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iMrbarti College iLibvaro
moM TU K HEqjL’KST OF
JAMES WALKER. D.D., LL.D.,
(Claas of 19141,
FORM RR PRESIDENT OP HARVARD COLLEGE;
*• Preference being given to works in the
Intcllcctual am! Moral Science*.**
XI ~ ,\Ss^£
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Monatshefte
der
Herausgegebeii von Ludwig Keller.
Vierter Band.
1895 .
Berlin und Münster (Westfj.
Verlag der Com <• n iua-G esc 1 1 ae ha f t.
Johannes BretU in Kommission.
1 895.
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SV<H,Tu>Ai- iSUc')'
"WVtUv^
För die öchriftleitung verantwortlich:
Archiv-Rat Dt. Ludv. Keller in Charlottenburg.
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Inhalt des vierten Bandes,
A. Abhandlungen.
Seite
Keller, Ludwig, Comenh» und die Akademien der Xaturphilosophen
i l,^ 1 7. .lulirhrii L tili. 1113
Ruth, F. W. E., Johann Heinrich Alsted (1588—1038), Sein Leben
uml seine Schriften 3!i
Uphues, Goswin K., die psychologische Grundfrage !>7
Suilhuff, K., Kin Rückblick mit die Paracelsus- Jahrhundert feii.T . . U5
Bachring, Bernhard, Zur Erinnerung an Moritz Carriere .... 1SÖ
Krones, Dr. Franz von, Karl von Zicrotin und der Kreis Heiner
deutschen Frenwle und Zeitgenossen, Eine Studie 194
Aron, K., Coiiieilius als l'ädagogc im Urteile seiner ZcitginoM.)n , , 217
Xoviik, Job. V., Das älteste paimophisehe Wort des C'omenius . . . -I-
Xntorp, Paul, Ludwig Xatorp. Ein Beitrag zur Geschichte der Ein -
fiihrung tVatalo/zischer Grundsätze in die Volksschule Frcuaacn» — til
Disacl , Karl, Der Weg de* Lichts. Die Via lueia des Comcniua. .
Schmid, Georg, Sigismund Kvcniua 306
B. Kleinere Mitteilungen.
Wo 1 kan, R. , Die Litteratnr der letzten fünfzig Jahre iilier die Ge-
schichte der böhmischen Brüder 46
C. Besprechungen.
Will mann, O. , Didaktik als Bildungslchrc in ihn*n Betichtingeo aur Socialforschung
U.9. w. (tfphoex). — Uphui'i, Goswin K., die Psychologie des Erkennen» vom
empirischen Standpunkte. 1. Band. (Hochegger). — Böhm, J., Geschichte der
Pädagogik (Gutmann) 48
Th. B u rekhardt -Bieder mann, Hoiiifaciu» Amerhaeh und die Heformation (K. S.).
— Jos. lieber, J. A. Comcnius und »eine Beziehungen zu den Sprachgesell-
schaften i Bötticher) 253
D. Lltt eratar l' eilclit.
Jari| uo8 P a r m e n t i e r , Jean Louis Vlve*. — Staatslexikon der Görresgcsellsehaft.
Bd. 3. — Allg. Deutsche Biographie. Bd. 85. — Jahrbuch fAr die
Geschichte de» Protestantismus in Österreich. Jahrg. 15. — Joh.
Janssen, Geschichte des deutschen Volkes. — Kvacsala, die iranischen
Bestrebungen u. s. w. — Neue (liöbinisclic) Ausgabe der homiletischen Werke
den ('omeniiis. Ho der mann, Bilder aus dem deutschen Loben des 17. Jahrh.
— Ke her, John Milions Essay on KducaÜon. — Bibliothek -pädagogischer
Klassiker. Bd. :iü 67
W. fttieda, Hamburger Handwerker als Studenten u. s. w. — 1t. Kruskc, Georg
Israel. Theod. LSngin, Deutsche Handschriften u. s. w. — Anton
Gindely, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen. — Alb. Richter,
IV
Inhalt.
Neudrucke pädagogischer Schriften. — Und. 11 or ln» g ger, 1 >i«* Bedeutung der
l‘hiln“«»phi»- d«r Gegenwart ffir die Pädagogik. Bich. Sachs«-, Jacob Tlm-
nia-iii^. Bernh. Mi'in/, Jakob Frohgoliaiuin^r. K. Mfliofj Der Beweis
für da* Dasein Gotte* u. ». w 123
G. Voigt, Bioliof Bertram vom Met« ill*> 1.T2). -- H. Haupt, Dento-h-höhmisebe
Waldenser, — febinger, Beiträge zur Geschichte Nicolnu* von <‘u»as.
Knnake, Joh. Pupper von Gorh. - Kr. WuchtiT, Briefe an Krasmu». —
K. Knifft, Gorli, Oonriken. — A. Wirth, Die evnngel. «Schule des 10, und
17. Jahrli, II. S. Hnrra^i-, Th«- AnnhaptiM» of the 10. eenturx. Alfr.
Pansch, Christian Thomu.-iii» und Frh. Wejgi-1. — All». IVcanip, P. G.
Murhof. - W. Fnhrici ti » , Pie Studentenorden des 18, Jahrli 314
E. Nachrichten.
W. K. ltoth tiber Otto Brunfeb ty l-'vMi. - - Zur Ham» Sachs - Litteratur. Pie
Uraivor»al-üiiivcn»itlli de» Grossen Kurf&twten. Pie Fruchtbringende Gesellschaft
und der Grosse KurfUrst. - Kebora i . onienins-Furschmigen. — Tlmmasiu»
und ( 'oiii' iiin*. Thimi:i»ins’ \iifentlmlt in Hnllmul Schriften dos deutschen
Hugenotten -Vereins. — l>eut»eli - italienische Waldenser -Gemeinden. -- Die
t»'dimi»d>-iiia)uiM )i«Mt Glnulwmsfliichtlinge. F. A. f.aiuti»» Schrift Ülier Vivc.s
in «naniwher Übersetzung. — Juli. Aimciti« Ch-p» tgeh, 1023) <13
Auflassungen der mährischen Binder HImt da* .Mut de» evangelischen Glauben«.
Neuere Urteile Blwr die Bedeutung de» Meistergesang». Zur Geschichte <!«•«%
J>»h ■ ('lanberg, Professor» in Ptiishurg. — Kim- »eit« ne Au^’aU- einer Schrift
de.» Cnmmiiirt 129
ln Sachen der rnivcrsal-rniversitüt de» Grossen Kurfürsten, Plc B«dcuUing vmi
Zunft«-n und Gilden filr die Kntwickelnng de» religiösen Lehens in früheren
Juhilmml' tbil Plt J^hauiiiLcmrdkü und ili 1 - Akademie dea FalmbauiiiK
Widerwille «l» r Mitgjk^r de« Pnlmhatim« gegen dm Nann ii ,J iilvinisicn 1 . —
< oincniu» und die konfessionelle Polemik de» 17. Jnhrh. — Vorlesungen 01« r
die < io«chiehte d« r Ihihmischeii Urinier. - Pie Stiftung « im r .Jugendlichen Go -
j^hjchllt|| i in Jahr» ■ l'd't, Zur < hur.ikh-n.-tik d< r sog. Sprachgesellschaften
de» 17. J ahrhundert» 1*JU
Adolf l*a«!ton.« Urteil üU*r die altdeutsche Mystik. — Pie Grafen von Zicrotin und
die mftbri sehen Brlldcr. Die Idee eine-* Relittionn-Kongrc^Mes bei Comeniiis. —
Symlxilik in der Gesellschaft de» Palinhaums. — K vacsaln Dlter ('ampanella
und Conieniu». — Novak» Arbeiten auf dem Gebiete der C'omenius- Forschung 257
K. Troeltseh ^Prof«’»»or in Heidellierg) , Über Ibdigion und Kirche. — K. Burdarb
il*roft?»»or in Malle), Über den Zusammenhang xwischen Luther und den hdhini-
sclien Hrbdern. — „Pirkanlen** und Keformierte. — Jos. lieber» Ausgabe der
Naturkunde d«*» Ounenius. Per Jesuit B. Balbinu.s 0l»*r Coimtnius. — Die
Bibliothek de» Comenius in Fulnek. — Giordano Bruno iM gifmdet eint*
„Akademie" in London (lfiKl). — Briefwechsel awiseben Wok von Rotenberg
und Christian von Anhalt. Briefwechsel des Herzogs August von Braun-
»chwcig-Lbnehtirg. — Aufforderung 319
F. Prekiiufirabc <h*r Cornfnlus - (icsyllsclmft für 18!Wi
G. Inhalt neuerer Zeitschriften
08. 132
II. Personell- und Orts- itepister
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Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der Post jührlich 10 Mark.
Alle Rechte Vorbehalten. Digitized by
Inhalt
des ersten und zweiten Heftes 1895.
Abhandlungen. iwie
Ludwig Keller, Coincniws und die Akademien der Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts. Erst er Teil . . . , . s s , s , « . . 1
F. W. E. Roth, Johann Heinrich Aistod. (1588 — 1G38.) Sein rieben
und seine Schriften , . * * , * , t a = s a , . * , 29
Kleinere Mitteilungen.
Pr. R. Wolkan, Die Litteratur der letzten fünfzig Jahre über die Ge -
schichte der höhmiwehen Brüder . . . . . . . . . . . . 45
Besprechungen.
W i 1 1 m a n n . O. , Didaktik als HiUlunK*k > hn‘ nach ihryn Ik'xichuiiKo» atur .SicialfonH’hnng u. * w.
lUplnira). — Uphuo«, ijogwiii K., !>»• ISyrhologi« 1 tlc» Krk.nni-ns vom «•nn»iriw« h«»n Standpunkt"
1. Band (Hochegm»r>. — HA hm, (ioscliichto der PiklaKogik <»utniann) . ~ 40
Jacquc* Pannen tio r, Jean Louis Vivo«. — Stiiatslcxi kon der <ittrrc*g«>«.dl»chaft.
lkl. 8- Allg. deutsche Biographie Bd. -- Jahrb. f, d. Gosch, d. Prot, iii Öster -
reich, Juhrg, 15. — Joh. J aii s sen , Pesch. d. deutschen Volk« 1 ». — K v it r 8 a I n , I>ie ireniacben
IW >trfinuigi n u. * vr. — New (iH'lhmisclie) Ansgülw ck r honiiliti.« dn ii Werke des C' o in c n il u *. —
Ilodermann, Bilder ans dem deutschen Leben de* 17. Jahrh. ~ HpIut, John Milton* Kwaav of
Kducatiou. — Bibliothek pfldag. Klassiker. Hd, :<> * . , «>i_
Nachrichten.
F. W. E. Roth über Otto Brunfel* (ir lftfU). - Zur Haus Sach*- Littcratur. — Mt»
V, n i versa \ - U n i r e r *i t flt de* («ro»»en Kurffinden. !>»«-♦ Fruch thringende f»CH«‘ll»chaf t
um! der Pro**«» Kurfürst. — Ketn-r* romeniu* - Forschungen Thomasiu* und (.Vnnrnius. ~
Thomasiu»* Aufenthalt in Holland. — Soli rillen de» d«Mit*cla-n Hugenotten -Verein». — pentaeh-
it«lieni»che Wnldensvr-ticnieinden Die UWnnia« h-niähri*t-h>Mi <HaulH ; n>flQ< litlinyc, F. A. I*ang<»
Schrift Mier Vivo» in spanischer Übersetaung. - Joh. Apadua Caere (geh. 1023) ~ 63
Inhalt neuerer Zeitschriften . US
Die Monatshefte der C.G. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August
und September). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt Vorbehalten, Der Ge-
samtnmfang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahre sbeiträge ; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die Geschäftstelle
zur Erhebung durch Postnuftrag unter Zuschlag von 60 Pf. Postgebühren
berechtigt. — Einzelne Hefte kosten 1 Mk. 25 Pf.
Jahresbeiträge und Anmeldungen, sowie einmalige und ausserordentliche
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zu ,-riukn.
Bestellungen übernehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes,
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Comcnius-Gesellschaft, Münster i. W. Wolbeckerstras.se 4 a -
Anzeigen finden durch die Monatsschriften der C.G. in den beteiligten
Kreisen weiteste Verbreitung. Die gespaltene IS’onpareillezeilc oder deren Raum
kostet 20 Pfg.; bei grösseren Aufträgen entsprechende Enniissigung. Anfragen
und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Minister i, W.
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr, Keller in Münster i. W.
Monatshefte
der
\ f . . /
Comenius-Gesellschaft.
IV. Band. 1895. Hoft 1 11 . 2.
Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts.
Von
Ludwig Keller.
Erster Teil.
Es darf heute als anerkannte Thatsache gelten, dass die
Xaturphilosophen des 17. Jahrhunderts, an ihrer Spitze Baco,
Galilei lind Lcibniz, gleichviel wie inan gegenwärtig über
ihre Schwächen oder ihre Vorzüge denkt, das grosse Zeitalter
der naturwissenschaftlichen , chemischen, mathematischen und
astronomischen Entdeckungen eingeleitet haben, in dem wir uns
noch heute befinden, ja, man kann sagen, dass sie die Urheber
der grossen geschichtlichen Wendung sind, welche die Neuzeit
von der mittelalterlichen, auch im lti. Jahrhundert noch nicht
völlig überwundenen Weltanschauung trennt.
Auch wenn man dies anerkennt, braucht man keineswegs zu
bestreiten , dass es unter diesen Männern manche sonderbare
Schwärmer gegeben hat, und jeder weiss, dass es neben hervor-
ragenden Köpfen solche gab, die an die Möglichkeit der Metall-
vorwundlung glaubten, die die Quadratur des Zirkels oder den
Stein der Weisen zu finden dachten. Indessen bestätigt diese
Wahrnehmung lediglich die Thatsache, dass es im menschlichen
Leben keinen Satz giebt, der so richtig und kein System, das so
gut Imgründet ist, dass es nicht durch Querköpfe missbraucht
oder in seinem Ansehen geschädigt werden könnte.
Monatshcfle dvr 1895. j
t
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Keller,
Heft 1 u. 2.
Die grosse Bedeutung, die der gesamten Richtung zukommt,
würde trotz der mannigfachen Verirrungen längst allgemeiner be-
kannt und anerkannt sein als sie es heute ist, wenn nicht unter
der Einwirkung der heftigen Gegnerschaft, die diese Strömung
besonders innerhalb der beiden herrschenden Kirchen fand, bis
tief in das 18. Jahrhundert hinein ehe ungünstigste Beurteilung
ein grosses Feld behauptet hätte. Zwei sehr berühmte und in
ihrem Einfluss noch immer nicht überall zurückgedrängte littera-
rische Handlanger, Bayle und Adelung, haben durch ihre
weitverbreiteten Werke das Andenken vieler dieser sogenannten
Naturphilosophen in der hässlichsten Weise verunglimpft und sie
als „Astrologen“ und „Goldmacher“, ja als „Fanatiker“ und „Sek-
tirer“ mit ausgesprochener Absichtlichkeit in den Schmutz gezogen.
ln das Buch, welches Adelung im Jahre 1785 unter dem
Titel: „Geschichte der menschlichen Narrheit oder Lebens-
beschreibungen berühmter Schwarzkünstler, Goldmacher u. s. w.“
herausgegeben hat, sind sehr viele Vertreter dieser Geistesrichtung
aufgenommcu worden, und man würde fehlgehen, wenn man die
Ansicht, die darin zum Ausdruck kommt, als eine persönliche
Meinung Adelungs betrachten wollte ; er gab vielmehr nur wieder,
was er in der Streitlitteratur des 17. und 18. Jahrhunderts fand
und wollte oder konnte nicht sehen, dass er zu unreinen Quellen
gegriffen hatte.
So sehr er dadurch auch in die Irre gegangen sein mag,
so hat er doch in einem Punkte vollkommen recht gesehen: ver-
dienen jene Naturphilosophen in Bausch und Bogen diese Brand-
markung, so verdient sie auch Comenius. Indem er diesem Manne
liebem den übrigen in seinem Buche eine Stelle gab, brachte er
den zutreffenden Umstand zum Ausdruck, dass Comenius ein
Mitglied jenes Kreises von Naturphilosophen oder wie
Adelung sagt, jener „Narren“ und „Schwarzkünstler“ gewesen ist.
Die historische Betrachtung hat die Männer, die hier in
Betracht kommen, meist ausschliesslich oder vorwiegend nach
derjenigen wissenschaftlichen oder geistigen Seite ins Auge ge-
fasst, für die sie in erster Linie schriftstellerisch thätig gewesen
sind, und dabei vielfach übersehen, dass ein innerer geistiger
Zusammenhang, ju sogar eine feste äussere Organisation die Mehr-
zahl der grossen Reformatoren verbindet, die auf dem Gebiete
der Erziehungslehre, der exakten Wissenschaften und der
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181)5. Comcniii» nnd die Akademien der Naturphiloeophcn eU 1 . H
Volk »sprachen während des 17. Jahrhunderts sich als Schrift-
steiler bekannt gemacht haben, und doch kann eine klare Einsicht
in das Wesen dieser geistigen Bewegung, ihre geschichtlichen
Zusammenhänge und ihre Wirkungen nur dann gewonnen werden,
wenn die willkürliche Einschachtelung der einzelnen in heute
übliche Systeme und Begriffe 1 durchbrochen und die Gesamtheit
dieser geistigen Erscheinung unbefangen ins Auge gefasst wird.
Was diese Gelehrten zusammenführte und zusammenhielt,
war vor allem eine tiefe Abneigung gegen den scholastischen
Wissenschaftsbetrieb, wie er damals die Universitäten aller
Länder beherrschte — ein Betrieb, der in der Betonung des
Aristoteles seinen Ausdruck fand. „Das unglückliche Vertrauen
in die dialektische Physik des Aristoteles“, sagt Joachim Jungius
einmal, „hat die Vernachlässigung der Beobachtung zu Wege
gebracht.“ ') Um ihren Gegensatz zu dieser Betriebsart der
Wissenschaften zu betonen, pflegten sie sich wohl Platoniker oder
Xeuplatoniker zu nennen oder nennen zu lassen, und in der That
ist eine Hinneigung zu Plato und zur platonischen Philosophie
durchweg bei ihnen nachweisbar.
Man darf nicht übersehen, dass diese Sonderstellung einen
Gegensatz sowohl gegen die herrschenden Kirchen wie gegen die
Universitäten, die damals den Kirchen gegenüber eine selbständige
St<Jlung n i c h t besessen, zur notwendigen Folge hatte. Es sind
Männer von ganz hervorragenden Leistungen, die uns in den zu
schildernden Kreisen begegnen, gleichwohl aber hat kaum einer
dieser Gelehrten an den gleichzeitigen Universitäten einen dauernden
und unangefochtenen Wirkungskreis gefunden, sondern es haben
sieh die Hochschulen zu jener Zeit durchweg ablehnend gegen die
„Platoniker“ verhalten *), und heftige Kämpfe litterarischer und
und persönlicher Art sind die Folge gewesen.
Es war, wie es Joachim Jungius einmal bestimmt und klar
ausspricht, nicht diese oder jene Lehre, die sie als falsch bo-
') Guhrauer, Joachim Jungius unil sein Zeitalter. Stuttgart und
Tübingen 1850, 8. 148.
’) „Ein Blick auf die Geschichte der Universitäten in diesem Zeit-
raum erklärt hinlänglich, weshalb, Italien etwa ausgenommen, ... im übrigen
Europa kein einziger der grossen Reformatoren in der Philosophie und der
Wissenschaft auf jenem Boden forlkaro oder aueh nur hier fortzukommen
suchte.“ (.Guhrauer, Joachim Jungius u.s. w. 8. US.)
1 '
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4
Keller,
Heft 1 u. 2.
kämpften , sondern der Kumpf galt der gesamten Methode,
wie sie unter dem Einfluss der Scholastik nicht bloss das Mittel-
alter, sondern auch noch das 16. Jahrhundert beherrscht hatte.
„Es handelt sich nicht um diesen oder jenen Irrtum“, sagt er,
„sondern die ganze Methode der Wissenschaft und Philosophie ist
sophistisch.“
So ablehnend standen sie dieser sogenannten Philosophie
gegenüber, dass sie auch diesen Namen von sich nicht zu ge-
brauchen wünschten und ihre Wissenschaft lieber Panso Phie
ody Naturphilosophie genannt sehen wollten, ohne dass sie
sich damit etwa lediglich als „Naturforscher“ oder als ausschliess-
liche Vertreter der exakten Wissenschaften hätten bezeichnen
wollen, wenn auch ihr besonderes Interesse sich der Natur-
beobachtung und Naturbetrachtung nach Bacos Vorgang zuwandte.
Jede religiöse Weltansicht pflogt mit bestimmten natur-
philosophischen Anschauungen Hand in Hand zu gehen und sich
mit diesen zu einem einheitlichen System zu verschmelzen. Man
kann nicht leicht die letzteren aus dem Zusammenhänge, in dem
sie stehen, loslösen, ohne das gesamte System zu erschüttern, und
indem unsere „Naturphilosophen“ sieh gezwungen sahen, die auf
den Büchern des Alten Testaments ruhende Natur- und Welt-
betrachtung der Kirchenlehre anzuzweifeln, gerieten sie nicht zwar
zum Christentum, aber doch zur Dogmatik in einen Gegensatz,
der sieh durch die Art des Kampfes, der sich entwickelte, mehr
und mehr verschärfte.
Die Kämpfe, in welche Galilei wegen seiner Verteidigung
des Copernikanischen Weltsystems seit 1617 geraten war, hatten
den alten Streit der Naturphilosophen mit der alttestaiuentlichen
Weltanschauung und ihren Vertretern von neuem weit und breit
zu hellen Flammen angefacht.
Aber auch abgesehen von solchen Einzolpunkten schien den
Naturphilosophen die Gesamtanschauung der herrschenden Lelire
von der Verderbtheit der Natur, von der Art, wie diese sich
das Eingreifen Gottes in den Naturlauf dachte und manches andere
unhaltbar.
Sie offenbaren durchweg eine besondere Vorliebe für die
Natur und betrachten die Beschäftigung damit als eine Art von
Gottesdienst. „Durch die Betrachtung und Erforschung der Werke
Gottes“, sagt Matthias Bernegger, „wird der Ruhm seines gött-
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18!). r ). ComeniilK und dir Akademien der Nuturphilosophen rtr. 5
liehen Namens viel mehr verherrlicht als durch die dornigen und
nichtigen Streitfragen, von denen die Katheder der Hochschulen
erschallen.“
In den Schriften des Heinrich Nullius 1 ) tritt eine Lieb«'
und Hochschätzung der Natur hervor, die sich oft in röhrender
Weise kund gtebt: „In dem Halm, in den Blüten, in den Früchten
(sagt Nollius) ist etwas Erhabenes enthalten, was unzweifelhaft
eine gewisse Verwandtschaft mit dem Himmel hat; da es die
Wanne des Himmels in sieh aufnimmt und mit sich verbindet,
erhält es von dort aus Lebenskraft und Pracht.“ Nollius sah in
der Natur das lebendige Bild Gottes und sagte: „Wie Gott Alles
in Allem ist, so kann auch tler Mensch, der sich darein versenkt,
in Gott Alles erkennen“; sein wichtigstes Werk nannte er Naturac
sanctuarium.
Man weiss, dass die mittelalterliche Weltanschauung unter
dem EinHuss der Scholastik und der Kirchenlchre in erster Linie
auf tlie übersinnlichen Dinge gerichtet war und vornehmlich mit
«len Kräften des Gemüts und der Phantasie ihre Geisteswelt sich
ausgestaltete; seit dem lti. Jahrhundert — hier ist Paracelsus
unzweifelhaft bahnbrechend gewesen — und mehr noch seit dem
17. begann eine neue Geistesrichtung EinHuss zu gewinnen, die
«licht bloss auf «las Wesen Gottes und die Beziehungen der
Menschen zu Gott, sondern auch auf das Wesen der Natur und
auf die Beziehungen der Menschen zur Natur und der
Menschen unter einander gerichtet war.
Es konnte nicht fehlen, dass sich diese Denkweise vielfach
geneigt zeigt«-, die Beileutung der übersinnlichen Dinge, soweit
sie ausserhalb der unmittelbaren Erfahrung lagen, zu unter-
schätzen. Sie v«-rfiel dadurch in manchen ihri-r späteren Ver-
treter in eine ähnliche Einseitigkeit, wie sie die Träger der älteren
Anschauung gegenüber den Erfahrungswissenschaften an den Tag
gelegt hatten.
Diese Erseheinung zeigt sich indessen bei unseren Natur-
philosophen noch nicht; sie waren bei dem vielseitigen Wissen,
welches die Mehrzahl nuszeichnete, viel zu einsichtig, um zu über-
sehen, welch’ grosse Bedeutung auch denjenigen Vorstellungen
‘) Wichtige Auszüge daraus l*ei Hochhuth in der Ztsehr. f. d. hist.
Theol. 18U3. S. 200 ff.
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K
Keller,
Heft 1 u. 2.
zukommt, welche «ich mehr auf Grund der inneren Offenbarung
und de« Gemüt« al« des Verstandes erschliessen, und sie er-
kannten wohl, dass religiöse Vorstellungen, obwohl sie dem Be-
weise unzugänglich sind, für den einzelnen die gleiche Gewiss-
heit wie Sätze der Erfahrung erlangen und stärkere Antriebe
für sein Handeln als irgend eine Erfahrungsthatsaehe abgeben
können.
Unbeschadet abweichender Sonder- Meinungen sowie ver-
schiedener Confessionen zeigen die älteren Naturphilosophen ganz
überwiegend einen kräftigen Zug ernster Religiosität. „Es
darf nicht befremden“, sagt Guhrauer*), „wenn uns in den Lebens-
nachrichten dieser Männer und namentlich des Jungius, Äusser-
ungen und Merkmale aufrichtiger Frömmigkeit und häufige Hin-
weisung auf die Nachfolge Christi, sogar Zeichen einer Hinneigung
zur Mystik, unbeschadet ihres mit Klarheit und Beharrlichkeit
verfolgten Zieles allgemein wissenschaftlicher Reform, entgegen-
t roten.“ Wenn trotzdem gegen Männer wie Matthias Bernegger,
Jungius u. a. gelegentlich die Anklage des „Atheismus“ er-
hoben wird, so beweist dies bei der offenkundigen Unwahrheit
des Vorwurfs lediglich, dass die Vertreter der herrschenden
Dogmatik die schärfsten Watten, die sie besassen, gegen die
„Platoniker“ anwenden zu müssen glaubten*).
In jenem Vorwurf kommt allerdings der Umstand zum Aus-
druck, den auch die Naturphilosophen ihrerseits nicht bestritten,
dass sie die Idee und das Wesen des Christentums in manchen
Funkten anders als die herrschende Dogmatik fassten.
Für sie stand die Idee des Reiches Gottes, wie es
Christus verkündet hatte, im Mittelpunkte der Gedankenwelt, und
wenn sieh auch beobachten lässt, dass sie öffentlich für diesen
Gedanken nur unter Anwendung symbolischer Verhüllungen ein-
zutreten pflegten, so tritt doch in vertraulichen Äusserungen ihre
Meinung ganz unzweideutig hervor. Jungius, der auch in seiner
Umgebung die Pflege des religiösen Sinnes liebte, hatte seinem
Gesinde ein Exemplar des Katechismus desGcscnius eingehändigt 3 );
*) Guhrauer a. O. S. 68.
*) Näheres bei Guhrauer a. O. S. 122. — Billiger, M. Bernegger,
Htrassb. 1893. S. 202.
’) Gescnius hat einen Platz in Arnolds Kirchen- u. Ketzergiwohiehle
erhalten, s. die A unguis; v. Frankf. a. M. 1729 I, 932.
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1895. Oomenius und dir Akademien der Naturphilosophcn ete. 7
in dieses Exemplar hatte er einen Spruch eingetragen, in welchem
sich folgende Reime befanden :
„Such Gottes Reich vor allen Dingen,
So wird dir Alles wohl gelingen.“
Aus diesem Grundstreben flössen alle ihre sonstigen Charakter-
ziige und Eigentümlichkeiten. Es ist ein durchgehendes Merkmal
der Platoniker, dass sie bei allem Eifer, mit dem sie auf das
Wissen (scientia) drangen, doch weit über die Wissenschaft im
engeren Sinn die Weisheit (sophia) stellten; ihre Gegner warfen
ihnen vor, dass ihnen die Pansophie oder die Allweisheit sogar
über den Glauben gehe, und darin hatten sic insofern recht, als
die Naturphilosophen die Liebe, die aus der Weisheit flieset,
höher stellten als die Hingabe! an irgend eine Lehre oder den
Glauben, wie die herrschende Dogmatik ihn verstand.
Es ist das Eigenartige sämtlicher oben genannter Gelehrten,
dass sie ihre eigentliche Lebensaufgabe nicht in der Anhäufung
neuen Wissensstoffes, sondern in der Nutzbarmachung des Wissens
für die Menschenwelt erkannten; ein Wissen, welches unfähig
war, den Menschen zu helfen oder sic zu bessern, war ihnen
wertlos, und indem sie lebendige Früchte, nicht tote Gelehr-
samkeit erstrebten, wussten sie sich in einem tiefen Gegensatz
zur Neuscholastik, wie sie gerade in der Theologie des 17. Jahr-
hunderts innerhalb beider Confessioncn die Oberhand gewonnen
hatte. Für den Bau des „Tempels“ (wie sie die Idee des Gottes-
reiches nannten) nützte ihnen keine Wissenschaft, die nicht für
das Leben anwendbar war. „Thaten“, sagt Leibniz, „müssen sich
zu den Worten fügen, das Leben muss von der Lehre Gewinn
ziehen“, und an anderer Stelle fügt er hinzu: „So oft ich etwas
neues lerne, so überlege ich sogleich, ob nicht etwas für das
Leben daraus geschöpft werden könne.“
Eine Wissenschaft , die sieh schon durch die Sprache, in
der sie auftrat, von der Mehrheit des Volkes absehloss, konnte
von diesem Gesichtspunkt aus nicht das Ziel sein, welches ihnen
vorschwebte; damit hängt cs zusammen, dass gerade aus den
Kreisen der Platoniker heraus ein eifriger Kampf für die Volks-
sprachen geführt ward — ein Kampf, der die Mehrzahl aller
bestehenden kirchlichen und gelehrten Körperschaften wider sie
auf den Plan rief. Mit gutem Grund konnte Leibniz klagen, dass
„aller Lust und Fleiss, der von Andern auf die deutsche Sprache
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8
Keller,
Heft 1 u. 2.
gewendet wird, der Mehrheit verhasst und verdächtig sei“.
Nur von diesem Gesichtspunkte aus versteht man die gehässigen
Urteile und die lebhafte Gegnerschaft, die den älteren Sprnch-
bestrebungen ihr Wirken erschwerte.
Eben diese Betonung der Volkssprachen und die damit zu-
sammenhängende des volkstümlichen Schrifttums, besonders der
Dichtkunst, hat es zu Wege gebracht, dass wir in den Akademien
und Gesellschaften der Platoniker, die wir unten kennen lernen
werden, die eigentliche Geburtsstätte der neueren deutschen
Litteratur zu suchen haben — eine Thatsache, die, wie man
denken sollte, allein ausreichend wäre, um die Akademien zu einer
merkwürdigen geschichtlichen Erscheinung zu machen und ihnen
eine ernstere geschichtliche Beachtung zu sichern als sie sie bis-
her gefunden haben. Nicht die Universitäten oder die Kirchen,
sondern diese von beiden lebhaft bekämpften freien Vereinigungen
sind es gewesen, die für die tief darniederliegende deutsche
Sprache und Litteratur ein neues Zeitalter heraufgeführt haben.
Von dem Grundgedanken ans, wie er in der Idee des Reiches
Gottes enthalten ist, erklärt sich auch die Thatsache, dass diese
Männer der Erziehung und der Wissenschaft der Erziehung
ein tieferes Interesse als die Mehrzahl der Zeitgenossen entgegen
brachten. Es war ihnen, wie bemerkt, nicht genug, für diesen
oder jenen Stand oder diese oder jene Berufsart eine Summe von
Wissen zu sammeln und cs lehrend weiter zu geben, sondern sie
wollten das gesamte Wissen oder die Allweisheit, wie sie sagten,
für die Erziehung des Menschengeschlechtes fruchtbar
machen und auf dem Wege der allgemeinen Bildung die Menschen
einer höheren Entwicklungsstufe entgegenführen. Daher sind, wie
das auch schon früher erkannt worden ist, in diesem Kreise der
Naturphilosophen die Begründer der neueren Erziehungslehre zu
suchen, deren heutige Vertreter daher von je sich jener Vorläufer
eifrig und dankbar erinnert haben.
Die Gelehrten, die sich in der Pflege der exakten Wissen-
schaften, der nationalen Sprache und Litteratur sowie in der
Erziehungspflege zusammenfanden, zeigen durchweg gleichzeitig
ein viel tieferes Verständnis für die Bedeutung der Gemeinschaft,
des brüderlichen Zusammenwirkens und fester Organisationen als
es vielen anderen gleichzeitigen und späteren Gelehrten eigen zu
sein pflegte. Es ist möglich, dass «lies«! Eigenart mit der starken
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IKitö. Comeniuti und dir Akademien der Knturphilosophen etc. ((
Richtung auf praktische Wirkung im Leben, die sie beseelte, oder
dem Streben nach der „Reformation der ganzen Welt“, wie es in
ihren Schriften heisst, zusammenhängt; es kam aber hinzu, dass
ihr Absehen gerade auf diejenigen Wissenschaften gerichtet war,
deren Vertreter von den herrschenden Kirchen seit alten Zeiten
mit einem gewissen Misstrauen betrachtet wurden, und dass sie
kcincnfalls bei den Kirchen oder den Staaten, wie sie gerade
damals waren, Förderung für die Ziele, die ihnen vorschwebten,
erwarten durften.
An der oben erwähnten Stelle, wo Jungius erklärt, die ge-
samte scholastische Methode und ihre Sophistik seien es, die man
bekämpfen müsse, fährt er fort, sie sei der Mutterboden, der die
Missgeburten der herrschenden Meinungen und Lehren erzeuge.
„Wie kannst du es wagen wollen, allein gegen solche lehr-
ntciuungcn zu kämpfen? Wenn ich hätte allein sein sollen,
so hätte ich keine Feder gegen die Schulmeinungen
gerührt.“ ')
Wie dem auch sei, so ist gewiss, dass wir in diesen Kreisen
ein eigentümliches Ringen und Streben nach festen Formen und
Gestaltungen des Gemeinschaftslebens wahrnehmen, das sich oft
in wunderlichen Sinnbildern, Namen und Organisationen offenbart,
das aber deutlich bekundet, wie klar ihnen die auch von ihren
Gegnern nicht bestrittene Thatsaehe war, dass kein wichtiger Ge-
danke in der Welt sich durchzusetzen pflegt, wenn sich nicht
Männer finden, die in festgcschlossener Gemeinschaft für ihn ein-
zutreten Willens sind. „Was an einer Person hanget“, sagt der-
selbe Jungius, „ist sterblich, was am ganzen Collegio, ist dauerhaft.“
Man würde nun sicherlich das eigentliche Wesen und die
grosse geschichtliche Bedeutung dieser Akademien oder Colle-
gien schon längst klarer erkannt haben, wenn nicht die Schwierig-
keiten, die in den damaligen Welt Verhältnissen dem Streben nach
freien Organisationen entgegentraten, diese Männer gezwungen
hätte, mit äusserster Vorsicht zu verfahren und vieles absichtlich
zu verhüllen, was für uns an diesen Akademien von Interesse
ist, und was ihnen ihre historische Wichtigkeit gegeben hat. Dazu
kommt aber noch ein anderes, was bisher, soviel ich sehe, gar
nicht beachtet ist.
') Guhrauer a. O. S. 143.
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in
Keller,
Heft 1 u. 2.
Die Akademien und Gesellschaften, die im 17. Jahrhundert
bestanden, trugen meist das geistige Gepräge der Männer, die ihre
Begründer waren, und zeigen deshalb, so sehr auch ihre Formen
vielfach verwandt sind, eine grosse Mannigfaltigkeit, wenigstens
insofern, als die einen ganz oder fast ganz in der Pflege der
nationalen Sprache und Litteratur, die andern in der Förderung
der exakten Wissenschaften, die dritten» in anderen Zwecken auf-
gingen oder doch, soweit ihr Wirken an die Öffentlichkeit
trat, aufzugehen schienen. Starben dann die Begründer und
kamen neue Leiter an die Spitze, so wechselte der äusserlieh
erkennbare Inhalt ihrer Bestrebungen leicht, und die jüngeren
Epochen zeigen manche Verschiedenheiten von den älteren, selbst
wenn die alten Namen fortbestehen.
Der Natur der Sache nach waren diese Organisationen, falls
sie nicht in eignen grossen und allgemeinen Zusammenhängen
standen, sehr stark der Gefahr ausgesetzt, in die Wandlungen der
Politik, zumal der Kircheupolitik, hineingezogen und denjenigen
Zielen entfremdet zu werden, die ihren Gründern vorgeschwebt
haben mochten.
Ursprünglich waren diese Akademien Vereinigungen, die die
ganze Denkweise ihrer Glieder umfassten und deren Ange-
hörige planmässig auf gemeinsame und umfassende geistige, philo-
sophische, religiöse und wissenschaftliche Ziele hinstrebten oder
den Ideen ihrer Leiter nach hinstreben sollten. Allmählich aber
gelang es staatlichen und kirchlichen Einwirkungen, einige der
vornehmsten dieser freien Vereinigungen unter ihren Einfluss zu
bringen und ihnen die Lösung bestimmter wissenschaftlicher Auf-
gaben zuzuweisen; andere „Socictätcn“ verfielen allmählich ganz,
wurden eine Alt geselliger Klubs oder beschäftigten sieh mit
harmlosen, oft auch lächerlichen Spielereien, einige pflanzten sich
als littcrarische Vereine fort, während noch andere den Stamm
für eine neue Entwicklung der älteren Akademien bildeten, deren
Geschichte uns hier nicht beschäftigt.
Gleichviel aber, was aus jenen freien Organisationen unter
dem Druck der Zeit und der Verhältnisse allmählich geworden
ist, so ist doch sicher, dass diese Akademien in gewissen Zeit-
abschnitten für viele hervorragende Zeitgenossen, und nicht am
wenigsten auch für Comenins, die Zufluchtsorte des freien Ge-
dankens, die Mittelpunkte verdienstlicher geistiger und sittlicher
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1H!)Ö. Oonienius und die Akndemien der Naturpbiloeophen etc. H
Bestrebungen und die Träger und Verbreiter grosser refonnato-
rischer Ideen gewesen sind.
Das genügt, uni ihre Geschichte zum würdigen Gegenstand
der geschichtlichen Untersuchung zu erheben, und die Comenius-
Gesellschaft erfüllt lediglich ihre Pflicht, wenn sie die Aufgaben,
die hieraus erwachsen, als einen Teil ihre*« eigentlichen Arbeits-
gebietes betrachtet.
Sehr bezeichnend für die Unterschätzung, die diese Akade-
mien bisher erfahren haben, sind die falschen Urteile, die uns in
Betreff der „deutschen Societät“, der sogenannten Akademie des
Palm bau ms, noch heute begegnen. Zwar ist cs erfreulich , in
neueren Schriften zu lesen, dass der Wendepunkt unserer Littc-
raturgesehichte, der sieh an den Namen von Martin Opitz knüpft,
ohne die energische Hilfe, die ihm die fruchtbringende Gesell-
schaft hat zuteil werden lassen, nicht so rasch und gründlich
(lenkbar gewesen wäre 1 ), aber auch diejenigen neueren Forscher,
die dies zugeben, übersehen meist, dass diese Akademie in ihrem
ersten Entwicklungsabschnitt viel mehr erstrebt hat, als die Er-
neuerung der nationalen Sprache und Littcratur, dass sie viel-
mehr allen denjenigen Männern Stärkung und Rückhalt bot, die
an der Reform des wissenschaftlichen und geistigen Lebens über-
haupt arbeiteten.
Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (geb. 1579), der seit 159(5
sieben Jahre lang in Italien, Frankreich, England und Holland
sich aufgehalten hatte, war in Florenz am 21. August 1600 in
der Aeademia della Crusea Mitglied geworden*); er hatte damit
einen Schritt gethnn, den damals viele Deutsche, die nach Italien
') Georg Witkowski, Diederich von dem Werder. Ein Beitrag
zur deutschen Litteraturgesehiehte des 17. Jahrhunderts. Leipz. 1887. S. 1 f.
*) Alfr. v. Reumont , delle relazioni della Lcttcratura Italiana etc.
Firenze 1853, S. 8. Sein Wap|>en ist neuerdings in den Akten der noch
bestehenden Aeademia della Crusea wieder aufgefunden worden. Sehr wahr-
scheinlich würden sich die Wappen anderer Glieder der Akademie des
Palmbaums in den Archiven anderer italienischer Akademien nachweisen
lassen. So schreibt Christian II. an den Fürsten von Anhalt in Betreff des
aufzunehmenden Grafen F. C\ von Oldenburg: „Der alte Gescllschaftsmalcr,
Christoph v. Padua, werde des Ortenburg Wappen schon kennen und es
zum Erzschrein des Palmbaums befördern können.“ Krause, Ertzsehrein 8.75.
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12
Koller,
Heft 1 ii. 2.
knnien, vollzogen, nur dass wir bei dem Geheimnis, mit welchem
die italienischen Akademien sich in Betreff ihrer Mitglieder zu
umgeben pflegten, dieses nicht immer urkundlich feststellen können.
Nach den Gesetzen der italienischen Akademien hatte er von da
an einen Gesellschafte -Namen, ein Abzeichen und einen Sinn-
spruch zu führen.
Im .Jahre l(il7 traf Fürst Ludwig — es ist derselbe Fürst,
der sein hervorragendes Interesse für die Förderung der Er-
zichungslehre durch seine Unterstützung des Wolfgang Katiehius
seit Iß 18 an den Tag legte — aus Anlass des Begräbnisses der
Herzogin Dorothea Marin von Weimar mit mehreren Freunden
zusammen, welche teils, wie der Sohn der Verstorbenen, Johann
Ernst von Weimar, und sein Hofmeister, Caspar v. Teutleben, und
der Reisebegleiter Fürst Ludwigs in Italien, Bernhard v. Krosigk,
mit diesen Akademien an Ort und Stelle in Beziehung getreten
waren, teils deren Bestrebungen billigten. Erfüllt von den Ideen
der Akademien wie sie es waren — der Name Aeceso (der Ent-
zündete), welchen Ludwig von Anhalt in Florenz erhalten hatte,
deutet auf seine Begeisterung hin — , beschlossen sie, eine eigene
Akademie zu gründen und schritten alsbald zur Ausführung. Es
war natürlich, dass die ersten Schritte in aller Stille geschahen;
man habe, hicss es später, den Neid der Aussenstehenden und
anderer Brüderschaften gefürchtet, aber es ist auffallend, dass
länger als JO oder 40 Jahre über Verfassung, Symbole und Mit-
glieder das gleiche Schweigen beobachtet wurde, wie denn alle
Akten, die vor dem Jahre 1637 in Sachen der Gesellschaft ent-
standen sind, bis heute verschollen sind. *)
') Krause, Ältester Ertzscbrein u.s. tr. S. 5. — Zu den geringen Bruch-
stücken aus der ältesten Zeit gehört ein kleines Blatt, das ein Bibi des Ge-
ecllschnftsltcohers, des sog. Öllwrges, zeigt, der von einer ausgestreekten Hand
gehalten wird. Darunter stellt:
Der Schmackhafte (Herzog Wilhelm v. S.-Weimar) bringt hie
ein Trunk dein Nähernden (Ludwig v. Anhalt)
Auf Wohlfahrt der Gesellschaft aller Fruchtbringenden.
Der Meister selbst der Vers sieh mühe
l'nd lass siehs nicht verdriessen,
Solche zu eorrigiren hie.
Er wirds am besäten wissen.
Auf der Rückseite findet sich die Antwort des Fürsten Ludwig:
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1895. Comcnins und die Akademien der Naturphilosophcn etc. 13
Damit hängt es zusammen, dass die neue Gesellschaft trotz
des engen Anschlusses an die Formen wie an die Ziele der italie-
nischen Akademien auch den Namen „Akademie“, der in ver-
traulichen Äusserungen gebraucht ward, verhüllte. Die Gegner, die
jene Akademien besassen, waren sehr zahlreich und mächtig, und es
schien nicht geraten, die vorhandenen Beziehungen offenkundig zu
machen, ja wir würden wahrscheinlich über die Zusammenhänge
mit der Florentiner Akademie wie über die Formen und die Mit-
gliederliste noch heute im Unklaren sein, wenn nicht in späteren
Jahrzehnten die Beschränkung der Gesellschaft auf harmlose Ziele
und andere Gründe es völlig unbedenklich hätten erscheinen lassen,
diese Dinge der Öffentlichkeit zu übergeben.
Freilich waren es auch späterhin im grossen und ganzen
nur äusserliehc Dinge, die bekannt wurden — Dinge, die die
Aussenstehenden verleiteten, sieh die Gesellschaft teils als einen
Orden, teils als einen Verein für Sprachreinigung vorzustellen.
Die allmählich bekannt gewordene Thatsache, dass die Gesellschaft
den Palmbaum zum Abzeichen und Symbol gewählt hatte, gab Ver-
anlassung, sie den Palmen-Ordcn zu nennen, was Fürst Ludwig
ausdrücklich ablehnen zu müssen glaubte, indem er erklärte, dass
mau keinen Orden habe stiften wollen. 1 ) Wohl aber gebrauchten
auch die Mitglieder die Bezeichnung Gesellschaft, Sodalität, Soeic-
tüt, Kollegium oder Kompagnie und nannten sich Sodahai oder
Kollegen, und es ist im Zusammenhang mit der Stellung, die
diese Soeietät zu anderen Vereinigungen verwandter Art eiunahm
— wir kommen darauf zurück — von Bedeutung, dass sie auch die
deutsche Soeietät in zeitgenössischen Quellen genannt wird.*)
Ebenso hielt es Fürst Ludwig für notwendig, das Vorurteil abzu-
lchncn, als ob man sich in dieser grossen von vielen Fürsten und
Adligen getragenen Gesellschaft lediglich um grammatische und
sprachliche Dinge nbmühe: der Zweck der Gesellschaft sei, sagte
Dem, der der Nähernd heisst, eins der Schmackhafte bringet,
Auf der Gesellschaft Heil, darzu die Lieh ihn zwinget.
Der Nähernd in der That Bescheid thut und sieh neigt
Wie mans (ilas halten soll, auch dem .Schmackhaften zeigt,
(ff. Krause, Ludwig, Fürst zu Anhalt III, 24.) Die ge»|icrrt gi ‘druckten
Ausdrücke sind besonder» beachtenswert
’) Krause, Ludwig, Fürst zu Anhalt. Bd. III, 13 ff.
Dop|ielmuyr, Von nürnbergiachen Mathcmalicis ctc. 1730, S. US f.
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14
Keller,
Heft l ii. 2.
er, auf die Pflege löblicher Tugenden und der Muttersprache
gerichtet 1 ), womit er freilich keineswegs das ganze Programm,
aber doch einen wichtigen Teil desselben enthüllte. 2 )
Schon hier tritt also die Thateache hervor, dass es doch
keineswegs die Pflege der Muttersprache allein war, die dem Be-
gründer der Akademie vorgeschwebt hatte; er nennt sogar an
erster Stelle die Pflege löblicher Tugenden und an zweiter die
Muttersprache. Damit stimmt auch die Wahl des Symbols über-
ein; denn der Palmbaum wird in jener /eit als Sinnbild einer
christlichen Gemeinschaft gebraucht. 8 ) Auch der Name „frucht-
bringende“ Gesellschaft deutet einen der wesentlichen Gedanken
der Begründer an.
') In der Akademie des Palmbutims fanden nur Männer förmliche
Aufnahme. Dagegen ward in Anwesenheit des Fürsten Ludwig durch seine
Schwester Anna Sophia. Fürstin zu Schwarzburg- Rudolstadt, am ti. September
Itiltt eine „Tugendliche Gesellschaft“ nach dein Vorbild jener Akade-
mie gegründet, Ihre Einrichtung wird damit begründet, dass Frauen nichts
Höheres anliegen solle, als nächst rechter Erkenn tu is Christi nach Tugend
und Ehre zu streben u. s. w. Die Btiftungsurkunde hat sieh später unter den
Papieren des Wolfgang Hatichius gefunden. Wie kommt sie dahin? —
Näheres bei Krause, Ertzschrein S. 19 An tu. — Am 21. Oktober 1017 stiftete
die Gattin Christians I. von Anhalt-Bernburg (1508 — 1030), Anna geb. Gräfin
von Bentheim, eine Gesellschaft unter dem Namen „La noble Aeadentie des
loyales“. Die Zahl der Damen sollte nicht mehr als 20 betragen. Die
Organisation war der Akademie des Palmhaums imchgehildct. (H. Schult«,
Die Bestrebungen der Sprachgesellschaften 1888 S. 19 spricht die Idee aus,
dass diese Akademie eine Verhöhnung des l’almbaums habe sein stillen, weil
sie sieh in französischer Sprache bewegte; so sehr kann man sich irren, wenn
man den Zweck der Akademie lediglich in der deutschen Sprache sucht.)
’) Im Jahr 1647 veröffentlichte „der Unverdrossene“ (es ist Karl
Gustav von Hille, der sieh aber nicht nannte) eine Verteidigungsschrift unter
dem Titel „Der teutschc Palinhaum“. Darin heisst es (Bl. III), der l’alin-*
bäum sei gegründet worden, „erstlich Gott Frucht zu bringen und
(zweitens) zu Erhalt- und Handhabung der tcutschen Heldcnsprache“ ....
„An ihren Früchten soll man sie erkennen (Matth. 12. 33)“. Ebendort (S. 10)
wird gesagt, die Gesellschaft sei zu Fortpflanzung der Tugenden, zu
Aufrichtung und Vermehrung Teutsehen wnlgcnieintcn Ver-
trauens und zur Förderung der deutschen Sprache gegründet.
") Unter dem Titel „Der liedrückte Palm bäum christlicher Wahrheit“
veröffentlichte N. Guertler im Jahre 1087 zu Oollo a. d. Spree eine Geschichte
der Waldenser. (Ein Exemplar ist im Jahre 1891 in K. Th. Völckers Iaiger-
Katulog Nr. 200 in den Handel gekommen.) Uber Guertler s. d. Allg. d.
Biogr. X, 18b.
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1895. Comenius und die Akademien der N atu rphi losnphen ete. 15
Wir werden iin Laufe unserer Erörterung zahlreiche und
unwiderlegliche Beweise dafür beibringen, dass die Förderung der
deutschen Sprache, so sein- sie den allgemeinen Grundsätzen der
Akademien entsprach, für die Eingeweihten doch nur das Kleid
war, das die höchsten und letzten Ziele vor den Augen gefähr-
licher Gegner verhüllte. Man muss die Zeiten ins Auge fassen,
in denen sie wirken mussten, um dieses Bestreben begreiflich zu
finden. Alle neueren Forscher aber haben sich verleiten
lassen, diese Hülle für das Wesen der Sache anzusehen.
Es ist zu beachten, dass diese Akademien, die auf deutschem
Boden schon eine ziemlich lange Geschichte besessen, gerade
in den Jahren breiteren Boden und eine Art von allgemeiner
Bedeutung gewannen, wo die Gesinnungsgenossen des Fürsten
Ludwig von Anhalt eine Reihe grosser und wichtiger religiöser
und politischer Erfolge errungen hatten und in Deutschland
mächtiger als je dastanden. Diese Erfolge knüpfen sich au die
Erkämpfung des Majestätsbriefs in Böhmen und an den gleich-
zeitig mit der Erwerbung von Jülich-Cleve eintretenden Übertritt
des Kurhauses Brandenburg zu den Reformierten, der eine Reihe
weiterer Übertritte deutscher Fürsten zur Folge hatte. In der-
selben Weise wie in England sich der Aufschwung der dortigen
Akademien an das Emporkommen Cromwells knüpfte mul mit der
Restauration in eine neue und abweichende Entwicklung eintrat,
so zeigt sich in Deutschland in ähnlicher Weise, dass seit den
Siegen der Gegenreformation die Stiftung des Fürsten Ludwig in
andere und harmlosere Bahnen einlenkte.
Es waren zunächst nur acht Fürsten und Adlige, die die
Gesellschaft gründeten 1 ), von denen keiner sieli auf dem Gebiete
der Sprachwissenschaft oder Litteratur schriftstellerisch bethütigt
hatte; auch wurde in den folgenden Jahren bei den Aufnahmen
mehr auf Gleichheit der Gesinnung und des Strebcns, als auf
deutsche Sprache gesehen, und erst die Beziehungen einiger der
neuen Mitglieder, zu denen Tobias Hübner, Hofmeister in Bern-
burg (1619) und der Schwager Christophs von Krosigk, Diederieh
von dem Werder (1622) gehörten, lenkten das besondere Interesse
') Fürst Ludwig von Anhalt, Johann Krnst von Weimar, Friedrich
von Weimar, Herzog Wilhelm von Weimar (drei Brüder), Ludwig von Köthen,
Caspar von Tenllelien, Christoph von Krosigk, Bat zu Distsau und, dessen
Vetter Bernhard von Krosigk.
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II?
Keller,
Heft 1 u. 2.
auch der Gründer auf die Pflege der nationalen Sprache und
Litteratur, der sie grundsätzlich von Anfang an zugethnn gewesen
waren. ') Man konnte es in den schweren politischen Läufen, die
bald hereinbrachen, nur für erwünscht halten, von der neuen Ge-
sellschaft jeden politischen oder kirchenpolitischen Verdacht ab-
zn wenden und ihr andererseits in praktischen und erreichbaren
Zielen ein starkes Bindemittel zu geben.
Sicher ist, dass gerade diejenigen Mitglieder, die seit 1622
am meisten für die Gesellschaft arbeiteten, von litterarischen und
sprachlichen Interessen stark beherrscht waren, und die Eifer-
süchteleien, die zwischen Hübner und Opitz bis zu dessen im
Jahre 1629 erfolgender Aufnahme in die Societüt eintraten*),
scheinen den spraehlichen Eifer noch angespornt zu haben. Aber
fortwährend nahm die Gesellschaft auch solche Mitglieder auf, die
den Begründern lediglich durch die Gleichheit der Denkart und
der Grundsätze nahe standen.
Thatsächlich gewährleistete schon die Bestimmung einiger-
massen die Fortpflanzung des ursprünglichen Geistes, dass kein
Mitglied Aufnahme fand, für das sich nicht ein anderes persönlich
verbürgte.
Als man es im Jahn* 1(346 für zweckmässig hielt, über der
„Fruchtbringenden Gesellschaft Namen, Vorhaben, Gemälde und
Wörter“ a ) weiteren Kreisen einigen Aufschluss zu geben und
im Jahre 1647 der „Unverdrossene“ (Karl Gustav von Hille) auf
„sonderbaren Befehl etlicher hochgebietender Gesellschafter“ eine
Verteidigung»- oder „Ivobschrift“ auf die Gesellschaft, den „Teut-
schen Palmbaum“, veröffentlichte, blieben gleichwohl die Personen-
Nnracn bis auf wenige verschwiegen, und nur die Gesellschafts-
Namen, die (len Aussenstchenden gar nichts sagten, wurden gedruckt.
Erst als die Gesellschaft der Auflösung nahe war (1 673), wurde
') Es wird diese Entwicklung in dem „Teutsvhcn Palmbaum“ (1647)
S. 211 ausdrücklich bestätigt; der „Nährende“ (Fürst Ludwig) habe anfangs
„solche Gesellschaft in die Enge an st eilen und halten“ wollen; erst
später hahe man sieh überzeugt , dass sie zur Fortsetzung unserer hoch-
deutschen Sprache viel Gutes wirken könne u. s. w.
*) Es handelte sieh um die Frage, ob Hübner oder Opitz das Ver-
dienst gebühre, der Reformator der deutschen Kunstdichtung geworden zu sein.
’) Das Buch erschien im Jahre 1040 bei Matthäus Mcrian zu Frank-
furt a. M.
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1895. Comcnins uixl die Akademien der Nnturphilosophen ctc.
17
auch tlio Mitgliederliste bekannt, und es ergab sich, dass die Ge-
sellschaft einst viele mächtige Fürsten und Herren, Adelige und
Gelehrte für sich gewonnen hatte. Da waren I^andgraf Moritz
von Hessen (angenommen im Jahre 1623), der Pfalzgraf Ludwig
Philipp bei Rhein (1624) Karl Gustav, Pfalzgraf bei Rhein
und König von Schweden (1648), Herzog August von Braun-
schweig-Lüneburg (1634)*), Herzog Friedrich von Schleswig-
Holstein (1642), Herzog Georg Rudolf von Liegnitz und Brieg
(1622)*), Graf Otto zu Holstein-Schauenburg (1629), Graf Simon
von der Lippe (1626), Graf Philipp Moritz von Hanau (1627),
Graf Wilhelm Heinrich von Bentheim - Steinfurt (1617) *), ferner
Staatsmänner, Soldaten und Diplomaten wie Oxensticrna (1634),
Georg Friedrich Graf von Hohenlohe (1621), Hans Georg von
Arnim (1635), Christoph, Burggraf zu Dohna (1619) 5 ), Hieran,
von Diskau (1632), Friedrich Hortleder (1639), Friedrich Kospoth
(1622), Schriftsteller wie Johann von Münster zu Vortlage, Hans
Philipp Geuder und viele andere geistig hervorragende Männer,
die sich niemals mit Sprachwissenschaft oder Litteratur, sei es
als Schriftsteller, sei es als Liebhaber näher befasst haben.
') Ludwig Philipp von Pfalz-Simmern (geh. 1602) war der Sohn des
Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz (dessen Erzieher ß. M. Lingelsheira
wir unten kennen lernen werden) und der Bruder des Königs von Böhmen,
des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Letzterer wird in Briefen der
Naturphilosophen einfach „Noster“ genannt lohne nähere Bezeichnung), ein
Hinweis, dass Friedrich auch Mitglied einer Akademie war. 8. Reifferscheid,
Quellen zur Gesell, d. geistigen Lebens etc. 1889 (Register s. v. Noster.)
*) Herzog August, „der Befreiende“, hat für die Geschichte dieser
Akndemic besondere Bedeutung gewonnen. Im „Teutschen Palmbaum“
heisst es (BI. X): „Fürst Anhalt hat den Baum samt wenig Mitgenossen
G cpflanzet und der Held von Braunschweig hat begossen dies hohe Kunst-
gewächs “
3 ) Er war 1595 geboren mul hatte die Tochter des Mitbegründers der
Akademie, Johann Georg von Anhalt, 1614 geheiratet; im Jahre 1616 war
er zum ref. Bekenntnis öffentlich übergetreten, ebenso wie vorher der ihm
verwandte Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg. Er stand mit
Johann Arndt in brieflichem Verkehr.
*) Der Hchwager des Fürsten Ludwig von Anhalt, als Mann von
dessen Schwester Amoena Amalie, Tochter de» Grafen Arnold v. Steinfurt
(t 1606).
*) Es ist derselbe Burggraf zu Dohna, der in dem Briefwechsel des
Comenius als Mitglied von dessen Freundeskreise erscheint (A. Patern,
Briefw. des c., Prag 1802, S. 121. 132. 134).
i|i>r |0UT». .»
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18
Keller,
Heft 1 U. 2.
Von ganz besonderer Bedeutung musste für die neue Akademie
der schon im Jahre 1622 erfolgte Anschluss eines Mannes von
der geistigen Begabung und der Thatkraft des Fürsten Christian
von Anhalt werden (15K8 — 1680), der durch seine zahlreichen
persönlichen Verbindungen, besonders mit den evangelischen Magna-
ten in Böhmen, Mähren und Obeiösterreich der Gesellschaft manche
Freunde zuführen konnte und zugeführt hat. Fürst Christian war
es auch, der denjenigen Naturphilosophen, die sich vorwiegend mit
den Naturwissenschaften befassten, besonders nah stand.
Fürst Christian lebte lange Jahre als kurpfälzischer Statt-
halter in Amberg und unterhielt von hier aus mit dem nahen Böh-
men und Mähren die regsten persönlichen Beziehungen, besonders
mit dem mächtigsten und reichsten Magnaten dieses 1 lindes, Peter
Wok von Rosenberg, der mit Wenzel von Budowec, Frei-
horm von Budowa, der Führer der evangelischen Böhmen war
und mit dem Freiherrn Karl von Zierotin, der die gleiche
Stellung in Mähren besass; es ist merkwürdig, dass alle drei Männer
derselben Religionsgemeinschaft wie Comcnius, der Brüderunität,
angehürten. Mit Wok von Rosenberg unterhielt Fürst Christian
einen Briefwechsel, der unter Formen und Sinnbildern, die der
Alchemie entnommen waren — Wok galt selbst als „Alehvmist“
— , sehr ernste und weit aussehende Ziele verfolgte. ')
Auch mit den Führern der Reformierten in Oberösterreich,
besonders mit Erasmus von Tschcrnembl, sowie mit den
Brüdern Gotfried und Friedrich von Stahremberg, war
Christian ebenso befreundet, wie mit dem schlesischen Magnaten
Georg von Schönaich und vielen anderen. Der thätige An-
teil, den Fürst Christian an der Erwerbung der jülich-elevischen
Länder für Brandenburg nahm, ist bekannt; aber auch die Namen
der Grafen von Solms, Dietrich von d. Werders, Tobias Hübners,
Diskaus, Starschedels, Krachts, Hertefclds, v. d. Borelis u. s. w.,
die sämtlich für Brandenburg dort thätig waren, kehren in den
lasten der Akademie wieder. Mag es nun hiermit oder mit
sonstigen Gründen Zusammenhängen — genug, gerade das Knr-
') Näheres bei Gindelv, Kaiser Rudolf II. und »eine Zeit I, S. 142.
181 und Allg. 1). Biographie IV, 147. — Peter Wok» Bruder, Wilhelm
Roeenbcrg, war in zweiter FJie verheiratet mit Sophia, de» Kurfürsten
Joachim II. von Brandenburg Tochter und in dritter mit Anna Maria,
Markgräfin von Baden.
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1805. Comenius und die Akademien der Nnturphilosophen etc. 10
haus Brandenburg hat der Akademie des Palmbaums sein
thätiges Interesse zugewendet: im Jahre 1627 wurde Markgraf
Christian Mitglied, im Jahre 1637 traten der Kurfürst Georg
Wilhelm und der Markgraf Sigmund bei, und im Jahre 1644
vollzog Friedrich Wilhelm, der Grosse Kurfürst, seinen
Anschluss. Eine grosse Anzahl gerade derjenigen Geschlechter,
deren Geschichte mit der Entwicklung der Staatsgründung des
Grossen Kurfürsten eng verknüpft ist, kehren in der Mitglieder-
liste der Deutschen Soeietät wieder, z. B. die v. d. Schulenburg,
v. Hardenberg, Schleinitz, Lehndorf, Kendel, Knesebeck, Friesen,
Alvenslcbon , Bülow , Pitfurth, Rantzau, Gersdorf, Kessel,
Heyden, Kurdorf, Buch, Pawel, Nostitz, Arnim, Knyphausen,
Wolframsdorf, v. d. Goltz, Schweinitz, Berlepsch, Glasenapp,
Manteuffel, Pröck, Kochau, Seckendorf, Schwerin, Uechteritz und
viele andere, während andererseits kein einziger kursüehsischer
Edelmann, überhaupt kein einziges Geschlecht, das damals im
Dienst des lutherischen Kurhauses Sachsen gestanden, Mitglied
des Palmbaums gewesen ist. Ausser den genannten deutschen
Fürsten und Herren umfasste die Gesellschaft aber auch eine
Anzahl Ausländer, z. B. Angelus Snla von Vicentz (1628),
Franz Rouyer (1641), Octavio Piccolomini Aragona, Herzog von
Amalfi (1641), Francois und Caspar de Mercy (1642), Fr. J.
Lopez de Villa Nova (1646), die schwerlich wegen ihrer Ver-
dienste um die deutsche Sprache Aufnahme gefunden haben;
im Hinblick auf die Geschichte des Comeuius ist es besonders
beachtenswert, dass gerade einige seiner böhmischen und öster-
reichischen Landsleute , die um der Religion willen aus der
II ciinut verbannt waren, in der Gesellschaft des Palmbaums Auf-
nahme suchten und fanden; wir nennen hier den Münzmeister
Joh. A. Schlick, Graf zu Passaun, Matth. Gietzwitzky, Hans Georg
von Wartenberg und den Prager Gelehrten Nicolaus Troylo, welche
zu Köthen im Jahre 1631 Mitglieder der Akademie wurden. 1 )
Barthold n. O. S. 185 f. — Ausser den Tschechen waren auch ein
Schotte, Jacob King, der schwedische Feldmarschall Bam'r u. a. Mitglieder
der Gesellschaft. — Merkwürdig sind die Plane, welche auf Stiftung einer
verwandten Gesellschaft, der „Kreuzritter“, abzielten und deren Träger vor-
nehmlich Glieder des jajlnischen Adels gewesen zu sein scheinen. Näheres
bei Krause, Krtzsehrein S. JO. 78. 70. Unsen' erste Nachricht stammt
von Martin Opitz und taucht in Danzig auf.
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Koller,
Heft 1 u. 2.
Der Anteil, den die Gesellschaft an dem Schicksal der ver-
folgten Böhmen und Mähren nahm und die Unterstützung, die
sie diesen lieh, ist nicht minder beachtenswert wie die Teilnahme
an den Kämpfen der Hugenotten, die ganz deutlich hervortritt. ')
Ausser dein Fürsten Ludwig hat in späteren Jahren viel-
leicht kein Mann grösseren geistigen Einfluss in der Akademie
besessen als Georg Philipp Harsdörfer.
Das Geschlecht der Harsdörfer stammte aus Böhmen, wo
ein Harsdörfer noch im Jahre 1497 als Münzmeister des Königs
Wladislaw lebte. Die Vorfahren Georg Philipps waren im 14.
Jahrhundert nach Franken ausgewandert, und zu Ende dieses Jahr-
hunderts hatten sie in Nürnberg Bürgerrecht erworben, wo sie sich
im Kirchspiel S. Sebald ansässig machten und auf Grund ihres
grossen Reichtums bald zu Ansehen und Einfluss kamen. Georg
Philipp war am 1. November 1007 geboren und in S. Sebald
getauft; er hatte 1623 die Universität Altdorf bezogen und war
alsdann nach Strassburg gegangen, wo er in Matthias Bernegger
einen Lehrer fand, der bestimmenden Einfluss auf seine Denkart
gewinnen sollte.
Um die Geistesrichtung und die geschichtlichen Zusammen-
hänge der Akademien und ihrer Mitglieder richtig zu beurteilen,
ist dieser Einfluss Benieggers von grosser Bedeutung. 3 ) Bcm-
egger stammte aus einer österreichischen Exulanten -Familie und
war im Jahre 1582 zu Hallstadt in Oberösterreich geboren. Es
ist kein Zufall, dass er gerade diejenigen Neigungen, wie sie später
in den Akademien gepflegt wurden, die Naturwissenschaften und
'1 Ein Mitglied der Gesellschaft übersetzte die „Geschichte der
böhmischen Kirchen -Verfolgungen“ ins Deutsche. Das Ms., verbessert
von der Hand des Fürsten Ludwig, befindet sieh noch heute in der
herzoglichen Bibliothek in Zerbst. Die „Historia perseeutionem“ ist vom
Standpunkt der böhmischen Brüder aus geschrieben. Krause, Fürst Lud-
wig etc. 187!) III, 317. — Ein anderes Mitglied, Tobias Hübner, übersetzte
im Jahre 1019 die sämtlichen religiösen, historischen und epischen Werke
des Hugenotten Guillauiuc de Salluste , Seigneur de Barbas. Näheres bei
Witkowski, a. O. S. 9 ff.
’) Th. Bischoff a. a. O. S. G.
3 ) Über Bernegger geben neuerdings zwei Werke erwünschten Auf-
schluss: Reifferscheid, Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutsch-
land während des 17. Jahrh. Heilbronn ISS!) und C. Bünger, Matthias
Bernegger, Strassburg 1893.
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lKfir>. Comenius und dir Akademien der Naturphiliieophcn ctg. - J ]
die Mathematik, tlie Erziehungslehre und die Volkssprachen in
seiner Person vereinigte und auch den religiös- philosophischen
Standpunkt der Mehrheit durchaus teilte. Wenn man dem Ur-
sprung dieser Richtung nachgeht, führt eine Spur auf keinen ge-
ringeren als Hugo Grotius (geb. 10. April 1583) zurück, dessen
religiöse Schriften in dem Freundeskreise Bemeggers ein hohes
Anselm genossen. Es waren ausser Bernegger selbst dessen
Freunde Georg Michael Lingelsheim *), Martin Opitz,
Caspar Dornan'-), der Freund und Schützling der Freiherren
Wenzel von Budowee, J. F. Gronovius 8 ), der später in Holland
sein zweites Vaterland fand, Joh. Moehinger ans Danzig (geb.
1603), der mit Comenius befreundet war 4 ), Daniel Tilenus, der
eifrige Arminianer 3 ) Janus Gruter 1 ’), Zinkgraf u. a., die in Be-
ziehung zu Grotius standen; eine andere Spur weist auch hier
auf die italienischen Akademien hin, deren Mitglieder manche
Männer dieses Kreises waren. Bemegger hat nicht bloss mit
Galilei, sondern auch mit Thom. Campnnella in Verkehr ge-
') G. M. Lingelshcim war zu Strassburg am 9. Dez. 1559 gelieren
and wohl da« an Jahren älteste Mitglied diese« Freundeskreises. Dem ent-
sprach die ausserordentliche Verehrung, die ihm die jüngeren Akademiker
entgegenbrachten. Er heisst „Magnum pristinae lihertatis columen“ oder
„Litterarum et litteratorum fundator prinius“ u. s. w. L. war seit 1584 Er-
zieher des Pfalz. Kurprinzen und nachmnls politischer Beirat Friedrich IV.;
später zog er sich nach Strassburg zurück. Zahlreiche Briefe tmd sonstige
Quellen bei Reifferscheid a. O. (s. Register s. v.)
*) Casp. Dornau war 1577 zu Ziegenrück im Voigtland geboren und
war dann lange Jahre in Böhmen, wo er die Söhne böhmischer Magnaten
unterrichtete und in den Wenzel von Budowee, Frhni. v. Budowa, Vater
und Sohn, einflussreiche Gönner gewarnt. Seit 1908 war er Rektor de«
Gymnasiums in Görlitz, von 1910 — 1920 Professor am Gymnasium Schön-
aichianuiu in Beuthen, von 1921 — 1932 Leibarzt und Rat bei Herzog Joh.
Christian von Brieg. Er war nueh befreundet mit Ahrahmn Scultetus. Vgl.
Allg. d. Biogr. und Reifferscheid a. O.
*) Über Gronovius s. attsser Reifferscheid a. O. die A. d. B.
*) Den Briefwechsel mit Comenius s. bei A. Patcra, Korrespondenz
des C. Prag 1892 (Register s. v.) und die A. d. B. XXII, 43.
5 ) 8. Reiffegscheid a. O. (Register s. v.)
*) J. Gruter (1500 — 1027) war Holländer ans Antwerpen, dessen Eltern
aus religiösen Gründen nach England geflüchtet waren, wo J. G. seit seinem
7. Jahre lebte und die Universität Cambridge besuchte. Er fand später
Anstellung in Heidelberg. 8. Allg. d. Biogr. X, 98 ff.
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Koller,
Heft 1 u. 2.
standen — ereterer war Mitglied der Aeadetnia Delia in Padua ')
— und ist für beide schwer verfolgten Männer und ihre Schriften
unter persönlichen Opfern eingetreten 1 ); eine dritte Spur endlich
weist auf London und die „englische Soeietät“, mit deren regstem
Mitglied, Samuel Hartlieb, Bernegger in freundlichem Verkehr
stand. 3 )
Es darf daher nicht Wunder nehmen, «lass wir Berneggers
Schüler, Ph. Haredörfcr, tler nach seiner Strassburger Studienzeit
fünf Jahre lang in Italien, Holland, England und Frankreich sieh
aufgehalten hatte 4 ), bald als Mitglied der jüngeren Generation
desselben Freundeskreises antreffen, dem Bernegger angehörtc und
in ihm einen ausgesprochenen Gesinnungsgenossen kennen lernen.
Bernegger hatte sein ganzes Leben hindurch für die Aus-
gleichung der bestehenden konfessionellen (i«>gensätze gekämpft;
namentlich hatte er mit Nachdruck die Abstellung aller gewalt-
samen Bekehrung« -Versuche gefordert und war für den Grund-
satz der Freiwilligkeit in Glaubenssaehen eingetreteu. 5 ) Kr hat
damit einen ganz wesentlichen Gedanken aller angeseheneren
Akademiker zum Ausdruck gebracht — einen Gedanken, den auch
Comenius und seine Religionsgemeinschaft nicht nur theoretisch
vertreten, sondern auch tliat sächlich innerhalb ihres Machtbereichs
durchgesetzt haben. 6 )
*) Im Jahre 1635 gut» er «las Bystema Cosmieum des Galilei heraus —
näheres bei Reifferscheid 8.935 — und liess im Jahre 1032 Thomas Oampa-
nellas Apologia pro Galileo drucken (Reifferscheid a. n. O.). Es erwuchsen
Bcmegger dadurch viele Schwierigkeiten.
’) Favaro, Galileo Galilei e lo Studio di Padova. Firenze 1883, IF 2 ff.
*) Reifferscheid a. a. O. (s. Register unter Hartlieb).
*) Es ist nicht zweifelhaft , dass Harsdiirfer ebenso wie viele seiner
nächsten Freunilc Mitglie«! einer italienischen Akademie gewesen ist; ihn 1
Einrichtungen kannte er jedenfalls sehr genau. 8. Dissel, Philipp von
Zoson, 8. 23.
4 ) Bänger, M. Bernegger 1893, 8. 204, sagt: „Bo wurde er (Bom-
egger) bis zu seinem letzten Augenblicke kann man sagen . . . mit bissigem
Hasse verfolgt und gepeinigt nur deshalb, weil er den engherzigen , kurz-
sichtigen und selbstsüchtigen Verfolgungswahn der orthodoxen Lutheraner
nicht teilte, sondern unentwegt seinen toleranten und Synkretist ischen Stand-
punkt festhielt.“ — Gleichwohl hat Bcmegger „bis an sein Ende . . . für
Duldsamkeit und Geistesfreiheit gewirkt, gekämpft und gelitten“. (S. 207.)
*) Gindely, der in diesem Punkte als strenger Katholik gewiss ein
unverdächtiger Zeuge ist , sagt : „Diejenigen Adligen , die d«T L'nität an-
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1 895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc.
23
Mitglied der Akademie des Palmbaums ward im Jahre 184(1
auch ein Mann, der uns besonders interessiert, Johann Valentin
Andreae. Andreae hat sich nie durch Eifer für die deutsche
Sprache noch für die deutsche Litte rntur hervorgethan, aber gleich-
wohl fühlte er sich den Bestrebungen der Akademie, in den er
mit dem Brudemamen der „Mürbe“ eintrat, innerlich verwandt.
Am 17. Dezember 1846 richtete er an die Gesellschaft, ihren
„Vorsitzenden und ihre Glieder der höchsten wie jeder anderen
Würde“, eine Zuschrift 1 ), worin er sagt, dass er gemäss den Ge-
setzen der Gesellschaft sich ein Streben bewahren wolle, das auf
die Erforschung der christlichen Wahrheit, auf die Besse-
rung des sittlichen Lebens, die Pflege und Kultur des
Geistes, auf den Ausbau der Litteratur und die Pflege der
deutschen Muttersprache gerichtet sei; auch verspreche er,
sieh friedfertig, gefällig und fügsam (vorbehaltlich seines Keligions-
bekenntnisses) zu erweisen. Also auch hier stellt ein Mitglied,
dem der Fürst, der ihn einführte — es war Herzog August von
Braunschweig — , sicherlich über die Ziele der Akademie volle
Aufklärung gegeben hat, die christliche Wahrheit und die Besse-
rung des sittlichen Lebens au die erste Stelle, während die Pflege
der Muttersprache an letzter erscheint.
gehörten, waren die einzigen in Böhmen, welche dem Gewissen ihrer
Unterthancn nicht Gewalt anthaten“ (Gindely, Kaiser
Rudolf II. u. s. w. I, 181.)
') Laudatissimae Societatis Fruetiferae , Illustrissimo Capiti, Eiusque
membris, summae et cuiuscunque dignationis. Pro clementissima et benevola
in Ordinem nceeptione gratias humiUiiuas et perofficioan* agit, seque ad
normam Societatis, legvsque obsequenter obstringit, animumque indagandae
veritatis Christ innac studiosum ; morum emendatiorum appetentcin ; Ingenii
culturae aviduni, literanun exornandarum intentum; Gerinanae veniaeulae
lingnae cxcolendae et amplificandae assiduum; caetera pacificuin, officioeum,
et ductilcm assaturum atque servaturum, (salva Religionia suae profesaione)
sancte pollicctur, Fracidj agnomen, quod senio suo optime quadret, et Muecj
emblcmu, cum simbolo Et tarnen viget, acceptaturus, Id quod bene Capiti;
bene Ordini; bene «ibi vertat, Deum Opt: Max. ex animo precatur
Studtgnrdiae 17. Decemb. Johann: Valentinas
Anno 1646. Andreae T. I).
Andreae sandte diesen Brief mit Begleitschreiben vom 16. Dezember
1646 an den Herzog August von Braunsehweig, seinen Gönner, der seit 1634
Mitglied des Ortlens war. Obiger Brief und ein Auszug dieses Begleit-
schreiben« sind abgedruekt bei G. Krause, Der Fruchtbringenden Gesell-
schaft ältester Ertzschrein. Lpz. 1855, 8. 20!* f.
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24 Keller, Heft 1 u. 2.
Dass der in lutherischem Kirehendienst stehende Andrene jetzt
einer so stark reformiert gefärbten Vereinigung beitrat 1 ), bewies
doch, dass er wie diese Männer echtes Christentum mit eehter Huma-
nität vereinbar erachtete und sich von konfessioneller Enge frei wusste.
Wir sind sehr berechtigt, den Charakter des Palmenordens
nach dem Charakter der Männer zu beurteilen, die seine Begründer
und seine vornehmsten Träger gewesen sind. Und da begegnet
uns nun in Fürst Ludwig von Anhalt ein Mann, dem schon das
zur Ehre gereicht, dass er dreiunddreissig Jahre lang für eine
Sache eingetreten ist, die ihm, so berechtigt sie war, vornehmlich
Geringschätzung, Misstrauen und Gegnerschaft bei der Mehrzahl
der Zeitgenossen eintragen musste und eingetragen hat. Er war
erfüllt von einer tiefen und ernsten Frömmigkeit, die ihn zu einer
grossen Selbstlosigkeit und eben so grosser W illensstärke befähigte.
In einer hasserfüllten, kriegerischen Zeit war er von dem Stroben
erfüllt, die streitenden Rcligionsparteien auf der Grundlage christ-
licher Überzeugung zu näheren und der Entzweiung der Gemüter
an seinem Teile entgegenzutreten. Unzweifelhaft sollte die Aka-
demie, die er schuf, eben diesem Ideale zugleich dienen. Und
zwar waren es nicht nur die religiösen, sondern auch die Standes-
gegensätze, die er, soweit tlumlieh, abzuschwächen und zu über-
brücken gedachte.
Damit stimmt es vollkommen überein, wenn wir die Zu-
sammensetzung der Gesellschaft ins Auge fassen. Selbstverständ-
lich überwog die Zahl solcher Männer, die Gemeinschaften ange-
hörten, innerhalb deren der Unionsgedanke überliefert war; aber
auch Katholiken und Lutheraner wurden gern aufgenommen und
waren thatsächlieh in der Akademie vertreten; und Angehörige
nicht staatlich anerkannter christlicher Religions-Gemeinschaften
haben ihm sehr nah gestanden.
Ebenso waren in der Gesellschaft Männer der verschieden-
sten Stände und Berufsarten Mitglieder, mul zwar war dies nicht
Zufall, sondern wohlvorbedachte Absicht.
’) Was es damals bedeutete, innerhalb lutherischer Gebiete in den
Verdacht des Krypto-t’alvinismus oder gar des Calvinisums zu kommen, he-
weisen die Kämpfe Hornegger» in Strassburg (flünger, S. 201 ) und Dilherrs
in Nürnberg; auch war der zehnjährige Prozess und die Hinrichtung des
Kanzlers Nie. Krell (+ 10 Okt. l(SOl) wegen seines Krypto-Calvinismus noch
in frischer Erinnerung.
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1895. ConieniuH und die Akademien der Xnturphilosophen etc. 25
Unter den 789 Mitgliedern, auf welche die Gesellschaft bis
1662 utiwuchs, befanden sieh ein König, 8 Kurfürsten, 49 Her-
zoge, 4 Markgrafen, 10 Landgrafen, 8 Pfalzgrafen, 19 Fürsten,
t>0 Grafen und 685 Edelleute, Gelehrte und andere Männer bürger-
lichen Standes. 1 ) Trotz der starken Vertretung fürstlicher und
adlieher Häuser und trotz der festen Geschlossenheit des Bundes
und der Vorurteile des 17. Jahrhunderts, hat stets ein nicht un-
beträchtlicher Zugang bürgerlicher Elemente stattgehabt, und als
im Jahre 1647 Rud. v. Dietrichstein dem Erzschreinhalter ein
Gutachten einreichte, kraft dessen nur Rittermässigen der engere
Ring der Gesellschaft offen stehen solle, wies das Oberhaupt
diese Vorschläge mit Entschiedenheit zurück und erklärte, dass
ein solches Verfahren mit dem ursprünglichen Zwecke der Gesell-
schaft unvereinbar sei.*) Das ist um so merkwürdiger, als
auch Dietrichstein für die Biitgerlichen den äusseren Ring der
Gesellschaft offen halten wollte. Fürst Ludwig gab auf dieses
Ansinnen eine Erklärung ab, die ihm wie dem Orden Ehre macht:
„Die Gelehrten“, sagte er, „seien von wegen der freien Künste
auch edel“. Merkwürdig ist, dass die Zahl der Theologen in
derselben sehr gering war; bis zu Ludwigs Tod (1650) fanden
nur zwei Aufnahme: Johann Rist und J. V. Andrene; Joh. Michael
Dilherr, der mit vielen befreundet war, fand keine Aufnahme 3 ),
vielleicht weil er es selbst nicht wünschte, da er als lutherischer
Prediger zu Nürnberg in Missverständnisse und Kämpfe zu kom-
men ffiivhtete, in die Andreae wie Rist ebenfalls geraten waren.
Die Kämpfe, die Andreae mit den strengeren Lutheranern
ausgefochten hat — sie zählten ihn zu den Schwärmern und Fana-
tikern — , sind ja bekannt; aber auch Joh. Rist befand sieh in
ähnlicher Lage. Rist, in dessen Hause wir ein Mineralienkabinet,
Destillieröfen und mathematische Gerätschaften finden, der sich
auf dem Gebiet der Zeichenkunst und der Musik versuchte, auch
Arzneiwissenschaft trieb, gehört ebenso wie Hursdörfer den Natur-
philosophen 4 ) im engeren Sinne an. Obwohl sein Beruf ihn zu
’) Krause, Ältester Ertzsehrein etc., S. 2.
’) Krause, a. O. 8. lti.
3 ) Ein vollständiges Verzeichnis von 527 Mitgliedern s. Isei Krause,
Ludwig, Fürst zu Anhalt-Cöthen. Neusalz 1879 III, 8. 823 ff.
4 ) Rist veröffentlichte anonym unter anderen folgende Schriften :
1. „Phönix von der Alehymie und Stein der alten Philosophen, wie dorneHie
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26 Keller, Heft 1 u. 2.
vielfacher Beschäftigung mit theologischen Fragen nötigte, so war
ihm iloeh die herrschende Streittheologie in hohem Grade zu-
wider; ja, er wagte den ketzerischen Satz, die Synkretisten seien
rechtschaffene Leute, verständiger als ander«» Christen. Die
Standesgenossen rächten sieh dafür in derselben Weise, wie an
allen der Ketzerei Verdächtigen: sie wussten sehr viel Schlechtes
von ihm zu erzählen. Auch mit der Krziehungslehre beschäftigte
sieh Rist eifrig.
Die italienischen Akademien, nach deren Vorbild der Palmen-
orden gegründet war, müssen in gewissen Perioden ihrer Ge-
schichte insofern als geheime Gesellschaften bezeichnet werden,
als sie ihre Organisation, ihre Symbolik, ihre Formen und die
Listen ihrer Mitglieder den Aussenstehenden grundsätzlich nicht
mitteilten und vor allem auch die eigentlichen und höchsten Zieh»,
die ihnen vorschwebten , absichtlich nicht öffentlich erörterten,
sondern als vornehmste Aufgaben ihrer Thätigkeit vor der Öffent-
lichkeit harmlose und volkstümliche Zwecke angaben und vertraten.
Zwecke freilich, die nicht minder auf ihrem Wege lagen und ihren
Absichten entsprachen, wie «lie höheren Ziele, für die die Menge
aber in der Regel geringeres Verständnis mitzubringen pfh'gt, und
deren öffentliche Erörterung die ohnedies unausbleiblichen Kämpfe
verschärfen und verbitteren musste, selbst wenn es sich wie bei
der Mehrzahl der Akademien um reine Absichten handelte.
Die gleichen Grundsätze b«»gegnen uns auch in dem frühe-
sten Entwicklungs-Abschnitt des Palmenordens, und was wir über
die Einrichtung, die Sinnbilder, die Mitglieder und die Zwecke
wissen, rührt, wie wir oben sahen, «ius derjenigen Zeit her, wo die
Gesellschaft sieh von den Absichten, die den Begründern vorschweb-
ten, wesentlich entfernt hatte. Was späterhin verschleiert ward,
war im wesentlichen nur der Umstand, dass die Begründer sich in
erster Linie zur Förderung religiöser und sittlicher Fragen ver-
bunden hatten, und dass sie in vielen Punkten Anschauungen ver-
traten, die von den herrschenden Überzeugungen stark abwichen;
auch mancherlei Zeichen und Symbole sind st«:ts Geheimnis ge-
ztl hcreiton.“ Frankfurt n. M. 1(>30 2. „Philosophischer Phönix, das ist
Kurtze, jedoch gründliche und Sonnenklare Entdeckung der wahren und
eigentlichen Matcriae de« philosophischen Phönix.“ Danzig 1(137. Vergl.
H. Kopp, Die Alchemie. Heidelberg 1880, II, 382. — Über Rist vgl. die
Allg. d. Biogr. und die dort angegelrenen Quellen.
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1895. Comcnius und die Akademien der Naturphiloeophen ete. 27
blieben. In der melirerwähnten Verteidigunguschrift Karl Gustav
von Hilles, dein „Teutschen Palmbuum“, wird noch im Jahre 1647
zugegeben, dass es innerhalb der Gesellschaft „geheime Sachen“
gab, die nur denjenigen Mitgliedern bekannt wurden, die den Ordens-
saal im Schloss zu Köthen betreten durften (S. 188) — nebenbei
bemerkt eine ganz unverständliche Vorschrift, wenn es der Gesell-
schaft lediglich um die deutsche Sprache und Grammatik zu tliun
war. Doch glaubt Hille den Verdacht ablehnen zu müssen, dass
man durch die Gesellschaft „heimliche Verständnis auszu-
wirken beabsichtige, die der gemeinen Wohlfahrt, zuwider sei“.
Innerhalb der Akademien pflegte der Grundsatz der gleichen
Kochte zur thatsäehlichen Anerkennung zu kommen ') und es hängt
mit den allgemeinen Prinzipien wohl zusammen, dass uns bei ihnen
zuerst ein kräftiges Eintreten für die gleiche Menschenwürde der
Frauen begegnet s ) Manche Gebräuche und Formen der A kademien
erinnern an die Sitten der Gilden und des Zunftwesens, mit dem
einzelne Mitglieder unzweifelhaft bekannt gewesen sind. In Zünften
und Kaufunmusgilden waren bei den Aufnahmen sog. »Spiele,
Wasserspiele, Knuchspiele u. s. w. üblich, welchen die Eintretenden
sich unterwerfen mussten, gleichsam um die Festigkeit ihres Ent-
schlusses zu prüfen.®) Entsprechend dieser Sitte übte die Akademie
zu Weimar (ihr Sitz ward später nach Köthen verlegt •) das „Hän-
seln“. Auch wird von besonderen Gebräuchen beim Anfassen der
Gläser u. s. w. berichtet 5 ), und eigentümlich ist die Bedeutung
einer Trinkschale mit Fass, die einem Kelche gleicht — des soge-
nannten Ülbergers — sowie des Teppichs oder der „Tapetzerey“
in der Gesellschaft.
') Fürst Ludwig ersuchte den Martin Opitz bii ihn (Ludwig) „mich
der Gesellschaft Art, ohne sonderh'ches Gepränge“ zu schreiben (Schultz
Sprachgesellschaften 8. 31). — Umlegen erzählt in seiner Geschichte des
Blumenordens, NQrab. 1744, 8. 23: „Sie wollten unter einander als gleiche
angesehen sein und keiner sollte vor dem andern Besonderes haben.“
! ) Haredörfers „( Jesprüchsspielc“ hatten den Zweck, die öffentliche
Meinung für diesen Grundsatz zu gewinnen.
“1 Ober solche Sitten s. Barthold, Gosch, ri. fruehtbr. Ges. S. 112 uud
die dort angeführten Quellen.
4 ) Per Versaimnlungssaal zu Kothen war mit den WapjK'n und Ab-
zeichen sämtlicher Mitglieder geziert; sie sind sämtlich verschwunden. 8.
Bart hold a. n. O. 114 f.
*) Krause, Fürst Ludwig v. Anhalt, III. , 8. 19 ff.
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28
Keller, ('oinenius uml die Akademien etc. Heft l ll. 2.
Uber die Formalitäten oder das „Gepränge“ hei der Auf-
nahme neuer Mitglieder erhalten wir aus vertraulichen Briefen
einige Nachrichten. Daraus erhellt, dass eine „Prüfung“ und eine
„Einweihung“ stattfand. Am 25. Januar 1K49 berichtet ein Mit-
glied über eine Sitzung, die zu Brieg stattgefunden hatte, bei der
Herzog Georg v. Liegnitz aufgenommen worden war. „Die dazu
(zur Aufnahme) nöthige Gepränge (heisst es), sowol das Obe na n-
Sitzen als das Sitzrecht und (das; Zugleich- A nsetzen der
Gläser, sobald die Trompete erhallet, sind ohne einige Nichtig-
keit beobachtet worden.“ ■) Bei der Einweihung erhielt der Auf-
zunehmende einen Gesellschafts-Namen.
Es ist nicht ohne Interesse, dass solche Versammlungen
keineswegs bloss an dem Wohnsitz des obersten Leiters statt-
fanden, dass vielmehr auch in Brieg, Weimar u. s. w. eine örtliche
Organisation der Gesellschaft bezeugt ist, bei der das älteste Mit-
glied der Akademie den Vorsitz führte und „alles nach der Ord-
nung vollzog“.
Wir wissen ferner, dass die Gesellschaft in sich einen „engeren“
Kreis besass, welchem zwölf Mitglieder angehörten.*) Ob noch
andere Kreise in ihr bestanden, wissen wir nicht bestimmt ; jeden-
falls aber ist sicher, dass in ihrem Schoss ein Kreis bestand, der
sich die „Academic des vrais arnants“ nannte und zweimal
vierundzwanzig Personen umfasste. 3 ) Weder die Namen der „enge-
ren Gesellschaft“, noch die der Academic des vrais arnants sind
jemals bekannt gemacht worden, wiederum ein Beweis, dass man
die Neugierde der Aussenstehenden durch die Veröffentlichung
äusserlicher Dinge zu befriedigen suchte, anderes aber verschwieg.
Weitere Aufklärung über Wesen und Bedeutung der Aka-
demie des Palmbaums, die wir bis dahin ausschliesslich betrachtet
haben, wird uns die Geschichte anderer verwandter Akademien
liefern, die wir im zweiten Teil unserer Untersuchung behandeln
werden; auch die Beziehungen des Comenius zu dem Bunde
werden wir dann des Näheren erörtern.
') Krause, Ludwig Fürst von Anhalt, III., S. 25.
'| Näheres 1»ei Bnrthold u. O. 8. 154. Die Mitglieder des engeren
Kreises hielten ihre besonderen Versammlungen.
- 1 ) Barthold a. O. S. 154 ff. und Schultz, Sprachgesellschaften 1888,
S. 19.
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Johann Heinrich Alsted.
< 1588 - 1838 .)
Sein Leben und seine Schriften.
Von
F. W. E. Both,
Archivar a. P.
.Johann Heinrich Alsted 1 ) ward zu Ballersbach, einem Pfurr-
dorf im Amt Herborn, Provinz Hessen -Nassau, 1588 geboren.
Sein Vater Jakob Alsted stammte aus Westfalen. Er war 1584
bis 1588 erster Kaplan zu Herborn, vertauschte im Laufe des
Jahres 1588 diese Stellung mit der Kaplanei zu Ballersbach und
wurde am 1. April 1599 Pfarrer zu Bicken, wo er am 7. Juni
1622 aus diesem Leben schied. Er war eifriger Anhänger der
reformierten Lehre. Johann Heinrich Aisteds Mutter hiess Rebekka
und war die Tochter des Johannes Pincier, Pfarrers zu Wetter
in Hessen, eines entschiedenen Verfechters der reformierten Lehre,
und der Wittwe des Pfarrers Wilhelm Massen. Aus der am
13. November 1586 geschlossenen Ehe Jakob Aisteds mit Rebekka
Pincier waren ausser Johann Heinrich noch vorhanden ein Sohn
Jodokus Alsted*), der am 1. Juli 1606 zu Herbom immatrikuliert
’) Über Joh. Heinrich Alsted handeln: Archiv der nassauischcn
Kirchen- und Gelehrtengeschicbte. Von Ohr. D. Vogel. Hadamar und
C’oblenz. 1818. I. 8. 147 — 104. — A. Xebe, In Annalen des Vereins für
nassauisehe Altertumskunde. X. Hand (1870), 8. 118 — 130. — v. d. Linde,
Die Nassauer Drucke der k. I.andesbibl. zu Wiesbaden. Wiesbaden 1882,
S. 70—84. — Fenier K. v. Szatmäry, Gesell, der Schule zu Weissenburg
(Ungarisch), 1868. Criegern, J. A. Comenius als Theolog. Is-ipzig und
Heidelberg 1881, und besonders Joh. Kvacsala, Johann Heinrich Alsted
in der Ungarischen Revue von P. Hunfalvy und G. Heinrich. 1889, 8. 028
bis 042. Die letztere Abhandlung bildet eine vortreffliche Ergänzung zu
den hier gegebenen Nachrichten. — Zu vergleichen ist auch ausser dem
kurzen Artikel der A. d. B. Herzog» thcol. Realencyklopädie 1, 252.
■) Vogel a. a. O. S. 147 nennt ihn fälschlich: Justus.
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Roth,
Heft 1 ii. 2.
80
wurde, zu Ballersbach geboren war, Pfarrer zu Bicken ward ') und
lfi 17 als Pfarrer von Neunkirchen in der Pfalz vorkommt, sowie
eine Tochter Katherine. Ein Verwandter mütterlicher Seite,
Namens Johannes Pincier, Professor der Medizin und Philosophie
zu Herborn, später Leibarzt zu Dillenburg und Braunfels, ein ge-
wandter lateinischer Dichter, hob den kleinen .Johann Heinrich
Alsted aus der 'raufe. Sein Vater Jakob brachte dem Kinde die
Anfangsgründe des Wissens bei, worauf Alsted das Pädagog in
dem -nur eine Stunde von Ballersbach entfernten Herborn zu seiner
weiteren Ausbildung besuchte. Das Pädagog stand damals unter
Johannes Bisterfeld. Matthias Martinius und Heinrich Dauber in
hoher Blüte. Alted widmete sieh unter Matthias Martinius und
Wilhelm Zopper der Theologie und hörte bei Johann Pineier,
seinem Verwandten, und Heinrich Dauber Vorlesungen über
Philosophie und Philologie. 2 ) Mit Eifer betrieb Alsted seine
Studien, sodass er bald unter seinen Mitschülern, wozu Christoph
Möller und Ludwig Crocius, welche später als Gelehrte glänzten,
gehörten, durch seine Leistungen hervorragt«'. Zu Neujahr HiOö
trug Alsted bei einem akademischen Aktus ein selbst verfasstes,
lateinisches Gedicht vor. Als Alsted später dasselbe dem Druck
übergeben wollte, billigte der akademische Senat als Censor zwar
grösstenteils diese Absicht, nur Johann Piscator widerstrebte
diesem Vorhaben, indem er das Geilicht für unreife Arbeit er-
klärte und vorgab, Aistod werde später bessere Gedichte hervor-
bringen. Hierin gab der Senat dem Piscator, als Haupt der
hohen Schule, recht und somit unterblieb der Druck des Ge-
dichtes.
Als Alsted seine Studien vollendet, begab er sich nach Sitte
der Z«'it auf gelehrte Reisen zur weiteren Ausbildung. Er fuhr
über Frankfurt mich Heidelberg und Strassburg, weilte längere
Zeit in Basel, wohin ihn der berühmte Theologe Polanus von
Polandsdorf zog und längere Zeit fesselte. Zu Basel cröffnetc
Alsted seine schriftstellerische Laufbahn, indem er seine Flores
theologici herausgab (1609). Nach einem Besuch auch der inneren
') v. «1. Linde S. 380 mit dem Zusatz: Pastor Biccensm.
, ) Alsted ward am 2. Oktober 1002 als Hcnricus Alstedins Ballers-
haehensis unter dem Rektor und Roehtsgelehrt ei i Johann Althusius imma-
trikuliert. v. d. Linde a. a. O. S. 371 n. 13.
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mr>.
Johann Heinrich Alsted.
31
Schweiz kehrte Alsted nach Herborn zurück und bekam alsbald
und zwar noch im Lauf des Jahres 1608 eine Anstellung als
Lehrer der ersten Klasse des Herbomer Pädagoge und Inspektor
der Stipendiaten. Zugleich machte er von der ihm erteilten Er-
laubnis, Privatvorlesungen über Philosophie und Philologie halten
zu dürfen, Gebrauch. Er erfreute sich hierbei der Achtung der
älteren Ix'hrer und fand bei den Studierenden als Lehrer solchen
Beifall, dass er im Jahr 1610 ausserordentlicher Professor der
philosophischen Fakultät wurde. l ) 1609 hielt sich Alsted in der
Herbstmesse zu Frankfurt a. M. auf und Hess von dort seine elavis
artis Lulliflnuc, welche in gleichem Jahr zu Strassburg erschien,
ausgehen. Am 15. Oktober 1615 ward Alsted aus Anerkennung
dafür, dass er Berufungen als Lehrer nach Wesel und Hanau
ausgeschlagen, von der philosophischen Fakultät zu Herborn zum
ordentlichen Professor ernannt. Seit 1609 war er derart eifrig
beschäftigt, Schriften auf Schriften zu veröffentlichen, dass sein
Name als Schriftsteller wie als Lehrer weithin sieh verbreitete,
ln Folge dessen verhandelte der 1610 mit seinen Lunden zum
reformierten Bekenntnis übergetretene Kurfürst Johann Sigismund
von Brandenburg brieflich mit dem Grafen Georg von Nussatt-
Dillenburg, da er den Alsted als Lehrer zu berufen im Sinne
hatte. Der Graf gedachte jedoch den jungen Professor nicht ziehen
zu lassen, da er damals die Zierde der hohen Schule Herlrom
bildete.
Als die Streitigkeiten zwischen den holländischen Refor-
mierten und den Arminianern ausbrachen und eine Synode zur
Vereinbarung stattfinden sollte, sandte der Wetterauischc Grafen-
verein auf Ansuchen aus den Niederlanden, diese wichtige Synode
doch mit Abgeordneten zu beschicken, neben dem Johunu Bister-
feld, dem ehrwürdigen Siegener Pfarrer und Inspektor, den Alsted
nach Dordrecht, wohin die Synode einberufen war. Aistod trat
die Reise an und gelangte am 6. Dezember Hi 18 mit Bistorfold
nach Dordrecht. Dorthin schrieb demselben am 24. Dezember
1618 aus Herborn sein Kollege Georg Pasor (aus Ellar bei Hada-
') Bei dieser Gelegenheit scheint Alsteil unter Johann Pisoators Vor-
sitz seine Dissertation: Quaestiones illustres nutnero novem. Rcs|>omleiilc
Johanne Henrieo Alstedio Hallerslmeheusi, Nassovio, verfasst zu halten. Vgl.
v. <1. Linde u. a. O. S. 2ä0 n. 1414.
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32
Roth,
Heft 1 u. 2.
mar gebürtig) und bat um Benachrichtigung Aber den Stand der
Sache. Er vergleicht beide mit Planeten, durch die der theolo-
gische Äther und Kreis (der reformierten Sache) gelenkt werde.
Auch erflehete er des Himmels Segen auf die Abgeordneten und
den guten Ausgang der Sache herab. Mit seinem Schulkameraden
und Universitätsfreund Ludwig Crocius traf Alsted zu Dordreeht
wiederum zusammen, auch lernte er eine grosse Anzahl der be-
deutendsten reformierten Theologen kennen und suchte die be-
rühmtesten Professoren und Staatsmänner Hollands auf. Seinem
Herrn, dem Grafen Georg, teilte Alsted von Zeit zu Zeit die
Ergebnisse der Verhandlungen mit. Als die Synode nach langen
ermüdenden Verhandlungen im Mai 1619 sich auflöstc, widmete
der geklönte Dichter Heinrich Stromberg dem Alsted Worte der
Anerkennung und des Dankes für sein Auftreten. 1 )
Es war jedenfalls ein Zeichen der Dankbarkeit seitens der
dem reformierten Bekenntnis angehörenden Herbomer Hochschule,
dass dieselbe am 20. Mai 1619 den Alsted zum Professor der
Theologie ernannte, um den hochbetagten Piscator zu erleichtern.
Alsted behielt trotzdem die bisherigen Vorlesungen über Philosophie
bei, durfte aber jeden Tag eine Stunde weniger über dieses Fach
lehren. Am 1. Juli 1619 ward Alsted Rektor der hohen Schule
zu Herborn. ä ) Als solcher nahm er die Aufnahme des Johann
Heinrich Bisterfeld ans Siegen, später Professor zu Stuhl weissen-
burg, in’s Album der Hochschule vor. 8 ) Am 12. Juli 1625
wurde Alsted wiederum Rektor 4 ) und erhielt 1626 nach Johann
l’iscators Tod dessen Lehrstuhl als erster Lehrer der Theologie
zu Herbom.
Mitten in diese erspriessliche Thätigkeit Aisteds fielen
verderbenbringend die Wimm des dreissigjährigen Krieges. Die
Durchzüge der verschiedenen Ileeresabteilungen verbunden mit
der Entfremdung der Jugend von den Studien und das Aus-
wandern derselben an andere mehr Ruhe bietende auswärtige
Hochschulen Hessen die Hörsäle Herborns nach und nach veröden.
Die Liste der in diesen Zeiten zu Herborn immatrikulierten Hörer
•) Nebc a. a. O. 8. 120.
’) v. d. Linde u. a. O. 8. 404.
’) Ebenda 8. 404.
4 ) Ebenda 8. 414.
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1895.
Johann Heinrich Abteil.
38
ist eine sehr dürftige, und stellte nur die Umgegend Herboms
noch einiges an Zulauf. Selbst Aisteds Name blieb hier auf
entferntere Landesteile ohne Wirkung. Alstcd litt unter diesen
Verhältnissen ungemein und sehnte sich nach Müsse für seine
Lehrthätigkeit und sein schriftstellerisches Wirken. Seit lange
bestand eine sehr rege Verbindung zwischen den Reformierten
Rühmens, Mährens, Polens, Siebenbürgens und Ungarns und der
Herborner hohen Schule. Aisteds Name stand in diesen Länder-
gebieten bei der studierenden .lugend in hohen Ehren und zog
alljährlich eine grössere Anzahl junger Leute nach Herborn. Der
Fürst Gabriel von Siebenbürgen hatte zu Stuhlweissenburg eine
Universität errichtet, für die er Alstcd als Lehrer heranzuziehen
wünschte, um der auf reformierten Grundsätzen errichteten Anstalt
einen Mann zu geben, der derselben Glanz und Zulauf zu ver-
schaffen im stände war und damit die jungen Leute an Sieben-
bürgen für ihre Studien fesselte. Alstcd liebte seine engere
Heimat Nassau über alles, das Gefühl der Dankbarkeit gegen
das Fürstenhaus Nassau war ein weiteres Rand, auch knüpften
Verhältnisse verwandtschaftlicher Art ihn an Herborn, da er die
Tochter des ersten Herborner Ruchdruckers Christoph Rab (Cor-
vinus), Anna Katherine, zur Ehe hatte. Trotzdem überwog bei
Alstcd der Wunsch nach einem ungestörten Wirkungskreis, den
ihm der Krieg für unbegrenzte Zeit zu versagen drohte. Fürst
Gabriel dürfte sich dieser Stimmung Aisteds bedient und der
Zusage desselben sich versichert haben, ehe er sich an den
Landesherrn, den Grafen Ludwig Henrich von Nassau-Dillenburg
wandte und um Entlassung Aisteds in seine Dienste ansuchte.
Der Graf erteilte am 12. August Ui 2 9 demselben in der Über-
zeugung, dass dieses dem Alstcd zum Resten gereiche, den
gewünschten Abschied, behielt sich aber vor, dass derselbe nach
geschlossenem Frieden wieder in die bisherige Stellung zu Herborn
zurüekkehre. Gern sagte dieses Alsted zu. Fürst Gabriel hatte
durch Caspar Roiti persönlich mit Alsted unterhandeln lassen.
Letzterer zog mit einem Sohn Johann Piscators, dem Professor
der Theologie und Philologie M. Philipp Ludwig Piscator, nach
Siebenbürgen. Das Rerufungsschreiben beider ist vom 22. Februar
1629, als Caspar Roiti zurückgekehrt war, ausgestellt. Darin
versprach Gabriel , eineu zuverlässigen Mann gegen Ende Mai
nach Presburg entgegen zu senden, um die beiden Professoren
Munat^lH'lto der Coinpniu 8 -(ic»*.*llM*haft. lfc$D5. 3
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36
Roth,
Heft 1 n. 2.
das zum Zeitgeiste. Die Zeitgenossen erkannten Aisteds Wirken
an, das beweisen die vielfachen Auflagen der Schriften, selbst
solche nach Aisteds Tod. Leibniz würdigte dessen Eucyklopädie
der Beachtung. Auch heute ist Aisteds Xante noch nicht ver-
gessen, sondern wird unter den grossen Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts mit Ehren genannt
Das nachstehende Schriftenverzeichnis beruht auf vielfacher
Einsicht der an historischen Einzelheiten für Aisteds Biographie
sehr armen Schriften desselben, nebstdem auf Vogel’s, Nebe’s und
v. d. Linde ’s Angaben. Dissertationen sind nicht aufgeführt. Das
Verzeichnis möge eine Vorarbeit für eine künftige wissenschaft-
liche Bibliographie Alstcds bilden, die denn auch den zahlreichen
kleinen Gelegenheitsgedichten Aisteds in Druckwerken gerecht
werden und Alstcd auch als lateinischen Dichter würdigen mögt'.
Schriften Johann Heinrich Aisteds. 1 )
1. Flores thcologici. Basel (1 609). Erwähnt in einem Briefe
Aisteds an Christian Beekmann vom 19. Februar 1011. Vgl.
C. Beckmanni ncc non ad ipsum aliorum exstantiores epistolae.
Hanau 1619. 8. 37. vgl. Nebe S. 122 n. 1.
2. Clavis artis Lulliumio et verae logiees duos in libellos tributa.
Itl est solida dilucidatio artis magiiae, genendis et ultimae,
quam Raymundus Lullius invenit, ut esset quoruincumquc artiuin
et scientianun elavigera et serperasta: edita in usuin et gratimn
eorum, qui impemlio delectantur compendiis, et confusionem
sciolorum, qui iuventutem fatigant dispendiis. Aeeessit novum
speeulum logiees minime vulgaris. Argentorati MDC1X.
Octavo, 182 Seiten.
Nebe n. 2. Vogel 8. 164.
Dasselbe. Strassburg 1638. Octavo. Mainz Stadtb. Vogel
8. 164.
3. Systema mnemonicum duplex. Francofurti 1610. Nebe n. 3.
Vogel 8. 165.
4. Johannis Henriei Alstedii consiliarius aeademicus id est, me-
thodus fomiandoram studiorum, continens commonefactiones,
eoneilia, regulas, typos, calendaria, diaria, de ratione bene dis-
cendi et online studiorum reete instituendo: jterjK'tuis tabulis
adonmta: in gratiiun studiosorum tarn academiconun quam
') Übersichten über Alstcds Schriften, die zur Ergänzung eingesehen
werden können, finden sich bei Nieeron, Los Mömoires de Nictiron S. 298
bis 311 und bei Szabö, Regi Magyar Könyotär II, p. 680.
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1895.
Johann Heinrich Alfried.
37
trivinlium in seholis particularibus, ut vornut, Accessit concilium
de copin rerum et verborum. Strassburg 1610. Quarto.
Dasselbe. Herborn 1620. Quarto.
Dasselbe. Strassburg 1627. Octavo. Mainz Stadtbibi.
Nebe n. 4. Vogel S. 165. v. d. Linde S. 70 n. 10.
5. Theatrum scholasticum, in quo consiliarius philosnphicus proponit
et cxponit. I. Systeme et gymnasium mnemonicum , de per-
fectione memoriae et reminiscentiae. II. Gymnasium logieum
de perfectione iudieii, ubi disserit de ratione 1. Deftniendi
solide, 2. Dividendi recte, 3. Disputandi Aeademlce, 4. Consul-
tandi circumspeete, 5. Resolvendi aecuratc. III. Systema et
gymnasiuin Oratorium, de perfectione linguae, et methodo elo-
quentiae. Herborn 1610.
Octavo, 325 Seiten u. 18 Blätter u. 5 Tafeln. Wiesbaden
Landesb. ')
Nebe n. 5. Vogel S. 164. v. d. Linde S. 74 n. 4. —
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1620. Octavo. 322 Seiten.
Wiesbaden.
v. d. Linde S. 74 n. 50.
6. Panacea philosophica, id est facilis, nova et aeeurata methodus
doeendi et discondi universam encyclopaediam, septem sectionibus
distinetu. Authore Joanne Henrico Alstedio. Accessit ciusdcm
eritieus, de iufinito harmonico philosophine Aristotelicne, Lul-
lianae et Rameae. HU aecedit cousilium Clenardi de discenda
lingua latina. Ad illustrem et von? generosum dominum dominum
Carolum baronem ä Zerotin etc. Herborn 1610.
Octavo, 81 u. 12 Seiten u. 2 Tafeln. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 6. Vogel S. 164. v. d. Linde S. 72 n. 39.
7. Compendium grammaticae latinae Mauritio - Philippo Rameae,
Harmonice conformatae et suceincta methodo comprehcnsae,
recensente Johan - Henrico Alstedio. Herbom 1613. Sedez.
Mainz Stadth. Wiesbaden Landesb.*)
Nebe n. 7. Vogel S. 155. v. d. Linde 8. 71 n. 20.
8. Delineatio locorum communium specialis politieae Germaniae.
Herborn 1611. Octavo. Steht auch in Keckennanni systema
systematum. Hanau 1613. S. 1687 f.
Nebe n. 9. Vogel S. 165. v. d. Linde. S. 70 n. 16.
9. Elementale mathematicmn, in quo mathesis methodice trnditur
per praecepta brevia, theoremata perspicua, commentarin suc-
cincta. Prancofurti 1611. Quarto. Mainz Stadtb.
Nebe n. 10. Vogel S. 165.
*) Gewidmet dem Freiherrn Johann von Schönaich, Herrn zu Bcuthen
(in Schlesien).
’) Dein Landgrafen Moritz von Hessen gewidmet. O. D.
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88 Ruth. Heft 1 ii. 2.
10. Compendium I. Systematis logiei, de Septem instrumeiitonim
logieorum urchitoctura et fabrica. II. Gymnasii logiei, de nppli-
catione instrumentorum logieorum dianoetica et mnemonica, uno
libro explicati. Congestum e celeberrimorum logicorum seriptis,
et in octo libro* digestum. In quibus methodus nee iiimis
supina, nec nimio superstitiosa etc. Hcrbom 1011. Duodez.
119 Seiten. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 11. Vogel S. 165. v. <1. Linde S. 71 n. 21.
11. Methodus ss. theologiae in sex lihros tributa. Offenbach 1611.
Duodez. Hanau 1028 und 1084. Duodez.
Nebe n. 15. Vogel S. 165.
12. Lexieon theologicum , in quo saerosnnetae theologine tcmiini
dilucide explicantur iuxta serieni locoruni comnuinium. Aeeedit
neeessaria nionitio de lectione novi testamen ti. Hanau 1012,
1620, 1026 und 1034. Oetavo.
Nebe n. 19.
13. Systema physicae hannonicae, quatuor liliellis methodice pro-
posituin , in quonim I. Physica mosaiea delineatur, II. Physica
Hebraeonun, Rabbinica et Cabhalistiea proponitur. III. Physica
peripatetica, maxinmm parte mcongesta e Juli! C'aesaris Scaligeri
lib. 15. Exotcricnrum exercitationum plenius pcrtrnctatur.
IV. Physica chemica perspicue et breviter adumbratur etc.
Herborn 1012. Duodez, 227 Seiten. Wiesbaden Landesb. ')
Nein- n. 20. v. d. Linde S. 73 n. 44.
14. Trigae eanonieae, <|imrum prima artis innctnologirae explicatio,
secunda artis Lullianae architectura et usus, tertia artis ora-
toriae nmgisterium est, Francofurti 1012. Oetavo.
Nelie n. 21.
15. Philosophin digne restituta: libros quatuor pmecognitorum philo-
sophicorum complecten» : quonim 1. Archelogin, de principiis
disciplinnnuu. II. Hexilogia, de habitilius inteliectualibus.
III. Technologia, de natura et differentiis disciplinamm. IV.
Canonica, de modo discendi. Cursui pliilosophico lampadis
instar praemissa, et emissa n Johanne Henrico Alstedio etc.
Herborn 1012. Oetavo. 14 u. 402 Seiten u. 1 Tafel. Wies-
baden Landesb.
Nelie n. 22. v. d. Linde S. 73. n. 41.
10. Consilium ile locis conununihus recte adornandis. Herbomae.
1012. Oetavo.
Nebe n. 22. v. d. Linde S. 70 n. 11.
17. Johann Henriei Alstedi orator sex libris informatus. In quonim
I. Praeeognita. II. Oratoria communis. III. Epistolica. IV. Me-
tliodus eloquentiae. V. Critiea. VI. Rhetoriea ecclesiastica.
') Seinem Onkel Ludwig Pincier, Dekan der Kathcdralkirche zu
Lübeck, gewidmet.
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1 8515.
Johann Heinrich Abteil.
39
Accedit consilium «lc locis communihus. Herhorn Hi 12. Duodez.
2.36 Seiten n. 1 Blatt. Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 23. v. d. Linde S. 72 n. 36.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1614. Duodez, v. d.
Linde. S. 72 n. 37.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herborn 1616. Duodez, v. d.
Linde. S. 72 n. 33.
13. Methodus admirandorum nmtheinaticonim oomplectons novein
libros nmtheseos universae, in quorum 1 . mathenmtica generalis,
2. arithnictiea. 3. geometria. 4. cosmogrnphia. 5. urunoscopia.
6. geographia. 7. optica. 3. rnusica. 9. arehiteetoniea etc.
Herborn 1613. Duodez, 4 Blätter u. 532 Seiten u. 6 Blätter.
Wiesbaden Landes!).
v. d. Linde S. 71 n. 27 u. S. 535 n. 27. Nebe n. 27.
Dasselbe. Herborn 1623. Duodez, 456 Seiten n. 1 Tafel.
Wiesbaden Landes!), v. d. Linde S. 72 n. 23.
Dasselbe. Herborn 1641. Duodez, v. d. Linde S. 72 n. 29.
Dassell>e. Herborn 1657. Duodez, v. d. Linde S. 72 n. 30.
19. Johann Henrici Alstedi metaphysiea, tribus libris tnictata: per
praecepta inethodica: theoreinata selecta et eoinnientariola di-
lucida etc. Herborn 1613. Duodez. 233 Seiten u. 3 Blätter.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 39. v. d. Linde S. 72 n. 31.
Dasselbe. Zweite Auflage, v. d. Linde S. 72 n. 32.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herborn 1616. Duodez. 287 Seiten,
v. d. Linde S. 72 n. 33.
Dasselbe. Vierte Auflage. Herborn 1622. Duodez, v. d. Linde
S. 72 n. 34.
Dasselbe. Fünfte Aufluge. Herborn 1631. Duodez, v. d. Linde
8. 72 n. 35.
20. Compendiuut logicae hanuonicae. Herborn 1613. Duodez.
Nebe n. Io. v. d. Linde S. 71 n. 22.
Dasselbe. Herborn 1623. Duodez. 201 Seiten u. 1 leeres Blatt,
v. d. Linde S. 71 n. 23 (vollständiger Titel).
21. Logicae systenia hnmionicuui, in quo universis bene disserendi
niodus ex authoribus pcripateticis iuxta et Kanieis traditur per
praecepta brevia, canones selectos et eomnientaria dilueida.
Quibus non solum seien tia nobilissinme artis, sed etiiun usus,
et is quidem inpriniis continetur etc. Herborn 1614. Octavo.
8 Blätter u. 321 Seiten u. 8 Blätter. Wiesbaden Landesb. 1 )
Nebe li. 41. v. d. Linde S. 71 n. 25.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herborn 1628. Oetav. 14 Blätter
u. 828 Seiten u. 8 Blätter. Wiesbaden Landesb.
v. d. Linde S. 71 n. 26.
') Dem Josua von der Tanne gewidmet.
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40 Roth, Heft 1 u. 2.
22. Theologia naturnlis exhibens augustissiniHin natura«' seholam;
in qua ereaturac dei communi sermone ad omne» pariter do-
cendos utuntur. Ad versus atheos, epicureos, et sophistas huius
teinporis. Duohus libris pcrtractata : studio Johann Henrid
Alstedii. Cum imlice necessario in calcc adnexo. Prostat apud
Antonium Hunnium. M. DC. XV. Quarto. Mainz Stadtbibi. *)
Nebe n. 40.
23. Praecognita theologiea. Frankfurt a. M. 10 15. Hanau 1023.
Quarto.
Nebe n. 47.
24. Theologia catccheticn, exhibens sncmtissimnm liovitioloruni Chri-
stianorum seholam. Hanau 1610 und 1022. Quarto.
Nebe n. 47.
25. Rhetorica quatuor libris proponens universam omate dieendi
niodum, per praeeepta brevia, eanonea seleetos et commentaria
dilucida ete. Herborn 1010. Octavo, 0 Blätter u. 041 Seiten.
Wiesbaden Landes!).
Nebe n. 51. v. d. Linde S. 73 n. 47.
Dasselbe. Zweite Auflage. Herbom 1020. Octam 8 Blätter
u. 639 Seiten. Wiesbaden Landcsb.
v. d. Linde S. 73 n. 48.
20. Theologia seholastica didactioa. Hanau 1018 u. 1027. Quarto.
Nebe n. 01.
27. Pneuuiatica. Herborn 1019.
Nebe n. 73. v. d. Linde S. 73 n. 40.
28. Cursus philosophici eneyclopaedia libris XXVII. eoniplecteus
universae philosophiae methoilum, serie praeeeptorum, rcgularum
et comuientariorum perpetua: Insertis eompendiis, leinuintibus,
controversiis, tabulis, florilegiis, figuris, lexi«'is, hieis eonimunibus
et indieibus, ita ut hoc vol innen possit esse instiu' bibliothecae
philosophicao. Adornata opera ae studio Johannis -Henrid
Alstedii. Herbom 1020. Quarto, 3074 Col. u. 28 Blätter
u. 810 Col. u. 2 Blätter. Mainz Stadtb. Wiesbaden Landes!).
Nebe n. 79. v. d. Linde S. 74 n. 52.
29. Theologia polemica exhibens praecipuas huius aevi in religionis
ncgotio eontroversias. Hanau 1020 und 1027. Quarto.
Nebe n. 80.
30. Logistiea sive arithmetieae praetieae eoinpendium. Hanau 1020.
Oetavo.
Nebe n. 81.
31. Philomela thcologico-philoaophiea, reeitans fundtunenta pietatis
et humanitatis id est I. incmoriale biblicum. II. Oeeonoiniatn
bibliorum. III. Trivium philosophiae. Herbom 1620. Duodez.
00 u. 072 u. 4 Seiten. Wiesbaden Landesh.
Nebe n. 82. v. d. Linde 8. 73 n. 42.
’) Dem Stadl rat zu Nürnberg gewidmet: Frankfurt a. M. 1. März 1015
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1 895.
Johann Heinrich Aistod.
41
Dasselbe. Zweite Auflage. Herbnrn 1027. Duodez, 4 Blätter
u. 002 Seiten. Wiesbaden Landesb.
v. d. Linde S. 73 n. 43.
32. Theologia eastunn, exhibens aimtonien eon seien tiae et sebobun
tentationum. Hanau 1021 und 1030. Quarto.’)
Dasselbe. Frankfurt a. M. 1074. Quarto.
Nebe n. 80.
33. Theologia prophetien exliibens rhetorieani eeelesiastieam, in qua
proponitur ars eoneionandi, et Illustrator proniptuario concionuni
loeupletissimo, II. politiaiu ecelesiasticam. Aece<lit theologia
acromutiea. Hanau 1622. Quarto.
Nebe n. 89.
34. Nucleus logieae eompleetens praxin artis nobilissimae authorc
Johanne Honrieo Alstedio. Herlmrn 1023. Duodez. 71 Seiten.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 98. v. d. Linde S. 71 n. 24.
35. Thesaurus ehronologiae in quo universa teniporum et histori-
imuii series in omni vitae geliere ponitur ob oculos. Authore
Johanne Honrieo Alstedio. Herborn 1G24. Octavo. 340 Seiten,
18 Blätter u. 1 Tafid. Wiesbaden Landesb.
v. d. Linde S. 70 n. 12.
Dasselbe. Zweite Auflage. Ilerborn 1 628. Octavo. 592 Seiten
u. 10 Blätter. Wiesbaden Landesb.
v. d. Linde S. 70 n. 13.
Dasselbe. Dritte Auflage. Herborn 1037. Octavo.
v. d. Linde S. 70 n. 14.
Dasselbe. Vierte Auflage. Ilerborn 1050. Octavo. 091 Seiten
u. 22 Blätter. Mainz Stadtb. und Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 101. v. d. Linde S. 70 n. 15.
30. Conipendium theologieuni, exliibens nietbodum ss. theologiae.
Hanau 1024. Octavo.
Nebe n. 102.
37. Triumphus bihliorum saeroruni, seu encyclopaedia biblica, ex-
hibens triumphuin philosophine, iuris prudentiae, et medicinae
sacrae, itemque sacrosanctae theologiae, quatenus illaruiu funda-
nienta ex scriptuni v. et n. t. eolliguntur. Fnmkfurt a. M.
1025 und 1042. Octavo.
Nebe n. 104.
38. Logiea theologiea. Fnmkfurt a. M. 1025, 1029 in Octavo,
1652 in Duodez.
Nebe n. 105.
39. Definitiones thcologicae secunduni ordinein locoruni conuuuniuin
trndi ae. Fnmkfurt a. M. 1026. Duodez.
N 'be n. 1 06.
') Den Kronprinzen Friedrich von Norwegen, Herzog zu Schleswig
gewidmet.
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42
Kolli,
Heft 1 u. 2.
40. Compeniliiini philosnphieum oxhihenx metliodum, definitiones,
ounonos, dixtinetiones et quaestiones |x r Universum philoxophiain.
Inserti mint hine inde traetatus <|uiduni mri et longe utilissiini.
Herlioni 1 (i 2li. Oetavo. 1770 Seiten. Eine neue Bearbeitung
des Cursus philosophieus 1620.
Nebe n. 107. v. <1. Linde 8. 74 n. 53.
Dasselbe, Strassburg 1027. Oetavo.
Die Fortsetzung hat den Titel:
Compendium lexiei philosophiei ea niethodo eonfoniuituin , ul
una eadem opera termini liheraliuni artium ipsucque res, qnuntmn
ail loeorum eoinmuneni summa eapita faeile possint memoria
eomprehendi ete. Herborn 1020. Oetavo. 1 Tafel u. Seiten
1777—3394. Wiesbaden Landesb.
Mit dem Sondertitel :
Quatuor indiees phyxiei corporum naturalium ]« rfeete mixtoriiiu
I. Melallieus, seu fossilium. II. Bolanieus sive plantarum.
III. Zodiaeus, seu unimalium. IV. Anatoniicus sive partium
eorjiorix humani etc. Herlmrn 1 020. Wiesbaden Landesb.
v. d. Linde S. 75 n. 54 — 55.
41. Paratitla theologica, in quibus vera antiquitns, et pliniseologin
snerarum literarum et patruni, sive priseorum eeelesiae doetonun,
ila illustratur, ut Universum sacrosnnetae theologine xyntagrna
hae veluti elave reseretur. Frankfurt a. M. 1020 und 1040
in Quarto.
Nebe n. 108.
42. Distinetiones per universam tiieologiam suintae ex eanone saeraruin
literarum et classieis theologis. Frankfurt a. M. 1020 und 1030.
Duodez.
Nebe n. 112.
43. Synopsis theologine. Ilanuu 1027 und Frankfurt a. M. 1053
in Oetavo.
Nebe n. 109.
44. Quaestiones theologieae. Frankfurt a. M. 1027. Oetavo.
Ilnimu 1034. Duodez.
Nebe li. 110.
45. Dintribe de mille annis apoealyptieis, non illis ('hiliastnrum et
Phantastanim, sed B. B. Danielis et Joliannis. Herborn 1027
und 1030. Duodez. Frankfurt a. M. 1027. Sedez. Deutseh
1 030. Duodez.
Nebe n. 111. v. d. Linde S. 70 — 71 n. 17 — 19.
40. Summa casuum conseimtiae, novo niethodo elaborata. Aeeedunt
opuseula duo eiusdem argumenti: videüeet I. explicatio tenni-
nonun, quibus utuntur easistae. II. Aritlimologia saera et quo-
tidiana eonscientiae luetantis. Frankfurt a. M. 1023. Duodez.
Hanau 1 043. Duodez.
Nebe n. 113.
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1 H<)5.
Johann Heinrich A Ixted.
43
47. Loci conimuncs theologici. similitudinihus illustrati. Frank-
furt a. M. 1680, 1653 und 1658. Octavo.
Nebe n. 114.
43. Encyclopacdia xoptctn tomis dixtinctn. I. praecognita diseipli-
nartim, libris quatuor. II. Philologiu libris sex. III. l’hilo-
xophia theoretica, libris decem. IV. Philosophia practica, libris
quatuor. V. Tres superiores facultates, libris tribus. VI. Arles
mechanicBe, libris tribux. VII. Farragines disciplinaruin, libris
quinque etc. Herborn 1630. Folio. 6 Blätter u. 2404 Seiten
U. 64 Blätter. Wiesbaden Landesb. *)
Nebe n. 115. v. d. Linde S. 75 n. 56.
49. Pentateuchus Mosaica et Pleias apostolica, i<l est quinque libri
Mosis, et septem epistolae catholicae brevieulis notationibus
illustratae. Herborn 1631. Octavo.
Nebe n. 116. v. d. Linde S. 72 n. 40.
50. Turris David, de qua jn'inlent tnille elyjM-i, hoc est, xyllogc
denionstrationuin, quibus invietum robur religionis asseritur.
Hanau 1 634. Duodez.
Nebe n. 117.
51. Prodroinus religionis triumphantis, contra Jac. Crellium et Job.
Volkelium. Albae Juliae. 1635. Folio.
Nebe n. 118.
52. Turris Babel dcstructa, hoc est refutntio arguinen toruni, quibus
utuntur omnis generis gignntes ad stabiliendum confnsioneni
in negotio religionis. Per Job. Henricum Alstcdiuni. Herboni.
1639. Duodez. 1130 Seiten u. 6 Seiten. Wiesbaden Iauirirsb.
Nebe n. 119. v. d. Linde S. 70 n. 9.
53. Trifolium propheticum , id est canticum cnnticoruin Salomonis,
prophetia Danielis, apocalypsis Johannis, sic explicata, ut serics
textus et scries tonqioris propbetici e regione positae luceni
menti et consolationem cordi ingerant. Ad Cyrilluin patriarchain
universi orientis Constantino|>oli. Herborn 1640. Quarto.
Wiesbaden Landesb.
Nebe n. 120. v. d. Linde S. 74 n. 51.
54. Physiea hnnnonica, quatuor libellis methodiee pro|Kmens.
I. Physicmn Mosaicani. II. Phvsicam Hebracoruin. III. Phy-
sicain chemicani. Postrenm cura Joannis Henriei Alstedii etc.
Hcliornac (!) 1642. Duodez.
v. <1. Linde S. 73 n. 45.
') Dem Grafen Gabriel von Oppeln, Herzog von Kaliber, gewidmet.
In der Vorrede vom 1. September 1629 sagt Als teil, dass er 21 Jahre Lehrer
zu Herborn gewesen.
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44
Roth, Johann Heinrich Als (cd.
Heft 1 u. 2.
Schriften, welche Alstcd hcransgnb.
1. Keekennann, systema systematuni. Hanau 1013. Octavo.
2. Artifieium perornndi traditum a Jonlano Bruno Nolano- Italo,
conununicatum u Johanne Henrico Alatedio. Frankfurt a. M.
HU2. Octavo.
3. Bernhard) de Lavinheta opera otnnia. Oöln 1012. Octavo.
4. Pastor conformatus ab Henrico Bullingero. Frankfurt a. M.
1013. Duodez.
5. Chaniier Daniel, Delphinas, panstrntiac catholicae sive contro-
versiarum de religione adversus pontificios corpus. Editio II,
cui aceessit supplementuni opera I. H. Alstedii. O. (). 1627
bis 1029. Folio, fünf Bände. Haag, France protestante III,
S. 332.
Zugeschrieben wird dem Alstcd unter dem Namen :
Sadoletus Claudius, eynoxura oninium faeultatum studioruni.
Accedit Jae. Pontani dissertntio de pniestantin epistolaniin
(’ireronis. Strassburg 1 004. Quarto. Vgl. Placcius, theatruin
anonymoruin etc. S. 550 n. 2398. Mit Wahrscheinlichkeit
ist Alstcd Verfasser der epistola ad Josuani von «1er Tann,
de peregrinntione prudeuter instituenda, enthalten in Crenius,
T. , eonsilia et methoili studioruni. n. 1 7. ') Über den Raekauer
Katechismus seheinl Alstcd eine b«>sond<*re Schrift verfasst zu
haben, es erschien: Alstcd’t Rackows catechismus met syn
ondersoek vertaelt door J. Greydc. Franeeker 1651.*)
') Vogel a. a. O. S. 104.
’) Nche a. a. O. 8. 129.
i
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Klei ncrc Mittei hingen.
Oie Litteratur der letzten fünfzig Jahre über die Geschichte
der böhmischen Brüder.
(ZusammcngCHtcllt von Dr. R. Wolknn in Czeraowi tz- Bu ko wina. )
1845. N obcsky, V.: Pfsnc bratra Jana Auguaty, ktorez delal ve
vözcnf (l’asopis öeskdfao nuisca [C. e. in.] 1845, p. 595).
Hukopis eis. dvorek^ kniliovny ve Vfdni obsahujice pfsnc
Br. Jana Augusty (0. c. in. 1845, p. 600).
1849. Ehrenbürger, Jos.: () wypowezenf Jednoty Bratrske ze
statku Jaroslawa PernSteinskeho na rok 1547 (('. c. ni.
1849, II pp. 3—20).
(’asopis Katol. ducliov. 1849 p. 175 bringt auf p. 175
Nach lieh ton über das lieben der böhmischen Brüder in
Eibenschütz (Hanuä; Quellenkunde p. 156).
1854. Gvndelv, Ant.: Uber die Zahl der sogenannten Brüder-
Konfessioncn (Sitzungsberichte der bölini. Gesellseh. <1.
Wissensch. 1854, p. 33).
1855. Hradil, J.: Hukopis gramniatiky coskö Jana Blahoslava
(('. e. in. 1855, pp. 372 — 79).
1856. Gindelv, Ant.: Zivotopis B. Jana Blahoslava (('. e. m. 1856,
I p. 20 -44; II p. 3—23).
1858. Gindely, Ant.: Geschichte d. böhm. Brüder. Prag, Tenipsky.
1859. Feifalik, .T.: Lied über die Vertreibung der huttcrisehon
Brüder aus Mähren im Jahre 1535 (Notizenblatt d. mähr.
Gesellschaft f. Statistik etc. 1859, p. 91 f.).
Quellen zur Geschichte der böhm. Brüder, herausg. von
Ant. Gindely (Fontes rerum Austriacarum II, 19).
1861. Jireeek, .Jos.: B. Jana Jafeta knftkä zprtfva obiskupfeh
a stursfeh jednoty Bratrskö (( ’. e. m. 1861, pp. 139 —158).
Gindely, Ant,: Bratr Lukäs a spisov4 jelio (C. e. m. 1861,
pp. 278—296).
Blahoslavova filipika _ proti nephttelum vzdeldnf vyssfho
v Jednote bratrskt? (0. c. m. 1861, pp. 372 — 81).
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46 Wolknn, Heft 1 u. 2.
1802. Br. Jana Blahoslava Historie Bratrf cesktfch u vV'tahu
Pa via Jos. Safarfka (C'.c.m. 1862, pp. 99—124, 201—212).
Jireeek, Josef: Kancionrfl bratrsk< - (C. c. m. 1862, pp. 24
bis 51). PMdavck pp. 95 — 96.
1863. Pas Totenbuch der Geistlichkeit d. böhm. Brüder, hrsg.
von Fiedler (Fontes rer. austriac. I, 5).
Zezsehwitz, G. v.: Pie Katechismen der Waldenser und
böhmischen Brüder als Pocumente ihres wechselseitigen
Lehraustausches.
1865. Cröger, E. W.: Geschichte der alten Brüdcrkirchc. Gnadau.
Gindcly, Ant. : Dekrety Jednoty Bratrske. V Prazc.
1806. Brandt, V.: Biblioteka jednoty bratrske v Knflicieh (0. c.
in. 1866, p. 203 — 204).
1868. Tieftrunk: Uber die Ursachen der hurten Verfolgung der
böhmischen Brüder im Jahre 1547 und 1548 (Sitzungs-
berichte d. bölun. Gesellsch. d. Wissenseh. 1808, II, p. 40).
Plitt: Über die Lehrweise der böhmischen Brüder in be-
treff der Rechtfertigung des Glaubens und die Werke
des Glaubens (Thool. Studien u. Kritiken 1868, p. 581).
Palucky, Fr.: O stycieh a poincru sektv Valdenske k
nekdcjsfin sektäm v Üechach (("'. c. m. 1868, p. 291 — 320).
1869. Tieftrunk, K.: Opricimfch kruteho pronifsledovänf bratrf
ceskyeh v 1. 1547 a 1548 (('. c. in. 1869, II, p. 72 — 86).
1870. Wackernagel, Phil.: Pas deutsche Kirchenlied von der
ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Julirh. 3. Baud.
Leipzig, B. G. Teubner (no. 255 — 417 das Gesangbuch
Weisses, 418 — 445 das Joh. Horns).
1872. Zoubek: Skola bratrskif v Jvancicieh (Beseda ueitelskä
IV, 217).
1874. tauige Bruder- Konfessionen (Notizcnbl. d. mähr. Ge-
sellsch. 1874, p. 30).
Safari k, P. J.: Studie o Petra ('heleiekem ((’. c. m. 1874,
pp. 91—109).
Jireeek, Jos.: Literatur!» exulantftv eeskvch (C. e. m. 1874,
pp. 190—235, 484 -494).
Wackernagel, Phil.: Pas deutsche Kirchenlied etc. 4.
Band. Leipzig, B. G. Teubner (uo. 492 — 066 Lieder aus
den „Kirchengesengen“ 1566).
1875. Zahn, Joh.: Pie geistlichen Lieder der Brüder in Böhmen,
Mähren und Polen. Nürnberg, Gottfr. Isöhe.
Jireeek, Jos.: Nov<5 objevy z literaturv staroeeskf- (C. c.
m. 1875, pp. 168 — 172).
Slavfk: K litenfrni cinnosti J. Blahoslava ((’. c. m. 1875,
pp. 274 — 285, 373 — 387).
1876. Blahoslav: Pe vitiis concionatorutn cd. Slavfk.
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1895. Die Litteratur der letzten fünfzig Jahre etc. 47
1877. Jirecck, Jos.: Spfsovö öestf ve sbornfku Pnvla Krupia
(Ö. c. nt. 1877, pp. 77 — 87).
Goli, Jarosl: Br. Jana Blahoslava spisy historickd (C. c.
m. 1877, pp. 325 — 333).
Lttkaszewicz, Jos.: Geschichte der böhmischen Brüder
in Grosspolen. Griitz.
Jirecck, Jos.: O Blahoslavove rejstrfku puvndftv pfsni v
kancionaln ßratrskdm a v ccskd milostne pisni z Vcn-
dönte (Sitzungsberichte d. bölim. Gescllsch. d. Wissenseh.
1877, p. 392).
Goll, Jarosl: Der böhmische Text des ßrüdcrkntcchinius
und sein Verhältnis zu den Kinderfragen (Sitzungsber.
d. böhra. Gescllsch. der Wissensch. 1877, p. 74).
Tieftrunk, K. : O bäsnickd eene kanciontuu bratrsktfeh
(Sitzungsber. etc. 1877, p. 373).
Dudik, Beda: Über die Bibliothek Karls v. Zierotin in
Breslau (Sitzungsberichte etc. 1877, p. 210).
1878. Goll, Jarosl: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte
der böhmischen Brüder. 1. Prag.
Dvorsktf, Kraut: Dodatky a zpravy k biografifm starsfeh
spisovatelü ceskfch a k starsf ceske bibliografii I. Augusta
Jan (0. c. tu. 1878, pp. 295 — 290).
Jirecck, Jos.: Hymnologia Bohemica. Dcjinv eirkevnfho
bäsnictvi ccsköho az du XVIII. stoletf (Abltdlgn. der
Itohin. Gescllsch. d. Wissensch. VI. Folge, 9. Bd.).
Goll, Jarosl: Spfsek Vita z Kropf- proti Bratrfni (Sitzungs-
bericht d. höhnt. Gesellseh. d. Wissensch. 1878, p. 162).
stnaha, Jos.: Krälicka bible, vliv a dulczitost jejf v lite-
ratufe ceskf (Ü. c. m. 1878, pp. 252 — 260, 361 — 380,
481 499 ).
1879. Chlumecky: Karl v. Zierotin und seine Zeit. Brünn.
1880. Goll, Jarosl: O nektervch dotud neznilrnych spiseeh C'he-
lcickdho (Sitzungsber. d. höhnt. Gescllsch. d. Wissensch.
1880, p. XVII).
1881. Goll, Jarosl: Petr Chelcick^ a spisy jeho (('. c. tu. 1881,
p. 3—37).
1882. Goll, Jarosl: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte
der bühmisohen Brüder. II. Prag.
1883. Uclukovsk<, _J.: Traktifty bmtrskö o vcccri a krvi Psüiö
z r. 1535 (0. c. nt. 1883, pp. 141- -144).
Goll, Jarosl: O nektervch spiseeh br. Luksfse z Praliv
(Ü. c. nt. 1883, pp. 362 — 370).
Goll, Jarosl: Jednota brntrskä v XV. stoleti ((.'. e. m.
1883, p. 512; 1884, pp. 36, 157, 447; 1885, p. 45; 1886,
pp. 121, 297, 468).
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48
Wolkan, Die Litterntur der letzten fünfzig Jahre Heft 1 u. 2.
Zoubek, Fr.: Vychovrfnl n vyuöovtfni v Jednote bratrski 5 .
V Praze (Separatalxlruek aus Beseda uöitelskif, XV.
Jalirg.).
1884. Goll, Jarosl: Br. Lukaäe Pnizsköho vyklad na zjev&n sv.
Jana ( 0 . ö. m. 1884, p. 99).
M ü Iler, J.: Uber «len Zusammenhang der erneuerten Briider-
kirehe und der alten böhmischen Brüderunitiit (Sitzgsber.
d. böhm. Gesellseh. «1. Wissenseh. 1884, I.).
Lenz: Ueeni Petra Cheleicköho o Eueharistii. V Prazo.
1885. Müller, J.: O souvislosti obnovend cirkve bratrsk«! se starou
jednotou bratrf eeskyeh (('. e. m. 1385, ]>|>. 93, 441).
Müller, J.: ZprJva o arehivu jednoti bratrskö v Leänß
polsköm (Sbomik historieky 1885, p. 207 — 208).
1887. Müller, Jos.: Die deutschen Kateehismen der böhmischen
Brüder (Momunenta Germaniac paedagogica, Bd. IV.)
Berlin, A. Hofmann Ä Go.
1890. Albert, E. : Pamiftky po Bratrfch eesk<ch v Zamberee
(G. e. m. 1890, pp. 147 — 151).
1891. Albert, E. : Pamiftkv po Bratrfch cosktfch v Kunwalde
(Ö. e. m. 1891, pp. 209 -214).
Novifk: Spor Bratrf sp. Vojtöchcm z Pcmstcina v Proste-
jove r. 1557 a 1558 (C.c.m. 1891, pp. 43 — 56, 197—214).
Wolkan, R.: Das Kirchenlied der böhmischen Brüder im
XVI. Jahrh. Prag, A. Haase.
1893. Burekhardt, G.: Die Brüdergenieine. Gnadau, Unitäts-
Buchhdlg.
(Anmerkung: Oie vorliegende Zusammenstellung kann in keiner
Weise Anspruch auf Vollständigkeit machen; eine solche wäre nur von Prag
nus möglich und sehr erwünscht.)
R. W.
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Besprechungen.
Didaktik »1* Bildungslehre nacli ihren Beziehungen zur Social-
forschung uml zur Geschichte <ler Bildung (largestellt von Otto
Willmann. Zweite verbesserte Auflage. Einleitung. Die geschicht-
lichen Typen des Bildungswesens. S. XV u. 420. Braunsehweig,
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg u. Sohn, 1894. Preis
0 Mk. 50 Pfg.
Bei der ungeheuren Zahl den Büchermarkt jahraus jahrein über-
flutender schlechthin wertloser sogenannter pädagogischer Schriften,
die leider immer Käufer finden, ist die zweite Auflage eines streng
wissenschaftlichen pädagogischen Speeialwerks wie die Didaktik Otto
Willinanns, wenn sie auch erst nach 12 Jahren erscheinen kann, als
ein nicht zu unterschätzender Erfolg zu betrachten. Referent hegrüsst
sie mit um so grösserer Freude, weil er für seine seit 10 Jahren an
der Universität Halle gehaltenen Vorlesungen über Pädagogik keinem
andern Werk soviel Anregung verdankt, als diesem. Willmann ver-
dient in der wissenschaftlichen Didaktik der Gegenwart die Stellung,
welche Lotze in den siebziger Jahren und darülier hinaus in der
Philosopliie einnahm. Irre ich nicht, so hat sieh Willmann in der
Timt Lotze, dem ich ihn vergleichen möchte, zum Vorbild genommen.
Wie Lotze legt auch Willmann auf die sprachliche Darstellung, ins-
besondere darauf, den Ausdruck im einzelnen und kleinen zu einem
treffenden zu gestalten, das grösste Gewicht. Dieses Streben, bei
beiden durchweg von glücklichem Erfolge gekrönt, führte aber doch
auch hier und da, bei Lotze in dem Mikrokosmos, bei Willmann in
der ersten Auflagt* der Didaktik, zu einer gewissen die Klarheit in
etwa beeinträchtigenden Künstlichkeit des Ausdrucks. Lotze hat
diese Mängel des Stils, die im Mikrokosmos noch öfter die Lektüre
behindernd hervortreten , in seinem Anfang der achtziger Jahre er-
schienenen System der Philosophie völlig überwunden. Hier ist alles
abgeklärt, die Darstellung fliesst leichthin, dem Verständnis keinerlei
Schwierigkeiten bietend. Ähnliches gilt (auch die zweit«; Auflage der
Didaktik hat, wie mich eine Reihe von Stichproben überzeugten, viel-
fach die bessernde Feile erfuhren, wie das auch Vorrede 8. VIII
betont wird) von dem eben erschienenen ersten Bande der gross un-
gelegten auf drei Bände berechneten Geschichte des Idealismus von
Willmann, ein Werk, das — wie ich schon hier einer späteren
Besprechung vorgreifend bemerke auch darin mit Lotzes System der
Monatshefte der Coinenius-Gpsellschnft. 180'». 4
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50
Besprechungen.
Heft 1 u. 2.
Philosophie ähnlich — , wenigstens in der ersten Hälfte des ersten
Bundes, trotz der mannigfachen und wertvollen Anregungen, die es
bietet, des Problematischen und Anfechtbaren viel enthält und inso-
fern, ebenso wie Lotzes System hinter seinem Mikrokosmos, hinter
der Didaktik zurücktritt, die durch ihre vermittelnde versöhnende Art,
ähnlich wie der unschätzbare Mikrokosmus, einen Widerspruch kaum
nufkommen lässt. Auch sachlich steht Willmnnn vielfach Lotze nahe.
Anklänge an Herbart, als dessen nicht sklavisch abhängigen, sondern
frei denkenden Schüler sich Willmnnn einführt und bekennt, finden
sich auch bei Lotze. Der Philosoph Lotze freilich bekämpft den
Philosophen Herbart, der Pädagoge Willmann hingegen, wie natür-
lich bei der unbestrittenen Vorzugsstellung, die Herbart als Pädagogen
gebührt, sucht den Pädagogen Herbart zu verbessern und zu er-
gänzen. I sitze ist Philosoph und steht als solcher mitten in der —
wenn man will weltfremden — Wissenschaft; er ist Psychologe und
Metaphysiker. Willmann können wir nicht einen Psychologen, noch
weniger einen Metaphysiker nennen; er ist Pädagoge, steht als solcher
mitten im Leben, ist vor allem gründlieh soeiologiseh und historisch
— was Lotze abgeht — - orientiert. Was Lotze dem Psychologen
war und noch ist, ist Willmann dem praktischen Schulmann. Au
die Stelle der psychologischen Analyse der Vorgänge Lotzes, wie sie
das Ideal der philosophischen Vorlesungen bildet, tritt bei Willmanu
die logisch-sprachliche Analyse der Begriffe, die in der Praxis des
Schulunterrichts die erste Ilolle spielt. Beide sind in dieser Hinsicht
durch ihre Schriften vorbildlich; man sieht sie so zu sagen, während
man ihre Schriften liest, an der Arbeit, man empfindet sogar die
Mühe der Arbeit mit und nimmt gern an derselben teil. Überall
merkt man wie bei Ixrtze den beständig psychologisch reflektierenden
Forscher, so bei Willmanu den in der Praxis gebildeten und aus
einer reichen Praxis wie aus dem Vollen schöpfenden Schulmann.
Hervorragende, mitten in der Praxis stehende Schulmänner, wie z. B.
der verstorbene Direktor der Frankeschen Stiftungen Otto Frick,
sagten mir denn auch, dass sie für die Praxis des Schulunterrichts
ebenso wie ich für meine pädagogischen Vorlesungen Willmanns
Didaktik mehr als andern Werken zu Dank verpflichtet seien. Ähn-
lich sind sich Lotze und Willmann auch darin, dass beide keine
Lust am Einreissen und Zerstören, an bloss negativer Kritik zeigen,
sondern nufbuuend das Alte konservierend, rekonstruierend und mit
dem Neuen verknüpfend wirken wollen. Lotze machte es sich zui
Aufgabe, gegenüber der mechanischen Weltanschauung das liecht des
Gemüts, des Glaubens zur Geltung zu bringen, Kopf und Herz,
Verstand und Gefühl mit einander zu versöhnen. Man wird kaum
sagen können, dass sein Streben in dieser Hinsicht von durch-
schlagendem Erfolg begleitet ist. Willmann macht keiu Hehl daraus,
dass ihm das Christentum und zwar nicht das rationalistisch zurecht-
gestutzte, sondern das geschichtliche in seinen Grundzügen in allen
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1895.
Besprechungen.
51
Perioden seiner Entwicklung sich gleichbleibende Christentum — auch
die Reformation hat ja nichts Neues gebracht, sondern nur das von
Äusserlichkeiten überwucherte innere Wesen des Christentums frei
gemacht und so zu sagen bloss gelegt — als Ziel- und Mittelpunkt
als Herz und Seele wie der Menschheit so insbesondere auch ihrer
Erziehung und ihres Unterrichts gilt. Wir alle haben uns in dieser
Hinsicht natürlich längst praktisch entschieden, die einen zustiuunend,
die andern ablehnend; aber für unsere Kinder, für ihren Unterricht,
für die Leitung der Schulen, die sie besuchen, werden viele, auch
wenn sie sich zur letzteren Grupjie rechnen, so inkonsequent es ist,
geneigt sein, mit grösserer oder geringerer Entschiedenheit auf die
Reite Willinanns zu treten. Die Ansicht bricht sich in immer weiteren
Kreisen Hahn, dass es der Jugend wenigstens nicht schaden könne,
ja sogar nützen müsse, wenn sie die strenge Zucht des Christentums
an sich erfahre und, mit Platon in den Gesetzen zu reden, so lange
fremder Ansicht folge, als sie noch nicht zu eigener Einsicht heran-
gereift sei. Diese praktische Rücksicht beiseite ist es allerdings die
Frage, ob sich die Ansicht Willinanns von der Htcllung des Christen-
tums innerhalb der Menschheit und für die Erziehung und den Unter-
richt wissenschaftlich rechtfertigen und gegen alle Einwürfe als stich-
und probehaltig erweisen lässt. Den Versuch, das zu thun, macht
Willmann natürlich nicht in der Didaktik, sondern im umfassendsten
Sinne in seiner Geschichte des Idealismus, deren erster das Altertum
behandelnder Band vorliegt. Von diesem Gesichtspunkt aus, den
wir hier nicht weiter verfolgen können, muss diese Geschichte des
Idealismus gewürdigt werden. (Man vergleiche, was Willmann selbst,
Didaktik erster Band zweite Auflage Vorrede R. VII und VIII, in
dieser Hinsicht sagt.) Ich liemerke nur noch, dass das religiöse
Element nirgends bei Willmann, ebenso wenig wie bei Lotze, in auf-
dringlicher Weise sich geltend macht oder gar der rein sachlichen
Behandlung Abbruch thut. Es war ein glücklicher Gei lanke Lotzes,
in seinem Mikrokosmos die Quintessenz der Philosophie mit Aus-
schluss alles bloss akademischen und formalen Beiwerks zusammen-
zufassen. In ähnlicher Weise hat Willmann in seiner Didaktik die
Quintessenz der Pädagogik, soweit sie für den höheren Schulunterricht
in Betracht kommen kann, dargestellt. Wie sehr man auch den
Primat des Willens gegenüber dem Intellekt betonen mag, hier gilt
sicher das Wort Dieters: Durch den Kopf zum Herzen, keine Wärme
ohne Licht. Es ist das Verdienst Willinanns, die Didaktik als
Bildungslehre zu einer selbständigen von der eigentlichen Erziehungs-
lehre oder Pädagogik unabhängigen Disciplin gestaltet zu haben.
(Über das Verhältnis von eigentlicher Pädagogik und Didaktik ver-
gleiche man die vorzüglichen Ausführungen von Willmann, Didaktik I
R. 82 — 84.) Lotze knüpft in seinem Mikrokosmos seine Ausein-
andersetzungen überall an die Naturwissenschaft an, Willmann hin-
gegen macht sich die Anschauungen der Gesellschaftswissenschaft
4 *
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52
Besprechungen.
Heft 1 H. 2.
oder Soeialforschung zu nütze. Der Begriff der socialen Lebens-
erneuerung und des socialen Verjüngungsprozesses des Menschheits-
organismus und die ihm entsprechende ethische (Pädagogik) und
intellektuelle (Didaktik) Angleichung der jüngeren Generation an die
ältere stehen bei Willnuinu, ebenso wie bei Lotze die mechanische
Weltanschauung und die mechanische Lebenserklärung, im Vorder-
grund. Ich begnüge mich für die Anzeige der zweiten Auflage des
ersten Bandes der Didaktik Willmunns mit dieser Gegenüberstellung
Lotzes und Willmanns, da ich auf den vorwiegend geschichtlichen
Inhalt dieses Bandes in der Besprechung der Geschichte des Idealis-
mus näher einzugehen gedenke. Eine genaue Analyse des Inhalts,
wie sie zum Teil die ausführlichen Besprechungen der ersten Auflage
von Otto Friek (Lehrgänge und Lehrproben 1800 Heft 23 K. 15 — 88)
und von dem Jesuitenpater Heinrich Pesch (Stimmen aus Maria
Iaiach 1891 Heft 7 S. 2*14 211) gegeben haben, liegt nicht in
meiner Absicht. Hie könnte von dem wirklichen Werte der Didaktik
doch nur eine ganz oberflächliche Vorstellung geben. Den Lehrern
aller Stufen rufe ich zu: Nimm und lies! Wenn sie das Buch ge-
lesen haben, werden sie sicher sagen, «lass sic ihm für ihn' Unter-
richtspraxis vieles verdanken.
Halle a. d. Saale. Goswin K. Uphues.
Uphues, Goswin K. , Die Psychologie des Erkennen« vom
empirischen Standpunkte. Erster Band. Is ipzig. Engclmann. 1899.
VIII u. 318 S.
Der Verfasser bietet in diesem Bande ausser allgemeinen
methodischen Vorbemerkungen eine Theorie des Bewusstseins und
der Wahrnehmung, um auf Grund derselben die Entstehung des
Weltbildes des gewöhnlichen Bewusstseins zu erklären. Ein Anhang
liesprieht die Bewusstseins- und Wahrnehmungstheorie des Platon
und Aristoteles.
Den Ausgangspunkt für alle Erkenntnis bilden die Thatsaehen
des Bewusstseins. Nichts ist uns so unmittelbar gewiss, wie unsere
inneren Erlebnisse, unser Empfinden, Vorstellen, Fühlen und Wollen.
Die innere Erfahrung ist im Verhältnis zu den Gegenständen, welche
wir als unabhängig von unserem Bewusstsein bestehen«! annehmen,
das primäre, nicht erst abgeleitete. Die Bewusstseins Vorgänge ent-
halten stets einen Hinweis auf ein Jenseits des Bewusstseins, auf
Transcendentes. Eine Erkenntnis des letzteren ist sicher nur vom
Immanenten aus zu gewinnen. Die Erkenntnis ist nicht etwa auf
das Immanente beschränkt; es giebt Bewusstseinsvorgängc, die ihrer
Natur nach auf das Transcendentc gerichtet sind, und gerade die
innere Erfahrung drängt die Erforschung des Verhältnisses unserer
Vorstellungen zum Transcendeuten auf. Die Metaphysik hat zu
erforschen, ob wir eine Erkenntnis des Tmnscendentcu zu gewinnen
vermögen und ob es überhaupt ein Transcendentes giebt. Sie kann
eine wissenschaftliche Begründung einzig dlllfh die Psychologie er-
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1895 .
Besprechungen.
53
langen , <la die Beantwortung jener Fragen psychologische Analysen
de# Bewusstseins, seiner Thatsacheu und Vorgänge voraussetzt.
Uphues steht auf dem Boden des Empirismus und sucht im
strengsten Anschluss an die Thatsnehen der Erfahrung seine Theorie
der Wahrnehmung und der Entstehung unseres Weltbildes zu ent-
werfen. Die Kenntnis des Transcendenten , sowohl der Dinge wie
ihrer Vorgänge, wird uns zunächst in der Empfindung vermittelt,
trotzdem müssen wir aber zugestehen, dass wir von der Überein-
stimmung der Empfindungen mit dem Transcendenten ein auf Ein-
sicht beruhendes, sicheres W issen nicht zu gewinnen vermögen.
Dennoch aber können wir auf mittelbarem Wege eine freilich nicht
in einer sicheren, wohl aber in einer wahrscheinlichen Erkenntnis
bestehenden Einsicht liezüglich des Transcendenten erreichen. Wir
können uns ül>er das Trnnsceiidente auch Gedanken und Vorstel-
lungen bilden, die mit den Empfindungen nicht, übereinstimnicn.
„Thun wir dies, so betreten wir das Gebiet der Hypothesen, worunter
wir, sofern es sich um das Naturerkennen handelt, Annahmen ver
stehen, die mit den Empfindungen, in denen uns das Transcendente,
tlas wir Natur nennen, zum Bewusstsein kommt, nicht überein stimmen.
Ein Hecht zu solchen Annahmen haben wir jedenfalls, wenn die
Empfindungen, in denen wir uns das Transcendente vergegenwärtige»,
entweder selbst mit einander in Widerspruch stehen oder doch zu
widersprechenden Vorstellungen und Gedanken führen. Wo dies
nicht der Fall ist, da scheint auch kein Recht zu solchen Annahmen
vorhanden zu sein. Wir unterscheiden demnach berechtigte und un-
berechtigte Hypothesen.“ Zu den unberechtigten Hypothesen rechnet
Uphues die Annahme von Kräften und hervorbringender Ursachen,
ferner die unimistisrhe Theorie. Seine bezüglichen kritischen Be-
merkungen sind von durchdringender Klarheit. Der Verfasser sucht,
zugleich Positives an die Stelle zu setzen, beziehungsweise eine wissen-
schaftliche Fassung für diese Begriffe zu gewinnen.
Die Psychologie des Erkennen# hat nach Uphues alle meta-
physischen Gedankengünge zu vermeiden. Sie ist, in erster Linie
beschreibende Psychologie. Boi allen ihren Untersuchungen muss sie
eine sorgfältige Analyse der zur Anwendung kommenden, in der
Sprache ausgeprägten Begriffe vornehmen, da wir in der Sprache ein
fertiges Erkenntnissystem erhalten, das uns oft, in nicht, wünschens-
werter Weise beeinflusst, da selbes meist auf den naiven Voraus-
setzungen des gewöhnliehen Bewusstseins über die inneren Vorgänge
aufgebaut ist. Allerdings hat auch die reflexive Betrachtung ihre
Gefahren, da man etwas in die Bewusstseinsvorgänge hineinträgt und
das, was nur Ergebnis der Reflexion ist, als ursprünglichen Bestandteil
betrachtet. Die Bewusstseinsvorgänge dürfen auch nicht als beharr-
liche Objekte gleich den Dingen betrachtet werden, sondern sind
wechselnde Vorgänge, die allerdings mit den früheren sich decken.
Die Psychologie des Erkennen# hat denn auch diese Ähnlichkeiten
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54
Besprechungen.
Heft 1 u. 2.
zu erforschen ; sie gelangt dadurch zu Klasaenbegriffen von Bewusst-
seinsvorgängen, d. h. Gesetzen. Die Bewusstseinsvorgänge könnte
man vielleicht am besten kennzeichnen, wenn man sie als Funktionen
auffasst. Gesotzmässige Änderungen des Einen haben gesetzmässige
Änderungen des Anderen zur Folge. Die Psychologie des Erkennens
fasst dementsprechend auch tlns Ahhängigkeitsverhältnis der Bewusst-
seinsvorgänge ins Auge, insbesondere erfasst sie auch die Entwicklung
des Bewusstseins vom Einfachen zum Zusammengesetzten, sie bedient
sich ebenso der vergleichenden wie der genetischen Methode.
Dies«- allgemeinen methodischen Grundsätze werden von Uphues
gewissenhaft in den Einzelnusführungen befolgt. Die Analysen des
Bewusstseins und der Wahrnehmung und der Abschnitt „Entstehung
unseres Weltbildes“ zeichnen sich durch strenge Methode aus und
bedeuten eine wirkliche Bereicherung der philosophischen Forschung.
Eine Reihe von Ergebnissen ist unanfechtbar und giebt den Beweis
dafür, dass die befolgte Methode die richtige ist, um uueh in der
Philosophie feste Erkenntnisse zu erlangen. Wenn in diesen Bahnen
rüstig weitergenrbeitet wird, dann ist Aussicht vorhanden, dass endlich
auch^in der Philosophie die ßystembildorci ein Ende erreiche und
dass auch sie zu einer Wissenschaft gleich den anderen erhoben werde.
Man darf mit Spannung dem zweiten Bande entgegensehen.
R. H.
J. Böhm, Geschichte der Pädagogik mit Charakterbildern her-
vorragender Pädagogen und Zeiten. Nürnberg, Fr. Korn, 2 Bände,
310, bezw. 368 S.
Einen Kommentar zu seiner „Kurzgefussten Geschichte der
Pädagogik“ nennt der durch zahlreiche Publikationen besonders in
seinem engeren Heimutlande Bayern vorteilhaft bekannte Verfasser
sein Werk. In der That sehliesst sich das grössere Werk dem
kleineren in Anlage und Einteilung vollständig an. — Der Verfasser
hut die pragmatisch - biographische Methode für seine Darstellung
gewählt : in die fortlaufende Geschichte der Entwicklung der päda-
gogischen Ideen sind .Schilderungen des Lebens und Ströhens grosser
Pädagogen eingeflochten. — Nachdem der Verfasser einleitend den
Begriff der Geschichte der Pädagogik festgestellt hat, spricht er
weiter über Aufgaben, Ziele, Umfang, Methode, Wert, Quellen, Ein-
teilung und Litteratur derselben. Zum Gegenstand seiner Darstellung
selbst übergebend, sucht er zunächst der verhältnismässigen Be-
deutungslosigkeit der Chinesen, Inder, Perser und Egvpter abzu-
gewinnen, was nur irgend abgewonnen werden kann. Mit der
Geschichte der Erziehung bei den Juden gewinnt der Verfasser dann
die Brücke zu der Darstellung der pädagogischen Ideen bei den
Griechen. .Sehr fesselnd ist insbesondere der Abschnitt über die
berühmtesten Lehrer Griechenlands, von denen Sokrates eine ein-
gehende Behandlung gefunden hut. Weit geringer ist die Ausbeut*'
an pädagogischen Gedanken bei den Römern; doch bieten die Lebens-
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1895.
Besprechungen.
55
bilder von Cicero, Seneca und Quintilinn immerhin manche« Anregende.
Ein Rückblick leitet hinüber zur Betrachtung der Zeit nach Christi
Geburt. Ein warmer religiöser Sinn ohne Engherzigkeit und Un-
duldsamkeit tritt, uns in der Darstellung Christi selbst entgegen.
Dns lebhafteste Interesse erwecken in der Schilderung der folgenden
Zeitabschnitte und weiterhin durch das ganze Werk Stellen aus zeit-
genössischen Schriften ; hier sei z. B. auf das Tagebuch Walafried
Strabos, das ein sehr genaues Bild über das Getriebe in einer mittel-
alterlichen Klosterschule giebt, sowie auf die bekannte Selbstbiographie
Plätters hingewiesen, welch letztere das Lehen der fahrenden Schüler
mit Anschaulichkeit schildert. Mit der Darlegung über die Ent-
stehung der Universitäten und die Wiederbelebung des klassischen
Altertums durch die Humanisten ist die Überleitung zur Reformation
gegeben. Mit ersichtlicher Wanne verweilt der Verfasser bei der
markigen Gestalt Luthers, dessen gesunde pädagogische Ideen ein-
gehend dargelegt sind. Sein Schreiben „an die Bürgermeister und
Ratsherren ullerlei Städte in deutschen Landen“ ist nahezu unverkürzt
wiedergegeben. Kürzer werden die übrigen Refonnatoren behandelt.
Aus der Zeit der Gegen refonnation finden die erzieherischen Be-
strebungen der Jesuiten umfassendere Besprechung. Weiterhin sind
mehrere Kirchenordnungen, die den Grund zur Entstehung einer
eigentlichen Volksschule legten, im Auszuge mitgeteilt. Mit dem
trüben Ausblicke auf den 30jährigen Krieg, der alle Ansätze zu
einem geordneten Volksschulwesen vernichtete, sehliesst der erste Band.
Der zweite Band führt uns zunächst die Männer vor, die in
Gegensatz zu der streng kirchlichen Erziehung traten. Wir finden
neben andern Baco, Ratichius, den „Vater der Didaktik“, und als
Grössten Johann Ainos Oomenius gezeichnet. Mit ansprechender
Wanne werden die Verdienste des grossen Böhmen um ilie Bildung
der Menschheit dargelegt; aus seiner „grossen Unterrichtslehre“ ist
ein umfassender Auszug gegeben, aus seinem „Orbis pictus“ der
Abdnick zweier Seiten beigefügt. Der geistreiche Locke, dessen
Anschauungen über Erziehung und Unterricht weiterhin geschildert
werden, gehört ja eigentlich der Volksschule nicht an. Um so mehr
ist dies der Fall bei den Pietisten, denen das folgende Kapitel ge-
widmet ist. Hier erweckt die Gestalt des Gründers des Halleschen
Waisenhauses und der damit verbundenen Anstalten unsere ganz
besondere Teilnahme. Aus einem Werke Frankes sind dessen An-
schauungen über körperliche Züchtigung mitgeteilt, Anschauungen,
wie sie treffender auch heute noch nicht gedacht werden können. Der
folgende Abschnitt beschäftigt sich mit Rousseau, von dessen „Emil“
eine Inhaltsangabe geboten ist. Wie bei allen vorausgehenden und
nachfolgenden Pädagogen geht der wörtlichen oder inhaltlichen Wieder-
gabe aus den Hauptwerken eine kurze Lebensbeschreibung voraus,
während eine erschöpfende Kritik folgt. Letzteres ist besonders im
Interesse jüngerer Lehrer zu begrüssen. Gerade sie könnten durch
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Besprechungen.
Heft 1 n. 2.
ho geistreiche Ansichten, wie sie beispielsweise Rousseau vorbringt,
sieh blenden lassen. — Im weiteren wird die Thätigkeit der auf
Rousseau« Schultern stehenden deutschen Philanthropisten geschildert,
unter denen besonders der unstete Basedow und der edle Salzmann
eingehende Darstellung finden. Aus Basedows Hmiptsehriften und
aus Salzmanns „Ameisenbüchlein“ sind Prolien mitge teilt. In ähn-
licher Weise werden noch Rochow und Felbiger gewürdigt. Mit
einem Rückblick auf den Zustand der Lehrerbildung und der Volks-
schulen schliesst die Betrachtung des 18. Jahrhunderts. — Die Ein-
leitung zur Behandlung der deutschen Volksschule im 19. Jahrhundert
bildet die Geschichte Pestalozzis. Mit warmer Begeisterung ist der
Lcbensgang dieses Mannes geschildert, sind seine schöpferischen Ideen
gekennzeichnet, seine Leistungen gewürdigt. Der letzte Teil des
Werkes besteht hauptsächlich aus dem Nachweise, wie die Bestre-
bungen dieses Grossmeisters der Erziehungswissenschaft innerhalb und
ausserhalb der Fachkreise immer mehr Anhänger und Vertreter ge-
wannen und wie sie infolge dessen mehr und mehr in die Timt
uingesetzt wurden. Unter den Nachfolgern Pestalozzis findet besonders
noch Diesterweg eine ausführlichere Darstellung. Vielleicht dürfte
hier der Wunsch angezeigt sein, es möge bei der weitgehenden Be-
achtung, deren sich die sogenannte „wissenschaftliche Pädagogik“ in
Lehrerkreisen neuerdings zu erfreuen hat, bei einer Neuauflage Herbart
und namentlich der nur flüchtig erwähnte Ziller eine etwas um-
fassendere Bearbeitung finden. • — Mit einem Anhänge, in dem die
Entwicklung des bayerischen Volksschulwesens dnrgelegt ist, schliesst
das verdienstvolle Werk.
Wenn der Verfasser es sich zum Ziele gesetzt hat, jüngeren
Lehrern „eine tiefere Einsicht in ihren Beruf zu verschaffen“ und
sie „an den Beispielen edler und hochherziger Mcnsehcnbildncr für
die heilige Sache der Jugendbildung zu begeistern“, so ist ihm dies
im vollsten Masse gelungen. Mit besonderem Geschick hat er Stellen
aus den Schriften grosser Pädagogen so ausgewählt, «lass dieselben
nach und nach über alle wichtigeren Gebiete der Volksschulpädagogik
zu Worte kommen. Durch das Ganze weht ein warmer Hauch der
Begeisterung für Menschenwürde, wie sie jeden Erzieher beseelen
sollte. Der jüngeren Lehrerwelt sei das Werk aufs angelegentlichste
empfohlen; ältere Lehrer werden sich neue Begeisterung für ihren
Beruf aus dem Werke holen lind zugleich die vielseitigsten An-
regungen daraus empfangen. Es sollte in keiner Lehrerbibliothek
fehlen.
München. K. Gutmann.
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Litteraturbericht.
ln der Revue internationale de l’enseigncmet 13. Annöe,
Nr. 5 >S. 441 ff. (Rcdacteur en ehef M. Edmond Drevfus - Brisac)
veröffentlicht Jacques Parmentier einen Aufsatz über Jean Louis
Vives, de ses theorios de l’äducation et de lcur influence sur los
ptklagogues anglais, den wir <ler Aufmerksamkeit unserer Leser em-
pfehlen. Er behandelt eine Seite aus der Geschichte des Vives und
seines Systems, die bisher in Deutschland wenig oder keine Beachtung
gefunden hat, nämlich sein Fortleben in England. Herr Professor
Parmentier in Poitiers (der ebenso wie Herr Dreyfus-Brisae Mitglied der
C'.G. ist) hat »ich sehr eingehend gerade mit der Geschichte der Er-
ziehungslehre beschäftigt und ist daher auf diesem Felde einer der
zuständigsten Beurteiler, die wir heute besitzen. Was Herr Parmentier
in seinem Aufsatz über die Vernachlässigung des Spaniers Vives
seitens der deutschen Wissenschaft sagt, mag auf frühere Zeiten zu-
treffen, heute wird aber Vives’ Bedeutung gerade in Deutschland
nachdrücklich anerkannt; wir hulmn den Namen des Vives mit gutem
Grund im Arbeitspmgramm unserer Gesellschaft ausdrücklich genannt.
K.
Der vor kurzem vollendete 3. Band des im Aufträge der Gönvs-
gesellschaft von A. Bruder herausgegebenen „Staatslexikona“ (Grotius
bis Ökonomie) bringt u. a. Artikel über Hugo Grotius (von Brisehar,
Spalte 1 — 4), Krause (v. Grupp, Sp. 800 — 803), Leibniz (v. J. Bach,
8p. 1084 — 1092) und Locke (v. J. Bach, 8p. 1129 — 1235). Wenn
auch der Aufgabe des Staatslexikons gemäss das Hauptgewicht auf
die sozial-politischen Anschauungen dieser Männer gelegt worden ist,
so findet doch beiläufig auch ihr religiöser, philosophischer und päda-
gogischer Standpunkt eine Charakteristik und Würdigung. Wir können
hier nur die Punkte kurz hervorheben, in welchen sich die Bestrebun-
gen der Genannten mit denen unserer Gesellschaft berühren. Wie
weit ihre Wege und Ziele im übrigen auch auseinandergingen, in
einem Punkte treffen sie zusammen: in dem Streben nach Einigkeit
und Frieden. Bei Grotius erinnert Brisehar an die vielübersetzte
Schrift „De veritate religionis christianae “, in welcher der Verfasser
auf das hinweist, „ was dem Menschen Ruhe, Trost und Freudigkeit
geben mag im irdischen Leben und ihm eine fröhliche Aussicht er-
öffnen in die Dunkelheit der unendlichen Zukunft“. — Den Kern
von Krauses Philosophie fasst Grupp in die Worte zusammen:
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58
Litteraturbericht.
Heft 1 u. 2.
„Die Menschheit organisiert sieh imeh dem physischen Zusammenhang'
in Familien, Gemeinden, Stämmen, Völkern und Völkervereineu, nach
den ethischen Lebenszwecken, Religion, Wissenschaft, Kunst, Er-
ziehung, Sittlichkeit, Recht, in besonderen Vereinen. Das Ideal wärt*
ein Gesamtorganisinus tdler dieser Vereine, der das Göttlich-Mensch-
liche in Einheit und Gemeinsamkeit pflegen würde.“ — An Leibniz
rühmt Bach sein Trachten, das religiös und politisch zerrissene deutsche
Volk durch Bildung und Gesittung zu seiner einstigen Grösse zurück -
zuführen. Den Philosophen beseelt die grosse Idee der Wiederver-
einigung der Protestanten mit der katholischen Kirche und unter sich.
Er kämpft für die Pflege seiner deutschen Muttersprache, für den
Ausdruck deutscher Gesinnung und Gesittung. Seine Wissenschaft
soll dem Wohlo des Volkes dienen, sie soll nützlich sein fürs Leben.
Daher die Betonung des Anschauungsunterrichtes, daher die Pflege
der Realien. Ausdrücklich weist Bach in diesem Punkte auf die
Verwandtschaft mit Vives, Ratiehius, Comenius und Alsted hin. —
Auch Lijcke endlich hat der Gedanke einer „Vereinigung sämt-
licher Konfessionen und Sekten auf dem Grunde der in der heiligen
Schrift niedergelegten Fundamentallehren“ vorgeschwebt. B.
Wir haben an dieser Stelle auch der Aufsätze zu gedenken,
welche die Allgemeine Deutsche Biographie über die Männer
unseres Forschungsgebietes bringt. Auf dem Gebiete des Huma-
nismus kommt für uns aus dem im vorigen Jahre vollendeten
35. Bande (Spalatin — Stcinmar) besonders der Artikel „Spalatin“
in Betracht, daneben vielleicht noch „Spangel“, „Stabius“, „Stein-
berg“ und „Steinhüwel“. Der eingehende Bericht über Georg
Spalatin (S. 1 29), von dem eine besondere Lebensbeschreibung
bislang noch fehlt, trägt den Namen Georg Müllers. Der ein-
flussreiche Vertraut« und gewissenhafte Biograph der sächsischen
Kurfürsten Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen,
der weitbekannte Humanietenfreund, gehört zu den Männern, die,
„obwohl selbst nicht geistig hervorragend, durch die Förderung, die
sie den führenden Geistern ihrer Zeit zu teil werden liessen, sich
ein Anrecht auf den Dank der Nachwelt erworben haben“. —
K. Hartfelder behandelt kurz den um die Universität Heidelberg
verdienten Pallas Spangel (S. 32 f.), den Lehrer Wimpfelings und
Melanchthons. — Johannes Stabius, der Schützling Kaiser Maxi-
milians, engbefreundet mit Konrad Celtis (Berichterstatter: Kronos,
S. 337), möge hier wegen seiner Verdienste auf dem Felde der Mathe-
matik, Geographie und Astronomie genannt sein. — Von dem Bres-
lauer Nikolaus Steinberg, + HilO, führt Markgraf (S. 690)
das ihn charakterisierende Wort eines seiner Schüler an, „er ziehe
eine Schule mit guter Zucht und geringerer Wissenschaft einer solchen
vor, an der das Verhältnis umgekehrt sei“. — Grösseren Raum
nimmt wieder der Aufsatz Philipp Strauchs über Heinrich
Steinhüwel (S. 728 — 736) ein, einen der ältesten Vertreter der
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1895.
Litteraturbericht.
59
deutschen Frührenaissance, dem nein Bestreben , bekannte fremd-
sprachige Werke in Übersetzungen zum Gemeingut seines Volkes zu
machen — es sei nur an seinen Aesop erinnert — einen Platz in
unsern Heften siehert B.
Das soeben erschienene 1. lieft des 15. Jahrg. des Jahrbuchs
für die Geschichte des Protestantismus in Österreich (Wien u. Leipzig,
Jul. Klinkhardt) enthält einige Aufsätze und Nachrichten, die auch
für die C.G. von Interesse sind. Prof. J)r. Locsche in Wien setzt
die Sammlung der evangelischen Kirvhenordnungen Österreichs fort
und bringt in dem vorliegenden Heft die Ordnung von Jouchimsthal
in Böhmen aus dem Jahn* 1551 zum Abdruck. Th. Unger, Landes-
archiv-Adjunkt in Graz, bringt die Fortsetzung seines früher begonne-
nen Aufsatzes über eine „Wiedertäufer-Liederhandechrift des XVII.
Jahrhundert“ d. h. die Handschrift eines Liederbuchs der mährischen
Brüder, die später das Kehicksal der böhmischen Brüder im 1 7. Jahr-
hundert teilten. Wir haben schon früher liemerkt, dass Comenius
diese Gemeinden geknunt und geschätzt hat. Unter den „Miscellen“
bringt Dr. G. Bessert, unter Bezugnahme auf das auch von uns
besprochene Buch Nicoladonis über Joh. Bünderlin von Linz (s. M.H.
der C.G. 1894 8. 90 ff.) den Nachweis, dass der in den Täufer-
Akten des 10. Jahrhunderts mehrfach genannte Hans Vischer aus
Linz und Joh. Bünderlin ein und dieselbe Person bezeichnen. Bei
der Bedeutung, die Bünderlin (z. B. für Seb. Fruneks geistige Ent-
wicklung) gewonnen hat, sind die neuen Nachrichten, die uns dadurch
erschlossen werden, von Wichtigkeit. K,
Die ausführlichste Darstellung des deutschen Erziehungs-
wesens im 16. Jahrhundert, die neuerdings erschienen ist, liegt in
dem soeben ausgegebenen Bande von Johannes Janssens Ge-
schichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters
(Freiburg i. Br. 1893) vor, den Ludwig Pastor aus dem Nachlass
des Verfassers herausgegeben hat. Der Band führt den Untertitel:
„Culturzustände des deutschen Volkes etc. Drittes Buch: Schulen
und Universitäten. Bildung und Wissenschaft. Bücher-Censur und
Buchhandel.“ Die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts, wo auf
der einen Seite ein starrer staatskirchlicher Lutheranismus, auf der
anderen die Gesellschaft Jesu herrschend waren, gehört in Bezug auf
das Forschungsgebiet unserer Gesellschaft zu den unfruchtbarsten
Zeitabschnitten, die wir kennen; bat doch selbst das 14. wie dies
15. Jahrhundert mehr Männer hervorgebracht, die für uns in Betracht
kommen. Wir können daher die Bebilderungen, die Jansscn giebt,
zum grossen Teil auf sich beruhen lassen; es ist nichts Neues, wenn
er die Unerfreulichkeit der Zustände aktentnässig beweist und der
Unterschied unserer Auffassungsweise besteht mir darin, dass wir
weder auf der einen noch auf der anderen Seite unser Ideal finden,
während die Vorliebe Janssens für die Gesellschaft Jesu ja bewusst
oder unbewusst alle Urteile beherrscht. Gleichwohl muss das Buch
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00
Litternturbcrieht.
Heft l u. 2.
deshalb an dieser Stell«* erwähnt werden, weil einige Äusserungen
über Vorläufer des Comenius darin vorkonnnen, die von Wielitigkeit
sind, und «1 h muss denn gesagt werden, dass das Bibi, das Janssen
von diesen Männern entwirft, freundlieher ist, als fast alle anderen
grau in grau gezeichneten Charaktere, die nicht zu den Konfessions-
genossen des Verfassers gehören. Auf S. 002 ff. wird von Johann
Valentin Andreae und Johann Arndt gehandelt, die beide freilieh
schon wesentlich jener Epoche angehören, wo innerhalb des Protestan-
tismus der Lutheranismus des 10. Jahrhunderts zurückzutrcten anfing.
„Ein der Polemik durchaus abholder, einem frommen, in Liebe
thätigen Glauben zugewandter Mann“, sagt Janssen, „war auch Johann
Valentin Andreae Seine Selbstbiographie ist ein wichtiges
Denkmal der Zeit. Cher das ewige Polemisieren urteilt er:
Auch hilft kein Zanken und Streitschrift
So unser Leben bleibt vergift;
Kein Huch Christum vertreten kann,
Er will fromb Leut und Jünger han.“
„Die freundlichste Erscheinung“, fährt Janssen fort, „unter
der grossen Schaar der , evangelischen Prediger* — dass er diese Be-
zeichnung mit Anführungszeichen versieht, ist charakteristisch genug
— ist unzweifelhaft der schon genannte Johann Arndt, auch von
katholischer Seit«* nicht selten als ein , christlicher Geistesheld 1 ge-
rühmt .... Als Feind der scholastisch-polemischen Kanzelvorträge
drang er in seinen Predigten ganz besonders auf .Reinigung des
Herzens* und .ungeheuchelte Liebe Gottes und des Nächsten*; der
Glaube müsse sich überall durch Werke der Liebe bethätigen. Sein
Hauptwerk, welches in protestantischen Kreisen bis auf die Gegen-
wart eine Quelle religiöser Erbauung geblieben, sind die .Vier Bücher
vom wahren Christentum*, deren erstes Buch, aus Wochenpredigten
entstanden, im Jahn* 1 005 erschien; die erste vollständige Ausgabe
des Werkes stammt aus dem Jahre 1010.“
Sohr richtig schildert Janssen, wie Arndt, der von sich selbst
nachdrücklich sagte, dass er seine Schriften durchaus im Sinn der
Augsburgischen Konfession, der Katechismen Luthcri und der Con-
cordienformel verstanden wissen wollte, im Grunde keineswegs luthe-
risch war, und wie auch die lutherischen Zeitgenossen «lies ganz richtig
erkannten. Man predigte auf vielen lutherischen Kanzeln gegen ihn,
als einen „Enthusiasten“ und „Schwonkfeldor“, und diese Anklage war
tiefer begründet, als viele seiner damaligen Gegner ahnen konnten;
denn ein Teil seiner „Vier Bücher vom wahren Christentum“ war und
ist in der That nichts anderes, als ein wörtlicher Abdruck alter
läuferischen Traktate. Wir kommen vielleicht spät«*r einmal
«laranf zurück. — Verhältnismässig cingt*hcnd wird über Heb. Frnnck
gehandelt, und obwohl das Urteil Jansscns im ganzen ablehnend ist,
so erhält Frnnck doch im einzelnen hier und da eine recht gut«*
Note. „Was Franck besonders auszeichnet“, sagt Janssen S. 302,
„ist die Weite seines kulturgeschichtlichen Blicks, die scharfe Beobuch-
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1895.
Littcraturbe rieht.
61
tung des Volkslebens, wie es sieh unter seinen Augen entwickelte,
vornehmlich der kirchlichen, der gesellschaftlichen und der wirtschaft-
lichen Verhältnisse in den oberen und unteren Schichten dos Volkes.
Die deutsche Sprache handhabte er mit solcher Meisterschaft, dass
er den besten Prosaisten des sechzehnten Jahrhunderts beizuzählen
ist. Franck war Socialist, allein sein Socialismus ging nicht auf
niedere Zwecke aus .... von der .Thorheit des säuischen, rasenden,
aufrührerischen, wankenden, vielköpfigen' Pöbels sprach er mit der
grössten Geringschätzung.“ Dieser „Socialist“ war nach Jansseu „eine
tiefreligiöse Natur“, von dem nicht zu bezweifeln ist, dass die
Religion ihm in Wahrheit „Sache des Herzens und der Liebe und
Mildthätigkeit gegen alle Nebemnenschen war, und dass er lieber in
Not und Armut leben, als um weltlicher Ehren und Vorteile willen
seine Cberzougung hat opfern wollen“. „Wie viele auch gegen ihn
auftraten und ihn bekämpften, so konnte doch niemand mit Grund
seinen Wandel verdächtigen.“ K.
Die Vorlesung, die Dr. J. Kvacsala beim Antritt seines Amtes
als onl. Professor der historischen Theologie in Dorpat gehalten hat,
Iiehandelt die „ I re ni sehen Bestrebungen zur Zeit des 30jäh-
rigen Kriegs“ (abgedruckt in den „Acta et common tutiones Imp.
Universitatifl Jurieviensis [olim Dorpatensisj“ 1894, Nr. 1). Kvacsala
nimmt den Ausgang von dem durch die Bemühungen der böhmischen
Brüder im Jahre 1570 zu .Stande gekommenen Konsens von Semlomir,
als dem ersten ernsten Versuch, eine Union von Lutheranern, Refor-
mierten und böhmischen Brüdern zu vereinbaren; mich in Böhmen
kam 1575 eine sog. böhmische Konfession unter denselben Einflüssen
zu Stande, der dann die Vereinbarung von 1009 zum weiteren Aus-
bau vorhalf. „Solche, die Einheit des Protestantismus vertretende
Männer, gab es (in Deutschland) . . . besonders unter den Reformier-
ten, während die Lutheraner eine Annäherung fast ausnahmslos be-
kämpften“. Kvacsala weist dann auf eine Reihe von Vertretern des
Unionsgeilankens besonders hin und nennt an erster Stelle den Ia-hrer
des Comenius, David Pareus in Heidelberg; im Jahre 1618 ver-
öffentlicht der Briider-Pastor Bythner eine Schrift über die Ein-
tracht der Evangelischen, die aber leider bis jetzt verloren ist. Näher
besprochen werden dann die Bestrebungen des Duraeus, erwähnt
werden Samuel Hartlieb, der Prediger Laubanus, Comenius,
Hugo Grotius, Gotfried Hotton. Kvacsala verspricht auf S. ltl
Amu. 1 seiner Riale, dass er alle die für dieselbe benutzten Akten
und Briefe wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres 1894 mit Unter-
stützung der Kaiserl. Franz-Josef-Akademie in Prag herausgeben werde.
Wir können über die Rede selbst wie über diese Aussicht im Interesse
unserer Bestrebungen nur unsere Freude ausspreehen. K.
Der böhmische Comenius- Verein in Prag hat im vorigen Jahre
die sämtlichen homiletischen Werke, die Comenius Unterlassen hat,
hemusgegeben. Die Ausgabe ist von Pfarrer L. B. Kaspar besorgt
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62
Litteraturhericht.
Heft 1 u. 2.
worden und trägt den Titel: Jann Amosa Komensköho Rebrnnä dila
Kazatelskä. I. Urnen! Knzatclskö II. Käzäni. Prag 1893, 520 8.
gr. 8°. Preis 2.50 fl. — Der erste Teil enthält Comenius’ Homiletik,
der zweite seine Predigten. Die Herausgabe ist eine verdienstvolle
und dankenswerte Arbeit. K.
Unter dem Titel: „Bilder aus dem deutsehen Leben des 17. Jahr-
hundert. I. Eine vornehme Gesellschaft (Nach Harsdörffers Gesprächs-
spielen).“ Mit einem Neudruck der Schutzsehrift für die deutsche
Spraeharbeit. Paderborn, Schöningh 1890 (81 8. M. 1,20) schildert
R. Hodermunn die Zustände in Nürnberg mit Wendungen aus
Harsdörffers „Frauenzimmergesprächen “ in sehr geschickter und an-
sprechender Weise; er führt uns in einen Kreis von Männern und
Frauen, die in trauriger Zeit den Sinn für ideale Aufgaben pflegen
und hoch halten. Harsdörffer, der die Seele dieses Kreises war,
teilte die Vorliebe aller Männer von comenianischer Geistesrichtung
für die Muttersprache und veröffentlichte im Jahre 1644 seine
„Schutzsehrift für die teutsche Spraeharbeit und derselben Beflissene“,
und es ist mit Dank zu begrüssen, dass Hodermauu sie von neuem
aligi 'druckt hat. K.
Die von Dr. Joseph Reber, KgL Direktor der höh. weibl.
Bildungsanstalt in Aschaffenburg, veröffentlichte Ausgabe von „John
Mil tons Essay „Of education“. Englischer Text und deutsche
Übersetzung mit Einleitung und erklärenden Erläuterungen (Aschaffen-
burg. Wuilandt’sehe Druckerei Akt.-Gesellsch. 1892. 23 und 46 8. 8°)
enthält in der Einleitung atisser einer biographischen Charakteristik
Miltons interessante und wohl manches Neue bietende Ausführungen
über Lebensstellung und Bestrebungen zweier in des Coitienius Lebens-
gang, Entwicklung und Thätigkeit in bedeutsamer Weise eingreifender
Männer, seiner Freunde Louis de Geer und Samuel Hartlieb, auf
Grund der hierüber neuerschienenen Litte rntur. Mit Recht erklärt
der Herausgeber eine genauere Erforschung der geistigen Umgebung
des Comeniua für notwendig. — Die Schlussbetrachtung (S. 42 ff.)
skizziert Miltons Erziehungsplan. K — r.
Als 30. Bd. der Bibliothek pädagogischer Klassiker erschienen
(Langensalza, Beyer u. Sohn, 1891) Ch. G. Salzmanns Ausgewählte
Schriften, Mit Salzmanns Lebensbeschreibung, hrsg. von Ed. Acker-
mann, 2. Bd. (VII und 294 8.). — Salzmanns „Ameisenbüchlein
oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Erzieher“ ist,
für Schule und Haus Itcarbeitet von Dr. Wimmers, in 2. Aufl. (1891)
als 9. Bd. in der bekannten Sammlung von Schulz, Gänsen und Keller
(Paderborn, Ferd. Schüningh) erschienen. K.
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D. Nachrichten.
Wir haben in dem unter dem 23. Juli 1802 veröffentlichten Arbeitsplan
der C.G. (s. M. H. 1892 Geschäftlicher Teil 8. 71 ff.) die Namen der Männer
und Geistesrichtungeu näher bezeichnet, deren Geschichte wir in erster Linie
als Forschungsgebiet der C.G. betrachten und in diesem Plan auch den
Namen eines heute fast vergessenen Mannes, des Otto Brunfels (f 1534),
ausdrücklich genannt. Es ist erfreulich, dass eine vor einiger Zeit erschie-
nene Lebensbeschreibung von F. W. E. Roth, Otto Brunfels. Nach seinem
Leben und litterarisehen Wirken geschildert. (Zeitsehr. f. d. Gesell, d. Ober-
rheins, Neue Folge Bd. IX, Heft.2, S. 284—320) unsere Berechtigung erhärtet,
ihn unter die Vorläufer und Geistesverwandten des Comenius zu zählen.
Wir verweisen hier auf den Inhalt der wertvollen Abbnndlung und wollen
nur die Charakteristik des Brunfels wiedergeben, die Roth am Schlüsse seiner
Darstellung liefert. Roth sagt: Wuren seine (Brunfels) theologische Schriften,
die Arbeiten über die h. Schrift teilweise auch Gclegenheitsschriften , sind
»eine Ausgaben medicinischcr Schriftsteller, seine nicdicinischcn Lehrbücher
heute auch nur noch von historischem Wert, so bleibt doch ihm heute noch
das Verdienst, der Vater der neueren Botanik und graphischen Dar-
stellung wissenschaftlicher Botanik zu heissen. Linne nannte den Brunfcls
den Vater der neueren Botanik. Die Pflanzengattung Brunfelsia trägt ihm
zu Ehren seinen Namen. Noch lange nach seinem Tode gnlten seine Schriften
als würdiger Gegenstand der Herausgabe und des Neudrucks, selbst hei
katholischen Verlegern. Die Kirche setzte selbstverständlich seinen Namen
in das Verzeichnis der verbotenen Bücher. Der geistige Entwicklungsgang
des Brunfels ist der der sogenannten Neuplatoniker, aus seinen Schriften
über Theologie erhellt das Bestreiten, eine über den Streit der Parteien und
kirchlichen Lehren erhabene christliche Denkweise auf Grund echter Menschen-
liebe zu schaffen. Das konnte auch damals am ersten erreicht werden durch
gediegene Volksbildung, für die Brunfels in jeder Beziehung eintrat.
Mit ahnendem Scharfblick erkannte er den ethischen Wert der Natur-
wissenschaften für die Erziehung, der Medizin in ihrer Anwendung für
das Volkswohl. In gleichem Sinne bearlieitetc er die Geschichte berühmter
Männer verschiedener Gebiete, um der Jugend deren leuchtende Vorbilder
zur Nachahmung vorzuführen. Sind auch die Schriften des Brunfels im
Geiste der Zeit meist lateinisch abgefasst, so regt sieh doch überall das
Bestreben, der Muttersprache durch Übersetzungen gerecht zu werden,
und die Spraehe des Brunfels ist fürwahr eine volkstümliche und solche,
die im Volke auch ihren Wiederhall fand.“
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64
Nachrichten.
Heft 1 n. 2
Es ist in der That überraschend , wie sehr die Geistesrichtung dieses
„Neuplatonikera“ nicht nur derjenigen des Comenius, sondern auch aller
jener „Platoniker" des 17. .lahrh. verwandt ist, die wir in dem Leitaufsatz
dieses Heftes als „Naturphilosophen“ kennen gelernt haben.
Wir haben, M.H. 18114 S. 283 Anm. 1, den Wunsch geiiussert, Nach-
weisungen über die drei ungedruckton Dialoge des Haus Saehs , auf die er
in seiner „Siunmirang all meiner Gedicht“ neben <len vier gedruckten Refor-
mationsschriften Bezug nimmt, zu erhalten. Darauf erhalten wir vom Herrn
Oberachulrat Dr. von Bamberg in Gotha die Nachricht, dass ein fünfter
Dialog in dem handschriftlichen fünften Sprüclibuch sich findet, das die
künigl. Bibliothek in Berlin besitzt, und dass auf diese Thatsache bereits
Rtid. Gcndc, Hans Sachs und seine Zeit, Leipzig, Weber 181)4, hingewiesen
habe. — Eine Ausgabe der früher bereits bekannten vier Dialoge liat
Reinb. Köhler veranstaltet (Weimar, Bühlau 1858). — Bei dieser Gelegen-
heit wollen wir nicht unterlassen, des Aufsatzes zu gedenken, den Albert
Richter unter dem Titel „Ein Nachwort zur Hans-Sachs-Feicr“ in den
Grenzliotcn, IV, 18114, S. 373 veröffentlicht hat. Richter weist nach, dass
es eine, wenn auch kleine Hans -Sachs -Gemeinde zu allen Zeiten gegeben
hat; er nennt aus gelehrten Kreisen ltcsondcrs Hoffmannswaldau , Morhof
und Thomasius.
l'm die Mitte des 17. Jahrhunderts entwarf ein schwedischer Flücht-
ling. Bendikt Skyttc, in Anlehnung an Gedanken des Comenius und Baeo, das
Projekt einer Universität, zu der nicht nur Christen aller Bekenntnisse, son-
dern auch Anhänger nicht christlicher Religionen freien Zutritt haben sollten.
Dieses Projekt einer Universal -Universität griff der Grosse Kurfürst
im Jahre lfiliT auf und Hess es von dem Geheimen Rat von Bonin daraufhin
prüfen, ob cs sich nicht für Berlin verwirklichen lasse. Der Plan ist, soviel
uns bekannt, zuerst von D. Kleinert (Mitglied unser! 1 « Gesamtvorstandes)
in einer Rektorat-Rede von 1885 (wieder abged ruckt in dessen „Abhandlungen
u. Vorträgen zur christl. Kultus- u. Kullur-Gesch.“, S. 128 ff.) eingehender
besprochen worden. Neuerdings ist auf den merkwürdigen Plan, für dessen
Gelingen u. a die englischen Dissenters grosses Interesse zeigten, in der
Rede hingewiesen worden, die C. Varrcntrapp bei Gelegenheit der Kaiser-
Geburtstagsfeier der Universität Strassburg gehalten und unter dem Titel:
„Der Grosse Kurfürst und die Universitäten“ bei E<1. Heitz in Strassburg
veröffentlicht hat. Die Gcsehichte dieses Entwurfs ist merkwürdig genug,
um einmal genauer untersucht zu werden, und diese Aufgabe fällt im eigent-
lichsten Sinne in das Arbeitsgebiet der C.G. — Uber Skyttc bringt das
Biographist Lcxicon XI, 16 die neuesten Nachrichten. Besprochen wird
das Projekt auch von Landwehr in dem Buch über die Kirchenpolitik des
Grossen Kurfürsten 1804, S. 345 ff. Skyttc war in Xorköping geboren,
Is-hrer Gustav Adolphs, dann Staatsminister und Kanzler in Upsala. Skyttc«
Anträge gelangten an den Kurfürsten durch dessen Isdbarzt Nieolaus de
Rönnet, der offenbar mit Skyttc nah befreundet war.
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1895 .
Nachrichten.
05
In der erwähnten Rede, die Conrad Varrentrapp bei Gelegenheit der
letzten Kaiser-Geburtstagsfeier der Universität Strassburg gehalten hat, weist
er (8. 23) unter anderm darauf hin, das9 Friedrich Wilhelm der Grosse
Kurfürst Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (der Akademie des
Palmbaums) gewesen ist. In den Erzschrein der Fruchtbringenden Gesell-
schaft trug er im Jahre 1044 — vier Jahre nach seiner Thronliesteigung —
eigenhändig den Vers ein:
Grosse Herrn thun wohl sich zu befleissen,
lten Armen als den Reichen Recht zu leisten.
Friedrich Wilhelm führte als Mitglied des Palmcnordens den Unterscheidungs-
Namen : ,,l)er Untadelig«;“. In seinem sogenannten Rcimgcsatz heisst cs:
Der Nam' Untadclicli ward mir daher erkiest
Weil ohne Tadel nur soll sein Sinn und Gemüthe
Und wer sein hohes Aiubt wol ab in Demuth misst
Befleisst «lunchen sich des Rechtens und der Güte
Derselbe bringt gewiss untadelige Frucht etc.
Näheres s. in dem Ieitaufsatz dickes Heftes „Comcnius und die
Akademie der Naturphilosophen“. 8. 19.
Eine kleine Schrift von Dr. Joseph Reber, Direkltir der höheren
weiblichen llildungs- Anstalt in Aschaffenburg, die ««X'lien unter dem Titel:
„Johann Ainos Comcnius und seine Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften“ erschienen ist, verdient die Beachtung unserer Mitglieder.
Sic ist als „Denkschrift zur Feier des vierteltauscndjährigen Bestandes dt«
Pegnesischcn Blumenordens in Nürnberg“ herausgekommen (Leipzig, Verlag
v. Gust. Fock). Comcnius fühlte sich nicht allein durch seine Bemühungen
für die Pflege der Muttersprache zu den Sprachgesellschaften hingezogen,
sondern es war auch ihon die deutsche Sprache, deren Reichtum und Fülle
er schätzte. Schon Kleinert hat (Studien u. Kritiken 187«, 8. 31) hervor-
gehoben, dass Uotnonius ebenso gern Deutschland wie Böhmen sein Vaterland
nannte. Er spricht (im ludicium duplex) von Germania noetra und war
cliensowohl der deutschen wie der tschechischen Sprache mächtig. Wir
hoffen auf Rebers Ergebnisse zurückzukommen. — In Kürze wird von
Herrn Direktor Dr. Reber eine neue Arbeit über Comenius liezw. eine Comc-
nius- A usgabc erscheinen, auf die «vir schon jetzt aufmerksam machen
wollen. Es ist eine Ausgabe von Comenius* l’hjsica und zwar mit latei-
nischem Texte, deutscher Übersetzung und zahlreichen erklärenden Anmer-
kungen. Die Arbeit wird einen genauen Quellen-Nachweis liefern und die
naturphilosophischen Auffassungen des C. gründlich beleuchten. Den Verlag
hat die Buchhandlung von Emil Roth in Giessen üliernommcn.
Wir haben früher (M. H. der C. G. 1894 , 8. 230) aus Anlass der in
der herrschenden Litteratur oft betonten Ansicht, dass die grossen refortna-
torischen Denker des 17. Jahrhunderts Leibniz, Thomasius, Spener
und Pufendorf gewesen seien, der Verwunderung Ausdruck gegi-ben, weshalb
der Name des Comenius nicht auf gleicher Stufe mit diesen Männern genannt
Monalfhcfto «Irr Conn , nlu«-(lr , iwlli«*hftft. \
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(iti Nachrichten. Heft 1 u. 2.
wird , da doch featstoht , dass die drei erstgenannten vielfach au* Comeniua’
Schriften ihre Anregungen geschöpft haben. Von Leibniz ist dies ja bekannt ;
aber auch auf die Entlehnungen des Thomasius aus Coraenius’ Physik ist früher
schon u. a. von Justus Brücker (Hist. Phil., Kd. 2., Lpz. 1750, p. 656/57,
773 u. 775) hingewiesen worden. Die verschiedenen Darstellungen des Lebens
und der Ansichten des Thomasius, die wir besitzen (Dernburg, R. Prutz,
Hcttner u. s. w.) lassen die wichtigste Weite des Mannes, die religiöse viel
zu »ehr zurücktreten. Vielleicht ist die nachfolgende Notiz in dieser Rich-
tung nicht ohne Interesse.
Christian Thomasius war vom Jahre 1078 an einige Zeit in den
Niederlanden und lernte dort n. A. den früheren Professor an der Universität
Duisburg Job. Georg Graevius kennen. Dieser Graeviu* (1032 — 1703),
der unter dem Einfluss von David Blondei vom lutherischen zum reformierten
Bekenntnis übergetreten war, war durch den Grossen Kurfürsten im Jahre
1650 nach Duisburg berufen, ging aber 1001 erst nach Utrecht, dann nach
Deventer, wo er grosse Erfolge als Lehrer erzielte und bald einen europäi-
schen Ruf erlangte. Es wäre wichtig, Näheres über die Beziehungen zu
erfahren, die Thomasius in den Niederlanden angeknüpft hat. Thomasius
(gcb. am 1. Jan. 1655) stand damals in den entscheidenden Jahren seines
Lebens, und er hat sicherlich sehr wichtige Anregungen von dort mitgebracht.
Die Bedeutung, die die Hugenotten- Ein Wanderung in geistiger wie
in wirtschaftlicher Beziehung für die deutschen Länder, die die Verfolgten
Aufnahmen , gewonnen hat, ist ja im allgemeinen bekannt und anerkannt.
Um so mehr ist die Gründung des deutschen Hugenottcn-Vereins, die
sich die Aufhellung der Geschichte dieser Einwanderung zum Ziel gesetzt
hat, mit Freude zu begrüssen und wir wollen nicht unterlassen, unsere Mit-
glieder auch an dieser Stelle auf die Gcschichtxblätter de* deutschen Huge-
notten- Vereins hinzuweisen, von denen jetzt bereit» 34 Hefte von reichhal-
tigem Inhalt vorliegen. (Magdeburg, Verlag d. Hcinrichshofenschen Buchhdlg.)
Herausgeber ist der um die hugenottische Geschichte hochverdiente Pre-
diger der evang.-ref. Gemeinde in Magdeburg, Lie. H. Tollin, der auch
durch seine Arbeiten über Michael Servet bekannt geworden ist. Die Blätter
empfehlen sich zur Anschaffung besonders für Kirchen- und Volks- Biblio-
theken. Das erste Zehnt behandelt in einzelnen Heften die Hugenotten in
Magdeburg, Emden, Walldorf, Berlin, Erlangen, Otterberg,
Bremen, Karlshafen; das zweite die Hugenotten in Annweiler, St.
Lambrecht, Halberstadt, Heidelberg, Ziethen, Stade, Celle; das
dritte zunächst die Hugenotten von Altona, Billigheim, Frankenthal
und Halle. Das je zehnte Heft bringt hugenottische Urkunden.
Es ist erfreulich, dass der Hugenotten -Verein auch die Geschichte
der italienischen Waldenser Gemeinden unter seine Aufgaben aufgenommen
hat und dass die Hefte 5 und 0 und it des dritten Zehnt* der „Gcechichts-
blätter des d. H.-V.“ die Waldenser-Gcrneinden in Perouse (Würtemberg),
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1895.
Nachrichten.
f>7
aus der Feder de« Prediger» W. Kopp, und zu Dornhulzhauscn i Hessen-
Homburg) von Oberlehrer L. Aehnrd in Homburg v. d. H. zum Alalruck
bringen.
Wenn mau die rührige Thiitigkeit auf dem Gebiete der romanischen
Glauhcnsflüchtlinge in« Auge fasst, muss man bedauern , dass für die Ge-
schichte der biilimiseh - lnHIirixhen Refiigles bis jetzt planmiissig nichts
geschehen ist. Es scheint fast, das« man die Bedeutung dieser Einwanderung
in Deutschland unterschätzt, und doch braucht man ja nur an die Geschichte
des Comcnius, der Jablonskis und namentlich der Brüdergemeinde
zu erinnern , um sich klar zu machen , das« hier nicht minder wie bei den
Hugenotten und den Waldensern viele verschüttete Quellen von geschicht-
licher Bedeutung aufzudecken sind.
ln Madrid erschien: „Luis Vives por A. Lange, Autor de la „Historia
del Matcrialismo“. Traducciön directa del Alcmau , Revisado por M. Me-
nöndez y Pelayo.“ Das einen Band (155 S.) der „Biblioteea de Jtiris-
prudencia, Filosofia e Historia“ bildende Buch ist eine Übersetzung von
F. A. Langes vortrefflichem Artikel über Vives in Schmal» Encyklopädie
des Erziehung»- und l'nterrichtswesens. Es ist erstaunlich und nicht zu
billigen, dns» dies nirgends angegeben ist, ebenso wenig wie die /eit, in
welcher der Aufsatz verfasst ist. Da ein Separat-Addruck der Lau ge schon
.Schrift nicht vorhanden ist, schafft vielleicht auch hier und da ein des
Spanischen kundiger Deutscher die Übersetzung an. Der Preis beträgt in
Madrid 2 fre». 50 c., stellt sich aber in Deutschland beträchtlich höher.
Johannes Apacius Caere (geh. 1623), ein Ungar, der seine Bildung
in den Niederlanden gewonnen hntte, hat sich um die Geschichte der Er-
ziehung und des Unterrichts um dieselbe Zeit Verdienste erworben, in
welcher Comenins dort wirkte. Apacius ward vom Fürsten Georg Rüköczv
im Jahre 1(55(1 zum Rektor der Schule in Klausenburg gemacht, wo er
mehrere Jahre (+ 1650) mit grossem Erfolg thätig gewesen ist. Die Rede,
mit der Apacius sein Amt im Jahre 1(556 antrat, hnt Ludwig Felmeri,
Professor der Philosophie und Pädagogik in Klausenburg (D.M. der C.G.)
kürzlich herausgegeben ; sie führt den Titel: „Oratio de summa scholnrum
ueccseitate, earumejue inter Hungaros barbariei causis.“ (Ex Actis Musaei
Trans. Sect. Phil. Hist. Klaudiojioli 1894.)
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68 Inhalt neuerer Zeitschriften. Heft 1 u. 2.
F. Inhalt neuerer Zeitschriften.
Archiv für Philosophie. I. Ah-
t«*ilung Archiv tilr Geschichte der Philo-
sophie. Bd. VIII. Heft 2. N. F. I. Bd.
I f **f« 2. 1895: E. Zeller, Zu Anaxagnnts. —
G ii 8 l a v G I o ga u , Gedankengang von Platons
(iorgian. — Emil Arleth, Die I>*hre des
Anaxagoras vom Heist und der Seele. — Joh.
Uehinger, Der Begriff dmta ignornntia in I
»einer geschichtlichen Entwicklung. — Paul
Barth, Zu Hegers und Marx’ Geschieht«- j
Philosophie. — Jahn*»l»ericht über sämtlich«* i
Krscheinungen auf dem Gebiete der Geschichte
der Philosophie. — III. Die polnische Litte-
rntur zur Geschichte der Philosophie von
Heinrich vonStrnve. — IV. Die deutsche
Littermtur über die Vorsokra liker 1892. 1893. j
Von K. Well mann. — Neueste Ersehet n-
ungett auf dem Gebiete der Geschichte der
Philosophie.
Viertel) ahr*»chrl ft Tür wissen-
Neiinflllehe PhlloHophle. 19. Jahrg.
lieft 1: K. Avennrius, Bemerkungen /.um
Begriff dos Gegenstandes der Psychologie.
(III.) — A. Marly, Über subjektlose Sätze
und das Verhältnis der Grammatik zu Logik
und Psychologie. (VI.) — A. Spir, Von der
Erkenntnis des Guten und Bö»«*n. — Anzeigen.
— R. Sommer, Erwiderung. — M. Des-
so| r, Schlusswort. - Selbslanzeige : L. Busse,
Philosophie und Erkenntnistheorie. — Philo-
sophische Zeitschriften. — Bibliographische
Mitteilungen. — Notiz : Psychologischer Ver-
ein zu Berlin.
lMiiloftophlwclic Monat ft lieft«*.
.'Mb Bd. 1891. Heft 5 u. 6: K. Vorländer,
Ethischer Rigorismus und sittlich- Schönheit.
(I.) — 0. Külpo, Aussichten der experi-
mentellen Psychologie. — A. Spir, Von der
l'nsterhlichkeit der Seele. — P. Garns, I*»*
n*nun natura. — Litternturbericht.
Heft 7 u. 8: P. Xatorp, Über So-
kraü*». — > K. Vorländer, Ethischer Kigo-
rismii» und sittliche Schönheit. (II.) — Re-
ivnsionen, Littcraturbericht.
Heft 9 u. 10: 0. K leinenberg, Das
System der Künste. W. Enoch, Trans-
oenilentaliwychologh-. — K. Vorländer,
Ethischer Rigorismus und sittliche Schönheit.
(III.) — Litteraturhoricht.
MiUeilungen des Vereins für
iiesehirhte d. I>«‘iatftch«*n In Hohmei».
Jahrg. Nr. 2: H. Gradl, Deutsche Volks-
auffiUiningen. Beiträge au» dem Egerlamh*
zur Geschichte des Spiels und Theaters. —
Anmerkungen über die S«*cl«*n beschnei bung im
Königreich Roheiin im John- 1708. Verfasst
von dem GuU-mialrat Frhr. v. Ceschi. —
W. Majrer, Ein alter Foliant iiu Kladratier
Stadtarchive. — V. Schmidt, Die Fälschung
von Kaiser- und König» urkunden dtirvli
Flrich von Ibisenlierg. 2. — Aua Grazer
Handschriften. Kleine Beiträge zur böhmi-
sche n Geschieht«*, mitgeteiil von J. Lose rth.
— .1. Schin d ler, Set. Wolfgang in Böhmen.
— Zollräder.
Revue Internationale d«- l*en-
ft4*igii4*ni«*nl. 14. arm«»*. Nr. 10. E. Stro-
peno, LVnselgnement public «*n Angklrm*,
— P. G. la C h e s n a i s , I«*s Elements seien ti-
li«! ne» de l'histoire. — Bene de Maul de,
Lea de Margnerit«* «lc Valois. — Alfred
Leroux, Histoin* de Renseignement public
on France. — L'leole nnHlecine vet«*rinairr
de Limoge». — Gustave Allais , La Philo-
sophie h la licence des lettre».
Vlltlelliinffen der (h*«i«*llM*haft
für deutsche Erziehung*»- und Nehiil-
Keftehlehte. .lahrg. IV. (Schluss.) Heft 4 :
Georg Stein hausen, Die Ideah*rzielumg
im Zeitalter ik-r Perrücke. — W i I h. Richter,
Au» «lern Tagebuche de» Paderborner Studien-
präfekten P. II. Kezing 8. J. (1005—1007).
Dr. Falk, Schulmeister- Annahme und
Schulmeister-Kid zu Steinheim aui Main im
I Jahre 1518. — Karl Knabe, Lehrpläne von
Bürger- und Real»chulen der Provinz Hessen-
1 Nassau aus der Zeit der französischen Freiml-
1 herrschaft. - Verzeichnis der im Jahn* 1892
1 erschienenen Veröffentlichungen zur deiitaehen
Erziehung»- uud Schulgeschichte. Fortsetzung.
— Geschäftlicher Teil. VI. lA*lxn»ahrissc «ler
in «len Jahren 1893 u. 1894 verstorbenen Mit-
gli«*«ler de» Kuratoriums der Gesellschaft :
I Hartfelder, Teutseh, Vormbaum,
I Ol au n er, Spltta, Buge. — Anzeigen.
Buch«lruek«-n*l von Johann«*» Bn^lt, Münster i. Westf.
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Verzeichnis der Pflegschaften der C. G.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Ik*r Burhstahc B hinter dom Nainon bedeutet „BevolInjlchUgter ia» Ehrenamt“, der Buchst«!«* <«
M Gc«chfttU»iQhrende Buchhandlung“ und der BuchsUi!«' V Vorsitzender einer C.Z.t». fMler C.K.)
Altona: F. L. Mattigsche Buehh. G
Altdorf: Sein.-Lehrer a. D. .1. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Kogge. V
„ Buchh. v. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlosscrsche Buchh. G
Bncliarnch: Pastor Theile. B
Barmen: Buchh. v. Adolf Graepcr. G
BartensteiniOBtnr.): Oberlehrer Dr.Lentz. B
Bayreuth: Buchh. v. B. Giessei. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Co, W.
Leip/.. Str. 128. G
Bremen: I)r. E. Brenning, Realgym.-I^hr. B
„ Buchh. v. H. W. Silomon. G
Breslau: Buchh. v. E. Morgenstern. G
ßunzlau: Buchb. v. Ernst Muschket. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
Czernowitz : Prof. I)r. Hochegger. B
,, Buchh. v. H. Pardini. G
Christianla: Buchh. v. Cammermeyer. G
Danzig: L. Saunicrs Buchh. G
Detmold : Sem. -Direkt. Sauerlündcr. B
„ C. Schenks Buehh. G
Dortmund: Kealgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden: H. Burdach, K. S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeek: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
,, Buchh. v. H. Ehlers. G
Eisenach: Sem. -Dir. E. Ackermann. B
,, Buchh. v. Bäreck. G
Elbing: Oberlehrer Dr. Bandow. B
,, Buchh. v. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hartinann. G
Emden: Haynclschc Buchh. G
Frankfurt a. M. Dctloffsche Buchh. G
Glessen: Ferbcrsche Univ.-Buchh. G
Glognu: Oberlehrer Baohnisch. B
,, Buchh. v.C.Iteissner’s Nachfolger. G
Gotha: Obcrechulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitncr. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (VVestf.): Prof. W. Bötticher. V
,, Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Disscl. B
„ C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Kektor Bartholomacus. B
Hannover: Kealgynm.-Dir. Kamdohr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbcckc. B
Herborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heussncr. B
,, Buchh. v. M. Brunnemann & Co. G
Königsberg!. Pr. Graefe&Unzereche Buchh. G
Lauban: Buchh. v. Dcnccke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchh. G
Lengerich : Rektor O. Kemper. B
Lennep: Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
,, Buchh. v. R. Schmitz. G
Llppstadt : Rcalgyinn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Lissn I. P.: Prof. Dr. Nesemami. B
,, Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
London: Buchh. v. Williams and Norgate. 6
Lüdenscheid: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. G
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Oberkirchenrat D. Dreyer B
Monsheim: Prediger Pli. Kicfcmdorf. B
Mühlhausen 1. Th.: Diakonus J. Clüver. B
München: Schulrat Dr. Rohmeder. B
,, Hofbuchh. v. Max Kellerer. G
Münster : Buchh. v. Obertüschen (P.Hintze). 6
Neuwied: Prediger Sichert. B
Nordhausen: Oberlehrer Dr. Nagler. B
„ Förstcmannsche Buchh. G
Nürnberg: Buchh. v. Friedr. Korn. G
Oschatz: Sein.-Oberl. Ernst Hünsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. thcol. Spiegel. B
„ Buchh. v. Kack höret. G
Paris: Buchh. v. Fischbacher. G
Posen: Buehh. v. Friedrich Ebbccke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc. G
Prerau (Mahren) Direktor Fr. Slamönlk. B
Ouedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. v. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lambeck. V
„ Buchh. v. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Wilh. Begemanti. B
„ Stillereche Hof- u. Univ.-Buchh. G
Ruhrort: Buchh. v. Andrcac u. Co. G
Sagau : Kreisschulinspektor Arndt. B
„ Buchh. v. W. Daustein. G
Schleswig: Buchh. v. Julius Bergas. G
Soest: Lehrer W. Hamltke. B
„ Rittereche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
„ Schaumburgsehe Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. G
Stockholm: Dr. N. G. W. Lagerstedt. B
,, Hofbuchh. v. C. E. Fritze. G
Strassburg i. Eis. Sein.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel : Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien : Buchh. v. A. Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden : Gymn.-Obcrl. Dr. Hochhuth. B
,, Buchh. v. Felix Dietrich. G
Zchopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
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Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
(Sitz der Verwaltung in Münster.)
Mttgliedcrzalil 1895: 1*200 Personell und Körperschaften.
GesellsehaIXsschrilten:
1. Die Monatshefte der C. G. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Coiuenius. Herausgegehen von Ludwig Keller.
Ilaud 1—3 (1892 —1894) liegen vor.
2. Comenius-Blättor für Volkserziehung. Mitteilungen der Conienius-Gescll-
SC’haft. Der erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufsätze aus der C. G. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der C.G.
Der Gesnintninfang der Gesellsehaftascliriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8®.
Bedingungen der Milgliedsehalt:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenins-
Blütter für Volkserziehung.
Anmeldungen
sind zu richten an die Gosehüftstellc der C.G. , Münster i.W. f Wolbeekerstrasse 4 a.
Der Gesamt Vorstand.
Beeger, Lehrer ti. Direktor der Comenius-Stiftung, Nieder- Poyritx h. Dresden. Dr. Borgius, Ep., KonsiMorial-
Kat. Posen. Dr. Höpfner, Geh. Ober- Reg. -lüt lind Curator «b*r Universität in GAttingen. Prof. Dr.
Hohlfeld, Dresden. M. Jabionski, Berlin. Israel, Schul-IUt, Zschopau. Archiv-Kat Dr. Ludw. Keller,
Staatsarchlrar, Münster I. W. D. Dr. Kleinert, Prof, und Oberkonsistorial-Kat, Berlin. W. J. Leondertz,
Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, Stadt-Bibliothekar. Breslau. D. Dr. G. Loescho, k. k. nrdentl.
Prüf., Wien. Jos. Th. Müller, Prof, der Kirchongeschichte, Gnsdenfcld. Dr. Pappenheim, Prof., Berlin.
Dr. Otto Pfleiderer, Prof, an der Universität Berlin. Dr. Rein, Prof. un der Universität Jena. Univ.-Prof.
Dr. Rogge, Amsterdam. Sander, .Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Bchönaich-Carolath, Schloss
Arntitz. Dr. Schneider, Wirkl. Geh. Oher-Reg.-Kat u. Vortragender Ritt im Kultusministerium , Berlin.
Dr. Schwalbe, Kealgymn. -Direktor u. Stadtverordneter. Berlin. Dr Th. Toeche-Mittler, Hofbnchhändler,
Berlin. A. V&vra, Prof. , Prag. Dr. Wätzoldt, Prov. - Schulrat in Magdeburg. Dr. Wattenbach,
Geh. Heg.- Hut ii. Prof, an der Unlv. Berlin. Weydraann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder:
Dr. Th. Arndt, Prediger an 8. Petri, Berlin. Dr. Benrath, Pmf. an der UnivendüU König*! »erg. Wilh.
Bötticher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand, Bankdirektor , Mainz. Dr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenser, Florenz. Real gy in n. -Direktor Dr. Cramer, MAlheiiu «. Rh, H. Pechner, Professor,
Berlin. Uni v -Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial- Direktor Dr. Heussner, Kassel. ObcrstUent. a. D. Dr.
M. Jiihnx. Berlin. Dr. Herrn, v. Jireöek, k. k. Ministerialrat, Wien. Dr. Kunze. Gymnasial-Direkter, Lissa
il’i.-ein. Prof. D. Dr. Kvacsala, Dorpat. Launhardt . < D 1« Regierung*- Rat und Prof., Hannover.
Unto.-Prof. Dr. H. Suchier, Halle n. s. Prof. Dr. Nesemann, Lima (Posen). Anhiv-Itat Dr. Prümers,
Staatsarcbirar, Pom^. Rektor Rissmann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von SchenckendorfF, Görlitz.
Pr. G. Schmid, 8t. Petersburg. Slamenik, Büiverschul-Direktor , Premn. Uni v.- Professor Dr. von
Thudichum, Tübingen. Freiherr Hans von Wolzogen, Bayreuth.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar &. Co., Berlin C2, Burgstrasse.
Btichdnickerei von Johannes Bredt, Münster i.W.
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Herausgegeben von Ludwig Keller.
Vierter Band.
Drittes und viertes Heit,
M ;'i 1 / April iS!*."».
Berlin und Münster i w.
; der ( '» mrn i u s-< J cs<* 1 1 soll a ft.
Johanne« Bredt in Kommission.
1805.
Der Bezugspreis betrügt im Bueldmndcl und bei der Post jHlirlieli 10 Mark.
Allo ^UKnl<«n
e
In halt
des dritten und vierten Heftes 1895.
Abhandlungen. s-i«
Ludwig Keller, Coinenius und die Akademien der Naturphilosophen des
1 7. Jahrhunderts. Zweiter Teil (i9
Goswin K. Uphues, Die psychologische Grundfrage 97
K. Sudhoff, Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier . . . 115
Litteralurbericht.
W. Sliodu, Hainl*. Handwerker als HtiHlonlcn etc. — R. Kniokc, (rcorg Inrucl. — Tkcod,
I.flngin, IkMitncbo Handschriften «l»*r (in«wli. Rudi »di« n Hof- und l^andcshihlinthck. — Anton
Gindel?, Geich, der Gegenreformation in Rühmen. -- Albert leichter, Neudrucke pttdagoKischcr
Schriften. — Rud. llochegger, Dil Ifcslcutuug der Philosophie d. Gegenwart f. d. I'ildagogik. —
Rieh. Sachse, Jakoli Thomasius. — Bi rnh Mimt, Jakob Fmhschaminer. — E. Mclzer, Der
Beweis für das Dasein Gottes u. a. w 123
Nachrichten.
Aufladungen der mfthri»ch«‘n Brüder ftlier da* Alter «!<•«* evangelischen Glauben». — Neuere
Erteile dber die IfcHleutung de» Meistergesang». Zur Geschichte des Joliunn (’lntibcrg, Professors
in Duisburg. — Eine seltene Au»gnU> einer Schrift «le» Conienius (An Exliorlntion of the fhurches
of Rohcinia etc. 1601) . . . . 12.1
Inhalt neuerer Zeitschrllten 132
Die Monatshefte der C.G. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des August
und September). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt Vorbehalten. Der Ge-
samtumfang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die Geschäftstelle
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Comenius-Gesellschaft, Münster i. W. Wolbeckerstrusse 4"-
Anzeigen finden durch die Monatsschriften der C.G. in den beteiligten
Kreisen weiteste Verbreitung. Die gespaltene Nonpareillezeile oder deren Raum
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und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster i. W.
zu richten.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr. Keller in Münster i. W.
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Monatshefte
der
Comenius-Gesellschaft
IV. Hand. 1895. Heft 3 u. 4.
Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts.
Von
Ludwig Keller.
Zweiter Teil.
Am 1. Mai 1643 gründeten Philipp von Zesen, Dietrich
Pctcrson aus Hamburg und Christoph von Licbenau aus Preussen
y. n Hamburg eine Gesellschaft *), die sich Ordnung und Aufgaben
der Akademie des Pahubnums /um Vorbild nahm.
Diese Gesellschaft — sie wählte als Abzeichen einen Rosen-
stoek mit drei weissen Rosen — interessiert uns besonders des-
halb, weil wir über ihre Verfassung und Bräuche genauer als über
andere unterrichtet sind.
Deutlicher als sonst tritt hier der Versuch hervor, die For-
men und Bräuche von Gilden und Zünften auf die Akademien
zu übertragen, und es ist sehr beachtenswert, dass sich hier die
„Poeten“, Gelehrten und Adligen solcher Handwerksformen und
Namen bedienten. Fs ist wohl möglich, dass einzelne dieser Männer
zu Zünften in einem Verhältnis der sog. Liebhaber des Handwerks
standen, sicher ist, dass einzelne Vertreter vornehmerer Zünfte,
z. B. Maler und Zeichner, auch Mitglieder der Gesellschaft der
„Drei Rosen“ oder der „Deutschgesinnten Genossenschaft“ waren.
') Wenige Wochen nach Gründling der Gesellschaft begab sich Zesen
nach London, wo er kürzere Zeit und dann in den Haag, wo er länger
blieb. K. Dissel, Phil. v. Zesen u.d. Dcutschgcainntc Genossenschaft. Progr.
des Wilhelm-Gyniuasiums zu Hamburg ].S!X), S. I(i.
Monat-hrfU- tli*r Couieniu»-tic<M-ll*c hilft. 1895.
ti
70
Keller,
Heft 3 u. 4.
Vielleicht hängt es* damit zusammen, dass der Ausdruck „Liebhaber
der Kunst“ oder der „Kunstliebcnde“ im vertraulichen Verkehr
zur Bezeichnung eines Mitglieds häufig gebraucht ward.
Der Vorsitzende der Brüderschaft der Drei Hosen — ihre
Mitglieder nannten sich Brüder 1 ) — ward der Oberzunft-
meister genannt*); unter ihm standen neun Zunftmeister
oder Schreinhalter, welche ihrerseits einer Bank von je neun
Zunftgenossen vorsassen. Die Gesamtgemeinschaft war in vier
Stufen gegliedert; die Mitglieder der ersten Stufe hicsscn Ge-
nossen der Rosenzunft, die der zweiten der Lilienzunft, die
der dritten der Nägleinzunft u. s. w. s ) Die Nomen der Mit-
glieder wurden in Zunftbücher eingetragen und das Gesellschafts-
kleinod, das die Mitglieder bei den Zusammenkünften trugen,
wurde der Zunftschmuck genannt; es bestand in einem rosen-
furbenen seidenen Baude, das unten mit einem „Brustpfennig“,
oberhalb zur Rechten mit dem Namen der Rosenzunft, zur Linken
mit der Zunftglieder eigenem Gesellschaftsnamen , gestickt in
himmelblauer 4 ) Seide, geziert war.
') In einem bei der 25jährigen Stiftungsfeier der „Dcutsehgesinnten
Genossenschaft“ vorgetragenen Gedicht Zescns heisst es:
„Wachset ihr Brüder
In nützliche Glieder,
Zieret einander durch nützlichen Fleisg“ u. s. w.
Bissel, a. O. S. 44.
*) Eigentümlich ist die Bezeichnung „der Grosse“ oder „Magnus“,
die sowohl für Zosen als I,eiter (Bissel, 8. 27), wie für Joachim Jungius
als Vorsitzenden der von ihm gegründeten Socictät gebraucht wurde (Guh-
rauer, Jungius S. 238). Der Zunftmeister oder Meister unterschied sich
also von dem Ober- Zunftmeister durch den Namen der „grosse Meister“,
denn daher rührt offenbar der Ausdruck „der Grosse“. — Kürst Ludwig
von Anhalt nennt sich gelegentlich „der Älteste der fruchtbringenden Ge-
sellschaft“ (Krause, Ertzschrein u. s. w. S. 51). Dass dies kein Zufall ist,
beweisen die Gesetze der Gesellschaft des „Schwans“, worin es heisst: „Neben
dem Haubt oder Fürstcher sollen zwei Älteste und ein Herold . . . allewege
sein“. (Candorins Deutscher Zimbcr-Swan, Lübeck 1607, S. 172.)
s ) Eine besondere Vorliebe zeigt sieb für Zahlen-Symlwlik, wie über-
haupt für Symbolik. Die Koscnzunft umfasste 9 mal 9 Mitglieder, die
Lilienzunft 7 mal 7, die Rautenzunft 12 mal 12 u. s. w. Schultz, Sprach-
gesellschaften 8. 92.
4 ) Auffallend ist die Bevorzugung der blauen Farbe; man vcrgl. die
blauscidenen Bänder, die in der Gesellschaft des „Schwans“ u. s. w. üblich
waren.
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1 8!lä. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 71
Die Gesellschaft legte nach ihren Satzungen Wert darauf
und machte es ihren Mitgliedern zur Pflicht, „die allertugend-
haftesten und allertüchtigsten“ Leute für den Bund zu gewinnen;
so sehr sie auf die Pflege der deutschen Sprache bedacht waren, so
wenig können von der Mehrzahl der Mitglieder, die ja zum Teil
Ausländer waren, besondere Verdienste um die Sprache nachge-
wiesen werden. Auch ward in den Satzungen der Rahmen der
Thätigkeit viel weiter gezogen, indem den Mitgliedern zur Aufgabe
gemacht ward, „die allernützliehsten Bücher in ullerhand
Wissenschaften und Künsten... herauszugebcn“. 1 ) Diejenigen,
die hierzu nicht im stände sind, sollen nach den Satzungen die
Herausgabe solcher Bücher durch Geld oder andere Mittel unter-
stützen. Die Bücher unterliegen vor der Veröffentlichung der
Durchsicht des Krzschreinhaltcrs oder des Obermeisters. Die
Zunftmeister oder Sehreinhalter sind verpflichtet, jährlich minde-
stens dreimal an den Erzsehreinhalter über die Entwicklung
ihrer Zunft zu berichten. Es soll zwischen allen Mitgliedern
„brüderliche Freundschaft“ gepflogen werden und alles, was
„dieses brüderliche Bund entbinden und auflösen möchte“, soll
vermieden werden — eine Vorschrift, die freilich hier so wenig
wie anderwärts treu befolgt wurde, da namentlich zwischen der
Drei Roscn-Gesellschaft und dem Palmenorden, trotz Zesens Zu-
gehörigkeit zu letzterem, persönliche Kämpfe ausbrachen, ohne
dass wir sagen könnten, wer die erste Ursache zur Verstimmung
gegeben hat.
Es verdient im Hinblick auf die engen Zusammenhänge der
deutschen Akademien mit den Niederlanden, die wir kennen lernen
werden, Beachtung, dass Zesen sieh seit 1(544 vorwiegend und von
1650 bis 10(57 dauernd in Amsterdam aufhielt*) Im Jahre 1668
kehrte er nach Hamburg zurück und feierte hier im Kreise der
Mitglieder das 25 jährige Stiftungsfest der Drei Rosen.
Wer waren nun die Mitglieder? Natürlich waren Nieder-
deutschland, Hamburg und die Hansastädte stark vertreten, aber
es fällt sofort auf, wenn wir die bekannt gewordenen Namen be-
trachten, dass viele Ausländer darunter waren, besonders wiederum
') Disscl, a, O. 8. 20.
’) Er schreibt 1007, dass er seit 22 Jahren die meiste Zeit als Gast
in Amsterdam gelebt halte.
0 *
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72
Keller,
Heft 3 u. 4.
wie in der Akademie des Palmbaums viele Böhmen, Schlesier und
Ungarn, aber auch Holländer und Franzosen.
Wir nennen hier u. a. den Joh. Theodor von Tschech
(geb. 1595), der einst im Dienst des Winterkönigs gestanden hatte,
dann Hat beim Herzog Johann Christian von Brieg wurde, später
fliehen musste und in der Verbannung sich eifrig mit dem
Studium der deutschen Mystik beschäftigte, auch einiges über
Jakob Böhme herausgab; er war in Palästina und im Orient, lebte
lange in Holland und starb 1049 zu Elbing in grosser Dürftig-
keit; ferner Gotfried Hegenitz aus Görlitz, Lic. juris und braun-
schweigischer Bat, Stephan von Lamswärde aus Utrecht,
Rüdiger Günther Graf zu Stahrcmberg aus Österreich,
der berühmte Verteidiger Wiens, Martin de Coq aus Wien, der
Kunstzeichner der Genossenschaft, Jesajas Rümpler v. Löwcn-
hält aus Österreich, P. Bense du Puis, ein Franzose, Paul
John aus Prag, ein Johanniter- Ritter, Wenzel Scherffer von
Schcrfenstein aus Schlesien, Sigmund von Birken aus Eger,
Ludwig von Hitzfeld aus Cleve, Heinrich Graf von Thum
aus Böhmen, Jakob Rümler aus Danzig, Dionysius und
Matthias Palbitzky von Nemitz, Theod. v. Rolingswcrt aus
Wesel, Benjamin Krause aus Danzig, Matthias von Langen
uus Holstein, Frhr. Hans Adolf von Alewein, Joh. Phil.
Schmidt aus Strassburg, Joh. Bcllin, Rektor zu Wismar,
David Schirmer aus Meissen und andere, die sämtlich in den
Jahren 1644 bis 1647 aufgenommen wurden.
Auch in späteren Jahren dauerte der Zugang aus den
ungarisch-böhmischen Ländern 1 ), sowie aus den Ostseeprovinzen,
besonders aus Prenssen, fort*), woher auch der Mitbegründer
Hans Christoph v. Liebennu stammte.
Wir nennen aus Hamburg und den Nachbaigegenden ausser
') Michael Zachnus aus Ungarn, Willi, von Lilicnau au« Schlesien,
Christ. Knorr von Rosen roth aus Schlesien, Michael Kreibitz aus Böhmen,
Heinrich Röhmer aus Schlesien, Hans Georg Noski aus Böhmen, Balthasar
Hartranft aus Schlesien, Georg von Schöbel aus Breslau, Kaspar Kiebling
aus Schlesien, Daniel und Christoph Kirschen aus Iglo in Ungarn, Philipp
Hentsehe ttnd Paul Kuntz, beide aus Ungarn u. s. w.
r ) So Niclaus Weisse von Lilicnau aus Riga, Christian Otter aus
Danzig (1044), Martin von Kempen aus Königsberg, Andrea» Brackenhausen
aus Klbing, Christian Stephan Tesmer aus Danzig u. s. w.
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| Hilf). Comenius und di« 1 Akademien der N atu r|ihi lo«ophen ete. 73
dem Mitbegründer, Dietrich Peterson: Jakob Schwieger aus Altona,
Joh. von Dorna und Joh. Unkel aus Lübeck, Ad. Heinr. Martmetz
aus Holstein, Karl Christ, v. Marschalk, Heinrich Friedrichson
aus Hamburg, Peter Neukrantz, Georg Niclasson gen. Klausing
und Heinrich Hacke ebendaher, Heinr. Rothe aus Lübeck, Martin
Pellizer aus Eutin, Kasp. Meier aus Bremen, Kasp. Eggeling aus
Lübeck, Peter Finx aus Lübeck, Peter Hessel aus Hamburg,
A. D. Habichthorst aus Rostock, P. Georg Krüsike aus Hamburg,
M. Bartold Vaget, Niclas Wohnras, Michael Steinfass und Esdras
Markus ebendaher. Auch Erfurt, Jena und Dresden stellten Teil-
nehmer, und eines der berühmtesten Mitglieder, Joost van den
Von de 1, ein „niederdeutscher Dichtmeister“, weist wiederum auf
die Niederlande. ')
In den .Fahren 1668 und um 1670 wurden zwei Männer,
die aus Elbing stammten, aufgenommen, Daniel Bärholtz und ein
Mann, der uns besonders interessiert, Daniel Conicnius. Johann
Arnos Comenius hatte vier Kinder, von denen die beiden jüngsten,
die Tochter Susanna und der Sohn Daniel — der einzige Sohn
in den Jahren 1648 bis 1647 zu Elbing geboren waren.
Daniel, der im Jahre 1663 zu Leeuwarden Studien gemacht hatte 2 ),
wurde Prediger und starb im Jahre 1694 auf einer Seereise von
Amsterdam nach Danzig. 3 ) Als Daniel der Akademie der Drei
Rosen beitrat, war der Vater offenbar noch am Leben; was er
that, wird nicht ohne jenes Vorwissen geschehen sein.
Der Anschluss des Daniel Comenius an die Akademie wird
um so erklärlicher, wenn man sich die Thatsache vergegenwärtigt,
dass Zesen ebenso wie Johann Arnos Comenius im Jahre 1656
zu dauerndem Aufenthalt nach Amsterdam kam, und dass beide
Männer hier in persönlichem Verkehr standen. 4 ) Durch Comenius
angeregt besorgte Zesen eine deutsche Übersetzung von dessen
Vestibulum 5 ), und es ist mehr als wahrscheinlich, dass Zesen den
Daniel Comenius im Hause seines Vaters kennen gelernt hat
Es ist merkwürdig, dass Hursdörfer gelegentlich an den
Fürsten Ludwig v. Anhalt schreibt, Zesen habe „in Nieder-
') Siehe die Mitgliederliste bei Disscl, a. O. 8. 58 ff.
*) I’atcra, Briefwechsel des Comenius S. 263.
*) Kvacsala, Comenius S. 470.
*) Bissei a. O. S. 42.
r ') l)a» Nähere in den M. H. der C.G. 1864 S. 33t).
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74
Keller,
Heft 3 11 . 4.
land 1 ) eine neue Gesellschaft an- und aufgerichtet“; gleichviel, ob
damit Holland oder Niederdeutschland gemeint ist, so scheint es
kein Zweifel, dass die Mehrzahl der ersten Mitglieder in den
Niederlanden gewonnen worden ist ! ) — eine immerhin merk-
würdige Thatsache, wenn das ausschliessliche Ziel auf Reinigung
der deutschen Sprache gerichtet war.
Die Beziehungen, in denen die Gesellschaft Zescns zu der
,, Deutschen Societät“ des Palmbaums stand, waren vielfach durch
persönliche und, wie es scheint, auch durch sachliche Meinungs-
verschiedenheiten getrübt. Es fällt auf, dass die Zahl der Geist-
lichen in der „Deutschgesinnten Genossenschaft“ viel grösser war
als iin Palmbaum, und das stimmt damit überein, dass Zesen
sich kirchlicher hielt als viele Angehörige der deutschen Societät.
In einem sehr wichtigen Punkte aber dachte er ebenso wie alle
Mitglieder des Palmbaums: er war ein entschiedener Verfechter
der Glaubens- und Gewissensfreiheit und ein Gegner der
Verfolgungssucht, wie sie damals in allen herrschenden Kirchen
gebräuchlich war. In zwei eigenen Schriften, die er den Städten
Zürich und Bern widmete, ist er für diese Grundsätze öffentlich
in die Schranken getreten. „Lasset ab, ihr Gewissenszwinger“,
sagt er darin, „ihr Glaubensdringer, die ihr Gott die vollgewaltige
Herrschaft über die Seelen der Menschen, die er allein ihm Vor-
behalten, abdringet, lasset ab von den bedrängten Christen, Euren
freigeborenen Mitbürgern“ u. s. w. a )
Auch sonst teilte er die grossen Gesichtspunkte, die den Stif-
tern des Palmbaums vorschwebten, indem er wie sie für die Aus-
gleichung der Gegensätze der Nationen, der Kirchen und der Stände
kämpfte, und es ist bezeichnend, dass er ernstlich beabsichtigte, für
die Abschaffung überflüssiger Titel einzntreten und zu wirken. 1 )
Überhaupt ist Zesen als Mensch eine achtungswertc Er-
scheinung, und die ungünstigen Urteile, die über ihn noch heute
') Caesius, der »ich jetzt Zesiens schreibt, „hals; in Ntedcrland eine
neue Gesellschaft an- und aufgeriehtot“. „Und weilen auch in Welschlnnd
unterschiedliche dergleichen Akademien und vielmals Einer zweien oder
dreien (Akademien) mit absonderlichen Namen zugethan, hat er des , Spielen-
den' (Harsdörfers) Person auch dazu eingeladen“. (Krause, Ertzsehrein S. 336.
T ) Vgl. Dissel, Philipp v. Zesen S. 22.
*) Dissel a. O. S. 51.
*) Dissel a. O. S. 57.
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1895. OomeniuH und die Akademien der Nnt u rphilosophen etc.
75
im Schwange sind, gehen auf dieselben trüben Quellen zurück,
die wir zu Eingang unseres Aufsatzes charakterisiert haben.
Es ist zu bedauern, dass wir über die „Strassburger
Socictät“ (Societas Argentincnsis), über die wir aus dem Jahre
1633 die ersten Nachrichten erhalten, verhältnismässig schlecht
unterrichtet sind. Um dies Jahr nämlich erscheint zu Strassburg
die „Aufrichtige Gesellschaft von der Tanne“, und als ihr
Stifter gilt Jesajas Rumpler von Löwenhalt
Das Geschlecht, aus welchem Rumpler stammte, war ein
österreichisches, und Jesajas war um das Jahr 1610 in Wiener
Neustadt geboren. Am 23. Sept. 1628 ward er als Studierender
der Rechtswissenschaft in die Matrikel der Universität Strassburg
eingetragen und erscheint hier als Schüler Matthias Bemcggers,
der sich seines Landsmannes wie ein väterlicher Freund an-
nahm. ')
Da wir die Beziehungen Berneggers zu den Naturphilosophen
und zu den Mitgliedern italienischer Akademien bereits kennen s ),
so ist die Annahme, dass Rumpler die Gesellschaft der Tanne
ohne Vorwissen Berneggerw ins Leben gerufen haben könne, um
so mehr ausgeschlossen, als die Tannen-Gesellschaft nach Rumplers
eignem Zeugnis nach dem Vorbild italienischer Akademien ge-
gründet worden war und Rumpler die Schaffung solcher Akademien
auch an anderen Orten zur Förderung der Wissenschaften für
wünschenswert erklärt. 3 )
Die uns bekannten Teilnehmer der Tanne waren meist
Studenten, und die Zahl der Mitglieder war von vornherein be-
schränkt, Es ist kaum anzunehmen, dass diese jungen Leute den
Versuch hätten wagen können, eine Gesellschaft zur Förderung
der deutschen Sprache zu gründen, wenn sie nicht an geistes-
verwandten Männern und Richtungen einen Rückhalt besessen,
') 8. den Artikel Martins über R. in der Allg. D. Biogr. XXIX, 673.
-) M.H. der C.G. 18115 8. 20 ff.
’) Im Ersten Gebüsch seiner Rcimgedichte , die zu Strassburg im
Jahre 1647 erschienen, sagt er: „Es wäre zu wünschen, dass man in löb-
lichen Wissenschaften da und dort anlege, wie in Italien gebräuchlich ist,
alwo beinahe in allen Stätten Akademien (wie sie es heysen) gefunden
werden.“
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7fi Koller, Heft •'! II. -4.
und gerade die Thatsache, das« es Studierende waren, legt die
Vermutung nahe, dass es sich hier ebenso nur um die Schaffung
einer Pflanzsehule handelte, wie es z. B. bei der Gesellschaft des
Schwans der Fall war.
Ausser Rumpler war auch ein anderer Schüler Berneggers,
dessen nachmaliger Schwiegersohn Joh. Freinsheim (1(508 — 16(50),
Mitglied der Akademie der Tanne. Freinsheim, dessen hervor-
ragende wissenschaftliche Tüchtigkeit schon die Zeitgenossen an-
erkannten, 1 ) konnte in Deutschland keinen Wirkungskreis an einer
Hochschule finden und folgte daher iin Jahre 1642 einem Kufe,
den der Freund und Patron des Comenius, der Kanzler der Uni-
versität Upsala, Joh. Skyttc*), an ihn ergehen Hess; im Jahre
1656 ernannte ihn Karl Ludwig von der Pfalz zum kurfürst-
lichen Rat, derselbe Kurfürst, der auch ein anderes ausgezeich-
netes Mitglied der Akademie der Tanne, ti. R. Weckerlin, zu
seinem Rat machte; vielleicht war es kein Zufall, dass Karl
Ludwig Mitglied des Palmbaums war und beide Männer persön-
lich kannte 8 ). Ferner werden als Mitglieder der Tanne Matthias
Sehneuber, der im Jahre 1648 auch Mitglied des Palmbaums
wurde, Sam. Thiederieh und Hecht (Lucius) genannt. Mit Zcsen,
Rist und Harsdörfer war der Stifter der Tanne, Jesajas Rumpler,
befreundet
Unter den Mitgliedern verdient G. R. Weckerlin besondere
') S. über ihn Allg. I). Biogr. VII, 348 f.
*) Über die Beziehungen Skvttes zu Comenius s. Patern, Briefwechsel
etc. S. 59. 01 und 73.
') In dem Bchcdiasma de Institut» Socictatis Philotoutonico-Pooticnc
(Lipsiae 1722) S. 25 findet sich die Nachricht, dass Karl Ludwig dein
Wcckcrlin einen goldenen Becher mit folgenden Versen geschenkt halle:
Vom Guldbürigen Gott (?) empfange diss Geschenk
Die Schwestern Neun hiemit sind Deiner eingedenk
Seind (?) Gnad und ihre Gunst Dir klärlich zu beweisen
Haben sie nicht gespahrt die silbern Hufeysen
Des Pegasi, daraus sie dis Pocal formirt,
Und mit der Quint-Essenz
Aganipps Quell geschnürt etc.
Es sind in diesen Versen offenbar verschiedene Druck- oder Lese-
Fehler. Der „Goldhärige“ ist unzweifelhaft ein Gesellschaft. -mime: die Aus-
drücke Quint-Essenz und Aganipps-Qucll deuten auf eine Societät von
„Alchymisten“ hin, der beide Männer angchürt halten.
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1805. Comenius und die Akademien der Naturphilosophcn etc. 77
Beachtung; er war bereits in» Jahre 1584 geboren, und gehörte
also der älteren Generation dieses Freundeskreises an. Von
1601 an hatte er in Tübingen studiert, dann grosse Reisen ge-
macht und war 1610 Sekretär des Herzogs von * Wiirtomberg
geworden. Nach England berufen (wir wissen nicht von wem),
arbeitete er als Sekretär in der Londoner Kanzlei unter vier
Staats-Sekretären und starb zu London im Jahre 1653; auch mit
Jul. Wilh. Zinkgrnf (1591 — 1635) •) war er befreundet und mit
Oxenstierna stand er in Briefwechsel. 2 )
Weckerlin tritt uns in London als Mitglied jenes Freundes-
kreises entgegen, dem auch Comenius angehörte. Th. Haack aus
Worms, Samuel Hartlieb aus Elbing, Joachim Hübner,
Joh. Paraeus, Joh. Pell u. s. w. waren seine Freunde und
Gesinnungsgenossen, die er zum Teil in seinen Oden verherrlicht
hat. Er lebte seit mindestens 1622 in London und wurde 1624
Unterstnatssckretiir. Dabei unterhielt er sowohl mit den Nieder-
landen — seine „Geistlichen und weltlichen Gedichte“ erschienen
bei demselben Verleger in Amsterdam (Jolian Jansson), der auch
Schriften des Comenius druckte — wie mit Deutschland. Im
Jahre 1640 wurde John Milton Weckcrlins Nachfolger als Sekretär
der auswärtigen Angelegenheiten. 8 )
Noch im Jahre 1 680 lebt die Gesellschaft in der Erinnerung
Christian Weises als die Tannenzunft.
Im Jahre 1644 stiftete Philipp Harsdörfer 4 ), den wir ja in
dieser Bewegung bereits kennen, zu Nürnberg eine Gesellschaft
gleichen Charakters, die später unter dem Namen des Blumen-
ordens bekannt geworden ist und die, wie man weiss, sich als
litterarische Gesellschaft bis auf diesen Tag erhalten hat.
’) Über Z. 8. Goedcke, Grundriss IIP, 35.
*) Ül>cr Weckerlin s. Reifferscheid , Quellen zur Gesch. des geistigen
Lebens n. s. w. Register s. v.
*) Vgl. Georg Rudolf Weckcrlins Gedichte, hrsg. v. 1 [ermann Fischer.
Tüb. 1895. ISd. II. (Publ. de* Litt.-Vercin*. Bd. 200.)
*) Harsdörfer war zugleich in mehreren Akndemien Mitglied, wie dies
auch in Italien bei einzelnen hervorragenden Gliedern Sitte war.
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78
Keller,
Heft 3 u. 4.
Harsdörfer bediente sich bei der Gründung besonders der
Hülfe eines jungen Theologen Joh. Klai, der 1647 Lehrer an
S. Sebald wurde, und Sigmunds von Birken; der letztere
stammte aus ‘Böhmen (gcb. 25. April 1626), wo sein Vater zuerst
in Frauenreuth und dann in Wildenstein als Pfarrer wirkte 1 ) und
mit anderen böhmischen Flüchtlingen im Jahre 1632 nach Nürn-
berg kam. Im Jahre 1645, kurz nach seinem Anschluss an den
Orden, wurde er auf Empfehlung Harsdörfers an Justus Georg
Schottel ins 2 ) dessen Collabonitor als Hofmeister am Hofe Herzog
August« von Braunschweig in Wolfenbüttel und Erzieher der
Prinzen Anton Ulrich und Ferdinand Albrecht. 3 )
Weder über die ersten Anfänge noch über die frühesten
Satzungen des Ordens sind bestimmte und verlässliche Nach-
richten an die Öffentlichkeit gelangt. Die älteren Satzungen
sind nie bekannt geworden, obwohl solche, wie wir wksen,
vorhanden waren; im handschriftlichen Original sind sie ver-
schwunden. Wir kennen Ordenssatzungen erst aus dem Jahre
1718, wo der Charakter des Ordens bereits wesentliche Ver-
änderungen erfahren hatte. Es scheint, dass Harsdorf er seiner
Akademie die Satzungen der Akademie der „Intronati“ zu Siena
zu Grund gelegt hat. In seinen „Gespräch spielen“ (1645) lobt
er diese Satzungen und empfiehlt sie als Vorbild; indem er sie
auf deutsche Verhältnisse anwendet und umdeutet, erwähnt er als
erste Satzung die Vorschrift: „Die Feinde der Tugend und der
Teutschen Heldensprache sollen hier nicht zugelassen werden“,
und empfiehlt als zweite Vorschrift: „Du aber bete andächtig,
') Näheres in dem Aufsatz von Aug. Schmidt, Sigmund v. Birken,
gen. Beinling (1626 — 1681), in der Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier
des Pegncsischen Blumenorden« in Xilrnlierg. N tirnb. 1894. S. 481 ff.
•) In Schott cliu», dem Schüler des Jungius und dem Freunde von
Lcibniz, besassen die Akademien eine hervorragende Kraft. Schottelius war
iiu Jahre 1612 zu Einbeck geboren, hatte in Leyden Rechtswissenschaft
studiert, kam als Conrektor nach Einbeck und später an den braunschwei-
gischen Hof. 16.-13 wurde er mit dem Bnidemamen „der Suchende“ Mitglied
des Palinbaums, 1646 als „Fontano“ der Akademie an der Pegnitz. Er
schrieb 1669 eine „Ethiea. Sitten- oder Woliebenkunst“ und viele religiöse
Schriften. Ein neuerer Forscher nennt ihn den Jacob Grimm des 17. Jahrh.
S. Al lg. D. Biogr. XXXII, 407 ff.
*) Auffallend sind die Beziehungen Birken« zu Mystikern wie Joh.
Georg Gichtei (f 1710) und anderen; sie verdienten eine nähere Untersuchung.
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1895. Comeniu« und die Akademien der Naturphilosophen etc. 7fl
studiere flcissig, sei fröhlichen Gemüts, beleidige Nie-
mand.“ 1 )
Der neueste Geschichtschreiber des Blumenordens, Th.
Bischoff, hat die sehr wahrscheinliche Vermutung ausgesprochen,
dass Hnrsdörfer sich die Akademie, die er gründete, ebenso als
eine Art Pflanzschule für die über ganz Deutschland verbreitete
Akademie des Palmbaums dachte, wie Joh. Rist ä ) dies erweislich
mit dem von ihm gegründeten Schwanenorden gethan hat; die
Bezugnahme Rists auf die gleiche Absicht des Pegnesischen
Ordens 3 ) macht diese Vermutung doch nahezu zur Gewissheit.
Dass Sigmund von Birken in der Zeit, wo er den Orden
an der Pegnitz leitete, die Gesellschaft des Palmbaums als einen
Orden höherer Ordnung betrachtete, geht aus seiner eigenen Kr-
kliirung hervor. Die Mitglieder des Blumenordens trugen das
Ordens-Kleinod in der Form eines thalergrossen Silberstücks an
einem Ordensband von grüner Seide und als Birken einst gefragt
ward, weshalb die Mitglieder nicht ein goldenes statt eines silbernen
Kleinods trügen, antwortete er: „Das (»old überlassen wir den
höheren Orden“ und deutete damit auf den Palmenorden, in den
Birken selbst erst im Jahre 1858 Aufnahme gefunden hatte. 4 )
Im Jahre 1679 ward er auch Mitglied der Akademie dei Ricovrati,
die in Padua und jn Venedig wirkte. 5 )
Unter den Begründern und ersten Mitgliedern des Blumen-
ordens fehlt der Name Michael Dilherrs; gleichwohl hat er
■) Th. Bischoff, a. a. O. 8. 208.
’) Über Rist vgl. Th. Hansen, Joh. Rist u. s. Zeit. Lpz. 1872.
■ 1 ) Rist« Allsicht war, dass „ans solcher Gesellschaft sowohl als ans
dem Pegnesischen gleichsam wie aus einem Pflanzgarten ein und andere«
geschickte« und würdige« Mitglied genommen und nach Abgang der alten
und gelehrten fruchtbringenden Gesellschaftern , in den höchstlielobten
durchlauchtigsten Palmen-Orden möchten versetzet werden.“ Bischoff a. O.
S. 209.
4 ) Näheres bei August Schmidt, a. O. 8. 511 f. Das Sinnbild des
Kleinod« war seit Birken« Zeit die Granadilla (Passionsblume). Über der
Blume stand: „Die Blumengcsellsehaft“, unter ilersellien: „Alles zur Ehre
de« Himmels“. Die Rückseite zeigte die siebenfache Rohr-Pfeife mit der
Umschrift : „Alle zu einem Ton einstimmend.“ Es ist derselbe Gedanke, der
auf dem Titelbilde eines Harsdiirferschen Buchs durch die Darstellung von
sieben Männern, die an einem Strick ziehen, zum Ausdruck kommt.
s ) Über diese Akademie s. unter anderen J. C. Wagenseil, De Civi-
tate Norimbcrgcnsi commcntatio 1097 p. 451.
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Keller,
Heft 3 II. 4.
NO
die mit der Zeit immer mehr hervortretenden religiösen Neigungen
des Ordens wesentlich gefördert und sogar eine Stiftung 211 Gunsten
desselben gemacht, die diesem sehr zu statten kam.
Wenn man die Beziehungen des Comenius zu Haredörfer
und der Endterschen Buchdruckerei ins Auge fasst, 1 ) so verdient
es Beachtung, dass schon im Jahre 1646 ein Böhme, der als
Korrektor bei Endter thätig war, Johann Saehss, in aller Form
Mitglied des Ordens wurde*) — eine besondere Auszeichnung,
da die Auswahl mit grosser Vorsicht getroffen wurde und von
1644 — 1658 nur dreizehn Aufnahmen stattfanden.
Es ist überhaupt ganz unverkennbar, dass es überall — wir
werden das betreffs der londoner Akademie noch besonders dar-
thun — die Glaubensflüchtlinge waren, und zwar nicht bloss
die böhmisch-mährischen oder deutsch-österreichischen, die an den
Gesellschaften stark beteiligt sind, teilweise sogar ihre Stifter
waren. Dies tritt auch in Nürnberg hervor, wo seit der Schlacht
am Wcissen Berge sieh eine immer grössere Zahl von Vertriebe-
nen sammelte. So nahmen z. B. an dem Begräbnis eines Mit-
glieds der Fremden-Gemeinde im Jahre 1689 nicht weniger als
89 exulierende Geistliche teil , darunter der bereits erwähnte
Daniel Betulius (von Birken, f 1642), der ausser seinem Sohn
Sigmund noch zwei Söhne, Christian und Joh. Salomo, dem ( )tden
zuführt«*.
Gross war auch die Zahl der Vertriebenen von Adel, die
mit den Nürnberger Patriziern, auch mit Harsdörfer (der ihnen sein
Haus auf dem Rossmarkt überliess), in mannigfache Beziehung
traten. An der Spitze der Adels-C'olonie stand durch Alter und
Ansehn Gallus Frhr. von Räknitz (geb. 1590 zu St. Ulrich im
Herzogtum Stoyer, f 1658), der mit «lern bekannten Mitglied des
PalmbauniR Ottavio Piccolomini befreundet war; ferner weiden
genannt die Dachsberg, Dietrichstein — Rud. v. Dietriehstein
gehörte dem Palmbaum an — , Eyk, Ernau, Herberstein, Hofmann,
Hostodsberg, Heyleek, Jörgcr, Khevenhüller, Leiningcr, Lichten-
berg, Mordax, Moschkau, Prunk, Praunfalk, R«‘gal, Speidel,
') Th. Bischoff n. O. S. 215.
■) Fast sämtliche Schriften «1er Mitglieder des Ordens sind in Nürn-
berg l<ei Michael Endter gedruckt; über die Beziehungen des Comenius zu
Endter s. Keber, C. u. die Sprachgesellschaften 1S1I5 S. 10 ff.
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1895. Oomenius und die Akademien der Naturphilosophen eie.
81
Tannhauser, Teuffenbach, Traun, Yolkersdorf, Welz, Windisch-
grätz, Wunnbrand, Zinzcndorf 1 ) u. a. *)
Waren diese sämtlich Mitglieder der österreichischen Kolonie,
so gab es auch noch andere Exulanten von Adel um diese Zeit
dort, z. B. Joh. Philipp Geuder von Heroldsberg — Mitglied
der Akademie des Palrnbaums — , Hans Fuchs, G. Friedrich
von Crailsheim, H. Georg von Mussloc, Hieronymus von Eglof-
stein, Hans Georg und Hans Karl Richter von Komberg 3 ), und
mit vielen von ihnen unterhielt besonders Dilherr regen geistigen
Verkehr, auch erscheinen einzelne unter den Angehörigen des
Blumenordens. Aus der Zahl der letzteren mögen hier folgende
genannt sein: Johann Rist, J. G. Schottel, Phil. Jac. Osw. von
Ochsenstein, Ferd. Ad. Frhr. von Pemauer, J. Ph. Geuder, J. K.
Schürholtz, Joh. Fr. Ricderer, Sam. Hund aus Meissen, Gotfried
Polycarp Müller, Christoph Arnold, Christ Frank, S. J. Holz-
schuhcr, Christoph Fürer, J. K. Schcurl, Dan. Bärholtz, Johann
Helwig, Joh. G. Volckamer, Anton Burmeister aus Lüneburg,
Fr. Lochner aus Oels in Schlesien. 4 )
Harsdörfer hat in seinen „Gcsprächspielen“ die Grundsätze,
Absichten und Ziele des Blumenordens wie der übrigen Akademien
weiteren Kreisen in hannlosem Gewände zu vermitteln und für
die Anschauungen des Bundes Freunde zu gewinnen gesucht. Es
wäre der Mühe wert, die „Gcsprächspiele“ dnrauf hin einer ein-
gehenderen Prüfung zu unterziehen; hier sei nur darauf hin-
gewiesen, wie der Verfasser im fünften Teile seiner Schrift für
die Einführung der Muttersprache in den Unterricht der
Schulen eine Lanze bricht. 3 ) Auch sind die „Gcsprächspiele“
die erste aus gebildeten Kreisen stammende Schrift , die den
Me istersingern und ihren Bestrebungen wieder Gerechtigkeit
widerfahren lässt.
') Otto Heinrieh von Zinzcndorf zahlte im Jahre Iti'JH für 1' , Jahre
500 Gg. Schutzgelder an die Stadt.
’) Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 185‘> S. ltil ff. (von
Isxtbner).
a ) Anzeiger etc. S. 217.
4 ) S. Gocdcke, Grundriss III, 18 und Th. Bischoff a. O. S. 211 f.
*) Derselbe Harsdörfer war der erste, der die Errichtung von Lehr-
stühlen für die deutsche Sprache an den Universitäten forderte. Vgl. lieber,
Coiuenius u. s. Beziehungen zu den Sprachgesellschaften. Lpz. 18U5. S. 2-1.
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82
Koller,
lieft 3 u. 4.
Wichtige Aufschlüsse über die Gesellschaft an der Pegnitz
und über die persönlichen Beziehungen , in denen namentlich
Sigmund von Birken gestanden hat, dürften sich aus dem noch
erhaltenen Archiv des Blumenordens gewinnen lassen. Es befindet
sich darin u. a. ein Album Birken», das „dem Theuren Frucht-
bringenden auch Fürtrefflichen Blumengenossen und Kunstlieben-
den“ gewidmet ist und sehr viele Eintragungen angesehener
Zeitgenossen enthält Die der Zeit nach ältesten Einzeichner
sind Christian Dietrichstein und Hnrsdürfer aus 1645. Auch
Herzog August von Braunschweig steht mit einem Deukspmch
darin (1648). In einem andern Album mit vielen Eintragungen
findet sich folgender Vers:
Was dort der edle Strephon (Hnrsdürfer)
Hat ersonnen:
Das Blumenbimd,
Daran hat Floridnn (Birken) hier fortgesponnen
Am Pegnitz-Strand.
Thut, was Ihr thut
Belobte Hirten-Brüder !
Gott, Tugend, Sprach ! *)
Um das Jahr 1660 begegnet uns in den Elbgegenden der
Schwa ne n-Ordon an der Elbe oder die elbische Gesellschaft
des Schwans, als deren Begründer Johann Rist, damals Prediger
zu Wedel bei Altona, genannt wird. In den Satzungen begegnet
keinerlei Bestimmung, die den Mitgliedern die Sprachreinigung zur
Aufgabe macht, und die Bruder-Namen, die die Gesellschaft in
Gebrauch nahm, waren sämtlich fremdländischen Ursprungs.
Unter den Mitgliedern werden genannt: G. W. v. Werthern,
der das Amt des „Reichsthürhüters“ bekleidete; ferner Matthäus
Mcrian, der als Maler, Radierer, Buehhändler und Kunstvcrleger
bekannt ist (geb. 1621 in Basel) und vom Grossen Kurfürsten,
den er porträtierte, zum brandenburgischcn Rat ernannt wurde,
Daniel Börholtz, geb. 1644 zu Elbing, Erzieher mehrerer
') 8. Th. Bischoff a. <). 8. 237. — Wir sind gern bereit, wichtigere
Nachrichten aus dein Archiv des Blumenerden* in unseren Monatsheften zu
veröffentlichen.
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1895. ComeniuB und die Akademien der Natu rpb i losophe n etc. 83
Grafen zu Solms mul später Bürgermeister in seiner Vaterstadt
(1685), Conrad von Hövel, G. Greflinger, Fr. 8. Zaniehl in Elbing,
Christoph Horn, L. Kraust in Danzig, Fr. Hofmann, Conrektor in
Elbing, Joh. Gorgias aus Kronstadt in Siebenbürgen, J. Noltenius
in Braunschweig, Jeremias Erbe, „Lautenist“, d. h. Musiker, Martin
Stilbritz, Gotfried Wilhelm Sacer, Georgius Sehöneberg, Anton
Burmeister, Johannes Wolken, Franz Joachim Burmeister, Con-
stantin Christian Ilekekind, Friedrich Heinrich Säger, Gothilf
Treuer, Georg Heinrich Weber, Karl Taut, Joh. Praetorius, Michael
Franke, Brandanus Langejanus, Michael von Lankisch, Samuel
Sturm, Jakob Sturm, Daniel Pauli, Phil. Jakob Oswald von
Waldeneg, Daniel Neuberger, Benjamin Winkeier von Winkelfels,
Joh. Grüwel, Martin Kemp, Georg Strube, Georg Nicolai aus
Hamburg. Auch Gabriel Voigtländer, Hofmusikus des Königs
Christian V. von Dänemark, ein Freund Rists, der selbst Musik-
kenner war, scheint Mitglied gewesen zu sein, was der Thatsache
entsprechen würde, dass in den Kreisen der Akademien ebenso
sehr der Musik, wie der Dichtkunst — beide verschönten ihre
Versammlungen — besondere Pflege zu teil ward. 1 )
Auch in diesem Freundeskreise begegnen die Glaubensflücht-
lingc und zwar sind sie hier vertreten durch Joh. Brzetislaw
Mislick, Freiherrn von Hirschhof aus Böhmen, der, wie wir
durch Rist hören, in der Alchvmie und der Mechanik erfahren war.
Rist widmete ihm im Jahre 1642 einen Teil seiner „Himmlischen
Lieder“. Herr von Mislick war selbst deutscher Dichter und ver-
fasste u. a. „Ein Hirten -Geräthe Eines Christlichen Hirten, der
seine Schafe in der Fremde weidet“. Er lebte noch im Jahre
1658. s ) Vielleicht liegt in dem Gebrauch des Ausdrucks „Christ-
licher Hirte“ ein Fingerzeig für die Deutung des in diesen Kreisen
oft gebrauchten Wortes. Denn dass die aus dem Hirtcnleben
entnommenen Namen der „Pegnitzschäfer“ ebenso lediglich eine
Mummerei waren, wie manches andere, steht zweifellos fest, lässt
aber zugleich vieles, was uns albern und geschmacklos vorkommt,
vom Stande des Eingeweihten aus in anderem Liehte erscheinen.
Es war die symbolische Hülle sehr ernster Gedanken und Ziele.
') & wird dies bestätigt von Gocdeke, Grundriss zur Geschichte d.
deutschen Dichtung III, 121.
’) Vgl. Goodckc, a. O. III, I»2.
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84
Keller,
Heft 3 u. 4.
Im Jahre 16G7 veröffentlichte Joh. v. Hövel, der den Ge-
sellschafts-Namen Candorin führte, unter dem Titel „Deutscher
Zimber-Swan“ zu Lübeck eine Verteidigungsschrift des Ordens,
die uns über die Ziele und die Verfassung desselben einige
Nachrichten giebt, die von Interesse sind 1 ), die offenbar aber
nur das enthalten, wns man der Öffentlichkeit preiszugeben beab-
sichtigte.
In der ersten Abteilung (S. 22 f.) spricht der Verfasser
seine Freude aus, dass „die Taube, so eine Weile etwas einfältig
verborgen gewesen“, jetzt „frei, ungehindert vor den Läster-
mäulern, Lügen -Raben .... mit dem lieblichen Schwane . . . .
zu Gottes Wohlgefallen und der Menschheit Wohlfahrt im hellen
Lichte der Ehre einher- und auffliegen“ könne.
Daun folgt eine Aufzählung der sieben freien Künste, sieben
Wissenschaften und sieben Haupttugenden ; auf diese Sieben
sowie auf die sieben Gaben des h. Geistes heisst es (S. 28) „ist
der Hochlöbl. ädele Swan-Orden gebauet“. „In Erwägung, (dass)
er ein solcher Orden ist, drinnen man allerhand Erkenntnisse der
Natur und Wissenschaften sieh befleisset, manghe herliehe Wärko
und Künste zu Gottes Ehren und der Menschen Büsten zuwege
bringt, stehet er freilich in Ehren zu halten und aller Ende und
( )rtcn hochzuachten“.
Der Verfasser lässt es sich angelegen sein, das Recht zur
Errichtung einer solchen „Weisheits-Zunft“ gegenüber ihren Feinden
darzuthun und verweist dabei auf Baco von Verulam.
Bei der Durstellung der Verfassung und Bräu ehe des
„Schwans“ beruft sich Hövel besonders auf das „Collegium Carpo-
phororum“ oder das „Collegium Solis“ s ), d. h. die frucht-
bringende oder „Grosse Gesellschaft“, nach deren Vorbild ebenso
') Candorin« deutscher Zimber-Swan, darin des Hochlöbl. fidclcn
Swan-Ordcns Anfang, Zunamen, Bcwandniss, Gebräuche, Satzungen, Ordcns-
gesätze samt der Hneh-ansiihel. Gesellschafter Ordens -Namen entworfen,
l.fitx'k, verlägtx Michael Volk etc. 1007. (Univ.-Bibl. in Güttingen.)
') In dem „Teutschen Palmbaum" (1647) S. 11 heisst cs in ähnlich
symbolischer Weise:
Das Teutaehe Sprach- und Tugend-Licht
Von treuen Händen aufgericht
Noch endlich durch die Nächte bricht.
Auch sonst kehrt vielfach auf Bildern und in Versen die Sonne wie
das Licht wieder.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 85
der elbische Schwanen-Orden wie andere Gesellschaften. eingerichtet
seien (S. 62).
In der dritten Abteilung (S. 84 ff.) will Hövel den Vor-
hang des Schwanen-Ordensgeriistos „aufzichen und den neugierigen
Zuschauern eröffnen“ und er erzählt dann vieles von Mönchs-
orden, Ritterorden und angeblich dem Schwanen-Orden ähnlichen
Gesellschaften, was mehr zur Irreleitung als zur Aufklärung ge-
eignet ist
Interessanter ist, was Hövel über die Abzeichen und Sym-
bole des Elbe-Schwanes ') zu erzählen weiss : „das rechte Ordeus-
zeiehen, sagt er, so in der Zusammenkunft getragen wird, ist ein
blaues Seidenband (von) des Hosenbändels (La Jarretiere) Farbe,
unten mit einem güldenen dran hänkenden Swan gezirct“. (S. 119.)
„Gleich wie einer Gesellschaft Kettenglider auf den Orden zilen,
also sihet ein Gebäude auf die Rundgenossenschaft“ .... „Ein
Band bedeutet gute Wirkung, Einigkeit, Bestand; dass er (der
Band) (von) Seiden, weiset solches auf Herligkeit, Unstärbligkeit,
Aufleben u. s. w.; die blaue Farbe ist eben so herrlich wie die
weisse . . . Unser blauen Herolds-Farbe Bedeutung ist herzliche
Audacht gegen Gott, Glaube, Gerechtigkeit, Ilerrligkeit, Treue
u. s. w.; der Schwan ist eine- Anzeige der Treue, Liebe, Dicht-
Sing- Spielekunst, Weisheit, Wissenschaft“ u. s. w.
Eis tritt uns hier wie in den übrigen Akademien ein aus-
gebildetes System von Zeichen und Symbolen entgegen,
das weit mehr war als ein zufälliges Beiwerk, vielmehr einen
wesentlichen Teil der ganzen Organisation bildete. Wir ver-
zichten hier auf näheres Eingehen und verweisen nur auf die
Figuren und Zeichen der Titel-Kupfer, wo sich neben dem Schwan,
der von Gold an einer Kette hing, auch vier Rosen gemalt
finden und wo ein Wappen angebracht ist, in dessen vierteiligem
Schild sich wiederum zwei Rosen finden; über das Schild zieht
sich ein Band, das drei Muscheln trägt. Es ist nicht zweifelhaft,
dass hiermit ebenso Anspielungen bezweckt sind, wie mit einem
anderen Bilde, auf dem der Schwan rechts von einem Kreuz
') Auffallend ist, das» der Zusatz Elb-Schwan oder elbischer Schwanen-
Orden so besonders betont wird. Man wird daran erinnert, das» e» nach
den Angaben de» „Tcutschen Pnlmbaums“ (1(>47) S. 14 auch eine „Sehwanen-
Qcsellschaft“ in den cleviachen Landen gab; über ihre Entstehung u. ». w.
erfahren wir nichts; sie führte ebenfalls den Schwan int Kleinod.
Monatslirflf der rointniutM I8£>. 7
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86
Keller,
Heft 3 U. 4.
(gebildet durch drei Arme) und links von einer Säule und einem
nach rechts schreitenden Ritter mit geschlossenem Visir um-
geben ist.
Der „Zimber-Sehwan“ hat sieh in Anlage und Ausführung
den „Teutschen Palmbaum“ Hilles zum Vorbild genommen, der
ebenso wie jener eine Anzahl interessanter Kupfer mit bildlichen
Darstellungen symbolischer Art enthält, die dem Eingeweihten
manches sagen sollten, was der Verfasser nicht durch den Druck
gemein zu machen wünschte; man sieht daraus zugleich, dass die
Symbolik beider Gesellschaften sich fast derselben Zeichen bediente.
So sicht man auf dem Titelkupfer des „Teutschen Palm-
baums“ im Vordergründe zwei Säulen, die eine mit Lorbeer, die
andere mit zwei verschlungenen Händen und drei Herzen belegt,
die einen mit schwarzem Tuch belegten Altar, der sich in drei
Stufen von cubischen Steinen aufbaut, flankieren. Vor letzterem
stehen zwei sieh umarmende Kinder, darunter der Spruch „Fried
und Freud küsset sich mit der Einigkeit“, die Worte „Fried und
Freud“ unter der linken, „Einigkeit“ unter der rechten Säule. Auf
dem Altar liegt ein Lorbeerkranz, ein Sccpter und eine Krone,
sowie eine Herzogsmütze. Im Hintergrund sieht man links vorn
ein einzeln stehendes Gebäude, das Haus der Gesellschaft (Col-
legium) versinnbildlichend, von Bäumen umgeben und dahinter
einen gezackten Uferrand mit Izmdschaft, rechts eine Burg auf
hohem Berg, die bekannte „Christenburg“ oder die „Stadt auf
dem Berge“ (Matth. 5, 14) danstellend.
Eben die hier gebrauchten Zeichen kehren daun in der
verschiedensten Verbindung wieder. Unter der Überschrift: „Vier-
stündiges Sinnbild des Suchenden“ sieht man vier Medaillons,
auf dessen erstem man den Berg mit einer Kapelle, auf dem
zweiten die Sonne, die eine Izmdschaft mit Palmen erhellt, auf
dem dritten ein Zimmer, worin ein mit einem Teppich bedeckter
Tisch und einem offenen Buche, in einer Nische ein Zirkel, zwei
Globen und ein Ritterhelm sichtbar sind; auf dem vierten sieht
man eine auf einer Anhöhe stehende Säule, umhangen von dem
Ordensband nebst Kleinod und umgeben von einer Versammlung
von Männern, die zu der Säule emporschauen.
Gleich darauf bringt der „Palmbaum“ ein „Dreystündiges
Sinnbild“ in drei Medaillons, deren erstes links einen Berg dar-
stellt, während rechts eine Izmdschaft mit Beigen, Gebäuden und
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1 89”). Comcnius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 87
einem Fluss mit zackigem Uferrand sichtbar ist. Das Ganze
wird von der Sonne beschienen, der ein Adler entgegenfliegt. ')
Auf einem andern „Dreistündigen Sinnbild“ sieht man drei
brennende Lichter abgebildet, deren jedes auf einem mit einem
Teppich bedeckten Tisch steht; der Teppich ist in Rechtecke
geteilt, deren jedes eine Rose zeigt.
Sehr merkwürdig ist ein Kupfer, das sieh auf S. 19 findet.
Der Beschauer sieht links in ein Gemach, in welchem vier Männer
an einem Tisch sitzen und an dessen Eingang ein fünfter mit der
Hellebarde bewaffnet Wache hält. Auf dem Tische, der mit einem
Teppich bedeckt ist, liegen oder stehen das Winkelmass, ein Zirkel,
ein Globus und ein aufgesehlagencs Buch, in dem der eine der
Männer liest, während ein anderer einen zweiten Zirkel in der
Hand hält ; auf dem Fussboden steht ein grosser Foliant, durch den
ein Schwert gesteckt ist; auf der rechten Seite des Bildes ausser-
halb des Gemaches sieht man die Darstellung einer Schlacht mit Toten
und Verwundeten, im Hintergründe eine brennende Stadt und vorn
einen fliehenden Schüler, der die Bücher aus der Hand wirft.
Auch die Kupfer, mit welchen die Mitglieder des Blumen-
ordens an der Pegnitz die von ihnen veröffentlichten Bücher
ausgestattet haben, enthalten mancherlei sinnbildliche Darstellungen,
die freilich nur dem Eingeweihten verständlich waren und ver-
ständlich sein sollten. So zeigt das Bild des sogenannten „Pocten-
wäldchens“ — der Name Poeten wird in diesen Kreisen fast in
demselben Sinn wie Philosophen, Platon iker oder Gesellschafter
und Kunstliebende gebraucht — wie es sich in der „Pegnesis“
findet, mancherlei symbolische Figuren und Andeutungen; auch
die Porträts Harsdörfers, die der Orden besitzt, sind in der Um-
rahmung teilweise mit sinnbildlichen Zeichen geziert und die
Vignetten, die sich hier und da finden, zeigen bestimmte Symbole
— z. B. die Figur des Schachbrettes — , die auch in den übrigen
Akademien wiederkehren.
Wir müssen uns an dieser Stelle auf diese Hinweise be-
schränken, auf deren Bedeutung wir später zuriickkoimucn werden,
wenn wir den Zusammenhang des Comcnius mit den Akademien
zu erörtern haben.
') Das Sinnbild hat in der Anlage eine grosse Ähnlichkeit mit dein
bekannten Buchzeichen des Comcnius; wir kommen darauf zurück.
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88
Keller,
Heft 3 11 . 4.
Die Schrift Hövels, der Zimber-Schwan, die bisher, soviel ich
sehe, von keinem neueren Forscher beachtet ist, liefert auch den
Beweis, dass eine nahe Beziehung zwischen Comenius und dem
Oberhaupt des Schwans, Joh. Rist (1607 — 1667), bestanden hat.
Nach einer Notiz Hövels besass Rist eine handschriftliche Be-
sclireibung „über das innnerbewegliehe Treibewerk durch 3 Kugeln
ungleicher Grössen“ von dem „weltberiihmtcn Coinenius“ '); wer
sonst als Comenius selbst sollte Rist in den Besitz dieser Hand-
schrift gesetzt haben? Damit stimmt es überein, dass Comenius’
Schwiegersohn, Petrus Figulus, am 13. November 1639 Rists Gast
in Wedel war und mit eigenhändigen Aufzeichnungen und Versen
beschenkt weiter zog. 5 )
Wie der Name Zunft kommt auch der Name Hanse oder
Hansa (~ Gilde), bezw. Hänseschaft zur Bezeichnung der Akade-
mien vor und deutet von neuem auf den Zusammenhang mit
Handwerks-Genossenschaften hin. Eine derartige „Hänseschaft“,
die auf neun Gliedern stand — daher die „neunstündige Hänse-
schaft“ genannt — nennt Zesen in seinem „Rosentlml“ nach der
Rosen-Gesellschaft, indem er sagt: „Nicht lange darnach erhub
sich auch die neunstündige Hänseschaft, welche in geheim und
gleichfalls wie die Strassburgisehe unter ihren neun Hänsegliedern
geblieben.“ Hans Chr. v. Liebenau schreibt an den Frhrn. Hans
Adolf v. Alewein — beide waren Mitglieder der Akademie der
Drei Rosen — es sei dem Horm „Bruder“ ohne Zweifel die
neunstündige Hänseschaft bekannt, ihre Namen wünschten die
Herrn geheim zu halten, „damit sie nicht möchten be-
schimpft werden.“ 3 )
Wie zahlreich und mannigfach solche Beschimpfungen der
Akademien und ihrer Mitglieder waren , erhellt sowohl aus der
früher besprochenen Verteidigungsschrift Karl Gustav von Hilles,
dem „Teutschen Palmbaum“ wie aus Hövels „Zimber-Schwan“. Wir
können hier darauf im einzelnen nicht eingehen, sondern müssen
uns begnügen, auf einige Stellen aus den Satzungen zu verweisen,
in denen ausdrücklich Vorkehrung getroffen wird, um solchen
') Deutscher Ziiuber-Swan S. 43.
’) M.H. der C.O. 1804 8. 314.
Schultz, a. O. S. 103 f.
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1 ,S!l. r >. Coitipninx und dir Akademien der Naturphilnaophen etc. K9
Schmähungen zu begegnen. In den Satzungen des Schwanenordens
heisst es ') : „Daferne sich es zutragen möchte, dass einiger Neider
oder sonst ein höhnischer, stolzer oder aufgeblasener Phantastc
sich unterstehen würde, einiges Mitglied dieser rühmlichen Gesell-
schaft mit lästerlichen Schriften, Verläumdung oder sonst unge-
bührlich anzugreifen, so sollen auf solchen Fall nicht nur der
Uhrhäber, sondern alle und jede Mitglieder dieses löbl. Ordens
gehalten und verpflichtet sein, ihrem angezapfeten und vcrfolgeten
Ordensgenossen und Mitbruder unverzüglich beizuspringen und
dessen guten Namen mit Hand, Mund und Feder gegen dessen
Widersacher auf das üusserste zu vertheidigen“ .... Eine ähn-
liche Bestimmung findet sich in den Satzungen der Rosengesell-
sehaft, wo gesagt wird: „Wenn sich ein naseweises Lästermaul
erkühnen würde, auch den Geringsten unter den Mitgenossen mit
Schmähschriften oder anders ungebührlich anzutasten, so soll nicht
allein der Erzschreinhalter, sondern auch ein jedes Zunftglied ver-
bunden sein, solchem ihrem geschmähten und verleumdeten Mit-
glied unverzügliche Hülfe zu leisten und dem Spottvogcl dermassen
das unnütze Maul stopfen, dass hinfürder dergleichen zweibeiniges
Mfillcrvich unsere Hosen- und Liliengenossen unangcgigackct lasse.“ *)
Wenn die Mitglieder von Gesellschaften, deren öffentliches
Wirken sich auf die Pflege der nationalen Sprache und Litteratur
beschränkte, gezwungen waren, derartige Vorkehrungen gegen Be-
schimpfungen ihrer Mitglieder zu treffen, so kann man ermessen,
dass Organisationen, die dem Verdacht ausgesetzt waren, Alchvmie
zu treiben, einer noch heftigeren Gegnerschaft begegneten und
demgemäss zu grösserer Geheimhaltung ihrer Versammlungen,
Symbole und Formen gezwungen waren.
Obwohl auch unter den Mitgliedern der sogenannten Sprach-
gesellschaften kaum ein hervorragender Schriftsteller war, der sich
nicht ausser mit der Sprache auch mit natuqihilosophischcn Studien
und religiöser Schriftstellerei beschäftigt hätte (man hat dies bisher
zu wenig beachtet), so haftete doch weit mehr an den Vereinigungen
der Naturphilosophen im engeren Sinn, d. h. der Naturforscher und
Mathematiker, der Verdacht der „Schwärmerei“, und man munkelte,
’) Zimber-Belnvan 8. 174.
’) Dissel, Phil. v. Zonen etc. S. 26.
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00
Keller.
Heft 3 u. 4.
dass diese Alchemisten zugleich „Rosenkreuzer“, d. h. Mitglieder
einer, wie man wähnte, religiösen Sekte seien, die für die Kirehe
höchst gefährlich sei, die aber als Gesellschaft thatsächlich nie
bestanden hat.
Es ist allerdings zweifellos, dass die „Alchymie“ und die
Pflege der verwandten naturwissenschaftlichen Zweige für die
Akademiker ebenso nur das Kleid war, das ihre höchsten Ziele
verhüllte, wie für die fälschlich sogenannten Sprachgesellschaften
die Förderung der Muttersprache, obwohl diese wie jene Bestre-
bungen durchaus auf dem Wege der Platoniker lagen und ihre
Förderung einen Teil des Arbeitsplans des Bundes bildete. In
weit höherem Grade als die Sprachwissenschaft bot die Chemie
oder Alchvmie mit ihren seit .Jahrhunderten überlieferten Formen
und Zeichen die Möglichkeit für die Eingeweihtem, sich unter
einander durch symbolische Andeutungen zu verständigen, die für
die Aussenstehenden gänzlich unverständlich waren, die dann frei-
lich auch vielfach missverstanden wurden und Anlnss gaben, den
„Alchy misten“ die wunderlichsten und thörichtsten Behauptungen
in den Mund zu legen.
Wenn wir selbst bei den Sprachgesellschaften das, was sie
verschleiern wollten, kaum erfahren, so ist es nicht zu verwundern,
dass der Schleier, der über den Akademien der „Alchymisten“
lagert, einstweilen noch weniger zu lüften ist. Gleichwohl sind
ganz sichere Spuren ihrer Organisation nachzuweisen, und es ist
merkwürdig, wie vollständig die Ordnungen, Symbole und Grund-
gedanken dieser Societäten mit denjenigen der bisher besprochenen
Gesellschaften übereinstimmen.
Um das Jahr 1664 erscheint zu Nürnberg eine organi-
sierte Gesellschaft von „Alchymisten“ und „Rosenkreuzern“, wie
die Aussenstehenden sagten, d. h. von Geistlichen, Gelehrten und
Künstlern, an der unter andern auch Haredörfers Freund, Michael
Dilherr 1 ), beteiligt war. Wir würden vielleicht wenig von dieser
Gesellschaft wissen, wenn es nicht ihren Gegnern gelungen wäre,
') J. M. Ililherr (dessen Vater Konsulent der fränkischen Ritterschaft
gewesen war, ehe der Bischof von Würzburg ihn seiner Lehen beraubte und
in Annut stürzte) war am 14. Oktober 1(504 zu Themar geboren. Trotz
dürftiger Ijige gelang es dem Knaben, eine gelehrte Bildung zu erwerben;
er studierte 1(527 in Altdorf, 1H29 in Jena und wurde 1631 daselbst Professor
der Beredsamkeit, 1634 der Geschichte und Poesie und 1642 Professor der
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1 895.
Conicnius und die Akademien der Naturphilosophrn etc.
91
im Jahre 1696 ein scharfe« obrigkeitliche« Mandat gegen sie zu
erwirken, und wenn nicht im Jahre 1667 (Jotfried Wilhelm
Leibniz ihr Mitglied 1 ) und bald darauf auch ihr Sekretär ge-
worden wäre*). Dadurch ist, trotz des tiefen Geheimnisses, mit
dem sich die Gesellschaft umgab, manches bekannt geworden.
Hierdurch wissen wir, dass sie damals sehr angesehene
Männer der alten Reichsstadt zu Mitgliedern zählte. An ihrer
Spitze stand Daniel Wülfer, derzeit Pastor an S. Lorenz, ferner
gehörten zu ihr Justus Jakob Leibniz, Pastor an S. Jakob und
ein Verwandter von Gotfried Wilhelm, Joh. G. Volkamcr, der
ältere aus dem Patriziergeschlecht gleichen Namens, dem wir schon
oben begegnet sind, Hieronymus Gutthäter, ein reicher Kauf-
mann, Christoph Heiling, ein Weber, Friedrich Kleinert,
ein Stempolschneider und andere. 3 ) Wie fest G. W. Leibniz
damals ') und später 5 ) sich mit diesem Kreise verbunden fühlte,
hat er selbst später gesagt und bewiesen, und schon daraus erhellt,
dass diese „Alchemisten“ weder „Narren“ noch „Böse wichte r“
gewesen sind.
Man muss, wenn man von den „ A lchymistcn“ spricht, frei-
lich ein allgemeines Urteil vermeiden. Es ist nicht zweifelhaft,
dass sich an die Fersen der Naturphilosophen, welche in ernsten
Studien der Chemie oblagen, Schwindler und Goldmacher hefte-
ten, die unter dem Deckmantel von allerlei Geheimleimen und
Zeichen die Geschäfte von Betrügern übten oder selbst Betrogene
waren. Es mag sein, dass solche Leute gelegentlich auch Mit-
Theologie und Philosophie in Nümlierg; dann übernahm er 16-16 die Stelle
de» Hauptpfarrer» an S. Sebald. Eine Monographie über Dilhcrr wäre »ehr
erwünscht. Vgl. Allg. D. Biogr. V, 225. Und Ad. Schwarzenberg, Da»
lieben und Wirken J. M. Dilherrs, Dresden (Progr.) 1892.
*) Nähere» über »einen Eintritt bei Kopp, Geseh. d. Alchymic I, 233.
’) Leibniz wurde angestellt, um au» naturphilosophischen Schriften
Auszüge zu machen, die an der Arbeitsstätte der Gesellschaft vorgenommenen
Arl>eiten zu verzeichnen und den Briefwechsel zu führen. Diese Geschäfte
hat er ein Jahr lang verwaltet.
*) Murr, Lit. Nachrichten zur Geschichte des Goldmachens, Lpz. 1805,
S. 79 ff. (Ein Exemplar in der Stadtbibi. Hamburg.)
*) Leibniz schreibt an Bierling den 16. März 1712: D. Wulferum ego
adoleseens Norimbcrgae saepe adii et aliis eo tempore viris doctis Norim-
bergenaibiw familiaris fui. Opp. omnia ed. Dutens V, 378.
*) Im Jahre 1688 suchte er Nürnberg wieder auf und verkehrte mit
Mitgliedern der Gesellschaft. Murr, a. O. S. 81.
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•12 Keller, Heft :i u. 4.
glieder der Akademien waren, sicher aber ist, dass die besseren
Köpfe sieh dieser Elemente allen Ernstes zu erwehren suchten.
Es kam bald dahin, dass der Name „Rosenkreuzer“, den diese
Akademien von sieh nicht gebrauchten, auch von den Naturphilo-
sophen zur Kennzeichnung solcher Schwindler gebraucht ward, und
so sehen wir, dass Männer wie Val. Andreae und Bernegger, die
den Natnrphilosophen sehr nah standen, sich mit Nachdruck gegen
die „Kabbalisten“ und „Rosenkreuzer“ erklärten 1 ); in der Tliat
hatten die Akademien «'in dringendes Interesse daran, ihr«; Hache
nicht durch solche Leute zu gefährden und ihren Übertreibungen
«>d«T Irrlehren entgegen zu treten.
Die Eindrücke, welche Leibniz in dem für seine Geistcs-
entwieklimg wichtigsten Abschnitt seines Lebens — er war damals
21 Jahre alt — unter dem Einfluss so ausgezeichneter Männer
in Nürnberg empfangen hat, sind ihm stets gegenwärtig geblieben,
und so abfällig er über das Goldmaehen urteilte, so hat er sich
doch noch später gern mit der Deutung alehvmistischer Rätsel
beschäftigt und diese Wissenschaft selbst ebenso geschätzt, wie
cs z. B. Baco nachweislich gethan hat.
Aus Leibniz eignen Äusserungen geht, wie schon Guhrauer
bemerkt hat, deutlich hervor, dass er sich in Nürnberg ernster
mit alchymistischen Arbeiten beschäftigt hat und tiefer in die
gesamte Anschauungswelt dieser Männer eingedrungen ist, als man
bisher angenommen hat.*)
Wir besitzen einen Brief des Joh. Jakob Leibniz (des Sohnes
von Justus Jakob), der damals Prediger der deutschen Gemeinde
in Stockholm war, an Gotfried Wilhelm, vom Juhre 1703, in
*) Valentin Andreae, meint Bernegger, habe den Schwindel dieser
Rosenkreuzer gründlich entlarvt.
*) Guhrauer, Jungius I, 47. — Im Jahre 1ÖQ1 schreibt Leibniz an den
Bruder des Christian Thomasius: „Mich hat Nürnberg zuerst in chemische
Studien eingeweiht und e« reut mich nicht, in der Jugend gelernt zu haben,
was mir als Mann Vorsicht lehren sollte. Denn in späteren Jahren wurde
ich oft, weniger aus eigenem Antrieb, als aus dem von Fürsten, bei denen
ich Zutritt hatte, zu dergleichen angeregt ; ich blieb mit meiner Nengierdc
nicht zurück, doch nicht ohne durch Vorsicht sie zu massigen. Wie viele
von mir gekannte Personen sind daran gescheitert, in dem Augenblick, da
sie mit dem günstigsten Winde zu segeln glaubten.“ — Vgl. auch Kopp,
Die Alchemie I, 233: „Das Interesse f«"«r Alchemie bli«;b Leibniz bis in seine
letzten Lebensjahre.“
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1 S!)ö. Comeniu« und die Akademien der Nafurphilosophen etc. {>3
welchem sich ersterer auf die persönliche Berührung bezieht, in
die er mit dein „grossen Freunde“ zu Nürnberg „bei den Nürn-
berger Münzmeistern“ ehedem getreten sei. 1 )
Im Hinblick auf den Umstand, dass Fr. Kleinert-’) Miinz-
stcmpelschneider und zugleich ebenso wie G. W. Leibniz Mitglied
der Nürnberger Gesellschaft war, unterliegt es keinem Zweifel,
dass in dieser Bemerkung ein Hinweis auf den Freundeskreis lag,
dem die beiden Leibniz angehörten. An der städtischen Münze
waren drei Beamte angestellt, der Münzmeister, der „Eisengraber“
und der Wardein. In der Münzstätte fanden sich ausser den
Räumen, wo mit dem sog. Taschenwerk und dem „grossen Druck-
werk“ gearbeitet ward, solche Räume, wo mit „geheimen Münz-
zeug“ geprägt wurde 3 ), die also auch für Versuche chemischer
Art, die man geheim halten wollte, sowie für Versammlungen
sehr geeignet waren. Da in keiner Weise einzusehen ist, was die
beiden Gelehrten „bei den Münzmeistem“ für gemeinsame Be-
schäftigung hätten haben können, so muss man annehmen, dass
in der Münzstätte Zusammenkünfte stattfanden, wie sie in den
Zunfthäusern angesehener Gilden oft zwischen den Angehörigen
der Zunft und den „Liebhabern des Handwerks“ (z. B. Ärzten,
Rcchtsgelehrten, Lehrern) vorkamen. 4 )
W ie dem auch sein mag, so ist doch die Thatsache, dass
Gelehrte wie Leibniz, Dilherr und andere mit Webern, Silber-
sehmieden — nach Murr scheint auch ein Rotgiesser Mitglied
*) Guhraucr, Leben des Leibniz I, 47.
’) Kleinert gab einen Apparatus Numismatum reeentiorum heraus,
den Oasp. Thcoph. Lauffer im Jahre 1709 fortsetzte. Murr, a. O. S. 85.
— Kleinert stammte aus Hartenstein in Ostpreussen (geb. 4. Juni 1033).
Doppelmayr (Histor. Nachrichten etc. 8. 309) erzählt von ihm, dass er eine
„Acadcmia hiatorico-melallica“ zu begründen versucht habe. Kleinert starb
am 28. Juli 1714.
’) C. F. Gebert-Nürnberg, Geschichte der Münzstätte der Reichsstadt
Nürnberg. Nürnb. 1891, 8. 107.
4 ) Es mag hier beiläufig bemerkt werden, dass unter den Münzbeamten
der Stadt Nürnberg mehrfach Namen Vorkommen, die sowohl in der Kunst-
geschichte (die „Kisengraber“ waren auch Bildhauer und Steinmetzen) w'ie
in der Geschichte der religiösen Bewegung bekannt sind. Im Jahre 1517
war Hans Kmg der Jüngere, der Vater Ludwig Krugs, ein „Bruder“ Hans
Dencks, Eisengral>er (». Keller, Die Reformation 8. 323 u. 422) und im
Jahre 1535 — 1542 verwaltete das Amt des Münzeisenschnciders Hieronymus
Formschneider. S. Gebert, a. O. 8. 51 u. 54.
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Koller,
lieft '5 u. 4.
!)4
gewesen zu sein — und Stempclschneidcm eine Societät bilden,
immerhin merkwürdig, um so mehr, als unsere Quelle ausdrücklich
bestätigt, dass die Gesellschaft eine geheime gewesen sei. 1 )
Joh. Georg Volkamer (geb. 1616), der wie wir sahen seit
dem Jahre 1646 auch Mitglied des Blumenordens an der Pegnitz
war — er führte darin den Brudemamen Helianthus*) — war zu
Padua, wo er studiert hatte, Mitglied der Academia dei Rieovrati *)
geworden und unterhielt mit den italienischen Freunden fortge-
setzte [tersönliche Verbindungen. Auch Hr. Joh. Helwig (+ 1674),
sein Freund und Genosse im Blumenorden, war Doktor Paduanus.
Ebenso rege Beziehungen wie zu Oberitalien besassen manche
Mitglieder dieses Freundeskreises zu den Niederlanden, wie dies
unter anderen der Briefwechsel Harsdörfers mit dem damals in
Amsterdam lebenden Comenius ergiebt. ') Im Jahre 1668 besorgten
einige Nürnberger Freunde eine deutsche Übersetzung einer Schrift
des Dr. Joh. Fr. Helvetius, des Leibarztes des Prinzen Moritz
von Oranien, der zu den bekanntesten „Alchymisten“ iin Haag
gehörte. 5 ) Besonders eng war nus naheliegenden Gründen der Ver-
kehr der Nürnberger Maler und Künstler mit den Niederlanden
und es steht fest, dass viele ausländische, besonders holländische
und französische Künstler zeitweilig in Nürnberg 'weilten.
Für den internationalen Zusammenhang, in dem diese Kreise
standen, ist die Lebensgeschichte des Johann Wülfer, Sohnes
von Daniel Wülfer, von Interesse. Geboren 1651, studierte er
Mathematik und dann in Jena — wohin viele Spuren eines Zu-
sammenhangs mit Nürnberg weisen — Theologie. Im Jahre 1674
ging er mich Venedig, um, wie Doppelmayr berichtet B ) , „von dem
Zustand der griechischen Kirche eine genaue Nachricht einzu-
holen“ und verkehrte dort sechs Monate lang mit dem Patriarchen
und dem griechischen Abt Grandamino. Von dort zog er nach
■) Murr, a. O. S. 82.
’) Herdegen, Blumenorden S. 851.
’) Diese Akademie hatte zur Impresa (Sinnbild) eine von zwei Seiten
geöffnete Höhle und den Wahlsprueh : Bipatens animis asylum. Wagenseil,
fommentatio etc. gibt eine Abbildung.
') Jos. Rel>cr, Joh. A. C'omenius u. 8. Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften. Lpz. 18f)5. S. 45 ff.
s ) Kopp, die Alchemie I, S. 83 f.
“) Historische Nachr. v. d. Nürnbergiachcn Mathematieis und Künstlern.
Nürnberg 1730. 8. 143 f.
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1895. Comenins und die Akademien der Naturphilnsn|>hen etc. 95
Florenz, Koni, Neapel lind zurück nach Wien, Prag, Braunschweig,
Helmstädt, Lüneburg, Hamburg, Bremen, Amsterdam und dann
nach London, überall die Gesinnungsgenossen aufsuchend. In
England verkehrte er mit Robert Boyle, Joh. Pell, Heinrich
Oldenburg, Theodor Haack u. n., „die ihm sehr zugethan waren“.
Von London begab er sich nach Oxford zu Joh. Wallis,
wo er sieben Monate blieb, dann nach Cambridge und dann nach
Paris, „wo er mit vielen Litteratis gute Freundschaft machte“;
dann über Lyon nach Genf und von dort nach Nürnberg zurück,
wo er 1677 wieder anlangte. Später wurde er Mitglied der K.
Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Eine ähnliche Entwicklung, wie wir sie im dritten Teile unserer
Untersuchung in Betreff der älteren Londoner Akademie und der
späteren Royal Society kennen lernen werden, tritt uns in Deutsch-
land bezüglich derjenigen Societät, der Leibniz seit 1667 angehörte,
und der ira Jahre 1700 von ihm und Comenius’ Enkel unter dem
Schutze Friedrichs I. in Berlin begründeten „Königlichen Societät
der Wissenschaften“ entgegen. Wie in London die Träger der
freien „Academin Londinensis“ (wie sie sich nannte) nachmals die
Begründer der Royal Society wurden (1662), so haben die Mit-
glieder der freien Societäten in Deutschland den Stamm für die
Berliner Königliche Gesellschaft gebildet. ')
Aber man würde fehl gehen, wenn man den Unterschied
der freien und der Königlichen Akademien daran erkennen wollte,
dass aus privaten Gesellschaften staatliche Körperschaften wurden:
indem die letzteren sich zu Gelehrtengesellschaften im engeren
Sinn gestalteten, erhöhten sie zwar ihre wissenschaftliche Leistungs-
fähigkeit aber sic nahmen gleichzeitig gegenüber den älteren Socie-
täten insofern einen wesentlich veränderten Charakter an, als diese
ursprünglich keine Gelehrtengcsellsehuft, sondern eine Lebens-
und Gesinnungs-Gemeinschaft darstellen wollten, die eines
ihrer Bindemittel und ihrer Ziele in der Reform der wissenschaft-
lichen Methode und der Pflege der nationalen Eigenart fand. Es
war daher ganz natürlich, dass manche hervorragende Mitglieder
') Ausser Geh. Wülfer wurde auch ein anderer Freund von Leibniz,
der wie dieser Mitglied der älteren Societät gewesen war, nämlich der be-
rühmte Arzt Friedr. Hoffmann (geh. 1(500), im Jahre 1701 Mitglied der
König!. Societät zu Berlin.
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9(> Koller, Conicniu* und die Akiulemien ete. Heft 3 ll. 4.
der filteren Akademien wir kommen darauf zurück — die neue
Entwicklung zwar insofern warm begrüßten, als die wissenschaft-
lichen Studien der Soeietfit an den Staaten, die deren Umwandlung
Vornahmen, eine kräftige Stütze gewannen, dass sie aber das voll-
ständige Aufgehen der älteren Gesellschaften in den neuen staat-
lichen Anstalten keineswegs wünschten, sondern vielmehr einen
Wog suchten, um die Organisation und die Verfassung, die Grund-
gedanken und die Symbolik der freien Akademien, für die in den
Königlichen Gesellschaften natürlich kein Kaum war, den kom-
menden Geschlechtern zu erhalten.
Immerhin ist die Thatsache, dass die Könige von Gross-
brittanien und von Premwen zur Begründung der grossen und,
wie die Folgezeit beweisen sollte, segensreichen Institute sieh
gerade der Männer bedienen zu sollen glaubten, die in den
Societüten der „Alchvmisten“ ihre Schule gemacht hatten, ein
hinreichender Beweis für den Umstand, dass die Verleumdungen
und Beschimpfungen, denen die „geheimen Gesellschaften“ der
Naturphilosophen das ganze siebzehnte Jahrhundert hindurch aus-
gesetzt waren — auch darüber werden wir später näher handeln —
ein Ausfluss des Parteihasses und der religiös-politischen Kämpfe
waren, an denen jene Zeit so reich gewesen ist.
Eben die Hoheit und der Hass waren es, die jene Männer
zwangen, ihre höchsten Ziele unter der Hülle von Sinnbildern
und Zeichen zu verbergen und sie nur Einzelnen zu offenbaren.
Kein geringerer als Valentin Andreae bestätigt diese, für ihn selbst
sehr betrübende Zwangslage in seiner Lebensbeschreibung, indem
er erzählt, dass seine brennende Liebe zur Sache des Christentums
überall auf Hass und Hindernisse gestossen sei, wo er versucht
habt», ihr auf offenem Wege nützlich zu sein; da habe er, fährt
er fort, die Notwendigkeit begriffen, seine Ziele auf Umwegen zu
erreichen und durch Anspielungen und Lockungen die Menschen
zu ernsten Dingen hinzuleiten. So ist es gekommen, dass die
Formen und die Symbole jener Akademien, so geringfügig sie uns
heute erscheinen, doch ein wesentliches Stück des gesamten
Erzichungsplanes waren, der den Gründern der Socic-
täten vorschwebte.
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Die psychologische Grundfrage.')
Im Anschluss an die neuere psychologische Litt<'intnr
untersucht von
Goswin K. Uphues.
Kein Zweig der philosophischen Litteratur erregt heutzutage
innerhalb der philosophischen Welt und weit über ihren Kreis
hinaus ein so mächtiges Interesse als die Psychologie. Man geht
von der Ansicht aus, dass in der Psychologie nach der jetzt
herrschenden Methode tun ehesten wissenschaftlich gesicherte
Ergebnisse gewonnen werden können. Mit vollem Recht. Ob
man aber auch die Schwierigkeit dieser Aufgabe hoch genug
anschlägt, ist eine andere Frage, die bei dem Wirrwarr der
Meinungen auf dem psychologischen Forschungsgebiete sicherlich
verneinend beantwortet werden muss. Es mag deshalb gestattet
sein, einen Punkt innerhalb dieses Durcheinander, der für alles
andere entscheidend und massgebend ist, zu fixieren und mit
Bezug uuf die in den letzten vier Jahren in Deutschland er-
schienenen psychologischen Werke zur Erörterung zu bringen.
Ich bezeichne ihn als die psychologische Grundfrage.
Versetzen wir uns in die Zeit, wo wir eben das Licht der Welt
erblickt hatten, einige Wochen nach unserer Geburt und fragen uns,
worin dumals unser Bewusstsein bestand. Wir hatten Empfindungen,
die, wie wir jetzt sagen, von dem Druck der uns berührenden
Hände, Kleider herrührten, ferner Gesichtsempfindungen, wie wir
') Litteratur: Ziehen, Leitfaden der physiologischen Psychologie, in
14 Vorlesungen, 1. Aufl. 1891. 170 8. 4 Mk. — ■ Uphues, Psychologie des
Erkennens. 1893. 318 S. 0 Mk. 80 Pf. — Külpc, Grundriss der Psychologie.
1893. 478 8. 9 Mk. — Rchmke, Lehrbuch der allgemeinen Psychologie.
1894. 582 8. 10 Mk. — Twardowski, Zur Lehn: vom Inhalt und Gegen-
stand der Vorstellungen. 1894. 111 8. 2 Mk. 80 Pf.
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98
tTphucs,
Heft 3 u. 4.
jetzt sagen, von diesen Dingen; Geruchsempfindungen, Geschmacks-
empfindungen und ebenso Gesichtsempfindungen, wie wir jetzt
sagen, von der Flasche, der Mutterbrust, der Milch, die wir
tranken, lauter Empfindungen, von denen wir jetzt sagen, dass
sie unsere Empfindungen waren oder dass wir sie hatten. Von
Händen, Kleidern, die uns berührten, von Flasche, Mutterbrust,
die uns nährten, wussten wir damals nichts, ebenso wenig von
einem Ich, das die Empfindungen hatte als seine Empfindungen.
Kurz gesagt: unser ganzes Bewusstsein bestand aus diesen
Empfindungen, die weder vorwärts auf Dinge, noch rückwärts
auf ein Ich bezogen wurden. Für dies Bewusstsein gab es weder
Subjekt noch Objekt, auch der Körper, den wir jetzt als eigenen
Körper bezeichnen und oft als Ort und Träger der Empfindungen
betrachten, war für dies Bewusstsein nicht vorhanden, das blosse
Dasein und Zusammensein der Empfindungen bildete den einzigen
Bestandteil dieses Bewusstseins, zu denen etwa noch Gefühle der
Lust oder Unlust hinzutraten, wie wir jetzt sagen, der Annehm-
lichkeit oder Unannehmlichkeit dieser Empfindungen, die also
jetzt von ims, aber keineswegs schon in dem ursprünglichen Be-
wusstsein des Neugebomen auf die Empfindungen bezogen werden.
Man geht nicht zu weit, wenn man in Bezug auf diese Charak-
teristik des Bewusstseins des Neugebornen eine Übereinstimmung
unter den psychologischen Forschem der Gegenwart voraussetzt
und auf ihre Zustimmung rechnet. Die nächste Frage ist, wie
kommt das Kind von diesem Complex zugleich miteinander auf-
tretender und auf einander folgender Empfindungen und Gefühle
zum Bewusstsein des Subjekts und der Objekte, des Ich und der
Dinge? Wir können sie, ohne Widerspruch fürchten zu müssen,
als psychologische Grundfrage bezeichnen. Sie scldicsst die
Vorfrage ein, was unter dem Ich und den Dingen zu verstehen
sei. Schon bei der Beantwortung dieser Vorfrage, noch mehr
aber bei der Beantwortung der Grundfrage, tritt der Wirrwarr
und Widerstreit der Meinungen unter den gegenwärtigen Forschem
in grellster Weis«? hervor. Viele gehen bei der Bestimmung
dessen, was unter dem Ich und den Dingen zu verstehen ist,
von bestimmten philosophischen Systemen aus oder suchen diese
Bestimmung mit vermeintlich gesicherten naturwissenschaftlichen
Anschauungen in Einklang zu bringen, während cs sich offenbar
doch nur um eine genaue A ugubc dessen handeln kanu, was sich
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ISO:“).
Dip psychologische Grundfrage.
00
das gewöhnliche Bewusstsein, <1. h. das Bewusstsein der gewöhn-
lichen Leute unter dem Ich und den Dingen denkt Denn zu
diesem Bewusstsein gestaltet sich doch das Bewusstsein des Neu-
gcbnrncn, dieses Bewusstsein bleibt die Grundlage und Voraus-
setzung seiner ganzen geistigen Entwicklung, welchen Einfluss
immer philosophische Systeme und naturwissenschaftliche An-
schauungen auf diese Entwicklung ausüben. Fragen wir uns nun,
was das gewöhnliche Bewusstsein in diesem Sinne unter Dingen
versteht, so ist die Antwort eine überaus einfache: das, was
nicht Bewusstsein, insbesondere nicht Empfindung und Gefühl
ist; Hände, Kleider, Flasche, Mutterbrust, Milch sind ihm, was
immer sic sein mögen, jedenfalls nicht Bewusstsein, nicht Em-
pfindung und Gefühl. Schwieriger ist die Beantwortung der Frage,
was das gewöhnliche Bewusstsein unter dem Ich versteht. Sehen
wir ab davon, dass wir oft das Wort Ich in Verbindung mit
körperlichen Vorgängen gebrauchen, z. B. ich gehe, esse, trinke,
wo wir natürlich unter dem Ich nur das leibliche Ich oder den
eigenen Körper verstehen können, so verbinden wir mit dem
Worte Ich zunächst nur die Wortvorstellung Ich, sei es die
(akustische) Gehörsvorstellung des gesprochenen oder die (optische)
Gesichtsvorstellung des geschriebenen Wortes Ich. Die Frage ist
nur, ob sich mit dieser Wortvoretellung, die sich regelmässig dann
einstellt, wenn wir, von dem leiblichen Ich absehend, an unser
eigenes oder ein fremdes Ich als solches denken, auch eine
Suchvorstellung verbindet und worin diese besteht; wie sich denn
an die Wort Vorstellungen der gesprochenen Zahlen oder ge-
schriebenen Ziffern, von denen wir beim Denken der Zahlen (die
ganz kleinen, 1 bis 4 oder 5, deren Einheiten wir uns getrennt
in Funkten oder Strichen gleichzeitig vergegenwärtigen können,
ausgenommen) immer ausgehen, stets entsprechende Sach- oder
Wortbedeutungsvorstellungen anschlicssen. Als solche mit der
Wort Vorstellung Ich verbundene »Sach- oder Bcdcutungsvorstellung
finden wir, so oft und sorgfältig wir forschen, nichts anders vor
als die Bewusstseinsvorgänge, vor allem die Empfindungen und
Gefühle der Vergangenheit und Gegenwart, von deren Zusammen-
gehörigkeit mit einander und mit diesem Bewusstsein ihrer Zu-
sammengehörigkeit wir ein Bewusstsein haben, und die wir eben
darum als unser Bewusstsein oder Ich bezeichnen. Wir finden
nichts anders, so oft und soigfältig wir forschen. Wollen wir
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100
Uphues,
Heft 3 u. 4.
über dennoch unter dem Ich oder Subjektsmoment etwas anderes
von diesen Bewusstseinsvorgängen Verschiedenes verstehen, so
haben wir nur etwas Unbestimmtes, Inhaltleeres unter Händen,
das von Rehmke, der diesen Versuch inacht, mit Recht als durch-
aus unvorstellbar (S. 153), ja für sich genommen, getrennt von den
Bewusstseinsvorgängen als undenkbar (8. 493) bezeichnet wird,
das ausserdem nach ihm ein und dasselbe in allen Bewusstseinen
(S. 134) und über Raum und Zeit erhaben ist (S. 288). Können
wir uns nicht zu diesen extremen Anschauungen Rehmkcs be-
kemien, so bleibt uns kaum etwas anderes übrig, als dass wir
unter dem Ich die Gruppe zusammengehörender Bewusstseins-
Vorgänge verstehen, die durch das Bewusstsein ihrer Zusammen-
gehörigkeit mit einander und mit diesem Bewusstsein ihrer Zu-
sammengehörigkeit charakterisiert sind. Das ist der Grundgedanke
der Bewusstseinstheorie, die in meinem Buche (S. 126 — 140) ent-
wickelt ist. In gewissem Sinne stimmt auch Ziehen hiermit
überein. Nur dass ihm die Ich genannten Bewusstseinsvorgüngc
mehr etwas durch Association Znsainmengeratenes als Zu-
sammengehörendes sind und er von einem Bewusstsein ihrer
Zusammengehörigkeit mit einander kaum, mit diesem Bewusstsein
aber sicher nichts wissen will, wenigstens in Konsequenz seiner
Gnindanschauung dies Bewusstsein ablehncn muss, wie wir sofort
sehen werden. Külpe glaubt von einem geistigen Individuum, das
in den Bewusstseinsvorgäugen bestände, nicht reden zu können,
weil „diese Meinung keine wissenschaftliche Psychologie ergäbe“.
Es sollen zwischen den Bewusstseins Vorgängen keine notwendigen
Abhängigkeiten bestehen (S. 3). Wir fragen, auch nicht zwischen
Prämissen und Schlusssätzen, zwischen Urteilen oder Willens-
vorgängen und den sic bedingenden Vorstellungen? Die Bewusst-
seinsvorgänge als solche sollen nicht eindeutig bestimmt werden
können, nur mit Bezug auf die körperlichen Vorgänge soll das
möglich sein. Die Psychologie ist darum die Wissenschaft von
den Abhängigkeitsbeziehungen der Bewusstseins Vorgänge vom
körperlichen Individuum (S. 4). Wir fragen, wie ein Konstatieren
dieser Abhängigkeitsbeziehungen möglich sein soll, wenn nicht
zuerst die Bewusstscinsvorgäuge an sich fest und sicher erkannt
sind. Abgesehen davon ist die genannte Wissenschaft nicht
Psychologie überhaupt, die doch das Buch Külpcs nach dem
Titel geben will, sondern physiologische Psychologie. In der Thut
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1895.
Dip peyehologiKohp Grundfrage.
101
hat Külpe nur eine physiologische Psychologie gegeben,
und diesen Zweck als den beabsichtigten vorausgesetzt, ist sein
Buch wertvoll. Die allgemeinen Erörterungen verraten wie die
vorstehende eine nachlässige Denkhaltung, die unangenehm berührt
und das Verständnis erschwert. Ziehens Buch ist eine mit
strenger Konsequenz durchgeführte Associationspsychologie,
die als solche den psychologischen Thatsachen nicht gerecht
werden kann, aber durch ihre Klarheit und Folgerichtigkeit, unter-
stützt von einer vorzüglichen sprachlichen Darstellung, den Leser
fesselt und gewinnt. Rehnike greift häufig über die Bewusst-
seinsvorgänge hinaus zu Annahmen, die in keiner Analogie zu
dem Gegebenen stehen und durum nach meiner Terminologie als
Postulate bezeichnet worden müssen; aber diese Postulate sind
meiner Meinung nach, abgesehen von dem erörterten Fall des
Subjekts moments, durch das Denken wirklich gefordert und setzen
darum die Bewusstseinsvorgänge in das rechte Licht. Sein Buch
ist charakterisiert durch eine vielfach glückliche Vereinfachung
der Probleme; die» sehr tiefgehenden und scharfsinnigen Unter-
suchungen werden in schlichter, gemeinverständlicher Sprache
vorgetragen. Mein Buch behandelt die dem Zwecke des Er-
kennens dienenden Bewusstseinsvorgänge als solche oder an und
für sich genommen, abgesehen von den ihnen entsprechenden
körperlichen Vorgängen und ohne in der Weise Rehmkcs über
die Bewusstseinsvorgänge hinausgehende Annahmen im Sinne der
Postulate zu machen. Ich möchte es deshalb als einen Beitrag
zur introspektiven Psychologie bezeichnen, während Rehmkes
Buch eben wegen dieser Annahme als metaphysische Psycho-
logie charakterisiert werden müsste. Twardowski giebt eine
sehr eindringende Untersuchung über das Gegenstandsbewusstsein,
durch dessen Annahme meiner Ansicht nach einzig und allein
die psychologische Grundfrage beantwortet werden kann. Auch
seine Schrift bietet natürlich einen Beitrag zur introspektiven
Psychologie. Das Buch erinnert in Gedankenführung und
Sprache oft an die Analysis of the phenomena of human
mind von James Mill und kann wie dieses als beste Einführung
in die Psychologie überhaupt, als beste Einführung in die schwierige
Frage nach der Beschaffenheit des G egenstandsbe wusst-
seins bezeichnet werden.
Nachdem wir über die Vorfrage, was (nach der Meinung
«1fr ( 'fimMiiw-l ■(•MHkrtiifl. w
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102
Uphues,
Heft 3 u. 4.
des gewöhnlichen Bewusstseins) unter dein Ich und den Dingen
zu verstehen ist, uns verständigt haben, können wir nunmehr die
Beantwortung der psychologischen Grundfrage versuchen,
wie das Bewusstsein des Neugeborenen, das lediglich aus gleich-
zeitigen und aufeinanderfolgenden weder rückwärts auf ein Sub-
jekt noch vorwärts auf ein Objekt bezogenen Empfindungen und
etwa noch Gefühlen besteht, für das es also weder Subjekt noch
Objekt, weder ein Inneres noch ein Äusseres gibt, zum Bewusst-
sein des Ich und der Dinge gelangt. Nach Ziehen, der auch
das Urteil und den Schluss (S. 128 u. 129) in letzter Instanz
auf blosse Vorstellungsassociation zurüekfiihrt (dagegen Höf ler
Psychische Arbeit 1894, S. 96), soll das seinen Grund lediglich
in einer Vorstellungsassociation haben. Ich leugne nicht, dass das
ganze tierische Bewusstsein, auch die dem Urteil und Schluss
ähnlichen, analogen Vorgänge desselben, insbesondere das Unter-
scheiden und Wiedererkennen durch Associationen erklärt werden
können. Der Hund unterscheidet ein Stück Fleisch von einein
Stück Holz, d. h. mit der Empfindung (Geruchs- und Gesichts-
empfindung) von jenem ist ein Gefühl der Lust verbunden, dieses
löst die Bewegung des Zusclniappens aus, bei der Empfindung
von diesem fehlt das Gefühl und durum auch die ausgelöstc Be-
wegung. Der Hund erkennt seinen Herrn wieder, d. h. die
Gesichtsempfindungen erwecken ein Lustgefühl, dieses löst das
freudige Bellen aus, Lustgefühl und Bellen sind bei den Gesichts-
empfindungen von Fremden nicht vorhanden. Es versteht sich,
dass die Empfindungen hier ebensowenig nach vorwärts auf
Objekte, als nach rückwärts auf ein Subjekt bezogen zu sein
brauchen, um diese Erscheinungen zu erklären, es genügt, dass
mit ihnen Gefühle und Bewegungen des Körpers und der Stimm-
werkzeuge verbunden sind. Ist diese Erklärung ausreichend, dann
beruhen die Vorgänge des Unterscheidens und Wiedererkennens
beim Tiere und ebenso die Analoga des Urteils und Schlusses
bei ihm lediglich auf Association. Ich halte sie für ausreichend,
behaupte aber, dass eben darum in allen diesen Vorgängen und
im tierischen Bewusstsein überhaupt das Bewusstsein des Subjekts
und Objekts durchaus fehlt, wenigstens haben wir gar kein Hecht,
sein Vorhandensein anzunehmen, so lange wir diese Vorgänge auf
Grund blosser Associationen erklären können. Es springt indes
in die Augen, dass das Unterscheiden und Wiedererkenncn, das
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1895.
Die psychologische Grundfrage.
103
Urteilen und Schliesscn beim Menschen etwas ganz anderes ist,
als diese mit den gleichen Namen benannten Vorgänge des tieri-
schen Bewusstseins. In jenen Vorgängen beim Menschen
spielt immer das Bewusstsein von Objekten, häufig auch das Be-
wusstsein des Subjekts eine Holle. Ich behaupte nun, dass dies
Bewusstsein nur durch das Gegenstandsbewusstsein in seinen
beiden Formen als Reflexion und Erinnerung oder Wissen
um die gegenwärtigen und vergangenen Bewusstseins-
vorgänge und als Wahrnehmung oder Wissen um etwas,
das nicht Bewusstseinsvorgang ist, zu stunde kommen kann.
Ziehen hingegen will, dass das alles, Reflexion und Erinnerung,
ebenso Wahrnehmung, in diesem Sinne nicht besondere auf
etwas von ihnen Verschiedenes oder auf Gegenstände be-
zogene Vorgänge sind, sondern lediglich in Vorstellungsassocia-
tionen bestehen, deren eines Glied freilich sprachlich, aber ent-
schieden irreleitend ids besonderer Vorgang bezeichnet wird. (Vergl.
Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik 1894 Heft 4, Ziehens
Recension über Uphues Psychologie des Erkcnnens, S. 322 — 323.)
„Ist die Empfindung bereits verschwunden, so ist die Reflexion
identisch mit der Erinnerung, sie besteht in der Fortdauer des
sogenannten Erinnerungsbildes der Empfindung.“ Wie oft ist
diese handgreiflich falsche Darstellung des Erinnerungsvorganges
seit Herbart von seinen Anhängern und andern schon wieder-
holt worden ! Die Empfindungen, gewöhnlich Vorstellungen ge-
nannt, sollen auch nach ihrem Verschwinden fortdauern, sie sinken
unter die Bewusstseinsschwelle, werden unbewusst und bleiben trotz-
dem Empfindungen oder Vonstellungen, bleiben dieselben; sie steigen
dann wieder über die Bewusstseinsschwelle empor, werden wieder
bewusst als dieselben Empfindungen oder besser Vorstellungen.
Ich sehe ab von dem augenscheinlichen Widerspruche der An-
nahme eines Unbewusstwcrdens von Empfindungen und Vorstel-
lungen, die ihrem ganzen Wesen nach Bewusstseinsvorgänge sind
und aufhören zu existieren, wenn sie unbewusst werden, von der
unbewiesenen ja bei der Variabilität unserer Vorstellungen der
Erfahrung widersprechenden Annahme, dass die in uns wieder
auftauchenden den früheren ähnlichen Vorstellungen mit diesen
früheren identisch sind, muss aber fragen, was nützt diese Iden-
tität der gegenwärtigen Vorstellung mit der früheren, die Ziehen
hier als Fortdauer bezeichnet, für das Zustandekommen des Er-
104
Uphues,
Heft 3 u. 4.
innerungsvorgangs? Erinnern kann ich mich der früheren Vor-
stellung doch nur, insofern ich sic mir in der jetzigen vergegen-
wärtige, zum Bewusstsein bringe, d. h. insofern sie Gegenstand
der jetzigen ist, also nur durch das Gegenstandsbewusstscin. „Ist
die Empfindung noch gegenwärtig, so besteht die Reflexion in
der Anknüpfung bestimmter Vorstellungen an die Empfindung;
wenn ich z. B. ein Blatt Papier sehe, so knüpft sich gelegentlich
daran die Vorstellung meines Ich, d. h. einer sehr komplexen,
allmählich entstandenen Vorstellung“ (vorher: „Die Thatsache, dass
die successiven Vorstellungen eines Individuums unter einander
in durchgängiger associativen Verknüpfung stehen, genügt zur
Abgrenzung eines individuellen Selbstbewusstseins“) „zugleich mit
gewissen Vorstellungen eines ausser mir gelegenen Gegenstandes,
des Papiers“. Es ist wahr, dass wir oft in den Anblick des Gegen-
standes so vertieft sind, dass die sinnliche Vorstellung des leib-
lichen Ich und noch mehr die Wort- und Sachvorstellung des
geistigen Ich so zu sagen nur gelegentlich auftaucht. Aber das
setzt eben doch voraus, dass wir sie längst gewonnen haben.
Wird nun auch das Ich konstituiert durch die Thatsache, dass
die successiven Vorstellungen eines Individuums in durchgängiger
associativer Verknüpfung unter einander stehen, so ist doch damit
noch keineswegs die Entstehung der Vorstellung des Ich er-
klärt, um die allein es sich handelt, abgesehen davon, dass die
blosse associativc Verknüpfung der Vorstellungen oder die Eigen-
tümlichkeit derselben, dass wenn eine von ihnen in einer neuen
ähnlichen Vorstellung wieder auflebt, auch die mit ihr gleichzeitigen
oder ihr folgenden in neuen Vorstellungen wiederauftreten, noch
keineswegs zur Konstituierung des Ich ausreicht. „Dadurch, dass
wir gelegentlich in einem der zusammengehörenden Bewusstseins-
vorgänge die Zusammengehörigkeit der übrigen mit ihm erkennen,
schaffen wir das individuelle Bewusstsein nicht erst“ (d. h. wir
schaffen dadurch das Ich nicht, wie schon oben gesagt wurde),
„sondern registrieren damit nur seine Existenz“ (d. h. gewinnen
die Vorstellung vom Ich). Hier gibt Ziehen alles zu, was wir
nur wünschen können, sogar auch das Bewusstsein der Zusammen-
gehörigkeit der Bewusstseinsvorgänge nicht bloss unter einander,
sondern auch mit diesem Bewusstsein, wie es immer in der Er-
innerung, häufig in der Reflexion vorhanden ist. Zweifelhaft bleibt
noch, ob er das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit als etwas
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1 895.
Dir psychologische Grtintlfrage.
105
von den übrigen Bewusstseins Vorgängen , die seinen Gegenstand
bilden, Verschiedenes betrachtet, insbesondere, ob er zwischen
jenem Bewusstsein und den Bewusstseinsvorgängen das eigenartige,
mit keinem andern vergleichbare Verhältnis annimmt, das wir als
Bewusstsein von einem Gegenstand bezeichnen. Das letztere ist
sicherlich nicht der Fall, da er das Bewusstsein der Zusammen-
gehörigkeit und das durch dasselbe vermittelte Erkennen als ein
blosses Registrieren charakterisiert, worunter er einen lediglich
sprachlichen Vorgang versteht Wie das nach Ziehen zu denken
ist, mag uns das Beispiel der Vergleichung zeigen: sie kommt
dadurch zu stände, dass die mühsam erworbene Vorstellung Grösser
in einem Rindenbezirk deponiert ist und von zwei intensiv oder
extensiv verschiedenen Empfindungen jedesmal durch die grössere
geweckt wird, so dass wir sagen: diese Empfindung ist grösser
(Leitfaden S. 37). In dieser Weise kann dann auch nach Külpe
„die psychologische Deutung des Weberschen Gesetzes vertreten“
und dieses als Associationsgesetz bezeichnet werden (Grundriss
S. 172). Die Schwierigkeit ist gewiss nicht allzugross, einen
Papagei abzurichten, dass er bei Vorzeigung zuerst eines kleineren
dann eines grösseren Stücks Zucker oder umgekehrt grösser oder
kleiner ruft. Der so dressierte Papagei hätte dann nach Ziehen
und Külpe den Vergleichungsvorgang , wie wir ihn für die Kon-
statierung der ebenmerklichen Intensitätsunterschiede der Empfin-
dungen in Übereinstimmung mit dem Weberschen Gesetze nötig
haben, wirklich vollzogen. Gesetzt den Fall, dass sich im ent-
wickelten Bewusstsein des Menschen der Vorgang der V ergleiehung
oft in dieser mechanischen Weise abspielt, was ich nicht bestreite,
so kommt für die Psychologie doch alles darauf an, wie die
Vorstellungen Grösser Kleiner Gleich Verschieden ursprünglich
gewonnen wurden. Es ist klar, dass das nur durch einen Ver-
gleichungsvorgang geschehen konnte, der in keiner Weise durch
die Associationstheorien erklärt werden kann. Wie viel tiefer
haben doch die Alten diesen Vorgang aufgefasst. Aristoteles (d.
an. 42(ib 23), Plotin (Enneaden IV 7 bei Kirchhoff Eiinende II)
betonen, jener, dass zum Zustandekommen der Erkenntnis der Ver-
schiedenheit zweier Dinge die Vorstellungen beider (ohne inein-
anderzufliessen) zugleich in der Seele sein müssen, dieser, dass zu
diesem Zweck ein einheitliches Beurteilendes vorhanden sein müsse;
Aristoteles, die Schwierigkeiten dieser notwendigen Annahme ins
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10(5 Uphues, Heft 3 u. 4.
Auge fassend, setzt damit das Webersche Gesetz und seine Lehre
von den Empfindungskreisen ins rechte Lieht und gibt der Lehre
von der Enge des Bewusstseins ( insbesondere derjenigen von
Theodor Waitz) die durch die Sache geforderte Begrenzung. In-
sofern das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit sich sozusagen
in der Ichvorstellung verdichtet, verbindet es sieh oft genug als
Wort Vorstellung Ich mit den Bewnsstseinsvorgiingen auf Grund
einer blossen Association oder wird durch diese geweckt Das
soll in keiner Weise geleugnet werden, auch nicht, wenn man
diese Association als Hegel für das entwickelte menschliche Be-
wusstsein hinstellt. Aber damit ist doch noch gar nicht erklärt,
wie das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit oder das Ichbe-
wuss teein ursprünglich entsteht. Und hierauf kommt es in erster
Linie für die Psychologie an. Das Bewusstsein nun der Zusammen-
gehörigkeit der früheren Bewusstseinsvorgänge, die vergangen, ver-
schwunden sind, mit den jetzigen, wie es der Erinnerung eigen-
tümlich ist, kann offenbar nur dadurch zustande kommen, dass
wir uns in diesem Bewusstsein, das ein jetziger, jetzt vorhandener
Bewusstseinsvorgang ist, die früheren jetzt nicht mehr vorhandenen
vergegenwärtigen , dass dies Bewusstsein mit andern Worten ein
Gegenstandsbewusstsein in unserm Sinne ist. Sollen selbst die
Inhalte dieses Bewusstseins, die natürlich auch jetzt vorhanden
sind, uns selbst unbewusst die früheren Bewusstseins Vorgänge ver-
treten, so müssen sie doch den Gedanken dessen, was sie selbst
nicht sind, eben der früheren jetzt nicht mehr vorhandenen Be-
wusstseinsvorgängo uns vermitteln, d. h. das Bewusstsein, zu dem
diese Inhalte gehören, muss uns die früheren Bewusstsei ns Vor-
gänge vergegenwärtigen oder Gegenstandsbewusstsein sein. Richtig
ist, was Ziehen bemerkt (Recension S. 322), dass wir von der
Vorstellung keine Vorstellung haben können in dem Sinne, dass
wir der gegenwärtigen Vorstellung keine zweite gegenüberstellen
können. Versuchen wir das, so ist natürlich die erstere ver-
schwunden. Wohl aber können wir die eben verschwundene oder
gestrige, allgemein die frühere Vorstellung in einer gegenwärtigen
wiederholen, erneuern und sogar auch die neue mit der alten ver-
gleichen, was aber nur dadurch möglich ist, dass wir uns in der
neuen die alte, in der jetzigen die frühere vergegenwärtigen. Im
Bewusstsein haben wir in diesem Falle immer nur die neue, jetzige,
also nur Eine Vorstellung, die aber über sich hinaus weist oder
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1805.
Dir jwychologische Grundfrage.
107
im Vorgang der Vergegenwärtigung zum Ausdruck oder Bild der
alten oder früheren für uns wird. Seine ganze Bewusstseinstheorie
fasst der Associationspsychologe Ziehen in den Satz zusammen:
„Wir haben Bewusstseinsvorgänge und unsere Sprache registriert
sie; mehr ist uns empirisch nicht gegeben“ (Recension S. 324).
W ie stehts mit seiner Wahrnehmungstheorie? „Dass die Mehr-
zahl der Gebildeten heute bei ihren Empfindungen sehr oft die
Spaltung in den empfundenen Gegenstand und in das empfindende
Subjekt vollzieht bezw. hinzudenkt, ist eine sehr verbreitete Denk-
gewöhnung ein idolum theatri, gehört aber nicht zum psycho-
logischen Thatbestand der Wahrnehmung selbst Bei dem naiven
Menschen und oft genug auch bei den Gebildetem — wenn die
sogenannte Reflexion gegenüber dem Handeln zurücktritt — bleibt
die Wahrnehmung ohne diese metaphysische Zuthat.“ Vorher
wird das nach meiner Ansicht mit der Wahrnehmung verbundene
Bewusstsein um ein Transcendentes , d. h. um etwas, das nicht
Bewusstseinsvorgang ist, „bei dem es den Metaphysikern über-
lassen bleibt, ob ein solches Transcendentes wirklich neben der
Wahrnehmung existiert“, als „psychologischer Thatbestand“ be-
zeichnet (Recension S. 323). Das ist seine Whhrnelmnmgstheorie.
Sollte Ziehen wirklich leugnen wollen, dass alle Menschen, Ge-
bildete und Ungebildete, etwas, das nicht Bewusstseinsvorgang ist,
was immer es sonst sein mag, wahrzunehmen glauben und ihre
ganze Erkenntnis des Transcendentcn in diesem Sinne auf Wahr-
nehmungen zurückführen? Jedenfalls ist nach ihm das Bewusst-
sein des Transcendenten „eine Zuthat“ zu manchen Wahrnehmungen,
die ihren Grund in „einer Denkgewöhmmg“ hat und darum nach
seinem Princip durch eine Association zu erklären ist. Die Frage,
wie das Bewusstsein des Transcendenten entsteht, bleibt leider
wieder völlig unbeantwortet, gerade so wie vorher die Frage nach
der Entstehung des Bewusstseins des Ich. Es ist nicht zu leugnen,
dass die grösste Zahl der als Wahrnehmungen bczeichneten Vor-
gänge des ursprünglichen und des entwickelten Bewusstseins sich
uns als Associationen darstellen. Mit den Gesichtscmpfindungen
sind Tastvorstellungen associiert, mit den Empfindungen der
übrigen Sinne Gcsiehtsvorstellungcn , diese Associationen nehmen
sicher schon in der frühesten Zeit der Entwicklung des Bewusst-
seins ihren Anfang. Diese von den Empfindungen geweckten und
mit ihnen verbundenen Tast- und Gesichts Vorstellungen kann man
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1 OH
rphiire,
Heft U II. -4.
als ihre ursprünglichen Gegenstände betrachten. Die Tust Vor-
stellungen von der Mutterbrust, von der Flasche sind es, woran
die betreffenden mit ihnen associierten Geruchs-, Geschmacks-
und Gesichtsempfindungen erinnern. Bald erlangt der Gesichts-
sinn den Vorrang vor dem Tastsinn, Gesichtsvorstellungen spielen
die erste Rolle im Bewusstsein, Tust-, Geruchs-, Geschmacks-,
Gehörsetnpfindungen erinnern an sie und haben in ihnen ihr» 1
Gegenstände. Schliesslich verbinden sich mit diesen Gesichts-
Vorstellungen die Wortvorstellungcn, welche so zu sagen den
Niederschlag eines durah viele Empfindungen gebildeten Wissens
enthalten. Gesichts- und Wortvorstel hingen , mit denen- die
Empfindungen, die Gesichtsempfindungen und die Empfindungen
der andern Sinne, assoeiiert sind, an die sie uns erinnern, bilden
anscheinend nunmehr die einzigen Gegenstände dieser Empfin-
dungen. Wir sehen ein Haus heisst anscheinend nichts anderes
als: wir haben eine Gesichtsempfindling und die mit ihr nach dem
Associationsgesetz der Ähnlichkeit verbundene Gesichtsvorstellung
Haus und die mit dieser nach dem Associationsgesetz der Be-
rührung (des früheren häufigen Zusammenauftretens) verbundene
Wortvorstellung Haus. So in allen ähnlichen Fällen, wo es sich
um eine Wahrnehmung sogenannter äusserer Dinge handelt. Was
versteht nun aber das gewöhnliche Bewusstsein aller Leute, ge-
bildeter und ungebildeter, auch der ersteren, sofern sie nicht
Idealisten sind, unter einem Ilaus, allgemein unter äusseren Dingen?
Sicher etwas, das nicht Bewusstseinsvorgang, insbesondere nicht
Vorstellung ist. So ist mit den Wahrnehmungen, insbesondere
mit den Gesichts- und Wortvorstellungen und ebenso mit den
Tastvorstellungen, die anscheinend ihre einzigen Gegenstände bilden,
das Bewusstsein dessen, was nicht Bewusstseinsvorgang ist, also
des Transcendentcn gegeben, wenn man will, in associativer Weise
verknüpft Aber wie sollen wir uns diese Association erklären,
wo die Quelle, den Ursprung dieses Bewusstseins suchen? Sollen
wir zu diesem Zweck auf die Gesichts- und Tastempfindungen
zurückgehen — die Wortvorstellungen enthalten ja mir den Nieder-
schlag der Empfindungen, zunächst dieser und dann der übrigen
wie wir der Regel nach zur Erklärung der Associationen auf
die Empfindungen zurückgreifen ? Sollen wir den Ursprung dieses
Bewusstseins in einem späteren I )enk Vorgänge suchen, durah den
wir den Empfindungen und Vorstellungen etwas, das nicht Bc-
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18!>5.
Die psychologische Grundfrage.
10 !»
wusstsein ist, vielleicht als ihre Ursache gegenübcrstellen ? Aber
das U rsachbe wusstsein spielt in der Wahrnehmung gar keine
Rolle, und die Frage bleibt, was soll uns zu dieser Gegenüber-
stellung veranlassen, wenn nicht die Empfindungen und Vor-
stellungen selbst? Abgesehen davon haben wir von dem, was
nicht Bewusstsein ist und ebenso von einer Ursache; doch zunächst
nur eine Vorstellung, wenn nicht diese Vorstellung über sich
selbst hinaus auf das hinweisen soll, was sie selbst nicht ist, was
dann ebenso gut schon von den Gesichts- und Tastempfindungen
angenommen werden kann. Die Schwierigkeit wenigstens ist dort
wie hier völlig die gleiche. Es wird deshalb am geratensten sein,
jedenfalls ist es einwandsfrei, wenn wir annehmen, dass das Be-
wusstsein von dem Transcendenten in den Gesichts- und Tast-
empfindungen (oder in den Tastempfindungen und dann durch
Association dieser mit den Gesichtsempfindungen auch in den
Gesichtsempfindungen) zu stände kommt, obgleich wir diesen
Empfindungen das nicht ansehen können. Vielleicht müssen wir
unsere Annahme noch mehr einschränken und als letzte Quelle
dieses Bewusstseins diejenigen Druckempfindungen (Tastempfin-
dungen und Druckempfindungen sind qualitativ nicht verschieden)
bezeichnen, welche uns ein Bewusstsein der Ausdehnung vermitteln,
wodurch Gele Hautempfindungen und alle Gelenkempfinduugen,
die ebenfalls Druckempfindungen sind, ausgeschlossen werden.
Was Ziehen (Reccnsion S. 323 — 324, 325) über Haut-, Gelenk-,
dann über Geruchs- und Temperaturempfindungen bei mir gelesen
haben will, dass ich denselben Hautempfindungen das Gegen-
standsbewusstsein ab- und zuspreche, aus den Gelenkempfindungen
mit Hülfe der Gesichtsvorstellungen Lngeeinpfiudungen entstehen
lasse, die mechanischen Korrelate der Geruchs- und Temperatur-
empfindungen als analoge Dinge behandle, findet sich in meinem
Buch mit keiner Silbe angedeutet Daran halte ich fest, dass die
Gelenkempfindungen, trotzdem sie ein konsequent durchgefübrtes
System von Zeichen für die Bewegungen und Lagen unserer
Glieder bilden, doch keine Vorstellung von der Bewegung ver-
mitteln; diese können wir nur durch Druckempfindungen, die
auch das Bewusstsein der Ausdehnung mit sich führen, erhalten
oder durch Gesiehtsempfindungen. Auch daran, dass das Aus-
gebreitetsein der Temperaturen, Gerüche, Töne in einem Raume
(von den mechanischen Korrelaten ist hier keine Hede) nur die
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110
l'|lhllOK,
Heft 3 u. 4.
Bedeutung haben kann, dass ich an allen Stellen dieses Baumes
die betreffenden Empfindungen habe. Unter der Undurchdring-
lichkeit (Recension S. 324) verstehe ich nichts anders als die
durch den Drueksinn wahrgenommene Ausdehnung, in der die
Eigenörtlichkeit der Dinge ihren Grund hat und das Wesen der
Dinge besteht.
Külpe hat die zuletzt erörterte schwierige Frage, wie das
Bewusstsein des Transcendcnten entsteht, in seinem Grundriss
der Psychologie gar nicht erörtert, kaum berührt. Ganz nebenbei
spricht er einmal (S. 23) davon, „dass ausser den fünf Sinnen
noch eine Reihe anderer körperlicher Organe Empfindungen ver-
mitteln, die zur Erkenntnis der Aussenwelt nichts beitragen.“
An einer andern Stelle (S. 01) erwähnt er wiederum bloss bei-
läufig: „Ob eine Empfindung als Zeichen oder Erkenntnisgrund
für äussere Reize dient, das kann auch von ihrer Intensität,
Dauer u. s. w. abhängen.“ In der Abhandlung „Das Ich und
die Aussenwelt“ (Wundts philosophische Studien VII, 3) stellt
er einen Anhang in Aussicht, der „den exi>crimentellen Beweis“
dafür bringen soll, dass ehe Erlebnisse, welche der sinnlichen
Wahrnehmung angehören, nur unter der Herrschaft gewisser er-
fahrungsmässiger Kriterien für subjektiv oder objektiv gehalten
werden.“ (S. 390.) Der Anhang ist meines Wissens nicht erschienen.
Der Anhang würde auch, wie sofort einleuchtet, für die Ent-
scheidung unserer Frage ebenso irrelevant sein, wie es thatsiichlich
die ganze Abhandlung ist. Das ist alles, was man hierher rechnen
könnte. In der Abhandlung (S. 394) wird unterschieden zwischen
Erlebnissen, die wir haben, und unsenn Wissen um solche Er-
lebnisse, das als Reflexion bezeichnet wird. Sogar Absichten
sollen wir haben können, ohne um sie zu wissen. Das ist nun
freilich zu weit gegangen. Absichten und ebenso Erinnerungen
können wir nicht haben, ohne um sie zu wissen. Sonst ist die
Unterscheidung richtig und bedeutsam. Für die Empfindungen
vor allem gilt, dass wir sie haben können, ohne darum zu wissen.
Im Grundriss wird sofort von der innern Wahrnehmung gesprochen
(S. 3) und dann ohne alle nähere Erklärung die innere Wahr-
nehmung des Psychologen der äussern Wahrnehmung des Physikers
(S. 10) gegenübergestellt. Die innere Wahrnehmung wird auf
derselben Seite (S. 10) zuerst von der Aufmerksamkeit unter-
schieden und dann mit dem aufmerksamen Erleben identifiziert.
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1895.
Dir psychologische Grundfrage.
111
Auf derselben Seite (S. 10) wird die Selbstbeobachtung zuerst
verworfen und dann empfohlen. Natürlich können wir Empfin-
dungen nicht unterscheiden, wenn wir nicht zuerst verschiedene
Empfindungen haben, ja es leuchtet ein, dass die verschiedenen
Empfindungen zugleich in demselben Augenblick im Bewusstsein
sein müssen, wenn der Unterscheidung» Vorgang stattfinden soll.
Nach Kiilpe (S. 33) „bezeichnet der Name Unterschiedsempfind-
lichkeit nicht eine unterscheidende Thätigkeit, die neben den ver-
schiedenen Inhalten als besonderer Bewusstseinsvorgang bestände,
sondern nur die allgemeine Thatsache, dass wir Verschiedenes
erleben und als solches konstatieren, also die innere Wahrnehmung
verschiedener Inhalte und die Aussage darüber.“ Hier wird die
innere Wahrnehmung mit dem Erleben identifiziert; vorher (8. 10
oben) wurde sie von dem Erleben unterschieden; denn die von
ihr verschiedene Aufmerksamkeit sollte nicht ihr, sondern den
Erlebnissen zu teil werden.“ Interessant ist, dass man das Ver-
schiedene als verschieden konstatieren kann, ohne zu unterscheiden.
Ferner: „Wir beurteilen zwei Bewusstseinsvorgänge daraufhin, ob
sie gleich oder verschieden sind, wir stellen sic damit (!) gewisser-
massen (!) unter die allgemeinsten Denkgesetze der formalen Ijogik,
das Gesetz der Identität und des Widerspruchs.“ (S. 33.) Diese
Proben mögen genügen. Külpe stellt die physiologisch-psycho-
logischen Details mit vorzüglicher Klarheit und Sorgfalt dar, für
die Schwierigkeit der Behandlung allgemeiner Fragen scheint ihm
das Verständnis zu fehlen. Er thut sic mit einer Leichtigkeit
ab, die wahrhaft beispiellos ist Sein Buch ist ein klassischer
Beweis dafür, wie wenig auch die gründlichste Schulung in der
physiologischen Psychologie für eine zweckentsprechende Behand-
lung dieser Fragen nützt.
Von den haltlosen Ausführungen Külpes wenden wir uns
zu den wohldurchdachten Untersuchungen Reh in k es. Das ist
einmal wieder wirklich philosophische Arbeit, d. h. Gedankenarbeit
auf psychologischem Gebiete. Seine Grundanschauung ist wie
die seines Lehrers Biedermann, des gedankenmächtigsten unter
den modernen Theologen der Bewusstseinsmonismus: das Alles
seiende Bewusstsein ist die einzige Wirklichkeit. Die einzelnen
Seelen , in di>n Besonderheiten der ihr Bewusstsein bildenden
Bewusstseins Vorgänge bestehend, und die äusseren Dinge stehen
zu dem Alles seienden Bewusstsein in dem Verhältnis des Be-
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112
l'phnes,
I left .'5 u. 1 .
sonderen zum Allgemeinen in der Weise, dass das Allgemeine
in allem Besonderen als das Identische vorhanden, nicht etwa
bloss als das Gleiche wiederkehrt oder sich wiederholt» Das
Alles seiende Bewusstsein ist das Realprincip, diese Auffassung
des Verhältnisses des Allgemeinen zum Besonderen das Formal-
princip der Philosophie Rehmkes. Die äusseren Dinge sind (ebenso
wie die Seelen) in ihrer Existenz dadurch bedingt, dass sie Be-
sonderheiten des allgemeinen Bewusstseins bilden, die äusseren
Dinge sind insofern unabhängig von den Seelen oder Einzel-
bewusstseinen. In der Wahrnehmung und Vorstellung, die wir
von ihnen haben, werden sie auch zu Besonderheiten der Einzel-
bewusstseine und hören natürlich nach der Wahrnehmung und
Vorstellung wieder auf dies zu sein. Auch hiefür gilt also das
Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen. Nach meiner
Meinung steht die Auffassung des Allgemeinen als des in dem
Besonderen Identischen nicht in Übereinstimmung mit den That-
sacheu der Erfahrung : wir lernen das Allgemeine nur als das in
dem Besondem sich wiederholende Gleiche kennen. Noch weniger
kann das Verhältnis der Wahrnehmung oder Vorstellung zu den
Dingen nach dem des Allgemeinen zum Besonderen erklärt werden;
es ist ein eigenartiges Verhältnis, für das jede Analogie im Be-
wusstscinsleben fehlt, das wir als Gogenstandsbewusstsein be-
zeichnen. Natürlich müssen wir auch das Alles seiende Bewusst-
sein ablehnen. Die Seele ist nach Rehmke sich selbst nur in
ihren früheren und zukünftigen Bestimmtheiten Gegenstand, nicht
als gegenwärtiges Bewusstsein (S. 1-14). Ein Bewusstsein der Zu-
sammengehörigkeit der gegenwärtigen Bewusstseinsvorgänge und
der vergangenen, wie es mit der Erinnerung immer und notwendig,
der gegenwärtigen Bewusstseinsvorgänge unter einander, wie es
mit der Reflexion häufig verbunden ist, überhaupt eine Reflexion
und weiterhin ein wirkliches, nicht bloss in Wortvorstellungen
bestehendes Ichbewusstsein, das nur auf Grund des Bewusstseins
der Zusammengehörigkeit entsteht, wäre hiernach gar nicht möglich.
Trotzdem sollen nach Rehmke auch die gegenwärtigen Bewusst-
seinsvorgängc bewusst sein (S. 153), d. h. „Besitz eines bestimmten
Bewusstseins oder wie man gewöhnlich sagt, Bewusstseinsinhalt“
sein (S. 60), sie sollen „gedacht“ werden können (S. 402). Was
heisst das anders, als dass sie Gegenstand der Seele sind? Ich
gedenke an anderer Stelle ausführlich über die metaphysischen
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1895.
Die psychologische Grundfrage.
113
Untersuchungen Rehmkes zu sprechen und ilinen dort gerecht zu
werden, was in einer Abhandlung über die psychologische Grund-
frage nicht möglich ist.
Bei Twardowski können wir natürlich keine Erörterung
über diese Grundfrage, weder über die Entstehung der Vorstellung
des Ich, noch über die Entstehung der Vorstellungen von Dingen
erwarten. Wer aber mit mir die Lösung dieser Krage im Gegcn-
standsbewusstsein findet, wird nicht umhin können, Twardowskis
Untersuchungen auch in dieser Hinsicht grosse Bedeutung zu-
zuschreiben. Natürlich wird auch der Gegenstand, wenn wir ihn
denken zum Inhalt, er muss zum Inhalt werden, wenn wir ihn
denken sollen. Insofern führt die Gegenüberstellung von Inhalt
und Gegenstand und die Unterscheidung beider nicht weiter. Uud
doch giebt es Gegenstände unseres Denkens, die ihrem Begriff
oder ihrer Natur nach gar nicht Inhalte sein können: das Nichts,
das weder innerhalb, noch ausserhalb des Bewusstseins existiert,
und das Transcendente oder was nicht Bewusstsein ist, das in
keiner Weise innerhalb des Bewusstseins weder als Vorgang noch
als Inlialt existieren kann, sondern wenn überhaupt, dann not-
wendig ausserhalb des Bewusstseins existieren muss. Ich behaupte
darum im Gegensatz zu Twardowski (8. 21 — 23; S. 35), dass
auch das Nichts ein Gegenstand ist uud leugne ebenfalls im
Gegensatz zu ihm (S. 35 — 36), dass sich „die Bedeutung des
Wortes Gegenstand mit jener des Wortes Erscheinung oder Phä-
nomen deckt“ oder dass „der Gegenstand der Vorstellungen,
Urteile, Gefühle sowie Wollungcn etwas vom Ding an sich Ver-
schiedenes“ sein müsse. Um das Bewusstsein des Nichts und
des Tran Beenden ten zu erklären, müssen wir annchmen, dass in
einem Bewusstseinsvorgang oder Bewusstseinsinhalt etwas ver-
gegenwärtigt wird, das weder das eine noch das andere ist, und
zwar unmittelbar vergegenwärtigt wird. Der vermittelnde Gedanke,
Gegenstand oder Nicht-Bewusstsein, der dem Vorgang oder Inhalt
im Bewusstsein gcgenübergestellt wird, ist natürlich wiederum
Inhalt des Bewusstseins und nützt zu diesem Zweck nichts. Auch
bezüglich der Erinnerung und Reflexion gilt ganz das Gleiche:
es nützt nichts, wenn wir neben diesen Vorgängen mich eine
Gegenstand genannte Vorstellung annehmen, wenn nicht etwa
diese Vorstellung über sich selbst hinaus auf das, woran wir uns
erinnern oder worüber wir reflektieren, hinweist, also etwas ver-
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114
Uphues, Die psychologische Grundfrage. Heft 3 il 4.
gegenwärtigt, was nicht sie selbst ist Das kann dann aber auch
schon von dem Erinnerung«- und I{e flexions Vorgang selbst ohne
diese Vorstellung angenommen werden. Bezüglich der Reflexion
besteht nur der Unterschied, dass zugleich mit ihr das, worüber
reflektiert wird, im Bewusstsein gegenwärtig ist, während das,
woran wir uns erinnern, der Vergangenheit angehört, das Trans-
cendente nur ausser dem Bewusstsein, das Nichts weder in noch
ausser dem Bewusstsein sein kann. In dem Bewusstsein heisst
bei uns nur: Vorgang oder Inhalt des Bewusstseins sein; ausser
dem Bewusstsein sein heisst: weder Vorgang noch Inhalt des
Bewusstseins sein. Diese Ausdrücke haben also keinen räum-
lichen Sinn.
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Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier. 1 )
Von
K. Sudhoff.
Man spottet vielfach über die Sucht unserer Zeit, Gedenktage
festlich zu begehen. I)ns mag bei mancher Gedenkfeier vielleicht
begründet sein; an Hohenheim aber hatte die deutsche Gelehrten weit
so manches Unrecht wieder gut zu machen, welches vergangene Jahr-
hunderte diesem Gewaltigen angethan haben. Darum ist die Ein-
mütigkeit freudig zu begrüssen, mit der man allenthalben bei der
vierhundertjährigen Wiederkehr des Tages seiner Geburt der Grösse
des Mannes nach Kräften gerecht zu werden suchte, und wenn wir
an dieser Stelle seiner gedenken, so geschieht dies, weil er einer der
bedeutendsten Vorläufer der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts
gewesen ist.
Der Geburtstag Hohenheims steht nicht zweifellos fest. Über-
liefert werden der 10. November und der 17. Dezember 1493 neben
manchen sicher falschen Zeitangaben, wie dies in einer Studie des
Berichterstatters in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 10. No-
vember 1893 dargelegt ist, in welcher gleichzeitig zusanunengefasst
wird, was sich über die ersten Jugendjahre des Gefeierten Verläss-
liches sagen lässt. s )
Zur Feier selbst ist zunächst zu erwähnen, dass die beiden an
Hohenheims Geburtsorte erscheinenden Kalender, der „Einsiedler
Kalender“ und der „Neue Einsiedler Kalender“ für das Jahr 1893
in kurzen Mitteilungen über den grossen Vaterlandsgenossen (mit
Abbildungen seines angeblichen Geburtshauses und seiner Gesichts-
züge) das Erinnerungsjahr eingeleitet haben und dass am Geburt«*
tago selbst dort eine öffentliche Feier veranstaltet wurde, bei welcher
Sekundarieh rer Eduard Kälin die Festrede hielt. Diese Rede ist
im Einsiedler Anzeiger (Jänner und Februar 1894) veröffentlicht
worden. Ein anderer bei der gleichen Gelegenheit gehaltener Vortrag
des Bezirksammann Dr. Lienhardt über die Bedeutung des Para-
') Durch viermonatliche schwere Krankheit des Berichterstatters wurde
diese Arbeit über Gebühr verzögert; sie sollte zum 17. Dez. 1894 erscheinen.
’) Ohne Quellenangabe etwas gekürzt im „Boten der Urschweiz“,
Schwyz, 29. November 1893, wieder abgedruckt.
Digitized by Google
116
Sudhoff,
Heft 3 u. 4.
celsua für die Geschichte der Arzneikunde ist meines Wissens nicht
im Druck erschienen. *) Allcnthiilhen in iler deutschen Schweiz wurde
Theophrastus in den Zeitungen gefeiert.*) In Winterthur wurde der
17. Dezember feierlich begangen durch einen Festvortrag des Herrn
Prof. Dr. E. Bosshard im Hörsaale des dortigen Chemiegebäudes.
(Vgl. die „Züricher Post“ vom 19. Dezember 1893.) Der gehaltvolle
Vortrag ist in der „Sonntagspost, Wochenbeigabe des Landbotcn“
abgedruckt „zum Gedächtnis des Theophrastus Paracelsus“ und giebt
ein treffendes Bild von der Bedeutung des Mannes. 8t. Gallen, wo
Paracelsus 1531 geweilt hat, bot zwar keine öffentliche Feier, aber
das „Tagblatt der Stadt St. Gallen“ veröffentlichte neben der eben
genannten kurzen Mitteilung in dem Feuilleton seiner Nummern vom
18. bis 22. Dezember 1893 eine längere Abhandlung aus der Feder
Gottfried Kesslers über die St. Galler Episode im Lehen des
grossen Arztes, welche sich jedoch im wesentlichen auf eine Abschrift,
der betreffenden Abschnitte in Schulart und Sudhoffs Paracelsus-
Forschungen beschränkt, ohne die Quelle zu nennen; beigefügt ist
nur die Sage vom Stadtpfeifer Stücheler nach Kohlrusch’s Schweize-
rischem Sagenbuch.
Hervorragend gefeiert wurde das Andenken des Weisen von
Einsiedeln in der Stadt der Schweiz, wo er zugleich die grössten
Ehren und die heftigsten Anfechtungen erlebt hat, in Basel. Im
dortigen Stadttheater wurde das von Nationalrat Theodor Curti zum
vierhundertjährigen Jubiläum geschriebene Trauerspiel „Paracelsus“ 3 )
zur Aufführung gebracht und errang einen Achtungserfolg. Es spielt
im Jahre 1527 und behandelt Hohenheims Baseler Erlebnisse, an
welche sich frei erfunden sein tragisches Ende direkt anschliesst.
Die Gestalt des Reformators ist mit Liebe gezeichnet, aber von der
Grösse der Auffassung eines Robert Browning weit entfernt 4 ), ohne
dafür viel bühnengerechter geworden zu sein. 5 ) — Einen vollen
Erfolg bedeutete die Rede Prof. G. W. A. Kahlbaums, gehalten
im Bemoullianum, welche in durchaus bedeutender Weise nn der
Stelle seines Wirkens als Universitätsprofessor und Stadtarzt Zeugnis
ablegt von der Grösst; des lange verkannten Mannes — eine späte, aber
') Vgl. das Luzcmcr „Vaterland“ vom 12. Dezember 1893, die
„Züricher Post“ vom selben Tage, den „March-Boten“, Lachen fielt 13. Dez.
und die Baseler „National-Zeitung“ vom gleichen Tage 1893.
’) Siehe „Tagblatt der Stadt St. (lallen“, 12. Dez. 1893; „Wyuen-
thaler-Blatt“, Menzikrn 20. Dez. 1893; „Basler Nachrichten“, 13. Dez. 1893,
Beilage (von J. M.): Basler „National-Zeitung“ vom 13. Dez. und „Sonn-
tagsblutt“ derselben Nr. 51 vom 17. Dez. 1893 (0. Steinitz); „Neue Züricher-
Zeitung“, 10. Dez. 1893 1. Beilage (l)r. Joachim Sperber).
3 ) Zürich, Verlags-Magazin (J. Sehabelitz) 1894 . 80 8. 8°.
*) Vgl. dessen Poetieal Works, London 1883, Vol. 1. p. 45 — 205.
‘) Kritiken in den „Baseler Nachrichten" v. 17. Dez. 1. Beilage; in
dem Feuilleton der Baseler „National-Zeitung“ vom selben Tuge und vom
22. Dez. von Dr. Widmann nach dem Berner „Bund“; „Züricher Post“
vom 17. und St. Galler „Tagblatt" vom 22. Dez. 1893.
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1895.
Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier.
117
gründliche Rechtfertigung gegenüber den vielen Verunglimpfungen,
welche die Baseler Lüsterchronik auf den Mann gehäuft hatte. Ich
stehe nicht an, diesen Vortrag „gehalten zu Ehren Theophrustus von
Hohenheim“ *) als die schönste Gabe zu bezeichnen , welche uns die
Jahrhundertfeier gebracht hat. Die rauhkantige Persönlichkeit ist
mit Liebe und vollem Verständnis erfasst und ohne alle Schminke
gezeichnet. Dass gerade die Baseler Episode des Hohcnheim’schen
Lebens besonders eingehend und treffend geschildert ist, bracht*? der
Ort der Rede mit sich, auch verdient gerade diese Sonnenwende
seines Lebens vorzüglich die Beachtung de« Biographen ; das Schicksal
hatte bis dahin den Arzt schaffensfroh in aufsteigender Bahn der
Sonne entgegen getragen, um ihn nun nach jähem Umschwung in
den Winter des Elends zu stossen. Das Verhängnisvolle der Baseler
Katastrophe liegt nicht allein in der gewaltsamen Beendigung seiner
Lehrthätigkeit, welche den stetigen Aushau seines Lehrgebäudes für
immer unterbrach: sein ganzes Leben ist von da an ein harter,
zweckloser Kampf mit den Widerwärtigkeiten seiner Lage, der die
Kraft des Mannes vergeudete. Diese Baseler Zeit Hohenheims, Höhe
und Wendepunkt seines Erdenlaufe«, ist nirgends noch so kurz und
treffend ins Licht gestellt worden wie bei Kahlhaum. Das Verhältnis
zu den Brüdern Amerhach, Basilius und Bonifacius, ist selbständig
aufgeklärt und aus der Amerbuch 'sehen Briefsammlung der Beweis
erbracht, dass Theophrastus im März 1527 in Neuenburg weilte und
schon damals (von Basel her) mit den Brüdern in Freundschafts-
verkehr stand.
Dass man auch am Todesorte Hohenheims, in Salzburg, wo im
städtischen Museum seit langen .Jahren liebevoll alles für ihn Wichtige
zusammenget ragen wird, wo Aberle im Verein mit Dr. Petter Jahr-
zehnte lang eingehend über Paracelsus gearbeitet hat, dass man dort
den 400jähr. Geburtstag nicht ungefeiert lassen werde, war zweifellos.
8o hielt denn die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde am
14. Dezember 1893 eine feierliche Festsitzung, hei welcher Dr. Alex-
ander Petter in Wort, und Bild »len grossen Toten lebendig werden
lies«. Am IC. Dezember sprach Dr. Alexander Nicoludoni au«
Linz im „Oesterreichischen Hof“ zu Salzburg in öffentlichem Vortrag
über Hohenheim. Seit langer Zeit hat sich Nicoladoni mit Paracelsus
beschäftigt, was in seiner Rede*) allenthalben zu spüren ist. Aus
«lern Wust der Überlieferung schält er heraus einen ernsten deutschen
Gelehrten, wenn auch Parteimann durch und durch, der reinste Typus
seiner vielbewegten Zeit. Namentlich die Bemerkungen des Redners
über Hohenheim« allgemeine philosophische Anschauungen und sein
Verhältnis zur Religion in den Kämpfen seiner Tage sind aller
*) Verlag von Benno Schwabe, Basel 189t, 70 S. 8“; besprochen in
der Baseler National-Zeitimg vom 22. Dezember 1893.
*) Abgcdnickt in der „Linzer Tagcs|s>*t“ 1893 Nr. 290 -293 und 1894
Nr. 13.
Monut*|jt'fU' der lSH’i.
118
Sudhoff,
Heft 3 u. 4.
Beachtung wert. — Mit einer stillen weihevollen Feier am Grabe
des Gewaltigen (17. Dezember) schlossen die Salzburger Paracelsus-
tng«*. >)
Auch im übrigen Österreich hat man es nicht ganz vergessen,
dass Hohenheim dort geweilt hat. So berichtet J. S. (Ignaz Schwarz)
im „Neuen Wiener Tagblatt“ vom 7. Dezember 1893 über „Para-
celsus in Oesterreich“. Aus derselben Feder brachte der „Fester
Lloyd“ im Morgenblatt vom 2G. November 1893 einen Artikel
„Paracelsus in Ungarn“. Hohenheim erzählt selbst, dass er Ungarn,
die Wallachei, Siebenbürgen, Krabaten (Croatien) durchwandert halte;
nus Griechisch- Weissenburg (Belgrad) berichtet er eine therapeutische
Beobachtung. — Einen längeren trefflichen Aufsatz über Paracelsus
Hess der durch Studien aus der Geschichte der Chemie wohlbekannte
Prof. Dr. A. Bauer im Feuilleton der „Wiener Zeitung“ vom 12.,
13. und 14. Dezember 1893 erscheinen, worin er neben der Schil-
derung des Lebensganges namentlich die Grundgedanken seines
philosophischen, chemischen und medizinischen Lehrgebäudes zur Dar-
stellung bringt und den Vielgeschmähten von manchem ungerechten
Vorwurf freispricht. 4 )
Die schwäbische Heimat des Geschlechtes der Bombaste von
Hohenheim hat wenigstens in der Mittwochbeilage der schwäbischen
Chronik des schwäbischen Merkurs vom 13. Dezember 1893 zum
Gedächtnisse des Paracelsus das Wort ergriffen und sein Lob aus-
gesprochen auf Grund recht wackerer Studien.
Was die übrige deutsche Tageslitteratur über ihn gebracht hat,
werde ich nur kurz erwähnen.
In ihrer Nummer vom 9. Dezember 1893 bracht«; die Leipziger
„IUustrirte Zeitung“ einen Aufsatz von Dr. Adolf Kohut, der zwar
manche ulte Unrichtigkeiten weiter verbreitet, aber doch dein Theo-
phrastus gerecht zu werden sucht; ein Bild nach Odieuvres Stich ist
beigegeb<;n , besitzt aber keinerlei Authenticität. Reich mit guten
Abbildungen seiner Geburtsstätte, seines Wohnhauses in Esslingen
und Salzburg, seines Grabmales und seiner Gesichtszüge ausgestattet,
ist die Arbeit des Historikers «les Oecultismus Karl Kiesewetter
in „Ucber Land und Meer“, 1893/94, Nr. 11, aber leider nicht frei
von falschen Überlieferungen. Unbekannt mit manchen neueren
Untersuchungen giebt Kiesewetter die LcbensHchilderung mehrfach in
recht wirrer Gestalt. N. .T. Hart mann schreibt im ganzen richtig
über Hohenheim in der „Illustrirten Welt“ (1894, Nr. 13), welche
zum Teil dieselben Abbildungen bietet, welche sich in der „Katho-
lischen Warte“ (März 1894) finden, begleitet von einem den neuesten
') Vgl. den Bericht des Freiherm von Doblhoff im Berner „Bund“
vom 24. Dezember 1893 und den F«-startikol nach Adolf Warncck im
Feuilleton der „Salzburger Zeitung“ vom I(i. u. 18. Dezember 1893.
? ) Vgl. auch die Mitteilung Prof. Pischmanns in der „Neuen freien
Presse“ vom 23. Nuv. 1893.
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1895.
Ein Kückhlick auf die Paracelsus-.! ahrhu mlert feicr.
119
Forschungen gerecht werdenden Texte von Ludwig Heilmayer.
Eine ausführliche Würdigung hat dem grossen Manne zuteil werden
lassen Dr. Ludwig Karell in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“
(Heft 4, 1893/94, 8. 332 — 338 mit Abbildungen der verschiedenen
überlieferten Typen paracelsischer Gesiehtszüge nach Aberle, des
Vaters Wilhelm von Hohenheim und des Grabmals). Die Arbeit
ist gut geschrieben unter allseitiger Benutzung der neueren Litteratur;
manchmal wäre aber doch etwas mehr Kritik zu wünschen. — In
der „Hygieia, Monatsschrift für hygieinische Aufklärung und Reform“
(7. Jahrgang, Heft 3) bespricht der Herausgeber Dr. Carl Gerster
Theophrastus Paracelsus als Vorläufer der hygienischen Reform-
bewegung und entwirft durch reiche Citate aus Hohenheims Schriften
ein anmutendes Bild des Reformators. Unter dem Pseudonym Caius
lässt sich in der gleichen Zeitschrift (Heft 5, Februar 1894) ein
warmer Verehrer des Arztes von Einsiedeln vernehmen unter aller-
hand Seitenhieben auf heutige Zustände. — R. J. II.| artmnn n?|
schildert uns in der Berliner National-Zeitung (Sonntagsbeilage Nr. 51
vom 17. Dezember 1894) Hohenheim als echten deutschen Mann
und Meister der deutschen Sprache; diese Meisterschaft hat sieh noch
immer nicht zur Anerkennung bei den Genuanisten durchringen
können, trotzdem neben Luther und Sebastian Franck kaum einer
aus damaliger Zeit zu nennen wäre, welcher unsere Muttersprache
gleich markig, gedankenreich und zu Herzen dringend zu handhaben
wusste, w r ie Hohenheim. Verfasser weist dies iui zahlreichen gut-
gewählten Beispielen nach. — Den religiösen Standpunkt Theophrast’s
und seine Stellung zur Reformation hat R. Julius Hartmann ein-
gehend dargelegt in den Blättern für württembergisehe Kirehen-
geschichte (Beilage zum Evangelischen Kirchenblatt für Württemberg)
Nr. I bis 4, Januar bis Mai 1894. Es ist dies der erste ernstlich
ausgeführte Versuch, dem grossen durchaus selbständigen Geiste des
Mannes auch auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ein schmach-
volles Unterfangen früherer Zeit hatte den tiefreligiösen Mann, der
seinem Gottesglnubcn allenthalben beredten Ausdruck giebt, als
Atheisten darzustellen gewagt. Freilich sind seine Ansichten teilweise
recht radikaler Natur, doch nicht minder von echt christlichem Geiste
durchweht. Ebenso läppisch ist der Vorwurf des Arianismus, den
man schon sehr früh gegen ihn erhob; unter irgend eine »Schablone
suchte man stets den Mann zu pressen, der in keine passt, weil er
auf eigenen Füssen stand über allen Parteien. So ist denn seine
Stellung zu der reformatorisehen Bewegung seiner Zeit durchaus
selbständig und eigentümlich, wie Hartmann mit Recht betont;
Hohenheim wurde darum von allen Seiten als Ketzer betrachtet, von
Rom sowohl als von den führenden Männern der Gegenpartei;
Pfaffen und Prediger waren ihm feind, klein gewiss nur die Zahl
seiner gleichgesinnten „nmiei et sodales“. Anfangs war er der neuen
Glauhensbewegung geneigt, aller um 1532 ging eine entschiedene
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120
Smlhoff,
Hoft 3 u. 4.
Wendung in »einen Anschauungen vor sieh; der Papst, Luther,
Zwingli, da» Täufertum, alle schienen ihm gleiehennassen von Chri.-ti
Lehre abgewichen. Das hat auch Hartmann richtig erkannt und
dargelegt. Die Schrift allein war Hohenheim die Richtschnur seiner
religiösen Anschauungen; der Glaube allein macht selig, aber nur
der ist der rechte, der Werke der Liebe erzeugt. Alles vorhandene
Material zur Beurteilung von Hohenheims religiösen Ansichten hat
Hartnmnn trefflich benutzt und man wird heute kaum erheblichere
Bedenken gegen seine Ausführungen erheben können. Ob sich
freilich alle seine Aufstellungen werden halten lassen, wenn einmal
das gross«“ Material der theologischen Paracelsushundschriften zur
Prüfung offenliegt, steht dahin. — In der Wochenschrift „Die
Nation“ vom 23. Dezember 1893 schreibt Kurd Lasswitz einen
gehaltvollen Aufsatz über die Bedeutung des Paracelsus in der Ge-
schichte der Chemie. „Fort mit der Autorität, zurück zur Natur,
aus dem Bücherkrmu hinaus ins Freie“, das war sein Leitmotiv,
dadurch hat er in Praxis und Theorie neue Wege erschlossen. Den
Kernpunkt dessen, was Hohenheim für die Naturerkenntnis geleistet
hat, für die Möglichkeit einer messenden und wägenden Erforschung
der Natur, findet Lasswitz in seiner Reform der Lehre von den
Elementen. Dieses begrenzte alter typische Gebiet erörtert er sodann
«les Näheren in vorzüglicher Weise, wie es von dem Verfasser der
Geschichte der Atomistik nicht anders zu erwarten war. Zum Schluss
betont er noch mit vollem Rechte, dass man Hohenheims Bedeutung
für die Geschichte «1er Chemie lange deshalb verkannt habe, weil inan
ihn als einen Nachfolger des Basilius Valentinus betrachtete, während
die Sache sich gerade umgekehrt verhält. Die Basilianischen Schriften
sind erst ein Jahrhundert nach Paracelsus verfasst, wie das Referent
schon 1887 betont hat. Valentinus arbeitet vollständig mit Paracel-
sischen Gedankenreihen; praktisch ist er viel weiter vorgeschritten,
theoretisch aber beileutet er einmi Rückschritt g«“g«‘n Paracelsus. —
Dr. Jul. Leopold Pagel gab in der „Deutschen Medicinischen
Wochenschrift“, Nr. 50 vom 14. Dezember 1893 zu Ehren Hohen-
heims eine Schilderung des Ganges der Paracelsus-Forschung in den
letzten Jahrzehnten, welche in den wohl noch lange Zeit der Er-
füllung harrenden Wunsch nach einer neuen kritischen Ausgnbe «1er
Werke Hohenheims nusklingt. — Von medicinischen Gesichtspunkten
aus — einschaltend sei hier besonders darauf hingewiesen, dass unsere
grossen medicinischen Zeitschriften nur ganz ausnahmsweise Artikel
zur Paracelsusfeier gebracht haben — hat Dr. Max Neuburger in
Wien den Einsiedler- Arzt in zwei Aufsätzen gef«*iert: „Die Persön-
lichkeit des Paracelsus“ („Medicinisch- Chirurgische» Central -Blatt“,
Nr. 50 vom 15. Dezember 1893) und „Paracelsus und Vesaliu».
Zw«*i Typen“ („Internationale Klinische Rundschau“, Nr. 50, Wien,
10. D«“zemher 1893). Seine Schriften sollen zwar jedes actuellen
Interesse» entbehren, aber wenn mau den Mann selbst aus seiner
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1 Hilf». Ein Rückblick auf die Paracelsus- Jahrhundertfeier. 121
Zeit heraus betrachtet, wird man ihn hochschätzen als einen durch
und durch originären Forscher von Faust’schem Typus, als einen
Menschen von ausgesprochenster Individualität. Heute sind auch in
der Mcdicin der Individualität enge Schranken gezogen; früher waren
es gerade die persönlichen Eigenschaften, welche die Grösse des Arztes
ausmachten; aus solchen grossen Persönlichkeiten bestellt hauptsächlich
die Geschichte der Heilkunde; der grössten eine war die des Para-
celsus, an der alles eigentümlich ist. Seine innere und äussere Re-
volution gegen den überlebten Galenismus, sein eigenes Neuschaffen
wird von Neuburger mit eindringenden Worten kurz geschildert,
ebenso seine Anlehnung an den naturphilosophischen Neu-
platonismus, das Deutsche in Form und Inhalt seiner Schriften,
seine Wahrhaftigkeit, die ihm allenthalben Feinde erweckte, seine hohe
Auffassung vom Berufe des Arztes, die Missachtung der Anatomie,
welche ihm die Feindschaft der medicinischen Philologie, den Hass
der Anatomen eintrug. Weil alles an ihm Persönlichkeit war, besteht
seine Schule nur aus kleinen Geistern, welche die I .ehren des Mannes
verballhornten. Dass seine Beurteilung so verschieden ausfiel, kann
nach dem allen nicht wundernehmen. Von einer nilseitigen ge-
rechten Beurteilung des „selten begabten und ganz ungewöhnlichen“
Mannes, sind wir auch heute noch weit entfernt. — Die Parallele
zwischen Paracelsus und Vesalius, die Zeitgenossen waren, wenn
Vesal’s grosses Werk auch erst zwei Jahre nach Hohenheim’s Tode
erschien, ist gleichfalls geistvoll geschrieben; beide sind Vertreter
der medicinischen Renaissance und zweifellos die grössten derselben.
In Paracelsus bewundert er mehr den Revolutionär der That, dessen
aufs grosse Ganze gerichteter Geist im einzelnen wenig Bleibendes
geschaffen und Einzelarbeit verachtet habe. Er, der Vater der phy-
siologischen Chemie, richtete nur auf das Allgemeine der chemischen
Vorgänge sein Auge und vernachlässigte (zum Teil allerdings nur
scheinbar) die Thiitigkeit der einzelnen Organe. Nur der lebende
Orgnnismus war ihm Gegenstand des Studiums; die Anatomie licss
er nur zu sehr als nebensächlich ausser Acht, Und doch bereitete
sich zu seiner Zeit das Werk vor, welches seinen Verfasser Vcsal
mit unsterblichem Ruhm bedeckte, die Schrift „De Corporis humuui
fabrica“, welche der anatomischen Autorität des Galen den Todesstoss
versetzte, ein ewig gültiges Muster angestrengtester Detailarbeit zum
grossen allgemeinen Zweck der Erforschung der Lebeusvorgnnge.
Was Paracelsus durch geniale Intuition im Vorausblick über die
Arbeit von Jahrhunderten zu erreichen sucht, will Vesalius durch
folgerichtigen Aufbau von Einzelarbeit auf Einzelarbcit langsam
erschliessen ; so sind sie beide leuchtende Vorbilder zweier Forschungs-
richtungen im Entwicklungsgänge der Geschichte der Menschheit.
Das Verdienst, Hohenheim auch von pharnmeeutiseher Seite ein
Denkblatt gestiftet zu haben, gehört Dr. Hans Heger in Wien,
welcher in der von ihm herausgegebenen „Pharmaceutischen Post“
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1 22 Sudhoff, Gin Rückblick auf die Paracelsus etc. Heft 3 u. 4 .
(Nr. 48 und 51 vom 2b. November und 17. Dezember 1893, mit
Bild de« Paracelsus und des Grabmals) den Lebensgang und die
Anschauungen Hohenheims darlegt. Vor allem ist er dadurch, dass
er die Alchemie auf die Darstellung neuer Arzneistoffe hinwies und
die Gewinnung wirksamer Präparate auf chemischem Wege lehrte,
der Vater der phamiaeeutisehen Chemie geworden.
Auch in den „Antiales de l’Electro- Homöopathie de l’institut
elcctro-homöopathique de Geneve, Aoftt 1894“ finden wir einen hierher
gehörigen Artikel des Herausgebers A. Sauter, welcher Hohenheim
als Vorläufer Hahneniunns, der Naturheilmethodc und der Elektro-
homöopathie in Anspruch nimmt. Eine gelungene Nachbildung des
Tintoretto’schen Bildes Hohenheims (nach der Genfer Folio- Ausgabe
von 1658) ist beigegeben. ') — Paracelsus als Parteigänger der öst-
lichen Theosophie bildet das Thema eines „Gedenkblattes“ in den
„Mitteilungen der Gesellschaft fiir Salzburger Landeskunde“, Band
XXXIV', verfasst von dem eifrigen Apostel dieser Lehre, Franz
Hartmann 4 ). Ein Teil von Hohenheims mystischen Anschauungen
soll mit denen des Sankararharya und anderer indischer Weisen des
Altertums identisch sein; vornehmlich wird die indische Lehre von
den sieben Principien auseinandergesetzt und durah Parallelstellen
aus Hohenheims Schriften- als auch bei ihm vorhanden nachzuweisen
gesucht, wovon in Wahrheit, nicht die Rede sein kann, wenn auch
3 Principien -(- 4 Elemente die schöne Zahl 7 ergiebt.
Als wertvoller Beitrag zur Paracelsuskunde, gedruckt zur Zeit
der Jahrhundertfeier im Dezember 1893, wäre noch zu nennen die
„Bibliography of the Paracelsus. Lihrarv of the late E. Schultert,
M. I)., Frankfurt am Main“, welche als Auktionskatalog bei William
Wesley Ä Son in London erschien; die wertvolle Bibliothek ist in
den Besitz von Professor John Ferguson in Glasgow übergegangen,
welcher in 5 Heften „Bibliographia Paraeelsica“, Glasgow 1877 bis
1 893 sich um die Verbesserung und Vervollständigung des bekannten
Mook’sehen Werkes grosse Verdienste erworben hat.
Des Neuen und Bedeutenden, das die Paracelsusfeier hervor-
gerufen hat, ist also nicht viel, aber das Andenken des grossen
deutschen Mannes ist allenthalben in würdiger Weise unserem schnell
vergessenden Zeitalter gegenüber lebendig gemacht worden; mehr soll
man von einer solchen Feier auch nicht verlangen. Viele Stimmen
sind zu Worte gekommen und als Ganzes genommen bilden sie einen
schönen Zusammenklang zum Lobe des genialen Mannes.
') Ein Kurhaus, welches derselben Gesellschaft für Electrohomöopathic
angehi'irt, in der Nähe Genfs gelegen, führt den Namen „Villa Paracelsia“.
! ) Gesondert erschienen unter dem Titel „Theophrastus Paracelsus als
Mystiker“, I/cipzig, Wilhelm Friedrich 1S!>4, 55 8. 8" mit einer Nachbildung
ilcs A. Dürer zugeschriebenen Paracelsusbildnisses in Lichtdruck.
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Litteraturbericht.
Unter dem Titel: Hamburgische Gewerbetreibende im
Auslände II. Hamburgische Handwerker als Studenten an der
Universität Frankfurt, a. O. bespricht W. Stieda in der Zeitschrift
des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. ft (1893), S. 429 ff.
zunächst die besonders in Frankfurt a. O. geübte eigentümliche Sitte,
auch Gewerbetreibende, namentlich solche, die mit der Herstellung
von Büchern sich berufsmässig befassten, wie Buchdrucker, Buchbinder,
Formschneider, Buchstaben gicsser, Büchermaler, Buclisetzer und Buch-
händler zur Immatrikulation zuzulassen. Von den in Frankfurt a. O.
1601 — 61 elf imnmtrikulirten Hamburger Gewerbetreibenden sind 5
Buchbinder, 4 Buchdrucker.
In einer Breslauer Dissertation von 1894 unter dem Titel:
„Georg Israel, Erster Senior und Pastor der Unität in
Grosspolen. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation
in Polen“ feiert Richard Kruske die bislang nicht genügend gewür-
digten Verdienste Israels um die Einführung der Reformation in Polen.
Das mit liebevoller Hand entworfene Lebensbild umfasst in 3 Teilen
zunächst die Lohr- und Wanderjahre Israels, 1505 — 1553, in welchen
er zusammen mit seinem Lehrer Augusta und Joachim Prostiborius
als Abgesandter der böhmischen Unität auch Wittenberg berührte
und von Luther freundlich empfangen wurde, sodann Israfds mit
seiner Anstellung als Pfarrer von Oslorüg beginnendes Lebenswerk
in Polen, 1553 — 1579, und endlich seinen im Geburtslande Mähren
verbrachten Lebensabend, 1579 — 1588. B.
Als Festgabe zur Begriissung des 6. allgemeinen deutschen
Neu philo logen -Tages zu Karlsruhe, Pfingsten 1894, hat der Karlsruher
Verein der Lehrer neuerer Sprachen ein von Theodor Längin ange-
fertigtes Verzeichnis der „Deutschen Handschriften der Grossh.
Badischen Hof- und Landesbibliothek (Karlsruhe, Ch. Th.
Groos, 1894)“ dargebrncht. Das Verzeichnis zerfällt in 2 Teile.
Im ersten wird die stattliche, von dein Benediktincrklostcr St. Georgen
in Villingen überkommene Hnndschriftcnsnnunlung besonders be-
schrieben. Der zweite giebt eine systematische Übersicht des gesamten
deutschen Handschriften - Bestandes der Karlsruher Bibliothek. In
unser Forschungsgebiet greifen u. a. zunächst 3 mystische Snmmel-
bände: 1) Cod. Pap. LXXVIII (Eckhart; Taulerj, 2) (Jod. Pap.
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124
Littcralurhcricht.
Heft 3 u. 4.
LXXIX (Heinr. Herp; Eckhart; doch t her von syon; geistlich bnum-
garten), 3) Co<l. Pup. LXXX ( Meis terb ueh [„»1er kleine thaulerus“];
'l’auler u. a.), ferner kommt für uns in Betracht „Franek von Word,
Sebastian, Weltbueh- Spiegel. 1547. B. 8“ und endlich „Der Glaub
der Waldeser- Kezere. Bair. 15. Jahrh. K. 349“, der jedoch von
Döllinger in seiner Sektengeschichte II, 701, Nr. 08, schon abge-
druckt ist. B.
Die „Geschichte der Gegenreformation in Böhmen“ von Anton
Gindely (nach des Verfassers Tode herausgegeben von Dr. Theod.
Tupetz, Landesschulinspektor in Prag) Leipzig, Duncker u. H umblot,
1894, reiht sich den übrigen hervorragenden Arbeiten dieses Gelehrten
würdig an. Wir erhalten hier zum ersten Mal ein Bild der ausser-
ordentlichen Wirkungen, die die Schlacht am Weissen Berge zunächst
für Böhmen und dessen staatsrechtliche und religiöse Verhältnisse
gehabt hat. „Die Schlacht auf dem Weissen Berge“, sagt Gindely
S. 83, „gehört zu jenen Kämpfen, die über das Schicksal eines Staates
endgültig entschieden. Nicht bloss die Verfassung und die kirch-
lichen Verhältnisse Böhmens wurden umgestultet, auch die staatliche
Selbständigkeit nahm zwar nicht verfassungsmässig, aber faktisch ein
Ende . . . .“ Die Sieger waren entschlossen, die völlige Niederlage
ihrer Gegner so rasch und so vollständig als möglich aiiszunutzcn,
und ihr besonderer Hass richtete sich gegen die böhmischen Brüder.
Die Katastrophe der Unität wird von Gindely folgendermassen ge-
schildert (S. 265 f.): „Der neuentflammte Glaubenseifer richtete sich
besonders noch gegen die böhmische Brüderunität. Sie hatte sich im
Jahre 1009 bei Gelegenheit, der Erteilung des Majestätsbriefes mit
den übrigen Bewohnern des Landes zur Anerkennung der böhmischen
Konfession vereinigt und an dem gemeinsamen Kirchenregiment, dem
sogenannten Konsistorium, beteiligt, im übrigen aber ein selbständiges
Gemcindeleben, selbständige Heranbildung ihrer Geistlichkeit und ihre
alte strenge Diseiplin gewahrt. Die allgemeine Achtung, die
ihr deshalb zuteil wurde, bewirkte, dass ehemals utraquistische
Gemeinden mit Vorliebe Geistliche der Brüderunität auf ihre Pfarren
beriefen. Der Hauptsitz der Brüderunität war in Jungbu uzlau,
dort war ihre bedeutendste Lehranstalt, dort ihre Bibliothek und ihre
Druckerei, dort auch der Sitz ihrer Vorsteher. Die kaiserlichen Aus-
weisungsbefehle trafen anfangs wohl einen oder den andern ihrer
geistlichen Führer in den königlichen Städten, nicht alter die Unität
als solche, deren Einrichtungen in Jungbunzlau noch immer festen
Bestand hatten. Als dies zur Kenntnis Caraffas gelangte, ersuchte
er den Kaiser während seiner Anwesenheit beim Regensburger Depu-
tationstage um die un verweilte Vernichtung der Unität. Dieser
kam selbstverständlich dem Ansuchen nach und erteilte dem Fürsten
von Liechtenstein die entsprechenden Befehle (Fürst Liechtenstein war
seit der Schlacht Statthalter in Böhmen). Unverweilt wurde von
letzterem eine Kommission nach Jungbunzlau abgeschickt, welche die
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1 805.
Litleruturbe rieht.
125
sämmtlichcn Amtsorgano der Unität auscinundersprengte, ihre Lehr-
anstalt auflöste und ihre Bibliothek nach Prag uhführte. letztere
wurde einer strengen Untersuchung unterworfen; was für die katho-
lische Kirche unverfänglich war, wurde ausgeschieden und aufgehoben,
der Rest aber verbrannt. Die böhmische Litteratur erlitt durch dieses
rohe Gebühren einen unersetzlichen Schaden. Die Brüderunitüt
war damit in Böhmen vernichtet“ K.
Albrecht Richters im Jahre 1890 begründete „Neudrucke
pädagogischer Schriften“ (Leipzig, Verlag von Richard Richter)
schreiten rüstig vorwärts. Die Ankündigung der Sammlung bezeichnet
nls deren Plan, in erster Linie solche .Schriften zu bringen, die eine
gewisse Seltenheit erlangt haben, und ferner nicht nur sogenannte
„pädagogische Meisterwerke“ zu berücksichtigen, sondern auch „Schrif-
ten, die für die Geschichte der Schule und für die Kulturgeschichte
im allgemeinen als Quellenschriften zu betrachten sind“. Bis jetzt
sind 14 Hefte erschienen. Aus ihrer Zahl geht uns direkt das 8. an,
eine zum droihundertjührigen Gedenktage der Geburt des Comenius
dargebraehtc Gabe, seine „Mutterschule“ in der zuerst 1(533 zu
Lissn erschienenen deutschen Übersetzung, herausgegeben
von Albert Richter. — Auch von den übrigen Veröffentlichungen
der Sammlungen liegen manche als wertvolle Quellenstücke im Be-
reiche des Forschungsgebietes unserer Gesellschaft. Auf alle einzu-
gehen , gestattet der Raum nicht. Hervorgehoben seien licht 9 und
12: „Ratiehianische Schriften, I u. II, mit Einleitung und
Anmerkungen herausgegeben von Dr. Paul Stötzner. 1892
und 1893.“ Heft 9 enthält: 1) das Memorial dos Ratichius über
seine neue Lehntrt, welches der Erzbischof von Mainz dem 1012
in Frankfurt a. M. zur Krönung des Kaisers Matthias versammelten
Reichstage vorlegte, 2) den 8 Tage später als Ergänzung veröffent-
lichten Gründlichen und bestendigen Bericht des Ratichius, 3) den
sogenannten Giessener und 4) den Jenaer Bericht, von Professoren
der beiden Universitäten zur Empfehlung des Pädagogen geschrieben,
endlich 5) den Giessener Nachbericht. Das 12. Heft bringt:
1) die Artikel von cler Lehrkunst, von Jungius und Helwigius in
Giessen, 2) Wolfgangi Ratichii in Methodum Linguarum generalis
introduetio, 3) die Anleitung in der Lehrkunst \V. Ratichii, wohl
wieder aus der Feder Helwigs, 4) die den Unterrichtsbrauch des
Ratichius aufs deutlichste charakterisierenden Köthener Lehrpläne,
5) Drei kleine Schriften nus cler Magdeburger Zeit des Ratichius und
0) Mevfarts Bericht an Oxenstierna, ein Gutachten des mit Ratichius
befreundeten Erfurter Professors für den schwedischen Kanzler. — In
den beiden jüngsten Heften der „Neudrucke“ erhalten wir „Bernhard
Overbergs Schrift Von cler Schulzucht Mit einer Ein-
leitung hrsgg. von Albert Richter (13) und J. B. Basedows
Vorstellung an Menschenfreunde. Mit Einleitung und An-
merkungen hrsgg. von Hermann Lorenz (14). B.
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Litte ruturbericht.
Heft 3 ii. 4.
126
I» einer Reihe von Aufsätzen der Zeitschrift: Neue Buhnen.
Monatsschrift für Haus-, 8chul- und Gesellschafts-Erziehung. In Ver-
bindung mit über 100 Mitarbeitern herausgeg. von Johannes Meyer
(Gotha, Emil Bohrend 1893. Preis viertel]. 1,80 M.) behandelt Dr.
Rudolf Hochegger, Professor der Philosophie an der k. k. Franz-
Josefs-Universität in Czernowitz, „Die Bedeutung der Philosophie
der Gegenwart für die Pädagogik“. Dieselben liegen auch in
einer ebenso betitelten besonderen Schrift gesammelt vor (Pädagogische
Zeit- und Streitfragen. Flugschriften zur Kenntnis der pädagogischen
Bestrebungen der Gegenwart. Herausgegeben von Johannes Meyer
in Osnabrück. 32., 33. u. 34. Heft (VI. Band, 2„ 3. u. 4. Heft).
Einzelpreis 1,80 M. 132 8. 8°). Nach einer Erörterung des Ver-
hältnisses der Philosophie zu den Einzelwissenschaften, speziell zur
Pädagogik, in der Einleitung (8. 1 — 17) lehrt uns der Verfasser
einige der namhaftesten Philosophen der Gegenwart kennen, die er
nach Massgabe der Bedeutung ihrer philosophischen Anschauungen
für die Theorie der Pädagogik und der in dieser Beziehung besonders
hervortretenden charakteristischen Ausprägung ihrer Lehren ausgewählt
hat, und zwar — entsprechend seiner Unterscheidung von drei Ilaupt-
richtungen in der gegenwärtigen Philosophie — als Vertreter der
historisch-idealistischen Richtung: Jakob Frohschammcr (8. 17 ff.) und
Eduard von Hartmann (S. 34 ff.), uls Vertreter- der naturalistisch-
positivistischen: Herbert Spencer (8. 53 ff.), endlich als Vertreter der
vermittelnden Richtung: Friedrich Paulsen (8. 07 ff.), Wilhelm Wundt-
(8. 87 ff.) und Wilhelm Dilthcy (8. 1 1 6 ff.). Die einzelnen Systeme
werden nach ihren Grundzügen dargestellt und der für die pädago-
gische Theorie in Betracht kommende Ideengehalt heruusgehoben und
zusammengefasst. Der Schluss: Rückblick und Ergebnisse (8. 126 ff.)
betont die Notwendigkeit einer philosophischen Grundlegung der
Pädagogik, einer den Anregungen der modernen Psychologie folgenden
erkenntnis-theoretischen Bestimmung und voluntaristischen Ausbildung
gegenüber der bisherigen einseitig intellektualistischen Richtung. „Eine
Ausbildung der Pädagogik auf Grund der Analyse des ganzen
Menschen ist noch Aufgabe der Zukunft. Wenn die Pädagogik sich
der Philosophie der Gegenwart zuwendet, welche wieder das Bild
des ganzen Menschen hervorholt, wird sie die Bausteine zu einer
solchen wahrhaft allgemeinen Pädagogik finden. Nur vom Stand-
punkt der Erkenntnis der ganzen Menschennatur wird auch der
Streit der ideal-philosophischen und der realistischen Richtung in der
Pädagogik Ausgleich finden. Die Wahrheit kann man nur in der Ver-
mittlung beider, im Rcalidcalismus, wie ihn die meisten modernen
Philosophen vertreten, finden.“ K — r,
Prof. Dr. Rieh. Sachse in Leipzig hat als Abhandlung zu dem
Jahresberichte des Thomas-Gymnasiums in Leipzig für 1893/1)4 (1894
Progr. Nr. 543) eine Untersuchung über den Rektor der Thomas-
schule Jakob Thomasius veröffentlicht, die uns liier deshalb interes-
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1895.
I,itternlur!>ericht.
127
sicrt, weil e* sicli hier um «len Vater de« grossen Christian Thomasius
handelt. Besonder* wertvoll sind die Nachrichten über die Familie
Thomasiux, die Sachse zusammenstellt. Danach stammte die Familie
aus Franken, von wo der Grossvater des Schulrektors Jakoh (geh.
am 27. Aug. 10221 um 1570 nach Weida in Thüringen auswanderte.
Christian Thomasius (geh. 1. Jan. 1055, + 23. Sept. 1728) war der
älteste von zehn Geschwistern. Merkwürdig ist, dass sich an der
Thomasschule um jene Zeit, die Träger zweier so berühmter Namen
wie Thomasius und Leibniz zusammenfanden ; Kollege des Jakob
Thomasius war Joh. Friedrich Leibniz (geh. 1032), der Bruder
des berühmten Philosophen, Sohn des leipziger Professors Friedrich
und Enkel des Ambrosius Lcibniz, der Stadt- und Bergxchreiber in
Allenberg im Erzgebirge war. Seit dem Tode des Friedrich Leibniz
(t 1052) übernahm Jakob Thomasius die Professur der Moral, die
jener bis dahin inne gehabt hatte. Jakob hat sich als akademischer
Lehrer ebenso wie als Sehulrektor ausgezeichnet und verdient die
Beachtung, die ihm Sachs«.' in seiner Abhandlung widmet, in hohem
Grade. K.
Beruh. Münz: Jacob Frohachammer, der Philosoph der
Weltphantasie. Breslau, Verlag von S. Schottlaender. Dr. Bern-
hard Münz in Wien, ein Schüler des am 14. Juni 1893 verstorbenen
vielverkannten, aber auch treu bewährten charaktervollen Denkers,
des ordentl. Professors der Philosophie an der Universität zu München,
Dr. J. Frohsehnmmer, bietet uns hier ein mit ebenso grosser Kenntnis
als schriftstellerischer Virtuosität ausgeführtes Lebensbild seines hoch-
verehrten Meisters, welches in hohem Grade geeignet ist, die über
ihn noch vorhandenen Vorurteile zu zerstreuen. Er hat damit den
Beweis geliefert, dass die Behauptung: seit Kant und seinen grossen
Nachfolgern habe sieh die philosophische Produktivität des deutschen
Geistes für längere Zeit erschöpft, keineswegs begründet ist. Froh-
schummer ist kein blosser Durchforscher und Sichter des vorhandenen
Gcdnnkcnmuterials. Er hat als einzelner Charakter eine neue Bahn
in der Philosophie gebrochen, auf welcher dieselbe zu einer bisher
noch nicht erreichten Fruchtbarkeit für das Leben gelangen kann
und wird, er hat den wesentlichen Zusammenhang des menschlichen
Geistes mit der allgemeinen Natur mit einem Tiefbliek in den Welt-
preises* nachgewiesen, der einen festen Standpunkt für die Organisation
der menschlichen Gesellschaft und zwar besonders ein friedliches
und freies Zusammenwirken von Sehule und Kirche im christlichen
Kulturstaat möglich macht. Schon der hochverdiente Geschichtschreiber
der Philosophie, Dr. Heinrich Kitter, hat den Gedanken ausgesprochen,
dass wir die Welt nur im Werden erkennen und wir ein absolutes
Wissen über das, was jenseits dieses Werdens liegt, nicht erringen
können. Frohschummer hat auf diesem Grundgedanken weiterbauend
das Princip und die Gesetze dieses Processes nachgewiesen und da-
durch der Philosophie eine vermittelnde Stellung zwischen dem pun-
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Littcralurlicricht.
Heft 3 II. 4.
128
theistischen und materialistischen Monismus errungen, die ihr eine
im höchsten Grade klärende und versöhnende Wirksamkeit sichert.
Wie wichtig sie dadurch für die Volkserziehung wird, und wie sehr
sie dadurch zum Verständnis der durch Comcnius begründeten Päda-
gogik beiträgt, erhellt am deutlichsten aus dem organisatorischen
Einfluss, den sie auf das Gesanitloben der menschlichen Gesellschaft
übt. Dr. Münz hat darüber nur das Nötige angedeutet, aber es ist
genug, um die denkenden Leser zum Studium der Werke Froh-
schammers selbst aufzumuntern. Dazu möge auch diese Anzeige der
ebenso lehr- als genussreichen Schrift des Dr. B. Münz dienen.
B. B.
Der Beweis fiir das Dasein Gottes und seine Persönlich-
keit mit Rücksicht auf die herkömmlichen Gottesbeweise. Von Dr.
E. Melzer, N eisse, J. Graveur (G. Neumann) 1895. 101 S., gr. 8°.
Diese Schrift verdient, auch in den Heften der Comenius-Gcsellschaft
anerkennend erwähnt zu werden. War doch für Comcnius alles
einzelne in der Welt und die ganze Welt eine Leiter, um sich zu
Gott zu erheben. Freilich durch Kants einschneidende Kritik, der
allenfalls den sogenannten moralischen Beweis für das Dasein Gottes
als praktisch wertvoll gelten liess, den theoretischen Wert aller solchen
Beweise aber rundweg leugnete, ist das Zutrauen zu denselben in
weiten Kreisen tief erschüttert worden. Melzer scheut sich nicht,
abweichend von Kant, in Übereinstimmung mit dem katholischen
Philosophen Günther, seine Überzeugung dahin darzulegen, dass
der verbesserte kosmologisehe Beweis, welchen man auch den psycho-
logischen nennen könnte, wissenschaftlich unanfechtbar sei. Dieser
gehe aus von dem Selbstbewusstsein oder dem Gedanken Ich, erkenne
den eigenen Geist oder das Ich als eine Substanz und als Real-
princip für alle Kräfte, Thätigkeiten und Zustände des Geistes an,
sehliesse aber von der Endlichkeit und Beschränktheit dieser Substanz
auf das Dasein einer unendlichen und absoluten Substanz und zu-
gleich aus der endlichen Persönlichkeit des geschaffenen Ich auf die
absolute Persönlichkeit Gottes des Schöpfers. — Für den Fachmann
ist Melzers Schrift besonders wertvoll wegen einer aus den Quellen
gearbeiteten trefflichen Darstellung aller Gottesbeweise vom Altertum
bis auf die Neuzeit, welche zugleich einer eingehenden, umsichtigen
Beurteilung unterzogen wenlen. Auch Krause ist an zwei Stellen
berücksichtigt. Mit liecht wird behauptet, dass die Wesenschauung
oder Gottesidee Krauses eines Beweises nicht bedürfe, da sie ja in
eigenem Lichte erglänzt und der Grund jeder Beweisführung ist.
Was man sonst als Beweise für das Dasein Gottes aufzustellen ver-
sucht hat, ist bei Krause zu dem aufsteigenden Teile der Wissen-
schaft geworden, welcher vom Ich beginnt und streng wissenschaftlich
jeden denkenden, wahrheitsuchenden Geist zur Anerkenntnis Gottes
emporführt. Hohlfeld.
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Nachrichten
In Deutschland hatte schon im 17. Jahrhundert, wenigstens innerhalb
der lutherischen Kirche, die Überzeugung die Herrschaft gewonnen, dass
das Licht des Evangeliums, wie man zu sagen pflegte, im Jahre 1517 auf-
gegangen sei und dass bis dahin die Finsternis des Papsttums allgemein
geherrscht habe. Es ist nicht ohne Interesse, dass die offizielle Vertretung
sämtlicher Evangelischen in Mähren (nicht etwa bloss der mährischen Brüder)
anderer Überzeugung war, indem sic glaubten, dass es Hingst vor Luther
Evangelische gegeben haben. Im Jahre ltilO hatte im Namen des
reformierten Kurfürsten von der Pfalz und der deutschen Union der Mnrk-
grnf von JEgerndorf, Johann Georg (der Bruder des Kurfürsten Johann
Sigismund von Brandenburg, geh. 1577, gest. 1624 zu Leutschau in Ungarnl.
bei dem Landeshauptmann und den evangelischen Ständen eine Werbung
angebracht, die die Herstellung einer Verbindung zwischen der Union und
den mährischen evangelischen Ständen l>ezweckte. Unter dem 15. Mai 1610
gaben „I^indeshauptmann und evangelische Stände“ — die grosse Mehrheit
der Bevölkerung in Mähren war damals evangelisch — hierauf eine Antwort,
die in Bezug auf die obige Auffassung interessant ist Die mährischen
evangelischen Stände hätten, sagen sie, die Freiheit ihrer Religion nicht
durch die Verleihung eines Fürsten erhalten, sondern als ein „natürliches
Recht“ überkommen „und seit zweihundert Jahren in steter Dnuer
und ungestörter Eintracht mit den Ständen sub uns spccie (den
Katholiken) genossen“. „Bald von Bohemischen Kriegen an, so aus Ursaeh
M. Johann Hussen, heiliger Gedachtnus, Tods entstanden, haben wir (die
Stände) uns einer willkürlichen Vergleichnus« gemäss, welche zwischen unsem
Vorfahren aufgerichtet, in einer solchen Freiheit, dass einem jeden unter
uns, es scie zu dem Glauben unter einerlei oder zu dem Glauben unter
beiderlei zu treten und sich desselben zu halten, frei stehen sollte, bishero
betragen und erhalten.“ Bei Annchmung des Landesherrn pflegten die
Stände beider Konfessionen zu begehren, dass er weder den übrigen Frei-
heiten, muh der Freiheit der Religion irgend welchen Eintrag thue oder
andern gestatte, zu thun. (S. die Urkunde bei Moritz Ritter, Der Jülicher
Erbfolgekrieg, München 1877, S. 246.) Hieraus erhellt, dass die Evange-
lischen in Möhren den religiösen Zustand, in dem sie sich um 1610 befanden,
als eine unmittelbare, nicht veränderte Fortsetzung desjenigen evangelischen
Gemeinwesens betrachteten, wie es bereit« zu Anfang des 15. Jahrhunderts
unter ihnen bestand. Dass die evangelische Lehre erst mit dem Jahre 1517
in die Welt gekommen sei, davon wussten sie nichts. — Markgraf Johann
Georg war, wie hier noch bemerkt sei, als Herzog von Jägerndorf in eine
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130
Nachrichten.
Heft 3 ii. 4.
nähere Beziehung zu den Evangelischen in Böhmen und Mähren getreten.
Vielleicht hängt es damit auch zusammen , dass der Markgraf am 2. Sept.
Itll3 zur reformierten Kirche fibertrat.
Die Hans Sachs -Feier des verflossenen Jahres hat vielfach Ver-
anlassung gegelien, auch des, Meistergesanges, seines Wertes und Unwertes
eingehender zu gedenken , als es sonst in den letzten Jahrzehnten der Fall
gewesen ist. Es ist l>ekannt, dass es üblich war, des Meistergesanges etwa
in dersellten Weise mit einer gewissen Nichtachtung, ja vielfach mit Hohn
und Spott zu gedenken, wie dies bei den sog. Sprachgesellschaften der
älteren Zeit (Palmcnorden u. s. w.) der Fall war und ist. Es ist erfreulich,
dass man neuerdings anfängt , von dieser Beurteilungsweise einigermassen
zurückzukommen. In den Mitteilungen des germanischen Nationalmuseums
Jahrg. 1894 8. 25 ff. veröffentlicht Dr. Th. Hampe eine Abhandlung über
„Spruchspreehcr, Meistersinger und Hochzeitlader, vornehmlich in Nürnberg“,
die auf genauer Kenntnis der Originah|uelIcn beruht. Hier ist nun das
Schlussurteil, das Hampe abgiebt, von besonderem Interesse. Es muss gesagt
werden, meint er (8. 00) , „dass der Meistergesang der guten Zeit als ein
Ausdruck und Zeichen der höchsten Blüte deutschen Stüdtelcbens betrachtet
werden will, dass ohne ihn die Reformation eine» starken Rück-
halts und Untergrundes hätte entbehren müssen, dass ein Hans
Sachs ohne ihn niemals das geworden wäre, was er uns noch heute ist, und
dass selbst der Meistergesang der Verfallzeit noch unzähligen Menschen das
Leben verschönt und die bösen Gedanken gebannt, hat. Auch die hohen
Verdienste der Meistersinger um Ausbreitung und Weiterbildung der neu-
hochdeutschen Schriftsprache harren noch immer der ihnen gebührenden
Anerkennung und Würdigung. Mehr als ungerecht wäre es demnach, eine
Erscheinung von solcher Bedeutung für unsere Kulturentwickelung mit 8pott
und Hohn zu übergiessen , nur weil sie auch Auswüchse zeitigte und weil
sie im Alter welkte, krank und schwach und eben alt wurde.“ — Wir wollen
hier auf den oben angedeuteten Zusammenhang dieser Handwerker-Ver-
einigung mit der religiösen Bewegung besonders binweisen. Vielleicht findet,
sich Gelegenheit, später in diesen Heften einmal eingehender darauf znrfick-
zukommen.
Eine ähnliche Bedeutung, wie sie Thomasius für Halle sich erworben
hat, besitzt Johann ('lauberg (geh. zu Solingen 1022, gest. 31. Jan. 1005)
für die Universität des Grossen Kurfürsten, für Duisburg. Claubcrg war
bis zn seiner im Jahre 1051 erfolgenden Berufung nach Duisburg Professor
in Herbom gewesen. Hier hatte er sich sowohl das Vertrauen seines Fürsten
wie die Liebe seiner zahlreichen Schüler erworben. In Duisburg erwarb
er sieh einen ausgebreiteten Ruf sowohl unter den Reformierten des Westens
wie in den Niederlanden und Frankreich, wo er seine Studien gemacht
hatte. Ein»! Gesamtausgabe seiner Werke erschien im Jahre 1091 zu
Amsterdam; ihr ist eine Biographie des Verfassers von Hennin voraus-
geschickt. Der Grosse Kurfürst nahm von ihm die Widmung der Schrift
De cogni turne 1 hi et nostri an. Verwandt ist er Thomasius auch durch
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1895.
Nachrichten.
131
»eine Betonung der Muttersprache. Leihniz und Wolff haben »ich in »ehr
günstigem Sinne über Clauhcrg geäussert, der heute viel weniger bekannt
ist, als er es verdient. Über Clauberg» Stellung im Cartesianismus erschien
im Jahre 1891 eine Schrift von I)r. Herrn. Müller. Wir werden gern ge-
legentlich da» Andenken des merkwürdigen Manne» in diesen Heften erneuern.
Im Jahre 1660 erschien zu Amsterdam bei Job. Ravestein folgende
Schrift: De bono Unitatis et ordini» disciplinaeque et obedientiae. In
ecclesia recte eonstituta vcl constituenda Ecclcsiae Bohemicae ad Anglicanam
Poraenesis, cum praemissa ordini» ac disciplinae in ecclesiis F. F. Boh. usi-
tatae descriptionc. Widmung an Carl II. von England mit der Unterschrift :
Johann Arnos Coinenius, Rcliquiarum Ecclesioc F. F. B. Episcopus indignus,
solu» adhuc *ujK*rste8. (S. M. H. der C.G. 1892 S. 48.) — Comeniu» selbst
erwähnt in einem Brief an die Synorle vom 2. April 1662, das» dies Werk
ins Englische übersetzt sei und das» die lateinische Ausgabe in Genf neu
aufgelegt worden sei. Soviel uns bekannt, ist die englische Übersetzung
bisher nirgends genauer beschrieben worden, weil, wie e» scheint, Exemplare
sehr selten sind. Kürzlich habe ich durch die Güte des Herrn Antiquar»
M. Spirgatis in Leipzig ein Exemplar einsehen können; es trägt den
Titel: „An Exhortation of the Churchcs of ßohemia to the Churclt of
England: Wherein i» set fnrth The good of Unity, Order, Discipline and
Olicdicnce, in Churchcs rightly now, or to be Constituted. With a Dc-
scription premised of the Order and Discipline used in the Churchcs of the
Brethren of Bohemia. Written in Latin, and Dcdicated to his most excellent
Majestv Charl» the Second , in Holland, at his retuming into England; If
IKwsible it lnay be for an Aceomodation amongst. the Churche» of Christ.
— By J. Am os Coinenius, the only surviving Bishop of the Remain» of
those Churche». — London, Printed for Thoma» Parkhurst at'the Tb ree
Crowns etc. 1601.
An erster Stelle findet »ich die Widmung an Karl II., dann folgt
ein Vorwort „To the Reader“ unterzeichnet von „Joshua Tymarchus“, an
dessen Schluss der Verleger Parkhurst ein Verzeichnis der durch ihn be-
sorgten Drucke giebt, da» an erster Stelle die Geschichte der pieinontcsischeu
Waldenser von Samuel Morland nennt. Daran schliesst Bich ein Schreiben
To the Church of England unterzeichnet: J. A. Comeniu» of Moravia.
Dann folgt „A Short History of the Slavouinn Church etc.“ (S. 9 — 78)
und da» Ganze schliesst mit „An Exhortation to the Churche», particulnrly
and by name that of England etc.“ Das Exemplar ist im Besitz des Herrn
M. Spirgatis und kostet 25 M.
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132
Inhalt neuerer Zeitschriften,
Heft 3 U. 4.
Inhalt neuerer Zeitschriften.
IVIfttoriarhr Z«*lliM*lirin. X. F.
R4. :B. 2. lieft : Aul.Itie: F. Knrnt,
Alexander der (iroine und der Hellenismus. )
2 (Schluss). — K. Haebler, IHc Columba»- I
Liltenitur der JubiUlumszeit. - Misccllcn: !
Zur Vorgeschichte der Rcvolutionskriegc. —
Litteniturberiolit. Notizen und Nachrichten. '
— Erklärungen (von J. I<ulr^ und G. von |
Below).
Iflator. JuhrlMioli der littrrei»
g«*H«'llMchnn. lfi. Juhrg. Heft 4, 1801.
Au (sitze: Lager, Raluin von Heliiisladt i
um! t'lrich von Manderscheid, ihr Kampf um
da» Erzbistum Trier. — Joste», Die ,, Wal-
de nserblbeln* 1 und Meister Johanne« Rellach.
— Kleinere Beiträge: Kam per», Olier i
die Prophezeiungen de» Joh. Rnpesdssa.
HflgmOllcr, Dietrich von Niem und der
IJher pontifkali». — Paulus, Ein kntholi- !
scher Augenzeuge Ober Luther» I>*l»*n»emle.
Rezensionen und Iteferate. — Zeitscliriften-
»cluiu. — Novit! tenschau. — Nachrichten. - >
Erklärungen.
/.citM-hrlft fllr und
ph lloaophlar dir Krtllk. N F. 105. IM.
Heft 2, 1WH: Ludwig Buaae, Zur Be-
urteilung de» Utilitarismu». lt. Fa !c keh-
lte rg, Die Entwickelung der Lotae'schen
Zeitlohn». — J. Zahnfleisch, Zur Kritik
derArislotellschen Metaphysik. • Rcsenaioncn.
Neu eingegaugeiie Schriften . Bibliographie.
— Au» Zeitschriften.
PhiloMiphiM'hes Jali rituell der
(•iirretigoM-IUchnn. H, It*l . Heft 1. 1805:
K. Rolfe», Die vorgebliche Pritexialenz de» |
Geiste» bei Aristoteles. C. Gutberiet,
Ül**r Messbarkeit psychischer Akte (Schluss).
— .1. Nassen, über den platonischen Gottes-
Itegriff (Schluss). B. Adlhoch, O, S. B.,
IW Gottesbeweia «h*s hl. Anselm. — Re-
zensionen und Reh rate, — - Philosophischer
Sprechsaal. — ZoitschrifienscUaii. — Miscellen
und Nachrichten.
Archiv fllr iUlemdchlkche (Je-
»ehlehtr. 81. B<l. 2. Hüfte 1896: J.
Losertb, Sigmar lind Bernhard von Krems-
mOnstcr. Kritische Studien zu den Gcschirhts-
<|iielieii von KreinsniQnstcr itu 13. und II.
Jahrhundert. (Mit 2 Tafeln.) — Franz von
Krone», Beiträge zur Städte- und Rechta-
geschichte Ol»*rungarn». — Willi. Erben,
Die Frage der Heranziehung des deutschen
Ofdens zur Verteidigung der ungarischen
Grenze.
Jahrbuch der G«»ftfll*<-Iiitn fllr
die (JcM'hlcIilc de» ProlesliuilUniuii
In ttnlerrelrli. 16, .labrg. lieft :i u. 4i
Arth. Schmidt, Da» Evangelium in Gablonz
und Umgebung. — Th. Elze, Die »lavoni-
sehen protestantischen Ritual-, Streit-, Lohr-
und Bekenntnis-Schriften des IG. Jahrh. —
AI. N icoladon i , Tnuberinua. — Loesche,
Ein nngrdrucktea (belicht von Joh. Major. —
Scheuffler, Der Zug der österreichischen
Geistlichen nach und au» Sachsen. — Th.
I'nger, Über eine Wiedcrtlufcr-Licdcrfaand-
schrift de» 17. Jahrhundert». — ■ F. Scheletil,
Bilder ans der Zeit der Gegenreformation In
Österreich.
Revue internationale de l*en-
aelfffnement. 16. antrfe, No. I: M. A.
Part »ult, LVvolution du talent de Virgile
de» Bueolii|ues aux < ioorgiqne». — M . Charles
Gide, Profession» liberales et travail manuel.
M. Charles Barneaud, Jefferaotk et
Peducation en Virginie, — No. 2: Leon G.
P^lisaier, La mattere et le» materiaux de
Phistoire du premier empire. Georges
B Ion del, Notes snr lVnseignenient des
Sciences sociale» da ns h*s Untrer» lies alle-
mande». — Jacques Par men t ler, 18*
lYducation de la noble»»»* anglaise du XVh*
au XVI Ile siede.
Riiohdrurkerei von Johanne» Bredt, Minister i. We»lf.
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Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
(Sitz (Irr Yenriiltiimr In Münster.)
Mitglied erzähl INI).'» ; 1200 Personen und Körperschaften.
Gesellschaflssch rillen:
1. Die Monatshefte der C. G. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des C'omenius. Herausgcgebcn von Ludwig Keller.
Band 1 — 3 (1892 — 1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Conienius-Gcsell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufsätze aus der C.G. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der C.G.
Der Gcsanitumfang der Gesellsehaftssehriften beträgt 30—32 flogen Lex. 8".
Bedingungen der Mitgliedschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterreehte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Tcil-
nehmerreehte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
Anmeldungen
sind zu richten an die Geschäftstelle der C.G., Münster i. W., Wolbeckerstrassc 4a.
Der Gesamtvorstand.
Beeger, Lehrer u, Direktor der CoiucnUit-StifUing, Nieder- Puy ritx b. Dresden. Br. Borgius, Ep., Kon»Utori»L
Kat, ptmen. Dr. Höpfner, Geh. Oljer-Rct.-Riit mul Curator der UniveraiUU in Götting'-n. Prof. Br.
Hohlfeld, Dresden. M. Jabionski, Kortin. Israel, Schul -Ra», Zschopau. Archiv-Itat I»r. Ludw. Keller,
ftiaatnarchivar, Münster i. W. 1>. 1 »t . Kleinert, Prof, und Oberkonsistorial-Rat, Berlin. W. J. Leendertz,
Prediger, Amsterdam. Prof. Pr. Markgraf, Stadt-Bibliothekar, Broidnu. I». Br. O. Loesche, k. k. ordond.
Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Prof. der Kirrhrngcschichte, Unadenfold. Br. Pappenheim, Prof., Berlin.
Dr. Otto Pfleiderer. Prof, an der Universität Berlin. I»r. Hein, Prof, an der Utüverdtilt Jena, l’niv.-Prof.
I »i '.Kogge, Amsterdam. Sander, Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu 8chönaich-Carolath, Schloss
Arntitz. l>r. Schneider, Wirkl. <»<*h. Olwr-Keg.-Kat u. Vortragender Kat im Kultiismimsterium , Berlin.
Dr. Schwalbe, Realg y rnn .-l>i rek tor u. Stadtverordneter, Berlin. I»r. Th. Toeche-Mittler, Hofbitrhhilmiler,
Berlin. A. V&vra, Prof., Prag. Pr. WÜtzoldt, Prov. - Schulrat in Magdeburg. Br. Wattenbach,
<»eh. Heg. -Hat u. Prüf, au der l'niv. Berlin. Weydmann, PNigcr, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder :
I)r. Th. Arndt, Prediger au S. Petri, Berlin. Br. Benrath, Prof, an der UniveraiUU Kdnig.dierg Wilh.
Bötticher, Prof., Ilagcn i. W. Phil. Brand, Bankdirektor, Mainz. Br. Comba, PniftiuMir am tbcol.
Seminar der Waldenser, Flon*nz. Realgymn.-Pirektor Pr. Cramer, Mülheim u Uh. H. Fechner, Professor,
Berlin. Univ.-Pn»f. Br. Hilty, Bern, Gymnasial - Direktor Br. Heussner, Kassel. Oberstlieut. a. B. Br.
M. Jähns, Berlin. Dr. Herrn, v. Jirecek, k. k. Ministerialrat, Wien. Br. Kunze. Uymnnsiul-ltiivktor, Lissa
(Posen». Prof. D. Br. Kvacsala, Dorpat- Launhardt. Geh. Regierung*- llut und Prof., Hannover.
Unhr.-Prof. I>r. H. Suchier, Halle a. S. Prof. Br. Nesemann, Lissa (Posen). Archiv-Rat Br. Prümera,
Staatsarchivar, Posen. Rektor Hissmann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von SchenckendorfT, Görlitz.
J>r. O. Schmid . St. Petersburg. Slanienik, B0rger»chul-Difvktor , Prerutt. Univ. -Professor Br. von
Thudichum, Tübingen. Freiherr Hans von Wolzogen, Bayreuth.
Schatzmeister; Bankhaus Molenaar & Co.. Berlin C 2, Burgstrasse.
■ >«♦►« ■
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Verzeichnis der Pflegschaften der C.G.
Kine vervollständigte Liste wird demniiclist erscheinen.
<I>rr Blich* talw* II hinter dem Namen bHkntel ,,BcvollinÄrbli«tt*r im Ehrenamt“, der BuchsiaU- {i
„th-M.-hüftsH'ilitvmlu Buchhandlung“ und der Buchtttalie V Vondtzrndrr einer t’.Z.tJ. oder C.K.)
Alton»: F. L. Mattigsche Buchli. G
Alfdorf: Sem.-Lchrer n. 1). J. Böhm. B
Amsterdam : Univ.-Prof. Dr. Rogge. V
„ Buchh. v. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlosse rache Buehh. G
Barmen: Buehh. v. Adolf Grnepcr. G
Bart eus t ein i Ost pr.): Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Buehh. v. B. Giessei. G
Berlin: Buehh. v. F. Schneider u. Co., W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen: Dr. E. Brenn ing, Realgym.-Lehr. B
,, Buehh. v. H. VV. Silomon. G
Breslau : Buehh. v. E. Morgenstern. G
Bunzlnu: Buehh. v. Ernst Muscbket. G
Cottbus: Buehh. v. Carl Brodbeek. G
t’refeld: Weydmnnn, Pastor. B
Czernowitz: Prof. Dr. Hoehegger. V
,, Buehh. v. H. Pardini. G
Christian!»: Buehh. v. Cammermeyer. G
Danzig: I.. Saunier» Buehh. G
Detmold: Scm.-Direkt. Saucrländer. B
,, C. Schenk» Buehh. G
Dortmund: Realgvnin.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden: H. Burdaeh, K. S. Hof-Buehh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeek: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
„ Buehh. v. H. Ehlers. G
Eisenach: Sein.- Dir. E. Ackermann. B
„ Buehh. v. Bureek. G
Elbing: Oberlehrer Dr. Bnndow. B
,, Buchh. v. Izcon Saunier. G
Elberfeld: Buehh. v. B. Hartmann. G
Emden: Hayneisehe Buchh. G
Frankfurt a. M. Dctloffschc Buchh. G
Glessen: Fcrbersehe l'niv.-Buchh. G
Glogan: Oberlehrer Baehniseh. B
,, Buchh. v.C. Reissner’s Nachfolger. G
Gotha: Oberschiilrat Dr. von Bmnborg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (W'estf.): Prof. \V. Bötticher. V
„ Buehh. von Gustav Butz. G
Halle a. S.: Univ.-Prof. Dr. l’iihues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
,, C. Gasemanns Buchh. G
Hamm: Rektor Bartholomaeus. B
Hannover: Realgymn.-Dir. Hnntdohr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. l)r. Thorbeeke. B
llerborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: lnst.-Direktor Pfeiffer. V
,, Döbereinersehe Biielih. (Rassmann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Hcussner. B
,, Buchh. v. M. Brunnemann & Co. G
Königsberg i. Pr. Graefe&Unzerschc Buchh. G
Lnubnu: Buehh. v. Denccke. G
Leipzig: .1. C. Hinrichs’sehe Buchh. G
Lengerieli : Rektor O. Kemper. B
Lennep: Prof. Dr. Witte, Kreissehulinsp. V
Buehh. v. R. Schmitz. G
Llppstadt: Realgymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
Lissa 1. P, : Prof. Dr. Nescinann. B
„ Buchh. v. Friedrich Ebbeckc. G
London: Buchh. v. William» and Norgate. G
Lüdenscheid: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buehh. v. Heinriehahofen. 6
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Quast hoffs Buehh. G
Meiningen: Olierkirchenrat D. Drever B
Mülilliausen i. Tb.: Diakonu» J. Clüver. B
Miiuelien: Schulrat Dr. Rohnieder. B
,, Hoflnichh. v. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Obertüschen. G
Neuwied: Prediger Sieben. B
N'ordhansen : Oberlehrer Dr. Nagler. B
„ Förstemanneche Buchh. G
Nürnberg: Poatmeister Aug. Schmidt. B
,, Buchh. v. Friedr. Koni. G
Osclintz: Scm.-Oberl. Ernst Hänsch. B
Osuabiüek: Pastor Lic. tbeol. Spiegel. B
,, Buchh. v. Rackhorst. G
Paris: Buchh. v. Fischbacher. G
l’oseu: Buchh. v. F'riedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buehh. v. Fr. Kivnäc. G
Prernu (Mähren) Direktor Fr. Slamfnlk. B
Oiicdlinhiinr: Rektor Ed. Wilke. B
„ Buchh. v. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lanibcck. V
,, Buehh. v. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Wilb. Begemann. B
,, Stillersehe Hof- u. Univ.-Buehh. G
Kulirort: Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagau: Kreissohulinspektor Arndt. B
,, Buehh. v. W. Daustein. G
Schleswig: Buchh. v. .lulius Bergas. G
Soest : Lehrer W. Handtke. B
,, Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
,, Schaumburgsche Buchh. G
Stettiu : H. Dnnnenbcrgsche Buehh. G
StiH-kliolm : I>r. N. G. W. Lagerstedt. B
,, Hofbuchh. v. C. E. Fritze. G
Strass bürg i. Eis. Scm.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien: Buchh. v. A. Pichlers W’ we. u. Sohn. G
Wiesbaden: Gynm.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
„ Buchh. v. FeUx Dietrich. G
Zeliopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
Hucbtlruckcrri von Johannes Brcdt, Münster i. W.
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r r>- »■ ».»■■■■ r.»
Herausgegeben von Ludwig Keller.
Vierter Band.
Fünftes und sechstes Heft,
Mai — Juni 1 S95.
Berlin und Münster i w.
Verlag de r C o ni e n i u s - ( 1 e s e 1 1 s c h a f t,
Johannes Bredt in Kommission.
1895.
beträgt im Buchhandel und bei der l’ost jährlich 10 Mark.
Alle Rechte Vorbehalten. *
Das niiclistc Heft erscheint im September. - ,
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Inhalt
des fünften und sechsten Heftes 189 5.
Abhandlungen. s-a*
Ludwig Keller, Comenius und die Akademien der Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts. Dritter Teil (Schluss) 133
Bernhard Baehring, Zur Erinnerung an Moriz Carriere 185
Nachrichten.
In Hachen der UniTeraal-UniTeraitflt do» Grauen Kurfürsten. — Die Bedeutung ron
Zünften und Gilden für die Entwicklung des religiösen Lebens in früheren Jahrhunderten. —
Der Johanniterorden und die Akademie des Palmbaums. — Widerwille der Mitglieder des Palm-
baums gegen den Namen M Calrinisten“. — Comenius und die confessionelle Polemik des
17. Jahrhunderts. — Vorlesungen OI»er die Geschichte der böhmischen Brüder. — Die Stiftung
einer ,, tugendlichen Gesellschaf l“ im Jahre 1619. — Zur Charakteristik der sog. Sprach-
gesellschaften des 17. Jahrhunderts 193
Die Monatshefte der C.G. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt Vorbehalten. Der Ge-
samtumfang betrügt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
Zahlung der letzteren bis zum 1. Juli nicht erfolgt ist, ist die Geschäfts teile
zur Erhebung durch Postauftrag unter Zuschlag von 60 Pf. Postgebühren
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und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster i. W.
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Für die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr. Keller in Münster i. W.
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Monatshefte
der
Comenius-Gesellschaft.
IV. Band. 1895. Heft. 5 u. (i
Comenius und die Akademien der Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts.
Von
. Ludwig Keller.
Dritter Teil.
Die Societät der „Alelmuisten“ zu Nürnberg, deren Mitglied,
wie wir sahen, «eit 1667 Gotfried Wilhelm Lcibniz war, und
deren Angehörige später zum Teil Mitglieder der „Königlichen
Societät der Wissenschaften zu Berlin“ wurden, ist keineswegs
die älteste dieser Gesellschaften von Naturphilosophen, die wir in
Deutschland nachweisen können. Schon vierzig Jahre früher als
diese tritt uns eine andere gleichartige Gesellschaft entgegen, deren
Begründer der F reund des Loibniz und Comenius Joachim
Juugius gewesen ist. Joachim Jungius (geboren 1587 zu Lübeck)
war nebst Christoph Helwig (1581 — 1017), dem Schwiegervater
des nachmals durch seine verwandten Anschauungen bekannt ge-
wordenen Balthasar Schuppius '), im Jahre 1612 zu Frankfurt a. M.
Mitarbeiter des Wolfgang Batichius au dessen „Lchrkunst“ ge-
wesen, hatte sich aber dann mit letzterem Überwerfen, unter anderm
deshalb, weil er und Ilelwig die Stiftung eines „Collegiums“ zur
Beförderung der Sache forderten, Ratichius aber dies ablehnte.*)
') Viele Nachrichten und Briefe, die des Schuppius Beziehungen zu
den Kreisen der Naturpbiloeophcn darthun, ». bei Reifferscheid, Quellen
u. s. w. 1889 (Register s. v.).
*) S. den Brief des Meyderlin an Dr. Verbeziu» zu Ulm vom 20. Juni
1015 bei Gid. Vogt, Ratichius, Rrogr. d. Gvinn. zu Kassel. 1870. S. 33.
— Dies«; Angabe stimmt mit der Darstellung des Helwig überein, wonach die
Ursache de» Streites darin lag, das» Ratichius »eine anfängliche Zusage, das
Werk „mit gesamten Hat, Meinung, Wi»»en und Bewilligung* zu treiben,
nicht cingchaltcu butte, sondern allein vorgegangen war.
Munatsbefte Jur t,'ometiiuB-fic»**ll»ehaft. 1895.
io
134
Keller,
Heft 5 u. 6.
Der Plan einer Gesellschaft, wie sie Jungius etwa acht Jahre
sjtiiter ins Leben rief, schwebte ihm also schon damals vor und
es ist interessant, dass die Societät vor der Öffentlichkeit in
diesem Falle nicht die Pflege der Muttersprache noch der Natur-
wissenschaften, sondern die Förderung der Erziehungslehre sich
als Ziel setzen wollte.
Im Jahre 1618 studierte und promovierte Jungius in Padua,
an jener Hochschule der Republik Venedig, wo damals die natur-
wissenschaftlichen und medizinischen Studien in hoher Blüte
standen, wo viele Griechen studierten — Creta war im Besitze
Venedigs — und wo Einflüsse des Griechentums und der plato-
nischen Philosophie seit alten Zeiten stark hervorgetreten waren >).
Nach Deutschland zurückgekehrt (Sommer 1619) hielt er sich
in Rostock auf und verlebte hier einige Jahre in unabhängiger Müsse.
Gerade in Rostock lebten und wirkten manche Freunde und
Gesinnungsgenossen Valentin Andreaes, z. B. Stephan Stein, dem
ersterer seine Schrift Turris Babel gewidmet hatte, und ein um
seines Glaubens willen vertriebener Italiener, Angelo Sala, der später
der Akademie des Palmbaums unter dem Namen der „Lindernde“
angehörte. Hier stiftete Jungius nach dem Vorbild der italie-
nischen Akademien — er war zweifellos in Padua ebenso Mitglied
einer solchen geworden wie so viele andere deutsche Studierende
— eine philosophische Gesellschaft und zwar unabhängig von der
Universität, eine freie Vereinigung, die er Societas Ereunetica
oder Zetetica oder auch Collegium philosophicum nannte.
Mitbegründer waren Paul Tarnovius und Adolf Tassius.
In den Gesetzen der Societät, die späterhin bekannt ge-
worden sind, heisst es ausdrücklich, dass sie „denjenigen, welche
ausserhalb stehen, nicht leichtsinnig bekannt gegeben werden
sollen“, und es ist zweifelhaft, ob das Aktenstück, das wir heute
kennen, ulles enthält. *)
') I)ic zahlreichen Beziehungen, in denen sehr viele Naturphiloeophen
z« den Griechen standen, verdienen eine besondere Untersuchung; es wird
sich zeigen, dass das keineswegs ein zufälliges Zusammentreffen war.
*) Es ist ein Entwurf eines Rundschreibens zur Beitritts-Aufforderung
(Guhraucr, Jungius. 1850. S. 70) erhalten, der nach Inhalt und Form sehr
starken Ii< -denken der Echtheit unterliegt; durch Circulare pflegte für die
Akademien nicht gewirkt zu werden; das Schreiben «eiltet giebt sich ja auch
nur als Entwurf, für den die Societät nicht verantwortlich ist.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 135
Die erste Satzung stellt als Zweck „die Erforschung der
Wahrheit aus der Vernunft und Erfahrung“ hin oder das Streben
„alle Künste und Wissenschaften von der Sopliistik zu befreien“;
die Wahrheit soll nach der besten Methode, die die proto-
n o c t i s c h c ist — daher die Societiit auch Societas protonoctica
heisst — erforscht werden. Jede wissenschaftliche Arbeit gilt
als Beitrag zu den Arbeiten der Gesellschaft, an der alle teil
nehmen. Was in der Gesellschaft vorgebracht worden ist, dürfen
die andern, sofern es nicht in „das Verzeichnis des zu Ver-
schweigenden“ eingetragen worden ist, bekannt machen.
Wir kennen einige Mitglieder der Gesellschaft, deren Liste
bisher nicht bekannt geworden ist, aus dem vertraulichen Brief-
wechsel des Jungius und wissen, dass z. B. Georg Bussius,
Leibarzt des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein (des Mit-
glieds des Palrabaums) „ akroamatisches Mitglied“ (collega acroa-
maticus) — es gab also auch andere Mitglieder — gewesen ist.
Auch hier waren die Hansastädtc, besonders Lübeck, stark ver-
treten, z. B. durch Leonhard Elver, Johann Engelbrecht
und Sebastian Meier, ferner waren Mitglieder Johannes Klein
aus Rostock, Jodocus Stalius, Arzt am Hofe zu Wolfenbüttel
u. 8. w. Auch Stephan Hein wurde Mitglied und ebenso Simon
Pauli aus Rostock (geb. 1603) *).
Aus den Schriften des Jungius erhellt, dass er ebenso wie
die Mitglieder der sog. Alehymisten-Societüt zu Nürnberg nähere
freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern , Werkleuten und
Handwerkern unterhielt; er liess sich von ihnen über natur-
wissenschaftliche Fragen, die deren Erfahrung näher lagen, be-
lehren und versäumte dann nicht, seine Quelle anzugeben.*)
Den Freundeskreis des Jungius lernen wir aus einem Brief
des Joh. Pömer an den Stifter des Collegium crcuncticura von
1639 kennen. Pöiner, der aus der alten gleichnamigen Nürnberger
Patrizier- Familie stammt, hielt sich damals in diplomatischen
Geschäften seiner Vaterstadt in Danzig auf. Von hier aus schreibt
er u. a.: „unser D. Hein ist noch in Dorpat, aber W'ie leicht zu
achten in solcher Condition, dass er sie wohl um eine bessere
') Ouhraucr, Jungius. S. 238.
*) Ouhrauer, Jungius etc. S. 303. So liest man bei manchen
Artikeln über Mineralien: „Kx relatione Zaehariue, alchcmistac Lubeeensis;
ex mauuscripto illuminatoris; relutio urtifieis elc.
10 *
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136
Keller,
Heft 5 u. 6.
vertauschen würde“; er bitte um Nachricht, fährt er fort, über
„unsem David Riccius“. „Unser Herr Hartlieb in England
werde sich freuen, wenn «Tungius oder Tassius ihm einmal schreibe;
auch Herr Wolzogcn 1 ) wundere sich, dass er von Tassius auf
seinen Brief bisher ohne Antwort geblieben sei s ). Auch mit Daniel
Wülfer, den wir bereits als Leiter der Nürnberger „Alchymisten-
Societiit“ kennen, stand Jungius in vertraulichem Briefwechsel. 3 )
Wir wissen, dass die Freunde in der Begeisterung für
Valentin Andreaes Schriften sich zusammen fanden und dass ihre
Ansichten über die nach ihrer Überzeugung notwendige Reform
der wissenschaftlichen Methode auf Baco beruhten.
Lcibniz hegte in späteren Lebensjahren den Plan, eine
Sammlung ungedruckter Schriften des Galilei, Cnmpanella, Pascal
und Jungius herauszugeben und in der Begründung spricht er
das merkwürdige Urteil aus, dass er den Joachim Jungius
keinem dieser Männer nuehsetze 4 ). Dieses Urteil ist dann
später durch keinen geringeren als Goethe bestätigt worden 5 ).
') In den Opera Leibnitii V, 352 findet sich folgende Stelle: Invectu»
est (Labadie) in librum Collegae sui (saltom consodalis) Lud. Wolzogenii
elegantem adinodum et eruditum. (Aub einem Briefe vom 7. April 1071.)
Man beachte, was wir über den Ausdruck Collega wissen.
*) Der Brief ist vollständig abgedruckt bei A v<5- Lai lern an t , Brief-
wechsel de« Jungius, Lübeck 1803 S. 210 ff.
“) Wir lernen aus den Jungius’schen Disputationen einige Namen
seiner Schüler kennen, die hier eine Stelle finden mögen, da sie zum Teil
in der späteren Entwicklung der Soeiotäten eine Rolle spielen; es werden
genannt: Barth. Bevor aus Hamburg, Woldek Weland au« Verden, Joh.
Thomaeus, Jak. Schertling, Joachim Hagmeier, Roinh. Ulomius, Job. Seide-
ner, Jak. Haasius, sämtlich aus Hamburg, Heinrich Wegborst aus Holstein,
Christ. Schelhaiumer aus Hamburg, Christ. Schwarz, Nie. Ropers, Erich
Woerdenhoff, Vinc. Garmors aus Hamburg, Joh. Hokius, Friodr. Plocnniss,
Beruh. Varenius aus Uelzen, Cusp. Westermann, Martin Vogel nus Ham-
burg. Guhraucr, Jungius S. 312 u. S. 315 ff. — Ferner werden als Schüler
genannt Benedikt Bahr aus Eutin, Joh. Blomius, Christ. Bunckcn, Rud.
Capellen aus Hamburg, Casp. Danck werth, Esdrus Edzardus aus Ostfries-
land, Daniel Fischer aus Lübeck, Joh. Garnier», Mari). Gudius aus Rends-
burg, Pet. Lambeciu« aus Hamburg, Erich Mauritius, Marc. Meibom, Vinc.
Plaecius, Job. l’oltzius, Joachim Rachel, .1. G. Schottelius, Joh. Vagetius,
Joh. Vorstius aus Wesselbureu.
‘) Gubrauer, J. Jungius und sein Zeitalter. 1850. S. 141.
6 ) S. Leben und Verdienste des Doetor J. Jungius, Rektor zu Ham-
burg, von Goethe. Aus Goethes nachgelassenen Papieren abgedruckt bei
Gubrauer a. O., S. 183 ff.
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1895. Comeniua und die Akademien der Natuqihilosophen cte. 137
Wenn man nicht wüsste, wie ungerecht das Andenken vieler
dieser Männer bewusst oder unbewusst zuriickgedrängt worden
ist, müsste man sich wundern, dass trotz solcher Urteile das
heutige Geschlecht nicht einmal den Namen dieses geistvollen
und verdienten Mannes kennt, den seine Biographen nicht un-
zutreffend den deutschen Baco genannt haben 1 ).
Da das „Collegium“, das Jungius gestiftet hatte — wir haben
bereits früher gesehen, welchen Wert er für die Fortpflanzung
seiner Ideen auf das Vorhandensein einer Organisation legte, die
deren Träger sein sollte — sieh gegenüber Aussenstehenden
abschloss, so ist es ganz natürlich, dass wir über seine Verfas-
sung, seine Formen und Symbole nicht viel erfahren. Um das
Jahr 1620, wo diese Gesellschaft entstand, war die volle Geheim-
haltung aller Bräuche und Mitgliederlisten eine in den Zeitver-
hältnissen liegende Notwendigkeit Selbst die Akademie des
Palmbaums hat, wie wir sahen, erst nach dem Abschluss des
Westfälischen Friedens den Schleier, unter dem sie sich früher
verbarg, gelüftet, wie denn überhaupt alle Nachrichten, die von
Mitgliedern der Gesellschaften selbst stammen, erst seit etwa
1648 auftauchen, wo eine grössere Bewegungsfreiheit auch für
diese Bestrebungen gesichert war.
Der heftige Gegensatz, in welchem die damals herrschenden
Richtungen zu den Naturphilosophen standen, ist ja bekannt genug
und kommt in der gleichzeitigen Litteratur des 17. Jahrhunderts
in zahlreichen Ausbrüchen des Hasses wider die „Alchymisten“
zum deutlichen Ausdruck. Auffallend ist aber, dass diese Schriften
’) Ix'ibniz schreibt über Jungius, Opp. omnia Tom VI (Gencvae 1768):
Dcderat ipee auctor Jungius mihi proxime ante obitum suum aliquod Phono-
ramicae rudimentum pro collegio, quod quondam hahuerat, ex schedulis
suis conceptum, elimandumque postmodum, ul, quid place rot, indicarem . . . .
Placcbat mihi tune illud .... Sed illum non diu post viribus tum corporis
tum animi deficientcm occupabat mors, non sine desiderio et luetu
omnium solide eruditorum Weitere Äusserungen des Leibniz
über Jungius finden sich an vielen Stellen der Opera. I^ibniz nennt ihn
in Briefen an Freunde „unsern Jungius“; in einem Brief vom Januar 1671
nennt er ihn den „grossen Jungius“ (Magnus J.). Opp. V, 540. Leibniz
war durch den Baron von Boineburg zuerst mit Jungius’ Schriften bekannt
geworden.
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138
Keller,
Heft 5 u. 6.
der Gegner von den Organisationen derselben, ihren Formen und
ihren Mitgliedern durchschnittlich eine sehr geringe Kenntnis be-
sitzen und daher für uns eigentliche Quellen kaum sein können.
Hiervon macht, soviel ich sehe, nur eine einzige Schrift eine
Ausnahme, die aber erst im 18. Jahrhundert durch den Druck
bekannt geworden ist, nämlich des L. C. Orvius Occulta philoso-
phia, deren im Jahre 1635 geschriebene Vorrede eine genauere
Kenntnis verrät.
Im Jahre 1737 erschien „Gedruckt in der Insul der Zu-
friedenheit“ aus einem „sehr alten und raren Manuscript den Lieb-
habern der edlen Chimic . . zu Nutz herausgegeben von L. H. J.
V. H. J. D. des Ludovici Conradi Orvii Occulta Philosophia“ ')
nebst „einer sehr curiösen Nachricht von dem Leben des Auctoris
und einer Bande Adeptorum“. Die „curiöse Nachricht“ ist in der
That in mehrfacher Beziehung von besonderem Interesse. Sie ist
im Namen der „rechten Artisten“ geschrieben und wendet sich sehr
nachdrücklich gegen die Gesellschaften der „Philosophi“, die von
sich behaupteten, im Besitz der „rechten Kunst“ zu sein. Der
Verfasser — der Name Orvius scheint ein Pseudonym zu sein —
erklärt, diese Dinge niedergeschrieben zu haben, damit die Nach-
folger „sich vor dieser Sekte hüten, bei Lust ihrer Seelen Selig-
keit Denn was hilft« den Menschen, wenn er die ganze Welt
gewänne und litte doch Schaden an seiner Seele. Die Teufel in
Gestalt der Engel im Licht (nämlich die Adepten) beneiden den
Annen und Elenden, wenn er etwas findet und wenn es in ihrem
Vermögen stände, sie comunpirten die gantzc Natur“ u. s. w.
Er behauptet, diese Gesellschaften der „Philosophi“, die
unter „zweideutigen Bildern und Figuren“ die „Erkenntnis« der
l ) Der vollständige Titel — ich benutze da« Exemplar der Hofbib-
liothek zu Darmstadt — lautet: Ludovici Conradi Orvii Occulta Philosophia
oder Ooclum Supientuin et Vcxatio stultorum, Darinnen ordentlich, deutlich
und gründlich als noch von keinem geschehen, gezeiget wird, wie man zu
dem acidösisehen solventen und wahren hermetischen Wissenschaft gelangen
soll. Wobey zugleich eine sehr curiösc Nachricht von dem Leben des
Auctoris und einer Bnndc Adeptorum befindlich ist. Iezo zum erstenmahl
aus einem sehr alten und raren Manuscript den Liebhabern der edlen Chimie
und nicht den einfältigen Spöttern zu Nutz herausgegeben. Von L. H. J.
V. H. J. D. Gedruckt, in der Insul der Zufriedenheit 1737. 80 S. kl. 8*.
Nach J. F. Gmclins, Gcseh. der Chemie II, 331 ist unter Orvius Ludwig
Konrad von Berg zu verstehen.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 139
Materie“ ') lehren und den Hochmut dieser „Pharisäer“ genau zu
kennen, denn er sei selbst „oft in ihren Versammlungen ge-
wesen und habe die Ehre gehabt solchen beizuwohnen“.
Er sei aber „um eine geringe und liederliche Ursache, die sie Selb-
sten als was gemeines unter sich ausüben, von ihnen in den Bann
gethan worden ... welches geschehen in der Hass 8 ) Anno
16 2 2“. „Hie Ursache war diese: ich war in Amsterdam auf
meiner Schwester Hochzeit, wo ich lauter gute Freunde antraf
und war unter andern auch ein eintziger solcher vermeinter guter
Freund (ein Mitglied der Gesellschaft) dabei; wie es pfleget zu
gehen, dass, wenn ich soviel als ein halbes Seidel Wein trunk,
ich trunken war . . .“ In dieser Trunkenheit habe er einiges aus-
geplaudert, und jener Freund habe ihn dann bei der Gesellschaft
verklagt, dass er das Mysterium verachtet und die geheimsten
Sachen entdeckt habe. „Ich bekam eine Citation, in die öffent-
liche 11 ) Versammlung zu kommen zu diesen grossen Pharisäern,
wo sie mir mein Verbrechen mit hohen Worten als ein Crimen
lacsae Majestatis auslegten .... ich wurde ohne alle Gnaden in
Bann gethan und aus ihrer vermeinten Gesellschaft gestossen“.
„Also siehet ja der Freund, wie es mir bei solchen Heil: Philo-
sophen ergangen.“ . . .
Das war aber nicht die einzige trübe Erfahrung, die Orvius
mit den „Philosophen“ gemacht hatte; schon einmal, natürlich vor
seiner Ausstossung, hatte er einen schweren Streit mit ihnen ge-
habt. Er hatte nämlich einen Weg gefunden, angeblich durch ein
Büchlein, um sich Kenntnisse zu verschaffen, die ihm bisher von
den „Philosophen“ vorenthalten worden waren und sich zugleich
bei einem derselben beklagt, dass er „auf ihre Art um all das
Seinige gekommen sei“, d. h. dass er auf Grund der von jenen
ihm gegebenen Ratschläge sein Vermögen in Experimenten ver-
') Die „Erkenntnis» der Materie“ oder der „wahren Materie“ spielt
im Sprachgebrauch der Akademien eine grosse Rolle; merkwürdigerweise be-
raten auch die Mitglieder des I’almbaums in ihren Versammlungen gelegent-
lich über das Wort „Malerie“.
’) So steht in dem Druck; es ist offenbar ein Irrtum, sei es des Ab-
schreibers, sei es des Setzer«, und es hat vielleicht gestanden „Jahr des
Heils“.
3 ) Die deutsche Ausgabe ist zweifellos eine Übersetzung, die sehr
mangelhaft ist; hier heisst es offenbar nicht „öffentliche“, sondern etwa
ordentliche Versammlung.
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1-10 Keller, Heft 5 U. 6.
braucht habe, ohne etwas zu erreichen. Darüber wurden, so erzählt
er, diese „Magi“ grimmig, Hessen ihn vorfordern und ward von
dem Vornehmsten und Höchsten, welcher dasitzet in priesterlichem
Schmuck also angeredet: „Weil Ihr unsere Liebe, die wir so lange
zu Euch getragen und dieses ketzerische Huch zu missbrauchen
Euch unterstanden habt, da wir doch allezeit grosses Mitleiden
mit Euch gehabt ; dass wir nicht sogleich unsere Mysterien haben
eröffnen können, könnt Ihr uns nicht verdenken, weil wir, wie
sie alle, die hier zugegen sein, bekennen müssen, dass solche
Probierjahre uns alle betroffen, welche wir in Geduld aus-
gehalten 1 ): weil Ihr aber solche grosse Liebe gcmissbraucht habt,
sollt Ihr gegenwärtige Punkte abschwören“ u. s. w.
Er habe dann auch gelobt, „ihre Freundschaft, Bekannt-
schaft, Namen, Nester, wo diese güldische Vögel ihren Wohnplatz
haben, was ich bei ihnen gesehen und gehört“ nicht zu verraten.
Darauf sei er von dem Ort aus, wo dies vorgefallen (es ist
offenbar Amsterdam gemeint) beinah 46 Meilen Wegs zu Fuss in
seine Heimat gegangen. Obwohl er durch viele Örter gekommen,
wo solche „Philosophi“ gewohnt, habe er doch keinen mehr um
eine „Rittcrzehrung“ dürfen nnspreehen.
In Mons habe ihm ein Apotheker den Theophrastus
Paracelsus*) und „Abraham den Juden“ zum Abschreiben ge-
geben.
Nach allen diesen Erfahrungen „will ich dich gewarnt haben,
mfissig zu gehen aller hochtrabenden Philos:, wie auch ihrer
Schriften , so sie in Druck gehen lassen, absonderlich ihrer Chi-
mischen Hochzeit,®) wollte sagen Narrheit, und aller dergleichen
Bücher.“
Nun habe er zwar geschworen, nichts zu entdecken, aber
weil diese unbarmherzigen und lieblosen Menschen ihn also ver-
lassen, wolle er die Geheimnisse verraten. Und nun folgen die
Enthüllungen, die mis hier besonders interessieren.
„So soll der Artistc wissen und sie daran erkennen, ihre
*) Orvius batte die Probejahre also nicht in Geduld ausgehalten.
’) Die Vorliebe für Paracelsus kehrt, bei den Naturphilosophen
überall wieder; auch Andreae huldigte der Weltansicht des Paracelsus
(s. Zöckler, Theologie und Naturwiss. I, 5(12).
*) Es ist das Huch: Chymischc Hochzeit: Christiani Rosencrcutz.
Anno 1459 u. s. w. Strassburg 1016 (u. später öfter) gemeint.
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1895. ComeniuB und die Akademien der Naturphilosophen etc. 141
Personen und die Plätze ihres Aufenthalts. Im Haag haben sie
einen Pallast, wo sie zu gewissen Zeiten Zusammenkommen. In
Amsterdam, in Nürnberg, in Hamburg, in Danzig, Mantua,
Venedig, Erfurt (kommen sie zusammen), wie es ihrem Vorge-
setzten beliebet und wo er am nächsten sein Haus und Hof hat.
Es sind sowohl Hohe als Niedrige unter ihnen. Wenn sie reisen,
gehen sic in sehr schlechter (schlichter) Kleidung einher, führen
aber alle zum Zeichen öffentlich eine schwarze Schnur von Seiden
an ihren Röcken im obersten Knopfloch, welche sie bekommen,
nachdem ihnen, wie sie sagen und nennen, etliche Extases sind
offenbaret worden, ') bei Leistung des Juraments und Verfluchung
verschwiegen zu sein und lieber an einem solchen seidenen Stricke
sich lassen erwürgen, als Gott und ihrem Nächsten zu dienen und
solchem was zu offenbaren. Sie geben vor, diese seidene Schnur
käme her von einem ihres Ortlens Stifter, welcher soll Christian
Rose geheissen haben, von welchem sie noch vieles dergleichen
aufweisen, er soll solchen (nämlich den Strick) als einen Schurz
um die Lenden getragen haben. Dieses halten sie hoch. Es
ist aber falsch, dass der Christian Rose soll einer von ihren
Ordcnsstiftem gewesen sein, denn vcnnuthlich haben sie ihren
Anfang von dem Ritterorden der Johanniter. Wo dieser
aber die Kunst bekommen, glaube von denen Altvätern. So haben
auch solche die Creutz-Ritter gehabt.
Das andere Signum, woran man solche öffentlich erkennen
kann, ist dieses, sic sind alle, wenn solche in eine Versammlung
gehen, mit einem blauen Ordensbande, an welchem ein gül-
denes Creutz mit einer Rose hanget, gezieret. Dieses tragen sie
um den Hals und unter dem Rocke, wo man nicht viel von solchem
zu Gesichte bekommt, als das güldene Creutz, so sie zum Theil
auf der linken Seiten anshängen. Sie gehen auf den Strassen sehr
andächtig und devot, leben dabei sehr abgeschieden.“
Die ganze Schrift — auch die hier mitgeteilten Proben
lassen es erkennen — liefert den deutlichen Beweis, dass der
Verfasser ein Mensch von grosser geistiger Beschränktheit, Ur-
teilslosigkeit, Argwohn und Aberglauben gewesen ist. Er verrät
') Also bcsassen nicht alle diese Schnur und der Verfasser, der wäh-
rend der „Probierjahre“ nusgostossen war, hat sie offenbar weder besessen,
noch ihren Sinn gekannt.
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Keller,
Heft 5 u. 6.
bei der Wiedergabe seiner Gedanken, im Stil wie in der Satz-
bildung einen sehr grossen Mangel an Bildung, ganz abgesehen
davon, dass er sieh unbeabsichtigt in seinem Charakter blossstellt.
Da er offenbar alles geglaubt hat, was ihm andere, die nicht
wie er während der „Probierzeit“ ausgestossen waren, weiss ge-
macht haben (dahin gehören einige gänzlich missverstandene Be-
merkungen über Kennzeichen der „Philosophi“), so sind alle seine
Angaben natürlich mit Misstrauen aufzunehmen. Stimmen aber
die Nachrichten, die er giebt, mit Mitteilungen, die wir aus reineren
Quellen besitzen, überein, so verdienen sie gerade im Hinblick
auf die Beschränktheit des Verfassers, die jeden beabsichtig-
ten Betrug ausschliesst, alle Beachtung; auch finden sich
einige Einzelheiten in seinen Angaben, die nicht erfunden sein
können und andere, bei denen zwar die Zuthaten falsch, aber der
Kern unzweifelhaft richtig ist.
Besonders merkwürdig ist, aus Gründen die hier nur ange-
deutet, nicht entwickelt werden können 1 ), der Hinweis auf die
Zusammenhänge der „Philosophen“ mit den Johannitern
und dem Deutschen Orden. Wir wollen hier weniger Gewicht
darauf legen, dass auch Johanuiter-Ritter Mitglieder der Akademien
waren, aber auffallend sind die Anklänge in der Symbolik, die sich
in beiden Orden finden. Das sechsspitzige weisse Kreuz, das die
Johanniter auf der Brust trugen, kehrt in den Bildern und Zeichen
der Societäten vielfach wieder, 2 ) und das rosenfarbene Kreuz, das
die Johanniter-Fahnen zierte, ist es nicht merkwürdig verwandt
mit dem Ordenskleinod, das einige dieser Akademien unzweifel-
haft getragen haben?
Es sind im Übrigen genau die Formen, Gebräuche, Zeichen
und die Verfassung der „Akademien“, die von Orvius als Kenn-
zeichen der „Philosophen“ beschrieben werden; kein einziger ab-
weichender und selbst kaum ein neuer Zug — denn auch das
') lllter die Zusammenhänge der Deutwhherm und der Johanniter
mit Waldensern , Beghnrden und sonstigen ansserkirehlichen Christen siehe
Ludw. Keller, Johann v. , Staupitz, Leipzig 1888, 8. 377 ff.
f ) Man vcrgl. die oben erwähnte Schrift „Deutscher Zimber-Swan“ etc.
8. 121 ; hier liegt auf dem Kreuz ein Adler. Das Wappen der Johanniter
lag auf rotem Felde, darüber eine Krone ; daraus ging ein Rosenkranz hervor
und legte sieh um den Schild. Also erscheinen auch hier das Kreuz und
die Rose.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 143
Schurzfell findet sieh in italienischen Akademien 1 ) — tritt uns
entgegen. Die Geheimhaltung, die Handhabung strenger Diseiplin,
die Probejahre, die Versammlungen, die Hinneigung zu Paracelsus
und zu Valentin Andreae, das blaue Ordensband, das um den
Hals getragen wird, die Namen „Kunst“ und „Artist“ (Kunst-
liebender), 2 ) das Kleinod u. s. w. — es sind dieselben Ordnungen,
die wir bereits kennen.
Wichtig ist aber die Nachricht, dass es um das Jahr 1020
solche Gesellschaften bereits im Haag, in Amsterdam, in Nürn-
berg, Hamburg, Danzig, Erfurt, Mantua und Venedig gab; der
Umstand, dass sie im Haag einen „Palast“ besassen, deutet klar
darauf hin, dass diese Gesellschaften nicht heute oder gestern
entstanden waren, sondern bereits eine längere Geschichte besassen.
Die Thatsache, dass diese Naturphilosophen die Schriften
Andreaes schätzten , beweist mit nichten, dass dessen Konfession
der Soeietiit der Rosenkreuzer (lf>13) oder die Fama Fratemitatis
(1(514) oder auch die Chemische Hochzeit Christian Rosenkreutz
(1616) den Anlass zur Stiftung jener Gesellschaften gegeben
hätten; sicher ist nur, was wir auch ohnedies wissen, dass Valentin
Andreae den Naturphilosophen nahestand und manche Ordnungen
der Akademien kannte — Andreae war lange in Oberitalien — ,
die ja in den romanischen Ländern schon im 16. Jahrhundert und
früher in grösserer Zahl bestanden. Dass die Vorschläge und
Anregungen der erwähnten Flugschriften lediglich ein«* Mummerei
waren, deren Zweck heute schwer genau festzustellen ist, sollte
') 8. Vasari, Leben berühmter Künstler etc. in der Lebensbeschrei-
bung des Joh. Fr. Rustici (Deutsche Ausg. v. Förster 1847 V, 8. 77 ff). —
Die Anspielung auf die Tkiitigkeit des Bauens, die in diesem Zeichen liegt,
tritt auch in der Litteratur, die aus diesen Kreisen stammt, nicht selten
hervor. M. Stephan Orunius schreibt, in seiner Schrift Propugnaculutn
Vormatiae: Die veste Burg der Stadt Wormbs, auf den Eckstein Jesum
Christum gegründet etc. (Hi20), »eine Absicht »ei. eine „geistliche Burg
und Festung aufzurichten“ nach der Richtschnur von Psalm 19, denn
Bischöfe und Lehrer seien nach Psalm 118 dazu berufen „geistliche Bau-
leute zu sein“ etc. In den Schriften de» Nollius wird die«? „geistliche
Burg“ auch die „Burg der Weisheit“ genannt', es ist ein anderer Ausdruck
für den „Temi>el der Weisheit“, das „Haus Salomonis“ u. s. w.
9 Comenius nennt in seinem „Weckruf“ dasjenige, was hier die
„Kunst“ heisst, den „Weg des Lichtes“ (Via lueis) oder auch den „König-
lichen Weg“.
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144
Koller,
Heft 5 II. 6.
doch allen denen nicht mehr zweifelhaft sein, die die Geschichte
des Bundes einigcmiassen kennen. Hier wie sonst kann die Ab-
sicht mituntergelaufeu sein, diejenigen irre zu leiten, die den
Gesellschaften als Feinde gegeniiberstanden und den Freunden
einige heilsame Lehren und Warnungen zu geben und zugleich
eine öffentliche Erörterung herbeizuführen, von der man sich
Nutzen versprach. ')
Wie dem aber auch sei, so gab das Erscheinen jener Schriften,
die bekanntlich ungeheueres Aufsehen machten, zum Aufkommen
eines neuen Namens für die Naturphilosophen Veranlassung, der
bald den gehässigen Beigeschmack eines Sekten na mens annahm
und in der Art, wie er gebraucht ward, mehr dazu diente, die
wahre Geschichte der Soeietäton zu verdunkeln, als sie aufzu-
hellen. Die SocietÄten , deren keine sich „Rosenkreuzer“ nannte,
wiesen diese Bezeichnung und die ihr anhaftenden Merkmale
alchimistischer Schwärmerei und theosophiseher Mystik ent-
schieden zurück und suchte den gleichzeitig aufkommenden Ver-
dacht ketzerischer Anschauungen von sich abzulenken. So hat
dieser Name ebenso wie alle Sektennamen ähnlicher Art — ich
erinnere an den Sektennamen „Wiedertäufer“, den ebenfalls nie
eine Gemeinschaft von sich selbst gebraucht hat — zur Ver-
bitterung der Gemüter und zur Verdunkelung der geschichtlichen
Thatsachen sehr wesentlich beigetragen.
Wir würden in die Zusammenhänge einen klareren Einblick
gewinnen, wenn in der Schmähschrift des Orvius auch einige
Namen von Mitgliedern genannt worden wären; aber genule in
dieser Beziehung hat der Verfasser das von ihm abgelegte Ver-
sprechen der Verschwiegenheit gehalten.
Bei den Schwierigkeiten, die der Gründung jeder neuen Aka-
demie im Wege standen, gelang es in der Regel nur wirklich hervor-
ragenden Männern, eine Schöpfung von längerer Dauer zu stände
') In der „Fama fratemitatis dos löblichen Ordens R. C.“ (1614) heisst
es von einigen Schriften des Paracelsus, dass ihnen die Allsicht zu Grunde
liege, „mehr der Fürwitzigen zu spotten, als sie ganz sehen zu
lassen“. Es kann kein Zweifel sein, dass dem Verfasser der „Fama“ die
gleiche Absicht vorschwebte. Dass die Schrift ans den Kreisen der „Akade-
mien“ stammt und deren Zwecken dienen sollte, ist freilich ebenso sicher.
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1895. Comenins und die Akademien der Naturphilosophen etc. 145
zu bringen, und es darf nicht Wunder nehmen, dass vielfache
Nachrichten über Versuche zu Neugründungen auftauchen, die
schliesslich ohne Erfolg blieben. Bei dem Bedürfnis, eine gewisse
Gleichartigkeit der Akademien herzustellen, war es sehr wichtig,
dass in den oben erwähnten Schriften Valentin Andreaes gewisse
Grundzüge der Verfassung wie der Ziele für die Eingeweihten
festgelegt und gegeben waren. An der Hand dieser Winke konnte
dann in vielen Städten und Ländern der Versuch einer Neugrün-
dimg auch von minder hervorragenden Brüdern gewagt werden
und die Geschichte zweier zeitgenössischer Gelehrten H. Nollius
und J. Moersius liefert lehrreiche Beispiele in dieser Richtung.
Heinrich Nollius 1 ) war zu Ziegenhain um 1590 geboren,
besuchte die Universität Marburg (1009) und war im Jahre 1616
Lehrer am Gymnasium zu Burgsteinfurt Von hier entlassen, ging
er nach Giessen, wo er Freunde und Gesinnungsgenossen fand.
Unter dem 12. Februar 1623 crliess Landgraf Ludwig V. von
Hcssen-Darmstadt eine Verordnung, durch welche die Verhaftung
der Dr. Nollius und Mag. Homagius befohlen ward, weil sie nebst
dem Univ.- Buchdrucker Chcmlius, dem Univ.- Buchbinder u. a.
heimlich und bei Nacht Versammlungen gehalten hätten,*) und weil
sie Schwärmer seien, die der augsburgischen Konfession gefähr-
lich werden könnten. Als Verdächtige und Genossen des Nollius
') Nollius ist deshalb beachtenswert, weil er sich in seinen zahlreichen
Schriften offener und unumwundener ausspricht, als viele seiner vorsich-
tigeren Gesinnungsgenossen. Die genauesten Nachrichten über ihn und seine
Schriften giebt Hoehhuth in Nicdners 7,ts. f. d. hist. Theol. 1HU3 S. 192 ff.
Nollius erklärt , drei Wege seien es, welche die Menschen zum Quell der
göttlichen Weisheit führen, sieben Wege , die ihn das Innere der Natur er-
kennen lassen. Nicht die Scholastiker seien die rechten Wegweiser, in der
h. Schrift liege der höchste Schatz der Weisheit verborgen. Paracelsus
habe in der Philosophie mehr geleistet, als der ganze Schwann der Aristotc-
liker. Drei Mittel der Erkenntnis giebt es: 1. die h. Schrift, 2. die Welt
(der Makrokosmus), 3. das Menschenherz (der Mikrokosmus), d. h. das innere
Licht, das aber nur dann erleuchtet, wenn Gelassenheit und Gottesfurcht
im Herzeu wohnen.
7 ) Moersius an Jungius 1B43 Aug. 2b (Guhrauer, J. Jungius 1850
S. 234): Nollius beatae recordalionis fraternitatem aliquant ad restitutionein
Henueticae medicinac ac philosophiac eub nomine l'rateniitat is Kotae cae-
lestis erigere moliebatur, cujus leges upud me sunt, quas puto Kxcell. Tuain
et Optimum Du. Tussium nostrum vidisse, seil inorte prueveutus, operi eolo-
phoncui imponerc non valuit.
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14(5
Keller,
Heft 5 u. 6.
werden Dr. S. Stephani, Dr. Nebelkrae, Professoren der Rechte,
n. a. bezeichnet. Es folgte eine langwierige Inquisition wegen
Ketzerei, die für alle Beteiligten viel Unangenehmes mit sich
brachte, deren Ausgaug wir nicht kennen. *)
Merkwürdiger noch als die Schicksale des Nullius sind die
seines Freundes Joachim Mörsius, der im Jahre 1593 als Sohn
eines Goldschmiedes*) in Hamburg geboren war. Er studierte
in Rostock Theologie und trieb humanistische und naturphiloso-
phischc Studien und übernahm 1615 die Verwaltung der dortigen
Universitäts-Bibliothek. Er machte dann grosse Reisen in den
Niederlanden, nach London, Oxford, Cambridge, nach Frankreich,
ja durch ganz Europa und bis nach Afrika. Er galt als ausge-
zeichneter lateinischer Dichter und stand mit den ersten Gelehrten
seines Zeitalters in Beziehung: Janus Gruter, den wir schon ken-
nen, 11 ) der Engländer John Aven, der holländische Dichter Caspar
Barläus, Daniel Heinsius, Aug. Büchner u. a. verherrlichten ihn
in eignen Oden, und auch bei Herzog August von Wolfenbüttel
und bei dem Landgrafen Moritz von Hessen war er angesehen.
Aber alle diese Beziehungen schützten ihn nicht, als er in
den Verdacht mangelnder Rechtgläubigkeit geraten war. Zuerst
ward er Jahre 1629 unter der Anklage der Verschwendung zu
Hamburg verhaftet, aber freigesprochen. Im Jahre 1633 erfolgte
eine Anzeige 1 gegen ihn beim Rate von Lübeck wegen „Schwär-
merei“ und Verbreitung „fanatischer Bücher“; im Jahre 1636 liess
ihn der Rat zu Hamburg in den Pesthof sperren, wo er einige
Jahre unschädlich gemacht wurde, bis es den Bemühungen seiner
Freunde im Jahre 1640 gelang, ihn zu befreien; er starb einige
Zeit später eines plötzlichen Todes. 4 ) In betreff seiner religiösen
Anschauungen wissen wir, dass er wie alle seine Freunde den
altchristlichen Überzeugungen nahe stand, wie sie in den Lehren
Taulers und Eckharts enthalten waren; dass sich die Mitglieder
des Bundes eben durch die Übereinstimmung in der religiösen
Frage verbunden fühlten, beweist der Schluss des gleich zu be-
') Per Artikel filier N. in «1er A. D. Ii. XXIII, 7Ti!i ist ungenügend.
’) Eh verdient Beachtung, dass viele „Naturphilosophen“ die Sühne
angesehener Handwerker waren, also zu Gilden und Zünften in einem über-
lieferten Verhältnis stunden.
’) M.H. «1er C.G. 18115 S. 21.
4 ) S. den Artikel in der A. U. B.
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1895. Comcuius und die Akademien der Naturphilosophen ete. 147
sprechenden Briefes, worin es heisst: Salvetc Herum plus millies
veteris fidei ainiculi non immemores. In seinen Schriften nannte
er sich Anastasius Philareta Coemopolita
In Sachen der damals im Schwange gehenden Gründungen
neuer Akademien und Gesellschaften hat nun Mörsius am 26. August
1643 aus Schleswig einen merkwürdigen Brief an seinen Freund
Joachim Jungius geschrieben. 1 ) Als er im Jahre 1629 zu Calw
bei Valentin Andreae gewesen sei, erzählt er, habe ihm dieser
je 12 Exemplare seiner Traktate Pextra amoris porrecta und
Imago societatis evangelicne *) geschenkt und Mörsius habe diese
an folgende Herren weiter gegeben: 1. An Herzog August von
Braunschweig, der über diese Schriften mit M. Bernegger später
viele Briefe gewechselt habe; 2. an den Landgrafen Moritz von
Hessen, der beide Schriften ins Deutsche übersetzt habe, um sie
in Frankfurt herauszugeben, was Mörsius widerraten habe; 3. an
den Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein, der sich gegenüber
Herrn Joh. Adolph Hoyer in Schleswig zur Förderung eines
solchen Kollegiums, wie Andreae es schildere, bereit erklärt habe;
4. an den Herzog Ludwig von Anhalt, den Gründer der „frucht-
baren Gesellschaft“ durch Vermittlung seines Leibarztes Dr. Stock-
mar; 5. an den dänischen Rat Öliger Rosenkranz, der in einem
handschriftlich vorhandenen Buch seine hohe Meinung von dem
Unternehmen kund gegeben habe; 6. an den schwedischen Ge-
sandten Johannes Sylvins für seinen König und den Reichskanzler;
7. an Heinrich von Qualen; 8. an Laurentius Grammendorf,
Advoeatus Berolinensis Aulae, einen sehr erfahrenen Mann in der
Theologie, der Mystik, der Medizin und der Philosophie; 9. an
Wendelin Sybilista, Arzt des Kaisers aller Reussen in Moskau;
10. an Johannes Merinn 3 ), Patrizier zu Nürnberg und „piiasimus
chemicus“; 11. an Poemer, der den Nachruf an Schwender ver-
fasste; 12. an M. Brasch, Pastor in Lüneburg. Durch diese
') Der Brief ist vollständig abgedruekt bei Gulirauer, Joachim
Jungius, Statt, u. Tüb. 1850 8. 232 ff. und bei A vä-Lalleinent, Brief-
wechsel des Jungius 8. 342 ff.
’) Gemeint sind die im Jahre 1020 geschriebenen Schriften Christiamie
Societatis idea und Christian! amoris dextera porrecta, die die Grundlinien
für die Schaffung solcher Gesellschaften enthalten.
5 ) Ein Verwandter des Matthius Merian, welch’ letzteren auch G'oine-
nius kannte (Patera, Briefwechsel des Cumenius. Prag 1892 8. 130).
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Keller,
Heft 5 u. 6.
Männer seien Abschriften an andere Personen gelangt, ohne dass
sie gewusst hätten, woher diese Traktate stammten. Die meisten
hätten den Wunsch gehabt, dass nach den darin enthaltenen An-
weisungen eine „christliche Brüderschaft“ organisiert werde und er
(Mörsius) werde es „für eine sondere Glückseligkeit schätzen“, wenn
er unter den „Pcregrinatores“ oder „Observatoren antiquitatis“ oder
„Observatores Naturue“ oder den „Ministri“ dieses Collegiums auch
nur den letzten Platz erlange. Er hoffe, „dass (wie cs in den
Weissagungen des Osorius heisse) in der alternden Welt eine Ge-
sellschaft mit neuem und sonst ungebräuchlichem Namen
geboren werde, die die aufgeblähten Magister zum Schweigen
bringe und nach deren Emporsteigen wie nach der Sonne Auf-
gang alle anderen Genossenschaften und Vereinigungen wie kleine
Lichter, die mit erborgtem Lichte leuchten, den Augen der Men-
schen entzogen werden.“
bis war kein Wunder, dass solche überschwengliche Hoff-
nungen nicht in Erfüllung gingen: auch Valentin Andreacs An-
sehen und Begabung reichte nicht hin, um eine Gesellschaft zu
begründen, die das Ansehn aller übrigen Sofietäten und Ver-
einigungen, also auch das der Kirchen und der Staaten, über-
strahlte. Merkwürdig aber ist, wie diese Wünsche an Gedanken
und Pläne des Comcnius anklingen und erinnern.
Wenn man die obige Liste überblickt, so tritt demjenigen,
der die genannten Personen und ihre Stellung cinigermassen
kennt, sofort die Thatsache entgegen, dass sie alle einen Zug
geistiger Verwandtschaft zeigen, teilweise auch unter einander
verbunden waren. Die Verwandtschaft tritt unter anderem in
einer sehr entschiedenen Religiosität zu Tage, die bei einzelnen
mehr oder weniger kirchlich gefärbt, aber bei keinem konfessionell
ausgeprägt und gerichtet war und die sich bei allen mit einer
für ihr Jahrhundert ungewöhnlichen Toleranz gegen Anders-
gläubige verband; das Band, welches die Mehrzahl umschlang,
war die Zugehörigkeit zur „fruchtbringenden Gesellschaft“ oder
den dieser nachgebildeten Soeietäton, denen 1 1 erzog August von
Braunschwcig (1579 -1660) ebenso wie Andrcne, Lmdgraf Moritz
ebenso wie Herzog Ludwig von Anhalt angehörten. Herzog
Friedrich von Schleswig-Holstein (1597 — 1659) ist derselbe, der
den aus Holland vertriebenen Remonstranten und Taufgesinnten
in seinem Lande Aufnahme gewährte und dadurch gegenüber den
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphiloaophen etc. 149
bestehenden Reichsgesetzen, die diese Religion durchaus verboten,
einen Beweis von ungewöhnlicher Selbständigkeit lieferte. Der
schwedische Gesandte, Joh. Sylvius, war ein Bekannter des Come-
nius, ') und Bernegger gehörte, wie wir wissen, zu dem Kreise,
der sich in der sog. Tannengesellschaft zu Strassburg zusammen-
gefunden hatte.*) Joh. Ad. Höver ist «dir wahrscheinlich ein
Verwandter des Hermann Hoyer aus Eiderstedt, des Gemahls der
Anna Ovena Hoyer, geb. 1599, die durch ihre Dichtungen wie
durch ihre Hinneigung zu Schwenkfeld bekannt geworden ist
Auch alle übrigen Namen, die Mörsius in diesem Briefe
nennt — Tassius, Hcinius, Georg Bussius, Lconh. Elver, Henning
Petersen u. a. — , weisen auf enge Beziehungen zu den Akade-
mien hin und die Bemerkung, dass D. Hcinius in Dorpat dorthin
für eine Professur der Medizin „einen Collega Arndianus und
in der Chemie nicht ganz unerfahren Mann“ vorgeschlagen zu
sehen wünsche, beweist, dass Mörsius selbst „Collega“ war. :1 ) Aber
ähnlich wie Comenius und Hartlieb wünschten diese Männer, dass
eine höhere Organisation unter neuem Namen zu stände komme,
die sich freilich der Natur der Sache nach auf den bisherigen
Gesellschaften aufbauen musste.
Einen unmittelbaren Hinweis auf die Kreise, in denen mit
grösseren Mitteln und von grösseren Gesichtspunkten uus ver-
wandte Pläne verfolgt wurden, giebt der Schluss des Briefs, worin
Mörsius den Jungius bittet, „bei den Herrn Duraeus und
Hartlicb und den übrigen Britten seiner im Besäten ein-
gedenk zu sein.“
Landgraf Ludwig V. von Hessen -Darmstadt (1577—1626),
der, wie wir sahen, die Naturphilosophen in Giessen unter der
*) S. den Brief des Comenius an Jungius d. d. Norköping 4. Sept.
1642 bei Guhrauer n. O. S. 264.
7 ) S. Schultz, Sprachgesellschaften S. 87, wo ihn ein Mitglied der
Tannengesellschaft „unser aller treuer Doktor nennt“.
’) Die Art, wie Mörsius die Bezeichnung „noster“ von Männern
braucht, (z. B. von Hcinius und Tassius), deren Zugehörigkeit zu der Brüder-
schaft anderweit bekannt ist, zwingt zu dem «Schluss , dass es üblich war,
in vertraulichen Briefen die Mitglieder in dieser Weise zu kennzeichnen, und
zwar wird dadurch offenbar eine besonders enge Zusammengehörigkeit be-
zeichnet. Vgl. hierzu M.H. der C.G. 1895 S. 17 Aum. 1.
Monateln-fU* der Comcnhia-Cicwllsehaft. j j
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Koller,
Heft 5 u. 6.
Anklage der Ketzerei vor ein Inquisitionsgericht stellen Hess, ist
durch seine Anhänglichkeit an die katholische Liga und durch
seine Kampfe gegen die reformierten Machte — der Landgraf
war Lutheraner — bekannt geworden. Aber die Auffassung, dass
die Naturphilosophen Ketzer oder der Ketzerei verdächtig seien, die
Ludwig damit zum Ausdruck brachte, war sowohl in den römisch-
katholischen, wie in den lutherischen Lindern ziemlich allgemein
und die Kämpfe, die dort gegen die Akademien und gegen die
Akademiker geführt wurden, waren nur dem Grade nach ver-
schieden: minder bedeutende oder unbekannte Männer wurden
mit schweren Freiheits- oder auch Leibesstrafen, angesehenere
Gelehrte mit Beeinträchtigungen, Zurücksetzungen oder mit Ver-
dächtigungen aller Art bekämpft; man braucht sich, um in letzterer
Beziehung Beispiele zu finden, ja nur an die Schicksale Andreaes,
Bemeggers, Riste und vieler anderer von uns genannten Männer
zu erinnern.
Im Jahre 1623 Hess der Magistrat der katholischen Stadt
Mecheln, der hierin nur der Vollstrecker eines mächtigeren Willens
war, einen gewissen Adam Haselmaker zur Galeerenstrafe aus
keinem anderen Grunde verurteilen , weil dieser angeblich der
Sekte der „Rosenkreuzer“ angehörte. 1 ) Im Jahre 1630 Hess die-
selbe Stadt dem berühmten Chemiker Jean Baptist von Helmout
(f 1614)*) unter der Anklage den Prozess machen, dass er
Alchymist und Rosenkreuzer sei.
Der seit 1615 aufkommendc Sekten-Name „Rosenkreuzer“
und die sich daran anschliessenden religiösen Kampfe gaben in
den Lindern, wo der Einfluss des Klerus gross war, den Ver-
folgungen einen neuen Anstoss und eine neue Unterlage. Die
Ketzergesetze waren keineswegs aufgegeben und sobald es möglich
war, philosophische oder religiöse Gegner mit diesen Gesetzen
zu treffen, war eine sehr gefährliche Watte gegen diejenigen ge-
funden, die sich mit oder ohne Grund in den Verdacht der
Ketzerei gebracht hatten.
Indessen würde man irren, wenn man annchmen wollte, dass
die Societäten und Fraternitäten, für welche seit der angegebenen
') Garesse, La doctrine curieuse 1623 soll hierüber nähere Nach
rithten enthalten.
f ) Über Helinont s. Hirsch, Gesch. der Medizin, Lpz. 1893 S. 94.
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1895. Comenius uml dir Akademien der Natarphilosophen etc. 151
Zeit der neue Ketzemame Anwendung zu finden pflegte, vorher
unangefochten bestanden hätten. Freilich ist es sehr erklärlich,
wenn aus den Akten hierüber bisher nicht viele Nachrichten
bekannt geworden sind : in katholischen oder lutherischen Ländern
war der Boden für ihre Bestrebungen im Allgemeinen zu wenig
günstig als dass die Schaffung grösserer Organisationen hätte
gelingen können und mit Sorgfalt wurde seitens der Brüder, die
in solchen Ländern lebten, das Geheimnis gewahrt In vorwiegend
reformierten Ländern dagegen, wie am Niederrhein, wo eine
schwache Regierung ernstliche Hindernisse nicht bereiten konnte,
fanden sie leichter Gelegenheit, sieh auszubreiten und feste Ver-
bände zu bilden. Wir haben schon oben (S. 18) darauf hin-
gewiesen, dass eine Reihe der frühesten Mitglieder des Falmen-
ordens seit 1610 an den jülich-clevischen Kämpfen thütigen
Anteil genommen hat und dass es' nach der Angabe von Hilles
„Teutschem Palmbaum“ auch eine „Gesellschaft des Schwans“,
die der Akademie des Palmbaums verwandt war, in den clevischen
Landen gab (s. oben S. 85 Anm. 1).
Unter diesen Umständen ist es von Wichtigkeit, dass in
den Verhandlungen, die im Jahre 1614, einige Zeit nach dem
Übertritt des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von der lutherischen
zur katholischen Kirche über die Religions-Verhältnisse in Jülich-
Cleve stattfanden, auch die „Soeietates seu fratemitates“ auf-
tauchen.
Es handelte sich im Jahre 1614 um die Stellungnahme des
Pfalzgrafen zu dem Revers vom 11./21. Juli 1609, in welchem
der damals protestantische Fürst seinen neuen Unterthauen am
Niederrhein die Gewährung der Religionsfreiheit versprochen hatte.
Es wurden damals dem Pfalzgrafen zwei oder mehr Entwürfe
einer Deklaration des Reverses von seinen Beauftragten vorgelegt.
Eine derartige Deklaration („Deelaratio Reversalium“ nennt sie
sich) wurde nun bei Gelegenheit der Ausgleichsvcrhandlungen, die
unter Vermittelung einiger benachbarter Mächte im November
1614 zwischen Brandenburg und Neuburg zu Xanten stattfanden,
vom Pfalzgrafen den anwesenden Deputierten unterbreitet. Sie
gedenkt in sehr charakteristischer Weise in Artikel 4 der Gesell-
schaft Jesu, die nach der Absicht des Entwurfs in Emmerich
(sie bestand seit 1609 in den jülich-bergisehen Landen nicht mehr)
ein Collegium erhalten soll, und sodann im fünften Artikel der
11 *
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Koller,
Heft 5 u. 6.
„Soeietates seu fraternitates“, die in diesen Ländern ohne Auto-
risierung der Obrigkeit existierten und höchst verderblich seien;
sie sollen, so verlangt es der Entwurf, bei Leibes- und Lebens-
strafe verboten werden. Diese Leute, heisst es, geben sich den
Anschein ernster Frömmigkeit — man erinnere sich der bezüg-
lichen Schilderung des Orvius vom Jahre 1622 — und führen in
Sachen des Lebens und der Sitte Aufsicht über ihre Mitglieder
und sind gegründet, um die Laien zu Aufruhr und Em-
pörung aufzustiften. 1 )
Diese Charakteristik*) und die bekannte Verdächtigung, die
die Polizeigewalt gegen die Brüder in Bewegung zu setzen be-
zweckte, passen genau auf die bisher von uns geschilderten
Akademien, die von dem soeben bekehrten Wolfgang Wilhelm
mit Leibesstrafen verfolgt werden sollten, wählend die Väter der
Gesellschaft Jesu nach der Absicht dieses Entwurfs eine rechtlich
gesicherte Existenz erhielten.
Die Pläne, die die neuburgische Regierung damals hegte,
scheiterten an dem Widerspruch, den sie bei den in Xanten ver-
tretenen Mächten fanden; vielmehr nahmen die „Gesellschaften“
seit jenen Jahren, wie wir sahen, in ganz Deutschland einen neuen
und mächtigen Aufschwung.
Es ist zweifelhaft, ob alle die Männer, gegen welche in
Mecheln, Hamburg, Lübeck, Giessen u. s. w. die alten Ketzer-
gesetze zur Anwendung gebracht wurden, im Sinn dieser Gesetze
') Der Entwurf findet sieh in den Akten des Geh. Staats- Archivs zu
Berlin Rep. 34 nr. 157b und ist abgedruckt bei Ludw. Keller, Urkunden
und Akten zur Gosch, der Gegenreformation in Westfalen und am Nieder-
rhein. Leipzig. 8. Hirzcl 189.'), Bd. III. Nr. 175a. Pas Aktenstück trägt
die Überschrift „Declaratio Revcrsalium in puncto Religionis sive Ultimi
postulati“. Der hier in Rede stehende Artikel 5 lautet wörtlich: „Perni-
ciosac quoque et ad excitandas turbas et seditione» Laicorum institutae
■soeietates seu fraternitates , in quihus sub praetextu rel specie
pietatis de cujusque vita et moribus ahsque autoritate Magistratus inquiri
solet admodum lieentioae, omnino adcoque sub capituli poena probibitae
intcrdictaeque sint.“
’) Die Notiz über die Disziplin wird wahrscheinlich ebenso schief
sein, wie die ganze Charakteristik; dass indessen wirklich Disziplin auch in
den Socictüten geübt ward, bestätigt Barlhold (a. O. 8. 115), der darauf
hinweist, dass in „lai noble Acadcmie des Loyales“ „eine Art Sittenpolizei“
stattfand; es war im wesentlichen die Disziplin, wie sie jede festgeschlossene
Gesellschaft übt und üben muss.
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1895. Comenius und die Akademien der Nnturphilosophen etc. 153
Ketzer waren; jedenfalls aber wissen wir, dass die Naturphilo-
sophen ebenso wie die böhmischen Brüder darin mit den älteren
„Ketzern“ übereinstimmten, da»9 sie dem Christentum und über-
haupt jeder Religion, die durch Strafgesetze erzwungen war, allen
Wert absprachen. Der Grundsatz der Freiwilligkeit gehörte
in der Religion wie in der Erziehung zu ihren wesentlichsten
Gedanken, und ich finde oft gerade bei diesen Naturphilosophen
des 17. Jahrhunderts den lebhaften Ausdruck des Unwillens, dass
der Staat sich zum Büttel der einen Konfession wider die andere
mache und indem er sich zum Werkzeug der einen Konfession
erniedrige, den leidenschaftlichen Hass und die Verachtung der
andern wachnife, das gesamte religiöse Leben den Heuchlern aus-
liefere und jede echte Frömmigkeit vergifte.
Es würde uns viel zu weit führen, wenn wir hier in eine
nähere Untersuchung über die ausserdcutschen Akademien 1 )
im Allgemeinen eintreten wollten. Aber eine dieser ausserdcut-
schen Akademien, die „englische Societät“ ist doch in Folge ihrer
engen Beziehungen zu den deutschen Brüdern für das Ver-
ständnis der ganzen Bewegung von zu grosser Bedeutung, als dass
sie hier übergangen werden könnte, und gerade mit dieser Aka-
demie hat Comenius in nächster Verbindung gestanden.
Am 3. November 1640 waren zu London die Sitzungen des
„Langen Parlaments“ eröffnet worden, und die Erfolge, welche
dessen grosse Wortführer, Cromwell, Pym, Hnmpden u. a. er-
zielten, weckten in weiten Volkskreisen die Hoffnung auf bessere
und glücklichere Zeiten. In London hatten sich unter dem Druck
der katholischen Reaktion seit der Schlacht am Weissen Beige
(1620) manche Glaubensflüchtlinge, besonders verfolgte Reformierte
und böhmische Brüder zusammengefunden, darunter auch Samuel
Hartlieb aus Elbing, der Freund und Verehrer des Comenius,
der dessen Grundgedanken, besonders die Idee der Vereinigung
aller Evangelischen und die Forderung der Gewissensfreiheit,
') Über die Akademien in Italien, Spanien, Frankreich, England tt.s. w.
ist manches bekannt geworden; dass auch in Dänemark wenigstens Ansätze
vorhanden waren, ist, soviel ich sehe, neu. Candorin berichtet in seinem
„Zimber-Swnn“ lt>t>7 S. 105, dass es eine dänische „fruchtbringende Gesell-
schaft“ gegeben habe; sie habe aber keinen rechten Fortgang gehabt.
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154
Keller,
Heft 5 u. 6.
vertrat und teilte. Angeregt dureh die Begeisterung jener Tage
verfasste Hartlieb mehrere Schriften über die Ziele, die ihm vor-
schwebten, darunter eine solche mit dem Titel: Eine kurze Be-
schreibung des berühmten Königreichs Macaria u. s. w. (164 1 ). ’)
Die merkwürdige kleine Schrift war „dem hohen und ruhmvollen
Parlamentshof' gewidmet, von dem Hartlieb, wie er sagt, hoffte,
dass er den Grundstein des Glücks der Welt legen werde. Es
war der Gedanke einer grossen socialen und wissenschaft-
lichen Reform, der ihm vorschwebte. Aber Hartlieb wollte die
Arbeit an dieser grossen Aufgabe nicht den Männern der Politik
allein überlassen; er war der Ansicht, dass alle Freunde seiner
Weltanschauung hierbei mitwirken müssten, und er setzte es durch,
dass Comenius, den er zur Mitarbeit besonders befähigt hielt, einen
Ruf nach England erhielt, dem er auch noch im Jahre 1641 Folge
leistete.
Hier in London verfasste nun Comenius im selben Jahre
eine Schrift unter dem Titel: „Weg des Lichtes“ (Via lucis)*) und
machte in deren XVIII. Kapitel als einen Weg, um das „Licht“
unter allen Völkern zu verbreiten, den Vorschlag dass eine höhere
und einheitliche Organisation der in vielen Ländern vor-
handenen Akademien unter neuem Namen versucht werden
solle, und dass die englischen Brüder sich an die Spitze dieses
grossen Lbitcrnehmens stellen möchten. 8 )
') Die erste Schrift trug den Titel: A brief rclation of that, which
has been lately attempted to procure eeclesiastieal pcace among Protestant«
(London 1641); die zweite hie*»: A brief deseription of the famous Kingdom
of Macaria etc. (London 1641). — Ober die Schrift, in der Hartlieb für die
Gewissensfreiheit gegen die Intoleranz der Presbyterianer auftrat ». Fried r.
Althaus, Sain. Hartlieb ira Hist. Taschenbuch 1884 , 8. 221. Wie sehr
musste er sich gerade hierin mit den böhmischen Brüdern begegnen, für
deren Schicksale er ohnedies eine rege Teilnahme zeigt (s. Althaus, Hart-
lieb a. a. O. 8. 265).
’) Via lucis, vestigata et vestiganda, h. e. Kationabilis disquisitio,
quibus modis intellcctualis nnimorum lux, sapientia, per otnnes omnium
hominum mente» et gentes jam tandein snb mundi vosperam feliciter spargi
possit. Libellus ante anno» viginti »ex in Anglia scriptus, nunc demum
typi* cxscriptus et in Angliam remissu». Anno Salutis MDCLXVIII
Amsterodami apud Christ. C'onradum Typographum Anno 1668.
*) Über Hartlieb s. Henry Direks, A biographical mcinoir of 8. H.
London 1865 und Fr. Althaus, 8. H., Ein deutsch-engl. Charakterbild im
Hist. Taschenbuch 1884, S. lül ff.
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1895. ComeniiiB und die Akademien der Naturphilosophen etc. 155
„Alle die Kollegien, Genossenschaften und Brüderschaften“,
sagt er, „die bisher heimlich und öffentlich bestanden haben'),
haben zwar einigen Nutzen für Theologie und Philosopie gehabt,
aber nur für einen Bruchteil der Menschheit, keinen für die Ge-
samtheit . . . Jetzt aber, da die Zeit da ist, das Zerstreute zu
sammeln und alle Summen mit den Summen der Summen zu
vereinen, ist ein Collegium catholicum unter den Gelehrten des
ganzen Erdkreises aufzurichten.“ Er beschreibt dann die Ver-
fassung in einigen Hauptzügen und spricht den Wunsch aus, dass
es Collegium des Lichts J ) und seine Mitglieder Diener des Lichts
(ministri lucis) heissen möchten.
Es soll die Aufgabe dieser Vereinigung weiser Männer sein,
auf den drei Grundlagen und Erkenntnisquollen, die Gott gesetzt
hat, dem Buch der Natur, der Schrift und den „angeborenen Be-
griffen“, die Lehre der Pan Sophie 3 ) aufzubauen und fortgesetzt
zu verbessern; ferner sollen sie die Pflege der Sprachen und zwar
ebenso einer Weltsprache wie der Volkssprachen sich angelegen
sein lassen; drittens ist es ihre Pflicht, für die Errichtung von
Schulen in allen Ländern zu sorgen und die oberste Aufsicht
über sie zu führen, endlich sollen sie, sobald die „allgemeine
Reformation“ in der Christenheit erfolgreich ist, das Licht auch
den Mohamodanem und Heiden und den Juden bringen. Eine
regelmässige Verbindung sollen die Glieder dieses Bundes mit
ihrem Oberhaupte aufrecht erhalten.
‘) Es sind darunter neben den Akademien und Bruderschaften, die
heimlich bestanden halten — eben die uns bekannten Soeietätcn — , auch
Schulen und gelehrte Körperschaften verstanden, die öffentlich wirkten.
’) Man erinnere sich der Bezeichnung Collegium »olis, die der Aka-
demie des Palmbaums gegolten wird.
’) Eine Geschichte dt« Wortes „Pansophie“ wäre für die Erkennt-
nis dieser Akademien u. s. w. von Wichtigkeit. Jedenfalls steht fest, dass
bereits im Jahre 1623 der Name „Pansopbisten“ den Charakter eines Schelt-
namens und Sektennamens in der kirchlichen Litteratur der Gegner ange-
nommen hatte. Im Jahre 1623 veröffentlichte ein lutherischer Geistlicher,
Zacharias Theobald, eine Schrift „Warnungsschreiben vor den alten Wieder-
täufern und neuen Schwärmern“ und trat darin den Beweis an, „Dass
Weigel und alle, die ihm nachfolgen, sie heissen gleich Itoscn-
kreuzer oder Pansophistcn , Wiedertäufer sind“. Näheres da-
rüber bei Keller, Die Waldenser, Lpz. 1886 S. 20 ff. — Im Jahre 1617
erschien eine Schrift des Theophilus Schweighart, Sub umbra alarum tuarum
Jehova etc., in welcher sich der Verfasser einen Pansophiae Studiosus nennt.
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156
Keller,
Heft 5 u. 6.
Diese Schrift hatte Comenius nicht der Öffentlichkeit über-
geben, sondern sie seinen einflussreichsten Freunden (auch dem
Kanzler Oxenstierna, dem Mitglied der Akademie des Palmbaums)
handschriftlich zugestellt 1 ) und auch Hartlieb hatte ein Abschrift
erhalten. Hartlicb erkannte ebenso wie Comenius, dass die zer-
streuten Akademien so lange fremden Einwirkungen und der Ent-
fremdung von ihrer eigentlichen Bestimmung im hohen Grade
nusgesetzt seien, als sie nicht durch eine neue Organisation, eine
gemeinsame Verfassung und allgemeinere Ziele eiue grössere Aus-
breitung und eine grössere Widerstandskraft erhielten. Während
Comenius aber unter den Sorgen und Kämpfen jener Jahre und
unter der Last drängenderer Arbeiten den Gedanken einstweilen
fallen gelassen hatte, hatte Hartlieb ihn weiter verfolgt und die
Anfänge zu seiner Ausführung gemacht.
Wir erhalten über diese Sache Auskunft durch einen merk-
würdigen Brief, den Comenius am 12. Juni 1647 an Hartlieb
schrieb 2 ), worin es heisst: „Die Gründung der Akademie zu
London (ans den Gründen, wie sie in jener Schrift 8 ) bezeichnet
sind) halte ich für den Anfang einer Erfüllung unseres Wunsches,
wie ich ihn im XVIII. Kapitel der Schrift „Weg des Lichts“
ausgedrückt habe. Es vollziehe sich also die Sache in Gottes
heiligem Namen, ohne dass Hass und Neid ihr Hindernisse be-
reiten. Du erinnerst Dich, was Hübner 4 ) aus Frankreich schrieb,
wie man murre über diese Sache: nicht London, sondern Paris
sei der Mittelpunkt der Welt, sagen sie. Doch gelte hier der
Spruch: der erste, der beste, und jener Grundsatz des Naturrechts:
eine Sache, die Niemand gehört, gilt als Eigentum dessen, der sie
zuerst nimmt. Meine Gründe (wie ich sie im ,Weg des Lichts“
niedergelegt habe und wie sie in Euerem Gutachten ausgedrückt
sind) gelten noch heute und werden in Zukunft gelten. Möge
Gott nur die Herzen derer lenken, auf dass die, die so grosse
') Ob der Druck, den er 26 Jahre später veranstalten liess, die ur-
sprüngliche Form der Schrift wiedergiebt, wissen wir nicht.
*) Der Brief ist vollständig abgedruckt bei A. Patera, Jana Amoso
Komenskßho Korrespondence. Prag 1892, S. 133 ff.
*) Es handelt sich um ein dem Briefe Hartliobs offenbar beigegebenes
Gutachten in dieser Sache.
4 ) Ks ist nicht Tobias Hübner (+ 1636), sondern Joachim Hübner
gemeint, der von Comenius öfters genannt wird. Wir kommen auf ihn zurück.
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1805. Comenius und die Akndemien der Naturphilosophen etc. 157
Dinge nusführen können, sie auch ausführen wollen. 1 ) Und
weil cs scheint, dass sie wollen, segne Gott die heiligen Absich-
ten mit dem erwünschten Erfolge zur Ehre seines allerheiligsten
Namens. Amen, Amen, Amen.“
Die „Motive“, d. h. die Denkschrift, die Hartlieb nach diesen
Äusserungen an Comenius gesandt hatte, kennen wir leider nicht.
Wir sehen aber aus dem übrigen Inhalt des Briefes, dass Hart-
lieb und Comenius sich schon seit Jahren zur Ausführung dieses
Planes verbunden hatten, dass die Schrift „De rerum humannnim
emendatione consultatio catholica ad genus htimanum. ante alios
ad eruditos Europae“, die Comenius im April 1645 handschriftlich
beendete 8 ), denselben Pinnen dienen sollte, dass die Vorbereitungen
im geheimen getroffen werden sollten und dass Comenius, falls
Hartlieb jetzt öffentlich handele, seinerseits im Stillen thätig sein
zu müssen glaubte.
Es war Hartlieb gelungen (das beweist eine zu Eingang
von Comenius gemachte Andeutung) diejenigen Personen für
die Sache zu interessieren, die diesem grossen Unternehmen aus-
reichende Hilfe leisten konnten — Cromwell hatte mit seinem
puritanischen Heere am 14. Juni 1645 seine Gegner bei Nasebv
geschlagen, und König Karl war im April 1646 zu den Schotten
geflohen — und er hatte sich vorgenommen, jetzt diese Sache
nicht mehr im geheimen, sondern öffentlich zu betreiben, ein
deutlicher Beweis, dass das Geheimnis nicht Grundsatz, sondern
nur eine Notwendigkeit war, die Comenius auf dem Festlande, wo
er damals lebte, noch nicht für beseitigt hielt.
Die grossen Pläne kamen nicht zur Ausführung; anstatt
dass die Akademie zu London an die Spitze einer internationalen
Organisation freier Gesellschaften getreten wäre, gelang cs der
Restauration, den König zum Stifter und Schutzherrn der nun-
mehr „Königlichen Gesellschaft (Royal Society)“ zu machen (1662),
deren Einrichtung den Wünschen Hartliebs (und gewiss mancher
anderen seiner nächsten Freunde) nicht völlig entsprach, so dass
er sich, obwohl er in der älteren Akademie eins der thütigsten
Glieder war, nicht daran beteiligte. Thatsächlich war denn auch
') Das ist eine Hindeutung auf den I»rd Protektor, dessen Schwager
Pr. Wilkins Mitglied der Londoner „Akademie“ war.
’) Ein Druck erschien erst im Jahre lliliti zu Amsterdam.
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158
Keller,
Heft 5 ii. 6.
die Königliche Gesellschaft insofern etwas anderes als die ange-
strebte grosse Organisation, als jene lediglich der Pflege bestimm-
ter Wissenschaften durch wie immer gerichtete Gelehrte gewidmet
war, während dieses eine Gesinnungsgemeinschaft darstellte,
die auf allgemeine und hohe Ziele ihr Absehen stellte.
Die neue Gesellschaft liess alsbald durch eine unter ihren
Augen erschienene Schrift den Versuch machen, die Geschichte der
älteren „Acadeinia Londinensis“ nach ihren Gesichtspunkten dar-
zustellen 1 ); es wäre zu wünschen, dass wir auch eine Geschichte
aus der Feder Hartliebs besässen, die die notwendigen Berich-
tigungen jener Darstellung geben würde. Die Mitglieder, die in
das Lager der Restauration übeigingen, hatten den begreiflichen
Wunsch, ihre früheren Bestrebungen in dem harmlosesten Lichte
erscheinen zu lassen.
Eine Organisation, wie sie Comenius und Hartlieb planten,
von England aus ins Leben zu rufen, wäre ein mehr als thörichter
Gedanke gewesen, wenn nicht zu der Zeit, wo er ausgesprochen
ward (1641), verwandte Gesellschaften in England bestanden hätten.
Dass wir von ihnen nicht sehr viel wissen, beweist lediglich, dass
sie sich bis um die Zeit, wo Cromwell ihnen Schutz gewährte,
im Stillen halten mussten; die Nachrichten, die seit dem Ende
der vierziger Jahre auftauchen, beweisen nur, dass sie sich jetzt
freier regen konnten.
Gleichwohl entstammt alles, was wir von ihnen aus gleich-
zeitigen Aufzeichnungen wissen, dem vertraulichen Briefwechsel
einiger näher beteiligten Personen, und weitere Aufschlüsse sind
auch erst dann zu erwarten, wenn aus diesem Briefwechsel zahl-
reichere Stücke 2 ), als es bis heute der Fall ist, durch den Druck
bekannt geworden sind.
Auch in diesen vertraulichen Briefen aber bedienen sich die
') Thomas Sprat, The history of the Royal Society of London etc
London 16Ö7 (ich halie das Göttinger Exemplar benutzt) ist für die Ge-
schichte der älteren Akademie eine durchaus unzulängliche Quelle.
*) Es wäre eine »ehr dankbare Aufgabe, den Briefwechsel Hartliebs
einmal in seiner Gesamtheit herauszugeben. Keine Briefe an Pell von ltif>5
bis 1057 sind in R. Vaughans Proteetory of Oliver Cromwell, London 1830
abgedruckt; ich habe sie nicht einsohen können. Auch in diesen Briefen
finden sich Nachrichten über „Utopien“ wie in dem Briefwechsel mit Bovle.
Weitere Nachweise giebt Althaus a. O. S. 2ö<>.
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1 895. Comenius und die Akademien der Katnrphilosophen ete. 159
Absender und Schreiber in Sachen ihres Bundes fast durchweg
solcher Ausdrücke, die lediglich den Eingeweihten verständlich
waren, und so ist es für uns doppelt schwierig, in diesen Dingen
so klar zu sehen, als wir es wünschen müssen; an sich freilich
ist die Art der Bezeichnungen, die teilweise alchimistischen
Kunstausdrücken entnommen ist, bezeichnend genug.
Wir müssen uns hier begnügen, aus dem durch den Druck
bekannt gewordenen Briefwechsel Robert Boyles 1 ), des berühm-
ten Chemikers, einige interessante Stellen mitzuteilen.
Gleich in den ersten Briefen, die wir aus der Feder Boyles
an Hartlieb besitzen*) — sie stammen vom 19. März und
8. April 1647 — nimmt ersterer auf Schriften Valentin Andreaes
Bezug, die mit den Bestrebungen der Akademien auf das engste
Zusammenhängen. „Eure Imago Societatis,“ schreibt Boyle, „und
Eure Dextera Anioris 3 ) zu lesen habe ich grosses Verlangen.“ Am
8. April kann er dann berichten, dass er die Imago Societatis
nunmehr mit vielem Vergnügen gelesen habe. Von Campuncllas
Schrift Civitas Solis und von der Respublica Christianopolitana
wünscht er die Herstellung einer englischen Übersetzung ; auch
der Utopia thut er Erwähnung.
Im Mai 1647 stand Boyle im Briefwechsel mit Duraeus und
mit Hartlieb, und am 8. d. M. schrieb er an letzteren: Sie inter-
essieren sich so sehr für das unsichtbare Collegium und die
ganze Gesellschaft ist so mit allen Ereignissen Ihres Lebens
verflochten, dass sie mir keine Nachricht über ihre eigenen Ange-
legenheiten geben können, die nicht (wenigstens beziehungsweise)
die Natur Utopiens annimmt. 4 )
Am 22. Oktober 1646 schreibt Boyle an Mr. Marcombes
aus London: „Die übrigen humanen Studien, denen ich mich
widme, sind Naturphilosophie, Mechanik und Landwirtschaft,
‘) Robert Boyle war im Jahre 1627 als Sohn des Grafen von Cork
geboren und hatte »eine Erziehung in Genf erhalten.
*) Works of Boyle ed. Bireh I, 22.
s ) E» sind Andreaes Schriften Christian»!' Soeietatis idea 1620 und
seine Christiani amoris dextra porrecta 1620 gemeint.
*) You intorest yourself so much in the Invisihle College, anil
that whole socicty is so highly coneemed in alle the aecident» of vnur
life, that you can send me no intelligenee of your own affaire, that does
not (at least relationally) aseume the nature of Utopian. [a. O. I, 24.)
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160
Keller,
Heft 5 ii. 6.
gemäss den Grundsätzen unseres neuen philosophischen Collegiums,
«las keine Kenntnisse schätzt, tlie nicht eine Richtung auf die
Verwerthung im Leben haben.“ Mr. Marcombes möge, wenn er
könne, einige gute Bücher über diese Gegenstände beschaffen;
dies werde ihn „unserm unsichtbaren Collegium“ sehr willkommen
machen. ’)
Am 1. Mai 1650 sendet Boyle dem Hartlieb „thanks for
the exaet iutelligenee you are pleased to oblige me with from
Utopia and Broda*); my inclination as much concerning me in
Rcpublica Literaria, as my fortune can do in Republica
Anglicana“ (Works I, 27) und gebraucht damit Ausdrücke, die
wohl für Hartlieb, aber nicht für uns völlig klar sind. Was ist
unter den Nachrichten von Utopia und von Breda zu verstehen?
Ist die Bezeichnung Utopia ein anderer symbolischer Name für
das, was Boyle früher „the whole society“ nennt? Der Ausdruck
„utopische Nachrichten“ im Sinn von Nachrichten über Utopia
kehrt in manchen Briefen wieder, und der Sinn des Wortes Utopia
wird vielleicht klar, wenn wir sehen, dass Hartlieb gelegentlich
den Ausdruck Macaria oder auch Nova Atlantis oder Antilia in
gleichem oder ähnlichem Sinn gebraucht: es ist der symbolische
Name des Bundes, dem beide Männer angehörten.
So spricht Hartlieb in einem Brief vom 15. November 1659
von der Gesellschaft „Macaria“. Er macht Boyle Mitteilung
von einem Buche des Mr. Beale: A free discovery of true, lawful,
In »ly and divine expidient for the propagation of the gospel and
establishment of an universal peace all over the world und er-
zählt, dass Mr. Bereton es ungünstig beurteile. Dann fährt er
fort*): „Die Wahrheit ist, dass ich beabsichtige, alle solche und
') Works of Boyle I, 20.
*) Was die Hindcutiing auf Breda sagen soll, ist nicht recht klnr;
Johann Pell bekleidete längere Zeit eine Professur der Mathematik in Breda
und natürlich bestand eine rege Verbindung zwischen den Freunden.
■ 1 ) The truth is, I design all such and the like works or tracts be
printed upon the charges of Macaria, whose scope it is most pro-
fessedly to propagatc rrligion, and to etideavour the refor-
mation of the whole world. But it i» scarce one day (or hour in day)
or night being brinifull with all manner of objects of that publick and
most universal nature, but my soul is crying out:
Phosphorc! redde diem, quid gaudia nostra moraris?
Phosphorc, redde dient! (Works of Boyle V, 293.)
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1895. Comeniu» und die Akademien der Naturphilosophen etc.
161
ähnliche Werke oder Schriften auf Kosten der Macaria drucken
zu lassen, deren Ziele es in erster Linie ist, die Religion zu
verbreiten und für die Reformation der ganzen Welt zu
arbeiten.“
Wenn inan diese Pläne der „Macaria“ liest, so wird man
doch sehr an die berühmte Schrift erinnert, die seit 1614 in ver-
schiedenen Ausgaben erschien und die damals so grosses Aufsehen
inachte: „Allgemeine und General-Reformation der gantzen weiten
Welt“ und die noch im Jahre 1781 durch Friedrich Nicolai wieder
aufgelegt wurde.
Wenn in den Jahren 1649 — 1650 nach Hartliebs Bericht
drei Schriften des Duraeus auf „Veranlassung einer christlichen
Genossenschaft, deren Glieder sich gegenseitig und der
Menschheit nützen wollen“, herausgegeben wurden'), so ist dies
sehr wahrscheinlich dieselbe Macaria, die Beides Buch heraus-
geben wollte s ).
Am Schlüsse eines Briefes vom 8. Mai 1654 findet sich
folgende Stelle: „Gestern war ich zu dem bekannten Thomas
Bushel (ich nehme au, dass Sie seine im Druck erschienenen
Mineral Overtures gesehen haben) nach Lambeth-Marsh einzuladen,
um einen Teil der Stiftung oder des Gebäudes anzusehen, das
bestimmt ist, Ltrd Verulams Neu-Atlantis zu verwirklichen.“
Im unmittelbaren Anschluss an diese Mitteilung kommt er auf
die religiösen Pläne Duraeus’ und Pells und deren Abreise nach
Deutschland zu sprechen und verspricht, dem Hartlieb ein religiöses
Buch, das er hatte drucken lassen, zu schicken.
Die Ausdrücke Utopia, Macaria und Nova Atlantis — der
Ursprung ist ja leicht genug zu erklären — bedeuten die Gesell-
schaft, die die Ideen von Morus’ Utopia, Hartliebs Macaria oder
Bacos Atlantis zu verwirklichen suchte, es ist die Societät, die
') Man erinnere sieh der Bestimmung in den Satzungen der Societät
des Jungius, wonach die Arbeiten der Mitglieder der Gesamtheit gehörten;
der Vorsitzende prüfte sie und gab sic auch wohl heraus.
’) Althaus, S. Hartlieb a. O. S. 2-11. Die erste Schrift war: A
reasonable discoursc on Reformation in rcligion and leaming; die zweite:
The reformed School". In der Vorrede zu dieser sagt Hartlieb, „das
Reich Gottes nach seinem geringen Vermögen nuszubreiten »ei
»ein höchstes Ziel.“ Die dritte Schrift heisst: The reformed librarv
Keeper.
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162
Keller,
Heft 5 n. 6.
über oder neben den Collegien bestund, die sieh „philosophische
Collegien“ oder „philosophische Clubs“ nannten. ')
Im Jahre 1660 bestand die Mncaria nicht mehr; am 10. Dez.
1 660 schreibt Hartlieb an Worthington : „Das Wort Antilia ■ —
es ist dieser Name, wie er selbst sagt, mit dem Namen Macaria
identisch — gebrauchte ich iin Hinblick auf eine frühere Ge-
sellschaft, die . . . etwas vor dem Ausbruch der böhmischen
Kriege (also um 1618) wirklich begründet wurde. Es war
ein Geheimname jener Gesellschaft, dessen nur die Mitglieder
sich bedienten . . *).
Es ist möglich, dass wir diese Gesellschaft, die um 1618
„wirklich begründet ward“, unter anderem Namen kennen ; aber
bemerkt zu werden verdient, dass Joachim Mörsius in seinem
oben erwähnten Briefe vom Jahre 1646 an Jungius die Bitte
ausspricht, jener möge sich bei Tassius erkundigen, ob er nicht
die Leges Audiliunnc besitze 8 ); im Kreise der Mitglieder der
deutschen Akademien war der Geheimname jener Gesellschaft
also bekannt.
Auch der unter den Naturphilosophen übliche Gebrauch
von Ausdrücken und Zeichen der Chemie zur Andeutung all-
gemeiner Begriffe oder Ideen kehrt in diesen Briefen vielfach
wieder. Dass der obige Ausdruck „Phosphore, redde diem“ eine
symbolische Andeutung enthält, ist klar; ebenso wird der Aus-
druck „der Stein der Weisen“ symbolisch gebraucht; der „irdische
Stein“, heisst cs in einer alchemistischen Schrift, ist eine Contra-
Wenn man diese Versuche neuer Organisationen und ihr Verhältnis
zu den „philosophischen Collegien" oder Akademien und Societäten recht
verstehen will, muss mau sich erinnern, dass z. li. in der Akademie des
Palmbaums Stufen uud engere Kreise bestanden, die sich „Academie
des vrnis amants“ oder ähnlich nannten und zweifellos eine engere Ver-
einigung solcher Mitglieder bildeten, die höhere Grade als die übrigen
erreicht hatten und unter besonderen Namen und Formen »ich versammelten.
Ks ist sehr wohl möglich, dass sich auch Mitglieder verschiedener Akademien
zu solchen höheren Organisationen und zu besonderen Zwecken vereinigten,
ohne dass sie deshalb die Mitgliedschaft in den Collegien uufgaben. Der
Natur der Sache nach entstanden und verschwanden solche engere Ver-
einigungen leicht, sobald deren Träger den Schauplatz verliessen oder sonstige
Zwischenfälle eintraten.
’j Althaus S. 2(i9.
Guhrauer, Jungius 18ö0 S. 232. — Wir haben den Brief oben im
einzelnen besprochen.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 163
fsiktur des wahren, geistlichen himmlischen Steins Jesus Christus. ')
Es sollten eben manche Aussprüche und Mitteilungen nur den
Eingeweihten verständlich sein.
Wer den engen Zusammenhang der in England bestehenden
Akademien mit den von uns bereits erwähnten Gesellschaften des
Festlandes bezweifeln sollte, braucht nur darauf verwiesen zu
werden, dass fast alle bekannteren Wortführer der festländischen
Akademien in dem Briefwechsel der Engländer wiederkehren. Wie
kommt es, dass Hurtlicb die Gesetze der Societät des Jungius von
diesem erhalten hatte, „die Aussenstehenden nicht mitgeteilt werden
sollten“, wenn nicht beide Männer innerhalb des Bundes standen'?*)
Wir wissen, dass es bei den Akademien des Festlandes
üblich war, die Bilder der Mitglieder in dem Sitzungssaale auf-
zuhängen; auch das „philosophische Collegium“ — man erinnere
sich, dass sich die Alchemisten des Orvius in den Niederlanden
ebenfalls Philosophen nannten — im Gresham College zu London
befolgte diese Sitte und deutete damit zugleich an, dass es doch
mehr als ein beliebiger wissenschaftlicher Verein sein wollte.®)
Auch die. Glaubensflüchtlinge, abgesehen von Hartlieb, Haak,
Comenius 4 ), Figulus u. a. fehlen in diesem Freundeskreise nicht;
die Böhmen sind durch einen Baron Misneck 6 ) vertreten und die
') Kopp, Alchemie I, 254.
’) In einem Briefe Hartlieb« vorn 8. Mai 1054 an R. Boyle findet
«ich folgende Stelle: „The anthor of Isagoge Phvtoseopica i« Dr. Jungin«
of Hamburg, one of the best logician« in all Germany . . . Lege« Collcgii
Protonootici canic froin the tarne forementioned anthor: but they will
scarcely Ire understood, without the general draught of bis philosophical
undertakingK, which I «hall impart uuto vou hcreaftcr, God willing.“ Works
of Boyle V, 261 f.
*) Doppclmayr a. a. O. S. 119 f. erzählt von Joh. Christ. Sturm
(gcb. zu Hilpoltstein 1635) einem jüngeren Freunde Daniel Wülfer» und
Volkamer» in Nürnberg, der in England Beziehungen zu John Wallis an-
geknüpft hatte, da«» dessen Bild im Sitzungszimmer der Akademie der
Natu rphilotsrphen im Gresham College gehangen halre.
*) Am 7. Januar 1658 schreibt Hartlieb an Boyle: „I long to hear
more particular» of Dr. Wilkin« philosophical Charakter. Mr. Comenius liath
scat lately tu Mr. Dalgurno hi» idea of it ; but it is so short and general,
that it is not worth the imparting.“ (Works V, 271.)
4 ) E» ist unzweifelhaft der schon früher (S. 83) erwähnte Alchymist
Baron von Mislick aus Böhmen ; offenbar liegt ein Schreibfehler oder Druck-
fehler der englischen Quelle vor.
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164
Keller,
Heft 5 u. 6.
vielfach verfolgten Quäker erscheinen in einein gewissen Antony
Pearson *); ebenso wie in Nürnberg Künstler, Maler und Archi-
tekten Mitglieder sind, so werden hier neben Christoph Wrcn,
dem Erbauer der Paulskirche, auch Glasschleifer und sonstige
vornehmere Techniker als Freunde der Naturphilosophen genannt.
Gleichviel, ob inan annehmen will, dass das „philosophische
Collegium“, das sich zeitweilig im Grcsham College versammelte,
mit der Gesellschaft Macaria im Zusammenhang steht oder nicht,
so ist doch sicher, dass die Darstellung, die Pr. John Wallis etwa
50 Jahre später von der Vorgeschichte der Royal Society giebt,
sich nur auf das „philosophische Collegium“ bezieht
In einem Briefe vom 29. Januar 1697 erzählt Dr. Wallis:
„Um das Jahr 1645, wahrend ich in London lebte, hatte ich das
Glück, die Bekanntschaft verschiedener ehrenwerter Männer zu
machen, die sich mit der Naturphilosophie und anderen Zweigen
menschlicher Wissenschaft beschäftigten, besonders mit dem, was
man die neue oder Erfahrung«- Philosophie nannte. Wir kamen
nach Übereinkunft, verschiedene von uns, wöchentlich an einem
bestimmten Tage zusammen, um von solchen Dingen zu handeln.
Zu dieser Zahl gehörten Dr. John Wilkins, später Bischof von
Chester, Dr. Jonathan Goddard, Dr. George Ent, Dr. Glisson,
Dr. Merret, Doktor der Naturwissenschaften, Mr. Samuel Fester,
damals Professor der Astronomie am Grcsham -College. Mr.
Theodor Ilaak-’), ein Deutscher aus der Pfalz und damals in
London wohnhaft, gab, meine ich, die erste Anregung und den
ersten Anstoss zu diesen Versammlungen sowie einige andere. Sie
wurden bisweilen in Goddards Hause (oder an einem passenden
näheren Platze) gehalten, weil Goddard in seinem Hause einen
Handwerker unterhielt, der Gläser schliff für Fernrohre
und Mikroscope, bisweilen an einem passenden Platze in
Cheapside, bisweilen im Greshain-Colloge oder an einem Orte in
der Nachbarschaft. Unsere Beschäftigung war (ausgenommen
theologische und politische Sachen) die Besprechung und Prüfung
') Am 10. Dez. 1050 schreibt H. an Boyle: „Anthony Feanson, the
Quaker, is gone avray per post last Saturday, not having perfonued hi»
promises towards ine“ (Works V, “82). — Beachtenswert i»t die Stelle über
Paracelsus’ Schriften (Works V, 288).
'■') Uber Hnuk s. die Allg. d. Biogr. X, 257 und das Biogr. Dictionary
XVII, 1 !f.
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1895. Comenins und die Akademien der Naturphilosophen etc. Iß5
philosophischer Untersuchungen und solcher Fragen, die hierzu
gehören, als Physik, Anatomie, Geometrie, Astronomie, Schiffs-
kuude, Statik, Magnetik, Chemie, Mechanik und naturwissen-
schaftliche Versuche und der Stand dieser Studien, wie sie damals
bei uns und im Ausland gepflegt wurden. Um das Jahr 1648
und 1649, als einige sich nach Oxford wandten, erst Dr. Wilkins,
dann ich und bald danach Dr. Goddard, teilte sich unsere Ge-
sellschaft. Die in London fuhren fort, sich wie zuvor zu ver-
sammeln und wir mit ihnen, falls wir Gelegenheit hatten, dort zu
sein. Und die unscrige versammelte sich zu Oxford mit Dr.
Ward, später Bischof von Salisbury, Dr. Ralph Bathurst, jetzt
Präsident des Trinity- College und verschiedenen andern und
brachte solche Studien dort in Mode, zuerst in Dr. Pettys
Wohnung, im Hause eines Apothekers, wegen der Bequemlichkeit,
Versuchsstoffe und ähnliches zur Hand zu haben, wozu hier
Gelegenheit war, und nach dessen Entfernung nach Irland (ob-
wohl nicht so regelmässig) in der Wohnung von Dr. Wilkins,
damals Vorsteher am Wacham- College und nach dessen Über-
siedelung an das Trinity-College in Cambridge in der Wohnung
des ehrenwerten Herrn Robert Boyle, der damals für einige Jahre
in Oxford lebte. Diese Versammlungen wurden in London fort-
gesetzt und nach der Rückkehr des Königs im Jahre 1660 ver-
mehrte sich die Teünehmerzahl durch den Beitritt verschiedener
würdiger und ehrenwerter Männer und später bildeten sie eine
Körperschaft unter dem Namen Royal Society und so besteht sic
bis auf diesen Tag.“ J )
So hoch die Aufgaben der „Königlichen Gesellschaft“ ge-
steckt waren und soviel sie erreicht hat, so war sic doch nicht
jene „Macaria“, deren Aufgabe, wie Hartlieb sagt, es war, „zu
arbeiten für die Reformation der ganzen Welt“.
Um das Jahr 1660 sah Hartlieb indessen ein, dass die Zeit
für diese grossen Pläne noch nicht reif war, und er bestätigt in
dem obigen Briefe an Worthington, dass sieh die Organisation,
die ihm vorschwebte, nicht hatte halten können.
Hartlieb selbst gab die Hoffnung an das Gelingen seiner
„antilischcn Pläne“ keineswegs auf : er hoffte nach wie vor, dass
sein Ideal einer „allgemeinen Reformation“, die mit einer grossen
') Works of Boyle, cd. Birch. Luid. 1744. Vol. I, p. 25.
Monatuhefte der Comeniuti-Ut*iM‘llMcliafL. 1895. jo
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1 G6 Keller, Heft 5 u. 6.
socialen Reform ITand in Hand gehen sollte, ihr Organ in
einer grossen allgemeinen Verbrüderung finden werde. Am 28. Juni
1661 schreibt er in diesem Sinne au Worthington: „Von der
Antilischen Gesellschaft ist der Rauch verweht, aber das Feuer
ist noch nicht ganz erloschen. Vielleicht wird es zur rechten
Zeit wieder auf flammen, wenn auch nicht in Europa.“
Der erwähnte Briefwechsel des Comenius mit Hartlieb über
diese Fragen fällt ungefähr in die Zeit, wo er die höchste Würde
innerhalb seiner Gemeinschaft, das Bischofsamt, übernahm (1648).
Es war dieselbe Zeit, wo er sich ernstlich mit dem Gedanken
trug, das „Beiwerk seines Lebens“ (wie er sagt), die pädagogischen
Fragen, aufzugeben und zu „ernsteren Dingen“ zurückzukehren:
die Pläne und Entwürfe seiner Pansophie wollte er endlich zur
Reife bringen, dieselben Pläne, die ihn seit der Zeit, wo ihn
Andreac unter seine „Söhne und Schüler“ 1 ) aufgenommen hatte,
beschäftigten.
Seit 1622 in der Verbannung lebend, hatte C'omenius natur-
gemäss ein starkes Bedürfnis nach festem Zusammenschluss mit
gleichgesinnten Männern, und auf den mannigfachen Reisen und
Wanderungen ausserhalb seines Vaterlands und seiner Religions-
gemeinschaft musste ihm daran gelegen sein, sich die Freund-
schaft und Hilfe der weit verbreiteten Socictäten zu sichern. Wir
haben oben gesehen, dass es gerade die Glaubensflüchtlinge waren,
die den Anschluss gerne suchten; 2 ) es ist mehr als wahrschein-
’) Dieser Ausdruck des Andreae ist kein zufälliger; er bedeutet viel-
mehr ein sehr nahes Verhältnis der Zusammengehörigkeit. Wir haben früher
(M.H. der C.G. 1805 8. 18) die nahen persönlichen Beziehungen geschildert,
in denen Fürst Christian von Anhalt (15G8— 1630) zu dem böhmischen Mag-
naten und „Alchyroisten“ Peter Wok von Rosenberg stand. Bei M. Ritter,
Die Gründung der Union, München 1870 S. 551 wird nachgewiesen, dass sich
Christian in dem vertraulichen Briefwechsel als Sohn Rosenbergs bezeichnet.
Bei Orvius, a. a. O. S. 18 kommt die Bezeichnung Filius Artis ebenfalls vor.
’) Gleichzeitig mit Comenius wurden in die Societät des Andreae zwei
flüchtige Geistliche der böhmischen Brüder, Ureinus und Stadius und ausser-
dem Job. Johnston (geh. 1603, gest. 1675), aufgenommen. Ein Bcnj. Ursinu»
war später Professor in Frankfurt a. O. (M.H. der C.G. 1894, 8. 108. 230.
239). — Näheres über Johnston bei Reber, Comenius und die Sprachgesell-
schaften S. 28 f. Haradörfer war ein eifriger Leser von Johnstons Werk
De nnturac Constantia. Johnston hatte in Leiden studiert und lebte später
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphiloaophcn etc.
167
lieh, dass Landsleute und Glaubensgeuossen es waren, die ihm
den Weg gezeigt hatten. ’)
Wie dem auch sein mag, so steht fest, dass Comenius im
Jahre 1628 den Andreae in aller Form um die Aufnahme in die
Societiit ersucht hatte, au deren Spitze dieser dumuls stand, und
dass diese Aufnahme in demselben Jahr wirklich stattfand. 8 ) Es
ist zu bedauern, dass die Gesetze der Societät, die Andreae mit
seinem Schreiben vom 4. September 1628 an das neue Mit-
glied sandte, nicht erhalten zu sein scheinen, und dass wir die
Namen der Männer, die im Jahre 1628 Mitglieder waren, nicht
kennen. s )
Die Begeisterung, mit der Comenius sich seit 1617 in die
Schriften des Andreae vertieft hatte, war der erste Schritt auf
dem Wege, der ihn allmählich den Überzeugungen der mass-
gebenden Personen unter den Naturphilosophen näher fühlte. Je
mehr er sich dem persönlichen und brieflichen Verkehr mit diesen
Männern hingab und je eifriger er sich dann selbst mit der Natur-
philosophie und Mathematik beschäftigte, 4 ) — er erzählt selbst,
in Schlesien, wo seine Familie noch heute blüht. Ein Originalbild
des Johnston, welche« die Umschrift trägt: Johanne« Johnstonus ex generosa
et perantiqua Jonstonorum de Crogbom familia, Cibcmaci Dominus, Phil,
et Med. D. Ao. MDCLXXI1I aetat. 70, ist in photographischer Nachbildung
in meinem Besitz.
') Im Jahre 1043 führte Comenius seinerseits den Nnturphiloeophen
«einen Landsmann D. Joh. Sophronius Kozak n Praehycn (Arzt u. Tbeoaoph
aus Bühnten, f 1685 in Bremen) zu. Guhraucr, Jungiu« S. 2ti4.
’) Wir haben den Briefwechsel zwischen beiden Männern, der sich
auf diese Sache bezieht, in den M. H. 1892 S. 235 besprochen. Comenius
hat diese Briefe für wichtig genug gehalten, um sie in seiue Opp. did. II,
283 aufzunehmen. Sie bezeichnen in der That einen wichtigen Schritt seines
Lebens.
s ) Der Briefwechsel über diese Sache ist erst 40 Jahre später, d. h.
um dieselbe Zeit bekannt geworden, wo auch andere Societäteu (wie der
„Palntbaum“ ) den Schleier wenigsten« teilweis«! fallen liesscu. Das« die
Namen der Mitglieder wie der Gesellschaft nicht Itekannt geworden sind,
beweist, dass Andreae auch später noch einen Teil des Geheimnisse« gewahrt
zu sehen wünschte. Über den religiösen Zweck de« Gesellschaft spricht er
sich in dem Brief an Comenius bestimmt aus.
*) Seine nalurphilosophischc Hauptschrift l’bysicac ad lumcn divinum
reformatae Synopsis 1033 weist zwar noch gewisse Spuren aristotelischer
Einwirkung auf, ist aber doch auch stark von den neueren Iiichtuugeu be-
einflusst. — In Lissa hielt Comenius Vorlesungen über Naturphilosophie.
12 *
168
Koller,
Heft 5 u. 6.
dass dies seit 1627 geschehen sei 1 ) — um so mehr lenkte er in
die Bahnen der grossen Reformatoren des 17. Jahrhunderts ein,
und so kam es, dass er allmählich mit den geistigen Führern der
Akademien in die engste Berührung trat und ihr Freund und
Genosse wurde.
Wenn man die Weltanschauung und die religiösen Grund-
sätze sowie die Verfassung der Societäten des 17. Jahrhunderts
ins Auge fasst, so muss deren innere Verwandtschaft mit der
Lehre und der Organisation der böhmischen Brüder und ihrer
Vorläufer, der sog. Waldenser — wir fassen beide hier unter
dem Namen der altevangelischen Gemeinden zusammen — jedem
auffallen, der die Geschichte und die Überzeugungen der letzteren
kennt; das trifft nicht nur auf gewisse allgemeine Gedanken und
Grundsätze, sondern auch auf ganz nebensächliche, äusscrliche
Dingo; zu, bei denen man es keineswegs vermuten sollte.
Anton Gindelv, einer der genauesten Kenner der Geschichte
der böhmischen Brüder, hat mit Recht darauf hingewiesen, 2 ) dass
keine andere Religionsgemeinschaft so nachdrücklich und so plan-
mässig auf die Pflege der Volkssprachen und der Mutter-
sprache sowie auf die Begründung einer Volkslitteratur hinge-
wirkt hat, wie die Brüder.
Es war dies ein .Streben, das nicht zufälligen Regungen,
sondern tieferen Gründen und Bedürfnissen entsprang. Das geistige
und religiöse Leben der Brüder beruhte mehr als in den herrschen-
den Kirchen auf dem Zusammenwirken aller, oder, wenn man will,
auf demokratischen Grundlagen. Obwohl die Brüder stets das Glück
hatten, Mitglieder des höchsten Adels unter sich zu besitzen, wie
dies auch Gitidcly mit Recht hervorhebt, so blieb doch bei ihnen
der Grundsatz aufrecht, dass brüderliche Gleichheit aller Rechte
und Pflichten anzustreben sei. Während in den herrschenden
') quum nui>er (anno 1027) in plura id genus scripta incidisseiu,
Rlu nii, Helvici, Eliac Bndini, Stephani Ritten, Glaumii, Holstcnii etc. tan-
tosque ingeniorum conntus viderem (addo Campanclinm et Vornlamiuin ,
feliees philosophiae instauratorcs) multum sperare coepi de exorientc
sacctdo novo etc. A. I’atcra, Briefwechsel des Comenius S. 8.
A. Gindely, Die dogmatischen Ansichten der böhmischen Brüder.
Sitzungxlx-r. der Akademie der Wissenschaften zu Prag. Bd. XIII, S. 349 ff.
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1895. Comenius und die Akademien der Xaturphilosophcn etc. 169
Kirchen die Führung in den Händen des Klerus lag und tiefe
Zerklüftung zwischen den Herrschenden und den Beherrschten
die Regel war, hatte hier ein reger Sinn für echte Brüderlichkeit
von je alle Glieder verbunden und die Gemeinschaft zu dem
Versuche ermutigt, allen Gliedern tluinlichsten Anteil an der all-
gemeinen Bildung zu geben.
Auch in anderen Kirchen hatte sich die Überzeugung Bahn
gebrochen, dass ein gewisses Mass von Kenntnissen in thunliehst
weiten Kreisen zu verbreiten sei; die Brüder aber hielten wenig-
stens im Grundsatz daran fest, dass alle an allem Wissens-
werten Anteil gewinnen sollten und dass auch in dieser Beziehung
gleiches Mass für idle zu erstreben sei.
Die Ziele, welche sie zunächst im Kreise der Brüder der
Verwirklichung zuzuführen strebten, galten ihnen im weiteren
Sinn auch für die ganze Menschheit als letzte Ideale. Die Er-
kenntnis der christlichen Wahrheit, wie sie sie fassten, sollte
ihrem Wunsche nach Allen zugänglich werden und es ist wichtig,
dass in dieser Gemeinschaft von jeher ein ökumenischer, die ganze
Menschheit umfassender Zug nachweisbar ist, der sie über allen
Sektengeist weit erhob. Seit alten Zeiten war es ihre Freude
gewesen, im Streite der Parteien mehr das Verbindende als
das Trennende zu betonen; bei allem Ernst, mit welchem sie
ihre christliche Denkweise vertraten, war ihnen eine Weitherzig-
keit eigen, die stets nur auf das Wesentliche der Religion, nicht
auf Nebenpunkte gerichtet war, und sie sind der Lösung der
schwierigen Aufgabe, die auf dem Boden der Hierarchie nicht
erreichbar ist, nahe gekommen: religiöse Wärme rnit freisinniger
Duldung zu verbinden.
Wie in der Betonung der Volkssprachen und des Unions-
gedanken begegneten sich die Brüder auch in der Vorliebe für
die Natur und die Naturerscheinungen mit den Naturphilosophen,
und auch diese Eigentümlichkeit beruhte im letzten Grunde auf
religiös-philosophischen Prinzipienfragen.
In der Lohre der Brüder begegnet uns vielfach die Idee
der Allgegenwart Gottes, der „über Allen und durch Alle und in
Allen ist“ (Eph. 4, 6) in einer von der Kirchenlchre abweichenden
Färbung. Wie Gott sich in den Menschenherzen durch das innere
Licht offenbart, so offenbart er sich auch in dem „Buch der
Natur“, das des Studiums ebenso wert und bedürftig ist, wie
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170
Keller,
Heft 5 u. 6.
die dritte Offcnbarungaquellc, die h. Schriften. Uber diese Liebe
zur Natur, die in ihren Büchern oft in rührender Weise ihren
Ausdruck findet, hatten es die Brüder freilich nicht weit hinaus
gebracht, aber schon die Festhnltung dieser Bevorzugung der
Natur war von grosser Wichtigkeit gegenüber einer Lehre, die
die äussere Natur mehr als ein Werk des „Fürsten dieser Welt“,
d. h. des Satans, ansah und die gegenüber dem Übersinnlichen
alles Sinnliche geringschätzte.
Tiefdurchdrungen von dem Werte, den jede Mcnschenseele
vor Gott besitzt, waren die Brüder ferner von jeher in besonderem
Grade darauf bedacht, nicht bloss allen Gliedern eine gute Er-
ziehung zu sichern, sondern auch die Erzieh ungs lehre immer
mehr nuszubilden und zu vervollkommnen. l )
Die brutale Disziplin, welche im 16. und 17. Jahrhundert
die Schulen beherrschte, hing mit den allgemeinen sittlich-religiösen
Auffassungen viel enger zusammen, als es scheint. Wenn die
Schulen, wie es der Fall war, mehr als Pflanzstätten des Wissens
als der Weisheit, des Kennens als des Könnens gelten und ihre
erziehende Bedeutung zurücktritt, so kann man hoffen, durch
Zwang und Gewalt manches zu erreichen. Aber selbst dann,
wenn der erziehende Zweck richtiger erfasst ist, wird die Theorie
der Abschreckung überall dort das Feld behaupten, wo aus
religiösen Gesichtspunkten der Satz gilt, dass das Licht der Ver-
nunft seit dem Sündenfall im Menschen erloschen und das Herz
nicht nur verderbt und zum Bösen geneigt, sondern gänzlich
verdorben und alle „geistlichen Kräfte“, wie die lutherische
Kirche lehrte, „durch die Sünde ganz und gar vertilgt sind“.*)
Da diese Auffassung ihrer Natur nach nicht im stände war, die
Achtung vor der Menschennatur zu steigern, so war bei der
Kindererziehung um so mehr der Hoheit und dem Zwang die
Thür geöffnet.
') Dass die gleiche Beachtung der Erziehungslrhre und die Empfeh-
lung derselben Ezichungsgrundsätze schon vor Comcnius’ Anschluss in den
„Akademien“ der „Alchymisten“ üblich war, beweist die auch sonst be-
achtenswerte Schrift des Andreas Lihavius, Wolmeinendes Bedenken von
der Fama fraternitatis etc., Frankfurt 1616. Darin wird als Kennzeichen
der „neuen Sekte“, nämlich der Rosenkrcuzer, angeführt, „dass sic sich
vieler Sprachen annehmen und Ratiehii Didacticain empfehlen“. Also waren
die Societätcn schon vor 1617 im gewissen Sinne „Sprachgesellschaften“.
’) Näheres darüber bei Keller, Job. v. Staupitz, Leipzig 1888 S. 152 f.
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1 895. Conienius und die Akademien der Naturpbilosophen etc. 171
Da der richtige Begriff der Erziehung mit dem Begriff der
Entwicklung auf das engste verbunden ist, kann der erstere
auf dein Boden jener religiösen Anschauung nicht gedeihen, und
es ist kein Zufall, dass jene Begriffe, auf welchen die Neuge-
staltung der gesamten Pädagogik mit der ausserordentlichen Be-
deutung, die sie für unser Kulturleben gewonnen hat, von Männern
zuerst zur Geltung gebracht worden sind, die nicht auf dem
Boden der herrschenden Kirchenlehre standen.
ComcniuB fand in seiner Gemeinschaft die Tlmtsache vor,
dass der Begriff der stufenweisen Entwicklung alle ihre
Auffassungen und Einrichtungen durchdrang. Er berichtet selbst
in der Katio disciplinae Fratrum Boheinorum (1632), dass deren
Vorfahren ihr „Volk“ je nach dem Grad der Arbeiten, (juxta
gradus laborum), die ihnen oblagen, dreifach geteilt hatten, näm-
lich in die Grade der Anfänger (Incipientes), der Fortge-
schrittenen (Proficientes) und die Fertigen oder Vollkomme-
nen (Perfecti, sive ad Perfectionem tei identes). :! )
Diese Dreiteilung des Gemeindelebens, die das Thun und
Denken der altevaugelischcn Gemeinden beherrschte, beruht auf
der Grundanschauung, dass die Anlage zum Guten, wie geschwächt
sie auch immer durch Sünde und Schuld sein mag, in jedem
Menschen vorhanden ist, und dass hieran imknüpfend es für jeden
eine fortschreitende Entwicklung zum Besseren giebt.
Es liegt auf der Hand, wie sehr sie sich in diesen Auf-
fassungen mit den Akademien, die unter sieh ebenfalls Stufen
und Grade besassen, berührten, und es ist mehr als Zufall, dass
die ersten Versuche, das Erziehungswesen nach den Grundsätzen
der böhmischen Brüder umzugestalten, von Fürsten unternommen
worden sind, die der Akademie des Palmbaums angehörten. ')
Die Lehre der altevangelischen Gemeinden, die von jeher
mehr eine Gesinnungsgemeinschaft als eine Bekenntnisgemein-
schaft bildeten, wird gekennzeichnet durch die starke Betonung
’) Vgl. Jos. Müller, Die deutschen Katechismen der böhmischen
Brüder (Mon. Gönn. Paed. IV) 1887 S. 77.
') Herzog Emst der Fromme von Gotha (1001—1675), der zu den
ersten Fürsten gehörte, die comenianische Erziehungsgrundsätze in ihrem
Iainde einführten, wurde als 19. Mitglied im Jahre 1619 in die Akademie
des Palmbaums aufgenommen.
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172
Keller,
Heft 5 ii. 6.
der Idee den Gottesreichs, die Christus selbst einst als den
vornehmsten Inhalt seiner Botschaft hingestellt hatte.
Dieses Reich, dessen Bau sie durch die Arbeit an der ein-
zelnen Menschenscele beginnen wollten, war nach ihrer Über-
zeugung in seinen Einrichtungen denjenigen der Familie
gleich, und in ilun gab cs keine andere Zwangsgewalt als die,
welche der Vater gegen seine Kinder übt
Im Zusammenhang mit diesen Vorstellungen hatten sie den
Begriff und das Wesen des Zwanges und der Strafe von jeher
andere gefasst als es in den Lehren der herrschenden Kirchen,
die in dieser Beziehung auf dem Alten Testament fussten, üblich
war. Gemäss ihrer Überzeugung, dass nach der Lehre Christi
die Rache überhaupt verboten sei, konnten sie den Begriff der
rächenden Strafe nicht gelten lassen und waren gezwungen, sich
auf die Anwendung erziehender Strafe zu beschränken.
Mit ihrer Auffassung vom Gottesreiche und seinen Ein-
richtungen hing es zusammen, dass sie als wahre Glieder der
Gemeinde mu 1 diejenigen betrachteten, die aus freiem Entschluss
und kraft selbständiger Wahl ihr beigetreten waren.
Dieser Grundsatz machte es ihnen unmöglich, auf dem Wege
der Gewalt, sei es unmittelbar oder durch den Arm des Staates,
ihrer Gemeinschaft Mitglieder zuzuführen und damit fiel für sie
die Theorie wie die Anwendung des Glaubcnszwangs von selbst
hinweg; da sie den Grundsatz der Gewissensfreiheit als
einen wesentlichen Teil der Lehre Christi, wie sie sie verstanden,
betrachteten, so mussten sie in jeder Kirche, die diesen Grundsatz
verlcugnete, eine Gegnerin des Christentums erkennen.
Es bedarf kaum der Erinnerung, wie vollkommen diese
Anschauungen mit denjenigen der „Naturphilosophen“, die wir
kennen gelernt haben, übereinstimmen. Es ist merkwürdig, dass
selbst die Idee der „Reformation der ganzen Welt“, wie Gindely
nachgewiesen hat, schon im 15. Jahrhundert bei den Brüdern
sich vorfindet.
Ich weiss nicht, ob man alle diese und viele andere Über-
einstimmungen lediglich als zufällige Erscheinungen auffassen will.
Wie dem auch sei, so steht fest, dass sieh auch in dem geschicht-
lichen Verlauf und in manchen rein äusserlichen Dingen ganz
auffallende Anklänge finden.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc.
173
Die Beziehungen der böhmischen Brüder und aller alt-
evangelischen Gemeinden zum Orient und zur griechischen Kirche,
besonders ihre Vorliebe für die älteren griechischen Kirchenväter,
sind vielfach betont worden; wie mag es kommen, dass, was wir
an anderer Stelle im einzelnen nachzuweisen hoffen, gleiche Spuren
auf die Zusammenhänge der Akademien mit den Griechen hin-
weisen? Jahrhunderte hindurch war der Mittelpunkt der ausser-
kirchlichen Christen Oberitalien, und die enge Verbindung, in
der die „Waldenser“ mit den Zünften einerseits und mit den
Ritterorden andererseits standen, ist ja bekannt genug; wir haben
Gelegenheit gehabt, die gleichen Beziehungen der Akademien und
Societäten nachzuweisen.
Ja, die Verwandtschaft erstreckt sieh bis auf Namen und
Zeichen, die bei beiden gebraucht werden: das Wort Societas
bedeutet im Sinn der Waldenser eine Gemeinde, die Mitglieder
der höheren Grade bei den letzteren nannten sich „Väter“ und
„Söhne“ (vgl. oben S. 1 (>(>), der Name Magistri oder Meister war
bei beiden für verwandte Begriffe üblich, und der Gebrauch von
Brüdernamen ist hier wie dort nachweisbar. Lebensgewohnheiten,
wie sie Gindely bei den böhmischen Brüdern schildert, kehren in
in derselben Art unter den „Alchvmistcn“ wieder — kurz, es sind
so viele Berührungspunkte vorhanden, dass der Versuch, dies alles
als Zufälligkeiten zu erweisen, schwerlich gelingen wird.
Im Rahmen dieser Arbeit freilich soll und kann ebenso
wenig versucht werden, eine andere Erklärung aufzustellen, viel-
mehr kommt es hier lediglich darauf an, dnrzuthun, dass Comenius
und die übrigen Brüdergeistlichen , als sie im Jahre 1028 der
Societiit des Andrcac beitraten, Mitglieder eines Bundes wurden,
dessen Grundsätze und Bestrebungen denen der Brüder ausser-
ordentlich verwandt waren.
Wie eng die Verbindung war und wie sie für Comenius das ganze
Leben hindurch fortdauerte, ist ja an vielen Stellen der Untersuchung
schon zu Tage getreten. Man braucht nur die Namen Uartlieb 1 ),
') Uartlieb war cs — so erzählt Comenius selbst — der ihn „an das
Lieht zog, ihm die Gunst von Mäcenen erwarb, ihm Mitarbeiter verschaffte“.
S. den Brief des Comenius an Uartlieb v. 11. 21. Januar 1(547 bei Gindely,
SitzungslH-riehte der böhm. Akad. 1855 S. 540. — Ülicr H.'s Beziehungen
zu Comenius s. auch Masson, Life of Milton III, 201 — 215 u. 221—225.
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174
Keller,
Heft 5 u. 6.
Jungius 1 ), Harsdörfer *) , Dilhorr 3 ), Zesen 4 ), Leibniz, Pömer 6 ),
Wolzogen*), Hübner u. s. w. zu nennen, um jedem Kenner de«
Comeniu« die zahlreichen Beziehungen ins Gedächtnis zu rufen,
die zwischen diesen und ihm vorhanden gewesen sind.
Als Comenius im Jahre 1641 nach London kam, wurde er
ausser von Hartlieb, Duraens, Pelleus auch von Th. Haak und
von Joachim Hübner empfangen. Wie nah Hübner — es ist
zweifellos derselbe Gelehrte, der oft unter dem Namen des
Fundanius in den vertraulichen Briefen des Comenius vorkommt
— dem Comenius stand, erhellt aus dessen eignen Äusserungen
über ihn, da er ihn im Jahre 1641 als einen der vornehmsten
Genossen seiner pansophischen Arbeiten bezeichnet. 7 )
Leider wissen wir bis jetzt über die Lebensgeschichte Hübners
wenig"), aber was wir wissen, giebt wertvolle Fingerzeige auf
Zusammenhänge mit den Societüten. Es ist uns von Georg
Ru(L Weckerlin, den wir als Mitglied der „Tanne“ kennen, eine
Er war es aber auch, der an allen Arlmitcn des Comenius regen und ver-
ständnisvollen Anteil nahm, der die pädagogischen wie die pansophischen
Entwürfe und Forschungen mit seinem Interesse und »einer tbätigen Teil-
nahme begleitete. Wenn er, der Bescheidenheit seines Wesens entsprechend,
mit seiner Person überall zurück trat, so ist cs doch die Pflicht der Ge-
schichtschreibung, dort, wo Comenius’ Verdienste gerühmt werden, des
.Mannes nicht zu vergessen, der ihm Freund und Berater gewesen ist.
') Zwei Briefe des Comenius an Jungius aus 1642 und 1643 s. bei
Guhraucr, J. Jungius etc. 1850 8. 264.
*) Rcber, J. A. Comenius und seine Beziehungen zu den Sprach-
gesellschaften 1895.
’) Comenius spricht am 13., 25. Januar 1657 in einem Brief an Hars-
dörfer den Wunsch ans, dass „Christus nnerschüttert der Kirche ihre Säule,
den ehrwürdigen Herrn Dilherr lange erhalten möge". Rcber n. O. S. 53
und bei A. Patcra, Briefwechsel des C. Prag 1892. 8. 192.
4 ) M.H. der C.G. 1894 S. 339.
5 ) Kvacsala, J. A. Comenius 1892 S. 240.
*) Joh. Ludw. v. Wolzogen war einer der zahlreichen österreichischen
Herrn von Adel, die Mitglieder der Akademien waren. Er gehörte den
Socinianern an. Über 20 Briefe des C. an Wolzogen bei A. Patcra n. O.
Prag 1892. Vgl. ferner Reifferscheid a. O. Nr. 269.
7 ) Patera, Briefwechsel des Comenius. S. 37. Vgl. das Register unter
Fundanius und Hübner.
“) Weitere Aufklärungen wären sehr erwünscht.
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1895. Cmneniu» lind die Akademien der Naturphilosopben cte.
175
Ode an Joachim Hübner erhalten, in welcher ersterer diesen seinen
Freund nennt» 1 )
Als Ilartlieb und Comcnius über die bereits besprochene
internationale Organisation der Akademien verhandelten, da war
es Hübner, der aus Paris an Comcnius die Nachricht schickt* 1 ,
dass man dort sich an die Spitze zu stellen beabsichtige. 2 )
Im Jahre 1661 wünschte Comenius einig*! seiner Schriften
zur Kenntnis Friedrich Wilhelms, des Grossen Kurfürsten zu
bringen, und er benutzte dazu die Vermittlung Joachim Hübners,
der sich damals in Cleve aufhielt, wo der Kurfürst im Herbst
1661 anwesend war und wo auch Duraeus sich einfand und bei
Friedrich Wilhelm Audienz erhielt 3 )
Es ist eine durch die Geschichte der Akademien bezeugte
Thatsaehe, dass deren Mitglieder das Kleinod, das sie als Gesell-
schaft« -.Angehörige besassen (den „Zunftschmuck“) gelegentlich
benutzten, um Schriften, die sie veröffentlichten, durch dies Zeichen
als ihr geistiges Eigentum kenntlich zu machen. So führt Weckerlin
als Buchzeichen sein Gesellschafts-Kleinod, einen Bienenkorb mit
zwei Lorbeerkränzen 4 ), Joachim von Sandrart (geb. 1606), der be-
') 8. Georg Rudolf Weckerlins Gedichte, hrsg. von Herrn. Fischer
II, 267 (Puhl, de« Lit. Verein» Bd. 200). — Bei Fischer findet »ich da»
Faksimile der Handschrift Weckerlin» (Bruchstück eine» Briefe« an Martin
Opitz) mit W.’a Unterschrift. Kr unterzeichnet am Schluss »eine» Namens
mit folgendem Bandzeichen, da» mit dem letzten Buchstaben «eine» Namen«
‘i
verbunden ist: TV — Auf einer Abbildung de» Poetenwäldchens in
Harsdörfer» „Pegneuis“ findet »ich ein Schild mit folgenden Zeichen, olien:
dazwischen da» Wort „Pegncsi»“. In dem
„Teutschen Palmbaum“ findet »ich da» Bandzeichen in folgender Form:
aber nicht liegend, sondern hängend.
Condorins zeigt folgende Form ’
Der „Zimber-Swan“
Auch kommt diese
Form vor:
JOB
’) Patera, Briefwechsel S. 135.
*) Patern a. O. S. 230.
4 ) 8. die Ausgabe von Weckerlin» Gedichten von H. Fischer in den
Publ. de» Litt. Verein» Bd. 200.
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176 Keller, Heft 5 u. 6.
rühmte Maler, Freund Galilei« und Joost van den Vondcls 1 ),
führte das Kleinod, das er als Mitglied der Akademie des Palm-
baums besass, in gleicher Art als Abzeichen, 3 ) und ähnliche Bei-
spiele Hessen sieh mehr beibringen. 3 )
Unter diesen Umständen gewinnt das Sinnbild, das Comcnius
als Buchzeichen führte — es ist das bekannte Zeichen, das jetzt
auch unsere Gesellschaft führt — ein besonderes Interesse. Das
Abzeichen stellt das Weltall mit Erde, Sonne, Mond und Sternen
dar und versinnbildlicht den Kampf des Lichtes mit der Finsternis;
auf einer Anhöhe rechts im Vortiergrunde sieht man drei Bäume,
und aus einer doppelt geöffneten Höhle ergiesst sich ein Quell, au
dessen zackigem Uferrand Lilien wachsen — lauter Sinnbilder und
Anspielungen, wie sie auch in den übrigen Gesellschaftskleinoden,
deren wir viele kennen, erscheinen. 1 ) Wir besitzen in dem Buch-
zeichen das Bijou, das Comenius als Mitglied des Bundes führte.
Auch andere sinnbildliche Darstellungen und Zeichen, wie sie
Comcnius gebraucht hat, finden in der Symbolik der Akademien,
und zwar nur in dieser, ihre Erklärung. Das Titelbild zu der
Ausgabe des Pansophiac Prodromus, die im Jahre 1644 zu Leiden
erschien, ist in dieser Beziehung besonders beachtenswert: in der
Mitte sieht man eine Frauengcstalt (die Pansophia) mit Krone
und Mantel, der rechts mit dem Bild der Sonne, links mit Mond
und Sternen bestickt ist; um ihren Hals trägt sie die Kette. Zu
ihren Füssen sieht man Winkelmass, Zirkel, Richtscheit und
sonstige Werkzeuge und Hilfsmittel (Risse und Zeichnungen) der
Baukunst 5 ); sic steht gelehnt an einen mit einem Teppich be-
’) Samlrart ist eine der hervorragenderen Persönlichkeiten unter den
Mitgliedern der Akademien und sein lieben verdiente im Hinblick darauf
eine genauere Untersuchung.
’) Das Kleinod ist abgebildet bei Doppclmayr, Histor. Nachricht
von dem Nümb. Mathematicis etc. 1730. Tab. XIV.
") Auch Doppclmayr führte sein Kleinod nls Buchzeichen. D.
wurde später ebenso wie Lcibniz, Wülfer u. A. Mitglied der Kgl. Preuss.
Societät der Wissenschaften zu Berlin.
4 ) Sehr merkwürdig ist ein Vergleich mit dein Kleinod, das die
Academia dei Rieovrati in Padua führte; auch auf letzterem erscheint die
doppelt geöffnete Höhle (in deren Hintergrund man einen Mann mit einem
Hammer thätig sieht), der zackige Uferrand, die drei Bäume auf einer An-
höhe u. s. w. (Wagenseil, De civitate Norimb. 1097 p. 451.)
5 ) Wir haben das Diplom, das unsere Diplom -Mitglieder erhalten,
mit einer ganz genauen Wiedergabe des Titelbildes ausgestattet.
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J895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc. 177
deckten Tisch, dessen Muster eingewebte Lilien steigt; auf dom
Tisch liegt ein aufgeschlagenes Buch; im Hintergründe sieht man
einige Globen und eine Sphäre und eine Reihe grosser Folianten ')
— lauter Sinnbilder und Zeichen, wie sie z. B. im „Teutschen
Palmbaum" und in anderen Schriften der Akademien mit auf-
fallender Übereinstimmung wiederkehren.
Auch die eigentümliche Darstellung des Palmbaums 2 ), aus
dessen brennender Krone sich ein Phönix erhebt, wie sie sich
auf Kleinoden der „Deutschen Socictät“ findet, kehrt bei Comenius
wieder. *)
Es ist völlig ausgeschlossen, dass Comenius diese und andere
Symbole, die seit alten Zeiten Eigentum der Akademien waren,
sich ohne deren Zustimmung angeeignet haben könnte.
Es trifft sich glücklich, dass gerade neuerdings eine kleine
Schrift erschienen ist, die des Comenius Beziehungen wenigstens
zu denjenigen Akademien, die als Sprachgesellschaften an die
Öffentlichkeit traten, näher untersucht und darlegt. 4 ) Daraus
erhellt, dass der Verkehr viel regelmässiger und inniger war als
wir bisher wussten, und es werden eine Reihe von Thatsachcn
und Briefen, die dies beweisen, zum ersten Mal ans Licht gezogen. 1 )
Wir wissen, dass es die Pflicht der Mitglieder war, für die
Ausbreitung der Gesellschaft nach Kräften zu wirken. Dieser
Pf lielit ist Comenius sein ganzes langes lieben hindurch eifrig
nachgekommen, selbst noch im höchsten Alter tmg er sich mit
dem Plan, in seiner Heimat, in dem damals von der Gesellschaft
') Die Wiederkehr von Zirkel und Winkelmass ist um so auffallender,
weil sic sieh aueh in der Symbolik des „Poltnbaums“ oft an Stellen findet,
WO man sie keineswegs erwarten sollte. Vgl. M.H. 1895 3/4 S. 8ti und 87.
’) Nebenbei sei hier bemerkt, dass die im Jahre 1702 in Halle ver-
anstaltete Ausgabe der Panegersio eine Randleiste enthält, in deren Mitte
der Palm bau m sichtbar ist.
3 ) Das Sinnbild findet sieh elienfaHs auf dem Mitglieds - Diplom der
C.O., wo es wegen seines eigenartigen, nicht eben künstlerisch schönen
Charakters auffällt.
4 ) Dr. Jos. Heber (K. Direktor der höh. wcibl. Kildungsanstalt zu
Aschaffenburg), Johann Aiuos Comenius und seine Beziehungen zu den
Sprachgesellschaften. Denkschrift zur Feier des vierteltuuscnd jährigen Be-
standes des Pcgne* bellen Blumenordens zu Nürnberg. Lpz. G. Fock 1894.
1 ) Dass Comenius Freunde Job. Johnston und D. Vcchner mit Matth.
Bemegger in Briefwechsel standen, beweist Reifferscheid, Quellen zur
Geschichte des geistigeu Lebens etc. 1889. S. 841.
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178
Keller,
Heft 5 u. 6.
Jesu völlig beherrschten Böhmen, ein Collegium Lucis oder etwas
Ähnliches mit dem Sitze in Prag zu gründen. ')
Gerade die wichtigsten Schriften des Comenius, die pun-
sophischen, sind nirgends mit grösserer Zustimmung aufgenommen
worden als bei den Naturphilosophen. Als Hartlieb im Jahre 1037
den ersten Aufriss der pansophischen Gedanken, den ihm Comenius
handschriftlich gesandt hatte, herausgab, war die Zustimmung
unter Haltliebs Freunden grösser als unter der strengeren Rich-
tung der eignen Gemeinschaft des Comenius ; er vermische, sagten
diese, Göttliches und Menschliches, Theologie und Philosophie,
Christentum und Heidentum 5 ), und Comenius hielt es für not-
wendig, sich gegen diese Vorwürfe in einer besonderen Schrift
zu verteidigen. Mit welcher Teilnahme dagegen das Werk in
den Kreisen aufgenommen ward, die wir oben geschildert haben,
bezeugt unter Anderem die erwähnte Schrift Hebers; sie weist
nach, dass Hursdörfer in einer seiner wichtigeren Schriften, dem
Specimen philologiae Germanicae, sich auf Aussprüche des Comenius
in dessen oben erwähnter Schrift beruft 3 ) und der Umstand, dass
binnen weniger Jahre drei Auflagen des Prodromus Pansophiae
nötig wurden — im Jahre 1644 erschien die dritte in Leyden —
giebt eine Vorstellung davon, wie gross die Nachfrage in den
Kreisen der Gesinnungsgenossen gewesen ist»
Comenius kennt, wie seine Schrift Novissima Linguanuu
Methodus darthut, die Geschichte der Akademien sehr wohl;
nachdem er die Academia della Crusca und die „fruchtbringende
Gesellschaft“ gelobt hat, spricht er den Wunsch aus, dass bei
allen Völkern derartige Gesellschaften oder Kollegien gegründet
werden möchten. 4 )
Comenius wusste genau, dass eines der wichtigsten Ziele,
das den Akademien vorschwebte, der religiöse Unionsgedanke,
durchaus auf den Wegen lag, die er selbst und seine Religions-
‘) Kvacsala, Kurzer Bericht über meine Forschungsreisen etc. (in
den Acta ct comuientationes Imp. Universitatis Jurievensis !8i)ä Nr. 2) S. l!l.
’) Puppenheim, J. A. Comenius. Vortrag. Berlin 18!)2. t S. 35. Es
ist in der Thal richtig, dass Comenius den Gedanken der Humanität hier
wie sonst betont; aber Kleinert (Studien und Kritiken 1878 S. 37) hat iin
Anschluss an Opp. did. 11, 403 nachgewiesen, dass er diesen Gedanken
niemals von dem christlichen Boden losgelöst hat.
*) Reber, a. O. S. 28 f.
*) Reber, a. O. S. 37.
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphiiraophen etc. 179
gemeinsehaft sich gesteckt luittc ; auch mochte er richtig erkennen,
dass der Weg praktischer Organisationen weit eher Erfolg ver-
sprach als die lobenswerten, aber aussichtslosen Bemühungen des
Johann Duraeus und anderer Freunde, die auf dem Wege von
Heligionsgcsprächeu und Kompromissen demselben Ziele zu-
strebten. ')
Gleichzeitig freilich blieb es ihm nicht verborgen, dass die
Akademien in der Vereinzelung, in der sie damals wirkten, leicht
zum Spielball mächtigerer Kräfte oder zum Tummelplatz persön-
licher Liebhabereien werden könnten. Das sicherste Mittel, um
solchen Entwicklungen vorzubeugen, wäre die einheitliche Organi-
sation gewesen, die er und Hartlieb seit Cromwells Emporkommen
planten. Als mit dem Eintritt der Restauration diese Entwürfe
als gescheitert angesehen werden mussten, waren die Aussichten
für das fernere Gedeihen der Akademien zunächst nicht günstig.
Aber in der Not derZeit blieb ihnen ein wichtiger gemeinsamer
Besitz: die grosse Litteratur und die Erinnerung an diejenigen
Männer, die sie in den besseren Zeiten die ihrigen hatten nennen
dürfen, vor allem an Baco, Andrcae, Lcibniz und Comenius.
Die Schriften dieser Männer enthielten einen Arbeitsplan und ein
Programm, das in dem Augenblick grosse praktische Bedeutung
gewinnen konnte, wo es gelang, dasselbe zur Grundlage einer
zweckentsprechenden, grossen, unter neuem Namen wirkenden
Organisation zu machen.
Freilich waren manche alte Namen und Formen, besonders
die Bezeichnung „Akademien“ und „Societätcn“ von dein Augenblick
an nicht mehr recht brauchbar, wo die königlichen und öffent-
lichen Anstalten sie für sich in Anspruch nahmen und diese Namen
zur Bezeichnung von Gelehrten-Vcreinen oder hohen Schulen in
überwiegenden Gebrauch kamen. Gerade in den Kreisen der Ge-
lehrten nahm zudem das Verständnis und die Neigung für die
Symbolik der älteren Akademien in demselben Masse ab, als das
allmähliche Zurücktreten der religiösen Kämpfe seit der Wende des
Jahrhunderts das Bedürfnis nach solchen Verständigungs-Mitteln
und Erkennungszeichen der Eingeweihten verschwinden liess.
‘) Interessant ist «1er Vorschlag Bemcggors, «lass die Fürsten sieh die
Hand zum Bunde reichen möchten zur Unterdrückung des ndigiösen Hader»
(vgl. den Balmenorden), während derselbe Bernegger sich gegen Duraeus’
Versuche ablehnend verhält iBüuger, M. Beruegger. S. 20ä f.).
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180
Keller,
Heft 5 u. 6.
Indessen pflegen geschichtliche Erscheinungen wie diese, die
eine lange und reiche Vergangenheit haben, nicht leicht ohne
Nachwirkungen und ohne zeitentsprechende Neubildungen aus dem
Leben zu verschwinden.
Eine solche Um- und Neubildung der älteren Akademien
tritt uns seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in den sogenannten
„Deutschen oder deutschübeuden Gesellschaften“ entgegen, die in
Hamburg und Bremen, besonders aber an den Sitzen einzelner
Hochschulen, wie in Leipzig, Königsberg, Jena uud Göttingen,
auftauchen und in ihrer Organisation wie in ihren Zwecken den
älteren Societäten verwandt sind, auch einige Formen und Namen
derselben übernommen haben.
Im Jahre 1697 hatten mehrere Studierende aus der Lausitz,
die sich damals in Leipzig aufhielten (darunter Joh. Christoph
Urban, Joh. Ad. Schön, J. Ch. Hassfurth, J. H. Krause u. a.),
eine poetische Gesellschaft (Collegium poeticum) gegründet '), die
an dem im Jahre 1699 als Professor der Geschichte nach Leipzig
berufenen Joh. Burkhard Mencke (1674 — 1732)*) einen Patron
und Schützer fand. Mencke wur lange in Holland und England
gewesen und Mitglied der Royal Society 8 ) geworden und er nahm
Gelegenheit, im Jahre 1717 diese poetische Vereinigung zu einer
„deutschübenden Gesellschaft“ umzugestalten.
Wir würden wahrscheinlich nicht viel von dieser Gesell-
schaft — der Name Akademie verliert sich seit dem Ende des
17. Jahrhunderts zur Bezeichnung dieser „deutschübenden Gesell-
schaften“ vollständig — wissen 4 ), wenn nicht im Jahre 1724
Johann Christoph Gottsched aus Judithcukirch bei Königs-
') Einen Auszug au» den Lege» et Statuta Collcgii poetici giebt
Itruno Stflbel, die deutsche Gesellschaft in Leipzig von ihrem Entstehen
bi» zur Gegenwart in den „Mitteilungen der deutschen Gesellschaft“ (Lpz.,
T. O. Weigel 1877) Bd. VI, S. 9 ff.
’) Ober Mencke s. den Artikel Elathes in der A. d. B. XXI, 310 f.
3 ) Mencke ist zweifellos auch Mitglied einer der älteren „freien Akade-
mien“ gewesen.
*) Au» Anlass de» 25jährigen Stiftungsfestes erschien im Jahre 1722
ein Schisliaama de Instituto Societatis l’liilotcutonico-l’ueticae, qunc Bub
praesidio D. Johann. B. Menckcuii . . . hic Lipsiae cougregatur etc.
(Ein Exemplar in Güttingen.) Sie »childert die Entstehung der Gesellschaft
und knüpft unmittelbar an die Geschichte des „Pulmbaums“ und der ver-
wandten Societäten an
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1895. Comenius und die Akademien der Naturphilosophen etc.
181
borg (gest. 1700) ihr Mitglied und im Jahre 1727 ihr „Ältester“ •)
geworden wäre *).
Die Gesellschaft nannte sich selbst auch wohl „Collegium“
und ihre Mitglieder hiessen „Poeten“, gleichviel ob sie Dichter,
Ärzte »Hier Mathematiker von Beruf waren ; sie wollten Nach-
folger der alten „Collegien“ und „Poeten“ sein, deren Geschichte
ihnen genau bekannt war. Sic betrachtete die zu Hamb u r g
durch Burthold Heinrich Brockes (1680 — 1747) um 1705 ge-
gründete „teutsehübende Gesellschaft“, der J. A. Fabricins, Tric-
wald, Richcy, König, Iloeft und Joh. Hübner angehörten, als
gleichstrebende Genossin •).
Die Erfolge und das Vorbild der unter Gottsched um-
gebildeten „deutschen Gesellschaft“ sind es dann gewesen, die die
Gründung gleicher Gesellschaften in Jena, Halle und Göttingen
befördert haben. Die ersterc wurde 1728 ins Leben gerufen und
1730 vom Senat bestätigt.*) Einige Jahre später (1733) stifteten
zwei Studierende in Halle, Immanuel Pyra und Samuel Gotthold
’) I)ns ist offenbar nicht ilie einzige Bezeichnung, die diese deutsch-
iibendc Gesellschaft aus dem Brauche der älteren Akademien ültcmommcn
hat. — Gottsched erzählt gelegentlich: „Das berühmte Kxempel der vor-
längst in Paris gestifteten französischen Akademie brachte uns (nämlich die
leipziger Societüt) auf den Gedanken, dass auch unsere Gesellschaft ganz
bequem die deutsche Gesellschaft würde heissen können Nun ver-
langen wir uns zwar weder unserer Fähigkeit noch unseres Ansehens halber
einer so grossen Akademie an die Seite zu setzen. Wir kennen unsere
Schwäche gar zu wohl — unsere Absichten aber sind zum wenigsten
mit den ihrigen einerlei.“ (Danzel, Gottsched und Beine Zeit. Lpz.
1848. S. 83.)
r ) Gottsched war schon in Königsberg Mitglied eines „Collegium
poeticum“ gewesen. Er war von Königsberg aus an .Toh. ßurkh. Mcncko
empfohlen und fand 1724 Aufnahme in dessen Hause und unterrichtete
Mencke’s Kinder.
’) S. das eben angeführte Schediasina S. 43. Quellen über dieses
Ham burgische Collegium sind die Vorrede zu Brockes „Bethlehemitischen
Kindermord" von Fabricius, ferner Weiehmanns Poesie der Niedersachsen
c. 1723. — Das Mitglieder -Verzeichnis der Leipziger Gesellschaft aus den
Jahren 1697 — 1722 findet sich in dem Schcdiasma S. 49 ff. — Darin fallen
die Namen Gottfried Hübner (1703), Joh. Christian Thoiuasius (1713),
Joh. George Hamann (1719), Carl Heinr. v. Sebottendorf (170-1), Joh. Friedr.
Reichel (1719) und Biegmund VVfirffel (1704) auf.
*) Vgl. Sammlung und Schriften der deutschen Gesellschaft in Jena.
In gebundener und ungebundener Schreibart hrsg. v. G. Stollen Jena 1732-
Monatshefte der Comenlus-GesM'llschaft. 18%. i •>
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182
Keller,
Heft 5 u. 6.
Lange, ein zunächst im Stillen wirkendes Collegium poeticum,
das sich Opitz, Haller und Günther zum Vorbild nahm und bald
in die Wege der Leipziger Gesellschaft einlenkte. ')
Einen warmen Freund besassen die deutschen Gesellschaften
an Johann Lorenz Mosheim (geb. 1695), der seit 1723 als
Professor der Theologie in Helmstedt wirkte. Er war es, der die
Leipziger Gesellschaft (deren Mitglied er seit 1728 und Präsident
seit 1732 war) seinem Landesherrn empfohlen hatte und der später
auch auf die Errichtung einer gleichen Societät in Göttingen
hinwirkte.
Im Mai 1738 nahm letztere Gesellschaft ihren Anfang und
erhielt von der Landes- Regierung die Genehmigung. Ihr Zweck
war, die deutsche Litteratur und Sprache zu pflegen, aber auch
„auf Tugend und Freundschaft“ war ihr Absehen gerichtet. Der
Vorsitzende hiess der Älteste und wurde von den Mitgliedern
mit dem Zusatz „Verehrungswürdiger“ angeredet — ein Beweis,
dass manche Formen aus den älteren Akademien auch hier bei-
behalten worden waren, während freilich im Übrigen die Be-
ziehungen zu den älteren Akademien und deren Nachfolgern sich
einigennassen lockerten. Zwar gab es immer noch nicht wenige
Männer, die hier wie dort Mitglieder waren*), aber die Leitung
der „deutschen Gesellschaften“ ging mehr und mehr in die Hände
staatlicher und kirchlicher Autoritäten über.
Damit sind aber die geschichtlichen Nachwirkungen der
älteren Brüderschaften nicht erschöpft. Die engen Beziehungen,
die zwischen diesen und (1er Royal Society vorhanden waren,
haben wir bereits oben erörtert Alles, was dort über die Zu-
sammenhänge und die Unterschiede gesagt worden ist trifft auch
auf die freien Akademien in Deutschland und auf die Königlich
l’reussische Societät der Wissenschaften in Berlin zu.
‘) W. K «wer au , Au» Halles Littoraturleben, Halle 1888, 8. 81.
*) Die Mitglieder der älteren Akademien oder Brüderschaften beför-
derten die Gründung solcher wissenschaftlicher Collegicn oder Vereine, mit
denen sie in Beziehung standen, kräftig und planmiissig. — D. E. Jabionski
teilt am JO. März 1700 Leibniz mit, dass sich in Berlin ein Collegium
mcdicum gebildet lial>e; er sieht dies ganz gern, weil er der Ansicht ist,
dass mun „die bessten Leute aus solchem Collegin an sich ziehen
könne“, um für die höhere Aufgabe der Königl. 8ocietät, die ihm vor-
schwebte, brauchbare Mitglieder zu gewinnen. Joh. Erb. Kapp, Sammluug
vertrauter Briefe etc. Lpz. 1745 8. l.'»2.
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1895. Comenius und dir Akademien der Xaturphiloeophen etc. 183
Ein grosser Teil der Gelehrten, deren Namen mit der
Gründung und den Anfängen der Königlichen Societät, sei es als
Mitglieder, sei es als Beförderer, verknüpft sind — wir haben ja
auch die engen Beziehungen des Kurhauses Brandenburg zur
Akademie des Palmbaums kennen gelernt — haben ihre Schule
in den freien Akademien gemacht und sind daraus hervorgegangen,
z. B. Lcibniz, Jablonski, Bernh. Friedr. von Krosigk
(+ 1714), Friedrich Hofmann, Sturm, Wülfer, Dohna,
Doppelmayr, Herrn, v. d. Hardt und Georg Christoph
Eimart und es lässt sich ebenso wenig eine Geschichte der
Berliner wie der Londoner Akademie der Wissenschaften schreiben,
ohne des wesentlichen Anteils zu gedenken, den die älteren freien
Collegien und Gesellschaften an ihrem Entstehen gehabt haben. *)
So eng indessen die äusseren wie die inneren Zusammen-
hänge waren , so stellten die nunmehr staatlich organisierten Ge-
sellschaften doch eine wesentliche Umbildung der älteren
Collegien dar. Die Mitglieder der letzteren waren durch die
Übereinstimmung der gesamten Weltanschauung zusammengeführt
und wurden durch ein ausgebildetes System fester Formen ztt-
saminengehalten ; die freien Akademien waren bestimmt, den
ganzen Menschen zu erfassen, allgemeine sittliche und philo-
sophische Ziele zu verfolgen und für die Erziehung des Menschen-
geschlechts im Sinne der christlichen Keligion und des von ihr
verheissenen Gottesreiches zu wirken; die Reform der Wissen-
schaften, die Pflege der Sprachen u. s. w. waren für sie nur
Mittel zum Zweck.
In den Königlichen Akademien änderte sich dies Verhältnis
‘) Wir haben auf die starke Beteiligung gerade der Reformierten und
besonders der Glaubensflüchtlingc an den älteren Akademien hingewiesen.
Dieselbe Erscheinung tritt in den Anfängen der Berliner Königl. Societät
hervor, bei der die Hugenotten und sonstige reformierte Geistliche und
Laien eine grosse Zahl ausmachten. Unter den 8 Mitgliedern, welche der
Sekretär der Akademie, Jablonski, deren Präsidenten Leibniz im Frühjahr
1701 vorschlug, befunden sich ausser dem oben genannten „Medicus und
Chyinicus" Friedrich Hofmann in Halle und dem D. Joh. Fabrieius (Nach-
folger Calixts in Hclmstädt) zwei Mitglieder französiseher Flüchtlings-Familien,
>1. des Vignoles, Prediger der französischen Gemeinde in Berlin, und Joh.
Bcrnouilli in Groningen sowie der s. Z. bekannte ref. Theologe Gerhard
Meyer in Bremen (Joh. Erh. Kapp, Sammlung einiger vertrauter Briefe u. s. w.
Lpz. 1745. 8. 304 f.).
13 *
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Keller, Comenius und die Akademien etc. Heft 5 u. 6.
vollständig: die Pflege der Wissenschaften wurde Selbstzweck
und die allgemeinen Ziele traten ebenso zurück wie das System
von Formen und Symbolen, das für die älteren Akademien so
wesentlich gewesen war; zwar gab es auch in den Königlichen
Instituten Grade und Stufen von wirklichen und correspondierenden,
von ordentlichen und ausserordentlichen Mitgliedern u. s. w., zwar
ward der Grundsatz, dass Nationalität, Stund oder Bekenntnis kein
Hindernis für die Aufnahme bilde und manches andere Ideal, wie
es Comenius in seinem „Weg des Lichtes“ aufgestellt hatte, ver-
wirklicht. Aber die Eigenart einer Gelehrtengesellschaft in: engeren
Sinn wurde beibehalten und der Charakter der Brüderschaft,
wie ihn die älteren Vereinigungen besessen hatten, wurde abge-
streäft und musste abgestreift werden.
Man würde fehl gehen, wenn man glauben wollte, dass die
M änner, die seit 1050 die Träger der freien Akademien gewesen
waren, in den schwierigen Zeiten, die zunächst für sic anbrachen,
die alten Ziele und Grundsätze aufgegeben hätten. Zwar drängte
sieh die Überzeugung, dass neue Namen und neue organisatorische
Können notwendig seien, wie sie schon Comenius und Hartlieb
ausgesprochen hatten, allen Brüdern immer bestimmter auf; auch
gewann der alte Gedanke, dass die englischen Brüder berufen
seien, sich an die Spitze einer solchen Reform zu stellen, immer
mehr Boden. Als im Beginn des 18. Jahrhunderts dann in London
der Versuch gemacht wurde, die Reform zu wagen, zeigte es sich,
dass die Zeit in der That dafür reifer war als vor 50 Jahren,
wo Cromwclls Freunde vergeblich an derselben Aufgabe gearbeitet
hatten. Es gelang, eine neue Epoche der alten Akademien
heraufzuführen und ihrer Entwickelung eine breitere Grundlage
zu geben. Da man die Pflege der Wissenschaften und der
Sprachen jetzt mehr als früher den neugegründeten gelehrten Ge-
sellschaften überlassen konnte, so war die Möglichkeit gegeben,
um so nachdrücklicher für die humanen und sittlichen Ziele zu
wirken, und für die Ausgleichung der religiösen und
socialen Gegensätze, wie sie bereits Comenius vorgeschwebt
hatte, zu arbeiten. Die Darstellung dieses neuen Entwicklungs-
abschnittes liegt ausserhalb des Rahmens der vorliegenden Unter-
suchung.
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Zur Erinnerung an Moriz Carriere.
Von
Bernhard Baehring.
Am 29. Januar <1. Ja. entschlief in einem Alter von 78 Jahren
naeh reich gesegneter Thätigkeit zu München iler ord. Professor der
Philosophie l)r. Moriz Carriere, ein Denker, Gelehrter und Charakter,
dem auch in diesen Blättern eine ehrende Erinnerung gebührt.
Geistesverwandt mit Comenius stellte er sein umfangreiches Wissen
stets in den Dienst der Menschheit. Nicht eigene Ehre suchend,
noch einer Partei huldigend, arbeitete er mit unermüdlicher Ausdaner
an der Klärung der Geister über die Grundlagen unserer Bildung
und Gesittung. Durch eingehende Verständigung suchte er auch
Gegner zu gewinnen. Die religiösen mit den politischen Aufgaben
unseres Volkes in Einklang bringend suchte er ein friedliches Zu-
sammenwirken aller edlen Kräfte in Staat und Kirche zu fördern,
um dadurch von innen heraus dem durch Blut und Eisen begründeten
deutschen Reiche ein gesundes Gedeihen zu verschaffen. Kein Gebiet
der Wissenschaft, der Kunst, der Religion und überhaupt des mensch-
lichen Lebens und Treibens war ihm fremd oder gleichgiltig. Überall
wusste sein reichbegabter Geist, Goldkörner zu finden, die er zur
Hebung der allgemeinen Bildung und Gesittung geschickt zu zeigen
und zu verwerten verstand. Seine zahlreichen Schriften und grösseren
Werke, die bei Broekhnus in Leipzig in einer stattlichen Gesamt-
ausgabe erschienen sind, geben das beredteste Zeugnis von der ausser-
ordentlichen Bedeutung dieses aus Frankreich stammenden, aber acht
deutsch gesinnten Philosophen, Kulturhistorikers und Dichters.
Sein Leben hatte nach seiner Aussenseito den im ganzen ruhigen
Verlauf eines deutschen Professors. Geboren zu Griedel im Gross-
herzogtum Hessen, auf den Universitäten zu Giessen, Göttingen und
Berlin, wo er sich (1837) die Würde eines Doetors der Philosophie
errang, wissenschaftlich vorbereitet, begab er sich auf einige Jahre
zum Studium der dortigen Kunstschätze nach Italien. Im Jahre 1842
betrat er die akademische Laufbahn als Privatdocent der Philosophie
in Giessen, erhielt alter erst im Jahre 1849 eine Professur, weil
seinem Charakter das Kriechen und Hofieren widerstand.
Desto reicher aber entfaltete sich nun sein inneres Leben nach
allen Seiten hin. Schon auf seinen Wandeningen in Italien war
seine dichterische Begabung erwacht. Rom, Neapel, der Ätna mit
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Hachring,
Heft 5 u. 6.
seinem Donnern in der Tiefe und seinen Flammen, die er empor-
sendete, begeisterten ihn zu hohen Entschlüssen.
„Traun, wir wollen, ein Göttorgeschlecht,
Jeglichen Berg zum Olympoe schaffen,
Wollen des neuen Jerusalem»
Kreuzpanicr auf die Türme pflanzen,
Selig in Lieb und Eintracht stark,
Dulder und Sieger
Aus unentweihtom Munde
Dem deutschen Volk
Vom heiligen Geist begeistert singen
Mit feurigen Zungen
Wie keiner ein Lied.“
Und in Rom sang er (1840):
„Aus den Farben, aus dem Steine
Ruft in innigem Vereine
Alt’ und neue Götterschaar,
Dass dem Wahren wie dem Schönen,
Wir mit Eiehcnlaubc krönen
Einen heilgen Fcstaltar.
Und in gottgeweihter Stunde
■Schlägt zum ew’gen neuen Bunde
Freundeshand in Freundeshand,
Unsre vollen Gläser klingen,
Und wir schwingen sie und singen
Deutschen Sang am Tiberstrande.“
Diese heilige Begeisterung für alles Schöne und Grosse in
Natur und Geschichte fand in Giessen einen Ijcbensmittelpunkt in
der Tochter des berühmten Chemikers Justus Liebig. Agnes Liebig
war am 6. Juni 1829 zu Giessen geboren, also 12 Jahre jünger als
Moriz Carriere. Mehrere Jahre dauerte die Werbung.
„Es »tehn die Stern am Himmel fest und sehn »ich nur verlangend an;
Mein süsses Lieb, o komm zu mir, wir können selig uns umfahn.“
Endlich im Jahre 1852 fand er Erhörung im Taunusbad Soden.
„Alles Sehnen löst sich in Entzücken.
Die Lieder alle, die ich je gesungen,
Sie klingen dir, sie winden sich zum Kranze
Bräutlich dein blonde» Lockenhaar zu schmücken.“
Doch erst in München, wohin er mit Liebig übersiedelte, um
eine besser dotierte Professur zu übernehmen, fand 1853 die Ver-
mählung statt.
Der ehelichen Liebe Glück und Leid hat er im reichsten Masse
zu erfahren gehabt. Zwei Kinder schenkte ihm seine Agnes, deren
Andenken er die im Jahre 1883 herausgegebene Sammlung seiner
Gedichte gewidmet hat: Justus, geboren 1854 und Elisabeth, geboren
1857. Schon im Jahre 18C2, am 29. Dezember, entschlief seine
teure Lebensgefährtin und lies» ihn mit seinen zwei Kindern an
ihrem Grabe trauern.
„Hoffnungsgrüno Epheurnnken
Hüllten ein den zarten Leib,
Und verklärt von Licbtgedankcn
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1895.
Zur Erinnerung an Moriz Carriere.
187
Liegst du schlummernd, lielte» Weilt,
Wie ein heilig Marmorbild
Unter Blumen ernst und mild.“
Im Liede verklärte «ich sein Leid. Er konnte den Verlust
nicht nur mit Ergebung tragen, sondern er erkannte darin sogar die
Vollendung seines Liebesgl ückes.
„Und hält’ ich gewusst, wie tief in Leid
Dein Tod mich werde versenken,
Wie bald ich dein so lange Zeit
In Schmerzen muss gedenken —
Das ganze, volle Liebesglück
Ich hätt’ es doch erkoren
Und preise selig mein Geschick,
Dass du mir Treue geschworen.“
Carriere fand gerade in dieser Prüfung die Bestätigung seines
Glaubens an ein Fortleben nach dem Tode des Leibes und zweifelte
nicht an einem beständigen Verkehr mit der abgeschiedenen Seele,
weil er an den lebendigen Gott glaubte, der die Liehe ist.
„Du lebst in mir! in trüb’ und hellen Stunden
Bewahrt sich dir die Heimat meiner Brust.
Du lebst in Gott: was er so schön erfunden,
Dess bleibt er auch erinnernd sich bewusst.“
Aber der Blick auf die verwaisten Kinder reisst dann immer
wieder die Wunde auf!
„Ihr armen Kinder wisst noch nicht,
Was wir verloren haben.
Da ihr mit trällern Angesicht
Die Mutter halft l>egral>cn.
O könnte, was sie mir gethan,
Ich ihr an euch vergüten !
Es führ' ihr Geist euch himmelan,
Es ntög euch Gott behüten.“
Ach, und beiden musste der liebende Vater ins Grab sehen.
Elisabeth, das Ebenbild der Mutter, in der er eine schöne Zukunft
geahnet, starb noch nicht sielten Jahre alt am 17. Mai 18G4. Seinem
Sohne Justus hatte er 1869, als er das väterliche Haus verliest*, ins
Stammbuch geschrieben :
„Immer der Erste zu sein und vorzuBtreben den Andern
Mahnt doch Vater Homer: folge dem herrlichen Wort.
Was du thust, das thu nur recht und mit ganzem Gemüte,
Heiter und wahr im Geist, mutig im Herzen und rein.
Günstige Sterne, sie leuchteten dir ins Leben, es möge
Sonnige Tagp der Gott, Kränze des Sieges verleihn,
Kraft, auch Schweres zu tragen. Es hat dein kindliches Auge
Schon so früh mit mir Mutter und Schwester beweint ;
Seien sie Gewinn dir! Wenn Schmerz und Liebe der Seele
Dir fürs Ewige reift, denke der Holden und mein!“
Gott hat diesen väterlichen Wunsch erhört.. Justus wurde
Professor an der neubegründeten Universität zu Strassburg. Aber
man kann den Schmerz des greisen Vaters ermessen, als er auch
den einzigen Sohn und Nachkommen vor einigen Jahren zum Grabe
geleiten musste !
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188
Baehring,
Heft 5 u. 6.
Als mir der nun allem Leid enthobene seine Gedichte im
Dezember 1882 übersendete, schrieb er mir: „Während 45 Jahren
suchte ich, was mich tief bewegte, in Ix'id und Freud für mich selbst
zu gestalten. Hier steht es zusammen als Bild meines Seelenlebens
und seiner Entwickelung, zu subjektiver Ergänzung meiner objektiven
wissenschaftlichen Arbeiten. Das Buch bringt Vieles, alter nicht für
die Menge und ich fürchte die ordinären Feuillctonistcn, wenn die
ihren Witz daran üben wollen, ohne Verständnis für die Gemüts-
kämpfe, denen die Ideen entsprungen sind.“
Daraus aber erhellt, dass gerade unsere Comenius-Gesellschaft
geeignet und wohl auch berufen ist, das Andenken dieses edlen
Geistes der Nachwelt zu bewahren. Das „Odi profanuni vulgus et
areeos“, gehört ja notwendig mit in unser Programm, wenn wir im
Geiste des edlen Comenius auf unsere Zeitgenossen wirken wollen.
Im Jahre 1882 war auch eine Prüfung anderer Art über ihn
hereingebrochen. „Auf beiden Augen hatte ich den grauen Staar,
schrieb er mir in jenem Briefe, bin seit Ostern auch auf dem zweiten
Auge operiert, sehe für das gewöhnliche Leben jetzt ohne Brille
erträglich, mit Brille geht es auch. Ich soll mich aber sehr schonen
und so bin ich an den langen Winterabenden an Vorlesen und Ge-
selligkeit gewiesen und fördere wenig an eigener Arbeit. Tags lese
ich einige Zeit mit. dem linken und schreibe mit der Rechten.“
Und wie viele Werke hat er dennoch zu Stande gebracht. Seine
litterarische Thätigkeit war so rastlos, wie die seines Amtsgenossen
Frohechammer und ihr Erfolg bisher noch bedeutender. Seine grösseren
Werke liegen meist in dritter Auflage vor. Was er vor den meisten
philosophischen Schriftstellern voraus hat, ist die klare, präeise Ent-
wickelung der Gedanken und der wahrhaft klassische, anziehende
Stil. Meisterhaft sind besonders seine „Lebensbilder“, die er 1890
herausgegeben hat. Aber auch seine Ästhetik, seine Kunst- und
Kulturgeschichte, sein Buch über die Poesie, das über die philo-
sophische Weltanschauung im Reformationszeitalter. Sie sind so ge-
staltet, dass sie bei aller wissenschaftlichen Gründlichkeit, jedem
wahrhaft Gebildeten als genussreiche Ixdir- und Lesebücher empfohlen
zu werden verdienen.
Was Carriere aber durch seine Schriftstellerei bezweckte, ist nicht,
bloss geistiger Genuss, sondern, wie er mir selber geschrieben hat, die
Verbreitung einer Weltanschauung, wie sie unsere Zeit erfordert, um
unserer Kulturentwickelung einen friedlichen Verlauf zu sichern.
Als er im Jahre 1888 lud seinem 50jährigen Doktor-Jubiläum
von den verschiedensten Seiten her die wärmsten Glückwünsche er-
halten hatte, fügte er seinem Dankschreiben nachfolgende Bemerkungen
hinzu : „Was ich heute vor fünfzig Jahren erhofft und erstrebt, das
hat Gottes Güte mich nach einigem Kämpfen und Harren erreichen
lassen, eine Universitätsprofessur der Philosophie, ein akademisches
Lehramt der Kunstgeschichte und damit ein köstlich Ding dem
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1895.
Zur Erinnerung an Moriz Carriere.
189
Mnnne: einen Beruf, <ler mir ilie Tagesarbeit nicht zur Lust, sondern
zur Lust gemacht hat und heut«; noch macht; im Dienste des Vater-
landes durfte ich und darf ich nun selber leben. Das Wahre, flute
und Schöne erneut zu schauen, im Forschen wie in der Darstellung
der Wissenschaft die Stimme des Gewissens zu hören und das Gcmiit
zu befriedigen, Kopf und Herz in Einklang zu bringen war mein
Ziel. Den Idealen der Jugend im Alt«;r die Treue zu bewahren,
auch da, wo es noch zu ringen und zu streiten gilt und noch Vieles
zu hoffen bleibt, ermutigt mich das Glück, «las uns in der Erfüllung
unserer Sehnsucht auf staatlichem Gebiete durch die Einigung und
freie Gestaltung des deutschen Reiches zuteil geworden. Wird mir
noch Leben und Kraft vergönnt, so werde ich trachten, durch Wort
und Schrift mich der wohlwollenden Anerkennung meines Streben*
und Wirkens würdig zu machen und durch die Timt den Dank ab-
zustatten, «len ich hier aus vollem Herzen darbringe.“
Er hat treulich Wort gehalten, bis ihn der Herr über Leben
und To«l aus seiner irdischen Arbeit abgerufen hat. Ein ebenso
thütiges als erfahrungsreiches Leben hat am 29. Januar 1895 durch
einen Schlngfluss unerwartet schnell seinen irdischen Abschluss ge-
funden. Vielseitige und höchst interessante Erfahrungen hatte er
durch seinen Verkehr mit den grössten Geistern und Künstlern seiner
Zeit gemacht ; nicht minder wichtige aber in seinem empfindsamen
Herzen durch die oft recht schmerzlichen Fügungen Gottes. Er-
fahrungen bringen Lehre, treiben den forschenden Geist in die Tief«;,
um das Ewige zu suchen und geben die Kraft, von dem blendenden
Schimmer der Weltgunst sich nicht hinreissen zu lassen. Hein«
wissenschaftlichen Werke sind dadurch für alle, «lie das Wohl der
Menschheit durch wahre Bildung und Erziehung aufrichtig suchen,
von ganz besonderem Werte geworden. Wir erlauben uns noch auf
die Vorzüge derselben aufmerksam zu machen: «lie ihnen zu Grunde
liegende philosophische Weltanschauung, die geistvolle Auffassung
d«;r Kulturgeschichte und die patriotische Tendenz, welche überall
bei der reinsten Universalität hervorleuch tet.
Carriere’* philosophische Weltanschauung ist die des realen
Idealismus. Di<> Welt ist ihm ein mit absoluter Weisheit geordneter
und gehüteter Organismus von unendlicher Ausdehnung und Lebens-
fülle. Er steht in entschiedenem Gegensatz zu dem materialistischen
Pessimismus, der alles mit dem Unbewussten entstehen und in das-
selbe zurücksinken lässt und trotz aller scheinbaren Verstandesschärfe
für ein absolut gütiges Sittengesetz keine Erklärung gefunden hat,
oder, in<lem er alles für subjektive Vorstellung erklärt, aus dem
Zirkel nicht herauskommt, «lass unser Gehirn, das selbst nur eine
Vorstellung sei, unsere Vorstellungen erzeuge. Carriere steht mit
seiner Weltanschauung in wesentlicher Übereinstimmung mit allen
grossen Denkern, die wahrhaft bildend und erziehend auf ihre Mit-
menschen cingewirkt haben, darum ganz besonders auch mit
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190
Baohring,
Heft 5 u. 6.
Comenius, den er selbst als einen Mann von weltgesehicht-
lieher Bedeutung geschildert hat. Besondere» Verdienst über
hat er sieh erworben durch den wissenschaftlichen Beweis des Be-
stehens der sittlichen Weltordnung, welcher entsprechend die Menschen
ihr privates und öffentliches Leben zu gestalten hahen, wenn es ihnen
wohlgehen soll.
Die Grundlage der gesamten Weltordnung ist das Naturgesetz
der Gravitation, der gegenseitigen Anziehung aller Dinge. Dieses
wird durch die sittliche Weltordnung vergeistigt. Der Zusammenhang
des Menschen mit der Natur kann nicht aufgehoben , alter er kann
und soll ihm zum Bewusstsein gebracht und mit sittlicher Freiheit
von ihm anerkannt und bethätigt werden. Darin ist der erste Schritt
zum Eintritt in die sittliche Weltordnung, dass sich der Mensch als
Vernunftwesen erkenne. Als solcher findet er in sich die Fähigkeit,
Ideen zu Imbon , und darum auch den Beruf, nach höherer Voll-
kommenheit zu streben. In diesem Streben findet er nicht nur seine
wahre Freiheit, sondern auch die rechte Lebensordnung und das
höchste Ijcbensglüek. Er gründet Familien, bürgerliche und religiös«'
Gemeinden und zum Schutze derselben den Staat. Seine Geschichte
wird trotz mancherlei Verirrungen und Missgriffen ein allmählicher
Emporgang zum Vollkommeneren. Seihst Leiden und Rückschläge
dienen dem einzelnen wie der Gesamtheit dazu. In der Kunst aber
besitzt der Mensch das unvergleichliche Mittel, das Vollkommene
sich zu veranschaulichen und das Unvollkommene erträglich zu machen
und in der Religion, den Glauben an den lebendigen Gott, den
Frieden der Seele und die selige Hoffnung sich zu In* wahren.
Das sind in Kürze die Grnndzüge der Weltanschauung unseres
nun zur unmittelbaren Behauung übergegnngenen Denkers. Frei von
aller künstlichen Sophistik ist sie hervorgegangen aus den unleug-
baren Thatsachen der Wirklichkeit und des Lebens. Darum ist sie
auch im stände, wirkliches lieben und höheres Streben zu wecken.
Diese Weltanschauung entspricht seiner Auffassung der Kultur-
geschichte, die er unter dem Haupttitel : „Die Kunst im Zusammen-
hang der Kulturentwickelung und die Ideale der Menschheit“ von
den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“ in 5 starken Bänden
meisterhaft dargestellt hat.
In der Menschheit wie im einzelnen Menschen sind Natur,
Gemüt, Geist die drei Urmomcnte, deren Ideale in drei Perioden
gestaltet werden. Nach einleitender Erörterung über das Wesen und
den Ursprung der Sprache, der Gottesidee und der Schrift wird
zuerst <lie Kulturontwiekelung bei den Naturvölkern, daun bei den
Chinesen, Ägyptern, Semiten, Indern, Thraciern und im 2. Bande
Hellas und Rom in Religion und Weisheit, Dichtung und Kunst
dargestellt.
Durch das Christentum ist die Kultur eingeführt in die Tiefen
des menschlichen Gemütslebcns. Dichtung, Kunst und Wissenschaft
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1895.
Zur Erinnerung an Moriz Carriern.
191
haben dadurch eine neue Weihe erhalten. Auch der Islam gehört
dieser Richtung an. Neue Völker treten auf, neue Kräfte stellen
sieh in den Dienst dieser Kulturarbeit, neue Schöpfungen treten in
allen Zweigen der Kultur ans Lieht. Dhs christliche Mittelalter ist
durch die Entwickelung des inneren Beelenlehens der Menschheit ein
Fortschritt im Vergleich zum Altertum, aber doch auch nur ein
Übergang zu einem neuen Zeitalter, dem Zeitalter des Geistes, welches
mit der Reformation seinen Anfang genommen hat.
Der Drang nach persönlicher Selbständigkeit und rein mensch-
licher Bildung ist mit der Reformation in Luther und seinen Kampf-
genossen siegreich zum Durchbruch gekommen. Im Selbstgefühl
beginnend, durch eigenes Wollen zum klaren Selbstbewusstsein sieh
erhebend, durch eigenes Denken die Wirklichkeit und den Quell
der Wahrheit findend, haben die reformatorischen Geister des sechs-
zehnten Jahrhunderts ein neues Zeitalter eingeleitet, in welchem auf
allen Gebieten des Denkens und Lebens die Menschheit zu immer
höheren Fortschritten gelangen kann und wird.
„Unser Leben , so sehliesst Carriern den letzten Band dieses
seines Hauptwerkes, ist ein Emporgang, aber ein Bchmerzensweg,
doch er leitet zum Heil und führt zum Frieden und seliger Voll-
endung, wenn wir uns mit der sittlichen Weltordnung in Einklang
setzen. Der Glaube an die sittliche Weltordnung, das heisst der
Glaube an den lebendigen Gott, in «lern wir leben, weben und sind,
an den Ewigen, der alles aus sieh entfaltet, und in und über allem
bei sich selbst bleibt, der den endlichen Geist zur Freiheit entlässt
und beruft, um im freien Bunde mit ihm ein Reich der Liel>e zu
haben, ein Gottesreich, in welches Christus einging, als er seinen
Willen dem ewigen Willen ergab, als er damit das Bewusstsein der
Freundschaft, das die Menschheit durch die Bünde verloren, wieder-
herstellte. Dieser Glaube an die sittliche Weltordnung macht uns
zu ihren Gliedern, ihren selbstbewussten Organen gleich all' den
Helden und Weisen, gleich all’ den grossen schöpferischen Künstlern,
deren Werke wir in diesem Lichte betrachtet haben.“
Wollen wir aber in diesem Geiste für das Allgemeine wirken,
so müssen wir das Allgemeine und Gemeinsame in seinen besonderen
Erscheinungen suchen und zur Geltung bringen. Nicht ein abstrakter
Kosmopolitismus, nicht ein unstätes Pierumfahren zwischen Himmel
und Erde kann uns vorwärts bringen und zu nützlichen Arbeitern
im Zeitalter des Geistes machen, sondern die klare Erkenntnis des
Wahren und Guten, welches jeder in seiner Nation, in seiner Heimat,
in seiner Religion und Konfession, in seinem Stand und Beruf finden
kann, und die Überwindung aller Selbstsucht im Gehorsam gegen
das Grundgesetz der sittlichen Weltordnung, Gott zu lieben über
alles und den nächsten wie »ich seihst. Dadurch bringen wir in der
Menschheit das Gesetz der Gravitation zur Geltung, welches die
ganze Natur in ihrem geordneten Gang erhält.
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192
Baehring, Zur Erinnerung an Morii Carriere. Heft 5 11 . 6.
Carriere verband mit Keinem philosophischen Universalismus
trotz seiner Abstammung aus Frankreich, die schon sein Nanio an-
deutet, einen sehr regen Patriotismus. In Deutschland war er geboren
und aufgewachsen, mit dem deutschen Volke fühlte er sich Bufs
Innigste verbunden. Ihm durch seine Gaben zu dienen erkannte er
als höchste Pflicht.
Schon sein erstes grösseres Werk, das er als Docent in Giessen
im Jahre 1840 veröffentlichte: „Die philosophische Weltanschauung
der Reformationszeil in ihren Beziehungen zur Gegenwart“, war von
patriotischem Geiste durchdrungen. Es sollte in jener Zeit des be-
ginnenden theologischen Rückschrittes den Beweis liefern, dass die
Reformation der Kirche keineswegs im 16. Jahrhundert abgeschlossen
werden konnte, sondern eine beständige Fortentwickelung ihrer
Principien von den lebenden Geschlechtern fordert. Er
vertrat damit einen Gedanken, den vierzig Jnhre später unsere Ge-
sellschaft selbständig wieder nufgenonunen hat und für dessen An-
erkennung sie zu wirken bestrebt ist.
Die nationale Bewegung im Jahre 1848 veranlasst« ihn, in seiner
Rchrift „Religiöse Reden und Betrachtungen für das deutsche Volk von
einem deutschen Philosophen“ (1850) den Weg zu einer gesunden
Lösung der wichtigsten Fragen zu zeigen. Er that dieses in Über-
einstimmung mit Bunsen, dem damals sehr angesehenen preussischen
Staatsmann. „Nichts kann Europa retten als eine sittlich -religiöse
Wiedergeburt auf philosophischem sowohl als geschichtlichem Grande
und eine brüderliche Vereinigung der christlichen Völker zum grossen
Werke der Gesittung“, so lautet das vorangostcllte Motto. Die
Besorgung der dritten vermehrten Auflage dieser nie veraltenden
Keilen war eine seiner letzten Arbeiten.
Im Jahre 1890 veröffentlichte er: „Lebensbilder“, in denen
sich sein patriotisches Herz am tiefsten aufgeschlossen hat. In Oliver
Cromwell, dem Zuchtmeister der Freiheit, schilderte er ein Vorbild
Bismarcks ; an einer Reihe deutscher Geisteshelden im Eisass zeigt
er die nationale Zusammengehörigkeit dieses Landes mit dem deutschen
Reich; in einem Brief an Ernst Renan erinnert er an Deutschlands
und Frankreichs gemeinsame Kulturaufgaben. Dann folgen Börne,
Peter Cornelius, Bettina von Arnim, Liebig und Platen, Hermann
Imanuel Fichte, Hermann Ulrici, Johannes Huber, Melchior Meyer,
Ferdinand Freiligrath, Emanuel Geibel und endlich ein Blick auf
seine eigenen Erlebnisse in München. Lauter beredte Zeugnisse einer
christlich-patriotischen Gesinnung und acht philosophischer Denkweise.
Sollt«' ein solcher Genius der Comenius-Gesellschaft fern bleiben ?
Neben seinem ihm ins bessere Jenseits vorausgegangenen Amtsgenossen
Frohschammer verdient er um so mehr in ehrender Erinnerung von
uns gehalten zu werden, als beide Denker im wesentlichen überein-
stimmten, in wichtigen Beziehungen aber sich gegenseitig ergänzen.
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Nachrichten.
Wir haben früher (s. M.H. der C.G. 1895 S. 64) auf die Universal-
Universität hingewiesen, die der Grosse Kurfürst im Jahre 1667 für Berlin
im Anschluss an Gedanken des Coinenius und Bnco pinnte. In der Histoire
l‘hiIosophii]ue de l’Acadcmic de Prusso etc. von Christian Barthelmbas,
Paris 1850 I, S. 5 finden sich Nachrichten über verwandte Pläne, die zehn
.Jahre älter sind. Barthelmess schreibt-: „Des 1656 il (d. h. der Grosse
Kurfürst) avait songc ä doter ses Ktats d’un tribunal supreme de la littü-
rature et des Sciences, en faisant bätir unc villc uniquement habitoc pnr
d 'habiles gens tirees de toute» los nations policbcs, une ville savantc, qui
offrit un euscigncmcnt theoriquo et pratique de tout ce que l’esprit humain
avait ddcouvcrt et invcntb, savait et pouvait. Getto republiquo , peutbtre
une imitation perfectionnbe de l’Uranibourg de Tycho-Brahb, niais qui fait
jienser tantot ä l’Atlantide de Bacon, tantüt ä l’Utopie de Thomas Morus,
dovait jouir d’unc Jurisdiction propre et indbpendante, et s’ouvrir particu-
licrbment ä ceux qui manquaient dans leur patrie de la libertt* nccessairc
aux (Hildes et ä la pensbe. La diffbrcnce de foi religieuse ne devait point
etre un motif d’exclusion. Chreticn, Juif, Mahonie tan, chacun serait autorise
ä professer ses crovances, sous la seule idserve de sc conduire en homntc
de bien, en citoyen honnbto, en sinefere partisan de la tolerancc. Gelte
citt? enfin, entrepüt universel des lumierca et des connaissances, devait idunir
tous les agrbments, qui peuvent charmcr une existence litteraire, et nttircr
lee hommes de gotlt et de mörite. Demeur riante et respectable de la
scicnce et de la sagessc, asile de la philosophie et de la hardiesse d’esprit,
eile serait en mfime temps pour les Muses une rctraitc enchiuitde, n laquelle
les souverains de l’Europe s’em presseraien t d’accordcs le privildge d’une
entibre neutralitd dans tfiute« les guerres ä venir. La langue latine devait
etre l’idiomc de l’universitd brandenbourgeoise.“ — Barthehnbss beruft sich
für diese Mitteilungen auf Oelrichs, Comm. hist. litt. 1751 Diss. 1. Es ist
merkwürdig, wie nahe diese Pläne eich mit den Ideen berühren, die, wie
wir oben sahen (M.H. 1895 8. 153 ff), die Mitglieder der Londoner Akademie,
die sich Macaria oder Utopia nannte, vor allem Hartlieb und Coinenius
hegten. Man wird dabei doch lebhaft an die Thatsache erinnert, dass der
Grosse Kurfürst seit 1643 Mitglied der Akademie des Pulmbaums war
(M.H. 1895 8. 05).
Nachrichten.
Heft 5 u. 6.
194
Man hat die Bedeutung des Zunftwesens der früheren Jahrhunderte
für die Entwickelung der städtischen Verfassung und für die Geschichte
des wirtschaftlichen Lebens vielfach zum Gegenstände wissenschaft-
licher Untersuchungen gemacht, aber die Bedeutung, welche gerade die
vornehmeren Zünfte und zumal diejenigen, die keinen lokalen Charakter
besassen, für die Entwickelung des religiösen Lebens gewonnen haben,
ist noch bei weitem nicht genügend erörtert worden, offenbar zum Teil
deshalb nicht, weil diese Aufgabe besondere Schwierigkeiten darbietet. Ea
ist ein grosser Irrtum, zu glauben, dass das religiöse Leben von jeher nur
durch die Gelehrten, durch Theologen und Professoren geleitet und bestimmt
worden sei; die grossen Verbände, die in Gilden, Zünften und Bruder-
schaften aller Art neben der Geistlichkeit und den Hochschulen bestanden,
halien sich vielfach eine durchaus selliständige Stellung zu den religiösen
Fragen gewahrt, und es wäre eine dankbare Aufgabe, diese Bache einmal
klarzustellen, so weit sie, da die Bewegung sich vielfach im Stillen vollzogen
hat, heute noch klar zu stellen ist. Es kommen hierfür in erster Linie die
Zünfte der Weber und Steinmetten (Bildhauer, Maler, Goldarbeiter und
« Schmiede u. a. w., d. h. aller Werkleute, „die nach der Geometrie arbeiten“,)
in Betracht. — Es ist sehr merkwürdig, dass in den Ländern, wo die
Gegenreformation im 17. Jahrhundert Fass fasste, nicht bloss die Geistlichen,
die Lehrer u. s. w., sondern in erster Linie die Zunfthäuser der Gilden
als die Träger und die Sitze der Opposition galten (vgl. Keller, die Gegenref.
in Westf. u. am Niederrhein Bd. III Nr. 55t! |im Druck]). Ebenso waren es
un das Jahr 1520 in Nürnberg, Zürich, St. Gallen u. s. w. die Zunft-
stuben der Weber, (der „Tuchknappen“) Goldschmiede u. s. w., welche
zuerst für Luther Partei ergriffen und wo die ersten Versammlungen und
Gottesdienste der Evangelischen stattfanden (vgl. den Artikel Wolfg. UUmann
in der Allg. d. Biogr. und Keller, Job. v. Staupitz, Lpz. 1S88 S. 31b ff.).
Die Zünfte und Gilden waren cs denn auch, die die religiöse Reform zuerst
nicht bloss im Sinn einer Reform der Lehre oder der Dogmatik, sondern
des gunzen Lebens fassten und die zugleich nach der wirtschaftlichen
und sozialen Seite eine „allgemeine Reformation der ganzen Welt“ anstrebten.
Es wäre von besonderem Interesse, einmal genauer festzustellen,
welche Mitglieder der Akademie des Palmbaums — eine vollständige
Liste findet sieh bei G. Krause, Fürst Ludwig von Anhalt Bd. III (am
Schluss) und, wenn auch kürzer, bei Goedeke, Grundriss der Literatur-
geschichte Bd. III — zugleich Mitglieder des Johanniterordens waren, wie
er im 17. Jahrhundert unter dem Heermeister von Sonnenberg bestand.
Dass einzelne Johanniter Mitglieder der „Akademien“ des 17. Jahrhunderts
waren, steht urkundlich fest. Im Jahre lbll wurde der Bruder des Kur-
fürsten Sigismund von Brandenburg, Markgraf Emst, der bald darauf zu
den Reformatoren übertrat , und nach ihm dessen Bruder, der Markgraf
von Jügerndorf, Hecrineister; beide brandenburgische Prinzen haben zu
hervorragenden Brüdern Beziehungen besessen. Im Jahre 1B24 wurde
Markgraf Hans von Brandenburg als 95. Mitglied in die Akademie des
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1895.
Nachrichten.
195
Palmbaums aufgenommen; ihm folgten 1037 der Kurfürst Georg Wilhelm
und 1043 der Grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm.
Es ist, wie an anderer Stelle nachgewiesen worden ist, ein Kennzeichen
der böhmischen Brüder und ihrer Vorläufer und Nachfolger — wir fassen
sie unter dem Namen der altevangelischen Gemeinde zusammen — dass
sie von je einen starken Widerwillen gegen Sondcr-Namcn gehabt und
es stets grundsätzlich abgelehnt haben, sich nach einem Menschen zu
nennen und durchaus nur Brüder und Christen heissen wollten; selbst der
Name „Waldenser“ ist bis in das 10. Jahrhundert hinein nur von Gegnern
gebraucht worden. Ein ähnlicher Widerwille tritt uns in den Akademien
entgegen. Dem Fürsten Ludwig war durch eine hohe Anverwandte ein
„frommer Calvinist“ zur Aufnahme empfohlen worden. Darauf erklärte der
Fürst: „ln diesem Lande sind und heissen wir keine Calvinisten, obschon
andere sich Lutheraner und (sonst) nach Menschen nennen. Es ist bisher
noch keiner mit dem Namen eines Calvinisten, sondern als ein guter
Christ in die Gesellschaft aufgenommen worden, wird auch hinfüru mit
dem rottischen Namen keiner eingenommen werden“.
Man weiss, wie sehr die theologische Littcratur des 17. Jahrhunderts
auf beiden Seiten von einer wüsten Polemik erfüllt ist. Auch Comcnius
war Theologe und hat in seinem laugen Leben ausserordentlich viel ge-
schrieben und veröffentlicht, auch, wie man weiss, als Angehöriger schwer
verfolgter Ketzergemeinden in heftigen Kämpfen gestanden. Da ist es
nun doch merkwürdig, dass wir neben zahlreichen Unions-Schriften und
Friedensmuhnungcn nur eine einzige Schrift protestantischer Polemik von
ihm besitzen. Und diese eine ist, wie Kleinert gelegentlich hervorgehoben
hat, „ein für jenes Zeitalter faBt einzig dastehendes Muster sitt-
licher Würde und feiner Überlegenheit“.
Im Sommer- Semester 1895 hält Herr Direktor Joh. Th. Müller,
Mitglied des Gesamt -Vorstandes der C.G., am theologischen Seminar der
Brüdergemeinde zu Gnadenfeld (Schlesien) eine vierstündige Vorlesung über
die Geschichte der böhmischen Brüder. Es ist uns nicht bekannt, dass
bisher an irgend einer deutschen oder ausserdeutschen Hochschule über
diesen interessanten und wichtigen Gegenstand, dessen Zusammenhänge mit
der Geschichte der Waldenser und aller altevangelischen Gemeinden der
späteren Jahrhunderte ja heute anerkannt sind, ein ähnliches Colleg gehalten
wäre. Irren wir uns, so wäre eine Berichtigung uns sehr erwünscht.
In den „Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung
vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig“ Bd. VI (Lpz. T. O.
Weigel 1877) S. -11 ff. veröffentlicht Oberlehrer Franz Dix einen Aufsatz
über „die tugendlichc Gesellschaft“, die am 5. Septemlier 1019 von
neun fürstlichen Frauen in Gegenwart des Fürsten Ludwig von Anhalt
gegründet wurde und auf die schon G. Krause in Der fruchtbringenden
Gesellschaft ältester Erzschrein, Lpz. 1855 8. 19 Anm. , hingewiesen hat.
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100 Nachrichten. Heft 5 u. 6.
Der Aufsatz ist nach Akten gearbeitet, die sich zusammen mit zahlreichen
Handschriften von und über Kalke (Katichius) in der herzoglichen Bücher-
aammlung auf Schloss Friedenstein in Gotha unter Cod. Ch. B. 831 b Ra-
tichiana und in einer zugehörigen nicht näher bezeichneten Aktensammlung
befinden. Die Geschichte dieser Gesellschaft , die durchaus in den Formen
de» Palmbaums organisiert war, giebt weitere wertvolle Belege für die That-
sache, dass es dem Fürsten Ludwig von Anhalt und seinen Freunden um
weit wichtigere Dinge als um Sprachreinigung zu thun war.
Es ist dem Herausgeber der M.H. in vielfachen zustimmenden Er-
klärungen, zum Teil von sehr zuständiger Seite, mitgeteilt worden, dass man
die Charakteristik der sog. Sprachgesellschaften des 17. Jahrhundert», wie
sie in dem ersten Teile des Aufsatzes „Comenius und die Akademie der
Naturphilosophen“ gegeben worden ist, für durchaus überzeugend und zu-
treffend halte. In der That. ist nicht zu bezweifeln, dass, nachdem einmal
der Weg gezeigt ist, jede weitere Forschung die gegebene Schilderung und
die veränderte Auffassung jener Körjicrsehaften und Akademien bestätigen
wird. Die Akademie des Paluibnums und alle ihr nachgebildeten Gesell-
schaften halien in der That. viel mehr erstrebt als die Beseitigung der Fremd-
wörter. Wir verweisen hier zur weiteren Begründung auf ein Gedicht, das
der Gründer des „Palmhaums“, Fürst Ludwig von Anhalt zur Erläuterung
des Sinnbilds seiner Akademie, des Palmbaums, gemacht hat :
Lernet, die ihr werden wollt
Dieses schönen Ordens Glieder —
Lernet von des Palmenbatuus
Wunderfrücht' und Nutzgcpräng’
Ihm zu gleichen fort und fort:
Bringet Frucht in reicher Müng’
Auch dass ihr nach dieser Zeit
Seid der Ewigkeiten Brüder.
Alle Monden trägt der Baum,
Alle Monden bringt er Früchte
Wohl dem, der auch also ringet,
Dass er immci; nach und nach,
Weil er lebet hier auf Erden,
Alles Thun zu Nutzen richte. 1 )
Von einem Hinweis auf die deutsche Sprache ist in den langatmigen
Erläuterungen de» Symbols auch nicht eine Andeutung zu finden.
‘) Teutscbcr Pulmbaum S. 59.
Btirhdruck'-'iri von Johannes Brwlt, MOnalerl.W.
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Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mitglledcrznhl 1895: 1200 Personen und Körperschaften.
Gesellschartsschriften:
1. Die Monatshefte der C. G. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1 — 3 (1892—1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893—1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufsätze aus der C. G. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der C.G.
Der Gesamtunifang der Gesellschaftsschriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8“.
Bedingungen der Mitgliedschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Coinenius-
Blätter für Volkserziehung.
Anmeldungen
sind zu richten an die Geschäftstelle der C.G., Münster i. W., Wolbeekerstrasse 4a.
Der Gesamtvorstand.
Beeger, I^ehrer u. Direktor der Coraenius-Stiftung, Nieder-Poyritx bei Dresden. I»r. Borgius, Ep., Konsistorial-
Rat. Posen. Dr. Hopfner, Geh. Ob«T-Reg.-Itat und Ourator der Universität in Göttingon. Prof. Pr.
Hohlfeld, Dresden. M. Jabionski, Berlin. Israel, Schul-Kat, Zschopau. Archiv-Kat Pr. Ludw. Keller,
Staataarchivar, Münster i. W. D. Pr. Kleinert, Prof, und Otserkonsistorial-Rat, Berlin. W. J. Loondertz,
Prediger. Amsterdam. Prof. Pr. Markgraf, Stadt-Bibliothekar, Breslau. P. Pr. G. Loesohe, k. k. ordenü.
Prof., Wipn. Jos. Th. Müller, Pirektor de« Seminar», Gnadenfeld. Prof. Pr. Nesemann, Lissa (Pos.).
Univ.-Prof. Pr. Nippold, Jena. Pr. F&ppenheim, Prof., Berlin. Pr. Otto Pfleiderer. Prof, an der
Universität Berlin. Pr. Rein, Prof, an der Universität Jena. Univ.-Prof. Pr. Rogge, Amsterdam. Sander,
Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Schönaich-Carolath, Schloss Arntitz. Pr. Schneider, Wirkl.
Geh. Ober-Reg.-Rat u. Vortragender Rat im Kultusministerium, Berlin. Pr. 8chw&lbe, Realgvinn. -Pirektor
und Stadtverordneter, Berlin. Hofrat Prof. Pr. B. Suphan, Weimar. Pr. Th. Toeche-Mittier, Hofbuch-
händler, Berlin. A. Vavra, Prof., Prag. Pr. Wätzoldt, Pro v, -Schulrat in Magdeburg. Pr. Wattenbach,
Geh. Reg. -Rat u. Prof, an der Univ. Berlin. Weydmann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder:
Dr. Th. Arndt, Prediger an 8. Petri, Berlin. I>r. Benrath, Prof, au der Universität Königsberg. Wilh.
Bötticher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand, Raukdin-ktor, Mainz. Pr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenser, Florenz. H. Fechner, Professor, Berlin. Univ.-Prof. Pr. Hilty, Bern. Gyninusi&l-
Pirektor I>r. Heussner, Kassel. Oberstlieut. a. D. Pr. M. Jahns, Berlin. Pr. Herrn, v. Jireuek, k. k.
Ministerialrat, Wien. Prof. P. Pr. Kvaosala, Porpst Launhsrdt, Geh. Regierungs-Hat und Prof.,
Hannover. Univ.-Prof. I>r. H. Suohier, Halle a. S. Archiv-Kat Pr. Prümers , Staataarchivar, Posen.
Rektor Rissmann, Berlin. Land tags- Abgeordneter von Schenckendorff, Görlitz. Pr. G. Schmid,
8t. Petersburg. Slamönik, Bürgerschul- Pirektor, Prerau. Univ-, Professor Pr. von Thudichum, Tübingen.
Freiherr Hann von Wolzogen, Bayreuth. Prof. Pr. Zimmer, Herborn.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C2, Burgstrasso.
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Verzeichnis der Pflegschaften der C.G.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Drr BlirlhMRlio B hinter dem Namen bedeutet „BeTollmÄchtigter irn Ehrenamt*', der BiifhsUb* (•
„(M'sch&fu»! Ährende Buehhandliing“ und der Hiichstalw V Yorsitxender einer C.Z.G. oder C.K.)
Altona: F. L. Mattigsehe Buchh. G
Altdorf: Sem.-Ijchrcr a. II. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Rogge. V
„ Buchh. v. Joh. Midier. G
Augsburg: J. A. Schloesersche Buchh. G
Barmen: Buchh. v. A<lolf Graeper. G
Bart eiist ein ( Ost nr.l: OlierlehrerPr.Lentz. B
Bayreuth: Buchh. v. B. Giesscl. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Ca, W.
Leipz. Str. 128. G
Bremen: Dr. K. Brenning, Realgvm.-Lehr. B
„ Buchh. v. H. W. Silomon. G
Breslau : Buchh. v. E. Morgenstern. G
Bunzlgu: Buchh. v. Ernst Muschkct. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Brodbeck. G
Crefeld: Wevdmann, Pastor. B
Czernowltz : Prof. Dr. Hochegger. V
,, Buchh. v. H. Pardini. G
Christianin: Buchh. v. Cammermeyer. G
Bnn/.ig: L. Saunicrs Buchh. G
Detmold: Sem. -Direkt. Sauerländer. B
,, C. Sehenks Buchh. G
Dortmund: Renlgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden: H. Burdach, K. S. llof-lluchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeck: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
,, Buchh. v. H. Ehlers. G
Eisenach: Sem. -Dir. E. Ackermann. B
,, Buchh. v. Bäreck. G
Elhiug: Oberlehrer Dr. ßandow. B
„ Buchh. v. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hartinann. G
Emden: Haynolsche Buchh. G
Frankfurt a. M. Detloffschc Buchh. G
Giessen: Ferbersehe Univ.-Buchh. G
Glogau: Oberlehrer Baelinisch. B
,, Buchh. v.C.Rcisstier’sXachfolgcr. G
Gotha: Oberschulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Hagen (Westf.): Prof. W. Bötticher. V
,, Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Diesel. B
,, C. Gassmanns Buchh. G
Hamm: Rektor Bartholomaeus. B
Hannover: Renlgymn.-Dir. Ramdobr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ev. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
Herborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst.-Direktor Pfeiffer. V
,, Döbereinersche Buchh. (Rassmann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Henssner. B
„ Buchh. v. M. Brunnemann & Co. G
Königsberg!. Pr. Graefe & Unzersche Buchh. G
l.auban : Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs’aehe Buchh. G
Lengerieh : Rektor O. Kemper. B
Lennep! Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
,, Buchh. v. R. Schmitz. G
Lippstadt : Rcalgymn. -Dir. Dr. Schirmer. B
Lissa 1. P.: Prof. Dr. Nescmiuin. B
,, Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
London: Buchh. v. Williams and Norgnte. 6
Lüdenscheid: Dr. mcd. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. 6
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Olierkirchenrat I). Dreycr B
Mühlhausen i. Tb. : Diakonus J. CI ü ver. B
Miiuclieii: Schulrat Dr. Rohmeder. B
Hofliuchli. v. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Obertfiscben. G
Neuwied: Prediger Sichert. B
Nordlinusen: Oberlehrer I>r. Nägler. B
,, Förstcmannsche Buchh. G
Nürnberg: Postmeister Aug. Schmidt. B
Buchh. v. Friedr. Koni. G
Osehatz: Sem. -Oberl. Ernst Hänseb. B
OsnnbrUek : Pastor Lie. theol. Spiegel. B
,, Buchh. v. Rackhorst. G
Paris: Buchh. v. Fischhacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc. G
Prernu (Mähren) Direktor Fr. Slamfnik. B
Oiicdllnliiiig: Rektor Ed. W'ilke, B
„ Buchh. v. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lamherk. V
,, Buchh. v. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Willi. Begemann. B
„ Stillersche Hof- u. Univ.-Buchh. G
Rulirort : Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagau: Kreisschulinspektor Arndt. B
„ Buchh. v. W. Daustein. G
Soest: Lehrer W. Handtke. B
Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zeelilin. B
,, Sehaumburgschc Buchh. G
Stettin: H. Dannenbcrgschc Buchh. G
Stockholm: Dr. N. G. W. Lagerstcdt. B
,, Hofbuchh. v. C. E. Fritze. G
Strassburg i. El». Scm.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien : Buchh. v. A. Pichlers Wwe. u.Sohn. G
Mies baden: Gymn. -Oberl. Dr. Hochhuth. B
,, Buchh. v. Felix Dietrich. 6
Zchopun : Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & ZeUer. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
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Herausgegeben von Ludwig Keller.
Uiiiii OKS KI.LSCII AKT.
Vierter Rand.
Siebentes und achtes Heft.
September — Oktober 1895.
Berlin und Münster i./W.
; der Coinenius-Gesellschaft.
Johannes Bredt in Kommission.
1S95.
Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und hei der Tost jährlich 10 Mark.
Alle Rechte Vorbehalten. T 'J
Inhalt
des siebenten und achten Heftes 189 5.
Abhandlungen. Sen«
Prof. Dr. Franz Ritter von Krones, Karl von Zierotin und der Kreis
seiner deutschen Freunde und Zeitgenossen. Eine Studie
R. Aron, C’omenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen . . .
I)r. Joh. V. Noväk, Das älteste pansophische Werk des Comenius. (Das
Theatrum uuivcrsitatis rerum)
Besprechungen.
Th. B u rc k h a rtl t - Biedcrin an n , Bonifacius Aiinrbarh und die Reformation. Ba»«l,
H. Reich lHi»4 (Von K. S.>. — Jo». Heber, J. A. Coraeniu» und »eine Beziehungen zu den Sprach-
geaelliichaften (Rötlicher) 253
Nachrichten.
Adolf La»son» Urteil Ober die alldeutsche Mystik. — Die Grafen von Zierotin
und die miihrischen Brüder. — Die Idee eine» R •• I i gi i»n » k on g resse » hei Uomenius. Symbolik
in der Ciew'llscbaft de» Palinhauui». — Kvacsala über Canipaiu lla und Comenius. — Novdks Arbeiten
auf dem Gebiet der Comenius-Forschung -5(
194
217
242
Die Monatshefte der C.G. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt Vorbehalten. Der Ge-
samtumfang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
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und Anträge sind an Johannes Bredt, Verlagsbuchhandlung in Münster i. W.
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Für die Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr. Ludw. Keller
in Charlottenburg, Berliner Str. 22.
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A - - '<p
Monatshefte
Comenius-Gesellschaft.
IV. Band. 1895. e~ Heft 7 ll. 8.
Der Unterzeichnete hat jct'.t seinen Wohnsitz in ltertin-
Charlottenburg und wohnt
Charlottenburg, Berliner Sfr. 33.
Alle für die Schriftleitung dieser Zeitschrift und die Oe-
sehiiftstelle der C. 0. bestimmten Sendungen bitte ich daher Ins
auf weiteres an die angegebene Adresse zu richten.
Charlottenburg, im August 1895.
Archiv-Rat JDr. JLudw. Keller.
Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen
Freunde und Zeitgenossen.
Studie
von Prof. Dr. Franz Kitter von Kronos in Graz.
Das Lebe» Karls von Zierotin, des mährischen Hochadligen
und Staatsmannes, bewegt sich innerhalb der Jahre 1569 und 1636.
Seine Kindheit verfliegt in den Tagen Kaisers Maximilian II.,
unter dessen Herrschaft die grossen Gegensätze im Reiche und
in den Ländern des Hauses Habsburg zum Gewitter sieh an-
sanimeln, das dann in den Zeiten seines unseligen Nachfolgers,
Rudolf II., an der Wende zweier Jahrhunderte, losbricht, zunächst
jenseits der Leitha, dann hüben, in Österreich und in den böh-
mischen Provinzen, während in Deutschland die Union, das Auge
bald ostwärts, bald westwärts, nach jenen Vorgängen und nach
Frankreich wendet, und ihr jdanreicher Sachwalter, Fürst Christian
von Anhalt-Bernburg, das Verhängnis Habsburgs als entschieden
und den Sieg der eigenen Sache, der fürstlichen Libcrtät und der
reformierten Kirche, gesichert vermeint
Monatührfle der Cwneniu»-Ge«ell*ch»ft. 18%.
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198
v. Kronen,
Heft 7 u. 8.
Diese Hoffnung schlug allerdings fehl. Die ruckweise Ent-
thronung Kaiser Rudolfs II. besagte noch immer nicht das Ende
deutschhabsburgischer Herrschaft, und auch jenseits der Pyrenäen
behauptet sich die Geltung der Sehwesterdynastie. Heinrich IV.
wird (1610) ermordet, und mit seinem Hinscheiden verflüchtigt sieh
der vielumfassende Plan einer Neugestaltung des Abendlandes.
Aber von 1612 — 1618 sammelt sieh der Stoff zu dem
Kriege, welcher die Gegensätze politischer und religiöser Natur
in den Provinzen des Hauses Habsburg und in Deutschland ge-
waltsam ausgleichen, oder, besser gesagt, durch den Sieg der einen
Sache Ober die andere zum Austrag bringen soll. Seinen Aus-
bruch und seine grössten Wandlungen erlebte Zierotin aber nicht
mehr als leitender Staatsmann in seiner Heimat, sondern im Ruhe-
stände, meist in der Fremde (zu Breslau), müde und vereinsamt.
Seine Lehr- und Wanderjahre sehliessen mit 1594. Dann
sammelt sich der rcichbegabte, welterfahrene Kavalier von 60
Jahren für grössere Aufgaben. Seit 1605 tritt er in den Vorder-
grund des politischen Lebens seines Vaterlandes, und mit der
Wahl zum Landeshauptmann, 16. Juli 1608, beginnt die Mittags-
höhe seines thätigen Daseins; als er 1614, 26. Februar, seinem
dornigen Amte entsagte, hebt bald der lange, düstere Lebens-
abend an.
Zwei Ideale hatte bisher Zierotin fest- und hochgehalten,
den Sieg seines Glaubensprinzips, des mit den Reformierten
versch winterten Bekenntnisses der böhmisch -mährischen Brüder-
gemeinde, und die staatsrechtliche Vereinigung aller Län-
der des kaiserlichen Hauses Deutsehhabsburg in einem
feudalen Reichsparlamentc. Beide Ideale verwirklichten sieh
nicht. Das religiöse seheiterte an der Widerstandskraft der müh-
rischcn Kirche und an dem heftigen Widerstreite, der das Luther-
tum und die reformierte Kirche auseinanderhielt, — das politische
an dem Partikularismus der ungarischen, böhmisch-mährisehon und
österreichischen Iiinder-Stäiidc und an dem Übermnss ihrer Forde-
rungen. Vergebens Hess Zierotin, der „Legitimist“, der Anhänger
der Erbmonarchie, seinen Warnungsruf erschallen: man möge
nicht zuviel begehren, um dann vielleicht ulles zu verlieren. Der
Wamungsruf ward überhört, Zierotin musste es erleben, dass ihn
die Bewegungspartei als „Reaktionär“ verdammte; aber die Schlacht
am Weissen Berge, der 8. November 1620, gab ihm Recht»
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1895. Karl von Zierotin und der Kreis «einer deutschen etc. 199
Sechszehn Jahre verstrichen seither, der grosse deutsche Krieg
entwickelt sieh, er wird ein europäischer, endloser; inmitten dieser
Krise stirbt Zierotin. Wohl blieb es ihm unbenommen, auf seinen
Gütern in Mähren zu verweilen und seinem Bekenntnisse anzu-
hängen; aber er erscheint in der Heimat nur ab und zu als Gast;
nichts war ihm übrig geblieben als der Trost, den die Wissen-
schaft und der Glaube spenden. Er hatte sich als Politiker über-
lebt und lebte mehr in sich als in der Zeit, die ihm stets fremder
wurde.
Das Geschichtsleben Zierotins ist ein Stück der Geschichte
der Jahre HiOO — 1615 und füllt längst ein bekanntes, gutes
Buch ')• W as der Verfasser dieses Aufsatzes zu bieten gedenkt,
ist etwas anderes, die Stellung Zierotins in und zu der
Geistesrepublik seiner Zeit, vornehmlich auf dem Boden
Deutschlands.
Zierotin ist so ganz und gar der beste Typus des mährisch-
böhmischen Herrenstandes in der Schlusshälfte des 16. Jahr-
hunderts in seinen bildungs- und wissensfreundlichen Elementen
und anderseits der der Brüdergemeinde in Hinsicht ihrer univer-
sellen Stellung. Rühmt doch Zierotin sein Geschlecht, das durch
anderthalb Jahrhunderte dem rechten Glauben treu geblieben sei.
Der Edelmann, dessen Schriften für die sluvische Heimat-
sprachc seiner Zeit geradezu mustergiltig*) genannt werden müssen,
ist auch des Deutschen mächtig; er korrespondiert im eleganten
Latein, in gutem Französisch und Italienisch. Seine Briefe
umfassen den ganzen Kreis der adeligen Stimmführer Mährens,
Böhmens, Österreichs und Ungarns; sie sind an französische
Staatsmänner und Diplomaten, an die gekrönten Häupter Frank-
reichs und Englands, an britische Lords so gut wie an deutsche
Fürsten, den Pfälzer und den Markgrafen Georg von Brandenburg
vor allen, gerichtet.
Was uns aber am meisten fesselt, angesichts dieser Zeug-
nisse wcltbürgerlichcr Bildung, eines universellen Verkehrs,
') IVter Ritt. v. Chhimcczky, Karl von Zierotin und «eine Zeit
1564— 1015. Brünn 1862. XXIV u. 864 SS.
') Die Ausgabe der in böhmischer Sprache abgefassten Staatsschriften
und Korrespondenzen besorgte der mährische Landesarehivar l)r. Brand),
Brünn, 1870 — 72. Vgl. d’Elvert, Mährens hi«t. Litteraturgeschichtc (Brünn
1850, Nachträge 1854).
14 *
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200
v. Krone»,
Heft 7 u. 8.
der aus den Wanderjahren auswärtiger Hochschulstudien, aus
weiten Kelsen und aus der persönlichen Geltung des Mannes,
daheim und in der Fremde, sich zwanglos eigab, sind Zicrotins
dauernde Beziehungen zur glaubensverwandten Gelehrten-
welt Deutschlands 1 ). Hier flössen das stetige Bedürfnis, lieb-
gewordene geistige Beziehungen zu pflegen, die Stätten deutscher
Bildung, dem adeligen Nachwuchs erschlossen zu halten, mit dem
Drange des Genossen der „Brüderschaft“ in einander, das Band
der (ilaubcnsintcressen durch Deutschland, die Schweiz und die
romanische Protestantenwclt möglichst weit und fest zu schlingen.
Da gab es keinen Kaum für die nationale, bildungsfeindliehe Ein-
seitigkeit des Hussitismus, der im nationalen und Glaubenskriege
wider Deutschtum und römisches Kirchenwesen erstand, erstarkte
und erstarrte, wohl aber für Interessen, die kein Monopol eines
einzelnen Volkes waren.
Die grundlegende Bildung hatte Zicrotiu in der Heimat, an
der von seinem Vater (1575) begründeten Brüderschule zu Eiben-
sch itz empfangen. Hier wirkte als „Rektor“ E. von Rüdiger
oder Rudinger, der Ostfranke, geboren 1523 zu Bamberg, der
Eidam des berühmten Catuerurius, er, der zu Wittenberg Philo-
sophie, Physik und griechische Littcratur gelehrt hatte, und 1574
als bestverlüumdeter „Kryptokalvinist“ es vorzog, die Hoch-
schule des Sachsenlandes mit Nürnberg und dann mit dem stillen
Markte Westmährens in der oben erwähnten Berufsstellung zu
vertauschen, die er bis zu seinem Scheiden aus dem Lehramt«
innehatte. Dass Zierotin auch sein Schüler war, bezeugt das
Tagebuch des Letzgenannten vom Jahre 1588.
Den häuslichen Unterricht erteilte und überwachte jedoch
Lorenz Zirklcr, früher zu Brünn, dann zu Eibenschitz. Er war
es auch, der als „Studienleiter“ („paedagogus“ oder „studiormn
director“), mit Wenzel Lavinus von Ottenfeld (als „Präceptor“,
Hofmeister) zur Seite, den jungen Edelmann der hohem Ausbildung
') Zunächst hat Monte u. <1. T. „Episteln« srlcctac Caroli L. B. a
Zierotin (Brünn 1781)“ au» diesem Schatze Zicrotinscher Korrespondenzen
l’rolten geboten. 1*. v. Chlumcczky teilte dann 1S54 (Schriften d. hist.
Sektion, Brünn 7. Bd. 55 — 95 vgl. Notizenblatt d. hist. Sektion Brünn 1850,
S. 04, 1857 S. 16) die Übersicht der Off. u. J’riv.-Korresp., d. Tagebücher u.
Akten-Samml. Zierotin» mit. (S. w. u.)
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1895.
Karl von Zierotin um! der Krem »einer deutschen etc.
201
au der Strasaburger Universität zu führte '). Das geschah 1579,
als Zierotin ins 16. Lebensjahr eintrat und bereits ein Stück Welt,
Italien, besucht hatte.
Laurenz Zirkler, ein Kind Schlesiens, geb. zu Goldberg, war
Schüler Trotzcndorfs und Mclanchthons, dann I /eh rer an der hei-
mischen Schule und Erzieher der Efirstensöhne von Bring, bis
ihn ehrende Aufforderungen böhmisch-mährischen Adelsfamilien,
voran dem Hause Zierotin, zuführten. Karl von Zierotin preist
dies als „göttliche Fügung“. Stets blieb er dem wackem aber
etwas unsteten Manne, wie auch dessen Lebensstellung wechseln
mochte, mit dankbarer Empfindung eigeben. „Alles, was ich weiss,
verdanke ich ihm“, schreibt er in sein Tagebuch, und es verlohnt
sich der Mühe, sein Schreiben aus späterer Zeit (Oktober 1591,
Brandeis) an Zirkler zu lesen, worin Zierotin lebhaft beklagt, dass
Zirkler ihm die Freude des Wiedersehens nicht vergönnt habe.
Eines bleibe unwandelbar, schreibt er: „ich bin ganz Dein und
werde es sein, so lange ich lebe“ -).
Zu Strassburg waren namhnftc Professoren Lehrer unseres
Zierotin. So der Thurgauer Konrad Kauhfuss (Dasypodius,
der Sohn Peters, der auch zu Strassburg gelehrt hatte, f 1559),
ein tüchtiger Mathematiker und Herausgeber des Euclid in griechi-
scher und lateinischer Sprache, dessen rechnerische Talente auch
die astronomische Uhr am Strassburger Münster verewigte; ge-
storben zu Strassburg 26. April 1600, — ferner der Latinist
Johann Lobecius, der Rhetor Melchior Junius und der
Vertreter des Griechischen und der Geschichte Michael Bosch.
Wenn Strassburg den ersten Grund der Hochschulbildung
Ziemt ins gelegt hatte, so sollte sie in Basel fortgesetzt werden,
wo die reformierte Kirche entschiedene Vertreter im Lehrstuhle
vorfand, das Bekenntnis der Brüder somit eine verwandtere
') Die Hauptsamralung der nicht-slavischen Korrespondenz
Zierotin», auf welcher da» Folgende vorzugsweise beruht, wurde noch dem
Ablel>on I’eter» vou Chlumeczky, »eine» Biographen, 187!) als ücilagcnband
von der hist. Sektion der miihr.-sehl. Ge», z. B. des A. d. M. u. L. durch
d'Elvert veröffentlicht. 352 SS.
’) Vgl. meine Studie „Karl v. Zierotin u. sein Tagebuch vom Jahre
1591 in d. Ztsehr. f. Kulturgeschichte, hrsg. v. Dr. G. Steinhausen,
Weimar 1894, II. Bd. 1. H. 1 — 30, über Zierotin» Reisen u. s. w. Dudik,
gab 1850, i. d. Werke „Mahren» Gcsehichtsqnellcn“, Auszüge nus den Tage-
büchern v. 1588, 1589 u. 1590.
202
v. Krones,
Heft 7 u. 8.
theologische Nahrung empfing, als dies in Strassburg der
Fall sein konnte.
Hier, in Basel, wurde Joh. Jakob Grynäus, der Sohn
Berns (geb. 1540), vom Luthertum zur reformierten Kirche über-
getreten, als Professor des alten Bibelstudiums der einflussreichste
Lehrer und Freund Zierotins. 1583 — 86 vollführte Grynäus die
Neugestaltung der Heidelberger Universität im Sinne der refor-
mierten Kirche, und hier traf Zierotin auf seiner späteren Heise
mit dem geliebten Meister wieder zusammen, der dann dauernd
sein Lehr- und Predigeramt in Basel neuerdings aufnahm.
Von andern Professoren dieser Hochschule waren es Theodor
Zwinger (ursprünglich Professor der griechischen Sprache um!
Moralphilosophie, dann der Medizin, + 1588, 10. März), der
Franzose Wilhelm Aragosius, Jakob Covcttus, Felix
Plater 1 ) und Castiglioneus (Bonavcnturn, aus Mailand), deren
Unterricht Zierotin genoss.
Aber auch nach Genf, an die Universität, wo der allge-
mein verehrte Vorkämpfer des Kalvinismus, ein Theodor Beza,
lehrte, wandte sich Zierotin, um seine Hochschulbildung abzu-
schliesscn. Besonders eifrig betrieb er hier das Studium der
lateinischen und griechischen Klassiker.
Von Genf aus hatte er zum crstenmale, 1588, Frankreich
betreten, um die Vorkämpfer der Hugenotten, vorab Heinrich den
Bearncr, kennen zu lernen*). Von Frankreich ging cs nach Eng-
land, in die Niederlande, dann zurück nach Deutschland.
Voll bedeutender Eindrücke und Erinnerungen an hervor-
ragende Menschen kam Zierotin nach Heidelberg. Hier machte
er Bekanntschaft mit dem Humanisten und pfälzischen Hofdichtcr
Paul Schede von Meirichstadt (Melissas, geb. 1539, gest. 1602),
seit 1586 Bibliothekar des Kurfürsten, und mit dem streitlustigen
Kämpen der reformierten Kirche, Daniel Tossanus aus Mömpel-
gard (geb. 1541, gest. 1602 in Heidelberg).
Die bekannt gewordenen Tagebücher Zierotins von 1588,
*) oder Platter, Sohn des gelehrten Buchdruckers Thomas, ein tüch-
tiger Mediziner, geb. 1530, gest 1614. Vgl. G. Freytags Bilder a. d. dcut.
Vergangenheit.
*) Uber diese Beziehungen vgl. meine Studie vom Jahre 1894 a. a. O.
Amn. 5.
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1895. Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 203
1589, 1590 und 1591 l ) beweisen am besten, wie gründlich er
Deutschland kannte, wie beweglich mul empfänglich sein physisches
und geistiges Auge war.
Sein Briefbuch a ) aber spricht am besten, wie sehr es auch
späterhin sein innerstes Bedürfnis blieb, die persönlichen Be-
ziehungen zu dem weiten Kreise von Bekanntschaften aus den
Lehr- und Wanderjahren zu pflegen und zu nähren. Und darin
ruht ein Schlüssel zu der vornehmen und weltbürgerlichen Denk-
art Zicrotins innerhalb des von seinem religiösen Empfinden ge-
zogenen Gesichtskreises.
Wir wollen nun aber die Bahn dieser allgemeinen Erwägungen
verlassen und ausgiebige Proben aus der Korrespondenz Zierotins
mit seinen Freunden und Zeitgenossen in Deutschland bieten.
Die erste Stelle gebührt seinen Briefen, die sich um die
Stadt und Hochschule Strassburg bewegen.
Schon im fünfzehnten Lebensjahre (1579) hatte Zierotin auf
seiner Heise aus Italien heimwärts die alte Reichs- und Bischofs-
stadt kennen gelernt und hier, wie bereits oben gesagt worden,
sein Universitätsstudium begonnen. Auch später führten ihn die
Lehr- und Wanderjahre in die ehrwürdige Metropole des deutschen
Oberrheins und knüpften so die Beziehungen des Strassburger
Hates mit dem mährischen Barone und Glaubensverwandten fester,
wie dies sein deutscher Brief vom 16. April 1600, geschrieben
auf dem Rossitzer Schlosse, darlegt.
„Der weitberühmte Name «1er kaiserlichen freien Reichsstadt
Strassburg“ — heisst es liier ') — „sowohl auch die löblichen
Ordnungen «1er Academia, wie auch die Freundlichkeit und «1er
geneigte Wille der Inwohner für die Fremden, vornehmlich aber
die gute Nahrung, Zucht und Institution, so ich alldort empfangen,
haben mich dazu bewegt, «lass ich dieselbe fast nicht anders als
mein eigenes Vaterland schätze und achte, auch meine Landsleute,
vornehmlich aber meine nächsten Verwandten und Blutsfreundc
allenthalben veranlasse, dass sie ebenfalls ein solches Herz der
geruckleten Stadt entgegenbringen wie ich; daraus folgt denn auch,
') Vgl. «larülier meine Abhandlung und die bezüglichen Mitteilungen
im Hauptwerke Peters von Chliiincczky.
’) So nenne ich die Arbeit. Amu. 4 eit. Beilagenband zum Werke
Chlumeczkys.
• 1 ) Ich teile ihn wortgetreu, nur mit etwas veränderter Schreibweise mit.
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204
v. Krone»,
Heft 7 U. 8.
dass ich mich aufs flüssigste bemüht habt 1 , dass die edle Jugend
meines Vaterlandes und ansehnlicher Herrn Kinder nirgend
anderswo als zu den Herrn, in ihre Stadt und Academia zur Er-
lernung der und andrer löblichen Tugenden geschickt wurden. Und
dieweil mir bewusst, dass bei solchem und gleichem Vornehmen
gute Exempel sehr behülflich sind, habe ich erstlich Ursache dazu
gegeben und den Weg geöffnet, d;iss Herr Zdenko, Herr von
Waldstein *), mein nächster Blutsfreund, alldahin geschickt werde-,
darnach habe ich in der Folge bald meinen Vetter, den ich nicht
weniger als meinen eigenen Sohn schätze, dahin geschickt, daher
es denn auch gekommen, dass etliche meiner Landsleute und
Freunde ihre Kinder in oft genannte Stadt einer nach dem andern
geschickt haben. Aber unangesehen all dies, damit ich den Herrn
und ihrer hochbewährten Stadt meine gebührende, pflichtmnssige
Ehrerbietung und grosses Vertrauen, so ich zu ihnen habe, desto
sichtbarer erzeigen möchte, habe ich nicht Umgang nehmen wollen,
den gegenwärtigen meinen vielgeliebten „Oehm“ (Vetter) und
Pflegesohn, Berthold Herrn von Leipp (Lipa), Herrn auf
Mährisch-Kromau, Obersten Erblandmarschall der Krone Böhmen,
zu ihnen in die Academia zu schicken, welchen ich als sein näch-
ster Blutsfreund in mein Gewahrsam und tutelam nach Abst erben
seinen Herrn Vaters bekommen, und der mir von den Obersten
Landesoffizieren und Senatoren dieser Landschaft anbefohlen und
vertraut ist worden, damit er einen Anfang seiner künftigen
studiorum allda fassen und einen guten Grund legen möchte.
Sintemalen ich aber gerne sehe, dass bcmeldcter mein Oehm
zu Strassburg eine Zeit lang sich aufhalte und verweile*), auch
seine angefangenen studia allda continuiren und vollenden könne,
habe ich es für gut angesehen, ihm mit diesem meinem Sehreiben
insonderheit den Herrn als meinen günstigen und geliebten Herrn
und Freunden zu recommcndircn und ferner freundlich zu bitten,
dieselben wollen ihm die Zeit, so lange er allda verharren möchte,
•) Die Häuser Waldslein und Zierotin waren eng versippt. Überdies
heiratete Zierotin l(i04 in dritter Ehe die Schwester Albrechts E. v. Wald-
stein, des „Wallenstein“ der Geschieht«-, und lt>!4 in vierter Ehe abermals
eine Waldstein.
’) In einem Briefe Zierotin« an Melchior Junius in Htrassburg
(Rossitz, in Mähren, 8. Mai 1508) erörtert der Schreiber die löblichen Gründe,
die ihn bestimmten, »einen Vetter an die Stra»»burger Hochschule zu senden.
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1895. Kal von Zicrotin und der Kreis seiner deutsehen etc. 205
in ihren günstigen Schutz nehmen, ihn meinetwegen lieben und
sieh ganz und gar befohlen sein lassen. Ich zweifle gar nicht,
nachdem er dann von mir genügsame Unterweisungen und Be-
fehle empfangen, er werde sich bei den Herrn also und dermassen
zu verhalten nicht unterlassen, damit jedermann mit ihm wohl
zufrieden bleibe, und, sobald ihm Gott der Allmächtige seine
vollen Jahre zu erreichen gnädiglich vergönne, hoffe ich, er werde
für alle ihm erzeigten Wohlthaten nicht undankbar sein, sondern
mehr noch dessen um sämmtlichc Herrn in aller Freundschaft zu
verdienen wissen. Ich aber bleibe fortan bereit, die alte mir vor-
mals erzeigte und empfangene Freundschaft und die vielfältigen
Wohlthaten, so wie auch diese neue Gunst und Liebe um die
Herrn zu verdienen und ihr Schuldner zu sein, womit ich uns
sämmtlich der göttlichen Gnade empfehle.“
Bietet dieses Schreiben den besten Beleg für die dankerfüllte
Gesinnung Zierotins und seinen löblichen Eifer, der Strassburger
Hochschule Zöglinge aus dem Kreise des böhmisch -mährischen
Herrenstandes zuzuführen, so erscheinen seine beiden Briefe an
einen solchen, an den seiner Obhut anvertrauten, gleichnamigen
Vetter (K^ri Ferdinand Zicrotin, Sohn des Erbherrn zu Alt-
Jitschin, Hustopotch, Holleschau und Goldstein in Mähren),
vom 14. Januar 1000 und vom 6. Oktober 1001, äusserst be-
merkenswert
Der erste ist eine in gutem Latein verfasste Strafpredigt
für den jungen Herrn. Seit Monaten habe Zicrotin von ihm
keinen Brief aus Strassburg erhalten; nicht einmal zwei Zeilen,
worin ihn sein „Präzeptor“ in Hinsicht dieser Unterlassungssünde
entschuldigt hätte. Es sei denn doch wahrhaftig kein Kunststück,
ein paar Seiten Uiteiu zu schreiben, auf dessen Aneignung der
Vetter doch schon volle sieben Jahre verwendet habe. Aller-
dings kenne Zierotin ganz gut das lockere und untlnitige Leben
seines Schutzbefohlenen. Dieser irre sich aber, wenn er meine,
Zierotin werde die grossen Kosten für den Aufenthalt in Strass-
burg ohne alle Erwägung, wie das viele Geld verthan werde,
aufwenden. Wenn die von seinem Vetter vor Monaten geschrie-
benen Briefe so alltäglich und allen Redeschmuckes haar lauteten,
so habe dies Zierotin der Jugendlichkeit des Schreibers beige-
messen; jetzt wisse er, dass es nur Nachlässigkeit gewesen. Wie
könne er auch wortmächtig und gebildet schreiben, wenn er sich
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v. Krone*,
Heft 7 u. 8.
darum weder in der Sehule noeh auf »einer Stube kümmere. Kr
möge sich erinnern, dass ihn Zicrotin seiner Zeit der Jesuiten-
Erziehung entwand und alles aufbot, um ihm den Segen der
Studien ans Herz zu legen. W ürde Zicrotin nicht besorgen, dass
dieser Brief in andere Hände fallen könnte, so nähme es seinen
Vetter derart ins Gebet, dass er diesem wohl Schamröte und
Thrüncn ins Gesicht triebe. Im ersten Augenblick habe Zicrotin
Lust gehabt, seinen Vetter von Strassburg abzuberufen und seinem
Vater wieder zuzuschicken , doch sei er nicht um seinetwillen,
sondern aus Rücksichten für die gemeinsame Familie davon ab-
gekommen. Die Strafe bleibe nur aufgesehoben. Zicrotin gebe
ihm zu bedenken, dass, wenn der Vetter sein lockeres und wüstiges
Ijeben nicht ändere, er sich seiner weiterhin nicht annehmen,
sondern ihn heimschicken wolle, damit er „bei der Spindel der
Stiefmutter oder in gemeinen häuslichen Diensten den Rest seiner
J ugendja h re verbringe.“
Mit den Beweggründen dieses Schreibens Zierotins steht ein
undatiertes, an Jakob Guetlin „nach Strassburg“, im Zusammen-
hänge. Zicrotin rechtfertigt darin zunächst sein langes Schweigen
durch ein langwieriges Fieber, da» ihn zu Preniu, einem seiner
Hcrrsehaftssitzc in Ostmähren, befallen habe. Dann bemerkt er,
und das erweist die Stellung Guetlius zu dem Vetter in Strass-
burg als die eines „Mentors“, er habe aus mehreren Briefen des
Genannten, den wir somit als Präzeptor oder Hofmeister des
jungen Herrn anschen müssen, seine schlechten Fortschritte er-
fahren und werde ihm bald den Text lesen. Aber auch Guetlin
trage einige Schuld, wenn sein Zögling durch Gleichgiltigkeit oder
Faulheit den Unterricht von Seiten des Lateinlehrers erfolglos
machen durfte. Sein Vetter sei noch jung genug, um im Falle
der Notwendigkeit die Ruthe zu kosten. Man müsse eben güt-
lichen Zuspruch und wenn dieser nichts fruchte, harte Strenge in
Anwendung bringen, um so einem Knaben seine Pflichten einzu-
sehärfen. Dann kommt der Brief auf Geldsendungen zu sprechen
und giebt dem Wunsche Zierotins Ausdruck, dass sein Vetter
erst um Ostern des nächsten Jahres die öffentliche Prüfung
ablegc und in die Oberklasse aufsteige, damit er das Studium
des Griechischen, worin er gründlich unterrichtet werden solle,
mit dem des Latein verbinde. Die Communion dürfe er nur
bei „Rechtgläubigen“, d. h. bei Reformirten, empfangen, — Zicrotin,
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1895. Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc. 207
der Genosse der Brüderunion betont dies in entschiedenster Weise,
— Guetlin solle ihn daher um Ostern nach Basel bringen und
jür seine gründliehe Ausbildung in Glaubenssachen Sorge tragen,
bevor er das h. Abendmal empfange. In dieser Beziehung mögen
sie nach Genf reisen und wenn bis dahin dem Meister Beza
nichts Menschliches begegne, den Besuch bei ihm als Erholungs-
reise machen. Doch solle Guetlin vorderhand darüber reinen
Mund halten, um seinen Zögling durch die Aussicht auf diese
Reise nicht im Studium zu beirren.
Der Brief Zierotins an seinen jungen Vetter in Strassbuig
vom 6. Oktober 1001 beweist, dass der Schreiber nicht mehr
grollte, sondern von liebevoller Teilnahme für seinen kränkelnden
Vetter erfüllt war und ihn auf seine volle Genesung vertröstet.
Er teilt ihm ferner mit, seinem „Präzeptor“ (offenbar jenem
Guetlin) geschrieben zu haben, dass sie, sobald es der Gesund-
heitszustand des Vetters erlaube, nach Basel verreisen. Vorerst
müsse der Junge von seinen Lehrern in Strassburg als dank-
barer Schüler Abschied nehmen und Basel sodann nicht als Stätte
des Müssigganges und der Vergnügungen, sondern als „Sitz der
Musen“ betrachten. Vor allen» verweise er ihn an die beiden „in
ganz Europa berühmten Männer“, Jakob Grynüus und Amand
I’olanus.
Wie Zierotin selbst von Basel dachte, beweist sein Schreiben
vom 22. Mai 1603 an Guetlin: „Basel sei sein zweites Vater-
land geworden.“
Aber auch die andern Freunde Zierotins alldort: den Ara-
gosius, Covettus, Plater, Zwinger und Castiglioncus
müsse er in Ehren halten 1 ).
Anbei erinnere sieh Zierotin, sein Vetter habe ihn gebeten,
sich auch der Musik widmen zu dürfen, und besonders für ein
Instrument, welches man „Laute“ (testudo) nennt, Vorliebe ge-
äussert Sollte ein erfahrener Meister in dieser Kunst zu haben
sein, so gönne ihm Zierotin das Lautenschlagen als Erholung von
ernsteren Studien.
*) Der meisten wurde bereits ul>en gedacht, nur bezüglich dieses
Zwinger muss bemerkt werden, dass dieser der Sohn jenes Theodor, des
Lehrers Zierotins des älteren, war, nämlich Jakob Zwinger, geh. 1509 zu
Basel, seit 1594 Professor der griechischen Sprache, gest. ItilO, 11. September
an der Pest, im 41. Lebensjahre.
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v. Krone»,
Heft 7 11 . 8.
Wir nannten oben als die nächsten Freunde Zierotins in
Basel: Grynäus und Polanus. Beide spielen in dem Briefwechsel
des mährischen Staatsmannes keine untergeordnete Rolle. Ihnen
fällt eine ausgiebige Zahl von Briefen zu, welche uns vom Schlüsse
des lti. in das 17. Jahrhundert begleiten.
Zunächst wollen wir uns mit den Zuschriften an Grynäus
befassen. Sie bezeugen am besten die Vertraulichkeit, welche den
Schreiber beseelte.
In dem Briefe aus Rossitz, einem seiner mährischen Herren-
höfe, vom 2. Februar 1599, beklagt Zierotin zunächst empfindliche
Todesfälle im Kreise seiner Verwandten und Freunde. Zunächst
sei Friedrich von Zierotin 1 ), einer der Weisesten unter den
Standesgenossen, dahingeschieden, dann der durch Abstammung,
Reichtum und Frömmigkeit namhafte Heinrich von Slawata,
der Oheim seines jüngeren Halbbruders (Dionys)*). Aber auch
unter den Priestern seines Bekenntnisses habe der Tod aufge-
räumt; Georg Vetter, der wackere Kalviner, sei gestorben und
seinen Zirkler habe Zierotin eingebüsst, von dessen Ableben zu
Speier Grynäus wohl Kunde habe. Man müsse Gott alles anheim
stellen, und so setze er denn auf den Höchsten auch seine eigne
Zukunft
Der 2. Brief aus Rossitz vom 12. Mai 1000 teilt dem Em-
pfänger zunächst mit, dass Zierotin den Heinrich Polanus als
Präzeptor dem Junker Borthold, Frhr. von Lipa :l ), boigegebon
und beide nach Basel ausgerüstet habe. Grynäus sei das nächste
Ziel ihres Besuches. Er selbst aber bedürfe eines guten Rates.
Er wolle einen Teil seiner Güter verkaufen und den Erlös im
Betrage von beiläufig 50 000 Thalcm an einem sichern Platze
gegen Jahres Verzinsung anlogen, da er eines solchen Überein-
kommens bedürfe. Sein schwächlicher Körper sei den Mühen
der Verwaltung seines Besitzes wenig gewachsen, anderseits näh-
men ihn Staatsgeschäfte ganz in Anspruch, ferner — und das
sei die Hauptsache — drohe ein Einfall der Türken und lasse
in Mähren für Aller Besitz und Habe das Schlimmste befürchten;
übenlies habe er daheim Feinde vollauf, die es auf sein Gut und
') Von der sog. Bemhardsohon Linie der Zierotin», 1594 — 1598
Landeshauptmann Mähren».
’) Der lieiderseitige Vater, Johann von Zierotin, gest. 1588 im Februar.
“) .Siehe ol>en den Brief an die Strassburger.
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1895.
Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc.
209
Leben abgesehen hätten. Da man ihm nicht mit Gewalt bei-
kommen könne, und es mit den Rechtsmitteln schlecht bestellt
sei, so müsse er sielt auf ein freiwilliges Exil gefasst machen
und daher auch über Geldmittel verfügen. Da er jedoch sein
Gewissen durch das Bedenken beschwert fühle, ob das
Zinsennchmen nicht sündiger Wucher sei, so möge ihm
Grynüus darüber seine Meinung mitteilen.
Zwei weitere Briefe vom 10. Oktober und 13. Dezember
1601, letzterer aus Prag datiert, sprechen am besten für das
innige Verhältnis Zierotins zu dem Basler Theologen.
Zierotin schüttet da sein, von religiösen Anfechtungen be-
stürmtes Merz aus. Wenn ihn aber Grynüus warne, die Schriften
zu lesen, welche gegen die h. Dreieinigkeit loszielien, so möge
er überzeugt sein, dass er sieh diesem „Gifte“ fern halte. Das
Lesen in der h. Schrift gewähren ihm den besten Trost, — Den
14. September sei er vor dem Hofgerichte in Prag erschienen,
zur lJl)erraschung jener, die ihn als flüchtig von dort vermuteten.
Es kam jedoch zu keiner Tagsatzung, da sein Rechtsanwalt er-
krankte. Anfangs Dezember durfte er in die Landeshauptstadt
Böhmens zurückkehren. Man werde ihm auch — wie es heisse
— seinen Glauben zum Verbrechen anreehnen, aber er
hoffe bei dieser Anklage mit Ehren davon zu kommen. Zeugen
würden wider ihn Kirchendiener, Henker und Schergen, offene
Feinde, Nebenbuhler und laue Freunde würden seine Richter sein.
Man wolle ihn aus verschiedenen Gründen verderben. Doch genug
dessen; Grynüus möge ihm darüber seine Ansichten mitteilen.
Vor allem empfehle er ihm jedoch seinen Vetter, denn das Haus
des Grynäus sei jederzeit „die Herberge der Zierotins“ ge-
wesen.
Der Dezemberbrief aus Prag macht seinen Freund mit dem
Hoehverratsprozesse näher bekannt, der unserm Zierotin angehängt
wurde. Der Huuptanklügcr sei Sigismund von Dietrichstein *)
und Gegenstand der Anklage der Glaube Zierotins, seine
Reise nach Frankreich ? ) und die Vormundschaft über den
Frlirn. von Lipa. Man beschuldigte Zierotin, dass zur Zeit des
Izindrcehtes und der Landtage in den Häusern Zierotins Predigten
') Ältester Hohn des Staatsmannes Adam Frhr. von Diet riehstein
fgest. 1590).
’) Vgl. darüber meine Studien vom Jahre 1894.
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v. Kronos,
Heft 7 u. 8.
von ketzerischen Geistlichen, insbesondere kiilviniachen Glaubens,
gehalten worden seien und wies eine bezügliche Verwarnung des
Kaisers an Sigismund von Dietrichstein vor, dass er solches ge-
duldet habe ').
Unter den Belastungszeugen habe einer, dein Zierotin nicht
geringe und dessen Vater unermessliche Wohlthnteu erwiesen, ihn
sogar mit dem bestverhassten Namen eines „Pikarditen“ belegt.
Was Zierotins Reise nach Frankreich betraf, so wurde ein
kaiserlicher Erlass vom Jahre 1591 vorgebracht, der den Unter-
tliancn des Böhmenreiehes Kriegsdienste bei fremden Fürsten
untersage. Als man jedoch Zierotins Hehreiben aus Frankreich
an eine vornehme Witwe, Wanecky mit Namen*), die der Eidam
des Grynäus (Amandus Polanus) kenne, verlesen hörte, und darin
nichts anderes zu finden war als Dinge, die? die Privatverhältuisse
Zierotins betraf, der jener Dame die Verwaltung seiner Güter und
die Obhut über sein Töchterlein anvertraut hatte, verwunderte
sieh jeder über die Harmlosigkeit dieses Briefes, und Zierotin
fand an diesem einen Verbündeten. ' Aber auch die Mitteilung
des scharfen kaiserlichen Dekretes in Ansehung jener Vormund-
schaft schuf dem Ankläger keinen Nutzen, da er sonst nichts als
Gcklatsch und leere Redensarten Vorbringen konnte. Zierotin ver-
teidigte sieh mit bestem Erfolge, denn man sprach ihn des Hoch-
verrats-Verbrechens frei. Er hoffe zu Gott, dass auch sein ge-
fährlicherer und schwierigerer Handel mit dein „Wälsclieu“ *) ein
gutes Ende finde.
Das nächste, fünf Monate später (1(502, Mai) an Grynäus
gerichtete Schreiben setzt wieder mit dem Rccbtshandel Zierotins
ein. Seine Feinde, durch die Niederlage des vorgeschobenen
Anklägers, Dietrichstein, erbittert, griffen nun nach neuen Waffen
der Anklage. Man zog die Edikte Ferdinands I. und Maxi-
milians II., sogar die Mandate des , .guten, aber äusserst gefälligen
und furchtsamen“ Königes Wladislaw (gest. 151(5) gegen die
böhmisch-mährischen Brüder als „Pikarditen“ hervor, wie nach
Zierotins Angabe noch jetzt die „Antichristen“ seine Glaubens-
•) 1508 — 1(502 war dimer mährischer Landcsunterkämmcrer.
’) Von dieser Dame handelt auch das Tngebueh Zierotins von 1591
(s. meine Studie vom Jahre 1894).
*) Es war dies ein gewisser Giovanni Kattiatn Pierio, eine richtige
Abenteuereruatur ; ». w. u.
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1895. Karl von Zicrotin und der Kreis seiner deutschen etc. 211
genossen schelten. Es kam dann zur Vertagung des Rcchtshandels
bis zum nächsten Februar (1003).
Inzwischen raffte das Gericht Gottes seinen Widersacher
Sigmund von Dietrichstein aus dem lieben, als dieser nach Mähren
heimgekehrt war, von harten Schlägen in seiner Familie getroffen.
Aber nun erhoben sich neuerdings Zierotins Feinde, voran der
Olmützer Kardinalbischof Franz von Dietrichstein ') und
denunzierten ihn wegen einer freimütigen im Landtage gehaltenen
Hede beim Kaiser.
Zicrotin kehrte im Februar 1002 nach Prag zurück. Der
Handel mit dem I lietrichsteiner wurde mit Stillschweigen über-
gangen, wohl aber die Streitsache mit jenem Welschen auf den
März anberaumt. Der Oberstkanzler Böhmens 2 ), Zierotins
geschworener Feind, erklärte ihm kurz und schroff im Namen
des Kaisers, dass er Prag nicht verlassen dürfe, bevor er auf
sämtliche Punkte der Anklage Hede und Antwort gegeben. Was
man wider ihn sonst noch plane, konnte er bisher nicht ergründen.
Als Zicrotin sich im März in Prag wieder eingefunden, — er
muss also dennoch die Erlaubnis erhalten haben, sich inzwischen
auf seine Güter zu begeben, — kam die Anklage des „Welsehen“
zur Verhandlung. Zicrotin erscheint beschuldigt, seinen Ankläger
trotz eines kaiserlichen Geleitsbriefes gewaltsam festgenommen,
eingekerkert und acht Monate hindurch schmachvoll behandelt
zu haben. Die vernommenen Zeugen sagten aber in einer so
entlastenden Weise aus, dass sich die Anklage in eine Verteidigung
Zierotins umsetzte. Denn dieser konnte nachweisen, dass jener
den Kaiser, den Obcrstkanzler und die Richter hinters Licht ge-
führt und Jahre hindurch in Mähren unehrenhaft gelebt habe.
So sei denn Zicrotin auch aus diesem bösen Handel ge-
rechtfertigt. hervorgegangen.
Das letzte Schreiben an Grynüus vom 20. Dezember 1005
hebt mit dem Wunsche an, dass Grynüus seinen Freunden und
seiner Kirche noch lange erhalten bleiben möge. Sic hätten
') Der jüngste Bruder de* genannten Sigismund von Pietrichstein, geh.
1570 zu Madrid, wo sein Vater als Botschafter Österreichs gelebt; seit 151(9,
mit 2t) Jahren, schon Kardinal und Bischof von Olmfitz, gest. 10313 als ein-
flussreicher Kegicrungsinann.
’) Zdenko Adalbert von Isdikowitz, der Vordermann der katholischen
Hofpartci.
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v. Kronos,
Heft 7 u. 8.
bereit« den Tod eine« Beza 1 ) zu beklagen und dürften nicht so
bald auch ihn verlieren. Der Brief seines Freundes sei ihm nach
Prag fiberbracht worden, wohin sieh Zierotin Ende 1604 begeben
habe*. Sein dort anhängiger Rechtshandel sei noch immer nicht
ansgetragen. Er wolle den Kaiser (Rudolf II.) nicht anklagen,
aber auch dieser werde einst Rechenschaft ablegen müssen, wie
er es mit der Gerechtigkeit gehalten. Zierotins Feinde verflochten
den Kaiser in den Prozess, um sich den Rücken zu sichern.
Wenn Russwornt*) vor nicht langer Zeit hingerichtet worden,
so sei dies die Strafe für Verbrechen, aber auch für die an
Zierotin verübte Missethnt. So mancher seiner Feinde sei bereits
dahingegaugen, das Häuflein derer, die Zierotins Untergang wollen,
zusainmengcschmolzcn. Er erblicke darin die Güte Gottes, um
seinen Schmerz über den Verlust der (einzigen) Tochter zu mildern.
Uber das Jahr 1605 reichen die vorliegenden Briefe Ziero-
tins an Jakob Grynnus nicht hinaus; derselbe starb, 1612 bereits
erblindet, aber noch immer auf der Lehrkanzel und im Prediger-
stuhl thätig, 1617, 13. August im Alter von 77 Jahren. Er über-
lebte noch seinen Eidam, Amand Polanus von Polansfeld,
der schon 1610, 16. Juli, im Alter von 49 Jahren das Zeitliche
segnete. An ihn, den hervorragenden kalvinisclien Theologen, der
vom Luthertum zur reformierten Kirche übertrat und seit 1596
zu Basel das Fach des Alten Bundes vertrat, sind nachstehende
Briefe Zierotins in den Jahren 1599—1606 gerichtet.
Das erste Schreiben vom 3. Februar 1599 aus Kossitz meldet,
dass Zierotin nach Prag die willkommenen Briefe des Polanus
und seines Schwähers Grynäus, samt den vereinbarten Bedingungen
der Genfer Disputation und dem Briefe Pistor’s H ) an den Pastor
von Zürich, erhalten habe. Zierotin befinde sich mit seiner Frau
und den beiden Töchtern leidlich wohl. Aber im Lande wüte die
') Gest. 1005, im Alter von KIJ Jahren.
*) H. Christoph Graf von Russworm (Knsswumt), kniserl. Feldmar-
»ehall, geh. 1 505 , wollte Zierotin, da dieser zu Prag das Trinken auf die
Gesundheit des Kaiser» ablehntc, niedermaehen. Zierotin lies« »ich von seinen
Freunden zurüekhnltcn , den trunkenen I'oltrer mit dem Degen zu durch-
bohren. 1005 wurde derselbe, ein sonst tapferer Haudegen, hingcrichtet.
’) Offenbar Joh. Jak. Pistoriua (Bäcker) von Nidda (Niddanus), geh.
1540, gi st. 1008, seit 1577 vom Luthertum zum Kalvinismus und 1586 von
diesem zum Katholizismus iihergetreten; ein bedeutender theolog. Polemiker.
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1895.
Karl von Zierotin und der Kreis seiner deutschen etc.
213
Pest und habe unter andern den Eibenschitzer Pastor Felin 1 )
dahingerafft, einen frommen und gelehrten Mann. Vorläufig be-
stände keine Kriegsgefahr für Mähren, wohl aber drohten innere
Führlichkeiten, denen man begegnen werde. Seit dem Tode
Friedrichs von Zierotin habe sieh in den öffentlichen Angelegen-
heiten wenig geändert. Wohl aber werde die Erbschaft einen
heftigen Streit entzünden, und alle Feinde des wahren Glaubens
und des Namens Zierotin denselben zu schüren sich beflcissen.
Könnte er des Ausganges dieses Erbprozesses sicher sein, so hätte
er Lust, nach dem Vorbilde der Zollikofers von St. Gallen*)
eine Schule einzurichten, doch an einer mehr sicheren Stätte.
Denn die Feinde der Wahrheit böten alles auf, ihm Prerau, das
„Ketzernest“, das er als Erbschaft vom Landeshauptmanne zuge-
schrieben erhielt, zu entreissen. Polanus wolle ihm inzwischen
über die Lehrer und den Kostenaufwand der von jenen „Kauf-
lenten“ (Zollikofers) errichteten Schule Mitteilungen machen, damit
er bis zum Austrage jenes Erbstreites mit sich zu Rate gehen
könne. Er wünscht bald zu erfahren, wie es in Basel steht und
was dort Neues zu hören. Ladislaus von Zierotin, Karls Vetter 3 ),
sei, nachdem er von seiner schweren Krankheit, die ihn zu Florenz
niederwarf, genesen, wieder in so weit hergestellt, dass man seine
Ankunft zu Lundenburg (in Mähren) erwarte. Zierotins Stief-
bruder, Dionys, lebe nur der Landwirtschaft und Jagd.
Der Brief vom 31. März des Jahres 1600 (aus Rossitz)
bezieht sich vornehmlich auf den uns bereits aus der Korrespon-
denz mit Grynäus bekannten Hochverratsprozess Zierotins und auf
seinen Schutzbefohlenen, seinen Vetter Karl, den Zierotin, sobald
er in Basel eintreffen werde, dem Wohlwollen des Polanus em-
pfiehlt. Auch erfahren wir, dass Zierotin den Brudersohn seines
Korrespondenten (Heinrich Polanus) seinem Mündel, dem Erb-
') Fclin Adam, Sohn des Samuel Kocourka (lat. etwa Ln Form des
Namens: Fclinus), gest. zu Eibcnschitz in Mähren 1598, 11. Dezember, in
Witteraberg geschult, Übersetzer der Kyropädie in die ezech. Sprache, seit
1594 auf der Lcipacber Brüdersynode zum Priester geweiht.
’) Ein namhaftes patrizischcs Geschlecht, seit dem 14. Jahrhundert
in St. Gallen sesshaft, Inhalier des Fideikommisses Altcnklingcn bei
St. Gallen.
*) Nachmals (1019 — 1020) Landeshauptmann von Mähren und ein
Haupt der llewegungspartei.
Monfttohefte der Comeniufl>UetM.‘ll«cliaft. 181)6. i r.
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v. Krone«,
Heft 7 u. 8.
Oberlandinarschall Böhmens Berthold von Lipa (s. o.), zum Lehrer
bestimmt habe, wovon das nächste Schreiben, vom 12. Mai des-
selben Jahres (Rossitz), ausführlicher handelt. Polanus möge seinem
Neffen auf die Seele binden, dass er vor allem die Pflichten des
Lehrer erfülle. Leider sollte da Zicrotin eine unangenehme
Enttäuschung erleben, wie dies die Nachschrift ziun Briefe vom
26. Oktober 1600 an Amandus darlegt. Heinrich Polanus sei
bei Nacht und Nebel, ohne Abschied, mit trügerisch beschafftem
Rciscgelde verschwunden, ohne dass inan wisse, wo er stecke.
Er könne ihn deshalb ans Rücksichten für die Familie nicht
wieder in die frühere Stellung aufnehmen. Halle er es doch, wie
man hört*, als er in Basel auftauchte, vermieden, sich vor seinem
Ohme zu zeigen.
Wie lebhaft Zierotin für tlie kirchlichen Streitfragen jener
in religiösen Dingen so empfänglichen Zeit fühlte, beweist eine,
diesem Briefe cinverleibte Bemerkung. Er habe den Brief des
Polanus, schreibt er, samt den beigeschlossenen Schriften Fiber die
Disputation des „Plessäus“ mit „Pero“ ') und Polanus’ Büchlein über
die Prädestination erhalten und gelesen und bete zu Gott, dass
er ihn auf rechtem Pfade erhalten wolle. Auch den Türkenkrieg
streift das Schreiben. Der Türke belagere Kanischa; erobere er
diese Festung, so stünde Steiermark und Österreich in der äusser-
sten Gefahr. Dennoch seien die inneren Feinde verderblicher als
die äusseren.
Der Brief vom Ende des Jahres 1C0Ö berührt die grosse
Krise, die Friedensverhandlung zwischen Boeskay und dem Hause
Österreich. Man erwarte in Wien den Austrag. Die Ungarn
werden auf der freien Ausübung des (protestantischen) Glaubens
und auf der Wahrung ihrer politischen Freiheiten bestehen. Was
seine Landsleute tliun werden, stehe dahin, doch eines stehe fest,
dass die „Päbstischen“ nur durch die Notlagt' gezwungen der
Glaubensfreiheit Raum geben werden.
Zu den Korrespondenten unsere Zierotin zählte auch Otto
Casmeru, der Theologe und Philosoph, der Schüler des Goclenius,
Schulrektor und Prediger zu Stade (gest. 1607, 1. August). An
’) Du Plcssis - Mornny , Herr von Hugenotte und Jakob Pavy
du Perron, Kardinal-Almosenier von Frankreich, geh. 1550, gest. 1018; es
handelte sich um das h. Abendmahl in diesem Streite.
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1895. Karl von Zierotin und di r Kreis seiner deutschen etc. 215
diesen ist einer der längsten Lateinbriefe Zierotins vom Ende
Oktober 1(50.1 gerichtet, der sich weitläufig in theologischen
Fragen ') und in der Schilderung seiner Kämpfe mit inneren An-
fechtungen ergeht. „Ich siegte endlich“ schreibt Zierotin, „aber
ich siegte über mich, denn ich bin nicht der Mann, um anderen
den Weg zum Siege zu weisen.“
Anderer Art waren die Beziehungen Zierotins zu Doktor
Johann Martin Kobmann, Kat des Markgrafen von Burgau,
welche der deutsch geschriebene Brief vom 14. Oktober 1(502
(Rossitz) erläutert. Kobmann sollte die Lebensbeschreibung des
verstorbenen „Vetters“ (Oheims), Karl von Zierotin, veröffentlichen.
Zierotin selbst habe diesfalls den Sohn des Genannten zu bezüg-
lichen Mitteilungen aufgefordert. Kobmann solle daher mit dem
Drucke warten, bis Zierotin nach Prag gekommen sein werde;
müsse „man aber mit dem Buche so sehr eilen“, so bliebe nichts
anderes übrig, als sich mit der Charakteristik des Lebens jener
Persönlichkeit zu begnügen, welche Zierotin in lateinischer Sprache
seinem Briefe einfliessen lässt 2 ).
Zur Erläuterung dieses Schreibens genügt die Bemerkung,
dass Karl, Markgraf von Burgau, der Sohn Erzherzogs Ferdinands
von Tirol (des Zweitgebonien Kaiser Ferdinands I.) aus dessen
morganatischer Ehe mit Philippine Welser, dem Erzieher und
') Zierotin erhielt von seinem Freunde, Wenzel Budowcc von Budowa,
einem Vordennanne der Adeligen vom Brüder- Bekenntnisse, die Schrift
Coamanns „schuln tcntntionmn“ zugesendet, die ihm als geistlicher Führer
und Tröster so gefiel, dass er dem Verfasser 200 Dukaten als „Ehrung“ zu-
sehickte.. (Siehe Chlumeczky, Zierotin S. 268/9.)
*) Vgl. Chlumeczky, Karl von Zierotin. „Carolus Barn Zerotinus,
clarus apud Marcomannos, qui nunc Moravi, fnmilia natus, primis adoles-
centiae annis plcrisque Europae regnis peragratis in patriam reversus, prima
tyrocinii specimina apud Huugaros, sub exitum Regni Ludovici (1520) et
priiuordia Ferdinandi edidit, reliquo aetatis tempore in Hungaria et Ocrmania
sub auspiciis Caroli et Ferdinandi impp. stipondiis meruit, tandem copiantui
snepius ductor, clarus iam militia, Ferdinando archiduci summa cum potestatc
in ITungnriain, a Patre Caesare cum exercitu inisan, juventutis ejus moderator,
et consiliorum princep« adfuit: Interea legationibus et saepius honorifice per-
functtis, earus Caesari, cartis archiducibus filiis praecipue a Ferdinando magna
cum laude et authoritate in Aula residuae vitae annos eonfecit, vir s|ieetatae
in principem et screuissimum Dornum Austriao fidei, gratus exteris, acceptus
civibus omnibus longe carissimus, magnum Patria et familia sua omamen-
tum “
15 *
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21f>
v. Krone«, Karl von Zierotin etc.
Heft 7 u. 8.
Kriegsgcfiilirton ') seines (1595) verstorbenen Vaters einen würdigen
Nachruf widmen wollte. Wir besitzen auch einen Brief Zierotins
vom 8. November 1002 (Rossitz) an seinen Agenten, Caspar Luck
in Prag, worin dieser aufgefordert wird, dem Doktor Kobmann
mitzuteilen, dass die genaue Erzählung von den Thaten des Feld-
marschalls Karl von Zierotin aufgefunden worden sei, und Ziemtin
sie nach Prag mitbringen werde. Doch muss der Druck dieser
Biographie unterblieben sein 1 ).
Zierotin, von dessen Leben und Beziehungen wir nun Ab-
schied nehmen, konnte seit dem grossen Umschwünge der Dinge,
den die Schlacht am Weisscn Berge? einleitct und welcher auch
den Inhalt des reichen Vorlebens Zierotins, seine Ideen und Hoff-
nungen begrub, Mähren weiterhin nicht leicht als Heim und Herd
betrachten. Vorzugsweise lebte er zu Breslau. Hier schloss
er seine Tage. Seine reiche Bücherei vermachte er dem Maria-
Magdalenenkloster alldort; seine Habe und Güter erbten die
Seitenverwandten, mit denen die „schlesische“ Linie der Zierotins
anhebt und in die Zweige Falkenberg (im Rgbz. Oppeln) und
Gross-Wilkau-Johnsdorf (im Fürstentum Münsterberg) zerfällt.
’) Dieser Zierotin machte in «einer Jugend grosse Reisen, diente unter
Kaiser Karl I. 1531 vor Tunis, 1541 vor Algier und war dann Feldmarschall
in Ungarn gegen die Türken, gest. 1500, 51 Jahre alt. Kr war der erste
Zierotin, tler da« mährische Landcskämmcrcrumt bekleidete. Als sein Wnhl-
spruch gilt: Omuia Deo, fortunae nihil!
’) Vgl. Chlutneczky , Karl von Zierotin 8. 130.
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Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen.
Von R. Aron, Berlin O. 34.
Die Ansicht ist allgemein verbreitet, dass Comenius auf seine
Zeitgenossen durch seine pädagogischen Ideen von geringer Ein-
wirkung gewesen sei. Eine genauere Durchforschung der in Frage
kommenden Litteratur des 17. Jahrh. führt indessen zur entgegen-
gesetzten Meinung. Beit dem Erscheinen der Janua (1031) wurde
Comenius als ein leuchtender Stern von der pädagogischen Welt freudig
begrüsst. Entschiedene Gegner erstanden ihm freilich auch, so weit
ich sehen kann, aber erst nach seinem Tode. Im Gegensätze zu
Ratichius wollte Comenius die ganze Welt beglücken. Um besser zu
seinem Ziele zu gelangen, setzte er sich mit tüchtigen Bchulmänncru
in Verbindung und überliess ihnen ganz selbstlos die Bearbeitung
seiner Schulbücher. Auf diese Weise wirkte er am besten für die
Verbreitung seiner Ideen. Von den bedeutenderen Bearbeitern nenne
ich Mochinger in Danzig, Doeemius in Hamburg, Schneider in
Leipzig, Evenius in Weimar, Reyher in Gotha, Hartlieb in Lon-
don und Georg Vechner in Berlin. Als rührige Buchhändler den
grossen Absatz der Comenianisehen Schulbücher bemerkten, begannen
sie dieselben ohne weiteres nachzudrucken , da die für enge Grenzen
berechneten Privilegien einiger Druckerfirmen ihnen nicht im Wege
waren. Aus dem Grunde wird auch eine genaue Bibliographie dieser
Bücher beinahe zur Unmöglichkeit. Das Vestihulum scheint am
meisten eingebürgert gewesen zu sein, demnächst die Janua, dann
erst der Orbis pictus, welcher sieh am längsten im Gebrauch be-
hauptet hat.
Läge eine vollständige Tojwgraphie über die Verbreitung dieser
Bücher vor, so wären wir über das Vordringen der Comenianisehen
Ideen besser unterrichtet. Wie lückenhaft auch die nachfolgende
Zusammenstellung von deutschen Bildungsstätten sein mag, in denen
ein oder das andere Schulbuch von Comenius gebraucht wurde, so
führt die stattliche Reihe doch zu der Überzeugung, dass unser
„pädagogischer Seher“ im 17. und 18. Jahrh. bedeutungsvoller ge-
wesen sein muss, als mau gewöhnlich annimmt.
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218 Aron, Heft 7 u. 8.
Wir finden Bücher von Comenius ein geführt in Schulen von ')
Bayreuth, Berlin, Cassel, Corbach, Danzig, Eisleben, El-
bing, Frankenthal (Pfalz), Frankfurt a. M., Görlitz, Gotha,
Güstrow, Sch wäbisch - Hall , Halle, Hamburg, Hanau,
Idstein, Iglau, Itzehoe, Jena, Leipzig, Lissa, Moers,
Nauen, Nürnberg, Kuppin, Soest, Sorau, Stargardt i. Poin.,
Stralsund, Stuttgart, Tilsit, Wernigerode, Zwickau; in
den Schulen des Erzbistums Magdeburg, in denen von Brnun-
sehweig - Lüneburg , von Oldenburg, Waldeck, Mainz,
Hessen-Darmstadt und in der Grafschaft Sponheim.
Welche freundliche Aufnahme die Janua 1031 fand, erfahren
wir von Comenius selbst. Die zweite Bearbeitung derselben durch
*) Bayreuth. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterricht*. Iz'ipzig
1885. Pag. 319. — Berlin. Köpkc, Geschichte der Bibliothek des König!
Joachimth. Gvmn. 1831. — Cassel. Weber, Geschichte der städt. Gelehrten-
schule zu Cassel. Cassel 1840. Pag. 191. — Corbach. Genthe, Kurze
Geschichte des Fürst! Waldeck. Iatndesgymn. zu Corbach. Wengering-
hausen 1879. Pag. 10. Vormbaum, Evangel. Schulordnungen. Gütersloh
1804. 3. Bd. Pag. 104. — Danzig. Hirsch, Geschichte des academ. Gymn.
in Dunzig. Danzig 1837. Pag. 4N. Kurtzer Begriff Wie die Jugend künftig
im Gymna- | sio und andere .Schulen dieser Königli- | eilen Stadt DANTZIG,
in der Lateinischen | und andere Sprachen, auff gleichformi- | ge Art sol
unterwiesen und ge- | lehret werden, ] Auff | Anordnung der itzigen Herren |
Scholarehen in Druck ge- | geben. | ANNO M,DC,L1II, | Dantzig, | Gedruckt,
bey Seel. Georg Rheten Witwe. | — Kisleben. KUemlt, Geschichte des
König! Gymn. zu Eisleben. Eis! 1840. Pag. 143. — Frankcntha! Job.
Joach. Becher, METHODVS PIDACTICA. Frankfurt 1074. Pag. HO u.
117. Redinger ist als ein Praeceptor unter Commetiio, Anno 1658 nach
Frankenthal kommen, und hat allda eine Schul auf dess Commenii Weis»
angerichtet, allwo er di«; Sachen und Wörtertbür introdueirt und vertirt etc.
(Orbis pictus u. Vestibulum.) — Görlitz. Paulsen , Pag. 319. — Gotha
Schulze, Geschichte des Gymn. zu Gotha. Gotha 1834. Pag. 133. —
Güstrow. Paulsen, Png. 319. — Schwübisch-Hal! Joh. Georg Seybold,
Compcndium Gramraaticae. Nürnl>erg 1698. Vorrede. — Halle. Vorm-
baum, Evangel. Schulordnungen. Gütersloh 1804. 3. Bd. Pag. 180. —
Hamburg. Docemius, Der güldenen auffgeschtosscncn Thür J. A.OOMENII.
Hamburg 1033. Vorrede. — Hanau. Vormbaum, Ev. Schulordn. 1803. II.
Pag. 477. — Idstein. Spielmann, Schola et Methodus Gaertneriana. Milt,
der Gesellschaft für deutsche Erz.- u. Sehulgesch. II, 20—29. — Iglau.
Werner, Aus der Geschichte des Iglauer Gymn. Mitt. der Ges. f. deutsche
Erz. u. Sehulg. II, 54. — Itzehoe. Seitz, Aktenstücke zur Geschichte der
lat. Schule zu Itzehoe. 1893. V, 12. — Jena. Erhard Weigel, Die be-
reiteste EX EC VTION — JENA 1085. Schlusszeilen. — Leipzig. Stephan,
Lehr- und Iarktionsplan einer Iz-ipziger Winkelschule von 171! Milt, der
Gcscllsch. f. deutsche Erz. u. Sehulgesch. I, 145 -148. — Lissa. Aus ver-
schiedenen Umständen ist sicher anzunehmen, dass die Comenianisehen
Schulbücher hier eingeführt waren. — Moers. Paulsen, 319. — Nauen.
Brümmer, Zur Sehulgcsehichte der Stadt Nauen. Mitt. d. Ges. f. d. Erz.-
u. Sehulg. IV, 33 — 64. - Nürnberg. Vormbaum, Ev. Schulord. II, 755.
Fikenscher, Das Gymn. in Niimh. 1820. S. 78 u 79. — Kuppin. Glörfeld,
Anzeige der Vorlesungen u. Hebungen, welche vom October 1770 bis zum
October 1707 in dem Neu-Ruppinischcn Lyceo gegeben worden sind. Berlin
1707. (Orbis pictus.) — Soest, Paulsen, 319. — Sorau. Vormbaum,
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1895. Coiuenius als Pädagoge im Urteile «einer Zeitgenossen.
219
Mochinger — ■ in Danzig 1 km Andreas Hünefeld 1(534 erschienen 1 ) —
enthält von ihm eine interessante Beisteuer: eine Widmung an die
Söhne seiner damaligen Gönner und eine längere Nachrieht an den
Leser über die Art der Verbesserungen der Moehingerschen zweiten
Auflage. Aus der Widmung kommen folgende Sätze für unsern
Zweck in Bet rncht:
„Illustres Domini, jnnunm linguarum reseratam censurae experi-
undne causa nuper Lessnensibus nostris typis descriptam, puhlico<|ue
applnuHu exeeptam, magnorum nunc Virorum judicio, cum pleniorein
nitidioremque in se, tum (ob Scholarum Ilegni hujus usum) trilinguem,
luei expositurus, cui potius prae Vobis dicarcm, non reperi. Equidem
non diM'raut, qui eousque novum eveherent inventum, ut ad Regia
pulvimiria tuto & cum honore deponi posse cxistiinarcnt, suaderentque.
Kv. Sclndord. II, 303. — Stargard i. P. TYTUS I-ecliimum A Operarum
puhlieamm in COLLEGIO CI ltÖN ING I ANO & Schola Stargardicnsi, Anno
HitiS —OH — instituendnrum — — l’ublicntus ä M. Christoplioro Praetorio.
Stctini. 4 Blätter. (Vcstibulum.) — Stralsund. Zober, Zur Geschichte
des Stralsunder Gymnnsiunis. Stralsund 1851. V. I. Pag. 27 u. 28. —
Tilsit. Pnhlmann, Beiträge zur Geschichte des Gvinn. zu Tilsit. Tilsit 1873.
S. 34. 187t. S. 3(5 u. 37. — Stuttgart. FVNDATION Und Ordnung
des» Neu- auflgerichtetcn Fürstlichen GYMNASII Zu Stuttgart. Anno l(58ti,
Pag. 40. (Vcstibulum.) — Wernigerode. Ich besitze ein Vcstibulum,
welche« in einer dortigen Schule gebraucht wurde. — Titel | Sententiac j
VKSTIBULI | JOH. AMOS COMF.N. | Multo emendatiores, quam hactc- I
aus nlibi, excusae, | cum I VOCABULIS. I e regione nppositis, | In Usum
juventutis scholaslicae. | WERNIGERODAE | aiind Michaelcm Anton.
Strukium, | Anno 1738. — Zwickau. Beck, Ein Stundenplan für die
Zwiekauer Gclchrtenschule von U570. Mit t. d. Ges. f. deutsche Erz. und
Scliulgesch. I, 238 — 242. — Magdeburg, Erzbistum. Vormbaum II, 486.
— Brnunschweig-Lüneburg. Schul -Ordnung vor die Churf. Braun-
schweig- Lüncb. Bande. Gocttingen 1738. Pag. 46 u. 47. (Orbis pictus.)
Oldenburg. Corpus constitutionum Oldentmrgicarum selectarum, oder:
Verordnungen, In denen lK>vden Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst,
Wie auch dcnenselben incorporirton Landen, als Stadt- und Butiadinger-
Würder- und Stcdinger I>ande. Hersg. von J. Ch. v. Octken. Oldenburg
1722. Pag. 00—101. Lektionsplan. (Orbis pictus.) — Waldeek. Vorm-
baum II, 150. — Mainz. Entwurf, nach welchem die bisher so genannten
lateinischen Schulen in den churmninzischen Landen und besonders in der
Churfürstl. Residenzstadt Mainz werden eingerichtet werden. Mninz 1773.
8 Bg. (Orbis pictus.) — Hessen - Darmstadt. Vormbaum II, 448.
Heppe, Beiträge zur Geschichte und Statistik des hessischen Schulwesens
im 17. Jahrh. — Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte. 4. Supple-
mentheft. Kassel 1850. Darnach waren die Janua und das Vcstibulum
eingeführt in Kassel, Eschwcgc, Aliendorf, Sooden, Sontra, Waldkappel,
Lichtcnau, Vacha, Spangenberg, Melsungen, Rotenburg, Felsberg, Uersfeld,
Ziegcnhain, Zicreubrrg, Licbenau, Neukirohon, Helmarshausen. — Kirehen-
Onlnung Christian III., I'faltz-Grafcn bey Rhein etc. Strassburg, 1721.
Pag. 350. (Orbis pictus.)
') Ich gebe hier nur den deutschen Titel: Die eröffneto | Sprachen-
thüre | («Icr [ Pflantzschulc aller Künsten, | Mit einer Vorrede, darinnen be-
richtet, | was in dieser newen aussfertigung verbessert ist, | vnd wie sie mag
gebrauchet werden. \ Cum Gratiä A Speciali Privilegio S. R. Sl. | Polon. &
Svce. | DANTISCI. | Tvpis A Smuptinus Andreac Hüiiefeldii, i Anno M.
DC. XXXIV.
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220
Aron,
Heft 7 u. 8.
Sed mihi visum nliter. Et quamvis illi, veroeumliac meae, A in
redudendo opusculo niorae impatientes nihilominus id Anglica A
Gallica condeeorutum versione, A Magnao Britanniae Regis filio,
Walline Prineipi dicatum Loudiui publicarint; Ego tarnen nihil de
sentontia muto.“
Da er nämlich dem Grafen Raphael von Lissa, dem gütigen
Gründer und Erhalter der „Provinzialschule“, dem Vater, bezw. Vor-
mund der beiden mit der Widmung bedachten Söhne, seinem ge-
wogenen Patrone, jede Hochachtung schuldig wäre, diese aber gegen
sein erlauchtes Angedenken in würdiger Weise zu bethätigen über
seine Kräfte gehe, so habe er gemeint, inzwischen die Erben der
väterlichen Tugenden an seine Stelle zu setzen und durch diese
öffentliche Widmung eine geringe Dankbarkeit zu bewähren.
In der Anrede an den Leser teilt uns Comenius über die Auf-
nahme seiner Janua folgendes mit:
„Variorum e variis Regnis ac Provinciis de hae men Jnnua
linguarum anno hoc expertus judicia, A ii diversis Typographis de
auctiore cxemplari, ut A Judicc sive Lexico, uliisque quorum sjtes
fuit facta, crebro sollicitatus, teneri me sentio, Sed dolct liberari fidem
in totum non licerc. Seminarium quidem ipsum multo castigatius
damus A aucturn septingentis ad minimum vocibus; Sed Lexioon Ä
Phrusecdogia, A caetera illa, nondum sufficientem passa sunt liinam.
Et quamvis ea qua mihi jam extaut facie, illa veilem exponere, defuit
tarnen mihi vel semel ea revidendi (quod necessarium oninino) otium:
ob quod nutem editionem, tantopore ä plurimis flagitatam remorari,
non placuit.“
Nun folgt eine längere, sehr interessante Auseinandersetzung
wegen der gemachten Verbesscrungsvorschläge. Wir übergehen die-
dieselben und hören, was J. Docemius in der Vorrede zu seiner 1G33
in Hamburg 1 ) erschienenen Bearbeitung der Jnnua mitteilt:
„Günstiger lieber Leser, nun übergebe ich dir endlich die höchst-
begehrte vnd von vielen, bevornb meinen guten Freunden, bey nahe
abgenötigte des Hochgelahrten H. Comenii meines grossgünstigen Herrn
vnd sehr werthen Freundes Sprach-Thür, welche in Vergleichunge
') Der Güldenen auffgcschlosscncn | Thür J. A. COMENII | Oder |
Des Fflantz-Garten | aller Sprachen, Wissenschaft- | ten, vnd Künsten. | Das
ist : | Des kurtzen vortheilhnfftigen Wo- 1 ges, die Lateinische (vnd alle andern)
Sora- | chen, nebenst dem ersten -Grund, der Wissen- | schafften vnd der
Künsten wol zu lernen, vnter Hun- | dert Titeln, vnd Tausend Sätzen j be-
griffen. | Newc Aussfertigunge. j Vbcr die vorigen vielvcmiehrct mit hinzu- |
gethaner Deutschen Vbersotzungc, vnd einem sehr | ausführlichen beydes
Lateinischen vn Deutschen Register, | darein nicht allein dieselben Wörter,
so in der JANUA, sondern | auch vielmehr der gestalt hinein gesetzet, dass
es kan an stat eines Lcxici seyn, | zu dem auch die quautitet der Syllaben,
der Nominum Genera, vnd Dccli- | nation; der Verborum aber eigentliche
Formirung, sämptlich | begriffen werden. | Welchem aber diss gleichsam als
der Schlüssel ein Form zu 1 com pari ren , moviren, decliniren vnd conjugiren
angehangen wird. | Befördert durch J. DOCEMIUM. | Hamburg, Gedruckt
vnd verlegt bey Michael | Hering, Uuchführ. Im Jalir 1033.
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1895. Comcnius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 221
derer, so die Irländischen Patres gemacht, gantz recht vnd hillieh,
den Namen der güldenen Thür hat. Sintemal dieselbe von vor-
nemen Leuten so hochgehalten vnd noch geschätzet wird, dass sie den-
selben von nller Kunst vnd Geschickligkeit entfremmd (vngeschickt)
halten, der diss vortreffliches vnd mit wunderlichem Fleiss gemachtes
Werk nicht für eine sonderliche Gabe Gottes des allmächtigen er-
kennet. Als nun dieselbe fiirm Jar mir erst aus Polen zugebracht
worden, habe ich dem Authori verheissen, das inkünfftig ich dieselben
Teutsch vbersetzen, nach vnserer Art verdolmetschet, auch an etlichen
orten vennehret, mit seinem Vorwissen der Jugend zum besten wolto
fürdersampst lassen aussgehen. Habe demnach meinem Versprechen
nachzusetzen, solches nicht länger verschieben mögen, bevorab weil
der Author selbst im nächsten an mich gethanen Schreiben dasselbige
mit ermahnen vnd emsigem bitten von mir erfordert hat. Ob nun
wol auch sich Missgünstige finden möchten, welche hierinne, als in
dergleichen, so nach etwas neues schmecken, embsig suchen werden,
darein sie jhre Zäne wetzen können, vnd die, wie pfleget, nach dem
das erste Eyss gebrochen, sich als treffliche Redener herfür thun, vnd
mit eines andern Kalb pflügen werden: So habe ich doch vngeachtet
solches Geschwätzes, mein geneigt«» Gemüt der Jugend Btudia zu
befördern, mit dies«'r meiner geringfügigen Mühe bezeugen, vnd zu-
gleich auch meinen guten Freunden die schuldige Willfahrung l>c-
zeigen wollen, vngezweiffelter Hofnung, diese meine Arbeit nicht
allein vielen crspriesslich, sondern auch dem Authori selbst, vnd
andern redlichen Leuten, so etwas rechtschaffenes vrtheilen können,
nicht vnangenehm sein werde.“
Von allen, welche die Janua lobten, scheint Mochinger ihre
Vorzüge am klarsten erkannt zu haben. Das zeigen die folgenden
Strophen, welche er in seiner schon erwähnten zweiten Bearbeitung
(1034) dem „hoch!« 1 rühmten“ C’omenius widmete:
Dulcibus exactus patriae Comenius oris
Fallen? dum curas quaeren*t exilii,
Nec semper tetricis taut um imiinllcscere Musis,
Jüngere sed studio vellet anmena gravi
Sic Unten ut vultus haec lenimenta severi
Non minus e re aliis, quum graviore, forent.
Aggreditur Latiae nobis recludere linguae
Obex qua» varius, sepserat ante, forcs.
Nec caret eventu Studium, Nainquc ecce retnoto
Obice nunc omni Janua clausa patet,
Iumque licet recto Latium contingere cursu,
Quo licitum paucis ante venire fuit.
O felix ergo exilium, quod fecit, ut exul
A Lat io nemo, ni velit, esse queat.
Pars totiim ut capiat, fiere quod posse negarunt
Omnes, Comeni tu modo posse doces.
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222
Aron,
Heft 7 u. 8.
Orbis» hic immensi pars» est quantillu libellus;
Hac tarnen in parva piirte stii Orbis inest,
Jaiiua quod melier tim sit, quam Lexica quotquot
Hactenus actati scripta fitere ruili,
Indu patet, verbis quod Janua res tua jungit,
Ix'xiea seil puem quid nisi verba dabunt?
Non equidem est, futeor, tim prima Camacna Comeni
Linguurum teiltet <pme reserare fores.
Hoc te namque prior tontavit Hvbi'rnia, & Orbem
Quae elausit, linguas ausa aperirc fuit.
Sed collata tuae tarnen haec quam ]>andit Ilybernus
Janua vix diei rima pusilla liieret.
Et si quas nierita est laudcs, hoc nomine tantum est
Janua ad lmnc quaedam quod fuit illa tuam.
1039 veröffentlichte Hartlieb in London wider des Comenius
Willen Teile aus dessen Arbeiten unter dem Titel „Piinsophiae
Prodromus.“ Dass diese bedeutsame Publikation auch als solche
sogleich erkannt wurde, geht äusserlich betrachtet schon danius
hervor, dass 1011 eine dritte Auflage 1 ) nötig wurde. Erfreulich
ist. es, aus dem Jahre 1019 einen Pädagogen nach weisen zu können,
welcher seine didaktischen Ansichten durch Ci täte aus der 1041
erschienenen Ausgabe von Pans. Prodr. begründet. Es ist dies
Johann Justus Wynkelmann von Giessen in seinem Buche „Ein-
fältiges Bedenken“ etc. Marpurg 1019*). Nach vier Blättern Wid-
mungsgcdichlcu findet sich auf 8. 1 — 188 der eigentliche Text in
2 grösseren Abschnitten. Im ersten zeigt Wynkelmann die Schäden
des damaligen Schulwesens und findet diese begründet in einem
Mangel an der Obrigkeit, in einem an den Eltern, in einem an den
Schullehrern und an der Jugend. Im zweiten Teile gibt er Mittel
zur Besserung an, eins für die Obrigkeit, eins für die Eltern, ein
■) Joannis Ainos Comcnii | V. <1 1 PAN'SOPHIAE i l’KODROMUS, |
Et I Conatiuim Pansophicorani DILVCIDATIO. 1 nccoilunl | DIDAtTK’A
1 »1SSKRTATK ) , de Sermonis Latiui Studio |ierfnete nhsolvendn, | ALI AQVE
EIVSDEM. i Lugduni Ilatavorum | Ex Officina Davidis Loiicz de llaro,
| 1011 .
') Einfältiges Bedenken j und Anzeige, j Woher es komme, dass |
heutiges Tages die Jugend sehr verzo- | gen, Sprachen und freye Künste
nichts geachtet, j und in Erlernung demselben gross Müh, lange Zeit und |
viel Kosten öfters vergeblich angewendet | worden. | Darbey allerhand Gat-
tungen und Mit- | tei geeignet werden, auf was Weise eine gute Gott- |
wolgefällige Kinder/ucht anzustcllen; Wie die Studien wie- | der in Auf-
nahme zu bringi'n; und wie die Sprachen und freye | Künste mit. geringerer
Miih und Kosten in kiirtzerer ! Zeit, alss bisshero geschehen , zu- | lernen
aeyen. | Gott zu Ehren, Christlicher Obrigkeit, Ehrlichen- | den Ellern, treuen
Zuchtmeistern, und der liehen her- | wachsenden Jugend zum besten. | Zu-
sanimen getragen , verfertiget und verlegt. | Durch JGlIAN - JUSTl'M
Wynkelmann | von Giessen. | Getruekt zu Marpurg | Bei Joseph Dieterich
Hanqs ln, dem Universität | vemrdneten Bucht ruokem. | Im Jahr, M. DC.
XLIX. 1°.
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1895. Comenius als Pädagoge im Urteile «einer Zeitgenossen. 223
dritte» für die Lehrmeister und ein viertes für die Jugend. Gleich
in der Einleitung (S. 4) bezieht sieh Wynkelinann auf einen C-ome-
nianischen Ausspruch. Er schreibt: „Gleich wie die Kunst nicht»
sonderliches würcken kun ohne <lie Natur, also kann auch die Natur
nichts würcken ohne Gott. Die Natur ist viel sicherer, gewisser und
vollkommener, wan die Kunst dnrzu komme.“ Hierzu eitiert er:
J. A. Com. in Prodr. Pansoph. pag. 04 „Ars sine natuni nihil poteet:
Ars est naturae aemula: Ars imitatur naturam: Ars est naturae fijia.
Im Kapitel „Zweiter Mangel an den Eltern“ heisst cs auf
S. 40 über die frühzeitige Behandlung der Neugebornen „Von diesen
und andern nötigen Punkten können treue erfahrne Aerzte und Heb-
ammen die Mutter ferner unterrichten. Es kan auch hiervon mit
mchrerin gelesen werden, das herrliche Büchlein Informatorium nm-
ternum, die Mutterschule 1 ), eap. 5 — gedruckt zu Nürnberg im
Jahr 1630.“ Wynkelinann hält cs für eine Pflicht der Mutter, ihr
Kind selbst zu säugen und führt Beispiele von der Schädlichkeit
der Ammenmilch an. S. 38 sagt er „Reiche Eltern übergeben gleich
anfangs ihre Kinder den ums Gelt gedingten Ammen zu säugen,
tragen hergegen lieber ein kleines Hiindlciti im Schooss, an der Brust
und Armen, als ihre eigene Leibesfrucht, welches wider Gott, wider
die Natur und wider die Erbarkeit streitet.“
Auf S. 00 u. 01 schreibt Wynkelinann im Kapitel „Dritter
Mangel im den Schullehrern“: „Bisweilen ist ein Lehrmeister von
solcher grausamer Ungestümigkeit, dass er die Kunst mit Prügeln
und Streichen auf einmal einblauen und einschlagen will. Wan
man durch solche übermässige Schläge etwas aussriehten kölitc, wehre
es rahtsnmer, dass die Eltern ihre Kinder den Fassbindern oder den
starken Dreschern als gelahrten Leuten untergäben. Ein furchtsamer
Anfang hat langsam ein gutes End, dan wie manche »tätliche ingeuia
werden hierdurch abgeschrecket, verliehren alle Lust und Liebe zu
lernen.“ Bei dieser Stelle verweist Wynkelinann auf J. A. Comen.
Pan». Prodr. pag. 22: „Quomodo literae potcrunt esse faeiles intcr
trcpidnuduin diseendae! qualiter in nulln mechanica arte addisccnda
fit. Sevcritas neccssaria inducit inetuin, metus autem neccssario con-
fundit, & intricut inentem; ut ubi sit nesciat, & si paulo debilior,
vertiginem ijuandam patiatur.“
Wie die „Lehrmeister“ in der Zucht sieh verhalten sollen, er-
örtert Wynkebnann im Kapitel „Drittes Mittel für die Lehrmeister“
S. 108 ff.: „Fünftens sol ein SchuLLehrer seyn massig in der Zucht.
Maas» ist in allen Dingen nutz. Gleichwie ein Medicus oder Artz
die bittern Piliulen mit Golt zu überziehen, und andre bittere Artz-
neyen mit süssem lieblichem Saft zu vermengen pflegt, damit er
durch solche Siissigkeit und Liebligkeit dem krank darniederliegenden
zu seiner Gesundheit verhelfen möge: also sol auch die Bitterkeit
') Informatorium der Muttcr-Schul. Nürnberg, gedruckt und verlegt
durch Wolfgang Endter 1030.
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224
Aron,
Heft 7 u. 8.
der Strafwort und Ernsthaftigkeit eines Praeceptoris mit der Lieblig-
keit, Gelindigkeit und Snnftniuht vereinbaret seyn, also dass keine
ohne die andere seyn, und nachfolgen einer Ammen, welche ihr zum
Hohreyen bewegtes Kind mit den Brüsten wieder zu stillen und zu
schweigen pflegt: Ein snnftinühtiger und lieblicher bringt mehr zu-
wcgen, lehret bässer, und alles mit Lüsten, als gar zu streng seyn.“
Cfr. J. A. Comen. Paus. pug. 23: „Arte opus est nd capiendos,
inencandos, demulcendosque nnimos. Quae ars partim docentium
humunitnte, partim methodi prudentia constabit; ut litenirum studia
ingeniorum illecebrae fiant, & lusus merus videantur.“
Es würde zu weit führen, alle auf Comcnius bezügliche Stellen
aus dem interessanten Buche nuszuheben. Übrigens zeigt, sich Wynkel-
mann ungemein Irelesen; er erwähnt Katichius, Helwig, Moscherosch,
Herzog Ernst und viele andere.
In seinem 1G48 erschienenen Buche „Neue wahrhafte Zeitung
aus dem Parnassus von der Gedechtniss-Kunst“ ') citiert Wvnkelmnnn
auf der zweiten Seite «1er Vorrede Comcnius. Die Stelle lautet:
„Demnach ich nun in der ungezwciffeltcn Hofnung stehe, mit diesem
von mier zuom Theil nusgearbeileten Werklein der Jugend dienlich
zu seyn, als bin gleichsam zwangsweise ungehalten worden, dieses
heraus zu geben, bevornb auch, weil alle dieser Kunst-Kchrcilier viel
hooehtrabendc Wort mul der gantzeu Welt kundbahre Verhcissungen
darvon so wohl mündlich ids schriftlich hemusgegclxm, und sich wohl
unterstehen dürfen eine Laus zu anatomiren oder zu zerlegen, und
wissen doch nieht, wieviel Küsse sie hat, von welchen Klaimiianischen
Gross-Sprechern J. A. Komenius in der Vorrede seiner au f geschlossenen
güldenen Spraachen-Thür redet, inn der Taht und Werckschmitung
aller bleiliet man biss über die Ohren stekken, dass es wohl heisen
mag: Viel Stroh, wenig Korn: Gran rumor, poca lann: Grooss Ge-
schrev, und wenig Woll, sagt der Teuffel und schoer eine Sau mit
der Licchtputzc.“ — Auf Seite 19 dieses höchst sonderbaren Buches
nennt Wynkebnann in 24 Reihen zu je 5 Namen alphabetisch seine
Schüler und Freunde. Unter B finden wir in der zweiten Reihe als
letzten Johann ßuno aufgeführt. Danius geht mit ziemlicher Sicher-
heit hervor, dass dieser seine mnemotechnischen Kunststückchen dem
Wynkebnann ablauschte.
Durch ,1. Bttno*) werden wir nach Danzig geführt, wo um 1G48
’) Stanisl : Mink von Weunsshcim 1 RELATIO NOVISS1MA | ex |
PARNASSO | I)E | ARTE REM 1 N ISCENTI A E | I)ns ist: | Neue wahrhafte
Zeitung au» dem Parnassus | Von der ( iedechtniss-Kunst. | K Zeilen Gedieht
| (icd ruckt | In dem Parnassus von J. K. M. | wohlbestelten Buchdrukkern. |
Im Jahr M. IR'. XLVIII. 4".
■) Christian SchÜUgcn, Rector der Creutz-Sehule zu Dressden, Von
Schul-Büchern. Dressden 1742. Abfälliges l’rteil über Buno. — Acta
Seholastica. Leipzig u. Nürnberg, 1747. VII. 0. Stck. R. Aron, Zur
Methodik des Geschieht« -Unterrichts. Mitt. d. Ges. f. deutsche Erz. und
8dudg. I, 97 — 102.
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1895. Comenius nls Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 225
noch ein anderer pädagogischer Neuerer — Johann Raue oder Ravius 1 )
— von sieh reden machte. Dem Rate der Stadt Danzig gelang es,
im Jahre 1040 den rührigen, mit radikalen Schulverbesserungsplänen
sich beschäftigenden Raue behufs Erneuerung des dortigen Schul-
wesens zu gewinnen. Ebendahin wurde auch Buno berufen, um, wie
er selbst sagt, „einen kürzeren und milderen Weg aufzuspüren, die
Kinder lesen und lateinisch zu lehren.“
Raue drang mit seinen Reformvorschlägen nicht durch, weshalb
er 1651 Danzig verliess. Nicht viel liesser erging es dem Buno,
welcher mit Freuden 1653 einer Berufung als Rektor nach Lüne-
burg folgte. Die Idee Raue-Buno's, die sinnliche. Anschauung beim
Unterrichte benutzen zu müssen, deckt sich vollkommen mit der des
Comenius; doch weichen beide in der praktischen Durchführung dieses
Prinzips von Comenius ab. Bei ihm vertritt das Bild die Stelle
des wirklichen Dinges, ja ist manchmal ein nicht zu vermeidender
Notbehelf. Bei Raue-Buno dagegen wird das Bild als mnemotechnisches
Hilfsmittel verwendet. Dies wollte Raue nicht wahrhaben und be-
mühte sich nuchzuweisen , dass „die Fabular-Graminatic dem Ojjeri
Comeniano nicht entgegen sey.“ Cfr. Kurtzer Bericht, welcher messen
die von M. Johanne Bunone angelegte Grammatica recht und wol
gegründet sei.“ Danzig 1049. — • In der Vorrede von „Vralter
Fusssteig der Fabular und Bilder-Grammatic“ Danzig 1050, ergeht
sich Buno darüber, dass durch Bilder und Fabeln Kinder besser be-
weget werden, Geschichten zu behalten, denn durch blosse Worte
und Lehren — und fährt fort, „Herr Comenius treibet diese Lehrart
heftig, und will, dass man die Information vom Gesicht und Gehör,
vermittels welcher Sinnen alle Künste und Wissenschaften zum Ver-
stand müssen gebracht werden, durch Historien, Fabuleu und Bilder
bey Kindern anfangen solle. Aus welchem allem genugsam abzu-
nehmen, dass die hochgelährte Männer, in dem Sie den Grand dieser
Lehrart gesetzet, fürnemlich beobachtet, wie durch die Sinne dem
Verstand alle dinge müssen vorgemahlet und abgebildet werden.“
Boi dieser Stelle verweist Buno auf Comenii Method. noviss. c. X.
In der Vorrede zu der 1051 in Danzig erschienenen „Neue Latei-
nische Grammatica In Fabeln und Bilden» Den eusserliehen Sinnen
vorgestellet“*) stützt sich Buno für seine Ansicht ebenfalls auf die
') Martin Diterich, Zufällige Anmerckungen von allerhand zum Schul-
wesen und Grundlegung der Gelahrtheit gehörigen Sachen. Berlin, Bey
Johann Andreas Rüdigcm. 1710. 2. Stck. 8. 43. 3. Stck. S. 145 . —
A. Ziel, Johann Raues Schulen Verbesserung. Dresden 1880.
’) Neue Lateinische | Grammatica | In | Fabeln und Bildern \ Den
eusserliehen Sinnen vorgestellet, und also | eingerichtet, dass durch solches
Mittel dieselbe, benebens | etlich tausend darinnen enthaltenen Vocabulis,
in kurtzer | Zeit »nit der Schüler Lust und Krgetzung kan | erlernet werden,
[Auf Begehren eines Edlen Hochweisen | Ruhts der Königlichen Stadt |
Dantzig, | Der wehrten Jugend zeitigen Wachsthum | in heilsamen Studiis
zul»e | fordern, | Wolm einend verfertiget | und ansgegeben | von | M. Joh.
Buno. | Gcdrukt zu Dantzig bey Andreas Hünefeld, j Jm Jahr Christi 1051. 4°.
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226
Aron,
Heft 7 u. 8.
Idee des Comcnius von der Notwendigkeit der sinnlichen Anschauung.
Es heist daselbst „Darnach hab ich die Mittel und Wege, welche
die Natur zu Erkundigung der Dinge dein Menschen verliehen, eigent-
lich beobachten müssen : da dann nicht alleine Aristoteles in seinen
Büchern de Anima und sonst hin und wider, sondern auch alle
Physiei und Naturkündigcr, ja die Erfahrung selbst auf die etiser-
lichcn Sinnen weisen, als welche die Thüre und Thore sind, ver-
mittelst derer alle Erudition und Wissenschaft zum Verstände ein-
gebracht wird.“ ('fr. Comcnius Mcthod. noviss. c. X.
Johann Baue gab 1635 in Erfurt den Cornelius Nepos heraus
als „Autorum primus, <jui post Comenii Jamuim pro inchoando npud
Juvcntutem stylo posthac edentur“. Comcnius hatte iliese Ausgalie
und den Autor gidobt und ihn zur Mitwirkung an seinen didak-
tischen Arbeiten aufgefordert. Cfr. Opera didactiea omnia I. Pag.
364, 135 Cujus rei neseio an optari debeat alitts, aut sperari possit
melior artifex, illo, qui sibi publice spartam haue deposeero, eninque
adeo jam ornare orsus est: florentissimus in efflorescente Gedana
Aeadeinia Eloquentiue A Ilistoriamm Professor, I). Joannes Kavc.
136 Qui editum nuper in lucem, notisque illustratum, & Indice
pulchro instructum, Cornelium Nepotem, non solum titulo illo, Autoruni
primus, qui post Comenii Januam, pro inchoando apud Juvcntutem
stylo jmsthno edentur, ornare voluit: sed A in praefixa ojs-ri de
emendationc vitiosoe ]>er Gernmniam eloquentine Dissertatione, (pnrn-
grapho 18) sibi provinciam hatte illis verbis despondit. Dabunt alii
in aliis operam: ego pro mea, A bono cum Deo, annitur, ut in Latinis
Auetoribus adoleseentia it me quoque ndjutn sit. 137 Macte vero
hac promptitudine pictateque in Patriam, Vir optimc! Deus Tibi
annos A animos addat, ut felicitcr, quam professus es opemni, com-
pleas.“ Der Gedanke beschäftigte den Kaue auch lebhaft, „das von
Comcnius angesponnene grosse Werk der Pansophie“ fortzusetzen,
wozu ihn das 1639 in I/ondon erschienene Buch „Pansophiac Pro-
drontus“ an regte.
Die wichtigste Quelle zur Erkenntnis des pädagogischen Systems
Baues ist jedoch seine 1653 geschriebene „Wohlgemeinte Deduction
Schrifft über tlie algemeine höchstnötige Schuelen Verbesserung“ '),
in welcher er in vielen Dingen mit Comenianischen Ideen überein-
stimmt. Nachdem er in dieser Schrift auf die Hauptschäden des
damaligen Schulwesens aufmerksam gemacht, dass es nämlich an
guten Schulbüchern und au guter Lehrart fehle, kommt er auch auf
Comcnius und schreibt von ihm im 2. Teil der „Innerlichen Schulcn-
■) Wohlgemeinte Deduction | Sehrifft | über | Die algemeine höchst-
nötige Schneien vor- | besserung, so weit dieselbe auff den | Methodum vnd
Dexteritatem j Docendi beruhet, vnd durch Got- | tes (in ade , ohne einige
diffieul- | täten sonst mit vertheile- | ten vnd also weuiger vn- | kosten ohn-
feilbur kan | orhaltenn wer- | den | Auffgew tzet | von I Johann Italien Prof, ;
Houor. Gedaneus. !)7 beschrieb. Blätter in folio. Dies Werk ist nur in
einigen Abschriften vorhanden; eine neuere besitze ich.
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1895. Coinenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 227
Verbesserung“ § 9: „Diesen Fehlern hntt Johann Ainos Coinenius
mit seiner Jiuiim abhelffen wollen, undt derowegen nuff die Verbindung
der Cognitionis rerum a«* verborunt gnr recht vndt wohl sein nbschen
gehabt, dabey einen Context der Sachen, welche gleicher Natur vndt
Eigen«‘hafft sindt, angeleget, damit selbige in dem ersten Grad der
Wissenschaft, vndt also vor sieh seihst, zuförderst erkennet vndt
verstanden, nachmals das Judicium nrvxginxov darauff mit Nuz vndt
bestandt gesezet werden könte.“
Doch hat Raue an der Jauua manches auszusetzen, so die
allzugross«* Kürze, die zu schematische Anordnung und hauptsächlich
die Labilität, welche ihm nicht rein genug ist. Schliesslich gestattet
er doch den Gebmuch der Janua. § 88 des 2. Teiles schreibt er:
„Hierauff halt eine Janua folg«*n müssen, vndt auch des Comenii
können behalten werden, dabey ich aber dieses bedinge, dass nicht
eben alles zu urgiren, sondern ein vieles so mit sonderbahren signis
gezeichnet werden soll, daselbst vnvonnöthen gar wohl vorbey ge-
gangen vndt nusgestalt sein können.“
Vorhin teilt«; ich mit, dass der Danziger Rat Schulreformcr
berief, um seine Schulen zu verbessern. Auch die Rektoren der
städtischen Lehranstalten wurden beauftragt, einen für alle verbind-
lichen Lehrplan nuszuarbeiten. Dieser erschien als amtliche Publi-
kation 1058 unter dem Titel „Kurtzer Begriff, Wie tlie Jugend
künftig im Gymnasio und andern Schulen — sol unterwiesen und
gelehret werden.“ *)
Auf S. 25 der „General- und Sozial- Nachricht“ heisst es:
„Die Autoren aber, so «1er Jugend nach solchen Schulbüchern (Khenius,
Weller, Vossius, Scharf) sollen erkläret werden, sind diese: Vcstihuluin
Comenii, und mit denen, so etwas weiter kommen, desselben Janua“ et<*.
S. 59 „In den Autoribus designandis alter muss man sonder-
lich der Knaben prof«*ctus beobachten, und von dem leichtern zum
schweren hinauff steigen, damit die zarte Jugend nicht ullztt sehr
beschweret, und vom Studieren abgesehrecket wenle. Denn, ob man
gleich einen vornehmen Autorcm mit ihnen nehmen, und denselbigen
fleissig expliciren könte, dass sie auch zugleich mit den V’erbis realin
im Kopff brächten, so lest siche doch nicht so wol practiciren, als
wenn der Jugend, so die Sprachen lernen soll, die Realia albereit
bekund neyn. Vor die kl«*inen kan mau Vestibulum und Portulam
Scidelii; bey denen aber, so schon etwas profectus haben, könte man
des Comenii Jnnuam — — und derglei«*hen , so nicht allzu schwer
seyti, nützlich gebmuchen.“ Eine genauere Einsicht in diesen Danziger
Methtxlus lässt uns Comcnianischo Einflüsse erkennen. Unter «len
sieben Rektoren, welche diesen amtlichen Bericht unterschrieben, kann
ich Jacobus Zetzkius als einen Anhänger des Coinenius nachweisen.
1034 widmete er seinem Freunde Mochinger für die 2. Auflage
’) Siehe Note auf Seite 218.
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228
Aron,
Heft 7 u. 8.
seiner Januabearbeitung ein Anagramm, aus dem ich folgende Verse
milteile: „HErr Comenius zuvor bawte diss Laieinsehe Thor — —
Jugend, wilt du durch diss Thor, luss ja nicht daheim dein ohr:
Sonsten mag hie nichts verschlagen. Wer sich in das Schloss wil
wagen, Da ihn diese Thür hinführt, Sey mit ohren wol stafiert. Hie
sind lauter kunst- gemacher Vud nach dem viel ehren-fäeher, Du
körnst nie ohn’ ohr vnd lehr Jns gemach der kunst vnd ehr: Ihm
daneben danck gebühret, Der dich halt hinein geführet.“
Comenius veröffentlichte ein ihn überschwenglich lobendes
Sendschreiben von Peter Colbovus von Gadcbusch aus Meckleuburg ').
Aus demselben mögen folgende Stellen hier einen Platz finden:
„Sende- Schreiben bh den Wol Ehrwürdigen, Grossachtbahren, Hoch-
gelürten, vnd vmb die allgemeine Christliche Schul Jugend trefflieh
verdiencten wehrten Mann, Herren Johanncm Amosum Comenium,
betreffend dessen neueste Lehr Künstlichste gewünschte Schul
Bücher etc. Dancke nun dem nach zu färderst Gott in Himmel,
durch Vnscrn lieben Herrn Jcsum Christum, in tieffester Demuth,
von grund meines hertzens, für solchen gegebenen edlen Schulschatz
E. W E genandte lang gewüntschte Lehr-künstliehste schöne Bücher.
Hertzlich bittende, dass wie Er sich nun mehr über das zu gründe
verderbte Schulwesen so gonädiglich erbarmet, Vnd durch E W. E
Vnd Ihre treue Mitarbeiter zu einer merekliehen hochnötigen bcasorung,
in Wissenschaften, Künsten, Vnd Sprachen, beydes so einen über-
auss schönen festen grund geleget, vnd auch ferner den guntzen
Baw so herrlich hinaus führen will. — — Dann Dancke Ich auch
daneben beydes für mich, Vndt in Nahmen der gantzen vngezogenen,
vn verständigen , lieben Jugendt, sehr fleissig vnd dienst- freundtlich
E. W. E Vnd allen Ihren treweu Mitarbeitern, für den angewandten
treuesten fleiss, vnd die volbraehte sehr sawre, sehr schwere, vnd
verdrießliche, aber ja recht hochnötige vndt überaus nützliche vnd
herrliche Arbeit.“
1657 gab Comenius in Amsterdam auf Kosten seines Gönners
L. v. Geer seine sämtlichen didaktischen Schriften heraus; allen
vorauf liess er, gleichsam als pädagogisches Programm, die Didactica
magna gehen. Von der Wirkung der grossen Lchrkunst zeugt, die.
unter dem 14. Oktober 1658 von Hall aus publizierte „Schul -Ord-
nung, wornach man sich in gantzem Ertz-Stifft Magdeburg unver-
änderlich zu achten und hinführo zu richten hat“*).
Im Abschnitt „Vom Methodo informundi“ lesen wir Caput III.
De Objecto Infornmtionis. § 8: „Weil es aber heist, Natura non
faeit .-alt um, so muss man einen jungen Menschen 1. in den ersten
sechs Jahren, als ein junges zurtes Reisslein wohl und fleissig, so
'1 J. A. COM EN II | OPERA | DIDACTICA | OMNIA. | Amsterdam
1657. II, 459—62.
’) Vormbaum II, Pag. 486 ff. u. Sümptliche Fürstliche Magdchurgixche
Ordnungen u. s. w, Leipzig 1679. S. 271 — 325.
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1895. Comeniua als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen.
229
wohl an seiner Gesundheit und Ijeihe, als an der Seelen in Acht
nehmen, damit, bey ihme kein Schade, durch unordentliches Leben,
oder gegebenes Aergemüss von bösen Leuten, mit welchen er um-
gehet, entstehen möge. 2. in den folgenden sechs Jahren, vom
sechsten biss zum zwölfften die schönen Blätter und anfallendes
Wachsthum vorsichtig befördern, damit bey seiner Fortsetzung, in
die öffentliche Schule keine Raupen oder böse Gesellschafft das Gute
verderben. 3. in den nechsten sechs Jahren, vom zwölfften biss zum
achtzehenden die schönen Blüthen, und allbereit hervorblickende
Hoffnung zu den künfftigen heilsamen Früchten, noch genauer in
Acht nehmen, und vor aller Verführung, in Lehr und Leben, fleissig
bewahren. 4. Damit endlich vom 18. biss 24. Jahre, derselbe, als
ein schöner wohlgerathener Baum, mit seinen Früchten erfüllet, zu
einem nützlichen Ambte gebrauchet werden könne.
Caput IV. De Officina & Loco Infonnationis. § 1. Soll
nun ein junger Mensch den Zweck seines studirens gewündschter
Massen erreichen, so muss ordentlich nach einander
1. die Mutter-Schule, oder Haus-Zucht,
2. die Stadt- und Dorff-Schule,
3. die öffentliche Land-Schule oder Gymnasium,
4. die Hohe Schule oder Academia,
das Ihre dabey thun.
In den folgenden Paragraphen wird in grossen Umrissen jeder
Uuterrichtsstufe ihr Pensum zugewiesen. Für die Mutter-Schule soll
das 1036 zu Nürnberg erschienene Informntorium gründliche Anleitung
geben. „Wann solches gebührend verrichtet, alsdenn und nicht ehe,
soll man die Geschicklichkeit also befördern, dass alle und jede mit
Fleiss angeführet werden 1. im Schreiben, Rechnen und Singen.
2. in der männiglich nöthigen Wissenschaft, durch die zu Gotha zu
solchem Zweck hiebevor aussgefertigte teutsche Büchlein. § 10.
Wozu denn auch insonderheit dess Comcnii Orbis sensualium pictus
nnzuwenden, also, dass man zum wenigsten in ieder Schule ein
Exemplar desselben habe, und allen und jeden Knaben, ehe sie
anheben die lateinische Sprache zu lernen, sie mögen zum studiren
tüchtig seyn oder nicht, die generalia auss dem Anfänge und Ende,
item die Capita von Gott und seinen Wercken, von Tugend und
Lastern teutsch zum öfftem vorlese, und diejenigen, so das Buch
wegen Armuth selbst nicht knuffen können, die wenigen Blätter so
hiervon handeln, an Statt anderer unnöthigon Dinge abschreiben
lasse.“ Für den lateinischen Unterricht sollen neben andern Büchern
auch gebraucht werden die Janua und das Atrium Comenii samt
dem dazu gehörigen Lexico.
Ein treuer Anhänger des Comenius war Jakob Redinger 1 ),
') F. Sander, Jakob Redinger, ein Anhänger des Comenius im
17. Jahrh. Beilagen zur Allg. Zeitung vom 2. u. 3. Sept. 1892. Nr. 206
u. 20ti. — 1. Latinishcr Ruus | der | Tütehen Sprachkwäl, | Oder: | Ijitinish
MonaUlirlte der Comeniuii>(i«wllM'l]aft. 18%. 11 :
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Aron,
Heft 7 u. 8.
welcher als Bearbeiter vom Vestibulum lind als Übersetzer von Sehola
Indus bekannt geworden ist. Fast vergessen sind seine eigenen, zum
Gebrauche für Schüler geschriebenen Bücher, in denen er (wie die
damaligen deutschen Sprachgesellschaften) zu erweisen sich bemüht
dass viele lateinische Wörter aus der „uralten teutschen Sprache“
abstnmmen. Durch diesen „Nachweis“ glaubt’ er den Schülern das
Erlernen der lateinischen Sprache zu erleichtern. In seinem 1059
gedruckten Schulbuche „Verwandschaft der Teutschen und Lateinischen
Sprache“ bezieht sich Redinger mehrfach auf sein grosses Vorbild.
Pag. 7. „Es hat der weitberühmte Kunstspraehlehrer J. A. Komcnius
disen trefflichen, leichten, kurzen weg erfunden die Lateinische und
andere Sprachen zu lehren und zu lehnten, dass er erstlich die
Stammwörter nach Ordnung der natürlichen, Künstlichen, Sittlichen
und Göttlichen dingen zert heilet, und die bilde beifüget, dass ein
Knab das dingbild sehende und das such wort lesende und hörende,
die Dinge und Wörter, welche ein andere entsprechen, leichtlich be-
greiffen kan. Wann nun jetzt zu den ditigbilden und dingwörtem
auch noch käme die Wortgleichheit in des Knallen Mutersprach und
der ülierigen, die er lehnten soll: so halte ich, dass ihme aber utnb
vil geholffen würde, die Wörter noch bälder und steiffer zu behalten.
Ich thue hie einen Versuch mit zusnmmcnlesung der verwandten
Teutschen und Lateinischen W örteren aus etlichen Wortbüeheren
und eigner lieobnchtung etlicher, welche ich dem Iihciiistrom nach
von desselben Urspntng bis an das Meer gehöret habe.“ —
Tiitshes wort — | büchlin: ] In welchem durch ainen lichten griff, | mit
etlich hundert bispilen gewisen wird, j wie die Latinishe Sprach ns der
Tiitshen | geflossen: | Gegralien, gcsanilet, gehütet, | fon | H. Jakob Redinger.
| (letmkt 1 in Sehaffhtisen, | bi | Johann Kaspar Srtter. ■ M IX' LVI. 8“.
8 Blätter Vorrede, 72 Seiten Text. — 2. VERWANDSCHAFT | der Tcut-
schen und Lateinischen Sprache, | Oder: GLEICH STIMENDES | WORT-
BÜCHLEIN: | In welchem gezeiget wird: dass etlich hun- j dort Lateinische
Wörter, thcils aus der uralten | Teutschen Sprache herkomen; tlieils mit
derselben ] durch leichte Richtigmachung ihrer Ver- \ wirrung zu der l'r-
»praeh können | gerechnet werden: | Für die Franken! linliselic Schüler, und
andere Teutsche Sprach-licber gesamlet, | von | JAKOB REDINGER. j
Druckerstock. | Gctruket zu Hanaw | Bei JAKOB LASCHE. | Im Jahr M.
DC. LIX. 8". 96 Seiten. — 3. Des Jolian Arnos Komcnius | Spielschule |
oder Leliendiger Kunstcn-Krris: | Das ist | Schawspieligc Übung | Der
Sprachen- und Sachrn-Thiir, | Ein anmuthiges Kunststuk darstellende, | Alle
dinge mit der Namengebung bekleidet, den Sinnen nach dein Leben vorzu
! tragen. | In Franckfurth bey Thomas Matthias Gözen. | In Verlegung de«
Übersezcrs. j Mit Churpfülzischer Befreiung. | Gedruckt bei Jacob Loscht?,
Bnchdntcker in Hanaw. | Im Jahr 1659. 8". 955 Seiten Text. — 4. (Ab-
gekürzter Titel.) Joh. Anios Comcni Erster Teil der Selmhl-t lelchrtheit,
genennet die Vortvhre: Welche begriffet Die Grunlage der Dinge, und
unserer Weisheit um die dinge, als auch der Lateinischen Sprache, mit der
Muttenprnche; zugerichtet nach den Gesetzen der neuesten Ixdirnrt , und
mit vielen Bildern erklähret , auf Zulassung und billigung des Verfassers,
von Jakolm Redinger usw. Amsterdam, Job. Ravestein. 1873. — Aus dem
Jahre 1678 besitze ich ausserdem noch einen Nürnberger Nachdruck.
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1895. Comenin» als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 231
Dem eigentlichen Wortbüchlein geht ein Schulgespräch vorauf
zwischen dem Schweizer Kunnid, dem Niederländer Rudolf, dem
Pfälzer Heinrich und dem Lehrmeister, einem Alemannen. Kunrad
und Rudolf wollen nach Frankenthal, um in der dortigen Redinger-
schen Lateinschule Sprachen zu lernen „nach dem Lehrweg des
hochgelehrten Herrn Komenius“. Sie freuen sich, *len Schüler Heinrich
aus Frankenthal dicht bei der Stadt zu troffen, und hoffen, von ihm
mancherlei für sie Wichtiges zu erfahren. Es entwickelt sich folgendes
Gespräch :
K.: Wohin, wohin guter Friind?
H.: Ich gehe durch dises Feld an den Rhein, mich ein wenig
an und mit den Geschöpfen Gottes zu erlustigen.
K.: Mit was für Geschöpfen?
H.: Mit krnutern, Sträuchen, bäumen, vögeln, fischen, vier-
füssigen thieren, und dergleichen.
K.: Das hab ich dahuim alle tag gesehen, und jez den Rein
ab auch ein theil.
H.: Kennestu aber alles, und kanstu es nennen?
K.: Nein, und was nüzte es mich, wann ich es könte?
H.: Ich wolte ein schönes geben, dass ich dise, und andere
sachen alle kennete, und nennen könte.
K.: Lieber myn, warum?
H.: Ich könte die Lateinische Spruch vil besser lehmen, und
were bald gelehrt,
K.: Kann man dardureh gelehrt werden?
H. : Ja freilich. Wahrhafftig gelehrt sein ist nicht anders, als
die Dinge unterscheiden, und nennen können.
K.: Wer hat dir das gesagt ?
H.: Unser Lateinische Lehrmeister, bei welchem ich solte die
Lateinische sprach lehmen, und siho erst, dass ich mehr als den
halben theil Teütscher Wörter, und suchen nicht weise.
K.: Muss man dann in der Latinischen Spruche idle Wörter
lehrnen ?
H.: Fast alle, so man alle Lateinische büeher verstehen will.
K.: Wie vil Zeit muss man wol darzu haben ?
H.: Zwei, oder drei Jahr.
K.: Lehrt man neben der Sprach auch etwas anders?
H.: Ja freilich: die Natürliche, Künstliche, Sittliche, Göttliche
Sachen.
K. : Was für Bücher muss man haben?
H.: Im ersten Jahr die sichtbare Welt (orbis p.), im andern
die Spielschule (schola ludus) mit zugehöriger Sprachlehr und Wortbuch.
K.: Was begreifft die sichtbare Welt?
H.: Aller fürnemsten weltdingen und Lebens Verrichtungen Vor-
bildungen, und benahmungen.
K.: Was begreifft die spielschule?
10 *
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Aron,
Heft 7 u. 8.
H.: Aller dingen benamung und fürstellung in acht spielen.
K.: Wer spilet diso lustige und nuzliche spiele?
H.: Die Schüler unter einander.
K.: Also glustct mich je länger je mehr in dise Schul: er
lieber, führe uns zu einem ehrlichen Kostherren, und hernach in die
Schule. *
Bald darauf gesellt sich der Lehrmeister zu den drei Schülern
und beginnt nach kurzem Zwiegespräch seine Lektion.
Das Buch schlicsst Pag. 95: „L. So ihr Lust zu Griechischer
Sprache habt, sollt ihr sie lernen, aller ihr müsst erstlich die Latei-
nische sprach mit angedeuteten Sachen recht lernen. Darum so
ülierleset hie alle tag ein oder zwei blätlein fleissig, und lasset uns
nun zu der Sichtbaren Welt (Orbis pict.) fortsebreiten.“
In der Vorrede zu dem in Züricher Mundart geschriebenen
Latinisehen Run’s (Rinnsal) denkt Redinger offenbar auch an Come.nius,
wenn er von dem Fleiss und der rühmlichen Arbeit gelehrter Männer
spricht, einen kürzeren und leichteren Weg zur Erlernung der Sprachen
zu zeigen.
„Liebe Tütshe; Demnach eüwere löbliche begird alerläi sprachen
zu lernen, um derselben im gaist- und wältlichen stand eüeh zu be-
dienen, aler wält bekant: in glichen! etlicher gelertcr männeren fliss
und rumliehe arbäit bewusst, welche sich bemühend ainen kürzeren
und lichteren wäg zur erlemung der sprachen zu zaigen, als aber die
zithar in den Schulen gebracht worden, sonderlich mit ordenlicher
fügung der Sachen und saehbedütender Worten : hierin aber noch
manglet ain gründlichere undersuchung der änlichkäit und glichhait
der sprachen, näbend dem augcnschin in wisung der sachen sälbsten,
oder durch initel der gemaleten bilder: welche baide stuk ainen noch
fil kürzeren und lichteren sprachwäg machen werdend: so understande
ich mit Gotes, vnd sprachliebcnder lüten hilf, die glichhait der
sprachen uf ainen andren srot zu zaigen, als bishar fon etlichen
arhuitsamen männeren geschähen“ etc.
Inbezug auf den realen Realismus des Comenius will ich ein
Urteil aus dem Jahre 1609 mitteileu. Eccard Leichner stellt in
seinem „Ajiodictischen Prüfe-Spiegel“ 1 ) auf Seite 21 Comenius neben
Verulam, Campanella und C'artesius als einen Gelehrten, welcher die
übele Philosophie irrig und verführerisch gehalten, welche nicht auf
wahrer Betrachtung der Natur und Naturwerke beruhe.
Ich komme nun auf zwei in ihrer Zeit hochgeachtete praktische
Schulmänner, von denen wir umfangreiche Anweisungen haben, wie
*) D. Eccard i Leiehncri | Apodietiacher | Prüfe-Spiegel | Wissen- und
flcwissen-haffter Lieb- | haber des Uhristlichen Schul- und | allgemeinen
Wol-Wesens: | Worinne zugleich eine Sunnuarische | Abbildung | Wahrer
und Irriger | Logiea, auch Physica, Mcthaphysiea | und Ethica; | Nebst ge-
tviehriger Anzeige, | wie lcieht-müglich die Apodictisebe Emen- | dation seye
| Abtritts- Weise j Zu endlichem reiffern Nachdenken Man- | niglich trew-
meiuend vor Augen ge» teilet. | Erffurth, In Verlegung des Autor». 1669.
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1895. Comenius als Pädagoge iin Urteile seiner Zeitgenossen.
233
das Vestibulum un<l die Jnnua wohl am vorteilhaftesten in den
Schulen anzuwenden wären. Es sind dies Johann Sebastian
Mitternacht, Rektor in Gera, und Johann Georg Soybold,
Lehrer am Gymnasium in Schwäbisch-Hall. Bei Mitternacht handelt
es sich um die 1605 in zweiter Auflage erschienene Schrift „Paedia,
das ist: Unvorgreiffliebes und wolgemeintes Bedenken von der Er-
ziehung und Unterweisung der Kinder“ 1 ). S. 185 — 187, 217, 222,
224 — 229 finden wir die betreffenden Stellen.
Folgende kleine Auslese möge zur Kennzeichnung der Stellung
genügen, welche Mitternacht den Comenianisehen Schulbüchern gegen-
über einnahm. „Neben dem I)onat, so bald der Discipul die Para-
digmata Declinationum A Conjug. etlicher massen gefasset, kan man
das Vestibulum Comenii brauchen, und die Nomina und Verba nach
dem gelernten pnmdigmatihus flectiren lassen. Jetzt ist genug,
dass ich Ursach gelie, warum ich das Vestibulum allernechst nach
dem Donat gesetzet. Weil nemlieh simplicissimae conHtructiones,
dergleichen den Kindern anfänglich gegeben werden müssen, darinnen
vorlauffen, und die Wörter gutes Theils in ihrer eigentlichen Be-
deutung, dessgleichen die epitheta oder adjectiva, nicht weniger die
verba, so re rum propria bedeuten, zu ihren gehörigen Subjectis ge-
setzet werden. — Im decliniren und conjugiren kan man sich mit
Nutz richten, nach dem, was der Auctor Vestibuli in praefat. ad
Lect. immer. IV. A V. de Vestibuli usu erinnert.“ —
Seybold veröffentlichte 1663 in Schwäbisch-Hall „Kurtze doch
Gründliche Anleitung“*) etc. — S. 155 — 158, 160 —162, 172 — 180
lesen wir seine praktischen Ratschläge, das Vestibulum und die Janua
mit Nutzen bei Kindern zu verwenden. Er ist noch mehr als Mitter-
nacht von der Vortrefflichkeit der Comenianisehen Schulbücher ein-
genommen. Caput XXVIII. Pag. 161 „Das Vestibulum Comenii
ist ein fein nützlich Büchlein, darauss die Tirunculi Latinitntis allerley
Wort, als Verba und Nomina, Adjectiva und Substantiva, dessgleichen
auch allerley andere Partes Orationis, deren man in examinutione
‘) Hüttner, Rektor J. S. Mitternacht u. s. Wirksamkeit am Geraer
Gymnasium 1640 — 67 . Gera 1888. 4 *. — M. JOH. SEBASTIANI | Mitter-
nachts. | PAEDIA, | Das ist: | Unvorgreiffliches und | wolgemeintes | Be-
dencken, | Von | der Erziehung und Un- | terweisung der Kinder, | Auff die
Privat-Informatiou, die | liey den Eltern im Hause geschieht, I eingerichtet, |
Jetzo auffs neue ausgefertiget , und | mit etlichen absonderlichen Gutachten
I das Informations-Werck betraf- | fenil vermehret. (Gera 1665.) 8°.
-) Praeceptor Methodicus, | sive | METHODUS | INSTITUTIONIS |
PUERIEI8 | Das ist: Kurtze doch Gründliche j Anleitung, wie man einen
Kna- | ben, neben guter Zucht und wahrer Got- | tesforeht , vom Alphabet
an, dureh die Lectio- | nes Classieas ordenlieh führen soll, dass er zu | dem
Grand der Lateinischen Sprach, und an- i derer darzu nothwendig-gehürigen
Stück j schleunigst, gelangen möge; | So wol den Doeentibu» als Discentibus
I zu lesen nutzlieh; | Bemercket und beschriben : | von Johann Georg Scy-
bolden, | Gymnasii Halensis Coli. | Schwäbischen Hall | In Verlegung Julian.
Christoph tirfiters [ gedruckt bei Hans Reinhard Laidigen, 1663.
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234
Aron,
Heft 7 u. 8.
formulftmm nicht wol entrathcn kann, die sie 7.ur Practicirung der
Grammatic, und auch in kurtxcn fonnulis loqitcndi zu gchrauclicn,
sollen altgewohnt werden. Dieses Büchlein muss aber von Anfang
biss zu End ausswendig gelernt werden, und damit solches desto
füglicher geschehen möge, können sie das Teutsche absonderlich in
ein Büchlein, darzu gebunden, absehreiben, und dasselbe im recitiren
vorlesen, und dann drauf das Lateinische hersagen. — Caput XXIX.
S. 172 „Wann das Vestibulum tractirt und absolvirt worden, so kan
man nachgehends die Junuam gelbsten mit besserm und grösserm
Nutzen mit der Jugend vornemen. Wiewol aber diese der Jugend
umb etwas zu schwer von etlichen möchte gehalten werden, fst sie
doch umb folgender Ursachen willen hoch zu commendiren. 1. Weil
es kein gross weitläufftig Werck, welches in einer Particular-Schul
nicht könte absolvirt, und nach nothdurft repetirt werden. 2. Weil
es einen doppelten Indicem, darauss die Jungen die Wort, so ihnen
entfallen, können aufsuchen, welche doch noch weit nützlicher wären,
wann beede Sprachen in den Indicibus wären zusammen gefast
worden. 3. Weil die res eognatae in einer feiner Ordnung und Ver-
stand in gewissen Capitibus beysiunmen. 4. Hat inan auch darauss
muteriam, Etyinologiam , & Syntaxin exatninandi, . wie auch praxin
tötius Grommnticac exercendae. 5. Finden sich darinnen feine for-
mulae und idiotismi Latinitatis, welche man in solutis & separatis
phrasibus nit haben kan. C. Gibt cs den grossen) eine feine Manu-
duction, so wol zu Practicining der Participiorum, als zu Ergreiffung
allerhand Disciplinen und Künsten.“ —
In seinem „Contpendium Grammaticae, Nürnberg 1098“ — er-
fahren wir von Soybold über die Janun und das Vestibulum noch
folgendes: „Die Herrn Scholurehen haben nach reiffer Erwägung,
Januain Latinitatis Johann Amosii Comenii hinfort in unserer Schul
zu tractiren erwehlt, weil es in einer feinen verständlichen Cohaerentz
die vornehmste Wort der gantzen Sprach in 1 00 Capitibus und 1 000
Paragraphis begreifft, so nun auch der Jugend zum besten in kürtzere
Paragraphos oder Comnmta resolvirt sind. Darbey ist auch ein
Vestibulum, so für die untere ('lasses zu gebrauchen nützlich.“
Der Verfasser von „Kurtzer und Leichter Kinder-Donat, Magde-
burg & Heimst 1072“ schlägt in seiner Vorrede für die ersten
Übungen im lateinischen Sprachunterricht gleichfalls tlie Benutzung
des Vestibulums vor.
„Daboy soltc das Vestibulum, als welches zum Anfänge sehr
bequemlich, werden Tmetiret, und der Knabe angeführet, etwas aus
demselben, dass er fein deutlich hergelesen zu exponieren, resolviren
und construircn. — — Wann ein fleissigcr Praeccptor das Vcstibu-
lum zu ein oder mehr mahlen wird durch tmetiret haben, ist kein
Zweiffcl, es werde der Diseipul, wann er embsig gewesen, durch
Hülffe GOttes so weit gekommen sein, dass er das Lnteinsche fein
wird verstehen, und nach den gemeinen Grund-Rcgulcn zu gebrauchen
wissen.“ —
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1895. Comeniua als Päiiagoge im Urteile seiner Zeitgenossen.
235
„Wohlgemeyntes, zunuihlen wohl überlegt- und Gründliches Be-
denken“, Augsburg 1G93 1 ). — 17. Abschnitt: „Man hat lang, hin
und wieder, in grimmigem Eyfer wider dess guten Comenii Janunm
gosohmnhet, und zwar gewisser Ursachen halben nicht unbillich : aber
die neueren Teutech- Lateiner, mit ihren Officinis, und dergleichen
Saalbadereyen, machen den Comenium gnntz wieder redlich. Dieses
seine Jnnua ist so gross nicht, und setzt zum scopo die Auctores
probatos: Aber biss ein ehrlicher Gesell, mit jenem Schneider- Webcr-
Sclmster- Keller- und Küchen -Latein, dureh alle Werekstätte sich
hindurch l>cisset, müssen gute Scribenten gar zu lang, ja öffters
gäntzlieh zurück bleiben.“ —
über den Orbis pictus urteilt Martin Difenbach, evange-
lischer Prediger in Frankfurt u. M., in seinem Buche „Unterricht von
den Pflichten Christlicher Schullehrer“, Frankfurt a. M. 1091 *) —
Pag. 440 „Auff Comenii Orbeni Pictum weis» ich wol, dass viele
wenig halten, sonderlich nachdem Herr Boeder, MechoviuH, Beecherus
und andere etwas hurte Urtheil darüber gefällt haben, aber ich weise
auch, dass andere viel darauff halten, und gern erkennen, ob wol
nicht alles Latein gnntz rein darinnen scy (das den Knaben in den
untern ('lassen so nicht eben schaden kan. Und welch Buch wird
ihneu ausser den alten Scribenten reeommendirt werden , das aller-
dings pur Latein in sich halte?) so könne es doch mit gutem Nutzen
von der Jugend gebraucht werden, sonderlich wegen der darin be-
findlichen Bilder.“
Ein Anonymus empfiehlt 1091 in seinem Buche „Nöthiger und
wolgemeinter Unterricht zur Information 3 ) — Braunschweig“ ebenfalls
') Wohlgemeyntes , zmnahlen wohl | überlegt- und | Gründliches Be-
denken, | Von verschiedenen, theils offenbahren, | theils nicht allerdings
bekandten Missbrauchen, so | geraume Zeit hcro in die Schulen eingerissen,
und überhand j genommen : auch wie die Sach eigentlicher und mit besserer
Manier möchte eingcrich-tet worden. | Zu mehreren) Nachdenken, kurtz und
| einfältig entworffen von einem, der schon lang, | und mm je langer je
mehr siel), Ampts- uml Gewi»- j sens halber, uuib den Schaden Josephs |
bekümmert. | Augsnurg | In Verlag I.orenz Kninigers- . und Göttlich Göbels
sei. Erben, | Druckt» Anthon Nepperschmid. | Im Jahr 1093. cfr. auch
Sammlung selten gewordener pädagog. Schriften des 10. u. 17. Jalirh.
Herausgeg. v. A. Israel. Heft 3.
Gründlicher und Wolgcmoynter | Unterricht | Von den | Pflichten |
Christlicher Schul- | Lehrer, die an GymnasiU j stehen. | Worinnen zugleich
nächst ei- | nigen Vorschlägen von Vorbesee- 1 rung der Lateinischen Schulen,
verschiedene | ein fliessende Tlieologische materiell wider die | tjuäcker und
andere Irrgläubige | abgchandelt werden. | Mit Hoch-Ehriv. Theologi- I sehen
Facultät zu Giessen Approbation | heraussgegeben 1 Von | Martin Difenbach,
I Evangelischen Prediger in Franckfnrt | am Mavn. | Franckfurt am Main, |
Verlegt» Joh. David Zunner, I Druckt» Martin Jacquct, 1091.
:l ) Nöthiger und wohlgemein- | ter Unterricht | Zur | INFORMATION
Der zarten und anwachsenden | Jugend voll den ersten Jahren an biss |
ms sechste, vom sechsten biss zum zwölff- | len, vom zwölfften biss zum
| zwanzigsten. | Zu dieser letzten Zeit, bey je mehr und | mehr einreissendeu
grossen | Iguorantz, | Zum gemeinen und besondern ; Nutzen kürtzlich und
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236
Aron,
Heft 7 u. 8.
den Orbis pictus. Nachdem er dem „andern Alter vom sechsten bis
ins zwölfte Jahr“ für die Aneignung der Anfangsgründe in der
lateinischen Spruche ein kleines Vokabelbuch (nämlich das Vesti-
bulum) vorgeschrieben, sagt er Seite 19: „Hierauff müssen nun die
Lateinischen Autores selbst angegriffen werden, und kan man den
Anfang machen etwan von der Historia Eutropii, oder vom Terentio,
oder von den kleinen Epistolis Ciceronis (wobey zur Lust des Comenii
Orbis pictus um der Vocabulen willen mag fleissig gelesen werden),
denn die Autores selbst machen die beste Lust, auss dem Brunnen
trincket sichs am allerfrischesten.“
Dass Leibniz unsern Pädagogen schätzte, ist bereit« ander-
weitig bekannt gegeben 1 ). 1668 erschien von ihm in Frankfurt a. M.
„Nova methodus discendi docendiquo iuris“; hierin wird der Orbis
pictus den Knaben nach ihrem sechsten Jahre zur Erlangung einer
Kenntnis der Pflanzen, Bäume, der Minerale, Tiere und mechanischen
Instrumente etc. als dienlich empfohlen.
Schliesslich interessiert vielleicht noch die Mitteilung, dass
Erhard Weigel in seiner berühmten, auf die Aretologietik gegrün-
deten Tugeudschule in Jena in den sogenannten Schwebeklassen die
Sprüche des Vestibulums singen lies», um sie dem Gedächtnisse desto
sicherer cinzupmgen. In seiner Schrift „Die bereiteste Execution des
Allerleichtesten Vorschlags, Jena 1685“ a ) — teilt er uns folgendes
mit: „Unterdessen habe ich noch den Ton die Sprüche Vestibuli
zu memoriren hier anfügen, und das übrige dem Willkühr eines ieden
der die Kinder liebet heimgestellt seyn lassen wollen.
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Sal-ve-te pu - e-ri, seit gegrüst ihr Knaben.
Nachdem wir die dem Comenius freundlich gesinnten Zeitge-
nossen vernommen, müssen wir auch seine Gegner auf pädagogischen)
Gebiete kennen lernen.
Die hervorragendsten sind Becher, Böcler, Meehovius,
Scheffer, Christian Weise, und am Ende des Jahrhundert« noch
Bayle und Morhof.
insgemein, | doch deutlich und or- | dentlieh | Auf Begehren ge« teilet | Vom
V Christlichen Liebhaber Einer | Lobwürdigen Zucht. | Braunschweig, j In
erlegung Caspar Grubers, Buchh. | 11391.
') Hülsen, Leibniz als Pädagoge und »eine Ansichten über Pädagogik.
Charlöttenburg 1874. 4“.
’) E. Spiess, Erhard Weigel, der Iskrer von Leibnitz und Pufendorf.
Leipzig 1881. — A. Israel, Die pädagogischen Bestrebungen Erhard Weigels.
Zschopau 1881. — Die bereiteste j EXECVTION j Des | Allerleichtcsten
Vorschlag», | Wie | Nach der Art der alten Weisen, | Der Grund aller Kunst
und Tugenden, nechst dem Latein, | auch den kleinen Kindern, mit Freuden
einzuflössen. | Unmassgeblich entworffen | von | EHHAKDO WEIGELIO, |
Mathcm. Prof. P. j JENA, | In Verlegtmg Johann Bielkens Buchhändlers.
| Gedruckt mit Nisischcn Schriften. 1685. 4°.
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1895. Comenius als Pädagoge im Urteile seiner Zeitgenossen. 237
Das in den Comenianischen Schulb&chem auftretende Latein
ist es vornehinlieh, was keine Gnade bei ihnen finden konnte. Die
menschlichen Dinge waren mit dem Aufhören der lateinischen als
einer lebenden Sprache in fortlaufender Entwickelung begriffen und
fanden in dem Latein der Klassiker keine entsprechenden Benen-
nungen. Comenius konstruierte sich deshalb, um für jedes Ding den
rechten Namen 7.u haben, ein eigenes Latein. Gegen diese soge-
nannten Barbarismen erhoben die Philologen ihre Angriffe und warn-
ten vor dem Gebrauch der Schulbücher von Comenius. Andern
Gegnern erschienen sie wieder in der Schule gefährlich, weil in ihnen
ein Abfall von dem Princip der Anschaulichkeit, eine verkehrte An-
wendung des Bildes (besonders im Orbis pictus) enthalten sei. Wir
wissen, dass Comenius ein ausgesprochener Empiriker nicht bloss in
der Theorie, sondern auch in der Praxis war. In seiner Didaetiea
magna dringt er darauf, alles den Binnen durzubieten, was nur immer
angeht; das Sichtbare dem Gesicht, das Hörbare dem Gehöre, die
Gerüche dem Geruchssinn u. s. w.; überhaupt muss man alles durch
den Augenschein und den sinnlichen Beweis lehren. In der Vorrede
zum Orbis pictus sagt er: „Es sollen den Knaben die benennten
Bachen nicht allein in der Figur, sondern auch an ihnen selber ge-
zeiget werden, als nämlich die Leibesglieder, die Kleider, Bücher,
Hausgeräte. — Wenn etliche Bachen, deren hierin Meldung geschieht,
nicht können vor Augen gestellt werden, wäre es den Lehrknaben
gar fiirträglich, wenn man ihnen dieselben selblich vorzeigte; z. B.
die Farben, die Gesehmacke u. dgL, welche hier mit der Drucker-
farbe nicht haben können Busgebildet werden. Es wäre deswegen
wohl zu wünschen, dass in einer jeden vornehmen Schul die seltenen,
zu Hnus nicht gemeinen Sachen beigelegt würden, damit man, so oft
man mit den Lehrknalmn davon handelt, dieselben vorweisen könnte.“
Comenius will durch das Bild das Ding an sich mit Weglassung
alles Nebensächlichen und Zerstreuenden zeigen. Das Kind soll
gewöhnt werden, durch Vergleichung mit den entsprechenden wirk-
lichen Gegenständen das Wesentliche des Dinges an sich durch das
Bild zu erfassen. Durch die Janua hatten die Kinder die Dinge
äusserlich von einander unterschieden; nun sollten sie auch angeleitet
werden, darauf zu achten, was jede Sache ihrem Wesen nach ist
Comenius wollte diese Idee noch weiter ausbauen und zu dem Zwecke
eine Vorratskammer der gesamten Weisheit — eine Pansophie —
schreiben, wozu er aber nicht gekommen ist Jedenfalls ist er in
seiner Zeit mit Unrecht wegen seiner sogen, falschen Anwendung des
Bildes angegriffen worden.
Den unruhigsten Gegner erhielt Comenius an Job. Joach. Becher
von Speyer, welcher als Autodidakt sich auf alles legte, alles Wissen
verbessern und die Welt durch seine Ideen umändern wollte, der
aber griesgrämlieh wurde, als sie nicht den gewünschten Erfolg hatten.
In seinem Buche „Methodus didaetiea — und dem Appendix dazu
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238
Aron,
Heft 7 u. 8.
— Frankfurt a. M. 1G74“ 1 ) — finden wir ihn fortlaufend in der
Gegenstellung zu Gomenius. Einige Auslassungen von ihm mögen
dies bezeugen. 8. 77 : „Ich weis« wol, dass Docemius, Red in ge r,
Colliovius, und mein vormals gewester indignus Reetor, Weinhcinier,
auch andere Comeniänium Janitores dise meine Censur über einen
Mann, den sie so sehr gelobt, ungern hören werden, sed amieus
Plato, amieus Seneea, mngis nmica veritas. — Was iu beyden Sprachen
(lateinisch und Deutseh) von mir gethau ist, mehrer als Commenius
in Latein, und Brhottelius in Teutseh , das wird die Combination
weisen, wann man es wird gegen einander einmal halten können,
sage nochmal, ich wünsche von Herzen, bevde Schottel und Com-
menius hätten mehr gethau, so wäre ich vieler Mühe überhoben,
zumalen in den Teutechen Radicibus, doch hat Commenius respectu
suae professionis hundertmal mehr, als Schottel und die gantxe
Teutsche Fruchtbringende Gesellschaft in der ihrigen gethau, es ist
doch alles gute Beginnen zu loben. — Commenius hat bey dem
Herrn von Geer mehr Beförderung gehabt, als mancher König nun-
mehro einem gibet, derentwegen besagter von Geer sich auch dar-
durch einen unsterblichen Kamen gemacht, solch Glück darff ich
nicht hoffen, als der es etwan nit meritire, noch disen Leuten in
der Erudition gleich gehe, aber nachdeme die Gaben unterschiedlich,
so hub ich das mehlige und doch discs gethau , was keiner in hoc
genere von vorigen gethau, also vermeinet, ich hätte so viel verdienet,
dass ich etwan ein Trüncklein Wein thun, und also die grosse Mo-
lcxticn, so ich iu diesen studiix gehabt, durch ein vinuin Theologieuni
verdauen könte, so aber gönnet man mir nicht einmal das Wasser
so ich trincke. — Commenius hat seinen orbem pictum lassen aus-
gehen, hat Kinder damit informirct, welche ihre eigne Mutter-Bpraeh
noch nicht recht können. Aber je mehr man die Memori in die
Enge, und von der Sachen selbst auff die gemiihlde, oder Bilder,
von disen aber auff die Wörter bringen will was thut man anderst,
als was M. Butio mit seiner Bilder Grammatic gethau, ncmblich man
nmltiplicirt die Entia, und führet die Jugend von lebendigen auf
todte Dinge, von dem Original auff die Copey, und bringet durch
dise Kupfferstück und Bildnuxsen ein drittes neues unnöhtiges Ens
in die Memori der Kinder, das ist an 8 tut des Lieehts einen Behalten,
') Joannis Joachimi Becheri I Spirensis, | METHODVB | DIDACTICA
I Scu | CLAVIS ET PRAXIS i Butter novum suum | ORGANON | l’HILO-
LOGICVM, | I>fls ist: | Gründlicher Beweis, dass die | Weg und Mittel,
welche die Schulen biss- j hero ins gemein gebraucht, die Jugend zu Erler-
| nung der Sprachen, insonderheit der Lateinischen , zu fiih- | ren, nicht
gewiss, noch sicher seyen, sondern den Regalen | und Natur der rechten
Lehr, und Lem-Knnst schnurstracks I entgegen lauffen, derentwegen nicht
allein langweilig son- | dem auch gemeiniglich unfmehtbar, und vergeh- | lieh
ablauffcn: | Samt Anleitung zu einem besseren. | Zwcyte Edition. | Franck-
furt, in Verlag Johann David Zunners, | IJruckts Balthasar Christoph Wust,
KJ74. B°.
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1895. Comcmuü als Pädagoge im Urteile »einer Zeitgenossen. 239
wordureh nur die Einbildung vennehrt, und ge schwächet wird, ich
hab durch dergleichen Possen meine Memori zimlich venlorben. —
Man soll dahin sehen, dnss inan die Jugend auss dem Fundament
lehre, worzu nit allein das Latein lernen auss den Lexieis, sondern
auch auss den Nomenclaturn nicht führen noch bringen wird, und
was ich bisshero von den Nomenclaturn geredet, das sage ich auch
von der Junua Commenii, welche nichts anders ist, als ein zusammen
oonstruirtes Werck aller Wörter unter jedem Titel in einer Nomcn-
clntur — , zumalen, da so absonderlich Latein nicht darinnen ist,
welches den guten alten Exenipeln bewährter Autorum in dem Syntax
Vorgehen solle, ist also mit der Janua nichts weiteres gethan, und
der Jugend geholffen, als mit den gemeinen Nomenclaturen auch,
ohne dass etwan Commenius in der letzten Edition mehr Wörter hat,
als andere, hingegen mehr Weitläuffigkeit und Mühe die Wörter
unter den Titeln zu finden, ich will nur eines von seinen Operibu»
nehmen, die er vor die Kinder gemacht, und also gar einfältig scyu
soll, nemlieh seinen Orbem pictum s<;nsualium, unter was vor einem
Titel meinet der günstige Leser, weite er am nächsten und fügliehsten
das Wort Zangen suchen, in der Schmidt, oder in der Kueh? Com-
menius setzet sie unter die Malcfitz-Strnffen, da man die Ubelthäter
zwicket, als ob die Zangen proprius hieher, als in die Schmidte ge-
hörten, oder nirgends könten gebraucht werden, als die Ubelthäter
mit zu zwicken, dergleichen Dinge hat er viel hundert, dass er also,
weiter in Partirung der Titeln, noch näherem Vortheil der Erlernung
der Wörter was anders gethan, als idle Nomenclaturn auch gethan.
— Ich habe selber in meiner Jugend seine Januam dreymal auss-
wendig gelernt, aber in der Application nie sehen können, was ich
vor Vortheil darinnen hätte, vor einer jeder andern Nomenelatur.“
Joh. Heinrich Boeder bemühte sich auf den ersten 40 Beiten
seines Buches „Kurtze Anweisung, Wie man die Authores Classicos
hey und mit der Jugend tractiren soll“ — Strassburg 1G79 — nach-
zuweisen, dass Comeniu» ein burbarisches Latein geschrieben habe.
Es würde zu weit führen, aus dem Buche auch nur einige philo-
logische Auseinandersetzungen abzudrucken, da dieselben doch gar
zu lang ausgesponnen sind. Ich teile deshalb bloss sein Gesamt-
urteil mit, „Wie dun eben dem Hr. Comenio die trnnspositio seines
eigenen gemachten Textes nicht zum besten gerathen. — Massen
dan die janua und Atrium Comenii mit barbarismia und soloeeismis
angefüllet sindt, auch die löbliche und kunstgemesse Art eines
lateinischen eontextes nicht halten.“
Joh. Seheffer, „De generosi nobilisque infornmtione liternria
dissertatio“ — Holmiae 1078 — Pag. 14: „Coinmendant aliqui
Vestibuluin A Januam Comenii. Verum sunt non pauca, quae in
eis opuseulis desideres, alibi ä me iudicata satis copiose. Itaque misi
plurimum fuerint emendata, non posaunt, non damnosa esse Latini-
tateni incorruptiun cupientibus acquirere.“
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240
Aron,
Heft 7 u. 8.
Das abspreeheiKle Urteil des Zittauer Rektors Christian Weise
über den Orbis pietus übergehe ich, da es bereit« anderweitig mit-
geteilt worden ist. ')
Mechovius schreibt in seiner Hermathene: „Affrieuit Johannes
Comenius foedam scabitudinem optimis literis per inficetam Januam
suani, tanquam Pseudo tyro quodnm in omnes Europaeos introniissam.
- Pag. 593: Comenius, inquatn, non vulgaria Tropica nobis in-
stituit, cum Januam suam sacram A horribilem portam in via Latin«,
nescio quo fato, in vita tarnen Minerva, discentibus exstmxit , qua
hodie magna pars Europae ad burbarient A inscitiam dclabitur.“
Christian Fritsch , Antwort-Schreiben an einen guten Freund,
Auff die Frage etc., Leipzig 1691.*) — Pag. 6 und 7: „Man ver-
suche meinen Vorschlag mit denen Vocahulis, so der gelehrte Ccl-
larius aus Fürstl. Befehl gedachter teutschcr Graminatic in libro
inemoriali Latinitatis probatae A exercitao fürgesetzet, und dann mit
der reinen und guten Phraseologia nebst denen andern Lcctionibus
auff gedachte Weise, ich versichere ihm, er wird mehr ausrichten
als mit der Janua Comenii, darzu ich kein Hertz habe, ob schon
andere noch so viel drauff halten.“
J. Abraham ii Geheim», Entwurff Einer Vemunfftmässigen
Kinder-Zucht, Frankfurt u. Leipzig 1691 s ) — Pag. 46 — 48: „Man
machet heutige« Tages bey den Schülern den Anfang mit auswendigen
erlernung der Voeabulen (denn wir nennen einen Schüler, welcher
schon im Lesen fertig ist) zu solchem Ende müssen sie gemeiniglich
zu Anfanges das bekanto Schulbuch, genannt Orbis pietus oder die
genmhlte Welt des embsigen Amsterdamschen Schullehrers Jnhunnis
Arnos Comenii auswendig lernen, als worin alle Geschöpfe, Menschen
und Thiere, und was in der gantzen Welt vorhanden und bekant
ist, wie auch alle Künste und Ilandthierungen, auf kleinen in Holtz
oder Kupfer geschnitten Figuren abgebildet, und dabey die Kunst-
wörter und Nahmen, wie ein jedes in Lateinischer und Deutscher
Sprachen genennet wird, angefüget sind, damit die Knaben alsobald
dasjenige in seiner Gestalt und Wesen abgcbildet sehen mögen, was
sie nennen sollen. Diese Methode ist nicht wohl zu billigen, denn
erstlich, so sind die Figuren dermassen klein, dass man wohl ein
Mieroscopium nötig hette, selbige zu erkennen, wie «ölte sich dann
*) R. Hiller, Die Latein-Methode des J. A. Comenius. Zschopau 1883.
’) Christian Fritschens | Antworts-Schreiben, I an einen guten Freund,
I Auff die Frage: I Wie, und auff was Weise die ln forma- | tion bey der
kleinen Jugend wol und glück- | lieh anzustellen, | l’nd | Wie alisondcrlich
die lateinische Sprache, da- | mit man insgemein so viel Zeit zubringen
müsse, | derselben zeitlicher und besser als sonst geschiehet, | beyzubringen ?
| LEIPZIG, | Bey Johann Heimchen, Buchh. 1691. I“.
") Entwurff i Einer | Vcniunfftmässigen | Kinder- | Zucht, | Beydea in
Sitten und in | Wissenschaften, | vorgestcllet | von | JANG ABRAHAMO |
ä GEHEMA, | Etp Mid. Doct. | Franekfurt und Leipzig, \ In Verlegung
Jeremias Schreven, und | Joh. Heinrich Mevers sei. Eimen, | Anno 1691.
Kl. 8“.
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1895. Comenius als Pädagog im Urteile seiner Zeitgenossen. 241
ein Knabe dasjenige was sie abbilden, impriniiren können? Fürs
andere, wann sie gleich alles darin kennen und begreiffen, so stellet
nutn ihnen dennoch dadurch die Wahrheiten, eigentliche Grösse, und
Beschaffenheit der Sachen nicht für, wie sie an sich Selbsten sind,
sondern nieistenthcils Falschheiten ; und bin ich versichert, dass wann
ihnen dieses oder jenes in seinem Wesen solto verzeiget werden, sie
es gantz anders befinden würden, als sie davon vorhin eine Idenm
gefasset: Damit sie nun diesen Betrug der fürgcbildeten Dingen
entgehen mögen, so were das beste Mittel, dass man den Knaben
alles in seinem Wesen zeigete, und nachdem man ihnen dieses oder
jenes mit seinem gewöhnlichen Nahmen fürgesaget, sie solches nach-
sagen liesse, auf solche Weise würden sie alle Dinge mit geringer
Mühe, gleichsam epielend, und ohne Bücher nennen können. Solcher
Gestalt kan man ihnen erstlich alles was ein Hauswesen ist, und
man täglich int Gebrauch hat zeigen und vorbenennen, hemneher
mit ihnen hinaus aufs Feld spatziren, und was zum Ackerbau ge-
hörig, sumbt den zahmen und wilden Thieren, Gewächsen der
Erden etc. vorweisen und benennen, endlich sie zu allen Künstlern
und Handwercken führen, und derselben Werckzeug vor Augen
stellen, so lernen sic zugleich alle Dinge kennen und nennen. Was
ihnen cörperlich nicht kau gezeiget werden, entweder weil es Spirituali
und Geistlich ist, als Gott, die Engel, die Seele etc.: item frembde
Thiore, Gewächse und alles was nur bey andern Nationen, und in
weit abgelegenen Ländern zu finden ist, solches muss ihnen, so gut
man kan, bedeuten, damit sie so viel immer möglich ist, davon die
rechte Ideam concipiren ; jedoch könte dieses letztere durch Bilder
und Figuren vorgezeiget und gewiesen werden.“
In dem verdienstlichen Schriftehen Walter Müllers „Comenius:
Ein Systematiker in der Pädagogik“ Dresden 1887 — möge man
Bayle's und Morhofs Urteile üImt Comenius nachlesen; wie Joh.
Baltli. Schuppe über ihn dachte, findet man bei Curt Henschel, Joh.
Balth. Schupp, Döbeln 187G.
Durch vorstehende Sammlung von Urteilen über den Pädagogen
Comenius glaube ich den Nachweis geführt zu haben, dass er in
seinem Jahrhundert bei der Schulwelt doch mehr Beachtung fand,
als man bisher anzunehinen gewohnt war. Für einen zweiten Artikel
„Der Pädagoge Comenius in der Beurteilung des 18. Jahrh.“ ist es
mir ebenfalls gelungen, ein umfangreiches Material zusmnmenzutragen.
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Das älteste pansophische Werk des Comenius.
Von
Dr. Joh. V. Novak in Prag
(Kgl. Weinberge).
Im Briefe ftn den Buchdrucker Petrus Montanus, worin be-
kanntlich eine Aufzählung der Schriften des Comenius enthalten ist,
finden wir an zweiter Stelle ein r opns principale“ erwähnt, durch
welches der Verfasser seine Muttersprache emporheben und zugleich
seinen Landsleuten die Möglichkeit verschaffen wollte, daraus In-
formation liber alle tnöglicheu Sachen in der Welt zu schöpfen. Er
nennt das Werk „Amphitheatrum uni versitatis rerum“ und sagt,
dass es in 28 Bllcher eingeleilt gewesen, wovon das II. Buch,
125 Kapitel enthaltend, durch die Katastrophe in Lissa zu Grunde
gegangen sei. Die letzte Korrektur und Herausgabe des Werkes
sei durch Verbannung des Verfassers verhindert worden.
Sonst war bis zur letzten Zeit von diesem Werke nichts mehr
bekannt. Erst durch den neuen Fund in Ungarn, welcher jetzt für
das böhmische Museum gewonnen ist, kam auch eine Handschrift zum
Vorschein mit dem Titel:
Theatrum Universltatis Kerum,
To gest Diwndlo Swfta a wsseehnfich wssudy phjdiwnych w£cv
gcho, ktcreät na Nebi, na Zemi, pod Zemj, v Wotläch, w Powetrj a
kdekoli w Swötß gsau aneb se degj a djti hudnu od Pofätku Swfta
uz do skouunj gehe a az ndwekv wöküw. — Podte, wizte skutky
H< Mpodinowy. Zalm 40, 8, d. h. Theatrum universitatis rerum,
das ist das Theater der Welt und ihrer sämtlichen überaus wunder-
baren Dinge, welche im Himmel, auf Erden, unter der Erde, in den
Gewässern, in der Luft und wo immer auf der Welt sich befinden
oder geschehen und geschehen werden vom Anfang der Welt bis zu
ihrem Untergange und von Ewigkeit zu Ewigkeit. — Kommet, sehet
die Werke des Herrn. Ps. 40, 9.
Die Handschrift riihrt gewiss von Comenius her, obzwar nur
einige Korrekturen und Randglossen auf seine eigene genug bekannte
Handschrift verweisen und unter der Widmung nur die drei Buch-
staben JAN sichtbar sind , wovon der dritte durchstrichen und
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1895. Da» älteste pansophischo Werk de» Coraenius. 243
darauf von einer späteren Hand (des Verfassers?) geschrieben steht:
„Comcnius in Moravia natus“. Nach der Tendenz und der Zeit
der Verfassung dieser Schrift kann man auch darin das bis jetzt
vermisste Werk, von dem wir oben Erwähnung gcthan, erkennen,
wovon freilich nur ein ganz kleiner Teil übrig geblieben ist, wie
man aus der Disposition und aus dem ganzen Projekt erkennen kann.
Gewidmet ist das Werk (S. 3) dem „Allerdurchlauchtigsten,
allmächtigsten und unüberwindlichsten Fürsten und Herrn, Herrn Jesu
Christo“, und der Verfasser wendet sich in dieser Widmung an
Christus und sagt, es sei zwar allen Menschen bekannt, dass er in
seiner Allmacht und Vollkommenheit nie etwas entbehrt habe, und
doch habe er die Schöpfung unternommen, auf dass sie seinen Ruhm
erzähle deu Menschen, die Gott endlich auch geschaffen habe, und
über ihnen noch edlere Geschöpfe, die Engel. Diese erhielten sich
in Gnaden aufrecht, die Menschen dagegen wandten sich von Gott
ab, und die Schöpfung preist nun auf der Welt allein Gott für die
Menschen. Doch trachten auch manche von den Menschen, dass der
Ruhm Gottes auf Erden sich mehre, und der Verfasser dankt da
Gott dafür, dass er auch einer von denselben sei. Um aber selbst
in sich zu mehren, was von Gott in ihm angefangen wurde, will er
mit dieser Schrift das Theater seiner Werke vorbereiten für sich und
diejenigen, welche seine Thaten zu schauen begierig sind. Zu diesem
seinem Unternehmen fleht er Jesum zu Endo seiner Widmung (S. 6)
um Hilfe an.
Es folgt eine ausführliche Vorrede (S. 7 — 30) über das wahre
menschliche Wissen und Erleuchtung, worin sie bestehe und wie man
zu ihr gelange; auch sind zu Ende die Gründe des Unternehmens
zusammcngcstellt. — Viele Menschen, meint zu Anfang dieser Vor-
rede der Verfasser, sprechen viel von Weisheit, aber selbst sind sie
wenig von ihr erfüllt und trachten auch in gehörigem Masse nicht
nach ihr: 1. Weil nur wenige von ihnen wissen, worin sie eigentlich
bestehe, 2. weil sie ihren Nutzen nicht kennen, 3. weil ihnen auch
die Wege und Hilfsmittel zu ihr unbekannt sind. Darum will der
Verfasser von diesen drei Umständen ausführlich sprechen.
Ad. 1. Worin die Weisheit bestehe, erfahren wir von Männern,
welche sie kannten, so von Aristoteles und Cicero, unter den unsrigen
von David, Salomon und Jesus Sirach.
Ad. 2. Der Nutzen der Weisheit ist vielseitig: 1. Sie bringt
ein fröhliches Leben mit sich, 2. verschafft Vorsicht in allen Hand-
lungen, 3. macht den Menschen zu einem brauchbaren und geschätzten
Mitglied der Kirche und der Welt, 4. bringt Ruhm und Ehre vor
den Menschen (fehlt S. 13 — 14), 5. macht die Menschen zu Gottes
Freunden.
Ad. 3. Die Weisheit erlangen wir aus der Welt und aus der
hl. Schrift. Auch die Kenntnis der Welt gehört zur Weisheit, ob-
zwar die Vollkommenheit unserer Weisheit aus der Offenbarung und
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244
Novfik,
Heft 7 u. 8.
ans der hl. Schrift uns znkommt, und man soll sich die Bekannt-
schaft mit den weltlichen Dingen aus folgenden Gründen verschaffen:
1. Tn der hl. Schrift wird ebenfalls die Erkenntnis der menschlichen
Diuge und der Welt anempfohlen. Auch hat Gott die Welt nicht
auf einmal, plötzlich, soudem nach und nach erschaffen, auf dass wir
auf ähnliche Weise zu deren Kenntnis gelangen; in der Schöpfung
ist uns gleichsam die Methode dieses Studiums angezeigt. 2. Auch
bringt eine solche Erkenntnis grossen Nutzen mit sich, indem sie
a) zur Erkenntnis Gottes führt, wie auch überhaupt alle Sachen zum
Vorteile der Menschen geschaffen sind. In allen Sachen erkennt
man die Allmacht, Weisheit und Güte Gottes, es erzählt davon der
Himmel, die Erde, das Meer, die menschlichen Thaten; b) sie führt
den Menschen dazu, vor der Allmacht Gottes sich zu beugen; c) sie
ist auch für das Verständnis der hl. Schrift fast unumgänglich nötig,
d) Die Vorteile und das Entzücken, welche mit der Kenntnis der
Welt verbunden sind, müssen notwendig zur Liebe Gottes führen, da
diese Erkenntnis den Menschen Gott näher bringt und die Sterblichen
gleichsam dem Unsterblichen ähnlich macht, e) Auch die Pflicht
zwingt uns zum Suchen des Wissens, da Gott den Menschen zum
Verwalter der Welt gemacht hat. f) Endlich das Streben berühmter
und heiliger Männer (wir lesen da Moses, Daniel, Job, Salomon, den
hl. Apostel Paulus, Anton den Einsiedler, den hl. Bemard, Aristoteles,
Pythagoras, die Römer) zieht uns als leuchtendes Beispiel nach sich.
— Der Verfasser will also zuerst die Welt und ihre Dinge in der
natürlichen Ordnung auseinandersetzen , dann ein Theater der gött-
lichen Geheimnisse in der hl. Schrift (Theatrum scripturae) zu-
sammenstellen. Diese andere Arbeit passt zwar zu seinem geistlichen
Stande mehr, als die gegenwärtige, aber doch will er zuerst die
Welt untersuchen, weil auch diese gegenwärtige Arbeit eine Stufe
ist zur göttlichen Weisheit, und weil er das Material dazu grössten-
teils schon gesammelt hatte, bevor er zum Priesteramt berufen wurde.
Er that es in der Art, dass er bei dem Studium der artes liberales
alles sieb notierte und diese wichtigen Noten dann in eine gewisse
Ordnung brachte. Das Material wuchs ihm in einigen Jahren so an,
dass er über die ganze Welt und sämtliche Dinge in ihr etwas zu-
sammenzustellen beschloss. Er wollte das in seiner Muttersprache
(böhmisch) schreiben, nicht wohl darum, weil er sich dazu ftlr be-
sonders geeignet hielte oder zum BUcherschreiben sehr eilig wäre,
denn er weiss, wie gefährlich es sei, vor allen Menschen ans Licht
zu treten und sich zu einem solchen allgemeinen Examen herzugeben,
wo ein jeder sein Urteil, oft ohne Bedenken ausspricht und den
Verfasser schilt, wenn etwas nicht nach seinem Geschmacke ist, ohne
zu wissen, warum das so gesagt wird. Vielmehr bewog ihn zum
Zusammenstellen dieses Werkes die aufrichtige Liebe zum teueren
Vaterlande und der Schmerz Uber die Nachlässigkeit der l^andsleute.
Seine Muttersprache liebt er sehr, darum will er sie vielfach ans-
gebildet und ausgeschmückt wissen. Er will sich darin zuerst selbst
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1895. Da* älteste pansophisebe Wert des Comenius. 245
genOgend ausbilden und dann auch andern Landsleuten dazn ver-
helfen. Und wenn er auch durch diese Arbeit nicht das leistet, was
er gedenkt, so will er wenigstens dadurch den Weg ebnen und zum
weiteren Nachdenken Uber diese Sache fuhren, da ihm ja gut bekannt
ist, dass es auch iu seinem Volke viele solche Männer gebe, die einen
geratenen und der schönen Sachen begierigen .Sinn haben. Manchen
ist freilich darin alles gleichgiltig, andere befolgen das griechische
Sprichwort: Oviji xig ftvth) v tXeyev, o de rtr cjca evtivei. Für die
Wissbegierigen hat er das Werk unternommen, um die Vergänglich-
keit aller Dinge der Welt zu zeigen, da nur in Gott alles auf hört,
und zur Erkenntnis Gottes zu fuhren, den Menschen aber dadurch
weise und glückselig zu machen.
Das ganze Theatrum universi will er nur kurz ausfUhren
und bald zum Theatrum scripturae eilen. Was er fUr dieses
Theater gründlich und ausführlich angesammelt hatte, dabei will er
es verbleiben lassen, was er noch nicht ausgesucht hat, das will er
nicht mehr suchen, nur die Titel und Namen aller Dinge will er in
einer gewissen Ordnung zusammenstellen, damit ein jeder Gelehrte,
was er sich zur Mehrung und Ergänzung der Weisheit selbst an-
sammelt, auch unter einen bestimmten Titel stellen könnte. Auch
setzt er zu allen Sachen die Namen der Autoren, in welchen man
dazu mehr Stoff finden könnte. Übrigens sei es nicht einmal einem
Menschen möglich, alles Uber alle Sachen zu sagen, die Erweiterung
des Einzelnen können andere unternehmen und durchführen. FUr
den Anfang dieser seiner Arbeit erbittet er sich Gottes Hilfe.
Es folgt (S. 30 — 35) eine lateinische Ansprache „Ad eru-
ditos gentis meae“. Er redet sie an, um einem voreiligen, schroffen
Urteil über seine Arbeit vorzubeugen und zu einem grösseren Fleisse
zum Vorteile des Vaterlandes auzueifern. Niemand habe es bis zu
seiner Zeit unternommen, seine Landsleute in verschiedene Wissens-
zweige einzuführen, und doch vermöge auch seine Muttersprache alles
auszu d rücken , wenn sie gehörig gebildet werde. Er habe also, aus
fremden Sprachen entnehmend, auf seine eigene Muttersprache überall
Rücksicht genommen und getrachtet, in ihr alles gut und verständlich
auszudrücken. In seinem Streben wolle er sich gern von einem
andern den Vorzug entreissen lassen, oder er wolle anch seine Arbeit
mit einem andern Gelehrten theilen, aber was er in kurzer Zeit bei
Beschränktheit seiner Mittel zu leisten vermochte, das habe er gethan.
Auch Tadel und Zurechtweisung wolle er nicht verschmähen, wenn
er dieselben verdiene, und er bittet die Gelehrten seines Volkes, ihn
auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen. Diese seine Schrift
solle ja auch eigentlich nur eine Delineatio enthalten, worin seine
gelehrten Landsleute das Übrige leisten könnten: Einer könnte aus
Aristoteles, Plinins, Aelianus, Gesner, Frnnzius ein specielles Werk
Uber die Natur der Tiere sammeln, ein anderer eine Schrift Uber
den Menschen und seine Thaten verfassen, ein dritter die Astronomie
Jdonat«livfU! der Comeuiui-Uesell&cliaft. 1896. i 7
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246
Novfik,
Heft 7 u. 8.
ausführlicher durchnehmen, ein anderer wieder die Optik, die Geo-
metrie, die Geodesie, die Geographie, besonders von Böhmen und
Mähren schreiben, ein anderer die Ereignisse der Welt zusammen-
stellen. Wegen der Sprache bittet er um Nachsicht, da er sich ge-
zwungen sah, der Sache wegen manches Neue einzuführen. Auch
einige hundert böhmische mit Mühe in vielen Jahren gesammelte
Sprüche habe er hier benützt; später wolle er sie in einem besonderen
Büchlein herausgeben, aber jetzt habe er sie auch gleich hier auf-
genommen. Es folgt die Unterschrift: „ Vestrnm observantiss: JAN
(Niv&nus?)“.
Das Theatrum universitatis rernm wird vier Teile ent-
halten: 1. Theatrnm natnrae, die Auseinandersetzung, was bei
der Schöpfung geschehen und bis jetzt noch fortdauert. 2. Theatrum
vitae humanae, die Erklärung der menschlichen Dinge. 3. Thea-
trum Orbis terrarum, die Beschreibung der Welt. 4. Theatrum
seculorum, eine Geschichte der Jahrhunderte und der Zeiten. Ein
jeder von diesen vier Teilen hat wieder vier Bücher inne: I. Teil:
1. Buch: Über die Welt überhaupt. 2. Buch: über den unteren
Teil der Welt, wo wir wohnen. 3. Buch: Über den oberen sicht-
baren Teil der Welt, das Firmament. 4. Buch: Über die unsicht-
baren Teile der Welt, den Himmel und die Hölle. — II. Teil:
1. Buch: über das Verderben, die Verwirrung und Verworrenheit
der Menschen an Leib und Seele. 2. Buch : Über die göttlichen
Mittel dagegen. 3. Buch : Über verschiedene wunderbare Dinge,
Vorsätze und Künste, womit sich die Menschen auf der Welt be-
fassen. 4. Buch: Über verschiedene wunderbare Ereignisse, welche
auf der Welt Vorkommen können. — III. Teil: 1. Buch: Geo-
graphie generalis. 2. Buch : Über Europa. 3. Buch : Über Asien.
4. Buch: Über Afrika, Amerika und Magellanien. — IV. Teil:
1 . Buch : Die Konjekturen Uber die Länge der bemessenen Zeit und
die opiniones chronologorum, wie viel Zeit schon von Anfang der
Welt verflossen sei. Die Keihe der Ereignisse in der Welt. 2. Buch:
Die Geschichte der Welt. 3. Buch: Die Geschichte der Kirche von
Anfang bis zur Gegenwart. 4. Buch : Uber die künftige Art der
Welt und der Kirche bis zum Schluss der Zeiten, sowie auch wann
und wie das geschehen werde. — Zu Ende dieser Einteilung (S. 38)
findet man den griechischen Spruch : „ H ,ioiji)eia ffiol /rrcpd xr qi'ov
itoirpavio^ rov otQitvov yxtl yr t v. d/trp.“
Es folgt die Ordnung der Kapitel des I. Buches (1 — 18),
welche allein von dom ganzen Werke in der Handschrift erhalten sind.
Kap. I. Über die Welt überhaupt, wo sie herkam,
wozu sie erschaffen wurde und auf welche Art. Gott hat
die Welt erschaffen und sie in jeder Hinsicht seinem eigenen Wesen
ähnlich gemacht, durch ihn wird die Welt erhalten und dient zu
seinem Ruhme von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Kap. II. Dass die Welt nur eine einzige sei. Zu An-
fang des Kapitels werden die andern folgenden Kupitel aufgezählt.
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1895. Das älteste pansophische Werk des Comenius. 247
dann folgt die Beweisführung, dass es nur eine einzige Welt gebe.
Viele heidnischen Philosophen glaubten an mehrere Welten, aber
Aristoteles sagt : Unos primus motor, unum ergo primnm mobile. Die
Welt ist in Wirklichkeit des unsichtbaren Gottes sichtbares Bild.
Gott könnte zwar in einem Augenblicke Tausende solcher Welten
erschaffen, aber er fand dazu keinen Anlass.
Kap. III. Dass die Welt von Gott sei. Über den Ursprung
der Welt haben verschiedene weise Menschen verschieden gedacht,
haben sie fUr ewig gehalten oder durch Zufall entstanden gedacht.
Dagegen spricht das Wort Gottes: 1. Auch führt uns die Ordnung
der ganzen Schöpfung dazu, an Gott zu denken, besonders dass die
Sonne und der Mond ihre Bahnen wandeln, dass der Himmel sich
so schnell drehe u. s. w. 2. Auch muss bei der Welt ein Ordner
und Erlialter dasein, damit die Welt nicht untergehe. 3. Die Ver-
nunft selbst führt uns zur Erkenntnis Gottes, denn bei jeder Sache
denkt man an ihren Urheber, so auch hier. Auch müsste ein anderer
Schöpfer der Welt, wenn einer da wäre, Gott gleichkoromen.
Kap. IV. Dass die Welt nicht von Ewigkeit da sei.
Die Schöpfung zeigt auf beständige Veränderlichkeit und hat also
auch einen Anfang. Nach Moses ist die Welt noch nicht 6000 Jahre
alt Und doch will man neben dieser Zeitrechnung noch manches
Andere wissen, z. B. wo Gott vor der Erschaffung der Welt gewesen
sei, was er gethan habe u. s. w. Darauf wird hier geantwortet,
dass er in sich gewesen sei. Die Zeit ist grundverschieden von der
Ewigkeit, diese ist fortwährende Gegenwart, hat keinen Anfang, also
auch kein Ende. Was man Zeit nennt, hat erst zugleich mit der
Welt angefangen.
Kap. V. Dass die Welt aus Nichts da sei. Man hat
früher an die ewige Materie, an das Chaos als Ursprung der Welt
gedacht, aber Gott hat die Welt ans Nichts erschaffen. Zuerst hat
er sich dazu die Materie gebildet (hat Himmel und Erde erschaffen),
dann erst sie verschönert.
Kap. VI. Welche Werkzeuge Gott bei der Schaffung
der Welt benützt habe. Durch sein Wort hat Gott Alles er-
schaffen, d. h. der Wille Gottes hat die ganze Schöpfung vollbracht.
Kap. VII. In welcher Ordnung das Werk der Schöpfung
der Welt vor sich gegangen sei. Zuerst wurde der Himmel
und die Erde erschaffen, der Himmel mit seinen Bewohnern, den
Engeln, die Erde leer und wüst. Daun geschah die weitere Schöpfung
in der Art, wie sie Moses erzählt. 1 ) Gott hat die Welt in sechs
Tagen erschaffen, um den Menschen zu zeigen, dass er mit Vorsicht
vorgegangen sei, und um uns auf die Art auch zur Vorsicht bei der
Betrachtung der Welt zu führen.
') Die Schöpfung der -I ersten Tage sollte da (S. 05 — 68) durch Bilder
dargcstcllt werden, aber diese vier Bilder sind nicht ausgeführt, nur die
Stelle für sie ist leer gelassen.
17*
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248
Noviik,
Heft 7 u. 8.
Kap. VIII. Das* die Welt rund sei. Boi der Betrachtung
der Gestalt der Welt irrt man gewöhnlich, wenn man nicht gut
darüber unterrichtet ist, die Erde hält man für fluch, den Himmel
darüber wie ein Zelt ausgespannt, aber die hl. Schrift selbst zeigt
auf die runde Gestillt der Welt. Gott wollte auch dadurch die Un-
endlichkeit und Vollkommenheit seines eigenen Wesens zeigen.
Kap. IX. Dass die Welt gross, aber doch bestimmt
abgegrenzt sei. Die Erde selbst ist sehr gross und noch nicht
ganz bekannt, von Jahr zu Jahr werden auf ihr neue Entdeckungen
gemacht. Doch noch grösser ist der Umfang der Luft (jtowetrj),
welche sic umsehliesst. Das Firmament aber ist unendlich grösser,
du es so viele grosse Sterne umsehliesst, und unsere Erde kommt
darin einem kleinen Stäubchen gleich. Der Himmel ist aber noch
darüber und Gott über alles.
Kap. X. Wie viele unzählige Geschöpfe die Welt be-
wohnen? Die ganze Welt ist von Geschöpfen erfüllt, der Himmel,
das Finnament, die Luft, das Wasser, die Erde. Und wie viele
Menschen sind schon auf der Welt gewesen! In der Mnrkgrnfschaft
Mähren selbst sind gegen 18 000 Dörfer. Nehmen wir an, dass in
einem jeden Dorfe es an 20 Häuser gebe, in jedem Hause durch-
schnittlich 5 Personen, so kommt die Summe von 1800000 Menschen
heraus. Dazu noch die Hälfte dieser Zahl in den Städten, so be-
kommt man die Zahl 2 700000 Menschen. Wie denn nun in der
ganzen Welt! Dazu noch die Sachen, die Tiere, die Teile des
menschlichen Körpers u. s. w. Gott aber kennt das alles und
regiert alles, man muss also seine Allwissenheit bewundern.
Knp. XI. Dass alles, was Gott auf der Welt er-
schaffen, gut. sei. Gott ist die Güte selbst, also hat er auch alle
Dinge gut und zu einem gewissen Ziele erschaffen, wie hier im ein-
zelnen gezeigt wird. Nicht einmal den Teufel hat Gott böse gemacht.
Das Gift ist auch nur dadurch böse, dass es meiner Natur zuwider
ist, an sich aber ist es gut. Die Giftigkeit der Schlangen rührt von
der grossen Bitterkeit ihrer Galle her, welche aus grosser Hitze ent-
standen ist, so dass sie die menschliche Natur nicht ertragen kann.
Der menschliche Speichel ist wieder für die Schlangen sehr giftig;
das Blut der Schlangen heilt ihr Gift. Das Feuer ist dem Salamander
angenehm und erhält ihn am Leben. Einige Gelehrten (Land). Danacus,
Phys. ('hr. c. 42) wollen wissen, dass die Welt erst nach dem Falle
der Menschen angefangen habe schlecht zu sein. Wenn wir aller
den Nutzen einzelner Dinge nicht kennen, ist daran unsere Be-
schränktheit schuld.
Kap. XII. Dass die Welt und alles in ihr schön sei.
Die Welt ist mit Recht genannt: „Ktia/ios, Mundus“. Ihn* Schön-
heit beruht in ihrer Mannigfaltigkeit — was für eine Schönheit muss
nun erst in Gott enthalten sein! Auch ist eine jede Sache auf der
Welt für die Sinne des Menschen schön.
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1895. Da« älteste pansophischc Work des Comonius. 249
Kap. XIII. Das« die Welt vollkommen sei. Manche
Menschen stellen die Frage auf, warum die Welt nicht in allem
vollkommen sei! So wollte Alfons X. von Spanien (nach Zwing,
Theatr. vitae hum. p. 319(5) die Welt viel besser erschaffen haben.
Aber man kann die Welt doch als vollkommen anerkennen aus
folgenden Gründen: 1. wegen ihrer Fülle, 2. wegen der vollkommenen
Mannigfaltigkeit der Geschöpfe, 3. wegen der Verschiedenheit «1er
elementaren Dinge, 4. wegen der Güte einer jedem Sache an sich
selbst. Wenn einzelne Geschöpfe über den Menschen durch ihre
Sinne hervorragen, so hat sie Gott doch zu seinem Nutzen und
Vorteil geschaffen.
Kap. XIV. Über den Ort, wo die Welt steht (zu Ende
dieses Buches, Kap. XIX).
Kap. XV. Warum die Welt erschaffen worden. Die
Welt ist für die Engel und für die Menschen erschaffen, auf dass
sie Gott erkennen, ihn ehren und lieben. Für sie hat er auch die
Welt geschaffen, besonders die sichtbare Welt für die Menschen, «1er
Mensch allein ist ulx*r für Gott erschaffen. Wenn nun die Menschen
ihre Bestimmung nicht erfüllen wollen, dann sind sie für tlie Hölle
geschaffen. Wir hoffen aber für die Zukunft, dass sich die Zahl
der Guten immer mehren werde.
Kap. XVI. D ass die Welt unter der Verwaltung Gottes
stehe. Der Handwerker lässt das einmal vollendete Werk stehen
und kümmert sich nicht mehr darum, Gott aber sorgt für dio Welt,
indem er 1. die Bachen bestehen lässt und sie 2. ihrem Ziele zu-
führt. Man Ixmierkt das 1. aus dem Fortlx-stande der Welt, welche
sonst in sich selbst leicht zu Gruntle gehen würde. Das sieht man
aus dem Inständigen Kampfe «1er Elemente, wie er besonders bei
der Sintflut hervorbrneh. 2. Alle Geschöpfe bestehen fortwährend,
und bei dem Schaffen ähnlicher Geschöpfe haben sie auch manchmal
kein Ziel. 3. Alles besteht auf der Welt in einer gewissen Ordnung
und Gleichgewicht, 4. Auch die Zeugung der Individuen geschieht
nicht nach «lein Willen des Menschen, und so ist es mich bei anderen
Geschöpf«*!!. 5. Die Sachen, wi'lche zur Erhaltung <l«>s Lebens nötig
sind, kommen immer in genügemler Fülle zu. 6. Auch sieht inan
die Sorge «1er Vorsehung in der Sorgsamkeit unverständiger Geschöpfe
um ihr Leben und ihn* Nachkommen. 7. Sogar die Geschöpfe,
welche keine Seele b«*sitzen, weisen auf Gottes Verwaltung der Welt.
8. Was Gott eigentlich für «len Menschen erschaffen, wendet er
fn*ilich manchmal als Mittel zu seiner Bestrafung an. 9. Auch die
zufälligen Ereignisse rechnet sich Gott bei. Man muss also stets
Gott für seine gütige Vorsehung loben.
Kap. XVII. Dass die Welt nicht ewig bestehen, sondern
sieher zu Grunde gehen werde. Man bemerkt, «lass manche
Menschen an den weltlichen und menschlichen Dingen und Thaten
Gefallen finden, aber man kann ihnen wie Christus seinen Jüngern
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250
Noväk,
Heft 7 u. 8.
sagen, dass alles ein Ende nehmen werde, denn 1. Gott hat es
verlieisscn, 2. der Verstand selbst zeigt es an. Wer dagegen sprechen
und diese Meinung verlachen wollte, dein kann man 1. die Ver-
gänglichkeit seiner eigenen Natur entgegenstellen, welche bald zu
Grunde gehen wird, 2. die Vergänglichkeit anderer weltlichen Dinge.
Kap. XVIII. Warum die Welt zu Grunde gehen werde:
1. Weil sie nicht immer nötig sein wird, 2. wegen ihrer Sündlichkeit.
Kap. XIX. Die Zusammenstellung der Welt. Gott hat
sie in drei Seiten eingeteilt. Die unterste die Erde, die mittlere das
Finnament, die oberste der Himmel. Die Erde mit allem, was auf
ihr lebt, ist veränderlich, das Finnament zwar beständig, aber dreht
sich um die Erde, der Himmel ist die unendliche Kühe, Stille, Ruhm
und Schönheit, Auf der Erde sind die Elemente abgesondert, am
Finnamente sind einige Sphären, wo die Sterne verteilt sind. Die
niedrigsten und der Erde nächsten hüben nur je einen Stern (Mond,
Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn), die achte Sphäre ist
der Himmel der Sterne, die neunte der noch höhere krvstallene
Himmel, das primuni mobile, darüber erst erhebt sich der eigentliche
Himmel. ')
Die kurze. Inhaltsübersicht zeigt wohl genügend den Charakter
des erhaltenen Bruchstückes an, sowie auch die Zeit, in welcher die
Schrift verfasst wurde.
Die Handschrift selbst ist in klein 4°, mit einer deutliehen
Schrift geschrieben, enthält im ganzen 110 Seiten, wovon S. 13 — 14
fehlt. Anfangs sind die einzelnen Blätter am unteren Rande und
an der äusseren Seite etwas beschädigt, die späteren dagegen sind
gut erhalten. Auf einigen Seiten findet man einzelne Korrekturen
von der Hand des Verfassers, sonst hat das Buch ein Abschreiber
geschrieben; die Ähnlichkeit der Schrift mit derjenigen der böhmischen
Didaktik müsste noch gründlicher untersucht werden.
Die Abfassung der Schrift kann man bestimmt in den Auf-
enthalt des Comenius in Mähren setzen, wahrscheinlich in die
ruhigen Jahre seiner Wirkung als Priester und Seelsorger in Fulnek.
Darauf deutet S. 25 hin, worin sich der Verfasser direkt Priester
nennt und von einer seiner Würde mehr angemessenen Arbeit über
die hl. Schrift spricht. Auch das Zusammenstellen des vor der Be-
rufung zum Seelsorgenunte an gesammelten Materials zeigt den frohen
Anfang einer Thätigkeit, wodurch er seinem Vaterlande und seiner
Muttersprache besonders zu nützen gedachte. Wenn damals die
Greuel des dreissigjährigen Krieges bereits im Zuge waren, so waren
‘) Auf der letzten Seite der Handschrift (S. 110) sehen wir dazu die
Abbildung, nämlich in einigen konzentrischen Kreisen die Welt veranschau-
licht. In der Mitte die Erde, darauf abgesondert da» Wasser und das
Festland, darüber zuerst die Luft, dann das Feuer, worauf erst die erste
Himmclsphürc mit dem Monde folgt, dann die mit Merkur u. s. f. Da
endet die Handschrift.
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1895.
Da« ältest«' pansophischc Werk des Comenius.
251
sie über das Vaterland des Verfassers noch nicht hcrcingcbrochen,
und mu'h dem Prager Fenstersturz erfreuten sieh besonders die Evan-
gelischen einer vollständigen Ruhe und Religionsfreiheit; die schwachen
Seiten der Regierung des neuenvählten Königs blieben besonder« den
entfernteren Gegenden der böhmischen Krone verborgen , und die
Evangelischen Böhmens mul Mährens sahen in dieser Zeit den An-
fang einer neuen Blüte der Wissenschaften uml des Wohlstandes in
Böhmen herankommen. Diese frohe Zuversicht bestimmte gewiss
auch den jungen Gelehrten zum Abfassen einer Schrift, wodurch er
seinen Landsleuten gleichsam eine Handhabe zu den verschiedensten
Wissenszweigen bieten wollte, da etwas derartiges in seiner Mutter-
sprache noch nicht abgefasst, war. Es passte auch gut zu seinem
ersten Vorhaben, ein vollständiges Lexikon seiner Muttersprache und
der Gclehrtensprnchc, des Lateins, zusammenzustellen, um so seinen
Landsleuten die Pforte zu allen dermal« gepflegten Wissenschaften
zu öffnen. An diesem Werke arl>eitete er dann freilich über vierzig
•Jahn«, und als es zum Drucke vollständig fertig war, ging es bei
der Verwüstung von Lissa zu Grunde. Da« Theatrum dagegen hatte
Comenius mitgenommen, als er von Fulnek zu fliehen und die
Bibliothek zurückzulassen gezwungen war, und so überlebte es teil-
weise auch den Braml von Lissa. Freilich finden wir zwischen der
Disposition der erhaltenen Handschrift und der Erwähnung in der
Epistel an Montanus eine Incongrucnz, indem da von einer Schrift
von 28 Büchern un«l in einem Buche von 125 Kapiteln gesprochen
wird. Wie dieser Mangel an Übereinstimmung der Disposition zu
erklären wäre, kann man jetzt nicht mehr einsehen, indem von dem
II. Buche, welches da Comenius speziell als 125 Kapitel enthaltend
erwähnt, nicht einmal «lie Disposition uml dur Inhalt erhalten ist.
Vielleicht wäre dieser Anfang des ganzen Werkes der dem Brande
entrissene Teil, nach welchem das II. Buch zu Grunde ging, die
folgemli'ii Bücher ab«‘r müssen wo anders untergegangen sein.
In dieser Schrift finden wir den jungen Comenius ganz in der
Methode seiner beiden vorzüglichsten Lehrer von Herborn arbeitend.
Das Universum und die hl. Schrift sind «lie hauptsächlichsten Gegen-
stände, womit er sich jetzt beschäftigen will, und das waren auch
die Lieblingsgegenstände des Pansophen Job. II. Alsted und des
vorzüglichen Bibelerklfirers Joh. Piseator. In der Sammlung des
verschiedenen Materials sehen wir da Comenius direkt die Methode
des Alsted befolgen, «1er als junger Mann gleich die Welt mit
einer langen Reihe grossartiger Folianten über idle möglichen Wissens-
zweige überraschte, wozu er sich Stoff mit einer solchen Ausdauer
ansammelte, dass man seinen Namen bald mit dieser Tugend (sedu-
litas) zusammenstellte. Auch mit Theologie beschäftigte er sich, doch
für diese Seite der Studien war Comenius mehr sein Lehrer Piseator
massgebend, wie er später selbst bekannte.
In einer Sache aber bemerkt man doch eine grundverschiedene
Anschauung zwischen Comenius und Alsted. Als Mitglied der
252
Noväk, Das älteste pansoph. Werk des Coineniu«. Heft 7 u. 8.
Brüderanität, welche besonders für ihr Volk wirken und ihr Wissen
dem Volke, welchem sie angehörtc, widmen wollte, arbeitete Gomenius
diese seine Schrift iu seiner Muttersprache aus, wie er auch den
Thesaurus Linguae Bohemicae für »ein Volk vorbereitete, wie er die
Didaktik zuerst in böhmischer Sprache verfasste ; Alsted dagegen
schrieb seine grossen Werke in der allgemeinen Gelehrtensprache
und für die gelehrte Welt, um darin derselben ein«? Übersicht des
gesamten Wissens der Welt zu bieten. Gomenius l>cfolgt darin das
löbliche Beispiel seiner Vorgänger, des Peter Chelöicky und Johann
Blahoslav, der Herausgeber der Krnlicer Bibel, welche für ihre Mutter-
sprache so vieles geleistet haben, dass ihre Schriften auf der trocknen
Heide der gleichzeitigen Humanistonlitteratur einer lieblichen grünen
Oase gleichen. Der weit grössere Teil der Angehörigen dieser
Religionsgesellschaft gehörte dem Volke, der breitesten Masse der
gemeinen Leute an, und für sic nun wollte man »ehreilten, sie wollte
man zu sich emporheben, ihnen wollte man möglichste Bildung ver-
schaffen. In wie weit das Gomenius durch die gegenwärtige Schrift
erzielen wollte, bleibt freilich dahingestellt, da von «lern ganzen gewiss
ausführlichen Werke in der Handschrift nur ein ganz kleiner Teil
erhalten ist.
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Besprechungen.
Th. Burckhardt- Biedermann, Bonifacius Amerbach und die
Reformation. Basel, K. Reich 1894. VIII -}- 4Ü7 S. 8°. Mk. 6,40,
Eine fesselnde Erscheinung in der Baseler Humanistengemeinde
bilden die Brüder Amerbach, Bruno, Basilius und Bonifacius, nament-
lich der letztgenannte, Rechtsgelehrter und Universitätsprofessor, vor
allem naher Freund des grossen Erasmus. Die vorliegende schöne
Arbeit beschäftigt sieh mit der eigentümlichsten Seite der liebens-
würdigen Persönlichkeit des Bonifacius, mit seiner Stellung zu den
religiösen Parteien, besonders in seiner Vaterstadt. Er gehört zu der
seltenen Art von Männern — ein Glück, dass es solche Erscheinungen
gibt! — die in keines der von Menschen gezimmerten Fächer passen,
die ohne Parteien und über denselben leben. Es entsprach nicht
seiner mehr zarten, fast weichen Persönlichkeit, schroff nach allen
Seiten mit seinen Ansichten hervorzutreten. So hat er denn auch
keine äussere Wirksamkeit geübt; dafür fesselt uns um so mehr
der schwere innere Kampf, den er durchkämpfen musste, äusseren
Anforderungen gegenüber. Während des heftigen Streites in seiner
Vaterstadt stand er einsam, wenn auch nicht kalt ohne Teilnahme:
erst in stilleren Zeiten konnte seine Art zur Wirkung kommen. Die
Schilderung des Amerbachschen Leltensgange* nimmt da den Faden
auf, wo ihn der Biograph des jungen Bonifaz, Daniel Albrecht
Fechter, hatte fallen lassen; sie greift nur insofern etwas zurück,
als es die Zeichnung der reformatorischen Bewegung verlangt. An-
fänglich ganz Begeisterung für „unseren Luther“ und seine mächtige
That auf dem Reichstage zu Worms! Auch das Auftreten des
Baseler Reformators Johannes Oecolompadius fand anfangs die Zu-
stimmung des Freundeskreises der Amerbach, aber bald wurde man
über die Folgen stutzig; das leichte Abwerfen der Mönchsgelübde
erschreckte unsern Bonifacius und versetzte ihn in Entrüstung; dem
widerstrebte die sittliche Strenge seines Charakters. Auch anderes
erregte nach und nach sein kopfsehüttelndes Befremden. Sein Freund
Erasmus zog sich immer ängstlicher und behutsam zurück. Die gute
Sache erschien Bonifacius durch den bösen Willen einiger übel zu-
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254
Besprechungen.
Heft 7 U. 8.
gerichtet Die ganze Entwickelung des Dramas der Reformation,
welche sich nicht nur auf die Abschaffung der Missbrauche der
Geistlichen beschränkte, sondern mit vielem underu mifrüuinte, schoss
weit hinaus über das, was ihm zweckdienlich und nötig dünkte.
Wiedertäufer, Bauernkrieg u. s. w. regt« ihn noch mehr auf. Der
ganze Widerstreit der vielerlei Meinungen war ihm widerwärtig.
Den Papisten und den Evangelischen gegenüber schlug er mit
Erasmus einen Mittelweg ein nach «lern Vorbild der alten Kirchen-
lehrer. Auch sein Freund, der Freiburger Jurist Ulrich Zasius
hatte sich nun ganz von Luther abgewendet, den er nicht scharf
genug verdammen konnte, und da sollte der von Besorgnissen ge-
il uälte Bonifacius gar im Aufträge des Rates ein Urteil abgeben
über Oeeolonipnd's Abendmahlssehrift, und er war doch selber in
seinem Innern so zerrissen und ungewiss! Die Ereignisse in Basel
gingen ihren Gang; aus der religiösen Reformation drohte eine
politische und sociale Revolution zu werden. Amerbach wurde es
immer unbehaglicher; er wollte auswandern, blieb aber doch in
der Heimat, trotzdem er den Eid auf die Neuordnung der Dinge
nicht geleistet zu haben scheint und als Konfessionsloser den neuen
Gottesdienstübungen fern blieb. Aber das „Profanbleiben“ war nicht
leicht, eine Mittelstellung erschien unmöglich. Der Kirchenbann
forderte ihn endlich amtlich vor seine Schranken ; ein langer äusserer
und innerer Kampf entspann sieh, der mit einem Ausgleiche schloss,
welcher Amerbach die Teilnahme an den Heilsmitteln der neuen
Kirche ermöglichte. Ein weiteres Eingehen auf diese inneren Kämpfe
des Mannes ist hier nicht möglich; es muss auf das Buch selbst
verwiesen werden, welches nach allen Seiten Schlaglichter wirft auf
das religiöse und politische Leben seiner Tage. Es beginnt, mit einer
zusammenhängenden Schilderung der Schicksale des Bonifacius und
seiner kämpfenden Umgebung. Angefügt sind reiche Auszüge aus
dem kostbaren Amerbnchsehen Briefwechsel, der durch den vorzüg-
lichen Stil des Humanisten genussreich gemacht ist und besonders
auch zur Gelchrtengeschiehte seiner Zeit vielfach wertvolle Mitteilungen
bringt, fruchtbar gemacht durch zahlreiche littenirhistorisehe An-
merkungen des Herausgebers und dem Verständnis nahe gebracht
durch einleitende Einführungen in den Inhalt der einzelnen nur teil-
weise gegebenen und oft durch Zwischenbemerkungen ergänzten Briefe
(1519 — 1502). Des weiteren wird ein Tagebuch Amerbachs aus dem
Jahre 1531 zum Abdruck gebracht, veranlasst durch seine Befragung
und Massregelung durch Bannherren und Rat wegen seiner Weige-
rung, das Abendmahl der Evangelischen zu besuchen. Den Schluss
bilden einige Aktenstücke, das Edikt gegen die, welche sieh vom
Abendmahl fernhielten, Amerlmchs Eingaben und Glaubensbekenntnis.
Eine schöne Wiedergabe des Holbeinsehen Bildes Amerbachs gereicht
dem Buche zur Zierde. K. S.
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1895 .
Besprechungen.
255
Johann Amos Comenius und seine Beziehungen zu den
Sprachgesellschaften. Denkschrift zur Feier de« vicrteltausend-
jährigen Bestandes des Pegnesischen Blumenordens zu N ümberg von
Dr. Joseph Reber, kgl. Direktor der höheren wcibl. Bildungsanstalt
zu Aschaffenburg, Leipzig, Verlag von Gustav Fock, 1895.
Der Verfasser sucht in seiner Schrift darzuthun, dass unter
vielen mehr oder minder bedeutenden Männern auch Comenius es
verdient, „in die Erinnerung der Gründungszeit des Blurnenordens
verwoben zu werden“. Zum Beweise hierfür dient ihm eine Stelle
aus dem 28. Kapitel der Novissima Linguarum Methodus des Comenius.
Wir ersehen aus ihr, dass er an der auf Schutz und Pflege der
Muttersprache gerichteten Bewegung seiner Zeit lebhaften Anteil
nimmt und auch überall solchen zu erwecken sucht, indem er auf
die Sprachgesellschaft della Crasca in Italien und auf die frucht-
bringende Gesellschaft in Deutschland als nachahmenswerte Beispiele
hin weist, dass er sogar schon die Sammlung heimatlicher Altertümer
als eine für vaterländische Geschichte und Sprache nützliche Auf-
gabe empfiehlt. Auffallend ist nur, obwohl Reber davon schweigt,
dass er gerade den Pegnesischen Blumenorden nicht erwähnt. Viel-
leicht. hatte er von ihm noch keine Kenntnis, du er höchstens ein
Jahr bestand, als des Comenius Neueste Sprachenmethode der Voll-
endung nahe war. Wohl aber erwähnt er Philipp Harsdörffer, den
Stifter des Blumenordens, aber nur um an ihm zu zeigen, wie man
bei der Ableitung und Erklärung von Wörtern irre gehen könne,
wenn man keine umfassende Sprach kenntnisse besitze. Dieses Urteil
— so nimmt Reber an — führte zu persönlichen Beziehungen
zwischen beiden Männern. Sie traten in brieflichen Verkehr. Doch
besitzen wir nur zwei Briefe von Comenius an Harsdörffer, welche
uns der Verfasser wörtlich mit nebenstehender Übersetzung mitteilt.
Vergebens suchen wir aber in ihnen irgend eine Auslassung des
Comenius über Sprachen und Sprachgesellschaften. Dasselbe gilt von
den bald teilweise, bald vollständig mitgeteilten Briefen des Valentin
Andreae, eines Mitgliedes der fruchtbringenden Gesellschaft, iui
Comenius, des Comenius an diesen und an den Tübinger Professor
Hesenthaler, des Esslinger Pfarrers Wcinheimer an Hesenthaler, des
Adlerberger Abtes Hainlin an Comenius. Die Briefe beweisen nur,
dass diese Männer alle durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten mit
einander beknnnt und einigo von ihnen in Nürnberg Beziehungen
hatten, vor allem Comenius durch Harsdörffer und den berühmten
Buchdrucker Endter. Für diejenigen, welche Comenius noch wenig
kennen, war es notwendig, seine Ansichten über die Muttersprache
und die Sprachgesellschaften in Zusammenhang zu bringen mit seiner
sprachwissenschaftlichen Bedeutung, und daher schildert ihn uns der
Verfasser zuerst als Spruchgelehrton und Sprachforscher, der, selbst
vieler Sprachen mächtig, alter wie neuer, ein für seine Zeit ungewöhn-
liches Verständnis der grammatischen und auch der prosodischen
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256
Besprechungen.
Heft 7 n. 8.
Eigenart einer jeden bekundet. So /.erfüllt denn die ganze Schrift
in folgende Abschnitte: 1. Des Comenius Spraehkenntnisse, 2. Seine
Kenntnis der deutschen Spruche, 3. Seine dichterischen Arbeiten,
4. Sein Urteil über deutschen Versbau, 5. Die Gründung der Sprach-
gesellschaften, 6. Der Nürnberger Ratsherr Harsdörffer, 7. Des
Comenius Urteil über Harsdörffer und den Palmenorden, 8. Comenius,
Harsdörffer und Valentin Andreae, 9. Des Comenius Briefe an Hars-
dörffer, 10. Comenius, Hesenthaler, Weinheimer und Hainliu. Jeder
Abschnitt verrät den gründlichen Kenner der geschichtlichen Ver-
hältnisse, besonders der Schriften des Comenius.
Bötticher-Hagen i. W.
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Nachrichten
Wir haben wiederholt darauf hingewiesen , dass den böhmischcu
Brüdern wie den al tc vangel ischen Gemeinden überhaupt ein ökumenischer,
die ganze Menschheit umfassender Zug eigen war, der sie über ollen Sekten-
geist in ihren besseren Männern weit erhob und sie im besten Sinn zu
Trägern einer echten Katholieität machte. Diese Eigenschaft beruht auf
der Fcathaltung der religiösen Grundsätze und Gedanken, wie sie die
altehristliche Litteratur und mit ihr übereinstimmend die altdeutsche
Mystik eines Eekard und Tauler oder dt* berühmten Büchleins von der
„Deutschen Theologie“ vertritt. Ober diese altdeutsche Mystik hat Adolf
Lasson sich sehr richtig vor einigen Jahren in folgender Weise aus-
gesprochen: „Auch solche Mystiker“, sagt dieser Philosoph (Preuss. Jahrb.
1801 8. 226), „die der römischen Kirche angehörten, haben sieh gerade so-
weit, als die Gesichtspunkte der Mystik bei ihnen vorwalleten, den Evange-
lisch-Protestantischen genähert. Andererseits freilich möchten wir keineswegs
bestreiten, dass in der Mystik ein Element wahrhaft christlicher Katho-
licität in der Thal enthalten ist und dass der Mystiker sich in geistiger
Einheit mit der gesamten alten Kirche von der Zeit der Apostel ati wissen
und fühlen darf. In diesem Sinne ist der Mystiker wirklich ein wahrhaft
katholischer Christ.“
Die Beziehungen des Comenius zum Hause der Grafen von Zlerotin
bestimmten die ersten Schritte, die der junge Gelehrte nach der Rückkehr
von den Hochschulen that. Graf Karl der Altere machte den Comenius
zum Rektor der Schule in Prcrau (1614), wo er bis 1616 blieb. Das be-
rühmte Geschlecht der Zierotin hatte in Übereinstimmung mit der Mehrheit
der mährischen Ritterschaft und Stände die Brüder seit alten Zeiten be-
schützt. Dies gilt keineswegs bloss von den böhmischen, sondern auch
von den mährischen Brüdern im engeren Sinne, die in letzterem Lande
ein weit wichtigerer Bestandteil der Gesamtbevölkerung waren, als die böh-
mischen Brüder in Böhmen. Denjenigen, welche mit den Schriften des
Comenius genauer vertraut sind, wird der Unterschied nicht unbekannt sein,
den er zwischen den böhmischen und den mährischen Brüdern macht (vgl.
Comenius, Admonitio iterata de iterato Sociniano irenico. Amstel. 1661,
p. 36, 46 ff.) und der sachlich ganz begründet ist. Die „mährischen Brüder“
hatten die Glaubenstaufe, die die liöhmischen Brüder ebenfalls geübt, im Jahre
1535 aber unter dem Druck der damals herrschenden Verfolgung eingestellt
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258
Nachrichten.
Heft 7 u. 8.
batten, beinhalten und trotz schwerer Kämpfe unter dem Schutze mächtiger
Geschlechter (z. B. auch der Herren von Lichtenstein, aus deren Hause sich
Leonhard von Lichtenstein im Jahre 1520 selbst die Taufe hatte erteilen
lassen) durchgeführt. Zu diesen Beschützern gehörten auch die Grafen von
Ziorotin und im Jahre 1590 ward der Landeshauptmann Friedrich von
Zierotin von der Kaiserl. Hofkammer zu Wien deshalb beauftragt, bei den
mährischen Brüdern eine Anleihe aufzunchmen, weil man in Wien wusste,
dass er viel bei den Brüdern vermochte und bei ihnen besonderes Vertrauen
genoss. (Loserth, Zur Gcsch. der Wiedertäufer in Mähren. Ztschr. für allg.
Gesch. 1884, S. 440.) Auf den Gütern der Zierotins waren die Brüder gern
gelittene Verwalter und noch im Jahre 1579 hatte Graf Job. v. Zierotin,
trotz des ihm auferlegten Ausweisungsbefehles, seine schützende Hand über
sie gehalten. (Beck, Geschichtsbücher der Wiedertäufer, S. 273. Ks ist
offenbar dersell«; Joh. von Zierotin, welcher auf seinem Schlosse Kralitz
während der .1 ah re 1579 — 1593 die acht Theologen beherlwrgte , welche die
unter dem Namen der Kralitzer Bibel bekannte tschechische Übersetzung
verfertigt haben.) Voll Erbitterung sprach sich im Jahre 1004 Ch. A. Fischer
gegen die „Herrschaft“ der Brüder aus, indem er schrieb: „Weil ihr die
Herrn in Mähren also habt eingenommen, dass sie Alles thun nach Eurem
Rath — heisst das nicht herrschen?“ Es war bei der inneren Verwandt-
schaft, welche die mährischen und böhmischen Brüder verband — eine Ver-
wandtschaft, die im Laufe der Zeit im Bewusstsein der Brüder selbst freilich
deshalb mehr und mehr schwand, weil die böhmischen sich mehr der refor-
mierten Kirche, die mährischen mehr den Taufgesinnten anschlosseu — ,
ganz folgerichtig, dass die Grafen von Zierotin landen Gemeinschaften in
gleicher Weise geneigt bliebeu, und die böhmischen Brüder bedurften dieses
Schutzes um so mehr, weil sie in diesem Lande weit weniger als die mäh-
rischen in geschlossener Gemeinschaft aufzutreten im stände waren.
Der Gedanke eines Rcliglonskongresses, wie er im Jahre der Welt-
ausstellung 1893 zu Chicago zur Ausführung gekommen ist, ist nicht neu,
solidem hnt schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Comcnius und
seinen Freunden einen Vertreter besessen, mit der Mnssgabe freilich, dass
Coiuenius zunächst alle Christen zu einer grossen ökumenischen Synode
berufen wollte, deren Aufgabe die Beseitigung der Glaubenskämpfe sein
sollte. Im Jahre 1043 veröffentlichte Comenius eine Schrift: Do dissiden-
tium in rebus fidei Christianonun rcconciliatione hypomnemata (wiederabge-
druckt in dem Sammelwerk lrouica quaedam scripta pro pacc ecelesiae
J. A. Comenii; ein Exemplar in der Univ.-Bibl. in Göttingen). Dort heisst
es u. a. (p. 18 unten), an der Stelle, wo von der Einigung die Rede ist:
quod non alia rationc fieri posse videtur, quam ut ad generalem Occumcnicam
syuodum Orbis convocctur Christianus. Und weiter: Ergo sollicitandos
esse ad unionem et communioncm snnctum redintegrandam existimo, Graecos
et Romanos, Armenios et Abyssinos, Waldenses et Hussitas, Luthcranos et
Calvinianos, Anabaptistas item et Sociuianos et quidquid novarum sectarum
est christiano sub nomine. Dass ihm dabei auch die Bekehrung aller Nicht-
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1895.
Nachrichten.
259
Christen und deren Anschluss an das Christentum vorschwebte und dass er
persönlich eifrig durnuf hin wirkte, ist ja bekunnt genug.
In dem „Teutsehen Palmbaum“ (lti47) findet sich (8. 17) folgende
Stelle: „Drittens sollen auch alle Gesellschafter zu gehörender Dankbe-
zeugung der erwiesenen Ehre sich belieben lassen, ein in Gold geschineltzetes
Gemähle, worauf einseitig der Raum und da« Wort der Fruchtbringenden
Gesellschaft zugeordnet, anderseitig aber des Gesellschafters selbst eigenes
Gemahl an einem sittiggrünen Seidenband zu tragen, damit die Ge-
sellschnftsgenosscn sich unter einander bei begebenden Zusammenkünften
desto leichter erkennen . . . .“ Und es ist interessant, die Deutung zu lesen,
die dem Seidenband von den Mitgliedern des „Palmbaums“ selb«! gegelten
ward; Harsdörfer dichtet (a. n. O. S. 65):
„Reichbelobtes Tugendband
Wann Du keine Gleichheit findest
Unter hoch- und schlechtem Stand
Sag, wie Du sie gleich verbindest?
Teutschgesinntcr Tugendmut
Ist das reich- und gleichste Gut.“ ')
Weder im .Symbol des Randes noch des Palmbaums noch in irgend einem
andern findet sich eine Hindeutung auf die Pflege der deutschen Sprache
— gewiss recht sonderbar für eine Gesellschaft, deren vornehmster Zweck
el>cn diese Sprache gewesen ist. Während die Sprachbcstrebungen, die ja
unzweifelhaft vorhanden waren, ihre starke Rctonung nur den Aussenstehen-
den gegenüber fanden, tritt innerhalb des« Rundes als einer der vornehmsten
Zwecke die Pflege de» Unionsgedankens deutlich hervor. Der dritte Ab-
schnitt des „Teutsehen Palmbaums“ handelt „Von der Fruchtbringenden
Gesellschaft Vorhaben und Zweck“ und darin heisst es (S. 70), der Gesell-
schaft „höchstes Vorhal)en“ beruhe auf drei Reobachtungen : erstlich in der
Weisheit, zweitens in guten Satzungen, drittens in „Teutschem Ver-
trauen“ und erläutert diese Sätze mit den Worten: „Ob nun wohl unter-
schiedlichen Glauliensbckcnntnisscn Zngethane (Männer) in die hochlöbl.
Fruchtbringende Gesellschaft eingetreten, sind sie doch ulle in diesem Stücke
einig, dass Gott fürchten und christlich leben die höchste Weisheit und fast
überirdische Glückseligkeit zu nennen sei, welche hundertfältige Frucht
bringet in Geduld, versichert, dass hierinnen (d. h. in der Gesellschaft) nicht
von den strittigen Glaultenssachen gehandelt werde, sondern von Fortpflan-
') Derselbe Harsdörfer veröffentlicht in seinen Gcsprächspielen in
gleicher Symbolik ein Gedicht von der Kette, deren Glieder, mit Magnet
i «-st riehen, fest verbündet aneinander halten (a. n. O. S. 05):
„Also werden insgemein
Gleichsam durch den Eisenstein
Alle Glieder ungehalten
Deren Früchte nicht veralten
Die in der Gesellschaft Schrein
Nun ein Jeder leget ein.
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260
Nachrichten.
Heft 7 u. 8.
zung der Teutsehcn Aufrichtigkeit und Frömmigkeit, als den Früchten unsere
Christenthums . . . Ehen in diesem Sinne wird von der Gesellschaft als
von der Fried- und Einigkeits-Säule gesprochen.
Kvacsala bezeichnet es in seiner Biographie des C'omenius (Belege
und Erklärungen S. 24) als eine dankbare Aufgabe, einen allgemeinen Ver-
gleich zwischen Campnnelln und Comenlus zu veranstalten. Kvacsala selbst
hat einigen Aufschluss über das Verhältnis in seiner Leipziger Dissertation
von 188(1 „Über J. A. Comcnius' Philosophie, insbesondere dessen Physik“
gegeben. Kvacsala weist ferner auf die bezüglichen Äusserungen des Marcsius
in seinem Antirrhcticus lt>68 p. 37 hin. Marcsius sagt a. a. O. „Quantum
ad Campanellam , non miror Comcnium ejus lectione dclectari
Fuit autern Campanella, ut plane monstrosi vultus, sic etiam portentosi
ingenii et facile ostenderem, nostnun Prnmetheum (Comenium) magnani
partem suorum ignium fntuorum ex illius coclo suffuratum fuisse“. Es wäre
namentlich auf die Verwandtschaft von Comcnius pansophischcn .Schriften
mit denen des Campanella zu achten.
Professor Job. V. Nmuk in Weinberge bei Prag — D.M. der C'.G. — ,
der auf dem Gebiete der Comenius-Forschung sich bereits mehrfach bekannt
gemacht hat, wird noch im Jahre 1895 eine Arbeit über des C'omenius
Labyrinth und seine Bedeutung im Verhältnisse zu denjenigen Philosophen,
welche ebenfalls Utopien verfassten (Plato, Th. Monts, Th. Campanella,
J. V. Andreae) veröffentlichen. — Derselbe Verfasser ist mit einer historischen
Darstellung der panaophiseben Gedanken des Comenins beschäftigt.
llucliiirurkcrvi von Johannes Iin-tlt, Muntticr i. W.
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Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mitglicderzahl 1895: 1300 Personen nnd Körperschaften.
Gesellschartsschrinen:
1. Die Monatshefte der C. G. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegeben von Ludwig Keller.
Band 1 — 3 (1892 — 1894) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volkserziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. Der erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufäätze aus der C.G. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M.H. der C.G.
Der Gesaiutumfang der Gcecllschaftseehriften beträgt 30 — 32 Bogen Lex. 8”.
Bedingungen der Mitgliedschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag 5 M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserzieh urig.
Anmaldungen
sind zu richten an die Geschäftstelle der C.G., Charlottenburg, Berliner Str. 22.
Der Gesamtvorstand.
Beeger, Lehrer u. Direktor der Comenitw-Stiftung, Nioder-Poyritx bei Dresden. Dr. Borgius, Ep., Konsintorial-
Rat, Posen. Dr. Hopfner, Geh. Ober- Ke#. -Rat und Curator der Universität in Göttingen. Prof. I>r.
Hohlfeld, Dresden. M. Jablonski, Berlin. Israel, Schul-Rat, Zschopau. Archiv-Ilnt Dr. Ludw. Keller,
Geh. Staatsarchivar, Berlin. D. Dr. Kleinert, Prof, und Obrrkonaistorial-Rat, Berlin. W. J. Leendertz,
Prediger, Amsterdam. Prof. Dr. Markgraf, .Stadt-Bibliothekar, Breslau. D. Dr. Q. Loesche, k. k. ordentl.
Prof., Wien. Jos. Th. Müller, Direktor des Seminars, Gnadonfeld. Prof. Dr. Nesemann, Lissa (Pos.).
UnJv.-Prof. Dr. Nippold, Jona. Dr. Pappenheim, Prof., Berlin. Dr. Otto Pfleiderer, Prof, an der
Uni vendtht Berlin. Dr. Rein, Prof, an der Unircraitdt Jena. Unir.-Prof. Dr. Rogge, Amsterdam. Sander,
Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Schönaich-Carolath, Schloss Arntitz. Dr. Schneider, Wirkl.
Geh. Ober-Reg.-Rat n. Vortragender Rat im Kultusministerium, Berlin. Dr. Schwalbe, Ren Igv um. -Direktor
und Stadtverordneter, Berlin, llofrat l'rof. I>r. B. Suphan, Weimar. Dr. Th. Toeche-Mittier, Hofhuch-
hAndler, Berlin. A. VdvTa, Prof., Prag. Dr. Wätzoldt, Prov. -Schulrat in Magdeburg. Dr. Wattenbach,
Geh. Reg.-Rat u. Prof, an der Univ. Berlin. Weydmann, Prediger, Crefeld.
Stellvertretende Mitglieder:
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Dr. Benrath, Prof, an der Universität Kftuigstierg. Wilh.
Bötticher, Prof., Hagen i. W. Phil. Brand, Bankdirektor , Mainz. Dr. Comba, Professor am theol.
Seminar der Waldenser, Florenz. H. Fechner, Professor, Berlin. Univ. -Prof. Dr. Hilty, Bern. Gymnasial-
Direktor Dr. Heussner, Kassel. Oberetlieut. a. D. Dr. M. Jahns, Berlin. Dr. Herrn, v. Jireöek, k. k.
Ministerialrat, Wien. Pn»f. D. Dr. Kvacsala, Dorpat. Launhardt, Geh. Regierungs-Rat und Prof.,
Hannover. Univ.-Prof. Dr. H. Suchier, Hallo n. 8. Arcliiv-Rat Dr. Prümera. Siaataarchivar , Posen.
Rektor Rissmann , Berlin. Landtags-Abgeordneter von SchenckendorfT, Görlitz. Dr. Q. Schmid,
8t. Petersburg. Slamenik, Börgerschul-Direklor , Prerau. Univ-. Professor Dr. von Thudichum, Tübingen.
Freiherr Hans von Wolzogen, Bayreuth. Prof. Dr. Zimmer, Herborn.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar & Co., Berlin C2, Burgstrasse.
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Verzeichnis der Pflegschaften der C.G.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
(Der Buchstabe B hinter dem Namen bedeutet „BevollmRrhtigter im Ehrenamt“, der BuchstaU* 6
„fic»chJLft*lQhrende Buchhandlung" und der Buchstabe V Vorsitzender einer C.Z.U. oder C.K.)
Altona: F. L. MattigRche Bnchli. G
Altdorf: Sem. -Lehrer n. D. J. Böhm. B
Amsterdam: Univ.-Prof. Dr. Rogge. V
,, Buchh. v. Joh. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlosscrschc Buchh. G
Barmen: Buchh. v. Adolf Graeper. G
Bartenstein (Ostpr.): Oberlehrer Dr. Lcntz. B
Bayreuth: Buchn. v. B. Giessei. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Co-, W.
Leraz. Str. 128. G
Bremen : I>r. E. Brenning, Rcalgym.-Lehr. 8
,, Buchh. v. H. W. Silomon. G
Breslau : Buchh. v. E. Morgenstern. G
Bunzlan: Buchh. v. Emst Muschket. G
t ot 1 1ms: Buchh. v. Carl Brodl>cck. G
Crefeld: Wevdmann, Pastor. B
Czernowitz: Prof. Dr. Hochegger. V
,, Buchh. v. H. Pardini. G
Cliristiania: Buchh. v. Cammermeycr. G
Danzig: L. Saunier» Buchh. G
Detmold : Sem. -Direkt. Sauerländer. B
,, C. Schenke Buchh. G
Dortmund: Realgvmn.-Dir. Dr. Aulcr. B
Dresden: H. Buraach, K. S. Hof-Buchh. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Einbeck: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
,, Buchh. v. H. Ehlers. G
Eisenach: Sem.-Dir. E. Ackermann. B
,, Buchh. v. Bäreck. G
Eihing: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. v. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hart mann. G
Einden : Haynelsche Buchh. G
Frankfurt n. M. Detloffsche Buchh. G
Giessen: Ferberschc Univ.-Bucbh. G
Glogau: Oberlehrer Bachnisch. B
,, Buchh. v.C. Bcissner’s Nachfolger. G
Gotha: Olierschulrnt Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitncr. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Bugen (Westf.): Prof. W. Bötticher. V
,, Buchh. von Gustav Butz. G
Halle a. S. : Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
,, C. Gnssmanns Buchh. G
Hamm: Rektor Bartholomaeus. B
Hannover: Realgymn.-Dir. Raindohr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorbecke. B
llerborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst.-Direktor Pfeiffer. V
,, Döbcreincrschc Buchh. (Rassmann) B
Kassel: Gymn.-Dir. Dr. Heussner. B
„ Buchh. v. >1. Brunnemann & Co. G
Königsberg i. Pr. Graefe&Unzerechc Buchh. G
Laulmn: Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchh. G
Lengerieh : Rektor 0. Kemper. B
Lennep : Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
,, Buchh. v. R. Schmitz. G
Lippstndt: Roalgymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
IAssa 1. P. : Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buchh. v. Friedrich Ebbecke. 6
London : Buchh. v. Williams and Norgate. G
Lüdenscheid: Dr. med. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. G
Mainz: Bankdirektor Brand. B
,, H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Oberkirchenrat D. Drcyer B
Mühlhausen i. Th. : Diakonu» J. Clüver. B
München: Schulrat Dr. liohmeder. B
,, Hofbuchh. v. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Obertüscben. G
Neuwied: Prediger Siebert. B
Nordhuusen: Oberlehrer L>r. Nägler. B
„ Förstcmannsche Buchh. G
Nürnberg: Postmeister Ang. Schmidt. B
„ Buchh. v. Friedr. Kom. G
Oselintz: Sem.-Oberl. Ernst Hänsch. B
Osnabrück: Pastor Lic. theol. Spiegel. B
„ Buchh. v. Rackhorst. 6
Paris: Buchh. v. Fischbacher. G
Posen: Buchh. v. Friedrich Ebbecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnäc. G
Prernu (Mähren) Direktor Fr. Slamönlk. B
Quedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
,, Buchh. v. Christ. Vieweg. G
Remscheid: Hauptlehrer R. Lambock. V
„ Buchh. v. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. VVilh. Begemann. B
„ Stillcrschc Hof- u. Univ.-Buchh. G
Ruhrort : Buchh. v. Andreae u. Co. G
Sagau: Kreisschulinspektor Arndt. B
,, Buchh. v. W. Daustein. G
Soest: Lehrer W. Handtke. B
,, Rittersche Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zeclilin. B
„ Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Dannenbergsche Buchh. G
Stockholm : Dr. N. G. W. I/agerstedt. B
,, Hofbuchh. v. C. E. F'ritze. 6
Strass bürg i. Eis. Sem.-Dir. Paul Zänker. B
Wesel: Buchh. v. Karl Kühler. G
Wien : Buchh. v. A. Pichlers Wwe. u. Sohn. 6
Wiesbaden: Gynm.-Oberl. Dr. Hochhuth. B
,, Buchh. v. Felix Dietrich. G
Zchopau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Btiehh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzner. B
mi -
Buchdruckern von Johannes Brcdt, MQniter I.W.
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/
COLCf^
Herausgegeben von Ludwig Keller.
Berlin und Münster i./w.
Verlas; der C o m e n i 11 s - (i e s e 1 1 s e h a f t
Johannes Bre.lt in Kommission.
lS'.l.-i.
Der Bezugspreis beträgt im Buchhandel und bei der l’ost jiihrlleli 10 Mark.
Alle liechte Vorbehalten.
Das Personen- und Orts-Register zum IV. Bande wird mit dem 1. Hefte des V. Bandes ausgegeben.
I ii h a 1 1
des neunten und zehnten Heftes 1895.
Abhandlungen. s«te
Dr. Paul Natorp, Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte der Ein-
führung Pestalozzischer Grundsätze in die Volksschule Preussens . 201
Dr. Karl Dissel, Der Weg des Lichtes. Die Via lucis des Comenius . 295
Dr. Georg Schmid, Sigismund Evenius 300
Litteraturbericht 314
(». Voigt, Kittrhof IJ.Ttr-.un von Meli (l|NO— 1212). — II. Haupt, «l«-uti»ch-l>Ohini«K*h«* Wal-
«b-nwr. — IVbingor, B*i*rfl*c zur i •«•schichte Niodau» von Cu*as. — Knaake, Joh. Popper von
Goch. — Kr. Wächter, Brief»* an Krasmus. -- K Krallt, Gerb. Oemiken. — A. Wirth, Die er.
Schule «hi* lti. u. 17. Jaltrli. — 11. S. Kur rag«-, Th«- Anabaptist* ol the 16. Century. — AI Ir.
Kausch, Christian Thomasiu« und Krh. Weigel. — Alb. F^camp, D. G. Morbof. — W. Fa-
bricius, Die Stmlcntcnorrion <!<•» IN. Jahrh.
Preisaulgabe der Comenlu9-Gesellsehart Für 1896 . 318
Nachrichten • . . . . 319
E. Troeltsch (Prol. in Heith-llwrg) , Über Iteligion und Kircia*. — K. Kurdach (Prof, in
Halle), t'lier «b-n ZueaiiiiiK-nbang zwiscln n Luther mul d«*u böhmiachcn Brüdern. — ,,l’ickard«*n‘‘
un«l Reformierte. — Jo». Rebers Au-uuIh- d«-r Naturkunde de» Comenius. — D«*r Jesuit B. Hai-
hiuus ftber Comenius. — Die KiMiotl» k «l«*s Comenius in Fulnek. — Giordano Bruno begründet
eine „Akademie" in Uudon ihVSIi. — Briefweeh*el awiaclien Wok ron Rosenberg und Christian
von Anhalt. — Briefwechsel de» ll«’r/*»gs August von Br*un»chw«‘ig-LQneburg. — Aufforderung.
Die Monatshefte der C.G. erscheinen monatlich (mit Ausnahme des Juli
und August). Die Ausgabe von Doppelheften bleibt Vorbehalten. Der Ge :
snmtumfang beträgt vorläufig 20 — 25 Bogen.
Die Mitglieder erhalten die Hefte gegen ihre Jahresbeiträge; falls die
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Für die .Schriftleitung verantwortlich: Archiv-Rat Dr. Ludw. Keller
in Charlottenburg, Berliner Str. 22.
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Monatshefte
der Ns -<4 A_f? A
Comenius-Gesellschaft.
IV. Band. — « 1895. Hoft 9 u. 10.
Ludwig Natorp.
Ein Beitrag zur Geschichte der Einführung Pestalozzischer
Grundsätze in die Volksschule Preussens ’).
Von
Dr. Paul Natorp,
rnirer*it2it«)>ro(t‘i>aor iu Marburg.
„Thun wir für anaete Z**i t, was wir thun kflnnen, so
winl in der folgenden Zeit manches That und Wahrheit
werden, was wir jetxt bloss für Träume halten."
Ludwig Natorp, einem Freunde ins Stammbuch,
Halle, 1. Aug. 17»».
Eine Mischung von Scham und Stolz will den Patrioten
nicht verlassen, der sich in jene Tage zurückversetzt, wo Deutsch-
land unter der geistigen Führung Preussens den Grund zu seinem
Volksbildungswesen legte, die Zeit etwa vom Beginn dieses
Jahrhunderts bis zu dem vcrheissungsreichen doch erfolgarmen
Süvcrnschen Entwurf. Eine ehrliche Vergleichung dessen, was
damals in kurzer drnngsal voller Zeit für die Volkserziehung ge-
leistet worden, mit dem, was heute unter dem Glanze des Reichs,
in langem Frieden und wachsendem Wohlstand auf diesem Felde
geschieht und nicht geschieht, führt zu Ergebnissen, die den, der
es mit dem Vaterlande gut meint, nicht anders als trüb stimmen
können. Damals eine Frische und Allgemeinheit der Begeisterung
für die Sache der Nationalerziehung, ein Emst der wissenschaft-
lichen Besinnung auf ihre wahren Grundlagen, eine hingehende
Treue langwieriger, oft enttäuschter Arbeit, um das als notwendig
’) Es ist unser Wunsch, zugleich zur Erneuerung des Andenkens Joh.
Heinrich Pestalozzi» (geh. 12. .fummr 1740) durch die Veröffentlichung de»
vorstehenden Aufsatzes einen Beitrag zu liefern.
Die Schriftleitung der M.H. der C.G.
MonAlfthofU* der Comcnius-Gcfte)Ii*chAft. 1895. j ^
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o>
262 Natorp, Heft 9 u. 10.
Erkannte ins Werk zu setzen, die tun so heller hervorleuchtet,
wenn man die Verwahrlosung, in der sieh das niedere Schulwesen
bis dahin befand, wenn man die Zerrüttung der politischen I>age
und damit zusammenhängende Erschöpfung der Finanzen mit ihren
vielseitig trüben Folgen bedenkt. Und heute — doch ich mag den
Satz nicht vollenden, denn nicht auf Klagen und Anklagen ist es
hier abgesehen. Bei der bestimmtesten Absicht, auf Gegenwart und
Zukunft eine heilvolle Wirkung zu üben, sind diese Hefte doch an
erster Stelle der Geschichte gewidmet. Nur ein bescheidener Bei-
trag zur Geschichte jener Tage ist denn auch hier beabsichtigt
Man kennt einigermassen und lernt immer besser kennen und
würdigen die Männer, die, sei es als Theoretiker und Experimen-
tatoren der Pädagogik, sei es in der Praxis der Schul-Einrichtung
und -Verwaltung, die damalige Bewegung geführt und ihr eine
bestimmte Richtung zu geben gestrebt haben. Aber neben diesen,
oft in nächster Beziehung zu ihnen entdeckt die genauere For-
schung eine erfreulich grosse Zahl solcher, deren Leistung minder
auffällig hervortritt und doch zum Gesamterfolg durchaus unent-
behrlich war. Nicht zu den Vcrgessensten unter diesen zählt der
Mann, dessen Andenken wir hier erneuern möchten, Ludwig
Natorp. Seine westfälische Heimat wenigstens hat ihn auf alle
Weise geehrt ; durch Diesterwegs und andrer warmes Lob ist
ihm in der Erinnerung der Lehrerwelt ein fester Platz gesichert.
Doch zählen seine pädagogischen Schriften nicht zu den gelesenem;
man sucht sie auch in grösseren Bibliotheken meist vergeblich.
Und von seinem unmittelbar praktischen Verdienst um die Volks-
schule haben wohl nicht allzu viele selbst unter den Fachleuten
eine bestimmtere Vorstellung. Es fehlte bis vor kurzem an einer
eingehenden Darstellung seines Wirkens 1 ). Mit einer solchen hat
uns nun einer seiner Enkel, Professor Oskar Natorp in Mülheim
a. d. R., beschenkt -). Das glücklich angelegte, schon durch die
') Wer sich ein Bild davon machen wollte, sali sich, ausser einigen
abgelegenen Brosehüren und Zeitschriftaufsätzen , auf die knappen Artikel
von Binder in der Allg. Deutschen Biographie und von Gustav Natorp
(einem Enkel des Verewigten) in Sehmids Kncvklopädie angewiesen.
’) B. Chr. Ludwig Natorp, Doktor der Theologie, Oberkonsistorialrat
und Vize-Generalsuperintcndent zu Münster. Ein Lehens- und Zeitbild aus
der Gesehiehte des Niederganges und der Wiederauf rieht ung Prcuuen* in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts von O. Natorp. Essen, G. D. Bädeker.
1894. (leb citire durch O. N.)
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1805. Ludwig Natarp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 263
I
Wärme des Tons unmittelbar ansprechende Buch wird dem Manne,
dem es ein so würdiges Denkmal setzt, gewiss neue Freunde er-
werben. Der W ert seines Lebenswerks tritt in dem von Schritt
zu Schritt verfolgten zeitgeschichtlichen Zusammenhang hell ans
Licht, durch nichts so wie durch die Schlichtheit überzeugend.
Natorp hat einmal das überschwängliche Lob seiner Schullehrer
mit der Antwort abgewehrt: „Ich habe ja nur meine amtlichen
Obliegenheiten Schuldigermassen zu erfüllen mich bemüht W T er das
gethan, von dessen hohen Verdiensten darf nicht die Rede sein.“
In richtigem Gefühl vermeidet auch sein Biograph fast jede Lob-
preisung ausser durch einfache Vorführung der Thatsachen und
allenfalls Wiedergabe der Urteile so stimmfähiger Zeitgenossen wie
Wilhelm von Humboldt, der ihn im Jahre 1809 auf Vinckes
Empfehlung zum geistlichen Kat im Ministerium, zugleich Schul-
und Regierungsrat bei der kunnärkischen Regierung berief 1 ). Auch
mir, dem Urenkel, stände es schlecht an, hier ein Loblied anzu-
stimmen; sondern, wie mein Oheim als zugleich theologisch vorge-
bildcter praktischer Schulmann das ernsteste sachliche Interesse zu
seiner Aufgabe mitbmehte, so möchte ich vom Standpunkt meines
Fachs, der Philosophie und theoretischen Pädagogik, das Wenige,
was ich zur Würdigung Natoqis ergänzend beizutragen habe, hier
niederlegen. Ich füge nur die nötigsten Angaben über sein Leben
bei, indem ich in dieser Hinsicht auf die Biographie verweise.
Die Familie entstammt einem alten Bauernhof bei Unna in
der Grafschaft Mark, der noch den Namen führt; doch sind schon
seit der Reformationszeit studierte Männer, Prediger wie Juristen,
in stattlicher Zahl aus ihr hervorgegangen. So war der Gross-
vater unseres Ludwig Jurist in Hagen und Bochum, der Vater
Bernhard (1741 — 1819) ein hochangesehener Prediger in Werden,
Gemen und Gahlen. Seine Mutter, eine Bürgermeisterstochter
aus Werden, die ihm daselbst am 12. November 1774 das Leben
gab, war eine Nichte J. J. Heckers, des Begründers der Real-
schule, das pädagogische Interesse also in der Familie bereits
eingewurzelt. Das Gymnasium zu Wesel, welches in alter Weise,
von „Überbürdung“ weit entfernt, der persönlichen Ausbildung
der nicht zu zahlreichen Schüler freie Bahn liess, entsandte den
') Drei nus diesem Anlass an Natorp gerichtete Briefe Humboldts,
die auch um des letzteren willen von Interesse sind, teilt O. N. S. 82 ff.
mit. Einiges daraus weiter unten.
18*
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264
Natorp,
Heft 9 u. 10.
18jährigen bereits ziemlich weit gefördert zur Universität Halle,
die er 1792 als Theologie-Studierender bezog. Neben den Leh-
rern seines Fachs regten ihn hier Niemeyer als Pädagog, Wolf
als Philolog vorzüglich an. Bei einer theologischen Societät, die
auch die Pädagogik pflegte, beteiligte er sich eifrig; auf einer
pädagogischen Reise durch Thüringen und Sachsen besuchte er
Schnepfenthal, lernte Salzmann und Gutsmuths kennen. In seinem
Berufsfach blieb er dem massvollen, vorwiegend praktisch ge-
richteten, dabei warmherzigen Rationalismus, dem schon der
Vater anhing, unverändert treu; der in seiner Heimat verbreitete
mystische Pietismus Tersteegens wie der nach den Freiheitskriegen
überhand nehmende orthodoxe, mit dem er durch freundschaft-
liche, dann auch verwandtschaftliche Beziehungen zum Krurn-
macherschen Hause in nächste Berührung kam, blieb auf ihn ohne
Einfluss. Von der grossen philosophischen und litterari sehen Be-
wegung jener Tage zeigt er sich nicht so tief als man erwarten
könnte, berührt. Desto entscheidender ergriff ihn der Sturm und
Drang der neuen Pädagogik. Zwar missachtet er auch hier nicht
die Alten, namentlich Rochow ist ihm stets ein leuchtendes Vor-
bild geblieben. Aber mit ungleich wärmerer Liebe doch fühlte
er sich zu Pestalozzi hingezogen. Lehnt er die Methodensucht
der Pestalozzianer vom Schlage Zellers l ), die ein praktisches
Wirken im Geiste des Meisters nur erschwerte, mit allem Recht
ab, so bezeichnet er sieh doch selbst in theoretischer Hin-
sicht aufs bestimmteste als Anhänger des Schweizers*). Man
kann die Bedeutung dieses Bekenntnisses unterschätzen, weil er,
durch eine seltene Gabe der persönlichen Einwirkung und ein
') 8. die eingehende Darstellung in Diltheys Art. 8 ü vorn (Allg. D.
Biogr.), und L. W. Seyffartb, Pestalozzi in Preussen. Liegnitz 1894.
•) Nur um eine Schattirung entferne ich mich hier von dem Urteil
O. N.’s, der Natorp bisweilen fast in einen Gegensatz zu Pestalozzi bringt.
Nicht ohne Grund, sofern es sieh um Einseitigkeiten Pestalozzischer Lohr-
weise handelt; al>er das, was die eigentliche Bedeutung des Mannes doch
uusnmcht, wodurch er auf die Eichte, Nicolovius, Süvem und Humboldt so
liedeutend gewirkt hat; die „Idee“ der Elementarbildung hatte X., wie seine
Schriften allenthalben bezeugen, aufs innigste in «ich nufgenommen; sein
ganzes pädagogisches Denken hat daher seine Richtung erhalten. Das er-
kennt übrigens im wesentlichen auch O. N. an, wenn er 8. U7 sagt: „Die
Grundgedanken des grossen Schweizer» fanden ja au ihm einen Anhänger;
des weiteren al>er schlug er vielfach seine eigenen Wege ein.“ Das Letztere
versteht sich bei einem selbstdeukenden Manne von selbst.
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte ete. 265
grosses Organisationstalent ganz auf die Praxis hingewiesen und
in diesem Punkte nicht bloss den Pestalozzianern, sondern dem
Meister selbst jedenfalls überlegen, auf die Grundfragen der päda-
gogischen Theorie weniger zu sprechen kommt. Doch lässt sich bei
genauerer Nachforschung nirgend verkennen, auf wie durchdachten
theoretischen Grundlagen seine vielgestaltige Thätigkeit auch im
kleinsten beruhte, und da grade beweist er sich allenthalben als einen
der treusten, verständnisvollsten, nur ebendarum zugleich freisten
und selbständigsten Nachfolger des Schweizer Reformators 1 ).
Das Lehramt selbst hat Natorp nicht bloss als Geistlicher
nebenher geübt. Nachdem er die Universität verlassen, trat er,
erst zwanzigjährig, in ein tüchtiges Privatinstitut zu Elberfeld als
Lehrer ein. Schon nach einem Jahre wurde ihm die Mitleitung
des Instituts angetragen; er schlug sie aus, um 1796 eine wenn
auch äusserst bescheidene Pfarrstelle zu Hückeswagen anzunehmen.
Zwei Jahre später öffnete sich ihm ein grösserer Wirkungskreis,
indem er zum Pfarrer an der lutherischen Gemeinde zu Essen
berufen wurde. Die dortigen Schulzustände gaben ihm bald
Gelegenheit zu eingreifender Bethätigung seines pädagogischen
Reformeifers. Es wurde (1802) eine Kommission eingesetzt, zu
deren Mitgliedern Natorp zählte, um über die Mängel der be-
stehenden Schulen Bericht zu erstatten und Vorschläge zur
Besserung zu thun. Natorp legte sein Gutachten nieder in der
meisterlichen Schrift: „Grundriss zur Organisation allge-
meiner Stadtschulen“ (Duisburg und Essen, Bädeker, 1804).
Wie schon der Titel verrät, beschränkt sich sein Entwurf nicht
auf den besonderen Fall der Essener Schulen; ihm steht ein all-
gemeiner Organisationsplan vor Augen, gemäss welchen» sich diese
bestimmte, etwa unserer Realschule entsprechende Schulgattung
in ein organisches System der öffentlichen Schulen einreihen sollte
(s. bes. S. 20 f.). Daher lädt schon diese Schrift uns zum Ver-
weilen ein ; einige Mitteilungen daraus werden um so willkommener
sein, da die Schrift vergriffen und auch in Bibliotheken selten
zu finden ist*).
*) Vgl. Note 2 auf Seite 264.
*) Ein Neudruck der Schrift (etwa mit einigen Kürzungen) wäre
schon des historischen Interesses wegen um so erwünschter. Auch Lorenz
v. Stein ( Bild ungs wesen III 507) hebt sie als „sehr eingehende und höchst
verständige Arbeit“ besonders hervor.
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2(36
Natorp,
Heft 9 u. 10.
Nur zwei Jahre früher war Pestalozzis epochemachendes
Werk „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ erschienen ; kein Wunder,
dass unter Natorps Schriften am fühlbarsten gerade diese, bei
übrigens grosser Selbständigkeit, vom Pestalozzisehen Geiste erfüllt
ist Schon in der unverzagten Kritik, die wie Ungewitter in die
Staub- und Sehmutzwinkel des damaligen Schulwesens hineinfährt
zum fröhlichen Kehraus; vollends in den positiven Vorschlägen.
Me nschenbildung geht der Berufsbildung vor. Ergeht
(S. 40) „von dem unumstösslich wahren Satze aus: der gebildetere
Mensch ist auch der geschicktere und brauchbarere Bürger. Die
Bürgerbildung betrachte ich also als der Menschenbildung
untergeordnet Den absoluten Wert der Gegenstände des
Unterrichts habe ich folglich mehr im Auge als den hypo-
thetischen Wert derselben. Ich frage bei diesen Unterrichts-
gegenständen eher: wird durch den Unterricht in diesen Punkten
das M enschliche im Menschen ausgebildet? als: was für
einen Nutzen für das bürgerliche Leben wird mir derselbe ge-
währen? Lange genug hat man in den Schulen, wie in zu vielen
andern Dingen, mehr für den Staat als für die Menschheit, mehr
für den Bürger als für den Menschen, mehr für die politische
Ex- und Subsistenz, als für die Veredelung des Geistes, des
Herzens und des Lebens gewirkt. Die Erfahrung lehrt es, wie
weit man es bringt, wenn bei der Bildung des Menschen die
Kultur des Menschlichen in ihm über der Kultur des Bürger-
lichen an ihm versäumt wird.“ Eine rechte „Elementarschule“
müsste folglich von den wahren „Elementen der M en sehen -
bildung“ ausgehen (S. 25). Ihre Nichtbeachtung hat eine „Stumpf-
heit des äusseren und des inneren Sinnes“ verschuldet, die ohne
die traurige Beschaffenheit des Elementarunterrichtes „beinahe
unerklärlicher“ wäre, „als dass weiland Bileams Esel redete“
(ebenda). Denn nn sich ist die menschliche Natur einer ge-
sunden Bildung durchaus fähig (S. 23): „Nein, wahrlich nur der
inwendige natürliche Mensch kann uns durch seine göttliche
Kraft vor dem Verderben retten, welches uns negativ und positiv
in den gewöhnlichen Schulen bereitet wird. Dass wir bei der
unvernünftigen Bildung, die man uns zu geben von Amts wegen
bemüht ist, nicht an Geist und Herz gänzlich verkrüppelt werden,“
ist ihm „ein untrüglicher Beweis, dass Gottes unvergänglicher
Geist in uns wohne“ (Buch der Weisheit 12, 1). — Demge-
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1805. Ludwig Natarp. Ein Ikitrag zur (ieschichto ctc. 207
muss ist seine Schule als allgemeine Bildungsanstalt völlig irn
Geiste des Comenius gedacht; es soll (S. 20) „durchaus jeder
Mensch ohne Unterschied des Geschlechts und ohne
Unterschied seines künftigen Standes und Berufes
zweckmässige Anleitung zu einer wahrhaft edlen und wohlthätigen
Bildung stufenweise darin empfangen“; während die Bildung zu
einem besondern Stunde und Berufe speciellen Instituten überlassen
bleibt. Dadurch unterscheidet sich seine „allgemeine Stadtschule“
scharf von der „Realschule“ Heckers, die eigentlich eine Summe
von Fachschulen war. Besonders warm nimmt er sich, eben-
falls ganz im Geiste dos Comenius, der bis dahin „auf das
unerhörteste vernachlässigten“ (29) Bildung des weiblichen Ge-
schlechts an. W enige der vorhandenen Institute, klagt er (27),
„haben echte Weiblichkeit erzeugt; aber echtes weibisches Wesen
ist häufig genug aus ihnen entsprungen. Noch wenigere haben
im W'cibe den Menschen gebildet“. Mit Schärfe wendet er sich
gegen die Erziehung in Klöstern: „Erziehung zur Humanität
und eigentlichen Weiblichkeit ist man nicht berechtigt von Frauen-
zimmern zu fordern, welche einen wichtigen Teil der weiblichen
wie der menschlichen Natur öffentlich und von Amts wegen aus-
gezogen haben“ (28). Im Hinblick auf die allgemeine Verkürzung
des andern Geschlechts an seinem Anspruch auf volle Menschen-
bildung ruft er aus: „Wahrlich, es gehörte, um in einer An-
gelegenheit, die vor allen andern mit Vernunft behandelt werden
sollte, so unvernünftig zu Werke zu gehen, jener Sklavensinn und
jene Geistesverstocktheit dazu, die zur Schande und zum Ver-
derben der Menschheit aus der Hierarchie und den Systemen
kirchlicher Theologen hervorgegangen sind“ (30). Auch die
Vereinigung von Knaben und Mädchen in Einer Schule findet
er ebenso wie Condorcct 1 ) „für die Sittlichkeit wenigstens bei
weitem nicht so gefährlich, als manche neuere Pädagogen be-
hauptet haben“; die absichtliche Trennung kann ebenso gefährlich
werden (223 f.). — Der hohen Auffassung der Elementarbildung
entspricht die Hochstellung des Berufs des Elementar-
lehrcrs. Er nennt es (55) „ein entsetzliches, höchst verderbliches
Vorurteil“, wenn man dem Elementarlehrer einen niederen Rang
anweist als dem Lehrer einer höheren Schulanstalt. „W'eun ja
‘) Vgl. Monatsb. der C.G. 189t, S. 137.
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Natorp,
Heft 0 u. 10.
ein Unterschied statthaben soll, so muss jeder Sachkundige der
Meinung sein, dass gerade für den ersten Unterricht und die erste
Bildung der Jugend in den untersten Klassen ein geschickterer
und fähigerer Lehrer erfordert werde als für die Unterweisung
und Bildung der reiferen und selbstthätigeren Jugend in einer
höheren Klasse; und dass daher ein Elementarlehrer, der das ist,
was er sein soll, ganz vorzüglich unsere Achtung verdiene.“ —
Der spccielle Teil der Schrift behandelt in trefflicher Ordnung
1. den Stoff des Schidunterrichts, 2. die Schuldisciplin oder den
„Schulmethodus“, d. L die eigentliche innere Organisation des
Unterrichts wie der Zucht, 3. die Schulpolizei, d. i. die äussere
Schul-Einriehtung und -Verwaltung. Eine systematische Ableitung
der Lehrfächer ist wenigstens angestrebt Die Pestalozzi’schen
„Elementarpunkte“ finden Beachtung, ohne zwar eine beherrschende
Stellung einzunehmen; die Abhängigkeit des Schreibens vom
Zeichnen wird anerkannt, die „anschauliche“ vor der „symboli-
schen“ Lohrart grundsätzlich bevorzugt 1 ); in der Religion ein
natürlicher, undogmatischer Lehrgang ohne Katechismus, biblische
Historien u. s. w. ganz im Geiste Pestalozzis voigeschrieben ;
denn „es ist nur ein Lumpenkram um alle gelernte Religion
und alle gelernte Moral, wie „unser philosophischer Uindsmunn
F. H. Jacobi“ sagt. Im Lesen wird die Lautiermethode dringend
empfohlen; übrigens umfasst der Stundenplan eine, erst in Pesta-
lozzis Sinne elementare, dann wissenschaftliche Geometrie; Natur-
kunde, Technologie, Bürgerkunde; Denkübungen; besonderes
Gewicht wird auf die Gesanglehre gelegt, um deren methodische
Bearbeitung sich Natorp nachmals hervorragendes Verdienst er-
worben hat. In Hinsicht der Zucht teilt er ganz die humanen
Grundsätze, in denen, wie er nachdrücklich betont, die besten
Pädagogen aller Zeiten einig gewesen sind ; er stützt sich besonders
auf C'harron, aus dem er ausführliche Auszüge giebt. Unter
Voraussetzung allerdings von Klassen bis zu höchstens 20 Schülern
verwirft er grundsätzlich alles Strafen und Belohnen, alle Spomung
des Ehrgeizes; man sollte, wie Pestalozzi das Beispiel gegeben,
die Schüler ohne Lob und Tadel, allein nach Massgabe ihres
') 8. 118: „Denn es ist ausgemacht, dass die anschauliche Erkenntnis
vor der symbolischen den Vorzug hat, und dass das leidige Buchstabenwesen
die lebendige Kinderseclc tötet“. Er beruft sich hier auf das, was „schon
der vor 132 Jahren verstorbene berühmte Comcuius“ gesagt habe.
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1895. Ludwig Notor] i. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 269
Talents unterweisen, und einen jeden nicht mit andern, sondern
nur mit sich selbst wetteifern lehren (72). „Der Lehrer soll an
den Kindern, die in seiner Schule sind, Eltemstelle vertreten; er
soll ihnen mit väterlicher Fürsorge die Augen ihres Verstandes
aufthuu; er soll mit väterlicher Treue die Keime des Guten in
ihrem Herzen beleben. Ein Mann, der den rechten Lehrersinn
hat, muss sieh nirgends lieber befinden, als da, wo sieh eine
Schaar von Unmündigen um ihn her versammelt. Wer sieh aber
von solchen Unmündigen belästigt fühlt oder es für zu gering
achtet, sich derselben anzunehmen, der mag Sklaven befehlen und
Tiere abrichten können, er kann nicht Menschen bilden und ist
der Freude nicht wert, so vieler Unmündigen Vater und Erzieher
zu sein“ (89 f.).
Diese wenigen und allgemeinen Züge werden hinreichen,
von der Richtung des Entwurfs einen Begriff zu geben. Es ist
ein Ideal (S. 22), allerdings von keiner gewöhnlichen Schule ab-
strahiert; doch hat man „die einzelnen Teile dieses Ideals hier
und da nuch schon in der wirklichen Welt erblickt“. „In der Sache
selbst liegt kein Hindernis, welches die Ausführung unmöglich
machte; ja, da ich hier fast nur reine Resultate vielfacher eigener
Erfahrung niedergeschrieben habe, so möchte ich wohl behaupten,
dass selbst nicht einmal einzelne Punkte in der hier vorgeschlagenen
Organisation unausführbar seien: die Principien, von welchen
ich bei dem Entwerfen dieses Grundrisses ausging, vertragen ja
die Prüfung, und in der Anwendung derselben wird man doch
wohl die Konsequenz nicht verkennen“ (238 f.). Auf den Ein-
wurf, dass das Unterrichtsziel zu hoch gesteckt sei, antwortet er:
1. jeder nicht ganz verwahrloste Mensch hat aus den meisten der
angegebenen Fächer mehr oder weniger Kenntnisse; 2. man kann
es darin nicht zu weit bringen ; 3. kein einziges dieser Fächer
ist überflüssig oder unwichtig; 4. es fehlt der jugendlichen Natur
nicht an Kraft zu fassen, zu durchdenken, zu behalten, wie
Basedow, Rousseau, Pestalozzi gezeigt haben ; und 5. es kann bei
guter Methode auch nicht an der Zeit mangeln, wie wiederum
Pestalozzi und andere der Methodik kundige Männer praktisch
bewiesen haben (216). —
Nicht allzu oft haben erfahrene Praktiker so aus „Principien“
zu folgern verstanden; und nicht allzu oft haben sieh Behörden
gefunden, die eine so gründliche Kritik bestehender Einrichtungen
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Natorji,
Heft 9 u. 10.
nicht bloss vertrugen, sondern ermutigten und ihr unvcrweilt Folge
gaben. Der Oberpräsident Freiherr vom Stein Hess die Schrift
durch den Pfarrer Evlert in Harain begutachten und das Gut-
achten, das etwas engherzig theologisch ausfiel, mit der Gegen-
kritik Natoqis in der von diesem herausgegebenen „Quartalschrift
für Keligionslehrer“ (Jahrg. 1804, 2. Quartal, S. 307—344) ver-
öffentlichen. A uch wurde verfügt, das bisherige Gymnasium zu
Essen nach dem von Natorp eingereichten Plane in eine Bürger-
schule zu verwandeln (s. das. S. 309). Fernerhin wurde ihm das
Amt des Schulkommissars für den Bochumcr Schulkrcis über-
tragen, welches ihm weitere Gelegenheit gab, sieh mit den Zu-
ständen der Schulen, jetzt auch der ländlichen, vertraut zu machen
und allenthalben zu ihrer Besserung Hand anzulegen. Eine von
ihm ins Leben gerufene „Gesellschaft von Schulfreunden in der
Grafschaft Mark“ diente dem lebendigen Austausch der Erfahrungen
unter allen Beteiligten, ganz in der Art, wie es in dem Haupt-
werke Natorps, dem bald zu erwähnenden „Briefwechsel“, an-
schaulich dargestellt wird. Mit welchen Schwierigkeiten da oft
zu kämpfen war, welcher misharrenden Geduld es bedurfte, um
die unscheinbarsten, dennoch schliesslich entscheidenden Erfolge
zu erringen, darin gewährt besonders lehrreichen Einblick eine
in die „Quartalschrift?* (IV, 2, S. 53 — 118, 1808) eingerückte, nach-
mals im „Briefwechsel“ (als 18. Brief) wiederholte Epistel.
Die politischen Verwickelungen konnten diese unermüdliche,
mehr und mehr von schönem Erfolg gekrönte Thütigkeit wohl
für einen Augenblick stören; aber sie gaben ihr zugleich einen
neuen Sporn, ja sic sollten dahin führen, ihr ein ungleich weiteres
Feld zu eröffnen, sie in einen bedeutenderen Zusammenhang ein-
zufügen und so zu desto höherer Wirksamkeit zu entwickeln.
Das Verhängnis von 1806, von dem auch die Stadt Essen
hart betroffen wurde, griff dem warmblütigen Patrioten ans Herz.
„Ich habe,“ schreibt er zwei Jahre später (bei O. N. S. 80), „init
tiefer Wehmut das Schicksal unseres deutschen Vaterlandes be-
trauert und werde es bis an meinen Tod betrauern. Gebe uns
Gott nur, ehe wir scheiden, die Freude, in der deutschen Nation
den alten Geist wieder aufleben zu sehen! Hundertmal habe ich
schon in meinen akademischen Jahren, als hätte ich die Zukunft,
die jetzt Gegenwart ist, geahndet, die olympischen Spiele cum
amiexis herbeigewünseht, und hundertmal ist mir eingefallen, was
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1895. Ludwig Nator|i. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 271
Stephani so bedeutungsvoll in seinem „Grundriss“ geschrieben hat:
In dem Charakter einer Nation der Erde scheint, bis der ewige
Friede geschlossen wird, der militärische Geist ein notwendiges
Ingredienz zu sein; er ist ein Ferment zur Hervorbringung des
Nationalgeistes, der gegen Stürme und Wetter hart macht.“
Welche Aufgabe für solchen Mann, die Festpredigt zum Namens-
tag Napoleons zu halten !
Doch ihm war ein besseres Los Vorbehalten. Der Frei-
herr von Vincke, der als Kammerpräsident von Münster und
Hatnm den Mann und sein Wirken schätzen gelernt hatte, wurde
1809 Präsident der brandenbnrgischen Regierung; er bewirkte
alsbuld die oben erwähnte Berufung Natorps nach Potsdam
durch v. Humboldt, der um dieselbe Zeit die Leitung der Kultus-
ubteilung im preussischen Ministerium des Innern übernommen
hatte. So fand sich der schlichte Stadfpfarrer auf einmal in
unmittelbarer Fühlung mit den grossen Weltereignissen versetzt.
Er hatte gerade in den Jahren der Demütigung oft vor dem Könige
zu predigen ; dieser nannte ihn einmal „seinen geistlichen Feld-
marschall“, ich denke wegen der fortreissendcu Begeisterung seiner
Vaterlandsliebe, die sich, wie in die erhaltenen Briefe aus jener
Zeit, gewiss auch in seine Predigten ergoss. So schreibt er 1818
dem Bruder, den die betagte Mutter bedenklich machen wollte,
ins Heer einzutreten: „Höre, man kann jetzt auf deutschem Grund
und Boden nach meiner Meinung nichts Vernünftigeres thun, als
Franzosen, die ihn aussaugen, tot zu schlagen oder fortzujagen.
Alles andere, was man sonst Vernünftiges treiben kann, ist einst-
weilen nur Nebensache. Wenn wir wieder reine Bahn haben,
dann werfen wir den Feuerbrand bei Seite und kehren mit frohem
Mute zu dem alten Tagewerke zurück. Wer brav geholfen hat,
der hat dann lebenslängliche Freude darüber und erzählt in den
alten Tagen der aufwachsenden Jugend von dieser herrlichen Zeit,
da die Tenne gefegt wurde. Ich glaube, ebenso werden alle guten
Deutschen urteilen; ich sage, alle guten Deutschen, die den
Boden lieb haben, auf dem ihnen und ihren Vorfahren der liebe
Gott so oft Frühregen und Spätregen geschenkt hat, und die
Tugend und Ehre höher schätzen als ihr Fleisch und Bein . . . .
Wir leben in einer herrlichen Zeit, mein lieber Bruder! Eine
bessere konnten wir nicht erleben. Dieser Freiheitskrieg wird
ewig denkwürdig bleiben. Er wird die Deutschen zu einem neuen
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Natorp,
Heft 9 ll. 10.
Z7Z
und herrlichen Volke machen, und die Schwächlinge, denen bei
jedem Winde die Haut zusammenschaudcrt, werden dadurch auf-
gereizt und gestärkt werden. Wer in seiner Schlaffheit sich
gewöhnt hat, den Wert seines Lebens mit der Elle auszumessen,
wird einsehen lernen, dass es einen besseren Massstab giebt. Wer
seines Lebens in Ruhe gemessen will, der wird durch den Drang
der Umstände gezwungen werden, sich zusammenzunehmen, und
notgedrungen lernen, dass handeln mehr gilt als gemessen.“ (O.
N. S. 130.) Und nach der Leipziger Schlacht (ebend. S. 127):
„Was ich hier erlebt habe, ist grösser und herrlicher, als was wir
in den Büchern der Griechen oder Römer lesen. Grösseres werde
ich nie erleben, und darum könnte ich allenfalls jetzt wohl aus
der Welt gehen, wenn ich nicht noch Lust hätte zu sehen, ob in
diesem Freiheitskriege nicht auch die Schulmeister ein wohl-
thätiges hitziges Fieber bekommen würden .... Ich glaube, dass
Kirche und Schule durch diesen Krieg eiuen starken und wohl-
thätigen Anstoss bekommen haben . . . Wenn die jetzige Zeit
gut benutzt wird, dann wird unser Volkssehulwesen von
Grund aus eine Umgestaltung erfahren und in eine ver-
nünftige Beziehung zum Staate und Volke gebracht
werden. Schon vor Ausbruch des Krieges war unser Departe-
ment damit beschäftigt, eine Instruktion über die Einrich-
tung der Schule zu entwerfen. Wahrscheinlich wird diese in
kurzem erlassen und veröffentlicht werden; und sie wird hoffent-
lich für das Schulwesen in allen deutschen Landen eine
wichtige Erscheinung sein.“
Die so bedeutsam angekündigte „Instruktion“ ist nichts
anderes als der Süvern’sche Entwurf einer einheitlichen
Regelung des gesamten preussischen Schulwesens. Natorp hat an
dem die Einrichtung der Elementarschulen betreffenden Teile
dieses Entwurfs hervorragenden Anteil. „Am 11. Oktober 1812,“
teilt Dilthey (Art. Süvern, Allg. D. Biogr. XXXVII, 238) aus
den Akten mit, „hatte Natorp von Süvern den Auftrag erhalten,
eine Instruktion aufzustellen, welche die allgemeinen Grundsätze,
nach denen Elementarschulen einzurichten sind, für die admini-
strierende Behörde, die Schulvorstände und Lehrer enthalte; am
5. Dezember lief diese ein und wurde dann von Süvern seinem
Entwürfe zu Grunde gelegt“
Über die Bedeutung des Entwurfs urteilt derselbe Autor
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1895. Ludwig Xatorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 273
(S. 239): „Zum ersten Male fasste eine deutsche Verwaltung den
Plan, das ganze Schulwesen als ein integrirendes Glied
des ganzen Staatsorganismus zu ordnen. Eine solche
Organisation hatte in revolutionärem Geiste Condorcet 1 ) 1791/92
entworfen, Napoleon hatte sie im Sinne des französischen Cäsaris-
mus ausgeführt: nun stellte dieser Organisation des französischen
Schulwesens Deutschland seine eigene gegenüber. Wie überlegen
waren zunächst die Intentionen dieser deutschen Reform der
mechanischen Trennung der heutigen Schulen. Damals versuchte
man dem Schüler die Möglichkeit zu geben, von einer Anstalt
auf eine höhere überzugehen.“ — Der Grundgedanke der ein-
heitlichen Organisation des gesamten nationalen Bildungswesens
war Gemeingut der bedeutenden Männer alle, die für die Ver-
besserung des prcussischen Schulwesens damals thätig waren.
Der Freiherr vom Stein hatte ihn in seinem berühmten „Ab-
schiedsschreiben“ gleichsam als Vermächtnis hinterlassen: es komme
darauf an, „die Disharmonie, die im Volke stattfindet, den Kampf
der Stände unter sich, der uns unglücklich machte, zu vernichten,
gesetzlich die Möglichkeit aufzustellcn, dass jeder im Volke
seine Kräfte frei in moralischer Richtung entwickeln könne“; und
in dieser Hinsicht sei „am meisten von der Erziehung und dem
Unterricht der Jugend zu erwarten“. Mit der Forderung aber
einer „auf die innere Natur des Menschen gegründeten
Methode“, durch die „jede Geisteskraft von innen heraus ent-
wickelt, jedes edle Lebensprinzip angereizt und genährt und so
alle einseitige Bildung vermieden“ werde, hatte er sich auf den
Boden der Pestalozzischen Grundsätze gestellt. Ganz die
gleichen Gesinnungen äussert der Frh. von Vincke in einem kurz
vor der Übersiedelung nach Potsdam aufgezcichneten Entwurf.
Auch er verlangt „für den öffentlichen Unterricht die plun-
mässige hierarchische Ordnung der verschiedenen Schul-
anstalten“ ; auch er beklagt, dass die öffentlichen Bildungsanstalten
bisher allein für die höheren Stände zu existieren schienen;
für die andern sei bloss geschrieben. Und er verlangt, ganz im
Sinne des Natorp'schen Grundrisses, „die Verbannung alles
Religionsunterschiedes aus den Schulen mit Übertragung
des Religionsunterrichtes an die Prediger jedes Glaubens“. Diese
■) Vgl. M.H. d. C.G. 1894, S. 128—140.
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274
Natarp,
Heft 9 u. 10.
längst gestellte Forderung einer einheitlichen Ordnung des Schul-
wesens auf Grundlage der allgemeinen Volksschule war der
Süvemsehe Entwurf zu verwirklichen bestimmt Dem entsprechen
seine grundlegenden Paragraphen: Die öffentlichen und all-
gemeinen Schulanstalten bezwecken die allgemeine Bildung
des Menschen an sich, nicht seine unmittelbare Vorbereitung
zu besonderen einzelnen Berufsarten; sie bilden, als Stamm und
Mittelpunkt für die Jugenderziehung des Volkes, die Grundlage
der gesamten Nationalcrzielmng. Die Erziehung der Jugend für
ihre bürgerliche Bestimmung soll auf ihre möglichste allgemein-
menschliche Ausbildung gegründet werden. Zu solchem Zweck
sollen diese Anstidten die allgemeine Jugendbildung vom Anfänge
des Schulunterrichts bis zu der Grenze, wo die Universität sie
aufnimmt, durch drei wesentliche Stufen durchführen: allgemeine
Elementarschule, allgemeine Stadtschule, Gymnasium. „Alle diese
Stufen müssen auf ihren Endzweck so fest gerichtet sein, dass
sie zusammen wie eine einzige grosse Anstalt für die
National-J ugendbildung betrachtet werden können. Es
muss daher ihre ganze Anlage auf einem in sich übereinstimmenden
System der letzteren beruhen“, so dass jede Stufe, indem sie
ihre eigenen Zwecke verfolgt, zugleich auf die nächste höhere
Stufe vorbereiten kann. Im einzelnen beweist die Auswahl der
Fächer für die Elementar- und allgemeine Stadtschule, die Ver-
knüpfung des Zeichnens mit der „Form- und Massverhältnislehre“,
die Betonung des Gesangunterrichts u. a. nicht bloss den Einfluss
des Pestalozzischen Geistes überhaupt, sondern erinnert noch
besonders an Natorps „Grundriss“.
Der Entwurf ist, wie man weiss, nicht Gesetz geworden;
die damit gestellte Aufgabe harrt noch ihrer I/Ösung, ja die Aus-
sicht auf eine solche ist mit jedem neuen Anlauf leider ferner
genickt. Von dem Geist jener Tage ist in den folgernden Ent-
würfen immer weniger und bald nichts mehr zu spüren. Doch
war es unschätzbar, dass zum wenigsten einzelne Männer, die.
von solchem Geiste beseelt waren, in der Verwaltung bleiben und
so doch im kleinen und besonderen wirken durften, was für
ihren Staat im ganzen zu leisten ihnen versagt blieb. Und da
war ein Praktiker wie Natorp so recht an seinem Platze.
Bei seinem Amtsantritt hatte Humboldt ihm geschrieben
(11. März 1809): „Es ist mir nicht gelungen, mir hier alle Ihre
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1895. Ludwig Natorp. Kin Beitrag zur Geschichte etc. 275
Schriften zu verschaffen; allein diejenigen, die ich fand, habeich
mit Aufmerksamkeit durchgelesen, und mich auch dadurch über-
zeugt, wie viel der Staat sich für einen der wichtigsten Teile
der Nationalerziehung von einem Manne zu versprechen hat,
der so richtige und aufgeklärte Grundsätze, einen so reinen und
warmen Eifer für das Gute und eine so reife Erfahrung in sich
vereinigt Seit dem ersten Augenblicke, da ich mich mit dem
Gedanken an meinen jetzigen Posten beschäftigte, lag mir die
Erziehung des Volkes, d. i. die Einrichtung der Land- und
niederen Bürgerschulen, als der wirklich dringendste
Teil meines Geschäftes und die Basis aller Erziehung
vorzüglich am Herzen, und ich empfinde eine wahre Beruhigung,
hierin einen solchen Geholfen zu erhalten.“ Und am 23. Mai:
„Sie und der brave und thätige Herr von Vincke sind gerade die
Männer, zu denen ich das sichere Vertrauen hegen kann, dass
die Schulen der Kurmark zu einem solchen Grade der Güte und
Vollkommenheit gebracht werden können, dass sie denen der
anderen Provinzen zum Muster und zur Nachbildung dienen.“
Damit war Natorp seine Aufgabe vorgezeichnet Das Schulwesen
der Kurmark war in schlimmerer Verfassung, als damals bereits
das westfälische. Eine allgemeine Reform blieb Vorbehalten , bis
die Erfolge der in der Provinz Preussen damals durch Zeller
unternommenen Versuche mit der Pestalozzischen Methode sich
gezeigt hätten; inzwischen war Natorp in seiner Provinz freie
Hand gelassen. Auf unermüdlichen Inspektionsreisen griff er
überall persönlich ein; er machte den Schullehrern das Unter-
richten selbst vor, indem sie die Schüler spielen mussten; war
ein Pensum eingeübt, so machte einer der vorherigen Schüler den
Lehrer n. s. f. „So wurde (berichtet er) innerhalb zweier Tage
eine Stufe nach der andern erstiegen, und wir standen so weit
oben, wie für jetzt die Elementarschnle kommen sollte. Nichts
von Theorie; alles ein Vor- und Nachmachen!“ (O. N. 109.) Er
sorgt für Beschaffung der Schiefertafeln, Fibeln, Wandtafeln,
Einrichtung von Lehrerkonferenzen , Lesezirkeln, vor allem für
Kenntnis und Einführung der besseren Methoden. Tüchtige
Lehrer wurden in Fehrbellin ausgebildet, um dann in der Provinz
„hin und wieder Funken zu schlagen“, d. i. durch an verschiedenen
Orten eingerichtete Kurse die gewonnenen Vorteile weiter zu
verbreiten. Ein Schullehrerseminar wurde in Aussicht genommen,
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Heft 0 u. 10.
276 Natorp,
eine Bürgerschule zu Potsdam nach Natorps Vorschlägen ein-
gerichtet
Allenthalben war es sein Bestreben, wie er im Vorwort zur
2. Auflage des „Briefwechsels“ sagt, „den Übergang aus der
vorigen Periode des Volksschulwesens in die jetzige befördern
und an das bisherige Gute das in der neuesten Zeit gewonnene
und bewährt gefundene Bessere auf eine nicht stürmische Weise
anknüpfen zu helfen.“ Das „Bessere“ sind, wie das ganze Buch
beweist, die Pestalozzischen Grundsätze; in der Abwehr der
„stürmischen Weise“ der Einführung liegt zugleich eine deutliche
Kritik der Art, wie die Pestalozzianer vielfach auftraten; diese
allein machte das „Bessere“ ungerechtfertigter Weise zum Feind
des „bisherigen Guten“, das ein so besonnener Praktiker unmög-
lich übersehen oder geringachten konnte. So wendet er sich
(ebenda 1 36) nicht ohne Schärfe gegen den „neumodischen
Schwindel“, die „pädagogische Sektiererei“ der Pestalozzianer; und
erkennt doch in demselben Satze wiederum den Anbruch einer
„neuen Periode der Pädagogik“ an.
In den drei Bändchen: „Briefwechsel einiger Schul-
lehrer und Schulfreunde“ (1811, 1813 und 1816) findet man
annähernd das niedergelegt, was er zur Hebung der Volksschule
zunächst angestrebt und durch direktes persönliches Eingreifen
in zwei Provinzen durchzuführen sieh bemüht hat Das Werk
war ursprünglich nur als veranschaulichende Beigabe eines um-
fassenden „Grundrisses der Volksschulkunde“ gedacht; die Aus-
arbeitung des letztem unterblieb vielleicht nur deshalb, weil der
„Briefwechsel“ nach und nach so ziemlich das, was der „Grund-
riss“ behandeln sollte, in sich aufgenommen hatte. Thatsächlich
bleibt kaum ein wesentlicher Punkt darin unberührt. Eine Analyse
des ganzen Werkes geht über die Absicht dieser Skizze hinaus;
doch soll, was irgend von grundsätzlicher Bedeutung ist, hier zu-
sammengetragen werden.
„Ich fange nicht am Ganzen, sondern nach einem
das Ganze umfassenden Plane am Einzelnen an; ich suche
das vorfindlichc Gute zu befestigen und weiter zu fördern.“
So spricht er einmal vorzüglich klar die Eigenheit seines Wirkens
aus (II 176). Diesen „das Ganze umfassenden Plan“ haben wir
nun darzulegen. Schon das frühere Werk stellte eine ausge-
zeichnete Disposition auf; diese wird im „Briefwechsel“ in der
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1895.
Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc.
277
Hauptsache festgehalten, doch weiter uusgearbeitet und vertieft
(s. den 16., 23. und vorzüglich den 28. Brief). In einem „voll-
ständigen Grundriss zu dem Gebäude des Schulunterrichts“ (III
18) muss die Schule 1. an und für sich selbst, 2. in ihrem Ver-
hältnis zu der Gemeinde betrachtet werden; in ersterer Hinsicht
sind die beiden Hauptbestandteile Unterweisung und Zucht (III
175). Hinsichtlich der Unterweisung ist das Erste die Festsetzung
der Lehrgegcnständc. Da will es ihm nicht genügen, wenn
„nach der gemeinen Weise“ Lesen, Schreiben, Rechnen und der
Katechismus als das Quadrat der Schulbildung im Unterrichtsplan
aufgestellt wird (III 176); Lesen und Schreiben sind gar nicht
Hauptuiiterrichtsgcgcnstände, sondern nur etwas zu einem Haupt-
unterrichtsgegeustande gehöriges (19 f.). Seine Fächer sind: 1. aus
dem Gebiete der Sprachen die Muttersprache; der Sprachunter-
richt schliesst in sieh Losen, Rechtschreiben und sog. Denk-
übungen; 2. aus dem Gebiete der Wissenschaften: Mathematik,
ein Inbegriff gemeinnütziger Kenntnisse aus den Fächern der
Naturkunde, der Gewerbkunde, der Erdbeschreibung und der Ge-
schichte (S. 11 als „Realkenntnisse“ zusammengefasst), und Re-
ligionslehre; 3. aus dem Gebiete der Kunstgcschicklichkeiten
Musik und Zeichnen, einschliessend das Schreiben als blosses
richtiges Nachbilden der Schriftzeichen. Endlich wird „in der
Hoffnung, dass auch in Hinsicht der Bildung des Körpere den
Schulen einmal wieder ihr Recht wiederfahren werde“, die Gym-
nastik hinzugefügt (176 ff.) 1 ). Das zweite Hauptstück ist die
Abgrenzung der Unterrichts -Kurse für jedes einzelne Lehrfach,
') Das wanne Interesse für Gymnastik spricht sich oftmals aus (vgl.
oben S. 273). So III Hi f. „Lassen Sie mich’s kurz sagen: ich holte die
Gymnastik für ein» der Hauptfächer unter denen, welche den Kreis der
Erziehung unsrer Volksjugend bilden, und jede Schule, welche die gym-
nastischen Übungen ausschliesst , halte ich für eine einseitige Erziehungs-
anstalt.“ Er weist hin auf den „Wink, der hier durch die grossen Ereignisse
der Zeit gegeben wird. Möge das gegenwärtige Zeitalter uns auch in diesem
Stücke au» der Verblendung, in welche die neue Welt geraten ist, heraus-
reisseil und zu der Weisheit der Gesetzgeber und Erzieher unter den ge-
bildeteren Völkern der alten Welt zurückführvu.“ Er „hofft und glaubt
(2!>T), dass man in der gegenwärtigen Zeit der [>olitischen und pädagogischen
Krise diese vergessenen Übungen endlich wieder hervorrufen und allgemein
cinführen werde.“ Er weist hin auf die Jahnsehe Turnschule, uuf Jahn’»,
Arndt’» u. a. Schriften.
3IunAl«bt‘(te der C'omcniu»->Ucscllachafl. 18%. 1 (i
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278
Xatorp,
Heft fl u. 10.
und demnächst die Festsetzung des in jedem Lehrfach und jedem
Kurs innczuhaltcnden Stufe »ganges der Unterweisungen und
Übungen, in dessen Befolgung das Wesen der wahren Lehr-
methode besteht (181. 185; vgl. 20 unter 2. und 3. Die genauere
Ausführung dieses wichtigsten Kapitels weiter unten). Auf dieser
Grundlage lässt sich dann drittens der vollständige Lehrplan
(Lektionsplnn) aufstellen (192 ff. vgl. 21 unter 4. und 5.). Be-
treffen diese drei Stücke den Unterricht, so ist der andere Haupt-
teil die Disciplin oder Schulzueht (194. 21 ff.). Es muss endlich
das Verhältnis der Schule zu Gemeinde und Staat erwogen
werden (198 ff.; weniger scharf ist dieser Teil im 23. Brief ab-
gegrenzt). — Die sonst vorzügliche Disposition lässt allenfalls
eines vermissen, was in der Schrift „Bell und Lancaster“ (1817,
S. 123) als „Lehrfomi“ von der „Methode“ unterschieden wird.
Gemeint ist, im Unterschied von der Befolgung des Stufengangs
in den einzelnen Fächern, dasjenige Allgemeine, was bei allem
Unterrichten auf jeder Stufe vorkommt: das Verfahren des Ab-
frageus, der „sokrutisierenden“ Unterredung, des Vortrags u. s. f.
Hier beschränkt sich Xatorp wesentlich darauf, statt des Zwanges
einer einzigen Lehrform die Mannigfaltigkeit der Formen, je nach
den verschiedenen Zwecken des Unterrichts, die Bewegungsfreiheit
des Lehrers und genaue Anpassung des Verfahrens an die Indi-
vidualität des Schülers zu empfehlen. Hauptsächlich dies hat er
im Sinn, wenn er öfter gegen das Mechanisieren des Unterrichts
eifert; wenn er allgemein ausspricht (O. X. 67): „In Fesseln kann
sich kein Mensch gut bewegen, am wenigsten ein Schulmanu.“
Sonst aber hat er den Wert der Methode wahrlich geschätzt, ja
einer „weisen Mechanisierung“ des Unterrichts (Brfw. I 100, ähn-
lich Grundr. 57) öfters das Wort geredet, vollends auf strengste
Pünktlichkeit, Ordnung und Zeiteinteilung in der Schule jederzeit
gedrungen.
Eine überzeugende Ableitung der Unterrichtsgegen-
stände aus einer einzigen Wurzel war schon Pestalozzi nicht
recht gelungen, so tief und entwicklungsfähig an sich der Hinweis
auf die formalen als die Grundbestandteile der menschlichen
Bildung war. Es fehlte dazu ihm, und es fehlte auch Xatorp zu
sehr uu eigentlich philosophischer Schulung; so kamen beide über
ein äusserliches Nebeneinander eines formalen und eines materialen
Einteilungsgrundes nicht hinaus. Prinzipiell weiss dagegen Xatorp
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 279
sehr gut zu sageu, dass es auf Ausbildung der menschlichen
Fähigkeiten und Kräfte, nicht auf blosse Entwickelung einer
„bestimmten Summe von Wissen, Kenntnis und Geschicklichkeit“
ankomme (I 176). So gilt ihm der Unterricht im Schönschreiben
vornehmlich als Übung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens,
als Übung der Hand, als Vorübung zum Zeichnen (so wie umge-
kehrt), und als mathematische Vorübung (ebenda). So vermisst
er (I 46) im Rochowschen Lehrsystem den Unterricht in der
Formenlehre und dem „darauf gegründeten“ Zeichnen; von diesem
sei der Schreibunterricht nur ein Teil, den Rochow überdies zu
gering geachtet und nicht methodisch genug bearbeitet habe. So
unterscheidet er allgemein mit Pestalozzi die intensive von der
extensiven Bildung (I 64; Lanc. 238); auf jener beruht die
Weckung des Schülers zur Selbstthätigkeit, die endlich so weit
führen muss, dass es nur noch der methodischen Anleitung zum
eignen Lernen bedarf (1 63 f.): „Ich helfe dem Schüler auf die
Spur, zeige ihm den Weg, aber den Weg muss er selbst gehen,
zum Führen habe ich weder Zeit noch Lust.“
In der für seine pädagogische Grundauffassung überhaupt
interessanten Vergleichung der Rochowschen und Pestalozzischen
Prinzipien (3. Brief, I 37 ff.) wird die Frage wenigstens gestreift,
welches wohl die menschlichen Grundkräftc sein möchten. Er
entscheidet sich, als echter Rationalist, dahin, dass „das Denk-
vermögen, im weitem Sinne genommen, die Grundkraft und
der Grund aller Thütigkeiten und Regungen des menschlichen
Geistes“ sei. Wenn man ausserdem noch ein Gefühlsvermögen und
ein Begehrungsvermögen als Grundkräftc anführe, so sei das „eine
Zersplitterung des Gemüts, die genau genommen nicht stattfinden
darf. Der menschliche Geist ist nur Einer, und nur Eine
ist die Grund- oder Urkraft desselben . . . Das was man Ge-
fühlsvermögcn und Begehrungsvermögen zu nennen pflegt, wird
von selbst gebildet, wenn dem Denken nur die gehörige Richtung
gegeben wird auf das, was wahr, schön, recht, gut und edel ist.“
In dieser Richtung sei das Roehowsehe System (der Denkübungen)
„ganz richtig begründet, und namentlich trifft nun auch Pesta-
lozzi hierin mit Rochow völlig zusammen.“ Es ist immerhin
bemerkenswert, dass ein solcher Rationalist die Vielheit der „Ver-
mögen“ zu Gunsten einer einzigen Grundkraft — nicht etwa der
Herbartschen „Vorstellungen“ — aufzuheben geneigt ist; aber
19*
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280
Nutorp,
Heft 9 u. 10.
freilich bleibt so im Dunkeln, woher die Mehrheit der Bewusst-
seinsrichtungen , die man mit „Denken, Fühlen, Wollen“ etc.
bezeichnen wollte, eigentlich stammt.
Hat also Natorp hier einen Grundmangel des Pcstulozzischcn
Systems nicht zu überwinden gewusst, so hat er sich desto reiner
und klarer das zu eigen gemacht, worin dessen vorzügliche Stärke
lag: die prinzipielle Forderung eines „nach psychologischen Grund-
sätzen bestimmt abgemessenen Stufenganges des Unterrichts.“
Das hauptsächlich ist es, was er bei der Rochowschen Methode
vermisst; und doch hiess es, dass darin überhaupt das Wesen der
Methode enthalten sei (S. I 51; II 230 ff. 235 Bell u. Lanc.; 112 f .).
Eine besonders schöne Ausführung über diesen Punkt findet sieh
im 28sten Brief (III 180 ff.). Das W esen des „elementarischen
Verfahrens“ (II 235) besteht darin: zuerst den Lehrgegenstaud
in seine Elemente oder Bestandteile zu zerlegen, wodurch man
den „naturgemässen Gang kennen lernt, welchen in jedem Ixdir-
faehe die Unterweisung nehmen muss“, und demnächst, wenn die
Auflösung vollendet ist, „vom ersten Anfangspunkte an den Gegen-
stand aus seinen Bestandteilen wieder zusammenzusetzen“. So
wird aus den Bestandteilen eines Lohrgegenstandes ein in sich
zusammenhängendes geordnetes Ganzes, indem man sie „in einer
seiner Natur entsprechenden Ordnung zusammensetzt und unter
einander verbindet“ (180. 185). Und zwar lässt sich ein jeder
lehrgegenstaud in gewisse Hauptabteilungen oder Hauptglieder
zerlegen. Es gilt daher zunächst in einem jeden der für den In-
begriff des Schulunterrichts aufgestellten Lehrfächer die Haupt-
oder Grundteile aufzusuchen; dann lässt sieh desto sicherer
und leichter die Ordnung und Folge auffinden, in welcher die
Elemente eines jeden Hauptteils zusammengesetzt und unter ein-
ander verbunden werden müssen; so wie, wer die Hauptstationen
einer Strasse kennt, desto leichter den Weg von einer Station
zur andern und so bis uns Ziel findet Daraus ergeben sich denn
die beiden oben unterschiedenen Hauptpunkte der Methodik: die
Kurse und der Stufengang des Unterrichts (181). Ist dieses
beides für ein jedes Lehrfach bestimmt, so ist cs eine wahre
Freude zu sehen, wie der Lehrer, ohne seine Freiheit und seine
natürliche Eigentümlichkeit ungebührlich beschränkt zu fühlen, bei
seiner Unterweisung einen durchaus festen und in allen seinen
Teilen geregelten Gang geht; wie er nirgends in Gefahr kommt
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 281
vom rechten und sicheren Wege sich zn verirren; wie er anf
jedem Schritt seiner Sache gewiss ist, den sichern Erfolg vor
Angen sieht; wie der Schüler alles, was er thut, mit deutlichem
Bewusstsein thut, von allem Kode und Antwort geben kann, und
alle seine Arbeiten, die ersten wie die letzten, das Gepräge einer
gewissen Vollkommenheit tragen (186 f.). Solches Gelingen ist
das gewisse und unausbleibliche Resultat eines methodischen
Verfahrens (188). Schliesslich wird auch das erreicht, dass die
geübtem Schüler selbst die Methode und den Gang der Unter-
weisung richtig aufgefasst haben und imstande sind, selbst wieder
Kinder methodisch zu unterweisen (I 84). Besonders lehrreich
und überzeugend ist die Anwendung, die Natorp von diesen
methodologischen Grundsätzen auf sein Lieblingsfach, die Gesang-
lehre macht (s. den 22sten Brief, II 234 ff., auch III 236 f., und
„Anleitung zur Unterweisung im Singen“, zuerst erschienen 1813»
dann in einer Reihe von Auflagen). Durch scharfe Auscinander-
legung der „Grundteile“ des Gesangs (Rhythmik, Melodik, Dyna-
mik) bis auf die ersten Anfangspunkte des Unterrichts (Brfw.
III 236) erreicht er auch hier ein streng „elementarisches“ Ver-
fahren, die bis dahin auch von den Pestalozzianern (Nägeli-Pfeiffer)
verfehlte bestimmte Abgrenzung der Kurse, und damit eine
„lückenlose Reihenfolge“ der Unterweisungen und Übungen. Die
Natorpsche Gesanglehre ist ein Musterbeispiel Pestalozzischer
Methode.
Neben dem „Unterricht“ wird die „Zucht“ nicht vernach-
lässigt. Wenn die „Grundkraft“ der menschlichen Bildung nur
eine ist, nämlich das Denken, so erwartet man fast die Konse-
quenz, dass das Wesentliche der moralischen Erziehung im
Unterricht mitenthalten sei. Natorp vertritt in der That die
Auffassung, dass der richtig erteilte Unterricht schon „der be-
deutendste Teil der Erziehung“ sei (Grundr. 217, ähnlich Brfw.
III 194). Doch verfällt er darum nicht in die Einseitigkeit der
Herbartschen Theorie des „erziehenden Unterrichts“, als ob der
Unterricht geradezu das Ganze der Willensbildung in sich auf-
nehmen könnte. „Es müssen zum Unterricht auch noch gewisse
Veranstaltungen hinzukommen, durch welche man alles, was in
der Schule geschieht, geradezu auf die Erziehung hinrichtet, die
Schüler als Glieder eines Vereins oder als Bürger eines
kleinen Staates aufstellt, in welchem sie auf das praktische
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282
Natorp,
Heft 9 u. 10.
Leben, welches die Schule im kleinen abbildct, vorbereitet wer-
den“ (III 194). Das ist ein Licblingsgedanke seiner Pädagogik:
die Schule eine „Darstellung des bürgerlichen Lebens im Kleinen“
(III 22). Daneben wird auch hier (vgl. oben S. 269) die väter-
liche Stellung des Lehrers zum Schüler betont (24); in „Bell und
Lancaster“ (S. 67) verbindet sich beides: die Schüler sollen in
ihrem kleinen Schulstaate das Bild der häuslichen und staats-
bürgerlichen Verfassung sehen . . .; was der Hausherr in der
Familie und der Landosrcgent im Staat ist, das ist der Schul-
meister in der Schule u. s. f. Auf jede Weise giebt sich als
Grundgedanke zu erkennen: das Leben in einer gesetzlich geord-
neten Gemeinschaft ist es, welches erzieht; die Schule ist er-
ziehend, nicht allein weil und sofern sie unterrichtet, sondern weil
und sofern sie eine eigene und bedeutsame Form der Gemein-
schaft darstellt Damit streitet nicht, sondern harmoniert aufs
beste, dass als oberstes Prinzip der sittlichen Erziehung die Ach-
tung der Vernunft im Kinde vorausgesetzt wird (so bes. Laue.
267 ff.; Bell u. Laue. 87 ff.). Es ist für ihn „ausgemacht, dass
man sieh bei den Bestrafungen aller unmenschlichen und ent-
ehrenden Strafmittel schlechterdings und ohne alle Ausnahme
enthalten müsse und dass die Misshandlung der Unmündigen ein
doppeltes Verbrechen, ein Verbrechen gegen den Menschen im
Kinde und ein Verbrechen gegen das Kind im Menschen sei“
(Bell u. Lanc. 98). „Im Ideal einer guten Schule ist es ein
wesentlicher Charakterzug, dass alle positiven Belohnungen und
Bestrafungen überflüssig erscheinen und dass jeder Schüler nicht
sowohl mit andern als mit sich selbst wetteifere“ (95). Für die
Durchführbarkeit dieses Grundsatzes bezieht er sich auch hier
auf das Beispiel, das Pestalozzi (nach Horstigs Bericht) gegeben
habe (96 f.; Briefw. III 25 führt er Rousseau an).
Stärkere Beweise für den bestimmenden Einfluss Pesta-
lozzis auf Natorp kann man nicht verlangen, stimmt doch das
Angeführte Punkt für Punkt, dem Geist und oft dem Buchstaben
nach mit Pestalozzi überein. Die volle Wärme der damals so
allgemeinen Begeisterung für den Unvergleichlichen bricht denn
auch mehrmals 1 ) durch; so im 8. Brief (I 145 ff.), wo in einer
') Einen wahren Hymnus auf den „Propheten“ Pestalozzi stimmt der
Schluss der oben erwähnten Epistel ( Quart ulschr. IV, 2, 1SIJ6, S. 117) an.
Der fragliche Passus ist indesscu im „Briefwechsel“ gestrichen.
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185)5. Ludwig Nntorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 283
geschilderten Zusammenkunft von Schullehrern ein Beteiligter von
einem Besuche bei Pestalozzi selbst erzählt: „Da hätten Sie das
frohe Staunen und das Herandrängen sehen und das Ausfragen
hören sollen . . . Einige wollten mich sofort zur Schule hinreissen,
dass ich mit Kindern aus der Nachbarschaft, die sie sogleich
beitreiben wollten, auf pestnlozzische Weise Schule halten sollte,
damit sie, wie sie sich ausdrückten , endlich einmal mit Augen
sähen, wie Pestalozzi es mache.“ Einer besonders, der sich mit
Pestalozzi schon eingehend beschäftigt hat, ist gar nicht zu er-
sättigen; er zeigt sich bereit« „tief in den Geist der Pestalozzi-
schen Systems eingedrungen“; es beweist sich an ihm, „wie weit
es ein Schullehrer von gesunden Fähigkeiten und unverschrobenem
Urteil bloss durch einen kräftigen Eifer bringen kann, sobald ihm
nur eine bestimmte und helle Ansicht des Wesens der Ele-
mentarbildung eröffnet worden“. Besondere Veranlassung gab
ihm die Auseinandersetzung über „Bell und Lancaster“, die Über-
legenheit des deutschen, durch Pestalozzi auf den rechten Weg
geleiteten Elementarunterrichts über das neue, vom Ausland her
mit vielem Pomp angepriesene System in helles Licht zu stellen.
Der von ihm üusserst geschätzte Vorzug der pünktlichsten Ord-
nung und damit erreichten Zeitersparnis lässt ihn über den rohen
Mechanismus des Bell - Linensterschon Verfahrens nicht hinweg-
sehen. Kr findet die Behauptung einer Verwandtschaft desselben
mit dem Pestalozzis völlig unbegründet. „In Pestalozzis Schrift
Wie Gertrud ihre Kinder lehrt - ist freilich auch irgendwo von
dem Mechanisieren und von dem Mechanismus des Unterrichts
die Bede, aber in einem andern Sinn des Worts, und der Aus-
druck, statt dessen man lieber den Ausdruck Organisieren und
Organismus des Unterrichts hätte gebrauchen sollen, hat zu vielen
Missverständnissen und irrigen Ansichten Veranlassung gegeben.
Indess hat Pestalozzi niemals eine Schule als ein Maschinenwerk
und die Unterweisung als ein maschinenmässiges Getreibe an-
gesehen und behandelt wissen wollen. Vielmehr geht sein Haupt-
bemühen dahin, allen geistlähmenden Mechanismus aus den Schulen
zu verbannen .... Fast alles, was in der Laucast er-Bcllschen
Schule in Betreff der Materie und der Form des Unterrichts
geschieht, liegt unter dem Gesichtskreise der Pestalozzischen
Schule . . . Und anders als so kann man überhaupt nicht, darüber
urteilen. Bei der höheren Idee, welche wir Deutschen von einer
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284
Natorp,
lieft 9 u. 10.
Volksschule haben, und nach dem, was wir von einem Volks-
sehullehrer zu verlangen gewohnt sind, müssen wir über den uns
so laut angepriesenen neuen britischen Unterricht stutzig werden“
(S. 101 f.).
In derselben gehaltreichen Schrift, die eine wichtige Ergänzung
zum „Briefwechsel“ bildet, finden sich bedeutsame Ausführungen
über das Verhältnis der Schule zu Staat und Gesellschaft.
Die Lancaster-Methode war ersichtlich hervorgerufen durch das
Entstehen der neuen Klasse des industriellen Proletariats.
Es ist von socialpsychologischem Interesse, dass sieh die Herab-
würdigung des Arbeiters zur Maschine, welche die nächste Folge
des Wachstums der Grossindustrie war, bis auf die pädagogische
Theorie und Praxis erstreckte ; verglich doch Lancaster selbst den
Schulbetrieb nach seiner Methode unbefangen mit dem Getriebe
einer Fabrik, und war doch seine Methode ausdrücklich auf die
Kinder des Proletariats berechnet. In Deutschland gab es damals
kein industrielles Proletariat; um so weniger war man versucht,
ein derart manchesterliches Verfahren der Volksbildung auf
deutschen Boden zu übertragen. Man glaubte gegen dergleichen
auf immer geschützt zu sein durch die grundsätzliche An-
erkennung der Schule als Staatsanstalt. „Unsere Volks-
schulen,“ erklärt Natoqi (a. a. O.), „sind ursprünglich zwar grossen-
teils aus der Kirche und dem kirchlichen Bedürfnis hervorgegangen;
aber sie sind auch sehr bald Angelegenheit des Staats geworden.“
Privatschulen werden nur als augenblicklich notwendige Übel
angesehen (58). Überall ist man bemüht, dem öffentlichen Volks-
schulwesen eine solche Verfassung und einen solchen Umfang zu
geben, dass cs nicht mehr nötig ist, Privatschulen zu dulden.
Durch weitere Ausdehnung der Privatsehulen würde das deutsche
Volksschulwesen einen bedeutenden Blickschritt thun (59). Es
ist „nicht ungewiss, dass eine Venvaltungsarf, welche mit der
Verfassung und den übrigen Einrichtungen im Lande in einem
genauen Zusammenhänge steht, ein festeres und kräftigeres Be-
stehen haben müsse, als eine Verwaltung, welche unter dem
zufälligen Drange der Umstände aus einem pädagogischen Enthu-
siasmus hervorgegangen ist und nur durch die Fortdauer dieses
Enthusiasmus . . . aufrecht erhalten werden kann . . . Das Organ
für die Begeisterung ist auch in Deutschland noch nicht erstorben.
Die Begeisterung hat aber in allen Ländern und unter allen Völkern
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 285
das Eigentümliche, dass sie keine bleibende Gemütsstimmung ist,
lind dass man so wenig Schulhäuser als andere Häuser darauf
bauen kann“ (61 f.). Der entscheidendste Vorzug der Öffentlich-
keit des Schulwesens aber ist seine Unabhängigkeit von dem
Gegensatz der gesellschaftlichen Klassen, die Erhaltung einer
gewissen Gleichheit, wenigstens auf dem geheiligten Boden der
Menschenbildung. „Ist von Freischulen für die Jugend der armen
Volksklassen die llede,“ sagt Natorp, „so wissen wir solche
bei uns gar nicht anzubringen. Wir haben nirgends solche zahl-
reiche Scharen von armen gedrückten Menschen, die als eine
besondere Klasse in der bürgerlichen Gesellschaft anzusehen
sind und für deren Kinder besondere Schulen zu errichten
nötig ist Auch können wir es gottlob nicht übers Herz bringen,
die Kinder der Armen von den Kindern ihrer vermögenderen
Mitbürger abzusondern und in besondere Schulen zu verbannen.“
Unsere deutschen Volksschulen stehen als „wirkliche Volks-
schulen“ da. In ihnen „kennt man ebenso wenig als auf
unsern Turnplätzen den Unterschied der Stände . . . .
Volkaschulen heissen sie bei uns, nicht weil sie für die venvahr-
losete Jugend aus den gemeinsten Klassen der Nation bestimmt
sind, sondern weil sie die Jugend aus der Gesamtheit des
Volks ohne Unterschied des Standes und des künftigen
Berufs in den Elemen tnrunterricht aufnehmen. Diese Einrichtung
hat die überaus heilsame Folge gehabt, dass weniger Pöbel unter
uns aufwachsen kann, dass die gemeiner erzogene Jugend an der
besser erzogenen sich veredelt, und dass kein wirklich Vernünftiger
und Gebildeter unter den Vornehmen Anstoss daran nehmen darf,
wenn er seine Kinder unter andern Kindern sitzen und lernen
sieht, welche minder vornehm sind als die seinigen“ (29 ff.). —
Diese Ausführungen bieten gegenwärtig ein besonderes Interesse,
wo wir im Widerspruch mit unseren besten nationalen Überliefe-
rungen in eine ausgeprägte Klassenpädagogik hincingeraten sind 1 ).
') Das ist leider nicht bloss meine pessimistische Ansicht. Unbefangene
ausländische Berichterstatter haben regelmässig diesen Eindruck erhalten.
So der nordamerikanische Itep. of the Coinmiss. of Ed. 1888, 89, I 33 f. :
The German school is not a common school The re is nowhere in
Gennanv a System of national schools . . . Different strata of society
in Germany have different schools. Ebenda XLI1I wird als besonders
auffällig die Kluft zwischen dem niedern und hohem Schulwesen, die plan-
müesige Erschwerung des Übergangs von der Volks- und Bürgerschule zur
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28(5
Natorp,
Heft 9 u. 10.
Vielleicht ist jene Ansicht der deutschen Volksschule selbst für
damals zu günstig; doch sicher war die verhältnismässig grösste
Annäherung an das bezeichnete Ideal damals erreicht und sind
seitdem, namentlich in Preussen, nur Rückschritte gemacht worden.
Noch ein besonders wichtiger Punkt bleibt zu erörtern : das
Verhältnis der Volksschule zur Religion nach Natorps Begriffen.
Diesterweg ') führt ids Zeugeu für den interkonfessionellen
Religionsunterricht neben Rochow, Dinter, Pestalozzi und
Fröbel auch Natorp an. Der „Briefwechsel“ enthält darüber aller-
dings nur eine leise Andeutung, nämlich im 25. Briefe, wo in
einem pädagogischen Reisebericht die günstigen Zustände eines
ländlichen Bezirks geschildert werden (III 79 f.) : „Bei den Schulen
findet keine Verschiedenheit nach dem kirchlichen Glaubens-
bekenntnisse statt; sie sind allgemeine Erziehungsanstalten für
die Jugend .... Die Schulordnung ist so bestimmt, dass der
Konfessionsunterschied weder bei dem Unterricht, noch bei der
Wahl der Lehrer in Betracht kommen kann.“ Ausführlich und
rückhaltlos dagegen äussert Natorp seine Überzeugung im „Grund-
riss“ vom Jahre 1804 und in einigen Aufsätzen der „Quartal-
schrift“ aus demselben Jahre. „Von Kirehentum und Sektentum
muss eine allgemeine Schule durchaus frei bleiben“ (Grundr. 173).
Der „eigentlich biblische“ Religionsunterricht ist den Religions-
lehrern der verschiedenen Konfessionen zu überlassen, „wenn nicht
ein unglücklicher hierarchischer esprit du corps in den Schulen
herrschend bleiben soll“ (176). Für die untern Stufen der all-
gemeinen Stadtschule ist ein besonderer Religionsunterricht in
Natorps Entwurf überhaupt nicht vorgesehen; doch bezwecken
die „Verstandesübungen“ oder „Unterredungen über wichtige An-
gelegenheiten des Geistes und Herzens“ hauptsächlich moralisch-
religiöse Unterweisung. Was die Art derselben betrifft, erklärt
sieh Natorp unumwunden gegen den „herztötenden Mechanismus
des leidigen Katechismuswesens“, durch den „die moralische Bildung
höheren Schule und Universität bemerkt. Eine orgauisehe Verbindung unter
den verschiedenen Schulgattungcn existiert nicht (vgl. oben 8. 278, was
Pilthoy von der „mechanischen Trennung'* der heutigen Schulen sagt). Der
Republikaner weis« sich diesen Zustand nur aus der — monarchischen Ver-
fassung zu erklären, die als Piedestal eine Aristokratie fordere 1 In Deutsch-
land gab es wenigstens zu Anfang dieses Jahrhunderts eine andere Auf-
fassung der Monarchie
‘J Ausgew. Sehr. IV 208.
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1805. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 287
nur aufgchalten, verhindert und missleitet werden kann“ (103 f.).
Er nennt es (139) ein „verjährtes Vorurteil, dass der Sinn für
Tugend und Religion vorzüglich durch das Lesen biblischer
Historienbücher, durch das Erlernen der mosaischen Gesetzes-
tafeln, der Busspsalmen und vieler biblischer Sprüche befördert
und überhaupt durch biblische Vorstellungen genährt werden
müsse : Der Weg zum Tempel der Weisheit, der längs Sinai und
Horeb führt, ist, aufs gelindeste gesagt, wenigstens ein Umweg.“
Die Tugend geht auch nicht aus der Kenntnis iigend eines Systems
hervor; es ist durchaus nicht nötig, dass die Unmündigen von
Geboten und Pflichten etwas zu sagen wissen; sie beruht weit
mehr auf Beispiel und Übung (104 f.). Soweit auf höherer Stufe
die Lehre etwas dazu thun soll, ist sie rein als Vernunftlchre
gedacht: man soll (150) den religiösen Glauben moralisch be-
gründen und demselben durch physikotheologischc Betrachtungen
und durch genaueres Einblickeidassen in die menschliche Natur
Kraft und Lebendigkeit geben. Auf der obersten Stufe soll der
Lehrer die allgemein anerkannten praktischen Resultate der Moral-
und Religionsphilosophie klar und einfach darlegen (173).
Das Leben Jesu mag man dabei benutzen, um das Ideal reiner
Moralität und wahrer Religiosität in den jugendlichen Seelen zu
begründen (175). — Seinem Rezensenten Eylert, dem diese Auf-
fassung „nicht christlich positiv genug“ schien, antwortet er nicht
ohne Schärfe (Quartalsehr. 1804, 2, S. 339): „E. will . . . mehr
das Historische und Bildliche des Christentums zur Basis
der Anerkennung der Autorität Jesu gemacht wissen; ich hingegen
mehr den inneren Gehalt der christlichen Religion, ohne jedoch
jenes Historische zu beseitigen .... Er dringt als Volkslehrer
auf moralischen Sinn und Wandel mehr aus der Überzeugung,
dass der Autoritätsglaube eine zuverlässige Stütze der Volks-
tugend und der Volkswohlfahrt sei; ich mehr aus der Über-
zeugung, dass die Anerkennung des durchaus vernnnftgemüssen
Inhalts der Religion Jesu und dieser vernunftgemässen Gebote
des Christentums als göttlicher Gebote eine durchaus unumstöss-
liche Basis sei .... Nach E.’s Meinung soll beim Volke der
historische Glaube die Moralität begründen; nach meiner
Meinung kann es in einem Menschen nicht mehr Religion als
Tugend geben, weil die Religiosität aus der moralischen
und ästhetischen Bildung hervorgehen soll.“ Noch be-
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288
Natorp,
Heft 9 u. 10.
stimmter im Kantischcn Sinne äussert er sich in einem andern
Aufsatz desselben Jahres (Epistel an den Fred. Busch, Quartal-
schrift 1804, 8, S. 498 ff.). „Wir sind bei unserem Religions-
unterrichte vom Wege der Natur 1 ) dergestalt abgewichen und
so lange abgewichen gewesen, dass es schwer hält, aus dem un-
natürlichen Gange, der uns zur Gewohnheit geworden ist, wieder
zurückzukommen.“ Er verlangt einen solchen Unterricht, der die
vorherrschenden eudämonistischen Grundsätze verwische, die
Tugendlehre als Pflichtgebot und als Gesetz Gottes, nicht als
ein positives statutarisches Landrecht erscheinen lasse. Er
tadelt an einem Katechismus, dass dadurch Blick und Herz des
Katcchumenen auf eine zu gewinnende Glückseligkeit gerichtet
werde. „Nehme man diese Ansicht durch Demonstration oder
durch Sophistereien in Schutz: es gicbt eine edlere der Mensch-
heit und der Gottheit würdigere Ansicht, die sich der
natürliche Mensch auch mit grösserer Freude und Teilnahme er-
öffnen lässt, als der Anhänger des Eudämonismus glaubt.“ Er
beruft sich auf Pestalozzi und seine Anhänger, auf Kant, auf
Jacobi; und er bringt (498) Herders Unterscheidung der
„Religion Jesu“ von der „Religion an Jesum“, d. i. „Anbetung
seiner Person und seines Kreuzes“ in Erinnerung.
Ich wüsste diese Reihe schlichter Anführungen nicht besser
zu schliessen als mit dem schönen Wort, das uns gleich auf der
ersten Seite seiner Biographie empfängt und die Menschenliebe
als den tiefsten Grund seiner Religionsauffassung enthüllt: „Uns
Menschen alle trägt doch der nämliche Erdboden; wir alle wandeln
den nämlichen Weg zum Grabe und zur Ewigkeit: was wären
wir denn, wenn wir unter solchen Verhältnissen über verschiedene
Meinungen uns entzweien, auf Andersdenkende mit Unwillen und
Abneigung herabblicken , unsere Herzen einander entfremden,
zwischen unsem Gemütern eine Scheidewand errichten, Genossen
anderer Kirchenparteien verketzern, drücken, kränken wollten?
Wunderliche Kinder, die dem Willen ihres Vaters widerstreben,
die Liebe gegen Bruder und Schwester verleugnen; thörichte
Wanderer, die ihren Gefährten ein freundliches Wohlwollen ver-
weigern, weil diese einen anderen Gang haben als sie.“ —
') So hatten nicht bloss Rousseau und Pestalozzi, sondern ebenfalls
Kant gesagt, in der Pädagogik Rosenkr. IX 431.
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 289
Mit diesem allen ist das pädagogische Verdienst Natorps
keineswegs erschöpft. Auf seinem eigensten Felde ist er erst da,
wo es sich um die praktischen und einzelnen Fragen der Schul-
Einrichtung und -Verwaltung, vorzüglich aber der Lehrerbildung
handelt. Du ist er unerschöpflich in Erfindungen und Mass-
nahmen, deren Anwendbarkeit und sichere Wirksamkeit unwider-
stehlich cinleuehtet Aber auch da spricht nirgends der kalte
Techniker; alles ist bis ins kleinste beseelt und durchwärmt von
heiliger Begeisterung für die unermesslich wichtige Aufgabe der
Volksbildung, von herzlicher Liebe für die Kinder und Kinder-
lehrer. Vor allein hatte er begriffen, dass man, um „das Schul-
elend bei der Wurzel anzugreifen“ (Brfw. 1 4), bei der Lehrer-
bildung einsetzen müsse; denn „eine jede Schule ist eine gute
Schule, wenn der Lehrer ein guter Lehrer ist“; sein Augenmerk
war daher „auf die Lehrer gerichtet, und fast nur auf diese allein“
(1. Br., vgl. II 121, III 171). Die Lehrer haben es ihm gedankt
durch eine seltene persönliche Anhänglichkeit, von der die Bio-
graphie rührende Beweise anführt. Doch diese Seite seines Wirkens
eignet sich weniger zur Darstellung, und es bedarf auch dessen
nicht, denn eben dies ist unnachahmlich dargestellt in seinem
„Briefwechsel“. Höchst glücklich hat Natorp die Grundzüge seiner
praktischen Pädagogik nicht in einem trockenen System, sondern
in der lebendigen Form persönlicher, brieflicher Mitteilungen unter
direkt beteiligten , Schullehrern und Schulfreunden“ dargelegt; da
gewinnt alles Farbe und Gestalt, wie es in keinem abstrakten
„Grundriss der Volksschulkunde“ möglich war. Wie anziehend
zumal für den Lehrer, über die ihn sonah angehenden Fragen vor-
zugsweise Ix’hrer zu Lehrern sprechen zu hören ! Auch ist nicht
allzu vieles in diesem Briefwechsel eigentlich veraltet zu nennen.
Gar manches zwar, was damals erst neuer Vorschlag war, ist in
unserm Volksschul wesen längst eingebürgert; aber vieles andere ist
noch heute und immer wieder neu, und auch was wir jetzt wie selbst-
verständlich hinnehmen, wird neu belebt, indem wir in eine Zeit
zurückversetzt werden, wo' es noch nicht so selbstverständlich war 1 ).
') Auch diese» Werk mit der ergänzenden Schrift über Bell und
Ioincaster würde daher einen Neudruck etwa in einer unserer pädagogischen
Bibliotheken, nötigenfalls mit einigen Kürzungen, wohl verdienen. Beide
sind zwar in Büdeker» Verlag noch vorrätig, doch für die Lehrer vielleicht
wohl zu kostspielig.
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200
Natorp,
Heft 9 u. 10.
Indem ich daher von dieser Seite der Natorpschcn Päda-
gogik absehe, bleibt mir nur übrig, die wichtigsten Daten seines
ferneren Lebensgang mitzuteilen. Der „Briefwechsel“ war noch
in Potsdam zum Abschluss gediehen. Nach wiederhergestelltera
Frieden verlangten die neugewonnenen westlichen Provinzen be-
sondere Fürsorge. Vincke wurde Oberpräsident von Westfalen;
ihm musste daran liegen, die bewährte Kraft Natorps der engeren
Heimat wiederzugewinnen. Und er selbst folgte gern dorthin,
um auf dem wohlbekannten Boden die liebgewordene Thätigkeit
fortzusetzen. Er kam 1810 als Oberkonsistorial- und Schulrat,
zugleich Gemeindeprediger nach Münster. Er wurde, auch von
katholischer Seite, mit Wärme aufgenommen, und alle Bedingungen
eines erspriesslichen Wirkens fanden sich zusammen, so dass er
schreiben konnte: „Zuletzt fühlt sieh unter allen versetzten Be-
amten niemand so wohl wie ich. Mich hat hier bis auf diesen
Augenblick noch nichts gequält. Die Zufriedenheit verfolgt mich“
(O. N. 141). Noch dreissig Jahre schöner Arbeit waren ihm
vergönnt. Sie betraf indessen fast mehr kirchliche als Sehul-
angelegenheiten. In ersterer Hinsicht sei nur die ausharrende
und erfolgreiche Sorge um die Hebung des Gemeindegesanges
hier erwähnt, von der die schöne Schrift „Über den Gesang in
den Kirchen der Protestanten“ (1817) und die Mitherausgabe des
viel gebrauchten „Natorp-Rincksehen Choralbuchs“ (zuerst 1829)
Zeugnis geben. Sein Wirken im Schulfach konnte nicht mehr
im gleichen Masse wie früher ein unmittelbar eingreifendes sein,
es beschränkte sieh mehr auf die Oberleitung; doch fand sein
warmherziger Anteil am Ergehen seiner Lehrer auch so noch Ge-
legenheit genug sich zu bethätigen. Besonderes Verdienst hat er
um die Reorganisation des Lehrerseminars zu Soest (1817) und
um die Gesangespflege auch unter den Lehrern. Seine im Zu-
sammenhang mit der Durchführung der neuen kirchlichen Ver-
fassung erfolgte Ernennung zum Vice-üeneralsupcrintendenten der
Provinz Westfalen (1880) geschah fast wider seinen Willen. Die
Wendung der inneren Politik seit dem Regierungsantritt Fried-
rich Wilhelms IV. konnte ihm vollends wenig sympathisch sein,
übrigens blieb er in seinem Wirken unbehelligt. Am 8. Februar
1840 setzte ein Nervenschlug seinem thätigen und in Thätigkeit
fröhlichen, auch in Familie und Freundschaft reich beglückten
Leben ein sanftes Ende. Die Lehrer Westfalens ehrten sein
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1895. Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc. 291
Andenken durch eine auf seinen Namen gegründete Stiftung zu
Gunsten der Lehrer -Witwen und -Waisen. Seine Büste wurde
bei einer Nachfeier seines 100. Geburtstages 1875 in der „mär-
kischen lluhtneshalle“ auf dein Kaisberg bei Herdecke neben der
des Frh. vom Stein aufgestellt
Mit einem Worte seiner Essener Abschiedsredc (1809),
welches die Grundzüge seines Wesens: Menschenliebe und selbst-
lose Pflichttreue, rein und warm ausspricht und so den Sinn seines
ganzen Wirkens bezeichnet, wollen auch wir von ihm Abschied
nehmen:
„Es ist uns ja allen das nämliche Tagewerk auf-
gegeben: unseres Gottes Werk zu wirken, Gutes zu
thun, die Sünde zu meiden, Menschenelend zu mildern,
Frömmigkeit und Frieden zu verbreiten, unser Herz zu
läutern, unsern Geist zu verklären . . . Die Güter, die
wir besitzen, sind nicht unser Eigentum, sie gehören
der M cnschheit; und was wir davon haben, ist uns von
Gott zur Verwaltung anvertraut, damit wir sic wieder
zum Besten der Menschheit, zur Beförderung der allge-
meinen Wohlfahrt verwenden.“
Verzeichnis der Schriften B. C. L. Xatorps
in chronologischer Folge ').
1. Beiträge in Tellers und Löfflers Magazin für Prediger. (Ich finde in
einem unvollständigen Exemplar des Magazins nur eine Predigt, unter-
zeichnet >vp, Bd. X 1, 171 ff., 1801.)
2. a. Die kleine Bibel. Für Freunde einer zweckmässigen Bibelleetiire
und zunächst für die erwachsene christliche Jugend bearbeitet von
B. C. L. Natorp, Prediger in Essen. 1. u. 2. TI. Essen, G. I). Bädeker,
1802.
*b. Die kleine Bibel. Herausgegeben von B. C. L. Natorp, 2 Teile.
2. verb. Au fl. Essen, G. D. Bädeker, 1823.
*3. B. C. L. Natorp Prediger» zu Essen Erinnerungen über den
Zweck, die Einrichtung und den Gebrauch des von ihm
herausgegebenen Bibelauszugs. Den Jngendlehrern, die sieh
desselben boy der Unterweisung der Schuljugend bedienen wollen,
gewidmet. Essen, G. D. Bädeker, 1802.
') Die mit * versehenen Nummern sind bei G. 1). Bädeker, Essen,
noch käuflich.
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292
Natorp,
Heft 9 u. 10.
4. a. Verzeichnis einiger auserlesenen Schriften zur Anlegung
einer Elcmcntarschulbibliothck. Von B. C. L. Natorp. Essen,
Bädeker, und Dortmund, Mallinckrodt, 1802.
b. Dass., 2. Ausg. 1805.
c. Kleine Schulbibliothek. Ein geordnetes Verzeichnis auserlesener
Schriften für Is'hrcr an Elementar- und niedcm Bürgerschulen. Von
B. C. L. Natorp. 3. ganz umgearb. Ausg. 1809.
d. 4. verb. Ausg. 1811.
*e. Kleine Schulbibliothek. Ein literarischer Wegweiser für Lehrer an
Volksschulen. Von B. C. L. Natorp. 5. ganz umgearb. Aufl. Essen,
Bädeker, 1820.
5. Predigten über das Buch Ruth. 1803 (citiert Quartalschr. 1804,
3, 480).
6. Grundriss zur Organisation allgemeiner Stadtschulen. Ent-
worfen von B. C. L. Natorp. Duisburg u. Essen, Bädeker u. Co.
1804. (Ausf. Rccension von Eylert, im Auftrag des Frh. vom Stein,
mit N.’s Gegenerinneruugen in Quartalschr. 1804, 2, 307 — 344.)
7. Quartalschrift für Keligionslehrer. Bearbeitet von einer Gesellschaft
westphäliseber Gelehrten und herausgegeben von B. C. L. Natorp,
Prediger zu Essen. 4 Jahrgänge (1804, 1805, 1800 je 4 Quartalshefte,
4. Jalirg. 1. Quart. 1807, 2. — 4. Quart. 1808), Duisburg u. Essen,
Bädeker u. Co. ')
‘) Darin Aufsätze und Recensioncn von Natorp, soweit solche in den
mir vorliegenden Heften eines unvollständigen Exemplars enthalten oder in
andern Schriften N.’s citiert sind: 1804, 1. Über die Erfordernisse eines
Gesangbuchs (eit. Cb. d. Ges. 230). 3. Ober das Buch Tobias in ascctischer
Hinsicht, 480 — 490. Epistel an H. l’red. Busch, 490 — 506. Roc. über
Niemeycr, Grundr. d. unm. Vorbereitungswissenschaften zur Führung des
christl. Predigtamts, S. 521 — 533; über Predigten von Eylert 567 — 582.
4. Über die Bildung der Elementarsehullehrer in Scminarien, von Busch
und Natorp, S. 630—667. 1805, 1. Über die zweckmässige Einrichtung
des Ex. studios. theol. pro matur. ad acud. 1 — 40. Schluss in H. 3,
5. 393 — 441. Noch ein Mittel zur Beförderung einer zweckmässigen Lcctüre
der Bibel und der Achtung gegen dieselbe, 488 — 499. 4. Die Confirmations-
feyer in der ev.-luth. Kirche zu Essen am 26. May 1805. 686—693.
4. Jalirg. 1. Qut. Die Confimiationsfeyer in der ev.-luth. Kirche zu Essen
am 10. May 1807. 104 -117. Rcc. über Predigten von Scheiblcr 118 — 122;
über Dieterich, Grunds, einer zweekm. Jugendbildung 122—123; über Pre-
digten von Eylert 141 — 150. Eine pädag. Preisaufgube (Hasenclcver und
Natorp; betr. ein prakt. Handbuch zu Denkübungen) 160 — 107. 2. Qut.
Bericht eines Landpfarrers über seine Pfarrschnle (nicht unterzeichnet, alter
im Briefw. als 18. Brief wiederholt; vgl. auch Laue. 260) 53—118. Rcc. über
Pred. v. Cölln 139—145. Jos. I>aucaster in London (mit Selbstanz. seiner
Übers.) 169 — 176. 3. Qut. Rcc. v. Zellers Schulmeisterschule und Grundl.
einer bess. Zukunft 146—152. 4. Qut. Ein Jahrgang Texte und Themata
117 — 128. Rcc. von Kottmeyer über die cxtciuporane Redekunst 171 — 178.
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1895.
Ludwig Natorp. Ein Beitrag zur Geschichte etc.
ä9ä
8. Beyträge zur Veredelung der kirchlichen und häuslichen
Andachten. 1. Slg. Mit einer Vorr. von D. Hufnagel. Crefeld 1805
(cit. Quartalsehr. 1805, 4, 692).
9. In Gutsmuthe Bibliothek 1805, Stück May: Über das Lesen der Bibel
und Bibelnuszüge (cit. Grundr. 139). — Von „mehreren Aufsätzen“,
die in dieser Zeitschrift erschienen seien, spricht O. N. 70.
10. Entwürfe zu Predigten. Eine Bevlage zur westphälischen Quartal-
schrift für Keligionslehrer. 1. Bd. a. u. d. T.: Entwürfe zu Pre-
digten über die sonn- u. festtäglichen evangelischen Perikopen. Von
B. C. L. Natorp, Fred, zu Essen. Essen, G. D. Bädekcr 1806.
2. Bd.: Entwürfe zu Predigten von B. C. L. Natorp, Pr. z. E.,
2. Band: Predigtentwürfe über die sonn- u. festtäglichen Episteln
des ganzen Jahres. Essen, G. D. Bädeker, 1809.
11. a. Fibel oder Elementarbuch für den ersten Unterricht in deutschen
Schulen. Mit Holzschnitten. Schwelm bev Scherz. 1806. Wolilf.
Ausg. oingel). 2 Ggr. Schönere Ausg. mit sehr vielen rothgedr.
Holzschn. zum Behufe des ersten Unterrichts im Zeichnen, brosch.
8 Ggr. — (Cit. Lanc. 255. Briefw. I 274.)
b. Neue verb. Ausg. (Essen, Bädeker) 1816.
c. Neueste Ausgabe 1820 (erw. Schulbibl. 82).
*d. 8. (Stereotyp-) Ausg.
12. Ein einziger Schulmeister unter tausend Kindern in Einer
Schule. Ein Beytrag zur Verbesserung der Lehrmethode und Schul-
disciplin in niedem Volksschulen von Joseph Lancaster. Aus
dem Englischen ins Deutsche übersetzt u. mit Anm. begleitet von
B. C. L. Natorp. Duisburg u. Essen, Bädeker u. Kürzel 1808.
*13. Das Confirmations-Fest, mit der ev.-luth. Gemeinde zu Essen
am 23sten April 1809 gefeyert von B. C. L. Natorp. Essen, G. D.
Bädeker.
*14. Abschiedspredigt, gehalten vor der ev.-luth. Gemeinde zu Essen
am 2. Juli 1809.
15. a. Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde. Heraus-
gegeben von B. C. L. Natorp. 1. Bändchen. Duisb. u. Essen 1811.
*2. Bdch. 1813. *3. Bdeh. 1816.
*b. 1. Bdchn., 2. verb. Aufl. 1823.
16. a. Anleitung zur Unterweisung im Singen für Lehrer in Volks-
schulen. I. Leitfaden für den ersten Cursus. Potsdam, Horwath, 1813.
b. 2. umgearb. u. venu. Ausg. Essen u. Duisb. 1816.
c— *e. 3. 4. 5. Aufl. 1818. 1824. 1837.
f. II. Leitfaden für den zweiten Cursus. Essen 1820.
*g. 2. Aufl. 1834. (Auch eine holländische Übersetzung ist erschienen.)
17. a. Lehrbüchlein der Singekunst. Für die Jugend in Volksschulen.
I. Cursus. Essen u. Duisb. 1816.
b— g. 2. -7. Aufl. (4. Aufl. 1820, 7. Aufl. 1832.)
h. II. Cursus. 1820.
i. 2. Aufl. 1827.
Monatsheft« der Cutuenius-GcsellBchaft. 18üD. 20
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294
Natorp,
Heft 9 u. 10.
*1S. Andren* Bell und Joseph Lancaster. Bemerkungen über die
von denselben eingeführte Schulcinrichtung, Bchulzucht und Lehrart
von B. C. L. Natorp. Emen u. Duisburg, G. D. Bädcker, 1817.
*19. Über den Gesang in den Kirchen der Protestanten. Hin
Beitrag zu den Vorarbeiten der Synode für die Veredelung der
Liturgie von B. C. L. Nntorp. Essen u. Duisburg, G. D. Bädeker 1817.
*20. Melodienbuch für den Geincindegesnng in den evangelischen Kirchen.
Iler, von B. C. L. Nntorp. Essen, Bädeker 1822.
*21. Über den Zweck, die Einrichtung und den Gebrauch des
Melodienbuch». Ein nöthiges Vorwort zu demselben nn die Lehrer.
Essen, Bädeker, 1822.
22. n. Choralbuch für evangelische Kirchen. Die Choräle kritisch be-
arls'itet und geordnet von H. C. L. Nntorp und Fr. Kessler, vier-
stimmig gesetzt und mit Zwischenspielen versehen von C. H. Kink.
Essen, G. D. Bädeker, 182!).
b. 2. verb. Aufl. (nngek. 1834 auf d. Dinschl. d. Aul. 11 ! und Üb.
Rinks Präludien).
e. 3. verb. u. venu. Aufl. Die Choräle neu geordnet und historisch
bestimmt von B. G. A. Nntorp, revidirt, mit meist neuen Zwischen-
spielen und mit Schlüssen versehen von \V. Grcof. Essen, G. D.
Bädeker, 1807.
*d. 4. Aufl.)
*23. Über Rinks Präludien. Ein Ueytrng zur Verständigung angehender
Organisten über kirchliches Orgelspiel. Von B. ('. L. Nntorp. Essen,
(i. D. Bädeker, IS 14.
21. Choralmelodien in Ziffern, nach Nntorp» Choralbuch. (O. N. n. J.)
Essen, G. D. Bädeker.
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Der Weg des Lichtes.
Die Via lueis des Comenius
besprochen von
Dr. Karl Diesel in Hnmburg.
Iin Jnhre 1637 veröffentlichte Samuel Hartlib in London,
ohne Vorwissen des Verfassers, einen ihm übersandten Entwurf der
pansophischen Pläne des Comenius unter dem Titel Conatuum Come-
nianorum Pracludio. Er wollte die Welt auf diese grossartigen Be-
strebungen aufmerksam machen und die Urteile der Gelehrten darüber
hören. Die Schrift fand Freunde und Gegner in grosser Zahl. Zur
Widerlegung der letzteren schrieb Comenius die Conntuum panso-
phicorum dilucidatio, die an Hartlib 1638 gedruckt übersandt, von
diesem 1639 zusammen mit der erstgenannten Schrift unter dem
Titel Pansophiae Prodrouius et Dilucidatio hernusgegeben wurden.
Die 'Veröffentlichung hatte den gewünschten Erfolg. Die englischen
Freunde, vor allen Hartlib, setzten es durch, dass Comenius im Jahre
1641 durch das Parlament nach London berufen wurde, um hier
mit staatlicher Unterstützung das grosse Werk zu beginnen, dessen
Grundlinien er in den genannten Schriften gezogen hatte. Leider
erwiesen sieh die politischen Verhältnisse dem Unternehmen wenig
günstig. Als Comenius im September 1641 in London ankam, fand
er das Parlament auf drei Monate vertagt; und auch, als es wieder
zusummentrat, bot sieb ihm keine Musse mehr, die Vorschläge des
Comenius einer näheren Prüfling zu unterziehen. Man liess ihn nur
wissen, dass man die Absicht habe, ihm ein Kollegium mit den ent-
sprechenden Einkünften zu übergehen, das Sabaudeum in London
oder ausserhalb der Stadt das Wiuthonicnse Kollegium oder das
Chelscum, teilte ihm auch deren Invcntare und Einkünfte mit, die
cs ermöglichen sollten, neben ihm noch einigen andern gelehrten
20 *
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DisscI,
Heft 9 u. 10.
296
Männern au« verschiedenen Nationen auf einige Jahre oder lebens-
länglich Unterhalt zu gewähren.
Es war somit Aussicht vorhanden, dass der Plan, den Baco
gehegt hatte, die Gründung eines Kollegiums von Männern, die sich,
ungehindert durch die Sorge um den Lebensunterhalt, einzig und
allein der Erforschung und Verbreitung der Wissenschaften widmen
sollten, auf englischem Boden verwirklicht würde. Da brachen die
Unruhen in Irland aus, der König verlies» London, und auf lange
Zeit hinaus war in England für das grosse Werk, dessen Ausführung
lange Jahre des Friedens erfordert hätte, nichts mehr zu hoffen.
Obwohl Hartlib ihn zum Bleiben zu bestimmen suchte, verlies»
Comeniu» in richtiger Würdigung der Verhältnisse London schon im
Frühjahr 1C42. Er hoffte an andern! Orte seine pansophischen Pläne
besser fördern zu können.
Aber die Zeit des Wartens hatte er nicht ungenützt verstreichen
lassen. Er hatte sie benutzt, die in ihm gährenden Gedanken in
einer neuen Schrift niederzulegen, die aus den Gesprächen horvor-
gegangen zu sein scheint, welche er in jener Zeit mit seinen Freunden
in hoffnungsfroher Erwartung auf baldige Verwirklichung seiner Pläne
gehabt hatte, und die also in gewissem Sinne keineswegs bloss eine
persönliche Meinungsäusserung des Comeniu«, sondern ein Programm
des Freundeskreises zu sein scheint, der sich damals in London um
Comeniu» gesammelt hatte. Der Titel dieses merkwürdigen Buches
lautet: Via lucis vestigata et vestiganda, h. e. rationabilis disquisitio,
quibus niodis intcllectualis animorum lux, sapientia per omnes omnium
hominum mente» et gentes jam tandem »ub mundi vesperam feliciter
spargi possit. Es ist im Jahre 1042 geschrieben, aber nach der
Angabe des Titels erst 1008 in Amsterdam gedruckt, und der Regia
Londinensis Societas gewidmet 1 ). Die pansophischen Pläne werden
in diesem Buche nicht ins einzelne ausgeführt, wie in andern Schrif-
ten, sondern nur im allgemeinen entwickelt und mit warmer Be-
*) Näheres über die Schrift s. in den M.H. der C.G. 1892 S. 34 und
1894 S. 168 f. — Exemplare des Druckes von 1608 sind üussorst selten und
bisher nur in drei Bibliotheken ermittelt worden, in der Bodleyana zu Oxford,
in der .Stadtbibliothek zu Hamburg und im Mus. Boh. zu Prag. Der Aus-
zug, den wir an dieser Stelle mittcilen, wird duhcr vielen willkommen sein.
Die Herstellung eines Neudruckes bleibt Vorbehalten, Es wäre erwünscht,
wenn sich Freunde fänden, die der C.G. die Mittel zur Verfügung stellten,
um schon bald dumit Vorgehen zu können.
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1895.
Der Weg de* Lichte*.
297
geisterung dem Leiser vorgetragen. Jede Zeile verrät, da*« es dem
Verfasser heiliger Ernst ist mit dem, was er vorschlägt, und dass er
von der Durchführbarkeit und Notwendigkeit de* Vorgeschlagenen
vollständig überzeugt ist.
Die ganze Welt, beginnt er, ist eine Schulo der göttlichen
Weisheit, die der Mensch durchzumachen hat, bevor er zur „himm-
lischen Akademie“ zugelassen wird. Drei Lehrbücher hat Gott für
diese Schule gegeben, die sichtbare Welt, den nach dom Bilde Gottes
geschaffenen Menschen, dessen denkende Seele das Mas* aller Dinge
bildet, und die heilige Schrift. Aber in dieser Schule ist arge Ver-
wirrung eingetreten. Aus einer Schule der Weisheit ist ein Tummel-
platz der Thorheit und Verblendung, eine Synagoge des Satans ge-
worden. Innerhalb und ausserhalb der Kirche herrschen Verwirrung
und Streit, Krieg und Mord; Atheismus und Epikureismus suchen
grade in der Finsternis das Licht. Es könnte demnach der Welt
keine grössere Wohlthat erwiesen werden , als wenn inan einen wirk-
samen Weg fände, die Finsternis zu vertreiben und das Licht der
Weisheit über die ganze Welt auszustreuen. Die zu diesem Zwecke
bisher versuchten Mittel, wie Philosophie, Gesetze und Strafen haben
nichts gefruchtet; auch die Bildung von Sekten vermag nichts zu
nützen. Denn selbst, wenn eine von ihnen die Wahrheit wüsste, so
wäre der Welt wenig dnmit geholfen, da ja eben durch ihren Ab-
schluss von der übrigen Welt die Möglichkeit der Verbreitung der
Wahrheit gehindert wird. Denn nicht der Allgemeinheit, sondern nur
sieh selbst nützt, wer sich vor der Welt verschliesst.
Das Heilmittel, durch das die Welt gesunden könnte, muss
also erst gefunden werden; es muss ein universales, leicht zu neh-
mendes und kräftiges Mittel sein. Wie nun in der sichtbaren Welt
die Sonne es ist, die alles erfreut, bildet, umbildet und die Finster-
nis vertreibt, so müsste ein universales Licht auch für die geistige
Finsternis gefunden werden, das ähnlich, wie die Sonne auf die Welt
der Dinge, so kräftig auf die Geister wirkte, dass nichts sich dem
entziehen könnte. Dies Mittel wäre gefunden, wenn man alles, was
Gott in seinen Büchern geschrieben und den Menschen enthüllt hat,
in dies zusammenfasste und in eine solche Ordnung brächte, dass es
nicht nur allen Menschen entgegeugebraeht, von jedermann deutlich
verstanden und aufgefasst werden könnte, sondern auch von jeder-
mann aufgenommen und geliebt werden müsste. Wer hiergegen ein-
wenden wollte, dass ein solches universales Licht nicht wünschens-
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298 Disael, Heft 9 u. 10.
wert »ei, «1er könnte kein Freund de« Menschengeschlechts »ein; eher
wäre der Einwand zu verstehen, da«« ein solche» Unternehmen mensch-
liche Kräfte übersteige und dass e» verwegen sei, an seine Ausführ-
barkeit zu glauben.
Dass aber ein solches Licht noch vor dem Ende der Welt er-
scheinen wird, folgt zweifellos aus der Natur der Methode, die Gott
in allen seinen Werken angewandt hat ; es folgt ferner aus der hei-
ligen Schrift, da der in dieser für das Ende der Welt geweissagte
Zustand sich noch nicht erfüllt hat, denn die Buehdruckerkunst ist,
wie manche irrig geglaubt haben, dies universelle Licht nicht, —
Nachdem dann etwaige Bedenken, ob es auch dem Menschen erlaubt
sei, selbst die Wege der Verbreitung eines solchen Lichtes zu suchen,
widerlegt sind, werden die Natur und Beschaffenheit des irdischen
Lichtes erörtert, da dessen Gesetze auch für da» geistige Licht Gel-
tung haben. Letzteres ist bis jetzt in 6 Stufen zur Erscheinung
gekommen, eine siebente, ganz universale ist noch zu erwarten. Die
erste Stufe war die Autopsie, vermöge deren der Mensch erkannte,
das» ihm eine Lebensgenossin fehle, die zweite das wechselseitige
Gespräch, die dritte die Gewohnheit, heilige Zusammenkünfte zu halten,
die vierte die Schrift und die öffentlichen Schulen, die fünfte die
Buchdruckerkunst, die sechste die Schiffahrt. Die beiden letzteren
bilden die Vorstufe zu der siebenten und höchsten, deren baldiges
Erscheinen die augenblickliche Gestalt der Welt wahrscheinlich macht.
Nachdem durch die Buchdruckerkunst und die Schiffahrt alle Völker
der Welt einander nahe gebracht sind, muss aus allen bisher auf-
gedeckten Lichtern ein grosses, die ganze Welt bestrahlendes Licht
zum gemeinsamen Nutzen des ganzen Menschengeschlechte» sich er-
heben. In diesem Licht»! wird, was bisher nur einzelne geschaut und
erforscht haben, allen ohne Ausnahme zu leicht erwerbbarem Besitze
werden, leicht wegen der gemeinsamen in allem erkennbaren Harmonie.
Wenn die Menschen diesen breitesten Weg des Lichtes betreten,
werden alle alles, was ihnen zur Glückseligkeit notwendig ist, ganz
und gar und ohne alle Täuschung erkennen. Dieser siebente Weg
»Ich Licht» ist der letzte irdische, nach ihm folgt nls der selige achte
die Autopsie im Himmel.
Bei diesen sieben Wegen ist eine schöne Steigerung zu erkennen,
indem immer die nächste Stufe die frühere, ohne sie aufzuheben, in
sich bi'greift und zu ihrer Festigung dient. Die gleiche Steigerung
herrscht auch im Umkreise derer, welche sich dieser Stufen bedienen.
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] 895. I>er Weg des Lichtes. 200
Denn die Autopsie betrifft nur einen, das Gespräch zwei, die Predigt
wirkt auf viele, die Schrift ebenso, aber zugleich auch auf Abwesende;
selbst Tote können in ihr zu Lebenden reden; die Typographie ferner
verbindet das Lieht der Jahrhunderte, die Schiffahrt endlich mit
Hülfe des Kompasses alle Völker.
Nach dieser Betrachtung über die Stufenfolge der Wege des
Lichtes wird das dreifache Ziel des universalen Lichtes, dass alles,
allen, vollständig gelehrt werde, näher dahin erläutert, dass Ewiges
lind Zeitliches, Geistiges und Leibliches, Himmlisches und Irdisches,
Natur und Kunst, Theologie und Philosophie gelehrt werden solle;
auch auf den Unterschied von Gut und Schlucht, ferner auf das
Einzelne nicht minder als das Allgemeine habe sieh die Lehre zu
erstrecken, da die wahre Kenntnis der Dinge auf dem Speziellen,
nicht auf dem Generellen beruhe. All dies soll allen gelehrt werden,
so dass nieninnd übergangen werde. Drittens sollen die Dinge voll-
ständig, nicht obenhin und bloss der Form wegen, sondern so gelehrt
werden, dass was gelehrt wird, auch gewusst werde. Denn nicht das
Lernen, sondern das Wissen soll das Ziel dieser Schule sein; das
Wissen aber soll nicht um seiner selbst willen erstrebt werden,
sondern, um es im Handeln zu üben, üben aller sollen die Schüler
nicht um des Obens willen, sondern damit sie das Ziel alles Wirkens,
Friede und Glückseligkeit erreichen.
Von einzelnen speziellen Vorschriften, die hier gegeben werden,
verdient etwa liesondere Erwähnung die, dass das, was die Grundlage
bildet, zuerst, das Wichtige vorzugsweise gelehrt werde und zwar
durch fortwährende eigene Übung. Von allen menschlichen Autori-
täten abgewandt, folge man nur dem, was Gott, Natur, Schrift und
Gewissen lehren, ohne sich zu scheuen, auch die menschlichen Er-
findungen und Lehren zu betrachten. — Das Ergebnis einer in
solcher Weise betriebenen Bildung ist schliesslich die Panaugia
(splendor universalis). Um zu ihrem in dem Vorstehenden näher
begrenzten Ziele zu kommen, sind vier Mittel erforderlich: 1. univer-
sale Bücher, 2. universale Schulen, 3. ein universales Kollegium
weiser Männer, 4. eine universale Sprache. Die drei ersteren sind
schon jetzt teilweise vorhanden, denn die Welt, die Schrift und das
Gewissen sind von Gott gegebene universale Bücher, das Leben ist
eine universale Schule, und universale Kollegien sind die der Engel
und Heiligen. Dagegen ist eine universale Sprache einst zwar vor-
handen gewesen, aber vorloren gegangen. Da diese vier Mittel das
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I)i»scl,
Heft 9 ii. 10.
300
universale Licht über den ganzen Kreis des menschlichen Intellekts
verbreiten sollen, so können sie heissen:
Libri lucis = Lampades
Scholae lucis = Candelabra
Collegium lucis = Lucis ministri
Lingua lucis = pabulum (öl).
Die universalen Bücher sollen wahre und bestgeordnete Pan-
dekten von allem Wissenswerten sein mit dem dreifachen Vorzug
der Vollständigkeit, der besten Ordnung und der Wahrheit. Es sind
drei Hauptbücher auszuarbeiten:
1. Eine Pansophie, welche die Wurzeln und Quellen alles Wissens
enthält. Diese sei das universellste Buch, welches alles enthält,
was dem Menschen für dieses und das zukünftige Leben zu
wissen und zu glauben, zu thun und zu hoffen nötig ist; ferner
das regelrechteste, das die Begriffe der Dinge nach der ihnen
innewohnenden Harmonie verknüpft; endlich das geordnetste,
welches aus den einmal festgestellten und zugestandenen Prin-
zipien alles so ableitet, dass sich eins aus dem amlern ergiebt
und nichts Zweifelhaftes übrig bleibt. Es soll so leicht sein,
dass auch der Beschränkteste das Wichtigste davon verstehen
kann.
2. Die Panhistorie. Diese soll alle die mannigfaltigen Einzel-
erscheinungen vom Anfang der Dinge bis auf die Gegenwart
enthalten, der natürlichen sowohl als der künstlichen, der sitt-
lichen wie der geistigen, ferner eine politische und eine kirchliche
Geschichte.
3. Die Pandogmatia. Diese soll ein Kompendium sein der Mei-
nungen aller Autoren, natürlich nur der bedeutendsten und zwar
in chronologischer Ordnung.
Über die universalen Schulen spricht sich Comenius in dieser
Schrift tiur kurz aus. Er verlangt, dass die Bildung von der zarte-
sten Kindheit an beginne und sich auf alle ohne Ausnahme erstrecke.
Wenn die Begüterten, meint er, jeder so viele Kinder erziehen liessen,
als sie selbst hätten, so würden nur noch wenige übrigbleiben, für
deren Bildung dann der Staat einzutreten habe.
Um nun diese universale Reformation der Litteratur ins Werk
zu setzen, bedarf es der Arbeiter, welche mit Gottes Hülfe das Ge-
dachte zu einem erwünschten Ende führen. Es bedarf hierzu aus-
erlesener Männer aus dem ganzen Erdkreise, sowohl weltlicher als
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18115.
Der YVeg des Lichtes.
:«)l
geistlicher, welche begabt, fleissig, fromm und von glühender Liebe
zum öffentlichen Wohle erfüllt sind. Diese sollen, gleichsam auf
der Warte für das Wohl des Menschengeschlechts stehend, alle mög-
lichen Wege, Weisen und Gelegenheiten suchen, um allen Nützliches
zu finden, das Gefundene verbreiten und das Verbreitete vor Ver-
unstaltungen bewahren. Denn ein einzelner ist der Grösse und
Schwierigkeit einer solchen Aufgabe nicht gewachsen, da ja nicht für
ein Volk oder eine Kirche, sondern für die Welt geschaffen
werden soll. Auch dürfen es nicht Männer sein, die schon einen
Beruf haben, da diese Arbeit den ganzen Mann erfordert. Am besten
wäre es, wenn man bei den einzelnen Völkern Ehrenprofessoren
(professores honorarii), oder lieber ganze Kollegien einsetzte, die aus
öffentlichen Mitteln zu erhalten wären. Mit Recht hat sich schon
Bai« gewundert, dass unter so vielen vortrefflich ausgestatteten Kol-
legien keine für die freien und universalen Studien da sei; denn alle
die Kollegien, Genossenschaften und Brüderschaften, die bisher, heim-
lich und öffentlich, bestanden haben, haben zwar einigen Nutzen für
Theologie und Philosophie gehabt, aber nur für einen Bruchteil der
Menschheit, keinen für die Gesamtheit. Jetzt aber, da die Zeit da
ist, das Zerstreute zu sammeln und „alle Summen mit den Summen
der Summen zu vereiuen“, ist ein Collegium catholieum unter den
Gelehrten des ganzen Erdkreise« aufzurichten ’).
Unter diesen Hütern der Weisheit muss eine gewisse kollegiale
Verfassung bestehen. Einer unter ihnen soll sein, den die übrigen
als ihren Vorstand (praeses) achten. An ihn haben die einzelnen
alles Notwendige zu schreiben, dnmit er es an die anderen über-
mittele. Zum Sitze dieses Oberhaupts hält Comenius England für
das geeignetste Land, teils aus geschichtlichen Gründen, als Heimat
von Dmko und besonders Baco, der zuerst den Gedanken einer all-
gemeinen Reformation der Wissenschaften angeregt hat, und zum
Danke dafür, dass es zuerst einem so heilsamen Plane hat Förderung
angedeihen lassen, indem es ein mit Einkünften ausgestattetes Kol-
legium zur Ernährung so vieler Mitglieder und Geholfen, als die
Sache erforderte, überlassen hat, teils aus dem praktischen Grunde,
weil England zu Schiffe von der ganzen Welt aus erreicht werden
kann. Neben diesem Oberhaupte könnte dann noch in jedem ein-
') An anderer Stelle bezeichnet er die Mitglieder dieser Akademie auch
als Makler der allgemeinen Glückseligkeit (proxenetne communis felicitatis).
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Dissel,
Heft !> u. IO.
302
zelncn Lunde der besseren Ordnung halber ein Vorstand eingesetzt
werden.
Folgende Gesetze sollen fiir die Mitglieder des universalen
Kollegiums bindend sein:
1. sollen sie zum Danke für die hohe Ehre, zu Lehrern des Menschen-
geschlechts berufen zu sein, allen Fleiss und Eifer auf ihre
Thätigkeit verwenden ;
2. sollen sie auf den Grund lugen unseres Wissens, die Gott gesetzt,
Natur, Schrift, angebornen Hegriffen, beharren;
3. sollen sie die vollständigste Kenntnis der universalen Bücher
haben und diese zu verbessern sich bemühen;
4. was jemand an verborgenem Geheimnis entdeckt hat, soll er
nicht nach eigener Willkür veröffentlichen, sondern den Brüdern
mitteilcn, damit es in die gemeinsamen Akten (thesauri) einge-
tragen werde;
3. sollen sie sorgen, dass überall Schulen errichtet werden und die
Oberaufsicht über diese Schulen führen;
G. sollen sic, wenn in der Christenheit die universale Reformation
durchgeführt ist, dafür sorgen, dass auch den Muhammedanern,
Heiden und Juden das neue Licht gebracht werde;
7. soll jeder Kollege einmal im Jahre an das Oberhaupt schreilren
und dieser ebenso oft an alle Kollegen des Lichts.
Eine grosse Schwierigkeit steht aber diesem Verkehr der Mit-
glieder untereinander und mit den Völkern entgegen, die Verschieden-
heit der Sprachen. Deshalb müssen die Gelehrten entweder alle
Sprachen kennen, oder es ist eine zum allgemeinen Gebrauche fest-
zusetzen. Der erste Weg ist zu schwierig und dämm der zweite
vorzuziehen. Ludwig Vives wollte als allgemeine Gelehrtensprache
die lateinische Sprache beibehalten; dagegen spricht sich aber Comenius
aus mehreren Gründen aus. Die Universalsprache, wie er sie sich
denkt, muss vor allem leicht, die reichste von allen und zugleich ein
Mittel gegen die Verwirrung der Begriffe sein. Sie soll nicht mehr
Worte enthalten, als Begriffe vorhanden sind und diese genau so
verbinden, wie die Dinge unter einander verbunden sind, endlich soll
sie das Wesen der Dinge durch den Klang der Worte nusdrücken, was
bisher in keiner der vorhandenen Sprachen geschieht. Die Sprache
soll ganz logisch, ganz analogisch, ganz harmonisch sein.
Wie kann eine solche Sprache geschaffen werden? Auf zwei
Wegen: 1. tui der Hand der schon bekannten Sprachen, in dem man
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1895. Wer Weg «len Lichte». 303
die Vorzüge aller in einer vereinigt; 2. an der Hand der Dinge.
Comenius hält den zweiten Weg für den beuten. Wenn die Worte
der zu erfindenden Universnlspraebe auf Grundlage der Pansophie
geschaffen werden, so wird der ölten ausgesprochenen Forderung der
Harmonie zwischen Wort und Begriff am leichtesten entsprochen
werden.
Der Zweck dieser so bestimmten Universalsprache soll jedoch
nicht der sein, die vorhandenen Sprachen zu verdrängen. Bleiben
müssen 1. die drei Sprachen, welche am Kreuz des Herrn gestanden
haben, 2. die heimatlichen Sprachen der Völker, deren Ausbildung
und Verbesserung liegender» anzustreben ist.
Nachdem Comenius so seinen Plan der Schaffung eines univer-
salen Lichts entworfen hat, preist er den Zustand der Welt, der nach
Annahme und Ausführung seiner Vorschläge eintreteu würde. Die
Finsternis würde verschwinden und das Lieht der Wahrheit überall
siegreich durehdringen. Vermöge der Pansophie würden die Menschen
die göttlichen Geheimnisse nicht nur glauben, sondern auch verstehen.
Mit diesem Geschenk habe Gott das letzte Jahrhundert zu bereichern
beschlossen. Durch die universalen Schulen würde das Lieht über
idle ausgebreitet, infolge der Vereinigung der Weisen könne cs nie
erlöschen und der Finsternis werde der Weg verschlossen, durch die
Ausbreitung der universalen Sprachen endlich werde diese Welt allen
Einwohnern geebnet werden. Dann würden alle sein ein Stamm,
ein Volk, ein Haus, eine Schule Gottes. Alle Länder würden der
Herrschaft Christi unterthan sein. „Sie implebitur Christi de uno
avili et uno pastore promissio! convocatis ad gregis unitatem lconibus
etiam et lupis et pardalibus eritqne Saeculurn verc aiircum plus quam
Salomonieum. Hoc erit Sabbathum eeelesiae, septima mundi uetas, in
qua post »ex mille annorum continuos labores, sudores, luctu», clades
requiencere dnhitur, ante quain beatae aeternitatis octava intonet.“
Solche Hoffnungen gewährt ihm nicht der Rausch oder ein Traum,
sondern das Vertrauen auf die göttlichen Verheissungcn und die Be-
trachtung des gegenwärtigen Zustandes der Welt, der die baldige
Erfüllung der Verheissungcn wahrscheinlich macht. „Utinain qui
sic inehriare parat amicos suos et qui dilecto suo dat semnim (Psalm
127, 10) torrentc voluptatum suaruin omnes hoinincs sic jain inebriaret,“
Zuletzt erörtert der Verfasser noch die nächsten Erfordernisse,
um diese allgemeine Reformation ins Werk zu setzen. Es sind ihrer
sieben :
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304
Dissel,
Heft 9 u. 10.
1. ein Geist voll gewaltiger Zu versieht,
2. heisse« Flehen zu Gott,
3. »1er Fleiss unil die unern»ü»lliche Arbeit vieler Weisen,
4. die Gunst der Mächtigen, da jn viele Bücher, Bibliotheken und
grosso Hülfsmittel erforderlich sind,
5. Klugheit und bestimmte Ordnung,
6. rasche Einführung des Ausgearbeiteten in die Praxis,
7. allmählicher Übergang von dem einen zum andern bis zur Uni-
versalität.
Dabei handle man möglichst im Verborgenen, um nicht
die Welt aufmerksam zu machen, nicht einmal diese Schrift über
den Weg des Lichts soll andern bekannt werden als denen, die zur
Ausführung des Werkes hinzugezogen werden l ). Was die Ordnung
betrifft, so ist die Reihenfolge zu beobachten, dass zuerst durch die
Wohlthat der Methode die Bücher reformiert wenlen, dann die Schulen
eingerichtet werden, hierauf die universalen Kollegi»?n als Aufseher
der Schulen und endlich die Universalsprache begründet werden.
Bei der Ausarbeitung der Bücher könnte man entwetler mit
den wichtigsten, den pansophischen , anfangen oder mit denen, die
für den ersten Gebrauch b»;stimmt sind. In letzterem Falle ginge
»lcr Weg ab eruditione per experientiam ad sapientiam.
Die Universalsprnche darf nicht eher geschaffen werden, als
bis »lie Pansophie beendigt ist. Sie darf nicht »las Werk ein»«» Ein-
zelnen sein, sondern muss von dem ganzen Kollegium der Weisen
bearbeitet wenlen.
Die Hauptsache ist, dass bald vom Erwägen zur That über-
gegangen werde, »lie Bücher sollen sogleich in den Gebrauch einge-
führt werden, es ist nicht nötig, dass sie von vornherein gleich voll-
kommen sind. Auch das Kollegium des Lichts kann zuerst
von wenigen begrüiulet werden, ein Haus, ein Volk kann den
Anfang machen. Dann gehe man über zu »len Muhammedanern,
von iliesen zu den Heiden, zuletzt zu »len Juden.
Die paena rerum (sive metaphysiea pansophica), nach den wahren
Gesetzen der universalen Harmonie geschaffen und in allen Sprachen
herausgegeben, wird ein Trichter sein können, durch den jede Sprache
und die Grundlage der neuen Sprache gelernt werden kann.
') Darauf beruht es, dass die Schrift in den ersten Jahrzehnten ledig-
lich handschriftlich verbreitet ward. Am 18. April 1642 hatte übrigens
C’omenius „capitum- seriem“ bereits an Hotton gtschickt.
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1895.
Der Wog des Lichtes.
305
Mit einem inbrünstigen Gebet an den Vater des Lichts für
die letzte Erleuchtung des Menschengeschlechts schliesst die Schrift.
Der hohen Begeisterung, mit der sie abgefasst, dem hoffnungs-
frohen Glauben an die endliche Verwirklichung seiner Ideale, haben
die 2G Jahre, die bis zu ihrer Drucklegung vergingen, und die mannig-
fachen Enttäuschungen, die sie «lern Verfasser bereiteten, keinen Ab-
bruch gethan. Dies beweist die Widmung an die Regia Londinensis
Societas, welche das Vertrauen auf die Wahrheit, seiner Gedanken
und die Notwendigkeit ihrer Ausführung ungemindert zeigt. Die
Gründung der Londoner königlichen Gesellschaft entsprach dem
Ideale einer Akademie oder eines Kollegiums, wie es seinem hoch-
fliegenden Geiste vorgeschwebt hatte, keineswegs, und der im Jahre
1668 veröffentlichte Entwurf einer Universalspmche befriedigte Come-
nius nicht vollständig. In den Widmungsworten zollt er den Zielen
der Royal Society, die sich die Erforschung der Natur zur Haupt-
aufgabe gemacht hatte, zwar volle Anerkennung, doch meint er, die
vollständige Erkenntnis der Natur besitzen, hiesse erst das Alphabet
der göttlichen Weisheit kennen. — Der Versuch einer Universal-
sprache, welcher in demselben Jahre, wie die Via lucis, von John
Wilkins, Mitgliede und Mitgründer der Royal Society, unter dem Titel
An Essay towards a Real Character and a Philosophie«! Language
mit Unterstützung der königlichen Gesellschaft herausgegeben wurde,
konnte den Wünschen des Comenius schon deshalb nicht entsprechen,
weil er vor Vollendung der Pansophie entworfen war, trotzdem aber
erfüllt dies bedeutsame Werk sonst im wesentlichen die Anforde-
rungen, die er an eine solche Sprache gestellt hatte, dass sie näm-
lich auf der Harmonie zwischen Wort und Begriff beruhen solle,
und die Vermutung scheint schwer abzu weisen, dass Wilkins von
den Vorschlägen des Comenius Kenntnis gehabt habe, wenn er auch
seinen Namen an keiner Stelle nennt.
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Sigismund Evenius.
Von
])r. Georg Schinid in 8t. Petersburg.
Wer sieh genauer mit der Entwickelung der Gedanken be-
schäftigt, die der Schulreform des Herzogs Ernst des Frommen zu
Grunde liegen, wird bald zu der Einsicht kommen, dass dessen
„Kirchenrat“, der Mag. S. Evenius, darauf einen hervorragenden Ein-
fluss geübt hat. Er wird bedauern, dass Eckstein in dem Programme
von 1850 und in der Allg. D. Biographie über Andeutungen dieses
Einflusses nicht hinausgekommen ist. Um so willkommener wird es
ihm sein, dass nunmehr der verdienstvolle Herausgeber der Ratichiana
diese Aufgabe übernommen und im allgemeinen abschliessend gelöst
hat 1 ). Stötzner ist es gelungen, sämtliche Schriften des Evenius,
auch solche, die bisher so gut als unbekannt waren, mit Ausnahme
einer einzigen, einzusehen; sie sind im dritten Abschnitt S. 28 — 32
zusammengestellt (nur hätte auch hier die „Fonmil“ von 1 G 1 8 nuf-
genomnien werden müssen). Auf Grund dieses reichen Materials hat
er ein Bild von Evenius’ Lebensgang, seiner Pädagogik und Didaktik
entworfen, das im ganzen vollkommen mit dem übereinstimmt, welches
Ref. bei seinen Studien über ihn und den Sehuhnethodus gewonnen
hat, die er hoffentlich in nicht allzuferner Zeit im IV. Bande der
Geschichte der Erziehung den Lesern vorlegen kann. Im einzelnen
glaubt er da und dort etwas berichtigen zu können.
Zu Evenius’ Lebensgang bieten Wichtigeres Gotth. von Hansens
„Geschichtsblätter des Revaler Gouvernementsgymnasiums“ (jetzt G.
des Kaisers Nikolnj I.) „zu dessen 250jährigem Jubiläum am G. Juni
1881“ (Reval 1881), obwohl die im Gymnasialarchiv erhaltenen
Nachrichten auch recht lückenhaft sind. Danach war das Gymnasium
auf Grund einer Vereinbarung Gustav Adolphs mit der Stadt zu-
stande gekommen, und zwei Legaten der letzteren hatten den Auftrag,
die Lehrkräfte zu gewinnen. In ihrem Namen trug der schwedische
’) Paul Stötzner, Sigismund Evenius. Ein Beitrag zur Geschichte
des Ratichianismus. Beilage zum Jahresberichte des Gymnasiums zu Zwickau
Ostern 1805. 4*. 32 S.
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1895.
Sigismund Evenius.
807
Feldprcdiger Fabrieius in Wittenberg, wohin Evenius nach der Zer-
störung Magdeburgs sieh geflüchtet hatte, diesem das Rektorat und
die Professur der Theologie au; es waren noch drei andere Professuren
errichtet, für Beredsamkeit, Poesie und griechische Spruche — zu
lateinischem Unterricht waren alle verpflichtet — , so dass also an
ein höheres Gymnasium gedacht war. Evenius nahm den Ruf an,
traf aber erst lange nach Eröffnung des Gymnasiums in Reval ein;
bei dieser wurde nur der Professor der Beredsamkeit Heinrich Vogcl-
mnnn eingeführt. Die Zeit seiner Ankunft lässt sich mit Wahr-
scheinlichkeit aus der Nachricht erschliessen, er habe seinen Schüler
David Gallus überredet „mitzureisen“. Dieser ging, wie ausdrücklich
erzählt wird, am 7. September zu Schiff von Stralsund ab und kam
am 17. in Reval an. Nach derselben Quelle kehrte Evenius noch
1031, nicht erst 1632, wieder nach Deutschland zurück. Wahr-
scheinlich lag das Motiv nicht im Klima, wie Stötzner annimmt,
sondern in den Verhältnissen, die, wie man aus Auguhcn üIkt die
nächsten Jahre schlicssen kann, nicht sehr erfreulich gewesen sein
müssen, obwohl Evenius einen zweiten Schüler, Timotheus Polus,
ebenfalls nach Reval gezogen hatte, der diu Professur der Poesie
erhielt; 1632 findet sieh noch ein dritter verzeichnet, der Mathema-
tiker Gcbh. Himscl. Gallus kam übrigens nicht an das Gymnasium,
sondern musste Hauslehrer werden. Die Angabe von einem Rektorat
des Evenius in Riga beruht wohl einfach auf einem geographischen
Irrtum.
Bei der Beurteilung des Charakters des Evenius ist sein Ver-
halten dem Rntichius gegenüber massgebend. Stötzner bringt hier
Neues hei; so die Angilben, dass Evenius den Didaktiker 1620 in
Halle hei sieh aufnahm, dass dessen Anhänger, der Magdeburger
Prediger Andreas C'rainer, in seiner „Anleitung“ (1622) Evenius als
einen „fürnehmen wohlhcgabctcn und wohlgeübeten Sclml-Rektor zu
Halle“ bczeichnete und sein Gymnasium lohte, sowie dass Evenius
mit diesem Ratichianer, mit dem er allerdings in Magdeburg in einen
ziemlich heftigen, erst durch Ratsdekret vom 31. Januar 1625 be-
endigten Streit geraten war, auf seiner Reise in Lübeck 1631 aus-
söhnte. Cramer musste doch längst von Evenius’ Bedingung bei der
Annahme des Magdeburger Rufes („dass die widerwertigen didactici
sampt ihren adhaerenten conpesciret würden“) gewusst hallen und
hatte wohl auch Kunde von dem in moralischer Hinsicht schlimmsten
Schritte, den Evenius gegen Rutke gethan hat, seinem Versuche,
jenen heim Anhalt-Cöthener Hofe anzuschwärzcu, wobei er hat, seinen
Namen in dieser Sache zu verschweigen. Sühnte »ich nun Cramer
mit ihm aus, so konnte es doch nur auf Grund des Eingeständnisses
geschehen, für das Stötzner die Stelle aus einem Briefe Kromeyers
an den Superintendenten Ewald in König>berg i. Pr. von 1629 an-
führt: lieque vero velim te aut alios ahsterreri demio uh hoc laudahili
instituto nomine Rat ich ii. Non amplius onim Ratichiani
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308
Schmid,
Heft 0 u. 10.
audimus. Dafür muss ohne Zweifel wenigstens zum Teil der Grund
in dem Didaktiker gelegen haben, wenn auch dessen herbe Lebens-
schicksale als mildernder Umstand für ihn gelten. Aber dies kann
freilich die Handlungsweise des Evenius, soweit wir über sie unter-
richtet sind, nimmermehr als gerechtfertigt erscheinen lassen. Doch
muss immerhin mit StStzner in die Wagschale gelegt werden, dass
Herzog Ernst, selbst ein unentwegter Ratichianer, Evenius ein so
grosses Vertrauen schenkte, was er sicherlich nicht gcthan hätte, wärt*
dieser ein schlechter Mensch gewesen.
Dass er auch in der Methodi , . . veritas nicht gerade heraus
bekannte, er verdanke der Hauptsache nach seine Reformideen
Ratichius, darf ihm nicht zu hoch angerechnet werden, hatte er doch
anderweitig ihn als „den Anfänger“ anerkannt. Wenn er Thea. IV'
xxii Helvicus in der Delineatio und Rhenius in paedagogia als Ge-
währsmänner anführt, so musste der Kundige sehen, dass die Didaktik
Ratkcs gemeint war. Seinem Bestreben, ältere Autoritäten für die
neue Methode ausfindig zu machen, sind einige wertvolle Notizen zu
verdanken. So führt er aus Augustin Conf. I c. 14 col. 71 an:
absque granunatieis praeeeptionibus se latinum linguam didicisse, aus
Luther Tom. III de novissimis verbis Davidis fol. 102 b. : jede
Sprache werde richtiger und besser gelernt ex usu domcstico quo-
tidiani colloquii, aus Molanebthon die Vorr. zur syntaxis (eine Stelle,
die übrigens nicht ganz beweisend ist), aus Neander die epistola bei
der Dialektik und Rhetorik (nach einer Ausgabe von 1563). Am
interessantesten ist vielleicht eine Stelle, die beweist, dass schon weit
früher, als M. Montaigne die bei ihm von seinem Vater angewandte
Methode veröffentlichte (1580), Paracelsus eine ähnliche empfohlen
hatte, nämlich aus der C'yclopaedia translata atque edita a. 1583 a
Samuele Siderocratore (d. h. von dem Professor und Leibarzt des
Markgrafen zu Baden, des Kurfürsten von Köln, der Bischöfe von
Strassburg und Speier S. Eisenmenger, geb. 1534, seit 1556 Prof,
der Mathematik zu Tübingen, 1564 Doktor der Medizin, gest, in
Brüssel 1585).
In einem anderen Sehriftchen, dem auch erst durch Stötzner
wieder bekannt gewordenen Pentaphyllum scholarum pestiferum cor-
rectum (1622), erwähnt Evenius allerdings den Ratichius. In auf-
fallend grosser Schrift gedruckt steht am Schlüsse die Frage, ob
dieser irgend wem seine Methode mitgeteilt habe, aut saltem trndere
valuerit (Druckfehler für voluerit?); er fordert alle die zur Beant-
wortung auf, die dem Schulwesen durch die Ratiehinnische Methode
aufhelfen wollen, damit endlich sich zeige, was unter den dem Rate
gemachten Versprechungen enthalten sei, und um dies zum Besten
der Schüler zu benützen. Dies möchte doch schwerlich als Gehässig-
keit auszulegen sein, sondern nur als der Ausdruck des auch sonst
bezeugten allgemeinen Unwillens über Ratkes Schweigsamkeit in be-
treff seiner Methode, die für seine Sache verhängnisvoll wurde.
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1895 .
Sigismund Evenius.
309
Die Methodi . . . veritas (Ex. in der K. öffentl. Bibliothek in
St. Petersburg), welche für die Gelehrten, also lateinisch, geschrieben
ist, dient zur Begründung der Schulordnung, der „Forntul“, die in
ihrem für den Bat und die Bürgerschaft bestimmten Teil deutsch,
soweit sie die Lehrer speziell angeht, lateinisch abgefasst ist Auch
hier hält sich Evenius durchaus frei von dem Scheut eines Anspruches,
als sei er der Erfinder der neuen Methode. Er will nur über sie
und die Gedanken ihrer Anhänger aufklären. Sie stützen sich, sagt
er an einer bemerkenswerten Stelle (Thea. XI, LXXtl), 1. auf die Be-
obachtung, dass das Kind die deutsche, so reiche und schwere Sprache
in einem Jahre durch häufige Gbung so lernt, dass es seine meisten
Gedanken nusdrücken kann; warum sollte dies nicht auch beim
Lateinischen, Griechischen und Hebräischen der Fall sein, da doch
•litt Erfahrung dadurch bestätigt wird, dass die französische, italienische,
spanische und andere Sprachen in kürzester Zeit gelernt werden ?
2. Sie sprechen von Jünglingen von achtzehn und mehr Jahren, bei
denen die Übung durch die Hegeln unterstützt werden kann; Knaben
von sielten, zehn oder zwölf Jahren werden ohne Zweifel (bei der
Methode durch Regeln zu lehren) langsamer vorwärts kommen. 3.
Ist die Bede von lebhaften und zum Studieren von Natur geschick-
ten Köpfen; den langsameren und unbegabten werden die mechanici
von ihrer Kunst nicht viel beibringen. 4. Sie unterscheiden zwischen
Gewandtheit in der Sprache und Eleganz; ersterc erfordert, wie jemand
sich ausgedrückt hat, einen Monat oder ein Jahr, letztere Monate
und Jahre (diese Unterscheidung spielt später, bei der Ordnung des
Gothaer Gymnasiums, wieder eine Bolle). 5. Ebenso zwischen der
alten und der neuen Methode, dem „infelix litorarum scculum“ und
dem „felieius“; bei diesem ist es erreichbar, bei jenem nicht. Denn
die Methode hat (!. den Vorteil der Kürze: 1. Die Sprache wird an
dem Autor geübt und zwar 2. durch beständige Unterredung, so dass
3. die Wörter nicht einzeln gelernt werden, sondern verbunden in
den Sätzen selbst, und so 4. nicht bloss viele zugleich, sondern alle
auch in ihrer Anwendung, wobei 5. die Variation in numeri, Casus,
tempom und personae neue und mannigfaltige Sentenzen bilden lässt,
so dass inan 0. nicht nötig hat, alle Synonyma zu lernen, da 7.
das Meiste durch Periphrase wiedergegeben werden kann. 8. Auch
die grammatischen Regeln brauchen nicht gelernt zu werden, sondern
werden nur in den kürzesten Zügen oder auf Tabellen gewiesen und
durch die Praxis verstanden und gelernt.
In der Begründung ist Evenius nicht selten originell. So be-
gründet er den Satz, der Autor müsse vorangehen, Thes. IV, xvn so:
sensibilia illn sunt, qunc nutor tradit, in quibus facilius ars traditur
atque docetur, quam in mere intclligibilibus (dem Abstrakten), sieut
goometram vidimus facilius figurae cognitionein tradere, quando in
visibili aliquo corpore aut in tabula ostendit, quid sit acutus aut
obtusus nngulus, quid quadmtum, cireulus, pirnmis, ein Sntz, der nicht
MonatühofU* <k>r Comeiiiua-GPttelUi'luill. 1895. 21
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310 ßchinid, Heft fl u. 10.
bloss wegen des Anklanges des Orbis sensualinm pietus beachtens-
wert ist, sondern auch wegen der Einsicht in die Wichtigkeit der
Anschauung für die Gewinnung des Verständnisses, worin Evenius
dem Comenius lange vorangeht Dass er zum Autor nicht den Terenz
wählt, erklärt sich aus dem Gesch. der Erz. III 2 S. G9 Anm. an-
geführten Grande. Die Wahl der colloquia geschah im Anschluss
an Iiatke, der ja auf Terenz „ganz nicht“ bestand.
Jedenfalls hat Evenius durch den von Stötzner angeführten
Satz: fundamenta methodi Ratichiannc certissima atque firmissimn
semper judieavi sein Verhältnis zu Katke ziemlich genau formuliert.
Der Nachweis, wie er auf diese „fundamenta“ seinen Schulorganismus
aufbaute, ist von Stötzner in allen Hauptsachen überzeugend ge-
geben. Nur ist einmal hervorzuheben, dass schon in der folgerichtigen
Durchführung der Katkeschen Ideen mit Bezug auf den vollständigen
Organismus eines Gymnasiums ein bedeutender Fortschritt über Katke
hinaus liegt, und dann, dass sich nun uueh Gedanken finden, die
ganz unzweifelhaft nicht ratichianisch sind. Dahin ist „die deutsche
Kunstschule“ (III Klasse) zu rechnen, in der „diejenigen, welche zu
Handwerkern oder anderen weltlichen Händeln schreiten, können
geübt werden“. Diese Anordnung ist in ihrer Art epochemachend,
denn es ist nicht durnn zu zweifeln, dass auf sie der spätere Ver-
such des Herzogs Ernst am Gothaer Gymnasium, und als dieser
nicht gelungen war, die Einführung der Realien in den „Methodus“
und in die Volksschule zurückgeht. Und zwar erscheint Auswahl
und Umfang dieses neuen Wissensgebietes im Methodus rationeller,
als in der späteren Anordnung des Comenius, von dem die Idee der
Kunstschule, was schon chronologisch klar liegt, völlig unabhängig
ist, so dass man mit Recht sagen kann, als die Vorschläge des
Comenius bekannt wurden, habe man in Gotha schon da« Bessere
gehabt. Jedenfalls ist Comenius aus diesem Entwicklungsstadium
der deutschen Volksschule ganz auszumerzen. Auch in tler Ver-
wertung des Bildes beim Unterricht ist ihm Evenius vorangegangen,
da er es in der christlich gottseligen Bilderschule (1030) zum ersten
Mal für den Unterricht in der biblischen Geschichte verwendet hat.
Ja, auch für die Methode des Sprachunterrichtes gilt dies, da Evenius
schon 1028 eine Junua Ebraismi et Grnccismi herausgegeben hat,
von der Stötzner leider keine genauere Beschreibung giebt (sowenig
als von der Bilderschule, von der sich ein im Anfang defektes Ex.
der Ausg. von 1070 in der Bibi, der Aknd. d. W. W. befindet);
man kann nur die Vermutung hegen, dass sie der von J. llabrecht
1017 in Strassburg erschienenen nachgebildet war, die aber auch so
gut als unbekannt ist. (Mit der lateinischen Janua (1031) blieb
übrigens in Gotha Comenius Sieger; sie wurde am Gymnasium ge-
braucht.) Vielleicht füllt Stötzner diese Lücke noch aus und fügt
dann auch die Beschreibung der „christlich gottseligen Katcchismus-
schule“ hinzu.
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1R9Ö.
Sigismund Erenius.
311
Etwas ander», als Stötzner thut, ist wohl die Schola Intimi
Philosophien scu urtiuni perfecta, die VII. Klasse der „Fonmil“, an-
zusehen. Sie hatte nicht propädeutischen Charakter im Verhältnis
zur Akademie, sondern wollte, für alle zum Studium Bestimmten
obligatorisch, dies ganze Wissensgebiet der Akademie abnehmen. Ks
war ein auch von anderen hervorgehobener Übelstand, dass die Uni-
versitäten in diesen dem Fachstudium vorangehenden Wissenschaften
nichts Rechtes leisteten. Die akademischen Lehrer, so sagt Evenius
Thes. IX xxxxviii ff., sind nicht gut in der Lage sie zu lehren, und
doch sind sie unentbehrlich. Die jungen Studenten finden ihr Haupt-
vergnügen in der Freiheit, Ungebundenheit und im Nichtsthun; sie
lassen sich durch die zahlreichen schlechten Beispiele sofort auf Ab-
wege reissen; sie lassen sich durch den Ekel an der Weitläufigkeit
der Vorlesungen leicht abschrecken; sie sind ohne private Leitung
oder auch ohne pekuniäre Mittel; es wird ihnen daher von grösstem
Nutzen »ein, wenn sie die Fundamente der einzelnen Disziplinen
der Philosophie und der Fakultäten unter einer strengeren Zucht
(sub rigorosiore ferula) gelernt haben, und also auf die Universität
schon mit bringen: justa et sufficiens ad Aeademias in Artium Facul-
tntunii|ue initiis praeparatio, nennt er es im Honor . . . restitutus
von 1G22.
Einen davon verschiedenen Charakter dngegen tragen, wie eben-
falls abweichend von Stötzner nachzuweisen ist, von den oberen
Klassen die IX. und X. Jene, die schola Hebraea, ist nicht für
alle bestimmt, sondern nur für die späteren Theologen, wie aus dem
Zusatze hervorgeht: „Da inan einen Knaben oder wie viel derselben
wären, auch in den fontibus hebraeis unterweise.“ Diese, die schola
theologiea. hat den Zweck, „in h. göttlicher Schrift und in den Ar-
tikeln christlichen Glaubens“ zu unterweisen, so dass die Schüler
nicht allein „vor sich den richtigen und wahren Verstand erlangen,
sondern auch andern lehren und die wahre seligmachende Lohre ver-
teidigen und die Widrigen widerlegen könnten“. Daraus ergiebt sich
allerdings, dass die schola theologiea eine abschliessende theoretisch-
praktische Bildung für das Pfarramt gewähren sollte; denn die
Schüler sollten auch Anleitung und Übung im Pndigcn erhalten und
„summative also ihr Amt verrichten lernen, dass sie es zu verant-
worten und damit viel Nutzen schafften“. Aber wer theologus
werden wollte, musste doch noch auf die Akademie, „wo er das Ge-
lernte der Zeit und sumptuum und Gelegenheit nach supplierte“.
„Man würde Theologos haben und erziehen, darauf wir uns zu ver-
lassen, daneben aneh pastores in doetrina seu fide integros et in
vita inculpatos und ulso ein wohlbestalltes ministerium ecclcsiasticum.“
Es ist also ein doppelter Charakter, der dieser Klasse zukommt;
wie die IX. nur für künftige Geistliche und Theologen bestimmt,
tritt sic Einrichtungen an die Seite, wie sie 1G1G J. M. Meyfert in
Coburg, später Dilhcrr in Nürnberg u. n. schufen.
21 ’
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312
Sohmid,
Heft 9 u. 10.
Nicht ganz klar ist dagegen der Charakter der zwei weiteren
Klassen, die Evenius anzugliedern für möglich hält, über deren wirk-
liche Errichtung aber nichts bekannt ist, der Jurisprudeutia und der
Medicinn. Man sollte denken, sie bilden eine Analogie zur theolo-
gischen Klasse, so dass auch für diese Berufsurten die Schule dem
städtischen Gemeinwesen eigene Kräfte herangebildet hätte. Evenius
sprieht Methodi . . . ver. Thes. IX t.viit und in der „Formul“ von
den fundamentis juris ex decalogo et lege naturae desumptis, die
hier zu lehren seien (wobei übrigens die griechische Sprache als für den
Juristen notwendig bezeichnet wird und auch wegen der griechischen
Übersetzung der Institutionen von Theophilus, die Gothofredus oft
citiere); er empfiehlt die Methode Glaums, ül>cr den Stötzncr in
dankenswerter Weise manches beigebracht hat (er wird auch von
Conientus erwähnt). Aber die Begründung der Nützlichkeit beider
Klassen lässt darauf schliessen, dass Evenius bei ihnen an allgemeine
Beteiligung gedacht hat; es heisst nämlich: die Kenntnis jener Funda-
mente sei deswegen allen nötig, weil im gemeinen Leben dem Leben,
Ruf und Gut eines jeden Gefahren drohen, und die Unkenntnis der
allgemeinen Mittel, sie abzuwenden, zu ertragen und zu strafen, für
jeden wissenschaftlich Gebildeten nicht bloss schimpflich, sondern
zuweilen auch nachteilig sei. Ebenso bei der Medizin: eine allge-
meine Kenntnis derselben sei nicht so sehr nützlich für jeden, als
notwendig; es wird der Ausspruch des Kaisers Hadrian turba medi-
eoruin Caesarein perdidit (der bei Dio C. Epit 09 als gemeine, vom
Kaiser ungewandte Redensart erwähnt wird), sowie dio Stelle Cie. de
off. II 24 über die Gesundheit angeführt. Übrigens weis« Evenius
für die scholae medieinae offenbar nicht besonderen Rat, er hofft
nur, dass sich ein geeigneter Lehrer finden lusse. Schwerlich würde
sich in der Praxis die Rache so gestaltet haben , dass alle oder nur
die Mehrzahl »1er zu anderen Fächern bestimmten Schüler diese beiden
Schulen durchgemacht hätten. Berechnet waren sie jedenfalls, dem
allgemeinen Grundsatz des Evenius nach, der freilich erst in Thes.
XI durchgeführt wird, auf die Dauer eines Jahres.
Wenn Evenius dem Rektor, wie Ratke, nur die Inspektion
übertragen wissen will, so geschieht dies schwerlich, um die Seholar-
chen überflüssig zu machen, sondern weil der Rektor, gewöhnlich zu
zwei, manchmal zu drei täglichen Stunden verpflichtet, entweder diese
vernachlässigen oder jene wichtigste Aufgabe erfüllen könne (Thes.
I ix roctorum modernorum officia sunt imparia, cum illi ordinariis
laboribus hornrum eujuslibet diei ad ininimum duarum, aliquando
Iriuin ndslricti aut hos ncgligere aut illis abesse cogantur).
Eine interessante Charakteristik der Art, wie die von Herzog
Ernst gewählten Mitarbeiter zusammenwirkten, führt Stötzncr nus
Krausen« Antiquitäten et Memorabilia Historiae Franconicae an: „im
Hauptwerk hatten sie Einen Zweck, alles nach Ratichii Lehrart ein-
zurichten. Ein jeder aber hatte ein besonderes Geschäft: Evenius
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1 8 !) 5 .
Sigismund Evenius.
313
arbeitete so zu realen mit <lem Herzog im Kabinett und entwurf die
verschiedenen Schul-Methoden, Instructiones und Verordnungen . . und
präparierte daneben etliche Kandidaten zum Schulwesen ; Reyher batte
seine volle Arbeit in der Schul mit Docieren, ausser der Schul mit
Verfertigung der Schulbücher nach dem Sinne des Ratichii . . der
Hofprediger Brunchorst hatte . . vornehmlich mit Besuehung der
Schulen zu thun, ob’s drinnen recht zuging nach der neuen Lehrart“.
Damit stimmt der Satz überein, den Stötzner aufstellt: Evenius war
der geistige Urheber aller Reformpläne des Herzogs. Eine genaue
Untersuchung des Thatbestandes führt zu einer Einschränkung des
Krause sehen Urteils: Evenius ist in vielen wesentlichen Punkten, so
z. B. in seiner immer wiederholten These gegen das mechanische
Auswendiglernen des Katechismus, erheblich über Ratke hinausge-
gangen und von ihm unabhängig. Sodann ist sicherlich das her-
kömmliche Urteil über Reyhcrs Mitarbeit zu ändern, sofern er nichts
mehr als der Redaktor des Schul-Mcthodus ist. Ausserdem bekommt
seine Stellung zu der Gothaer Reform einen gänzlich anderen Charak-
ter durch die Thatsache, die freilich seinem Biographen entgangen
ist, sich aber aus seiner Palaeomathia ganz sicher ergiebt, dass er von
Hause aus ein ganz entschiedener Anhänger — Aisteds war, also
auf einem dem Ratichianismus zum Teil schroff entgegengesetzten
Standpunkt stand. Den Nachweis dieser Behauptung hoffe ich eben-
falls in kurzem vorlegen zu können. Endlich muss ohne Zweifel
auch L. V. von Seckendorff unter den Beratern des Herzogs ge-
würdigt werden.
Einen Briefwechsel zwischen Evenius und Reyher erwähnt Dr.
Heyne im Programm des Gymnasiums zu Holzminden 1882 (Rektor
Mag. A. Reyher, Verfasser des Gothaischen Schulmethodus), S. 16
Anm. 4 als in seinem Besitz befindlich.
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Litteraturbericht.
Eine umfangreiche und bemerkenswerte Strassburger Dissertation
von Günther Voigt über „Bischof Bertram von Metz. 1180
bis 1212“ (Metz, Druckerei der Lothringer Zeitung. 1893) befasst
sich im 4. Kapitel bei Aufzählung der religiösen Streitigkeiten, die
der gelehrte und thntkräftige Bischof auszufechten gehabt hat, mit
den Walde nsern, die von des Stifters Wohnsitz Lyon früh nach
Lothringen gekommen waren. Wir erfahren bei Voigt, wie schwer es
Bertram trotz der Beihülfe des Papstes Innocenz III. geworden ist,
ihre Lehren aus seiner Stadt zu verdrängen. Noch im Jahre 1221
waren sie nach dem Bericht des Cäsarius von Ileisterbach dort nicht
völlig beseitigt. B.
In der Zeitschrift für Kirchengeschichte XIV, s. S. 148, findet
sich ein Aufsatz H. Haupts über deutsch-böhmische Waldenser
in» Jahre 1340. Die Abhandlung ist bearbeitet auf Grund eines
Verhörsprotokolls, das Ferd. Mencik jüngst aufgefunden imd in den
Sitzungsberichten der königl. Böhmischen Gesellschaft der Wissen-
schaften (Philos.-hist.-philol. Kl. 1891 S. 280 — 287) veröffentlicht
hat. Das Protokoll betrifft Waldenser aus dem Gebiet der süd-
böhmischen Herrschaft Neuhaus. K.
Im Historischen Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 14, 3 bringt
Uebinger zwei Beiträge zur Lebensgeschichte des Nicolaus von Cusa
(eine autobiographische Nachricht aus 1449 und sein Testament).
In derselben Zeitschrift 13, 4 handelt Birek ül>er „Nicolaus von
Cusa auf dem Konzil zu Basel“. Nach einem anderen Aufsatz des-
selben Verfassers in der Theologischen Qunrtalsehrift. 74, 4 hat Cusa
auch nach seiner Schwenkung denselben Grundsätzen gehuldigt, „die
das Papsttum in seinen innersten Grundlagen bedrohen“, wie er sie
in der concordantia cntholica ausgesprochen hat. K.
über Johann Pupper von Goch sind zwei eingehende Unter-
suchungen erschienen, die zu sehr verschiedenen Ergebnissen kommen.
Die eine ist von A. Knaake in den Theologischen Studien und
Kritiken 1891, Heft 4, S. 738 —774, veröffentlicht worden; sic er-
giebt, dass sich bei Goch sehr entschiedene reformatorisehe Ansätze
finden; die andere hat J. Niemöller in Wetzer u. Weltes Kirchen-
lexikon, 2. Aufl. Bd. VI S. 1678 — 1684, drucken lassen; sie hebt
die starken Gegensätze hervor, die zwischen der Lehre des Prote
stuntismus und Gochs vorhanden seien. K.
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1895.
Litteraturbcricht.
315
Unter der wertvollen Büchersammlung, die der Stadt-Bibliothek
zu Breslau von dem 1530 verstorbenen Breslauer Pntrieier Thomas
Rehdiger vermacht wurde, findet sich eine Handschrift (Cod. Nr. 254),
welche eine Reihe von Originalbriefen an Erasmus enthält. A. Hora-
witz wurde durch den Tod an der beabsichtigten Publikation derselben
verhindert. Die wichtigsten sind soeben von Archivar Dr. Franz
Wächter im 30. Bd. der Zeitschrift des Borgischen Geschichtsvereins,
Elberfeld 1894, S. 200 — 212, veröffentlicht worden: „Briefe
Niederrheinischer Humanisten an Erasmus (1529 — 1530)“.
Da die meisten kulturhistorisches Interesse haben, geben wir Wächters
Regesten hier wieder: 1. Jungherzog Wilhelm von Jölich-Cleve-Berg
übersendet Erasmus einen Becher. Büderich, 1529 Nov. 10; 2. Thiel-
tnann von Grave wegen der Aufführung seines Hohnes Bernard.
Köln, 1530 Aug. 17; 3. Joh. von Vlatten an Erasmus über die
kirchliche Lage. Augsburg, 1530 Scpt. 17; 4. Joh. von Campen
schildert die Gesinnung des Cardinais von Lüttich gegen Erasmus ;
5. Georg Wicel über die religiösen Verhältnisse in Deutschland ;
0. Joh. Caesarius erwartet die Antwort des Erasmus auf eine Schmäh-
schrift des Stephan Doletus, kündigt ihm neue Anfechtungen durch
die Karthäuser an und bittet ihn um ein Heilmittel gegen Stein-
leiden. Köln, 1533 (?) März 29; 7. Jacob Omphalius teilt Erasmus
seine Aufnahme in das Juristcnkollegium mit. Die Verteidigungs-
schrift desselben gegen Petrus Cursius hat er mit Vergnügen gelesen
und kündigt ihm Briefe hervorragender Gelehrten an. Toulouse,
1536 Febr. 9. B.
In demselben Bande der Belgischen Zeitschrift (S. 209 — 273)
teilt K. Krafft aus der lauge vergeblich gesuchten und endlich vor
einigen Jahren in Wolfenbüttel gefundenen Selbstbiographie des
Westfälischen Reformators Gerhnrd Oemiken die, Vorrede in neu-
hochdeutscher Übersetzung mit. Eine neuere vollständige Lebens-
beschreibung dieses 1485 zu Camen in der Mark geborenen, in den
westfälischen Städten Soest, Lippstadt und Minden mit Eifer für die
Reformation eingetretenen, 1502 als Superintendent zu Güstrow in
Mecklenburg verstorbenen kernigen Westfalen, der u. a. auch die
Schmalkaldischen Artikel mitunterzeichnet haben soll, fehlt bislang
noch. B.
Alexander Wirtli führt uns im Programm der Realschule
zu Meerane i. S. von 1894 in „Die evangelische Schule des 10.
und 17. Jahrhunderts“. Auf Grund von K. Vormbaums evangeli-
schen Schulordnungen schildert er bis in die kleinsten Einzelheiten die
Einrichtung und den Studiengang der Lehranstalten jener Zeit und
zwar zunächst der nach Melanchthons Vorbild organisierten Latein-
oder Gelehrtenschulen und sodann der in Knaben- und Mädchen-
schulen zerfallenden niederen deutschen Schulen, für die Luther durch
seine Bibelübersetzung und den kleinen Katechismus den Boden
geschaffen. Als charakteristisch für das durch die Reformation um-
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316
I.itteraturl>ericht.
Heft 9 u. 10.
gestaltete Schulwesen kennzeichnet Wirth zunächst den Umstand, dass
der öffentliche Unterricht nicht mehr von Privatpersonen, sondern
von der städtischen und landesherrlichen Obrigkeit eingerichtet und
erhalten wird. Ln Gegensatz zu früher giebt es einen selbständigen,
besoldeten Lehrerstand, der von einem regelmässig zu zahlenden
Schulgeld unterhalten wird. Zum Zwecke einer allgemeinen Volks-
bildung erhalten auch die kleinsten Dörfer ihre Schulen. Damit tritt
der Unterricht in den Elementnrfächern, namentlich im Lesen und
Schreiben, in den Vortiergrund. Ein besonderes Gewicht aber wird,
auf den höheren Schulen nicht minder als auf den niederen, auf die
Religion gelegt, die als obligatorische Discipiin unter die Unterrichts-
fächer aufgenommen wird. B.
H. S. Burrage, der schon im Jahre 1881 eine History of the
Anabaptista in Switzerland (Philadelphia American Baptist Publ.
Society 1420 C'hestnut Street) veröffentlicht hat, hat in den Papers
of the American society of Church history III, 145 — 104 einen
Aufsatz über „The Anabaptista of the IG. Century“ drucken
lassen. K.
Die beiden verschiedenen pädagogischen Richtungen seines Zeit-
alters sah Christian Thomasius am vollkommensten in dem Jenenser
Mathematik- und Astronomie-Professor Erhard Weigel und dem
Kieler Daniel Georg Morhof verkörpert. Morhof: der humanistisch
Gebildete, bemüht den Sprachunterricht der Lateinschulen als Haupt-
bildungsmittcl beizubehalten und nur in vernünftiger Weise zu
reformieren, Weigel: der praktische Schulmann, eintretend für die
vernachlässigten Realien und die Pflege einer frommen und tugend-
haften Gesinnung. Thomasius verurteilte beide Bestrebungen für sich
als einseitig. Gegen Morhof macht er geltend: „Der Mensch ist
nicht auff der Welt «1er Sprachen halber, und die Sprachen machen
für sich keinen gelehrten Mann, sondern die Sprachen sind erfunden,
dass die Menschen dudurch ihre Gedanken einander eröffnen sollen,
und die Gelehrsamkeit bestehet nicht in zierlich gesetzten Worten,
sondern in wahrhafftiger uml mit der Sache selbst übereinstimmenden
Gedanken.“ Dagegen betont er Weigel gegenüber die Notwendigkeit
des Sprachunterrichts, weil viele Bücher, die für die wissenschaftliche
wie für die sittliche Erziehung in Betracht kämen, in fremden Sprachen
geschriel«en seien. Thomasius hielt es für notwendig, die beiden
Richtungen, d. h. also Sprach- und praktische Wissenschaft init ein-
ander zu verbinden, in derselben Erkenntnis, die zu Anfang unseres
Jahrhunderts Herbart in dem Satze ausgesprochen hat: „Das Gewicht
der Gründe auf beiden Seiten und die Hochachtung, welche so
manchen Männern gebührt, die mit ihrem Ansehen beide Teile unter-
stützt haben, lässt wohl kaum zweifeln, dass beide notwendig zugleich
Recht haben müssen.“ — Ein Element, das sowohl Morhof, als
Weigel übersehen, will Thomasius in das Erziehungssystem neu auf-
genommen wissen. Das menschliche Thun und Lassen hat 4 Stücke
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1895.
Litteraturbericht.
317
der Vollkommenheit, es »oll ehrbar, artig, nützlich und belustigend
sein. 3 von diesen fördern die früheren Systeme, das zweite aber,
„die artige Höflichkeit der Sitten“, „die Manierlichkeit in Thun und
Lassen“ hat Thomosius bislang vergeblich gesucht. — Diese Gesichts-
punkte erörtert in verdienstlicher Weise Alfred Rausch in einem
Aufsätze der Festschrift des Jenaer Gymnasiums zur 350 jährigen
Jubelfeier des Eisenacher Gymnasiums am 18. Oktober 1894. Er
führt den Titel: Christian Thomasius als Gast in Erhard
Weigels Schule zu Jena. Ein Beitrag zur Geschichte der
Pädagogik im 17. Jahrhundert. Nachdem Rausch nämlich in
der oben gekennzeichneten Weise das Verhältnis des Thomasius zu
Morhof und Weigel eingehend charakterisiert hat, geht er dessen
persönlichen Beziehungen zu dem letzteren nach und berichtet speciell
über den Besuch, den Thomasius der Kunst- und Tugendschule
\V eigels in Jena wahrscheinlich bei Gelegenheit, ihrer Wiedereröffnung
nach dem 3jährigen Probekursus am 10. November 1689 abge-
stattet hat. 6.
Daniel Georg Morhof ist in jüngster Zeit eine Pariser Disser-
tation von Alb. Föcamp gewidmet worden: „Do D. G. Morhof io
Leibnitii in cognosceudis linguis et Gerinanico sermone
reformando praecursore. Monspelii cx typis Ludovici
Grollier putris 1894.“ Föcamp nimmt einen guten Teil des Ruhmes,
den Leibniz um seiner Sprach-Verdienste willen geniesse, für Morhof
in Anspruch, der die meisten Leibniz'schen Auseinandersetzungen,
nicht nur auf dem Gebiete der neuzubelebenden deutschen Sprache,
sondern in der Sprachwissenschaft überhaupt, meist schon klarer und
bestimmter dargelegt habe, und nur in der Gewandtheit und Schön-
heit des Stils von jenem übertroffen werde. B.
Nicht ohne Interesse auch für unser Forschungsgebiet ist die
kleine Schrift von Wilh. Fabricius „Die Studentenorden des
18. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zu den gleichzeitigen
Landsmannschaften“. Ein kulturgeschichtlicher Versuch (Jena,
Döbereiners Nachfolger 1891). Diese Verbindungen waren geheime
und die akademischen Behörden hielten sich für verpflichtet, dagegen
einzuschreiten; es scheint, dass sie teilweise bei den Freimaurern
Anlehnung fanden, doch sind sie nicht zu verwechseln mit den
akademischen Logen, welche Professoren, Studenten und Beamte
umfassten, die aber im Sinne der obigen Arbeit keine „Studentenorden“
waren. Immerhin weist Fabricius nach, dass die Studentenorden in
der Form, wie sie um 1770 bestanden, erst seit dem Aufkommen
der Freimaurerei in Deutschland (etwa seit 1740) nachweisbar sind.
Sehr beachtenswert scheint auch der Hinweis auf Zusammenhänge
mit den älteren „Akademien“, besonders mit dem Blumenorden
in Nürnberg (S. 33), dessen 100 jähriges Stiftungsfest (1744) ein
Ereignis in der gebildeten Welt war. K.
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Preisausschreiben der Comenius-Gesellschaft
für 1896.
Der Gesamt. Vorstand der C.G. hat beschlossen , für das Jahr 1896
eine neue
Preisangabe
auszuschreiben.
Die Errichtung der Universität Berlin hat eine Vorgeschichte, die bi«
auf die Zeiten Friedrich Wilhelms, des Grossen Kurfürsten, zurüekreicht und
die mit den Bestrebungen und Plänen des Comenius und der „Akademien“
der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts Zusammenhänge In neuerer
Zeit hnt zuerst D. Kleinert in einer Berliner Rektomtrede von 1885
(wiederabgedruckt in dessen Abhandlungen und Vorträgen zur christlichen
Kultus- u. Kulturgesch. 188b 8. 128 ff.) auf die Pläne des Grossen Kur-
fürsten und auf ihren Zusammenhang mit Ideen des Comenius hingewiesen.
Indessen fehlt bl« jetzt eine genauere Untersuchung diese« kurz vor »einer
Ausführung gescheiterten Unternehmens, über das ein ziemlich vollständiges
ungedrucktes Material erhalten ist. In Rücksicht auf die Bedeutung, die
das Projekt für die Charakteristik der Bestrebungen des Grossen Kurfürsten
auf geistigem Gebiete- besitzt, wünscht die C.G. eine Darstellung
der projektierten Unlversal-L'nlversitftl des Grossen Kurfürsten.
Die Arbeit soll zugleich den Zusammenhang dieser Pläne mit den
Bestrebungen und Ideen der Akademien der Naturphilosophen und des
Comenius untersuchen, auf Grund selbständiger Nachforschungen in den
Quellen in allgemein verständlicher Form abgefasst und in deutscher Sprache
geschrieben sein.
Die Arbeit soll den Umfang von 5 — 6 mittleren Druckbogen nicht
wesentlich überschreiten.
Der Preis betrügt 200 M.
Sie ist bis zum 31. Dezember 18!lt> unter Beifügung eines mit Sinnspruch
versehenen Briefumschlags, der den Namen des Verfassers enthält, bei der
Geachäftstelle der C.G. , Berlin-Charlottenhurg, Berliner Str. 22,
einzureichen.
Die preisgekrönten Arbeiten gehen in das Eigentum der C.G. über.
Sie werden von der Gesellschaft unter ihre Publikationen aufgenommen und
herausgegeben. Die nicht gekrönten Arbeiten können die Verfasser selbst
herausgeben, doch bleiben die cingerciehten Handschriften ebenfalls Eigentum
der Gesellschaft.
Die Namen der Preisrichter werden im nächsten Heft bekannt ge-
macht.
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Nachrichten
In den I’reuss. Jahrb. (18115 S. 215 ff.) veröffentlicht E. Troeltsch,
Professor der TTieologie in Heidelberg, einen Aufsatz über „Religion und
Kirche“, den wir der Beachtung unserer Leser empfehlen. Wir verweisen
hier nur auf die Charakteristik der verschiedenen protest. Kirchen, die aus
der Reformationsbewegung hervorgingen. „Auch für Luther war (sagt P.),
wie für den Katholizismus, die Kirche eine von Christus gestiftete Anstalt
des Heils, auf festem, objektivem Grunde gebaut und von einem göttlich
bestellten Amte getragen . . . Nur war diese Autorität für ihn nicht der
durch Succession und Gnadenbegabung zu rechtsgiltiger Entscheidung be-
fähigte Bischof, sondern die heilige Schrift, da» . . . Wort Gotte». . . . Von
diesem festen Punkte, von der reinen Schriftlehre aus, werden die neuen
Kirchen organisiert. Die Lehre, die durch sich selbst klar und fertig ist,
muss in ihrer Reinheit aufrecht erhalten werden, gegenfdicr allen Trübungen,
Häresie und Irrthiimern, sie muss in ihrer Wirksamkeit unterstützt werden,
durch . . . Unterstützung, Versorgung und Kontrolierung der Beamten, der
Ausleger der Schrift. Beides wird als Aufgabe der Landcsgewalt
bezeichnet Die Folge davon war die Auslieferung der Kirchen
an die Landesherren und deren Hofthcologen, die volle Unmündigkeit der
Gemeinden .... Eine weitere Folge der Begründung des Instituts auf die
so zu behütende Reinheit der Scbriftlcbre war ein ungeheurer Doktrinaris-
mus. Die Schrift ist Grundlage der Is>hre, des Gottesdienstes, aller Kasnal-
bandlungen, des Unterrichts. Überall muss die reine Is bre ertönen, welche
von selbst das Heil wirken wird. Die lutherischen Kirchen predigen ohne
Unterlass, ja ihr Idealismus besteht gerade darin, dass nichts gethan wird
als gepredigt .... Diese tief innerliche Frömmigkeit des Herzensglaubens
schuf sich eine auf die reine Lehre gebaute Kirche und verwuchs so selbst
unlösbar mit der reinen Lehre“ . . .
Sehr richtig bemerkt Troeltsch im Anschluss an diese Ausführungen,
dass der moderne Tolcranzstaat mit und durch sein Emporkommen
diese Kirche und ihre Organisation tief erschüttert hat, ja dass
der Gedanke des Toleranzstaates in einem völligen Widerspruch zu den
obigen Grundgedanken steht und dnsa beide nicht vereinbar sind.
Leider ist Troeltsch aber weder auf die Frage, wer die Schöpfer dieses
Toleranzstaates waren, noch auf die Schlussfolgerungen, die sich au« dem
eingestandenen Widerspruch ergeben, näher eingegangen.
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320
Nachrichten.
Heft 9 ii. 10.
Wir übergehen hier die Schilderung der reformierten Kirchen calvi-
nischer Richtung, in denen Trocltscli sein Ideal nicht erblickt, deren Lchr-
und Sittenzucht nach T. leicht nusarten. „Wo aber“, führt Troeltsch fort (S. 238),
„die Lehr- und Sittendisziplin erheblich beschränkt und der individuellen Uber-
zeugung und Lebensgestaltung grösserer Raunt gelassen wurde, da gediehen
auch keine grossen und schlagkräftigen religiösen Gemeinwesen, wie Inde-
pendenten, Quäker und L’nitarier zeigen. Gleichwohl haben diese
kleinen Gemeinwesen sich behauptet und sehr segensreich ge-
wirkt. Es mag daher die Ansicht derjenigen nicht ohne Berech-
tigung sein, welche in diesen kleinen Gemeindebildungen das
Ideal der zukünftigen Form der christlichen Kirchen sehen,
das sich in der Zersetzung der Staats- und Landeskirchen,
sowie der Kirchen des Lehrzwangs vorbereite.“
Die Bemerkung, dass jene kleineren Gemeinschaften — Troeltsch meint
offenbar alle diejenigen Gemeinschaften, die wir unter dem Namen der alt-
evangelischen Gemeinden zusammenfa»ssen — , keine grossen Gemein-
wesen zu bilden im Stande gewesen sind , ist für den nicht verwunderlich,
der die Kirchengeschiehte kennt und der weiss, in welcher Art diese auf
dem Grundsatz der Freiwilligkeit beruhenden und dadurch naturgemüss
zunächst an die besseren Elemente verwiesenen Gemeinschaften von Kntholikcn
und Protestanten bekämpft worden sind. Selbst aber, wenn man jene That-
saehe aus inneren Mängeln des Systems hcrleitet, muss man doch zugeben,
dass viele Ideen und Grundsätze jener „kleinen Gemeinschaften“ sich im
Lauf der Jahrhunderte einen breiteren Boden erkämpft haben, als die Ideen
irgend einer anderen „grossen Kirche“. Und wir stehen ja noch nicht am
Ende aller Tage.
Für die Geschichte der religiösen Volksliewegnngen des Mittelalters (oder,
wie unser Arbeitsplan sagt, der altevangelisehen Gemeinden) und ihre Nach-
wirkungen im lö. Jahrhundert ist die Frage des Zusammenhangs zwischen
Luther und den böhmischen Brüdern nicht ohne Bedeutung. Von jeher
haben wir in diesen Heften einen sehr engen Zusammenhang zwischen den
Brüdern und Luthers erstem Auftreten (bis 1525) vertreten und angenom-
men, während sehr viele protestan tische Theologen denscllmn bestreiten oder
in seiner Bedeutung abzuschwächen suchen. Neuerdings hat K. Burdach
in Halle (D.M. der C.G.), dessen geistvolles Buch „Vom Mittelalter zur
Reformation. I. Halle 1893“ unsere Mitglieder kennen werden, sieh über diese
Frage im Litterarischen Centralbl. (1895 Nr. 30 Sp. 1054) bei Gelegenheit
einer Besprechung über Rudolf VVolkans neuestes Werk (Geschichte der
deutschen Litteratur in Böhmen bis zum Ausgang des 1(5. Jahrhunderts) aus-
gesprochen und wir wollen nicht unterlassen, dies Urteil hier wietierzugeben:
„Die Darstellung des 1(1. Jahrhunderts hat der Verfasser im Wesentlichen
aus eigner Kraft geliefert. Überzeugend weist er die Kulturgemcinschaft
zwischen Böhmen, Schlesien, Meissen seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
und während des 1(1. Jahrhunderts nach. Auf ihr beruht, wie Rcf. sich hier
zu bemerken erlauben möchte, die Entwicklung und das allmählich zuneh-
mende Übergewicht der ostmitteldeutachen Bildung und Schriftsprache.
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1895.
Nachrichten.
321
Auch die Tschechen nahmen damals daran Teil. Die Beziehungen
Böhmen« zu Luther (.böhmische Brüder') und zu Melanchthon, der
dort ausgezeichnete Schüler findet, zum Humanismus, verdienen die Beach-
tung aller derer, die unbefangen nach geschichtlicher Wahrheit streben.
Hervorragende Personen, wie Bohuslav Lobkowitz von Hassenstein und
ntulerc sind von Wolknn gut lieleuchtet, die Bedeutung der reichen Bergstadt
Joachimsthal und des böhmischen Erzgebirge« für deutsche Dichtung und
Bildung nach Gebühr gewürdigt : hier ist die Pflege der Lateinschule und
des Humanismus zu Hause, Gedicht, Volkslied, Kirchenlied, Drama gleichor-
niaasen; Namen, wie Nikolaus Hermann, dessen Sonntagsevangelia von 1501
der Verfasser soeben neu herausgegeben hat (Prag und Wien, Tempeky
1894), Matthesius, Krügingcr, sind allbekannt. Böhmen ex|H>rticrt auch im
10. Jahrhundert noch eine Fülle geistigen Iz-bens und den Zusammen-
hang zwischen der reformatorischen Lehre, Sehriftstellerci und
Liederdichtung und der hussitiscli- wiclifitischen kann eine ob-
jektive Geschichtschreibung nicht bestreiten. In dem Versuch
Kawcraus (Weimarisehe Lutherausgabe Bd. 9 S. 077 ff.) z. B. für Luthers
„Passional Christi und Antichristi“ diesen Zusammenhang anzuzweifeln oder
doch nur als möglich hinzustellen, vernimmt Referent mit Bedauern den
Nachklang eines eingewurzelten Vorurteils einer konfessionel-
len Behandlung der deutschen Reformationsgeschichte.“ 1 )
Nichts hat der zum Teil absichtlichen Verdunkelung der Geschichte
der uusserkirchlichen Christen-Gcmciudcn, die man Ketzer nannte, grösseren
Vorschub geleistet, wie der Gebrauch von Seheltnamen oder Ketzernnmen,
die mit der Altsicht der Herabsetzung erfunden und in Umlauf gesetzt,
schliesslich selbst in wissenschaftlichen Werken und Darstellungen in Ge-
brauch kamen und vielfach heute noch — ich erinnere z. B. un den Scheit -
nnmen „Wiedertäufer“ — zur Bezeichnung von Religionsgemeinschaften
in Gebrauch sind, die sich nicht nur selbst keineswegs so genannt, sondertt
sogar diese Namen als eine Beschimpfung bezeichnet und zurückgewiesen
haben. Auch zur Bezeichnung der böhmischen Brüder waren seit dem
15. Jahrhundert eine Reihe von Scbeltnauien — z. B. die Namen Gmben-
heimer, Waldenser u. s. w. — aufgekommen, allmählich aber wieder stärker
zurückgetreten; nur ein Kctzcronmc, nämlich die Bezeichnung Pikardcn,
die aus dem Namen Begharden entstanden ist, hielt «ich mit zäher Dauer-
haftigkeit und es ist von Interesse, dass er selbst noch im 17. Jahrhundert
vielfach , selbst noch in diplomatischen Korrespondenzen , wiederkehrt (Vgl.
Felix Stievc, Briefe u. Akten zur Gosch, des 30 j. Kriegs. Bd. IV München
1895 8. 429, 459, 574). Öfters werden sie auch Hussiten genannt. Merk-
würdig ist, dass in den gegnerischen Berichten aus dem Anfang des 17. Jahr-
hunderts zwischen den Reformierten und „Pikarden“ gar kein Unterschied
gemacht und dass z. B. Wenzel von Budowec, der Mitglied der Brüdergemeinde
war, als „Erzkalvinist“ bezeichnet wird; wohl aber ist den Gegnern klar, dass
') Die gesperrten Stellen sind von uns ges|>errt worden.
Die Sehriftleitung.
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322
Nachrichten.
Heft 9 11. 10.
die „Pikarden“ und die Lutherischen verschiedene Gemeinschaften sind.
Wenn inan sich diese Thatsuche vergegenwärtigt, erklärt es sich, wie der
Name „Reformierte“ allmählich auch ausserhalb Böhmens vielfach fiir
Personen und Gemeinden in Umlauf kam, die im Grunde den 1 »ohmischen
Brüdern viel näher standen, als den strengen Kalvinisten.
Die neueste und wichtigste Erscheinung auf dem Gebiete der Comenius-
Litteratur ist die Ausgabe der Naturkunde (Job. A. Comenii Physicac ad
Lumen divinum reformatne Synopsis), die Herr Direktor Dr. Jos. Heber in
Aschaffenburg liesorgt und im Verlag von Emil Roth in Giessen veröffent-
licht hat. Wir worden in Kürze eine eingehende Besprechung dieses Buches
aus der Feder eines unserer sachverständigsten Mitglieder — Prof. Knrd
Lasswitz in Gotha — bringen und wollen uns heute mit einen» Hinweise
auf das Buch begnügen. Wir hulicn in den ersten Heften dieses Jahrgangs
auf die Beziehungen des Comenius zu den Naturphilosophen des 10. und
IT. Jahrhunderts verwiesen und es ist interessant, in der Einleitung, die
lieber zu der Ausgalie geschrieben hat, die Bestätigung unserer Wahrneh-
mungen zu finden, lieber sagt von der Alchymie, dass sie dos ganze Werk
des Comenius in allen seinen Teilen durchzieht. Des Comenius Physik ist nach
Roller ohne Kenntnis der Alchymie eltensowenig verständlich, wie Bacons
„Novum Organon“. Begründer dieser Wissenschaft (der Alchymie) war, wie
Roher hervorhebt, Bombastus Theophrastus Paracelsus von Hohen-
heim, dessen Einfluss wir auch bei der Darstellung der Geschichte jener
Akndemien und Sodalitätcn der „Alchemisten“ hervorgehoben haben. Es wäre
sehr erwünscht, wenn einmal festgestellt werden könnte, ob jene „Akademien“
bereits zur Zeit des Paracelsus bestanden und ob er selbst Mitglied einer
solchen gewesen ist. Auch die Feststellung des Anteils der Sodalitäten an
der Verbreitung und dem Neudruck der Schriften des Paracelsus wäre eine
Aufgabe, die in mehrfacher Beziehung Licht verbreiten würde. Wir sind
gern liereit, unseren Herren Mitarbeitern für diese Themata entsprechenden
Raum in unseren Monatsheften zur Verfügung zu stellen.
Bei Bohuslaus Batbinus, 8. J., Bohomia Docta ed. ab R. -Ungar.
Pragae 1788 Pars II. S. 3 1 4 f. findet sich folgendes Urteil über Comenius:
„Joannes Arnos Comenius Moravus natione fuit, sed apud nos in Bohemia
cducatus, omne» huius Viri lueubrationes al> clegantia sermonis patrii, et
recondita cruditionc laudantur. Evulgavit Januam linguarum primus iam
ante an. 1616 latine, germaniee, bohemice, isqne über ita placuit, ut vix
ulln hodie Europac lingua nominari possit, qua Comenius non legatur.
Post victoriam Pragenscm, cum in Bohemia haeretici eonsistere vetarentur,
in Hollandiam exulatum abiit, saepe tarnen ut peregrinus Patriae» et
ßohemium revisebat. Quam pluriiua edidit, nihil tarnen unquam,
quod catholieae fidei adversaretur, ne mihi opera legenti
Hcmpcr visus est ita comparatus scripsissc, ut nullam notarc,
aut damnare rcligionem vellet. Labvrinthus mundi et Paradisus
nnimac bohcmica lingua conscriptus et an 1631 Carolo seniori de Zcrutin
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1895.
Nachrichten.
323
dedieatus cst. Quo nt uh ille Vir fncrit, satis ostcndit elocutione illimi,
proprietatc verborura, nltitudine sensuum, descriptione inanitatis mundi,
et cruditione rarissiina et intiraa laudatissimus, et leotu
dignissimu 8.
Eine wärmere Empfehlung kann man von einem grundsätzlichen
Gegner wie es Balbintis ab Mitglied der Gesellschaft Jesu war, nicht ver-
langen. Balbinus gehört zu den angeseheneren Schriftstellern der Jesuiten
im 17. Jahrhundert.
Das Schicksal der Bibliothek, welche sich Comenius ln Fulnek
und vielleicht auch schon während seiner Studienjahre angcschafft halte,
erfahren wir aus einem Briefe des Kapuzinennönches P. Bonaventura ans
Köln an dfen Kardinal Ludovisi , der damals Präfekt der „Congrcgatio de
Propaganda Fide“ war (erhalt, im Archiv der Propag. , Germania I 829,
I. Nr. 330, l'ol. 206 — 208, gefunden in Rom durch I)r. J. Kollmann).
Iler P. Bonaventura wurde im Frühjahr 1623 vom Olmützer Quardian nach
Fulnek ab Missionär geschickt, und bald gelang es ihm, dort viele Evange-
lische zum Katholizismus zu bekehren. Auch die ehemalige Brüderkirche
nahm er ein und predigte daselbst zweimal in der Woche, da sehr viele
von den Brüdern die katholische Kirche nicht besuchen wollten. Unter
die Kinder verteilte er Rosenkränze und lehrt« sie beten mit solchem Er-
folge, dass sie lieber die Eltern verläugncn wollten, ab dem katholischen
Glauben entsagen. Die den Neubekehrton abgenommenen häretischen Bücher
wurden am 1. Mai 1623 auf dem Marktplatze verbrannt. Ab sie so ü Stunden
brannten, liefen die Kinder, welche zusahen, unaufgefordert auseinander,
drangen in verschiedene Häuser, eigene und fremde, ein und brachten von allen
Seiten Bücher, deren sie habhaft werden konnten, und warfen sie ins Feuer.
Den andern Tag untersuchte der Kapuziner die im Rathaus« aufbe-
wahrte Bibliothek „des Predigers Arnos“ (Comenius), und ab die
Knaben es erfuhren, kamen sie in grosser Menge herliei, packten die Bücher
und verbrannten sie in einer Stunde zu Asche auf dem früher erwähnten
Orte mit solchem Eifer und Schnelligkeit, dass sie den Kapuziner beinahe
mit zerrissen hätten, und dass sich bei dem Eifer die einen Kleider, die
andern Haare mitverbrannten. Es gieng also nach diesem Bericht die Bücher-
sammlung des Comenius nicht alboglcich nach seiner Flucht aus Fulnek zu
Grunde, sondern erst nach zwei Jahren. N.
Giordnno Bruno und die Akademien. Herr Pastor cm. J. H. Maronier
in Arnheim (D. M. der C.G.), der sich durch sein Buch über „Das innere
Wort“ (Het inwendig Woord. Eenige Bladzydcn uit de Gcachiedenis der
Hervorming, Amsterdam 1890) und die Reformationsgeschichtc bekannt ge-
macht hat, teilt uns folgende Stelle aus Früh, Live of Bruno p. 128 in holl.
Übersetzung mit: „Toen Giordano Bruno in 1588 van Oxford naar London
kwam vond hy daar een kleinen Kring van gelcerden en stiehlt« met heil
een Verceniging in navolging van de Italiaunschc akademien. Onder hare
leden behoorden : Siilncy, Grcvcllc, Dver en Temple.“ — Das« Bruno der-
jenigen Geistesrichtung angehört, die die Akademien vertraten, ist längst
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Nachrichten.
Heft 9 u. 10.
bekannt, dass er aber in nller Form Mitglied und Bruder gewesen ist, ist
bisher, so viel ich weiss, nirgends hervorgehoben worden. Wir haben Bruno
schon seit 1892 in den Arbeitsplan der C.G. aufgenommen.
Wir Italien früher (M. H. der C.G. 1895 S. 18) erwähnt, dass Peter
Wok von Bosenberg (Schwager des Kurfürsten Joachim II. von Branden-
burg) mit dem Fürsten Christian von Anbnlt (1588 —1030) einen Briefwechsel
unterhielt, der unter Formen und Sinnbildern, die der Alchymie entnommen
waren, sehr ernste Pläne und Ziele zum Gegenstände hatte. Es wäre sehr
wünschenswert , dass von diesem Briefwechsel mehr bekannt würde, als bis
jetzt bekannt ist. Vielleicht enthält das Bernburger Archiv Aufschlüsse,
aus dessen Beständen (Abt). I, F. 1. 231) M. Bitter, Briefe und Akten
zur Gcsch. des 30j. Kriegs 8. 420 f. einige Stücke abgedruckt hat. Peter
Wok, einer der angesehensten und reichsten Magnaten Böhmens, war Mit-
glied der Gemeinschaft der böhmischen Brüder. Merkwürdig ist (s. Kitter,
Oie Gründung der Union, 1870 S. 551), dass sich in dem erwähnten Brief-
wechsel Fürst Christian als „Sohn“ Rosenbergs bezeichnet, ebenso wie
sich Comenius „Sohn“ Valentin Andreaes nennt.
Um die Akademie des „Palmbaums“ hat, sich seit dem Jahre 1834
kein Fürst grössere Verdienste erworben, als Herzog August von Braun-
sehweig - Lüneburg. Der Briefwechsel dieses Fürsten ist zum grossen
Teil erhalten und beruht in 30 Foliobänden in der Herzoglichen Bibliothek
zu WolfenbUttel. Da dieser Briefwechsel für die Geschichte der gesamten
Geistesbewegung, deren Träger die Akademien waren, sehr viel Material
enthält, so wäre es dringend wünschenswert, dass wenigstens die wichtigeren
Stücke allmählich bekannt würden. Damit würde diesem merkwürdigen
und hochbegabten Fürsten zugleich ein würdiges litte ra risches Denkmal ge-
setzt werden.
Die Geschichte der „Akademien der Naturphilosophen des
17. Jahrhunderts“, die in den Beiträgen unserer Hefte zum ersten Mal
eingehender behandelt worden ist, liedarf natürlich weiterer Aufhellung und
Ergänzung. Es ist möglich, dass einige unserer Mitglieder, die sich mit der
Naturphilosophie, mit Leibniz, Galilei oder anderen Mäiuiern beschäftigen,
im Stunde sind, neue Aufschlüsse zu geben und wir bitten zutreffenden
Falles freundlich darum.
Die Schriftleitung.
niu litlruckt’ivi von Johann« 's Hntlt, MCinstt r i. \\\
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Personen- und Orts-Register
zum vierten Bande (1895) der Monatshefte der C.G.
Jhu» ICi'Kixtrr ist im Hinblick auf die Namen geschieh Ü ich«' r Personen und Ortsnamen U«arlicilet.
Pie Jturhstnlicn C und K, F und V, 1 und J sind verbunden.
. 4 .
Abcrlc 117. 1 11).
Achard, L. üL
Ackermann, E. 1Ü
Adelung 2.
Albert, E. 22.
Alewein, IL A. v. 12» SS.
Alfons X., König von Spanien 2-1 il.
Aliendorf 21b.
Alsted, A. K., Frau des J. H. .il.
Alsted, J., Bruder 22,
Alsted, J., Vater 22» üi!»
Alsted, J. IL. 22 ff. öS. 2äL 212,
Alsted, K., Schwester äÖ»
Alsted, R., Mutter 2IL
Altdorf 21L 2U.
Althaus, F. 1 r>t. 1 öS. iiil. 1 fi2.
Althusius, J. 21).
Aiuerbaeh, Basilius 1 1 7. 2Ö2.
Amerbach, Bonifacius 1 17. 2.~i.l.
2f>4.
Amerbach, Bruno 252.
Amoena Amalie, Tochter des
Grafen Arnold von Steinfurt LL
Amsterdam 12, 2i» Qü, 120 . 1 : 1 1 .
LLL LLL
Andrem-, J. V. 22. 21. -’.'i. tio. !I2.
LLL LLL Llüff. 2üü. 22L 2ü!2» 221.
Anna, Gattin Christians L von Ati-
halt-Bernburg LL
Anna Maria, Mnrkgräfin v. Baden
LL
Anna Sophia, Fürstin zu Schwarz-
burg-Rudolstadt LL
Anton Ulrich, Prinz von Braun-
schweig US.
Aragosius, W. 202. 207.
Arndianus LLL
Arnd, J. LL (iß» 277.
Arnim, B. v. 1 1)2.
Arnim, LL G. v. li» LLL
Arnold, G. Ü.
Aron, R. 211 ff.
Aschaffcnburg 22, üä» 177.
August von Braunschweig -Lüne-
burg, Herzog LL 22. US. 22. 1 17.
1 4S. 224.
August, Herzog von Wolfenbüttel
UL
A vd-Lallerocnt 12ti, 147.
Aven, J. 1 4(i.
B.
Bach, .1. 5L üfi.
Baco, R. L L äü» LL LL 22. 127.
UiL LIIL LU2» 222» 22L 2üL 222.
Bachring, B. 1SÖ ff.
Bärholz, D. 12. LL 22.
Bahr, B. 12li.
Balbinus, B. 222. 222.
Ballersbach 21L
Bamberg, v. I)r. LL
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326
Ban er, schwedischer Feldmarschall 1
UL
Bnrläus, C. 14(1.
Barthelinfess, C. 1 93.
ßarthnld 1B 2L 28. 1Ü2.
Basedow, ,T. B. üü. 12i>. 200.
Basel, 3B L11L LU. 2QL 2Ü2. 2ÜL
208. 212, 213, 2äi 2üdL 3LL
Bathurst, R. l(iü.
Bauer, A. 188.
Bayle 2. 231L 241
Bayreuth 218.
Beale ML ML
Becher, J. J. 21Ü. 23i ff.
Beck 21B 2Ü8.
Beckmann, C. 315.
Bell, A. 280. 282. 28 3, 28B 2ÜL
Bellin, J. Li.
Bense du Puis, P. 22t
Bereton 1(10.
Berg, K. v. 138.
Berlepsch BL
Berlin liL Hü, 1 33. l.V 1 . ITii. 182.
Ml 318.
Bern IL 138, 21 LL
Bernburg 321.
Bernegger, M. L fi. 20. 21. 22. 24.
Ul H2. UL U1L lüfi. LIL 1I1L
Bernouilli, J. 183.
Bertram, Bischof von Metz 31-1.
Betulins, D. SB
Bcuthen 2L
Bever, B. 13(i.
Beza, T. 202. 212.
Bicken 2B
Biedermann 111.
Bicrling HL
Binder 202.
Birck 314.
Birken, 8. v. 22. IS. UL 82.
Bischoff, T. 2B IB 8L 82.
Bismarck, Fürst v. 102.
Bistcrfeld, J. 1L 32. BL
Blahoslav, B. J. 4B 2*i2.
Blomius, J. 1311.
111 om ins, R. l.'lil.
Rlondcl, LL ÜB
Bochum 2!i3. 270.
Bocskay 214.
Böcler 235, 230, 230.
Böhm, .1. M. 72.
Böhmer, 1L 12,
Börne 1 02.
Boinchurg, v. 137.
Boiti , G. 33,
Bonaventura, P. 323.
Bon net, N. de ÜL
Borch, von der 18.
Bosch, M. 201.
Bessert, O. OB
Bosshard, E. 1 Hi.
Boy I e , R. üü. 1 38. 1 r>9- 1 HO. 101
ML
Bracken hausen, A. 12,
Brabd, Tycho 103.
Brandt, V. 411
Brasch, M. 147.
Braunfels 30.
Braunschweig Hü,
Braunschweig- Lüneburg (Land)
218. 21AL
Breda 100.
Bremen OB ISO.
Breslau 21(1. 31 n.
Brieg 28.
Brischar äL
Brockes, R. H. 1SI.
Browning, R. 1 1(1.
Brücker, J. üü,
Bruder, A. üL
Brüder, Böhmische 211 iü ff. ÜB
ÜL tiL 12L JLÜ3. ML 188. ILLIHL
liüL 21B 2äL 32B 32L 322. 32L
Brüder, Mährische ÜB 1 OS. 21Q.
2*>7.
Brümmer 21S.
Brüssel ■i( > 8.
Brunehorst 313.
Bruno, G. LL 323
Bruufels, O. Uli.
Buch, Herrn v. 1B
Büchner, A. 140.
Budowec, W. v., Frlir. v. Budowa
18. 2L 21Ü. 321.
Bülow 1B
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327
Bfinderlin, L, SSL
BQngcr, C. 1L 2Ü. 22. 179.
R fl 1 1 n c r 233.
Biillingcr, LL LL
Runcken, C. 1 :t<>.
Biim», J. '22 1. 225. 238.
Bansen 192.
Burckhardt, O. iS.
Burckhardt - Biedermann, Th.
Burdach, K. 320.
Burgstein furt 14h.
Burmeister, A. &L SS.
Burmeister, F. J. SS.
Burrage, H, S. 31*1.
Busch, Pred. 28S, 2it2.
Bushel, T. 1*11 .
Bussius, O. l:i5. 1 19.
Bythner, Bruder-Pastor !iL
C. K.
Kälin, E. 1 1 5.
Cäsarius, J. Hl 1. Hl 5.
Kahlkaum, G. W. A. 1 1 ti. 1 17.
Kaisbcrg 291 .
Calixt, G. ls.i.
Calw 147.
Cambridge 2L lii. 1 40. 1*15.
Camerarius 200.
Campanclla, Th. 2L 22, loo IM).
ISS, 232, 2liü.
Campen, J. v. :il.~i.
Candorin 153.
Kant 127. 12S. 2KS.
Capellen, H. ISO.
Kapp, J. E. 182. 183.
Caraffa 124.
Knrdorf, Herrn v. UL
Karl Tj Kaiser 210.
Karl, König von England 107.
Karl, Markgraf von Bnrgau, 210.
Karl Gustav, Pfalzgraf Ixi Rhein,
König von Schwellen LL
Karl Ludwig, Kurfürst von der
Pfalz Ili.
Karrel, L. 1 19.
Carrierc, .1. 187.
| Carriere, M. 185. 187 ff.
Cartesius 232.
Casmann 2 1 5.
Casmeru, O. 214.
Kaspar, L. B. *LL
Kassel 1 HM. 218. 219.
Castiglioneus, B. 202. 207.
Kaweratt, W. 182. :I21.
Keckermann 32. 44,
Celakowsky, J. 4L
Cellarius 240.
Keller, L. 1 ff. Ü2, lilff. ISS ff. 194.
Celtis, K. 58,
Kemp, M. SS,
Kempen, M. v. 22,
Kessel, Herrn v. 19.
Kessler, F. 294.
Kessler, G. 11*1.
Keudel, Herrn v. lü.
Chamier, D. 4L
Charron 2fi8.
Chelcicky, P. 42. 252.
Chemlius 1 45.
Khevenhiiller 81],
Chicago 258.
Chluraoczky, P. v. 42, 11*9. 20* *.
203. 215. 21*1.
Christian, Markgraf von Branden-
burg Lil
Christian von Anhalt 18. 1*1*1. 197.
324,
Christian III., Pfalzgraf bei Rhein
2UL
Christian V., König von Däne-
mark 83,
Christoph von Padua LL
Kiesewetter, K. 1 18.
King, J. Ui
Clauberg, .1, ISO. 131.
Klausenburg üT.
Klai, J. 18.
Klein, J. 1 .15.
Kleinert, D. ILL üä. 190. .118.
Kleinert, F. !*L 93.
Clcnardus 37.
K loschen, C. 22,
Kleschen, D. 12.
Cleve 175.
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328
Knaake, A. Hl 4.
Knesebeck, Horm. v. UL
Knorr, C. 72.
Knvphausen 1SL
Coburg Hl 1 .
Kocourka, 8. 213.
Köhler, R. 64.
König 181 .
Königsberg ISO. 1S1. H07.
Küpke 2 IS.
Köthen 22.
Kohlrusch 1 1 0.
Kohut, A. 1 1H.
Colbovius, P. 228. 238.
Kollmann, J. H2H.
Kottmeyer 202.
Comenius, D., Sohn des J. A. t:i
C ondorcet 20". 27H.
Kopp, H. 26. KiH.
Kopp, W. 62. SIL Ü2. Qi,
Corbach, 218.
Cornelius, P. 102.
Kospoth, F. li.
Coq de, M. 22.
Covettus, J. 202. 207.
Kozak, J. S. Ili7.
Kracht 18,
Krafft, K. 3 In.
Crailsheim, G. F. ÜL
Cranier, A. HO".
Krause, B. 22. Id, 128.
Krause, G. 11. 12. 13. I I 1!). 20.
23. 2-L 2L 2s, äL UL m i. iiiö.
Krause, J. IL ISO. Hl 2.
Kraust, L. 83.
Kreibitz, M. 22.
Krell, N. 23.
Crellius, J. 33.
Creniua 44.
Criegern 21L
Crocius, L. 3!1 32.
Cröger, E. IV. 46,
K romeycr 2,07.
Crom well, O. 13. l.'iH. 12,7 170
184 102
Kroncs, F. v. 38, üil ff.
Krosigk, B. v. [2. 13. IS2..
| Krosigk, C. v. lä.
Krüginger 321.
Kriisikc, P. G. 23.
Krug, IL 23,
! Krug, L. 23.
Krummaeher 204.
Cruske, R. 1 23.
Caere, J. A. 62.
Kiilpe 112. m ULL UQ. 111.
Kuntz, P. 22.
Cursius, P. Hl ft.
Curti, F. litt.
Cusa, N. v. 314.
| Kvacsala, J. 22. 6L 1 74. 178, 200.
Czernowitz 120 .
1 ».
Dachsberg 80.
Dalgarno 103.
Dauaeus, L. 248.
Danckwcrth, C. 130.
Daniel 181 .
j Danzig 13, 132, LLL 143. 21S. 223.
Darmstadt 138.
Dauber, H, 30.
Dcdekind, C. C. SH.
Delmenhorst, Grafschaft 21 :i
Dcnck, IL 113,
Dernburg 66.
Doyen tcr 66.
Diesterweg, M. 36. 202. 2Sii.
Dietrichstein, A. v. 200.
Dietrichstein, C. v. 32.
Dictrichstcin , F. v. 211.
Dietrichstein, R. v. 23. SIL
Dietrichstein, S. v. 20!). 210. 21 1 .
! Difenbach, M. 235.
Dilhcrr, J. M. 24. 2Ö. 70. 81. !k)
HL S13, 124. 3IL
Diilenburg 30.
Dilthcy, W. 126. 26L 222. 280.
Dinier 2S0.
Dircks, IL 1~i4.
! Diskan, 11. v. 17. 18.
Disscl, K. 22. 00 ff. 2!tf> ff.
Dieterich, M. 220.
J Ditfnrth UL
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329
Pix, F. l!). r i.
Docemiua, J. ..'1 7. -IS. 22t ). 238.
Döllinger, J. v. 121.
Pohllioff, Frhr. v. US.
Pobna 1_L 183.
Doletus, S. 313.
Doppelmavr 13. 03. OL 103. 1711.
lsa.
Pordrccht 3L 32,
Dorna, J. v. 23.
Dorn au, C. 2L
Dorothea Marin, Herzogin von
Weimar 12.
Dorpat ÜL 1 35. 1411.
Dralco 301.
Dresden 13.
Drcyfus-Brisac, M. E. 32.
Dudik. B. 42. 2ÜL
Dürer, A. 122.
Duisburg ülL. 1 30.
Duracus, J, !iL 1 49. 1 59. 101. 174.
1 73. 123,
Dvoraky, F. AL
Dycr 323.
E.
Eckbart 140. '237.
Eckstein 300.
Edzardus, E. 130.
Eggeling, K. 23.
Eglofstcin, 1L v. ÜL
Ehrenberger, J. A3.
Eibenschütz 200. 213.
Eiinart, G. C. 183.
Einbeck IS,
Eisenach 317.
Eisenmenger, S. 308.
Eislcbcn 218.
Elberfeld 203.
Elbing 218.
Ellendt 218.
Elver, L. 133= 1A1L
Elvert, de m 203,
Emmerich 131.
Endtcr SO, 233.
Engelbrccht, S. 133.
Ent, ß. 1 (1t.
Erasmus, D. 233, 23L 313=
| Erbe, J. 83,
Erfurt ü 141. 143. 220.
Ernau SO,
Ernst der Fromme, Herzog von
Gotha 12L 22L 3ÖS, 310,
312. 313,
! Ernst, Markgraf 11)4.
Eschwege 210.
Essen 203 . 220. 210L
Evcnius, S. 217. 300 ff.
Ewald, Superintendent 307.
Eyk SO,
Evlert 28L 202.
F. V.
Fabricius, J. A. 1SI. 183. 307.
Fabricius, W. 317.
Vacha 211).
Vaget, M. B. 23.
[ Vagetius, J. 1 30.
Falkenberg 210.
Varenius, B. 130.
Vnrrentrapp, C. liL 03.
Vasari 143.
Vaughan, R. 1 38.
Favaro 22,
Fecamp, A. 312.
Vechner, D. 177.
Vochner, G. 217.
Fechter, D. A. 233.
Fchrbollin 273.
Felbiger 30.
Felin, A. 213.
Feltneri, L. OL
Feifalik, J. A3.
Venedig 20. 134. 141. 143.
Verbezius, Dr. 133.
Ferdinand Albrccht, Prinz von
Brandenburg 28.
Ferdinand, Erzherzog v.Tyrol 213,
Ferdinand L, Kaiser 21H 213.
Ferguson, J. 122.
Vesalius 1 20. 121.
Vetter, G. 2Ü8.
Vicentz, A. S. v. 10.
Fichte, ÜL J. 102 2LL
Fiedler All.
1 Vignolcs, M. de 1 83.
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Figulus, P. SS. IHM
Vincke, Frhr. v. 203. 27 1 . 273. 27.1.
F i n x , P. IM
Fischer, C. A. 258,
Fischer, P. 130.
Fischer, IL 175.
Vischer, IL ML
Fischer, IL IL
Vivcs, J. L. ÖL ML UL 301.
Flnthe ISO.
Vlatten, J. v. 315.
Florenz LL QM '‘13
Förster 143
Vogel, C. D. ÜL 3(i ff.
Vogel, M. 13(i.
Vogclmann, H. 307.
Voigt, G. 314.
Voigtländor, G. SM
Volkelius, J. -13.
Volcknmer, J. G. SL HL HL 103.
Volkersdorf HL
Vondel, J. van den, LL 170.
Vormbaum, K. 318. üi 315.
Formschneider, IL UM
Vorstine, J. 1 3<i.
Vossius ‘22 7.
Foster, S. 104.
Franck, C. HL
Franek, S. ML Uü. HL LIU. I IM .
Franke, M. ML HM
Frankenthal SIS.
Frankfurt a. M. 3Q. ML IHM 1ML
3 IS. 335.
Frankfurt a. O. 133. 100.
Freiligrath, F. IQ’*
Freimaurer 317.
Freinsheim, J. IlL
Freytag, G. 303.
Frick, O. ML ML
Friedrich L, König v. Preussen QM
Friedrich der Weise, Kurfürst von
Sachsen ML
Friedrich, Kronprinz von Nor-
wegen LL
Friedrich IV., Kurfürst von der
Pfalz LL 2L
Friedrich V., Kurfürst von der
Pfalz IL
- Friedrich, Herzog von Schleswig-
Holstein LL 135. 147. 148.
Friedrich von Weimar liL
Friedrich Wilhelm, Grosser Kur-
fürst LL 04. liä. 00. 83. 130. 1 75.
1113. 105. 318.
Friedrich Wilhelm IV., König
von Preussen 3110.
Friedrichson, IL IM
Friesen liL
| F rieth 333.
Fritsch, C. 340.
I Fröbel, F. 380.
Frohschammer, J. IHM 137. 138.
ihm IHM
I Fuchs, H. HL
Fürcr, O. SL
Fnlnek HM! 3ML MIM
Ci.
Gabriel, Graf zu Opjieln, Herzog
von Ratilior LL
Gabriel, Fürst von Siebenbürgen
ML ML
Gahlen 303.
Galcnua 131.
Galilei L L HL 23. LIM. 1 HL 3ML
Gallen, St. LliL JLLLL MIM
Gallus, P. 307.
Gänsen (LL
Garesse 150.
Gärtners, J. 130.
Garnier», V. 130.
Geliert, ('. F. HM
Geer, I.. de UM 338. 338.
Gcibel, E. 11>3.
Gehcma, J. Abraham a 340.
Gemen 303.
j Gen£e, R. ML
j Genf UM 203. 2ÜL
Genthe 318.
Georg, Markgraf von Brandenburg
um.
Georg, Graf von Nassau-Pillenburg
ML ML
Georg Rudolf, Herzog v. Liegnilz
und Brieg LL 28.
Georg Wilhelm, Kurfürst von
Brandenburg IM 105.
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331
Gera 233.
Gersdorf UL
Gorster, C. 1 1 0.
Gesenius li,
Gcuder, IL P. IL
Gcuder, J. P. gl,
Gichtei, J. G. 28.
Giessen 145. 140. 152. iS.'). ISO.
132
Gietzwitzkv , M. UL
Gindcly, A. 18. 22. 2L 45. Li, 124
1 08. i 72. i 73.
G 1 asenapp UL
Gin um 312.
Glisson, Dr. 101.
Glörfeld 2 iS,
Gmelin, J. F. i AS.
Gnadenfeld 10').
Goch, J. P. v. 314.
Gocleniu», Prediger 211.
Goddard, J. 104. 105.
Goedelce IL 8JL S3.
Görlitz ’2L 21H.
Goethe, W. 130.
Göttingen ISO. 1H1- 182 l.Sü. 258.
Goll, J. 42. UL
Goltz, v. d. UL
Gorgias, J. 83,
Gotha MüL 218. 3iÄL ül£L 313.
Gottsched, J. C. ISO. 1S1 .
Graevius, J. G. tili.
Granimcndorf, L. 147.
Grandamiuo, Abt 1LL
Grave, T. v. 315.
Graz 52.
Grecf, W. 224.
Greflinger, G. 8iL
Grcvelle 323.
Grcvde, J. 44.
Grimm, J. IH.
Grollier, L. 317.
Gronovius, J. F. 2L
Gross- Wilkau- Johnsdorf 210.
Grotius, IL 2L 52. 0L
Grubenheimer 321.
Griiwel, J. Hä.
Grunius, M. S. 143.
[ Grupp 52.
j Gruter, J. 2L 140.
: Grynäus, J. J. 202. 207 ff.
G u d i u s , M. 1 30.
Günther 128, 182.
j Guertler, N. 14.
Güstrow 218. 315.
Guetlin, J. 200. 207.
! G uh rauer 3. 0. fl. 70. 02. 03. 134 ff.
Gustav Adolf, König v. Schweden
0L 300.
Gutmann, K. 51L
G u t s m u t h s 204. 203.
Gutthätcr, H. UL
II.
Haag UL 141. 143.
Haak, Th. 22. ÜL ÜLL lliL 12L
: Haasius, J. 130.
Hahichthorst, A. D. 23.
j Habrecht, J. 310.
1 Hacke, IL 23.
Hagen 203,
Hagmeier, J. 1 30.
Hahnemann 1 22.
Hainlin, Abt 255. 250.
Hall 228.
Halle 4iL 52. 1HL 1H2 21H. 2!iL
203. 307.
lialler 182.
Hamann, .1. G. 181.
Hamburg ÜiL IL UL 25. 14 1. 1 LL
140. 1.V2. 18Q. 181. 218. 2110.
Hamm 271.
j Hampden 153.
Hampe, T. 1 30.
Hanau IL 218.
Hans, Markgraf von Brandenburg
104.
Hansen, T. ZIL 300.
Hardenberg, Herrn v. UL
Hardt, IL v. d. 183.
Harsdörffer, G. P. 20. 22. 25, 22.
02. 23 ff. HL 1 00. 1 74. 125. 1 78.
205. 250. 250.
Hartfelder, K. 58.
llartlicb, 8. 22. 0L 02 2L 130.
LUL 153 ff. U13. 21L 222 21! 5. 2UIL
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332
Hartmann, E. v. 120
H u r t in an n , F. 1 2 2.
Hartmann, N. J. 118.
Hartmann, R. J. 1 10. 1 2< i.
Hartranft, B. 22.
Hasel maker, A. 150.
Hasenclever 2U2.
Hassenstein, B. L. v. 321.
Hassfurth, J. C. 180.
Haupt, H. .tll.
Hecht ÄSL
Hecker, J. J. 203. 207.
Hegenitz, G. 12.
Heger, H. 121.
Heidelberg 2L 30, 58. ÜJL 2Ü2,
am.
Heiling, C. ÜL
Heilinaver, L. 1 1 !)■
Hein, D. 1 3ö.
Hein, S. 135.
Heinius 1 4t).
Heinrich 1 V. , König von Frank-
reich litS.
Heins ius, D. Mfi.
Helmarshausen 21!).
Helmont, J. B. v. 150.
Helms tii dt üä. 1 82. 183.
Hclvetius, J. F. HL
Helvieus 308.
Helwig, J. &L UL Uü. LU. 22L
Hennin, v. 130.
Hensehel, ('. 21 1.
Hentsche, l*. 12.
Heppe 21!».
Herbart uü. 50, 1U3. 2IU. 28L 3Hi.
Herberstein 8Ü.
Herborn 2Uff. 13SL 2äL
Herdecke ‘20 1 .
Herdegen 2L UL
Herder, J. G. 288.
Hermann, X. 321.
Heroldsberg, J. I’. G. V. ÜL
Uersfeld 21!>.
Herlefeld LS.
Herzog, B. 2U.
Hesenthaler, Professor 2, 55, 23t >.
Hessel, P. 73,
Hessen - Darmstadt (Land) 218.
2 1 1).
Hettner 00.
Heyden, Herni v. 1U.
Hevleck 8Ü.
Heyne, l>r. 313.
llilgards, U. 3L
Hille, G. K. v. LL LO, 22. SSL SS.
151.
Hiller, R. 240.
Hirn sei, G. 307.
Hirsch 150. 21.8.
Hirschhof, v. 83,
Hitzfcld, L. v. 12,
Hochegger, R. 128.
Hochhuth, K. W. 5, M~>.
Hodermann, R. 02,
Hofier 1Ü2,
H oeft 181.
Hövel, C. v. 83.
Hövel, J. v. 8L 8a. 88,
Hoffmann, F. 80.83. üü. 183.
Hoffmannswnldau 0L
Hohenheim siche I’aracelsus.
Hohenlohe, G. F. v. 1 7.
Hohl felil 128.
Hokius, J. 13(1.
Holbein 234.
Holzminden 313.
Holzsehuher, S. .1. SL
Homagius, M. 1 45.
Hornwitz, A. 313.
Horn, C. 83.
Horn , .1. 30.
H orstieg 282.
Hortloder, F. 12,
Hostelsherg SSL
Hotton, G. 0L 301.
Höver, A. I 17. Mit.
Hradil, J. 35.
H über, J. 102.
Hübner, G. 181,
Hübner, .J. 22. I3H. 171. 1 73. 181.
Hübner, T. KL UL 18, 2Si 1 5(1.
Hückeswagen 2(15.
Hülsen 231 i.
Hugenotten 00, OL 183. 202.
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333
Humboldt, \V. v. —«>:<■ 1 * 1 14. 271.
2LL
Hund, S. &L
H II 8 8 , J. 12H.
llussiten .'121 .
. 1 . 1 .
Jabionski, D. K. (17. 182. 1S3.
Jacobi, F. H. 2(is. 2S.S,
Jägerndorf, Markgraf v. 1 !> I.
Jahn 277.
Janssen, J. 51L ÜÜ,
Idstein IS.
Jena 13. 2ü ÖJL lüü. 1SJL 218,
23<i. 312.
Iglau 218.
Jireeck, J. 45. 41i 42.
Joachim II., Kurfürst v. Branden*
bürg 324.
Joachimsthal 321.
Jörgcr S£L
Johann Christian, Herzog von
Brieg 21, 12.
Johann Ernst von Weimar UL 15.
Johann Georg von Anhalt 12.
Johann Georg, Markgraf von
Jägorndorf 12U.
Johann Sigismund, Kurfürst von
Brandenburg 12. 31. 1211.
Johannes der Beständige, Kur-
fürst 58.
John, P. 12.
Johnston, J. Hili. Hi7. 177.
Israel, G. 123. 23ii.
Itzehoe 21S.
Jungius, J. 3. li. 9. 70. 7H. 1 2fi.
1 3.1 ff,
J u n i u s , M. 2l 1 1 . 21 H.
1 ,.
Längin, Th. 1 23.
Lambecius, P. l.üi.
Lamswürdo, St. v. 22.
Lancaster 2S0. 2S1. 255 ff.
Landwehr, H, < >4.
Lange, A. S2
Lange, S. G. 1H2.
Langejanus, B. 83.
Langen, M. v. 72.
Lankisch, M. v. 83,
Lasson, A. 2ö7.
Lasswitz, K. 120. 322.
Ln u bau us, Prediger üL
Lauffer, C. T. Ö3.
Lavinheta, B. de 44.
Lehndorf, Herrn v. liL
Lcibniz, A. 127.
I.cibniz, G. W. L L 311 52. 38.
85, liü. 78. Ul ff. ÜL 133. 1311
137. 124. 1211 12Ü. 152. 183. 235,
312. 324.
Leibniz, J. F. 122
I.eibniz, J. J. UL Ü2.
Lcichuer, E. 232.
Leininger 80.
Lcipp, B. v. 204.
Leipzig 120. LSQ. lila. 218. 272.
Lenz 48.
Leyden 78.
Libavilis, A. 170.
Lichtenau 21U.
Lichtenberg 80.
Lichteustein, L. v. 25s.
Liebenau 210.
I.iebenau, C. v. !iSL 25 88.
Liebig, A. 1811
I.iebig, J. 18ti. 1112.
Liechtenstein, Fürst v. 121.
Lienhardt, Dr. 1 15.
Lilienall, IV. v. 12.
Linde, v. der 22. 30 ff.
Lingelsheim, G. M. 12 2L
Linn6 53.
Linz 117.
I.ipa, B. v. 208. 200. 214.
I.ippstadt 315.
Liesa 1 2ö. 218. 2 12. 23 1 .
Lobccius, J. 201.
I.obkowitz, Z. A. 21 1.
Lochner, F. 8L
Locke 55. 52 58.
Löffler 21X1.
I.oesehe, Dr. 52.
Löwenhalt s. Rumpler.
London 22, 80. Ui 140. 1 53. 154.
ir>r». 152 155. 18L 2U5. 2211 305,
3 23.
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Lopez, F. J. UL
Lorenz, 1L l 23.
Lottert li 23s.
Loire 4!^ 30. 51. 32.
Luck, C. 2lti.
Ludowisi, Kardinal .12:!.
Ludwig, Fürst von Anhalt-Köthen
11 ff. 1IL iiü. 21 23. 2L 28. Ui
Li. LLL LUL LUL liü ÜML
Ludwig V., Landgraf von Hes»cn-
Darmstadt I 13. ldi'i.
Ludwig Heinrich, Graf v. Nassau-
l>illenl)tirg dd.
Ludwig Philipp, Pfalzgraf bei
Rhein LL
Ludwig Philipp von Pfalz-Sim-
tnem 1L
Lübeck 3$, I d.3. 1 Hi. I.~i2. .'1t >7.
Lüneburg ÜiL I IT. 223.
Lukaszewicz, J. LL
Lulliua, K. HO.
Lu ndenburg 21.1.
Luther, M. 55^ liü, I H>. 120. 12d.
L2H 1UL LUL 2äd, 2ÜL ÜL3. dUl
■ 120 . 221 .
Lyon 23. hu.
M.
Magdeburg liü. 21s. 2111 22s. HL
Mainz 2 IS. 2l!i.
M a n t e u f f o 1 Ul
Mantua lll. 14.1.
Marburg I 13. 201 .
Marconibcs 131». UH i.
M areain* 20Q.
Markgraf öS.
Maren», Esdra» Id.
Maronier, J. LL 22.1.
Marachalk, K. C. v. Id,
Martin, E. lä,
Mnrtinetz A. II. Id.
Martiniu». M. dLL
Massen, W. 211
Mattsuu i ~d.
Mat h ins, Kaiser 1 2.1 .
Matthesiu» 221.
Mauritius, T. l.iö.
Maximilian II., Kaiser üK. 1ÜL
210 .
Meeheln 150. 152.
Meehovius 2: 15. 2,'IQ. 2 IQ.
Meibom. M. I.’hi.
Meier, K. Id,
Meier, S. 125.
Mel n n c h t h o n 3K. 2ol. dos. :si3.
321.
Melsungen 2 1 0,
Melzcr, E. 12s.
Men eilt, F. .'114.
Mencke. J. B. ISO. IS1.
Menöndez, M. ül.
Mein ne dl 5,
Mercy, C. de 1Ü,
Mcrcy, F. de LH
Merian , J. 1 1 7.
Merian , M. lii. K2.
Merret , Dr. U14.
Meyderlin Idd.
Meyer, G. is.'i.
Meyer, .1. 1 20.
Meyer, M. 102.
Mcyfart 1 25.
Meyfcrt , J. M. dl 1.
Mill , J. IÜL
Milton, J. 22*11, I Id.
Minden dl. 5.
Mink von Weunshein», 8. 221.
Mi ali ck , d_ LL v. Kd. Uid.
Mi »neck, Herr v. IQd.
Mitternacht, J. S. 2dd.
Mochinger, .1. 2L 217. 2JLH 22L
Mömpelgard 2( >2.
Moers 2 IS,
Moersins, J. Lid ff.
Möller, C. dH
Molnar, A. 3.5.
Monse 2fK i.
Montaigne, 51. 308.
Montanus, P. 242. 251.
Mook L22.
Mordax KÜ,
Morhoff, D. E. HL 2dü. 2LL dlil
317.
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335
Moritz, Landgraf von Hessen LL j
37. 1 4(i. 147. 14S.
Moritz, Prinz von Oranien i>l.
Morland. S. 131.
Morus, T. llil. 1 03. 200.
Moscherosch 224.
Moschkau 80.
Mosheim , J. L. 1H2.
Müller, G. 58,
Müller, G. P. &L
Müller, LL 1.81.
Müller, J. iS. 11L 185,
Müller, W. 241.
München 127, 100, ISO. 11)2.
Münster 2ti2. 271. 200.
Münster, J. v. LL
Münz, B. 127. 12H.
Murr ÜL ÜiL 1LL
Mussloe, H. 0. v. 8L
X.
Nägeli 281.
Napoleon L 271. 273.
N a t o r p , 1L 2li;l.
Natorp, B. C. Lud. 21 i 1 ff.
Natorp, O. 202.
Natorp, P. 2&1 ff.
Naturphilosophen 1 ff. 35. 30.
üL 85, 88 ff. 115. 133 ff. 318, 322.
324
N uuen IIS.
Ncander 30s.
Neapel 25, 1S3.
Ne ho, A. 28. 3L 30 ff.
Nebelkrae, l)r. I Hi.
Nehe sky iä,
Ncubcrger, C. 83.
Neuburger, M. 120. 12i.
Neukirchen 210.
Neukrantz, P. 13,
Ncunkirchen 3£L
Niceron 30.
Nielasson gut. Klausing, (i. 13,
Nicolndoni, A. 58. 1 17.
Nicolai, F. lol.
Nicolai , ö. 83,
Nicolovius 204.
Niebling, K. 72,
Niemeyer 201. 202.
Nieraöller, J. 314.
N o 1 1 i u s , H. 5. 143. 143. 1 10,
Noltenius, J. 83.
Noski, 1L G. 12.
Nostiz HL
Novfik, J. V. iS. 212 ff. 280,
Nürnberg 28, 2L 25. 02. 05. 77.
IS, 8U. 00 ff. 120, 133. 135, LLL
LLL 15L liiL HL 11LL 200. 218.
220. 255. 3LL
O.
Ochsenstein, P. J. O. v. 8L
Oecolampadius, J. 253. 254.
Oclrichs 103.
Oeinikeu , G. 315.
Octkcn, J. C. v. 210.
Oldenburg, Grafschaft 2 IS. 210.
Oldenburg, H. 85.
Omphalitis, J. 315.
Opitz, M. LL 11L lih 2L 2L Hä,
182.
Ortenburg, F. C. v. LL
Orvius, L. C. 138, 138, liÜ, 112.
LLL 152. 183. 188,
Osnabrück 120.
*Ottenfeld, W. L. v. 200.
Otter, C. 22.
Otto, Graf zu Holstein -Schauen-
burg LL
Overberg, B. 1 23.
Oxcnstiernn LL LL 1 23. 130.
Oxford Ü5, 140. 105. 200. 323.
I».
Padua 28. Üi. LLL 178.
Pagel , J. L. 120.
Palacky, F. iü.
Palbitzky , I). 22.
Palbitzky , M. 22.
Pappenheim 17S.
Paracelsus. Th. 5. 115 ff. UÜ. LLL
LLL LLL UM, 388, 322,
Paraeus, J. 2L
Pareus, D. liL
Paris 25. 130.
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336
Parmentier, J. 37.
Pascal 136.
Pasor, G. AL
Passatin, Graf zu lü,
Pastor, L. äÜ,
Patera, A. LL 2L ZA. IiL 147. I r>u.
lfiK. 1 1 4. 1 1 3
Pauli, D. SA
Pauli, 8. 1 33.
Paulsen, F. 12)i. 21S.
Pawel, Herrn v. IiL
l’earson , A. 1(M.
Pell, J. ZL liä. LOS, UiiL lüL
Pelletis 171.
Pellizer, M. IiL
Pernauer, F. A. v. SL
Perron, J. 12, du 214.
Pesch, H, Üi
Pestalozzi, J. 1L 5A. 2AJ fl'.
Petersburg 3(Hi. 30!).
Petersen , 1L Mi).
Peterson, D. lüL IiL
Pettcr, A. 1 1".
P e 1 1 y , Dr. Hin.
Pfeiffer 2SI.
Philipp Moritz, Graf zu Hanau LL
Piccolomini, O. li). SO.
Pierio, G. B. 210.
Pikardon 321.
Pincier, J., Pfarrer 22,
Pincier, J., Professor 30.
Pincier, L. AS,
Piscator, J. SO ff. -~i l .
Piscator, P. L. -LL AL
Pischmann, Professor 1 IS.
Pistor, J. J. 212.
Plnccius, V. AL 13fi.
Platen 1 !):.*.
Platter, F. 5 £l 21 i'i. 207.
Plessis-Mornay , du 214.
Pütt ÜL
Plocnniss, F. LSA.
Plotin 107).
Pöhlmann 21!).
Pömer, J. i 33. mt. i 74
Polanus, A. ’.*07- 2nS. *2 1 2. 2 1 3. '214.
Polanus, 1L 20S. 213. ‘211.
Poltzius, J. 13)1.
Polus, T. 307.
Pontanus, J. AL
Posth , C. AL
Postdam *271. 27)1. 2! Mi.
Praetorius, C. 21i).
Practorius, J. 82.
Prag AL Üä, US, 2UU, 2LL 212,
215. 2 HL 2! II i.
Prank SIL
Praunfalk 8Ü
Prerau 213. 237.
Pressburg AL
Pröck, Herrn v. UL
Prostiborius, A. 123.
Prutz, R. lilL
Pufendorf, S. Aä. 231 i.
P v in 1 .33.
P y r a , J. INI.
<1
Qualen, LL v. 147.
n.
Hab, A. K. AL
Kab (Corvinus), C. AL AL
Rachel , J. ISA.
Räknitz , G. v. SU,
Riikoczv, G. Fürst AL
Ramus, M. P. AL
Rantzau UL
Ratichius (Ratko), W. 12. LL 55,
öS. 12Ü. ISA. liil lilü. ALL 22L
307. 31 IS. 310. ALL A1A.
Raue, J. L2A 22Ö. 22L
Rauhfuss, K. 201.
Rausch, A. 317.
Ravestein , J. 131.
Reber, J. A2, AS. SL UL Hiii. 171.
LLL US, 2AIl A22.
Redinger, J. 21S. 222. 2AQ, 2AL
232. 2AS.
Regal SU.
Rehmkc ÜL 1UQ 1UL 111. 112.
Reichel, .T. F. 1SL
Reifferseheid, 8. LL 20, 2L 22.
i * . 133. 1 1 7.
Renan , E. 102.
i Reumont, A. v. LL
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337 —
Reval HOti. HOT.
Royber 21 T. Hl.'t.
Rhediger, T. Hin.
Rhenius 227 . Hl'iS.
Riccius, D. IHfi.
Richey 1S1.
Richter, A. üJL 1 2 ~>.
Richter von Korn borg, II. G. 81 .
Richter von Kornberg, II. K. M .
Riedercr, J. F. SL
Riga HOT.
R i n c k , C. IL 200. tau.
Rist, J. 25. Jii. Tij. TO. m. so. s.i
SS. lTtO,
Ritter, IL 127.
Ritter, >1. 120. ltiii,
Rohm nun, J. M. 21 ö. 2 Hl.
Ilochnu 11h
Rochow 2(U. 2T0. OSO,
Rolingstvert, T. v. 12,
It o m UL 1 85.
R o p e r s , N. lHti.
Rose, C. 111.
Rosenberg, P. W. v. 1SSL 324.
Rosen berg, W. v. iE.
Rosenkranz, Ü. 14T.
Rosenkreutz, C. 1 10 . MH.
Rossitz 21 iS. 2 1 2 . 0 1 2I,~>.
Rostock IH I. 1 01.
Roten bürg 210.
Roth, F. W. K. 20 ff. liL
Rothe, IL IL
Rousseau, J. J. äü. Ü1L 200. 2ss.
Rouyer, F. UL
Rudolf II., Kaiser l£L 23. 10T. 108,
212 .
Rüdiger, E. v. 200.
Rümlcr, J. ü
Rukopis 4L
Rumpler, J. 12. HL 2L.
R u p i n 21s.
Russworm, IL C. v. 212.
Rusticus, J. F. UH.
S.
Saccr, G. W. 83.
Sachs, IL ÜJL LJU.
Sachse, R. 1 21».
Sachss, J. SIL
Sadolctus, I). LL
Sufarik, P. J. 41L
Säger, F. IL 83.
Sula , A. m
Salustc, G. de 20.
Salzburg 1 IT. 1 18.
Salzmann, C. G. üiL li2. 2t>l.
Sander, F. 220.
Sandrart ITli.
Sanier, A. 1 22.
Sealiger, J. C. 38.
Scharf 222.
Schede, I’. 2112.
Scheffer, J. 2: Hi. 230.
Scheihlcr 202.
Schelhammer, C. lHti.
Seherfer von Scherfenstein, W. 72.
Sehertling, .1. lHti.
Scheurl, J. K. 8L
Schirmer, I». 22.
Schleinitz, Herrn v. HL
Schlick, J. A. lih
Schmid, G. GZ. 2112. 3t Mi.
Schmidt , A. 18. 21L
Schmidt, J. P. 22.
Schneider 217.
Sehnepfenthal 201.
Schucuber, M. IlL
Schöbel, G. v. 22.
Schön , J. A. ISO.
Schönnich, G. v. IS,
Schönaich, J. v. 3L
Schöneberg, G. 83.
Schöttgen, C. 224.
Schottel, J. G. IS. SL I3tj. 2HS.
Schubert, E. 1 Hi. 1 22 .
Schürholz, J. K. SL
Schulenburg, v. der 1IL
! Schulz 82.
I Schultz, IL LL 2S. lil 1 40.
j Schuppe, B. 1 HO. 241.
Schnurz, C. 13t!
Schwarz, J. 1 IS.
Schwarzenberg, A. SL
i Schweighart, T. 1 ö.l.
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338
Schweinitz 11L
Schwender 1 47.
Schwenkfeld lio.
Schwerin 12.
Schwieger, J. 23,
Scultetus, A. 2L
Schotte ndorf, C. 1L v. 1RI.
Seckendorf 12.
Scitz 2 1 S.
Seidener, J. Ulli.
Sendomir tiL
Scrvet, M. tili.
Scybold, J. 0. 218. 233. 231
Soyffarth, L. W. 204 .
Sidcrocrator, S. 308.
Sidney 323.
Siena 12.
Sigismund, Kurfürst von Branden-
burg 1 04.
Sigmund, Markgraf 12.
Simon, (iraf von der Li|>|ie 12,
Skyttc, B. Ül.
Skvtte , .T. Hi.
Slavata, 1L v. 208.
S 1 a v i k , K. 32,
Smaba, J. -12.
Soest 2 IS. 2U( I. 315.
Solms, (iraf v. 12.
Sonnenberg, v. I!i4.
Sontra 21!).
Sooden 213.
Sophia, Tochter des Kurfürsten
Joachim II. von Brandenburg L2.
So rau 21 S,
Spalatin, G. 32.
Spangel, P. 32.
Spangenberg 210.
Speidel 21L
Spencer, 1L 12ii.
Spen er liü.
Spiel mann 218.
Spiess, K. 23ü.
Spirgatis, M. l.'ll.
Sprnt, Th. 1 öS.
Stabius, J. 32.
Stade 2 1 I
Stadius lüü.
Stahremberg, F. v. 12,
Stahremberg, G. v. 12.
Stahremberg, R. G. v., Graf 22.
Stalius, J. 133.
Stnrgard 21S. 210.
Starschedel 12.
Staupitz, J. v. 142. 170. 104.
Steiu, L. v. 2liö. 270. 273. 201. 2Ü2.
Steinberg, N. 32.
Steinfass, M. 23,
Steinhövel, 1L 32.
Stcinmar 32,
Stephan 218 .
Stephani, S. I4ü. 271.
Sticda , W. 123.
j Sticvc, F. 32L.
Stockholm Ü2,
Stockmar, Dr. 147.
Stötzner, P. 123. 30»i ff.
Strabo, W. 53,
Stralsund 218. 210. 31 17.
Strassburg 2iL 2L 21. 32. ül. tiä.
13. 11Ö. 2111 ff. 31iL 314.
Strauch, P. 32.
Stromberg, 1L 32.
Strube, G. 23.
Stubritz, M. 23.
Stübcl, B. 18ii.
Stüchcler 1 1 (i.
, Stuhlwcisscnhurg 32. 33. 31.
Sturm, J. 23. 103. 183.
Sturm, S. 83.
Stuttgart 218. 210.
Sudhoff, K. 113 ff.
Süvern 201. 2H4. 222. 274.
Sybilista, W. 147.
Sylvius, J. 147. 140.
Szabö 3Ü.
Szatruäry, K. v. 23.
T.
! Tanne, .1. v. der 31L 11,
Tannhauscr 2L
Tarnovius, P. 134.
j Tassius, A. 134. 13ii. 1 10. Ili2.
Tau ler 1 21 . 1 Qi. 237.
I Taut , K. 83.
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339
Tcrstcegcn '-’ii I.
Tesmcr, C. S» IX
Teuffenhach XL
Teutleben, C. v. 12. lj,
Theobald , Z. I ä.~>.
Thiederieh , S. IX
Thomaeus, J. 140.
Thomas] us, C. 1LL XX litt. ÜX 127.
140. 18L 312.
Thomasiua, J. 120 . 127.
Thurn, H. v., Graf 12.
Ticftrunk, K. Hi. XL
Tilenus, I). 2L
Tilsit 218. 2111.
Tintorctto 1 22.
T o 1 1 i n , 1L !i!L
Tossanus, L). 2l>2.
Traun 8L
Treuer, G. XL
Triewald 1SI.
Troeltsch, E. :im. 42 o.
Trotzcndorf 2' 1 1 .
Troylo, N. 111.
Tschcch, T. J. v. 12.
Tsehcrncmbl, E. v. 18.
Tübingen II. 4< is.
Tupcz, T. Dr. 121.
Twardowski HL 101. 1 14.
Tymarehus, J. 1:11.
I.
Ucchteritz lii,
Ullmann, W. 111.1.
Ulrici , UL 102.
Uuger, T. üiL
Unkel, J. 12.
Unna 204.
Uphues, G. K. XL XL XL Ul ff.
Upsala XL IX
U rban , J. C. Iso.
Ursinus, B. 100.
Utrecht Üß.
W.
Wächter, F. 4l-~>.
Waekernagel, 1’. HL
Wagenseil, J. O. Ul XL 170.
Waitz, T. 10t».
Waideappel 218.
Waldeck (fand) 21 v 210.
Waldencg, J. O. v. SiL
Waldenser LL HL !i!L XL 1.3.L
1 ‘ki. His. 1 7.1. IX*». dLL üXL
Waldstein, Zdenko, Herr v. 204.
Wallenstein, A. E. v. 204.
Wallis, J. Ui. 1 (13. UH.
Waneeki 210.
Ward, Dr. 1 1 !■*».
Warneck, A. 1 18.
Wartenberg, 1L G. v. IX
Weber, G. 1L XL I O.'i. loO. 218.
Weckerlin, G. K. UL ZI, 174. 1 75.
Weghorst, IL 140.
Weichmann 181.
Weigel, E. 1 ~>ö. 218. 240. dlii. dll.
Weigel, T. O. 180
Weimar 21. 28.
j Weinheimer 2:18. 2.V». 2.~>0.
Weise, C. II. 220. 2 10.
Wcisse, N. HL 72,
Weisscnburg 2X
Weland, W, 140.
Weller 22L
Welser, P. 217>.
j Welz XL
Werden 20:1.
Werder, D. v. dem LL UL 12.
Werner 218,
Wernigerode 2 1 S. 210.
Wesel XL 204.
Westermann , C. l.’.o.
Wiccl, G. dl.».
Widmann, Dr. 1 10.
Wiedertäufer ÖX 1 2)1). 2.*>4. 2.~,s.
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Wien XL 1 2t l. 121. 21..I. 228.
Wiesbaden 2X
W i lh e 1 m , H erzog von Sachsen-
Weimar LL UL
Wilhelm, Jungberzog von Jülich,
Cleve, Berg 41 4.
Wilhelm Heinrich, flraf v. Bcnt-
heim-Stcinfmt LL
W i 1 k i n , Dr. Lii, 104. lii 1, 10.'). di!X
Willmnnn, O. IX äX XL QX
, W i in m e r s , Dr. 02.
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Wimpfeling 5S,
Windischgrätz SL
Winkeier von Winkefels, B. S3.
Winterthur Uli.
Wirth, A. 315.
Witkowski, Cr. 1_L 20.
Wittenberg 2()0. 213.
Wladislaw, König von Böhmen
20 . 210 .
Wocrdenhoff, E. 13(1.
Wohnras, N. 73.
Wok, P. 18.
Wolf 10L 2lhL
Wolfenbüttel 315. 321.
Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf
liL l&L
Wolframsdorf 10.
Wolkan, R. hä. 18. 32». 321.
Wolken , J. SO,
Wolzogen 13U. 174.
Worms 143, 2.~>3.
Worthington Ki2.
W reu, 1 li 1.
Wülfer, I>. llL 1LL 130. 103, ISO.
Wülfer, fl. üä. 1 7ii.
Wülfer, .1. ÜJ,
Wundt, W. 1 10. 1211.
Würffel, S. INI.
Wurmbraiul SL
Wynkelmann, J. J. 222. 223. 22JL
Z.
Zachnus, M. 12.
Zahn , J. JlL
Zamehl, F. S. 80,
Zasius, C. 254.
Zeller 201. 275. 202.
Zepper, W. 30.
Zerbst 2£L
Zeeen, Ph. v. 22. liÜ ff. 174.
Zetzkiu», J. 227.
Zezschwitz , O. v. 10,
Ziegenhain 21 !>.
Ziehen 01 ff.
Ziel, A. 22 i
Zierenberg 219.
Zierotin, D. v. 213.
Zierotin, F. v. 20K. 213. 258.
Zierotin, Karl v. 18. 3L II. 108 ff.
215. 2 Ui. 257. 258. 322.
Zierotin, K. F. v. 205.
Zierotin, J. v. 208- 238.
Zierotin, I,. v. 213.
Ziller üli,
Zinkgraf, J. W. 2h LL
Zinzendorf, O. 1L v. 8L
Zirkler, I.. 200. 20L 208.
Zober 2 1 H.
Zöekler 1 40.
ZoIIikofcr 213.
Zoubek , F. 40. 48,
Zürich 74. li». 212.
Zwickau 2 In. 21 ü. Omi,
Zwing 2 li).
Zwinger, F. 202.
Zwinger, J. 2i )7.
Zwingli 120.
Iturli'lriirkt'n-i von .lolmnii)-» HniU, MüioIit i. W.
Die Comenius-Gesellschaft
ist zur Pflege der Wissenschaft und der Volkserziehung
am 10. Oktober 1891 in Berlin gestiftet worden.
Mitgliedcr/nlil 1895: 1500 Personen mul Körperschaften.
GesellBchan.8schrirten:
1. Die Monatshefte der C. G. Deutsche Zeitschrift zur Pflege der Wissen-
schaft im Geist des Comenius. Herausgegcbeii von Ludwig Keller.
Band 1—3 (1892 — 181)4) liegen vor.
2. Comenius-Blätter für Volksorziehung. Mitteilungen der Comenius-Gesell-
schaft. I)er erste und zweite Jahrgang (1893 — 1894) liegen vor.
3. Vorträge und Aufsätze aus der C. G. Zwanglose Hefte zur Ergänzung
der M. II. der C.G.
Der Gesamtmnfang der Gesotlseliaf Inschriften beträgt 30—32 Bogen Lex. 8".
Bedingungen der Mitgliedschaft:
1. Die Stifter (Jahresbeitrag 10 M.) erhalten alle Schriften. Durch einmalige
Zahlung von 100 M. werden die Stifterrechte von Personen auf Lebenszeit
erworben.
2. Die Teilnehmer (Jahresbeitrag o M.) erhalten nur die Monatshefte; Teil-
nehmerrechte können an Körperschaften nur ausnahmsweise verliehen werden.
3. Die Abteilungsmitglieder (Jahresbeitrag 3 M.) erhalten nur die Comenius-
Blätter für Volkserziehung.
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sind zu richten an die Geschäft stelle der C.G., Charlotten bürg, Berliner Str. 22.
Der Gesamtvorsland.
Beegcr, Lehrer u. Direktor der Comcniiis-Stiftung, NktfcDlVtyrlu Iri 1 )P"mIcii. Dr. Borgiua, Kp., K«uisi*torial-
Rat, Pttsen. Dr. Hopfner, Geh. Oln-r-Reij.-Kat untl Curator »1 «t l'nivendUit in GUttingen. Prof. I >r.
Hohlfeld, Italien. M. Jublonaki, Berlin. Israel, Schiil-Rat, Z.vbojmn. An-hiv-Kat Dr. Ludw. Koller,
Geh. Staatsarchlrar, Berlin. I). Br. Kleinert, Prof. untl Olierkonsistonal-Rat, Berlin. I)r. Kvacsala. Pniv.-
Pn»f., iKrrpat. W. J. Leeiulertz, Prediger, Amsterdam. Prof. Br. Markgraf, Stndt-Bildiolbekar, Breslau.
D. Br. G. Loeacho , k. k. ordcntl. Pmf., Wi*n. Jos. Th. Müller, Direktor de» Seminars , < Bunten fehl.
Pn*f. Br. Neseinann, I.issa iPosrnL Univ.-Prof. Br. Nippold, J«*m». Pmf. Br. Noväk, Prag. Br.
Pappenheim, Prof., Berlin. Br. Otto Plloiderer. Pmf. an der UniversiUlt Berlin. Direktor Dr. Rober,
Aachaffenhurg. Br. Rein, Pmf. an dir 1‘nivendUU Jena. l’niT.-Pmf. Br. Rogge, Amsterdam. Sander,
Schulrat, Bremen. Heinrich, Prinz zu Schönaich-Carolath, Schloss Amlitt. Br. Schneider, Wirkt.
Geb. Olier- lieg. -Kat u. Vortragender Kat im Kultusministerium, Berlin. Br. Schwalbe, Keslgvmu.- Direktor
und Stadtverordneter, Berlin. Hof rat Pmf. Br. B. Suphan, Weimar. Br. Th. Toecho-Mittler, Hofbuch-
bAndler, Berlin. Dr. W&tzoldt, Reg.- u. Schulrat in Magdeburg. Woydmann, Prediger, Crvfeld.
Stellvertretende Mitglieder:
Dr. Th. Arndt, Prediger an S. Petri, Berlin. Wilh. Bötticher, Pmf., Hagen i. W. Phil. Brand,
Bankdin-ktor , Mainz. H. Fechner, Pmfen*or, Berlin. Pniv-Prof. Br. Hilty, Bern. Gymna«inl«Din‘ktor
Dr. Heussner, Kassel. Olieratlleut. a. 1). Br. M. Jahna. Berlin. Dr. Herrn, v. Jirocok, k. k. Ministerial-
rat , Wien. Launhardt, Geh. Kegierung*-Kat und Prof., Hannover. Pfarrer K. Miimpel , Sin* buch lad
Ebonadi, Univ.-Prof Dr. Natorp. Marburg a l., Univ.-Prof. Br. II. Suchier, Halle a. & Archiv-Rat
Br. Prümera, Staatsarcliivar, Posen. Rektor Riaamann, Berlin. Landtags-Abgeordneter von Schencken-
dorff, Görlitz. StaaiMrat Br. G. Schinid, Si. Petersburg. Slumünik, BürgerBchul-IHrektor . Prcrau. Univ.-
Professor Dr. von Thudichum, Tübingen. L'niv.-I’mf. Dr. Uphue». Halle a. s. Freiherr Hans von
Wolzogen, Bayreuth. Pmf. Dr. Zimmer, Herborn.
Schatzmeister: Bankhaus Molenaar & Co.. Berlin C2, Burgstrasse.
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Verzeichnis der Pflegschaften der C.G.
Eine vervollständigte Liste wird demnächst erscheinen.
. (I>rr BtirlisUlw II hinter dom Namen bedeutet „IWollinflrhtiKtcr im Ehrenamt“, der Bitclat»U»l»e (i
„(icncliflfolQlironde IlnchhnmllunK“ und der Rucbsiabe V Yor»ito*n«lor einer C.Z Ai. oder C.K.)
Altona: F. L. Mnttigsche Ruchh. G
Alfdorf: Sein. -I^eh rer a. 1). J. Böhm. B
Amsterdam: l’niv.-Prof. 1 >r. Kogge. V
,, Bnchh. v. Job. Müller. G
Augsburg: J. A. Schlosscrsche Buchh. G
Bannen: Buchh. v. Adolf Graepcr. G
BartensteinlOstpr.l: Oberlehrer Dr. Lentz. B
Bayreuth: Buchh. v. B. Oicssel. G
Berlin: Buchh. v. F. Schneider u. Ca, W.
Loipz. Str. 128. G
Bremen: l)r. E. Brenning, licnlgyni.-Lehr. B
,, Buchh. v. H. W. Siloinon. G
Breslau : Buchh. v. E. Morgenstern. G
Bunzlau: Buchh. v. Ernst Muschkct. G
Cottbus: Buchh. v. Carl Bnalbcck. G
Crefeld: Weydmann, Pastor. B
C'zernowitz: Prof. Dr. Hochegger. V
,, Buchh. v. H. Piirdini. G
Christiania: Bnchh. v. Cammenueyer. G
Danzig: L. Sauniere Buchh. G
Detmold: Sem.-Dirckt. Sauerländer. B
„ C. Schenks Buchh. G
Dortmund: Bealgymn.-Dir. Dr. Auler. B
Dresden: H. Burdach, K. S. Hof-Buchk. G
Düsseldorf: Buchh. v. Herrn. Michels. G
Eiubeek: Oberlehrer Dr. Ellissen. B
„ Buchh. v. H. Ehler». G
Eisenach: Sem.-Dir. E. Ackermann. B
,, Buchh. v. Bäreck. G
Elbing: Oberlehrer Dr. Bandow. B
„ Buchh. v. Leon Saunier. G
Elberfeld: Buchh. v. B. Hartmann. G
Emden: Haynelsche Buchh. G
Frankfurt a. M. Detloffsche Buchh G
Glessen: Ferbersehc Univ. -Buchh. G
Ulogatt: Oberlehrer Baehnisch. B
,, Buchh. v. C. Keissner’s Nachfolger. G
Gotha: Oberschulrat Dr. von Bamberg. B
Görlitz: Gymn.-Dir. Dr. Eitner. B
Guben: Buchh. v. Albert König. G.
Ilagen (Westf.): Prof. W. Bötticher. V
,, Buchh. von Gustav Butz. G
Halle n.S.: Univ.-Prof. Dr. Uphues. B
Hamburg: Oberlehrer Dr. Dissel. B
,, C. Gasstnanns Buchh. G
Hamm: Bcktor Bartholomacus. B
Hannover: Bealgymn.-Dir. ßamdohr. B
,, Buchh. v. Ludwig Ey. G
Heidelberg: Direkt. Dr. Thorliecke. B
llerborn: Prof. Dr. Zimmer. B
Jena: Inst.- Direktor Pfeiffer. V
Döhereinersche Buclili. (Russmnnu) B
Kassel: Gyinn.-Dir. Dr. Heussner. B
,, Buchh. v. M. Bruuncmann & Co. G
Königsberg i. Pr. Graefe&l'nzerschc Bnchh. G
I.nuhan: Buchh. v. Denecke. G
Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchh. G
Lengerieli : Rektor O. Kemper. B
Lennep: Prof. Dr. Witte, Kreisschulinsp. V
,, Bnchh. v. B. Schmitz. G
I.ippstadt: Bealgymn.-Dir. Dr. Schirmer. B
I.lssa i. P. : Prof. Dr. Nesemann. B
„ Buehh. v. Friedrieh Ebbecke. G
London: Buchh. v. Williams and Norgate. G
Lüdenscheid : Dr. raed. Boecker. B
Magdeburg: Buchh. v. Heinrichshofen. G
Mainz: Batikdirektor Brand. B
„ H. Quasthoffs Buchh. G
Meiningen: Oberkirchenrnt 1). Drevcr B
Mühlhausen 1. Th.: Diakonus .1. Clüver. B
M iiiielien : Schulrat Dr. Üohmeder. B
,, Hofbuehh. v. Max Kellerer. G
Münster: Buchh. v. Ohortüschen. G
Neuwied: Prediger Sichert. B
Nordlmuscn: Oberlehrer Dr. Nagler. B
„ Förstemannsehe Buchh. G
Nürnberg: Postmeister Aug. Schmidt. B
,, Buchh. v. Fricdr. Korn. G
Osclmtz: Scm.-Oberl. Emst Hänsch. B
Osnabrück : Pastor Lie. tlicol. Spiegel. B
,, Buchh. v. Rnekhorst. G
Paris: Buchh: v. Fischbacher. G
Posen: Buehh. v. Friedrich Ebhecke. G
Potsdam: Buchh. v. R. Hachfeld. B
Prag: Buchh. v. Fr. Rivnaö. G
Prerau (Mähren) Direktor Fr. Slamenlk. B
({uedlinburg: Rektor Ed. Wilke. B
,, Buchh. v. Christ. Vieweg. 6
Remscheid: Hauptlehrer R. Lambeck. V
,, Buchh. v. Herrn. Krumm. G
Rostock: Dir. Dr. Willi. Begemaim. B
„ Stillersehe Hof- u. Univ.-Buchh. G
Rulirort: Buchh. v. Andreac u. Co. G
Sagau: Buchh. v. W. Daustein. G
Soest: I /obrer W. Handtke. B
„ Rittcrschc Buchh. G
Stade: Direktor Dr. Zechlin. B
,, Schaumburgsche Buchh. G
Stettin: H. Danncnhcrgschc Buchh. G
Stockholm: Dr. N. G. W. Lageretedt. B
,, Hofbuehh. v. C. IC. F'ritzo. G
Strassburg I. Eis. Scm.-Dir. Paul Zänker. B
W esel : Buehh. v. Karl Kühler. G
Wien: Buchh. v.A. Pichlers Wwe. u. Sohn. G
Wiesbaden: Gymn.-Obcrl. Dr. Hochhuth. B
,, Buchh. v. Felix Dietrich. G
Zclmpau: Schulrat A. Israel. B
Zürich: Buchh. v. Meyer & Zeller. G
Zwickau: Oberl. Dr. P. Stötzncr. B
Biichririickpivi von Johanne* Bredt, Mönstcr i.W.
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