganze Wassermenge der Tr<>binjcica hinzukommt, die 



2 o l’o^Mtvcniier In^xchäfttgt warou ued dar« «'s iu Dostu«-n iiud i nach jedem ausgiebigen Regen und liesooders zur 7-eh 



der H«.TCut'0''ina koiiiy Studt gebe, iu wolcher uicht Poiiov- 
ciiiMT iiugo*icdc]t wi»'n. *o daf» da» Sprichwort: Uerco 

govitiii bevölkert diu Wull, ohne sich scltist zu untYiilkfrii“. 
oller vnm l'ufKivo Hllein als von der ganzen übrigen llerccgo- 
viim g<dte. 

Wasserbauten in Uuanien und dnr Hereegovinn. 1- Bd., 
K. 14. Wien Isftö. 

K. V. AI ojslso V tes, K. Tioizu und A- Bitlnor. 
(»ruinlliMimi der (■«•«tlogio mui H«'-i)i»-n • Ib-rrogto itiu. S, ‘jriä. 
Wien 



der Sclmcescbmelze gewaltig anschwillt. IHese grolscu 
Wassertua.H«eu vermögen die uuturirdiscbcu Ableituiigs- 
kanäle nicht zu bewältigen, weshalb sieb zunächst am 
unteren blinden Ende des Polje bei Hntovo da» Waaser 
»taut, dann böber und höher »t«igt und schliefslicb da» 
ganze PoRe in einR« stellenweise bi.» dO m Gcfeii See 
verwandelt. 

Boi der obeiieti Beschafifenheit des Puljebodons kann 



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I>r. Frirdriüh Kutxer: l>«» l'opovo polje in »ler Ilercef^o 



1!«8 




Uii)) PopoTo poljr im Somroi^r. 

<Eifi Teil de* I'oljr In der Nllte tou Veljatnfdj« Vurx nach der Trocken* 
le{(UD|^. Iin Vordergründe der Kind des Kerrent'rldeit der elredlerli-n 
Krcidekalke; d&liinter ein Poljebodeo die i’onor« [ScblucktclilUnde] in 
wrirhon ein Arm de« Trebinjcic«i)u*M>t blind endet.) 

ITiotogrmphie Ton F. Topic. 

viiie vivlv lluudei'tc von lluktareu uinfaK!>HU<ju Ültvr* 
Hcbwemnnin^ binnen körzv-ster /eit zu otundo kommen, 
vTHM in Fallen, wo die Krnte noch niciit i>eoiului ist, 
grofee wirtaebaftHehe Verlaate zur Folge bst. 8o komnit 
en zuweÜem iin Septeml>or vor, dafs, weuu iiu moiiteüe- 
grinisclien Grenzgebiet starke Kegengüsse niedergebau, 
das ganze J’olje bis Kaviio herauf biunen vier 
Stunden abersebwemmt wird. Sobald daher iHsiuerkt 
wird, dafs die Trebinjcira anzuscbwellen beginnt, laufen 
die Haneru Kopf über Hals, uui noch rasch eiuzubriugen, 
was möglich ist. Allein was sie von der vielleicht erat 
halbreifen oder in Sebubern stehenden Fechsung, oft 
im Wasser bis zum Gürtel watend, noch haben retten 
kömiea, ist zumeist nur ein geringer IfruchteU dessen, was 
vernichtet und fortgeschwemnit wird. Itafs im September 
noch viel Frucht auf den Feldern siebt, erkUrt sich 
daraus, dafs die Aussaat oft erst im Juni, ja selbst iui 
Juli vorgenommen werden kann, trotzdem der Ikxlen in 
der Kegel schon 3 bis 4 Tage nach dem Rückzug des 
Wassers bebaut wird, lllcibt das Polje über den Juli 
hinaus unter Wasser, dann ist das Jahr für die I^aud* 
Wirtschaft verloren und es soll 
nach der Krinnerung alter Leute 
auch schon vurgekommeti sein, dafs 
sieben Jahre lang im Pup>vo nicht 
ge.säet und geerntet werden konnte. 

Auch wird behauptet, dafs es keinen 
Monat im Jahre giebt, in welchem 
das Polje nicht schon uiiverhnflt 
überschwemmt worden wäre. 

IHe Haiiptsclilündu, welche die 
Kntwftsxerung des Popovo jKilje be- 
sorgen, sind die folgt'nden: 

1. I)ie obere und untere 
Strjozevu auf der rechten Seite 
der Trvbinjcicarinuu bei ('avas; sic 
stehen mit einem untt^rirdisebon 
llöhlengang in Verbindung, welcher 
bei Svitava in das dortige Plato 
(Sumpf östlich Gabela) aiisinundet. 



2. l>ie Poljasniea, ebenfalls am roohten 
Ufer ziemlich gegenüber von der Station Turkovici. 
.Auch sie leitet das Wasser durch nntarirdisohe Ka* 
uftle in das Svitavsko Blato ab, da Holzgcgeustünde, 
welche in sie hinein geraten, von der SopoUjuelle 
am südlichen Rand des Plato wieder zu Tage ge* 
bracht werden. 

3. Die Provalja am blinden Knde des Trobinj- 
cicalaufes; ihr unterirdischer Höbleukaiial mündet 
erwiesenermafsen im Porto di Janska bei Banici in 
das .Adriatische Meer. 

4. Die Ponikva an der tiefsten -Stelle des Polje- 
bodens unweit von Hutovo, die ebenfalls mit dem 
Meere in unmittelbarer Verbindung steht. 

Von diesen Scbluckschlflnden sind die wichtigsten 
die Provalja and die DoljaHuica. 

Die erstere ist der Trichter, in welchem die 
Trebiujcica endet. Solange der Wasserstaiid des 
Flusses 0,,A ro nicht übersteigt, vermag der Schlund 
die ganze Wassermenge aufzunebmen ; sobald der 
Wasserstand jedoch höher wird, stant sich der Über- 
Behufs, soweit er nicht von der Ponikva aiifgenoiu- 
meii werden kann, im Polje. Der .Ableitungnkanal, 
zu welchem die r^uvajja führt, ist im Hochsommer 
bis zu gewisser Tiefe befahrbar; es ist dadurch be- 
kannt geworden, dafs der unrcgolmäfaige llöhlengang 
in mäfsiger Tiefe stark verengt ist, wodurch die 
Schluck fAhigkeit dieses Saugscbluodes sehr vermindert 
wird. Die Do^jasnica besitzt eine ganz gewaltige Schluck- 
kraft, wie der Wirbel Iwweist, welcher sich im Popovosee 
über ihr bildet und welchem man sich iin Kahn nicht 
auf 100 m annähem darf, ohne Gefahr zu laufen, hinein- 
gerissen zu werden. Da sich jedoch Ihre Mündung gegen 
8 m über dem Niveau des nAchstgelegenen Absohnittes 
des Trebinjcicalmties befindet, gelangt ihre Ahieitungs- 
fAhigkeit erst zur Geltung, wenn der untere Teil des 
Popovo Polje schon fast bis Veljaraedja überschwemmt 
ist. Durch die Verbindung der Doljiisniea mit der 
Trobinjeiea durch einen entsprechend tiefen Kanal und 
durch die Krweiterung de» llöhlengange» der Provalja 
konnte viel zur llintanhaltung der vorzeitigen jfthon 
Überschwemmungen de» Polje beigetragen werden. 

.Aufser diesen llauptschlüudeu beteiligen »ich auch 
zahlreiche kleinere Ponore an iler EntwÄsseruiig des 
Pop<iTo. .An vielen dieser SchhickPkiher sind Mühlen 
angelegt, von welchen man aber in der Pnljeebene 
nur die ringförmigeii, kleinen Festungen nicht unfthii- 
lichen Sebutzmauern sieht, während die Mühlen selbst 
melirere Meter tief im Ponor angt^bracht sind, weil das 




Das Popovo polje Ini Winter. 

{I’artie dui Pwljvtei*« Ih'i Kmth». Irti* Srhirht«D des Krcidekalke« falleo ii&vb Ni«rdv»t ein.) 
PltoUik'rs(ihie von F. Topir. 



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VM 



I>r. Frirdrich Kiit*«p: r>ttn Popjivo poli« in i!er ilurcnj^uviun. 



TOD ihm auF^e^chliickt« \Va*« 8 fr eine genügende Fallhühe 
hoben imtfi«. um die Steine treiben su küntiem Ide 
>rfih]en sind mit ninxsiTon Steinplatten gedeckt, um 
während der luuiidationxzeit, wu dn^ Wanaer hoch über 
ihnen «tebt, vor Beschädigungen gesichert xu nein, was 
um 80 notwendiger ist , hIm viele dieser flominerüchen 
Schluck)(>cher im Herbste SpeiscblUude wurden, aus 
weichen das Wasser mächtig hervorbricht. Diese ah- 
wechsubido Schluck' und S|icithAtigkuit uitios und 
desAelhen Ponors erklärt sich leicht aus dem durch 
llohleiigängu vermittelten Zusammenhang mit höher ge- 
legenen unterirdiacbeii WHKfMjrreservoir«‘n, wie dicü die 
Skizze auf Seitu 192 erläutert. 

Derartige unterinliNcfae Wasserbehälter besitzen, wenn 
sie vom Tage zugänglich sind, für die Bewohner der 
Karütlandschaft Beileutung. weil sie in der Souiiuerdürre 
gutes Trink“ und (lebrauchswasser spenden. Solche 
Kc^ervoire, allerdings von mftfsigum Umfang, beenden 
sich insbesondere in der erwähnten Strjezevahöhie und 
bei Zavala in der Vjeircuica- und iu der Bitoiui^lehöhle. 

Die Vjetrenica ist eine sehr lieraerkenswerte Ventarole, 
deren Eingang (nahe l»eim Bahnguloise östlich von der 
Station Zavala) »o hoch Aber dem IkKleii des Popovo 
poije liegt, dafs er zur Zeit dur luundation desstdlien 
vom Soespiegel inetnaD erreicht werdoii kann. Die 
Höhle füllt sich aber im Winter doch teilweise mit 
Sickerwus»<er, welche« auch über dojj Sommer darin in 
za'ci kleinen Se4tn angesammelt bleibt. i 

I>ie Bitoinislchöhle hat ihren Eingang eine kut'zo 
Strecke weiter westlich, im südlichen trehänge de« von ' 
Zavnht gegen S|ano führenden dlmle«, etwa 30 m til>er 
dem Thalboden. Es ist nicht ausgoschlosium, dat« sie in 
irgend einer Verbindung mit der Vjotruuica steht. Sie 
ist immer mit reiimm und kühlem Wasser gefüllt, welche» 
sich in der truokenstuu Jahreszeit auf 10 hi» 15 m vom 
Eingang zurückaioht. zur Zeit der Ilerbstregen al>«r 
daraus als Hach hurvorbricht, welcher dann eine Mühle 
treibt 

, IHe ganze lauge TerratndepresMun von llutovo bis 
Cicevo ist, wie (»ben bemerkt wunle, im Kreidekalk aus- 
getieft. Fx>cän tritt zwar an das nonlwestliche, die 
'l'rias an da» «üdöstliche Ende nahe heran, die Um- 
i'unduiig dur Senke seihst alter bat bis |etzi keinen 
paliioutoioginchen Anhalt gelHtteu, sie teilweise au» dem 
KrciduHyslcm uufizuaohalteu; im (iegenteil weisen sämt- 
liche bisher in «len felsigen Rändiun de» Borken» ge- 
machbm Funde von leider zumeist »ehr schlecht er- 
haltenen FonMÜieii auf die Rudiateukaikfucios der oberen 
Kreide hin. Trotz^iem die Kalksteine von petr«»gi‘aphisch 
ziemlich Ter»4‘hiederiem .\u»seheii »ind und vielfach 
dolomitische Kinsrhaltungeu enthalten, Ist ein«* nähere 
(tiitHlcriiiig der«ell>en bi» jetzt nicht gelungen. Ne 
S'lilcht4'n stroirhen dur«*hweg vi»n Srtd«»»t nach Noid- 
wi*»t, im südlichen Teile der itepru»«ion iedoch mehr 
nach N«»rd (22 bi» 2.3'*), im mördlichen Teile mehr nach 
West (20 bis 21**) tmd werden von den Poljerändern 
zumeist unt«*r einem spitzen Winkel abgeHcbnitten. 
Stauchungen und wenig h<*deut«ndu Verwürfe sind zwar 
vorliandeti, aber für «Ile Aiinalnne grof'er Absenkung»- 
Vorgänge liegt keiu Aiiliult vor. K» besitzt somit 
das Popovo p«»lje in »einer Ha u pt er» t reck uiig 
«len (Tiaraktor oiuo» t^uertbules — nicht eines 
lätiigsthaies — und erscluunt iiamentlicli im nordwe»t- 
liehen Abschnitt al» ein V(*n der Tektonik de« (lebirges 
unabhängigeH K ros io n st h a ), von welchem e» nicht 
zweifelhaft »ein kann, dat» es einstmals von einem 
strömenden (»ewÄsser oluTtägiif entwäsaerl wunle. 

E« i»t nun überaus wahrsrheinlich, daf» die-e Ent- 
wässerung duri'h da» heute truekenu t^u«>rtlial Zavala- 



Slano nach der Adriasenku bin erfolgte, die pMlocli 
«lanial« n«»ch nicht die Auadehnung besaf» wie heute. 
< In der Bucht von Zavala kamen zwei Flus«» zuHuiumen: 
der eine, gröfsere, auf dessen Seitenurosiou «lie Ah- 
holRdung der Eug- und Sumaehene znrüokzufülireii ist, 
« von Südosten, der zweite kleinere von Kordwesten; durch 
da» Zavalathal »trömte der vereinigte Unterlauf. Die 
Tiefe dieses Thaleinachnitte», dessen Seitenlehnen mehrere 
Hundert Meter hoch »ind, heweiat, daf» der Abflur» 
durch die Rinne lange Zeit andauerte, «In er eine ganz 
gewaltige Krosionnarbeit zu verrichten vermochte. 

Für «len Vorgang dieser Tbiilbildung i.‘*t«lerSchi«*htoii- 
bau des «lurchsclinittenen (robirges höichsi bezeichnend. 
Zwischen ('e.»]jai*i und Znvnln verläuft nämlich <|uer 
I über da» Thal eine aiitikliiiale Auffultung, die 
; ihren Oberflächenuusdriwk in der Kette de« Timor br«lo 
I einenfeit» und der VeIJa (fratlina anderer»eit« hnd«*t und 
i mau braucht gerade kein prinzipieller .Anhänger der 
.\nte<^odenztheorio der Entstehung von I>urchguiig»- 
thälern zu «ein, um in dieaeni Falle ihre Guitigkeit zu- 
zugestehen. Während «einer Auffaltung wurde 
di e»er tektoiiiache Thalriegel diirchaägt Solange 
die Durch»chnni«lun(r mit dnr allmählichen Erhebung 
gleicheu Schritt hielt, oder »io überwog, blieb der Ab- 
Auf« unbehindert und der Thalweg derselbe, mir dats «u* 
tiefer und tiefer iu die »ich auffaltcnde Schwelle einsank. 
Eine kräftige Betbätigung der Faltung machte diesem Zu- 
«tikndo jediK^h ein Ende: der .Vbflut» nach Westen wurdu 
aufgeh«»l>en und die beiden Fiufsthäler vereinigten «ich 
zu einem langgmlehnten ge«chlo8»onen Seetrog, 
welcher um »o tiefer wurde, je InMicr die SUuschwelle 
»ich erhob. Diu .\uffaltung de» Riegels kann man si«'^h 
aber natürlich nicht unabhängig von der Umgebung 
denken; «ie i«t vielmehr nur eine Teilorscheinmig der 
allgomeiueii Hebung de» Lande«, durch welche diu 
IlöhendilTerenz zwischen dem Boden de.» neugehihleten 
Seoe und dom Mucro»uiveau immer mehr vergnifHort 
wurde. I>er mit der zunehmenden Menge erh«ihte Boden- 
und Seitondruck de« Wa»«or» fönlerte in dem vou Hause 
auM «elir «lurchlässigen Kalkgebirge die .\u»weitung 
einzelner Ein»ickcrung»klüfte zu Kanälen nml »chlaiich- 
artigen H«»hlräuinen, welche nun die unterirdische 
Entwässening «io« l*op(»vn«ee» ülminahnien. Durrli 
I Höihlenverhriich und Kaclisackungon wurden schliefslicli 
die heutigen (iofällererhälliiisHo geschaneii. 

Diese» ist die wiihrscheinlichfite KntsUdiung de» i'«»- 
|mvo jailje, «b‘ren Zeit sich ehenfall« rwht genau fixien-n 
läfst, obwohl im Pedje auNer teilwuiHo Terkonglt>iiierieiieii 
f|uarternären Schuttkegeln kein« sonstigen jung«*n, ins- 
liesonduro tertiären .\hlag«rungun l>ekuunt »iud, welche 
, uns darüber einen Aufschhif» geben kiinntt'n. Aber 
! gerade die« ist lH.*zeichneml. Wir wi«»en, duf» da» 
hoNnisclie Püoeän noch bi» zur Kopfständigkeit «l«>r 
Schichten zusauimungufnltet ist und dafii »omit die 
letzten grofsen Kru«tenhewegungen in Bosnien 
und der Herccguviiia am Ende des Pllocün». 
Iiezw. zu Beginn des Diluvium« «t a t tfanden ^). 

ln diese, geologisch gesprochen, erst unläugst v«*r- 
gangene Zeit fällt auch die Entstehung de« 1*oi>oto 
polje. K» ist die Zeit der Ausbildung der nörd- 
lichen Adrianeiike und «le» IWginne.» der Haupt- 
entfttitung do» grofsartigen K arstphä nomeii » 
in iiDsert'n Landern, welch««» »oiiiit in »einen »ich beute 
noch «o fris«*h un«l scharf ausprägentien Erscheinungen 
ganz wesentlich dem Diluvium augehört 

Nicht, uie I'enck in einer geistreichen und da» 
ge<>gni|ihi«rh Jhveirhueudo mit «rliarfeni Htick erfassi'iKieri 
Atihiuidliiiii; (/«il«i'lir>fl ÜM D«’Uf,»«*hen «m«l «*«trrr. Alpen- 
vtjiuin» XX.M, IVOu, S. inoint, m «Kt Mi«>ränzeil. 




Bäoh«riichAO. 



196 



Bücherschau. 



l>r. Augu.Htlu KrÜiucr: Die Samon-Inaelti. Entwurf 
einer Muno^.'mphie . mit ttesontlercr Keriickalehtigting 
Dcut<cl)-8anK<as. Zweiter Biind. Erste Lieicrung. 8tutt* 
^art, Seliweizerbartsche V«rU^sbucliban<liuiig. I9«>g. 

Der er«te Band von Krämers älMsiscber Honograpliie 
der Samoa* Inseln , welcher sieb mit der Verfassung, den 
Stammbäumen und Überlieferungen der Insulaner befafste, 
erschien vor Jahresfrist. Diese entc Lieferung des zweiten 
Barnitr« l»ebandell die MriwensrhaftUebe Er«Uli«fsung von Sa* 
louH und beginnt dann mit der eingehenden Bchildemog der 
HQthrii|K)togi«ch-«'thoograpbiscbeii Verhältnisse. 

Einem Mecklenburger, Karl Friedrich Behrens, verdanken 
wir die erste, wenn auch nur kurze und oberflächliche Notiz 
filarr Hamua. w'iewohl er die Inseln nur gesichtet, ab«‘r nicht 
betreten hat. Er war ein Begleiiur de« niederländischen Ent* 
d«<tker* Roggeveen, welcher 1722 SatiKia Wrübrte. Krämer 
hat den kaum l«eacUteten Bericht des Mecklenburgers wieder 
ausgegraben und beginnt damit seine ücschichte der wissen- 
scliiiftlicben Erschtiefdung, in dem er ausführlicher den Be- 
such Buugainvilies (17681, die unglückliche Expedition v<»n 
l^a Perouse (1787), diejenige Kuüubues aus dem gleichen 
Jahre und endlich die Ankunft des Missiuimr« Williams (183U) 
kritisch würdigt. Erst mit dem letzteren, der die Sprache 
der Samoaoer ertafste und die Wilden als Menschen be- 
handelte, lieginnt die cihnugraphiache Forschung «inzusclzen. 
SpiiteiT Kxj>e4litioaen , wie jene von Dumont d'UrviUe, des 
Amerikaners Wilkes, und die neueren wcnleu kurz ange- 
iHthUKMien. 

Hat der Verfasser bis hierher aus fremden Quellen be- 
richtet, SU treten im folgenden anthropologischen Teile aeiite 
eigenen Forschungen und Erfahrungen zu Tage. Und soviel 
auch über Hamoa neuerdings geschrielam wurde, hier Anden 
wir eine Fülle neuen wichtigen Stoffes und eine kritische 
Sichtung Itekanut gewortlencrThaUachen, was aber ohne die 
Sprachkenutuis und den längeren Aufenthalt Krämers auf 
Sanu>A nicht möglich ^wesen wäre. Er stellt sich zunächst, | 
w.as ja heute ullgemein als gültig anerkannt wird, auf den . 
Standpunkt der Zueauimengehbrigkeit dev Malaien und Puly- 
neidcr und beiiwchtet dabei, immer sow'obl auf Imguistischcr 
als Hutbropologischer Grundlage, die VerhäJlniMe der ver- 
schiedenen Büdieevulkcr zu einander. Die antliropidogische 
Schilderung ist sehr eingeheud, und hier wird das Werk von 
einer grofseii Anzahl autotyptscher Abbildungen unterstützt. 
Dafs es sich um eine schöne Hasse handelt, «deren Gestalten 
in dieser Beziehung mindesten.^ der unseren die Wage halten 
kann'*, bestätigt auch Krämer. Von be»ond«reiu Wert sind 
die über verschiedene Vorgänge bei der Geburt. Beschnei- 
düng u. s. w. nach den auafiihrlichen Berichten iu «anioani- 
scher Sprache und deutacher f'bereetzung von Krämer uieder- 
geechriebenen Mitteilungen. Wir Anden da die Niederkunft 
bis iu die kleinsten Plinzelheiten geschildert und erfahren, 
dafs die künstliche Verunstaltung des Schädels der Keugebu- 
renen durch ungelegte Steinpiessen noch heute geübt wird; 
i«ehr ausführlich sind die Mitteilungen über da» schOue, hei- 
lige VerlüUlnia der Brüder uml Schwestern zu einander; die 
Beschneidung der Knaben — es ist keine Cirkumcisiou. son- 
dern nur eine Incision des Fra]>utiums -- wird eingehend in 
einem Beriebto in s^tmoauiachiT Sprache und mit Abbildungen 
erläutert; trotz der Munographie von Marquardt über di« 
Tätowierung der Samuum-r Anden wir bei Krämer noch ein« 
Menge neuen, erläuternden Stoffe«. Hier bringt er auch die 
überraschende Mitteilung, dafs die Sanu^aner, oeit sie durch 
die Missionare mit der lateinischen SebriA vertraut wurden, 
diese linksläuflg bei Tätowierungen und auf ihreu Hinden- 
stoffen anwundeu, »Iso eine Art Spiegelschrift benutzen, indem 
«e z. B. da» Wort VAI-K aTVA schitJiben. Die JBrhiut«. 
rungeo. die Krämer hierbei giebt — - da« Tntuwierinstrument 
wird iu dor Lanken, der Schlegel in der Rechten gehalten — , 
sind hoebinterssant und bilden eine Aufklärung zu dem Über- 
gang der linksläuflgen alUemitiscben Schrift und die daraus 
entslandeneu rechtsläuAgen Schriften. Der AhscliniU über 
das tägliche und öffentliche Leben begiunl in der viirUegbu- 
den Lieferung. In ihm wir«! Krämer iU>er die BeschäAtgung, 



Gewerbe, Verkehr, BodeuwirtschaA und Rechtspflege reden. 
— Schon aus der kurzen Aufführung des Inhalts dieser 
neuen Lieferung des grundlegenden Werke« wird man er- 
kennen, um welche hervorragende I^eisiung es «ich hatideU. 
Ein alMChUersende« Urteil ist aber erst möglich, wenn das 
(tanze vollendet vorliegi. B. 

Dr* Knrt Haa.sert ! Die neuen deutschen Plrwarbuugen 
in der Südsee: die Karolinen, Marianen und Saimia- 
iuselu. Nachtrag zu .Deutsehlands Kolonieen*. Ijeipzig, 
Itr. Seele u. Co., 19J3. 

Profes3t»r Uasserls Buch ,l.)eut9chlund5 Kolonicen*. das 
der Hoferent auf S. 1 )H des Tb. Bandes de» •Globus" angezeigt 
hat, ist Di*ch immer da» weitaus l>e«te seiner Art, und darum 
Ut e« schade, daf» der Verfasser bisher daran verhindert ge- 
westen ist. in einer Neuauflago seinen Inhalt dem heutigen 
veränderten Htaude der Ihuge eiitsprachend zu ergänzen. 
Hoffentlich geachiohto« in nicht zu ferner Zeit, und «o nehmen 
wir vurlÄuflg mit dem hier vorlieguudon Nachträge vurlieb, 
der die »eit lb»ö neu crwi>rbenei» Gebiete iu der Südstw la?- 
handeiu Hasaert giebt zutiäclist eine historische Einleitung 
über die Erwerbnug der Karolineu-, Marianen- uud Hamoa- 
inselu, dann in seiner bekannten knappen, doch sehr sorgaam 
ausgebitdet»n Fassung eine Landeskunde jener Gmp}>en »elbit, 
und zum Kchlufs wirft er einen Blick auf die koloniale und 
allgemein-politisvlie Bedeutung jeuer deutschen Besitzungen, 
die mit He«‘h( nicht gering eingesebätzt wird. Endlich Hilden 
wir eine Idtteraturzusamiueiistellung, die mau allerdiug« noch 
durch ein paar ältere gute Werke vermehren könnte. Im 
einzelnen ist kaum etwas xu erinnern; uur war (B. 6, Anm.) 
Christian nicht Missionar, sondern Arzt, er hat sich auch 
nur einige Monate auf deu Kandinen aufgehaltcn. 

H. öingor. 

Dr. U. Brelten^lfln: 21 Jahre in Indien. Aus dem 
' Tagvhtiche eine» Militärarztes. Dritter Teil: Sumatra. 
Mit einem Tiudbild u. 2tt .\bt». L»*i|>xig, Th. Gnelien, 19U2. 

Der fiste Teil bandeUe über Buriieu (»iebe Ulobu», Bd. 76, 
8. 97), der zweite über Java (siehe Glohu«, lUl. 76, 8. 329). 
Wenn im r.weiUm Teil inunchu Fehler vcniiiedeii waren, die 
ich au dem ersten au»zu^‘tzuu hau«, so kann icli leider von 
dem dritten und letzten uicht das»eU>e sagen. Es ist ein ganz 
enuetzliche» l>eutsch, auf jeder Seite mit unzähligen Fremd- 
wörtern und latainischtiu Hr«>cken UDteniiischt. das der Ver- 
fasser uns vorsetzt. Einige lYohen dürften genügen : «in 
diu<uu Falle verkehrte ich* statt •in diesem Falle laifand 
ich mich"; «er safa sein »BiUerchen« zu trinken“; aKnl- 
polsterung d«M Reises“ »latt pEiithülsung von Reis* ; „Kiitwälii«»- 
rung* statt •KntwuMung*; «sich mmtigcuehiu fühlen* u. «. w. 
I>er Verfasser bezeichnet die%en dritten Teil seine« Wt-rkes 
•elhst uur als .t’aiLserie“. Ich möchte es kaum al« Plaiidcrtd 
gelten lasseu, »ondeni nur als lose AneinaDderreihung von 
vielen indischen Klatschg^'schichteii, die «ich um den Aufeiit- 
halt de« VerfasHors in Humatni, liesondera in Atjeh drehen 
und die znm gröfsteu Teil ulles andei'e als bflaugretch für 
den Luser sind. Elteu-^o wenig kann ich dies flndeu, wenn 
der Verfasser im Kapitel 5 eine Hoite lang die sechs Oelogon- 
heiten trocken aufzählt, bei demm «r dioHtraf»« von HaUkka 
berahreii hat. — Geographinche Namen «ind vielfach falsch 
geschrieben, z. B. durebgehends Engatum sUtU Kngano. “ 
Die weuigeii Mellen im Buche, die etwas Wissen»cbaftliche<« 
bieten, hat der Verfasser, wie er snföhrt, anderen Werken 
j entlehnt, m> die Schilderung eine» »umatraniM'hon Urwaldes 
nach Koorders und Mitteilungen über die Kunst bei den 
Atjeheni nach Dr Hiiouck HurgTouie, dfuseii .\iwiehten der 
Vei*fHKs«r allerdings nicht leill. — Ulier die vielen tuedizini- 
scheu Mitteilungen du« Verfass«]-« kann ich kein Uru-il fällon ; 
Wenn er alier über K«>ch.<( und (trassi.<< Forwhungt-ii als 
•momeutan herrschende Kntstehungsthi-ori« der Maliiri]i* 
spricht, könnte uian ihm d'Krb den Kat geWti, «ich etwa.-* 
näher mit div*t*r zu Is-scbafiiiTeri. 

Brusliiu. F. Grnbousky. 




Kleiae Nftohriolitno. 



liHi 



Kleine Nachrichten. 

Attdruck n«r mit t^cUesuRub« it<?(lat(et. 



— Anthrupoluginche« au« der Kl>erhard«h&hle 
(Ultima Ksperanxa). T»r. R. Lehniiuut-Xitache, der Au- 
thrv|H>h>ire de« J^t Plata-Mu«eum9, bcapricbt in der •Reviatn 
del Museo de la PlntA", Bd. 11, 190'i, neue authr<ipolügisch wich' 
Uge Ntät^k«*. Aus dieser Hohle vcmcbiodene nien«chlichv Hnnd- 
uiid Futskuochen. einen Knochenpfriemen von 14,4 ein 
Lhnge, verfertigt au« deniHtiick «ine« Metacarpu«, eine«K(iuii!en; 
der Knochen war der nach gespalten, an dem unteren 

Knde cugi^feilt und geglättet; ein Kiittcbeninstrumeni. 
verfertigt au« dem Kllbitgenbein eine« Vogels, vielleicht als 
«ine Art Nlihnadel; die Hälfte eine« kleinen Hteiu' 
messers. au« einem doukei rötlichen Hilex tvpisch heraus' 
geschlagen: einon dünnen, feinen. 14ctti langen und ^ 
bi« 4 mm breiten Hautriemen. Vierschiedene Hautstücke, 
Wohl vom duanaci», darunter «inos von 17 cm L&nge um! 
4 cm grüfster Breite, bezeichnenderweise vom Verfasser käuf- 
lich erworben in Puota Arena«, wo bereits ein schwunghafter 
ilitndol mit paläontoiogischcn Gegenständen au« der Kher* 
hanlshöhte getrieben wird. Schon in jenen prähiKtorischen 
Zeiten war da« Stück zerriMen und von den Kingeb«>reneD 
mit Sehnen wieder zusannnengeHickt worden . und zwar 
wurde dabei die Sehne am Anfang und am Kndc der Naht 
je mit einem einfachen Knoten befestigt. Von Tieren, die 
mit mehr oder weniger Wnhnvheinlichkcit als Ilau«-. Schlacht- 
oder dagdtier« anthrojioingiftche Beilentung hab<*n. werden 
erwähnt: Feli« Ll«tai, Canis fainiliari«(Y). Kin in der 
Kberhanisböhl« gefundener Hnndtrsehadal winl von Dr. Roth 
als einem Haushund zugehörig angesproeben ; Urypothe- 
rium Harwini var. domesticum. Zahlreiche Km^chen* 
stücke zeigen in alten Bruch- und lliebsteilen, dafs sie mit 
Gewalt zerkleinert waren. Au manchen Stücken zeigen sich 
kein« Zidchen von Feiiereinwirkung , andere zeigen Ru(V 
fleeke, wieder andere sind richtig verbrannt. — Unter der 
Nordenskj<’>ldschen Ausbeute tindet sich elwnfalls eine An- 
zahl von Hautstücken, Knochenpfriemen, Steinsplitteni, die 
die Kxi«lenz des prähistorischen Menschen in der Kberhards- 
höhle Iwweiseiu ftH« diese Objekte liarren aber noch der 
Bearl^itiing von Seiten eines AnüiropoUtgen. Im Oegensatz 
zu Nordenskjöld hält es Lehmaun-Nitache für wahrschein- 
lich» dafa das Grv|>otherium ein Haustier war. d«is«n 
Fleisch ruh und gebrateu gegessen wurde. 

— Gumbiittien. Bezug nehtnend auf die Milteilungou 
Ul>cr das Klapperbrett in der BraiiUM-hweiger Volkskunde 
von Andree und im Globus, Bd. 83. B. 52, erlaube ich mir 
Ihucn noch folgende« mitzuteilen: Auf meinem väterlichen 
Gute Quednan l)oi Königsberg, Ostpreufsen, hing bi« zum 
Jahre 1860 ein an zwei KetteUou l>efuBiigtcs, etwa 1,25 m 
lange« und .30 cm breites eichene« Klapperbrett, auf dem mit 
zwei Schlegelu das Zeicheu zum .Anfang und .\ufht>rcu der 
Arlwit gcgelien wurde. Und zwar geschah dlt-»«« in einem 
besoiidereu Rhythmus. Mit dem Hammer der linken Hand 
wunle ein kräftiger, etwas andauernder Schlag, mit dem der 
rechten zwei schwächore, kürzere Bchläge gegeben. Das 
Ganze geschah etwa zchninal liintureinander. Die Arlieiter 
batten sich dazu ihre lie!«tintniten Versehen gemacht. Bei 
der Auffurdorung zum Dienst« hief« es: 

Zur .Arbeit, zur — Arbeit' 

Ihn dem Ruf zur Mahlzeit : 

Knniinl — etti. kumiiit — *-tn. 
jü — fiil« B»n — kn-tn'. 

Ih'merken will ich noch, dafs auch die Nachbarn «ich 
eine« »dchen KlHpiH-rbn-tti-« IwdieuUm. Anfang der sech- 
ziger Jahre ver>rhwandun dioM) Bretter, um den Glucken 
l'latz zu niaehvn. Dr. Pieper- 

— Kin Versuch zur vollständigen Krforsebung 
de« Blauen Nil. AVahrschmnlich dtirch die Reise seine« 
l^audsmiuine« ('rosby angeregt, will der Amerikaner W. N. 
Macmillan eine vollstnudigc Refahrung des Bl.-iuen Nil und 
damit eine endliche Kestlug'iing «eine« üIntou Ijtufe« von 
Tanasee bis Fiimaka versuchen. Auf dieser Strecke ist der 
Khif», der dort in weitem, nach Nonion orretn-in Bogen das 
Gebirgtland God«4’ham uindiefst, zwar an nmhreron Stellen 
von Reisenden ülwrschrittca, berührt und auf kurze Kut- 
fermmgeii verfolgt worden, alwr im einzelnen ist «ein Lauf 
UDl«kannt. Im AA’csten, oberhalt» der Didc<*samüu<lutig. hal«n 



in neuerer Zeit Bluutloll, Cr«>sby und l.e Roux den dort 
Almi genannten Flufs erreicht. Macmillan will fesUUsllcn, 
ob d'*r ollen; Blau« Nil »o weit «chifTber ist, daf« er ein« be- 
iiuizliaro WaKSorstrafse zwischen dem ägyptiwhen Sudan und 
dem Herzen .Abessiniens aligeben kann. Ihi der TatiMee 
1755 m um! Famnka A44m hiKth liegt, si> ist ein starkes Ge- 
fälle anzunehmen, und nach allem, was nmn weif«, trägt der 
Blau« NU innerhalb Abessinien« in der Timt den Charakter 
«■Ities ungobänligen OebirgsKtrome«. Demnach sind die Aus- 
sichten, er könne «ich zum Verkehrsweg eignen, nicht sehr 
grof«. Macmillan, der Kmle Januar lAindoo verlassen hat 
und vier besonder« konstruierte Stahllaiote mit «ich führt, 
wird von Addis Ab«l>a ans der britische Geiu'häft.xtritger am 
Hofe Meneliks, Oberst llarrington, begleiten. Da« Intcressi- 
dur Kngländer an dem Unternehmen ist natürlich sehr reg«, 
nachdem sie durch ibrcii jüngsU-n Vortrag mit Menelik sich 
ein Auf«ichtsrc<‘ht üIm>i‘ den Tanasec und den oberen Blauen 
SU g»**icherl halten. 

— Dürre in AuHtralien. Im aBcott. Gn.igr. Mag.* 
für Januar w-ird «in vom 14. Oktober v. J. datierter Brief des 
Rev. J. Bryunt aus Nousüdwal«.'« mitgoieilt, aus dem hei'vor- 
geht, dafs in Australien die lang anhaltende Dürre «ine 
Reihe von B«en ausgetrockimt und in wirtschaftlicher B« 
zirhnng d«m I^ande schweren Schaden zugefngt hat. In 
Neusüdwab-s hielt die Dürre damals noch an . Queensland 
war ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden, und In ge- 
ringerem Grade auch Victoria. Der Lake Victoria, eiiit-r 
der gr<>f«tcu Koeii von Seusüdwales, ist vollständig ausge- 
trocknet. Kr ist einer der wenigen Beon de« dortigen Ge- 
birgaaystems und liegt in 67u m Meeroshöbe. Bein Umfang 
wechselt; gefüllt ist er 32 km lang, 11 km breit und Ins zu 
A.5 m tief. Das Wasser ist brackisch, ein sichtbarer Ausduf« 
ist nicht vorhanden. Im westlichen Distrikt hat die Dürr« 
furchtbar verbcorend gewirkt. Bo ist der Darlitigduf« dort 
zu schmalen, stAgnierenden Teichen zuBatnmHUgeacbrumuft. 
und der von ihm und vom Paroodufs gi-spmste Perisee, der, 
wenn er gefüllt ist, einen Umfang von üo km hat, völlig 
trocken gelegt; dasselbe gilt von d«n anderen westlich >um 
Darling iiegendi-n B«en, in deren Kette dar Perl ein Glieil 
bildet. Die Wirkung der Dürre auf die Woidanwirtachaft 
wird durch folgend« Kinzelheiten iUustriert: Auf der Btatiun 
Mount Murrliison am Ibtriing, einer der gröfsteu AMehhal- 
tnngen in Neusüctwiile«, wurden 1891 500000 Schafe ge- 
schoren und ander« lOOOOU expitrtiert: die Inständig zuoeh- 
inende Dürre hatte 1902 ihre iuhl auf 40000 n><luziert. Di« 
Nachbarstation Monolon, früher «ine der besten das Wesleus, 
ist verlassen worden. Farella, 20km von den White ('lifT.«- 
0]>alfclfh*ni. gt.>w-öhnlich eine gut mit Wasser versehem- 
BlAiioii, di« sonst 90000 Behuf« hielt, zählte deren nur 
20000. Schätzungswi'isü ist der ganze Destjind an Scliafen 
in Ni-usüdwale« , der iin l>urchschniii üo Miliionen betrug, 
nach und nach auf 20 Millionen gesunken. 

— D«r Bahnbau auf Madagaskar. Am 10. Oktol>er 
V. J. «r>'fffti«(u General GalUeni das erste, 30 km laug« Teil- 
sUick der Kisenluihn, di« Tanunarivu mit der Ustklist« vor- 
biiulen soll. Ausgangspunkt für di« Bahn ist BHckaville; 
mau hat diesem Ort Aniveraiio g«g«iiülH^r, obw'ohl «r 15 km 
an der Lagune abwärts liegt, den Vorzug gegelien, weil bis 
hierher Fahrzeuge von 1 m Tiefgang zu jeder Jahreszeit ge- 
langi-n und ihre l^iduiig ohne Bchwierigkeit löschen ktinnen. 
Die Verbindung 1'ADiuinv«s mit der Kisenltahn wird aLst» zu 
Schiff ü1)«r die Lagune liewirkt. Die Tni<'c folgt zunächst 
dem Thal der Voliiira und dann der Fahrslrafs«, die 1»e> 
Analniiiazontra erreicht wird. Von .AntanjoijH ab, wo der 
Matigoro überschritten w-ird, führt sie im Thal diesi-s Flusses 
und im Thal si-inv« N'ubetidusses Jsafotra aufwärts, um 
arhliefslich filier di« Pässe von AukoÜky und AntanifoUy 
die ibn-hplateau« von Inicrina zu gewinnen. Zwischen 
llrit-ko^ill« und dum Mangoro ist die Trac« «iidgülGg fest- 
gelugt. Im Thal der Vohiira sind Citnf Brücken zu kon- 
struieren und ilann ist ein Tunnel von 790 m Läng« zu 
iMUien. Die Zahl der Arbeiter beträgt jetzt löuOo. Man 
hofft, dafs 1904 das Dainpfrofs die Kbeue des Matigoro und 
1905 die Hauptstadt Tauunurivo «irvichcu wird. Auf der 
Strecke Mangon> — Tanaiianvo sind Bchwiorigkeiten, aufser in 
den genannten beiden l^äsatui, nicht vorhanden. 



V’eTiiDtwurtl. l^■d•ktl‘lJt‘: l’rof. Di*. K. .Andvi«, brsunscliwcig, Kall«r«lebvrl)u»rprimii>naJe 1.3. — Druik: Kiicdr. Vi«ui>g u. tkilin, Prsunsebveig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT KIT DEN ZEITSCHRIFTEN : „DAS ADStAHD" UND „AUS ALLEN WELTTEILEN". 
HERAi:SGEGEBE\ VON H. SINGER l-STER BESONDERER MmVIRKI-NG VON Pnor. Du. RICHARD ANDREE. 
VERLAG vo» FRIEDR. VIEWEG St SOHN. 

Bd. LXXXIll. Nr. 13. BRAUNSCHWEIG. 2. April 1903. 

Naelxlruck nat Mcit L’b«r«iDkunft mU 4«r VtTUffKbuuUuBn 



Die deutsche Afrikaforschung. 

Von H. Singer. 



Wenn jemand dereinst die uns noch immer fehlende 
kritische GeNcliichte »ler AfrikaforMchmig »u schreiben 
unternimmt, m wird er sich Tieileicht Tor die Kot* 
Wendigkeit gestellt sehen, Auch die Frage su «rorteru, 
welche Nation für die Entschleierung des eheiuuis dunkeln 
Weltteils das meiste gethan bat, und es wird ihm rer- 
mutiieh nicht leicht sein, sie zu beautworten. IHe 
Franzoaeu kuttnen bei der Kutscheidung dieser Frage 
füglich aus dem Spiel bleiben . denn ihr lleldenzcitalter 
der Afrikaforschuug setzte erst in einer Periode ein, da 
der Erdteil in grofsen Zügen schon bekannt war. Die 
Kngblnder, die sehr frühzeitig auf dem i’laii erschienen, 
haben ihren Mango Park, ihren Livingstone, ihren Uurton 
und Speko, auch den ^Bismarck der Vfrikaforschung'^» 
den Angloamerikaner Stanley, werden sie »ich zurechnen 
dürfen. Diese Männer haben unendlich Grofsos geleistet, 
so wenig ihre Kru:cbuisse im einzelnen unseren heutigen 
Ansprüchen an wissenschaftliche Qualität genügen mögen; 
sie haben uns das Gerip{>c des Kontinents freigelegt, 
worauf es zunächst allein nnkani, und darum ist die 
augenblicklieb Torberrschende Anschauung weder gerecht 
noch zutreffend, die in ihnen, namentlich in dem arg 
Terl&sterten Stanley, nur wisMcnschArtlich unzureicbeiule, 
mangelhaft Torgebildcle Pioniere erblickt, deren dürftige 
Resultate allülutrall der Berichtigung haben yerfallen 
müssen. Jede Forschung ist einmal Pionierarbeit 
gewesen, und diese erforriert gewöhnlich mehr Mut und 
Klugheit als das Furihauen auf bereits gewonnener, 
leidlich sicherer Grundlnge. Epigonen sind nur zu leicht 
zur Unterschätzung ihrer grotseu Vorgänger, der Bahn- 
brecher, geneigt. 

Die deutsche .Afrikaforscbnng kennt solche erfolg- 
reichen Pioniere wie die engUtvche nicht, sie kennt keine 
Reisenden, die durch kühne, weite Märnche die grofsen 
Fundamentalproblemc der afrikanischen Geographie 
gelöst hätten. Unsere deutschen Pioniere waren zumeist 
in beschränktere Räume gebannt; zum wuebtigeu Aus- 
holen fehlten ja auch die Mittel. Die V'erdienstc der 
grofsen Afriknrci.*enden deuUeher Nation li^en auf 
einem anderen Felde. Ihre Aufgaben erfalsten sie Toii 
Tornbercin tiefer, gründlicher, sie fügten in die Geschichte 
der Aufhellung des Enlteils da« Moment der wUsen- 
schaftlicheu Fonchung ein und yerziebteten dici^em zu- 
liebe /.war nicht ganz, aber doch mehr a].-« die Engländer 
auf den Pioniemihm um jeden Preis. Ein Beispiel 
möge erläutern, was wir sagen wollen: Der Deutsche 
Huiurich Barth, unseres Erachtens der gröfste Afrika- 
forscher aller Zeiten und Volker, hat, eoyiel er auch 

OtobuK LXXXIll. Hr. 1». 



für die eigentliche Pionierarbeit leisten, so sehr er auch 
das Kartenbild der Nonlhälfte Afrikas befestigen und 
Busbauen konnte, keine sulche Kutdeckerthat zu yer- 
zeichnen gehabt wie auf der Südhälfte des Erdteils 
Stanley mit seiner Kungufahrt. Barth steht an der Spitze 
aller Afrikaforscher, Stanley an der Spitze aller Afrika- 
pioniere. Es ist also, wie gesagt, schwer, die englische 
und die deutsche Thätigkeit am Werke der Afrika- 
forschung gegeneinander abzuwügeii, und wer es ver- 
sucheu und eine Entscheidung treffen wollte, müTste dazu 
immer einen subjektiven Standpunkt einnehmen , d. h. 
entweder der Pionierarbeit oder aber der Forschungs- 
arbeit unbedingt den Vorzug geben und mit dem eineu 
oder anderen Mafsstab messen. 

Das eine können wir Deutsche für uns in Anspruch 
uebmen : wir Imbun die grufste Zahl wiHsensckaftliub 
wohl befähigter, ton ruinom Idealismus geleiteter Männer 
in den Dienst der AfrikAforBcbung gestellt, obwohl wir 
uns daran erst yerhältniHmäfüig spät beteiligt haben. 
Wir mögen in dieser Skizze nicht weiter zuruckgeben 
als bis in die letzten Jahre des 18. Jahrhunderts, denn 
die frühcreti sporailiscben Versuche, yoii Norden oder 
Süden her dtuii tna^isigeu Weltteil seine GebeimnisBe zu 
entreifseu, sind uicht sehr von Belang. Homemaun, 
der 1802 in der Nähe des mittleren Niger rerstarb, war 
zwar nicht der erste deuUrhp Afrikareisende überhaupt, 
aber doch der erste, bei dem man moderne Forschungs- 
grundsitze in ihren Anfängen erkuuncu kann. Wäre 
Hornemanti heiuigckebrt , sein Name würde sicberlich 
für alle Zeiten zu den gläuzuiidsten der afrikanischen 
KutdeckungsgeacUichte gehören; denn er durchquerte als 
erster die Sahara und die flaussastaaten, er entdeckte 
den Tschadsee und höchstwahr.Hcheinlich auch den mitt- 
Icrun Niger. 8o aber hat man von ihm nichts weiter als 
sein Tagebuch über die Strecke von Kairo iiuch Mursuk, 
und er ist so sehr in Vergessenheit geraten, dafs ihn 
ein hervorragendes deutsches Konver«ationslexikon bis 
auf die jüngste Zeit nicht genannt hat. Hornemaiin war 
ebenso wie der Deutsche Burckhardt, dessen Reisei^hiet 
die Nilländer sind, ein Sendling uicht4lcutscher Auftrag- 
geber, der Ixmdoner .Äfrikatiischen Gesellschaft. In den 
nächsten Jahrzehnten begegnuu wir dann in Afrika auch 
einigen Douiseben, die mit deutschem Gelde ausgerüstet 
worden waren, wie von Minutoli, lleniprich, Khrenberg 
und Hüp[w>]l; wir wagen aber noch immer nicht von einer 
deutsch-nationalen .\frikaforschuiig zu vprechen, weil die 
Schritte der genannten Mäniiur die Nation als solche 
recht wenig interessiert babeu. Fürsten und Akade- 

25 



DlyiiiZut^ Dy Google 




m 



U. Singer: Die deutiehe Afrikaforaehong. 



uiievti trugoii die H^isieko^ten und gaben auch die Mittel 
zur Veniffentlichung der UeMiltate her. Ihre Werke, die 
ja von ocltl deutscher Gründlichkeit zeugen, r<iiid denn 
auch in einer I*'onn bernuHgegeben worden, die die Manüe 
der Gebildeten, auf deren Auteilimbne Iieutedie Forschung 
mit Uecht und im eigenaten lotereHae grofnteu Gewicht 
legt, nicht zu reizen Tennocbte. Allseitig alxo verzichtete 
man auf da» Verstindni» weiterer Kreise. Nebenher »ei 
erwähnt, daf» di« deuUcheii Kutdecker der UHtafnkani»chen 
Schneeberge Mi»»ionare englischer Gesellschaften waren. 

KbeiiHo waren Itarth, Overweg und Vogel, die drei 
glänzend.sten Sterne der hlteren Kiitdeckungageschichte 
des nördlichen Afrika, noch nicht dontache .\frikaforseher 
in dem Sinne, wie wir beute dietsen Degriß auffuaaen 
uiüsaeii; denn sie rei-Hteu und forschten iin Auftrag« und 
auf Kosten der englischen Regierung. Barth, der nach 
Hichardson» Tod (1851) da» Kommando erhielt, war ein 
von ganz hlealem Furscfauiigsilraug erföllter Gelehrter, 
der nach und nach das etwa» schwanke und wirre Gerüst 
ina Lut bracht«, das vorher aus der Karte der Sahara 
und de» Su<lan un» entgegeutrat ; aber er liatte auch 
»ehr wichtige uiateriello Aufgaben zu lösen und hat sie 
gelöst: er »chlof» englische Handels*, Friedens* iiu«! 
Freundachaftaverträg« mit einer Reibe innerafrikanischer 
Fürsten. Die Kngländcr waren von jeher sehr praktische 
I^ute, die ea zwar lieben, bet ihren UDtemehmungeii 
wissenschaftliche und mehr uoch philanthropische Ziele in 
den Vordergrund zu rücken, und dafür auch eine wirklich 
offene Hand zeigen, thatsAchlicb aber vor allem den 
politisoheu oder wenigstens handelspolitischen Zweck 
stets fest im Auge behalten. Di« maG'rieilen Vorteile 
dieser Art, die der deutsche Forscher Barth seinen eng- 
lischen Auftraggubern verachalft hat, sind äutsorlich nicht 
sehr hervorgetreten, aber für sie doch von höchster 
Budeutmig gewesen bis auf diesen Tag; di« wissenschaft- 
licbeu Hrruiigenscbafteu dagegen haben dem Deutschen 
den Beinamen des „Königs der Afrikaforschuog“ ver- 
schallt und stellen noch heute alles seitdem in seinem 
ReUngebiet Geleistete in den Schatten. 

Immerhin nahmen die Deutschen den erfolgreichen 
Harth »cbliefslich für sich in Anspruch, hatten sie doch 
wahrend der letzten Jahre seiner Abwesenheit sieb <laran 
gewöhnt, seine immer weiter au^grreifendun Schritt« mit 
Sorge, llülfnung und stolzer (reniigthuung zu verfolgen. ^ 
Der Zufall fügte es dann, dufs gerade, als Barth heim* | 
kehrte (IH.55), ein Mann aus Kngleud nach lK‘uischiand i 
gekommen war, der das einmal erwachte Interesse seiner 
Landsleute an afrikanischer Forschungsarbeit wachzu- 
halten und zu fördern untschlossen war: August Potennann. 
l)ie»«r zeichnete die Karten des Barihseben Reisewerks, 
dieses selbst fand in seiner kleineren Ausgabe in deutschen 
Landen viel« Leser, und «in anderer Deutscher, hkluard 
Vogel, weilUf ja noch im Auftrag« der englischen Kegie- 
rtiiig in Afrika, so dafs die allgemeine Spannung nun 
nicht schwer zu erhalten war. Ka darf auch nicht 
unerwähnt b)eil>eii, dafs gerade damal» die e|K>chu- 
machenden lUdseii Livingstoue» und Burtons zum .\b- 
Bchlnf» gelangt waren, die dazu beitrugen, .Afrika überall 
sozusagen {mptilär zu machen. 

So gingen die fünfziger Jahre zu Knd«, und man 
wonle imsorgt um Vogels Schicksal, F.iigland hielt 
den Bentei zu und besclirftnkte sich darauf, seine 
au der Kü»te sitzenden Konsuln auzuweisen, die 
aus dem Inneren kommenden Karawanenleufe auszu- 
fragen. Das ]'>gebnis war traurig: Vogel »ollte in 
Wadai hingerichtet worden sein. .\l»r es war nicht 
unmöglich. dal» er doch noch lebte. Zum wenigsten gälte», 
völlig« Gewifsheit zu erlangen, i^etermaun ergriff mit | 
fester und geschickter Hand die Gelegenheit, endlich eine I 



ausgesprochen deutsche, d. h. mit deutschem Gelde aus- 
gerüstet« und von den Wünschen der deutschen Nation 
getragene Afrikat-zpeditiou Ins Werk zu setzen. I>er 
Versuch gelang in dieser Hinsicht glanzend, und so haben 
wir seit 1860 eine wirklich deutsche, nationale Afrika- 
forschuug. 

Das Jahrzehnt 1860 — 70 wird in den Amialeu der 
deutHchen Afriknfofsebung unvergessen bleiben. J*eter- 
umnu war der spiritus roctor aller f'uturnehmungen ; 
zum Teil brachte er die Geldmittel durch fortgesetzte 
Agitation selber auf, zum anderen Teil butte er 
entscheidenden oder doch beratenden Kinftufs auf den 
Gang der übrigen deutschen Unternehmungen. Poter- 
mann uiiturstQtzi« von Beurmaiiu, Koblf» und Manch, 
er beriet Roscher, von der Decken, Mohr, Schweinfurth 
und Nachtigal. Die von Heugliusebe Fx{>editiou zur 
Aufhellung von Vogels Schicksal hatte diese ihre Haupt- 
aufgiib« zwar nicht gelöst, um so besteebeuder aber 
waren die Krfolg« der übrigen. Zwtjcke und Ziele waren 
durchaus wiHsenschaftlich , niemand von den Führern 
dachte ans Flaggenhissen oder an Annexionaverträge; die 
Zeit dazu war noch lange nicht gekommen, die Afrika- 
forachung war international, keine eifersüchtig über- 
wachten „Kinflufssphären^ geboten den Forschem Hali, 
von dor lh.>ekou hat allerdings die Hoflnung genAbrt. 
die Suaheliküste mit dem Kilimandscharo möchte deutsches 
Koloiiialfeld werden; allein daran war damals gar nicht 
zu denkeu, und nicht eiumnl di« F.nglüuder wurden arg- 
wöhnisch, als sie fipäter aus dem Korsteuscheu Rcisewerk 
davon erfuhren. Geogi‘apUi.»ch waren di« in jenem Jahr- 
zehnt ausgeföhrten oder begonnenen deutschen Afrika- 
reisen besonders ergiebig. Das Kartenbild einzelner 
Teile der Sahara, de» mittleren Sudan, Südafrikas bis 
zum Sambesi und Ostafrika» wurde fester und reicher. 
Man konnte »ich mit diesen HrrungenschafUm neiden den 
Livingstouu, Burton, S})oku und Baker sehr wohl sehen 
lassen, und die deutschen Reisewerke darüber stehen 
inhaltlich weit ül)«r denen jener engUscheu Pioniere. 
Sie sind bis heute nirgend und von niemand über- 
trufftm und nur selten erreicht wurden. 

Petermann» reger Geist wandte sich gegen Knde der 
sechziger Jahre vom heifsen Afrika ab und den eisigen 
Regionen der Polarwelt zu; aber die deutsche Afrika- 
forschung war im Gange und suchte sich auch ohne den 
alton Führer ihren Weg. S|© war auch um die Mittel 
nicht mehr verlegen. Im l.aufe der siebziger Jaliro 
eut»tandctiiu Deutschland die afrikanUchen Gesellschaften, 
die bis zur Begründung deutscher Kolonieen der deutschen 
Afrikaforsebung ihn? Kigenart verliehen. Das erste 
Unternehmen der 1873 gegründeten „Deutschen Gesell- 
fichuft zur Krforschung Ai|Utttorialofrikas'“ verlief aller- 
dings nicht glücklich: die 1/onngnexpedition vermochU* 
ihre weitgesteckten Ziele nicht zu erreichen , »ondern 
fiiüil schon an der Küste ein ziemlich rühmlose» Fnde. 
Nur zwei später ausgerüstete Nel>en«xp«ditioiieu , diu 
von Leiiz und Pogge, kamen mit beachtenswerten 
Krfolgen heim. IHe Krl>»chaft dieser ersten Gesellschaft 
und einer zweiten, die »ohr kurzlebig war, trat 1878 
die l>ernbmte „Afrikanisch« Gesellschaft in Iteutschland*^ 
au. und mit ihrer lH$wuuderungswürdig«u Wirksamkeit 
läfst sich kaum «ine Krsebeinung innerhalb der Geschichte 
der .\frikaforschung vergleichen. Sie hui nur zehn Jahre 
bestanden, während dieses kurzen Zeitraumes aber oiue 
lauge Iteib« der besten deutschen Forscher in ihren 
Dienst gestellt oder vorgebildet. Die Namen sind noch 
wohl bekannt, ihre Aufzählung ist alao überRüssig. 
Namentlich dn» Kougobecken im weitestgefafsten Sinne 
war di« .Vrbeitedomäne der neuen Vereinigung, aber 
auch di« Sahara, das Nigergebiot, Athiopieu und Ost- 




R Haathal: I>i«^ Kntscheiduug im argentiniieh-ohileniicheD Greosstrail. 



IJVD 



Afrika blieben nicht unberücki^ichtigt. Pie Anregung 
zur liUdung der ^Afrikaninchen OeBellHchaft iu I>eutKch* 
land‘* war vom König der Belgier aui^gegaugen, der zu 
jener Zeit zu ciTilieatoriHthem, philanthropii^chem i>nd 
wia^enBchaftlicheiii , dann auch wirt<*chaftlichein Zuaaiu- 
munwirken im dunkeln Weltteil die Nationen Tendnigeu 
zu wollen vergab. In Wirklichkeit schwebten Leujiold II. 
von Anfungun ganz materielle Vorteile vor, und dieae« Ziel 
trat sehr bald ziemlirh unverh&ilt hervor, als er den von 
Stanley entKchieierteu Kungostrom fflr I)«]giitcbe Kolonial- 
pUne sich zu sichern vernuchte. Uie deutsche Gesell- 
schaft hat als Glied der ^^Intumationalen Associatioii** 
lediglich wiasenHchaftlicbe, vornehmlich geographische 
Aufgaben verfolgt und gelöst; daran, dats ihre Tbatig- 
keit jemals |)oUtiacb dem Dentschen Heiche zu gute 
k4immen könnte, haben ihre Ijeiter bis in die achtziger 
Jahre hinein wohl kaum gedacht., und so haben wir denn 
die eigenartige Krscbeinting vor uns, dafs die Gebiete, 
in denen die deuteche AfrikaforKchnng der siebziger und 
der ersten achtziger Jahre ihre Krfulgo errungen hat, 
bei der Aufteilung Afrikas fast alle anderen Nationen 
zugefallen sind, deren Pioniere dort nur spärlicb auf- 
getreten waren: England, Frankreich und dem Kougo- 
staat. AndererseitH darf man nicht vergessen, dafs die 
wissenHchaftlicho Vorarbeit im »pftter deutsch gewor- 
denen Ostafrika von englischen Heisenden geleistet wor- 
den ist. 

Bald nach der Begründung der deutschen Kulunieen 
und mit der mfulgcdessei] beschleunigten Aufteilung 
Afrikas unter die rege miteinander wetteifernden Kolo- 
nialmächte löste sich die Gescüscbaft nuiurgernäfs auf. 
Ihr etwas kosmopolitisches Gepräge, das sich in einer 
wenn auch losen Abhäugigkoit von der nlnternationulen 
Asaoeiatiou“ zu erkennen gegeben hatte, pafste in die 
neue Richtung nicht mehr hinein. Per Roichszuschufs, 
mit dem sie gearbeitet, wurde in derselben Höbe als 
n Afrikafonds** auch weiterhin in den Ktat eingestellt, aber 
er kam hinfurt allein den deutschen Kolonieen zu gute. Die 
deutsche Afrikaforschung zog sieh fast gauz auf die 
eigenen Schutzgebiete zurück. 

begann also um die Mitte der achtziger Jahre 
eine neue Perii>dü deutscher Afrikaforschung — und 
nicht die durchweg glücklidiste. Zunächst wenigsteus 



verschwand der Gelehrt-e, der Forscher, aus der Reihe 
der „Afrikauer" ; der Kolonialpionier, der ('ornjuistador, 
der vom herrenlosen Afrika so. viel für das Reich zu 
retten hatte, als n4jch zu retitm war, verdrängte ihn. 
Es brach eine Zeit an oft sehr kühner, glänzender Züge, 
■ deren ('harakter aber weder dom der alten Pionierzeit, 
noch der wiKSciisehaftlicheu Periode der Afrikaforschung 
entsprach. Die deutsche Afrikaforschung der «raten 
sieben udoruebt Jahre mich dorKoIouieougrümiuiigvordient 
diesen Namen ül>erhaupt nicht Der Tiefstand spricht 
sich am deutlichsten iu der Afrikalitteratur jener Zeit 
aus, die so minderwertig oder einseitig war, wie sie 
niemals vi»rbor und glücklicherw'eiso auch niemals 2 iach- 
her gewesen ist. Nachdem aber die Schutzgebiete ziemlich 
fest ttmrisBcn waren, kam neben dem P'laggeuträgur auch 
der Forscher wi^er zur Geltung, und die deutt^efae 
Afrikaforsebung näherte sich im lotzton Jahrzehnt immer 
mehr dem heutigen Standpunkt der sich durch das Wort 
„Dt'tailforschung'* am besten koniizeicbneii läfst Freilich 
sind wir eine gewisse Einseitigkeit noch immer nicht 
losgoworden — jene durch den militärischen ('harakter 
unserer kolonialgougrApbUchen Thätigkeit bedingte Eigen- 
art de^ liervorkehrens der Houtenaufnahm« als Wert- 
messer zur hjuschatziing eine» „Afrikaners**. Fast allo 
unsere .Schutztruppenofßziere senden Aufnahmen heim, an 
(Ionen die Kartographen mit Recht ihre helle Freude haben ; 
aber die breitere Grundlage der Forschung, die glück- 
liche Vereinigung allgomoiuer, umfassender Beobachtung 
und spezieller Messung fehlt noch sehr, weil es an geeig- 
neten Persönlirbkuiteu mangtdt, oder Weil solche keine Go- 
legoiihuit haben, sich zu bethätigen. Warum sind die deut- 
schen Abgrenzungskommtssiouen nicht mit einem Stabe 
von Geologen, BoUnikem, Zoologen und Anthropologen 
nnsgerÜBtet worden? Man vorunlassc*, dafs wisseuschaft- 
iiebe Fachleute in die Kolonieen geben, man gebe ihnen 
Reichsstipendien; ebenso hätten die gelehrten* Vereini- 
gungen für Forschuugsaufgaben, die sie zu stellen und 
für die sie die Mittel verfügbar haben, mehr als bisher 
die deutschen Kolouioeii zu berücksichtigen. Wir 
können nur hoffen, dafs die Jlrkcnntni» von der Not- 
wendigkeit eines solchen Verfahrens sich nach und nach 
doch Bahn bricht; wir hätten damit eine schöne Nncb- 
blüte der deutschen Afrikaforsebung erzielt ! 



Die Entscheidung im argentinisch-chilenischen Grenzstreit j. 

Von K. Uautbal. La Plata. 

( Ait einer Karte.) 



Trotz der Greuzverträge, die in klaren, unzweideutigen 
Worten die Cordillere als Grenze zwischen ('hile und 
Argentinien festsetzon, kuunton sich bijidc Staaten über 
die Granzliuic nicht einigen, da Chile im Widerspruch 
mit dem Geuite und dem Buchstaben der Grenzvertrage 
die koutiiieutalu Wasserscheide, die an keiner Stelle 
in den Verträgen erwähnt wird, als Grenze verlangte. 
Da all« VurhamiluugeDZU keinem Resultat führten, einigte 
man sich schiietslich dnhiii, dio Festsetzung der Grenze, 
nicht die Entscheidung zwischen den beiden Grenzlinien, 
der länglichen Begierung zu übertragen. Nachdem dann 
im Jahre 1902 eine englische Kommission das strittige 
Gebiet in Augenschein genommen, bat das Schiedsgericht 
am 21. November 1902 die Kiitscheidung iui urgeutiniscli- 
ehilem’fiübun Grenzstreit gefallt, König hkluard hat sfiino 

0 Vgl. di« vorläuAgo jKuUz im Ulobu», IM. an, H. Ilö. 



I Unterschrift gegeben, beide beteiligte Staaten, Chile 
j und Argentinien, hälicn den .Schiedsspruch rückhaltlos 
anorkanut — er ist also reebtNkräftig geworden. 

Das strittige Gebiet, welches zwischen der von Argon- 
tiniua, ilnuptzug der Cordiltera, und der von Uhile hean- 
spruebteo Grenze, „koniincntalc Wusserscheide**, liegt, 
umfofst in runder Summe ein .Areal von etwa 95000 qkm. 
Davon erhält ('hile 54000 qkm und .Argentinien 41 000<|k(u 
zugesprochen. Das Mehr, welche-s ('bi)e erhält , wird 
dadurch aufgewogeu, date der grötste Teil des Argen- 
tinien zugesprocheiien GebietcH nutzhares I,and ist, 
während das ('hile zugefallenu Gi^biet zum grofseu Teile 
in von Eis und Schnee bedei'kten (iehirgszügen besteht. 

Wie schon aus diesen rein stiitiHtischen Daten her- 
vorgeht-, hat da« Schiedsgerii’bt sich bemüht, das strittige 
(»ebiet so zu teilen, dafa l>eideu Stauten ungefähr gleich- 
wertigo Teile Zufällen. In diesem Sinne de« Ausgleichens 



4^uogle 




200 



R. Htathat: Die Eot»oheiduug im argeDtiniBoh^chilcaiscben Grenzstreit. 



ist allertlings die definitive Grenzlinie als annehmbare 
LttHiiug des Grenzstreites zu betrachten. i*rüft man al>er 
<iie neue Grenzlinie von anderen Gesichtspunkten, z. D. 
dem des aus den 
Verträgen ahzulei- 
tendon Rechtes, oder 
dem der geschieht' 
liehen Entwickelung, 
dann erscheint die 
Entscheidung des 
^hiedsgsriebtes in 
einem ganz anderem 
Lichte. 

Aber der Schieds- 
richter hat vollstän- 
dig davon abge- 
sehen, auf Grund 
der vorhandenen 
Verträge eine Ent- 
scheidung zu ffkllen, 
sein Ausspruch ist 
lediglich ein ver- 
mittelnder Ausgleich 
— das sagen aus- 
drücklich die den 
Schiedsspruch be- 
gleitenden, begrün- 
denden Worte; der 
Schiedsrichter wollte 
vermitteln, nicht 
entscheiden. So 
ist es denn auch 
erklärlich, dafs Gbile 
trotz der Verträge, 
diu klar und deutlich 
dun Hauptzug der 
Cordülere ah Grenze 
fe.-<tHetzen, Land- 
striche zugenprochen 
erhält, die weit im 
Osten dur (’ordillere 
in der Pautparegion 
liegen. Konseciuen- 
terweiso mürsteCbile 
jetzt seine Konsti- 
tution ändern, denn 
der erxte Artikel 
sagt, dats Chile im 
Osten von der (’or- 
düiera de los Andes 
begrenzt wird — 
jetzt liegt die Grenze 
in einer bedeutenden 
Ausdehnung jenseit 
der Cordülere, in der 
Pampa. 

(liila aieht da- 
durch seinen seit 
alters her stetig ge- 
hegten und gepfleg- 
ten Wunsch erfüllt, 
im Osten der (,'or- 
dillere festen Fufs 
zu fassen. IHeser 
Wunsch bildete das 
treibende MoGv, dafs 
('bile, untgeguu dum 
GeUte und lUm 
Buchstaben derVer- 



I triige. entgegen seiner Konstitution, entgegen seiner Ge- 
i schichte die kontinentale WasKcrscheidn als Grenze ver- 
I laugte und mit zubur AustLiuer und grofsem Aufwand 

dialektischer und 
i!K>phiatlschcr Kuust- 
stücku zu stützuu 
und zu verteidigen 
suchte. 

Der Verlauf der 
definiGven Grenz- 
Hnio wird wohl uni 
besten aus uuben- 
stebeuder kleiner 
Skizze klar. Die stark 
punktiert« Linie ist 
die definitive Grenz«. 

Bis zu 4'1* südl 
Br. verläuft die Linie 
iui Gebiete der ('or- 
dillere, daun geht 
sie, der lokalen 
Wasjierscheide zwi- 
schen den Müssen 
IHco und Krias fol- 
gend, nach Osten, 
bis sie in dur Pani]>a 
mit der kontinen- 
talen Wasserscheide 
zusammentrifit, der 
sie bis etwa 45® 40' 
südl. Br. folgt. Von 
diesem Punkte aus 
gebt sic in beinahe 
genau südlicher 
Richtung der Grenze 
zwischen der jiam- 
pinen Region der 
Mesetas und der 
Präcordillere fol- 
gend. bis zum I«ago 
Piiujrredon (etwa 
47* 15' südl. Br.), von 
wo aus sie mit leich- 
ter Seliwenkung 
nach Westen in der 
Gegend dus48.Gr«- 
dos südl. Br. in die 
eiguntliche Cordülere 
ciutritt , innerhalb 
welcher sie nun bis 
zum Monte Stokes 
(migpfähr 50® 50' 
südl. Br.) vurläufL 
Von hier aus wen- 
det sie sich wieder 
scharf nach Osten, 
der kontinentalen 
Wasserscheide in der 
Sierra de los Ba- 
gualus bis etwa zum 
Punkte 72* 20' 

westl. L. folgend. 
Von diesem Punkte 
aus wendet sie sieb 
scharf nach Süden, 
di« Depression des 
Rio Vizoacho» que- 
rund, um dann wie- 
der in ungefähr 




Karte des rblleBiscb-argentinDrlien Grenzgebietes. 
— argentinische Linie, 

chilenische Linie, lauie des Sebiedsgerichts. 

1:10000000. 



C; MTi?ed Dy Google 





Dr. L. Rätimejer: Die in Ceylon. 



901 



51^ 20* eOd). Br. in der Meüeiuregion »ich mit der kon> 
tinontalen Waes^erecbeide zu vereinigen, der hie nun hie 
zum Schnitipunkte mit dem 52. (irad südl. Br folgt, um 
hier mit der »cbon früher fe^ftgehtellten Grenze zuBammen- 
zutruffen. 

Von der in runder Zahl ungefübr 1400 km betragenden 
LängKaaadehnung der Grenzlinitt südlich vom l.ago Nahuei 
Ifimpi (und darum handelt ea sieh hier) entfalicn somit 
ungefähr 630 km in die eigentliche ('ordillere, 450km 
in die Präcordillere und 320 in die Mesetaformation der 
I‘am|«. 

Damit aber bei den oft »ehr schwierigen Temtinverhill- 
nihhen nicht neue IHfTerBnzfln zwischen ('hilu und Argen- 
tinien enthtehen, hat die englische Regierung die Fest- 
legung der (irenziinie im (iebiete selber übernommen. 
Pie zu iliesem Zwecke uruuuui«: Kommihsiou, bestehend 
aus ilen Herren: Oberst Sir Thomas Holdicb, Kapitänen 
Robertson, Thouijisou, Dickson und ('rostwait, sowie dem 



I^eutnant Huldioh, traf am 27. November mit dem 
Dampfer «Tbameh“ in Buenos Aires ein. Begleitet von 
einigen Mitglie<lem der chilenischen und argentinischen 
Grenzkommihslitu begaben sich dieselben in dun ersten 
Tagen des Januar in di« Grenzregion, um, wenn irgend 
Uiüglicb, die Absteckung der Grenze in diuNom Jahre zu 
vollenden. 

Damit ist dann die leidige Grenzfrago, die die freund- 
schaftlichen Beziehungen beider lieteiligter Staaten zu 
trüben drohte, definitiv erlmligt, und für beide Staaten 
kann nun eine .\ra ruhiger Kntwickelung beginnen, die 
guwits in wenigen Jahren den südlichoii Tütlen beider 
Staaten eine zahlreiche, arbeitsiime Bevölkerung zufübreii 
wird. Möchte man sich in Deutschland doch endlich 
darüber klar werden, dafs das geeignetste Siede lungs- 
laiid für deutsche Auswanderer Patagonien ist. 
Dan ist meine fe^te. auf den Beobachtungen jahrelanger 
Boisun Steher begründuto Überzeugung. 



Die Nilgalaweddas in Ceylon. 

Von Dr. L. Uütimeyer. Basel. 



Obschon an Publikationen Über die \Vuddas in der 
Ditteratur durchaus kein Mangel besteht und auch noch 
in dieser Zeitschrift 1894 von E. Schmidt’) über 
seinen Besuch bei den Wtnldas des Kügala- und Bin- 
tenuf^distriktcM berichtet wordeu ist, sind viellmcbt doch 
bei dem aufsergewöhnlichen InteresRo, welches dieser 
roerkwürdigo Stamm für jeden Kthnograpfapn, Anthropo- 
logen, jn jeden wahren Freund ursprüugUcher Natur bietet, 
von Zeit zu >^ii wiiHlerhult« Berichte, ein gewissennafsen 
wieder frisch erhobener ethnographischer ^ Status praesens*' 
nicht ganz ühe^fiü^sig. Solche wiederholt«, mehr oder 
Weniger vollständige Momentaufnahmen sind auch aus 
dem Grunde wohl zu rechtfertigen, als dieser so überaus 
interessante Stamm, wenigstens in seinen die urspröng- 
licben I.ebcnsverhältnisae noch mehr oder weniger getreu 
reprfiseutiorcuden Gliedern, dun wilden oderFcIsenwoddas, 
im raschen Dahinschwinden begriffen ist, so dafs in ab- 
Hchbnrur Zeit ein solcher nR^visionssiatus** nicht mehr 
zu erheben sein wird. $o möge denn der nachfolgende 
Bericht don Kindruck wiederzugebcu yersuchen, den diese 
eigenartige Men.Hchenrasse auf den unbefangenen Beob- 
achter macht, wenn sie ihm in ihren oben genannten 
„wilden“ Vertretern gegenfllwrtritt, und soclann mögen 
einige fibrigaus meist schon von den Herren Sarasin 
in ihrem klassi.«»c|ien Weddawerk *) gegeben« Daten äWr 
Biologie und Ergologie dieses Stammes nochmals be- 
sprochen, auch einiges wenige Neue beigefftgt werden. 

^Venn dieser lU>richt leider aus äufserun Gründen zu 
den uiivoUsttlndigen gehören mufs, so findet er doch viel- 
leicht darin eine weitere Rechtfertigung, dafs es mir mi^g- 
lich war, wie oben schon angedeutet, sogen. Felsenweddas, 
I .flute vom Danigalastork, zu Gesicht zu iKikommen, und 
dann gauz besonders in dem Umstand, daf» dieser neue, 
allerdings nOchtige Status praesens aufgenommnn werden 
kunute in Reglcitung meiner Freuudo, der eben zitierten 
bekannten Weddaforscher Dr. F. und P. Sarasin, welclie 

Hchmidt. Hin Besuch bei <)un Wetldas. (l|«hus, 
Bd. AS. 8. It (1HU4). 

') 1*. Und K. Sarasin, Ktgebniftse naturwissenschaftl. 
Forschungen auf (Vy]4m in den Jahren 18H4 bis 1896, Bd.8. 
IHe Weddas von Ceylon und die sie umgebenden Völker* 
schäften. Wiesbaden 1893. 

Olobus LXXXlli. Kr. 13. 



icb auf ihrer neuen wissenschaftlichen Au.sreise nach 
Telehes bi« nach Ceylon begleitet habe, wo wir mubrore 
Wucheii gemeinsam zubrachten. 

So lieschloi'Sfln wir, auf einer F’uDreUe im» östliche 
Niederland von Ceylon, deren Ausgangspunkt Badulla 
war, einen Abstecher nach Nilgala zu machuu, uiu mit 
den in jenem IHathkt noch am meisten in ursprüiig- 
liehen VerhÄltnizKen lebenden Wuddns auf irgend eine 
Weise zueammenziitrefFen. Dan geographische Milieu, 
in welchem die Reste dieses VolksHtummes leben, ist zur 
Genüge bekannt und beschrieben. Kn möge nur noch- 
mals betont werden, dafs dieses östliche „Niederland“ 
Ceylons durchaus keine Rache Kbcne darstellt; en wird 
sehr treffend aus dem Grunde low land genaunt, weil es 
im Vergleich zum gebirgigen ZenixaDtock der Insel nur 
eine geriugu vertikale Erhebung über dem Meere zeigC 
In dieser weiten, zwiachen Zentralgebirge und Südost- 
küste von Ceylon gelegenen Niederung, die mit bald 
dichtem Wald, Dschungel, bedeckt ist, bald mehr den 
Anblick einer Parklandschaft bietet, erbeben sich mm 
gerade im Nilgaladistrikte einzelne Hügel und R«rge, 
teils in Form der isolierten sogenannten Gneisdome, teils 
in Form eigentlicher komplizierterer, aus der Waldniede- 
ruiig aufrngouder kleiner, mit Schluchten und FeDen ver- 
sehener Waldgebirge, wie z. B. der Danigulasbick oder 
nordösGich davon das viel gröfsere Hügel- und Berg- 
System, dessen Zentrum der stattliche Friiirs Hoch) bildet. 
Der Umgebung des ersleren, der noch einen der letz- 
ten Horste der Felsenweddaa darstellt, galt vor alloiu 
unser Besuch. IHe natürliche ElDgangspfort« zu diesoiii 
Gebiete bietet das kleine, an der Poststrafso nach Batti- 
caloa gelegene Singhalcsendorf Bibile. Von hier führte 
uns ein äufserst romantiacher Ftifspfad erst durch 
Tsebenalichtuugen, sodann durch Dschungelwald oder 
prächtige Parklandschaft, über Bäche und FlufsUufe, hei 
( d»mcu wir massenhnft« Wildspuren fanden, «o Fahrten von 
I Elefanten, Aristoteles- und .\xisbirHoben, lieopardcn. Wild- 
I Schweinen, Büffulu u.s.w., in einem Marsche von etwa 
\ sech« Stunden in das io einer 1'srhenalichtung zwi>>chen 
der prächtigen Fluh des Gueisdouies des Nügala, sowie 
dem Waldgebirge des Danigala sehr romantisch un- 
I fern des rauschenden NilgalaRusses gelegene IKirfchen 

20 



iigüzedby Google 




202 



Dr. L. Uätitnejer: Die Nilf^slnweddafl in Ceylon. 



KU^als, welches ans wenigen Finghalesischen Hütten 
besteht. 

Der NilgaUstock, sowie seine pittoreHken östlich ge* 
legenen felsigen Nschbarstöcke itiml von den Weddas 
jetzt verlassen» doch zeigte noch 1890 ein Wedda den 
Herren Sarasin eine in ihrem Tnfelwerk abgcbildcto 
Höhle, welche früher von Felsenweddas zeitwei»^ bewohnt 
war. Unsere Absicht ging dahin» die von meinen Freun* 
den im genannten Jahre Aufgesuchten, damals erst 
wenige Jahre bestehenden einfachen Ansiedelungen jener 
Naturweddas in Kolonggala und Hcnnebedda wieder ku 
besuchen, doch war dies wegen des kurz nach Sohluts 
des Nordostmonsuns herrschenden eebr hohen Wasser* 
Standes der Flüsse, deren Passage unsere kleine Kara- 
wane zu lango aufgehalten hätte, bei der Kürze der dis- 
poniblen >^it nicht möglich. Noch weniger liefs sich 
ein Besuch der Felseuweddus auf dem nahen Danigalastock 
ausführen, da der von Bihile mitgebraebte Führer, ein 
singbalosischor Widane, sich durchaus weigerte, uns auf 
den Berg zu führen, indem er bemerkte, dieser Wedda- 
borst sei für Fremde, ObrigcMis auch für ihn oder andere 
Singhalesen unzugänglich, da ein Verauch, in diesus 
Revier einzudriugen, von den 
Weddas mit PfeUschüssen be- 
antwortet würde. So blieb 
nichts anderes übrig, als Beute 
gegen den Danigalastock, nach 
Kolonggala und Hennebedda 
zu entsenden, um die Weddas 
durch Versprechungen auf die 
mitgebraebten Goscheuko zu 
veranlassen, uns ihrerseits in 
Nilgala zu besuchen. Die 
Beibringung der uns vorzugs- 
weise interessierenden Weddas 
vom Danigala nahm der ge- 
nannte Widane auf sich. Er 
erzählte später, er hätte in 
einer verlassenen singhalesi- 
sehen Hütte, etwa 1 1 eng- 
lische Meilen von Nilgala, nahe 
dem Danigala, im Walde über- 
nachtet und in der Nähe den 
alten (’bef einer Weddafamilie 
mit eeiuem Weib iro Walde getroffen, der dann seine zwei 
Schwiegersöhne und einen Sohn noch berbeihultu. Selbst 
weiter zum Dauigala vorzudringen, hätte der Widane, 
wie er wiederholt erwähnte, nicht gewagt. Es traf der 
Bote mit seinem Trüppchen 18 Stunden, detjenige nach 
Kolanggala 27, und der nach Heunebodda 40 Stunden, 
nachdem er uns verlassen, mit den geholten Weddas in 
Nilgala wieder ein. 

Da, worauf schon jeher in der Bitteratnr hingewieKen 
wurde, diu einzelnen Clans oder Familien der wilden 
WeddaH sehr isoliert voneinander leben und oft relativ 
nabe Nachbarn nichts voueinander wissen, ja sogar ver- 
schiedene Gebräuche und Bezeichnungen für diese und 
jene Gegenstände haben, ist es am besten, wenn wir die 
drei uns vorgeführten Clans einzeln besprechen. 

1. Daiiigalaweddas. Eh erschienen vier Männer 
und eine Frau, Der Chef oder „Sprecher“ (bei jedem 
Clan gab jeweilen uur der Älteste auf an ihn geriebtete 
Fragen Bescheid, während die anderen meist stumm 
blieben) mit Namen Kaira war ein alter Bekannter meiner 
Freunde, die ihn 1890 photographiert hatten (Taf. VII, 
Fig. 10 des Sarasinschon Atlas), woran er sich noch 
erinnerte. Wir schätzten ihn auf etwa 60 Jahre, er 
hatte stark ergrautes Haar und Bart, seine Frau mochte 



vielleicht 50 bis 55 Jahre zählen, sein Sohn etwa 30 
endlich zwei junge Männer, Schwiegersöhne des Alten, 
im Anfang der zwanziger Jahre. 

Ich kann nicht leugnen, dals der erste Anblick dieser 
wilden Sühne des Waldes, wie sie so plötzlich, nachdem 
sie völlig geräuschlos genabt, wie eine Erscheinung vor uns 
standen, für mich etwas ganz Überwältigendes hatte; ich 
hatte, möchte ich sagen, das feierliche Gefühl, hier einem 
Stück ursprünglichster Menschlieit gegenüber zu stehen. 
Besonders der Sohn des .\Iten mit seinem ungeheuren 
Haarbnsche and struppigen Barte war das Urbild 
eines „Wilden“ und erinnerte mich mit gri>fster I.eb- 
baftigkeit sofort an ein mir wohlbekanntes Bild eines 
Australiers im Werke von Ratzel. Vor allem war mir 
im höchsten Grade auffallend das wildsebeue, ängstliche 
Wesen dieser Menscheu, das sie, obschon sie wohl alle 
schon mehrfach Weifse gesehen hatten, mit einem Aus- 
druck fast komischer Verlegenheit ihre Blicke auf die 
Erde heften Uefs, so dats sie kaum aufzublickeu wagten 
(Abb. 1). Die Frau umklammerte mit dem unverkenn- 
baren Ausdrucke grofser .\ngst die Hand ihres Gatten, 
indem sie dabei ausKchliefslich und scheu auf den Boden 
sah, während, allerdings nur 
verstohlen, liier und da ein 
Strahl von einem für uns un- 
gewohnten Feuer aus den 
dunkeln Augen der zwei 
jungen Männer uns anblitzte, 
um bei Fixierung unsererseits 
sich sofort wieder auf die l'>de 
zu richten. Die Weddas boten 
in diesem scheuen, ja düsteren 
Wesen einen ungemeinen 
Gegensatz zu den sie im 
Kreise umstehenden meist 
hochgewachsenen Singhalesen 
des Dörfchens, die lachend und 
fröhlich plaudernd das offen- 
bar auch ihnen immer wieder 
fremdartige Bild dieser klei- 
nen Waldmenschen betrach- 
tetcu, so dafs dom naiven 
Beschauer sich unvermittelt 
sofort die Überzeugung auf- 
drängen mufste, dafs wir es hier mit zwei durchaus 
verschiedenen Volksslämmon zu thun haben. 

Was die änfsere, körperliche Erscheinung dieser Dani- 
galaweddas anbelangt, so war dieselbe, bei den jungen 
Männern wenigstens, denen ihre fast völlige Nacktbeit 
so recht eigentlich zum Schmuck diente, eine sehr fremd- 
artige, aber nicht unschöne. Die Kör]>ergrötso war klein, 
doch nicht eigentlich pygmäenhaft, der „Sprecher“ war 
etwa IGO cm grofs, die anderen Männer etwa 160, die 
Frau etwa 145cm. IHe Körperhaltung war, abgesehen 
vom gesenkten Gesicht, eine gerade; geradezu schön, ja 
edel zu nennen war aber der Gang, zumal der Jungen. 
Es war für mich ein Genufs, der vollendet harmonischen 
Bewegung der GliefimaDen des ganzen Körpers zu folgen, 
welche, mag die Rasse auch anthn)|>ologisch tiefer stoben 
als wir, doch die volle Würde des „bomo erectus“ zum 
Ausdruck brachte. 

Vor allem war ferner auffallend und dem bekannten 
Weddatypus entsprechend der gewaltige Haarbusch, der 
teilweise das Gesiebt bedeckte, indem er Uber dasselbe 
berabfällt, und, bei dom Alten besonders prägnant, der 
zieniiirb spärliche Bocksbart am Kinn, wahrend sein 
Sohn eiuuu ziemlich biiMchigen Vollbnrt hatte. Auffallend 
spärlich war bei allen diu Behaarung des übrigen Körpers. 
Beim Alton war auch sehr markant die tief eingesattelte 




Abb. I. 

Der Danigalaweddm Kaira mit seiner Familie. 



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Dr. 1«. R&timoj«r: Die Xilgaleweddas in Ceylon. 



Nasenwurzel. Der Thorax der Leute war meist sehr 
kräftig entwickelt, die KztremitÄten muükalös, aber sehr 
schlank, die oberen hbetremitäten durch ihre relative 
Länge auffallend. 

Der tlrnähruugszustand war, wie ich mich bei einer 
willig zugelasNeiien ärztlichen UnterHuebung derWeddas 
überzeugte, ein durchaus guter, der Panniculus aller- 
dings gering entwickelt, sehr kräftig aber und straS die 
Muskulatur. IHe Waden waren gegenüber Kuropaom 
schwächer entwickelt, aber durchaus nicht fehlend, die 
grofjie /ehe von den übrigen nicht w*eiter abstehend, als 
dies bei manchen Singbaleeen oder Tamilen zu sehen 
war. I)a.<i ganze llild war trotz der körperlichen Klein- 
heit dasjenige durchaus kräftiger, bei den Jungen sogar 
hübscher Menschen und hot jedenfalls nicht den gering- 



sten Anlals, dieselben etwa als Küromorformsn zu be- 
zeichnen. ' 

Die nun folgenden Fragen, die ich zunächst als Arzt, 
als wtdehur ich mich bei ihnen einführen liefs, an sie 
richtete, wurden natürlich nur durch den Dolmetscher 
beantwortet, so dafs für eine durchaus richtige Beant- 
wortung nicht garantiert werdou kann. 

Die Antworten geschahen ausschliefMlioh durch den 
.\lten, der aber hei Beantwortung der den Geburtsakt 
l>otreIfen<leii Fragen jedesmal .^einoFraii konsultierte, die 
übrigen verhielten sich, wenn sie nicht der „Sprocher** 
etwas fragte, durchaus passiv. 

Von Krankheiten, an denen sie litten, wurde in 
erster Linie Fieber genannt und Lmigeiikraiikbeiten, 
wohl Pneumonie. Krankheiten, die mit !>iarrhöe ver- 
bunden sind, scheinen nicht viel vorzukommen. F.in 
MUztumor war bei keinem der Männer, die sich geduldig 
untersnrben liefsen, nachweisbar, wohl aber hatte der alte 
Sprecher ein fast faustgrofses I,i{>om der Baucbdeckeu. 



dos 



Schlangenbisse sollen nicht verkommen, da die Wed- 
daa, wie der Sprecher angiebt, die Schlangen sehen 
und vermeiden. 

Die Prüfung der rohen Muskelkraft ergab bei diesen 
grazilen , aber kräftigen Menschen durchaus normale 
Verbältuisse. 

l>er Geburtsakt erfolgt l>ei den Frauen der Dani- 
galaweddas in halb hintenüber gelehnter, halb sitzender 
Stellung, wobei der Körper auf den hinten aufgestützien 
Händen, auf dem Gesifs und vorn auf den Füfsen aiif- 
ruht. Der Sprecher demonstrierte uns die Stellung 
selbst, nachdem er vorher seine Frau noch besonders 
über die Sache gefragt hatte, ao dafs seine .\ngabe wohl 
unbedingt richtig ist. Die Geburt erfolgt rasch, die 
Nabelschnur winl durch Absrbnüren mit einer Hast- 



schiiur getrennt. Nach der GobuK bleibt die Frau 
nicht liegen, sondeni wandert weiter, wenn sie auf dem 
Marsche ist, oder besorgt ihre sonstigen Verrichtungen. 
Kine Frau kann bis acht Kinder haben, doch starben die 
meisten klein. Die I>entitiun erfolgt augeblicb mit 
einem Jahre, die Kinder werden ebenfalls etwa ein Jahr 
gesäugt. 

Was die Krgologie tler Danigalaweddas unbclangt, 
woIkü nochmals erinnert werden möge, dafs unter diesem 
von den Herren Sarasin eingufübrten BegriRe alles 
kurpiTliche um! geistige Tliun von MeuHcheu oder Tieren 
Verstanden ist, so folge ich am besten ungefähr derjenigen 
Keihenfolge, in der die dahin gebörig«*n Kubrikeu iui 
Weddawerke der genannten .\utorun bes|)ruchen werden. 

Wohnung. Die Beiinlwortung der Fragen nach 
ihrer Wohnung ist vorsichtig aufzunehiiieu , da eben 
allus durch den oder die DolmeUcber ging, deren .Ant- 
worten auch nicht immer ganz klar siud. Immerhin 
wurde uns auf wiederholte Fragen immer wieder geant- 




Abb. ’i. Früher bewohnte Weddahöhle In MIgala. 
(.Hsrstin, Atlas, Taf. XXVI, Abb. 48.) 



Di;^ "ibyGoOgk 



I)r. I«. Rütiineyer: Die NiigaUwcddae in Ceylon. 



»4 



wortet, defn diene Danigalftn keine fßüten Wohnungen 
(Hütton) hnttou, sioiidern in Feleeuhölden (Galgen) lebten, 
die nie nach H^'dnrfnie wochnelUjn. hji scheinen di«Nelheii 
also echte Felneuweddas zu sein; imtnerhiu sah eie auch 
der Widnue, der Aber diew‘ii Funkt genau befragt wurde, 
uicbi in ihren Höhlen auf dem Danigala, da er diesen 
(TebirgHstcM.‘k, wie er wiederholt betont»», aUK den obigen 
(tründen nicht zu betreten wagen wUrdu. (Ahb. 2, S. 203.) 

Körperbedeckung. Über diese vielfach be»chrie> 
f^mo Sache ist nichts Neue» zu heriebtun. Unsere Wed- 
das gehen aufser dem llufttuche, an dem ein zwischen 
den Beinen durebgezogenes schmales Stück ursprüngiieh 
weifeen UauniwoUluche.s vorn und hinten herabbflngt, 
nackt. An diesem Gürieltuclie ist eiue kleiue Tasche 
angebracht für die tilglieh gebrauchten Utensilien. Feuer- 
zeug und Betel. Bei der Frau reicht die Bufischürze 
bis über die Kiiiee herab, der Oberkur|»er ist unbedeckt. 

Schmuck fühlte bet den Pfännern wie bei der Frau 
▼ollstüDdig. 

Nahrung. Auf wiederholten Befragen wurde uns 
immer wieder geantwortet, dafs sie keinerlei Pflanzen 
kultivierten, tiondoru ausschliefHlich vom Krgebitiase der 
Jagd, von wildem Honig und Waldfrüchten, sowie von 
im Walde gegrabenun Wurzeln (wilder Yams) lebten. 
Von wildem Honig hatten sie uns ein Töpfchen mit- 
gebracht als (tegungoschenk zu unseren Gaben, weicher 
uns auch ganz vorzüglich schmeckte. Selten essen diese 
Weddas eiugetauscbtuu Reis, Salz haben sie und brauchen 
sie Leins. Sehr gern wird Tabak zum Kauen angenommen. 
Ala Jagdtiere, die ihnen zur Nahrung dienen und mit 
Pfeil und Bogen erlegt werden, wurden genannt: Büflel, 
Hirsche, \Vildscbwciiic, Aflcn, Hasen, Vögel un<l kleinere 
Tiere, den Flefunteii scheinen sie nicht mehr anzugreifen 
mit Pfeilen. Ihr geführlirhster Feind, der Lip{»enbär, 
der übrigens nicht verzehrt wird, wird nicht mit Pfeil 
und Bugen, sondern mit der Axt Itekämpft. 

Waffen. Von unseren Weddas trug der eine junge 
Manu einen jener bekannten, Norgfältig und schön ge- 
arbeiteten grofsen Bogen — Lönge der von Bastfaser 
gedrehten starken Sehne 2m — mit zwei Pfeilen, ein 
anderer eine Axt, deren kleine hlisenklinge wdu die eiser- 
nen Pfeilspitzen von den singhaleslschen Schmieden für 
Produkte des Waldes, wie getrocknetes Fleisch, Honig, 
Wachs u. s. w., eingetausebt W4>rdeu, da die Weddas 
nichts von der Bearbeitung des Eisens verstehen. Der 
alte „Sprecher“ trug als /eichen seiner Würde (?) ein 
e^rentümliches „Seepter“, indem er die Klinge eines der 
alten grofsen Klefantenpfcile, die ji^tzt aufser Gebrauch 
gekommen zu sein scheinen, in einen roh gOHchnitzten, 
alten Holzhandgrifl wohl singhnlesischer Provenienz hiu- 
eiiigesteckt hatte. Ks wtnl von diesem eigentümlichen 
dolchmcHserortigen Gerbt oder tVaffo weiter unten noch 
die Rede sein. 

Das Schiufsen mit Pfeil und Bogen auf ein etwa ßm 
entferntes, nn einem Baum befestigtes .^tück Papier war 
nicht besrmdera gut; beachtenswert war aber die Kruft, 
mit der die Pfeilspitze durch die Sjuinnung des mSebtigen 
Bogens tief in da« Holz hineingetneben wurde. 

Geräte. Am Hüfliuche trugen die Männer, wie 
erwähnt, eine kleine Tasche aus demselben ursprünglich 
weifsen Stoffe, in der ein Feuerzeug, Iwstehend au.«» einem 
C'fönnigeu .Stück Eisen und Stein zum Feuerschlageu, 
sowie B»*lel-Iugn*dienzen auflmwahrt waren. Der Feuer- 
bohn*r aus zwei Hölzern wird aber, wie uns versichert 
wurde, auch noch Imnutzt. 

Ein ferneres sehr interessantes Gerät war ein kleiner 
Topf aus durch Rauch «ebwurzgrau gefärbtem Thon, in 
welchem uns der Honig gebracht wurde. Der Topf 
wurde in einem sehr zierlich angefertigten Gehänge au^* 



EianeufuBurn getragen. Ks wird von demselben cbeu- 
fali« weiter unten noch die Rede sein. 

Tanz. Zum Tanzen aufgefordert,*Jbeschrieb der 
„Sprecher“ zuerst mit einer Pfeilspitze einen Kreis am 
Bmlen von etwa 1,5 m Durchmesser, in dessen Zentrum 
sodann der ITeil in die Erde gest«M-kt wunle. Auf dieser 
Kreislinie wurde unter Vierteldndiunguu des Körpers jener 
oft be^^chriebene trippelnde Tanz aufgeführt, dessen ein- 
zelne Komponenten und Hewegmigen besonders im Sara- 
sinscheii Werke aufs genaueste analysiert sind. Als 
Mu-sik ertönte da)>ei ein monotoner Geoang, wobei der 
Tanzende als weitere rhythmische Begleitung «ich auf 
Bauch und Hüften klatschte- Der Tanz war eher matt 
und endete zu unserer Satisfuktion nicht mit den oft 
beschriebenen widerlichen konviilsiviscben Zuckmigeii 
des ganzen Körpers. 

Bei der Annahme der den Wedda.« v<»n uns über- 
gebenen Geschenke: wuifscs BuumwoUzeug für Hüfttücher, 
Glasperlen und etwas Geld war keine Spur von Dankes- 
bezeigung sichtbar. Die Frau nahm mit uCfcnbucer Zu- 
Ktimmung der Männer alles an sich, wohl zur uaefaherigen 
gelegentlichen Verteilung, nur das jedem zugetetUe Geld 
behielt jeder für sich. Am liebsten schien ihnen Übrigens 
Tabak zu sein, der sofort mit oflenbarem Behagen gekaut 
win-de. 

Als ich liei ihrer Verabschiedung den Tbinignlawuddas 
die Haud reichen wollte, hatten sie offenbar keinen Be- 
griff davon, was diese (iebärde zu bedeuten batte, sie 
reichten ihre Hände mit gebogenen oder zur Faust geballten 
Fingern snhiaff bin. S*br schön ala^r war der Ahschieds- 
grufs des Alten, welcher, da ich denselben noch nirgend 
beschrieben fand, und er auch meinen Freunden noch 
unbekannt war, hier kurz ge:‘childert werden Der 

zuvor rechtwinklig gebogene Vorderurra, wobei die Hund 
der Brust uulag, wurde mit schönem Schwung mit nach 
rückwärts gerichteter Handfläche über den Kopf gehoben, 
wobei mich der Grüfsende im grofsen Gegensatz zu dem 
sonstigen scheuen, zu Boden gehenkten Blick voll ansah. 
Nach diesem würdig schönen Grufse der freien Sohne 
der Wälder trat die kleine Gruppe im Gänseniar»ch in 
ihrem prächtigen elastischen Gange den Rückweg an zu 
ihrem Horste, den waldigen Berghohen de« Donigala- 
stockes. 

2. Kolonggalsweddus. Einige Ntunden nach Al>- 
marscli der Danigalaweddas kam eine von dem siugbale- 
siseben Buten geholte klein« Grup]>e von sechs Wedda« 
von Kolouggala. Kolonggalu ist mler war wenigstens 
eine kleine, aus einigen sehr einfachen Hütten bestehende 
WeddiUitedi'rluHSUUg nordöstlich vom Danigalustocke, 
zwischen diesem und dem Degalastocke gelegen. Sie 
wurde von den Herren Surasin, sowie auch die in 
demselben Distrikt gelegene Ansiedelung von Heuuebedda 
im Jahre 1890 besucht, zu w'elchcm Zeitpunkt sie erat 
wenige Jahre bestamlen hatte, indem Felseiiwedda» durch 
die t)rgan« der rtegioruug veranlafst worden waren, sich 
hier bleibend anzusiedehi. Ein hübsches Bild einer Hütte 
der Ausiudulung von Kolonggalu giebt Tafel XXVI, 
Fig. 49 des Sarasinschen W^da-Atlaa. 

Da die kleine Gruppe: drei Mäuuer, anscheinend in 
den vierziger Jahren stehend, eine ältere Frau und ein 
Knal>u von acht bis zehn Jahren, erst gegen .\heiid ein- 
traf und anderen Tages in aller Frühe wieder heim 
wollte, so hot sich uns kürzere Zeit zu ihrer Unter- 
suchung dar. 

Die Männer dieses „Clans“, weil in «twai vorgerückte- 
rem Alter stehend, sahen etwas weniger gut aus als die, 
mau kann schon sagen, schönen jungen Männer vom 
Danigala, sie hatten sogar ein zwar durchaus nicht pa- 




Dr. L. Rütimeyer: Dt« Nilgalaweddai in Ceylon. 



206 



thologifichefi Kmbonpoint, welchen angenichtn der ihnen 
zu Gfbot-e stohcndeii NaUrtiug eher clwas üh«rr»i>rhti>. 

Sehr hAbnch aber Mih der etwa zehnjfthrigH Knabe 
AUS, obHcbou er vum Licgt^n am Herdfeuvr teilweise mit 
einer Lage Asche bestreut war, welche noch kein Regen 
abgewaücbeu batte. Kr »ob mit setuom prachtvollen, 
rabenhchwanceiiliaarbn^ob, den feurigen dunkeln Augen, 
M'insui tadelluseu, durch fast völlige Nacktheit rnn so 
besser hervortretenden Wüchse, mit den graziösen Rc- 
wüguiigen aller Glieder auch nach unseren llegriffeti sehr 
hübsch aus. Diese Weddaw hatten auch einen ihrer 
Hunde mitgehrucht, sin Hchakalartigss Tier von gelber 
Farbe, sehr ähnlich dem Haushnmle der Siughaiescn, das 
einzige Haustier, welches der Wedda besitzt. 

ßei einem der Männer war die gesamte Haut des 
rechten Vorderannes in eine enonna Narbe verwandelt, 
die, etwas Oberdas Kllbugengelcnk binaufreicbend, völlige 
Streckung dea .\rmes unmöglich machte. IHeselbe rührte 
von einem Kampf mit einem LippenbAreu ber, dem ge> 
fiibrJichsten Feinde der Weddus, der ihm den ganzen 
Unterarm zerfleischt batte. 

Diese Weddas hatten keine Rogen und Rfeile bei 
«ich, nur die Axt«. 

Auf die Frage, wie oft .sie für durchreisende Forscher 
oder Reisende nach Nilgala oder Ribile geholt wurden, 
lautete die Antwort, einzelne Jahre gar nicht, andere 
wiecler zwei* bis 'dreimal. Sie kämen immer sehr ungern, 
da fite stets fürchten, nach Kandy oder gar nach ('olombo 
gebracht zu werden. Die Namen der Pfänner waren 
Rornmala. Radeiiai. Kalua, Tuta, die Frau hiefs Tuti. 
Die Leute waren etwas weniger schüchtern als die l>ani- 
gähn, die wirklich wie Mcbeues Wild sich verhielten; 
fiognr di« Frau TuG antwortet« auf die Frage nach der 
Kinderzahl direkt, sie hätten bis acht Kinder. Auch 
bei diuseu Weddas fand sich kein Milztumnr, ohsebou 
sie Angaben, öfter** Fieber zu haben. Kincr der Mftmier 
hatte Lunguuemphysem, die änderet) äulscrlich gleich* 
altrigen nicht. 

Die Frag« nach ihrer Wohnung war hier noch 
schwieriger als bei den Danigala. Ks wurde geantwortet, 
sie hättuu i«tzt in Kulongguln kcüte von den Singhaleseu 
erbauten Hütten mehr, sondern wohnten in den Felsen 
(Galges). Ob sie |«ne von den Hemm Sarasin seiner 
Zeit besuchten Hütten aufgegeben, um wieder zu ihrem 
früheren völlig freien Wanderleben zurückzukehren, war 
nicht sicher zu eruieren. Nach d»m «rbaltenen Ant- 
worten Mchiun über letzteres der Fall zu sein. Klei* 
duhg und Aufirüstiiug war gleich wie bei der 
vorigen Gruppe; bei der Frage iiuch ihren Jagdtieren 
wimle noch neben den olien sohon genamiten angegeben, 
dafs sie Fische mit der Hand fangen oder mit Pfeilen 
schiefHen. 

Zum Tanze aufgofordert, beschrieben sie den Kreis 
in Krmangelung eines Pfeiles mit dem Stiel der Axt auf 
dum RodHii und legten letztere in die Mitte des Kreises. 
Der Tanz war bedeutend lebhafter aU bei den Dauigula, 
die Männer heulten und sangen laut, indem sie mit 
der flachen Hand auf Rauch und Schenkel schlugen, 
während der Knabe als „I^hrling** still nachhüpfte. 
Nach etwa fünf Minuten waren sie ziemlich erschöpft 
und hörten auf, die Respiration war aehr lieschleuDigt, 
einer hatte einen Puls von 150, 

Reim Verteilen der Geschenke bekam auch der 
Knabe einige IVrletihnlsb&nder, die er aber, weil er offenbar 
absolut nicht« mit diesen Dingen nnzufaogen wulate, so- 
fort wieder veräcIttUch auf den Boden warf. Von irgend 
welchen Dankchbezeiguugen war auch hier seitens der 
Krwachsenen keine Kode. Nachdem pnler eine Rupie 
bekommen hatte, kam der „.Sprecher“, der bei di)*ser 



Gruppe nicht der Älteste zu sein schien, nochmals her, 
um in heulend klagendem Tone eine ganze Utonei zu 
singen des luhalU, sie seien so weit hergekommen durch 
Wälder und über Flüss« und möchten daher noch etwas 
mehr haben. Nach Gewährung ging auch er befriedigt 
von dannen. 

3. Hennebedda weddas. Nachdem wir am frühen 
Morgen des folgondon Tages von NUgala aufgebruchen, 
da wir wieder nach Ribile zurückkehren mufnten, holte 
uns unterwegs ein« dritte kleine Woddukolonue ein, die 
man uns von Nilgala uuehgesandt hatte, wo sie erat 
nach uHserein .Vbniarsch eingetrofleu war. kls waren 
sechs Weddas von Heniie1>edda, zwischen I>anigida 
und Degalastock ge|eg('n, darunter vier Männer, deren 
Ältester und «.Sprecher“ Porumala etwa 50 bis 55 
Jahre alt sein mochte, drei Männer mittlureu und 
jüngeren Alters mit Namen Kairawania, Randnna, Wa- 
nia und zwei prächtige Knaben von 12 bis 14 Jahren, 
deren einer Tutla hiefs. war auch hier wieder 
eine wahre Freude, diese Kinder des freien Walde» in 
eben diesem ihrem Waldreiche zu »eben, wie sie ein- 
zeln hintereinander in raschem Marsche dahinschritten, 
wobei besonders wieder der elastische, ich möchte wirk- 
lich sagen, der edle Gang und di« schöne fh-^cheinuDg 
der Knaben, ilercn Rabenbuarbis auf die Mitte des Rücken» 
niederwallie, und der jungen Männer so recht zur Gel- 
tung kam. Ihr« nähoro Untersuchung nahmen wir erst 
im llasibaufie zu Ribile vor, wo wir den grofsen Vorteil 
hatten, in der Person des »ehr iutelligenteii und mit 
dem Verkehr mit Wtsldas wohl vertrauten .singhule.siHchen 
Re»tbnus Keepers, der zugleich auch recht ordentlich 
Kngltsch sprach, einen guten und zuverlässigen Dol- 
metscher für unsere Fragen zu fliiden. 

Was zunäcb.st wit'der die körperliche Krschai- 
nung anbelangt, so war der „.Sprecher“ Poromals ein 
wahrhaft muMtorgültigcr Typus eines filteren Weddas 
mit seiner fliehenden Stirn, seinem spärlichen Ilocks- 
hart, dem tief eingesattelteu Nasenrücken uud der rauhen 
Stimme. Kr war*), sowie ein anderer der Gruppe, von 
den Herren Sarasiu 1890 photographiert worden; beide 
erinnerten »ich noch an jenen Akt, wa» sie mit Indlendem 
Lachen zu verstehen galieii (Ahb. 3 u. 4, S. 20f»J. Höchst 
auffallend war hier der Gegensatz des aus Wildheit und 
Scheu kombinierten, körperlich unschönen Typus des 
älteren Wedda, verglichen mit <ler graziösen Krscheinung, 
Haltung und lh>wegung der Knaben, die auch nach 
unseren Regriflen hübsche Gesichter hatten. Dieser ge- 
waitigo, anscheinend zukiinft»reiche Gegt'usatz von Ju- 
gend und einem Alter, welches nicht hält, wa» jene zu 
ver^priMüheu schien, mahnt an eine Retrachtuug muiues 
Vater», wenn er hei lk‘spn*chuug de» milden Jugeud- 
typu» des (>rang„kindefi“ im Vergleich zum abschrecken- 
den. hfifslicheu Allerstyjius ausrufi^): «Unwillkürlich ent- 
windet sich un.s, wenn wir die zwei .\ltersstufeu, die von 
einer »o kurzen Spanne Zeit gotreunt sind, znsammeu- 
»tellen, die Kluge: Wa» ist aus dir geworden! Und 
wenn wir fragou, welchem böaen Feinde der »o schöne 
Anfang unterlag, so müssen wir uns sagen, dafs es wirk- 
lich guteuteils diu Not de» I/ebeu», der Kampf um» Da- 
sein war, der diese Blüte knickte.“ 

Zu erwähnen wAro noch hei einem der jiin^n Männer 
im Anfang der Zwanziger da» VorhundHUi-ein eines »ehr 
gut au^gehildetuii Vullbarte», welches vicUeicht auf sin- 
ghalesi»ch« Rlutminchung »cbliefsen laf»t. 

*) Taf- IV. Pig. 3. 

V li. Küt)iii«y«r, OeHantnielte kleine 8cbriften u. s. w. 

Die Orenxeii der Tierwelt, Bd. 1, 8. 271. 




aoe 



Dr. L. Rütimeyer: Die Nilgalaweddes in Ceyloo. 



l>er Krn&hruuga7.ii9t«nd von Uant und Muskeln war 
auch bei diesen W'eddus ein durchaus guter • die rohe 
Muskelkraft normal, diu Waden waren ziemlich gut aus- 
gebildet. Kiner der Knaben sab etwas an&miscb aus 
and liets anch bei der Auskultation der Jugularvene 
starkes Venensausen vemehmen. Von den vier Männern 
hatten hier zw*ei einen Milztuuor m&fBigcu Graden. 

Der Geburtsakt soll bei den Weibern dieser 
Grup(>e in einfach kauernder Stellung erfolgen. Auch 
bleiben die Weiber nach erfolgter (ieburt etwa sechs 
Tage liegen. Die NabelKchnur wird mit der l’feilklinge 
ahgetrennt Wenn diese Aiigal>eii richtig sind, so erge1>en 
sich also xieinlirh auffallende Unterschiede zu den Geburts- 
gebrftuchen der nahen Danigalaweddas. 

Wohnung. .\uch hier war es trotz des gtiteu Ib>l- 
metschers schwierig, Genaues herauszubringen. Jeden- 
falls ist ganz sicher, diifs sie keine Hütten bauen kOnnvii 
in singhalesischer .\rt, und sie scheinen in derThat jetzt 
auch keine solchen zn bewohnen. Ks wurde versichert. 




Ablt. 9. Puroniala aas Heuneoeutta. 

PboUigr. läfK). 

(Sarasio, Atla«, Taf. IV, Atb. 3.) 

dafs auch diese Weddas beim Wandern golegentiieh in 
„Steinhäusern*^ (Galgos) wohnen, d. h. in Felshöblen. 

Auf die von einem von uns an sie gerichtete .\uf> 
forderung, uns utno Hütte zu machen, wie sie gewöhnlich 
auf der Wanderung als Nacht<)uartier aufgeriebtet würde, 
machten sie sich sofort frisch aus Werk vor unseren 
Augen. Zwei StTicke mit oberer Astgabel, die sie aus 
dom uiebsten Huschwerk mit ihren Äxten hcruusholteu, 
wurden etwa 1,5 m weit voneinander in die Krde gesteckt 
und ebenfalls 1,5 m hoch über dein Hoden durch eine 
Querstange verbunden, die an den zwei Stützpfeilern 
durch liast 0 chnüre befestigt wurde. Von dieser Quer- 
stttuge wurtlen je an ihren Knden und in ihrer Mitte eine 
längere .Stange schief nach hinten an den Hoden gelehnt 
und ebenfalls durch Hast mit der erstiTen vurbiiuden. 
Ktidlich wurde alles mit di*D Zweigen einer Zingiheraceu 
be<leckt, welche auch seitlich eine, wenn auch uiigeuügende, 
Deckung gaben, vor allem aWr ein ziemlich dichtes Schutz- 
dach bildeten, das in seiner Form durchaus an die von unse- 
ren Steinklopferii benutzten Sebirmdächor erinnerte. Die 
Aufrichtung dieser „Primitivhüite** (Sarastii) erfonlerto 



etwa fünf Minuten Zeit. Die sechs Weddas krochen 
uuu darunter, die zwei oETeiibar vom weiten Marsche 
ermüdeten Knaben legten sich Rücken an Rücken wie 
zum Schlafen, die übrigen nahmen eine kauernde Stel- 
lung ein. Ks bot die ganze ttruppe unter diesem gowils 
einfachsten aller Modelle lueuscblicber Wohnungen ein 
ganz merkwürdiges Bild primitiver, ja prähistorischer 
Menschheit dar. 

IHe Kleidung war bei diesen Weddas noch primi- 
tiver wie bei den Danigalas, indem nur eine dünne Hast- 
sebour um die Hüften hing, von der hinten und vom 
ein kleiner zwischen den Heinen durchgezogener l>ap|>en 
hinunterhing. Statt der kloineii Tasche aus Zeug, welche 
die meisten zur Bergung der oben genannten Ilabselig- 
keiten an der Hüftsefanur tragen, hatte einer eine ganz 
hübsch gearbeitete Tasche aus dem Fell von Sciurns 



macrurus. 

Der früher gebräuchliche Hüftrock aus HläUern scheint 
ziemlich aufser (iebranrb ge- 
kommen zu sein; immerhin 
verfertigte einer unsen?r Wed- 
das in kürzester Zeit einen 
solchen, indem er an eine Bast- 
schnür eine Menge Zweige 
einer Zingiheracee band und 
etwas unterhalb der Spina 
il. ant. sup. diesen bis etwas 
über die Kniee reichenden 
Hlfltterrork sich umband. 

Nahrung. Du wir «Hu 
Leute über Nacht iu Ilibile 
behielten (sie scbliefeu in 
einem nahen offenen Stall- 
schup|>en, vor dem sie die 
ganz«' Nacht ein llerdfeuer 
unterhiolteii, auf einer dün- 
nen Streu von Zweigen am 
lilofseii Hoden), kouuteu wir 
sie auch beim Kssen beob- 
achten, welches hier aus sin- 
ghiilesischer Nahrung bestand. 

Sie afseu in zwei Gruppen 
von je drei offeuhar nälu^r 
Verwandten um das Feuer ge- 
kauert. Als ich ihnen die l>ei 
den Singhalescn gebräuch- 
lichen Kuisnaden zum Früh- 
stück geben Uels, war es 
sehr komisch, wie der Alte 
zuerst die ihm dargebotenen, 

ihm doch gewifs bekannten lieüikuchen Fast mit Abscheu 
zurückwies, da er davon sterben könnt«! Krst als er 
sab, dafs die anderen sie ruhig verzehrten, Uefs er sich 
herbei, auch davon zu genielsen. Kin anderer ats die 
gebrachten Bananen mit der Kinde, schälte diese al>er 
dann nach crhaltcoer Belehrung durch einen mit dieser 
Kost vertrauteren Kameraden säul»erlich ab. 

Im übrigen lautete die Antwort bei der Frage nach 
der üblichen Nahrung wie bei den übrigen Hans. Auch 
sie behaupteten, keine Art von BHanzen zu kultivieren, 
sondern sich aufser von den erlegten Jngdtieren nur von 
den vegetabilischen Produkten den Waldes, Yams, Wurzeln, 
Blättern und Früchten, sowie von Honig zu ernähren. 
Hui Krankheit soll Reis genossen werden, den sie von 
dun Singhaleseii gegen Wachs und Honig einUuschen. 

Waffen. Der alte „Sprecher“ trug allein oineu 
Bogen, der abur bedoutuud weniger sorgfältig gearbeitet 
und ancli viel kleiner war als der prächtige Bogen der 
Danigalas. Zwei andere hatten Äxte, ein Knabe einen 




Abb. 4. 
Poronimla 
aas llcnnebedda«. 
Phologr. IMy. 



Digitized by Gi.ogli 



Weitere Entdeokang^cn sur Vorgeeohichto Kretas. 



207 



kleinen Kinderbogen mit einem Pfeil mit daran l>efind* 
lieber Holzi^pitze. 

Heim Sebiefaeu acblicb sich dor Alte in roraichtig 
Msbreitender Stellung tiud unbörbarem Tritt* wirklich 
durchaus dem die Heute beschleichenden Panther seiner 
Wäldor gleich, gegen das Ziel, welcbos er aber «cbliofs- 
lieh doch fehlte. Einen nachher auf einen Hauin ver* 
BchoMseueu Pfeil holte er dort mit gröfatcr Geschicklich- 
keit. indem er denselben in gleicher Weise wie die 
Singhalusen die Kokospalme erkletterte: Utofaiigen des 
Stammes mit den Händen und AufwftrUücbreiten am 
Stamm mit den Fufssohlen. Das Sebietsen auf dem 
Bücken, wobei der Hogen mit den Fülaen gespannt wird, 
Bcbeinen sie nicht zu Oben. 

Tanz. Der „Sprecher“ beschrieb auch hier einen 
Kreis am Ikulun mit der Pfeilspitze, bevor er den Pfeil 
in den Boden steckte. Al« Begleitung wui*de nur auf 
den Hauch geklatscht. 

Geistiges Leben. Da unser Dolmetscher, wie er- 
wähnt, Bohr intelligent war und sich für die Sache zu 
interessieren schien, versuchte ich noch einige einfache 
das geistige Leben dieser Weddas betreffende Fragen 
stellen zu lassen. 

Auf die Frage, ob sic anuehmeu, data es Götter oder 
einun Gott gebe, lautete die .Antwort: „Wir wissen es 
nicht“, ebenso, was sie sich unter Sonne und Mond vor- 
stcUten: „Wir wissen es nicht.“ Sie hnl»en offenbar nie 
darüber nachgedacht. Auf die Krage, oh sie sich nachts 
im W’alde irgendwie vor biiaen Geistern und Dämonen 
fürchteten, lautete die hestimmte Antwort: „Kein.“ Auf 
die Frage nach dem F'ortlebcu der Seele nach dem Tode 
lautete die Antwort wieder gleich vorsichtig: „Wir wissen 
es nicht.“ Die Toten werden begraben. 

Um zu sehen, welchen F-indruck es machoo möchte, 
zeigte ich dom ultuu Püromalti sein oigenos im Huche 
von Schmidt^) reproduziertes Hild, welche« seiner Zeit 
auch von den Herren Sarasiu 1S90 aufgeuummcu wor- 
den war. Hier war mm sein Benehmen sehr merkwür- 
dig: Zunächst nahm sein Gesicht den Ausdruck starrer 
Verwunderung an, indem er und auch die anderen das 
Hild fest fixierten. Allmählich aber wurde er unruhig 
und »tiefs heftige, fast bellende Laute aus, seine Erregung 
wueb-H schnell, er wollte mit dem Pfeil in das Hild hin- 
einstechuu, und plötzlich trat er um IV« Schritt« zu- 
rück, um den Bogen zu Bi>annen und einen I^eil aufzu- 
logeu, den er offenbar auf du« Hild lossehiefseu wollte. 



*) E. Schmidt, Ceylon, S. 66. Lei{»ig 1697. 



Sein Ausdruck war dabei ein so wilder, dafs ich es ge- 
raten fand, schleunigst das vor meinem Leibe gehaltene 
Bild fortzuwerfeu, da ich nicht Lust hatte, dem ergrimm- 
ten Wedda ab« Zielscheibe zu dienen. Sobald das Bild 
entfernt war, wimle er wieder ruhig. 

Endlich wurden ihnun die üblichen Geschenke ver- 
teilt, wol>ei sie das erhaltene Haumwollzeng sogleich mit 
der Ajttkliugc in zwei Teile schneiden wollten; als dieses 
ungescbickterweise von umstehenden Singhalesen ver- 
hindert wurde, Zerschnitten sie den Stoff mit der Pfeil- 
klinge, wobei jedo der zwei Familien, aus deuen offenbar 
diu kluino Truppe bestand, ihr Teil erhielt. 

Sehr bemerkenswert war dann wieder, wie das ihnen 
gegelicne Geld vom alten Poromnla, dem cs cingehandigt 
wurde, verteilt wurde. Schon die ihm in die Hand ge- 
geheucD Perlschnüre wurden höchst ungerecht verteilt; 
eigentlich tragikoiuisch war aber die Verteilung des aus 
12 halben Uupiestnekon bestehenden Geldes, welcheH 
also auf sechs Menschen zu verteilen war. Kr gab aufs 
Geratewohl clem einen vier, dem anderen zwei, einem 
dritten wieder drei bis vier Stücke in die ausgestreckto 
Hand, wobei er natürlich sehr rasch fertig war nnd 
sehliofslich für sich nichts mehr behielt; seine verzweifelte 
Hülflosigkeit, als er zum Sohlufs in die eigenen leeren 
HAnd« blickte, war wirklich drollig, und als man ihm 
l)egreiflich zu machen suchte, er solle eine neue Ver- 
teilung vornehmen, vrobei er die 1 2 Rupiustücko so ver- 
teilen solle, daf.H jeder gleich viel erhielt, bedeutete er, 
er könne das nicht, so dafs nicht« andere« übrig blieb, 
als ihm nachzubesHern. 

Er war auch gunz unfähig, anzugebeu, aus wieviel 
Mitgliedern »eine Gruppe bestehe, weiter als ekka, ekka, 
ein«, ein«, gubt der Zahlcnvorrnt der Weddas nicht, dabei 
zählte er aber immer zwei von den «echsen doppelt, so 
dafs er als Ergebnis Beinor Beroühunnon alle zehn Finger 
in die Hohe streckte. Auch hier zeigte er das jammer- 
volle Gesicht eines au der Lösung seiner Aufgabe ver- 
zweifelnden Schuljiiugen. 

Bei ihrer Entlassung kamen die AVuddas, nachdem 
sie ihn* wenigen Habscligkeiten zusammengenommen, 
unaufgefonlert zu uns zu einem letzten Grul»e, der 
diesmal aber nach Singhalesenart vorgeiiommen wurde, 
indem die mit den Mächen zuaanimengelegten Hände 
die Stirn berührten. Wie viel schöner war doch jener 
würdig-männliche Grufs des alten Danigalawedda ge- 
wesen! Sie «etzten «ich in ihrem Gänsemarsch in Be- 
wegung und zogen in ihrem prächtigen elastischen Gange 
waldwärts. 



Weitere Eutdecknugeii zur Vorfeschlchte Kretas. 

Im .Globus* ist vor längerer Zeit (lid. 76, H. 12t> und 
S76) auBföhrlich von den AusgrabUDgeu und KnUleckungcn 
Evans* auf der BUUt« von Knomua die Keti« gewcurn, und 
zwar vomehmUch von den Funden während der •('aniimgue* 
von 1900 und den interesnanten Hchlüftsen. die Kvana au» 
ihnen ableitete. Die Aungrabungeu sind 1901 und 1902 in 
Knosaus sowohl wie an anderer Steile mit den — leider nur 
befchränkton — Mitteln de« .Cretan Kxploraiiun Fund“ mit 
grof!K*m F.rfoJge forlgefiihri w<nr<len, und ea erscheint daher 
an der Zeit, dafn wir wieder einmal an dieser Stelle auf das 
verdienstliche englische ForschungHwerk auf der Insel zurück- 
kommen. Kin jüngift ertchienener kurzer Bericht des .Cretan 
Exploration Fund* giebt darüljer AufKbUiBK. 

Für 1901 standen 2500 I'fd. Sterl. zur Verfugunv:. Kvana 
setzte seine Forscbuiigen in Knoesus fort, während D. G. 
Uogarth, der fiühero Direktor der llritish Bchool in Athen, 
Bich der Untersuchung der Umgebung de« prÄhintru-inehen 
Seehafens von Zakrn widmete, der, an der tkitküste gelegen, 
weitere Beweise für eine frühzeitige Verbindung zwischen 
Kreta und Ägypten zu liefern versprach; auüierdem wurde 
It. C. ilosanquet, der jetzige Leiter der Athener Schule, 
mit KachioniehUDgeu auf der weatUch uud iHndeinwärts be- 



legenen Stätte von rmesus, der alten Hauptstadt des Kteo- 
kretischen Distrikts, beauftmgi, da man dort weitere Spuren 
v<m einer viirhelieniscben Sprache zu finden hoffte. 

Wie<lenim — s<» nagt der Bericht — übertrafen die Kr- 
geimUse alle F.rwartungvn. Der anscheinend schon sehr 
gründlich durrhsnehte l'alast von Knnssus erwies sieh 
durchaus noch nicht als erschöpft. Es kamen weitere Lagen 
von .Archiven* zum Vorschein, und Probebohrungen durc.b 
die Bodendaelie des l’alastcii erwiesen die Existenz einer 
darunter liegenden rein ueolithischoa 8(Atle — der ersten 
dieser Art in Griechenland — . die die Geschichte kreteiisi* 
scher Zit’ilisation weit über die mykenische Periode zurück- 
führte, sogar über den Zeitraum ägyptischen Einütiases hin- 
aus, und lieferten Anzeichen entfernter Beziehungen 
zu der uralton Kunst Babyloniontl I>er kleine Hafen 
Zakru zeigte sieh sehr reich an Vaseti und anderen Zeug- 
nissen vorgeerhichtlicber Fertigkeit und ergab Spuren dafür, 
dafs er eine rege Vermittelung zwischen Kreta und der öet- 
lieben Welt Itewirkt hat. In Praostis endlich, das sich als 
reicher un Kesten au« der klassischen aU aus der vorge- 
schichtlichen Zeit erwies, wurde eine wichtige F'ntdeckung 
in Gestalt einer Inschrift gemacht, die mit grief'hischen Buch- 
stal)pn aus dor Zeit von 400 bis 800 v. Chr. eingeschnitten. 
aber in einer nicht beUenisohen Sprache abgefafst war, deren 



r* 



»^uogle 




306 



Brix Förster: Vom N^xsBa xnm Viktoria Nyansa. 



Zugehörigkeit imlomeii noch nicht itioher titt. , Aller Wahr* 
«cheiolichkeit nach ist das nur die erst« Frucht vun der 
Ernte, di« den Entdecker des heruhmte« Tempels des Dik- 
tHischen Zeus erwartet.* 

Für das Jahr 190‘J waren die 3Iittel toider nur gering. 
Bie wunlcu aussehlierslich für Kihmhus verwendet. Aufsor* 
dom unternnhm B«>sanc)Uot mit UnterstiUzung d«r Athener 
fichule Forschungen auf der Ktdtte von Palaokaatro an 
der Ostkuste und nortUich von Zakro. 

über das Ergebnis der Xachforschungeo in Knossus 
von Mille Februar bis F.nd« Juni I1H)2 äufsert sich Evans 
wie futgt : Der grofste Teil dea Palastes ist nun freigelej,(t. 
Es wurden wichtige neue Kiiume aufgedeckt, die an die Säle 
und das 1900 ausgegrnlwne ^Grofse Treppenhaus* anso>rsi>n. 
um! «8 war möglich, einen gnifseu Teil des oberen Stock* 
werke* ü>»er das ganz« Areal herzurichten. Ein sehr inter- 
«asanter Bau war das rollftündig« Kanalisationssystem, das 
mit Kloakenri'hren ausge^tattet war und mit einer Aufein- 
anderfolge von Schächten, die von den oberen Bäumen zu 
einem unter dein Fufsborlen der unteren IlMUine angelegten 
Xetzwerk steinerner Kanäle htTuntcrführl«. Ein anderer 
int«r*‘'«anter Fund war «in Schrank aus s(iAtmykonis<’bcr Zeit 
mit Kultgeg«n«tänden und Idolen. Eine bemalte, unten cy- 
lindrische LehmÜgur stellte eine UOttin mit einer Taube auf 
dem Haupt« dar. Ein Miniaturpfeilerschrank der Tauben- 
göttin in Iwnialter Terrakidta, der der vonnykenisclicm l'e* 
riode angehört, wunle clwiifulls gefunden. Unter den neu* 
entdeckten Freskomalereien l*efand«n sich eine mit einem 
fast modernen Mantel bekleidete Harne. ])«lphine, Fische, 
Blattwerk und Lilien in iuiturali.sti»cher Ausführung. Früher 
gefundene und jetzt zusammonge*et/.to Fragment«« stcllon 
lebendige Sccuen aus Stiurgefoi^hten dar. an denen nicht nur 
männliche, sondern auch weiblirho Toreadtir* teiliinhmen- 
Sehr schöne Klfeuhf^instatuetten -•chieneD ebenfalls solche in 
lebhafter Bewegung begriffene Figuren dHrzQ.stellen. Auch 
wurden weitere grof«« Mengen von mit der prähistorischen 
Linoarschrift IvMlecklcn Tafeln ans Licht gcförtlert; die 
meisten betrafen Invontarien und liechmmgen ftlwr Waffen- 
kammem , Kornböden und andere Zweige der Verwaltung, 
wobei viele in Prozentrechnung gehalten waren. Einige 
Thontassen zeichneten aich durch mit Tinte hergestellte In- 
schriften aus. The iiusgezrichneten ElfenlMunüguren junger 
liCute zeigten die .Kun.si des Dädalus* in hi'wbstor Vollen- 
dung und uatui-aiistisch« Kinzedheiten, wie sie in solcher 
Arbeit bis zur italienischen Kenaissance nicht wieder zu 
Anden sind. Ein antlerer sehr interessanter Fund waren die 
Beste grofscr Mtwaiken aus PorzellanplÄttchen, von denen 
viele Häuser damtellten, so dafs eine ganze Htrafsu der HtadC 
des Min*)«, »> wie »ie um 1500 v. (Br. WUnd. daraus re- 
produziert weiden konnte. Auch hierbei delen ganz uKMlerne 
Gebilde auf; Häuser mit drei Ktockw'erken. manche mit zwei 
Thüren und Fenstern vtm vier «»der »echs Öffnungen, an 
denen vielleicht geölte* Pergament die Klell« de* Olas««* ver- 
treten haben im>g. T>as Ganze scheint ein Ktück au* einer 
sehr umfangreichen Zeichnung zu sein. die. wie der Hchihl 
des Achill. Scenen aus Krieg und Frieden dargestellt haben 
dürfte. 

Es zeigte rieh, dafs der Palast am Osiahhnng des Hügels 
bis zu einer äo ni unter dem nördliclion Eingänge lit-gendon 
Stelle hinabreichte. Auf dem Abhang nttterhalb de* späteren 
myk«'nischen Palastes wurdt-o ausgedehnte Beste von Vorrats- 
räumen gefunden, die zu einer früheren, bis in* .H. .lahrtaiisend 
v.Ohr. xurMckreichenden küniglichon Wohnung gehört zu haben 
scheinen. I>arin entdeckt« man schön gemnlte Vasen v«m zum 
Teil «ierRchalenförmiger Fabrikation; einige davon imitierten 
getriebene Metailarbeit. Der hohe Kulturzustand de* Baichns 
v«>n Knosaus reicht somit bis auf die Zeit um 2500 v. (’hr. 
E* wurde auch die tiefe iieidithisr-hH St«-hicht von neuem 
untersucht, die unU-r dieser ganzen BiAtte liegt; man hielt 
dalM«i eine reiche Enite an Hteinwerkzeugen, Ti^pferarVteiten 
und primitivem Bildwerk aus Thon. Marmor und Muscheln. 

Als weitere Aufgaben der Nachforschungen in Knossns 
bezeichnet Kvan* u. a. die Freilegung der Hüihurii'cke des 
Palastes, forLgesetzU« Untersuchung der unteren Lagen des- 
selben und der neolithiachen Schicht und erneutes Kuchen 
nach Gräbern. 

Die Ausgrabungen Bosampieis in der Eben« von l'aiäo- 
kastro scheinen ergeben zu halwn, dafs hier von dun m.\ko- 
nitcheu Zeilen bU zur 3litte de« 19. Jahrhundert* v. ‘('hr. 
eiue grt«rse Amdedolung nicht vorhanden gewesen ist; aUir 
in mykenischer Zeit war sie ein« der wichtigsten, vielleiclit 
das Uauptzentrum Kreta*. Die rntersuchong wurde belohnt 
durch die Knhleckung einer mykonischen Stadt, die sich über 
ein Areal von etwa 500 ■ .100 m ausd«hnte, und von Be- 
gräbnisstätten, die neues Licht auf die Art der von den 
älteateii Bewohnern geübten T«denl>e*tHttung werfen. Iias 



gröfste der untersuchten Häuser liegt landeinwärts inmitten 
einer Grupp« anderer, di« besonders gut gelwut gewescu »ein 
dürften; teilweise sind sie im •megalithisohcn* Btil gehalten, 
dor für die im Kalk«leingehtet Kretas gewöhnltrhmt mykeni- 
schen Wohnstätten charakteristisch ist, teils sind sie aus be- 
hauenen Rteinen gemauert; w«> ein oberes Btockwerk bestand, 
war es aus Ziegeln. l>er Plan dieses Hauses ist vollkommen 
klar und nimmt in mancher Beziehung den des griechischen 
Uituscs au* ilcr ktassiseben Zeit vorweg. Im ganzen wunlen 
darin 38 Bäume freigelegu rrsprünglich war da* Haus ein- 
stöckig, aber später ist ein Ziegelstockwerk aufgesetzt worden. 
Unten befanden sich Vorrataräume. von denen zwei über 
.*■00 Gefäfsp bargen. Unter den kleineren Funden Iwfand sich 
auch eine gut «rhalton« Tafel, die mit BuchstalK-n in einer 
der von Knu«su« nabe vurw'jindten Linearachrlft beachrielten 
war; ferner ein ]>aar .heilige Hurner* in Rtuck und Krug« 
mit W'eizen und zwei Horten Erbsen. 

Viel wichtiger« Ergebiüsae erhielt man aus den Begrab- 
nisstätten. Bisher waren wir über die von den KreUirii der 
Kamsmisperiodu angewandte Itcgräbuisnrt nur sehr unvoll- 
kornnniin nnteiTichtet, und Gräber mit Kamamistöpferzeng 
waren vollstiindig unbekannt. Von dem .Bienetikorbgralte*, 
dem typischen Grab« aus mykenischerZeit auf dem Kestlande, 
wurde nur ein Beispiel entdeckt ln der Hegel scheinen die 
mykenischen Bewohner ihre Toten in irdenen Behältern und 
auf kleiuon KatnilienbcgräbnlNplat/en in der Nähe ihrer Bo- 
hausungen b«ige*oUt zu halieti. Diese dürften nicht d«n voil- 
siandigeii I<eichnam, »ond«n> nur die Gebeine enthalten haben, 
di« aus der Erde genommen wurden, nachdem nach der ur- 
sprünglichen Beerdigung das Fleisch verwest war. Eine ähnliche 
tiewohuheit herrscht noch auf der Insel. Kiiie ncnrh ältere Form 
diese* Verfahren* wurde durch ein« bcmerkeriswerl« Einfriedi- 
gung illustriert, die man auf dem die alte Htadt teilenden 
Kücken «nuleckte. Hie hatte die Form eine* Kecbtecks von 
9,2 X 9,7 m, war von einer Mauer aus Kalksteinbruchstücken 
gebildet und durch ebensrdche Mauern in fünf parallele Räume 
geteilt, in denen sich ächädei, Knochen iiudGofärse befanden. 
Da* Atter dtexer Anlage wird durch die letzteren l>e*timmt, 
von denen viele gute Baispi<-i« kanmraischer Arbeit bilden. 
Die Knochen waren zu Haufen oder Bündeln zusammengelegt, 
lagen nicht in ihrer natürlichen Ordnung. Manchmal waren 
die Hauptknochen zu einer Art Lager geordnet , auf das 
einige Schiidol gelegt waren. Ein zweitor, ähnlichur Fried- 
hof ist gleichfalls anfgefundon worden und wird in diesem 
Frühjahr freigelegi w-eMen. 



Vom Nyaasa zvm VIrtorU Njänsti 

Otto Beringor giebt im Januarheft des Ofx^raphical 
Journal von i9oS eine übersichtliche Darstellung seiner K«i»e, 
welche er aU Clief -Ingenieur der African Transcoutinental 
Telegraph Company von der Mitte des Kyassa-Hees bis 
zum Nordostendo des Victoria Nyansa in den Jahren 
1K97 bis 1901 unternnminen und vollendet hat. Kr hat der 
knapp gehaltenen Besi-braibung eine sehr hübsch Ausgeführte 
Karte (1 : 2000000) heigefiigt, in welcher aber nur die nächst« 
l'uigebung seiuer Beisen'Ute mit koUirierten Höhenschichteu 
eingoxoichnet ist. Ans seinen Mitteilungen will ich hier das 
h»*rvorheb<tn, was tnir in geographischer und «Lhnogrnphischer 
IDnaicht besonders bemerkenswert und neu erscheint. 

Beriiigors Ausgangspunkt war Vrisia am Wesiufer des 
Nyassa-Hi'os (etwas südlich vom II. Grad). Das Heegestade 
bi* Karongn ist im allgemeinen sehr flach, es steigt in vier 
AtiStufungen zu dem wesittich sich hi»zichenden,'6O0 bis 1200 m 
hohen Gebirgsruckeu auf. woraus zu eiitiiehmun ist. daf* der 
Nya**a in früheren Perioden eine weit gröfsere Hohe erreichte 
und dafs er als ein zurückgegangenes Wasserbecken zu be- 
trachten ist; ob dur<*h Hebung des llfers oder durch Aus- 
trocknung. bleiht ni»ch eine nnentj»chie<)«ne Frage. 

Beringer ülterachritt das Tanganika-Plateau von Kan>ngn 
nach Aliercoru und Kituta auf der Ktevenson Bond; dies« ist, 
bis auf da* beträchtUcho Htück zwischen Karonga und Fort 
Hill (80 km), jetzt auch für Fuhrwerk praktikabel gemacht. 
Von Kituta führte der Weg längs de» Ostufer* dos Tanga- 
nika meist einige Meilen landeinwärts bis Udjidji. Das 
prachtvolle, gering lieviölkerte Hochland Ftpa (über 180** in) 
zwiHchen Bismarckburg und Kirando senkt sich gegen Osten 
in eine tiefe, morastige Mulde, welcher der in den Bikwa-Kee 
mündende Fwlsi (kifwuri) durchstruiiit.. Nördlich und südlich 
der Mündung de* Malagarasi in den Taoganika dcltucn sich 
vim Cdjidji bis Kap Kabogu ungeheure Sümpfe au*. welche 
zwar von Juli bis November (rier Ib'zember Hustrocknun, «len 
übrigen Teil de* Jahres aber gänzlich unpassierbar sind. 

Von Udjidji wendete sic.h Beringor nach Nonlosten zu dom 
HniUh Kund de* Victoria Nyauaa. Die Strecke bis zum 32. Grad 




Itflcherichau. 



209 



<WiU. I«.Gr. vrur biiili«rni)^rfor*eht |reHk‘b«n: Wirxtnnnns Koute 
(ldB2), die RÜrh«tjrel»'i;et)e, vom TaiiKaDik« uaeh rnjniiiw^Mt. 
verlief durch Thha, aufaitk'* parallel, atier etwa» weiter im 
Huden. Die liebliche und volkreiche Landschaft I*Tiha 
emtreekt «ich nach (taten bi« 7um MtindiHufA (etwa 31” 3u' 
Ö. li. Ür.i, welcher mit dem auf den nbriKe» Karten ein- 
getragenen Lnkoke idenü>wli »ein dürfte. Krbntaur Hegenroit 
eine Breite von H km und beh&it aie auf einer Lftnge von 
80 bis 100km («i. Mit dem Miigana-Fluf« (im Werten) xu* 
mmmeoHierf^end, bildet er dann einen SO km breiten and lüs 
zu ••icben Fuf» tiefen Kumpf. Kr kann nur «rnhrend dreier 
Monate zur Trnrkeuateli und dann nur o« einer oder zwei 
Htelleu durchwatet worden, deneeit de^eellM'ii bi« xuin Smith 
Hund kommt man in eine fast undurchdringliche Dornbusch* 
Savanne. Bei Knputa (dem Mkumbiro oder Uhija der Karten) 
und St. Michael, zwischen dem 32. und 3.1. l^ngengrad, 
gelangte Beringer in die längst bekannten Uogunden von Nord* 
Unjamwesi, von wo aus er «ich durch r«ukunia am H|>eke- 
Golf vorbei nach rsftha.«chi und Süd-Kavimndo wandte, not 
Port Floreuce in Kismau, den Endpunkt der l'giindalaihn, zu 
erreichen. Seine Boutenskizze vom Binnenland der Ostküsle 
des Victoria Nyansa stimmt wenig mit den sorgfältigen karto- 
graphischrti Aufnahtnun de« Hauptniann« Schlobach (Dauckel* 
maus Mitteilungen 1901) iiberein; der Mala- (nIiw Mara Flufs 
liegt zu weit südlich, und der Mori- «aler Ouritlufs zu weit 
nördlich. Sein Beiseweg ist nahezu dersoll« wie der G. A. 
Fischer« 18SH; im midlichcn Teil durchkreuzt er die Kpureu 
von Oskar Baumanii. An der Ostgreiuco von recbnscbi traf 
Beringor mit einer Gnip[w von Eingeborenen zusammen, 
welch«. t>ewaffnet mit langen Schwertern und Massals|>«<!rcn, 
volikommHU nackt waren, den K&rper mit farbigem 'Ilion 
beschmiert und ihr Haupthaar in zwei oder drei aufreebt- 
«rehende, fettigo und bunte Zbpfctien zusammengedreht hatten. 
Ihre Sprache war den Banlunogem in der Begleitung Beringurs 
ganz imvemtändlich. Kr hielt sie für Flüchtlinge vom Stamme 
der Boiik. Das «K^heint mir irrtümlich zu »ein. Denn die 
Botik gehbren zum Stamm der Kaudi, welche nach Hi»bley 
(Kastern l’ganda, p. 10) in den hochgelegenen (iebieteu der 
Maukette »efabaft bleiben und in lange Gewänder zieh hüllen. 



Vielmehr dürften die erwähnten Eingeiwrenen zu den Wa- 
schaachi gerechnet werden . weiche nach Oskar Banmnnii 
(Durch Mnssailand zur Xilquelle, S. IWi) ^birsondent in den Öst- 
lichen Grenzgebieten starke Betiuischuiigeii von hamitisefaem 
und nilotiacheai Blut erlitten halien“. und mit welchen daher 
eine Verständigung in irgend eini^m Uantudialekt unmöglich 
war. Aufserdom stimmun die wenigen, aber charakteristiachen 
Angalwtt Itaringera mit der B<*iich reiburig Oskar Haumaniit 
zuxnmmen, wonach diese OsGirh wohnenden ^Yascba«cbi als 
Bekleidung nur eine Anzahl um den I^ib gewundener Bast- 
schnüre tragen und »daji Haar vielfach in Z*'«pfchen drehen 
und mit näero Ixihm und Fett lieachmieren". Auch ihr fried* 
fertige» Verhalten gegenüber der unlwwaffnclen Karawane 
Boriiigers entspricht der Hchilderung Ikiumanns von dum 
„uichta weniger als kriegerischen, sondern friedlich-gutmütigen 
('harakter der Waat'haschi*. 

Auf seinem Weitermaraehc nach Nonien gelangte Beringer 
nach Mutaga (noch südlich vom Malartufs); die« liegt un- 
zweifelhaft in der (von ihm nicht genannten) l*andschaft 
Ngoroine, weiche Oskar Baunmnn 1892 (vergl. a. u. 0 ., H. 30) 
durchzfigen. Kr war also nicht, wie er meint, der erste 
Weifse, der hier erschienen. 

Jenscit der deutach-engliscUen Grenze und des Gori- (nicht 
Mori*) Flusse« zeigtr- sich ein ganz ander« gearteter, volk- 
reicher Hutnm: kräftig« I^ut« von guter Haltung. Männer 
und Frauen ln völliger Nacktheit, einfache Hütten xu iHirfoni 
vereinigt, von 3 Fufs hohen Erdw äilen mnschtoaspn. Beringer 
giebt keinen Namen für sie an , allein es sind ohne Frage 
die Ja-Luo (Njoro oder Wa-Nife), die Kavirond<i der Küste, 
unzweifelhaft vor unliostimmtcii Zeiten eingownmlerte Niloten, 
deren Hprache sich kaum von dem Idiom der Hi*hilluk am Holiat 
untemcheidet; eigentümlich ist ihnen ein Ohrschmuck von 
Jaspiiiierlen, welche wahrscheinlich, aber auf uneründtichen 
Wegen, früher einmal aus Oberägvpten importiert worden «ind. 
Kic Iwwohnen die Kästengegenden de« Victoria Nyansa vom 
l'gaja bis znr Mündung des Nzida. Boringur Iwfiind sich 
d«<«halli inmitten de»w-l)ien Htuiime«. als «r am 28. Oktober 
Idol in der Landschaft Kisumu, dem Endziel seiner Keise, 
eintraf. Brix Fbrster. 



Bflcherschau. 



Rldulf Zabel: Durch die Mandschurei und Sibirien. 

Belsen und Htudien. 4*. Xll u. 814 S. Leipzig, Gei>rg 

Wigand, 1902. Preis 20 Mk. 

Der Verfaswr war Kricg*lwrichU.*r«talter in ('hina für 
die .Vom. Ztg.** Mit Ahschlufs des Präliminarfriedens zu Be- 
ginn de« Jahres 1901 war MÜne ThAtigkeit als sidcher Iteendet, 
und er mufste an die Heimkehr denken. Hierfür wählte er 
den Weg durch Sibirien, die Houte Wladiwostok — üssuri- 
bahii— Amur— ftchilka — TramdiaikaUeD u. s. w. Vorher jedoch 
unternahm es Zaliel, die von den Bussen liesctztc südliche 
Mandschurei aufzusuchen und «inen Einblick in die dortigen 
militArischen , politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse 
zu gewinnen. Das war zu jener Zeit nicht ganz leicht, da 
die Bussen unliebsaiDc Beobachter femzuhatten bemüht w-arcu; i 
allein Zaliel war glücklich und geschickt gtmug. über Niu- 
tschwang nach Port Arthur und Daini zu gelangen. Sein | 
uns hier vorliegendes Werk ist aus .\baclmitten zusammen- | 
gpseut, in denen die Bei«»- durch die Mandschurei und Sibi- ■ 
rien geschildert wird, und au« solchen pidiUscbeu Inhalts. ] 
Di« Beiscschilderung Imwahrt dt« Tugebuchform, doch ist 
diese sorgsam auf Grund späterer I.itteraturstudien «-rgänn 
und bearlieitet. Zabel erzählt gewandt und anreg<>ml , ohn« 
trivial zu werden, und seine Beiseskizzen gehören darum xu 
den besten ihrer Art. ln den (Kditischen Abschnitten wird 
Zabvl der aufsorordentiieh klugen asiuti«rhen IHplomatie der 
Bussen gerecht, die zugleich mit rücksichtsloaer Energie und 
feinem Verständnis für die Eigenart ihrer asiatischen Nach- 
barn arlieitet und ohne viel Geschrei und Beden ihr Ziel 
verfolgt Da« HGlle Meer haben die Kusaen schon läng«t er- 
reicht. und Wladiwo«t4)k , heute eine Ktadt von 4(t(HXt Eiu* 
wohnem, war dort ihre stolzeste Hchüpfung; allein die Z«dton 
haben sich geändert, aus dem Zuge nach Osten ist ein Zug 
nach Süden geworden, Wlmliwoitok interessiert die KuMven 
hente nicht mehr, und aie drängen es mit vollem Bedacht 
wieder in den Hintergrund xu Gunsten des neuen Hrhoftkindes 
ihtlui. Daini will ein ostasiatisches San Francisco werden. 
Die Bewundenmg der sibirischen Rahn und die llofTniingen, 
die man darauf setzt, ist der Verfasser vorläufig nicht zu 
teilen in der I»ag«, die Bestrebungen zur Kolonisation de« 
Amurgebiet« hält er für unpmkGsch. Die sibirische Hiede- 
lungslwwegung habe ihren Höhepunkt überschritten; zur 



Verzinsung des Kapitals, das der Bahnbau gekostet, wäre 
aber eine aufserordeutliche Erhöhung de« rossisch-ribirischen 
Kulturzustande« nöGg. In der Einleitung Ivemerkt Zabel 
u. a.. dafs die Blätter Mukden und Tsingtau der von der 
]ir«uf<ischeD Landesaufnahme berausgeg«lK*nen «Karte von 
Oslchins* nach seinen Erfahrungen «ehr fehlerhaft seien; 
da« mag richtig sein, ist aber erklärlich und nicht so schlimm. 
Die Abbildungen sind, »iweit sie Photograpbieeu reprodu- 
zieren, sehr schön, die Auiwtattung läfst nicht« zu wünschen 
übrig. Hg, 

Lvdwlg AmadetH von Havofen: Die .KtcMa Polare* im 
Eismeer. Mit Beiträgen von Kapitanleutnant ('agni und 
Uber«tal»arzt Cavalli MoUnelli. XIV u. 503 Heiteu, etwa 
200 Abbild, und zwei Karten, lipipzig, F. A. Brockhaus, 
19UH. Preis lu Mk. 

Endlich Hegt das von vielen mit Spannung «rwarlete 
Beisew'crk de« Hcrzfigt der Abruzzen vor; im Dezember v. J. 
kam die italieuisehe Uriginalausgabe heraun, und Anfang 
Januar d. J. folgte ihr Brockhaus mit der deutschen Ober- 
scizung. Wir haben die Spannung nicht geteilt, weil wir die 
Be<teutung jener ersten iiallenischen Polarexiicdition von An- 
fang an nicht übersi-hAtzt habtMi. wenigstens nicht in dem 
Mafse, wie c« in der breiten (Xfentlichkeit geschehen isL 
Cagnis Vorstofs pulwärt«, auf dem er Nansen um 22 Minuten 
.w'hliig*, ist ja ein ganz interessanter polarspurtlicher Erfolg, 
der viel Hewuudening erregt und di« italienische Uiiiemeh- 
mung .l>erohmt'' gemacht hat; wissenst'haftlich jedoch ist 
jener Vorstofs völlig werthni — ebenso wertlos, wie es die 
emlJiche Bezwingung dos Nonljads selbst «ein würde. Dafk 
aber die Anfonlerungen der Wissenschaft für die Beurteilung 
einer Polan*x|a)dttion nicht ganz i»hnc Belang sind, wird man 
vielleicht auch in einer Zeit zoge.steh«n. die, wie die heutige, 
in die Augen fallende, blendende Zufälligkeitserfolge mit 
ungemessenem Beifall umgiebt. t'agnis Zug gleicht der Kpur 
«ine« Hchlittschiihläufcrs ülHfr einen gefrorenen Hee und hat 
nicht mehr Ihsteiitiing als sie. 

Im übrige» war die Exptslition de« Herzog« ein neues 
Glied in der langen Kette de.rjenigen rntcruchmungen, die 
in der Polarzoiie überwintert haben; in di'wer Beziehung 
zeichnete sie sich in nichts vor den anderen au«. Im Winter- 




210 



Bacherschau. 



«iuarüor md df-r Teplitubai wurd^u ein Jabr hindurch die 
üblichen B*>olAchtUft^i> durrbs^efübrt. Borj^iuim, f^wiMcDhaft 
— > wie es selbet%'erdhDdUch ist. ln mnfsii'om l'mfsnt;>* hat 
auch die Kart« des nördlichsten Teilen doe Kranr -Ktnef- 
archip«U eine KrgAnzun{j; und Berichtigung erfahrun : das 
Krnnpriiii'Uudolftand ist viel kleiner, als Bayer annahtn, und 
seine S<>rdspitz«, Kap Fligely, liegt unter 81* 5u' u&rdl. Br., 
nicht jenseit des 82. Breitengrades. Fenter existiereu die von 
Bayer im Korden und KordwesCen von Kronprinz*KiidolflHod 
gesichteten Inseln iVtcmiannland und Kiioig'CHkarlnnd nicht. 
Las ist aber auch so ziemlich alles, was die Kxpciliüon für 
die Kart«* des Archijads bat ihun kbm»en. Die Hauptunfgalie 
der Expetlitimi war die (lewinnung des Bois oder doch einer 
möglichst hohen Breite, und dieser Aufgabe gegenülwr trat 
alles andere zurück. Hätte der Herzog einige Schlitten* 
expediiioneu auch nach ttston und Süden gesandt, an halte 
er damit ein geographiacb verdteustlicherea ^V8rk voliführt 
alst'agui mit seinem Marsch gegen den Bol, auf dem es nirhU 
zu entdecken gab, auch nichts zu beohuchten gab als einige 
sehr hohe \Viiiterteni|M*raitiren. 

Wir glauben diese Bouierkungen machen zu miissen. um 
dazu beizutragen, dafs die unverdiunt hohe Kinschitrung der 
itaiicuischen Expwlition endlich auf das richtige Mafs zurück* 
geftilirt wird, wie hlterhaupi die IbfW'ertung aller der rnter* 
nehmungen, die auiwchliefslicb der Ertdfernng des Bois ge* 
widmet sind. Hat man jenen richtigen Mafsstab gewonnen, 
so wird man die Fahrt der „Htella Polare* um so objektiver 
würdigen können. l>er Mut und die Begeisterung, die Energie 
und rmsiebt, die alle SchriUe der B^xiiedition auszeichneten, 
verdienen rückhaltlose Anerkennung, zum Teil vielleicht Bu- 
wunderung, und die Lektüre des Buches wird zur Belebung 
des Interesses au der Bolarforwthung gewifs beitrageu. Hchade, 
dafs es heutzutage niemand mehr unternimmt, auch solche 
ausländischen Erzeugnisse der Boiarlittermtur in Cbersotzungeo 
den breiteren Bchichten iles dcubuihen Bublikunis zu ver- 
mitteln, deren Verfasser nicht königlichen Blutes sind. Die 
Darstellungsweise des vorliegenden Buches ist einfach und 
ansprechend, wenigstens auf den ersten 250 Beilen, auf deneu 
der Herzog die Vurbervitung der KxptNlitioo, die Ausreise, 
die Überwinterung und die Heimkehr erzählt Bolartechnisch 
von Bi'deutung ist die Fesutellung, dafs der Britiache Kanal 
uud die Königin -ViktoriasAe, durch die die „Stella Polare* 
bis über Krxmprinz-Budnifland birtaus vordrang, einige W«jchen 
im Sommer Schiffen keine Schwierigkeiten bieten; man wird 
sich aber doch vor Yeraligcrncinerungen hüten müs<en, wozu 
Baidwins Krfahrungun sehr eiudringlicb auffordern. Kapitän 
Cagni hat für die 23u Seiten iimfasaende Schild»*rung iNsine« 
grofKcn Vorsiur«cw die Tagebuchform gewählt. Hie wird be- 
sonderes Interesse hervorrufen, da der Verfavier mit unleug* 
bar grofsem Verständnis für das Wirksam«, Dramatische 
geschneben hat. Das gilt vurnehintich für den Hückzug. der 
«iurcli die weirtliche und südwestliche Drift sehr l•r«•hwert 
wuriie und die vier I<eute^ schlierslicb in eine nicht ungufähr- 
liche Lag« führte. Endlich berichtet ('avalli, der Bagni «in 
Htück nach Korden liegleitet hatte, über seinen «Zufalls 
recht beschwerlichen Bnckzug uud über sein« ärztliehen Fr- 
fahrungt'D. Die Jetztemi werden Nachfolgern do» Herzf»g8 
zu gute kommeu; auch aus den ins einzelne gehemlen An- 
gMl>en über die Ausrüstung werden spslter« I’olstüriner .Nutzen 
ziehftn können. 

Der Verlauf der E.v{t«<lition ist Iwkannt. wir brauchen 
also darauf nicht einzugelioti. NVus die Möglichkeit nnlaiigt, 
auf dem von der itHlienisrhen K\(iedition gewiesenen Weg« 
und mit der von ihr befolgten Methode den Kord|>ol zu er- 
reichen, BO erscheint sie uns durch nichts erwiesen. Obwohl 
l'ogni im grofson und ganzen nicht ungünstige Kisverhält- 
nisse im Kordon des Franz -Josef lande« nng<‘lroffeQ hat, ist 
er nur langHam vorwärts gekommen und hat vor ulleni aus 
Mungi‘1 an Nahrungsmitteln umkehren müssen. Alwr auch 
die Verfassung des Ei'-ps. das noch vor ihm lag. als «r am 
24. April HHK) seine höclisto nürdlicbu Breite gfwonnon hatte, 
lief« ihm die Umkehr geraten erscheinen: dieses Ei« war 
ülH*raus uneben und anscheinend auch von offenen Hu-llen 
durchsetzt. Am lyedeuklichsten aber für alle solche Hchliticn- 
reiten ist «ine starke südlich oder westlich führende Drift, 
die ('agni an manchen Tagen um »o viel zurückgetrielien 
hat. als er auf der Eisdecke vorwärts gekommen war. Peary 
ist cs 19U2 im Nonlan von Grinnelt-Land ebenso ergangen, 
»o dafs dos llur/ogs Meinung, man könne von der amorikaiii- 
schon Seit« den .\ngriff uuf den Pol mit mehr Aussicht auf 
Erfolg wagen, wenig Itegrüiidet erscheint. Nach allem ver- 
spricht die Kansensche Methode nitch immer da.« meiste. — 
iHis Buch ist mit einer erdrückenden Full« mei«t sehr schöner 
Abbildungen ausgestattel. Von den Karten stellt die eine 
Cagnis ibmte dar, di« andere Ist ein« ganz vorzügliche über- 
sichukarte von Franz - Josefland in l:loüOUou, die in der 



U.iuptsache auf Jackson beruht, Wetlmans und de« Herzogs 
Ergebnisse verzeichnet uud die von früheren stark abweichen- 
den astmiioniischen PiMitionsbestiiumungen der italienischen 
Kxpe<liiion l>erücksiehtigt. H. Singer. 

Eduard SclcF) Gesammelte Abhandlungen zur ameri- 
kanischen Hprneh- und Altertumskunde. Band 1: 
Hprachliches, Bilderschriften. Kalender- und Hieroglyphen- 
entzifferung. Berlin 1IK)2. 

Mit hoher Befriedigung mufs uns da« Ersch'*iDen ein«« 
Buches erfüllen, in dem das Werden einer neuen Wiiweii- 
schaft. der Anfang und da« Reifen unserer Erkenntnis der 
alten Kultur Mexikos und ('entralamerikas zum Ausdruck 
kommt. Nicht geringe Energie gehörte dazu, die Methoden 
ausündig zu machen und durehzufuhren, durch di« man die 
ßiideiwohriften in enger Verbindung mit den Angaben aus 
den Zeiten der ('omjuista, mit der Linguistik und Arcbäok>gie 
»|>^e<^hen uiacbep konnte, ohne Irrweg« «iazuschlagen, ja 
ohne zeitw'eisQ wüst« Htrvckeii ergebnislos zu durchwandern. 
Denn bekanntlich kann man auch Bilderachriften zu erklären 
meinen, während nach Jahren des Fleifses andere feststellen, 
dal« nur eine haltlo«« Bbantasie das Gebäude trägt. Brasseur 
de Bourlsmrg liat es au den Mayafaandschriften bewiesen. 
Bewunderung muf« uns auch dii* HeUmiverletignung ein- 
riöfsen, mit der Heler, ohne nach rächt« noch links zu sehen, 
»eine ganze Zeit und «eine ganze Kraft in den Dienst einer 
Hache «tollte, die damals fast niemand in ihrem ganzen Um- 
fange zu würdigen wuTste, da sie nur gelegentlich gestreift 
<Mier von diesem und jenem einzelnen Ucmichtspunkte in An- 
griff genommen wurde, Zweimal hat Heler, nicht zufrieden 
damit, die lautersten Quollen «einer NVisaenschaft ausündig 
zu machen und am grünen Tische zu studieren, die Heimat 
j«*ner alten KuilurvOlker in weitestem Umfang bereist und 
durehfi»r»cht, und gegenwärtig ist der unermüdliche Gelehrte 
zu einer neuen Expedition in die archäoUtgiMh dunklen, aber 
vielversprechenden Kö«teng«gendcn de« mex>kaiii«chen Golf« 
von der liuaxteca bi« Yucatan aiifgebrochen. E« wäre uumög- 
lieb, an dieser Stelle nicht zugleich der hohen Persönlichkeit 
zu gedenki-n . deren grofsmntige und aufopfernde f’nter- 
«tützung uud Anreguttg mit dem Lebeuswerke des Verfaf^ers 
auf» engste verknüpft ist, die mit umfassendem Blicke »eit 
lange die Bedeutung der amerikanischen Forschung erkannt, 
ihre besonderen Aufgaben erfafst und den Forscher auHÜndig 
zu machen verstanden bat, dcw*cn Fähigkeiten, gestützt auf 
»oine reichen pukuulären Mittel, sieh in schönster Weise im 
Dienst« Müimr Alisichteii entfalten würden. Die bedeutenden 
archäulogiscbeti Hammlungen von Helcrs letzter Reise füllen 
als Geschenke des Herzog« von Loubat da« Berliner Museum, 
und die Ergebnisse sind zum Teil schon niedergeJegt in Seien« 
opulent ausgestattetem Chaculäwerk. Die Leser de« Globus 
wissen auch, wie gewaltig di« auf Kosten des Herzogs von 
Loubat berRU«gegel>enen Cudtcea die altme-xikauiscbe Wissen- 
«rhaft vor« ärts gebracht haben. Ohne seine Anregung wären 
auch Heiers ausführliche Kommentare zum Aubinschon Tona- 
lamatl, zum Codex Fejervary-M.ayer und Vatlcaous Nr. 377S 
wohl nie geschnebcti und «iclmr nicht in so reicher, vor- 
«chwcndcrischcr Wei«e mit Bildern aiiagestattet worden. Nie 
hatte auch da« vorliegende NVerk mit «einer uneudUchan 
Fülle von Abbildungen, die z. B. die Benutzung der ilumboldt- 
bilderschriften in Berlin fast überflüssig machen , ohne den 
Herzog von Ixnilat da» Licht erblickt. 

Wonu Heler in der Vorrede in der ihm eigenen Iteschei- 
dencti Weis© von einer ,Auz«bl g<Äicberter Ergebnisse* aU 
Frucht «einer langjährigen Htndicn spricht, so darf Referent 
heute als M*in leider fast eiuziger Bchüler nicht mit dem 
Urteil zuriickhalten . dafs e« ohne Hcler keinen Weg in die 
Wi««<*n«ch»ft der luexikatiinchen und zt’»tralam«‘rikant«cben 
Kulturvölker giebt und geben wird, dafs »eine Werke ein 
tli all sein werden. Und doch dürfflu wir noch vim 
Selert Tliätigkeit, wie die gewaltige littarari»i';]ie PnidukGou 
der letzten Jahn* und die neue Forschungsreise andcuten, 
das Griifste erwarten. Nicht ein Abschlufs eioor l«bent- 
arladt liegt in dem Buche vor un«, sondern offenbar nur «in 
AbechniU in seiner Methode. 

Was in diesfoi ersten Bande enthalten ist : das Hprach- 
liche, die Bilderhandschriften, Kalender- und Hieroglyphen* 
entzifferung , brauchen wir hier im einzelnen nicht zu er- 
örtern, da der Globus fortlaufend über die Arlteitcn Hclers 
während die«*r 18 Jahre berichtet bat. Einheitlieh get>rd- 
net liefen! die«« ,G«*iMiinnielien Schriften“, deren zweiten, 
das Archäologische und Historische umFaseenden Band wir 
mit Sehnsucht erwarten, uns neben seinen Büchern da« Rüst- 
zeug für die Zukunft, und nicht schöner können wir umwre 
iHuikliarkeit gegen den Autor bezeigvn, als dafs rocht viele 
es Iwnutzen. um mit ihm vereint dieser vielv«*r«precbeiiden 
Wissi'DSohaft zum Vonlriiigen zu Verhelfen. K. Tb. Breufs. 




Kleine Nachrichten. 



2H 



Kleine Nachrichten. 

.\bdracV t>ar mit QueU«oang»t>() 



— J. B. Chareot« Pftbrt nach Jan Mayen. Iin De- 
zemberheft von „Ijä Owtgraphie* macht Clisrco!, der nach 
Zeitun^narhrichleo Im kommenftcn Honinier eine ,!'ol.ir- 
expeditioii* mitomehineri will, Mittoiluojfeti über eine von 
ihm im Hommer mit der Yacht „Roae ^iarine* aua|?e- 

fdhru.* Fahrt nach den Fitri'ier. Inland und Jan Mnyen. ('har- 
cot« Zweck waren dna Btudium de§ Kreimer auf den Färi'ier, 
einer Krankheit, die dort er?«t ncuerUintpi cinjrtt» hleppt wor- 
den «ein »oll, und bakteriolofftscbe UntersucUunifen in den 
nördlichen Meeren, Dazn wurde Charcot u. a. von dem 
Naturhisturiker J. Bonnier l«gleitet, der jetzt »eine Kamm- 
lungen und Begutachtungen bearbeitet. Am B. Juni verlief« 
Charcot Havre, 14 Tage hielt er «ich auf den Küröer auf 
und kam zu dem Resultat, diif« die AriMcIiauniig von der 
erst kürzlich erfolgten Kinschleppung de« Krrli«e< irrig ist; 
.\nfang Juli bemichte er Ixiaiid, und am 14., 1.^. und 16. .Juli 
hielt er «ich auf Jan Mnycn auf. Au« Charcot« Beobach- 
tungen wÄre folgende« hervorzuhetieu: hatte da« Kis 

«ehr lange vor den htlhndinchcn Küston gelagert, tndzdem 
hegt-gnete ('harcot ihm Mitte Juli in keiner Form auf der 
Fuhrt nach Jan Mayen. Man hatte diesen Widerspruch auch 
«chon früher be<jbachtet ; er erklärt sich nach Charctd aus 
dem Bpiel der Uberttächenströmungen, nicht aus hohen Tem- 
|M>ruturen. IHe Meereitempi^ratur in der Hmgehung von Jan 
Mayen schwankte zwischen 4- 1 und — 1*, die Lufttempe- 
ratur zwischen -{-3 und ^S“; nur am 15. Juli al»end« wur- 
den für kurze -f- 6 und -1- 7* gt-mewien. I»er halb ein- 
gestürzte Krater der auf Jan Mayen ist völlig 

erloschen. Mitunter scheint es. als wenn ihm Dünqife ent- 
steigen, da.s sind nach rharct»t ai»cr nur cmp«»rgewirbclio 
Maweti Htauh au« latva und Basalt, Ks ist das derselbe »ubr 
feine Blaub, der fast überall auf Jan Ma>en. dort,, wo die 
Insel nicht mit Bchneu bedeckt ist, durch den W'ind auf- 
geweht winl. Charcot meint, dafs e« auf Jan Mayen über- 
haupt an jedem Anzeichen neuerer eruptiver Thiitigkeit 
fehlt. Die südliche Lagune der Insel soll nach Charcot 
kleiner sein, als sie auf unseren Kat-ten gezeichnet wird; 
ringsnm liegt viel Schlamm, so daf« man annehnjen könnte, 
st« sei durch Austrocknung zOKaminengvschrunipft. Die Ue- 
bäude der öslarreicbi«chen Station, die I8B1'6*2 auf der Insel 
liestand, befanden »ich m>ch in ziemlich guter Verfasnung; 
Char©«it, der auf die Bitte der rwterreichinchen Regierung 
nach ihnen «ah, dickte sie ein wenig au*. Die erwähnte 
und liereits in diesem Bericht angeknndigte diesjährige 
Unternehmung Chareots ist nicht etwa so auf/ufaMsmi, als 
ob sich damit nun auch die Franzoson an der IVdurforsehtiug 
b«?ietligen wollten. Ks ist durchaus keine F<darex|>«(littoit 
im uigenilichcn Sinuc, sondern nur eine mehrmonatige Fahrt 
zweck» ozeunographischer und verwandter Btudien, die sich 
bis nach Fninz-JosefslAnd erstrecken soll. I>h es nicht au«* 
gcschlussoD L«t, dafs da.« Fahrzeug dort vom Kise einge- 
schloflsen wird, so will Charcot ullerdings Vorräte mit- 
nehmen, die für eine rbcrwinterung ausreichen. 

— Die Hcliiffabrtsverhältnisse auf dem oberen 
Nil. Nach dem Bericht Jswi Cn>mers v.T«ehen gegenwärtig 
die ehemnligen Kanonenb<H»te derSudatiregierung die Wareii- 
und Reisomienlwförderung auf dem Blauen und Wetfs«*n Nil. 
d<a:h geht nur ein« über Faschoda hiima«: einmal im Monat 
vomüttelt ca den noch sehr geringen Verkohr zwischen 
diesem Ort und (iondokoro. Ihe äg^k'pttschc Regierung hat 
nun der «New Kgyptian ('umpany* in Kairo eino i^ins- 
garantie für ein Kapital gewährt, mit dem sie auf dom 
Blauen und Weifsen Nil ein« FbdtiUe schaffen will , und 
ein Dampfer and zwei riachgehende DninpfscUaluppcn mit 
Uinterrad sind von der Oesellschaft auch bereit« in Bau 
gegeben worden. Aurseniein wird die OoseUnchaft auf dem 
vereinigten Nil einen Schiffsverkehr unterhalten, so daf« die 
Waren auf dem Woge von Alexandrien nach der Äquatorial- 
provinx nur zweimal — in Wady Haifa tind in Chartum — 
unigeladcu zu werden brauchen. In Jahren, wo der Weifse 
Nil wenig Wasser führt, ist zu Beginn de« K<jmmprs die 
Fahrt halbwegs zwischen Chartum und Faschoda der Kels- 
anhftufuDgi’n im Flusse we,4en schwierig, «üdlic-h von Fa- 
«chixla aber können l>ampfer mit rtaclion jt.*«ierTQit 

leicht passieren. Die bekannten SMMidbarnjn sind iin B.ahr- 
ol-Dschebel n<M-h nicht ganz verschwunden, die Htröniuiig 
hält aber wenigstens eine Kahrstrafse dauernd offen. W’n« 
die voU.«tändige Beseitigung dieser Barren anlaogt, m» hntle 
die letzte, im vorigen Herbst zu die«em Zweck aui*g*‘snndte 
KTpodition nicht viel Krfolg, die Arbeiten sollen aber mwh 



drei Jahre fortgesetzt wcnlcn, und in dieser Zeit hofft mau 
die Regulierung de« Bahr-elDschebel durchgefübrt zu haben. 
Das schlimm*ti* Bchiffahrtshindemis bedeuten nun aber nicht 
die Felsen nördlich von Fawboda und der8««Id, sondern der 
3fa»gel an Brennmaterial. Hvilz gieht es nicht viel am Nil, 
und die Kohle ist teuer; das Gerücht, man habe im T>ande 
«elhat. bei Rosaires und Abu Harras am Blauen Nil, Kohle 
gefunden, hat inch nicht 1>estätigt. 

— James Glatsher, 1>ekamiter englischer l’hysikor und 
Mel*y>ndoge. «tarh am 7. Februar d. J. in ('roydem Jtei 
lemdon im 94. I<el*en«jahre. Geboren war er am 7. April 
IHO» in Jj«>nclou. V«>ti lt*4o lus l»7» war O. Direktor der 
magnctiwhen und inetoi>rolt>g{schen Abteilung am königl. 
(Jbsvrvatorium zu Greenwich; er Ix'gnindete auch die Royal 
Meteorolitgical Socioty. deren Fräaidenl er 1867 wunle. Be- 
sonders macbie sich G. Wkannt durch müne zahlreichen, zu 
wissenschaftlichen Zwecken untcmbmmeiseD Luftliallonfahrten. 
von denen die mit dem Luftschiffer ('uxwell unternommene 
die hemerkenswei'teKte ist. Kr berichtet über »eine Luflreiscn 
io dem Buche , Travels in the Air* (neue .Auflage Ihsa). 
AufsenJem verfaf»*te er eine grof«e Anzahl Bücher, Brtwhürcn 
und .\uf«fttxe über nteteorologiache, astronomische und andere 
Gegeiisiände. W'. W. 

— In de« Mittoilnngon iler Nuturforschenden Gesellsrhaft 
zu Frellmrg (Schweiz) iGeologie und Ge^igraphie, Bd 3, lieft 4j 
hat Pn»f»‘««or Brunhc« von der dortigen rniversität seine 
Ik-oltarhtungen über die Wirkungsweiso der Wasaor- 
wirbtil iin fliefseiiden Wasser veröffenllichi. Der Zw'eck 
des Aufsatzes ist der. die Wichtigkeit der wirlMÜnden Be- 
wegung des tliefsenden Wa«*.*rs und der «ladurch verursachten 
Bildung von Btrudellöchern (Biosentöpfon) für die Thal- 
biidnug nochzuweisen, und dazu zieht der Verfas«er seine 
Boohnchiurigen an zwei Stellen heran, die in Bezug auf die 
Kedingmigen der Strudellochbildung und die Örtlichkeit sehr 
verschiixien sind. Die er«te betindet sich an den granitischen 
Inseln, welche au.« dem ersten Nilkatarakt aufsb-igeu und 
insofern buwmdcr« günstige VerhäiUiiss« boten, als nach einem 
jährlichen Hochwosacr, das die betruffenden Krm'hciuuogcu 
schuf bezw. \ergr<»fM*rte. jedesmal ein so niedriger W'a»*t*r- 
stand einirict, dafs die Wirkungen des HochwamKrs bcs^uviu 
und genau zu beohachieu sind. Dabei zeigten sich die Inseln 
vollständig durchimlirt von Ntrudellöchent, die zwei vorschie- 
denun lluupUirte» angel«>ren und zuletzt zur vollständigen 
Zersbirung des Oninit« der Inseln und Bildung eines Hauf- 
werk« von Blöcken führen. Die Kuistelmng der Ktrudellöcher 
wird bei dieser Gelogenholt genau erörtert und be.«»nd«rs 
betont, dafa nicht etwa die sHtxudolstvinc“ , welche man an 
vielen Stellen darin vorHndei (GlclAchergsrten in Luzern), 
an der Au»hühlung der LCk-her schuld sind, sondern dafs al« 
hauptsächliches Schleifmaterial Sand anzusehen ist. Als 
zweite Stolle für seine Beobachtungvu hat der Vurfa.««er die 
4ucrLbäler auf der Nordseite der Alpen gewählt, in denen 
man elteiifalU überall aa^ehüdete Strudel lut'ber, wie in den 
näher besprochenen Schluchten der Aare, der Tamina und 
do« Trient, («ler solche in Bildung, wie beiut Trümmelltach 
(Hier Dimdenliwch, bci^harhtcn kann. Daf» einzelne Schluchten 
fa.«t frei von ihnen sind, wird durch die Aruhitektur des Ge- 
steins erklärt, indem iu klein« Stücke zors|ialieiie Gesteine 
der Strudcliochbilduiig nicht günstig sind. In einem Schlufs- 
alnchnitt werden daun mw'h einmal die Bo<l)ngungcn zu- 
sauimenfasw-'tid erörUMA, uiit«r denen Strudellocher entstehen 
und wieder vergehen, sowie die Gründe, w-arum mau trotz 
ursprünglicher relativ häutiger Bildung der«e]licn «(diter nur 
noch wenige vurtindet, si»wie nochuiaU diu Wichtigkeit und 
Art ihres Kingreifen« in die Tlialbildung vorgefübrt. Al« 
Illustrationen sind eine gröfsere Anzahl photographischer 
Abbildungen von Strudeilöchem der berührten Punkte bei- 
gegel>en, die «ehr gut ausgefallen sind. Prof. G. Greim. 

Reineckes Karte der Insel Savaii. Wie gering- 
fügig unsere Kenntnis sogar von den am häutigsten ge- 
iinmiten deutschen Südseeiuselu ist, beweist wieder einmal 
di« im Januarheft von „Petermanns Mitteilunueu* veröffent- 
: lichte Karte I)r. Franz Reineckes von der Insel Savaii, der 
' gr«if«ten des Samosarchipels, die bekanntlich im vorigen 
Oktober und N«*Tember von vulkanischen Ausbrüchen heim- 
gesucht worden ist. (VergL den Bericht von Bnlows, B. 108 
de« laufenden Bandes) Die Karte ist im Mafsstab von 
l;5O0 0OU entworfen — einen gn^fsereti Mafsstab verträgt 




212 



Kleine Nachrichten. 



unser WiDflen von der Insel noch nicht — und jedenfsiU die 
zur Zeit beste und vuilfUtndifpit«. verzeichnet zwei die 
Iui>el von 8üd nach Kord durch«|uerende We^e und die 
Keif^pfade Hr. Keiueckea, die tief in den inneren Teil dOH 
(iebirtrsgernstes hineirtreichen und eini;.:« weni;^ topO' 
graphiM’he AufschlüsMS gebracht haben, lui übriKCU beruht 
die Zcicbiiung des Üebiru^bilde« auf Peilungen vuui Meere 
aus, rIm) auf den Seekarten, und deHbalb weirs man auch 
nicht viel ülwr die Hi>be der llerggipfel. Her htfchste dürfte 
der Tniavea sein, der auf unseren bixherigen Karten mit 
Huxgu/eichnet wird. HeiiuH'ke mafs im Koveuilier 
IM94 l&90m. doch vermag er nicht mit Sicherheit m sagen, 
ob der Oipf'd, den er dainals erstieg, wirklich der T«iiav«» 
war. £r klagt dariil>er. dars die Kingelioreiien schwer zu 
bewegen gewesen wären, ihm iii'i Innere zu folgen. Kr 
wünschte in diu Gebirge dos Westens, den SchauplitU der 
letzten Vulkanausbruchs, einzudringeii, doch wurde in Ao|h> 
MÜncu Trägem untvraagt. ihn iandoiiiwarts zu tiegieiten, da 
infolge einer «biBeii Krfahrung* das Innere für .tubu** (ver* 
iHjten) erklärt wortlcu sei. Der eigiuitlicho Grund für das 
Verbot wurde Hciuocke nicht verraten, von einer Furcht vor 
vulkaniücben CberraM-hungen sprach mau jedenfalls nicht. 
Denuivb glaubt Kcineuke, dafs gerade di« Furcht davor 
mafsgeliend gewejw'u war; der uiiverhoflfte Ausbruch vom 
ät. Oktolier liKi;! hatw! die Herechtigung «olcber Vorsicht ja 
auch erwiesen. — Duulscliland ist nun schon seit drei Jahren 
im Besitz der gri>rst«n Inseln der Gruppe, viel winl ül>er di« 
Frage gesprochen, ob sie sich für Kakiu»- und andere Kul- 
turen eignet, aber etwa« Nemicnswertiw für die nähere Kr- 
kuudung des nur Idimqkm grufseD Xavaii ist ntwli uicht 
gethau worden. Ks ist diesellw Iteirübend« Krsclieinung, die 
auch für die Inseln des DUmarckarchtpels gilt. 

— Andr^e-Mednili« und Ncirdeiiskidld-Denkmal. 
Zur Kriiinerung an die unglücklichen Teilnehmor der .fiernen''- 
Kz]»«dltkin vom II. Juli IXV7 wirtl von scliwt^iliKchcn Frvuiideu 
dos verschollenen und — wie man ja nunmehr mit unum- 
ertofslicher üewirsheit amiehrnen mufs — zu Grunde gegange- 
nuu Pularfnhrerx binnen kurzem eiuo Gedenkiiiünze hcraus- 
gegebrn worden. Auf der letzten Verhandlung dur Bb>ckholmer 
Anthro{H>Iogisohen Gesellschaft unterbreitet»* l‘rof. O. Montclius 
den ersten Vorschlag zu einer solchen GtHlenkmünze und 
machte bei dieser Gelegenheit g*>ltend, dafs die schwedische 
WissQuschaft, die sich vtm jeher als die l>evorzugte Hüterin 
der arktischen Pionierarbeit gefühlt habe, die inoraUsche 
YerpHichtung niierkeunen mü)»e, die Krinnerung an die 
kühnste und zugleich tragischste unter aileit Kntdeckuugs- 
reisen der »eueren Zeit durch einen Akt pietätvoller An- 
erkennung hochzubaitun. — V<>n anderer Boilo ist aus obigem 
Anlaf» die Idee zur Krörtcning gestellt worden, den Mauen 
des unglücklichen Polarreisenden oiiiu Huldigung in monu- 
menlaier Form zu weihen, um auf diese Art den Namen 
des lieherztcn Aenmauten auch in den breiteren Volksschicbten 
dauernd im Gedächtnis zu erhalten. Soweit sich bis jetzt 
übersehen läGt, dürft« damit zu rechnen sein, dafs Wide 
Anregungen demnächst in der einen u«ler Buden*n Form in 
dio Th.nt umgosetzt werden. Ini Zusamraenhaug hiermit 
kann noch erwähnt werden, dafs man in inluressierteu Zirkeln 
dem Plaue näUergetreten ist, auch dem vor zwei Jahren 
verstorbenen Kntdecker der nordWtlicbeu Durchfaltrt, Nils 
Adolf Krik Nurdenskiüld, ein Deukiual zu weiheu, 
und zwar in liosonderer Iteziehung auf die unauslöschlichen 
Verdienste, die sich NordeixkitiUl als Regriindur der mo«]ornen 
arktiacheii Forschiiugsinethorle erworlien h.nt. Das Pn>jckt 
eines Nordeuskibhi-Denktuals hat dio scbwedischoD g<»ogrn* 
phischeii Kreis« la'kauutlich schou verschiedentlich l>«scbäftigt, 
ohne jedoch über das präliminäre Btadium hinauszukommeu. 
Die augenblicklich vorliegende Anregung scheint indessen von 
solcher Art zu sein, dafs es diesmal v<iraussichtlich nicht 
blofs b«t den guten Vorsätzen sein Bewenden haben wird. 

Htockholm, S7. Februar ltKi3. V. 

— Marquis de Begouzac« Hoiseii in Marokko. Im 
Januarheft von „I.a Oe^tgrnphiu* giebt du Flotte Ito*(ucvaire 
eine zusamiuenfassendo Darstellung dor inarokkaiiischen 
Heisen dus Maniuis de Seg<mzac, von denen auch im .Globus' 
einige Male die Itedc gewesen ist. de Segouzac, dt-r als 
Mohauiiuodaner verkleidet reiate, hatU* sich voroebiulicb die 
Aufgabe gestellt, das Fi>rschuugswerk de Foucaulds zu er- 
weitern, weshalb er sich in erster Linie dem Ilif und dem 
zentralen Uebirgstnassiv zuwandio. Die lk*reUung des Uif 
führte de Segoiizac in Begleitung eitü-s in Fes wohnenden 
rusaner Soherifen aus. Kr brach am lü. März 1901 von 



Fes auf und erreichte durch die ännlicheu Gebiete der 
Uiaina und Tsul das neuerdings viel geuauutc Taxa oder 
Tazza, das Zentrum des gegen den Sultan gerichteten Auf- 
standes. Die Stadt ist /ienuich heruntergekommen und nur 
noch ein Uuinenbaufen dank den Kaubzügen der Kiata. I>a« 
Flufstai des Msuu und des Kart verfolgend, gelangt« de 1^ 
goDzae iil>er S«luen, wo der Sultan eine Garnison hält. ua«*h 
Helilla, von wo er der Itifküste eiitlaug westwärts hi» zur 
Bai von Alhucomas ging. Die dort wobneiideu berüchtigten 
Stämme der GelaJa, der Beni Haid und der Beni Frischachek 
leiten vom Fischfang, treilMm gelegentlich etwas Seeraub und 
sind im übrigen grofse Straudräuber. Hierauf wandte sich 
de Kegonzuc Ülter die Gebirge nach Süden, zog ini L’adi 
VvrtTR nach Westen und erreichte über Muley Buchta, 
einem lierühmt«n. noch nie von Kur«i|»k(*rn besuchten Heilig- 
tum, am 13. April Fes. Die zweite Keise richtete sieh in 
das zvutralo Marokko und ins Gobiut der unabhängigen 
BernborstAmmc. Nach einer l'utersuchung des für Kurupiier 
unzugänglichen DscIiBbel Serhun, wo er die Beste eines 
starken rüniiachen Bagers auffand, überstieg de Hegonzac auf 
dum Wege nach Süden den mittlureu Atlas, umging den von 
Kohlfs beiiichriebenen See Sidi Aü, kreuzte das Uadi Mlaia 
uikI erstieg tluii 4‘.,l60m hohen Ari Aiasch, den biiclistcn 
Gipfel des grufsen Atlas. Dami zog de Sug«iiizac im l'atli 
Mluia ülier Mixur nach Nordosten und »chUefsUeb über die 
Ketten de« mittleren Atlas nordwart« nach Tasa. Endlich 
uiitcniahiu du Segouzac bis zürn I- September IHOl von T)u>a 
einen Vorstofs nach Südwesleu zum oberen l'adi Sbu. Die 
Aufn.'ihmun diui Keisenden uiufn«<>en 3*J00 km meist noch un- 
erforschter Wege, 39 Längen und 37 Breiten hat er astro- 
nomisch l>esiimnit. Fauna, Flora, Geologie und Kthnographie 
sind elienfalls gefördert worden. Zur Zeit ist de Segonzac 
mit der Herausgabe eine» umfangreirlien Werkes ,,Yoyages 
au MatvH** l>eschafLigt, von dom der erste Band den Keiae- 
bericht, dur zweite die naturwissunftchafilichfn Ergubuiss« 
und dor dritte die Karten im Mafssub von I :25UOOU ent- 
halten wird. 

— Bado V. Kövesligvthy trägt aus den Übungen des 
geograpbiachen Seminar» au der l'niversitAt Budapest zur 
Erklärung der alten Sirandlinicn bei (Foldtani Kozlöuy 
iwo'Jj. Au der skaudinavischen Meerfwküst« Üuden sich vieler- 
orts alte Strandlinieo, di« wie bei Uudiksvali etwa 240m 
über dem heutigen Saespiegel dabinziehen und gugeu das 
Innere der Fjorde anst«igen. An einigen L'ferputikten Noitl- 
amerikas sind alte Mueresablagerungtiu »ach rpham Warren 
s«)gar aus der H»h« von 4&U m bekannt. Die guographisrbv 
Verieiluug der Krsclieinung lK*günstigt keineswegs die An- 
nahme, als ob Ulan cs hier mit der Mkkularen Schrumpfung 
durKrde zuthuu halte, viutuichr weist alles auf cinu Wirkung 
dor Kiszeit hin. Bereits Zoppritz und Peuck , später Her 
g«sell, Drygalski und Woodward versuchten die einstige 
mächtige Hebung dos Heospicgcls auf die Anziehung der 
koiitiuuutaleii Kiwlecke zurückzuführeii. Gelang cs aui-h 
nicht, die starke iionlamcrikanische Hebung auf diese Weise 
ganz zu «rklären . so wurde doch die bescheidener« skandi- 
iiaviache KHespicgcIsohwaukum; vcrsUindlichiT. Ktirzlicb 
machte Drygalski auf ein neue« M»meiit aufmerksam. Dio 
Eisdecke mufsle den rnturgruiid uotwendigerwcise abkühlon. 
was eiuo Koiitruktion und Senkung des Festlandes bedingt. 
Schützt man. wie Kudzki, die oberHächlicht- Abkühlung zu 
13* F. K,3“G.. so wird die Depression 2,2m; also ein« der 
zu crklarcudon Gröl's« gcgeuübcr schwindend kleine Wirkung, 
die nocli aurMTdeiii als überschätzt augeaehen werden mufs. 
Verfassur guht dann zur Berechnung der W'irkung des Eis- 
dnickvs von dem Verhalten einer elastischen isotropen Kugel 
aus, deren Klusti/itäutm>dul willkürlich ange«cUt wurde. 

•»Die rgandabahn war Ende Februar nach «iDer 
lieuicrnieldung so weit fertig gust«>llt, dafs nur noch einig« 
vorliiuüg aus Holz crliaute Brücken durch KÜM*ukoDsti-uktionen 
zu ersetzen waren. Indisciie und iialiuuische Finnen be- 
iiuUtcn die Balm, um gröfsuro Fahrzeuge, die dem Haudel 
dienen sollten, auf dcu Viktoria Nyauxn zu bringen. Endpunkt 
dur Bahn ist Iwkanntlich Port Florence uu der Oatküste, »u 
dafs rgnnda selbst mit d«iii Schicuenstrang« nicht erreicht 
wiril; diu Verbindung dorthin wird durch zwei je 6UU Tonnen 
gr>>fsc Doppelsi'hraiilMmdampfer liewirkt, die 12 Salon- und 
lou Dcck^taxsagiere befürvleni k>'*nueu. Zweimal wi>c)ienüich 
j Vorkehren auf der ganzen Bahn direkte Zug«. Die Kiunahitieu 
I bulaufen sich zur Zeit auf luou Pfd. Sterl. in der Woche, 
und dank der Bahn sollen nach der erwahulvn Quelle Bri- 
tisch -Gxtafrika uuil da.» Vgaudapndvktorat jährlich 3.3UOU 
Pfd. Sterl. au Traiis|x »rtkostou x|i«rcti. 



Vrrsntwurtl. Redakteur: II. Singer, UrrUu NW. 8, Srbifl l»sut*idnuifu 26. — “ Druck; KrlcJr. Vieweg a, Sohn, Brauacebweig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LANDER- UN’D VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT KIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS ADSLAND» UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
HERAÜSGEGEBEN VON H SINGER UNTER BESONDERER MITIVIRKI-NO VON Pnor. D«. RICHARD ANDREE. 
VERLAG VON KRIEDR. VIEWEG A SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. U. BR AUNSCH WEI G. 9. April 1903. 

NMhdrack nof luch Db«rBiakanfl mit der V«rliifrslsKiidluii( (r^iUttM. 



Die macedonischen Seen. 

V^on Adolf Struck. Snlonik. 

I. 



1. AllgemeiDes. 

Eia Blick auf die Karte des westlichen Teiles der 
Bolkunbalbiusel lehrt, dsfs der zwischen dem 41 . und 
40 . Grade oördh Br. geloKcne Streifen, der sich vom 
Adriatischen Meere über lli^rien und Maredouien bis 
etwa gegenüber der Insel Thusos erstreckt, die einzigen 
namhaften Bitinenseen enthält, die die europäische Türkei 
aufzuweisen bat. Auf welche hydrographischen oder 
glazialen Erscheinongen die Bildung dieser Seen zurück« 
zuführeu ist, läfst sich beute nicht einmal mit einiger 
Wahrscheinlichkeit entscheiden, nachdem das luind in 
dieser Richtung suwobl in geogniphischer, als auch in 
geologischer Beziehung noch nozureiehend erforscht ist. 
IKo Lageverhältnisse dieser Seen studiert man heute am 
beeten auf der jetzt bedeutend verbesserten Generalkarte 
des österreichischen Militärgeographischen Instiiiites, 
Mafsstab 1:200000 0* Von Westen ausgebend sind 211 
nennen: der Litecheni Terhnf, der hauptsächlich vom 
Ljuschua gespeist wit^, im Westen und Süden in ein 
Suiopfgebiet übergeht und keinen AbRufs nach dem 
Moore aufzuweisen hat. Etwas nüdUchor von diesem, 
bei dem Orte Fjeri liegt der kleine Sumpfsee Lit.scbeni 
Purtitscha oder Belutscha, welcher in nördlicher Richtung 
in den Semeni abfUefst. Landeinwärts folgen die be- 
deutendsten .Seen der euro{käischen Türkei, und zwiu* der 
Ochridasee, von zahlreichen Flüssen gespeist; aus ihm 
ergiefst gich der I>rin. Oer Prewba- und der Wentrok- 
see, oder Mulu Jeser», beide durch einen Kanal verbunden, 
mit zahlreichen Zuflüssen, aber ohne jeden .\bflu(s. I)»r 
Maliksee, welchem sich im Süden eine l>edoutendo Sumpf- 
gegend anschliefst; er fliefsi in den Dewo) aus, welcher 
sich eeiuerseiU in den Semeni ergiefst. Östlicher liegt 
der Ostrowosee, schwach gespeist und mit unterirdiHchem 
Abfluls in den Sumpf vom NiNiia, aus welchem der Flufs 
Nissia oder Wodinasii entspringt und sich in den Sumpf- 
see von Venidsche ergiefst. IHeseN sehr stark ges{>uiste 
Becken führt seine Gewässer durch den Kara-Asmak in 
dun Wardar ab. Um den üstrowonee herum liegen 
einige kleinere Seen, und zwar der Rudnisebko-, der Sa- 
rigöl- (oder Zazerzi) und der Peterskosee. 

Die beiden ersieron fliefseu in den Peterskosee ab; 
dieser ist unterirdisch mit dem Üstrowosee verbunden. Süd- 
westlich sehen wir den Kostiirsko- oder Kastoriai^ee mit 
starken Zuflüssen, er ergiefst sich in die Wiatritza oder 
llaliakinuD. ^Istlich von Wardar Hegt unterhalb der 

0 H* Lechner, Wien. Blätter Kavalla, Saloniki, Munnstir, 
Klbnsean uud Burazzo. « 

Qlubtu LXXXIli. Nr. 14. 



Gebiige von Belei^ch der Doiransee mit kleinen ZuflÜHsen, 
welcher durch deuGjolAlnk mit den beiden zum grofsen 
Teil in siimpfigoH Terrain übergebenden Seen .\rdschau 
und Amaiuwo fliefst , diese ihreraeibt in den Wardar 
Südöstlich liegt in einer Mulde der kleine, abflufslose 
Adjisee. Nordöstlich von Salonik nimmt die Nicnlernng 
von Langaza den gleichnamigen See, ebenfalls ohne Ab- 
flufs, östlich davon den Bolbesee auf, der sich in die 
Meeresbucht von Retidina ergiefst. Von der Stnima ge- 
s{>eiKt wird der etwas nördlicher liegende, zum aller- 
grötsteu Teile versumpfte Buikowosee. Derselbe Strom 
bildet noch südlicher den grotsen Sumpfsee von Tahinos. 
Südlich von Drama nimmt der Sumpfsee von Bureketli 
eine eine grofse Fläche ein. Hiermit schliefsen wir die 
Reihe der hier in Betracht kommenden Soebeckeii. Zur 
Verfollstäniligung der Nomenklatur aller jener Suen, die 
für die europäische Türkei einiges Interesse bieten, führe 
ich hier noch an den Jauinasee, für w'elchen ein unter- 
irdiachor Abfluf» narhgewiesen ist, und in welchen See 
sich von Norden her der Lapistasee ergiefst. Au der 
griechisch -türkischen Grenze der abfluDlose Gebirgssee 
von Nezeros oder See von LivudakL Südlich von Usküb 
der Kaplaiise«. 

Die von uus zu bebaiidcludeu Seen haben einen eigeu- 
tümlicbeii ('harakter. Sofern sich dieselben nicht in 
I Niederungen befuuluu, wo sie zum ullcrgröfst<L>n Teile ein 
umfangreiches Suropfgebiet einschliet.sen, kennzeichnen 
I sie sich als kraterförmij^ Becken, rings von Beiden eiii- 
I geschlossen oder an kleinere Hochebenen stofsend. Die 
I ständigen Zuflüsse sind gering, es kommen meistens nur 
^ grofsere Wildbäcbe in Betracht, die dann nur zu Regen- 
zeiten Wa.sser führen, Bäche, die, vondcrScbneeschmclze 
gespeist, im Sommer gäuzUeb versiegen. 

Von grofsem Interesse sind die Abflulsvorhältuisse. 
Nur in wenigen Fällen bilden die macedonischen Seen 
Sammelbecken für grofsere Flutsläiife, in der Weise wie 
der Ochridasee für den I)riu. lk>rt, wo von einem 
sicktbareii Abflufs nicht die Rede nein kann, winl im 
Volke der Glaube an unterirdische Ausflüsse durch Fa- 
beln und Märclien genährt. Dur .Taniua«ice in Albanien 
hat jedoch gezeigt, dafs die geologisrlien Verhältnisse 
auf der Balkanhalbinsel derartige sind, dnts diese Er- 
scheinung begünstigt wird. Vielleicht war dieser Grund 
allciti bustiuiinend, meine AufinerkKamkeit den maee<lü- 
ni.scheii und cpircttiKrhen Seen in erhöhtem Nliifse zuzu- 
weudeu. Im wesentlichen miifs man dieses Studium an- 
gesichts fler schwierigen ReiHeverhältnisse uud der 
unzugänglichen Bevölkerung als ein iiiidankbareB W- 

27 



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214 



Adolf Struck: Pie niaeedontBcben Sceu. 



jscichnen. NS'an ich an Matcrml über den (tegeiiittaud 
gesammelt habe, i»t je<loch lyemerkuuswert genug, um j 
au dieser ^Stelle berücksichtigt za werden, so unvoll- 
Htftndig es noch ist. 

Seitdem Prof, ('vijic’) auch für gewisse Teile der 
nalkanhalbiu<<el eine Kiszeit uachgewiesen hat und es 
durchaus nicht ausgemacht erscheint, dafs sieb ähnliche 
ZuHiftnde auch auf den Uhrigen Teilen dieses Kontiucuts 
nachweiHcn lassen zur weiteren Verallgemeinerung der 
Mutmafsung Tvijies, bat die Forscliung auf der llalkau- 
halhinsel ein anderes Gebiet betreten. In welchem Ver- 
bälinis zur Kiszeit die hydrographischen Krscheiuungen 
der Halkaiibalbinsel ihre Krkhlnmg finden, wenn sie 
überhaupt mit dieser Kpoche in Verbindung gebracht 
werden können, lilfat sieh heute, wie sclion einmal ge> 
sagt, nicht entscheiden, doch scheint es mir, dals jene | 



I Dr. K. Oostreicb teilweise bereits vorausgceili ist, indem 
( er in seinen „Beiträgen zur Geomorphologie von Mace- 
donien^ *) demselben Gegenstand einige .Abschnitte ge- 
widmet hat, sehe ich mich doch ermutigt, Altes und 
Neues über die Seenkunde Maredoniens mit ihrem inter- 
esauntuu Sagenkreise in eiuer kurzen Monographie zu- 
sainmenzufassen, bezeichnet doch schon Theoltaid Fischer *) 
die Krfursefaung der dcHsaretiachen Scengruppe (Oclirida, 
Presba, Ventrok und Malik) aKs „eine der lohnendsten 
Anfgiibeu auf der gauz4>n BalkanhalbinseP. 

2. Pio Becken tou tistrowo, Petersko, Nissia 
und Yeuidsche. 

An die erste Stelle dieser Skizze möchte ich die 
j Betrachtungen über den Ontrowosee und seine Gebiete 




Zeit nicht ohne einen KinHuIs auf die Bildung gewisser, 
den Charakter von Gebirgsseen an sich tragender Becken 
un8er**H Beobacht uiig«*krei.<*es gehliehen ist, wenn man 
noch weiter berücksichtigt, dafs die in Betracht kom- 
mende Zone bezüglich ihrer lUchtungsverh&ltuis^e eine 
Gestaltung zeigt, die Tielleicbt im Hinblick auf die goo- < 
logischen und insbesondere auf die hydrographischen 
Verhältnisse einer eingehenden Untersuchung l»edarf. 

Obwohl wir über den limnologischen Teil dieser Ar- 
beit von der fachkundigen Feder dos Prof, t'vijic eine 
eingehende Abhandlung zu erwarten haben und mir 

*) Zeiuchrifl der r»o^*II«cUaft für Knlkwiide XXXIII 
S.äoi, Sielieaucli den Aufsatz von Albrecbt iVutck iiii (il(<buH 
I,XXVHI S. 13,'t. 

Vgl. seinen vorläufigen llnnclit: .Die mac«><l(>ni'>ehoii 
Keen.“ Alirege du bulietiu de la sociale bongruiso de geo* 
gmphlo. Budapest lOOO. S. 37 bis 4S. 



stellen, schon aus dem Grunde, weil Qlier keinen ''ee der 
Balkanhalbiu’«e] in den letzte^) Jahrzehnten so viel gc- 
schriehon worden ist**), und daun auch, weil seine .\b- 
fliifsvi^rhältnisse im> viel Kigenartige» bieten, daP die Er- 
örterung aller sich an diiote Knscheinung knüpfenden 
Fragen von grofstem Interesse ist, 

Pas zusammenhängende Gebiet umfalst die Seen von 
ttstrowo und Petersko, dun Budnischkosee, den Sari-göl 
oder Zazertzi, den Nissiastimpf oder Blado und den Ye- 
nidschesre, welclie zutn Qiiellgebiet des Meerhusens von 
Salonik gehören (». Überficht-kärtchen). 

*) Abhandluiigeri der k. k. geographbeheo (lesollschaft 
in Wien 190J. Xr. l. 

*) ibe «iidosU’uroiMÜacbe (Italkai)'} Hanän««‘l, in .Piiser 
von der Krdo*. herati*<gegelien von A. Kirrlihof, II, 
2, Ji. 132. 

•) Zubtzt K. Oestreicb, a. O.. 8. 143. 



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Adolf Struck: Die meeedotiiieheii Seen. 



216 



T)or Ontrowoflee, welcher öbrijren?« mit allen Seen der 
BalkanliHlhmHul das Lo;* teilt, kartographisch noch nicht 
genau aufgenommeu wonlen zu sein, füllt einen beträcht- 
lichen Teil des Thaies von Kailnr aus, das uui nördlichen 
Ende einerseits von den södlicben und südöstlichen Aus- 
läufern des gemeinhin als Xidscho hekaunten Gekirgs- 
stocke», anderseits ?on den westlichen Abhängen des 
massigen Ilermion'* oder Agustosgehirge eingeBchloxaeii 
wird. Iin Norden ragt der über 2ü00m Lohe Kaiintik- 
tschalan, im Süden der 1900 m hohe Kiiratasch hervor. 
IHt Hiebtuug des Thaies entsprechend bat der See eine 
länglich gestreckte Form in etwa sätlsüdwestlicbcr Aus- 
dehnung mit zwei Einbuchtungen am südwestlichen Ge- 
stade', das südliche Ende des Sees geht in eine ziemlich 
ausgesprochene Rundung aus, während die nördliche 
Küste ein »ehr scharf gezeichnetes Knie liildet. Die 
rfoHinie ergiebt einen riufung von 54 km, als gröNtu 
I^nge ergiebt sich 17,5 km und als gröfste Breite 8,7 km 
(in der nrmlltchen kjnburbtiing). Die Seefläcbe unfst 
einen Raum von 77(|km (Cviiic giebt el>eTifalls 76 qkm 
anh auh welcher ich bei Zugrundelegung einer gemesso- 
nen grof-ten Tiefe von 62,5 m (Oijir lotete im Sommer 
1899 bei tieferem Woaserstande 61 in) und einer mitt- 
leren Tiefe von 25 1 » <leii Haumiiihalt des Ostrnwoseos 
avif etwa 1312 Milliuucn Kubikmeter bereehue. Die der 
KreideforuiHtioii angehörenden IhTgketten, die ohne jeg- 
lichen Roristischen Hcbmuck, baumlos, in trosiluser Odo 
dicht au den See herantreteii , geben der Landschaft 
einen eigentämlichen Reiz. Und während der Ochrida- 
see den Ruf geniefst, wegen der üppigen Entfaltung der 
Natur iin seinen UFerii der hcbönste Soe der llalkanhalb- 
insel zu sein, kann der OMtrowosee ein gleiches Recht 
für sieb in Anspruch nehmen, wenn seine eigenartige, 
für Macodonion so charakteristische Natur jener des 
Ochridasee» gegenübergestellt wird. Enter diesem Ein- 
druck schreibt auch llabu'): „Obgleich wir den See von 
Ostrowo in möglichst ungünstiger Beleuchtung sahen, so 
möchten wir ihn dennoch für das schönste NuturbUd 
erklären, welches wir auf der ganzen Reise sahen,“ 
Erst südlich und südöstlich nimmt der PHiuizeiiwuehs 
dauu zu. 

Der Ostrowosee, durch Perseus* Marsch nach Griechen- 
land uns als der Begorritis der Alten (zwischen den 
Landschaften Ivtrdäa und hllimäa) hekunni hat seinen 
Namen vom Orte (Mrowo*). welcher »ich etwa in der 
Mitte des nördlichen Efers hefmdet und dessiui Einwohner- 
zahl mit 3200 (650 Häuser) nicht zu niedrig gegriffen 
ist. Die Stadt Ostrowo, die lumt« auf erhöhtem Terrain, 
dem Gebir|^ näher gebaut ist. lag früher südwestlicher, 
iinmitibar an dem Ufer des Soe». Durch das Steigen des 
WasBHrspiegeD wnnl jedoch ein grufser Teil der Stadt 
überflutet, und die Einwohner mufsten »ich auf dem 
höher gelegenen Gelämlr aiisjedelii. Noch vor wenigen 
Jahrzehnten ragte die ehemals mitten in d*T Stadt ge- 
baute Moschee (Ada-Djaniissi) wie eine lusel nahe dem 
Efer aus dem Wasser hervor, was von den meisten Rei- 
senden erwähnt wird Heute ist der Scespiegel so weit 

') J.U. V. Hahn, Rci*o \on Belgrad unrh Ralonik. Denk- 
scUriHcn der kitiw.'rl. Akademie der Wivteiisrhaflen ({diiloa.* 
hislor. Klaus«*), IW. 11, S. ll!ä. Wl»*n 18«I. 

“) Liviiis Xlill, 53 giebt die einzige Naehrieht hierüber. 

*) Her tüi'Lischtt (leograpli lIiidM-hi-Clialfa in Uuineli und 
iKwina, 8. l*i* nennt diesen Ort »Ostniva*. zwischen den Ge- 
richtstHirkeiteu von V<siirin, Vilorinn, DschumM-BaHär, I»inka; 
13 Tagerviwn von KonshintinojH-1. 

'•) .\iicli G. ■>!. Mackenzie and l*. Irby, Travels in Ihe Sla- 
vonic l’roviiices of Turkey. Is*ndf>n lS7rt. — v. d. Goltz, Kin 
Ausflug nach Macedonien, 8. sö. Berlin 1^94. Näheres auch 
in K. Naumann, Macedonieti und seine ueuo Kisenbahu Salo> 
nik — Monastyr, S. ai. München 13ö4. 



gesunken, diiD die Moechec wioder auf dem Trockenen 
liegt (». Karte S. 216). 

MorkwünligerwciKc |äf»t «ich Ostrowo vom slawischen 
Worte O«trow, welches #o viel wie Insel hetfat, nhleiten. 
In welchen Zusammeuhang diese Namengebung mit der 
älteren Stadt zu bringen ist, werden wir s|>äter sehen. 
Dttf» jedoch sowohl Stadt wie See diesen Namen erat in 
uuuurer /eit erhultcn haben Mollen, wird ohne weitere» 
durch eine Stelle Cedrenu« widerlegt, welcher den 
horeil» unter «lieaem Namen kennt: Tr^*7 rot 

'OöTQoßov vdbyit (ed. Bonn, p. 4531*')- Hingegen bat 
sich, wie wir später sehen wcnleu, in der Sage von der 
Knt.stehuug de.s .See» ein älterer Name für die Stadt 
Ostrowo erhalten. 

Nächst dem See liegen nur wenige Ortschufteii. So 
im Osten die IMrfer Kotschani, Kelemesa, Kolnrtzi und 
Starigö), im Westen Begnja, Patelik und Novlgrad. Die 
Devrdkerung be!*tefat zuni gröfsten Teil ans Türken; ein 
gröfsores Kontingent »lawiKcbvr Einwohner hat eigentlich 
nur die Stadt Ostrowo aufzuw»*i»en. Merkwürdigerweise 
nimmt die slawische Bevölkerung in den vom St^j weiter 
ahliegenden Ortschaften und Maierhöfen erheblich zu; 
Griechen sind entHchiedan in der Minderzahl. 

Der Sec wird nur von geringen Zuflüssen gespeist. 
Der bedeutendste kommt v<in Süden, hat »eiu (juellgehiet 
iui Snitschnikgebirge unterhalb Kailar und nimmt klei- 
nere Zuflüsse vom Tiirla- und VliUioklissurubcrge auf; 
e» i>t der Sarigölflut» oder Nalbandkoj-Itoressi oder auch 
Kailar- DereHHi. Ihm gegenüber fliefst im Norden unweit 
der Stadt Ostrowo der TBcbegan»ku-Keka in den See. 
Die.ser Bach und ein zweiter durch das Thnl von Katra- 
iiitza in den See mündender Was*erlauf sind den grörMt(*ii 
Teil des Jahres trocken, ausgenommen zu Rügenzeiten 
und zur Zadt der Schuevschmedzt*. Ein sichtbarer Ab- 
fluf» ist jedoch nicht vorhanden. 

Eine merkwürdige Erscheinung am O.*^trowosee, die 
bereits von allen Reisenden ürwäbni wird, i»t das Ihj- 
»tändige Steigen und Fallen seines Wasserspiegels. I>er 
gegenwärtige Wasserspiegel wird gewöhnlich mit 528 m 
angegeben. Ami Bon« **) giebt 1000 Par. Eule (325 m) 
an, Grisebach '^) 1245 Fufs (404 m) und Barth'*) 1638 
Fufs (498 m). Der wirklichen Höbe am nächsten kommt 
Graf Tuma v. Wahlkampf *^), welcher in neuerer Zeit 
schreibt, daher auch aus jüngeren Karten schöpft and 
„mehr als 500 m über dem Meeresspiegel“ angiebt. Die 
erste ausführlichere Nachricht über die Scbwaiikungtm 
do!* Wasserspiegels brachte Tozer'*-), welcher ira Zusam- 
menhang mit der Fhititohung de» Sec» berichtet, „daf» 
vor etwa» weniger denn einem Jahrhundert in jener Ge- 
gend kein See war und viele Städte an verschiedenen 
stellen des Thale» lugen; vor nahezu 60 Jahren (von 
1 865 gerechnet) aber stieg das Wasser und ülx’rscbwemuite 
den unteren Teil des Thaies; vor etwa 25 .fahren stieg 
das Wasser abermals, und die ganze Stadt Ostrowo wurde 
bi*i auf einen kleinen Teil überflutet. Im Jahre 1859 

") Si>n<t ünden sich bei ihm byzatitiniselion Schrift<>1e]Icrn 
verstütiunelte Bezeichiiungvii vtie JtQnßov in Anna (’oitinenn 
5, 5, Georg Acn>p. 4fl, 4». ItvatQov in Gonrg l'«K'b.Mm*res. 
Mich. Paleoli»g- -i H. 

“) Ami Bou«^, IH»- europäische Türkei, ileutsch heraus- 
gegiüwn vi»ti lief Ami Buue-Hlifiutigskuimiiission, Ikl. ‘.i, S. S.'i'.i. 
Wien isfly. 

*') .\. Grlsebach, Keise durch Ilumidicu und nurh BruMa 
im Jahre laSy. Bd. 2, S. 1B7. Göttingen 1841. 

'*} Heinrich Barth, IG-ise durch da» Inner« d**r euroiwLi- 
sehen Türkei im Herbst l>*d2. 8. I5S. Ib-rlin lflt*4. 

'*) tlraf Anton Tuma v. Wnblkatnpf, Gricchcnlnnd, Mnce- 
doni«*n und Südnlbaiiion, 8. 115. JjHip/ig 

H. Tijzer, Uo--wuirchHs in the bighlauds of Turkey, pnrt I, 
p. 159. London Iäö9, 



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Adolf Struck: Die rnaoedouiichen Sean. 



217 



stieg der See iiochmalN um einige Futs. fiel aber glück- 
licherweise wieder. Die Markeu dieser letzteu Über- 
schwemmung Nmd an TerMchiedeneii Stellen um Knde 
des Sees zu sehen.** 

Wir betreten da» Gebiet der Sage. Xach dieser er- 
zählt man sich in der Tbat, duf» in alter /eit noch kein 
See da war, sondern die Stelle nahm ein Gefe», schöne» 
Thal ein, in welchem sich an der tiefsten Stelle eine 
Hülilv befand, in welcher zwei Bache, der eine vun Süden, 
der andere von Unten kommend, einmündeten und in der 
Krde in der Richtung nach Osten verschwanden. Auf 
einer Anhöbe lag eine grotse, Hchöne Stadt Ton lOtK) 
Häusern, die ihrer natürlichen Vorzüge wegen „Küt- 
»chük Stambul** (Klein-Kuustaniiuopel) genannt wurde. 
Im 6. Jahrhundert n. ('hr. siedelten sich die Slawen in 
dieser Gegend au und bevölkerten zum Teil auch diese 
Stadt, sie trieben hauptsächlich Viehzucht und besalseii 
die gröfsten Schafherden de» ganzen ('uikreises. Die 
damals grünen Abhänge des Thalgrunde» im Nordwesten 
und die uächstgeloguueu Gebirge waren diu Weideplützu 
für diese Herden. Eines Tages zur Zeit der Schafschur, 
es mochte im März oder April gewesen sein, die Hirten 
hatten ihre Herden im Thule gesammelt, kam ein sünd- 
(lutartiger Kegen. Die Bäche traten im Nu aus, über- 
fluteten die ganze Gegend und schwemmten alle», was 
im Wege lug, Schafe, Wollonballen, Bäume, Felsbtöcke, 
mit sich fort, ao duf» der unterirdische Abflufs Terstopft 
wurde und das Wasser im Thale plötzlich stieg und 
immer gröfser werdend die an den .Abhängen lieguudeu 
Ortschaften, deren Namen sich nicht erhalten haben, rer- 
schlang. Das gleiche Schicksal traf auch den tief gele- 
genen Teil der Stadt KüUchük Stambul, doch ragt« die 
Spitze lies Hügels mit seinen Häusern wie eine Insel aus 
dem Wasser hervor, und wer noch Zeit hatte, dorthin 
zu Süchten, war gerettet. Durch Legen von Schlagbäumen 
schuf mau nach Osten zu eine Verbindung mit dem Lande, 
und die Überlebenden gründeten an dem westlichen Ufer 
des entstandenen Sees, hart an dur Berglehne, ein Dorf, 
da» sie Ueguja (flüchtig) nannten. In der Folgezeit 
wiederholten »ich diu Wolkenbrflcbe oft; von einem .\b- 
flutn de» Sees oder einem Fallen »eines Wasserspiegels 
war nichts zu verspüren. l>a» Wasser stieg vielmehr 
stetig, und die letzteu Inselbewohner der ulten Stadt 
mulaien auch flüchten. Diese siedelten sich am nörd- 
lichen Ufer des Sees, unweit der heutigen Stadt 
Ostrowo, an der Stelle der einsamen Ruine der Mo- 
schee au und gaben diesem Orte den neuen Namen 
(welcher, wie wir olien gesehen haben, »eine Ab- 
leitung vom slawischen Worte Insel hat). Aber aueb 
dieser neue Ort sollte von der verheerenden Gewalt de» 
NS'asaer» nicht verschont bleiben. Wieder stieg der See 
und verschlang im Süden mächtige I>äuder»trecken ; Jahr 
für Jahr stand das Wasser höher, hi» es vor etwa fiO 
Jahren, um das Jahr lä50, »einen höchsten Stand, etwa 
20 m höher als der heutige Wasserspiegel, erreichte. Die 
Bewohner von 0»trowo zogen sieh diesmal auf da» »tei- 
lero Gelände des Gebirgszuge» zurück. 

Die Sage erzählt noch, dals der Fluch auf die alte 
Stadt und deren Umgebung von einem Mädchen ansge- 
sproeheu wurde, welche», von ihrem Stiefvater verführt, 
sich in dem Bach, der im Thale eimuQndete, ertränkte. 
Kaum butte sie den Wunsch ausgesprochen, die Stadt 
möge in den Waa.'iern gerade »n verHchwindeii wie sie, 
als das fürchterliche Wetter nie<lerging, »ündfliUartig« 
alles verheerend. 

Aus diesen Sagen geht die Vorstellung der Land- 
bevölkerung über die Bewegung des Wasserspiegels des [ 
Ostrowosees deutlich hervor. Der See bat nach den an 
den steilen Kalkfeben de» westlichen Ufers sichtbaren 
Qlobas LXXXm. Nr. 14. 



Uferlinien gewits 18 bis 20 m höher gestanden und ist 
sonach gegenwärtig mehr oder weniger im Fallen begriffen. 
Im Jahre 1894 (rat in der östlichen Einbuchtung gegen- 
über der einsamen Moschee durch das Fallen des Wasser- 
»piegeL eine kleine Insel hervor, die die Leute al» den 
StandüH der älte.-ten Stadt bezeichnen. 

ln der That fanden sich auch darauf Fundamente 
von Bauwerken sowie Gräber vor, die nach alledem, 
was ich gusehuu habe und in Erfahrung bringen konnte, 
nicht unwahrscheinlich auf das 6. oder 7. christliche 
Juhrhiiiidert zurückwei»eu. Eine lateinische Inschrift 
und einige bronzene Grab»penden au» römischer Zeit 
sind sichere Belege hierfür. .Auftierdem spült der Soe zu 
gewi»8«n /eiten, bei Südstürmeii. mannigfache Gegen- 
stände, Ziegel und sonstige keramische Fragmente an 
den Strand. Zugegeben, die Bildung de» Sees »ei wirklich 
auf eine Katastrophe, wie sie der voratiHguachiekten Le- 
gende zu Grunde liegt, zurückzuführeu, so werfen sich 
zunächst einige historisch-geographische Fragen auf. Dur 
wichtige Ort (’oliae, welcher mit der Stadt Ostrowo identi- 
fiziert wird*Ut ^ Kgnatia, der bedeutenden 

Heeres»traf»e, die, von Dyrrachium (Durazzo) am Adria- 
tischeu Meere ausgehend, nach Thessalonike und Byzanz 
führte. Die heutige Staatsstrafse, die zumeist den Zügen 
jener alten Strafse folgt, führt jetzt in westlicher Rich- 
tung von Ostrowo auf ansteigendem Terrain durch eine 
nur wenig iKideutende Senkung in der Richtung nach 
Gomitachewo und Banitza, berührt also den Se« von 
Ostrowo eigentlich nur am nördlichen Ufer. 1893 fand 
sich indessen in der Stadt I‘Tt»cbiKu, welche südlich von 
Banitza Hegt (etwa in gleicher Linie mit dem südlichen 
Elude des Sees), ein MeÜeiistein einer Stadt Bokeria*'), 
welcher zweifellos der Via Kgnatia, ^die nach Meüen 
vermessen und durch Meilensteine bezeichnet ist“ >=*), 
angebört. E.s liegt nun die Vermutung nahe, dato, nach- 
dem an dem »teilen westlichen Ufer de» Ostrowosees eine 
in heutiger Niveauhöbe führende Kunhtfltrafse nie be- 
standen hat, und die Via Egnuiia, um, von Kdensa (Wo- 
dina) kommeml, Kkschisu zu erreichen, entschieden süd- 
licher verlegt werden mufs, diese Hcere»«traf»e ihren 
Weg durch das damals vielleicht noch nicht überflutete 
Thal des Ostrowokesstds nehmen muCste. Cellae käme 
wonach au der Stelle der ehemaligen Stadt Ostrowo zu 
liegen, und der l^cuR Begorrites mufs anderswo, viel- 
leicht südlicher gesucht werden. 

Naumann***) giabt für da» .Anschwclleu de» Sees die 
Perioden 1801, 1836, 1858, 1861, 1875, 1887 an. 

Die Schwankungen des Wasserspiegel» sind auch 
heute nicht unbedeutend. Die Verwaltung der Kisonbahn 
Saionik — Monastir registriert dieselbou »eit einer Reihe 
von Jahren, und nun liegen die Beobachtungen von mehr 
als acht Jahren vor, die auf der beigegebeiieu Kurven- 
karte ventnsehaulicht sind. Aus diesen Aufzeichnungen 
gebt hervor, daf» der im Oktol>er 1895 auf 528,47 m 
Meereshöhe gestandeue See in mehr oder weniger stetig 
fallender Tendenz im Januar 1900 mit 525,76 m Meeres- 
höhe seinen tiefsten Staud erreichte, wa» einer Niveaii- 
ditlerenz von 2,71m entspricht Dann stieg der See 
wieder, und zur Zeit überaus reichlicber Niederschläge 
im April und Mai 1900 .»ogar um 1,42 m, was einer 
Zunahme von 109,34 Millionen Kuhikmeter entspricht 

*^) Tafel, D»' via militari» Eomanorum F^uatia (par» ocei- 
dentaii»), 8. 42, Tübingen 1K4I, welrber Ütrigeu» ('ellae für 
gleicbbedeutend mit Aroima bäh. Vgl. Lcake. a. a. 0.. Bd. .*(. 
8.S1&; Hahn, a. a. O., H.297 und Hahn, Ueise in die Oebiet« 
ditf Drin und Wardar, H. 157. Wien 1847. 

**> Mordtmanu, Inschriften au» Kdessa. Albeuar Mittei- 
lungen 1893, 8. 419. 

^•) ßtrabo, VU, 7, 4 (322). 

*•) a. O.. H. 23. 

28 



r 




21ft 



Adolf Struck: Die macedonischen Seen. 



(naheKit 1,8 Millionen Kulükmeter tätlich). Ini Juli 
1902 erreichte der See die Cote 529,81 als höchsten 
bisher ^eme^seiien Stand, 4,08 to mehr als den niedriij^sten 
Stand vom Januar 1900. 

Per See hat, wie wir b««reit8 ^eschen haben, keinen 
sichtbartm Ablluts. Wenngleich nun eine Zunahme des 
WasHergehaltes , wie die soeben genannte, durch einen 
illierreichen ZiifluFs seine Krklürun^ fände, kann ein 
Oleirhes für die Abnahme des VoIudihiih allein durch 
1101111 : 11 « Verdunstung nicht gesagt werden, wie Nau* 
mann **) auf Grund der llrückner-Siegerscben Theorie 
iinnebiuen will. Ihi ein sichtbarer Abfluf« nicht vor- 
handen ist , wird mau unwillkürlich auf das Vurbanden- 
aein eines unterirdischen gestofsen, und die oben wieder- 
gegebene Sage von der EuUtebuiig des Üstrowosees be- 
stätigtin vollem Umfange diese so einfache wie natürliche 
Annahme der Landlx'^völkeriing. Diese in Griechenland 
überaus häufige Fj'scbeinung des iinterirdij»ch«n Ab- oder 
Durchflusses wird auf der Halkanbalbiiisel mit dein grie- 
chischen Worte Katawothn» bezeichnet. Kür den 



Ostruwosee fragt es e<ich nur, ob und wo dieser Abfluts 
vorhanden ist. Grisebach biilt das Vorhandensein vou Ka- 
tawotbren für sehr uuwahrscbemlich und will dies durch 
die geognostische Heschaffenheit des ’lerrains begründet 
wissen**!. I>ie Verhältnisse liegen jedoch ganz anders, 
als sic diosor Forscher darstellt. Das Decken des Ostro- 
wofli*es wird durch einen Kurstke«sel gebildet, welclier 
sich nach Süden öffnet, in der uoixlöstlichen lx:ke aber 
durch einen minder hohen Rücken abgeschlossen wird. 

*') a. a. 0.. 8. S4, 

**) xuxafiditpu Öfter »atußtiiHtigu. Siebe auch 

'l'ozcr. B. a. O.. K. 159 um! Anm. 19, S. 162, wo er auch auf 
l’lrichs ^Kei^n in (»riechenlamt“, K. 223 verweist. 

*'*) a. a. O., S. 154. (Iriachachs Aiisfüliriingen ober die<ieii 
UegeoBtMnd sind übei-]mu|«c iu umneher Iteziehuiig als merk* 
würdig zu bezeichnen. «Tettenfalls lieruliHii seine Angaben 
auf wenig zuverlässigen Gewährsleuten . wenn er schreibt: 
,('brigen.s Zog ich an Urt und Stelle v«.»u vei'schiedenen Hoiieu 
Erkundigungen ein, ob uicht die Sage, de« Volkes oiuige Auf- 
sctilüs«« über etwaige ginloglsche .Änderungen l■nthaltvn 
mellte. Daf« die Urfifso d**s Si-e« »ich «eit Mrnscliendenkou 
verändert tiahe. wunie enlachiedeu vemeiut(t), und indem 
iiinn ausdrücklich versicherie. dm« der See niemals einen Ab- 
diifs geliabt haU*. «■» glaubte man doch, vielleicht aus ihn- 
lieben Verliältnisseu die Notwendigkeit einer Verbindung 
aller (tHWäso-r mit dem 3i»evi’ folgernd, daf« ein unterirdi- 
«rher Zu*.’uiiinu»h:ing mit dem See von Tiavo, hier Nissia 
geiiHunl, vorhanden sei." 



Der Gebirgszug im Norden und Westen liesteht haupt- 
Häcblich auK hekuiidfirem Kalk. Am Fufse des Dermion- 
gebirge« zieht sieh in einem Bugen, von Karaferia aus- 
gehend, über Kiuusia und Wodciia nach Gramatik eine 
kontinuierliche Lagerung des in Mneedonieu überaus 
häufigen Kttlktuffen lüiiilber, iui Süden de« Sees besteht 
dieses Gebirge aua Dolomitahlagemngen. Südlich vom 
See, gen Kastoria zu. besteht da.s Terrain aus alluvialem 
Boden; an den Abhängen de» »udweRtJichtm Seeufer*» 
kommen weifser Kalkmergel und Kungiomeratbildungen 
vor, wie denn auch Wechaellagerungen von Thon- uud 
Talkschiefcrn mit Serpentiu, sowie iu Säuren aufbraii- 
Kende Schiefer an diesen südlichen Ufern festgestellt 
werden konnten. 

Der achmnle Kücken, der das Ostrowobocken von dt»r 
■ Kbene von \ladowo trennt, beKteht fast ausschlietslich 
I aus kalkhaltigen Bildungen, als klRselbaltigem Kalk, 
I „Wechsellagcningeii von dichten und körnigvm gmu- 
I bläulichen Kalken mit Kchwärzlichen oder bräuulicheu 
I kalkbaltigimThoneti, welche an gewisse Nummulitenmergel 
erinnern“ **). l>io8eDeM,*liaBen- 
heit des Bodens begünstigt, 
wie zahlreiche Beispiele auf 
der Balkaiihalhin^el dartbun, 
den U}it4>rirdi»chen .\bfluf» der 
Gewässer des Ostrowosees*’’). 

Zwischen dem Presbu- und 
(IstrowosoH führt iu fast ge- 
rader Linie von dem bedeu- 
tenden Gipfel des Vitsch zum 
Peristcri die Wasserscheide für 
die Gewässer, welche nach 
Westen in das .Ädriatisebe 
Meer, nach Osten in dos Ägäi- 
sche Meer abflietHm. 

Bis zu jenem als Stara 
Neretsebka Planima bekannten 
Höbenziigü bat das Terrain 
eine stetige Steigung. Die 
Schichtung der Gesteine ist 
eine äutserst mannigfaltige 
und läfst auf Grund der nur 
geringen Beoltachtungeu einen 
Sehluf« auf geologische Um- 
wälzungen dieses Gebieta» nicht zu. Jedeiifali» läfst sich 
heute schon festKtellen, daf» die einzelnen Gebirgsstdeke 
in ihren Gliederungen durchgehende Formationen aufzn- 
weisen haben, und dasselbe gilt auch für die den Ostrowo- 
»ee einschlietseiiden Höbeuzüge. Nachdem für den Ab- 
fluf» dieses Sees die Kichtung nach Westen und Norden 
uu«ge»ch)(«sen erscheint, die Alluvialverhältnisse de» süd- 
lichen ThaloM die Möglichkeit unterirdischer Abflässe 
sehr unwahr«cheinlich erxcheiiien ia.ssen , m> käme nur 
noch das östliche Gelände in Betracht, und vou dteseui 
nur der schmale Sattelrücken, der sich zwischen Ostn>wo 
und Vla«low«: hinzieht. Der hier aus dem FoUen stark 
hervor({uellende Nissiafluts Wodena-su [auch kurzweg 

oda genannt]**) wird von der Landbevölkerung als der 
.\bflufH dos Ostrowosees betrachtet, und die Beobachtungen 
an der Niaoia bestätigen in derThat., dafs ihre tiewässer 
nicht ohne Zusainmeuhang mit der Wassermenge jenes 
See» »ein können. 

”) Ami Ikme. B<i. 1. 8. 178. 

*') Tuma T. Waldkampf, a. a. 0-, H. l|6, «prichl »ich auch 
für diese Müglichkuit aus und zuletzt K. Oe»tr«ich, a. h. 0.. 
8. 1 49. wählend ('vijii- hestimnit »chreUu. a. a. O., 8, 44 : , Diwer 
(Petmko-Jezero) und der See vonUstrowo Üiersen unterirtlisch 
ab"*, ebenso iiestinuijt Th. Fischer, a- a. t)., 8. 119. 

••) 0. Weigand. Ylacbo-Mogleu. 8.12, Leipzig 1892, nennt 
ihn den ,Krenm", mit welclu-m Recht, entgeht mir. 




Digilized by Googk 





Pie New Yorker Judon. 



219 



Pie Nbeia, die ihren Knmen vom nord westlich von 
Wludowa jrelegcuen Porfe Niesia hat, wird hier fast »««- 
echlieUlich aus nur zwei Quellen gespeist, welche ober- 
halb des Ilurfes aus dom Fttlseu krifüg hervorkuu'' 
men, es sind dies die Quellen ('ladenetz und Tri-buki 
(drei Buchen). Kitt weiterer Znfluts liegt oberhalb 
Gugowo in einem Tlialeinscfanitt und heit-Ht Karadfaa; 
diese beständig HiePeuden Quelleu werden vem der 
I^andbevölkoruug als der Abflufs des Ostrowosees be- 
zeichnet. 

Auf einer Fahrt durch das Thal „Iterwend“, welchei» 
von Ostrowo in der Richtung nach Wludowa verläuft, 
fiel mir eine Mulde auf, die bich längs der Bahn dahln- 
zieht (von km 132,400 bi» 126,200), dann aber rechts 
abweicht und in der Richt ung nach Gugowo durch einen 
Thalembchnitt die Niederung von Nissia gewinnt. Ich 
hntta den Kindruck eines ehemaligen Huchbettes. l)af» 
die Idente beute selbst an ähnliche Verhältnisse denken, 
geht daraus hervor, dafs ein kleiner Wassertfinijiel iin- , 
weit de» Habukilumeiers 129 Giölbascb genannt wird, 
d. h. Seekopf oder See-Anfang, und dafs sie die .\ubdebnung 
des Soes bi» hierher verlegen, wo etwa die Wasserscheide 
liegt. KnUprüchen diese Verhältnisse der Wirklicbkoit, I 



HO batte der See bei hohem Wasserstaude einen Abflufs 
durch das bezeichnete Flufsbett in der Richtung nach 
Ougown, und es mag der ehemalige oWrirdische AbButs 
über dem heutigen unterirdischen gelegen haben. Über 
die mutmafblicben geologischen l'mwälzungen schiiefsen 
eich hieran weiter unten nähere Au.^fübrungen. 

Kill See von Tcchowo, der durch da» Porf Telowo ab- 
Biclst von kreisfurmigein, kruterühulicbem (?) Aussehen, 
wie auch ein solcher von Tiuwo =*') bestehen überhaupt 
nicht. Ich zweifle nicht, dat» mit diesen Bezeiolinuugen 
der Ntasiusee gemeint ist, doch ist in dieser Gegend nur 
der Name Bladu (d. h. Sumpf) üblich, der uDerding« aus 
einigen schrumnnigfHltiggefurmUui ofteiien Wasserflächen 
besteht (.». Kartenskizze), l'ci llochwas.ser jedoch die ganz« 
Niederung zwischen Gugowo uutl Nissia umfafst. Über 
den Sumpf läfst sich nicht viel wagen *■'). Pie Fibchcrei 
ist nur gering und trügt keine Pacht. Krabben und 
KrebbO scheinen das Hauptertr&gnis zu bieten. 

a. «. O., S. 1*22. 

*■> Vii|uc>uel, .lournal «l'un voyage dan< la Tunpiie d'Ku- 
rope. de La »(»ciete gi'nlogiiiue de Fruue«, «Tie 2, 

vol. 1. p. 2?i4. Pari» 184ä. Prise1»acli. a. n. IL, K. 104. 

**> Kioige» über «Uesen See bei (.(ewtreich, 8. L&2. 



Dl« New Yorker Juden. I 

New York ist diejenig«* 8tadt der Krde, in welcher die 
ineisten auf einem Flecke zusanimengedratigteii Juden leben. . 
xumoiat solche, die iti den letzten Jahrzehnten aus Osteuropa 
HUswandiTten oder vertrielM>n wurden und dort eine neu« 
Heimat fanden. Ks ist von itolani;. zu untersuchen, wi« auf ' 
diese rusfliachen, rumänischen und iMilniiThen Juden, die meist , 
sehr Htronggläubig sind, ilaw jüdisch -deutsche Kauderwelsch 
reden, die n«u«*n Yerhäliniase in vielen Beziehungan «‘ingewirkt ■ 
haben. W«nn wir den nicht ganz tendenzfreien . aber sorg- 
fültigtMi 8(‘hrifteii das Pr Maurice Fishberg fedgen. j 
dann müsRmi schon einige Jahrzehnte weweuUiehe iGnlerungen j 
der osteuropäischen Juden auf umerikanischem Boden in 
sozialer und anthro|Mdogis«’her Beziehung l>ew|rkt haben'). 

Pi« ärmste und am dichtesten zusanimcngedriingt«* B«vi>|- 
kerung der Riesenstadt New York wohnt auf der Ostfwite, 
sitdlich von der vicrzohnt«m Stmfsa und Östlich vrm der 
Bowery. l'uter den Hundurtiausenden von .\rmen nehmen 
die aus Kufsland, Puhm, (iaiizien, Humänien und t'ngani 
eirigewaiidcrt'-n Juden bei weitem den grüfsten Teil ein, und 
unter ihnen haben Philanthropen, mit dem BanitätHwosen 
betraute .(rzte, Statistiker uml die Wohlthitigkeitsjiiistalten 
«in reiches Feld ihrer Tbätigkeit gefunden. Auf deren 
ArtMfiten und langjährig« eigene Rrfuhrungen gestfitzt, bat 
Pr Fishberg mdiie rntersuchungen aufgebaut, die in den 
angeführten Hchrifien niedergelegt sind. 

Nicht unliegründet ist di« lh>ffiiung Fisbl»ergH, dafs au» 
der physisch traurigen Has»e. welch« die eingewanderten 
Juden darstellen, mit der Zeit »Ich unter neuen Verhältnissen 
eine gesunder« entwickeln werde. Jetzt allerdings sind diese 
Juden da» klvinsl« Volk in den Vereinigten Htaatcn, .ung^'fähr 
von der gleichen (irOlk« wie ein atnerikanischer Jüngling 
v«jn 15 bis Ifl Jahren*. Hieran sei »her nicht die Raaaeti* 
unlagv, solidem di« durch («cuvration«*n fortgesetzte «rlibThte 
Krnährung schuld, denn wo der Jude in bi»sere wwiale Ver- 
hultniase versetzt wenl<*< eutwickelu er »ich auch körperlich 
kräftiger und wcnle gr.>f>er. Kicher ist die von Fishtairg 
festgestvlliQ Kngbriistigkeit der Juden; dar Durchschnitt 
ergab, daf» «ler Brustumfang geringer als di« hall« Körp**«- 
grof»« Inö ihnen ist, während bei normalen Mentchen der Brust- 
umfang die halbe Körperbuho filH*r<«t«jlgen muf». Das all«» 
al«r führt Dr. Fishberg auf die frühere elende Lage der 
Juden, auf ihre geringe körperliche und vorherrscbeml 
geistige .Arbeit zurück. Aber trotzdem di« Ju«l«n dar New 
Yorker Oxtseitv physiscli genommen hint«T den anderen 
Völkern und Ra»»cn der Stadt zurück»l«hcn. sind sie in |ialho* 



') Msurirr Fishberg, The rclutive iiifr«^iueocy of tuUTCU- 
losi* srooog Jetrs (.Ainerii:sn Medkioe, 2. Nov. 1901). — Physir»! 
Anthropoltfgy of the Je»». 1 The t*-jiUulk iinic* |Anieri«an .Ajithn»- 
|in|ogi»t, Tol. 4. Ukt<*b. 1902t. — llenitli »nd .''ninlatioa .*f ibe 
Jewish popülalieu of New York (The 5leiK>r»h, Aug. 1902). 



logischer B<‘zi«‘hung keineswegs minderwertig, im Gegenteil, 
»I« MlHTtrefTi‘11 in Bezug auf i,anglebigkeit di« übrigen. 

Pie soziale Lag« der New Yorker Juden ist allerdings 
noch eine recht traurige, ja crbürmlichc. Ko «idir «r »ich 
auch leicht akkliiuatisiert um! schnull einer neuen rmgubuiig 
anpafst. eine frutinii- Spmehe »ich zu eigen macht und daliei 
doch «in «ebtes Kind seines V(dk«n bleibt, kommt der Jude 
doch erst zum Gedeihen, wenn er, au» dem Klend sich her- 
uusarbeitend. zu Golde gelangt. l.'nd zunächst ist sein Pnseiu 
im Osten New Yorks, in den gewaltigen Mietskasernen 
(U'iienient hnuse«) kein iN'iicidenswurtu.». Im 7., lu., 11. und 
i:i. IHstrikte. diu di« am dicht*‘sten Itevölkerten der Riesen- 
Ht4oh sind, haua«n auch dl« Jinlen am dit-biestun. Iin 10. 
Distrikt kommen 7o0 Menschen, im 13. 000 auf den Morgen 
T.iuid«9i; dort sind diu Häu-rr so ölA-rföllt wi« kaum in einer 
zweiten Stadt «ler Krd«*. K» fehlt an Luft . Tiicht und Vmi- 
tikatiou; die Idchtw-häidtle diesi-r HAumt »nd eigentlich nur 
weit« Röhren , in di« iimn allen Abfall hinabwirft . und di« 
in die tiefer lit'genden Wohnungen kaum noch Licht gelangen 
lassen. 

Ks ist ja oft als eine rätselhaft« Kr«chcinuiig iMdrachtet 
Worden, dafs die Juden, di« so viele religiös« Vorschriften 
in Bezug auf das Waschen, dl« Hygiene ii. s. w. besitz«!!, 
doch, u'enigsteu» in den poiniM'heii Gegenden, als «in un«au- 
beres Volk gellen. I>ie Kage vom fuctor judaicus ist l>okannt. 
Pr. Fishberg Mgt nun; .Pitt persönliche Reinlichkeit der 
ru<>si«cVien Juden steht w«lt über dem Purchschnilte der 
Strolchlievölkeruug* (Ost -New Yorks), und daliei vern'eist er 
auf die rituellen V'orschriften. So arm die New Yorker 
Juden auch sind. m> vcr»|Mds«n sie doch nur das toure 
koscher« Fleisch, da» rituel) vorgeschrieben i»t; nur «eitMi 
M>h« man unter ihnen Ikttrunkene, Ha «i« d«u The« lorzögon. 
rigan*tt«ii rauchen sie leidoiiachaftlich- 

In Bezug auf Mortalität siillvn di« eingewnixlerten Juden 
in New York di« allcrgünstigsten Vei'hältniss« zeigen, trotz 
ihrer jHinmerlich«n Wohnungen und grur<on Armut. Piu 
Pistrikt«. w<i sic wohnen, weisen die geringste Bterblichkeit 
auf. <lic höi'liHt« herrscht bei d«n unter gleichen Verliiili- 
nhsen leitenden Italienern, Irländern und Tscheeh^u. In 
den wesentlich von Juden l>ewohiiien Pjxtriktcn (7. 10, 

11 und 13) lietrug die Tolenzifler auf je IMOu im Jahn* 
1H99: bezw-, 18, H: 14,23; 16, 7H: 14,52, wahreml der Piirch- 
schnitt für di« ganz« Stadt New York 1H,:>3 b«tnig. 
.Vui'li ili« Kindersterblichkeit i«t unter il«n Juden die ge- 
ringste. Pie Statistik*) «rgiebt da -6,67 auf UKtO beiden Juden, 
wühreiid sie l>ei di*n T»chwh«n 6g, 57. Wi lU-n Italimierii 
76,41 iH'trug. Pie Langlebigkeit der Juden, au>di Imi den^n, 
die in Fun>(>a iu tniurigeu ViThülinis^ui exilierten, ist 
bekannt. Fishberg will ilas durch da» Wandern und di« 
dadim'h erfolgte .Akklimatisiition de« Stammes erklären, fenier 
durch die (Mmng der Juden im Kampf« gegen alle möglichen 
foindlichen Kintldss« u. ». w. -klier die ganzo l^eidetui- 

*) P. John S. llilliags, Tbe vilul »tatisth» ot’ Ne» i«rk. 



r 

1 




220 



Dr. li. Rötimejer: Die Nilgaleweddee in Ceylon. 



geschieht« und die Kämpfe, die das Volk durch die Jahr' 
hundert« xu beittehen hatte, drörkten ihm wieder den Stempel 
einer hochgradigen Kervontät auf. Keurnathenie und Hyalerie 
sind uDgewöbnltch häutig bei den Juden und so auch bei 
denen New Yorks, de*gb-icheu Geisteskrankheiten, die ja 
schon im alten Teetament eine Kidle spielen, ln New York 
ist die Zahl der geisteskmiiken Juden relativ lumd^iens 
doppelt so grofs als die anderer Völker, l'nd das ist viel, 



denn die Juden machen 20* # der New Yorker Bevölkerung 
aus. Ferner ist die Diabetes unter den New Yorker Juden 
relativ ittärker als unter der übrigen Bevölkerung vertreten 
und die Zunahme der 8elb«tmr>rde unter den Juden ist »ehr 
bemerkbar. Dagegen sollen die Juden gegen ^iele Ansteckiinga- 
krank beiten sich als ziemlich immun erweisen, und Dr. Fishlterg 
verweist hier namentlich auf die Kchwindsucht, worüber er 
eine bewuidcrc Abhandlung schrieb. 



Die Niigalaweddas in Ceylon. 

Von Dr. L. R&tiuioyer. Buscl. 

II. 



Nachdem ich verauebt habe, auf die eigooon, aller- 
dings hei der Kürze der Zeit sehr lUckeubaften Beob- 
achtungen gestützt, in der eingangs angedeuteten Weise 
einen möglichst getreuen ^Status praosens^ der einzelueti 
Clans zu gelten, möge scbliefslicb noch, auf diesen ge- 
gründet , aber mit Benutzung von Daten aus der zahl- 
reichen yDrliegouden l^itteratur» ein allerdings auch nicht 
ToUständiges ethnographisch ‘anthropologisches (ieaauit* 
hild der heutigen Weildan des Nilgaludistriktes skizziert 
werden, in welches einige wenige neue Beobuebtuugen 
einzureihen wären. 

Die (reHamtzahl der Niigalaweddas ist jedenfalls, wie 
die der Weddna im allgemomcn, eine sehr geringe, an 
Zahl stetig abnebinende. Im Sara-Mnschen Werke 
wurden laut Censns von 1881 iui ganzen 2228 Weddas 
angeführt, eine Zahl, welche, wie diese Autoren anführen, 
durchaus nicht auf Genauigkeit Anspruch machen kann. 
Davon waren etwa 800 Küstenweddas. Iler ('ensus von 
1891 giebt die (iesamtzahi auf 1229 an, derjenige von 
19Ü0') sogar nur 1000. Diene Zahlen Iwweisen , wenn 
sie absolut auch kaum zuverlässig sind, jedenfalls ein 
rasches Zurückgehen der Weddnbevölkerung. 

Der Distrikt von Wellasse, wozu die Nilgalagegend 
gehört, zählte nach Sarasin 130 Weddas, der Kilgala- 
bezirk allein nach einer Notiz von Desohniups"). der 
sieh auf die Statiatik von Baiiey aus dem .fahre 1863 
stützt, 72. 

Unsere drei Weddagrup|H>n, die dem engeren Bezirk 
von Nilgiila angeboren , würden folgende Zahlen auf- 
weisen : 





Männer 


Frauen 


Kinder 


Damgala 


7 


•1 


4 


Kolaoggala 


.3 


3 


5 


Hemiebedda 


I'i 


3 


10 


Zuaammeii 


n ' 


IS 1 


19 



Also 56 Seelen. Ob nun diese Zahlen, di« wir durch 
Befragen der Singhalesen, die die Weddas geholt und der 
betreffenden ^Sprecher** dieser ('lans herauszubringen 
suchten, einigermufsen genau sind, steht freilicli dahin. 
Immerhin würden auch sie auf eine Abnahme der Wedda- 
hevölkeruog dieses Distriktes hinweiseu. 

Was die körperliche (fesamtcrschGiming der Nilgala- 
wed<las anbelangt, so ist das Nötige schon bei den ein- 
zelnen Gruppen gesagt worden, und es kann hier, du wir 

•) I. c., p. 79. 

’) Kauuel et t'atalogue ofllciels de la Kection d« t'eyl^u. 
Exposition de Par» 1900. 

*) Desebamps, Les Weddas de Ceylazi et L'Anthropo- 
logie 1891, p. 305. 



keine eigentlichen anthropologischen Untersuchungen 
machten, nichts beigefügt werden. £s mag nur noch 
einmal wiederholt werden, dafs diese Menschen auf mich 
einen nichts weniger als ahstofseuden Kindruck mHcbteu, 
dafs besonders die Haltung der jungen Männer und 
Knaben eine eigentlich schöne war und man auch an- 
gesichts ihrer kräftig entwickelten Muskulatur, der guten 
Krtiährung und der durchaus normalen Muskelkraft der 
Männer nichts weniger als Anlafa hat, von solchen Men- 
schen ul» von Kümmerformen zu reden, l!« möge noch be- 
merkt weiden, duD die für mich so auffnllendu merk- 
wünlige Geschmeidigkeit, ja Kleganz der Bewegungen 
lieim lebenden Wedda durchaus der gruTseii Zartheit und 
Leichtigkeit der Knochen des Skelettes entspricht, wie 
solche schon von den Herren Sarasin hervorgohoben wird 
und wie sie aoeh in der Zoologie den Wildformen gegen- 
über den domizilierten zukoiiimt. 

Von diesem körfierlieh guten Aussehen machten hueb- 
steni» die älteren Männer der Kolanggaluweddm» eiulger- 
ninfsen eine Ausnahme, indem, wie oben erwähnt, ein 
gewisses Koibonpoint ihre Figur nicht gerade verschönte. 
Die Haut war bei aUeo, die ich gesehen, durchaus ge- 
sund uud verdächtige Schuppenausscbläge , wie sie 
Schmidt^) l>ei den Dorfweddus von Bintenne zahlreich 
sah, wo sie die Haut der Hände uud Fülsn, stellenweise 
auch der Beine und des Rumpfes überzogen, kamen mir 
nirgends zu Gesicht. 

Kin MiD.tumor war bei 1 7 darauf unterauebten 
Weddas nur bei zwei Mäniioni zu konstatieren und zwar 
mäfsigeo Grades, während Schmidt bei einigen Knaben 
I in Bintenne kindskopfgrofse Milztumoren fand. Von an- 
I clereu pathologischen Krscheiiiungeu war mir noch bei 
! einem älteren Manne ein mäfsiges Kmphysem. bei einem 
Knaben ausgesprochene Anämie auffullend. Da Schmidt, 
wie er angiebt, sowohl in Bintenne wie Nilgala lediglich 
Dorfweddas zur ('uteniuchung vor sich hatte, bei den 
imsrigen aber jedenfalls die Danigalaweddaa, wahrschein- 
lich auch die anderen wenigstens zeitweise nicht in 
Siedelungen leben, so ist vielleicht der Schlufs gestattet, 
dafs die im Freien dem ursprünglichen Zustande mehr 
Hiigeiiäbert lebenden Naturweddas gesünder bezw. resi- 
stenter für Sobädiiehkeiten sind als die Dorfweddas. 

Als häuhgo Krunkheittm wurden mir genannt Fieber 
I und Hautkrankheiten. Von Sarasin werden noch als 
j häufige Krankheiten angeführt Dysenterie und Haut- 
i kraokheiten, welch letztere also auch von Schmidt in 
; Bintenne konstatiert wurden. Medizinische Kenntnisse 
' sind, was die verschiedenen Autoren, sowie auch die von 
mir gestellten Fragen bestätigen, keine vorhanden. Wenn 
jemand krauk ist, wiu-tcu sie ab, bis er gesuud wird oder 
stirbt. .Als etwaiges thera|»eutiKches Hülfsmittel wird 
höchstcüs der Tanz genannt. Was von einigen Autoren 

I. c., p. 34. 



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Dr. L. Rfitimeyer: Die Nilgaleweddae io Ceylon. 



221 



TOD pigentlichen Behnndhrngsmüthoden angegeben wird, 
ürt woW Kinflitfs der Kultur der Indier. 

Über die VerhMtni.sse bei der Geburt und apezieil 
l>eim GeburtHakte sind die Angaben noch apftrlich; 
Deachampa’*^) erwähnt, dnle die Frauen der Wmldaa 
nie in dun Höttun gebirun, Hondurn an einem ruhigen 
Grt im ^VaIde, etwa durch i^weige vor unlH>rufunen 
Blicken geaohützt. Über den GuburUukt, d. h. die Stol« 
luog bei der Geburt, finde ich in der Litteratur nicbiin er* 
w&hnt, weahnlb auf die oben gegebene Beacbreilmng der- 
selben bei den Danigala und Hennebedd» iiorb einmal 
bingewieaen werden mag. Der Geburb<akt erfolgt alao 
bei den Danigala halb liegend, halb sitzend in Rücken- 
lage, bei den Hennel>edda kauernd, die Nabelschnur wird 
bei den erstcren mit einer Rastgchnur abgcbunden , bei 
den letzteren mit dem Pfeil durchacbnittun. Die Frau 
wandert bei den enteren nach gcscbebeneni Akt weiter, 
bei den letzteren bleibt sie Heche Tage liegen. IHe 
Säugling der Kinder geschieht etwa ein Jnbr, während 
Deachampi vier bia aecha Monate aiigiebt. 

iHeae Verschiedenheiten lietni Gelmrtaakte bei zwei 
Clans, die relativ doch so nahe l>oi einander wuhnen, 
kann »ehr verwunderlich erscheiuen. Sie bict4Mi wühl 
uine llluitratiou zu der von den Autoren erwähnten 
Thataache, dnfs von jeher die eiuzelnou Gruppen der 
Weddaa voneinander durchaun unabhängig in grofser 
Isoliertheit lebten. Auch die Herren Sarasin**) gehen 
an, dafa sie für die Sprache die merkwfinlige Wiihrneh- 
mnng machten, dafa die Weddaa des einen Diatrikte» die 
Beseicliniingen für die gewöhuUcfaaten (tegmiatände, wie 
.\xt, Bogen und Pfeil, wie sie bei einer nahen Sinlelung, 
kaum fünf \Vugestuiideu entfernt, gebräuchlich waren, 
nicht verstanden. So ist es denkbar, dats auch für Ge- 
burt und „Wochenbett“ bei sonst nahe bei einander 
wohnenden kleinen Gruppen seit alten Zeiten immer 
fortgeerbte eigene, von der Nachbargruppe ganz ver- 
schiedene Gebräuche sich erhalten hal»en. 

Die Fruchtbarkeit der Frauun ist für unsere Natui- 
weddas grofs, indem laut bestimmter Angabe eine Frau 
bis acht Kinder hat, auch bei Sa ras in sehen wir diese 
Angabe der Fruchtbarkeit bestätigt, Schmidt hingegen 
erwähnt bei seinen Dorfweddas, dafs die Durchsebnitta- | 
zahl <ler Geburten zwei bis drei sei in einer Familie. | 
Zweifellos sehr grofs und überall erwähnt ist die Kinder- I 
Sterblichkeit, und im starken Üborwiegeu der Tmlesfälle | 
bei Kindern über die Geburten haben wir zwoifellus den 
Hauptgrund der starken Verininderung der Weddus zu 
suchen. 

Über das Kapitel Wohnung ist dem oben Krwfthn- 
ten wenig mehr beizufügen. Wir hatten den Kindruck, 
dafs die Danigala echte, urHjtrüngliche Natur- oder 
Folsenweddas seien, und dafs die Clans von Heuuebedda 
und Kulonggala zur Zeit auch nicht in den von Singba- 
leseu erbauten und 1890 von den Herren Sarasiu be- 
suchten Ansiedelungen wohnen, sondern wieder nach 
alter Väter Sitte wandern, wobei sie gelegentlich unter 
überbftngenden Felsen (Galges) oder unter den rasch 
errichteten Schirmdichem, wie die Henuebeddas um ein 
solches in kürzester Zeit kuiiKtrutorten, übernachten oder 
wohnen. 

Jedenfall» ging aus unseren Fragen bestimmt hervor, 
dafs diese Wedda;« nicht im stände sind, eine Hütte in 
singbalesiscber Art zu erbauen. Wir hatten den ent- 
schiedenen Kindruek, dafs zur Zeit eine rückläufige Ten- 
denz vom Ijeben in der Siedelung, welches ja den Wed- 
dae mir von aufsen aufgenniigt war, zum ursprünglichen 

'*) Deschamps, Carnet d'un voyagvur en (»ays de« 
Weddas 180‘i. p. 382. 

") 1. c., p. 570. 



Leben im Walde vorhanden sei, was ja vom ethnographi- 
schen Standpunkte aus sehr zu begrütsen wäre. 

Gesehen hat allerdings auf dem Danignla^tocke in 
den letzten zehn Jahren niemand diese Weddas in ihrun 
Hohlen wohnen, da ein Be-'^uch dort nach wiederholter 
Versicherung de» Widane gefährlich wäre. K« stellt 
eben jener Bergsbick und wohl noch einige andere den 
letzten Horst von in ursprünglichen Verhältnissen leben- 
den Weddas dar. Doch wurden sie zweifellos noch in 
Höhlen lebend lieubaclitet, so in einem Berichte von 
Stevens**) au» dem Jahre 1886, der längere Zeit als 
ibresgleinheu unter ihnen lebte und in ihren Höhlen 
Bcblief. Auch berichtete den Herren Sarasin 1885 der 
Ingenieur Holland, er halie Wodda» in Höhlen lebend 
augetrofien. 

Jene von Snrasin genau beschriebene Primitiv- 
hütte der Naturweddas, die übrigen», wie diese Autoren 
erinnern, schon bei Kuox*^) im 17. Jahrhundert in 
einem Bilde skizziert ut, auch Le Mesurier*^) in sei- 
nem Berichte des Anonymus von 1820 erwähnt sie, 
stellt wohl mit ihrem einseitigen schrägen Dache einen 
Windschirui dar, indem sie vor allem eine Seitondeckung 
bietet Solche Wiudsebirtne kommen auch bei anderen 
niederen Stämmen vor, so bei den Negritoa der Philip- 
pinen, doch hier schon etwas komplizierter gebaut, bei 
australischen Stämmen u. s. w. 

Die vor unseren .\ugen errichtet« Primitivhütte war 
übrigens noch einfacher als die bei Sarasin abgebildete, 
indem die Kreuzstangen, welche die obere Horinzontal- 
staiigr (Dachfirst) dort tragen helfen, Imi uns fehlten 
resp. uiitiöUg waren, da die h^kpfeiler des .'»chirmes in 
den Bodeu gesteckt werden konnten, was dort auf dom 
Gneisfels nicht möglich war. 

Wir dürfen in die.ser Primitivhütte und Ähnlichen 
Windschirmen mit Schurtz***) wohl zweifellos „den 
ersten Keim einer künstlichen Behansung“, die wirkliche 
Urbütte des Menschen sehen, also ein ganz ungewöhnlich 
ehrwürdiges Stück weddaischur, überhaupt munschlicher 
Krgologie, welches mit den ebenfalls heute noch h«- 
wuhnten Felshöhlen seine Parallele wohl nur in der 
ältesten Prähistorie findet. 

Über die Körperbedeckung ist das Nötige schon 
oben gesagt. Etwa» Neues ist jenem schon Bekannten 
nicht zuzufögi'u. I>er früher von manchen Beobachtern, 
z. B. Le Mesurier'*), bei dun Naturweddas geschilderte 
Hüftrork aus Blättern und Zweigen scheint für gewöhn- 
lich allerdings ziemlich abgekominen zu sein. Immerhin 
wurde er auf Verlangen, wie auch bei Sarasin '■*), sofort 
bergestelli. Bei letzteren wird darauf hingewiesen, dafs 
derselbe in gewisser Beziehung eine Art Zeremonienkleid, 
auchTauzkleid, also einen Schmuck darzusiellon scheine. 
Zur Klärung der Frage, wann derselbe als Schmuck und 
wann als Kleidung zu dienen habu, kann leider dieser 
Bericht nichts beitragen. 

Was übrigens den mit der Kleidung so eng im Zu- 
»aronimeubnng stehenden Schmuck nnhelangt, so hatten 
weder Männer, noch Frauen, noch Knallen bei den von 
uns gesuhunuQ Nilgalawoddas irgend welchen Schmuck, 
ein bei niederen Naturvölkern sehr ungewöbnlicbcs Vor- 
kommnis, welches uns auch wieder beweist, dafs wir es 
hier mit von kulturindixchen FJuflüsscn sehr wenig be- 

") Hteven», AmoogtC the Veddas. Journal uf the Koyal 
Miatic ttuciety (Cevlon Branch). Prureedings 1886, p. CB. 

1. c.. p. 382 ff. 

Philalethes, The Hitiory of Ceylon 1817, p. 122. 

Le Mesurier, Tlie Veddas of Ceylon. Journal t»f the 
Ceylon Brunch of theBoyal asiatic Stwiely 1885/1886, p. S31*. 

'*) Behurtx, rrgeachicht« der Kultur, 1900, H. 420ff. 

") 1. c.. p. 34.H. 

'•) c., p. 387. 



Digilizcrd I , ÜOGglt 




222 



Dr. 1*. Rittimeyer: T)ie Nilgala veHdas in Ceylon. 



rührlon NstnrwetUUß zu thun haben. Aurh Virchow '*) 
uiiumt auf OriiDd der Litteratur an, dal« bei den Wed- 
(iaa uraprüiiglieh der Sohmuck fehlte. Auch boi Sara- 
sin**) wird der Schlufü gezogen, <laf4 die Naturwedda«, 
auch deren Weiler uud Kinder, ursprünglich ohne Schmuck 
waren, und datn er noch heute iu seltenen FAllen fehlt. 

Derselbe Ut, wo er sieb findet, vor allem auf tamili* 
sehe Kinflüsse aurückziiführen und besteht dann in 
Durchbohrung der ObrUpjK’hen . in welche Knöpfe, 
Ringe u. s. Vf. eingeführt weMen. Oh bei uuservu Wed* 
das die üficubar si'hr verbreitete Sitte des Durebhohreus 
der OhrUpjH'buu, auch ohne dnfs Schmuck eingehängt 
würde, zur Ausführung kam, wie das z. H. Schmidt*') 
bei allen Männern seiner Nilgulaweddas in Ribile sah, 
wurde leider nicht bestuiders notieii. Auch «liese Sitte 
ist wohl von den Tajuilen übernommen, deren Kiuflufs 
st4-h im Tragen von Schmuck. auDer Ohrgehängen auch 
HaUketten, Arm* und Iteinspangen, sowie Fufsringe, sich 
um SU mehr geltend iiiut'ht, je näher die Wt'ddas der 
tamilischeii Ostkustc wohnen. 

Auch was die Nahrung anbelaugt. so erwie-nen "ich 
un.^ere Nilgalawtxldiis aU N’aturwedda'«, indem sie auch 
in dieser Heziebung durebau» in den alten Verhältnissen 
leben. Keiner der drei t'lan.H betreibt irgend eine Kultur 
von Nührpflanzeu, einer der ilennebeddas wuf«t*> uiebt 
eitimul, w'is man Bananen ifst, ein anderer verweigerte 
erst. KtMs zu ussoii, du er davon sterben könnte u. s. w. 
Auch Sarasin**) und Stevens**) fanden, «Ufs Natur- 
weddas verweigerten oder nur mit grufHcm Mifs- 

tnmen afsen, da er sie krank niacbeu könnte. IHe 
Kiilturweddas imtrirlich, welche Reis pflanzen, essen den- 
.»elbeu so gern wie ihre singbalesischen Xachbani. 

Ka ist dies wieder eines jener merkwürdigen Ibispiele, 
wie aufser<»rdent]ieh konservativ und vun der kultur- 
indischen rmgebung wenig Woinflulat der Natiirwedda 
ist, wenn er die gemeinste Nahrung seiner Umgebung. 
Reis und Bananen, verschmäht oder nicht kennt. 

Die Nahrung besteht also, wie früher, aus den oben 
genannten Jagdticren . auch Fischen und den Wurzeln, 
Blättern und Früchten der Waides, sowie aus Honig, 
der offenbar in ihrem Haushalt eine wichtige Rolle spielt 
als Vertreter der Kuhleubydratc. Dazu gesellt sich uoch, 
wie bei Sarasiii**) ausgeführt. zerfuileues Holz und 
da.H ('niubium de.s wilden Mangobnumes. 

Was den für viele Völker für ihren giiuzen Volks- 
und Körperbiiushalt ku wichtigen Salzgenufs anlwlangt, 
so bestätigt unser Befund bei den llanigalaweddas, dafs 
sie kein Salz hatten, die bei Saraein*'') anp'gebcne 
Tbatsacbe, dafs die Naturweddas. welche sich vorzugs- 
weise von Fleiscli nähren, kein Salz haben uiul es ur- 
sprünglich nicht einmal kannten, während die Kultur- 
ueddas solches elutauschen. 

Ks ist für dietu; Naturw(>dda.s ein Glück, dafs der 
Wildstand dunk guter englischer .lagdgesctze ein reich- 
licher ist, zur /eit gerade in den Wäldern von Nilgala, 
wie wir uns aus den nuisi-eiihaften Wüilspnrcii überzeugen 
konnten, nach Aussage meiner Freunde ein jedenfalls 
besserer, als dies 1?<90 der Fall war. 

.Vnch die Bewaffnung ist noch durchaus die früher 
übliche. Ijuhler brachte nur einer der DaiiigaiHweddas 
einen jener ganz gndsen, tadollo.s gearbeiteten und sorg- 

'*) Vircho», Üts-r «lie \Ve«ltlas von t’evlon und ihre Ile- 
ziehuni;en zu den Nnchbarstäniiiieii. Abhandiuua der Könic 
liehen Akademie der Wisnenschaften zu Berliu |sei. K. 22 . 
•*) 1. c.. p. .197. 

**) 1 . C-. p. IS. 

•'» I. c., p. i09, 

*•) l. c.. p. CLX. 

*^) I. C., p. 407, 

”) i. c., p. 44ä. 



faltig geglätteten Bogon, wie sie wirklich unsere Be- 
wunderung erregen, wenn mau bedenkt, daD sie nur mit 
Axt und Hoüklinge gearbeitet sind; ich konnte da-s 
schöne Stück — die fJIngc des Bogenholzes längs der 
Konvexität gemessen beträgt 214 cm — nebst zwei 
Pfeilen zu meiner eigenen Verw'underung leicht von ihm 
für Geld erwerben. Vun der Anhänglichkeit des .Täger» 
un .seine Waffe, wie diusc geschildert wird von Hillor 
uud Furness*''), wobei ein Nalurwedda nabe beim Uu- 
gamteich sich fast zärtlich uud ungern von seinem Bogen 
irenntu, war hier nicht« zu bemerken. Der Chef der 
Hennebeilduwüddas brachte im Gegensatz zu diesem 
schönen Stuck einen viel kleineren Bogen von so geringer 
.\rbeit mit, data wir zuerst unwillkürlich den Verdacht 
hatten, deraellm sei einigermaßen den Kxport'* ge- 
arbeitet für europäische Ib’Muher. IHe Weddii.'* wissen 
oder krmnten wissen, daß, wenn man sie für solche Be- 
sucher kommen läfst, guwöbulicU ihre Bogen gewünscht 
werden, und so wäre es nicht undenkbar, daß der Alte 
iu einer Art ethnographischer Notwehr zu diesem kleinen 
Betrug gegriffen hätte, um seinen mühsam erarbeiteten 
Bogen für «ich behalten zu können. Doch glaube ich 
mich durch Vergleich mit den Weddabogen unserer Mu- 
Heuiiitoiainmiuiig nachträglich überzeugt zu haben, dafs 
dum nicht i«o ist, indem auch hier sich von den Herren 
Sarasin gesammelte ganz Huthentische Wtaidabouen 
finden von ähnlicher .\rbeit. 

Bei Betrachtung der Weddawuffen ist immer wieder 
Huffailund, dafs dieses in seiner Ernährung so durchaus 
vom Ertrag von Pfeil und Bogen lebende Jägervolk keinen 
Köcher hat. Der M'edda trägt nie mehr als zwei bis 
drei ITeile bei »ich in der Hand, beim Sohiefsen werden 
die Reservepfeile zwischen die Schenkel geateckt. fter 
Gedanke, daß es bequemer wäre, mehr als zwei bis drei 
Pfeile bei »ich zu tragen — die gewiß auch auf niederer 
Stufe lebenden Zwerge des Kougowaldee führen deren 
bis HO mit in ihron büboch gearl>eitoten Köchern — , i.-t 
den Wedda in den etwa 2000 Jahren, seitdem wir Nach- 
richten über «lieses Volk haben, m>ch nicht gekommen. 
Vielleicht iHiruhl das Fehlen des Köchers auch darauf, 
daß er als geübter Jäger, der mir sein N\'ild»tück Hchießen 
will zu seiner Kniährung, seines Schusses sicher, nicht 
mehr als zwei bis drei Pfeile braucht, ähnlich wie der 
südafrikanische Bur, wenn er, um Nahrung zu schaffen. 
Hilf die Jagd ausgebt, iiu Gefühl voller Sicherheit des 
Schusses nur eine bia zwei Patronen miinimmt, wie mir 
vun einem Afrikakenner versickert wurde. 

Interessant war bei einem der Knaben der Hemu»- 
beddaweddas ein Kinderßigen mit Holzpfeil. Der Bc»gen 
bestand aus einuin nicht sorgfältig gegütteteu. noch mit 
prominenten /weigansfttzen veraehetien .Xstslück, die 
Konvexität des Bogen.s ist nicht ahgeOachl wie hei den 
schönen B«)gcii der Erwachsenen. .Vm unteren Ende, wo 
die der aus Bast gedrehten Sehne ohne Widerlager 
ansitzt, ii^t der Bogeu etwas zugespiizt, am oberen Fjule 
befindet -ich die typische, l>ei Saraoin genau analysierte 
Weddaknoten-chlingung der Sehne. Das Holz de« Bogen» 
ist grufsenteils schwarz bemalt. 

Von Iiiten'Rse ist der bölz4>rnu Pfeil, besonders dessen 
Klinge, die entschieden eine gewisse technische Gescbick- 
lichkcit verrät. 

[>ic Klinge ist aus weißem, mit einer peobartigen 
Mh8s 4- schwarz gefärbtem Holze genau in der Form der 
von den Singhale-cn l>ezogi!rien eisernen lanzettförmigen 
Pfeilspitzen der erwachsenen Weddas bergestellt .\u 
die Klinge iM>izt »ich hinten, wie dort ein eiserner, hier 

*•; HiU«r »ml Furne«», Note» of a trip lo Un* Vcilü»» 
<if l’eyloQ. p. n.S. l’hilaöclpbia, 19ort Kansum Str., 1902. 



Diyi.:....„ .. OOglk. 




223 



MoDataknrte für den Nordetlantiiohen Ozean. 



W. Krebs: Studien an der neuen 



ein hölzerner. 5,2 om länger Stiel aii, der in den Mark* 
kanal den Pfeil»cfaaft«^ eiiii^eeetzt und durch «iiu* Klingen* 
biiidung aus kalfatertem llast l>efe^tigt i»t. IHe I^uge 
der Klinge ist 7 cm, die flreite ISmut, die Länge des 
Pfeiisclmftes betrügt 91 cro. Dieser hat am unteren 
Knde eine Sehnenkerln* [tarallel der Fläche der Kling«*. 
Als BefiudiTung sind 8 em vom nntert‘n Knde de» Schaftes 
fünf Fiedern von schwarz-grünlichen, metallisch glänzen- 
den Federn (wohl di« inneren Schwungfeihrrn des wilden 
Pfaus) leicht .spiralig angebracht. Über der Korbe ist eine 
Kerbenbindung au» Hast. derBustfadcn erreicht in weiten 
Spinilen die Fiedern, btd denen er, wie da» bei Sarasin, 
S. 426 beachrioben ist, in acht Spiralen die Kiele an den 
Schaft hindet und endlich vorn von den Fiedern die von 
den Fiederchen entbl<Vfsten Federkiele noch al» Fieder- 
biüdung 13 cm weit umwickelt. 

Wir haben also bis in die feinsten Details die Kopie 
des Pfeiles mit Fi.scukliiige dur bewachsenen in äufserst 
sorgfältiger Arbeit uusgeführt, obschon die WuH^c mit ; 
ihrer stumpfen Ilolzklinge wohl meist nur als S|uelzeiig ' 
dient, höchstens vielleicht noch zum Töten kleinerer ! 
Vögel oder anderer kleiner Tiere. 

Ich habe diesen Pfeil etwas genauer Iteschrioben, da 
ich in der Liiterutur einen solchen nicht aufgeführt 
fand und jedes einzelne authentische Stück F-rgologie 
der Wedda» v«>u luteresso ist. Ob die von Schmidt**) 
erwähnten stumpfeu HoIzpfcUe der Weddakiuder diesem 
Modell oder den von Sarasin*’) angofilhrten uinfacheu 
Holzpfeileu ohne Klinge, nur aus zuguspitzteu Schäften 
bestehend, entsprechen, lätst sich, da keine nähere Be- 
schreibung derselben gegeben wird, nicht ersehen. IHe 
letztgenannten llolzpfeile brauchen die Weddas nach 
Sarasin als Notbehelf, wenn die mit eisernen Klingen 
verHehene« fehlen. 

Fiue weiter« eigentümliche Waffe führte, wiu oben 
achou erwähnt, der alte „Sprecher“ der Danigalaweddas, 
ein dnlchartiges Messer, in einem Holzgriff steckend, wt;I* 

«) 1. c., p. 34. 

••) 1. 0 ., p. 4‘i8. 



cbeN F«ich bei näherer Fntersuchung sofort als dieKHnge 
eines der früher gebräuchlichen Klefautenpfeile auswies. 
DieKHnge bat die gleiche I.anzettform wie diejenige der 
gewöhnlichen kleinen Pfeile, die der dritten und vierten 
Oröfse de» Sarasinschen Schemas (erste Gröfse Kliugen- 
blatt über 30 cm, zweite 30 bis 20 cm, dritte 20 bis 10, 
vierte unter 10 cm) angehören, mifst aber 34,5 cm I.äiige 
bei 6 cm Breite, repräsentiert also eine Klinge erster (tnitse. 
;\uf jeder Seite des Kiingenblnttes findet »ich un Stelle 
der Mittidrippe eine kaum angedeuteto Verdickung. Aui 
unteren Knde der Klinge führt ein 7 cm langer spitzer 
Stiel wie bei den gewöhnlichen Pfeilklingen zur Verbin- 
dung mit dem Schaft. 

Die gr«>tste l>ei Saranlu lieacbriebone und in unserer 
.Museumssammhing befindliche Pfeilklinge ist 26,5 cm 
lang bei 3,8 cm Breite, doch finden »ich u. a. Klingen 
von 80 gewaltiger Ornfse wie «liejenigo vom Danigala 
angegeben l>ei Iteackamps *-'), zwei Klingen waren 28 
bi» B.'Mmi laug, und Stuveu»*") aus Fnapani in Biu- 
Icirne, I^nge 14 Zoll. Sie diouteu, wie erwäbut, zum 
Töten de» Klofaiiton, der durch einen Schuf« hinter dein 
Unken Vorderbein, wo die Haut dünn i»t, durch diese 
Pfeile ins Herz getroffen werden konnte. Jetzt scheinen 
dieselben aufser Gebrauch gekommen zu »ein. 

Dieser Pfeil war low* in einen walzenförmigen Handgriff 
von 26cm I^änge gesteckt, der au» »chwarzbraun ge- 
färbtem Holz gesebiiilzt war und in Form uingcschnitte- 
ner spiraliger Linien, sowie zwuier roh au»giiführter Ro- 
setten ornamentiert war. Auf unsere PVage, wer (Uusen 
Griff gemacht habe, wurde un» geantwortet, der Alt« 
hätte ihn gemacht; e» möge dabingtuttellt sein, ob »eine 
Antwort nicht so aufzufasaen int, daf» er durch Kinfügen 
der Klinge in einen irgendwie erhaltenen Griff »inghule- 
»iiücher Herkunft diese» „Sceptor“ »ich zurecht uiachte. 
was mir plausibler verkommt als die Annahme, daf» er 
selbüt den Griff gesebuitzt hätte, indem »olche ornamen- 
tale Kuiistnbung bei «len Wi^dda» sonst nicht bekannt wäre. 



I. c-, p. 3T3. 

1. c.. p. CLil. 



Studien nn der neuen Monatskarte fUr den Nord- 
atlantUchen Ozean. 

Die N’onlatlantischo Weuoraufwlmu der Deutschen Hee- 
wart« teih« sich »eit Juni 1902 in zwei gröfsere VeröfTent- 
lichungen. Die in ihr bi» dahin enthaitetion «Mitteilungen 
>on nautiM'bi'm Inton^sse” ersebieneu fortan in Mimatsheften 
unter dem Tit«*! .Der Pilote“. Die Hauptkarte erliielt «las 
Furmat un«l die farbige Ausstattung ihror engliKch-ainori- 
kanischen Muster. Die drei Dekatlenkarten über Luftdruck 
und Teui|»en<tur, die zugleich mit d«T llnuptkart« auch über 
ordniagnetiscbe Verbältnivw unterrichteten . wurden btd- 
Itehalten. Hie erhielt«'n alM>r durch Anwendung der Merkntor- 
projektion einen mehr seemännischen Zuschnitt, wurdun auch 
auf den vollen, der llernusgalie vorangegangeneu Monat ein- 
gerichtet. Als neue Nulienkarten traten <lazu «Isobaren und 
Isothermen* und «rroreiitualhäufigkeit von Htünuen und 
'Windstillen* im kommendHn Monat, beide nach langjährigen 
Durchschnittswerten. Kntere war farbig auf der Vorderseite, 
letztere schwarz auf der Rückseite des vergrör»ert«u Karten- 
blattes HU»gefübrt. Die hier uo<'h vorhandenen I.>«^endeti be- 
trafen aufser den erwäbnUm KarUm nc»ch Slrömungsverhält- 
nisso. Das ganze Kart»-nblnU erhielt den Titel «Monatskarte 
für den Nurdatlantischen Ozean*. In den neuen Jahrgang IMS 
tritt sic mit nicht unbedeulendeu weiteren 'Vcrltesserungen ein. 

Die am 22. l>czeinl«r ausgog«.d)ene Mimatskarle für Januar 
1908 bringt die «Imibaron und Isothermen* mm obenfalls 
auf der Rückseite. An ihre Stelle ist vom eine •*zeam*- 
graphisebe Karte des östlichen Mitteliuevres getreten, 
durch wulche die üauptkarte geographisch woitergefdhrt. 
wird. Referent begrüfst diese Neuerung mit um so g^fserer 
Genugthuung, als er selbst Gelegeubeit hatte, im verdotsenen 
Sommer für sie wnzutreten. Aufser auf die Bedeutung des | 



östlichen Mittelmeeres für die Schiffahrt wies ich darauf 
hin, dalk die moderne ozeanogniphisclie Erforschung desselben 
hanptaäehlich deutscher Arlwit unter der verbündeten Aster- 
reiohischen Flagge zu danken ist, den Aufnahmen der Sidiiff« 
.INda* 1M90 bi» 1»93 und «Taurus* I»94. 

In die Hauptkarte ferner sind die rassatstaubfälle au 
der noi'<lnfrikanischeu Westküste nach zwei Intetisithtszonen 
BUfgeiiominon, el»enfnlls nicht ohne Rücksicht auf die HchifT- 
fahrt. ,Da» sehr unsichtige Wetter, das sie mit sich bringen, 
ist 8ch«m tnehnnai» die Frsache schwerer Kinuidnngen ge- 
wesen.* Schon tMrisi (liao) nannte diesen MeiMTSteil Rahr 
el niudsliui (Dunkclmeer), im Gegensatz zu Bahr el schami. 
dem Mittelmevr. Resondors erwähnenswert erscheint aus 
dem zugehörigen Text die Erklärung der Staubfäll« nach 
den neueren HcbifTsbcs^bachiungen. Blaulifall tritt danach 
meist im Januar und Februar auf (50pn>x. aller Fülle), w eil 
dann ein fast rein östliches Auffriseben d«ts Passats häufiger 
ist. Kr verschwindet, sobald der Passat wieder mehr nörd- 
liche Komponente gewinnt. Die Richtungen dos Staubfalla 
auf der Hellmanuschen Karte*), die zwischen Südsüdost und 
Nord l>ei \V«^t wechseln, sind demuach hinfällig. 

Als bedeutsamste Neuerscheinung der Monatskarte für 
Januar 190:t möchte ich die graphisch erläuterten Aus- 
führungen über Lufedruckänderungen an Bord von 
KchuelldaTnpfHrn herrorheben. die auf der Räckauit« des 
Kartenblaltes platz gefunden halten, ln ihrem Hchlufswort 
enthalten sie eine schöne Verheifsung: «Wenn erst die Ein- 
führung der so b<H|uemen Barographen auf HchifTeu all- 
gemeiner gew’onlen sein wird, wird der Vergleich der gleich- 
zeitigen LuDdruckkurven auf einander entgegenfahrendeii 



I *) Menstsberirhtc der Kuoiglk-h PreuraiKlien Aksdeuiie der 
i Wi«»enscbaüen cu Berlin 1879. S. 388, 336. 



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224 



H. Zur Festlegung der Grenzen Kameruns. 



Scbiffen »ehr lehm-ifh win.“ Anregung orftffnet aller- 

dings eine gn*f»rtige Perspektive auf maritime Krweitermig 
der meteurulügischeti Furschimg. Aber schon allein da» ver* 
dffentlichtc erste Barogramni vun einer Ausreira de» Hchuell* 
dampfers , Kaiser Wilhelm der Urufse“, ‘itl. bis 2^. Cikt4>ber 
1903, linde ich in hohem Grade lehrreich. l>ie drei au»- 
gepnlgtestei) Maxima der stark bewegten Luftdruckkurve 
liegen fast genau um je 4t* Stunden auseinander. In An- 
betracht dor ziemlich gleichmbrsigen. zwischen 9 tmd 12 block- 
w.hwankenden Geschwindigkeit des Schnellilampfer» «TW'eckt 
da> den Kindruck einer Wogotilatwegung. Krkennt man die 
Maxinm al» Stellen sUirkslen Abtrieb«, die Minima als Stellen 
stÄrksten Auftriebs einer wogenden unteren Luft-mhicht au*), 
so kann man eine Schnittlinie durch die wirkliche Wellen- 
olierH&rhe graphisch konstruieren. Diese ergh-ht thatinicblich 
zwei fast gleich grufse Wogen von rund je 1900 km we^t-öst- 
licher Kiatrerkung, die einander ülier den Nordatlantik noch 
dem über Kuropa lagernden Teile der Atmosphäre folgten. — • 
Nicht ciuver.Htanden hin ich dagegeu mit der Behauptung 
des Textes, das erste Minimum (»c. Depreasionl) jener W<iche 
sei von dem der zweiten eingeholt worden. Die dafür an- 
geführte graphische THbelle der SchiiTsbeobachtungen lAfst 
auf dem Wege der »NaupUa“ am 23. Oktober unter etwa 
17* w. Ur. ein Minimum von 7.'>4 imn erkennen. Der Bahn 
der ersten Depremion ist «»mit uugcr.wuugvu eine seHntiindigu 
Forleetzuug nach dem östlichen tluadrantcn geboten. Und 
ihatsächiich Iumcu auch die morgendlichen l.uftdnickknrten 
vom 25. und 27. Oktober 1902*) je ein durch Wiwlcransteigvn 
getrenntes Kailcn des Luftdrucks westlich von Irland er- 
kennen, das zeitlich genau dem Kintroffen der einander 
folgenden l>epressionen ontapricht Aber ich stehe nicht an 
zu erklären, dafs mir jene DUkuuion erst di« Augen geöffnet 
hat über den zukunftsreichen Wert jener graphischen Kchiffs- 
tabeücii, wie sie in dem Dekadenl>ertchte der tjeewarte seit 
1. Juli 1900 enu'hienen sind*), und deren eine, 21. bis 
31. Oktober 1902, von der besproi'hüuen Monatskarte in er- 
gänzter Form gebracht wir«l. So verspricht die Monatskarte 
auch eine gediegene Auswertung der inteniationalcn Dekaden- 
berichte der Seewarte. W'ilhelni Kroba. 

*) Vgl. meine AusAihrungen ia den «Aaaalen der Hjdro- 
grsphie“. Hamburg 1697, 8. 253; 1900, S. 551 bie 554; 1901, 
8. 262 bis 269. 

*) DeaUebe Set-wartc, Täglicher Wetterberiebt, Nr. 298 bis 300. 

*) DeaUrbe Seewarte, Intcr&alionaler Dekadeubericht, seit 1900. 



Z«r FesÜegaitg der Grenzen Kanoniiis. 

Im •Kolonialhlatt* vom 15. Januar d. J. wird das Ar- 
baitsprogramm der deutsch-englischen Kommiasion mitgeteilt, 
die nuutnehr di« l'nlerlagen fiir «in« KeguUeruug der Grenze 
zwischen Kamerun und Nigeria uQf der Linie Yola— Tschad- 
soe beschaffen »oll. Ijeitcr der detiUchcu Abteilung ist Haupt- 
mann ülauning, Leiter der cugliachen der Ingenieuruberst 
Jackson, «nWr Astrctnuiu Oberleutnant Manjuardseu, der mit 
noch zwei anderen deutachen Offizieren einen Kursus in astro- 
uomischar OrUbesUmiuuug absolviert bat. Zunächst soll di« 
Puaition von Vota omiittett werden, die noch nicht sicher 
bekannt ist; daun wird man di« halbkreisförmige Grenze bei 
Yola triangulieren und schliefsJich die ganze Grenzzone bis 
zu jeuQui 35' östlich von Kuka liegenden Punkt am Tschad- 
see, der — der Annahme nach — “ mit dem 14. Längengrad 
zusamincufällt und heute das Nordende der vorläuflgen, ge- 
radlinig vi'rlaufeuden Grenze mit Nigeria bildet, tu Kuka 
will mau, wenn möglich, diese Triangulation noch durch eine 
Lungeubestitnmuug kontrollieren. Das UreuzHtQck südlich 
von Yola bis zum i’rofs soll später vermcasen werden. 

Da der Telegraph nicht bis Yola ndcht, so wird dessen 
Länge nur absolut, d. h. nur mit Hülfe der mitgeftihrtvn 
Instrumente bestimmt werden können. Kiu sonderlicher Ver- 
lafs ist auf Bestimmungen di^er Art nicht, zumal di« Beob- 
achter nicht Astronomen von Fach sind, eoudern oben nur «inen 
.Kursus" hinter sich halicn. Alwr auf liesondurc Genauigkeit 
in der Pu«itinu von Yola kommt u« nicht »o »ehr an; von 
Bedctuuiig ist nur ein gutes Dreiveksnetz durch das ganze 
Ureuzgebiet mit «ier fiblicbun topugraphischeo Ausfüllung, 
danach läfst sieh nachher eine vernrmftige, d. h. den natür- 
lichen Verhältnissen enisprechcud« Grenze leicht ziehen. Mit 
dem Kivugebivt verhält cs sich genau si». Wird eiumal s|täter 
mit Hülfe des Telographen die Position von Y'uia geiaau er- 
mittelt, und weicht aaa Hesultat von dem Kommissionsergebuis 
ab, so verschiebt sich dementsprechend die ganze Grenzlinie, 
ohne dafs die.se selbst geändert zu w'erden braucht. 



Im Detail halten übrigens die Kngländer schon etwas vorge- 
arbeitet. Bo haben die Verhandlungen, die 19UI von Vertretom 
der Verwaltung Nordnigerias mit Fadelaliah geführt wunlau, 
und spätere militärische ITnternchmungen es den Engländern 
ornittgllcht , einen Teil de» Grenzgebiete» früher kennen zu 
lernen aU wir, und ebctiao erfahren wir aus einer im Januar- 
heft des ,Geogr. Journ.“ vi-röffectlichten Kartenskizze, dafs 
auch der Yola mnschtiefsende OrenzlKtgen schon 1901/1902 
von dem cngli»chcn Hesidenten in Yola, Kapitän Kuxton. be- 
gangen worden ist Eine bewindere Freude vt-rmftgen wir 
über diese .Vorarbeit* aber nicht zu ciupluuleu. Wer sich 
als erster ein strittiges Gebiet dieser Art aiizuseben vermag, 
der wird mit manchen nicht unwichtigen Kinzelhuiten besser 
bekannt als nachher die Kommisatonsmitglieder de« anderen 
Koutrahenten und kann sich bei den späteren Grenzverhaitd- 
lungen diese» o<ler jenes Htück fruchtbaren Landes, dieaet» 
oder jenen wichtigen Marktplatz sichern, weil der Nachbar 
nicht dieselbe Erfahrung I»e«iut. Vnser« lieben Freunde, die 
Engländer, siud in »olchco Dingen ja Meister. 

Wie die deutach engJinefa« Grenze »chliefslich anssehen 
winl, ist nicht vun sonderlicher Bedeutung, wenn uur das 
territoriale Gleichgewicht gewahrt bleibt. Wesentlich ist nur 
die Frage, wem der vielgenannte Ort Dikoa. die volk- und 
verkehrsreiche ehemalig« Hauptstadt Kabehs, zufäUt. Ich 
hal>e Ende Juni v. J. in .Petennanns Mitteilungen* die Ver- 
mutung ausge.sprochcu , dafs Dikoa nicht öatUch, »ondem 
westlich der vorluuflgen Orenzlinie läge, also zu Nigeria ge- 
höre, und daran die Forderung geknüjift, es möchte »c» buld 
als möglich eine Foatkgung der Grenze erfolgen. Diese Fo«i- 
legung wird ja nun ^wirkt, jene Vermutung aber wurde 
von einer kolcmialen Korresp<mdeiiz, di« inanchnial auch vor 
amtlichen Thören etwas bürt uud eine Bcibc gH'fserer Blätter 
mit ihren komischen oder fragwürdigen Mitteilungen ver- 
sieht, als .taktlos* und .ungeschickt* bezeichnet. Aus der- 
selben Quelle stammte dann die beruhigende Nachricht, daf» 
durch den deutschen ruferhändler Pr<»f. Dr. Freiherr v. 
Danckelinan in T.ondoti der Grundsatz aufgestelU und mit 
der euglisc^en Kolnnialregieruog vereinbart worden sei, daf» 
Dikoa auf je^len Fall, möge e» liegen, wo wolle. Deutsch- 
Ktiuierun erhalten Meibcn müsse- Wieder gingen einige 
Wochen ins Land, und da wurde man, immer durch dieselbe 
Korrespondenz, belehrt, ein solcher Grundsatz »ei nicht ver- 
einbart Worden. E« wäre das auch gar nicht nötig gewesen. 
AU nämlich im xMirigen Bommer .von seit«n der Geographen* 
die Vermutung geäufsert worden wäre, Dikoa läge gar nicht 
in der deutschen Bphäre. da hätten die dort beÄndlich«n 
Hchutztruppeuuffiziere, darunter auch Oberleutnant Dominik, 
jener Frage ihre besondere AuDuerksamkeit gewidmet und zu- 
verlässig festgestellt, dafk Dik(^ zum dentschen Gebiet gehöre. 

Natürlich ist diese Mitteilung barer Unsinn. Ich bin al» 
erster auf jene Vermutung gekomuien uud Itahe sie als erster 
ftusge*prr»chen; eben in jenem Artikel. Der aber konnte den 
S«butzlrup|»«nofflzieren nicht bekannt nein. Aufserdem war 
niemand vi»n ihnen in der Lag«, die»o Frage za U>sen; denn 
dazu btKlurfte es einer s<.>rgfältigeu Längenbeitimmung. Nur 
einige Breiten hat v. Bülow, wie ich höre, auf seinem Wege 
von Garus der englischen Grenze entlang bis zum Tsc-hadsee 
. l>uobB»chtet. Die Frage nach dor Lage Dikoa» bleibt somit 
■ nach wie vor offen, und denhalb wäre e» dringend erwünscht, 
i dafs die deutsche Kolonialverwaltung keinen Zweifel darülter 
I läfst, dafs sie l)ik(^ unter allen l'nisiänden für sich beao- 
.»pruebt. Die oben l>erührte Mitteilung im .Kolouialblatt* 
vom 15. Januar sagt nur ganz allgeiueiu: Fall» der 35' öst- 
lit-b Von Kuka liegend»; Punkt am Tsehadsee, wo die vor- 
läufige Grenze endet., nicht mit dem Schnittpunkt de« 
14. liiingeiigrade» mit dem Küdufer desTschadxee« znsammeD' 
fallen Mdltu, «lipuliert da» Abkouiinon vom 15. November 
1893 gewisse Aliänderi.tngeu der Grenze, weiche späteren Ver- 
handlungen Vorbehalten siud. 

I>ie Al^enzung Kamerun» gegen das fraDZö«i»che Gebiet 
hat »ich nur auf den Süden beschränkt, und von einer Fort- 
setzung der Arbeiten im Osten, die viel wichtiger wären, ist 
nichts zu hören. Das ist um so mehr bedauerlich, als auch 
hier unsere Nachbarn — also die Franzosen — sich das 
(irenzgebiet sehr genau ansehen. Bo bat der französische 
Kapitän Löder 19ül da-» ganze Granzland durchzogen und 
dabei gefunden, dafs der grofse FuUteort Binder im .Enteo' 
Bchnalwl* Kameruns schon südlich des 10- Rreitengrade», 
also im Fongo fran^'aiM liegt. Ulid Dominik berichtet im 
.Kolonialblatt* vom 1. AugUHt v. J., dafs aich das Hultanat 
Binder der deotschen Herrachaft unterworfen habel Je 
länger mau sich mit der Abgrenzung Kameruns gegen Osten 
hin Zeit läfst, um so gröf«er wenlcn nachher die Unzuträg- 
licbkeiteo sein, die sieb aus der Unsicherheit der Verhäli- 
n»Me ergehen haWn- H. Singer. 




Q. Oppert: Über einen der Be^r&bnisplfttze der Aeehe Buddhas. 



226 



Über einen der Beg^äbnisplätze der Asche Buddhas'). 

Von G. Oppert. Berlin. 



Seit meiner am 3. April 1897 im Globus veröffent- 
lichten Mitteilung über Buddhas Geburtaort sind bedeut- 
same Funde an Ort und Stelle gemacht wurden. 



Wie bekannt, hatte die indische Regierung die gröfsere 
H&Ifte des südlich vom llimalaya gelegenen Tarai an 
Nepal wegen seiner während des indischen Aofstandes 
bewiesenen Loyalit&t abgetreten, den übrigen kleineren 
Teil dagegen mehreren verdienten Kurop&em zuiii .\nbau 
übergeben. IHe umfangreichste und Älteste dieser Schen- 
kungen, das auf engliacbero Gebiet Büdlich von der beide 
Staaten trennenden Grenzlinie gelegene Birdpurgut, ge- 
hurt den Familien Gibbon und Peppö. 

Auf Beinern Grund und Boden grub nun im Jahre 
1698 Herr William Claxton Peppd auf dem höchsten 
Hügel einen tiefen Schacht, und da er bald auf eine 
solide baoksteineme Gnindlage Btiefs, vermutete er, data 
er es mit einem alten, glockenförmigen buddhiatischou 
Stupa zu thun hatte (Abb. 1). Kr aetzte deshalb seine 
Ausgrabungen eifrig fort, indem er inmitten des Stupa 
im festen Mauerwerk ein 10 QuadratfoTs fassendes, 
18 Fuls tiefes Loch öffnete, bis er auf eine grotse Stein- 
platte stiefs. Unter dieser befand sich eine 1200 Pfund 
schwere Kiste aus Sandstein, deren in vier Stücken ge- 
brochener I>eckel noch fest zusammenbing und, ohne 
den Inhalt der Kiste zu besch&digen, entfernt werden 
konnte (.\bb. 2 und 3). In der Kiste lagen unversehrt 
drei Urnen, eine steinerne Juwoluukassette, eine wunder- 
schön gearbeitete, mit einem Oeckel und einem fisch- 
förmigen Griff versehene Kryatallschale und Bruchstücke 
von ähnlichen hölzernen Ge- 
iätsen. Die vier Steiogefätae 
waren aus Steatit oder Seifen- 
stein und zeigten noch Spuren 
von der Drehbank 4). 

IHe Urnen waren gefüllt mit 
Knochenüberrcsten, Staub und 
feiner Asche, und mit mehreren 
hundert exquisit aus Karneol, 

Muschel, Ametbpt, Topas, 

') Siehe Recent dUeoverieacon- 
ceming ihe Buddha, by T. W. 

Khys J>avids, und Dt« Echtheit 
der Uuddbareliquien von Prof. 

Dr. It. Pischal. 



Granat, Korallen und Krystall geschnitzten kleinen Ju- 
welen, sowie silbernen und goldenen Sternen, Blumen 
und anderen Zieraten. Die Juwelen glänzten so hell 
und klar wie am Tage, an dem 
sie in die Kiste gelegt wurden, 
das Silber war duff und ange- 
laufen , das Gold dagegen war 
noch funkelnd. Viele der klei- 
neren Gegenstände besaCsen 
Löcher zum Durchsieben, wozu 
sich silberne Ilrabtstücke vor- 
fanden. Diese Schmucksaehen 
müssen von den Halsbändern 
und Brustornamenten (pilan- 
dhana), welche die vornehmen 
Frauen jener Zeit trugen, her- 
rübren. 

Ks fragt sich nun, wann 
und für wen diese Reliquien 
niedergelegt wurden. Aufaer 
der Grötse der Ziegelsteine 
konnte nichts über das Alter 
Aufschlof.s geben, Münzen 
waren nicht vorhanden, und die auf einigen Goldstücken 
befindlichen Kmbleme bieten, selbst wenn sie sich auf 
Münzen vorfinden, keine feste Handhabe. Auf einer 
der Steatiiurnen fand man nun folgende, aas 37 höchst 
altertümlichen Buchstaben bestehende, in altem Pali 
verfatste Inschrift; „Diese Stätte der Verwahrung der 
Überreste Buddhas, dos Erhabenen, ist die der Säkyas, 
der Brüder des Vorzüglichen, zusammen mit ihren 
Schwestern und den Frauen ihrer Söhne.** 

Über diesen Fund in dem Piprava Stupa hat Herr 
William Claxton Peppe im Journal of tho Royal Asiatic 
Society of Great Hritain and Ireland, 1898, p. 573 ff. 
einen ausführlichen Bericht erstattet. Herr Prof. Rhys 
Davids hat in derselben Zeitschrift (1901, 8. 397 ff.) die 
fkhtbeit dieser Reliquien, die er selbst an Ort und 
Stelle in Indien besucht, anerkannt, wie denn dieser Be- 
richt auf seinen Angaben beruht, und die PhotographieeD 
ihm von Herrn Peppe übergeben worden sind. 

Die oben erwähnte Inschrift ist deshalb von grober 
Bedeutnng, weil sie die älteste, im Buche der groben 
Krlanguug des Nirvana (Mahaparinibbanasutta) ent- 
haltene Überlieferung bestätigt. I>emgemäb war der 
Körper Buddhas nach seinem Tode verbrannt, und die 
Asche in acht Teile geteilt worden. Einen derselben 
erhielt der König von Magndha, die übrigen sieben wur- 
den an die sieben freien Stämme, von denen die Säkyas 





Abb. 1 . Der 8akja Stupa mit den Ansgrabniigen des Herrn Peppe. 



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326 



0. Opperi: Ober einen der Begr&bnieplitte der Asche Huddhafl. 



einen auamechten, YerteiU; weil sie ihre Ansprüche auf 
ihre Verwandtacliatt mit Buddha begründeten und alle 
zu Khren des grutaeu Toten otnc Stupa zu errichten und 
eine Feier zu veranatalten übernahmen. 

Da nun der Piprava Stupa, in dem Herr Pepp»* diese 
▼on den Sükras deponierten Heliquien fand, nicht in der 



Umgehung des alten, unfern toii Tilnuna Kot gelegenen 
KapiloTaatu, sondern viel weiter südlich, auf dem l<ird> 
purgut, jenseits der nepaliscben Grenze liegt, so scheint 
sich hierdurch die .Vngabe zu bestätigen, dsfn die auf 
die in ihrer Nachbarschaft bestehenden Freistaiileti eifer* 
süchtigen Könige Tun Kusdla und Mugadha dieselben zu 
vernichten bestrebten; und dafs drei Jahre vor dem Tode 
Buddhas der König von Kos&Ia, Vidiidahha, in das Ge> 
biet der Sükyas einfiel, Kapilavastu zerstörte und die 
dem Blutbade entronnenen S&kvas vertrieb. Hierauf grün> 
deten diese südlich ihrer Heimat eine neue Stadt, deren 
Lage durch die neu entdeckten Grabhügel bestimmt ist. 

Die Bedeutung dieser von Herrn Peppv gefundenen 
Inschrift liegt in der Thatsache, dafs sie vi<d Alter ist 
als die vom König .Asoka herrührenden, welche mau his> 
her für die Altesten in Indien gehalten hatte. Linen Be- 
weis für ihr htdies Alter zeigt die Piprava-lnschrift z. B. 
durch das Fehlen aller Langezeichen hoi den Vokalen. 

189.*) hatte Dr. Führer auf uvpaliMchem Gebiet un- 
weit von Nigliva den Ort aufgefunden, wo Buddha ge- 
boren, und wo er im alten Kapilavastu seine Jugend 
verbracht batte. Asoka besuchte im 21. Jahre seiner Re- 
gierung daselbst denStüpa des Konagaiimna Buddha, des 
mjtbischcn VorgängerK Buddhas, und errichtete eine 
Säule mit einer Pali-Iuschrift folgemluu Inhalts: „Der 
Liebling der (lötter, Piyadassi, kam im 21. Jahre und 
war hier andächtig. Und er errichtete eine SteinsAule, 
wo Buddha, der weise SAkya, gtdtoren war. Und das 
Dorf Lummini ist, weil der l''rhabene dort geboren 
wurde, von dem achten Teil seiner Krtragssteiier IxTreit.“ 
Diese Inschrift ist schon in tucinem früheren Bericht 
(S. 225) erwiilmt wurden. 

Die Säule steht am FuD eines kleinen IIÜgeL, auf 
dum ein Schrein der Ortsgottheit von Lummini <I.uni- 
bint), Rummln Dei, steht (.\hl>. 5). Iin Jahre 1897 
konnten zwei Zivilbeamte, diu Herren Hoey und Luptrm, 
denselben besuchen und fanden daselbst elu Basrelief, 
welches din sich zurücklchnondu Figur dur Mutter 
Buddhas, der Mahä Maya, dnratellt, kurz nachdem siu 
ihrem Sohn das Leben gegeben hatte. Da der Schlüssel 
zum Tempel verlegt war, konnte Herr Bbys Davids nicht 
binoinkommen, als er im Januar 1900 sich dort aufhielt. 
Aber Herr Makherjl von der archäologischen Ahteilimg 
besichtigte später die kleine, unterhalb des Niveaus des 



Hofes beGndliche Stube und sah dies spärlich erleuchtete 
IhLbrctiuf. Der ursprüngliche Boden des Zimmers liegt 
w«it tiefer, und man sollte deshalb es weiter ausgrahen. 
Dur alte Baileplatz buGudet sieb nabe an der Säule, und 
au der anderen .Siilc des Schreins liegen vier kleine 
Grabkammem im IHckicht vergraben. Der ganze I’latz, 
auf welchem jetzt ein 1/ama aus 
Tibet haust, sollte gründlich 
untersucht werden. 

Die Nachgrabungen des Herrn 
Peppe haben zum erstemunl den 
Bezirk festgestellt, welchen die 
Säkyas im 6. Jahrhundert v. C'br. 
bewohnten. Kr erstreckte sich 
uonlwärls über die weite Kl>ene 
und soblofs in sich auch wohl 
die niedrigen Abhänge und .\u»- 
läufer des Himalaya. Reisfelder 
bedecken jetzt die 20 ottgliscke 
Meilen breite Kbene, welche von 
der englischen Grenze sich nord- 
wärts aiishreitet; auf welcher 
Fläche die Landbevölkerung 
nicht in einzelnen Hütten hier 
und da, sondern in vier oder 
fünf englische Meilen voneinander entfernten Dörfern 
wohnt. Innerhalb 15 englische Meilen rings um die 
Liimbiiiisäule sind noch unverkennbare Spuren von alten 
Gebäuden sichtbar, und es Gnden sich auch el>en6o viele 
auf englischem Gebiet. Alle diese Monumente liegen 
unzerstört da, abgesehen von dem Schaden, welchen Krd- 
hebeii und der Zahn der Zeit augurichiet haben; denn 
bis ganz nuiienlings war alles ein verwahrlostes Dickicht. 

Auf jedou Fall erüffnut die AufGndung der Inschrift 
und der Backsteine einou neuen Kinblick in die damalige 
Kntwickcluiig Indiens. ]<> beschränkt sich nicht allein 
auf die mehr wissenschaftliche Frage über den Ursprung 
der indischen .VIphabete, sondern er gewährt auch ein© 
Vorstellung von der hohen Kulturstufe, welche dioS&kyos 
eingenommen haben müssen, um solche vollendeten .'^tein- 
und Backstciiibuuwerke zu errichten und so exquisit 
schöne und künstlerisch hervorragende Schnitzereien und 
Juwelierarbeiten berzustellcn. Und aufser dieser prak- 
tischen Begabung verdient die höchste .Vnerkennung der 
Tribut, welchen der Stamm der Säkyas, Männer wie 
Frauen, dem Andenken ihres Staramesgenossen zollten, 
der weder ein groTser König, noch ein bedeutender Staats- 
muuu. noch ein siegreicher Feldherr gewusen, sondern 
ein einfacher, umherwaiiderndcr Lehrer, der durch Bered- 
samkeit und reine Lebensweise seine Land-<leute für sich 
gewann und von .\bwegen und Bedrängnissen der irdi- 
!i«hen Laufbahn hinweg sie einer höheren Sphäre zuführte. 




Abb. 5. Säule im Luniblnl-Gartea. 




Abb. 4. Die ftlnf Gefäfse des Sakya Slüpa. 



D, -;byf'.?OgK I 





Kleine Nacbriehten. 



227 



Kleine Nachrichten. 

AbJruck nnr nit <^u«tl*i)ikna«bP ((««tAUct. 



— Kine verunglückte Ueateigung Je« Aconcngua. | 
Der eitgliehe Keiu^nde Uenkin, weicWr Anfang IVstemlter i 
(len Aooneugua, rn>vinz Mcnduza in Argentinien, tmateigen 
wuUte. hat einen n«*h«ei'en rtifnil erlitten. Kr \»urJo lad 
der UoÄteigung von einem heftigen Schneesu.urin üle-rnmcht, 
»eine llegluiter vt^liefeen ihn hi« auf einen. Hankin «oMter 
wulite nicht nmkehron, «indfru trotzte mit dem einzigen 
treu gebliebenen Begleiter unter einer etwa« üb*u'hängenden 
FelHwaml dem heftigen t^hneetroilten, da» zwei Tage anhielt. 
AD am dritten Tage da« Unwetter iioehlief«, «teilte c« «ich 
honiu«, dar» Kankin alle Kelien erfroren lintl«. Kur mit Hülfe 
der etitllelionen Beghdter, die nach .\unü‘ireu de« Unwetter« 
ihren verla«^>'nen Herrn aufaurhten, konnte er da« niicUat- 
gelegene Hotel in l'nente del Inca (rapailatapHf») nach mühe- 
vollem Hui'i>che erreichen. Hier iiitirxten ihtu alle Zehon 
abgenümmcn werden — uin harte« Ue«chi<'k für oiueii »o 
kühnen und encrgiachen IV‘rg»teiger. Beine Frau, »eine treue 
Begleiterin auf alten «einen Beiden, ptlegte ihn. Kacb den 
letzten Kachri('hten schreitet die Heilung rü«tig fort. Sobald 
«eiu Zuatand es erlaubt, wird er rieh nach Chile beg(-b(ni. 

La Flata. 4. Januar 1903. It. llauthal. 



•>— K. SueT« über die Kin teilnng der beifsen Quel- 
len. In ««inom Vortrage über heiDc Quellen (Verbandl. d. 
Oo*cll«ch. dculfch. Naturforscher u. Ärzte, 74. Vor«., I9ni, I90:i) 
kommt K. Huef» dazn, im ganzen etwa fünf Uruppen \on 
Quellen ülierhaupt zu uot«'r«cheideQ. Die urMen «irid die 
gewY>bnlichen «üfsen Triiik«|uellen, ni<'>gen «ie nun Hoch- oder 
Ticf(|uellen »ein. welche ungefähr mit der mittleren Boden- 
temperatur entspringen und eine gröfserc oder kleinere Meng« | 
von KarlHumten al« ihren Hauptbestandteil fiihrcn. Solche 
Quellen Verwendet man zur Howniuwrung ilnr Stkdiu. Die 
zweite üruppo bilden ebenfall» vad<w, glcichrall» mit der 
KMleutemperatur entspringende Wüsser, die durch eine be- 
sondere HinerulisntJon ausgezeichnot rind, wie diu Jodwk9s«.>r 
von Hall und Darkau und die Bitterwasser von Said»chntz 
und Büllna. Die dritte Gruppe rind die Wildbüdor, nämlich 
vadoee Thermen, welche ihre böheru Temperatur dem untor- 
irdischuii Ansteigen der Oei»othermen und dem oft beträcht- 
lichen Höhenuutemchied zwischen Speisung und AuHtlufs 
verdanken, wie Bonnio und Häfers. Sie enthalten meistens 
nur wenig gelöste ffdte Bestandteile; deshalb bezeichnet uian 
die Wildblder zumeist als indifTerenie Thermen. Boi Gastrin 
ist die Frage nach dem Zutritt juveniler Wüsaer unent- 
schieden. Die vierte Qrup()« besteht aus juvenilen Quellen, 
nicht schwankend in der Jahrea/ett in der Taiuperatur, dabei 
aber alle Wanuegrade umfassend, bald indifferent wieTcplitz, 
bald schwach niincralisicrt mit geringen Mengen von Glaulier- 
»alz, Kochsalz und S<xia, bald hoch minoralisiert wie Marien- 
fiad und Karlsbad. Alle die«o «tehun ontwoder in direkter 
Verbindung mit Quarz oder hal»en «elb»t in ihrer ITmgebung 
llomstein abgesetzt; manchmal sieht man Flufspat, fast 
ütwrall Bar>'t , öfter Pyrit u. ». w. Die fünfte Gruppe um* 
fafitt die Bi^(M]Uellen, welche in Kuro(>a nicht vurtreten sind ; 
sie biideo den Übergang zu der stromboliscben Phase der 
Vulkane. 

— • Ausgrabungen bei Oo«er in Palästina. Der 
halbwegs zwischen Jeniaalem und Jaffa belegene Teil Dsche* 
zur lOeser) ist der bchauplatz von Ausgrabungeu des Palo- 
»une Kxploration Fund, die von Bt. Maculister geleitet wer- 
den. Aus einem Briefe an das .Athenäum* ist zu rutnehmen. 
dafs die unterste aufgedeckte Bcliicht, die voramnntische, 
Höhlenwohnungen mit Topfswhorlwn und (ieräten au« Feuer- 
stein oDthüllt hat, deren Alter bis iu« Jahr '.'3uO oder gar 
3000 V. Cbr. zurilckreichen »oll. Über dieser ältesten Schicht 
liegen zwei andere mit Kosten au« am«>riti»cln-r /«‘il. Zu 
erwählten eind davon eine aus der Zeit der 12. Hgyptisebeu 
Dyna.«tie stammende Stele mit Uioroglyphen und — inmitten 
eine« Tcmpeiplatzcs — acht Monolithe von 1,3 bi« 3 m Höhe, 
von deticn einer aii'whtdnend durch Abreilien und Küssen 
hervorgerufene .Verehrungsspuren* zeigte; darunter bofandeu 
sich sichGefttfiie mit Kinderknochen, »o daf» hier .Nfugclioreiie 
geopfert «ein dürften. Zwei weitere Hchiehien gehörten der 
jud^hen Zeit au, die eine der vorexilischen, die andere der 
nachexilischen, und ergaben die Spuren zweier Städte. 



— Eine Neuaufnahme des Canons des Colorado 
i«t von der Geoirtoical Burvey der Vereinigten Staaten be- 
wirkt worden, und eine Kaite grofsen MafMUf>e» darüber 
wird vorbereiteU Die Grürsenrerhältnisse de« Caüoii sind 
d(*r (legemttand häuÜgtT Meitiung«venichiedenbeiten geweaen. 
Dir Durchschnittsweite von Hand zu Hand übersteigt auch 
im Kaibab, dem breitCMten Teile, nicht lükui, uud häuflg 
geht sie auf 1.3 kni zurück. Der Klufs verläuft iu einer Kni- 
femung von 1.3 bis 3 km vom Südraude. Was die Tiefe des 
Grand Canon anlaugt, so ergab bei dem 2090 m hoch ge- 
legenen Bright Angtd'Hotcl die Wurf leine eine um 1330 m tiefer 
gelegene Hochwassermarke des Fiuase»; der höchste Punkt 
auf dem Biidrande i»t da« 2283 m hoch gelegene Grand View- 
llotfd, e« liegt 1490 m über dem Flusse. Der Nordmnd »tolgt 
um .300 bi« 3ü0 m hiVher als der Sfidrand an und hält »ich 
im Durchschnitt mehr aD 1600 m über dem Wasser, »teilen- 
weise auch ISUOm. Die Messungen, au» denen diese Zahlen 
ew-onnen wurden, waren die enden, die bis auf den Gnind 
er Schlucht geführt wurden. (Bull, of the .\meHcau Oeogr. 
Büc. 1902, 4.) _ 

— l>a» Februarheft de« Goographteal Jounml von 1903 
bringt ciue Karte (l:3O0OU0) von einem Teil der zum 
Ugandaprotektorat gehörigen Kilprovinz, welche auf Yor- 
atilassung Harry Jobnston«, des ehemaligen Gouverneur« von 
Uganda, v<»n Slajor Delmö Badcliffo 1901 angefertigt 
worden ist Hie umfafst den Bnum zwischen Duülu und dem 
Albert Nyansa und zwischon den «üdwesUichen Ausläufern 
d<äi Latukugebirge« und dem Viktoriauil bis xnr Mündung 
des Kokolle, oberhalb von Foweira. Sie ist im Grunde ge- 
nommen eine Koutankarte mit ausführlicher, aber eng be- 
grenzter Terraindanstcllung in den westlichen, mitGercn und 
nordöstlichen Particon, und ohne Terraiueinzcichmiug in dem 
umfangreichen «üdi'istlichen Teile, in welchem nur da« weit- 
verzweigte Fiufsnetz, eine grofse Anzahl von GrÜichkeit4m 
unti einzelne hervorragende Kuppen eingetragen wurden. 
Die Karte, sehr reichlich mit Höh«n()Uot«n anngestattet, bil- 
det daher mehr eioo gewifs rocht wert«'olle Ergänzung, 
al» einen Ersatz für die beiden bereit« vorhandenvu Karton 
von Kinin Pa»cha (Petermamis Mitteilungen, 1382, Taf. 12 
und 13) und von Maj(tr Macdonald {Map. uf Uganda, War 
Ofticc, 1900). Wahrend letztere ein in Zusummenbang ge- 
brachtes Terrainbild bieten, bekommt mau bei BadcHffe kei- 
nen Einblick in die Bodengestaltung jener Gegenden, welche 
zwisclion »einen meistens von Kmin« Houten abweichenden 
Wegstrecken liegen. 

Neu und besonders rühmenswert ist bei BadcllfFe die sorg- 
fältig gen.*iue Aufuahme d«»» NÜstrom« zwischen DuÜIe und 
dem Albert Nyanna, du* Erforschung de* Obt-rinufe» de« As- 
suan (bi» östlich vom .3.3. lAngengrad und bis zu 2’ 3t/ nördl. 
Br.) und de» Kokolle, welcher, »Odlich von Foweira mündend, 
bisher nur auf einer kurzen Strecke als Lienga bekannt war; 
endlich die Mappierung des bisher kaum erkundeten hydro- 
graphischen Netze« zwi>cheii Fatiko, F«jwcira und dem oberen 
Assuan. B«<lcnklich dagegen dürfte erscheinen, dafs HmIcUffe 
die von Kmin Pascha herrührenden Benennungen von manchen 
, Ort.«chuften uud Flüssen auf die Beitu geschoben und dafür 
I neue eiugeführt oder fast unkenutUeb verändert hat. Kmin 
! war doch in eminentem Grade der nilotiacben Bpraebe mäch- 
tig uud hat mit Gewi«»«ubuftigkeit die ricbtig«t6, laudes- 
übliche Bt-xoichnung au.sgewählt. Kadcliffes Verfahren köiiut« 

I übrigiuis dadurch erklärt werden und gerechtfertigt sein, daf« 

I iin Laufe von zwei Jahrzehnten diu Aussprache einzelner 
' Namen und die Ortsbezcichnung selbst eine andere geworden 
ist. Störend und vurwirrend aber wirkt jcdi-nfolU, daf» in 
M-hr vielen Fällen (alwr elien nicht in allen l) Ja» F der 
alten Benemittiig iu ein P verwandelt wurde, also: Fabo, Fa- 
Jjulli, Fajii-a u. s. w. u. s. w. in Pabo, Pajuli, J‘ayera. Kine 
Begründung dafür gieH Harry *lohii»Uju in einem kurzen, 
der Karte boigofiigten Artikel; inwiefern diese, stichhaltig 
ist, ini'gt-u die Philologen der innerafrikanuchen Sprachen 
entscheiden. 

Nach dieser ein;:ehcoden Würdigung der gewifs höchat 
verdienstvfilb-n Arb.'iten Hsdeliffes m(k;htu ich mir erlauben, 
die Vurüicnstu Kmin Paschas um die Kartographie der NU- 
provinz gegen die »telb'iiweise etwas geringschätzigen Be- 
merkungen in Harry Johustoiis Vorwort in Bchutz zu nehmen. 
Bio QuinteHiwnz deiwelben lautet: .Niemals ist vor Hndcliffe 
die Nilprovinz »yidematiwh mappiert wonlen: keine der 




228 



Klein« Naohriohten. 



fräberen kertopraphiicben Aufnabiupn, auch di« nicht von 
£miu l’aKha , btMitzt dun Charakter der Uenauigkeit. £• 
^ab bis l(<90 keine positive KmiitUtia weder der Geographie 
der Gegenden ni'irdlich dea Viktorianil, noch aber die Kxi- 
stenz und den l*auf der k’lÜMte, über die Hübe und Lau« der 
Berge. Zum emtenmal wurde v«m Kaddiffe der MitteUnuf 
das Assuan und des Kokolle fest niemand unterzog 

sich früher der Mühe, die Strecke des Nils zwischen DutUe 
und dem Albert Nyaiixa mit nur annähernder Akkuratesse 
uufziiuehmen.” 

Vollkommen richtig in diesen Bemerkungen ist das. was 
über den Assuan und Knkolle gi^gt ixt; auch das, was die 
Gegenden nördlich des Viktorianil betrifft, tmb'r der bo- 
■chränketideii VurausneUung, dafs di« Mangelhaftigkeit der 
g«i>gra|>hUchen Kenntnis sich nur auf den südlichsten Teil 
der Nilpmvinz (zwischeu Fatiku, Koweira. KokoUo und As- 
suan) bezieht 

Allein der Gesamtheit von Kinin Paschas Kartographie 
Bjatciulmigkeit und rtigenanigkeit bis zum Grade der Un- 
brauchbarkeit Torzuwerfen, dünkt mir doch etwas zu weit- 
gehend, und Johnston ist sicherlich der letzte, der eich Jenen 
Vi.>rwurf erlauben kann. Wohl sind Kmiris OiielM'stitmnungen 
keine a.‘<troDumi8chen ; sie rusuUierUm aus Itineraraufnahmen, 
welche naturgemäis nicht dun zu^erlä-ssigen Wert lneMt^en 
wie die mit den besten wisaenschaft liehen Instrumenten aus* 
geführten. Und deunuch stimmen seine FosiGonsbeatimmun* 
gen Ton drei der wichtigsten Örtlichkeiten, nämlich Bußie, 
ratiko und Fadibek, mit jenen von Bndclitfe bis auf wenig« 
Minuten Obtrein; nur in Bezug auf Wa4lelai Iwsieht ein 
wesontlicher Unterarhi«!. In den Hihaniiuoten kann man 
ebenfalls nur geringe Differenzen entdecken. Vollkommen 
gleich erscheint beiderseits der Lauf desAteppi, Unjam'' und 
KJuppe (oder AyugeX ^'as die erwähnte Nil«trccke WtiHlTt, 
•u hat schon Eiiiin ,die secartigen Erweiterungen* kenntlich 
gemacht, wenn auch nicht sn> detailliert ausgefuhrt wie Had- 
cltffe, und die bedeutenderen Windungen des Stromes mit 
unveränderter Sicherheit faxtgelegt. Man kann daher nicht 
behaupten, der Nil zwischen Duüle und dem Albert Nyansa 
sm vor Badcliffe noch nie ,iuit nur annähernder Genauig- 
keit* mappiert worden. 

ln wlNsenschaftlichen Kreisen wird man Kadcliffes Arl>eit 
mit Dank und Anerkennung begrüfsen, ohne dabei die Ver- 
pflichtung zu fühlen, den grundlegenden Ja-istungen Kmin 
Paschas die gebührende Wertechätzung schmälern zu müssen. 

Drix Förster. 

— Mylius Erichsens Westgrönlandexpadition. 
über die im Summer ausgegangene dänische Grünlandexpc- 
ditiun Mylius Krichsens sind in den Zeitungen einige Mit- 
teilungen verTiffenilicht wonteu. Das Bitidium der >>kisios 
gehört zu den Hnuptaufgaben d^r Unternehmung, iiinn hat 
denn anch In ihrer GeeelJschaft in den Fjonlen der Gegend 
von Uolstenburg fleifsig ge»’gelt und gejagt. Aufsenlem sind 
zwei Versuche zur Besteigung des Inlnudi-ises unternommen 
worden. Der vrsU* wurde vtnn innerxten Ende des Godthaab* 
^ords aus gemacht, in den der rjamgssuitgletschcr münilet, 
scheiterte jedoch an der Unnahliarkeit der Felsen. Der zweite, 
erfolgreichere Versuch ging von Sukkertoppen aus und führte 
den Sermiiioguakfjord hinauf, in den ein Ausläufer dos lii- 
Ismdeiss's hineinreicht. Je weiter man auf dieaein cjiiiwrklomm, 
um so rauhnr wurde e«, di« ganze Olierfläcbe war von Kt>alten 
durchschuitteu und von Graten und Hptt/eii durchsetzt. Unter 
grofsen Kchwierigkoilen erreichte Krichsen den Gipfel eines 
kOO iu Ulier dem Meere liegenden Nuimiaks, von dem ein 
Umblick eine Verlwsserung der KarU-n gastattete. Unter 
anderem ergab sich, dafs das kObis lOO km weit« Eis zwischen 
dum Südwortokfjord und dum Kvighodsfjord von demeigent* 
liehen InlMiuhds iin Osten durch ein niwlrigcres Land mit 
Keeu und Flüssen, die ihr Wasser vom Inlandeis« erhalten, 
g«wchie«leu ist. Nachher fand Erichaun auf einer Ktswan- 
derung von der bpitze des Kvighetlsfjords. dufs die Kismaase 
zwischen dioeem und dem Simdrs 8trömfjord vom eigentlichen 
Inlandeise durch zwei Bethen von Niinataks getrennt wird, 
die zwei nufainamler folgend« Bergketten hihlou; auch ilas 
fehlt auf den bisherigen Karten. Von llolstenliorg gedachte 
die Ezpedition sich nach Egodesmiiide zu Iteguben, ihrer 
nächsten HtaGon auf dem Wt^ mich ihrem Wintenjuartier 
an der Melvillebai. 

— Maurioesuiid MurraysKeiMedurch den Austral- 
kontinunt Nach einer hlitteilung de« „Adelaide Oliserver* 
halwn K. T. Mauricu und W. K. ^iurray, die schon 1001 von der 
Fowlerbai ein btuck ins innen* Hüdaustraliaus vorgvdrungen 
Waren, im vergauguneo Jiilir dun Australkontinent von neuem 



in sildnördlicber Kichtung durchquert, und zwar westlich von 
■1er bekannten übvrlamlroute. Ausgangspunkt war wieder- 
um die unter IStl" flu' östl. Ix Itelegeue Fowlerbai. Man ver- 
liofs sie im April 10U*J mit 14 Kamelen und zog über üoU- 
i'inna. einem schon auf der ersten Ex|>editioD erreichten 
Wasserloch (Uutdabinna der KarttinT), zur PIverardkett«, wo 
man unter Bchwierigkeiten einiges Wawur faml. In der 
Nachbarschaft ftcl auch der erste und einzig« Regen während 
der Unternehmung. Die Gegend an der Musgravekette be- 
fand sich iu traurigerem ZuBtand«, als jumals zuvor von einem 
Ileisenden berichtet worden wai*. Nachdem man jenseits des 
Musgravegebirges eine audur« rauh« und steil« Kette über- 
schritU'D hatte, gewann mau Op^riuna, wo die Gueltu noch 
si» stark flofs wie im Jahr vorht-r. Hier fand man in die 
Kind« ciue« Baumes den Namen „J. I^ainb* eingeschnitten, 
doch ist nicht bekannt, w-er dieses Namens je in die Gegend 
gekommen wäre. Aufserdem wurde gegen die Petermann- 
kette hin sduiges zu Tage tretende G«dd bemerkt. Etwas 
südlich vmu Amaduus*<»e traf man auf ein Wasserloch und 
iu der Nähe auf die Spuren eines «ehr alten langen. Da der 
Gruud des Amadea-oa-es »ehr wvieh war, i.-mchi«n es nicht 
ratsam, ihn zu durchschreiteo, und mau verfolgte ihn daher bis 
zu seiner Westecke. Bei Giles* Creek stiefs man auf ein sehr 
ergiebiges Wasserloch, dessen Inhalt auf eine Million Gallonen 
gcKchäut wunlu; di« Berge Lyell Brown und Russell öetUch 
vom Macdonaldiw«. die 13 Jahru vorher Tietkins gesehen 
und lienaniit, aber nicht btwucht hatte, waren dürr und öde. 
Bei Eva Bprings, nordi>sUich davon, stiefs man auf Warbur- 
toiis Route : Spuren der Anwesenheit ilieses P'orschers wurden 
noch vorgefunden und in dor nahen Treuerkutte zwei Quellen 
entdeckt. Am Mount BinglcUm (23* südl. Br.) sah man eine 
»Itcinorkenswert« Höhle*, und nach eiueui Marsch durch öde 
Wüste erreichte mau I>r. Davidsuue Weg. Die Weiterr«i»ä 
ging über Hturts Creek nach W'yndham am CambridgegoLf. 
IMe Route der beiden Kngläutlar führt vielfach durch neues 
Gebiet, wie ein Blick auf die Karte lehrt, und ist von Murray 
aufgenommuu worden. Aufserduiu sind Ueulogiu, Ethnologio 
und ZiKjhq^ie gefftnlori worden. V«*n interussantun Ein- 
gcborcnen/eichnungen toVdlich der Musgravekett« und an 
Ayars Rock in der Gegend der PetunnannkuUe w urdeu Kopien 
augefurtigt. Da das Jahr aufserordentlicb trocken war, so 
ist anzunchmeu, dafs die angutruffeiien Quellen, soweit sie 
Wasser cnthiultcD, dieses dauernd geben. 



— Deutsohlands Eindringen in China. In einer 
der letzten Nummern des „Mouv. gf^^rgr.* flndet sich ein mit 
„Jacobe' unturzeichuvler Artikel .La (H-nciration allemande 
en Chine*, dem wir einige Katze entnehmen wollen. Esheifirt 
dort; Noch vor wenigen Jahren waren in FetsebiU deutsche 
Finnen rar, heute uohmuu sie den ersten Rang ein und 
kämpfen «rfoigretch gug<:n ein« Konkurrenz, diu um so 
schwerer zu lamiegen ist, als jene Firmen es mit bestehenden 
Gewtihnheiten zu thun hatten. Von jeher brachten die euro- 
paischun ilaudelshäuser eine Ma.««e der verschietlensteu Waren 
auf den Markt, die die Chinesen mangels einer Koukurreuz 
Mu/unohiiiuri genötigt waren ; sie luihou sich deshalb auch 
gezwungen, hier und da ihren G««chmack danach einzurichlun. 
I>er (Turne« aber ist darin bekanntlich n«hr konservativ, und 
di« Deutsclieu haben sich danach gerichtet, die Wege ihrer 
eurufkäischen MitWwerlter verlassen und diu Konkurrenz mit 
der chiuosischuD Industrie sellHt aufgeuommen. Die Repri 
svtitHiitun des deutschen llanduis «ind mit leeren Händen 
gekommen, hftl>«u di« Erzeugnisse der chinesischen Industrie 
gesnmmcit, sie nach HauM] gesH'liickt und lassen nun dort 
genau nach Muster ganz chinesische IVislukt« bersfellen. 
Weder Engländer noch P'ranzosen hatten das versucht, die 
Iteutschcn aiwr stellten nun Keide, BauniwoHeogewelie, Kchuhc, 
Porrelluiivasen her. die genau so anssaheu, als waren sie in 
(Tiitia und von (’hinesoii fabriziert. Kie haben aufser- 

(leni Ibnge auf den chitmsittcheii Markt gebracht, für dereu 
Herstellung Knglaml ein M<iDO|K)I zu hNlM’ti glaubt«. Wenn 
dio von dun Dutitschen uingeführten Plr/euguiase dem chine- 
sischen Geschmack nicht behagen, so gelten sie ihnen nach 
Möglichkeit ein chinesisches Aua«ehen ; sie statun z. B. ihre 
Petro]«nmlam|»en mit Drachen und chitiosischen Buchstabeu 
aus und bringen auf dem (ilas derselben eine chinesische 
Mitrk« an, die dem Käufer vertraut ist. Die deutsche Industrie 
bietet sogar der japanischen die Hpitze, trotz des liet rächt liehen 
Unterschieils der Arlkuitslöhne in lieiden (.iitudem. Es fehlt 
Ja|ian der richtii:« llandclssinn, so dafs es niemals reüssieren 
wird, wo es sich gewandten lasuten gogonüber beflndut. Aller- 
dings ändern auch die Konkurrenten der DeuUehen nach 
deren Vorbild ihre Taktik. 



Veranlwortl. Ht^sktrur; H. Singer, Uerlin NW. 6, Schill Lauurdsnmi 3<1. — Druck: Friedr. Vleweg u. Sohn. Itrsuiuchereig, 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE. 

VEREIHIOT KT DK» ZEITSCHBIFTE» : ..DAS AUSLAKD" DND „ADS AUEN WELTTEaEH“. 
HERArSGEGEBE» VON H. SINGER l-NTER HE.SONDERER MIT%mKl’NG VON Prok. Dr. RICHARD ANDREE, 
VERLAG VON FRIEDR. VIEWEG * SOHN. 

Bd. LXXXni. Nr. 15. BRAUNSCHWEIG. l6. April 1903. 

NkCbdruck aar aacb Cbarfilnkocft aüt der Verlmebuidluag feetatial. 



Dr. Karl v. Scherzer t. 

Von W. Wolkeubuuor. Breoien. 




Am 20. Februar d. J. iat der österreichiacbe Diplo- 
mat Karl Ritter t. Scherzer« der aich zuf^leicb als Welt- 
reUender uud SchriftHteller eines hoch angesehenen 
Namens erfreut« im 82. lAekensjahre in Oörz gestorben. 
Der „Globus" er- 
füllt nur eine Kb* 
renpflicbt , wenn 
er dem um die 
Linder- und Völ- 
kerkunde BO hoch 
und maunigfacb 
verdienten Mann 
ein Wort des An- 
denkens widmet. 

Karl Scherzer 
wurde am 1. Mai 
1821 zu Wien als 
der Sohn eines aus 
der N&he von 
Nürnberg einge- 
wauderteu prote- 
stantischen llQr- 
gers geboren und 
widmete sich zu- 
erst dem Iluch- 
druckgewerbe. 

Über zehn Jahre 
gehurte er diesem 
Berufe auch an 
und lernte wah- 
rend dieser Zeit 
nicht nur „Setz- 
kastenleid und 
Winkelhaken- 
pein", sondern auf 
weiteu Wander- 
fahrten auch die 
bedeutendsten 
l>mckereien in 
Leipzig uud Ber- 
lin« in Süddeutach- 
land« Belgien und 
Holland, in Paris 
und London ken- 
nen. Nach Wien 
durch schwere Fa- 
milien - Hreignisse 
zurück gerufen, 

Globs» LXXXIII. N 



widmete er sich iu den Jahren 
den nationalökonomischen und 
trug sich, nachdem er auch eine 
handluugshaus geleitet hatte 



Karl T. Hcherzer. 

Ksch eiorr von (IvmnJiHsIlplirrr A. Kls»»ert in KichrUtadt 
sur VprfQgung griurlltro Rhoto^a|>hir. 



1843 bis 1646 eingehen- 
linguistischen Studien und 
Zeitlang ein Wiener Grots- 
mit dem Gedaukeu, Wien 
für immer zu ver- 
lassen und sich in 
Kngland niederzu- 
lassen. Da kam 
das Jahr 1848; 
die Buchdrucker 
Wiens gewannen 
Scherzer zu ihrem 
geistigen Führer, 
und dieHer grün- 
dete den Guien- 
bergverein, dessen 
Zweck uud Ziel 
die Verbesserung 
der materiellen 
Lage und die För- 
derung der gei- 
stigen Bildung 
seiner Berufsge- 
nossen war. Wegen 
dieser Bestrebun- 
gen und seiner von 
der Zensur lange 
unterdrückten 
Schrift „über das 
Armtum" von der 
Reaktion und der 
Polizei verfolgt, be- 
gab sich Scherzer 
wieder auf Reisen, 
und zwar wegen 
eines IlalHieideus 
nach der Riviera 
und nach Meran. 
Hier traf er mit 
dem bekannten 
und vortrefflichen 
Naturforscher Mo- 
ritz Wagner zu- 
sammen, eine Be- 
gegnung, die für 
die ganze weitere 
I.^bensl>ahn Srher- 
zers entscheidend 



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Hr. Karl v. Soberzer +. 



wurde. In Gemeinschaft mit Wagner bereist« er mm 
TQiD Frühjahr lHr»2 bis dahin 1H55 die Vereinigten 
Staaten, Mittvlumerika und auch Westiudieii und ging 
dann, uachdeui er aurückgekehrt, sofort au die Bearbei- 
tung seines reichen und vielseitigen Reisematerials. Aufser 
seinen (zum 1'eil mit Wagner gemeinschaftlichen) selb- 
ständigen Werken „Keisen in Nordainerika** (S Hde., 1854), 
r,I>i« Uepuhlik ('osia Kica** (1856) und „Wanderungen 
durch die mittelamerikuniscben Freistaaten Nicaragua, 
Honduras und San Salvador“ (1857) schrieb er auch für 
Pesclicle „Ausland“, die Augsburger Allgemeine Zeitung 
und die Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissen- 
schaften eine Ueihe wertvoller Aufsätze. 

Hiordurch lenkte er die Aufmerksamkeit des Minister» 
ilruck auf sich, und von diesem dem Krzberzog Ferdiuund 
Max empfohlen, wurde Scherzer nun berufen, an der l»e- 
rühmten Weltumsegelungsfahrt der Fregatto „Novara“ 
von Knde April 1857 bis Kode August 1859 als wissen* 
schaftlicher Begleiter für die Fächer der Kthnogruphie, 
Nationalökonomie und verwandter Zweige teilzuuehmcn. 
Scherzers „Beschreibender Teil“ dieser epochemachenden 
Reise (Wien 1861 C2, 6. Auft, 1876) hatte einen in der 
Geschichte de» BuclihandelK geradezu bei»piell<^n Krfolg 
— 29000 hhcemplare w'urden verkauft — und fand hohe 
Anerkennung^ er wurde in den erblichen Kitterstand er* 
hoben und im Jahre 1866 in das von dum ehemaligen 
Befehlshaber der „Novara“ geleitete Haiidelsiuiiii^terium 
als Ministerialrat berufen. Als Leiter des baudelspoliti- 
Hchen und wissunechaftlirhen Dienstes der k. und k. Mis- 
sion nach Ostasien und Südamerika trat Seberzer im 
Jahre 1869 seine dritte Weltreia« an und war in erster 
Linie an dem raschen und vorteilhaften Ab»chlufa von 
Handelsverträgen mit (’bina, Japan und Siam beteiligt. 
Im Auftrag« der österreiobwehen Regierung gab er die 
„Facbmuunischun Bericht«“ überdies« Ex|a*dition (Stutt- 
gart 1872) heraus. 

Von 1872 an bekieideU^ K.v. Seberzer den wichtigen 
Postou als üeneralkonsni in Smyrna, und wio fruchtbrin- 
gend «ein Aufenthalt dort für die Handelsgeographie war, 
bewies diu gelegentlich der Wiener Weltaus-Htellnng ver- 
öffentlichte meisterhafte Monographie „Smyrna, mit be- 
sonderer RüdcHiebt auf die geugraphiseben , wirUchaft- 
lichen und intulluktueiien Verhältnisse von Vorderasien“ 
(1873). im Mai 1875 ging Soherzer al» Generalkonsul 
nach London und fand in dieser Kigen»chaft die Gelegen- 
heit, dem Kronpriuzeo Rudolf auf einer Reis« durch die 
britischen Indu-striobezlrke als Ffihrer zu dienen. Seine 
auf dioaur Heise gemachten Studien legte or in seinem 
intcre».>tunten und lehrreichen Buche „Wellindustrieen“ 
(Stuttgart 1880) nieder. Vom Mai 1878 bis -\pril 1884 
war Scherzet Generalkonsul in Leipzig; in diese Zeit fallen 
zwei kleinere wertvoll« Arboilen: „Die deutsche Arbeit 
in fremden Erdteilen“ (Leipzig 1880) und eein begei- 
sterter Panegyrikiis „Die Buchdruckerkuu!«! und der 
Kultnrfurtschritt der Menschheit“ (l«eipzig 1882, ii« .4.n- 
»chluta an die am 24. Juni 1882 gehaltene Fehtred« zur 
Vierhusdertjahrfeier der Einführung der Buchdrucker- 
kunst in Wien). Seine letzte amtlicbo Stellung ul« Ge- 
neralkrinsul hatte Seberzer 1884 bis 1896 in Genua; 
während dieser Ze.it Tcröfientliohte er sein grolsartigea 
Lebensw-erk „Das wirtÄchaftliche Leben der Völker“ 
(Leipzig 1885), in w ulchem er das seit seinen Weltreisen 
hinzugekommene statistische und volkswirt-scbaftliche Ma- 



terial bearbeitete. Schon 1864 hatte er auch den „Sta- 
tistisch-kommerziellen Teil“ der Novara-Ki:pedition(2 Bde. 
Wien 1864; 2. Aufl. unter dem Titel: Statistif'Ch-koua- 
merzielle Ergebnisse einer Heise um die l'irdo, Leipzig 
1867) bearbeitet, von dem da.« genannte Werk eine Art 
Fortsetzung und Ergänzung bildet. 

Von seinem Kaiser hochgeschätzt — er erhielt Titel 
und rharakter eines k. und k. aufserorduntlicheu Ge- 
sandten und bevollmächtigten 3Iinister» — und von König 
Ilmnbert mit dem GroLkreuz der Krone von Italien ge- 
Hchmöckt, zog sich Seberzer im Jahre 1896 aus dem 
Staatsdienste zurück und lubtu meist in klösterlicher Ab- 
geschiedeuhflit auf seinem Tuskulum Görz, mit unermüd- 
lichem Eifer noch immer der Wissenschaft sich widmend. 
Noch im Jahre 1899 imternahin der hochbetagte Forscher 
eine Studienreise nach Buenos Aires, um von hier aus 
Südanierikn zu durchqueren und sich dabei an Ort und 
Stelle über den Stand der Kokagewinnung in Boiivia und 
Peru zu uiiturrichtuii. Es sei hier nämlich noch an ein 
wichtiges Ergebnis «1er Novararciso erinnert: S*-herzer 
stellt« der deutschen WisKensebafi die ersten gröfsere« 
Mengen Kokablätter zur Verfügung, wodurch die Dar- 
stellung des Kokains im Wöhlerscheii Laboratorium in 
(iötiingen ermöglicht und seine Einführung in die Heil- 
kunde und den Welthandel angebabnt wurde. I<eider 
wurde die Durchquerung Südamerikas durch die ungün- 
stige Witterung vereitelt. 

Es ist nicht unsere Aufgabe an diesem Orte, ein voll- 
siändtgf's Bild von dem merkwürdigen Manne, der sich 
wie Franklin vom Setzerlehrling zum Minister empor- 
arbeitete, zu geben ^), «onderii ea gilt hier nur, auf «eine 
Bedeutung für die Länder- und Völkerkunde in einigen 
grotsen Zügen hiuzuweisen; es seien daher nur noch 
einige hierher gehörige Beiträge erwähnt, nämlich: „Aus 
dem Natur- und Völkerleben im tropischen Amerika“ 
(Leipzig 1864), di« Berichte über Welthandel und Ver- 
kehrsmittel in Bebm-W'uglicrs Geographischem Jahrbuch 
(Bd. t, II, VII u. VHI) und die Biographie seines Freun- 
des und Reisegenosseii „Moritz Wagner. Ein deutsche« 
Foracherleben“ (Stuttgart 1888). Mit Kecfai war deshalb 
das 1899 nach 50 Jahren von der philosophischen Fa- 
kultät der hessischen Landesuniversiiät (Üefsen erneuerte 
Doktordiplom K. v. 8churzer^ gewidmet „dem Manne, 
der die Länder Amerikas, die eiitlegeusteu Gestade de« 
Orients und entfernte Inseln auf langjährigen Reisen 
durchFors*cbt; der die natürlichen UeicbtumsquelleD der 
Länder untersucht, die Handelsverhältnisso erkundet 
und nuue, reich« (Quollen zur Forderung der Kenntnis 
der tdnge erschlossen bat; dem illustrtm Verfasher von 
Werken, in denen die Kultur und die Sitten . . . form- 
vollendet be.Hcbriebeii werden, dein im iutcruationaleu 
WollTorkehr aiifserordentlicb erfahrenen und um die 
Anknüpfung nützlicher Handelsheziehuiigen bestverdien- 
ten Manne“. 

Ein lange.H, ruichus und arbeitevollea Wander- und 
Gelehrtenleben ist mit dem Tode Karl v. Seberzers ab- 
geschlossen; al)er 

Wenn der I^b in Htnub zerfallen, 

Lebt der grofse Nnme noch. 

Die Deiiage zur Allgemeinen Zeitung (IHOI, Nr. lül) 
brachte zum 80. (»eburtstago Schoner« ein au«geführton*s 
Ijelteitsbiid von A. Bergsträrser; ebeutiu die Leipziger Illu- 
strierte Zeitung vom 4. Mai 1901 vod Adam Klassert. 



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P. Thome: Oie Götzen sm Kilimandzeliaro. 



231 



Die Götzen am Kilimandscharo. 

^on P. Thomd, Sp. Apost. Missionar in Kiboechu (KiiimandKcbaro). 



Seit mehr denn 20 Jabreu int Hah Gebiet des Kili* 
uiandzobaro von Huropäeru bereist und bewohnt. Viele 
haben Sitten uu<l Gebräuche der Wadschagga, des 
tapferen, kräftigen Volküstammes am Berge, eingebend 
beschrieben, und jeder Forscher hat die Frage» ob die 
\Yadfichagga Götzen hnWn und denselben Opfer dar- 
bringen, a<mel ich woifs, entweder verneint, oder sie 
gar nicht erwähnt. Bukaiiut iet» daf.*! die Wadsebagga 
geweihte Bäume haben, unter denen sie mit Vorliebe 



diener sind, und dafs je<ler Mangi (Häuptling) am Ihjrge 
wenigstens einen Götzen in seinem Bereiche hat. 

über die Auffindung des ersten Götzen will ich 
genauen Bericht geben, weil die Frage von der höchsten 
Bedeutung ist und Aufklärung giebt, warum die einzelnen 
Häuptlinge einen su grofsen Kinflufs auf ihre Unterthanen 
aiisübeu und warum seiner Zeit der Aufstand gegen die 
Heutschen am Berge und die Verschwöimng sich im 
geheimen bis nach Aruscha hin auadehnen konnte (die 




Abb. I. 




Abb. 2. 



Abb. I. Der zuerst aufgefundeiie Götze beim Häuptling Leslo. Nstfirlkhp Oröf». A Mund. U OpferrioK 
SU« SrhAffnl). C UuasDeorindc. — Abb. 2. Götze aus 4er Laudschafl L'ru> A Stück aui Hnnniienrinde. 
ß Sclitfr«Uring vom IcUlen üpfvr. C, C Aagrn. 



ihre Opfer darbriiigeu. Bukauut ist ferner, dafs die 
Wadschagga eine grotse Furcht vor den Warumu (bösen 
Gei.Htern) haben, denen sie Opfer darbringen; aber 
keinem Forscher ist es gelungen, zu beweisen, dafs das 
Gebirgsvolk Götzen hat. Mit meisterhafter Geschick* 
lichkeit haben es die Schwarzen verstanden, ihre Götzen 
vor den Kuropäeru zu verbergen und von ihnen keine 
Erwähnung zu thun. Dies ist um so mehr zu ver* 
wundem, wenn man in Betracht zieht, data der Kill* 
mandscharo von vielen Häuptlingen beherrscht ward und 
wird , die voneinander unabhängig sind , und die in 
beständiger Fehde lebten. 

Anfang September 1902 ist oh mir gelungen, den 
Nachweis za erbringen, dafs die Wadnehagga Götzen* 



Waaruscha haben diesellxtn Götzen wie die Wadschngga). 
ohne dafs die am Berge wohnenden Europäer die mindeste 
Ahnung von der drohimdun Gefahr hatten. 

Vor etwa 2 Monaten kam Kindolo, ein Mann aus 
Kiboscho, in aller Eile zur Mission gelaufen und stam* 
roelte zitternd die Worte: „Mangi akapiga nungii dyuu 
Vangu**, wörtlich: „Der Häuptling hat ül>er mich den Topf 
gfe>ichlageii.'' Dunkel war der Rede Sinn, und hum den 
weiteren Fragen konnten wir mir erfahren, dats der 
Häuptling auf einen Topf geschlagen und dafs diese 
Schläge dem Kindolo ziikomraen sollten. P. Dürr suchte 
den armen Mann zu i>oruhigtm, indem er ihm erklärte, 
dafs, Holange „di*r Häuptling nur auf den Tupf schlage, 
die Sache keine Bedeutung hätte**. Traurig und dun 



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232 



'■ Tbume: Die (tützi^a am Kilimaudaeharo. 



Kopf scbüticlnd vorllels der Schwanso dto — 

AU ich ÄDfaug September die verschiedoDen Schuleu 
der MUmIod besuchte und zum kleinen Häuptling Mringia 
kam, beklagte sich dieser, data sein Nachbarbftuptling 
Lesio, mit dem er nicht auf gutem KuUe steht, „den 
Topf geechlagen hutiu'^, daU seine Leute nichts melir 
dun Leutvn doa Mringia vorkaufun »oI]t4<n. Hier fiel 
mir das „Kuba nungu*' des zum Tode crschi'ockeuen 
Kindolo wieder ein, und ich bat, eine nähere Auskunft 
über den mingu geben zu wollen. Bestimmte Gewifsheit 
bekam ich auch diesmal nicht, nur das war mir klar, dafs 
der Häuptling einen eigenartig geformten Topf aus Thon 
habi^ der bei don „mauenos** (Gerichte der Schwarzen) 
eine groUe Rolle spielt. 

Tags darauf kam ich zum wilden Häuptling Lesio, 
der gerade, umgel>en von den Grofson «eines Reicbes, 
Ton einem seiner Unterthanen eines schweren Vergehens 
gegen das siclwnte Gebot beschuldigt wurde. Der Kampf 
war heits, und um eine Kntscheidung herbeizuführun , 
griff I.esio zum Radikalmittel: „Kaba nungu'*, „schlage 



s b 




Abb. s. Götze aus KIboscho. 

Natur!. GrüC»«>. n Vordenin»iihl. b S<‘iti-nan«<ichl. 



den Tojd“. Der .\nkläger ging auf diesen Vorschlag 
ein, und ein Akida rcrschwand sofort, um den geheimnis- 
vollen uuDgu zu holen. 

\\ äbrenddesseti war ich mit dem ZeltaufscblBgen 
beschäftigt und jubelte im stillen, doch endlich einmal 
den iiungu zu sehen zu bekommen. Jeden .\ugenblick 
iuuf»^te der Topf kommen. Der Ankläger sufs mit ver- 
störtem Gesiebte da und erklärte plötzlich und wider 
Krwarten, dafs er den Häuptling verleumdet habe; an 
seiner Auslage sei kein AVort wahr und er könne den 
uungu nicht schlagen. 

Ich begriff nun, dafs l>ei Streitigkeiten iler iiungu 
den Ausschlag gebe, al>er damit war mir nicht geholfen, 
und ich fürchtete, dafs der Häuptling einen Boten 
schicken würde, um doti nuiigu wieder an Ort und Stelle 
zu bringen. Ganz treuherzig bat ich Lo>io, dennoch 
den nuiigu kommen zu lassen, um ihn zu sehoii I)ies«^, 
über deu Sieg wie biTuu-scht, gab mir «las Jawort, ohne 
eiaie List zu argen. War es ihm auch ernst gemeint? 
Wirklich kam lautlos der Träger dos geheimuisvoUeu 
Topfe» zurück, legte einen in Rananenrinde gewickelteji 
kleinen (regrnstand in die Hände de» IliitiptlingH und 
spuckt« ein Masaaleblatt au*. Keiner sprach ein Wort, 



und Lesio, der Dnmmkopf, enthüllte daa „verschleieHo 
Bild^ un«l gab es mir in die Hand. Ks war kein Koch- 
to]if, sondern richtig ein Götze, in weiblicher Form, uue 
Thon gearbeitet, der uro den Hai» einen Ring aus Schaf- 
fell trug, der vom letzten ttpfur herrührte. Im Munde 
kuDiite mau deutlich Teile eingestopfter Xahrung be- 
merken. Kaum hatte ich Zeit, mir diesen seltenen (th- 
gcustniid genauer aiizuaehen, ab der Häii{*tling ibu 
wieder einwi4^keln und nach Hau^e befördern wollte. 
Wahrscheinlich butte er bemerkt, daU er eine Dummheit 
begangen iiatte. Sollte ich seiuem Wunsche willfahren? 
Das ging nicht Der Götze war in meiner Hand, und mu 
keinen Preis wollte ich mir die Beute entwischen lassen. 

Was jetzt vorging, ist kaum zu beschreiben. Lesio 
gebärdete sich wie ein Kind, warf sich vor mir auf die 
Kniee nieder und rifs sich fast seinen kleinen Bart aus, 
was die dringendste Bitte bei deu Wadsebagga bedeutet. 
Kr weinte und rief ein über da« andere Mal au«: „Danke, 
dunku, gieb mir deu nungu zurück, ich sterbe.“ Die 
Szeiio war steinerweichend, aber ich konnte den (iötzen 
nicht mehr zurückgeben, dessen grofso lk?deutung mir 
immer verständlicher wurde. Alles, alles, sein Kleid, 
seine Ochsen bot er mir an, weun ich nur sein Kleiuod 
Zurückgabe; und als ich deu Götzen in meine Kiste ein- 
schliofseu wollte, hinderte er mich mit Gewalt daran, 
indem er sich unter meinen Tisch warf, wo die Kiste 
»tand. Kndlich war der nungu in Sicherheit. I^sio 
sprach kein AVort mehr. Sein Schmerz war zu grofs. 
Ich »tollte ihm vor, dafs lH>i ihm eine christliche Schule 
errichtut sei und dafs er die Götzen buisoite laaaen müsse. 
Da« heilige Kreuz versehe besser den IHeust al« »ein 
nungu. Bei die.sen AA'orten fuhr Lesio auf uud fragte 
mich, ob der dem Tode verfallen .lei, der vor dem Kreuze 
nicht die AA'ubrlioit sage. Ich antwortete „ja“, indem ich 
den Tod der Soolo molnte. Diene Antwort schien der 
Häuptling nicht erwartet zu haben, und er fragte in mils- 
luutigem Tone weiter; „Kann ich dem Kreuze auch Opfer 
darbringen?“ Natürlich war die Antwort verneiuend. 
„Haizuru“, schloss Lesio, „gieb mir ein mäunliohes und 
uin wotbliches Kreuz und ich bin's zufrieden.“ Diese 
AA'urtc waren etwa« stark, zumal er wis.ien mufste, was 
das heilige Kreuz ist und darstellt. Darum fuhr ich ihn 
schroff an und hielt ihm seine Unverschämtheit vor 
.Augen. Die Folge davon war, dafs l^sio um Verzeihung 
bat und mir den Götzen Qberliefs. Nur bat er mich, 
niemand etwas zu sagen, dafs er mir den „grofsen 
Teufel“, wie er den nungu nannte, gegeben hätte. 

Hiermit war die nungu-Frage erledigt, und der Götze 
blieb entlgüUig in nieiueti Händen. Das Geheimnis war 
enitleckt. und ich konnte ohne viele Mühe weiter for>*cbeD. 

Ohne Zeit zu verlieren, begab ich mich auf dio Suche 
nach auderou Götzen, um später nicht durch falsche 
iiiingus getiuischt zu werden, diu keinen AA'ert hal)en. 
Bald konnte ich feststellen, dafs jeder Häuptling um Kili- 
mandscharo wenigstens einen Götzen in soinom Bereiche 
bat, und dafs keiner den Götzen seines Nachbarn ver- 
langt uud bekommt. Innerhalb 14 Tagen batte der 
Götze des Häuptling» Lesio 1.3 Gefährten, von denen zwei 
aus dem (rebiete des Häuptling« von l'ru, einer von 
Moschi und zehn aus dem Gebiete des Häuptling« Siauga 
von Kibo»clio selbst Htammen. Kincr von diesen zehn 
ist ad acta gelegt wonlen, da er von unberufener Hand 
verfertigt ist und bei den AA’a<lschaggn keine grofse 
Bedeutung hat. Überdies steht er nicht mehr fest auf 
den Ibdnen und ist über und über mit Lumpen bebaugen, 
dio einen üblen Geruch verbreiten. 

In den ttobieten der anderen Häuptlinge kann 
ich keine Such« nach Götzen hnlion, um mein Leben 
nicht allzu »ehr eines (rüt/en wegen aufs 8piel zu setzen. 



2.13 



P. 1'ht»nie: Die (lötreii arn K tliniaiidaobaro. 



.IcKler Konipiier mid Misnionar aot Ber^e maj? in i^eincm 
l>ii«lrikte das (ileiche thun und voi-aachen, die (röixeii 
der iliiuptlin^o Ton Modsebanie, Küoina, Manrnfru 

und Kombo zu bukummen, über deren Vurhandenaein 
kein /weifnl ]!<t Von deu 13 GöUeu der Sutomtuug 
ttteliou 12 eine weibliche und nur einer eine männliche 
Person dar. 

K« bleibt noch übrig, Kinzeliieiten. wie Ort und Art 
der Verfertigung, Verkauf, ttpfer, Auweuduiig derselben 
u. a. w. mitxuteilen. Fidgendes ist mir gelungen, Ton 
glaubwürdigen Zeugen zu erfahren : 

Ibu Heimat der trotzen i»t Kirhe und Aruneba chiui. 
Nur wenige »tnoimen aua Tavetn uinl hinter dem Moni* 
berge bor. Kin armer Afniin, der keine Kinder hat, hat 



nungu darbringen, wenn er einen gobitet bat?^ Her 
ZauhvrtT beatimmi die Opfer, welche für jeden nungu 
Teracbieden sind. b^n ttpfer Ut dae:»elbo für jeden 
(iotzen, nämlich ein Sebnf tkeiiie Ziege), mit tiessen Itlnto 
der Götze beaprengt und aus dem Felle von deaaeii Vor- 
derbeinen dem Götzen ein IlnUbnud verfertigt wird. 
Der Gutze bekommt nur dann aeino t)pfer, wenn er »eine 
,\rbeit verrichtet hat, d. h., wenn er einen Untreuen oder 
Moiiioidigen gutOtet oder dem Ttrde nabu gebracht hab 
Die Verwandten des Ver«torbeiien mttsfreii für die Her- 
beisebafiung der t)pfer aorgeii. Suiten ist der Fall, dafa 
ein Sebwerkranker seine Fehler eingesteht und dem Tode 
vorzubeugen auebt, indem er »cbnell dem Götzen die vor* 
geschriebenen tlpfer bringt In Fnropa sind Fälle von 



Abb. 4. 



Abb. b. 



Abb. 4. 

Gutze äia liihuarho, In Form eines kleinen Tupfea« 

A S^hnlVelllmit »i«:« Oj.fcr. 15, I5 BritiCe. 




Abb, 5. 

Götze ans KIbwacho. 

Sniiiil. ni*3lW. A It »B<l ('. {> IWiich^teiksi. 




allein du» Rocht die Götzen zu verfertigen. Wilnle eiti I 
anderer dieses wagen, so aturlHin nach dem (Gauben der i 
Sc’bwarzeu «eine Kinder, und er kommt um all .»eiu Hub 
und Gut. .Sämtliche Göt/eii .sind aus Thonurde, die bei 
den WudBchugga „umhu^ hei[»t, bereitet. Ist der (#ötze 
im Dickicht, fern von je<ler mensrliHcben Wohnung, 
geachaflen, ao baut ihm sein Meister in der Wildnis ein 
kleines lläuiscben. das ihn vor Regen und Sonn«* .schützen 
soll. Mindeatena drei Mtmatu uiuf« der (iötze in der 
Einsamkeit zubringen. Dt diese Zeit vera trieben, so 
sucht sich der Zauberer einen Käufer für den Götzen, 
der ziemlich gut iH^/ablt wird. Im geringsten Falle .sind 
B» drei bi.s vier Ziegen. F.he <ler Kauf ubg**>icblüss«oi 
wird, fragt der Käufer, ob der uiuigu auch Kraft be.sitzo 
und sicher wirke. Die Antwort Dt natürlich bejahend. 
Alsdann fragt <Ier Käufer: „Welche Opfer inufs ich dem 
Glr.bu* bX.XXIII. Kr. 15. 



Meineid woitau.s häufiger al» hier der falsche Kid vor 
den Götzen, denn d«T Mdr«'hngga zieht jede körpi'rliehe 
Züchtigung und Ueraubung au Gütern ilein To<le vor. den 
er sicher von dem Götzen erwart^d, wenn er lügt mler 
das gegeliene Wort bricht. 

Die Opfer für den ersten (iötzeii. den ich bekoiiiiiiCM), 
»ind folgende: Kin Schaf, welches trächtig Dt, soll ge- 

sehliiclilet, mit dessen Illut der Giitze besprengt niid aus 
dem Felle der Vonlerbeine ein Halsband bereitet uml um- 
gclegt werden. Ferner ist in den lifiind Honig und 
Hutter ZN legen, fm Urwalde des Kilimandsehani Ist 
ein mholele (‘I'ier mit schönem Felle), ein Fugo (Wild- 
katze) iin<l ein Miiide(V) zn erlegen, mit deren Hlut der 
(iötz*< gleichfalls besprengt wird. Dem zweiten Götzen 
der .Saiiiiulung wird nur das Hauptopfer, ein Kebaf, flar- 
gebracht. Kin anderer Götze verlangt neben dem Haupt- 

^itized by 




F. Thomo IHe («otzeu am KiliinaiidBoharo. 



■2H4 

Opfer einheimiaeheti Bier (Kiwari), io da« ein Böndel^ 
hefitehend aua drei verachiedenen Ffluiizeu (Keiigera — 
Ipaaa — Mfumo) geworfen und womit der Götze besprengt 
wird. Dia Opfer einen anderen 1»eatebeii nebat dom 
Httuptopfer nun dem Blute zwuier Tiere den L'rwaldeH. 
Ferner iat aorgfftltig dan Blut einen Menmdien zu Kainmeln, 
der eine Wunde am Fufa hat, und S|)oic'hel, der dem 
Götzen eingegebcii Werden roufs u. a. w. 

Nur derjenige bat das Itecht, einen nungn zu kaufen, 
der eine gewUse Macht besitzt und di« FrlaubiuH dazu 
vom Häuptling bekommen bat, denn aonst könnte der 
fremde Götze die Kinder des lläiiptlingH töten und ihm 
linheil bringen. IHe Kriauhnis wird fast nie erteilt. 
Dala im Di‘<trikto Kiltoscbo S4> riele Götzen Torhanden 
üind, ist dem l'instaiide zu verdanken, dufs früher das 
Land unter viele kleine Häuptlinge geteilt war, von denen 
jeder seinen Götzen hatte. Nach Vereinigung des l^nde'« 
blieben die Götzen in den alten Distrikten. Der Häuptling 



Abb 6. 




Abb. a. Götze aus Kibosrho. 

Natur). Grüfae 

.\bb. 7 . .Mäniilirher Götze mit Urflsten. Kthosrho. 
t>|ifrrriog «u» dem Fell nucs Ttrrvi. '/< «aläi'l. GriVfa«. 



deckt ihn mit Baiianenrinde zu. In Banauennude 
ist der Götze auch eingewickelt. Warum gerade 
die Bauaiiunrinde gewählt ist und man dem nuiigu kein 
Schmuckkästchen verfertigt, konnte ich bis jetzt nicht 
in Krfahrung bringen. Der Götze wird aus seiner Buhe 
genommen, wenn wichtige Angelegenheiten ihn zu den 
„Wasoro“ (sttxdtbnreu Männern) rufen. Dieser Wechsel 
bringt dem Häuptling einen guten Ertrag ein. Ganz 
arme I<eute müssen Kiwart (einbeimischea Bier) bringen, 
die anderen wenigstens ein« Ziege und die Reichen einen 
Ochsen. Hat der Häuptling sein Schäflein im Trockenen, 
BO wird ein Akida beauftragt, den Götzen zu holen. Ehe 
dieser den nungo in die Hand nimmt, steckt er ein 
MaHsaleblatt in den Mund, um vorübergehende Leute zu 
warnen, mit ihm zu sprechen, oder selbst ihn zu grüfsen. 
Wie bemerkt, istder Götze in Bananenrinde eingewickelt, 
jedoch bedarf es noch eines kleinen Stal>eH. an dem das 
Kleinod mit Umhüllung befestigt ist, und den der Akida 



Abb. 7. 




getraute sich nicht, alle zu raulien, teils aus religiöser 
Furcht, teils weil er nicht di« 0|»f«r eines jeden (iötzeu 
kannte. Immerhin wäre es ihm lieb gewesen, wenn nur 
sein eigener Götze unumschränkt, ohne Nebenbuhler, 
herr'‘cht«, um besHere Gaschäfte zu machen, wie wir weiter ■ 
unten sehen werden. Dies ist auch der Grund, warum 
mir der Häuptling von KÜKMcho so eifrig bei der Suche I 
UHoh ti43tzen geholfen bat, nachdeiu er einmal wütete, ^ 
dafs durch die Dummheit des Lesio das Geheimnis den 
Kiiropäorii verraten war. Natürlich imifste ich ihm das j 
V’erspi'echen gehen, .»einen Götzen unbehelligt zu lassen, | 
was ich im Interesse der Sache thuii mufKte. 1 brigeuB 
suchte er jetzt seinen Götzen zu schützen, indem er Nach- 
bililung4'ii von ihm aiifertigeu läfst, die keinen Wort 
haben, was wabrsrheitdich andere Häuptlinge ihm nach> 
machen werden. Di>t eigeiitliehcii Götzen in Zukunft 
zu finden, wird keine leichte Aufgabe sein. 

Der Ruheplatz des (iötzen ist nicht in der Hütte, 
denn sonst würden die In-HAsseii sterben, sondern man 
Versteckt ihn Horgfältig hinten am Ihich der Hütte und 



in di« Hand nimmt. .\uf dem Samraelplatzo angekoinmon, 
übergiebt der Akida dem Häuptling den Götzen oder 
legt ihn nieder und spuckt daun das MaBsalebluti aus. 

Nun heilst es, „Kaha uungu", „schlage den Topf^ und 
der Angeklagte oder .\nkläger mufs seine .Aussage be* 
schwören. Dabei wird der Götze in die rechte Hand 
genommen. Frauen und Kinder haben kein Recht, den 
(fützeu in die Hand zu nehmen. Für sie schwört ein 
Krieger. Die Formel lautet folgendennafaen: „Wenn 

diese Frau oder dieses Kind gelogen hat, o<ler jenen 
<*egeustand gestohlen bat, so soll der mmgo die Person 
itmurhalb . . (es wird gowöhnlich eine Frist angegoben) 

„töten; wenn sie die Wahrheit gesagt hat, so soll sie ge- 
rettet Hüin." 

Ein Krieger schwört: „Wenn ich nicht die Wahrheit 
sage, so Süll der nimgu mich innerhalb so und so vieler 
.Monate oder Jahre töten; wenn ich die Wahrheit sage. 

SO soll ich gi'rettet sein.“ 

Ist einem etwas gentohlen worden, so kann dieser 
auch den nungu verlangen, und er Npricht folgende 

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Dr. F. Tetzui‘ 1 ’ Seelen- und Krdmäuuchciigluubvn bei l>eutHChen, Slawen und Balten. 



Formel: „Wenn der IHeb mir innerhalb einer bet^tiuimten 
Friai den gestohlenen (iegenetand nicht znrückgißbt. ko 
Koll der nungu ihn töten; wenn er ihn xurtlckgiebi, »o 
Koll er gerettet eseiu.'^ 

Die»« letzte Art ist »ehr xchlau, denn wenn nach ah* 
gelaufener FrDt der gestohlene (iegenstnnd nicht an Ort 
und Stelle int, so wartet der Bestohlene, bis ein Reicher 
stirbt, und erklärt dann, dafs der mingu diesen getötet 
bube. Keiner getraut Hich . Fanspruch zu erJioben, und 
den wahren Erben wird der Ridchtum genommen, denn 
der Verstorbene war der Dieb. 

IHe.<ter Punkt klärt die Frage auf, warum mau den 
Wadschagga nicht nachsageii kann, dafs Hie Diebe sind. 
Die Wadsrhagga sind «tolz darauf, r.n eagen: »Ein 
Mdsebaggu kann nicht atehlen.“ Aber beleuchtet man 
die Sache näher mit dem nungu, ho sieht man offenbar, 
dafs nur die Furcht den Md^chugga hindert, en den 
anderen Schwarzen gleich zu tbun, und dafs also die 
Ehrlichkeit und Treue der Wadschagga nicht allzu sehr 
zu loben ist; denn wer weifs, der Bestohlene könnte 
den »To]>f schlagen**, und da.s Dehen de» Dieben wäre 
verwirkt. 

Der Häuptling kann auch den nungu für Keine Krieger 
„Hcblageu", wenn «m sich um ernste IHuge bandelt, die 
absolutes StillKchwoigcn erfordern, und sagt dann: „Wenn 
ein Krieger diesen Plan, dieses Geheimnis verrät, so »oll 
der nungu ihn töten, wenn nicht, dann soll der Krieger 
gerettet sein.“ 

IHeser Ibinkt verdient die meiste Beachtung, denn 



er giobt AuFschlufa über die lung.sam fortgeschrittene 
Verschwörung gegen die Kur(»paer am Berge, die jedem 
noch im Andenken ist, und die Gott Hei Dank noch zur 
rechten Zeit unterdrückt wurde. Der Häuptling von jedem 
DiKtrikie brauchte nur die Rache des Götzen über den 
Verräter herabzurufen, und keiner hätte sich getraut, 
nur ein Wort zu Kagen. Und so war e» auch, wenn ich 
der Aussage uu'hrercr Akidaa (ilatiben schenken darf, 
die mir vervieherien , duf» damals der nungu die Haupt- 
rolle gespielt habe. Der Leser mag selbst urteilen. 

An der Wirksamkeit de« Götzen zweifelt kein 
Mdschagga, zumal er in früheren Zeiten rapid wirkte, 
da der Häuptling mit Gift narhhalF. .letzt geht der 
Prozets latigsam voran , denn jeder fürchtet die drei 
Balken in Mofchi , aber iiicbudestuweniger bleibt der 
nungu dn5 Radikalmittel für viele Suchen. So schnell 
wird eich der Mdschagga von ihm nicht ti-ennen köunen. 

Der Wert ©ine» nungu wird nach den Personen be- 
messen« di© or getötet haben soll. Fiii Götze meiner 
Sammlung soll zehn, ein anderer sieben PerHonen getötet 
hai>en. l'm alles vom Mdscbaggti zu erhallen, bi-aucbt 
man ihm nur zu droben: »Kalia nungu.“ Ein alter 
Zauberer von Ki1>ORcho wollte mir durchaus nicht seinen 
(iötzen geben und erklärte, dafs er in einem anderen 
Laude sich befinde. Ks genügte, ihm zu sagen: „Kc^mni 
mit mii-, du schlägst den miugii“, und Nofort gestand 
der.\rme die Wahrheit und liefK uiir den Götzen bringen. 

Wer im Besitze einea Götzen ist, den kann kein 
Mdschagga betrügen. 



Seelen- und Erdmännchenglauben bei Deutschen, Slawen und Balten. 



Von Dr. F, Tat 

Der Volksglaube aller Völker hat nach zwei Rich- 
tungen hin eine Entwickelung durchgemacht, die auf 
der einen Seite zuni Priesterglauben, atif der anderen 
zum Glauben der Gebildeten geführt hat. Eine 
rück- und eine seitläufige Anknüpfung in verKchiedeneu 
Zeiten und mit verschiedenen Völkern hat .4bänderunffeu 
hervorgernfeii, alte ThatbeKtönde verwiBcht und die Ideale 
verrückt, nämlich auf der einen Seit« die I^hre eines 
KeligionsstifterH, auf der anderen das philosophische 
System eines Denkern eigener W'eltanscliauuug. [’nter 
sich mufsten die drei Stufen: Volksglaube, Priestergluube, 
Phikrsophie oder Glaube der Gebildeten au» innerer Not- 
wendigkeit in Streit geraten, da jede Richtung eine an- 
dere Seite des Urglanben» verfolgte und manches ein- 
seitig ausschliefHen mnfste. .\iu schärfsten inufste dt« 
Ableugnuug der beiden böheruii Entwickelungsstufou. 
der Pole, gegenüber dum Volksglauben, dum ('eutrum, 
Helbst erfolgen, der Kinder gegenüber der gemeinsamen 
.Mutter. 

Ein nuxlerner Denker glaubt dem Priesterglttubcn 
nichts SchÜmineres auswischen zu köiiiiou, als ihn 
Köhlerglauben zu taufen. Die Untersuebung des 
Volksglaubens, das Hereinziehen in die wiKseuschaftliche 
Buobachtuug. hielt man bis auf die jüngsten Tage im i 
allgemeinen für unwürdig. 

Aus rein äutserlicher Anteilnahme am r«terhaUemleu 
versuchte man wohl hier ut»d da zusumraenhanglose Mit- 
teilungen daraus, al>er meist nur, um sofort da» Touf- 
lischc, Höllische, unglaublich Verworfen« ZU braudiuarkeu. 
Ursprung, Eutwiekeluug, Zusammenhang, Wert (Hier 
Unwert prüfte luuu nicht. Dem wilden Tiere trat 
nicht der Zoologe gegenüber, .Hondern der .läg(*r oder 
Kammerjäger. Mit Scheiterhaufen und Galgen, Kiid tind 



zner, Leipzig. 

Schwert glaubte man leichter über die der einzulmui 
Philosophie oder Religion unbequemen Nebener*<chei- 
uuugen wegaukommeu. Noch kürzlich schriel» ein Theo- 
loge als Ergänzung zu einer Arbeit «iues (kdehrten über 
den Aberglauben in der Gemeinde des Iktrefircuden in 
einer angs.^ebenen Zeitung: »Ich bin m> und ho viele 
Jahre als Seelsorger daselbst gowenen, .\berglauben giebt 
es dort nicht.** Kh findet »ich loichter ein Verleugner 
oder Zerschneider de» gordisolieti Knoteu» mit dem 
.Schwert als ciu Entwirrur mit geschickter Hand und 
klarem Kopf. So sehr sich die höheren Vertreter der 
di*ei Glauliensarten gegen- und untereinander befehdeten, 
HO nahe ntehen sieh trotz aller Feindschaft rüe miteiNten 
Formen. Oder hoU jenes Allgäuer Weildein uicht für 
vollgültig gerechnet werden, die auf den Zuruf, man 
wolle einen neuen Herrgott einführen, diu Antwort gab: 
»Weun's nur der heibge Kolmannus wäre, der verstände 
sich doch etwa.s aufs Vieh.“ 

Der wisseDKchuftlicben I nterHiichung des Volksglau- 
bens ist in neuer Zeit ein anderer Feind erwachsen , die 
Methode selber. Was ist da sulb»t von Forscliurn, die 
auf verwandten Gebieten Unvergängliches geleistet liaben, 
nicht gesündigt worden. Vr'ie Kchiinini .nteht es beispiels- 
weise mit der Kenntnis des gertnanihohun Volksglaubens 
lind der deutschen Mythologie noch heuU*. .\bgeseben 
vou den weuigen Fachgelehrten und dei^u Schülern und 
i .\nhäDgorn, hält man in weitesten Kreisen noch an der 
' oltuu Vercjuickiing de» nordischen und deutschen Götter- 
himmel» fest und verwirrt auch da Volks- und Priester* 
glaubeu. Selbst bei einseitiger Betrachtung dua Volks- 
glaubens möchte man gern fest uiiirauden, um sichere 
Objaktu zu haben: Gestalten mit Fleisch und Blut, Farbe 
und Kleidung. 








2tr> Dr. Fr. Tatzner: Seelen- uu<l Hrdminnohanglftulieii liei Deutsoheii, SUweu uq<] llaltuo. 



Man Ter^ifiit dabei gans und ilafe mau nicht 

l’mrandlmres umruiiileu will. Mau wiU Wesen , gans 
indiTulueila Scbemen. die nicht« als ihre Wesenhaftigkeit 
beaitzuii , und die jeder Menach und jede Zeit anders 
«eben und anHoben, wie allgemein gültige und verkäuf- 
liche, allgemein gleiche historische Persönlichkeiten auf- 
fassen. Wohl hat auch der Vulksglaube seine eigene 
innere hhitwiekeluug, denn das Volk besteht eben doch 
aus Individuen. Aber diese Kutwickelung ist keine ge- 
HcbicbtUche, nur eine individuelle. 

Zum mindesten wäre es bei$|>ieUwei‘<e falsch , alles 
je von und Ul>er Knlmännchen Gesagte zu einem Gesamt- 
bild eines einzigen Wesens zu vereiuigen , womög- 
lich noch ohne zu prüfen, ob die Quellenangabe nicht 
überhaupt schon auf gelehrtem Kinflufs. auf Übertragung, 
MifsverBtändui» oder dergleichen beruht Bleiben wir 
bei dem „Mftnuchen“. hliner au« dom Volko ist leicht- 
gläubig. einen anderen täuschen die Sinne in beKonderer, 
Verschiedener Weise, ein dritter überträgt gelesene f>der 
gehörte Vorgänge auf angeblich ihm hegegneto Vor- 
kummaisse, ein vierter übeidreibt das angehlich Gescheite, 
ciu fünfter lügt wohl gar: ich vreifs Beispiele in he- 
kaunteu Sammlungen. 

Wenn nun der StnffKaiiimler aus all diesen Leuten, 
womöglich noch eindringlich, das Wüuschenswertu her- 
nuah^ckt, so wird er wohl ein grotses Material zusammen 
bekommen, das aber tbatsäcblich zum grofsen Teil ganz 
belanglos ist hh» ist natürlich sehr schwer, Ursprung 
und Art solcher einzoluon Stücke «len Vülk.sglaul>ens 
richtig herauszuholen, aht^r nötig ist und hioibt es doch. 
Wichtig ist }>«souders die Untersuchung der Wort- 
goBcbichte, die Vergleichung mit den ähiilirhoii Krschai- 
miugen verschiedener Völker und Nacliharstänime, die ^ 
Beziehung zu Geetalten des Priesterglauben« und der 
Sage: also der Btbellebre, dein Heiligenglaubeti , dem 
römischen Göttcrhinimel, der gelehrtou Litteratur und 
der Krzithlung von VolksgeMtaltMi. Was ist iui Voiks- 
glaulH'ii nicht alle« »u« dem Ostgotenkönig, aus dem 
Kreuznachei- Scholarchen Faust, aus Lips Tulliaii, ja iu 
neuerer Zeit »ogar au« dem alten Fritz geworden; und 
hier konnte meist die geschichtliche Forschung siebten 
und bfslimmou. 

Wie schUnim steht c» üagegeu bei den gewöknlicheu 
Dämoiicnnamcn. wo das selbstäudigu Klemcut unter der 
lland zusammenschrumpft. Und doch war es da, und 
doch gab es einen Kult, gab e.s Gebräuche und Opfer, 
bevor unsere .Almen etwas von Oottar und Wotan wufsten. 
Die Klufaim geheu dem iduigeii KJoha voraus, und wenn 
mniKleii Schüilim und Se’irim auch erst iu ziemlich später 
Zeit im alten Testament begegnet , «o war doch deren 
Verehrung elien ein Rückfall vom Jiivelulieiist iu da« 
Heidentum. 

AlleGötzeii haben ihren Ursprung in einem einzigen 
geiHtigeu Wesen; nach meiner .Vnsiebt nicht mir die ge- 
wöhulichtm Geister und OiUnoneii . Hoiidcm auch die 
Riesen und Wind-, Wetter- und Sonnengötter. Bio» 
geistige Wesen ist ursprünglich nichts andere« al« das- 
jenige Ktwas. (las den Menschen Wim Tode verläfst oder 
auch beim Schlafe. In Frsebeinung tritt das Wesen an 
erster Sttdie im Schlaf, im Traum. Ob ein Mensch ge- 
HtorlM'n, ein Gegenstand vernichtet worden ist, spielt im 
Traum keine Rulle. Uerselbe .Mensch, derselbe Gegen- 
stand lebt, hui Farbe und Kraft. l>erselbc Mensch ban- 
delt und spricht im Traum und zeigt «ich iu keiner 
Wei.He an Sinnfalligkcit und Kindriuglickkeit unterachieden 
vom Ixibowesen. Aber er bat verfeinert« und vollkom- 
menere Kigeii.Hchafteii. Kr kann durch versch]os«ene 
Tbüren dringen und verschwinden, durch die Luft schwe- 
ben und sich V(‘rwaiicl(>ln. Mit der Zeit wird sein Kr- I 



scheinen im Traum snltener, es hört aber ganz erat mit 
dem Tod des Träumers auf. und wenu das Traumge«|>euet 
etwa das alter ugo einer markigen allgemein oder weit 
bekannten Persönlichkeit ist und am eonneuklaren Tage 
Verstärkung in Bildern und Büchern empfängt, öber- 
duuert e« Generationen. 

Weif« nun schon oft der einzelne Mensch nach einer 
Zeit nicht mehr, ob er bei einem gewissen Ereignis 
Augenzeuge war oder nicht, «o kann er häufig noch viel 
weniger smher sagen, ob er ein Vorkommnis erlebt oder 
nur guträumt hat. Walther von der Vogelweide bat 
nicht blots bildlich recht, wenn er singt: 

Ouw-c war «int verswunden alliu niiniu järl 
Ist mir min leiwn getrounist, oder ist ex w-är 
l>az ich ie wände, dax iht w-aerc, was daz iht'l 
i>ar nach hän ich gesiufeu uud enweiz es nicht. 

Traumbild- und Seolenglanbe Laben nun auf man- 
cherlei Weise neue Nahrung erhalten. Die Aufseningen 
der N'alurgewalten, die Veränderungen im Naturlebeu, 
eigentümliche Krscheinungen ohne erklärlichen .Anlafs, 
unerklärliche Bewegungen in Feld und Flur, ganz abge- 
sehen von SinocHtuuschutigen und llalluzinatiunen, legen 
dem denkenden Memschen nabe, hinter der Veranlassung 
einen Veranlasser zu suchen. Wirkliche Menschen, die 
zufällig um Thatort wareu, flinke Tiere und vou der 
Phantasie veränderte Gestalten gelten nun für den Ver- 
anlasser. I)er aufgeklärteste Mensch verwechselt im 
Halbdunkel eine alte Weide mit einem Mann, beim hellen 
Tagesschein ein Tierlmn auf den kiirischen Dünen mit 
einem Kiesen, einen schwimuiemien Kegel mit seinen 
anmutigen Bewegungen im Lago Maggiore mit einem 
badenden Zw*erg. 

Da-' gespeuätische Wesen haftet an gewissen Räu- 
laeu. Wii.sser, Wind und Wetter, Hau«, Hof und Him- 
mel, Berg und Baum, Wald und Feld, Weg und Wüste 
lievölkert die Phantabie mit Gestalten. Ks ist so be- 
(juem und einfach, persönliche Voraiilasscr hiuter Ver- 
anlassungen zu suchen, uud es ist so unbc(|Qein. die 
Zusammenhäug« naher untersuchen und durchdenken 
zu müsseu. Wenn ich hier die durch den Kult, der 
doch sicher überall vorhanden war, bedingten Kigen- 
schäften und Bestimmunifsmerkmalc der GcsjHmater bei- 
seite lass«, so bleibt doch der Schritt von der allgemei- 
neren Schemenbaftigktiit zur festeren Gostaltung gewisser 
Geister zu erklären, z. H. der Riesen. Kine Fülle von 
Krkläruugeu sind nötig, zu vergessen ist da nicht der 
Anblick der mächtigen Hüiiengrälmr. Man denke nur 
an Altu|isnI«H Göttcrhügcl. 

Nicht ohne UKtracht darf ferner die mittelalterliche, 
aus Bildern leicht erkennbare .\uffa»suug bleiben, uach 
der lH>douteude Menschen weit gröDer gemalt w'urdeo 
al« da« Volk. Su wuchs auch ein Dietrich vou Bern, 
bei Slawen und Oerumnoii, so jeder gespenstieche Schlof«- 
herr bei seinen Dorfleiiten ins Riesenhafte bei der wil- 
den Jagd, beiiii Wirbelwind und beim Hausen in Berg- 
scblÖBsern und auf Bergspitzmi. Dergrofsen KracheimiDgen 
iu klarar Luft, im kurisebeti Wüsttmsande (wie iu der 
Sahara) lialm ich schon gedacht. — Noch näher lag der 
AnbiL zum Gespenst de« Zwerge«. Anlafs gab n. a. 
eine zwergenhaft« Urlievölkerung mancher Länder, so- 
dann die aufgedeckten vorhistorischen «ehr kleinen Wohn- 
räume einer Bevölkerung, die nicht weHenlllch kleiner 
a!« unsere war. .Almr auch di« wirklichen Zwerge und 
deren (ügenschufien sind von Einflula auf die Zwerg- 
«agen gewesen; ferner das Auffinden sehr kleiner Urnen 
in der Erde, die man al« Zwerggeräte ansab. Nicht 
zum mindesten mögen kleine Höhlen und Schlupfwinkel, 
flinke Tierchen und Pup^ien den Gedanken genährt haben, 
zumal das Klein« leichter verschwindtm und schneUerdie 




l>r. F. TAtxiiet*: 8«eleU' und KrdtiittDiicbeii}flaiibeu bei l>cutticheu. Slüwen uud Beiten. 



237 



liindernisse überwinden kenn als gröfsere (ietster. Dasu 
kommt no(fh der meist recht entwickelte (tlauVje an diu* 
Umsehen der Kinderseeien, und der Gedanke, dafs da» 
kleine Oberhitupi, wenijfHteiis in den ^rermanischeii, sla- 
wischen uud balGschcu Hpracbeu, das Liehe Angenehme 
Heimische, Heimliche bleutet. Mau kann beobachten, 
dafa der Glaube an unrnlilige versebiudeue Geister all« 
mählich bei /.unebmender Bildung iuiiner mehr zusammen- 
geschrumpft, der Männleinglaube aber uoeh nirgendwo 
Tollig ausgestorben i»t. IHe deutsche, slawische uud 
baltische Geisterlehre, soweit sie auf historischem Boden 
bleibt, kennt eine Menge solcher Namen, freilich aufser 
diesem wenig mehr von diesen Geistern. Da altcAutot^n 
aufser dem G«»tterdreigestiru des lltauischuu Priester- 
bimmels wenig tod Geistern berichten, glaubte man an- 
nehmun zu müssen, Simon Grunivn und Laaicius hätten 
mit ihrer F'ülle Ton GeiaternameD einfach gelogen. Mögen 
beide gegenül>er ihren Gewähnitnännern leichtgläubig ge- 
wesen sein, aber solange nicht das Gegenteil erwiesen wird, 
müssen deren Geisternameu erklärt und unb^rsuebt wer- 
den. Merkwürdigerweise hat ja die Wolfenbütteier li- 
tauische Postille TOI) 1573 auch über ein Dutzend Götzen- 
namen, und Moswid und Bretkun hoben gleichfalls solche, 
die heute kein Mensch mehr kennb |)arimter sind 
Scbemepatis(F.rdmännchen) un<l Laukasargu^ (Feldhüter), 
die ein Wort der Betrachtung Terdienen. Der Name 
Feldgeist, Feldiniiuucheu kommt mittelhochdeutsch nicht 
Tor, Luther aber gebraucht ihn für ulttestamentiichc 
Ihifuotion; es wäre möglich, dafs die litauischen Namen 
erst wieder gleiche litauische Übersetzungen aus Luthers 
Bibel sind. Denn der L'riiame ist litaui»<ch und preufsisch 
kauks. Was man jetzt alles auf einen kauks vereint 
hat (vgl. Tetzuer, Di« Slawen in Deutsrblam), S. 90), er- 
giebt kein einheitlieheB Bild, zeigt nur die rege, viel- 
seitige Phantasie der litaiiiseben Landbevölkerung. Ur- 
spröngHcti bedeuteb* das Wort sicher nicht mehr als 
einen igelartigen Klumpen, auch das Krdmännchen soll 
ein weibltcbcH Tierlein sein, aber Moswid und Bretkun 
nehmen kanks doch aligenieiiier als Götzen, neuerdings 
deukt mau sich ihu wieder mehr iltisartig und hat den 
Begriff des /.wergenhaften jenseiU der l■nsh^^^eheIl Grenze 
auf den Biig^s, diesHeit*« auf di« Barsdnkeri (Bärtigen? 
DHumlingo?) übertragen. Trotz der Vereinfarhnng des 
Geisterglaubens konnte ick in dem oben angeführten 
Werk« doch über ein Dutzend solcher Dänioaen namhuft 
machen, deren .\berglaubt* noch beute lebendig ist wie 
zur /eit des WaisKeliua und Hartkiioch der Gedanke au 
Bcrsiucke und Merkr»i»ate. unterirdische Männlein bei 
Linden- und Holnnderbü.>ichen u. n. 

Bui den deutschen Slawen sind die Ludki (Leutchen), die 
kieiiieu weifseii, roten, liübschen, imterirdiscben Leutchen 
allerorts bekannt, die Musuren keimen danebuu uoch den 
Kolbuk (Kobold 1. die Tschechen den Palitschek ( Däumling), 
die Mährer den Bobak (Bopauz), die Sorben den Bobak 
uud Mumak (schwarzen Mann), die Slowinzen di<‘ Bj«- 
ledhefdscba (weifse iMädcken), di« Polen den Uelek und 
Ilübak. Ül>cr die polabischen Geisb'r hat Hennig treff- 
liche Nachrichten gegeben. Mir scheinen diese sehr 
wertvoll, da sie ungeschminkt uud imbeeinßufst über 
einen VolkHHtamm bonebten, dessen Glauben jahrbnuderte- 
lang uiibe«lnBuf»‘t von verwandten slawischen Stämmen 
hlieb. So grofs der KinflufH der D«ut.Mchen war, w> waren 

') Bekannt ist besonders die Diminutivbildung der litaui- 
schen Dainos. Alter auch für unseren Stoff vergleiche man 
Hentiig: .Kigeutlich beifHt (Sott in |K»labiHcber Sprache Düg. 
Sie hüben al>«r das Wort BüsaU ((Sottcbeii) «ch augewehnet, 
und wenn sie eiu« soiidi-rbar« lüeb« uud Hrgetienheit gegen 
(Sott an iteii Tag gelten w«i|len. sprechen sie gar litirsatzak 
((Sottelehen).'* 



doch di« alten Namen geblieben, dercu Inhalt nun 
I Heunig als einziger erschöpft. Was hatten die deut- 
schen Nachbarn? Der Glaube an das Miinuchel, grau« 
Männchen, ist noch allgemein; Krämännchen und Berg- 
niäiinchen sind, soviel ich w«ifs, überall damit gemeint, 
und nnderen Ortes sagt mau Zwerg« dafür. Wie weit 
dos ZwergenbewuIsUein über lebendig gebli«l>en ist, ent- 
geht mir. Ich fand überall bei Krwäbuuug des Wortes 
Zwerg nur FIrimicruiigen au^i Bechi*t«in, Grimm uud an- 
deren Märcbonbücheru, im übrigen verstand man unter 
Zwerg einen kleinen, meist etwa» verwachsenen, in die 
Breite gedrückten wirklichen Menschen. Ob also di« 
reichen ZwergKchilderungen in mittelalterlicbeu Dich- 
tungen auf VoIksbuwufstKeiii oder volkstümelnde Krffn- 
duiig zurückgeht, kaun ich nicht beantworton. Souder- 
barcrweisc ist auch der Glaube an die llausgei»t«r, die 
Laren und Penaten, also die Kobolde, bei weitem nicht 
mehr »o lebendig geblieben wi« der an die Männchen. 
.An des Kobolds Stelle setzen bos« MenHciien nur den 
Drachen und Teufel. 

Huuiiig nennt die Teufel Tzorne Simenik (schwarze 
Erdinwobner, IVlal, C’baudatz) uud läf^t ungowifs, ob 
der bei allen deub<chen Slawen aU Geist noch lebendige 
Wirbelwind (Wiehafr Wartisa) sein Werk sei. l>i« 
Polaben hätten ihn dem bösen Feinde zugeschrieben und 
kalten dafür, „dafs durchgebends nichts (iutes drin sei'^. 
Sie konnten auch nicht leiden, dufs sich die Kinder im 
Kreise berumdrehlen, sie könnten sonst vom bösen Feind 
was kriegen. Die „Stäte** de« Kreuzbaumes erwähnt Hennig 
nicht als «in ähnliches Wesen, w'eifs nur. dafs man viel 
Abergiuuben mit dein Baum getriel>eu. In den Puppen 
(Hneejuugta, (iotiesbildcheii) steht er ursprüngliche Göt- 
terbilder und kennt auch zweierlei Spuk. Tau^lso 
keifst, mau hurt etwa» und sieht nicht», twörse, mau 
siebt uud hört Spuk (^daber es auch von der Kinder 
Popanz gebraucht wird'‘). über die Hrdmänncheii selbst 
hat er ein« klein« .Abhandlung geschrieben. Wie er iii 
seinem Wörterbuch aprachvergleichend vorging, ver- 
einigt er auch hier alle ihm bekannten Notizen. 

Line uoeb tiefere rutersachung batte wohl in Hen- 
nigs Sinn gelegen, muF»to aber am Tatar abgleiten. 
Trotzdem bewei»t im» auch diese einfache Darstellung, 
wie weitsichtig Hennig im Vergleich zu vielen seiner 
Zeitg«noa»en war. Derartige lauge Untersuchungen 
hatte iiii-mand in *ieinem Wörterbuch gemacht. Die .Aus- 
bildung der Sage von den Krdmänueben, soweit sie nicht 
auf Petrus .Albiuu» zurückgeht, zeigt, wie im «inz«ln«u 
da» Volk an seinen alten G<>tzen hängt: 

Lrd-Männichen. B«y den hiesigen Leuten, so wul 
Teutschen als Wenden, Unter-Erdischen genannt Gorzo- 
uik, plur. Görzoiiü. St?hoinet, dufz es herkomine von dem 
Worte Tgöra, ein Berg, als aolte es heifzen, Tgörzonik, 
ein Berg-Mnnnichen, ein Berg-Kinwohuer. Von deinsel- 
hig«n fabuliret man hier, dafz »ie den 1/euten das Back- 
Zeug »bgulichen haben: w'eiin sie es verlanget, haben »ie 
es unsichtbarer Weise angüdcutet; alsiiann hat mann da» 
(ieräthe hinaus für die Thüre zu rechte gewetzt. Des 
AI>oiids haben sie es wiederbracht, an da« Fenster ge- 
klopft. und damit aug«deut«t, dafz das Beliehcne wieder 
du wäre; und haben allemal zur Dankbarkeit «in Brodi 
dabej gelegt. Sie weisen uiicb noch di« Berg«, worin »i«, 
ihrt*r Kinbitdung soUen gewöhnet haben. Dafz es wahr- 
haftig solche Krd-Mäiinicheii g«l>e, sind noch viele allent- 
halben der Meinung, In Thüringen heifzt man »i« Zwerge. 
Sollen der Thüringer Fürgeben nach um den Suuberg in 
den Holen ihre Wohnung gehabt hnWn. Ein Tbei) der 
Mürcker und Liiufzuitzur sind vor diesem gar der Kin- 
bilduiig gewesen, als ob sie die Töpfe gemacht hätten 
uml noch täglich machten, die maiin hin und wieder in 




238 



Adi»lf Struok: Die maoedonisciten Seen. 



den heidnUchen Begrftbuit^^on findet. S. Petr. Albin. 
Metlznisch Rer(ir*('hrou. au 178. Blat. Was will mann 
aber von dem Ber^-Mänoichen sagen, welches ein ge- 
wifzer Autor in dem Silberreichen Berg-Werck« zu Schem- 
nita in Ungarn, als er daszelbe auf seiner lUdeu besieh* 
tiget, mit seinau leiblichen Augen gesehen, davon er fol* 
geudufl erzehlet. Nach einer Stund, spricht er, kamen 
wir in die tiefeste Örter und fimdeu zweene von den 
Borg-Knappen, in dem Bräuchlicb, dals zweene und 
zweene mit einander arbeiten. Detz erschrack ich, weil 
mein Führer sie nicht grüfzete, sondom mir mit dem 
Finger und Hand zu schweigen deutete: Kaum eines 
Vater-unsors laug, als wir da stunden, und sie wieder 
WüUen den Hammer anlegen, auch mein Führer sie eben 
grüCzetc, wurden wir eines S|)UQncnlaDgen Müuiüeins, in 



Geatalt einen Berg-Knappen, mit tn^endem Schirm, 
Hammer und Stiel, gewahr, gieng 1 Ellen lang in einen 
' andern Felfz, kam bald wieder und Hetz sich auf 5 mal 
hinter einander sehn. Lic. Uhristoph Helwig, Anmuth. 
Berg-Histur. pag. 11. Dergleichen Bergmäniicbens giebt 
es auch in auderu europ&i»chen Bergwercken. in Böhmen 
auf dem Hartze, in Norwegen u. s. w. Theophrasti Pft- 
racelHi Meinung ist zu aehn im 5. Tractat seines Buchs 
von der geheimen Philosophia, da er von den Menschen 
und tieisterii unter der hlrdc haudelt. \S'er Geister und 
Teufel nach luhalt des güttlicUeu Worts gliiubet, wird es 
mit dem berühmten Olao Magno halUm, welcher sie 
Lib. VI, cap. 9 für Teufel ausgiebt. Wovon, weitläufiger 
zu sehen Erasmus Franoisci höllischer Proteus, pag. 
571 ff. 



Die macedonischen Seen. 

Von Adolf Struck. Salonik. 



II. (SchluTs.) 



Jenseit des Höbenzuges, am westlichen Ufer de.<4 
OHtrow{>seeH, hinter dem llorfe Patelik, Hegt ein nicht 
unbedeutender See, der seinen Namen vom Dorfe Petersko 
hat’*). Seine Form ist ziemUch regelmälsig und uvul’')> 
die nackten Kalkfelsen, diu ihn umscblietseu, geben ihm 
das Aussehen eines Kratorsees. Sein Umfang kann mit 
rund 1dkm”), seine W’aHserflacho mit 10,5 qkm und ! 
seine gegenwärtige grotste Tiefe mit 6 m angegeben wer- 
den* dem entspricht ein Volumen von 15,8 MüHonon 
Kubikmeter. Dieser kieinu .See wird vou einem Flüfs- 
cbeu aus südwesllicbcr Riebtung gespeist, der seinen 
Namen vom Dorfe Seleniisch hat uud wahrscheinlich die 
Gewässer zweier kleinerer südwestlich gelegener Seen, 
des Hudnischko undSarigöl oder Zazerzi, aufnimmt; der 
erstere dieser Seen, von langgestreckter, oraler Form, 
ist nur um weniges kleiner als der Peterskosee, geht im 
Norden in ein Sumpfgvbiet über uud scheint den Sele- 
nitscbfluCs etwa beim Dorfe Noa'oselo zu erreichen. Der 
früher so oft genannte und gesuchte Sarigöl liegt genau 
östlich vom Dorfe Seleniisch, ist weniger bedeutend uud 
von geringem Interesse. Sein Umfang hängt mit den 
alljährlichen NiederscUlagsverhaltnissen zusammen. Ich 
habe bisher nicht positiv erfahren können, ob er einen 
AbOuts in den Selenitschniir« lial, doch ist nach seiner 
to|H)graplnscheu Lage diese MögUchkoit nicht ausge- 
schlossen. ln den i*eterskosee mündet fenier am nörd- 
lichen Ufer ein Wildhach ein, der au.s den südwesÜichuu J 
Abhängen des Nidsche durch das Peterskolhal oder Thal 
von Goruitsebewo fliefst. Der gegenw'ärtige Wasserspiegel 
des Peterskosees ist mit 574 m Meeresliöhe, d. h. etwa 
50 m höher als der Ostrowosee, geinessen. Nachdem hier 
ebenfalls kein sichtbarer .\bfluls der Gewässer vurbundeii 
ist, der Wasserspiegel aber in ähnlicher Weise wie jener 
de.s Ostrowosees in stutigeiii Steigen uud Fallen begriffen 
ist, hat die Volksmciiiung eboufalls an Katawotbren ge- 
dacht und diesen kleinen See durch einen unterirdisrhen 
Abfiiifs mit dem Ostrowosee in Verbindung gebracht”). 

**) Uarth, a. n.O., H. nennt ihn Pepert'*ka*gül um) das i 
l>oi-r KoterUka. 

*^) Kein DeltoM. wie Oestn'ioh, 8 . 146, angiebt. ; 

**) Nicht nur 4 nach Uestreich, H. 145. 

Barth schreilii nii«drueklic}i, dars er ,mii dem gnir'<vii 
8ee von Oslrowo iu keiueni ZitHamnienhait^“ !<teht, siehr* da- 
gegen Cvijic, a. n. U., H. 44 (hier Aiuiierk. 26), und Oestreii'h, 

S. 145. 



In vorletzter Zeit ist der Peterskosee nun stark gefallen, 
und es hat sich am »teilereti Ostufer, an der Stelle, wo sich 
heute noch emu alte Mühle befindet, die oben wegen des 
Hückgiuiges der Gewässer jetzt nicht mehr betrieben 
werdeu kann, eine steile Felsenapalle gezeigt, die in der 
Riebtung nach dem Ostrowosee verläuft und duixih welche 
der AbHuD der Peterskogewäsaer stattßndet. Bei hohem 
Wasserntande entsteht an dieser Stelle «ine starke Strö- 
mung, durch w'elcbe die genannte Mühle Imtrieben wird. 
Auch orzuhlt die Sage, dals der Sohn jene» Königs, welcher 
iu der Sehlutsruine ol»ei'halb der Mühle hauste, beim Baden 
in die Tiefe gerissen wui*de und verschwand. 

Zu den Niveausebwankungen dieses Sees ist zu be- 
merken, daf» der Wasserspiegel z. H. vom 1. Februar 
bis zum 1. August 1902 um 1,22 m stieg und nun seit- 
dem wieder beständig fällt Vou grotsem liiteres-se sind 
die korrespondierenden Sehwaukiinguu der beiden Seen 
von Ostrowo uud Petersko, die in fthiiHcher Weise wie 
bei kommunizierenden (iofäfsen zum Au.sdruck kommen 
und durch die folgenden Zahlen in draKtischer Weise 
(largestellt werden: 



190*2 


( Istrowosee 


Petemkosee 


Mäl*/. 


steigt 4* cni 


steigt 4 IJcm 


A|ii*il 


, 


-r* 4ä „ 


, 


. 


Mal 




4-2« , 




+ 1* . 


Juni 




4' 7 n 




4- ö • 


Juli 


fällt 


— 5 , 


fällt 


— » . 


Auzuxt 




— i.t , 






SejiU-mber . . . 


• n 


— 0« . 


, 


— 47 , 


Oktober 


• 1 H 


— 33 . 




— 1» • 


Novemtwr .... 


• 


— 15 . 


• 


— 10 • 



Der Höhenzag zwischen dem ttstrowo- und Peter.^ko- 
ece hat uns so manche Zeugen einer grauen Vorzeit er- 
halten. iHes trelände, über welches die von Westen nach 
Osten wandernden Völker ziehen mufsten, eignete steh 
wegen seiner unlürlichen Vorzüge zur dauernden Besie- 
diduiig, und wie au allen Ufeni dos Ostrowosees, vor- 
nehmlieh jedoch zwischen den Dörfern Kelemesg und Ko- 
tsebani, wo die Sage einen (^twn 50 m hohen Hügel einer 
alten Stadt zuschreiht, wertvolle Terrakotten, Münzen 
uud Bronzegegenstande vorgefuiiden werden sollen, so 
war dieser trennende Höhetizug schon in ältester 2^it 



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Adolf Struck: Die macedoniBchen Seen. 



239 



eine KuliuretAtte, deren jüngste Zeugen, eine Kargruine 
auf der Anhöhe unweit Itegnia, noch heute zu un» spricht. 
Von gröUtur Bedeutung aber für die Vorzeit Mazedüniene 
ist ein etwa 700 (|m umfassendes SteinkinteiigrAberfeld, 
das sich auf dum llOgelrückon hinter dem Dorfe Patelik 
auf der Einsattelung zwischen den beiden Seen befindet, 
und wetefaus erst in neuerer Zeit Tom russischen archAo* 
lo^schen Institut wissenschaftlich ausgebeutut wurde. 
Auch nahu am Katawothur des Petenkosees wurde in 
frUhchrii«tIicherZeit in den Kulsonbagul eine Ka|>elle aus* 
gehauen, in welcher man. zwar undeutlich, noch Wand* 
malereieu erkennt. 

Die Besredelung der Ufer des Ostrowosees schon in 
ältostorZeit findet ihre Begründung bauptsachlicb durch 
die hier herrschenden überaus günstigen klimatischen 
Vorbültuisso. Der Aufenthalt ist vornuhmlich im .''ommer 
sehr angenehm, wo fast stAndig eine wuhlthuonde, aus 
Süden kummoude Brise über den See streicht; die Tage 
sind weniger schwül als in der Ebene und die NAchie 
milde, ja selbst kühL Der Winter gilt jedoch als streng. 
Bis 10 oder 1 1 Uhr vormittags herrscht Töllige Ruhe 
auf dem Wasserspiegel, dann aber wird der Luftzug 
stArker, und am Nachmittag ist der See bewegt. Nicht 



sAchlich an den nordwestlichen Ufern. Als besondere 
Delikatesse gilt eine Weitsfisebart, die landesüblich Bru* 
sak genannt wird; dieser für den Ostrowosee ebarakte* 
ristischo Fisch kommt in mehreren Arien vor, ist am 
südöstlichen Ufer besonder» reich vertreten, trAgt silber* 
glüuzende Schuppen, die mit feinen Stacheln verwachsen 
sind, erreicht das Gewicht von zwei bis drei Pfund und 
wird nur von Mitte Januar bis Mitte März mit der.Vngel 
gefangen. An Geschmack übertriHl dieser Fisch die 
besten Seeforellen, pjoe kleinere P'iscbart mit blaugraiien 
Schup|>ou und Iftnglichom Kopf ist der Mrenka (Barbus 
communis?) genannte P'isoh, der ebenso wie der so- 
genannte Zeroiü, eine SardoUenart, von Februar bis April 
mittels Wurfnetzen an den .seichten, aber steinigen Ufern 
zwischen dun Orten Ostrowo und Patulik gefangen wird. 
Wie wir bereits sahen, ist die unmittelbare Ufergegend dos 
Ostrowosees uubozu baumlos, welches Verhältnis durch 
die imau.sgesetzteAbholzimg der Höben erst in den letzten 
Jahriausendeu geschafifen worden ist. Ihis Agostosgebirge 
tiAgt zwar heute noch ganz betrAchÜicbe BaumbestAnde 
an Rotbuchen und p]icben, die bis an das nördliche und 
östliche Ufer des Soes herabreichou. Heute ist dieser 
ehemalige Urwald auch beträchtlich zurückgegangeu'und 




Kahn (Kinbanm) auf dem Ochrida*See. 

Aofuahme voo A. Struck. 



selten tritt jedoch ganz plötzlich und unvorhergesehen 
gegen 4 Uhr nachmittags starker Südwest ein, und die 
ganze WasserflAche gerät im Nu in Aufruhr. Die Grund- 
welleu gehen dann hoch, bis zu 2 m und mehr. IHe 
'rbatsache, dafs sich bei schönstem \Vetter Ähnliche Stürme 
ungeahnt eutfusseln, bt bereits zu wiederholten Malen 
den auf den hier üblichen Kähnen auf dem See Fahren- 
den verhängnisvoll geworden. So ging unter ähnlichen 
VorhAltuisseu vor neun Jahren eine Hochzeitsgesellschaft 
von sieben Personen zu Grunde, obue daU es auch nur 
möglich geweseu wäre, den Schiffbrüchigen in irgend 
einer Weise zu Hülfe zu kommen. Zur Schifiahrt bedient 
man sich primitiver Kähne, die, wie aus der Abbildung 
ersiohtliob ist, aus zwei ausgehöhlten, in der Längsrich* 
tuug zusaromongefügteii Rüsterstämmeu bestehen, deren 
Fugen mit Blech verschlagen und deren Ritzen mitP'etzen 
verstopft sind, und in der hier »ehr nachlässigen Webe 
gebaut, zum mindesten sehr unzuverlässige Fahrzeuge 
genannt werden müssen. Auch werdun dioselbuu fast 
ausscbUctslicii von PTsebern benutzt, die zeitweise ihre 
Netze nahe den Ufern werfen, um den geringen P!rtrag 
an die nächsten Ortschufteu, ja sogar nach Solonik ab- 
zusetzen. Im allgetneinen kann der See als reich an 
P'bchen bezeichnet werden. Karpfen, SehöU und >Voir»- 
fi^sebe kommen in grober Zabl vor und laichen haupt* 



bildet nur noch P>inzelparzellen von je 6 bis 12 qkm. 
Die Höhen von KoUchani waren ehemals dicht mit pjcbeu 
bestanden; deshalb trieben die P'Jnwohuer jenes P'leckens 
schon in früheren Generationen Schwoinozucht, woher 
(las Dorf seinen Namen (ScbweineNtall) hat 

>Vir kehren nun noch einmal zum Ostrowosee selbst 
zurück, um auf Grund zuverlässiger Tiefmessungun setnu 
Hodongestaltung zu ormiitelu. Die Angaben über dun 
nach Barth »einem nördlichen Teile recht tiefen See** 
haben bisher sehr variiert, wiu denn auch die Vorstellnng 
der P^inbeiiuischett über die gröfste Tiefe des Sees eine sehr 
mnimigfaUigo ist Auch Grisebaeb orklärte, dab „seine 
Tiefe bedeutend ist . . . und an einigen Orten nicht we- 
niger als 24 Klafter betragen soll**. Endo Mai lüUl 
machte ich bei einem Wasserstande von 527,5 m auf 
einer mehrstündigen Kahnfahrt vom lK>rf Ostrowo nach 
PatoUk und Kotschani mittels einer Hanfleine 17 Ix>- 
tungen. Hiernach bietet der Untergrund des Ostrowo- 
»ees eine allerdings sehr eigentümliche Gestaltung fsiehe 
die Tiefenkurvun der Kartenheiluge] Während diu 
südlichste Spitze und der gröfste Teil der nordöstlichen 
Pänbuebtung »eicht verlaufen, reichen die steilen Preisen 



PUne wohl nuc)i genauere Tiefenkartu dieae» Hees steht 
von I’rof. Cvijic *u erwarten. 



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•210 



Adolf Struck; I)ie inacedoinichen Seen. 



an den wertlichcn, iiordwestlicben und öHtUchen l’fem 
tief in den See hinab, bin dan Terrain erst bet einer 
Tiefo von 35 m unter dem \Va«»ersjuegel eine sanfter« 
Ildsebung biblot. Iter gröfste Abgrund befindet sieh am 
westlichen Ufer etwas südlich vom Ort« Hegnia Cgcgen- 
über dem Itehnkilometer 146), wo der See bei einer 
überaus steilen Höscbimg schon etwa 250 m vom ( fer 
entfernt die bedeutend« Tief« von etwa 62.5 m erreicht. An 
diese Steile verlegen die Ijcut« den Katawotber des 
Ostrowoseea, ohne hierfür irgend einen Grund geltend 
machen zu künnen. Immerhin wäre diese Möglichkeit 
augefliiehts des hier geübten hohen Wasserdruckes nicht 
als ausgeschlossen zu betrachten. 

würe verloren« Zeit und Mühe, nachdem aus dem 
VorauHgegangenen au dem unterirdischen .\bflufs des 
Osirowostics nicht zu zweifeln ist, sich jetzt in einen an 
und für sich belanglosen Versuch zu ergehen, die llich- 
tuug und die Beschaffenheit des oder der Katawothren 
feststelJcu zu wollen, um so mehr, als ja hier das Feld 
der Mutmnfsungen ein grulses ist und die hierauf fnfsen* 
den h]rgebiiiBs« doch nur einen hypothciischeii Wart 
haben können. Auf einen diese Verhültnisse berührenden 
Umstand jedoch möge hier noch bingewifsen werden. 
Die Quellen des Ni^siaflusses liegen in etwa 4)H0ni, der 
Waaaerspiegel de» t titrowosees in 528 ui Seehohe, »o dal» 
der Niveauunterschied nur 48 m betragt. Öffnet »ich 
die S|>alte für den AiiBHuf» des .S«»hh nn der tiefsten Stelle 
des Seegrnndes, wie wir vermutet haben, so läge dies« 
noch 1.3 m unter den Quellen derNi»»iu, was die Wirkung 
dos unterirdischen Kanals allerdings in keiner Weise 
beeinfiulst. Sollte im l.auf« der Jahrhunderte die Ab- 
flolsstell« durch irgend ein Kreignis, Verkalkung oder 
Verrammelung durch Felsblöcke u. s. w.. ihre Ik'stimmung 
vorliereu, so steht eine Katastrophe von gröfster Trag* 
weite zu «nrarteu. IH« Gewässer des Ostrowosee» müß- 
ten bis gegen 35 m steigen , um über den Sattelrücken 
im Nordosten einen AbfluD in der Uicbtung nach dem 
Meere zu gewinnen. Hierbei würde das südliche Thal 
de» Starigiolflus»«» oder des Nalbandkoi-Duresai mit allen 
darin liegenden Orbicbafien bi<« nahe der Stadt Kaüar 
üburschwemmt und die längs des nordöstlichen und welt- 
lichen Ufer» führende Bahn zer»tört Die Wasser- 
fläche des See» würde hierbei nahezu verdoppelt worden. 
Dat» bei früheren hoh«n WaHHorntänden »ich nicht un- 
ähnliche Katastrophon abgespielt haben, liefae »ich aus 
den Zeilen Hahn» cntiiuhiuen: «I>or Weg (erreicht) 
das nördliche Ufer des (Ostrowo-)Sees, welcher hei dem 
gegenwärtigen hohen Wasserstande mit dem von Sari- i 
gjöl nach der Behauptung unserer Begleiter nur einen 
einzigen Spiegel bildet, denn beide Seen haben bekannt- 
lich keinen oherirdiKcbeu Ahfluf».** In Wirkiiohkeit liegt 
in dem Narbaudköjsuthale, gen Kailar zu, kein See Suri- 
gjftl. Ibesen Namen, oder richtiger Starigiol (ulte*r Flut»), 
trügt hier vielmehr der NarbandköjHufs »elhst, der <le» 
öfteren austriit und obeidialh de» Oslrowosees den leh- 
migen Boden in kleine Surapfgehiete verwandelt. 

S<>narh betrachten wir als den Abllufs des Ostniwo- 
»ees den NissiaRuIs, der seine reichen Quellen fast au»- 
»cliliefslich jenem See verdankt. 

Auf dem Durchflut« der Nissia durch Wladown nimmt 
da» Gefälle etwas zu, und da» Fluf^bntt verbreitert sich, 
»o dal» «1er Wasserandrang ein gröfserer zu »ein scheint. 
Da steht eine Mühl«, die noch <lurch eine geringe Stau- 
ung der Ni»»ia üImt eine üherreiche Wa.s*u»rkraft verfügt. 
Hier t'rzähli man sich nun diu folgimde Sag«, die dar- 
tliut, wie suhr die Vorstellungen über unterirdiKche Ver- 

■*) Dies« iWffüreMuiig spriclit auch NanniHiin. K. -J4, nn<». 

’*) Itei>« von Belgrad nach Saluiük, H. 122. 



bindmigen der Gew&»»er in den Geist des Volkes ein- 
gedrungen sind; 

Im Monastir liegt auf dem Bubagebirgszugo, unter- 
halb dea PoriHterikegels, ein kleiner Gebirgsseu, der eher 
einem groNcu Wu«sertüm{M>! als einem von der Natur 
gesehaffonen See gleicht; es ist der sogenannte Peristeri- 
Jezero, derrinpp« von ziemlich »teilen Höhen eingeschlos»eii 
ist und eine grofse Tiefe besitzt. Dort weidete im Fnih- 
jahr ein junger Hirt, Sohn einet* Wladowaer Bauern, 
die Schafherde eine» alhanesischen Bey», als ihm einea 
Tage» die von ihm angefertigte Flöte in das Wusaer fiel 
und nicht nndir aufzufliulen war. Wi« grof» war aber 
»ein Erstannen, als er im Herhat darauf, in »eine Hei- 
mat zurüukgekebrt. zu Hau»« eine Hirtcuflöt« vorfand, 
au deren Schnitzarbeit er »ogieich die »einige erkannt«. 
Dil erzählt« ihm »ein Vater, wie ihm diese» Instrument 
eine» Tage» am Ufer de» NiH»influ»§es nahe der Mühle in 
die .\ugen gefallen war, und er e» für ihn, »einen .Nihii. 
aufhewahrt habe. Als ihm der Sohn aber »eine Wahr- 
urhmung eröffncbi und von dem Schicksal dieser seiner 
eigenen Flöte am I*erlstcri«ee erzählt« , rechnotcD sie 
uitch und fanden, dafs der Tag, an welchem das Instru- 
ment in den Peristeri gefallen war, nur um einen Tag 
und eine Nacht von dem Tage, an welchem vermutlich 
dasHelbe Instrument in Wladowa aufgeleÄen wurde, zu- 
rürklag. Die» gab ihnen die Vermutung, dal» zwischen 
dem P«ri»t«ri*Jezi*ru und dem NisHiafluf» «in« unicrirdt- 
M5he Vorbimlung bestehe, und »o wurde verabredet, daf» 
der Sohn im nächsten Frühjahr von jen<*m Gebirgssee 
au» »einem Vater in Wladowa ein Schaf an einem be- 
stimmten Tage schicken würde. .41s die verabredete 
Zeit kam, »clilaehtote der Sohn am Peri»teri»ee hei Sun- 
nenuntt'Tgang ein Schaf von der Herde seine» Herrn, 
häutete e» uh. weidet« us au» und warf es in den Si<«. 
Da» Schaf kam auch richtig uiii nächsten Tag« hei Son- 
nenuntergang au deraclheii Stelle, wo ein Jahr zuvor die 
Flöte gelegen hatte, in Wladowa nu, und al» der .-iolin 
hiervon erfuhr, wiederholte er .»ein Schnfsenden noch 
iVfter, hi» dem Kigeutümer die merkliche .\himhme seiner 
Horde uuffli'l. Seine Nm'hfnrKchungeu blieben fruchtlos, 
da »ich der Hirt niif da» häufig« Kiudringeii von Wölfen 
auszuredea verstund. Als ur aber Grund batte, den 
V'erdocht auf den Hirten »elhiit zu lenken, wählt« er ein 
Versteck am l*eri»teri. palste eine Zeitlang auf. bis »ich 
der Wladowaer Hirt wieder einmal aiiacbkkte, ein Schaf 
in seine Heimat zu befördern, und al» er gerade mit dem 
.\bhä(it«n geendet hatte, setzte der .^ihanese seine hlint« 

; HU und »chof» ihn nieder, nähte den Getöteten in die 
Haut »eines nbgeschlachteten Schafe» und warf ihn in 
den See. So kam es, dafs 24 Stunden später der Vater 
di« I.»?iche »eiiie» eigenen Sohnes am Ufer der Nissia 
vorfand, aber nie erfuhr, wie sich diese» zugetragen 
hatte. 

Diese in jeder Weise sehr cburakterisiiscb« Sage wird 
auch am Peristeri erzählt, und die Leut« wollen am S«;c 
öfter eine Strömung wahrnehmen, als bewege »ich das 
WaBÄcr trichterförmig im Kreise hin und her. Nebcnliei 
bemerkt sei nur, daf« der iVristeri-Jezer« in keiner Weise 
«in« Parallel« mit <Ien übrigen Seen unsere» Boobachtung»- 
kreise» zulANt; die Gesteiubirmatiun schliefst indessen 
nicht au», daf» da.» Wassur auch diese» kleinen Ikikeii» 
durch Katawothren Irgendwo an dem Abhänge de» Peri- 
sterikegel» durch.sickert 

Nach dieser .\l>Kchweifung kehren wir zum Ijiufe des 
Nissiaflusse» zurück und wollen in eintun kurzen f^ber- 
blick die Hichtungsverlniltnisse schildern, wi« sie »ich im 
Laufe der Jahrhundert« an diesem Strom geändert haben, 
um darzuthuii, wiu »ehr di« geognostisehe Beschaffenheit 
iler hier Iwrilhrten I,audscbaften den unterirdischen 



Ciijii zed Dy Cooglc 




Adolf Struck: Die mecednoiBcheu Seen. 



241 



DurchHuU der Gow&sser begüusti^fi. Iiu wosentlicben 
hat borciU Gruebach die.^es Gebiet eingeheud buhaDdelt*^), 
wir folgen daher gröfstenteils Beinen Ausführungen. 

Von dem Höhenrücken von Gugowa, der das Quell- 
gebiet der NiftBia bildet, bis an das Dorf Wladowa heran 
erstreckt sich ein kleines Alluvialbecken. Hart am öst- 
lichen Rande \Vladowaa tritt der Felsen, der hier aller- 
Wirts wiodorkohreudo Travertin, zu Tage und bildet 
eine steile Wand, über welche die Nissia, nachdem sie 
das alluviale Thal in seiner grötston Achse durchflossen 
hat, in einem miefatigen Wasaerfal) stufenweise gegen 
70m in die Tiefe stürzt, um hier auf noch stark ab- 
schüssigen Gcsteinslagerungeii das obere Thal von Wo- 
dina zu erreichen. Diegos Thal, das heute ebenfalls ein 
alluvialer Boden ausfüllt , reiobt bis zur Travortimnauer, 
die das Wodinaer .Stadtplateau begrenzt und die ganze 
Formation gegen das untere Thal von Wodina ahschliefst. 
IHese Travertinwand, die quer gegen die Kichtungslinie 
des oberen Thaies gelagert ist, hat in weit zurückliegen- 
den Zeiten dieses Thal wie eine Sperrmauer am östlichen 
Endpunkte abgeschlossen, und Grisobach kommt bei 
einem Versuch, die TulTbildungeu der Wodinaer Wand 
zu erklären, nach in keiner Weise zu bezweifelnden Zeug- 
nissen mittelalterlicher Schriftsteller auf ein überraschen- 
des Ergebnis l>ezüglich der Verlegung der Abflulsverhält- 
nisse des NissiaBuBses. Hie Bildung jenes Tuffes läfst 
sich nämlich nicht in anderer Weise erklären, als daft» 
hierzu eine lang anhaltende Einwirkung kalkhaltigeu 
Wassers auf das Gestein notwendig war. nHie Wand 
war einstmals ein feuchter, quellenreicher Fels, durch 
dessen Klüfte das Wasser in stiller Bewegung durch- 
sickerte und aus dem es langsam hervorrieselt«.“ F'ine 
mächtige, gegen 60 m tiefe, in der östlichen (Vlswand 
befindliche, schräg nach oben führende Grotte, die sich 
allmählich verengt, und zahlreiche kleinere an dieser 
selben Wand, an welcherdie Wirkung eines Wasserstromes 
deutlich wahrzimehmen ist, hätten allein schon als Be- 
lege für die (irisebachscbe Vermutung dienen können, 
wenn nicht Bowohl Glyca« als auch CÖdrenus, zwei Bj- 
zantinur des 12. Jahrhunderts, durch ein schriftliches 
Zeugnis der ganzen Erscheinung den Stempel der Wahr- 
heit aufdrücken würden. Offenbar lag damals auf dem 
Plateau, dort, wo sich heut« die Stadt Wodina aufliaut, 
nur das Kanicll, die Akn){K>lis der im unteren Thalu am 
Futso der Felswand gelegenen älteren Stadt Fldessa. 
Durch den Felsen jenes Kastells, heilst es dort, fliefHt 
das Wasser eines uu.sichtbar unter der Erde und 
kommt auf der anderen Seite wie<ler zum Vornchein 
HieflOB Phänomen findet seine Erklärung, wenn man sich 
vergegenwärtigt, wie di« Nissia, nachdem sie das obere 
Thal von Wodina durchflo»8on hat, sich an der höher 
aufsteigenden Karstmauer des Plateaus staut und hier 
einen See bildet, der vermutlich das obere Thal in seiner 
ganzen Ausdehnang ausgefüllt hat. Unter dem wachsen- 
den Wasserdruck, der diu Infiltration in dem jedenfalls 
an Spalten und Durchklüftungon reichen Felsen begün- 
stigte, verzweigte sich das Wasser in zahlreiche Kanäle, 
die jenseit am Felsen wieder zum Vorschein kamen und 
freien Abflurs erhielten. Dieser Zustand hat möglicher- 
weisu bis zum 14. Jahrhundert gedauert. 

Wie der Kalkgubalt der Nissia bei dem in langsamer 
Bewegung erfolgenden Austritt aus dem Fel.'ten die ganze 
Tuffbildung der äulsercn Wand ins Werk setzte, so bil- 
deten sich auch an den Wandungen der inneren Kanäle 
allmählich Kalkschicbten, bis durch die siotige Verengung 
der S|)alten auch diese vermauert wurden und sich die 

“') a. a. ü., 8. »7 bis 101, 153. 

"•) Cedren.. p. 551, Glycas, p. 23S (ed. Venet.). 



Gewässer des Niflsia hozw. des Sees im oberen Thale 
sammeln mufston, um erst bei höherem Wassenftande 
über das Fulsplatuau hiuwog in die Tiefe zu stürzen. 

Auch diese hyilrographisohen VerhältuiBse sind uns 
durch das Zeugnis eines späteren Schriftstellers, des ('an- 
tacuzenos, überliefert, nach welchem die zu jener Zeit schon 
auf die Höhe des Felsens verlegte Stadt als überaus fest 
gelegen geschildert wird, <la sie mehr als zur Hälfte von 
Wasser umgeben und wegen eines Sees unzugänglich 
sei; der übrige Teil werde von Mauern und Tünnen um- 
geben und an gewissen Orten dureh Abgründe und un- 
wegsame 'Phäler gedeckt^). Durch die Bildung des 
.^lluvialhodens im oberen Thal« von Wodina hob sich 
iudussen auch das Flufsbett der NisiUa, bis endlich durch 
den ungubemmten AhHufs in der heutigen Gestalt der 
an die .Stadt Wodina reicheudu See zurückgiug und ver- 
schwand. 

Heute verzweigt sich die Nissia kurz vor Wodina in 
mehrere kleine Arme, die in mehreren Was«erfällen — es 
werden deren zumeist fünf genannt, davon ein be- 
deutender, der etwa die Hälfte der ganzen Wassermenge 
abfübrt — über die fast seukreefate Wand de« Plateaus in 
die Tiefe stürzt. Der Ort Wladowa liegt in etwa 470 m, 
Wodina in 290 m Seehöhe. Der Niveauunterschied ist 
auf der kurzen Strecke von etwa 6,5 km bedeutend, das Ge- 
fälle von hier bis zum Eintritt in die roacedonisohe Tief- 
ebene aber noch gröfser und beträgt etwa 250 m auf 
eine noch viel kürzere .^trocko. Die Wodinaer Wasser- 
fälle, die sieb el>enFall8 stufenweise über den Felsen er- 
giefnen, mögen wohl eine GesamthÖhe von 100 bis 120 m 
erreichen, dann Riefst die Niasia auf abschüssigen), mehr 
oder weniger sanftem Terrain, das .seines vorzüglichen 
Humus wegen auf weite Strecken zu Gartenanlagon ver- 
wendet ist, der Tiefebene zu. Durch zahlreiche Kanäle 
sind die einzelnen Arme der Nissia durch die zu be- 
wässernden Gärten hindurch miteinander verbunden. 
Kurz hini«>r den Gärten nimmt die Nissta rechts einige 
wellig bedeutende Zuflüsse vom Agoatosgebirge auf, links 
wird sie von kleineren Torrunten erreicht, die die Nieder- 
Bchläge der kahlen Hfigelreihe östlich von Wodina ab- 
führen. Gleich nach dem Austritt aus dem Wodinaer 
Thal ergiefst sich die Nissia in die von Norden kommende 
Moglenitz)! oder Karadschowitza, die zunächst die streng 
südlich« Richtung heibehält, später aber im sandigen 
Boden unter stetiger Wanderung ihres BettoM sich nach 
Osten wendet und in den .*^umpT und See von Yenldsche 
ergiefsE iHe Moglenitza wird auf Karten zuweilen auch 
nach ihrer Vereinigung mit der Nissia Wistritza genannt, 
was ein Irrtum ist. Die Unrichtigkeit, dafs ^der 
Flufs von Karadschowa, welcher später von Moglena an 
von Norden nach Süden fliefst, sich mit der Vistrica ver- 
einigt**, findet sich schon hei Bou6^^) und bat auch bei 
Graf Tuma v. Waldkampf**) Eingang gefunden. Wistritza 
ist gcrailo so wie Karasu in Mneedonien ein geläufiger Name 
für joden Fluf», der beständig Wasger führt. Streng ge- 
nommen giebt es nur eine Wistritza, das ist der etwas 
südlicher in den Meerbusen von Salonik fliefsende llaliak- 
mon oder Indsche-Karasn. 

Wir kommen somit zum Y'enidschese«, dessen Knt- 
stehungsursachen eng verknüpft sind mit der Bildung 
des alluvialen Beckens von Y'unidschu, der macodonischon 
Ebene. 

Diese Ebene, die in rohen Umrissen etwa im Dreieck 
Salonik — Knraferia — W»KÜna liegt und eine Fläche von 
etwa 1,500 qkm mlfst, verdankt ihre KntHtehung haupt- 
sächlich den drei gröfsereri Strömen Wurdar, Wistritza 

•) Csntacuz., p. äilO (ed. Venet,). 

*•) a. H. Ü.. H, IW. 128 . 

*‘) a. a. O.. 8. 57. 




242 



Adolf Struck: Die mneedonisebeii Seen. 



I 



und Moglenit/^, welche zwei erätcren auf einem langen 
I<aufe einen betriiohtlichen Teil Sink^^tuSe mit aich filb* 
ren, die heetändig an den Mündungen ins Meer abgesotzt 
werden. Die gcIbbrAunlicbo Fftrbung dea Waaner» teilt 
»ich dem Meere einige Kilometer weit mit. Die Mün- 
dungen de»« Wanlftr und der WiHtritza Hchielien sich 
immer mehr vor. Weniger iutHnsiv schroilet dieser l*ro- 
zefs bei der sebwitebereu Mogloriitza vor, und hierin liegt 
vielleicht di« grüfuere ITrsach« für di« Bildung de« Ve- 
nidschesees. Die BUdungamomeiiie für diesen See und 
die luacedouische Kbene nlferhHU(it sind heute noch vor- 
handen, und wir wollen die.‘«er Frage etwas nfther treten. 

IH« macedonische Ebene reicht iniXorden bis an den 
Fnt.s des Paikgebtrges, die liügelreihen von YtMiidsch«, 
Wardar und Alak-kilia»! (Pclla), jonseit des Wardars, 
im Osten bi» zu den Saloniker Bergen. Im Süden wird 
sie von den itürdlicheo AusUufern des Olympos, bei Ka- 
raferia von den HOgenannten Skuliaribei^en liegrenzt, 
und irn Westen schliefst sie mit den Bergketten von 
Karaferia, Agustos und Wodina deu eigentlichen Bennien 
ab. Diu in diesen Bergen sich sammelnden Niederschlage 
Hiefseii radienfOrmig in die vor ihnen liegende Ebene und 
erreichen auf mehr oder weniger langem häufe die in 
ihrer Mitte gelegene Mulde, den Yeriidsohesee, der sich 
als betriiclitliche» Sammelbecken all dieser Gewa.sser 
kennzeichnet. 

Ahgusuheu vom Wardar, der au» den nördlichsten 
Teilen der Balkauhalbinsol kommt, ergiefsen sich direkt 
ln das ^leor nur dieWintritza (Hnlinkmon), deren Flufs- 
bett im Bereiche dieser Eben« in einem sandigen Boden 
steten Kichtungsändernngen unterworfen ist, und der 
Galiko. Die macodonischu Kbone wird nin treffendsten 
nach n]„ murtn-saudigu Flüche bezeichnet, die 

sehr thonig und hier und da morastig ist. Diu grulien 
alluvialen .Anschwemmungen sind hier unter dem luhmi- 
gen Boden verborgen. „Dieses Flacliiand bildet einen 
schwarzen, entwaldeten, sehr fruchtbaren Bofion, des-sen 
Wasser bitter sind, und welcher noch nutzbar werden 
könnte, wenn man die Sümpf« an den Ufern des Meere» 
und de» See» austruoknen würde <’’)." Wo der Boden 
jedoch Salpetergehalt be.sitzt, ist er unfruchtbar und 
liegt im übrigen meilenweit brach. Daf» da» Wnsaer 
der Brunnen salzig ist, trifft überall zu. Das Vorkommen 
von C'hen{ip»ideen, Salikorninn, Tamarixsträuchem und 
der Gljceria*^), dieser Kalzbolden Vegetation, selbst in 
den westlichsten Tuileii der Ehen« ist ulu sicherer Beweis 
für den Salzgehalt de» Boden». Die bauplsAchlich zwi- 
schen Salonik und dem Wardar l>eobachtcten Dünen 
kommun auch weit nonlwestiicher, oberhalb Alak-kilisM 
vor. AU diu» woist auf «in aUmAbliche» Zurückwuichen 
de» Meeres hiu und führt uns auf den tiudankuu, d«n 
Venidschesee als den vom Schwemmland eingesehluaseuen 
Meeresteil der ehemal» tiefur in da» Land reichenden 
Bucht von Salonik zu bezeichnen. In die»er Überzeugung 
schreibt auch Tuma v. Waldkampf ♦•’), dafs „die Annahme 
gerechtfuriigi sein dürfte, dafs der Ymiidscbosee einst 
ein Strandsee war und dafs in noch Älterer Zeit die 
Meeresküste selbst bis an den Fuf» der Gebirge (.\gosto8- 
gebirgH, jloxagebirge u. s. w.) gereicht haben müsse**. 
In Karaferia erzählt man sich traditionell, daf» da» .^leer 
bi» vor dies« .Stadt g«‘ruicht habe; ältere Leute wissen 
auch, dafs zur Zeit ihrer Grufseltcrn gröfsuru Segler in 
die Mündung de» Haliakmou bis dicht vor Karafuria 
berauffuhren. Auch diese VerbflltniHse lassen sich durch 

•*) a. a. O., K. IM. 

**) Boa^s a. a. O., B. 133. 

*^) <iri*i«nacb. a. a. O., H. 74: Harth, a. a. <>., S. 2oö; 
Born*, a. a. O.. N. 103. 

“) a, a. O.. 8. !17. 



.Angaben alter Schriftsteller beleuchten. So erfahren 
wir durch Ilerodut (VII, 123), daf» im 5. Jahrbunilort 
V. (-‘br. die {Mirsischc Flotte des Xerze» im 'rhermaischeii 
Meerbusen (Golf von Salonik) vor Anker ging, bis zum 
Flu»»e .Axios (heutige Wardar), welcher die tirenze bil- 
dete zwischen Mydonieii und Bottiila und wo an der 
»cbmaien Kü.ste die Städte Ichnä und Bella lagen. Pellu 
hatte die Lag« vom heutigen lk>rf Alak-kilissi, nördlich 
vom Yenidschesee, auf der niedrigsten Hügelkette, die 
die tnac«<Ionischc Ebene im Norden begrenzt. Icbnä 
weise ich etwa» nordöstlicher die Lage des Dorfes Kufa- 
lowo nahe dem Wardar, elienfalls auf einem Uügelvor- 
sprung, an. In dieser Kichtuiig lief die nördliche K0»t« 
des Thenuaischeu Meerhusens, wo »ich der Kcheidoros 
(heutige Galiko) in dun Sumpf der Axiosmündung er- 
gtjfa (Ilorodot VII, 124). Im Södwe«ten aber vercmigeii 
sich die Flüsae Lydias (heutige Kara-Asmak) und Haliak- 
mou illerodot VII, 127). Der Kara-.Asmak (Mavro-Nero), 
der sich heute in den Wardar ergiefst, führt die Gowässer 
doK VenidscheHees ah; wenn man ihn als di« Fortsetzung 
der Moglenitzn botruchtut , die heute noch beim Dorf«* 
WetschiMla, gegenüber Agustos, ihren südlichnten Punkt 
uneicht, mufste der Lauf des HaHnkmon nach dem Au.««- 
tritt aus dem Kogpaf.» bei Karaferia in nördlicher Rich- 
tung fortgoführt gedacht werden, um einen Zuaammet)- 
flufs mit der Moglenitza zu ermöglichen. Dieser Annahme 
steht nichts im Woge, wenn nochmalH auf diu ruhelu'se 
Verlegung des Flufsbuttu» sowohl der Moglenitza al.*« 
auch des Haliakmoit (Wintritza) hingewiesen wird, die 
ihren lAuf in der Ebene durch ein Terrain nehmen, das 
diesen Vur&nderungen in keiner Weise Iliuderniöse «nt- 
gegenstelit. Barth erwähnt auch «in Kolchos vom „salz- 
reichen“ Haliakmon verlasaonc* I''lufHbutt in weiter sü«I- 
licher Richtung, am Fuf»e der Ilügulreili«, die diu Ausläufer 
des OlympoH abschliefsen Ans diesem Gesamtbilde 
geht hervor, daf» der Golf vou Salonik uro 450 v. t'hr. 
eine in ziemlich westlicher Richtung bis an di« vor- 
genannten Höheuzüge tief ins Land «in.*>chnuidende Bucht 
bcKftf». Das durch den Axios (Wardar) gehildetu Schwemm- 
land schob »ich indeHsun immer weiter nach Süden vor, 
und ein Ähnliches erfolgt« in östlicher Richtung an der 
Mündung der vuruinigtuu Ströme Lydias (Moglenitza) 
und Haliakmou (Wi»tritza), bl» die sich nähernden Mün- 
dungen so nahe zu liegen kamen, daf» nur noch «in ver- 
liäUniKmäfsig schmaler Kanal die Verbindung de» vom 
Schw'enimlande eingeschlossunon Meerosteilc» mit dem 
Hufscrou Golf aufrecht urhielt. Diese» Bild veranschaulicht 
Ulis Stralm, der einig« Jahre v. Chr. schreibt und vom 
Meere bi» zur .Stadt Pello eine llinauffahrt auf dein Ly- 
dias von 120 Stadien ansetzt (VII, fr. 20, 22), was einem 
Wog« von 22,l9Skm entspricht. Polin kommt nach ihm 
HU «inun cbunfallK Lydia» honanntuii Seo zu liegen, der 
durch einen Arm do» Axios geupeist wird (VII, fr. 20 n. 
23); diese letzter«, bislang angezweifelte Angabe ]äf»t 
sich nach dem, was wir ül>er die Flufsläuf« im Bereich« 
der tnAc«doni»chen Ebene bereit» gesagt haben, nicht 
obn« weiteres als eine topographische ( nrichligkeit Strsbos 
zurückwutsen. Nach ihm fliefKi der Lydias bereits .seli>- 
»tändig südlich v<im Axios und der Haliakmon südlich 
vom Lydia» in» Meer (VII, fr. 20), das iiiacedoni-sch« 
Flachland und die Künt« haben sonach in weniger denn 
fünf .lahrhnnderten «ine ganz andere (iestoliung er- 
fahren. und wenn wir Wrucksichtigen, daf» heute die 
Luftlinie von Alak-killssi zuiu Meere etwa 35 km 1 m 3* 
trägt, wa» einer Zunahme vou nahezu 13 km entspricht, 
so wird iniH da» Wachstum dieses Landgebiete.s in deut- 
lichen Zügen vor Augen geführt. Die Ver.Kumpfung des 



’lt 



u. a. ü., S. 2oy. 




Kleine Naohriohten. 



243 



eti)geschlo8fenen Mnere^teileSt die mit der Hebung dee 
H<Hlen^ Hund in Hand ging« erfolgte dann auch ru gleicher 
Zeit, denn Liviuit erwähnt ihrer bertutn (XldV, 40). Ik>r 
verkleinerte Umfang dea beutigeu Seea ergab »ich in der 
Folgezeit durch die Atiscbwemiuuiigeu der kleineren Flüaae 
und Wildbäcbe, die radieuförmig dae« Hecken au allen 
( fern erreichten, so dafa durch die nllmähliche Hebung 
doK Waescrupiegels ein rascheres AbflieffeD der Gewässer 
in da» Meer bewirkt wurde"*’). 

lu^der Weise nun, w'ie wir durch einen Kückbltck 
niif die Kutstehung der macedoni»chen Tiefebene und 
de» Yenidschesee» uns mit den bildenden Momenten dieser 
Nntiirerscheinuiig vertraut gemacht haben, wollen wir 
kurz auf da» llild binwuisen, welches dieses (lebiet durch 
die gleichen Verhältnisse in komuieuduu Zeiten dnrbiuten 
vrirtl. HurcU eine weitere Hebung des Bodens des Y’o- 
nidsebesees steht zu erwarten, dafs sowohl die (iewässer 
des Sumpfgebietes als auch des oSmieit Sees gänzlich 
abgeführt werden und der See überhaupt von der Bild* 
iliiehe verschwindet. Hingegen schreiten die Verlauduu* 
gen des Wnrdar und der Wistntza in der Huuptrichtuug 
von Westen nach Osten rüstig fort. In dieser Tendenz 
wir«! das westliche Ufer des Meerbusens von Snlouik 
erreicht und der innere Golf, an welchem die Stadt Sa* 
lonik liegt, laguneuartig vom Meere abge»clilu.»scn, kurz, 
es werden in künftigen Zeiten südlicher die ähnlichen 
Verhältnisse geschaffen, wie wir sie bei der Bildung dos 
Yenidschesees beleuchtet habeu, oder cs fällt, mit anderen 
Worten, dem inneren Meerbusen von Salonik die Bestim* 
mutig zu, in der Gestalt eines lUimenaees ailmählicb rum 
Meere abzurückeu In welcher Weise sich die Yer* 
liältuisse hier weiterhin gestalten, wirtl davon abhängeu, 
wohin der Wurdar seine Mündung verlegt, ob in den 
ueugebildeten See oder ins offtMie Meer. 

leb möchte hier doch noch darauf hinweiseil, dafses, 
wie aus der vorausgeschickten Skizze hervorgeht, in 
mancher Beziehung für die topographische Bestimmung 
alter Ortschaften von gi'ofseiu Nutzen ist. vorerst die 
geognostisohen Vorhältniase und die möglichen geologi* 
neben rmwälzungen in den letzten JahHuunendeu einer 
näheren Prüfung zu unterziehen, und dies hauptsächlich, 
wenn es sich um Ortschaften handelt, die, an der Meeres* 
küsto gelegen, den Kinnüsneo der in diesen »udlicbeD 
Ländern überaus regen Verlandungen ausge*etzt nind^^). 



*’) Auch Th. Fiitclier, a. a. O., K. Ilt*. vertritt diese Ansicht, 
die er in Imrzen Worteu zuni Ausdruck bringt: »Wir haben 
die Kam|ieii)u (macedonUchu Kbciie) als ein sich noch täglich 
vergriifserudea (inschenk der Flüsse, den Üacheii Yenidsehesee, 
dessGU .\bflurs, der Karasmak, zum Wardai' geht, als eine ins 
Biimeiiland gerückt« eliemalige Huoht des (iidfes von Halo- 
niki nnzufiehen.* 

*■) Hielte au<’h Th. Fischer, a. «. O., H. äu. 

Felix Boaujour, Tableau du coiunieire de la (tW'ce, 
Paris läuu, vol. !, )i. *21, schwebt« offentar diese Krscheinung 
vor, als er sehrivb: ,Kt ü I'ouest (de la rüde de Sahiuit|ue) 
des inonceaux de vasu chaiies pnr I« Vnrdar, ipii, depiiis 
Alexandre, a augmenl^ de pn^s de deux lieues de termiu, 
«iu'il imrrourt.* Ähnliche IhdspicI« Anden eich dei üfiereii 
bei Leake, Travels in Northern Oreece. 



Der Yenidacbeaee hat mit »einem Sumpfgeldei ein 
gröfstes Areal von 90 qkm. wovon auf den See selb.st 
nahezu 5 qkm entfallen. Ka liegt im Wesen der Sache, 
daf» es überaus schwierig ist, bei einem Sumpfgebiete 
wie das vorliegende, das unter dem Kinflur» der JahreR* 
zetten und der NiederschlagHTorbältuisse beständigen Ver- 
änderungen seiner Gestalt unterworfen ist, eine uiuthe' 
matiscb genaue Be.stimmung des Areals vorzuuehmeu, 
und die» um »o mehr, als ja auch hier von mnlsgebenden 
kartographischen Aufintiimeu kaum <lie Hede »ein kann. 
Im Hochsommer 1902 hatte ich Gelogenheii, die l.age 
de» Yenidschesees von der Höhe des Paikgebirges durch 
Wiukelmeasungen zu beRtiimoan (s. Übersichtskärtchen). 
Hiernach hat die offene Wa».serflricbe eine ovale Gestalt 
mit uuregelmäfHigen Bandungen, eine gröfste Länge von 
etwa 5 km und eine Breite von etwa 3 km. Die gröfste 
gemessene Tiefe beträgt 3ti), und der Wasserspiegel liegt 
4 tii über dem Meere. Das Stunpfgebiet bat seine gröfat« 
Ausdehnung im NordweRten, wo mehrere vom Paik und 
von der Moglena herabkommende Gewässer einmünden; 
dietM»s Gebiet breitet sich im Westen und Süden der See- 
fUlchc noch beträchtlich aus, nimmt aber im Südosten und 
Osten ab. Die Marschgogeudeu werden demzufolge mit 
Vorteil zu Mais-, BaumwoU- und Rctsaupflunzuiigen be- 
nutzt ^). 

Diese Gegend winl daher als reich bezeichnet, ist 
aber iufulgu der Malaria* und Moskitoplagc nur Hchwuch 
bevölkert. Im letzten Jahrzehnt beschäftigt^ man Rieb 
ernstlich mit der Frage der KntwiWserung diese» Sumpf- 
geluetes, welche beträchtliche iJinderstreckeu der Kultur 
zuzuführen vermocht hätte; der kaiserliche Ferman wurde 
urteilt, die bezüglichen IMuue im Jahre 1892 ausgear- 
beitet, doch scheiterte das Unternohmen au der ßnan- 
ziellen P'rage. 

Tuma V. Wahlkampf '*) nennt in grober Verirrung 
den Yenidschesee einen Salzsee, vielleicht mit Bezug auf 
diu Ausführung Ihmes wonach „(Jas Wasser der Brun- 
nen*^ in der Fingebung des Sees von Yenidsche „salzig 
und der Boden salpetrig und zum Teil unfruchtbar ist". 
Der Beichtum an SüfswuHserfischen in diesem See i»t 
übrigens so grof», dafs gegen 500 Doppelzentner aus- 
geführt und zum grufsen Teil in gesalzenem Zustande auf 
den Markt gebracht werden. An Fischarten werden ge- 
nannt: der Barsch, Hecht, Karpfen, Aal, Wels und Weifs- 
fi»ch; in den Sümpfen werden Krebse und Krabben ge- 
fangen. Bezeichnend ist e», dafs die FiRcberei in dem 
Suinpfgebiet »ich hier als sehr lohnend erweist, .\iich 
Iwi Kajali fliefsen die OewäsKcr dos Sumpfes zu eincro 
kleineren Becken zusammen, du» mau den See von Ka- 
juli zu nennen pflegt. Die Beute der P'ischer ist hier 
tuindeslens ebenso grofs wie in dem Yenidschesee, und 
der jeweilige Jahrespächter inuls für diesen grofseu 
Tümpel nicht weniger al» 70 türkische l'fd. (1300 Mk.) 
uu den Staatsschatz abführen. 

**) !)(•(• VorftMaers AuGatz, ,Die uiaced«>riiache Khcnc“, in 
der .Natur*. Jahrg. Ik9S. H. 4(11. 

*‘) a. tt. O., H. 117, 

R. a. O.. 8. 195. 



Kleine Nachrichten. 

Alidruck nur nU qii*U<>tMUig»b« goMaitrl. 



— Von der Polarexpeditinn des Bnron Toll waren 
Mitte 31änc neue Nachrichten ehuielaufen, nur nicht von 
ilem Führer selbst, der auf der Betinettin»el überwintert iinii 
dort bisher zurücki;«hnlt«ti worden IhI. Wi« auf S. I7tl de* 
laufenden Bandes berichtol wurde, wurste mau hi* vor kur- 
zem nichts von den beiden AbteiUiiigen, di« im April und 
Miii 1902 vtrm Winterhafen an dor Westküste v<in K4>(«liiy 



aufgebrochen waren. Die eine stand unter dem Befehl dos 
Zoologen Birula. Hie war Bude April ahgagungeu und 
hatte, an den Südkästen der Neusibiriachen Inseln nach Osten 
vorgehend, am 12. Mai Kap Wysocki auf Neu.sibirieu erreicht, 
wo ein« Hütte und ein« Lebensmittelniederlag« errichtet 
wurden. Während Birula im Inneni der Insel weilte, folgt« 
ihm Knde Mai Baron Toll. I>ie.ser gewann Kap Wysocki am 




244 



Kleioe Naohriohten. 



27. Juni, indem er sdch im Korden der Inaelgrujipe hielt, 
und brach von dort drei Tai^e spUter nach der IVemiettinael 
auf, um diese zu orforM^heu. Seitdem also fehlt von Baron 
Toll selber und von seinem Begleiter, dem Astronomen Ke* 
Iterg. jede Nai.‘hricbt. MattJssen, der Führer des Kx|>mlitioiis- 
•rbiffe* ,8arja*. hatte den .Auftrag, im SpdtJwqDiiier die 
l>eideu Abteilungen abzuholen und a» Bord zu nehmen, ver- 
nuicht« jedoch des Kise« wegen Kap Wvsocki nicht auzu- 
laufen und nairsto, «ie berichtet, in der Lenamünduug die 
.Katga” ins WintertiUHrtier bringen. Birula bnt nun ohne 
die Hülfe des Schiffes loskoiuiiieu künnrn und ist im März in 
Jiikutsk eingetroffeu. Aus seinen )litteilunguii geht hervor, 
dafs er Anfang l>e;<emljor nach Krledigung »einer Arbeiten 
Neusabirien verlas-ieu und mit dem Hchlitteu Knde l>ezember 
das Festland «rreichl bat. l'm Baron Tülls Bchtcksai ist 
man nicht ohne Betu>rgnU. und man batte bereits, als es 
fesUiHud, daftdie .Barja* ihn nicht hatte aufnebmon können, 
eine Hülf&aktion vorbereitet. Bies<' steht unter dem Befehl 
Brufsnews: er gedacht« im Februar nach den Keuaibirischrn 
Inseln aufzubrochen, ist jetzt nUo unterwegs. Im übrigen 
wurde Baron Toll sowohl bei Kap Wysocki wie an verscliie* 
denen anderen Btellen der Iiiaelgmpp« LebenKniiUei vorßnden. 
Kr int vielleicht inzwischen schon in Bicherheit. Die ,Bnrja* 
soll ihrem Bchicksal überlassen hleil>en, nachdem man ihre 
wortvolle latdung geborgen hat Vm sie die Ivena hinauf' 
xuWingen. dazu ist ihr Tiefgang zu und sie um Asien 

herum zurückzuführen, lohnt nicht infolge der Kotten und 
Uefnhren. 

— Den Unterkiefer der Anthrtipumorphen und 
des Menschen vergleicht Walkhoff in der 4. Lieferung 
»eines Werkes .Menschermffeti* (WivsUuleti, Bergmann 
Kr kommt dabei zu interessanten Krgebnissen. Die unge> 
wöhnlicho Orufac der diluvialen Menschenkiefer ist offenbar 
bedingt durch die gröfseren Anforderungen, wotebo an diC' 
»eiben gestellt wurden, indem die diluvialen Menschen die 
Nahrung nicht so zubereiteii konnten, wie wir dieses heule 
thuu. Umgekehrt verursacht die heutige Zul>ereiiung der 
Hpeisen die Verküinmerun? der Kauwerkzeuge. l>ie Bildung 
des Kinnes ist auf die Bprache zurückzuführeu. Die Kiefer* 
formen der nbrigeu Frimateu entwickeln sich hauptsächlich 
nur in Hücksicht auf den KuuakU Ihr Unterkiefer ist nur 
für das Fressen berechiieL Aus der bamionUrhen ürivrse 
der Kieferreste und der darin enthaltcuen Zilhue müssen wir 
Bchliefsen, dafs die diluvialen Menschen ihre Nahrung hnupt- 
sitchlich nur mit den KuuwurkreugoD behandelten; daraufhin 
deutet auch die starke Ahsclilotfung der Schncidezilhne bei 
dem Bebipkakiefer. Durch die Sprachmuskelu wurde der 
Basaltcil dos Unterkiefers beim Men»cheii erhalten, wahrend 
der Alve<darteil und die l^hne sieh durch geringeren Ge* 
brauch zurückbiidetun. 



— Von der schottischen Bndpolarexpedition unter 
Bruce sind von Knde Januar aus Port Btanley. Faiklnmlinseln, 
datierte Nachrichten eingetroffen, aus denen hervorgebt, daf» 
der Führer seinen Plan geändert hat und nun doch in der 
Antarktis überwrintern will, und zwar mit dem Bchiff«. 
Kr ist dazu bewogen worden, weil infolge des versimteten 
Aufbruchs %'on Behottland bei »einer Ankunft auf seinem 
Forschungsfcld« der süd|H>lare Kmnmer schon zu weit vor* 
geachritteu war, als dafs er noch viel hatte untoniehnicn 
und rocht/eitig uiit dum Schiffe umkeliren kOuncu. Bruce 
woUte also, soweit es diu Jahreszeit erlauben würde, nach 
Buden Vordringen und dort überwintern, d. h. also an der 
0*tküste von König-ttskarland. die diu schwedi«che Kxpedi- 
tion iui Botiuuer 1901. 1902 nicht zugänglich gefunden batte. 
Vielleicht halsen die Knhoitun mehr Oliick nml können in 
möglichst hohen Breiten ülwrwintcrn. Vor April 19U4 wird 
man mithin von der »cliottiKchen Kx|ie<liiion nichts lutren. 
Natürlich wachsen dadurch die Kosten erheblich, nämlich 
um 140000 Mark, und es hielt schon schwer, in Behottland 
diu Bfittel für die l>eschränkte F>>rwchuiig»fahrt aufzubringen. 
Sollt« Bruce mit einigen augenfälligen Krfolgen heimkehren 
können, »o würde «ich imicssen das l^eflzit leicht decken 
tassen. 

~ Cher den Wolkenbruch vom September 1902 in 
Hi Zilien und die übeiwchwummung von Modica. die noch 
in der Krinnerung aller 2U-itung«lc*or stehen wird, giebt 
pMf. Oi'iniHidi-Uaiania lMet«<jroli>gi«che Zeitschrift, Februar* 
lieft 1903) einige zahlenmiiJ'sigu Daten. Die bedeutenden 
Niederschläge wurden veranlafst durch eine wahrscheinlich 
von Huden gekounieue Deprefwiou, diu sich am 2ö. bis 27. 



September über Tunis vertiefte und nach Norden weiterz‘>g 
Der meiste Hegen ffei vom Morgen des 25. bis zu dem des 2fl. 
an der Vorderseitu der Depression. Diu Nic<lenichIägsmeDguu in 
24 Htuudun b).*lrugvn an diesem Tage z. B. in Linguaglosaa 
423,5, in Ao-irettle 330, in Han Aldo 2HO,2, in ('ataiiia *2ao.l mm. 
in Linguaglosaa fielen an den beiden folgenden Tagen noefa- 
muU 115 resp. 112 mm. Wie auraei^ewöhnlich diese Zahlen 
sind, kann man. at^esehen von einer direkten Vorgleichung 
mit jährlichen Niedvrschtagamungcn der iHjtruffenduu Heimat»- 
* orte, auch daran erkennen, daf» in der Zelt von IS05 bis 
' 1902 in Catania nur dreimal Niedurscbläge von mehr als 
i lOOium in 24 Btuuden gemessen wurden, von denen der 
höchste (.30. Oktober 1901 j 116 mm erreichte. Dieae siosigen 
Wassermnsoen erzeugten altcnibaUKm eine Überschwemmung, 
die in Modica, durch lokale VerhaitniHHe besonder« gesteigert, 
in der kurzen Zeit von 30 bis 4o Minuten 111 Menschenleben 
als Opfer forderte. Wie stark der Anprall der Fluten dort 
war, mrige daraus ersehen werden, dafs ein 40f»cbm grofser 
Felsblock aus Kalkstein von ihnen 1200 m weit fortlransfair* 
tiort wurde- über die Kinxelhuitcu Iwi der Überschneminung 
haben «einer Zeit die Tageszeitungen »o viel gebracht, dafs 
«B nicht notig ist, hier darauf näher einzugehen. Gr. 



— Atlas der grofsen Been der Balkanbalbinsel. 
Der bekannte Krtorscher der ȟdostoumpaischen IfalliiuKel, 
ProfosKor Cvij an der Hochschule in Belgrad hat «oelieu 
einen AGa» der zehn grofsen tk^en der Balkatihalbinsel 
(Belgrad 1902) herau«g«gel»en , nach dem Muster der Heen- 
atiantüD der dsterreichiwhen Al]>enläud«r von i’euck und 
Itichter. Der Mafsstab ist bi« auf den Janiua- und Bkutari* 
SOU, welche in 1 : 75000 dargestellt sind, I : lOOOOü; ein 
gröfserer Mafimtab würde tiei dem UnifHiig der darguatellten 
Been den Atlas viel zu voluminös gemacht haben. Knt* 
sprechend dem österreichischen Beenatlaiiten ist auch hier 
da« Uidäude der Been in die Karten durch Jsuhypsenlinieo 
und eine Anzahl charaktcnstischcr Prvifile durch Bue und 
ItAiid mit anfgenoininen. Auf den letzten Blättern de» 
Atlanten finden sich graphische Daralellungeu der Durch* 
sichtigkeits* und Temperaturverbältuisae, sowie einige sehr 
interessante iimrpbomctri«cbe Berechnungen, ausgeführt von 
Peuckor in Wien, welcher die Limuometrie der grxirscii Been 
der Bnlkanlialbinsel in einer tM-iuindercn Btndic veruffent' 
liehen wird. 

Folgende kleine Tatiolle giebt das Areal, die grofste Tiefe 
und die Zahl der «tattgebabten Lotungen. 



Areal 

•|kiii 


Gröfstc Tiefe 
m 


Zahl 

der IjQtungen 




50.4 


?,4 


104 


Beschiksee 


69 


22.3 


140 


l>ojranse«‘ .... 


42.« 


9,9 


I n 


Jajiiuasee .... 


IH,8 


10,5 


82 


Kasbiriasee . . . 


27.3 


10,8 


lOf» 


Ochridasee . . . 


270 


285,7 


204 


Osirovosec .... 


73, fl 


«1,7 


19« 


Kleiner Presjaisee 


52 


7.7 


80 


PresjKUiO** « . 


2SH 


54,2 


250 


Bcutarisee .... 


356 


44 


240 



Halbfaf«. 



— Erwiderung. Da« . 0 eog ra ph ica 1 Journal“ 
(Januarheft 190.3, H. «O) referiert nach dem .Globus" (82. Bd.. 
B. bis 89) übt^r die Besteigung des Meru-Berges durch 
1.4‘Utnant Bchicritz, welchem Artikel ich einige Krläute- 
rungen beigefügt hal>e, und «agt zumKchlur«: «Herr Förster 
lK.'m«rkt, dafs der vulkanische Charakter des Berge* 
zuerst von Hölmel orkamit wonlen ist; diese Bemerkung 
dürfte schwerlich richtig sein , da Tbom»on schon in »biuem 
Werke (IK85) den '«'undervullen Vulkankegel*« de« Mern 
erwähnt hat." Diesem Vorwurf der Ungenauigkeil möchte 
ich entgegnen, «lafs ich in dem angCM'goucn Passus sagte: 
.Höhnoi erkaniitd 1 h 87 den Berg als erloschenen Vulkan und 
er und Graf Teiecki waren die ersten, die ihu zu er- 
steigen versuchten." Also uur in der Kmteigung wurden 
sie als die ersten gerühmt, übrigens hat Thotu».>n den Mern 
nur HU* weiter Kiitfeniung betrachtet und für einen Vulkan- 
kegul angesehen; .erkennen* al>er als Vulkan, und noch 
dazu als erloschenen Vulkan, komil« ihn nur derjenige, der 
ihm möglichst nahe auf den Leib gerückt war, und dos war 
Uübnei. Brix Förster. 



Verantwartl. RMLskleur: H. Siuger, Herlia NW. 6, SriiilfbeuctdAtuia 26. — Druck; Friedr. Vieveg 8. Sohn, Hrsunscliveig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEBEmiOT MIT DEN ZEITSCHHIFTEN: „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
HERACSGEGEBKN VOX H SINGER t'NTF.K HESOXDKRER MITWIRKt'NG VOX Pior. Dh. RICHARD ANDRES. 
VERLAG VON KRIEDR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 16. BR AUNSCH WEI Q. 23. April 1903. 

NMhdruck auT lututi Ubarwlnkuo/t nh «Ur V«rla4ftlLMulluu9 gr«utt«t. 



Asiatisch-amerikanische Folklore-Beziehungen an der Beringsstrafse. 



Au <ier in ethnoffraphischer Uuziobunjf hochwicli- I 
tijren li^nnfpi.straTHt» findet unter dem Kinflua.Hu dor | 
WuiTaeii eine tlburraachend acbliulle Zoraetzun^, Auf* | 
KHugun^ oder gar Vernicbttmg der dort auf itmerikaiii* | 
Mcbor wie aaintiaeber Seite wobtiuudeu Völker atult. l'ud 
doch iht ]uoe bedeutungavoUe Stelle läiigat schon in ihrer ; 
Wichtigkeit för die etbuogrnpbischu Verknüpfung der 
alten tind ueuen Welt erkannt worden; was nicht jetzt 
noch im letzten Augenblicke dort eingeheitnal wird, tat 
uurettlmr rerloreu; vitdua int schon dahingegaugeu, ohne 
dafa cs der Kaohwelt überliefert wurden kounte. nTbe 
Kauicbadale buvu forgotton aliuuat all of tbeir old tra- 
ditiona“ heilst ee in der Schrift, auf die wir gleich zu- 
rückkonimen. Ktknographische Expeditionen aiud 
heute notwendiger als geographische, und doch 
.Hieben die uach beiden Setten aufgeweiidoieu Mitte! int 
utngekuhrU'ii VurbnltuU zu dur Wichtigkeit. Gewit.H ist 
Cd lobeuawert uud nur zu billigen, wenn reiche Mittel 
rou Heichswegen fftr die Ei'forschung der Meerohtiefen 
oder eine Expedition tu die Südpolarregion bewilligt 
werden; allein beides winl sich in zehn oder zwanzig 
Jahren uoch ohne Schadtni für die WtaseiiM'haft erforacheu 
laaaeii, wahrend jeder Tag, der in der Erforschung der 
dahin«cbwindeudeii XaturTölker yersäunit wird, uns un* 
wiederbringliche Verluste znfügt, und Dokumente für 
die Geschichte der Menschheit verloren gehen, diu wir 
noch hätten für die Nachwelt festlegen müisBei]. 

ÄVu Staatsmittel hätten etugreifen Hollen, da sind 
wiederholt Private, vou der Wichtigkeit der Aufgabe 
durchdrungen, eingetreten, und da stehen in erster Einie 
die Expeditionen, weiche der Amerikaner Jesup auage- 
Hendet hat, um diu aHiati?<ch*amenkaTiijicben Heziehungeu 
zu beiden Seiten dur llerttigHstraffie zu erfümcheii. Zu 
der Reihe der bezüglichen Veröffcutlichungeii gesellt Kich 
jetzt eine neue, welche den auf dem Gebiete Hibirischer 
Kthuographie Hcboii bewahrten Waldemar llogora» 
zunt VerfasKcr hat»), und über die wir hier einiges l>t- 
riebten wollen. 

Ihigoras hat über TiOO Erzählungen unter den nord> 
ÖBtlicben Völkern Sibirteus geHumim-U, die meisten unter 
den TocbuktHcheu, von denen 100 durch die Petersburger 
.Akademie im Jahre 1900 veröflentlicbt wurden. Andere 
Htammen von den KamtKcliadalen, Korjaken, Damuten, 
den rusHifizierten .lukagireu an der Kolynm, den Tncku* 
wuDZun, den a.*>iati>chen Mskimo u. s. w. Dos kamtseba- 

') Waldemar Ik>g«>raN. The folklnre of Nortlienatern Asia, 
a« ('ontpanKl with that of NorthweHterv Aniericn. Im Ame- 
rican AnthrojMdogist, New HurittN, vol. IV, p. 677 — «JMS. 

Globus LXXXIII. Nr. liL 



dalt.Hcho Material iiit da.n wichtigste, aber auch dan dürf- 
tigste, da das Volk im Untergange begriffen ist. Auch 
diu Jukagtreu haben Hchun vorherrscheud ruasische Tra- 
ditionen und (lUHäiige angenommen; man hört bei ihnuu 
epische GenAnge, diu vor Jahrhunderteii in SüdrufHlund 
gedichtet wurden. 

Aum den Sammluugeu von Rogurus ergiubt sich in 
HchlHgendur Weise, wio Mythologie uud Volksüberliufe- 
ruugun im nordöstlichen Asien, auf dor .\nierika zuge- 
wendeteu grofsen Halbin-^e), völlig verschieden sind von 
den wentlicbor wohnenden ural-altaiscboo Völkern. Die 
verschiedenen Völker am HHiatischeii OKthorn liabeu 
keinerlei 4xler sehr geriuge Huziehimgun auf Junen Ge- 
bieten mit den wcHtlicher wuhtiuuden Sibiriern, im Gegen- 
teil, alles weist hier uach Osten, nach Amerika bin. Von 
der unteren Kolyma, die ins Eismeer mündet, hin zur 
Gischigabai am Stillen Ozean läuft eine Grenzlinie; allus, 
was öütlicb von diusor liegt, ist mit umurikauischeii Ideen 
erfüllt, hat seine Verwandtschaft, Heine rbereinstimzDUng 
mit nordwestamerikanischeii V’ölkem. Hei den Sibiriern 
treten einäugige und einl)einige, feners])eiende Geister 
auf, die auf seebsbeinigen gcHügelten Eiseurossen dahur- 
saiiMm und mit eiHengupanzurtun Rittern kämpfen; l>et 
den der Beringsstrarsu zugewendutuo Völkern spielen 
Muorungeheuer, Seewerwölfo, eine Rolle, die im Sommer 
als Wille die Aleere dnrchHcbwimmen, im Winter als 
Wölfe auf dem Lande baunen; da gieht es rie«igo liis- 
bären, deren Körper gauz aus Klfcnbuiii liustebt, Larhs- 
nienschon, meuschenfruasende (ieiHtur u.dergL Man hört 
von Felllwoten, diu achuell wie ein Vogel die Meere 
durebschneideu, KAhnen, die sich von sullwt furtbowugeii 
uud Abeuteuerlu-Htige nach fernen Inseln entführen, wo 
ScbaitenmenHcben in Wäldern leben, halbgüspaltene Leute, 
Zwerge oder EisiMlren mit MenschunguHtebturu umber- 
wandein. 

lui allgemeinen gleicht der Charakter der Erzählungen 
der uordöstlicbeii Asiaten jenem der iiordwustlichou Ame- 
rikaner, und dieses ist gewifs auch zum Teil auf Ähnliche 
Lebensweise, ähnliche Umgubuug zurückzuführeii, die 
Mich im Osten wie iui Westen der Heringsstrafsu gleichen, 
wo der wulßHchjugeiide uud seehuudfangetide Eskimo, 
der Küatentschuktsche. der flschunde Indianer und Kani- 
tschadaie, der nMintierzficbtendu Korjake 11. h. w. leben. 
Ein zweiter gomeinsamer Zug in den Erzählungen der 
Völker auf lH*iden Suiten der Heriiigsstrals« ist da» Vor- 
walten obseönur und wüster Geschichlun, und auch unter 
diesen weint die asiatische und amerikanische Seite eine 
grufsu Anzahl ganz gleicher auf, die einen gemeinsamen 
rrsprnng liabeu infi^sen. Sdebu »chmutzigen Krzäliluugun 

Öl 



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S. Tuflhulok: KiniK*’ Krgobui*>ic der Murmariexpedition. 



24fi 

reichen K^dlich bis zu den Ainos, wo auch die Tier- 
}{eHchichten hiiun^ sind. 

Will man nun Vergleiche ziehen zwischen der Folk- 
lore auf asiatischer und amerikanischer Seite, so kann 
dieae» sich auf zweierlei Kreise erstrecken: erstens zwi- 
schen den amerikauischeu Kekimo und den asiatischen 
Tschuktscbeu, die in unmittelbarer Nähe der Kskiino 
wohnen, und zweiten^ zwischen den nordwestlichen ame- 
rikantscbeti Indianern und den atbirischen Oststämmen. 
Hogoras hat zunächst diu Heziehungcti zwischen Kskimo 
und Tschuktschen untersucht und gefunden, dafs letztere 
sehr stark von ersteren boeinflufst sind. Oie Analysen 
der Krzablungen ergeben grofse Übereinstiuimung. Wa» 
nun die Beziehungen der In<üaner zu den OstHihiricm 
bezüglich ihrer Folklore betrifft, so fällt sofort auf, dst.« 
der kennzeichnende HalaMimythuH beiderseits vorhanden 
ist. Ih-i T"cbuktschen, Koriaken und Kamtschadiden ist 
der Name des mythischen Uaben der nämliche oder doch 
sehr ähnliche; Kutk, Kutkil, Kugkly, Kurkil u. dcigl., 
und dert'harakter des Haben wird genau so wie auf der 
umerikHui’schf'n Suite durgu^tcilt. hir ist ein rmgestalter, 
aber nicht tler Schöpfer «1er Welt; er bringt Licht und 
frisches Wasser, lehrt die Menschen, wie sie ihren Krdcu- 
wandel eiiirichten sollen; ist ein humoriRtisclier Geselle, 
dabei alU'ni und 'Kihmutzig, verübt allerlei lose Streiche, 
die oft einen obxcönen lleigescbmack haben. 

Hei allen Vergleichen zwischen den uie(*r«^sgetr«>nntun 
Völkern .springt in die .\iigen, dafs der F.akiinoeinnuf8 
sich allmählich an der sibirischi'ii FJsmt^erköstu in west- 
licher Richtung ausdehnte, wo |ti auch die materielle 
Kultur der Kskimu in vieler Huziehung, in «Ion Geräten 



für die .fagd u. s. w.. sehr einflufsreicli geworden ist. 
Hier hnlnm wir es also, Iwi den T'^chiiktschen, mit er- 
hurgtem FNkiinogute zu thiin. Verwickelter sind «iie 
Ileziehnngen zwischen den nordwestlichen Indianern und 
den östlichsten Asiaten, Indde sind ja nicht nnr durch 
das Meer getrennt, sondern zwischen dun Indianern und 
Ostasiateii sitzen auch uck-U die Kskimo und Tachuktscheu. 
Ti-ützdein und trotz der grofsen Kntfermingen zwischen 
beidnn Teilen ßnden wir aber zwischen .lukagireu und 
KamUchadnlen einerseits um! den Indianern anderseits 
eine Anzahl charakteristischer alH.‘i*einstimmender Fj^äh- 
lungen, die den zwischen beiden wohnenden Tsciiuktscbeii 
und Kskimo unbekannt sind. Dazu gi>hörun diu Rahen- 
legetideii, dio den F..«kioio fehlen. Wer die t^hereinstiin- 
mnngen der verschie«len4m Krzählungen hei den ,4isiaten, 
den Kskimo und Indianern mit eiueiu Blick übersehen 
will, braucht blofs die analytischen Tabellen, die Hogora» 
seiner Abhandlung buigegebuii bat, zu iiheracbauen. 
26 Krz&hlungen der Tschuktschen und Kskiino stimmen 
überein; T.Hcbuktschen und Imlianer besitzen H3 sich 
genau gloichende; die übrigen Westberingsstilmnio haben 
mit den Kakimo 12 gumeinsame, und diese Westberings- 
Stämme sind bei den Indianern wieder mit IM übereiii- 
stimmenden Kfzähluiigen vertreten. l>az«i koimnen eln<‘ 
Anzahl Geschichbm, die bei allen veraehiedeneu V«'ilker- 
grup{>t*n sich ßnden. Da» eigentünilichste dabei ist die 
I gr<»tHu Übereinstimmung «ler nonlwestlieheu Indianer 
i mit «len Korjaken, KnmtschadaJen. Jukagiren. die doch 
I durch Kskimo und TschukischiMi voneinander getrennt 
' »ind. 

Richard Au«lree. 



Einige Krgehnisae der Mnrinanexpedition. 

Die Expedition zur Erforschung der bydrologiacbea und 
biologidchen VerhältniMe «ler nn «las euMpiiisehe Hufsian«) 
grenzenden Teile «1«^ nönilicheii EiRineercH, welche während 
fnst dreieinhalb Jahren (Mai 2688 hia Herlwt 18U1) unter 
der Leitung von N‘. Kuipowitsch eine rege Tliatigkeit 
entfaltet«, brachte ein umfangreiche« lieobachtungsmatorial 
heim. Kiiiig** Krgelmiase dieser wichtigen rntcrsuchunge», 
deren Anerkennung neulich in «ler Verleihung der Omf 
Litkeschen Medaille der Kais. Kusstacht^n GeselUrhaft an 
llerrn Knipowitach ihren Ausdruck fand, mögen hier auf 
Urund einer kürzlich von Knipowitsch selbst gegebenen 
kurzen Pamiellung auch den Ticsem dieser Zeitschrift vor- 
geführt wertlen. 

Au« dem vom Leiter der Expedition gegelienen Entwurf 
einer hydrologischen Karte des Kinueeres und des Weirseii 
Meere« ist zu ersehen, dnfs dir Nonlkatwtrömuiig (östlicher 
Arm dos Oulfstnuns), die zwischen der N’ordspitzu Kuix'pa* 
und der K^tr«nin»el nfWi als einheitlirhrr Sin>m von etwa 
180 Beemeilen Breite nach Osten dringt, .«ehr t»ald durch 
einige Ilo4leurrh4‘bungrn unter etwa 7‘i* niirdl. Ur. in zwei 
Teile /erlegt winl, fjneti breiteren und tieferen nr*rdüchon 
Teil und rinen Hrichli-ren, si-bmiUrrcn südlichen. l>er nörd- 
liche wird gegen Osten und Nordosten seichter und teilt sich 
»eltist noi'h in drei Arme, die aber tiald unter das von Nor- 
den eiii«]ring«'nde kalte und schwach salzige Wasser iinter- 
taurbeii und si«'h stark abkühlen; zunächst noch aU Zwischen- 
schichten zwischen dem kalten Olierw'iissrr und den et»cnfalls 
killten Ikideiischicliten iiarhweUliar. sinken sie dann definitiv 
XU Boden und verraten weiter iiai-h Osten bliifH tmeh durch 
den höheren Salzgehalt und die kaum merkbar« Temiieratur- 
erhebung der Bo«ien«ch(chtcii ihre Anw esenheit. Her südlich«* 
Arm bewegt sich eine Strecke hing {tantllel der Miimian- 
küste der Halbinsel Köln und erhält die Bezeichnung: Mur- 
tnanstriimniig. Etwa Wi 38* üstl. L. wird «lieser Strom ilurch 
berHUireteiide «eicht« Bodeupartif^n zur (lala'luiig veriinlafat: 
ein Teil laihält die Südostrichtung bei, der ainlcre wendet 
sich nach Nordostuii, «rb-idet alter dort schon bald, etwa 
unter 44 " L., wi<r«ler eine ganz ähnliche Galtelung. An 

jenen seichten Stellen des Meei-es Itridet sich stark ansgi-süiV- 
tet WaasiT mit niedrigen BiMlentempemturen; eU*n!>o gerin- 
gen Salzgehalt weist der den Küsten unmitteltiar vorgelagerte 
breite Streifen auf. doch sind hi«-r die Teinperaturuii ini 



Sommer mehr oder weniger hoch. Eine eigenartig« Strömung 
umgiebi bogenförmig die Westküste von Nowaja Setnlja ; «las 
Wassor ist. hier in der Tiefe stark salzig und zeigt niedrige 
T«ro|)«raturen. Kmltich Si*i noch erwähnt, dats die zentralen 
I’ariieen des Weifsen Meere« schon in geringer Tief« niedrig« 
Temperaturen auf weisen, während die Kiist«nzou«ui im Sommer 
stark erwärmt werden. 

Diese Verteilung der warmen Strömungen giebt uns über 
manche lü«h«r unerklärte Thatsachen ül»cr EisvertHlung und 
Schiffahrtsverhälliiisse Ktnrheil. Si« erklärt, uns vor allem, 
wAruiii ini Westen der Murmanküste ein so vorzüglicher ei»- 
freier llafen int'iglich ist. wie es der 1889 «röffnete Katarinen- 
hafsu der Stadt Alexandrowsk ist, während der östliche Hand 
dar Halbinsel Kola, der de* Schutz«-* der warmen Miirinan- 
stri>mung «ntlM-hrt, ««in vi«-l miihere* Klima hat und lange 
in Eis gefesselt bleibt. Kr steht unter dem Kinftufs der stark 
ausgesüfsten und seichten M«>ereBt«ile , in denen sich um 
die Halbinsel Kanin und an <ler l'fort*.- d«« Weifseti Meer«« 
gr«»rse Kismasson biMen. 

Sehr inten-^ant sind die von der Kx|>editi<m f«-stg«st«llten 
TAni^ieraturverhaltiiisse. namentlich im Küstenstreifen des 
Murmangebiei«. Hi« maximal« Erwärmung d«s Waswr-, 
welche an der Olierdäch« etwa im Juli erreicht wird, teilt 
sich nur sehr langsam den tieferÜegenden Schichten mit. 
Her KtiitriU der maximalen l'«-Dii>oratur kann sich liei einer 
Tief« Von UUO bis in bis auf drei Monate verspätun, wie 
die« lieispielsweise in iter Näh« der Kolabuoht der Fall ist: 
das Maximum fallt hier für die Oberdiit-henachichten in den 
August, fnr dio Tiefe von ni in den November: in dieser 
Tiefe war die Tcmie-ratur im Juni 1888 -4- l", im No'oiubcr 
-r ri* C. In d«‘ii Jaliri'ii 1898 bi* 1888 «niifnfstc der ,Sonun«-r“ 
fitr die OheriIä«'}ienschichten «li« Monate Juli bis Scpleniber. 
für die Tiefe von 10«» m «Ue M«juate Septembm- bis November 
und in der Tiefe v«tn -.''0 m war es . Sommer* erst in «ler 
Zeit von Oktidier t«i* Hezemlior. Iti dieser letzteren Tiefe 
Re] «ler .Winter" in die Moniite Mai biii Juli, deckte sieb 
nl*o zum '[Vil mit dom ^Sommer'' d«*r Obortlächen«chichten. 
Hs geht Hch«»ii aus «ii«M-n weiiigi-n .Xiigaben mit Klarheit 
berv«ir. ein wie unvollständiges Bild von den Lebensl>rHlingun. 
gen der Organi«anen die bisherigen Forschungen im Eismeere 
lit-rcni mufsteti, die sii-b zumeist auf dcu Hommer zu bc- 
srhraiiken pfl«?gt«-n. Km praktisch wichtig«‘s Besultat hntt** 
die Kxfieilitioii Itori-ils rrgidwn ; «-s ist eliiwandfivi nach- 
gpw'tescri. daf-« der Stoi-kflsrh. w>-lcher das Hnu{»tobjekt der 




Karl Sapper: Kine Ueiae über den latbinus von l'auama. 



247 



)(i‘U-f>rb)niiHf8i(?sn Fischerei an der Murumukiiste bildet, vun 
Westen her oinwasdert und sich im Bereich der warmen 
Mumuiri^tr5munK bält. Das Gebiet des Fischfaiij^es kann 
jetxt bedeutend erweitert werden, indem man sich einenteiCs 
t)!M:h Westen Itegiebt , wt> der Kuarkfiach schon xQ einer 
früheren Jahreszeit maasenhatl auftriu, andererseits auch 
viel weiter nach Osten viudringt und den warmen Wasser- 
armen nachgeht, in denen sii'h grofse Fischfiien|;eii Ünden. 
wiihrend dicht daneben in den sie einfaatendeu Kaltwasser- 
gebieten fast keine Fi«cbe nngetroflen werden. Wissenschaft- 
lich interessant ist beHuindem der (’uistand, dafs hier im euru- 
pAiseben Kisiueer GehieU- mit durchaus verschiedenen 
pliysikaliscb-geographiscbon BcNlingutigen und mit ganz ab- 
weichender Fauna dicht nebuncinaiidur liegen und es somit 
gestatten, die lief>r'nsbediitgungen der einzelnen Tierfornten 
genauer zu erfursebeii. Kine sulche genaue Kenntui.s <ier 
Verl>reilung«grenzen und Ix'ltonsbedingungen einzelner Tier- 
arten ist aber alswlut erfonlerlich, wenn man aus den mari- 
neu Ablagerungen Riicksr.hlüsse auf die physikalisch-geogra- 
phischen Verbältniue weit znriirkliegender /eilen — vor 
allem aber der Kiszeiteii und liiterghizialzeiteii — xiohvn 
will. So ist es X. B. liekannt, dafs sowohl die Fauna der 
ersten (horealen), als auch diejenige der zu eiten intorxlaxialen 
Transgre-^sionen, den-n Spuren in den Becken der Dwina, 
Vnga und PoUchora (zum Teil in oinerMoeresbohe von 150 m) 
sowie auch an der Murmankilst« schdn naebzuweUeu sind, 
einem Hw»« wärmeren Meer angehort halwn niufs, ah es 



das heutige Kisroeer in dieser Gegend ist. Herr Kuipo- 
witsch versucht es nun, einen ursAchlichen Zusanimouhang 
zwischen den Tmnsgrussionen und dem mitdureu Klima jener 
Moare xn linden, indem er die Frage aufwirfl, welche Ver- 
änderungen der kiifluitischeo und faunistiachon Verhältnisse 
schon eine Senkung dos McereslHidcas um etwa 100 bh 150 m 
xur Folge haben inüfste. I>er Querschnitt des Meeres ini 
Meridian der Kolabiicht würde sich dadurch um etwa 40 bis 
60 l’roz. vergrOfsem, die Nurdka|tetrömung vermochte dann 
viel gröfsere Wasseriuasseu in dieses Gebiet zu entsenden und 
sie viel w-oiter nach Osten vurzuschieben. Die Fauna von 
Finmarken würde sich der Munnan- und Barentxsee beniäch- 
tiguD, wie dies in der Thal während der Iwrealen Trans- 
gression der Fall gewesen ist. Kine umgekehrte Bewegung 
des Meeresbodens, eine .negative' Ntrandverschiebuug imirst« 
umgokelirt den Zudur« von WHriiiem Qolfstrtmiwasser noch 
mehr vnrriugem, die Kisgrenzo sudwärt« ver»chiol>eu und der 
Kaitwasserfatina xum Sieg verhelfen. Wie gruf« der Anteil 
dieser Hebungen und Senkiingou an dor llorbeifühmng der 
grofsartigen gv<ilugischen rmwAlzungen dor Ohtxial- und 
Interglazialzeiton gewesen war, dion will Herr Knipowitsch 
vorderhand nicht entscheid«*n ; dafs aber «in solcher Anteil 
HDgenonimoD werkten mufs, schoint ihm unzweifelhaft. Jedeu- 
felis darf man Herrn Knipowitsch zustimmen , wenn er 
an die weitere Verarlteitung des gesammelten Materials grofse 
Erwartungen knüpft. 

S. Tiebulok. 



Eine Reise Aber den Isthmus von Panamä. 



Von Karl Sapper. 



Noch vor kurzer Zeit war in zalillosen Zeitungen in 
erregten Worten darüber gi-stritUm w urden, ob ein inittel- 
iimerikaniscber Kanal am be.Hten durch Kicaragita oder 
Tiber den Isihuius von Vatiama gebaut werden würden 
gewühulicb wurde von den Autoren der liotrcfEenden 
Artikel mit grofscr Wärme, uft sogar mit Fanatismus 
für eins der beiden Projekte Partei ergriffen, und es fiel 
dem unbefangenen Heurteiier .«chwer, aus der Menge der 
vurgebraclibm Argumente die Wahrheit herauszulenen; 
es war ja wohl zu erkeuuen, dufs Jede derlieideu Routen 
gewisse uatikriiebe Vorzüge und andererseits auch ihre 
beamideren Schwierigkeiten bol, aber all dies gegenein* 
ander abziiwägen und mit richtigem Gewicht jedes 
einzelne .Vrgument zu würdigen, das waraufserordentlich 
Mchw'er, Ja fast unmöglich für jemand, der nicht lieidc 
Routen aus eigener genauer .Anschauung kannte. Nach- 
dem ich die Hauptpunkte der Nicaraguaruute zu ver- 
sebiedenen Zeiten kennen gelernt batte, bot es daher Für 
mich einen besonderen Reiz, nun auch die Panamaroute 
genauer zu betrachten, eine Gelegenheit, die sich erst 
an der Neige dirs Jahi'es 1902 finden eollte. Der Streit 
für und wider Panamä hat sich inzwischen allerdings 
gelegt; seitdem die „Neue PanamukaualcumiMigiiie**, die 
zeit 1894 die.Vrbeiten des Kanal» in die Hand genommen 
und fleifsiä gefordert batte, den Vereinigten Staaten von 
Nunlamurika ein höchst vorteilhaftes Verkaufsanerbieten 
gemacht hat, ziud die .Ausflichleu auf den Rau des Nica- 
raguakaintls rurschwindend klein geworden, und seitdem 
ist e« still in der Presse, das Gezänk ruht, deiiu es ist, 
so scheint ei wenigstens zur Zeit, gegenstandslos ge- 
worden. 

Mit btulauernden Gefühlen schaute ich nach der 
schonen grünen Rritolmi hinüber, als ich am 24. Hezember 
1902 gunx nabe daniti vorbeifuhr, war es doch ein Platz, 
der berufen schien, als Kudpuukt dos Nicaragua- 

kanals eine grofse Rolle im Weltverkehr zu .spielen, der 
aber nunmehr aller Voraussicht nach dasselbe träumerische 
uutbätige Dasein weiterführen wird, das er bisher geführt 
bat: er wird wohl in absehbarer Zeit ein unbewohnter 
Ort bleiben, voll uatüriiehen Reizes, aber ohne grölsere 



i 



Uedeatmig für die .Menncbbeit. Ganz andere Gedanken 
la^wegten mich, als ich wenige Tage «{älter (28. Tiez.) 
früh nittrguns im lliifen von Pauamä (.Äbb. 1) lag und 
Vor mir die alte Stadt, die glücklichere Rivalin von Brito, 
erblickte. Kin schöne« Bild: breit dehnt sich die Stadt 
mit all ihren dunklen Ziegeldächern und den hellen 
Wellblfichdächern am lifer des grünlichen ^leeres au«; 
freundlich ersebeinun die lichten hohen Fnmton der 
Wohnhäuser, ehrwürdig die grauen Wände des ulten 
Forts, die Türme der vei-schiedeneii Kirchen, unter denen 
die der Kathedrale besonders hervorragen, grün iiinwol>ene 
Hoben zur Rechten und Linken, gewellte Hügel im Hinter- 
grund, im Vonlergrund grüne Inseln und etliche ver- 
ankerte Schiffe, üluir all dem blauer Himmel und weifse 
Wolken : ein Bild voll Abwocbsching in Linien und 
Farben und jetzt kurz nach dem Knde der Regenzeit 
von besonderem Reiz, denn die gelblichen Farbentöne, 
die die kommende 'i'rockenxeit in das Ganze hiiieintragen 
wird, können der Oe.^amtwirkung nur Abbruch thuu. 

So freundlich al>or auch die Stadt von weitem aiis- 
2 >ivht, so wenig hält das Bild in der Nähe, was es ver- 
sprochen hat. Wohl ist es für den Besucher erfreulich, 
zu »eben, wie die Dampfer durch die künstlich eröffuete 
Fahrrinne des Kanals bi« zu der schönen neuen Landungs- 
brücke der Panamdbahu binfahren und daran unmittelbar 
aulugen können, wohl ist es erfreulich, in nächster Nahe 
davon den Kiugaug des eigentlichen Kanals zu erblicken, 
zu «eben, dafs hier wirklich schon etwa.'« durch Meu^chon- 
hand geleistet ist, während in Nicaragua thut-sächlich 
noch fast gar nicht« gethsn war; aber die weiten 
schmutziggrauen Sand- und Schlickfiächen, die sich hier 
zur Ebbezeit uusdehnun, machen mit ihren mäandrisch 
«ich dahin windenden, schmalen Wasserabläufen einen 
unangenehmen tlindniek, und wenn man mit der Bahn 
zur Stadt hinfährt über sumpfigeH, von .MangrovegeböU 
und Gräsern beHiandoneh Gebiet, so sieht man wob! am 
Hang des naben Hügels die schönen Gebäude des franzö- 
Hiscben Hospitals (Abb. 2), von I'ulmeii überragt und In 
Grün gcbt'ttet, aber im Vordergrund erblickt mau fast 
nur armselige Negerbäuschen, aus Brettern, M cUblechen 




Karl Sapper: Kinc Hoite iiber den iBtliinus vun l'anain^ 



24 ^ 



und pflanzlichem D<M:kiUAt€rial 7.uRammenj?eflickt, Wns 
ackmucklo« und reizloa neben dem anderen eiebetid, yon 
einer schmutzigen j>oesielo8en nevölkernng bewohnt! 
Sicht ujttu in Zentralamerika irgendwo einen Indianer' 
ranebo, so macht er mit seiner bescheidenen llolxkon* 
striiktioii und dem kiinsttosen Hlütterdnch, mit seinen 
einfach, aber meist recht auuber gekleideten Itewobnem, 
in seiner Umrahmung von Bananen, Kafleehäumen, Palmen 
oder Büschen einen freundlichen, anheimelnden Kindruck; 
es erscheint dem Reisenden als ein Vergnügen, eiiizutroten 
und der Ruhe zu pflegen; in diesen Negerbütteu aber 
gewifs nicht, wenn nicht die Nut dazu drängt! 

Tritt man in die Stadt s<dhst ein, a» erscheint alles I 



mit niedrigen Stockwerken und zahlreichen Oelasaen, in 
denen dicbigeilrängi Fa|nilie neben Familie wohnt; sieht 
man, etwa bei Nnchtl>e1euchtung, durch die ofTeneii 
Tbüren ins Innere der Häuser hinein, so bemerkt man 
gewöhnlich ärmlichen Hausrat, enggedrängte Menschen, 
enge Räume. Dafür ist aber auch auf den Strafsen von 
Panama starkes Leben und Treiben. Dutzende vc»n 
Droschken und Lastkarren fahren hin und her. und die 
schmalen Bürgersteige genügen vielfach nicht dem Ver- 
kehr der Fufsgänger, während in den weit angelegten und 
daher relativ menschenarmen mittelamerikanisrhen und 
mexikanischen Städten die Strafsen wenig belebt, meist 
sogar sehr still orscheiiieu. AlMM-dieRaumverschwendung, 




Ahb. 1. Inneaharen von Pananä. 



ebcnfalU schmutzig, uiiorfientlich, h(>rmitergukomnien. 
ln einer mittelamerikaniMchen oder mexikanischen Stadt 
sieht man zwar gewöhnlich nur suhr wenige mehrstöckige 
Gebäude, aber die cinstückigeu Häuser der wohlhabenderen 
Familien sind dafür iim so behaglicher dahingestreckt 
und schließen weite Hofrutimc, oft auch hübsche Gürten 
ein; sie bergen manchmal sogar im Innern grofsen Luxus, 
SU bescheiden und einfach auch daa Äulsere sein mag; 
ein Haus dieser Art ist ein ganzer, grofser Komplex, der 
aber nur eine einzige Familie beherbergt ; darum nehmen 
auch die mittelamerikanischen Städte einen ao iinver- 
hältniamärsig grefaen Raum ein und acheu von weitem 
so breit und atolz aus. Ganz anders in Panama: hier 
siebt man aufscrordeutlich viele zwei- und dreistöckige 
Gebäude, aber nur wenige Tornehme Bauten darunter; 
<lie meisten Häuser sind armselig, schmutzig, häfslich. 



ilie weithin gleichhleiheiidc Kigeiiart <ler Huus<‘r, die 
Ruhe auf den Strafsen. das weite Licht und die gerad- 
linige Anlage derselben gehen diesen Städten einen ganz 
bestimmten Charakter und ein gewisses aristokratisches 
(iepräge (das freilich oft einen gewissen Beigeschmack 
von Langweite erhält), wahrend in Panama geradezu 
der Mangel an Kinheitliobkeit in den Bauten bervorsticht; 
die wenigen, in grufsem Stil und künstlerischem Geschmack 
erbauten privaten und öffentlichen Häuser lassen die 
Unzahl geschmackloser, eng angelegter und engzusammen- 
stof.sender Häuser nur um so unangenehmer auffallen, so 
dufs das Gej>räge der Stadt dem Beschauer unruhig 
und plebejisch erscheint. So wenig einheitlich auch die 
mmlerneu Gehäude von Panama sein mögen, so stimmen 
sie doch fast alle darin überein, dats sie lange, die ganzen 
Häuserfronten einnehmende Veranden besitzen, worin 



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Karl Sapprr; Mine Retwe il«n lathmni von Paoama. 



249 



Kieh ein Teil des Lebens der Rewobner abspielt PrAngt 
sich hiermit sogar das interne Familienleben halbwegs 
an die PffcutUchkoit, so bergvn dagegen die grofsen 
mexikanischen und zeniralamerikaniscben Il&user, die 
meist nach dem Plan des alirömischen Hauses mit swei 
Hofräiimen angelegt sind, die Rchonen kühlen Veranden 
und da« gesamte Familienleben iin Innern der l'm- 
faRHungsmauern. 

Pie engen, Ttelfach winkligen und »teil ansteigenden 
Strafsen yon Panama mag man als Anpassung an ge- 
gebene Terrainverbältnisse aulfassen und kann sich dabei 
auf viele Heispiele alter spanischer Städte berufen. Aber 
SU sehr auch Panama in seiner Anlage und einzelnen 



diese StAdte haben alle einen bestimmten, spezifisch 
amerikanischen Charakter. In Panama dagegen treten 
die Mestizen der Zahl nach stark in den Hintergrund, 
auch ^VeifRe siebt man recht spärlich; dis Ilaaptbevöl- 
kerung stellen Neger. Mulatten und Zambos, und wenn 
sie durch ihre Zahl nicht schon in erster Linie auffallen 
würden, so würden sie es sicher durch ihre Vurliebu für 
gerAiischvoUes Auftreten und Lärm aller Art thun; sie 
drücken dadurch ebenso wie durch ihren ansgesproehenen 
Mangel an Reiulichkeitssiuii das künstlerische Niveau 
der Stadt herab. Kinen bedeutenden ProBentaatz der 
Ilevölkerutig stellen auch die Söhne de.s himmlischen 
Reiches, die in ihrer stillen und hescheidenen .\rbeit* 




Ahh. 2. Eingang znni französischen Hospital in Panama. 



seiner Gehäudu uu die alte spuuische Zeit erinnert, so 
ist es doch weit davon entfernt, den Kindruck einer 
spani.schen Stadt herrorzuhringcii ; das wird einem ohne 
weiteres klar, wenn man daneben die benachbarte colum- 
biaiiische Stadt Cartagena betrachtet mit ihren alten 
woblurhalteueu Ringmauern, den stillen krummen Strafsen, 
den alten hohen Häusern, verziert von kleinen, meist 
wenig vorragenden ßalkonen, eine Stadt, in der noch der 
Hauch Spaniens aus dem Ib. .lahrhiiiidert zu spüren ist! 

Pie Ungleichförmigkeit tritt aW in PauamH nicht 
blofs liei den Rauten, sondern auch l>ei der Revölkerung 
sehr aufltillig zu Tuge. In den mittelinnerikaiÜMcbeu 
oder mexikanischen Städten tritt die Mestizenbevölkening 
allenthalben stark in den Vordergrund, und w«i sie nicht 
das vorherrschende Itevölkerungselemerit darstellt, da 
sind es an ihrer Stelle reiiiblütige Indianer, kurzum. 

Glebu« LXXXIU. Nr. lA. 



sHUikeii weniger horvurtreten, als ihrer Zahl und Re- 
deutung entspräche, aber den intemationalen, unameri- 
kauischen (‘barakter der Stadt doch noch mehr hervor* 
heben. 

So wenig erfreulich auch im allgemeinen der Kindnick 
war, den ich von der Stadt Panamn als solcher erhielt, 

BO erfordert es doch die Gerechtigkeit, horvorzubeben, 
dat« auch die Ungunst der {»olitischen Verhältnisse ihr 
gilt Teil dazu beigetragen haben mochte, liiifs Panama 
einen etwas herahgekommeueu lundruck machte. War 
doch erst einen Monat früher Friede zwischen der Re- 
gierung und der Revolutiunsiiuriri der Liberalen ge- 
schlossen worden; noch wimmelten die Strafsen von 
schlecht gekleideten Soldaten (.\bb. 3), vielfach jungen 
Bürscbcheu, die sehr kränklich aussahen; noch war das 
elektrische Licht nicht wieder in Gang gesetzt, und un- 

:t2 

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Karl Sajiper: Ktoe Kvitt> über <)cn Isthmus vnu PsDaintt. 



2M) 



rttgoliuhtnig Terteilte Petroleumintornen, die einzelue 
nAUsbesit/.er aus Mitleid und fiomoiusiun vor die Thür 
f(ehänfrt batten, erbellien sehr kümmerlich die Ncbmuizigen, 
Kchlecht frepflasterteri Stralson; oianobe aufFallende Mängel 
an Hciulicbkeit mögen ebenfalls auf Raebnung der ab* 
iioro)en /ustände su setzen gewesen sein. l'n<l wouii 
ich oben die rngleiehmftfeigkeit iro llauHbau, die Knge 
und M'inkligkeit der iStrafaen gerügt habe, so möchte 
ich doch nicht veriutumen, hcrvonubvbeii, datn gerade 
diese Mannigfaltigkeit im Aun>au der Gebäude in Vor* 
bindung mit der Kngv der Strafsvn mancbuiHl höchst 
malerische Rüder borrorbringt, die um so berückender 
wirken, wenn etwa am Ausgang derStrafHC das gleiTsende 
Meer oder gur die Sonne sichtbar wird und dadurch das 
Auge Yon dem Schmutz abgeblcndet wird und fast nur 
noch die »ich drängende Mannigfaltigkeit der Formen 
erblickt. Aber wenn ich 
dann an den Sanm des 
Meeres trat und einen 
offenen Blick ins Weite 
thun konnte, wenn ich das 
Grün der Hügel und Flu- 
ren, das Blau des Meeres, 
die Hchunen Linien der 
Berge und Inseln schaute, 
da erfatste mich eine 
wahre Sehnsucht, hinaus* 
zuzieben aus der heifsen, 
schmutzigen, engen Stadt 
trotz all ihr<>r malerischun 
Kinzelheiten und mich zu 
crfroueii au den Schön- 
heiten der Natur und be* 

»ouder» der praclitigen 
Vegetation, die eben n<»ch 
im üppigsten Grün stand. 

Wer sich aber für die 
Schönheit der Pflanzen* 
weit interessiert, für den 
gitibl es kaum einen loh- 
nenderen Aunflug hIh 
nach dem ){o»pitnl der 
Kannlcompagnie. Freilich 
mufs man dafür einen l>e- 
sonderen Kinlafsecbein 
haben, denn sonst würde 
sich alle Welt in dem 
wunderroUen Park umher* 
treiben, der doch eigens 
für die Kranken errichtet 
ist. Icb verschaffte mir also 
einen bünlalsschoin und fuhr biniins zum grüueii Hügel, 
der sich zwischen Stadt und Kaiialmüitduug erhobt und 
um den herum die zahlreichen Gebäude des HospitnlH 
errichtet »iud. Herrliche Alleen Ton Kokos* und Königs- 
palmen begleiten den Wanderer auf seinem Wege, die 
llrutfriichibäume zeigen zwischen üiron grofsen geschlitz- 
ten Blättern ihre stachelbewehrten rundlichen Früchte. 
Hunderte Tun blühenden Koscuhnuinchen stehen wohl- 
gepflegt in grofsen Töpfen Tor den Krankenhäusern, 
Fnruhätime erheben ihre herrlichen Wedel an schattigem 
Platz, mA<lagasfliscbe Gewächse stehen fremdartig da- 
zwischen, und was sonst die Tropen Amerikas und d^r 
übrigen Weltteile an schönen Pflanzen borgen, das ist 
hier alles zusHinmengetragen, um dem menschiicbeii Auge 
Vergnügen zu bereiten. 

Bie Gebäude des Hospitals sind fast sämtlich auf 
hohen gemauerten Pfcüem aus Holz errichtet-, Ton geräu- 
migen Veranden umgehen und freundlich heniult. Bio 



moisten Häuser standen leer; nur !m höchstgelegenen 
waren wenige Kranke Torbanden: ein gutes Zeichen für 
den (tesundbeitszustand längs des Kanals, gleichzeitig 
aber auch ein Zeichen dafür, dafs nur mit wenigen Ar- 
beitern gearbeitet wird , denn wo Tausende beschäftigt 
sind, müssen auch mehr Kranke Torhanden sein. 

Um nun die Kanalbautcn, von denen ich so vieles 
gehört und gelesen hatte, selbst zu sehen, verschaffte ich 
mir von der Neuen Kanalcomjiagnio ein Kmpfeblungs* 
Hcbreiheii an den Sektiousebef von Tulehra und fuhr am 
30. Bezember mit der Bahn nach der Station gleichen 
Namens, Ich folgt« von dort aus einem Seitonstrang 
der Bahnlinie (Abh. 4), der mich, vorl>ei an zahlreichen, 
noch neuen KxkHvatoreu und anderen Maschinen, mich 
den Wubiistätten der Kanalcompagnie führte, einer kleinen 
Stadt für sich, mit auBgi'dehnten Werkstätten, hübschen 
herrschaftlichen Wohnun- 
gen und einfachen Ar- 
heiterhäusern , aUes aus 
Brettern erbaut, mit Well- 
hlocbdäcbem gedeckt, 
weifs angestrichen , in- 
mitten des umgehenden 
Grün ein freundlicher ;\n- 
blick, besonders aus der 
Ferne, von wo aus man 
BO manche kleine An- 
zeichen von Verwahr- 
losung nicht beobachten 
konnte. Ich gab meinen 
Kiiipfehliingsbrief in dem 
Hause des rhefiiigenieur» 
ah und wurde .sodann zu 
dem grufMcii Culebracin- 
schnitt fi) geführt, 

der den Gipfel der ge- 
■'«amten Kanalroute auf 
die nötige Scbieuscnbübu 
herab erniedrigen soll. 
Der uufsichtführendo In- 
genieur nahm sich meiner 
mit gi'ofser Freundlichkeit 
an und zeigte mir ebenso 
die .\rt der Arbeiten, wie 
die geologische Formu- 
lion des Gebiets in zuvor- 
kommender Weise. In fünf 
grofsen Terrassen ist das 
(iulätide nach dem künf- 
tigen Kanal zu abgestuft 
worden, des.<ion Sohl« nuf 
wenige Meter tiefer koiumen soll, als die gegenwär- 
tigen ArlH-iten bisher (45 m über dem Meere) erreicht 
halten. Auf jeder der Terrassen läuft ein Schieueii- 
strang, auf <lem mittels I/okorootiven und flachen Bahn- 
wagen das geförderte Material entfernt und nach der 
AhliigcmngKstätte geführt wird. Hunderte von Ar- 
beitern waren hier an dem Kiiiscbnitt beschäftigt: die 
einen stellten mit langen Stahlnieirseln und Bohrern die 
Löcher für die Sprengungen her, andere zerkleinerteu 
mit Picken die losgcsprengteii Felsstücke, wieder andere 
warfen sie auf die nahen l'jsenhahnwagpn. Zwei grofse 
Kxkavatoren, eine Art Baggermaschiuen, die derirockcneti 
Arbeit ungepafst sind, waren anderwärta in Thätigkeit 
und lududeii mit gntLom Nutzeffekt die bereit stehenden 
F.isenhalinwagen. I>a und dort wurde auch gesprengt, 
und hochnuf flogen diu Steine nach allen Seiten, bald 
mit dumpfem Ton, bald mit lautem. Hchufsähnlichem 
Knsll. ÜluTall Arhiüt im<l Geschäftigkeit! Die ineiiiten 




Abb. 3. t'olaiubianlachea Militär. 



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Karl S«|*(»er. Kino Helfe über dun Ifthmus von Hanami. 



251 



Arbeiter waren JnniaicAneger, die aue freien Stücken aus 
ihrer Heimat hern)>erkoinnien und »ich zur Arbiüt 
anbioteii. Die Arbeiten iielbMt »ind zumeist im Akkord 
vergeben, nur Maochinixten, Heizer, Handwerker ii. h, w. 
arbeiten im Tageluhn. Da die I^eutu grof»eM IntereuMe 
daran haben, möglichst viel Akkordarl>eit zu leiKteu, su 
sieht man sie stmidenlaiig dicht nebeneinander beschäf- 
tigt, ohne du(M sie auch nur ein Wort wechselten. Uuhr- 
uiaschiuen, wie sie, mit komjnimierter Luft betrieben, in 
den Bergwerken vitdfuch üblich sind, finden beim Kanal- 
bau keine Verwendung, da ihre Arbeit, wegen der .An- 
legung der Zufubrleitung, zu teuer kommen würde. 

Wenn man sich so au Ort und Stelle den t'iilebra- 



scheinlich werden die Arbeiten sogar in Bälde noch mehr 
reduziert werden, da man die Übergabe an die Ameri- 
kaner in Aussicht hat, freilich noch nicht in sicherer 
AusHicht, da der in Bälde zusammentreteode columbiani- 
sche Kongrels inöglicherweiKe der KonzoHsionsübertragung 
erhublieho Schwierigkeit bereiten könnte, was eine neue 
iutoressunte Kpisode in der worhselvolleu Gescbichte des 
mittelumerikniiiscbeu Kanals eiuleiten mütste. 

Nachdem mich mein Führer bis zur höchsten Terrasse 
des Kinschnitts emporgefflhrt hatte , begleitete er mich 
noch zum Haus des Chefingenieurs zurück und ver- 
abschiedete sich dann. Der ('hefingenieiir liefs sich l>ei 
mir wegen Krankheit entschuldigen, und damit ?<tand ich 




Abb. 4. Am Cilebraelnsrhnift (Kanal von Panamä). 



cinschnitt betrachtet, so kommen einem die Grüfsenver- 
hültnisse gar nicht so übennäf>ig bedeutend vor, und 
dian kann anfänglich nicht r«>cht begreifen, wie zu dieser 
Arbeit nun schon acht Jahre nufgewendet worden sind. 
.Aber wenn man die vielen Menschen vor sich au der 
.Arbeit siebt und beobachtet, wie viele Wagenladungen 
von festem Material hier jeden Tag, ja jede Stunde heraus- 
geschafft werden, und wie das doch im Verhältnis znm 
Ganzen nur unmerkliche Mengen sind, so versteht man 
es schon eher, da nmn iilluiählich eine Ahnnog von einem 
richtigen Mafsstab bekommt. Dabei inufs nmn ferner 
noch bedenken, dafs zeitweise nur mit verhäUnisrnäfsig 
wenigen (..euteii gearbeitet wunle. Dasselbe ist auch 
gegenwärtig der Fall, indem in Ciilebra und Kmperudur 
äusummeii nur etwa 900 Mann beschäftigt waren, an 
Stelle mehrerer Tausend in früheren Jahren. Wahr- 



plötzlich auf der StrafiH*. wurde el>en zum Knseii 
geläutet und gepfiffen, alle Welt eilte nach Hause; aber 
hier, wo jedes Haus, jeder Mann seine Nummer hat. 
giebt es kein gastliches Hotel, das uiuom Fremden für 
ein paar Stunden Unterschlupf gewähren würde. Was 
sollte ich thun? Kasch entschlosseu kaufte ich mir in 
einem armseligen ('hiuesenladen das wenige, was zu 
haben war, etwas Brut und Bananen, und ging zu Fufs 
auf der Bahnlinie die 1 j englische Meilen nach Banamn 
hinab, denn mein /ng wäre erst um 5 ' '4 Uhr Nachm, 
ahgegangen und die lange Zeit von 1 1 L'br an wollte 
ich doch nicht in dem schmutzigen ('hiuesenladen zu- 
bringeu. leb kam auch richtig zwei Stunden früher als 
der /ug in Panama an, war aber freilich noch wesentlich 
erhitzter und durstiger, als es bei höherer Fbitwickdung 
französischer Gaatfreundschaft der Fall gewesen wäre; 



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251> 



Karl Sapper: Kino ReiH6 über deu Istbmua ron Panama. 



dafür batte ich aber deu Vorteil, die Bahnstrecke »ehr 
genau kennen 7U lernen, und konnte mich der zahllnsen 
Blumen so recht freuen, die zu beiden Seiten der Linie ; 
das Grün durchvrirkten. Ich sah die Tausende tou Raphia- i 
palnien, die an den Berghüngen und in den Niederungen | 
über die benachbarte Vegetuiion sich erhoben, »uh die | 
hübschen Bananengruppeii, die da und dort gepflanzt | 
waren, sah die Millionen von kleinen Farnen, Gräsern, I 
Krftutent und Schlinggewächsen, die in dichtem Teppich | 
mir an Steilhäugeu die geologischen AufHchlQase ter« 
deckten, sah aber allerdings auch die ausgedehnten 
Mangrovesümpfe und ihr braunes unerfreulicbei* ^Va»(^er 
lange schon, bevor ich Panama urreichte, kurzum, icli 



maschinen, wenigstens iu brauchbarem /ustand erhalten 
worden war, und konnte mir aus diesen traurigen Über- 
resten ein Bild von der Grüfs« der ursprünglich geplanten 
und in Angriff genommenen Kanalarlwiteu heretellcn. 
Auch auf der atlantischeu Abdachung begleiten Dutzende 
und Hundert« von Häusern der alten ('ompagiiie die 
Bahnlinie und entsprechend der grülseron Luftfeuchtigkeit 
und dem stärkeren Regen ist der Plrhaltungszustand der- 
selben auch vielfiich noch weit scblecbtor als auf der 
trockenen Abdachung von Panama. Dagegen gewann 
aber die Vegetation an Üppigkeit und Reiz und vielfach 
hatte sie es schon zu stände gebruebt, dafs sie ganze 
Züge von Torrosteteu Rollwagen, grofse Lager von Ma- 




Abb. 5. Der grofse Cnlebraelnschaltt (Kanal von Panami). 



bekam einen ganz anderen Begriff von der ganzen Laud- 
schuft als zuvor, wo ich uur mit dem schneiten Dampf- 
i'ofs durch diesell)« bingeglitten war. Zahlreiche, nu- 
merierte Häuser stehen zu beiden Seiten der Linie; sie 
t'ehören der Kaualcompaguie und geben mehr oder 
weniger sicher und schnell dem Verfall entgegen; mehr- 
mals bemerkt man auch grofse Werkstätten mit rostenden 
Maschineiiteileu, und häufig siebt man frei umherliegeude 
Karren, Schaber, fjseiibahuwagen und Wageutuile, Werk- 
zeuge, Räder, Wellen, Dampfkessel u. h. w., die sicherem 
\’erderben uutg^eugehen, lauter Zeichou der Vurwtihr- 
losung aus den Zeiten der alten Kanulcompagnie. Cnd 
als ich am 1. Januar 1903 von Panama nach ('oli)U bin- 
uberfubr, da sab ich noch viel mehr solchen wertvollen 
verderbenden oder schon verdorbenen Materials auf 
meinem Weg uebeu vielem uuderen, das, wie die Bagger- 



schineu und Kisenteilen fast vollständig mit ihrem grünen 
Kleid überzogen und deu neugierigen meuscblicheii 
Blicken entzogen hatte. Tropischer Urwald fehlt längs 
der Bahn vollständig, und alle Pracht und Üppigkeit der 
vorhaiidetieu Pflanzenwelt ist nicht im stände, dieselbe 
Wucht und (tröfse der Kindrücke bervorzurufen, wie sie 
der geschlossene regeufeuchte Urwald erzeugt. Aber 
wenn die Vegetation auch hier dem Keimenden nicht das 
Uüchxte zeigt, was sie au malerischer Wirkung erreichen 
kann, so bietet sie ihm «loch zahlreiche Bilder von hohem 
Reiz: Da ist hier und dort noch aus alter Zeit ein l'r- 
waldbaum stehen geblieben und breitet seine gewaltigen 
Äste über eine kleine Banaiienpflanzung oder über eine 
kleine Häusergruppe aus; auf weiten Flächen haben 
anderwärts Schlingpflanzen mit ihren Millionen von 
grünen Blättern und ihren Tausenden von blauen und 



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K. 'l'h. Fmufü: l>ie Suade ia der iiiHxikuuiscbeD Kcligioo. 



veifiten lilQtenkclehen wie ein dicht^ewohuner Schleier | 
Hoflen, liuecb und 13»utn nbcrwuchert; hier blickt das i 
\\ige in daa'liunkel xchatti^er Bambuedickicbte, dort j 
Mchweift es Ober Achiir- und f^asbedeckie l'lächen hinweg, 
und die Gewässer des (‘hagros und seiner ZuHüsse, die ■ 
liAgeligeii l^Irhebutigen, die küDstlich geHchaffeneii Vieh* , 
weiden, aus deren gnlnvm Gruspolster da und dort der 
rote Boden herrorliigt, machen das Gesamtbild uiaiinig* 
faltig und reich. 

Kndlich sind wir um Kndpuiikt der Buhn, in (olon, 
ungelangi, und mit Freude begrüfsen wir das offene 
Meer, die Iterunrollenduu Wellen mit den weifsun Kämmen, 
die berrlichcn rauM'beuden Kokospuliuen , die in luugen 
Heiben oder godrängteii (irup|>en um Strand und da und 
dort auch in der Stadt sich erhel>en und bald die schönen 
wohlgepflegten Häuser der Kuropäer, bald die ärmlichen 
Hütten der Neger freundlich umrahmen. Ks iHt]u richtig, 
uurli in ('olon ist yieles unerfreullcb ; grofse Flächen 
inmitten der Stadt sind von Wasser um! Sumpf ein* 
genumiufn, manche Hauser sind direkt in den Sumpf 
gebaut, und in einzelnen, vuu Negern bewohnten Stratsen 
schreien Schmutz und Verwahrlosung zum Himmel; die 
zahlreichen Soldaten, unter denen sich so viel arme halb' 
wücbsiji^ Jungen l>efiudcii, das ewige TronipetenhUseu 



•JTiS 

und Exerzieren sind auch nicht gerade sehr angenehm 
für ein friedllcheudes Herz, um so weniger, wenn man 
weif», dafs die Mehrzahl dieser Ltmte mit Gewalt in den 
Bruderkrieg geschickt worden ist uurl dnfs viele, viele 
ihrer Kameraden dem J-'ieber und den Strapazen der 
letzten Monate und Jahre erlegen sind, aber im grofsen 
und gniizmi ist ('olon mit seiner frischen Seebrise und 
den breiten Stralseu ein recht umiehmbarer Aiifunthali; 
manche origineliu Erscheinungen des Volkslebens , das 
hier nicht so rein städtisch ist wie in Panama, erregen 
die Aufmetknamkint des Keimenden, und wenn er schon 
jetzt den starken Eisenbahn' und Schiffsverkehr mit 
Freuden registriert, so darf er mit einiger Wahrscliein- 
lichkeit sich ein noch viel erfreulicheres Zukunftsbild 
auduialcu, wie sich das alles noch beloben wird, wenn 
wirklich einmal der Kanal gebaut wird und zahlreiclu* 
grofse Schiffe sich hier ihren Hurchgaug durch den 
amerikanischen Kontinent suchen. Möge sich dieses 
Zukunftsbild bald verwirklichen! Wer freilich das V^er- 
halten der nordamerikaniseben Ib^giorung in der Kanal- 
fragc während der letzten fünfzohu Jahre aufmerksam 
verfolgt Imt, wird nicht üheruiäfsig vertrauensselig in 
seinen Erwartungen sein. 



Die Sflnde in der mexikanischen Religion. 

Von K. Th. I’rcuf». 

I. 



J«mI« Handlung, je<ic meuHchliche Uegnng, diederGott- 
heit mifsfällig ist und der göttlichen Strafe iiiitcrHegen 
kann, bezeichnen wir als Sunde. Ih^shalh int oft liereits auf 
niederer Kulturstufe der Begriff der Sunde vorhaiiduu. 
{■Is brauchen nur Pflichten gegen irgend welche göttliche 




dergl. m. zu existieren, um ihr« Vcrnachläasigung, be* 
sonders unter dem Druck einer venueintlicben Strafe 
als Sünde zu empfinden. Kurz, die Sünde ist das Korn* 
plemeut der göttlichen Strafe, mag nun ein Wort dafür 
vorhanduii sein mler nicht 

Wer nur einen Blick auf di« mexikanische» BUder- 
schriftßii und auf die alten Berichte geworfen hat, der 
weifs, «laf.H das Leben der Mexikaner durchsetzt ist von 
religiösen Übungen aller .\rti darunter he.xonders Fasten 
und Biuiontziehungen , und dafs Opiergaben für die 
Götter, namentlich auch Menschenopfer, oft und z^ihl- 
reich dargobracht wurden. Natürlich Ififst sich das nur 
so erklären, dafs man viel von den Udtterii wünschte 
und fürchtete, deth man sich von den (»öttern abhängig 
fühlte und die Leistungen gegen «le bereits als etwa.s 
Solbstvorständlicbus betrachtete, ln den mythologischen 
Bilderschriften giebt es nur wenige Stellen, die nicht auf 
dieses Verhältnis der Menschen zu duu Göttern Bezug 
nehmen. Man darf deshalb eigentlich die Schriften auch 
nicht mythologiecb, sondern muts sie religiös nennen, 
denn was die Menschen den Göttern schuldig sind und 
von ihnen zu erwarten hal>en, das ist ihr Inhalt. Die 
Mythenhildung, wie die Götter die Welt erschaffen hub«m, 
wie sich ihr l^l>eii gestaltet uud wie sie persönlich mit 
den Menscheu verkehren, tritt dagegen sehr zurück, ob- 
wohl sie nicht fehlt. 

Gehen wir zum VerstHiulnis des mexikanischen Be- 
griffs der •'<ünde von den einfachsten Verhältnissen aus, 
so uiÜHseu wir den mexikanischen Tlutlacouui, den nSüu- 
der“ und „übelthäter“, als einen Menschen auffassen, 



der die vorge.scliriebenen Pflichten gegen die Götter 
nicht prfüllt hat. Dafs das richtig ist, wird z. B. durch 
die Beschreibung des .\tamalqualiztli-Festcs in den Sa- 
hagunmanuskripteii in Madrid D bestätigt: „Fnd wenn 
jeuiand uiebt fastete, wer als solcher erfunden ward, der 
ward sogleich gezüchtigt. Gar sehr resjiektiert w urde dieses 
Fest der Wasserkrapfeu. t^nd wenn es jemand nicht feierte, 
auch wenn das niemand sah und niemtind erfuhr, von 
dem glaubte man. dafs er zur Strafe mit .\uKsstz ge- 
schlagen würde.** Der Aussatz (ieococoUzUi) wurde vom 
Regciigott Tlaloc gesandt, zu dessen Ehren dieses Fest 
gefeiert wurde. Wenigstens kamen diejenigen, diu vom 
Blitzeracidagen wurden, die Ertrunkeueu, die Aussätzigen, 
die Geschlechtskranken (hubosos), die an Hautkninkheiten 
litten (sarnosos), die Gichtkranken und WaKsersüchtigen. 
wenn sie an einer dieser Kraukheitec starben, ins irfli- 
sehe I’aradies Tlaloct nach Tlah>cau ^). Da» heifst doch, 
sie waren dem Gott verfallen, und die Krankheit war 
wie der Blitz, der d«>m Gott als Waffe zugesebriehen 
j wird, von Tlaloc geschickt. „Donner und Blitz sind dio 
Zeichen deines Zorns**, und er möge, wenn er Regen 
sende, nicht die von IBinger geschwächten Men»cben da- 
mit erschrecken, und nur einige wenige, wenn es denn 
nicht anders sein könne, für sein irdisches Paradies lie- 
stimmen *). So nind wahrscheinlich neben dem Blitz und 
dem .\iisaatz auch das IXnuken uud die übrigen ge- 
nannten Kronkikeiten Strafen Tlaloc«. Wofür? lälst 
sich mir ans den angeführten Angaben des .Vtamalqiia- 
liztli-FoHtes schliefsen. 

Darauf führen una auch diu Sünden, um derentwillen 

*) B. 11, Apemlico nach der ülmrsetzung von heler l>ei 
Puwkes, Amer. Antliropulogist VI, p. 388. 

*) Kabaguii, llistoha icunerat de ias c««as de Nu>*vh 
K s|ia)aia ed. Bustamunte, U. III . Apendice V. 3. .Mexict» 
1839. 

*) Kab»;;uu. B. VI, C. 8. 



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354 



K. Th. I'reaft; l>iu Siimlu in ücr ine^iknttisoheu Ucllffioii. 



Tozcatlipoctt die Menschcu straft: ^Uml weiier erzühlt 
iiitin**, »<agt Sahagun (ß. UI, ('. 2), ,,(1hTn dioscr (lott don 
Memtchen Armut, und unbrillmre, ansteckende 

Krankheiten gab: Au»o<atz, Geseblecht^krankheiteii, Gicht, 
Hautkrankheit und WaxserntichU Hie nandte er, wenn 
er auf diejenigen erzfimt war, die nicht UelülMlo und 
ItnfHen einhielten, zu denen »ie sich bei den Fastun ver- 
pflichteten, wler wenn sie zur Zeit der Fasten mit ihren 
Krauen sohliefuu, oder die Fruiien mit ihren Gatten oder 
Freunden.“ !>tim Herzen dos Gottes tkat tm wohl, wenn 
man zu sednen Kbron die Hütte fegte und reinigte und 
Feuer ansüiidote. „Wenn ich etwas durch meine Arlwit 
verttiene“, gelobt der Kranke, „so werde ich ea niiht 
verprassen, noch in anderen Hingen versrhwenden, son- 
dern zu deinen Khren ein festliches (lolage und Tünze 
in dieser armen Hütte veranstalten*}.“ Ks ist hier nicht 
dor Ürtt ausführlicher alle die pvrsönlicheu Dienstleistun- 
gen aufzuzühleu, durch die man sich da« Wohlwollen die- 
sen Gottes, der ßeichtiun und Armut verlieb, erwerhon, 
durch deren Vertmcblüsstgiing inan aber auch seinen 
Zorn erregen konnte. Die Menschen brauchten jMlen- 
falls nicht um einen Grund verlegen zu sein, weuu ihnen 
etwas zustiefs. 

\^■er vor dem Fest Xochiihuiti des MaeuUxuebitI, 
des Gottes des Tanzes und Gesanges, geschlechtlichen 
Verkehr pflegte, der wurrle von dem Gott mit Krank- 
heiten der verhorgemm Körperteile (partes secretas) Inj- 
straft, mit Häiuorrhoiden , Fäulnis des Gliedes, ßlutge- 
schwüren, Leistenheulea u. dorgl’ m.^). 

Nebeu den Sünden gegen ihre eigene Person hesiritfen 
die Götter die Vergehen gegen die Gesotze des Staates 
und stempeln sie dadurch auch zu Sünden. Die mext- 
kuiiischeii Götter sind nicht zufällige Götzen dieser o^ler 
jener Person, ««Indern Staati^oUheiten, die teils alsGründer 
des Stuatii, wie L'itzilopochtli, verehrt, teils aus einer 
anderen Stadt nach deren ßesiegung als ßeschützer 
Aufgeiiommeii wurden^), die in den Nöten des Staates 
angerufen wurden, von ihm ihre regelmiirsigou Feste und 
Opfer erhielten u. s. w. „Und wenn du“, sagt der neu- 
gewählte König, „deine Dienste dem Gemeinwohl ent- 
ziehen wolltest, ob du auch Gmnüsekrätner und flolz- 
bauer wärst, dor nach den Wäldern geht, um das Holz 
herlH:izuschn&eu , der Gott wird dich von dort heraus- 
holen, er wird dich au einen erhöhten Uri atellon und 
dir Auftrag geben, die Stadt oiler das ßelcb zu leiten. 
Fr wirti dich dazu bringen, auf den .Schultern oder in 
den Armtm irgend ein Amt des .Staates oder die könig- 
liche Würde zu tragen . . . Gott, unser Herr, der über* 
ull gegenwärtig ist, wird dich zu seinen .\ugen, zu scinoii 
Ohren, zu seinem Mundo, zu soiuor Sprache tuacheii. Du 
wirst seine Worte «prechen *).“ 

Man ersieht die Teilnahme der Götter an der Rechts- 
pflege des Staates besonders daraus, dafs der Mexikaner 
einmal im Lehen seine Sünden dem Priester heiehteii 
darf und dadurch, sowie durch die auferlugte Bufse nicht 
nur zu neuem lieben ersteht, sonderu auch die weltliche 
Strafe vermeidet. I.etztere8 sei der Grund gewesen, dafs 
man sich der Beichte unterwarf und auch mir weifen 
schwerer Vergehen, wie Khebrucli, auf denen die Tmles- 
strafe stand. Wer nach der Beichte wietlernra in Sünde 
vorbei, für den gab es kuine Kettung mehr, und dcHhalh 
l>eicbtete man erst im .\ltcr. In diesem Sinne bcichtebui 
die Mexikaner anfangs auch bei dun -panixchon Mönclien 

SuUogun, It. III, 0. ‘i. 

*) Sahagun, B. I. C. U. 

*) Vergt. Duniu , llistnri» de las Imlias de la N(U‘vh 
l-'HpAnH, C. «5. Mexiko IPIW. IM. II. H. VH über die tirniulc. 
\^fsbalb Comaxtli nicht in 31exiku verehrt wurde. 

Sahaguti, B. VI, C. U. 



„schwere und öffentliche“ Verbrechen, „wie Moni, Kl»e- 
bruch u. s. w.“, und ihaten Burse dafür, um von ibnt*ti 
eine Bescheinigung darüber zu erhalten, die sie den 
Behörden vorzeigen könnten’'). In dem Fall, wo die 
Ohrenbeichte in Anspruch genommen wurde, buudelt 
OS sich also eigentlich nicht um eine göttliche, son- 
dern um eine weltliche Strafe, die aber von den Göttern 
ausgehend gedacht Ut. Kbeuso wie alle Kraiikbeit(‘ti 
und anderen Übel als Strafen der Götter hetrnebtet und 
gegen Buf.Hcn, Opfer und Gelülufe erlassen worden können, 
so tritt auch für die gerichtliche Strafe einmal im I.eben 
ein FrlaU ein, wenn der Verhrochor «ich an die Götter 
wendet. In liciden Fällen ist damit dieSündo verziehen. 
Die Götter i^trafeu das strafrechtliche Vergehen über- 
haupt nicht eigenhändig. Vielmehr ist, wie wir das be- 
reits kennen, ••*tete als Grund eines von den Göttern ge- 
saudten Übels, d. h. einer Strafe, die Vernachlässigung 
der Leistungen gegen die Götter angegeben, voraus- 
gesetzt, dafs ülierhaupt eine nähere Bestimmung der 
Sundo vorliegt. Dagegen sieht die Gottheit die bürger- 
lichen Verbrechen und kann den Schuldigen der wolt- 
licbeti Strafe üherant Worten. Wenn der den Gott Tez- 
catlipoca darstelleitdo Gefangene in den Nächten vor dem 
FestToxcatl die Flöte blies, „i»o hatten di« Diebe, Huren 
(fomicarios), Mörder und sonstigen Verbrecher uiiHägliche 
Angst, und einige verwundeten sieb derart, dafs sie nicht 
leugnen konnten, irgend etwas liegaugen zu bähen. So 
flehten sie während all dieser Tage um nichts andere'«, 
als dafs ihre Vergehen nicht au den Tag kämen, indem 
sie unter vielen Thräncn in äufserster Bestürzung und 
Zcikiiir-«chuiig eine Menge Räncherwork opferten, um 
den Gott zu hesünftigen“ •'). „Iter Gott, der dich sieht, 
wird deine Sünde offenbar machen“, sagt der König in 
Heiner Rede *•). 

Wenn Götter den Staat schaffen und ihn regieren, 
so sind dcK:h seine Kinriebtungen navii den praktivefaen 
VerhältniiUien geworden und Folglicb auch die Rechts- 
nurmeu. Km ist deshalb kein Grund vorhanden , dioM> 
oder jene Strafe aU religiöse Institution erkläron zu 
wollen. Hi© barbarischen Strafen in Mexiko simi, wo nicht 
etwa priehterliche oder .sonstwie gottgeweihic Perwmeu in 
Betracht kommen, nicht auf die Rechnung der Götter zu 
stellen, sondern sie entsprochen dem Kntwickelungsstiubum 
des Volkes. Hiebstahl z. B. und Trunkenheit wurde in 
umucbei) Fällen mit dem Tode bestraft“)* Mfti» braucht 
nur die .schon zitierte Rede de» Königs“) und di© ein- 
gehende Schilderung des Pulijuerausches und seiner ^\ir- 
kung auf den Mexikaner hei Sahagun (B. IV, ('. 4, 5) zu 
lesen, um die strengen Strafen dafür zu verstehen. .\uf 
di« Trunkenheit wird nicht nur die Unfähigkeit, ein nütz- 
licher Bürger zu »ein, zurück geführt, sondern »o ziem- 
lich alle Verbrechen, (iewaittbätigkeit, lUebstahl, Strafseu- 
iwub, Ehebruch, Schändung von Jungfrauen ii. s. w. Be- 
zeichnenderweise droht aWr der König dort auch nicht 
mit der Strafe der Götter, somlern rtellt ihnen vor. dafs 
man sie ergreifen und ihnen den Tod geben winl. .Mau 
bat den Eliudruek, dafs dieses l,A^ter ausge«leknter in 
Mexiko als iti irgend einem aiiden*!) l^jinde war. und dafs 
darnuK die Strafen entstanden sind, /u den Vergeben, 
die inan in «ler Ohreiil>eiehte vortrug, gehörte besonders 
der Khebnich und Oberhaupt GeKchlecbtssänden. Kr^terer 
wurde un beiden verheirateten Teilen, di<* sieh vergnugtm 

•) Sjihaguu, B. 1. r. l'j, II. VI, V. 7. 

•) Hiirati. r. 

'*) Sohagun, B. VJ, C. 14. 

") Tuzoz'iutoc, Cronica uivxicana, a. 1 . Sahaguii, B. Hl. 
I Aitcnüic« 6, B. VJ. C. 14, vurgl. .1. Kollier. Has Beeht «1er 
i Axtekoti. K. ÜJ, l»9. Stuttgart teyj. 

1 Saliagun, 1$. VI, C. 14. 



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K. T)i. rreufs; l>iu Siiiide iti iloi* nioxikniiitichntt Ucltgtuti. 



mit tlcm To<le imd in der ]>arstellung 

lier zwolftt^n ^Voche «eben wir auch in deu ('odice» die 
Ixddfn gesteinigten I'diebrecber liiiigestreckt neben dem 
liott der Strafe ltztincoliuh(|ui liegen. 

Iin Widerspruch mit seiner Angabe, dafs mir schwert* 
Verbrechen gebeichtet wurdeu,i>rwähntSahtitfUii(B.l,(M 2) 
auch vom iViester uacli der Beichte auforlegto lliifHtMi für 
geringer« V’örgebe«, von denen nur die Trunkenheit ge- 
uaunt wird, die man vor den Totochtiu, den Kaninchen, 
den Göttern des I^ulque, hülste. K» geh<irten dazt) aber 
sicher aucli pecudo» de la carno, geschlechtliche Sünden, 
denn die Mexikaner hatten extm eine Göttin Tlaebjimni, 
die yiSchinutzfresHerin** <ider Tia^lteotl, die ^Göttin des 
riiruU“, die solche Sünden nach Vollzug der vom Priester 
angegebenen Butse verzieh, und derartige Sünden sebei* 
neu nicht» Ungewöhnliches gewesen zu sein, da sie »o 
hUufig erwübnt werden. Bas gebt auch aus <lem Bericht 
Sahagims (B. VI, C. 7) hervor, worin in naiver Verwonde- 
nnig von den Hnaxteken, den nordöstlich wohnenden 
Nnchbani der Mexikaner, berichtet winl: pSie beteten an 
und verehrten Tlav'oltootl und bi’kaunten vor ihr nicht 
ihre Unzucht (lujuria), weil sie sie nicht für eine Sünde 
hielten.** Nun kann man sich ohne weiteres vorstellen, 
dafs die Götter a!» Patrone der gerichtlichen Strafen auch 
dann unter allerhand Bufsübungen «m Verzeihung an- 
gefleht worden sind, wenn man nicht gerade die weltlich« 
Stnife dadurch abwenden wollte. Auch mufs man es mehr 
als religiöses IhTdörfnia ausebtm, wunn licute im Alter 
beichten gingen, denn als Mittel die gerichtliche Strafe 
zu veriueideii. Hatte man nSndich wahrend des ganzen 
l^bens nicht gebeichtet, ohne der Strafe verfallen zu 
sein, so war das wohl auch nicht inehi' im Alter zu 
fürchten. 

Schwieriger aber ist es, sich vorzustelluu , wiege* 
schlechtliche Ausschweifungen dazu kamen, als Sünde 
g«Ktenii>elt zu werden. Denn wenn auch Kbebrueb und 
Notznclit '*), ja sogar der Beischlaf mit der unverhei- 
rateten Tochter eines angesehenen Mexikaners oder zwi- 
schen Verw'andten in den Graden, in denen die Ifeirut 
verlxiteii war, mit dum Tod« bestraft wurde’*), bo scheint 
dindi der Umgang zwischen unverhuiratetcu Männern 
und Miidchen ge<luldet wonleu zu sein. Erhielten doch 
sogar die .lünglinge, die in dem TelpochcalH erzogen 
wurden, die KrIaubni.H, mit ihren amigas zu schlafen, 
deren sie zwei bis drei hatten, die eine in ihrem Hause, 
diu anderen hei ihren F'uiniiien K b mag sein, dafs 
dieses Dirnen (nuiuni) waren, denen gegenüber stigar das 
Verbrechen der Notzucht nicht oder nicht strenge ge- 
ahndet wurde’*), »o dafs noch immer Kaum zur ge- 
schlechtlichen Versündigung an ehrbaren jungtm Mäd- 
chen und zur bürgerlichen Be*trafung dafür blieb. .Kber 
dals vorhin unter den Vurbrechem, die ihre Vorgehen 
den MeiiHi'hcu offenbart zu Moheii fürchteten, auch die 
Unzucht Treibenden (fornicarioB) genannt sind, iätst 
doch auch hier auf weitgehende weltliche Bestrafung 
schlielsen. 

Um aber den eigentlichen Grund zu begreifun, wes- 
halb man hier von Sünden sprechen konnte, mufs man 
eine dritto Unterlag« dor Sünde, nämlich di« sclieinbare 
Willkür dur Götter und die Versündigung und Bestrafung 
dor Menschen durch das Schicksal nufstellen. Da» Kr- 

'*) Mendiota, Hintoria ecclHBiastics Indiana, B. II, ('. '29, 
in IcazlMÜc^ta, Documentoü para la historia de Mexico, III, 
|>. IM, isahagun B- IX, b. 

‘*) Duran, <*. «ä, vergl- J. Köhler, iMs Bucht der Azteken 
g. 07, 9t). 

**) Mahngun 111. Apondiee ('.5, 6. l)em ncheiut Mahagun, 
B. Vlll. r. 17 zu widersprechen. 

‘*) l'omar, Kelacion in lcax)>alcQ(a, Nuuvn coiocriou de 
documentoB |tam la historia de Mo.xiei», III. p. S2. 



gebni» einer solchen Anschauung würde in den Satz 
auslaufen: „VV'em es schlecht geht, der ist ein Sünder, 
ist bestraft, auch wenn er sich eines V\>rg«hens nicht 
l>ewulr>t ist. Seine in ihm vorhandene sündige Anlage 
hat ihn in diese ],agc gebracht.“ Wie wir sehen werden, 
schimmert der Gedanke, daD die Götter willkürlich stra- 
fen, marichuia! hei den Mexikanern durch. Im grofsen 
und ganzen herrscht er aber nicht, und cs wünle sonst 
auch von der V'^oraussetzuug der Sünde in solchen Fällen 
nicht mehr die Bede sein können. Man würde dann 
auch nicht mehr den Ausdruck „strafen“ auf das V’er- 
faliren der Götter gegen die Menschen anwcndeii können, 
sondern mflfste „quälen“, „jannigon“ n.dgl. mehr sagen, da 
ein Vergtdjeii nicht vorliegt. Ebenso wenig kann ein Menach 
die Meinung haben, jeder Unfall komme aU göUHcb« Straf« 
für ein V'ergeben, denn selbst in der christlichen Kirche 
gi'cift mau, wenn man auch einen biofeen ZuftiU schwer gel- 
ten läfst, zu dem KrklärungsmiUel der göttlichen Prüfmig 
und der unerforschlichen Batschlüsae Gottes, ohne stets 
eine beNtlmml« Sünde als Grund eines Unglücks hinzu- 
stuUen. So wäre auch das logische Bedürfnis der Mexi- 
kaner nicht durch die Erklärung jedes Unfalls als gött- 
liche Strafe für eine Sünde Ixdriedigt gew<‘sen. Sieuahmni 
daher daneben den Begriff des Schicksals zn Hülfe, 
durch das der .Mensch eine solche Anlage mitbekommen 
haiie, dats nie ihn auf ganz rationellem Wege zu Glück 
und Unglück, d. h. zur Begfinstigung oder Bestrafung 
durch die Götter führe. 

Sehen wir uns nun diese Anschauungen genauer 
an einigen Beispielen an: Offenbare Willkür wird den 
('iuateteo, den im Kindbett verstorbenen Frauen nach- 
gesagt, die an ilen .VnfangMtagen der fünf Wochen des 
letzten Tonalanmtlvierte!« vom Himmel herabkainun, die 
Knaben und Mädchen mit Krankheiten, besonders mit 
Epilepsie hciuiKUcbten und in die Menschen fuhren. Des- 
halb verbot man den Söhnen und Töchtern, an dtOHcm 
Tage das Haus zu verlassen, damit sie ihnen nicht be- 
gegneten und Übles von ihnen erfuhren *‘). Das Ge- 
schick, das den an diesen fünf Tagen GtdNircnen zu teil 
wurde, »teht zu dem Flrschuinun der Ciuateteo in keiner 
Beziehung. Auch daraus geht das Willkürliche, 7ai- 
Kammenhanglü<!i« in deu Handlungen dieser Frauen her- 
vor, und es wird dadurch als etwas Aufsergcwöhnliches, 
Besonderes gekennzeichnet. .Man hat den Eindruck, clafs 
die schreckliche Nat\ir dieser als unheimlichQ Dämuiicn 
gedachten W'ciber aus dem „gowallNaiuen“ Tode in der 
Blüte der Jahre herrührt«, der bukuuntlicb den Zorn und 
die Bachsucht der Dahiugeschiedenen weckt. Natürlich 
suchte man auch sie durch Opfergaben zu versöhnen. 

Anders ist es schon mit den „willkürlichen“ Hand- 
lungen Tezcatlipoca.s. „Er heifst Moyocoys“ (der nach 
Gutdünken .‘^chalb^ude). «Was er ersinnt, woran erdenkt, 
das Üiut er. Niemand vcraiilafst, niumand hindert ihn. 
Und der Himmel und die Erde sind voll von ihm. Wen 
er reich machen will, den macht er reich, und wem er 
Elend erzeigen will, dem erzeigt er es'*).“ »VVera dieser 
(iolt Keichtümer gegeben hatte, dom nahm er sie daun 
wieder wegen irgend welcher Undankbarkeit oder weil 
I «r deshalb hochmütig geworden war . . . Mau sagte, 
) sein« Gescheuke blieben nicht, souderu er wechselte sie 
1 um von einem zum anderen. Wenn jemand an diesen 
■ Tagen“ (wo da.s Zeichen de.s Gottes ce mi<|uiztli, einsTml, 
herrachte) „die Sklaven »chalt, so zog er sieh .\rmnt, 
Krankheit und Unglück zu und verdiente selbst ein 
Sklave zu sein, weil er deu vielgeliebten Sdiii Tczcatli- 
' pocas übel behandelt, denn man sagte, niemandes treuer 

‘G Sahnguii, B. I. C. in, B. IV. (^ 3. 11. 22, 27. .M. 

'•) SHbaguri-Mskr. B. III, ('.2 Wi Koler, Von'frenlliclumgHii 
VI. S. 141. 




K. Tb. l^ruiifa; l>t«t Sümlo in il«r mi'xiksniachvn Uolii;inn. 



25(» 



Froimd i«ei Texcntlipocitf i«ontl4*rn er Kuche (teleirenbelt, 
ihm ilH>i wi«Mier zu iicbuieii, wa« er ihm ^e^eben )ial»e . . 
um! wenn e» fich traf, «laf?» ein Sklave frei wunio utu! 
KU WohNtniul (felangte, und ein Herr Tun Sktsveu »«elbüt 
zum Sklaven wurde, »o Mchrieb man das Tezeatlipoca 
zu *'). “ 

Man wird in dieser lleflchreilmug auf den ei‘i*ten 
Blick nicht viel finden, wum auf eine* Sünde du^een. der 
feinen Keiebtum verliert, fchliefben Ififst, aln etwa Un- 
dankbarkeit ^pji;en den Gott. I>as «cbeini nichlx anderem 
alu ein Verlegenheltaausdruck tfejfenüber der Tluit^ache 
der Verarmunc zu »eia. Tezcatli{M)ca muffi elmn er- 
zürnt fein, und zwar natürlicb, weil der Meupcb e» an 
den nötigen Opferjfuben iind andenm frommen Werken 
Imt fehlen laMseii. Auf die Hauer konnte ein solcher 
(inind, wie hervor^ebobpn int, nicht hefriedigen. 
Her gerügte .Übermut“ und die übertriebene Rücksicht 
gegen die Sklaven entapringen mir der gewöhnlichen 
Furcht vor dem „Neide der Götter**, wie «io jeder im 
(tiürke fühlt, nachdem er manche Schicksalsfchlige dnreh- 
geniacht hat. Nur deshalb heifftim auch die Sklaveu 
die vielgeliebten Söhne Tezcatli]>oca8 und «ind angcblicli 
von ihm aus Mitleid eiuporgehobcn , wenn sie frei und 
wiihlliabend werden. lK»iin wir werden sehen, daf» am-h 
dio Sklaven uIh Sünder betrachtet sind. So erscheitit 
diene ,\iiffaH.‘iuug von Tezcatlipoca im ganzen aH nichts 
weiter wie der .VmKlnick der göttlichen Willkür, dem 
dio Unterlago der menschlichen Süiido eigentlich fehlt. 

Ilei näherem Zusehen wenlen wir hier liereits auf 
die ursprüngliche menpchlicho Anlage zurückgndfen 
können. Jeder „Mennch brachte «ein Geschick, das ihm 
vor lleginn der Welt gegeben war, bei der Geburt mit 
(•ich** und seine Bestimmung zu Glück oder Unglück 
war durch den Tilg seiner Geburt uffenbart. War oin 
Tag wie der eben erwähnte „eins Tod“ indifferent, d. h. 
gleicliuikfsig Glück oder Unglück verheifsend, so konnte 
innn „durch Frömmigkeit gegen sein Zeichen und durch 
Homühurigen zu «einou Gunsten“ «len Krfolg an sich 
fesseln**). HaIh aber die Anlage dos Menschen zur Ge- 
staltung seines ScbicksHls auch bei indifferenten /eichen 
niitwirkt und «ein Geschick nicht nur auf Fnimmigkoit 
und Hemut gustellt war, das wird uns durch folgende 
Schilderung bezeugt, „Wenn er «ein Zeichen“ (iudiffe- 
renteg /eicliHti ce xo<‘hitl) .für nichts achtete, war er auch 
Sänger oder ßcamler und hatte »einen f^ebensunterbalt, 
so wurde er übermütig und geringschötzeiid, übellaunig 
und umnafseiid, und schätzte Vornehmere uml Seines- 
gleichen, Alt und Jung gering . . . Heu halten alle 
für irrsinnig und sagen, der Gott halie ihn verlas.spti, 
durch seine eigene Schuld habe er «eio Glück verscherzt, 
und KO verachten ihn alle. Sieht er sich nun von 
allen verachtet, so verfällt er aus Kummer und lk*trüh- 
iii» in eine Krankheit, verarmt und vereinsamt da- 
ijiirrh . . . und sehnt den Tod herbei. Has widerfährt 
ihm, weil er nicht fromm und undanklmr gogou sein 
/ojehen gewesen, «einen echlerhten Neigungen nachgo- 
gaiigeii ist, einen siUenloseri l/olienswaiidid geführt und 
sich in einen Abgrund gestürzt hat**).“ I>er natürliche 
Gang der Kntwickehing wdrd hier also mir auf <len Gott 
zurückgefülirt , ohne dals sein hanwirken darauf fiir das 
logische Bedürfnis notwendig i>t. 

Hie Vereinigung von .\nlage und Mifsgeschick tritt 
«leutlich Ik‘ 1 d«*r llesrhri‘ilning des Ijose» der an dom 
Ibiglückstage cn ralli (Jehoreiien hervor. Auf^er drei 
llanptMnglück«rällrii, dio ihnen zu»toNeii können, iiäin- 

•*) finhagun. H. IV, (’. rt. 

*") Haha^fun, H. III, .VfS'ii'lici' C. 4. 

Hahagun, H. IV. r. H. 

**) SahagUfi. Jt. IV. r. 7. 



lieh Kriegcrt<Hl, gewöihnlicher Tud und Sklaverei, zählt 
Sahaguu (IV, C, 27) noch eine Menge anderer Unan- 
nehmlichkeiten auf, die hezoichnendorweiiH! meistenteils 
zugleich Vurbrechoii sind oder auf schlechte Anlagen der 
Itetreffenden zurückgefülirt werden können: „Und wenn 
ihnen auch nicht« vou diesen (dnd) Hingen zustofsen 
sollt«, «o würden «ie doch kläglich und unziiFriedeii da- 
htideboii und würden Spitzbubuu, Hiebe, Räuber, Strafsen' 
rniiber oder gTufiiie Spieler sein, sie würiten Betrüger und 
liauomfäiiger beim Spiel sein oilcr alle«, wu« sie haben, 
dabei verlieren. Sie würden dazu noch Vater und 
.Mutter alle» stehlen, um e« zu verspielen, und nichtK 
haben, womit sie ihre Bluts« bedecken können, iim-h 
irgend weichen Besitz zu Hause. Und wenn «iu auch 
einige Gefaiigeiie im Kriege machen würden, «o dafs man 
sie zu Krieg^häupilingen pruannt, so würde ihnen doch 
DÜus zum übel ousgeschlHgen . und trotz vieler Bufs- 
ftbiingen von Kindheit an würden sie dueb nicht ihrem 
Übeln Geschick entgegen können.“ 

(fegen da« aiisHehlietslirh bötae tfeschick eines Tages 
half also keine Frömmigkeit. Hadurch wird die Gewalt 
des dem einzelnen Menichen „vor Beginn der Welt mit- 
gegebenon Geschicks“ und seine Unabhängigkeit gegen- 
übm- den Göttern in klare» Ficht gestellt. Diese haben 
nur die Ausfühning der Bcstinimnngou de« Schicksals 
zu leiten, iiWr wie e« scheint, doch ein wenig 
mehr »eihständigen KiiiRiifs bei indiffereuten /eichen. 
Deshalb billigtu man den Sündern mildernde Um- 
stände zu, jedoch nur di« eine Bufsc auflegenden 
Priester, nicht aber die Gerichte, die vou allen diesen 
religiösen Krwägungeii, wie «cbon erwähnt, unabhängig 
gewe.sen zu sein scheinen. So spricht der Priester in 
der Beichte zum Gott *^): „Nicht mit voller Willenffreiheit 
Ründigte er, denn er wurde unterstützt und geleitet von 
der oatürUchcn Bescbafleubeit de« /eichen«, in dein, er 
geboren wurde. Und wolltest du deshalb nicht, . . . 
obwohl dieser arme Mensch dich schwer geklinkt hat, 
deinen /um fahren lassen . . ,*♦).“ 

I'imw Verständnis dafür, wie die Mexikaner dazu 
kamen, allen Unglück als Krgebni« einer Sünde oder der 
sündigen menschlichen Natur anzusoheu, ist nun ko weit 
gewiiclisoii, dafs wir Ulis mir noch mit einigen Kiiizolheiten 
dieser Thatsache zu hesrliäftigen brauchen. Habei ist es 
jetzt nicht mehr nötig, nusoiDiiiiderzulialtcn, ob ein Gott 
von «ich aus eine einzelne Sünde «traft oder durch die 
Strafe da« Schicksal des Botreffeiideu in KrfüUung bringt. 
So iwt vor allem jeder T«m 1 die Strafe für die Sünde. 
„Niemand wird es unterlassen, dem Tod zu folgen, denn 
er ist dein (Tezcatli|K>cAH) Bot« in der Stunde, in der «r 
gesandt wird. . . Hann worden alle gezüchtigt werdon 
nach ilireu Werken**).“ /u dom, der gebeichtet hat 
und dem verziehen i«t, sagt der Priester*^): „Hu hast 
dich in die Unterwolt gestürzt“ (wohin di« Verstorbenen 
kamen) „und jetzt bist du wieder aiiferstanden wie oinor, 
der aus der anderen Welt kommt.“ Das heifst doeb; für 
deine Sünde hättest du den TimI verdient. Hoahalb wurde 
auch «1er Storboudo dargestellt wie der von dem tiott 
der Strafe ItztlacoHuhqui verurteilte Khobrt»cher, Kol 
lind Urin lassend, denn euitlatl, Kot, ist der Ix^kannte 
Ausdruck für Sünde io den Bilderschriften. Deshalb 
ferner folgen in den Parallelstelhm bei .'^ahaguii, B. IV, 
('. 3 und B. V, r. l, wo einerseits die unglück- 
liche Bwlontung des /uirhons calli, dessen Patron der 
Jaguar TeiM*yolIotl ist, und andererseits die des Jagiiar- 
gciirülls «elliRt vorgoführt winl, diese drei Unglücksfnlle 
uüfoinanilor: an der orslen StiOlu Tud im Kriege bezw. 

**) SahaifUi», 11. VI, C. 7. 

**) Kahacuri, B. VI, i‘. I. 

”) Kahngun, B. VI. r. 7. 



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K. Th. PreuTt: Die Siiuilu iu 

Opfertoci, TmJ ciurch Steinif^iin^ al« Eh«‘hrecbor und 
Verkauf in die Sklaveroi, an der zweiten .‘‘‘tello tJpfer- 
tod. l’od au Krankheiten und Skhivervi. Ea Kind alM> 
T(mI n)s biltehrecLer und Tod an Krunkkeiten identi- 
fuiert. denn der Überjfeorduete BeuTiff i*t „T(xl aU 
Sünder“ . und der Ehebruch ist die Sünde katexochen. 
Wer auf detn Ballxpielplatz (tlochtli) den KatitMchiikhall 
in das Eoch des tlachtemalacatl, des runden Steins, 
warf, das den Fjtlrachen Rymbolisiarte, hatte de« besten 
Wurf ijethan und dürft« sämtlichen Zusehauern di« 
Kleider fortnehineu. ]>ieH« überhäuften ihn dafür mit 
SchuiHhun^cn und saiften ihm voraus, dafs er ioi Kriege 
getiitot worden oder durch die Hand eines Iwileidigten 
Gatten uinkoraineii werde *•■). Also auch hier wieder in- 
folge der durch das tlachtentaUcati angeregten Ideenver- 
hindung aU uiiangenehme Vorl>edeiitiing Tod im Kriege 
und Tod als Khohrerber, d. h. Tod ül>erhaupt. 

Sogar der Opfertod ist der Tod de» Sünders. t^U€?t- 
zulcoatl schleppt in der l)aratellung der dritten Worhe 
im .\ubln8eheii Tonulamat] einen Gefangenen, d. h. einen 
zu Opfernden an den Haaren vorTej>e 3 rolloll, den Jaguar, 
and trägt in der anderen Hand cuitlati, das Symbol der 
Sünde. Am Fest Tlacaxipeualiztii wurde auch derjenige, 
der einen Gefangenen zum Opfer gestellt hatte, selbst 
wie zmn tapfer geschmückt, „weil er nicht im Kriege 
gestorben ist, aller vielleicht später darin sterben und 
die Schuld hozahloii (d. h. geopfert wenleo) wir«!“*’). 
I>ie Hirase: „leb bedecke für die.ses Mal dein Vergeben“, 
d. h. ich verzeihe dir dieses Mal, drückt der Pater 
OlmoH*') in mexikanisrher Sprache wörtlich so aus: „Ich 
drücke auf dein Haar weitse Fnrhe und Federn'’ (Schmuck 
des KU Opfernden ), „ich gehe dirdieFidiue uutl dasTeteuitl- 
papier“ (ebenfalls Ausstattung des zu opfernden Men- 
schen); „dazu lege ich dich hier nieder au die Mutte, den 
Stuhl (Sinnbildern der richterlichen Gewalt) u.s,w.“ Has 
heifst also: Ou bist diese» Mal wegen deiner Sünde hart 
nn dem Opfertode und an dem Hichterspruch vorbei- 
gegnngen. K.s pafst dazu, duU neben den Kriegsgefan- 
genen, wenn auch seltener, Sklaven geopfert wurden, 
lind diese waren meist durch ein Verbn^chen, durch l>ieb- 
stahl u. dgl. 111 . zu Sklaven gowonlen **)» zwar durf- 
ten nur widerspenntigo, unbrauchbare und lasterhafte 
Sklaven zur Opferung verkauft werden*®). 

überhaupt wurden die Sklaven, deren Los neben 
Opfertod und Tod das dritte Fubeil war, das den Men- 
scboii treffen konnte, als Sünder betrachtet, obwohl ea 
neben Sklaverei als Strafe für Verbrechen auch Schnld- 
aklaven. namentlich infolge von Spielschulden und in den 
Zeiten der Not Verkauf der eigenen Fanalieiiangehörigen 
nl» Sklaven gab. Olmos (S. 215) nennt deshalb den 
Sklaven wörtlich: „Her mit der Krdu, mit dem Schmutze 
(Sinnbilder der Sünde), der mit dem Stein, mit dem Holz 
(die Werkzeuge der richterlichen und göttlichen Strafe), 
am t)rt, wo man »ein Wasser, seinen Kot läfRt, da lebt 
er.“ Ha» heifst: Kr lebt im Schmutz der Sünde. Denn 
Olnios sagt an anderer Stelle (S. 21K) von dem Sünder 

") Teziw*njoc. C. 'i. Preaf», Mitteil. Anthropob Oesi'llnch. 
Wien XXXIII. 8. IM'i hi» 190. 

Sahnguiim». It. II, (*. ^2, ühersutzt von Seler. Vi*ri»ffent* 
Jichungen au» dem königl. Muticum für Völkerkunde, VI, 
S. 174. 

*") OlmoR. liraminuire de la langue NalmatI «d. Iteini Si- 
no’on. p. 217. Paris IH75. 

**) lluran, 9t$. Hie Sklaven muraten vorher gl•reini^t 
werden. 

•■) Torquemada. ll. XIV. V. 17, Hahagun, II. IV. C. 28, 
Humn, 98. Köhler, H. 44, 4.'i. .\ndere Gründe für die 
Auffamung de» OpfertiMle» nl.» Strafe für Sünde uehe Imi 
Preuf«, MiUeilgii- d. .\nthrop. Ge». Wien, XXXIil, S. luu. f. ! 



er mexikuuizeheii Kcligiuu. 257 

mexikanitichcr .\n8cliHuuiig, „er vergnügt »ich mit Keh- 
richt und Staub, setzt »ich in auagestreuie .\»che . . . 
gleichwie ein Schwein in Schmutz und.\»chc untergulit“. 
„Der l>os>e und lasterhaft iel>ende Mensch“, heifat iu Mo- 
lina» I^exikon*') auf mexikanisch; „Kr wälzt .»ich im 
Staub und Kehricht.“ Die»« Symbole des Schmutzes 
für den Sünder »ind nicht etwa ländlich christlich, »on- 
dem echt mexikanisch. Aus diesen Umhiändmi latst 
»ich auch da» eigentümliche Gesetz erklären , dafs der- 
jenige Sklave, dem e» gelang, die Schranken de» Marktes 
zu überschreiten und seinen Fiit- in menscblichon Kot 
zu setzen, frei war^). Kr kam nümlicb dadurch in die 
Lage, »ich von eigen» dazu angeHtellten Beamten von 
dem Schmutz der Sünde offensichtlich reinigen zu laHsen. 

Dafs das dum Zeichen ce cnlli anhaftende ünglück, 
wie wir sahen, aiifser in Opfertod. Sünduntod und Skla- 
„veroi in allerhand Verbrechen bestand, die der Ib'treffcnde 
vollführt, deutet ebenfalls auf die Identität von Sünde 
und Fugiück hin. Man .sieht aber, dafs auch diese Übel 
und alle sonst erwähnten eigentlich in die ei^tgenannteu 
drei ou-slaufen. da die letzten Folgen der Verbrechen der 
Tod oder die Sklaverei al» gerichtliche Strafe sind und 
die Armut elnrnso entweder zu hülflosem Klimd und Tod 
oder zum Seibslverkauf in die Sklaverei, ja auch zum 
Opfertod führt. „Und wenn eine Frau in diesem Zeichen 
fee calli) gidmren wurde, so wird sie auch unglücklich 
und zu nichU zu gebrauchen sein, nicht zum Spinnen, 
noch zum Weben, ilagcgen zu albernem und rohem 
L.arhen aufgelegt, frech und zänkisch . . . schwatzhaft, 
ein Klatschmaul und verleumderisch, der die bösen Worte 
wie Wasser vom Munde Hiefscn, eine Spötterin voll 
unsagbarer Faulheit, eine l^angschläfertii. und mit 
solchen Handlungen (obras) wird sie immer übel enden 
und wird sich als Sklavin verkaufen, und da »le nicht» 
versteht . . ., »o wird »io ihr Herr an die verkaufen, 
ilie mit ■'Sklaven zu Speisungszwecken handeln, und so 
wird Hiü auf dem Opfer^tein derfrötter sterben^*).“ Die 
Geopferten wurden gekocht und Ter»pei»t.) 

Nun »iud wir auch eher imstande, zu begreifen, wes- 
halb pecado» de la carne, geschlechtliche .Ausschweifun- 
gen, stete als Sünde betrachtet wurden. Wir haben er- 
fahren, daf» sie währüiid der Fasten von den Göttern 
bestraft wurden, daf» Khebruch und andere beKtimmte 
Arten der Unzucht mit schweren gerichtlichen Strafen 
belegt wurden, daD aber amlererseit» die Jünglinge im 
Krzieliungshaus telpnchcalH ohne weiteres mit ihren 
amiga-s verkehren durften. .Aufserdem giebt es noch 
zwei Wege, wwlurtTh die Hurerei zur Sünde werden 
konnte, ersten» durch das Vorherrschen von Geschlechts- 
krankheiten (Syphili«) wohl gerade hei der Jugend, denen 
der Beischlaf nicht verboten war. IHese Krankheiten 
waren natürlich von den Göttern aU Strafe gesandt. 
Zweitens waren die Dirnen verachtet, und ihr Los wurde 
al» unglücklirh, d. h. al» Krgehni» der Sünde betrachtet. 
Wenn die an dem indifferenten Tage ce xoehitl geborene 
Frau nicht fromm gegen ihr Zeichen ist. so wird e» ihr 
entgegen »ein, »ie winl in Armut verschmäht von allen 
leben, ihren Kör|>er preisgeben und »ich öffentlich ver- 
kaufen Knt»precheml wird du» imerliiiibte Pubpie- 
triukvn nicht nur durch die harten darauf ruhenden 
gesetzlichen Strafen, sondern durch die dadurch veran- 
lafsten Verbrechen und durch das Unglück zur Sünde, 
da.s der Säufer an Leih und Geist und in dem V'erliist 
seiner Be-sitztümiT erleidet. 

Hub V. icuhlli tinrolli yc niilacHtziUinenii. 

“*) Iniran, t . 98, 

Hahntrun,. ]}. IV, C. Z». 

•*} Sjilingim, H. IV, (■'. 7, 



i 

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25h 



tli» lirtteu iu NiKeriiu Huchuri>chau. 



Di<» Rrltfn In 

Di«' liaussastautfo. die mit dvtn Machtbereich des Stil- 
tniiftta Sokoto uugefiihr xusamiiienfallcn , bildeten bi« xuui 
Ablauf de« Jahre« I9Ü0 das Ver«'altungsgebiet der englUcheit 
Nigei'kompagitie; «ie lM‘«tehoiii au« 14 grufseron. dmu Sultan 
vim S«>kotu tributkren Kmiraten, die ihrerseits wiederum in 
kleiucro Lehusfürstentiiiiier verfallen, «r» daf« da« ganz« einem 
Ifrofwn FeudnUtaHl«} gluicht. in dem der Oberherr freilich 
mituiitor nur wenig zu «o^cu hat. Die herrschende Kla«s«.> 
bilden die hellfarbigen Fulbe. Die Nig«Tk<*m|«gnle hatte 
nicht viel AutoritAt, «ie Iwginigt«* «ich «Inrnit, im 'Hial <b'« 
Niger und Benue ilandelstiiedorluasungen zu griiiiden und 
mit den einzeluen Ftniren HoheitAVertrAge zu «chlleßicn, di« 
praktisch nur insofern von Bedeutung waren, als dadurch 
die HandeDweg« offen gehalten wurden. Mit dem Jahre 1901, 
al« das (iebiet der Nigen^umpagnie Krunkoiouie (nFrotektorat*) 
wurtl«. änderten sich die Verhältnia«« : denn das Gouveme* 
ment war nun bestrebt, da« l^and auch tliatiwchlich in «(.•in«' 
Gewalt zu iHringcu und damit der Willkür der Kmire. dir^ 
wenn «1« mit den KiigUindern iinzufriedeti waren, einfach die | 
Hand«'Uwegn zu ihnen sperrten, ein Kiide r.n machen. Su 
wunleii 19U1 die Kinirate Kablai, Basaa, Iloriu, Borgu, Bida, 
Koutsgi^ra, Saria, Auassarawa, Muri und Yola uuterworfeii, 
und 1902 Bautaeiü: hinzu kam in jenem Jahre auch das 
nicht mehr zu Sokoto gehörige Bornu , soweit en zu N«(rd- 
nigeria gehört. Der Pruzefs vollzog «ich nicht immer fnodlich, r 
und man erinnert «ich noch bei uns der im September 1901 . 
erfulgicu Kroberung Y«jla«, desaon Emir Bubeir vor den ‘ 
Kngiändern Züchtete, noch heute «ich im Grenzgebiet von I 
Kamerun mit Nigeria halt und unserer im vorigen iikmimer | 
zum Tschadsee vordringentlen Scbutjctruppe Gefechte lieferte. ! 
Die Kmire der eroberten Staaten erhielten einen engUscheu 
Kesidenten zur beite, der die Aufsicht führte. ; 

Unabhängig geblieben waren noch die Kmirate von Kaue • 
und Kataena ou«! Sokoto (mit Gando) selber, die den Norden 
von Nigeria einnehmen und mit dem französischen Gebiet greu- 
zen. Dort an der Grenze !K>1I es nach Ansicht der Engländer zu 
UnzutrAglichkeiten gekommen sein, weil Übergriffe der Emir« 
wieder Strafe.t|>aditionun franr«'t«ischer Truppen ins englische 
Territorium nach sich zogen, und aus dieatem Grunde schon 
erschien dem Gouverneur I.ugard auch die >«aldige Kosetzung 
jener letzten drei Hnussastaaten wünschenswert. Aur^erdem 
sollte der Sklavenhandel uuterdnicki und dem briüschen 
liaudet eine freie Bahn eröffnet werden. 

Den Änlnfs zum Einschreiten bot da« Verhalten des Emirs 
von Kanu, des Uerni de« unzweifelhaft reichsten und viel- 



leicht auch mächtigsten der 14 HUtaten. Dieser hatte — 
wir folgen der allerdings wohl kaum einwandsfrvien englischen 
Darstellung — lange /eit Surserlich korrekt «ich benommen ; 
im vorigen bommer alter warf er die Maske ab, «chluf» «Uv 
nach Hüden führenden llamh.’iswt'ge und zog, auf ein 1*«^ 
waffni’te« Einschreiten der englischen Verwaltung rechnend, 
ein Heer von lOvOO Mann zusammen. Im Oktober l^ot! 
wurde dann Kapitän 5toloney, der englische Kesideiit dv« 
Emirats Aiiassarawa, in Kefti emtordet, und der Mörder io 
Kano im Triumph empfangen. Der Fi>rderung, ihn au.«zu 
i liefern, kam Emir Baba nicht nur nicht nach, er ««tzte 
vielmehr einen Prei« auf den K«»pf de« eiiglisclien Be«identen 
in Sarin. 

Es wunie alt^o der Feldzug vorftereitet und im Januar d. J. 
mit etwa lUOO farbigen Soldaten und >^4 englischen Offlzinreti 
von Saria aus uuienioiumon. Am A. Februar wunie Kan«> 
nach heftigem Kampfe Itcsetzt, und der Emir Hob zu seineiit 
Lehnsherrn nach Hokoto. Der Schlag gegen den Sultan v«*n 
Kokoto AvI Mitte März; die llauptstadt wurde ohne gntf«»* 
Schwierigkeiten besetzt und der Sultan floh. K« bleibt jetzt 
noch Katsena übrig, da« aber seine SellnUtndigkeit auch 
selir Itald verliijren dürfte. 

Die Kiigläniler sind somit in den Ho-«itz der gr>')r<ten 
Handel«* und Industriestadt des Sudans gelangt, die längst 
das alternde Timbuktu in den Hintergrund goalrängt butt**. 
Die Bautnwollenstoffe und la.*(lorarlHMt«R Kan«Ni Anden ihren 
Weg iu alle Teile der Ni»rdhalfto Afrika«, hier munden die 
v«in derKordküsle durch diu Sahara führenden Ifa(idel«n»uten. 
über Kann also wurde bisher der gröfste Teil der Hhu**h- 
länder mit «unapäischen Waren versorgt, trotz der vom Niger- 
Bunue her eiusetzenden Konkurrenz der Nigerkomtasgiiio. 
Barth, der Kano 1951 und 1954 besucht hat, entwirft eine 
begeisterte Schilalerung von dem Ijelien iu der hta«!t und «1er 
Fruchtbark«.'it des gleichnamigen Emirats; den W'ert <le« 
(lesauithandels gab er damals auf annähernd 2V« Millionen 
Stark im Jahr an. 1997 schützte der englische Konsul in 
Tripolis den W'ert der allein v«m dort nach Kano gebenden 
W'aren auf 9*.!U000 Mark. Künftig wurden «ich die Verhält- 
nisse wahr»cheinlicb ünderti; denn die Verwaltung wird d**u 
Handel mit d«*r nordafrikanischen Küste, der ja durch französi- 
sches Oehiel fuhrt , nach M«'iglichkeil erschweren . um die 
HaassusUmtcii auch wirtschaftlich von der Nigcrn>ote al>- 
hiingig zu mnrheii. Freilich, die einheimische Industri«* 
Kunos, des pMuuchustor und Birmingham des Sudan*, w-ird 
sie trotzdem nicht vernichten können, da mit deren Er/oug- 
nissen die für Afrika tiestimmten englischen Schuudwnreii 
nicht konkurrieren können. Diu Einwohnerzahl der Stadt 
Kano W'ird auf üOUOo hi.« 9ui>0o ang«*gcbeu. Sg. 



Bflcherschau. 



li. J. Tanflljewt Die Baraba und die Kulundiusche 
Steppe iin Bereiche de« Altaischett Bezirkes (Kreis 
Barnau), Gouvurneiuent Tomsk). 519 Seiten mit 11 Fi- 
guren und I Karte. [Russisch mit «lenLschem Be>ium«^.] 
8t. Pdeniburg 1902, 

Diu Kurte des behandelten Gcbietei* zeigt am Nordrandu 
diu Eisenbahn, im Nordwestuu dvn TscUaiiysee, iin Südwesten 
und im SUdun dun Irtysch mit Semijialatinsk, am Oxtrande 
Bamiiul- Bvi 8<'mipalatiDsk und noch über lOukin «truni- 
abwärts wird der Irtysch von uineiii grofsen Kiefernwaldc 
auf sandigem Boden bogleitut. lu allmählich «chmiUer wer- 
detiduu Streifen erstreckt sich diese IkNlen- und Vegetalions- 
formatuui bis Itemaul am Ob. l>cr Wald ist streckenweise 
reich an Hetdei- und Preirsella>ercn nebst Staiula-ercn tHubus 
•ioxHtilis) und W’aldbt-eren. Lichtungen tragen Kal/flora. 
N«>rdwt^tlich von dies««m W'al(ie dehnt sich die Kulundinsrhe 
Steppe au.«, lehmig-saudigur Btnlcn ohne jeden Iteumwucb«. 
Tonangubend iu der Flora sind Doldengewächse, namentlich 
der Uraiiatnik (Libanotis montuoa), häutig auch Stuinb<-ure 
und Bräfsling (Fmgaria collitta) und eine nordische Scrophu- 
lariace« (C'ashilb'jay Diu Seen dieses tiebietu« «iii«l fa-H alle 
«aliig. Nach Nordoston geht die Steppe «iIht iu die Baraba, 
welche dadurch uigeulümlicb ist, dar-« in fluchuit Mulden 
grölWre f«der kleinur« kräulerreiibu Birkunhaiiie (B. verni- 
c«»sa) steheu. Der Boden ist grofaeiiteils löfsaiijg. Strich- 
weise erstre<*kl «ich dies« Foniiuüou weit iu den oben gu- 
schildcrti-n KiefernwaM hinein. Dur nördlicbo Teil der 
Baraba ist reich an Salzwieseii. Zwei gri'ifsoru Flüsse, Kar- 
gut und Tschulym. Hiefsen hier in den grorsen Biunciiw-e 
Tschany. Dieser ist im Osten, w«« die Flüsse münden, süfs, 



im W'fstau jed«H*h so salzig, dafs Munsclien da« W'iusaer nicht 
trinken können. Dur iksJeu ist auch in seiner östlichen Vni- 
g«^bung salzreicb, und aus den dort vorhniiilen«*n SUnipfen 
winl Tu trockener Jabreszc-it viel Kochsalz ausgeschieden. 
Bemerkenswert ist, dafs in dem ganzen Gebiet hin und wieder 
Mouami»oro(8phagiium) auftreten mit ihren cimrakteristisehen 
I Begloitpflanzen, «rum Konneuiau (Drosera) und der Moosbeere 
(Ozyooccos). Ernst 1!. L. Krause. 

Eduard Otto: Pflanzer- und Jägerleben auf Hutuatra. 
185 beiten mit 37 Abbildungen. Berlin. W'ilhelm Küsse- 
rott, 1903. Preis 5 Mk. 

Der Verfasser hat vier Jahre auf einer Taliakpflanzung 
(Bueloe Tulaiig) iu «ter Pn>vinz Unter-Langkat auf Sumatra 
I zugubracht. Er «childurt zuinichst das 1.6buii und Treiben 
* auf einer Md«‘hcu Pflanzung, «leren Anlage, diu Ernte uu«l 
I das Y«*ravbeiien ilcs Talnk« zum Versand, .\rl»uit«-ii, diu 
I den Pflanzer das ganze Jahr hindurch inlliätigkeit erhalten. 
I 1>a.s meiste aus iliuwn Schilderungen ist auch im iliublick 
j auf die deutschen Kolunioen v«tn lnU-re«se. W'ir ersehen in- 
I J(}sscn aus dem Buche, dafs der V'crfasser auch s>>n«t ein 
j guter Beob-achtcr ist und an vielen Vorgängen nicht achtlos 
j vurübergegangen ist, die g(.'w«ihnlich nur dem Naturh^rseber 
j uud Eibutdogi-u auffallen. Es flmb-n sich in d«-in W^erkchen 
Ott'« viele nicht unwichtige Buolmchtungi-ii über die Tier- 
welt und das Tierlebon, u. a. QWr diu Nashorn v«Vgul, auch 
über die niederen Tier«, und seine •fagderfabrungen verwii- 
iasHun ihn zu iiütticlierlci Bumurkungun über den Oratig 
rtan, dun Tiger, das Nashorn, die Kcblangen u. s. w-, 
Femt-T seien besonders die .lusfiihrungeu über die Jagdarteu 



Hticheriehau. 



<ier Kitif^etMtrcneD bervorueholien. di« rieh namentlich in der 
Anuendun^ von ('allen auazeichnen. Otto beschreibt eine Reihe 
wilchcr Fiilien und in<^ht von ihnen Abbüduitiien. Auch den Tif^er 
fangt man darin, im nbrigen geht iium ihm durch Anlegen 
von SelbstM'hnnaen zu Leibe. Sehr gesi^hickt verstehen die 
Malaien das Wild zu locken. Sonst seien aus dem an* 
«prurhsloften. doch ganz Hillkoroinenen Buche nn<>h einige 
nmlniische Lieder (mit Noten) erwälint. Die Abbildungen 
sind gut und Iwtraffen das lieben auf den IMlanzungen uii<l 
die Jagtl. H. 

Jokannea Wehle nnd Dr. Km$it Xurke: Sprichwörter, 
sprichwbrtlicho Kodenxarten und Ausdrücke der 
Obvrlnusitzer Wenden. In weudiseher Sprache. 
S. XIV und 314 S. Ifoutzen 100«. 

DieM) Sammlung enthalt Sprichwörter, die in einem 
Zeiirntim von 50 Jahren (1340 bis 1690) von dem jetzt eme- 
ritierten Lehrer Johannes Wehle (wendisch J.an Uadysarb 
Wjel.a) während seiner amtlichen und anderen Thätigkeit 
nn verschiedenen Orten unter den Wenden aus dem V<ilks* 
munde aiifgezeichnet wortlen sind. Die Anordnung für den 
Druck und die Herausgabe hat dann der Landsmann des 
Herrn Wehte, der durch nein« ethnographischen und sprach* 
wiHsensrhuftliehen Arbeiten über die Wenden l»ekannte Herr 
l’rof. I»r. Mucke (wendisch Kni»t Muka) in Freüierg m 
Hiichsen übernommen, von dem auch da« Buch zum Treis« 
von 5 Mark zu beziehen ist. (Wir fiigten die wendischen 
Nniiivn lieider llerri.'ir bei. weil rie su auf dem Titel dt's 
liurbes stehen.) l>ae uanzo ist in drei ürtippen geteilt, jede 
alphab«>tisch geoninet: I. ungereimte 8prichw0rt4>r, «. ge- 
reimte und 3. vergleichende Auasprüche. Dazu ist srhliefs- 
lich noch ein .Nachtrag* gekommen von Beiträgen während 
des Druckes. Durch das Werk sind die früheren Hammlimgen 
wendischer HprichwOrter von Johann Krnst Bchmaler 
(190 Ktück, in dessen .Volkslieder der Wenden*, II. Band. 
S. 167 bis 206. (iriroma IM4) und Jakob Buk (lOOO Btürk, 
im t'asopis der Macica Berbska, wie auch gesondert. Bautzen 
1662) bei weitem ülierbolt, und es dürfte rieh unter den 
Oberlaiiritzer Wenden kaum etwas Nennenswertes an Sprich- 
wbrteni mehr rinden, d^ui nicht in der Weble-Muckesehen 
Bammlung verzeichnet wäre, denn auch die Buksche Samm- 
lung ist, soweit sie Sprichwörter „im engeren Sinne* ent- 
hält. in jene mit eingercüit worden. Der Werl solcher Ori- 
giiialsprieUu Örter für Volkskunde und Sprach« iasenw^bAft 
braucht hier nicht uuseinandergesetzt zu wertlen. T. 

Wilhelm Adeineit: Beiträge zur Siedelungsgeogra- 
phio dos unteren Moselgebietes. 1U4 S. Forschun- 
gen zur deutschen l«and<M<- und Vidkskunde, Band XIV, 
Heft 4. Stuttgart. Kugelhoni. 1903. 

m-n Kern de* («vbietes bildet der Teil des rheinischen 
Si'liieforgcbirges, den die Vogelsche Karte deis Deutschen 
Uoichos mit dem Namen MtoHsIlKTg«; liezeichnet, freilich eine 
gemachte Begrenzung, denn die Bewohner kennen sin nicht, 
ln Wirklichkeit ha^n wir es mit einem Teil« der Kifel 
zu thun. 

Bodenplastisch vermag man vier Abacbiiitte zu unter- 
scheiden: die Trierer Thalweitung, das Muselthal zwischen 
Schweich und Reil, die Mosclberg« und die zwixchen diene 
und di« Kifelberge eingesenkte Hohlforin, die als Wittlicher 
Bucht oder Senk« bezeichnet wird; gemeinsam ist ihnen die 
ausgeprägte südweistlich-nortlOstliche IJingserstreckung. 

Heben wir von den zunächst folgenden Ausführungen 
über den ge<dogischen Bau, das Klima und den Beelen u.s, w. 
ab, e«> können wir als Facil hinstellen, dafs unser tiebivt 
sich zu Beginn der bisU>risch«n Keit darsielU als Teil eines 
waldreicliQi), lin allgemoinen durch Klima und Buden wenig 
ItegiinstigU-n Oebirgslaudes, jod<wb als ein liesonders reich 
ausgestatteter Abschnitt . der el>eiiso sehr durch Boden und 
Klima, wie durch die laige au einem grifseron Fliifs eine ein- 
zigartige be%'orzugte Stellung innerhalb des Waldgebirges 
einiiimmt. Nolien der Viehzucht Isiten sich im Mi>SHlthnI 
wie in der Wittlicher Su’nkv die Ikriinguugen zu lohnendem 
Ackurliuu. Die Itiluvialterrassuu der Thäl^r mursten also 
znnächst die Hiedelungen auziehon. St> bildeten denn Acker- 
bitiisiuilidimgen in der Form von llnufcndörfem den lierrM'hen- 
den Tyjiiis der Niederlassungen, neben dam nur drei kleine 
T^mnUtädtchen Hernkast«), Trarbach und Wittich später auf 
etwas lebhaftere VerkehrstMiziahuDgeo scblier>>en IttsacD. 



! IBe Rinne im Boden, die Mose! selbst, hat verkehrsgeo- 
I graphisch niemals eiue Rolle gespielt, auch nicht in ihrer 
1 tedeutung als Weg von Wasser; sie ist nur hervorragend an 
I dem Kleinverkehr innerhalb des Thaies beteiligt. Bei dem 
i Hange! an gröfseren Heitenthillejm reicht die konzentrierende 
. Wirkung l>eiui Mnselthal nicht über die rmrandung des 
i Ttmle« hinaus, die Bowuhner de« 1'latcaus sind anders als 
! diu echten Mosellaner. So kommt eiue gewisse Kinheiilich- 
kuil und AligeschlrHuienheit als der wesentlichste Zug in den 
I Cliamkter unseres Bildes. 

I Im M^rtelthal ist der til*crwiegende Teil aller Ortsnamen 
keltischen Ursprungs, in der Wittlicher Henke, die 'I'häier 
der Mivsellierge mit cingeschlotssen, rind keltische wie deut- 
I sehe Namen etwa zu gleichen Teilen gemischt, während 
1 auf der angreruumden llLKhriäche auaschüefslich die letztens 
j das Übergewicht zeigen. 

j Die iHKleutonderen Mündungsriedalungen U^en sämtlich 
, auf dem rechten Moaelufer und bezeichnen die Tunkte, an 
denen die westdetlicbe Verkebrsachse des Hchiefergebirges 
von mehr oder weniger senkrecht dazu verlaufenden Ver- 
kehrslinien vom Süden her getroffen wird. 

A* de Cork en Js* Terlinck* Kinderspol en Kinder- 
lust in Kuid-Kederland. Tweede l>ee] : Dan.s{>eien. 
S69 H. Gent, A. Hiffer. 1903. 

I Dieses grofa angelegt« Werk, dessen erster Teil im Globus, 

; IM. 62, H. 46 liesprocheu wurde, läCit sich nur mit den ähn- 
I liehen ausführlichen und gründlichen Arbeiten Wnasidiu« 

I iilj«r .Hecklenburgische Volk.süberlieferungen“ vergleichen- 
Ks ist erstaunlich, welche Fülle von Tanzspiulun und LIedorn 
die Verfasser noch zusammengebmeht ha1>eu, wiewohl auch 
sie darülwr klugen, dafs unter dem F.uue der Neuzeit viele 
I dem Verfall entgegengehen, wie dieses heim Riesenliedu (8. 97) 

I oschgewiesen wird. Neu ist di« Einfügung skizzenhafter 
Zeichnungen, welche leichter als Beschreibungen über die 
I Hteilungen und B<’W«gungen der Kinder nnterrichten; dank- 
; bar müweii die Amoerkungtm aufgenoinmeu wenien. die mit 
groDor Hachkenntuis über die Verbreitung und Litteratur 
der einzelnen Lieder uns unterrichten. Der Charakter dieser 
Tanzapiele ist nicht verschieden von jenen, die auch Iwi uns 
in Deutschland Vorkommen, selbst in den Derbheiten (z. II. 
H. 76), die ja auch unsere Landbevölkerung als natürlich 
nicht verschmäht Die Sprachmischung tritt hier und da an 
I der Grenze zwischen Vlaniisch und Walloulscb hervor: 

j Hcb-de nie gezien? 

' N’as-tu pa« vuT 

Drij dikke boeren 
Under een« |iara{du? 

Wer unser« deutschen Tanzlieder mit diesen süduieder- 
ländisrhen vergleichen will, findet im vorliegenden W'erk« 
dazu reiche Gelegenheit und wird sofort erkennen, wi« weit 
oft die Verbreitung geht. So z. B. B. 166: 

Zeve jaar alomme (»chon um) 

Junge doebter, keert u omme u. n. w. 

Mau vergleiche damit (Urt|ueU VI, 139), wie die Kinder der 
schwäbischen Kolonisten Itei Ofen singen : 

Hcbner Jahr is umm 
N. N. drahe si uro. 

Oder (B>>hme, Deutsches Kinderlied, 8. 447): 

SiMten Jahr sind um und nm 
Jungfer Anna dreht sich am. 

Das durch ganz Deutschland von den Kindern mit Tan- 
tomimen begleitete Lied „Wollt ihr wissen, wie der Bauer 
seinen Hafer aussät?* kehrt in Siidniederlond wieder: „Jloe 
zaail de laier zijn kureku?* Wir linden es auch verzeichnet 
aus der Birhweiz (G. Züricher, Berner Kiiideriied, Nn. 967) 
und auch das bekannte .Es kommt ein Herr aus Nintv«*, 
welches sehr alt, wie Bülte in einer schbnan Untersuchung 
nachwies, ist als Keigenspiel vom Kanonikus l<ei unseren 
NachlMirn bekannt: .Paar koint een Kanonike aan, van iel«- 
rie, van alcfa, Kanonike.* 

Das reich«, auf ein« griifsere Anzahl von Bauden bi- 
rechn«te Werk ist von der Vlam»ch«n Akademie für Sprat-h- 
tiiid Littcraturkund« mit einem verdienten Trei.s« gekrönt 
w'orden. Richard Andrea. 



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Kleiue Nmclirichteii. 



2üO 

Kleine Nachrichten. 



AMrnrk fe«r mH 

— Am Irt. Marz <i. •!. ist in TiHis. liur Hauptstadt dt*« 
Kaukiutus, wo ur s**it vier Jahrzehnten seine zweite Heiuiat 
^'tfuiideu Uaiu*. tler Wrühmte Naturforscher und KeiM’iida 
tfiistav Kailde im 7'J. LehHiisjabre gesturhen; ein viel* 
Iwwegtei Keise- und Forsi-lierlebon ist damit ahuescbloAseo, 
und unser ,Olohus' legt dem utn die Krforachung von Hua- 
sisch Asien ki h«n*h vcrdienleii Manne eiuen Kranz der Kr* 
iiiDerutig auf da» (irui». (iusluv Kndtle wurdo am 27. No- 
vember zu Danzig als 8ohn eim-s I^ahrer* gel>ort>ii und 
widmelo sich /uuhchst der Pharutacie ; sai» sehtiHchslur Wunsch 
von früh auf war aber, einmal recht weit in die Well zu 
gehen. Kl>eu 20 Jahr« alt, zog er nach der Krim, die er 
auf vielen Kufswanderungeu und in veraeUkHlenen Stellungen 
keuneti lernte und nlier die er auch drei Arbeiten verölYcnl- 
lichta. Von !(i6& bis i(<t>0 fand Itadde dann die güustige 
Oelegenheit, im Aufträge der liussiscben Gtajgrnpliisi'hen 
Oasellschaft zu Ht. Petersburg an einer Kxpeditiun nach dem 
Süden von OsUihirien teilzunehmen. Die Ergebnisse seiner 
Forschutigon legte er nieder in seiiieu , Keinen ini Süden von 
Ostsibirieii" (1862 bis 18t>4), worin er die Säugetierfautm und 
die Festlandsornis des siidostlichen Sibirien liearbeitete; den 
Bericht über •«eine Reise enthalten seine .Beitrüge zur Kenntnis 
des Russischen Reiches*. Als Konservator bei der Akademie 
der Wiweuschaften ange-ttelH, fand er auch ikm'Ii (ielegenheit, 
den ZtKdogeii v. Bniudt und K. v. Baer auf einigen Reisen 
zu begleiten. Im Jahre 1Sü4 ward«! Uadtle vom Statthalter 
des Kaukasus nach Titlis berufen und mit der bitdogisch- 
geographischen L'utenuchung Kaukasien« betraut, und diese 
bihleto denn nun fortan das Prc^^rauuii seines lA'beus. Al»er 
nicht nur kaukasische Gebiete, sondcni auch Armenien, die 
uralokaspischen Länder und weitere benachbarte Gegenden 
wurden von ihm auf vielen und wiedorh‘>|ten Reisen besucht 
und erftjrscht Noch 1890 unternahm er eine Reise nach 
Karabagh und 1604 besuchte er nochmals das Daghestan. 
ln zahlreichen und wertV4i]len Kchrifteu berichtete Rodde 
auch ülier diese Reisen; erwähnt seien nur «liie C'hewsureii 
und ihr Laud* (1878), ,I>er Kaukasus* (1884), ,OruU cauca- 
sicA* (1884), , Keinen an der persisch-russiMdien Grenze*. „Die 
Fauna und die Flora des südwantlichen Knspigebintes* 
( 1 HH 8 ). F.ine gKlfsere Anznhl der Berichte erschienen in 
l’etermanus Mitteilungen und deren Krgänzungsheften. Auch 
zu Hinein der Reisebegleiter der Grorxfiirsten Alexnnder 
un<l S«-rgei Michaelowitsch auf ileren Reise in da« tn)piscke 
Asien wur\le Ra«h1e benifen. Als ein Hauptverdienst Ratldes 
mufs aller vor alieiu die Begründung des Tiatiirhistorlsch- 
eihiiographisehen und .\ltertumsinuseuius in TiHis (im Jahre 
IK88) angeseheu werden; mit unerniüdlicbeiu Eifer und 
gndWr tjachkeiintni» hat er hü*r für ein so iuteresixanins 
Land wie Kaukasieti ein reiches Moteriul zusBimiicngchracht. 
Du Hadde gern uud oft die intcrnationalon wisseiiscbaftlicheo 
Kongresse besuchte, dazu eine drollig« Krzählcrgabu und 
einen guten Humor liesaf*, so war «r in weilen Kreisen «iuo 
iH'kaniite und geschätzte Persönlichkeit. AuszeicbuuDg<«n aller 
Art sind dem Verstorbenen in reichem Mufse zu teil ge- 
worden; der Kaiser von Kufsland cruaimte ihn zum Geheimen 
Rat mit dem Titel Kxccllenz; die Br<riim-r Geseilschaft für 
Erdkunde und viele amlcre wählten ihn zu ihrem Kiiren- 
mitgliede. W. W. 

— Der russische Htaatsrat und Astronom Franz von 
Kchwar/, zuletzt Uhaervator au der erdmagnetischen Kta- 
tion der Münchener Sternwarte, starb nach schwerem Herz- 
leiden am 20. Januar d. .1. in München durch «ügen« Hand. 
Geboren am H. Dezemher 1847 in Riirnsleiii Wi Grafenau im 
Bayerischen Wald, kam er nach Vollmidung seiner inuthemH- 
lischcu und astromimischeii Studien 18T1 nach Rufsland und 
wurde 1874 bis 1878 Itei der topograpliischeu Abteilung des 
(■«-neralstaWs in Turkestan mit astnrnoiuischen, geoiiatischen 
und erdniHgiietisch«‘U .Vufnahiuen iK-schäftigt. Dann über 
nahm er «lie Krrichtung der Htornwarte in Taschkent und 
•>rwarb sich durch zahlreiche Poeitionsbesiimmungen in Tur- 
kestati uud den angrenzenden Gebieten hervorr.agende Ver- 
dienste um die Kartierung dieser Gegenden. Die Ru'-sische 
Geographische Gesellschaft tu Kt. Petersburg verlieh ihm 
188 'i für seine Verdienste um «Ile ge«igrH|diische Hrrorxchiiiig 
von Turkestan die golilüne Mmlaiilc, uud die russische Re- 
gierung erkannte ihm den Ad«.d zu. Im Jahre iMsu kehrte 
Schwarz nach München zurück und übi^mahni hier 1 h 9H 
an dem neu errichteten urdinugm-tischen Observatorimn eine 
Stellung als ()bservat«»r. Hier veri^ffentlichte er mich: .Die 

Verantwort]. Iteilukteur: li. Siiigei, litiiiiu NW. 8, NihilTbaueii 



ufillettangaU* gHUUet. 

Feldzüge .Mexamlers des Grorsen in TurkeHian* (l8'.iJ); 
„KinlHut und Menschheit* (IH94) und .Turkestan, die Wiege 
der mdogermauischeu VtVlker“ (IWÜU). W. W. 



— Strümpells Wanderungen im Rnlilande. Obor- 
leutiiant titrüinpell, Chef der iui Januar 1902 gegrimdetcu 
Station Bamenda in Nordkameruu, bereiste im März 19u2 
die iiAchsleu, bisher noch unerforscht gebliebenen Gegenden 
t'istlich vom Baliiand uud hat durülier in Nr. 4 des Deatsefaen 
Kulonialblattcs von I9u.1 ziemlich eingehenden Bericht er- 
slalteU Ausgehend von Bainenda (20 km nordöstlich von der 
ehemalig«?!) Ktatiou Bali), ülierschritt er gegen Osten das 
Plateau der Wndjoborge (16U0 bis 2200m), marachierts* von 
Bamissiug nach Süden längs des Gebirgsrandes Uber Baketu- 
bat (Bali'Kuiubat oder Bn-N’kunbat) und Bagam bis Bamun- 
kung (etwa n5 km) und von hier auf der Westseite <ies Ge- 
birgastockes über Babailju und Bagangu nach Bameu<)M 
zurück (etwa 50 km). Durch diese Kxpvdititm wi« durch 
die vorhergehenden Aufnahmen von Ramsay und Gtauning 
erhält die Karte vom östlichen BalÜandc ein wesentlich ver- 
ändertes G«isicht, als es der Entwurf in Haupimauu Hutters 
Werk zeigt, der zum grössten Teil nur auf Erkundigungen 
beruht. Vor allem verschiebt sich tiadh der von Moisel sorg- 
fältig bearlKÜteteu Kart« (.Das nordwestliche tirenzgebiet 
v«>u Kamerun*, Mitteilg. aus den deutsch. Schutzgeb. 1903, 
Karte 1), welcha auf Grund der .iüiigstcn Fona'hungen ntt- 
gvferllgt wurde, wie Khun im .Globus* erwähnt, die a«ir«>- 
nomische der Örtlichkeiten: st« liegt BHÜburg nicht 

zwischen dem 6. und 7. Biciteiigrad und nicht zwischen dem 
10. uud 1 1. Längengrad, sondern nahe südlich vom R. Breiten- 
grad und dicht am 10. fjängengrad. Ferner ist das Wadj«>- 
gebirge w«)hl eine .liauptwaNsenicheidc*, wie Hutter richtig 
vermutet hat, aber es ist kein srhmnler Bergrücken, welcher 
durch da« Thal des .Bamum* von einem llügelguläude iui 
N«irdwesten isoliert bt, sondern es stellt sich al.s ein massiver 
tlebirgHstock mit breiten H«K'htl4chen und aufgesetzten Kup- 
peln dar, dessen tJingsachse von Nonien nach Süden ver- 
läuft un«l de.«.«en grCifsie Breite etwa 20 km lieträgt. Einen 
Fluf* .Bamuui*, der nach Hutter aus der Gegend von Be- 
kum kommt, die KarawanmistnifsH mlrdlich von Bafueti 
durchkreuzt und das Gcbirgslniid gegen Siidosten durcli- 
schneidot, giebl ts» nicht. Dagvgen kommt nuch Ktrüni|:oll 
der (bei Möbel nicht cingozeichtietc) Kuu — «las scheint 
wuuig8t*‘ns im Olwrlauf jener .Damum* zu sein — wohl eben- 
falls von Liikoin «aler i^kum her (welcher Ort jedoch viel 
weiter IUI N«»nlen und Osten liegt als auf Hutters Karte), 
aber er Hiefst in ziemlicher Entfornung von dem Gebirgs- 
stock zuerst von Norden nach Kü«len und dann gegen Kad- 
osten wahrscheinlich dem Mbam zu. Der Flufs, von dem 
die Eingeborenen Hutter berichteten, er durchschneide die 
Wadj«>lierge, dankt luirStrnmpeiUMiH zu sein: er entspringt 
aus einem kleinen Kee auf dem Bergplateau und richtet 
»einen I^uf anfangs nach Küdeu und spater nach t>sten und 
ziemlich nahe an der .sehr weit golwuten Ktadt* Uaaiunkang 
vorliei, von welcher Hutter gehi*>rt hat, «es sei der Hauptort 
Von Bnmuiii, viel grofser als Hali, uml habe M.-tueru und 
Grabi'u*. Man erk«*iint dHrans, wie dürftig und wie ver- 
worren die Auskunft in gts^grajihischer Beziehuug ist. die 
•1er Kuni|mcr von den EingeiMireueu erhält. Kr icufs eine 
solchi' alter notieren; Hutter Ihat «los, alter mit allem Vor- 
behalt. Ab «r sich auf einer Hrdic ur>rdlich v<in Bamenda 
befand und sich die Frag« vitriegte, ob ur .zusanimeuhängeud« 
llügelkettim oder rin BergstcM'kplateau* vor sich habe, liefs 
er sich bei Beurteilung der Boflengeataltung iiu allgemeinen 
nicht durch die AngalHm der Balileute bestimmen; sein aus 
selletändiger Anschauung gewonnener Entivbeid zu Guu«teu 
des llochplatcaucharakters der Lftfidschaft (vergl. .Wande- 
rung«-n*. S. 807) ist jetzt durch Ktriim]tell9. Ramsays uud 
Glauniiigs Expcditiitnen \ollk«jnmien gerechtfertigt worden. 
Üliereinstimmend mit Hutters Beschreibung des Grasiand«» 
lauten die Bchibb'riingeii Strüiii^tulls: Galeriewaldungeti (na- 
ui«-ntlieh Raphia)talmen> längs «1er Wastu-rlaufc, Rauniwoll- 
pHanzmigeii. Vieh- und Wildreichlum. An «len Abbangen 
des Gebirges und in den Sv^^itcnthälem traf Htriimpell auf 
ein« sehr dicht« Bevölkerung, deren kulturelle Befähigung 
nicht nur derjunigeu der Bali, wie sie Hutter beschrietwn. 
gb'ichkoumit , sondern welche auch, .je weiter luuu nach 
Uston und Küüen vordringt, um so erhebüchon* l^istuugeu* 
aufwtdst. Brix Förster. 

Iiiiiint 28. — Dru«k: 1'rii‘ilr. V'it-weg u. Sühn, Hrauasrbweig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTH ZEITSCHRIFT FÜR L.WDER- i'Ni) VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: ..DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
HERAUSGEGEBEX VOX H. SINGER ENTER BF^SONDERER MinAHRKEXG VON Pnor. Dr. RICHARD ANDRES. 
VERLAG von FRIEDR. VIEWEG * SOHN. 

Bd. Lxxxm. Nr. 17. BRAUNSCHWEIG. 

NMhdruck ear n*ct> L'bcrvuikunfl mit der Verli<r*^uuidluiig geetattel 



30. April 1903. 



Die Nilgalaweddas in Ceylon. 

Von l>r. h. lititimeyer. HMel. 

III. (Schlutfl.) 



Von n Hus|[(eräteii, wenn man bei Menschen, die 
keine Häuiser buben, ron aolchen »prechen darf, ^ind 
zwei Objekte zu erwähnen, welche der mehr als lM*nckei* 
denen J^hl der von den Weddas verfertijrten (ierÄt* 
Hchaftei) — Fetierbohrer, lla.*>tschnäre, Rindeuatolfe, Bast- 
sficke, trrabstofk — einzureihen wären. Das erste, der 
Thontopf, ist ein wirklicher Xeuerwerb in der Ergologie 
der Naturweddae im Laufu der etwa 10 bia 12 letzten 
Jahre. Wie oben erwähnt, wurde uns — auch derWidaiie 
btikuui ein gleichea Geschenk — in einem Tbontopfrbcii 
von den Danigalawedda» Honig wilder Bienen als Gc- 
•^chehk ftberbraebt. 

Der Topf war ein rundliches Gef&f^ von uuregul- 
mafsiger ?'orm der Wandung mit oben umgelrogencm 
Hände, von ruueharliwarzer Farbe und ohne eine Spur von 
Oniameiitieriing. Kr iat aiia freier Hand geformt und 
an der Sonne getrocknet, nicht gebrannt, wie una ein 
»inghaleMiNcber Tupfer, den wir in Kandy Aber diesen 
'l'opf kousultierteu, bantimmt veri«icherte. Kr erinnert 
durchaue an manche Pfalübauteut^pfe und gleicht in 
Form und Farl>e ganz einem aolcben unserer MuaeumH- 
bamrolitng, der dem ITahlbau von lAÜscherz am Hielerace 
angebort, mir mit tloin I nieraehled, duf?i der Pfahlbatier« 
topf mit seiner viel regeLmäNigereu Rundung «ich zum 
Wvddatopf verhält wie eine gute .Vrbeit zu einer SchQler* 
urbeit. Al^u auch hier in dieaem techniacheii Neuerwerb 
der NattirwfddaH engste Berührung mit der PrähiHtoriel 

Dafa 6H Mich aber hier in der 'Hiat um einen Neu- 
iTwerb handelt — die Töpfe wurden zweifellos von den 
ItHnigulHwedda« gemacht — offenbar nach «inghaleMiMchen 
Muntern, gebt auK den .\itgaben von Virohow^>b Det«> 
cliHiii p« Steven«’**) und Sarahin*"*) hervor, nach 
<ieiien „die von höherer Kultur noch völlig unlierOhrteu 
Nnturweddas nicht veratehen, Thongeschirr herzuatellen*. 
Letztere .\iitoren fanden zwar «chon 1(485 in Kolong* 
gala auv Krde uin) Woioter geformte rohe Teller vor, 
die an der Soiiiie getrocknet wurden, und Do»champi^ 
fand in Wewatte «ehr rohe Thontöpfe, sagt aljer aus- 
drücklich, das »ei nur hei einer kleinen Minderzahl nahe 
singhaleaitichen Aneiedelungen der Fall. Bei Snraain 
wird noch liesonder« erwähnt, daf« diu Naturwedda« vom 
t)egalat<iocke die Töpferei nicht kennen. 

Die erste Notiz, daf.s die Durfweddn» de« Nilgula- 

»•) l. e. p. I». 

*') I. e. p. s:s. 

•^) I. c. p. CLX. 

I. c. p. *SS. 

Olobu« LXXXUi. Nr. 17 



di«triktes Thonscbriaselu au» freier Hand formen — nur 
die WeiWr — findet »ich bei Schmidt *’), der dieselben 
1889 Torfand, indem die Kulturindier bei ihnen dieae 
Kumit cinführteii. Kr giebt an, daf« die Töpfe an der 
Luft getrocknet und auf einem Hcinighaufen gebrannt 
würden, wobei der eiiidring^nde Rauch »ie schwara färbt. 

Auch IlilJer und Furnea.a*«) geben für Natur- 
wedda« in Bintciine einen irdenen Topf an, in welchem 
ihnen Honig gebracht wurde. Nun hätte aIt»o nach un- 
serem Befund die kuUuriudi«che Kun»<i derTöpferei ihren 
Kinzug gehalten sogar auf dem Danigalastock, einem 
der letzten Horste echter Naturwedda», doch i»t zu be- 
merken, daffl ein Zeitraum von etwa 2000 Jahren grofs 
genug erscheinen dürfte, um sogar die uitrakonservativen 
Weddas zu veranlassen, von ihren Nachbarn einen Kul* 
turerwerb anzuiiehmen, der schon der eiirojiäiscben PrÄ- 
hiKtorie angehört! 

I'jn wuitcrcK, wie mir scheint, für die Naturweddan 
völlig neues „(ierät*^ wäre eine kleine Tasche, aus dem 
Fell von Soiuru« macrurus gefertigt. Sie besteht aus 
einem ungegerbten, getrockneten Fellatück, welches, durch 
Bastschnur roh zuKammeiigenäbt., oben einen Klappde<*kel 
hat mit uiuer Bnstüchnur zum Yerscbltif» der Tasche, 
dmui l*änge 16 cm, die Höhe 12 cm beträgt. Sie wurde 
von einem Wedda aus Hennebcdda gefertigt. Fji ist 
diese Felltascbe um so bemerkenswerter, als alle Autoren 
angelien, die Weddas wAfsten keinen Gebrauch von den 
Häuten der erlegten Jagdtiere zu machen, als sie al)> 
Taudchartikel oder etwa zum Vorhängen ihrer Hütten 
oder Höhlen zu gobrauebeu. Speziell Steven« ^*) sagt 
ausdrücklich, er habe trotz seines intimen lAcbens mit 
den Weddas in keinem Falle Verwendung einer Tierhaut 
zu irgend einem Zwecke gesehen. 

Zwei weitere wodduisebe Geräte bekamen wir trotz 
Naehfragi' nicht zu Gesicht, dun von Stevens*') be- 
schriubenen Tragkorb aus Bast, der aus der Kinde eines 
im Distrikte von Mabaoya wachsenden Bouuie.s gefertigt 
wird und von dem ich ein schönes Specimen im Miiseiini 
von ('oloralM» sah, und den Botenstock. Hie Wedda-“ 
vom Danigala kannten den Bastkorb, der Ubrigen.H ur> 
sprUnglick den Weddas voii den Siugbale»un zukam, 
nicht, wohl aber diejenigen von llennela'dda , die nur 
el>eu keinen bei sich batten. Der Botenstoek wird schon 

“) l. c. p. SS. 

•*) L c. p. SS. 

*^) 1. c. p. ruv. 

*•) l. e. p. CI.IV. 



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262 



Dr. L. Rütimeyer: Die Nilgalawedda» in Ceylon. 



itu Berichte des Anonymus von 1A20. den he Mesu- 
rior abdruckt» als der Vergangenheit angebörig auf* 
geführt. Nach dioseui Bericht fiÜirten früher die ver- 
Hrliiedenen rians «ine Art Korrespondenz unter sieb 
durch kleine, in verschiedenen Formen geschnittene Holz- 
stückc. die aucii e. B. Flüchtlingen als I’iiww uiitgegobeu 
wurden von einem Stamm zum anderen. Kben.so wenig 
wie die Herren Saraain 1890 kein« Spur mehr von 
Botenstdeken nacbweiscn konnten, war uns das jetzt 
möglich trotz genauer, aber offenbar gar nicht verstan- 
dctiur Nachfragen. Auch irgend welche Krionerungen, 
dafs früher Steinäxte gebraucht worden wären, waren 
nicht nachweisbar. 

Zum Schluss« dieser der, w<*nn man so sagen darf, 
physischen F.rgologie der Naturweddas gewidmeten Aus- 
ffihrungcn möchte ich ein Verzeichnu> aller minmebr in 
der etlinugraphiscben Sammlung des Baseler Museums 
vereinigten „KuiiHterzeugnis.He“ der Naturweddas geben. 

1. Bogen und gewöhnlich« Pfcul« mit Kiseukltng« 
verschiedener Gröfse. 

2. Klefuntenpfeil. 

3. Zugespitzt« einfache Hulzpfeile. 

4. Knabenbogen mit Holzpfoil in genauer Kopie der 
KisenpfeUe. 

.\xte. 

6. Grabatöcke. 

7. Feiiorbohrcr. 

8. Schürze, aus dem Bast von .Vntiaris toxicaria 
(Ritirinde) gearbeitet. 

9. Scbildkrötenscbale, vom HaiiigalH als Schüssel 
gebraucht. 

lU. Schtdlw aus Wachs wilder Bienen (Tauscbartikel). 

11. Knäuel ans Bastsebnur für Bogensehnen. 

12. Feuerzeug aue Fisen mit hohler Arekanufs zur 
.Aufbewahrung von Baumwolle (neuerdings auch 
bei den Naturweddas in (iebrauch). 

13. ’lliuDtopf mit (iehänge aus BasU 

14. Tasche BUB Kiobhorufell. 

15. Huftrui-k aus Blättern. 

Diese kleine Liste, die, wenn wir noch den leider 
unserer Sammlung fehlenden Basteack, den Boteust4ick, 
sowie die von Stevens erwähnten Kinderspielftachen 
(Lehmkugfdn und I^huifiguren) beifügen, «in ziemlich 
vollständiges Inventar aller Gerate der Naturweddas 
dnrstellen durfte, hat in ihrer wohl einzigartigen Dürftig- 
keit ein gewits nicht gennges «thnogntphischi'H Iiiterosse. 
Ks ist dies eine urgologische Düi'ftigkeit, welche hinter 
diejenige der Buschmänner, die ja noch vortreffliche 
Tierdarsteller sind, hinter diejenige der Zwerge der 
zentralafrikanischen Wälder und hinter diejenige unserer 
PalHolitbiker zurückgeht. 

Eudlich mögen noch einige Bemerkungen über gei- 
stige Bethätigu ügen der Naturweddas, :>oweit ich 
seihst Beobachtungen anstcUeii konnte, beigefügt werden. 

Beim Pfeiitanz, der im übrigen genau so aosge- 
Cührt wurde, wie «r von den Autoren Wschriebon und 
uameutlich im SaraBinseben^**) Werk« genau analysiert 
ist, wäre noch die bei alleit drei (.'lans beobachtete Ge- 
pflogimheit anzufdhrvn, die ich in der Litteratur nirgends 
erwähnt finde, dafs der „Sprecher" jedesmal zuerst mit 
dem Pfeil oder dem Griffe der .Axt einen Kreis von 
l,.%ni am Buden beschrieb, in dessen Mitte der Pfeil 
gesteckt oder di« .Axt gehegt wurde, bevor der Tanz in 
bekannter Weis« begann, wobei als Musik auf Bauch, 
Schenkel oder Hüften geklatscht wurde und «in beulcndur 

I. c. p. :m7. 

*•) I. c. p. r.isff. 



Gesang ertönt«, ln .Abweichung von diesem oft henrhrie- 
b«n«n Pfeiitanz Bebildern Hiller und FnrnesM**), 
welch« Felscnweddas nach Alutmiwara kommen lietscn. 
dafs deren Häuptling auf die Trepp« des Rasthauses 
sich setzte und durch Kopfnicken, (uu»ang und Hände- 
klatschen den UbythmiiH des Tanzes ungah, während die 
vier Tänzer zeitweise durch Kufe und Händeklatschen 
darauf antworteten, scheint sich bi«r nicht um einen 
richtigen Pfeiitanz gehandelt zu haben, wenigstens wird 
nicht« von einem im Zentrum «ingcstcckten I'feil er- 
wähnt. 

Ais Grund des Tanzes gaben uns unsere Weddas an, 
er werde aufgefölirt in Krankbeitsfällen als therapeuti- 
sches Mittel oder vor der Jagd, um gute Jagd zu haben. 

scheint sieh also um ein« unbestimnite Art der 
Pfeilverehrung zu handuln, doch wird es immer, worauf 
namentlich bei Sarasiu Iiingewieseu wird, schwierig 
sein, bei diesen Gebräuchen da« spezifisch Weddaische 
und den kuiturindlschen bUnfiuf» aiiseinaoder zu halten. 

Die Beobachtungen über da« Geistesleben unserer 
Naturweddas waren natürlich bei der Kürze der Zeit 
nur sehr obeHläcblich , aber doch nicht ohne InteresM:. 
Das tbatsächlich« ist oben erwähnt worden bei der Be- 
spn'cbiiug der Hennebeddaweddas. Ich wiederhol« nocU- 
luals, dafs wir in Bibile den Vorteil hatten, einen sehr 
intelligenten singhalesischen Dolmetscher zu haben, der 
durch einfache durch ihn vermittelte Fragen klare .Ant- 
worten provoziert«, die wir l»ei der bekannten hohen 
Wahrheitsliebe der Weddas wohl als richtig annehmcti 
dürfen. 

Dieselben antworteten auch schliefslieh viel williger, 
nachdem wir die lörmenden singhalesischen Zusebauer 
for^ejagt und uns zu den Weddas an den Bmlen gesetzt 
hatten, wobei sic viel zutraulicher wurden. 

Beweis einer für alles, was nicht die täglichen Ver- 
richtungen ibret» Lebeiis augeht, niedrigen Intelligenz 
war die absolute Unfähigkeit eines der Sprecher, unter 
sechs Mann 12 halbe Rupien gleiehuiAfsig zu verteilen. 
.Andere freilich machten dieses besser; so lesen wir bei 
Sarasin^*), dafs in Kulonggala neun Kartoffeln richtig 
in drei Teile getollt wurden. Zählen können die Natur- 
wedda^, wie von ollen .Autoren bestätigt wird, nur bis 
ein», eka, weitere Zahlwörter giebt es nicht, «ine 'ITiut- 
sacbe, die nach tJeiger^*) darin ihre Erklärung findet, 
dafs der besitzlose Wedda zum Zählen kein Bedürf- 
nis hat. 

Di« Weddas tuilen diese Unfähigkeit, weiter als bis 
auf «ins zu zählen, wie ich einer bricnichen Mitteilung 
der Herren Sarasin'*^) an mich entnehm«, auch mit 
den neuerdings auf Celebes von diesen Forschern ge- 
fundenen, ergologiseb auch sehr tief stehenden Tosia 
im Distrikt I*uinontj<mg. Weitere filwrraHcbende Ikdege 
eines weit gehenduu «rgologiocben ParallcliBmus za’isclicn 
beiden Stämmen werden Btch in einer in Bälde im Globus 
erscheiiieudeii Arbeit der genannten Autoren finden. 

Auch die hochgradige, fast gefährliche Aufregung, 
in welch« der gleiche Sprecher geriet, als ich ihm ^ein 
eigenes Konterfei im Bilde zeigte, spricht für eine un- 
gewohnten Eindrücken gegenüber geringe Intelligtmz. 
Er schritt eben wie ein geängstigUrs Tier, w«)ch«H nicht 
weifs, was es thut, zum .Angriff auf das Objekt, welche.'« 
ihn erregte. Vielleicht mag zu diesem Ausbruch auch 
der von vielen Autoren l>ei den Weddas l>eubachtete 
Jähzorn heigetragen hal>en, der sie impulsiv zum Ge- 

*‘) 1. c. p. s». 

*•> I. c. p. .S27. 

**) W. Geig*‘r, Ceylon. Tagobuchblätter un<l ll«i«e- 
orinnerung«'n. S. 1.H3. 

auch Globus, IW. 82, Nr. 2. 8. 28. 



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Al.k 4. 







Abb. 



BthnofraphUche Objekte iler Natirweddiii». 

(Kthnogr. Sammlung, Mut«um R«*cl.) 

Abb. 1 und In. Weddubogeii mit Pfeilen (doppelter Mafaatab der anderen Abbildungen). — 
Abb. S. Klinge ein« EleOmtenpfeiU mit liandgrifT. — Abb. S. Uolzpfeite. — Abb. 4. Knnl>t>ii- 
bngeii mit Holzpfeil. — Abb. 5. Axt. ~ Abb. d. Orabetuck (dop|>etter MafaatAb). — Abb. 7. 
Feuerbohrer. — Abb. S. Hastachürze. ~ Abb. 9. Scbildkrbtenschale ala Schüseel. ~ Abb. 10. 
WachaacbenM!. — Abb. 11. Knäuel nue Bafliachuur fttr Bogetiaebnen. — Abb. IS. Thontopf. — 
Abb. 13. Taeche niia Kirhbornfell. 




Abb. 9. 






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Hr. L. Iluiime^er; Di« NilgaUweddaK in Ceylon. 



2U 

brauch oder wenigsten*! zur Bedrohung mit dur Waffe 
führt. Dan Gedüchtni^ hinwieder Kcbeint nicht üchlecht 
zu »ein, erinuorten »ich doch zwei der Weddai«, so der 
alte Kaira Totn Danigala, ganz gut, data sie Ton meinen 
Begleitern im Jahre 1890 photographiert worden waren. 

Für diu BedürfuUse ihres eigenen alltftglirhen I/obens 
hingegen erscheint ihre Intelligenz Töllig normal und 
hinreichend entwickelt, und nichts wäre oberflSchlicher, 
als sie als Idioten zu bezeichnen. 

Die Beurteilung der metaphysischen Begriffe ist 
natürlich noch viel schwieriger, ah* dieienige einfacherer 
geistiger Fmiktioueii. Unsere Weddas von Hennebodda 
hatten auf die Fragen, ob sie etwas von einer Gottheit 
Wülsten, was sie von Sonne und Mond hielten, was vom 
Fortleben der Seele nach dem Tode, immer die gleiche 
philo>iophii»chu Antwort: « Wir wissen es nicht.“ Sie haben 
offenbar nicht darüber nachgedacht. Bes^onders wichtig 
erscheint mir die kifut- Antwort auf meine Frage, ob sie 
sicli fürchteten, nachts dm-cb den Wald zu gehen, diu 
durchaus verneinend lautete. Wenn man bedenkt, wie 
bei allen umgebenden Tamilen und Siaghuleseu eine 
Angst herrscht vor den Tausenden nachts, übrigens auch 
über die Mittagsstunde, im Walde ihr Wesen treibenden 
Dämonen und Teufeln, so ist diese Abwesenheit jeder 
solchen Angst bei diesen Weddas nra so beilmituugs- 
voller, und weisen sie sich auch in dieser Hinsicht als 
echte Katurweddas aus. Also kein irg**udwte distinkter 
(lutterglaubc, kein Ahnenkult, kein üestimsdionst, keine 
Dämoneufurcht, meUphysische Begriffe, die sonst kaum 
einem wenn auch noch so niederen Volke fehlpii. 

Ich vermeide es, auf die so widersprechenden An- 
gaben der .\ntoren über die religiusun und transcenden- 
talen Anschauungen der Naturweddas näher eiuzugehen, 
und Turwetsc auf die eingehende Analyse dieser kompli- 
zierten Verhältnisse im Sarasinschen Werke. Die 
meisten Widersprüche bei vielen der .\utoren und 
manches oberflächliche Urteil erklären sich so, dafs, wie 
dort Huagefübrt wird, nicht oder viel zu wenig unter- 
schitüdeu wird zwischen ursprünglich weddaiacheu .\n- 
sebauungeu und kulturiiidischeni Import, der die ersteren 
mehr oder weniger durchdringt. So ist auch der au» 
der Utteratiir übernommene Satz Geigers^'*), dafs die 
Wedda» acht oder neun Gottheiten kennen, zu denen sie 
beten, für echte Saturweddas ganz gowif» nicht richtig. 
Ich bcdchränke mich auf dun Hinweis auf das im Sara- 
sinseben Werke nach aufseronlentlich vorsichtiger .Aus- 
scheidung ursprünglich taniiliscber und singhalesischer 
religiöser Anschauungen gegebene Kcsuiiie über diese 
schwierigen und wichtigen Fragen, welches lautet^**): 
„l*m es noch einmal kurz zusammeuzufasseu , so be- 
schranken sich die transcendentalen Anschauungen der 
völlig unbeeinflursten Naturweddas auf eine unbestimmte 
Vorstellung vom Wciterlebmi der Seele nach dem Toile 
»m Orte des Tmlesfalles und auf eine unklan* Verehrung 
de» Pfeiles. Allo anderen für diu Wedda» behaupteten 
religioeen Anschauungen und Handlimgeu, wie: Manen- 
knltus, Däroonendienst, Götterverebrnng, Sal>äistitiiB, 
Tierverebrung, /jitibersprüche und Zaubergugenstäudu, 
sind tumilisch-singlialesischen, somit überhaupt kultur- 
indischen Ursprungs und also «beusowohl sekundär von 
jenen Weddas angciiotnmun, welche solchen GlauWns- 
Vorstellungen und -handluugeii sich ergeben haben, wie 
die hier und dort naebzuwuisenden brabmanischen, bud- 
dbistiseben nn<l christlichen .Anscbaiiungen.“ 

bis braucht nicht besonder» darauf bingewiesen zu 
werden, dafs auch die oben angeführten .\ntwurtcn der 

**) I. c |>. 130, 

I. c. I». 311. 



Henuebeddaweddaa auf unsere transcendenten Fragen 
sich völlig mit diesem Satze decken. 

hl« i»t also, wie man sieht, wie das ethnographisch- 
tecbuieche Besitztum, so auch da» geistig-transcendent^ 
dieaes merkwürdigen Stammes ein aufserordentHcb ge- 
ringe» und steht wohl auf der tiofaten Stufe alles Men- 
schentums. 

Kndlich möge noch etwa» über die Charaktereigen- 
schaften der Weddas gesagt werden, und da iat es, wi»* 
oft schon hervorgoholien, immer wieder auf« neu« hochat 
befremdlich, dafs, so niedrig da» geistig-transcendeuU? 
Niveau der Weddas ist, so hoch das etbiache steht. Hier- 
ül>er besteht bei allen kompetenten Autoren in der Litte- 
ratur nur eine Stimme. 

Alle Beobachter, die mit ihnen verkehrten, schildern 
sie als zufriedeno Menschen, die ohne Bedürfnisse nach 
Höherem friedlich dahinlebeii. Sie schätzen ihre j)ersöii- 
licho Freiheit aulscrordentlicb hoch und besitzen eine 
grolae, unantastbare |»ereönljehe Würde, die. besondet•^. 
gegen Spott empfindlich, diesen heftig zurückweist, ja 
den .Angreifer jählings mit der Waffe bedroht Man 
kann sogar von einem persönlichen Stolze und hohem 
Selbstgidühl «precheu. Die Europäer nennen sie ihre 
weiTseu Vettern, auf die Kulturindier sehen sie herab. 
Früher durfte der Wedda den pingbaleHischeu König al» 
Vetter und per Du anreden, wa« eiuem Singha!e«en da» 
Leben gekostet hätte. Von allen .Autoren wird ins- 
besondere ihre strenge Wahrheitsliebe anerkannt, die 
Wedda» halHiii, wie es bei Sarasin^^) ausgednlckt ist, 
„die Lüge noch nicht erworben“. Auch Diebstahl und 
Raub fehlen. Ihre strenge Monogamie wird ebenfalls 
allgemein anerkannt. Der Weilda bleibt seinem einen 
Weibe lebenslang treu; die Eifersucht auf ihre Frauen 
ist Rutseronlentlicb grofs. Diese strenge Monogami» de» 
kloiuen .Stamme« innerhalb der sie seit Jahrtansendon 
umgebenden, im gröf»ten Gegensätze dazu lebenden 
Kuliurindicr ist aufserordentiieh markant. 

Auch Dankbarkeit kann ihnen nicht abgosprocheit 
werden; wennschon beim Verteilen von (iescheiiken 
mau nichts davon gewahr wird, so sind doch manche 
ThatHachen von verschiedenen .Autoren gemeldet, die 
Dankbarkeit durch die That beweisen. Sie »ind von 
einer nutürlichon, vielleicht unbewufsten Hurzen«gütc 
und sind in gewissem Sinne noch jen»eita von Gut und 
Böse. 

Sehr merkwürdig ist auch diu Wertschätzung der ^V «1- 
da» durch ihre «inghalesisch-iamilischcu Nachbarn, ^^ir 
stotsen hier auf einen zunächst schwer zu erklärenden 
Gegensatz. Die Singkalesen und Tamilen »ebauen einer- 
eeits auf die Wedda» als auf eine ganz unterge<»rduete 
Basse tief herab. Unser tamilischer Diener sagte z. B. 
in Nilgala, als er fragen sollte, ob der Sprecher der Ihi- 
nigalawcdda» den Handgriff zu seinem Scupter selbst 
geuiHcht habe: „Ja, der König der Tiere hni es gemacht“, 
womit er den alten (!hef meinte, und als ich ibu ernst- 
haft fragte, ob er wirklich glaube, dafs die Weddas Tiere 
und nicht M»*n»chen seien, antwortete er mit griifster 
Bestimmtheit: „Nein, es sind keine Menschen, es sind 
Dschuiigultiere!“ 

.AnderseiU gehören die Wedda» »eit mehr al« 2001) 
Jahren zur höchsten Kaste der Singhalesen. zu den Wel- 
lala», und Virohow*') macht gewigs mit Recht darauf 
aufmerksam, ciaf» e.» sehr wichtig sei und gegen die Auf- 
fassung der Weddas h 1« einer Mischrasse spreche, dafs 
der gröfste König der ."‘inghuleaeu, Dutugaimunu (160 
Y. Uhr.) die Wedda» al« reine Kaste, also die Einheit 

*•) l. c. p. 64*2. 

**) 1. «. |i. 37. 



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I>r. L. Kütimey«r; I>ie Nilgslaweddas in Ceylon. 



265 



und Reinheit einen so wilden Stannnee anerknuut bat. 
— Auf diesen in der Litt«ratur viel besprochenen Gepen- 
sHtÄ zwischen offizieller und privater Wertunp der ^V©d• 
dan durch die Kulturiudior kann ich hier nicht eingehen. 
Sehr plausibel erscheint mir eine von don Herren Sarn- 
sin (nicht in ihrem Werke) aus^eisprookenu Vermutung, 
es könnte die Sache sich vielleicht so erklären, dafs die 
Weddas, die bei der Ankunft der Singhalesen auf Ceylon 
etwa 000 V. ('hr. vom Heldengedicht Mahawanno als 
Yakkns oder Häiiioueu, also als Waldgcister beschrieben 
wurden mit der Kigeuscimft, sieh unsichtbar zu niaoheu, 
deshalb als höhere Wesen, gewis^-ermaf^eu höheren als 
nur irdischen Ursprungs, auch der höchsten Kaste der 
Singhalesen zugeteilt wurden. 

Auch der vielbescbriehene Rtuinme Handel der Wed- 
das, der uachtlicherweise vor sich geht, hat etwas 6e- 
heiumisvolluH an sich, und sie sind wirklich wie Wald- 
geister. di« sich dem Illicke der Menschen möglichst 
entziehen, wenn Beniiett*^) erzählt, dafn er als Zeiehou 
der Dankbarkeit für den Weddaw bewiesene Fremidlich- 
keit eines Morgens zwei UlefantenzAbne in seiner Veranda 
fand, die nachts von unsichtbaren Weddas, die er später 
nie mehr sah, dahingebracht wurden. Denkt man hier 
nicht uuwÜlkörlich, um nur neben einer Menge anderer 
Pnnillelen an unser« schweizerischen Bergsagen zu er- 
innern, au das nur nachts ln die Häuser und Ställe der 
Menschen einkebrende Xachtvolk in Grindelwald ^*) und 
die Zwerge vom Wetterhorn, die nachts aus ihren Kin- 
üden heruntersiiegeii in die Hauser friedlicher und ihnen 
freundlich gesiimter Menschen, um ihnen Wohlthaten zu 
erweisen, di« jene dann morguns vorfanden! 

Kudlich möge noch diu wohl jedem, der diesen so 
viele der wichtigsten ethnographischen und ethnologischen 
Fragen aufwerfenden und eben deshalb so unendlich reiz- 
Vidlen Menbchunstamm aufgesucht hat, sich in deu Vor- 
dergrund drängende Frage gestreift werden; Wie ist es 
möglich, dafs dieses jetzt leider ho rasch zusammen- 
»chmelzende Völkchen trotz seiner notge<ir«ngen viel- 
fachen Berührung mit der umgehenden Kultur seine ur- 
s}>rüngliche tligenart über einen Zeitraum von mehr als 
zwei .lahrtausundeu noch in dum 3fafsc bewahrt bat, dnfs es 
zu (len primitivsten heute noch auf Krdeii lebenden 
StHmmen gehört? K« bleibt hier wohl aichts anderes 
übrig, als die Annahme, dafs dieses Volk, wie dies 
.Schurtz-'*) in seiner „Urgeschichte der Kultur“ aus- 
fiUirt, eine vuUkcjmmeue Aupa«sung au seine einfach«*, 
aber grofse umgebende Natur gefundeu hat. Es fehlt 
eben jeder Drang nach Änderung und Entwickelung des 
Kultumiveans; im fast völligen Stillstand, im grölsten 
Kon»ervativi.*<mus und in der gröfaten BedürfniHlosigkeit 
finden sie völlige Zufriedenheit und höheree Glück als 
im Fortschritt. Wir haben hier in unserer ruhelosen Zeit 
etwas vor uns, was wie aus entlegenem goldutteot Zeitalter 
zu uns herübergrütst; mit ihrem Geschick zufriedene und 
df^shalb wohl glückliche Menschen, einen Stamm, der 
weiter keine Wünsche hat, als dafs man ihn in Buhe 
läfst. Glücklicherweise sidieint dies jetzt auch seitens 
der englischen Behörden zu geschehen; die Naturweddas 
hHl»eu wuTiigviens nicht mehr wie vor 10 bis 15 Jahren 
uiti(‘ Kopfsteuer zu bezahlen. Wild existiert auch reich- 
lich, und so kann der auMsterbtmde Stamm in der Weise 
«ein Da.Hein Iveschliefsen, wie er es in ferner Urzeit des 
Meoschengesrhlechtfls begonnen hat. 

Ideses Führt uns zum Schlüsse noch zur ethnulogi- 
schon Stclluug durWuddas und zu oiuigcu Bemerkungen 

niiert t>«i Karasiti, H. Ö47. 

**) Aeby, v. Fellenberg und Gerwor, Dan Hochgebirge 
von Grindeiwald, S. 59 und H*i. 16 Am. 

»•) 1. c, p. 7rt. 

Globui IJtXXm. Nr. 17. 



über die Wortung derselben als degenerierter Küminpr- 
formen. 

Da ich über orsturen Punkt nicht in der l^ge hin. 
gegründet auf eigene Unt(>rsuchungeii mir ein Urteil zu 
gestattun, so möchte ich hier nur kurz nochmals den 
bekannten Stindpunki der Herren Sa rasin skizzieren, 
den dies« Forscher, gestützt auf das weitaus gröfste und 
am meisten authentische osteologische und lebende je 
untersuebte Material und, wie allgtmiein anerkannt, nach 
überaus sorgfältiger anatomischer (’ntersuchung ge- 
w«mn<*n haben. 

Die»« Autoren fanden bei der Vergleichung der cev- 
lonischeii Völkerschaften vom Hnthrupologiüchen Stand- 
punkt aus, daf» die Tamilen, also Dravidas aus Süd- 
indien, in den typischen Merkmalen dun Weddas näher 
stehen als die Singhalesen. IHe uul>ediugt tiefste und 
ursprünglichst« Form der drei Stämme sind die Weddas. 
welche wie die verwandten Kuriimbas der Nilgiri und 
andere Wald- und Bergstämmo des indischen Festlande.s 
als Trümmer und Be?>te aus uralter vordravidiseber Zeit 
zu betrachten sind, als Reste einijr einst verbreiietou 
Urrasse, welche anthropologisch und ethnogniphisch als 
auf wwidaischer Stufe stehend anzusehen wäre. 

Nach d|ps((r ältesten weddnischen Periode, führt die 
Sarasinsebe Hypothese weiter aus, wäre anztmehmtm 
eine dravido-Huetrali»ch« Zeit, wo dravidische Stämme 
auf laugen Wanderuugen über Malakka und die »üdöet- 
liche Inselwelt Australien bevölkerten und sich zur Ras»« 
der .Australier, die in mancher Beziehung mit den Ta- 
milen vorwandt sind, ausbildeten. 

Als dritte Hauptporiode in jenen gowaltigeii indischen 
ßevölkerungsboH'egungeii war« dann die „arische“ zu be- 
trachten, wo vielleicht durch eine »»ordwentliche Kingang*- 
pfort« hellhäutigere Stämme, die wohl ursprünglich der- 
selben Wurzel entstammten, nach Indien zurückfluteten. 

Dietto gewaltige Völkerfamilie, aus wodduischer Ur- 
zeit eutsprosseu, die dravido-austrulDcbe und arische 
Periode durchlaufend, fassen die Hen*eu Sarasin zu- 
sammen unter dem Namen cymotriche oder wellbaarige 
Menschen. Sie dehnten sich tm Laufe enormer Zeit- 
räume au» über Indien, .Australien, AVesiasien, Nord- 
afrika und Europa. Die Weddas und die ihnen ver- 
wandten weddaischeu Völker Indiens wären also eine 
Urrasae, «ine Species relicta, die indisch« Urwurzel auch 
unseres Stammes, also die cymotriche Primär- 
varietät der Menschen. 

In gleicher Weis« hätten für dl(j wollhaarigeu, ulo- 
tricheu Menschen als Primärvarietät zu gelten die IVg- 
mäon Zentralafrikas, Buschmänner, die Negritos, Anda- 
manen. 

Heide Primärvarietäten werden wohl, schliefscn un- 
sere Forscher weiter, konvergieren gegeu ein« gemein- 
samo, uul)ekannte Wurzel, der anderseits von dun Au- 
thi'opoiden wieder om nächeiteü steht der Schimpanse. 

Die.ne Hypothese, welche, wie unser« Forscher immer 
wieder betonen, ein Versuch sein »oll, die in der Phylo- 
genie da» Menacben ruhende» Bätwel der Lösung näher 
zu bringen, iripfeli also in dem durch all« Mitte! ge- 
naucHter auutouii»clu*r Untersuchung und Vergleichung 
au einem ungleich reicheren und reineren .Material, als 
es z. B. Virchow in seiner berühmten Arbeit ülicr die 
Weddas zu Gebot« stand, gewonnenen Satze, daf» die 
Wedda» in der That* eine Ürrasse »eien, die in ihrem 
Körperbau gi'genülHT dein Kurupäer eine Annäherung 
an eine anthropoide Stammform zeigen Dabei wird 
selbstverständlich betont, daf« auch die>« Primarvari«'- 
täten noch vollkommene Menschen sind, aber den Weg 

”) 1. c. p. a?» und 371. 

H4 




Dr. L. Rtitimeyer: Die Nilgalaweddaa lo Ceylon. 



2t»>; 

Kt'igHn. den die HnUtehuiig de« MenRchenge^rhlefhleK 
geiiuiumen hat. 

!*>'' Hcheint mir hier <ler Ort, auf swei Referate Uber 
die Sariisinsch« Arlwit in der I.itteratur hinzuwei»eii, 
die. weil ungenau renp. unrichtig, geeignet »ind, die klar 
nurgopruchenc An'^icht die^^er Autoren in ein falschen 
I.ii’ht zu rücken und MilsverstÄndnisse herv*>rziirufen. Das 
eine betrifft den Rericbt von Ranke*'*), wo bm heitat, 
data diese „armseligen, vielfach als kaum vom Tier zu 
trenntMide ^^'esen angeHprochenen Wilden*' in sutuatiseber 
Reziebung KpeziuU den Kuropäem ko nahestehend seien, 
dnfit nie u. a. w'., wogegen zu bc^merken int, dafs die 
WtMldas nirgends al» so arniselige Wesen geschildert 
wurden, die ka\im vom Tier zu trennen seien, indem 
immer ihr volles Mensebeotum durchaus anerkunnt wird 
und dafs eben auf 8. .370 nachgewiesen wird, in wie 
vielen osteologischen hügensehaften sic eine grötscre An> 
nithening an eine schimpanseartige Form zeigen als die 
Kuropäer. Ks wird also ein entschiedener somntlscber 
l'ntersrhie«! zwischen Wedda- und Kuropäerskelett mar- 
kiert. Nach der anderen Seite mufs oin direkt unrich- 
tiges Referat rektifiziert und auB derLitieraturausgomerzt 
Wurden, wenn Haeckel sagt: „Auch dur Schädel, die 
wichtige Schutzkapsel des Gehirns, nähert sich beim 
Wfddftin bedeutungsvollen Beziehungen melir dem Affen- 
schädel als demienigen des Fiuropäers.“ 

IHese Ansicht findet sich in dieser Weise im Sara- 
sinschei) Werk nirgends ausgesprochen; so heifst ss bei 
der Vergleichung des Wedda- mit dem Schim|M»usoscliHdel 
z. B. S. 207 : „Trotz dieses Abstandes aber erscheint dur 
Bauplan tlc8 Schimpanseschädels als ein dem menscblichen 
verwandter, und in einigen Punkten stellt sich doch der 
WtKldnschäilel als die Extreme cinigermafsen vermittelnd 
heraus“, oder S. 209: „In allen diesen Punkten vermittall 
der Wedda die europäischen Verhältnisse einigurmafsen 
mit denen de* zum Vergleich gewählten Schimpanse.“ 

Beide angeführte Stellen, denen »ich noch leicht an- 
der« beigeselleu liufsen, lauten doch recht ander* als obiges 
('iiat! I>iu wirkliche Sarusinsebe, mehrmals in privater 
PiakusHion geaufserte .\n8icht geht dahin, dafs, wenn 
mau eine l.inie zwischen den beiden Fhtdpoleu curopäer- 
und schimpanseartiger Formen zieht und diese in fünf 
Teile teilt, osto{>logi-‘ch der Wedda sich vielleicht etwa 
um ein F ünftel nach der Beite de* Schimpansen vom 
Knroj)äer entfernen dürfte. 

Lber die Richtigkeit der Sarasinscbeii Auffassung, 
<!ie Wedda* »eien eine Primärvarietät, zu diHkutieren, 
ktimmt mir als Nichtantbropologen nicht zu; ich möchte 
nur auf diu in de» letzten Jahren sich häufenden Kennt- 
iii-**« über Pygmäen, welche in prähistoriBcher und bisto* 
rischer ^it neben und unter grutaen RuMsen gefunden 
wurden, hinwetsen. 

S« bat Kollmann**) neuerding* wie<ler Wtoiit, 
daf* nach diesen sich überall mulirenden Befunden — 
auch aus .\uiHrika Hegen uun solche vor ~ seiner Ansicht 
nach die einzig richtige Beurteilung dieser Pygmäen- 
rasHeo sei, dieselben als Urstämnte aiifzufaHseii, die au 
den Anfang de» Metischcngeschlechte* hinaufrücken. In 
einer wuitereu Btiebcn erschienenen .Arbeit: „Die Pygmäen 
und Uire sysleiuatiscbc Stellung innerhalb des Mensrhen- 
gescblechtes“ äiifsert sich der gununnte F'oracher nm 

**) Hauke. Kom'SpomlenzliJaU der deulsclien Oesellschaft 
für Anthro|>olinrie, Ethnologie und rrireschichi«. 1^*95, Wissen- 
scliaftlicher JahreBbericht de« fieneral«ukix'lar>i, h4. 

*') K. Hüekc], Pie Urbewohner v«>n Peylon. Peutsrhe 
Humisrliau, Ruft l‘j. S. 37'.*, 1H9S. 

.1. Kollmanu, Pygmäen in Euro]>a und Amerika, 
(tlohn*. H<i. 81, Nr. 21. H. :i 20 . 1902. und VerliHudluiigen der 

miturf. OtuteUschaft iti Ka.*al, XVI. Bd., S. 86 ff., 1903. 



SchluBsr: „IHu systematische Stellung zu den grofsen 
Biistfeu beruht in einer stammesgu»cbichtticben Wrwandt- 
Bcbaft, woIhm die Pygmäen alsl rraMaen aufzufasseii sind, 
aus denen sieb die grofaeii BasKeii entwickelt haben.“ 
(S. 11.^) 

F'jidlieh wäre noch die Frage der Wuddaa nl» Künmicr- 
formen zu erwuhnen, eine Ansicht, welche neiierding« 
nach Untersuchung dreier ihm nach Colombo gebrachter 
\Voddas — woher sie stammen, wird nicht genau gesagt, es 
waren wahrscheinlich Borfwetldas aus Westbintenne — 
von Geiger^**) aufgenommen wird.aufGrund linguistischer 
und histori.scber Ül^erlegtingen. Das Barnaiiisch« Werk, 
doch anerkanntermafsen die reichste Fundgrube von 
Thatsachen. ohne deren Heranziehung solche lMsku*8iuneu 
jtHler einigertnur«eii Hicborun Basi* entlmhriMi, winl von 
dem guQuimteii Autor hierlHU nicht einmal erwähnt. 

Hior hat doch ganz gewifs Virchow' Recht, wenn 
er sagt, dafs in solchen FVagen die Uinguistik nur als 
ein Hülfsmitte) der rntersuchung verwendet werden darf 
und dafs, wenn überhaupt eine lawung gefunden worden 
kann, dies nur auf dom Wege der pltysiachen .\uthropo- 
logie möglich sein wird. 

Wenn Bcbon Virchow auf diesem allein kompeteiiWn 
IkKleii stehend — di© Schwäche linguistischer .\rgumente: 
weil die Wedda» die Sprache der Singhalesen angenommen 
hätten, seien »ie verwildert« Singhaleson, wird von Geiger 
Hoibst zugegeben — , nach eingehender Erörterung der 
zu berfleksiebtigendon . im Original üachziischendeii 
F'aktoron zum Scbluts kommt, „der Gedanke einer 
sekuudörou Verwilderung muf* daher definitiv auf- 
gegeben werden“ (S. 100), ko, scheint mir, gebt dieser 
SchJuf» noch weit .richerer hervor bei genauer Uuruh- 
siebt de» noch viel i-eicheren iin Sarasiuschou Werke 
gebutonrn aiithnipoIügiKchon und uthnographiBchen Ma- 
terial*. Ich meinerseits kann nur sagen, ohne weiter 
in dioae IHskuBsion einzuireten, daf*. wie mir scheint, 
wer naiv und nicht vom grünen Tische aua diese in 
ihrer .Art für ihre Lel)enhaufgai>e vollkommen ausge- 
rüsteten kräftigen, wenn auch kleinen und hageren, doch 
gut ernährten und gesunden Nniurweddas in ihrem Walde 
gesehen hat, eine solche Idee, es handle sieh hier iint 
Kümmerformcii. als gekünstelt und unnatürlich zurück- 
weisen Diufe. Fis heben »ich diese .Menaohen in ihrem 
ganzen Verhalten ganz aiir*eronlentIich scharf ab von 
ihrer kulturindischen Umgebung, wie oben wiederholt 
hctiini wurde, aber dieser I nterschied gegen ihre Nach- 
barn in Kör|)cr und (leist wird nicht, wie Vtrebow 
(S. 133) weiter aiisführt, bedingt durch ein krankhafte* 
VerhäUni.s, wodurch die mangelhafte körperliche und 
geistige Entwickehing der Wedda» zu erklären wäre, 
sondern sie istal» eine Basseneigentümlichkeit aufzufussen. 
.Auch Kollmann weist diese |tegonoratiun*thcM»rie ent- 
Bchieden zurück, wenn er sagt*'*): „IHe Pygmäen sind keine 
verkümmerten degenerierten .Abköuimlinge der gi'ofKen 
R.-iHseu, sondern gesunde und wuhlentwickelte, jedoch 
kleine .Abarten de« Men*rbenge*chl«cht8.“ 

.Auch die hi»t4)rische Betrachtung spricht dos W- 
stimmtesten gegen ein© »olclie Pegenerationstheoric. Iiu 
lleldengtolichl der Singhaluson, dom MabawauBO, wulcheüi, 
teilweise au» viel Hhereii Bi'staudteileu bestehend, im 
Jahrhundert n. Chr. redigiert wurde, »ind die Wedda» 
aU Yakkas bezeichnet, als f^ämoneu meist unsichtbar 
und narh Boiiebon in Flrscheinung tretend. Im Traktat 
du» PuiludiiiB au* dem 4. Jahrhundert n. ('hr. beschreibt 
der .Aiiouymii» au» Thelmn, der daiiiuls t'eylnn bereiste, 
die Wedda» imvurkeimbur, wenn es hcir»t: „Es ist aber 

**) l. r. i>. 131. 

*■) I. C. ]>. 39. 

*■) I. c. I*. 115. 



hie oriten KrToi^i^e der englischen Südpolerexpcdition. — Arktisches Museum in Stockholm. 



jene» Volk (Itith^edes) weiteue da.« kleinste und echwfich- 
»te, sie le}>eii in Felsböhleii und saniun'ln den Pfeffer 
von den Strducheru. Sie sind kleine Menschlein mit 
grofseii Köpfen, mit laugen und schlichten Hnaren, wo* 
gegen die anderen, die Neger sowohl als die luder, 
schwarz und knlftig und kraushaarig sind“; kurz, eine 
guiize Anzahl von Herichten, der Alteste von Ktosias, 
dem griechischen I/eibarzt des Artaxerxe« um 400v. Chr., 
meldet scboii von weddaisrbeti , indischen Untämmen, 
lassen des brstiminteslen verinutim. dafs di« Weddas 
und ihre indischen Vera-nndtcu »eit mehr ui» zwei Jahr- 
tiiiisenden »o ziemlich in den heutigen V»ThAlttii»sen, die 



2»i7 

1 noch durch die spärlichen Koste von Nuturwcdda» reprA> 
sentiert »ind. lebten. 

; Hoffen wir al&o, dafs jene» Menschen* und Tierpara- 
. dies in den stillen Urwäldern von Sadostcevlon, in wol- 
ehern der M'odda in seiner primären I'rsprünglichkeit 

I cine KO erstaunliche Staffage bildet, uud in dessen (ie> 
heimnisse mir einen Illink zu werfen vergönnt war, zur 
Freude jedes Freund«» grofser und ursprOnglicber Natur 
noch lauge bestehen bleiho'-^)! 

, **) Berichtigung, irii 1. Teil, Globus K. 20ö, Z. Hpalte. 

I SCcil« 17 Von unten ist zu lesen: IHeser gewaltige (iegensatx 
I von ntischeineiid zukunftsreicher Jugend und einem Alter... 



Die ersten Erfolge der englischen SUdpolarexpedltlon. 

Während die GewifKLcit bosteht. dafs wir von der deut- 
schen Siid|Miiar«xi>edition in diosem Jahro nichts mehr hören 
Werden, da sie entweder an der Heimkehr verhindert ge- 
wesen ist mler der Führer eine zweite Überwinterung im 
Interesse ihrer Aufgaben für nützlich emchcet hat, haben 
wir von der engliscben t'ntemehmung dank der Hiilfsaktion 
der •Morning* Ende Mürz recht interessante Nachiicbten er- 
halten. l>ie .Murning* ist wieder in Lyttelton ( N'euaeeland) 
eingeir<*ffen , iiachdent sie ihre Aufgabe erfüllt hat, und der 
Draht hat allerlei Kinzelheiteii ül^r die Ki-foige der aDia- 
cuverv' berichtet. Die Mitieiluiigeu sind etwas verworren; 
doch ergiebt sich etwa Folgendes: 

Kapitän Kcott, der Führer der .Discovery'', erreichte ohne 
Hchwierigkeiten seine Operationsbäsi«. das Viktorioland, und 
fuhr, wie vor ihm Rofs und Ikirchgrevink , der Kisbarriere 
entlang nach Osten, wobei er weit über den fernsten (ia4ü) 
von Kofs erreichten Punkt Idimu« Vordringen konnte, nämlich 
bis 16*2" so' we«tl. li. Man hatte dort im Siiden vereistes 
I.niid intt hohen Kpiuen entdeckt doch wagte Hcoti hier keine 
i'iierwintcrutig, sondern segulte zu dieaein /wecke nach Westen 
zunick, nach der schon iui Plane der Expedition dazu in Aus- 
sicht g«‘nomiuencn Mac Murdobai. In dieser oder in deren Nähe 
(östlicher). d*»rt, wo die Eisbarricre sich an das von den Vul- 
kanen Krebus und Terror gi'knüite Geldrgsniassiv der Pairy- 
berge an)tchliorst, wunle überwintert, und es wurden wahrend 
des Winters mehrere wichtige Hchlitteiirvison unternommen. 
Jiio eine vc»n ihnen dehnte sich unter Führung von Ki'ott, 
den der Assistenzarzt WlLson und Leutnant ähackleion be- 
gleiteten, bis 82* 17' sndl. Br. aus. Dieser fernste Punkt soll 
unter lüJ* westlicher Länge liegen, ao dafs der Voratofs 
in lüdöstJicber Richtung verlaufen wäre. Die Umkehr luufste 
aiigelreten werden, da man nur auf vier Wochen lailieus- 
miilcl eingenommen hatte, der Schnee immer weicher wurde 
und die Hunde starben. Es hatte sich u. a. die Tbatsache 
ergeben, dalk die hohe OstkUste des Viktorialandea »ich über 
den Mount Terror hinaus noch sehr weit nach Süden erstreckt; 
denn man sah bi» in eine Entfernung, die tler Breit« von 
Bü* 2ü' entsprochen haben wird. Berge von soou bis 3600m 
Höhe. Dniiacli hätte also Markham Recht gehabt, der ge* 
meiiii hatte (v«rgl. Globus, Bd- BO, B. 72), <lio Rufssche Kis- 
btirrierv sei di« ^lini einer riosigen GlHziahuassc, die einen 
grofsen Kund oder Golf ausfüll«, der iui Wc«ten von «len sieh 
noch weit auch Süden erstreckenden ParrjtiergL'ii uud im 
Osten vnn auderen I^anduiasBcii Hankiert würde. 

Eine andere Bchlittenunteruohmuug. unter dem Ihifehle 
des l^utuaut» Annitage , ging nach Westen ius Innere des 
Vikbtrialandes vor und kam auf ein 2700 m Imhes Plateau, 
das rieh iinab^<ehbar nach Westen hinzog. Armitage war 
52 Tage vnm Winterquartiere abwesend . doch ist aus di-ii 
bisherigen Nachrichten nicht erriclitlich, wie weit er gekom- 
men ist. Aur»erd>-m ist die (iegend an «len Vulkanbergcn 
F.rebus und Terror erforscht woHen. »o dafs iinch alleui die 
ganze l nternehmung bisher so verlaufen ist, wie es von 
vornherein im Plune lag. (Vcrgl. (ilobus, IW. BO, K. 70 bis 71.) 

Was niemand bisher geiungen, ist also der englischen Süd- 
|io]nrex))e<iitiun geglückt. niindi(‘h weite W'autiorungen ins 
Innere der nntnrklischen l4andmasat-n. Das alwr ist cm 
ftufserst wichtiger Krf«dg; denn der Nimbus ihr»'r f'nnah- 
Imi'keit ist damit geachwunden. Ikirchgrevink liutte, wie er- 
innerlich »ein wird, bei Kap Adare in dieser Beziehuug gar 
nicht» nusrichten können. Hehr willkommen werden die zu 
orwartemien Aufschlüsse über das Innere des Viktorialandea 
MÜn, dessen Ausdehnung in der That von kontinentalem 1'ni- 
fBiigc zu sein scheint. Immerhin wäre es noch verfrüht, die 
Existenz des m>gt-namiten antarktiseben K«mtin«>nts nunmehr 



für erwiusen zu erachten. Der Umstand, dals Beult mit 
B2" 17' südi. Br alle seine Vorgänger .geschlagen" hat. ist 
HD sich zwar nicht sonderlich von Belang . doch wird auch 
er dnzti beitragen, dal's du-s luteresse an der so erfolgreich 
einsetzenden 8r]d)M*larfursc.hung rege bleibt. Hoffentlich sind 
die Erfolge der deutschen Expedition nicht minder erfreulii'h. 

Als seine weiter« Aufgabe betrachtete Scott di« Ent- 
schleierung der (tebiete im Gat.eti des ViktoHalandes , iu «Ue 
er ja schon vorgedrungen war. S g. 



Arktisches Mnsenm iu Storkholiii. 

V. Stockholm, 2. Mürz 1901. 
ln den wissenschaftlichen Kreii>en Ss'hwedeiis iieschUfligt 
man sich im Augenblick angelegentlich mit dem Plan, di« 
im]Hi«ant«n Sammlungen arktischer Gegenstände, welche von 
den Vertreter«» der skandinavischen Polarforschung seit To- 
rolU und N'onleuskiöhls Tage» nach der sohwifdischen Heimat 
überführt wor«len sind , zu einem grofsen Hpezialmuseum zu 
vereinigen, welches in seiner ursprünglichen Eigenart dem 
liekauutcu ,Freiiuftii}Useuiii Bkansen" würdig zur Seite 
gestellt werden könnte. Deu ersten Anstufs zu der Idee hat 
ein unlängst von der Komiiiunalverwaltuug der kleinen nor- 
wegischen Küstenrindt Tönsberg gefnfrier Ihtschlufs gegeben, 
das dort seit Jahren unterhalten«' geographisch-ethnographi- 
sche Landesmuseum um ein« be<mndere arktische Abteilung 
zu Ixereiebern. Obwohl die Tönslwrger tfamuilungen an und 
für sich manche wertvollen Kiuzelheiten aufzuweisen haben 
und sich innerhalb Iwstimniter Grenzen sogar einer gewissen 
Vollständigkeit rühmen dürfen, können sie natürlich iiielit 
eutfernt mit den in Hebweden zusatumengetragenen Hchäuen 
arkGscheu Forscher- und BammlerHeifses in di« Schranken 
treten. Die Mehrzahl «1er letzteren hat im Augenblie'<( im 
Stockholmer Reichsmuseum Aufstellung gefunden , uixl zwar 
hat sich beaonders der verstorbene Pruif. von N'orrlenskiöld 
ein glftn/emles Venlienst um die Ordnung der g«<)|ogischeii 
uud biolc^^heii Gruppen erworl«u, d«-ren Material sich 
allcrding« nicht zum geringsten Teile aus den Ergebnissen 
seiner eigenen zahlreichen lieiHCii nach Hpiul^rgen, Groniand 
und Sibirien susaminetiHetzt Einzelne kleinere Grup]«eti l«e- 
üuden sich in den Uiisalettsrr und Lumleusor Samuilungeii, 
und «in andertveiüger Überschufs ist dem s<^. Bi«>togischen 
Mu)M.‘um in Stockhoiiii zugewiesi-n wunlen, uui hier der 
breiteren OlTentüvhkeil ein ansrhauliches Bild von der Natur 
und den eigenartig«^!) Formen auiuialischcn Lelwns in der 
hohen Arktis zu üWnnittelu. In ihrer Ge«>arnth«it brtruebter, 
leidet es keinen Zweifel, dafs die schwedischen Sammluugeii 
von keinem anderen ^luseuiu der übrigen Kulturwelt an 
KeichbaUigkeit un<l Vollständigkeit erreicht, geschweige denn 
äl>ertmffeu werden. Kalbst im Vergleiche zu «len sonst inuster* 
gültigoi) Sammlungen englischer uud amerikanischer Institute 
tritt diese Ü'lwrlegeuheit in sugeurälligsin Mafs« zu Tage. 
Das britische .Museum beispielsweise enthält im wesentlichen 
nur Gegonstäiide aus dem rntersuchungsgebiet der Sir George 
Xaressciien Expedition nach dem Smith -Sunde und den 
nördlich hieran angrenzenden Partien des Polarmeere«. Die 
ver?<ehiedeiien und zum Teil recht kostspielig arrangierten 
Sumulungen, Ulter welche man in NorlHiuerika verfügt, be- 
M^bratikcn sich glcichfalU auf ein stark begrenztes {..Aiider- 
gebict der arktischen (Urknmptdnrsphäre und setzen sicholt«n- 
drein, dem i'hamkter der roeisten amerikunischen Nordpul- 
fahrtci) ontspreclieud . zum weitaus griifsten Teil au» Gegeii- 
»täiiden des sportlichen Intercsitc» zusammen, welcher UnriHml 
sich u. a. aus einem oinfneben ül>erblick über das ofHztcIle 
Verzoichnis das PhiJadelpbiHer Instituts genugsam zu •■rkentien 







K. Th. Preufs: l>ie Sünde in der mexikaniecben Religion. 



giebt ß&nemark hat eine in feiner Art ineixierhaft get.»rdnete 
Siiiiiuilmig zu«aiiiinengehrarht, die iurleaeen auch nur einea 
kleinen Teil der Arktis — natnlich danUebiet der dünifchmi 
Itrüiiland^kulonien — urnrnfiit. Ini (SegensaU hierzu kouuen 
die Krtrftge der «>chwedifiehen Expeditionen Anspruch auf die 
HangsMIuog einer lückenlosen und nach streng wissen- 
«chaßlichen Priiizipiou geonlneten Übersicht über den (Je- 
«iimtbereich der bisher Oberhaupt vorn Metischunfufs betretenen 
Teile der hoben Arktis erhebt). Pank dem zielliewursteii 
Vorgehen der ersten »chwoilisehen Rntdeckungsfnhrer zu Re- 
ginn, des vorigen Jahrhunderts, die vou erster Stunde nti 
iwi ihren Untersuchungen dem Daturwissenschafllichen, in* 
^uderheit ztMdogischen und geoli^scben Furschungsinturesse 
den weitesten Spielraum erdffneten. haben sich die S<amm- 
lungen im l,aufe der Jahr« zu eiuer wahren Bcliatzkaminer 
für das Htudium der hochnordUchen Meeresfauna, Gesteins- 
bildungen u. s. w. ausgewachsen, in welchem keine auch uur 
irgendwie bemerkeusw'erte Erscheinung innerhalb des mächti- 
tigen Forschungsgürtels zwischen dem BeUringssund und 
Keusibirien im CNten bis zum grimlandischen Polararcliipel 
im Westen unveKreten geblieben ist. Leider i«t eiue an-M^hau- 



lich« und zmfleich dem Hpczlahitudium wirksam zu Hülfe 
kommende Übersichtlichkeit dieser unschätzbaren Forschunga- 
ergebnisse nicht unerheblich dadurch beeinträchtigt worden, 
dais die einzelneu Gegenstände den übrigen geographischen 
^mmUiugen einverleibi und mit diesen ihrer systematischen 
/ugehürigkeit nach verschmolzen wurden, ßiesem Fehler 
soll nun, wie erwähnt, durch die Hchaffung eines eigenen 
arktischen Laudasmuseuins abgeholfen werden. Man rechnet 
in wissetischaftlichen Kreisen hierbei mit dem Umstände, dafs 
die Frage einer neuen rnterkunflastälte für dos grofee Stock- 
holmer Ueichsmusetim ohnehin innerhalb der nächsten Zukunft 
zu positiveu Mafsmgelu führen dürfte, und dafs es sich bei 
dieser Gelt^^nheit unsebw-ur ermöglicheu lassen winf. das 
von allen leiten als dringlich erkannte Trennungsprojekt zur 
Durchführung zu bringen. Letzteres um so niehr, als di«* 
bei derartigen Neuanlagen »onst gewöhnlich in erster Linie 
ausscblnggebeude Kustenfrage » dank der bevorzugton 
Stellung der achwediseben Wissenschaftsakademi«. onter derou 
Kessort die Einrichtung des neuen arktischen Museums ent- 
fallen würde — tm vorliegenden Kalle nur tmierge*>rdn«tf 
Bedeutung l»e«iitzt. 



Die Sünde in der mexikanischen Religion. 

Von K. Th. Preiifa. 

II. (Schluts.) 



Stilielnbai* ganz widersinnig und doch so leicht ver* 
stäudlich, wenn wir uns mir von gangbaren Ideen frei- 
machen, ist die Stellung der mexikanischen (fötter zu 
den Sünden der Menschen. Ks wird aberoll davon ge- 
sprochen, dols die Sünden die Menschen ins Unglück 
stürzen , dufa dieses gnnz logisch durch das Schickaal 
bezw. durch die sündigen Triebe des Menschen herbei- 
geführt wird und dafs die (tütter zum groTsen Teil nur 
die uusführendeu Mächte sind. Out und bö»e wird in 
religiösem Sinne daher nur an dem Ergehen im l.el>en, 
d. h. an dem Prinzip des Kutzens für den Einzelnen 
nbgumessen. Nutzen und Schaden anderer oder der Ge- 
samtheit herbeizufübren, gilt demgemüts uur insofern als 
gut un<l böse, als der lletreffende dadurch Vorteil oder 
Nachteii (Strafe) hat Sein eigener Vor- und Nachteil pHegt 
sich nämlich mit dem Nutzen oder Sebuden des Staates zu 
decken, daher tlatlacoani, der „Sünder“ oder „der Übles 
thnt“. Natürlich verhält es »ich ebenso, ao weit eine 
Gemeinschaft oder der ganze Staat in Uetracht kommt, 
d. h. soweit durch irgeml welche Kreigni-sse, wie Krieg. 
Milswachs u. s. w. , Gedeihen oder Schaden eintritt. 
Regelniärsige I<ei»tungeu gegen die Götter, Opfergaben 
u. dgl. m. müssen daneben ab gut gelten, da durch ihre 
Ilrdffe Vorteile zu erwarten wind, und umgekehrt. Nun 
wird das bürgerliche l.e}>en genug moralische Keime ent- 
halten haben, die Götter aber haben «lamit nicht» zu 
tluiu, sie sind iui luoraUschen .*^inu weiter gut noch böse. 
Sie gel)eD nur den Menschen Gut und Böse, d. h. Glück 
uud Unglück, teils von sich aus. teils vom Geschick des 
Einzeluen aus. GeWn sie Glück, so ist der Mensch 
tugendhaft, geben sie Unglück, so ist er ein Sünder. 

Deshalb giebt cs auch keine lleluhnting und Bestra- 
fung im .fen.seits. Die beiden Iluupttoteureiche, „Tnino- 
unchan“, „das Haus des llerabsteigens“, in der Mitte der 
Welt, bezw. im Westen unter der Erde gelegen, und da* 
irdische „Paradies“ des Kegengottes „Tlalocau“ haben 
keinen Unterschied tm liuhageu der Toten. Nach beiden 
geht man, wie wir »aben, gleich ungern. IHe Toten 
werden zu Göttern, teteo. Nach dem uns von Sahaguii 
erhaltenen Lied an den Keuergott feiert man den Vor- 
fahren LU Tamoanchan Fest« mit Tanz und Gesang, wo- 
durch sie in Glück und Ueirhtnm leben *^). Von den 

Frvufit, Mitleil. d. Anthrop. Ge*. Wien, XXXlll. K. f., 
vgl. Torquemada, M«>narcbia Indiana, B. X. 1'. 35 (Fest Xo- 
coiluetzi). 



Tlaloc Verfulleiien fertigte inan ebenso wie von den 
Berg- und Regengöttern, den Dienern TIalocs, am Fest 
TepeUhuiil Bilder an und brachte ihnen genau .ho Opfer- 
gaben dar*'-). 

Die Totenreicbe »ind nur der Ausdruck des Aoits- 
be/irks der Götter. Wer durch die Waffen TIalocs um- 
komml, durch Blitz, Ertrinken und besondere Krank- 
heiten, gelangt nach Tlalocan, die andern, die durch die 
übrigen Götter zu Grunde geben, besonders durch Tez- 
catlipoca, kommen nach Tamuauchan, wo nicht nur der 
Tüdesgutt, Honderu hauptsächlich auch der alte Keuer- 
gott Xiuhtecutli, dessen Ilauptvertreter Tezcatlipoca ist. 
und «ine Reihe anderer Gottheiten, allen voran die Krd- 
göttiuueu, roMdieren*D- Tlaloc hat aus dem Grunde 
sein eigenes Toteureich, weil er den Mexikanern ebenso 
wichtig ist wie der Feuergutt, die andern Götter dagegen 
müssen die ihnen verfallenen Menschen bei dem letzteren 
eitiiuicten. Weshalb nun die früher aufgezählteu Krank- 
heiten gerade von Tbüoe geschickt werden, ist nicht 
ersichtlich, auch teilt Sahagun genau dieselben, wie 
wir >aben, nn einer Stelle 'Daloc, un der andern Tezeatii- 
|u>ca zu. 

Hin dritte» Totenreich ist das der Sonne, wohin die 
im Kriege Gefallenen und Geopferten kommen. Sie be- 
gleiten die Sonne von .Mitrgen bi» Mittag. Diese» Reich 
ist deshalb eingerichtet, weil die Sonne die gröfste Masse 
der Opfer, ihre Herzen und ihr Blut braucdite, um ül>er- 
bunpt am lieben und in Bewegung zu bleiben. Bevor man die 
Sonne schuf, erfanden bekanntlich die Götter den Krieg, 
damit »ie Nahrung habe. Doch gehört der Sonnengott 
eigentlich auch nach Tamoaiirhan, denn er ist augen- 
scheinlich nur eine iüngcre Erscheinung de» alten Feuer- 
gottoH^') und damit auch die ihm Verfallenen. In der 
That werden auch die Krieger uud Geopferten in die 
Nacht, in ilon Erdrachen hinabsttirzeDd gedacht und mit 
der ganzen Ausstattung der Gestorbenen vergehen, sogar 
mit dem rot<m Hund, der die Seelen über den neunfacheu 
Strom der Unterwelt tragt. Ihdde Arten Tote werden 
auch an dem ’l'otenfest l'eytniccatlbuitl gemeinsam ge- 

■•) Kahagun, B. II, C. 3\l. 

*') l’reufs, Mitteilm. ü- Anthrop. OesoUscli. Wien. XXXUI, 
8. 133 f. u. 148 f. 

••) l’reufs, a. a. O-, XXXUI, 8. 153. lYeufs, Zritachr. f. 
EthnoL, XXXII, 8. 14 f. 




K. Th. Preufi: Di« bünde in der niexikainaehen Heli^^iou. 



feiert^*). Nehaiun wir noch die rijaichHrheit Qber da:« 
1^9 di^r xur Sunne Geltingemlou hinzu, hu wird e» wahr* 
Kt'heinlich, dafi< nich difuiu»« Tutenreich entt Hpäter ans^e- 
Hundert hat a}» Aufdruck dafür, dafa die Sonne zu Krieg 
und npfortod am meisten in Beziehung Ktoht, dafn daa 
Ihr Amtjtbereich ist. Wie die Verstorbenen ihren Göt- 
lurn. durch die sie geatorlmn sind, ähnlich werden, «o 
nuuut man den zum Opfer IteHtiinmten „Sonne“ 

Der „Amtsbezirk“ der einzelnen Götter bewirkt, dafg 
sie oft in derselben Tbätigkeit dargestetlt werden wie 
die Meiigcheu. IHe Göttinnen haben Spindel und Webe- 
inesser, sitzen am Mablsteiu und gebären Kinder. Ül)«r> 
all aieht man in den Händen und ab Truchtubzeichen 
der Gottheiten Opfermesser und andere Werkzeuge der 
Hufse. Dor Grund ist der, dafa sie zu Uulse und Opfer 
VeranlHsaung geben, dala beides in ihrer Aintethätigkeit 
liegt. .So sehr wird der Gott hier mit dem ihm unter- 
stellten Meusebeu ideulifizieri, dafs man ihn gelegentlich 
sich Hlut entziehen sieht**), dats seiu Auge ansgoliohi't 
ist*'*) und dats er selbst geopfert wird**). Aus dienern 
Gesichtspunkt wird die Sonne tiacaub, „Tapferer“, quaub* 
tleuanitl, „aufsteigender Adler“ und uiauhmiequi, „als 
Sterbender gehe ich dabin“ (oder niaomiqui (?) „ich sterbe 
den Kriegertod“, vgl Sabaguu, II. VI, C. 14), genannt, denn 
die zum .Amtsbezirk der Sonne gekureudon Krieger, „die 
.\dl«r“, kauen zur Sonne: sie wird mit ihnen identifiziert. 
Klwnso wird zur Darstellung einer Hungersnot die Mai»- 
gt>tttin Tom SiMjere getroffen vor Augen geführt, obwohl sie 
selbst es ist, die den Menschen sowohl Fülle wie Hungers- 
not schickt: Die Göttin tritt eben auch als Vertreterin 
der durch die Hungersnot leidenden Metischheti vom 
Speer getroffen auf**) — das gewöhuHchu Symbol d«r 
göttlichen lleim.Hucfauug. 

Der stärkste Ueweis für diese Anffassimg bt aberder, 
dafs die Götter als Sünder b»«eichnet und dargestellt 
werden. Hei der Fruchtbarkeit der Krde z. 1). denkt der 
Mexikaner bekanntlich un die geselilechUiche Vereinigung 
des Sonnengottes und der Krdguttin Teteoiunan, durch 
die die Frucht zu stände komme*'). Dadurch sind aber 
zugleich die Widen Gottheiten Patrone aller Sünden, dia 
mit dem Heischlaf zusummeuhäugeu: aller Arien derL'n- 
zucht. Das ist eine ähnliche Vereinigung scheinbar he- 
terogener Kigenschafteu oder Thätigkoiten, wie wir sie 
vorhin an der gute und schlechte Krnten, d. h. Hunger 
sendenden, Maisgöttin gesehen haben. Anf diese Weise 
ist Nanauatziin, „dor arme Syphiliskrauke“, zum Sonnen- 
gott geworden, denn als Vertreter des unzüchtu;en Men- 
schen muls er wie dieser mit der dafür geeigneten Strafe, 
der Syphilis, gezüchtigt «rsebemeu. Daraus leitet sich 
auch die Idee des vierten, noch nicht erwähuten Tuten- 
reiches ab, nämlich desjenigen der im Kindbett verstor- 
benen P'rautMj, der Cinateter» „dor Göttinnen“, die wie 
die Krieger zur Sonne emponstoigen, alter sie von Mittag 
bis Sonnenuntergang geleiten. Infolge geschlechtUohen 
Aktes von einem geradezu gewaltsamen Tode ereilt, gel- 
ten sie dem Sonnengott verfallen und erscheinen in der 
Tracht und im Wesen seiner Partnerin, der Krdgöttiu 
Tetcoiniian, gleich. Deren anderer Name Tlaelquani, 
„Schmutzfresseriu“, entspricht genau der Darstellung 

*“) ihreufs, Mitteilgn. d. Anthrop. Uesellsch. Wien, XXXni, 
S. lao f., Toniuemaila, B. X, <’. 35. 

Sahagumiui., B. li. 21 bei Seler, VerOtfentlichttUgeD 
VI. S. 1T4. 

*‘) Z. H. in der Abbildnug eines Ktoinsitz^ bei Seler, Ver- 
öffentlicbungeu, VI, S. Ili>, Pig. 31a. 

*•) Z. B. an Xolotl, ('«»de.x Borgia 10 u. s. w. 

Z- B. QuetzalcoaU, Codex B*>tgia 42. 

Todex Borgia 54 u. b. w. 

**) Preufs, Mitteügn. d. Auihrop. Uc-n. Wien, XXXIII, 8. lae 
und Abb. 50 (8. 1«7). 



‘idU 

de» seinen eigenen Kot frcHsendeu Sünders (.Ahb. 1). Sa- 
hagun freilich, der die mexikanisch« Idcenverknüpfimg 
hier nicht verstanden hat, berichtet (B, 1, C. 12), dafs 
eie so genannt wurde, weil sie den Männern und Frauen, 
die sich geschlechtlich vergangen batten, nach vorheri- 
ger Beichte verzieh. 

Der persönliche Geruch der Sünde, der dieser „Göt- 
tin des Unrats“, Tliifolteotl, anhaftet, findet darin seinen 
Ausdruck, dafs sie immer mit einem Besen ausgerüstet 
ist. Die hauptsächlichste und gebräuchlichste religiöse 
Übung war das Fortfegeu des .Schmutzes, der ja Symbol 
der Sünde i.nt, au» den Tempeln und Kflumen, wo Götter- 
bilder, öffentliche oder private, standen. Den Beatm 
trägt aie nun zwar in deniscll>un Sinne, wie die übrigeu 
Götter ihre Werkzeug« der Bufse, nämlich weil die»« 
tnenschliobe Tbutigkeit ihrer Obhut uutersUdlt war. Alter 




AbK 1. Da« Tagcüzeicheii ^Hund** itzeuiutii, mit «einsin 
Patron, dem Todesgutt, und dem dum Tode verfaltuueu 
8üudcr, der als Zeicbeu der Bünde Kot und Urin 1X0(1. 
Links oben der Krdracheii und das hembstUrzeiuie 
Muiiiieubiindel. Codex Borgia 13. 

wie wir sahen, dient diese Auffassung dazu, die Göttin 
als Vertreterin des sündigen Menschen, d. h. seihst als 
Sünderin hiuzustellen. Auch ihr Jabrcsfest heilst Oeb- 
pnuiztli, da» Besenfest. Au dem Fest ist bekanntlich 
gefeiert worden, dafs die Göttin durch ihre Fruchtbarkeit 
die Ernte des Jahres gescliaffen hat Mit langem Phallus 
bewaffnet, ziehen ihre Diener, die Huaxteken, in Prozes- 
sion einher und deuten so den Hergang der Sache an. 
Di« Göttin empfängt und gebärt zuFüfseu der Pyramide 
FitzUopochtlis, der hier als Sonueugott gilt, ihren Sohn, 
den Maisgott*"). Wahrscheinlich in enger Jdeenverbin- 
düng mit diesem /«ugungsprozefs der Natur geht nun 
die gi'ündliche Reinigung aller (Götterbilder und ihres 
Schmuckes, aller Temptd, Strufsen und Häuser einher, 
d. h. die gründliche i^uberung von der Sünde. „I>er 
Grund dieser Reinigung war der Glaube, dafs durch diese 
Ceremonie alle Übel au» der Stadt gehen würden**).“ 
Sünde aber und Übel sind hier wiederum identisch, ob- 
w'ühl sie nur io ursächlicher Verbindung stehen. Man 
hatte also bei diesem harmlosen Naturvorgang der Kiit- 
»tehung der kirnte die andere Seite der Göttin Teteuin- 
uan. nämlich die Sünderin Tlaelquai und damit die eige- 
nen Sünden im Kopfe. 

Es konnte nicht ausbleibtni, dal» man die Kigenschaft 
von Gottheiten als Sünder zur Grundlage von Mythen 

**) Beier, Tonalamatl, B. 92. 

*^) C«(dex Teileriano Bemensi«, BI. S, 1, Toniuemada, B. X, 
C. 35. 



r 

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Ü70 



K. Th. l'reufs; IHe SüikIu iu ilwr moxtkaititcbeii Kelis^'U. 



niacbte. $0 heitai es vou der Göttin Qiiaxolotl cliau« 
tico**): war die erste, die opferte, uachdeiu nie 

einen gebratenen Fisch gegeHseu hatte (es war Vor* 
schritt, Tor iedom Opfer zu fasten). Der Geruch davon 
stieg zum llimmel empor, Tonacatecutli (der ol»er8t6 
Hiinmelsgott) arzömte darülier und sprach die Verwön* 
schung aus, dafs sie in einen Hund verwandelt wQrde, 
und KO geschah es.** Dur Zusammenhang der Mythe ist 
klar und lehrreich. Vor ihr ist in den lUlderschrifteo 
bei der I>arstelluug der 16. \Vo<‘he der Fastende zu 
sehen. Sie straft also den Fastenbruch, er gehört aber 
überhaupt zu ihrer namtlichen" Tbntigkeit, sie ist also 
selbst ein Fastenbrecher, und das wird nun benutzt, um 
ihren Kalendemamon „9 Hund** zu erklären. Desgleichen 
wird die alte hlrdgöttin Itzpapolutl. „der Obsidianschmet* 
turling**, von den Interpreten ^'■*) ^Fva nach dem Sünden* 
fall** genannt und von ihr gesagt , „sie hiefs Xomuco 
(die erste Frau), und nachdem sie gesündigt hatte, Itz* 



gutteMlienstliche Handlung sei. Dabin gehört die Preis- 
gabe junger Mädchen, die am Fest Tepeilliuitl bei den 
Tlalbuica vorgekommen zu sein scheint Dahin di«» 
Krzählimg, dafs man am tjuechoiHfesi, <las die TlaxcaD 
teken <ler Xorhiqnetzal feierten , ihr nicht nur viele 
Jungfrauen „eu memoria de los amores“, also zur Kriuiie- 
rung uu genossenen Ileischlaf, opferte, sonderu dats sieb 
auch viele öffentliche Dirnen zum Opfertode anboten, 
sich selbst verwünschend and die ehrbaren Frauen 
lästernd^*). Die religiöse Fxtase kann nurdadurch erklärt 
werden, dafs diese verworfenen Frauen gewis.Hermafsen 
unter dem Schatze und im Dienste der Göttin geHündigt 
hatten, der sie auch im Tode anheimgegel>eu waren. Xo- 
cbiqui'tzul ist aber nicht etwa nur eine Göttin der aiiii* 
digeu Liebe, sondern eigentlich eine hlrdguttin wie Te- 
toüinuau und „bewirkt, dafs sich die Krde mit Hlumen 
bedeckt**. Sie steht wie MacuUxochitl zu Spiel und 
Tanz iu IWziehung, aber die Ergänzung dazu nach der 




Ahb. 3. I)aa Krüungeheuer mit dem 
Opfenuesser im Rachen. Codex B«ir- 
Itonicus 15. 

Abb. 'Ja. Abb. 2b. 




.\t»b. 2a u. 2b. Das l*ul<|ueg**färs der 
BUiinekschen Sammlung im K. K. 
naiurliUtoriscben Hofmuseum (Vorder- 
und Rückseite) nach Seler. Annalen 
des k. k. Natnrliintorischen M<>f' 
inuseum«. XVII, Taf. X. Abb. I. 2. 




pupalotl". Sie wird auch gleich der Tla^olteotl Göttin 
des l'urats und der Sünde genannt Itzpapalotl ist 
die besondere Patronin von Tamoaneban, wohin die Toten, 
d. h. die Sünder hinabKtürzun. Neben ihr ist der Herab- 
stürzende gezeichnet. Deshalb mtifs eie selbst Sünderin 
Nein. 

Die roexikauiKchen Götter haben etwas von Schicksal»* 
aulomaien an sich. Opfer und liulsen an »ich geben 
dem Menschen Gewalt über hie, dat» sie ihm helfen. Dem 
Kteht nur das Schicksal in der Gestalt der natürlichen 
.-Vulagou dos Menschen entgegen. Die Götter »trafen 
die Sünde, d. h. den Mangel an Opfern als Ergebnis der zur 
Sünde führenden .\ulage. Da nun zu ihrem Geschäft 
ebenso der menschliche Nutzen oder subjektiv geuummeu 
(d. b. als Ursache) das meiiNchliche Gute wie der Schaden 
der Menschen mler die Sünde gehört, so konnten die 
Mexikaner zu dem (iedanken kommen, daN recht viel 
sündigen, d. h. sich recht viel Schilden ziifügen, eine 

**) Codex Telleriano-Remr‘ti«i«. RI. 21, 2. 

*•) Ebenda, Bl. 18, 2. 

*•) Ktiend», Bl. 3.1. 



schlechten Seite ist stets die geschlechtliche Sünde '*)• 
.\1 b drittuH Beispiel möchte man aufübren, dafs sich am 
Fest des Feuergottes „Izcalli“, „das Wachstum“, alle Welt 
an Pul«{ue betrank doch sonst ein todeswürdige» 

Verbrechen war, da man alle Laster und übelthaten davon 
ableitete. Der Feuergott ist auch auf dem PuhjuegefäfK der 
Bilimeksrhen Sammlung abgebildet, wie er seine Waffe, den 
Xiubi'oatI, „die blaue Schlange“, ahschleudert ^'*), wodurch 
er Krieg, Hungersnot, Tod und alle Leiden auf die Men- 
schen losläfst, zum l’eil aN direkte Folge, d. b. als Strafe 
des Pulquetrinkens. Kr steht aber selbst, wie wir sahen, 
dem Laster de» Puli|uetrinkenN vor. .\uch hier geht 
wieder die Fülle, deren Symbol der Pulque ebenfalls ist. 
mit der Sünde Hand in Hand. 

**) Scler. Toualanmtl, S. 119 (nach lieui Kl*»renliiM'r <’«>- 
dex. fol. 28.2). 

‘•1 Toniueuiada, B. X, C. 34. 

”) rreufa, Mitteilim. U. Authriq>. Oes. Wien, XXXIIl. 
S. 105 f. 

Sabagun, B. II, 38. 

Seler, Das BubjUegefäfs der Bileniekscben Sammlung. 
Annalen des k. k. Naturbist. lli>finu«eums, XVH, H. 13. Abb. 34, 
S. 17 f. de» Sfimrntabzuge». 



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K. Tb. Pruuft: ]>iti Süodo in der moxiksninchon Ueliginn. 



271 



Wir bnben hier und früher sehr oft wabrgeiioroinen, 
dafs da» sündhafte Tbuu des Menschen ihn in iiatür' 
lieber t'olge ins Klend »türzt, und dafs dieser Vorgang 
doch ali* Strafe von den Göttern ausgehend gedacht ist. 
Das drückt eich u. a. in der schon zitierten Anrede des 
PricKters an den beichtenden Sünder aus: „I>u hast dicli 
in die ('nterwoll gestürzt u. s. w.“ [las gebt ferner au» 
einer Stelle bei Sahaguu, Terglichen iitit der inexiknniNchen 
Phra.se bei Olnios (S. 213) hervor: ^In die Schlinge, die 
Grube, den Strick stürzt einen der Gott, aehleudort einen 
in den Klufs, .achmettert ihn jäh herab'*, die er übersetzt 
mit „Gott bestraft einen mit dem Tode**. Sahagim 
(B. VI, r. 7) dagegen läfst »einen IViester zum büfsen- 
den Sünder sprechen: „1bi selb.nt hast dich in den Ab- 
grund des Flusses gestürzt, du bist in die Schlingen und 
in die Netze gefallen, 
aus denen du allein 
nicht herauskommen 
kannst . . . I>as sind 
deine Sünden, die 
nicht nur Schlingen, 

Netze und Abgründe 
sind, sondern . . 

Hei den Netzen und 
Schlingen ist viel- 
leicht an etwas Ähn- 
liches wie die christ- 
lichen Schlingen des 
Teufels zu denken, 
oder an die Um- 
schnürung der Mii- 
uiienbündel, d. h. der 
toten Sünder mit 
Stricken, Do.» erstere 
ist jedoch wahrschein- 
licher, denn es han- 
<lelt sich bei allen 
sulchen Bildern e)it- 
we<ler um einen im 
gewöhnlichen Lelien 
tödlicbeti Vorgang 
o{ler um unentrinn- 
bare Festnahme, Hh.s 
einer Gottheit Ver- 
fallensein, das durch 
das Herabslflrzeti in 
den Erdrachen ge- 
keuuzeiebnet ist und 
ebenfalls den Tod be- 
deutet. So sagt der 
Priester vorher an der 
angeführten Stelle bei Sahagun (B. VI, (\ 7); „ü Bruder, 
du bist an einen Ort voll grofser Gefahr gekommen . . . 
wo ein deutlicher Abgrund an einem jähen Felsen ist, ans 
dem niemand, der einmal bent)>Ktür/t, entrinnen kjinn.*" 
In den Bilderschriften <li-ückt »ich diese Idee, dafs 
die Sünde die güttlicbu Strafe in sieb birgt und nahezu 
damit identisch ist, in höchst mcrkwQnliger Wei^e an.». 
I>or strafende Blitz Tlaloca wird ini Fodex Vatiraims B 
(23. 44, 4.^. 4G, 48) genau so wie der t'uitlatlatreifrn 
gezeichnet, der aus dem Hintern dos Sünders borvor- 
kommt, und ilie vornehmato Waffe dur Götter, di« kos- 
mischen Kleroeut« Wasser und Feuer (atl tlacUinolü), 
mit denen sie Krieg, Krankheit und Hungersnot auf die 
Menschen schleudern, imitieren zugleich den Urin und 
den menschlichen Kot (cuitlnth. IHeses wdrd dadurch 
ausgedrückt, «laf.-* der Wasserstrom an tlen Ausläufern 
mit cuitlati besetzt ist, und da» Feuer zuweilen von der 
Barstellnng des Ackers, der Krdc, aufateigt, oder durch 



dürres Kraut gleich Unrat ersetzt ist Die Knie wird 
nämlich auch als Schmutz betrachtet. Zum Zeichen der 
Frömmigkeit führte mau etwas Erde zum Munde, wenn 
man in die Nähe von Götterbildern kam, um sich als 
Sünder zu bekennen. E» ist dieselbe Idee, die im Essen 
von cuitlati liegt. In der Ziisnoimetistellung des frucht- 
baren .\ckers mit der Sünde aber haben wir dieselbe 
Gedankenverbindung wie in der fruchtbringenden und 
zugleich »ÜmUgeudeti Göttermatter Teteoinnan. 

Wfthruud diu Strafe der Sünde, obwohl in ihr liegeml, 
von (len Göttern kommt, i-st die sündige .Vnlage, d. h. sein 
Geschick, „dem Menschen vor Beginn der Welt“ gegel>on 
und Kein Geburtstag, sei?i /eichen, offenbart es. Sein Zei- 
chen, gegen da» er fromm ist. damit es ihn begünstigt, ist 
aber nichts anderes als der Gott, dur Patron desselben. Be- 
kanntlich tragen die 
Götter sehr oft den 
ihnen geweihten Tag 
ab Namon, wie der 
Sonnengott „naul 
olin“, der Morgen- 
stern „ce acatl“, der 
Gott der Gelage „oroo 
acatl“ (Omacatl), die 
(iöttin des Feuers 
„chicuuaui itzcuintli“ 
U..O. w., und an vielen 
Stellen der Bilder- 
schriften bezeichnet 
der Tag den Gott. 
Nun iet die gewöhn- 
liche Auffassung, das 
Schicksal einfach als 
Ausflufe des Tages, 
d. h. des Gottes zu 
betrachten. Die Fol- 
gerung ist also, dafs 
der Gott das Geschick 
und, da es die Folge 
der Sünde ist, diese 
selbst schickt IHis i»t 
auch ganz selbstver- 
ständlich. Denn wenn 
die Frauen, die in der 
Woche Xocbiquetal 
geboren werden. Dir- 
nen wenlen '^), so hat 
das natürlich die Göt- 
tin veraiilafst. Wenn 
diu au dem Tage 
ome tochtli Gebore- 
nen Trunkenbolde wenieii. so haben das die pQl()ue> 
götter verschuldet, denn ihnen iüt der Tag geweiht. 
Aufserdem wird es rdine weiteres eialeurbien. «IbIh der 
Pid(]ue seihst, d. h. sein göttlicher Patron, diu Meti- 
scheu zur Sünde verführt. Wer denn sonst? Deshalb 
darf man -sich nicht darüber wundem, dal» mau von 
der Erdgöttiu Teteoinnan .»agte, eie verreibe die ge- 
schlechtlichen Sünden, wenn man ihr beichtet, Hie habe 
aber auch die Macht, zu sündhafter Taube anziireizen '*’*). 
In den Bilderschriften ist diu Vorführung zur Sündu u. a. 
HO auKgedrürkt, dab Göttinnon den Munschon »äugen ^). 

'*) Näheres bui Preuf». Mitieilg. «1. Aiithrup. Ges. Wien, 
XXXIII, S. -ija, Durs. Zuitschr. f. Eihnulogie, 

XXXII. 8. llOf., 13«l, 

**) t’ode.x Tulleriam» Hcmen«i«, Bl. 22,2. 

Bnliaguii, B, 1, (', 12. 

**) Nähere» bei PreufH. Mitteilgn. <1, Authrup. (*c*- Wien, 
XXXIII, S, 202 f., 215, 




Ahh. 4. Die Erüijüttiu Couallicue. .«lic mit dem 8<'hlangenrock“, auf 
der Hintersoite des PuUjuet'efäbes der KiHmekschen Sammlung nach 
Svler, Annalen de»K.K. naturhistorischen Hofrouseuros XVII. Taf. XI. 



DigiiLid d 'oo^lc 



272 



R. Tb. rreur«: Die Sünde in der mexikanischen Religion. 



Wie OS möglich den Göttern gleiehzeitig Verführung 
zur Sünde, ihre Bestrafung und Verzeihung zuziischroibeii, 
und sie .«elb«t für Sünder zu halten, das i^t vorher ge- 
nügend anneinandergesetzt. 

Welche Gottheiten in den Hildermchriften durch Syiii- 
l>ol« vou Kot, durch Urinieren, durch Ileransetzen he- 
denisamer TageHZeichen an den renia und die Vulva als 
Sünder gekennzeichnet sind, und wie die«»e Sündhaftig- 
keit sich mil ihrer allgemeinen Natur verträgt, das ist 
an anderer Stelle erörtert worden*''^). liier >oUte nur 
der Begriff der Sünde im /ueamntenhang erklärt wenlen, 
um ein Verständnis für daa durch die Bilderschriften ge- 
liaferte Thatsacheniiiiiterial zu gewinnen. Hin Punkt je- 
doch, der dort nicht genügend herncksirbiigt ist, mag 
noch erörtert werden, das ist dir Bezeichnung der Sünde 
durch die Nacktheit. 

Da die mexikani- 
schen Bilderechrif- 
ten sehr dezent 
sind, EiO ist os schon 
an und für sich für 
die AuffasHung aD 
Sünde bedeutsam, 
wenn Gottheiten 
zuweilen nackt, die 
männlichen sogar 
ohne die unerläfs- 
licbe SchambiDde 
gezeichnet werden, 
wie u. a. Macuil- 
xoefaiti, Teteoin- 
uau , Xocbii|ue- 
tzal , Mixcouatl als 
Morgenstern , Tla- 
loc und in Vertre- 
tung des Mixcouatl 
ein Huaxteke, einer 
von dem Volk, das 
wegen seiner l'n- 
sittlichkeit ver- 
schrieen war. Die 
genannten Götter 
sind aber gerade 
diejenigen, denen 
man am ersten Be- 
ziehungen zu der 
Sünde Qaohwuiseu 
kann. Dazu sind 
die Sünder , die 
Gcfuugeoeu, die 
Opfer, die Herahstürzen<lrn (das Symbol der bestruften 
Sünde) meistens, aber nicht aus.-chliefslich nackt dar- 
gesteilt. Nun sagt der Priester zu dm» Sünder, der 
hrichtm konimt^D- nHüte dich davor, in den Ab- 
grund berabzuetürzen . . indem du in Gegenwart un- 
seres Hem» lüg.st, entkleide «lieh (desnudate), wirf von 
dir alle deine Srhändlirbkeiten in Gegenwart niiKeres 
Herrn.“ Desgleichen heifst es in der Interpretation des 
Codex 'rplleriaiu) Remuiiais (Bl. IH, 2): ,.Dit‘ Dirnen und 
Kbebrecberiniien gingen, wenn sie ihrer Sünde letlig sein 
woUteu. in der Nnchl ganz allein um! nackt ohne Ih*- 
kleidung (<le.Hnudas eii pelo) an die Kreuzwege, wo diese 
Hexen (die eiua(eteo), wie uian erzälilte, umgingen, und 
opferte!» dort ihre Höcke, und indem sie ihre Kleidung, die 
'■ie trugen, hingaben, liefsen sie sie da. und da» war das | 
Zeiehiui. «lafs sie <lje Nijtfle daliefseu.'“ Bezieht sicli das 

•"> KtHMida. H, ly.Tf., l«Tf. u. *. w. 

**) Sahagun. Ü. l, 12. 



Forlwerfen der Kleider symbolisch auf das Kntfemen der 
Sünden, so ist das doch in Verbindung mit den erwähn- 
ten Darstellungon der Bildcrschrifteu aufgefafst sekundär. 
Die Deichte beruht darauf, dafs man ut»tor allen l'u»- 
«tänden alle Sünden bekennt, d. b. als vollkommener 
Sünder, al.so gänzlich nackt da.stebt. Auf die rückbalt' 
lose Aufzählung der Sün<leii wird stets das gröfste (»e- 
wiebt gelegt. Der Sünden ledig winl man aber erst 
i»ach Vollzug iler vom Priester auferlegteu Bufjo». Ite»- 
halb konnte das .\blegeii der Kleider vor den (.'tuateleo 
an den Kreuzwegen, obwohl hier vielleicht eine nach- 
folgende Bufse nicht mehr nötig war, nicht direkt, son- 
dern i»ur sekundär da^ Dalassen der Sünde bedeuten, 
da.s zufällig mit den» Ablegen der Kleider zusammenfiel. 

Iin Codex lk>rgia (53, 54) sind nun auch ilie Götter- 
gestalten sämtlich 
nackt dargestellt. 
die in Vertretung 
der Menschheit von 
dem Speero, d. h. 
vou den üblen Kin- 
ilüsacn des Morgen- 
sterns getroffen 
werden. Bekannt- 
lich bedeuten die 
fünf Diirstelliingeii 
To<l bezw. Krank- 
heiten der „alten 
Frauen und Män- 
ner“, der „Könige“, 
der „Jünglinge und 

,Iungfrauen“,l)urre 
und Regenlosigkeit, 
also HuugercDOt. 
Die sich scharf von 
den sonstigen Ge- 
stalten der Götter 
ahhubende Xackl- 
lioit würde dem- 
nach bedeuten: Der 
von (fOtt, hier also 
von dem Morgen- 
stern, Getroffene 
ist ein Sünder. 
Dieselbe Idee ha- 
ben wir beiden von 
den Waffen Tlalooa 
getroffenen nackten 
hlrdgottinnen Co- 
dex Borgia 2d. 

Wie wlir diese KrwHgnngeu über die Bedeutung der 
Süu<le z»»m VeiHtänilnis <ler Bilderschriften notwendig 
sind, ersehen wir, abgesehen von allen angeführten Bei- 
spielen, an den kürzlich vpröftentlichten Reliefdarstellun- 
gen eines ühoi-aus intcrcasarit4*ii PuhjuegefäfHCs 
(Ahb.2ii u.h). Ohne diese Ideen würde der Zusammenhang 
uuveretäudJich bleiben. Dicht unter dem vertretenden 
Kopf der Voirierseite (.\bb. 2 r>, der das zwölfte Tages- 
zeiehen inalinalli und dadurch zugleich seinen Patron, 
den Pnlfjuegott Patecatl, darstclit, ist der weit aufge- 
sperrte und bintei» übergebogene Rachen <le.s Erduuge- 
heuers gezeichnet, dessen Körper sich auf der Unterseite 
fortM'tzt. Die ganze Gestalt ejitspricbt unserer Abb. 3 aus 
dem (’«idex Borbonicua. die ebenfalls dem Beschauer die 
Rückseite /iigekehrt und den Kopf weit ziirückgebogen 
hal. Auch die Abb. i, welche die llii»terseite des Pulcjue- 

Dris PulqiiMgefäfs ilev Hilimeksclien Sammlung, 
Ameilen >les k. k. NattirlöstoriNcLen Hi>fmu»eanis, XVU. 




Alü». 5. Die Krdgotlheii »nil zurückgetteugtem Kui»f und clem Opfvcme.saer 
im Munde, auf dur rnterseite einer t»pferschale (ijuaulixicalli) nach Jesus 
Kanchez, Anale« del Museo Sacional de Mexie<* III, p. »yw. 



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273 



M. Lehmaiiii'Filhea: laläudiHohe Futterkrüuier. 



gefüfHi«!« eiimimmt (v^l Aiib. 2 b), stellt din Krde in Ge^telt I 
der Krdguttiii ('ouatlicue dar, der Göttin „mit dem 
Schlau^eurock**, den wir in der Abbildunji; »oben können. 
Der Kopf mit ReitudiloMem Kiefer, aber meuechlicben 
Zügen und dem wirren Huur der Todi»ig<utter iat wie- 
derum weit zurüokgebogeu , da die Göttin ulienfHlle dem 
lleschauer den Kücken zukebrt, der Mund ota'ai« geöffnet, 
so daf» die Zmige hervorsiebt. Die Gestalt hat Jaguar- 
pranken, da dm Knie als Jaguar gedacht ist, über dem 
Kücken hangt tief das Symlad der Puhjuegötter herab. 
Diisse Krdguttiii eutaprichi in der gauzeii naitung iinaercr 
Abb. 5, nur dafs aus ihrem Munde, ebenso wie aus dem 
Rachen des Kngebeuurs Abb. 3 ein OpfurmeNser heraiis- 
kommt, während .Aldi. 4 ein solches in jeder Pranke 
hält. Merkwürdigerweise wird .Abb. 5 steh» mit dem 
Kopf nach unten dargentelit, indem man an den Todes* 
gutt 'l'zonteuiuc, nden mit dem Kopf voran herabstürzeii- 
deu*^ denkt. Nun ist aber durch unsere Abb. 3, die nicht 
nur im Kodex Korbonicus, sondern elamso wie .Abb. 5 
auf der Unterseite von (tpferblutechuleu vorkommt, be- 
wiesen, dafs der Kopf nach oben zu richten ist. Und 
das geht auch aus der Stellung unserer Abb. 4 hervor, 
die durch das aufrt*cht stehende Puh|uegefftfs vorge- 
schrieben ist®*). Durch Vergleich der .Abb. 3, 4 u. ö 
ergiebt sich demnach auch mit Sicherheit, dafs der Kopf 
in 5 nicht abgosebniiteu und hinten hurabhüngend ge- 
dacht worden ist, sondern nur, wie erwähnt, zurück- ‘ 
gebogen ist. 

Was bedeuten mm diese Krdgestalten, deren Kacben 
teils geöffnet ist, teils ein Opferme.sser enthiiiteu? Der 
Krdi'Hcheii bezeichnet in den Ilitdersehriften stets die 
Kichtung nach unten, das llinabstürzen in den Todes- 
rachen, und häufig ist der bestrafte Sünder in einen sol- 
chen Hachen hinabstärzeud gezeichnet. Auf der Unter- 
seite der 0]iferbiutscbnleii entspricht die Gestalt dem 
auf der Ober- bezw. Inneuseite dargestuUUui Sonnenbilde. 
.Sonne-Erdrucheii“ ist ebenfiills nicht» weiter als der 
Ausdruck dafür, dafs die (ieopferten, die Sünder, hemh- 
stilrzen. Statt Soniie-Finlracben setzen die Mexikaner 
einfacher, aber in demselben Sinne eine runde Sebeib«, 
die eine halbe Sonne iiud in der andern H&lfte das Dun- 
kel der Nacht mit seinen Augensternen enthält *'*)* und 
dieae Darstellung aebeii wir über dem Kopf auf dem 
Puhjuegefäfs. Noch ein Symbol des Herabstürzens fimlen 
wir auf dem KeilH» des Krdungeheners auf der Knter- 
aeite des Puh|UegefäfseH, also für uns nicht mehr sicht- 
bar, das ist das Zeichen oUn 

**) Kbonsoxu orieuUeren i*t also auch die herabstüneemle \ 
.Krdkh^te* in d«ti Anale« d«l Museo Nacionnl de 3texiro, I 
(A. Chaveri»), veigl. dagegen Suler, ('odex Valicanus, Nr. .1773, 

S. UZ. Abb. 347. 

•*) I'reiifs, MitteiJ. d. Anthrop. de». Wie«. XNXllI, H. 17S f. 

•^) Kbcoda. XXXllI, S. 178. f., 180 . Die Krklitrung de« Hyni- 
Isds „Sonne-Nacht“ als Darsteiluiig der Dämmerung und des 
Olirizeicheii» nls Svmbol de« Krdbebens «'ürde hier inhalts- 
leer und aurBciilem von vornherein sehnerlich rh-htlg M-in. 



Isländische Putterkriiitrr. 

Im vorigen Jahre war e« mir vi-rgöimt, auf die „Flora 
Island«* von 8t«fän SteMusson. feihrer an der UeaDchul« zu 
Mödruvellir, aufmerksam zu machen- Jetzt liegt mir unter 
einer .Anzahl butanüichor Sebriften deasellieti Vorfatser« ein 
kicine» Heftchen vor, ein 8uparatabdruek aus „Kuna^arril“ 
(l^andwirtachaftliche Zeitschrift), 16. Jahrgang. S. HeD. 
Keykjavik 180‘i. Ks betitelt «ich; •Um islenzkar fö^ur-og 
beitijortir* (,(U)or isländische Futter* und Wddokräuter*). 
Der Verfasser spricht zuerst von der Krnährung der PHaiizon 
tm allgemeinen und darauf von dem Nahrung'swert, den sie 
als Viehfntter haben. Die iBiätidischa I.andwirtschaft l>efltebt 
fast ausschUerslich tu Viehzucht; diese zu heben, mufs daher 



I IHe Häufung der Symbole des Herahntürzent' auf dem 
Puli{uegefäf>, nämlirh die l>eiden Krduiigeheuer mit nach 
oben gewandtem empfangendem KhcIiou, das Symbol 
^Sonno-Nuchi*' und das (Hin-Zeichen haben mm die Be- 
deutung, daf» der Pulquu da« schrwcklicbc, Unglück ver- 
licifseude, weltliche Todesstrafe und wirUuhuftUebu und 
geietige Zerrüttung herbeifillireude Getränk ist. „Sieber 
würdest du nicht Hterben, wenn du das Trinken lassen 
würtlest**, ^agt der König in seiner Kede. die Trunksucht 
vor Augen führend*®). I>er Puhpie ist also direkt ein 
Symbol des Todes, und den Tod atmet in jeder fJnzel- 
heit du*4 Küimukschu Puhjuegeräfs. Deshalb sind auch 
in den Büder«chrifteii die Krieger beim Pulquegott al» 
Opfer anzuschpii. llaHistuurHO zu verstehen: derPulque 
ist nicht die Unsache des Opfertodes, aber für ihn symp- 
tomatineb. Opfertod und gewöhnlicher Tod sind in den 
Augen der Mexikaner einander in der übergeordneten 
Idee der Vernichtung so verwandt, daf» man die tod- 
briugundu Ik'deutung auch auf den Opfertod ausclehnte. 
Daraus er»i hat sich die Idee entwickelt, dafs derPuh|ue 
das Getränk der Krieger sei. An und für sich wt die.ner 
Gedanke eine ganz oberffäcbliche Verknüpfung des 
Pulijue mit dem Krieger, die nichts zur KrkUrung bei- 
trägt., und auch nicht durch die Sitte, da(> die Krieger 
trinken dürfen, bestätigt wird. Die Krieger durften ihn 
am Fest der Pulquegötter, am Tage ome tocbtli, trinken, 
‘ „weil sie eines Ta|i^s Gefangene der Feinde sein . . . 
oder au« der Mitte ihrer Feinde (refangetie heinibringon 
würden“®^), d. h. selbst den Opfertod «terben oder an- 
dere zum Opfertode herbeiechleppeu würden. Deshalb 
gab man auch dem schon auf dem runden Stein (tema- 
lacatl) stehenden Xipeopfer Pulque zu trinken, bevor er 
den auii«ichtelo«en Zweikampf begann d. h. man weihte 
ihn dem To«le. 8o kann man das Symbol „atl Üachinolli, 
Wasser und Fimer“ , das man, und zwar letztere» 
in Gestalt euies Schmetterling», zu beiden Seiten der 
Abb. 4 au» dem Kachen der blauen Schlange, de» Xiuh- 
coatl, herauskommen «lebt, entweder im allgemeinen als 
die Verderben bringenden Waffen de» F'euergotte» an- 
seben, womit er alles Uiigeuiuch, also auch die Folgen 
de» Pulque, auf die Men.schen »chleudert, oder al» Sym- 
bol de» Kriege», was e» meistenteiU ist, d. h. als eine 
beKtiunnte Art des zum Tode führenden Unglücks. 

Denn e« wird zw'ar an wenigen Stellen gesagl , dafs Uelage 
in der Nacht »tatlfamlen, iiehenhei wird dort auch derPulipie 
genannt. Dagegen wird bei den Feiern der Pulquegötter 
und der Pulquefeier nicht« vor der Nacht erzählt. Dazu 
1 tritt die innere UnwabrHCheinHchkeit, daf« mau „Honne- Nacht* 
für Nacht setzen sollte, während man die Nacht sonst aiulor» 
darstellt Ihn» Oiluzeichen kommt nur In bistorlAchen Bilder- 
ikchrifian und auch da uie allein wie au unserer Stelle ah 
Synihd do* EnlWbtm* v»ir. 

••) Kfihagun, B. VI, 14. 

•') Krthagun. B. IV. V. y 

**) Kahaguriiii«.. B. II, h-l Svler. Veröffentlichungen 

VI. S. 178. 



das eifrigste Be-strehen der isläiMliNcheii Ijandwii-te »ein. Zweck* 
enkspn^ciiende Fütterung, als*» auch genaue Keuntni» der 
Futterpflanzen sind dazu unerlärslich. Aus versvhiwleneu 
Gründen kann mau aber derartige Kenntnisse nicht vom 
Auslande übernehmen und verwerten; sind doch in Island 
viele Futterkriluter häutig und darum wichtig, die in anderen 
Ländern selten vorkomuieu, unterscheiden sich aber auch bei 
gleicher HHiiAgkcit infolge besonderer Lebenstediiigangen 
von den ausländischen Verwandten an Nährwert. Dazu kommt, 
dar» in Island da.» Vieh aus uralter Gewohnheit manche PHan- 
zeu begierig verzehrt, die im Auslaculc von den Tieren ver- 
schmäht worden. Fh kann als*» nur ein apezielles BtuiUimi 
der isländischen FutterpÜanzuo zum Ziele führen. 

Kine umfangreichere Bchrift, die der Verfasser zmaimmen 



r 



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274 



Kleine Nachrichten. 



mit H. G. Südcrliaum in fräu Kr>n};l- Lan«it> 

bruk-* Akademien* KxperinienUlfÄlt* No. 7« (Htockholm 190*2) 
veriSffeiitlicht. betiUOt: ,I*lÄmiska foder- och belestvftxter*, 
imhundelt die*en GefzrQttand streng wi«*en*clmftlich and 
giebt geiiAUA rhemi'^'h« Analysen iolllndiiiclier Fnttorkrftuter. 
in dem kleinen, |M>)mlär gehaltenen ielAnd iaehvn Kehrift- 
rheu dagegen, da* uns hi«*r beachnftigt. folgt jetzt nur rin«* 
i'bersicht iiber diejenigen PHanz^'u, die in Island auf VTeide- 
|dätzen und Heiiuiesen die häudgsten sind, also die wichtig* 
Hten Hestandteiie in der Nalirung der Tiere bilden. Gar 
ntanche demelbeu diii-ften in l>euUchland nicht unbedingt 
nis Viehfutter angeteben a*erden. 

Der VerfHSHer teilt die Futterpdanzen ein in krautige und 
holzige Pdanzen. Zunächst sagt er vun den Grdsern, Gra* 
uiiueae, die unter den krautigen die erste Stolle einnehmon. 
dnfs rie «Ion wichtigsten Bestandteil der Yiebimhrung bilden. 
Kinxetnu Gnisarton führt er nicht an. denn die Benennung 
.ti't^ugresi* (von la^n =: Dtingor) lie/eicUnet nur du* auf dem 
gedüngten, das Geh<~«ft umgebenden Grusfeid«, «lem •tün'^ ge* 
wachsen«* Gras, wie auch ,%'uillendiithcy* das lleu von ir«x;ke- 
nen Flächen und ik'rgabhängeu (veütr) und „ui<'>hcy*. «las 
lieu von Htimpfuieseii. Nächst d4jD eigentlichen Gräsern 
Htni die gHalbgräser* ibiUfgrus). die CyperaCeae, die wich* 
tigsten. süuohl was ihre Menge nie was ihre Nährkrafi iw* 
trifft; mehr als die Hälfte alles .Aufsenheu*' (üthey) tXHtvht 
daraus. Aufgefnbrt sind: Carex cryptorar^Ki und rtwtrata. 
Kriphorum polystachium, Klyna Bellardi. Diesem letztere (ist 
„l^iirsAokegg'' =: Bie«M»ubart) öliorziebt alle smnpligen \Vies«n 
mit eiuein braunen ächimmor. wächst aber auch io tnicke- 
nem Lande. K« ist Ki>miner und ^Vinter gut zur Weide für 
pfei*de und Krhafe. wird aber wenig gemäht. Sodann sind 
noch die Siunten (Juncaceae) erwähnt, wenn auch nicht als 
ganz SU nüulich. <lav«>n •luncu.s (rifldus. J. baliicus und J. 
lUif«»nnis. 

Von sonsGgen krautigen Pflanze« nennt der Verf»sj<er: 



Trifolium repens, Vicia eracca, Anlhylli« vuloeraria, Achiliea 
miüefulium, Tara.vacum «l ulgare, Leontodmi auctumnalis, Bu- 
mez aeeioaa, Polygunum viviparv, AlchemiMa vulgaris, Geum 
rivale, t’oaiarum pslustre, die isländische , Wiesennjae* (eng* 
jari'is), die in manchen Gt^genden «Gedeihensblntt* fl’rifa* 
bla^ka) halfst, weil sie das Gedeihen de* Viehes befönlort 
— Mtmyanihes trifoliata, Plantago maritima und Pi. Iance>«- 
lata, Galium verum, (k>chlearin offlcinali», ('apaella bur«a 
]m*t««ris und ein imar Monokoiy]«*donen: Triglochin palustris 
und Tr. maritimsi. Nun frilgeii einige Schachtelhalme als 
sehr wertvolle Fultorkrautcr: K«iuii»etum palurtre, K. lim«** 
Buiu, K. pratcnac und K. variegaium. Pie SchachtelhHlme 
taugen Iwaser fQr ITcrde und ächafe als für Kühe, weshalb 
man sic nicht gern auf «lern atün* sieht. d«w<en Krtrag für 
die Kühe bestimmt ist; das Hchachtelhalmheu lieträgt jähr- 
lich in Island viele tausend Iferdelasten. l>en B*.*srhlur* der 
I krautigen Futterpflanzen machen 1'ange und Fl**chten, nätn* 

I lich: isländisches M«>ns, Kenntiermuus und Liebem corall<iide*. 
Zum isUiiidiscben Viehfutter gehören aufserdem eiuige 
HoDgewät'h'^*, die besonders alslh-hnffutter sehr wichtig un«l 
hcichgesehätzt sind. Da sind /unachst einige W'eidenarten 
zu nennen: Salix lanaia. deren junge, saftige Triebe und 
HlätU;r sehr gern gofresseu werden , und Im wogenannten 
.Laubheu* (Laufhey^ hervorragend vertreten sind, alsdann 
Sniix gtauca und die winzige Salix herbacea. Kiu puar 
Kricac«»n: Calluna vulgaris, isläml. beitilyug (Wdde-Kriku), 
und Loiseleuria procumbens, sowie zwei Hirkeuarten: Betula 
nana und B. (Mlorata, scbliefsen die Beihe. 

Vielk'icht ist diese Aufzahlung im stände, Prtanzenfreun- 
dcu eine kleino Vorstellung von dem Aussehen i*]äudi’cb**r 
Wiesen zu geben, doch werden sie sicher ein BtHlaueni für 
die isländischen Wälder enipflnden, die bei solcher B«'hand- 
lung natürlich nicht em|M>rwAcbsen können. 

M. LehniHiiU'Fithea. 



Kleine Nachrichten. 

Abdruck nur colt Qtiellcnungub« uMtsttel. 



— Forschungen derdeutschen Benue-Tschadsee* 
«xpeditiou. Heit etwa Jahresfrist ist eiiiL- vom .Deutschen 
Niger-Bvm]e-T*chA<ls**e-Koinil«*e^ au.sgerustcte Expedition in 
«len Geldetcn am oberen Benue thäüg, deren Aufgnben g«K>- 
grapbiseher und koloninlwirtscliaftliclier Art sind. Nach 
längerem AufonUmlt am Benuc und in der ileutscben Htatioii 
Garua hat die Expedition in der Zeit vom Hvpteiul«or bis 
Dezember v. J. die noch wenig bekaunU'U Gegenden am 
«liieren Bvuue und im deutech'franz«öi«i«Khen Gronrgebiet auf- 
gesucht und durch ihre Bouten stellenweise unsere Karten 
iWreichem können. Au* einem Bericht, der Ende 3Iärz durch 
die Kukmiulgeselbchaft veK<iTenUicht worden ist, kann man 
Folgendes entnehmen. Von Garua aus in östlicher Kiebtung 
inaiwchierend uml zunächst Passarge* Heute von lh93 folgend, i 
l)«riibrte die Expedition die grofsen Fulbeurte Be und Adurore. | 
worauf sie öaüich dos Passargpitchsn Wegfe südnstwärts nach 
itei-Bulia, der Hauptstadt des Sultanats Bubaudjidda, vorging. 
Die Von t'echtritz-Pa.’isargeeclie Expedition hatte jene Stadt 
***inerzuit nicht envichen können, sondern war bereits in | 
Dyirum, einem Vorort von hei-Buba, vom Sultan angegriffen { 
und zur Umkehr veranlafst worden: di« neue Bunuo*Tscha«l- 
secex|i*tdition dag«»gon fand wid«*r Rrwarton l>eim Sultan gast- | 
lieh« Aufnahme. Die Stadt Uei-Buba zählt 4uöU F.juwobm*r, 
ist inmitten suiiiptiger Nitrierungen gelegeu un«i durch Wall 
und Gralicu Inifestigt. Pi« lierrscheude Klasse sind nHtürlicli 
auch hier die Fulbe. lK*r Sultauspalnst . oiu sehr stattliches 
Bauwerk, btatcht aus uihlreichen Höfen un«l Hrtusern und 
wird von einer 5 bi* Om hoheu Mauer umgelwn. [kr kriege- 
rische Sinn de* Buljandjiddavulkee wir«1 gerühmt; die v«ju 
UechtrUz-Passargesche Expotlition hatte die«e .Tugend* ja 
bereit* erfahren müssen. VonRci-Buha drang dio Expedition 
nach <lsteD in da* Gebiet an der dcul*ch'fmnzösi*chcn Grenze 
vor, dessen .Heidt-nstämme* furchtsam in die Berge flohen. 
Ki« gehören zu den Laka (von Maistre lie*ucbt) un«l Mbene 
und sind teils dem Sultan von Bubaudjidda, teils dem von ; 
Ngauindere tribniür, d. h. deren Sklavenlieferanten. Ob der 
Voiwtof* nach 0«ten bis zur L«'>flersc}i«ii Route geführt hat. 
geht Ali* d(*m Bericht nicht hervor, doch scheint es so. Jenas 
Gebiet ist ein von tiefen, wenig breituu Tliälem <lurchfurcbt«r< 
G«hirgslsud mit zahlreichen reifsendon Flüssen, den Vuell- 
armen de* Mao Hhuffl. Piesen nicht unbedeutenden Klufs, 
der bei Hei-Buba in den B*‘tiuo mundet, glaubt die Exp«.-di(iou 
«nUleckt zu haben; doch ist das nicht gnnz richtig. F.ineti 
BennetH'benfluf* .Mao- Tsebubbi“. «lor mit jenuin offenbar 



idcntisi'h ist, verzeichnet bereits die Passargescho Karte, auch 
iniiis I«!ifler ihn gekreuzt haben. Das Gebirge kulminiert im 
Hiewer«^ Ngan-Yango mit zwei riOOm hohen Uranitkup^wo. 
Dil* Expedititin zog dann südwestwarts durch völlig neues, 
in dem Itericht ulior nicht näher best^briebenes Gebiet nach 
NgHiimdt-rc, der .l>eileut«n«lsteti Htadt* Deutsch* Adamaua». 
sie zählt 10000 Kitiw«ihner und ist im übrigen genugsam be- 
kannt- Auf dem Rückmärsche nach Garua hatte man <>e* 
l<5g««nheii, die vor ‘21 Jahren vou Flugei entdeckten (Quellen 
des Ik-nuo zti besuchen und die Umgebung aufxunehmen. 
Glitte Ikzember traf man in Garua ein. nachdem man auch 
seit Ngaumdere sich vielfach an ov>cb nicht begangene W«^ge 
gehalten halt«. l>er Ikmue verläuft nach den ErgebnuMu 
der Ex]>eilitioii in ><iiinem «ibersten Teil .bedeutend weiter 
westlich“, als die Karten angnlien. Mit dieser FmstclSung 
wird aber kidnem der älter«‘ii Reisenden zu nahe getreten ; 
denn sie bezieht sich allein auf das hy}M>thetiscb eingetragene 
Flursatück zwitichen Pyiruni und der tjuelle. 

Ans di«Hu*in Bericht gtdit hervor, dafs die Ex|iedition e« 
leider v««nuiumt bat, den naben Tuburiwas*«>rweg, die nach 
Barth und I/iifler IwsLchende. zur Regenzeit benutzbare Yer- 
bin«lung zwischen d«*m Bcmie und dem Ixtgone (Schari), zu 
untcr<tich«su. HnlTcntUch geschieht da* noch; denn das Ko- 
rnitw wird doch wohl lÄifien Bericht und Kart«, die im 
vorigen 8oinm«*r eiwrhienen sind, uml die Krg«>btii«se der Pi»- 
ku«si«>n, die sich daran geknüpft hat, der Expe«litiun nach 
Garua nachgosandt haben? — (bler sollUr da* nicht geschehen 
seinf Die E.\pedition wollte sich nämiieb jetzt nach Nord»*n 
w**DdL*n. 

Htatistisches aus den Kreisen Thorn und 
M arien werde r. Hei einer kriininalstatistischeD Unter- 
suchung der Kreise Thoni uud Marieiiwenler vennoehte 
B. Blau iAbhaudlg. des Krim.-Sem. der Universität Bertiu. 
Neue Folge, ‘2. B<1., 19iiä) ffstzustellen, dafs die Deutschen 
im crKtgenauDteii Krci»« minder zahlreich, dafür aber Polen 
und Juden *tärk«jr vertruten sind als im Kreise Marien- 
werder. .\ls zweiter Untorschio«! ergab sich, dafs hier die 
schulpflichtigen Kinder und die im Hiooe des Htrafgesetz- 
bu«-h«^ jugcmllichun Personen zahlreicher sind; «lafür waren 
im Till irnsc heil Kreise dio Erwachsenen in höherem Orailt* 
beteiligt. Pit- 7.ahl der Ehescbliefsungen ist in beiden Krei- 
sen etwa die gleich«, zeigt al»«*r in Thum eine starke Ten- 
denz zmit Sinken; di« Zahl der (««'bürten i«t el«en«(> wie die 



Kleine Naohriohten. 



275 



ilfr Sterlilichkeit iti Tliorn i^ri>r!«er. l>io Zahl «1er unehelichen 
Gehurten ii»t in Marien^enler btrher. Ihiselbei «lel mehr 
I.«u(u verheiratet wie iu Tboru. Die KinzelhauHhalte sind 
in Marienwerder etwas zahlreicher, dafür werden in Thom 
nn.'hr t'inzelhau«bHlte von Männern geführt. Die Ihcbtig- 
keit der Jiev&lkerutig ist in Thorn grhrner. Der Thorner 
Kreis beherlw’rgt mehr Ktädter; su weit die Hevi'ilkorung hier 
alvr auf deut l«ande lebt, drängt aie sich in w'enigen SVuhn* 
platzen zuKimmon; in 3luricnwerder wnhtit sie zeniremer. 
Die landwirtschaftliche Hevölkernng ist in Marienwerder 
zahlreicher, die industrielle, hnndeUreibende und den freien 
Berufen obli*^rnile iu Th>»m. I»er Krlrag der liandwirt- 
Schaft ist in M»rienwerder ein höherer, oltenso der Vieh- 
reichtmn. SpurverhältniKM wie l^teuerergebuisse sind gün- 
stiger w’ie in 'rhom. 

— D. llanburys weitere Forschungen im nörd- 
lichen €anada. Im Globus ist vor längerer Zeit (Bd. 78, 
S. 98) von David Haiiburys Forschungen im Westen der 
lludsonhai die Kode gewesen. Soibiem hat Hanbury seine 
Wanderungen in jenen wenig l>okannte]i und ilufst-rst seiten 
Hufgeoiuchten Gegenden Canada« Hetfsig furtgesetxt. Im Fe- 
hruarheft des ,(ieogr. Joum.‘ iat kurz von einem Vuierkens- 
werteii Vorstof)« die Rede, die ihn im Hominer I90*,i von der 
Westküste der Hudsonbai Mb an die l'ferdes Kisuie«’» geführt 
hat. Kin Teil der Route ging durch völlig unerforscUles 
Land, doch beinerkt Hnriburv . dal's di*-ses mi arm an hervor- 
stechenden giHtgraphischun Objekten ist, dafs seine Route 
ebeti nur eine Linie sei, die einem kleinen Flussu folge, über 
S«>en und über die Wasserscheide gehe und eiuou ebenso 
kleinen Fiuf« abwärts zum Ozean führe. Vom Tel»eLikaee 
wanderte Hanburv nach dem Peilysce am Backdufs und von 
da zur Küste des Kismpere.s, die ein wenig üetlicb vcm der 
Ogilenbni (101^ westL D.) erreicht wurde. Hanbury folgte 
dann der Küste w-estwärts und fand, dafs die älteren Auf- 
nahmen derselben nicht sehr korrekt wäre». So ergab sich 
bei einer Durt-hi|u«rutig der Halbinsel Kent, dafs diese nahezu 
uiov Insel ist, da sie durch ein«* von der Warreuderbai aus- 
gehende Bucht, die ihrer engen Miindung wegen von den 
früheren Roisenden nicht geaehen worden war, vom Fest- 
lamie fast gänzlich aligeschnitteu wird. AufNcrdem liegt noch 
ein Sufswaasers*.-«* an der Wurzel der Ilalbiusal. Hanbury 
ging hierauf den- Kupferminotidurs etwa 12.'> km aufw-ärts 
und überschritt nach Westen ilie Wnsscrschaidu zum 
(irorieu UnretiBee. Da hier die Ijebensmittul knapp wurden, 
mufste Uaobury sich beeilen, und da dasT«‘rraiu aufsenlem 
schwierig ist. waren sorgfältige Aufnahmen nicht möglich. 
Ks liegen dort eine 13 km lange l’ortage und viele kürzere. 
l>er Disuialsee der Karten ist nur eine unbe<U>utende Wasser- 
Mache . die Huubury ihrer ganzen Längu nach durchzog. 
Hanbury hat seinen Rviseweg aufgenommeii und auch häufig 
Hi-eirenlh-stimmungen auitgefiihrt : auch hat er cntomulogische, 
b«»LaniHclie und geoh>gischR Haumiluugen heimgebracht. 

— Kiszeita puren auf dem Velebit (vorläufige Mit- 
toiluiig). Ktwa 'iV, km nordwestlich vom Heiligen Ik>rge 
(Hveto Bnio, 1763m), der zweithütchsten Sjntze de» Velebit 
(Kn«tien), ein Kar. Dinies bat eine ovale Form und 
is.t gegen Nonlwesien offen; seine südliche mauerartige Fm- 
w'allung erbebt sich bis l6.')8ro und seine Bohle Hegt in einer 
Höhe von etwa 

Butak bei Fiume. Dr. A. Gavazzi. 

— Ist der Mount Kverest mit dem Gaurisankar 
identischt AN höchster Gipfel der Krde gilt seit langem der 
auf der Grenze von Nepal und Tilwt gelegene Mount Kvercsi, 
duiva-n Höhe und Hage auf trigunomelrischem Wege bestimmt 
sind, und der seinen Namen zu Khren eine« früheren Chefs der 
indischen Laiidesaufnahme führt Ik'stiegon hat ihn niemand, 
und auch seinen FuN hat noch niemand erreicht. Die Be- 
z.eichnuDg (»aurisankar rührt von Hermann von Hchiagiiit- 
weit her. der 186ü den Berg von einem Hügel bei Kiitmattdo 
in Nepal sah und jenen Namen von den NejMlesen dafür 
erhielt. Hpüter ist die Identität von Gaurisnukur mit Mount 
Kverest in Zweifel gezogen worden, so durchOeiierai Walker, 
eiu«>u Nachfolger Kverusts an der Bpiizo der indischen 
Landeoaufimhme, durch Hudgstm. 01>erst Tanuer, Waddell 
und andere, während Kinil Scblugiutweit, der eich dal>ei auf 
Briefe des indischen Tibetreiseuden Tschandra Das stützen 
konnte, die Feemtellungen mducs Bruders Uei-manu zu halten 
suchte (IVi^rm. Mitt. Febr. 1901). Die Gegner der Identi- 
tät führten »u», daüi Henminn von Bchlagiutweic von jenen 
Hügeln f«ei Katmandu infolge der Krümmung der Krdober- 
Häche den Moun iKvi rest gnr nicht halte Hohen können, zumal 
zwischen seim-m Stnndpunkl und dem Berge noch andere 
Gebirgsketten lägen, und Waddoll nicitite, wenn man für den 



Mount Everest sclnm einen einheimischen Namen bal>eti widle, 
i»u muss« man nach einem tibetanischen suchen; ergab dafür 
den Namen TschoinoLankar an. Neuerdings hats*u sich nun 
die Bi-weiso dnfttr gemehrt, daN Hermann von Bchlagiulwcit 
recht hatte. Im Märzheft des «Geogr. Joum.* teilt D. W. 
Fre<hfleld, der 1899 mit tlarw<KKi und Bella die Olel-tclivr- 
well des KHiidschiiulschinga aufnahm , eine v>m dort aus 
gt>woiiimno Telepbotographie des Evcrcstinassivs mit, sowie 
eine nach Dr. Kurt Boock» Fh<»tognifihie*‘n eutw<>rfenu Bkizze 
dessclb*‘i). Die Tel‘iphütA»gr8phie Ht-llas ist von Büduaion her 
aufgcnomnieu, von einer Htellu. von der aus der Mount 
Everest -(ichtbar sein mufs; Boeck photographierte das Ge- 
birge, für deinen Gipfel ihm die Nepah-son den Namen Gau- 
risankar uannten, 1898 von den Kakamiiliergeo bei Katmandu, 
d. b. von demsellwn Funkte aus, von wo ihn Hermann von 
Koblagintweit gesehen batte, also von Büdwesten. Vergleicht 
man nun die fioeckschen Abbildungen auf 8. 313 und S17 
seino> Ruclts .Durch Indien ins verst-hlcasene Land Nepal* 
mit der von Freshfteld mitgeteiltcn Fhotographie, so ergiebt 
sich, ilafs die Iteidexi Gebirgsmassen mit ihrem hfAchsleu Gipfel 
miteinander identisch »ind. wobei di« Verschiedenheiten in 
der Anordnung durch die V«-r«chieilenheit des Hiandpunktes 
deutlich loaliiigi und erklärt aiud. IHe Zweifel an der Iden- 
tiliit des Gaurisankar und des Moimt Fverest dürfbm somit 
«udgüUig als grundlos erw iesen sein, und deshalb ist es auch 
nicht mehr nötig, sich nach einem tibcUtiii»cb>‘n Nammi für 
den Beix umzviseheii ; das durch Herumnu von Bchlngiutweits 
Autorität geheiligte •Gaurisankar* kann uns genügen. 



— Dalui, der neue russische Handelshafen am 
Stillen Ozean. Das Kwang-Tunggebiet, welches auf 
Grund des Vertrages vom IS. März. 1898 auf 2S Jahre an 
RufaUnd ver(»acbt«t wurde, liegt zwischen 38* 2u' und 39* 2S' 
nördi. Br. und zwischen 138’ ‘Jä' und I4U"S3' t«tl. L. und 
stellt ein Areal von 2885 Ouadrotwcmi dar, wobei die 28 be- 
wohnten Inseln mit einem .Areal von HH tjuailratwerst mit* 
gerechnet sind. Von den zahlreichen Buchten der etwa 
SSO km langen Knstenlinie .sind nur zwei zur Einricbtutig 
von HafeupliUzen geeignet; die Bucht von Fort Arthur und 
diejenige von Ta-Hen-wan. Während die erstore den zur 
Aufuabme des ganzen paziflschen Geschwaders bestimmten 
gleichnamigen Kriegshafen l»eherbergt, soll in dor Ta-lien- 
wanbttclit laut Krlafs vom 30. Juli 1899 ein grorsnrtiger 
HandeNlmfen Daini («der Feme*) geschaffen werden. Eine 
Reihe natürlicher ITmotända, weiche durch Kunstbauten unter- 
stützt «ei'dif» sollet), seheiuen dazu geeignet, dem neuen 
ilaD<l«NhafcD, der bis auf weiteres als Freihafen erklärt 
wiunle, «ine »nsehnlirbe Stelluug in der Reihe der paziM- 
M'hen Hufen zu gewinnen, falls die russische Handelsw eit die 
dazu notwendige üntemehmungslust nicht vermissen läfst. 
Die Bucht ist tief und geräumig; Schiffe mit 80 Kufs Tief- 
gang können noch leicht hier landen, und dem I'infange 
nach wäre die Bucht im Stande, die ganze chinesische Han- 
detsMoite aufzunehmeu und dazu noch alle fremdländischen 
Schiffe, die in den chinesischen Häfen ^ erkehreii. Eine Reihe 
von Docks sind bereits im Ihiu und der Ausliau der Stadt 
.selbst, für welchen aus der Staatskasse sin Kredit von nicht 
weniger als 95 Millionen Hubel gewährt wurde, wird in 
raschem Tempo fortgeführt. Dem in Ausführung begriffeuen 
Bauplan gemäfs soll der sogen, administrative Teil den Mit- 
telpunkt der Stadt bilden; Ki»enl*ahnwerkstfltten , Werften, 
sowie Hotels, Bohuien, Kirchen. Klubs u. s. w. soUen die brei- 
ten. vtiu elektrischem Licht beleuchteten und von elektri- 
schen Strnfswnbahiien lielebten Btrafsen einrahmen. An 
dicMC-u Btadtteil schHefst sich die sogen. UandeUstadt an, und 
dann folgt gegen die Hügelkette . von welcher sich «ine 
prächtige Aussicht auf die Bucht eröffnet, die eigentlichu 
Kurupäerstadt. Auch für Sommerfrischler und Bmler ist ein 
etwas al>geiBgeiicr , malerischer Küateuslndfen in Aussicht 
genommen. Die Stadt zählt gegenwärtig 50000 Einwohner, 
darunter etwa 23000 Kuli«, aufsenlem viele Japaner, Koie- 
aner u. ä. IHe Niederlassung ist den Angehörigen aller 
Nationen ohne weiteres gestattet , ebenm» das Rvcbt der Kr- 
Werbung von Bauplätzen, welche in dem Mufse der Fctiig- 
Ktellung der Btrafse» zu etvta 4 Mk. pro Quadratmeter nl« 
gegeben wenlen. I>och dürfen in die Htadtverwaltnng von 
JapHitern und (.'hiDCSA-u nur je ein Vertreter gewählt w-rnlen, 
wotlurcb das de jure allen Steuerzahlern gewahrte Wahln-chi 
eine Kinschränkung erleidet. AlKtr diil>ei ist noch tUe Wasser- 
Versorgung, die Buleuchtiiug und das 8traf»enbalinwe>;eu der 
Kompetenz de« Siadtrutes entzogen, und diese Dinge unter- 
stehen direkt <lur Administratiunsbehörde. Der Verkehr mit 
den näcb«Giegcmlen Hiifrn Port .\rthur und Tschi-fu wird 
durch die Dampfer der ostcbine«i<chen Bahn unterhalteti, 
regeimärsige Schiffskurse nach Nagasaki mit .Vusehlurs an 
die Petersburger hch?iellzüge sind in Aussicht genommen. 




276 



KI«ine Naehriohten. 



Ülier dii» kümatixchen Verbültniue IAf»t xinh %'orIAadg (nuf df>n afldlic)i«n 0«>bi«tpn Jenxeit der Donau und der Bare mit 

Drund der Beidtachtunj^n vom Jahre 1900) nur weniße« xieh brachte, wahracheiolirh jedoch nur die llomxapfen mit 

'»agwn; die mittleren Temperaturen der Jahre^’xeiten waren den Htimheinen, nachdem er da» erl^e Wild am ün »oinr» 

im (^iiaimien Jahr: 24* fhr den Sommer. -*■ 9* für den Vi»rkommen« rerle)rt hatte. iHi» Vorkommen im liacxer Ki»- 

Merlixt, — 3* für den Winter und + 12* für den Krühlinsj. initat maclit »•» tmn im bfichaton (trade wahr«cheinlich, daf« 

Scharfe Temperaturaehwankun^'ii «iid nicht hetdiachtet, der MuffJim in ju-ahUtorischer Zeit auch in den felu^eii (»e- 

Krkmnkiin^n (tollen unter den Kurttjjüem relativ iwlten vor- hir^ren de« Bnlkan« gideht haha. Die Au*ichi, dafs der neo- 

kouimeii. Die reichlichen Ni&lerwhläge fallen in die S«iminer- lithiarhe Urta.'Hohner der Thit^ka au» dem heotigvn Vater- 

moitatc. lande der MufTioriK, au« Komik» oder Sardinien, die gefun- 

denen Mufflonroxte mitgelwacbt oder bex»gen hatte, halt 

— Kiti Ahkoinnien über die Grenze zwischen dem Yerfaaaer für viel weniger wahrHcheinlicb. 
ägv]iti«chen Sudan und Abessinien wurtle am 15. Mai 

DM)2 abge«chIo«sca und im Januar 190S publiziert. I>«n In- 
halt deseellion, unter Beifügung einer Kartenskizze, (»ringt Die biiinenlüiidliche Wanderung und ihre Rück- 

da« Kebruarheft (K. 186) des .Getigraphical .lourtial* von Wirkung auf die rmgangsxprache nach der letzten 

1903. Wühr«.*Dd die längst festgesetzte nördliche Be^enzung Volkszählung io Österreich untersucht Fr. v. Meinzingeri 

vom Blauen KU bis zur italieniüchen Kolonie Rrvthrea fast (Stat. Monaüischr., 28. Jnhrg., 1902). Bei allen untersuchten 

unverändert und die südliche gegen die Galtaläuder vOllig Bezirken gelangt man zu den gleichen Brgebnissen: ent- 

uuentflchiedeii geblieben ist, erhielt die nixh unbestimmte scheidend für die Kpraeheiiangab^ der Fremdgebarenen ist 

westliche eine möglichst exakte Fixierung. Der Ausgangs- dt« ortsübUclie Sprache des Zuzugsgebietes. Je einheitlicher 

punkt dieser Greuzlinie ist ein Punkt am Blauen Nil, etwa« die sprachliche tjualiftkation de« ZuzugsgebietM ist, desto 

oberhalb vom Fort Faiuaka im Distrikt Fasogt: von hier stärker tritt die Notwendigkeit auf, sich der I'mgangsapracbe 

verläuft sie südwestlich zwischen dem 35. und 34. Intrigen- dieses Gebiete« zu bedienen. Die sprachlichen Veränderungen, 

grad bis zum ZuHammenflufs de* Karo mit dem I’ib*jr, welche welche durch die Wandenmg hervorgerufen werden, sind 

beide den Oberlauf des ßoljat bilden; sie folgt dann dem daher, aenn verschiedene Zuwanderungscenira verglichen 

lMkM.»r aufwärts bi« zur Mündung de» Akob«) uud letzteren werden, nur graduell voiioinander verschieden. F,s giebi 

aufwärts l«s Mehle (etwa 40* nordl. Hr.). um beim Hcbnitt- kaum ein (iebiet menschlicher I^cbensäufserungon , wo die 

punkte des fl. Breitengrades mit. dem 35. Längengrade (also Massen so sehr entacheiden wie hier. Eine planvoll or|pt 

nahe der Büdspitze von Kaffa) zu endigen. (Zum Notbehelf uisierte Einwanderung Iwstiinmtor Sprachangehöriger in rin 

vgl. die Flufskartensktzze im 79. Bande des (Tiobus, 8. 380.) bestimmtes Gebiet wäre wohl im stände, derartige sprach 

Die urnaich^gt-n uud weit in die Zukunft schauenden Eng- liehe Minoritäten zu erhaUen, die jährlichen zufälligen, fast 

länder erwirkten liet dieser Gelegenheit von König .Menelik anonymen Nochschülie müssen unbedingt ihre Spra<'he dei 

die ZuKtitumung zu zwei wichtigen Verprlichtungen; ersten« allgemeinen Umgangssprache gegenüber zurnckstellen. Das 

in seinem Reiche keine Werke zu errichten, weiche den ükimomiache Problem der .\hwanderung verwaiideU sich dem- 

Wasacrzutlufs zum Kobat und Blauen Nil hemmen konnten; nach hier unmittelbar in ein »{irachliches. 
z.wciteuf, den etwa projektierten Bau einer Kisenbahu durch 
Aliessinicn zu gestatten, welche die Verbindung des Sudan 

mit Uganda bezwecken würde. — Das Homerisch« und das heutige Ithaka ver- 

gleicht Hugo Michael (Osterprogramm d. Gvinn. Jener, 19021. 
Die besprtiehenen Stellen des Ilomerischen Kpos sGmmen 

— Den Versuch einer Morphometrie der pyrenäi- darin üt^rein, die Insel au die Stelle zu verlegen, welche das 

sehen Halbinsel macht Ignaz lirommerau im i^rogramm heutige Uhakn einuiiuuit; auch die filier ihre ßäwhafFenheit 

des Gymiiasjums in (‘illi 1902. Wir eninebtncn der Arbeit, vom Dichter gemachten Angaben vereinigen sich zu einem 

dafs dem Volumen nach an erster Stelle daa ilierische Rand- bestimmten, in f**sien Ziigeu gezeichnete Bilde, in dem wir 

gehirge zu nennen ist, an zw«ii«*r folgt da« andalusische ohne Schwierigkeit die heutig'* Insel wieilcr erkennen. Homer 

System, «lanii die alt- und neukaslilisch« Hochebene. Den bekundet seine guten geographischen KenoiRisse gerade in 

fünften Platz uiimnt das Scheidegebirge ein, und erst dann der Wahl der Roiworte uud wirft solche niemals so obenhin 

erscheinen die Pyrenäen. E» folgen da» portugiosiache Grenz- hin; er verwendet denn auch für Ithaka einige Kpitheia 

gebirge und dl« Siurra Morena mit nahezu gleichem Vo- ganz allein, auf di« Vorfaancr licsonders eingeht. Jedenfalls 

Inmen, das asturisch - cantabriache Gebirge, die Monte« kann man das Ergebnis der Untersuchungen dahin ztr 

de Toledo, da« Kbruljecken, weiches noch das liaskisch« Ge- sammenfasseii: Allo Angal«n des Liedes über die Lage Ithaka«. 

birg« an Volumen übertrifft. Daran reihen «ich der west- über die__Bo»chaffenheit der Insel und die vom Sänger er- 
liche Rand de« südlichen Tafellandes, da» Guadalitnivirbeckutt. withiiten Örtlichkeiten khnneii wir. von einigem wenigen durch 

da« caUilunische Küstengebirge, das galici»che Bergland und die dichterische Freiheit gerechtfertigten Abänderungen al»- 

da« Küsteugebirge von Algarve. Hinsirhllich der mittleren goaehen, ini heutigen Ithaka wiedererkennen. Selb« wenn 

Hüh« kommen an erster Stelle die Pyrenäen, dann das iltcri- die auf Leukas veranstalteten Ausgrabungen das Vorhanden 

«che Itandgebirge, die beiden Ihichebeneu, da« asturisch-can* sein einer Stadt aus der inykenischen Periule erweisen 

tabrische (iebirge, da.» andalusischu System, da« rastilische .sollten, so wird dieser rinstand der kleinen Insel den Jahr- 

Hcheidcgebirge, das bnskische Gebirge, das galtcische Berg- tauseixie alten Ruhm, das Vaterland dits Dulders (.Mysseu- 

laml, das cataloiiische Kurtcugeblrge, das Kbrolieckcii. der zu «ein. nicht nehineii können. 

wostliche Hand de» südlichen Tafellandes, da« Guadalquivir- 
tiecken und da» Küstengebirge von Algarve. Diese südwest- 
liche Halbinsel Europas ist ein sehr massige» Uobiet, licssen l — Beitrüge zur pfälzischen Mundartforschung 
mittler« Fjrbebuug die de« Kcmtinent^ um mehr als 5uüin und Volkxkiind«* liefert Georg Heeger (i,andau, Oitmoa«. 

überragt, das also die dop|M*lte iiiittlerH Höhe Kiiro|ia gegen- ’ Pnigrauitii I9U21. Die Tiemaiuen und mit den Tieren in 

ülier »ufweist. Wie in ariderer JW.iehung erinnert es auch Verbindung «tobenden Ausdrücke sammelte der Verfasser zu 

in dieser Hinsicht au Afrika. ' einem grofsen Teil in der Vorderpfalz. Durch Benutzung 

der einschlägigen Mundartlitteratur wurde dio Hammhmg 
I möglichst erweitert . »o daf« sie einigermafsen einen Begriff 
Linen neuen Beitrag zur früheren Verbreitung : von dem ilie Tiere lietveffenden Sprachgebrauch in der ge* 
de» Mufflon« giebt A. Kt»ch (Földtnni Köziöny, 19i>2), zu- «amten Rheinpfalz gieht. Die Tiere werden kla»«enw«ise 
gleicb unter Beifügung einer Abbildung di*s gefundenen ! nufgefnhrt. Den Haustieren folgen die wild|el»enden tie- 
tlehöms. Der Siiugotierrest entstammte einer prähi>(onsclien I noastm bei den Süugetieren wie Vögeln; Lurche und Kriech- 
Lageratjitte bei tkionigh - Monostorsze» im Baczer Komitat. | tieiv bt-schliernen iiiil den Fischen die übrigen Wiilieltiere 
Die Muffloureste konimeu in Gt-sellHchaft anderer Ktichen- ! wohl im nächsten Programm. WirlK*llose Tiere «ollen sich 
abfälle und von llau»tiem>sten in einer lb»derra*liirlit vor, I an»cbli«rseii, sagenhaft« Tiere einen eigenen Abschnitt bilden, 
welche st> zieiiilicli au der ifeck« der alluvialen .\t»lagerungen Das vorliegende Stück reicht nur bi« zum Schluf« der Säuge- 

sicli au«broitet; zweifellos gerieten sie durch die Hand de» | liere. Merkwürtlig berührt 'lor rtii«taud, dafs da* Wort 

ueoliiliischen Men«<‘hen dorthin. Es erlei«lei ferner keim-n Kaninchen in der Pfalz fehlt; die Fle«!cnnaus beifst S|is.-cV- 

Zweifel, daft der I r1>ewohner diese« Wild auf ilem tiebiete mau», unter Flo<1ermau« versteht man den Schmetterling. 

der heutigen Baeska nicht erl'ftUtet halwu konnte, da es auf | Von uu«lMudi»chuu Säugetieren tindet man den Affen, den 
der durch die grofsen Flu«.se lUiimii, Ti*za, Drave wie Save i" ElefHiiton , das Zi»bel uud den Iz'iwen vertreten; von früher 
ilurchströnjten Eliena nicht existieren konnte: m i»t alter ] einheimi»i-ben vermag Verfasser in Redensarten zu bo 
leicht itü^iich , daf« er o« von «einen Jagd<>xkiii-sion»’)i au* i richten vom Riir. dem Elen oder KIßiitier und dem Hirsch. 

VersBtwortl. Redakteur: II. Singer. Herliu NW. fl, SrlidrUaucnlnmm 2fl. — I>rurk: Frictir. Virweg u. Sohn, BrausM-hweig- 



Al 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE. 

VEREnnOT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: ..DAS AUSLAND“ UND ,.AÜS ALLEN WELTTEILEN“. 
nERAÜSr.KGEBEN VON* H SINGER L’NTER nESONDERER MITWIRKL^G VON Prof. Dr. RICHARD ANDREE. 
VERI-ACf VON FRIEDE. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. i8. BRAUNSCHWEIG. 7 Mai 1903. 

Nftchdrork &ur uc-li Cb«r«tBk(U)ft «ill 4«r Verla^hABdluni 



Ober die Todla von Sfid-Celebes. 

Von P. und F. Siirutiin. 



MnkAäHiir. Kndo .lanuar 190H. 

Sehr f^eehrter Herr Redakteur! 

In Ihrer Zeitachnft (Bd. 82, S. 28. 1902) hoben Sie 
einen Brief von nn« an Herrn üeheiiiirat Dr. A. B. Meyer 
abgedruekt, welcher einige Notiaen über den in den Ge* 
birgen von Süd-Celebe.'« von unv aufgefuiidenen mork' 
würdigen MenechenHianiui der Toala (übersetzt Wnld- 
menerhen) enthalten Lot. Auf unserer ersten Heisu in 
dieees Gebiet (II. April bis 8. Mai 1902), welche vor- 
nuhmiieb geographiHrh-getdogischen Forschungen gegolten 
hotte, haben wir einige Individuen die>«eN StammeM zu 
Gesicht bi^koiumen,' weiche in anthropo)ogi!<cher und ergo* 
logischer Beziehung einen anderen, und zwar einen niedri- 
geren Charakter »Is die Bugiuesen der Küste nuFweisen, 
obwohl sie schon sehr merklich von der bugioesiHchen 
Kultur (.Äckerbau, Kleidung, Sprache) lieeinflubt erschei- 
neu. Diu uns vom Radio von Lainunijotig gemachte An- 
gabe, dafs wehr im Innern des Gebirges noch ..ganz 
wilde** Toala existierten, haliun wir in jeiiciu Briefe 
wiedorgegeben. 

Nachdem wir von unserer Reism durch Zentral-CelelieH, 
welche durch die grofsartige Beiliülfu des niederländischen 
nouTenicments, dem versuchten Widerstande der Kin- 
Iffhorencn zum Trotz, glücklich hat dnrehgeführt werden 
künnen, zuruckgekehrt waren, erfuhren wir, dals die von 
Ihnen ul>cr unseren ToalabrioF gesetzte Aufschrift: «Auf- 
fiiidcn der wilden Wttldwenschen im Gebirge von Lamoiit- 
jong* eine gewisse Aufregung in den Blättern liurvor- 
genifeii hatte, welche zuuiTeil in aggressiven Ausdrücken 
gegen uns sich gefiel. 

Deshalb, sobald wir alluH geordnet und uns etwas 
ausguruht hatten, traten wir um 6. Dezember unsere 
zweite Reise zu denToäla an. indem wir von neuem das 
Westkeitensystem von Maros nach Lainont|ong durch- 
kreuzten und an letzterem Orte, welcher am Ostabfall 
des Gebirges gelegen iat, für 16 Tl^;e uns festaetzten. 
Die Fxgebnisse, welche wir erhielten, sind in tnickener 
Aufzählung, ülmr welche wir hier nicht binausgehen 
k«jiincu, die folgenden: Die Todla sind ein von dun Bu- 
ginesei) verschiedener, primitiver Menschenstamm von 
kleiner Statur, nicht aber, dafs man sie Pygmäen oder 
Zwerge nennen dürfte, vielmehr genau von der Durch- 
Kchnittshühe der Weddaa (1575 uim, für diu Woddas 
butten wir 1576 mm erhalten). Ihr Haur iat wellig, bei 
mehreren Individuen zum Krausen neigend, keineswegs 
aber ulotrich, vielmehr echt cyrootrirh (weJlhaarig), In 
der Hautfarbe sind sie etwas dunkler als die Buginesen, 
Okba« LXXXIII. .Nr. 18. 



erreichen aber nicht die dunkle Farbe der Weddan. Ihr 
Sehädelbau Ut, nach Messungen am liebenden, etwas 
länglicher und schmäler als der mehr brachycephale 
der Buginesen; Schädel konnten wir trotz aller Be- 
mühungen nicht erhalten, weshalb wir auch ülwr die 
Kapazität nicht» au.ssagen können. Genauere Reduktionen 
der MaGc behufs einer Schätzung der Kapazität wenlen 
wir noch ausznfübren haben. Der Körperbau ist grazil, 
die Nase breit mit tiefer Wurzel, die Lippen mafsig 
dick, Bari besteht auf Oberlippe mid am Kinn. Bei 
Betrachtung des beigefilgten Porträta eine« guten Typii.s 
(Abb. 1, siebe umstehend) w'ird für dm Kenner der 
Weddas diu ÄhnUchkeii eine auffallende sein. (Die Hart- 
baare hat sich dieses Individuum wahrscheiuUeh nach 
der Sitte der Buginesen ausgezupft.) 

Von der Krgologie der Toäla (siehe über diesen Re- 
grill unser Weddawerk, Ergebnisse naturwissenschaft- 
licher Forschungen auf Ceylon, III, S. 375) iat folgendes 
zu sagen: Alle, welche wir zur Uuterauchmig bekamen, 
haben mehr oder weniger die buginesisebe Kultur an- 
genommen; sie gehen bekleidet wie diese, einige tragen 
das Haar geschnitten. Sie bewohnen in überwiegender 
Mehrzahl kleine Pfahlhauser, welch« ailenthalben in den 
Thälern und auf deiiHöhun des I>aumntjungwatdgebicte» 
zerstreut sind, und treilieii .Äckerbau, indem sie vorwie- 
gend Mais pflanzen, daneben aber auch andere Kultur- 
gewächsp, so ti. a. auch die Kokospalme. Mit grofsen 
Grabstöcken bearbeiten aie den Ikalen. In der Nähe 
eines jeden Toalahauses aber findet sich eine Höhle, 
welche deutliche Spuren früherer Bewubiiung zeigt und 
I gewisHermafsen als die Mutter des Haiisw betrachtet 
' wenlen darf. In einem mit der .ÄufsenweU nur durch 
eine enge Ftdsspali« in Verbindung ge-setzten Felsm- 
zirkus unfern vom Orte Ijimontjong aber fainlun wir zu 
unserer Überraaebung zwei Höhlen noch jetzt bewohnt, 
eine gröfsere, in welcher ein Pfahlgerttst errichtet war, 
der zahlreichen Familie zur ständigen Wohnung dienend, 
und eine kleinere (bola towa ~ altes Hans), vor welcher 
ein auf Pfählen stehender kleiner Vorbau angebracht 
war; in diesen inufsien wir gebückt hlneinkrieclien. 
worauf wir in den engen, von fünf Menschen bewohnten 
Höhleorautn gelangten. Weit hinauf war der Felsen 
vom Küchenrauch tief geschwärzt. Man versicherte uns, 
ilafs noch vor fünf Jahren viele von den Höhlen des Ge- 
bietes bewohnt gewesen seien; aller die Leute waren da 
nun alle berauHgezogeii, um Häuser zu bauen; übrigeiiH 
habe eine Kpidemie viele hinweggerafit. viele auch seien 
nach den Bergen von Malnwa im Nordwesten von l.a- 

35 



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278 



P. u. F. SnraBin: Über die Toäl» von Snd-fiplebei. 




montjong entwichen, da sie die Erpressungen den Radja 
nicht mehr ausbalten konnten. Wir erfuhren ferner, 
dafs kein Toala mehr ausaohlietalich von der Jagd lebe, 
was auch gar nicht möglich sein wärde, da die Hiigineseu 
das Wild fast g&nslieh ausgerottet haben. Früher aber 
verhielt sich diese Sache anders, wie wir unten berichten 
werden. Oegenwürtig kommen somit im (iebiete von 
Lamontjong nur noch Kulturtoiila vor; reine Naturtoala 
giebt es dort nicht mehr, um die von uns auf die Wed- 
das angewendeteu Ausdrücke auch hier zu gebniuchen. 
Es ist möglich, dals im Gebiet Hulobula von Malawii und 
in dem Gebirge 
des wogen der zahl- 
reichen Riubur sehr 
verrufenen kleinen 
.Staates l>amuru 
noch Toala die 
Höhlen ohne Pfahl- 
gerüst bewohnen, 
wie sie dies nach 
ihrer Versicherung 
auch in Lamontjong 
in früherer /eit ge- 
than haben, wo sie 
unmittelbar auf dem 
mit Asche liedeck- 
teu Hoden oder auf 
hingeHtreiiten lUät- 
tern schliefen. 

Hie Toula von 
Lamontjong sind 
mit eingedrongeiien 
Kiiginescwt geniischt, 
indem huginusisehe 
Verbrecher bei ih- 
nen /uflacht fin- 
den^ ihr Gebiet ist 
ein sicheres Asyl 
für diese Menschen, 
vom König von Hone 
als solches aner- 
kannt. Hafs diese 
S^erbrecher das Ge- 
biet nie mehr ver- 
lassen, dafür ist der 
Hadja von Lamont- 
jong haftbar. Trotz 
dieser buginesiHchen 
Invasion haben wir 
noch mehrere gute 
Typen von echten 
Toalas gefunden und 
dieselben photogra- 
phiert; auch ihre 
Krgolugie, insofern 

sie nicht auf Ackerbau Hezug hat, fanden wir sehr wenig 
beeinflufst 

Hie Toala haben einen Obmann als ihren offiziellen 
Vertreter gegenüber dem buginesiseben Ha<ljn von l,a- 
montjong, e.s ist der von ihnen so genannte HaUstio. 
Dieser hat kleinere Streitigkeiten zu schlichten und ihre 
Hesitz- und Rhi'verh&ltnisse zu überwsebun. Sein Amt 
ist erblich, auch in weibliclmr Linie; doch hat in letzte- 
rem Fall für die Frau ihr Manu einzutruteu. Wir haben 
den Halisäo gesehen, ausgefragt und photographiert. Kr 
bewohnt ein sehr kleines, schmutziges Haus in einem 
engen Thule im Gebirge; eine nahe Höhle dient ihm noch 
jetzt zu gelegentlichem Aufenthalt. Kr war sehr schueh- 
iern uns gegenüber, blickte beständig zu Huden, während 



wir ihn ausfragten, und kratzte mit einem Hölzchen wie 
verlegen in der Fxde; seine Intelligenz schien uns niedrig 
zu sein. Wir erfuhren von ihm u. a. folgendes; IHe 
Toula lelwn von alters her hier im Gebirge, aber Ver- 
brecher von Hone kommen zu ihnen, um Zuflucht zu 
suchen. Früher verkehrten sie mit den Huginesen nicht 
direkt, sondern triel>en einen geheimen TauschhandeL 
indem sie die Taiischware auf einen von Buginesen be- 
gangenen Weg legten, worauf der Voröborgebeude sie 
an sich nahm und, nach freier Schatzung des Wertes 
jener, eigene Tausebware hinlegte. Sie tbaten das, um 

nicht gefafst und 
zu Sklaven gemacht 
zu werden. Jetzt 
aber geschieht dies 
nicht mehr. Auch 
dem Radja von La- 
montjong wurden 
früher die .\bgal»en 
im geheimen, itu 
Huukel der Kacht, 
vor das Haus gelegt. 
Her Hadja bestätigte 
uns dos, indem er 
sagte, vor etwa 25 
Jahren sei es das 
letzte Mal vorge- 
koiuuieu. 

Zählen kann der 
Halisäo, aber sicht- 
lich mit Mühe, so 
auch kennt er den 
Wert des Gelde«*. 
.Vueh alle anderen, 
die wir befragten, 
können zählen, mit 
Ausnahme eines ein- 
zigen, wie wir noch 
berichten werden. 
Heiraten dürfen sie 
nur eine einzige 
Frau (hier antwortet 
der Haltsäo mit Knt- 
schiedenhcil). Sollte 
einer zwei Frauen 
haben, so nimmt 
man ihm eine weg. 
„I.ögen thun die 
Tonla nicht**, erklärt 
orentschieden. Hitb- 
stabl kam früher 
niemals vor; ^ jetzt 
aber, da die frem- 
Atib. 1. Ein Toäla. den l<eute herein- 

kommen, geschieht 
I ea*'. Krieg führen sie nicht untereinander; aber der 
König von Hone kann sie zum Kriegsdienst aufrufen. 
I Hei Khebrueb wird der Missetliäter von dem beleidigten 
' Khemaimc getötet; gemeiner Mord aber kommt nicht 
I vor. A'cm Monaten und Tagen hat er keine Kenntnis, 
I al>er In-im Pflanzen von Mais und bei ähnlichen ttelegen- 
heiten erfragt er von den Huginesen die Glücks- und 
Hnglückslage. Ärzte haben sie keine, auch kennt er 
nicht den bekannten Raegoianz der Toradjas; dagegen 
haben sie ein Musikinsirumuul. Hiesos liefseu wir uns 
bringen, es besteht ans drei geglätteten und angekohlten 
Holzscheiten, Welche auf die Schenke] gelegt und mit 
j Hoizklöppeln aiigeschlagen werden: eine Art Urganielan. 
; AU Wulfe dienen merkwürdig rohe Keulen, deren dickes. 



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279 



F. o. P. Sarasin: Über die Toäla von SAd^Celebei. 



gedrehte» Vorderende mit zum Teil meeenrartiggeHcharften 
Kiaen«plittem reichlich besteckt ist. Ibese Kenlen dienen 
nicht allein zum Schlagen, soudcrii auch /.um Schleudern. 
!les(»nders gebraucht mau sie gegen Idebe und UäulK*r; 
die meisten sind mit dem Haarbüschel eiues Oschlagenen 
geziert. Pfeil und liegen kennen sie gar nicht, erinnern 
sich auch nicht, je welche gehabt zu haben, ein Punkt, 
worauf vir unten zurüokkommen. Schilde, die dort zum 
Waffenbeatand eines jeden Turadjn gehören, kennen sie 
80 wenig, dats er über die Frage danach lachen inufste. 
Zur Abwehr der Schl&ge dienen ihnen diu Keulen. Auch 
das Blasrohr findet keine Verwendung. Si<bmuck tragt 
er keinen. Als Ancenei dienen gewisse Illftlter. 

Vorzüglich interessant war es uns nun, etwas über 
seine religiöeen Vorstellungen zu Temchmen, obechoii 
wir un» wenig wertvollen Aufschlufs versprachen, da uns 
bekannt war, dafs seit 
langer Zeit ein mohamme^ 
dänischer Geistticher, ein 
sogenannter Guru, unter 
ihnen thätig ist. Wir haben 
den jetzigen kennen ge- 
lernt, einen mohammeda- 
nischen Biigiiicseu , der 
haupts&chliuh die ßogrüb- 
niszerenioniecu zu ver- 
sehen bat; wir erwarte- 
ten also auf Fragen nach 
religiösen Vorstellungen 
Antworten aus dem mo* 
hammoilanischen Kate- 
chismus. Zu unserem Fr- 
stjiunen aber kam cs an- 
der», die .\ntworten fielen 
nacb Art der Wuildas auf 
die denkbar einfachste 
Art aus. Frage: „Wer 
hat die Welt unti dun 
Himmel gemacht?*' .\nt- 
wort: uissaeng“ (ich 

weif» es nicht). „Wenn 
jemand stirbt, wo geht 
seine )^ele hin?" „I>e 
uissaeng." „Weifst du, 
wer Mohammed ist?" „He 
uissaciig." „Opfert ihr 
den Hftmonen (Satans)?" 

„Ja, Sirib, Reis u. a. m., 
um sie um Regen zu 
bitten." «Was stellt ihr 

euch unter ihnen vor?“ «Wir wissen nichts von ihnen, 
aber wir nehmen einen Mann mit , der etwas davon 
versteht, den Ada." 

Kachdom wir noch einige weitere Fragen an den 
Balisdo gestellt, die wir hier übergehen, liefsi'U wir den 
Priester der Toala kommen , eben diesuu d a. Ks ist 
ein alter Mann mit groben Gesichlezügeii , au Küsten- 
weddas erinnernd, der unweit von l.amoutjong ein Haus 
liewnhnt. Sein .\mt ist wie das des IlaUsÄo erblich, und 
wie in letzterem Fall kann auch eine Frau Ada werden, 
wobei jedoch ihr Mann diese Funktion auszufiben hat. \\ ir 
prüften zuerst seine iDtellektuelleii Fähigkeiten und fan- 
deu u. a., dafs er zählen konnte; doch sagte er, dafs 
oben im Gebirge noch welche lebten, die es nicht könnten. 
Höhlen sind seines Wissens keine mehr bewohnt aufser 
den beiden v<m uns gesebonen. Über dast>pfer, welches 
er den Däiuuueu zu bringen hat, teilte er mit, dats er 
mit den opfernden Toala zu einem gewissen Baume gehe, 
von dem er denke, daf.s ein Setau darin wohne, und 




dafs er vor die-sem das Opfer hinlego, in Feldfrücbten 
lind in Fleisch eines .lagdtieres bestehend, welches auf 
einer bosimdors zu diesem Zwecke veranstalteten Jagd 
erlegt worden ist Bas Opfer geschehe, um eine gute 
Krnte zu bekommen. Frage: „Hat dieser Geist einen 
Namen?" Antwort: „Ich kenne keinen Namen dieses 
Geistes; auch meine Kltern haben mir keinen genannt." 
„Hast du den Geist des Baumes je gesehen?" „Kein, 
niemals, auch mein Vater hat ihn nie gesehen." „Ge- 
braucht ihr für die Geister daa Wort nitu oder unitu? 
(eine sowohl l>ei den Toradjäs vonl'elebo» aU auch sonst 
weit herum iin Archipel verbreitete Bezeichnung). „Ich 
kenne es nicht." „Wer bat die Welt und den Himmel 
gemacht?" „Bc uUsaung." „Was wird aus der Seele 
nach dem Tode?“ „l>e uissaeng." „Was ist Moham- 
med?'* „leb habe von ihm reden hören, aller ich kenne 
ihn nicht." Benjenigen, 
welcher mit dom Verhalten 
der Weddas solchen Fra- 
gen gegenüber vertraut 
ist, wird die Übereinstim- 
mung in Verwunderung 
setzen. W io ilmlich klingt 
die Antwort, welche ein 
Wedda auf die Frage gab, 
wer Buddha sei: „Ich habe 
ihn nie gesehen" (iiuser 
Weddawerk, .S. 500). 

Wir geben nur noch 
einiges wenige aus einem 
iVotokoU wieder, welche» 
wir von den Aussagen des 
Toiila l^angkaiila aufge- 
zeichnet habioi, oinos sehr 
scheuen Individuum», da.H 
uus schon l>ei unserer 
ersten I.amontjong-lleiKe 
vom Radja vorge»teIlt wor- 
den war. Nicht ohne 
Mühe, erst nach acht Tagen 
unseres zweiten Anfeiit- 
halts, konnten wir ihn 
wieder zu sehen liekoiii- 
men. Wie wir ihn au»- 
fragten, benahm er »ich 
HO wie der Balisäo, er »ah 
zu Boden und kratzt« mit 
einem Hölzchen in der 
Erde, ja, er war das erste 
Mal »o schüchtern, dafs er 
nur mit ganz feiner Stimme .\ntwort gab. Wir erfuhren 
zunächst von ihm, dafs er noch vor ungefähr einem 
Jahre in einer Höhle gewohnt habe, welche ziemlich weit 
im Innern an einem Ort«, den wir besucht haben, gelegen 
ist. Bärin habe er kein Pfahlgerüst gehabt, sondern 
auf dom Bmlen geschlafen; jetzt aber bewohne er ein 
Hau.» unfern von dem des Radja; alle Toäla, welche 
früher Höhlen bewohnten, verlassen sie jetzt, alle be- 
bauen das Land. „Ganz wilde", also nur von der Jagd 
und WaUlfrüchteu lebende, keunt er keine. Frage: 
„Benkst du, die Toäla und die Buginoseii seien verschie- 
dene .\rten von Menschen?“ Antwort: „Früher waren 
es zwei, an einem t)rt die Toäla, am andern die Bugis; 
jetzt -sind diese aber hereingekommeii, und »ie vormischon 
»ich untereinander." „Lebten früher alle Toäla in Höh- 
len?“ „Ja." „Habt ihr Pfahlgerüste in die Höhlen ge- 
baut oder auf dem Bmlen geschlafen?" „Wir schliefen 
auf dem Boden, wir legten Gras darauf. IHe jetzigen 
Gerüste iu dun Höbleu kommeu von den Bugi» her, von 



» • !■>. 



Stelngerlle ans den Höhlen der Toäla. 

Kiwii der itatärl. Urüfsv. 



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2 «) 



F. u. P. Sarasiu: Ther die Toala von Süd>Celebei. 



denen wir auch lernten , Häuser bauen.'* ^Siud die 
Toala früher nackt ^e^aiigen?** „Nein, nie truf^cn einen 
Sunkeli (Scbamiucb) au.'i weitsem Stoff, dun sie etn- 
tauBcbteu.'* Lauf(kaulu tra^t eben Leibgurt, der aus 
sehr rohem HastsUiff besteht; wir fragen danach: „Dies 
ist der babükeng, um den Hauch einau.Hchnüren, wenn 
icb Hunger habe**, ein Hungerriuinen a]M>. Als Waffen 
dienen Keulen und zuges|)itxte ItandniHae, von Pfeil und 
Uogen, auch vom Hlaarohr hat er nichts gehört. Fuuur 
wird durch Reibon von Haiubusstückun anuinandur b«' 
reitet, was, wie wir gesehen haben, sie in weniger als 
einer halbtm Minute fertig brbgen. Töpfe und hasen 
tauschen sie ein. I>ieserMnnn war nicht im stände, ü1>er 
eins zu zählen; erlachte, wie wir ihn um die 
Zahl seiner F'inger oder von hiugelegten fünf 
Kupfermünzen fragten. „Seua, s6ua, seua**, 
eins, eins, eins, war immer seine Antwort, 
gera<le ko, wie viele Weddas in diesem 
Falle sagen: eka, eka, eka (Weddawerk, 

S, .^27). Frage: „Habt ihr mehrere Krauen 
Antwort: „New, nur eine.** „Was g(‘Kchiuht, 
wenn ihr zwei habt?“ „Dann werden wir 
von den amieren Toaia angefallcii oder wir 
werden gestraft vom Balisäo.“ „Ist Khe- 
Ncbeidung möglicb?’* „Her llalisao kann 
sobeiden.'* „Sprecht ihr immer die Wulir- 
beitV“ Kr antwortet vei'Kcbämt: „Zuweilen 
sagen wir auch ebc Lüge'^, gewif» ein 
Zeichen grofser Aufrichtigkeit. „Stehlen 
die ’loalaV** „Wir wissen nicht, was Steh- 
len ist.** „Habt ihr eine Religion?'* „Hu 
uissaeug.'* Her dabei sitzende Radja be- 
rührte ihn nun mit der Hand und sagte 
vorwurfsvoll zu ihm: „Hu glaubst doch an 
Allah!“, worauf er verschüchtert lispelte; 

„leb glaube.** 

Diese paar .Auszüge aus unserem Tage- 
buch mögen hier genügen, um darzuüiun, 
dafs die Toäla auch in ihrer Krgologiu mit 
dun Weddas, deren Kenntnis wir hier vor- 
aussetzen müasen, und übttr welche wir auch 
auf die neuen Roubachtuugon von Hr. Leo- 
pold Rütimejer verweisen ((ilobus, 

Ud. 83, S. 201 ff.), in hohem Mntse überein- 
stimmen. Sie sind an Intelligenz niedrig, 
fremdenscheu , wahrheitsliebend , kennen 
nicht Raub und DiebsUhl, leben in Mono- 
gamie und haben keine Religion, wenn 
man nicht Spuren eines Uaumdienstes als 
sulche betmcfateii will. Dagegen haben sie 
noch vollstäudig<*r als die Weddas die Kul- 
tur ihrer höheren Nachliarn Hugenmiimen, 
uUe sind buginisiert, während nur der grufsero 
Teil der Weddas singhalisieri oder tamili- 
sieri ist; sie dürften also au Intelligenz 
etwas höher stehen als die Weddas. Wie 
ferner bei den letzteren ihre eigene Sprache voil- 
atäudig verloren gegangen ist, so sprechen auch die 
Toala alle btiginesiscb. Das hat für den Keuner nichts 
.\uffallendes; denn es ist festgestellt worden, dufs unter- 
worfene niedere Menschenstämme die Sprache ihrer hö- 
heren Unterdrücker verbäUniHmäfsig rasch und voll- 
ständig arinehmen , wobei sie ihre eigene vergessen. 
So ist OS z. It. bei den Weddas von t'eylon, bei den Pri* 
märstfimmen von Vurdorindien, bei den Negritos der 
Philippinos der Fall. Darum ist die Linguistik eiu un- 
zuverlässiger Führer in anthropologischen Fragen (Wed- 
dawerk, S. 576). Dazu kommt, dafs die Toäla au Zahl 
aufs äufserste zusumtnengeschmolzeu sind; es gebe, so 



sagte man uns, noch gegen hundert Individuen im I^a- 
moutlonggebiete. Viele sind ausgestorlien, viele halKjn 
das Gebiet verlassen. Früher alter war l^amontjong 
nichts anderes als eine grofse Höhlenstadt der Toäla. 

Die Weddas haben wir zum Teil noch als ein reines 
Jägervolk angetroffcn mit Dogen und Pfeil als Haupt- 
gurät; diu Tuälareste dagegen, welche w'ir zu sehen l>e- 
kamen, loben alle vom Ackerbau und wissen nichts ntehr 
Voll Bogen und Keil. IHcse Lücke vollständig auszu- 
füllen, 1>egüustigte uns ein hoher Glucksfall. Den Boden 
der von den Toaia früher bewohnten Kalksteinböhlen 
nämlich fanden wir mit einer durohschnittlich 0,5 bis 
1 m mäclitigen Schicht von Holzasche bedeckt, in welcher 
wir solgleich .Ausgrabungen Vornahmen; 
diese führten zu folgendem Krgebnis: Schon 
ein Ih'cimeter unter derOberRäcbe fand sich 
eine Menge von .Tagdtierknochen, zum Teil 
dichte Lugen bildend, deren Untersuchung 
für die Säugetiergesebiebte von Süd-Colcbes 
wichtig werden wird, und mit diesen ver- 
mengt ebenfalls in grof.ser Menge grötsere 
und kleinere Splitter v<m Feuerstein und 
verwandten, dem dortigen tiebiut fremden 
GeKtein.'iHrien, teils obtie Form, teils alter, 
und zwar überwiegend, zu den für die 
palüolithiscbo Steinzeit cfaarakteriKtiKcheii 
Messern, Schaliern und Lanzenspitzeii ver- 
arbeitet; ferner bildeten einen besonders er- 
freuliclieii Fund Pfeilspitzen in gmfser Zahl, 
deren Rand durchgehunds mit .Sägezahuen 
verNehen Ut; es sind teils gröfsere, teil> 
aber ganz kleine, feine Spitzeu, auch diese 
letzteren mit zierlich bezäbntt'm Rande; und 
neben diesen ge.sägt-randigen fanden wir 
solche mit nach hinten auslaufenden Wider- 
haken. und diese meist ohne Zähiielung des 
Randes. IMu hier beigefügtu Abb. 2 (S. 270) 
erspart für jetzt weitere Beschreibung dieser 
(iegenstände. Ferner fanden sich doppelt 
zugcKpitzte Nmleln aus Holz oder anderem 
St<iff in Mehrzahl. Tupfscherben fehlten 
in einigen Höhlen ganz, in anderen waren 
sie uburnächlich vorhanden, offenbar durch 
Tausch erworben, wie auch ein paar von der 
Küste stammende Muscheln. In einer Holde 
fanden sich unter den zerhackten Knochen 
des .lagdtieres die ebenso ziigericbteten Ge- 
beine eines menscblichen Skeletts. 

Damit ist auf einmal folgendes nach- 
gewiuseii: Diu Toäla sind diu AutochtboueO 
von C'elobos, die ursprünglichsten Bewohner 
der Insel. Sie waren Höblenbowohner und 
lebten von der Jagd mit Pfeil und Bogen. 
Ihre Jagdgeräte und sonstigen Werkzeuge 
gehörten der paläolitbiseken Steinzeit au 
Von nuolithischcu oder polierten Stein- 
geräten haben wir in keiner der untersuchten Höhlen 
auch nur ein einziges Stück gefunden; diu Toäla 
kamen als Paläolithiker unmittelbar mit der Kisetizeit 
in Berührung, welche ihnen erst im Laufe der letzten 
Jahrhunderte von der Küste her durch die Buginesen 
entgegengebracht wurde. Kiue, letzte Spur aus der 
Steinzeit fiudun wir noch in den merkwürdigen Wurf- 
keulen der Toäla. wie wir eine hier abbildeu (Abb. 3). 
Sie erscheinen seltsam mit Kisensplittern l>e<leckt. die 
offenbar au Stelle der ursprünglichen Feuersteinsplitter 
gutruteu sind. Unser hochverehrter Freund, der Gou- 
verneur Baron van HoevetI, bat unlängst an einem 
anderen Ort von t vlebes. bei Putigkudjeue, einen sehr 




Abb. 3. 

Kenle der Toäla, 

, >lrr nullirl. (iiüfns. 



E. KorstemauD: Zu«aniTnctihani? zweier Insohriften vuii Pale&que. 



2A1 



njerkwürrligen Fand ^etbau: er «ah eine eigene Art von 
Humeran^ im Gebrauch, worüWr eine Abltandluiig von 
ihm im Inientationulen Archiv für Ktbnologie nichbtens 
«nicheinen wird. S>lIUm die.se noch aua der TotilaKeit 
atammcn? Aber die von unt> darüber Wfragteu Toalu 
wutatcD davon ebenito wenig wie von ihren uroprüng' 
liehe» Steingeriten, welche nie gleich ihrer Sprache voU- 
«tändig vergessen haben, obachon sie dort zum Teil noch 
heutzutage oder wenigstens doch noch unlAngst in den* 
aidlKtn Hohlen, auf demaelbmt Asebenboden wohnen, 
welcher dicht unter der Oberfläche von den Mteinnrnon 
Pfeilspitzen und Mee^icm reichlich durchselzi Ut. 

Ide ToaU in Süd-Celebee stehen jedoch nicht allein 
da, vielmehr fanden wir auf unseren Reisen in ZenirHl* 
Celel>es unter den Sklaven der Toradj,as des Innern und 
der Huginesen der Küste Men-'chen von kleiner Statur 
und nicMlrigem Tjpua, weiche aus den unbekannten Ge* 
birgen von Zentral-rdebes geraubt waren und tinver- 
kennl»ar den ToälaHtem{>el au sich trugen. Wir wenlen 
8{Ȋter durch die Wtedergalic der von uns uufgenouimeuon 
Idchtbilder und unserer Aufzeichnungen diesen Satz be* 
weisen. Kine Toidaachicht bildet In ganz Celebes die 
primitive Grundlage der Bevölkerung. Pamuf folgten 
die Toradjastämme von Zentral-Celebea (vielleicht von 
Borneo her), Ober welche wir uns sjiäier äufaeni werden. 



endlich die Buginesen, w'clche noch in der Gegenwart, 
von Süd-Olebe« ausgehend, an den TerschiedouBton Stellen 
der Küste der Insel ihre Kolonioen anlegen. Oahei lasKeu 
wir einstweilen die Frage unberührt, ob die Buginesen 
(und Makassaren) teilweise aus Toradjastämmen hervor* 
gegangen sind oder in ihrer (iesaintheit eine neue In- 
vasiunsschicht darztelleu. Vielfache Vermischung mit 
den ursprünglichen Toäla, besondora gegen das Gebirge 
zu, läfst sich deutlich erkennen. Eine alte, der der To* 
radjas entsprechende Besiedelung, wahrscheinlich von 
Norden her, bilden die strafihaarigen, mongoloiden Mina* 
hazsur. 

Durch den Nachweis der Toäla auf Celebes, zu denen 
doch güwiCs auch die Kubus auf Sumatra und ähnliche 
Formen zu zählen sind, erhält Kollmaiins Anschau- 
ung von der aufserordentlich weiten, viuUeieht globalen 
Verbreitung kleiner Priiiiärstämme, in Beziehung auf 
den indo-australischen Archijwl eine feste Stütze (vergl. 
Globus. Bd. 81, S. 325 fl., 1902). 

ttbige Aiifziuchnungen mögen als fragmentarischer 
Vorbericbi einer Darstellung der Toäla und eines sich 
damuschlietsonden nntbropologiscbon Entwurfes von (.'e* 
lebvs dienen, welcher in unseren Materialien zur Natur- 
geschichte Tun Celebes spätorbiu crBcbeinen soll. 



Zusammenhang zweier Inschriften von Palenque. 

Von K. Forste mann. 



Die Inschriften der beiden Tempel des Kreuzes 
(I u. If) und der Sonne zeigen eine sehr groTse ÄbnUch* 
keit. Ihre Mitte wird eingenommen von einer heiligen 
Handlung, die von einem I'ricster und seinem (tehülfen 
vur dem Lcbensbauui oder einem ibn vertretenden Ge- 
bilde verrichtet wird; rings um diese Handlung ist eine 
Anzahl Hieroglyphen in anscheinend zufälliger Ordnung 
verzeichnet. Das rechte und linke Drittel aller drei 
Inschriften wird von je vier oder sechs Ilieroglyphen- 
kolumnen eingenommen, deren jede aus 16 oder 17 
S<-hriftzeicheu besteht. 

Ganz besonders grofs aber ist die Ähnlichkeit zwi- 
schen den beiden ersten Kolumnen der rechten Seite in 
der loocbrift des Kreaztempels II und des Sonnentempels, 
worauf ich schon 1899 im Globus, Bd. 76, Nr. 11, S. 178 
bis 179 kurz hingedeutet habe, im folgenden aber naher 
eingehun will. 

Ich schicke noch voraus, dats ich in der Kreuz- 
iiiicbrift H die Kolumnen des linken Teiles mit A bis 
D, die vereinzelten Hieroglyphen der Mitte mit K bis K, 
die Kolumnen des rechten Teiles mit L bis O bezeichne. 
Dem entsprechen in der Sonneninsebrift links A bis D, 
in der Mitte K bis N, rechts O bis R 

Die nähere Übereinstimmang beginnt in beiden In- 
schriften schon im linken Drittel, bei der Kreuzinschrift 
II in D 14, bei der des Sonnentempels in C 14, also fast 
au derselben Stelle. Zwei Zeitpunkte, von denen der 
zweite in beiden Inschriften gleich ist, sowie die zwi- 
schen beiden liegenden Zeiträume beginnen die Kcilie 
dieser Übereinstimmungen, nur mit dem Unterschiede, 
dafs im Kreuztempel II Zeitpunkt, Zeitraum, Zeitpunkt 
ohne Unterbrechung aufeinander folgen, im Sonnentempel 
aber der Zeitraum zuerst steht, dann vier Hieroglyphen 
(D 16 bis 0 2) und nun erst die beiden Zeitpunkte folgen. 
Ich werde im folgenden jene Inschrift als die erst*', diese 
als die zweite bezeichnen. 



Den ersten Zeitpunkt der ersten Inschrift (D 14, C 15) 
müssen wir der folgenden Rechnung gernäfs so lesen: 

1 17, 13j 11 (11 muluc). 

1>as würde, den Jahresanfang, wie cs gewöhnlich ge- 
schieht, auf den 16. Juli gesetzt, den 13. Februar be- 
/.eichneo; der Grund, weshalb dieser Tag gewählt ist. 
bleibt uns noch verimrgen; die Wahl des Tages 1 17 ist 
dagegen natürlich, da dieser Tag (s. meinen Kommentar 
zum Dreadensis, S. 51 bis 52) eine b<>BOudere Bedeutung 
ala Anfangspunkt der astronomischen Zeitrechnung hat. 
Sehr auffallend ist dagegen, dafs der 11. Uinal durch- 
aus nicht mit einem gewöhnlichen Zeichen angegeben 
ist; wir finden dafür in C 15 einen Kopf, gewifs den de« 
Moan. Dieser aber bezeichnet den dreizehnten 28tägi- 
gen Monat, von der Frühlingsnachtgleiche al» Jahres- 
anfang gerechnet, und dieser fallt in der That grofsen- 
teils mit dem II. UiniU zusaiumun. Ihmi Moan aber 
gebührt die Zahl 13; s. Globus. Bd. 65 (1894), S. 246. 

Als ersten Zeitraum der ersten Inschrift finden wir 
in D15 bis 1)17 die Zahl 1060996 angegeben, die auf 
einen in fenier Vergangenheit liegenden Tag hinwuist, 
dessen Wahl noch nicht ergründet ist. Dann folgt in 
L5f 1 das zweite Datum 

1113; 14, 8 (6 kan). 

Das würde vom 16. Juli aus auf den 16. Itezember, 
also ungefähr auf die Zeit des kürzesten Tages weisen. 

Nun ist 1060996 4080 .260 i 196 r= 2906 . 

365 .f 306. 

Ebenso 117 bis II 13r= 196; 13.11 bis 14,8 = 306. 

Das stimmt vortrefflich. 

Wir betrachten nun das Entsprechende der zweiten 
Inschrift: 

(' 14 bis (' 16 die Zahl 1388996, iu den drei lutzien 
Ziffern auffallend zu der entsprechenden Zahl der ersten 

36 






Olobu. LXXXIII. Sr. 1«. 



^roogle 




282 



£. Fnrttemann: ZuHammenbang zweier InRehrifien von Palenque. 



ln:>tohrift Atimmond, Ton ihr um 828000 abweichend, in ' 
ihrer Höbe wahrHcbeinlich auf die Gegenwart, die Knt- ' 
ateliungszeit der Inschrift weiM:ind. IbeN« Gegenwart I 
der Mayalitteratur liegt aber zwischen den Tagen 13&0000 
und 1450000. 

I) 16 bis 0 2 die oben ei'wähnten vier Hieroglyphen, 
in ihrer Bedeutung noch unbekannt, wohl auf die Wich- 
tigkeit des nun erst folgenden eraten Zeitpunktes hin- 
weisend. 

r 2 !)is (> 3 das Hatum IV 17; B, 18 (9 ix) gleich dem 
28. Juni, der gtmöhnliche Anfaugt«punki geschtchtUcher 
Zuitrccbnuiig. 

PS, ein Kopf mit dreieckig gefeilten Zähnen des 
Oberkiefers, wie er gewöhnlich (so auch in dieser In- 
schrift H6 und f> 14) die Dauer von zwanzig Tagen be- 
deutet. Was das Zeichen hier soll, ist mir noch unbe- 
kannt. 

Op 4, das zweite Datum II 13; 14, 8 (6 kan), genau 
dasselbe, wie das zweite der ersten Inschrift. 

Die Übereinstimmung zwischen Zeitraum und Zeit- 
punkten ergiebt sich so: 

138899G — 5342.260+ 76 = 3804.365 + 171. 

Kbenso IV 17 bis II 13=76; 8, 18 bis 14, 8= 171. 

Nun folgen in der ersten Ingchrift von L2 bis 1.5 
sieben, in der zweiten von O 5 bis O 7 fünf Schriftzeicheu. 
Davon sind zwei, übrigens einander ähnliche, in beiden 
Inschriften gleich, nämlich I. 2 = 0 5 und L3 = 0 6. 

Eine Beziehung scheint zu bestolien zwischen M 4 
der ersten und P 6 der zweiten Inschrift. .Tenes Zeichen 
ist eine liegende Porson, dieses ein kleiner Kopf, worunter 
eine Figur, die eiuem Schachbrett ähnelt. Wir finden 
l»eide Zeichen einander benachbart bei Maudslay, table 
60 .V 9 und B9, sowie K 10 und F 10, iable 61 F 6 und 
K7. table 62 115 und A6, table 82 N 10 und 010. 
Dagegen wie in unserer Stelle di«> liegende Person allein 
in table 61 Kl, table 82 D2, C6, den Kopf mit dem 
Schachbrett in table 60 D 12, table 61 N 5. irmt trotz 
dieses auffallenden Verbaltons ist die Bedeutung beider 
Zeichen noch uiiergründet. 

Die übrigen dieser Zeichen lassen keine Beziehung 
zwischen beiden Inschriften erkennen, so in der ersten 
M 2 (die greifende Hund), M 3 (ganz ungewöhnlich), 1. 4 
(ein Götterkopf). L5 (vielleicht der siebente Uinal), in 
der zweiten P5 und 0 7, beide auch Honst l>egügnend 
und beide in R9 und B 7 wieder nahe aneinander wieder- 
kehrend. 

Ks folgt nun wieder eine geuaue rboreinstimuiung 
Imider luschriftcii, niimlich von M5 LG der ersten und 
P 7 0 8 in der zweiten, in dom Datum 
HI 14; 15. 8 (6 kau). 

Da» ist der unmittelbar auf das oben verzeiebnote 
Datum folgende Tag. vielleicht eboiiiui auf das Winter- 
Nolstitium hinweisend, vielleiehi als eine Art Schalttag 
das rituelle 364-Jahr zum bürgerlichen 365-Jahr cr- 
hulicDd. 

llierau «chltefHen sich nun neun Schriftzeicheu gegen 
elf in der zweiten Inschrift. Da die vorige Gruppe sieben 
in der ersten, fünf in der zweiten zählte, so sind cs 
zusammen Michzchn in jeder, was vielleicht nicht Zu- 
fall ist. 

Von diesen Hieroglyphen der zweiten Gruppe stim- 
uieii nicht weniger als acht in beiden InM^fariften über- 
ein, und zwar in beiden tu dersellmn Reihenfolge: 

1, M6 = P8, ein menschlicher GreisenkopF, an- 
scheinend mit einer Mütze bedeckt. 

2. M 7 T= P 9, ein Götterkopf, im Munde wohl einen 
Stein haltend; aus dem Schädel erheben sich Flammen; 
dieses Bild ist in den Inschriften von Palenijue nicht 



selten, so im lnsohriftentem{>ul ph 62 S9, in der Kreuz- 
insebrift 1 T5, in der Krouzinsebrift II K8, iin Sonnen- 
UrmjKd auch O 16. Kriimurt das nicht an den Ausbruch 
eines Vulkans? 

3. L 8 = O 10, ein unbekanntes Zeichen. 

4. M8 = PIO, jene Faust, die wir ini InscfariftoD- 
temf>et von Palenque so oft am Anfang von scheinbaren 
Gobetsfonneln fanden, s, Globus, Bd. 75, S. 78 bis 79 
(1899), uud die auch wohl in der Hieroglyphe des Gottes 
B verkommt. 

5. L 9 = 0 12, Jener Götterkopf mit di‘cieekigeu 
Oberzähnen, den wir schon in der zweiten Inschrift P3 
erblickten. 

6. M 9 (wiederholt in I. 14) = P 12, anscheinend ein 
Vogclkopf mit geöffnetem Schnabel, darüber als Sujierfix 
dos gewöhnliche tk-ben, also etwa ein 28 tägiger Monat? 

7. li 10 = O 13. ein gewöhnliches Zeichen, da*i wohl 
die Berührung zweier Zeitperiuden anzolgt, darüber die 
Zahl 3. 

8. MIO P13, die einen Fisch haltende Hand, 
wclclip wir aus Palenqne in der Kreuzinschrift 1 U9, in 
der Kreuzin»ehrift II auch C9 (wo sie vielleicht 20 Tage 
bezeichnet), aua Piedras Negras h<<i Maler, pl. 29, \ 4 
gera<lezu uu Stelle von 20 Tagen finden. Diese Hiero- 
glyphe schliolbt hier die ganze Grupixi. 

Nicht übereinstinimeiid ist also in dieser Gruppe nur 
ein Zeichen der ersten Inschrift, nämlich L7, in der 
zweiten .Stelle, ein Götterkopf, vielleicht mit ausgeetreckter 
Zunge. 

In der zweiten Inschrift sind es drei Hieroglyphen: 

1. An zweiter Stelle (zwischen den obigen Nummern 
1 und 2) in 0 9 eine greifende Hand mit kin darunter, 
vielleicht das Zeichen des Westens. Ganz ähnlich fanden 
wir es in der ersten Inschrift iu M2, gleichfalls an 
zweiter Stelle der ersten (Truppe. 

2. An si’chstcr Stelle (zwischen den obigen Numtnem 
4 uud 5) in 0 1 1 ein sehr auffallender, sonst mir kaum 
begegneter Götterkopf. 

3. Dicht dahinter iu Pll ein menschlicher Kopf, so 
dafs hier mit den lieiden ol>en erwähnten 0 12 und Pl2 
vier Köpfe binteieinander folgen. 

Mit der ol>on erwähnten, einen Fisch haltenden Hand 
hört iu deu beiden luRchriften der Zusammenliang gleich- 
inätsig aufeiuaudur folgender Schriftzeicben auf. Ich 
kann aus dem Schluta beider Insebriften nur einzelne 
wie zufällig zwbchen die übri^n Hieroglyphen gestreute 
Zeichen erwähnen, die ich nach der ersten Inachrift 
ordne, während sie in der zweiten nicht nach der Reihe 
folgen. Ich finde sechs solcher Gleichungen: 

1. L 15 = <M5, also fast au derselben Stolle in b«t- 
deu Inschriften, ein ganz unbekanntes Zeichen. Ks er- 
innert dasselbr einigermafaeu uu die Hieroglyphe, der 
ich in meinem Kommentar zur Dreadeuer Handschrift, 
S. 115, die Bwleutung der Dauer von 73 Tagen, einem 
Jahresfflnftel, betzulegen versuchte, welches Zeichen ich 
übrigens wenigstens sechsmiil auch im Tro-Cortesiamis 
finde. 

2. O 3 — H 9, dasselhe unbekannte Zeichen, welches 
wir schon aus P5 der zweiten Inschrift erwähnten. 

3. N 4 und 13 = Q9, ein ganz übereinstimmetider, 
auch mit demselben sehr zusammengesetzten Präfix ver- 
sehener Götterkopf, über den vielleicht ein Tigerfell ge- 
zogen ist wie in den Hnndscbrifteii liei den als ('haca 
verkleideten Priestero. 

4. 09 = RIO, gleichfalls ein nicht näher bestimm- 
barer Götterkopf. 

5. (>10r= P6, jene olwu orwälinte, eitlem Schach- 
' brett ähnliche Figur mit hinzugefügtem meuachUchem 



Diu; 






FöriteniaDu: ZueauimonhuDK zweier lusehriftoD vou l'aluui|ue. 



Kopfe. Tu der ersten Inacbrift finden wir dicht daneben 
auch meinen gewöhDlicheii Begleiter, diu liegende Person. 

6. N 1 1 = P 9, in der ernten Stelle mit hinzugefügtem 
ahau. lui übrigen Kuben wir diesen an eineu Vulkan 
uriuneniden Kopf acbon oben mit dem Zeichen M7 der 
erbten Inschrift zusanimengeMtelli. 

Nun finden sich noch, gerade am Scbluls der dritt* 
letzten Kolumne buidor Tnsehrifteu (M 17 in der erstmi, 
P IG in der zweiten) mehrere Zeiträume und Zeitpunkte 
angegeben, deren Betrachtung sowohl für die einzelne 
inachrift anziehend ixt, als auch auf den Zusammenhang 
beider ein Licht wirft, das freilich zugleich auch den 
Ausblick atif immer neue Ratxel eröffnet. 

ln M 17 Ol der ersten Iii«H:hrift ist ein Zeitraum 
▼on 177G4 — 68.2G0 i 84 = 48.366 f 244 Tugen 
verzeichnet. 

hem entsprechen in P16 bis RI der zweiten In- 
-•ichrift 52803 Tage = 203.260 ^ 23 = 144.366 t 
243 oder 204.260 *- 237 145.365 — 122. 

Ilierlmi füllt zuerst die 244 der ereteii gt'geiiübcr 
der 243 der zweiten Inschrift auf; das eriuneri an das 
schon oben erwähutu Verhältnis zwischen den 364- und 
den 3G5-Jabren, den« es ist 364 — 243 = 3G5 — 244 
= 121 . 

Zweitens ist die hifferenz beider Zeiträume 35039; 
das sind 95 365-Jahre, vermehrt um ein 364-Jahr. Dar 
95 werden wir, vielleicht nur xufällig, noch spater he- 
gugiion. 

In der zweiten Inschrift folgt nuu uumittelliar in 
QR2 das I>utum XII 17; 8, 12 (7 ix), dem iu der ersten 
nichts entspricht. ist noch rätselhaft; ich bemerke 
vorläufig nur, dnts von ihm bi» zu dem Normaldutum 
IV 17; 8, 18 (9 ix) 10340 Tage verlaufen, has sind 
aber 39.260 -f 200 oiler 28.365 -r 120, welche run- 
den Zahlen zum Nachdenken aiiffordern. 

Nun crschuint ui NO 6 der ersten liiechrift das l>a- 
tum VIII 7; 3, 17 (12muluc), in der zweiten nichts Knt- 
»prechriides. Und doch weist gerade die.ses Datum wun- 
derbar auf den Zusammenhang lieider hin. iHtnn iu 
dem mittleren Teile Iwidcr Inschriften, in der N&he der 
Opferhandlung, begegnet genau dasselbe, in der emtcu 
in E 1, 2, in der zwetion in MN 1, beide Male dicht vor 
den beiden Hieroglyphen, die iu den Inschriften öfters 
dun Schlufs nnznzeigen scheinen, und mit denen z. B. 
die Kreuzinschrift 1 KchHefst Vielleicht iat es auch 
nicht Zufall, dats VIII 7 und das letzte Dutum der ersten 
Inschrift, VIII 17 genau ein Tunalamatl in zwei Il&lftou 
teilen. 

Die zweite Inschrift hat nun iu QRG das [>atum 
IX 20; 6, 6 (9 cauac). Und da ist es merkwürdig, dafs 
auch dieses Datum »ich in dem mittleren Teile der In- 
schrift in KF 1 wiederholt. 

Nuu füllt auch oiuigcB Licht auf das vorige Datum 
derselben Inschrift XII 17; 8, 12 (7 ix). Von diesem bis 
zu dem neuen Datum sind nämlich 41 Jahre weniger 
122 Tage, alzo 14843 Tage. Ziehen wir diesen Zeit- 
raum TOD jenen 52803 Tagen ab, den wir in P 16 bis 
Rl fanden, so ergiebt sieb als Rest 37960, jene merk- 
würdige Zahl, auf die ich in meinem Kommentar zum 
Drusdensis, S. 63, 109 bis 111, 118, 143, 165 immer 
von neuem hingewieson habe, jene Zalil, in der sich 
Tonalauiatl, ^onnenjafar und Veuusjahr begegnen, denn 
sie ist = 146.260, 104.365, 65.584. Das kann nicht 
Zufall sein, und das Wichtigste ist dabei, dnfs nun auch 
das aus dem Dres^leusia bekannte Venusjahr in einer In- 
schrift als bekannt aufgefuuden ist Sehr gespannt 
kann mau also darauf sein, was für eine Bedeutung einst 
in den Hieroglyphen Q 3 bis R 5 erkannt werden 

wird. Ich mache besonder» auf Q 4 und K 4 anfmerk- 



2H3 

sam. Davon ist (j 4 ein höchst eigeutünillches Zeichen, 
das mir nur noch aus der Kreuzinschrift I V 15 begeg- 
net ist, während R4 mit den dreieckigen Zähnen sich 
schon in P3 zeigte und auf die 20 tägige Periode biu- 
xudeuten scheint 

Mathematisch selbstverständlich Ist es nun übrigens, 
dafs vom 'l'agu XII 17 bis 1X20 23, vou 8, 12 bis 6, 6 
243 Tage verlaufen, wie 52803 — 203.260 • 2.3 = 
144.366 i 243 ist 

Weiter bat die zweite Inschrift in QRll den Zeit- 
raum von 2217 Tagen. Ich lese nämlich in Q 11 nicht 
18, obwohl so die Zeichnung und auch der Abklatsch 
vont'hanmy hat, sondern 17. Wir werden gleich sehen, 
dafs sich nur die 2217 mit den l>enachbnrten Daten 
und Zeiträumen in Verbindung bringen läfst 

Hierauf fidgi uniuittelbar in (JR 12 das Datum 
113; 19, 4 (diuuluc). 

Von diesem Dalum rückwärts bis xtim vorigen 
1X20; 6 6 (9 cauac) 

sind aber 6 Jahre und 27 Tage (2190 • 27), also ge- 
rade 2217 = 8 . 260 i 137=^ 6.366 i 27. 

Wir kommen jetzt wieder zu einem Zusammenhang 
zwischen l»eidcu Inschriften. Die erste hat 

0 13 N 14:604 = 2.260 -f 84 =^ 36.5 ^ 239, 
die zweite dageg<M) 

QR 14: 532 = 2.260 t 12 = 365 j 167. 

Beide fallen zunächst durch ihre Kleinheit gegenüber 
den anderen grofsen Zahlen auf, dann durch ihre ähn- 
liche Höhe; sie erinnern an die 542 in der Kreuzinschrift 1 
C 6. .\uch scheint ein dunkler Zusammenhang zwischen 
beiden zu bestehen, denn 84 — 12 ist = 239 — 167 
= 72. 

Eben.so mufs eine Beziehung zwischen diesen kleinen 
Zeitränmen und den in derselben Inschrift vorhergehen- 
den gröfsuren vorhanden sein. l>eiin wir haben in der 
oralen Inschrift 

M 17 Ü 1; 17764 = 68.260 4 84 = 48.365 ^ 214 

013N14: 604 = 2.260 t 84= 365 - 239 

Diflereiiz: 06.260 47.365 | 5 

Hier fällt die »ich wiederholende 84 auf, und sowohl 
diese als die 5 werden wir uneUher wie<lerfiudeu. 

In der zweiten Inschrift steht 

VR 11: 2217 = 8.260 \ 137 = 0.365 \ 27 

= 5 . 365 i 392 

QR14: 532 = 2.260 4 12 

__ = 4.365 167 

Difiorouz: 6 . 2GU | 125 = 365 i 225 

Hier ist der Abstand von 125 und 225 um gerade 
100 auffallend. 

Da» letzte nun folgemle Datum in der ersten In- 
schrift ist 

N 15: VII! 17; 8, 2 (8 ix), 

da» sich übrigen» genau so in der zweiten C 1 wieder- 
fiudet. 

Stullen wir daneben 

LM 1:11 13; 14, 8 (G kan), 

so finden wir den Abstund von 6 kan bis 8 ix als zwei 
Jahre = 730 Tage, den von 14. 8 bis 8, 2 als — 126. 
K« ist aber 730 — 126 gera<ie die in 013 N 14 ver- 
zeicbiiete 604, so dafs diese nur den Zeiiverlauf zwi.<<chen 
jenen beiden Daten aiisdi'ücki. 

Nun sioheti ferner II LH und Vlll 17 wieder um die 
oben erwähnte 84 voneinander. Von 14, 8 bi» 8, 2 »ind 



/ 

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2M 



KbcrliHrd v. Schkopp: Zwergvölker in Ktiinirrun. 



aber 239 mul dietsc zu deu bei M 17 bis () 1 er- 

wa)int«n 244 gehalten, zeigt sich wieder der oben er- 
wähnte Abataiid von 5. 

Sehen wir auf den Zeitraum zwischen dem ersten 
Itatuni dieser Inschrift 

I) 14 C 15:1 17; 13, 11 (11 muluc) 

und diesem letzten, so verlaufen von II muluc bis Hix 
17885 Tage 49 Jahre, von 13, 11 bis 8, 2 — 185, 
also im ganz4ui 17700 Tage = (»8.260 f 20 = 48. 
365 * 180. l)ic 20 bezeichnet die Entfernung von 
1 17 bU Vlll 17. Es mag sein, dafs diese 177ÖO in 
oiuLT Reziebüug zu der 17 764 von M 17 0 I steht. IHe 
ftberschüssige 64 erinuei*t an den Abstand von II 13 
(LMl) und 117 a>14). 

ln der zweiten Inschrift sehen wir als letzten Zeit- 
punkt 

U 14, y 1.5:XII1 17; 18, M (lükauj. 

WuUteii wir lüor verfahren wie bei <ler ersten In- 
Schrift und dieses I>utum zu 

OP4:II 13; 14, H (6 kan) 

stellen, so gäbe das kein brauchbares Resultat. Denn 
6 kuu bis lükun sind 4 Jahre ~ 1460, von 14, 8 bis 
18, 14 verlaufen 124 Tage, der Abstand ist abo 1584 
= 6.260 * 24 = 4.365 124, worin böcbsteiia der 

Unterschieil 100 zwi.scben 24 und 124 zu beinurken 
wäre. 

Vielleicht kommen wir etwas weiter durch Anknüpfung 
an den auf OP4 fotguudcu Tag: 

P7 08: III 14; 15, H (fi kan), 
liier betrugt der Abstand bis 1114 Q 15 nur 1583 
= 6.260 ■ 23 = 4.365 - 123. 

EriDnern wir ans nun an 

P16 RI: 52803 = 203.260 ^ 23 = 145.365—122, 
so stimmt die 23 gut, der Unterschied zwischen 123 und 
122 mag irgendwie auf dom zwischen dem rituellen 364- 



itnd dem bOrgerlichmi 365-Jalirn beruhen, die schon 
oben in diese Inschriften hineiuzuspiulou Kcbeiuen. Irb 
erinnern z. H. an die oben durch Rochiiung gefundene 
Zahl 35039 = 95.365 > 364. 

I drittens verbinde ich diesen letzten Zeitpunkt der 
Inschrift mit dem ersten derselben, di^m Normaldatum 
P2 03: IV 17; 8, 18 (9 ix). 

Hier sind 9 ix bis 10 kan = 14 Jabre = 5110 Tage, 
von 8, 18 bis 18, 14 aber — 70 Tage, im ganzen also 
,5040 = 19.260 i 100 = 13.365 - 295, wo witsler 
die schon mohrfarh Injobachteten DÜIerenzen 5, 95 und 
100 durchblicken. 

Der letzte Heweis für den /uHummenliaug beider In- 
schriften findet sich in der fünfzelmteu Stelle der letzten 
Kolumne von beiden, in 0 15 der ersten, in U 15 der 
zweiten, wo ]ndcsinal eine grofse Zahl vorkouimt. 

In O 15 ist es 93600 = 360.260 = 256.365 | 
160, in U 15 ist es 72000 = 276.260 — 240 = 197 
. 365 -{ 95, wenn mau nicht den Kopf ab 360, aUo das 
Ganze als 3600 aunehen will. Ibir Sinn dieser Zahlen 
Hegt iin Dunkel, ebenso wie die vier Zeichen, die in der 
ersten, und die zwei, die in der zweiten Inschrift auf 
diese Zalilcn folgend das Ganze beendigen, ohne irgend 
etwas Übereiustiiuinondes zu enthalten. Doch itemerke 
ich, diifs 93600 — 72 0ÜO = 21 600 ist, also 3 katun 
von je 7200 Tagen; jene Zahl umfafst 13, diese 10 kalu». 

Zuletzt aber, und das ist wohl das Merkwürdig^^te, 
ist noch zu Winerken, dals die KutatehungKdatcu beider 
Inschriften nach meiner Ansicht folgeude sind: 

1. VI17; 13, 16 (Tmulac) = 1427480. 

2, V3; 19, 15 (7 muluc) = 1427466. 

Danach fallt also die zweite Inschrift nur vierzehn 

Tage vor die ernte. Für beide balw ich lu meinem Auf- 
sätze, „Ihir zehnte (’yklus bei den Mayas**, da* Jahr 
1498 unserer Zeitrecbiiung als Jahr der Entstehung nn- 
gcu<»inmeu. 



Zwergv^Hker in Kamerun. ! 

Von Eberhard v. Schkopp. Bcrlia. 

Südlich vom Sanagaflufs innerhalb des Urwaldes, der 
sich in einer Breite bis zu 300 km längs der Küste 
Kamenms hinzieht, leben zwischen deu ansässigen Ba- 
koko.stämraen Zwergvölker, ln den Land-schaften Yabi, 
Dogutoinen, Ndogenbos*ol, Bassa und Solby des Bakoko- 
gebietes liabeu sie abseits von den gewöhnlichen Pfaden, 
im Urwalde versteckt, ihre Lagerplätze. 

Die Ha ko o<ler „kvirze Memchen“, wie sie von den 
umwohnenden Negern genannt werden, erreichen eine 
Höhe von 1,50 m. Sie sind von gedrungener Gestalt, 
muskulös und sehuig. Bartlos wie die meisten Schwarzen, 
unterscheiden «ie sich in derGesichtabilduqg doch merk- 
lich von den übrigen FiiigeborciieD. Der runde, unver- 
bältnisniärsig grofse Kopf, die niedrige, bervortreteude 
Stirn und die kleinen, tief in den Höhlen liegenden .\ugen, 
dazu der blCkle Blick, schnialu Lippen, acblechte, unge- 
sunde Zäbue, grufse, abstehende Uhren: alles dies erweckt 
den Eindruck, data man es mit einem degenerierten Volke 
zu thxin habe. Scheu und zurückhaltend in tbrem Wesen, 
kommen sie mit den Bakoko nur selten zusammen und | 
meiden ganz besonders ängstlich die Begegnung mit [ 
Europäern. Ihre Hauptnahrung besteht aus Fleisch, i 
das der Urwald iiiueu reichlich liefert. Sie treiben das 
Wild gegen aufgespannt« Netz« und töten es daun durch [ 
Speerwürfe oder Mes'^emtiche. Nicht selten kommt es , 



vor, dsts auch der Leopard auf diese Art erlogt wird. 
Für gröfzeres Wild, wie Büffel und Elefant, werden 
Gruben ausgebobun, m denen die Tiere sich fangen. 

Wer von den Bako im glücklichen Besitz eines Stein- 
schlofsgewehre» ist, der macht auf der Jagd den aus- 
giebigaten Gebrauch davon. Gewehre, Pulver und einige 
wenig« andere KrzougniNHe europäischer Industrie und 
Kultur vorr>cbafieii sich die Zwerge durch Austausch 
gegen Kautschuk, den sie im Urwald schneiden und 
durch die Bakoko in den Faktoreien verhandeln laasen. 
Nie treten sie selbst in Handelsbeziehungen zu den 
Weifsen. 

Die Orte, an denen sie ruhen und nächtigen, werden 
ängstlich guhoim gnhaltvn. Ein schief gegen die Erde 
gestelltes Dach aus Palmbläitcru, Reisig und Ästen 
gewährt ihnen genügenden Schutz, oiler sie bauen sich 
niedrige, gewölbte Hütten aus Baumrinde und dichten 
diese Behausungon mit Erde und welkem l^uib ab. Der 
Fängang befindet sich dtebi über dem F.rdboden, und nur 
kriochemi ist es möglich, in das enge Innere zu gelangen, 
wo selten mehr als eine Person Platz findet, um in ge- 
krümmter Lage za ruhen. 

Die Bako treiben keinen Ackerbau; sie halten sich 
nie lange an einem Orte auf. sondern streifen frei umher 
wie die Nomadenvölkpr. .^^elten wohnen mehr als 30 Per- 
sonen zusammen, und die gesamte Kopfzahl dürfte 
20O(t Personen kaum übersteigen. Einen Häuptling hat 
der Stamm iiicbi, iiocb Moust irgend jemand , der ül>er 



R Schmidt: Hermann Klaat«ch> Theorie ober die StBTiimesgeüohich.te der MeoBohen. 



die Geaamtheit eine HUtoritatiTe Gewalt »ueübic. Selbet 
von einer Fauiilienintftitution kann man nicht reden, 
denn ohne Zwang folgen »ie ganz den tioriaubeu In- 
Htinkten. 

(line Hlutaverwandscbaft xwiarheD den Uako und 
den Hakoko besteht nicht, und narb allem, was ich dar* 
über in Krfahning bringen konnte, lint die Sprache der 
Zwerge abaulut keine Abnlicbkuit mit einem der vielen 
Negerdialukte, die in Kamerun geepnjcben worden. 

l>ie Hako betrachten (•ich als die IVbewobuer des 
lindes ^ die Bakoko sind erst später, aus dem Innern 
kommend, in ihr heutiges Gebiet eingewandert, nachdem 
sie ihrerseits wieder von anderen Stämmen aus den frü- 
heren Wohnsitzen verdrängt worden wareu. 

Wegen ihres scheuen und versrhlussenon Wesen» 
werden die Zwerge von den übrigen Schwarzen ge- 
fürchtet, die sie im Besitz von Zauburkräften wälineu. 
Auch sollen die Bako Kcnutnis von sonst unbekannten 
Giften haben, die sie ihren Feinden in den Palmwein 
mischen. IHe Folgen dieser Gifte sind WabiiKinn und 
ein langsamer, qualvoller Tod. Wie weit derartige Be- 
hauptungen auf Richtigkeit beruhen, konnte ich leider 
nicht feststellen. Während der vielen Monate, die ich 
im Lande der Bakoko zubraebte, ist mir nur ein Fall 
bekannt, in welchum ich einen Tobsüchtigeu sah; Trunken- 
heit allein konnte es uicht sein, denn der Betreffen<le 
litt zwei Tage lang unter furchtbaren (Qualen, denen er 
am dritten selbst ein gewaltsames Kn<)e machte. Ob die 
Buko dem Mann Gift gegeben hatten, war nicht mit 
Sicherheit festzustellen. f)er Aberglaube ist bei den 
Zwergvölkern grofs. Sie kennen nur böse überirdische 
Mächte, zu deren Versöhnung sie nichts thun, da sie sich 
macbtlüR dagegen fühlen. 

Die Frauen geuiefsen Gleichberechtigung mit den 
Männern. Sie werden nicht als Arbeitstiere angesehen, 
wie dies sonst bei den Negern üblich ist. 

l>en Knropäem sind die Bako nicht gefährlich, und 
die Zeit wird nicht mehr fern sein, in welcher das Dasein 
dieser afrikanischen Zwerge der Vergangenheit angehört. 



Hermann Klaatacba Theorie 
über die Htaninesgescblchte der Menschen« 

Von Kiiiil Hebmidt, 

Unter dem Titet: .Weltall und Menschheit” ersebeiut t>ei 
Bong ii Co. unter derKedaktiun von U. Krämer ein popu- 
läre«, glänzend ausgestattetes, weit angelogtet Werk, das den 
gesamteu Kosmos und Mikrokosmos, die Kiitwicki-liuig der 
Natur und iler Menschheit-, soaie die Verwertung der Natur- 
kräfte im Dienste der Völker l»ehandelt. Kine Zierde dos 
jetzt zunt AlMchiufs gelangten zweiten Baiule« dieses Werke« 
bildet der %'ierte AttechniU iil)«r die Rntstehung und Ent- 
wickelung des Mensrhengeschlechui vonHeruinnn Klaatsch 
(Heidelberg). Niemand war für eine «stU'he Aufgabe liewyr 
vorgebildot als er, der in der Schule Oegeiibaurs zum ver- 
gleichenden Auatumeu hcraiigcrvilt-, sein liesonderes Studium 
den Erscheinungsformen de« heutigen M«>uschen, seinen in 
abgeechli-Hwene geulugischo Zeiten zurückretchenden Vorfahren 
und den ihm verwandten Funneu. zugleich aber auch den 
ältesten Wohnsitzen und technischen Leistungen des Menschen 
zugKwandt bat. Kein l’rähistoriker kann von sich sagen, dafs 
er alle wichtigen Fundorte des diluvialen Menschen ao aus 
eigener Anschauung kennt wie Klaatseh, keiner bat so 
wie er alle diejw Funde mit vorurteilsfreiem, vergleichend 
abwägendeui Blicke geprüft. No ülicrtrifTt Klaatschs Beitrag 
zu dem gesamten Werk an thaUük'hlicher Begründung und 
weit ausgretfendem Vergleich alle bi-sherigen Arbeiten über 
die Urgeschichte der Menschheit m»d ihre in den frühesten 
Zeilen d«w Tertiärs wurzelnde Kutwickelung>-l<Ahu- 

Dio bisherigeu Verbuche, Licht in die Genealogie des 
Mvnscbciigoschlecbta« zu bringen, halten zu «ehr die jetzt 
lebenden dem Menschen ähnlichen Tiergrup]>en, dagegen zu 
Wenig die Yarbältnisse der urspriinglicheu Häugetienselt, vtm 



2S.»i 



der die jetziguu Formen ihre Entstehung herleiten, berück- 
siohtigt. Die Häugetiere, dieser jüngst« Stamm der Tierwelt, 
lassen sich zwar bis in di« tD«snz<ü»che l'eriode der Geob>gie 
zuriickverfolgeii, alier die aus jenen Zeiten erhaltenen Koste 
sind so spärlich und fragmentarisch , dafs wir uns über das 
Gesamtbild der damaligen KäugeUerwoit keine klare Vor- 
stellung ninehen kimneji. Erst im Tertiär tritt uns diese in 
immer reicher wordmider Ausgestaltung entgegen. In aller 
Mannigfaltigkeit alter läfst si^ damals doch eine gewisse 
Qrundforin. ein primäres, typische« Verhalten erkennen, 
namentlich in den für diu besondere Art der Lebensweise 
wichtigsten Organen, den Zähnen und den E.ztreiiiitäteu. 
Auch die Vorfahren von spater stark differenzierten Tier- 
Ordnungen (Kaubtiere, Nagetier«. Huftiere u. s. w.) hnhon 
ein verbältnihmärsig gleichartigeii (teblfs und einfache, mit 
kleinen stumpfen Höckern versehene Zahnkronen. Und e)>en»o 
giebt es bei Jenen Vorfahren eine typische Grundform der 
Extremität; diese besitzt ein fünfstrahlige« handartige« End- 
stück mit opponierbarom Inneren Stj-ahl (Daumen). Ja noch 
viel weiter, über Trias (f'hirruherien) und Dya« Itiuaus bis 
zu den ältesten [«andtifron ülwrbaupi, den Htegocophalen der 
KteinkoUlenperÜHle, läfst sich dies® Grundfi»rm zurückverfol- 
gen, ao dafs wir mit ihr als dem Ausgangspunkt für weitere 
Kntw'ickeluiigen rechnen müssen. Durch Iwsundere Au(>assun- 
tfcu au bestimmte Lebensweisen halten sich nämlich sowohl 
das Gcbiij als auch die Lokomotioosorgane erheblich mosli- 
driert, d. h. von der Erform mehr und mehr entfernt; die 
Tiergruppen der Huftiere, der Nager, der Karnivoren u. s. w. 
haben während der Tertiärzeit das Alte, Ererbte grorseiiteiU 
geopfert, sind aber damit auf einen .toten Punkt” der Ent- 
wickelung gelaugt, sind in «ine Naekgasae geraten, die ihre 
aufsteigende W’eitergestaltung hemmt. Dieaen abzweigenden 
Kntwickelungsbalineu gcgenüWr lialien audere Gruppen die 
Vorfahreumerkmalo treuer und zäher festgehalten. und 
ihre Deszendenz kann mehr als geradlinig aiigeeehen wenlen; 
zu ihnen gehören zahlreiche Beuteltiere, einige Raubtiere, 
«Hu UalbafTou. die meisten Affen Und der MeoscU. Ihre 
Vorfahren standen gewifs den sich mehr und mehr «|>eziali- 
sierenden, abzweigendeii Gruppen newh längere Zeit als ge- 
schlossene Einheit gegenüber, aber dann lösten sich von diesen 
alten Primatoideu durch weniger bedeutende Umbildungen 
ihrer Organe nach und nach tewmdere kleine Gruppen ab, 
deren weiter umgestaltete und voneinander differenzierte Nach- 
kommen die jetzigen Ib-imaten mit ihren Unterabteilungen 
bilden. Die heutige Nystematik derselben bedarf einer gründ- 
lichen Keviaion. Betrachtet man sie unter dem Gesicbtepuiikt 
der gn'»fsereii oder kleineren Abweichung von den Priinatoiden, 
m löeie sich offunliar schon früh der Mensch durch die An- 
paAsuiig seiner Untereztremitäl au den aufrechten Gang von 
dun übrigen Bahnen der Primateneutwickelung ab. Er ist 
deshalb auch nicht den Anthropoiden näher verwandt als 
den übrigen Primaten. Im übrigeu bat er andere TTroierk- 
male, wi« die Zähne und diuGreirband der Vorderexteumität, 
zum Teil treuer f<‘«i gehalten als andere Zweige derPriuiateu- 
gruppe. VurhältnisniäMg viel Altert-ünilicbes buben auch 
einerseits die Halbaffen, andererseits dio Kollschwanzaffuu 
der neuen Welt bewahrt, so dafs sie in manebou Punkten 
dem Menschen näher stehen als die niolereu Affen der alten 
Welt und di« Authro|>oideu; dagegen ist diuGrupp<‘ der süd- 
amerikanischen Kralleuaffeii ( Arrtepithuken) durch starke 
Keduktioii des Daumen» und durch Ausbildung von Krall«n- 
nägeln an den unduren Zehen auf dem Wege zur Uiiibilduiig 
in niedere Säugetiere iHigriffen. Während di« niederen Affen 
der alten Welt (die Katarrhinen) eine in sich gcsc.hloeaeue 
Gruppe nahe verw-andter Arten bilden, ist das nicht tu 
gleichem Mafao der Fall bei den mit Unrecht auf äursere 
Ähnlichkeiten hin aLs nahe verwandt zusammengeetelUen 
Anthropoiden. Zunächst verrät der Giblxm Anklänge an die 
Platyrrhiuen und in manchen I’uukten an den Mensebon, 
sowie an gewiss« fossile Primaten. Chimpanse und Gorilla 
stehen einander ziemlich nahe, «ntferiiter von ihnen ist der 
Orang. Dies« letzten drei grofsen Affen sind aufzofaasen 
als die Dosceudenteo einer Wurzel, die der des Gibbon und 
des Menschen ziemlich nahe stand. IHthecanthropus ver- 
einigt in auffallender Weis« Merkmale von Affe utid Mensch, 
und seine Kiitwickeiungtihahn lag der des Menschen uffeulmr 
noch näher als die der heutigen Affen und Antlirtq>oiden. 
Die Abzweigung desM«ri«chen von den anderen Nachkoimnen 
der Priinatoiden geschah wesenüich durch die Umbildung d«-r 
Unterextremität vom Oreiforgan zum Htützoigmi ; hier liegt 
der Ausgangs]iunkt der Menschwerduug. Die freie, opponier- 
bart! innere Zehe der I'nterexiremität wird die kräftigste 
(und zugleich an allen Säugetieren die längste), in G(^en- 
iibencteilung ilxierte und dadurch mit den übrigen Zehen «in 
Gewölltu bildende Zehe. (I’nter <lon Kamivurett hat der Bar 
ein« ähnliche Umbildung di««er Z«hu und damit di« Mög- 




28ti Wilhelm llalbfare: Zwei Seen in der Morftnenlandaehart de« Bndeuaees. 



lichkeit aufreebter Kör)>erheltuug erfubreu.) Kine'<elohe (Nif*«lrigheit de* HchftdeU, gewaltige Wulste über den Augen- 
UmwantTlung weist hin auf eine beecmdrre Art der Ver- hühien u. *. w.) D<«*b auf frühere Btufeu der MenBchbeita- 

Wendung deaFurs««, d. h. auf «las Rrklettem em/ctner dickerer entwichelung binweiseii. Bei den heutigen Kai^aen, die 

Uäume, wobei der iumfre Fiirsrand stark an die Rundung des Klaateeh r.um eratenmal unter dem (iesichts|muk;te de« 

Stamme« geaetzt wird ; Folgeerscheinungen sind da« Zurückbie- Vergletehs mit früheren Zuständen lietrachtet, tind für die 

gen des Kumpfes, die Ausbildung der stärkeren Abbiegung der er «in« schon lange vor dem J>iluvtum beginnende Drei- 

Leudenwirbelsäole und die B-formige Krümmung der ganzen gliederuug (Kuropäer, Ni^proide. Mongoloide) anniumt, laNw^n 

Wirbelsäule, die freie Balancierung den Kopfes und dessen sich höhere und rückstAudigere HurkuiaJc unterscheiden; 

Form- und (rrörsenweiterbilddiig, die Kntwiokelung der von lieeonders bei den niederen Negroiden, den Australiern findet 

der Ixtkomotinn fast ganz befreiten Hände zu vielseitigen Klaatsch uiedere Zustände in der Kleinheit der Wirbel 

und vollkommenen üreif- und bochempflndlichen Tastsiunes- (besonders der Lenden «irbel ; geringere Tragkraft) und in 

Organen. Andere Tiere haben ihre Weiterbildung durch manchen Punkten, in denen die Kpuren früherer habitueller 

Hprzialisierung ihre» Gebisses und ihrer KxtremUÄfen zu W’affen Kleiteratellung noch nicht ganz verwunden sind: »o in der 

(Nahruugserwerb und Feinde) festgelegt; wenn der Idensoh starken Vertiefung der Grube für die Kniescheibe am Ober- 

suicbo WafTon nicht ausgebildet hat. mj weist das darauf hin, schenke!, in der nach hinten konkaven Biegung de« oberen 

dafs er lange Zeit unter sehr geschützteu Verhältnissen gelebt Sohienlieinabcchnitles, in der Schmalheit und Dünnheit der 

hat lAbweisenheit mächtiger Feinde, reichliche Nahrung auf Fufsknocheii, in den schräggestelitom Hals des Bprungbeins, 

Bäumen, tropisches Klima u. s. w.), Verbältnis»e. wie sie in in der gröfseren Länge des Anui'», in der stärkeren Biieicheu- 

der frühen Tertiärzeit vielleicht in einem austraUseb-indune- krümmung, in der mehr nach hinten gewendeten Btelluog 

siseben Kontinent bestanden haben (Hchbtensack). Die viel- des Obersrbenkelkupfes. in der starken Kniwickelung der 

fachen Verschiebungen des Landes in der weiteren Tertiär* Btimwülsta über den Augenhöhlen u. a. w. 

zeit ermöglichten es dann dem Manschen, der unterjeneu W'ir können hier nicht auf die Darstellung der frühesten 
günstigen Verhältnissen statt der mechauisclicn Waffen eine kulturellen Leistungen des Menscbengeachlechts etngeheu; 

überlegene Intelligenz erlangt hatte, über die ganze Knie auch diese Ausführungen zeichnen sich au« durch umfassende 
vorzudriiigeu (auch nach dem jetzt ganz isolierten Amerika). HtoffliehetTschung und kritische Hiehiung. 

Hpumi der Auweaeubeit des Meuschen in Mitteleuro|ja sind Klaatsch« An«chauungen werden wohl nicht ohne 
die Ktdifhvu. d. h. die ältesten zaghafton Boarbeiiuugeii weiteros von allen Vertretern der älteron Anthropologie au* 

von FeuersteinRtücken (Frankruich, Taubach u. s. w.), die genommen werden. Aller VornusRicht nach werden die Geister 

Verfasser mit RuU4 als oe.hte« vom Menschen hetrührende in heirsem Kampfe aufainanderplatzeii. Klaatschs Ver- 

Artefakte ansieht. Während und gegen Knde der Kiszeit | dienst wird es dabei immer bleiben, dafs er diesen Kampf 
werden die Bpuren des Menschen häutiger und bosünmiter. ^ herbeigeführt, dafs er neues fruchtbares Ltilien in die An- 
im Quartär kiunmen schon Bkelettreste vor, die ganz in den ! sehauungon ülier die Kntwickelung des Menscbrng««cblechts 
Ilahiiien der heutigen Rasseuformen fallen, daneben freilich 1 gebracht, dafs er neue, grofse Gesichtspunkte in die Anthru- 
auch «tdehe (Neamlertbalrasse), die in manchen Merkmalen | |M>togie und l'rgcschichte eingefiihrt hat. 



Zwei Seen in der Moränenlandschaft des Bodensees. 

(Schleinsee und Degersee.) 

Von Wilhelm llalbfaf«. 

Zu den typischen Moranenlundschaften IfRUtschlands 1 ihren End- und GrundmoHlueu, dein groben alpinen Ge- 
jgehört die (legend nördlich vom Uodensoo bis in die I rüll der Hoch- und NiederterraBsenachotter findet eich 




Marsstat) 1:2SOOO 

o 600 1000 zooom 



Ein Stück au« der Xoräaenlitndschaft am Nordafer des Bodensee« ailt dem Schleinsee and Degersee. 

Nähe von Iliberach und das »fidiiehste HohonzolkTii. 1 als Zeugen früherer Vereisung in yerschiedeneti Gegen* 
.Vufser den ZAhlreicheti , für die ehemalige Vergletsche- | den dieser Landschaft noch eine ganze Ueihe meist klei- 
rung cbarakteriBtischen Formen der Krdoberfi&che mit I iierer Seen, von denen auf.«<cr dem isolierten Federsee 





Bäoberfchau. 



287 



bei Huchau der grüfat« wohl der etwa 60 ba grotae Rohr- 
Beo bei Rohr, Oboraiut Wftldsec, Ut. Ihre TiefenTerhäll- 
iiiaae und ihre sonstigen EigenMchafteu eiiid meines Wissens 
bi« joizt noch nicht näher erforscht. Gelegentlich eines 
FerieuRufentlmlteB am Rodensee habe ich den beiden 
südlichsten dieser Morftnenseent dem Schleinsee und 
dem Degersee, welche im Oboramt Tettnang hart an 
der bayorischon Grenze gelegen sind» einen kurzen Be- 
such abgestaitet. Das RosuUut meiner Untersuohungon 
findet sich in nachfolgender Tabelle und in einem Aus- 
schnitt aus der neuen topographischen Karte des König- 
reichs Württemberg in 1 : 25000, Blatt Tettnang, ver- 
zeichnet, welcher zugleich ein ganz treffendes Bild von 
der (’oupiertheit des Terrains liefert, in welchem diese 
beiden Seeu liegen. Die Lotungen ergaben zunächst die 
Grundlosigkeit der auch in diesem Falle mit grofser 
llartniekigkeit von den Anwohnern verfochtenen An- 
schauung, dafs die Seen „UDergründlich*^ tief seien, der 
Schleinsee ist nur Ilm und der Degersee nur 10m tief, 
die mittlere Tiefe ist aWr bei beiden !s3en wohl nicht unbe- 
deutend, D&mlich 7,2 resp. 6,2 m, das sind 66 resp. 62 Proz. 
der gröfsten Tiefe. Beide Seen sind nämlich durch sehr 
geringe Schaar und einen sehr gleichmätsigon Boden 
ausgezeichnet; ausgetrocknel würden sie voUkommeu 
denselben Eindruck gewähren, wie eines der vielen 
Möser, die wir in dor Muränenlandschaft so zahlreich 



treffen, und die z. B. auch in den Gebieten der baltischen 
Seenplatte sehr verbreitet sind. Auch nach dieser Rich- 
tung hin begegnen wir am Nurdufer des Bodeusees der- 
selben Landschaft, wie sich etwa die „buckelige W’elt** 
Masurens oder die Gegend um Nörenborg in Ilintor- 
pommem präsentieren, nur etwas in Miniaturform. Der 
Boden der beiden untersuchten GrundmoränenNeen war 
gleicbmäfsig mit sehr hellgrauem Schlamm bedeckt ohne 
irgend eine Beimischung von Schlamm von dunklerer 
Farbe. Zur Untersuchung dos Bodens wie des Wassern 
fehlte es an Gelegenheit, ebenso konnten auch keine 
Pianktonzüge gemacht werden, e« Uefs sich daher auch 
nicht festatellen, ob der sehr beträchtliche Unterschied 
in der DurchHichtigkeit beider Gewässer (s. Tab. II) auf 
biologische Verh&ltnisHe oder auf Unterschiede des Boden« 
zurückzufttbreu sei. Beide Seen haben einen Abfliifs, 
nämlich zum Bodonseo, in den sich der AbRuIs des 
l>egersees. der Koimenbach, direkt ergicLt, wahrend der 
Abzugsgraben des Schleiusees erst indirekt durch die 
Angen dem Rodencee tributär ist. Der in der Karte 
eingezeichnete Wielandsee, der augenscheinlich vor nicht 
zu langer Zeit auch das östlich unmittelbar an ihn gren- 
zende Wielandsrooor eingenommen hat, soll nach der 
Angabe des Fischers in Wielandsweiler eine Tiefe von 
3 bis 4 m erreichen. 



Tabelle I. 



Name 


Mecres- 

höhe 

l| 

1 m 


Areal 

hs 


Vmfaug 

1 

kro 


, Gröfste j Mittlere 
Tiefe 

1 in 


Volumen | 
eUn 1 


Mittler« 

Böschung 


Datum i Zahl 
der 

Lotuugeu 


Mafsstab 

der 

Karte 


Hchleinaee I 


47«,» 


1 I&.3 


1.8 


11 


7,2 


1 ISO 000 


5,5* 


12. VII. 
1902 


«0 


' 1 : 25 000 


I>egur8«e I 


478 1 


! 32,8 


3,8 


10 


6,3 


3 050 000 


3.2* 


dosgl. 


64 


dMgl. 



Tabelle II. 







Temperatur des Wassers 




Name 


Datum 


an der i 
Oberrtücho 1 


in 8 m 
Tief« 


in 4 m 
Tiefe 


in 5 m 
1 Tiefe 


in 6 m 
1 Tiofo 


in 7 m 1 
1 Tiefe 


in 8 Ul 
Tiefe 


in 11 m 
Tiefe 


, der Bchuilte 

1 


Ki’hleiusee .... 


12. VII. 1902 »ViP 


22,2* 


— ' 


— 


I»,5* 


; — 


_ 


— : 


9,1* 


3“/. 


Degersee 


12. VII. 1902 5 p 


33, 4* 


21, 4* i 


i«,»* 


) 

. 14,7* 


13,0" 1 


12,2* 


11, H* 1 


in 10 m 
11,4® 


1‘/. 



Bficherschau. 



Gnla* rrisellari: Alcuni cinieli della cartografia me* 
dievale «sistenti a Verona. 48 S. mit '2 Karten von 
liCardo und Hcotio in farbiger Nachbildung, florenz 1903. 

I>ie hier beschriebenen Karten sind bixber fast ganz über* 
flehen worden und haheu. wenn sie auch nicht aU hervor- 
ragende Werke der karti^raphi«ohen Kunst bezeichnet 
werdeu können, doch dadurch «inen l»edeutenderen Wert für 
die Geschichte der Kartographie, dafs sie in zwei Fällen, bei 
Leardo und Olivefl, die älteste l«kautilo Karte dieser Karto- 
graphen vorfuhroii. 

Am ausführtichflten aird die Hanisphäru des Oiovatwi 
Ijeardo beschrieben, die sich in der ßibUoteca Coinunale zu 
Verona betinder und 1443 gezeichnet ist. Wir kennen von 
diesem Meister bereits Weitkarten von 1448 (im Museo C'ivioo 
zu Vicenza) und vt>n 1452 (Frivatbesitz) in Venedig. Auf der 
kreisruuden Veroneser Karte bat sich der Verfasser unter- 
schrieben: Johaim«i Ijeardus me feoit 1443. 

Kine kurze MiUeilung älter dieses Weltbild hatte FrofeBssur 
Luigi Manzi lin Beoolo illustrato vom 33. Keptemtwr 19ü0 
unter Beigabe eines zinkotypierten Pacaimiles gebracht, aber 



der begleitende Text, den (Tivellari miUeiJt. war zu kurz 
und nicht fehlerfrei, so dafs eine lietwere Nachbildung uud 
eine ausführliche Krlituterung wünschenswert erscheinen 
mufste. Diese hat nun der neue Herausgeber geliefert und 
wohl auch in den meisten Fällen die Inschriften richtig ge- 
deutet. Die Zalil der Inenden kann nicht grofs sein, weil 
der Durchmeaser des Weltbildes nur 378 mm betragt. Kinige 
Nauien, deren Bedeutung der Hcrausgclier entweder nicht 
mitgeteilt luit, «xler die nach Aoidcht des Referenten irrig 
aufgefafsi sind, mögen hier inxih angeführt werden: Mons 
Btitie statt scitic, also Berg io Seythien Im aufsersteu Asien. 
(’oraaa hart an der Grenz« von Hittelindien, Ist nicht Cho- 
waresmien. sondern Cborfluisao, bei FraMauro ganz bestimmt 
in der Lage als Chorasia. Links, also nördlich davon (denn 
der Orient und das irdische Paradies liegen aui olicren 
Kartenrsnde) norgancia = Urgendflch bei t'hiwa. IHe beiden 
flcheinbar zusammengehörigen Worte tenplon chatai finden 
sich auch bei Fra Maun», allerdings nicht zusammengehörig, 
in Ostasien als Chatajo (Nordchinn) und templum. In Afrika 
möchte ich das rätseibaDe segnioiu set montin<i als regione 



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BöeherBcbau. 



M.’t niontiuiu deuten, denn auch Fra Mauro hat an d«*r 
SaharakÜRte .La jiroriucia di aette monti*. Seit Mecia de 
ViUad«rateH, 1413, kommen die aiebeu Berse auf faat alli-n 
JVirtelankarten vor. 

Kaclt kurzer Krwäbniing einer unWnannten Weltkarte 
au« dem 15. Jahrhundert, die aber durch daa Uochwasser 
von I83'2 ar^' gelitten hat, geht Crivellari dann zur Be- 
schreibung einer Portolnnkarte von «Jaume ollive« mainrque 
en iiiessina 1552* über, die airb ebenfalls in der Hihlioteoa 
t\»muuale di Ven>na fiudel, auf Pergament gezeichnet ist 
und eine Grbfie von 74:43 cm bnt. Auf dieser Karte ist 
hauptsächlich das Mittolmoi'rgabiet dsrgestellt. 

Zuletzt wird noch der Atlas 0. Rcottos von 1502 l>e- 
schrieben, der in der Biblioteca l’apitolane aufbewahrt wird 
und neun Karten in einer Gröfse von 237 : 3K0 umi enthält. 
l>as kleine Weltbild, kreisrund, ist in farbiger Nachbildung 
wiedergegelien und läfst erkennen, dafs der Kartograph 
u<xh an veralteten Vorstellungen über die Verteilung 
der Landmaasen, namentlich in Bezug auf die Verquickung 
asiatiftcher und nordamerikanischer Landschaften festgebalten 
und die iKirtugiesischen Karten von Afrika und Hitdasien 
unbeachtet gela.'«seii hat. 

Die Naiium tAmcutl und magni, die der Kartograph nach 
Nordamerika verlegt, sind au* Marco l*olo l>ekanni und be- 
deuten eine Landschaft atn Kuku uor in Hudehtna, d. i. 
Memgi. Aufser der Weltkarte enthalten die Übrigen Bliilter 
die Darstellung der Westküsten von Kuropa und Afrika 
sndwärtH bis zum Ki de Sinta südlich vom Grünen Vor* 
gebirge, und ferner die Küsten dee Mittolmeers. 

Was den Namen Ki de Kiuta Iwtrifft, so sei schliefslich 
noch bemerkt, dal's derselbe auf keiner früheren Kart« aus 
dem Bude des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts 
wiederkehrt und wahrscheinlich aus Rio de santa (nämlich 
Maria oder t'lara (ChiaraJ) entstellt ist. Beide Namen 
rluden sich hintereinander auf den Karten des berühmten 
Atlas im Britischen Museum, .speziell auf der Karte Ginea 
Port<-*gale«e (Kgerton M»c. 73, Tafel 29). B. Kuge. 

Krahmer: Die Beziehungen Kufslands zu Persien. 
12«! H., ß<l. VI von .Uursland in Asien*. Ijeipzig, Zuck- 
schwerdt i: Co., 1903. Preis S M. 

Die bereits abgeschloasene Bchriftenserie .HuCiland in 
Asien* bat in der vorliegenden Arbeit noch eine Krgänzuiig 
erfahren, indem Generalmajor Krahmer die Beziehungen 
llufslands zu Persien bespricht. Kiue Darstellung der Bolle, 
die Itufsland in ..Vsien spielt, wäre allerdings auch unvoll* 
ständig gewesen ohne eine Beleuchtung seiner Politik uinl 
Heines Kinttusses im Ueiche des Bcbah und des W'iderstreitH 
seiner dortigen Interes-seu mit denjenigen Knglands, liesnuders 
nachdem die Dinge im 1‘ersiM‘hen G<df und in Beiitan die 
.\ufmerksamkeit Kuropas herausgefordert hatten. Der Inter- 
cenengegensau ist |M)IitiM‘her und wirtschaftlicher Art — wa* 
freilich in heutiger Ztüt dasswlla* besagen will — und deshalb 
hat Krahmer diese beiden Momente gleichmäßig behandelt. 
Zunächst gii‘bt er eine geschichtliche Skizze der Beziehungen 
Bufslaiids zu Persien bis zum Jahre 135$ unter Berücksichti- 
gung auch der euglischeu Gegeuzüge^ dann folgt ein Ahrifs 
der vrlrtechafUichen Kutwickelung dos heutigen Persiens mit 
viel statistischem Material, das allerdings zum Teil etwas alt 
ist und aus neueren Kimsulatsberichten unschwer hätte 
ergänzt werden kOunen; endlich wird der Versuch gemacht, 
die politische Kntwicketung bis in die jüngste Zeit hiuvin zu 
»kizziereu, wobei den Bahnen und Bahnplänen ausgiebig 
Beachtung geschenkt winl. Der Verfa.s»er kommt, wie nicht 
anderH zu erwarUm, zu dem Schlufs, daß Kufsland nach 
grofsen und wichtigen Krfolgeu, die es bereits erreicht hat, 
auch sein weiteres Ziel gewinncu wird, nämlich die Aus- 
dehnung seiner Machteph&ro über Südpersien bis zum Per- 
sischen Golf. KDglaml, das den letzteren vorläufig noch be- 
herrsche, werde Kufsland daran ebenso wenig hindern können, 
wie do<sen Vorgehen in Mittelasien bis zur afghanischen 
Grenze zu hindern vermocht hat. 

Tooiiert Maler: Kesearches in the tVutrai Portion 
of the l'suniatsinUa Valley, Ke|wrt of Explorations 
IH98— 1900. (Momoirs of the PealKidy Museum, voL 1 
and II). CHmV>ritlge, Muss. 190! und 1903. 

Dia älteren Arla*«teu Tcobert Mnler*i üle-r ««ine groß- 
artigen Vonchiingen in den Ruinen Yukatans erschienen, 
venieheii mit /«hireichen Abbildungen, im Glotius Band $8 
um) 92. Nicht nur die Gedi^j^ubeit der Ausführung, die 
Schönheit der unter den schwierigsten Verhältnissen im Fr- 
wähle hergustellten Phobvraphieen, sondern auch die Massen- 
haftigkeit der KnUleckungen, der Kiesentteifa. den Maler ant- 
wickelte. erregten das Aufsehen der Amerikanisten. Maler 



hat indessen emsig weiter genrl>eitet, und zwei mächtige 
Quartbaude mit 30 grofscu Tafeln und zahlreichen Text- 
abbildungen geben jetzt Kunde von seinen 1X98 bis ttfOü für 
das Peab>>dymuseum untcrnonimcnen Forschungen. K« handelt 
sich hier um die Ruinen im Htromgebiete des UsuniatAinUa, 
welche namenriieh bei IMedras Negras und Yaxchilan ge- 
radezu grofsartige Ergebnisse lieferten. Piedras Nogras, am 
rechten Ffer dos Stromes im Gouvernement Peten dar Re- 
publik Guatemala, lieferte allein gegen 40 Stelen, von denen 
liher die Hälfte photographiert wurde; dazu entdeckte Maler 
fünf Opferaliäre und einige Thiirsturzbilder, welche Kriegs- 
Szenen darstellen. In Y'axchillan — vom Franzosen Chamay 
üWrÄüwdgerwcise lAirtllardia getauft — wo Maler wiederholt 
auch .^usgrabuugon vomahm, brachte er Öl»er 40 Stelen zu- 
sammeu, machte er ferner »o viele Aufnahmen, dafs damit 
die Untersuchung dieser grof«on Ruinen als abgeschlossen 
Iwtrachtet werden kann. Endlich besuchte er die alte Btedt 
Kan Lorenzo am linken Flufsufer mit ihrem unige^türzteu 
Haupttem}>el. wo er die Entdeckung tief in die Felswände 
der Flufsufer eingemeifseltpr Flachbildwerke, vielleicht gegen 
100, machte. Mit Worten können hier die verschiedenen, 
merkwürdig stinsierteu Göttergestalten und kompilierten 
Glyphenschriften , welche Maler entdeckte, nicht geschildert 
werden. Bewaffnete Krieger, Gefangene, Priester mit Kreuzen 
in den Ilnnden, opfernde Weilicr, mit Schädeln l«ehängte 
FijTuren und viele KlembiUlwerke (auch von Jadeit) hat Maler 
hier abgebildet. Altes bildet aber Stoff für den Amerika- 
nisten von Fach; der Laie findet sich in den ^K•^kwü^}^g 
stilisierten Figuren nicht zurecht, schreckt auch zurück vor 
den eigenartig klingenden Namen, hew'undert aber, wie in 
durchaus selbständiger Weise, ohne irgend welche Einflüsse 
aus der alten >Velt, sich hier ein eigentümlicher Kunststil 
berausgehildet hat, uud wie die Tempel und Reliefs Kunde 
geben von einer hohen, schon vor Ankunft der Spanier nieder- 
gegangenen Kultur. 

Wllkolm Fllclmort Ein Kitt über den Pamir. 233 S. 
mit 9$ Abb. und 2 Karten. Berlin, E. B. Mittler u. Hohn, 
1903. Preis 7 M. 

Die Pamir ßt heute weder ein verschloasenes Land noch 
«ine terra inoognita; Rusaen und Engländer haben daa pDach 
der Wolf* unter sich guteill, dabei die Vorsicht gebraucht, 
zwischen dvu beidorseitigon Anteilen einen schmalen Btreifen 
afghanischuD uud chinesischen Gebiets übrig zu laaaen, untl 
es in seinen Uauptzügen erkundet. Die russischen General- 
stabskarten uud die Karten der indüchen Landesaufnahme 
geben über diese Uauptzüge guten Aufschlufs. Im Herzen 
des Gebirgslandes liegt die rusaische Militärstation Pamirski 
Puat, der Endpunkt einer von Osch berkummendeu Militär- 
strafse. Im einzelnen bleibt freilich für die Forschung noch 
mancherlei zu tbun, und Nachfolger Bven Hedini und des 
jüngeren Fedtachenko würden der Geographie und den Natur- 
wis^-nschaften uc»ch viel gut« Dienste leisten können. Jeden- 
falls bietet heut« «ine Reise über die Pamir wenig andere 
Bchwierigkeiten sla die, welche die Natur des Gebirgslandes 
aufgerichtet hat. 

Eine s>dche Reise schildert in dem vorliegenden Huch 
der bairische Leutnant Filchner, der dazu im Jahre 19iK> 
einen dreimunatigen Urlaub Iwnutzt hat. Fitrhuer ging 
K.nde Juni von Andischan. dem Endpunkt der transkaspischen 
Bahn, über den Karakul nach Pamirski Poet, von da über 
Istik und Kiailrabat nach (.'hadariaseb an der indischen 
Grenze und hierauf über ilen schwierigen üstlichra Pamir- 
stock uud über Tasrhkuignn nach Kaschgar. Über den 
Kisildavanpafs, Irkoschlam und den Terekdavanpafs gewann 
er Ende Juli wiwler seinen Ausgangspunkt. Der eigentliche 
.Ritt* hat also nur fünf Wochen gedauert, und schon aus 
diesem Grunde darf man vtm dem Verfasser keine wissen- 
»chaftlichen Ergebnisse erwarten. Er hat aber die Augen 
offcD gt-hnUei). uud ilesbalb flndet sieh in seiner anziehenden 
ReiMMwhitduriing manche gute Beobachtung, namentlich iiber 
die Gebirgsromu'n und die Tbätigkoii des Wassers und de« 
Eß«s in der Ausgestaltung derselben. Auch die Karte bat 
er hier uud da, ergänzen können, wie sich aus dem Iteigege- 
beneu großen (’liersichtsblatt in 1 : 1500000 ergiebt, und auf 
Uiihen- und Temperaiurmessungen hat er ebenfalls seine 
Aufmerksamkeit gerichtet. Bo wi-dieut denn »ein Buch 
gewiß die freundlichen Wort«, mit denen es Bven Hcdin «in- 
geleitet hat. Die Abbildungen sind fast alle sehr schön, die 
aus dem Osteti de« Reioegebieta auch nicht ohne wisseuachaft- 
liche.s Inter«-*»«; sie stellen Lauilscbafteii dar, die mit Ver- 
Htäudnit für das t'hamkteristiaehu der Bodeubildung phou>- 
I graphiert worden sind. Die Verwendung des Aufwlrucka 
.Wadi“ für nur zeitweise Wasser führende Flufsthälcr 
I (8. IHrt) ist mit Bezug auf zeDtrHlasiatische Verhältnisae 
I vielleicht doch nicht unbedenklich. — r. 



Kloiue N«uUricbiea. 



Prof. Dr. Karl Doto: D«uticb-HtidweiitAfribA. 208 K. 

mit Abb. u. 1 Karte. Kü.i«erotUi KoIonialbibiUdbek. 1kl. V. 

Berlin, Wilhelm Hii.«erott, lOOS. l'rei» * M. 

Kinen Be.«wrou wie l*r(»feiiMnr lK»ve hülle der HerMUcgelter 
der Biblitrihek für die Banrlteiiutii; einer »Ugeuieinverttlüud- 
licheu Iiandi^kuude lleuuieh-StidwcMtafrikM nir-ht finden 
kdmieti; vereinigt jener Oelelirte doch mit einem gründlichen, 
teliweiw) nuf eigener AuMohauuiig li«ruhendeu Wiistm vrm 
der Kolonie ein nicht gewhhniichetf VrrHUindui:« für die pmk* 
ti'^cheu AufgH>M;n. nn deren I/»«ung mnn Dich dort eerauvhU 
rnxcre Kenutnia von dem Hchutzgebiet ist durchaus nicht no 
lücktiuloM, wie es nuf den ersten Blick erscheinen mag. und 
Dovu hat nicht verfehlt, an geeigneter ßtelle darauf zu ver* 
weisen: trotzdem ist ein wohl abgerundetes Bild der geogra- 
phiitcben und auch ethnographischen Vorhftitnisse entstanden. 
Besonders eingehend bat l>ore das Klima Deutech-Hddwest- 
Afrikas lyeltaudelt, nicht weil die Meteorologie desselben zu 
seinen Hpezialfächern gehurt, sundem weil vollständige 
Klarheit hierüber die wichtigste Onuidt*edingung für jede 
koIoniKAU>rische Arbeit gerade in diesem tkbut/gebiet, in 
uii.«erer oiiizigen Ansie<lrlungskolonie i»t. Pie Kinteilung des 
Htoffes ist die übliche; Geschichtliches (Krfursrhunga' und 
KrWGrbungsgeschichte) , die allgemein - ge^vgraphischeu Ver- 



hältnisse, Klima, ]*f1anzen- und Tiei*weli, die KingelM>renen 
Und die Wfirse Bevölkerung. Viele Anregungen und Urteile 
sind beachtenswert. Seite foi-deri Pove, dafs aDgesichls 
der R^'deutung der Bewilnerungsfrage die Anstellung isnrg- 
fähiger hydrographischer Messungen und ihre Vereinigung 
mit den Untersuchungen einer mete<«rologischeD Zentralstation 
durch fachmännisch gebildete Beobachter zu Itewirkcn ist. 
Von bcaonderem Wert, wäre dabei die Feststellung der Ver- 
äuderuiigen . denen die ttosamtmeuge des Kegonfalls in den 
verscbiedeneii Jahren unterworfen ist. l>er Aaschauung, 
dafs 8iidwL-stafrika ein Land zunehmender Austrocknung sei. 
tritt Pove entgegen. Von einem Wettbewerb mit den Ktraufspn- 
züchtereien des Kaplandes rät der Verfasser ab, da or 
wenig aussichtsreich sei ; statt dessen solle man der Kolonie 
den wilden Htraufs erhalten, dessen Federn stets marktfähig 
seien. Pie Buschleute erklärt Pove für im Laufe vieler 
Generationen verkümmerte Hottentotten, und das ist wohl 
auch die einzige Aiischauang, die za halten ist. Pie Abbil- 
dungen sind ausreichend, die Karte ist für weitere Kreise 
iuBorern von Interesse, als ihr in roter Farlw die ('mria^ 
des l>eut*chen Heiehes nufgeilruekt sind, s»> dnfs der Besclmucr 
sich über die uug»*heureu Ktitfcruungen im SehutzgeVdet klar 
wird. Hg. 



Kleine Nachrichten. 

Abdnit^k nur luit Quelleosn^lia gmtsUst. 



A. II. Brooks von der Ge<dogical Hurvey der Ver- 
einigten Htaaten hat üii vergauguueu Homuier eine Heise 
na«'h dem Mount Mc Kiuiey, dem hi'kchsteu Gipfel Nord- 
Hiiierikas, unternommen, worülwr er im Januarheft des «Kat. 
Otfogr. Mag.* einige v<irläutige Mitteilungen macht. Pie 
Alaskitkeu«, in der der Berg liegt, i.vt eine rauhe Gebirgs- 
maMe, die von der Nachhuntcliaft des I^nke Clark in nord- 
östlicher Hichiung sich erstrtiekt und di« Waasersclieidt! 
zwischen dem Husrhitnaflurs und d«m OtNikinlet im Hiidosten 
und den Ftümen Kuskokwitn und Tauaim im Nordwusten 
bildet, lui Osten und Hilden steigt sie ln einer lUdho von 
Hügeln vom HuseUitna her an. nach Westen fällt sie steil zu 
einem mit Oerotl bedeckten Plateau ab, das sich allmählich 
zum Kuskokwim hin nenkt. Aufser dem Mount Mc Kinley. 
dessen Höhe vorläufig (trigimometrisch) auf etwas üt>er 6000m 
licstimmt ist, enthält die Kette den 2!lkui südwestlicher lie- 
genden Mount Foraker mit etwa r>100m Höhe und eine 
Anzahl von Piks von 3000 bis 4200 m Hohe im Nordosten. 
Mount Mc Kinley selbst hat zwei 3 km voneinander ent- 
foriite Bpitzen, von denen die südlichere mit etwa .300 m die 
höhere ist. T>er Nurdwestabhang «ntaendet einen gn>rseu 
QteUcher, der einen Nel>enllurs des Toklai (zun) Tanana) 
speist. Pie Hchwarztanne reicht bis hOum hinauf, Weiden 
koimuHii bis zur Höhe von rJUOm vor, und die Hchneelioie 
li«gt unter 2200 m. Kiiie nnteniehiming, die den Berg be- 
zwingen will , mürste von dieser Heite auitgeheu und würde 
na«'h Ansicht Bro*iks’ nicht aufsergewöhnliulien Schwieng- 
ktiitcu la-gegncn; nur die Reise bis zum Fufs dos Berges ifrt. 
mühevoll. Brooks hält os für am besten, wenn eine solch« 
Kxpodition in der Üt^end überwintert, den Winter und das 
Frühjahr über Vorräte zum Fufs de« Berges schafft und nach 
solchen Vi^rbereitungen im Hommer darauf den Aufstieg 
unternimmt. 

— Vermessung des Viktoria Nyansa durch 
englische Topographen. Mit der Fertigstellung der Ugan- 
dabahn wird der riesige Viktoria Nyansa sehr )>ald ein« 
^rttfiN» wirtechafUich« Betleutung gewinnen: man bringt schon 
jeUt Handelsschiffe auf denHee, die die Uferländer aufsuchen 
und dort mit d«ii Anwohneni in Verkehr treten. leider sind 
VS au8»rhli«*rslich englische Hchiffe, die auch aus den deutschen 
Knstenteilen honiusziehen , wa.s diente bieten können, und sie 
mit ungüsebvD Waren versehen, und wir wogen kaum zu 
hoffen . dafs dvutachu Finnen mit eigenen Schiffen und 
deutschen Waren mit ihiieu so bitld in Konkurrenz treten 
werden. Pie englische Verwaltung hat natürlich di« Be- 
deutung des Hees für Handelszwvck« längst erkannt und die 
Kotwickelong vorausgesehen . den dort nach Eri'iffnitng der 
Bahn der Sohiff-Hverkehr selir bald nt-hmen wirtl , und weil 
dazu ein« möglichst genaue Keuuinis des Sc«s erforderlich 
ist, so hatte sie schon vor etwa zwei Jahren den Komman- 
dant Whitehouse mit einer Vermessung der Küsten uixl 
anderen xwerkdienlicUeh Untersuchungen beaaftragt. Ho 
lange ist c« auch her. als in deuiar.hcn Zeitungen mitgeteilt 
wurde, dafs zu ischen der deoiacbvu und «ngb}*ch«u Regierung 



«in Abkommen getroffen nei, wonach Whitehouse die deuiM'ben 
Küsten des Hees ebeufalN verintaiseii dürfe. Ks wuriledauials 
bemerkt, es leei recht bedauerlich, daAi die dvursch« Regierung 
diese Arlteiten innerhalb deutschen Gebiet« den Knglämtern 
iUierlasse uml «le nicht H«U>«r ausführe. BeSidem hatte man 
nicht« mehr von der Angcl^^nheit gehört, und erst kürzlich 
erf))hr man. dafs das Abkommen leid»T in Geltung «*i und 
daf> jetzt Whitehousv nach Alvschlufs seiner Arlteiteu an den 
englischen Küsten diu deutschen Küsten in Angriff g«numm«ii 
IimIh*. (hl kann uns nun ja am End« gleichgültig «ein, woher 
das Gut« kommt; trotasdom aber hätte man gewünscht, dafs 
der deutsche Teil des Hees von deutschen Topographun 
und Hydographen vrf(»rscht wonlen wäre. 

Per Htaubfall vom 22. und 2.3. Februar, der in 
Kuropa von der Bai von Biscaya bis nach Österreich hitiain 
beobachtet worden ist, wurde zunächst vielfach auf di« 
w«gtindi«chen Vulkanausbrüche zurückgeführt. l>i«s« sind 
nnn aber doch nicht die Ktaub<)nelleu gewesen. Aus den 
meteorologischen Logs mehrerer l^hiffe geht hervor, dafs seit 
Mitte des vorigen Pezeniber vom afrikanischen Har- 
iiiattaii gewaltige Handmengen iU>cr den Golf von Guinea 
und auf den atlantischen Ozvaii hinaus bis zum 3U. Grad 
w. I«. fortgeführl worden sind. Zunächst war di« Krschrinuiig 
auf die trt^pischvn Teile hvachriinkt, im Februar aber wurde 
der nonlöstliche Zug durch ein« südöstlichv bis südwestliche 
Briso orsvlzt, wenigstens bis zur Breite v<»n 13* N. Purch 
diese Winde wurde der Btaub nordwärts getragen, und daher 
eine Anzahl von Berichten über den Fall in verschiedenen 
Breiten. Am 21. Februar, dem Tage vor dem Htaubfall in 
Europa, lagert« sich ein feiner, leicht rötlicher Staub auf 
einem Schiff unter 4u” n. Br. und 23* 30' w. L. ab, der aus 
Südsüdwest oder Nüdwest aufkam. K« aicheinen also ge- 
nügende Beweis« gegen die Animhine zu «prechen, dafs die 
Hteubfälle durch die Ausbrüche der westiiidiiichen Vulkan« 
herviu^erufen worden seien. 



— Von Polarezpeditionen grnf«!r«‘n MafsstaWs stehen 
für diesen Sommer drei io Ausiuchl. Peary plant eine neue 
Unternehmung, für die er die Mitte) und ein Schiff sucht. 
Pas neue Zicgleiwohe Unternehmen über Franz-J«><s«fiiUiid 
wird diesmal Anthoiiy Fiala leiten, nachdem Baldwin 
kläglich gosebuitert ist. Beide K.vpoditiuiien haben natürlich 
die Eroberung des NonJ^tola auf ihre Fahne gcachrielten. 
Vernünftigere und w-insen»rhaftliefaar« Ziel« verfolgt Am und- 
sen mit seiner Fahrt zum magnetiacben Po), von der au 
dieser Stelle lieroite die Rede gewesen ist. 

*— Von der schwedisch • russischen Gr adinessu tig 
(189H bis 1901). Pas HieAcuunternelunen der ruasiseben 
und w'bw'edischeii Akademie geht nun »einer Vollendung ent- 
gegen , indem di« Bearlieitung und Berechnung des Beob- 
aohtungsmatoriais rüstig foitechreitet. In Pulkowa s|iezipll 
erfolgt die«« BearWitung unter Leitung des Direktors der 
Sternwarte U. A. Backlund. Insgesamt liefert da* von den 




Kleine Neohrichten. 



a90 



ruwi«cheij umi »chvi'©di»chpn Forsi<*l>prri mit^ebracht#- Material 
die l>atfln zur Ib-f^tiimnung ei«iP* Meridianbo»(eu8 von 4*/i* 
(etwa 4 äu km lang) zwlichen SO* 48' und ubrdl. lir. 

Was die Genauigketl dor Mtronoinischen und geodAtiacheu 
Be«tiinmaugen anbetrifft, *f> ergiebl »ie «loh au« dor 
«aohe, dafs bei der unter Aufsicht de« Hotni Itaokliiud er- 
folgten unmitlelliareu Abmessung der m iHtigen Basis 
der Kehler kaum dieOröfse von 7,3 mm UberachmiteD dürfte. 
Wm aber eine so genaue Messung in diesen hohen Breiten 
leishm kann, ist bekannt; vor allem wird sie einen überaus 
wicht igHii Beitrag zur definitiven Bestimmung der Abplattung 
der Erde, ««mit auch zur genauen Krmittaluug der Form der 
Erde — des tieoids — liefern. Auch da« l'endel. dessen 
Hchwiugungsdauor von der Entfernung vom Erdzentruni Ite- 
stimmt wirxl und daher über die Abplattung unmittelbar 
Aufschlufs zu ge1>en vemtag, wurde von der Expedition in 
ausgcdcbiitetu Mafse und in wesentlich verx'ollkommneter 
Einrichtung verwendet. Ein wertvoll«* Ergebnis i*t auch die 
topographische Aufnahme vou OsUpiizbergen im Marssiabe 
von 1:42 000 und in Uorizvntalkurveu von 20 m Äi|uidistanz, 
eine Aufnahme, wie sie bis jetzt in so Hu.sgudchutcm Mafsc 
noch keiner Folargcgend zu Teil geworden isL Belbetver* 
Mtandlich wird diese Aufnahme allen künftigen Forw:hungen 
Über das Binneneis und seine Bewegungen zur Grundlage 
dienen. Auch die Lösung der wichtigen Fragen über die 
Zu- «^er Abnahme der spitzbergischen Eisdecke und die daran 
ankuüpfendon Kpekulatiop.eu über dia Kliitiaschwankungen 
im Korden un.'^cre« Knlteile* wenlen von die)«eu kartogra- 
phischen Arbeiten ihren Ausgang ucltmon müssen. B. T. 

— Die Misflion du Bourg de Buzas, vou deren 
.\nkunft in Nimule am Weifseo N’i! auf 8. 147 des laufenden 
Bandes berichtet wurde, ist Ende Februar nach glücklicher 
Durrht|iieriiiig Afrika« an der Kungonmndung und Ende 
Mür/- in Bttnlenux angeiaugt. hat alter leider unterwegs ihren 
Führer verloren; Vicomte du Bourg ist am 25. Dezember 
V. J. in Amadi, einetn belgischen l’osten am U«dle (26* 4o' 
5. L.), HU einer Nierenblutimg verstorben. The Mission 
biiUo am 14. Okttilter v. J. Puüle (Kimule gegenüber) ver- 
lasxeu und nach einem nach Westen gerichteten Marsche, 
der aber nonlwärt* bis ina Makrakalund auslt«*g, bei Faradsch 
(20* 50' ö. L.) den rölioquollflufs Dongu erreicht. Von da 
war sie den Dongu und die UelJe hinuntergegangen. Kach 
tiem Tode du Bourys bewirkten die überlebenden Mitglieder, 
(«oliez, Didier und Dr. Brumpt^ die Heimkehr auf der Ubangi- 
Kongoroute. — Eine Kartenskizze mit den Routen der 
Mis«ion zwischen Addis Alteba uitd Kimule in 1:2000000 
brachte das Kebruarheft von ,La G^igraphie* zusammen 
mit einem Rei.se- uud For*chuug«bericht des Flihrers. Von 
diesen Routen i«t bereit« iui .Globus* die Rode gewesen. 
Zu «rwiUmeu ist noch, diif« die Mission nicht, wie dort 
erwühnt, am Omo onllung zum Budolfseo gegangen ixt, 
somieni auf einem üstlichereu Wege durch die Gebirge, der 
etwa der Route Lcontjews entspricht. Das Kurdvnde des 
Hudolfsees zeigt auf der K.arte der Mission eine etwas breitere 
Form als auf den bisherigen Karten (B*>ttego, favendish, 
Leoutjew, Smith und Austin). Weitor im Westen wurden di« 
Iteisew'oge Austin.«, Wellby«, Macdonald» und Radcliffe« (vergl. 
Globus Ai. bS, B. 227) gekreuzt. Der Boricht enthält ein« 
Reihe neuer Mitteilungen älter die Iteeuchten Seen. Ober 
Geolog!«', Fauna uud Klima der durchzogenen Gegenden. 
Ltor Uudulfsee, sagt du A>urg, ixt uicht das Ergebnis einer 
S(iAltung der Erdrinde; <la die Mission jed'Ksh nur das im 
T'lachland eingeltettete nördliche Ende desselben kennen 
lernte, so liegt vorläufig keine Vemnlassung vor. von der 
Auffassung abzugehen, nach der der Soe ein Grabensee ist. 

~ Zur Aussprache fremder geographischer 
Namen nimmt Hugo Oitermann das Wort (Rrtigramm do« 
Qymnas. Frager Altstadt. 1902). Wenn inan aus der Zahl 
der tu der A'hule vorknmmcnden geographischen Kamen die 
üborveUten eingebürgerten Keia*nform«ii, die in der Aus- 
sprachu dem Deubioheii ungepafiiten und di« deutsch utn- 
schrielienen Keb«nforiu«n ausgoschiodeti hat , bleibt immer 
noch «iuo Reihe von Bezuk-hnungen übrig, deren Aussprache 
besonder« gelernt werden inufs. Dafs dieso Aussprache den 
Schülern möglich gemacht uud ihre Aneignung erleichtert 
werde, dafür ist in erster Linie uotwendig, dafs in den Lehr- 
biicherii sulchen Kamen die Aussprache in einer deutschen 
Umschreibung, ohne Anwendung willkürlich gewühlter oder 
fremder Zeichen für frem<le l^ute samt der Angabe der 
tluantitdi der Silben wie de* Accent«« in der Klammer jedes* 
mal l«etg«*fügt wird, so oft sie vorkoiumeti. Dann sieht der 
SchütiT jeduamal neb«‘n dom Sohriftbüde da« Laulbild, er 
hört vom l^boT die richtige Aus'pnicbe und vermag dies« 
mittels der Trauskription. wenn sie von fremden Zeichen frei 



ist, jc4ierzeit wiederzugebeu- Kr wird dann auch, je nach 
seiner sprachlichen Begabung , im stände «ein , den Kamm 
wenigstens aunähernd richtig auszusprechoit. SelbH deutm^he 
Kamen mit ungewöhnlicher Aussprache verlangt der Ver- 
faxser mit Recht gleichartig behandelt zu wissen. Kamen 
wie Dievenow, Duisburg, Ktisfeld, Soest (denen man beliebig 
viel andere anreiheu könnte, wie Tharandt, das meLxt als 
Tharündt gespnxOien wird, lief.) würden wohl sonst nicht 
immer nU Difeno, Düsburg, Kösfeld, Böst gelesen werden. 
Bei ausländischen und knifnieben Name« soll die Rchule sich 
mit Biiuahoj-uder Richtigkeit Tx-gtiügen. von allzu grtif»«n Fein- 
heiten kann man diirt in der Aus*prache fremder ge>'gra- 
phischer Kamen abeehen. Eine Transkription vou HudiImt 
(FIuLs in England) oder Foii«muuth wird ja auch niemals 
die richtige Aussprache wiedergeben. 

— Professor Dr. Haus Meyers Forschiingsrei«« 
in die Anden Ecuadors. Wie uns Herr Fn^fexsor ]>r- Han» 
Meyer in Leipzig, der bekannte und verdiente Erforscher und 
Ersteiger des Kilimandscbans mitteilt, ist er am 26. April 
XU einer auf mehrere Monate berechneten Forachungsrei«« 
nach dem Hochland von Ecuador aufgebrneben. Begleitet 
wird Hans Meyor vou dom Müncheiier J.tandiichaft»maler ut>d 
Hochalpinist R. Roschroiler und dem Tiroler A-rgfuhrer 
A. Alöhlsteiger aus FHersch. ,Dor Hauptzweck motner Rei'^*, 
so Hufaert sich Hau« Mc\«r, „ist die l'ntev'iui'huug der 
Gletscher auf den ecuaturianischen Anden, namontlich auf dom 
Chimliorazo, Alter und Antiaana, und die Beantwortung der 
Frage, ob die Eisverbältnifls« dort ähnlich sind, wie die im 
tropiscb-Hfrikanitchen Hochgebirge, insbesondere, ob die An- 
zeichen einer einxtigen viel gröfseren Vergletscherung des 
Hochgebirge« dort so iiäufig sind, wie ich «le am Kilioia- 
ndscharu gefunden habe. SellÄtversiHudlich werde ich daneben 
auch den übrigen ge<^raphischen Erscheinungen diese« Gebit't» 
meine Aufmerksamkeit zuwonden.* — Im Herbst d. J. hoffi 
Herr l^rofessor Hans M»yer wieder zurück zu sein. 

— t'‘lier den Uriprung 'der Karren, jener in Kalk- 
tleiDgftbicU‘0 liäuflg vorkomntenden Oberflächenbilduiig, hat 
K. A. Mertel in den ri»mpics Rendus der l*ari«er Akademie 
der Wissenschaften vom 15. Dexember 1902 einige Bemer- 
kungen veröfTontlicht. The Bildung der vi^rttkalen KjMlten, 
die die versohiodenen Blöcke trennen, wird gewöhnlich der 
chemischen Einwirkung des Hegons oder des Ä;hnees auf das 
Gestein zupeschrieben, während Mart«! der Meinung ist. daf» 
auch der mwbanischeu Einwirkung des lliefsendcn Wassers 
ein wesentlicher Anteil daran zuzuachreiben Ist. Ihe besten 
Itokaniiten Hcispiele von Karren kommen in alpinen Gebteten 
in beträchtlicher Hfdie vor; Maiiel fiihn al»er zahlreiche 
Belege dafür au, daf« die Formation sich anch in Thälerii 
taler ln Ebenen von geringer Höhe, manchmal auch in kliifs- 
betten (z. B. am ersten Kilkatarakt) und sr>gur im Meere 
(bei Killsee in Irland) vortlndel. Auch dort, wo die Karron 
in gr<'fs«r Höhe vorkoiumeu, repräsentieren sie nach MarUd« 
An.sicht in vielen Fallen Teile alter Flufsthäler, die in der 
Höhe liegen geblielMut «ind, während der Best durch tektoni- 
sche Bewcgung<‘n oder DentnUtiim enlferut wwlen ist. Märtel 
findet fomer eine «Läudigu Beziehung zwischen den Karren 
und den Houkiöchem und Bchliinden. in <leneu in Kalkstein- 
gebioten das Wasser der OberfiÄche verschwindet . nud die 
eine subterranc au dieBtelle einer Ülterfiäcbenzirkulation de« 
Wasser« herbeigeführt haben. Diese unveränderliche Be- 
ziehung, auf die mau nach Marteis .Ansicht bisher nicht auf- 
merksam geworden ist, spricht «einer Meinung »ach für den 
Gedanken, daf« in einer grofsen Zahl von Fällen die Karrati 
uraprimgHch durch die TbAtigkeit de» flief«pndeu Wawr» 
emstauden «ind, wievfi>hl beut« di« chemische Einwirkung, 
deren Ergebnis übrigens viel schwächer ixt, an dia Bielle 
jener mechanischen Thätigkeit getroten sein map. 

— Dax xpa II ixch e Gebiet am Muni. Itit Jahre ItMil 
hat eine franz^wisch-spamschu Kommiasiun die Grenze de« 
Kam*'run im Küden benachbarten spanischen Gebiets zwischen 
Cam{«> und Muni vemmssen und dHl>oi grufse, bisher m» gut 
wie unl>ekannte Telle des «pHnisehen Besitzes erforscht. Der 
französische Kommissar, Kapitän K(x:he, hat darüber in der 
Revue coloniale von September/Oktober 1902 einen mit einer 
interoMHiiten Knrtenxkizze versehenen Bericht veröffentlicht, 
dem wir fidgemh*« cnUiehiuen; Der (liiarakter de.r Flüase 
wird, wie auch »onst iu jenem Teil der afrikanischen West- 
küste, dun’h die «lufenartig landeinwärt« aufoiuauder folgen- 
den Flateaiis liestmimt. Der Uulorlauf ist xchiffliar, der 
mittlore liauf im Htufeiilaud ixt v>«d Fällen durchxetzt und 
gänzlich un)H>nutzl«ar, und der obere l>anf weist vielfach 
Bchtiulleu auf. so dafs die Wasscrläufe nur streckenweixe 
\ von Aden Iwfahren wenlen können. Von der Mündung de« 




Kleine Nachrichten. 



291 



Carop<j (i*der Ktein) bU xum Kap Kt. .Tean tnümien viele 
FlUxae, darunter der Beniu> («>d«r Voleu); jenseits des KafM 
liSKeu in einer grofiten Itei vier Inseln, Cvrisco, llanya, (irurs- 
und K leinelnbey. Ci>rLico ^^«^eoüber niiindet der südliche 
Oreostlufs Muni. Der Cam[K> ist bis za 804) m breit, kommt 
aber nach den FuststellunKen der dentscheu K»mniis»re als 
Verkehrsweg nicht in Betracht. Der Benito Ut nur etwa 
95 km aufwärts (bis Yobe) schifftxar, und der Muni bildet 
eine breite, aber nur kurze Wasserader, zu der sich vier 
KtKime filcherartig vereinigen. Diesen dr»?l Haupt(Uiss«*u 
gehören alle Wa.aserlnufe des Innern an, die die Kunitnissiuu 
augetroffcn hak Die Bewohner sind ausscbliefslich Babuins. 
Die Bevüik**rungS4Uch(e ist sehr verschieden ; bald marschierte 
man eioe ununterbriK'heoe Reihe von Iiörfem entlang, bald 
tmf man tagelang auf keine Niederinssung; im HÜgeiueinen 
nt>er sind die den k'lÜMen, besonders den grofsen Flüssen 
tieiinchbarten Gegenden die am dichtesten bevölkerten. Der 
Boden wird als sehr fruchttiar bezeichnet, und an Arlwits- 
kräften würde et vielleicht nicht fehlen; wir halten es jedoch 
für sehr UDwahrschetDlich, dafs Spanien sich inohr als bisher 
der NiiLzlmrmachung seines Kchutzgebicts widmen wird. 

— ,8em* und ,Hok*. Kln Druckfehler in tneinen 
, Studien zur Monatskiirte für den nimlatlantisehen Ozean** 
(Globus Bd. 8.'i, K. 224) giebt mir Veranlassung, in aller 
Kürze auf die Ben.'chnuDg der Fahrtgeachwindigkeit des 
ftchnelidampfert „Kaiser Wilhelm der Gr«jfse* zuruckzukom- 
men und zugleich zwei besondere Hchreihungv- bezw. Aua- 
drucksweiteu für solche Schnelligkeitsbervchnungen zu er- 
läutern. Die Fahrtgeschwindigkeit hatte ich berechnet auf 
9 bis 12 sein, wie richtig zu lesen ist. Kern ist eine Alt- 
kürzung für „Sekuudenmeter* oder .Meter in der Sekunde*, 
die ich vor zehn Jahren in einem Beitrag über Geschwindig- 
keiten verscbieilener Art vorgeschlagen halie. den ich in einer 
Berliner Sporueitung, der Stranfsschen „Radwelt*, veröffent- 
lichte. — Hok ist eine erusprochende Abkürzung für «Kibe 
meter in der Klunde” (Hora). Di« Fahrtgeschwiadigkeit dus 
Sclinallilainpfcrs ist t*«rvc.hnot mit Hülfe der dem ßarogramm 
liHigegcttenen Tbrzeiten und l’usitiuusliesttmmuugen. Letztere 
liegen genau 12 Stunden auseinander. Ich berechnete in 
dieser Weise den Weg de« Schnelldampfers 23. bis 28. Ok- 
tober 1902 



für 


23. 


a-p. 


p-a. 


24. a-p. p-a. 


25. 


a-p. p-a. 


auf 




509 


461 


471 49« 




479 492 km in jo 12 h. 


für 


2H. 


a-p. 


p-a. 


27. a-p. 






aut 




983 


4H1 


480 km 


in je 


12 h. 



Die Extremwerte ergalten demnach (:12) 42 h«ik bezw. 
32 hok. — > ln deraellien olien erwähnten Arlieit hatte ich 
ferner vurgeschlagen , alle Geschwindigkeiten grundsätzlich 
auf sein zu l»erechnen und damit in einer belgegeltenen um- 
fangreichen Taltelle zunt Vergleich der verschiedenartigsten 
Geschwindigkeiten den Anfang gemacht. Der Bauins|>ekU)r 
des hamhurgiwheu Staat«.'« Herr Olshausen hat in einem im 
vergang*‘ii«n .fahre erschienenen Handbuch deusellwn Oe- 
dankeu verfolgt und eine unifasitende Boarl>eituhg aller Iw- 
kannteren Bewegungsgoechwindigkeiten auf Meter in der 
Sekunde, also auf »em, geliefert. Die beiden Extremwerte 
liaW ich aus h<»k ebenfalls in aem uingvrwhnet und. wie 
ohne Weitere« ersichtlich, 12 und 9 sem erhalteu. 

Wilhelm Krebs. 



— Ober die Bedeutung des Hautpigmont« bei 
den Kamoaneru hat Blarinestabsarzt Dr. Augustin Krämer 
in seinem ausgezeiehueten Werke „Die Kamuaiuselu* (Bd. 11,1, 
B. 41) sehr interessante Beobnehtungau aufgezeichuet. Der 
Verfasser sagt: Kb ist kein Zweifel, dafs das Hautpigment 
ein Kehutz gegen das KoniieuUcht ist. indem die Hautgefäfse 
durch Heral»etzung des Reizes mehr Blut zuführen, als es 
z. B. beiui Weifwen in den Tropen geschieht. Krämer be- 
otmehtetu oft, dafs die Haut der letzteren, mit feinem Schweifs 
l^edeckt, umUblafs aussah und feuchtkalt sich anfühlte, wenn 
die Haut der Samoauer unter deusellwo VerhAUiiissen glühend 
vrar, als ob sie üebcrteri. Nicht al« ob die Kainonner uJeht 
auch schwitzen konnteu. Krämer sah Mäuncr, bei denen 
infolge kurfwrlichcr Anstnmgung der K4!.bweirflfünnlich herab* 
riofs, als ob sie eben dem Wasser entstiegen wären; «oliaid 
sie al>er wie«ler in Ruhe kamen, bürte die Transpiration auf, 
während sie bei Weifsen meist noch einige anhält. 

Krämer schliefst, dafs der nicht akklimatisierte W'eifse durch 
Hrhweifs.'iekretion zu erreiche.n sucht, was der Kingeborene 
durch weite tlffnung seiner Hautgefäfse erreicht. Diews 
(Mühen des Körpers tritt bei den Hamoanern besonders schön 
hervor, wenn sie nach langoin Fischen auf dem Kiff und 
Tauchen im Salxwa.sscr in ihn^ Häuser zurückkehren^ nach- 
dem sie sieh im Frischwasserbade das schützende Ot vom 



Leilw gewast'hen hatten- Be.sonders die zarthäutigen Mädchen 
glühen dann förmlich an Wangen, Schultern und Brüsten, 
als ob sie von einem Exanthem Viefalleri wären. Diese« unter 
dem lichten Bmun hervorleucbteml« Kol vorfehlt dann auch 
seine Wirkung auf die empfänglioheu Gemüter der Baiuoani- 
sehen Jüngiinge nicht, bei den>‘n es ein stehender Kchöuheits- 
Itegriff ist, der auch dem neUordiugH vielgebrauchten Worte 
„fa'asamUami* (sami das Balzwaswr) für „hübsch* zu Grunde 
lieuen dürfte, h^wähnt mufs hierbei noch werden, dafs bei 
den meisten der wohlgepdegten jungen Mädchen durch das 
stete Gien und Baiicn die Haut steh ungemein weich, sammet- 
artig aufühtt, namentlich an den Armen und Händen, und 
dafs ein eigentlicher Geruch, aligesehen von Kokosöl, ihr 
fehlL Von besonderer Zartheit fand Krämer die Haut bei 
solchen Individuen, welche den Dauinen unixulegeii und die 
Finger durchzudrücken vermochten, ähnlich wie mau das 
auch lief den W'eifsen sehen kann. Wähi'cnd die hier an- 
gefiihrteii Dinge zu scbtieüeror Ableitung der Überwärme 
dienen und äufsure und innere Hitze paralysieren sollen, ist 
der Kamoaner gegen kühler« Temperaturen und besonders 
R>‘gen sehr empfindlich, «u dafs Touren in höhere Regionen 
und iängores Verweilen dort ihm höchst unsympatisch sind. 

R. 

— Das Klapperbrett in OstpreufseD. Fast genau 
dasselbe Gerat, wie es für Wesipreufaen von 11. Beide! in 
Bd. 83, Nr. 3 bewhneben wiinl, iludet sich auch in Ostpreufsen, 
und zwar in Masuren. Wenigstens wurde dort noch vor 
10 Jahren auf dem Ritu-rgut (’^rlottenhof , 8 km von der 
Kreisstadt Angerburg, meiner Vaterstadt, ,geklapiiert“. Da« 
Klapperbrett, kurzw eg .die Klap|>er* genanut, w-nr nur etwas 
schmäler und wurde mit ei uem kurzatieligeueitoRrnen Hammer 
goachlagen. Aufgebäugt war e« an einer schön«» Lind«, die 
zwischen der Gutssehmiede und dem Inspektorhaus stand. 
Die Schmiede und das Haus des .Schmieds waren der Anfang 
einer Strafse, in der die Häuser und „Kathen“ der Schar- 
werker standen. Der Schmied war meist eine Art Veiiruuens- 
person und während der Ernte „Vorarbeiter*. So Hei ihm 
auch abwechselnd mit dom Inspektor die Aufgalw zu zu 
klapperu; und während der luspektiir zur Arbeit klappeho, 
rief derl^bmied, der ja fast immer auf dem Giitshofe selbst 
blieb, zu den Arbeitspausen und besouders zum Mittagi'SM?». 
Cnd zwar In folgendem Takt: 

V.» — \> / w ~ w 

\j 

was allgemein üliersetzt wurde: 

„Kommt etc, kmmut fretn 
Yu fuie Beeskret«!* 

Ib'oskrut hat in Masuren (wie in Oslpreufwsii wohl nligotncin, 
d. It.) stets einen g«.‘tnüt]icheu, jovialen Beigeschmack. Für 
Unbefugte war das Klappern jedenfalls nur aus /.weckmüfsig- 
keitsgrüudcn verlKjien, ilenn Itei der hohen liagc des Guts- 
hofs klang der Bchall der Klapper weit über die Felder und 
bis an die Wasser d«>s Mauersees. 

Kassel. Dr. Ernst Heinrich. 

— Entdeckung grofser gemauerter Ruinen im 
französischen Sudan. Trotz der vielen KnUlecknngeit 
und Cberraschuugen, die fortwährend au.« Afrika gekommen 
sind, hat das alte semper aliquid iiovi ex Africa seine Be- 
deutung noch nicht verloren. Jetzt hören wir wieder von 
der Entdeckung gemauerter Ruiueo. die allerdings mit den 
bekannten südafrikanischen Ituinen von Kiiubabje nicht in 
Farallele zu stellen fdnd, und über deren Alter und Herkunft 
noch Näheres zu erforsciien ist. In einem Berichte aus Bou- 
duku an der Grenze zwischen dem britischen Asrhunti und 
dem französischen Sudan vom 3. November 1902 (L'Antbru- 
pol(»gie 1902, p. 778) schildert der dort für die britisch- 
franzi^iacbe (irnnzlMtstimmung thätige Kommissar M. Dela- 
fosse die Ruinen von Gaoua, welche unter 10* 19* 52" 
nördl. Br. und .48 Kilometer westlich vom Schwarzen Volta 
gelegen sind. Entdecker der Ruinen ist der französische 
Tteutnant Sehwartz; Iwschriehen, wenn auch nur flüchtig, 
hat sie Dclafosae. Die schnurgerade verlaufenden Mauern 
sind 40 cm dick und durchwUnittlich noch 2 in h(»ch, aus 
Latoritblöckeu gefügt, die mit einer .Art Hörtel verbunden 
sind. Das viereckige, an den Ecken abg»»tuiiipf(e Gelidude 
bat an jeder Beite 50 ni Läng« und enthält iui Innern ein 
ähnliches, nur kleineres Viereck. Die Mauern sind teilwHiau 
eingestürzt und zeigen viele grofae Öffnungen; an iiiaucticu 
Btellen sind sie bis auf die noch urhalfeneti Grundlagen vor- 
handen. Hchutt. Erdnüch iui Innern liegen etwa ' « m hoher 
als der Boden nufserhalb des Mauerwerks und sind mit 
Gestrüpp und Kräutern bewachsen, di« es verhindern, die 




Kleine Nachriohten. 



Kiii2«lheiten genau zu l)osicbttgen. Kid alter UauptUug <lefi 
t»«nac-h>Nirten I>orfes Dyemlyele wuriita keinerlei Auitkunft 
ülier «len ri^prung der Huinon zu geben; aeiii rrgrofsvatcr 
hatx> nie «clinn gekannt. Älitiliche Uuiuen gielu es in der 
Knciitiarfichaff uiclit weiter,- und mit den Negerbeuten des 
Sudan Kelwn sie «ucli tiiulit« zu selmIToi». Wohl errichten 
die Kingeb^reoen lockere Steinwülle, die at»er nie in sebnur- 

?erHtlen Linien verlaufen «»dor mit Mörtel verbunden sind 
Kte dienen zur Befestigung des Krtlreielm), sie sind von 
dfii Mauenj der Huitien grundverschieden. Pie Krl*AUer 
der letzteren müssen daher Fremde gewesen sein, die jetzt 
verschwunden sind. Pelafosao spricht etwas von Phöniziern 
und Ägyptern und erwühnt bei den Iluinen gefundene Aggri* 
{lerleu als ^ägyptisch“. Indessen das ist unrichtig; diifs die 
Aggriperteu mittelalterlich veiietianischen Ursprungs sind, 
hat die deutsche Forschung längst dargethan und für den 
■ägyptischen Ursprung“ der Kuineu dürfen sie nicht mehr 
ins Feld geführt wenlen. Verständigerweise erwartot l)«la- 
fossc endgiitige Aufklärung von Ausgrabungen in den 
Kuinon. Pic Gegend ist bergig und goldreiefa; vielleicht sind 
die Kuitien gar nicht sehr alt, smidon) hängen mit Gold* 
l«rgl>au zusutnmeri, iler im IB. Jahrhuuderi auch bis in da« 
Innere von Oberguinea vordrang. K- A. 

— über die SiudeluQgen des paläolithischuu 
Menschen in Kufsland erfshnm wir aus einem bei 
der letzten russischen Katurfurscherversamniluiig, sowie aus 
einem am Itt. Oktolter in der Moskauer archäolog{«chon 
Gesellschaft gehaltenen Vortrage d<ai Herrn N. O. Krischta- 
foaitsrh folgendes; Heste des paläoiithischeu Menschen und in 
HufsUnd von mehr als zehn Fundstellen hekaimt, doch waren 
bis jetzt nur sehr wenig geologisch eingehender erforscht worden 
(so z. R die Kiewer Fuudstelle V4>n den PvofosMinm Anna* 
schowsky und Aiitonowitschy Perv<iii flerrn Kri9chtafowitS4'h 
näher uiiiorsuchte Fundort von X<iwaju-Alexaiitlria liegt auf 
einer Flufsterras«* des M’^elchselthales in einer Schicht von 
duckclgmiietn Thon, welcher von Morfthenhiidungen des 
Kaxonian unterlagen und v»iu fcingeschichtHtem letfs ülter- 
d<»ukl uird: ülier dem läifs folgtui gut ausgeprägte M<iränen- 
hildtingcii dor dritteu iHdiii!*ch - mecklentmrgischen Verglei- 
«u-herung (Q 1 — Soiuit geh«*'rt dioscr Fuml*»rt zweifellos 
dem HelveticrNeudeck'scheii iuterglacialen Zeitalter iQII IIlJ 
an. ln der KuUurschicht iluden rieh nelM-ti Bbdngeräteii 
Knochen vom Mamntut, N'ashoru u. a. und. was besonders 
eluiniktsristisch ist, Bchalen von Mytilus eduiis; die« mufs 
nach dem Yerfaaser als ein unmittelbHnrr Nuchklang der 
interglncialen baltischon Transgi'ession gedeutet worden. 

Zwei weitere Fundorte, Kiew und Kanew im ltnjuprthale, 
sind nach der ideutitüt der alter- und unlerlHgomdeu B«*biclitou 
sowie der Obereiuriimmuug der darin gefundenen Objekte 
als gieichalU'rig mit demJenigcTi von Kowaja-Alexandria zu 
betnu'htcu. Nachdem er hier Krfahrungen gesammolt, bereiste 
der Vurlragomle eine grofsere Partie von (‘euiral* und Süd* 
UufHlaud.um eine relative Aliersbestiimiinng iler übrigen Fund- 
orte XU versuchen. Nachstehend sind einige Ortschaften ver- 
xeichnet, an denen der Vurtragtmde auch Ausgrabungen vorge* 
munmen hat: 1. Kostanki, am Ufer da« lK>n, :t0 Werst südlich 
Woronesc.h; 2. Uouzy, Im Kreis Lubiiy, GuiivoriM'ment Poltawu; 
:t. Karutscharowa , Kreis Murom, Gouvernement Wladimir, 
ii.a. ni. An diesen Orte« Itegnmien die Hpuren des Menschen 
etwas höher, nilmlich im TtT>fs ««elbat; diese Fundi»rte sind 
also jünger als die olieii geimuntcn, tiiehr westlich gelegenen 
(im Pnjepr- und Weichwithal). In Tomsk alter liegt die 
Kiiliur*chlcht imeh lic«leuteiid höher, nahe der LofMilter- 
iläclie. Per Verfasser zieht daraus den Ki'hlufs, dafs der 
palaolilhische Mensch im Wi-steii früher erschien als im Osten; 
■■r«t allmählich drang diu Kultur von Westen und Süden 
nach Osten und Nonleji vor. H. Tscli. 

— Tritckune und nasse Periodeu in den Ver- 
einigten Staaten. Im „M<mthly Wt^ather Ks-view* für 
Oktidter 19(rj liespricht L. H. Murdoeb einige interessante 
TliHtsHcheu, dio die Veränderung der Niuderschlagsnienge in 
S.alt I.Hk*» Pity , den Wasserstaiid d&s Grofsen Salzsees und 
einige Herichte über den KcgeiifHll aus anderen Gegenden 
dur Vereinigten Stiialen bt*t.ref[en. Piu l*eigefugtei» Kurven 
zeigen eine gute i’l>ereinsiijuinuog zwischen den Verttndo- 
rungeii im Hegunfall uml dem Stand des Hees, woraus Murdoch 
«len St hlufs zieht, dafs von 1H27 bis 1K64 eine trockene iVriotlu, 
von Jarift bi« issrt eine uassc und von IKHT bis jetzt wieder 
eine trockene IVri«Kle geherrscht hat. Um die altg«.'inein« 
Gültigkeit dieser trockeuen und iiaaseii Porio*leii zu ermiitelu, 
untorsuchte er die Krgebnisse mehrerer aiiierikaoischer Sta- 



tionen der gleichen Hreite. Er fand, dafs im Lunde westlich 
von den Itwky Mountains die uassoate Periode vv»n 1H60 
bis 1887 herrschte, während das mittlere Mississippi- und 
Ohiitthal seinen stärksten Niederschlag von 1840 bis 185t* zu 
vorzeichnen hatte, so dafs also zur Zeit, als der zuntnilo 
Teil aui^iebigen Kegenfall hatte, der Westen die lan|;p*te 
Trockeni>eriodB erfuhr, von der man etwas weif». Gegen- 
wärtig ist von Han Francisco nach Baltimore eine Trocken - 
(»eriode im Vorachreiten. und ca ist festgestellt, dafs «die ver- 
gangenen 1ä Jahre die 1& aufeinander folgenden trockensten 
•lahrc gewesen sind auf Grund der Berichte aller genannten 
Htatkmen, mit Ausnahme von Bacraniento, wo die Trocken* 
Periode n)»er auch deutlich zu erkennen ist, obwohl hier ili« 
Jahre von H'.'H bi* 18«5 ein wenig Irttckcucr waren*. Mur- 
ditch uiitei-suchU* dann di« Sonnunrieckenkurve, um zu sehen, 
ob sieb ein Zusamnienhaug zwischen dieser und den iia«s«*n 
und trockenen Perioden erkennen liefs, er fand aber kc'nrn : 
Jahre des Bonnenriockenminimums waren öfter« aufserordent- 
lieb nafs, und dasselbe galt für die Maximaljahroder Hounmi- 
tieckea. Eine genaue Antwort auf die Frage, wie lange «lic 
jetzige Trxtckcaperiode noch andauera wird, w ürde, sagt Mur* 
doch, für die Vereinigten Hiaaten den Wert von Millioaoii 
habet). 

— > Ein gehörntes Koeänhuftier aus Ägypten. 
11. J. L. Bcadaell Iwsi'hreibt in den Veröffentlichungen des 
ägypliachea Hurvey Do^Mitmeni für 10D2 einen neuen und 
merkwürtiigen Fund, der die jftng*t entdeckte Säugetierfauna 
de* nördlichen .Ägypten bemiefaert hau K« handelt sich um 
das • A rsin ol t herium *, ein so von Beailmd) nach der 
Königin Arsiuiä* benauntos Huftier. Pie allgetuuin« Form 
des ziemlich langcu, schumleu Schädels ist rhiuocerontisch ; 
R'adnell veigleicht daher auch da* Zahnsvsteui mit dem des 
Hbinoceros. Eine eigenartige Bildung ist der gewaltige Vor- 
sprung aus der vorderen Hälfte der Schädelspitze, der sieb 
gabelt und oben leicht abplatb't, etwa in derselben Art wie 
die Hörner der sfiäteren Hpezies des Titanotheres. l>i(>ae 
knochigen „Hömor* erreichten eine ll*'he von 88 cm. während 
der ganze Hchädel 75 cm lang war; zu ihrer besseren Ktiitze 
dient ein vertikal hinuutergeheuder Knochen, der sich mit 
dem Zwischenkieferltein vereinigt, wieltei manchen derschwvr- 
behomten Bhinoeerosarten. Pas Tier war so grofs wie ein 
griifseros Kbinoceros, der Beckeniimfting hatte einen Purch- 
messM.T von I4u cm. Per Fmid, ül»**r den eingehenden» An- 
galten nach auanteben, zeigt, dafs aufser der Fauna, die die 
Voreltern derjenigen aufwie«, die spater ihren Weg «ach 
Eorv'pH fand, Afrika noch ein« eigene, davon »ehr verschie- 
dene Huftierfauna laru.-Haen bat. 

— Moisels Karte über die Verbreitung nutz- 
barer Bodenschätze ln Pc u tsch- Osta f nka. Max 

sels übcr«ichl*karto von Peutsch-Ostafrika in 1 : 2000000 
(Verlag von P. Keimer in Berlin) ist Ende Februar von 
neuem erschienen, und zwar diesmal mit farbig unterschifHlener 
Eiuzcichnung de* Vurkuimnens nutzbarur lüMlenscbätze. Am 
häutigsten bi*g<»gnen wir auf ihr nattirgeniäfs dem Kisun, aber 
doch nicht in solch weiter Verbreitung, wie mau vielleicht 
anmdiiiien könnU». Eisenerze sind u. a. vertreten im äufsersien 
Nimiwesten. südlich von Bukoba, in l'sindja, Usc.hasi'lii, 
auch stmst in der Nähe des Viktoria Nyansa um! in Iramlia. 
Hüdlich vom fünften tirad sinll. Hr. tNrgegnen wir Eisen 
nur sehr wenig, am meisten (noch die Linie Nyussa— Tan- 
ganika entlang, aufserdein in Ukami und etwas landeiuwarts 
vou Kilwrt. Kteinkohlen verzeichnet die Karte atn Hmigae 
un«l Ix'i Wiedhafen (Nyattsagehiei). Braunkohlen hei Limli , Blei- 
und Kupfererze Im* 1 Kondoa(irHitgi), in Iramlw und Dönllich 
j des unteren Kovuma(Ku]ifer jethH*h hier fraglich). Qlimmcr 
ist vorhanden am Nordeude des Kivuse«*, in Iraniba. bei 
Mahenge und namentlich in dem kiistennalmn Ukami. Achate 
giebt es südlich d<ts uiitoren Matagnrasi, tirnnaten bsd Mpapua 
und am uiitercn Hovuma. Verhältnisiimfrig hnuüg Hnden 
wir Gold uml Uoids]»urt‘ti verzeichnet, riämlicl) in Butundwe 
am Kriiin PaM-hugidf (Bisinarckriff), in Uliitwa (südlich vom 
Hpekegoir), au zwei Stullen in Msalnia (südlich von Butundwe). 
in Iraniba, in dem westlich davon bsdegenen UsMingo und 
en<llich im äuf«»*r*t«n Süden am oltereu Mtiemkiirru. Pie 
Karte givbt i*ndlich noch Soobiuelleu und heif«e Quelle.n an; 
erster« bei Udschidschi am unteren Malagura>*i, wo zur (Hier- 
wacUting «in Po«t*>n errichtet worden ist, letztere am West- 
itfer, sowie am Nord* und Südeiide de* Kivu und am unteren 
I Kagera , ferner an drei v«rscbie<leaen Stellen am unteren 
Butidschi. )m einzelnen ist Peutsch-Ostafrika in niineralogi* 

I schür Hinsicht m>ch wenig erforscht, wenn mau heute snc.h 
I über seine üctdogie in gntfsen Zügen unterrichtet i*t. 



Vrrantwvrtl. I'edsktcur: H. Singer, Berliu NW. 0, SchitTbaecnJaniin 26. — Druck: Frlt-dr. VJeweg u. Sohn, Unaosibwrig. 



GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: ..DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
IIERAL’SGEr.EKEX VON H. SINGER I-XTEH BESONDERER MITWIRKTNC. VON pRor. Dr. RICHARD ANDREE. 
VERLAG VON FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 19. BRAUNSCHWEIG. ai. Mai 1903. 

NkAhdruek nur UMcfa Cb«r»üikanft mit d«r Verlmsakainllua^t 



General Tschan-t’chien, ein chinesischer Forschung^sreisender 
des zweiten Jahrhunderts. 

Von P. (f. M. Stenz. KV. I). 



Stndiert man die Karte Mittelaaieus, ao nieht inan 
die hohen, tnaiustiUiMchcii Gipfol dun Puinirgfebirgea mit 
den Namen berühmter Forscher, wie lk>|(danowitach, 
Grenard, KaMiakoff «md anderer bezviohnct. l>er Name 
eines ManoeK aber, der ganz gewils das Recht bat, in 
allen l'IhreD unter dienen .Männern zu («tehen, fehlt, 
der Name Tschan-icbiena, eioeK chinenischen Generals, 
der im zweiten Jubrluiudert vor ('hristus zum ersten 
Mul dun Weg von seinem Ileiuiullando nach den bak> 
tristihen Völkern jenseits der Paouirkette zog und da- 
durch seinem Vaterlaude sowohl die unschätzbarsten 
1 henkte erwiesen als auch die wentlichen Volker bis 
nach Rom und Spanien mit einer ganz neuen Kultur 
bekannt- gemacht hat und auf .fahrhundertc die Völker 
dos C>shms und WuNtuus in wichtige hamlelHjMjlitiseho 
lleziehtingeii brachte. 

Kaher Wu-ti (141 bis S6 vor t'bristus), einer der 
grötston Herrscher ('hinas, hatte die Herrschaft der 
kleineren Feudalstaaten gänzlich gebrochen und dadurch 
ein grofses, geeinigtem Reich geschulTeu. Die jetzigen 
Pn^viuzeu TseWkiang, Fo-kieu, Kuautung hatte er dem 
Reiche einverleibt. Ihm war es nun auch darum zu 
thun, seinem Lande den Nutzen dieser Kinheit zu be- 
weisen. Die lästigen Zollschranken der einzelnen Klein- 
staaten waren schon gefallen und dadurch dem Handel 
freie Rowegung gestattet, der .Ackerbau konnte durch 
eine au-gedcbiite Kanalisierung des Landes energischer 
betrieben werden *), ohne dabet bei den kleineren Fürsten 
auf Widerstand zu stotsen, Üröcken und StroTsen er- 
leichterten im ganzen Lande den Verkehr. „Das Reich 
war geeint“, schreibt der Gcschichlsachreiher Sse-ma- 
tt’ien, ein .\ugenzuuge, „Passe und Rrückeu hatten sich 
dem Verkehr eröffnet Nach allen Richtungen bin durch- 
zogen reiche Kaufleute das Land, so da(s die Krzeiignisse 
eines iudustriebezirkes an! allen Märkten zu haben 
waren*),“ 

Kin Feind störte aber öfter diese stille Friednus- 
urbeit, die Hiung-nu, die von Zelt zu Zeit räuberische 
Hnfällo ins Land des Wu-ti luacbteu. Ihre Vernichtung 
stand daher auf des stmtbaren Kaisers Plan, ttanz wie 
das noch in unserer Zeit geschieht, versuchte deshalb 
Wu-ti, diplomatisch fein, sieb mit einem alten Feinde 
der Hiung-nu, den Jao-tschi zu verbinden, um so von 
zwei Seiten den Feind zu bekämpfeu, General Tschau- 

D Plalh, Ijaudwirtachaft in China (Sitzungsbericht der 
Mimcheoer Akademie der Wisaonich. 187S, b. 813). 

*) K. Cbavannet, L«s ätömuirea historiques 1, QI. 
tilobuM LXXXm. Nr. IV. 



tebieu, einer seiner be.sten Haudegen, wurde zu diesem 
Zwecke zu den .lüo-tschi gesandt. 

Tschan-t'chien zog aus, aber er fand die .lüo-tschi 
nicht, ja er geriet sogar selber in die Gcfaugcuschaft 
der Hiung-mi. Jahrelang blieb er verschollen, der 
Kaiser hatte schon keine ilofinung mehr,dars sein General 
jo zurückkehre — da endlich nach zwölfjähriger Ab- 
wesenheit erschien er plötzlich wieder am Hofe. Ks war 
ihm geglückt, zu entfliuheu, und da er unterdessen er- 
fahren, dafs diojcuigeu, welche er suchte, jonseits des 
J*amirgebirges sieb niedergelassen, ao hatte er ganz allein 
den waghalsigen Versuch gemacht, das unwirtliche Ge- 
birge zu übersteigen, um zu denselhcn zu gelangen. 
Qewits eine Thal, die einen mutigen Manu erfordert und 
mit Recht glaubten wir deshalb oben behaupten zu 
können, dofs sein Name «^ircnvoll unter dun neueren 
Forschem glänzen kann, die, freilich auch mit bewun- 
dernswertem Mute und unsagbaren Opfern, aber doch 
ausgerüstet mit modernen Hülfsmitteln, das Patnir- 
gebirge durchforschten. 

Die Folgen dieser Reise Tscbaii-t chtons waren von 
unschätzbarem Werte. 

Die jQo-tachi hatten am westlichen .Abhang df^ Gc- 
birge.s, am Ufer des Oxiis ihre Wohnungen aufgoschlagen. 
Sie waren durch Tscban-t'cbien nicht zu bewegen, neue 
Händel mit den Hiuiig-nu anzubimleu. Des Generals 
eigentliche Mission war damit mifsglüekt, aber der 
schlaue Manu suchte in anderer Weise wenigstens seine 
, Reise und seine Mühen nutzbar zu machen. 

Die Niederlassungen der Jüo-tscbi, in der Gegend 
des heutigen Uokhara, grenzten an das baktrische Reich, 
das sich nach .Alexanders des GroUen Tode unter grie- 
chischen Feidberm selbständig gemacht hatte und sich 
im heutigen Afghanistan bis Kaschmir und zum Indus 
ausdebnte. Auf diese« Land, das durch seine Fürstun 
und durch beständigen Verkehr mit dem hochkultivierten 
Westen höhere Kultur angenommou, wie die traurigen 
Ruinen ehemaliger Städte und Pulusto beweisen, wurde 
der Chinese aufmerksam gemacht, und er war vorurteils- 
frei und klug genug, sich diese neue Welt gründlich an- 
zuschauen. Der Kindruck dieser Welt mufs den Mann 
anfangs ganz überwältigt haben, wie seine späteren 
Schilderungen am Hofe seines Kaisers beweisen. 

Wie ganz verschieden von seinen heimatlichen Städten 
und Märkten waren diese baktrisch-griechbehen Städte; 
wie prunkvoll gebaut und wie reich waren «lieselben ! 
Handel und Gewerbe blühten. Kunst und Wissenschaft 

37 



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294 Stonx: General Tscbau-t'chieo, eilt chitieaiacber Fr»rsehungBreiBeD<]er de« xwviten Jahrhundert«. 



zeigten viel lebendigere Formen, wie in seinem von der 
Welt giiiiz »bgeHcblosaeDen Vaterlaiide. Kreuz und quer 
durchzog er oüeuen BlickeK das I^ml und erforschte die 
Handelszentren derselben, erkannte aut^h sogleich, diita 
hier für manche f*n>dukte seiner Heimat ein neues, 
glänzendeN Absats^rebiet liege, faiigst kehrte er daher 
zurück zu seinem strebHatueu, hoebherzigeu Kaiser, mn 
ihm seine Erfahrungen und seilte Zukunftspläne mitzu* 
teilen. 

Kaiser Wu-ti war natürlich überrascht von diesen 
märchenhaften Scbilderuiigeii und KuUicckungcii, aber 
einzelne initgebracbtc Kunsterzeugiiisse und wohl auch 
das Wort «eine» ehrlichen Feldhcrrn überzeugten ihn 
von der Wahrheit der Aussagen. Kr erkannte auch 
sofort die ganze Bedeutung dieser Fuitdeckung für sein 
lleicb. Wie eine herrliche Illuma nicht eher zur vollen 
Entfaltung und Schönheit gelaugt, bis die rauheu Kuospeu* 
blätter aufgebrochen sind, die sie umschliefsen, so 
kann auch der l'harakter und die Tbatki-aft eines Volkes 
sich nicht vollständig entfalteu, solange es abgeschloKHen 
ist und fremde KinRüsse von ihm feriigehaltcn werden. 
Ihircb den Kumpf des Lebens winl die Energie geweckt. 
Das sah auch der grutse Wii>ti ein und er erfalMte des- 
halb sofort den Plan mit den Märcheiiländeru im Westen 
in Verbindung zu treten und so seinem Volke Gelegen- 
heit zu gehen, sich geistig zu entfalten. 

Hem Plane standen aber noch grofsc Hindernisse im 
Wege. Zwischen dem Pamir-, dem T'ieu-schan- und 
KußudüD-gubirge, in dum sugeuaunteu Tarimbeckcu 
wohnten Volker, die China noch nicht tributpflichtig 
waren und die in natürlicher Weise änfserst geNcbützt 
waren durch eine grofse Wüste, die Wüste Gobi. Sollten 
Handelavurlnndungeu zu stände kommen, so mulston 
vorerst diese Volker unschädlich gemacht werden, die 
Karawanen umJtsteu auch die schreckliche Wüwte un- 
gestört und geschützt vor Sandstürmen pa-Hsieren können 
und mufKt«n auch ein Unterkommen dort finden. Wu-ti 
wufsie Hut und er entschlufs sich zu einem Viitcrnohmcu, 
das eines der Grofsartigsten genannt werden mufs, das 
je durch Mcuscheuhnnd au«*geführt wurde. Kr baute 
mitten durch die trockene Wüste hohe Mauern, zwi.scheo 
denen die Karawanen sicher waren und errichtete ein- 
zelne Kuhteiie, in denen militärische llesatzungen lagen 
und wo die Kaufleute Unterkommen fanden, ('harles 
Houiu hat im Jahre 1899 Überreste die!<er Mauern 
entdeckt. Wu-ti mufste sogar, da er öfters iu Geldnöten 
kam, ein neues ^Held** erfinden, die papiemeu Hauknoten, 
eine Erfindung, um derentwillen man ihn nicht gerade 
den „Grotseii“ nennen wird. 

Nach solchen Vorbendtuiigeu fiel es dem chinesischen 
Kaiser, der krieg<«guübte Truppen hatte, nicht schwer, 
die Völker de» Tarimbeckens zu unterjochen. Her Weg 
war damit frei und die Handel-skarawanen konnte ihre 
Arbeit beginnen. I)er alte Tschan-Pebien wurde noch 
eiumai vom Kaiser uusgeKandt, als die neu unterworfo- 
ueu Völker sich rebeiUseb zeigten, um vulUtündigen 
Frieden zu schaReii. Auf fiesem Zuge starb er. Es 
war ihm nicht vergönnt, wenigstens einige Jahre noch 
die Früchte seiner Opfer und seiner 'lliätigkeit zu sehen. 

Ungi'aliut waren die Folgen die der Verkehr der öst- 
lichen und westlichen Volker zinilgte. Hurch dieses neu 



*) Augenblicklich \Vü»te Takla-Makaii ; froher bliibendea 
I,and. Vergl. Sven Hedin durch Asien« Wiiiten 11, 8.f>9 If. 

*) Ch. I^in, Vojrag« de Peking au Turke«tan rus«* per 
la Mongolie «te. (La Ueograpbi« Bulletin de la Boc. de 
Qeogr. I9UI, p. 115 ff., IH» ff. 



geschaffene Thor, das mit der Handebstrafse eröffnet 
war, dmng einesteils westliche Kultur in du.s „Heich der 
Serer“, wie l'hiim bald genannt wurde, ein, andererseit» 
bi-achteu die rhinescii durch dasimlhe ganz neue H«n- 
delsartikel auf den dninallgen Weltmarkt, und gaben 
dadurch den zivilisierten Völkern Anstofs zn neuem 
Schaffen und Arhuiten. Uesouders die S^er, jenes be- 
wegliche Haiidclsvulkchen des .Altertums, machte sich 
die neuen Handelsartikel zu Nutzen. Sie woben aus der 
rohen Seide der „Serer“, zwischen die sie (ioldftuU’U 
mischten, jene prachtvollen Gewebe, die in der damaligen 
voniehmen Welt mit Gold aufgewogeii wurden. Ihre 
Purpiirseido schmückte die Paläste der P'ürsten. MUJio- 
neii Se^terzen wanderteu jährlich, wio Plinius^) erzählt, 
zu Augusius' Zeiten schon nach China. Hie Haupt- 
nzportai-tikel waren Seide und Eisen, Interessant in 
dieser Hinsicht nind die römischen Münzrunde, diu niait 
vor einigen Jahren in der Provinz S4*faaiisi gemacht. 
ii»l>ortartikel waren kostbareGewebe, Teppiche, PurzeUau- 
und Glaswaren. 

Ganz busoudere Auregung erhielt die rhinesisebe 
Kunst durch den Verkehr mit den kunstllehenden grie- 
chischen Völkern. Gerade von dieser Zeit ab kann mau 
auf chineBiseben Hildern und Skulpturen neue, lebendi- 
gere und wahrheitsgetreuere Harstellungen und Koroien 
finden''). Auffallend iat z. B. die Darstellung der Wein- 
rebe und Traube auf Skulpturen, die mau vordem nicht 
gt^kaniit hat. 

In der Porzellan- nnd Glasindustrie, die nicht, wie 
mau früher annahtn, auf chinesischem Hoden entstanden 
ist, sondern die die Chinesen vou den Syrern erlernten, 
überirafen sie »pätor ihre I<ehrur, und während im Westen 
das Geheimnis der feinen Purzellunfabrikation verloren 
ging, vervüllkommiieteu die Chiueden dieselbe, sodaUsie 
noch heute darin die Meister .nind^). 

Es wäre interessant, die Geschichte dieser HandeU- 
Htrafse weiter zu verfolgen. Hie alten Hurgen, die am 
Thoret'hinas von den baktrischen Völkern gebaut wurden, 
könniun viele« au» deu vergangenen Jahrhunderten er- 
zählen. ln Samarkand fuiideii sich damals die Kaufleute 
der ganzen Welt: Chinesen kamen dort mit Indiern, mit 
Syrern, mit Griechen und Römern zuüammen. Kaiser- 
liche Gesandtschaften von Rom und China zogen diesen 
Weg"), diu Juden werden hierher io China eiiige- 
druugen sein, uud die ersten christlichen Missionare, 
wahrscheiulich Syrer, nahmen ebenfalls diesen Weg. 

HamiC dats später diese Strafse dem Verfalle über- 
la.«.sen wurde, i.st China auch wieder in völlig« Abge- 
schlossenheit geraten und in einen Schlaf gefallen, aus 
dem o« erst in neuester Zeit wieder uufzuwachen scheint. 
Leider fehlt dem Reiche ein solch weitblickender Kaiser 
wie Wu-ti, und ein »oldi mutiger Feldberr und ein solch 
feiner energisebor Hiplomat wie Tschan-t'chien e« ge- 
wesen. M ürdeu dem uncrmel»licheu, reichen und schö- 
nen Lande diese erstehen, sie könnten auch heute auf 
China sowohl wio auf die ganze Welt einen grofsartigen 
Kinfluf« ausüben. 

*) AllusioDH to (’hina iu IMiny« HiMory. .lonrnal of the 
Peking «ficiely, vol. l, p. 3. 

*) P. Dahlmann, I<s«cher 8tintmen, Jahrg. 1902, Heft 1 
und 2; vergl. auch Hirth, Die älnlvreUu China (I^iprig 19o0); 
Cber fremde Kintlu««« in der chines. Kunst (ältincbeu 

D P- Dahluiauu, a. a. O. 

") 10(1 D. ('hr. schickte Kaiser Ngän-dnin (Antonin) eine 
0*'«amltscha(t nach China: 97 n. CTir. sandte Khl««*r Ho-ti 
seinen Feldherm Kau ju nach Ta-t'sin (vergl. Annale« de« 
Uu et des Hau). 



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H. Sdl.: Togo im Jahre 1902. 



296 



Togo im Jahre 1902. 



ln der atntlichon HerichterHiattung Ober nuser kleinen 
TogoUnd hat sich neuerdingn ein unliohsnmer Wechsel 
Tull/ogeti. Die Kolonie, die gcrantne Zeit in den „Denk* 
Hchriften** ockr gut und ausführlich behandelt war, sieht 
sieh jetzt mit kaum 9 Seiten Text und 26 Seilen An- 
lagen abgetan, unter letzteren allein 9 Seiten „Mis- 
Hionsnacbrichten“ mit den Nameneeerzeichnlsseu sSmt- 
licber am Hekehningswerke beteiligten Personen. IHe 
0l>eraus wichtigen Kinzelra]>porte der Bezirksleiter und 
l>tationeTür»teher suchen wir dagegen umMinst Kin 
Fortschritt ist das gerade nicht, und wir müssen daher 
den Tadel wiederholen, den wir Tur zwei Jahren über 
die günzlich verfehlten Berichte aus einer anderen Kolo- 
nie genufsert haben. Will man die beim Gouvernement 
bezw. bei der Kolonialabteilung eingereichten Akten- 
stücke aus SparBamkeitsrücksichten oder anderen Gründen 
der „Denkschrift** nicht emverleihen, nun, so drucke 
man sie, angemessen redigiert, im „Deutschen Kolonial- 
blntf* ab. Sie würden diesem Organ nur zur Zierde ge- 
reichen und seinen Wert für den Leser bedeutend er- 
höhen. 

Ül«r das Togo de« letzten Jahres gaben schon die 
Ktatsvorhandlungen de« Roirhstages ein durchaus nicht 
unliebos Bild. Besonders hei es auf, dufs für das Schutz- 
gebiet mit Rücksicht auf seine günstige Kniwickclung 
gar keine Zuschüsse beantragt waren. Kinnabme und 
Ausgabe stehen nach dem Voranschläge für 1903 im 
Gleichgewicht, und wenn dieser löbliche Zustand anhält, 
kehren vielleicht die Jahre wieder, da Togo mit über- 
Hchüssen aufwarten konnte. These l>etrugcn 1S94 be- 
reits 39000 Mark, stiegen daun auf 50000 Mark und 
72000 Mark, würden also, wenn aufgesumrot, ein Kapi- 
tal ausmachen, mit welrhom sich der Ausbau der Küsten- 
bahn von Lome nach Klein-IVjM) sehr wohl in Angriff 
nehmen liefse. Muhr als 800000 Mark im ganzen 
brauchten cs überhaupt nicht zu sein. l>nmit stehen 
wir gleich vor dem dunkeln Punkte unseres „Ktate**; 
um nämlich das Gleichgewicht zu erzielen, Ut diese Re^t- 
forderung ihabutchlich nicht in .\n«atz gebracht worden. 
Das dürfte befremdlich urscheinen, denn die Regierung 
konnte sich bei hliiistullung dieses T^osteus getrost darauf 
berufen, dafs „bekanntlich anderwärts die Kosten für 
Kisonbahnen aus latifenden Kinnnbrnen nicht bestritten 
werden“. Indes bei der schwierigen Finanzlage des 
Reiches war es wohl das beste, von der Forderung ab- 
zusehen tind liel»er dahin zu wirktm, dafs für die l'sam- 
baralinie in Ostafrika die notwendigsten Gelder bewilligt 
wurden. 

Diu in unserer vorigen Rundschau erwähnten Grenz- 
bestimmungen sind mittlerweite zu F.n<le geführt wor- 
den, so dafs es nur noch der Schlufsverhandlungcn in 
Kuropa bedarf, um Togos Autsciilinie auf dieser Seite 
fustztiiegon. Mit dom „Abschluta“ scheint es aber noch 
etwas dauern zu sollen, und das k^uumt daher, weil uns 
der ominöMi! „Schnittpunkt des Daksflusses mit dem 
9. Breitengrade“ allerlei Weiterungen bereitet hat. Der 
FluD bildet nämlich gerade hier luehrorc grolse Sorj>en- 
tinen. Statt, wie bisher von Norden nach Süden zu 
gehen, scblängult er sich jetzt von Osten nach Westen 
dahin und schneidet dergestalt den 9. Parallel nicht ein- 
mal, sondern dreimal. Sofort entstand nun die Frage, 
welcher Schnittpunkt zu wählen sei, ob der östliche, wie 
die Kngländer zu unserem Schaden iMdiaupten, oder der 
westliche? Vielleicht wird man alch auf den mittleren 
einigen, ubschon auch dadurch diu Breitcnausdehming 



der Kolonie noch mehr eingeengt und die britische 
Grenze dem eben neu aufldübenden Jeudi in lästiger 
Weise genähert würde. Die alte Dagombahnuptstadt hat 
«ich in der kurzen Zeit, dafs sie unserer Herrschaft unter- 
steht, um nicht weniger als 800 Häuser vermehrt. Sie 
zählte um die Mitte des Vorjahres 2S00 Wohnstätten 
und eine lebhafte, handeltreibende Bevölkerung, die 
rait dem deutachen Regiment augenscheinlich sehr zu- 
frieden ist 

Zum Glück haben wir in ganz Togo selten über Pu- 
botmafsigkeit oder Böswillen hei den Schwarzen zu 
klagen. Nur in dem Bezirke Sokode-Bässari kam es 
diesmal zu einigen Zusammenstöfsen, die aber bald bei- 
gelegt wurden. Im übrigen wunle die Rübe nirgend 
gestört, und die Eingeborenen leisteten ohne Wider- 
»trebon die von ihnen verlangten öffentlichen Arbeiten, 
lu einzelnen Fällen zeigten sie bereits so gutes Verständ- 
nis für die Rudmitung besserer Verkehrsmittel, dafs sie 
mehrere Verbiudiingswego aus eigenem Antrieb« erbauten. 
Dabei darf man indes nicht vergessen, dafs Togo, um 
Thormählens Wort vom Kolonialkongrets zn wieder- 
holen, über „eine sehr zahlreiche und aulscrdem für 
Neger merkwürdig arbeitsame Bevölkerung verfügt“. Mit 
diesen I^euten lülst sich daher manches erreichen, was in 
Kamerun z. B. vorderhand eine Unmöglichkeit ist. Die 
Togoneger wenden sich freiwillig der Einführung neuer 
Kulturen zu. Sie offenbaren für den Anbau von Baum- 
wolle und Kakao das lebhafteste Interesse, besonders 
für Kakao, dessen Pflege sie nach den glücklichen I'j'- 
folgctt ihrer Nachbarn von der englischen Goldküst« jetzt 
mit vielem Eifer betreibun. Man könnt iin rogenreicheren 
Binneuinnde manchen schwarzen Bauer, der das Kilo- 
gramm frinrher Kakaobohnen zur Aussaat mit 7 bis 
8 Mark bezahlte, nur um sieb auch eine kleine Plan- 
tage cinrichtoD zu können. 

Diu BaumwoUeuziicht ist durch das energische Vor- 
gehendes Koloniaiwirti-chaftiichcn Komitees aufserordent- 
lich gehoben worden. Die Versuche am .\gu, worüber 
wir vor Jahresfrist liorichteten, haben eine weitere .\us- 
debuung erfahren, so dals man jetzt fllM>r die beste 
Pflanzzeit, nämlich im Juli, sicher unterrichtet ist, dafs 
man ferner die Arten erkannt zu habim glaubt, die sieh, 
entweder rein oder gekreuzt, für Togo am meiste« 
empfehlen. Da Klima und Boden durchaus geeignet 
sind, uud die Neger überall Fähigkeit und Willen lie- 
kunden, so steht demnach dor Einführung des Baum- 
wollbaues al» Volkskultur nichts mehr im Wege. Nur 
mufs man sich vor zu grofser Eile hüten, womit der 
Sache nur geschadet werden könnte. Vom Kaffee, einst 
«o hoffnungsvoll oingeffihrt, hört man heute gar nichts 
mehr; es sei denn, dafs die Bremer Misaionare in Ho ihre 
dortige Pflanzung noch fortsetzen. Auch mit dem Tabak 
sieht es kaum vurheifKungsvull aus, und nur die Kola- 
Anlagen haben sich zutu Teil recht gut entwickelt. 
Wichtiger als diese schwankenden Experimente sind 
jedenfalJK die Bestrebungen zur «mfangroichen Auffor- 
stung des Landes mit Nutzhölzern. Der sandige Küsten* 
bodun läfsi sich mit Kiisuarincn, die Lnteritzone und das 
sonst noch freie Terrain mit Teakbäumen und dem vor- 
trefflichen einheimischen, termitensicheren Odum ohne 
sonderliche Mühe und Kosten anforsten. Zur Vornahme 
der Probepflaiizungen und Vorstudien diuueu dio Ver- 
suchagärtcu in Lome, Klein-Popo, Mangu, Jendi und 
Bassari-Sokode , die je nach Lage auch Gummi- uud 
Guttapercbagewächsc, Silsalagaven, Bainbuseii, Ölfrüchte, 



.OOglL 




296 



H. Sd!.: Togo im Jfthre 1902. 



!*owie die Ter«cbiedotihton Obst-, OemüKB-, Gewürz- und 
(letreidearton zieht'ii. Nicht ganz befriedigend macht 
Mich die Kuko8|>aluio, deren Gedeihen an der Künte durch 
Schitdlingu mehrfach iHjeiütrÄchtigt ij*t. IHe grnfse 
Plantage Kpemc hat t. R durch Na.‘’hornkäfer und 
SchUdlftui>e empfindlich gelitten, bis ea gelang, dieSblren- 
friede nachhaltig zu bekämpfen. 

Soll auH all dieaem Stroben endlich greifbarer Nutzen 
entspringen, ao int der schluuuigo Hau einer £i»en* 
bahn nach dem Imtcrn, zunuchat bU Paliuie, unterhalb 
Mii>ahöhe, das erste und dringendste Krfordemis. Mit 
Hülfe der Kisenbahu kennen wir die Massen von I'nlmöl 
und Palmkenien, die jetzt schon wenige Tagereisen land* 
einwärts dem Kzport entzogen bleiben, mit Leichtigkeit 
zur Käste schaffen und so di« Ausfuhr wcsentUcb er- 
hoben. Nur mit der KUunlmbn können die Produkte 
der Volkskuliuren schnell und billig an die Schiffe ge- 
langen, dafs ihr Verkauf hinlängliche llenten gewähr- 
leistet. Mit den Landstrafsen, seien nie auch, wie in 
Togo, während der trockenen Jahreszeit für .\utomohile, 
Fahrräder und Wagen passierbar, int es auf die Lauer 
nicht gethan. Soll die Kuiouie, um ganz niatonell-kapi- 
tnlistiBch zu reden, ein nK^tes Geschäft** werden, dann 
dürfen wir mit der Ki&enbahn nicht länger hintaubleiben. 
Rechts und links von uns wird bereits fleifsig gebaut, 
auf der englbschen Goldkäste sowohl wie iiu französischen 
Labome, und nur wir Lautsche liegen still. 

La die Regierung mit Rücksicht auf den Kiücbstag 
zurückhaltend war, so hat das Koloiiialwirtschaftliche 
Komitee die Initiative ergriffen und bereits die Tracic- 
rnugsarheiten für die llinnenhalin vorDohmen lassen. Nach 
dem Ueriebt des leitenden Ingenieurs wird eine Linie vor- 
geschiageii, diu sich zuui Teil östlich der alten (Fahr*) 
Strafse hält, also mehr iu der Richtung der Wasser* 
scheide, um die sumpfige Gbincbcn« und einige unnütze 
Steigungen zu vermeiden. Aulserdem rückt die Hahn auf 
diese Weise näher an das regenreiche Agugebiet, wo die 
naumwolicnpfianzungen des Komitees liegen. 

Ler Post* und Tclographon*, bezw. Telephon- 
dienst zwischen dun Küstenpluizcu, sowie der Kabel- 
anschlufs über See hinaus sind seit einer Reibe von 
Jahren in geregeltem lletriebe. Neu ist für 1902 der 
Inlnndieiograph nach Palime, der mit dem 1. Januar 
1903 eröffnet wurde. I4rüid«r harrt <lie schon so viel 
besprochene und sehnlichst erwartete I.andungsbrücko 
bei l^me noch immer der Vollendung. Hüffen wir, dafs 
si« wenigstens in diesem Jahr« fertiggustellt wird! St« 
ist für den Personen- wie für d»>n Güterverkehr das 
dringendst« lludürfuis. 

Der Handel Togo» zeigt wieilerum ein sehr erfreu- 
liches Steigen. Iletriig fär 1900 diu Kinfuhr 3,52 Mil- 
lionen Mark, die .\usfuhr 3,00 Millionen Mark, oder 
zusammen 6,58 Milliotion Mark, so lauten die ent- 
Mprechundeu Wahlen für 1901 schon 4,72 Millionen Mark, 
3,69 MUlionuii Mark und 8,41 Millionen Mark. Ler Kx- 
port zeigt in den meisten Rubriken eine Zunahme, Ins* 
HonderN bei Palmöl und Palmkeruen; dagegen hat die 
Guuiuiierzengung um mehr als ein Drittel abgenommun, 
sowie anderseits unter den liiijmrtgütern der Zustrom 
von .\lkohol. Im Jahre 1895 gingen nach Togo norh 
1134500 Liter Spirituosen; im Jahre 1898 war dien 
Quantum auf 761300 Liter gesunken, um dann für 
1899, d, h. vor Kinffihrung der erhöhten Zt'iUe, wieder 
auf 1054000 Tntur emfiorzuscbnelleii. Für 1900 finden 
»ich aber nur 763000 iuter und für 1901 etwa 850000 



Liter in den Kinfuhrlisten. Sehr gehobun bat sich der 
Bedarf an Baum wollen waren, die 1001 mit 1370000 
Mark zu Huch« stellen oder 390000 Mark mehr als im 
Vorjahre. Da« spricht deutlich für die gesteigerte Kauf- 
kraft dos I«andu», die mau aufi^rdem an dem stetig 
wachsundmi Import von Seifen , Parfümerien , Luxuh* 
artikclu, Seide u. a. w. erkennen kann. Soweit sich der 
Handel von 1902 übersehen läfst, fällt die» Jahr iu vieler 
Hinsicht noch besser aus; denn dio vorläufigen Nach- 
weisungeu im „Kolonialbtatt** verzeichnen eine blinfubr 
von 6,240 Millionen Mark und ein« .\usfahr von 4,194 
Millionen Mark, oder insgesamt 10434 Millionen Mark. 
Das buloutet im Vet^leich zu 1899 eine Besserung um 
nahezu 100 IVozent, 

Dementsprechend sind auch die Selbsteinnahmon 
der Kolonie nicht zurückgeblieben. Sie beliefen »ich 
1901 auf rund 990000 Mark, konnten daher für das 
neu« Ktabijahr ohne Bedenken um 100000 Mark höher 
angesetzt werden. Auch diu Zahl der Weifsen hat zu- 
genommun, so dafs um dio Mitte 1902 an Fremden 
160 Personen anwesend waren, davon 150 deui.'^cher 
Nationalität. Diu Regierungsgesobäfte leitete nach «lein 
Tode des Gouverneurs Köhler sein Stellvertreter, der 
kaiserliche Regierungsrat Waldemar Horn, der »eit 
1897 im Kolnnialdtensc tätig ist und gegen Kndu 1902 
definitiv zum Gouverneur von Togo «ruanut wurde. Kr 
befindet sich gegenwärtig, .\pril und Mui, auf einer In- 
spektionsreise durch die Kolonie. 

Von Bedeutung für die Zucht und Haltung der Haus- 
tiere, insbesondere der Rinder, versprechen die Arbeiten 
des Hegieningsarztes Dr. Schilling zu werden, dem o» 
gelungen i»t, gegen diuSurra* oderTHotsenieguukrankheit 
eine Schutzimpfung zu finden, deren Resultat« zu weiterem 
Vorgehen entschieden ermutigen. Wider die au» den eog- 
lischen uml französischen Greiizbezirken eingeschleppteu 
Blattern wurde teils durch Absperrung, teils durch 
Vaccinaiion mit Nachdruck eingesebritten. Um die Weif.ten 
— zunächst in Lome — von der Malariaplag« tunlichst 
zu liefreien, schlug RegierangMarzt I)r. Beyer mit Be- 
zug auf dio Krfahruugen iu Lagos eine bmtseuehung 
der Hauptstadt vor, diu or mit dem geringen Aufwmido 
von 8000 bis lOOOO Mark zu bewerkstelligen hofft.* Und 
wenn es das Doppelte und noch mehr kosten soUte, so 
wäre da» mit Rücksicht auf den gesundheitlichen Nutzen 
in kriuor WuUo zu teuer. 

Kudlich ist noch ein erhehlidiur ForUschritt auf kar- 
tograpbischem Gebiete zu vermelden, nämlich die 
Herausgabe des von P. Sprigade im Auftrag« der 
Kohmialabteilung des Auswärtigen .\mtcs bearbeiteten 
Südblatte» „Ijomo“ der neuen, auf 10 Blätter bemessenen 
grofsen Togukarte. Schon dies« er»te Sektion verrät in 
allen Stücken gegen die frühere, au sich schon aufsur- 
ordentlich dankenswerte Kurte de» südlichen Togo» (lieroits 
1896 erschienen) ganz überraschende Vorzüge. Den 
richtiguTi Einblick und volles Verständiii» für diese li«i- 
stiing gewinnt man aber nur dann, wenn man Gelegen- 
heit hat, das überaus weitschichtige und innerlich so un- 
gleichartige Urmaterial und die darauf buruheoden 
Vorkonetruktionen zu siudiereti. Von sonstigen wissen- 
schaftlichen Publikationen aus der Kolonie ist leider 
nicht viel zu sagen; hier gähnt ein böser Iliatui, den 
»ulbst (He vortrefflichen UnterMichiingen mehrerer Mis- 
sionare zur Volks* und Sprachenkumio Togos nicht zu 
schliefsea vermögen. 

H. sau 



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Oentz: Kinigo Beiträge zur Kenntnie (lor lüdweztafrikeniichen Völkersebafleu. 



2!»7 



Einige Beiträge zur Kenntnis der sfidwestafrikanischen Völkerschaften. 

Vi»n Ijf’utnaiit Gents. 



Nach üing;ehender Ourcbaicht der Werke von Fritsch, 
V. Hellwald und Schinz*) habe ich von meinen Tage- 
buchaufzeiclmungen und Skizzen im Folgenden dasjetii^ 
snsaiiiujengesteUt, wa.n als noch nicht bekannt ange- 
noinnien vrerdon darf und nur in vereinzelten Fällen 
schon Bekanntes wtuderhult, wo mir eine Buatätigiing der 
von dem einen oder anderen Forscher gtdjrachten Bar* 
Stellung — suuial wenn dieselbe auf Widerspruch gti- 
stofaen war — notwendig schien. 

Das interessanteste und auch heute noch trotz der 
immer weiter vordringenden Besiedelung von der euro- 
päiaefaen Kultur noch fa-st nicht beeinHufste Volk Süd* 
westafrikas sind zweifellos die Buschleut«', die, sich scheu 
vor der ßerührung mit Kuroj»aorn in die wasserloscu 
oder wasserarmen Sandsteppeii der Kaluhnri zurück* 
ziehend, ihre Ursprünglichkeit in Kleidung, Ausrüstung, 
Sitten und Gebräuchen zum gröfaien Teil fast völlig frei 
von europäischem KinRuts erhalten haben. 

Ich bin sieben Monate an der äufsersten Ostgreiize 
Deutscb-SüdwtistafrikaH am Kiindo der Kalahari gereUt 
und habe infolgedessen häufig Gelegenheit gehabt, mit 
Buschleutcu in Berührung zu kommen. Was ich im 
Folgenden über die Buschluutu sage, beschränkt sich aber 
stets auf die Buschleute in der Gegend zwischen Gobabis 
und Rietfontijn au der Westgrenze der Kalahari, da ich 
nur diese Stämme kennen gelernt habe. 

Bio von mir hesuchten Buschmannwerften lagen 
stets in dichtem Borngestrüpp etwa eine halbe Stunde 
von der nächsten Wasserstelle entfernt. Biese für die 
WassurheschaSuiig unbequeme I>ago erklärt sieb leicht 
aus zwei Gründen: 

l. der grofseren Sicherheit vor plötzlichen Ülmr- 
raschungen durch Kuropäer oder andere Kingeborene 
und '2. aus dem Bestreben, das in mcUeuweitem Um- 
kreise auf die Wasserstelle nngcwiesetie Wild möglichst 
wenig zu beunruhigen, um ee )>eiui Trinken dann um 
SU leichter überraschen zu können. 

Währtmd bei den llotkeutotteu die zunehmende Ver- 
breitung von FeiierwaRen Bogen und Speer vollständig 
verdrängt hui, und heute der eingebildete Hotteutott 
auf den Jagdzug oder selbst in den „Orlog*' Heber un- 
bewaffnet mitzieht, als sich der von ihm verachteten 
Bewaffnung der Buschlouta zu bedienen; während auch 
unter den llerero.s Bogen und Pfeil nur noch bei den 
ärmsten Feldhereros uml auch I>ei diesen nur noch zu 
Jagdzwecken und in lüderlicber Ausführung gefunden 
werden, ist dor Buschmann der althergebrachten Be- 
waffnung auch bis in die neuste Zeit treu geb)iel>cn. 

lui Gegensatz zu Fritsch, der die Bogen der Busch- 
louto als „roh gearbeitef* bezeichnet, mufs ich licrvor- 
heben, dat« ich di« Bogen stets — wenigstens iui Ver- 
gleich zu denen der Hereros und selbst der Ovamhos — 
sorgfältig gearbeitet fand. Ich habe selbst sieben Busch- 
nisnnhogen mitgebrscUt, von denen sich sechs Jetzt im 
Museum für Völkerkunde in Hamburg befinden. Alle 
sieben aber zeigen eine gloicbmätsig Mirgfältigo Aus- 
fühnmg. Auch fehlt l»ei den Bogen der Kalahari-Husch- 
iuute der von Fritsch (S. 431) erwähnte „vorspriiigende 

') I)r. OuBtav Fritsch, Die Kingeborenen Südafrikas; 
Friedrich von Hullwald , NaturgeBctaichte des Menschen : l>r. 
Bans bebinz, Deutsch-Rüdwostafrika. 

Glubiu UXXXIII. Kr. 19. 



Zahn*^ an dem einen Knde, um welchen die Sehne mit 
einer Öse gehakt wenlen eoll. Biu Kalahari-Buschleute 
l>efestigeu die Sehne einfach an beiden Kndun durch 
mekrfacbes Umwickeln und Verknoten. 

Abweichend von den von Fritsch und Hellwald ge- 
gebenen .-Vbbilduugen von Buschinannpfeilen aus anderen 
Teilen Südafrikas, habeich bei den Bu.«'chleuten im Nord- 
ostdistrikt der Kolonie nirgends Pfeile mit zugespitzteii 
Stnhlspitzcn gefunden. IHe Form der Stahlspitzeu war 
«teU eine vorn abgepflachte, etwa .“patenförmige (Abb. 1). 

1 b 

? 

Abtk 1 » und 

a Kohrpfeile mit abnehmbaren 
HornspUzen. 

ti Vergiftete Stafalspitzen von 
Baschmannpfellen. 
la aatärl. Giübe. 

Viel häufiger als di« mit Kisenspitzen versehenen 
sind jedoch noch Pfeil« mit Knochnnspitzon zu finden, 
die im Gegensatz zu den anderen aus zwei auseinander- 
nehmbaren Teilen zusammengesetzt aiud. Während bei 
diesen der angeschärfte und vergiftete Teil der abnehm- 
baren Spitze steU innerhalb des Kohrschaftes getragen 
wird und nur kurz vor dum Gebrauch richtig, d. h. mit 
dem vergifteten Teil nach aufsen. aufgesetzt wird, ist 
bei den von mir an das Museum in Hamburg abgege- 
benen Pfeilen mit Stablspitze die Spitze nicht abnehmbar. 

Ich habe auch als Kegel gefunden, dafs im Köcher 
diu letzteren mit der Spitze iiuclt oben getragen werden, 
während die anderen umgekehrt im Köcher stecken; so 
dafs der Buschmaim schnell ohne langes Sueben einen 
von dieser oder der anderen .\rt nach Wahl verschietsen 
kann. 

Fritsch erwähnt (S. 432), diifs im Museum für Völ- 
kerkunde in Berlin aufsur den guwölmlichen mit hüseu- 
oder Knochenspitze versehenen auch ein Buscbmannpfeil 
sei, an dem eine kleine Glasscherbe die Spitze bildet. 

Ich bab« wiederholt auch BuRchmannpfeile gefunden, an 
denen di« sonst aus Kiu>chen (meist StraufaeiikmH^hen) 
gefertigte Spitze aus Holz bestand und ein solches 
Fjxemplur auch für das Museum für Völkerkunde in 
Hamburg mitgebraebt Bic Fabrikation und Anbringung 
des Giftes an den PfeU.«*pitzeii ist sehr verschieden. Iler 
mir persönlich gut bekannte Forschuiigsreiscndo Br. 

Theophilus Hahn in Ku]>.*‘Gult erzählt, dafs die Busch- 
leute Imufig das Pflunzungift, das sie zum Vurgifteu der 
Pfeile benutzen, mit dem klebrigen Saft einer Kuphor- 

38 

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29d 



Gcutz: Kiiii];e Kt^nntnia der sudweatAfrikanisohen Volkeraohaftoa. 




bienart (1^. cuudelabra) mi^cben, um ihoi fn’ütnere 
Zäbif^keit und Adbä.-ion zu vorltulien. THe Huachlcute 
im Nordastdi-strikt, iu dom Rolrhu Kuphorbimi nicht mehr 
vorkomiuun, Lemit^eu dazu dna unter dem Namen „lloira'* 
bekniiuto Harz einiger Akaziouarlon (A. horrida, A. deti- 
nens). Kin um eiu Stä)>cben 
geklebter Klumpen des mit 
Ueirn gemischten Pfeilgiftes 
fehlt seiten in der Keisetasclie 
der kiesigen HuKchlHute. Die 
Yoti Fritsch beobachtete Art 
derOifthtistrcichiingdei* Pfeil* 
»piizeu in Spirillen oder Rin* 
gen oder reibenweiae nuge- 
ordnetcu Punkten habe ich 
nicht gefunilen. An den von 
mir gesiimmelten Giftpbdlen 
bildete diu schwarze bis 
sebwarzbraune vergiftete 
Hoirauia»»e stets einen dicken, 
gleicbmtifsigen, etwa 10 cm 
langen Überzug der Spitze, 
dagegen war der Äiilserste 
angeschärfte Teil bei den 
mit Stablspitzen versehenen Pfoileu stets von dum Gift* 
bczuge frei. 

Die Pfeile werden im Gegensatz zu der Gewohnheit 
der Feldhereros in einem Kocher getragen. Neben der 
bei Fritsch und auch Ihh v. Hellwald ahgeliildoten Art 
der Köcher habe ich au der Kalahari häufiger m>ch eine 
andere in Abb. 2 dargestellte getundeu, die au» oiiiutu 
weichen länglichen Sack von gegerbtciu Wildleder besteht 
und All einer dünnen i.ederschnur umgehängt getragen 
werden kann. Abb. 2 zeigt Itogen und Köcher zn- 
sammeugescblungen, wie sie über der linken Schulter 
getragen werden. Gewöhnlich aber tragen di« Kulahuri* 
liuschmänner auf ihren Jiigilzügtm noch einen besonderen 
in .Vbb. 3 dargestullten FulUack von dreieckiger Form, 
in dem aufser dem Roguii und dem mit Pfeilen gefüllten 
Köcher noch Feuerzeug, 
der Stab mit l^feÜgift, 
Rühr und Knochen* 
Splitter zum Auferti* 
gen von Pfeilen, eiu 
mit einer Rille verse- 
hene» Stuck Thou- 
schiefor zum Annchlei- 
fun der knöchernen 
und eiscnieii Pleil* 
apitzeu, der Kirri und 
manches andere auf* 
bewahrt wird. Kiiiou 
groben Schnitzer macht 
Fritsch meines Krarh- 
tuus auf S. 436, wo er 
sagt: „Dur Bogen wird 
vom Schützen beim 
Schierscii in fa.**t hori- 
zontahu' Lage gehalten, 
wie das Spielzeug euro- 
päischer Kinder. „Ich 
habe deu Bogen nicht 
nur bei den Busch* 
leuten, sondern auch 
von den Feldhereros nie 
anders al» in .«»enkrech- 
ter T^age halimi .selien. 
Jn Abb. 4 Iiabu ich 
die genaue Haltung von 




\Uh. 3 . 

llaschmaiin von Xakani 
bei Gobabt» mit JngdansrflMtiuig. 

(Fellmütze, FeUsnek mit Rngvn 
Kocher und kleiner Umhänge* 
tascltH, Schutzfeil gogun Kälte.) 



Händen und Fingern beim Spannen ilen Bogens wiedor- 
zugeben vor.»ucht. Dabei ist zu bemerken, dafs die 
BuRchleute die Sehne beim Spannen mit dum Daumen 
und zweiten GUede des Zeigufingurs «rfasseu, während 
d«r Herero siu gewöhnlich mit dem Galonko zwi»cheu 
dom ersten und zweiten Gliedo dus Zutgu* und Mittel* 
Etugers aiiziebt. 

Während die Buschleute Bogen und Pfeile mit grofser 
Geschicklichkeit und in verhältnismätsig kurzer iCeit 
seihst anfertigen, beziehen die im Distrikt Gobabia ihr« 
Speere nach eigener Angabe von den Buschlunten dos 
nördlichen Hererolande.» gegen andere Tauacburtikcl, von 
denen sie auch ihre hölzernen SchüHselu erhalten, diu sie 
ubunfallK nicht selbst anzufurtigen verstehen. 

Bestätigt fand ich wiederholt, was Fritsch und auch 
Schiuz Von der geringen Truffsiehurhuit der Buschleute 
im Bog^nschielacu erzählen. Dagegen erregt« es stets 

Abh. 4. Abb. 5. 

S» 



a 9 1 b 



Abb. 4. Haltmig der Hände beim Spannen des Bogeua« 
Abb. 5. a Oberes Ende eines Stockes zum Springhasen* 
fang; b Klrrl. 

mutue ßowundening, mi t welcher absoluten .'Sicherheit 
die Buechlcnte einen mitten in den dirhtestcu Buschwald 
abgeschossoiion Pfeil in w'enigen Minuten wieder auf- 
zufinden vermögen. 

Kill Jagdwerkzeug der Busehlcute, das ich in keinem 
der angeführten Werke erwähnt gefunden habe, und da» 
doch häufig von ihnen angewandt wird, ist ein etwa 4 
bis 5 in langer, dünner Stock, der ans mehreren Teilen 
zusummetigc>icizt wird (Abh. Tmi) und an dessen Spitze 
ein als iderhaken ungebrachtes, von der äulserou Schale 
befreites und zugespitztea Spriugbock-.\ntilopenhoru be- 
festigt Mit die.fcm Werkzeug*) fahren sie in den 
Bau des „Springhaseii“, einer unserm Lampe nicht un- 
ähnlichen Hasenart, die gleich unseren Kaninchen in 
Krdlöchem lebt, und bringen den Bewohner, wenn er 
zu Hause ist, regelinäfsig auch an das Tugeslielit. 

Grofse Geschicklichkeit heKitzen die Buschleut« In 
dem Anfertigen und .\ufstellcu von Wildschliugeu und 
Fallgruben. Ich liabe luir wiederholt das Anfstellen 
solcher Schliugei) vurmucheu lassen und die gehräueb- 

*) Kin Kicttii^ar iiu Mu». f. Völkork. iu IfRinburg- 







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290 



Gentx: Kiui((e xur KeoDtniii der iödwestftfrikanixchen Völkemehaften. 



liebste Art in der nebeDeieheudeu Abb. 6 wiederxn^ulKin 
versucht. Die Blätter einer Sanseviemart, di© Schinz 
als S, thyrsiflorii 'Hiunb. bezeichnet, werden in grünem 
Zustande geklopft, darauf von der Mitte ab erst nach 
dem einen, dann nach dem anderen Knde mit einer 
Knochourippu odur ©iiiciu flachen Stück Holz geschabt. 



Schnur n, die non ihren Halt verloren hat, läfst den um- 
gebogenen Butim frei, der zurQckitchnoliend die an dem 
Bein des Wildes einen Halt findende Schlinge zuxieht und 
das Tior gefangen hält, bis der Buschuiaun es mit einer 
Anzahl Seblüg© seines bub burieiu Holz geschnitzten Kirri 
(Abb. 5b) auf gratn^amu Weisa vom Leben zum Tode be- 




bis die grüne Oberhaut vollständig entfernt ist und nur 
diu weifsen Strähnen übrig bleib<*ii, die getrocknet werden. 
Bei der Verarbeitung wird dieser strähnige Uück&tnud 

gawühulich mit Sptdchel — - e(wa.s nngefeuchtet und 
durch IltU' und Herrollen mit den flachen Händuu auf 
dem nackten Oborschunkel zu Strähnen zusammeugedreht, 
deren Stärke sich nach dem /weck der zu verfertigenden 
Schnur richtet. Je zwei i<ulehur Ströhnen werden auf 
dieselbe Weis© zu einer Schuur ziisammengedreht. Die 
ganze Arbeit wird — meist von den Weihern — mit 
den Händen ausgeführt. Kin Seilerrad oder eine ähn- 
liche Vorrichtung, wie unsere Seiler ml© haben, kennen 
die Buschleute nicht. Da diu SaiiHuvirra nur ein sehr 
kurzfaseriges Werg giebt, besiubi eine Schuur aus sehr 
vielen Teilen, was jedoch ihrer Haltbarkeit keinen Ab- 
bruch thut. 

Die Konstruktion der in Abb. 6 wiedergegebenen 
Wildschliuge ist folgende: Kine etwa 4 bis 5 mm starke 
Schnur (n), die an einem Knde in eine cinfochu Schlinge 
au^Iäuft, wird mit dem anderen Ende an einem stark 
abwärts gebogenen elastischen jungen Baum oder Zweig 
(h) befestigt. An dem mit der Schlinge versehenen 
Ende der Schnur u ist eine kleine dünnere Schnur (c) 
mit einem Querhulzchen (d) angebracht. Die Schnur c 
wird um einen schräg in die Knie getriel>«ncn kleinen 
Pflock (e) gelegt und durch einen gegen dtm freie Ende 
des Qucrhblzchens <l ge.HtemmtcK, niichus, unter dom 




HHii 

Abb. 7. Fenerzeuf der Kalaharl-Bnschleate. 

Boden eingegrabenes Holz (/), über welches die Schlinge 
kreisrund auf den Boden gelegt wird, am .\bgleiten ver- 
hindert. Das Wild, das seiner gewohnten Bahn zur 
Wasser- oder Brak- (Salz) Stolle folgt und durch ubge- 
scKlagcmc und zu beiden Seiten der ausgetretenen Bahn 
gelegt« Doruzweige am Abbiegen vou der Spur ver- 
hindert wird, tritt auf das dicht uuter dem Boden liegende 
Stäbebeu /, das dadurch aus seiner Lage kommt und das 
Knde des kleinen Querhölzebens d fahren lälst. Die 



fördert. Für die verschiedenen Hühnervögel, Tauben u.a.w 
fertigt der Buschmann ähnliche Schlingen aus dünnerer 
Schnur an, die eben.io aufgestellt werden, mit dem Unter- 
schiede, dafs hier die Schlinge nicht auf den Boden 
gelegt wird, sondorii durch kleine, in einem Kreis« in den 
Boden gesteckte Stäbchon etwa 2 bis fl cm über dem 
Boden gehalten wird, ln die Mittu des Kroiae«, auf 
das lose mit Sand bedeckte Stäbchen / werden einige 
Maiskörner oder Beeren gelegt. Sobald der betreffende 
Vogel diese aufpickt, bringt er das Stäbchen / aus .*<einer 
Lage und sitzt mit dem Hals in der Schlinge. 

Selbst ohne jede Waffe weiL der Biisohmann dem 
Wilde noch mit Erfolg nachzustollen. Ein auguschos.Hu- 
iies Stück Wild entkommt selten dem seiner Spur fol- 
genden Buschroann. .\ber auch ein gesundes Stück er- 
liegt wie ich zwar nicht selbst beobachten konnte, 
aber wiederholt habe von einwandfreien I^euten erzählen 
hören in der heifsuti Zeit häufig den vereinten .\n- 
atrenguugen mehrerer Buschleutu. wenn es diesen gelingt, 
da» Wild in dem während der Mittagszeit der Sommer- 
monate glühend heiTsen Dünensand eine Zeit lang zu 
verfolgen. Das Tier läuft .sich dann, wie ronn es bei 
Hunden und unlieschlagenen Zugorhsen häufig beob- 
achten kann, ln dum heiLen San<l die Fufs« wund und 




Abb. 6 . BDschinanawolb Feuer machend. 

wird dadurch an dor Fortbewegung verhindert und ein 
Opfer seiner V'erfolger. Während diu Buschluulu ge- 
wöhnlich ohne Kopfbedeckung guhou, tragen »ie zur 
Jagd meistens eine selbstangufertigte Mütze aus Tier- 



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3U0 



Goutz: Kiaii^e HeitrAge zur Konntnia der lüdwestafrikkoiachen Völkeraohaftea. 





felP), mit den Haaren nach aufsen» die ihnen das An- 
sekleichen an das Wild erleichtern soll. 

Während bei <ien Hereros und IlotteutoUen, selbst 
in den entlegensten Teilen unserer Kolonie unsere Slroich* 
hölzer oder wenigHtens die sogenannt« nTundeldus«'* 
schon seit Jahren überall l'lingang gefunden haben, 
bilden das gebräuchlichste Feuerzeug 
bei den Buscblouten immer noch die 
beiden FeuerstAbe. Fritsch sowohl wie 
Sehiiiz geben an, dafs das Feuerzeug 
der Iluschleute ans zwei verschieden 
harten Ilrdzern besteht. Ich halte das 
für einen Irrtum. Ich habe drei solcher 
Feuerzeuge mit nach Deutschland ge« 
bracht'). Bei olluii dreien aber Iwstebun 
beide StAbc aus gleich weichem Holz 
derselben Hanmart Fritsch beschreibt 
(S. 439) das Hiiscbroannfeiierzeug folgen- 
derroafsen ; 

„Der Apparat besteht aus einem 
dünnen Stock von hartem Holz, der unten 
etwas ausgeliöhlt ist, und einem scbtnalen 
fiacbeii Stück weicheren Holzes, in 
welches kleine Vertiefungen gegraben 
nind. Das letztere wird mit dem Fufs 
auf dem Hoden fixiert und alsdann das 
St&bchen nach Art eines Quirl so lange 
heftig in der Vertiefung gedreht, bis 
ein wenig dazwischen gelegter Zunder 
zumGlimnten kommt u. s. w.** Schinz erwähnt das Feuer- 
zeug (S. 165) als aus zwei Stdeken verschieden harten 
Holzes beotehend, beschreibt jedoch seine Handhabung 
nicht. 

Ich habe l>oi den Kalahari-Duschieuten eine von der 
von Fritsch boscbriebeiicn abweichende vVrt des Feuer« 
luacbens häufiger beobachten künnen; das Feuerzeug 
l>estcht dort stets aus einem dickeren und einem dün- 
neren Stah derselben Holzart (.\bb. 7). In den dicke- 
ren .Stab wird eine Kerbe geschnitten, der dünnere 
an seinem unteren Knde balhkugelföriuig abgerundet 
(also umgekehrt wie hei der von Fritsch beschriel^enen 
Art). Der dickere Stock wird vermittelst des Fufses 
und eines dritten Holzes am Hoden gehalten, der dünne 
Stab mit der .\briitidung in die Kerbe gesetzt und durch 
die quirlend von oben nach unten gleitenden Hände in 



Abb. V. 

Buschmann mit WassersHcken 
und KIitI. 



des Stabes. Sobald das Holz zu qualmen beginnt, drückt 
ein Helfer etwas trockenes tiras dicht auf die Herübruitgs- 
sttdlti der beiden Stäbe und beginnt das F'euer durch 
Pusten auzufachen. IHe ganze Prozedur dauerte mit 
zwei mehrfach schou in Gebrauch gewesenen Hölzern 
einige Minuten. 

An IIau.Kgeräten fand ich hei tien 
Kalahari-Huscbleuten aufser den zum 
WasHeriransport dienenden hohlen 
Straufseneiern noch aus dem inneren 
Hauchfell eines Tieres hergestellte, 
einer .Schweiushlase nicht unähnliche 
WussersAcko, die an der Öffnung durch 
einen Holzknebel und Dedersebnor ver- 
schlossen werden *) In leerem Zu- 
stande ist der Sack vollständig hart. 
Soll er gefüllt werden, so roufs er erst 
kurze Zeit unter Wasser gelegt werden, 
um uufzuweichuu. Gefüllt hat er die 
Gestalt einer Kugel. Diese Säcke fassen 
oft 5 bis 6 Liter. Zum Wasserholen 
zieht gewöhnlich die ganze Werftl>e- 
wobnerachaft, ausgenommen die er- 
wachsenen Männer, mit NämtUchen ver- 
fügbaren Wasserbehältern zu der meist 
eine halbe Stunde von der Werft ent- 
fernt liegenden Wasserstelle. Die Wasser« 
aäcke und Straufseneier wcrdcu ent- 
weder in selbstgefortigien , geschickt 
geknüpften Netzen o<ler in Fellen zwischen Gras verpackt 
auf dem Rücken getragen, die Wassersäcke auch zu 
jo zweien am Kirri befestigt auf der .S;hulU*r (.■^bb, 9). 
Die Straiifseneier dienen den Huschleuten auch zur An- 
lage künstlicher Wasserstellen in den „Durststrecken' 
der wasserarmen Steppengegenden, indem eine .Vnzahl 
derselben unter dem Sande verborgen wird. Ich habe 
mir wiederholt von Jägern und Schutziruppeusoidateii 
erzählen lassen, data die Huschleute, selbst bei .\ndrohung 
von Todesstrafe, häufig uicbt zum Verrat der nur ihnen 
meist bekannten natürlichen oder künstlich angelegten 
Wns.Nerstellen zu bewegen sind. Das einzige Mittel für 
den Kuropäer, zu Wasser zu gelangen, bleibt, dann in 
Fällen der Not nur das. einem Huschmann, dessen er 



Abb. 10a bis d. Töpfe der Buschleute und Hereros. 



schnelle Drehung gebracht (.\bb. 8). Diese Heweguiig 
ist nicht eine fortgesetzte, wie hei dem Quirlen unserer 
Hausfrauen, soudern eher dem eines ungeschickten Kindes 
zu vergleichen. Sind die Hände au dem Stock ber- 
nieilergeglitten, so ent.*<teht eine kurze Pause und die 
Bewegung beginnt von neuem wieder am oberen Knde 

**) Ein Exemplar im Mus. f. Vulkcrk. iu Hamburg. (Vgl. 
Abb. a.i 



Abb. II. Junger Uuschtuunn, auf einem Jagdbogen 
Musik machend. 

hublmft wird, einen Strick um den Hals zu binden und 
ihn mitziischlcppen, bis dieser, seihst von Durst gequält, 
scblicNlich doch den Weg zu der nächsten Wasserstelle 
zeigt. 



MessinghülNe mit Zunder, Stahl und Eenersiein. 
Ein Exemplar im Mus. f. Vülkerk. in Hamburg. 



') Ein Exemplar im Mus. f. Völkerk. in Hamburg. 



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I. (toldzibvr: Der Seeleuvufiel im itlainiachen Volksglauben. 



.'K)l 



Au Flausgerüt fand ich Wi den Ruschleutcn noch 
Rache, hölzerne SchQHseln, hölzerne M^rHir und irdene 
Töpfe verschiedener GruCsu '). 

Die llolzachäsHeln (Abb. 10 a), die in der Form voll- 
ständig verschieden sind von denen der Hereros (Abb. 10 h), 
handeln sie nach ihrer eigenen Angabe von ihren nörd- 
lichen Nachbarn ein. Iho irdenen Töpfe (Abb. 10 d) 
sind jedenfalls auch nicht von den llusohleuten selbst an- 
gefcrttgt. Sie erinnern in der Form etwas an die hölzer- 
nen Omeiratöpfe *) der Hereroa und werden, wie mir 
ein llererobnstard erklärte und voruiachtu, folgender- 
mafsen fabriziert, hiiii Klumpen weichen und durch- 
gekneteten Thons winl öher das nackte aiigefenchtete 
Knie gestrichen, so dat» er zunächst dessen Form au- 
nimmt. T>abei mufs, um die richtige Form zu geben, 
der Unterschenkel dicht an den Oberschenkel geprefst 
werden. I>ann wird die Thnnmasse vorsichtig abge- 
streift und die Form des Gefäfses durch Kneten mit den 
Fingern verbessert und vervollständigt. Schliefslich 
werden mit einem Ilolzstäbcbun einfache Verzierungen 
eingeritzt. Eine Drehscheibe kennen die Herunw nicht, 
bei denen diese selbstgefertigien Tbontöpfo aufserdem 
schon meist durch eingeführte europäische Eisentöpfe 
verdrängt sind. 

^) Siehe Mus. f. Völkerk. i. Hnmburu- 

*) Omcira = saure Milch. 



Die hölzernen Mörser, diu den Ruschlouten zur /er- 
kleiueruug ihrer gewöhnlichsten „Feldkost**, der soge- 
nannten „Roainkis*^ (von den Ruacbleuten Ituriii, von 
den Hereros ogo-he genannt) dienen, »ind auf den ersten 
Rück an der rohen Ausführung als eigenes Fabrikat zu 
erkennen (Abb. 10 c). Sie sind roh aus einem Stück 
geschnitzt, häufig geborsten und mit Fellen und Leder- 
riemen wieder zusammengeschnfirt. Das ('harakterUtinebu 
an dun MurKeni ist ein in don Roden eingelassener Feld- 
stein. Die ruten Rosinkis werden mit einem aus einom 
Stück armdicken Rnumstanimes bestehoudun Schlägel 
zerstampft und dann mit Wasser zu einem süfslieb 
schmeckenden Drei gerührt. 

Resondere Musikinstrumente habe ich — aufser den 
später zu erwähnenden Tanzklappern — bei den von mir 
besuchten Ruschleiiten nicht gefunden. Dagegen sjneltti 
mir ein junger Ruschmann geduldig m» lange auf einom 
aU Musikinstrument verwundeten Jagdbugun vor, dufs 
ich reichlich Zeit hatte, nuhenstebundu Skizze (Abb. 11) 
anzufertigen. Das eine Endo des im ausgestreckten 
linken Arm gehaltenen Rogens wird in den weit auf- 
gesperrten Mund gesteckt. Mit einem zwischen aua- 
gesöektem Daumen und Zeigefinger der Rechten gehal- 
tenen starken Grashalm oder dünnen Stäbchen wird leise 
auf die .Sohne des Roguns geschlagen, wobei durch ver- 
ttchiüdenu Stellung dos als Rusunauzboden diuuendcu 
i Mundes eiuu loise melodische Musik horvorgebracht wird. 



Der Seelenvogel im islamischen Volksglauben. 

Von 1. Goldziher. Budapest. 



ln dun mumiigfaltigsteii Formen beobachten wir im 
VolksglaulKm der verschiedenen Völker die Vorstellung, 
dafs die vom Körper sich loslösende Soele des Menschen 
eine selbständige Existenz in Gestalt eini*« Vogel» oder 
eines anderen fliegenden Tieres fortsoizt. 

Was aller diesen Glauben die entwickelte Dogmatik 
der Ägjpb'r lehrt und ihre Rildereprache verauschau- 
licht*), was iui Auscblufs an diesen Glauben in den re- 
ligiösen Übungen der alten Kulturvölker zum Ausdruck 
gekommen ist *)• stellt sich uns in roherer nnd ursprüng- 
licherer Form in den Rerichbm über den Suelenglauben 
der Naturvölker dar. 

In diesen Blättern bat Herr v. Negeloin^) unlängst 
die psychologischen Gesichtspunkte dieser Vorstellung 
an einer überaus reichhaltigeu Sammlung von BeiNpielcn 
entwickelt*). Im Auschliifs an jene umfassende Abhandlung 
erlaube ich mir hier einen Beitrag zu den von Herrn 
V. Negelein gewünschten „Spczialhetrachtungnn“ auf 
einem bestimmten Gebiete*) zu liefern, wolwi ich 
den .Anspruch auf Vollständigkeit von vornherein ablebno. 

*) Vgl. Kl>er*, Ägyptische Htudlen und Verwandtes, 
8. '201. Stuttgart l»o'i. 

*) Nach dem GlauWn der Inder sind die ritarn wäh- 
rend der zu ihrem Andenken veranstalteten A'noldha in Oe- 
stalt von Habichten und auderen Haubviigeln anweaeiid: man 
hütet sich demnach während der Zeit dieeer Feste auf solche 
Vi^el zu jagen; a. Revue de l’Uistoire des Heligions, 
XXXIX (IS99), p. 251, Anm. über den Totenvi^el bei den 
(^inesen, O. Schlegel im Interuation. Archiv für Kth- 
nographie, XI (I89H), BOff. 

*1 (ilobus, Bd. 79 (1901). H. 357 bis 3til, 381 bis S84. 

*) Zur Litteratur kann nt«b verwiesen wenlen auf A.Hö- 
vllle, Les religiotis des peuples nou-civiliiu^. 1, p. .388 — 398 
(Australien); für Wesibc*mfH>, Bijdragen tot de Taal-, 
Land* en Volkenkunde, VI. Volgr., 3. Deel (Wien, 1897), 
57 ff. 

*) Hier kommen noch ganz besonders in Betracht die 
Ausfährungon Alfn-d v. Kremera in den Hiudien zur ver- 
gleichenden Kulturgeschichte, 1. Heft (1889), 8. 57 ff. 



Auch (len Juden »cheint die Vorstellung vom.Seelen- 
vogel nicht ganz fremd gewesen zu sein; freilich bat 
sie sich bei ihnen auch nur in einer ganz vereinzelten 
sprachlichen Spur erhalten. — Man hat schon früher 
versucht*), den talmudischen Ausdruck sippör nafschö, 
„der Vogel seiner S««le'* ^), in solchem Sinne zu deuten, 
wenn auch in der alten Utieratur kein Beleg für das 
VorfaaiidenMein einer solchen Anschauung bei den alten 
Hebräern aufbewabrt ist. Für die Ausehauimg der Tal- 
mudisten kommt auch folgende» in Betracht. Man läfst 
den Kaiser (M. Attreliun) Antoninus folgende J'rage an 
den Rabbi Jehüda richten, mit dem er in innigem Ver- 
kehr stand: Körper nnd Seele können sich ganz leicht 
der Verantwortlichkeit für die Thub-u des Menschen ent- 
ziehen. Der Kör|>er könnte alle Verantwortlichkeit auf 
die Seele schieben; sie sei der sündhafte Teil, „denn 
seitdem sie mich verluxsen. Hege ich im Grabe, regungs- 
los wie ein Stein“; die Seele wieder könnte sagen: „Iler 
Kiiiper ist es, der die Sünde übt; denn »eitdem ich ihn 
verlassen, fliege ich in den f^üfteu wie ein Vogel*) 
umher.“ Der Rabbi antwortet mit dum bokauntrn 
Gleichni» vom I^ahmcn und Rltiidcn ^), die eiucn Garten 
zu ln:wacheu eingesetzt sind >*i). 

Viel sicherer konnte man aus den Aufserungen 
der heidnisch-arabischen Dichter das Vorbunden- 

*) Geiger, «Tüdisehe Keilschrift für Wissenschaft 
und Leben, VI (1888), 8. 29.3. 

D Hab. B. KamniA. fol. 90b. 

•) Im Midrasch rabbah, IjovIi. c- 4. wo die Erzählung 
nicht an den Kai)<vr und den Rabbi angeknüpft erscheint ; 
,Wie ein reiner Vogel, der in den Lnfieii fliegt-" 

*) Der Wettstreit zwischen Leib und Seele wird ganz so 
wie im Talmud in der mohammedanischen Litteratur im 
Namen des Ibn'Abbäs erzählt und durch das Gleichnis vom 
Lahmen und Blinden ausgeglichen, Mufid al-'ulum wa 
mubid al-humüm (Kairo 1310), 05 uU. 

I '*) Bab. Baiihedrin, f<d. 91a, ganz unten. 



^OOgl- 




1. Ooldxiher: Hri' Soelfiiivtig«! im iBUmischei) Volksglauben. 



3oa 



sein der Vorstellung Tom Seelenyogel bet den alten 
Ambern folgern •*). In Gestalt einen Vogels {gewöhnlich 
al« Kute) TorgoHtellt, umschwebt ilio Seide dun Verstor- 
benen, dessen Körper sie boherbt^rgt hatte. lK*r Seiden- 
voget stufst Laute des Schmerzes aus. Gehörte er dem 
Körper liiiies gewalUai» Krntordeten au , um den man 
die Pfliebt der lilutmcbe noch nicht erfüllt hat, so holt 
man aus seinem Schreien den Huf nach Tränkung mit 
dem Blut des der Blutrache Verfallenen. „In allen 
ThÄlern hört man das Geschrei des Totenvogela“ (hftma) **) 
bedeutet ho viel als: Ungerächtes Blut schroit nach Vur- 
geltiing. 

So sehr auch di« Theologen des Islam in ibruu dem Mo- 
hammed zugusebriebenen Lebrsätzeu aUKspruchen liofscn, 
dafs die Vorstellung vom Toteiivogel eitel sei und sich 
mit den Anschauungen des Islam nicht vereinigen lasse, 
hat sich der Glaube daran noch in iNlamLcher Zeit lange 
erhalten. Mindestens in den Sprüchen der Poeten lebt 
die alte Vorstellung noch weiter fort. 

Wenn der Islam den Glauben an das Fortlebun der 
Seele iti Gestalt der noch Hachu Hchreienden Kule auch 
ablehnt, so hat seine eigene Mythologie für die Vorstel- 
lung vom SeeleuTogcl im Kiuklang mit seinen eschatolo- 
gischen Anschauungen andere Formen ausgebildet. Da-n 
heidnische Arabertum kannte nicht ParadieH noch Hölle. 
Bie islamiKche Vorstellung läfst die Seelen der Frommen 
im Paradies« in Verbindung mit Vögeln weiterJebeu, 
diu sich auf den Bäumen des Paradieses aufballen, bis 
dafs sie Gott zur .\uferstebiuig wieder mit den Leibern 
vereinigt, in welchen sie während ihres ersten hirden- 
lebens wohnten'*). Mit .Vnlehnung an Sure 3, v. 163 
Ufat mau den Propheten in Bezug auf die in der .Schlacht 
hei Ohod Gefallenen versichern , daf.n ihre Seelen in die 
Leiber von grünen Vögeln gewandert seien, die Bich 
von den vurschitNienen Fruchtgattuiigen des Puradieses 
nähren und sich au dun Strömen desselben laben; wenn 
sie der Huhu bedürfen , ziehen sie sich in die goldenen 
Lampen zurück, diu au dem (iotteHthron uufgehängt 
sind ■'). Die Vögel werden dann in der fpätercu Legende 
aU eine ( • attung von Sperbern näher bestimmt fzurzür] ‘"l. 
Damit Bieht es im Zusauiinenbang, dal» die iin zarten 
Altur verstorbenen kleinen Kinder 'asTifir Hl-gaiina, 
„kleine .S{>urliitge de» l^aradieses^, genanut werden 
Kino feste Tradition über die Gattung der Vögel, welche 
die Seelen derFrouimeu beherbergen, gtebics aber nicht. 
Bei den von den Schiiten geübten dramatischen Darstel- 
lungen des Martyriums der Familie ’AHs werden die 
Secloii des Hasan und Husein durch zwei biutboHpritzte 
weifse Tauben dargestollt *'*). Am meisten verbreitet 
ist jedoch die bereit» Ikü v. Negvlein (a. a. 0., 382, zu 

“) Nftldeke in Zeitschr. I). M. ü,, XLl (1687), 717. 
Kremer, a. «. 0., 55. Jacob, Altarabiscbes Beduineu- 
leben. US, 257. 

‘•) Aifhftni, XXI, 190, 18. 

Vgl. den Glauben des Amurvolkes der Golde, nach 
welchem die tfieele des Meiiocheii vor der Geliort in Gestalt 
eines kleinen Vogeb in dem gnifseu heiligen Baum im 
Uimiuel lebt, Globus, B«l. 74, H. 271. 

Musiiod Ahmed. III, 4S:>; VI, 425; Usd al-gh.iba, V, 
Ö09, 623. Bei Damlri t. v. tä'ir, IT, 112 oUm ist ein Beispiel 
mitffeteilt von der rohen Art, in der man sich dies vurstellt. 

'*) Ibn llischam. 605. 

'*) IbeudO'Balkhi. Le Livre de la Cröatiou et de 
I'Histoiro, 6d. Ci. Uuart, II, p. 104 ff. (Übersetzung 09 ff.). 
An dieser htelle sind die verschiedenen Versionen der Hadith- 
auMprüche über diesen Gegenstand reichlich zuttaniiiien* 
gestellt. 

*0 Musuad Ahmed, VI, 208. Dies Kpithot wird wmet 
den 8chwal1>eu wegen ihrer Anspruchslosigkeit in der 
näbruiig geg«T«n; Damlri, i. v. chutt.'if, I, .S66. 

'*) Paul Honi, Geschichte der persischen Litte- 
ratur, 8. 2U9 (Leipzig, Anielatig, lOOl). 



Anm. 52 bis 53) erwähnte Vorstellung, dafs die Seelen 
der Frommen in grüne Vögel cinhelireu *'*), wahrend 
die Seelen der Ungläubigen und SQudur dem letzten Ge- 
richte in den Lülieni »chwarzer Vögel entgegenharren 
müesen *®). 

In Gestalt de» grünen Vogels kehrt di« Seele de« 
Frommen auch zuweilen auf Knien wueder, wenn sieeino 
bestimmte Mission zu erfüllen hat. Ah der heilige Scheirb 
Sa d a!-Haddäd, ein in Sridarahien hochverehrter Hei- 
liger*'), dessen GrabeBort in Aden verehrt wird, Btarb 
und seine .Anhänger in Zweifel darüber waren, wer vou 
ihnen zum Nachfolger de» ver»torbeuen Meistern erwählt 
werden »uilie, da versammelten sie sich unter fortwAh- 
rendcu frommen Übungen drei Tage lang «m Grabe des 
Heiligen; unaufhörlich rezitierten sie den Koran und 
hielten Dikr-(rebete ab. Da am dritten Tage erschien 
ein grüner Vogel in ihrer Gesellschaft; von dem erwar- 
teten sie nun die Kntscheiilung, Er flatterte längere 
Zeit in den Lüften, bis er sich, auf den Kopf eine» ganz 
gewubnlichim Bauers Namen» Oaubar, der zu ihrer Ge- 
sellschaft gehörte, miHlerlicf». Dem leisteten sie allso- 
gleich die Huldigung als Oberhaupt der Brüderschaft 
lind Nachfolger dos heiligen Haddad **). Es war die 
.Seele de» verstorbenen Scheichs, die in ihrer Mitte er- 
schien, um den Willen de» MeiBter» zu künden, zugleich 
ein Beispiel für das in den Volkssagen häufige Motiv 
der Wahl eine» Fürsten oder Würdenträgers durch das 
Gotte'^sztueben de» sich herablaBsendeu Vogels, wofür 
Victor Chauvin unlängst eine Zusammenstellung ge- 
liefert hat**). 

Solche Vorstellungen waren ihrer Natur nach dem 
freien Walten de.s Volksglaubens anheimgestellt In ka- 
nonisekor Form sind sie nicht festgelegt. Und darum 
küiuite sich an sie auch der eine oder andere Zug an- 
knüpfen, der Keinen Ursprung in den ÜlMjrliefcrungen 
iiicbtarabischer Völker hatte, die der Ktets rezeptive mos- 
limiBcbe Volksglaube »ich gern eiuverleibte. Sehr ver- 
breitet ist z. B. der Glaube, dafs die Seele noch einig« 
Zeit nach dem Tode in der Umgebung des Körpers ver- 
bleibt, der sie lieberbergt hatte**). Diese dem Parsismus 
eigene Vorstellung*^) hat sich sowohl da» Judentum**) 
als auch die mohaniniedanisrho legende angeeignet. 
Mit diesem Glauben verknüpft sich dann leicht die Vor- 
»tcllung von der Anwesenheit des Seelenvogels in 
der Nähe des Verstorbenen. Nach der islamischen I^e- 

’*) ,Dic> Seele selbst ist grün und hat alle miVglichen Ue> 
liwte" — Kl lautet ein Sprichwort bei Muhibbi, Biogra- 
phieen ans dem 11. Jahrhundert d. 11., i. 150. 

*") Pseudo-Balkhi, I. c. 105, 11. 

”) Die Familie llmidiul gab dem »üdarubischen Islam 
mehrere hochverehrte Heilige, deren Xachkommen uoch 
heute im Geruch der Heiligkeit stehen und von der gläubi- 
gen Bevölkerung mit Geschenken reichlich bedacht werden. 
Kin von Alidalläh al-Iladdad verfnfstCH Gebet (rätib) wir«l 
ate lieHmders wirkungsvoll betrachtet um! bildet in Koumieu- 
taren Gegenstand des Studima». llounuiia-BriU. Catalogue 
d’une Collection de Manuserils etc. (Leiden 1886) iir. 
584; (1HÖ9) Xr. te*48. 

”) Jiifi'j, Knud nl-rajäbin (Kairo 1297), 165. 

*•) Bibliographie des Ouvragen arabes, VI (Liege 
1902), 7.5: La d^'ingnatioii se fnit par un «dseau. 

'*) Musuad Ahmed, III. 8; IV, 125. Nach einer Tra- 
dition des Mugilbid hält sich die Seele noch sieben Tage 
nach der Beerdigung in der Nähe dos Gralies auf, Ibn Hagar 
aMlojtami, Faiäwi hudithijja (Kaim 1307), 4. 

‘*) äüderblnni, Les Fravasbis, Bevae de l'Histoire des 
Hcliginus, XXXIX (1899). 238. Aam. 3. 

*‘) Drei Ti»g*i nach dom Ti»de iles Menschen flattert die 
Seele um den Leichnam heruru. Der Ausdruck, der dabei 
angewandt wird ist zunächst dem Vogelflug ent- 

lehnt — die Stellen hat zuerst Osias äcborr in seiner 
jüdischen Zeitschrift lle-Chätuz, V11(I865), 28, zusaniiueu- 
gestellt und ihrem l'nprung nach gewürdigt. 







J. Goldsiher: Per Seelenvog^ol im islamiaehen Volksglaabeow 



303 



gendu*') HgIh hicIi nach dnm Tode Ibn AbbAs auf 
Huino liabre’*) ein weifRer Vogel licrub, wie man «eineR- 
gleichen frQher nienmlR ifeseUen butte; er glich am 
eheRteu einem Kranich man »ah nicht, «lata er wieder 
fortgeflugeu aei, alH.'r vom Kunde des (trabea ertönte aua 
Qusichtbarem I^limde der Koraiit«pruch (Sure SO v. 27): 
„O du beruhigte Seele, kehre zurück zu deinem Gotte, 
befriedigt und Wohlgefallen findend, tritt ein unter meine 
Diener, tritt ein in mein Para<lioR.“ Sehr leicht entfaltet 
bich aiiR solchem Giaiibeii die AiiRchauung, dafü sich die 
AuwoRünheit der Seele durch daR Flattern de« Seelenvogels 
um dim f4eichnaiii kimdgiebt. Die etitflogune Seele «ebwirrt 
um den Körper herum, dem sie angehört hatte. In wei> 
terer aageubnftor Ausbildung wird der »Seelenvogel ver- 
Tielfältigt, 80 daf« eino ganze Sebar von Vögeln zur De* 
wachung dea ihnen zugehörigen ladchnnuis herheifliegt ^). 
Auf einer Stufe, auf welcher die Vorstellung de« Seeleii- 
vogeU nicht mehr lebendig ist, bilden diese Vögel nur 
mehr eine Art Ehrenwache für den Verwb*rb«nen. Ala 
König David gestorl>en war, lädt Sulomou die Vögel ein, 
den Leichnam neine« Vater« zu beRchatten: sie kamen in 
HO grotaer Anzahl herbei, data durch die Ausbreitung 
ihrer Flügel die Erde verfinstert wurde 

Ihiraiis hat eich der in lleiligenlegenden häufige 
Zug ausgebildet, dal« die llahre, auf der heilige Leute 
dem Grabe /.ugefflhrt wurden, während des BcgrAbuisRcs 
von einem Vogelzüge beschüttet wird, der den Leichnam 
begleitet »Solche Legenden wurden nicht nur von älte- 
ren Heiligen de.« Islam», wie dem berühmten Ägypter 
Du-I-nün ul-.Miari (»t. 8r)9) erzählt**)» ich finde sie auch 
in der iliographie einea neueren Heiligen, Abu Bekr aus 
Zejla' an der SomaliküHte («t 16r»9). AU man ihn zu 
Grain) trug, zogen unzählige Vögel mit »euier Dahre und 
beschatteten aie**). Dieser hagiologische Zug gewinnt 
an Interesse dadurch , data ur eiuo Analogie in einer 
alten ialmudischeii Erzählung findet. 

„AU Itebbah bar Kaohmen! (in Dabylon) zu den 
Himmlischen abberufen wurde, wollten Abäji und Habhä 
und alle übrigen Hnbbinen hingeben, aich mit seitieui 
Leichnam zu beschäftigen. Aber aie wuUten nicht, au 
welchem Orte er sich befand (denn Rabbab war auf der 
Flucht vor den ihn verfolgenden Organen der Regierung 
gestorben); aU sie (ihn auebeud) nach Agama**) kamen, 
bemerkten sie, wie Vögel um einen beRtimmten Ort flat- 
terten. Daraua folgerten nie, dafs Rieb der I.«icbiiam an 
dieser Stelle befinde**)*“ 

Daf« die Seele dea Heiligen durch eine Pluralität von 
Vögeln repriLsentiert wird, begegnet uns auch anderwärts: 
im (iebiete de« Toll ul-^Amurna. ln der Xäbe des 
Dorfes Ileracbo blickt von der Höho de« feUigen Gebel 
»Scheich Sa^M das Gralidenkinal eine« Welt auf den Nil 
herab; der (tobol but seinen Namen von dem dort ver- 
ehrten Heiligen Sa^id. Der Mitteilung de« '.\li Muhä- 
rek **) vordiiiiken wir die Kunde von einem an dieser 

*0 Al-Nawawi. Tahdib 353 ult. 

**) Nach einer Version: ln die Toteiikleider. 

**) t*sd al-ghäba. 111, 195, 13, „ein Kranich, »o weifs 
wie feineR koptUches Linnenzeutr'' (Jacob, Deduioenteben, 
149, ü), vgl. Ihn al-Athir, Nihäja, 111. läu. Dameltw wird 
bei Pamir! s. v. ghirnik aU Tradition aus Muslim zitiert, 
wo ich jedoch die Krzählung nicht gefunden habe. 

**) tkicin, Diwän aus Centralurabien, II, 32 (Xr. aä, 

V. 2«). 

•') Ptimiri, s. v. Kakar. II, ?«. 

**) Pahabi, Mizun al-ftidäl, 1. 294 unten. 

**) Mubibbi, lliograpbieen berühmter Männer dos 
11. Jahrhunderts d. 11., I. 93. 

über Lage and Identität dieses Orte« siehe de Goeje 
in Z. P. M. (t., XXXIX, 13. I 

•*) Kabyl. B. Masfä, ful. 8«»a. 

**) al'Chitat al-gadlda, X, 43. 



Stelle des NiU von alter« her geübten Schifferbrauch. So 
oft die .Schiffer au dieser Stelle de« Flusses vorbtukummen, 
streuen sie Brotkrumen auf da« Wasser; bald kommen 
Vogel herbei, die das Brot aufpicken und — wie die 
Leute glauben — am Grabe des Heiligen niederlegeu. 
Die Vögel selbst seien die Seele des Sa'id. Freilich ist 
diener Heilige, de«Ren Namen in der llagiologie des Is- 
lams oft zur Bezeichnung von Sancti ignoti begegnet**), 
in Bezug auf MÜne islamische Ursprünglicbkeit nicht 
wenig vordiuhtig. Ih-r vereinzelte Schillerbrauch mag 
wohl der verkümmerte Überrest altägyptischer Vor- 
.stellung «ein und mit der Speisung des Kt\ in Zusam- 
menhang stehen; eine islamische Transformation, der 
auch von v. Negelein (S. 382, zu Anm. 47) angefülirten 
Anschauung, dafa, „wenn der Ver«torlH'ne das IhNlürfniss 
nach S{M]iKe umpfaud, «o kleidete er sich in Vogel- 
gestalt, flog atis dum Gral>e und verzehrte (Ur Essen*. 
Der nächste Nachbar unseres Weli ist der Hägg Kundil, 
in dem Voller« die letzte Metamorphose einer altagyp- 
tischen mythologischen Gestalt gefunden hat*'). 

Aber nicht mir in seinem eigenen Interesse erscheint 
der SeelüttVügel in Ägypten den vor «einem irdiseben 
Aufenthaltsorte vorbeiziehenden Sterblichen. IHe Seele 
des Heiligen thut sich ihnen auch kund al« RetPirin in 
der Not, Schon anderswo ist eine Legende aus dem 
Kreise den altagyptiachen l«lnm wiedergegeben worden, 
die die Seele eines um Itettung angerufenen Heiligen als 
eine Art deun ex machina auftretou !äf«t. Ein von 
Schuldenlast geplagter Muuu aus dem Volke, so erzählt 
eino der «ich au die heiligen Stätten der Kairoer mo- 
hauiuiedauischen Nekropole (Karufa) knüpfenden Sagen, 
sucht in seiner Bedrängiii« Zuflucht bei dem Grabe des 
heiligen Leith ihn Sa'd, den die Verehrer der Grabes- 
stätte wegen ihrer vielerprobten wunderbaren Wirkungen 
den „Vater der Mirakel“ (.\bu-l-makarim) muinen. Nach- 
dem der arme Mann viele sorgcuvulle Stunde» hindurch 
am Grab« gebetet hatte, «chlief er ein. Im Traume er- 
schien ihm der Heilige und tröstete ihn damit, dat« er 
durch ein auf dem Grabe befindliche« Wesen errettet 
würde. Er fand beim Erwachen «inen Vogel auf dem 
Grabe sitzend, an dem er bald die Kunst gewahrte, den 
Koran in mei«terhaftor Weise zu rezitieren Durch 
die Produktion de« gelehrten Tiere«, da« ihm zuletzt der 
Statthalter für eine groUü Suumio abkaufte, wurde der 
arme Manu bald aller materiellen Sorgen frei. I>eni 
Statthalter aber erschien der heilige Leith im Traum und 
eröffnete Uun, daD es «ein eigener (icist sei, den er im 
Palast im Käfig hütete. Am Morgen war auch der ge- 
lehrte Vogel Verschwunden. Der (ieist de« Heiligen 
hatte die Gestalt d()s gofiedertuu Tieres angenommen, 
uni den hedrüngteu Frommen aus der Nut zu erUuen *°). 

Es ist nicht immer eine be.“tinimt© individuelle 3Ien- 
Rchenseele, welche der Volksglaube »ich in Vogelge»talt 
verkörpern läfst. F.s scheint, (Ufa nmii Imreits im Heiden- 
tum überirdische flächte sich in Vogelgestalt ver- 
körjiert dachte. In einem aus dem defiiütiven Koran 
gcüJgteu Spruch soll |a Mobammial die arabischen Götter 
Al-Lat, Al-X'zzti und Maniit als „biminiische Knuiicho“ 
Ivezeichuet haben, „deren Fürsprache man erhoffen möge“, 
llainit hängt ja wohl die Vorstellung vom Seelenvogel 
n!« Kranich zusammen, wovon wir soeben Beispiele ge- 
sehini haben, 

Vögel treten iin allgemeinen auch als Verkörperung 

Siehe darüber Giobu«, LXXI, 2.33a. 

•") Zeit-Rchrift für A*i»yriologie, VIII, 208 . 

’*) über l’apageiun, die einzelne Suren de« Komo« her* 
«agun kunuen,,,mehe Iwi Pamlrl, s. v. durra, 1, 419. 

**) Kber«, Ägypten in lÜld und Wort. I, 



D . by Google 




304 



Prähistoritches »ub P«rsi«u. 



goiütiger Potunzeu «uf, al« Vennittler zwischen der üher- 
irdischeu und der irdischen Welt. PUuen etwas rohen 
KeHex der Vorstellung von der Taubeng«^Btalt des heili- 
gen (leistes zeigt tinn die Legende, welche die llriist 
des religiösen IHrhters Lmaya 1) ahi-l-Salt, Zeitgenossen 
Mohammeds, durch einen Vogel öRuen lätst, um dem ' 
Dichter di« höheren Erkonntuisse ciuzuflöfsen, die dieser 
Nebenbuhler des IVupheten zwar mecUaniscIi in sich 
Hufnimmt, aber nicht als wahr anerkennt. Während 
der eine Vogel auf der Brust des Bcblafenden IHchter« 
jene Operation vollzieht, wacht ein anderer V’ogel über 
diesen A’organg und enipfangt den Bericht seines («e- 
uossen^*). 

.\uch in seiner Kigenschaft als Verkünder des mensch- 
lichen Schicksals, indem er durch die Art seines Fluges **) 
dem Menschen di« Ahnung günstiger oder widerwär- 
tiger Begegniss« einfl^ifst, ist der Vogel Träger göttlicher 
Botschaft. Kr übt sein Amt als Sendbote Gottes auch 
in Angelegfuiheiteu höherer Ordnung, als Wächter über 
di« Timten dos Menschen. Wir glauben, daf.s in diese 
Reih« das Koranwort (Sure XVII, V. 14) g«*hört: „Jedem 
Menschen buben wir einen ^’ogel an seinem Nacken fest- 
gesetzt (der über «eine Thaten wacht und darüber Be- 
richt erstattet); am Tage der Auferstehung holen wir 
ihm ein aufgerollte.H Buch hervor (in dem seine Thaten 
aufgezeichnet sind)." 

Auch über Ehre und Sitte der Fumilio ist ©in Vogel 
als WächUT und 3Iah«er eingesetzte^). Hat jeuiaud — 
so erzählt ein arabischer Aberglaube — Ursache, gegen 
die Weiber »eine.s Hanses eifersüchtig zu »ein, und er 
zeigt «ich nachsichtig gegen sie, so sendet Gott einen 
Vogel Namens Karkufaima; dieser setzt sieb auf den 
Balken der Thür und wartet dort 40 Tug«, indem er 
dem Manne mahnend zuflüstert, daf:« Gott sedbst eifer- 
süchtig ist und die Eifersüchtigen lieht. Hat er damit 
keinen Erfolg, so verläfst er »einen Standort, läDt »ich 
auf da» Haupt jenes Manne» nieder und flattert mit den 
Flügeln über seinen Augen; dann fliegt er von dannen. 
Gott aber entreilat jenem Mann« von dieser Stunde an 

Aghünl, III, 188 unteu, 190 (weitläufiger), Uad al* 
ghäba, IV, 510, äprOQger, Leben HohammedB, 1, 
116 . 

*') Bi« Tamo (ein l'apuastnnim. Neu-Ouin«a) .hören als 
giioRtigos Omen dio Stimmen ihrer Tuten au» dem Oe-sang 
des Kian-Vugelf* (Dr. Hagen in den Keriohten der 
Berliner Qesell»chaft für Erdkunde vom M. Dezem- 
Iter 1896). 

*■) Vergl. die Hage vom Storch als Wächter der ehe- 
lichen Treue iui Hause, bei Aeliau, VIII, SO. 



den Geist de» Glaubens, und die hkigid nennen ibn «inen 
„Unhurei“ [dajjüth]-'D- 

In historischen legenden erhält der Vogel häufig di« 
iiolle, in Kümpfe einzugreifen und den Sieg zu ent»chei' 
den*-*), hj Ut BoUu (ioltea und Vollftlhrer seines Straf- 
gerichte» an «eiueu Feinden. Eine vom .Meer« her 
herlveizieheud« Schar vou Vögeln ist es, die das Heer 
de« Ahraha, der von Süden herbeikam, um das Hau» 
Gotte» in 31ckka zu zerstören, mit Steinen bewirft und 
vernichtet**). 

Auch als Siegesherold erscheint der Vogel. Den 
Propheten beschatteten Taul>en, als er Mekka erol>ert<*. 
Wegen de» S«g«ns, den der dankbar« Prophet den 'ranbeti 
erteilte, genieDeri dies« Tiere besonderen Schutze» in der 
heiligen Stadl**). „Mehr geschützt als die Tauben iii 
Mekka“, lautet ein Sprichwort*'), „eine Stadt, in der 
di« Tanh© sicher ist“ *•''), ist eine Paraphrase für den 
Namen Mekka. 

Als der Feldherr Abu Muslim al-fhauläni wegen dea 
Schicksals seiner gegen die Hörner ausgcsamlteii Streif- 
schar in Sorge war, Uels »ich auf dt© Spitze de» >peere», 
den er während seine» Gebote» in die Knie gesteckt 
batte, ein Vogel nieder, der dem Abü Muslim di« Ver- 
sicherung brachte, dafs di« in des Feindes Land uut>- 
gesandte Schar gerettet »ei und an einem iHistinimien 
Tagi? sieggukrönt und mit grolser Beute zuröckkehren 
werde. „Ich habe“, so gab sich der Vogel zu erkennen, 
„da» Amt, den Ktnumer aus den Herzen der ((laubigen zu 
eutferuen“ [mudhib »1 buzn 'an knh'ib al-mu 'mininj^). 
Ihjui ont.-ipricht auch die Holle des Vogels als Retter in 
der Not. Seiner bedient sich Gott ab Sendboteu, um 
den bedningten Menschen den Weg de» lleil-H auznweisen, 
z. B. in der Legende der *Aditin Haghweh, die ein ül>er- 
irdischer Vogel auf den Weg zu ihrem verlorenen Gatten 
Kanuch leitet 

**) l^ndo-Uähiz, Mahäsin, 272. Bei Damiri, II. 293 
alü Tradition de» Wahb. 

“*) Hiebe di© ZuBaumieiiBtüllung bei B. Ba&set, Nou- 
voauz Coules berlii^res recueilli» traduits et au 
notäs. (Pari« 1697.) 286. 

**) Koran, Sure 105; Ibn Hiichäin, ÄS. — v. Kege- 
lein, a. m. O., 322 zu Amu. .‘»O. 

Damiri, I, Ä24. 

^■) Mejdäni, Sprichwörter, ed. BüUk*. 75. Doch «cheint 
die Schonung der Tauben im heiligen (sebiet vorrtlambeher 
Brauch zu »©in; Näbigha, 5, S6 (Ablwardt). 

**) ' I^baid-irtluh b-Kais al-rukajjüt. Diwan ed. 
K. RhiKlokanaki» (Wien 1(K)2), p. 296 (Anliang, Kr. 22). 

**) Jafi'l, Baud, al-rajählu, Nr. 271, p. 179. 

*') Weil, Biblinche Legenden der Muselmänner, 
S. 51. 



Prähistorisches aus Persien. 

Im Auftrag« de« franziVaiseben t’nterrichtamini»tcriumB 
hat in den Jahren 1897 bi« 1902 eine Expedition in Persien 
ge»chiehtliche und ärchäolc^Uche Fitrucbungen augesieüt. 
All der Spitze «tand de Morgan, dem Pat«r Scheibl« und 
M. liiimpiv al« Miurlieiler beigegeben waren. K« »ind über 
die ErgobniMo di«»er Expedition »chmi zwei Schriften er- 
Hchieneu. die umi wenigHten» vurlHurigpn Bericht erstatten: 
La üelcgatiun en l’urtie, ein kleiner mit Abbildungeu ver- 
sehener Band von 157 Seiten, und L'liiatoiro d« rKlam d'aprc» 
le» mati'riaux foumi» par h>» fouilieB de Su>« de 1697 ü 1902, 
Pari» bei Leroux. über Busa und die dortigen Ausgrabungen 
der Franzosen hat L. WiDer im Globu» Bd. 62, S. 295 schon 
berichtet. Ergänzend ftir unsere Kenntnin der orgeschicht' 
liehen Verhältnisse Persiens ist die Aiisntellung, welche in 
drei Saleu des grufseu Palais der Chaiiip» Klyat^s zu Paris 
uns die von der >lx|>edition mitgebrachten Funde vurführie. 
Eine Besichtigung des »ehr reichen InhalU lä&t uns ül>er- 
raachende Blick« in die Präliisturie IVmiens tbun und er- 
öffnet zugleich .\usblicke in die kulturgeechichUicheu Ke- 
ztehUDgrii zu den Nacbliarlärideni Vorderasien«. 



I Nach de 3forgan soll die eigentliche prähistorische Epoche 
Elama bis ius zehnte Jahrtausend unserer Zeitrechnung 
zurückreichen! Die Topographie des Landes war damals eine 
; ganz andere als heute, das Mo«r reichte bedeutend weiter 
nördlich und in dem von grofsem \Vasserdruck durch- 
rauschten (leläiide lebte das Nilpf«rd. der Elefant, der l>ö«e 
neben grofsen Aniüopentionleo, deren Itest« heute unter einer 
2ü m dicken Hchicht begraben liegen, die de Morgan bis auf 
15 m Tiefe v«rf«dgt hat und deren Basis er ins viert« bis 
fünfte Jahrtausend v. Chr. versetzL Die Bteiugeräte, die 
Morgan hier fand, sind regeliuärsige priRnatische Nnclei 
I au» einem feinen Haudstein, lang« H{iäne in Form vun 
. Messern, Bchaber (von der Form magdaleuien der FrauzcMen) 
und ziemlich grof»« Ohsidiansplitter. Hervorzuhelwu sind 
auch die künstlich s&geförniig bearbeiteten HteinkJingen. an 
denen noch Asphalt haftete, mit dem sie wohl in einem 
Holzstiel befestigt waren. Aus derselben Kpoeh« stanmieti 
rohe, irden© Vasen, meist schalenförmig und ohne die Dreh- 
•cheibe hergestdlt. Zuweilen Andet sich auch feineres 
Irdcugesi'hirr von blafsgelbiichur Farbe mit Zeichnungen in 
M'hwarz otler braun, ähnlich den alten Vasen von Illo«, 
Ctpern. (’ucuteni in Rumänien u. s. w. IHese Töpferwaren 




BüoberiobftD. 



306 



sind mit gebroclu'a«!) «Hier wellenförmigen Linien gescbmöckt; 
auch kommen Kreuze, Souneuscheibe mit Strahlen, Pfeile, 
!«tArk stilisierte VOgol darauf vor. Dann wurdeii auch durch* 
bohrte Hteine von eigentümlicher F«)rm gefunden, welche in 
der AuMtellung als Caasetete gedeutet sind. ]>azu Toutärel- 
chen avec inscription imU‘chiffr«‘e, welche an die Inaohriften 
der nltesben M iLteliueerscbriften (Kreta u. s. w.) erinnern- 
Miti^au vergleicht sie mit Zeichen, die auf den Dolmen der 
Bretagne Vorkommen. Iudes»«n, hierauf ist wohl kein allzu 
grofi*er Wert zu l^geii, da dergleichen Zeieheu (Quadrate, 
Kreuze, Striche, Winkel) sich überall nuehwuiseu huwin und 
auf keiuerlei ethni.«rhen «xler kulturellen ZuKainmenhang zu 
deuten brauchen, 

V<m lielang sind die Gravierungen der vorgeschichtlichen 
Schichten, ln der Ausstellung zog ein in Klfonbein ein- 
geschnittenes wieherndes l*ferd durch die Ivebeoswahrheit 
seiner Zeichnung die Aufmerksamkeit auf sich, ferner eiu 



cingeritzter Ochsenkopf, ein laufendes Tier, alle an di« be- 
kannten prähistorischen Tierzeiohumigen der franztlaiacben 
Uenntierzeit erinnernd. Kine klein« Serpenlintahd mit Spi- 
ralen darauf zeigt das Vorkommen dieses als nordisch ge* 
deuteten Ornaments auch im vorgeschichtlichen Klam. 

Die Gegenstände aus Bronze «Hier Kupfer sind si-hr merk- 
würdig. Sie zeigeu die Können von Hohlbeilen, Beilen mit 
Dülle, Dolchen, Kpe«*n>pitzen, Nadeln mit rundem oder ein- 
gerolltem Knopfe, wiwie viele Stücke, deren BesGmmung 
schwer fällt. Ausgootellt waren auch die Zolchnungen von 
mehreren Ihdineu aus Talysch, an der penisch-russischen 
Grenze, die in ibn>r Anordnung mit Trägem, l>eck.-<teinen 
und umgebendem Hteinkreise ganz den uordeurupäischen 
Dtdmen und Hüuenbetten gleii^hen. Ausgrabungen, welche 
die h'ranzoscn dort mitemahmen, ergnt>eu Fundstüoke vom 
UalstAtttypua. 



BQcherschau. 



P« Snrtorl: Die Speisung der Toten, (Ihwtmumler 
Uymuasialprogramnt. 1903.) 

Professur Sarturi ist durch seine sorgfältigen, von groftier 
Idieraturkeuntnis zeu^ntien Schriften zur Kthnographio wohl 
bekannt. Kr greift einen einzelnen Gegenstand heraus und 
l^ehandelt ihn fortschreiieod durch alle Völker vergleichend 
und, wo rieh Gel^nheit dazti bietet, auch d*m Zusammen- 
hang o<ler die gemeinMuue Quelle unterauebend , ohne daliei 
in leere Spekulationen zu verfallen. So bieten seine Arbeiten 
einen dauernd feststehenden Stoff, der sich immer als Bau- 
stein in «in gWifscres Gebäude einfngen lüfst und dort, weil 
krili«»ch bearbeitet, auch fest liegt Hier handelt der Ver- 
fasser. gut gegliedert, von der S{>ei«UDg der Toten, ein weit- 
schichüges Kapitel, das er in folgende Abschnitte, die den 
Inhalt bezeichnen, zerlegt: Die Pdege der eiiueinou Seele 
(vor der Bestattung, Mitgnlie von 8{>eis«n an Tote, der 
I^etchenschmaus, fortdauernde 8poisuiig derT«>t«n); diu Aller- 
seelenpflege (gelegentliche bi>«i8ung und Speisung zu l«e- 
stimmten Zelten); das Traut'rfasten ; wie die Toten essen: 
Übergang der GnWii an Tote in Opfer für Tote. K. A. 

Dr* K. G> NlephanU Der Ultoiie deutsche Wohnbau 
und seine Kinrichtung. Baug^hichUich«* Studien 
auf Grund der Knlfundo, Artefakte, Baurest«. Munzbildor, 
Miniaturen und Schrift«{Qi’llen. 3. Band : Iter deutsche 
Wohnbau und seine Kinrichtung von Karl dem Grnf<<en 
bis zum Knde dus 1 1. Jahrhunderta. 705 Seiten mit 454 
Textabbtldangen. l^ipzig, ilaumgärtnors Buchhandlung, 
1903. Preis gebunden 2U Hark. 

Der erste Band dieses Werkes, welcher das deutsche 
Wohnhaus von der Trzeit bis zum Knde der Merowingerzeit 
l>ehaiidelt. ist iin Gbihus, Band tfl, 8. 275 angezeigt wonlen. 
Mufste dort gesagt werden, dafs es bezüglich der Trzeit, w«» 
es sich um Prilbistori« mid dun KuUurzustand der frühesten 
deutschen Bevrdkerung handelt, nicht auf der Hohe der For- 
schung steht, so fällt diese Ausstellung nunmehr fort, wo 
der Verfaaser sich auf geschichtlichem Bo<len liewegt und 
eine vulle Beherrschung der vorhandenen Quellen zeigt. Kmsjg 
hat er den doch immer noch für die kaniliugische Zeit sehr 
spärlichen Ktoff zusammcngetragca und zu einem Gesamt- 
bilde vereinigt. Sellwt da. wo man etwa mit seinen Folge- 
rungen nicht einverstanden sein kann , bleibt der W'erf der 
Arbeit l>estehen. weil hier in der übersicbtlichsten kriti- 
schen W'eis« das Material gesichtet vorljegt und kaum eine 
der zerstreuten Quellen, sei es in Banresten o«ler Hcbrifl- 
denkmäiem. übergangen M'arden ist. Es ist sehr vieles, was 
»elbst deui Faehinatm achwer zugängig ist, hier an« Licht 
gezogen und be«tuem benutzbar gemacht wonlen. Das gilt 
nicht nur vomToxU*, simdeni auch von den nach den aeltvn- 
sten Manuskripten und Werken wivdergegebeuen zahlreichen 
Abbildungen. Um auch jenen, die nicht den Überblick über 
das beh.'indelte Gebiet besitzen , das Htudium zu erleichtern, 
giebt der Verfa<sor reichlich Exkurs« , so z. B. über die 
Mönchsorden und deren Thätigkeit auf baulichem Gebiete ; 
Imsondcrct« Nachdruck legt er, gleichsam eutwickelungs- 
geschichtlich , auf die Herkunft der Bauten und Geräte bis 
zum Orient hin. 

Der vorliegende Band, welcher gerade noch den Kähmen 
streift, welcher dem tllnbu« gesbsekt ist, während der erste 
zum grtVfseren Teile unser tiebiet umfafst, Ist in zwei liaupt- 
stiieke geglieilcrt, «lereu erster die karolingische Zeit betrifft. 
Hier kumiueo die Kloslurbauloti (ausführlich 8t. Gallen), die 



Landgüter und Pfalzen Karls des Gri>fsen. die Anfänge der 
deuUehen Ktädle. Häuser und deren Inhalt zur Darstellung. 
Da« zweite Kapitel behandelt daun «len von fremden Ein- 
flüssen sich befreienden nationalen W'olmbau während der 
sächsi«chen Kaiserzeit. Ausführliche Personen-, Orts- und 
Sachregister erhöhen die Brauchbarkeit dt» Werkes, das mit 
«einen reichen Literatumacbweiisen allen jenen ein zuver- 
läsalger Handweiser bieiben wird, denen die Frühgeschichte 
unseres Wohnbaues von Belang ist. 

Dr. Gnsttv Kadde: Die Sammlungen des kaukasi- 
schen Museums. B<1. 5. Archäologie Itearbeitet von 
Gräfin P. 8. Uwarow. Tiflis 1902. 

Es ist dii^ea der letzte unter Kadde« Leitung lierauH- 
gegebene Battd d«Hi grf>r«en, über das kankasische Museuin 
handelnden Werkes, do«.«en ethnographischer Teil noch 
auMSteht, zu dem aber di« Vorarbeiten und ein Teil der 
Tafeln schon vollendet sind. Die reichen prähistorischen und 
frühge«chichtlichcn Sammlungen, die in Band 5 zur Dar- 
stellung gelungtou, werden in eiu«?m grofsen Haupt- und fiinf 
kleineren Sälen auDiowahrt. wo «io nicht chrouologisc.h, 
s«mdem in geographischer Keihctifidge geonlnel sind. Eine 
hoaondere I/citung dieser wichtigen Abteilung ist nicht v«ir- 
handen und so «ehr Kadde sich auch der Sach« annabm, 
konnte er. mit den naturgeachichtlichcii und ethnographiachvn 
>lammlungen schon überreich beschäftigt, doch seihst an eine 
Bearbeitung nicht denken. Es ist «laher als ein Glück zu 
betrachten, dafs Gräfin P. B. Uwarow, Präsident der archäo- 
li»gischen Gesellschaft in Moskau, die kritische Bearbtntung 
der Sammlung iiliernahm und in dem vorliegenden, mit 
S Bildnissen, Ifl JdchtdruckiAfeln und 22 Texlabbildungon 
versehenem Bande vcr>>1T«*ntlichto. Dieses ist mit der bei der 
boriihmtcii Dame Itekanutcu Bachkunde und GewissenhaDig* 
keit gosrhehen. Ein archäologisches Gesamtbild de« Kau- 
kasus zu «nlMlIcn, die Folge der Pcrimlen und der an- 
schliefsenden Frühgeschichte, wie sie aus den Funden «ich 
ergelteii würden, liefert uns die Verfasserin nicht. Vielieicbt 
reicht auch dazu der Btoff noch nicht aus; sie hat vielmehr, rieh 
anlehnend an die geographische Aufstellung der Bammlung, 
eine Art von ftirtlaufendcm liesebreibeuden Katalog geliefert, 
•lern als Einleitung eine geschichtliche Cl>ertirht der archäo- 
logischen Erforschung des Kaukasus vorangeht, fto viel auch 
in preiswerter Anstrengung Rufstand in dieoer Richtung schon 
verhältnisniärsig früh leistet«, die oigeiiiliche Untersuchung 
der ältCHton Altertümer hebt erst, mit unserem LHndsmanu 
Bayern an, der Hyxieinatiseh mit «1er Kri'ifTnung von Gräbern 
sch«m vor mehr al« 4t> Jahren liegann und dessen Samm* 
lungen den iiaupUeil der archäologiscben Abteilung de« 
Museums bilden. 

IHe Beschreibung beginnt mit dom berühinlen Grälwr 
felde von Kuban, das auch Rudolf Virchow in ein«uii klassi- 
.«Chen Werke Itebandolte. und achliefst daran die nicht «ehr 
alten Bnmzen vom Karbeck mit ihren Tierdarstellmiuou und 
die herrlichen G<ildschmu«^ksa(^hen von Kamunta in i>igurien 
und andere Funde. Die Kemtnik vom Bedkinlager (schon 
in Transkauka.«ien) ist l>i*sonders eingehend iMhandelt. Für 
die Funde von Mzobet, Waffen, tfofäfs*», Kisengerat, Thriinen- 
gläser, war Bayerns S|N*zialarlHdt ein gute« Hülfsmittel. Im 
ganzen )>eschreih( Frau Gräfin Uwarow über .3500 Gegen- 
stände, die au«^h in ihren wichtigsten und typischen Stücken 
abgebildet sind. Einige Funde aus Gegenden, «Ile auf^erhalb 
de« Kaukasus liegen (KarUtch, ])«rl)«nd u. ». w.), li«haudelt 







906 



Kleine Nachrichten. 



•chliefrlich Badde. liinruKefugl sind die seh<^ta' fcriv^hiseh« 
Innchrift von Mrehet, weiche 1 b« 7 entileckt wurde und von 
Vescasian dem ,/aiei) der Iberer, JUithridnt" gewidmet 
iet und ao'i dem Jahre 75 n. Chr. utamnit. und die fchöncn 
mit Heitern. Tigertiguren und i’tlanzen geschmückten Kupfer- 
kttiwel der Sastanidenzcit amt Dagestan, sowie altpeitische 
Qefürse aus Kayence und Kupfer. 

Marqnls de Segonzac: Voyages au Maroc. 1899 — 1901. 
XI u. 400 R. 5tit 178 Abbildungen im Text, >0 Tafeln 
und 1 Karte, »itvie Anhängen politischen, astronomischen, 
uteteoflogischen . botaniachen , entomologischen , nuiuis- 
maiischen und geographischen Inhalt« von de Vansaay, 
HaiWC. de VilledeuiJ, Dr. Bonnet, Bfdel, K. Ficheur und 
R. de FU»tte Ro<iuevairo. l’an», Armand Colin, 1908. 
Preis 20 Fr. 

Nur in den allergrvShsten l'mrisaen ist uns die Topo- 
graphie de« Rcherifenrtfiches bekannt, so zahllos die Menge 
der Itfisendeu ist, die es besucht und daritlter geschrietM*n 
haben. Fast alle hielten sich eiten an die ausgetretene 
Btrafso Tanger — Fes — Marrakesch , und nur vorhältnisniftrsig 
wenigen war es ver^>nnt, darülier hinaus etwas vom Leinde 
zu sehen. Die Schuld daran trägt wohl zuin grofsen Teil 
der mitunter allerdings arg überschätzte Fanatismus und die 
Kremdenfeindlichkeit der mehr oder weniger unabhängigen 
Kingeborenenstämme, für die der Sultan beim besten Willen 
keinem Kumpäer garantieren könnte. Auf den ('bersichts- 
karten unserer Atinnte», wo es an Getörgszngen und Flüssen 
nicht fehlt, sieht es so aus, als könne es innerhalb Mnrtikkos 
nichts mehr za erfor»:hen oder richtig zu stellen gölten; 
betrachtet man sich die Sache aller auf einer Karle im Mafs- 
stab von etwa 1:2 Millioueu, so wird man «nbleckcu. dafs, 
von wenigoD Grtindlioien abgegeben, die die Thätigkeit der 
leUten Jahre geschaffen, Marokko eiue terra ineognita ist. 

Die Engländer sind aus den lieihe» der Marokkoroisenden 
nach und nach verschwunden; sehr rege sind immer die 
Franzosen gewesen, und neuerdings begegneten wir dort 
auch zwei deutschen Forschem. Die französlHche Marokko- 
forschiing war und ist nicht frei von ]K>litischen Hinter- 
gedanken. Die marokkanische Frage ist ständig nkut, wie 
jetzt wieder einmal; und wer von den •Erben“ am nn-isten 
von dem I.ande w’eifs, wer dort die meisten Beziehungen 
hat. der kann die uieisten Ansprüche erhclien. 

Auch de Begonzac war hi'ichstwahrscheinlich ein halb- 
IMilitischer Kmissär. dcx:h interessieren uns hier nur seine 
Bi'isen scllivt, drei an der Zahl, die in dein vorliegenden 
Buche lieschriobon werden. Von allen ist im, Globus* schon 
die Rede gewesen, de Bogonracs erste Keisc fällt in den 
November 1899. Nachdem er auf bekannteu Wegen von 
Casablanca her Marrakesch erreicht hatte, uiarhte er einen 
Abstecher südwärts in den Urofsen Atlas, ging ölwr Anismiz 
zurück, überschritt dann da« Gebirge über den BibaunpAfs 
nac.h Tarudant am Bus, folgte dem bua abwärts und kam 
südlich bis Tiznit, von wo er über Agadir lumlwAru uai'h 
Mogador ging. Bcschriel»en bat der Mari|uis nur das 
Ruutenstiick .Marrakesch —Agadir (31. Dezember bis 26 . Ni>< 
vemtier), die nbrigeu Routen nicht, da sie liorcils mehrfach 
liegnngeu seien. AUenlings gilt das auch von seinem Woge 
über den Grofsen Atlas nach Tnrudaiil. 

Diese vorbereitende Wanderung Iwsclircibl de 
in seinem Buche an dritter Stelle. Die erste und zweit« 
Htclle uebinett zwei goi^n^phisch ungleich wichtigere Reisen 
im Nordoiiten und Osten 3lHiokkos ein. lu diese Teil« 
Marokkos ist seit Vicomte de Foucautd kein anderer Ueiseu- 
der mehr vorgeslruugen; einige, wie Thomson und Fischer, 
halten sie nur au der I’eripberie lierübrt. Hier kuunt« de 



Bt'gonxac nicht daran denken, als Europäer aufzutreteu: er 
bereiste alsri den Rif als B«-nler und das Gebiet der Beral«r 
als Begleiter eine« aiig^«ch<-iien Kcherifs au« tTiüian. der sieh 
de Begonracs Plänen anjwMel Die dort iiberall hoch ver- 
ehrten Schürfa >on Vi*««n sind europäerfn-uiidlich. offenbar 
sogar franzcweDfrcundüch, und ao kam de SegouMic nicht 
nur ölierall gut durch, sondern konnte auch ziemlich un- 
gehindert astronomische BeoliachtUDgen austelleo. photogra- 
phieren, krokleren und sammeln. Allerdings scheinen di« 
astronomischen Ortsbestimmungen, nach denen sich u. a. di« 
l«ago des An-AVAac.h, de« höchsten Gipfels des Grofsen Atlas, 
gegen de Foucaulds Bestimmung um A(/ nach Westen ver- 
schiebt, nicht ganz einwandfrei zu sein, worüber man sich 
nicht wundem darf, da der Reiseude wohl uur selten in der 
gefährlichen l.'mgcbiing die nötige Zeit und Ruhe zu Beob- 
achtungen gefunden hat. 

Die Rifreise begann Ende Januar 1901 in Tanger. Sie 
ging über l'i^ian und Fes, von da östlich und nortRksttich 
nach Melilla. Hierauf verfolgte de >^gonzac die Rifküst« 
westwärts bis zur Bai von Alhucemas und kehrte durch da« 
l’adi Vörra nach Fe* zurück. Ende April war er wieder in 
Tanger. Der Sultan hat iu den durchwanderten Gebieten 
östlich von Fo« eiuige Garnisonen, doch nirgends bei den 
Htämmen Autorität. Sie sind so gut wie unabhäugig. Das- 
selbe gilt auch für das riesigo Gebiet im SQdosten von Fes 
bis zum Grofsen Atlas, da« das Ziel vou de ISegouzacs dritter 
Reise war. Kr verliefs Anfang Mai ItKH rcsan, zog durch 
den Dschebel Serhun (romisebt» Kastellum mit Münzen) 
nach Küdeii, überstieg den Mittleren Atlas, kreuzte das Thai 
des Mtuia und bestieg den Kulminationspunkt des Grofsen 
Atlas, den AH-Ai'asch. Bei der Besteigung zerbrachen de 
8<.>g«inz«ne leider seine Kir»metor, so dafs er die Höhe nur 
schätzungsweise auzugelien vermag: 4800m. Im Thai des 
Mluin wauderte der Reisende nach Norden, ülierstieg den 
mauergleichen Alifall des Mittleren Atlas uud zog ühorTasa 
(Taza, Tazza), das neuerdings als liesidenz de» marokkani- 
sehen Thronprnteudeuten wi^er »ehr viel geuaunt wurde, 
nach Fes. Ende August 1901 folgte noch ein letzter Aus- 
flug in den Mittleren Atlas. Was cs mit der Autorität dei 
Buttnns hier schon unter nonnaleu Verhältnissen auf sich 
hat, gehl II. a. daraus hervor, dafs man im Thal des Mluia 
sagt: Die Auarrhic ist erthiglieber und nicht so druckend, 
wie da» Gesetz des Sultans, ln Tasa existierte ein General 
als Statthalter des Suitau», der jnloch di« geplagten Ein- 
wohner so wenig gegou die Raubziige der Kiata sebötzeu 
kountv, dais sich niemand um ihn küuimerl«, und dafs matt 
nicht einmal wufüte, wie er hiefs. Östlich d«^s Mittlorm 
Atlas hat der Sultan überhaupt keine Autorität mehr. 

de Segouzac bat sich darauf beschränkt, sein Tagebuch 
wiederzugeben und die marokkanische Frage nicht gestreift. 
Gegen beides ist nicht» einzuwenden; zumal politische Kanne- 
giefserei liest man ja jetzt genug. Aber uiau kamt viel 
zwischen den Zeilen finden. Am ergebnisreichsten waren die 
Segonzocacken Reinen für die Karte und die Kartographie 
Marokko«. Ein ÜltemicliUblaU in 1:2000000, da» zur Orieo- 
ticrung völlig genügt, ist dom Buche boigehefU't. Ihn aus- 
führlichen Karten in 1:250000 «racbeinen aU Atlas bei 
einem anderen Verleger. Derau Redaktiuu hat »icli de FloU« 
Ro<{uevaire mit grofser tiäcbkenntuis ~ wir schlicfeen da* 
HUB seilten diesem Band« angehangten Bemerkungen — an- 
gelten sein iasscQ. Was di« übrigen Anhänge enthalten, 
geht aus dem Verzeichnis im Titel hervor. Die Ausstattung 
des Buches ist überaus reich und schön; namentlich begeg- 
nen wir vielen chai'akteristischen I.d«nd»chafts- und Uebirgs- 
bildeni. Auch der deutachv Dcmt wird — vor allem jetzt 
— da» Segonzacach« Werk uichl ohne Nulzeu studieren. 

H. Ringer. 



Kleine Nachrichten. 

Abdrack nur mit <)t>eUrQing»l»« ze*tattrt. 



— R. |j. Jacks Wanderungen im Norden von 
Tsebengtu. Im Mftrzheft des .Geogr. Jouni." ergänzt der 
«‘iiglischo Geologe R. L. Jack «eine früheren Mittdilungeu in 
dr'iwelben Zcitachhft über »oine Wanderungen in Hzetsohwan 
(Glulm« Bd. 81, R. 243). Sie fallen in die Zeit vor Ausbruch 
der chinesischen Wirren (1900). Einer der AiisÜnge richtete 
sich in da« nordweAttich von IVhengtn liegende TschunUrhan- 
gehiige. der andere verlief westlich der Itoute Gill« von 1877 
uud ging in nordnordiMtlicher Richtung iiWr Mion und 
Anhsien nach Sebitsüan und dann östlich nach Kiangyuhsien, 
wo GilU Weg wieder erreicht wurde. Jack schildert die 



I üborauf fruchtbare, vortrefflich I<ew4s»crte Elanie von Tschong- 
I tu, in der auf etwa 7700 qkm an vier Kilhunen Menscbcti 
I lel^n. Die Kiuwohneruthl 'IVhengtus selbst wird auf 50000U 
. bis 8000t>0 angegeWn. Dem Bericht Jacks t«t eine Kartec- 
I skirze in 1 : lOOuOOu beigegeben. 

I — (tradinesHUiig in Afrika. Schon vor Ausbruch 
I de« siidnfriknniut'hen Krieges hatten die Engländer mit einer 
' Grailmessung begonnen, die von der Kapstadt der {>«tgr«n/e 
DeuLeoh-Büdwestafrikas entlang gegen den Sambesi hiu 
gefiihrt wurde- Tier Krieg unterbrach die Arbeiten, in- 




Kleine Naohriohten. 



307 



zwiKrhen aber hat die hreieckikette den mittleren Hainl>e«i 
errvichL l>ie siig^Uwbe Jtej^ierunf; will nun üie»e Mcasiirt^ 
duri'h ihr Gebiet bia zum Küdende des Tati((auika ausdeUneti 
und hat dafür Dr. Kubin aus t'psala, der im ver^tipeiten 
Jahr die Vollendung; der achwediachen GradmeK<utig auf 
Hpiulw>rgen leitete, gewonnen. I)r. Hubin, der di« ala imuter- 
güllig oi'knnnteu Mothoüeti der npitaltergiMThen Meaxuug aurb 
in Büdufrika zur Anwendung bringen will, ist Milt« Mürz 
nach Budafrika abgegangrn. Die Ttauor diemr K\(>edition 
ixt auf zwei Jahre vrruiif«hlagt. Vielleicht gi-lingt e«, die 
deuUebe K« 7 ri<‘ruug für das wissciischaftUche Werk w weit 
zu tntereMiioren, dafs das Dreiecksnetz am Tsitgnuiku entlang 
durch Deutsch-Ostafrika fertgefiihrt winl. 

— An dem internationalen Ballonaufstieg am 
Mottendes 0. Januar lieteiligteu sich IVutschiand, Frankreich, 
(Mterreich, Bpanien, Kufuland und die Vereiniiften hiaaten 
(Hlue HiJ)-Ol)«ervattiriutu>. ln titevillv, der neuen 40 km 
südlich von I*aris von TeiMerenc de Itort eingerichteten 
Bailoiiatation, wurde die niedrigxio Tempuiiitur, — t*., 

iu einer Ilölio von lOdSOin uomosxen ; aitt Itoden las man 
+ •*’.!*. in 520 m Uöhe 4- 0,2" C. ab. ln Btrafsburg wurden 

— üJ.!” in lOdOOm Höhe beobachtet, am -f~ 1>5*, in 

500 m Höhe f 9,5*. In Berlin betrug das Minimum — 50* 
bei 11 400 m, die Tem|>emtur am Buden -f 5,8*. die in 537 m 
Höhe -I- 6,3“. Für Wien betrugen die Werte; ik<deii -J- 1“, 

— 10” bei 40VU m und — 60* liei lU230in. Aufstiege mit 
bemannten BaHons wurtleu in München, Berlin, Wien und 
üuadalajam vorgenommeo. Bin Gebiet hohen b»rs>metrischen 
Drucks lag über Büd^tstcuropn; die Aufstiege von Itteville 
und Btrafsburg scheinen unter dem Kinliurs einer westlich 
livgetulec Depression gestanden zu haben. 

— Dr. h. Cohn veröffentlicht in der Zeitschrift für 
Fischerei (X, 4, Berlin 1003) sehr «Itigeliendo Unter- 
suchungen aber das Plankton des LOwentiti und 
einiger anderer Been Masurens. Mit den eigentlichen Blank- 
tonuntenuchungen geheit physikalische Hand in Hand- l>io 
Wärmesprungsclncht ist im 95qkm grofsen Löwentinsce nur 
mäfsig nusgebildet, sehr deutlich konnte der BiDtfufs stur* 
misclier Witterung iMrobnchtei werden. Die den Ausgleich 
der Wgmteunterschiedo ImwirkeDdeti VertikaUtrimmogen im 
M'asser wirken jedoufalls auf die vertikale Verteilung des 
liankUms Und auf lokale Bcharenbildungen desselben ein; 
Cohn weist diesen Batz im einzelnen sehr ul>er?eugend nach. 
Die Durchsichtigkeit de» Wassem hängt auch nach Cohn in 
erster Linie vem dem Planktnnreichtum der oinTSten Wasser- 
schichten ab, entsprechend den eig*-m*n Unt»*rsuchnngen de» 
Ueferenten; in zweiter Linie kommt aber auch di« Wirkung 
de» Windes in Betracht, der vom Ufer Htaub auf den Bee 
wirft und starken Wellengang hervomift; diese Wirkung 
verwischt zuweilen sivgar den Zusammenham.' der Bichttiefo 
mit deui Planktouvolomon. Das letztere weist während der 
Bonuner- und HcrlsKünormte zwei Maxima auf, eines im Juli, 
das ander« im Bept«nil>er und scheint in seinem Iteicbtum 
»ehr von dem tJinstaml abhängig zu sein, ob der See vor 
Winden gvschdtjrt ist o<ler nicht. Im übrige« bedungen auch 
bei den muxurischen Been die Pruehtliarkcii des Bodnn» und 
der Beichtum des Ufers au l'danzen den Keiebtum an 
Planktou. Zum Schlüsse werden die Thalsaclieu vorgeführt, 
welche gegen die nach Ap"toin sonict allgomein adoptierte 
biologische Kinteilung der Seen in Chroocuccaceen ■ uud in 
Dinubryonaeen sprechen, und welche zum Teil mit de« iiefo- 
rentenBrfahrangeti übercinstimmen. Im gn>rten uml gait/cn 
entscheidet sich t'obii für eine Kinteilung in t'opepoden tind 
in Ituphnldem^n, hält also die Zrwplaiiktonten für mafs- 
gebender al» die Phyt4>plauktonten. Knttere Art »ind durch- 
schuittUch planktoniVrmer al» letztere, ln Masuren geliörcn 
sowohl der LT'wentiose« , ein typischer Dinobryonsee, wie der 
Luknainersev, eia ausge*pn.'chener C’liro*>cocc«cc«nsee zu den 
CopepodensecD. welche für die Eutwickelung der Daphuiden 
weniger günstig geeigm-i erscheinen. Halbfafa 

— K. Keller kommt in K-iner Broschüre: ÜImt di« 

Hch w a ii k u ngen der atmosphärischen Gleich- 
gewiehtszon« als Ursache der nassen und trocke- 
ne« Witterungsperioden (Leipzig, K. 11. Mayer, 1M2), 
auch auf Ebbe und Flut zu sprechen. Letztere können 
ganz leicht die Folgen eine» Widdcrxchlnges in den Tiefen 
der Meere sein , wie die Iftglichen Schwankungen de.« Luft- 
drücke» es sind. Ks ist nicht möglich, daf» der Mond diese 
Wassermassen in diesem Muf«« anzleht.. I>«r kulminierende 
Mond schwächt die Anziehungskraft der Erd«. Dadurch geht 
der Widerstand der üleichgewirhtskraft ge^mUber de« iiörd- 
licbeti und südlichen Meeren verloren. IHcselbcu drücken als 
MusscDdruck gegen die gesi'hwärbte Bteli«, treibe« sie auf. 



Von den Tiefen des Meeres geht ein Btc>fs nach 4d>eii, nbrd- 
lirher uud südlicher Druck drangt in diosen Tiefen nach, umi 
beim /unickprallen der aufgetriebenen Wa»»ermaa»eti mufs 
ein hydrHulischer Ktofa erzeugt W'erden. Di« Schwäeliung der 
Anxiehuugskraft der Krd« durch den .Moud ist böchirt wahr- 
scheinlich u«-ht sogruf», ul» sie scheiDt, smidom sie giebt nur 
<lon Ansturs zum fnhlbarc« Hertortreten des Wiedeischlagv» 
zur Zeit des kulmiuiert-ndvn Mondes. Den gewaltigen Strömun- 
gen im Meerv muls sicherlich eine derartige ungeheure Kraft zu 
Grunde liegen, sowie den grofsanigeu Eispressungen in de« 
l’i>largegemlen. Ebenso ist es mit den KräHen im Krdinnem. 
Du ist es sehr auffallend, dufs die meisten und grorsartigsten 
vulkanieclieu Ausbrüche auf die Zeit des höchsten Stamlos, 
also zur Zeit d«r Inic.hsten Spannung der Uleichgewichtszone 
falle«, wie man da» iu der jüngsten Vergangenheit erlebt hat. 

Die Anthropol(»gie der Kumänen hat bisher 
wenig Bearbeiter ge.fumlen; Denicker tnufste daher in seiner 
Karte der Schädelindice» von Europa das heutig« Kr>nigroich 
Itunidnien weif» 1 k*)cm. l'nt dem Mangel einigermafsen ab- 
zuhclfeu. hat Dr. Eugen Pitturd in d«u Jahren 1^99 
bis 194)1 auf verschiedenen Heisoti in Itumänien anthropolo- 
gischu Messungen bei einer gi'4>rsou Anzahl Individuen an- 
gusiellt, namentlich im Tluilu der Prabova, in der l>o- 
brutscha und in den Kasernen; dazu kottunen noch 
ticbenbürgisebe unti macedonische Buiuäneu. Das Ergebnis 
seiner Arlieit hat Dr. Pittard in L'Authro|KiUigie 1903, B. 33 
bis 53 veröffentlicht; kurz zusHmmengefafst lautet es etwa 
fojgendermarser: Die K4}rpergru^ der Ilumänen beträgt 
1,65 m im Durchschnitt, der Bchädeliudex, im Mittel 32,92, 
weist die Humänen den Braehykephalen zu; IMttard fand 
unter »eine« Gemesseneu nur 23 Proz. doHchtikephal. LctÄlere 
zumeist an der Iknuiu. Der KoMmlndes (69,90) weist die 
Bumänen den I^eptorhlnen zu; ihre Nase ist weniger grofs 
als diu der anderen Bulkanvölker, (iricchun, Bulgarun, Alba- 
nesen. JHe Ohnnuschul ist klein, jedenfalls kleiner als bei 
den eben bezcichoctcn Völkern, llie ilaaro sind bei den 
a(lcrroci.sU'n braun; schwarz« Haare nicht selten; dagegen 
fand Pittard unter den von ihm untersuchten Humanen nur 
2,7 Pn>z. Blonde und 1.7 Proz. llutUaarige. Die Iris des 
Auge« ist nieisten.s dunkel, doch stallte Pittard 25 Proz. grau- 
äugig« fest, während blaue Augeu nur äufserst .selten Vor- 
kommen. Es handelt sich hier um dm privaten Aufnahmun 
eine» Einzelnen, die stets mit Dunk zu Itegrüfseu sind, aber 
kein sl4-h«rt‘s Bild gelwn könueu, da die Zahl der gemosMenen 
und boobcrchteleii Imlividuon vurliäitniMiiärsig klein isU 
Im ganren dürfte aber Pilbtrds nntlir4ipologische» Bibi der 
Rumänen stimim-n. B- A. 

— Dr. Il4)inrich Rchurtz t- Am 2. Mai d. J. wurde 
im bi.’sU-D ManDcsalter Dr. Heinrich Beburtz, Assistent am 
Btidtiseben 5(useum für Natur-, Völker- und ÜHudelskunde 
in Bremen, aus einem sc.baffensreicben Wirken nach kurzer, 
schwerer Krankheit durch den Tod vorzeitig abls*rofen. Der 
Verst4vrb«ne war einer der bedeutendsten Vertreter der jün- 
geren ethiiol4)gi8ch«n Kchule, und die Nachricht von seineni 
Tode wirtl in weiten Kreisen und insbe«>ndere bei seinen 
Fachgenoasen lebhafte Teilnahme Huden. Heinrich Sohurtz 
wurde am 11. Dez<-ml>er 1 N 6 S in Zwickau al» Hohn eiuca 
Arztes geboreu, studierte in I^ipzig Naturwissenschaft uud 
unter Pr\rfess4>r Friedrich Hatzel bcs4>riiler« Geographie und 
Völkerkun<le; im Jahre laut habilitierte er sich an der 
Jycipziger Univemit&t als Privatdozent für 04-ogmphie. folgte 
aber im Friihjahr 139.3 einer Berufung an das BtAdllsche 
Museum in Bremen als Aasisteni für Völkerkunde. Hier 
nahm er besonders an dar Einrichtung und Erweiterung der 
ethn4>graphi»chen Abteilung, die jetzt eine Hauptzierde d4«i 
Mu.seums bildet und grofsen Beifall bei den Fachmäimern 
gefunden hat, einen hervorragenden Anteil. l>anel>en ent- 
faltete Hchurtz zugleich eine reiche wissenschafUiche Thä- 
tigkeit durch die Abfassung einer langou Reihe von gröfseren 
und kleineren Werken und die Mitarbeit an mehreren der an- 
gttsoheiisteu Fachz4.‘iischrift«u, von denen wir nur den U]4>bas, 
Pet>-rmauns Mitteilnng4‘n, dieZvitacbrifi fürBoxialwissenschaft, 
das Internnthmale Archiv für Ethnologie und die Deutschen geo- 
graphischen Blatter anführen wollen. Vi*o den nelloflän'ligeu 
Hchriften sind hervorzuhelien : «KaWchisinus der Völkerkunde* 
(Ijeipzig 1393); .Grundrifs einer Kntstohungsgcachiehte des 
tieldes* (1893); „Das afrikanische (if?werl>e“ (gekrönte Preis- 
Schrift, 190U) and vor alli-m die .Urgeschichte der Kultur* 
(I^ipzig lUOü) uud .Alter«klaiBUMi und Mdnnerbünde“ (1902). 
Für die vi»n Helmoli herausgogeben« Weltgeschichte schrieb 
er die AliHchnitte: Afrika. We^la-deu zur Zeit des Islam, 
Inthmesicn un<l S|mnietv. Ein neuer Grutulrirs der Völker- 
kunde ist »oet)en iu der von Pn.'feasor Klar hcrausgegebenen 
Bammluog (Wien, Franz Deuticke) im Druck vollendet uutl 



/ 




90h 



Kleine Naohriobten. 



wirtl unu erat nach seinuin Toile ersehpinen- Beint* letzU*n 
Souimerrpiiien nach itAÜen, Hpantuit, Xurdafrifca. Kun^tau* 
tiiiopel und Kleinasien wai'en immer bvstimtuten Studien ge- | 
widmet und lieferten ihm «teU «ine Fülle vun Stoff und i 
ueucii Meen. Seinem Wesen nach war Sehnrtz ein« Mille, 
einfache, liesrbeidetiK Natur, der je<i«R Aufsere Hervortreten | 
zuwider war; im trauten Freundeskreise stcblura er sein 
reiches Innerlebeu dagt^en g<*rn auf. I>r. Hchurtz huffte, 
dafs die Völkerkunde auf unseren rniversiUten in nicht zu 
ferner Zeit 04>ch mehr Itauui und I'doge gewinnen würde, 
um! gewiffl wäre er selbst daun einer ihrer l^erufensteii Ver- 
treter gewesen ; von seinur Schaffenskraft und Schaffenslust 
hätte die WisaenM-haft noch viel erwarten dürfen — doch 
ein früher Tod hat dem ein Fnde gesetzt. Auf den frischen 
Umbe*hügel aber, der den Verstorbenen in heimatlicher Krde i 
in ItTwcbwitz hei Dr«s«len deckt, legen wir diesen TrHiivrkrauz 
mit der Widmung: Kr war unserl W. Wolkenhaucr. 

— Ober di« Erdbeben an der Küste von Gua- 
teinaia im Jahre 190*J (April und September) bat Herr 
llegierungsbanmeister Karl List, der Üetriebsleiter der 0c*<8- 
eisetihahn , der Seewarte eine Heihe clankeuswerter M.it 
l«ihm>'rD ziigehou lassei), die in den .AnualeD der Hydi'o- 
graphi«* für I90.H, S. bis '*4 veröffentlicht worden siml. 
Ks beifst dort Uber die rr>acbo jener Krdlieben: Dasjenige 
vom April, h(K;h«t wahrscheinlich aiisgeltHtt durch plane- 
tarisebv Attraktion (Mond und S«>ime), ist. wie alle die vielen 
folgenden, ein roin tektonisches, auf einer Scholle, welche 
abf^suiikeii ist, auf unserer Vulkanlinie, und abgebrochen 
auf einer dieser mehr oder weniger (mrollcleu Linie etwa 
7u Meilen seewäris, dort, wo der seichte Meeresgrund plötz- 
lich nach dem tiefen Ozeanbecken abfällt. Sowohl das grulse 
Bebt-n vom 18. April, als alle die vielen folgenden, haben 
liiur, wo die Hichtung sich unverfälscht ohne alle lokale 
Ablenkung bcolNichten läfst, dieaolho Hichtung nus Südwest 
taier Siidsüdwest gehabt. Von Vulkanismus ist »bMilut keine 
Kedv; nn unseren Vulkanen haben Uerg«-türze in Masse statt- 
gefunden, aber die gering« vulkanisch« Thatigkeit, wie 
Fumarolen, boifse Quellen u.s.w'., hat absolut keine Xnderung 
erlitten. wir«l viel von erneuter ThAiigkeit des Vulkans 
Zzalci» (in Salvador) und ('o)ima (in Mexiko) geredet: es 
wird wohl aber auch damit nicht anders muu als mit den 
vielen vollständig miwuhrcn Gerüchten Uber den Ausbruch 
der Vulkane Tacanu, Tajumulco und t'erro Quemado, die 
all« vun Ocoe aus tTiglicb sichtbar sind. 

— Sprachlich wie ethnographisch von Belang ist eine 
Arbeit von Alo.vandcr rhamberlain über die india- 
nischen Wörter in der englischen Sprache Nord- I 
amerikas (Journal uf AuiHhcan Folk-Lore 1902, 8. 240 ' 
bis 267). Da diese Wörter teilweise auf dem Woge über i 
England auch in eumpiüsche Sprachen üborgegaugen sind, ! 
wo man deren Ursprung weniger keimt, so mag hier darauf 
hiiigewieaen werden. Es handelt sich da namentlich um 
AuHlrück« aus den sprachen der verachitnlenen Algoukin- 
stämme, die zunächst mit den Ansietliern in Berührung 
kamen und deren Orts-, Flufs- und Ilersnaineu no<'h jetzt 
die Karle l>edecken. Philohtgisch ist das Thema noch keiiie»- 
wegs genügend durchgcarlieitet; Chainberlain vermag ober 
im ganron I.t2 Wörter ans den Algonkinsprachcu auf- 
zuführen. denm sich der Nordamerikaner jetzt liedient. Von 
topographischen Namen ist dabei selbstverständlich altgvseheni 
doch hat die «iigliscbe Sprache einige geographisch bezeich- 
nende nufgenommeu. So nennt man ein sumpüges, marschi- 
ges Land , Muskeg* und für die gleiche Hescliaffenbeit dos 
BcNlens sagt mau in Virginia und 31aryland ,]W)cosin*, während 
mau in Maine dafür .pökeloken* sagt. Wir führen aus dem 
Verzeichnis der gang und gäbe gewonlenen Indianerwörter 
hier nur solch« au, die auch Iwi uns mehr oder minder 
bekannt geworden sind : 

Caribou, da-s amerikanische Bentier; Caucus, Versainm- 
Iting der leitomlen Folitiker einer Bartet; Hickory, ilols 
von Walnufsbauinuti. viel zu Möbeln lamutzl; Maultu, grofser 
Geist der Indianer, Dniuun; Mokassin, die wuicben Leder- 
schuhe; Moose, das amerikanische Elentier; Opossum, 
das lleutoiüer, ein Name, der selbst in Australien für Beutel- 
tiere gebraucht wird; Bemmican, das getrocknete Fleisch 
für Keisevorrat im wilden Nordwesten; Bow wow, festliche 
Versammlung der Indianer; II aeuou, der Waschbär; Skunk, 
das Stinktier; die l^eiden letzteren Au-wlrücke allgemein von 
IVlzhändlom in Europa gebraucht; S<|Uaw, das Indianer- 
weib; Tammany, Bezeiclmung, die in unseren poUtiscli'-u 
Zeitungen viel gebraucht wird. Sic kommt zuerst 17K9 als 



Name einer |>oliti«chen Vereinigung vor, die sieh nach Ta- 
mciicnd (verunstaltet Tametidy, Tammany) Iraoaimte, eiuoiu 
bekannten I>elaaartmhäuptling zur Zeit William Beims, dur 
scherzweise zum Heiligen des Vereins ernannt wurde: die 
Gesellschaft kam ziisaiumen im »Wigwam Tammanys' und aus 
diesem Wigwam ist dio l>erühmt« Tammaity Hall in New 
York entstanden: Toboggan, Schlitten, allgemein in UanadH, 
wo die berühmten Tubogganingfnhrtcu als Ge-tellscbafta- 
miterhaltung im Winter ausgoführt werden; Tomahawk, 
das Kriegsbeil; Totem, auch dieses jc<leui Kthu>>graphmi 
geläuüge Wort entstammt den Indianern von MassaL-fauseit», 
wo es Namen, Sippe, heiliges Tier, Schuizgottheit bedeutet : 
Wampum, das Muschelgeld, zugleich als Wampumgürtel 
Hülfsinittol für das Getiachtnis zur Erkennung und Auf- 
bewahrung gHschiehtlicher Vorgänge; Wapiti, der grofae 
nordamorikaniachc Hin«ch; Wigwam, das amerikanijich« 

! Zelt. — Mehr griffs ist die Zahl der Bflnnzen und Tiere , für 
welch« di« englische Sprache die ludianerbezeichiiuugeu b«i- 
brhalteu hat. 

~ ijber di« Aufgabe geographischer Forschung 
in Seen stellt Ule in den Abhandhingcn der k. k. geogra- 
phiM.‘li«ii (ie.4«U.schaft in Wien (IV, ä) «ino Keih« von 
Ih-trachtungeii auf, üic den Unierschie<i alJgenu-iu geogra- 
phischer und sj»eziell limnoli>gbchor Untersuchungen an Seen 
darthun sollen und der Beachtung, auch wo man sich dem 
Verfasser nicht üt>erali auschlicfsan kann, wert sind. Am 
meisten ixilemisiert Ule gegen die bisherigen Einteilung«- 
versucho dev Seen, die einseitig mir die Art ihrer Enutehuiig 
berücksichtigten: er selbst bat in seinem Werk über den 
Würinsee (l^ipzig 1901 1 uin neues Einteilungsprinzip geg«.-ben. 
Hinsichtlich der physikalifchen Verhältnisse des Sees bezw. 
sciitos Wassers wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, den 
EinflufK der geographischen Lage auf tbermi-oh«, 
optische und dynaniiscbe Eracbeinuugen zu eruieren, auch 
biologische VerhAlUiisae sollen auf geographi»i*he Faktoren 
geprüft worden. Mit Hecht betont Ule zum Schlufs diu 
anlhro(ioge(»grapUtsche Boileutung der Seen, ehi Gebiet, da« 
bis jetzt fast n(»cb gar nicht Iwarbeitet wunie. lialbfafi. 

— W. Weinberg jKilemisiort in seiner Arbeit »Me- 
thode und Ergebnis der Erforschung der Ursachen 
der Mehrlingsgeburten*. (VirchoWB Arch. f. path. Anat.. 
Bd. 171, 1903) gegen Nacgeii-Akcrblom. Bereits die Erkennt- 
nis, dafs es zwei Ursachen der Mehrlingaguhurten, nämlich 
ein- und mehreiige giebt, ist eine positive Errungenschaft, 
welche nicht die Statistik, sondern die Anatomie und Knt- 
wickelungsgeschicbt« zu Tag« goförtlert hat, l>or Embryo- 
logie verdankt man di« Erkenntnis, dafs Doppclmifsbildung-en 
— und alle eineiigen Zwillinge sind nichts anderes — durch 
äufsere Einwirkungen auf da» bereits befruchtete Ei künst- 
lich bervorgiTufeu worden könntm; die Rolle der Vererbung 
bei den eiueiigen ZwUliiigen ist also zum mindesten sehr be- 
schränkt Im einzelnen entnehmen wir der Schrift, dafs bei 
&45 Zwiilingsgeburten mit Bärchen (also zweieiigen Fällen) 
man bei zusammen 3910 sonstigen Geburten dersellien Mutter 
lOl Mi.-hrlingsgeburteu oder eine auf 30 Geburten statt auf 
92 fand; bei vorwiegend tm-hreiigen Driliingi^eburten 
unter sonst 2227 sonstigen Geburten den»ctbcn Mutter waren 
12.3 Mehrlingsgeburteil »«Icr I : 18 Ueburt«n statt 1 :7b. Bei 
den Müttern, Schwestern und Töchleni der Mütter von Bär- 
chen fand Verfasser unU-r 4334 ZwilUng»gvburten 99 Zwil- 
linge. Bei Frauen mit wiederholten Mehrliugsgeburten war 
die HäuHgkeit der Zwillinge bl auf 1935 Geburten der Müt- 
ter, Schwestern und Töchter. Bei den Fragen der V’ererbung 
ist als ungelöst die der Vererbung in miiunlichcr Linie zn 
betrachten. Aufserdem ist vorläuüg nicht mit Sicherheit 
nachzuwi'isen , dafs die Vererbung der zweieiigen Zwillings- 
geburten, die als INtstulat der I^volkoningsstatistjk geUeu 
darf, ausschliefslich durch Variationen des anatomischen 
Baues des menschlichen Ovanums erklärt werden mufs. 
Einmal ist die Vererliting äiifaen-r Umstände (Alter, soziale 
Verbältniicse, Stadt und J<aod) nicht absolut auszuschliefsan. 
Dann kommt der EinHiifs konstitutioneller Kigeuschaften, 
namentlich K«>rp«rgrö£sc, in Betracht, welche auf die Fähig- 
keit des Austragens der ZwilHngsgeburte» «inen Kiuffufs 
haVieu könnte. Dagegen spricht die geringe Schwankung der 
j Hituügkuii der eineiigen Zwillinge nach Rasse, Alter and 
; Geburteuauznhl der Mütter und ihre .Abstammung von w-e- 
' »ig«r fruchtliareii Frauen, auch die geringere Wahrschein- 
lichkeit der Vererbung im Gegensatz zu den zweieiigen. J>ie 
Konstitution dor Frau und ihre Fruchtbarkeit ist zu berück- 
sichtigen; kurz, «s giebt n<jcb «in« Heihe von dunkeln 
Funkten in der Lehr« von den Mehrliugsgcbnrteu. 



Versetwortl. KcxUktear: H. Singer, Hcrli» NW. 6, tH-billbaucrdsnim 26. Druck: Krirdr. VJeweg u. Sobn, Hrauatchweig 



GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREnnCT MIT DEN ZEITSCHBIFTEN; „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
IIERAÜSr.EGEnEN VOX H SINGER ITfTER RESOXOERER MITnTRKfXG VON I’Bor. Du. RICHARD ANOREE. 
VERI.AO VON FRIEDE. VIEWEO * SOHN 

Bd. Lxxxm. Nr. 20. BRAUNSCHWEIG. 28. Mai 1903. 

NAchdrtck di» B«ch Cber«lakiinft wU d«r Varla^lianiUunc tfrtUUet. 



Das Bassarivolk. 

Von 1!. Klofse. 

I. 



hUiier der interev^anteiftcu Stämme im Innern unseres 
deutschen To^offebiets ist das ('rvolk der liAssari. 

Seine Wohnsitze Hegen hauptsächlich niirdlich TOin 
9. (ir. nördl. Ilr. und erstrecken sich zwischen den beiden 
linken Nebenflüssen des Oti, im Süden den Mo und im 
Norden des Kara. Im Osten bilden die Hurge von Duko 
und im Westen der Oti die eigentliche Grenze. Der 
ganze Sprachstamm, der sich noch weit über diu Grenzen 
von llossari hinaus erstreckt, spricht die sogenannte 
GyanibaMprache, Ton welcher die Sprache der Itassari 
einen Dialekt bildet. Das ursprüngliche Gebiet Ton Daasari 
int durch Kriege mit den Nachbarrülkern in verschiedene 
Teile mit unabhängigen Häuptlingen |iolitisch getrennt 
worden. Das jetzig« llas»ari, im engeren Sinne, gruppiert 
sieh rings um den Bassariberg. Kh ist ein welligen 
Hügelland, welche» sich im Norden an den grotsen Togo 
diirrlizi-^henden Gebirgszug aiiHchlietst und den Über- 
gang von diesem zu dem Hocliplateau von Dako ver- 
mittidt. Die Berge von Bassari l)«»tchen wie der gröfsto 
Teil des grof^eu Gebirgszuges vornehmlich aus Quarzit- 
gestein. Überall findet man Kisenstein in (rcstalt von 
Kot-, Braun- und KaHuneisenstein, auch -soll Magnet- 
eisenstein vorhanden sein. Die einzelnen Hügel von 
Hassari erhoben sich bis zu 300 m relativer Höh«, während 
der lluuptgebirgsstoek, der Bassuriberg, mit seinuu 
höchsten Krhebuugcn etwa COO bis 70U m Seehöhe 
erreicht. Um diesen Berg, der eich in der Länge etwa 
eine deutsche Meile jitnzieht und eine halbe Meile breit 
ist, liegen die bauptsächiiehsten Niederlassungen, wie 
die Königsstadt Kor«, die Ortschaften Yatre, Nanbane, 
Wodamle, Kpassiba, Nafinu sowie das gruDe Schmiede- 
dorf Nuparba und ferner Moaude und Kamkundc. 

Hube schroffe Quarzitfelsen, voni'^sen rötlich gefärbt, 
ülierrageu .300 bis 400 m hoch die grüneu Berglehnen, 
an denen zu Hunderten gruppiert die braunen I/ehm- > 
hütten mit ihren runden grauen Gra.sdächern erbaut 
smd. Majestätisch blicken die hohen Gipfel der Berge 
auf sie hernieder, uud Riesen von Affeubrotbäumen sowie 
hohe Fikusai-tcu bezeiebiieu die Markt- und Pnlaver- 
plfttza der iKirfer. So bizarr wie die Felsen des Bnssari- 
herges dreinschnuen, so rauh sind auch die Bewohner 
dieses Landes. Durch die vielen Käuhereien und Plünde- 
rungen war ihr Gebiet zeitweise für jegliche Karawanen 
gesperrt, so dafs es eigentlich erst mit der Anlegung . 
einer Kuro|)«er8talion 1897 für den Verkehr erschlossen 
wurden ist. Aus diesem Grunde standen die Bassari ! 

Giobut LXXXIII. Nr. 20. 



auch beständig in Fehde mit ihren Nachbarn, den 
mächtigen Dagombn im Osten und den Mangtt im Norden. 

Der letzte grofse Krieg, den Bassari mit Dagoinba 
unter König Aluluai führtis fand ungefähr m den 
siebziger Jahren statt und endete mit der vollkommenen 
Niederlage dos Bassarikönigs. Bassari wurde daniuf 
drei Jahre Inug von den Dagomba besetzt. Pan grofser 
Teil der BassarUeute flüchtete sich iu daN> beuacltbarie 
Temiigebiet, ein anderer Teil auf den nahen Bassari- 
Wrg niid machte von dort aus Ausfälle auf die ün Tliale 
sitzenden Ihigomba, so dafs diese nach drei Jahren, nach 
dem Tode ihres Königs Abduai, bei Ausbruch einer 
Hungersnot sich wieder zurQckzogen. ln diesen Kriegen 
haben sich Kaiana, Tshambi, Banyeli und Bapure, sowie 
Kadiumbura Fale und Bolo unter eigenen Häuptlingen 
von dem Bassarikönige losgelöst und zahlten noch 1897 
teils Dagomba, teils Mangu und Akbunde Tribut .\iif 
diese Weise ist die Macht des Bassarikönigs sehr ge- 
sunken und besteht heut« hauptsächlich nur uoch aus 
den schon ol»en erwähnten Ortschaften mit etwa 10 bi» 
15000 Hutten und etwa 35 000 bis 45000 Kinwobnern. 
Durch Sklaverei wie durch Heinit mit den nördlich ge- 
legenen Kabrevölkcru und den im Osten im Königreich 
Tshautsho wohueudun Temuleuteii hat zum Teil das 
sonst KO abgeschlossene Volk fremde PJemeute in sich 
aufgenommen. 

Zuerst durchsog 1891 Ifaiiptmann Kling da.» bis 
dahin unbetretene Bassarigebiet, und 1894 schlofs Leutnant 
von Doering einen Schuizverirag mit dem ßaRaarikönige, 
durch den Bassari für unsere deutsche Togukolonie ge- 
sichert wurde. 1897 legte der verdienstvolle Graf Zech 
eine kleine Station au, die uoch in dcmsolbeti Jahre auch 
für unsere Douglassche wie für die von Massow.sche 
Militärexpedition gegen die in .Vufruhr liefindliohen he- 
> nachbarten Koiikomba einen guten Stützpunkt bildet«. 

Die Bassarileute sind im allgemviueu gut und kräftig 
gebaut und grofe sii nennen. Ihre Formen zeigen deu 
Typus eines Gebirgsvulkes mit breiter gewölbter Brust 
und gut ausgebUdeter Mu:«kiilatur. Der grofse Unter- 
kiefer, die aufgeworfenen Lippen und die breit« Nase 
mit dem eingedrückten Na.»enl>eiii verleihen dem Gesicht 
ein echt negerhuft-prognathiHches Aussehen. Diu Männer 
halum häufig uiiien kleiuun strujipigen Kucbulburt. Diu 
|uugeu 3lnuner (Abb. 1) uiacbelTeinen schönuu, kräftigen 
Plindruck, wahrend Ijcut« mit 45 Jahren »chon sehr gc- 
! brechlich sind. Die vollen P'ormun sind geschwunden, 

39 



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aio 



II. Klone: |)«t lUnsarivolk. 



uml der cl]ftrnkt«rititi?(cbo Knochenbau dos Genicktes tritt 
sehr hervor. Pas Svbvermöguti der trClbcn .\ugen bat 
luointcne »chon stark gelitten. Kahle Köpfe sieht man 
dagegen selten, obwohl das lluar in hohem .Alter etwas 
ergraut. Selten wird da.s l^ebensulter von 50 .fahren 
überschritten. So schnell die Leute altem, so schnell 
entwickeln sie sich auch. .Iniige Mädchen von 12 bis 
13 .Inliren sind vullktmimun ausgewachsen, obwohl sie 
gewöhnlich erst mit 15 Jahren heiraten. Die jungen 
Mädchen wirken durch ihre drallen Formen ganz ge* 
fällig, desto häfslicber sind sie aber als Frauen. Die 
runzeligen Gesichter und die auffallend langen, schlaff 
berunterhängenden Urüste, eine Folge des jahrelang fort* 
gesetzten Ssäuguns der 
Kinder, verunstalten die 
mittelgrofseii Figuren. 

Tältowiert werden die 
Dassarileute schon als 
Kin<lpr, wobei sie die 
Migoiiannten Stnuimes* 

Zeichen erhalten. Sic he* 
stehen aus einem Quer* 
schnitt oberhalb und 
parallel der Na.sen*I.ip* 
penfalte meistens auf 
)M‘ideii Seiten, obwohl sie 
auch nur auf einer 
Seite gebrtiuchlich sind. 

Ferner werden häufig 
drei bis vier Längs* 

.streifen von der Schläfe 
bis zum Mundwinkel ge- 
tragen. Ks sind dies die 
KrkeDDungsmAi'ken der 
Köiitgsfnmilicn in Sugii 
und Salaga, auch findet 
man diese starken sehr 
häufig in den henacb- 
barteu Temtilandschaf* 
teil, von wo sie wahr- 
scheinlich fibernuimneii 
worden sind. .\ufser 
diesen eigentliehun Kr* 
ki'tinungsmnrken tragen 
hiinfig Mädchen sowie 
Frauen die niannigfaliig- 
sten Tätlowierungen zur 
Vervollständigung ihres 
Schmuckes. So sind be- 
sonders Schleifen und 
Sterne nach .Art der 
(ionyuleulu auf den 
Hacken nicht selten an* 
zut reffen. Ferner giebt es noch einen ganz besonderen 
wertvollen Schmuck der lia.s.oarischönen, welcher aus 
einer grofsen komplizierten Tnttowiernng besteht, die sieb 
in einer Ureite von 10 cm vr>n der Hrust bis zum Nabel 
erstreckt und ein föniilicbes MusUt Von kruuzweis und 
parulli'I laufendun kleinen tlinschuitteii darstullt. Diesell>e 
Tättowiernng wird auch auf dem Oberarm in verkleinerter 
Form getragen. Dieses Muster scheint vf»rnehmlich dem 
Geschmack der Uassariletite zu entsprechen, da man es 
auch als OrnainMnt bei lien Hütten liüuRg findet. 

Kiue eigentümliche TätUiwiernng erhallen ferner noch 
die |{aMsaritiiädehen, sobabl sie das heiralsfähige Alter er- 
langtbuben. Kh sind dies drei bis vier wulstige, vom Nabel 
stralilenfönnig ausgehende Kinschiiitte (.\bb. 2). DieTätto- 
wierungeii. naiiieiitlicli die grofsen .Aftister. werden von 
berufsmrifsiget) l'ninen diircb feine Kinsehnitte mit einem 



gewöhnlich scharfen Messer vullführt und dann mit einem 
feinen Ibilver von Hotzkobie eingerieben. .Auffalleud 
ist, dafs häufig junge Männer gar keine Hrkennung-n- 
luarken mehr besitzen. Letzteres soll aus Furcht vor 
den Nachbarvölkern geschehen, da diese meistens an 
Sklaven oder anderem geraubten Gute alte Schuldfurde- 
ruugeti hei den gefürchteten Bassaris haben and .«ich 
ihmrseits wieder durch .Abfangen von ßassarileuton 
schadlos zu halten suchen. 

Was die Krankheiten betrifft, so findet man häufig 
die Fiiaria sangutnis, die hier meistens in der Krkrunkimg 
dos Zellutigewcbes des II(Hlen.sackeR besteht, so dafs die 
damit buhuftuteu Männer vollkommen am Geben ge- 
hindert werden. Wahr- 
scheinlich hängt diese 
Krankheit mit der gerin- 
gen Bekleidung zusant* 
men, da der Krankheits- 
erreger durch Moskitos 
übertragen werden soll. 
Der Krupf findet sich hier 
elieiifalls vor, S4>wie <lie 
häufig entzündeten und 
iui .Alter auffaUend ge- 
trübten Augen. Diese Kr* 
scheinungen sind die ver- 
mutlichen Folgen des hier 
schon empfindlich auf* 
trotundeii Harmuttun, der 
die Schleimhäute und 
A t mu ngsorgane bestä nd i g 
entzündet. Merkwürdig 
ist, dafi die Fetisrbleute 
nicht zugleich Mudizin- 
inännur wie gewöhnlich 
sind. Mein GewAhr^mann, 
ein alter Bassnriwiirdeii- 
träger Namens Napui, er- 
klärte mir, dals nur weit- 
gereiste l^put« die Krfah* 
ruiig besäf.scn, die i'raxts 
der .Arzte auszudben. 
Häufig sind cs daher ber- 
umreisende Barbiere, die 
dieses einträgliche Ge- 
schäft mitnebiuen. Sowie 
hui uns noch häufig auf 
dem Lande der tiUube 
busteht, üats die mebteii 
Krankheiten geheilt wer- 
den können durch Schröp- 
fen, so werden auch Wi 
den Bassari untl den 
Verwandten Negervölkern alle uur denkbaren Kniiik* 
beiten nach diusem Heilverfahren behaudult. Die ganze 
Prozedur besteht darin, dnf» auf dem Rücken des be- 
treffetnien Kranken kleine kreuzweise Kiiischnitte gemacht 
und «larauf Schröpfköpfe in Gestalt von K uhbömeni gesetzt 
Werden, an deren Spitze eine hergestellte Öffnung das 
.Ai)saug(‘U des Blutes emiöglichL llurcli Baumwolle und 
das voll wilden Bienuu gewunucue Wuchs wird »cIiliufMlich 
der Inftverdünutc Kanin ahguschlossuii. Ferner versieben 
die Bassari auch wirksame Mittel gegen das überall 
zur Anweniliing koroniende l^feilgift, wie gegen Schlangen- 
bisse uns dun Wnnwln verschiedener Pfianzen herzn- 
stellen. Das gemslete Pulver wird in den Mund ge- 
nommen ntid damit aus der Wunde das Blut ausgesaugt. 
Nach diesem Verfahren winl die Stelle mit dem Ik- 
trefferiden Pulver eingeriehen. 




Abb. 1. Junger Bassarloiann. 



H. KInse: Das Basaarivolk. 



311 



Pie IWkleidung der naagariloute (Abb. 3) int ini all* 
geiueiuen aohr dürftig, weil ihnen selbst diu Kunst dus 
W cbens unltekaimi b*t und die ansÜMeigcn Tsiiaulnho* 
leute «lie Verfertiger und Lieferanten der n|>ilrlichen 
Hüfttücher der Frauen sind. Letztere werden auch von 
den benachbarten Tumulandschaftun importiert, während 
i'uniiiuiMche Sbjfife erst 1807 durch die Kxpedithm und 
durch die hinter uns herziubumlun gewiegten Hausea- 
häudlur auf den Markt gebracht worden sind. Die 
Kleidung der Männer liesteht nur aus einem I^iopartlen*. 
Kuh- oder Schaffell, welches mit den Vorderfülsen über 
der Schulter verknüpft ist und vorn herabbfingt. Die 
hig men, d. h. die Fami- 
lienoberhäupter und Wür- 
düutrager. tragen zu feier- 
lichen (lelugenhoiten o<ler 
auch zum Schutze gegun 
Regen einen grofsen ge- 
flochtenen Ilaussastruhhut. 

Zu dem primitiven An- 
Zuge gehört anfserdem 
noch ein kleiner FelNack, 
der über die Schulter ge- 
hängt wird, und die nie 
fehlende Schnupftabak- 
dose, sowie einige Kauris 
als Scheidemünxen enthält. 

.\U Schmuck tragen die 
Männer liäufigam Oberarm 
eiserne und aus Holz ge- 
fertigte .\rmriugu. Als 
besouderu Zierde gilt fer- 
ner ein aus der .Sohle des 
Klefanten geschnittener 
Armring. Zuweilen werden 
auch von Gigerln Ohnunge 
in Gestalt von Grashalmen, 
kleinen rerlunschnürpu 
oder Messingringou gotru- 
gen. Kino kleine Schnur 
um den Hals, an der 
einige l’erlen, wietrmund- 
bcads, aufgezogen sind, 
vervollständigen den An- 
zug. Die jungen Männer 
und Sklaven tragen nur 
einen kleinen Fellschurx, 
während die Kinder, so- 
wohl .lungen wie Mädchen, 
vollkomuiun nackt umher- 
laufuü. Die jungen Damen 
jedoch tragen uni di« Lende 
aus l^alnienkerneu oder 
wpilHen Muscheln hergestellt« ruml geschliffene l’erlen- 
schnür«, die auch häufig aus Raumwolle oder europäischen 
bunten Glasperlen bestehen; von diesen hingt eiuc haud- 
lireitgrofse Schürze aus Baumwullscbnürou herab. Immer- 
hin ist diu Kleidung der Ihissarimidcheu noch opulent 
iin Vorbältnis zu der ibrur Gefihriinncn in den Temuliiud- 
sefaaften zu nennen, wo ei'wacbscne Mädebpn aulser 
ihrem Schmuck nur eine IVrIeiischniir um die Hüfte 
tragen. Trotz der primitiven Kleidung verfehlen sie keines- 
wegs, dem nahenden Freier mit Anmut und Kukutturiu 
zu l»egegnen. Die Frauen tragen ein rotbriiunus 
Hüfttuch, welches auch zum Kestbiuden der Säug- 
lijige auf dem Kücken benutzt wird. Die Tücher 
gehören mit zu der Aussteuer der jungen Frau; sie 
werden von Tsiiautsholeiiten angefertigt und kommen 
meistens ungefärbt in den Himdel. Gefärbt werden die 



Tücher von den Bassarifmucn muisUuis seihst, wozu sie 
di« Kinde von Kotholz benutzen. Zum Zeichen der 
Trauer werden mit Indigo dunkelblau gefärbte Tüehcr 
getragen. V'oniehme Weiber stecken rote und blaue Inng- 
lichu Burlun als J*lock in diu Ohrläppchen, ärmere vor- 
wcndcij dagegen einen (iraslialm oder ein Stück rot 
gefärbtes Hirsumurk. Bui besonderen feierlichen Ge- 
legenheituii bemalen die jungen Mädchen ihren Körp«‘r 
mit einer roten Krdfarhe. Die Haartracht der Männer 
wie Frauen l>estpht vorzugsweise aus kurz geschorenem 
Haar, während Gigerl und junge Mädchen häufig die 
.S-'iteu des Kopfes rasieren und drei kreisrunde Hnar- 
liQscbel stehen lassen. Die 
heirntsfähigeii jungen Da- 
men tragen dagegen nicht 
selten zwei kleine von den 
Schläfen herabhängende 
Zöpfchen. 

Die Bewaffnuug des 
Bassarimannes besteht 
hauptsächlich aus Pfeil und 
Bogen , aus 1 ' \ m langen 
Spueren, sowie aus einem 
(irifimesser mit 0-Griff; 
letzterer soll auch zum 
Spannen de» Bogens be- 
nutzt werden. Ferner sind 
auch sebou von der Küste 
her Steinschlufsflinten ein- 
geführt. Die Pfeile wie 
Speerspitzen, die mit 
Widerhaken veraehen sind, 
werden vergiftet. Das Pfeil- 
gift, welches wiihrschein- 
lieh von einer Stro]»hauus- 
art stammt, wird von den 
Familienoherliäupteru auf 
dem Bussariberge berge- 
stellt. Dur Ort der Berei- 
tung wird vor den Frauen 
geheim gehalten , da die 
Männer während dieser 
Zeit nicht in Berührung 
mit den Frauen kommen 
dürfen. 

Die Hütten der Bassnri 
sind aus lichm und wie 
fast im gunzon Norden 
rund, von einem Durch- 
messer von 3 bi» 4 m und 
mit einem kegelförmigen 
Graadach versehen, das auf 
einem Gerüst von Bambus- 
stäben ruht Die Hütten sind gruppiert um kleine Gehöft«. 
Die einzelnen Gehöfte, die immer von einem Hausstand 
der grof.Min Familie bewohnt werden, stehen durch Hütten 
oder Mauern mit KingungNöR'iniugeii in Verbindung und 
bilden xusanimun ein grofse» Fnuiiliengehoft In dieses 
Gehöft, welches nach aufsen hin durch eine Mauer ab- 
geschlossen ist, in der die Schaf- und Ziegeiiställo ein- 
gelmnt sind, gelangt man durch eine gröfsore Hütte, dio 
Vorhalle, in der die Gäste «tupfaugen und die Palaver 
ahgehulten wurden (.\bh. 4). Zuweilen ist auch noch an 
da» Gehöft ein Viehkraol angelmut, der aus einem •''tein- 
wall, mit Dornen belegt, besteht. Die Koms|>eicher, di« 
aus xwei aufeinander gestülpten Kegeln von Bambusstäben 
und (rras bestehen, sowie di« Ställe für diu Schweine 
liegen meistens abseits des Geboftes. 

Das häuslicbe Leben gipfelt auch l>oi den Bassari- 




Abb. s. Bassarljaiigfrau von !•> bis lü Jahren. 



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312 



H. Klnte: I>ae Ilasflarivolk. 




leuten in dur Familie. Ihks Alteitte luämiliche Fainili«*n* 
fflii>(l iht auvh Obnrbaupi der Familie und hat gleich* 
zeitig Sitz und Stimme in der Gertjsja, dem Hui der 
Alten, der bei wichtigen Angelegenheiten dem Könige 
zur Seite ><teLt. Iler Mann geht auf das Feld, auf 
■Ingd oder FiNchfang und unterweUt darin seine Sehne, 
wälirend die Frau kocht, häufig Bier braut und mit den ver- 
schi«*«lenen Krzeugniaseu, die Haus und Feld bieten, die 
M&rkte mit ihren Töchtern besucht und dort Handel 
treibt. Bei mehreren Frauen ist e» melHteii» die Hieb* 
liiigsfraii, die in Freuden lebt, whlirend die übrigen die 
Arbeit l>esorgen müssen. Infolge der allgemeinen Sitte, 
die Kinder drei .fahre an der Mutterbrust süugen zu 



»ich nuch gern gute Freunde den Kuppelpelz- Falls <lt*r 
Bräutigam nicht .«icbon ▼orher für «eine Braut gearbeitet 
hat, muls er den Kltern der BetrefTenden ein Hochzeit-s- 
gesebenk geben, da« muUten» in einer Kuh und etwa 
iöOOO Kauri» beateht und im ganzen den uugefahren 
Wert von 43 Mark repräsentiert. I>ie Oteru sorgen 
für da« Hocbzeitsinabl und die .Ausstattung der jungen 
Frau, die haiiptHächlich au« ein paar Tüchern uu<! einigen 
Kalabassen liesteht. 

Hie Hochzeit wird sieben Tage und Nächte hindurch 
bei Tanz und Schmaus gefeiert. Vom ersUm Hahnen* 
krähen wird hei Trommelschlag bis Mittag getanzt, 
worauf da» Mahl eingenommen wird, welches haupt* 



Ahh. 3. Eine RassarlfAmllie in Kore. 



lassen, hat der einigeniiafsen wohlhabende Mann drei 
Frauen. Häufig, wenn sie erst Kinder >incl, wird hei 
den Ib^sari das Band für das Leben geschlosstm, indem 
ili« Kltern cles Knaben sich mit befreiiiideteu Filtern uinc» 
kleinen Mädchen» ver^tamligen. Der junge Bursche 
arbeitet dann spater für S4‘ijic zukünftige Braut und 
giebt «eine KrspamtMse den ••^chwiegerelteni; auf diese 
Weise erspriefftt den FJtern de» Mädchen» ein eiiiträg- 
liche« Geschäft, welche» hi» zum heiratsfähigen .\lter «le« 
jungen Maclrhen» forblaueri. Mit 13 bi» Ifi.labren heiratet 
daun das Mädchen ihren Liebhaber, der ungefähr iui 
.Alter von 17 .fahren steht, ^feistuiis jedoch wühlt Jur 
Bnssarimanii seinu Zukünftige frei aus seinem Stimime 
oder kauft uud heiratet eine Sklavin. Hat die Braut 
dn« heiraUfnliige Alter erreicht, so hält der Bräutigam 
beim Vater um die Tochter an. Häufig jtHloch verdienen 



sächlich in gestuiipften Vain«, ferner in Ilirsusupjw, 
Fischen, auch bei opulenter Küche aus gerüstetem .Anti- 
lopenfleisch sowie gekochten Hühnern, auch uu« Honig 
von wilden Bienen und dem nie fehlenden Hirsehier 
bestuht. Nach dem Mahle tritt dann eine l*ause zum 
Schlafen und Waschen ein, während Iwim 1 hinkelwerden 
mit <lem Tanz da» F'cst von neuem beginnt. Mit der 
Verheiratung gründet da» junge Paar seinen eigenen 
Hausstand uud bezieht ein kleines (iuhöft in dem grofneii 
Familiungehöft. Solange das l’aur kinderlos bleibt, 
unterstützt e« die Filtern, indem clcr Sohn die Farm 
bestellt, während die Schwiegertochter für den IlauHhalt 
uud tbi« Flüseii zu sorgen hat. 

Junggeselleii erfreuen sich bei den Hassaridamen 
keiner besonderen Hochachtung, und es wird Über sie 
gespottet, dafs sie gar nicht im stände seien zu heiraten. 



II. KIübo: Dai liassarivolk. 



81» 



Alior mich dftr PnDt4>f[elhul<l erntet bei Jen Hier^clu^en 
umi iH'iiii Jeu, «elchee ^anz besonders von den Itassari' 
uiittinerii jfejtnegt wird, »einen Spott und wird als Weib 
bezeichnet. 

biivurheiratete bloibuu bei ihren l’Jteni und arbeiten 
für diese. Der Hesitz von Kindern gilt im allgemeinen 
als Ueichtum. I*^ herrscht eine abergläubische Scheu, 
über die Kinder zu sprechen. Es soll dies davon her- 
rühren, dafs l>ei Zwistigkeiten Rache an den Kindern 
verübt wird, und es Vorkommen soll, dats Kinder aus 
Neid vergiftet werden. 

Ihe Geburt geht wie bei allen Naturvölkern leicht 
von statten. Es kommt daher häufig vor, dats hoch- 
schwangere Frauen plötzlich auf dom Felde und der 
Stralse niederkommen. Für gewöhnlich vertritt eine 



dum Fetisch gehört uud sie nach dem Glauben der Eeuta 
vorzeitig sterben sollen. 

Zwillinge gelten bei den meisten Togonegerii als böses 
Omen. Sind die Kinder von gleichem Gehchlucbt, so 
wird wie bei den alten Spartanern das Stärkere von 
beiden am Leben gela.»sen. Itei Knaben und Mädchen 
sull dum Knaben der Vorzug zu teil wurden. Das Kind, 
da» sterben muts, soll daun lebendig in einem grofseu 
Topf begraben werden, wührend mau für da» am l./ebeu 
SU erhaltende ein Huhn in zwei Hälften teilt und die 
eine Hälfte dem zu begrabenden Kinde beifügt^ während 
mau die andere Hälfte in einem besonderen Gufäls neben 
der Grabstätte oingräbt Ks soll dieses gluichsam den 
Feilsch wie den Geist des verstorbenen Kindes versöhnen, 
damit sich dieser nicht an ihm rächt. Bei wiederholter 




Ahb. *. Vorhalle eines Ba-HHarigeköns In Wodande. 



alte t>ekaiinte Frau der Familie die Stelle der Hebamme. 
In seltenen Fällen, bei schweren GuburU'U wird zum 
Fotischpriesier gegangen. Dieser opfert dann nach er- 
haltenem Tribut ein Huhn und verordnet Tbee zum 
Genüsse wie zum Kinreiben. Auch werden bei kinder- 
loser Khe Sympathiemittel nach Verordnung des Feti.nch- 
priesters angewandt; so «larf z. U. die Frau nur auf 
einem heHÜmmten Stuhl sitzen. nekommt diu Frau 
später ein Kind, so wird es mit 15 oder 17 Jahren, je 
nachdem, ob Mädchen oder Knaben, dem Fetischpricster 
vorgeführt uud nuifs Opfergaben in Gestalt von Hühnern, 
Vams und üiiineakorn darbringen. Ferner werden der 
betreffenden Person die Haare geschnitten, welche eben- 
falls dem Feti-schpriester verhluibeii. Durch diesen Tribut 
wenlen dioso Kinder guwi»Bermafsen von der Verbind- 
lichkeit gegen <loii Fetisch gelöst, da sonst das Leben 
i;)obus I.XXX11I. Sr. *JO. 



ZwiUingsgeburt soll es beiden Zwillingen da» Leben 
kosten. Frauen, die Zwillinge geboren haben, dürfen 
nicht zur Einsaat und Ernte auf da» Feld kommen, da 
sie die Frucht des Feldes verderben köunU*n. 

I>er Ehebruch wird hei den Hassan ungewöhnlich 
liart bestraft, da der getäuschte Ehegatte das Recht hat, 
den Ehebrecher zu töten oder ihn nach Ratsbeschlnfs zu 
kastriurun, wobei dem Missethäter die Geschlechtsteile 
mit Steinen zerschlagen werden KoUen. 

Der Vater eines unehelichen Kindes mufs an die 
Eltern der Mutter den Wert zuhluii, den da.<i übliche 
Hochzoitsgeschenk beträgt. .Vus diesum Gnin<le heiratet 
der ßetreffeude gewöhuHcfa das Mädchen aclion aus 
pekuniären Rück.sicbten, da der Neger st4?t« ein guter 
Geschäftsmann ist. Uneheliche Kiniier werden voii den 
hjtern wie die eigenen Kinder aufgezogen und teilen mit 

40 



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SI4 



FranxiVnische Fnri>ch nnjren im 

diesen diesidlieit Hechte. Kine un^Htrouu Üattiii tiarf | 
tier hintenrany^ene FiiemAmi jcdersunt XU den Klteni zu* 
rück'icbicken, und da?> Hocfazeii^tgoechenk dnH er zurück* 
▼urlttiigeu. Sind Kheyattcu mit einer gegenseitigen 
Scheidung eiuver.'t«nden, ho imits die Kniu das Hoch* 
zeitsgescheuk dem ge.scbiedenen OHtten xurückerstatHMi. 
Trennt sich »her der Mann yon der Fruu gegen ihren | 
Willeu, BO hat er einen Anspruch auf Kraatz des Hoch- 
zeitageschenkH ytudurmi. Falls Witwen wieder heiraten, 
SU bleiben die Kinder aus der ersten Khe, Hulange sie 
Säuglinge sind, hei der Matter, raitssen dann aber der 
Familie ihres ersten Mannes zurückgegehen werden. 
Witwen erfreuen sich iiu allgemeinen in Hassari keines 
guten Rufes, da sie häufig der Prostitution auheinifallen. | 
falls sie nach dem Tode Ihres Gatten nicht bald wieder I 
heiraten. I 

Kineii wichtigen sozialen Faktor iui Leben der Bassari 
bilden die Sklaven, diu meistens |lu^ dein nördlich gc* | 
legutien Kabrelande stammen. Im allgemeinen soll es 
in Hassari an heiratsfähigen Mädchen mangeln, daher 
sind die jungen UaHsarileute öfters gezwungen, Sklaviunen 
zur Frau zu nehmen, obwohl nie ihnen uieisteiis teurer 
zu stehen koiumeti als das Hocbzeitsgeschenk für Töchter 
dos uigencu lindes ausmucht. 

In Knbro herrscht angeblich ein grofser l.'eberHuh 
an Menschen, während verhältnismär.Hig wenig Nahrungs* 
mittel vorhanden sein sollen. Daher nullen die Kahre* 
leule häufig ihre eigenen Kinder zuui Markt gebracht oder 
fremde Kinder ^udungun und verkauft haben, um ihit* 
eigenen zu ernähren. Kabo war ein ilauptabsatzort für 
Kabre^sklaveii, wo sie gegen Gniiieakom an die KalHdeute 
verhandelt wurden. Durch diese kamen sie hanptHächlicIi 
auf die naheliogciiden Märkte. Der Haiipthandcl Hegt 
jedoch in den Händen der Hattasa, die sich incisteus an 
derartigeu Platzen niederlaasen und die Sklaven als 
Träger, nach Ilauasaart fri-iert oder als eigene Kinder • 
ausgehend, zur Kü.sttt ftihren. Der Preis für aus* ’ 
gewachsene Mädchen und junge Mfiniier wurde mir damala i 
mit 60 hin 700(t0 Kauris angegeben, was oineni Geld- 
wert von 60 bis 70 Mark entsprochen wilrdo; doch 
»ollen speziell für junge Mädchen Liebhaberpreise bU 
150 Mark gezahlt worden seiu, wenn man den damaligen 
Kurs in Uasaari mit etwa 1000 Kauris für eine Mark 
aniummt. Die Scheidemünze war bis zu unserer An* 
kiiuft nur Kauris. Durch die Vermltteluug von llaussa* 
händlern konnte man bald für eine Mark etwa lOOU Kauris 
einwechseln, so dafs auch in ungefähr einem Monat 
nnner Geld auf dem Markt kursfähig wiinle. Kinder 
sollen je nach deui Alter mit 20000 und 40O00 Kauris 
bezahlt wurden sein. Bei ulten Leuten sank der Wert 
nach Angaben der Bassari hi.s zu dem armseligen Preiae 
von 6UOO Kauris oder 6 Mark. 

IHu männliehuu Sklaven verrichten meistens die Feld- 
arbeit, während die Mädchen und Frauen im Hause he- 
schäftigt werden, indem sie kochen, Feuerholz sammeln 
und Wh.swt holen, wa.s aiisHchliefMlich von den Mädchen 
und Kindern besorgt- w'ird. ln langen Reihen ziehen sie 



Franzä.si.srhe Forschungen hu Srharl* und Tachadsee* 
gebiet. 

In den „Comptes retidut hebd. des seances do r.Vcademie 
■Ifift Sciences* Vi»m 'i. März d. J. (t'XXXVI, 9) ündet sich 
ein Rericlit des Oberstleutnante I>esten»%e, d«s Kominnii- 
■Imiien des Territoire militaire du Tch.'id. über Aufuahinc- 
und Hiiduro Furschuiigsergetnüssu der militärischen und Ver- 
walt uiig«ihiiligkeit im Tschadseogebict. Italait veri'igentlicbl 
dnnius einen Auszug, der noch durcti umlere Mitieilungeu 
‘•rgjiiizl wird. »lu Märxheft von „La il'Migrapliif*. Danacli 
haben die Fmnzusen «lurt iu der Zeit 'uu Februar Itiol t»is 



Sohari- und TschadBoeguhiet. 

des Morgens und dea Abends zu den WasHcrBtulUn uiit 
grufseu Ki\rbiskalaha8»eii , um gleichzeitig ein Bad zu 
nebmen oder ihr weniges Hab und Gut an Tüchern uiitl 
KalHhoAsen zu waschen und zu scheuern. In den weiten 
YMmsfarmeii arbeiten dagegen die männlichen Sklaven, 
und nicht Hellen »iebt man sie einen aus Binsen geßoeh* 
tonen Korb mit sich fuhren, ln diesem befindet sieb das 
sogenannte Sklavenfmhn , das ihnen ülmrall auf dom 
Felde folgt und sich von den Würmern und KngerliDgco 
nährt, die beim Ikmrbeiten des Buden» zu Tage gefördert 
werden. 

Fs ist die.s und dessen Nachzucht der einzige Be#itz. 
der eiiium Sklaven rechtlich nach Bassarihegriffen zust4iht, 
solange er unverhetratet ist und in der Familie den Herrn 
lebt. Fm jedoch die .^kiaven an das neue Heim zu 
feaseln, werden »ie bald verheiratet, gründen dann ihren 
eigenen Hauestand und arbeiten, subald Kinder kommen, 
von der in Bassari üblichen scchstägigen Wttche nur 
noch vier Tage für ihren Herrn. Die übrige /eit können 
sie für ihre Familie verwenden und gelangen so häufig 
zu gröfsenMn Wohlstand. Im aUgemeintin vererben sich 
die Sklaven vom Vater auf den Sohn, werden aber nach 
loiiidussiUe mit dem Tode ihres zweiten Herrn stets frei. 
Meislenn Ut schon der Skluvo frei von jeglicher Arbeit, 
wenn »eine Kinder arbeitafähig sind und an seiner Statt 
die üblichen Tage der Woche für den Herrn arbeiKm. 
.Auch halten »ich dio älteren Sklaven aelhiit wieder 
Sklaven, welche an ihre Stelle treten. Sklavinnen werden 
durch HeU'at mit einem freien BasMarimami vollkommen 
frei, auch die Kinder au.i einer derartigen sind frei 
und können alle Kbrenainter, sogar die Königswürde er- 
langen. Bei Mischehen, in denen der Vater Sklave war, 
werden die Kinder zwar frei, wenn die Mutter eine Freie 
war, sic können jtoiuch nicht in dun Geuiuindcrat kommen. 
Im allgemeinen ist die Sklaverei, weuigHtciiH in Bassari. 
nur ein Dienstverhältnis, hei welchem der Sklave häufig 
ganz zu der Familie gerechnet wird. 

Wie im ganzen Togogebiet, besteht auch in Ba^«iari 
die Schuldsklaverci, und zwar haftet die ganze Familie 
für die Schulden eines Mitgliedes. Da« Fami]icüo)>er* 

; haupt kann die .Schulden mit einem Familtcnangebörigeu 
oder einem Sklaven decken, anderenfalls wird der Schuldner 
selbst Sklave. Häufig jedoch kommt keine Vereinbarung 
zu Htande, und der Gläubiger sucht «ich durch .Abfangen 
I eines FainiliengliedoB schadlos zu halten. Auch wird 
eine derartige Hypothek an einen Dritten codiert, welcher 
: dann seinerseits mit «einer Forderuug an den erst- 
; genannten Schuldner berantritt. Ihi nun der Begriff der 
I Familie ein »ehr weitgehender ist, so werden häufig ganze 
I DorfgemeimitiU und Volksstäimno für die Schulden eines 
i ihi^r Buwuhuer verantwortlich gemacht, wovon diese 
häufig gar nichts wissen und natürlich atichdie Forderung 
nicht anerkennen. .Auf diese Wei»e entstanden weitver- 
zweigte Schiildfordeningen, die häufig zu Fehden der ein- 
j xelmtn Ortschaften und zu Kriegen ganzer Stämme führten, 
j die haupl*'ächHch im gegenseitigen Abfangen von faiuten 
I und Beraubung durchziehender Karawanen Wstandou. 



Juli 1902 eine omfaii^Veiche Menge von Aufnahmearbeit {>e- 
leistei, Jie joizi för eine vom rhangi bis Kanuiri reichende 
Karte im eitiloäi liehen Marsrtab von 1 : 2000<K> zusammen* 
(f«*faf*t wird. 

ZuiiilebHt hat Schiffsfähnrich d'Uuart, der Kuuimandaat 
des liHUipfem Hlul*. mclirere Punkte in der Nähe 

I do» «wilichon TschaduftT« der Ixioge und Breite nach aiitro- 
DuiiiiM’h festgelegt. Die Längen »ind allerding» nicht ab- 
solut, s«>ndeni aus der Liiug« des Orte» Dochinitiloh. de» 
I letzten Dorfe» am Schari oberhalb «einer Mündung, ab- 
geleilut. Ds.i'bimti]nh liegt unter 12* 4.*i' 4ti" m'inll. Mr.; die 
Länge ist nicht ersichtlich, so dafs e» zwocklus erficheiut. die 



hr Weiltenbi'r^fj Kinüerfreud uod bei den südrutaiscbeii Juden. 



3i:> 



antlHren Lnuxeii hier aiiKufiihreii und über Vt.'r>ichie>»uugeti 
io der lAge des THrhad-Heeii Verinutungon xu üur«ern. ln 
liMhirutiluli i?it ein IVgrl at>gel**gt', und en Ktnd dort in den 
Moimten Februar hw April l»iii die Nivoauechwankungvn 
des Titchadaee^piegeU be<>liAcht«t wordou. Danach aUmden 
dieae Schwankungen in ntiiuitteibarer Be/i«hmig zur Uichtung 
und Stärke der W'inde. Du* Maxiinnm nn eioetu Tuge 
l>etrug 27 cm (am lt(. MArz). Bei der geringen Tiefe des 
See* rufen die Winde natürlich auch gri»rx« Veränderungen 
in der Gexlalt des Tw:had «elliet hervor. Der Kordontwind 
i*i der vorhcnm'hende, deshalb bat d'lluart im Osten und 
Nordoirten ein sehr schnelles Furtschreiten der Allurial* 
ahlagrrung und ein Auvtrocknen des Sees konstatiert, während 
ini Westen und Hüdwesten eine Äusdehnnng des Wassers be- 
merkbar ist. IHe bathymetrischen Yerhaituisxe des Tscha4l 
bestätigen diese Beobachtungen, im östlichen Teil enthalten 
die Kanüle zwischen den Ittseln nur 4 bis .‘•in Wasser, 
wiihreud sich die gröfsten Tiefen (etwa J2m) iin Küdwesten 
voründeu. dTiuart hat eine grofse /uhl von TiefenmeMungen 
ausgpfuhrt und aufsertlem teilweise den Kuriarchipel 
und ganz den Buddnmiuirchipel vermt<!wen. Die in der Hegel 
dachen und aus Sand und OvK»ll iNsstehenden Inseln sind 
das FrtMhikt des nonluaUicben W'üstenwintle*, des Haraiattan, 
der feste Bestandteile mit sich furtfiihrt und im 8e« absotzt. 
I'nter den Inseln bwsi.'n sich drei Typen erkeuuen: die einen, 
die Ixiwohnt sind, erheben sich als lU bis l-'im hohe Dünen, 
die 4 bis 5 Ul hoben Inseln cntbaltou Weideplätze, und die 
guiiz niedrigen ragen nur .‘10 bis 50 cm über_ dem W'asser 
empor. Die lnsel«’elt des IWhad bildet die ()bergangHZonG 
zwischen dem FesUande und dem offenen Wasser. 

über die lange /eit verrufenen Bewohner der Tschaditee- 
inseln ermittelte Destenave gelegentlich eines Besuches vom 
1.*i. A]«ril bis 10. Juni HHJ'2 folgendes: Der Kuriarchi|>el 
enthält drei Inselgruppen und lieherliergt etwa lOouo Kin- 
wohner, ihrer Alwtaimuung nach Kanembii. Sie sind Mohitm' 
medaner und auf die loaehi gekommen, um dort gegen die 
Kinfälle der Nomaden geMdiiitzt zu sein; ihren {«ebrnsunter- 
bnlt gewinnen sie aus der Viehzucht, dem Hirseliau und dem 
KiAchfaug. In ilem von Destenave besuchten Teil des Bud* 
diimaarchii>eN sind 2d lusclii t>ewohnt, und zwar vuii 17(Ki0 
Keeleu. Nachtignl hatte I20UO bis l.'iooo angenoimncn. Die 
Hudduiiia Iwhaupteu, sie seien vor drei .TahrhuiidertcD aus 
>okoio gukonmien. Die Nahrung bilden Milch und Hirse; 
Fischfang wird nicht b*’triel*eu. Die Budduina vermischen 



sich nicht mit ihren Nachliam, und jede Insel stellt an- 
scheinend den Sitz einer Familie dar. Der Stamm nimmt 
infi’lge der Heiraten unter Blutsverwandten schnell ab. Die 
Kopfzahl der Hindviebherden sämtlicher Tscliadseeinseln 
wird auf 80oU(t geschätzt 

Kapitän Dubuis hat das Südufer de.s Tmibad zwischen 
der Scharimünduug und dem Bahr-el-Gbasal untersucht und 
die Verüiiüerungen festgestelU, denen der Biihr-el-Ghasal 
unterworfon gewesen ist, und die zur Austrocknung saiiiH* 
Tbnles geführt buhen. Den Bahr-el-(f)ia5wl sellwt haWn 
Kapitän Bellion und Leutnant Dhoinme aufgonoinmen. 
Beobachttinge» ülier ihn liegen auch von Kapitän Truffert 
vor, der auch die 2k>m-. nördlich davon und im ttsb'n des 
Hees, sowie den Kuriarchipel iiDtcnuirhi hat. Aufnahmen an 
der Ostküste des TKchad haben aufsunlem Avon. I>homtiie 
und Duperthuis ausgefnhrt, im südlichen Teil des Bud- 
duiiniarchi{>elH Ijeuiuaut Laeuin. In Kancm reichen di« 
.\ufnahmen bis 14* 50' n. Br. und la" lo' <>. L. ostwärts. 
Endlich hat Truffert den W<^ Dikoa-Fort Lamy am Hee 
entlang und Kapitän Dangevillc den Weg IHkoa-Kuka- 
Ngigmi (Nordwestufer) neu aufgeminimen. Diese Aufnahmen 
sind inzwischen durch deutsche OfBziero ergänzt worden. 

Aus dem Scharigebiet ist folgendes zu berichten: Die 
hydn>gniphiMhcn Vorhültnisso des Sebari sind auf der Strecke 
von Fort Archanibault bis zur Mündung klargelegt worden. 
Die sandigen l'ntiefeii de* Stromes verlegeu sich fortwährend, 
und der SchifffabrUkanal wechselt alle Jahre. Der Fafa ist 
von Bruel, (Uf-yin, de Koll-Montpellier und Coia- 
eauü von der Quelle bis zur Mündung (7* 2u' n. Br.), das 
1‘latcau von Mbres von Truffert aufgeiiommen worden. Ka- 
pitän Paraire hat detaillierte Aufnahmen im mittlereu 
Scharigebiet ausgeführt, itn Westen bis (inndi, iin Osten 
{ gegen den Bahi'-es-Salam.nt bis Siiuiue und M.anime, und 
Kapitän Jesson in dem zwischen Bahr-es-Salamat und Ba- 
girmi liegenden welligen Plateau Itekakire (bei Nachtigal 
noch als zur Kltcne gehörig bezeichnet). Auch ein Teil 
Uaduis ist bereits »ufgesucht worden: l>angeviUe hat den 
Weg von Fort Lamy bis Ymo und Midogo aufgenonimen und 
la'utnaut Avon den FiUrisee erreicht. Dieser liegt nach 
seiner Bestimmung unter 12“ 4i)' n. Br. und 17* 4(J' ü. L., 
als<t etwas östlicher als auf unseren bisherigen Karten. — 
Ks sind aurserdem niK*h eine Reih« anderer \V*issenszweigu 
gef.Vrdcvl woiilfii. 



Kinderfreud und -leid bei den sfidrussischen Juden. 



Voll l»r. S. Weifsciiberg. Klisal>©lligrii(l. 



Hot. n Manu a WalNÜe. 
lb»t er grtMssu /iiros (Leid); 

Hot sie nyi keti Kinderlecli, 

1'eig aie af Kapures (Schlaclilen). 

So wird im jüdischen Volk^lifHle gesungen und h» 
die Ari>«icbt dea Volkes ülmr den Kindersegen nuage* 
drückt. Kino kindcrlost' Khc ist das gröfsDi Unglück, 
da* einen Juden trcHeii kann, und keine MitUd werdnii 
gcKcbeut, keine Hntfermmg ist zu weit, um diese* Un- 
glück ubznw enden. Hilft der „Hebe“ >) nicht, so wird 
ein „Ib'ofessor^ konsultiert, und auch von den ärmnten 
Jüdinnen. Zehnjährige sttirile Kbe ist genügender Grund 
zur Scheidung. 

Pnrullel mit dieser Sehnsneht mwh Kindern gebt die 
Kinderliebe. Indem ich mir Torbehalte, dem Neugeborenen 
einen besonderen Aufsatz zu widmen, will ich hier nur 
vom Säuglinge und bauptsächlich vom Kinde ini eigent- 
linhtiu Sinne de* Worte* sprechen. 

Her Säugling wird iui allgemeinen Hehr zärtlich 
behandelt, meist von der Mutter seihst gestillt, ini äulser- 
sten Fnllu von einer Amme, nie aber künstlich ernährt. 
l>a die jüdische Krau iiorh Krau und nicht Arbeiterin 
ist, so wiilmet sie sich ganz und gar ihrem Kinde, wes- 
halb die Säuglinge uiei«tenB gut gedeihen und die Sterb- 
lichkeit unter ihnen beilenteml geringer j-*t al* bei der 



übrigen Hevölkeruug, was sich auch ztatiztisch naebweisen 
läf«t. Dank der htiberen Intelligenz des jüdischen Volkes 
dringen die Uehren <ie* Neo'.Malthusiniiismu* auch 
in die untersten VolksBchichteii Kchnell ein, und der 
Kinderridehtum wird nicht mehr ho gleichgültig aiifge- 
uuimuen wie früher. Hin einziges Kind ist alicr für den 
Juden eine sehr umiugeticbme Sache; „af ein Oig y* nyt 
git zu kikeii**, sagt das jüdische Sprichwort von solchen 
Fällen. Kin bewährte* Mittel zur Kmpfangiiiabebin- 
dornng ist das lange Stillen, oft hi* zum vollendeten 
zweiten I,cbensjabrc oder bis zur neuen SebwangerNchaft. 
mit welcher du* Säugen in jedmu Kullu aufhört. K* 
herrscht die scliiecbte Sitte, mit dem Säugling zuKuiiimen 
zu schlafen und ihn die gunze Nacht hindurch nn der 
Hrimt zu hallen, wodurch die Kinder -ehr verwöhnt »’er- 
den. Ileikost erhalten die Säuglinge erst nach dem 
Durchbruch der ersten /nhne. selDm — wenn die Mutter 
irgend ein Geschäft treibt — früher; abgi'*Hzl werden 
nie mit einem Male. 

Viel Sorgtui verursnebt der Mutter der kranke 
Säugling. Schreit er, ohne dafs sich dafür irgend 
eine l'rsnche nuffiuden läfst , so befeuchtet ihm die 
Mutter die Stirn mit frisch geliis*euem eigenen Hurii, 
was al* uin gutes BenibigungsmitUd gilt und den „bösen 
illick“, die wahrscheinliche Ursache des Schreienn, ali- 
w'cndet. Schlaft das Kind minihig laier gar nicht. *o 
logt man Mohiiköpfe unter sein Kopfkissen, manchmal 



... f >)OgIe 



’) Maupt der (‘bussiiiimsekie. 




I)r. S. VVoiCseiiberi;: Kitiderfroud uud 'loid bei den BitdrnsfiBcbeD Juden. 



fj^ebt man ihm auch utwaet Ton einem Abnud dereelben 
innerlich, l'u dem SSugUnff ^seinen schweren Kampf ums 
Dasein utwait zu erleichtern, werden ihm Ternchiedene 
Amulette um den Hals gehängt. Abb. 1 stellt zwei 
solcher Amiilettenhalsbänder dar. Wir «eben da eine 
nFcige'^ aus Knochen, um Leute mit „bösem Illick“ fern- 
zuhalten, ein FlügeUtück eines Hchwarzen Ilabnes oder 
einer schwarzen Heuue — |e nach dem (icschlecbt des 
Kindes — ebenfalls gegen dun bösen ßlick, eine Imitation 
eines Wolfszahne« — yerKcliafft leichtes Zahnen, ein Stück 
Krystallgla« gegen Schwindel und endlich ein Säck- 
eben mit süberner Münze und Schema -Gebet in einem 
Blechetui vom „Kel>e** sl« wahren .Schutz gegen alles 
Üble, l'm ein schweres Zahnen zu verhüten, darf dem 
Säugling vor dem Zabndurehbruch kein Spiegel gezeigt 
werdeu. Fängt das Kind 
nicht früh genug zu 
sprechen an, so wendet 
sich die Mutter an eine 
alte Frau oder au den 
.Vrzt mit der Bitte, dem- 
selben die Zunge zu 
„piken“ (das Zungen- 
bändchen anzuschnri- 
den). Bevor das Kind 
sprechen gelernt bat, 
darf man ihm keine 
Fisebspeisen geben, 
da Fi.tche stumm sind. 

Hin später Versclilufs der 
grolsen Fontanelle 
wird als ein günstiges 
Z#oichen angesehen: das 
Kind wird einen „o0e- 
uen Müich“ (llirn)balu*n, 
es wird klug, gelehrig 
.sein. 

.\uf das Wachstum 
des Kindes bezieht sich 
mancher abergläubische 
Brauch. So dürfen Kin- 
der nicht über die eigene 
Höbe gehoben wunieii, 
dürfen nicht durch ein 
Fenster genücht werden, 
man darf nicht über dos 
Kind treten oder e« zwi- 
schen die gespreizten 
Beine durchgehen lassen, 
sonst wächst es scLieuht 
oder überhaupt nicht. 

An die physiologischen l*r«izcsse des Niesen s und 
Gähnens knüpft sich ebenfalls viel Aberglaube. Niest 
das Kind, so wünscht ihm gewöhnlich die Mutter: „Stark 
sollst di san, gesynt sollst di «an, wachsen sollst di.“ 
Niest ein krankes Kind, so ist e« ein gutes Zeichen, diu 
Krankheit wird in Bälde eine Wendung zum Besseren 
neliir.en. Niest das jüngsto Kind am Sabbatausgang, .«o i.st 
es von guter Vorbe<leiitung für die ganze Woche. Niesen 
Kinder, wenn von einem Toten genule diu Rt>dc ist. so 
werd ‘II siu am Ohre gezupft. Gähnt das Kind, so wird 
ihm .'Ulf den Mund gespicen. Häufiges Gähnen ist ein 
schlimmes Zeichen: da« Kind bat wahrscheinlich „a git 
Oig gecliapt“. 

Die luuisteii Kinderkrankheiten werden dem la'iseii 
Blick zugcsehrielieu. Die Juden habeu davor eine so 
grofse Furclit, dufs sie seine Krwühnuiig thunlichst ver- 
meiden und von ihui ülierhaupt nicht sprtN^hcn, im Not- 
falle al>or, bflmF« gegenseitiger Verständigung, die Ib^- 



zeichnung „a git t.Hg“ gebrauchen, iu welcher, wie •?« 
8cfaeint> die Absicht Hegt, die betreffende Person mit dein 
bösen Blick günstiger zu stimiuun. Seltener drückt muu 
«ich hebräisch ans „uneboru bekynmien“. Fm diu Kin* 
der vor einem „git Oig“ zu bewahren, «Ifirfeu sie nicht 
allein zu Hause bleiben. Kommt jemand in« Haus, der 
demsulbcu feindlich ist, oder dessen Leumund als voll- 
kommen gutherziger Meuscb nicht ganz ohne Makel iai, 
«o werden ihm die Kinder nicht gezeigt, «ie werden ins 
nächste Zimmer entfernt oder schnell zu Bett gelegt und 
ihr Gesicht zugedeckt. Fremde dürfen Kinder nicht 
viel loben oder kosen oder scharf anbiieken; geschieht 
das, dann befiehlt die Mutter dem Kinde, dem Fremden 
hinter ihruui Rücken „Feigen zu «telluu“, wi*durcb der 
böse Blick abgewendet wird. „A git Oig“ wird von 
einer alten Frau „ub- 
gesprochen“. .Auch ge- 
gen viele andere Krank- 
heiten hilft das „I'b~ 
sprechen“. Um nun die 
Krankheit zu ergründen, 
wurden Eier in ein (Baa 
mit Wasser gegoswui mul 
aus den F.iweifsfiguren 
die Krankheit gedeutet. 
Nebenher wird aber aucli 
immer ein .\rzt konsul- 
tiert und sein Hat ge- 
wissenhaft befolgt. Cba- 
i-akteristisch sind einige 
Heilmittel: beim Kr- 
breebon bindet mau dm 
Kindern ein Schnürchen 
uui den lials; ein Säck- 
chen mit Kuiiipfur nm 
den HaD getragen ist 
gut gegen Würmer und 
lialskrankhoiten; Hunde- 
koi in Milch gi>koclit 
hilft bei näcbtliclieni Bett- 
nnssou; das Itei ver- 
schiedenen Krankheiten 
der Kopfhaut zu Klum- 
pen zusuramengeklehtc 
Haar darf nicht gescho- 
ren werden, was mir zur 
gröfseren Entwickelung 
der Klumpen — nKol- 
tun“ genannt — führt, 
sondern diu Mutter luufs 
«ie mit duu Zuhueu ab- 
iHufsen, wa« ihre Wiederkehr sicher verhindert. Kinder, 
die iin der „Dorr" (Pndntroptie) leiden, werden im 
Frühling in ein „Womji“ (Rindei*magen) ge»<*tzt. Von 
.\mulutten war schon oben die Kede; chronisch 
kranke oder einzige Kinder tragen oft Münzen, welche 
vom „Hebe“ geweUit sind, und zwar nicht «eiten bis zur 
HeiniL Ist ein Kind gefährlich krank, so wird niancb- 
mal «ein Name geändert, und zwar meistens dann, 
wenn die Kinder in der Familie «ich nicht „halten“, früh 
«terbeu, oder wenn das Kind ein einziges, lang ersehntes 
ist. Diu in Bolchen Fällen gegebenen Namen sind: 
Alter für den Knaben und Babe (Grofsmutter) oiler 
.\lte für das Mädchen; dieser Name bleibt für das 
ganze Leben, und nur die nächsten Vorwaudtou kennen 
den wirklichen Namen, den «ie aber nie aussprechen 
dürfen. Die Hoffnung, den TiMlesengel irrezuführen, 
«cbeiiit hier die Hauptrolle zu spielen. In diusen .-Vli- 
«ehnitt gehört iiiieh der .VlK^riflaulH'. Kinder nicht auf 




Abb. I. .tmnleUhalsbämler fffr SMugllnge. 




hr. S. Wni rnoiibtiri;: Kinilerfreiid «lad -leid bei den Midruseiiicban .luden. 



317 



einen TiHch zu legen, dn Tote auf einem Tische ftuf« 
gebahrt werden. Auch dürfen Kinder keine FriedliAfe 
bcMuchen. Heim /uhnwechsel werfen die Kiiider den 
lieraurgcfallenvii /uhn auf <len Dachbmlen und nagen 
dabei: ,,MMi»ele, Masele, na dir a iKtitiern Xeindeie yn gieb 
mir »u aeerne?'.** 

.'^bald das Kind selbetündig laufen und sprechen 
gelernt hat, so fängt anrb schon die strenge Krzi^ung 
zur guten Sitte an. Und zwar ist die Krziehting. man 
darf fast sagen, eine asketische. Kindlicher Übermut, 
lustige .Streiche, das llerumtreil>en im Freien u. derg). 
wird scharf gerügt. Hem Juden wird schon in den frü* 
besten Kiiideriahren der Kmst des I/ehens klargemacht. 
Im allgemeinen werden al>er diu Kinder wenig gestraft, 
meistenteils nur durch 
gutes Heispiel und ein« 
dringliche Worte er« 
mahnt, wobei hauptsSch* 
lieh die Kltendiebe und 
die Sucht nach geistiger 
Fntwiokelung, die dem 
Kinde von frühester Ju« 
g<*mi (sitdie .lüdische 
Wiegenlieder, Globus, 

IW. 77, S. 131) einge- 
impft wird, ausgenntzt 
werden. So dürfen Kin- 
der nicht mit den Hei« 
neu schaukeln, sonst 
wiril die Mutter ster- 
ben. Kiiiderdilrfenuicbt 
in einem Strumpf 
oder in einem Schuh 
heruiuspringen, .sonst 
stirbt die Mutter oder 
sie werden schlecht ler- 
nen; sulche Kinder wer- 
den mit folgenden Wor- 
ten auogolacht; 

Schmil (Name) «chmok 
(]>umiiiko|if> 

Yu ein Schich , yii ein 
Suek. 

Kinder dürfen nicht mit 
Feuer spielen o«ler 
sich vor dem Schlafen- 
gehen spiegeln, sonst 
geschieht ihnen etwas 
'■ehr Unangenehmes im 
Schlafe (llettnässen). 

Man darf nicht auf 
dem Kinde nähen, du 
man t-oiist Gefahr läuft, 
dcms4-lben den „Moich** (Gehirn) znzimähen und .so seine 
geistige Kntwickehing zu verhindern; das Kind kann 
aber auch infolge einer solchen Handlung sterben, da 
nur Sterlwkleider auf der betreffenden Person .selbst ge- 
uäbt werden; imifs mau jedoch etwas schnell auf dem 
Kinde ausbesHern, so wii-d ihm ein Faden zum Kauen 
gegelem. Kinder dürfen keinen llrotan.schniit essen, 
sonst werden sie schlecht lernen und ein „verstopfter 
Kopf“ werden. Kinder «lürfen nicht mit Katzen spiiflcu. 
Hüllst werden sie „a Katzenmoich** haben. Die Katze 
gilt bei den Juden als ein sehr dummes Tier, und dien» 
Kigeiischuft konnte auf das Kind übergehen, überhaupt 
lieben die Juden die Tiere nicht, und das 'ranbenhalten 
z. II.. eine beliebte llescliftftigung der russisclien Jugend, 
ist dem jüdischen Vater ein Greuel. Ido Liebe zu den 
Tieren könnte das Kind von dem Hauptziele — der 



Liela» zum Lenien — abbalteii. Daliei ist jedoch die 
Tier(|uäleroi, ebenfalls eine beliebte lleHcbäftigting der 
ruHuiachen Jugend, streng verpönt — „s’ys a Txarbale- 
cliaim'^ (tjnäleii eines lc)>endigen Wesens), sagt das Kind. 
Kill Krzielnmgemotiv von grofser Wirkung ist der Gegen- 
satz zwischen „Jid** und „Ooi**, auf den die Eltern nicht 
müde werden, die Kinder aufmerksam zu machen, denn 
die Trunk- und Huulust. die Ausgelassenheit und Ge- 
meinheit der niederen Schichten der russischen Itevölke- 
rung sind zu augenfällig. „Scheigetz" (Ktissenjuugo), 
eventuell „Schykse“ (Rus.senmädcbon) ist das ärgste 
Schimpfwort für die jüdiache Jtigiuul. 

Mit fünf bis tu^rhs Jiihreii beginnt der Unterricht 
im ('heder, der traditionellen jüdischen Volkschule. 

Hier wird diu .\skese 
noch weiter als zu Hause 
getrieben. Die Kinder 
bleiben in der Schule 
von 8 bis 8 Uhr, mit 
einer kurzen Unter- 
brechung für das Mittag- 
essen, wobei alles darauf 
geriebtet ist, die armen 
Kinder an Geist und 
Körper gleichzeitig zu 
verunstalten. Das Lo- 
kal besteht aus einem, 
liöchsicns zwei schmutzi- 
gen, niedrigen, sebh'cht 
beleuchteten Zimmeiii. 
die zugleich al.s Schule 
und als Privntwobnuiig 
für den lyohrer und seine 
zahlreiche Familie die- 
nen. Von Schulhygiene 
ist selbstverständlich gar 
keine Rede, und die l'u- 
terricht.Hniethodeu sind 
ebenso antihygieiiiscli 
wie die Wohnung. 
ist bemerkenswert ge- 
nug, dafs oft diejenigen, 
die für keinen Heriif 
taugen , oder die Überall 
vom Mifsgeschick ver- 
folgt wurden, nicht selten 
am Kudu den Beruf des 
Scliiilmeisters wählen. 
Bei allen diesen Män- 
geln bin ich aber doch 
ein Freund des (’hwlers, 
und zwar, weil ich der 
Meinung bin, duts die 
sclilechteste Schule doch besser ist als gar keine. Seit- 
dem die quasi intelligenten Juden nngefangen haben, den 
C'hedur zu verfolgen, wobei sie die Begierung auf ihrer 
Suite bnlM'ii, ist dersellie noch tiefer gesunken, als er war. 
Anstatt Schulen nach neuem Typus, aber dom Volkh- 
churakbT entsprechend, parallel zu gründen und sie 
einen ehrlichen Kampf mit deniCheder kämpfen zu lassen, 
strebte inan nur nach Scbluls des letzteren. Man ver- 
gnfs, dafs die russische Regierung sich im allgemeinen 
zehr wenig um die Bildung der nieileruii Schichten Mugnr 
ihres StamuiVülkuü kümmert, und warf uhneNuebdeuken 
die vom jüdischen Volke in taiisencljäbrigetu Kamjife er- 
rungene Achtung vor dem Buchstaben über Bord. In 
diesem wie auch im wirt.scbuftlicben Verfall d«Tjüdi.sclu*n 
Miisae ist vielleicht die rrsticliu zu siirlien. <iiifa der Kle- 
meiitaruiiterricbt jetzt nicht mehr obligatorisch isi . wie 




Abb. 2 . a Würfel, b u. c Dreldel, d Gifsfunn für Dreldel, 
e Astragal. 






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l>r. S. Wui[B’eul>ei');: K iiiderfroud und >l«iü bei den siidniiitiHoheD .luden. 



3lH 

ur frftber war, und dafn Analphabeten unter den .luden 
jetzt keine Seltenheit mehr büden. 

Kh i»t »ehr »chwer, einen Itcgriff vom Lehrplan im 
Cheilnr zu gelten, da Alten und Neue», allgemeine und 
jQdische F&cUer jo nach demWiHHen de» Lehrer» Rebe 
oder Melauied genannt — und dem Verlangen der Kltern 
Torgetragen werden. WAhrend der entten Unterricht»- 
»tunden wirft der Rebe unbemerkt atif den Tisch eine 
kleine Münze, /uckorwerk oder Nüsse, welche tragen* 
»lande <lem überraschten Kinde ul» Geschenke eine» 
Kugel» für fleifsige Schüler gedeutet werden. Al» Strafe 
dient in „Pckl’* (Winkel) »teilen, nmnt-huial mit her- 
untergelasHeiier Hose und häuKg IVUgei. Zeigt da» Kiitd 
gute Fähigkeiten , su wird et» mit acht bU zehn Jahren 
zu einem underen geistig höher »tehenden Melamcd oder in 
gröf»vren Stiidtun in eine RegieningH»chiile für Juden ge* 
gebcu. Vor Purim fertigen die Kinder im Cheder K»u- 
wim an — Handschrift 
proben mit verKcbnörkelten 
und Terziertcii .-Vubiugs- 
bucbatabcu, die auf Purim 
uU Hewei» für die Fort- 
schritte im l^ernen den 
Kltern üherreiebt wurden; 
der Hebe schickt den El- 
tern gSclndach moiie»'*, be- 
»tebend aus Süt»igkeiten 
und Früchten und be- 
küiiimt dafür ein Geld- 
geschenk. Auf t'hunuka 
(Makkabüerfust) bekommt 
der Rebe C'bauiikageld. 
ha» Jahr besteht au» zwei 
SemeHteim, die nach Ostern 
und Laubhüttenfost begin- 
nen. Mehrmals während 
de» JabrR» kommt der Rehe 
in» Haus, um die Kinder 
„zy varhöreu“, wobei er 
bei Zufriedciibeit der El- 
tern ein Geldgeschenk be- 
kommt. * 

Mit dum Tollendcteii 
dreizehnten Lebens- 
jahre wird der Knabe r»t- 
ligiö» auf einmal xiiiD 
Mnnne, er fängt an „Th'Rln 
(Gebetsrieiiien) zu luigun** 
und trägt selbst die Ver- 
antwortung für seine Ver- 
gehen, wogegen früher der Vater dafür Tcrantwortlich 
war. IHe MannbarkeilwtrkUrung •*• Biir-Mizwoh — 
wird häufig foiorlich begangen, indem der Knabe vom 
Reben zu einer nUriiscbe** (Vortrag) vorbereitet winl, 
welche abends an dem betreffenden Tage vor den gelade- 
nen Verwandten und Freunden gehalten wird, worauf 
geschmaust und der «lunge bescitenkt wird. 

Obgluicb, wie ich oben bemerkt habe, die Krziebung 
l»ei <lcn Juden eine strenge ist, so fehlen doch dem Kinde 
nicht ganz und gar die Spiele. Diese tragen jedoch 
einen ganz eigentümlichen Charakter, indem ibn*'n die 
iiU8gela«»ene Fröhlichkeit fast vollständig fuhlL hb» sind 
nicht Spiele im Freien, mit laufen und Springen ver- 
bunden, die die jüdischen Kinder spielen, sondern stille 
/immerspiele, an dunen »ich meistens nur zwei Personen 
beteiligen können. .Selbstverständlich spielen die Kinder 
auch die ortsüblichen Spiele, und zwar nicht selten mit 
den russischen Kindern zn-<amnien, was aber nicht immer 
von den Kltern und dem IUd»en gutgeheifsen wird. 



Um Ordnung io da» Spiel zu bringen, wird die Reihe 
durch Abzählverse, die ein Wirrwarr «innb»ser Worte 
darstollen, bestimmt So z. IL: 

1. Uns bene res» 

Quinter quinter shes» 

Cne bene rabe 
Qninler quinter »habe. 

2. Eins zwei drai 
Kuseber ruscher rai 
Ruscher ruscher 
Platzer tuscher 
Eins zwei drei 

H. Eins zwei dral 
Oder Uder lai 
Oken buken 
Zwei die loken 
Zirl Perl 
Duks a^•i!l. 

1 laa eine. Spie] tm F rcieri . 
da» gern gespielt winl. ist 
Kamroerhois. Während 
inebrure Kinder die /.aun- 
pfahle oder andere Gefren* 
stände besetzen, hüpft 
eines auf einem Rein die 
Reihe ab und fragt : Kam- 
mer- Kammerboi»**, wor- 
auf er zur Antwort !>«- 
kommt: „Gtdh tu jenem» 
llois!“ Während er nun 
weiter hüpft, suchen die 
llintanstehenden ihre 
Plätze zu wechseln. Ge- 
lingt es dem Hüpfenden, 
einen Platz zu l>esetzen, 
dann tritt an »eine Stelle 
derjenige, der den Platz 
verloren hat. 

Sohr beliebt ist das 
Spiel Zi ge n ehore (V). 
Alle Teilnehmer setzen 
»iob um den Leiter de» 
Spiules und logen ihre 
Zeigefinger auf sein Knie. 
Während der I^iter ver- 
schiedene Dinge laut aus- 
ruft und dabei einen Zeige- 
finger in die Höhe hebt, 
müssen die Teilnebmer 
uufpasKun und nur bui sol- 
chen Dingen, die möglich 
.sind, ihre Finger heben. So ruft z. B. der l.eiter aus: 
Katschke (Knte) fliegt, aHelieime (Kuh) fliegt, a Hin 
»chwymmf^ u. s. w. Denjenigen, der gefehlt hat, legt 
mau auf die Ruine des I,eitors mit dem Gesicht nach 
unten. Die übrigen, indem sie ihren Händen eine be- 
stimmte Stellung, die figürlich gedoutui wird, geben, fra- 
gen den Liegenden: „Wus git men dir?“ Krrät er, «o 
sieht er auf, und da» Spiel wird fortgesetzt, sonst aber 
wird auf »otnem Rücken tüchtig getrommelt unter .Xus- 
rufen der botruffonden Figur, worauf eine andere ge- 
macht wird; di« obige Frage wird wiederholt u. s, w. 
Von den Figuren bedeuten u.a.: die Faust — Rylke (Urot), 
der gestreckte Zeigefinger — Messer, die Krallenband 
— Grablis (Rechen), die gespreizteu Finger — Gnpl 
(Gabel) u. 8. w. 

Mädchen (Kuubeii sullun) spielen gern Zeichen. Die 
Kinder setzen sich auf dun Boden. Die Ridhu wird mit- 
tel» eines Abzählverses bestimmt. Das Spiel wird mit 
fünf Astragalen (.Xbb. 2e) gespielt und besteht au» sechs 




.\bb. 3. A. b Bogen Dud Pfeil, o Fahne. 




I>r. S. WeifteDberg: Kinderfreud und 'leid hei den sodrusaischen Juden. 



319 



Haupt- und vielen Nebenfiguren, die je nach dem Orte 
wechseln. Die Figuren aind folgende: 

1. Kinken. Man nimmt die Zeichen in eine Hand 
und wirft sie auf den Hmlen auneinander. Dann wird 
eins nach Belieben mit der ruckten Hund gunummen und 
in die Höhe geworfen, unterdeHHeu ein anderes vom Boden 
mit derselben Hand aufgehoben und das in der Luft 
HchwelK>ndfl gefangen. Kins von beiden wird beiaeitu 
gelegt und die übrigen auf dieselbe Weise vom Boden 
auf gelesen. 

2. Dwoikes. Wie 1., nur werden je zwei Knöchel 
auf einmal vom lk>den aufgehoben. 

3. Troikes. Wie 1., ztierst aber wird ein, dann wor- 
den drei Zeichen vom Boden ergriffen. 

4. Kjpke (Haufen). Alle fünf Antragalon werden in 
die rechte Hand genommen, einer von ihnen in die Luft 
geworfen, die übrigen auf 

den Boden gelegt, der erste 
gelangen und dann wieder 
in diu Höhe geworfen, die 
am Roden aufgelesen und 
der erste hinzugefügt. 

5. Oiberbantel. SftmtUebe 
Knöchel in die Luft ge- 
worfen und einige auf den 
rechten Handrücken gefan- 
gen. Nach .\nwei8ung der 
Mitspielenden werden diu 
Knöchel aiifeer einem vom 
Handrücken vorsichtig her- 
iintergeworfon , sodann mit 
dum Daumen und Zeige- 
finger vom Boden aufge- 
hoben und in diu freie Hund 
gelegt. 

6. Kontor. Sämtliche 
Knöchel werden auf dem 
Hoden zerstreut. Daumen 
uinersoits und Zeige- samt 
darauHiegendem Mittelfinger 
der linken Hand, anderseits 
werden auf den Boden ge- 
stützt uud so ein GewrdlH* 
gebildet. Es wird mit der 
Hechten ein Knöchel vom 
Boden genommen , in die 
Luft geworfen und unter- 
dessen versucht, einen an- 
dorvn mit der frei geworde- 
nen Hand dnroh das Gewölbe 
zu treiben, wobei der schwe- 
bende nicht berunterfallen darf, sondern immer auf- 
gefangen werden mufs. So wird mit allen verfahren. 

MitsUugt eine Figur, daun kommt das nächste Mäd- 
chen an die Reihe. 

Folgende Spiele sind nur für zwei Kinder. 

Der Seiger (Uhr). Die Hände werden so zuHauimen- 
gelegt, dats ein Finger dazwisebun frei bleibt. Indem 
der letztere bewegt oder ruhig gehalten wird, wird an 
den Mitspielenden die Frage gerichtet: „Der Seiger geiht 
zy nytV“ Beim Erraten macht es der andere. 

Upheiben, Bettlecb. Aus einem geschlossenen 
Faden werden mit den Fingern beider Hände durch Ver- 
schlingung desHelben, indem die Spielenden einander ub- 
wechseln, verschiedene Figuren gemacht, die heifsen: 
Bettl, Leikech (Kuchen), Tacb (Flufs) und Wiegl. 

Wer zyerst lacht. Zwei Kinder setzen sich gegeu- 
einaiidur mit ernster Miene und schneiden verschiedene 
Frat/en. Wer zuerst lachL der verliert. 






I \ l . • • - i 



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Abi). 4 . HulzsrhnarreB. 



Im ('beder wird oft in Pencs (Schreibfeder) oder 
Knep (Knöpfe) gespielt; e<< sind dos Hasardspiele, bei 
denen oft der letzte Groschen verspielt und die Knöpfe 
von den Kleidungsstücken nbgetrennt werden, um als 
FJnsntz zu dienen. Das .'^piel besteht darin, dafs die 
auf dem Tische liegende Feder (oder Knopf) mit einer 
Nuderon unigekippt werden mufs. Gelingt das, so ist 
die P'odcr gewonnen, sonst die eigene verloren. 

Pet-Samech. Von den beiden Spielenden wählt der 
eine das Pei, der ander« das Samech, die im l^ontatouch 
zur Bezeichnung der verschiMlenen Abschnitte dienen, 
und wer auf einer verabredeten Seitenzahl das Über- 
gewicht l>ehäh, der hat gewonnen. 

Während der langen Winterabende werden aus Papier 
verschiedene Figürchen gemacht, wie: Pferdchen, Wa- 
gen, Sehiffe, Hut, Tag und Nacht u. s. w. 

Reich an Spielen sind 
die Feiertage, an denen es 
auch dem jüdischen Kinde 
vergönnt ist, sich etwas aus- 
zutobüii. Diese Feiertags- 
spiele sind meist tendenziös, 
indem in ihnen die Absicht, 
die Kinder mit dem betref- 
fenden Feiertage vertraut zu 
machen . klar durchschaut. 

Während der Passah- 
und Sukkotbwoebe wer- 
den Nüsse gespielt, die zu 
einer grutsen Menge von 
Spielen verwendet werden. 
Hier einige Spiele mit 
Nüssen (Walnüssen): 

1. Kypke (Haufen). Einer 
stellt vier (Hier fünf Nüsse 
zu einer l\ramidezusamii)en. 
der andere mufs von einer 
gewisKen Eiitferming mit 
einer Nufs, die geworfen 
oder gei-oUt wird, die Py- 
ramide treffen; geschieht 
das, gehört die Pyramide 
ihm, sonst ist seine Nufs 
verloren. 

2. Breitel. Es werden 
von einem schief an die 
Wand gelehnten Brette der 
Reihe nach Nüsse heninter- 
geroUt, wessen Nuls irgend 
eine trifft , dem gehören 
alle. 

3. Einer legt auf den Ik>den einigu Nüsse in einer 
geraden Linie 15 bis 20 om voneinander; diu übrigen 
suchen die gesetzten mit einer rollenden Nufs zu 
treffen; trifft nun jemand, so gehören ihm alle vor der 
getroffenen liegenden Nüsse; diu fehlgescblagenen sind 
verloren. 

4. Gryblech. Mit dem Schuhabsatze wird in die 
Erde eine kleine Grube gebohrt. Die Spielenden stellen 
sich in eine gewisse Entfernung von dem Grübchen und 
jeder wirft seine Nufs nach deiuselben; wessen Nufs am 
nächsten liegen bleibt, der sucht die weiteste mit den 
Fingorn in die Gnibe zu schnellen; gelingt cs ihm auf 
einmal, dann gehört «lieNufs ihm. und er macht dusselbe 
mit der zweiten, widrigenfnllN kommt die Reihe au den 
zweiten u. s. w. 

5. Nyss schlugen. Zwei setzuu eine gleiche Zahl 
Nüsse. Der eine nimmt sämtliche NQs«c in diu rechte 
Hand und wirft sie in eine Grube; bleibt in der Grube 



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320 



li. 8<U.: l>outBuh*Sndw«>ntafrikB im Jftbre 1002. 



<dne Zahl oAor die llAlftc, no f^eheren alle ihm, 

»onsi dem anderen, 

tf. Jariiiclke. Wie 5. Die Nilftee werden in eine Jar- 
melke (Kopfbedeokimg) gelegt und hiimutigeworfen. 

7. Yiii zj grnd. ]*!(« wird ein Hänfen N'üüee abgeteiU, 
mit der Hand zugedeckt und gefragt: gera<le oder unge- 
rade? Wer errät, dem gehören alle; wer nicht enäl. 
der hat dio gleiche Zahl verspielt. 

8. RitehU oder Hnk». Ks i»t zu erraten, in welcher 
Hand die Xuts Hieb befindet. 

Während der ernten zwei l’aHNahahende suchon 
diu Kinder den Afikoiinen*) zu »ttdileii. «len nie nur : 
nach gehörigem (iunchenk zurtlckgeben. 

Auf Legbuitiitir*), 33 Tage nach Pn^nahbuginii. ziehen 
di« Kinder in Begleitung de;« Itebeu o<ler Befaelfors mit 
Bogen und Pfeil (.\bb. 3a u. b) bewaffnet aufserhalb 
der .^tadt hinaus. ])«r einzige Tag de» Jahres, der im 
Freien ziigebrncht wird; dt« einzige Keniinisrenz an die 
ehemalige Freiheit und Tapferkeit. 

Auf Tyscliehow (Tciu]>elzer8törung) bewerfen diu 
Kinder einander und die Krwaehsmien mit den stäche- : 
ligun Früchten von verarhiedentMi Domkräutern, die an i 
den Kleidern und in den Hitaren festhaften. | 

Zu Simvhas Thora (Thorafrende — letzter Tag von I 
Sukkotb) fertigen sich die Knaben Fahnen aus I*a])ier- | 
streifen mit dnraufgedruckten Bildern und Insehriften 
von (Htssendein Inhalt an; der Fahne wird oben ein roter 
Apfel, in dem eine Kerze stockt, aufgest^tzt (.\hb. BcJ. 
Die Kerze winl am Vorabend in der Synagoge ange- 
zändet. 

.tm ('hunukafest (Mnkkabiierfest) bekommen die 
Kinder h a n u ka ge] d , das sic beim Droidel- oder 
(iiilkcspiel setzen dürfen. Der Dreide] wird aus Blei 
gegoswu (.Abb. 2b u. c Droidel, d Giifsfonn). Seino 
Seiten tragen die Buchstaben i, n, r, welch« ho- 
«ieiiten: Ness gmloil hojo schom — «in grufsus Wunder 
war dort. Für die Kinder halieii aber die BuchstalH'u 
eine ganz andere Bedeutung. Der Kreisel wird getlrebt 

'1 Ein 8nii'k Maxati wird vor dam Kmcu zurückgelegt, 
um als N'arlis)t«>iHe zu dieneti. 

Nach (MKirliefcrung wdl nn •liwtem Tuge, während 
einer unter den /-ithlrvichon Schülern Akiltan grassierenden 
Epidemie, kein Todenfsil vnrgvk«>minen «oin. 



und ja nachdem, welcher Buchstabe nach oben fällt, 
wir»! gewonnen oder verloren, wobei sie f<dgen(i(>a nii- 
zeigen: : ” nyscht — weder verloren noch gewoniici». 
s = git — alle» gewonnen, n — halb — die Hälfte 
des Satzes gewonnen, uixl endlich ’S = schlecht — alle> 
verspielt. Der Einsatz luufs immer <iurch 2 dividier- 
bar »ein. 

Die Galke ist ein Würfel ans verschiedenem MaU'riul 
gefertigt (Ahb. 2a). Km winl mit einem oder mit zwei 
Würfeln bis 11 bezw. 31 gewürfelt. 

.Am l'b aines ausser (der 15. Tag des Monats Scb'wut) 
bekomiuHii dio Kinder verschiedene Südfrüchte« zur Er- 
innerung an daa Neujahr (Knuapeutreiben) der lläunio 
in Palästina. 

I'än eigentümlicher Feiertag ist der 24. Dezember. 
Die Kinder wenion an dieaem Tage vom Nachmittaga- 
uriterrichi befreit, damit der Allmächtige da« lernen 
nicht al» Beten für den nach jüdischer .Auffa««nng der 
Itinge schuldigen Jesu« auffa«ae. Für den Abend »ollen 
iu einigen (legenden Dreidel angefertigt werden mit den 
Buchstaben 3. n und 2 , die für die Kinder LeiUuten: 
nyt tur (darf) lernen; eigentlich aber -n3= erhängt, pju 
naiver Hacheakt für tausendjährige Verfolgungen. 

Für Purim (I^osfest) wenleii verschiedene Schnar- 
ren HU» Holz und Kiseiiblech — > Grager genannt — 
und llolzklöpptd — llunienkleppel — angefertigt 
(.Abb. 4). Mit diesen Inatrumeiiton wird den trauzeu 
Tag tüchtig gearbeitet, hauptsächlich al>er in der Syn- 
agoge am Vorabetnl und während des Murgengottes- 
dienstes, wenn boim A’orlesen des Buche« Esther «ier 
Karne Hamitu« erwähnt winl. 

Verglcieheiid-ethnogiuphiHche« Mab‘rial über Kinder- 
spiel« bei fiUndau, Mitteilungen der Geaellselrnft für 
jüdisch« A'olksknnde (Hamburg), III, S. 51 und iu dem- 
selben lieft, S. 34. Dem dort .Augefülirtcii muebte ich 
hiuzufügen: Denkmäler des klassischen Altertum^. An. 
Astragalun un<l Kinderspiele; Pokrow'ski, Kinderspiele 
(russisch), Moskau 1887, S.86; Schnarre mit AbbUdnng, 
S. 341: .Astragalen, Steinchen mit .Abbildung umi S. 350; 
nHilge nicht“ ^ pZiegenehore“ ; Karutz. Zur Ethno- 
graphie <ler Ikiskeii, (ilubii», Bd. 71, S. 356, Abb. 19: 
Knarre, baskisch ('nrrä<|uea; Ainireo. Braun«ehweiger 
Volkskunde. 1901, S. 254: Hulzklapper mit Abbildung. 



Deutsch-Sfldwestafrika im Jahre 1902. 



Wer über die Lag« und Entwickelung dieser giofsuii, 
lange verkamibm Ktdouie im letztverflosKuneu Jahre zu 
schreiben hat. darf sich wahrlich nicht über (jnellen- 
inauge) beklagen. AiiDer der amtlichen „Denkschrift“ 
mit ihren Anlagen und Karten hat auch der „Etat“ eine 
Meng« aufklärunder Hinweise gebracht, die wir aufs 
dankbarste begrüfsen. Daneben fehlt es nicht an zahl- 
reichen privaten 3IUtuilungen aller .Art, von der ein- 
fachen Zeitungsnotiz bis zur gelehrten Studie, von der 
(ielegeiiheitsschrift bis zum vollständigen Buche, so dafs 
es kaum irgend eine Fmge betreffs de« Schutzgebietes 
gibt, die im vergangenen Monat-zwölft unerürterl ge- 
blielxm wäre. Endlich findet »Ich auch in den verschie- 
denen Beden des (louverneiirs Leutweiii ein reolit nütz- 
liches Material , wodurch es dem Interessenten möglich 
wird, selhai aus der Fern« «ün nieht unrichtigi's Bild 
von den Zuständen in der Kolonie zu entwerfen. 

Da nach einem alten Satze «len Zahlen stets ilie 
imdst« Beweiskraft iiiDevrobiit. so sei es nn» gestutt« t, i 
mit den statistischen .Angaben zu beginnen, die zur j 



Zeit aber no«'h nicht üWr das Kalenderjahr 1901 hinaus- 
gehen. Der Handel Dentsch-Südwostafrikas wies für diese 
Periode folgmid« Betrage auf: Einfuhr = 10,07 Mill. 
Mk.. Ausfuhr ~ 1,24 Mill. Mk. oder in Summa =■ 
11,31 Mül. Mk. gegen 7,875 Mill. Mk. im Jahre 190t). 
Der l'inschlag des Landes hat damit den höchsten bisher 
verzeichmüen Stand erreicht, der den Satz von 1899 
mit 10,3 Mill. Mk. für Ini]M)rt und Export noch um 
1 Alill. Mk. übertrifft. Da wir für Ihnitsch-Südwest- 
afrika erst seit 1897 ekie wirkliche llandcUstatistik be- 
sitzen, so koimeu wir bei etwaigen Vi*rgleicbco nur bis 
zu j(>nem Zeitpunkt znrürkgrcifcn. Damals hatten wir 
eine .Vnsfiihr von 1,2 .Mill. Mk., also uberi^o viel wie 
19tH, und eine Einfuhr von 4.9 MilL Mk. Für 1898 
hhdseii die heti efleuden Pusten 5,8 Mill. Mk. und 0,9 Mill. 
Mark, für 1899 sogar 8.9 Mill. Mk. und 1,4 Mill. .Mk. 
Das Jahr 1900 wa» eine Zeit der Depres.sion, indem die 
Ausfuhr wie«h>r auf 0,9 Mill. Mk. nn.l die Einfuhr auf 
6,97 Mill. Mk. hiniintt^rsank. IHew* Schwächung d«»r 
Kaufkraft lag hanptaH«dilicli an «huii vorheerendeii .Auf- 



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H. Sdl: Dentach'Süuwpstafrikft im Jahre 1902. 



der KnideqHi.Ht. hU Npielte indesHen noch ein 
undercH ^i(l[ueni mit, vridtrheN de» Uuekgang weniger 
tragincb crHcbeineu liefn, niinilich diu nteigemle Kigen* 
eiitwickeliuig der Kuloniu, diu bis zum gcwiBMu (irndu 
einen verminderter» Intport nn Kourerven, Getreide, Mehl 
und Hoiiüligen l,ebeiifimittelii zur l'oigc haben miifste. 
Wenn sich jetzt in diesen Uubriken von neuem eine V.w- 
nabute verrät, so erklärt sich das unter anderem aus 
dem sclmellen Anwachsen der Hevölkerung, für die noch 
keine eutsprcchendeu Vorräte zu Gebote .nteheu. Auf- 
fiillcnderweige nennt die Importliste von 1901 auch 
lei)endes Vieh unter den Xufubrgütcru, ohschou man 
eigentlich da» Gegenteil vermuten sollte. Nichtedesto- 
wouiger werden wir diesen l*osten in dem Verzeichnis 
von lüü2 noch eininal Wiedersehen; denn es handelt sich 
hier um diM Viuh, da» mit den zugezogenen Huren aus 
Hritisch-Südafrika hereiugebraoht wurde uud da« —• für 
1901 — mit 629000 Mk. bewertet ist. Hiesu Eiufuhr- 
erhöhung bleibt in Zukunft weg, vorausgesetzt, dafs sich 
diu Verhältnisse in<len engliseben Nachbarkoluuieen fried- 
lich entwickeln. Die erheblichen Sätze für Nahrungs- 
uiul Gcimfisiuiitt'l. filr Wollen-, Leinen- und Seidenwaren 
wurden sich ebenfalls, so hoffen wir, von Jahr zu Jahr 
vermindern und zwar trotz der steigendeu Kiuwohnerzahl. 

l'uter den Herkunftsländern der Impurtgiiler nimmt 
Deutschland mit 8 306000 Mk. oder mit mehr als 
80 IVozent weitaus die erste Stelle ein. An zweiter 
Stelle kommt das Kapland, das für 1 533 000 Mk. ge- 
liefert hat, uud daimch an dritter Stelle England, auf 
das nur 202000 Mk. entfallen, während die Zufuhr aus 
allen übrigen Ländern nicht ganz 310U0 .Mk. erreichte. 
Diese« günstige Verhältnis ist nicht neu, es wurde bereit« 
in der gediegenen Uimdschau erwähnt, die der „(flobus*' 
vor nunmehr 2' ^ Jahren aus der Feder des Majors 
Kannengiefscr über das Schutzgebiet vorüflcntlicht hat. 
Von der Ausfuhr geben noch immer mehr al.« zwei 
Drittel auf den Guano, dessen Export, imtgegen zeit- 
weiligem Glauheu. vorläufig im Steigen iH'grifTen ist, 
und zwar im Vergleich mit 1900 sogar um 240000 Mk. 
Die anderen Exportartikel haben zwar auch eine Zu- 
nahme erfuhren; doch beschränkt sich diese auf nur 
94 000 .Mk.. du die Viehitusfuhr fortgesetzt unter den 
uusicheren Verhältnissen im britischen Husitz uud der 
von dort verhängten Grenzsperre zu leiden hatte. Mit 
deren .Vufhehnng, die im Vorjahre endlich erfolgt ist, 
wird »ich der Viebexport naturgeinilfs bedeutend ver- 
mehren und in der nächsten Statistik mit annehulicheren 
Zulileu erscheinen. 

Die aus Handel und Verkehr resultierenden Selbst- 
uiiiiiabmeu der Kolonie pro 1901 ergaben an Einfuhr- 
zöllen 790000 Mk., an AusfuhrzoUou = 135 000 Mk., 
aUn in Summa 92.5000 Mk. gegen SOOOOOMk. im .fahre 
vorher. I>ie direkten Steuern lieferten 61000 Mk„ die 
Gerichtskosten, Strafen, Gebühren uud sonstigen Ver- 
wultuugseinuahmuii — 285 000 Mk. uud der Ei»euhahn- 
betrieb =r 402UO0 Mk. Die (iesamtsumme bezifferte 
sich <bniach auf 1 67200O Mk. oder 722000 ^fk. mehr, 
als in •lern „Etat“ für 1901 vorgesehen worden war. 
Dieses I’lus l>eruht, wie die jüngste „Denkschrift“ aus- 
drücklich betont, auf „dem nicht imerhehlichen Fort- 
schritt in der Hesiedeluug clea Schutzgebietes'*. — Glück- 
licherweise ist der Aufschwung bi» jetzt von Dauer 
geblieben; denn er zeigt »ich mit entsprechender Er- 
höhung auch für da» Jahr 1902 und hat e« ermöglicht, 
daE» in dmii „Etat“ für 1903 die Selbstcinnahnien bereits 
mit 2 171 380 Mk. angesetzt werd<ii konnten. Der 
Iloichszuschuf», der 1902 noch 7 635000 Mk. beischte, 
ist für du:^ neue Jahr um 1375OO0Mk. geringer be- 
messen, lautet also nur auf 6 260 000 Mk. Für 1901 



.321 

hatten wir 9 378 600 Mk. nötig, sind also »eittlem nm 
mehr ab 3 Milk Mk. in den Ausprüchen an den Keichs- 
säckel zurückgegaiigtiti. Diese Zalilcn l>cw*ei»eu wohl am 
besten, daC» diu einst mifsachtotu und verschrieene Ko- 
lonie sich ihatsächlicb im Aufblühen befindet. 

Ganz erbeblich hat eich im abgelaufeuen Jahre femor 
das Verkehrswesen gebessert, wozu namentlich die 
ini Juni reiiiggeatellte Huhn von Swakopiniind nach 
Mindhuk da» Ihrig»' beigutragen hat. Mit dem Er- 
ufinungstage der „Laudwurbchafttieheu AusKiellung“ in 
der Hauptstadt lief daseihst der erste Personenzug ein, uud 
bald darauf konnte der Gesamtbetiieb auf der ganzen 
Stnsske fi^igegeben werden. Damit ermäfsigt sich die 
Heise von der Küste bi» Windhuk auf 30 Stunden, falls 
nicht, wie es meistens geschieht, in Karihih übernaelitot 
wird. Dabei dürfen dio Pursonenzüge vorläufig nur 
20 km in der Stunde zurücklegeu, die Güterzüge sogar 
nur 12 km. Trotzdem trefieu dio Tran»|K)rte jetzt acht- 
his zehnmal .schneller in Windhuk ein al» früher mit dem 
Oebsenwagen. Eine vorzügliche SchUilerung der Huhu, 
erläutert durch Karte, Profil und zahlreiche gut ge- 
luug«*tie Abbildungen , gab dur bekannte Fuchtcchiuker 
Oberst (ierding in Seidels „Heiträguii zur Kolu- 
uialpolitik und Koluiiialwirtschaft“, Hand 111, 1902, 
Heft 13. 

Der Telegraph zwischen Swakopniund und Wind- 
huk war hei'oita mit dem 1. August 1901 eröffnet 
worden. Im Anschlufs daran erhielten mehrere dur 
Hauptplälze, wie tiiheon und Keetmanshoop im 8üdcu, 
Oumruru und Outjo im Norden, eine huliugraphische 
Verbindung, und zwar für die erstere Strecke von Wind- 
huk, für die letztere von Karibib aus. W'enn auch dies 
Verkehrsmittel zunächst zu Hegierungszweckun bestimmt 
ist, SU steht dm^h soinor Henutzung durch Privatleute 
nichts im Wege, und dua l'ubhkmn weit» von dieser 
Erlaubnis ausreichend Gebrauch zu uiucheu. Duf» auch 
die Anlage und Verlxisseruug von Wegen QUitiicher»eits 
nicht autser acht gela»»en wird, mag die FertigüteDung 
der wichtig»'« Strafse durch die .\uasberge bezeugen, 
sowie ferner die Wegebauten im Distrikt Hehoboth und 
diu Vollendung der grofsen PoKtstrafs« von Kuis nach 
Gibeon. Der Weg von Lüderitzbucht über Kubub nach 
Keetluanshoop konnte dagegen im Vorjahre noch nicht 
zu Ende geführt werden, da die vorbaudeneii Mittel nur 
zu Meliorationen der sclilechtuHten Stellen hinreichten 
nixl es nebenher noch geKtatteten, einige neue Hriiiincn 
nimzuwurfcn uud die vorhandeneii zu reinigen. 

Heaonderuu Dunk verdient die vom Kolonial wirtschaft- 
lichen Komitee voraiiluNie Kiitsenduug einer Hruniien- 
bohrkulonne nach dem Schutzgebiete, wofür die Kosten 
im Hetrag^ von 155 000 Mk. au» der Kogonannten „Wohl- 
fahrtslutterie“ liestritten werden sollen. Fall» diese 
Summe nicht genügt, will das Komiteu aus eigtmeii 
Mittulii noch 20000 Mk. iHiieteuern. Mau erhofft von 
»iiuseuj Unternehmen die bi'stcu Erfolge, und es ist selbst- 
verständlich, dafs Anträge um Hohrver»uche in grofser 
Zahl eingegangen sind. An verscbiednneii Stellen bat 
mar» bereits gute und ergiebige (,}ueilen erschlossin, 
wenngleich auch gelegentliche Keliischlrige zur Meldung 
kamen. Da» ist aber eine Krhcbeinutig, die sogar iu» 
nurddcutecheD Tieflunde nicht ausbleibt und schon oft 
recht herbe Enttäuschungen nach sich gezogen hat.. 

Zur Voruntersuchung für Stauanlagen w'urden von 
der Finna Holzmann it Co. in Frankfurt a. M. zwei 
erfahrene Ingenieure hinausgeschickt, deren Kx]H>dition 
auf 40 000 Mk. varaii»cblagt ist. Davon ühuniuhu» die 
Kegiuruug 25 000 Mk., wahrend der Hest auf dio Sie- 
delungsgeselDchaft für Süilwe^^tufrika ouified. Diese 
Gesellschuft beteiligte sieb auch recht lebhaft an den 




322 



11. Sdl.: I>ciiticb-Siid««stafrika im Jahre 1902. 



VeriueMiianfiKarheiten, und xwnr nicht nur bei T<>rkauftt>n 
Farmen, sondern auch hei oiiiur Aiixalil von IlcirnKtätten ' 
in und um Klein« Windhuk. Kbensu hat die South ! 
African Territories Tümpany einen ei^Mieii Lundme>>M'r j 
augei^telit, dexgeii Arheileii indes, gleich denen seiner 
l'riv»tl<t)ll“gen, vor der (Jenehmignng einer Hevision im 
Uureati der KegieriingsTurmessmig unterzogen wenlen. 
Ihtsfdbst flndet auch diu ruchnerischu und kiirtermmrsigH 
Bearbeitung der von dun stautliehun Landinusaura vor« 
genommenen Aufiuibmuu Klatt. 

Mit lebhafter Freude hat oittn in der Kolonie, wie 
im Mutterhimle den Ausbau der Mole bei Swakop- 
mund begrüfst. Der sehr vorsichtig und solide er- 
richtete Damm läuft 375 Meter ins Me»?r hiimiH bis ru 
einer Tiefe von 5 m unter NiedrigwuHser un<l bietet den 
ladenden imdloscbimden I/f>ichterfabrzeiigen vollstHndigeii 
Schutz gegi'ii die fast das giitize Jahr lang von ^üdwestcIl 
anstfirmende Brandung. Auf der inneren oder nörd- 
lichen S>ite ist die Mole auf 120 m als ^unkrechte Kai- 
mauer aosgefQhrt worden, so diifs di« Leichter hier bei 
jedem Wasseratnnde direkt aniegen können. Auf dem 
Kai liegen Gleise, die einen Dniiipfkran von o Tonnen 
Hebekraft und 5 ui Auslailung, sowie einen lland- 
kran von 1''^ Tonnen Hebekraft und ebeiifnlls 5 m 
Ausladung tragen, wodurch ein Hchtieller und be(|uemer 
Überhub der Güter auf die Hnfeulmbn vermittelt wird. 
Diese bringt die leasten zum Bahnhof, von wo sie ohne 
Umladung ins Innere gehen. In gleicher Weise vollzieht 
sich umgekehrt der 'l‘ransjM>rt tier zur Ausfuhr be- 
stimiuten Ktdoiiialprmlukte. Um die Leichter wdinell 
und Hieber aus dem Hafen au die Seescdiifte und zurück 
zu bringen, ist ein kleiner, aber krüftigi^r Scbleppdauipfer, 
der „Pionier*', eingestellt worden, der bei unruhigem 
Wetter auch den Post- und l’assagiertlionst i'il>ernehinen 
muffl. .\iti Molenkopfe bnmnt nachts ein rob's Hafen- 
Fmicr, das im Vereiu mit dem lu'iien stattlichen l/oucht- 
tiirm, auf dem ein weifses Blinkfeuer bmiiit , die An- 
ateuerung von Swakopmund wesentlich günstiger ge- 
staltet hat. 

Nach Vollendung iler Buhn hat man sehr babl an 
eine Krweiterung des Schii'nenstranges gtslacht. 
Namcntlich stidit zur Zeit eine .Vnschlufsluiie von Kari- 
bib nach den tttaTiinineu ini Vordergruml des Inter- 
esses. Deshalb wimle <ler jüngst |iub!izierle Kiitsclndd 
dertttavigescllschaft für diese Strecke Hllgcmciu mit Be- 
friecHgiing anrgeiiomiin.u. K.h güit imles Leute, die sich 
an der Klausel stofsen, daN ilurch diese Balm r<bis Koii- 
kiirrenzprojekt von dem [H>rtugii‘vi'.rhen Hafen Port 
.Vlexandre durch den uordlieheii 1‘eil des SrhiilzgebieteB“ 
nach Bulowaju nielil beeiiiflufst werden soll“. Was 
heifst das? — Über di« Oi-tavminen selber hören 
wir, dnfs besonder.s cler l'irzkörper von Tsuineb eine 
sehr lohnemle .\unl»ente verspricht. Da« für di« Gruben- 
arbeiten nötige Wasser hofft man aus dem Oljekotosee, 
ungefähr 20 bis 22 km von Tsumeb, entnehmen zu 
können, .\m-li an Feueriingsniaterial unri Bauholz soll 
kein Mangel sein. — Zur Krschlief-ung der niutmafs- 
liehen Diamantenfelder hat sich im Jahre 19<>2 das Gi- 
benn-Syndikat gebildet, in dessen Konzessitmsgebiet der 
begehrti! nblue groiind** und „yellow grmind** an min- 
destens serliH .‘^teilen sielier naehgewiesen ist. Die von ein- 
wandfreien Kennern, darunter die gcologisebv liHiides- 
anstalt in Berlin, abgegidameii tiiitaebtcii lauten tbibin, 
ilafs die aus den bezeicbiieten Fundstellen untnomiiiuiieii 
„Dianiniit-Muttei'erdoM** v<in gleicher Ueschaficiilieit sind 
wie im Kimberleybezirk. — Der Miueralridchtiim der 
Kolonie hat übrigens im vergangenen Jahre noch otliclie 
andere Unternehnniiigen erstehen lassen, die aber meistens 
noch nicht über das KntwickeliingM-ttadiiim hinaus sind, 



in dieser „Kundschiin“ also besser ungenannt bleil>«-n. 
Von horvorragcmler Güte scheint das bei der Farm Ktu- 
.si» entdeckte Marinorluger zu sein, dessen Wert s«»II»at 
ini Beiebstagc lobend erwähnt wurde, niid zwar nicht 
blofs von külonialfreimdlicher Seite. 

Üügeaehtet dieser erfreulichen .\u»aichten dürfen wir 
es jedoch niemals vergessen, dafs die Hauptbedeutung 
unseres Sndwestiifrikas auf einem anderen Gebiete liegt, 
i und das ist diu Viehzucht. Dia Kinderherdeti werden 
nach wie vor den grüfsien Ileichtum dea laindes aus- 
Hiacheu, auch dann, wenn sich allmählich die Haltung 
von Woll- und Sclilttchtftchafen, Aogoras, Schweinen, 
F’Ferdcn, Hau.sgeflügel und StraufHen in denkbar wei- 
testem Umfang« eingebürgert haben wird. Da diese Tier- 
arten sielt alter nur auf räumlich mehr oder iniiidtT be- 
sehrMiiktcu Gebieten mit F.rfolg furlbringen lassen, au 
können siu an wirtschaftlichem Werte in keinem Kalle 
mit den Kindern konkurrieren, zu deren Zucht fast das 
gesamte Schiiizgebiet unboachränkt offen steht Kine 
redende Illustration hierzu bildet dio der letzten „Denk- 
schrift“ iHÜgelegte „Wirtschafts- und V’erkcbrskarte“, auf 
der man mit la^iclitigkeit die für diu jeweiligen Zuchten 
geeigneten Gebiete abzuleaen vermag. Leider .sind 
ItinderfH'st und TexaKficber mehrfach wieder aufgeianeht. 
waren indes durch Ab.Hperrurig und Impfung l<ild zu er- 
sticken, ohne daf» ernstliche Verluste ent-tand«*ii. Die 
mit dem Vorjahre eingeführte Xeuonlnung des Veterinär- 
wesen» äufserte also die er-priefsHcbsten Wirkungen. Io 
Ontjo. Omarnru, (Übeon und Keetroanshmip Imsteben jetzt 
bakteriologische Institute, denen als fünfttis da-« von 
(•amniatis beigesellt ist. Zur .Aufbesserung der Bestände 
wurden Zuchtstiere aus Sinmientbal, dem Pinzgau und 
dein Vogelsberge eingeKtcllt, uüt denen «ich brauchbare 
Kesnltate ergaben. FJn gleiches geschah für die Pferde- 
iind SchwoinczuoLt durch den Import von Kbem und 
Hengsten. 

Gegen die Munschenblatterii siichtedie Verwaltung 
durch eine iiti steigenden Umfange ongeordnetc Vacri- 
uation mit Nachdruck aiiznkanipfcu. Im November 1902 
brachte ein einziger Wiimianndampfer 4500 Portioneu 
Lymphe herein, die abbald an die Hauptortu des Landes 
zur Verteilung gelangten. Diu von Kapstadt ilroheiide 
Pestgefahr wnnle durch einen energischen Sicherheits- 
dienst von misertm tirenzeii fern gehalten. Zur .Aus- 
rottung der Malaria schlug man die von K. Koch em- 
pfohlene McthiMle ein, erreichte jedoch l>ei d«r wenig 
sefshaften Lebensweise der Kingebon^nen unter diesen 
nicht immer die gewüiiscbte Wirkung. I)**r Typhus in 
Swakopmund dauerte leider noch fort, obsebon durch die 
anderweitige Ordnung des Abfnhrwesons ein Zurück- 
gehen der Kjiidemiu nicht zu verkennen war. 

Nunmehr konmien wir dazu, über die Kntwickeliing 
v<iu Feld- und Gartenbau in der Kolonie da« Nötige 
srtyt'ii zu dürfen. uDo über ein© Frage, die für die 
Fzistenx der Bewohner von allerlnöchster Wichtigkeit ist. 
Gute Fingerzeige gielit uns wieder die schon erwähnte 
„Wirtsebaftskarte“, die z, B. die Strecken verzeichnet, 
wo (ictn'idebuu herrscht, wo Tabak und Baumwolle 
liereits vorhanden eind, und wo eine rationelle Kultur 
des Weinstookes begonnen ist. Kino Anmerkung in der 
„Legende“ sagt ferner, dafs im allgemeinen sämtlich« 
Flutsnfer den Garten-, Acker- und Weinbau zulassen, 
ihn st4dlciiweisc auch sclion besitzen. Gezogen wunleii 
alle lieimtHcheii GemfiHCHrien, Kartoffeln, Mais, Kürbis, 
KHffcrk«irn, Dattelpalmen und diu verscliieilensten Obst- 
bäniiie und Südfrüchte. Der Tabak hat gegen früher 
eine gute Krntu geliefert und namentlich bei den cin- 
J gewanderten Buren schnellen .Absatz gefunden. Die 
1 WtTiiilese von IIMH I9t>2 erstreckte sich in Klein- 



Kleine Nachrichten. 



Windhuk auf IdiM» Iuh 2ihmi Stück filier drei .lAhre alte 
Stöcke. AufHertlem waren 14 000 ein* hin dreijÄhrige 
Stocke vorhanden und dazu rund 60 000 Stecklinge. 
Nach den gekeltert^'U Proben verR|iricht die Ih’be eine 
de« vornehmsten Kultiu'guwachHe für Sudwestafrika xu 
werden, und damit gewinnt Professor I>r. Dowe» Vor- 
hernage, dafs die Kolonie befähigt sei, den lledarf des 
Mutterlandes an »ogenaimten n^üdweinen** xu decken, 
erhöhte liedoutung. Die Ucgieruiig hat daher zur .Ab- 
wehr, bezw. Unterdrückung der lleblaiisgefahr weit- 
gehende VorhiehtAniafMrogetn angeordnet Auch der 
SchildlatiB, die bei Windhuk l>uobarhtet wurtle, ist man 
energiücb zu I.<eibe gegangen, obschoii man zu dum Zweck 
einen grofHen Teil des lieblichen Itaumschmuckus in und 
bei der Stadt opfern mutate. Kiu Knatz dafür kuiu in 
der Folge aus Kapstadt herein, nämlich 4500 Stämme 
von Hirnen, Äpfeln, Pnaiimeii, Aprikosen und Pfirsichen, 
die nicht allein für die llaujttNtadt, sondeni auch für 
(»il>eon, Omaruru und Outjo hestininit waren. 

/nr I^eitung des FnrAtweseiis Ut neit November 
1901 ein höherer Fachlieaniter thätig, dum auch die 
neue Saat- und PRanzscbule in Okahandja untersteht. 
Die Station besitzt 21 Hektar fruchtbaren I^udea mit 
guten Bewässi'riiugsAuIage!i, wodurch sie in den Stand 
gesetzt werden Soli, jilhrlich 10 Millionen Pflanzlinge zu 
liefern. Diese will man dami im freien Qel&nde aus.Hctzen, 
um das von der Kisenhabii durchschnitten« Terrain mit 
dem nötigen [lau- und Urennliolz zu verseben. Kine 
zweite Forststation ist in l'kuip bei Ot|imbingwe errichtet 
und zwar auBsehiietslich zur Dattelzucbt; eine dritte habtm 
wir bei Windhuk, wo si«! durch das Erscheinen der 
Scbildlaus notwendig wurde. 

In jüngster Zeit wirft man sich in der Kolonie auch 
auf die Bienen- und Seidenzucht, und da es ferner 
mit dem Handwerk und der Industrie etwa.s besser vor- 
angebt, so hofft (toiiverneiir I.eutwein, <lafs diese 
Zweige auf der nücb'>ten landwirtM;baft]ichen Ausstellung 
sämtlich angemessen vertreten «ciu werden. Kine (rewilhr 
dafür bietet ganz von selbst die starke Zunahme der 
w'eifsen Bevölkerung, dio von 361.3 um I. Januar 
1901 auf 4 674 am 1. .lamiar I!MI2 geBtiegeii ist, also 
«in Mehr von 10.31 I^ersonun aufzuweisen bat. Als 
nächste Folgen dieses Anwaebttetts sind die zahlreichen 
Uaiidvcrkäufe zu Wlracbten, die für das Berichtsjahr 
1901 im Kronbesitz und den Kingebnrenenreservateii 
abgeschlossen wurden. Ks kamen nicht weniger als 
53 Kaufverträge über zusammen 100 689 Hektar und 
noch 5 Pachtverträge über zusammen 39000 Hektar 
zur gerichtlichen Bestätigung, (.ber di« liAudverkäiif« 
sinteus der Gesellacbaftt'U ') fi’hlen uus leider die .\ngaben; 

•) Nur von <ler South Afric« Territorie's Company hörten 

wir. «laf« sie infolge <1e« in letzter Xeit s«lir lielt-laen Wechsel- 



sie fehlen sogar in der amtlichen „Denkschrift*', wo sie 
von Rechts wegen sU'beii sollten. Wir müssen uns also 
lediglich auf das Krön- und Kiuguborencnland be- 
•.ebräuken, auch in dem nachstehenden Vergleiche, den 
wir <ier „Denkschrift“ entnehmen, und der eine sehr 
deutliche .Sprache redet. .\n Uandverkäufen wurden ab- 
gcseblt>!tseu: 

1898 iiu ganzen 2 Verträge über zusammen 19 915 ha. 



1899 „ 


„ 10 








7U 461 


1900 „ 


s 21 


„ 




n 


158 563 


1901 „ 


n 




n 


n 


400 689 



.\uf di(‘.sen Territorien sind bisher insgesamt 269 
Faruien g»‘grflndet und in Betrieb genommen worden, 
und zwar 7.5 von ehemaligen Angehörigen der Schutz- 
trup{>e. 107 von anderen deutschen Untertanen und 87 
von Ausländern. 

Die Vemielirung der letzteren erklärt «ich in erster 
Linie durch den Zii.stroui der BurenfamUieii, wenngleich 
auch die Ansiedler reichsdeutsclier Herkunft eine sehr 
ui'uueuswerie Zunahme erfahren haben. Doch darf man 
nicht vergcMeu, daf« iM’reits eine Anzahl Bnrcn unsere 
Staatsangehörigkeit erworben hat und denhalb in dieser 
Rubrik mitreebnet. 

IH« wehrpflichtigen Söhne dieser Familien, ungefähr 
12C( bi« 150 jung« Leute, kamen iui Jahre 1902 Uireit« 
zur Kinstellung in di« Schutztrup|i«i, um ihrer Militär- 
pflicht zu genügen. IHenelben werden bei richtiger (ie- 
W'öhnuiig und l biing «ondur Fntge ein wertvolles .Sol- 
dateumateriid abgebeii, das allmählich die Nachschübe 
aus der Iloiroat grotseutoils eutbohrlich machen dürfte. 
Sie werden nufserdem, und das ist ein Hau]>in]oment in 
dieser Frag«, zu Trägern und Verbroitoru de« reichs- 
doutschen licdankens unter ihren Angehörigen werdun. 
Denn dahin mü.ssen wir unweigerlich streben, dnf« die 
«ingew'andcrten Buren mit der Zeit im Deutschtum anf- 
gehen, dafs ihre Kinder, wie es schon jetzt geschieht, in 
deutsch« Schule« komiueii. die deutsche Sprache nicht 
blofs erlernen, sondern aosschlietsliob nnwenden, und 
daf« di« (temeinden nach dem Vorbild der evangelischen 
Gemeinde Windhuk in die preufsische Laudc«kiri*be auf- 
genummen werden. Die Mission treibe unte^de.^sen ihr 
Werk an den Kiugehoreneu rüstig fort. Sie widme sich 
auch, womit jezi di« katholischen Glauhenslmten lie- 
gonnei) halien, den zahlreich im Lande vorstrtmten Misch- 
lingen von Deutschen, namentlich Schutztruppcoireitern, 
und farbigen Frauen und suche gerade diese nicht selten 
schwierigen KIcmuntu zu nützlichen Mitglle^lern unserer 
Kolonialbuvölkurung xu erziehen. II. Sdl. 

Verkehrs mit den englischen Kolonie«« allein ‘.*0 grofsere 
Fürmen zu verkaufen in der l>ago war. 



Kleine Nachrichten. 

AlxiriKk nar mit ^uallMisegnh« Smtsttvt. 



— Zum Kapitel d«r .Klapporbretter“ (Globus. Rd. 

S. 5‘.\ 19a un<t Z9I) sind dem Ulubus m>ch einige weitere 
Mitteilungen zugegangen. Oberbürgcrmcl'-ter Or. O. Header 
in Hreslau schreibt, daffi auf seiiiant väterlichen Oute Katha- 
rineuhuf. Kreis I*r.-Kylau, die „Klapper“ noch heul« im Ge- 
brauch ist und die Arlieiter zur Arbeit oder heim riifL Kr 
lierichtigt ferner — was schon von l>r Heinrich H. Ü91 ge- 
st'hehen — das 8. ItfC miigeU-üt« Versmar^ und bemerkt 
dann: Oas Hndt. aus möglichst ti’mendem Holzu gefertigt, 
bängt mit zwei Keilen, di« durch gobohrie läicher genügen 
sind, an um! zwischen zw«! unli« Iwi «inander stoheiiden 
Bäumen. Heim „Klappern“ winl erst ein b-ichier Schlag mit 
dem Bolzhamiuer der linken , dann ein m>>g|ichst kräftiger 



I und ein zweiter sehwiieherer Schlag mit dem Hammer der 
rechten Hund gegen das Brett gethan. Oieae Folg« wird 
I ilniin etwa 10 bis I5ninl wiederholt. Das „Klap|»«rn' Ht di« 
iM'sonüer« Anfgal>e da pKninnicrers*, d. h. des Vogts iMler 
Vorarbeiters: die Kla|tpor steht unter lieannderem öffentlichen 
ächut/.e, und obwohl sie mit ihren Hilmmern jedermann — 
auch deu Itorfkindem — stets zugänglich ist, ist mir kein 
Fall ihres Blirshrauchs erinnerlich. 

Kine ander« Mitteilung bezieht sieh, streng genommen, 
nicht auf itie Klappcrhreller, aber diwh auf ein verwandte« 
Gebiet. Sie riihri. von Dr. mtHl. Bainliorg in I^K'kwiu l»ei 
I)resil«n her mid ist urs|)i'ünglich im „iCcitzvr Laudstiinim“ 
vom 15. Juli IVOl erschienen. Dr. Bamberg beschreibt dort 



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324 



KUine Nttchriohtou. 



xuiiüchüt einfn &Scm lanj;«!) kQulcnfürmigoii .IteniriiMlt*- 
kniippel'* der 0«imeiuile l’rohli« (südl. von Oresiluii), der 
n<M*h Knde der »echxiger Jahre in (iebrnucb war. Kr »cheint 
au« Küxter (mIit Birnlmiinihol/ roh u«*<ichuitxt zu »ein uitü 
ist iiurh (untuti) mit seinein Originaibiudfailen versehen. l>a* 
n>aU wurde der l'nihli!M*r (iemeindernt uut'h echt |»atrian'hA‘ 
lisch öR'unilich unter freiem Himmel auf dem |)i»rf|>lntx unter 
den Linden ali^vlialten. Kollte er sich vurMamnielii, .«o sM-hickte 
der Vorstand einen seiner liOiite zur Mittagnteit. mit dem 
aCiemeindeknüpi«!'^ von <iehi>ft zu Och«>ft , wo jedem Thor, 
welche damals noch ausJ1i>lz lieatandeu, drei kräftige Rchläge 
mit liem KnA|>p«l versetzt wurden, ^daf* <las ganze Haus 
di-Tihute*. Jeder wufste aus Krfahrung. wns diese Schläge 
zu bedeuten batten, und pünktlich versainiiieltcn sieb diu 
Gumeinderntsmitglieder zur stereotyp gewordenen Stunde 
dessehieii naebiniltngs unter den i torflinden. Diu Gemciude- 
kiiii|>|K‘l «ind jetzt nirgends mehr im tSebrauch. 

AU SeituusiiU'k zu den tienieiiideknüp{>«ln sind die liei 
weitem zicriiehereu. ja mitunter «ognr kunstvoll angefertigten 
•(iemoindchämmer'* zu Itetracbten. Kin solcher Go- 
meindobammor. den Dr. B- erwarb, stammt aas der kleinen 
lK>p|M-|geuieindo BäreuklaUHC-Kaiitzsch , elwnfalU «lidlich von 
l>resdun. Ihirartige (tomeiiidi-häinuicr sind in den Dorforn 
des Nicdcrlandvs und in der Nähe der gr«»rs**n Städli' des 
Sacbsenlande« jetzt wohl nur noch wenigen bekannt, in den 
kleinen tiemeinden aber der gebirgigen Gegenden, bt'sonder« 
der Ausläufer des Krzgebirges, batwii sie «ich noch lange er* 
halten, ja sie sind dipft noch heutigen Tages im Gobniunh 
und werden vorauasichtlich noch ein gut Stück in das 20. Jahr- 
hundert im Gehraucli hieiiten. Der ilärenklauser GeuiHinde- 
hammer ist aus Holz gefertigt und l>esteht aus dem Stiele 
um! dem eigentlichen Haminerkorper. Der llammei'kurtier 
ist hier lärm lang, 5 cm hoch und 4 i-m breit um! »etzt sich 
aus zwei Teilen zusammen, einem 1,5 ein holieu unteren und 
einem 3,5 cm iiohcu «dierea. welche durch Drehung de« an 
seinem oberen Ende mit einem Schniulamgewinde versehenen 
*JI cm langen Haiiuiierstiulus nach Art einer Knrteiiprcsse fest 
aneinander gedruckt wurdun und dadurch einen daxwisebeu 
gesteckten Kettel, der irgend eine amtliche Verontnung oder 
eine Bekanntmachung trügt, festhiilt. l>or Hammer dient 
nun mit seiner inimerhiu volumimieHn Konti einesteils zur 
Belastung und Beschwerung der Hüchtiu'un leichten Kettel. 
amierenteiU hatte er ursprünglich den Kwock. hid ver- 
Mchloasenen Thiiren als Klopfer zu dienen, und zwar so lang«, 
bis irgend ein Hausgenosse erschinn und deu Hammer mit 
der Bekanntmachung in Kinpfang nnlmi , welcher daun in 
du« NiiohlMtrhaii« und von da wiederum durch alle HaUHWc«*‘ii 
hindurch zu dem Gemeindevorstamt zurückgelangte. 

— Theodor Koch, eins der Mitglieder der Hermann 
Mvyersehen Xingtiex{><tditioti und den Ijcsern des (ilotius 
durch eine Beihe von Arliciten iiWr das Forschungsgebiet 
jum-r Ezp«<lition bekannt, hat Ende April eine ethiiogra* 
phische Studienreise nach Hrnsilien aiigelrulcD. Sein 
Kiel ist das Quullgebiet der Flüsse Yurmi und rkayali; er 
will dabei versuchen, auf dom l.andwege aus dem einen 
Stromgebii-to in das andere zu gelangen. 

— Neue kongustaatlicliH Kisenbahuplänu. Künig 
Leo|Mdd hat atu 14. März die Bildung einer Aktiengesull- 
Schaft genehmigt, die zwei neue Limen bauen und in Itetrieb 
erbalten wird. Die Gesellschaft heir«t „Soci«’tö dV-tudes des 
cheiuins de fer da Stanley Piml au Katanga et de ritimbiri 
li n*ele et ü un |>uim h d«hermiuer .«ur ia fi^mtiorc fran- 
i^aise“, nud aus ihrem hingen Namen geht hervor, was .«ie 
l^zweckt. Der Vertrag mit dein Staat i«t am 3u. März d. J. 

S eschlossen Worden; es helfst darin: lK*r Staat unterstützt 
ie Gesellschaft insofern, als er ihr nach Wahl lOOOOhn 
burreitloseti I^atide« im Haxsiii des U<dle und lOotiüha am 
linken Kongoufer unterhalb Stanley vitle zur Verfügung stellt. 
Aurserdem lieteiligl sich der Staat an dem Unternehmen mit 
5(>OOOOUha I<aiid imWerte von23 0tH)000i’rcs. ; dioses Terrain 
wird der Staat für gemeinsame Kechuung auslwuten, derart, 
dafs die Kinkiinfte zwischen Staat und Gnsellschaft gleich* 
tiiAfsig geteilt werden. — Die Aktionäre siud Belgier. Das 
Projekt Stauioy-Pm>l— Katanga ist ein Konkurrenzprojekt für 
diu Linien, die auf üHtlicbereii Wegen Katanga mit dem Kam- 
l>esi und dem oberen Kongo in Verbindung bringen sollen, 
und die von engUscbeii Geldgebern geplant wenlen. Die 
Linie Itimbiri — l>l)o würde deu Virile und den Mboniu mit 
den acbifftiaren Stellen de« Kougo in direkte Verliiiidung 
bringen. K« scheint, die englisch -kungostaatlichu Freund 
Schaft ist etwas im P^kaheu liegriftVn; auch audere Dinge 
deuten darauf hin. 



— Eine IntereMante Broschüre veröffentlicht P. J. M ö- 
biiis über Geschlecht und Krankheit (Halle a. S.. Mftr- 
ho|«|, wonach Verfasser Krankheiten mit naturlicli«»in 

GoAclilechtsunterschiiHl voniudchuii mit sozialem unterscbeiH»*t. 
ln der ersten Abteilung überwiegen di© Frauen, iu der zwoi- 
ten ist das j'ljergewicht der Männer un^erhältiiisuiärsig gr«>N- 
Die 31ümicrkraiikheit«n der ersten Gruppe — mit Ausnahme 
von Diabetes - sind ganz seltene Krankheiten, vrihre*»«! 
sich unter den Weilierkrankheiten sehr häutige und praktisch 
wichtige Krankheiten betinden. Für die Mortalität kann 
man die genannte erste Gruppe tteiseite lassen, denn «Ite 
Kahleti sind klein. Die Weilierkranklieiteii der zweiten Grtip)*«* 
siud wie die akute f*eberatrophie teils selten, teils ohne PHd* 
tlufs auf iliu Sterblichkeit. Ander« steht e« den Männern. 
Die bei ihnen zum Tode führemlen Krankheiten sind teils 
akut«, oftmals als Seuchen auftretende KrHukbeiten oder 
chronische. Tag für Tag wirkende. Jene wie Typhus, gellses 
Fieber, Ruhr ersHthrecken. weil sie iu kurzer Keit viele Opfer 
fordern, alter int ganzi-n ändern sie diu Mortalit&t nicht Iw^- 
deuteiid. Diu langsamen! Mörder alter sind die P'olg>*n dt^s 
Alkoholgenusse« und der venerischen Krankheiten. Gälte es 
keinen Athohol und keine venerischeii Krankheiten, so wür- 
den die Männer weniger krtiiik sein und langer als die Weiber 
Irbcu , denn keine Tluitsaehe sjiricht fiir die angeborene 
gröfsero Widerstandsfähigkeit der Wcils-r, eher findet da* 
Gegenteil «talt. Würden die [<at}eDsum«tHnde gleicbgeiiiarht. 
so miifste diu weibliche Mortalitst vermöge der grt>fsereii 
Menge der von Natur vorwiegend weiblichen Krankheiten 
die niännlicbe Sterblichkeit überragen. Den Gefahren de» 

I Fortpfianzungsgesrhiiftes stellt Möbius Itei den Männuni die 
Abgänge durch Unfali und Selbatmord kom(M>nsatorisch 
I gegenüber. Man kann direkt behaupten- Die Männer er- 
kranken und sterben durch ihr Handeln häufiger ai« die 
Weiber, namentlich infolge des Alkohols und tler venerischen 
Kmnkhoiten. 

— Am l». Fohruar d. J. wurde über Berlin eine fShn- 
artige Erscheinung, wie sie sonst nur im Gebirge vor- 
kommt, bu<»bacbtot; sie zeigte alle dem Föhn atihaDftnden 
.Merkmale, wi© sehr hoho Tein|M*ratur, grof«c Tra*kc«heil 
: und aufsorurdentlicbo Durchsichtigkeit der XiuD un<l auch 
deren eigenartigen Geruch. Klius v<»m Meteorologischen 
Institut, der in einer der letzten Hitzungeii der Berliner 
inete«>rologis<'hen Gesellschaft dariilter berichtete, führte dalwi 
au«, dafs die an jenem Tage aufgelasseiien Drachcnlwllons 
U-i der Durchsichtigkeit der Luft in der erreichten Höbe 
von 5500 m sehr deutlich guauhen wcnluu kotinleti. Die l*i - 
I suchen der KrM'buinuug lassen sich noch nicht klar erkennen, 

: da das Beobachtuiigsmatorial zum gröf-sb-n Teil noch nUKSteht. 
ibtch haben sich I»er 0 iis einige Fingerzeige ergobon. hat 
man au jenem Tage iu Put*<iam einen aufsurordeutlich liohen 
Staubguhalt der l<uft — > SüOOO Staubteilchen iui Kubik- 
ceniiineter — konstatiuren können, und nach Pn»fe««<»r Hell- 
luaniis Mitteilungen hat man auf etwa 40 Ktationen in den 
österreichischen Alpen, in Böhmen und Schlesien Ähnliche* 

I be->baeiitet, Auch dort waren die WitterungKverhälti]is*t* 
ganz abnorm: IU. in den AI]>eniäiidern gar 2o* am 

I 2U. Februar. Nach Professor .Äfsmann« .Ansicht käme es 
. darauf an. Drachen öfter uncl für längere Zeit in möglichst 
I grofao Hi>heti zu bringen : dünn werde mau wohl mubr Licht 
I über jene KiaiilM>n»chcinungen gewinnen. 



— H. Mutiugku veröffentlicht in den SitzungsWr. der 
lH)htn. Akademiu d. Wimenacli.. math. naturw. Klasse, für 1P02 
eine Ariwit üiicr da« Hirngewiebt, die Hrhädelkapa- 
zität wie Kopfform, sowie deren Beziehungen zur p«>- 
chischen Thätigkeit des Menschen. Blonder« inter- 
essant ist der Eiufiufs der Krankheiten und Todaaart auf das 
llirugewicht. Diu Uilit-rknlirsen Erkrankungen, diu Sepais und 
diu übrigun zumeist e)irotii«cheu Kniiikheiien, die mit einer 
liedeutenden Korperorschöpfuiig oinhergehen, tilien auch auf 
da« Hiriigewicht ihren \onlurblirhen KinHufs aus; schnell 
vcrlaiifemle Lmigencntzün<!uugun lieeinträchtigen es nicht. 
Bei Herz- und Gufäfscrkrimkungcn fand sich ein l>esoridur« 
hohe« Hirnguwjclit. Bei allgemeinen Yerbreuiiungen und 
Vcrbruliun^n findot sich ein hohes Gewicht de« Hinis vor; 
dassullH.* zeigt sich beim Krhüngen und Ertrinken. Dur Blut- 
%crlu»l Ih>I Si-huls- und Stich« umleii wie Kontu«ion«n ver- 
mindert das Hiniguwicht, dasselbe tritt Itei Vergiftungen auf. 
Es uiMSscu jo<k>ch auch Itei läwung dieser Fiage die v«r- 
schiotlenen andci-en, das Hirngewiebt bestimmenden Umstande 
mit berücksichtigt wenleii, »it z. B. koiumt die KOrpergröfsu 
Itcdoutund in Frag«. 



Vrrantwortl. lledaktcur: 11. 2«iogcr, Berlin NM*. 6. Sctdlfbsucriianmi — l)ru«k: FrieJr. Vicwcg u. Solin, Urmmaehweig. 



GLOBUS. 

- ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREIHIOT MIT DEN ZEITSCHBIFTEN: ..DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN". 

HERAUSGEGEBEN VON H. SINGER UNTER BESONDERER MITWIRKUNG VON Pl"l'. D«. RICHARD ANDREE. 
VERLAG VON FRIEDR. VIEWEO * SOHN. 

Bd. LXXXIU. Nr. ai. BRAUNSCHWEIG. 4- Juni «9°3- 

KMliJrack Bar udi OkciwiBkatift »Jt 4«r VarlBcakBodluag B«*tBtt*L 



Die Herkunft der Moriori. 

Von t Or. Heinrich Schurtx'). 



ÄVie siob der genamte Kulturfortscbritt Jur Mensch* 
heit nicht in gleichuiäriiigem, ruhigem Strome fortbewegt. 
Bondern einueitig erBt eine Kntwickeluugemuglichkeii 
)»ts zuu äuftienitun verfolgt, uiu sich dann mit gleichem 
klifer dem entgugongeHutzteu Kxtrem zuzuwendun, no 
schwanken auch in der WiMKunuchaft beständig die An- 
uiebtuu äl>er den Weg der Fomebung und ölier den 
Wert der verschiedenen Mittel der Erkcnutiiia. Immer 
wird es dahei die Aufgabe reiferer Krfabruiig sein, uU> 
mäblinh die allzn schroffen Ciegensäize aunzugleicbeu 
und zu ventCtbuen, statt blindlings einer einzigen For- 
sebungsweisu zu folgen. Je mehr Erkenotnismöglich' 
kuiiun vurbandun sind und nutzbar gemacht werden, 
deeto sicheror schreitet die WiMsunschaft voran. Ganz 
freilich wird es wohl niemtibi zu vermeiden sein, dals 
mancbeN Gute, das eiiisi OberschiUzt worden ist, s^iäter 
als weiilos mirsuclitei wird, um oft nach einem aber- 
maligen Wechsel der .\nsobauungen wieder zu Kbreii 
zu kommen und seinen ungeuies.Heneu Platz im wiKseii« 
schaftlicken System zu finden. 

Kin Wandel dieser Art vollzieht sich neuerdings in 
der Bewertung sagenhafter Bericht« über die Vorzeit 
der verschiedenen Völker, hls gab eine Zeit, wo mau 
diese Ursprungs.sagen kritiklos als wahr hinnahm und 
sie als brauchbaren Unterbau der heglaiibrgten Ge* 
schichte betrachtete, odur wo mau sie wenigstens in Kr- 
maiigeluug von Besserem einfach auf sicli beruhen liet». 
Nach und nach aber erschienen immer zahlreicher die 
Gdtter>, Helden- und Herkunftssagen in einem ganz 
neuen Uchte; Sie erwiesen sich als Bestandteile der My- 
thologie, als ideale I>arstellungen der Naturkräfte, der 
Tages- und Jahreszeit und aller ewig wiederkehrenden 
Vorgänge im Dasein des Menschen. - .\uch die Vorstel- 
lungen vom Aufenthalt der Verslorbonen waren auf die 
V'ergangenhuit üburtragen worden, so dals Hindu und 
Anfang des Daseins sieb in rein mythischer Weise ver- 
knüpften. ^io löste sich der anscheinend so feste Unter- 
grund des Baues der Geschichte in huntechillernde Nebel 
auf, aas denen sich wohl Wundergestalten <ier IHcbtung 
formen liefsen, denen aber jeder feste Kern historischer 
Wahrheit zu fehlen schien. 

Bis aufs Autserstu ist dieser Gedanke durchgeführt 
und wissenschaftlich begründet worden — nun beginnt 
ein Umschlag fühlbar zu werden. Die bestiere Krfor- 

') Uer vorliegende interessante kleine Aufsatz wurde uns 
von Keburta kurze Zeit vor seinem Tode zugesandt und 
gehißt wohl zu den letzten Arbeiten des leider zu früh 
Vemturbeiien. Bed. d. (llobuii. 
aiubui LXXXIU. Nr. 21. 



schung der V'ergangeuheit, wie «ie vor allem der Präbi- 
storie zu verdanken ist, hat uns belehrt, dafs manche 
scheinbar aus mythischem Phautasiegewölk geformt« 
Gestalt doch nicht so ganz ins Ueicli der Krdichtungen 
verwiesen werden darf. Wie schienen z. H. die Zwerg- 
sageu lange Zeit ao völlig als Schöpfungen mythi.Ncher 
und manutischer Gedaukeukruisu erkaunt zu suiul Teils 
als personifizierte Urkräfte der Krde urschiuuen die 
Zwerge, teils als .Seelen Verstorbener, die als winzige 
lichtHcheue Heinzelmännchen noch die häusliche Arbeit 
verrichteten oder in Gestalt boshafter Kobolde di« lachen- 
den Krhen neckten oder endlich scharenweise nachts 
über den Flufs setzten und die Tutenmünzeu als lA»hii 
zurückliefsuii. Zweifellos werdua viele dieser Deutungen 
auch in Zukunft busieheu bleibeu. Aber Schlag auf 
Schlag haben neuere Furscbungeii gezeigt, dafs den 
Zwergsagen dennoch etwas sehr WirkllcheM zu Grunde 
liegt, dafs es in Kiiro{»a und wahrscheinlich auch in Ost- 
usitm echte Zweite gegeben hat und im Innern Afrikas 
j heute noch giebi. Damit nun gewinnt die ganze Sagen- 
gruppe auch wieder geschichtliche Bedeutung. Und 
wie in diesem Fall«, so neigt sich in vielen anderen im 
Kampfe um die Deutung der Sieg wieder mehr auf die 
Seite jener, die in den Sagen lieber Krinnerungen an 
thatsächlicbu Zustände und Kreignisse als rein mythische 
Schaumgekilde sehen wollen; manches, was schon so 
gut wie ganz in das Reick der wesenlosen Mythologie 
verwiesen schien, wie der trojanische Krieg oder die 
Reibe altrömiscber Könige, gewinnt wieder an Festigkeit, 
und upter den sagenhaften Hüllen erscheinen deutlich 
die Umrisse wirklichen Geschehens. 

In der Zeit, als di« mythologischen Krklärungen 
blühten, mochten auch die Bericht« über frühere dunkel- 
farbige Bewohner, diu bei manchen Völkern überliefert 
werden, als reiu sagenhaft gelten: sind doch in der That 
die im nächtlichen Dunkel wohnenden Geister der 
Toten wie auch die Götter der Krde, der Nacht und der 
Unterwelt gern als düstere Krschetnungeii gedacht 
worden, die sich recht wohl allmählich zu uegerbafteu 
Urbewohnern eines lukodes umduutuu liefiwu. Jetzt 
wird man wohl thuu, diese Sagen ernster zu iiobmen 
und sie mit dun Mitteln, die Autbro|Kilogie und Völker- 
kunde an die Hand geben, auf ihre geschichtliche 
Wahrheit zu prüfen; vor allem wird das dort nötig sein, 
wo die Möglichkeit einer älteren iiegeräbulichen Be- 
völkerung nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen 
ist, wie im Gebiet« der malayu-polynosischuu Kasse. Kine 
nähere Untersuchung ist hier nur auf zwei Wegen mög- 

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Wilhelm Krebs: I>ie ts(rlicb«n Wetterberichte Her HeutHchen Soewarte. 



32f. 

lieh: Mun kann Toni rein uiithro|H>logi!>chvii SlaiiHpuukte 
auH Hie ^eiifenwsrti^e ikfTolkenuitf niiH. fnlla Heren vor-* 
hainien ^iiiH, Hie vorgem:hicktlicbeii ineii^chlicheu Keate 
lietrachteu uuH darauM SehlQflxe auf iU-«‘'enTermischinig 
aiehcii, und man kann den Kultarbe^itz prüfe» und auf 
die«« Weiae mittelbar alt*> Knitiirfusammenhänge und 
W'anderuugeri erschlietaen. NVerden beide Methmleii un- 
abhängig nebeneinander angeweiiHet uud führen i>iu zu 
äbnlirhen Krgebni^sen, und atimnion dann vollend^ didKe 
KrgebniKSR zu den sagenhaften Überlieferungen der 
Völker, daun ist ein (irad der Wahrscheinlichkeit er- 
reicht, wie er auf den uunicheren Gebiotcu der Vor- 
geschichte überhaupt irgend zu erzielen iet. Im aU- 
gemeinen ist ein solcher ParnlletiHUina der Fortichung 
noch recht Kelten, und deeiialb mag e» gestaltet sein, 
die Auftuerknauikeit auf ein Iteiapiel dicMsr Art zu leukeu. 

Herr ProfcKMor Ilr. SchauiuKlund in Brcuieii hat auf 
seiner sehr ergebnisreichen Weltreise iui Jahre 1H97 
auch die ( 'hathuiuinseiu im südlichen Stillen tizean be- 
sucht und die Gelegenbcit benutzt, aulser zoologinchen 
Sammlungen auch eine Anzahl Schädel und Skelettteüc 
der im Auasterben begriffenen Kingeborenen, der Moriuri, 
zu erweriien; uufKerdem ist es ihm geliingeu, eine grö- 
fsere Anzahl der längst aufser Gebrauch gekoimueneu 
Stein- und Knochengerate diesen Völkchens zu sauiuieln. 
Nun sind die Chathauinseln einer der Punkte im Gt‘bi«'te 
der njalayu-polyncsischen Rjmse, die die iN'stiinmtesteii 
Überlieferungen von einer älteren, dunkelfarbigen Bevöl- 
kerung besitzen, die sich mit den später einwandernden 
polynesischen Moriari gemischt haben soll. Diu Miiri4>ri, 
die mit den Mariri iiHchetvei'wandt sind, halwn zweifellos 
von Neuseeland aua die (Imthauis erreicht; hier aber 
trafen »e bereits, wie ihre Sagen beliebten, die Hiti an, 
die von höherem Wüchse und dunklerer Hautfarbe als 
die Moriori waren, war nun die Frage, ob die 

l'ntersuchung der Schädel und Knochenreste einerseits, 
der Waffen und GerätKcbaften andererseits die Sage bc- 
»tätigeu oder widerlegen würde. Hierbei mulsten naiucnt- 
lich die Maori Neuseelands, die elnrnfalia Sagen üWr 
dunkle Urbewohner ihrer Heimat besitzen, Tcrgletchend 
InTaugezogen werden. Wenn Hie f,*berlieferuDgcn über- 
haupt recht haben, Hann sind schon diese Maori Misch- 
linge Yon Polynesiern und negerähnlichen Kleinenten, 
und Hie Moriori, Hie sich Hann nochmals mit einer 
Hiinkclfurbigen Bevölkerung gekreuzt hätten, wfirdim 
nicht durch die Mischung überhaupt, sondern nur durch 
den »tärkeren Grad dieser Mischung von den Maori ver- 
schiedeu aein. 

Die Untersuchung der Knochenreste hat Herr Dr. 
Heinrich Poll, .Assistent nm anatomisch-liioIogiKchen In- 
stitut der Universität Berlin, übertiotuiuen und <lurrh- 
geführt ^), während ich Hulbtit diu Stein- und Ktiochun- 
geräte lieurbeitctc *). Beide Untersuchungen haben ganz 

Über Schädel und Hkelutte der Bewohner der ('bathani- 
inteitt </«it»chrift für Morphologie und Atiihrojeilogie V, 1, 
K. 1 lÜH KU). 

Stein- und Ktiocheogeräti' der Chathnuiinsnlnuer (Zeit- 
«obrift für Kthuologi« umtl). 



unabliäiigig vonciiiander stattgcfmiden. Das Krgebni- 
ist sehr erfreulich : die .Vngaben der fängcboruneii werden 
in lieiden Fällen derart liestätigt und unterstützt, dal« 
rann .sie nunmehr wohl als geschichtliche ThaiHachen ln- 
trachten kann. Damit aller fällt zugleich uiu helles 
Licht auf diu Wichtigkeit der Prüfung de« Kulturbesitzes 
einerseits, der anihr(){>oiogiKchen Keste andercr-cita imd 
auf den Nutzen paruUulur, eich gegenseitig ergänzender 
Forschungen dieser -Art. 

Die Betrachtung cler Waffen und Geräte, iiin dieae 
zuerst zu (>rwähnen, ergab das folgende Bild, doa freilich 
lud der Dürftigkeit den MaterialK und trotz thuidicbster 
Benleksichtiguug der vorhandenen Littcratur nur >»ehr 
fragmentariach sein konnte: Ini allgemeinen ztimmt der 
Kulturbesitz der Moriori mit dom der Maori üliereiu. 
nur dafs der Teil diusez BoKitzea, der vou der dunkel- 
farbigen, den .Vustraliem und noch mehr den Tasma- 
ntern ähnliche Kasao übernommen aein dürfte, liei den 
Moriori entschiodener hervortritt. Das gilt huKtmders 
von den merkwürdigen kurzen Steinkeulon, die keines- 
falls dem {Hilynesischcn Teil der Neoaeelander und t'ha- 
tbaminHulaner angehören können, suudeni ein charttkte- 
ristlsches KuUnnm-rkmal der duitkulu Rasse sin«!; schon 
auf Neuseeland eine wichtige und geschätzte Wafie. 
treteu sie auf den t'hathaius ganz in den Vordergrund 
und zeigen gerade hier in ihrer Form teilweise m»ch die 
Anlehnung au die hutnarangähnlich gekrümmten Holz- 
Waffen, «liu ihr Vorbild gewcHCti nein niüsNen. Manche 
andere Züge der .Moriorikultur bestätigen die .Aiiiiahine, 
dafs der Kiiiflurs der ultenm dunkelfarhigeu Ik*w'uhner- 
Kcbaft infolge der abenimligcn ZmutKchmig sich auf den 
('bathams stärker geltend macht aU auf Neuseeland. 

Die Krgebnizse Polls Htimmen hierzu auKgezeichnet, 
so zurückhaltend er sie auch ausdrückt. Die Moriori 
sind nicht, wie Vulz iiacbzuweiKen versnebt hat, von 
reiner polynusischer Russe, Hondern stehen den stark 
geiiUHchteu Maori sehr nahe, bei denen Volz .selbst 
bereit» das VurkoiuDieu eines australoiden Typus nach* 
gewiesen hatte. Ilennoch zeigen »ich Unterschiede 
zwischen den Maori und den Nloriori. In diesem /u- 
sanimenliange nun verdient, wie Poll bemerkt, ,,dii'TliHl- 
saclic einige Beachtung, dafs sich Flenieiib', ähnlich den 
Tasmuniern, auf NeiiKeeland, vor allem aber auf der 
entlegenen rundlichen Chathaminsel, voi&iulen**. 
Damit ist auf rein nntbrupologischein Gebiete dasselbe 
nachgi'wie.sen, was sieb bei der Untersuchung des Kultur- 
lH‘-itze» ergab; beide ReHullate aber sfinnnen mit iler 
l berlieferung der Moriori vullkominen fliierein. 

Vielleicht tragt dieser kleine Krfulg des Zus>amineu- 
wirken.s anthropolugischtir, ethnologischer und liisto- 
rischer Forschung dazu bei, die cl>eii«o voruelmte wie 
unfruchtbare gegen.seitige .AbschlieUung verwandbT 
Wissenszweige in etw'as beKeitigon zu helfen. Kin 
be.s»eres Verstehen und /.usammeuarbeiten würde sicher 
dazu beitragen, diu noch immer hiiohst stiefinutterlicii 
behandelten WisseUMdiafieii vom Menschen aurli iiiifser- 
lich nnf eine höhere Stufe zu bringen. 



Die täglichen Wetterberichte der Deutschen Seenarte. i 

Die Tageszeitung der eumpäisrUeti Witterung, die au» 
lelegraphiacheu Berichten alltäglich nuf der Deutschen See- \ 
wnrte zusummeiigestellt und alwiids in Tabellen- und Karten. , 
druck versandt wird, erfuhr scbuii vt>n .\iigust Hu>o an eine , 
weaentlirhe Krweiterung durch Beilage des interDationalen ' 
Dekadunbericbtcis einer Anzahl Staü«inon, die sieb innerhaih ' 
der europäischen Breiten über das ganze Krdenrund verteilen. | 

In den erstou Moimren des Jahres Mind einige Kr- j 

gäuzuogen von erheblicher Wichtigkeit au denn Tabellvnleit | 



des WviterlMiriclitfl selbst ausgeführt worilen. Baum wurde 
daftir hauptsächlich durch kleineren Druck gewonnen. Seit 
‘Jn. Januar UmJ enu<>glichtf da» deuUrhe Kabel zweimal 
tägliche Kimragiingeu von der .\zorenstation ll<>rta, nacbdeni 
«'hon \uin I. August 1V02 an die spanische Küstenstalion 
Vigu eine für inancbe rntersiirhungvii sehr empiiudliche 
Liicke au-gefiillt batte. 

Vom 1. .tpril Itwi.n au führen die deutschen Staiioueii 
in der Morv'eKinlieUe ati«tnii de» um diem» Zeit wenig wich* 
tigei» Iliniini-bz.iiKUtiKle« Aiigalien ülier den V’erlauf der Wit 
teriJiig des Vortages nach neun kategorieen. 




Ih-. Oiikur Mann: Arehäolotfiirhes au« Peraicn. 



S27 



AI« h«c]eutiiani3<l« Neuei'uui; «Tschsiut hImt die Kinfuf^un^ 
dt-r Witterungvnachrichtfu au« dvo höheren Luftscbichten 
der freiet) Almoaphäre, die da« aenmaiuiwhe Otaiervatoriuni 
lN)i Rfrliii «iiirch ein Mittain't^lvgmmm der iK^utachen 8ee- 
wtirte xugehcD Hitit. Ka dnd nieu.*oroh»gi«id)<* HiVheolteob* 
HchtungoD, aDgeatellt meist mit Hülfe von Dnichen. die zu- 
«'eilen über 3000 m Bteerr«höhe hiiiau« zuin Aufsteigeii 
gebracht werden. 

Schon ein oberdächlicher Vergleich der itn diusjfthrigen 
April gebrachten Tem|K>ralurnngNben mit denjenigen der 
entspreclienden liergstationen eröffnet einen llienretinrh «ehr 
lehrreichen und auch ftir die iiraktische Witteruugskundu 
)erwerlhAren Kiiiblick. Vergleicht man ohne jede Keduktion 
mit den Kinuhrbeolmchtungen de« Urufsen Kelchen (MoOin) 
die ungefähr in gleicher Höhe uud immer zu früherer, also 
im altgoiueinen kälterer Tageszuit aUMgeführteii Betilnch- 
tmigen in der freien AtinuHpbarc, so erliült man als Mittel 
der Kelchctitemperaturen ~ als Teniperalurmitlel der 

freien Atmosphiire nur ~ 'J.7" C. Dieses Krgehni'« ist aus 
den l’urallelbeuliachtungen an *i7 Apriltagen gewonnen. 

Die Skntishidie (2300 m) gfstniiet zur Nt»t II l'amllid- 
lieotwirhiuiigen, wann man e-« statthaft findet, in iler freien 
Atmosphäre bis iSOuni herahzusleigvii. Sio liefert dann aber 



ein ganz enisprechendes Krgebnia. Die initiieren Mittags- 
temitemturen Iwtrugen um Siuitis — 7.3* (*., die Vormittags- 
ten)peraturen in der freien Atmosphure — fl, 4* C. 

Wenn ilie }^i«hlen auch Aiis|iruch auf absolute (ienaiiig- 
keit keineswegs erhoiten, gestatten sie doch den 8ehlufs. dafs 
die Temperaturen, auch die Tagesteinperaturea, an den Kerg- 
stationen um etwa l*C. tiefer lagen als in der freien Atmo- 
«phtire. 

Der physikalische Grund tlnfür kann nur in der sehr 
reichlichen SchneeiHrdcckutig der mittleren und höheren 
Kerglagen Mitteloun>|tAs in dem diesjährigen Nachwinter 
gesucht werden, ln diesem Sinne erhält man einen neuen 
Ueweis für die von Wueikoff gefundene ahkfihlende Wirkung 
einer Schneedecke auf die unteren Schichten der Atmosphäre. 

Die praktische Wichtigkeit des so weit festgesicllieu 
Temperaturunterschiedes zwischen Bergstaiioiien und freier 
Atmosphäre beruht auf einer Itesonderen Form der Sellist- 
magaxinierufig, die hochgelegene Schiiee<lecken iiusiilien. Sio 
schützen sieh bU zu einem gewisson Grade selbst gegvu 
allzu srhtudies Wegscliinelzen. Sie schützen demrufoig« auch 
die Von ihnen guspeistvn Bäche und Fliifsgehiele vor öft<’reni 
Kintrctcn einer Hochwassergefahr durch die Kchnoeschmelze. 

Wilhelm Kreba 



Archäologisches aus Persien. 

Vuu Ilr. Oskur Mann. 



Ilie areUäulogizekH llnrchforscliuiig Persiens, .seit 
einiger Zeit eine Art S|iezialgehiet der fran7.öi)i.>M:heii 
Nation, macht erfreuliche Fortschritte. Auf Herrn und 
Kran Hieulafoy, über deren .■\usgrahiiiigeti tler uchä' 
lueiiidiMchnn Altertümer in Su«u si-im>r/ctt in diesen 
llläitcrn ausführlich 
berichtet wurden ist, 
folgte die „Mission 
scioiitifiquc“ des 
Herrn de Morgan, 
die als llauptarlmits- 
gehiet ebenfalls die 
Kuinenhügel Susas 
erwählte, aber auch 
in nnderen Gegeii' 
den der ausgedehn- 
ten iranischen üe- 
hiete mit grofsem 
Krfolge ihätig ist. 

Wir vordaiikeu den 
Arbeiten des Ilerni 
de Morgan uud seines 
tüchtig geschulten 
iStalies von Miiar* 
heitern viele neue 
und sehr wichtige 
archäologische Knt- 
deckungen, über die 
da't grotse Werk: 

„Mission Hcientifique en Persü** (Paris 1894 — 1897) 
in vier uinfungreicheii |{iUid*‘ii ausführlich berichtet, 
iviii weiterer welcher die sehr wichtigen eiami- 

tisehen Altertümer Von Malauiir behandelt, deren Auf- 
nahme seit Jahrzehnten ein pium desi<lerium der ge- 
lehrten Welt bildete, ist inzwischen erschienen, mir 
aber liier in Persien leuier noch nicht zu (tesieht ge- 
kommen. Fast hätte ich, als ich selbst Im vorigen 
.fahre unter unsäglichen Strapazen und Kutbeliruugeii 
diese so wichtigen Skulpturen und Inschriften photo- 
graphisch aufgenonimei) und abgekiatscht hatte und erst 
uachträglicli von der schon gethnnen Arbeit de .Morgans 
erfuhr, mich zu einer leisen Verwünschung des mir Zuvor- 
gekommeuen biiireilseii las.-eii. wenn niclit mich scbliefs- 



lieh die Hoffnung getiN).«tet hätte, mit meinen Arbeiten 
den Fachgenossen ein Hiiplikat der InRchriften an die 
Hand geben zu können, das ja in einigen Fällen immer 
n«ich als Korrektiv von Wert sein wird. 

.\uch an nnderun Stellen in Persien stöfst der Itei- 
sende auf de Mor- 
gaiiH Spuren, und so 
inaiicho erste tmt- 
duekerfreude wird 
durch die F.rzäblun- 
gen der Kinwobner 
von dem frühen'ii 
Hiersein der Fran- 
zosen jählings aus 
dem Herzen ausgu- 
löscht. So ging es 
mir, als ich im 
August ]9tl2 auf der 
Höhe einer recht ent- 
legonen Hergkotte in 
der Provinz Kir- 
manshab drei achä- 
menidische Felsen- 
gräber entdeckte, von 
welchen oiiioa eine 
noch sehr gut erhal- 
tene Skulptur zeigte 
(Abb. 1). 

Pis sind dieses 
die von de Morgan (Hand 4, Seite 299) besrhrieheneii 
Gräber von IH nou. Indesiien habe ich in der ganzen 
Fuigt^geiid kein Dörfchen enbleckeii können, welches 
den Namen Dih i m>u (-rr nmios Dorf) trägt. IHe (iräber 
befinden eich auf der Höhe einer ziemlich gleichinäfsig 
hohen Hügelkette zwischen dem Dorfe Issakäwänd uud 
('aniän i Isinail. Von dem hekaniiten Dorfe Härsin aus 
führt in südwestlicher Bichtung ein rauher Saumpfad in 
etwa vier .'Stunden über einen Bergpaf« und durch das 
iiu Schatten der Obstbäumu Hegende Dorf DärAu nach 
dem HUR kniitn 30 Hätten bestehenden llorfe Iszäkäwänd. 
Von hier aus erklimmt man den das Thal südwestlich 
iiegreuzuuden Hügelzug uud fiudut auf der Höhe einer 




Alb. I. ArhäuenIdlRoho PelRoogrUber bef IssäkiwifBd. 






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»28 



Pr. Oikar Mann: .\rchaologiiohea aiia Peraien. 



t 




Abb. 2. Xuaollth bei Binelnn. 



kleinen Pfl^^etnHeQkung, die in das parallele Thal tod 
(' fttuan I iHmail hinableitet, eine wild icrrisaeiio Kein- 
gruppe, in deren nach deui l^rfchen (’iinitnl Ismail bin« 
ahNchaiiender Seite die drei Gräber eingekauen sind. 
Von rämin l Ismail gelangt man in südlicher Uichtung 
einige Hügel überarbreitend nach Gärräluin in das Ga« 
masäbthal. Verfolgt man das kleine und schmale Thal, 
iu dessen oberem Kessel IssAkäwänd gelegen ist, in nord- 
westlirlier Uichtung abwärts, so ist auf der Höbe der 
Uergkup)M> xur Hechten eine künstlich geglättete Fels« 
wand sichtbar, die anscheinend xur Aufnahme einer 
Inschrift oder eines gröfseren Reliefs bestimmt war, ganx 
ähnlich der ludiauenen Felswand bei Uisetün, die ja aus 
allen einschlägigen Ueisewerkeu genügend bekannt und 
schon in Ritters Krdkunde eingehend beschrieben ist 
Das schmale Thal führt weiter in derselben Richtung 
abwärts bis tu dem breiteren Thalbeckeu des Gamasäb. 
Hier bei dem l>orfe Surkhkädä, auf dem linken Ufer des 
Flusses, findet man in einer unschwer zugänglichen Fels« 
wand etwa 5ü m über dein Tlialboden ein ihnlickea 
Felsengrab, ohne Skulptur und Inschrift, welches denen Ton 

Issnkäwänd sehr ähnlich ist. Die Mafse siml die ful« 
genden : 

Tiefe der Kammer 131 cm, 

Höhe der Kammer (H) 82 cm, 

Breite inkl. der Rahmen (AB) 112cm. 

E.0 ist mit einer geglätteten Kinfassung Tersohen, 
ähnlich einem Thürrahmen; den obersten Teil der so um« 
rahmten Fläche nimmt die Höhle 
ein. Wahrscheinlich ist, 'dafs 
man bei genauerer Tutersuchung 
der ganzen Gegend noch auf meh- 
rere solcher Felsengräber stufsen 
wird, zumal da in aebämenidi« 
scher /eit die grofse .Stadt Ba« 
gidtaua, zon der ja auch noch 
einige Trümmerreste dom von 
Kirmanebah nach Bisetün Hei« 
senden unmittelbar auf der Kara« 
wanenstrafse zu Gesicht kommen. 

Die beiden grufseu Skulpturen bei dem Dorfe Bisetün, 
das Relief mit der grofnen Darius-Inschrift sowie das 
leider ver-*tümmelte Relief des l'artherkönigs Gotarzes 



sind ja weltbekannt. Bei genauerem Ihirch« 
suchen der Felstrümmor am Fufse de» 
BisetÜD'Kegels fand ieh einen etwa 2 tu 
hohen Felsblock, der auf einer seiner Tter 
Seiten die hier abgebildeto Skulptur trägt. 
Die eine Seite, die mehr dem Winde und 
Regen ausgesetzt ist, ist leider schon sehr 
rerwaseben, sie scheint einen schwebenden 
Genius danrostelleii , während die ander«, 
besser erhalten, einen auf dem Feueraltar 
opfernden Priester aufweist Das I)enkmal 
ist augenscheinlich sassanidischen Ursprungs 
(Abb. 2). 

Innerhalb der jetzigen elenden 1/ehm« 
hüiten des Dorfes selbst findet man eine 
aus grofsen, gut geglätteten und anschei- 
nend ohne Mörtel zusammengesetzten 
Quadern bestehende glatte Mauer, die von 
den Bewohnern jetzt meist als hintere 
Mauer ihrer Ställe benutzt worden ist. Sie 
läuft dem Bergeshange parallel etwa in 70 
bis 80 m Ausdehnung. Die einzelnen 
(Quadern sind etwa einen halben Meter im 
Geriert grofs. .\n einigen Stellen sind 
IriNchriftenzcichen sichtbar; doch läfst die Dunkelheit 
der Ställe sowie die starke Verwitterung leider nichts 
über die ('baraktere entscheiden. Die Mauer scheint 
das Fundament einer gröfseren Bauanlago gebildet zu 
halten. Vielleicht stammt sie ohenfalls aus sassanidischer 
Zeit. Wenigstens deutet ein gleichfalls hier gefundenes 
.Säulenkapitäl, ähnlich den bei Täq i Bustiin ausgegra- 
Itenen beiden, die yon de Morgan eingehender beschrieben 
und photographisch aufgenomnien sind, auf jene Zeit. 
Das Kapitäl steht jetzt auf einem kleinen Platze hinter 
der ('aparkbänä (Poststntion) des Dorfes. Ich gebe hier 
die Abhildungen einer Seite (Ahb. 3). 

Überschroiiei inan vom Ikirfc Bisetün aus in süd- 
licher Richtung den Gamasab und wendet sich um den 




Abb. 3. SfiulenkapRäl bei BisetAn. 




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41 



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Ul<>bu« LXXXIll. Nr. 21. 



Abb. t. Urnaraentlrrtvr 8trla »ni SÜmiAJ. Ahl^ 7. Hanii: Die behaiene Felawaad. 




Abi». 10 . SMuli>iikii}iitiilp unil Statue bol Täq 1 Kai^taii. Abb. 11. Kellef ««InveMltur Scha|»ürs II»* tu Tag I Bastnn. 




Kliurburil v. Sohkopp: Religiöiie AntohauuDge» der Kakoko (Kamerun^ 



331 



sQdlich vorgflftgorteii Hügel iu »t«tiicher Richtung, eu 
ernüchi man daa l)orf Sirinaj *)» daK ganz und gar auf den 
Trümmern einer aasaanidi’<cben llauHiilage aufgebaut üt. 
Schult vun weitem ruft der Hügel, auf dem »ich das 
Hürfchun erhebt, den Eindruck jener hier au zahlreichen 
Tit|m hervor, die allesamt iuteressante Baiireste bergen, 
und in denen ab und zu die Kurden mit Erfolg nach 
Müuzeii und dergleichen (ielduswert graben {Abb. i), 
(’arallel der oat'SttdüstUch vorgeiagertt’u Hügelkette, 
über wcdche ein nicht hoher Pats zu dem vorher er^ 
wkhnten Ihirfe Härnin führt, liegt eine alte Mauer blofa, 
die au» unbehauenen grof»cn Steinen, mit (tip» ver* 
fertigt, erbaut ist (Abb. 5). Sie »cbHelai den Horfhügel 
nmih OSO hin ab. Sie ist jetzt noch etwa 6 m huch und 
liegt in einer IdLngsauhdehiiung Tun etwa 4ü Schritten 
blot». Genau senkrecht auf die Riclitung dieses Wallen 
stötst eine aus regelniäfsigcn polierten Quadern gut ge> 
fügte Mauer, <leren Reste wir in einigen nebeneinander 
gebauten I/ehmhütten des IKirfes finden. Sie ist genau ao 
gebaut wie die oben erwfihnte de« Dorfes Risetün. Von 
ihr sind etwa 15m Längetiausdehimng zu sehen ^ das 
übrige scheint sich unterhalb der Durfhütlen zu befinden 
und harrt des Spatens. Cberall in den liüuscrn des 
Dorfes und besonder» zahlreich auf dem kleinen Fried* 
hofe findet man glatt behauene Steine, Reste eine» einst 
fünitlichen Palastes. Die Karden heben diese Trümmer 
als Fundamente und Schwellensteiue für ihre Lehmhütten 
und als Grabsteine benutzt. Ein besonder» gut er* 
haltenos Fragment, das «Ke schone Onmmentierung 
deutlich zeigt, hainj ich phoiügra}ihiert (.\bl>. 6). Da 
diese Sknlpturon auf allen Steinen, die ich auffand, 
dasselbe Muster zeigen, so ist wahrscheinlich, dafs man 
hier die Trümmer eines prächtigen Sassauidetiscliioasea 
vor sich hat, wie man ja auch Lu dem Hügel de» beuaeh- 
hnrtmi Ta2i i Shirin ebenfall» ein solches vermutet. 

Überschreiten wir «len Hügelpafs im OSO vom Dorfe 
Sfirmaj, so erreichen wir ein langgedefaut«*», in üppiger 
GartenkuUur crblQhemles Thal und am oberen Ende des* 
selben das Dorf Hür»in, den Hauptort des gleichnamigen 
Rulüks und Mittelpunkt der hier HiiH&üsigen I.ükksiümme, 
deren unzühlige schwarze Zelte im S«»iitner die Thklt^r 
und llorge bis weit hi« nach Khorreraiibüd erfüllen. Das 
Dorf ist augenscheinlich eine »ehr aite NiedtTlansung. 
Ich fand auf dem Friedhofe Grabsteine in nahe iieim 

') Jacut« got^raphischn» Wt'irierbufh. heiauxgegetien vuii 
WuftenfeM, Ikt. 3, K, 8*2: HKcmiadflch bt ei» fest«»« Hchlofs 
zwinchen Hsiiimlan un«l KhüziiUaii in) Beigiitttde (Mcbeii). 
K« gehörte Haiir bin ilaunwaih «leni Kurüeu. dem Herr« 
von Kcb:ibür-Khwast, und ei ist «lin« seiner BUirtRtoii und 
unzugänglichsten t^hlösser.* — iladr bin llasanwaih wurde 
im dabre 404 «1. Hijra = 1313 14 u. <'hr. ermonlob. 



Dorfe gewonnenem schönen, weifsen Marmor, die die 
.labreHznhlen 72<l «1er 733 u. s. w. aufwuisen. Da» 

auf «lein Friedhufe erbaute ImAmzadft Uädr*«Ml>diu *ali 
hat eine in »chöneii kufiseben ('harukteren ausgefOhrtu 
Rauinsirhrift, die als Kamen de» Erbauer» Hüjji Ji«ntu«| 
Kbiitai und das Jnhr 750 (= 1343 50) glebt. Aber 
auch au8 viel älterer Zeit sind hier Spuren und Reste 
v«m Ranwerken erhalten. Fuiie recht gute RcKchreibuug 
«l«>r in «1er Mitte de« heutigen Dorfes hoch em|K>rrngen* 
den Schiofsruine findet man bei Ritter (Erdkmule, O.Teil, 
Ruch 3, S, 341). 

Abbildung 7 zeigt die dasulbat auf S. 342 erwähnte 
„künsiiirb geebnete Felswand“, wie wir sulche schon bei 
Bisetun und in «len R«*rg«'n v«jq IsKakawänd gtdundeii 
haben, und .M>bildung 8 das Wa8sorbm;ken. Vun den 
noch von Rawlinson gesebenu« sonstigen Trümmern ist 
jetzt auch ni«^ht ein Stein mehr zu entdecken^ sie werden 
von den Kanlen versc!ilep|>t und zum iltuisbau verwantlt 
worden »ein. Eine gute halbe Stunde »udöstlieh vom 
Dorf« frh«'bt ein etwa 25m hoher Lehmhügcl mit 

steil abfuUeudeti Hängtm. Der untere l'infang lieirägt 
etwa 150 Schritt. Die Kurd««n iieiineii den Hügel i^alü 
i Dizbar (.\bb. 9). Hier lial man nach .\ussnge dur An* 
wuhner Mcuscheuakelettrestu von riesigem (?) Umfange, 
die in thöiiernen Urnen geborgen waren, uml bei ibneu 
Scbmuckgegenstäude gefumlcii. So sehr ich mich auch 
bemühte, einige dieser Gegenstände zu Gesiebt zu be- 
kommen. war es unmöglich, anfser 'nion.sclierben etwa» 
zu erhalten; mindestens «lie (iröfscnHiigBhen über die 
Knochenfunde sind wohl auf die in Persien ja so üppig 
blühende „Ausschmückung“ zurückzufübren. 

Die von Ker Porter bei Twq i Rustun (Ritter a. ». 
0. S. 378) gesehene Statue scheint gleich den von de .Mor- 
gan beschrielienen Säulonkapitälen ebenfalls neuerdings 
erst wieder dem feuchten Rette entria-wn zu sein; hoi 
de Morgan habu ich keine Erwähnung dit'«es Torso ge- 
funden. .Man hat sie jetzt in geaciimuckluier Weise 
am Ufer de» Teiche» lu*i der sugenannteu Shiringroite 
zwischen den Kapitälen aufgestellt. Die beigegel*ene 
.\bbildung 10 ist eine mit dem Teleobjektiv von «ler 
Grotte au» aufg«*nominene Rliotographie. IHe ungefähren 
üröfsenverbältnisHe ergelwn sich leicht au» der Ph«ito- 
graphio «elher (Abb. 11). 

Vun nuuner Keuaufnahme des Qalii i Ynzdäjird im 
Westen Kinnänshahs, von dem nur eine recht ungenaue 
Ib'schreibuug Rawlinsuija (Ritter, a. a. U., S. 467 fl.) 
vorliegt, sowie von dem, wa« ich sonst mxtii an unl>e- 
kamiteren Altertümern in diesen von de Morgan recht 
genau nntersuchten Gegtmdeti gefunden habe. huBc ich 
ein antleres Mal bericht«ii zu könmm. 



Keligiune Anschauungen der Bakuko (Kamerun). 

Von Eberhard v. Sclihopp. Itcrlin. 

Monotheisten im eigentlichen Sinne »ind die heid- 
ninchen Rakoko. Das mag paradi>x klingen; duch sehen 
wir uns ihre Religiun einmal genauer an: 

„Olülume“ bedeutet bei den Rakuko Geist, höhere 
Macht, mit einem Worte du», was mau unter Gott ver- 
»tcht. Einen Fetischdienst haben sie nicht, der im 
Museum für Völkerkunde in Ih^rlin befindlich«' k'etisch 
ist kein Rakokofetineb, wi«* irrtümlich angenommen. 
Die Religionslehre der Rakoko ist kurz folgcmle: 

Die Welt hat keinen Anfang; sie besteht seit ewiger 
Zeit, und auf ihr lebte (Hulume, ein schwarzer Manu. 
Es gab keine Menschen und keine Tiere zu »einer Zeit, 



und einsam wandelte er auf Erden. Vieles schon hatte er 
versucht, um sich die Zeit zu vertreiben, bi« er auf den 
Einfall kam, die Menschen zu machen. Und er fiirmte 
sie nach «einem Rüde au» Erde, und weil die Erd« 
trocken war, und er kein Was*<or hatte, nahm er von 
Heincm Rlutc. Nach «len Menscb«*n n)a<‘hte er Tiere, 
damit seine Geschöpfe zu ossen hätten. t)lolnme belehrte 
die Menschen, ging dann fort, und niemand wutste, wo 
er geblieben. Kr sieht jedoch alle», was die Menschen 
1 tbun; er weit«, oh sie gut »der böse sind; aber obwohl 

I Ololume alles kann, greift er nicht in die Augelegeii- 
heiten der Menstdiou ein. Er gab ihnen einen eigenen 
Willen, und er gab ihnen Verstand. Niemand sollte in 
seinen KntscblüsseD gehindert s«*in; wer Gutes tbat un«l 
recht lebte, dem gefiel es auf Erden; wer ulutr schlecht 



r 

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It, Aiidreet l»ie Sinoe der Torreierafie-Infliilaner. 



:)32 

war iiod b«!hie, der wurde tou seiueu BrüderD bealraft. 
I>ie härteste Strafe war die Todesstrafe; doch damit 
nicht ^renuff. wurde der Tote infnlj^e seiner Schlechtigkeit 
in ein Tier rerwandelt, und die ülierlebenden machten 
Jagd auf das Wild, erlegten und verzehrten e» dann. 
Doch hat ein Bakoku in aeinom Leben viele Feinde ge* 
babt, und diese Feinde bal>eu ihm viel ß^^ses gethan, so 
verwandelt sich ei» solcher Bakoko nach seinem Tode in 
einen Nkuke, Geist, und rächt sich an seinen ehemnligen 
Fein<len, indem er sie jirügelt und quält und ihnen aller- 
hand Streiche spieit. Krst wenn der Leichnam ans- 
gegraben und verbrannt worden ist, verschwindet der 
Nkuke. 

Trotzdem die Bakoko ein lieben nach dem Tode ver- 
neinen, sieht man, dals sie einen Modus susgleicheuder 
Oerechtigketi nach dem Tode gefunden halten, womit 
aio allzu grofsen Ausschreitungen und Willkürlichkclten 
hei allem /ugesiäiidnis des eigenen freien Willens ein 
Paroli bieten. Auch zur Entaobädigung unschuldig 
licidender bietet sich nach dem Tode noch Gulegenhcit 

In einer Hinsicht ist die Heligionitauschaiiuug der 
Bakoko infolge der uneingeschränkten Stdbstbestimmuug 
und der a priori auagcscblossenen Einmischung einer 
höheren Macht tief durchdrungen von der menschlichen 
Wünic des Individuums; andererseits kann nicht ge- 
leugnet werden, duts die pm^önliche Freiheit und Snlbst- 
bestimnuiTig des einzelnen durch den Willen der Ge- 
samtheit eiiigcdämmt wird. IHes geschieht inimor daun, 
wenn das Gemeinwohl es erfordert. 

Dem Ololunio steht kein Hecht, zu strafen o<ler zu be- 
lohnen. zu; der Baknkogott ist zwar gut und gerecht, 
niiinut aber nicht das IL‘cbt für sich in Anspruch, in 
menschliche Angelegenheiten einzugrvifen. UikI weil die 
Guten durch ihre l,ebensfilhruiig belohnt werden und 
die Bösen sich durch ihre Handlungen indirekt selbst 
bestrafen, so kommen die Bakoko ohne einen racliunden 
(»ott aus und kennen keinen Teufel und kein strafendes | 
Prinzip, 

Wenn die Nacht ihre dunklen SchJeior über die Krde 
gebreitet hat, dann kommen zu bestimmten Zeiten und 
an beütinimUm Orten die männlichen Bakoko zusammen 
und feiern durch Tanz und Gesang nBisima** ilm>m 
Gotte zu F^trtMi. ('rauen siml von diesen religiösen 
Feierlichkeiten streng ausgoschlossen und würden im 
Falle einer Übertretung des Verbotes einer grausamen 
TcHlesstrafo verfallen. 

Die jungen Männer färljen sich den ganzen Körper 
mit Kohlen von Palmholz schwarz, um Arme und Beine 
werden an Faden aufgereibte Nufsschalon gewunden, 
um die Hüfb’U AfFoiifelle geschlungen und in das Haar 
über den Obren zwei nile Schwanzfedern des ürau- 
pa[»ageis gesteckt. In dieser Festkleidiing beginnt der 
Tanz. langsam, rhytmiseb werden Arme und Beine 
bewegt; der Medizinmann paukt auf einer Trommel und 
singt dazu eine selbstverfafste Weise, deren Refrain die 
alten, im Kreis ringsum sitzenden Männer wi«*<l«rholen 
und auch mit HämlekinUichen begleiten. Nach und 
nach wird das Tempo lebhafter, und der tUM»rkörper der 
Tanzenden tritt durch heftiges Zucken der Schultern 
elMmfalls in tanzende Ik^wegung. Wilder und wilder 
werden die Sprünge, lauter und lauter der Gesang, bi« 
plötzlich vor einer gänzlichen Erschöpfung auf eux von 
dem trommelnden Medizinmann gegebenes Zeichen Tanz 
und Ge'»ang kurz ahbrcchen. 

.^1an erquickt sich an Palmwein, und bald beginnt { 
mau von neuem. So dauert es die ganze Nacht bi» < 
gegen Morgen. j 

BiHima bedeutet gleichzeitig auch Gerichtstag. Kläger 
und Angeklagter treten in den Zwit<cbenpaiiseu vor und 



die .\lten geben ihr Urteil über das Vernommene uh. 
Todesstrafen sind nur bei Stimmeueinlieit vollstreckbnr. 

ftpfer irgend welcher Art werden Ololume nicht go- 
bracht. Der Gott bedarf <lerseiben nicht, und wenn r<r 
will, kann er sich SpeUe und Trank selbst verschaffen. 

I>as Bisima zum .\ndenken an den Schöpfer dur 
Bakoko wird nicht regelmäGig gefeiert, sondern nur, 
wenn der Stamm irgend einen Wunsch liat, wenn ca 
z. B. regiieu soll oder das Gegenteil, wenn die Feld- 
frückte geraten sollen und aus ähnlichen Anlassen. 
DhIhm muls nochmals l)«tont werden, dafs dle^^e Bitten 
immer ganz allgemeiner Art sind, sich auf Suchen dea 
Gemeinwohls beschränken und nie sich auf perwiiiliche 
Angelegenheiten eine» oder mehrerer incliviüueii au» der 
grofnen Manse erstrocken. Das wäre mit üiren Anschau- 
ungen nicht vereinliar. 

.\,u» oben (iesagtem gebt hervor, daf» die .Macht der 
Medizinmänner eine sehr Wschränkte ist, und dafs trotz 
allen .\l>et'glaubensder uinzelno Bakoko nicht vom Me^iizin- 
mann abhängig ist und von diesem betrogen werden 
kann; denn die Religion ist Gemeingut aller .Männer, 
und die reiigiönen Zeremonien finden immer öffentlich 
statt. 

.Vn einen Wultunit'rgang glauben die Leute nicht; 
wohl aber an eine Vurnichtuiig ihres Stamme» durch 
andere Völker, die aus dem liincrn kommen sollen und 
sie in ein grofses Wasser treiben worden. 

Es ist nicht zu verwundern, dafs bei derartigen .\n- 
schauungen ein Naturvolk sich dem (Christentum gegen- 
über lau und indifferent verhält. Die einfache Lebi'e 
soll aufgegeben werden , und die Leute »ollen an neue Dinge 
glauben, die der Bakoko in »einen kindlich naiven Vor- 
stellungen nicht zu begreifen vurmag. 



Die Sinne der Torresstrarse-lusnlaiier. 

l»ie anlhrü}K>U»giirche Kx(vedUi«iu nach der Torrewtiufiw> 
unter TrofcHsor Ua<ldon» (.eitung hat zum emtcu Male in 
»y.*teraRli.»cher Weise eine Reibe authrupoli^iwher und phy- 
«iologiaelier Fragen unter den Klngebitrenen studiert, die 
«m«t nur uebonix i von den Forschern tteachicV aord**o. 
Iladdou, welcher ticbon lH8ä bis lasö die luseln der Htrafse 
\orberrsr>iend zu /CKtk^ischen Zwecken bereist halte, busuebU 
sie ist>9 zum zweiten Mal« mit einem Htab« gut vorbereiteter 
Oelehrler, welche sämtlich ein Sonilergvbiet beberrxchten. 
IH« Berichte über die KrgxbiiUso **rw.‘heioeQ in sechs ItHnden. 
von denen bisher der zweit«, di« Physiologie und Fhsych<üogie 
hehandeind. iierauagekotumeu ist '). Von diesem Baude liegt 
jetzt die zweite Hälft« vor, die sieh mit den Hiunesäurseruugen 
der Insulaner l)cf»fsi*X 

Pie Untersuchum; des Gehörs führte Dr. Ch. 8. Myers 
aus, Welcher (»«merkt, dafs di« rmgebiiug der untersuchten 
MurrayinHuIaner nicht danach l>eschaffeii ist, um die Uur- 
fähigkeit in einem hohen (irada zu entwickeln. Ihr Acker- 
bou und die PerimutterÜ-scherei arfonleru keine besondere 
Anstrengung im Hören. Die RrzählungL*» von Reisenden 
unter anderen Naturvölkern ülwr deren aufsen»rdeutljc-h 
scharfes Gehör müssen erst einer sorgfältigen Nachprüfung 
unterworfen werde«, eh© sie vrisscnschaftlich« Verwertung 
änden können. Man versetze einen solchen Wilden in die 
länneiideri HtrHlMen einer «ur»päischen (»n-ftsUdt, und er 
wii-d sicher die verachiedenen dort «rti>nend«n Geräusche 
nicht so scharf unterscheiden wie ein daran gewöhnter 
Eumpner. So unterscheidet der letzter« auch in der Fremd« 
nicht die Töne und Geräusche, die dem Kingetxjrenen dort 
sofort auffallen. Auch gielit e« genug Beobachter, welche 



M Vergl. Schtnidt, Die t'ambndge'FxpediÜon usch der Torr*»- 
strsfs«. Globus Bd. 81, S. 87, wo über dl« Aulag« de» ganic«R 
Werke# und die «r»te H&IÜe de* zweiten Bandr» (Iniroduttioa «od 
Vision) ausführUch berichtet wurde. 

*) Keports of tb« (.«mbridge Aittbropoiogical Kspeditten to 
Torres Straiu. Vol. 11. I'kysiolugv a»d Psvihology. Part U. 
llrKring, Smrll, Twts, Cutaneou» s«nMtii<n>, Mutcular Sen*«, Varia- 
lions uf Blf»»||ireMure, Keaction • Hines. Csmlirklg«, CnirersltT 
l’re»«. 1908. I’rcis 7 Schilling. 



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Dr. Lnilwif; WiUer: I>bs Vcrbr^itiiug! 

\i>u vemchiedfloen Naturvölkern (K»ßi‘« in Indien, Hotion* 
ttrtten. l>Amanu, Cenlralafrikauer, Owoten) behauptoD, sic 
honen keinwwfg* »ehkrfer al« Kunipäer. 

Kfi int DQn von Wicbtigknt. die KrgebuiM«' Dr. Myere 
kennen zu lernen, die uiit sehr feinen la.itrumenten (rolitzera 
Hörmenrr, Thren u. a. w.) an den Insulanern vorgeoommen 
wurden. Zwölf Knaben der Murraymaeln konnten annähernd 
90 gut hören wie Ur. Myera aeibet, während sieben andere 
entschieden «’eniger scharf hörten. Di« Hrwachsenen blieben 
auch hinter ihm znriick. Von den seehft unt«i^uchten Mädchen 
hörten drei »o gut wie der untersuchende KuropÄer (Pr. Kiver*), 
drei nbertrafeu ihn. Zehn Krwacheene der Mabuiaginto) hörten 
«chlt^hter als Pr. Seligmatin, zwei schlechter als i>r. Iliverz. 
Phs Krgebiiit der Untersuchung ist: Pie atlgemeine Hör' 
schärfe der TorrentrafHO'ItMUiancr ist geringer als die der 
Kun>päer. Auch die Grenzen der ToDWahrnebinuDg hat 
Pr. Myers untersucht, wolwi ihm vergleichsweise die Ver- 
suche mit Kindern aus Aberdccnzhire io Schottland zu 
Gebote standen. Pie KumpSer vermochten die Töne der 
Stimmgabel viel feiner zn unterscheiden als die Insulaner. 

Von Interesse siud auch die rntersuchungeu desselben 
Gelehrten über die Geruchsschärfe und die Unter- 
scheidung verschiedener Gerüche durch die Torres* 
stntrse-lnsulaner Man hört hier wieder in Bezug auf die 
Naturvölker Aun>prik‘be wie jenen l^uliLschkes über die 
Siima), dafs diese wie di« besten BpUrhunde das Wild rtochen 
und dergleichen. Pie K.xperimeute, welche Pr. Myers mit 
Murrayinsulanem vumahm (die Anwendung von Zwaanie- 
iiiakers Olfactometer stiefs bei den Insulanern auf Hinder* 
nisse) bestätigen indessen keineswegs solche (ierucbsschärfe. 
Pie Methoden zur IJnterHUchung, die der Verfasser seUwt 
nicht ohne Schwierigkeiten an Ort und Stelle ersann, führten 
auch zu keinen sicberen Besultabni, doch scheint ein etwas 
feinerer Geruchssinn als bei den Kuro)iä«ni vorzuliegeii. 
Auf die Krage des .Völkergeruchs“ kommt Pr. Myers dabei 
nebenhin zu sprechen Und da ist es von Belang, zu hören, 
wie ein junger Murrayinavlhäupüing erklärte: die WeifBeu 
bab«’ii einen bestimmten Geruch, die Inzulauer einen an- 
deren. und die australischen (Festlands-)Weiber riechen 
wieder Iwsonders. Als Pr. Myers in Sarawak auf Borne«* 
war. konnte er beobachten, wie die malaiischen Ihener 
die aus einer chinesi<ichen Wäscherei zurückerhaltene reine 
Wäsche «1er verschiedenen Europäer nach den» Gerüche sor- 
tierten. ln der I'nterscheidung von Gerüchen und in der 
Erinnerung an solche erw iesen sich die Insulaner als gut 
licanlagt, wenn auch ihre Kpra«^be arm an W«Srteru für die 
Bezeichnung der Gerfiche war, während bei andenni Natur- 
völkern dieser Wortschatz reich ist. Pie Miiuris N<‘UK«olaiids 
z. B. hal*en für aübelriocheii'' allein acht verzchiedene syno- 
nyme W«'>rter. Um die Geruchsuntcrschcidung za prüft*u. ver- 
wendete Pr. Myers verschiedene starke, mit Wasser verdimnte 



Zentrum der nordeuro])äisohen Rasse. 333 



Riechstoffe, die er einer Anzahl Tasulaut<r getrennt and in 
versrhiedcuer Roihcufulgo vorlegte. Pie Antwortan lauteten 
z. B-: 

Kampfer riochl wie: l'rhi; eine chinesische Kiste (die 
aus Kampferbolz gemacht ist); Wasser, in welchem Holt 
faulte. 

Baldriansäure riecht wie; eine tote Kcblange; eine lang 
Hufbewnlirte Bauaiio; Ager (eine Aroidee mit scharfem 
biifte). 

Asa fötida riecht wie: verdorbene Kokosmilch; ein 

Geschwür; tote Hohlangs; Fracht, die den Weifsen gehört 
(Zwiebel). 

Verglichen wurde von den lasulauern ferner Terpentin- 
lintment mit Ameisen. Ammoniak mit Urin. Zibci mit Fä- 
kalien. Hc»chus mit Banauen<>aft. Bandelbolz verglich ein 
Insulaner mit „Karikpas“, das ist das Gras Andropogon Nai*- 
dus L., wek-htä Citronellaöl enthält , verwamlt dem Bandcl- 
hoizgeruch. Angenehme wie unangeriehuje Kin|iÜm}ungen, 
die durch die Gerüche verursacht werden, glichen sich im 
allgeineiDcn bei Insulanern und Europäern. 

Per Geschmack wurde l*ei sielten Insulanern durch Dar- 
reichung von I«(hiuugen von Zucker. 8nlz, Flssigsäure und 
Chinin untersucht. Nach der Güte des Geschmacks sieüten 
alle — die aligesimileii geprüft w-urdeu — «len Zucker au 
dio Spitze, das Chinin an das Ende der Reibe. Hufs itannten 
alle debe lag-lag (gutschmeckend); salzig erklärten sie «gleich 
Balz* oder «wie 3deerwazfier*. Bauer nannten sie als /irab- 
Zirab. was eine saure Frucht bedeutet. Bitter (Chinin) wurde 
mit verschiedenen Pilaiuen vergUcheo. Ein bestimmte* Wort 
für «bitter* lag nicht vor, wie bei vielen Naturvölkern, 
welche es mit «salzig* verwechseln. 

Pas Gefühl, der TastBinu, wurde von Pr. Mc Pougall 
untersucht Pie I>ei den Insulanern geprüften Hautflächen 
crgalieii. dafs ihre Gefühlsunierscheidung doppelt so grofs 
als die eines Knglämlers ist Diese Feinheit das Gefilbls 
wird als «in Rasseumcrknial vom Verfasser betrachtet. In 
giciebur Richtung uniorsucht« nackt gehende Heoitayaks 
zeigten auch weit geringere Gefühlsfeiuhcit als die Murray- 
insulaner, woraus geschluesen werden darf, dafs der Unter- 
schied zwischen Engländern und inBulanern in dieser Be- 
ziehung nicht auf das Tragen von Kleidern bei ersteren 
zurückgefübrt werden darf. SVas Kchmerzeinpünduiig l*etrifft, 
die ja nach der landläufigen Meinung bei Naturvölkern ge- 
ringer als bei Kulturvölkern sein eoll, ho Iwnuizte Mc Pougai! 
zu deren Bestimmung ('attells Algometer. Per Druck wunle 
auf Fingernägel und die Stirn ausgoüM ; es zeigte sich 
dubd, daCs ihre KmprängHchkeit für Schmerz mir halb so 
grofs als die der Engländer war- ln Sarawak in dieser Be- 
ziehung geprüft« Payaks staadeu zwischen beid««n Völkern 
milUm iune. K. Andre«. 



Das Verbreitungszentrum der nordeuropäischen Rasse 

l' (Homo europaeus Linne). 

Von Dr. Ludwig Wilaer. 



Vor mehreren Jahren schon, nnliirsHch eines IJericht* 
ülw»r „Die fteachichp! der nehwedischen Pflanzenwelt** 
(•Svoiiska växivilrlifeus histuria, itf Gunnar Anderason, 
Stockholm lH9ti),' hut Herr Krust Kruusu in dienen 
KlätUtrn (Ikl. 71, Heft 9) die Ansicht nusgeeprochen, diu 
durch genanntes Huch erweckten (iedaiikeu liet*«en o^i 
^nicht gerade als eine Stütze für die Theorie von der 
skandinitvischeii Herkunft der indogermanischen Völker 
und der europäischen Kultur erscheinen“. Auch ich habe 
dioneK durch klare und sachkundige DarsteUnng sich 
au9zeichuendi-, ohne jede V'oreingenommenhett mit der 
vorsichtigen Zurückhuitnug des wahren XaturfurKchers 
geschriebene Werk besprochen (Ceutralblntt f. Anthr<*p. 
Hd. II, Heft 3, 1897), darin aber nicht das mindeste ge- 
funden, was mit der vor 22 Jahren Buer.nt von mir ver- 
kündeten Lehre unvereinbar wäre. Dio Kntwickelungs- 
gescbichte des l^Hiizenwuchses in Schweden rechtfertigt 
in keiner Hinsicht das alte Vorurtidl vom osGiclieu 
Ursprung unseres Volkstnuis und unserer Gesittung, zo 
dafs ich meinen llericht mit den Worten eines französi- 



schen .Vifcertuinsforsehers »chlietsen konnte: „I«e niirage 
oriental doit renoncer desoiTnuis a emprunter des ar- 
gumeiits }i la hotanique.“ Das (ileiche gilt von der 
Tierwelt und nicht minder auch vom Menschen, den 
Herr Krause in einem neuen Aufsatz ,,Kuiiu Skan- 
diuavici] das Stauimiand der IHonden und der 
Indogeruianen sein?“ (Ild.83, Heft 7) in dunVorder- 
grund stellt. 

Kr geht aus von der „krummbeinigen“ Neanderthal- 
rasse, der ich den Namen Homo primigetiius gegeben und 
die währtmd der ältestHUi Steinzeit in Westeuropa gelebt 
hat. So rh'utlich diese Rassii an Haupt und Gliedern die 
Merkmale uincr niodureu Kutwickelungsstufe erkennen 
läfsi, die Ikzeicbming „krummbeinig“ verdient sie doch 
nicht, da nach den GelenkflSchen ihrer |ilunipen Schenkel- 
iiud Schienbeine eine vollständige Streckung, ein ganz 
aufrechter Gang möglich war. Hei dem sehr engen 
Schädel, der nur einem unentwickelten Gehirn Raum bot. 
läfst sich auch von einer „Kultur“ des IJrtmropäerH nicht 
roden. Diu allereinrachBteu und rohestuu Werkzeuge 



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H34 



I>r. Ludwig Wilser: Lau VerhreituuR»itüutrum (lt*r uordeuropü i!‘cben Kafeae. 



aiiR St«in und Itein Uxav» daU er kauiu die 

wnterHte Stufe menschlicher Oenittung betreten hatte, 
dafrt wohl auch seiuu Sprache auf die ersten Anfänge 
hnschrnnkt war. IHefte uralte. wahrHcbeinüch ältest*- 
hekaiuite Monachenra^se bat noch mit wärmeliebenden 
Tieren, wie Klefanten, Kashömern, Flutspfcrden, I^öwen, 
Hyänen, tubammen gelebt und ist mit ihnen ..aus Mittel- 
europa Terschwunden'^, aber nicht „bald nach dem Ende*', 
sondern kurr. nach dem Ik'giuu der Eiszeit, vertilgt, auf- 
gcHogen, verdrängt von einer viel höher stehenden, von 
mir Homo priscus genannten Rasse (race de Cro-Magnon), 
von der Krause nichts erwähnt. Auch derjenige Zweig 
der ureuropaischen Rasse, der, vor der Kälte zurück- 
weichend, über damals bestehende luindbrückou nach 
Afrika aasgewandert ist, hat den Hoden unseres ^Velt- 
teils nicht ohne darin zurückgchliebeue Spuren Terlassen. 
In einer Höhle bei Montoue, mehrere Meter unter der 
IhKlennächu, sind im vorigen Frühjahr (I/Antbropologie, 
XIH. h) zwei Skelette gefunden worden, die entwickelungs- 
geaciiichtlich dem Homo primigenius sehr nahe stehen, 
zugleich aber auch die unverkennbaren Merkmale tief- 
stehender XegerrasBon, insonderheit der .Australier, an 
sich tragen, weshalb ich (Naturw. AS'ochenschr. N. F. II, 
15) für diese bisher noch nicht bekannte Ha-<Kti den 
Namen Homo primigenius var. nigra vorgeschlageu habe. 
Fossile Arten sind älter als lel>cnde, das ist ein leicht 
vursiaudliebes Naturgesetz, und werden gewisse Arten 
in einem Weltteil nur fossil, in einem anderen <lagogi*n 
noch lebend angetroffen, wie z. H. das lleliadotherium 
in Europa, das Okapi in Afrika, so mufs der Fundort 
der Tursteinerten Üh«rhlci!»ael ihru frühere Heimat bc- 
7/pichuen, diu Ausbreitung in der Uicbtuiig ihres heutigen 
WohugebieU erfolgt sein. Iter Schlufs, deu manche 
Forscher aus der angoführteu Thatsacho ziehen wollen, 
der .Mensch sei aus dem Süden, wo heute die niedersten 
NegerrOlker lebe«, in iin.^ere Breiten gekommen, ist daher 
kein folgerichtiger. Woher stammt aber die Hasse der 
Uenntierjäger (Homo priscus), die sich durch ihre be- 
deutend vorl)OSscrieu Werkzeuge und die vielversprechen- 
den Anfänge bildnerischer Kunst, wie durch ihren ge- 
räumigen, wohlgestalteten Schädel als viel höher stehend 
und ungemein bildungsfähig zu erkennen giebt? Ihr 
hoher, kraftvoller Wuchs, ihre hinter der unserigen kaum 
zurQckstebende Schädel- und (rusichisbildting würde <ien 
tiedanken nicht uusHchltelson, sie haho sich im Lauf von 
.Inhrtausendoii und am Kumpf gegen die Nnturgewalten 
aus der uruuro{>äiHchen oniwicktdt; aber es ist in 
unserem Boden noch keine Spur eines Fbergaugs ge- 
ftiiidcu worden. Es bleibt daher nur die Anmihme 
übrig, dafs sie mit einer an die Kälte angoparslen Tier- 
welt, mit dem Mammut und wollhoarigen Nasboni, dem 
Anertrehsen und Höhlcnhäreai aus unbewohnbar gewor- 
denen, jetzt von ewigem Kia oder Meeresfliiten bedeckten 
Gcdnetttn, der sugeuauutun Arklugäa, bis in die Mitte 
unseres Weltteils vorgodrungen ist. Hiose hfichltegaht« 
Rasse darf schon als Tiügeriu einer .Kultur** aufgefafnt 
werden, und zwar der ältesten auf Erden, denn damals 
können um NU und iin Zweistromlaud nur negeräbn- 
liehe, auf der Entwickelungsütafe des Homo primigenius 
-‘tehende .Menschen gelebt haben. „Durch einige ihrer 
.Merkmale die höchste und edelste Stufe nien-*chlicher 
Bildung erreichend“, so hat schon vor 35 Jahren Hroca 
geurteilt, mul .mit erfinderischem Verstand leibliche 
Kruft und «lie (iewohnheiten des Kriegers und .Jägers“ 
vereioigeiid, konnte sie unmöglich „ohne iU>ergutig'' ver- 
schwinden, konnte die von ihr entzündete „Facktd der 
Kunst“ nicht mehr erlöschen, um so weniger, als weitent 
NaeliMjhrtbe einer höher stehenden Rasse ausgeschlossou 
waren. In der llmt hat sic die Ki«>zeit überdauert und 



die Keime ineiischlichor Gesittung zu immer Nchmioror 
Blüte entfaltet; ihr Blut lebt fort in deu Kulturvölkern 
der Neuzeit. 

Nach dem .Abschiuulzen dua Inlandeises blieb aticli 
.Skandinavien, das damals noch durch eine feste Land- 
hrücke mit Jütland zusauiuienhiog (die tlstsec enthielt 
süfses Wasser und bildete den sogenannten „.Ancylua- 
soe“), keine Wüste; auf den von den zurückweichetuieii 
Gletsfcbern liinterlaHsenen Sümpfen und Moränen »iwlelttn» 
sich Flechten und Moose, spät4>r auch, ein hudenstandigee 
Gestrüpp bildend, Zwergbirken, Borgwoiden, Wacholder, 
Beerensträucher an, deren Üherbleibsel m den unterstem 
Schichten der dänischen und südschwediwhen Torfmoore 
zu finden sind. Diesu Flora entspricht den Isibcua- 
hetlinguugen des Reuntiers, dem es in Westeurojia zu 
wann geworden war und das sich, dem weichenden Ktse 
folgend, langsam nach Norden zurOckzog. Die in den 
skandinavischen .Mooren gefundenen Renntierknwhen ge- 
hören aber uacb der .Ansicht der i’aiaoutoiogiin der foa- 
sUeii, nicht der heute in Iiappland lebenden Rasse am. 
Wir inässen also nnnuhmen, dsfs das Itenniier nach d<rr 
Eiszeit in Europa ausgesiorhcn und erst später wieder 
von Osten her nach Nurdskaudinavion cingewandert int. 
Wie haute für den Bcrglappen, so war auch gegen da» 
Eiulü der Eiszeit für den üreui-opäcr das Renntier fast 
die einzige Nahrungsquelle und lieferte ihm aiifserdeiu 
Kleidung, Waffen und Werkzeuge. Kr mufste daher, 
wie de Quatrefages sich ausdrückt, „se tenir toiijours 
ä la portee du renne“ und der Nordwandenmg dieses 
Tieres sich anschliefsen; UDZweifulkufte Erzeugnisse der 
Menschenhand, Äxte aus Uennticrhoni, die in den unter- 
sten Schichten der dänischen Moore gefunden worden 
sind, Zeigen denn auch, dafs Mensch und Renntier zugleich 
auf der kimbrischen Haibingel angelaiigt sind. 

Ül)«r den Zwergbirken und Weiden liegen in den 
Mooren I^gföbren, daun hochstämmige Kiefern. Auch 
diese Schicht euthält unzweideutige Spurendes Menschen: 
aus einem Stemm hat Stoenatru p mit eigener Hand 
ein Steinbeil gezogen, andere sind anscheinend mit Hülfe 
des Feuers gefällt Auerochsenkiiorhen mit eingcheilteu 
Feuerateinspiizen geben Kunde von dem Jägcricbeii der 
damaligen Bewohner. Wie diu in Muschelhaufcn (Kjök- 
kenmöildinger) der OsUooküsto gufundenen Auerhabn- 
knochen beweiseu, hal)cu sich diese Küchenabfälle noch 
in der Kiefernzeit auzubäufen begonnen; damals luuts 
auch der Durchbruch des Weltmeers in die Ostsee schon 
vollendet geweaen hein, denn die Auster, deren Schalen 
den Haupt hesten<lteil jener Abfallhaufen bilden, gedeiht 
nur im Saizwasser. Dafs Mecklenburg erst in der Bronze- 
zeit, wie Krause meint, den Zusammenhang mit Skan- 
dinavien verloren hal>un und „ein deoteches Land“ ge- 
worden sein soll, ist ein zwiefaclier .Anachronismus : schon 
währeinl der nllererBten Anfänge der ntirdischen Stein- 
zeit ergofs sich durch Sund und Belt die warme SaltSut 
des Golfstromes. und von „Deutschland“ kann man df>ch 
erst nach der Teilung des von Karl dem Grofwi ge- 
gründeten Reiches sprechen. Während der Zeit der 
Kjökkenmöddinger hat, wie aus den Küstenfundcii her- 
Torgoht, iler Mensch auch iiu südlichen Scbwmien und 
Norwegen Fufs gefatst, aber nicht als „Trägi«r einer 
neolithischen Kultur“, »omlern noch auf der von Baron 
von Knrck „mesolithisch“ gcnaimteu (tbergangsstufe 
der älteren zur neueren Steinzeit stehend. Sein Alter 
auf der skandinavischen Halbinsel wird von Andersson 
auf 7000, von Kkhnlm und BrÖgger, wohl der Wahr- 
heit näher kommeml , auf 0000 Jahre geschätzt. In 
einem .\ufsntz üWr das Hogeminnte „t'nmpinten“ ((tlohua 
Bll. H3, ib'ft 9) sagt Hoernes unter anderem: „Es Bt 
bisher U(K:h keinem vernünftigen .Menschen ctagefaUeQ, 



T>r. Liidwiir Wilaur: I>&5 Vnrliraitnnijsxutitrum der nordRnrnpÄiaohen Kasno. 



ilie Kylkkemm'iddingeratufp. d. h. eben da» ('am})ini*‘n 
DAuetuarks, *«r Stammform wler iiotweiidi^an VorauK- 
üetzung <ler Knlturatufo der riordiKchon Stoinkamnior* 
^räber xu Mt€iu{icln. NieniaiHl iat auf den abatinleu ; 
Gedanken Terfallen, diono liuiie Kultur au.« jener, im ' 
Land« selbst, mtAbbiingig von aul)»«rt*n Kinnfl^Hen und ' 
einum anderen l{ev6lkeruug>eli‘U)etitu aieb entwickeln j 
zu luMten.'* ItnH iat ein Irrtum; gerade zwei von lloor* 
uea' LaiidMleuteii, Penka und Much. Iiaben di«»en ^ab* ; 
aurdi'U (teflanken** mit aller KntKrhiedeiiheit auf Grund 1 
der nordteeben Steiiizeitfunde vertreten, und auch ich j 
mufü, auf di« Gefahr hin, von Uoernea nicht zu den | 
«vernänftigeii Meiiitchen'^ gerechnet SU werden, iK'keiinen, | 
daf» ich ateta die Kinwaiiderung neuer Vfilker und die 
Kiufdhrung einer fremden Kultur In Skandinavien für | 
iiiivereiiibAr mit den Thataachen erkliirt habe, Ifneriipa J 
giebt ja selbst zu, dafa die jüngeren Schichten der Mnachel- j 
häufen „in die Zeit der SteinkammergrälHT, der Haiia* I 
tiere «utl polierten Werkzeuge hinubergreifen“ ; wenn 
er trotzdem den aWeatenropiliachen l'raprung der ueo* 
lithiachei) Kultur“ leugnet, ko i^t die» eben daa „Trug- 
bild des Oatena“ in Stein. Kür dieacH feind al>er au« der 
ArebSolügio nicht mehr Beweiagründe beizubringen al« ! 
ana der Butamk oder irgend einer anderen Wisaensrhaft. j 
Der breite Auabreitungsgürtul, an de««en äufaemn Rande ] 
die Steingeräte immer fe|>drHcher und «Ifirfiiger wenlen, 
während nur in <ler .>Iitte die Steinkultur sieh nach 
M iicha Ausdruck zu ihrer „klaasiaclu'u Selionbeit und 
l-'üllti“ entfaltet, lahsen keinen Zweifel über das feknn- 
rlinavifecbo Verbroitungazuutrmii derselben; ein ainierv« 
nufzufindeu. ist bis jetzt nicht gelungen und winl niemals 
gelingen. 

Alle« deutet also darauf hin» daf« der Mtsnaeh von 
Westen her, über die däniaehen Inseln, uiii der damals 
in Kuropa lebenden Fauna und Flora nach Skandina- 
vien gekommen Ui, und zwar vermutlich noch in der 
Kiefurnzeit, vor mindeatena KtUOO Jahren, ehe steh unter 
dem Kinflulfe des warmen (»olfstntros di« Kichenwälder 
im Norden aiiszubreiten begonnen halten. „IHe l'r- 
skandinavier“, meint K ra ii h«, „luäaaen schon als Kuropäer 
im anthropologischen Sinne fHoutu europae.ufe) in ihre 
Wohnaitxe eingezugen «ein.“ ln der Renntierzeit hat i 
aber in We«teuro]>a nicht Homo euro|Hieua, fumilern | 
dessen Stanimrasfee, Homo priscus, gelebt, und die Allo- 
«ten im Norden gefundenen Überbleibsel de» Menschen 
stimmen um meisten mit dieaer alten lUase Aberein. bei 
der sich wahrscheinlich schon die Karltcnbloichnng vor- 
bereiUd hatte. Die uigcutliche Aiifebiiduug, KeiozAcbtuug 
und erbliche ilufcKtigung dieaea die nordisclie Rafes« 
kennzeichnenden .Merkmal« ist alter sicher erst auf der 
meerunischlungeneii, durch uatürlichH S-hraiiken vor 
Kinwandeningen um! Blutinisclmiigen geachQtzten Halb* 
iuH«! erfolgt. Der hohe Wuchs blieb der gleicbc, ebenso 
diu längliche Gestalt und die (ieräuniigkeit des Sobädcl«', 
nur die tieHicblsbildting verfeinerte sich etwas mit der 
fortschreitenden (tesittung. Sr> wurtle aus Homo pris- 
cus dio Ua«a« der europäischen Knlturvrdker, Homo 
miropacu« Idnne. Wie aua den wertvollen, fOr di« Völ- 
kerkunde hochwichtigen, von Betziua und Fürst her- 
ausgegidienen Werken „(Vania suecica nnthpin“ und „Au- 
thro)>ulugia suueica“ hervorgeht, hat «ich in Schweden die 
Rasie Seit den Alti>ateo Zeiten meiiacblicher HeaitMlelung 
kaum verAndert, ein« erheblich« Kinwandening nicmalH 
fetattgefund«*u. im „nordwestlichen AfrikA“ kann sich, 



:t3fi 



wie Hchon AUseinanderg^'setxt, die Stammrasse der m>rd- 
euro|*aiachen nicht gebiiflet haben: <l«r ganze Zug des 
Ijubens hat umgekehrte Itichtung* 

Auch hier mufs ich mich wieder dagegen verwahren, 
dutn undiie Lelm* von der akandiimviachen .^batannming 
der Arier (aler Indugurinanen vioe „Hy{»otb«se“ geimiint 
wird. Schon von Anfang nn war ai« durch ein« Reihe 
-Hchwerwiegeiider und nie widerlegter Gründe gestutzt, 
die sich allerdings von Jahr zu Jahr noch ganz «rheblicli 
verniehrt haben. Wenn ein« „Hypothese“ ein (iedaiike 
ist, den uiati zwar noch nicht beweisen kann, der alier 
doch eine gewisse Wahrschuinlichkeit für «ich hat, so 
venlieiit der folgende Kraiisoscb« Satz nicht einmal 
diesen Namen: „Vielleicht existierte irgendwann in n«c>- 
lithisrher Zeit im euro|>Ai«cb'asiutifei'hen (irenzg<*biet« 
ein solches Reich, in welchem <U« Herren reine oiler 
wenig gemischt« SkiimlinAvier, die ( ntiTthanen mit skan- 
dinavischem HluU: durchsetzte Ahkonunling« von dtinkel- 
Imarigeu Kurzköpfeu waren, und di« Sprache dieses 
Reiclicfe, zu der die Untertlmneu das meist« beitrugen, 
war das lirimbfgermauifeche, welches sich dann rückwärts 
auch in die Heimat der Herrcugescblechter verbreitete.“ 
Diene nebelhafte, mit naturwbseiischafUichen, gescbicht- 
liclieii, sprachlichen und arcliäolngischnn Thatsachen nn- 
veruinbiiru Vorstellung ist alle«, was Kran«« an Stelle 
meiner bis ins einzelne diirchgefülirten und begrün<leten 
I,ehre xu setzen hat. Wie man fechreilH5u kann; „In ge- 
schichtlicher Zeit halH-n reine Germanen ihre Spruch« 
den unterworfenen Völkern nie aufgezwungen“, ist mir 
unverständlich. Kiigland, di« Niederlande, ganz Süd- 
deutHchland waren doch vor der gennanischen Kroberting 
Von keltisch redenden, teilweise sogar ronmnisierieti 
Völkern bewohnt, und das von den gotischen und 
schwäbischen StAinmen verlasHcito Land östlich der 
F.lbc wmtle fe|iÄter in langem, heifKcm Kampfe und müh- 
samer Kulturarbeit, wieder dentach gemacht. DuL 
„.Mischling« d«s Homo «nropaeus das Zeug dazu haben, 
anderen Völkern ihre Sprache aufzuzwingeii“, lehrt um* 
freilich „die Geschichte <les I.«ateinischen, Kiigliachen und 
Russischen“, aber diu treiltendc Kraft in diesen Völkern 
war und ist das Blut der nordischen Rasse. Der Zn- 
Kummenbmeh de« gewaltigen, festgefügten Rt^merreicha 
zeigt besser als alles andere, dafs es einzig und allein 
die Rasse der Bttvölkerung ist, diu den Staat stark und 
mächtig roHclit. 

Durch die grolse schwedische Volkstintersuchnng der 
letzten Jahre ist das Verbreituugszentrum der lang- 
köpfigeii. hellfarhigen, hoehgewaebsrnen Russe unzweifel- 
hnft fostgestellt. IH« AuswHuderinig aller (ierninnen, 
d«r letzten rassereinen .\ri«r, aus diesem Lande ist aWr, 
wie icli iin einzelnen nachgt'wiRsen habe, ein« geschieht- 
liehe Tbatsach« und bildet den wertvollsten, leider aus 
Vorurteil noch oft übttrsehenen «der absichtlich ver- 
schwiegenen Inhalt der Monmueiita Genuaniae. Mit den 
Gernianeij alH*r hiingen die andertm «prachverwaiidteii 
Völker so innig zusammen, dtifs x. B. einige Vidker, 
Kimbern, Teutonen, Ambroneii, elamso gut .Germanen“ 
wie „Kelten“ genannt wenlen können. Dies« wohiiti'n 
aller zur Zeit des Seefahrers Pyth«as noch in Dänemark, 
also in nnmitti'ibarer Nuchlmmchuft der Urheimat. 

Herr Kraus« hat so wenig wie all« meine sonstigen 
Gegner einen stichhaltigen Grund gegen meine I.ehre 
vorzubringtm vermocht. 



r 

DiQitiZSG tjy' 




II- «^tttiinerer: KoiiHtniithiopei unter Siiltun SolimHU >lem nrotiten. 



3Sti 



KonsUntinopel aat«r Saltan Siilünan dem Grofsen’). 

Kitt kunütleriiinli uihI wiiuK>n»chaftlich IwMicaUMides Werk, 
würtliir ilr** er)iAl)6neik Nnim'ii«, drin «r« <;ewidnie( i«, hat 
l’ruf«<iw>r Olterhumnier. drr dui'cli Art»rit«n nuf «lern 

tirbirto d*?r ItiKUiriHchrn (»r‘*ffriiphie bervorrajr«‘iidr Müurhcnrr 
Grlehrtr, im Verein mit den rratvn Kim«tAiifltAhei> Mniiohviiii 
kürzlich ht‘rau«](rjfi.’))e» ; mit (‘ittersiutzuiii; Knioer Wilhrlmü 11. 
Iet;t rr uuK die Arbeit oine> drut5chpn Küittilers des 16. Jahr* 
hunderte vor. 

l*nter dem Hchulze des Kaiserlichen iiesaudtrn am Hofe 
Solimans d«i (trorneii, U(;ier Uhisrlin de iliisbeci), hat 
Melchior Lorichs, als Kupfarsterher und Holzw'hneiiler 
««•inen Zeitgenusaeu rühmlich Itekannt, in langer, mühevidler 
Arlwit vom 1‘fer zu Oalata aus eine AufiiHhme der türki- 
Mchen HauptiUadr von der Kinrahrt «le« Bosporus bi« zum 
Kiide de« goldenen HoriiH hergeslelU. Hekhe «uwuhl aU 
Kun«tnerk wie als hislori«rhe!< Denkmal einzig in ihrer Art 
«ein dürfte. i'Wr ileti auch in der (ieKcliicliiu der Knlkuiide 
und AUorLumsuissenarhuft licrübmten 0«*«aml(6n Bu«1h*C 4| 
lind M>inen Keimd>egloiter Hans Drrnschaam, d. h. mImt ihre 
Tagehiicher und Briefe, hat der Hchreilx»r die«?r Zeilen schon 
im Jnhrv ausführlichen Bericht erstattet. (Kine llei«e 

nach Aiuusta im Jahre 1555. l’rognimm des K. (iynuiasiums 
l<udaig«hufeii am Hhein.) Die Bilder Busliecks und Sidi- 
man« sowie des Künstlers seihst arhrnücken von der Hand 
Isirirhs die wertvolle historiarhe Kinleitung <MH*rhummei‘s. 
Auf eiuem Stn.'ifen von iii Lange und fa«t ‘/,in Hohe 
wurde das Bild der Btudt am (loldeuen Horn in kiitistleriw'ber 
Federzeichnung mit stellenweise aufgesetzten FarbenUmen 
80 »orgfAltig ausgeführt, «iafs ein genauer Vergleich tler 
architektonischen Kinzelhoiten mit dem gegenwürligeu Zustand 
ermöglicht und selbst die Bauart und Ausrüstung der auf 
dem BuB|M>rus zu jener Zeit verkehrenden Schiffu erkennlvir 
ist. Kecht l>elehrend wirkt ein Verglaich mit dem jetzigen 
KonstantinojHd , usnu man beispielsweise das l'anurama der 
Htiidt Vom Oalainturm mlerden historiw'hen 1‘lan von Byzanz 
tu Meyers Kuiseführer der Türkei II902, S. I«2 und iitSj*) 
iianeben baiu Tafel 11 stellt den Künstler selbst dar, wie 
ur Von Oalata aus das ihm nch gegenölier auftürmende 
Stambul zeichnet. Die Zeichnung war schon frühzeitig in 
die Bibliothek zu I>eideu gelangt. al«r durch zufälliges Mifs- 
getchick zwei Jahrhunderte lang verschollen und erst vor 
wenigen Jahrzehnten wieder zum Vorschein gekomaien, olm« 
jedoch in weiteren Kreisen bekannt zu wurde». Dank der 
Bibiiothekverwaltung zu Iisrlden. welche für die Krhaltuiig 
des schon von Zorst»>rung bedixihUm Werkes ihr Bestes thal, 
war cs mügtich, das Original in München durch die Kunst* 
austalt von J. B. Dbernctter unter Verkleinerung auf ' , der 
natürlichen Grüfse in Lichtdruck zu vervielfältigen. Trotz 
uiirserordentlicher technischer Schwierigkeiten i«t die WifMler* 
gäbe vurzügtich gelungen . ebenso bei dem büchst merfc- 
wünligeu türkischen Stadlplan des 17. Jahrhiinderta Tafel 22, 
der nach Muer türkischen Hiuidschrifi der Königlichen 
Bibliothek zu Berlin zum erstenniiil veröffentlicht und deni 
Keeatlas von Hadschi Mehemet Bin Kais, einem der beriihm* 
testen türkischen Seeheldeii, entnommen i«l. Obwohl schon 
der einfache Lichtdruck der Blatter alle Kinzelheitcn klar 
erkumien läfst, wurden doch in einem kleinen Teil der Auf* 
läge die da« Bild beh lamden und hewmders in dem tiirkischen 
Blau sehr wirksamen Fnrlwn des Originals in ilandkolorit 
aufgesetzt und diese wenigen Kzemplaie auch durch lx*son- 
dero Ausstattung (und dojipeltuii Brois) ausg«vzeirhnet. 

Der trotz seiner Knappheit allseitig unlernchteinle Text 
von 24 Seiten in Orofsfoli»» handelt im ursU'ii Teile von dem 
Ijclien und dun Werken dus Künstlers und entlnilt, wie whon 
erwähnt, einige vorzügliche UepnHluktiomm, meist nach aus- 
gewahlteu Stichen d«>s Königlichen Kiipfershchkabineit.« in 
.München. Hier ist vielleicht der Ort, iler ganz an«g«:zeich* 
iieten Verdeutschung der Oesandtschafisbriefi* Biisliecks. Nnrii 
licrg, M. J. F. Kiidter 1UA4, zu gethmken, weil sie nutien «ehr 
werividleu AnmerkHUgen fine gunre Jleihe origineller zeit- 
genöfsischer Bilder, Bortrüis, Kosiütnstmlien, Karten und 
l'län« cDthälr, die mit Wiihrscheiiiliehkeit bl« in «lio iMchste 
ruigebiing Ixirichs zurück- und binaufgeführt wc-rvlen können. 
Vi«*lleicht ist es mir tiuiglich , oiiiigo dersollien bei meiner 

‘) Kenstantinopcl unter Sultan Soli m.in iJcni<irof*cn, 
aufi^euoniiDeii iai Jahre lA&il «Itirth Melchior I.erichs um* 
l'lcnsbur;{, iiiich der Huaizelchuung •!•■« Künstler« in der ritivcrsi* 
liilRl.ihllolhek zu Leiden, mit iin-lereo allru l’läuen berausy'egcben 
uud erläutert von Kugen Oherhummer, Brefe'>M>r der (•eogr.»|iIüe 
an der (liiivrr*itat 31üni'hen. Mit 22 Tafeln in LirhtdrucL uti<l 
17 Teitbildera, Mütn-heii, K. Oldeitbourg, I’rei» 3U Mk. 

') Oder da« photographisi he Leporellualhuut von B. Ber^kfreu iu 
Konst :iDtin«(>eL 



NnuliMrausgalM* der «Vier Seiids«-hrei)>en der Türkischen lK>t- 
»chaft Augerii (iialenii von Buststck* iiu Juhrbuefae der 
MünchemT Orl**ntali«clien Ocscllachaft mit zu vorifTent- 
lichen. Der Text dit?«er originolleti deutschen l'benetzimg 
hAltc müglichnrweisc auch in die Aufhellung der oft acbwic- 
rigmi lopograpliischcu und historischen Ik-murkungcu und 
Bei.schhften de« IxiriclLsplaiies Licht gtdiracht, wenn schim es 
dem llerau«gelM>r mit iM^wundorungswürdigem Scharfaintt 
meist gelungen ist, die krausen uud verhlarstcn Bruchstücke 
der Schrift Lorichs' zu entziffern. Diese Legenden des Ori- 
ginals simi in ati.«prechender KehwabHcher Schrift winler* 
gegebmi. Jene Anmerkungen OlMjrhumiMcrs zu den 21 l'nfelti 
«nthalten einen grofsen to|H>graphischen und Uistonsehen 
Wert und stellen sieh wünllg Meinen Untersnehungun uf>er 
die Topographie von Byzanz und Koti«tantinop»d in Bauly* 
Wissr^wn» Keaieozyklop.tdic der klasaisvhun Bbihdogte zur Seite. 
Sie erinnern in vieler Beziehung nu ähnliche verdieustvolh* 
Arlieitcn de« verew igten Wiener Ooographen Tomaachek. Ich 
werde vielleicht di« (lelcgonheit wahmehmeii . auf einzeln« 
I..c.«uiig(''n und laivarten in meiner künftigen Bus)i«*ckau«gabe 
ziirrickzuktMinneii. Freilich lag dem Herauszober das dop|ielt 
grofsere Uriginn! mit deutlichorer Schrift vor. 

Wichtig ist die IiiMchrift d<*s Künstler« auf Tafel 11 .da« 
ortt zu Gallatio oder Bera, da ich Melcliior l.orich« die Statt 
am meisten «aler den meisten thei! der Statt gukonterfeit hat« 
.\niio Die Prnfung der lA*g»*nden in der Zeichnung 

Von Lorichs halte gezeigt, dafs sie zum Teil utimiUelhwr au« 
•len dHiiial« im rmlnuf IwOudtichen i‘iüucu veneziauiMchrn 
(’r.«prtings entnommen sind. Da ditiae Bläno auch sonst be* 
inurkenswerto Ycrgleichspunkto darliuten, hat der Heraus 
gebar iu dankenswerter Weise einen kurzen l'berhlick über 
•iie vorhandenen Blkne und Ansichten von KoiisUintinopel 
AU« ülierer Zoll gegeWn und nicht weniger als ü davon iu 
Keproiluktion zum AWrnck gebracht, rnter den Münz- 
bildern des alten By/anz ist die hUuflg wieilerkehrende Mond- 
sichel mit Steni «in Symbol, das mit dem türkischen Halte 
moud in Beziehung gebracht wunle. Ihigegcu spricht der 
Vinslaiid. dafs sich dietu's Siunbild auf den Münzen des 
mittelalterlichen Byzanz bisher nicht Itai uachweiwn la»eii 
und dafs ein« historisch L'Ut Iwgründeto Anschauung den 
IlHlbmond als türkisch«* Feldzeichen bis in das 9. Jahr- 
hundert nach L'ciitraiasien verfolgt. Dagvgern besitzen wir 
ein h'ichst wartvoBaa, bis auf das Jahr 1420 zarückfübrendoa 
Denkmal in dem Blau des (.Tiristoph Buoiidelinonti, dessen 
beriihnit« Bc'M'hreibung des Archipels nach der uiizuläng- 
liclian AusgaK* Sinner« (1»24) neuerdings mit griechisrhem 
Text. ÜlwrseUimg und Karlen von Ie*grand (1697) heraus* 
gegeben wurde. Kine neue uud deutlichere photographische 
Aufnahme bat das , Bibliographische lustituf* in I<ei(izig für 
muine türkische Geschichte in llelinoits Weltgeschichte llkl. 5) 
heratellun lassen; doch eignete sich diese nicht zur unmiUol- 
baren Vervielfältigung uud tnufste unigozeichnet werden. Die 
Nachzeichnung hat Bn>fesK>r K. Oberhuminer selbst in Bari« 
mit der Handschrift verglichen und di« Legenden nach dem 
Original berichtigt, worauf von der Verlagsanstalt der .\b- 
druck hergeatollt und dem Herausgeber eiwmso uberlassen 
wurde wie der ebenfalls für meine türkische Geschichte von 
mir gewählt« Plan des Vava.«sore- Gauz unabhängig von 
allen »eincu V«>rläiiferii tritt uns dieser zu Kndc d«s 15. Jahr- 
hunderts nis «iu neuer Typus von |>erst>ektivischeii BUnvn 
entgegun, der wahmcheiulich in Venedig »einen Ursprung 
hat Und bis zur Kotstohung der ernten geometriiKhcti BIän« 
iui 16. Jahrhundert das Kartenbild von KoiisUntiuopel be- 
herrscht. VavBssor« ist als Buchdrucker und Holzschneider 
in Venedig zwischen LSOo und 1550 liekannt: diveh wird der 
Plan von Kon<<tantjno|>e], der im germanischen Museum von 
Nümlierg sich licündat, sonst nicht erwähnt. Dafs Melchior 
l»richs diesen oder eiiieu ganz ^äLnliclo'n Plan benutzt hat. 
erhellt aus der oft wörtlichen ClH'mahtne der Ijcgcndeu und 
liesonders aus dem Titel Byzantium siv« Uonstantineo|aJis, 
welcher sich mit der gleichen ••rthographi»cheD Eigentüm- 
lichkeit l>ei leiriclis auf Blatt 2 wiederdndet Weiter Huden 
sich auch zwei Bilder derKlaili ausllarhnaun Sebud*'!» Chronik 
1493, der 1Iip|MKlrom um 1450 und «in Venezianischer Blnn 
aus der Zeit um 1574 durch den Hernui^f>«r wiedargegeben. 
ein Plan, der liereiU von M<«r<Uinann (1(^9) herau«g«gei<*m 
Worden ist; diK'h giebt auch dioser noch das architektonisch« 
Stadtbild unter Sultan Mohamed II. dem Krcd>er«r wieder. 
Der ülxirgang von der Aufnahme aus der Vi^eUchau zum 
geometrischen Grundrisse, zu dem übrigens auch schon der 
kapitojinisehe Stadtplan von Horn gehört , vollzieht rieh 
gleiciizuitig mit dem Kraatz der bildlh'hen tlris* und Gebirgs- 
zeicbmiiig durch kunveiitiotiel|i;> Signaturen auf deti Land- 
karten und wird für Kons1.Bn(inop«l eingeleitct dun'h die 
Karten von •!. B. llohmanu in Nürnl>«rg swil etwa 172u uud 
den Blnn des uiigari«i’h>*ii llauptinatin« J. B. v. Beben 1764, 




Huuhersebsu. 



357 



dem (Ihuu hnld die wciwnfHch vnl)ki>mmenen} Aufnahme 
de« Itigeoicun F. Kaaffer 1776 fol^e. Kine neue Urundlat^e 
lieferte bekanntlich U. v. Moltke durch feine 1836^-37 im 
Aufiraipre dea Bultanf Mahmud II. auf^enommene aKai*te von 
Konftantinopel'* (lH4‘i) sowie C. Htul|>e (1855 bis 1863) durch 
die an KiDzalheiten reichen IMäne von Btambul (i : lOOoO) 
und Knuatantinopet mit deit VorsiAdten (1:15U00). I>eni 
Bcdiirfnisae nach einer hcaoudereii ]>aryte)lun;r für praktische 
und wisecuschaftlicho Zweche kOnnou freilich auch diese 
CliersichUplAue bei ihrem kleioeu Mafsstabe nicht genüifeu; 
ein neuer, aus;;eführter H|>eziHlplau (l: K'OO) von 

der Hand meines Freundes uud Landsmannes, des t'hefs des I 



syriw'hen Strafaeii- und Hruckenl>aiiHmta, Olierstlciitnants 
K. Huber in Beirut, harrt leider noch der VcrölfeDtlichuit^; 
wir müssen uns einst« eilon damit bc^'niigeu. dafs tlerae)b>- 
in verkleinertem Format in BHdeUurs demnächst erscheinen- 
dem „K<mataiitino|Mjl* aufgetiuimnen wenlen wird. Die Auspi- 
zien für eine top<>t;rapbische Aufunhme der Weltstadt ani 
O'ddeuen Horn sind zur Zeit auch nicht ({üiistiK i;enuu. 
Möge das schöne I'rachlwerk il. Uberhuinmers der Bohlnssel 
werden, dun.'h den die Hohe Pfurt« sich einem zeitgemärsen 
Vntemvhinon öffnen möge, würdig Melchior lioricha' und des 
grufseu Hultans Sdiman! 

I 11. Zininterer. 



Bflcherschau. 



Frfderick A. (’ookx Die erste Hhdpolarnacht lBiü8 
bis 1899. Bericht über die F.nUleckungsreise «ler .Bol- 
gica* ln der Blidpolarmgion. Mit eiuem Anhänge: über- 
blick über die wiaseinschaftlichen Krgchnisec. l>eutech 
von l'rof. I>r. Anton Weber. XXIV u. 415 8. Mit 
zahlreichen Abbildungen und zwei Karten. Kempten, 
Joe. Köselsche Buchhandlung, 1903. Preis geh. 11, 5u Mk. 
Bei dem Interesse, mit dem man heute in Deutschland 
die Bi’id(iolarfor»chung begleitet und angesichts der lliat- 
«ache, dafs «ir selber jetzt eine Kxi>ediiii>a draursen hnl»eu, 
war e« ein glücklicher Gedanke und ein verdienstliche^ 
Untemchmeu. eins der Iwiden Ueiseworkc, die die erste nur 
derne 8üdp<dHrezpedition behandeln, in einer deutschen Aus- 
gabe unserem Publikum zugänglich zu machen. Die bel- 
gische Kxpeditiuu war. wenn an äufseren Erfolgen auch 
nicht reich, die erste, die in der Antarktis einen volleu 
Winter zugebracht hat, und ilaruni sind ihre Hetibnchtungeu 
während einer ISmnmitigen Drift im BüdjKdareise für die 
folgenden Untemehmungen von basonderem Werl gew«-dien. 
D41S Keisewerk des I,«iiers dar Kx}>«dilion, des I^utnanis 
deGcrlachc, orschien ent vor Jahresfrist; älter ist das Buch 
de« Arztes und Aiithro|>ol<>gen der Kzjiodition, de* Ameri- 
kaners Dr. C<Hik, .Tbrough the Hiwt Autarctic Night", das 
horeiu vor 2'/t Jahren Iwi lleiueniann in lüonduu heraus- 
kam, und da.« für die deutsche AusgaI>o gewählt wurden iat. 
Die C’ber*«tzuiig des interessanten Werkes durch Prof. Weber 
ist lolieuswert, und ebeusi» anerkenneaswert ist, dafs man 
das Original völlig ungekürzt geiaK.ten und dessen reichen 
Hchmurk au prächtigen Abbildungen in die deutsche Aus- 
gabe mit ültemiimmen hat Ja sogar der Kiuband ist 
dem Original konform, und die einzige — vorteilhafte — 
Abweichung besteht nur darin, dafs die dürftige Karb* der 
engli«chen Ausgal>e durch die Itesaere offizielle Karte Le- 
coiubf ors«‘tzl wt>rileii ist; ferner ist ein Ubersicht*h!utt mit 
den Keiwrwegen der Expedition hinzugekonimi-u. In «einer 
Einleitung hätte der Übersetzer vielleicht darauf hinweiscu 
können, dafs die Priorität der Kntduckung der Bclgi('astrar>e 
nicht der belgischen Exi>ediiiou, sondern dem Hamburger 
Kapitän Dallmann gebührt, der jenen Sund 1874 Bismarck* 
Htrafse benannt batte. Auf Verlauf und Ergebnisse der Expe- 
dition zurückzukommen, erscheint an dier-er Btell« üWrrlüssig; 
es ist davon «eiuerzeit wiederholt die Ueüe gewesen. Hc^ffent- 
lich Ündet das schtüiv Buch recht viele Leser hier zu liande, 
tm Interi‘H«e der dQUtm.^buu Hüd|Mdarforschung uud ihres 
Fortgangs«! 11. Singer. 

Prof« Dr« B« HcliWAlbfX Grundrifs der Mineralogie 
und Geologie, zum Gebrauch beim Fnterncbt an höhe- 
ren Ijebranstalten , sowie zum Helbatunterricbt. Unter 
Mitwirkung von PrivatdozoDt Dr. K. Behw'albe beendet 
und herausgegeben von lh\>f. Dr. H. Bbttger. 765 8-, 
mit 418 Abbildungen uud neun Tafelu. Bmunschweig, 
Friedr. Vieweg A B4>hn, 190.H. Preis geh. 12 Mk., geh. 
13,50 Mk. 

r^r vorliegende starke Band bildet die 23. Auflage des 
die Minemlogie und Geologie Itehandelnden Teiles von Bchöd- 
lers Buch der Natur und enthält neben den speziell minera- 
logischen Abteilungen, die aber auch für den Geographen 
manches Interessante und, wie die petre^raphisebon Teile, für 
die jüngeren derselben eine gute Einführung bieten, der 
Hauptsache nach die etwas kürzer abgehaudelte historische 
niid die breit angelegte dynamische Geologie. I«etztere nimmt 
den gröfaten Teil des ganzeu Bandes in Anspruch- Dm 
W erk ist überall eluuientar uud leicht verständlich gehalien, 
und bei jeder Einfühning von Kachausdrücken, die iibstdut 
nicht gemieden wenlen können, ist besonderer Werl darauf 
gelegt, dieselben in jeder Hinsicht zu erklären und dadurch 



dem l.eser näher zu bringen. Wie in den früheren Auflagen 
ist auch hier auf die Verknüpfung der einzoluen Disziplinen 
der Naturwissenschaft die weilMtgehcnde Hücksicht genommen, 
ein Vorzug, der schon früher dem BchiHllerschen Bnch der 
Natur viele Freunde erworben hat. Aufsenlem sind überall 
die neueren Ansichten in der Wissenschaft aufgettmnmen 
und vertreten, und wenn danelten einzelne kleine Fehler 
stehen geblieben oder Versehen vorgekoimncn *ind, so dürfte 
dies schon bei dem grrrfsen Umfang wenig wunder uehnieu, 
aufserdetn «Vier auch dadurch erklärt und entschuldigt wor- 
den können, daf« durch die Verhältnisse melircrc Verfassor 
dat Werk zu beart*eiten gezwungen waren. Von diesen Ver- 
sehen mögen als einige, die uns aufgcfallen sind, die Wider- 
sprüche erwähnt werden, die bei der Beschreibung der ältesten 
geologischen Furmationsgruppen in deren Nomenklatur auf- 
treten (Gebrauch der Namen laiireiitisck, huronisi'h: Karl«tn 
-t- Perm ~ Dyaa ; das sonst genannte <’amhriuin fehlt B.9ni). 
Auf Karte 8. 2<)ö ist, augenscheinlich durch Ver«ol«m, der 
gröfste Teil des rheinischen Bcblefcrgchirgcj» als Bilur und 
nur kleine Gebiete im l«3thuthal, auf der Eifel und am 
Kordrand de« Bauerlaudea sind als Devon bezeieUuvt. 8. 105 
und 45'» wird immer auch als Gestein für Folwninccr und 
Hieaensäule im Odenwald Byenit angegeben. 8. 316 ist ge- 
sagt, dafs in nlnnerafrika entschiedene Bpuren vou vulkani- 
scher Tbätigkcit gefunden wurden", eine im Hinblick auf 
die Kirungavulkane (die nicht erwähnt sind) etwas eigen- 
tümlieho AusdrucksweLse. 8. 423 wird angegetwn. die ganze 
Gegend um Bas'-uulo im Nordapenniii »ei vulkanischer Natur, 
während d%s gerade Gegenteil der Fall ist u. s. w. Dies« 
ZusammeuateUung dürfte alier zeigen, dafs Fehler weaent- 
lirhcr und prinzipieller Art l»estmders in dem Teil über dy- 
namisirhe Geolmtie sich bei der Durrlisicht nicht gefunden 
hal>en. Die Au--<staUung ist vorzüglich, die Ahbildunuen zum 
gröfsteu Teil nach ncuein und neuestem pliopigniphischen 
Material hergcstellt (unl»egreifüch ist dcKwugeii freilich, 
warum s. B. neben den vielen schönen, ja vorztiglichen neuen 
Vulkanbildern die Verfasser sich nicht ontschliefscn konnten, 
die schlechten alten llulzsehnitte auf 8. 348 wegzulassen), 
die KartGiibtülagcn zuui gri'ifsten Teil nach ueuesum Vorlagen 
und sehr sauber gezeichnet oder aus neuen Werken entlehnt. 
Hält man dies alles zusammen , so darf mau das Werk mit 
besonderer Wärme allen Interessenten empfohlen und den 
Wunsi^h au.ssprechen , dafli es «ich gröfster Verbreitung er- 
freuen und, wozu es tiacit seiner ganzen Anlage liosiiniml 
ist und nach »ciiii-r Ausführung K-rufen erscheint, in den 
weih^stcu Kndson, die nicht xu den «(iezitill»‘u Fachgoologeu 
gehören. Intereasu für die Geologie schaffen und auÄtlärend 
in den Fragen derselben wirken möge. Greim. 

KruRt FörvtemanA« Kommentar zur Madrider Maya- 
handschrift ((!udox Tro-Cortesianus.) 160 B. Danzig 
1902. 

Körstemanns Kommentar der Drendener Mayahandachrift, 
der 1901 erschien, ist «ehr s<'bnell seine Erklärung der um- 
fangreichsten uuter dt*n drei vorhandenen Bilderschriften der 
Maya, der Tro-Coricsianus, gefolgt, der 112 Beiten umfafst. 
Fürwahr für einen Achtzigjährigen ein Bewei* gr»if»er Iiclstung«- 
fähigkflit, die jetloch der merkwürdigen Thatsach« entspricht, 
dafs er bereits in hohem Alter, vor etwa 15 Jahren, auf 
einem ihm gänzlich neuen Gebiete die Entzifferung der 
MayaschriDen durch seine Losung der Zahlen inaugurierte. 
Die Erklärung ist nach derselben Methode verfafst, wie 
ich in meiner Besprechung des Dresdensis (Globus, Hd. 80, 
B. $07) berichtet habe. IHt aber ini Tro-Cortesiiantu) keine 
grofsen Zahle« Vorkommen , so hat auch der Kommen- 
tar einen anderen flmrekler. Die HituptsHche ist die ge 
I uaue Identilizicrung der llicrogiyiihcn , soweit sie an vor- 




Büohersohau. 



S)i& 



flchiedeuon Stellen dtu* CVxlicae vurkummen» so Ours (latWerk 
für jeden, der nicht alle Jtilder iiu hat, unentbehrlich 

ist. Dazu kuumit die Aufzeichnung der parallelen Ideeu der 
Hand!U-hriftcn. Schade mir, dafi »u wenig «lönger diwier ge- 
heinmiavollen Wi^titenBchnft vorhanden ünd. J)a muAi man 
in der TLat die Knergie. die in dieiiem Huche zum Auf- 
druck konunt, um no hüher eiiiacbaUeR. 

K. Th. Preufa, 

A. Leue: Dar-eB-SaUnm. Bilder au« dem Kolonialleben. 

Mit Abb. Uerliu, W. 8ti«wrot, IIMkH. Prei* 6 51k. 

liHuptiuauu a\. Leue gehört zu un»ereti iiltefteo »Afri- 
kanern*. da er bereita 18)il7 deu schwarzen Krdteil Iwtrat 
und ihm volle i‘i Jahre in Krieg und Frieden seine besten 
Kräfte gcw'idmet hat. Auf weiten Fahrten lenite er nicht 
blofs die Küstenzone kennen, simdern er durchkreuzte auch 
das Innere der Kolonie bis an die Gestade des Tangauika. 
AI« DeainkT der Deul«ch-0»tHfrikanisc)ieu Ge!<elischaft kam 
er ins ijind . nur zu friedlichen rmenichmungeri bestimmt. 
Aber schon erhob die Rebellion ihr Haupt, und am 10. Ja- 
nuar 1889 wagten die Arala-r selbst auf tlie Hauptstadt Dar- 
es-Balaam einen hütenden Htuiin, der mehr»*re W<>chen lang 
immer aufs neue wiederholt wurde, bU den A\ngreif«i’n der 
Mut entsank und sie das Feld räumten. Dafür tiackeri« der 
.\iifstand jetzt an anderen Stellen mit grofser Heftigkeit auf, 
und tut sehen wir den Verfa.sser, der inzwischen Ofiizier bei 
der Wifsuiauti-Truppc gewonlen ist, tuild liier, liald dort im 
Kampfe mit den Araberbanden, zuletzt in Undi, wo endlich 
der Friede geschlomien wird. In dies wecliKelvotle l^ben voll 
Aufregung und Gufafai-en weifs uns der Verfasser durch seine 
gescbiimckvoll geschriebenen Skizzen vortrefflich eiiixuweihen. 
Kr bietet uns dabei keine schwere Kuet, sondern leichte, all- 
gemein verständlicbö Hchildernngen. oft von Humor durch- 
win-zl und doch nicht arm an rielcrlei nichtigen Kinzel- 
lu'iten , besonders volkskundlicher An , die das Huch auch 
dum aiispruchsvollen*n Leser lieb machen dürften. Jiehiu 
gehören u.a. die Kapitel: »Afrikanische Werwölfe', »Kismet*, 
»Talsira*, »Bibi Disvha* und die Berichte aus den letzten 
Ihenstjabrcn des Verfassers iilter Uwin.*^, l'ha und Dgogo, 
die zuerst, wenn auch in etwaH anderer Üeitalt, im Globu.s 
veröffeutlioht sind. lieues Buch entliält ferner für die Ge- 
schichte der Kolonie maueheii achäUbaieii Wink, und »o 
kuunuu wir »DHr-es-Haluain* nicht nur als angenehme, aou- 
dern auch als unterrichtende ficktüre wohl utnpfchlvu. Von 
Gelehrsamkeit, das sagen «ir noch einmal, ist nichts in dem 
Hände zu spüraii ; soH's auch gar nicht. Das hat sich Hatipt- 
manu Ijeue für ein späteres Werk aufgespart, das sich, etwa 
nach Art von Pr*if. Dr. Itoves »Südwostafrika“, mit unserer 
gröfnteu Kolonie l»eschiiftigen will. Bis dahin »Kwakeri, 
Uma Inma!* 

Berlin. H. Seidel. 

Pr4»f.Or. Faul (iUrsfeldtt Grundzügeder astiM>nomisrh- 

geograpUischen ttrtsbesti mm ung au f Forschungs- 
reisen und die Kutwic.kelung der hierfür inarsgeWnden 

mathcmati)»4’h-geonM-*lrischeu IWgriffe. XIX und 377 8. 

Mit 95 eingedruckten Abhildnngen. Brauiischweig, Fiiedr. 

Vieweg und Sohn, I90‘J. 

Dafs der Verfasser dazu berufen war. «in Buch, wie es 
das vorliegende ist, zu schreiben, wird ihm jeder zugnben; 
denn etnnwl hat er auf seinen mühevollen ForachungHreison 
iu den südamerikanischen .Anden die Technik der geugra- 
phUi'^hen Positionsbestimmung gründlich zu erprolion Gelegen- 
heit gehabt ((iiirsfeldt, Koise iu den Anden von Chile und 
Argentinien, Berlin 1H881. und zimt zweiten hält er »eit Jahren 
darüber Vorträge an dem Seminar für orienUtlischc Kpracbou 
in Berlin. Auch iM-sitzt, da das dereinst klassische Werk 
V4»u Btdincnbei'gcr doch f«»r die HedürftiisM- der Oegenwari 
nicht mehr re<*ht ausreicht, utisure deutache Litteratur 
eigentlich nur «iu mnziges Iiebrbuch von gauz verwandtem 
timrakter. nämlich dasjenige von Ji»nlnti (Grundzüge der 
nstronomischen 2^eit- und Orlsliestimtnung, Ikrrlin 1885), das 
aber sch<»n etwas weitergehende .Vufonlcrungen stellt Pr«e 
fussor Gürsfeldt wendet •lich nämlich an l^scr, die keine be- 
sondere mathematische Yurbiidung mitbriiigeu; vor wenigen 
Jahreu, mo meint er in der Vorre^ie, unr ein J^üterkreU, wie 
er ihu im Auge bat, üliorhaupt noch kaum vorhanden. Die 
Anzahl derer, uelche, ohne im eigentlichen Sinne gelehrte 
/wecke zu verhdgön, doch in fernen L:«mlerii getigraphische 
Aufnahmen ausznfüliren Imben, ist mit dem Foitschiciieii 
der kolonialen Il«»ir«bungeii selbst eine 4 iel gritf^cre ge- 
uonleti, und fiir sie i«t diu«e .Anweisung Wtimmt, die auch 
in ihrem ersten Teilu ein« Kinführung tn die Klcnjcutar 
mathematik enthalt. Allgemeine Arithmetik. Geotnelrie uinl 
Trigonometrie werden in solchem Ausmarse behandelt, als es 
dmcii die in d> n s|Mit«run Abschnitten vm getragenen la*litun 



Itudiugl erscheint. Die Fehlcrrechnung, von welcher »uch 
der Praktiker eine gowisec Kunde Ix-aitzen mufs. wird in 
einem besonderen Kapitel, dom achten, \orgutrageii, das also 
dio Grundzüge der Differentialrechnung onthält. Wir möclitoii 
dabei bemerken. daCs uns die Bczuicbmiugcn ^x. Jy . . . un 
zweckmäfsig Vorkommen, weil filier den Buchstalieu d do«'h 
Bchon früher verfügt ist, und weil er als InilnitesimaUyralM»! 
der Variationsrechnung vorliehalien bleibe» WNlJte. Er tlndot 
ja auch im folgenden wenig Verwendung mehr: die Gegen* 
ülterslellung von Jtt und da (8. 185) liefse sich wohl ver- 
meiden. 

Dio durch tn.*fflkh gezeichnete Figuren wescnlücli unt»-r- 
stützten Darlegungen der sphärischen Grundgesetze verf<>hreu 
den Zweck, den Anfänger mit der Katur der räumlichen 
Koordinatensysteme möglichst vertraut zu machen, und 
dürften densellieii auch sicher erndeban. Sehr eiiigeh*MKl 
werden sodann die Grundlehrcn über Zeit und Zeitmessung 
auseinandergeaet/.t. Die Begrfindang der sphärischen Trigomr* 
metri« im fünfteu Alischnitte empfiehlt steh aus verschiesienen 
Gründen auch fitr andere rnterrichtsziele. weil mit .Aufgelmi 
eines sehr märsigen Apparates eine kurze und elegante Ilr-r- 
ieitung der Fundamcntalgleiehungeii erreicht wird. Nunmehr 
fällt e« nicht mehr schwer, die Dreiecke, welche in der sphä- 
rischen Astronomie eine Holle spielen, allseitig zu diakutieren. 
Eine umfassende Erörterung winl dem l'uiversalinstrumenie 
und den entsprechenden BeobachtungAfeblei'u zu teil, welchem 
der Verfasser offenbar das gröfste Vertrauen, auch h*‘i Heiseti. 
geschenkt wissen will. Nächstdem »st von höchster Wich- 
tigkeir die rhrkorrekiion. AU sehr rmpfehlensHert muf« 
geriihmt wonleu eine Zusammenstellung der »Verhaliungv- 
nisfxregeln für da« Beobachten mit dom l'niversalinstrumcnt* 
(8. 25.'t f!.), denn einen milchen Hundweiser wird der IbÜM-nde. 
der nicht selten unter widrigen l'mständen anseine Aufgabe 
herantn-tcii mufs, immer gebrauchen könuau. »Zum guten 
Beolxachteu“, sagt der Verfasser, »gehört vor allem Boulino“, 
und diese ist diu Folge einer nach strenge innegehalteneiii 
Schema sich vollziehenden Thätigkeit. Es we^en nkht. 
wie es etwa hei einem Handbuch« sein muf«, viele ver- 
schiedene 5fHthiHleti zur F.rmitudnng der Polhohe durch- 
geaprocheii, sondiTU nur diejenigen, welcho nach der Er- 
fahruiiu des Autors diu l>est« tiewähr fur ein gutes Ergebnis 
in sich tragen. Auch der stete Hinweis darauf, wie uiaii 
die Ziffcmrechuung muglichst einfach und sicher eionchten 
soll, wird deu meisten willkommen sein. Da ohne stetes 
Belziohen eine« astronomischen Kalenders nicht gerechnet 
w'erdeii kamt, und da J>euts<'hc hauptsächlich ,d.as nautische 
Jahrbuch* aU Ilülfsmittel benutze», so lag ein Exkurs auf 
dieses und seine Kinrichtung nicht ferne. Die praktischen 
Kechnuiigsheisph'le düuken uns svhr vtH-diuusUich. Erst itti 
elften .\hechnitt« rnacht sich die Notwendigkeit geliuod, die 
Paralia.xe und damit auch die Abweichung dos Knl- 
iiiC’ridianes von der reinen Kreivform zu berficksichtigen. 1>as 
Schlufskapitel endlich verbreitet sich filier die B««timnuing 
der geographischen Länge, W'uffir das Verfahren der Steru- 
bedcckungen bevorzugt wird. Angefiigt sind, abgesehen von 
einigen Ergänzungen, eine dankenswerte Liste* der instrumen- 
talen .Ausrüstung eines modemeD Hcisunden und gewhse Hiilfs- 
tafeln zur Abkürzung de« Kalküls. 

Von der Ausstattung eines Werke» div«cs Verlages zu 
sprechen, wäre fibernussig. Indessen mag doch aUMlrücklieh 
hervorgeholwii werden, wie angenehm in einer fomielreicheii 
Schrift ein so klarer Druck dar mathematischen Bf^staodiei]« 
ist, wie wir ihm hiur Iwgegnen. Das Huch wird «ich unter 
deu »usübiMiden Geographen gewifs viele f-Yeuude erworben. 
Wenn es dann zu einer Neuauflage kommt, sei demVerfas««! 
auch eine gewisse Bücksichtnahme auf di« Kpiegeliuitnimenic 
ii.’ihcgelegt , dio schon des seemämii8''hcn Gebrauches wegen 
vom Theodoliten nieuiuls gnnz wenlen verdrängt werden 
können. 

München. 8. GCinther. 

.iltred Zininirrinaun: Die Kolonialpolitik der Nieder- 
länder. XIV II. .'tot K, mit Karte. Die euiopaischcn 

Koloniern. V. M. Berlin, E. 8. Miillor t; Sohn, 

Preis H.50 Mk. 

Mit iluiu vorlicgeudcti Bande ist Zimtnenuami» Werk 
iibcr dii' Entwickelung der «uropäischen holoninlpolitik zu 
vinem vorläufigen Ali^hlufs gelangt, .liiu ko|oniHl|NiHtischen 
Versuch«* Deutschlands, Italiens, Belgiens und «1er V<*reiniglen 
Staati’ii in der iieuosleu Zeit sind noch nicht weit genug 
^lrtg(>schri(t■.•n. um sc'hou «in aueh nur anuähemd«« l'rtcil 
über ihren Erfolg im ganzen zu gestatten.* Di« Kolonial- 
(Kjlitik Hufslands inüfste timu in Petersburg studieren. 

Der vorliegen«]« Hand M'hildert di« kohmialen r»tvr- 
iii'hmuiigen <ler llolläinler in «ieii veixchii'deneu Teilen der 
Erde, diu Kampf«* mit deu ri\iilisj«*reii«len uuro|'äisrheii Mach- 




Kleine Naobriobteo. 



3Jtf> 



utu . din ullmühliclio LHiifiniiimi'Mdio , dnmi |H)]iti<^)ie FV«t- 
M>tzun^ in Nie<l4>rlitmiiM‘b-Ostiiidifii und -Wutlindicu. liuu 
veruti{;lnckt(>n Vcnmch, RraMÜt^n zu gewinntMi u. ». w.. und 
die heutige Lage (Verwaliung, Wirteclinft u. ». w.) der Kol<v 
iiieen. l>en Kchlurit tiiMcht eine IW'tnichtung ülior den all- 
gemeinen <‘liamkter der holiäudiKchen Knlunisntion um! ein 
LittefHturverceichni^. Kin Hugif>tor wird w-hmerzlieh ver- 
inireu 

Üuu Gewinn «'on <lem Ziminenunnnsehen Werk« werden 
in Pi'ftter Linie die KoI<i>riiiiI|>nlttik, die (ieM'hichte der Krd- 



künde und die }K>litüirhe OenL'rnphie hal>ün; niter auch der 
WirtecliaflMgengrapb kann daraiiN viel für da» Venttandni« 
dca heutigen ZuHürnde« der Kolnnicen loruen. Kin beiionderer 
Nutjccn kann der Wirtaebaftagex^raphie and •goachiebto aua 
dem Werke dadurch erwachsen, dafs ot ein uinfaugreicfaes 
Material liefert, um den (Tharnkter der curop&iarhen Koloni- 
sation an »ich , die besonderen Nuancierungen durch die 
KigenM-baften der einzelnen kolonliierenden Völker und den 
KitiHufs, den sie auf die in den Kolonieen wohnenden Völker 
nimmt, zu erkennen. Krnst Friedrich. 



Kleine Nachrichten. 

Abüruck ttor »11 Qu*UenaBZ»b« «««Uttet. 



— Die Südpoliirexpeditionen. .\uf S. Ild de» laufen- 
den Randes wuHe mitgetoilt, dafs das Keichsamt des Iniierii 
bereits in diesem Jahre eine Hillfsaklion für die deuiseb« 
Hüdpnlarex|ieditii»n ins Werk setzen wolle, 'oferri hi* 
zum Juni von ihr nichts zu hören sein sollte. $tudpidar- 
ex|te<liti<»DOn ptlegeu niiiScblufs du« siidpolaren Soinniem, d.b. 
im März oder spätestens April beiuizukehren; wenn man in 
diesem Falle noch den 1. Juni als Termin für eine mögliche 
Uückkehr aunimmt, so erklärt sich das daraus, dafs hei nur 
einmaliger Oh«rw*interung I*rt>f. v. Drygalski nach dem Frei- 
werden des HchilTes mit diesem noch die neu entdeckten 
Kiisten verfolgen wollte, fls ist indessen wenig wahrschein- 
lich. dafs die Kzpetüiion noch im Juni heimkehrr, und w» 
hat das Heiclisnmt des Innern, nachdem der IteicUstHg den 
Kredit für die Hülfsaktion bewilligt hat, schon im April 
Sachverständige ins Ausland geschickt, die nach einem geeig- 
neten WaMlschfänger Ausschau halten wdlon. Dafs diese 
Mafsnahmon Desorgtuue erwecken, ist klar, aber diese Ke- 
st^'giiisse ersrheiueii uns nicht unliercchügt angesichl« der 
schwierigen VerhultnisKe , untvr denen gerade die deutsche 
Kx|»editioo arbeitet. Was die Engländer anlangt, so sieht 
OS aus, als wenn ihr K.Y|*editi<ms!«rhifit im eben vergangenen 
stidpidaren Sommer nicht freigeworden und also nicht ak- 
tioiiafähig gewesen i*t und dafs es vielleicht wird aufg«gel«n 
wenlen miisaeii. t'olbeck, der Führer des Hülfxschiffes .Morn- 
ing“, konnte an die bei der Victoria-Insid eingefrorene «Dis- 
covery* nur bis auf etwa 15 ktii hemn, und Btiirnm brachen 
da» dazwischen liogende His bis Kode Februar bis auf äkin 
auf. Als Colbeck am l‘J. März die Ueinifahit anirat, lag 
die «Discovery* noch immer fest. Hierzu melden die «Times*: 
Die «lUscovery* ist nur bis zum 1. Januar 1t*u4 mit Vorräten 
vergehen, so dafs ein« abermalige (diesjährige) Kiilseitdung 
der «Morning* zu ihrer rnb'rstutzung duirhaus notwendig 
ist, damit eine Katastn^phe vermieden wird. Für diese .^feh^■ 
nusgalie ist eine Hümme von I20iä> Wd. Sterl., ••nOO Ffd. 
Stei'l. für dieses Jahr, der He;>t für das nächste, erforderlich. 
Angesichts der Erfolge der Kxpeilithm wird diew Hamme 
leicht aufzuhringen sein. Die cleutsche Expedition ist übri- 
gens für ein |>nar Monate länger versehen. Die Hehweden 
endlich rechnen nun für <li«x«es Jahr auch nicht mehr auf 
die tieinikebr ihrer Kx]M*dition, und dem Farlament ist be- 
reits eine Vorlage auf 1k!wiltigung einer beträchtlichen 
Huinme zur Ausnittung einer Hülfsex(>edition zugegangen. 
Die I.<age fler Nordonskiöldschon Expedition ist mitglieher* 
weise sehr prekär; sie ist von der Heimkehr offenl«r ah- 
aeschiiitteii, während das Ausbleilien der deutschen KxiaxU- 
tion vielleicht auf freier Entschliersung Iwruhb Hg. 

Im .\uftrage des kolonialwirtschuftlichen K'>mitcee hat 
Prof. Dr. Wohltmaun Ende Februar nun auch ein« wirt- 
schaftliche Studienreise — das Komitee verwendet das 
unsclnme Wort «ExiiertUe* — nach Hamua angetreten, um 
Klarheit nlier die heifs umstrittene RonmbiUtät von Ein- 
gelmreiienkultureu, Pdanzungs- und Hiedelungsuutemeh- 
mungmi zu «'halfen. Wohltmami will sich besonders fol- 
genden Aufgalten widmen: Feststellung der Flächen, die 
di'ii King*-lMironcti verbleiben müssou: FestsMlungder Flächen, 
die für gri'irscr« PtlanzungMUnterrkehmungen und kleine Au- 
sHsleiuiigou goeignet und zu erlangen sind; rnlorsuchiing der 
verschiedenen Ikxlenlagen . insbewinderu mit R<-zug auf die 
Siolctschlagsinengen, und der verschic-denartigen Ihhlru auf 
ihre natürliche Reschaffenheit und auf ihre Ausnutzung und 
Erschöpfung durch frühere Eingebortmenkultunm; Fest- 
stelhmg der Zwecke und AufgaK'U und der AtiMlvbnung 
eines anzulcgeiideit hfitanischen Knlturgartens, Auswahl der 
I<age dessellten und Ermittelungen Ü1>er die Zweckniärrigkoit 
der Kinrichtiing eines Kuiiiir:mits in Verbimlung mit dein 
botanischen Oartcii ; Einrichtung von HohuLz- und Desinfek- 



tionsmitteln gugen FdnKclileppiing v<»n Pdanzenkrankheiten 
null tieruehen HchäiUingen; Ermittelungen über die auf 
Hainoa vorhandenen ArKdtskräfte sowie den Bezug und 
Htxlarf an fremden Arbeitern; Krciittelungen über die Mög- 
lichkeit, die Eingeborenen Hamoas mehr als bisher zu Kultur- 
arbeiten heranziizitdieu : Ermittelungen über die Mögücbkeit 
einer rentalielen Seidenraupenzucht in Hamoa. 

— Am 2. Februar d. J. »tarb auf den fernen Kerguelen- 
I insein Josef Knzeiisperger, der I^iter der von der deut- 
I si'hen Südpolarexi»editioti auf den Kerguelen errtchb'len wiascn- 
schaftlichen Station. Oelioren am m. Februar l»7S zu Uoeenheim 
I in Dberbayern, studiert« er zuerst Jurisprudenz, wandte sich 
> dann al>er dun Naturwisst.mschaften zu und wurde Adjunkt 
an der meteorulugischen Zentralstation in München. In dieser 
Stellung war er vom Juli 1900 bis Juli 1901 als enter Betd>- 
achter auf dem Observatorium der Zugspitze thätig. Hier 
erhielt er die Ih-rufung zur Teilnahme an der Hiidpolarexpe- 
dition, von der er nicht mehr zurückkehren sollte; er fiel 
der tückischen Krankheit Reri-Reri zum Opfer. Eine hervor- 
ragende Beiieutuug hatte der Verstorbene als einer der ersten 
Vertreter des modernen Alpinismus; der Hchauptatz seiner 
Tbätigkeit waren hauptsächlich die ni»ntlichen Kaikali»en, 
auch die Dolomiten; seine Liebliiigsgebiete waren das Allgäu 
und da« Kaisergebirge. Ül»er diese beiden Gebiete schrieb 
er auch aeim* bekanntesten Werke, die Momigraphio des 
Kaisergeldrgfts und die Monographie der Hiifat» («Zeitschrift" 
tä9ü und IMU7). Aufser >iicsen Werken hat Euzutisperger in 
alpinen Zeitschriften, in Alpenvereiusvorträgen und auch in 
der Tagespresse seine Krletmisae und Erfahrungon verijSent- 
licht. W. W. 

— Am II. April d. J. starb zu Berlin der frühere lang- 
jährig« U«4iakteur der Deutschen Kulunialzeitung Gustav 
Meiueck«; geboren am 15. Februar IH54 zu Stendal, ist er 
also nur 49 Jahre alt geworden. Schon früh wanüertc Mei- 
necke nach Noitiamerika aus, war später in Paris und Zürich 
als Redakteur thätig und kam als solcher nach Berlin, um 
hier eine omfangreiche journalistische Tbätigkeit auf dem 
Gebiet« der auswärtigen und der Kolonialpolitik zu entfalten. 
Als Redakteur der Kolonlaizcitung begründete er den deut- 
schen Kolonialvorlag. Nach seinem Ausscheiden aus den 
Diensten der Deutschen Ktdonialgesellschafi war er vorülwr- 
gehend Direktor dos deutschen KoloniHltiiuseums. Kr gab in 
fii-n letzten Jahren die Kolonial« Zeitschrift horaus, »eit IHHA 
auch den IhiUtscben Kolonialkalender. Andere Schriften von 
ihm sind: Sechs Jahre deutscher KolouialpoUtik (lätN.i); Knle- 
chismus der Auswanderung (1894); Die deutschen Kolonieen 
(1809). W. W. 

— RUfsland hat in den letzten Jahren verschiedentlich 
durch Kx|>editioDeD die eigentümlichen Verhältnisse des 
Karabugas aufzukläreu unteruominen, des merkwürdigen 
östlichen Busens des Kas|ti8ces, der nur durch ein« enge und 
lachte Ktrafse mit dem Hauptkörper des Hees verbunden ist. 
t^'ber die neueste Hegt jetzt ein Bericht von Kpindler und 
Lebedinzew vor, aus dem Woeikof (MeteoroL Ztschr.) einige 
Auszüge giebt Danach lieti'ägt das gesamte durch die 
Strafse in den Rusen eiustri»meode Was^r im Jahr etwa 
ITV.HOcbkni; ein HulzhaUlger, nach nufaen gehender Dnier- 
Strom ist wegen der geringen Tiefe der Btrafse nicht vor- 
handen, dCMlialb miifs diese ganz« Menge, da auch der 
[ Spiegel nicht steigt, wieder von der Oberfläche verdunsten. 

I Da die Ols-rfläche des Busens etwa lK350qktn beträgt, writrd« 

[ die» «ine Vcrdunstungshi>he von 0,98 in (rund I ni) «rgrlien, 

I was mit dar von Woeikof für den nahen Kaspisc« berech- 
I ueteri Verdunstungshöhe stimmt. Die Temporatiir in dem 
Busen ist »o verteilt, dafs sie zugleich mit der Dichtigkeit 




340 



Kl4>iue Nachrichtcu. 



vom Ausjjanp der Verbiiulunj'iwtrHfMj fAoherfbmiig tinch dt-ni 
Inneni wächst (voa Irt" bis 1B.4® bezw, 1,02 in der er»Ueii 
Rwlon, ütier 2‘J" b» 23* bezw. 1,02 bis 1,10 u. s. w. bi« zu 
2rt* und 1.14 im Zentrum). Am Grund Hndet sich die um- 
gekehrte Tniuiieraturverteilung: Ib* bis 21* in der MiUo, 
24* bi« 2 A* Hii der reripherie des Busens, in Bezug nuf die 
Snizausschciduugeti im Busen ist die seitherige Ansicht von 
seiner Kigenisrhaft als .tSalx)ifanne* in Hinsicht auf Kochsalz 
falsch, indem «ich diese« balz In den AbsAuen nuf dem 
Boden der Bucht gar nicht tlndet, aoiHiern (»ip« und Glau- 
lierralz. Kr»t in zweihundert dahron wird nach den Ber©t‘h- 
imngen Iichedinzews, wenn die Verhältnisse so b)eil*en, wie 
heute, ein Kunzeatrationsgrad erreicht sein, dafs die Aus- 
.scheidung von fThlomatrium, später auch von t'lilorkalium 
staitßiulet. Der jetzige Balzgehalt beträgt Di>bg im luter 
Wn-sser, das 1,1380 kg wiegt. Auch der bisher als typisch 
geltende Vt»rgnng des Absatzes von Salzlösungen, wofür der 
Karabugas immer als Beispiel citiert wurde, dürfte nach 
li»*l»ediuzew irrtümlich «ein. er wird als Hyj*olhese ohne 
sichere Grundlagen bezeichuet. G. 



über den bekannten Klautopf bei Blaubeureu 
handelt Klunzinger in den fJahresheften des Vereins für 
VAierländische Naturkunde in Württemberg, Jahrgang 38. 
Dieser HamiiicUeich untenrdisrbcr Albzutlilsav am Sndabhang 
der Alb zeichnet sich liekanuilich durch scint« w-underbar achbiie 
himmelblaue Farbe aus; er steht allerdings damit in Dculscb- 
land nicht allein, denn schon am Südabhang der Alb zählt Klun- 
zitiger 8 «nlcher TÜpf« auf, sie sind nlwr sämtlich l>e<]cutend 
geringer nn Cmfang und weniger tief. Der Hlnutopf lM»sitzt 
seine schöne Farbe nur l>ei heiterem Himmel und ruhiger 
Luft, sie entspricht verschiedenen FarbenGmen der Forel- 
srhen Bkala, je nachdem nmn das geschupfte Wasser längere 
i2eit stehen läfat mier nicht; im Topf sell«st ergab die Farl>e 
bei genügender Beschuttuiig X 3 bis 4, somit kein reines 
Blau, soudem ein Blau mit einem ziemlich starken Hiii-h 
ins (irime und kaum blauer als frisch destillierte« Wa«ser. 
Das i’lanktonnetz konnte am 15. August 1900 noch in lOuk 
Tiefe gesehen werden, da« Wattsur ist als« ungemein klar, 
die Temperatur ist «ehr glciclmtäl'aig 10*, der Topf friert 
auch iiu Winter nicht zu. Die blaue Farbe und die gmfse 
Durchsichtigkeit kimnen auf grofsen Ueirhtum an Karbotmten 
zurückgeführt werilen, doch liegen neuere riuantitative 
chemische Analv.oen nicht vor. Bei kleinstem Wasserstand 
liefert der Topf per Minute 282 hl Wasser, l*ei HiK'bwasser- 
«tand etwa .*1000 li], im Durclischnitt etwa ßOUhl, alik> eine 
sehr bedeutende Wnssermenge, 

Der Topf treibt schon in seinem Ursprung ein Rad für 
eine Hammerschmiede, und der Übt^rschufii wird für ein 
Wasserpumpwerk der Albwaaservcrsurgung verwandt. Die 
gistfie Wasseruiengc «*rklärt «ich daraus, daf« der Blautopf 
ein Hammel liecki'H zahlreicher Waaserläiifu für einen weil 
gvlieuden Bezirk ist, die sich in grufser Tiefe in einer un- 
durchlässigen Hi’hicht ansamiuelu. Nach einer Aufnahme 
von l’rufcKMir Hchoder üit der Topf etw a 9 Ar grof«, er besitzt 
••inen Umfang von 116m. eine grtVrstc Tiefe von 20 m und 
ein Volumen von 5S0u bi« nout) cbin. 

Die Untersuchung auf Rakterien ergab, dafs das Wasser 
als TrinkwasKcr trotz seines klaren .Aussehens nicht rein 
genug ist; während die Flora eine recht üppige ist, fauden 
«ich keine Spure» V4iii Z4M>planktunten vor, und ea fohlen 
daher gänzlich «lie Fische; Versuche. Forellen einzubürgern, 
biielkpD bis jetzt vergeblich. Halbfafs. 

— ülwr Unterschiede in der Form dar Bkoliusec 
bei männlichen und weiblichen Individuen teilt 
A. Gutter in der „Zeitschrift für orthopädische Chirurgie*, 
11. 1kl. (190.3) f«)lgunde« mit: In seiner Austnltsstalistik ver- 
hält sich die Zahl der mätinlichcn zu den weiblichen Kku 
litMCti wie 1:T, in anderen Austaltststatiiitiken wie 1:7 bis 
10; in der KchuUtatiHtik durchschnittlich wie I : I. Die Hko- 
lioae beim inamilichen Geschlecht kommt ebenso hiuüg wie 
Iwini woihlichen vor, unterwirft sich alter der Amitalütl>eliaDd- 
lung weit »olteiier. Die Skoliuse kommt am hiiuügaten zwi- 
schen dem 10., 1.3. und 14 Alteiwjabr vor. Die inilmilichon 
HnckgraUvurkriiinmuugen «iud in 84.9 }'mz. links konvex, 
in 37,04 Fi^iz. r^hu konvex; für da« waibUcho Geschlecht 
ergslien sich in der Guttcrschen Anstalt die Zahlen 59,45 
und 4U,05 Fruz. Sowohl bei den link«- wie rechtaseitigen 
mäimiieheu HkoUiwen Itomerkt man eine s<!hw-nche Tendenz, 
«ich mehr im oberen, ta-i der weiblichen sich mehr im unte- 
ren T«-ile der WirlteUäulc zu lokalisieren. Diese Tendenz 
tritt bei den liiik««citigen Fällen Itestmdera deutlich hervor. 



— Das Kolouialwirlschaftliche Komitee hat sein 
Arbeitsprogramm für 190.3/1905 insofern erheblich er- 
weitert, als es sich mehr al« bisher uiteh dem Studium der 
Transport- und Verkehrsfragen widmen will. Hierzu 
geb<>ren unter anderem; Allgemeine kaufmännieebe »i>wie 
spezielle Trassierung der osiafrikanüichen „Hödbahn* 
(Kilw‘a-Xya««a); wirtsi>hsftlicbe Erkundung des Interemun- 
gebieu der in iler Trassierung begriffenen Kisenbabn Victoria- 
Mundnme (Kamerun); Bildung einer Togi^Kiseiibahngesell- 
schaft auf Oruud der votn Komilet* bereits trassierten Linie 
Lume-l'alime; technische und wirtschaftliche Untersuchun- 
gen zwecks Nutzbarmachung der wichtigeren Flüsse in Ost- 
urd Westafrika. Da« Arbeitsprogramm hat dadurch an 
Umfang gewalGg zogenummeu, und da« Komitee bedarf 
daher weitgehender Unterstützung auch aus privaten Kreisen. 
Mau kann nur wünschen, daf« die ihm zu teil wird. Daf« 
es sie verdient, darüber wird wohl kaum Heinungsverachie- 
denheit herrschen; arbeitet d<>cb das Kolonialwirtscbaftliche 
Komitee ganz objektiv und nicht im Binne irgendwelcher 
InteresseugruppOD. R'wnders glücklich erscheint uns da« 
Vorhaben, die ostafrikaniscUe Hudkahn zu studiere», wahrend 
wir uns andererseits von der UntersuchuDg der ost- und 
westafrikaniseben FIümw nicht viel vursprechon- Allei» es 
kann «ich auch da viel NOizlicbos crgetMu, z. B. wenn un- 
berechtigten Erwartungen frühzeitig der Boden entzogen wird- 

— Drei neue Fälle von Pseudohermaphrodttis- 
mus beim Menschen beschreibt A. llengge in der .Mo* 
unlMChr. f. Geburtsk. u. Gyuäk.*, 17. Bd.. 1903 und hebt 
dabei folgende« hervor, ln der Regelmär«igkeit, mit welcbt-r 
«ich die sekundären Ueschlerhtsuniurschiede abhängig von 
den GeschlechUdrüsen entwickeln, kommen häutig Schwan- 
kungen vor. Jede Änderung in der OeschlecbtHdriise l»eeiu- 
dufst die sekundären GescLIechtw^hnraktere um so mehr, je 
früher jene Änderung eintritt Für kongenitale Hlörungeu 
in der Geschlechtwlrüse und in den sekundären Gaschlecbts- 
charaktoren sind stets mecfannische Ursachen zu suchen; ge- 
lingt deren Nachweis nicht, t)o sind wir gezwungen, trophi- 
fH'he oder nervöse KinHüssc anzunehmon, bezw. unsere 
Unkenntnis der Ursache zu bekennen. Atavismus ist keine 
Erklärung, dient aber dem Verständnis der anormalen Bil- 
dungen. Auf die Entwickelung der physischen Gesebletrht«- 
eharaktere and auch mancher an«lei>‘r Erscheinungen 
sind Krxiehuiig und Beispiel von grofsein EioHufs. Die 
operative Entfernung der Gesrhlechtsdrösen bei Seliein- 
zwittoni ist nur dann statthaft, wenn durch diesell>en «tarke 
Bf'schwerdcn verursacht werden und zugleich eine volle gO' 
Bchlechtiicbe Funktion dieser Drüsen durch den Mangel an 
entsprccheiideu llegattungsorganen unmöglich gemacht wird. 

— - W. Velden vcroffenlljohte einen interessanten Auf- 
satz über klimatische Kurorte in der Zeitsebr. t. diät, 
u. phys. Ther., Ikl. ß. 1905. Er rühmt vor allem die («rua- 
nische und bulivianische Hixrhebeiie, welche klimatische Ver- 
häUniflse darbieten, w*ie sie wohl kaum irgendwo ander« in 
der Welt, mit .Ausnahme der mexikanischen Hochebene, sich 
wtederduden. Selbst Tulwrknlöse mit Kaverucnbilduug sind 
nuf den H<»chländem von Tanja und Huaiicayo ihrer Wiotler- 
herstcHung sicher; die»« 2500 bi« SOitOm ül>er dem Meere 
gelegenen Tbalseukungeii auf der Hochebene der Konlüloren 
weisen eine gleichmüfsige Temperatur von 14,18* im Mittel 
auf und waren bereits zur Zeit der Inkas bD unfehlbare 
Ueilorte für Phthisiker bekannt. Hanta IV de Boguüi in 
Columbia ist ein liieblingsplntz englischer Invaliden. Jamaika 
bietet in seinen sehr abwochselungsreichen Höhenlagen vor- 
zügliche Aufenthaltsorte für Kranke mancher Art. Kali- 
fornien und Florida werden ebenfalls in dieser Hinsicht »ehr 
gerühmt. Die Hochlande Transvaals halH-n den hoheu Er- 
wartungen als klimatische Stationen nicht euuprochen. doch 
sind immerhin dort bemerkettsworle Heilungen erzielt wor- 
den. Madeira hat ein wundervoll gleichm.ifsigvs Klima, doch 
sind die Verbindungen «vhlecbi. I>ie Riviera ist mit ihren 
V'orzügeii uud Nachteilen allgemein bekannt. Dagegen ver- 
dieut Algier die wärmste Empfehlung als Wiutcrstatiun für 
Lungoukranke , Skrofulöse, Blcichsüchtige u. a w. Die be- 
rühmte fkiliwefcithermc llauunam d'lzba ist von grörstor 
Wichtigkeit uud hnfvurragendem Erfolg. Al« Perle unter 
den uns leicht und bequem erreichhareii klimatischen Kur- 
orten ist die südliche MiitelmeerkUate von S|»anien anzu 
sprechen . jene tiegend ist n«Kh viel zu wenig gekannt und 
Busgeiiutzt. Verfaswr verspricht sieh von Hanutorien, 
l»ri«pieUweise in Malaga, Erfolge, wie sie die Welt noch nicht 
gesehen hat. 



Veraiitwurtl. itcdakieui : M. Singer. UerliiiSW. 0, .<chöVU.iurr«lamm 26. — Ihiirk: FrieJr. Vieweg u. Sohti, hrauusikwrig. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIKRTE ZlilTSCHRIET FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: „DAS ADSLAND" UND „AUS ALLEN WELTTEILEN". 
IIF.RAi:Sr.F.r.F.I)E.V VOX H SINGER rXTF.R HESONDERER MmVIRKlTJO VOX l'KOK. D«. RICHARD ANDRES. 
VERLAG VON ERIEDR. VIEWEO & SOHN. 

Bd. LXXXUL Nr. 22. BRAUNSCHWBI G. n. Juni 1903. 

Nachdruck bmf n*ch Obortdaknofl diU dw VarU^thAaillang 



Das Bassarivolk. 

Von 11. Klose. 



IHe baupUäcklicbHtu ThAtigkeit der R»aa»ri bosteht, 
wie fast im guuaen Toifugebiet, iiu Aekcrbiiii. Diu Mituuer 
und Sklaven bearbeiten das Feld mit Hacke und Axt, 
während die Krauen bei der Ausmiat und Knite helfen. 
Di« ilaiiptfrurbt bilden Yams und Hirse, welche in drei 
verschiedenen Arten, in weifeer und gelber Kolbtmhirse, 
wie in Kispenhirse, dem sogenannten Guineakorn, an* 
gebaut wird. Die Hebauungsp«*rlode ist zwei- bis drei* 
jAbrig, worauf da» Land ubenso lange brach liegt, um 
dann von neuem bebaut zu werden. Yams und Hirse 
werden zuweilen zusammen gebaut, ebenso sieht mau häufig 
Guineakorn Krdnüsee und Bohnen zusammen auf einem 
Felde gepfiADzt. Ferner werden Baumwolle, Okro, Sesam, 
Taro und Tabak angebaut. Din Vamsemte Bcheint 
ebeoao wie im Kvbegebiet von der Krlaubnis des Fetisch* 
priesters abzuhäugeu. 

IHe Viehzucht erstreckt sich auf Rinder, Schweine 
und Ziegen, jedoch werden erstere baupUächlicb durch 
Kulbe aufgezogen und gezüchtet, welche bis hierher als 
uomadisierendQ Hirten vorgedrungen sind. Autaer ihrem 
eigenun Vieh nehmen sie gegen Kntschädigung auch Vieh 
von der einlieimischen Uevulkerung in Pfiege und werden 
selbst von den räuberischen Bassari geschätzt und un- 
behelligt auf ihren Niederlassungen gelassen, ln ßassari 
erhalten diese Fulbehirten für die Pflege immer das 
zweite Kalb. Ihre Produkte an Milch, die meist an- 
gesäuert ist, sowie Käse und Butter halten sie auf den 
Märkten in ßassari feil. Sobald die Weideplätze ihnen 
nicht mehr reichliches Fnltt»r bieten oder ein Familien* | 
glied stirbt, verlassen sie den Ort, um sieb an einer an- j 
deren Stelle von neuem unzusiedelu. 

Fi-^chfaug und Jagd gehören uatOrlich auch zu der 
Beschäftigung der Bassari, und zwar betreiben sie 
den erstereii hauptsächlich durch Kischgifb Zu diesem 
Zwecke siebt man überall in Bassari an Flüssen 
und Bächen einen Strauch mit hellgelben Blüten, die 
sich später zu länglichen Schoten entwickeln, an- 
gepflaiizt. Die Blätter dieses Strauches, der vermutlich 
Tephrosla Vogelii sein dürfte, werden zu einem Brei 
gestampft und oberhalb inden Flufs geworfen. Die Fische 
werden dadurch betäubt und so unterhalb mit der Hand 
lind in Körben gefangen. Zuweilen jedoch werden auch 
Fische mit Pfeilen erlegt. 

Zur Jagd dienen hauptsächlich Pfeile und Bogen, 
aber auch das von der Küste eingufilhrt« Steiuscfalofs- 
gewchr. Gejagt werden meistens Antilopen und Allen, 
deren Fleisch, in der Sonne gedörrt, häufig auf den 
Markt kam. Viele Felle von Leoparden und Wildkatzen, 

Ulobu* I.X.tXni. Nr. 



II. 

die mit Stolz von den glücklichen Schützen getrageti 
werden, zeigen die Krgiebigkeit der Jagd. Besondere 
Jagdtrophäen sind ferner noch die schon erwähnten 
.Xmiringe aus der Klefautensohle und die groEMm Hörner 
aus Kifenbcin, welche bei feierlichen Aufzügen des Königs 
geblasen wurden. Für uns bot die Jagd besonders «inen 
willkommenen Braten in Busch* und Perlhühnern und 
unzälüigen Tauben, die von den Hugeboreuen nicht 
gejagt werden. AuTser kleinen, grünen Papageien um* 
kreisten täglich Adler wie grofse Habichtsarteu die Dörfer, 
um dort mit unglaublicher Frechheit die jungen Hühner 
fast unter den Händen der Kingeborenen fortzustehlen. 

Kiue der Hauptvrwerl>K(|uelIcn ist unzweifelhaft die 
Eisenindustrie, durch welche sich BaNsari im ganzen 
Hiiiterlande von Togo einen Ruf erworlwR hat. In Ket«, 
wie auf allen gröfseren Märkten im Evhogebiet trißt 
man die Produkte der geschickten BaHsunsebmiede an, 
die meistens durch die intelligenten Hauasakaufleiite so 
weit exportiert werden. 

Xaparba ist das hauptsächlichste Scbmieiledurf, ln 
welchom der taktmätsige ^hlag des Hammers widurhuJlt, 
und wo in den kleinen Hütten Tag und Nacht durch 
einen primitiven Blasebalg aus Fell das Feuer in Atem 
gehalten wird. In diesen Schmieden arbeiten Meister wie 
Geselle vollkommen unbekleidet, nur ein Paar Sandalen 
und eine pbrvgiacbe Mütze bildeo die ganze Kleidung 
(.\bb. 5). Unter den wuchtigen Schlägen von Steinhämmern 
auf ebcusolclmm .\mb»s wird das giühunde Eisen zu aller* 
haud Hacken, Äxten, Messern, Speer* und Pfeilspitzen 
verarbeitet. Das hauptsächlichste Produkt sind diu 
überall gebräuchlichen Feldhackcn, die aus einer runden 
Kisensebeibe von etwa 20 cm Durchmestter liestehen und 
in dieser Form in den Handel kommen, während ein 
hölzerner galHilförmiger Stiel meistens .selbst von den 
Käufern dazu berge.Htellt wird. Besonders geschickt 
wurden die kleinen vierkauttgen, mit Widerhaken ver- 
sehenen Pfeile und Speeru, eowiu die bekannten Messer mit 
0*griil bergestellt. Was das £i»eu selbst anbetriflt, so wird 
es io einfachen 2 bis 3 m hoben Schmelzöfen aus Lehm 
gewonnen und durch Holzkohle au-n Rot- und Braun- 
eisenstein reduziert. Die Gfeu sollen von oben zu- 
gleich mit Holzkohle boHehickt und so in Brand gesteckt 
wurden, während unten sich der Abfluf?< für das Eisen 
befindet. Das beste Material und die meisten Schmelz- 
ofen befinden sich in dem bemicbbarteu Banycli, woher 
es auch bnuptaächlich die Bassarischmiede beziehen und 
mit dem geringen^ in Mpampu gewoiinenen Ila^HarieiHPi) 
zusammen verarbeiten. Die Holzkohle wird wie bei uns 

43 



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342 



II. Klone. Dae naaaarivoik. 



in Meilern gewonnen, welche mit Krde und (fmii ein* 
gedeckt werden. 

IHe Töpferei wird meii»teiis in den »Qdlich gelegenen 
Ortschaften tod ßasKarl, in Muandu, Kuiukunde und Nafine 
wo sieb ein vorzüglicher Tupferlehm befindet, betrieben. 
Die Töpfe werden von Frauen mit der Hand geformt, 
da nirgends in Togo die Drehscheibe bekannt ist. Mit 
Steinen und glatten Holzem werden sie geglättet und 
darauf auf einem mit Gma und F.nle bedeckten Holz* 
stofa langsam gebrannt. Ferner werden noch aus Pan* 
dauus Matten und aus dem Bast der Raphia Thürvor- 
hänge, Körbe und andere Flechtarbeiten herge.stellt. Die 
Schnitzerei wird haupbiächlich bei den Kürbisfluschen 
angewandt und zeigt dasselbe Muster wie die (Ornamente 
an den Hütten und die grofaen Tättowieningen auf der 
Bruat. fbe Spinnerei wird 
von dun Frauen geübt, 
doch scheint diese haupt* 
sAofalich von Temuleuten 
l>etriehen zu werden. Die 
Weberei liegt, wie schon 
erwähnt, vollkommen in 
den Händen der Hausaa 
und Thautshuleute, wah- 
rend die Färberei mit In- 
digo und Uotholz von den 
RasNarifrauen selbst voU- 
fuhrt wird. 

Was die Regierungs- 
form aubetriflt, so ist 
Hassari ein Königreich, 
an dessen Spitze zu uti> 
serer /eit König Tiigbii, 
ein unfähigerMaun, stand, 
der vollkommen ein Spiel- 
ball in den Händen ein- 
zelner einflnfsreicher 
Häuptlinge war. Aufser 
dem König, der die oberste 
Instanz bei allen Streitig- 
keiten bildet, steht dem- 
selben der Rat der Alten 
in allen wichtigen Knt- 
Scheidungen über Wohl 
und Wehe des Staates bei, 
der sich zu diesem Zweck 
in der Königsstadt Kore 
versaimnelL Der Rat der 
Alten setzt sich aus den 
ältesten Oberhäuptern der 
Familien, den Häupt- 
lingen der einzelnen Ortschaften zusammen, während 
wie4lermn die säintlicbeii Fnmilienohcrhäupter in den ein- 
zelnen Ortschaften den Gemeinderat bilden, an dessen 
Spitze <ier Häuptling, meistens das älteste Mitglied dieser 
Körperschaft die F.ntscheidung triftt (.\bh. 6). Der Ge- 
meindernt bildet die erste Instanz, während in letzter 
und zweiter Instanz bei Streitigkeiten o<]er .Scbiildfragen 
der Ih«t der Alten Zusammentritt; dieser debattiert über 
diu schwebenden Fragen und trägt nach erfolgter Be- 
ratung das Resultat derselben dem König vor. Der 
König entHchuidet dann seinerseits und läfst darauf durch 
seinen Sprecher öffentlich das l'rteii verkünden. Für jede 
derartige Gerichtssitzung erhält der König von den beiden 
Pai'teien 6(K)0 bis 20000 Kauris, was bei den ewigen 
Streitigkeiten der Bassari mit die gröfste Revenue dos 
Königs ist Meistens sind schon vorher erhebliche Ge- 
riebtskostun bis 6000 Kauris in der ersten Instanz zu 
zahlen, so dafs häuflg die G<*richtskosteii das (Mtjekt <les 



Streites weit übersteigen. Fanfliifsreiche und vermögende 
Familienoberhäupter spielen in Bassari eine besondere 
Rulle lind verfügen oft über mehr Machtmittel als der 
König selbst, so dafs auch häufig ein derartiges rrteil 
nicht vollstreckt wurden kauu und sich daher mancher 
einflufsreiche Familienvater in seinen engeren Grenzen 
sein eigenes Gesetz macht. Aufser diesen Prozefs- 
gebühren haben die Häuptlinge, sowie der König noch 
Anspruch auf einen Teil des erlegten Wildes. 

Ferner ist Jede» Dorf verpflichtet, Farmen für den 
König anzulegen und beim ersten Ausm&chen des Yams 
dem König einen Tribut von Feldfrüchten zu leisten. Der 
König nimmt aber nicht täglich die .Audienzen »einer 
Unterihnnen entgegen, die mit Yams beladen nach der 
Königsstadt Kore ziehen, um Tribut zu zahlen und ihm 
zu huldigen , sondern em- 
pfängt derartige Tteputa- 
tionen nur alle zehn Tage. 
Ks ist dieses für die könig- 
liche Vorratskammer ein 
sehr l>erechnete.H und spar- 
sames Verfahren. Cbri- 
gens scheint bei der Yams- 
urnte ein besonders gutes 
Geschäft der Fetisch- 
pricster zu machen, da 
von seinem Machtwort und 
seiner Flrlaubnis der Be- 
ginn der Yamsemte ab- 
hängt 

.\ufserden eigentlichen 
Prozessen spielen alier 
.^uch die Goitesurieilo und 
mit ihnen die Fotiseb- 
priester eine einschnei- 
dende Rolle in dem ganzen 
Volksleben der Bas-sari- 
leute. über die Religion 
selber konnte ich leider 
wenig erfahren , nur daf» 
sie oihou Gott Unoml>oUe 
besitzen , obwohl dieser 
vermutlich die ol)er»te 
Gottheit nein dürfte. Auch 
scheinen mehrere Plätze 
auf dem BassariWrge, die 
Zufluchtsort« bei Kriegs- 
gefahr, besonders geheiligt 
zu sein. Kigentümlich ist, 
dafs derselbe Fetischkegel, 
der in KeteOdente geweiht 
ist, .sich auch in Bossari wiederfindet, welchem Hübner 
und Schafe geopfert wenlen. — ln zweifelhaften Fällen 
entscheidet auch I»ei den Baasnri das Gottesurteil, welches 
der Fuiisebpriester veranstaltet. Ist einer des Morde» 
verdächtigt, so mufs der Beschuldigte den Giftbecher aus 
der Hand de» Fet i.sebpriesters vor versammelter Volks- 
menge nehmen, (rieht der Betreffende da» Gift von »ich, 
SU wird er für unschuldig erklärt und durch Schiefsen 
beim Gelage mit Tanz gefeiert. Der Kläger hat dann 
die Kosten und einen Schadenersatz an den Beschul- 
digten zu zahlen. Hut aber das Opfer das Unglück, das 
Gift l»ei sich zu behalten, so ist seine Schuld erwiesen, 
und der Unglückliche wird bei den ersten /uckungeii 
niedergeschlagen. Bei kleineren Vergeben wird dem .\n- 
geklagten eine Schüssel mit siedendem ()1 vorgesetzt, 
aus welcher er einen Ring, ohne sich zu beschädigen, 
hcrnusholen inufs. Mord wird mit dem Tode l>cstrnft. 
Die 'rodesstrafe wird von den Familieiihäuplern voll- 




Ahh. Rassarlschaiied aus Naparba. 



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il. Klute: I>A8 Bninitrivolk. 



»43 



zogen, indem siedoD Dolinquenteii mitMesisern im ßiuche 
uioderstecben. Dan Kigentum de» MOrderti geht in den 
IWsitz der Kamille des hiriuordeten über. Auch kann 
sich diese anstatt der Todesstrafe für den Verkauf des 
Verurteilten in die Sklaverei entscheiden, wol>ei der 
i'lrlüs der geschädigten Katuilie zufällt. Körperver- 
letzungen wurden ebenfalls mit Verkauf in die Sklaverei 
geahndet, ßiebsbih) wird verbiltnisrnäfsig sehr streng 
bestraft, indem man den bei der That ertappten Dieb 
einfach töten kann, anderenfalls wird er vor Gericht 
gefordert und niufa da» gestohlene Gut ersetzen und ein 
hohes Ijösegeld zahlen. Kalis er dazu nicht ün stände ist, 
wird er als Sklave verkauft 

Wie bei den Gottesurteilen spielt der Ketischpriester 



verwaist bleibt, herrscht in ßassari das Interregnum. 
An der Spitze des Staates steht ein aus dem Rat der 
Alien gewähltes Kamilienoberhaupt, welches diu Ru- 
gierungHgeKcbüfte führt und gewiKNermafsen den neuen 
König in diu Guscliäfto einweiht und diesem noch drei 
Jahre mit Rat und That zur Suite steht, so dafs der 
König eigentlich nur repräsentiert und der Regent mit 
. dem Rat der Alten wältrend dieser Zeit regiert. Hat 
I der Fetisch die Ritten des Volkes erhört, so wird das 
Volk eines Tages mit einem neuen König überrascht. 
Dur KönigsNtuh) ist wieder mit einem Prinzen besetzt, 
und dieser lufst sich von dem bald herbeistromenden 
Volke huldigen. Dur neue König mufs eine droifsigtägige 
Prüfungszeit durchmachen. Im Fotisebbaus zu Naii- 




Abb. e. Kassart-Hloptling nad Gemelnderat. 



liei der Königswahl eine hervorragende Rolle. Auch in 
Rassan soll der oberste P'etischpriester den neuen König 
aus der Königsfaniilie proklamieren und in sein Amt ein- 
setzen. Nach dem 1'ode des Königs darf kein Mensch 
die Hütte desseil>ea betreten. I^as trauernde Volk läuft 
nun zum Fetischpriestor, um l'nombottu weifsu Hübner, 
Yams und andere Krzeugnisse zu opfern und uro einen 
neuen König zu flehen. Der Ketischpriester wählt dann 
nnscheiiieiid nach seinem Gefallen den Nachfolger aus der 
Königsfamilie. Dabei scheint mehr die Willfährigkeit des 
Kandidaten als die 'rhatkraft desselben den AusHchlug zu 
gel>en , damit dieser nicht zu selbständig wird. Jeden- 
falls soll dies für die Wahl unseres Freundes Tagba 
iDat»gelM.'Dd gewesen sein. Solange der Khrensilz des 
Königs, ein von einer Mvtbe umwobener Stein in dem 
königlichen Pala«te, der natürlich wie alle anderen Re- 
hausungeu auch nur aus mehreren Lehmhütten Wstehi, 



banc erhält er unter gewissen Zeremonien Verbaltiings- 
mafsregeln und I.ehren vom Ketischpriester. Während 
lUestT Zeit darf der König die Hütte nicht verlassen, 
bis er unt4>r Pauken- und Hörnerklang nach Kore, der 
eigentlichen Residenz, geleitet und das Krönungsfi-st hei 
Tanz und Gelage gefeiert wird. 

Die Feste und Zechgelage sind bei den Hassari an der 
Tagesordnung; bieten d«>ch die RatsverKammlungen 
schon eine amtliche Rerechtigung dazu, du man bei der 
grufsen Hitze wichtige Rescblüssc ohne einen Schoppen 
Hirsebier nicht fassen kann. Natürlich verlaufen diese 
Versammlungen, wenn die Gemüter erhitzt sind. wa.s bei 
dem Rassari sehr leicht der Fall ist, ziemlich stürmisch, 
so dafs alles durcheinanderschreit und ein wüstes Ge- 
schrei jeglichen Reschluls verhindert. 

Fast täglich bei unterguhonder Souuu versammelten 
sich unter den grof^en Räumen auf dem Marktplatz des 



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H44 



il. Klose; Dss Bassnrivolk. 



Dorfes die Fftmilienväter des Ortes, uiu ifcmeiiiHchuftlich 
DRch des TftgCB Last und Hitze ihren Aboudschoppen 
einr.iinohmen und friedlich aub ihren Pfeifen den BcUisi- 
^ehauten und fcriuontierien Tabnk zu daiupfon. Die 
I'oütik wird dann weniger bcnlhrt, und ei« flotte» Jeu 
mit KluBAtz von Kauris beginnt Neben einem kröftigen 
Zuge Ilirsebier aus einer grofsen Kalabasse beherrscht 
das Spiel die Aufmerksamkeit der Anwesenden, Iin 
grofsen Kreise, mit bis zum Kinn angezogunen Knien 
bockt ein iedur auf einem kleinen Stein, nur mit der be- 
i|uenien AUtagskleidiing, einem kleinen Schurzfell, ver- 
Heben, und sieht dem glückbringenden Spiele zu. Jeder 
bat lieben sieb einen kleinen llaufen Kauris aufgebaut 
und wirft eine gewisse Anzahl in die Mitte d»^« Kreises. 
l)er Gewinn fällt demjenigen zu, deHsen Kuuris in der 
Mehrzahl mit der Narbe nach oben fallen. Um dem 
Wurfe besonders Nachdruck zu vcrloUien, wird häufig 
mit den Fingern geschnalzt. Hei allen diesen Festen 
und Gelagen wird speziell Hirzebier, das National- 
getränk der Hassari, getrunken, obwohl auch Wein aus 
der Kaphia vinifera gewonnen wird. Das Hier wird 
meistens im utgenuu Haushalt Ton den Frauen nua 
gelber Kulbenhtrso und Guiiieakurn zubereiiet. Das 
get{uellte Mal/ wird gekocht und der Satz zum (iären 
stoiieu gelassen. Häufig wird noch Honig von wilden 
Hienen beigemischt , damit es besonders achmackhaft 
wird. Auch nimmt man Lufia dazu, um es kräftiger 
herzustellen, doch wirkt letzterer Zusatz vorzugsweise ; 
IterauHcboml. 

Hesondem geschickt sind in der Biurbereituiig die 
TshauttibofrAueu, die in grot«eii Töpfen das Hier auf 
dem Markte zum Preise von 200 bia 250 Kauri», also 
20 bis 25 Pfennig für eine Kalabasse von etwa drei bis 
vier Liter, feilbieten. 

Hier in Baseari wie in den meisten Ortschaften im 
Togogebiet int nur oimual in der Woche, also alle sechH 
Tage, ein grofaer Wochenmarkt. Es hangt dies auch mit der 
/t'itrechiiung zusammen, wounch hu grofiiteu Teil von 
Togo die Woche nur »echs Tage hat. Kleinere Märkte 
finden auch in Hassari täglicli statt. Gegen 4 l'lir Nach- 
mittags, wenn dio Sunnenstrahleti ihre brennende Wir- 
kung verlonui buben, zieht alles auf dan Markt, und um 
.51'br ist du» Hauptgeschäft im Gange. Der griifste Markt 
findet statt in der Nähe der Ki'iWningssladt Kore, wahrend 
ein ehcDfalls gröfserer .^lHrkt in Naparbu nbgelmlten 
wird. Di© Verkäufer sind vorzugsweise Frauen, die 
Feldprodukte und sonstige Erzeugnisse, wie Yams, Hirse, 
Krdnd.sse, Pfefler, .^usam.saut, Okro, Tomaten, Zwiebeln, 
auch Paliiikerne, Palmöl, imulizinische Kräuter, in grofsen 
Kulnbassou aus Kürbis oder in grofsen TImntöpfen feil- 
halton. Ferner werden Hübner. Perlhühner, Ziegen und 
>>cbafo von den l'armdörfem zam Verkauf gebracht-, 
aller auch fertige Sp-hen, wie in der Sonne getrocknetes 
Antiloponfleisch. Ilirsoklutsc, geröstet© Erdnüsse und 
gebackenes Schaf* und Kindfleiseh mit Kräiiter.saucen 
sind dort au lukullischen GciiÜsHen zu haben. Die ge- 
schäftHkumligeii Hatissa haben sich auch hier mit unsen>m 
KrHcheitieii etngefundeii, um europöiBcbe Stoffe und GIak- 
perlen sowie Addasalz mit gutem Profit umzusetzen. 
Thautsboleute halten ihre eigenen hergestellten Tücher 
sowie Mechtarbeiten und andere .\rtikel nn Hausgeräten, 
als Thürvorsetzer, Vamsstampfer u. s. w., sowie auch 
Seife und Tabak in Rollou, feil. Indigo, Hoiboiz und 
Schminke in Gestalt von Hleiglanz zum Farben der ,\ugeii* 
brauen, auch Blau- und liotgarn, Armringe von Mussing 
sowie Spiegel sind <lie begehrtesten Artikel der llamen* 
w'idt. Salz, Steiiiscblofsflinten im Pndse von 2.5 bis 
,30000 Kauria sowie Pulver und vor allem Schnaps wird 
von den llaussa von Kete oder auch weiter von der 



Küste her importiert, um gegen die Haupterzeugnisa© 
de» IaiuIcs, Eisenprodnkt»% Rindvieh, Schafe un<l Ziegen 
sowie Tabak, eingetauacht zu werden. Interessant sind 
ferner noch die Wahraager, diu ihr GoBcbäft ganz ge- 
werhstnäfsig auf offeuum Markt betreiben und aus den 
Zeichen, welche sie mit einem Stocke auf dem Erdboden 
machen, für ein paar Kauri» die Zukunft den Wifu- 
ijogierigen weissagen. 

Wie in ganz Togo, ro wird auch hier der Tod meihieD» 
oinem bösen (»eiste oder dem Zauber eines Feinde« zu- 
g©Hchriel>eD, und daher spielt auch hierbei der Fetisch* 
prie»ter und der (»iflbucher zum Verderben de» aber- 
gläubischen Volkes eine ganz besondere Holle. Gleich 
nach dem Tode wendet sich die Familie an den FetUeb* 
priester, damit er entscheide, ob der Tod auf natürliche 
Weis© erfolgt ist, oder ob Zauber oder Mord vorliegt. 
Entscheidet sich der Priester für das letztere, so lenkt 
er wie die Wahrsager den Verdacht auf gewisse Per- 
sonen. Iter mutuiafKliche Verbrecher wird de« Mordes 
angcklagt und muf« »ich dem GottesurteU durch den 
ttiftbeeber uuterwerfun. Das BcgräbnlH und die Toten- 
feier rüstet die Familie aus, welche e» als be^OIlde^e 
Pflicht aosieht, je nach Vermögen dieses Ereignis würdig 
zu feiern. IHe Leiche wird gewaschen, häufig mit Rot- 
holz uingerieben, in ein Tuch oder Fell gehüllt, auf ein 
paar Bambusstäbe gebunden und in feierlicher Prozession 
durch da» Dorf getragen. Bei untergeheuder Sonne 
werden die Toten mit (iesang beerdigt, Familienober- 
häupter im Gehöft, Frauen, Kinder sowie Sklaven ini 
Busch. Die Gräber im Busch bedeckt mau meistens mit 
Dornen und Steinen, um sie vor dem Ausseharren der 
Hyänen zu schützen, Verheiratet© Frauen, welche au» 
anderen Orten stnuinien, werden häufig an dem Wege 
begraben, der nach ihrem lieimatsort führt. Haare, 
Nägel, welche zu Zauberzwecken Verwendung finden, 
wie drei bi» vier Bnmbusstäbe von der Hütte dea Ver- 
storbenen werden mit einem Tuch bedeckt, gleichsam 
ala Symbol des Leichnam» den Angeliörigou der Frau 
nach ihrem Heimatsort gesandt und dort begraben. 

Nach der Beerdigung wenlen die Trauergäste festlich 
vou den Anverwandten bewirtet, und drei hi» vier Tage 
wird für den Toten geschossen, um die bösen Geister zu 
verscheuchen. Während der 16 tägigen Trauer bleibt 
die Witwe unbekleidet in der Hütte und veriafst diese 
erst, nachdem »ie ein Keinigtingsbad geiiocnmen hat.. AI» 
BufHcrea Zeichen derTraucr legt sie daun ein dunkelblau 
gefärbtes Tuch an. Öfter kommt es indessen vor, daf» 
die trauernd© Witwe einen Liebhaber bat, der sie »chun 
während der 'rrauerzeit vei*pflegt und bald nach Ablauf 
dersclbpti heiratet.. 

Schuldner hat nur derjenige da» Recht zu l>egraben, 
welcher für die Schulden di'HBelben cintritt. Auch darf 
keiner das Erbe der beweglichen Hube des Schulduer» 
Antreten, wenn er nicht die Verpflichtuug de» l*>bla?Mjer» 
den Gläubigern gegenüber übernimmt. Meistens jedoch 
setzt sich die Familie vorher mit den Gläubigem au»- 
eiiiHiider, da es als schimpflich gilt, Verstorliene nicht 
zu beerdigen. Anderenfall» darf der Schuldner nicht 
begraben werden, er wird vielmehr an einen Baum im 
BiiHche allsgesetzt. Tritt dann ciu Gläubiger au die 
Familie de» verstorbenen Schuldner» heran, so wird er 
in den Busch gewiesen. 

Was das Erbrecht nnbetrifft. so erben die Kinder den 
lieweglichen Nachlaf», wie z. B. Vieh und Ackergeräte, 
elu'nso die Hütten und die Ernte auf dem angebauten 
EelJe, währeud da» Land selbst der ganzen Gemeinde 
gebiirt. Sind keine direkten Knehkommen vorhanden, 
»u erhell die Sklaven den ganzen Nachlaf». Dio Erben 
haben die Verpflichtung, die Familie des Verstorbenen 




345 



l)r. Karl Krott Hanke: Balliatiacbca über Bogen und Pfeil. 



au uoterhHlten, die Scbuldco deasclboo xu üburuebmon 
und fär ein würdiget Regr&bnU zu torgen. 

Dieeeg wären io grcDien Zügen die Sitten und Ge* 
bräiiehe dietet natürlicbeii Ihiachvolketf wie et unberührt 
vuu jeglichem t'uropäiKchem KinfliitKe angetrofTeii worden 
ist. Nähere Elinzelbuiteu au» dem I^ben und dem Ver- 



kehr mit diesem Volke findet der geneigte I^eser in 
meinem Buche über Togo. Zum Schiufa möchte ich nur 
noch erwähnen, dafs Bahtari gewitt einst lienifen sein 
wird, durch »eine geognipkiachc Lage, wie »eine Pn>- 
duktionsfubigkeit für Nord-Togo wirtschaftlich eine her- 
vorragende Bolle zu spielen. 



Ballistisches über Bogen und Pfeil. 

Von llr. Karl Kriist Banke. Arosa. 

I. 



Kthnograpbische Forschungen filier Bogen und Pfeil 
buhen sich bisher stet» auf die morpholugisrhen 3ferk- 
male dieser Instrumente he»chfinkt, ohne der mauttig- 
fachen ballisiischen Kigunschaften zu gedenken, die den 
lieidtiii der Art ihrer Verwendmig nach in sehr variieren- 
der Weise zukommeti tuQsson. Ifiese Lücke uuszufüllen. 
toll mit der vorliegenden Arbeit versucht werden. 

Kiuitmaligi? derartige Arbeiten pflegen sUd» in vieler 
Hinsicht vervollkommnungsfäUig zu sein, und ich bin 
mir sehr w'ohl bewufst, dafs da» (Heicbe bei meiner Ar- 
beit in bobem Grade der Fall ist. Sie leidet von vorn- 
herein an zwei grotsen, Für mich momentan irreparablen 
Schwächen. Die eine ergiebt sich daran», daf» meine 
iriiG'rsucbnngen an Saiuiolung»materiai gewonnen »ind, 
das helfet also an »eit langer Zeit auFscr Gebrauch hc- 



Kurve 1. 




Pfeülünge in Centlmeier ülior Bogenlänge in rentimeter. 

findliehun Bogen. I>a es sich vor allem um eine Krforschung 
der Elastizitötsverhältnisse der Bogen handelt, kann in 
dieser Beschränkung de» Material» eine recht beträcht- 
liche Fehlertpielle verborgen sein. AnTserdem ist es mir 
finfaerer Umstände halber, die mir meine freie Zeit auf» 
uufserste beschränken, leider ganz unmöglich gewesen, 
mich ober die einschlägige halliBÜschc Litteratur zu 
unterrichten. Lange habe ich gezögert, ehe ich mich 
auf vielfaches lirätigeu dazu entscblots, da» schon vor 
längerer Zeit gesammelte Material in der vorliegenden 
vorläufigen Ikuirbeitung zu veröftontiiehen in der Kr- 
Wägung, dafs es mit den mir zu Geliotc stehenden Hfilfs- 
mittein auch bei Kenntnis der eigentlichen ballistischen 
Methoden unmöglich sein wird, eine wesentlicb durch* 
goartieitete Abhandlung zu Hofern. 

Die vorliegende Publikation »oU also nur die Wichtig- 
keit dieser neuen Betraebtun^weis« aufzcigeii und zu 
weiteren Forscbuiigeu in dieser Richtung den Anstofs 
geben. 

Die Anregung dazu, das hier niedergelegte Material 
Globus LXXXiil. Nr. 28. 



zusainiuenzutragen, verdanke ich der Kinffibrung in den 
von meinem Freunde Prof. Dr. F. v. Luseban gegründeten 
Klub der Toxophiliten in Friwlenan, der »ich die prak- 
tische l^flege der schönen Kunst des BogenschieUons zur 
Aufgabe stellt. Dort, in der Handhabung verschiedener 
Bogemirten, gewinnt man ungeabnUni Kinhlick ln eine 
Fülle praktiKch wichtiger KigeuHchaften von Bogen und 
Pfeil und erhält Aufschlufs über eine Anzahl »nnst will- 
kfirlitib »cbeiiicuder Formen. Unter stetem BeiHtand 
Herrn Prof. v. Luschans habe icb .später im Berliner 




Pfeilschaftlänge in ('«DÜiueter über Bogeuliiige 
in Ceutimeter. 



Museum für Völkerkunde alle mir zuguugiieheu Bogeu- 
typen auf die wesentlichen ballistiscbon Kigimschaften 
geprüft und dabei von Seiten des IHrcktor» wie sämt- 
licher Ahteilungscfaeffl in der liebenswürdigsten Weise 
Unterstützung meiner Bestrebungen gefunden. Die An- 
gaben ülier die chinesischen und einen Teil der afrikanischen 
Bogen stammen au» dem Münchener ethnologischen Ka- 
binett, wo mir Herr I>r. Büchner ebeufall» mit gröfster 
Bereitwilligkeit das Material zur Verfügung stellte. 
Ihnen allen sei hier mein herzlichster Dank ausge- 
Hprochen, vor allem Herrn Prof. v. Liischnu, der l>ei aileii 
schwierigen Zufällen der Bestinnuungeu mit Kat und 
Th.'it und »einer »o kostbaran Zeit ausgebulfen. 

44 






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34ß 



f>r. Kruit Karl Rnnke: Dalliititeheii ub(>r uud Pfeil. 



der Neobeit de« Problems für den deutschen und 
vielleicht Qberhaupt für den (‘uropAiNch-fe.stlfindiHchen 
Leser imif« ich einige Krläuterunifen vorausHchioken. l>ie 



Kurve III. 




Pfeil|^wic)it iu (iramm über Bo^eiililiige 
in (!«uilnieti;r. 



wicbti}(«ten Ilaten für die Deurteilung eines nogen« als 
Scdmfswaffe sind: 

1. Länge der 8}»aumiugf d. b. AbitUnd des Mittel* 
stück« oder wenigstens des S|iaunpunkts der Selm» vutu 
ßogenmittelstück> bi« zu welchem iin allgemeinen ge- 
spannt wird. 

2. lüe Kraft, welche notwendig ist, um den Itogen 
auf diese f.inge zu spannen. 

3. iiewicht des Heiles. 

Was die erste dieser drei Grötsen betrifft, «o kann 
sie niübt ohne weitere« aus in einem Museum auflie* 
wahrten Bogen und Pfeilen ersehen wonlen. l'Uu Maxi- 
mum für dieiudhe kann man allording« in der Pfeii^rhaft- 
länge ungel>en. (>ber den Schaft hinaus kann, da die 



Kurve IV. 




lk>ireDgewichi in Kilogramm über Bogenlanife 
in tVntiuo'ter. 

uiiregelniHrhig geformte Spitze einen ruhigi'ii und Kitrhu* 
ren Klug des Pfeiles bei ihrer Heibung gegen den Bogen 
unmöglich machen würde, der Pfeil nicht gezogen wer- 
den, wenigsten« »icher nicht für gi^wöbnlich. Wo die 
PfeiUchaftlünge klein ist, kann iilsu dieselbe als Muf« 
der diircbsclihittlicben Spannweite benutzt werden. )>»« 
tiifft aber nur in ziemlich selteueu Fallen zu. Sehr 



viele Völker luilieii lange, zum Teil sogar ungeheuer 
lange Pfeile, und ea i«t damit von vornherein auage- 
«chloHsim, daf« sie beim Spannen die ganze Pfeüschaft- 
Uiige ausuutzen. 

In den meisten Fällen wird aber bei langem Schaft 
und bei luitteikräftigeui Schuf« die Sehne bei gerade 
voi^estrecktem Huken Arme mit der rechten Hand Bis 
gegen <ia« Auge gezogen, «o daf« (Ue«c Länge un« für 
die Fälle von langem Pfoilscbaft einen .Inhalt für die 
durchiM-hnittliche maximale Spuniiweitf; bieten kann. 
Die englischen «{Ktrtmäfsigeu Bogenschützen haben dieae 
Distanz zu dem Stammmafs ihrer Pfeilschaftlängen aus- 
gewAlilt, von der ballistisch richtigen Ülierzeuguug 
ausgehend, dafs jede grüfsere Länge des Pfeiles unui'uig 
und hinderlich sein mufs. Sie geben uns also in ihrer 
mittleren Spannlänge von 71 cm eine bi.s auf weiter«*« 
liraucbbare (tröfse einer praktisch sich ergeWnden l*^pann- 
weit« au die Hund, die ich l»ei dem völligen Mangel 
brauchbarer .\ngabeti 
in allen den Fällen an- 
genommen habe, in 
denen die PfeiLschuft- 
läiige grötser als 71 cm 
gefunden worden. Für 
einen ersten vorläufigen 
Vergleich der einzelnen 
Hogenarten wird diese 
Methode hinreichen. 

(fenauere Keiuitni« der 
balli'«ti«chen Leistungs- 
fähigkeit der Verschie- 
denen Bogen kann aber 
mir auf dem Wege er- 
neuter For««'hung unter 
den heute noch bogen- 
Hchiefsemlen V'ölkem 
gewonnen werden. 

Kinige .iusniibiuen von 
dieser Regel werden 
sieh übrigen-’« sclion b«*i 
der kritischen Betrach- 
tung der gefundenen 
Zahlen als «ehr wahr- 
scheinlich erwei-sen. 

Diu nötige Kraft, 
das jcwt'iUge S]Nin- 
nutigsmaximum herbei- 
zuführen, konnte di- 
rekt gemessen werden, 
indem der zu unter- Pfeilgc»icht in Gramm tiber 
«iichenile Bogen iu Ik>ir«*ngewicht in Kilogramm, 
seinem Mittelstück ein- 

gespaunt und nun die frei gelassene Sehne allmählich 
mit immer schwereren Gewichten hela.«tet und die je- 
weilen damit erreichte Kntfernung des Sehnenmittel* 
punkte« vom IlogenmittfdNtürk in Centimeter gemessen 
wurde. Bei einer .\nzahl von Bogen konnte allerdings 
di«^ maximale Spiinuweit« nicht ganz erreicht werden, du 
e« «ich um sehr wertvolles etbuolugische« Sauiiulungs- 
material handelte uud die Möglichkeit eine« Bruche« 
ausgeschlossen werden mufst«. ln diesen Fällen wurde 
der Bogen bi« auf etwa aOcni gespannt, und au« der für 
diuNe Spannung notwendigen Kraft die aus der gefunde- 
nen Spuniiungskurv«* sich ergebende Kraft er«chlo««en, 
die ilen vorliegenden Boguu auf «eine maximu!«« Spann- 
weite «punneii würde. lHe«o Kraft winl in Kiiugramiii 
ausgedrückt, von den engli«clieii Fachleuten al« „Bogeii- 
gewicbl** bezeichnet, ein Ausdruck, den ich WibeUulteu 
habe. 



Kurve V. 




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[>r. KriiHt Hntike; HnlliBiischps über ßoirnn und Pfvil. 



347 



1>S8 Pfeiljfcwicht wurdu dadurch iMstiujmt, dntti uitic 
möglichst grntae Aiixab) Tun Pfeilen gewogi‘n und daun 
d»H Mittel auB den Wägungen gein»nimen wurde. 

Autt den ho gewonnenen Paten lae^en »ich zwei «ehr 
wichtige OroNeu wenig?<tcn« aun&hcrungHweise durch Rech* 
Duug finden. iVatenK die lebendige Kraft und zweileus die 
Geschwindigkeit des Pfeiles im Moment des AhHchiuf^on»«, 
Pa för Jeden Pfeil eine eigene Konstante für den Luft- 
widerstand in Wirksamkeit i«t, die für jeden erst durch 
eigene Versuche erschlossen werden müfste, kann die 
Flugweite und die Geschwindigkeit und lebendige Kraft 
des SrhuHse« in bestimmter F.ntf«mnng nicht berechnet 
wurden. Porli genügen die beiden erstgenannten (ir('irHen 
zur vorläufigen Orientierung über diu LeistungHfähigkeit 
verschiedener ßogenarien uud ihre geguUHcitige Verglei- 
chnng voUstAndig. 

Bei der Berechnung der lelMuidigen Kraft un»l der 
Geschwindigkeit hin ich in folgender Weise verfahren. 
IHe Icbondige Kraft, die der Bogen dem Pfeil im Moment 
de» AbschiutsonH erteilt, i»t uotwemligerwuisu gleich dem 
Produkt der Kraft, die auf den Pfeil einwirkt in den 
Weg, auf dum sie iu Wirksamkeit ist Pie Kraft, die 
die Sehne des Bogein» am Punkt der gröfsten Spannung 
an den Pfeil ahgiebt, i-t, wenn wir von dem störenden j 
Kiiiflufs des Stofses einstweilen absehen, gleich dem i 
Bogengewicht Piese Kraft wirkt alter nicht auf ileru j 
ganzen Wege ein, bis der Pfeil die Sehne verläfsi, «on* 
dem notwendigerweise wird die Kraft am Kndc des • 



Weges nahezu rider vollst&ndig aufgebraucht sein. Ge- 
naue Versuche Über diese VcrhAltiusso habe ich mangels 
der dazu nötigen kosts|iie!igun Apparate nicht anstellen 
können, sind auch meines Wissens noch nie angestolit 
worden. Ich habe daher io Analogie mit Ahiiliohon phj- 
sikalisclien Pittblemeit angenommen, daCs die Kraft sich 
auf dem Wege vom Moment <ier höchsten S|>auuung bis 
zum Kuhepunkt der Sehne in gleichinäfsiger Weise von 
dura beobachteten Hogeugewicht bis Null reduziere, und 
infolge davon als Kraft das halbe Bogengewiebt und als 
Weg den Abstand der Sebnu vom Hogenmittelstück an* 
gesetzt, bis wohin die Sehne bei vielen Bogen, wenn siu 
nicht sehr stark gespannt sind, anscblAgt. Aus ihrem 
Produkt erlialto ich diu lebendige Kraft, die der Pfeil 
auf suinen Weg mit erhält. Pio Geschwindigkeit er- 
ui r* 

giebt sich dann ans der Formel -- rrr lebendige Kraft 

= p.ji, in welcher m ilas Pfeilgewicbt, dividiert durch 
die Anziehungskraft der Krde, r die Geschwitidigkeit pro 
/eitoinhuit in Meter, p die Kraft und b den Weg be- 
deuten, auf dem sic ciaadrkt. 

Pie nun folgende Tal)el]e enthält aufser der Anzahl 
der jeweilen untersuchten Bogen und Pfeile noch die 
ganze Länge des Pfeiles, die Pfeilschaftlängu und das 
PfeilgewichL die Länge dui Bogens, «las „Bogengewiebt**, 
die zur Berechnung angenommene S|iann)Bnge und die 
in obiger Weise bercchuetu lubuiidige Kraft und Ge* 
schwindigkeit des Ahschictsens. 



G e n o r tt 1 1 n l> e 1 1 e. 









Pfeil 






iic 


»gen 




Schn fa 




Xttine de« Volke* 
«Hier Siauunes 


Anzahl 


Ganze 

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3IH 



A]tpenixell«r Vrtlkslieiier. 



BetrAchivu wir zuDüchst einiffe Hplationen der ge- 
fundeue» Werte, 

Wir unterscheiden unter den in der Tnbelle onthal- 
teuen Zahlen zwei (iruppen. Krstens Aiiacheinund rein 
mor})hologiKche Daten: Pfeillitngo» Pfei)Mcbaftl&uge uud 
Ilopenlünge. Von ihnen tritt in der Iteieehnung der 
balHNiischon Lcislung des Bogens nur in einzelnen l'hD 
leu die PfeilscfaAftiilhge in Wirkünnikeit, während «Üe : 
beiden GcsanUlängen Ton Pfeil und Dogen für dieneihen , 
gänzlich irreleyant scheinen. ZweileiiH Daten Imllisti- | 
»eher Natur: Pfeilgewicht, Dogeiifpswicbi und lebendige 
Kraft und (Geschwindigkeit des Abschiefaens. Die De- 
lationen der morpho- 
logischen Kigenschaf- 
ten zeigen uns die 
Kiirvon I und II. Wir 
entnehmen aue ihnen 
eine unrollstäiidigü 
Proportionnlit&i zwi- 
schen Dügeiilänge und 
ganze iJinge des Pfeils, 
dagegen eiue ziemlich 
strenge Relation zwi- 
schen Dngeiiiänge und 
Pfeilscbaft ISiige. Zum 
kurzen Pfeilschaft ge- 
häri also im grofsen 
und ganzen ein kurzer, 
kleiner Bogen, zum 
langen Pfeilschuft ein 
Innger, groDer Bogen 
und umgekehrt. 

Ich glaul)e nun, 
dats diese Helntion 
ihren Ursprung nicht, 
wie mau bei wesent- 
lich morphologischen 
Merkmalen glauben 
könnte, dem ästheti- 
schen Kropfinden yer- 
dankc, sondern daN hier doch wieder ballistische Ab- 
sichten oder Wirkungen im Spiel sind. Fl» sebeini mir 
nicht von der Hand zu weisen, daN der lange Pfeil eines 
langen Bogens, d. h. einer langen Sehne bedürfe, wenn 
er eine exakte Flugrichtung erhalten soll. Ganz mdbst- 
verständlich ist die Relation, wenn die Spannlänge mit 
der PfHÜHrhaftlänge yariieri. 

Das besliromendo in diesor Relation ist übrigens 
nicht der Bogen, sondern als sehr viel schwerer herzu- I 
st^dlender Teil der Pfeil, t^berall, wo wir langen Pfeilen | 
begegnen, ist derselbe aus einer Bohrart bergestelli, die ' 
den groTsen Schaft schon in der Natur vorgebildet und 



Kurve VI. 




M 3<l lU 60 

lebendige KrafI in Metorkih»- 
gramm über Bogengewieht in 



Küocranmi. 



in groNer Känge an die Huttd giebt. ln diesem Falle 
begegnen wir auch dem langen Bogen, der notwendig 
ist, um den langen Pfeil zu beiueistem. Überall da, wo 
Rohr nicht vurbanden, oder aus anderen (Gründen, z, H. 
dem der gröNereu Festigkeit, Her Pfeil aus Holz herge- 
stellt wird, finden wir infolge der grofsen Schwierigkeit, 
einen exakt geraden, langen Ilolzschafi berzustellen, 
einen relativ kurzen I'feil und einen mehr oder weniger 
kurzen Bogen. 

Da mit der Pfeillänge im grotsen und ganzen das 
Pfeilgewicht wächst, werden wir eine ähnliche Relutiun 
zwischen Bogenlänge und Pfeilgewicht erwarten dürfen. 
Dieselbe ist in Kurve lil dargcstellt. Wir sehen alier, 
dats die Relation hier eine viel weniger enge ist als 
zwischen Pfeilschaft und Bogeulängu. Ks ist also nicht 
d]is (Gewicht, son- 
dern wirklich, wie Kurve VII. 

olien angenommen, 
die Schaftlänge, die 
das Verhältnis be- 
stimmt. 

So gut wie völ- 
lig unabhängig 
zeigt sich die Bo- 
genlänge von dem 
Bogengewicht , ein 
Zeichen, dafs 
es wirklich einer 
andurtm (Gruppe 
VDII KgCBMihaft™ (ieKh»indi*Uil in >l«l« ul«r 

de» Bopen. »npe- ItoKeoKewicbt lu Kilogramm, 

hört (Kurve IV). 

Di^egen zeigt sich eine direkte Abhängigkeit zwiM-ben 
Bogengewicht und PfoUgowicht (Kurve V), wieiler eine 
sehr einleuchtende und selbstvcrstänfUiche Sache. Nur 
ein starker Bogen kann einen schweren Pfeil regieren und 
ihm eine zweckmäNige lebendige Kraft und namentlich 
eine ausreichende (Gesebwindigkeit verleiben. .Aus dieser 
Korrelation ergiebt sich diinn von selbst das direkte Ver- 
hältnis zwischen Dogengewicht und lebendiger KniFt 
Sefauhse.H (Kurve VI), sowie das umgekehrte Verhältnis 
zwischen Dogengewiebt und (Geschwindigkeit (Kurve V'lh. 

Itainit scheinen mir die wichtigsten Relationen ab- 
geleitet. Wir finden alsii, abgesehen von der Abhängig- 
keit der Dogenlängu von der PfeilHchnftlänge, auf der 
einen Seite der Reihe starke Dogen mit schwerem Pfeil, 
groNer lebendiger Kraft, aber vergleicbweise gmiiigcr 
Geschwindigkeit des PfeiNchusses, auf der anderen .Seite 
schwächere Dogen mit leichtem Pfeil und gniNer Ge- 
schwindigkeit des Schusses, aber kleiner lelMudiger Kraft 
desselben, ein Zusanunenhang, auf dun wir noch zurück- 
kommen müssen. 







.Ippfnzeller Volkslieder')« 

Kaum ein Jahr i.M darüber vergangen, dafs die rege ar- 
beitende Schweizerische Oesellschaft für Volkskunde (»ertrud 
Zäriehers Werkcbeii ülwr das Kinderspiel und Kinderlied 
im Kanton Bern ven>ireatUchtu (Globus Bd. 81, S. 88), und 
schon wieder liegt eine liedeutsame Gabe vor, welche wir 
als eine mustergültige Arbeit auf dem (Gebiete de:« Volkslleiles 
bezeichnen umssen. Wer mit dem Volksliede sich eingehen- 
dor beschäftigte, erkennt sitfort, ob der Sammler Verstiuidnis 
für das Kcht« hat und die eingeMchmuggelte Kunstpoesie 
auszuicheiden weifs. liier freilich in Appenzell, wo ein so 
unvergleichlicher Iteicbtuiii an ViJksIieilvm vorhanden, wurde 
es dem Verfasser nicht schwer, zu uuterscheidon ; überall 

') Alfred Tobler, DssVelktlicd iinAppenicllerLsndc. 
Nsi'li miindltcher Obcrlielerung |!C!>nmiuelt. (.‘^-Iinflpn der 8<hwci- 
renschen GeselKchsü für V<ilk»kuBde .1.) Ziiricfi, VerUj; der 
^chwcizerixbcD Ue»cl}iebsft tlir Vulkskunde 190.1. 



liegt bei dem sangesfretidigen Viilkchen das l’rwüchHige zu 
Tilge. Kmsig hat der Verfasser gesammelt, wotrei ihm musi- 
kalische Bildung zu statten kiini und so Metoilio und Text 
gleichzeitig mitgettnlt werden komitcn, wie es zur Kenn- 
zeiebmmg der echten VolksliiMler unbodiugl nötig ist. Die 
meisten Lieder sind in der Mundart mitj^eilt und haben 
auch sprachlichen Wert; für viele I»eser würde die Itbcr- 
seuung mancher Hialektaörter willkommen geweeen s«in. 
Die verhältnismäfsig wenigen hochdeutschen Lieder de* 
Werkes sind uioisicus Wandergut uud hätten auch ganz 
forlhleiben können, da sie zum Teil bis Norddeutschland 
bekuiint sind. 

Schon früh wird der da« ganze Volksleben Ap|>enz«lls 
durchziehende Volksgeaang erwähnt ; in ihm halten sogar 
die kantonalen und eidgenöMischen berühmten 8f«ngerfeste 
ihre Wurzeln. An Derbheit lassen viele nichts zu wüuarben 
übrig und ,die bekannte appcnzollerische t’ngonicrtheit im 
Beifeen von Zoten* macht sich nicht selten bemerkbar. Die 



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Reiie der Horreo Hr. I\ und F. Saruiiin in der BiidÖBtlioben Htibiniu) von Celebe». 



;m9 



Sänger wunderten Bich darüber, wenn der Verfa*ser .den* 
l«gi Ifompeliodli* aufBcbrieb und gnr drucken laasen wollte. 
Kr hnt alwr recht. daruti gethun; «olcbe Auraerungen geh<^ren 
dazu, wenn die Kennzeichnung dei VolkBliedea nicht ver- 
wüHsert werden soll, l'nd dann: ea ist viel Humor geraile 
io diesen Dingen. Die surgfältig mitgetnilten Meludieeu des 
appenzellerLschen Volksliedes haben etw ns Sonnige«, Fröhliches. 
Hie werden im heiteren, hellen Dur. nIcamN im düsteren, 
schwermütigen Moll gt>sungen, bewegen sich meistens in der- 
selben Tonart oder werden »ehr einfach mtKlulieri. 

Ist auch der grörser«) Teil der gesHmmelten Lieder alter 
Uestaud , der nlierdings oft vorftndert und weitergebildet 
wurde, bo ist doch der Volksgeist ntich immer thätig in der 
Schaffung neuer, echt volkstümlicher Lieder. Die vielfach 
als Arbeiter ins Land kommenden Wel.schen gaben z. B. 
Aulafs zu den m^nannten TBchiuggelie<lem (Tschiiigg s= 
ItaUcuer), die anachliersend an itulieniscbe MehKlieen da« 
Wesen der italieiüachen Musik und Sprache zur Anschauung 
bringen sollen und gern gf’sungen werden. Z. U. : 

Grande sozione l>ella Italia, 

Balatui di Minoli, Maroni di Napoli, 

Cigaro Brisuco isch guatt för Bebnorrio. 

O Italia bella ponesa, 

O eviva bella Italia. 

Da« Volk bof^baohtet den hart arbeitenden, genügsamen 
Weiseben sehr gut und so heilst es daun in diesem Liede : 
Italiener go i Hwizzi vo weg ’em Geldio. nitt vyl fressio, sie 
fressa kaini Broot, aber vyl Dolenia u. s. w. 

ln das eigentliche Gebiet des nppenxellerischen Volksliedes 
führen uns dann die Hcimaderhnpfeln ein, die .Htegraaf* 
Uedü" (Mler .Htoniperli*, wie sie in Imierrhotlen heifsen. 
Vieles ist da aus Österreich und Bayern «Ingewandert, \ieles 
aber oigentünilich, wenn auch der Charakter hier und da 
der gleiche bleibt. Den Höhepunkt bezeichnen aber die- 
jeuigen Vtdkslieder, die sich aus dem Berg- und Uirtenleben 
der Api>enzelter heraus entwickeln. Da sind znnäulist die 
den Üliergangzuin Jodel bildenden Ituggnjuer (ru = jauchzen) 
zu erwähnen. Die Mädchen nngen bisweilen standenlang 
und mit steten Veränderungen diejenigen Hirtengesänge, 
welche man ,Ruguser“ mler •KugglHissorli* nennt. Die 
Töne werden dalwi nicht blofs in der Kehl« gebildet, ««indem 



die anderen Mundteüe tragen auch dazn bei. Der Inhalt, 
meist holperige Verse, handelt von Lielie. Den Auwlruck 
der höchsten l'Veude und des innigsten BehugenB bildet aber 
der Jo«lel, in welchem die Appenzeller es zu einer stauneiiB- 
werten Vollendung gebracht haben. Auf den Htrafsen, auf 
AusHügen, in den Scfaulpauwn hört man die Kinder ihre 
frischen Jode! singen; nach gethaner .Arbeit treten die 
Mäher zusammen, legen sich gegenseitig die Anne ülier die 
Achseln und lassen Ihre weithinsclutUeuden Jodel erkUngett; 
alt und jnng, reich und arm, Männlein und Weibluin j«^eU 
tu unerschöpflichen Formen und Variationen oft stunden' 
lang. Freilich kann nicht ein jcsler jiKlelii und am Hebsrten 
geschieht es io Oetndlscbaft. Die geübten Jodler haben ihre 
liesomleren liCibjodel, die ihnen nicht gleich ein jeder nach* 
singt und di« ihren Namen tragen. Da wird der .Anna- 
Maric-K<«ch- Jodel* und der ,Öchöttler*Frit«jis*Jokftb-Jode!‘ 
uns in Noten vnrgefübrt. 

Der Jodel ist der intensivste Ausdruck inneren Wohl- 
behagens und will Bagen, dafs man Frte«len und Kiutracht 
wünscht. Kr erweist sich daher auch als Blitzableiter bei 
entHtehenden Händeln. Dm Uegensliick de« friedlichen 
Freudenjauchzers ist das .nuije*. ein wild verwegen tönen- 
der Herausfonlerungsruf zuui Zweikampf, der nur noch in 
abgelegenen Gf-genden gehört wird. ,lJuiommt Wer chonnt 
use*u oud thuet*mi oinuil Bueb für Bueb! Maa för Maa, hej 
er Dreck am Baa und ehorz oder laug Hose-n aal* ist ein 
solcher Herausforderungsruf. 

Die Appenzeller sind zum grofsen Teil ein Hirtenvolk, 
das seinen Viehatand über alles liebt. Wenn man «chon vor 
hundert .lahren schrieb, dafs der ungebildete Henne Inner- 
rInaleuB zehnmal leichter den Verlost eines Kindes vorgewe 
als den Verlust einer Kuh, so stimmt das zu dem altgomcinen 
t'faarakler der Viehzüchter. Sagt doch das hessische Hprich 
wort: Weilatrsterben — kein Ve.rdBrlwn; Kuhverrecken — 
grufser Hcbreckcn. Den Verlust eines Htückes Vieh beweint 
der Ap]>enzeller mit bitteren Thränen und die Kühe führen 
bei ihm Kosenamen, meist von nuffnllenden Kigonacbafien 
hergeloitet. Im Volksliede kommen alle die Gefühle durch 
die •Kühreihen* zum .Ausdruck (fniuzostsch ranz des vaches). 
die ein ausschiiersHcli schweizerischer Alpengesang der Kan- 
Um« Appenzell, Bern. Lnzoru und Freiburg sind und die von 
Bchiller im Wilhelm Teil dichterisch verwendet wurden. 



Reise der Herren Dr. P. und F. Sarasin in der südöstlichen 
Halbinsel von Celebes. 



.\uH einem kurzen Itoricht fibor ihre neuente Keise in 
SüdoHtoelebesdoii <lio berühmten Forscher Herr« Geheini- 
rat Ilr. A. B. Meyer in Drostlon aus Makussar vi»m 
29. .März oingesaniU hai>on, sind wir iu der angenehmen 
Lag«, die folgenden interessanten Auszöge uitteilen zu 
können. IHe liorrou Sarasin werden vurnussiohtiieb 
im Juni wieder io Europa eintn'fien. 

^Dafs die BüdÖ««tliche Halbinsel von Celebot« uüt .ins* 
nabtiic ihres nördlichen Teiles , den wir früher Iwreist 
haben, geographisch vollkommen unbekannt geblieben 
war, ist der .Vnlals gewesen, weshalb wir nie zu durch- 
queren wünschten, d«nn alle Fragen, welche an di« Er- 
forschung eines noch unbekannten T.and««t gestellt wer- 
den konnbm, blieben zu beantworten. l>ur (touverncur, 
Herr Baron van Hoövell, welehem wir unseren Wunsch • 
vortrugen, hatte die Güte, sich sogleich demselben anzii- 
itebmen und die nötigen poUtjechen Yerhaudlmigeu in 
Gang zu setzen. Am 11. Februar liefs er die aus etwa 
195 Mann bestehende Kxpeditiou mit dem Gouveriiements- 
schiff „Schwan* nach der Mingkokabai bringen; 
aufserdeiu fand er es für gut, di« Kx]»editton von etneni 
Kriegsschiff, der „Java“, begleiten zu las»«n. So ge- 
langten wir nach dem .\usgangaort der Überiandreise, 
dem Kilsteiidorfe Kolaka, von wo aus am 20. Februar 
der .Abmarsch quer durch die IIalbin 2 >e] nach Keiidari 
erfülgtts 

Geographisch wurde auf dieser Ib^ise folgendes er- 
kannt: Ilie Halbiuscl wird an ihrem wesstlicbeu und an 



ihrem ÖHtUeben Hand« von je einem Syatem von Gebirgs- 
ketten in ungefähr nordwest-südöstlicher Richtung durch- 
zogen, weiche gegen Sudun zu nach der See abstUrzen, 
gegen Norden aber zu hohen Kämmen sich anfscbvringuu, 
westlich zum Sussüagubirge, örtlich zu dem von To- 
bungku. Zwischen diesen Gebirgszügen liegt eine 
imihlenfönuige FTtene, in welcher ein sehr iimfaiigT^icher 
Sumpf, der Opasee, sich ausbreitet; dieser wässert nach 
Osten «US iu den grofsen Flufs Komiweha, welcher, von 
Norden kommend, nach Osten in die Bai von Sampara 
abströnit F.r ist gegen 70 m breit und bla zu 7 in tief. 
F^r dnrchbricht das (>*«tketiensystetn, wo er eine Reihe 
von Schnellen bildet. 

Damit ist der Gang, dun uuaure Hülse gonommon hat, 
im we»ent}icheii bozoichnet. Wir ülierschritten das West- 
kettensystem, oft mit Mölic durch die Thäler watend, 
welche bei der jetzt hern-icbenden Hegenzeit vielfach in 
nui'gtHlcbnle Sümpfe verwandelt waren. So gelangten 
wir nach dem amOstfufae der Westkette gelegenen Lam- 
buja. Von hier machten wir einen .Abstecher südwärts 
nach dem Opnsiimpf und wandten uns sodann norde»«!' 
wärt«, um den Weg nach Keiidari wieder zu gewinnen. 
Dabei hatten wir die nördliche Au^hrtdiung des Sumpfes 
zu schneiden, einen tiefen SHgopnlim*nmorai>t , durch 
welchen wir uns drei Stundun ohne Unterbrechung hin- 
dutrhzuarbeiten hatten. Nach weiterer Durohschreitung 
des ebenen l.andes gelangten wir an die Ostküste, über- 
schritten diese, kreuzten den Konaweha und gelangten 







360 



Brix Förster: Boutsob-Ostafriktt 1000 bis 1902. 



um 12. Marz au diu Hai von Keudari, wohin uuterde;<aau 
die beiden Schiffe gesteuert waren, und wo auch der 
Gouverneur sich eingefunden batte» um uns persönlich 
in herzlichster Weise zu empfangen. 

Von besonderem Interesse war uns die Bevölke- 
rung diuses Inselteiles. Sie steht in :!<ch)echt4'm Huf 
wegen ihrer rohen, blutigen Sitten, und in der That gilt 
dni» Menschenleben daselbxt nicht viel. \S*ir fanden an 
den Kusteuorlen Bugine-jen, in der Melir/alxl von Boiie 
stamuicnd, angesiedelt, welche nicht minder ol« die heid- 
nischen Kiiigeboreneu des Innern mit der Waffe rasch 
bei der Hand sind. Am Tage unserer Ankunft wtirde 
in dem von uns bewohnten liau.«e ein Knal>e schwer 
verwundet, so dal» er vor unseren Fufsen zusammen- 
brach. Kr konnte durch raBchew Verband gerettet wer- 
den, der Angreifer entkam, es entstand eine gefährliche 
.Vufreguiig, die es mit Mühe gelang zu beschwichtigen. 

Filter den Sklaven dieser ßuginese» fielen uns Indi- 
viduen auf von antliropologisob merkwürdig niedrigem 
Typus; wir erfuhren, dafs sie von der Insel Muiia 
stammten, welche ganz von ibiieii bewohnt sei. Sie sind 
klein von Statur, dunkelfarbig, mit breiter Käse, grofsem 
Mund und welligem Haar; sie erinnern in manchem an 
dieToala, scheinen alter noch niedriger zu stehen. Für 
„nein“ sagen sie „roina“. Kine anthro]H>iogische Unter- 
suchung der Insel Mtma würde höchst inieressunt sein. 

Im Innern der Halbinsel wohnen ebenfalls klein ge- 
wachsene Menschen, aller mit btdJer Haut und oft nach 
malaiischer Art geschlitzten Augen, hauptsächlich dem 
Stamme der Tokea angehöreud; sie bewohnen einzelne 
lläUKer, welche allenthalben im Lande zerstreut .sind 
und nicht zu iKirfern zuaammenschHefsen. Meist balu'n 
sie die bugiuoHische Kultur angenommen; doch gehen 
sie stets mit einem gewaltigen Zweih&nderMihworl und 
mit der Lanze bewaffnet und einige auch mit Schild und 
in Panzern von Flechtwerk. Für „nein“ sagen sie 
„konjo“, einige Stämme aber „taiubokc“. Sohr ver- 
driefsiieh war es uns, daf^ die meisten tjngeboreuen bei 
unserem llerannahen die Flucht ergriffen hatten. Fast 



alle Häuser, an denen wir vorbeikamen, fanden wir von 
ihren Bewohnern verlassen. Wie wir s|iäU‘r erfuhren, 
hat ein Abgesandter aus Hone die Bevölkerung in 
Schrecken gesetzt, iiidom er sie glauben machte, unsere 
Expedition sei ein Kriegszug, wir kämen, um sie zu 
töten oder als Sklaven einzufangen. So gelang es uns 
nur selten, einige Kingeboreno zutraulich zu machen, 
um sie anthropologisch zu untersucheu und zu |dioto- 
grapUieron. 

Ler Ostküate uns nähernd gelangten wir zu einem 
ganz anderen Menschenstamm, den Tolalaki, grofa ge- 
wachsenen Toradjas, im Aussehen den Bugine.sen ähn- 
lich und wegen Uirer Hoheit von den kleinen Stämmen 
sehr gefürchtet. Biene sind die hauptsiichlichnten 
„KoppcnsfiHller“ des Sädostens, und sie wenlen von den 
anderen vielfach in Dienst genommen, um ihnen beim 
Todesfälle eines Fürsten diu benötigten Köpfe zu liefern; 
sie sollen dieselben mit Vorliebe in Muna holen. Ancb 
an der OatkQsto sind diese .Menschen gefürchtet; doch 
batten auch sie vor uns die Flucht ergriffen, mit Aos- 
uahmo einiger weniger Individuen, worunter ihr König 
war, vt»n dom wir eine Photographie nehmen konnten. 
Mit dieser Furcht, welche die Bevölkerung vor uns 
batte, hing es auch zusammen, dafs wir nur eine mäfsig 
grofse Sammlung von ethnogTaphischen Gegenständen 
anlegeii konnten, wozu kommt, dafs diese Leutu aufser 
ihren Waffen mit sehr wenigen («erätschaften auszu- 
kommeii scheinen, und dafs diese sehr einfacher Art sind. 

Unsere zoologischen Sammbmgsobjekt« bestätigen das 
im dritten Baud unoerer „Materialien zur Naturgeschichte 
von UciebeH“ erbalteuc Resultat, dnfs die südöstliche 
Halbinsel von Celebes niemals in einer Landverbiudung 
mit anderen Teilen des Archipels gestanden hat, wie 
sich dies von den anderen drei Halbinseln hat nach- 
weUen la-ssen. 

Mit diesem Wenigen wr)llen Sie »ich begnügen; der 
Wert der wissenschaftlichen Ergabnisise kann «r»t ini 
Zusammeubang mit der Darstellung der gesamten Insel 
erseböpfeud eingesebeu werden.“ 



Deutsch -Ostafrika 1900 bis 1902. 

Von Drix Förster. 



In meiner letzten IleHprechung des offiziellen „Jabres- 
beriehtes über die Entwickelung der Deutschen Schutz- 
gebiete IH99 1900“ (Globus. Bd. 79, Nr. 15, S. 233, 
April 1901), insofern er Doutech-Osiafrika betrifft, sprach 
ich entgegen dem vorwultcuden Pessimismus die Ansicht 
aus, duts der Rückgang im gesamten Ilundulsverkehr 
nicht ein Merkzeichen allmählichen Zusammenbruches, 
-*oudem nur einer zeitweiligen Ebbe sei, welchen die 
langsam anscLwellendc Mut gesteigerter Ergiebigkeit 
in den nächsten .fahren mit ziemlicher Wahrscheinlich- 
keit wieder verwischen wird. Hätte ich voriges .lahr 
Hchoii meine Besprechung wieder aufgenoumien, so hätte 
ich mit Genugthuung auf die nicht unbeträrbtliche Zu- 
nahme der Ein- und Ausfuhr hiuweiseii können. .letzt 
über mufs ich mich im Hinblick auf den verminderten 
Warenumsatz von 1901 02 zu dem Ausspruch be.scbeideu, 
d»fs „der anschwellenden Flut“ abermals eine Eblie ge- 
fr»]gt ist und dafs vorläufig dt« Grenzen des Gedeihens 
nt>cli ziemlich iMtschränkte sein und bleiben werden. 
Ernstlich bcumruhigend sind dennoch diese Schwankungen 
nicht, wenigstens nicht in dein Mufs« und nicht durch | 
stt’tig bcdrohüelier werdende Ursachen verunlafst, wie | 
man nach den „Jahresberichten“ der letzten zwei Jahre 
eigentlich annchmeu mUfste. | 



Betrachten wir vor allem den wichUgston Faktur 
einer Kolonie, die Ausfuhr. Sie hat «eit 1894 (mit 
Ausnahme von 1897) noch nie di« Höhe erreicht wie 
1901, ohw<»hl KJfenbein und Kautschuk, die ergiebigsten 
ExportjircHliikte, während der drei letzten Jabre aus be- 
kannten (fründeu in stetem Rückgang begriffen sind. 
I>ie Kultur der Kokospalme und die Verarbeitung der 
Frucht dtfrsell^en als Kopra rücken mehr und mehr in 
den Vordergrund; auch die Erzeugnisse der Plantagen- 
kultur, wie Zucker, Kaffee und Faserstoffe gewinnen, 
wenn auch nicht hervorragend allmählich hu Bedeutung. 

Ein Vergleich mit BritiHch-Ostufrika ') dürfte in 
dieHer Beziehung interessant und zugleich aufklärcnii 

') ]Me für diesen Zweck zusamiuengt^atcnte Tabelle (' 
lieruht auf: Diplomatie and Cunsular Re^Kirts. Trade and 
Cufliotns Keveime of ihe Afric« Protectorat« for tb« 

yenr eudiug Maivli 31. 190‘J. Foreign« Ofiicc. N«pi. IfO'J. 
K<>. 'iiHt.H. — Dio hier veröffentlichten Zahlenaogabru für 
und 1HU9/läuo differieren ziemlich stark von jenen, 
welche ich in der oben zitioii*'ii Globumummer gebracdit. ob- 
wohl ich diewlli«D ilamal« eiuetu elionso ofÜzieUen Aktenstück 
entnommen, wie t>«dHs gegenwärtige ist. Pie englischen liech- 
lllll>gsl'e^is^rL■n werden wahrsrheiulich auch naehtrftglirh 
iuaiu'berlei zu korrigieren gefunden halwn, wie es bei un- 
der Kall zu sein sebeiut. 



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Brix Förster: Deutsch-OsiBfriku lOOO bis lü02. 



.%] 



Kein. Der Vergleich kann freilich nicht ganz glatt an* 
gestellt werden, ila das Reohmnigsjnhr der etigltsehen 
.Statistik mit dem 1. April )>eginnt, während die deiit«cbe 
Uandelsstuiistik mit dem I. .lammr anfäugt und nur die 
ZusummensteUung der Zulleinuahmea mit dem englischen 
Kcxboungsjahr äbereiu'<tinimt. Allein die dadurch ge* 
gebene Differenz von einem Vierteljahr beeinträchtigt 
nicht die Möglichkeit eines Vergleichs, wenn sich die«<er 
ganz sammaruch auf Zu* oder Abnahme bezieht. Ich 
setze demnach in der weiteren Krftrtening das engluche 
Kechnungsjahr dem deutschen Kalenderjahr gleich. 

Zieht man also zur Beurteilung der kulonialwirt* 
schaftlichen Kntwickeinng neben den Tabellen A und B 
atich'i'abelieC heran, so lienierkt man wohl bei Briiisch- 
Ostafrika nicht die heftigen Schwankungen im gesamten 
Waretiverkohr wie tm deutschen Gebiet, aber uinn wird 
auch keine imuihafte Steigerung gewahr. In der Aue* 
fuhr trat 1900 ein Rückschlag ein, wie hei uns 1H90; 
beiderseits aber ein AuDebwung im Jahre 1901. ln 
Betreff des Elfenl^ins zeigte sich 1901 i>ei «len Brit*>n 
eine sehr bedeutende Zunahme; nach dem englischen 
KonsnlarWricht hatte dies al>er nur darin seinen Grund, 
dafs gemäls einer kürzlich erlassenen Verordnung im 
darauf folgenden .fahre keine Zahne TOii Mindergewicht 
mehr auf den Markt gebracht werden durften, weshalb 
denn auch 1900 die Eingeborenen alle Hiige-<animidten 
VoithU) schleunigst und uiusseuhafi verkauften. 

Der Kuiitschukexpoil bat trotz der Ugandababn und 
trotz des neuen ZuHusses aus dem Seengebiet im Jahre 
1901 weit mehr abgenoinmen al« in Deutsch-Ostafrika. 
Noch schlimmer steht e.s mit «lern Kopal und d«'n Fellen. 
Nur «ier Getreidehaudel aus Ukamba und Kikuju erfreut 
sich einer wesentlichen Fnnlerung durch diu Ugandabahti. 

Die Minderung der Einfuhr Deutech-Ostafrikas 
In 1901 um mehr als 2, .5 Millionen ist eine auffallende 
Thatsache. Der Jahresbericht*) von 1901/02 (8.35)giebt 
dafür eine Reibe von Gründen an, unter «lenen die 
ülairfflllting der Warenlager an der KflsU« im Jahre vor- 
her und der unerwartet geringere Absatz nach dum 
Innern wohl als die natürlichste uud einfuebstu Erklä- 
rung di«!tu>u k(5unen. Kiucr Hi>cbflut der Spekulation 
folgt leicht uud gewöbulivh ein Ni«^lergaug. Weniger 
stichhaltig erscheint mir als wesentlich iiiitwirkende Er* 
Sache da», was der Jahresbericht von 190EO2 (S. 35) 
mit folgenden Worten angiebt; „Ituzu kommt der Kiu- 
nufs der Ugandubnhn, mit der die Waren schneller 
und billiger in das Innere der Kolonie befördert wurden 
können, als auf dun KarawanenstrafHuu des deutschen 
Gebiets“; und ferner (S. 38): »Auf die .\bimhme des 
Handels mit dem Hinterland ist der erneut«^ Rückgang 
von Baninw'oUwaren ziirückzufübren.** 

Man vergleiche zur Begründung meines Kiiiwaudi's 
hier die Db(«rsicht über die Einfuhr von Haiiniwull* 
waren in iHÜdun Gebieten. 



.lahr ln 1iM)0 Mark 



iiaeli DeuUeh-tUtafrika nach Krit.-tlstafnka 
INiig ... 4.5H5 ‘J.1^0 

IIHIO . . . 4.'J4» 

lyoi . . . 4.i«9l 

*) In die.Hem Bericht erscheint nicht nur die rekapitu* 
Herts OuaatiiUiitnine «1er Kinfiihr von llHiO, sondern auch die 
i'itueincn «lerseBien total verändert gt^nüber dem 

•lahr<‘sl>uricht v«>n I9n0 oi in dum DeuUtt'hen KuloniaJblatt 
von I9M1 (H. 81H) und von 19«>2 (K. ‘.1H7). Kiiie nachträgliche 
und genatiere Itevieion hat wahrach'-iulich In^raiHgefunden, 
■lafs die Kinriihr 1900 iih-Ut I14;J0«>«K» Mark, «uidern 
rio3o0u0 Mark l>etrngeik hat? Mehr Verlafs auf h<Hdi«>fd- 
zielle Aktenstücke wäre kein übertriebene» Verlangen. 



Wohl eni?>pri«'hl im Jahre 1901 diu Minderung «1er 
deutschen Funfuhr der Sieigeruiig der engUachen Fän- 
fuhr in gewissem Grude; aber im Jahre 1900 sehen wir 
eine noch stärkere Abnahme der deutschen Einfuhr 
gegen 1899, aber keine gleichzeitige Vurmohning der 
englischen FJnfuhr, im Gegenteil ebenfalls eine Vermin* 
derung. Wo blieb «laiuals die Zugkraft der l’ganda* 
bahn? Wobl konnte und kann die Ugandabahu ah* 
lenkend wirken auf einen Teil I>eutacb-Ostafrikas, und 
zwar auf das für d«m gesamten Handelsverkehr durchaus 
nicht uusschlaggebemlü Kilimandsciiarogebiet. Aber auf 
den deutschen Handel nach dem w'eit ausgedehnten 
Hinterland, nach dem Seuugubiet, vermochte die Uganda- 
bahn bis 1901 keinen FünHufs zu üben, einfacli desweg(>n, 
weil sie er»! Fhide 1902 auf der ganzen Strecke bis zum 
Victoria-Nyanzu vollkommen und ununterbrucheii dum 
Warentransport er«jflnet worden ist In den engliinshen 
offiziellen llerichten spürt man nicht» von einem triuni- 
phieren«len Siegesbewufstsein ül)er die konkurrierende 
Nachbarkolonie, auch jetzt nicht nach Vollendung der 
Bahn. Diese hat die übertriebenen Flrw'artungen der 
Flngländer «mtläutscbt; die während des Baue» tu^Kwung* 
haft betriebenou Terraiuspekulatiunen sind verkracht, 
und die Preise für l>andHtücku neben der Bahn sinken jetzt 
beinahe auf das Wertniveau vor Beginn des Raues 
herab. Die aufserordentlicb hoben FVachtsätzu heminun 
übenlies da» Anfldühen des Handels. ^'cun Goid- 

minen entdeckt werden könnten, würde der Im{>ort »ich 
nennenswert heljcn und das Gedeihen der Kolonie sicher- 
gustellt sein**, sagt der (lonsular Report. Seihst der 
EuterataaUsekretär (Vaneborne gab in der J’mrlnraeiits* 
Sitzung vom 2. Marz 1903 zu, dafs Rriiisch-Oatafrikn 
kommerziell nicht viel bedeute, nur in politUcher Bezie- 
hung »ei es von Wert. 

IHe innorsiaatlichen Verhältniase Deu tsch-O.st* 
afrikas hefimleii »ich, was namentlich die F’inanzen im 
a!]gemeiii«n butriSt, enteebieden itii aufstvigunden Ast, 
wie aus d«3f t!'bersicht zu entnehmen ist. 



Fliunahmeu Deutsch-Ostafrikus in 1000 Mark. 



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Die Sutniiien «l<*r Hütten- uiiä 


IS99 


3,IV»9 


«H9i 173 1,45« 


831 


(•«» erbenleuer cothnltpo äie gt“ 


1900 


3.151 


7S5| 153 1,411 


«OU 


■niutc Steu«Hci«tuD 2 vor ihrer 


1901 


3,377 


983 139 1.410 

1 1 


H45 

i 


VerteiliiDZ an «lat Guaveraement 
UB<1 <Ji« KowniufkalverwaitUDgen. 



Da» konstante Steigen der II ü tten st e uer (seit 
1898 um mehr als 400000 Mark) ist ein Ik^wein für die 
friedlichen und gedeihlirben Zustände intierhalbderschwar- 
zen Bevölkerung. Die arabiKchen mid indischen KaiifloitU« 
zahlt«su eine seit dum Jahre 1899 ahiu'btuende Ge w erbe* 
Steuer, Wühl mehr wegen allgMineiu wirtschaftlicher 
Depression o«ler wegen verfeiilb'r Spekulattoneii , als 
wegen der Au!>sic‘bten in Britisch -Gstafrika, welche zur 
Ül»ersiedelung verlockten, wie der Jahrcsbt'richt glaub- 
haft zu machen sucht. T>cnii erstens z«*igt sich von 
1900 auf 1901 kein Abgang, sondern ein Zugang von 
ansässigen Arabern uud ludern iti den deut‘*chen Küsteii- 
plätzen, und zweitens (wenn es ungefähr richtig wäre, 
daf« eben die reichen einheimischen Kaufleute weg- 
gezogen Seien und nur durch eine gmfscr«« Menge von 
kapitalschwächeren ersetzt wuitltm) b«>findeu »ich die 
Geschäfte in Britisch-Oritafriku uichU weniger als im 




3&2 



Krix Förster: Deuteoh'Ostafrika 1900 hi» 1!)02. 



AuNrhwuiig. Klagt «Wb der engliKcliu Kutisul (l.c. p. 4), 
dafa Boit dem .liibre 1H99 der Ilaudel iu Mouibas iitu 
4 Prox., in I^mu sogar uiu 30 Pro?., zurückgegnngen 
ixt! Ide ZolleiDDabmen (Oberhaupt um ungeFiihr 1 Mil> 
lioncn Mark weniger aIm in l>mitach-<)st«ifrika) Terriiigpr' 
teil Kicb in den letzten drei Jahren um mehr al» 100000 
Mark! ln der oben erwähnten ParInniHntssitzuDg wurde 
uuKdrOcklich berTorgehoWn , daFii die bjnnahmen der 
Kolonie stetig abnebnien, währen«! die Ausgaben waclxscu, 
dafs also di«> kommerziell«* Kutwickelung eine sehr frag' 
liehe sei. 



Ober die einheimi»rhe schwarze Uevölkening in 
llentiKih-OMtafrikA ergaben gtmauere Schatzungen, duCs 
sie inoi ülier 6,75 Millionen betrug. 



11HI0 

Kuropiler waren ansäwig . . 1*24.*) 

(9S& l>eut4rhe) 

Araber ... *2«>4i^ 

Intier • n • * 



1901 

»247 

(965 Oeutscho) 
2994 
3526 



IHe Usambarubabn, am l. Juni 1893 beguuntni, 
erreichte endlich am 15. März 1!MI2 ihr vorlilufiges Ziel 
Korogwe und wurde dem Verkehr QbergeW'n. Zu ihrer 
Tollen Wirksamkeit für «las (tedeibeii «les Plantagen* 
betriebt kann sie aber erst gelangen, wenn sie nooli 
36 km wtuter, bi« Mtmibo geführt wird, (ilücklioher* 
weise bat jetzt der UeiebstHg der Fortnetzung und Voll* 
emlung der liahn zugestioinit. 

l'nsere Dampferunternehmiingeii auf den Hin* 
nenseen kämpfen hart, jiiosist zu l>ef&rchteu, yergebUeb 



gegen die englische Konkurrenz an. Tier .Heruiano 
T. WifBrnann“ auf dem Nyassaaee warf wohl 1901 eitien 
ileingiiwiun von 47UO0 Mark ab; allein gegtui das Vor* 
Jahr erlitt er eine Kinbulse tou 6301H) Mark. Kr war 
in seinen regelmäfsigtm Fahrten durch eine gründlich« 
Kesiudrepsratür aufgehalteii, was die Engländer fliiik 
auszuautzen yerstandeii. Auf dom Tanganika machte 
die „Hedwig v. Wilsmann^ (seit 1. Juni 1901 in IHeaat 
gestellt) HO schlechte Geschäfte, namentlich auch wegen 
mangelhaften Handelsverkehrs der Küstenplätze unter 
sich, dafs sie eine.*« Zuschusses von 3G(H)0 Mark be- 
durfte. Selbst «1er kleinen „ükerewe" auf dem Victoria- 
Xyansa mufste das Gouvernement mit 15 04H» Mark zu 
Hülfe kommen, um sie über Wasser zu halten. 

Hi«! Gesundheitsverhältnisse wanm in den beldeu 
letzten Jabreu rocht befriinligende. Wenn sic auch vou 
der Natur seihst durch reichliche Kegen und ergiebige 
Kniten gefördert wur«l<>D, so trugen hauptsächlich die 
Ma(sr«tgeln der Behördi'U zur Kesserung und zum Schutz 
vor sanitären Katastrophen bei. Immer mehr versebwin* 
den durch energisch und allgemeiner durchgeföbrt« Im* 
pfuDg die sonst verheerenden Pockeiiepideinieen; die 
solirecklicb nahe, drohende Pestgefahr verstand man v«>u 
der Ktdoiiie völlig fern zu halten. 

Von gröt.<«ereu geographisch wichtigen Expedi- 
tionen i»t nur die deiitsrh-koDgostaatlicho zu erwähnen, 
I welcher die Aufgalu» gestellt war, «las Gebiet vom Nord- 

I ende des Tangatiika hi« zum .Schnittpunkte des 30. Grades 
<>stl. L. Greeuw. mit dem 1. Grade südt. Hr. zu verme«»Hen. 
um diese« Stück <l«*r Grenzliuiu zwischen l>ouiscb*0*>t- 



Deutsoh^O.stafrika. 

Prodiiktenausfuhr in 1000 Mk. Tabelle A. 



Kalen<lerjuhr 


Elfen- ■ Kaut- 
buln echuk 


Kopal 


Kokos* 

unstie 


Kopra 

1 


Wachs 


Gi^reido 


j Reis 


Sesam 


Zucker Kaffee i 


Kast- 

warwD 


Felle 


1698 . . . 


1.28» j 883 


285 





219 


182 


57 




247 


1«>0 243 


68 


! 88 


1899 . . . 


995 1 I.3U j 


277 


, 15.5 


107 


64 


201 


1 0,6 


85 


79 »5 


92 


78 


»9U0 . . . 


996 1 1.058 i 


158 


1 20 


189 


93 


373 


1 ^ 


179 


126 274 


68 


103 


tvoi . . . 

1 


881 1 1.U48 

1 1 


193 


i 9 


557 


94 

! 


78 


i 5,4 


279 


97 257 i 

( 1 


141 


130 



Handelsverkehr in 1000 Mk. Tabelle B. 



Kalender- 

jahr 




K i u f u h r 


I>eutach- 

land 


Ausfuhr 1 


1 Warenumsatz 


Summa 


aus 

Indien Sansiliar 


Summa 


Indien 


nach 

Sansibar 


Deutsch- 

land 


Summa 


1 Indien ^ 


mit 

1 

Sansibar 


Deutach- 

land 


1898 . . 




1.994 7.0*24 


2,252 


4,:CB 


20 


3,215 


7H3 


16.1H5 


2,014 ; 


10,240 


3,(KH6 


1899 . . 


10,H>> 


1,389 1 7,094 


2,018 


.‘l.tKlT 


79 


2,696 


923 


I4.7.*in 


1,468 


9,791 


2.942 


1900 . . 


12.(110 


1 ? ■ Y 


Y 




18 


2,987 


998 


lü.3il 


Y 


9 


« 


19«l| . . 


9..5I0 


1.025 ; 5,951 


2,195 


4.«'3 


25 


3.169 


1,130 


14,133 


‘2,178 


0,120 





KritLsch-Ostafriko. 



Tabelle C. 



i*rodii kteuausf iihr iu 1000 Mk. 



Hoebnungsjahr 


K 1 f 6 n b 0 
ganz 

Bri 1 i «c h ■ Ostaf ri ka 


i U BUS 
Fgandn alleiu 


Kaut- 

s«?huk 


j KnimI 


1 (fotreüle 


Felle 


Kinfiihr 


Ausfuhr . 

I 


Waren- 

umsatz 


1898 99 . . . 


6«NI 


1.3« 


255 


i 


107 


90 


9.367 


1,422 


10,789 


1890 lOoO . . 


1,351 


60.% 


:U7 


\ 


193 


2«»4 


8,855 


2,433 


1 1,288 


190«» Ol . . . 


845 


507 


‘.'«K» 


\ ^ 


1 .'{6<C 1 


14*15 


9,000 


1.797 ; 


10,797 


1901 «>2 . . . 


1,219 


' 9h;i 


134 


22 


447 ' 


101 


8,425 


2,280 


1U,6m5 



Handelsverkehr 
in 1000 Mk. 



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Uäohsrsohau. 



353 



»frikn uD(i dem Koii^o»taat (renau zu fixiereii. DeuUeher* 
aeitn betfliligrteü sich daran Haiiptiuann Ilorrmunn, Prüf. 
Ur. I^inp und nach de!*sen Imld erfolgtem Tode I^ut- 
nmil Schwartz; ton belgischer Seite die Offiziere Ilu'^iieu 
ttud Meruier. lleide Gren/konimiHsionen gingen im 
Frühjahr 1901 von der^Iündmig des Kusi^i aus, folgten 
daun gotrount dem I^tif dicKeM Flussee aufwilrts bis 



, zum Kivusee und schlugen von hier die Richtting hin 
zum Srhnittpunkte ein. IHe Ocutechen gelangten an 
das Kmlziel schon 1902, während die Belgier erst bis 
Zimt Xurdende den Kivuneea kamen. Bas bie jetzt er- 
reichte RcMillat isi eine hinlänglich genaue Überein- 
stimniiiug über die Lage des TrefTpiinktcH im Norden 
des Kivusees. 



Bflcherschau. 



Thou. Leiiachao: Pas W'eltkabelnets. 74 8., mit vier 
graphiiicheii Panitellungen und einer Karte. Aus: »Ange- 
wandte Geographie, Hette zur Vorbreitung geographischer 
Kenutnifw« in ihrer Boziohung zum Kultur- und Wiri- 
hörau*geg«*lw?ii von K. lU»%'e. Halle a. K., 
GoWuerSchwvtachke. IUA. 1 . Preis l,f>0 Mk. 

l)er Verfasser, durch die Broschur« „Deutsche Kabel- 
linien* bokauut, behandelt 1. die Kulsb-hung des NVeltkabel- 
uetzes. 2. llerstullung der Katwl, 3. Verl^uiig und Instand- 
haltung der Kabel, 4. den gegaiiwärtigim Kland des 
Knlielverkehra und seine Hauptlinien, 5. neue Piene und 
Ausblick in die Zukunft der KaWltelegniphie. IHo Pähigkeil, 
Wasserdächeu mit Kniwin zu ütieminden. erweitert sich 
schuell. und gleichzeitig mit den ersten Yersuehrn wini auch 
der benötigte Kohstoff zur Imiliorung u. s. w. der Kabel in 
Guttapercha gefunden. Die rntersuchungon bei Legung der 
Kabtd trugen und tragen wesentlich zur Kenntnis der Karmen 
de* Meeresgründe* bei, die sieb für dieses Werk erst als 
notwendig erwies. 

Kine Kigentiimlichkeit in der Kutwickeluug des Kabet- 
wesens ist das V<»rwieg«n des PriTatl>etriel»es, was den kom- 
merziellen Gesichtspunkt maüigebend macht, so dafs grofse 
iiltorseeiache Verkehrslinien zunächst xwiachen solehon Läu- 
diT« «iwtehen, unter denen ein lebhafter Handclsrerkehr hin 
und her geht: Kuiopa— Nordamerika, Kuro|»a — Indien, dann 
Kurops — Südamerika u. s. w'. Manche Linien verdanken ihn^ 
Entstellung auch ixditischon Gründen, werden Privatkal«! 
mit Staataunterstützuiig (Subventionen); das neue englische 
Pazitikkabei ist au* strategischen und politischen (irnuden 
vomehmlicb gelmut und staatlich. 

Die Tiefen und BtKlcnfomieu der Meere wirken beträcht- 
lich auf die Kabel ein. Im ti»'fen Ozean, wo fast abanlute 
Bewegungslosigkeit herrscht, wo keine Lebewesen mehr vor- 
handen sind, die dem Kabel schaden können, bedarf dieses 
nicht so schwerer Armatur als in der KIach*ee, wo der 
Hturm das Meer bis in seine Tiefen aufwülilt, oder gar in 
der Näh« der Küsten, wo ankernde Schiffe oft eine Ver- 
letzung des Kalteis herbetfUhren. Für das Flachseukabel ist 
auch ein lH*souderer Kchutz gugen die Bohnuuscheln (meist 
nur bis 500 m Tiefe, in den Tro|>en bi* IHOO m, besonders in 
dem südchinesischen und Hundameere) anzulegen. Gegenden 
sehr grofiscr Tiefen tnii^en bei der Kabellegung (möglichst 
nicht über 3000 bis 4000 m) vermioslen wertlen, einmal wegen 
de* ungeheuren Wasserdruckes, sodann aber auch, weil bei 
Verletzungen des Kabel* das Ueraufholen zur Reparatur be- 
deutende Hchwierigkeiten macht. Kbenso vermeidet man die 
dachen Htellen. au denen da* Kabel durch Ktörtne und HtrO- 
imingen in Mitleid«nschaft gezogen wird. Daher beschreiben 
di« Kabel zwitohen 8Utii>nen an clentclben Küste immer 
grofse Bogen ins Meer hinaus. Die Kntf«niiuigi.-n (oder die 
Gröfse der Wasserrtiioben) wirken insofern auf die Kabel, als 
die Geeebwiodigkeit des elektrischen Ktrumes in den J^eitungs- 
flrähten im Quadrat der I^änge abnimmt, alK> zur Erzielung 
der gleichen Kprechgeschwimligkeit der Qnerschnitt de* 
Leitern u. a w. entsprechend vergröfsert wenlen mufs. Da- 
her giebt man den Kabeln Zwlscheustationen , di« also der 
Schnelligkeit günstig sind. Immerhin sitkd aus dem obigen 
Grunde der Vergn’»f*erung teurer KestHndteilu die leicht ar- 
mierten Tiefseekabel Itedeutend tenrer als die stärker ge- 
schützten kiirz.eren Klachseekahel. 

Für di« Auswahl des fiaiidungspunkt«* ist aufser anderen 
Gesichtspunkten sanft abfallender Ktmnd aufzusuchen. Jb-i 
unentwickelten I<ämlern. denen noch ein Landliniennotz man- 
gelt. wird die Kiist« an möglichst vielen tstellen angezapft 
(vgl. auch die Dampferlioienl), um ni^Dchst viel Verkehr 
auf das Kabel zu ziehen (so an der west- und oetafrikantsch«i> 
und an der brasilianischen Küste). 

Die Beschaffenheit dos Meereegriinde* ist wichtig. Der 
Globigerinenschlanmt des Ailaiitischen und Indischen Ozeans, 
aber auch der rote Tiefseutbon des Stillen Orean* (in Tiefen 



übt-r 5000 m) *iud guter Kabelgruml, wo Reparaturen selten 
nötig sind. Gegenden, w<i der Botlen vulkanisH-hen Kraehüt- 
tcrungen und Ausbrüchen au*g<^tzt ist, werden vermieden. 
In den KUstenmeeren gefährden Felsbildungen, harter Schlick, 
Krdrotsche, Zuschüttung durch FlufwihUgerungen (Zerreifsen I) 
oft die Kabel, ln Westindien, In der Nortlsee, an der afri- 
kanischen Ost- und Westküste, vor allcni in der Sundasce 
und den («tasiatiseben KüNtonmeeren sind Bruche bäuüg. 
Die TiCliensdauer der Kabel hängt «bcnsi> wie von der natür- 
lichen Ausstattung der zu durchquerenden Meere von der 
Borgfalt der Ilemtellung und Verlegung ab. 

England ist der Mittelpunkt, in dem alle grofsen Linien 
de* ülwrsceischen Telegraphenverkehr* znsnnimenlaufen, d.h. 
alle wichtigen Nachrichten sind dort zwei bis drei Stunden 
früher bekannt als auf dem europäischen Kontinent. Auch 
sonst ist England viel Gewalt dadurch in die Hände geguben, 
und Deutschland, Frankreich, die Vereinigten Ktaatcn b«- 
stret>en sich, von den engiittchen Kabellinien unabhängig zu 
wer<l«n; nach Nord- und Mittelamerika ist das bereits der 
Fall, und in den anderen Teilen der Erde wenlcn anfser den 
englischen Iwild ander*» Linien bestehen. Zum Sehlufs sind 
die tetegi'aphiNchon Verbindungen ülwr Isind und die Aus- 
sichten der drahUi*»en Telegraphie bcs|wochen. Kino prak- 
tische Karte der Kaltellinien ist b»igeg«ben. 

Ernst Friedrich. 

W« Sievers: Venezuela und die deutschen Inter- 

essen. 107 S, mit einer Karie. Aus K. Dove* „Ange- 
wandte (ieogmphie*. Halle a. 8., (iebauer-Si'hwetschl e, 
lOoS. Preis 2 Mk. 

Der Yerfanaer, Itekanntlich ein vortretfUchcr Kenner von 
Irfind und l4>uten, gielit hu ersten Kapitel eine Beschreibung 
des Landes nach Lage, Orüfse, Grenzen, B<K!enba« und Go 
wäsM-m, Klima, Pdanzenderke (S. 2 bi* 39); im zweiten Ka- 
pitel worden die w-irtschnftlichen Verhältnisse l*ehand«U 
(S. 39 bi* Oä), im dritten Volk und Btaat, also Bevölkerung, 
Besiedelung, Geschichte de* Lan*lo* (8. 69 bis 103). Einige 
Seiten sind schlicfslich dem »Htroitfall* gew-idmot. Jedem, 
der sich über Venezuela nach jeder Richtung zu orientieren 
wünscht, kann das Heft sehr wann empfohlen werden. 

M. ('• Piepers* Mimicrj, Selektion, Itarwinismus. 
Erklärung seiner Thesen über Mimierjr (sensu generali) 
auf dem im Jahre 1901 in Berlin stattgefundeneu 5. inter- 
uationalen Eoologenkongrefs. l.eiden, K. J. Brill, 1(K»3. 
Verfnsaer giebt in diesem Werke dieselben 42 Ijchrsätze 
wie auf jenem Kongrofs, jedoch jeden derselben gefolgt von 
der ausführlichen Besprechung. Diese beruht zum grufsen 
Teile auf de* Verfasser* Auffassung von der H-llKttändigen 
evolutiunellen Umgestaltung der einzelm-n Eeligruppen, die 
er Oi^anismcneinheiten nennt, und deshalb vor allem auch 
auf der Veränderung des pigmcntalen Farbensystems bei den 
liopidopteren, von Piepers Farbenevolution genannt, deren 
Beobachtung jene Auffassung zuerst entstehen liefs und 
deren Studium dieselbe mehr und mehr befestigte. 

Die Farbenevolution ist wohl als ein physiologischer Pro- 
zefs zu verstehen, welcher danach strebt, die jetzt vorhan- 
dene Färbuug verloren gehen zu la-tsen, desKim Verlauf rieh 
jedoch je nach der Farli« und ferner im Zusammeuhang mit 
der KonsGcutioii der Organismen, in welchen er auf tritt, 
sehr verschic<l«n offenbart, wiewohl sich doch stots in der- 
soUien Richtung fortla-wegend. 

-\ls eine evolutioneile Veränderung fafst Verfasser fenier 
iHÜ-spielsweise die kleinen fadenförmigen Anhängsel auf. die 
nicht* anderes als die letzten Relikte von einer früheren 
gröfseren Ausdehnung der Flügel darstellen. 

Im einzelneti entzieht sich das Buch einem Refernie in 
einer geogra|dii«trheti Zeitsi'hrift, da zu viel ziKilogische, zu 
viel lepidoptertdogischc Kenntnisse zum eingehenden Ver- 
ständnis der interessmieo Materie uotaendig sind. 




354 



Kleine N'aoh riebteu. 



Kleine Nachrichten. 

Abürurk nar mit QacDeouiRab* 



— Lt*|jUtig eines ilt>i)(aebon Knlicla iiaeb 

Nordamerika. .\iii lu. Mai bat iiiMti in Ibirkuin mit dem 
t^ef^en eine« xueiteu deiit^oh-ntbihiUcben Knlieif nach NonI* 
nuterika begonnen, mau b<>fft damit int Lauf de*s näch«teii 
Jahrvs fertig xu wenien und den betrieb zum 1. Januar !9o» 
eröffnen zu können. Wi« die .Deutliche Verkehrszoituntr" 
luitteilt. U'ini das neue Kali«! eliensu wie das erste deuUcho 
Kabel nach Amerika, das im Jahre Uiihj in Iklrieb ge* 
Qommen wurde, über llorta (Azoren) geführt. Ks wirdetuas 
länger worden ala das älter«, dessen L^lnge (Kmd«n—t'orne>'- 
Island l«i New York) T7.33 km lietnigt, da ca in einigem \ 
Abstand von diesem, daa in der giinstigsten geraden Linie 
zwischen den Kmlpunkieu liegt., gerührt werden murs. Die 
Zabl der Kabel nach Amerika wird durch das neue auf 
13 erhöbt, die sechs ver»diiedeiien litwcllschaften geboren. 
Nur für die deutschen Kaliel, das bereits iiugonde und das 
jetzt zu legende, bildet New York selbst den Kudpuukl; die 
anderen Kabel landen an atidcrou älellen der amvriknniscbun 
Küste und erbaltcu entweder durch beaundere AnscbluTs* 
kabel uder durch Landverbinduiig Anschlurs an New York. 

l'ntersuchung des Dscheb«! Serbun durch 
Rudolf Zabel. \Yi« die .Vuss. Ztg.** mitteilt, hat ihr 
marokkanischer Kricgslierichlerstatter Rudolf Zabel ein sehr 
schwer zugängliches und wenig liekanuies (l<*biet Marokkos, 
das (iebirgsland des Datdicbel S4.‘rhun (we^ilicb von K«s>, 
besucheu und anscbeineiul genauer kcmion leruen ki'miien. 
Leiter anderem bat er die InVlisirn Diprel des (iebirges Im.- 
stiegen. Der Besuch war mit grofsen persTmlicben tSefabren 
verknü]ift, da die fanatische Bewohucrichaft dir_ dort liegen- 
den beiligeu Stätten (Umb Muley f-Uiris des Xiteron) arg* 
wohni.wh hütet. .Als die wichtigsten Resultate die.ser Kxgv* 
diiion^, so M'hrcibt Zabel der .Voss. Ztg.**, .m-nne ich die 
Knldvekiing eines alten römischen Bergbaues in Kerhun, 
ferner di« WicduraufHudung einer alten romiwlien (') Zita- 
delle etwa 100 in unterhalb der hiicbstcn Bcigs|>itzo, sowie 
einer alten nach Dlatzen und Ktrarsen beut« noch erkenn- 
baren ziemlich mufangren'hen n’iiuisr)i«n f^iedelung auf dem 
Kumm des Gebirges olierhalb von Miiley Kdris, da* ich zur 
mafsloseu Wut der Bewolmer als erster Ghrist In-riihrtc. 
Fernerhin die Auffindung einer römischen Kmistsirnfsu auf 
dem mit dem Serbuu zuKauimenhäugetiden ItseheliH Tselfat 
und die Konsiatierung einer l'«troteuuu|U«lle am Tselfat, iliu 
Vermutet wiirdv, bisher nlnir nicht aufgetumlcn werden 
konnte. Im Kerhun entdeckte ich fernerhin eine heifsc, ver- 
mutlich schwefelhaltige Quell«, der ich ProWn «ncuHlmi, die 
hier in Deutschland untersucht weriien sollen.' lüoi'zii ist 
zu liemerkcu, dafs das Fragezeichen Ih*i der römischen Zita- 
delle ru Unrecht cingefügt ist. Ihr Vorbandonsuiti i»t nämlich 
bereite 1901 von dem Franzosea Man|Uis de Kegouzac fe-t- 
gestellt worden, der dort auch einige dreifsig röiui-*rhe 
Münzen aus der Zeit bis auf Diokletian sammeln konnte. 
Uio Ktätte liegt ülieraus günstig für «m Fort, da man von 
dort aus vortreffljcb di« Kliene beherrscht. Als Zabel jene 
Zeilen schrieb, konnte er nicht wissen, dafs inzwim'ben da« 
Keisewerk do Kegonzacs erschienen ist. das einige, leider nur 
dürftige Tagebuchtnitteiiungen ül»er ilen Gebirgssiork, die 
rtinÜHcben Reste und die Heiligtümer de« Muley Kdris 
enthält (Voyages au Mariw, S. 90 ). Die Ntadt mit dem 
OralK' Mutey Kdris hat de t^gonzac offenbar nicht kennen 
gelernt, sondern nur den virdbasuebten Pilgen>rt Kef-el-Muja- 
hidin, wo Muley l-hlris seine ersten Schiller lehrt«. Bemerkt 
sei noch, dafs de Segonrar keine Scliwicrigkviton halt«, da 
er als Mohammedaner vorkleidet und in Begleitung «iiios 
Scherifs aus Ui-san reist«. 

— Die Juden der Gase Mzab. Sehr wenig ist bixher 
Imkannt geworden üiior die Juden d«r Oase Mzab im Si'i<|eu 
von Algerien. Hi« bieten manche eigenartig« Zitge dar, haben 
aller ihre Religioiisgebräucb« und Sitten im ganzen gut 
iM'wabrt, trotz langer Trennung vi>in Hau|>t.«(amin der Juden. 
Der französisch« .\nct Dr. Hugiiet hat sie in den Jahren 
IH97 bis I9I.M» eingehend studiert und seine RHolxicbtungon 
in den Bulletin'« do la «Msiete d’Aiiilir'^pologie IHü'i, H. 339 ff. 
iiiedergelogl. Bei dem Interesse, welclies nian der Verbreitung 
«iiT •luden und ihren zur-^treiiten («emoiDden entgegenbringi, 
halten wir hier einige Mitteilungen ülM*r diese Juden für 
angebruch«, wobei wir auf abwcicliendo Gebriiuehe l>e»ouders 
Kueksirht nehtmm. 

Naeh t'h. Amat l.e M/ab «t les M/aliites, S. betrug 



di« jüdische Bevölkerung iin Jahr« in il«n iiizabitischen 
Ortschaften Glianlaja (iuerram lJU und Borriana Itsfi. 

zuHRiiiineii 73ä. Huguet giebl für die Gegenwart rund 
tHio Jmlon HU. bemerkt a)i«r, dafs in Berrianu gegenwärtig 
keine mehr ■M*fshafi sind. Nach der jüdischen i‘!*erli«f«rung 
sind die«e Israoliteu im 3- Jahrhundert iler Hedst-hm vou der 
iu«el Dseberba an ilur luuesisclien Küste nach Gharilitja 
gokuimnen. Huguut meint ali«r, dafs di« «rsien jitdixcheu 
Ankömtulingo iin Mrab aus der Oase Uargla stammen, denen 
sich dann ti’i]K>litanische und ninrokkanischu Juden zuge- 
»cllten. Kr sagt über die Sprach« der mzabiliecheu Judoii 
nichts; «m ist aber anzuuebtnen, dafs si«, wie di« meisten 
nordafrikanisch«!) Juden, zu d«u Sephurdim, der Grupp« der 
I s|iauis4'hon Juden, gehitreii, wenn ai« sich auch die l^ande« 

I .«prachen, da.s Berlerische und Arabische, zu eigen g«macht 
I hallen dürften. Wie anderwärts hatten sie auch ini Mrab 
Bedrückungen und Verfolgungen zu «riragen, bis ihnen die 
Franzosen di« Kmanzipation brnrhten. 

liuguei winl siiäter seine anthropologischen Mesnitiigou 
j iiber dies« Juden uiitleileu. Hier sagt er nur, dafs di« 

! Männer hochgewarhsvu und mager seien, ihr Gang sei lang- 
I sam und bäfslich, die Augen klein, dio Nase gerade, der 
Mund fein. Wangen wenig vorspringend , die bekanntet) 

I S4‘hläfenIocken weiMeu such im Mzab von ihnen getragen 
und heifsen doii ,Sualef*. Ihr« Kleidung ist Jene der Kiu- 
. gelsii eticn. Die Weiber sind schmutzig, aber mit eiimehmen* 
«leii Zügen. Wenn si« auch in folge frühzeitiger Niederkunft 
«rlincli allem, läshaltRu si« doch stets «inen intelligenten 
Aiisilrurk dus Gesichtes. Bezüglich der Ni««lerkuuft berichtet 
Dr. Huguet. dafs sie häufig obue Heljeamin«, ganz ohne Hülfe 
in ein« u) dunklen Raum slattfindc. Die Kinder werden ge- 
wöhnlich zwei Jahre lang von <lcr Mutter genährt. Di« 
frühzeitigen Fhen. die man ja auch !•«) galtzisohen «luilen 
findet, sind auch im M/ab gebräuchlich. Mit >ier o«ier fünf 
Jahren werden dio Kinder von den Klteru verlobt; mit 
i:i Jahifu lieii'Kten si« ; Mütter von 14 Jahren sind kein« 
Selteniieit. Natürlich ist die Kitidersterblichkcit dabei eino 
lluguui kennt Juden, di« 23 Kinder hatten, >on 
denen lU g«»ti*rl(cn W'aruii; ei)i anderer Jude behielt von 
22 nur 3 übrig. Zwilling« sind häutig; sind si« verhclnedeneu 
ÜL'sihb'chts , dann inUirt die Mutter den Knulien. wahreml 
das Müdclien mit Ziegvnmilch nufgefutto't wiml. Kiu« F«ilg« 
der frühzoitigoti Kheii sind diu häufigen uud leichten Schei- 
dungen. Männer, dio 2<>d«r J Frauen batten, sind dio Kegel; 
«H giobt dort solchi', die fünf- oder serhfinnl gewhiedcii 
' wurden. Dt die Frau durch die M«l«n WiH’bcabetteu ver- 
braucht, so id «in Vorwand zur Scheidung leicht gefunden. 
Will iliu Frau sieh vom Mann trennen, ao biaucht sie iluu 
hiofs bei Irgend einer Fmge zu antworten: ,Nif«k, nifek", 
das heifst: dein« Na«« Und hiiizuzufüguu : ««'beiden wir uns; 
das genügt. R. A. 

— ('Wr di« )iiitiiunto|ogiscii«ii Krgebntsse der 
Kxpeiiitiou Sverdrup» hu» l*rof«ss»)r Bn>gger in .Aften- 
(»osteii'* vom 24. Januar einig« Mitteilungoii veruffetitücht. 
Di« vou der Kxpedition auf Kllesmervlaud und den licuacb- 
liarteTi Inseln gewonnenen paläuutologischen Saminliingen 
sind die bisher umfangreichsten aus dem Arclüpel im Nor<I«n 
I Amerika». Besonders iuteresiuint sind die aus dom Silur und 
Devtui. Di« deTonischen Fossilien zeigen, dafs in jenem 
G«bi«i, elM*n»o wiu in den übrigen Teilen des arktischen 
i Amorika. in dunen die Formation vorkmnint, das Devon viel 
' chiiniku*ri»tisi'li«r«* Bo/iuhuiig**ii zu demjenigen Kur>>)u)s, al« 
zu dem Aiiterikns aufweiti. Die Devonzone enthält Brachio* 
]i«Mlen, Kornllou. Fise.lio au» der Klasse d«r tiaiioideu, die 
oben* DovonschicUt l'l1uuz<’nnlidrüek« und eino Molluskonart 
(Sjiirifer Verneuili), ili« bisher in der Arktis nicht ange- 
troffen worden ist. Diu Gegenwart dieser .Molluskonart zeigt, 
dafs die Krde zur l>«)'unzc)t ein sehr uniformes Kliiiin gehabt 
hat. Die Saiimdungen dos Mitgliedes Sebei enthalten oine 
wurtvolle Koiho von tertiären Pfinnzenalslrücken , darunter 
besonder» Kxeiuplare von Taxodium und Beiiu<iia. Daher 
hat jener Arvliijiel wie Uröuland und Spikz1>ergen während 
eiuos 'IVils der nctizoiseheii Zeit gemüfiiigtes Klima gehabt. 

— Forschungen im Wraiigellgohirg« von Alaska. 
T. G. Genliric und D. O. Wilhei'»lKMm von der II. S. Geolo- 
gical Survey haben au» den Kruelmlsiwu ihrer iVO« und iyu2 
i vorgenommenen loi»*gra|ihischeii Arbeiteu im Uoppur River- 
' gebiet einig« M*hr iiiteivxMiiilu Thalaachen über dio , Wmngoll- 




eonaimtp ünipfM> von Ik-rxtpitzeii niit^cteilt, dert^ii 
Abhänge durch Zufliijiite de» ('opper Uiver, des Tnnana und 
des White Kiver eiitWiUsert werden. l>>is westliche Kndo 
jener tirupi« wurde lenS durch lieutnunt Allen uiigefälir l 
fest^elegft in Verbindung mit seiner Kekugniw/ierung durch 
Zeniralalaskrt, und seine Benchreibmigen galten den er«»fii ' 
liegriff von der Höhe und Bedeutung der (truppe, (turdine 
und Withepipiton jedorh haben diu gniirn Kette genau und 
iin uinTelneu nufgenomnten, und es ergab mch dabei, dafs 
sie «Qoigstens acht Ctipfel von 3rti>0 m <id«r mehr enthält, 
und verschiedene andere Spitzen, die über 3 ChK> in ansteigen. 
Zwei von den (Hpfeln, Mimnt Iila<‘kbum und Mount Sanfonl, 
sind hoher als 48ü0tn, der iniere'^saute-Hte von allen jedoch 
ist vielleicht der 4200m hohe thätige Vulkan Moiini 
WraiigelL Dieser (lipfei bildet einen grorsen, nbgeplattelen 
Dom, dessen in der Nähe der Sjätze lielegener Krater um 
2 4öom di« KchnHcgretu« überragt. In unregelmärsigcn 
Zwischenräumen, doch häufig, ttöfst der Ki*a(ur Dampf und 
Knmli mit fiehatiem feiner A«chi* eui|H>r. «> daf* das Kis «k-r 
iiacli Hndweston abtUefsenden («letachvr ganz schwarz ist. 
Die nusffihrlicheu Karten sind in VorlM>reitung. Die genaue 
Höhe des Mount Wrangell ist 427n m, die des .Mount Ssnfortl 
4ü4:t und di« des Mount Blackburn 41*23 m. l„Nat. gesigr. 
Mag.“ IV03, H. löl.) 

— Die Verbreitung und Bekämpfung der Lepra 
in Kstland skizziert A. Kupffer (HL IVieraburg. inedi/in. 
Wuoheiiscli. 100.3, Nr. fi>. riiser** Konntniwu iilter die ersten 
I^prafftlie zu Anfang des 19. Jahrhunderts stammen au» den 
Hehriften des D)>r{aiti‘r Dnifessors Htruve und seines Schtilcr« 
Hrehiu. Für die Zeit von IVUti bis IHäO fehlt uns näheru 
Kunde. Bis Ib95 schwankt dann die Huimiie der offiziell 
bekannten Kranken zwischen 9 und 23. Für 1901 aber 
konnten 192 Fälle zusammengestellt werden. Die liCprs ist 
nicht gleichmkrsig über das Land verbreitet; die Herde liegen 
teils an den alten Ueeratrafsen, teils grenzen sie an die 
Kreise Kordlivlands, in denen diese Krankheit l>eaoiidcrs ver- 
breitet isL Die Verbreitung der I^pra in Kstland dürfte 
sich auf folgende Weise vollzogen haben: Durch Holdatcii 
aährond des franzrisischeii Kriegua zu Anfang des 19. Jahr- 
hmoierts und wähnrnd der droifsigvr, vierziger und fnnf- 
ziger Jahro: durch Sddnten. die als solche in lA'pr.igegcn- 
den im Innern des Beiches sich inüciert hatten und dann in 
die Heimat zurückkehrten ; ferner durch andere liOpr^wc aus 
anderen U<»uvero«ments, namentlich Nordlivland. Kine wei- 
tere (Quelle dürft« in zurückgekehrten, zeitweilig in livländi- 
.sehen {«praherlen wohnhaft gewcMmen Kstländern zu 
suchen sein. Nicht zu unterschätzen ist in Bezug auf die 
Ansteckung der fortgesetzte Verkehr mit Ijcpraherden in 
Oesel zur^ii des Fischfanges. Schwere Krkrankuiigen sind 
in den letzten fnnf Jahren nur sehr wenige l>eolMichlet wor- 
den. Suit D*97 giebl es in >Ntlnml ein eigenes I^epnisoriam 
im früheren Lehrersetnitinr zu Kuda, wo die Zahl der In(l- 
eierten v»m HS97 bis 1901 von 20 bis 40 schwankte. 

— Die Mission Duchesne-Fnurnci, deren Arlieits- 
feld Aheseinien i.«t. nähert sich ihrem .Mwchlufs. Von ihren 
Arbeiten auf d»-m Wesju iHchilwti — Hamr — .\ddis Ab#‘hu ist im 
(tlobus kurz die Hede gewesen. Von Addis Abeba unternnhm 
sio einen Zug nach Nnrdwcsten in das Gebiet des Blauen 
Nil und bat daboi den Tanasce von neuem aufgeoonmien. 
Aufsenlem ist in Verbindung mit den älteren Aufnahmen 
Antoine d'.VbiHtdies. ('ecchls und anderer eine volNtämlige 
Karte der Landschaft Godjam erzielt worden. Nachdem man 
nach Addis Altehn zurückgekehrt war, begalteii sich sämt- 
liche Mitglieder aufser dem Führer in die Heimat zurück; 
dieser machte noch einen Almtecher vt>n Addis .Mielia nach 
Westen, nach T'alagn, bi» in die Nähe von Tulu T»ch<*ki, 
wohin im April 190i (j« Roux gelangt war. (,Ln Göo^r.*. 
März 19U3.> 

— Die Regierung von Natal wünscht einen Hafen für 
Transvaal zu schaffen und hat zu diesem Zweck die Küüic 
des Sululandos untersuchen hassen. Ks haudMlt sidi darum, 
iiuf dem kürzesten Wege und mit einer zu erlmuendcn Balm, 
die ausschliefslich durch britisches Gebiet führt, die l’nNlukte 
des Baud ans Meer zu bringen, ln Betracht kamen die Kai 
oder die l^gune von St. Lucia und di« rmhlntusilaguno. I 
Die erster« hat alter viele Fehler, auch eine ung*«ando rin- 
gehung, und m> wird denn jetzt nur die Lagune von l’inbla- I 
tusi empfobbm, deren Ausmündung !»8km südlich vom ' 
Ht. Luciariufs und 70 km nördlich vom Tugela liegt Soweit j 
die Tiefe nicht ausreicht. kann sie leicht durch Baggern ver- j 
gröfsert werden, auch ist die l<nge gesund und süfses Wasser 
in der Nähe vorhanden. Di« Hinten dea Hafenbaues werden I 
auf etwas über I Mtlüun Pfd. Hterl. gONobatzt. Kiiie von i 



I (’iuhlafusi ausgehend« Kütonlnihn wurde Suluiand und di« 
neuen Kolonieeo eröfTtien, sie würde die ilHUptlinie etwa hei 
Volksrust erreichen und die kürzeste und beste Koute nach 
dem Rund darstcllen: sie würde all« Konkurrenzlinien leicht 
ülierdiiguin und einem englischen Hufen viel von dem Kapital 
ziiWcnden. das jetzt nach der Debignahai ahgelenkt winl. — 
Die Regierung von Natal scheint also für die nächste Zeit 
die AuDnssiing der {tortugieeischen Krlisrhaft m^c-h nicht zu 
erwarten. 

— Die Gesamtzahl der Kalmücke», deren Ver- 
waltung gegenwärtig an da.» rnuisebe Ministerium de« lunonj 
übergeht, erreicht 14öouo Seelen IteiderUd Gosebiochts; vtm 
diesen k«iinin«n iil»er 1.34 Oou auf das Gouveroemenl Astrachan. 
Da-s ihncu zur Ihmutzung ülterlassciic I«andtorritorium be- 
tragt nach den «Nowosti* über n^läOOO DesNjatin, zu denen 
noch über itooouu Dossjatin l'achtgrund hinzukommen, der 
ebenfalls von den Kaimüeken benutzt wurde. Im Mittel ent- 
fallen somit auf jede Keele der Kaliuückenbevülkerung mehr 
als 4ii Dessjatiii. 

— Die Pygmäen und ihre systematische Stellung 
innerhalb des Menschungoschlechts lieleuchtet J. Koll- 
mann in den Yerhdl. der naturf. Gesellsch. in Bo.*.«!, 16. Bil., 
1902. Koben den grofstm Hassen sind in allen Kontinenten 
auch kleine M>ms('heura«K‘n zu linden, deren Kür{»erhöhe 
zwischen 120 bis 150cni, deren Hinigewicht zwischun 9 <mi 
und 12(K)cl>cm schwankt. Auch der amerikanische Krdtrii 
iinthalt Pygmäen (t), welche zahlreich in Peru und an andervn 
Orten nacbgowiu^cn (0 sind. In Kurotm rnebn-n sich di« 
Pygmäcnfumlo; zeitlich rcirbu» sie von der neolithivrhen 
Periode (Schweiz etwa lOOOO Jahre v. (’hr.) bis in unsere 
Tage (Sizilien) hinein, und örllich sind sio über Sizilien, 
die Hch«*ciz, Frankreich und Deutschland an mehreren Orten 
zerstreut gewesen; nach Sergi auch für Kurilnnd. — Die 
Pygmäen sind keine verkümmerten, degenerierten Abkömm- 
linge der grufsen Kassen , aundem gesnnde und wohl ent- 
wickelte, jedoch kleine Abarten des Menschengoschlechts. 
Di« systematisch« Stellung zu den grofsen Hassen beruht in 
einer stamm^gwchicbüichen Verwandtärhaft, wobei die Pyg- 
mäen als Urrassen tiuf/ufas.sen sind, aus denen sich di« 
gr»r»on entwickelten. Die Nachrichten der Allen, sowohl 
der Naturforscher wie der Dichter, üImt das Vorkoiuuieu von 
Pygmäen an den afrikanischen hümpfen, in denen man sich 
den 1'rsprung des Nils dachte, sind in der Hauptsnebe zu- 
(rolTcud. In den Grabfeldern (MMmigypteiis, welche aus der 
Urzeit wie der Zeit der ersten Dyna«li«s»n stammen, liegen 
Pygmäen neben den grofsou Ras'ten bestattet. Die Gräbs'i' 
gelu'iren teilweise der nonlithischen Periode an. Zu gleicher 
Zeit, wie am S.'hwyzcrsbild lad Irk'haffbausen. luhten auch in 
Oberägypteu Pygmäen zusammen mit andervn Ha*s«n. 

— i'l>er eine Heise im veuezolanischen Guayana, 
dio er im Winter ItfOl 02 au*geführt hat, berichtet Dr. 

H. Passarge in Nr. 1 der Zeitschrift der Berliner (iesellschaft 
für Ki'dkuml« (1903). Die Reise richtete sich in ein räumlich 
nur lieschränktes Gebiet , das Land zwischen den lüdlichen 
Orinocozutlnssen Cuchivero und Caura, das idii deutsches 
Syndikat zu kaufen beabsichtigte. Besonderer Wert wurde 
auf «in« genaue kartographischo .\ufnahme des Areal» gelegt, 
deren Krgehnis zu einer Pas-nirges Bericht lieigegwbenen 
schönen Kart« in I : .3tK)«00 vemrlieitct worxleii ist. Passargu 
beschreibt Itosonders «iiigeli«nd di« geologischen und Boden- 
verliäliniss« und bespricht dann di« Pllauzcn* und Tierwelt 
und die gering« MischUngsbevOikerung. Bei dar Untersuchung 
ries Gebiets stiefseu l*as.sargc «in« Menge wichtiger Fragen 
auf. Ais irrig erwies sich die Auffassung, dafs die Llanos 
ohne wesentliche Nivenmlifferenz in das Orinucodelta über- 
gehen. Vielmehr endet 3 bis 4 deutsche Meilen westlich 
von l>as ('astUlas die Platte der Llanos ganz plötzlich mit 
einem Nteilraud von .%0 bis 80 m Höhe, und auf dieses Plateau 
folgt dann im (Kten eine mit Wald bedeckt« Tiefehen« au« 
dem grauen Alluvium des Orinnco. Pas-sargs^ fragt: Ist jener 
steile Abbruch tektonisch isler ist er ein Kmsionsrand ? Uud 
hat ein« negative Htraudversrhiehiing mitgewirkt ¥ Dann 
fragt Passarge u. a.; Welche Krklärung verlangt der feine, 
foMilienreinn Ton, der mit wechiHdrider Höhenlage und ohne 
wesentliche Bviiiiengung von grobem Detritus de« Otiayaiia- 
bergland«« Iris an di« Geldrg« heran, in di« Buchten des- 
selben hinein, an den Gehängen hinauf drängt? Und nun 
gar die folgRud« .Laterilperiode”, die hier in den Llamr« 
mit eim-r ]>eutlichkuit vor da» Aitge tritt, dafs nur die eine 
Krklttrung möglich ist. dafs ein Maximum der Bildung von 

I, at«rit diin'h Verwitterung liestanden hat zu einer Irestiniiiiten 
PeriiMie. Der Llamislaterit ist alt. el>enso der afrikaiiische : 
pH»«arg« lumut daher, daf» die Forschung vielleicht einmal 




356 



Kleine Nachrichten. 



eine Lateritpcriode (imtcrbnlb des Tortiilr) hIm rorhaadeu 
gewesen fest^tcHuu mIixI. Mit diesen und anderen Fragen 
wiil sich Paasnrge bet der ausführliclien Ik'avbidtung seiner 
Krgebuisse näher beschäftigen. 

Das Atlantisproblcui. Im 24. Bande der ,,1'ruc. 
of the R. Irish Academy“ loespricht Ür, It. F. Scharff die 
Fauna dar atlantischen Inseln mit Bezug auf die Frage eine* 
einstigen Zusammenhangs zu tschen diesen Inseln und Europa 
•linorseits und Amerik.'t andererseits. A. I{. Waüace be- 
Imiiptet bakauntlirh. es gäbe keiuen Beweis für die frühere 
Landverbindung, und hält die atlautischeii Ini>etii für rein 
ozeanische Typen; denn: die Eilande bestünden aiiMchliefs- 
lich aus vulkanischem GcsUdii, sie »eien vuu sehr lit-feu 
Meeresteilen umgciten, und sie wiesen kein« eiuheiuiischen 
Käugetiere auf. tkrharff meint dem ersten Einwurf gegen- 
über, dafs die Thatsache, dafs nur vulkanisches Gestein zu 
sehen aei, nicht die Möglichkeit ausxchlüssc. dnfs die Inseln 
der Rest eines versunkenen Kontinents seien — «ine Ansicht, 
di» von inaucheu Geologen geteilt wird. Ferner sei der 
Hinweis darauf, dafs die Inseln von tiefem Wasser umgelten 
seien, nur teilweise korrekt; denn die (iettysburg-Bank er- 
strecke sich bis in die Xnchbarschaft v«m Madeira, und die 
Annahin« sei begründet, dafs eine umcriueerische Kette dies« 
Insel einst mit der {Mirtugiesischeu Kust« verbunden butt«. 
Bi« ganze Frage hange mit der Theorie der iVrinanena der 
grorsei) ozonuischen Hocken zusHinmen, worüber die Geologen 
sich keineswegs einig seien. Mit B^-zug auf das Fuhlen ein- 
heimischer Säugetiere endlich glaubt Scharff ermittelt zu 
halwn. dafs das Kuuinchen und die Ziege in Wirklichkeit 
dort einheimisch und nicht, wie mau gewöhnlich anuuhme, 
durch Kunipäer eingefährt wunlen sind. Abi'r wenn das 
auch nicht bewiesen WL<rden kOnnte, so konnte ein von der 
angeblichen Abw'esenheit von Säugetieren hevgdeitt'ter nega- 
tiver Beweis nicht di-n }HM>itiven ^wets aufwiegen, der aus 
der Auwe-«enheit von Wirbellosen abgeleitet werden kann, 
und an Holchein Beweis« fehle es nicht. Scharff glaubt 
nicht an eine direkte Verbindung zwischen Amerika und 
den atlantiai'hcu Inseln, alw?r er meint, dafs die letxteren mit 
Südeuropa verbuudcii waren, und dafs sich zwischen Afrika 
und Südamerika eine Landbrücke erstreckt habe. Scharf! 
erläutert das naher durch eine eingebeudu Besprechung der 
Fauna der atUntischen lusoin und deren offenxichtiiebon 
Vorwaudtscimft mit i.mropäiscbcn sowohl wie mit Südamerika- 
nisefaeo Formen. 

— in einem Aufsatz über die Käfer (Colorados (Bd. V, 
Nr. 3 des Bulletin der .Iowa-Universität) sagt H. F. Wickham: 
Die Krscbeluungsverteiluug der Käfer in Coloradi» ist sehr 
interessant. Innerhalb eines Radius von einigen Kilometern 
ündet man Ansammlungen von Arten, die wenigstens drei 
verschiedene Gatiuugeu mpräscutieren. Die erste, die der 
gi^ifseu KbenOii, welche die Gebirge umgeben, wird durch dio 
gn>fse Entwickelung Hügellueor oder unvolikommen bellügelter 
Formen gekcoureichuet; es sind wahrscbeiulicb hauptsächlich 
Eindringlinge aus dem Büdeu, wo diese charakteristische Getstalt 
unter den Käfern deutlicher liervortriit. Gelegentlich ver- 
laxsen dieae Formen ihren natürlichen Aufenthaltsort und 
verbreiten sich .*iuf weite Kiitfernungen die Flufslhäler auf- 
wärts. Im bewaldeten Gebiet der höheren Uugel und der 
unteren Berglehnen begegnel man einer Fauua, die eine 
starke Verwandtschaft mit der an det» grofsen Se«ni zeigt. 
Noch höher, iu 24oO bis 270U m Uühe, giebt es Arten von 
Gattungen, die in ihren tiewohnheiten noch bi>realor sind, 
und ol)erhalb der Baumgrenze weisi'u dio Bergspitzeu ein 
paar Käfer auf, die arktischen Ursprungs zu sein scheinen 
und veruiutlich von der sich zurückzieheiiden Eisdecke der 
Glazialzeit dort zuriickgeiassen worden sind. 

— > über «inen ultertümlichen Brauch, der vor 
JahrhundertQu in Uufsland ganz allgemein war, sich gegen- 
wärtig aber nur uoch in einigen Gegenden erhalten hat, lie- 
richtet der iu Nischni Nowgorod erscheinende .Listok”; es 
handelt sich um einen Welhnachubraucb. .\rti heiligen Al>«nii 
zieht sich ein Bursche den FeU mit den Hmirun uuuh uufsen 
an, legt eine Maske vor das Gesicht, lieileckt sich den Kopf 
mit einer grofsen Pelzmütze, legt sich in einen Schlitten 
und wirsl $«> von d«r Burfjugeiid durch das ganze Dorf ge- 
zogen. Nach der Prozeasion durch das Dorf Iwgiebt »ich der 
ganz« Volknhaufe nn das Ufer der Wolga; dort w-ird aus 
Stroh und tnjckenem Holze ein Hcheiterhaufeu errichtet und 
anguznudel. Während die Flammen hoch gen Himmel 
cmporlodcm, singen zwei als Po|ieu verkleidet« junge Leute 
Beerdigungslieder. Nachdem der Scheiterhaufen nieder- 



gebrannt ist. kehrt die Jugend in das Dorf zurück umi 
zerstreut sich. Dieser in früheren Jahrhuudei-ten längw der 
ganzen Wolga allgemein verbreitete Brauch lebt auch houte 
noch dort, wo er seit langer Zeit veivchwuuden ist, in di-r 
Erinnerung als Beerdigung Saidr»r«'' fort. 



— La Töne-Flachgräber im Württembergisch»*D 
Unterland beschreibt A. Bckliz (Fundberichte aus Kchww- 
beu, Jabrg. X, IM02). Im Up>pruugslBud der I<a T«ne-Kultur 
der Marne und Champagne, Üuden wir äkule(idachgriil>er 
vorwiegend der Früh-La Tenc-Zeii und ebenso in Böhmen, 
dem vorlüuügen Endpunkt des mittleren Stromes der galli- 
schen Invasion; auch zwischen diesen Punkten liegen gröf»«i-e 
und kleinere t»kelettgräl>erfelder, wie das von Mauching iu 
Bayern. Die Beerdigung im Flachgrab war sichtlich liw* 
wuhuheit der galUschen Kelten. In Württem1>erg kennt Ver 
fosscr 17 zwcifelhe«« Skeletttlacbgräber. zu denen 7 weitere 
mit grufser Wahrscheinlichkeit hinzuzurechuen sind, al>«r 
dane^D 22 Grabhügel mit I>n Teue-jHcslattungi-n. Freilich 
wt die Entdeckung von Flachgrabern meist ein Werk des 
Zufalls, während der ins Auge fallende Grabhügel stets zur 
Nachforschung reizte, und dann ist der grufsero Teil dieser 
llügelbegräbnisae Nachlte«tattung in vorhandenen Hügeln der 
früheren Kptteben. Diese BeniiUung der Grabhügel, welche 
die Kelten vorfanden, gebt offenbar viel weiter, als man au- 
zunehnu'U gewohnt ist, und selbst Hügel, welche nur La 
T<-ue-Be«tattungen enthalten, lialten der Prnfuug, ob sie 
wirklich zu diesotn Zweck umprimglich errichtet sind, nicht 
stand. Da« Gemeinsame all dieser I^v T<-ne-HesUtiungen ist 
das Schachtgrmb, ob «s in dun rtm'heu öder aufgehi>hteii 
Boden i*tiigtrm;huitten ist, und eine grofae Zahl dieser Hügel 
sind in vorhauileueu Hügeln angelegte Frie<thöfe mit 8ke- 
lettbestattung. Die Zahl der eigens zu diesem Zwecke etnrr 
Bestattung iu der T*'oe-Zeit angelegten Grabhügel dürfte 
in Württemberg nicht gri>fser sein als die Zahl der von 
Wilhelmi baschriclienen fränkischen Gräber in den Grab- 
hügeln liei Wiesenihal iin Verhältnis zu den Koiheng^äl>er- 
feldern dieaer Zeit. 

— Eine pfianzungttOgraphische Beschreibung des 
Gouvernements Wladimir von A. Fl«roff (Jurjeffer 
Diss. itfü2) gipfelt darin, dafs sich sechs Pdanzenvercin« da* 
»4-lbst unterscheiden laMeii; Die Waldgruppo. Kultur*, psam- 
mophilp, WaaserpÜanzen- und Bumpf^irlanzengrupiie und di« 
Vegetation der Gehänge, der Kalkstein- und Lehmprotile. 
Ein besonderes Interesse erweckt die Flora der iu grofser 
Zahl vorkominendcn Keen und der Bildungs- wie Kntwicke* 
luiigsprozefs der verschietleneti Moorty^ien. Die Verwachsung 
und Versumpfung geht nach drei Hauptty|>eu vor sich, durch 
die I,eboii»thaiigkeit tier Sphagna umi son«iigeti Vegetation 
der Hphagticnmooro, durch dio Lebensthätigkeit der Wasser- 
pflanzen wie diu der Ufer- und 8ampfgowkch»c- Die Wälder 
erfreuen sich einer bedeutenden Ausbreitung, »ie Iiedecken 
nahezu die Hälfte de» Gesamtareals, übrigens ist ein grofser 
Teil dieser Wälder sekundären UrsprutigB, indem abgeholxiu 
Flächen — Weideplätze und Brachfelder — von ihnen über- 
zogen werden. Urwälder sind in den thonreichen Gebieteu 
des Gouverneuiems eine grofse Seltenheit ; viel häufiger treten 
sie iu den sandigen Strichen auf. Die ursprünglichen I-aub- 
wälder in den Gebieten des Guscbicbeichms bestanden aus 
Eichen, hiK’lislwahrschrinlich mit Beimischung von Kiefern. 
Meist entfaltet sich in den ersten Jahren nach derAbboizung 
eine üppige, aus Wald- und Kuderaltlora gemischt« Voge- 
tatioD, w-»rauf Birken und Espen mit der Fichte gemischt 
zur Entwickelung gelangen. AU Kndrvsultat ergiebt «ich. 
dafs das Gouvernement Wladimir voll und ganz zum Gebiet 
der zusauunenhängendc-i» Wälder gezahlt wenien raufs, wo- 
bei stellenweise sich TundretivegeiaGun erhalten hat. Die 
Kntwickelungstendenz der Flora bestobi gegenwärtig darin, 
daU die ÜlK-rbleibMel der nordischen Vegetation verschwinden 
und südliche Klorcneleuiuute unter der Einwirkung den Men- 
st'hun sich ausbreiteo. 

— Die frühere und gegenwärtige Verbreitung 
des Bibers (Castor Über) im rossischen Kelche «teilt 
r. Grevc im «Zoologischen Garten“ (44. Jahrg., IduS) dar. 
Der Verfasser führt aus, dafs dies Tier ein.st von der Weich- 
sel bis zu den rechten le-nazuHüssen verbreitet war. Kr 
fehlte in der Tundra, weil dort kein Wald vorhanden war, 
und in der un;Timgliclien Kteppo aus demselben Grunde. Ob er 
wirklich in Gstsibirien gefehlt bat, wo der rU-U gefr*»rene 
Biaien vorherrscbl, ist nicht ausgemacht- Von Kola ging er 
nach Küden bis zum Araxes. 



Versiilwortl. Kedskteur; K. Siuger, Berliu SW. 6, Srhill l-aurrdstutn 2ü. — Dm<'k; Krie-tr. Vieweg u. S«hn, Brsunscbwelg. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSfllRIFT FCR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN: ..DAS ADSLAND“ UND ,.AÜS ALLEN WELTTEILEN". 

IIKRACSGEOEBFN VON’ H. SINGER tTNTER UESONDERER MITWIRKrxa VON Prof. Dr. RICHARD ANDREE. 
VERLAG VON FRIEDE. VIEWEG & SOHN. 



Bd. Lxxxm. Nr. 23. BRAUNSCHWEIG. 



18. Juni 1903. 



Nachdruck nur nach Cberainkuiifl mit der VerlatfEkanüliLnu K«»>n!le<. 



Ein neuer diluvialer Schädeltypus? 

Vom Ktiiil Schmidt. 



Die Mclir/uhl der frunzdkiMhen Fomcher uei|^i »ich 
der Aut<icht su, daf» die ältesten der bie jetzt in diluvialen 
Schichten aufgeftindeneji Überreste dee Men&chen einer 
primitiven, von dom heutigen Mennchen in weHantlioben 
Punkten vermchiedeuen Kaiiae (Neanderthalranse) ange* 
hört habe, dafü dünn aber eine breit« zeitliche Kluft 
zwischen jenen und den spAtereu Menschen der IKlu* 
vialzeit bestanden habe, die bis jetzt iioob nicht durch 
/wiüchenfornien des Manschen ausgefüllt worden seL 
Nun bringt „I/Anthropologie“ (Ibl. XIH, lieft 5) einen Auf- 
satz von dem französischen Anthropologen Verneau, wo- 
nach di« vom F ursten von Monaco angeordnotun Grabungen 
an der Hguriacben Küste „un nouveau typ« buniuiu'* zu 
Tage gefördert hätten, der ein Ibndaglied zwischen jenen 
IbiHsan bilde. „Dank diesen Ausgrabungen beMtzen wir 
entUich einig« ethaisebe (anthropologische) TbatHnchen 
aus jener Zeit, dio bis dahin noch kitiiis ihrer Geheim- 
nisBü offenbart batte.** üb jene ZwiHchenrasse sich an 
die frühere (Neanderthal-) Rasse genetisch anreibe, das 
müsse di« /eit lehren, der .Annahme dagegen, daD diese 
neue Unase möglicherweise der „negroid«** Vorfahr« der 
späteren ((’ru-Magnon-) Rasse gewesen sei, stehe kein 
emsiliehes Iliodcruis im Wege. Verneau drückt sich 
über diu ethnische Stellung dieses .neuen Tyims*^ noch 
ziemlich vorsichtig aus, weit entschiedener gestaltet sich 
dagegen di« Sache bei einem deutMchen Gelehrten, 
I«. Wtis«r, dem sich bei der ReHprecbting jenes Funde.^ 
Kühr weitgehend« Perapwktiven eröffnen. Kr erblickt in 
„der ncuent^lecktou Rasse einen Seitenzweig, au.s dem die 
heutig« Negerrassc (homuniger) erwuchsen sei. l>«r merk- 
würdige Fund der Kinderhöhle (bei Meutone) liefert dun 
Heweiii, dnfs auch in unserem Weltteil zusammen mit 
einer afrikanischen Fauna negerihnlich« Menschen ge- 
haust haben, mit anderen Worten, dafs die Ah'ika be- 
völkernden Horden dos rrmenKchen ihren Weg über 
unseren Weltteil genommen haben'*. 

Solchen weitgebunden Spukulaüonen gegenüber er- 
scheint e» wünschenswert, die vorhandenen Grundlagen 
für dieselben zu prüfen. Was wissen wir überhaii|Ft 
von der körperlichen HusebaSenheit der prähistoriHchen 
„Rassen“ Europa»? Das Wort lUsse ist so viel mifshrauchi 
worden, dats es nötig ist, sich zuerst klar zu machen 
über den RegriÜ der Rasse und seine .\bgrenziing. Wir 
verstehen daruiiter eine Gruppe von Lebewesen, die be- 
stimmte Merkmalkomplexe von ihren Vorfahren ererbt 
haben und sie wieder auf ihre Nachkommen vererben. 
Natürlich kann man nicht erwarten, dafs <lieae Merkmale 
bei allen Individuen ganz gleich ausgeprägt sind: kein 
Oiobu«,LXXSill. Nr.*i9. 



Wesen ist einem anderen ganz gleich, und auch in den 
reinsten UasMCU kommun imlividuelle Resouderheiten 
vor; wie grof» al>er diui^e individuelle Schwankungsbroite 
der Merkmale in einer Raaso ist, das läfst sich nur er- 
kennen, wenn ein grofaes Deobachtungsmaturial vurliogt: 
in der (Btailstiscben) Gröfse des lutzturuu tritt das indi- 
viduell VerKchioduno vor dem allgcmetnun Typus zurück. 
In dem Mafxe, als das ßeobachtuiigsmaterial geringer 
wird, mufs auch die Sicherheit der Entscheidung, oh es 
steh im Einzolfall um individuelle .Schwankung oder um 
Rassenverschiedenheiten handelt, ubnehmen. 

Nur in dum Fall, dafs gewisse Merkmalgruppeu er- 
heblich von dem bisher ülmrhaupt Beobachteten abwei- 
chen, wini eine Ra.’^senverschiedeuheit schon an einer 
geringeren /abl von Einzelobjekten deutlich bervortreten. 
Das iriffi zu bei der ältesten prubihtoriaebun Rasac, dum 
„Neandurthaluienschun“, dur durch grofse Zeitfuriieu 
von der .letztwult geschieden üt und dessen Besonder- 
heiten im Schädel- und Skelettbau dun'^h Schwslbes und 
I Kiaatschs trefniche Untersuchungen mit aller wissen- 
HchufGicben Genauigkeit bestimmt worden sind. Das 
dazu guhörende Material ist freilich bis jetzt noch sehr 
guringfüglg — • wenig Schädel und amlui'e Skelettreste 
— , aber trotzdem dilrfuii wir hier mit aller Bestimmt- 
heit eine iKssondero Mensebonras»« annehmon, da der sie 
kennzeichnende Komplex von Merkmalen so uigeimrtig 
ist, dafs er in dieser Ausprägung ölrnrhaupt nicht wieder 
bei andoren prähistorischen oder bei ruzenten Menschen 
vorkommt. 

Aber anders liegt die Sache, wo ein solches Über- 
schreiten der Merkiualsgrenzen des heutigen Menschen 
nicht vorhanden ist, sondern wo nur gewisse rege)- 
mafsig wiederkchrende Kombinationen von Merkmalen, 
die einzeln auch bet anderen KasMen vorkuuiiiu'n, das 
untursekeidendu Kennzeichen einer Rasse bilden. Hier 
Ist ein mugliclisi umfangreiches Material erforderlich, 
um zu entscheiden, ob es sich um individuelle Beaonder- 
buiten oder um Rasseuversebiedenheit handelt. Die Kri- 
tik hat hier l>ei der.\nnahine einer neuen prähistorischen 
Hasse aufser der Forderung, dafs das Material nach Her- 
kunft, sowie nach »einer /u|^<hörigkeit zu einer be- 
stimmten prülnstorlschen E{>oche ganz sicher ist, auch 
noch die zu stellen, dafs es in genOgeiider Menge vor- 
handen ist, um zu erkeuneu. ob es sich imKinzelfall um 
individuelle Besonderbeiteii oder um wirkliche Ibtssan- 
nierkmale handelt. 

Wenden wir dies« Gesichtspunkte an auf das. was 
von wirklich gesichertem Fundmatial des ältesten prä- 

4ö 



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35S 



Emil Schmidt: Ein neuer diluvialer Schädeltvpns. 



hUt4jriechon (diluvialen) Men^cbeu, speziell in Fmnk- 
reicb, vorhanden ist 

Schon vor dem unter dom mächtigen Anstots Dar- 
wins erfolgten Anflehen der Anlbropt>lngic war 18r»6 iiu 
Xeandertbut hei iMisteldorf der merkwürdige SkeU-ttfund 
ciiiee der ISluvialzeii zugehörigen Menschen gemocht 
und von Sebanhauseu hcsciiriehen werden. Die gewal- 
tige Kntwickeluug der Augenhranenwülste und die 
Niedrigkeit des (fehirnschftilels unterschieden den Scha- 
de) dieses Menschen von allen ülirigon. Und als mau 
bald darauf noch an einer Anzahl alter Sohadolroste diu 
gluichen ^^e^kmale gefunden xu haben g]aid)te, nahm 
iimn in Frankreich allgemein das Dasein einer besonde- 
ren, durch jene auffallende Form gekennzeichneten dilu- 
viale« Hasse an, die man al>er nicht nach dom wichtig- 
sten die.ser Funde, dem Neanderthalmenschen , sondern 
nach dem schon weit früher Imi Cannstatt aufgefuiideneu 
Schadidfragmont heimiinte (dio Franzosen lassen sich von 
der SThreibweise „race de ('austadt“ nicht ahhringeu). 
Mit Sicherheit gehören zu dieser „Neandertbalrasse“ noch 
die beiden belgischen Skelette von Spy und die suibl- 
reichen Kiu>chenfragmente ans der Grotte von Krapina 
in Kroatien, dagegen haben andere zu dieser Kasse ge- 
rechneten Funde teÜH einer eznkbTen Prüfung nicht 
staiidgehaltcn, teils sind sie narb den exakten, von 
Schwallm aufgcstellton (leBichtspunkten uoeb nicht nueb- 
geprüft wurden, teils auch hestelten sie aus so unbodou- 
tenden Fragmenten, dafs ihre Raaseuzugehungkeit über- 
haupt nicht zu boHtimmen isC 

F,s dauerte eine Weile, bis inan auch andere, nicht 
der „Hnce de CanstadC^ zugehörige diluviale Menschon- 
rvste fand und bcschrieli. ln den durch ihre Artefakte 
schon lange berübuiten Groiten imThii) der Vezere (Dor- 
dogne) fand man, augeiischoiiiUch in gumcmsaiuom Hc- 
grähnifl zusamniengelmttet, die Knochcnrestei dreier fn- 
dividuen. und Hrnca, dor sie beschrieb, glaubte darin die 
Züge einer besonderen Hasse zu erblicken, die, gleich- 
zeitig mit Mammut und Uenntior, die Formen jener Ge- 
schöpfe in kunstvollen Zeichnungen und Skulpturen der 
Nachwelt überliefert habe. Als besondere Kuimzeichon 
dieser nach ihrem Fuinlorte Race de (Vo-Magnon h»*- 
zeichneten Rasso hob Hroca herv<»r; betrftchlliche Gröfse 
des Kör|M'rs und dumentaprochend auch des Schädels, 
grofse I.angköpfigkeit hei ansehnlicher Höhe des Hiro- 
schildcD und starker F.ntwickeliing des Iliniorhauptus, 
dugegcii nur geringe Kntwickehing des SchädeU nach 
der Dreite. Mit dieser Schmalheit des llirnschädels kon- 
trastiert auffallend die grofse Breite des (dH>rgesichta bis 
herab zu den Jochhogen; besonders die Augenhöhlen 
sind breit und niedrig und ihrotHTnung bruit-rechlockig. 
Ihigegc« ist «luH Untorge^icht schmaler. Währuml <lns 
Ohergesielit hiit zum unteren NasMUirand steil gestellt ist, 
tritt iler Alvccdarteii de« Kiefers sehr schrÄg nach vorn 
hervor; der NaMmwtachul fehlt ganz. Am ünU^rkiefer 
fällt di« steil« Stellung und die beträchtliche Breite des 
Astes auf. 

Die .\iitorität Brooas verschafl'te der Russe de (’ro- 
Magmm In Frankreich rasch allgenteiiie Anerkennung, und 
man fand bald eine Anzahl anderer Skclettrest4* aus pa- 
laolithischer /eit, die jenen Funden mehr oder weniger 
glichen. Sf'hoii Brocas drei Individuen au.s der Grotte von 
fro-Magnon verliiuUcn sich recht verschieden: er half 
sich diimit, daN er das tniie der beiden besser erhaltenen 
Skelette für ein weibliches erklärte und di« Abweichungen 
als "cxuelle DÜTerenzen nuffaNte, Aber je mehr Malo- 
rial sich ansammelte, um so häufiger und bedeutender 
trat <lie Verschiedenheit der einzelnen Merkmale hervor: 
so wurde auf dem klassischen Boden von Solutre eine 
etwas gröfsere Zahl von Skelettun gefunden, deren Schä- 1 



del alle tbergänge von starker Schmalköpfigkeit zu aus- 
ges|>rocheuer Brachycephulio zeigten; die l>ei dem einen 
Skelett von Cro-Magnou so charakteristische breit-recht* 
eckige AugenhöhleiitifFuuDg war bei anderen Schädeln 
schmaler und höher, die hochgradige iVognathie jene« 
Schädels wurde von anderen ((»renelle 2 und 3, Schädel 
von Solutre) noch übt^rtroffon, wahrend wieder ander»* 
eine Hteilerc Kiefersteilung hesafsen. Da man den 
Schädelbreitenindex als ein iHisunderH wichtigcK Kltis«i- 
fikationtimfirkroal ansah, aber doch an eine Mehrheit der 
Rassen, besonders an das Vorhandensein von Bracby- 
oephalio in paläolithUcher Zeit nicht recht glauWn 
wollt«, rechnete man bei einzelnen Fundorten (Solutre, 
Grenelle) die dolicbocephalen Schäilel der altpaläoUthi- 
schen Zeit zu, die unter gltucbun Fundum^taudeii ai>ge- 
trolTenen bracbyrephalcn Schädel dagegen einer viel spä- 
teren (nuolithischon oder noch späteren) Epoche. 

Di« erste genauere Zusammenstellung des der Dilu- 
vialzeit zugerechneten Materials gaben de Qnatrefnges 
und Ilamy in ihrem Werke über die Rassenschädel IS82. 
Ein Teil dieses MatcnaN l>esteht aus Schädelfragmenten, 
die so unliedeutend sind, dafa man ihr« Rasseuzugebörig- 
keit überhaupt nicht beurtuiluu kann. Scheidet man die 
nicht zu Terw«rtend<>ii KuocLunreste aus, so bleiben Doeb 
l.^ doliuhorephalu .Schädel übrig (Oo-AIagnon 3, Bnini- 
quel 1, Mentoue 2, Solutrö 6, Grenelle 2, Kngis 1); bei 
allen diesen Schädeln treten gewNse Schwankungen in 
den einzelnen Merkmalen hervor, ihre Zahl ist aber nicht 
groN genug, um daraus die Sebwankungsbreite der 
Kennzeichen dieser prähistorischen „Rasse“ abgreuze» 
zu können. 

Fünfzehn .fahre t{wter gab de ^lortület eine neue 
(Übersicht über die anthropologischen Dokumente der 
paläulithisehcn Zeit. Dieser berühmte IVähistoriker war 
ein fanatischer Scheinatiker: für ihn hatte »ein System 
die Bedeutung eines Dogma», und so ist sein« Kritik 
»ehr scharf, wo sich die Thatsachuii uii'ht seinom System 
fügen wollen, dagegen »ehr lux, wo sie das letztere 
stutzen könntüu. El' scheidet die paläolithisohe Zeit in 
drei Absebnitt«, in ein älteres Paläolithicum (gegliedert 
in (’helleen, AcbeuhVu, Mousterien), ein mittlere» (Solu- 
treen) und ein jüngeres (Magdal»'*nien, Timrassien). Nach 
ihm lebt« im älteren Paläolithicum di« „Raec de ('an 
Stadt“; dagegen leugnet ur für dun mittloron Abschnitt 
dieser Kp<iche das Vorlinudenseiu von menschlichen Sku- 
IcltresUm („nous ne connaissons rien du Solutr^n*; 
die in Solutre gefundenen, zum Teil bmchyeephalen 
Schädel «sont aujourd'hni consideres comme appartonant 
ä un Age plus recent, fort difhcile ä deterniinor''). Kriit 
im späteren Paläolithicum tritt nach ihm wieder eine 
neue Ruhrc anf mit gutgohauhim (hohem) Schädel, die 
Ras.se von Ijiugerie-hasse. Al>er diese hält or und seiue 
Schul« (Hervä) nicht für identisch mit der ruce de Cro- 
Magnon, welch letztere, wunu sie auch le deacendant tr^ 
direct jener jüngeren paläolithischen Zeit sein soll, dtX'h 
einer viel späteren Zeit, in der achon fremde Invasionco 
stattgefunden hatten, angehören soll. So bleibt onch 
Ausscheidung dor Schädel vom Cro-Magnon-Typu» für 
da» jüngere PalHolithicum nur eine äuNurat geringe Zabl 
von Skeletten und Schädeln übrig: „Le palcolithique au- 
|>erieur ne nou» a foiiroi que troie gisements certaio^ 
indubitables. Ce a<mt les iM|uelette8 de deux ecrases |>»r 
des elioulia, Laugerie-Hasse etSorde, et le »quelettc d'iin 
noye, (‘hanceladu“ ; und zwar waren die ersten diee^r 
Skelette durch Einsturz von FclsraassuD in hohem Grade 
zerschmettert; trutzdom wird nngugebeu, dafs sie dem 
betsur erhaltenen Skelett von Chancelade so ähnlich ge- 
wesen seien, dafs man nicht im Zweifel sein könne 
sur leur rattacbement k «n seid «t memo tyj>e. INeser 



J. G. Hchoeoer^ Alaad. 



Hei cbarskierisiert durch Grötse des sehr dolichocepbalen 
Schädels, durch schwache Kntwickelung des Stirnwulstes, 
huhe>< und hrelteH Gesicht und buhe Orbita. 

Auch die jüngsten Nachfors^chungen eines unbefange- 
nen deutschen Beobachters, Klaaisch, der die sämtlichen 
berühmten paJäolithischeu Fundstellen Frankreichs einer 
sorgfäUigen Prüfung unterzogen hat, bestätigen die Un- 
sicherheit fast aller früher aN paläolithiscb angennmme- 
iieu Skelette. Nur die in den Grotten l>ei Mentone in 
ungestörtem Ilöhlunlehm xusammen mit Renntierknocheii 
gefundenen Skelette sind wohl mit Sicherheit jenem In- 
ventar zuzurcchnen. Aber wenn mau hior/u auch auch 
dia fonuverwaudton Menschenruste einer späteren prähi- 
storischen Zeit (('ro-Magnon u. a. w.) rechnet, so bleibt 
das Material für eine sichere Ra-'^seuumgrenzung noch 
Ttel zu klein (kaum mehr als ein Ihttzend Schädel). 
Aber das zeigt sieh auch schon hier, dafs alle Merkmale 
eine ziemlich grofse Variabilität Iwsitzon. Und nun dürfen 
wir fragen: Sind denn die Ihfferonzi'tt zwischen den neuer- 
dings vom Fürsten von Muiiitco auBgogrubvnen und den 
andei*en pUäolithiscbun Schädeln so bedeutend, dufs sie 
jenen als besondere Rosim) gegenübersteben? 

Oie Skelette wurden auf der ÖHtUcbeii Seite nn- 
niitielbar an der französisch * iialienisehon Grenze bei 
Mentone in einer schon früher unvollständig von Kiviore 
durehfarschten H^>hle (gn>tte das erifants) auf Kosten 
de* Fürsten von Monaco durch den Ai>be de Villeneuve 
mit aller erdenklichen Sorgfalt uusgugraben. Die ganze 
Ausfüllung dieser Höhle bis zu b,90 lu Tiefe hinab gehörte 
nach ihren l'4nBcblä*«»eu der Renntierzint an. Hierin 
fand man in 1,90 m Tiefe unter der Oberfläche ein weib- 
liches Skelett von nur 1,44 m Körperhöhe (das Vornean 
wegen seiner Kleinheit trotz der Übereinstimmung der 
Formen doch vom Uro-Magnon-Typii« trennon möchte). 
Daun stiefs mau in 7,05 m Tief« unter der Olwrfläche 
auf das Skelett eines sehr grofsou (1,90 m hohen) Mannes, 
dessen Merkmale den typischen Eigenschaften de» l'ro- 
Mngiion-Menschen entsprachen (nur war die Kiefer- 
stellung nicht ganz so prognaUi, nondern etwas steiler 
gerichtet als dort). Xi>ch 70 cm tiefer, also 7,75 m unter 
der OberQuehe, lagen zwei Skelette mit stark zerdrückten | 
Schädeln, von denen das eine cineui jungen, etwa 15 bis 
17 'fahre alten, 154cm hohen Individuum, das anilere 
einem 158 cm grolsen, erwachsenen Weibe angehörte. 
Der jüngere Schädel glich in »einem dolichocepbalen Hau, 
in den sehr niedrigen und breiten .-Vugenhöhlun, der 
oberen Gesichtsbreitc sehr dem (Vo-Magnon-Schä^lel, nur 






war die Schrägstellung des ZahuteUes de» Oberkiefers 
noch gröfser als dort, und der vordere untere Xasenrand 
war nicht nur veratrichen, sondern es l»e»tan«len dort 
die unter dem Namen fossae praenasale« bekannten (rru- 
ben. Der ältere weibliche Schädel unterschied sich von 
dem jüngeren durch breitere Nase, glich ihm aber sonst 
in Schädel- und Gesichtafonn, sowie in der Bildung des 
Z^ibnteiles des Ol>erkieferj* und der gruberntrtigeu Ver- 
tiefung des vorderen Nasenbodens. 

Verncau glaubt die hochgradige Prognathie, deren 
Betrag sich übrigens un der tendenziös geneigten, un- 
wissenschaftlichen Aufstellung in der Abbildung de» er- 
wähnten Artikels niefat so leicht ahschätzen läfst, beider 
Scbädel als ein „negroides*^ Rasseiimerkmal annehun zu 
uiüsHcn, das diese Men.scheu wesentlich vom Cro-Mnguon- 
Typua entfernen. Almr es ist doch sehr fraglich, ob 
diüso Steigerung der Prognathie wirklbh typisch, oder 
ob sie unrein individiiulltM) Merkmal dieser beiden Menschen 
(wahrscheinlich Mutter und Sohn) sind. Auch der von 
Broca zuerst als typisch beschriebene Cru-Magnon-Schudel 
war stark prognath, der untere Naseiirand verstrichen, 
ein Nasenstachel fehlte, und andere pridiislorische Sdiä- 
del, wie der von Lafaye Nr. 17, Solutre Nr. Iti u. s. w. 
IxiKatsen ein« noch gröfsere .-Uveolaqirognatliie, während 
freilich andere gleichzeitige Suhädul steiler gestellt« Kiefer 
hatten. Aber das zeigt doch nur, dafs die» Merkmal 
jener alten Schädel in ziemlich weiter Breit« Kchwaiikie. 
Da im Übrigen alle wesentlichen Merkmale ganz dem 
Typus von (Vo-Magnon entsprechen — die verschiedene 
Korj^rgrötse einzelner Indivi<hien kann nicht als Kri- 
terium von Rassenverschiedenheit angesehen werden — , 
giebt di« noch etwas mehr als b«um (Vo-Magnon-Schädel 
hervortretende Alveolurprugiiathto keinen Grund ab, 
hier einen besonderen Typus oder eine neue prähtstori- 
sche Ras.se Huzunebmeii. Damit fallen aber auch all« 
anderen Spekulationen ül>er prähistorische Völkerbezie- 
bungen zwischen Ur-Kuropaern und Afrikanern. 

Verneau schlägt in geschmackvoUar Huldigung des 
fürstlichen Prähistorikers für die von ihm beKcliriehene 
Schädelform den Namen „Typus Grimaidi“ vor. Wir 
wissen nicht, ob Seino Durchlaucht der Fürst von >Io- 
naco sich durch besonders proguathe, »ehr ungewöhnliche 
Bildung seines Oherkiefers auozeichnet, oder ob in den 
Adern der altgeimesischcn Adelsfainilie derGrimaldi viel 
.Qugroidea“ Blut rollt; jedenfalls ist jene Hezoichnung 
eine nicht ganz biktvoUe und in der Anthropoiogie bis- 
her niciit übliche Schmeichelei. 



Aland. 

\*on .1. G. Schoeuer. 



Weit BufHerhalb de« grofsen europäi.schen Verkehr», 
nur von «inzolneu aus dem Schweden und Norwegen 
ül>enichwommeiidcu Touristensirom auf ihrer Schiffsroute 
Stockholtn-— llulsingfor» — St. Petersburg flüchtig borühri, 
liegt, eingebettet zwischen vier Meoreatoilon, unter ü0®42* 
nönll. und 59*’ 47' südl. Br. ein altes Kultur- und Sageu- 
land, das seinem Nauieu „Wasserlaiid*^ als ein um* und 
durchButete» liHnd vollttnf eutsprieht. 

ICin gleichartiges orohydrographische« Gebilde, wie 
dieser von Hunderten von bewohnten Inseln und taiisond 
und nl>er Tausenden von Holmen, Klippen und Schären 
zusammengefügt«, nach allen Kichtungon von unzähligen 
Bnehten, Fjorden und Sunde« förmlich zersägte und 
zerris'‘«ne Archipel, ist in unserem Weltteile nicht zu 
finden. Welche gewaltigen dynamischen Kräfte waren 



nicht erforderlich, um dies« eigenartige tektonische 
Schöpfung zu schaffen! 

Fiuiilaud und damit Aland bildet im Vereine mit 
Schweden-Norwegen in Bezug auf BodenlK'Kchaffeuheit, 
Fauua und Flora ein einheitliches Ganze; deren Struktur 
und tektonischer Aufbau erfolgte zu gleichen Zeiten, 
unter ganz gleichartigen Verhältnissen. Breitete sich 
doch dort zu den /eiten der ältesten, Fossilien führen- 
den Schichten, der kambriBchen Formation, sowie in der 
darauf folgenden Periode, dur Silurformatiou, «in aus- 
gedehntes Meer über da» emheitlicbe Urgebirg« der ar- 
chäischen Fonnatlou, wahrend in der darauf folgenden 
Periode Skandimivieu höcbstwuhrscbeinlich ein ütier dem 
Meere gelegener Kontinent gewesen sein ilürfte. In 
dieser Periode vollzog sich im Westen Skandinaviens die 



V./ Google 




J. G. Scboener: Aland. 



SOO 



unter dem Namen der ekandii>a?Ucb-kaledouiKcheu Ge- 
birgskette Wkauntc frrofi*nrtige Gebirgnbildiing, von 
Südwesteu iklnsr die heutige Nordsee bis nach Went- 
acliutiland. im Norden bis WeKtgpitzl>ergen reichend, als 
deren ÜberreKte die heutigen norwegischen und uord- 
schwedischen lluchgebirgu bestehen, während durch die 
dabei stattgefundunen Verwerfungen die grofsen skan- 
dinavischeti Inhmdtseen gebildet wurden. Gurch das vor 
der Kist>onüde dort oben herrschende tropische (sub- 
tropische) Klima und die dadurch bedingte bedeutende 
Verwitterung, im Vereine mit dem ßiefsetiden Wasser, 
erhielten Skandinavien und Finlaiid ihn* dmrakteristische 
Physiognomie, die unebene und kupierte HodcnuberfUcho 
mit unzähligen Felsctihhguln, wahrend au den Küsten 
aus dem teilweise unter das Meer gesuukeueu Lande 
die grots- und eigenartige Schären- und FjordbUduog 
entstund, /.ur Quartärperiode war Skandinavien das 



/entruni der sich tm Osten, Süden und Westen weit 
über die tinmzun ausdehnenden l.andeisu]a8sen, wofür 
die übiTiill unzutniffeiideu Moränen zeugen. 

Gurch das fortgleiteudu Kis und das initgescbleppte 
lockere Material bildeten sich die chumkteriHtischen nb- 
gescldiffenen, rnnden Felskup)>eu. 

Am Knde <ler Kiszeit kam, tiii Gegensatz zum An- 
fang dieser l’ericMle, eine gewaltige Senkung über Skan- 
dinavien und Finluud, durch deren Fauwirkung das 
mittc'Uchwedlsehe Flacklund vom Meere überflutet wurde, 
so dafs Finland mit den .\Iandinseln zum grotsen Teil unter 
Wasser lag, während die cimbriacbe llnlbiusol, das heu- 
tig« Gänemark, mit dem südlicben Schweden zusamtiieii- 
hing und das baltische Hecken im Nordosten durch eine 
schmale Stralse mit dem Nördlichen KisniKcre in Ver- 
bind iiug stand. 

Seit der Füaperiode war Skandinavien stetigen Ver- 
ämlerungen des IhHiens unterworfen, wurde die lmltisc!)e 
See ein Hiniienmeer, das i«doch in späteren Zeiten in- 



folge neuer Bodensenkung verschwand, durch welchen 
Vorgang die Belte und der Sund wieder geöffnet wurdon 
und die Ostsee aufs neue in ein salziges Becken (Lito- 
rinameer) verwandelt wurde. 

An diese Zeit, da das Litoriuameer seine gröNie 
.\usduhnung hatte, knüpfen sich auch die ältesten Spuren 
vom Auftreten des Menschen in Skandinavien und Fin- 
land (ältere Steinzeit). 

Kin Produkt aller di<>ser Vorgänge ist auclt una<-r 
Aland. Bei Betrachtung einer Spezialkarte dieser Insel- 
gruppe fallen vor allem drei durch die ganze Gruppe 
von Norden nach Süden gebende grofse Sunde auf, dua 
Igelet (die Teilung), die Kuiulinge- undBrändö- 
gruppe vom iiländischen Festland trennend, das Lapp- 
vesi (vesi fiiiisch Wasser) zwischen Kumlinge und 
Bründö, und da»,Skift«t (die Trennung), das in voller 
Ausdehnung der AlHndainscln von Norden nach SQden 

verläuft und diese 
vom eigentlichen 
Finnland trennt. 

FJn gleich aus- 
gedehnter Archipel 
findet im nördlichen 
Fhiropa nicht seines- 
gleichen. Gessen 
gröfste Länge be- 
läuft sich auf 70 km 
von Saggu und 
Karlskär im Nor- 
den bis Lagskära 
Feuer im Süden, 
die gröfste Breit« 
beträgt von Sig- 
nil8skär,dem west- 
lichsten punkte 
Finnlands, bis nach 
Brändö-Juruio im 
Osten 110 ktu, und 
der Kuuminbult aller 
Inseln beläuft .sich 
auf LS.'iOqkm. Gie 
Zahl der Bewohner 
belief sieb am 31. I>v- 
zember 19(K> auf 
22500 (aho durch- 
schnittlich 17 auf 
einen Quadratkilo- 
meter), wovon, ab 
gesehen von einigen 
Bussen, nur 238 dem finnischen Sprachstammc aiigchöreu, 
während die Bevölkerung im grofsen Ganzen dem schwedi- 
schen Stainiuezuzuzähleu ist, von dem wohl vor Kinführung 
des t'hristentuuis die Inseln von Schweden aus bevölkert 
wurden. Gie Aussprache des in Aland gespHtebenen 
Schwedischen variiert allerdings teilweise unter dem 
Kinfiusse des finnischen Gialektes. Gie Bewohner ver- 
teÜHn sich auf die einzige SiAdt Mariehamn (Abb. 1), 
2.55 Ortsrhaften (Byar) und nahezu 1207 Heimstätten. 

.Administrativ und politisch gehört Aland zum fium- 
seben Län Abo-Biörneborg (23136qkm, wovon 1035 
4[km auf Inlandseen entfallen). Aland selbst wird in 15 
Sockriar(Prurrgumoindeii)utngcteilL, von denen acht zum 
sügenannteu Aländischeu FesUande gehören. Alands 
Landesgrenxe gegen das eigentliche Finland wird iro 
Osten durch das aus einer .Anzahl von Sunden bestehende 
Skiftet gebildet. Im Westen geht die Grenze quer über 
den Bottnischen Meerbusen und fällt im Westen und 
Süden mit der Keichsgreiize gegen Schweden zusammen. 




Abb. I. Aussicht vom Kadhansberge in Xariehanm. 



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J. Ci. Sohoener: AUnd. 



S61 




fAbb. 2. l)«r FftrjNHnd in Flnstrdm. 



I>i« grofste Inoel, das von unzÄhligen Fjorden zerriNBene 
und in seinen meisten Teilen nur lose zusammenhängende 
Hugunanute Festland Aland wird von Schweden durch 
das 50 km breite Älandsiueer gesrhie<leD. IHeses Meer 
bildet die Schiff ahrtsstraTse zwischen der Ostsee und dem 
Bottnischen Meerbusen, ist jedoch, obgleich es eigentlich 
nur einen zwei Meeresteile vereinigenden Sund darstellt, 
durch seine oigentQmlichu Budenbeschaffenbuit und grcdse 
Tiefe (bis zu 250 m nördlich von Gislan [Siguilsskir]) 
von beiden Becken scharf abgegrenzt. Von dem Fest- 
laude nur durch den schmalen Marsund getrennt die 
durch die Torpbjburht fast in zwei Teile gespaltene 
Insel Kckerö, nördlich davon breitet sich der mit Inseln 
und Klip|>en reich l>osetzto Finnbofjord aus. Nord> 
ÖHtlich von Krkcro schneiden die Pantsarn&s«, Ivar* 
skira* und Postadfjorde tiefen gegen Süden in das 
Hammarland ein, östlich die BergÖ>, Orr* und 
Wandufjorde in Fiunström. Im Norden bildet der 
von den Alänningem Nord- oder Bottenmecr genannte 
Bottnische Meerbusen mehrere in den Saltviksocken 
eindringendu Fjorde. Iin Norden zwischen Saltvik und 
l>elet dehnt sich der weite, klippenreiche Boxöfjord 
aus. Nord*6eta bat keinen vorgelagerten Schfireuhuf, 
ist aber durch iteinen Keiohtum an Blind* 

Hch&ren für die Schiffahrt gefährlich. 

Im Südwesteii bildet das Alandsmeer diu 
Möckelö* und Sviby*Hucht. Der süd* 
lich.'it« Teil des Festlandes ist die Halbinsel 
l«enilund, dessen schiunle, mit dom Fest* 
lande zusammenbängeude Landzunge von 
einem Kanäle durchbrochen wird, wodurch 
die Kommunikation zwischen Mariehamit 
und den östltehen Teilen bedeutend erleich* 
tert wurde. Her Ostaeotrand Lenilands weist 
zahlreiche Inseln auf, darunter die guten 
Häfen Nyhamn und Rödhamu. Östlich von 
Lemlaud liegt der Föglöf]ord, gegen Nor- 
den durch den Lumparsnnd mit dem ge- 
räumigen, ausnahmsweise insei- und klippen- 
losen Meerbusen I^umparen in Verbindung 
stehend, von welchem gegen Norden durch 
denTingösund der Korsiiäsfjord ausgeht. 

Vom Lumparen erstreckt steh ferner der von 
schroffen Sträudcni umgebene Färjsund 
(Abb. 2), dessen weitere Fortsetzung von dem 
Globus LXXXIII. Nr. 



sich in zwei Arme teilenden Saltvikbuseu, 
westlich gegen Odkarby und östlich gegen 
Hagakungsgärd und .Xagärdaby ge- 
bildet wird. 

Nonlöstlicb dringt der Slottssund 
weit in den Sundsocken ein. bis zum 
Fiifse von Kastellholms Schlofsruiue 
reichend, wo daun das sogenanut« Koks- 
hafvet beginnt Der Slottssund steht 
seinerKeiU mit dem KyrkHund, und 
dieser wieder mit dem östlichen Kyrksund 
in Verbindung. Im Nordosten Lemlands, 
südlich vom Lumparen, liegt die Insel 
I.umparland, und nördlich davon, zwi- 
schen Delet und dem Fe-stlande, eine Reihe 
von Inseln, von denen V&rdö, Löfö, 
Simskäla die grölsten sind. Auf der an- 
deren Seite des Delet liegt der K u m 1 i n g e • 
Schäreuhof mit den gröfseren Inseln 
Kumlingo, Knkiing», Seglingu und 
einer Monge Klippen und Schären. Südlich 
davon Sottunga und die Föglö* 
Gruppe, noch eüdlichor, von vorstehenden 
Gruppen durch den weiten Kökarsfjord geschieden, 
die Kökar-Gruppe mit Hamnö, Hällsö, Karlby und 
mehreren kleineren Inseln, nowih einer Anzahl von 
Klip]>en. 

/wischen Lappvesi und Skiftet im Norden endlich 
der Brändö-Scfaäreuhof mit ungefähr 700 kleinen Inseln 
und Klippen, von denen etwa ein Dutzend, wie Jurmo, 
Afva, Brändö. Lappo, BJörkö, keine ülasr 5 (|km 
grols, la^wühnt ist 

SuDipftgo Inlaudseen treten häufig auf, zahlreich be- 
sonders auf Geta und Saltvik, alle jedoch von ge- 
ringem Uiufango, während Flüsse und andere rinnende 
Gewässer nicht Vorkommen. 

Aland bietet dem Beschauer ein von gruFsen Meer- 
busen, Fjorden niiU Sunden durchsebniiteuos Äussere 
mit kleinen Hügeln und Anhöhen und fruchtbaren, aber 
wenig ausgedohuteii Feldern. Läng» der ganzen nörd- 
lichen Küste läuft eine von Buchten und kleinen Thälern 
iiiiterbrooheue Bergkette, die ihren höchsten l*unki in 
der bei .\sgiirda-By auf Saltvik gelegenen Ordalskliut 
(132m über dem Meere) erreicht 

Die gröfste Depression kommt auf Kckerii vor, wo 
die Umgebung der Kirche nur 6 m über dem Meere er- 







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362 



J. <f. Schoeoer: AUnd. 




reicht. Gröfscru Flachiimrkrn truWu nur in .loniHln bri 
Kmkarby auf Fiustroiu, bei St^irby anf I‘k;k 0 rü und btd 
Ha};n Huf. Vun der Spitze der ürdHlsklint 

mit ihreo t*teilen, wild zerriettoDon Seiten, tiefen Klüften 
und überhängenden Blöcken, die <ten AufNtieg sehr er- 
üchwereii, entfiiltet 
Hich eine uniftthhendc 
KundKicbt über das 
gnnzu iilandiHchc 
Fesilaud, tou Bomnr' 
sund im Süden bis 
zu den Geta)>ergen 
im Korden. Gegen 
WeHteii erstreckt eich 
der Bottnische Mvur> 
busen In seiner vollen 
Ausdehnung, und itu 
Ohten ii*t bei klarem 
Wetter die zwischtm 
Belet und Lappvesi 
gelegene K umlinge> 

Inselgruppe sichtbar. 

Auf Eckei-ö ül>er- 
rns<*bt das grufsar- 
tige Fanorama über 
das sich voll entfal- 
tcn.1« Al.mi.ni.,«r, *■ 

WO zeitweise l>ei ru- 
higem WetiiT die nogenamite' llagring (Luftspiegelung) 
di« schwedische Küste öl>er dem Horizonte erscheinen 
lüfst. Bic Natur dos Fnstlaudos ist sehr freundlich, 
und die Nähe des Meeres, das lose zuKauimenhängende 
Land, die abwechselnden Ilöhonverhältniwse. die dichten 
Wälder und die lacliendon grUiiuu Witwen bieten dem 
HoKchauer prächtig« Szeuerieen. In dem äufseren 
Schiinmbufo dagegen ist die Natur öde und traurig, da 



vollem .VufruUr bufindlichen und plötzlich orstarrton 
Meero. 

Fast der ganze Berggruud wird von rotem, grob- 
körnigem Grajiit, von Linne „»ländischer Stein*' gviiamit, 
gebildet, wofür sich die neueren wissenschaftlichen Aus- 
drücke wie Alanda- 
grnnit, llagagraiiit 
u.e. w. finden. Kalk- 
stein tritt nur selten 
auf, und nur der von 
Jurmohy auf Hrandö 
ist brauchbar. Krzo 
sind nicht vorbanden. 
Durch Verklüftuugeu 
gebildete Grotten 
kommen in ziem- 
licher Anzahl vor. 

[>a .Uand ein von 
allen Seiten unifiutetes 
laind ist, weist es in 
der Regel schöne 
Herbsttage und im 
allgoineinen milde 
Winter auf, jedoch 
kommen auch stren- 
gere Winter vor, wo 
reslunp Bomanand. Äknd,m«,r ge- 

friert und eine feste 
Brücke zur schwedischen Küste bildet. Die mittlere 

Tcm|ieratur in Mariebatiin ist f ötOG** (in Hebingfors 

- 4,1 P). Der Teuporniurunterschied zwischen dem 
knltenten und wärmsten Monat, Februar und August, 

lK*tr«gt 11,17". Vorherrschend sind die südwestlichen 
Winde, und der Niederschlag beläuft sich im Mittel auf 
.^29 mm. Das .lahr weist im Mittel IGO Kegen- oder 
Schneetuge auf. Gewitter kommen höchstens vier- bis 




Abb. &. Partie vom Seehade auf MuckelÖ. 



die abgi'rundeten, glattgcscliliffenen Klippen gröfsten- 
teils kahl sind und nur hin und wieder niederes <ie- 
bÜHch und knrzoM Gras vorkouiiiit. S|teziell auf der 
Bergitise) Kökar tritt dieser Um-taiid frappierend zu 
Tage, ihre Oberfläche bat AhuUehkeit mit etuem in 



fünfmal im Jahre vor. Die Wälder sind aus Fichten, 
Tannen und Birken zusammengesetzt. Die Flora ist 
ziemlich i*eich und weist an 700 Arien auf, und von 
Gelnddearlen findet sich besonder» Roggen, nobenlH*i 
mich Hafer und Buchweizen. 



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J. Schnencr: Aland. 



m 



Die Kartoffel iiildet ein wirhtiffes Nahrim>fsgewärha. 
Von Haustieren sind alle Arten anautreffen, und die «län- 
dischen 1‘fenle sind wogen ihrer Schönheit und Slärko 
hoMonderii geachätzt. 

Der Alänniiiger bekennt sich zur eYnngelit^ch-lttthe- 
riachcn und int, bettondora der de** Fetttlaudes 

und der näher gelegenen Inr*elii, freundlicher, offener 
Natur; er lietrocbtot «ich in erster Idnio ala Aläuningur 
und dann ortit als Finländer, zuletzt erst als Schwede, 
d(*ch wird er «U Schiffer oder Kiipitän druufstui am 
MtN>re <>*ier in fremden Häfen dom Fragenden immer 
Hutwurten: „Ich bin Finländer.** Für Schweden fehlt 
ihm trotz KÜnor .-VbHtaimuung und der (leiiiciDHchaft in 
Sprache, Sitte und Handel»interes»en jede Symj*athie, 
anderseita macht er «ich über duz )»lmnpe Auftreten der 
Finnen lustig. 

Der Hewuhner der AursoiiHchären ist dagegen von 
rauhem, zurückhulbunlein Woaen, ilabei jedoch von nua- 
gesproebenor Liebe xu seiner Ibdmat beaeelt und tadir 
iHignügsaiu. Sein aebarfer Hück, die von Wind und 
Wetter markierten Zügo BeinuM gefurchten Angesichtoa 
bezeugen, dafs er Ixji Bciueui gefährlichen Fischerhand- 
werk, an dem stets das Weilt teilnimmt, täglich und 
stCindlich grofsen Gefahren uusgoHetzt ihI. 

Das VidkMBchulwoson ist ziemlich gut, und ca werden 
für die kleinen IiiBcln drautHeii in den Scharen aziihnU- 
torische .Schulen abgehalteu. 

Die rot augomalten Dauornhöfo ziud geräumig, mit 
hohen, lichten Stuben, von äufoerster Saul>crkeit tmd 
Ordnung, die Betten, in den W&nden in zwei bis drei 
Ktagen angebracht, mit sauberen Vorhängen versehen, 
aus denen die weitsen Kopfpolster mit Bordüren uml 
(ianiienmgen und die pnichtige gewebte Decke horv<*r- 
blicken, der Boden ist mit gewebten Mutten boilockt. 
FjgiMilütulioh ist OS, daCs fast auf jeilem Hofe ein Piano 
mlcr llurmouiuiu zu ffnden ist. und .selbst dann, wenn 
niemand diese zu spielen versUdit. Bei jcdoiu Hufo steht 
auf einer erhöhb'n Stelle eine Windmühle, ili« i'üsch 
einen L-berblick über die Anzahl d«?r (tehöfte ermög- 
lichen. Die Behausungen in den AuftMUischären sind 
kleiner und unanHchnliclior, meisteiiü des Sturmes wegen 
zwiscbcti Anhöhen oder in SiMiktiugen dicht aneinaiuler 
gebaut und die Dächer mit gnifscn Steinen lipschwert. 
Ini westlichen .\land steht fast da.s ganze Jahr hindurch 
mitten imf dom Platze der Orischtiflen eine mit Bändern 
und Kränzen guscfamuckt«! Mittsommerstange, wo zur 
Mittsummerxcit der Tanz abgohulten wird. 

Viele mit den alten Bezeichnungen zusimitueugeMetzte 
I^okaibonenmiugen weisen auf die altukandinavischo Kui- 
turperiüdo zurück und sind Zeugnis dafür, dufs das je<]en- 
falU in tTor/tnicii von einer ff tmischen Urbevölkerung be- 
wohnte I>and scholl vor Kiufülirung des t'hristentams 
von Schweden aus bevölkert wurde. Noch jetzt erinnern 
die alten aus Granit anfgeführteu, mehr Featungen glei* 
chenden Kirchen an diu Zeiten, da das ('bristeutuin mit 
dem Heidentum die letzten Kämpfe ausfocht. 

In den nicht suiteu vorkommenden, an 1000 Jahre 
alten Grabhügeln wurden neben Gebeinen auch eiserne 
Schwerter, Streitäxte, Mee-zer, .\rmspangen, Haarsclimuck, 
Ketten und Kleiderffbcln gefunden, die als von skandi- 
navischer Herkunft erkannt wurden, .\ufserdem finden 
sich auch Steinkammern (Dolmen)t jedoch mit geringerer 
Ausbeute. 

(^iiarekteristiscb ist der ein- bis zwetmal im Jahre 
in den Aufsenacluircn, z. B. auf Jurmoland, ahgehal- 
teile Gottesdienst. Kin groIscB S<*gel wird auf dem 
höchsten Punkte als Zeichen für die umwohnende Sebi- 



renl>evöIkeruDg, «lafs der Geistliche behufs Abhaltung 
des Sommergottesdienstes dort angekonnnen sei, gebit^t, 
und «t können nun alle in der letzten Zeit goborenen 
Kinder getauft und die Toten eingesegnet werden. Von 
allen Ecken und Enden, von den kleinsten KIip(H>niti»eIn 
weit drauLen im Meere kommen die Boote mit v«>IIen 
.Vgciu, und cs berr*cht am Stramio lebhaftes Grüfseii 
und Plaudern, wobei 3iänner und Woiber ganz ungeniert 
Toilette für den Kirchgang machen. 

FJne der achönsten Burgen war das am) der Mitte 
des 1 4. Jahrhunderts atanimemle Kaatellholni auf Sund 
(Abb. 3), urkundlich 1388 zum enitennial erwähnt, da 
OS von Bo Juussou Grip an die Königin Margaretha 
überging. lui Jahre IffTl war König Erich XIV. hier 
gefuiigeii, 1044 wurde es von (instav .\dolf II. la^HUcht, 
von 16.35 ab jedoch allmäblich dem Verfalle Biiheim- 
gügelH*n. Heute erinnern nur noch gi'ringc ÜlaTreat*? 
an seine einstmalig« (indse. Eine Fest« neueren Da- 
tums ist Boinarstind (Abb. 4) itn sQilöstlielicii Teile 
des SundhinilcM, «üe Einfahrt durch den Boniarsund in 
den I.nmpnren verteidigoml; 1830 von den Küssen als 
Kriegsbafuu ungelegt, später als Gefängnis dienend, 
wurde es während des Krimkriuges von der englisch- 
französischen Flotte unter Admiral (’li. Nupinr bombar- 
diert und kapitulierte am 16. .August 1854. .Auch von 
dieser Feste sind nur noch gering« Beste vorhanden. 

An Herrensitzen finden sich iiufser den drei alten 
Köiiigshöfüu (Kmigsg.irdar) Kastellfaul in (der gröfste), 
Grelsby und llaga noch Germuiidö, Sonnrnda, 
BolBtabolni, Strömvik und Ifaddnäs. Der Schäreii- 
hof bei Kökar war eine der letzten ZunuchtsstÄtieu 
der Wikinger, und man kann dort noch heutigen Tages 
das Wort Viung (Vikuiig) als Bezeichnung für einen 
trotzigen, wilden Gesclluu h<*ren. Die Oberreste einer 
alten Wikingerbnrg finden sich auf Saltvik auf der 
Westseite des »teilen Hügels Ik»rgö. 

Die einzige Stadt, Mariehiimn, 1H59 angelegt und 
von 1861 ab Studtprivileglen besitzend, ist auf der vom 
Jomalulitud ausgeheuden südlichen schmalen I^udzung« 
der ganzen * Breite mich erbaut (3tjkm mit Hdü Ein- 
W'ohixern), so dafs sie sowohl auf iler westlichen, der 
Svibybucht, als auf der östliclieii .Vite, dein Slem- 
men, js einen Hafen iKisitzt. Die Stadt hat ein be- 
suchtes Seebad mit prächtigem MoereH.strand auf der 
gcgenühcr liegeudeti Mückelö (Abb. 5). Vortreffliche 
Scrufsen führen von hier nach allen Teilen des «ländi- 
scheu Festlandes, und drei- bis viermal die Woche unter- 
halten Passagienlampfer die Verbindung mit .St, Peters- 
burg und Stockholm. 

Ackerbau ist wohl die vornehmste Erwerbsijuclle, 
doch betreibt fast die Hälfte der Bevölkerung den Fisch- 
fang (liesuuders auf Dorsche), der ini Herbste iui 
offenen Meere, iin Frühjahre innerhalb der ScbärtMi aus- 
geübt wird. Der Absatz der Erträgniium geschieht in 
AIm), Reval und HuUingfors. Dio .Seevogeljagd wird 
haupUtU'hliidi auf Sottnuga, Kökar und Kliifsknr 
ausgeüht, während in den Schäreiiböf<>ii die Ausbeute 
an l'äern nud Federn der FJdergiinse eine wichtige Er- 
werbsquelle bildet. 

Do» Speckes und der Felle wegen werden der See- 
hund und die Gtter gejagt Iter Elch, in früheren 
Zeiten zahlreich vorkommend und gehegt, ist schon seit 
100 Jahren vollständig nnsgernttet 

Die in früheren Zeiten stark betriebene ScgcUchiffahrt 
wurde durch das .\nfkommen der Dampfochiffe stark 
reduziert, doch w ird noch ein ziemlich lebharier Verkehr 
mit den Häfen iler 0»t- und Nordsee, ja selbst mit Eiig- 
laiid, Frankreich, .Spanien unterhalten; der Export 




364 



M. C. Gramatzka; Sagen der Kbamti und Singpbo (Asflam). 



besteht faaiiptäftobUch in Fischen, SeeTögeln, ßutter, Käse, 
Salzfleisch^ Wolle, Seehutidsfellen und Seehundss{>eck und 
Hol*. 

Has Wappeu .llauds stellt einen Klchbirsch mit 
King um den Hals im blauen Felde dar, Ton einer gräf- 
lichen Krone äUtirhüht Auf dem Siegel Aland« ist Olaf 



der Heilige abgebildet, und die Farben sind Hot und 
Gelb. 

Litteratur- P. H. CHwion, AIan<l, ill. landskni^beskrif* 
uing- HeliHogfors ]S9S. HtaÜKtisk An>bok für Finland 
Turistft^reoingens i Finlaud Arsbok 1901. bvenska Turiat- 
fOreniiigens Iteseliaudbirker VI, Schweden. BU*ckbolm 1901. 



Sagen der Khamti und Singpho (Assam). 



Von M. Gram 

ilHtde Volk«»Umn:e ateben heute unter der Herrschaft 
der Briten, denen sie ehedem viel zu schaffen machten. 
Cher ihre Einwanderung nach A«saui erzählen die 
Khamti, die sich damals Ijungphaug naunten, das Fol- 
gende : 

Vor mehr als 500 Jahren vertrieb der Völkerstanim 
der EungpUang (Kbamti), der von Khemung (China) 
kam, die Aitouiu aus dem Tbale Namkiu und wurde 
am Flusse Namkiu sefshaft. l>io Aitonia waren der 
regiereude Volkastamm iu Namkiu, die anderen Stamme 
wai'en ihnen untergeordnet IHe Aitonia fluhuu Uber 
den Chankanpnls und liefsen sich in Hangpur, Sibsagar 
und anderen Städten in .'V.^sam nieder. Nachdem die 
liUiigpbang sieb iui Naiukiumtbale niedergelassen hatten, 
fiel ein Teil eines HUgels auf den Weg, den sie gekom- 
men waren, ttud verlängerte so den Weg ins Thal zu 
ihnen. Maiio, ein Sohn des Raja von Mungkong (dessen 
Mutter eine Sklavin war), kam mit einem grofsen Kriegs- 
heer, besiegte die Kbamti und regierte sechs Jahre. 
Nach einer anderen Tradition heifst es: Brei Bräder 
zogen aus von Mogong; der eine gnlmlste eine Kolonie, 
die der Khamti in Namkiu, der zweite liefs sich in 
Assam nieder, der dritte in Moyong. 

Entstellung der Erde nach den Traditionen 
der Khamti. Am Anfang war alles Wasser. I>a legte 
Gott „Bbra“ Erde auf den Rücken eines Fisches. Hann 
gebot er einem überirdbeben weiblichen Wesen, ein Ei 
zu gebären. Gott schnitt dieses in zwei gleiche 
Teile und legte einen Teil auf die Erde. Hierauf er- 
richtete «r einen Hügel, bestieg denselben und legte den 
anderen Teil des Eies obiui über den Hügel. Iheser 
obere Teil de« Eies bildete den Himmel. 

Entstehung der Erde nach Überlieferungen 
der Singpho. Ganz am Anfang war nicht« wie Wasser, 
so erzählen die Leute, bi« Mutum und ^^uta (Götter) 
von den Wolkeu herabstiegeu , eine llaiidvoll Erde von 
uuter dem Wasser nahuicu und über dem Wasser legten. 

Entstehung der Singpho (Menschen). .\m .An- 
fang waren nur zwei Leute, ein alter Mann „Tingla** 
und eine alte Frau „Gumgai". Iiu HimmLd wohnten 
zwei „Nats“ ((iiittor), ein männlicher, „Mutum“ genannt, 
und ein weiblicher, „Muta“. Tingla und Gumgai, die 
beiden irdischen VV'cseu, Ite^afsen einen Sohn und eine 
Tochter. IkT S)hn verliets aus unbekannten Gründen 
seiner Eltern Haus, begab sich nach einem unbestimmten 
Orte auf der Erd«, und das Mädchen nahmen die Nats 
(.Mutum und Muia) zu aich in den Himmel. Ein Nai, 
„l'inga Hu“, welelier auf der Erde weilte, adoptierte 
den Sohn. Ha« Mädchen wurde von Mutum und Muta 
wieder zur Erd« gebracht und dem Knaben vermählt. 
Has Ergebnis dieser Ehe waren zwei Sihue und zwei 
T’>chter, welche untereinander heirateten, und so ent- 
stand die Hasse dur Singpho. Has M ort Singpho l>edeu- 
tet „Mann“, Her Name des ersten Mannes war „Uoiutig“ 
und der Name der ersten Frau „Gajam“. — Eine andere 
Tradition ül)er die Entstehung der Siugpbu ist fol- 



tzka. München. 

gonde: .tui .\nfang war eine grofse Übersebwemmunjg, 
in welcher alle bösen Menschen, welche in der Ebene 
wohnten, ertranken. Diese Überschwemmung dauert«? 
ein Menschenalter. Hann kamen Chirun und Woiaiti, 
zwei „Nats“ (Götter), und trockneten mit ihren langen 
Haaren die AVasser. „Modoi“, der ältest« Sohn von 
Mutum, führte eine Familie von 7 Personen auf die 
Spitze eines Hügel, sie hierdurch vom Ertriuken er- 
rettend. Diese Leute sollen die ersten Singpho gewesen 
sein. 

Hie Kntatehung der Khamti. Am Anfang war 
ein Baum. Aus der Frucht dieses Baumes wuchs «ine 
Blume, aus welcher ein Paar menschliche M'esen ent- 
stiegen, ein männlicheH und ein weibliches. Diuses waren 
di« ersten Khamti (Menschen). IHe Kajas (Fiirsteu) 
glauben ihr« Kntetebung dem Ei zu verdanken, welches 
Gott „Pbra“ zu schaffen befahl, und welches die Ent- 
stehung der M'^elt bedeutete. — Hi« folgenden sind die 
Namen von sechs Huuptgötteni; Mudai, Sumlap, Munu, 
Ningshi, M'Boug, Palam. 

Traumdeutungen. Träume nennen die Singpho 
„Yupmaug*. Es bedeutet Gute«, wenn man vom Mond 
träumt oder einen kleinen Fisch fängt, weint oder 
einen Hügel erklimmt. Schlechte lU^dHutung halben 
Träume, in welchen Dunkelheit herrscht, oder ein Baum 
fällt, oder in welchen man einen grofsen Fisch fängt, 
ein Schwein oder einen Hirsch tötet, lacht oder einen 
Hügel herabstejgt. 

Tättowieren. Slngpbofrauen sind gewöhnlich auf 
der M'ado tättowiert, und es besteht die Tättowierung 
in acht Streifen abwechselnd in .Schwarz und Weifs. 
Ein Hän[>tling bezahlte 60 Kupiou (ungefähr 75 Mk.) 
für di« Tättowierung seiner Frau, ln der Regel werden 
unverheiratete Frauen nicht tättowiert. Khamtiiuänner 
lassen sich nur tättowieren, wenn sie nach Birma gehen. 
Khumtifrauen werden nie gekennzeichnet, 

Ilochzeitflgebräuche. Ein junger Mann mufs 
Seine Cousine, wenn möglich die Nichte seiner Mutter 
heiraten, so will es der Brauch. \Vunn nun ein so nahe 
verwandtes Mädchen nicht vorhanden ist, au muts der 
Onkel von der Mutter Seite ein Mädobeu seines Stammes 
suchen; soLUc er auch hierin erfolglos sein, so geht er 
zu uiucr auderen Familie und eagt: „\Vollt ihr mir «in 
Mädchen für meinen Neffen gehen, so will ich euch eine 
meiner Nichten geben, falls aus eurer Familie jemand 
eine Braut erwerben möchte.“ Her Vater des jungen 
BräutigsuiN giebt dann «in grotses Fest und verteilt 
Geschenke an die Familie der Braut, Sollt« der Vater 
des Bräutigams nicht in der l4^g« sein, Geschenk« an di« 
Familie der Braut zu gelien, so schenkt oder verkauft «r 
eine seiner Töchter au die Familie. Venn alle« zu bei- 
derseitiger Zufrieilenheit arrangiert ist, beginnen die 
lloühzeitsfeierlichkeiten. Wne Heck« und etwas Schilf- 
gra« wird auf den Bmlen gelegt; die Braut nimmt ihren 
Platz au der rechten Seite der Hecke ein, die Muttor 



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I)r. Karl Ernst Hank«: Baliigtiaohei öber ßo^en und Pfeil. 



965 



mit dem Bräutigam stehen auf der linken Seite. Fine 
Matrone aus dom Dorfu, die bei der Braut steht, legt die 
Ducke zuKammon und führt tiiu an dto Seite der Mutier 
de» Bräutigams; diese reicht dem Mädchen die Hand 
und föhrt sie in ihr Hau», wo die ganze Nacht liiuduroh 
die ll<ichzeit gefeiert wird. Braut und Bräutigam bleiben 
während des Festes gegenwärtig, die Braut bereitet mit 
eigenen Händen Speisen für die (iäste. Die zur Hoch* 
zeit gemieteten Sänger, von denen in jedem Dorfe zwei 
bis drei vorhanden sind, singen die ganze Nacht bin« 
durch und werden von der Braut mit je einem StCtck Tuch 
hesehenkt. — Eine unverheiratete Frau trögt einen 
Kock (pukong), einen echwarz-weils-roten Unterrock und 
über der Brust ein „ningmat** geschlungen, atif dem 
Kopf einen „humbari** (Turban). Eine verheiratete Frau 
trägt Ubrriuge und Silbenchmuck im Haar. Die ver- 
heirateten Frauen tragen kein „uingmai“. 

Gebräuche bei der Geburt eines Kindes. Ho« 
bald ein Kind geboren ist, werden zwei Hühner ge- 
schlachtet und mit etwa» Bei» dem Geiste de>» gestor- 
benen Grofsvater» geo]>fert. Ist dieser aber noch am 
Leben, so wird das Opfer dem Urgrofsvater gebracht 
Eidu besondere Suppe, die von Fischen, „kusu“ (einer 
wild wachsenden Pflanze, die auch im Garten gezogen 
wird) und Pfeffer bereitet wird, giebt man der lungeu 
Mutter, damit ihre Milch reichlich fUefse. Wenn da» 
Kind zwei oder drei Monate alt, kräftig und lebens- 
fähig ist, ladet der Vater alle alten Männer im Dorfe ein 
und giebt ein grofses Fest Wenn er ein reicher Mann 
ist, schlachtet er eiuen Büffelochsen für das Festmahl. 
Bei dem Feste wird dem Kinde der Name gegeben, es 
bekommt etwas Hei» zu essen und wird mit kleinen silber- 
nen ScbmuckgegeDstönden an Hals und Ilaudgeleuk 
geschmückt. IHe folgenden Namen werden Kindern 
männlichen (ieschlechts gegeben: Garn, Nong, Li, Tü 
oder Dü, Taug, Yong, Ka, Sbiroi, King. Kinder weib- 
lichen Geschlechts erhalten folgende Namen: Koh, Lu, 
Küi, Tu, Kai, Ki, 31’pi, Dim. In der Folge, wie leb sie 
geschrieben, werden sie auch gebraucht, der zweite Sohn 
heifst demnach immer Nong, der dritte Li, die zweite 
Tochter immer Lu, die dritte Hoi. 

Tod und Beerdiguug. Wenn jemand krank ist, 
so will es der Brauch, dats mau ihm keine Medizin giebt 
sondern „ShomNat'*, eine Waldgottheit um Hülfe auruft 
Dazu wird der ^Tumsava**, der weise Mann im Ikirfe, 
geholt. Dieser befiehlt, man solle ein Schwein und sechs 
Hühner schlachten. Die Hälfte von diesem Opferschmau» 
wird von „Tumsawa** und seinen Freunden verzehrt die 
andere Hälfte, die sie „nataau** (Gütterfleisch) nenueu, 
wird vor da» Haus gelegt, damit die Götter davon essen 
können. Stellt »ich bei dem Kranken nicht gleich eine 
Besserung ein, so wird Tumsawa iiochnial.s geholt; er 
weissagt nun aus einem „tara*‘-Blatt (wilder Kardamon), 



welches Mittel für den Kranken angewandt werden soll. 
Nachdem Tumsawa das „tara'^-Blatt längere Zeit be- 
trachtet und erforscht bat »^gt er gewöhnlich; Shom Nat 
der Wuldguti, ist ungehalten, verstimmt und will keine 
Hülfe senden, es ist daher notwendig, eine andere Gott- 
heit anzurufeu. Wenn auch der zweite göttliche .Arzt 
»eine Hülfe verweigert, so werden andere Götter an- 
gerufen und unter Gewährung von Opferspeisen um 
Hülfe angefieht, bis Tumsawa und seine Freunde genug 
Speisen gesammelt haben oder der Kranke stirbt. Nichts 
wird für den Kranken selbst zu seiner Wiederherstellung, 
noch zur Linderung seine» Zustande» gethan. Wenn 
ein Manu im Kampf verwundet wird, »o ruft man „Palam 
Nat** an. Für den Fall, wo der Kranke an starkem 
Blutverlust leidet, wird ^.Shama Nat“ angerufen; für 
eine Frau im Kindbett „Cbisam Nat“. Der Gott des 
Himmels heifst ^Ningshie“. Wenn die Singpbo um 
Regen oder i^unensebeiu beten, so rufen sie „Niugsbie“ 
an. Der Tote wird verbrannt, die Asche gesammelt und 
unter einem Erdhügel aufbewahrt, um welchen die Ver- 
wandten zeitweise Tücher hängen. Stirbt eine Frau im 
Kindbett, »o wird dieses als eine Schande betrachtet, der 
Körper in den Wald getragen, dort verbrannt und die 
. Asche nicht gesammelt. Stirbt ein Häuptling, so wird 
I ein .Sarg gewöhnlich aus „poma“-Holz gemacht; der 
! Tote wird gewaschen und in reiche Tücher gekleidet, 
man legt ihm etwas Silber oder Gold auf die Augen und 
I tbut ihn dann in den Sarg. Nachdem alle Verwandten 
I ihn gesehen, wird der Sarg mit dem Körper verbrannt, 
die Asche gesammelt und unter einem Krdhügel auf- 
bewahrt. 

Erbschaft.. Bei dem Tode eine» Singpbo erben der 
älteste und jüngste Sohn fast alles Besitztum; der älteste 
Sohn übernimmt alle Frauen »eine» Vaters mit Ans« 
nähme seiner eigenen Mutter. 

Die Nachwelt — das Geisterreich. Nach dem 
Tode wandelt der Geist des Gestorbenen nach seinem 
Geburtsort zurück. Ein Geist („Deoda“) zeigt ihm den 
Weg und führt ihn an einen iTuI», wo er ibn badet. Die 
Geister »einer Ahnen kommen daun und geleiten* ihn 
nach ihrem Reich. Die Geister der Gestorbenen fliegen 
wie Vögel in der I.uft umher, sie essen, trinken und 
heiraten nicht, auch sitigeu sie keine Lieder. IHe Sing- 
pho haben also die Vorstellung, dafs es ein Reich giebt. 
in welchem die Geister der Gestorbenen leben. Sollten 
I bei der Totenfeier nicht alle Gebräuche richtig ein- 
gehalten worden »ein, so ist e» möglich, dafs der Geist 
I des OeHtorbenen in einen Tierkörper verwaudult wird. 
' Die Geister Gestorbener, welche auf der Erde einen 
. guten Lebenswandel führten, bleiben immer in der I^uft 
oder werden wieder als Rajas (Prinzen) geboren. IHe 
^ Geister derer, die Böses gethan, werden in Insekten oder 
I andere Tiere verwandelt. 



Ballistisches fiber Bogen und Pfeil. 

Von Dr. Karl Ernst Ranke. Arosa. 

II. (Schluts.) 



Wenden wir uns nun zu den absoluten Werten der 
leliendigen Kraft und der Geschwindigkeit dos Pfeil- 
schusses. 

Die lebendige Kraft desselben ist eine höchst wich- 
tige Kigiirischaft, da von ihr die Durehschiagskraft de» 
Schusses abhängt. Mau könnte sie auch direkt als 
Durclii^cblagsenergie des PfeilHcbusse» l>ezeichnen. Wir 
sehen »ie ln nicht unbeträchtlichem MhIno variieren. Da 
in meiner Tabelle auch die Bogen und Pfeile dreier 



Zwergrassen aufgenommeu sind, wird es uns nicht über- 
raschen, dafs die llellie mit sehr kleinen Werten für die 
Durvhschlagsenergic beginnt. Alle drei Zwergrasaen 
halHtu Worte unter 6mkg: Buschmami 2.2, Pygmäen 
am AllHirisec 3,9. Akk» 5, IC mkg. l>och muD es uns 
»ehr wundernehmen, unter diesen niedrigen Werten auch 
noch zwei Völkern zu begegnen, die wir hier a priori 
nicht erwartet hätten. F.s »ind das die ('hinesen mit 
4,26 mkg laut Tabelle und die Nutka mit 5,9. Wenn 




I)r. Karl Ernst Ranke; BaliistiBches filier Bügen und l*fcit. 



wir auch gewohnt sind, von den CbiucNen »llerband 
scUlechtex zu denken, so tuÜHMen uns doch augesicht-H 
diener Zahlen, um so mehr, als auch die Oeschwindigkeit 
mit 43 m sehr niedrig ist, einige Zweifel in die Richtig' 
keit der&ollten aufsteigen. Zur Kritik dieser Zahlen 
möchte ich folgendes hervurhehen. Kinersoits handelt 
ea sich, hu viel ich mich urinucre, um in China im Laden 
und zwar von einem im Rugensohiefsuu iiDcrfahrenou 
Kuropher gekaufte Rogen, leb möchte dom sehr tüch-* 
tigun Sammler diosor Rogen nicht mit dieser Hebaiiptang 
aahu treten, aber es scheint mir nicht unwahri<cfaeinlicb, 
dafs der chinesische Händler ihm die schwächeren imd 
wühl daher auch billigeren, weniger wertvollen Rogen 
seines lagern gegeben habe. Das erklärt al>er nicht 
alie.-^. IHe Rogen, die ich untersuchte, sind zweifollus 
echte, für den Itehraucb auf dum KxersierfoUl und dun 
Krieg hergoKtellte Waffen. Wenn sie auch nicht dom 
Diirchschuitt entsprechen sollten, so sind sie doch unhe- 
zwoifulharo iKikuiuente. Ick gUulie nun, dafs noch zwei 
Dinge zu berücksichtigen sind. Erstens ist die von mir 
willkürlich angenommoiie Spanntänge von 71 cm sehr 
wahrscheiDlich zu klein, ich glaube mich nn ebinesb ; 
Hebe Darstellungen von Bogenschützen zu erinnern, auf ! 
denen der Rogen sehr viel weiter als bis /um .\<ige ge- ; 
zogen wird. Als durchsclmiitliehe lAugo des Schaftes | 
habe ich 85 cm notiert. Setzen wir dioso Grötsu als ; 
Maximum der Spannlänge in Kechuung, so erbtilieii wir ; 
für das Rogengowieht 14,3 kg für die lebendige Kraft 
und dietreschwiiHligkeit des .Schusses 6,0mkg und 4Öin. 
Damit rücken alter die ('hinesen auch nur mit knapper i 
}*iot aus der ominösen Nähe der Zwergvölker, und wir 
müs.ien uns zur Erklärung der relativen Wertlosigkeit 
des cliinesischon Bogens der Thatsacho erinnern, dnfs 
der chinesische Rogen eine im Rückgang iHtündlieho, schon ; 
vor den europäischen SohuDwafren weicbende Waffe ist. i 

Anders liegt die Sache bei den Nutka mit 5,9 mkg 
DiircliHcblagsenergie. Bei diesem nordamerikaniseb-ark- 
tlRchen Voiko können die bei den (Ihiuosen gültigen 
Gründe nicht verfangen. Auch die Spannweite kann 
nicht gröfser angeuommun werden, da w'ir schon ihr 
mögliches Maximum, die rfeilscbaftiäuge, in l^chnuug 
gereizt hHiton. L'nd doch mufs die Uechming falsch 
sein, denn hei der Jagd auf arktisclies Wild wäre ein no 
schwacher Ihigen ohne praktische Bedeutung. Die unter- 
suchten Rogen zeigen nun eine auffullende Ähnlichkeit 
mit den beiden Ogulmutbogeu, dio ihnen in der Tabelle 
folgen, itei diesen handelt es sich aber um einen ho- 
goimnnteD zusammengesetzten Rogen, der aus zwei Tei- 
len besteht, einem Holzteil, der ebon dem Nutkabugen 
sehr ähnlich ist, der alier mit einer .«<Urken Sehne, die 
auf seinem Rficken entlang läuft, verstärkt ist und die 
beim Nntkabogon fühlt. Dadurch erhält der Ogiilmut- 
bogen das ungeheuer groNo Rogengewicht von 40 kg, 
während sein Holzteil allein nicht mehr Gewicht uU die 
Nutkabogen besäfsc. Da beide Völkerschaften nurd- 
amerikanisch - arktische Stämme von sehr ähnlicher 
Ijcbensweise sind, scheint mir die Verniutnng gerecht- 
fertigt, es sei bei den Nutkalmgen nur der Holzteil eines 
für gewoimliche Jui^dzwecke mit einer S«htie verstärkten 
Rogens in der Sammlung enthalten gewesen. 

Bei Beurteilung der Wirkung moderner Geschosse 
pBegt eine DurchschlagHenergie von 8 bis 10 mkg, wie 
nie z. R. die moderne deuLnehe Schrapnelkugei besitzt, 
als hiiirtricbimd angeselien werden, „einen Mann aufser 
Gefecht zu setzen^. Derlei Mafssiälmn haften zwar 
allerlei Ungenauigkeiten an, z. R. die grofse Abhängig- 
keit vom Treffpunkt, doch genügt er jiMletifallH, um uu*^ 
eine vorläufige approximative Schätzung der Wirkung 
eine» RogenHchiissc» zu ermöglichen. Nehmen wir für 



den Pfeil und seine scharfe Spitze an, dafs die V'erbält** 
nisse für seine Durcb-schlagsenergie günstiger liegen 
bei den Ntumpfen modernen Geschossen, so können wir 
von einem Pfeilschufs von 7 bis 9 mkg lebendiger Krnft 
dos Abschiofsens annehmeu, er sei im stände, auf kurze 
l’hitfurnuogon grötsercs Wild, unter Umständen auch 
einen Menschen tödlich zu verwunden. Bei höherer 
DuiTbscUlagsenorgie wird das aueb noch in gröfscrer 
Entfernung gelingen, doch mufs ich mir bei dem Mangel 
von genaueren Untorsuebungen über den Luftwiderstan«! 
versagen, diese hlntfernung auch nur zu schät/on. 

Es erübrigt noch, die Bogen von 6 bis 7 mkg Schuff*- 
leistung im Moment des .Absebietsens zu bespreebeu. lu 
meiner Talmlle finden sich drei V'ulkor mit diesen Wer- 
ten: die Ondonga, ein afrikanischer Negerstamm, die 
Orang-Pangang und die Japanesen. Für den jnpaiiischeii 
Rogen gilt, wenigstens für die Spannlänge, das.selW wie 
für den chiuosiaebun. Auch er wird im Ernstfälle wahr- 
scheinlich sehr viel weiter gezogen als 7 1 cm. Setzen 
wir die mittlere Schaftlänge mit 80 cm in Rerhrmng, so 
erhalten wir 8,6 mkg Durchsohlagsenergie und 65 in Ge- 
schwindigkeit, wie wir sehen, viel bessere Werte. Wahr- 
scheinlich wird man aber bei genauer ßerficluicbtigung 
der Provenienz und des Altem ]apaiiiscfaer Rogen für 
den alten Kriegsbogen noch gröfsore Werte erhalten. 

Iter Orang-Pangang-Rogeii ist so schwach, dafs man 
annebmen muts, es bandlu sich um eine iui Rückgang 
befindliche Waffe, oder, da nur ein Rogen unti'rsurlit 
ist, um ein aulsergewöhnlich ncbwaches Exemplar. Iter 
Wert ist also nicht zu irgend welchen Schlüssen zu ver- 
werten. 

Die umte der eben erwähnten Annahmen möchte ich 
auch für den ( hidongahogeti machen. Er ist wohl nicht die 
einzige oder auch nur Hnuptkriegswnffe dieses Stamme?!. 

Zwischen 7 und 9 mkg Durchschlngsenergie liegen 
die SchiifHleistungeii nach meiner Rerechming hei den 
Bororo-indinnern Südamerikas, bei sämtlichen Indianer- 
.stämmen des Schinguquellgebietes, die völlig unifomie 
Rogen besitzen, bei den Salomo-Insulanern, den Menta- 
wci-Ni'grito», und einem Rogen, der mit Timorlaiit ge- 
zeiebnei war. Wir haben angenommen, dafs das wohl 
im grofsen und ganzen .Tagdlwgcn sein werden, die im 
Notfall aber auch zu KriegMzwecken benutzt werden 
können; namentlich da, wo eigentliche Schlachten nicht 
geliefert werden. Das trifft bei den genanntmi Völkern, 
soweit ich das ohne Littemtur zu beurteilen vcrniag, 
auch zu. ülwrrascht war ich nur von den n*lativ ni«l- 
rigim Wurten de« Itoponibogens, da von dumaelbeii von 
Prof, Vogel be<leiitende l,eistungvn an Durchschlags- 
energio, die ihm eine iH-^trächtlichc Ül>eriegenbeit über 
den deutschen .Armeerevolver verleiben, angegelien wer- 
den. Wir sehen in der Tabelle drei Pfeilarten der Jlo- 
roro angeführt. Mit a) ist der gewöhnliche Jagdpfeil, 
mit b) der Saupfeil und mit c) der Jaguarpfcil bezeich- 
net. Dieselben unterscheiden sich in Spitzcnforni, Ge- 
wicht und Scbaftlänge und sind sichtbar nur in der Ab- 
sicht kon.4truiert. vurschiedon grofse Durchschlagskraft 
zu erzielen. Einen grutsen Vorteil in dieser IlinHicht 
gewähren allerdings schon die furchtliaren Rambus- 
messerspitzen, uut denen die zwei schwereren Pfeile, be- 
sonders der Jaguarpfeil, ausgestattet sind. Ih>ch weist 
die verschiedene Schaf (länge darauf bin, dnfs sich wohl 
auch die SpuuiilHUge für sie von der des gewöhnlichen 
•lagdpfeiles mit kürzerem Schaft iinterhcbeide. Da.a 
Schwein schiefst der Indianer, wie wir auch, wenn tma 
eine Schw<>ineherde l>egegnete, stet« aus grofser Nähe. 
Er kann also gut durch eine gröfsere Spannweit« die 
! leheudige Kraft in hohem Grade Teriiichrun, ohne dats 
' die dadurch hervorgurufene llugeuauigkeit des Zielens 



Dr. Karl Eruat Rauko: Ilalliatiacbtss über Bogen und Pfeil. 



weHentJiche Nachteile verurfiochto. .Auch auf der Ja- 
guarjagd i»t aller Wahrschuiulichkait nach daaaelbe der 
Fall. Schon auM der KnnKtruklioti de:« Pfeile» acheint 
mir mit grufaer Wahrscheinlichkeit hcrvorzugeheii. daf» 
der Jaguar im allgomulueu aus der Nähe geechos^iun r.u 
wurden pnugt. Auf grüfsere Kutfernungeu pflegt man 
ihn auch nur selten za Gesicht zu bekommen. l>er llo> 
roroliogen ist also mit dem gewöhnlichen Jagdpfuil und 
der bei genauem Zielen notwendigen Spannweite ein 
guter Jagdbogen für mittlere Entfernungen und nicht 
zu grofses Wild. Mit dem Saupfeil und dem Jaguar* 
pfßil und einer Spannweite, die wir ruhig bis zu 90cm 
»unehmen dürfen, iat er eine Nahwafl'u von grofser Wirk* 
samkeit. Nehmen wir die Spannweite tun 90 cm zur 
Grundlage unserer Rechuuug, so wird dos llogeugowicbl 
etwa 28,Bkg und die Durchschlogscnergie 12,9 mkg, die, 
unterstützt durch die scharfen IJanibusmesserspitzen, nun 
ihren Zweck sehr gut erfüllen wird. 

Für Nühe und einige Jlntfernung sehr brauchbare 
Jagd* und Kriegslagen halion wir vor uns in den unter* 
.Huehten Jiiuuperi*, Dakota* und Yaquibogeu mit einer 
Purchschlagsenergie ton 9 bis 10 mkg, bei den .Angaite*, 
Wussandawi-, Wanyamwesi-, Neu-Hebriden- und Nou- 
Guineabewohnern mit flogen von 10 bis 11 mkg Durch* 
»chlagskraft, und den Guato, Somali, Goachiro und den 
Pbilippiiien-Negritos n>it 11 bi« 12 mkg. Höhere Werte 
finden wir noch liei den Ogulmut mit 14,4 mkg, einem 
mit Sirioue« bezeichneten Dogen südamerikaiiischer Her* 
kitnft mit 16,3, den znsammengeeetzten türkischen Dogen, 
die in der Tabelle mit Turkestan bezeichnet sind, die 
aber in gleicher Weise bei den alten asiatischen KuUur- 
tulkem sich überall wiederfiuden, mit 16,7, und endlich 
hui dun vier Dugrebogeii mit 21,35. 

Ob der mit Siriones bezeichnete Dogen wirklich ein 
Gebrauchsbogen ist, scheint mir zweifelhaft. Jeilenfalls 
ist der mit ihm aiifbewalirte Pfeil ein Schmuckpfeil, der 
seines Gewicht«« tind der ungeheuren Dünge wegen prak* 
tisch sicher nicht lieiiutzt werden konnte. Die drei au* 
deren Werte aber sind anscheinend zuterlüssig. Dei den 
Ogulmut handelt es sich, wie schon gesagt, um ein ark* 
tische« Vulk, das aUo b&ufig grutse«, dickltäiitiges Wild 
au« der Nftho schiefst. Ihe türkischen Dogen sind die 
gefürchtete WaHe. der die alten asiatischen Kulturvölker 
ihre Überlegenheit ülwr ihre Nachluiru verdankten, und 
die die .Araber, Hunnen und Türken auf ihren Sieges* 
Zügen bagleileto. Die Dugre sind ein im dichtesten Ur* 
wiild lebender brasilianischer Tndiancrstainm, der sein 
Wild, z. D. den Tapir, aus direkter Nahe schiefst, das 
seiner Gröfse und dicken Haut wegen einer selir grofsen 
Durchschlagskraft bedarf. Eine definitive Würdigung 
dieser Waffe wird erst möglich sein, wenn wir noch 
einige weitere ThaUaclicn erwühut bubun. 

Die zweite ballistische Haupteigenschaft des Pfeil* 
Schusses ist seine Anfangage.schwiudigkeit, da von ihr, zu- 
sammen mit dem Luftwiderstand, die Tragweite des Schus- 
ses abhingt Auch hier finden wir wieder grofse Verschie- 
denheiten, und zwar neigt, w'ie schon hervorgeh<*ben, die 
Geschwindigkeit dazu, eich zur lebendigen Kraft de« 
Schusses umgekehrt proportional zu verhalten. Diese 
Neigung erklärt sich ohne weiteres aus der physikali- 
schen IWziehung Wider Gröf^eii, zusammen mit derThat* 
Sache, dafs der stärkere Dogen mit dem «ehwereron Pfeil 
vergeseUsebaftet zu sein pflegt. Detr&chtliche Ausnahmen 
von dieser Regel werden wir nur da finden, wo ein starker 
Dogen und ein leichter Pfeil zusammen gehören. In diesem 
Falle werden wir grofse Durchschlagskraft und groF«o 
Geschwindigkeit zusammen hei einem und demselben 
Dogen finden. Die zwei weiteren noch vorkommendeii 
Kombinationen sind kleine Durchschlagskraft und grofse 



367 

Geschwindigkeit und grofse Durchschlagskraft und kleine 
Geschwindigkeit des Schusses. Die erste dieser Kombi* 
untionun, hohe Oesi^bwindigkeit und grofse Durcbschlags* 
enurgie, stellt den günstigsten Fall dar, bezeichnet also 
den leiBtungsfühigsten Dogen, der sowohl in unmittel- 
barer Nüho als einiger Jlntfuruung benutzt worden kann, 
ich möchte ihn daher als Vollbogeu bezeichnen. Diu 
zweite, kleine Durchschlagskraft und grofse Geschwin- 
digkeit, ist dagegen eine recht ungünKtige Kombination. 
F.in Dogen mit diesen Eigenschaften kann nur auf kleine 
Wirkungen, aber in vergleichsweise grofser Entfernung 
berechnet sein, wir wollen ihn also als Fernbogen be- 
zoiefanun. Der letzte Full, gruf«e Durcbsclilagskraft und 
kleine Guschwtndigkoit, bezeichnet eine Waffe, die nur 
in der Kühe, hier aber grofse Wirkungen cntfultcn kann, 
Dogen, die ich mit dum Sammelnamen Nahbogeu be- 
zeichnen möchte, 

Deginnen wir mit dem ungünstigsten Fall, dem reinen 
Fernbogen. Er findet »ich in guter .Auaprfigung bei den 
Zwergvölkern. Sehr leichter l’feil, starker Ikigen, ge- 
ringe, zum Teil ungeheuer kleine Durchscblagsenergiu, 
aber grofse Geschwindigkeit. So hat z. D. der Akka* 
bogen 110, deigentge der PygmSen am Albertseo sogar 
113 m Anfangsgeschwindigkeit. IHe Wii’kungen dieser 
Waffen sind also leichte A^erwundungen auf grofae Ent- 
fernung, die für die beiden letztgenannten Völker die- 
jenige aller anderen Bogen, ausgenommen den türki- 
schen, nliertrifft, und diesem besten aller Dogen wenigstens 
gleich kommt. Halten wir dieao ThaWiche zusammen 
mit der unter ihnen hütifigon Sitte der Vorgiftung der 
Pfeile, die auch bei leichter Verwundung den Ted zur 
Folge haben wird, so sehen wir, daf« diesu Zwerg\*ulker 
mit einer recht respektHblun Waffe auagerüatet sind, der 
sie wohl ihre honte noch andauernde Kxiateuzfühigkeit 
verdanken. 

Auch ausgeprägte Nahliugcn finden «ich in uiiserer 
Tahell«. So z. D. der Guatulxigen mit 11,41 mkg und 
bluf« 40 bis 45 m Geschwindigkeit, Das Gleiche gilt 
von dem Siriouesbogen, wenn wir dciisoUieu überhaupt 
einer genaueren Detrachtung unterziehen wollen. Einen 
Übergang zur folgenden Gruppe bildet der Dugrcbogeu, 
der, abgesehen von seiner AVi-wendung als Nahbogen, 
mit leichtem Pfeil wohl auch als gewöhnlicher Jagdbogen 
Verwendung findet. 

Mit leichtem Pfeil t>lnd al» gewöhnliche Jagdbogen, 
also mit mittlerer Tragweite und mittlerer Durchschlags- 
kraft, zu betrachten der Dogen der Schingu-Indiauer, der 
Doroi-o, Dugre, A'aua]>eri. Salomo-ln«ulaner, Dusebmann, 
Nuu-Guinea, Negrito dcrl'hilippinen und Orang-Pangang 
fall» wir letzteren Wert ülH*rhaupt herflcksichtigen wollen. 

' Interessant scheint mir, dafs wenigsten« für den Fall, 
den ich selbst aus eigener Anschauung näher kenne, bei 
den IndiMiiern des SchinguquellgehietoH der Dogen wirk- 
lich im wusentlichcu uiuo Jagdwuffu dar«tcl!t, und da- 
neben noch eine weit mächtigere Kriegswaffu, da« Wurf- 
hrett, vorhanden ist. 

Ihnen reihen sich die Dogen der .Angayt« und der 
Ondonga an mit einer Geschwindigkeit von 60 bi« 70 1 », 
von denen der erstere eine recht belruchtlichu Durch- 
«chlagsenergie aufweist. Kr «teilt den tjbergang vom 
Jagdb{)grn zum Viillbogen dar, der auch gleichzeitig als 
Kriegswaffe houutzt wird oder wenigstens benutzt werden 
kann. Solche VoUbogcu sind die Bogen der Goachiro, 
Dakota, Ya<}ui, Ogulmut, Somali, Wa«.«andawi. Wan- 
yarawesi, Neu-Hebriden und der Mentawei-Negritos, die 
mit Ausnahme der letzterem auch alle hohe Werte der 

I Durchschlagw'ienergie aufwei«un. 

I Darüber hinaiisgclieiid« Werte finden wir nur bei 

I dun schon busprochenen typischen Furnbogen der Akka 




Dr. Kar! Ernst Kanko; Ballistisnhei aber Bng«n und Pfeil. 



sr>e 



Kurve VIII. 




K| Rm]ungi>kur\e finos svniinetruchen, leicht i;«krüinniteu Hulzstabltngens 
(Xiugu). ]teiai«tung In KUograiiim fiber DeUuuug in (Zentimeter. 

Sr. 1 ohne Spannung; Kr. 2 11 cm Spannung; Kr. 3 14 cro Spannung; gerade 

Vei'blndungiilinie 2 wi»cheu Aofasg»- und Cndponkt der Kur>‘c 3. 



und der Pjgiuiion um Alberbten und beim türkl»chen 
Bogen, der mit eoiner Ilurehachlagskraft von 16,7 mkg 
und der Anfaugegeiicbwindigkeit von 11 3,5 m admtUche 
Bogen der Naturvölker weit hinter eich zuriieklätet. Er 
repräj4entiert une also den (ripfelpimkt der Entwickelnng 
de.H Bogen», eine Form der Fernwaffo, die erat mit der 
Erfindung des Pulver» üWrholt W4irden ist. 

Der Gesichtepunkt, unter welchem ich ur»prUngHch 
dioso Arbeit unternommen, war der, einen brauchbaren 
Mafsstab für die Körperkrafi von Naturvölkern zu 
suchen. Ich hielt damals den Bogen und die I^ange, 
bis auf welche der Bogen gespannt werden kann, bei 
bekanntem Bogengewicht für empfehlenswert zur Be* 
NÜmmung der Kör}>erkraft, da wir es hier mit einer 
Kraftübung zu tbun haben, die dem Naturvolk im Gegen* 
Satz zu den Kraftmessern der heutigen Authropolugie 
golftufig ist Ich dachte mir da^ Vorgehen des Reisen- 
den bei derartigen Untersuchungen folgeuderniafHen: Er 
sucht sich den stärksten Bogen des betreffenden Ortes 
aus oder er führt schon einen Probebogen von genügen- 
der Stärke mit sich tmd läfst nun die einzelnen Indivi- 
duen nach allen Kräften daran ziehen, am besten so, 
daf» er dem zu prüfeudon Manno in die die Sehne hal- 
tende Hund einen Meterstab giebt, der nach Art des 
Pfeiles zwischen den Fingern gehalten wird, und an 
dom die erreichte Entfernung daun sofort abgelegen wird. 

Aus englischen .'^portkreisen sind .Angaben über die 
durchschnittliche Stärke ihrer heutigen Bogen und ülmr 
flau* Bogengewicht, du» ein starker Mann eben noch be- 
wältigen kann, vorhanden. Nach Lougman, Arcbery. 
beträgt die durohschnittliche Stärke des englischen Bo- 
gens bei der allgemein üblichen Spannweite von 71 cm 
20,4 bis 2.5,0 kg. Ilöbcre« Werte pilegen die Genauig- 
keit des Zielens zu beeintrachtigen. Für beson- 
dere Zwecke, für Weiischufs und Erzielung besuu- 
derer Durchschlagskraft wenien noch Bogen von 
28 bis 30 kg gebraucht. Die äiifserste Grenze de» 
Bogeiigewichts, da» ein starker Mann noch bi.<f zur 
Kiitfemung von 71 cm überwinden kann, ist nach 
Kord, einem der besten Ikjgenschützen England», bei 
34 bis 37 kg gelegen. 

Demnach werden wir Bogen unter 20 kg Bogen- 
gewicht als schwacbv bezeichnen, solche von 20 bis 
25 kg als mittelstarke, von 25 bis 30 als starke, von 
30 bis 35 als sehr starke, und alles, was darüber 
hinausgeht, wird uns den Scbluts nubelugtm, dat» 
das Volk, das solche Bogen besitzt, eniwtHlor eine 
von der «»ngliscben verschieflene Methode der Bogeii- 
^pannurig aiiweudet, die ibiu erlaubt, grüfsere Kraft 



anzuwenden, «alor dafs es ein aih- 
letischor Vulksstamm von einer 
Korperkraft sei, die dieienige der 
europäischen Kulturvölker l>e- 
trRchtlich übertrSfe. 

Weniger als 20 kg Ikigon- 
gewiebt finden wir Iwi den Orang- 
Semang, Buschmann, den 1‘ygmäon 
am Alberisee, den Orang-Piuigang 
und den ('hiuesen: wie wir »eben, 
wirklich bei schwächeren Völkern 
oder bei degenerierendem Bogen. 

hUn der englischen initt)er<*n 
Bogenstärke von 20 bis 25 kg ent- 
sprechende» Bogongewicht finden 
wir (die Kutka sind au» den ob«-n 
erwähnten Gründen woggelussen) 
bei den Salomo-losulanem, Bororo, 
Japanesen, Mentawei-Negrito, Ti- 
morlaut und Schingu-Indittuern. 

Die von englischen Sportjfmen z«ir l‘>reichuiig hoher 
Werte von Ihirclitirhlagaenergie und Anfangsgeschwin- 
digkeit benutzte Stärke von 25 bis 30 kg finden wir 
unter unseren Mittelwerten noch sehr häufig. Btu den 
.\kka, Wüte, Ondonga, Yauaperi, Bedidi und auf den 
Neu-Hebriden und den Sunda-Inseln. ßesunder» luuts 
uns wuudernebmen, in dieser Gosellschnft einen der 
Zwergstämme zu finden, eine Thateacbe, die allein .'•cbon 
die Gültigkeit des englischen Mafsstabe» für die Natur- 
völker etwa» zweifelhaft machen mufs, 

.\uoh Stärken, die ein .starker Engländer“ eben 
n«Kb ziehen kann, finden sich ganz auffällig häufig unter 
den MitteiwerUm, nicht weniger als bei 10 Stämmen 
unter 34, bei den Guato, l^ngua, Goachiro, Angajte, 
Dakota, Yatjui, Wassamlawi, Wauyamwest und auf Neu- 
Guinea und den Philippinen. Was un» noch mehr wud- 
dernehmen miifs, ist aber da» Vorkommen von Bogen, 
die diese Stärke noch weit übei'troffen , und zwar finden 
wir auch hier wie in der vorigen Gruppe durchaus nicht 
nur Nahbogen, die auf feines Zielen dumhaus nicht mehr 
berechnet sind, sondern typische Kriegslx^en, wie den 
der Somali und den türkiKchen. 

K.S scheint nach diesen Zahlen wabrscheinlich, dafs 
die Naturvölker den europäischen Kulturvölkern an Kör- 
perkraft überlegen seien. Wir dürfen aber nicht ver- 
gessen, dafs liei dem Naturvolk das BogenschirDen von 
.lugend auf geübt wird, wahrend dieee Art Kraftanstren- 
gung dem Kulturvolk äufserst ungewohut ist. Auch ist 
CH nicht unwahriM'heinlich, dafs die Sammler eine .\ri 
unbewufsUT «>der selbat Wwutster Auslese unter den 
sich ihnen darbietendeii Bogen haben walten lasseu, so 
dafs die B<igeit im Museum, wenn es sich nicht umgrofse 
Anzahl von gleichen Bogen handelt, besonder* schöne 



Kurve IX. 




S|innniiugskurveD zweiter asynimetriscber, ruüammcngenetzter 
rukurvierter llotzbrnreii (,)h|iaii). Belastung In Kilogramm 
über Dehnung in Centimeter. 



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Dr. Karl Krnst Üatiko: BalliittKchoB über linjjrcn and PfeiL 



369 



und kräftige sein k6nDteii. Dann hat daa lange Kühen I 
tm Schrank die Bogen wohl all« atwaa härter gemacht. 
Aufiiordem ist wenigütenn für zwei der oxirenuiten Fälle, 
für den türkiachen llogen und dcti BugrelK>gen, der ge« 
furdertu Unterschied in der Art des Spannuus uaclizu* 
woifM?ü. Der türkiache Bogen wird mit Zuhülfeuahiuu 
des Dnumeus und eines Spannringes geepamii, beides 
Gebräuche, die darauf hiuweisen, dafs auch den mougo- 
Hsoben V'ölkern das Spannou ihres siarken Bogens, trotz 
der Cbung von Jugend auf, schwer gefallen sein imifs, 
und beim Spannen des BugTelM>guns wird das euie Knde 
des Bogens fest auf den Boden angestemmi und dann 
mit Unterstützung des Kniens gespannt Ks ist klar, 
dafs auf diese Weise eine weit höhere Kruft ausgeübt 
werden kann aU bei dom freihändigen Spannen der 
meisten anderen Völker, und auch dieser ganz extreme 
Wert kann nicht ohne weiteres als sicheres Zeichen 
weit überlegener Kör- 
perstärko augosohun 
werden. 

Aus den gefmide- 
nen Zahlen kann also 
heute noch kein siche- 
rer SchluCs auf die 
Gleichheit oder Ver- 
Hcfaiedeuheit der Kör- 
perkraft bei Natur- 
und Kulturvoikern ge- 
zogen wenlen. Wir 
finden die Überlegen- 
heit, die sich bei de» 
d 'in Kuropäer geläu- 
figen Übungen schou 
öfters auf seiner Seite 
gefuudou, bei dieser 
dem Naturvolke ge- 
läufigen Übung auf 
der Seite des letzteren. 
Aus diesem Grunde ist 
mir zwuifelhaft, ob 
der Bogen sich wirklich 
zum Krufimesser in absolutem Sinne eignet. Das Pro- 
blem einer Vergleichung der Körperkrnft scheint mir 
überhaupt einer exakten Vergleichung nicht recht zu- 
gänglich. Die Körperkraft der verschiedenen Varietäten 
des Homo sapiens scheint mir unter gleichen Bodingungen, 
gleich guter Kruäbruug und gleich grofser Übung keine 
sehr erheblichen Unterschiede darzubieteu. 

Zum SchiuT« noch oin paar Worte über die Spaimuugs- 
kurven der «nter-HUchten Bogenarten. 

Kür den einfachen Stabbogen sind diesell^en sehr 
gleichartig und unabhängig von der llolzsorte. IHe 
I*anhholzbogeii der Witssandawi und der Sobingu-Iudianer 
und der Palmho!zlx»gen der .Salomo-lnsnlsner ohne Um- { 
Wickelung wie der Palmbolzlmgeu der Guato mit Um- 
wickelung zeigen ganz übereinstituinende Spaniiungs- 

') Mitieiluiig des nenrn T^brers Ilieber (Münelien), der 
in Deslerro tielegenbeit hatte, die Art des Spannens von 
einem gofang<*nt-n liugre gezeigt zu bekuuimen. 



kurven. Überall zeigt sich zu Anfang der Spannung 
eine Zone schneller Änderung des Dehnungskoeffizienten, 
diinit eine ziemlich weite Strecke fast gieichuiäfsigur 
Dehnung, am Ende der Kurve aber wietier eine Zone 
schneller Änderung, wohl ein Zeichen, dals man sich der 
KlastiziUitsgrenze nähert. 

Lin Beispiel dieses Verlaufs zugleich mit dem Kin- 
Rufs der Spannung giebt uns Kurve VIll für den Schin- 
gubogen. Man orkenut, dafa die Sjmnnung nur den 
Anfangspunkt dur cigeiitlicheu Spauuungiikurve ver- 
schiebt, aber sonst keinen I'Iinfluf» auf dio Gextaltung 
der Kurve hat. Ganz ebenso erwies sich der KiDfluU 
der Spannung bei den anderen Holzarten. 

Aus den Kurven geht hervor, dafs für die gewöhn- 
liche SjHinmuig die Abnahme der Kraft vom SpanmtngK- 
Diaximum bis zum Sehnenruhepunkt sich so sehr einer 
geraden Linie nähert, dals die Annahme der halben 
Kraft für die ganze Länge des Weges bei Xähcruugs- 
hegtimmtmgeu gerechtfertigt erscheint. Wir sehen aber 
auch, daf» auf diese Weise regelmäfaig etwa.s zu hohe 
Werte erhalten werden. .\uch die .\nnahiue den Ab- 
standes des Sebueumittelpunktes tm Zustande der höchsten 
Spann ung vom Hitguumiltelstück erscheiut für den wenig 
gekrümmten Stabbogeu gerechtfertigt, da dio Sehne über 
ihren Uuhepunkt hinau.-< meist bis oder nahe bis zum 
BogeumittelatQck zu schlagen pßegt. 

Anders liegen die Verhältnisse beim zuHammengesetz- 
tuu Bogen, dessen Spannungakurven uns die Kurven IX 
und X zeigen. Hier ist dio Änderung dos Debnunga- 
koeffizienteii eine andere. Dio Spanmiugskurve liegt in 
die«^em Fall über der Verbinduiigalime von .Anfangs- und 
Kndpunkt, so dafs also hier mehr als das halbe fh>gen- 
gewicht auf den Pfeil wirkt. Der zusammengesetzte 
Bogen hat damit eiuen bedeutenden Vorteil gegenüber 
dem elufacben Stabbogun, dessen Spanuungskurve stets 
unter dieser Verbindungslinie liegt, anderseits pflegen aber 
die zusammengesetzten Bogen, die stets recurvierte Bogen 
sind, nie bis zum BogenmitUdstück zuruckzusclilngeti. 
Die guuze Kraft wirkt also nicht auf duu ganzen Al»- 
starni des Sehnenmittelpmikts vom Bogen mittelstück ein, 
Hie wird schon vorher mit einem allem AuHchein nach 
sehr grofsen Sprung auf Null sinken. Da es .sich für 
mich bei der vorliegenden Arbeit nur um einen vor- 
läufigen Vergleich gehandelt hat, bube ich angenommen, 
dafs diese Unterschiede Mich ungefähr kouipcnsioren. 
Genauere Kesullato köiiuou nur durch eingohendoi’e 
Untersuchungen über die thatKüchlich wirkende Kraft 
gewonnen wenleu, die wahrscbeinlich die Ül>orlegenheit 
des zuKsimuengeHetzten Bogens üiier den Stabbogeu noch 
gröfser nachweisen werden, als er sich hier gezeigt. 

Auf uineii Vorteil des zusummeugesetzten Bogens 
möchte ich hier noch hinweiseu. Dadurch, dafs der l>eh- 
nnngskoeffizient gegen Kudu der Spannung abnimmt, 
wird das Begieren der Sehne am Spannungsmaximum, 
also das Zielen, wesentlich leichter als l>ei einem gleich 
starken Stabbogen, l>ei dem die Verhältnisse gerade um- 
gekehrt liegen. Gleichzuitig winl die llauptsvbwierigkeit 
des Bogeuachiefseas, diu hlrzielung des soguu. Oa-obing 
loose, die möglichste Vermeidung <)es StofMes, dadurch 
weNcntlich erleichtert. 



Kurve X. 




SjM»nnung*kurven zweier symnie- 
trisctier, rekurrierter, zuaammen- 
gesetzter Bogeti aus Holz, iiom 
und Sehne (Turkestan). Itelastiing 
in Kilngramm über Dehnung in 
('«ntimeter. 



r 



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370 



Brix Köriiter; Britiscb-Ovtafrika und dur Victoria Njansu. 



BriUflch'Ostafyik« and d«r Victoria NJanaa. 

Bcblflgirnrt«* sind der Ausdruck hoffnungsvoller Kr* 
Wartung oder mutloser Verstimmung; sie blenden oder rer- 
dästi-m; stets verschleiern sie die Wirklichkeit. Zumeist im 
politischen Lelifii behemk'heu Hc.hlagwort« die öffentliche 
Meinung; doch auch zur Wertschätzung von Kolonieen iindet 
man sich leichtfertig datuit ah; so nennt veritchUich der 
Deutsche Deutsch -Htidwesiafrika eine „Kandbüchse*. der 
Kngländur dagegen in rosiger Zuversicht Briüsch-Ostafrika 
„das Amerika für Indien*. 

Wer es mit voller Sachkunde unternimmt, die üt>er* 
trieben mifsgönstigou o«ier die kock vertrauensseligen Vor* 
Stellungen zu beseitigen, der verdient nicht nur den Dank 
seines Heimatlandes, smidem auch den der aufrichtigen g^y- 
graphischen Wifsbegierde. 

Ein »rjlcher Mann ist, meine* KrachUms, in Bezug auf 
Britisch Ostafrika R- B. Huckley; er hat in seinem Vor- 
trag vom *27. .Januar 1903 in der g4Kigraphischen Desotlscbaft 
zu lamdon ‘) die bisher weit unterschätzte ^hwierigkeit der 
Kultivierung jener Kolonie schlagend naebgewieaeu. Ks ist 
hier, wohlgemerkt, nur von Britisch-Dstafrika im engeren 
Sinne die RmIc, nämlich vou dem Britisch-Oslafrlka* 
Protektorat, de»cn westliche administrative Begrenzung 
noch bis vor kurzem mit dem östafrikatiiscJien Uralien 
ahschiofs. 

Die Kulturfiihigkeit ist be<lingt durch die VurhkUnisse 
des Klimas, der Fruchtbarkeit des Boden« und dor Dichtig- 
keit und Arbeitatüchtigkeit der Bevölkerung. 

Di»^ Dürftigkeit an raeteorologiachen Htationon (im 
ganzen 11) beeiotrachtigt noch sehr, ein endgültiges rrteil 
tiber das Klima Britisch -Ostafrika^ zu fallen. Kur vonMtmitius 
giobt 4»s elfjftbrige Beobachtungen; von den fünf Ktstionen 
ini Binnenland, da« für die Kolonisation hauptsächlich in 
Betracht kommt, höchstens sechsjährige'). Die Temperatur 
an der Küslo ist eine tropische, eine höhere als auf Kansi* 
bar; in Ukamba und Kikuju ist sie geiuäfsigt (das Maximum 
der Monatsmittcl S1*C., das Miuiinum 16* Die letzteren 
(tegendon würden sich dabei* sehr widil zum Aufenthalt für 
Kun>]>äor und zu intensiver D*HleukuItur eignen; doch die 
Menge des RogeufalU, ein Hnupifaktor, schwankt aufsor- 
ordentlich in «len einzelnen .Jahren: zwischen 14ricni und 
54cm in Ukamba und zwischen 162cm und 90cm in Kikuju. 
Dann kommt eine 4 bis i Munaie dauernde, nahezu nbwo* 
lute Tn>ckenzeit (von Juni bis Mitte «Nler Ende Okiolier). 
Obwohl nun in normal ragenrcicheu Jahren ohne Zuhilfe- 
iiahmo von Bewässerungsanlagen eine gi-iiügvndu Ernte 
erzielt werden krmule, so ist doch die sichere Aussicht auf 
eine solche sehr prekär und Mifsw'achs eine haadgere That- 
Sache, als umgekehrt, denn die VcrduiiBtuug und Versickerung 
unter dem Kinflurs der glühenden tropischen Sonne ver* 
ntchtan nur zu oft das aufkeiinende Wachstum. Wird da- 
gegen der Boden gehörig bewässert, wie es im kleinen in 
der Umgehung der KisenVsahinttatioiten leicht sich Wwerk- 
stelligvn läfst. so gedeihen alle Keldfrüchte, sogar europäische 
Obstsorten. Auch das parkartige Hochplateau v«jn Ukamlm 
und Kikuju (1500 m las läOOm über dum MeeresspieKcl, 
zweimal so grofs al« dits Königreich Hachsen) ist an und für 
sich fruchtbar, iM'darf aber «Wnso reichlicher Bewässerung. 
Man kfmute dazu einige Ftürseben und die freilich nur zur 
Regenzeit nuHchwellendeu Bcrgbächu bimutzun oder grofsu 
Reservoirs am Fufse der Hiigdkottcn anlegen. Alleiu im 
orsteren Falle vermöchte man nur eine geringe Anzahl von 
Ansiedelungen zu versorgen, und im zweiten Falle würdvn 
die Kosten weitaus den vorausaichiiiehen Uewinn übersteigen. 
Mil Recht sagt daher Buckley; die Kultivierung des gröfsten 
Teiles des I.aude* ist auf den unsicheren Kegenfall ange- 
wiesen; künstliche Bewässerung iäfst sich nur bei einzelnen, 
lM‘*onders günstig gelegenen Jjokalitäten erspriefslich nn- 
weuden. 

Was die BevCdkcning betrifft. s«> ist sie aur*erordentlich 
spärlich über das grofse üelnet zerstreut. Am dichtesten ist 
sie in Ukamba, und selltst da k<»mme» nur sieben Pemonen 
auf 1 «|knil Als Ackerbauer sind sie nicht zu gebrauchen; sie 
sind zu faul und gleichgültig. Da WeifM inmitten einer 
Negerbev-rdkerung ni«-msU zu kör|M»rllcher Arbeit sieh er* 
nif^rigvu wollen und können (wie O'C’alh'ghan in dor Dia- 
kussniu liervorhob), so bleibt zur kulturuihrn Ausnutzung 
Britim:h-0«(flfrikas nur die Heranziehung von indischen An- 
siedlern übrig. Von «len vielen Tausenden Indem, welche 

') Oeugr. Joumsl 21, .349 iT., .\pril 1903. 

*1 Uiiglricii hoher steht «Jte kliniatisrhc Krfurstbutig DcutscU- 
Oslafrika«; cs hct'iadrii tüh an der Küste 12 und im Jlinterlnnd 
bis lUDi Sceengebiet 22 nietenrotrtri*che Stationen. (Daorkidninns 
Mitteilunze». I. Heft, S. 21, 1903.) 



an der Ugandabthn gearbeitet, «lürfte nur ein geriu^jer 
Bruchteil geneigt »ein. Farmer zu wer«lcu, denn dazu gehört 
Kapital; auch sind die Aussichten auf gewinnreichen KrworD 
zur Zeit noch nebelhaft und nicht gerade verlockend. Hollt«? 
die Regierung die Einwanderung aus Indien in die llao<1 
nehmen, so mürste sie die Kosten für die Überfahrt, für die 
AuHstattung und Verpflegung mindestens W'ährend des ersten 
Jahres übt^rnehmen. Noch liegt kein Anzeichen vor, daPs 
sie dazu bereit ist. 

Also: Rritisch-Ostafrika ist kein Amerika für Indien ; 
seine kulturelle Entwickelung wird imtz Ugandabahn eiuu 
sehr langsam« sein und Ailcm Anschein nach keine die hoch- 
gespannten Erwartungen WfriedigBDde. 

Von vt>rwiegeud gettgraphischvni lnten*s«N) sind Bitckleya 
Betrachtungen über die Hchwankungen uxkI Voluineu- 
veräuderungen des Victoria Njansa. 

Htuhltuaun und Oscar Baumaun hatten bisher nur vou 
täglichen Hchwaiikungenj von Kbiw und Flut, au« eigener 
Beobachtung berichtet und auf die Wahracheinlicbkeit |ierio- 
diseber Niveauveränderuiigen hiuge<ieutet ”). Buckley slwr 
kouute jetzt auf itrund eines umfangreichen Material* tmeh- 
weiaen, dafs der Wa-sserspiagel h>Vhat unreirelmäfsig steigt 
und fällt und zwar nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern 
auch von Monat zu Monat. Da infolge der Hcbwankung*'n 
Klip]ieu längs des Ost- und Nordufers Itald unerwartet auf- 
tauchen, liatd wieder ver*chwiuden, so war eine gen.auere 
Kounlnis dieser Yerhäliuis»« zur Hicherung dc:* Dainpfer- 
verkehrs zwischen Port Florenco in Kiiuinu, dem Kndpunkt 
der Ugandabahu. und Entebbe, dem Regierungssitz de« 
Uunmlaprotoktomtz, dringend geboten. Mau hatte deshalb 
auf dieser etwa 160km langen Linie bereits lb96 drei Beob- 
aebtuugs- und Massuugsstatioueit eingerichtet: in Ki«amn, 
Lubvra (nahe dem AusHufs des Nil) nntl Kntebl«. Es er- 
gaben sich mit der Zeit verschiedene Re«ultate. Iiu Oktober 
1899 stimmte der Nuli|iunkt auf den drei Htationen ülierein; 
dagegen zeigten die MesNUiigen vorn 1. März bis IS. Mai 1901, 
dafs der He« bei Entebbe um 3', bei Lubwa um 1* un«f 
bei Kisuma um 2' gestiegen war. Was kann die Ursache 
sein* Buckley verwirft die von anderen angemunmene Ein- 
wirkung des Hüdoslmonsuns, weil dieser sich nur auf kürzere 
Perioden geiteml machen ) önne und er hauptaftchlicli im 
Ceutrum, in Lubwa, eine höhen* Anschwellung hätte herv«>r- 
rufeii miisaen. Huckley kommt daher schliefslich zu der 
Ansicht, dafs die Messungen ungenau und unrichtig gewc««iii 
seien, was leicht zu erklären, da die Ausaiattung der Hta- 
tionen in Bezug auf Ap;>araie und Pers«<na] eine höchst 
mangelhafte war. 

Mir scheint, Buckley hat zu ra«ch geurteilt. Ks laue» 
sich diwh manche Orüiide für eine thatsächlich vorhandene, 
«örtliche VerscJiierienheit de*« Htoigvns des WoxserspiegeU in 
B(>trachi ziehen. V(»r allem geht durch den Bee eine 
dauernde, sehr bemerkbare und starke Htrutnuug von Hnd- 
osten bei'. a*ie KtuUimauu auf deuischom Gebiete wahrgv- 
iiommen hat, eine Htri'imung. die nach seiner Meinung viel 
leicht mit dem Monsun ursächlich verbunden ist. Bie kann 
unzweifelhaft j*s nach der liokalität mehr oder minder 
angesUiuc wenlen. Ferner berichtet Baumann von regel- 
märsigeii Flutzeitvn, welche an versebifdenen Orten ver- 
»chieilcue llöheu erreichen, im Hpoke-Golf 50 cm (1' 8") und 
in Kaviroudu 12 cm (etwa 8"), i»d«r welche ganz ausbleiWii, 
wie an der Küste von BukoJia. Ferner — und das dürft« 
ausschlaggebend sein — wäre zu l»erück9ichtigeii (was schon 
Bnumnnn angedeutet), ob nicht Unterschhslo in der I.uft- 
druckvarleilung die we««uUiche Ursache der Niv«audiffer«nt**n 
bilden, wie die« Fnrel für den Genfer Hee (2.80 m bei 63 km 
Entfernung) und Uholnoky für den PlatU*nsee (35 cm l«uf 
114 km Entfernung) als unbedingt sicheres Faktum nncti- 
gewieaen hüben. 

In l'etroff der Volumenveränderung des Victoria 
Njansa handelt es sich um die Frage, welchen (quantitativen 
Anteil «laran hat der Ausduf* des Nil und die Verdunstung? 

Ülier die ItiponfHlIe des Nil strömt nach den Bertch- 
DUng«*D Willcocks in nmxinio eine \Va«senmva«r von 
3u«iou Kubikfufrt {>er Sekunde. Dies I>«u'irkt «fin Sinkea de« 
Sees]iiegels uro etwa l'/« E<ill im Verlauf eines Monats. Nun 
fiel der See bei Entebbe während «ine« Mmiats im Jahrr 1699 
um 6>!oll; demnach hätten etwa 5 Zoll durch Verdunstung 
verzehrt werden müa*t-n ; in «K'inwlbcn Jahr »>11 er lt«i 
Lubwa während 16 Tagen um II i^<ll gesunken sein, wo- 
von dann mehr nl« lu Zoll der Verdunstung anheimgefallcn 
waren. Eine Wirkung der Houneuwärme in diesem Grade 
hält Bu«*kiey im ersten Falle für kaum wahrHcheiuiich, im 
zwfiu-n Fall«* fiir gnu/ unmöglich. Er k«uumt desh.alb auf 

*) Siulilinann ; Mit Kmiu 1’aM.ha iuii Hers von Afrika, S. 729. 
«bc^r l'•nutnlltm: [»urcli Musiiilaiol zur Nll<qu«lle, S. 143, ff. 




Kleine Naohriobten. 



371 



!tein<* früh(*re Ansicht von der rninverlftniizlieit der Heuun- 
gen im aHgenietneu zurück und ündet apeziell in der zuletzt 
nngeführt«ii einen schlagenden Beweis. 

l'm die Kirhtigkeit einer anderen Messung zu prüfen, 
«lellt er folgende einfache Berechnung an. Im Jahre 190! 
w»r der Hee in 1& Tagen um 10 Zull gestiegen. I>ie Steigung 
»etrt Kiel) /.uaatmiien aus der Sumiuv des Kegtmfalls im ganzen 
liydrugraphischen Gebiet des Sees*) minus des Nilaustlusses 
und der Verdunstung. Der Segen füllt teils <Urekt in dun 
See, teils auf das dreimal so grofse Stromgebiet. Annnlmie: 
1. nur die ilnlfte des auf das Stromgvbiet falluoden Hegens 
gelangte in den See; 2. die Hegenmenge betrug 6". Von letz- 
terer Üeleu <t" auf die Seetläche und 3 X 6'' auf das Strom- 
gebiet. JÜemnach vermehrte sich das Volumen des Sees um 

ö'* -|- = 15". l>nvon abeorbierte der NU mit Sicherheit 

'/*" und die Verdunstung höchstwahrscheinlich 4*//*. Auf 
diese Weite kommt mau zu dem Kchiufs, dafs die Steigung 
um 10" gut sich erkhtren lüflit und dafs der fti|uatnrialen 
Konnenglut die Verwandlong von nur 4'/," Flüssigkeit in 
Thtnipf üWrlragen wird, was als keine übertriebene Zumutung 
angeseheu werden kann. 

*) Suckle)' schützt «len Kegpofiii] loi ßeteich des Victeris 
Njaos« zu niedrig ; für den nürdliclicn Ted uiromt er eieeo Betrag 
von 100 bU 175 CU und flir den Sü«len einen aV'^hriicbeiDlicb“ 
geriagerm as , während er in Wirkliebkeit höher Ut, nkmiieh in 
Musnss 197 rm und in Hukoba 218 cto. iV’ergi. Dnorkrltnxtis Mit* 
teliaBgen, 8. 98 u. 102, 1903.) 



Freilich steckt in Huckleys Berechnung mancherlei Hy- 
pothetisches; allein sie zeigt die Lücken des Wisaens und 
damit den Weg zur gründlichen Krforschung der Hydro- 
graphie des Victoria Njansa. 

Hie Frage: Wie kann der 8«»« bei dem enormen Verlust 
durch Verdampfung und bei der geringen Wanserzufuhr aus 
seinem Btnmigebiot stets auf annähernd gleichem Niveau 
sich erhalten? (Btublniann) bleibt oft'en ; Lugard fand sogar die 
iknoahme unterseeischer Quellenzulhiwe für eine absolute 
Notwendigkeit *). Nur Uaumann war der Meiuung, dafs die 
Wassermenge des Kagera und der übrigen Zutlüssc reichlich 
den NilabRufs ersetzten und dafs die Verdunstung stets durch 
die Niederschläge ausgeglichen werde. 

Gegenwärtig ist nur eine Hiatsache vollkommen sicher 
konstatiert, nitmlich dafti der Nil den geringsten Faktor 
in dem wechselvollen Haxeiu des Victoria Kjansa 
bildet. »Die Herren Ingenieure“, ruft Buckley aus, .welche 
in venueintiieh kluger Bpekiilation den 8ce als Heeervoir 
künstlicher Bewaseening von Untentgypten zu verwerten 
gvdunken, mi^en es sich gi'sagt sein lusseu, dafs hier Men- 
sebunwerk ao viel wie nichts auszurichten vunuag. Her 
allein wirksame, ewige Kegulatx^r der vom liLmincI in den 
Njausa niederstrumunden and wieder emjwrsteigcndeu Wasser- 
maasen hlvibt die Natur. Nur was über die Ki^tonfälle 
eutschlüpit, steht dem Menschen zur Verfügung, und das 
ist nicht mehr, als was im güustigsteu Fall einen einzigen 
der grofsen Kanäle Ägyptens ausfüllt“ Brix Förster. 

*) itoceeii. «if the K. G. 8., 1892, p. 826. 



Kleine Nachrichten. 

Abdruck sur mit QusUsasisahs gevtsttet. 



— Hie vulkanischen Kruptioiien auf den west- 
indischen loselu im vorigen Jahre, die noch in aller Ge- 
dächtnis sind, halwu eine Hochflut von Litleratur hervnr- 
gerufeti, die freilich bei näherer Betrachtung von vertehioden**!!) 
Wert erscheint. Zu dem bessoron Teil gehört der Vortrag, 
den l>r. Temgost Anderson von der Kuyal Ueographical 
ciety hielt (siehe Gmgraphical Journal, Hürzhoft 1909), 
auf den wir hivr deshalb besonders hinweisen wollen. 
Anderson gehörte zu der Expedition, die die Geographical 
HiM*iuty kurz nach den Eruptionen au den Schauplatz der* 
sellwn schickte, um die Vorgänge und die bervorgebrachten 
Veränderungen näher zu untersuchen. Her jetzige Bericht 
AnderHons fafsl nur die Hauptpunkte seiner Erfahrungen 
n«>chmnia kurz zusammen und zwar, soweit sie von speziell 
guvgraphi"cliem stAndpunkte aus von Be<leutung sind, d. h. 
für das Auss<-hen der Gegend und deren Verämlening in 
Bi-tracht kommen. Hahin ist in Kt V'inc«nt vor nliem die 
Ausfüllung des Wallibu- und Babnka - IMstrikU mit Aschen- 
luaMten zu rechnen, die an manchen Ktelleii bedeutende 
Mächtigkeit omdchen. In die weichun blassen — ]>ava 
ist als Ausbruchsmaterial nicht aufgetreten ~ schnitten 
sich dann in der folgenden Kegenzeit mit ihren starken 
Nietlerscbliigen die Flüsse rasch ein, wobei sie zum Teil die 
alten Hiäler wieilerfanden, zum Teil neue, von den alten 
ganz unabhängige erodierten. Her Wallibu ert>dierte s«» in 
ganz kurzer i^it ein Thal von 80 Fufs (etwa 25 m) Tiefe, 
an dessen Bande etwa fünf bis «ochs Terrassen auf Ztdten 
dos Stillstandes iu der Krtsnon hinwei»eii. VulkanUcho He- 
iHingeu und Senkungen iu gri'fserem MaG-stal« konnten, 
trotz bestinders darauf gerichteter Aufmerkiwmkeit. nicht 
nnchgew’iesen wertlen, mit Ausnahme einer lokal sehr eng 
begrenzten Abrotscliung au der Küste. Mit dun Veränderungen 
in St. Vincent werden dann die von Martinique verglichen, 
und dabet festgestulU, dafs dieselben gerade so wie die Hef- 
tigkeit der Kruptiim und die Menge des ausgeworfenen 3(a- 
tehaLs liedeiitend hinter denen von Kt. Vincent zuröckbliel>eu. 
Vom physikalisch-geogTaphischen Ktandpuukte werden deshalb 
die Kracheinungen in Bt. Vincent als die grofsartigeren und 
stärkeren bezeichnet, indem ganz mit Keclit hervorgeboben 
wirtl, dafs der Ihttergang vtm JOOOü Menachon iu Martinique, 
die zufällig au dem gefähnleten Fuukt« wohnten, wohl den 
dortigen Ausbnich für das mcnscbliclie Interesse in den 
Vordergrund rückt, vom Slaudpunkte des physikalischen 
Geographen dagegen nebuDsächlich ist. Hur Aufenthalt an 
der Küste von Martinique war insofern noch liesonders vom 
Glück begünsügt, als die Kxpe<lition durch Zufall den Aus- 
bruch einer glühenden Wolke aus dem Mont Pelee in nächster 
Nähe lofohachteij ktmnte, dl© nach dem Berichte weiter ent- 
fernter Augenzeugen und nach Vergleich mit den Auasageu 



der wenigen Üburletwuden von St. Pierre genau derjenigen 
aus dem Mai 1902 glich. Nur durch einon Zufall kam das 
Schiff der Expedition davon und gab Aiidoraon Gelegunheil, 
uns eine sehr anschauliche Kohilderung des Ausbruches zu 
vermitteln, in dem er wie die anderen Zuschauer viele Ähn- 
lichkeit mit der Buwegung einer Lawine gefunden haben 
will. Kiue Erörterung seiner Ansicht über die Entstehung 
•Ueses Ausbruches schliefst den Aufsatz, der in seiner Ge- 
samtheit ebenfalls die schon erwähnte grofse Atiachaulich- 
keit aufweist, dio noch unterstützt wird durch zwei Karten 
der liehaDiielteo Gebiete in groJkem Mnfistalie, sowie eine 
Anzahl vorzüglicher Originalaufnahmen Andersons. Gr. 

— Im Globus, Nr. 18, B. 29ö, wird bei Besprerhuug eines 
Prager Programms «uf die angeblich falsche Aus- 
sprache von DUsburg, Sost. Kosfeld aufmerksam 
gemacht. Has e nach o bedeutet in den beiden letzten 
Namen doch nur diu IJiiigo; diu getadelte Aussprache ist 
gerade di© richtig«. Auch das i in HiiUbiirg hat wohl den- 
solben Zweck, die Länge auzuduutun;^, die Aussprach« ist 
al>or am Ilhein thatsächlicb Hflsburg. Ähnlich K<»lMlorf (bei 
Bonn), Troisdorf (bei Buuel), wo aber das 1 überhaupt nicht 
gaspnichen wird. 

Mülheim a. Rhein. Hr. Koerutcke, Oberlehrer. 

— Hans Lerchis-Puschkaitis f. Wie das .Rigaer 
Tageblatt" mitteilt, ist zu Hiuxt im Dohlenschen Kreise am 
17. März der Volksochullehrer Hans I<erchis-PiischkaiUs im 
44. Lebensjahre an der Bcbwiudsucht gestsirWn. Er war 
bokannt als ununnüdlichor Kammlor lettischer Märchuu und 
Kagen. Her erst« Teil des VH. Bandes ist vor kurzem im 
Hruck erscliienun, der zweite Toil liegt als Manuskript druck- 
fertig vor. Lerchis-Puschkaitis bat damit sein l^ubcnswurk 
zu Ende geführt und seine Augen schliofsen ki>uneu iu dem 
erhebenden Buwufsteein, seinem Volke eine in ihrer Voll- 
ständigkeit einzig dastehende Sammlung lettischer Sogen und 
Märchen hinterlossen zu habrm. 

— Der iu den sechziger und siebziger Jahren des vorigen 
Jahrhunderts vielgenannte AfrikareUtende Paul du Chaillu 
ist am '10. April d. J. in Hl. Petersburg itti 6H. Lebensjahre 
gestorben. Gelsiren am 91. Juli 1835 zu Parts, kam er 
früh als Hohn eines Kaufmanns nach Westafrika, wo sein 
Vater Handel trieb; or eignete sich hier die Kund« von Land 
und Volk jener Gegenden an und untumahm bereits seit 
1851 mehrere ReÜH'u landeinwärts iu der Nähe des Gabun 
und lugt« sich ornithologisch« und andere Hammtungen an. 
Im Jahr« 1854 ging er nach Nonlamenka, kehrte alter im 
Aufträge der Academy of Natural tjlciences zu niiladulidiia 



r 




372 



Kleine Nachriobten. 



iiacb Afrika zurück, um die Quellen des Kongo zu erforsclieu 
uitd zrMilogiarhe und botaniarbe l'nlenmrhungen anzustellen. 
Wftbreml vierjrthriger Wanderung gelang e* ihm, den Ogowe 
in iteinem l.aufe zu erfoi>rhen und eine reiche n«turg«>chicbt- 
lirhe AusWute zu gewimien. Auch halte du (’haillo das 
Verdiciisi, den enteu lohoudvu Oorilla nach Bimipa zu bringe». 
Sein Reisebericht «Kxploratiutia and Adveutures in Equatori»! 
Afrika* (London 14dl; deutsch Berlin 1842) üircgt« aufaer- 
«mieutiiehes Aufsehen, doch wurde die Wahrhaftigkeit des- 
selben auch von mehreren SeitCu stark angezvreifolu 188» 
uutuniabm du (’hatllu eine zweite Forschungsreise in das 
Ogowegebiet und gelangte ostwärts durch endlose Wälder zu 
den Ä.schango bis jenseit des 12. Grades üetl. v. Gr., wurde 
1445 aber durch Ausbruch einer Kpidemie und durch Feind- 
st'ligkeiten der Kingeb^irenen zur Kückkebr geniitigt. Iheser 
Heise verdankt die Geographie fine Heike wertvoller Orts- 
l»eatimmuiig«-n und Htihemuessungen, sowie neue AufKblüsee 
üt>er jene Teile des lU)natrjrialeu Westafrika. Rein Ketse- 
beriebt ,A .lournev to AschangoLand and further BetiKration 
into Btjualorial .\frica“ erschien I«rt7 zu lamdon (franzüsiKche 
verinehrte Ausgabe IKrtfi). Andere Schriften von ihm siud 
«Rtortes of ihe 0<jriila Coujiiry* ; «Wild Life undur the Ei(ua- 
tor*; «The (*«)Uutry of the Pwarfs* (IH72). l>ie Jahre 1471 
bis 1478 rerbmeht« du (.'hnillu in Schweden. Lappland und 
Finnland und berichtet« darüber in .The Land of tb« Mid- 
night Sun* (2Bde., ix>ndon 1481, deutsch von Helms. L«i|izig 
1482). W. W. 

— Fälschung von Antiquitäten in Hufsland. l>er 
Heretnfall dos Luuvremuseums mit der Tiara desSailaphcmos 
giebt den russischen Blattern Gelegenheit, auf die im Hilden, 
vornehmlich in Kertsch und Odeua vor sich gehende An* 
fertigiuig faUelier Antiquitäten näher einzugehen. Ho teilt 
der .Bet. List.* mit, daf» in Kertsch von dem Griechen Ka- 
Iheiis und dem Joden Fiukelxteiu eine Glasfabrik unterhalten 
wird, die sich angeblich mit der Herstelluug von Helters- 
wasserdasrhen , in AVirklichkeii altor mit der Anfertigung 
gläserner .Thriinenkrüge* beschäftigt, die bei den KerUcher 
Ausgrabungen in den alten Gräbern gefunden sein »ollen. 
Die lubaber unterhaUen sogar im Zentrum der Htadt eine 
Niwlerlagc von Antiquitäten, die fast alle aus ihrer Fabrik 
hervorgugangen siud. l>erartiger Fabriken giebt es, nach 
dem .i*et. List.*, mehrere in Kertsch, die zum gröfsteo Teil 
von Griechen und Juden unterhalten werden. 1'iiter ihnen 
bedndon rieh Männer mit hervorragenden archäologischen 
Kenntnieseu, welche nicht nur die altgriochiacheu Inschriften 
nachzuahmen vernutgeii, Mindern auch kn stamle sind, durch- 
aus stüechte l'ruen, Ornamente und Münzen in einer Welse 
nachzuahnivu, die scltait den gelehrten Fachmann täuschen 
kauu- Was speziell die gcfalaehtc Tiara betrifft, so liegt die 
Ifegrdudet« Vermutung vor, dafs die Tiara wahrscheinlich 
nach einem Kertacber Modell in Kertsch entworfen und in 
tkless» nur angefertigt worden ist. 

— B. A. Fedtscheukos Keise in den westlichen 
Tienschan, ln einer der letzten Sitzungen der Kaiw-rlich 
Kussiseben Ge^igraphischen Ueaelisi^haft erstattete B. A. Fedt* 
sebenko Bericht über seine im Koimuer ltfU2 ausgefiihrte 
KeiM; in den westlichen Tienschan, seiner AiiMlchnung und 
Krhebuiig, sowie der Monge der Gletscher mich das griifst« 
Mui9>iv ln den mittleren Breiton Asiens. Der höchste Gipfel 
dessellHm. der Chau-Teugri, bildet mit 7310 m ülier dem 
Meere den hOch-^ten Buukt des ruwdscheu Reichös. Die 
Heise FedtaidienkoH wurde im Aufintge des Betersburger Bo- 
lanischun Gart4‘ns untoruunmien und mit Unterstützung der 
Kaiserlich tie^igraphisohcn Gesellschaft ausgeführt. Als 
lliilfsperaonal wunlcu dem Heisendcu von turkestanischen 
Ueueralgouvemeur zwei Kosaken des orenburgischen Kosaken* 
corps zur Verfügung gestellt. Das Ziel der Expediiion war 
zunächst die näher« Erforschung der von Herrn Fedtsebenko 
bei seiner ersten Heise (1487) etibleckteri Gletscher, sowie die 
Fiitemucbung der Fligentumlichkeit der Fiom dieses Gebirg«- 
lundQ.->- Die Kx]«dition ging nu-< von Tn«chken(, liegiib sich 
den Flüssen TM'hirtAchik, Utatdiain und llakttin eiiLlaog in das 
Guellgebiet de» letztgennmitvii Flusses, wo sie bis jetzt uu- 
liekannt« Seen entdeckte. Tlann besuchte sie die Gletscher 
im oberen Gucllgebiet d^ Majdnnibaies und könnt« fest- 
sU'llcii. dafs die Gletscher wit 1497 %orgerückt sind. Dann 
wurde der Ort Idris-Bcy-Gambar aufgesucht, das russi<u‘he 
Verwaltungszentrum dieMTGegend und ein von den Kirgisen 
des Turkestau geachteter Wallfahrt>^rt: im 01>erlauf des 
Hautalasi'h wurden Glelsoher entdeckt. Nach einer Erfor- 
schung rlesTscbatkalthales und der beiden Heen Karatschylek 
und knrakul kehrte die Expedition übtU' die Bas-te Ma?>ar 



und Kuacharta ius Forghanabecken zurück. Der Beisende 
konnte reichhaltige botanische Sammlungen anlegen, welch« 
von ihm gegenwärtig liearbeitet werden. Das tialbw'iide 
Land wird hier von kirgtaischen Nomaden bewohnt, die de» 
Waid schonungslos vernichten. Einige Kirgisen eignen sich 
mit Gewalt grofae Landtlächen an und erbeben dann von 
den schwächeren Ktaimmwgeuoweu eine lswniMi«re Steuer für 
die Benutzung diese« Landes zur Weide. Die Versuch** der 
russischen Begierung, die Gegend mit Kleiuruss«*» au< dem 
Uouvemonient Kiew zu kolonirierrn, sind bis jetzt imnier 
mifslungen, da die Auriedier sich an die fremd« Natur nicht 
anxupasstm %*ermog«n und wieder auswundem. 

— Die Insel Baitrum »chiJdcrt Franz Buehman 
in den Abhandlungen des naturw. Vereins zu Breiuen. Hd. 17, 
1903. Es ist das mittelst« und kleinste der Gulrlande von 
Kilanden, welche der deutschen Nordseeküste von der Jade 
bis zur Em» angehangt siud. Nur eine iJlnge von 7. eine 
Breite von 1,4 km und «in F'lachcuraum von etwa luqkm 
wir«) Ihr zugcschriebvn. Die Wesueite ist, wie bei «)en 
anderen («tfriesischon Inseln, nin nieisteu der Zendoruug 
ausgesetat; auf di« Befestigung di«;««» Teiles wurden von 
1873 bis 1494 etwa 2‘,, Millionen Mark verwandt; das mäch- 
tige Schutzwerk weist eine T<änge von I84i.>tu auf. Ihiltrtiiii 
besitzt ferner IS gnifse und mehrere klein« Buhuen zum 
i.'ferschutz; sie siud 180 bis 170m lang, die längste und süd- 
westlichste «fTficht S40 lu. Die Mauer und Ballisaden sichern 
wohl das Fortbestehen der Insel, aber der Badestrand ist 
dadurch geschädigt. Immerhin Hudet man deshalb Kub«, 
Frieden und kräftige Heeduft auf Baitrum ohne die uuange- 
uebmo Beigal» des Ihide- und Stmndlebeus. Naturwtsseu- 
schaftlich Imlrachtet rind Boden, Vegetation und Tierwelt 
in beständigem Zuuohuion liegrlffen, was Verfanser ans Sojäh- 
riger Flrfahrung selbst zu K'zuugeu vermag. Das Westdorf 
und sein« Kirclt« nimmt Itercits jetzt die dritte Stelle ein, 
stets auf dum Rückzüge vor der gierigen Hee. Neuerdings 
: bat man neben der Hommersaison «ine für die Winlenuonate 
vom 1. November bis ]. Juni angekündigt. 

— Ül*er die Verbreitung der Bandwurmkraukheit 
in Elsafs Lothringen berichtet A. Uölluer in den «Mit* 
toi), a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir.*, Bd. 11 (1993) Als 
kinxsiach«« Lund für dieee Krankhuit gilt bekatmüicb Meck- 
lenburg, und man hat di^es vielfache A’orkommeit daselbst 
nanjcntlich mit den dort zahlreich vorhandenen Hunden in 
Verbindung gebracht, weil dies«» Tier das wichtigste der 
uns iM'katiuteu Träger der Taenia Ecltinococcus ist. Verfasser 
stellt nun fest, dafs die Br-icbslnndc im Hund«rrichtum noch 
die durch Echinococcenkrankheit am moisten heimgesuchteu 
Teile 1 -'Utachlands übertreffuu. Dalmi waren für KlsafiK 
Lothringen seit 187S an nur 54 Kchinuoiceeni^lle in der Lit> 
teratur umi sonst auf^ubringen; berückrichtigt man den Ort 
der Erkrankung, so bleitam für «lie Beichslaude nur S7 einiger- 
mafs«n «ichergcstellte Fälle. Jedenfalls kommt die Kchino* 
c<»ccenkrankhcit bei den Ktuwohnem KlRafs-DHhringens sel- 
ten vor. anscheinend al>er dr>ch noi*h bäuüger als in den 
direkt angi'ciueudcn I^iindern (.tstfrankreich und Baden. Die 
Reichslamle sind aber auch im ganzen sehr viel urmtir an 
Haustieren aU die Gebiet« Deutschlands, ln denen Euhlno- 
c«M*cen häutig vurkumnu'n. ganz l*«»mders gilt das von der 
Zahl der Hcbafe. Das Blawawuruiiaidcn scheint ferner auclt 
unter den Haustieren Elniif»*lx)lbringens nicht in Uiaouderem 
Mafw verbreitet zu sein. 

•>* Italienische Ausgrabungen auf Kreta. Neben 
dem .('retan Ex]doration Fund*, dessen letzt« Erfolg« im 
Globus, Bd. 83. K. 2u7. besprochen wurden, ist auf Kreta 
auch die italieniacbe Hrchäulogisch« Ki*hule tbätig. Kie ar- 
Iwitet zur Zeit unter lieitung des ITof. Halbherr auf der 
Stätte üus alten Bhaestus. Im Verlaufe der bisherigen Ar- 
lieiten wurde — wie der .Vos». Ztg." au.s Athen geschriclwii 
wird — ein Balaxt frcigclegt, der nach Stil und Anlage den 
in Kn«*Mius und Bhaestus .sellist Iterciis entdeckten ähnlich 
ist, also der tnykenivhen Beriod« augehört. Der I*alast l>e- 
steht aus vantchiinlvucu Abteilungen für Männer uml Fnineii, 
aus Bädern und Lagcrrämncn und bedeckt eine Fläch« von 
2500 qiu. Gefunden wurdeu unter anderem 2(H) ‘llionsiegel 
der aus Kreta bekannten Art, 20 Tafeln mit der protokreti- 
sehen Linearschrift, Bruiizekesset , bronzene Figuren, die 
meisten Htier« oder Zi«*genböck« darstellend, zahlreiche niy- 
kenisch« Vasen, zwei Thonleuchter eigenartiger KonstrukGou, 
19 Kupfertalente (Gewichtseinheiten von je etwa 3u kg), 
Kelch« mit Darstellungen niykenischcr Krieger u. a. m. Die 
.\rt»«iien wenlen forige»t;t/t worden. 



Verantwwrtl. lUdaktcur: H. Siager, BerliuNW.6, ScbitTbauerdaroin 26. l>rutl(: Friedr. Virweg u. S«rbD, Ursuosvbveiti. 




GLOBUS. 

ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- UND VÖLKERKUNDE. 

VEREINIGT HIT DEN ZEITSCHRITTEN; „DAS AUSLAND“ UND „AUS ALLEN WELTTEILEN“. 
HKRArSGEGEREN VON H SINGER rNTER BESONDERER MITWIRKt-NO VON Piior. D«. RICHARD ANDREE. 
VERI.AO VON PRIEDR. VIEWEG & SOUN. 

Bd. LXXXIII. Nr. 24. BR AUNSCH WEI G. 25. Juni 1903. 

Kachdruck our nach Ckersiakuiifk mH d»r VarUgKhaadlunii 



Die Verwaltung der Landgemeinden in Deutsch-Samoa. 

Von W. Y. Rülow. SHiuoa. 



1 . Allgemeiner Teil. 

ftutiier der RivulitTit der vorKchitKleuen Haupt- 
lingiAfamilieii auch die Kiferaucht der verachiodeiieu 
OistriktsYurorte auf ihre gegenseitige Stellung zu einander, 
auf ihrt'tk Kinfiufs in den Hisirlkten und auf das (iewicht 
ihrer Stimme bei Kntacheidung der Angelegenheiten, die 
ganz Samoa Initreffen, eine llHuptursaohe der meisten 
Samnanischen Kriege gewesen ist, dürfte nachgerade 
bükaunt sein, — IHb!«« f>i-*>triktNYgrorte pflegten aich 
gewöhnlich in zwei Lagern su vereinigen , von denen 
da» eiiiu die Interessun der Malictua-Familio, das andere 
die der Tupua*Fauiilie vertrat und »ich je nachdem 
„Pule“ Oller „Tumua“ naimt«. I»io Ursache uud Trieb- 
feder zu Kriegen war »tetM da.*« liestruben der einen 
Partei, die andere Partei zu schwftchen oder gar wo- 
möglich niederziiwerfeii. — K» wäre ein verderblicher 
Irrtum, wollte luuu aimuhmen, dafs mit der deutschen 
Hesitzei^eifuug diese Fragen aus der Welt geschaflt 
seien. 

Ob ihr (.)berbaupt offiziell und im privaten Verkehr 
tupu oder alii sUi genannt wird, ist den Kiugeboreneu 
ziemlich gleichgültig. Für sie ist und bleibt der alii siii 
ihr Oberhaupt mit allen vier hohen Titeln und den 
buchsten papa, ein Abzeichen und das einzige Kriterium 
für sein persönliche» Künigstum. 

IHe Frage der Xachfulgereguliuruug w'ird so oder so 
Staub »lufwirbeln, nolauge der Eiriflufs der ftistriktsvor- 
orte nicht gebrochen ut. — Seit zivilisierte Regierungen 
sich mit (ier Regelung der inneren Angelegenheiten 
SnmoaK beschäftigen, wurden stet-n von diesen Distrikts- 
vorurten erwählte HäiiptUng« zu Hisinktsgouverneuren 
eriianut.. — > Auch die deutsche Verwaltung ist dem Vor- 
büdc ihrer Vorgängerinuon gefolgt; nur hat sie statt 
des Titel» Distriktsgouverneur denjenigen eines „Führer 
des Distrikte»“ — taitai o lo itii — oingeführt. Autori- 
tative Stellungen sind für samoanische Kingeborene ein 
sehr schlüpfriges Feld, falls nicht die stärkende Hand 
uud da» wachsame Auge eines in nächster Nähe weilenden 
Aufsichtsbeamten nie vor Straucheln bewahrt. Wenn 
dies schon im allgeuiuiiien zutrifft, so ist dies l»ei He- 
auiten, die, wie die Taitai o lo itu, von einem Distrikts- 
vororte gewählt oder doch wenigstens vorgeschlagvn 
werden, in noch höherer Weise der Fall. Die Ansichten 
und WüDHobe der Verwaltungsbehörde decken sich nur 
in den seltensten Fällen mit denen der Distriktsvorortei 
Ebenso wie es Busgeschlonsen int, dafa ein »amoanjscber 
König (tupu, alii sili) eine andere Meinung vertreten 
Utobui LXXXIII. Nr. ' 24 . 



könnte, als diejenigu ist, weiche die ersten Sprechor 
der Tumua und Pule, die ihn gewählt habeu, ihm vor- 
beteii, 80 wenig kann ein Taitai o le itu anders handeln, 
anders berichten (selbst auf die (refahr hin, Fiiwahres zu 
Ijerichten) und in anderer Webe »eine wenigen Amts- 
gesebäfte führen, als die ist, rlie ihm von dem Dbtrikt»- 
vororte aufgedrungeii wird. Hei den »ainoaniM:hen 
Fingeborenen ist der Sinn für Ehre, Ehrlichkeit, Ehren- 
haftigkeit und Ehrgefühl »ehr wenig auagebildet. Dieae 
Hegriffu sind in der Sprache der Eiugelmrcnen direkt 
überhaupt nicht ausdrückbar. (Für da» Wort „h^reu- 
bezeuguitg“ giebt c» viele Ausdrücke.) Aueb da» von 
den Mbsiouaren für „(»ewissen“ eingefübrte Wort „Ma- 
faufau“ beifst nur Nachdenkon. Hoainnen, Überlegen und 
die ent-Hprechenden Zeitworte. Dl^fegen ist eine der 
stärksten Triebfedern der Eingeborenen die Selb»t.suchi, 
die sieb in ihren Handlungen als Habsucht, Eigennutz, 
Rachsucht uud Oberhebuiig äutaurt. Während der 
Mangel des VeraUnduissc» für Ehre und dio davon ab- 
geleiteten Hogriffe Imi den Kingolmreiieu nicht als Mangel 
empfunden winl, gellen die versebietienen Variationen 
des Triebes der Selbstsucht als Zeichen eines wohl- 
erzogenen und mit geHundon Verstandeskräften ver- 
sehenen Menschen al» faahionable, was der Samoaner 
durch „faasanioa“ ausdrückt. Ein weniger realer, eigen- 
nütziger, dagegen mehr ideale Interessen verfolgender 
Kuliurmeusch gilt ihnen als „valea“ etwa dumm, 
verrückt. Die Haltung der vurschiodouen so imermüd- 
Ueb Dald «iiiaammolnduii protestantischen Sekteu hat 
auch hierin nach mehr als siebeiizigjähriger Thätigkeit eine 
Ändemng nicht geschaffen, eher die {‘Angeborenen in 
ihrer Ansicht l>estftrkt. Jeder 8 amoaner hält sich für 
Iwrechtigt und für (durch l^andeHsitte und Volkscbarakter) 
vorjiflichtet, diese Triebe in weitestem Mafse zur lieltung 
zu bringen. Auch die Handlungen und Aiiordmiugeii 
der Staatsbehörden und der Kolonialvcrwaltuugen der 
Kultur»taHteii werden unter diesem Gesichtswinkel be- 
trachtet. 

Nun fehlt auch den .«ainoanischen Heamten nicht 
der volkstümlichu und ererbte Mangel der Ehrbegriffe, 
während in Bezug auf ausül^ude Solbstsucbt Ihre Fähig- 
keiten kaum geringer sind als die der grolseu Masse 
der Eingeborenen (Au»imhmen, wenn vorhanden (V!), 
sind selten). Dafs aber diese rharaktereigeoschalt<*n die 
Samoaner im allgemeinen für autoritative Stellungen für 
ungeeignet erscheinen laHsen, i»t wohl erklärlich. Nun 
kommt noch eine andere Eigenschaft hinzu; der Hang zur 
Unwahrheit und Lüge. Im nllgemeiuen kann man es als ein 

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W. V. Riilow: Die Verweltuof? der liftndgenieiDden in Deatseh'Samoa. 



VerHefaen,al8 einen Mangel der Selbstübeinvachunif Koitene 
de* KingeboreneiJ betrachten, wenn er die Wahrheit wifft, 
selbst wenn die* „unter Eid“ geacbieht. Die Wuhrboit /u 
Magen, gilt al* unsanioaiiuch, als Zeichen von Dummheit. 
Dies wird schon den kleinen Kindern beigobracbt und 
bildet sich im Alter noch mehr heran*. So hätten wir 
also eititiu weiteren (irnnd, der vor Verwendung von 
Eingeburenpn in autoritativen Stellungen einigerniafsen 
warnvu u!»d eine möglichst sparsame Verwendung der- 
Helben umpfeblun dürfte. Ein dritter Grund ist die 
den Kmgeboreueu unhafiende Trägheit, enpbemlbiiHch 
„Phlegma“, von anderen al>er „grenzenlose Faulheit“ 
benannt. 

Dieselbe veranlatst FÜngeboreno , die elUgsten Ge- 
schäfte oft tagelang, ja wochenlang hiiiausauscbiel^un. 
Kille mit Kingeborenen ai* Heanitc arbeitende Verwaltung 
wird also die AusKicht haben, rechtzeitig wahrheits- 
getreue Berichte zu erhalten, fall« der samoaniache Be- 
amte durch Kigennntz veranlatst wird — gelinde aus- 
gedrückt könnte man sagen: durch eigene IiitercHsen 
veranlatst wirsl — die angeborene Trägheit und den 
Ifang zur C’nwahrbeit zu überwinden. 

Diese Aussichten dürften für eine Verwaltung kaum 
sehr aufiuunternd sein, Füngeboreiie in autoritativer Stel- 
lungen zu verwenden. 

3. Der Taitai o le itu. 

Wenn ich oben hervorgehobon habe, daf* eine mög- 
lichste Schwächung des Kinflusse« der IHstriktsvororte 
mir als ein erstrebenswertes Ziel erscheine, und ich gleich- 
zeitig auf die landesübliche Abhängigkeit der samoa- 
niNchen Beamten von den DiHfriktsvororten hingewiesen 
habe, so that ich es in der Absicht, den logischen Schlufs 
zu ziehen, data die Abschaffung des Amtes des 
Taitai o le iiu (ganz ahgesehon von den nationalen 
fhurakterdefekfeii in Wahrheitsliebe, in Uneigeiinützig- 
keit und in Amtseifer) als höchst wünschenswert zu 
betrachten sei, weil durch die Art der Auswahl und Flr- 
uennnug dieser Beamten der Kinfluts der Itistriktsvororte 
nicht geschwächt, sondern vielmehr noch gestärkt werde. 
So ist es z. B. in einzelnen Fällen vorgekommen, dafs eine 
gröfsere Anzahl von Sprechern des DiHtriktsvororte» den 
Taitai o 1« itu bei Ausübung von IHenstgeschäften be- 
gleiteten tmd so faktisch diesen Beamten im Interesse 
des rtistriktsvorortes ülmrwachten und zum Schaden der 
Autorität des Beamten betiinHufsten. Aufserdem aber 
habe ich noch einen anderen Umstand für Begründung 
meiner Ansicht auzuführen. Da eine verüffentlichti’ 
IHeustinstruktion für sainuanische Beamte Dicht existiert, 
die .AmtMfflhruDg derselben vielmehr aul«er nach münd- 
lichen Instruktionen (von Fall zu Fall) auch nach nicht 
in die < tffentlichkeit gelangenden Keskripten und Krla^f^en 
sich richtet, so kann man nur nach den iHenxtband- 
luugei) der Taitai u le itu auf den Umfang ihrer Püichten 
Mcliliefaen: iNuiacb ist es dio Hauptaufgabe dieses Me- 
amtcii, die Amtsführung der Ortsscbulzcn — • „pule nun“ 
— zu beaufaiobtigen und zwischen diesen und dem 
Amtmann als Mittelsperson zu dienen. Nun sind aber 
durch die Keuteilung der Distrikte die Amtsbezirke 
dieser Taitai o le itu so klein geworden — ■ mehrere um- 
fassen nur drei Ortschaften mit je einem Pulc nun — , 
dafs die Arbeitsleistung eine* Taitai o le itu auch nicht 
uiinäboningKweise mit derjenigen eine* Pule mm zu ver- 
gleichen ist, wenn auch der Taitui o le itu ein bedeutend 
höheres Gtihalt bezieht als der Pide mm. Ich will nicht 
ins Detail geben. Nun kommt aber noch hinzu, dafs 
dor Verkehr dos Amtmannes direkt mit den OrtsHchulzHii 
einen orspriefslicberen Erfolg haben dürfte, als wenn die | 



klHreii Anunlnimgen diese* Beamten durch den zweifel- 
haften Filter der Interpretation des Taitai o le itu oder 
seino* Schreibers getrübt und unklar geumcht werden. 
Eine Erleichterung der Amtsgeschäfio des Amtmannes 
dürfte das .Amt de* Taitai o le itu jedenfalls kaum sein. 
Was aber nicht nützt, schadet. Ich komme also auch 
nach dieser Betrachtung zu dem unvormeidlichen C’eterum 
censeo, daf* die AbschaBfung de« .Amte* de* Taitai o le 
itu nur von Nutzen sei kann. 

3. Der Ürtasohulze — o ie pule nun. 

Das Amt eines Verwalters derOrispolizei kennt schon 
die Jahrhundert« alt« Gumeiudeeiurichtuug derSumuauer. 
Jedes sumoHuiacbe Dorf lassteht aus Dorfteüen — funiula 
oder kürzer ala — , die aus verbchiedeneii Familienver- 
bänden zusammengesetzt sind. Die Verbältni«*e. welche 
die Bildiing dieser fuaiala beeinflulsten. und die Ursache 
des Zusammensoblusse.« mehrerer Familien zu einer 
fuaiula sind meistens nicht mehr erkennbar; doch wo 
sie erkennbar sind, kommt man zu dem Schlüsse, dafs 
geiiealogiKche Familien- und Stanminsverbiudungen so- 
wie die häufigen kriegerischen Zustände im Lande und 
Zwistigkeiten innerhalb der Ikirfgomeinschaftcu und 
al* Folge; davon da* gemeiDSchafiliofae Schutzbedürfnis 
zu dem ZuNammunschltisHe mebrerur P'amilieu zu einer 
fuainla drängten. Und so dürften in ganz Samoa die- 
selben Beweggründe für Bildung dieser Verbände imier- 
hnlb der Ortxgumeinscbaft Vorgelegen haben. 

Jede fuaiala wird patriarchalisch durch da* Oberhaupt 
einer von alter*her als Regierer dieses Dorfteües aner- 
kannten Familie regiert. Doch i*t dieses Regiment 
durchaus kein absolutes: l>er Leiter des Dorfteiles berät 
bei allen seinen den Dorftail betreR'emlen Unterneliniun- 
gvn und Anordnungen vorher mit den übrigen Familien- 
übvrbiuptern miine« Doi'fteiles. 

Wie ich schon erwähnte, besteht nun aber jode* Dorf 
au* uieiirert-n Dorfteilen — fuaiala — , hat also auch 
ebenso viele Leute, von denen jeder in einem Dorfieile, 
sozusagen, gebietet. 

Wenn diese Regierer der DorfteUo versammelt sind, 
so sind thatsächlich alle Faktoren bei einander, welche 
die Handlungen und Unterlassungen der iVorfeingesesse- 
nen beeinflussen und dementsprechend auch zu verant- 
worten haben. In Dörfern, deren Angelegenheiten gut 
vorwaltet werden, sind aus der Zahl der Vorstände der 
Dorfteile verschiedene .Abteilungen — vasega — („Kom- 
misMioneu“) gebildet, von denen die eine die landwirt- 
schaftlichen Angelegenheiten im Auge behält, eine zweite 
die Ortapolizei, eine dritte die Wegepolizei aiisübt u. *. w. 
Diese Kommissionen pflogen «ich durch Kooption au» 
den Familienoborbäupteru zu verstärken. Nach den 
Sitte« und Überlieferungen der verschiedenen Dörfer 
werden Botwehafteu von Dorf zu Itorf oder von Ihstrikt 
zu Distrikt einem bestimmten Häuptling oder Sprecher 
übergeben, der die.se Botschaft dem Dorfe initzutcilen 
hat. DicHem selben, der gleichzeitig der Leiter eines 
Dorfteile* ist, wird (oft durch Wahl, in maueben iKirfem 
aber infolge alter überliefitrung) dio Verwaltung der 
Ortsangelegenheiton übertragen. Kr führt den Vorsitz, 
wenn die Leiter der Dorfteile versammelt *in»l, und 
hat über Ausführung der gtdafsten Beschlösse zu wachen. 
Kr ist der eigentliche Regierer des I>orfe», «lessen „jmlo 
nun“. Aber man wunle fehlgehen, wollt« man on- 
nohmen, daf* er in irgend einer Woiae auf eigene Ver- 
antwortung handeln könnte; er berät vivlmehr mit den 
läutern der fuaiala, den „Gemeindoräteii“. Auch die 
Bescblösse der gesamten loiiter der fuaiala werden 
erst rechtskräftig, falls «ie der OrtsversammJung — „der 




W. r. Bnlnw: Die Yerweltung der 

Bürj(erver»i«mmluiig“ — ror^etrHjrwn werden. Zur Gültig- 
keit und Äuro Inkrafttreten eine« OrtfpeeeUe» i«t — 
wie hei dun Kulturvölkern, so auch bei den xamoanischen 
KJn>;eborenun — die orti>öbliche Bok&uiitmachuijjbf er- 
forderlich. l>io ortMüblichu Bokauiiiiuachuog erfolg hei 
den Samoitnern durch uffoutliche Beeprechun^ imd 
KchliofHliche defiiiitive öffentliche Feeteetzung des He- 
iichiuMtiet» in der OrtsverBammlun^. In einzelnen Ge- 
meinden wird das Fernbleiben von der OrtsTer»ftninilnng 
•seitens eines Faroilienoberhauptea durch die Ortsver- 
.sammiang bestraft. )>«r Zweck dieaea Zwangex ist, 
die „nrt-sübliche n«kttiiiitinachuug‘* sicher zu ateUuu. 
lu Toniipi wird sogar jeder -Steuerzahler bestraft, der 
nicht zur Orisversawmlung antritt. l>ie Veröffentlichung 
und HukHuntniHchuug vuu ('esutzeii in einem amtlichen 
Blatt«, welche» jodcsninl erst zum Preise von einer 
Mark an offizieller Stelle erbAltlich ist, mag für ein 
Kulturvolk, welches im Auslande der Hauptsache nach 
durch das Schutzgebietgesetz und die Konsulargerichts- 
Imrkeit behaiidelt wird, genügen — wenn auch not- 
dürftig; im Interesse der wohlwollenden Rehnndhing 
der Kingehorenen, die der deutschen Sprache nicht 
mfichtig und mit den Gesctzesbesliinmungun nicht l>e- 
kuniit sind, dürfte aber di« auch fernere Bekanutmachung 
der für Kittguboreno erlassuueii Gusetxc und Verordnun- 
gen io der bisher laudesülilichou Weise in der Ortsvor- 
samiuluug höchst erwünscht sein. T.eiderist augeubücklich 
das Abhalten von Ortsversammlungen nicht zulässig. 
IHe Ortsversammlung wird durch alle Famüienobor- 
hAupter — Matai — des Ortes gebildet. 

Wir sehen also, dafs der lieiter der .Vngelegenheiten 
de» Dorfes etwa unserem Df»rfscbulzen — jetzt pule nun 
genannt — entspricht, dafs dieser Orisschulze einen 
Beirat mn sich hat. der aus den I«eit«rn der Dorfteile 
— fuaiala •— zuHnmtnengeNctzt ist, und dat^ schliefs- 
lirh die Ortsversammlung unserer Bttrgcrversammluug 
nicht unähnlich siebt. 

Ich kuuiuiu nun zu der unter deutscher Verwaltung 
cingefübrteu InsUtution , der der Ortsschulzou — pule 
nuu. Auch der Pule nuu ist nicht frei von den natio- 
nalen C'haraktereigentümliehkeiteu der Samoancr, wie 
ich dieselben im ersten und zweiten Kupitel besprochen 
habe. WAhrend unter ali»amoanii>cheu Gewohnheits- 
rechten der Leiter der Orteangelegenheiten nicht ohne 
Zustiiniming niner gröfseren .\n7.nhl von Beiräten, den 
Itegicrrrn <ler Dorfteile, Anordnungen treffen konnte, haben 
di« jetzigen pule nuu keine Beiräte. Die Beiräte — der 
Genieinduratin Deutschland — übten al>cr unter altsamo- 
aniücheii Einrichtungou eine rocht segensraichu Tbäiig- 
keit au». Sie überwachten die Thätigkcit des I.>eiters der 
< ^rteangelegenheiten. schützten dadurch diu Eingesesseueii 
des Orte« vor Übergriffen des Machthaber», wiesen dessen 
nicht immer uneigennützige Bestrebungen zurück und 
sp(»mt«n diesen unbesoldeten (ieincindebeamten — denn 
otWH» anderes war dieser Mann nicht — an, die ange- 
borene Trägheit zu Gunsten der Gemeindeverwaltung 
zu Qherwindeu. Trägheit und SelbaUucht in ihren ver- 
schiedenen Formen sind die Feinde, mit denen eine 
ziviliiderte Regierung bei Überwachung eiugeburener 
Beiiinten zu kämpfen haben dürfte. Dieser segcusreichc 
KinnufH des Geraeinderates ist mm h<rtgefalleu ; die 
Thätigkeit des pule nuu sB*ht jetzt unter der .Aufsicht 
des Taitai o le itu, der ihm nicht gerade sehr häufig Ln 
die Karten schielt; denn: „eine Hand wäscht die andere!“ 
und beide bereiten ihre Ansprachen in wohlgesetzten 
Uedewenduugeu für den Empfang des da» leichtver- 
diente Vierteljahrsgehalt zahlon<len .Amtmanns o<ler 
höheren Beamten schon lange im voraus vor; dieselbtm 
werden durch den Mund des ItolmeUchers ebenso 



Landgemeinden in Drutieb- Samoa. 376 

iKihwungvoll erwidert. Dies ist al>er eigentlich ailra; 
denn die Bevölkerung versteht nicht, dafs «in Mann, der 
nach liaiidessitte nicht über sie herrscht, ihnen .Aufträge 
giebt und .Anordnungen trifft, verleugnet aber dennoch 
ihrcuNationalcharakter nicht, indem sie, auf entsprechende 
Gegengalio hoffend, dom zureiseiiden hoben Beamten die 
wunderbarsten Ovationen darhringt. Nun kommt noch 
hinzu , dafs die Person de» Pule nuu vielleicht nicht 
immer glücklich gewählt ist, d. fa. dafs nicht stet.» die- 
jenigen zu Pule nuu gemacht wurden, denen aeit Men- 
Hcbengedeiiken die Verwaltungs- und Polizeiangetegen- 
heiteu der Laudgemeindfu unterstellt waren, und dafs 
schlietc«licb diese eriiaiiuten Beamten ihre eigenen Ob- 
liegenheiten, Pflichten und Rechte, sowie die Grenzen 
ihrer Befugnisse nicht kenucii. Ohne auf Fäiizelheiten 
näher eingehen zu wollen, möchte ich nur erwähnen, 
dafs die Pule nuu von den Distriktsvororten zu einer 
/eit vorgeschlagen wurden, als infolge der Rivalität 
zwisebeu der Matuafa- und der Malietoa-Tamasese-Partei 
die Partcibildungpu tioch nicht volUläudig eingescblafen 
waren. 

Es wurden daher zu Ämtern nur solche I^ute vor- 
geschlageii, welche zur Mataafa-Partei gehört oder doch, 
wenn auch erst kürzlich, zu ihr übergegangeu woroii. 
Bei diesen Vorschlägen wurden deshalb nicht immer 
diejenigen berücksichtigt, die nach Ortagebraueh die 
Leiter der Gemeindeverwaltung waren. 

4. Das Qewohnheitsreehi. 

Am klarsten wird di« altpanioanische Gomeindever- 
fassung in einer ZuMammenstellung des samoHtiischen 
Gewohnheitsrechtes verunschaulicht : 

1. .ledes samoanihche Ik>rf besteht aus mclireren 
Dorfteilen — fuaiala. 

2. Die Fuaiala wird durch Familien gel>ildet, welche 
durch Verwandtschaft, kriegnrische Kroigninse und des- 
halb gemeinschaftliches SchuizlHMlürfni» oder durch 
andere ZuKlligkeiten miieinander verbunden sind. 

3. Die Familie. Jede Familie wird durch das 
Familienoberhaupt, d. h. den Träger de» Familiennamen», 
regiert. 

4. Diese Regierung ist keine absolute, soudom eine 
patriarchalische; denn das Familienoberhaupt berät alle 
»eine .\nordnuiigeu vorher mit den Familienangehöngen. 

5. Die fuaiala wird von dem Familienoberbaupte 

— Matai — einer der zu der fuaiala gehörenden Fa- 
milie regiert, welche» aber ebenfalls nur in Über- 
einstimmung mit den übrigen Matai der fimiala eine 
.Anordnung treffen kann. 

6. Du» Dorf wird durch <lio Vorsteher (fA*iU*r, 
Regierer) sämtlicher fuaiala regiert, die aber den Vorsitz 
bei ihren Beratungen entweder durch Wahl oder in 
einigen Fällen infolge von l'berliefening einem bestimm- 
ten Mitgliede ihrer Versammlung übertragen. 

7. Die wichtigeren -Angelegenheiten der OrUverwal- 
tung werden der Ortsversammlung zur Entscheidung 
überwiesen. 

8. Die Ortaversammiung — o lo fon» fmil« nuu 

— winl gebildet au» allen FainiliHUol>erhäuptern des 
Ortes. Solche Familienoberhäupter sind die Häujitliiige 

— alii — und die Sprecher — tiilafale. 

9. Gemeine — tngata lautcle — haben in der Orts- 
versammlung weder .Sitz noch SUmme. 

10. Der Ortflvcrsammlung liegt ob: 

a) Die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten in 
Bezug auf 1.an4lhau, Wegebau, A'iehzucht und Ortepolizei. 

b) Schlichtung und Entscheidung im Falle von Klagen 
in Privathtreitigkeiten. 



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W. V. Bnlow: IM« VorvraUun{? der LandKOmeindeu io fteateeh'Samo». 



aifi 



c) IJestrafun#? von Vor^rebon gegou die sAtnoanii^che 
Sitte. 

d) Ibistrafuiig von Verbrechen. 

11. heu Knt»('beiduDgei) vnid Anordnungen der Orts* 
verKAmmluug sind alle Ortseinwohner, auch Häiiptlinge 
und Sprecher, unterworfen. 

12. hie Knti^jheidungen der OrtHTersammUing sind 
endgültig. 

13. Land bau. DemgomHfs verbietet die Ortsver- 
sHnitnluitg die Verwendung von Taro oder Yani, solange 
die Hndfracbtc Nahrung liefern, eie bestimmt die Zahl 
dor Taropflauzeu — .\rumesculontum — ,der Yampflanzen 
■— hioKcorea — und der TamupRanzen — (’olocaria — , 
die jeder münnlicbc Ortaeinwohner, vom Knalven, der 
eine Kokospalme ersteigen kann, bis zura noch arbeits- 
fähigen Greine, innerhalb einer gewisKmi Zeit ausxu- 
pRanzen hat; sie bestimmt die Zahl der Kokospalmen, 
die jedes Kainilienoherhaupt jährlich auf seinem Grnnd- 
Iwsitxe zu pnauzen hat; sie bestimmt den Zeitpunkt und 
die Zeitdiiuer, in welcher KokosnUsse nicht zur Nahrung 
verwendet werden dürfen, oder wie viele KokoHnn.sNe in 
derselben Zeit wöchentlich zur Nahrnng zu verwenden 
gestattet ist; sie bestimmt den Zeitpunkt des lleginnes 
der Kopraernte und sie bestimmt die Zahl der U«-Pflanzon 
— Pipturus incanuH — und der Zuckerrohrpflanzen, die 
jede weibliche Ortaeingeseasene zu jiflanzi'n hat. 

1 4. Niehtbefuigung der auf <len I/tuidbiiu Iiezüg- 
lichen Anordnungen der Ortsvei-iuimiulung wird mit 
Strafe belegt, wie Lieferung von Schweinen oder Hühnern 
oder Siapo, oder mit Strafarbeit au den öffentlichen 
Wegen. 

15. Wegebau. hie Ortsversanimlung bestimmt, 
wann die freien Plätze im ()rte und der HmkreiR der 
Wohnungen von Unkraut und Unrat durch die Eigen- 
tüinor zu befreien sind; sie bestimmt den Zeitpunkt, bis 
zu welchem die öffuiitlichcn Wege — ala o le malo — 
und die Arheitswoge (Feldwege) — ala galue — durch 
die Einwohner der verschiedenen horfleile — fuaiala — 
zu reinigen und in gangbaren Zustand zu bringen sind; 
sie verteilt die Wegstrecken auf die Dorfteile*). 

16. Viehzucht. Die Ortsveraaroralung bestimmt 
die Zahl der von jedem männlichen Ortseinwohner, vom 
Knaben der eine Kokos}>aIme ensteigen kann bis zum 
noch nrlmitsfäbigen Greise , mindestens zu haltenden 
Zuchtsäue und der von jedum weiblichen Oriseinwahncr, 
vom Mädchen, welches die Rinde des Da (Pipturus in- 
camis) schaben („fafui**) kann bis zu der noch arbeits- 
fähigen Matrone (»lomatua**), mindestens zu fütUtrudeu 
Iluhuer; sic bestimmt, bei welchen Gelegenheiten Schweine 
geschlachtet werden dürfen und zu welchen Gelegen- 
heiten Schweine geliefert werden müssen; sie Ijehtimmt 
die Grenzen des gemeinschaftHchen Schweineparkes 
(„sauauii^), über welche hinaus Schweine nicht geduldet 
wenhm, und sie bestimmt den Zeitpunkt, an welchem 
die einzelnen DorfteUe — fuaiala •>— an der Anshessurung 
der den Schwciiicpark begrenzenden Steinwalle zu arheitun 
haben 

17. Sobald die Ortsversnmmlung es für nötig hält, 
den Scbweinolmstand zu vermehren, wird ein Verbot er- 
lassen, Schweine zu schlachten, üliertretung dieses Ver- 
botes wird bestraft. 

') Daffl die Wege dun-h die angreiizeiiden Laiidbejiitzer 
gereinigt und repariert werden, ist neu und hat mit Raiini«- 
nischer Hille nichu gemein. 

•) Nicht der Landliesiuer hat «ein laind zum Krhutze 
Segen Hchwrine zu umzäunen, »mdem der BchweiuettesiUer 
lukt «eine Schweine so gut zu verwahreu und vinzuzäunen, 
dafü sie dem l^nd)s*«itzer auf seinem l^nde keinen Schaden 
zufüge n. 



18. Den Emgeborenen ist es stets verboten, ein 
Schwein zum eigenen Familienbedorf zu schlachten. 
Wer diesem Verbot zuwider ein Schwein schlachtet^ 
ohne den gröfseren Teil desselben au die fuaiala zu 
vertoilen, wird bestraft. 

19. Wenn eine oder mehrere fuaiala sich trotz mehr- 
facher Erlnuoruug in der Instandhaltung der den 
Sebweinopark umscbliefi<enden Steinwällc nachlässig er- 
wiesen haben, so wird „sani“ proklamiert ^). 

20. Ortspolizei. Die Ortsversammlung erläfst Be- 
stimmungen über den Ort, an welchem Trinkwssi««!* 
geschöpft werden darf, über einen anderen, der alsBodo- 
platz für Männer reserviert wird, und einen dritten, der 
auaschlietslich al» Hmleplatz für die Krauen dient; »ie 
verbietet die Verunruiuigung dieser Orte durch Schallen 
(„fafai*^) von Baumrinde, durch ^^‘:lschel> von Wäsche 
und Tapioka- („iapiota**) und Pfuilwurzelmehl- („masu,i**) 
Bereitung. 

21. Schlichtnng von Privaistreitigkeiten. Die 
Ortsversanmilung schlichtet SüHjitigkeiten zwischen An- 
gehörigen verschiedener Familien und bestraft den Ur- 
heber mler, je nach Befund, Imide Teile; sie versucht 
eine friedlicho Veroinliarung zwischen den streitenden 
Parteien berheizuführen. 

22. In Streitigkoiien innerhalh derselben Familie 
mischt «ich die Ortsvorsiunmlung mir behufs Verhinderung 
thätlicher Ausschreitungen. .*^lche Streitigkeiten be- 
ziehen sich auf den Namen der Familie, den mehrere 
Familienmitglieder gleichzeitig für sich beanspruchen, 
oder auf den Landliesitz der Familie u. s. w. 

23. Bestraf ung der Verletzung der aamoa- 
nischen Sitten. Pnvatrnche ist dax oberste Recht der 
Samoaner. Es ist ein Recht, welches alle Naturvölker 
für sieh in Aus)>ruch nehmcu und welches in der Natur 
hcgründfl ist. Auch Tiere rächen sich. 

24. l>as Recht der Privatrache erlischt, sobald die 
Oi*t&ver«aromlung den I belthäter bestraft hat. 

23. Wer trotz der erfolgten Bestrafung de» Cbtd- 
thnters sich persönlich rächt, verfällt der Strafe. 

26. Ein beleidigter Häuptling hat das Riecht der 
Privatrachc; dassellH} erlischt auch in diesem Falk*, so- 
bald diu Ortevcrsaniinlung den Beleidiger oder je nach 
Befund auch den ßeloidigten be»traft hat oiler, wenn 
Verzeihung erbeten und zugesagt, eine Sühne augeboten 
und genehmigt ist. 

27. Dos Haus des Häuptlings Ut eine Freistätte für 
Notleidende, Bedrohte, Verf«)lgte. IHe Verletzung dieser 
Freistätte, die Beiirohuiig, Beschimpfung der den Schutz 
dü« Häuptling» Nachsuchenden wird als Beleidigung de» 
Häuptling» bestraft, 

28. Es gilt für den Häuptling al» Ehrensache, den 
Schutz uachhaliig auszuüben. 

29. GaKtfreuudschaft ist heilig. 

30. In welcher Wei»o Durohi'ciscnde zu behaudeln 
und zu Iwwirlen sind, bestimmt die t^rtsversammlung. 

31. E» Ut Pflicht der Häuptlingstöchtor, die Fremden 
zu unterhalten. 

32. Ein Familienoherbanpt, welches nicht »ein grotscs 
Hau» (nbde tele**) den Fi'emden zur Verfügung »teilt, 
wird, falls das Hans nicht durch Hausbauer, Boot- 
baiier und Tatuisrer zufällig besetzt ist (^zgzi o tupn. 
tufugä), bestraft. 

33. Eiu Familienoberhaupt, das bet glücklichem 
Fischfang nicht den gröfsten Fisch den etw.i im Itorfe 

*) Hanl ist ein GeseU, durt'h welches os für zulässig und 
gMwixlieh erklärt wird, daf» alle außerhalb de» Schweine* 
parkoB getroffenen Kehweine getötet und durch den Krkger 
in besitz genommen werden. 



\V. V. Hfilow: Die Verwaltuti}; der LandKenioindeii io Deiitsch’Sttinoa. 



377 



anwiwt'mieii Kremdon darbriiigt , wird xiir Liefertinif 
einiger Schweine verurteilt. 

34. Zuwiderbuudliiu^ die ßefeUIe der OrU- 

TcrsQiuuluu^ bezdgltcb der Hewirtung uud llebamlluiig 
der Fremden wird ütreng beeti'nft. 

35. Heleidigung der Fremden wird bestraft. 

.36. l*!!» Fischer, «’olcher nicht die drei ersten Fänge 
seines neuen Ifunit<>canus der ÜrtsverNauitulung abliefert, 
wird be.4ttiift. 

37. Die Strafe. Für kleinere Vergehen wird die 
Lieferung von Hühnern mler Sia|Hi o«ler die Leistung 
von Strafarbeit auf den Wegen verfügt. 

38. Die uächMtschSrfei*e Strafe ist die Ideferuiig von 
Schweinen. 

.39. I>am folgt die AliHchlachtung aller Schweine des 
Schuldigen und die Verwüstung seiner Taropfianxnng 
als Verschärfung der Strafe. 

40. Diese Sti'afe wird mitunter noch ver:<rhärft dni*eh 
Niederbreiinen den Hauses und .\nMtreibuiig des Sebtd' 
digen aus dem Orte. 

41. Kin Aiisgotriebeuer sucht bei einem Häuptlinge 
eint» liefreundeten Stammes oder lici Verwandten in 
einem befreundeten Stamme um Aufnahme nach. 

12. Sucht der Ausgetriehene bei einem feindlichen 
lläu|>t]iiige oder bei Verwandten in einem feindlichen 
Stamme um .\ufnahuie nach, so darf er nicht wieder in 
sein Dorf zurückkehreu. 

13. Uiigehoit, miHurgefordert darf ein Ausgetriebener 
nicht zurückkehren. Kine solche Kückkebr gilt als Iler- 
ausforJening zum Kriege. 

44. Die Hückkehr wird nur möglich, wenn das aus- 
Iretlieiidc Dorf d«*n Ausgi'triebeneu abbolt dler wenn 
das befreundete Dorf den l>ei ihm eingekebrteii Aus- 
getriebi'ueii wieiler in sein Dorf zurückgi'leitct und um 
dessen Wiederaufnnhnu' bittet. 

Wird die (ieiieliiiiigung der Bitte verweigert, so kehrt 
der .Vusgctrielieiie in sein KxU zurück. 

45. Die TodcHstrafe wird von der Ortsvpi*saiiimlung 
in di*r Weise verhängt, dafs der Verbrecher für vogel- 
frei erklärt wird und dufs es als vertlienstlirhe That 
erklärt wird, ihn zu tüten ^). 

16. Die IVieKstmfe wird al>or auch oft dahin ge- 
ändert. dafs der Verhreeber, an Häinlen und FüfNeti 
gebunden, an einem Stocke (auto), der zwischen Häudeii 
und Füfsuii hiudurchgusehobeu wird — nwie bei eiiieiii 
zum Kochen vorbereiteten Schwein“ — , dem (ie- 
Hcbädigteii und seiner Familie dnreh die Familie des 
Verbrechers oiler mitunter auch durch das ganze Dorf 
vor das Haus gelegt wird. Diese .\rt der Strafe ist das 
„Ifoga“. 

Da iiiJiii lies Vi'rbre«*hers tiietiiaU habhaft ist, muf« 
«In* rrteil in ilieimr aiisgefüfart wenlei». Holr>|ii.* Kr* 

leih* IiHbt'U ja )H.>hr »fl einen »folg nicht gehaltt. .\lior 
auch in ucucrur ’/ a^ü siml uichn.Te solcher l'rteile durch Kr* 
itiordung des sogenannten Verhrechers exekutiert wonlcn 
(So|Ki niu alia in Mnoono; k'inmaono mu alia). In amiorcn 
Fsllen (Muliaga. ljea]jai) wurde infolge veränderter Ver* 
hältniMe das l’rteil stilUcIiweigciut ignoriert. 



Der Verbrecher winl uioralisch getütet — weil als 
Schwein behaudelt -- und dem GesebäiUgteii oder Ver- 
letzten ist muralisch Genugthmiug gewährt *'). 

Die Snmoaner, die früher Kannibalen waren, haben 
noch eine Sitte aus jener /eit beibehallen. Sie kochen 
die Menschen nicht mehr tu Wirklichkeit, sondern sie 
schieben dafür Schweine unter. Wenn aber ein Saiuo- 
auer in Aufregung ist, so sogt er noch jetzt; „Warte 
nur, ich wonle „Dich esHeD“ cnler: „Ich werde Dich 
kochen.“ Bei dem „Ifogn“ bringt nun der ('belthäter 
sich .selbst und seine Angehörigen dem Beleidigten udt*r 
(tesebädigten zum k^sen dar. Kr kommt mit trockeuen 
KokoHpalniblätturn — „auiamii“ — („zum Anzündeii des 
Feuers“), mit Feuerholz — „fsfie“ — , mit Steinen — 
nni — (zwischen Steinen wurden früher Menschen, werden 
jetzt Schweine gulwckeu), mit Blättern des Ou-Baiiiucs 
(BischoFfia Javauica) — „lavui“ — , welche, «arhdeni ein 
zum Kochen bestimmtes Schwein aufgebrochen ist, zum 
.\usatopfen der Bauclibühle benutzt werden, uud mit 
grüoen Banunenblätteru — n*l’*iii“ — ♦ welche als Be- 
deckung des Ofens dienen, und setzt sich vt»r dem Hause 
des Beleidigten oder (toscbäiligten nieder. Wird ihm 
Vergebung zu Teil, so wird er ins Huus gerufen und es 
werden Ilönichkeitsformeu uusgetuuscbt. Winl die Bitte 
um Verzeihung nbgewieseu, so hat der Sünder seine 
.'•'träfe zu gewärtigen. Früher, als man diese.s Mittel, — 
„togafiti“ — , wie der Sanioauer sjigf, mir im Fall« von 
Mord, Todschlug und Kbehruch mit der Frau eines 
lläuptlinges oder Sprechers uuwemlete, um das Leben 
des Sünders zu rotten, batte die»e Selbsterniedrigung 
fast stets den gewünschten Krfolg. In neuerer /eit w ird 
das Ifoga aber so häufig und für Ahwendiing so wenig 
schwieriger Lagen angewendet, dafs der Kurswert sehr 
gesunken , die ganze .luffühi’ung zu einer leicht uitf- 
fubrharen Koimalie geworden ist. In schwierigen Fällen 
wird es jetzt kaum den gewünschten Krfolg haben. 

In unserer Zeit ist es Sitte gew«>rden, den Natur- 
völkern Gesetze aufxudnlngen, die in der zivilisierten Welt 
wob! Geltung balH>n, die aber dein Volksbewulstsoiii der 
Volker, die damit beglückt wenlen sollen, scbnnrstracks 
entgugen stehen und den von den Vätern ererbten 
Bräuchen nicht Rtlehnnng trugen. Wie mau ersehen 
haben wird, ist das Gewobnbeitsreebt der Samoaner, so- 
weit die GemeindeverwaUung in Betracht kommt, sehr 
vollständig uud klar. Auch ein „zivilisieiieres“ Volk, 
als die Samoaner es sind, brauchte sich solcher Gesetze 
nicht zu schämen. 

Sollten wir nicht zn der Hufiuung berechtigt sein, 
dafs eine deutsche Verwaltung bei Hegelung der samoa- 
nischen Gemeindeverwaltung das samoaniHche Gewohn- 
I iieitsrecht zu Uate ziehen und die Kinrichtungen dea- 
I selben, soweit mit dem deutschen Sirufrerhto nicht in 
Widerspruch stehend, und die wirklich guten Bestim- 
I luuugen desselben adoptieren wird? 

.Aulser dem für das Reicdi eiitstebenden Nutzen würde 
auch hier die Kthuologie den Vorzug habeu, als eine 
staatbiblcnde Wisseiischuft sich zu erweisen. 

') Dies ist ein e r x w u n (;e n es lf>>ga. Das freiwillige 
Ifnga drückt die Bitte um Verxeiliung aus. 



iDobu» I.XXXm. Nr. Z4. 



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378 



l)ie Kuneue'Sftmbeii'Kxpedition det Koloniulwirtsohiiftliclien Komitees IHOO, 1000. 



Die Kunene-Sambesi-Expedition 
des Kolonialwirtschaftlichen Komitees 1899 1900. 



Im Jahre 1899 rüstet« das KoloDialwirtachaftliche 
Komitee im Verein mit der Pariser C'ouipnnbia de Mo^sn’ 
medus und der Londoner South West Africu ('ouipany 
eine Kx|>editiim uns, deren .\uf)^abe in der wiiiachaftlicheu 
Krfurschung des ieiiKeits des Shello^ehir^es helegeueti 
Hinterlandes von Moasnmcdos, der Stromifebiute dea 
Kubatigo, Kuito und Kuando beMtuiid; KlHiheit aber Qbei- 
jeiieii Teil des portugiesischen Westwfrik» zu gewinnen, 
war dem Komitee deshalb von Wert, weil damals der 
Plan einer für nuser südwest-afrikanisebes Schutzgebiet 



47 Seiten. IHeae zu würdigen, ist nlebt Suche des „(ilobus“, 
wiewohl gesagt werden uiuts. dafM wohl selten eine afri> 
kiiniscbe Unternehmung auf botunisehem Felde »u viel 
Wichtiges geaauiuudt und beobachtet hat. \'on niafs* 
gebender Seite wird darüber geurteilt: „Während bi- 
dahin die eigeuiirtigo Flora der östlichen Hebiete de- 
llocblandes von Mossnmefles völlig nnbekannl war, aind 
wir jetzt in der Lage, mia ein klares Bild über die 
Vegetation dieses Lande.s zu machen, und was die Kut- 
derkuiig neuer F4irmmi betrifft, so muf» man -chou zu 




Abb. 1. Der Kobango unterhalb .ffassaca. 



bedtmtuugs vollen liiilmverbiiidung Transvaal-Port Alex- 
andre F«*ste Gestalt unziiiielimcu begauu. Hie F.X)>edition 
ist Ul>cr zehn Monat« thntig geweaeii, hat ihre .\ufgiiben 
aufs Treflliuliste gelost, und vor kurzem ist der oflizieile 
deutsche Bericht darül>er erschienen in Form einer jener 
stattlichen Veröffentlichungen unseres bewährten Koh»* 
iiiHlwirtsciiaftlicheii Koinitces, mir noch reicher iiiu) 
schöner ausgestuttet, als die früheren*)' 

Hufs der Bericht über di« Kxpeditiou erst jetzt er- 
schienen ist, erklärt sich uns der zeitraubenden Bearbei- 
tung de" MaU'rial«, in die sich allenliiigs ziiblreiclie 
Facbiimnner geteilt bubmi. IHc botauiscbeii Krgebiiisse 
sind auf JGO Sdteii dargestellt, die ziMilogischen auf 

‘) II. Baum: K unene-HumI>e«i-K x pudil ion. lui Auf 
trag« de.’« KoloiiiHlwjjijM'fiaft liehen K«uiiili*es hernii'i;ege)ii-n 
von Dr. O. Wurburg. H*, V und r>ii4 S.. mit l Jtijui- 

druck, I- Tafeln, 1 Karte und luM .\tibil<lum.'eii im Texi. 
Berlin, Verlag dc>« Komitee«. |9o:i. Treis ‘io Mk- Diesem 
Werke sind die Abbildunv-'eu des vorstebeudeu Aufsulzes 
entnommen. 



den Ib'isuii Von Welwitach und Sch weinfurtli sowie 
zu der erstell .VufsehliefHuug unserer tro}Msch-afrikiinischen 
Sehiitzgebiet-e ziirückgreifen , will man einen ähnlichen 
Iteielitum nn Neuheiten fürdie Wissenschaft kunstutiereii**. 
\\’ir kommen liier vor allem iiiif den von dem Botaniker 
der Kx|H'dition, II. Baum, beurbeitoteii allgemeinen Teil 
zurück, der die Verößeiitiicliung eiiileitet und den Boise- 
bericht darstcllt. Hier fiiiden sich ni'beii vieh-n wirt- 
Hcbuftliolieii Notizen auch <lic gtsigrnphischen und Völker* 
kiindiicheii Beobacht iiiigeii. 

tieographisch und völkerkundlich war «las Gebiet 
ebenso iimiigelhaft bekannt, wie mit Bezug auf seinen 
etwaigen wirUehaftlichen Wert. Aiigesehen von klein«'- 
ren rnturnclimungen im Küstonlan«!« und nm Kuneiie 
begegneten wir hier friiluT nur der Boute <!er ('apello- 
1 vens' scheu Kx{H‘ditiou von lNS4 bis di«> auf ihrem 

Zuge riuerdurch .\frika ZHisclieii Mussumedes uml Sttuihesi 
ili«‘ grofsi'ii HÜdwärtw strömenden FIüs.se geknmzt hatte, 
und deren Spiiroii auch die Baum sehe UnU'rnehmung 
zeitweise gefolgt ist. Jene Flüsse selbst aber waren bis 



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T>ip Kuiiene'Snin1>eBi-Kx|K'diti«>ii dei KMloiiiulwirtBcLaftlichen Komitees 189!> 1000. 



370 




nuf die Zeit utiliekannt> Unsere Kx|K?dition hatte 

te)>o^H|>lii^('he AufnAhmeai'lieiten jotlenfnlU nirht auf 
dem imnierliin iimdi in dieNer Hinairlii dn>t 

Nötigte ^eivcheheii« hu tlufs diu FintderkungHgeo)frH|iiiii) 
aueh nic'lti 
luer niiHge» 
gangen und 
diedem Huche 
heigegeliune 
Kart4- lH>ach- 
tennwert ist. 

Kurz twYur 
diu Hu um» 
schu Kx]Hidi* 
tion iiiH Ku> 
hango-Siiiij- 
hesi - (iehiet 
kam , butte 
dort der eng> 

ÜHche Major 
Uihhonsuiu* 
fungreichu 
Aufnahmen 
zur Auffüh- 
runggehraeht 
und nament* 
lieh die Flüsse 
Itefaliren <>der 
hegangen ; 
seiuu Karte or« 

schien im Juni Abli. : 

1901 in dem 

^(teogr. Jonrn.** und wird als grundlegend Wi dem 
Studium de» vt>rliegendcn Werkes mit Nutzen heran- 
zuziehen sein. Kiiiuu ausfiihilicheu KeisclK.'i'icht dagegen 
hat der englische Major hl'>]ier nicht ven'ifFentlicht. 



als JÄger. Am 11. .\ugn»t 1H99 erfolgte der Aufbruch 
von MossamedcM. Heförderungsmittel war der ttchseii- 
wagen. Has I«und hinter Mo.Hsaniedes ist eine regelrechte 
Sand- und SteinwAsta, in der es auch an Luftspiegeluiigs- 

erscheioungm 
nicht fehlte ; 
das Wasser 
mufste in Ton- 
nen mitge- 
führt werden, 
Hrennmuterial 
lieferte die 
Wulwitscliia 
mirahilis. 
IMe.se eigen- 
artige Pflanze 
— eine schöne 
farhige .\hhil- 
dnug dersel- 
Iwn ziert den 
Titel de» Hu- 
ches — wachst 
in sterilem, 
nur h(>ch»t sel- 
ten von Kegcii- 
fftllen henetz- 
tem Hoden, e» 
mufs darum 
ihr Wachfltum 
höchst lang- 
sam Bein, und 
man kann 

wohl antu'hiiien, daf» Altere Kxemplare ein .\lter von 
70 his 100 Jahren haben. Im Juni, Juli und August., 
dun trockensten l^Ionuten des Jahres, sagt Ha um, sind 
diu Welwitschion durch starke, oft 14 Tage andauernde 



Hütte In Karanga um Kubango. 




Abb. s. Her l.ongn unterhalb t'hijija. 



I^iler iler Fjtpcdition war der Holländer Pietiir I Nebul vor dem Austrocknen durch die S«mne geschützt. 
Tun der Kellen you der (’oiujMiuhia de Mossamedes, I lK»r in kühlen Nächten als Tau iiiedorgesehUgene Nehel 
der der (ieHellschaftsBtation 1-klivu zwischen Küste und 1 ist wohl oftmals die einzige Feuchtigkeit, die den el- 
Kunene vorstami; HoUiiiker, wie erwähnt, der Deutsche witaehien in regunlogen Jahren zu tiehote steht 
Ham»; atifaerdem hegieiUften die Kxpwlition zwei Huren * Man zog» der Koute ('apellos und Ivens fidgend, 



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hte Kiincnc'Sumlicsi'Kxiirditinii tles KciloiiiAlwirtschafUiohcn Komitees lÖlMJ 'lUOO. 





Ahb. 4. llQttf« (mil ^rhiiltx«‘rHriO nm TonKa« 



in Kii htuiig «lurvli das wusscraruic und dnriim 

venidete Shollnfffbirge, hui Knkuiowur entlang und filier 
FUiiva und IliimU' zum Kunene, der uui 11. Se|Jtuuiber 
erreicht wunle; liiernnf ging es an dio.*ieiii und dünn iin 
des>en östliclieni NVUenfluFs CliitandH aufwrirt.s nach Nord- 
uKten bi» zum ITi. iSreitongi’ad. Der (‘hitamla int schmal, 
aber tief, und an »einen Ufern herrscht ein reges Tier* 
leben. Man fnud dort auch K)ufuutens|iurvn. Uei()n|iO|>o 
im rhitandabeit wurde ein Versuch mit Goldwäschen an* 
gestellt und ein wenig Schwemntgold gewoimeu. Am 
4. Oktober orruichte man das Fort und die katholiscliu 
Mission Kassiiiga am oberen ('hitanda, an jenem Tage 
fiel auch unter Dlitz und Donner der erste, aber aufserat 
geringe Kegen. 

Itei Kassinga Torliets man den C'hitandn und damit 
das .Stromgebiet des Kunene und wandertu durch uii- 
bewuliiito Striche nach t>i«ten ziiiu Kubango. Dieser ' 
wurde bis Massaca (t'apelloa und Ivens' Massuco, 16*^ 
südl. Dreite), dein 500 Kluwohner zahiemlen llauptnrt i 
einer von Kangellanegern liewobnten Landschaft, abwärts 
verfolgt, l^iterlialb Ma.ssaca Riefst der Kubango zwischen 
ateiiiigeii Hügeln in grofsen Windungen dahin, von /eit 
zu /eit Stromschnellen bildend (Abb. 1). Hin Versuch, 
etwas südlich von Massacn nach Osten zum Kuito vor* 
zudringeu, aeheitcrle an dem 
Weg- und Waasenuangel , und 
HU zog mau denn weiter am Ku* 
bnngo abwärts. Die Ufer des 
Siriiiues werden als fruchtbar 
bezeichnet , tloch sind sin nur 
sehr ditun — von Kangeilas — 
lievülkcrt, infolge iler nimulhor* 
lieben Kaubziige der Kuitigliaina. 
die laiMieinwarts wohnen. Über- 
hnupt sitzen die kräftigeren 
Stämme nicht am Flusae aolbst. 

S(» zahlen die weher südlich am 
Kiiliuiigo liegenden Kaiigella* 
iliirfer, z. H. Kavaiiga (Abb. 2), 

Tribut an die ontlich wohnen* 
den Kuangari; sie liefern <iiesen 
etwas von den Krträgen derdagd 
ab und stellen ihnen Leute zur 
liebammg ihn>r Felder. In Ka* 
vanga und im iHmuchbarten Ka* 



]o|o werden Itesondurs Mnis. 
Sorghum. IVmiiDetmn und I'h- 
Imk angebant. Der Tabak uinl 
von allen Negerotämmen Sfid- 
.\ugolas gleirhmäfsig zuliei eitet, 
indem die noch feuchten llliitter 
in Kugel- oder Kegelfonu zu- 
sammengepresst wenleu; eine 
solche Kugel riecht heim Durch- 
brechen säuerlich, und der 
trocken gewordene Taliak 
Hchmoekt streng und scharf. 
Der Kuhatigo bildet in diesuro 
Teil seines Laufes viele Inseln, 
von denen einzelne Ix'siedelt 
sind; fast alle Dörfer nlH*r liegen 
auf der linken Uferseite des 
Kubango und am zahlreichsten 
von Kavanga ah, während man 
auf dem rechten Ufer, aUo auf 
der denisrhen Seite, zwar einige 
hehautu Felder, aber nur sehr 
wenige Hütten sieht. Die 
Nieilerung an iHuden Ufern 
bietet eine vorlreflliche Viehweide und einen znm Anbau 
von Mai« oder Weizen sehr geeigneten Hoden. 

.\ü der Mundung des llabongu (IS® »üdl. Breite) 
verliefs die Kxpedition den Kubango und wandte sich 
uordostwärts zum Kiiitu. Sie benutzte dazu unter Füh- 
rung von Kuangarileuten zunächst das Thal des llabtingn 
selber. Die l.andschaft zwischen Kubnngu und Knito 
wird durch Wahl mit grofsen freien Flächen charak- 
terisiert. Auch traf man auf einige , Pfannen“; an einer 
dorsellien fiel unter (iowitter etwas Hagel. .\m 12. l>e- 
zember erreichte man unter 17® südl. Breite den Kuito. 
der dort so breit ist, wie der Kubango, aber tiefer, 
5 bis 6 m, und den man deshalb nicht überschreiten 
konnte. Das Wasser wurde von Krokodilen und Flufs- 
pferden belobt. Die .Anwohner, diu Onjiniba (Amboülla). 
haben auch hier unter den Ilaubzügen der Nacbbaren zu 
leiden und halten darum kein Rindvieh. Man zog am 
Kuito eine kurze .Strecke aufwärts und verfolgte daun 
seinen westlichen Nebenfiufs Longa nach Norden. Die 
Mündung liegt in einem sumpfigen Terrain von 7 km 
Breite, auch die Ufer des Longa sind anfangs sumpfig, 
dann werden sie höher. Bei Uhijija (l(i®20' sQd). Breite) 
traf man auf die ersten Katarakte, auch auf hohe Inseln 
(.Vbb. ,S). .\n der (^uiririinüiulung (16® südl. Breite) 



Abb. 5 Hriicke über den tjalrirl. 






hie Kuucue-.Siim)»e8i*Kxpoditiun de* Kolunialwirtscbuftlii’heii Komitee* 18iM>/1900. 



381 



ffing lUHii uuf da* ÖBÜiohe Ufer de* Louga Qber. Von 
da ab liegen zu beiden Seiten de* Longa au»gedebnto 
SUmpfe, an die sich mit Wald bestandene Sandbügel an> 
schlieTaen, eine Gestaltung des Lande*, die sich in einem 
sehr grofsen Teile des Kuitogebiets wieflerfindet. Aue 
Terschiedenen Anzeichen merkte man hier, dafs man der 
Gegend des Kautscbukhandels sehr nahe gekommen war, 
B. n. aus den Wagenspuren der Händler und der aus 
dem Handel erwachsenen grüfvureu Wobihabonbeit der 
Kingeborouvn. Die Hütten der Loiigancger zeichnen sich 
durch Grölsc und saubere Bauart aus; an einzelnen der 
Thüren waren sogar Ornaniente oder Köpfe ausgeschnitzt 
(Abb. 4), tind an anderen 'l*bären Schlösser angebracht, 
deren Schlüssel Ton den Kigentömern am Gürtel getragen 
wurden. Am deutlichsten zeigte sich die Wohlhabenheit 
der I^onganeger in dem Besitz an Vieh; neben einigen 
Bindern wurden kurzhörnige, gedrungen gebaute Ziegen 
und eine kleine Schwoiiieart mit braunroten Haaren ge* 
halten. Bald begegnete man auch den Niederlas.<umgen 
englischer und portugiesischer 
Händler, l>ei denen ganz hedeii- 
teiido A’orräte von Kautschuk 
lagerten. 

l'iiter 15® 30' sü<ll. Breite 
vcrliers die Expedition den Longa 
und zog zusammen mit einem 
englischen Händler nach Süd* 
osten zunächst zum t^iiiriri und 
(hinu diesen abwärts. Hier traf 
inan häuSg auf aus l'fAhUm n>h 
geziuiiiiierte Brücken (.\bb. 5), w'io 
innn solche auch In der Kaut- 
schiikgegend am Longa, sonst 
aber nirgends angetroA'en hatte. 

Am (^uiriri, bot dom grofsen 
Stamme der Kalowale, vertritt 
der Kautnehnk schon vollständig 
die Stelle des Geldes, wie Baum 
in Sakkemecho sab. l'm mng* 
liehst viel von den eitropäischon 
Waren erwerben zu können, ar> 

Iteiteu die Quiririiicger den 
ganzen Tag übereifrig, und fort- 
während Hchlep|>en sie schwere 
Ballen von Kautscbukwurzeln in 
den Ort, um dort flache Kuchen 
aus deren Rinde zu klopfen. 

IHesu Kuchen werden dann 
nebst grof'^n Tongefäfsett nach dem Bache gebnicbt und 
dort durch Kochen, Klopfen und Kneten zu jener Form 
verarbeitet, die im Hamlul als „Manga** in diesem Gebiete 
überall gebräuchlich ist. Leider wird mit den Kautschuk- 
pflanzen so verfahren, dafs ihre Ausrottung droht, ln 
den von HoutboschwählHrn eiugescblossenen, nur mit 
Gras bewachsenen grufsen Flächen zwisebeu O'***'**^ “**d 
Kampuliive (einem Neh«nnur.s des Kuito) fand Baum diu 
ersten Kautschukwurzelpnuiizeii, eine iKitanisch neue Art, 
von Pntf. K. Schniuanu „('a^Kidinus chvlorrbira'' Ix^- 
nunnt. Ihr Vorkommen — freie, wassurlnse, sandige Ge- 
biete sind ihre eigentliche Heimat — ist ein weit aus- 
gedehntes; die Pflanzen treten oberhalb der Mündung 
des Liiziiigiia in den Longa (bei Fbipia) auf, reichen bis 
zum Longa, (juiriri. Kampuluve und Kuito, geben über 
diesen östlich hinaus und sind sogar noch am Kuando 
vorhanden. Die Zul>ereitiiug des Wurzelkautschuk be- 
schreibt Baum wie folgt: Die Wurzeln, zu einem «tarktm 
und etwa 2 m hohen Pack zusamiueugehuiuluu, wortieii 
nach dem .\iisgraben zuerst gewäsBurt, bo dafs der Hast 
weich und mürbe wird, damit er sich s]>ä(er btniu Klopfen 



gut lÖBt. Dann wird der Ballen wieder an der Sonne 
getrocknet, die einzelnen Wurzeln werden in 30 bis 40 
cm lange Stücke zerteilt und dabei die an den Endpunkten 
der Wurzeln befindlichen Kautsebukstückchen abgelöBt, 
die man zu besonderen Marigas formt. Die 30 bi.s 40 cm 
langen Wurzulstücko worden auf einem Brette ge- 
Bcblagou, wodurch das Holz von der Wurzel befreit wird, 
und ist dies geschehen, so werden die Hindenstücke mittels 
eines hölzernen Hammers auf einem Brett so lange bear- 
beitet, lÜB Biedie Form eines Kuebons angenommen haben. 
Sind durch das Klopfen die gröfsten Hindenteile entfernt, 
so wird der Kuchen gekocht und abermals mit Knüi>- 
peln tüchtig geklopft. Hierauf wird der Kueben in 
viereckige Stücke gusebuitten, diu in kochendes Wasser 
gelegt werden, und aus ihnen formt der Neger runde 
Streifen von etwa Daumenstärke, „Matali“ genannt, von 
denen 40 Stück eine Manga bilden. Einzelne Neger 
bereiten den Kaut'icliuk auch folgendermafsen: Sie korben 
ilie Rinde, nachdem sie von der Wurzel geklopft und 



abgestruift ist, klopfen sie nach dem Kochen kräftig 
durch, spülen sie daun im Wasser aus, kochen, klopfen 
und spülen sie nochmals, und zerreirsen nun erst die 
flachen Kuchen in kleinere Stücke, die in heifses Wasser 
getaucht und dann durch Itrückcn und Kneten zu jenen 
Streifen geformt werden, die im Handel gewisscrmafseii 
als kleine l^lünze dienen. F.s kommen zwei verschie<len 
iiussehende Mnngas in den Handel. Die eine .\rt, stark 
mit Sand vermischt und sehr schwer, ist diejenige, welche 
aus den Kautschukstückeben burgestellt ist, die, wie 
erwähnt, von den gewässerten Wurzeln abgelöst sind. 
Die zweite Art iat die durch Klopfen bergvstellte. Eine 
dritte Art, die vi^i einer hesondpren Pflanze atatiimen 
soll, ist leichter im Gewicht und fascrartig gestaltet und 
wird von den Huiidlern nicht gern gekauft. Im ganzen 
Kaiitsohukgebiet lebten damals 1 1 Hämller. 

Von Sakkemecho zog die Expedition südöstlirli 
wiederum zum Kuito, den sie unter 16" Büdl. Breite am 
27. Februar 1 900 erreichte. I ter Flufs iat dort 150 m breit. 
Riefst Bchnull und ist sehr tief. Man Tcrfolgt4> ihn etwa 
40 km abwärts und acLlug dort ein Lager auf, von wo 




Abb. ä. StromaclinelleB der Kulei. 



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.ud\vi}e WUaer: Heitruf; zur Urgeschichte des Mcnschfii. 



Fursiniin»ch(! nach <btten unt^'riiommen wurden. In dem 
Dorfe Liki»(>, das etwa 60 km östlirh run Kuito liegt, 
war ntH'h kein Weither guM'heii worden; man fand dort 
Hu)>chmRnnert die die Jagd atisüiion und die übrigen 
Dorfliewohner mit Wild versehen, van der Kellen zog 
oook mit einigen lauiien «istlicli bis an den Kuaudo, bis 
;sum Dorfe Tjimbaiida (16** 1 5' Nüdi. Breite), er sah dal>ei 
grofse Mengen von Kautsebuk, der von BihekauFlcuten 
eitigehamleh wurde. 

Am 4. April wunle vom Lager am Kuito der Küek> 
marsch zur Küste angetruten. Bis %um i.uitga verfolgte 
man dieseibe !b»ute wie auf der Ausreiso, daun zog man 
auf direktem Wege weatiieh nach Kaiotinga. Mait ülier> 
Kchritt dabei eine grofse /abl von südwärts /.tim Ku* 
bango gebunden Flüfsen, darunter den Kulei, in deMen 
Nähe einsam eine katholische MDsionsstatioii liegt. Der 
Kulei (Abb. 6) braust stellenweise so ba.xtig über das 
(iestein dahin, dafs nich die Wassermengen in weifaen 
Schaum auflÖHen und da» Geräusch de« tobenden W'aKKerR 
auf weite Kntfornnngen hörbar ist. Bis Ediva hielt man 
eich dann wtetler an den laTeits begangenen Weg, von 
da ab aber schlug niaii eine ganz ucno Knute ein, die 
ziemlich rein östlich verlief und in Port Aloxandro an 
dor kluinoii FUchbai das Meer erreichte. Man batte 
unterwegs im .luni einigo recht kalte Nächte, in denen 
eine Minimumtemperatur von — 4® C. beobachtet wurde. 
Am 26. Juni 1900 war man wieder in Mossamedes. 

Klimatisch und wirtschaftlich bildet der nördlichste 
Teil TOI) DHutsch-Südwestafrika, das Amiiotand, mH dem 
Hinterland von MoBsamedes, in dem die ('ompanhia de 
MoHMimedeB eine bis zum Sambesi reichende KonzeKsion 
liesitzi, eine KiiiheiU tB>er diu wirtschaftliche Beiloutung 
von Süd'Angola heifst es in dem Bericht u. a.; ln der 
Nähe der Küste lassen sich nur au den kleinen Flössen 
mit Vorteil Plantagen anlegen. I>ieses Gebiet ist zum 
Anbau von Baumwolle vortrefflich geeignet, wird vo)i 
de« Portugiesen jedoch nur für die Knitiir von Zucker- 
rohr (zur Braimtweingewinnnng) benutzt. In den) fast 
nur steinigen und meist nur mit niedrigen Sträuchen) 
beKiandencn Gebiet, das sich bis zur Höhe von etwa 
700 m bis zum Shellagebirge erhebt, ist in dom Teil, 
<ler vom Beru, Giraul und Monino durehnoaseu wird, 
gutes triukbaroH Wasser Torbaiideii. während die Seit»» 
der Shella, die vom t'oroca durchzogen wird, in der 



trockenen Jahreszeit nur salziges Wasser aufweist. <Ü» 
der Ahbnu von Miniwulien im Shellageldrge lohnt, diese 
Frage läfst sich zur Zeit nicht beaiitwurteu. 

Diu nun folgende Hochebene liesteht meist aus einem 
schweren, lebinigeii oder thouigen Boden, der sich /um 
.Anhau von Mais, Weizen, Koggen, Hafer und Gerste 
eignet und in dor Kultur europäischer Gemüsearteu 
aufiierordentliche Erfolge verspricht, .\uk den Yursucheii 
mit Pffrsichbäumui) ergiebt sich, dufs < Ütsibäuuie gedeihen 
würden; der Weinstock ist iHueits erprobt, und auch 
alle .Arten Südfrüchte sind in Süd-Angola schon mit Vor- 
teil angepHan/i worden. Der bessere, lehmige oder 
thonige, zum .Anbau geeignete Ikalen findet sich uatueiit- 
lieli an den FlÜR«en Knkulowar, Kuneiic, i'hilaitda )ind 
über den Kubango hinaus bis zum Kuelie. Dlierbalb der 
Mündung des (^uatiri in den Kubango beginnt auf dem 
rechten 1‘fcr die Grenze von Doutacb-Südwestafnka, die 
eine fnichtbare, für Viehzucht gut gamgneU' Flufs- 
niedening verfolgt. Weiterhin begrenzen auf der deut- 
schen Seite den Kulmngo händige Hügel, die mit lichtem 
Wald bedeckt sind. Das Land zwiache» K)ibango und 
Kuando hat ziemlich reichlichen Ri'genfall, so dafs die 
Kiugcborenet) trotz des sandigen Bodens mit dum .Anbau 
von Sorghum, Pennisetum und Maniok gute Erfolge er- 
zielen. Am Kuaudo ist fruchtbares, zur Koloni^tion 
geeiguetuB Laud in genügender Menge vorhanden. Der 
östlich vom Knebe und nördlich vom Lomba gelegene 
Teil dieses Gebiets zeichnet sich durch den Ueichtum 
au WurzelkanUcbukpffanzeu aus, die Imsonderh am I.»<in- 
ga, Quiriri, Kampuluve und Knito zu Kautschuk geklopft 
werden; dieser gebt nach Ibrnguola. Besonder» reich 
ist da» I^and an Gerbstoff liefernden Raumen, und zwar 
bandelt es sich um den Mopune (Copuifera ldo|tane), der 
von der Küst« bis zum (Jiitanda einer der büuftghten 
lUumu ist, und um den Houtboschbaum (Borlinia Bauiuii 
benannt), der den Hnuptbestaudtcil der Wälder weiter 
östlich bildet und sio charukterihiert. 

Der Haupivrert von Söd-.Angola besteht jeiloid) darin, 
dafh da» ganze Land zur Viehzucht vortrefflich geeignet 
ist. Die be.hondei“fi am Kuneneausgedelmtc FlufsniHderung 
bietet auf günstigen Woidoplätzun )ingeheureu Heerdt-n 
reichliche Nahrung. Von den in der Viebzucbtstatnin 
hkliva nach Kochscher Methode gutmpften Tieren hlieW-n 
etwa 30 Pro/, von der Kintlerpest ver»chout. 



Beitrag zur Urgeschlchtr de» Nensrhen'). | 

[(k>ntribution ä l'etude des hoinmes fossiles ') (>ar OaudryJ. i 

Übur einen im vuri|;en Frühjahr in der .Klnderliühle* 
la-i Montoiie gemachten, für die Geschichte des MetiHchen- 
ge^'hlechts bMleutsamen Fund einer bisher nicht liekannten 
Itasse (von Verneau, I/Anlhro]H>li>gie XIH. 5, »type de 
Orimnldi, voti mir ,]hmio priroigeuius var. niera" geuannt), 
hat»! ich bereits anderwärts*) berichtet. Die von Veriiea)) 
in Aufsicht gesiellteo, ItMonders auf die /ahnbüdung sich { 
iieziebendeti Untersachungen des FaJäonndogen Oaudry sind 
nun unter «ibiger t?l»erschrift im neuesten Heft der Z**il- 
Schrift nl.'Anthrti|Hdogi«'* erschienen, und bei der Wichtigkeit 
der Hache wird wohl aucli den Is^surii d«.<M .(Bidms“ ein 
kurzer Au.«zug wilikommcn sein. 

Da foMÜe MetiKcheuknochen meist mit solclien atisge- 
.Htorl«iiev oder ausgewanderter Tiers zusammen liegen, die. 
wie Mammut, wullhaariges Na«hom und Itentier, grofse Kälte 
aushalteii konnten, hat man angunominen , dafa zugleich mit 
diesen auch Mensclien aus nördlichen Breiten in unsere 
(iegendon gekommen seien ; .Das ist möglich*, meint Oaudry, 
.das i«t nteines Krachtens sicher, denn nirgend anders«!» 
hätte der Mensch die Fähigkeit, so grimmig«* Kälte zu er- 

Vgl. hierni l’mf. Kmil 5<hn>i«it» Aufssts in Nr.'J3. Ke«l. ■!. Ulobu>>. 

') L'Anthro|>elog)« XiV, 1, DKIA. 

Kme m-ue Menuhenrsxse (Uii nouvenu t>pr humainl. Nstur* 
wiasctks<'l>nülirhr Wocbcnscliritt. N. K. Bd. II, S. 15, lb03. 



tragen, erwerben können.* Kinc andere Frngo alter ist die, 
«ober sind diejenigen Menschen gekommen, die mit wKm) 0 - 
liuttendan Tieren, )iiit Flurs|>ferdeii. mit Klefantun und Nas- 
hörnern, die den heutigen indiscbei) gleichen, nach den 
Funden unzweifelhaft ziisiiinmen gelebt halwu? Ktwa aus den 
liändern , wo der Pithecanthropiu gefunden worden ist, wo 
die gnifseri nienschenähnliclien .Affen leben, wo manche 
Fur»chvr ein früher «uit ausgeilehnles, jetzt grf>rst4mteiU von 
Mecn*sdnclien t»*deckles Festland annehmetif .Bisher waren 
noch kein« Menwhenknochen gefunden worden, die den <*e- 
dankeii an einu Almtammung unserer europäischen Quartär* 
uienschcn von Hewolmerri der iiustraltschen Gebiete beroch* 
tigt liätten. IMe von «irm Fürsten von Mimaco an« Licht 
gebrachten Fundstiicke geben uns in die«er liinsicbt wichtige 
Aufschh'tsiM*.* Kchoii Verneau hatte aus dem I^anglmu der 
Hchädel, den stark vorspringeiiden Kiefern ntit zurück* 
weichendem Kinn, der bn-iteii NHseiiöffnung der untcnuittel* 
g)‘nfs4‘n Kusse auf ilemi Negeräh))l)chk«*lt goschlr«seii (,ces 
sujels oiit im as|>ect iil^griMds bien net*). Dins allgemeine 
Urteil bat durch Gaixirys ui))gi*bvndn Kinzeluntersunhungen 
seinu Bestätigung und Kigänzung gefuudeu. «Wenn man 
difl /.ahnbiMuDg d«*« Fos'^iltiienschan dor Do|i}>eM»estattung 
(ein altes Weib und ein diingling) )H*trachtut. so ist ntan 
überrascht duri'h ihre VorschiiHleuheit vi»n der heutigen euro- 
|niischen. durch din Ähnlichkeit mit derjenig»*n der Australier.* 
Diftse tritt hervor in der Streckung der Kiefer und der Knge 
«lur Zahnl»>>geii. Din /nhiie «)iid gröfser, stärker und faiten- 
reichur uU U*i der weirsen Kassi* und gluk-hen, wie au« den 



KlniRt; I)io KisciiUHliultttiituti iu ( Inu«. 



Ablnldungtiii deutlich eniichtlif'h, uucli hierin «utcheii nu:«trH' 
lücher Wilden. l>ie WeifllieU«ziihuv iHMtrn kuiue Zvivhen der 
UOekldlduni; wie bei un*> erkennen und uiiterecheiden «ich 
tnic)i Ori'iriie und II«u;kerzahl kaum von den anderou Sfithl- 
zkhneii. Xlinliclie /Mhnbildun); zei]{t auch der durch die 
Funde vmi Nenndertbal, H|>y, Kra|>iiiH, Nitulette und Schipka 
bekannt Kuwortlene Ureum]Mier von etwa.« anderer, af*er uii- 
gefiUir auf K^'^doher KntwickeluncRliidie Kteheuder RnaHe 
(llouio priinixeniuR). Wenn (laudry auf («rund der Abbil- 
dun^cen zu Üorjanovic- KramberKer»« erstem Bericht*) 
über den .paläulitliiM'hen Menm^heu* von Kra]iiun eine er- 
beblicho VeiNchiedenbeit der l/nlerkiefer derltoppenwHtattunf; 
von Mentoue utid desjeniKeu von Krapina umiimmt, ko beruht 
dieü wohl auf einem Mir»verständnU. Schon in der emtuu I 
Yerdfreiitlichun}; i>a^ der A(;rainer Forscher: ''«r* 

iiej^ende Kiefcr«tück beRitzt kein Kinn, Hondern ist etwaR 
nach vorn ueoi^en*, und fugt in der xweilen hinzu: ,Kine 
grofRO üt>ereiDRtiiiiniung finde ich xwiarhen dein t'iiterkicfer 
von N'nuletic uiii dem von Kraptna, und xwnr in der OuRtalt, 
welche inttheRooder»' durch dM Fohlen de» Kinns und den 
damit im Kosaiumtinlrnng atchunden stumpfen Kyniphysou' 
bogen bedingt wird.* ln llosug auf Zdhne uud KtnnlORigkvit 
Kind altio beide Uasecn einander M'hr äbulich und «tehun auf 
gleich tiefer KntwickclungaRtufe. Kut int hauptslichlich der 
Rehr starke l'rognatliiKmuR und die NaRetibUdung. die den 
Skeietten dee l)op)>Klgrai>e9 den Ht«m|>ei einer tiefntehenden 

*) Mtllcdiiugvu der aMt1iro|wl<igiM-beit (ieRelhchah in Wien, 
Ed. 31, Itmi, und ^Naclitrag** iiu uk<'b»trulgeadei] Juhrgaug der 
gleichen ZeiUvhrilt. 



3sS 



Negerrasse aufdrtickeu und mich vcranlafst halten, ate als 
Setlfuzweig der ureuruiȟit<cheu uud Stammmaxe aller 
Nt'gervdikcr Hufzufmutco uud mit dem Snmeu Homo prinii* 
geaiiui VHV. nigra zu bezeichneu. 

Zum Kehiusse spricht sich Gaudr}‘, da er sich nur auf 
ein eiuzelnee Merkmal stützen könne, sehr vorsichtig aus, 
mit der UexrheUienheit, die nach seiner Ansicht 
Denkern anxteht, IwMinders aber den l’aläoutolugeu, die Ver- 
irrungen in ihrem ungeheuren, oft etwas nebelhaften Gebiet 
nur allzu leicht aungesetzt xiud*. Kr scheint aber doch an- 
zunehmeii, dafx die weirse Basm; von der australixcheti ab- 
staiumt, dafs mit der nordischen Tierwelt Henxcheu aus dem 
Xorden, mit der xddlicheu sidche aus Afrika caier Asien 
iu iiuxeren Vi'«ltUril gelangt «eien. Das wäre aber kaum ver- 
einbar mit der doch unbedingt geboteneu VorausReizung 
eines einzigeu Verbreitungszentrums der Menschheit. Die 
überraxebende Kiitdeckung einer foasilen Negerrasae in Ku- 
n>pa nötigt ebensowenig zur Aimalmie urzeitlicher Kiiiwan- 
derungen von negerariigen Men-w.ben aus siidUcheii Breiten, 
als die Knochen hingst ausgesuirbener Beuteltiere In un- 
serem Boden auf diu Herkunft dersellMu aus Australien 
whlierxen lasaen. Ludwig Wilsvr. 

*) Mit dem Hrinaniee „rsrirlax oigrs“ wollte ich nur die 
NegerkhnlK'hkeit ditscr UrrsMe bozcichDen, keine»wegt über ihre 
Ksrbe ein Urteil sl>gi>lpen. I>n» Wshrsclieiidiclule ixt meine» Kr* 
schtens, dslt lie bei sieinti<*h Risrker Ecliauruug eine iidtilere, 
gelb-btaune Kirbung gehabt hsl. Sowohl die lleftchwane Huut 
maiKher Neger als auch die miU-liweir»e der Kordeuropier xiod 
I neuere KfraBgeDSthahrn. 



Die Eisenbahnbauten in China. 



IHn Aussichten für KrsehUctsiing CbiuaR iliircb Kinen- 
bahnliautcii babcii aich »eil rnterdriiekung des Hoxer* 
iiuratumlt's morklioh gcbcsKcrI. War der Bau von Eisen* 
babiieii mit das wirksamste Kcizinittul zur Km^gtiiig den 
.\ufetaiidoR gewesen und richteten sich die Wutaus* 
brärhu vur/ugsweixe auf /erstdruiig des Oberltaues und 
des rullemlcii Materials, su hat sich diese Ih-weguiig be- 
ruhigt, dals uicht nur der Betrieb der fertigen Strecken 
und der Bau neuer nnbebelligt bleiben; ea erRtrelmn 
vielmehr die .«onat »i> abwehrend sieb verhaltenden StAdte 
die möglichste Nähe, und die grofse Masse derArbeiter- 
Iwvölkerung biiftct xicb als billiges, anKtelUges Arbdits- 
]>cr?ional an. l>cr Chinese iat ein viel zu guter Kechncr, 
als dafs er dun augcmücheinlicheu Vorteil des KUenbaliu* 
trunaihurtcH gegen&lM>r seineu bisherigen, primitlvmi 
VerkebrRmiltebi nicht erkennen (tollte. So beteiligt itich 
auch der reiche, vorsichtige chine^iiiche Orof(«kaufnjanu 
au den Subskriptiunen für Babubuuten, und die Befürch- 
tung doti BrotloswerdeuR der Kuli«, die sieb mit dem 
Tf'ansfKni mühKain ihren Lel>en«unterhalt erwerben, wird 
durch die Aussicht auf reichlichen Lohn al*i Lohnarbeiter, 
untenoi Botriebs|HtrMmHl und dunrh Bcfönlurutig du» Ab- 
uiid Zuganges beseitigt. 

Ein anderes Bild bildet der Intereseenstreit der euro- 
päisM^hen Kuhurstaaten, da ei« jeder sein sogenannten 
Interessongehiet xii eigener, wirtnchaftlicher Ausnutzung 
uifersüchtig überwacht, um so mehr, als sich au die Kon* 
X4*ssion zum Bahubau auch das K«‘cht zur AuslHmtung 
der Ibrrgwurkschätze mid zur Anlagu von Fabriken in 
der Nähe der Tracc knüpft. 

Ihir Frieden von SchiinoiioHeki zwischen Ja]tan und 
t'hin.n liatto für letzteres au<‘h die Folge, dafs die ge- 
schwächte chinesi.Hche Regierung sich zu oiuer Reihe von 
Kouzexfionen an die verschieticnen Staaten genötigt 
sah, um deren Uiiterstützuiig sich zu sichern, wuhreiid 
sie «icli vor dem Kriege (tebr ablehnend verhalten halte. 
So bildet der cliiuesiscb-japaiiische Krieg den Wende- 
punkt in der Kiseubahu|M>litik Chinas. 

Vor dem Kriege waren nur zwei Babuen kouzeesio* 



niert und gebaut worden; und dieser Erfolg war nur 
dom Einflufs des grofsen StaatsinanDea Lihungschang zu 
verdanken. IHe erste 1876 fertig gestellto nur 18 km 
lauge Bahn von Schanghai nach Wusung, dem eigent- 
lichen Hafen, wuitlu bald nach Fertigsttdluiig zerstört, 
wieder hurgestulU und ist seitdem im BetrieW; sio bat 
nur lokale Ik^dcutung. 

Von höchster Wichtigkeit war das auf Betreilien 
LihungMcbiing« in seiner 1‘rovinz T»cbili ent-xtehendo 
Bahnnetz; «nfllnglirh wurden nur die beiden wichtigsten 
Hafonorte Scbankbaikwaii im Nordosten und Pebtaiig 
(Taku) au der Peihumünduiig mit dem Kur<>|McrKitz 
Tiuntsiu verbunden und scliUefslicK die Bahuliuie bis 
zur Kopfstution Makiapu, 2 km südöstlich Peking, fi»rl- 
geführL Diese Bahnlinie mit ihrer Verlängerung über 
Slianbaikwau über die grofse Mauer hinaus, iu der 
(iesamtlunge von etwa 480 km, war in vollem Betriebe, 
bis 1000 die Wut der Boxer sie von Grund aus zer- 
störte. Die Wiederherstellung der Strecke Tientsin- 
Peking war das Work der Kisenbabiitrupjien der Verbün- 
deten, uamenilich der deutschen Kisuiiliakukouipagnien, 
sodafs am 15. Dezember lilüO der erst<t Eisunbuhnzug, 
I geführt von dem deutschen Oberleutnant Men de, auf 
' Bahnhof „llimmelstetnpel” durch die von den Eugländerii 
durch die Stadtmauer gebrochene Bre.xche in das Innere 
der beiligim Stadt zum Staunen der Bevölkerung einfnhr. 

Alle anderen Bahnen verdanken ihre Kunzossioii der 
günstigen |>ulitischt:u Lage nach dem Frieden von Sebi- 
nionoseki. Den Reigen derselben eröflhet Russland 
durch den Vertrag von Peking am 8. .September 1806, 
durch welchen es da« vertragsmäßige Xugeständnis zum 
Bau einer Bahnlinie von Zunichaitujewsk am Amur 
quer durch die Mandschurei über TNitsikar, ('harbin. 
Niugata narb Wladiwostok erhielt, diulurch die geplante 
Verldiiduiig am linken Auiuriifur aufgaU und um 550 km 
abkür/.te. Diesem Vertaiigu folgte ein zweiter, vom 
27. März 1898, in welchem (’hiua die Verpaclitung von 
' Port .\rtlmr und die KiHenbahnverbindung von C'harbin 
I über .Mukden, NiuUehwang nach Port Arthur und den 



/ 

■' , CicH'S^k' 




Pie Kiüenbahtihauten iu ('bino. 



n«m zu gi'ündtuitlcii rUN»iacbtiU Fruiliafeu Ibilui zugvtftau<L ^ 
Kinu dritte Ibibiiliuiu zwuigt bt>i Mukdeii iiacli Seliati- j 
hnikwati nh, urlaugt dadutNrb Anstchiutüti an Tientsin und ‘ 
Pukiog. Dio JuHptzieruiig dieser Babiiliiiie war der Zweck 
der vor kurzer Zeit vom Fiiinnzmiuiiiter v. Witte — j 
die nun erfolgende de« KriegHmioieter» Kuropatkin j 
gilt wohl der miiitAriHcben Sicherung — unterruuntneiiHn 
Uei»e, und wenn urge Übelstände im Betriebe der fertigen 
oder bei den irn Huu begriffenen Strecken dabei auP 
gedeckt wurden, so iet ch doch zwuifcHoe, data diese 
kürzeste, billigste Verbindung ohne ruiinduug von Port 
Arthur liis Petersburg bis 190(i hergcstellt ist. Am t 
23. Mtirz 1903 verliets der erste bis zum Haikalsee durch' • 
gebende Schnellzug Wladiwostok und Paini, mm boH { 
der fahrplaomHlsige Betrieb, allerdings mit Trajekt über ; 
den Baikalaee, einsetzea. ' 

Auch die von Peutschlnnd zu bauenden Balm* 
Hit'ecken sind gleichfalls mit der Pachtung von Kiaubtchou 
verknüpft. I>er Freihafen Tsingt^iu ist der Ausgangs- 
punkt des Preierknetzes Tsingtau, Tsinunfu. lischou, 
1000 km lang. Bei Tsiimnfu, der Hauptstadt der 
.38 Miiliuuen Kinwubner zihleudeu Provinz S<*haniung, 
mihert sich das Pruteck dem •‘uhtfibaren Teile des !lo- 
angho und bei Itschou dem Kaiserkunal, der auf Betreiben 
der betreffimden Vizekonige nun wie<ler in seiner Schiff- 
barkeit hergestellt wenlen «oll. Pi« Strecke Tsingtau, 
Kiautschau, Weihsien über 150 km ist in] IletriulMt und 
hiermit das Kohlenreviur erreicht, welches den Nordfuts 
des Schautunggebirges bis Tsitianfu bcgleiU't. Pie An- 
leihe wurde 1899 aufgelegt, der Babubau gleichzeitig 
begonnen, zwar durch den .\ufstHiid unterhruchen, aber 
dank dem Kiiischreiten und der Knergio des Vizekouigs 
Junntschikai nicht so zerstört wie in Tschili; 1904 
wird Tsinunfu erreicht sein. 

Frankreich und Belgien abernahiiien den Bau 
der erHt«m durch kaiserliches Edikt angeordneteu Linie 
von Peking nach Ilunkou, am Beginne des Unterlaufe« 
des Jangtsekiaug. Von der im ganzen gegen 12CX) km 
in der liicbtung von Nonl nach Süd sich erstreckenden 
Linie war nach Sicherstellung des Kapitals die Strecke 
bU Paotiugfu begonnen. Ihdin Ausbrach dos Aufstandes 
wurde das wertvolle Bauuiaieriul nach Japan gerettet 
uikd dann von dum IHrektor Jadol zur Wiederherstellung 
der Linie Tientsin -Peking dem Oberkommando käuflich 
überlaKSen. Jetzt Ist die Bahn bis Paotiugfu im Betriebe, 
die .\rbeit auf der Strecke auf etwa 200 km südlich bis 
('bunte, halbwegs bis zum Hoangho, beendet, während 
auch von Süden vom Jangtse her die I/iniu bis Sinyang | 
von französischen Ingenieuren entgegen gebaut wird. 
Von dieser IJniu sind Au!»chiusso nach Tuijuan im Westen ‘ 
und weiter südlich nach Singaufu geplant. I 

Englands Anteilnahme äuftert sich namentlich im ' 
mittleren, dem Ozean zugewandten Teil« zwischen der j 
.schon fertigen Strecke Pehtang* Tientsin -Peking bis 1 
nach Kanton, bezw. Hongkong. Eine über lOÜO km | 
lange Bahn von Tientsin bis Tschinkiang am Jangtse ; 
zwi-ebeii Nanking und Schanghai wird zwar im nördlichen I 
Teile bis Tsiminfu zum Auschlufs an die deutsche Schan- 
timgbuhn von deutscher Bauleitung hergestellt, i^i über j 
in ihrer ganzen Auedebnung ein englisches Unterneliuien. j 
Eine zweit** Bahnlinie ist von dem iVkingsviidtkal von 
Taijuau uacli Ibitscheiifu atu unteren Httiuigbuwinkel be- 
absichtigt und drittens erhielt eine englisch-chinesische : 



(iosullBchaft *Ue Konzeseion für zwei von Schanghai aus- 
gohende Strecken, von denen die eine nach Nor»lwe»ten 
Über Lutsdiou, Tsrbinkiang nach Nanking führt und in 
Verbindung mit der Linie rientsin von hier tritt, während 
die andere votk Srhangbai atisgehendu Bahn über *li« 
Millionenstadt llangtschou und Nifig]>u dun Südwesten 
«rscbliefst. Wübrernl der Sch**itclpuukt des Winkels l>ei 
Sclmnghui liegt, uiufassuu die Schenkel auf Tschinkiaug 
und llangUchuu gerichtet, das uuten* Stromgebiet der 
grofseii Waaserstrafse iu da» Innere, des Jangtse. 

Pie grofse, landeinwärla Hegende, Peking und Hankou 
verbindende Bahn fimlet ihre Fortsetzung in dem Bahii- 
projekt Hankou-Kanton. Wird diese letztere Linie gebaut, 
woran nicht zu zweifeln, denn da» ( nternehmen ist 
wiederum von einer betgiscli-fruuzösischen Gesell- 
schaft aufgenommen, dann iuldet die aimähenid 2100 km 
lange Bahnstrecke Peking-Hniikou-Kuutoii die Nord-Süd- 
Selme zu dem Ku<<tenbogeD von Schanhaikwan bi» 
Hongkong. Pio V^erblndung mit der engÜMcheu Metropole 
Hongkong von Kanton aua hat sich England gesichert. 

Frankreich» .Vspiratiunen auf dt« drei südlichen 
Chinaprovinzen Jümian, Kwaiigst und Kwangtung sind 
ofifenkundig; von den (ireuzstationeii <les tonkiiiesischeo 
Eisenbahnnetze» von l.aukai und Lungson werden drei 
Bahnen gebaut, weiche eine jede dieser drei Provinzen 
dem fraiizusi»chen Kolonialgebiet nngUedert. Hier im 
Süden verfolgen «He Franzosen dieselben /i(*]e, wie die 
Russen in der Mandschurei, di« PetttHcheu in Sebantung. 
die Engländer im Petho- und JangUebecken, d. h. die wirt- 
schaftliche Ausbuutiing «ler Volks- und erzeugniMr**irhen 
chinesischen Pr*ivinzen, nur kommt ihnen hier der Reich- 
tum einer südtrupischen Vegetatian und das herrliche 
Klima eines südlichen Gebirgslande» zu statten, und 
ferner, daf» die .Vnscblufdmhuen kurz uml tn>tz de» 
Gebirgschurakter» nicht einmal sehr kostspielig sind. 
Von den drei Baltuen fühK eine von I.aokai (Becken 
de» Soughu) nach Jünnan, eine von loingHoii nach I.ong- 
scheu und Nanniugfu, während die dritte ehenfall» von 
I.angson Uber Nanuitigfu *lic Hafeti>iadt Pukhai erreicht ; 
diu Linien von Laokoi und Langsou vereinigen sich bei 
Hanoi, der llaupttitadt Toukm», wo jetzt eine erste Aus- 
stellung diu wirtschaftliche Hebung unter Frankreicha 
Flagge veruiischnulicben soll. 

Seit dem Schlüsse des Jahre» 1902, »eit der (reneb* 
ntiguiig einer Anlage eines franzaisiBchen Kriegs- und 
Handulshafeii» iu der Bucht von Kiiiingi»cbensou, nördlich 
der Hainanstrafse, sind weitere Bauten geplant. Kuang- 
tscheuoou soll erstens mit Nunningfii und zwcitetiü mit 
Utsebeufu um Sikiang verbunden werden, damit der 
Handel auf diesem Flusse von Kanton-Honkong ab nach 
KuanglBcheuKou gelenkt werde. Noch sind das al>cr nur 
Wünsche, keine bearbeiteten Projekte. 

Kiue grufse Geuugthuung empfand Fraukreicb, als 
England seinen Wettbewerb, von (tber-Birmu hur das 
reiche Jummn zu erscbliefsen, aiifgebun muPte; die» 
geschah, als der Vizekönig von Indien, Lord Curzou, 
19U1 zu Rangoon erklärt«, dafs di« geplante Eisenbahn- 
verbindung nach jener Provinz unüberwindlichur Terrain- 
hindernisso oder zu kostspieligen Baues wegen definitiv 
Hufgegebeii .-H'i. Jetzt siulii sieb Frankreich iu di'ii drei 
Südprovinzen iu einer günstigeren poHtischeii und kom- 
merziellen i.ug«. als .sein Verbündeter Russland in der 
Maud.^ekurei. 

Oberst leutn.ant n. P. v. Kleist. 



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Büohertchaa. 



sa5 



Bficherschau. 



r. Kleebfrgfr: Volkflkuiidlicheti aus Fiaalibaeh in 
dar Pfalz. 13u K«it«u. Mit 4 Kartan. (SatumlunKeo 
(las VareiiM für baverisahe Volkukunde und Mundart- 
f»r«chung, Heft 1). Kai»on<)auterti. Hermann KavMr, 
19b2. 

Fischlwtch 1« ein I>«irf bei Kai»er«lHUteni mit 400 meint 
protevtamiKhen Kinwohneni- In Bitte und Brauch bat nich 
dort viel Altertiituliche« erhalten, und auch die Mundart 
zeigt manche betangreiebe Züge. l>er Verfasser, ein Kind 
de« lb»rf«. hat mit grofser Liebe und 8f»i‘gfalt allen Volka- 
kundlielie f>ein«i Ueintauoriea gesammelt und dadurch einen 
Hauntein geliefert, der aich faat in eine allgemeine pfAIzLnche 
Volknkunde einfügen Iftilit. Wie der llaualiHU zeigen auch 
die Felde, die Hilten und Brauche echt fr»nkiachen ('hamkter; 
die «raleren mit dem NeujahraJürmen, dem jetzt eingegange- 
nen Hingen mit dum Htarn am Dreikonigatage, den Fazt- 
nacbUBcharren und dem Winteraustragen an liäitare. da« in 
Fiarhbach dieselben Vene (Htri, 8ira, Mtn»h, der Suramerdak 
ia du) zeigt, wie bei dem wiederbelebten Ueidalberger Llitare- 
feat. Oatem mit den (Mtereiem. wie sonst in Deutsrbland, 
doch aind die Halzer Kinder schon rationaliatiach angehaucht; 
aiu glauben nicht mehr an den Oaterhaaen nnd singen: 

Ich was, waa ich was, 

'■ Hinkel U de HaaN, 

Di Mudder färbt die Eier, 

De Vadder draht ae in» (iraa. 

Beeotiders reich iat die Hammlang der Besprechungen, 
worin viel Altes enthnlien, wahrend mniiche Sitten, die 
andere ärta tio«h in lUQie aind, nur noch aus der Kritmerung 
aufgc^chriebcu werden konnten. Mit dem Klngehcn de« 
Flachs- und Hanfbaues sind z. R die Spinuatuben ver- 
achwundmi. Der SinDeanrt der Pfälzer ciitMprucbend offenbart 
sich in den Hphebwürtern, Rudcusnrteu. kleinen OescbichUn 
und Kätaeln vielfach ein urwtichaiger Humor. Ho fragt der 
Pfarrer: Welche« sind die drei hohen Festem und der Fisch- 
bacher Dorfjunge antwortet: Die heilige Fastnacht, die hei- 
lige Hauschlacht und die heilige Kirchweih, ln dem Verzeich- 
nis der mundartlichen Wörter fällt die starke Beimiachiing 
hebräischer (acheln, Häwwach, Zores u. s. w.) und frauzbai- 
scher (matljascb, hussjeb. wuHewuh u. s. w.) Wdrter auf, 
waa sich durch die zahlreichen Juden der Walz und die 
zeitweilige Zugehörigkeit zu Frankreich erklärt. 

Richard Aodree. 

Sveiiges Innd och folk. Hiatorisk-sutistiak handls<k pä 
offentligt itppdrag utgifven af Gustaf Bundbärg. IX 
u. 10*28 8. Stockholm. P. A. NorsUwIt und Höuer, 1901. 

Zur WcltauKatellung in Paris 19v0 bat jeiles der drei 
iiordin'hen Reiche eine oftiziclte Publikation «racheinen 
lajoen, um ein Bild der Kulturentwickeluug des Staate« im 
19. .lahrhundert zu geben. Für das auf Hchwe<len Iteznghche 
Werk war durch Keichstagsbeschlufs von 1898 die F<inn 
eines Htaitstischen Handbuches der Kultur- und Krwerbs- 
verhähuisae vorgeschrielten , dessen Ausarbeitung unter Lei- 
tung de« König!. Htatisl lachen Zentralbureaua erfolgt ist. Die 
■chweKlisehe Au«gat>e erweist sich für uns inhaltlich als eine 
wahre Fundgrulä*, und der Herauagelwr bat e» mit bewun- 
dernswertem Geschick ven*tau«len, die bei der weilgehendeo 
Arl>eitsteiltiug «ich ntitwendig ergebendon riigieichmärsig- 
keiteii und Wiederbotungen, wie sie oft in so entstandenen 
Werken sich Hnden, ausr.umerzen. 

Das mit «tatistisclien Karton und Diagrammen und Illu- 
siratiüiien splendid ausgestattete Werk besteht aus zwei 
Teilen. Der erste Teil enthält Dnnttellungen über die phni- 
kaliache Geographie (OberHächenbildungen und Bewäsaeninga- 
syateme) von G. Aiidersson, Klima von X. Bkholm, Qe«>- 
h»gie von K. Krdmanti, Pflanzengeograpbie von A. Nils- 
son, Tiorgoographie von T. Tullberg), das schwodischc 
Volk (Goschiebte von F>. Sveusen, domographische Verbftlt- 
nisiM» von 0. v. Friesen, Volkscborakter und soziale Ver- 
bältnisB«), 8taatsv<irfa>«uug und Verwaltung, rnterrichtswesen 
und Geisteskultur, l^r zweite Teil ist den wirtacliaftlichen 
Vcrhältnisaeu gewidmet. Nachdem Prof. P. Fabibeck eine 
üliersicht über das Erwerbsleben in Hchweden gcgelwn hat, 
folgen ausführlichere Darstellungen über Ackerbau und Vieh- 
zucht. WaldwirUwbaft, Jagd und Fischerei, Bergbau, Indu- 
strie, Ilatkdel, Hchiffahrt, Verkehrswesen. Rank-, Kreslit- und 
VemicherungsHiistahen, gewerbUebo Gesetzgebung, Arbeiter- 
gesetzgfbung und soziale Htatistik und die damit in Verbin- 
dung stehenden Verhältiiism*. 



UiDsicbtlich der Olwrtlächengestaltung unterscheidet Gun- 
nar Andersson 1. das Huchland und Oobirgsgebiet Ober- 
wbwedeiis. aus drei Gürteln, den) des Gebirges und der 
grofsen H«en, dem der Moränon- und Humpfgebiete und dem 
der Meeresablagerungen lie»tebend, 2. da« mittelschwediM'h« 
Tiefland, X da« Hochland Bimiland, 4. die Ebenen 8<'hwedena 

Auf den 447 8ä2i)kui Hchwedon« wohnten Ende 1^99 
5097 4u2 Kinwoliner (1751 180287» und 1805 4114 141 Ein- 
withner). I'nter diesen waren 20000 Finnen, 7000 Idippen 
und etwa 20000 Angehörige anderer Nationen, während über 
S50000 Hchw'eden in Finland, etwa lOOOOO Hebweden im 
übrigen Kun>pa und Diehr als 1'/, Millionen in Amerika 
wohnten. Am dichtesten bevölkert war Malmöhus l^iin (64 
pro ijuadratkilometer), am dfinnsten NorlxHtens Län (l Ein- 
wohner pro Quadratkihmteier). 

In deinogmpbischer Beziehung wird Hcbwe<lea in drei 
scharf vonHuauder gehinderte Gebiete geteilt: 1. das östliche 
Südachweden mit zahlreichen frühzeitigen Kheschliofsiingon. 
aber geringer ehelicher Fruchtbarkeit und einer groüiBn An- 
zahl unehelicher Geburten, hoher BterbUchkeit, gr«>fser Belbst- 
mordfrequenz, niedrigem Nati\ität«ul>er»('hufs und unbecieu- 
teuder Auswanderung. 2. das westliche Hüdschweden mH 
wenigen späten Ehnw-hliersiingen, aber hoher ehelicher Frucht- 
barkeit und einer geringen Anzahl unehelicher Geburten, 
mäWger oder niedriger HterbÜchkeit, niedriger HeUwtmord- 
fre^iuen/, gri'ifstenteils hohem Nativitätsübcrscliuf* und starker 
Auswanderung. 3. N<irdschwoden mit mäfsiger Heiral*fre*iuenz, 
gmfser Fruchtbarkeit, wenigen aufserehelichen Geburten, 
niedriger Sterblichkeit, sehr hohem NativitätsttberschufB und 
unl>eträcbtlicher Auswanderung. 

Früher wurde allgemein angenommen, dafs die Ein- 
wohnerzahl Schwedens vor dem schwarzen T«k1o um 1350 
mehrere Millionen betrug. Die.se Annahme iat jetzt als un- 
richtig erkannt. Die Hevöikerungsschwankungen zeigt fol- 
gende Tabelle: 



J.hr BevSlkeninKraahl ' Jahrlichor Zuwach» 

, Im ganzen pro MÜJf 



1570 


900 000 






1850 


1 225 000 


4iHi3 


8,86 


1700 


1 465 000 


5 200 


3,66 


1720 


1 S5U0U0 


— 8 750 


— 4,75 

(der grofse aor- 
1 diacbe Krieg) 


1755 


1 878 000 I 


1 15 0H6 


' 9.46 


1815 


2 465 UOO 


9 763 


4,54 


1865 


4 099 000 


32 680 


10.22 


I9UU 


5 1 40 OOO 


29 743 

l 1 


6,48 

1 



Der Bevölkerungszuwachs ist nicht in allen l,«ndesteilcn 
gleicbmäffig gewesen, ln älteren Zeiten, da die Verkehrs- 
mittel uuv«»nkomnieit, die Grenzen zum Teil schwer zu pas- 
sieren waren, entsprach er annähernd dem Überachuf« der 
Geburten Uber die T«xlc«fälle. Durch die ungleiche Inten- 
sität der Auswanderung und infolge der gesteigerten Bo' 
wegung von einem Landesteite zum anderen ist die Bevotke- 
rungsvermehrutig recht ungleichmäfsig in den einzelnen 
Gebieten, in deu ausschllefslich liaiidwirtschaft treilienderi 
Gemeinden Hüdschwedens läfst sich sogar eine Abnahme kon- 
statieren. Unter den I7t>4 Landgemeinden iu Gfitalnnd hatten 
1695 nur 510 eine gröfsere Bevölkerungszahl als 1870; in 
1194 gröfstenteils kleinen Gemeinden liatte die Zahl alig»- 
iiommeu. Um so gröDier ist der Zuwachs im Nemicn, in 
,8chwedcns Nordamerika“. 1751 w«ihuten in Norrlnnd nur 
8,2« l*roz., 1865 aber 12,22 Proz. und 1899 10,59 Proz. der 
Ikvidkorung Hchweileus. 

Unter der geographischen Brette von Alaska liegend, 
sU'ht Schweden hiiudchtUch der mittleren Bevölkeruugadich- 
tigkeit (11 Einwohner pro (Juadrutkiloineter) In Europa (4n 
pro Quadratkilometer) an drittletzter Stalle vor Norwegen 
und Finland. Im nordwestlichen Teile, in einem 12700u<]km 
grofnen (iehiete, da« 30 I*roz. de« ganzen lindes umfar«t, 
kommt noch nicht ein Einwohner auf den Quadratkilometer; 
aber gerade hier ruht der Krzreichtum Hcbwe«1en«. so dafs 
hier ein l>eträchilicher Zuwachs schon zu verzeichnen und 
zu erwarten ist. In Malmolius I«än und in einigen Teilen 
vom «eidlichen Hcboneti lirträgt die Dichtigkeit 50 pro Quadrat- 
kilometer (eiiischliefsUcb der Htädte 8U und darüber); be- 




366 



Klein« ?faehriehten. 



w>nder* l>««cht4»n!iwert Ut die dichte Bevi>lk«ninHr b«>i Hund*- 
vaU in Vefter NorrlAml I^tiu , dem HauptMUitfuhrhAreu ffir 
Hchwedif‘chi'8 Holt. 

Die Bterhlichkeii erroicUtc iui .Tnlirxehnt bi* 

nar jährlich 1A.49 pru Milte, die nie>ilriK*U‘ hixhcr in Kur<jpA 
beobachtete Zinfer. Hie bleibt für jede Altorsiin'uppc zwischen 
15 bis 75<lahreu um etwa 25 Proz. hinter dem i>uri'hAchnitt 
für Westeuropa zurück. Die mittlere Lebensdauer für das 
tuiU^lMreu« Kind stieg von 5S,2i> Jnbren für 1755 hU 1775 
für da.* Jahrzehnt bis IS^i auf durchschnittlich 50,02 

Jahr«, für die BUdte auf 43,5^ Jabro, für das platte l4tud 
auf 51,5$ Jahre. A. Loreuzen. 

Kmil Deckert: Orundzütte der Handels* und Ver- 
kehrsgeographie. Dritte Auflage. I«ei|ncig, C. K. 
l’oeschal, 1002. l’nds geb. 4 Mk. 

Der Name .Handels- und Verkebr»gtH>gTHphie* giebt 
leicht zu Irrungen Anlafa. wenn er im alt hergebrachten, 
alter falschen Kinne gleich .Wirtschaftsgeographie* gesetzt 
uirtl und also die Produktion ebenso gut wie Handel und 
Verkehr umfassen will. Decker« Buch will «ine VrirUchaf«- 
geographie sein, indem «da* Hauptgewicht auf die Natur* 
vorhSltniiwe der iJinder und Meere, sowie der Ortschaften“ 
gelegt winl, und .die Produktion** und Kunsunition*', sowie 
die liaudels und Verkehiwverhaltnisse* «im Zusammenhänge 
mit den allgemeinen Kulturverhältnisseu soviel als möglich 
daraus al>g«l«itet' »'erden. 

Um es gleich vorauazuschicken , so sind nach meiner 
Ansicht in Jicc-ker« Buch die uatürlichon Faktoren der W'irt- 
■<c.hAft vorzüglich, zuin Teil meisterhaft hehandelt. wahrend 
die Schilderung und Ableitung der Winschuf«varhnltnisse 
daraus sohr zu kurz g<*komineii sind. 

Da* Buch zerfullt in «inen allgemeinen Teil (S. l bis 56) 
und einen spuzieilen Teil (Europa 8. 56 bi« 241: Asieu 243 
bis 374; Afrika 274 bis 297; Amerika 296 bis 656; Australien 
.'156 lus 366). ln dem ailgemeiueu Teile, der die AtmOBohUre 
(8. 1 bi* 3), die Meere (S. 3 bis 31), das fente I^nd (8. 31 
hi* 56) behandelt , winl nur zum Teil , wenn auch zum 
ghifaten Teil, die geographische Verbreitung der natürüchen 
Faktoreu der Wirtschaft geschildert, während einzelne Ver- 
bAltiiin«^. wi« die vertikal« Giiedenmg und die Bewä»MTiiiig 
der Eniräum«, nur in ihrer allgeineinen BtHieutung für die 
Wirtschaft gewürtligt werden; die gongraphischc Verteilung 
dieser Faktoren dndet «dch im siwricllen Teil bei dun ein- 
zelnen Enlteüen behandelt, und an dieser 8Udle hat man 



überhaupt die eingehende Erörterung der natürlichen Ver- 
hältnitNi« zu suchen. An deren breite 8<'hild«rung knüpfen 
sich dann die aof*er»nle«illich tpftrliehen .\nga1»en ub*-r die 
l*n>dukti<>nMverhäUnisiie, Ifnudel und Verkehr. Di« Aufz<«h- 
hing der Kinze)land*chaficn mit den wichtigsten Orten folgt. 
Wogen der Kürze de* zwuiton Teiles, der auf einzeln« Ört- 
lichkeiten dor Pnaluktion u. s. w. kaum uingcht, kann 
von einer Ableitung aus dem so vortrefflichen ersten umfang- 
reichen Teile schwerlich die Bede sein. 

Die Wirtschaftageographie ist noch sehr jung, und es 
wird noch mancher Versuche und Vorarbeiten (die fast (^nz 
fehlen) bedürfen, uni zur richtigen Behandlung de« Ktoffe« 
zu gelangen. Deckerta Buch steht wohl an der Spitze dieser 
Versuche. Aber *ler Keferent kann «ich mit der ganzen 
l'rf>grainms(«lhmg nicht «invcrstHtiden «rklnrcn. Die Auf- 
galH' der Wirtschaflugeographio (und ent.<prt‘chond der H>in- 
dubgeograjihio im strengen Binne) ist doch die Betrachtung 
der Wirtschaft (bezw. des Handels und Verkehrs) 
als einer räumlichen Erscheinung an der Erd- 
oherfläche. die zu schildern uud au* den als Ob- 
jekt der Wirtschaft zu betrachtenden Natur- 
verhältnissun und dem wirtschaftenden Subjekt, 
dem Mentchen. zu erklären ist. Daltd wird in der 
.ABgcmeinen WirtAchaftxgeographie* zu UDtci>uchen «ein, 
welch« Bodoutung di« au* den betreffi-nden Di»zipliuea zu 
übernehmenden Faktoren der Wirtschaft ; Lage, Klima. Ikxleu, 
Pdanzeu, Tiere einer-, die Menschen andererseits für di« 
Wirtschaft hab«n uud wie sich jene und diese über die 
ganze Erde hin verteilen. 

Der „B|ieziellen Wirtschaftsgeographie* wird die Auf- 
gabe zufallon, die Wirtaehnft der einzelnen Krdraum« und 
ihrer Teil« (soweit wirtschaftlich zusninniengefafst : StaaU-ti) 
zu schildem und Produktion, Handel und Verkehr aus den 
natürlichen VerbiUtui«Mm abzulejten 

]>8ZU sind schliefslich auch die Unterschiede in der 
Dichte der Bevölkerung (die cbensü wie Quelle auch Erfolg 
der Wirtschaft ist), für welche die Wirtschaftsgctigraphi« die 
alleinige Erklärung bieten kann, uud di« Verteilung der Be 
vülkeriiug in Hiedcltingen, für welch« sie die weseutHchcteii 
Gesichts]iunkt« hergiabt, zu l>«hand<:ln. 

Di« natürlichen Verhiiit4>i*Me der Enlräumn sind danach 
nur heranzuziuben zum VerRtündDis der räumlichen Ver- 
breitung *l«r Wirtschaft, aber nicht als Belbatzweck zu be- 
handeln. DeckerU Buch ist zu ge<.>grHphi*eh. s>» zu sagen, 
zu wenig wirUchaftHgeographiach. Ernst Friedrich. 



Kleine Nachrichten. 

Atdfuck pnr mH Qu«n«aznB»be «eilAlUt. 



— Die Kntwickelungsgeschichte der Dünen an 
der WestkÜBi« von Hchleswig bildet den (iegenttanil 
einer intereasanten Btudie von ITofö**<<r J. Rcmke in Kiel 
(vergl. Hitzungfbericht« der Berliner Akademie v<tii> 6. März 
1903). Die ira Bogen vorlaufend« Verbindungsiini« der Inseln 
Köm. Hylt, Atnruui und der Halbüisel Eiderstedt stellt die 
weatiieh« Begren/uiigshiiie eines ehemaligen LaudtoUuB dar, 
welcher durch das Herviubrccheo der Mecresduton zer- 
trümmert wurde. Die Insel Sylt nimmt in Bezug auf die 
Düttcubildung insofern eine Bondersteilung ciu, ala sich hier 
keine Neubildung von Dunen vollzieht, «mderit nur eine 
Boihe alter, vor langer Zeit entstandener Dunen die West- 
küste begleitet. Bie sind von dem Meer nur durch «inen 
schmalen, gegen dru Meeresspiegel geneigten Saiidstrand ge- 
trennt. I>8s Meer ist an dieser BtoUe relativ tief, so dafs die 
Zweimeterlini» und uigar auch die Scchsmetcrliui« nahe an 
die insei berantreten. Di« Dünen der Insel Bylt «ind alte 
Dirnen , die zur Zeit ihrer Entstehung sich weiter land- 
einwärts befanden mul erst durch die nachfolgende ingruspiion 
so dicht an das Meer gemtcii sind. Eine Neubildung von 
Dünen Hndot aber hier nicht statt, weil die wichtige Vor- 
Iwilingung nicht erfüllt ist; es fehlen jene dachen, von 
Salzwasser durchtrünkten Handfelder, welch« hier den eigent- 
lichen Entstehungsberd der Dünen bilden, wi« ein Vergleich 
mit den anderen ob*>n genannten Inseln lehrt. Das .ku.s- 
gMiigsinaierial für da« erste Entstehen der Düne liildet der 
Flugsand, welcher, trotz d«r völligen Durchnässung des 
B<h1«iis, durch die vereint« au«trockncude Wirkung des Windes 
und der S<innenstrahl«n an der Ola-rflach«; jener Bandfelder 
entsteht Und bei einigunirnfscn scharfem Winde in einom nur 
wenig über dem Ibslen sich erheWnden Baiirlgeshdier Hinp<ir' 
wirl>elt uud fainzieht. Damit alier dieser Flugsand zur Ab- 
lagerung gelange, mufs eine zweite Bedingung erfüllt sein. 



er rauf« nämlich von einer Pflanze aufgehallen werden. Dies« 
K<illc übernimmt hier das Triticum (.Agropyrum) junceuni. 
ein perennierendes Gras mit kriechendem Kbizoiu, welche*, 
als typischer iialophyi, in von Salzwasser durchiräuki«m 
HandlKxlcn am besten godeihi- In dem Marse, als sich im 
Trilicumhorst« immer mehr Band anhäuD, wächst das Gra« 
nach, und so wächst die Düne in dieser ersten Entwiclo-- 
lungspha»« bis zu einer Höhe von l'/«m, ausnahmswei«*- 
sogar bis zu 3 bis 3 m. Dann tritt eine andere Dänenpflanze 
ihre Herrschaft an, die viel kräftiger vegetierende Psamma 
(('Hiamagrostls) arenaria. welche salzfreien Flugsand aufsucht 
und die vrm Halz durchtränkten Handfelder meidet. Auf der 
bis auf l\m hei-angewach»eneti Düne vermag die viel 
dichter und höher waebsendf Psamma das Triticum junceun) 
um si» oller zu veriirängcn , als für diese« dor Htandort bald 
zu tn>ckcn uud, infolge der Auslaugung durch Begeuwaaser. 
auch zu snltarm winl. Di« Iwidcn dünvubildcnden Pflanzen 
schliersen sich so gut wie vollständig aus. ln ihrer zweiten 
Eutwickelungsphaae. dem Psammasladiiim. wächst die Düne 
viel rascher und erreicht bald eine Hobe von SOm- Und 
nun unterliegt die fertige GrafKlüiie einer ganzen Beibc wei- 
terer rmbildnngpn; der Hturm reifst die Ps^unmahorste vim 
ihrer Uiiterlage los. oder öber*ehütt«t sie mit einer so mäch- 
tigen SandM'hirht, dafs die i’saniniabalme sie nicht zu durch- 
wachsen vcniiögeo, oder endlich er bläst so viel Sand hinweg, 
dafs di« Psammawurzelstöcko freigelegt werden uud ver- 
trocknen. K<» «iitstehl die kahle Düne, die, wenn sie nicht 
künstlich mit I’Bamma arenaria angopflanzt wird, zur 
Wamlerdüne priuleAtiniert Dt. Die tiramtiinu kann rieh aber 
auch in eine lleidedüne uniwandelii. indem namenüich drei 
lleidfptlaiizeu, die Zwergweide (Halix repens) die Kauschl*eere 
(Empetrum nigrum) und das Heidekraut (('alluna vulgaris), 
gewöhnlich von der l^eeseit« heraufziehend einen riegreich«u 




388 



Kleine Neohriobten. 



tunA-'«en. die jed<*ch leer isl> und iliexer )H?fremd- 

Ucbe ITjiixiAiid VHmnl^r)?t unK, endlich «iniual Öffentlich auf 
die Ha4’he xuriickssukomiueti. Vi'enn Achtm die GnsellAchaft 
ihre Karl Ritter-Me<latlle fnr heutige deuu«he Afrikareixendc 
aLa ungeeb^et betriM'htet, so hat sie ja die Xachtigal-UedAille, 
die vor einigen Jahren von Krupp in emier Linie für die 
deutst'ben Afrikaner geeliftet worden iit, die »t»er — wir 
glaulieu uns nicht zu irren — bisher nur ein eiurigor, iiüm- 
tirh Hauptmann Kainsay, erhalten bat. iiwnr ist die KoUk 
nialforacbuiig Sache des Ueiebs. und die lierliner (ieseUscheft 
für Krtlktiiide ist eine preursiache wissenschaftliche Kurp<^ 
ratiuu, die auch nur vom preofHisebeu Staate dotiert wird: 
trutxdeiu sulite die letztere die erster« an ihrem Teil und 
auch in der Weise fördern hülfen, die in diesen Bemerkungen 
angedeutet wurden ist." 

— Bis wie weit in der hiftorischen Zeit xurdek der 
LOwe in Griechenland nachweisbar sei, erörtort A. B. 
Meyer (Der zoolog. Garten, Jahrg. 1903). Verfasser halt 
cs nicht wohl für liezweifelhar, dafs es zu llerodote Zeiten 
in dom von ihm bezeichnoteii Gebiet noch Li^wen gab, und 
nicht für unmöglich, dafs alte I^Oweudarstellungen in Griechen- 
land nach dem Iicbeu niigefertigt sind, und zwar zu ein*'r 
Zeit, als daa Tier noch wihl dort war. l^wi« ist freilich 
anderer Meinung. Ks handelt sich aber bei der BeurteiUiug 
der ältesten histurischeu Zeit immer um mehr oder minder 
subjektive Ansichten; gelöst kann die Frag« nur werden 
durch das Auftiudeu von recenten Jä^wenknuchen unter 
einwandfreien l'msiänden, wozu aber wenig Aussicht vor- 
handen ist. JedeufalU dürft« es augezeigi sein, in Zukunft 
bei Ausgrabungen alle Tierknoehen gewissenhaft zu sammeln 
und einem sachvervt&ndigcn Beurteiler zu unterbreiten. 



— Karl Domin weist in seinem zweiten Beitrag zur Kennt- 
nis der Bhanerugamenftora von Böhmen (Kitzuiigslier. 
der köuigl. böhmisch, (iosellsch. der Wissenschaft, zu Frag 
19ÖU;ikö^) nach, dafs die pontisch-pannonischen Typen viel 
Weiter südlich reiclten, als mau bisher aunahni, und dafs 
uych im Walügebiet des Brdygebirgc« auf geeigneten Htand- 
orten zahlreich« wärmere oder sogar poniiacbe Arten vor- 
kimiinen. ähnlich w-ie in dem südlichen Muldauthale, das 
eine ausgeprägt wärmeliebende Vagetation beherbergt. Die 
punGscheu Klemente verbreiten sich noch in der Jetztzeit 
nach Nordiwten, das böhmisch-mährische Plateau stellt ihnen 
keine natürliche Grenze. Diese Eindringlinge können auch 
nicht oinem niedlich von den Karpathen herntchunden Htruine 
angchoren, denn wie könnten Htandorte solcher politischer 
PHauzen in Böhmen erklärt werden, die in dieser nördlichen 
Zone nicht Vorkommen, und die auch von Osten nicht ein* 
wandern konnten, weil si« dort «b«u gar nicht vurkummen? 

— Die Mögliehkoit eines einstigen Zusammen- 
hangs von Sachalin mit dem Kestlnnde streifte Char- 
les H. Hawes in einem Vortrag vor der Edinburger geo- 
graphischen Ocsollschaft (abgsdruckt im Aprilheft de« »Scott. 
Oeogr. Mag.*). Die Handbänke an der Mündung des Amur 
und im Korden und Huden der Tatarischen Htrafse lugun 
der Schiffahrt gri>f»e Schwierigkeiten in den Weg, und das 
Fahrzeug, das Hawes benutzte, morste mit halber Geschw-in- 
digkeit und mit dem Anker in BereiUchaft segeln. Die 
Htrafse ist an einer Stelle, xa'ischeii Kap Lazarew und Kap 
Pogobi, nur etwa 8km breit, uud v* erscheint möglich, dafs 
eine Landbrücke beide Kap^ verbunden hat, »o dafs Sachalin 
eine Halbinsel war. Die (tiljakun erzählen eiu« Sage, die 
das rnterstnken jener laindverbindung reibt. Ein« 

ähnliche Obertiutung, die weiter nördlich stnttgcfunduu hat 
uud hlsiurisch ist, uurde 1813 von Peter lK>boll beachrieben: 
V» war das der Vorgang, der die Htadt Ochotsk zur Insei 
machte. Die sonderbare Mischung subarktischer und sub- 
Ln)pischer Ptianzen und liere auf Sachalin scheine jene 
Theorie zu stützen; denn in der Antediluvial-Periode dürfte 
der Kuro Siwo, die wanne Htr»mung des Ostens, die Küste 
der Primorsk und Weat-Hachalins ungehindert durch die 
kalten, aus Noixleu kununendeu Str«^roungen bespült haben, 
die ihn jetzt zurnekhalten. Die Form der alluvialen .\bl]i' 
gerungen in» Norden des Trichters der Sirafse scheine eben- 
falls zu Gun.sten jener Hypothese zu xprechen. 

— Den Flächeuinhalt Europas set/.t v. Juratrhek 
(8tati:itiache Honutshefte, ‘i9. Jahrgang 1903) mit der Bevöl* 
kerung ln Vergleich. Die Verbreitungsgebiete mit den grofsen 
DirhligkeiUzahlen von mehr als 90 Kinwohneni auf den 
(JUHÜratküometer tindeu sich dicht gedrängt auf dem breiten 
Landstreifuu , welcher sich von Sizilien durch ganz Italien 



bis in die poeben«, dann nach ll'berspringen der Alyieu von 
den nordwosllichoii Kantonen der Schweix, durch die Khon 
entlang über ganz Belgien und die Niederlande i;uer durch 
England bis Liverpool erstreckt. Von diesem Streifen grivfster 
Di^tigkeit zweigt sieh in Deutschland ein Ast ab, der Ver- 
waltungsbezirke gleicher llichtigkeil in nahezu gesebbjewner 
Keihe umfafst und sich über Hachsen, Hchlesien, über das 
ganze nördliche Böhmen, Mahren uud OsteireirbiKh-Schiesieii 
bis Westgalizien und nach Hussisch-Polen erstreckt, wo die 
zwei einzigen Gouvoruemeote d«s ZnreureicheH mit mehr als 
100 Einwohnern auf den yuadralkilometer im Zuge dieser 
Zone Hegen. Aui'serhalb dieser Zone giebt es nur Verwal- 
tungsbezirk« mit mehr aU 90 Einwohner auf den Quadnit- 
kilumeter vereinzelt oder eingeeprengt. Dio Gebiete mit 
Dichten von 60 bis 90 Menschen auf den Quadratkilometer 
dnden sich zwischen den ersteren Htelleii ciugeaprvogt und 
l^ern in grorsen Massen westlich und ösUich von den ge- 
schilderten I.andsireifeu. lUugs uni diese sich allseitig ver- 
rtaclicnd« Zone mittlerer Dichtigkeit lugoru sich iu breitem 
Gürtel VerwaltUDgMgebicte mit IHehtigkcUszahlen von 11 bis 
60 Menschen. Weniger als 10 Menschen auf den Quadrat- 
kilometer loben , abgesehen von einem kleinen Bezirk iu 
Bosnien, nur im nöi^licheii Verwaltimgagebiete von Hvhwo- 
deu, Norwegen, Hchottland und Kurslaud, wie iu viuigou 
Gouventements im südöstlichen Zarenreich, auf Island uud 
den Färiierinieln. 

— Die ftufsersteu Greuzen des Ackerbaues in 
den Polarlindera. Auf dem Kongrefs für Landwirt- 
schaft, welcher neulich in Ht. Petersburg abguhalteu wurde, 
hielt N. L. Hkalosubow' «tuen Vortrag ülwr das gcDHimt« 
Thema, winl gewöhnlich nngenommeu, dafs nördlich 

von 00* Dördl. Br. das Getreide nicht auszureifeu vermag- 
Es stellte sich alter hemus, dafs auch writer nördlich Ge- 
treidebau getrieben wird. Ho waren die Atiltativersuch« mit 
Winterrttggeii uud S«»mmerweizeD, die von einem Pfarrer im 
l>orf JugHDsk (Kreis Hurgut. Gouvuruement Tobobk) unter 
«I* nördl. Br. uud 73*40* östl. L. unternommen wimlen, von 
solchem Erfolg gekrönt, dafs er sogar eine Windmülile baute, 
um das Kom selbst zu mahlen. In einem W'ogulamiurf Maaau 
unter ä|* n>irdl. ilr. an dem PelymHurs konnte ein Bauer 
sein Ackerland immer mehr erweitern, so dafs er gogan- 
wärtig nicht nur den eigtuieu Bedarf seiner grofsen Familie 
decken, sondern in guten Flnitejnhren noch Kom verkaufen 
kann. Bei BeroMiw uuter 83*64* nördl. Br. wurde ein An- 
Itauversuch mit Roggen gemacht, detiseu Resultate durchaus 
gnn-«tig ausgefallen sind- Noch weiter nönlllch. unter «4*13* 
iiäcte elu HyrjaiKT mehrere Jahre hiutereitmnder Geräte. 
Roggen und Hafer und erntete das Fünfzehnfache der Saat- 
menge. Endlich ist noch zu erwähnen, dafs der Gemiisebau 
bis zu den äuisersteu Grenze»» der ruarischeu Ansieiteiungeu 
verbreitet ist; auch in Übdorsk unter 06*31* ist seit 1894 
der Geiuüsabaii in langsamer Eutwiekelung begriffen. H. T. 

— Hautrath tritt in der a.\llgemeinen Forst- uud Jngd- 
zeitung* (79. Jahrgang 1903) der Frage näher; Welche Auf- 
schlüsse gelten uu!( die Ortsuamen Badens über di« 
früheren Bew aldungsvurhäUnissey Heute halten sich 
dort l.<aub' uud Nadelholz so ziemlich die W'age. Von den 
810 Ortsnamen, die von Uulzarten abzuleiteu sind, deuten 
aber nur 11,4 Proz. auf Nadelhölzer hin. In den'Flur- und 
WaltlnamuD sind rie bis zu 'iO Proz. vertreten, alter viele 
dieser Bezeichnungen sind nachweislich erst in» 18. oder 19. 
Jahrhundert entstanden. Eiche und Buch« kommen sehr 
viel häutiger vor. als Jede andere Holzart. Hpezie.U im 
Hchwarzwald, der doch scinou Namen dem dunkeln Grün der 
Tannenwälder verdankt, treffen wir nur ■Ämal di© Nadel- 
hölzer, alter Homal die I^aubhölxer in den (<rtsnameii; in 
den Flur* und Wnlduamen stellt sich das Verhältnis wie 
8:7. Im nördlichuu Baden, dem Odenwald u. i. w, fehlen 
die Nudelhölzer iu den Ortsnamen gänzlich, in den Wald- 
Und Flurb'zairhnuugen stehen 97 Nadelholz- 44*J Laubholz- 
namen gogcuöbor. 160 Namen weisen direkt auf Koiiung 
hin, nur zwei lauen sich von ihuei» aber über das Jahr UK)U 
zurück verfolgen. Im ganzen ergab die Auszähluiu' der 
topographischen Karte B^eus 14Kt<0 Flur- und I 08 S 1 Wald- 
nainen. Von oraleren Imrsen *J60 auf früliere Hewuhluug 
schliefsen, und man geht nicht fehl in der Annahuie. dab 
18 I*r»'Z. der heute urbaren Fläche früher sicher Wald dar- 
stelUoji. Aber auch da* umgekehrte Verhältni* findet sich 
j zuweilen. 16 .\a*iedelung«n, deren Namo mit roden oder 
I achwciiden zu*ammeuhängt. sind wieder eiugegaugen. lOH 
j WHlünamen liosngen, dafs das Gelände früher urbar gu- 
. wesen ist. 



Wrantwvrtl. Itedskteur: U. Singer, Berlin NW. 6, ScbifflMuerÜHiiim 26. — - Druck; Frlcdr. Vieweg u. Sohn, Bnunschweig. 




Kleine Nachrichten. 



387 



Kampf mit der I’naimna nufnehmen. Auch alt«, mit Koid«* 
krüuteni bewachsene Diiiien höimcii zuHeileti durch Aus* 
wehnti kahl werden, dann ist der KutwickeiiitiKiw^^kluti; 
Orawlduc, Heidedime, wdfm* (kahle) Hüne. 

— Pan Klima Kanadan. Jm Februarheft von Hymon»’ 
•Met«<>rolOgical Magazine“ bespricht K. F. Ktnpart, der 
Pirektor o^ea kattadiscbcD meteoroln^icchen PieiisteH, da» 
Klima Kan.a<las und räumt mit der alten AnachauuuK auf, 
ala wäre Kanada ein auRierordentikh kaltes Land- Kin 
irnifser Teil Onuricm lieg^ — , bekanntlich* kann mau in 
diesem Kalle kaum sagen — in der Breite Hudfrankreichs, 
Toronto sndltcher als Florenz und das Küdende von Ontario 
südlicher ahi Rom. Mit Bezug aiif Vancourer bemerkt 
Htupart, dnft der Hegonfall an der exponierten Wesikfiste 
*.!&00mni ül>«rsieigt, in den östlichen Teilen aber nur die 
Hälfte da%'un beträgt. Pie mittleren Monat-«- und Jahres- 
tomjMjraturen entsprechen sehr genau denen in einzelnen 
Teilen Knglands : die Sommer sind «b»-nso lang, und «trenger 
Fntst kommt kaum jemals vor. Auf dem gegcnüU^rliegemTeit 
Featlande ergaben die Beobachtungen auf einer 110 km land- 
einwärts t>e|egenen Yersuchsfarm als mittlere Temperatur 
des Januar 0,5* C. und des Juli lä* C.; die beobachtete 
niedrigste Temperatur betrug — -J5* die hftcUste Sä* C. 
Weiter östlich sind die iSommer wärmer und die Winter 
kalter, doch ist helle.s, trockenes Wetter die Regel, ln den 
l'räriegebieten sind di« Winter zu Zeiten sehr kalt, die Luft 
jedoch ist trtic-ken. eine Tom|>er»tur von *i0* bereitet keine 
Unbcsiuemlichkeiteii, und früh im 51ai sind die Frärieen mit 
Bluineu geschmückt. 

— Oletscberspuren in Japan. Spuren früherer Ver- 
gletscherung in Japan waren bisher nicht bekannt, so dafs 
man aiinehuicn uiufste, es hätten dort niemals HIctacher 
existiert. Pr«tf«*sor Yamazakl in Tokio ist von joher anderer 
.Ansicht und tiberzeugi gewesen, Hpureu früherer Thätigkoit 
des Kistrs mür«ton sich irgundwo in Japan tinden. und unlängst 
glaubt er denn auch, wie in aBcience* vom ‘27. Februar 
uiitgeteiit wird, solche entdeckt zu haben. Wahrend er die 
llidnkelte in den nordwestlichen (iebiegen der Uauptinsel 
durchforschte, stiofk er io einer Meereshöhe von ii9tK>in am 
Abhang von Hhira-L'iiiaga-Take auf Kisfurch^n und -Kcbrani- 
men. Ähnliche Spuren fand er weiter unten in dem Thal«. 
F]in merkwürdiger Zufall fügte es dann, dafs ein paar Tuge 
si>ät«r ein anderer japanischer Gelehrter au der näiiilichen 
Stelle eine Flora von alpinem Typus entdeckte. 

— Über die geographische Verbreitung der 8ae- 
oUer und der BärenroM»« verüffentiieht A. K. Alfthan 
in den Mitteilungen der tinisobeu geographiwhen Iresellschaft 
für 1901 bis 1903 eine Abhandlung, der folgendes entnom- 
men wi: Pas Feil der Seesitter (Knhydris marina) wunle den 
Itussaii gegen Knde des 17. Jahrhunderts bekannt, als sie 
K.amtscliutkH erreichten. Ks wurde im If. Juhrbuiidert vor- 
zugsweise nach China verkauft, da-s Tier sellwt alter infolge 
unvernünftiger Sacbsteilung aus Kamuchatka und den Com- 
mander-Inseln nahezu ausgerottst. In den Aleuteu, in Alaska 
und an der Nordwo-Uküste Nordamorikas fanden dann die 
Kassen m-ue ergiebige Jagdgründe, die aber auch so unver* 
miuftig uuBgenutrt wunlen. dafs heute die jährliche Auslieute 
nur 400 Felle beträgt gegen 10 000 bis 15 000 um die Wende 
des 19. und 19. Jahrhunderts, und dafs das Tier in naher 
Zukunft völlig ausg«iturlHm »ein wird. -» Pie Bärenr(»bb« 
(Otaria undna und ArcU>cepbulus anstralia) ist für den I’elz- 
hamlel viel wichtiger als dis Heeotter. Ihr« Hrutplätze, so 
meint man, liegen auf vereinsamten Inseln im südlichen 
Facidc und in der Antarctis, von wo sie an der nustraiischeu 
Küste in das japAnische Meer und nach den Coniuiander- 
und Prybiloffinselti waiiÜHrn. Wert gewann das Fell auch 
erst, als die Hussen im 18. Jahrhundert dafür einen Markt 
in China fanden. Koglisch« und amerikanische Jäger traten 
mit ihnen in Wettliewcrb, mUeten alles aus, und so ver- 
ödeten <li« südlichen Jagdgründe. Auch die Jagdgründ« im 
tiönllichcn I'aoHlc und in der Behringstrarsc litten schwer, 
bis I84‘J die russisch-amerikanisch« Kompagnie befahl, dafs 
nur Männchen im Alter von 9 bis 4 Jahren gcti’ttet werden 
sollten: mfuigedesseu stieg ihr« Zahl so, dafs sie in den 
70er Jahren allein auf den Frybiloffinsaln auf 4 7ooiK>0 
geschätzt wurde, wovon nacli i^liereinkunft mit der Alaska 
Cumnicrcial (Vuuimny jährlich nur lOOOuo jung« Alämtchen 
geOitet wurden. Auch auf den Command«r-In»ehi nuhnien 
di« KArenrobbon zu. so dafs dort in den 7üer und HOer 
Jahren 50000 Felle jährlich gewonnen werden konnten. — 
Bis dahin hatte man die Kobbe nur am lAndu gub'>te(, mit 
R«-giun der 90er Jahre aber jagten Schifte aus Victoria 
(Britiscb-t'olumbia) und San Francisco sie auch auf i>tTener 



Kee. Zur Mannschaft gehörten ludiMner. dio den «'hlufenden 
Tieren mit S|ieeren nHchstelltcn. Kin« Fidge davon war. 
. dafs den im llerbsl nach Süden wandernden Koblieii gri>fser 
Schaden zugelügt wimle, und so verlxd 1987 di« Regierung 
der Cnion diese Art der Jagd im Bebringsmeer, und ameri* 
kanÜM-.he Kutter nahmen einzelne kanadi!w.he Schiffe, die 
dagegen verstiefsen, fort. Fis entstanden deshalb dijdoma- 
Usc-h« Auseinanderaetzungeii, die dahin ftihrten, dafs die An- 
gelegenheiten 19H9 einem Pariser Schiedsgericht vorgelegt 
wunltt. Pie«(Hi traf Mafsnahmeu zum Schutz der Tiere, die 
Erfahrung bat aber gelehrt, dafs sie nicht zum Ziele geführt 
haben; denn sowohl auf den Brutplätzen wie im offenen 
Meer nimmt die Räreuntbbe erschreckend ab, so dafs ener- 
gischer« Sf-hritte unternommen werden mUfsten, um ihr Aus- 
sterWn zu verhiudern. 

— Pon Ursprung der Marsehländereieii im deut- 
schen N'ordseegehiete nahm U. Oruncr als Objekt seiner 
,KaiseiTeile* (I^andw. Ilochachule Berlin 1903). ln Urzeiten 
verbreiteten sich daselbst Hchichteu der Tertiär- und Kreide- 
formation, in ihrem Untergründe ~ wie durch Hebungen 
auf der Insul Uelguland und an mehreren Punkten Hchles- 
wig-IIolsiein-s na di« Ob«.-rtläche gebracht — solche des Bunt- 
samPteins nnd oberen Zech«teias. Zu Beginn der Püuvial- 
zeit wunlen die kalkigen und thmiigen Glieder der Kreide- 
forination, w>wie der Bande. Glimmorthone und Brauakuhleii 
führenden I«cUeu des Tertiär« durch das zuerst von Nonien 
vurdriugf-nd« Inlandeis zerstört und in anderer Form wiislcr 
abgelagert, wobei nordiw'he Geschiebe in allen Gn^rson -«ich 
in südlicher und südwestlicher Richtung ausbreitutun. Pieser 
ersb*ii Verei-iimg mit nachfolgender Interglazialzeit sind dio 
stark mit tertiären (Juarzsanden ve.rmengten unteren t»nde 
auf Sylt und die im I.ieg«'nden dersollien auftretenden Glim- 
murtliune, wie unter anderem der auf dem IkHlen des Nord- 
hafous zu Helgoland verbreitete Töck zuzustellen. Pie jener 
Periode Rdgende zweit» Hauptvereisuug brachte den gelb- 
lichen und rötlichen Goschiebelehm der roten Kliffs auf Sylt 
und Amrum zum Absatz, der, wi« di« hierher gehörigen, 
bisweilen hart an die Norxiseeküste heranlrcU-iidcu , sowie 
auch di« auf der kleinen bollandiscben insei Texel vorhan- 
denen Pituvialgebilde scbliefseu lawieii, auch weiter westwärts 
auf dem Boden der jetzigen Nordsee Verbreitung gehabt 
haben mufste. Danach erneutes Zurückweichen der Glet- 
schermassen : zweite Interglazialzeit; alsdann alinmbliches 
Vordringen der Eisfelder von thited her, jedoch nur bis 
Bchlesaig- Holstein, woselbst die in N««rtUüdrichtung da« I^nd 
laug durchziohendv Endmoräne zur Ablagerung kam. Nach 
dem letzten Rückzug des Eises mögen dann di« von Osten 
herandrängendeu bchmelzwäsacr das Piluvialgehiei ilvrKordsee 
durchströmt und /um Teil zersbirt haben. Nach Abnahme 
des Wasserzutiusses «Irang von Noixien her K«ewaa«er in die 
venchiHienen Niederungen, den IbHle» mit Seesand und 
rouachelii bedeckend. Durch 8üfswa.-<ser verdrängt, bildeten 
sich bei tief«*rer I«age Sümpfe, Mi>räste, Torf, an ihren höhe- 
ren Randgebieten Walildächen. Nach abermaliger Senkung 
und zum Teil s|täter wieder teilweiscr Hüfswasserbedcckung 
orfoigtvu Ablagt-rungen der von den Strömuu berlieigefübrten 
Schlickniassen in den gesamten, von den Gestaden Hollands 
bis nach Jütland ununterbrochen sieb hin/iehenden, mit 
Ihluvialgebilden, Piinenzügeii nud Morästen erfüllten Niede- 
I rungeu. Mit wenigen Ausnahmen wurden dann alle diest- 
I Bodenmassen nach Zerstörung der KruideHchicblen zwischen 
I Itover und Calais von den herandrängenden Meereswogen 
und durch Biunnilute» zu den vorscUicHlensteii Z«dcen unter- 
waschen, zerstöid, aufgearltcitet, umgelagert und zum grofsen 
Teil« von der 8«« fi>rtg«führt, 

— Pie Berliner Gesellschaft für Erdkunde hat, 
wie wir aus den Tagesblätteru eraehon, am 4. Mai ihr 75jäh- 
riges Bestehen durch eine gröfsere FesUiehkeit gefeiert und 
aus diesem Anlafs di« Auszeichnungen für 19iil und 19U*j, 
die sie zu vergeben hat. verlieben. Hierzu erhalten wir fol- 
gend« Zuschrift, der wir Kaum geben zu müssen glauben: 
,.\n der Liste der Ausgezeichneten eine Kritik zu üben, ver- 
bietet sieh; wohl aller wird mau uns gestatten, dem schmerz- 
lichen Bedaueni unserer kolonialen Kreis« Ausilrtick zu gehen, 
dafs wiederum für keinen d«utm*h«ii Kolontalfoi'schcr etwas 
abgofalloti ist. Kühl bis ans Ht-rx hinan scheint dl« Berliner 
Gesellschaft fürKnikundc den .Miiunem gegenüber zu stehen, 
die heut« die deutsche Afrikaforschung repräsentieren, ganz 
ungleich z. Ik ihrar älteren Pariser Rcbwestergesellsrhaft. di« 
nie ihre ^Afrikaner'* reichlich zu bnieuken vergifst. Wir 
ballen eine ganz bestimmte, um die Kenntnis lange dunkler 
Teile eines unserer HchuLzgebiete hochverdient«, al«r leider 
viel zu Iteacheiden veranlagte Persönlichkeit ini Auge, di« 
iiubeilingt mit uiuer Auszeichnung hätte Ifedacht werden