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Full text of "'Von Freude Frauen sind genannt' : Novellen"

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ifibrmg of 



|Trmrrf0tt Imb*r 8 % 


Blau Memorial Collection 


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ft 


VH 




£co Öfernberg 

#on Sreufre 
Srauen 
fi'nb genannt 

25. 25efyr’$ Vertag 
(^ru&rttf gfebbttfen) 
Q5erfin-;Cef pjlg 


£>on ^rcuöc 5 trauen 
jtnö genannt 


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Sfinfetg 0t6df be« 43u$ee würben auf 
extern 5rteben«bfitten abgewogen, einzeln 
bennmmert wnb nomüerfafTcr gezeichnet 


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I £eo Btcrnbcrg 
r/von ^reube grauen 
ftnb genannt" 

HoDcUcn 



23. 23efcr0 Derlag / ^rt'e&n'd? ^ebberfen 
öerlm unb Üeipjig 


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tfllc 3lcd>t« Vorbehalten 
Copyright 1616 by B. Behrs Verlag (Friedrich Fedderzen), 
Berlin und Leipzig 


(Sebrucft bei £crrof6 & 3tcmfen, <5. m. b. /)., Vüitttnbtcg 


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3tfe t>etter 

ju eigen 



55Ü&95 



ÜTnljalt 


7tU0 deinem Wefen ifl ee geboren .... 


(2!r4fln Äoretta 

. . . . 66 

I)te Witwe 

. . . . 105 

.»altbübie 

. . . . 127 

t>er qläferoe »5trfd> 

... 139 

iDet 5rfii>meflec 

... 167 

5Me $li>re öer D<MFer 

. . . . 178 

£><xe Äei> 

... 161 


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2(u6 beinern Wefen ift es geboten... 

(Bans tTJünchen war t>oü uon 6em ©£an6al, 6er 
|lch im Äaffee &uitpol6 ereignet ^atte. 

2Der 2Ml6bauer VUolf (Bontarb, 6er fleh nur fel= 
ten öffentlich jeigte, h«ft* fich mit feinem ^reunbe 
<Beorg2lltmann, 6em langen Philofophen, an einem 
6er Keinen tllarmortifche niebergelaffen, jwifchen 
6enen 6er tTJenfchenflrom bejUnbig fleh entgegen 
flutet; un6 6er vornehme (Befch^ftefubrtr mar mit 
feinem unterwürfigen ,,^abe 6ie <£&*“, mit 6em 
er nur Perfonen ron 2Ung aufjuwarten pflegte, 
herbeigeeilt un6 trug fogleicb mir einem großartig 
hinter 6er <$>an6 geäußerten „VUiffen ©ie, wer 6ae 
ißV" 6ie Äunbe non £ifch $u iifct>, bafj 6er be= 
rühmte Äunßler, 6er in 6er ©ejeffion eben aus* 
ßellre, 6er tUobanefopf mit 6en bufchigen 2lugen= 
brauen 6ort un6 6em langen 23arte, 6ao JLofal 
mit feinem 2>efuche auejeichnete. 

3Die beiben Herren faßen, ohne bas kommen 
un6 (Behen um ftch \)tv 3U beachten, in ih« Unter= 
haltung »errieft beim (Blafe lee, ale 6ie blonbe 
©ibby, 6ie fchone Äafflererin mit 6em tTJabonnew 
fcheitel, 6 en öffentlichen Äaum, Umgebung un6 23e= 

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ruf uergeffenö, plotslid? (Bontarö ju ^üfjen furjte 
unö, mit öer ©firne Öen 2$oöen berubrenö, t>or 
ihm auf Öen &nien lag. 

2ln allen £ifd?en fuhren öie ©tubl* b*rum. 3m 
i^intergrunöe f prangen öie (BüSfie auf unö recften 
öie <b<£lfe über öie IRopfe ihrer Voröermänner, ober 
famen berbeigeeilt. (Bontarb batte nad? einem 
?lugenblid? öer 23efiur$ung öie (Bet'fieegegenwart, 
öem tTj4öd)en txürerlid? öie <£anb aufe <$>aupt ju 
legen unö fie am 2lrme fanft emporjurid?ten. 2lber 
bae ttt£bd?en, ale wenn ee allein mit ibm auf 
öer tDelt w<$re, blicfte (Bontarb mitten in öem 
allgemeinen Aufruhr fnienö an, mit geröteten 
VPangen, bc*d? wogenöem 23ufen unö öie <$>aare 
fd?w4rmerifd? in öie ©tirn gewebt, unö oerbarrte 
auch in öiefem Sluebrud? leud?tenber t>erjucfung, 
ale öer <Befd?<£ftefubrer, öer fid? öurcb öie auf 
geregte VHenge eine (Baffe bahnte, fie am *J>anÖ= 
gelen? in öie <^obe rifj unö öie Craumwanöelnöe 
bie $um Sufett nor fid? brrbrängte, wo er fofort 
mit ibr abred?nete unö fie aus öem ilofale nerwieo. 

2D ae n£d?fie war, baf? er fid? bei Öen beiöen 
Herren wegen öer Seldfiigung, Öie ihnen wiöer* 
fahren, entfd?ulöigte unö fie, öa fie fogleid? auf 
brachen, mit beöauernöen Verbeugungen bie $um 
^luegang geleitete. 

2Ue öie eleCtrifchen Rampen in Öem ödmmerigen 
Kaume auf$ifd?ren, flogen öie Äopfe Öer faßinier* 

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ten Wenge t>on neuem nad) bem leerflebenben 
£ifd>e; unb noch lange blieben tommenbe unb 
gel?enbe (Bruppen uor bem uerlaffenen ©d?auplats 
bes Äniefalls mit fud?enben klugen flehen, als ob 
es bort tatf<Sd?lid? etwa« ju feben gäbe. 

ITTiemanb tonnte fld? ben t>orfall erklären, am 
wenigflen (Sontarb, ben bas tTj£bd?en taum jwei* 
ober breimai bebient ^>atte, ohne uon ihm babei 
beachtet worben $u fein. 




* 




©ibonia 4>iüe flammte oon tleinen ©d>uflers* 
leuten unb war bie jungfle t?on elf blaffen (Be * 
fd?wiflern. 'Jbve erfle Erinnerung beflanb barin, 
baf fte eines tTladns wad? würbe unb im ge= 
fpenfligen <J>alblid?t fab, wie bie Wutter, mit bem 
©tocbeifen in ber <^anb, bem T>ater nacblief, ber 
betrunken burcb bie Simmer fdjwanf te. tTJit 5anf 
unb ©treit erwad?te man, unb mit Sanfc unb 
©treit legte man ftcb nieber. Salb fafj bie ab» 
gearbeitete iTJutter auf ber Äellertreppe unb 
fammerte: „Wenn id? nur fdjon unter ber Erbe 
idge!" Salb bonnerte es aus ber ©cbubmad>er» 
wertflaft: „3d? fd?meifje euch noch alle jum 
Cempel hinaus!" 

Wie bie 2llten jld> angaujten, gaujten bie 
jungen. 2lUe Ratten ber Äeibe nad? fd?on ein* 

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mal am ^lußufer geftonben, um fld? in bie Ciefe 
3 U flurjen. Reine ber ©chwejtern hatte ihren 
ttlann aus einem anberen (ßrunbe genommen, 
als um bem l^uolid^en £lenb ju entfliegen. 
„Schlimmer tonn es nicht werben — auch ohne 
Hiebe," fügten jte jich. tPenn bie tobenbe tTJutter 
bunbertmal am läge fchrie: „tPartet nur, euch 
wirb eo nod) anbers ergeben, wenn ich einmal 
nicht mehr ba bin" — fo feb webte jebem etwas 
auf ben Hippen, was jich nicht ausfprechen lief?. 
?lber etwas örtliches war es nicht. 

3n biefer ^uslichteit gab es tD^fcheleinen uor 
bem (Dfen, ©d?ufterfd)emel, Putjeimer, jerfchrun* 
bene <5><£nbe, rerweinte Riffen, fluche unb ,Suff 
trifte — alles, was freublofe läge bebeutet. Hiebe 
fprubelte in biefer tPfifle nicht. 2luch ©chonbeit 
nicht. Rein tTJenfch tonnte genannt werben, ber 
nicht fo begeifert wujrbe, bafj fein <£>unb mehr ein 
©tud? 23rot uon ihm nahm. 

tTur etwas gab es, woran ©ibby ohne Rümmer 
jurucfbachte: tPenn fte 3 ur 2 lbt>ent 3 eit ftch mit 
fremben Äinbern in bie Barfufjertirche flabl, um 
bie Grippe anjufchauen, bie in einer 2tltarm'fche 
aufgebaut war. 3Dann lag bie gan 3 e Reihe ber 
fielen Rinbertopfe anbichtig über bie 2tttaz{d)tante 
unb hing mit uerlorenen öliefen an bem fhroh’ 
gebeeften ©taü mit feinen blutroten tDarienglas« 
fenflem, in bem bas Rinb in ber Rrippe lag unb 

Jo 


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ber d>d)e unb bae iEflein flanben; unb babinter 
fttieten bie heiligen brei Ronige aue bem tTJobrem 
lanb unb babinter bie Wirten mit ihren ©cbafen, 
unb juleQt bie £ngelfcbaren, unb aUc beteten bae 
Äinblein an . . . 

Sie mürbe blau unb fd^marj gefcblagen, als ee 
berauetam, baß fie mit farbolifeben Rinbern (Bo^em 
bilber betrachten ging. 2tber ee half nichte. „tt>o 
bifl bu wieber berumgeflrichenV" hieß ee, fo oft 
fie $u fp£t aue ber ©chule tarn. „3ch wollte ein 
bißchen anbeten geben," meinte fie. „3ch merbe 
bicb anbeten" — unb bie (Dbrfeigen knallten. 2lber 
fie lief? jld? fcblagen unb betete bae Rinblein an, 
folange bie Rrippe flanb. 

5 u ber Seit, ale fie erwaebfen mar, wohnte in 
bem oberen ©tocfwetf bee Kaufes ein ©tubent. 
3 Der t>ater b atte ihr unter Drohungen eingeprdgt, 
baß fie freunblicb ju ihm 3U fein b^fte, wenn er fie 
mit ©tiefein unb Rechnungen hinauf fefoiefte, ba 
er ein guter Runbe war. £Er batte fleh balb in bie 
uerfchuchterte ©chufleretochter verliebt. 2lber fie 
wußte mit feinem (Bet ebe oon ihrer ©chonbeit unb 
feinen (Befühlen, JDingen, bie ee hoch gar nicht gab, 
nichte ansufangen. Sie fleh eines Zagee, ale er ihr 
fagte, baß fie viel 3U fchon unb gut fei , um wirt= 
lieh bae Rinb folcher Eltern fein 3U Connen, bae 
fhtmme Jleib bei ihr Huft machte, f£r nahm ihr 
bae T>erfprechen ab, baß fie bei ihm Sußucht 

JJ 


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fuche, wenn es ihr $u <£>aufe unerträglich würbe; 
er wollte jle bann $u feinen Eltern bringen, bie fle 
wie eine Cochter aufnebmen unb als Stau für ihn 
beranbilben foüten. 

£)as X>erfpred?en war idngjl rergeffen, als jle 
eines 8benbs, aus ber ©tabt jurucftebrenb, an 
bem erleuchteten Oebiube eines Äonferratoriums 
vorüber Bam, hinter beffen rerfchlojfenen H4ben 
MujtB ertönte unb fo Blar unb roll auf bie fülle 
©träfe fchwoll, baf jle auf ber cjegenuberliegenben 
^duferfeite flehen blieb unb juborte. ££ s war nichts 
weiter als eine Chorprobe, aber bie braufenben 
©timmenmaffen fchienen ihr befreit aus ber tn* 
tterjlen ä£rbe aufjujubeln, wo jte lange im SDunBel 
eingefchloffen waren; unb ror ihnen lofle jich ihr 
eigenes eingebclmmtes Heben, bas $u <5>aufe nur in 
ber Brampfbaften 2lbwebr ber Bitternis beflanb, 
bie bort auf jte einbrang. 

©o ging jte ror bem jtngettben ©chloffe ber 
Menfchbeit auf unb ab, ober lehnte fleh gegenüber 
an bie <5><luferwanb unb merBte nicht, wie bie Seit 
verrann. j£s war Mitternacht, als jte enblich ror 
ber Cur ihrer Mobnung anBam. ©ie war ver 
fchlojTen. Man hotte jte $ur ©träfe auf bie ©träfe ' 
geflofen. 2Der heimfehrenbe ©tubent fanb jte 
jitternb auf ber Creppe fttsen. 

2lus furcht vor ben Mifbanbluttgen ber j<U>‘ 
3 ornigen filtern irrte jte jerfch lagen unb burch» 

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froren bie gan$e flacht ratlos mit ihm umher, unb 
am tTJorgen waren fie einig, baß fie in bem Äaffee, 
wo er oerfebrte, oorerfi Stellung nahm, unb non 
bort, wo fie täglich ftd? fprecben tonnten, ber 
,$Ui 4 >tplan mit Überlegung ine tUert gefetjt werben 
follte. 

Aber es würbe eine gan3 anbere flucht baraus. 
5 uerft fiel ibr auf, baß er bie Äeife ju feinen fßltern 
unter immer neuen Porwänben b»nausfd;>ob. Alb 
m^blict) fhinte fie nor einer gewiffen gemeinen X>er= 
rraulicbfeir, mit ber fie non feinen Kommilitonen 
aufgenommen würbe. Unb fcbließlicb begriff fie 
mit fSntfetjen, baß er fie ihnen gegenüber als etwas 
gan3 anberes ausgab, als feine Verlobte. 2 ) as 
Äeijte wollte fie nicht ab warten. Unb eines Hages 
war fie über alle Serge. 

©eit Jenem Hage war bie febarfe Jlinie 3wifd)en 
ihre Augenbrauen eingegraben, mit ber fie bie Welt 
fo feinbfelig anfab- ©o lanbete fie in bem d>ffi3iers= 
refiaurant einer (Barnifonfiabt. Als fie in ber grünen 
Äattunblufe, einem ©ammetbänbeben um benote 
unb in ben bäfftigen ©ebnurfebuben, bie aus ihres 
Paters tUertfiart b*n?orgegangen, 3um 3 Dienfian= 
tritt erfebien, fab man fie t>on oben bis unten an. 
Schließlich aber feboß ihr ber Pachter, ein ,$ett= 
wanfi mit niebriger ©tirn unb einem ©tiernaefen, 
naebbem er fie noch einmal bureb ben Swicter uon 
unten angefebaut, fo riel uor, baß fie ficb tn eine 

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fhlgerecbte *£rfd>einung in fchwar$em ©ervtertleib 
mit Äragen unb tTJanfcheften unb Schleifen auf 
Sierlichen <J>albfchuben verwanbeln tonnte. 

freilich machte er fid> für feine (Broßmut gleich 
be3ablt, inbem er fle in einem unbewachten 2iugen 
blicf an fleh riß unb, ebc ße es abwebren tonnte, 
ibr feine tDulßlippen auf ben jugetniffenen tTJunb 
preßte. Sie fagte fein Wort. SDenn fle wußte, baß 
fle hilflos war, ba ße nun einem Serufe angeb^tte, 
ber jebem tTJanne bas Äecht 3U geben fcbien, 3U 
oerlangen, baß ße als 0pieljeug für ibn ba fei unb 
ße baber ins Unrecht feste ober ber £<&cherlichteit 
preisgab, wenn ße ibrer iEntrußung hätte Äaum 
geben wollen. 

Salb promenierten um bie ©tunbe bes (Be 
fchäftsfcbluffes bie Äavaliere in ©cbaren vor bem 
Äeßauranteingang, unb ße tonnte nur burcb hinter* 
turen unb auf Schleichwegen wie ein gehegtes Wilb 
beimgelangen. Äein einziger, ob verheiratet ober 
unverheiratet, ber nicht einmal verfuchte, ßefur ben 
lag ihres freien Ausgangs $u einer iiebesfabw ju 
bereben. X>on < 5 >aufe aus gewohnt, feelifche tttiß* 
banblungen $u ertragen, unb abgehärtet gegen 
Schimpf unb ©chanbe, ba es tein fchmugiges 
Wort gab, bas ße nicht wie ein iEcho aus ber 
©chußerwobnung anmutete, nahm ße ben iHänner* 
jargon mit äußerer (Bleichmutigfeit bin unb regi* 
ßrierte bie ©ittenbilber, bie ßd> vor ihren wach' 

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famen 2lugen abfpielten, als IDinge, bie (1c nid?» 
angingen. Wut Bockte nur gegen biefenigen in ihr 
auf, bie in 3ynifd?er “Derachtung be© Weibe© ftd? 
nicht einmal mehr Wuhe gaben, ihr Anliegen in 
eine galante ,$orm 3U Bleiben. Zle ihr ein Leutnant, 
ben fle abgewiefen, ndfelnb erBlärte „ 3 <h badete, 
e© würbe 3 bnen eine titbve fein," Bonnte fle ftd> nicht 
mehr Reifen unb perfekte fd?arf: „Wäre ba© aud? 
für 3 bre ^rdulein Schweflet eine £hreV" — um 
fld? bamit auf bem 2lbfatj herum3ubrehen. 

flad? einer folgen Gegebenheit war fte freilich 
Borperlid? BranB unb jum Weinen aufgelegt, nicht 
etwa wegen ber ihr wiberfahrenen KrdnBung, 
fonbern wegen ber <£><SfjlichBeit ber Welt, wie fle es 
nannte, au© ber e© nirgenb mehr ein Entrinnen für 
fle gab. SDenn bas fchlimmfle war, bafj fle mit 
ihrem fCmpftnben ganj allein flanb unb baher aud> 
3ur 0 d? weigfamBeit uerurteilt war, al© wäre fle 
burd? bie t>erh&tniffe unrettbar in ein £00 hinein* 
geBnebelt, 3U bem fle non Hatur nicht geboren, im 
<B»egenfaQ 3U ihren Kolleginnen, bie in bem aben* 
teuerlichen JDunfl gefüllter £oBale mit ihren heim* 
liehen XTJenfchenbe3iehungen, fchmeichelnben Ge* 
röhrungen unb wiffenben GlicBen erfl ihre Schön- 
heit entfalteten unb wohlig bahingauBelten, wie 
Schmetterlinge in mittäglicher Sommerglut. 
Schon oft hatte fte ££ntt<lufchung niebergeworfen, 
wenn ein < 25 af 1 , 3U bem fle Zutrauen gefaft unb 

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unbefangen freunblich war, weil er fle eine $eitlang 
in eine menfchliche Unterhaltung 30g, am ©bluffe 
bod? ben ,£aunsfuß jeigre unb fle belehrte, baß 
es mit feinem tTJanne eine harmlofe Sejiebung fiur 
fle gab, fonbern alles 3ulet3t auf bas (DualroUe hin 
auslief. 

0o harte f»t bie jüngeren (Dfjfoiere eines ^ufaren 
regiments, beren ©tammtifch ju ihrem ©eroia 
gehörte, tros aller < 5 >errenlaunen, in ruhrenber 
tPeife bemuttert unb baher ZMumen unb fonfttge 
f leine (Bef diente, bie fle 3U weilen mitbrachten, als 
oerbienten Jlohn für ihr muherolles 2lmt unbe« 
benflich hingenommen. piOQlid? aber war es 
jwifchen einem Leutnant unb einem ^ahnenjunfer 
jum JDuell gekommen, weil ber Runter fleh erlaubt 1 
hatte, ihr bdnifche ^anbfehuhe 3u perehren, ob» 
wohl er wußte, baß fein Dorgefe^rer fle ebenfalls 
3U befchenfen pflegte. iDarauf befam fle pon bem 
eifersüchtigen Äommanbeur einen Srief: £Er per» 
bitte fleh, baß fle ollen feinen (Dfföieren ber Äeihe 
nach &en Äopf perbrehe. JDa fetjte fle fleh hin unb 
antwortete im (Bebauten an oft belaufchten, bas 
get^ufchte tt>eib bloßftellenben tTtönnerflatfch — 
inbem fle, anflatt für fleh, für bas ileib ihres < 25 e> 
fchlechtes unb ber gan3en tUelt fprach: i£r t <£te 
beffer, feine (Dfföiere 3U er3ieben, als bie üßhre eines 
VOeibes an3Utaflen. IDenn fle perbrehe niemanbem 
ben Äopf, am wenigften (Dffoieren, benen ein 

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ttldbchen gerabe gut genug fct, um ihr am n<£chjlen 
£age einen Fußtritt 3U uerfe^en. f£s Jam t>a$u, bajj 
jtch bei einem Kittmeijker, ben ein ©tur3 beim 
Kennen aufs Krankenlager geworfen, ein örief an 
jle fanb, in bem ber Perungluckte, feines Perlob= 
niffes ungeachtet, jte befturmte, feine Hiebe $u 
erboren. 5 )er Kommanbeur fowohl wie ber 
©chwiegervater bes £>r<Httigams baten baher ben 
Kejtaurateur, bie gefährliche Perfon, bie bas Um 
heil angerichtet, $u entlaßen, ©ie rechtfertigte jtch 
mit keinem YDort. VPer glaubt einer Kellnerin V 
3 hr ©tanb war kein 2 >eruf, fonbern ein Heben. 
Pon ben (Dfffeieren war nicht einer aufgejlanben, 
um für ihre Unfchulb $u 3eugen. 

3 h re ^ausleute, beren enge Küche w^brenb ber 
läge ihrer ©tellungslojtgkeit ihren ^aup taufen t= 
haltsort bilbete, wunberten jtch ttber bie unheim» 
liehe Kube, mit ber jte bie ©chicFung hinnahm. 

„ ©ie haben ge wifj einen ©chat3, Fräulein ©ibby ! " 
©ie fchuttelte wehmutig ben Kopf. 3 Die <£>aus= 
frau jkrich ihr mit ber gefprei3ten *J>anb über bas 
(Be jtcht, als glaubte jte ihr nicht. 

„££s ijk fo." Unb jte fchauberte 3ufammen, im 
CSebanken an bie (Bie r, ber jte entronnen, glücklich, 
in armer Perborgenheit einmal t?or ihr jtd?er 3U 
fein. 

3n ber Hachbarfamilie befanb fleh ein geijkes* 
gehörter 3 «nge, ber in ber VOahnoorjletlung lebte, 

2 0t«rnb«rg, Uon S«ub* Sr#u«n (tnb genannt J7 


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baf er ein <ounb fei. 3 n ^ cm Simmer, bas nur 
burd> bie Wanb non bem irrigen gefchieben war, 
lief ber arme Sefeffene lEag unb Had>t auf unb 
ab unb f iefj furchtbare Haute aus, bie ftch manch= 
mal wie bas 3ntnmern eines iTJenfchen, manchmal 
wie tierifdjes (Bebrull anhorten: er bellte. Wenn 
ihn ein VHenfd? anfah, niefte er gutmutig mit 
feinem fchmalen ©d)dbel unb fhttjte eine Weile, 
bis er plot 3 lid> hinter ftch fletfchenb, wie ron an= 
beren ^unben gejagt, wieber mit feinem (Beb eil 
banonjlurjte. 

Wancbmal erfchien es ©ibby, als ob jte ebenfo 
unfelig in eine SEruggejialt t?er$aubert fei, hinter 
beren Wahn (ich ein anberes Heben t>erfed*e, fo= 
wohl ihr wie ihren Verfolgern oerborgen, bie nur 
bem 2Menbwer? ihrer Nuferen £6rfcheinung nady 
jagten, ohne baf einer fte je um bes inneren Wefens 
willen begehrte, bas jte nur beshalb nicht fahen, 
weil jte es haften. 3 a, im (Brunbe genommen 
hafte man jte; beim man wollte jte in ewige Un= 
feligfeit hineintreiben, um jtch bes allgemeinen &e- 
ft^es eines locFenben 3rdichts nid)t berauben $u 
lajfen. 

3e beutlidw jte aber jenes 3 weite Heben wie 
einen riefenbafrett ©chatten hinter ihrer jetzigen 
<5eflalt aufragen fühlte, um fo deiner empfanb jte, 
an ihm gemejfen, allen ©chmerj unb um fo unbe^ 
friebigenber alle „Jreuben. Wie unwichtig erfchien 

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ifyt ein ©tuef, bas fte auf 6er Buhne fah, 6er 
Äoman eines Buches, 6ie ©chonheit eines ©pajier* 
gangs im X>ergleich $u 6em ©chatten 6es an6eren 
JDafein s, 6er als geahnte £Erlofung fleh grofj hinter 
ihr erhob. 

©ie mod>re nur immer fchlafen; un6 jle fchlief 
un6 fchlief. 2tle ihre geringen türfparniffe fo weit 
verbraucht waren, bafj fte wieber 6aran benfen 
mußte, Arbeit ju fuchen, glaubte fte fo wohl be* 
wahrt ju fein in 6er <banb auch 6es graufamflen 
©chief fals, baß fte mit 6er ©leichgultigfeit einer 
Va banque-©pielerin, hinter 6eren letjtem £infatj 
ihre jweite, wahre <5eburt begann, bt'e erfle befle 
©teile annahm, 6 ie ihr 6ie t>ermittlerin antrug. 

££s war ein Hachtlofal. tt>er verachtet, fennt 
feine ©cham. 

2lls fte am erflen 2lbenb am Buffet flanb un6 
fleh 6ie ©chneeglocfchen, 6 ie jte einer armen ^rau 
aus 23armherjigfeit abgefauft, mit ernfier Um> 
fh£nblid>feit in 6en (Büttel orbnete, als wenn fte 
eine feierliche ^anblung vornehme, würbe fte mit 
vielfagenbem Blinjeln in ben tTlebenraum gerufen, 
wo brei (Blatjfopfe im ©mofing allein um einen 
fl einen runben £if<h faßen unb fchon ben vierten 
©effel für fte bereitgeflellt hatten. tTJan jog fte 
an ber ©churjentafche näher heran unb flecfte ihr 
vertraulich einen <2>unberttnarffchein hinein. ©ie 
beff eilten ©eft; natürlich ein viertes Äelchglas für 

v 


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jie felbfl. 2Der Piffolo trug ihr ben Rübler 
nad). 

Sie foUte tanjeit . . . 

„Jlacbe, Baja&o . . . Einmal mu^ man aüee 
machen . . 

Sic legte t >ie 5igarette bi« unb tanjte. 3Dae war 
nach bem erflen (Blas. 

3br gefummeltes, bleid^es (Befielt war gerötet 
bis in bie (Dbren. 3br fonniges <£>aar leibenfebaft* 
lid) aufgewublr ju fubnen VDeUen. 

2tb fle ben febweren Änoten orbnenb in ben 
t7acfen 3 urüd*warf, beugten ftd? ihre Anbeter mit 
beifjem Rufern an ibr <Db*- „£ofen! (Sans auf 
löfen!" 

„Pergeffen . . . Hiebt ©erantwortlid) fein . . . 
Unterfmfen unb als VDefen mit einem Strablenleib 
auferflebn!" . . . 

0i^ tanjte mit gefcbloffenen 2(ugen, bas (ßeflcbt 
in bie ©oUe ^aarfut eingelegt, als wäre es noch 
unerweeft, erfi bulb berauegebauen aus bem Stein. 

3Die Secber butten bas tTJonofel eingeflemmt 
unb ©erfolgten ihre Bewegungen mit begeiferten 
Surufen, inbem fle ibr mit febäumenben beleben 
jutranfen. 3Dann fingen fle bie fcaumelnbe in ibren 
Firmen auf. (Brofj öffnete fle langfam bie 2tugen. 

Hacbbem fle bas 3 weite (Blae binuntergegoffen, 
rifj fle un©erfebens ben ^unbertmarffebein aus ber 
Scbürjenrafcbe, fbwenfte ibn mit triumphieren* 


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ber BuogelafjTenbeit in bie £ufr unb fy<xtte ihn wie 
bet 2Mit$ an ihrer Sigaretre in 2>ranb geflecPt, bie 
flamme wie eine Saubrerin über fleh werfenb, 6ie 
fle uerwegen auffing unb, noch im ,$luge, mitten 
unter bie brei 5<*une fcblug, baß fie entfett mit 
ibren ©efieln aueeinanberjloben. 

Had? bem britten 31 afe mußte man fle auf ibr 
Simmer tragen. 2>er Piffolo faß bie jum tTJorgen« 
grauen t>or ber Hur unb bewad>te ibren toten<£bn= 
lieben ©d>laf. 

3Da0 erfle, wonach fle am tTJorgen griff, waren 
bie ©cbneeglocPcben, bie noch frifcb unb untrer« 
febrt an ihrem (Bmrtel flecften. 

2ile berfelbe Han 3 am 3 weiten 2lbenb t>on neuem 
uonflatten geben follte, tat fie, als ob fle bie #uf 
forberung nicht b&re, unb wich ben (Siflen, bie 
fle bebiente, nicht oon ber ©eite, ©ie feQte eine 
fo unnahbare iTJiene auf, baß niemanb fle am 
3 ufprechen wagte. 3br Sefchu^er, ber PifPolo, 
gab bie <£inlabunge£arte, bie man noch einmal 
au© bem Hebem-aum fehiefte, flillfcbweigenb einer 
anberen. 

2lm britten Hage paefte fie ihre ©iebenfachen 
unb wanberte weiter. 

IDod? bae UnglucP wanberte mit. Hiebt© uon 
alle bem f£lenb blieb ibr erfpart, bae fld) an bie 
Hamen junger, Pfanbbau©, (Dbbachloflgfeit, 
brutale VOivte, Perlaffenbeit in ÄranPbeir unb 

2J 


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Perjweiflung unb 23etteln nor feer Cur fle ner= 
leugnenber Perwanbten Bnupft. Wae fle an beffere 
3eiten erinnerte, Uhr unb Ohrringe, bie nod? non 
bem ©tubenten aus bem ©chuflerhaufe flammten, 
bie auf ein fabenfd?einigee 3acBet unb ihr letjtee 
(BefchäfteBleib, war idngft jum Crobler gewanbert. 
2tber ale man ihr in einem tUägbebeim, wo fie 
wäbrenb ihrer ©tellungelofigBeit Aufnahme ge 
funben, eine Prebigt halten wollte, unterbrach 
fle ben <oauegeifllichen unb fagte ohne Porwurf: 
„3<h will gewif nicht beffer fein, ale unfereiner 
aber wenn bie, bie une nerachten, benfelben 
Weg hätten gehen muffen, ben ich gegangen bin 
— wer weif, wo fle gelanbet wären!" 

2Denn fle fchaute non UnglucB ju UnglucB Blarer 
hinter bie Welt unb trug ihre Paffton wie eine 
23rahmanin, bie nod? in bie Wanberung non iDa* 
fein $u IDafein nerflricBt, Hoffnung nach Hoffnung, 
alle 2>egierben bee Hichtwiffenben, non ©tufe jtt 
©tufe allmählich uberwinbet, bie ihr bae h*nmv 
lifd?e 2luge ber leisten ££rJenntnie juteil wirb, bie 
jur heiligen WunfchloflgBeit fuhrt, ©ie hatte er= 
fahren, baf jeber, ob hoch/ ob gering, einmal in 
feinem Heben burd? ben ©chlamm bee ££Bele unb 
unb ber fliebrigfeit wanbern muff Unb auf biefer 
Heibenewanberung war fle feist angelangt. ^rei= 
lieh, wae babinter Bommen follte, war ihr nt'd?t 
Blar. 2lber fle wollte hinburchBommen unb hielt 

22 


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bat>et Öen <5eifelhieben ber Sdncffatefahrt mit 
ber Beruhigung beejenigen füll, ber fld? freut, fe 
biester bie Hiebe nieberpraffeln, beflo fd>neller um 
Siele ju fein. 

f£rfl als fie im „Huitpolb" Stellung gefunbeit, 
fonnte fte ihre Äeifefifle einlofen, bie fte bei ben 
lebten ^uueleuten ule Pfanb für bas geliehene 
3\eifegelb jurucfgelaffen. 

ÜDen Pfanbfcbein über ihr teuerffes Eigentum 
aber, bas fle auf it>rer gan$en XPanberfcbaft mit= 
gefd>leppt, eine l>ya$intl?blaue Wa(ferflafd>e, bie 
fte abergl4ubifd) liebte, weil fte auf bem weifen 
Marmor ihres Wafd)tifcbes wie ein ötuef 
Himmelsblau ausfab, batte fte verfallen laflen 
muffen. JDas Hnnmelsblau in ihrem Heben war 
erlofd>en. 


t«* 


* 


❖ 


Wolf (öonrarb ftanb nid)t mehr in ben fahren, 
wo ber ÄunfHer fid) für einen gemachten Wann 
b<Slt, weil ihnBacfftfcfoe um ein Autogramm bitten. 
Wttfeen erwarben feine Werfe ; Monographien 
fchrieben ihre (25efcbid>te; feine 2tus|iellungen bil= 
beten ben griffigen Sammelplat? bes Hanbes; fein 
ttame bebeutete bem Äunbigen ein (Bejtirn. l£r 
hatte, wie alle bebetttenben Äopfe, lange vergeblid> 
um 2lnerfennung gerungen. 'Jetjt, wo fte ihm, 

2 } 


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einem T>ier3tgjdhrigen, mit allen Lorbeeren juteil 
warb, war er nicht mehr oon ii>r abhängig. 
3m (Gegenteil. f £ r oerachtete feine 23 ewunberer 
ein wenig unb pflegte 3« fagen: „Utin XXVrt, 
in bem bas 23 lut oon t>ier3ig 3abren f reift, wollt 
if>r in einem 2lugenblicP burchbringen!" ilt r batte 
jenen 2 lbflanb 00m Heben gewonnen, 3« bem 
jtd) biejenigen herangewohnen, bie Antrieb 3um 
fchopferifchen (Bejlalten genug in jtd? felbjt tragen 
unb bie Nufere TDelt nur fo weit an jtd? beranfommen 
laffen, als fte 3ur t>erflofflichung ibrer inneren <Be 
flehte 3U gebrauchen ijt. ©elbft (Begenjlanb ber 
Betrachtung 3U fein, war ibm luftig, ba bas ge= 
wohnliche Urteil alle 2lbgrünbe ber T>erft<ünbnis= 
loftgfeit auftut, unb nur ein gleich (Broker über 
ein (Brofjes 3U reben ober 3U fdjreiben oermag. iDie 
Cat war alles, nichts ber Äuhm. 2 )ie ein3ige wahre 
(Befchichte bes Äunftlers fchreibt — bas&unftwerf. 

r gehörte 3U benjenigen, bie auch ihr Heben 3um 
&unflwert 3U gehalten oerflehen. iDaher lief ihn 
ber Äniefall, mit bem fleh bie blonbe ©ibby plot3= 
lieh in ben behüteten Äreis feines tUirfens geworfen 
hatte, md?t los. ITJit bemVHenfcben, ber fniet, mit 
ben bemmungslofen (Be walten, hatte er 3U tun. 3 Der 
^unfe war ubergefprungen. 3 Der (Bejlalter fuchte 
nad? bem orbnenben (Befetj. 

2Us er ©ibonia <oille in ihrer tDohnung auf 
fud?te, erfuhr er folgenbes, bas er fragenb unb 

2* 


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immer wieder fragenb wie ein gebulbiger 2tr$t all* 
mählich aus ibr herausholte. 

fltine Unerlofle, war fte non ihrer Irrfahrt nach 
tTJunchen juruefgefehrt. Üe gab feinen tUann, ber 
nicht im ^eer ber 23egierben hinter bem VOeibe her* 
rannte; es gab feine ^rau, bie (treue hielt; es gab 
für fie fein Äecht, für fte feine <£hre. Sum anbeten, 
wie fte als Äinb bie Ätippe angebetet, hätte fie 
nichts gefunben. 3Die VHuftf ber £rbe, bie fie einfl 
aus nächtlichem Chorgefang oernommen, war für 
fte oerfhtmmt. IDie gan$e tUelt erfchien ihr wie ein 
einjiges, großes tVrgnügungslofäl, wo eine ober* 
fachliche iTJenfchheit, ber nichts heilig ifl, in um 
ernflem unb unfruchtbarem (Berebe unb (Behäben 
bie Seit totfchUSgt, alle gleich oerclchtlich, ob aus 
bem ©alon ober oon ber (Baffe. Ulan fonnte fte 
hochflens einteilen in ©chlechte mit ber Teuchel» 
masf e bes 23eff eren unb ©chlechte ohne biefe ttlasf e. 
Unb bie mit ber tTJasf e oerachteten bie ohne tTJasf e. 
©ie hatte nur bie ttlasfe nicht. 2lber ifl bas ein 
UnterfchiebV tt>as brauchte fte beffer $u fein als 
bie anbernV 2luf was wartete fteV 2tm (Blücf hätte 
fte nicht teil. tUarum fiurjte fte nicht äuch fleh in 
ben ©trubel ber Seriubung? ©innlos wär alles. 

4>avt am 2lbgrunb, aus T>er$weiflung an ber 
tUenfchheit, entbeefre fte ben tTJenfchen. 

©ie faf in einer unbefestigten “Diertelfhinbe, 
wie immer, wenn fte ausruhte, an bem oiereefigen 

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Spiegelpfeiler bes Kaffees unb blätterte in einem 
illuflrierten IRunflblatt. IDarin abgebilbete Figuren 
unb (ßruppen nahmen fte plOQlich gefangen, unb 
fle geriet in aufmertfameres betrachten unb fdbließ= 
lieh ine Hefen unb lae mit immer größeren 2 lugen 
t?on einem bilbhuuer, ber nicht nur ein bilbbauer 
war, fonbern ale bie Stimme ber (lummen *£rbe 
gefeiert würbe; ebel unb soll (Büte für alle *TJit= 
gefchopfe; ooll Ehrfurcht oor ben Wunbern ber 
Welt; oerfchwijlert mit bem Heib allee Scienben; 
bie reine (Bipfelb&be einer fct?a(fenben Äraft, bie 
ein Flammenmeer non < 25 lucf unb Schönheit in 
unfer Heben fchleubere; eine gewaltige riatur; ein 
Weifer unb Äeid^er, ber < 25 roßes unb ^eiliges aus 
helbifchem ^erjen geboren. 

Sie froflelte t>or Erregung unb wieberbolte (ich 
mit troefenen Hippen biefe erfchutternben Worte, 
bie ein überlebensgroßes, niegefebenes 23 ilb t>or ihr 
aufturmten : ben Äünfller als bie jeugenbe Schöpfen • 
traft; als bas Wunber 3wectr>oller Fruchtbarteit; 
als ben tTJittler 3wifd>en tTJenfchlicbem unb CSott= 
lichem — bie Hichtinfel in ber ^offnungslofigfeit 
ber (Hrbe. 

<£ine Welt (lur3te in Crummer; eine neue tat fich 
oor ihr auf Wit einemmal begriff (le, warum fle 
auf bem Soben, auf ben fte oerpfTan3t war, bem 
tTJenfchen, wie er plOQlicb t>or ihr aufwud?s, nicht 
batte begegnen tonnen. 2 )enn an ber Stelle, an 

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bie fte gereift war, I achte bas freche Vergnügen, 
praßte feer Saud), glOQte ber ©tumpfftnn ftd) an, 
fpe£tafelte blutlofe (Befelligteit, um ftd) in Ürm 
unb 3Dunfl aufjupeitfehen t>on bem inneren (tob. 
tt>ie batte fte benfen fonnen, bafj bas £ier, mit bem 
fte es bort ju tun batte, ber X ttenfd) war! 

2iber er lebte; nur f>ier nid)t, wo fte non ©taub 
unb Äaud) umnebelt, umberwanbeite. Unb — er 
war in ihre TPelt bereingetommen! 3Die (Bemalten, 
bie fte ba leibhaftig uor ftd) fab, uerfianb fte nicht. 
2lber bie „©ebnfucht", bie fyiev mit ausgebreiteten 
Firmen auf ber illeeresflippe ftonb; ber „(Bott= 
fud)er", ber bort mit gefd>loffenen 2lugen ftd) jum 
(Bipfel taflete; ber „<£>arfenfpieler", ber mit füfjem 
Haut ben (Xrübftmt heilte; ber „fetter", ber bie 
^alboerfunfette aus ben fluten hob — biefe gan 3 e 
(Beflaltenwelt entrüefte fte ibrer Umgebung unb 
nahm fte wie eine ebett<Befchaffene in ihrer tTJitte auf. 

©ie batte faum ben Äopf bes VHannes, ber ben 
(Befd>opfen allen ben d>bem eingeblafen, in bem 
<?>efteabgebilbetgefunben, als fte in einer feltfamen 
Permifchung t?on Iraum unb TPirflichteit bas (Be= 
ftd)t eines (Bafles erbliche, ben fte eben bebient batte. 
2Us wäre ein SLraumbilb plOQlid) ,$leifd> unb Slut 
geworben, fafj ber Äunfller bruben an ihrem eigenen 
Cifdje. 3Da erhob fte ftcb, als b^tte fle, flatt an einem 
Pfeiler, bie gan$e Seit über unter bem Saum ber 
Erleuchtung gefeffen, unb warf fid?, noch gan$ in 

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bem <m£>ern Reiche weilenb, bingeriffen von bem 
£>an£ gegen ihren C£rw ecfer, bem fle $u bienen unb 
fo nabe $u fein begnadet war, wie ein (Duell plots* 
lieh aus ber fSrbe bricht, mit uberftromenber ©eele 
bem (Bafle $u ^u^en — bem erfien tTlenfcben. f£s 
war tDolf (Bontarb. \ 

„J la$ mich bid? nie wieber verlieren" — rief fle, 
nad)bem jte aUe& erfldrt tyatte, noch b eifj oon ber 
2lnjb;engung unb Perlegenbeit, bie ihr bie füfje 
Folter feiner fragen bereitet, unb pacFre ibn mit 
beiben ^knben am 2lrmgelenf feji. 

il£v f afjte fte ernj* ine 2luge unb b»dt ihr — 
flatt einer Antwort — bie gebrummte Äed)te mit 
feinem ^beringe bin. 

„f£in Zünftler gehört ber ganjen TDelt," fagte 
jte leicbt erjtaunt — wie es in bem <£>efte b»’*f, in 
bem fte über ibn gelefen. 

££r unterbräche ein Hecheln unb legte bie <^anb 
gütig auf bie ihrige, intern er ibr, wie einem IRinbe, 
verfidnblich $u machen fucbte, bafj bas tPerB bes 
Äunjfters $war ber tt>elt gehöre, bafur aber feine 
Perfon weit mehr, als bei anbern tTJenfchen, gans 
ihm felbfi geboren muffe, weil er bas VPetrf, bas 
er aus feinem ^nnerjlen grabe, fonf* gar nicht ber= 
Vorbringen fonne, fonbern von feiner 0enbung 
abgelenft werbe, ber juliebe er fogar auf (Benufi 
unb (BlucP, wie man es gewöhnlich vergebe, ver« 
Sichten muffe. iDenn bas VDerf bulbe hine anbere 

U 


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Hiebe neben |tch, fo wenig wie eine Ittutter, bie in 
ihren Äinbern aufgebe, jlch baneben mit anberen 
JDingen abgeben tonne, unb es ließe fid? baber feine 
anbei e (Bemeinfchafr mit ibm benfen, als eine folche, 
^bie feinem Wirten nicht burcb 2tufburbung eines 
* weiteren ©chicffals Seit unb Äraft ent$iebt, fon* 
bern jicb bamit begnüge, baß man über bie ^erne 
hinweg miteinanber oerbunben fei, unb 3 war burcb 
ein ileben in bemfelben (Beift unb ben gleichen (Be- 
jtnnungen — was allein Äraft unb Reichtum ju* 
führe, ba bas (Bottliche in bem, was uns wiber» 
fpreche, nid?t ju jeugen oermoge. 

©ie batte mit gefentren klugen 3 ugebort. ^etjt 
hob fle bas <5,aupt ein wenig unb fagte in (ich t>er* 
loren, als wennfieoonihmflchnichtper(tanben fühlte: 
„3ch will bir nichts entjiehen unb ihr nichts ent * 
3 iehen. . . 3d? will nichts anberes, als bich anfchauen 
burfen unb biefem (Broßen unb ©chonen bienen." 

r fah, baß er graufamer werben mußte, unb 
rang jtch bie Worte ab: ,,©o mußt bu entfagen 
unb oerjkben." 

©ie faßte jicb an bie ©tim: „Wie tann ich bir 
23ofes tun, wenn ich bich Keb habe! . . . Wo ich 
liebe, oerflehe id>." 

££r blicfte jte befummert oon unten an unb 
fchuttelte fchweigenb ben Ropf. 

5Da erhob fle ßch unb fagte mit ausgebreiteten 
Firmen: „Erhöht will i<h werben... Jd? will 

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nicht bemitleibet fein . . . tite ijl nicht wa^r, bafj 
bu für bid? ba biff . . . 5um 2luegiefen ifl bir ber 
(Beifi gegeben, ben bu in bir tr<ügfl, unb id? will 
ein £eil fein non bem, wae bu bifi ..." 

tUie ein Äunfiwerf jlanb fie in fd?oner üeiben= 
fchaftlichfoit nor ibm, unb unwillkürlich nickte er. 
5Denn tn^brenb er mit ber <2><£rre bee VDeiterblicfen* 
ben in (Bebanfen einwenbere „Jet? gebe, bamit 
jeber nehme," rechtfertigte er 3ugleid> ben 2luf 
ber gluhenben 0eele, bie fld? oor ihm enthüllte: 
,,©o bin ich . . . 4>ilf mir!" 

3Den 3a rt in ber ^auft, fann er nergeblich nad? 
einem 2lueweg. 

„tt>ob*r nimmt ein iUenfd? bas 2\ed?t auf ben 
anbernd" grübelte er. 

„2Du h*ft mid? fchon erhöht" — antwortete fie 
rafch unb tat einen Bchritt auf ihn 3U, bie flachen 
^>4nbe inbrunjlig t?or ber 23ruf* jufammengelegt. 

21 ber er ftellte ftd? nor jie hin, ihre <o&nbe feffelnb, 
unb fagte fchonenb: „Unb hajk bu bamit nicht ge= 
nug empfangend" 

„Hein, oerbammt bin id? fo . . . 2>enn anbere 
kann id? nicht mehr leben . . ." 

0ie rijj bao (Befielt jur 0eite unb beugte fleh, ge* 
waltfam non ihm fejlgebalten, im Btehen auf feinen 
2lrm hinab. 0o weinte fte. 0ie weinte, baß ihm 
angfl würbe. 

* 

* 

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(Beorg 2tlrmann, ber gewöhnlich, bie 4>&nbt auf 
bem Äücfen, wie eine vornüber fallenbe ^opfern 
flange an ber ttlenfcbbrif vorbeitorfelte, wenn er 
in (Bebanfen war, mufte alte 2Dinge auf eine p^tCo- 
fopbifd>e Formel bringen. i£t entwicfelte bas ehe* 
lict>e X>erb<&ltni 0 3 wifcben Wolf unb Helene (Bon= 
rarb fo: „Wolfo Heben ifl Jß-iebe; <J>elenene Hiebe 
ifl ibr Heben . . . ^ur ibn ifl bie Hiebe eine toomifcbe 
Äraft; für fle bae Element, in bem fle amtet . . . 
££r ifl Äatfel; fte ilofung . . . Wenn fle nicht 
ejriflierte, müfte fte für ibn erfunben werben." 

Helene (Bontarb pflegte bei folcben Worten, ein 
Hecheln in beiben Wangengrübcben, ben ©cbelmen» 
feufjer auejuftofett: „Wenn mir nur ein Wenfcb 
etf lehren tonnte, wao pbilofopbir ift!" iDenn wenn 
Wolf bao CböO© war, war fte bie Welt am fiebern 
ten ©cbopfungotag, flarer, blauer Fimmel — eine 
von jenen Haturen, bie feinen (Sott brauchen, weil 
(Bott fleh in t'bnen erfüllt b<*t- Wenn Wolf ihre 
iHntfcbeibung anrief, unb fte antwortete: „3Du biff 
ber wertvollere tTJenfcb, icb unterwerfe mich bir" 
— fo pflegte er ju entgegnen: „Wer ifl mehr: bie 
©onne, ober ber fte anbeterV" 

Hoch nach 3 ebnj<übr%er iSbe verfolgte er, in ben 
©effeljurücf gelehnt, ihre Bewegungen wie ein vor= 
nehme© ©cbaufpiel unb fonnte ftcb an ihren (Be * 
banfengehtgen, bie fte ber flcbere Äompafl ihre© 
auogeglicbenen, feine 5weifel fennenben ^erjeno 

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führte, mit fo obfeftiuem Wohlgefallen erfreuen, 
baß ein Unbeteiligter geglaubt b&tte, (te w<$ren gar 
nicht miteinanber verheiratet. 2118 Ulobell für bie 
binftecbenbe ©ebnfucbt tonnte er fie nicht ge* 
brauchen. 2lber allen (Bottinnen, bie vollenbet aus 
ben Wogen (leigen, aus ber Walbeslichtung her* 
vortreten, ober beim aufgebenben tUorgen mit 
glubcnbem ©dreier vom 23ergesgipfel rvinfen, 
muß te )ie ihre lebensfrohen 5uge leiben. Unb wenn 
ber Wert bes Weibes in ber 3Uufion beflebt, bie 
Jle in bem Wanne bervorruft, fo verbanfte er ibrer 
bobeitsvollen <£>eiterteit ben abgrunbigfien Äeich* 
tum; uitb er brauchte bie große Hihie ihres Wefens 
nur in feine Äunji einjujeichnen, um bie flare liefe 
ber Welt fpielenb ju erfaffen. 

„3n ber Ciefe fingen alle iDinge," erflehte (te; 
unb fo gern fie im Heben lachte, batte fie für ein 
Äunjitverf, bas bis $u biefem heiligen f£rnf ie nicht 
binabreichte, nur ein 2lchfeljucfen. „(Drbentlict) 
ober gar nicht" — mar ihr Wort. 

3Der Äefpeft, ben (te bamit allem Wuchtigen sollte, 
entfprach ber gütigen latfrafr ihrer eigenen ge* 
biegenen £7atur. tUdbrenb er in prometbeifcher 
Unjufriebenbeit mit bem ©teine rang, fchlichtete 
unb richtete fie alle (Befehle unb (Befehle, bie 
ununterbrochen an ein 4>au& anflopfen, um bas in 
weitem Umtreis ein vielverelfteltes, reiches Heben 
(ich angemurjelt bat. 3Das Hanbbaus, bas inmitten 

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eines großen, grünen (Barrens kg, hatte jte mit 
fidlerer, ruhiger ^arbenfreuhigfett 3 U (einem er= 
weiterten J d? ausgejialtet; unb außer bem <Be> 
heimnis ber friffadenen Klarheit, bie in aüen 
Krumen fchwebte, gab es nichts barin, was (Be 
heimniffe barg. 

(Bewohnt, tTJenfchen unb Perwicflungen, bie 
in bas (Behege feines 2trbeitsfriebens einbrachen, 
fowet'tfie feine perfon nicht beanfpruchten, ^elenens 
tapferen <5><$nben ju überantworten, enthielt ihr 
VPolf (Bontarb auch bie Gegebenheit mit ©ibonia 
< 5 >ille nicht nor. iZv hrrtte ber wunben ©eele 
fchließlich ben £roft feiner ^duslichfeit angeboten; 
unb bat nun ,$rau Helene, an feiner ©tatt jich ber 
4>tlflofen anjunehmen, wobei fein (Bebanfe war: 
ber ©ache Seit $u lajfen. iDenn bas Heben ifl weife, 
unb manche tPunbe h*ilt non felbjf. 

„natürlich muffen wir ba helfen," unterbrad) 
ihn Helene mit ehrfürchtiger Gefümmtheit, fofort 
ffir ben neuen ©chuQling eingenommen, ber ein 
fo uberw&tigenbes Seugnis für bie be3Wingenbe 
Perfonlichfeit ihres tTJannes abgelegt. 5)enn es 
war ihr nicht anbers, als fei eine biblifdje Hegenbe 
VPirf lid>feit geworben, unb fte f^he, wie ber <$>eilanb 
3 um erffenmal unerfannt in armer ^>utte einfehrte 
unb bie einfachen ^ifchersleute plOQlich ben ©aum 
feines (Bewanbes fußten, weil ihn fein Hichtfchein 
nerriet. 

i Öt«rnb*rg, t>on S«ub« Srnuen flnb gtnaniU 33 


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Hoch ehe fici> Wolf in fein Atelier junicfgejcgen 
batte, erjoog fie in ihrem rafcben tTHrleib fcfon 
buntort fclänc, wie jle ber armen Hichrfud>ertn | 
beiflebcn unb fttr bie Bewunberung ibree Vtlannee 
bantbar fein tonne. JDenit es fd>ien fcbon, baj> 
bae (Befühl bee itUbchene f»d> mit tont ihrigen 
oereinte, um bie YPoge bcv Hiebe, bie ihm aue ber 
IPelt cntgegenfdjwelJen follre, ftd>tbarer unb m<ld? 
tiger vor ibm aufutwerfen. 


3« flatternbem ©taubmantcl, weiter ^eber= 
fraufe unb Peljf»Sppd>en, unter bem ihre blonben 
^aare beroorcpiollett, t<$mpfte jtd> ©ibby mit oor= 
geneigtem <^aupt bureb ben fnirmifd>en tTferag, 
unb ihre ©chritre würben immer Iangfamer, je 
mehr jte (Bontarbe Haubhauo (ich näherten. 3 ^ r 
<J>er3 wußte vielleicht, wae cs wollte. 2lber ibr <£>irn 
burebfubren nur ^etjen von (Bebauten gleich ben 
fturmjerblafenen tTl^rjwolten. f£ß fiel ibr eine 
Kollegin ein, bie einen alten hantier noch ba3u 
gebracht hotte, jte 31t beiraten; ein grofjee Per 
mögen von ihm erbte, alß er fd>on nach wenigen 
tTJonaten jtarb; unb bann mit einem vornehmen 
tTJanneeine glücflühe f£h* fchloß . . . 2 luch (Born 
tarbß ^rau tonnte jterben — wer weift! 3u ihrem 

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öerufe jurucWebreni! Hein . . . Hiebet* mit einer 
^ratt teilen . . . Wie, mußte fte freilid) nid)t. Es 
fd> webte ibr ror, baß er ße auf feinem 23eßt5tum 
anßelle . . . vielleid)tale:iDienerin, wo er meißelte . . . 
oielleüht alt? Ulagb. ^ebenfalls, baß ße ibn immer 
anfd>auenfottne unb teilßabenan feinem riefenbaften 
jDafein . . . 2)ann badete fie, wie te wdre, wenn fie 
ibn witt$ig i'lein jaubern würbe, baß ße ibn gan$ für 
ßd) bef<£ße unb nerßecf t mit ßcb forttragen fonne . . . 
(Dber ob fte ßttrbe, wenn jte fein oergottertee 
2Mut trdnteV . . . 2lle bas weiße ^aus in einiger 
Entfernung v>or ibr attftauebte, ergriff ße breit 
unb voll bie Entpßnbung, baß ße jet^t an bem 
(Bartengitter entlang gebe, m<$brenb er bort oben 
arbeite. Unb bie 2Mumen auf ber VUiefe, bie fein 
v>aus umgab, fanten ibr glücUicb vor, weil ße 
bort ßebett burfren . . . Eine fold>e ZMume $u 
fein! . . . 

üDie bunten ^l<Ümmd)en bes Ärohts fangen aue 
ber Rafenß<Scbe unb fcbloßen um bae ^aue in ber 
iTJitte eilten leud?tenben Äing, ben ße nun burd>= 
fcbrt'tt. ?lls fie unter bae gl<üferne Dörbach bee 
Einganges trat, ßel ibr auf, baß ber £3 turnt bier 
nicht mebr binbrang. 

3Dae ^erjflopfte ibr: öie war über bie Schwelle 
bee Kaufes getreten. Eine tyolye, alte Äaßeitubr 
mit lattgfamen, ruhigen Penbelfdßclgen, bie wie ein 
ernßer Wächter aus bem Schatten aufragte, gab 

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feem Heben fogleicb einen anfeeren Hbytbmus, feer 
füd) aucb feer f£inrretenben aufjwang. 2tber jle er= 
fuhr foforr, bafj feer heilige tt^cbfer feee Kaufes 
jemanfe anfeeres war. ©tatt 311 YPolf (Bontarb ge- 
leitet $u werben, fam ^rau geleite mit webenfeem 
©cbulterfcb leier fürjllicb feie <^allentreppe herab’ 
gefebritten, fcblofj mir ernjtem ^dnfeeferuef mit ibr 
23 etanntfcbaft unfe lief* ibr bann mit gajtlicbem 
H Hebeln feen Vertritt in ihren ^mpfangeraum. 
Sagbaft trat ©ifeonia ein. 

Pompejanifcbes Äot unfe orangefarbene ©eibem 
|loffe leuchteten t>on feen VP^nben unfe wieber= 
holten jlcb im tPiberfcbein golfeener ©piegel. Um 
efeelgeformte tTJobel mit fojibarem PorjeUanjierat 
gruppierten jlcb auf Perferreppicben weißum* 
rahmte ©effel unfe ©itspI^Qe. ©cblanfe Papyrus 
(tauben flrebten aus getriebenen Äupferbecfen fo 
boeb unfe feuftig empor, bafj feie < 25 em<£lbe an feen 
tP<ünfeen lebhafter feabinter ben>or!eud)teten . . . 
3 Dae tTJ^fecben aus feem Polte war in ein tTJ Greben« 
reich rerfeQt. Unfe als jte auf feem nieferigen 23 ant= 
fofa piaQ genommen, feae feer fecb0teiligen^enjler= 
orfenung fees «Erterbalbrunbo folgte, bliefte f!e balfe 
infeae^arbenwunfeer feeo Äaume 3urucf, balfe feureb 
feie ©cbeiben feer liebten ©laenifcbe hinaus auf feie 
grüne (Bartenlanbfcbafr, feie 3wifcben balb3U= 
ge30genen tTJullgarfeinen tvoltig eingefcbloffcn 
war, balfe auf feie wunberbubfebe ^rau, feie mit 

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golbbraunen, fonnigen klugen por ihr faf unb wie 
mit einer ^reunbin mit ihr plauberte. 

$>er glifeme ^Eeertfdx würbe herangefahten mit 
jllbernen Äuchenforbchen unb ben burchfichtigßen 
Por3eüanfd>alen, bie auf tiefroten Unterlägen pon 
japanifchem SLact fhmben; unb f?e £am ftd? fo ge= 
feiert por in bem Reichtum ber ungewohnten Um 
gebung, baf fi'e ben tTJann, um beffentwillen jie 
gekommen war, fafl pergafj unb immer nur bie 
be3aubernbe ^rau mit ben (Bruhchen in ben VDangen 
unb ihren gefehlten <J>änbett anjlaunen mufj te, in 
ber fte bie Schöpferin jener Schönheit ahnte, bie 
ja nie in jhimmen J)ingen unb (Begenjlänben be= 
ruht, fonbern lebenbiger (Beift iß, ber aus einer 
fd>onen Seele ausßrahlt. VHit fcheuer Jliebe blicfte 
fie 3U biefer Seele auf unb hielt befhÜnbig bas 
lafchentuch in ber ^auß; fo feucht waren ihr bie 
oanbßächen por perlegener (Blut. 

Erß als Helene pon (Bontarbs Eigenheiten ju 
erschien begann, wagte fte ein freieres Hädjeln. 
Tt>ie ber arglofe tUann auf bas Stänglein jebes 
Scheues hupfte, bas man ihm hinhielt. VPie er im 
Iheaterfoyer einer fremben 2>ame, an ber ihn eine 
tufällige Bewegung interefßerte, 3u ihrem Entfetjen 
3urief: „Ums Rimmels willen, bleibenSiebochmal 
fo ftehen!" tt>ie ber ernße Äunßler ttnblid) fein 
fonnte unb gleich einem Äänguruh um ben £ifch 
herum hüpfte, wenn er fröhlich war. XPie er, ge= 

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wohnt, benöleiflift im tTJunb ju galten, im Arbeits- 
eifer mit 6er glübenben Sigarre 6ie lifcbbecfe in 
Branb 3 eignete . . . 

©ie 6 as fo lieb unb arglos, baß ©ibby, 

halb befcb<£mt von foviel 5 utraulich?eif, l>alb voll 
©tol3, 3ur tTJitwifferin 6er intimen Hebensvorgäntfe 
gemacht 311 werben, fct?lie^lict> vor hellem ££nt3Ücfen 
über bief£igentümlid)feiten an berfelbflvergeffenen 
flatur bes großen Cr&imers b^^baft in 6ie ver* 
bergenben <£4nbe lachte. 

£Tun er 34 blte Jrau ^elene 6iefc iDittge in 6er= 
felben rbeinifchen iTJunbart, 6ie (Sontarb eigen 
tümlid) war, un6 6iefe tlbereinfh'mmung führte 
bei ©ibby 3U einer feltfamen Perwirrung bes < 25 e= 
fühle. 3n6em fle Helene in benifelben frembartigen 
JDialeEt fprechen b&«e, beit fle bei ihm 3um erflew 
mal vernommen, war es ihr, als ob fle ihn felbft 
vernehme, 3Utnal ba fle Helene auch biefelben 2tn= 
fchauungen Rufern b^te wie ihn, manchmal fo= 
gar inbenfelben?lusbrüd*en. ££rrotenb mußte fle ba- 
her ftch 3uweilen an bie ©d)l<üfe faffen, um ftch ju 
vergegenwärtigen, baß fle nid?t mit il>m rebe. ©0 
Farn es, baß fle bas, was fle bei bem einen liebte, 
auch bei bem anbern lieben mußte, unb fchließlich 
ben einen nidn lieben fonnte, ohne ben anbern in 
ihre Hiebe mit einjufVbliefen. i£s war ihr freilich 
nicht bewußt, baß es alfo garnidn bie Perfon war, 
ber ihre Hiebe galt, fonbern bie 'Kraft, bie fleh in 

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beibcn tTJenfchen gleichermaßen offenbarte, unb bie 
fte gemeinfam verwalteten, gebenb unb nebmenb, 
jeber (Beifl von bes anbern (Beift. ©ie wußte nur 
fo viel, baß fte bas fliegefannte, bas fte vor ihm auf 
bie Änie ge3wungen, 311 ihrem iürflaunen in ber 
©chonbeit bes Kaufes, beffen (Beifl feine (Battin 
war, wiebergefunben unb beibe tTlenfcben ftch 
baber im 23 eft tje beffen befanben, was fie ibr 
Heben lang gefucht/ obne baran teihubaben, unb 
nun in fid) überleiten mit wehem Verlangen 
erfebnte. 

Wie es aber oft gefebiebt, baß man ben Warnt, 
für fleh allein gefeben, 3U leicht nimmt unb bas 
volle (Bewicbt feiner Perfonlicbfeit erfi erfaßt, nach 3 
bem man ihn ab ^etrn feines Eigens, Weib, tTJagb 
unb iDiener unb ben gan3en ©til feiner häuslich 3 
feit fennt, fo ging (Bontarbs 23 ebeutung auch 
©ibby erfl in feinem <£>aufe auf, unb fte fd) 4 mtc 
ftch fafl ber refpefrlofen Vertraulichfeit, bie fte 
mit bem erffen Worte 3U ihm angenommen, weil 
ibr eigenes (Befühl für ihn fo übermächtig vor ihr 
flattb, baß fie baruber vergaß, auf ihn 31t fchauen 
unb fld? 31t fragen, was fte ibrerfeits für ihn be» 
beute. 

3 e mehr fie ihn je^t unter <£>elettens Worten, 
bie ibr einen ££inblicf gewährten in bie Wetrfflatt 
unb (Befd)id)te bes (Benies, emporwaebfen fab/ um 
fo mehr fd>rumpfre fte biefer fremben, beroifchen 

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Welt gegenüber t>or flc^> jufammen. 2>ei einer ^rau, 
in ber feine &unfl bas Urbilb bes Schonen befaß, 
war es nach ib«t Ztuffaffung allerbings leicht, bas 
<£>errlichflc ju fchaffen, ebenfo wie ibr £elenens 
geiziger Einfluß ab feine ^reunbin, Beraterin unb 
Helferin £rBl£rung genug baf&r fchien, baß alles, 
was fein Weißel aus bem tTJarmor erwecBte, ben 
Stempel abeligeniEmpftnbens auf ber Stirne trug. 

Was Bonnte fle bagegen mit ibm rebenV 

Wie ber SLaie nämlich gewöhnlich nicht weiß, 
baß ber Äunfller fleh überall an bem Urquell ber 
Äräfte anregt unb baber bas fprubelnbe Spiel 
ungebrochener Wenfd>lichBeit bem abgeflanbenen 
Waffer eines gebilbeten <J5efprä<hes t>or$iebt, fo 
ahnte auch fle nid)t, baß ber fchopferifche tttenfeh 
fleh t?or fremben (Dbren nicht gerne über bas unter» 
hält, was bei ibm in bie UnausfprechlichBeit ber 
liefen binabreicht, weil er bies ausmacht mit feiner 
letjten £infamBeit, fonbern glaubte, ibm nichts 
geben 3 U Bonnen, weil fle uon ber Welt feiner &unfl 
nichts uerflanb. 

IDaß man aber etwas $u geben haben mußte, 
wo man empfangen wollte, fchien ibr unter ber 
uerpßichtenben (öefetjlicbBeit bes tempelbaften 
Kaufes, bas alle Wrwilberung bannte, ein er» 
lofenbes (Bebot. 

Was fratte fle, armes ÜDing, mit ihrem bißchen 
Siebe frier $u geben V 

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2tle $vau geleite bae fchongeflimmte ©eldute 
anfd^lug, um ihren ©ajl jum 2ttclter ihres tTJannee 
hinaufgeleiten $u laffen, wanbte ftd? ©ibby immer 
wieberum unb fchaute, w<lhrenb ber SDreiHlang bee 
(ßlocfenjeic^ene in 6er ©tille trdumerifd) nad?> 
ballte, mit großen, wehmütigen 2(ugen in 6en &aum 
$urucf, als ob fle fürs Heben von ihm 2ibfchieb 
nehmen follte. 

* # 


2luf leifen {Teppichen, über ©tiegen un6 winfe 
lige (B&n ge, würbe (le bis su einem abgelegenen 
^lure geleitet, wo eine fchwere &elimportiere breit 
von 6er Tt>anb herabftel. ^Dahinter befanb (ich 6er 
Hlteliereingang, auf 6en bas fuhtenbe ^auemdbdjen 
nur mit fd?weigen6er ^anbbewegung hin$ubeuten 
wagte, unb jtch bann auf 6en Sehenfpiijen entfernte. 

Ü>a jlanb jte benn allein vor 6er verhängten lur, 
unfchlufjtg, ob fle eintreten, ober |1d) unbemertt 
bavonjtehlen foUte. SDenn wie jte in bem ©chujler* 
häufe fremb blieb, weil eine Srucfe fle mit einer 
anberen Heimat verbanb, fo fühlte fleh bas Äinb 
ber tliebrigHeit wieberum ausgejlofjen aus bem 
anberen Reiche, weil es fchulbig würbe, inbem ee 
hier anpochte unb, folange ee barin weilte, ben 
reinen 23runnen $war aus ben ^nben fchlurfen 
burfte, aber Heine 2iuejlcht fah, ihn 3» verwalten 
unb in fleh 3U tragen als fein feliges (B>ef£f. 


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Hange ffanb fte fo, an ben Hippen nagenb, bis 
fte enblich leife anflopfre. 2lber trotz zweimaligen 
<5>ereinrufene blieb fte wie gel<Sbntt in bem 2>unfel 
Zwifchert £ür unb Portiere ftebcn, fo bafj (Bontarb 
fchliefjlid? öffnete unb fte zufammengefauerr an ben 
Cürpfoflen gelehnt fanb. 

„Perzeih mir" — fagtc fte unwillkürlich unb 
fchob ftd? in ben lichten &attm. 

<£v bachte ftch nid?ts babei, obwohl ft* mit bem 
unfeheinbaren tOort fleh bie Sentnerlaflen einer 
Sünberin non ber Seele feufzte, unb zeig« feiner = 
feite zur fünrfcbulbigung tTJobellierflocf unb bie 
uon feuchtem £ott befchmierten Raubfischen h»«/ 
um ftch bann eilig unter bem fliefenben tPaffer 
eines tPafchbeckene zu reinigen unb bee 2lrbeite= 
mantele zu entlebigen. 

tPSbrenb er hinter ber fpanifchen TDanb bamit 
befd?äftigt war, wanberten ihre 2Mid*e, ohne baf? 
fte ftch uon ber Stelle rührte, bie weiträumige YDerk 
fkdtte ab, non ber rupfenbefpannten YPanbflSche 
hinter ihr, über bie gebrodene tPolbung ber 
£>ecFe, bie ftch zu ber d>berlid)tfd?eibe abfchrSgte 
unb brühen in eine einzige (Blaewanb überging. 
Sie überflogen bie weifjen (Bipehänbc, ^üfe unb 
tTJaeken, bie um eine hoh*, bie an bae (Blaebach 
tfofjenbe Palme, zwifdxn Pebbigrohrfeffeln, auf 
(Beflellen h**umlagen, beflattnten bie großen £on= 
maffett, ’bie vor Heitern ftch auf leinwanbbebecFten 

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<£>ol3tritten türmten; unb blieben fchliefjlich — an 
ber freien ©chmalwanb Rängen, wo eine 5immer= 
treppe $u einer 3 u bne führte mit 3wei ©iQpbfoen 
vor ben beiben, burd? ein £ifd;>chen getrennten 
5enj*ern. N 

©ebnfuchtig in ben Zinblüf verloren, fagte fie 
in ftd? hinein: „iDu b<*f i es gut!" 

££r trat ldc^)elnb hinter bem tUanbfchirm hervor 
unb flatfchte auf ben ungefügen ConblocF. „$)er 
Hebmbaufen ijl bas fd>6n(ie baran ..." 

„Unb beine ^rauV . . . Unb bein i^eimV" — 
fragte jte verwunbert. 

„2lUee ijl ©toff. . . i£in Äunjfler muf ar= 
beiten ..." 

©ie horte nid)t 3U, fonbern brebte mit gefchlojfe’ 
nen 2tugen langfam ben Äopf über bie ©chulter 
nach jener ©eite, wo jtd> bie beiben ^enfierpldtje 
auf ber ££jtrabe befanben, bie jte nicht losliefjen, 
unb fragte leife unb leib voll, als grübe fie fleh einen 
fcolch in bas *ber3: „©itjt bort — beine 5™«/ 
wenn bu arbeite^" 

i£t verjlanb unb fab ernjt auf jte herab, mit bem 
£>aupt verneinenb. 

„2Dort fttjen ich unb — bie jüßtnfamfeit," be= 
tonte er. 

öefch^mt richtete jle fleh in ber 23 üfte auf. iDod? 
er 30g jle willf^bn’tt Me teppichbelegten ©tufen 
empor unb geigte ihr vom ^enjler aus ben (Barten 

*3 


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mit feinem, jwifchen bunBlen Cannen flimmern* 
feem WajferbecBen imfe feem weiten ^afengrunfe, 
blau t>on ©cylla unfe burdjßemt non jener kleinen 
Primel, feie mitten im tDinter, wenn ein ©onnen 
jhrabl auf fte füllt, gläubig feie Zlugen öffnet. ttUfe* 
renfe er erBldrte, flogen weiße tauben auf feem Kanfe 
feer ©d>ale ab unfe ju unfe tranBen. 

„ÜDort mochte ich begraben fein," feufjte fie, feie 
©tim an feer ©djeibe. 

£r glaubte $u abnen, was in ifet uorging, unfe 
fragte: „3br bubt jufammen beraten — feife ihr 
eud> einig geworben V" 

(Dbne ibn anjufefeen, bewegte fie uerneinenfe feen 
Äopf. t 

„tTJodneß feu nid>t in feiefem (Barten arbeitend" 

IDasfelbe jhimme Verneinen, bas niemanfe t>er* 
riet, weld>e VDunben feabei bluteten. iDenn wenn 
fie vorher feavon träumte, unter feinen 2(ugen leben 
ju feurfen, fo wußte fie, feitfeem fie feie Herrin fees 
<J>uufes Bannte, baß fte b«r nid?t teilen unfe unrefe= 
lieb fein Bonnte. 

#ber er ließ nid>t los unfe begann abermals vor» 
fiebtig: „öiß feu nicht mit ibr ausgeBommeni?" 

3Da wanfete fie ibm voll feas (Beftcbt ju unfe fagte 
einfach: „3<b liebe feeine ^rau!" 

„Hiebfl meine ^rau*/" machte er. 

„Perfiebß feu feas nichtV 3d> liebe fie," fagte 
fie mit glubenfeetn (Beftcbt. „3<b Bonnte mich unter 

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ihre legen , baß ihre ©ohle ben garten Boben 

nicht berührt . . . 34) mochte ber geringfle £eil 
ihres Heibes fein, bie gebogene Wimper t>or ihrem 
2tuge, mir bem fie bich anfehaut . . . tT7oct>te nur 
eine ©tunbe atmen burfen mit ihrem Blut unb ee 
in mir klopfen fühlen wie beins ..." 

£r reichte ihr bewunbernb bie Rechte. „Hiebt 
kleinmütig fein," troflete er väterlich. „Stiles ifl ber 
gleiche ©toff. tTJan kann aus jebem Hehm eine 
(Bottin kneten ..." 

“Perlest wanb fte ihre <^anb los, unb bleich t?or 
ihm bie ©tufen hinabfehreitenb, blieb fle ror einer 
Buffe, feinem marmornen ©elbflbilbnis, bas t?on 
einem hohen (Be fleUe herabfehaute, flehen unb fprach 
ee an: „3<h kann in beinen klugen nichte fein . . . 
3 <h gehöre fa nicht 3 U euch, ich weiß ... ©0 fchicke 
mich hoch fort unb laß mich wieber werben, was 
ich war!" 

Sie fchlang bie Slrme um basBilbnis unb weinte. 

£5r folgte ihr nach unb fuchte fte $u beruhigen, 
©anft entwickelte er ihr, baß fte als (Befch<Sft8= 
fuhrerin ein Äunflgewerbehaus leiten follte; wie 
fle bort in Perbinbung flehe mit feinen 3”fereffen 
unb gemeinfam mit ihm wirken könne; allmählich 
Stusflellungen barin peranflalten würbe unb auf 
biefe Weife teilhabe an ber Welf bes ©chonen, bie 
ihre ©ehnfuchr fei. 

<oypnoriflert wie ein weinenbes Äinb, bem man 

iS 


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tTJirc^en er$ählt> würbe ße unter feinen Worten 
ßiller unb fugte topffdnittelnb: „2tud? bus iß nicht 
bus &ed>te ... 5 >u haß gefugt: ^ttte jebeni Ion 
läßt ftd) bie (Sottin fneten . . . iPcr Beruf funn 
es nicht tun ..." 

SDie ?lbenbßunbe tum, unb bie ßntenbe Sonne 
wurf burd) bie (Sluewunb bie erßeiv roten Hichter 
in ben Raum. 3 n ^ em ßd? über h** ©türm in 
ihrem "Jnneven legte unb uud) bie ^Dämmerung 
ßill in bie ££cl*en ber Wertßutt et'njog, erinnerte 
ße ßd> plotjlid) ber Stille, bie ihr fofort in bem 
großen < 5 >uufe uufgefuUen wur, unb etwas pon ihm 
$urud?tretenb, frugte ße mit erftuunrem Slu&brud*: 
„Wo ßnb beine ÄinberV" 

„3<h . . . habe teine Äittber" — untwortete er 
jogernb unb ließ bie <^unb mit einer bebuuernben 
Bewegung uit ßcb bcrabfullen. 

„Äeine ÄinberV . . . 2>ie fd?one Jruu teilte 
Äinber!" tTJit halb geöffneten Hippen blieb ße wie 
eine ££rßurrte ftehen. 

2lber als wäre ber lungc, btmtle iDrung, ihre 
Heiligung 511 etnpfungen pon bem Hidtre, bus ße 
uuf beibe (Sutten per feilt fab, plotßid) ju b»nim= 
lifcher l\(urheit burchgebrodjen, fchoß ein uber= 
irbifcher Schimmer in ihr fuhnee Jlntlitj. 

Unb währenb bus ^euer ber ßntenben Sonne 
hinter ihr in ber (Sluswunb gleißte unb ule flammen» 
ber^eiligenfchein für ße bort ßebemubleiben fd)ien, 

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ber ihre ganje (Bemalt in blutgolbeiteit 5ad*en um= 
loberre, fällig fie in ber Hot ihres <oer$ens bie 
<£><£nbe nors (Beftcht unb flehte aus ben $eucv 
brclnben heraus: 

„(Bib mir ein !Kinb . . . unb laß mid) gehn!" 
f£ine bei- treiben tauben bes (Barteits raufchte 
über ihrem Raupte an ber öcheibe noruber unb 
nerfchwanb in bem ‘ölute bes YPeßens. 


deinen 23art $erwuh(enb w>anberte Wolf (Boiv 
rarb mit großen 0d>ritten in feinem 0tubier$immer 
auf unb ab. 

Hange Sudjerrcihen, aus ubereinanber jtehenben 
2tuff4t3en gefugt, bereit (Bcfimfe eine (Balerie non 
23ron$ejtatuetten belebte, 30 gett |td> in flrenger 
(Bleichfornttgfeit bie VP^nbe entlang. ?lber unter 
ben gefchloffenen Kolonnen ber nielett 2Mnbe, bie 
mit ihren golbeiten Buchen titeln ringsum hinter 
(Blasfd>eiben leuchteten, war nicht einer, ber ihm 
bie ^rage beantwortete, bie ihn quälte. 

Wie berÄunjtlcr an ben (Brunbrypctt ber menfd>= 
liehen Öchicffaie oft gelaflfen norubergeht, weil er 
bas Heben im farbigen ?tbglan 3 begreift unb in bem 
vCropflein eines unfeheinbaren Hebcnerlebniffes bie 
0chmer$en bes Uninerfums norerleibet unb hinter 
|td) f^mpft, fo hatte ber 2\ummer, baß ihm bas 

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Äinb verfagt blieb, wohl manchen ©chatten auf 
Wolf (Bonrarbs ©tirn geworfen. 2tber feine f£fye 
berührte bas nid?t. 

<Es gab einen berühmten Srunnen von ihm, ein 
grofjee ülufchelfalfbecfen, in beffen Witte ein 
iRinblein, felig auf bem Äücfen liegenb, auf bem 
Waflferfpiegel fchwamm, wdhrenb eine(Bruppe non 
3ungfrauen, jum ©tamm ber überßiefjenben ©d>ale 
jufammenge warfen, bie 2lrme nach ihm empor* 
hob. 2Ue er bei ber Enthüllung bes Äunjlwetfs 
von femanb, ber bamit feine Hebenserfahrung bar« 
tun wollte, gefragt würbe, ob er auch felbjl Äinber 
habe, hatte er entgegnet: „4>4tre ich bann ben 
Rinberbrunnen gefchaffenV" 

2lber bie ©ehnfud>t war nicht bas einjige. 3Das 
fchlimmfle war ihm, bafj jich bieWefenheit^elenens 
mit ihrer göttlichen ^eitevteit nicht fortfe^en unb 
ihre ©chonbeit für bie Welt verloren gehen follte. 
Wenn er jlch bie mütterliche (Befühlewelt vorteilte, 
bie bas neugeborene Heben in ihrem liebreichen 
fersen aufgefchloffen \>&tte, fo Barn ihm bie ganje 
WibernatürlichBeit, bafj eine golbene Äraft unge* 
nuQt verkümmern follte, ver$weifelt jum 23e- 
wufjtfein. Wenn jie einmal nicht lachte, war 
bie ©eele aus bem ^aufe entflohen, ©o würbe 
etwas fehlen im ©peBrrum bes 2Uls, wenn ihr 
Hecheln mit ihr begraben würbe — war feine 
"Dorfiellung. 

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■JDeshalb erwogen jte auch nie, ein Äinb nnju* 
nehmen. Ja, wenn er ih r ein folches kleines tUefen 
in bie 2lrme b&tte legen können, bas fein eigen 
wäre, ohne in frembem ©chofje erjeugr 3 U fein ... * 

2lber anbers wäre es nicht gegangen. 

tTun wühlte ber 2luf ber anbetenben tTJäbchem 
feele alle biefe^ragen non neuem in ibm auf. Sollte 
er beiß fpringenbe (Duellen bes VDerbens, alle ££ner= 
gien bes (Gottfuchertums, bie in geheimnisvoller 
Sympathie fid? aus bem Unbekannten hier ben 
VPeg $u ihm gebahnt, in Unfruchtbarkeit 3 uruck* 
fchlagen unb unvererbt in flct> erf erben laffemf 
■JDurfre er basV 

£Er faß auf ber iehne feines roten ieberfeffels 
unb beobachtete an bem YDallnujjbaum, ber fhein- 
bar kahl im^rfihlittgswinb vor bem breiten ^enfker 
fcbaukelte, bie neuen braunen ©proffen an bem 
älteren fchwarjen £ol 3 e, bie erfken noch fejkge» 
wickelten Sapfen ber ^R^tjchen baran unb bie 
Bufchel von roten <£>änbchen, bie fchon überall 
klein nach hem dichte griffen . . . TDebmutig 
fummte es in ihm: iDas Blut von taufenb Jafyv* 
hunberten lofeht feinen funken in mir . . . 

2Da trat fein ^reunb 2lltmann ein, ber nach feiner 
(Gewohnheit fofort pa<h bem Buche griff, bas auf 
gefchlagen auf bem ©chreibtifche lag. 

„piatoV" fragte er, nachbem er ben Banb ent» 
täufcht wieber hinge worfen . . . „Bilbbauerjk bu 

4 Sttrnbtr», Von Sreub* Sraufn flnb genannt 49 


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wie Wolf (Bontarb ober wie PhibiaeV Warum 
pbilofophierjt btt alfo wie piatoV" 

„Weil er bie ,£rage aufwirft: 23e|tebf für ben 
geiftigett Schöpfer bie fJotwenbigfeit 3 ur leiblichen 
Beugung V" 

„21 d) fo," machte 2Utmann, fofort uerflehenb. 
„Blfo hoch Wolf (Bontarb!" 

IDer ^reuttb nicfre. 

„nun, wenn Plato bie verneint, fo geht 
er baoon aus, baf ber Zünftler in feinem Werf 
fd>on feine ©enbttttg erfülle, was bu natürlich 
nicht 3 ugeben wirft, ba baa Werf ja nicht ©elbfh 
3 wecf ijt, fonbern ber tTlenfcbbeit bienen foll. 2>a= 
mit bu nicht auf halbem Wege fteben bleibft, mufj t 
bu bah«* aud> alle beine fonfiigen Ärdfte in ben 
JDienfi biefea Bielea ftellen unb gan 3 wie ein leib= 
lieber “Pater für bein geijtigee Ät’nb forgen. £>aa 
beifjt: ea hineinfetjen in einen felbftgefchaffenen 
Äreia t?on berufenen Perwaltern, bie ihm gegen 
ben Wiberjtanb bee Unwerta ben Weg bereifen 
3 um ^er 3 en bee Polfa. Wer aber ift hierfür baa 
natürliche tTJebium, wenn nicht ber leibliche ££rbe, 
bae eigene ^leifch unb 2Mut, baa beine (Bebanfew 
weit fennt unb feiner eigenen Kultur bient, inbem 
ea ftch 3 um Uriger ber Kultur bea Wetfea mad)tV" 

(Bontarb legte bie ©tirn in ftnftere galten unb 
entgegnete: „2>ae hiefse i^anbel treiben mit ber 
Hatur, lieber ^reunb, anjlatt baa (Bottliche um 

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feinet felbjt willen ju tun, ober $um minbejten ein= 
greifen in Swecfe, bie jtd> ber TPelrgeift felber fest. 
1Penn er bas Korallenriff bilben will, fo l<$fj t er 
3 war bie Hiebe ber ©trablentierchen baran arbeiten, 
bie ben Korallen jtod? bauen, inbem jte ft<±> paaren, 
aber ben fleinen Polypen leitet nichts, als ber 
Crieb jum Polypen. Hun lebt ber tTJenfch aller* 
bings nicht nur bas allgemeine planetarifche 5>a* 
fein mit — wirf! bu fagen — , fonbern beju$t auch 
bie Erkenntnis fernerer fosmifcber Siele — aber bas 
berechtigt ihn nicht, freies, jtch felbfl beftimmenbes 
Heben ju erzeugen, um es folchen SwecPen — einem 
Kunjtwerf — unter 3 Uorben, bas übrigens in (Bottes 
£7amen allein (eben mag, wie es jtch burchfesr. 
^>ier f>anC>clt nur jtttlich, wer in bem beUfeberifchen 
Haturfchlaf bes Elementaren bünbelt . . 

2lltmann malte mit bem 2Meijlift oor jtch bin. 
„34) bin gan$ mit bir einig . . . ftur büf bamit 
Plato noch nicht recht — es fei benn, bajj bu ben 
Kunjtler als #flbeten in Keinfultur fajfen woütejl, 
ber jtch 3 U heiligen glaubt, inbem er bas Heben 
flieht. 2lus bem Pollen einer menfcblicben Perfon* 
liebfeit aber fchaffjt hu nur auf ber breiten (Brunb* 
läge bes gan 3 en Hebens. iDenn wir jtnb, was wir 
tun. tlnb haben uns fo gut felbjt 3 U erfchüffen, 
wie bas Kunjtwerf. tPie willjt bu bas anfangen, 
ohne bafj bu neben ben funjilerifchen auch alle 
pbyjlfchen Cugenben ubjl!" 

«* 5 J 


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„(But, bem 23ilbhauer bewillig^ bu beit Sproß 
aus feinen ilenben," fagte (Bonrarb rafch, inbem 
er auffprang unb feine tt>anberung burch bas 
Simmer wieber aufnahm. „23ewilligfi bu mir bas 
gleiche auch als <2 bemann V" 

„5Du tneinfi: bem tTUbchen!" 

„34> bleibe bei meiner Raffung I" 

2lltmann trat an bas ^enjler, t?or bem bie erflen 
jarrblauen 2Mutentrauben ber (Blyjinien fchwebten, 
mit benen ^rau Helene bie 2trbeitsr<üume ihres 
(Batten umfpomten, unb begann: 

„VPenn ich als ^reunb ... als bein unb ^elenens 
Jreunb ..." 

„ 34 > lege ben 2lfc$ent auf ben Philofophen," 
unterbrach ihn (Bontarb, ber wie ein ilowe hinter 
ihm auf unb ab fchritr. 

„tPie bu befiehl^," fagte 2lltmamt ernft, ohne 
feine Stellung ju uercünbern, als wollte jeber ber 
^freunbe uermeiben, bem 23licf bes anbem $u be- 
gegnen. „tt>enn ich alfo nur als bie anbere Stimme 
3U bir reben foll, fo fage ich alles, wenn ich aus* 
fpreche, baß bie iEbe eine als ethifches 3 n f*i tut 
uerjlttlichte tTaturbeftimmung ift. Erfüllt fie bie 
tTaturbeflimmung nicht t>oll£ommen, fo mußt bu 
f He erg<ün 3 en. 3 e hoher bein Timt im VPeltenplan, 
um fo unjweifelhafter if* bein Äecht ba 3 U. JDenn 
bie gortliche Satjung hebt bie menfchliche auf. 
VPer (ich mit bem 3D<$monium eines fchaffenben 

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(Beifite oerbinbet, mti^ ftd? baruber tlar fein. ££r 
muf wijfen, baf bie Swecfe bes (Benies mit betten 
bes f£bemanns nicht erfd)opft finb, fonbern baf 
ber ^Rünfller 3 wifchen ben (Battungen (lebt . . . ÜDer 
jtreite 2 lbam . . . ££r ragt ine tTJetapbyflfcbe." 

„tTJein &ed)t, mein Äed)t, ja, ja!" rief (Bontarb, 
ber fid) in einen ©effel geworfen, ungebulbig über 
ben Äaum hinüber. „ 2 lber wo (lebt etwas ge* 
fchrieben non einer Pflicht^ 3 n wiefern gebort bas 
23dnb eines tTJclbcbens 3 U ben 5 wecfen, bie inner* 
halb meines Zimtes liegend ©ie will jum (Bott* 
liehen — gut, wenn ich fle recht oerjlebe. 2 lber was 
gebt mich ib* (Bott anV" 

„VPeif t bu nicht" — fagte 2lltmann nach einigem 
©chweigen — „baf bie iDionyfosmclnaben einen 
©telloertreter (Bottes nerjebrten, um (ich ben gott* 
lid>en (Beift anjueignenV . . . 3Du flellfl ben ©teil* 
oertreter (Bottes für fie bar — ob als tttenfd) ober 
Rünjller, einerlei. Unb wenn fle bid) als Perfon 
auch nichts angebt — ben (Bott gebt bie Kreatur 
immer an . . ." 

„iDrei tTJenfchenleben fteben auf bem ©piel," 
grübelte (Bontarb, ohne 3 U antworten. 

„©ollen breiVDefenbeiten, breitPelten 3 ugrunbe 
geben V" 

(Bontarb lachte bitter auf. „deinen Kummer 
machen, nicht weberun — b«t fie gefagt!" ££r um- 
krallte feine ©tirn mit mächtiger ^>anb. 

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„IDao ijlSchicffal," antwortete 2 Htmann achfeb 
3 ucfenb, inbem er sogernb auf ihn 3 uging. 

(Bontarb ^atte bie &ed)te oor fich auf bie ©ejfeb 
lehne aufgelegt unb betrachtete lange erfchüttert 
feinen Ehering: ©chicffal! 

„Weißt bu, wao in unferen Trauringen eingegra* 
ben fleht V" 

„3« euren Trauringen*»!" 

(Bontarb fhreifte ben (Bolbreif oom Ringer unb 
hielt ihn bem ^reunbe hin. 

„Amor fati,“ lae biefer auf ber 3nnenfeire unb 
reichte ben Äing jurucf, inbem er bie <J>anb auf 
(Bontarbo ©d>ulter legte. 

„ 3 <h hnbe nur sub specie aeterni 3 U bir ge= 
fprochen . . . bu wolltejl eo fo . . . " 

(Bontarb wehrte mit einer Äopfbewegung ab. 
„3<h weiß freilich, baß bie Philofophie &ie 
^olge unferer iSntfchlüffe ifl, lieber 5 «unb . . ." 

Äange, nachbem Slltmann gegangen, faß (Bon 
tarb noch 3 ufammengefunten in feinem ©effel, unb 
nur ein golbgerahmtee Slhnenbilb leuchtete noch 
aue ber 3D<£mmerung auf, einer non jenen Äopfen, 
beren klugen fich immer nach bem Befchuuer brehen, 
welche Stellung man aud) 3U ihnen entnehmen mag, 
unb blidte über ben Bücherreihen mit feinen um 
ergrunblichen 2 tugen auf ihn herab. 

* * 

* 

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iDer ,$rubling fcbof wie ein Kaufet) aus ber 
Erbe. iTlan l)£tte bas VDad>srum fefjeln mögen, 
um Seit $u baben, es in ber ©tufenfolge allnuib 
lieber Entwicklung 311 genießen. ?tn burrett Stab 
3auberten ficb fafk über £ 7 ad>t rofa Blutenfcbleier, 
ivogenbe Belaubung, bie rollen Ketten grüner 
fruchte. 

< 5 >elene (Bontarb »erlegte ibr Heben gan3 in ben 
(Barten, ©ie kauerte frühmorgens neben bem (B<$rt= 
ner, wenn er »or bem aufgefcblagenen (Btasbacb 
in ben Pflan3enkulturen arbeitete, ©ie balf abenbs, 
in bem Kegenbogen bes VPafferftrablß jkebenb, ben 
Kafen fprengen unb ben tE>ur3elkrei8 junger © tetmnv 
eben tranken. Bettete jebe ein3tlne Erbbeere, bie 
jteb im Beete 31t roten anfwg, in ein VTeft »on 
^>ol3Wolle. ©ebnitt Kofen. Ked)te bie fanbgelben 
Wege. Unb ibr weiter tTacken bräunte jteb über ben 
gan3en 2lusfcbnitt ibres buftigen (Bartengewanbs. 
iDie ©cbleppe bes Empirekleibes über bem blofjen 
2 trm unb berabgefebneite BlütenbbSttcben im £aar, 
empfing fte ihre (BÄjle unter kornblumenblauem 
Fimmel, unb wenn fÜolf 3U ben tTJab^eifen in ber 
Buebenlaube erfebien, batte flc fbm mit einem ent- 
beckungsfreubigen „ 3 Das mufjt bu feben" raufenb 
tDunberbinge 3U »erkunben — fei es, bajj flügge 
Pogel »erteilt in ben Bufeben faßen, ober bie iukka* 
palme ib**n erjken, glockenbebangenen Blutenfkab 
trieb. 

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©ie batte es ftct> nicht nehmen laffen, Öibont'a 
4 >iUt Sentrum ber ©tabt einen Runflfalon ein» 
Juristen, 6a ihr (Satte, wie fle behauptete, bie tlr= 
fache war, baß fle ihre fVubtre Stellung verloren. 
JDort 3etgte ©ibonia einer 3ablreicben öefucber» 
fcbaft ihre Stoßen, antifen Por3ellane, tTJarmor» 
plajlif en unb anbere 3ierlicbe (Segenffdnbe unb hätte 
nichts von bem Äaufd?e ber Hatur bemerft, wenn 
ibr <£>elene nicht 3uwetlen einen (Sranatbluten3weig, 
(Solbregen ober einen mächtigen Äotbornaff 3um 
©d>mucf ihrer fapanifeben Vafen bingefebieft 
hätte. 

©ie brauchte feinen ^rubling. ©ie trug ben 
(Sott bes frühlings felber in fkh. 3 Denn bie große 
©tunbe, nach ber fle mit wunben^ußen gewanbert 
unb gewanbert — fle war gefommen. Unb fle batte 
fleh 3um ©cboß unb (Sefäß machen burfen für bie 
vereinten ©eelen eines tTJenfchenpaares, bie ibr bas 
anbere J^eich bebeuteten, in ber Umarmung bes 
einen von beiben getauft mit bimmlifebem (Seiff. 
tlun war fle eingegliebert in bie Äette ber ££wig= 
feit unb freiffe mit von ©fern 3U ©tern. ÜDenn fle 
batte ein (Sottlicbes, bas 3wei fferblicfoe iTJenfchen» 
bäupter umflrablte unb mit ihnen erlofcben wäre, 
bem lobe entriffen unb bewahrte es in fleh als 
felige Änofpe, in ber es fcblief unb wuchs, bis es 
bie 2 (ugen auficblagen unb fle „VHutter" nennen 
würbe. Hur bie leibliche Verwalterin bes neuen 

5 $. 


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Hebens wollte fle fein, beffen feetifche tTJutter eine 
anbere war. 

VDenn fte non Seit ju Seit Helene (Bontarb be- 
fugte, fo faß fte faft fhimm t>or ibr unb fchaute 
fte an wie eine ^eilige. ©ie fußte ibr regelmäßig 
bie <J>anb, wie fte es bei feinen Heuten gefeben batte, 
aber <£>elene ffiblt* aus ber iiDemut unb 2lnba<ht, 
mit ber es gefchab, baß fte gan} anbere fHmpftn» 
bungen babei bewegten, unb fte mußte, obn* t?on 
ihrem Suftanb etwas 3U abnen, unwillkürlich baran 
benfen, wie manche grauen, wenn fte ber tTJutter» 
fcbaft entgegengeben, ftch in ibeale Tiefen unb 
<0egenfl<Snbe rerfenfen, um ftch mit ©chonbeit ju 
fettigen unb ibr (B»efet3 bem eigenen Blute ein3U* 
pfla^en. 

JDie bicfen Äugeln ber VDallnuffe fielen mit 
bumpfem ©djlag auf ben Äafen, unb bie grünen 
©cbalen gaben bas braune (Sebäufe frei, bas fo 
merfwurbtg einem menfchlithen ^irne gleicht. i£s 
fiel Helene nicht auf, baß ©ibonia bem <?>aufe fern 
blieb. JDenn Tt?olf fchuf an einem neuen TPerf ; 
unb wenn er arbeitete, mußte fle gan3 für ihn ba 
fein. 

©ie batte es feit längerer Seit fleh oorbereiten 
febtn: T>on ben erflen Bleiftiftftrichen, mit benen 
er Bewegungen oon ibr fefoubalren begann, unb 
fluchtigen in Är eite btngefchriebenen tTotierungen, 
mit benen er einen 2tft umriß ober eine Äontur 

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fejllegte, bis 3 ur ©tijjterung bes 2 lufbaumotws 
unb ben lebten phyßognomifchen ©rubicn, mir 
bcm Wtfcher ober ein paar triftigen ÜDructern bes 
ITufchpinfels in tuhnen ^arbflecfen bmg*fet$t. 

Hun gingen bie Arbeiter unb (Beihilfen im <J>aufe 
ein unb aus. Honmaffe würbe ungefähren, (Berufe 
würben gewimmert, tTJarmorproben gebracht, £T7o= 
belle boten jtch an, unb bie ganje geheimnisvolle 
(Cmftgfet't bes Werbens flutete an^rau Helene vor« 
bei. Wie immer in folchen Seiten fprach Wolftaum 
ein Wort, weihrenb feine 2 lugen non innerem Üicht 
leuchteten unb feine ©chl^fenaber, bie fonft verbeeft 
lag, befl<£nbig in $acfigem ©piel arbeitete, diesmal 
hüllte er fleh gan$ in ben ©dreier bes <25eheim= 
niffes, unb <£>elene wußte nicht mehr non bem, was 
ans Hicht wollte, als bas, was er über eine ^igur 
ber (Gruppe, 3 U ber fte IHobell fttjen mußte, $u ihr 
gefügt hutte. ©ie follte babei eine Haltung an« 
nehmen — lautete feine Sinweifunej — als wenn 
ihr bas Hiebfte, bas fle fleh benten tonne, entgegen« 
gereicht würbe, unb fte öffnete ihm ungläubig bie 
2 lrme. 2 lber baraus tonnte fte fo wenig erraten, 
baß fte nur noch mehr in bie ©chauer eines bunt« 
len iEntflehens htneinge$ogen würbe. 

fEs gehörte 3 U feiner (Gewohnheit, oft mitten aus 
ber Arbeit, ohne bas Werfjeug aus ber 4>ant> 3 U 
legen ober ben Hichtfchirm abjunehmen, ben er 
bann wie ein WÜQenfchilb auf bie ©time juruef« 


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fd)ob, in ihre Ääume herunterjufotnmen, um nach 
einigen 2 lugenblicfen, währenb beren er nur (lumm 
neben ihr fafj unb ibr bei ber Arbeit jufchaute, in 
feine X£>erf(fatt 3 urucf 3 ufehren. ^Diesmal trieb es 
ibn förmlich um. ©ie empfanb, wie er (le auffaugte; 
jebes TUimperjucfen, jeben 2 ltem auf ihren .Hippen, 
jeben ©chatten, ben ein <£>aar auf ihre tDange 
warf, regifhrierte; ihre formen, ihre Bewegungen, 
jebe T>eränberung ihrer tTJiene als Baujloff in (ld> 
tränt. Unb bie beftänbig auf (le gerichtete, (le burd ) 1 
fd>wängernbe(Bewalt biefes fd)Opferifd)entüebens 
banb unb feffelte (le fo, ba(j fie (Ich heilig würbe, nicht 
allein, weil fein VDert in ben Kreislauf ihres Blutes 
miteingefchloffen fd>ien, fonbern weil fie auch gan$ 
binüberfchmoh in ihren (Batten jum Aufbau bes 
werbenben Lebens, in bas ihre IRräfte burch all 
ihre 2 lbern unb Wafern überffromten. 

Um bie Seit, als (Id) bas (Bipsmobell unter bem 
Jammer, ber bie ^ohlform 3 erfd)lug, heraus* 
gefch&t hätte, (feilte (Ich (Beorg 2 lltmann öfter bei 
ihr ein, um ihr an ben länger werbenben 2 tbenben, 
wo (le allein über ihrer ©tief arbeit faf , (Befellfch aft 
3U lei(ien. £ r blicfte (le an wie ein treuer <£>unb, 
ber ahnt, baf feine Herrin leibet, um fo wehmütiger, 
ba er fah, wie (le, bas Luinigefld)t mit ben lächeln* 
ben (Brubchen weich befchienen oom Lampenlichte, 
in ruhiger, nichtsahnenber ^eiterfeit ihre ©eiben* 
fäben 30 g , 



25ur<h <£>au6 bebte ein neuer Ion; fern unb 
gebdmpfr: 2>er erwachenbe tTJarmor fang, ©ie 
hielten bie lür ju ber <5>alle geöffnet, bamit man 
burd> bas Ireppenhuus btrab bie neue iTJuftt bes 
tTJeifete pernehme, ber broben ben tTJarmorblocf 
formte. Unb fte unterhielten fleh babei unb laufet)* 
ten in ben Paufen . . . 

,,©ie brauchen wirtlich feine Äinber" — fagte 
Ziltmann eines lages unb unterbrach ftd? mit er* 
hobenem Ringer, ba ber lat tber arbeitenben tTJeifter* 
hanb wieber einfetjte — ,,©ie h^ben Äinberglucf 
genug ..." 

Helene, ernfter als fonft, bliefte nicht oon ihrem 
©chofe auf. 2>enn bas 05eheimnis, bas fle um* 
fchnurte, fing an, fte namentlicher ju machen. 
££ rft nach einer tUeile nahm fte feine 2>emertung 
auf unb beutete bie buntle 2trt an, wie tPolf fte 
biesmal umtreife unb etwas Unnennbares an ihr 
ju fuchen fcheine. 

25a fprach 2lltmann etwas aus, was fte bedng* 
fügte. 3 nt) tm er nämlich, um fte ju beruhigen, er* 
flirte, baf bie ©djaffenben gleich ben werbenben 
tTJuttern immer auf ber ©ud)e feien nach bem 
©chonheitsfioff ber pollfommenen 25inge, ftel i\)v 
ein, bafj ©ibonia eine Seitlang ebenfo um fte herum* 
gegangen war, wie VDolf es tat, unb bafj fte ben* 
felben (Bebanfen, ben fle jetjt aus frembem tTJunbe 
oernahm, felbft gebacht als bas tTJäbchen 

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\ 

ihr juleijt bie <o<£n be fufjte. Unb (le fab (leb plots« 
lieb jwtfcbcn beiben (leben im Bilbe einer Brunnen« 
fdule, por beren beiben 2trmen rechts unb lints 
tt>olf unb ©ibonia fnieten, bie gebohlten <o<£nbe 
unter ben fliefjenben Äobren unb ben (Duell trinfenb, 
ben fte felb(1 buben unb bruben fpenbere. 

©Sie raffte bie ©tieferei in ibrem ©cbo(je ju« 
fammen unb legte (te erregt neben (tcb. tX>4brenb 
fte in bie Jiampe grübelte, erinnerte fte (leb mit 
einemmal, bafj ©ibonia aueb niebt gekommen mar, 
als YDolf wegen einer tTJobellfmung 3 U ibr febiefte. 

2 lber als ( 1 e 2 llrmann nun naeb ibr ausforfefoen 
wollte, unb biefer ibr mit porbeugenber HZile ins 
tl>ort fiel, bafj man niebt nad? ibr 3 U feben braudje, 
ba alles gut bei ibr (lebe, geriet (te infolge feiner 
auo weicbenben Äebe weife in fo große innere Bangig 
Ceir, baß ihre flafenflugel flogen. 

©ollte (te 3 U ibr gebend 
„X>ergiß niebt, was bu bem^beale fcbulbig bifl, 
bas bu porflellfl," prägte (te fteb ein, wie VDolf es 
' (te gelehrt butte. Unb (te perfebloß por ber unbe« 
flimmten Ebnung lieber gewaltfam bie klugen, als 
(tcb in biefem 2 lugenbli<f ben Trieben rauben 3 U 
laffen, wo bas gan 3 e <^aus ihn gebieterifeb pon ihr 
perlangte. 

* * 

* 


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©ie $tttem t>or Erwartung, ate tPolf fte am 
TPeibnacbtotage ftillfcbweigenb an ber<banb nahm 
unb mit ihr jufammen bie kreppe binauffcbritt, 
um fte ins Atelier ju fuhren. 

££0 mar einer jener milben £age, wo ber ©cbnee, 
ber morgen© gefallen ijl, in bertP^rme ber tTJittag©- 
fhmbe wieber taut; unb ber flocfige 23aufd> auf 
ben öaumdjten fiel weich Ijerab, ©cbneepolfter 
rutfcbten t>on ben JDacbrinbern nieber, unb überall 
tröpfeln t>on ©cbmeljwaffern unb binnen t>on 
Sieben . . . 

iDie (Blaowanb be© Atelier© febnitt einen blauen 
Porbang aue bem r einen tTJittagebimmel unb 
breitete ibn hinter ber blenbenbweifjen tTJarmor= 
gruppe au©, bie noch niemanb gefeben b<*tt* unb 
^eleneh© weit geöffnete 2lugen nun febauten. ©ie 
fab ftd> oor ber biblifcben ©jene: tDie 3<*tobe 
iCbtweib Äabef weil (Bott fte nicht mit Äinbern 
gefegnet, ihre tTJagb Silbu3afob jumtPeibe gab, 
unb 23ilb<* nun bas ihrem ©cbofje entfptrungene 
Äinb ihrer Herrin 2\abel, bie neben ihr fafj, binöber* 
reicht mit ben Worten: „Zue beinern Wefen ifl ee 
geboren." 2lber w<£brenb bie tTJagb im tTJurter= 
febmerje jauber t, ihr J2.ieb fte© binjugeben, unb Äabel, 
jwifeben (Bram unb ©ebnfuebt geteilt, bie Frucht 
au© anberem ©cbofje binjunebmen jaubert, bleibt 
ba© IMnb unter ben vie r au©gejfcrecften Firmen 
jwifeben ben beiben grauen febweben, bie <£><lnbe 

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ine &icht erbebenb uor £ebenelujt, baß feiern im 
erften 3ugenblic? feinen 3ubel b<$tte mit bittaue* 
fchreien mögen — aber ber ©ebrei erfh'cfte in einem 
Sluflkbluchjen, unb fle fanf wiber TPolf jurücf, ber 
hinter ihr flehen geblieben war unb jie mit feiern 
(Briffe aufrecht iDenn J^abel unb 2>il ha trugen 

ihre unb ©iboniae Buge, unb ber göttliche Änabe, 
beffen marmorner Körper, golben oon ber tTJittage= 
fonne bur<hleud>tef, oor ihr in ber JLufr fd)webte, 
baß fte ibn mit jlocfenben Irenen in ben ?tugen 
entgeiflert anfab, war niemanb anberes — ale 
©iboniae &inb! 

©ie (lanb nicht mehr v or bem Äunfiwerf , f onbern 
uor tUolfe großer Äonfefjton. Unb fofort mit ber 
bumpfen Betäubung bee erjlen ©chmerjee fing 
bae tt>erf an, ju ibr $u reben, unb offenbarte ibr, 
inbem ee fleh leibhaftig uor ihr erhob, baß ftd) bae 
gefürchtete £Erlebnie, aus bem ee emporgeffcegen, 
t>on ber ©eele bee Äunfllere abgelöjl bätfe unb in 
bem ©teine aufgegangen war — feine größere 
(Befahr mehr für ibr (Blucf, ale bie tTJarmor= 
gehalten, bie fhimm unb unbeweglich t?or ihr faßen. 

freilich, etwae hätte fle unwieberbringlich t>er= 
loren. £Etwae ^eineo, iDuftigee jerrann, jart wie 
bie unberührte weiße ^locfe, bie im tnittagejfcrabl 
jerfchmiljt unb nur eine £r<£nenfpur an bem feuchten 
5 weige juruef l^ß t: £Ein tTJ 4bchenglaube, ein Äinber* 
träum . . . 

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2tber baför erhob ftch etwas ©tar£es hinter ihr. 
gegen befien hartes Äecht es t einen XViöe rfpruch 
gab. £>er Wann, befien ^anb fie unerbittlich am 
2lrmgelenE h^lt, als wollte er ihre <£mpfinbungen 
nach feinem VUillen b^nbigen unb formen, war — ~ 
ein ©d>opfer. Unb fte h^tte fein bewunbertes VUerf 
gemorbet, wenn fie nicht ftch bemütigen wollte t>or 
feiner unergrunblidxn $eugerifd>en ttlacht. 3Der 
(Batte fchrumpfte uor bem ©chopfer jufammen, 
unb fie felbji warb t>or feiner (Befialt, bie riefenhaft 
hinter ihr aufjuragen fehlen, nur ein fauernber 
©chatten, arm unb flein. Unb fie fühlte mit bem 
kleinen unb <J>ilflofen. Unb warf bie Ehegattin 
non ftch ab unb warb ein tUeib, ein bilflofes, fich 
opfernbes tUeib, bas mit bem VDeibe fühlt. SDenn 
fie erriet, baß es ein Äinb unb eine iTJutter gab, 
bie einem Wanne gleidjgültig geworben unb ber 
mitleibigen <£>elferbanb beburften. 

©ie loße fich langfam oon ber Betrachtung bes 
fdu'cffaluollen ©teinbilbes los unb fagte, noch 
weich unb tnhtmerifch oon bem Kampfe, ben ber 
fEngel ihres Bufens mit ihrem täte geführt hatte: 
„Hun laß mich 3 u ihr gehn unb ihr beifiehn in ihrer 
fchweren ©tunbe ..." 

2Da gab VUolf, w^hrenb ber gan 3 en Seit nur ber 
wunben ©eele feines VUeibes Angegeben, ihre feji« 
gehaltenen 2lrme frei, nahm ihren Äopf swifdhen 
feine nbe unb fagte, burch ihr tPort an feine 

*4 


’■* 


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4>&vte gemahnt: „Öeltfam! iBine anbere tf* te, ber 
wir verbauten, baß bie große Weihnacht für uns 
gekommen ift . . . Unb bu erinnerjt mid? baran ..." 

r/3ft n *<hf auc ^ m ' r *hr &*nb geboren V" fragte 
fte, feinen 8ugen nabe. 

„Wir jlnb bem lob enrriffen . . . 3Der ganjen 
tTJenfcbbeit geboren ifl jebee Äinb . . 

Priejierlicb beugte er fld? 3 um Äujfe auf ihren 
Monben Scheitel. 

2ln ber hoben Weibnachtetanne in ber tTJiffe ber 
4>alle entjunbeten (ich bie Äer$en am bellen £ag. 


% 


9 Sr*rnbfrg, Uen Sw»b» Srauen fliifc ftnannt 


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©tdftn Houtta 

iDurch gati 3 iDeutfchlanfe ging ein Sichern . . . 

fEe war jenes 2Deutjd}lanfe, wo flatt eines Äaifers 
eine Puppe auf feem £l?rone fafj; wo feie ^eid>s> 
furjicn regierten, wie man c in e befd)ließt; 
wo j»d> jefee ©tafetrepublif feurd) eine d>ineftfche 
tTJauer non feer anfeern fchiefe; feie C^feelflen feer 
tTation als 2Mut3apfer an feen tUegen lauerten; 
unfe feine leitenfee 3feee feas auseinanfeerfallenfee 
Gtaaesgefuge mehr t>erf ittete, fonfeern ^aujf ftd? 
gegen ^aujf erhob. 

2luf einem folgen Sofeen gefeeiht $war fein Polf ; 
feejlo üppiger aber fdyiefien feie 3 n ^i ü ^ ua bt<Üten 
auf. Unfe feen mangelnfeen (Bemeinftnn tnup feie 
^reufee am Ungewöhnlichen erfe^en. ©o gefunfe 
aber war feie Chrij^enheit noch, feajj über feen be> 
hegten ©treid) feer (BvSftn Jloretta ein Aachen 
feurch alle Jß.anfee ging. 

( Braf Heinrich uon ©ponheim, ihr (Batte , feer 
jted) aus feem heiligen Üanfee 3 urucfgefehtt war, 
lag noch nicht langer im Älojfer ^immerofee be* 
graben, als feer ©ame feer Surglinfee, feen er mit= 
gebracht aus geweihter igrfee, fea 3 U gebraucht batte, 

66 


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um bie erfen grünen £aubf<£bncben ju treiben. 
2tber trenn ber heilige Sernbarb bie tTacbtigallen 
pon ber (Btabeeßdtte , tro Horetta ebenfalls einmal 
ruhen follte, auch pertrieben batte, fo ließ fte jicb 
bie ^reube bod) nicht aus ibrem iteben bannen, 
obwohl ££rjbifcbof Salbuin pon {Trier, ber m<kb= 
tige Äurfurft, ein tTlann, ber brei Äaifer auf ben 
{thron erhoben, ber jungen TDitwe, bie als Por* 
munberin breier unerwaebfener ©ohne auf ber ein- 
samen 23urg jurucfgeblieben trar, bie £e bbe an; 
gefagt batte. 

C£r errichtete im Sirfenfelbfcben, auf fpon* 
beimifd)em <25runb, einen burglicben Sau, trie 
febon Piele feiner {Trutjfeflen an ber Hahn, in ber 
CEifel, auf bem <5>unsrucf, im tPeßerwalb unb an 
ber tTJofel emporgetraebfen traren, unb ließ pon 
bort aus in einem täglichen Ärieg, ber größten 
Plage für ein Jß.anb, fengen unb brennen, plunbern 
unb morben. Unb als auf einer ber enblofen 
©treifereien, bei benen er Pieb, (Buter unb Heute 
ber trebrlofen TPittre entriß, fein tTJann, ber XPilb* 
graf pon 2\yrburg, pon bem jufammengefcbmol* 
5 enen ^duflein ber (Bv&fin gefangen treggefubrt 
trurbe, ergrimmte ber frirgerifebe 4 err bes Äur* 
faates, ber in allen Kabinett* unb ^elbfcblacbten 
5 U jiegen gewohnt war, bermaßen, baß er jicb an* 
febiefte, feinen ganjen gUlnsenben Hebensbof auf 
jubieten unb mit <bilfe feiner berüchtigten Sranb* 

s* 67 


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[eifern, tTJineng<lnge, ©cbleubermafcbinen un6 
VUanbelturme ber (Brifm auf ihrer tTJofelfefle 
©tarfenburg ben ,£angjtoß 3U geben. 

5 Da lief auf einmal ein Sichern burd) bie Jlanbe . . . 

iDer ffcSrffte tTlann bes Reiches, ber Bruber 
eines beutfeben Äaifers unb (Dbeim bes Königs 
uon Böhmen, biefer tttann, ber Äronen austeilre, 
ber mit Äffern roll <Z 5 olb unb ©ilber auf bie 
^omerfabrt 30g, ber gefurchtere Burgenbrecber 
unb ffleifler fran30ftfcber unb italienifcber Kriegs* 
fünf?, ber ßellrertretenbe Regent SDeurfcblanbs, bas 
gefalbre < 5 >aupt, beffen Äreu3esbanner feit ber 
©porenfcblacbt allen feeren roranflarterte, biefer 
(Bewältige, ber nicht nur Äonige, fonbern TDelr* 
gefchichte machte — würbe ron einem tDeibe ge* 
fangen. 

Unb bas ging alfo 3U. 

3 Da bie arg bebrobte (Bv&fin fab, baß )ie ber 
Übermacht ibree (Begners nicht gewachfen war, 
wich jle bem reroiebtenben ©cblage aus, inbem fie 
einen VUaffenfttüflanb febloß, um eine gunfiigere 
(Belegenbeir 3ur Abrechnung mit bem gefährlichen 
^einbe ab3uwarten. 211 0 jte balb barauf burch ihre 
Äunbfchafter in Erfahrung gebracht batte, baß 
ber Öfobifcbof mit wenigen Begleitern auf feiner 
3 ?a<ht ron (Trier nach Äoblen3 bie tTJofel hinab* 
fuhr, fchien ihr bie ©tunbe 3um <£>anbeln gekommen, 
unb nach eiliger Beratung mit ihrem treuen ^elb* 

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bauptmann Polfer von ©tartenburg unb öertram 
von Paucouleur, t'brem ©cbreiber, flanb ber ver- 
wegene Plan fefl. 

2tm ,$ufje ber fcbroffen Hey, über ber bie ©tarfen= 
bürg thront, fcbiebt fid> bas mit tUeibenbfifcben 
bewacbfene Porlanb ber Portswiefe in bie tttofel. 
iDabinter b<*t jid? bie ^lut ein unergrfinblicbee 
2>ett gewfiblt, wo bao tDaffer in geheimnisvollem 
tt>og fülle $u flehen fc^etnt. <5>ier würbe eine jlarf e 
ÖÜfenfetre unter bem tUafferfpiegel non Ufer $u 
Ufer gefpannt. Äeiftge würben in bem 23ufd)werf 
ber £anb$unge verflecft, unb in ber verborgenen 
2Mid)t lagen ibre Hachen in £ereitfcbaft . . . 

2 tmfelfd)wai 3 flötete von ben ginflergelben 
©cbieferb^ngen, unb bie VPeifjlinge fogen, wie fte 
es in ber tTJittagebiQt 3« tun pflegen, in bicbtge= 
brängtem Äranje am feuchten Uferfcblamm, als 
bie furffirjllicbe £uffyad;>f, bas IDecP mit purpur* 
nem Seltrucb fiberfpannt, um bie ^lufjbiegung 
berumgefcbwommen fam. &ein £fiftd)en regte ftd). 

tt>ie fcbopferifcbe (Beijler gern bas ©cbiffiein 
treiben laffen, wo bie VOeUe es bintr&gt, öamit bie 
(Bebanfen um fo bequemer ibre eigenen VUege 
wanbeln fonnen, unb von tUerfen unb pinnen nur 
ausruben, inbem fte $u neuen pinnen unb tUerfen 
fibergeben, fo entwickelte ber babinfcbautelnbe 
2Mrd?enfurjl feinen (Bebeimfcbreibern tPicfer unb 
©d?oler, bie er ebenfalls mit an Sorb genommen, 

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ohne auf feine Umgebung $u achten, wie ec bie 
Pergamente feines reichen ©taatsarcbwes, itlumi= 
niert mit funßreicben tTJiniaruren unb ^rxitiaXtn, 
3U einer C^roni? bes Seitalters 3U verarbeiten ge= 
bacbte. 23ei feiner Äurjjid?rigteit, einem Erbfehler 
aller Angehörigen besJß-Ujremburger^aufes, bemerkte 
er nicht, wie babei ein ^laggenjeichen mit bem 
fponbeimifcben tDürfelbanner von bem Jlugtürnv 
eben ber öurg ins £al hinab ftgnaliftert würbe. 
3ie bie glatte tPafferftöcbe auf einmal vor feinen 
- febenben Augen aufriß unb bie ange 3 ogene ©perr* 
fette bie (Gefahr 3 eigte, in bie man hineinfuhr. Su 
fpdlt. 2)enn fowie ber ,$lufj abgeriegelt war, brachen 
bie bewaffneten flachen aus ber tUeibenbucbt bet- 
vor — unb ber gewaltigße Äriegsfürß ber Seit 
war gefangen unb würbe famt feinem (Befolge ben 
fteilen ^elfenpfab hinauf vor feine Uberwinberin 
geführt. 

££twas Unerhörtes war gefchehen. JDeutfchlunb 
war in feinem m<$cbtigßen ©ohne, bem reichten 
unter ben „Sürßen, einem ©proß bes lujrembur* 
gifeben Äaiferbaufes, 3 U ^all gefommen. 

Aber ba 2>eutfcblunb nur von 2)eutfchlanb be= 
3 wungen werben f onnte, fo muf te bie ftegenbe Äraft 
wieberum 2)eutfd)lanb fein: C£in neues 3Deurfcb= 
lanb, bas über bas alte triumphierte. i£in tX>eib 
hatte es vollbracht. 'Jn aller ©rille, im fommer* 
lieben ©cbweigen einer unbelaufcbten Wittags* 

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jfunbe, war ee nor ftd? gegangen. VTCit bem laut= 
lofen ^Iugelfd)lage 6er Schmetterlinge fd? webte 
6er neue (?5ebanfe in 6te tPelt. Un6 6urd? bae 
gan 3 e Gleich lief ein Faunen un6 fiebern. 

t7aturlid) 6urfte 6er Papfi nicht fäunten, gegen 
jemanb, 6er <5>an 6 gelegt an einen (Befalbten 6es 
<£>errn, 6en Bannfftrahl $u fd?Ieu6ern. Hatur 
lieh rief 6ie (Seijflichfeit, 6ie fich in bem, ihrem 
(Dberhirten angetanenen ©chimpf gefr<$nft fühlte, 
non 6en &an 3 eln $u 6en tPaffen. tlaturlid) lief 
bae iDomfapitel 6ie Sungenfunfle feiner biploma 
tifchften Propjle, Dechanten un6 2lrchibiafonc 
fpielen, um 6ie Befreiung bee Äirchenfurjfen ju 
erreichen. 3Die ©t£bte bee Crierer ©tifte fanbten 
natürlich ihre reitenben Boten mit ^ehbebriefen 
auf 6er ©pitje bee ©peere. Natürlich raffelten 
Burgmannen, Jßeheneleute, alle ritterlichen “Da* 
fallen un6 Perbunbeten bee hohen tPurbcntr^gers 
ohrenbet^ubenb mit ben <oarnifd)en. ©ogar Äonig 
3oh<tnn non Böhmen fuchtelte mit bem ©d)wert. 
PTaturlich, natürlich- 2lber in feinem ber hohlen 
Äuraffe, bie ba lärmten, ffeefre ein tTJann. TPo 
war ein tTJannV TPo war jemanb, ber <35ut unb 
Blut für ben gefangenen J2.eheneherrn cinfetjteV 
hinter feiner ber lauten Drohungen marfchierte 
ein <£>eer. Ute fchien, als wenn bae allgemeine £ad)en 
auch bem ©t^rfften bae ©chwert aue ber <oanb 
fchluge. ütir\ unheimlid?eo 3 ul?e ^ n war e0 / h<£tte 

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ftd? iloretta mit ihrem fuhnen <$>anbflreich hie 
fersen bes gan3en Volfes gewonnen, ftin ^roh 1 
locf en, bei hem es ben tl achbenf liehen wie ©chuppen 
non ben Bugen fiel, weil her revolutionäre (bei|l, 
her in bem beginnen her (bräftn $um erflenmal 
vernehmlich rebete, etwas in her Volfsfeele vor« 
bereitet fanb, an bas man nicht röhren burfte. 

IDer Burggraf non ^ammerflein, her bem f£r3* 
bifchof bas Sanner 3U tragen verpflichtet war, 
mußte non feinen IDienflmannen fogar hören, baß 
er feinen im Volfe ftnben würbe, her ihm gegen 
bie (bräfln folgen werbe, ober her (ich nicht barauf 
freuen würbe, ben barten £ifenfopf fm hrrmelin* 
verbrämten Äurförflenhut ben iEfelsritt burd>s 
£anb machen 3U feben, ben man fonfl über bem 
jenigen verhängt, her ben ©ebimpf von Weiber* 
fchlägen auf fleh gelaben hat. 

©0 jlanb benn alles tatlos beifeite, als hätte bie 
über Hacht fo mächtig geworbene (bräftn nicht 
nur ihrem (befangenen, fonbern 3ugleich auch feinem 
gan3en Bnbang bie ^änbe gefeffelt. 

IDoch wie jebe Verlegenheit, fo nahm auch biefe 
eine anbere Wenbung, als tTJenfchenermeffen er* 
wartete. 23 alb 3eigte fleh nämlich, baß her fitvy- 
bifchof ben Häuf her IDinge f eines wegs fabelte, 
fonbern, wäbrenb feine ^reunbe bie ^aufl noch in 
her ICafche ballten, längfl mit feinem (befängnis 
ausgeföbnt unb mit feiner ^einbin einig war. f£r 

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felbft richtete bie 23ttte an ben heiligen Stuhl, bie 
Surgfrau 3 U abfolrieren unb t>on bem päpfHühen 
Sannfluch 3 U lofen. ütx gelobte, bie unfelige Swing- 
burg im Sirfenfelbfchen ju fdüetfen unb bie (Gräfin 
nimmermehr binnen ihrer ^errfchaft mit einer Se- 
fefligung $u uberbauen. <£ntfchäbigte fte für alle 
YÜäffer, tt>älber unb hinter faffen, bie er ihr ge- 
raubt hatte. Perhieß ihr unb ihren Äinbern, baß 
er ihnen nie mehr Habebriefe fenben ober ben Sann 
über fte verhängen werbe, ©e^te ihr ein Jlofegelb 
ron elftaufenb Pfunb ©über aus, mit bem fte ftch 
einen eigenen tUitwenfuj erbauen unb ihren Äinbern 
bas £rbe aufbeffern follte. J lieft Äonig Johann, 
elf (ßrafen unb fEble famt ben fünf größten ©tobten 
bes fCrsbistums 3 U ihrer ©icherheir mitftegeln. Se- 
feftfgte bie ©übne auch noch burch Perpfänbung 
t>on fecho trierifchen Surgen. Unb hing fchließlich 
fein eigenes Siegel neben bas ihrige unter einen 
^reunbfcbaftsoertrag, nach bem fte fleh gegen 
febermann immer uerbunbene Reifer fein wollten. 

f£in fchallenbes (Belachter ging burch bas 
2 anb . . . 

©cbon jweimal hatte fleh ber priefterliche Äecfe 
nämlich t>on ^rauentränen bie gepanjerte Sruft er- 
weichen laffen; einmal, als er Surg C£lt 3 unb ein- 
mal, als er Äafiellaun belagerte, ttun be 3 ahlte er fo- 
gar feine <5>aft mit teurem tTJinnefolb — behauptete 
bie Stimme bes T>olfs. 2Doch was ftnb bie CEr* 

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Jldrungen öer tUelt! 3^ re groben Urteile paffen 
auf alles. 3 n ber Schattierung aber liegt bie C£r« 
fenntnis. tUahr ift nur fo viel, baf hier ein 
UOeib nicht nur bes Kriegers, fonbern auch bes 
tTJenfchen <perr würbe. 2lber nicht etwa burch 
einen Criumph, ber einen Stachel hinterst unb 
ben (Srunb legt ju neuer ^ebbe, fonbern burch 
jenen göttlichen Sieg, bei bem auch ber Beftegte 
lächelt. 

Unb bies Jam fo. 

211 e ber atemlos erwartete <pornflofj bes aus= 
fp<&henben TU<£d>ters enblich non ber Sinne bes 
tPartturms fchmetterte, jum Seichen, bafj jtch ber 
rote Äurfurffenbut inmitten ber gräflichen iDienfb 
mannen in ber Cat nom ^lu^tal 3 ur Burg herauf 
bewegte, umhalfte bie <Z5r£fm im (25lucf über ben 
gelungenen 2lnfchlag ihre brei Änaben, bie ihre 
iTJutter in furmifcher tttirfreube babei herum* 
riffen, mit einer einigen Umarmung. 2lber als bie 
©char ber Seifigen mit ihrem ^ang ben Burghof 
betraf, ergriff fte fofort tYJitleib mit ber ge» 
bemutigten <25rofe, unb fie gebot bem 'jjubtl-- 
gel^ute ber Äapellenglocfen Einhalt . . . 

f£s herrfchte feierlid>es ©chweigen, unb bie 
Schwalben fch wirrten ftumm um bie Curme, als 
bie fchone ,5™tt bem hohen 4>ervn auf ber ^rei* 
treppe bes tPohnhaufes, ihre Schleppe auf 
nehmenb, entgegenfchritt, unb ba fte bas tTJit* 

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gef&hl mit feinem Untern auf irgenbeine Weife 
tunbtun wollte, ihm mit feen fc^erjenfeen Worten 
l<£chelnb feie Rechte fearbot: 

„Jet) baute fEucb, feaf Jt)t uns feie i£t>te fEures 
öefuchee erweijl." 

3Der Äurfurfl, 3 U beleibigt, um feie bargereichte 
<5>anb ju ergreifen, aber bei feer befremfeenfeen 23e- 
grußung auch fofort fchwantenb, ob ihn nicht ein 
bofer lEraum genarrt feabe, entgegnete erjlaunt: 

„So gefchah feie (Gewalttat nicht auf £Euer 

(BebeifV" 

„ji)v feit> mir von ^erjen willkommen," lächelte 
Horetra mit grajiofer Verbeugung. 

„Jt)t werbet mich alfo entlaßen unfe feen Waffen- 
ffiliflanbnichtverunglimpfen," befahl er mit halber 
#age. 

Unwillkürlich traten ihre ferei Änaben, feie fleh 
ehrfurd>tig im <J)intergrunfee hielten, bei feem 
fcharfen £one rnüher 3 U ihr heran. 2 iber fte ließ 
fleh nicht einfchuchtern, fonfeern lächelte in un- 
beirrbarer <5>oflich£ eit: 

„3Die Palme in feer <J>anb ijl uns lieber, ale feie 
^riefeenstaube auf feem iDache." 

titine feer fpielenfeen Schwalben flirte feabei fo 
feicht an ihrem (Beftcht vorüber, baß ee fchien, als 
hätte jle fi-oretta feae Häcbeln vom Wunfee gehufcht 
unfe riffe es ale eine Äette von ©überlauten weit- 
hin feurch feie Hüfte. 

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Tt>enn ber Äurftirfl einen Zlugenblicf an ben 
Zlbficbten Jlorettas ge 3 weifelt batte, fo glaubte er 
ftd> fest obenbrein auch noch genasfuhrt unb machte 
eine energifebe Tt>enbung, wie jemanb, ber es für 
unter feiner VDurbe b&t, ein weiteres YDort ju t>er= 
lieren, unb entrüjlet bauonfebreiten will. Zlber er 
blieb in ber halben TOenbung unfcblufflg auf ber 
Ireppenfhife flehen, jtd> nun erfl bewußt, bafj bas 
lor für ihn uerfcblojfen war. 23leicb t>or 5orn 
über feine (Dbnmacbt, Me in fo wabnwitjigem 
tDiberfprucb mit ben wahren Ärdfteoerh&fniffen 
flanb, paefte er ben ©aum feines febwarjen lalars 
mit ber ^aufl, unb noch einmal bie gan 3 e tTlajefUt 
feiner Perfonlicbfeit aufpflan 3 enb / herrfebte er mit 
brobenber ©elbflbewufjrbeit: 

„CEine (Bräfm uon ©ponheim wagt es, ben 
Äampf mit Äaifer unb 2\eicb auf 3 unehmenV . . . 
tTJufj man CEud) erinnern, wer oor £Eucb flehtV" 
3Da legte Jloretta beibe Zirme rechte unb lints 
um bie ©cbultern ihrer brei ZMonbfopfe unb ent» 
gegnete, in ihrer tTJitte flehenb, mit feblicbter 
©icberheit: 

„3Die (Bnlftn t>on ©ponheim feilt fleh febem 
gleich, ber f erblich if wie jte." 

„ ©ie nimmt es für ihre &inber mit bem leufel auf' 
— feste f e,ben kleinen in bie Zlugen Uücbelnb, hin 3 U. 

$>er Zlngerebete Jochte, bureb ben Ieid>ten Ion 
feiner (Begnerin, an ber alle feine tTJachtmittel ab* 

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prallten, aufe neue im 3 nner j* en aufgewühlt. 
IDurch bie Leihen ber herumflehenben 23urgmannen 
aber ging bei ben VDorten ihrer Herrin ein ehr* 
erbietigee öeifaltemurmeln, bei bem ber (befangene 
herumfubr unb bie Perfammlung mit vernichten* 
bem 23licPe map, tv^hrenb bie große <£>ofbogge bei 
ber entflanbenen Bewegung tvebelnb burd> bie 
tT?4nnergruppen fchritt. ©ie Pam auf bie frembe 
£rfd)einung im bifchoflichen Calare $u, befchnüf* 
feite fte gleichgültig, fchob fle beifeite, als wenn fte 
Jluft rvdre, fchritt verächtlich an ihr vorüber unb 
legte fleh wie ein ©teinbilb gemächlich ihrer Herrin 
5 U £ußen. 

5Dae furfurjlliche (Befolge fenPte ben ©lief jur 
CPrbe. 

„Hun, ÜDeutfchlanb hat noch <beere," fagte ber 
Priefler enblich, inbem er fleh rroQig aufrecPre. 

„jeh habe mehr," war iorettao fchonenbe ££nt* 
gegnung, bei ber fle ben 2MicP mit ihrem Äätfel* 
lächeln auf ihm fpielen ließ. 

2lber ba er fle mit heraueforbembem ©tim* 
runjeln verfldnbnielos anfunfelte, hielt fle nicht 
langer mit ber ©prache jurucP. 

„X X>a& ich habeV" fragte fle unb verneigte 
fleh vor ihm. „3d? habe — iDeutfchlanbo 
Äopf." 

fEin ©chwalbenhaufen fchöttete ein gan 3 ee ©il* 
bergelclute burch bie Jluft. 

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5>er (befangene jucf te jufammen unb fagte barfd) 
abbred)enb: ,„$öbt* mid) in mein “Derlies." 

^reunblid) geleitete ibn iloretta, unter T>oran= 
tritt bes Haueoogts, burd) oiele reicbbefcblagene 
£uren. ©ie führte ibn in ben kunftooll geplätteten 
^errenfaal, in bas teppid) belegte kuble ©d)laf= 
geniacb unb 3uletjt burd) eine mit ©d)weinsleber 
befleibete ©pitjbogentur in. bie bocbgewolbte 
Bücherei. iDod) als fte ibn mit ber gan3en flucht 
ber 2Uume bekannt gemacht barte unb nun fkeben 
blieb, um ftd) 3U t>erabfd)ieben, fagte ber Äurfurfi, * 
im begriffe meiterjugeben, unwirfd): „Um mein 
(Befängnis bitte ich." 

„ 3 br feib barin . . . JDie ganje Burg fleht ffud) 
ju IDienfl." 

(Dfyne ein tUort bes 2Dankes uerbarrte er in feinem 
feinbfeligen ©d)weigen. 

2>a jucfte fte bie feinen ©d)ultern unb fagte: 
„(Bott bat C£ud) bergefubrt . . . Hiebt ich " 

(Dbne eine Antwort 3U geben, warf er ben Siegel 
hinter ibr 3U. 

* 

£>er Äeulenfd)lag ber erflen Betäubung ifl noch 
nicht bas gan3e ©cbickfal. C£rfl wenn unter feinen 
Auswirkungen ber unbebinberte (Bang bes JDafeins 
überall in ben ©ackgaffen bes t>er3id)tes unb ben 
uerfchutteten ©d)äd)ten unferer Hoffnungen enbet, 

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uberfchauen wir, was uns betroffen I?at. ©o er- 
fuhr auch Öfobifchof Balbuin erj* allmählich, baf 
es mit feiner (Sefangenfchaft, bie ihm wieber unb 
wieber als eine ©innest<$ufchung erf deinen wollte, 
bitterer i£rnjl war, unb baf er vergeblich an feinen 
Äetten rif. 

tt>as ihn babei hauptsächlich verwirrte, war bie 
Äobolbnatur ber Burgfrau, bei ber niemanb er= 
raten fonnte, was fie im titvnft ober im ©d)er$e 
meinte, tüvl^renb jte ihre Änaben unb bas 23urg= 
gejtnbe anbielt, ihm mit tiefjier fShrfurcht 3 U be= 
gegnen, fchien fle felbj* feiner bejUnbig 3 U fpotten, 
ba füe feines (Grolles ungeachtet bas ßeinerne Ärug» 
lein auf bem ^enflerjtms feines tt?ohngelaffes t£g= 
lieh mit frifd?en 2 Mumen füllte unb, obwohl er es 
fogar abgelehnt ^atre, an berfelben Tafel mit ihr 
$u fpeifen, feinen Tifch mit ihren bejten X>orr<üten 
befiellen lief, Trotjbem jte nie eine Antwort non 
ihm betam, rebete jte ben Unverfohnlichen unent* 
wegt mit ihrem holbefen £<kbeln an, wenn jte 
ihm, von ibren Pfauen begleitet, in bem jierlid? ab= 
gejhtften Tt>ur$g£rrlein begegnete, ©ie fniete jeben 
tTlorgen in ihrem Setjftthle, wenn er in ber &a= 
pelle bas heilige iTJef opfer barbracbte. tTJan horte 
jte 3 U jeber ©tunbe wie eine Turteltaube lachen, unb 
hoch ging in ber ftlbernen 2lmpel, bie 3 um (Be- 
bächtnis ihres verewigten (Satten brannte, bas rote 
Jtid>c nicht aus. ©ie lief einen ber grauen tTJonche 

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»on Cijlcrs täglich um ^rieben beten unb |>te(r jur 
felben Seit einen <Z5roßen bes Reiches in <£>afr. 
Einmal fanb öalbut'n ben ^tauenlob auf feinem 
2trbeit6tifc^>e liegen als jarte Anbeutung feiner Um 
ritterlichfeir; einmal ben ^reibant mit einer ein* 
gefchlagenen ©teile, mit ber jte eine Unliebe Hut** 
amrenbung »erfolgte; ein anbermal ben tTJeifler 
££d*hart; unb fo gab ee täglich eine neue@chelmerei. 

Alles bas »erjfanb er nicht: ££in Wann, ber nicht 
einmal bulbete, baß man feinen ^einb narrte, unb 
einjl einen öänfelfänger, berbiestat, mitbenVUor* 
ten »on feinem <2>ofe jagte: „SDer (Großen foll man 
nicht mit ©chimpf gebenfen." 

Aber trenn er in bem Verhalten ber lachenben 
<25räfin auch nur bie Faunen eines leichtfertigen 
unb oberflächlichen ©innes 3 U ernennen glaubte, 
fo rerlieh ee ihm hoch 3 ugleich einen ©chein »on 
Freiheit, freilich einen trugerifchen. -JDenn als er 
jte, ron ihrer ^reunblichfeit »erfuhrt, eines lages 
barum angehen ließ, feinem ©efretär, ber jte hoch 
nicht befehbet habe, bie lore $u offnen, ließ jle ihm 
burch einen einfältigen 23oren, ber ben ©cherj nicht 
mertre, gan 3 ernjihafr melben: jte trerbe fein (Be- 
fuch an bie 23urger »on Äochem weiterleiten, bie 
einjl bie gefangenen Waulwurfe, um »ollig jtcher 
»or ihnen 3 U fein, lebenbig begraben ließen. 

Auch als er ein 3 treites tTJal für feinen Proto* 
notarius tPicfer freien Ab 3 ug begehrte, 3 ur X>or* 

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nähme wichtiger ©taatsgefcb<$fte, lachte fle nur 
unb lief t'bn befebeiben: baf auf ber 23 urg wid>= 
tigere ©taatsgefd)<£fte auf ihn warteten. 

C£r begriff allerbings, baf feine Befreiung nun 
allen anberen Gingen porging. 2lber wie fie er= 
reichend ITJit Spannung erwartete er bie ©tunbe, 
ba man bie öurg in t>erteibigungs$ujlanb fetjen 
wfirbe. JDocb bie tPaffenfammern blieben gefcblof- 
fen. Äeine ©djleubermafcbine warb auf bie Platt* 
form eines Turmes j?inaufgevpunben ; nid)t ©tein 
noch ©ramm $ur Überhöhung ber tHauern an 
gefahren; nicht um einen tTJann bie Sefa^uttg 
perfhÜrfr. Unb in ber lat blieb jebes ££ntfet3 ungs* 
beer aus. Vt>as follte es auch! ££r war eine fo 
fiebere (Seife l, baf iloretta nad> ben erflen Äampf 
anfagen luflig ans £or anfd)lagen lief: „<faie r 
werben weitere ^ebbebriefe angenommen." 3 a / f* e 
machte ftcb fogar benSpaf, ibm bie ftegelbebange* 
nen Sollen jebesmal mit ben tPorten ausb^nbigen 
ju laffen: „VPieber einer, ber mich perleiten will, 
CCuch ben Äopf pon ber Schulter 3U trennen." 

©o biuberte noch ber Schein feiner fllacht — 
als goffe aud) bas ©d)id?fal bie poIIc Schale bes 
Rohnes über ibn aus — feine Befreiung, naebbem 
er ber iTJacbt pollig enrtleibet war. 3 Da blitjte in 
einem bellfeberifhen Slugenblicfe bie 2tbnung in 
ib«n auf, baf ber an ibm perubte Greuel Bein ge= 
wohnlicher Äecbtsbrucb war, ber ficb wieber heilen 

* Srtriibrrg, Pon Srtube grauen (inb genannt j$ \ 


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ließ, fonbern auf einem Umfchwung 6er Welt be> 
ruhte* 3 n & ev Spräche, 6ie man mit ihm führte, 
fühlte er 6en neuen Seitgeijk weben, einen unabeligen 
(Seijl, 6er nicht mehr bulben wollte, baß bas T>olk 
für feine 5«rfken 6 ä fei, fon6ern ein Eigenleben für 
6en Wenfchen forberte un6 an 6er bothgejkellten 
Perfonlicbkeit nur achtete, was nach 2lb3ug aller 
3njlgnien un6 Vorrechte 6er ^jürflenfchaft an na= 
turlichem ^eingolb übrig blieb, So fehr ihm 6iefer 
unausgegorene, über alles lachenbe, freche (Seijk 
juwiber war, fo mußte er ihn hoch anerkennen. 
IDenn er fkanb leibhaftig oor ihm unb hieß: Horetta 
oon Sponheim! 

■JDer alte (Seijk, 6er ihn auf feine Wacht pochen 
ließ unb ihn in Sicherheit wiegte, hätte ihn in bie 
(Sefangenfchäft geführt. Allein, wenn (Sott bies 
wirklich wollte, wie man ihm entgegengehälten, fo 
hätte er ihm bamit nur eine Prüfung jugebacht. 
Unb aus keinem anberen (Srunbe war er auch jujk 
biefer Ceufelin in bie <o<Ünbe gefallen, bie ihn mit 
allen “Perführungskünjken weiblicher Unberechem 
barkeit ju umgarnen fuchte, wie ihm fchien. 

So jkanb er nun, bes Übergewichtes beraubt, 
bas ihm Äang unb ^utjkenwurbe oerlieh, äls 
Wenfch bem Wenfchen gegenüber, mußte es 
(Ich jeigen, ob er ftch bei ber neuen Wachtprobe 
als ein oon (Sott gefürfketer Wann bewahrte, 
freilich bis ju bem (Srabe führte er bie menfeh* 

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liehe (Bleichheit nicht bur <h, baß er auch bae auf 
beiben ©eiten verübte Unrecht glefc^jleUte unb als 
gegeneinanber aufgehoben anfah. ©onbern w<£h= 
renb fi.oretta ihn ehrte, ale f^ünbe keinerlei 0<hulb 
jwifchen ihnen, fe^te feine nachtragenbe iTTatur 
allen ,$reunbli<hfeiten ber vermeintlichen (Sauf-* 
lerin bae beharrliche Schweigen unb bie grimmige 
tTJiene ber gefr^nften VDurbe entgegen unb fonnte 
jtch nicht ba3U iiberwinben, anbere ale burch 23 oten 
mit ber 23 urgberrin ju vermehren. 

Slllerbinge 30g er babei ben Äußeren . . . 

21 le er eines 2lbenbe bie bie auf ben 5 Dorn bee 
feuchtere hrrabgebrannte Äer3e gelofcht unb fleh 
eben 3ur Äuhe gelegt hatte, ertönte in bem benach 1 
barten 23 ud)ergewolbe eine eigentümliche Stimme 
aue bem SDunfel. ü£r richtete fich auf unb glaubte 
feinen tTamen 3U vernehmen. £>a bie geiffcrhaften 
Jlaute je nach einer tPeile fortfuhren 3U rufen, 
tajfete er nach ber &er3e, unb nun unterfchieb er 
beutlich, wie ee in tiefem Saffe heranfam: „tTJotje 
nicht, 23 albuin." Äaum feinen d>hren trauenb, 
öffnete er bie Qeitentur unb hob ben Äer3enhalter 
in bie 3 Dunfelh«it bee Äaume. tTJiemanb war 3U 
erblichen. r h«tt* «ber faum bie iDurchgangeture 
wieber angelegt, ale ee abermale erfcholl: „tTJo^e 
nicht, 2$albuin" — langfam unb bumpf, wie man 
Äinber mit verbelltem (Eon vor einem örumnv 
b£rcn grufeln macht. Wieber unb wieber bae <Se= 

S3 


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mach ableucbtenb, entbecfte er enblid? ben Papagei, 
beit Horetta abgeriebtet unb mtt feinem 23auer 
hinter bem gejaefren 2\aucbmantel bes Kamine 
rerßeeft f?atre. 

2lus allen fHcfen febien es ju fiebern, unb ben 
perblufften ©taatsmann erfaßte bie Perlegenbeit 
bes brotjelnben (Beiftee, bem gegenüber bem über* 
legenen ^umor eines freieren (Semutes feine eigene 
Äleinlicbfeit befeb^mt. it r ßampfte mit bem ^uße 
auf unb irr an ßcb unb unjtcber nor ber unbeinv 
lieben „Königin ber <oolle", wie er bie laebenbe 
nannre, befd)loß er, feiner tDurbe einen 
©toß ju geben unb jleb mit bem tPilbgrafen non 
Äyrburg, feinem Hebensmann, ju perbinben, ber 
langer als er auf ber öurg in ^aft, bem 2Utfel 
bes r^npepollen tPeibes febon auf bie ©pur ge= 
fommen fein moebte, unb mit ibm über ein tTJittel 
$u beratfeblagen, bergemeinfamen^einbinQebacb 
ju bieten. 

* * 

2tUe ^einbfebaft beruht auf Irrtum. IPenn bie 
tTJen fd>en ftd) fennen unb nerßeben würben, g<£be 
es feinen <^aß 3 wifcben ihnen, unb wer bas wahre 
2lngeficbt feines ^einbes einmal gefeben bat, wenn 
er mit frieblicben Sugen auf ber 23abre liegt, t>er* 
ßebt nicht, warum er ihn im Heben mit feinem 
(Enrolle perfolgte. 2Denn bie Hiebe ijf ber natürliche 

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5uftanb unter benen, bie einer wie 6er anbere flerb= 
lid? ftnb. 

Weidner Priejter aber oerfhmbe bas tPeib! 

Wilbgraf Friebrid? war ein tTJaitn, ber fid? 
am wollen füllte, wenn er in ben Forjlett ber 
Winterhauch unb bes ©oons bem Weibwerf nach* 
ging. 2)ie 3agbhwnbe ber (Bv&fin fprangen, als 
er eingebrad>t würbe, mit Freubengebell an ihm 
hoch, unb bie brei Änaben Horetras waren fofort 
feine Freunbe, weil {Ich fein &of in bem tTJarfiall 
losriß unb ibm bis auf bie Freitreppe bes Herren* 
Kaufes wie ein £4mmchen nachgelaufen fam. ©ein 
rotlicheröart war wie bas23rombeergef?rupp feiner 
W4lber. ?lber ber golbene tEropfen aus ben iTJofel* 
lagen ber fponheimifd>en Weing4rtett, ben £ oretta 
bem (befangenen f rebelte, fehmeefte ihm bes wegen 
boch beffer als bie ©d)lehtn bes i^unsruefs. ££r 
war feiner ber ritterlidjen Weiberfned>te, bie fofort 
H4ber fchlagen, wenn fi'e einen ©<hur$enb4nbel 
fel>en, fonbern liebte bie Frauen auf eine gan$ uw 
ntobifche Weife, mit einer 2trt t*on begierbelofem 
Wohlgefallen: als Äinber, als bie 3ugenb ber Welt. 
tTJit "Polfer t>on ©tarfenburg, bem getreuen Äat 
ber (br4fin, fchlof er bes wegen Freunbfchaft, weil 
biefer feine (Tochter, bie wie eine ^eefenrofe blühte, 
nad) feiner Herrin Horetta genannt hatte. Unb 
wenn bie beiben tn4nner beim Weinfruge $u= 
fammenfafjen unb, ohne (belehrte ju fein, mitein- 

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anbei- pbilofopbiertett, fo k langen bei öurgfrau 
jebesmal bie (Dbren. 

©ie klangen t^>r and), als ber iCrjbifcbof eines 
2tbenbs auf bet* kiflfenbelegten 2>ank ber ^enfter» 
nifcbe fafj, um beim ^ad*elfcbein mit^riebrid? non 
Äyrburg gebetmen Äriegsrat 311 bäten, riacbbem 
ber gekrankte ^urft feinem Hebensmann nämlid? 
bas 23 ilb ber oerrdtertfcben, r<£nke= unb bublfucb» 
rigen ITeufelin entworfen batte, wie es feinen 2lugen 
jtcb barjtelte, lad)te ber tDilbgraf ir£nen. ££r 
lacbte fo unb<£nbig, bafj ber Äurfurfk erfcbrak, als 
wenn er einem 2 lusbrucb bes VPabnftnns beiwobne, 
unb es bauerte eine gute VDeile, bis ber uom Üacb* 
bujien (Befdntttelte fo weit feiner mächtig war, bafj 
er mit uberlaufenben klugen fcbliefjltcfo heraus» 
prujkete: „£>as foll ioretta non ©ponbeim feirnf 
Unfere iacbtaube Horetta t>on ©ponbeimV" 

„2lber im ££rnjk" — fagte er 3ulet3t mit 
gan3 fyeifev geworbener ©timme — „Königin 
ber < 5 ) 0 Ile nennt 3br jte, Königin bes Rimmels 
follte man jte beiden, wenn bas nicbf tTJaria felber 
wäre ..." 

tlnb nun entwickelte er feinemuerbitter ten Gebens* 
berrn ibr gan3es (tun unb Treiben aus feiner wahren 
(Duelle: ber lauteren (Duelle ibrer fprubelnben 
Heiterkeit. Unb erklärte ibm: VDte bas abgrunbige 
Himmelsblau benÖang ber'Dotlkommenbeit fänge, 
fo tue es auch ibr ewig blaues (Bemüt, bas fte bod? 

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über bie utterl&ßcn anberen <£bttßenmenfcben ßelle, 
bie eben beshalb geborgene (Hlocfen unb &ummer= 
linge biteben, weil ße in ©elbßabtotung unb ©ebw 
fucbtsqual ewignacb jenen £ugenben ringen murren, 
non benen fte nicht einmal etwas wiffe, ba bie 
frißallene tDohlgeorbnetbeir ihres 3nneren ßd>er 
auf ihrem febimmernben (Hrunbe aufgebaut fei. 
TDenn aber irgenbwo, fo wohne (Bott in allen 
heiteren ÜDingen, im “Dogellieb, im üinbenbuft unb 
tüetlenfpiel; unb fo habe er, fern allem ©ries* 
grdmigen, (Halligen unb (Hiftigcn, auch nur in 
einem lichten <oer$en fein Element unb bie (Hr<$ßn 
barum in immer gleicbbleibenber, fehnfuchtslofer, 
in (Ich felbß feliger ^rohlithftit 3U feinem tt>ohl= 
gefallen ßcb erfebaffen. 

„bisher febien uns bas Aachen ©unbe," fcbloß 
ber Anwalt ber “Derfannten. „tiefes Aachen mußt 
3ht htlltg fprechen. Ute iß frommer, als unfer 
fauertopßfcher £2rnß." 

2 )er Äirchenfurß, burd> folche Worte unam 
genehm an bie neue £ehre ber Wyßifer erinnert, 
glaubte halb 3U uerßeben, warum ihm iloretta 
feine^eit ben Weißer i£d hart htimlid) aufben lißh 
gefpielt, unb fdmttelte prufenb ben Äopf. 2lber 
ba jeber ßarte (Hlaube uber3eugt, fo würbe er um 
willfurlicb 3urucfhaltenber unb berief ßd> 3um 
(Hegen3eugnis 3un£cbß nur auf bie rudßofe 5 unge 
ber tTJiflet<£terin. 

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3Doch ber TUilbgruf fchnitt ibm fofort baoTUort 
ab mit bem *£im»ant>, ber untruglicbjle ©piegel 
für bie (Befmnung ber Eltern liege in bem t>er= 
galten ber Äinber, unb wenn ibm Jloretta© Änaben 
fSbrerbietung bejeugren, fo uerfpüre er barin ben 
(Beiß, ben fie bei ihrer tTJutfer geatmet. 

Hlocbte bem fo fein. 2>enn bie Anfluge be 0 Ö*r$= 
bifchof© grunbete flct> auf fchwereren frevel, ©elbß 
bie Bannbulle be© ©tuttbultem (Cf>rifli butte bie 
T>erffocftbeit beo triumpbierenben tUeibe© nicht ju 
brechen ocrmodjt. 

,,?lllcrbing 0 ,''entgegneteberT>erteibigerironifd>. 
„f£in arger ^eoel iffc begangen. ÜDenn wenn ber 
2Mit3 uom Fimmel führt, mufj bie funbige <Erbe 
|id> beugen. tDcr aber war bi« 1 bie ££rbe unb wer 
ber Fimmel, frage id)^" 

Unb ohne fid? burd> ben matten l^erwei© über 
feine ungebührliche ©prad>e beirren ju laffen, er= 
3 <$blte er, wu© ber (Bruf uon ©ponbeim, ba er 
fühlte, buf er ben VPeg alleo^leifcbe© geben werbe, 
alo feinen lebten tüillen tejüert bube. (£in ^imme= 
rober tTJond) foüte künftig bie 23urgEapelle be= 
bienen, aber nicht um ©eelenmeffen für ibn $u 
jelebrieren, fonbem in einem ewigen (Bebet bie 
t<$glid>e Erbitte an ben <5>errn ju richten, baf 
feine geliebte (Battin Horettu nicht um ibn traure, 
fonbem baf (Bott ibr bu© glucfliche Huchen erbulte, 
ohne bao er im (Brube feine &ube ftnbe, unb bu© 

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fatt ber Nachtigallen, bie von ber (Bvabeeft&tte 
oertrieben feien, ewigen S neben unb Frühling 
um ihn breite. 3Demt in ihrem Hachen finge bie 
Welt. 

£>er iHrsbifchof, noch unjicherer werbenb, ba er 
fah, wie Horettas tiefen überall nur Hiebe er» 
weefte, lief bas (Befpv&cb fallen unb fragte, mehr 
bebauernb als anflagenb: „Warum l>at fe ben 
WaffenfiUfanb gebrochen!" 

„JDas möft 3hr ft felber fragen . . . Sie Uift 
ben Wonch in ihrer Äapelle um ewigen ^rieben 
beten," antwortete ber Wilbgraf bunfel. 

3Der 2 \urfurf wanbte finnenb ben 2 M icf aus 
bem genfer, unb es würbe plotjlich fo füll, baf 
man bie 23urgmul?len brunten im 2lfcringferrale 
rauften borte. 

2lber ber Wilbgraf, burd? bie offenfchtliche 
Wirfung, bie fein Wort getan hatte, ermutigt, 
unterbrach bas Schweigen unb hielt feinem <5>errn 
nun feinerfeits bie < 3 <Ürte t>or, ber (Br4fn fein 
Wort $u gönnen unb fe mit hartn£d*iger t>er» 
achtung 3 U frafen, womit er fd) übrigens felbf 
am meifen fch^bige, ba ftch jemanb, aus beffen 
(Dbem unb Wefen bie brennenbe (Bottcsfamme 
raufche, nid>t aus ben &irchem?<£tern fubieren, 
fonbern nur im 2(ustaufä? bes Hebens ergrünben 
lafie. Was aber ihn angehe, fo h<£tte er eher feinen . 
Hehenseib gebrochen, als gegen bie (Bv&fin ge» 

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fochten, wenn ec roebee gewußt wae ec fet$t 
wußte. (öleichwobl fchulbe ec bem Äucfucßen 
3 Dant tfafuc, baß ec ihn 311c ^el>t>e aufgecufen. 
3 Denn ohne bie £ehbe w<£ce ec nicht in (Befangen- 
fdjaft gecaten. Unb ohne Oie (öefangenfehaft b^tte 
ec nicht eefabcen, wie Hoterta non ©ponbeim lachen 
£onne. Unb ehe ec 00c Hocetta non ©ponbeim ge= 
ßanben, b^fte ec nid)t gewußt, was ein cecbteeTUeib 
bebeute. Unb obne bae cechtetUeib 3U?ennen, wehre 
ibm nicht aufgegangen, wie weife ,5ceiban£ ge= 
fpcochen, als ec fagte: 

X>on 5*eube ^cauen ßnb genannt. 

3b* ^ceube feeuet alle £anb. 

VDie wobl bec 5 *eube kannte, 

5 >ec ^cauen 3uecß ße nannte . . . 

2Dee &ucfücß ecbob ßcb, ate fchuttelte ec eine 
l^bmenbe Unfchlüfßgfeit ab, legte bie <£>anb an 
fein golbenes 2>cußtceu3, bas im 31'fchenben 2luf 
caufchen bec abbeennenben Pechfacfel eeglubte, 
unb fagte befreit: 

„tt>ic wollen an ben tTJenfd?en glauben!" 

„< 5 ) 6 ct ße an . . . ^cagt . . . Äebet . . . 3b* 
^ceube feeuet alle Üanb ..." wiebecbolte bec 
fd>eibenbe 2lbno£at bec (Bcelßn noch einmal, ben 
bec Äucfucß nun felbß nicht meb* für einen advo- 
catus diaboli btelf. 

2?ie (tue öffnete ficb in fernes tTJublencaufchen 
unb linbenbuftecfullte tT?ittecnad>t. 


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5Der Äurfurjt trat arte (Seldnber ber monb= 
bleichen Freitreppe, beit 2Mtd? binaufgeriebtet in 
ben ©ternenhintmel wie in bas auegebreitete3nnere 
einer großen ©eele, unb fog lang unb tief bas 23ilb 
ber Waren ££ub£monie ein, bie er für feine 23ruft 
erfebnte. 

hinter ihm fuhr fein riefenhafter ©ebatren 
fcbn&g an ber TPanbftöcbe empor — wie ein ent= 
fliebenber (Seift. 

$ *:* 

4 » 

IDie X>efper ging ju ££nbe. J)ie herrfcbaftlicbe 
Empore, auf ber iLoretta bureb einen befonberen 
(Sang non ihren TPobngem<£cbern $u erfebeinen 
pflegte, blieb leer, nur frifcb gefebnittene Hilien 
leuchteten uor bent uerlaffenen ©t'13 ber (Sebannten 
über bie öruftung bes Altans. 

Salbuin fafj mit feinem (Sefolge in reich ge- 
fcbnitjtem (Seftubl, unb ein febr^ger HicbtbalEen 
fiel bureb bie (thorfenfier weit in bae (Sotteebaus 
unb borgte ber eifernen 4>errli<b£eit einiger <Se* 
wappneter, bie fleh im JD^mmer bee ^intergrunbee 
verloren, einen gefährlichen ©ebimmer. 3 n felt= 
famem (SegenfaQju ihnen glutete bae (Slaegemdlbe 
ber buntfarbigenChorfcbeibe, wo Chriftue ale^tie* 
benefurft golben auf blauer tPeltenJugel thronte. 

3n feiner weiten (Drbenstracbt trat ber Älofter* 
bruber uor ben 2lltar unb hob bie <o<Snbe empor: 

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„<D i^err! tTod? immer raf* ber Leiter auf 
feem roten Pferbe babin, bem gegeben ifl, ben 
^rieben 3U nehmen t>on ber £rbe, unb fchießt aus 
feinem Äocher in bie üenben bes Polfes. Wo 
er reitet, ber ^affenbe, wachfeniDornen unb Herein 
auf ben liefern, unb 23lutfeen fammeln fld) im Cal. 
(gebrochene Reffen, bie krummer ber Jütten unb 
bie Üeichen ber C£rfd)lagenen be3eid>nen feinen Weg, 
unb hinter ihm her fliegen Schwärme non Äaben. 
Wir hnben uns bie 2lugen ausgeweint über bie 
3ammernben, bie ber <£>uf feines Joffes 3ertritt, 
unb bie Säuglinge, bie ben (Beift aufgaben in ben 
Firmen oer3weifelnber tTJutter. 

<2>eile bie Welt, o <^err, non biefem Wabnfmn 
bcs Krieges, ber beine Schöpfung uertilgt. £aß 
ben 2tberwit3 nicht langer Sieg beißen, wenn ber 
fchwächer Oerujlete überwältigt wirb non bem, 
welcher anfturmt mit ben graufameren Waffen. 
Welcher Sieg ijl es, wenn ber Wilbere über ben 
Sanftmütigen triumphiert^ Siegt nicht bas 23ofe 
über bas (Sute, bie ^olle über bas ^immelreichV 
Unb wehe, wenn ber Sieger ein3iebt in bie Wob 5 
nungen bes ^riebens! Wie foüen ftch wieber bes 
rUchffen erbarmen, bie ftebenbes (t>l unb Äot auf 
bie ^einbe gefchuttet! Welche Tochter gefcbänbct 
unb bie Siegel ber Käufer gefprengt, wie folleit 
fie wieber gehorchen beinern (Sebot! Welche £obn 
empfingen für bas tTieberreißen, wie follen fle auf 

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bauen! iD ie 6en hungrigen jagten t>on feinem 
Hifcbe, ben ©cblafenben 3errten aus feinem Sette, 
ben ^rierenben in bie teilte fließen, um fleb unter 
feinem iiDacbe 3U lagern, mie foüen fle mt'eber fleb 
befebeiben unb einfugen in bie (Drbnung bes Cags! 
Wie foU lieben, ber mit bem tTJorbflabl bes Kaffee 
mutete! X>or bem Äreuje fnien, ber angebetet bas 
< 25 lucf bes ©cbmertsV 

iDu millfl, o <berr, baß mir 311 bir gelangen unb 
bie ©eele erbeben 3U bir. 2lber unuollenbet muffen 
mir ben Sau beines Tempels liegen laffen, um ein 
tTotbacb aufsumerfen über unferem bloßen <oaupt. 
Weib unb <?5eßnbe finb binmeggcfubrt, unb mir 
irren nach ihnen in ber ^rembe. 2)er ^jofbunb ifl 
jagen gegangen, unb bie Knaben uermilbern. 21U 
unfere ©cb^Qe flnb uns geraubt, unb in bie Seit 
unferer riiebrigfeit flnb mir 3urucfgemorfen. 3 Die 
<oungernben uerfaufen ihre ©eele um ein iinfen* 
geriebt. ©tatt Werfe ber ,£rommigfeir 3U tun, 
muffen fle fld> üben in ben Werfen ber “Oernicbtung 
unb ruflen gegen bie Wieberfebr bes ^einbs. X>er* 
beert ifl bie ©eele ber ttlenfcbbeit unb ber ©fern 
bes (Glaubens untergegangen. Wie foll aus ber 
^ulle feines Wersens fpenben, beffen £er5ensfraft 
uerfleget ifl! 

j)rum laß ber Slinben 2 fugen enblicb fl<b offnen, 
*£>err, unb erleuchte bie Wirten ber T>olfer. 3 Der 
bu eingefet3t bas meltlicbe ©cbmert unb bem 

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prießer gegeben bae geißliche — bu wollteß nicht, 
baß ber <£>irt ber Seelen ße beibe vereinige in ber» 
felben Scheibe unb ßd) verßriefe in bie ^dnbel ber 
Welt. iDrum laß bie d>bren ber Pachter ßd? auf' 
tun bem 3ammer, ber emporfchreit von ber ££rbe, 
baß jie ben ^irtenfab nicht fuhren in ber Hinten 
unb in ber Rechten bas Sd)wert ber (Bewalt. 
VDehe ihnen, bie $u Eutern beßellt ftnb unb heim= 
fueben bie eigene <^erbe. 3Dann tvirb bie Seif fommen, 
wo bie Erwürgten burch bas Schwert glucflid? 
gepriefen werben, baß fte bie Sufunft nicht fehlten. 
2>enn alfo ßeht gefchrieben: „2lue ber XPurjel ber 
©erlange wirb ein Saßlief fommen, unb ihre 
Frucht wirb ein feuriger JDrache fein." Sie ane 
fi£nbe ber Hage wirb aufgehen ber ©ame bee 
Kaffee, ben flc gefüt, unb wer bie <$>anb baju reichte, 
bie Sranbfacfel in bie Saaten $u fcbleubern, wirb 
mitfchulbig fein bie ine fernße (Befehlest, tvo 
immer einem Perhungerten bie ^>aut von ben 
Änochen b<$ngt unb ein Sruber bae Slut feinee 
Srubere vergießt. 2Üfo werben alle (Breuel feiner 
Äriegefdjaren iiber bae <5>aupt bee ungetreuen 
Pogtee fommen. £>enn bae Polt iß in feiner (Be- 
walt unb weichee tPad>e in feinen <5><Snben, $um 
(Buten wie jum Sofen. 

Siehe hoch, mein (Bott, weichee iDuntel bae 
fCrbreich bebeeft, unb wie ße wanbeln im ^inßern; 
ein Irrlicht leitet ße. tPie ^rembe befriegen ßch 

n 


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Bruber besfelben Paters. 5)er (Braf neibet ben 
(Grafen, Burgherr rettet gegen ben öurgberrn, unb ' 
Ätnber berfelben Heimat erwürgen ftch unterem» 
anber. iDarum erbarme bich ihrer, ^err, bie nicht 
feben, bafj fte (Blieber besfelben Jleibes ftnb. ££in 
IDeutfcber wirb heulen über ben anbern, bafj fie 
ausgerottet ben eigenen 0amen, entvölkert bas 
Jlanb, ftcb berauben bes verbünbeten 23lutes, unb 
am läge ber <J>eimfuchung ifi niemanb, ber ibnen 
3U i<>ilfe kommt. iDenn plunbern fte 3ur &ed)ten, 
fo leiben fte riot, unb fd>welgen fte $itr iiinken, fo 
werben fte nicht fatt; ein jeglicher frifjet bas ^leifch 
feines 2lrmes. 3Drum 3 ertrirt ihren t^aber, <£>err, 
unb wirf auf bas Panier ber öruberlichkeit unter 
ihren Selten. 

5Der bu als ^riebensfurfi thronefi bort oben, 
wenbe bein 2 lntlit 3 auf beine Wienerin, bie inmitten 
bes tTJorbens betn Reiche bes ^riebens bie 23abn 
bereitet unb weint um bie ©chmerjen ber ver» 
bienbeten Welt, ©tdrfe ihr fehenbes <J>er 3 , bas 
blutet unter ben Reiben bes Ärieges, unb fegne bas 
Wert ihrer <>><inbe. 2(men!" 

©o betete ber graue tTJond) ber (Bnüfin . . . 

Wif wachfenber Unruhe waren bie Begleiter 
öalbuins ber vernichtenben 2lnklage gefolgt, unb 
entrüfiet unb befrembet warfen fte bei ben umfiur 3 -- 
lerifchen Worten von ber feelifdjen Pefi bes Krieges 
unb ber ©chulb bes ungetreuen Wirten, bei bem 

9S 


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heuen begriffe bea Surgerfrtegee unb ber Erhebung 
ber Surgfrau ju einem ^riebensengel bie Äopfe 
nach ihrem <£>errn hemm, um ihn ihrer mitfublem 
ben Empörung 3U oerfebern. 

Allein, er wies ihre Äunbgebungen rechte unb 
linfe mit abwebrenber ^anbbewegung juruef . Unb 
entließ bae ibn febeu beobad>tenbe (Befolge auch 
mit (lummer (Beb<£rbe, ale nun bie Äer$en auf bem 
2 Utare gelofcbt mürben. ITIitbem ewigen Hiebt ber 
jtlbernen 2tmpel unb ben weifen Hilien, bie über 
ber berrfcbaftlicben (Balerie ben>orleud>teten, blieb 
er allein in bem (Botteebuufe 3urud*. 

£ir mar barauf uorbereitet gewefen, baf in ber 
. ^riebeneanbaebt Horettae ber £>an£ einer triunv 
pbierenben Siegerin über feine (Befangennabme 
auajtromen mürbe, unb baber um fo tiefer be» 
troffen, nichts t>on einem ^reubenjubel 3U t>er* 
nehmen, ber ihn bemutigte, fonbern eine munbe 
Seele 3um Fimmel fcblucb3en 3U hören, bie ihn in 
?lbgrunbe ber Scbulb (Darren lief, mo er bisher 
auf bem fieberen Soben ber Selbftgerecbtigfeit 
manbelte. 2tber m^brenb feine Begleiter als rechte 
Äinber ber (Bewobnbeit ficb uor ber tUorgenrote, 
bie ihnen hier in bie 2(ugen (lach, fofort ftnßer ab= 
gemenbet hätten, mar er grof genug, (ich bem 
Hiebt non ben Sergen bin3ugeben; unb trotj ber 
fürchterlichen SlnÜlage, bie ihm in bie Obren gellte, 
unb obwohl er fab, baf bie Seit noch nicht reif 

96 


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war für bie neue VDabrbeit ber (Bnüftn, fo bemutigte 
er jicb boeb oor ber (Broße ihres (Bebanfens unb 
fühlte (leb »n ber (leinen 23urgfapelle in biefem atem* 
benebmenben 2 lugenblicf an ber tt>iege eines gott* 
lieberen (Beijles (leben, ber balb feinen Siegeslauf 
bureb bie tUelt antreten würbe. 

VUieberum wecbfelte bie unfaßbare <Br£fTn bas 
(Beftcbt. (Dber butte ftcb fein eigenes 2 luge oer* 
wanbeltV Klar leuchteten bem Kurfurflen n£mlicb 
mit einemmal bie 5 uge ber££ubdmonie, bie t'bm ber 
VDilbgraf entfcbleiert butte, aus bem unergrunb» 
lieben ^rauenantliij entgegen, unb er abnte, baß 
bie febeinbarentt)iberfpruebc ihres tPefens irgenb* 
wie einmunben mußten in bie menfebliebr (Broße, 
bie ibn aus ihrem ^riebensgebet anfebuuerte. Sie 
febloß ihn ein in ihr (Bebet: ihn, ben ^einb; ihn, 
ben Sebulbbelabenen, befien (Bewiffen ber taufenb* 
facbe tTJorb feiner Kriege belaflete; ihn, ben Kriegs* 
furjlen, baß er gefront würbe )um ^urflen bes 
Stiebend. 

(Bott ndber, rerfanf er in bas Cborgeflubl . . . 
tlur bie weißen Hilien auf ilorertas 2 lltan atmeten 
ihm gegenüber ftill in ben Kaum. Unb bie große 
Sammlung, bie er fonfl nur in ber (hrengen ££nt* 
fagung feiner Kartb^ufer 3 eüe 3 U S. 2 llban fanb, 
(am über ihn . . . 

2tls er aus ber Kapelle trat, waren bie fpon* 
beimifeben Scbafberben oom^elbe gefommen unb 

7 Stcrnbfrg, Don Srnibt Sraum flnb genannt 97 


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füllten in blofenbem (Bebr<Ünge ben Burghof. Unb 
bao weife (Bewöge ber Hämmerfcharen umringte 
ben £r£ger bee ^irtenflabeo fo btc^>r, baf er nicht 
oor, noch juructtonnte. fßr war oon ben Udmmern 
Jlorettae gefangen. 

* 0 » 

♦ 

öalbuin jogerte nicht langer, mit ber (Br<£fm 
ju unterbanbeln. 

3 Da tTJenfchlichfeit unb Plachftcht mit bem 
^einbe, obwohl ein Seichen ber Starte, in ber Äe= 
gel nur alo Sd>w£che auegebeutet werben, fo lag 
ber erfahrene ^elbhauptmamt Horetras ihr feit 
einiger Seit in ben (Dbren, bem (Befangenen bie 
VDohltat ber milben ritterlichen < 5 >aft, bie er genof, 
ju entziehen, um ihn enblich 3ur Pertragung bee 
Swijlee gefügig 3U machen. 

2 lber Horetta, mit bem triftaUenen BlicF, ber 
ba3U gehört, bie unmerftiche Ausbiegung ber Äuroe 
3U etfennen, bie ben tllann ine Bebeutenbe h*bt, 
unb in bem geheimen (Bebanten an einen ferner 
3ielenben Erfolg, als Brief unb Siegel einer Sühne, 
oerwarf biefe &atfchl<£ge jebesmal unb blieb bei 
ihrem tPort: „üt r muf oon felber tommen." 

Unb er Cant. 

„3ch glaubte fd>on, id> müf te Üiuch noch einmal 
meinen Papagei fdnefen," empfing fte ihn lächelnb 
unb lief ihn auf bem erhöhten pia^ bes^errenfaales, 

98 


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bejfen W<htbe mit (Senter Wirfereien gefchmucft 
waren, auf bequemem ^altfhthle nieberfoen. 

3Dic bunten (Blaerauten bee breiteiligen Äunb» 
bogenfenfiere erhellten unb oerbunfelten jtch im 
abwecbfelnben Kampfe r>on Sonnenlichtern unb 
Äegenfchauern, beren Wiberfpielheroifche Scheine 
über bie beiben (Beftchter jagte . . . 

nach 2lrt fchwer rerfohnlüher Naturen, bie 
ihre 2lnn<£berung gern in bie mitleiberregenbe 
,$orm einee gefühlvollen Porwurfe fleiben, begann 
ber Äurfurft bamit, fein öebauern über bie Per» 
funbigung Horettae an ber geijllichen Würbe aue» 
3 ufprechen, woburch er bie unfchulbige tlrfache 
ba 3 u geworben fei, ihr ben pclpfilichen Sannfluch 
3U3U3iehen. 

Horettae <J>eiterfeit fchlug fofort um. 2lber ob» 
wohl jte an jtch hielt, gab bie Ungebulb ihren 
Worten eine fur 3 atmige ^>aj l, ale jte, mit einer 
gewanbten ^anbbewegung nach ber lEur, entgeg» 
nete: 2Der Äirchenfurjt fei entlaffen. Sie habe nur 
ben Ädmpfenben gefangen. Wer aber fclmpfe, fei 
fein (Seitlicher, fonbern ein Ärieger. Unb wer jte 
befriege, fei ihr ^einb unb fonjf gar nichts. Unb 
wer ihr als ^einb nahe, wolle jte toten. Unb wer 
jte toten wolle, ben burfe jte wieber toten. iDenn 
ihr Heben fei foviel wert wie feine. 

Ute würbe gan 3 ftnfler, ba ein Wolfenfchilb bie 
eben noch techenbe Sonne plotslich abblenbete. 

r 99 


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23albuin, befrembet burch beit heftigen Unter* 
ton ber Äebe, bereute bie unglückliche Einleitung 
ber Präliminarien augenblicklich unb fuchte ein* 
julenken. £>och im Wiberflreit, Horetta einen 
befferen 23egriff ron feiner Perfon beijubringen 
unb hoch auch wieber nicht alle ©chulb auf jlch 
ju übernehmen, fagte er ausweichenb: Er wolle 
fleh einer iDame gegenüber nicht auf ben Äitter* 
fpiegel berufen, fonfl fy&tte er allerbings auch auf 
ben Waffenfhllflanb vertrauen burfen. 

2lllein, wie flarke flaturen flark flnb in allen 
ihren Wallungen, in ilufl wie in Unlujl, fo war 
auch ilorettas Erregung nicht mit einem leichten 
Wortefpiel hmweg$ut<£nbeln. tTJit frofüger Ent* 
fchiebenheit enrgegnete fle vielmehr: Wer bas 
©chwert erhebe, morbe Cbriflus. Unb wer bas 
<B»efet5 ber üiebe unb (Beflttung außer (Geltung 
fetje, hübe ^einbfeligfeit unb ilifl gewollt, unb 
könne fleh nicht beklagen, wenn er bimergangen 
würbe, ober erwarten, baß ber anbere fleh mit ber 
2>ibel rerteibige, w^hrenb er bas ©chwert auf ihn 
jucke. Uberbies fei ihr kein Wittel jur 23eenbigung 
bes Krieges 3U heilig — rief fle bleich — wenn fle 
bas 2Mut auch nur eines einigen ihrer Wannen 
bamit fpare. 

3 n friebfertigem ITone erinnerte ber nieber* 
gefchmetterte ^urfl baran, baß fle fleh im Waffen* 
flillflanb, nicht im Kriege befunben h<£tf*m 

J00 


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3Da fchuttelte Horetta auffiammenb ben Zud}-- 
fchleier 3urud? unb fchleuberte ihm bebenb entgegen : 
JDiefer tVaffenfriebe fei ebenfalls nichts anberes ge= 
wefen, als friegerifcher Swang unb b<$tte nur jur 
^ortfetjung ber (Sewaltt&igfeiten geführt. Sie 
aber mußte ftch für alle tunftigen ^lle enblich 
Äubc perfchaffen por ber behäbigen öebrobung 
unb Vergewaltigung feinerUbermacbt. Unb barum 
habe fte bem Äriege ben Ärieg erflirt. 

„3br bagegen habt" — fie fprang auf, unb bie 
2lugen ßanben ihr POlltVaffer por htllemSorn — 
„eine perjweifelte tTJutter im Rieben angefallen, 
eine bilflofetVitwe, ein frieblichestVeibwiber ihre 
riarurgejwungen, 3U impfen. (Dber glaubt 3hr, 
baß es mir Vergnügen macht, mir bas ^erj aus 
bem ileibe $u serren unb 3um reißenben £iere 3U 
werbend 3ch baffe ben Ärieg wie ben £ob. “Jd) 
baffe ben <£>aß wie bie <5>6lle. Unb ich, bie nur im 
^rieben leben fann, muß mein 3<b mit ^ußen treten 
laffen unb mich gegen meinen tVilfen ..." 

3Die SornestrÄnen tropften ihr bie tVangen her= 
ab . . . 

SDa tTJännern bie C5runbe, aus benen grauen in 
(fronen ausbrechen, faß immer r<$tfelbaft finb, fo 
war 23albuin 3un<$chß por Staunen fpracblos, 
um fo mehr, als er flieh -eines folchen Sturmes bei 
ber immer lachenben (5r<Hfin nicht perfehen hatte. 
2tber ber leibenfchaftlicheSornesausbruch ihres mit 

XoJ 


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,$ufjen getretenen Äect)te auf ^rieben rebete fchlief 3 = 
lieh beutlich genug. fErfchuttert fab er mit einmal 
bie blutenbe tUunbe ber bimmlifchen ©ebnfud)t, 
aus ber bae ^riebenegebet ihres tVJonches jtromre, 
unb fein <oerj blutete mit. 

Salb burchftchtig, balb unburchftchtig werbenb, 
atmeten bie bunten (Blclfer ber ^enfler bie j(agb 
ber gepeitfd)ten tTatur . . . 

fEr erhob (leb unb bat bie tUeinenbe, (leb $u 
fajfen unb ju ihrer alten <£>eirer£eit jurucFjuJebren, 
inbem er fte befchwor, in biefem 2tugenblicf, wo 
er ber ©ubne halber brrgetommen fei, nicht mit 
ibm $u jumen. 

„TDer nid>t bofe fein fann, tann auch nicht gut 
fein," fcblud) 3 te fte abgewenbet. 

„ Hafjt mich biefelbe £Entfd>ulbigung für mid) in 
2tnfprud) nehmen: tPer nicht bofe fein fonnte, 
fann aud> nicht gut fein . . . Unb oergebt bem 
Slinben . . . 3br feib ber tUabrbeit n<ibcr als id)." 

X>on neuem auffcbluch$enb, fan£ fte auf ihren 
©itj. 2lber bie Irenen, bie nun floffen, waren nid>t 
mehr bie wilben tropfen bes rafenben TUetters, 
fonbern bie hoch gefcbwollenen 2Mche, bie nach 
bem ©türm erlofenb babinraufd>en, wie jte ber= 
jenige weint, bem ein wobltuenbes iTJitgefubl bas 
befummerte <oer$ enblicb- frei macht $u neuem 
(Ertauben unb hoffen. 

Unb unter biefen Irenen würbe betriebe geboren. 
102 


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£>enn w^brenb Horetta nod> flofweife in ibrc 
<b<£nbe weinte, rief t>er Rurfurjt feinen (Bebeim= 
fcbreiber herein unb bifrierte ibmbenÖubneuertrag, 
ber bie beiben j* 4 rf jlen tTJenfdben ber Seit in ewiger 
,$reunbfchaft oerbanb. 

2Die tUimpern nod? 3ufammengetlebt non ben 
rergoflenen Irenen, fußte Horetra bem fSrjbifcfoof 
bie <2><£nbe. 

„2tus Euerer <£>anb babe id? bas < 5 >eil enip= 
fangen," webrte ibr ber Rircbenfurfi, w^brenb 
iloretta aus feuchten 2tugen idchelte. 

3 tus bem regennaffen tDiefengrun bes Hlofel 
tales fcbwang jich ein Regenbogen über bie VUelt. 

: 5 * * 

* 

2 Üs aberjur Ehrung bes abjiebenben (Befangenen, 
3U ber Horetra bie (Drtfchaften ber gan3en (Braf 
fcbaft entboten butte, ber feftlid>e 5 ug unter Ra= 
pellengel&ute, 3agbbornfd>aU unb ©acfpfeifenron 
mit Rreu3, Rringel unb tabuen ben Rurfürjten 
aus bem <Tore 3um ,$luße binabgeleitete unb aud) 
bem Ufer entlang noch eine weite ©trecfc neben 
feiner 3?ad>t binmarfd^ierte, fang ber tPilbgraf 
nach einer ttlelobie, bie er fi'<h eigens bafur erfunben 
batte, immer wieber feinen Heiboers „t>on ^reubc 
grauen ftnb genannt" über bie Ropfe ber bunten 
tTJenge. 

Hod) aus bem ©d>iff fang er ibn 311m Ufer 

• 103 


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binöber. Unb „ 3 b* $veube freuet alle Hanb" tonte 
ee oom Ufer jurucf . . . 

Unb bie Stimme fam in bem ganjen Äurffaat 
nicht mebr jum T>erfhimmen. j)enn ber VUelt* 
b<£nbel mübe, legte ber Äurfürf* mit immer wach’ 
fenber Friedensliebe Sebbe nach 5ebbe feitbem bureb 
minnlicbe ©fibne bei, unb Hanbfrieben nach Hanb* 
frieben mit ben ( 25 rofen bee Äeicbee fieberte bie 
(Brennen bee Stifte vor ^euer unb ©ebtoert. 

2tls aber tTJiftoacfos, Neuerung unb <oungere= 
not, ber ©cbwarje lob unb bie Pefl ber oerbeerten 
Seelen auch in bietrierifcben^anbebereinbracben, 
öffnete öalbuin feine Äomfammern, bfilte alle 
tUunben ber grof en £1ot unb tat in ber fCinfarm 
feit ber Seile, bie er fid> in ber Äartbaufe 3U 
©. 2 llban batte einriebten laffen, auf b arrem 
Hager 23 ufje für bie ©unben ber Seif. 

„2>enn toir haben bie ©aaten $erjfampfr unb 
bae (Dbbacb ber2lrmen inZlfcbe oertoanbelt. tUir 
haben bie Äraft ber tTJenfcbbeit bureb bae ©cbwert 
gebrochen unb ihre ©eelen oerborben bureb bie 
<o6lle bee Äriege." 

Um Horettae <£>rab aber fangen bie flacbti* 
gallen ib*e riefe ©ebnfuebt in bie neue tPelr. 


Jo* 


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$>ie tDitoe 


3Der ^Dramaturg Kolf Perjtng buffe feine beiben 
^reunbe, wie gewöhnlich nach bem {Theater, noch 
ju einer piauberjhmbe in feine ^unggefellenwob* 
nung mitgenommen. 

3Der lange {Tenor (Bunnar (Bfcaarub marfchierte, 
noch ehe er ben iTJantel unb feinen famtenen ’&ala- 
brefer aus ber <£>anb gelegt, fogleich an ben tPänben 
entlang, bie mit lilienfcblanfen präraffaelitifchen 
iTJäbchengeßalten in bunnen ,$lorgewänbern be> 
bängt waren, unb betrachtete bie Silber, bie er 
fcbon hundertmal betrachtet butte. ÜDer dichter 
(Suntber Sranbt faß fofort oor bem Schreibtifch 
unb blätterte in ben berumliegenben Suchern, bie 
er fchon bunbertmal gefeben. Unb ber (Bajlgeber 
goß, nachbem er im rTeben$immer bie braunfeibene 
©cbnurenjoppe angelegt unb ben blonben Kun|ller= 
fchopf noch einmal r>or bem Spiegel aufgeburfiet, 
ben bampfenben Cee in japanifche Schalen. 

iDao ^eucr fummte unb bas üid)t erfüllte ben 
fell= unb teppichbelegten Kaum, wie eine große 
tUobnblure, mit rötlicher ^Dämmerung. 

J 0 5 


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2tber bie alte (Bemutlichfeit wollte ftch nicht ein- 
ffellen. ‘Jn weitem 2lbflanb liefen fte beit leeren 
IMubfeffel frei, in ben ftch ber tTJufifbiflorifer 
tDitly VDegler fonff 3 igarettenrauchenb binein 3 U= 
flegeln pflegte. 3um erflenmal fehlte er. Er hätte 
fleh oerheiratet. Es war eine oerwitwete 5räu, eine 
(Beigerin, bie er als SDirigentin einer IDamenfapeUe 
bei einem Äaffeefonsert fennen gelernt hätte. 

Einftlbig famen bie Stimmen ber 5Drei auo bem 
Schäften ber Ecfen, wo fte, bie Ellenbogen auf 
bie Äniee geffutst unb 3 wifchen ihren Seinen fyin- 
burch äuf ben Soben bliefenb, wie eine £rauer= 

* oerfammlung bmtmfafjen. 

„iDafj er heiratet, oerjeih ich ihm . . . aber bafj 
er feine gan$e 3ugenb 3 erheiratet ..." 2\opf 
fchutrelnb oerflummte (Bunther wieber. 

tTach einer TPeile fam es oon ber Cbäifelongue 
her: „nein, nein, nein! . . . 211s ÄunfKer! . . . 
Eine Scheunenpurjlerin, bie feinen reinen <Ion 
greifen fann ..." (Bunnar hämmerte fleh mit ben 
Änocheln ber Jaufl oor bie Stirn. 

„So fann er fte wenigflene etwas lehren . . . 
Hieben fann fte . . ." murmelte Äolf mit b*rab= 
gezogenen tTJunbwinfeln. 

(Bunnar behnte ben mächtigen Srufffajfen unb 
3 upfte energifch bie VPeffe herunter. „tPenn fte 
noch tTJanieren h^tfe! • • . 2tber tarentlos unb aus 
bem (Bebufch . . . ’s »ff ein ^ämmer!" 

JO« 


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(Ständer fniff fp<!henb bie Zügen jufammen unb 
jagte hinüber. ,,©ieh bid) mal um, (Bunnar! . . . 
hinter bir h<£ngt Surne=3ones’ : Äonig Äophetua 
legt bem Settlermdbchen feine Ärone ju ,£uf en . . . 
■SDie Hie be iff immer bas Unfonoenrionelle." 

„natürlich . . . 3Du bifl mit bem Äofenjhrauf 
in ber Rechten geboren," ergriff Äolf bas tPort 
unb machte mit einer welrm£nnifchen 4>anb 
bewegung: „Sitte, betrachte bir meine ©chonbeits= 
galerie einmal etwas genauer . . . Schaut bicb aus 
meinem Venusfpiegel etwas anberes an, als buf 
tigjle 3ugenb, bie unberührtere tllÄbchenbaftig 
feit . . . Änofpe, finbliche ^rage, (Charme unb 
ILraumV . . . ^at je ein tTJaler bie VDitwe t>er= 
herrlichfV . . . tHan beratet einfach feine tDitwe. 
(Dber will|l bu auch bas rechtfertigend" 

(Bünther hielt eine tPeile augen 3 winfernb an jld>, 
fchlug bebdchtig bie Seine tibereinanber unb be= 
gann mit ruhigen tDor ten: „3hr werbet 3 ugeben, 
bafj wir überall Erfahrung als hohes Hebensgut 
fehlen, ©ie bebeutet: Reichtum, Äeife, Vollem 
bung. Buletjt: Ärone bes tTJenfchenrums, ©chon- 
heit. nur in ber Hiebe wollen wir ihrem welt= 
beherrfchenben (SefeQ uns nicht unterwerfen. iDas 
heift: beim tTJanne machen mir auch ba feine 
2lusnahme. Seim tDeibe bagegen foll es ben Se- 
griff „Hiebesfultur" nicht geben. 3^ r werbet ein= 
wenben: Unfere Öiiferfucht auf ihre Vergangenheit 

iol 


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tfl ©orge ftir bie riach*ommenfchaft. Jd) meine 
nun: SDamit m achen wir ben ^örfelberg 3 Utn Labo» 
ratorium. tTJechanijteren eine Äraft, öie — wie 
,$euer unb tTJeer — ju ben ewigen ^Elementen ber 
©chopfung gehört. Ober ifl es etwas anberes, 
wenn wir bem reinen Äorper, ben Leibenfchaft 
gefugt, bas 23ranbmal Rialen tTJatels anbeften; 
ben glubenben SDrucf fleh fuchenber <£><£ nbe als 
einen Paragraphen in unfre Äechtsorbnung ein* 
ßellenV 2lber bas tVeib h<*t auch geatmet unb ihr 
23lut bas (Befühl jeber 2Uters|hife erfahren, bevor 
uns ber 5ufall ihm in ben Weg geführt, Wenn es 
nicht alle Liebesalter burchlaufen, verarmt fein 
4>ev$. Unb feine le^te Liebe i(l — wie bei uns — 
feine tiefße. Vielleicht mehr, als bei uns. 2Denn bas 
Weib erlebt bie Welt in ihrem ganzen Umfreis an 
bem geliebten Wanne, unb ich febe nicht ein, baß 
uns etwas vorweggenommen fein foll von bem 
früheren (Beliebten, ba fie bas ©tuet Welt, bas 
wir für jte barßellen, nur in uns umfaffen fonnte, 
unb ben Lebensinhalt, ben ber anbere verforperte, 
in niemanb fonß, als in bem anberen . . . Was 
euch wiberjlrebt — laßt mich ausreben! — iji bie 
Vorßellung, baß ^Erinnerungen in ihr lebenbig fein 
follen, bie fich nicht auf uns bejiehen. 2lber ich 
behaupte, baß Vergangenes unb (Begenwirriges 
ßch niemals jloren, fonbern baß eins ber humus 
ift, in bem bas anbere allein gebeiht . . . ^ch weiß 

J08 


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natürlich, bafj wir alle t?on bem 2lrgwobn 6er Un* 
treue angefreffen ßnb. 2lber — wie gefügt — 6a 
tann ftd? nichts bigamifcb oermifcben, unb in 
meinem ©inn iß auch 6ie leiste Hiebe — eine erße 
Hiebe." 

£>ie beiben ^reunbe batten nacbbenf lid? 3 ugebort, 
unb (Bunnar fud>te je^t niefenb bie 2lugen Äolfs. 
3Der aber erhob fJcb abwebrenb unb antwortete, 
inbem er bie Iteefcbalen auffüllte: „JDas iß alles 
gan 3 febon . . . 2lber bann Üennt ihr b<*lc bas 
Heben nicht." 

5Da t>erfet$re (Büntber, jebes Wort betonenb, aber 
mit einem leifen Seben in ber ©timme: „3cb 
nehme tiefe Erfahrung — aus bem Heben." 

Seibe Suborer wanbten bei bem frembartigen 
Cone, ber ihnen nicht entging, aufborebenb bie 
Äopfe, wecbfelten einen faß beforgten SlicP unb 
fragten gleichseitig: „Was bebeutet basV Wer iß 
jieV . . . Seichte!" 

„3 br Pennt ße b eite,“ fagte (Büntber jogernb. 

„ÄennenV WirV" 

„natürlich nicht perfonlicb." 

„©o ers^ble hoch enblich!" 

Äolf, rittlings auf feinem ©tuble ß^enb, unb 
(Bunnar, bäuchlings auf bie Hbaifelongue bin* 
geßreeft, batten ßcb 3 um £oren bereifgemacht, 
unb (Büntber legte bie 2lrme auf bie Hebnen bes 
©chreibtifchfeflelß auf unb begann. 

109 


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„3Die Sache liegt lange hinter mir unb ich Bann 
mit 6er &uhe 6er 5)ifian$ baruber re6en . . . 
lernte fte Bennen, wie man ftch in ein bübfches junges 
3Ding verliebt. 3<h ^arte fte mehrmals in ihrem 
fioljen, freien 23ebuinenfchritr in 6er tTJenge vor 
mir hcrfch weben fehen un6 6achte: CE s muf fchön 
fein, ©eite an ©eite mit ihr ju wanbern. 

CEines Hages überrafchte ich ft«, wie fte 6en 
tTJatelot neben (ich, baf 6ie Strahlen 6es 3uni* 
nachmittags auf ihrem blonben Scheitel fpielten, 
in einem weiten SatifiBleibe, bas 6en ange= 
br dun ten i^als frei lief, im ParBe faf, mit ge= 
fchloffenen klugen 6en &opf jurucftvarf unb mit 
halbgeöffneten Hippen 6ie ©onne tranB, 6ie rot= 
lieh auf ihr hingegebenes (Beftcht fiel, ^efe^ene 
©trumpfe, 6ie unbelaufcht unter 6em fuffreien 
ÄocBe hetnor traten, liefen rofige (Blieber hmburch= 
fcheinen, unb um bas feine <banbgelenB trug fte 
lofe ein bunnes (BolbBettchen . . . 

3he werbet vergehen, baf bies rafftge 23ilb 
, leibenber ©ehnfucht mich anjog, bas ich nun 
fiorte, als ich hinter ben Sufchen ber tVegbiegung 
hervortrat unb mich auf berjelben 23anB nieberlief . 
Sie fafte ftch ans ^>aar unb idchelte mich in 
rei 3 enber Verlegenheit mit Bleinen weifen Bdbnen 
unb aufgefchrecften ftijrenaugen an. 

3<h fah natürlich fofort, baf es Beine 2Dame 
war, unb bie (Baffenvenus war — wie ihr wift 

J Jo 


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— nie mein ,$aü. Tibet ich fagte mir auch: 3Die 
Rechtfertigung jeber Hiebe — ber tTJabonna wie 
bee ^reubenmcibchene — liegt in bem qucUenben 
IDrang nach ber eigenen $£rlbfung, bie wir in ber 
©eele bee anbern ftnben; nach ber Uberwinbung 
bee 3rbifchen in ber höheren, fleh felbfl oernichten* 
ben 5eugung, in ber wir im (Sittlichen »erflnfen. 
2lud> bae 3 mn POn 2trm 3 U 2lrm nur & a0 
tTJartyrium bee Unjuldnglichen ... ber üDornem 
weg jum leisten (Slüd? . . . bas ^einwerlangen aue 
bem unfreiwilligen Heben in bae Urelement bee 
entforperten ©eine. Unb biefe blaffe ©onnen» 
anbeterin will ben (Sott gewiß nid>t in fleh be= 
tcluben, fonbern in (ich flnben . . . 

@ie h<*t meine Erfahrung barin nicht betrogen. 
Wie fle in ernflem Heibeneauebrud? bem über fie 
gefenften tllunb entgegensulechjen pflegte; wie fle 
mit bem heimlichen Wimmern ber ©terblichfeit 
in ihrer Weife bae leife Hieb ber Heibenfchaft fang 

— haben mich gelehrt, baß Hiebe nicht (Slucf, 
fonbern ber uerjöcfte IDienfl bee ©chicffale iff: 
fleh ale einer ber ewigen ©rrome ber Welt in ber 
©chopfung aufjulofen unb heilanbhaft für fle 3 U 
opfern. Unb barin begegnete fleh unfere ©ehnfucht 

— bae fühlte ich . . . 

£Tun fragt ihr mit Red)t, wo meine Abneigung 
blieb gegen bae Weib, bae ich nicht felbfi ine Heben 
gefußt. IDenn ich vermutete natürlich, baß id? 

\\\ 


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weber ber erfle war, noch ber leQte fein würbe. 
2tber biefes triebhafte tDefen batte einen (Beifl in 
mich geblafen, ber bas ^och aller Üttfyit abwarf, 
als wenn bie iElettrijitdt, bie wir für uns arbeiten 
laffen, plotjlich bie Apparate, in benen fle gefangen 
ifl, fprengte, um wieber in fosmifchen ©rromen 
babinjufdb weifen. <£>ier ahnte ich einen ber £Tatur= 
geifler, in benen bie tTJenfchheit immer wieber unter* 
tauchen muf, um fich an bem (Geheimnis ber ent* 
moraliflerten &r<£fte 3U regenerieren. <bier wollte 
unb burfre ich lieben, wie ein (Bewitter fleh über 
bem Hanb enrl&bt unb weiter3ieht; wie bie CSrbe 
Äegenguffe, ©onnenglut unb ©amen aufnimmt, 
ben ber tPinb ihr 3uweht. ©ich nicht feffeln, wenn 
man fleh umarmt; fleh nicht fluchen, wenn man 
fleh trennt; unb hoch bie C£wig£eit ber Hiebe nicht 
verleugnen, gefegnet von ben aufbauenben ©toffen, 
bie in Streue weiter in uns Greifen unb ©ct> wingenf raff 
werben, auf ber wir unfere 23 eflimmung erfliegen . . . 

3ch bachte über ihre “Dergangenheit hinweg* 
jutommen, inbem ich bie klugen vor ihr verfchlofj. 
3ch machte mit ihr aus, bafj wir uns weber 
unferen tTlamen fagten, noch von unferer <?>er , > 
£unft unb unferent Heben etwas. tt)ir wollten aus 
bem (ßeheimnis auftauchen unb wieber in bas ( 25 e* 
beimnis entfehwinben, ohne fe wieber von uns $u 
hören. Hiemanb follte von unferer Hiebe wiffen. 
©ie follte gan3 ein tTJclrchen fein. 

Ul 


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Sie fcfywieg ju allebem ßill unb legte nur ihre 
3 <ürtlid?e fe^Ianfe ^anb mit einem Paum merP liefen 
leibenben ££d?eln meid? in bie meine. nannte 
ße auch „Wein tTJctrd?en". 211s id? fügte, baß mir 
uns beibe benfelben Hamen beilegen mußten, ent* 
gegnete fie mit einem nad?benPlicben 2lufblicP: 
„5Du — bleibß mein heimele . . ." 

„TParum nennß bu mid? foV" 

„tPeil bu ein heimele biß . . . weil id? bei bir 
babeim bin." 

3d? ^arre Peine ^urd?t, bas ©d?icPfal auf mich 
3 U nehmen, bae mich aus biefem tDorte fogleid? 
mit ernten 2tugen anfal?. SDenn ich batte gefagt, 
baß id? es fd?on f<£nbe, einmal auf ber < 30 !?* bee 
(Blucfs poneinanber 3 U fd?eiben. 

2lber wenn id? mich aud? nicht por bem £Enbe 
fürchtete, fo bangte mir hoch por bem Anfang . . . 

titine ruhig gleitenbe ^Dampferfahrt, bei ber wir 
uns, wie es Verliebte machen, auf bem trcUime-- 
rifchtn piatj am <$>ecP bes (DberbecPs hingegoffen 
hatten, wo ße im Äeifefchleier, gan 3 in mid? per» 
Proeben, an meiner @d?ulrer lehnte. tt>ir waren an 
einem Pleinen Äbdnorte auegeßiegen unb faßen 
unter ber Haube einer altertümlichen ITerraffe — 
ße großäugig wie ein Äinb, ba ihr bie fd?if fs= 
belebte Hanbfcbafr, ber HeifererPebr nach ben 
Bürgen, bae frohlid?e 2tue unb ££in in umranPten 
Pergolen unb alles neu war; was ich mit 2tbßd?t 

8 Sttrnberg, üon Sreuö» grauen (Inö genannt JJ3 


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fo eingerichtet bcitte. iDie Sonne tag untergebent 
wie ein Äiefenbrillant auf ter Äante 6er gegen* 
öberliegenten Bergwant unb bezahlte noch ein» 
mal ihr reifee (Beflcht, 6ae auch meine Blid!e $<lrt* 
lid> eintratrfen. 

„3br {ußt mich bette," fagte fte, intern fte er* 
fchauernt tie 2lugen fct>loß, „tu unt tie Sonne." 

<£e {lang mir, ale fei ich unter tie flaturgotter 
eingereiht . . . „2Du unt tie Sonne". . . 

3Dae iDunfel war lange in tae enge^elfental ge* 
funfen; ter@trom raufchte gebeimnienoller turch 
tie ©title, unt fehwetrmenbe 3obanniewurmchen 
rermifchten ftch mir faltenten Sternen in ver- 
wirrenden Greifen. 3Doch wir faßen noch immer 
<£>ant in v^anb in ter Hacht. (Dbwohl id? nach 
ihr 3 itterte. JDenn mir graute uor ter erflen Be* 
ruhrung, nor ten ©puren tee TDegee, ten fte nor 
mir gegangen, unt in einer unbefttmmten “Dor* 
Rettung non feelifcher Äeinlichfeit fürchtete ich, 
in ten ©taub bcrabjuftnfcn. 

2lber nie bat ein Vorgefühl mehr getclufcht. (Db* 
wohl fte Bunter unt Spitzen ftch ungeniert lofen 
ließ, non tianenbafter tTJdtchenhafrigfeir, tauchte 
fte in marmorener Blan{beit aue tem tTJonten* 
fchimmer, wie eine Brunnenfigur, an teren glatt* 
gefpulte formen {ein tTJa{el tee Hebene haftet. 
3<h nerfan{ in ihr <baar. 2Der gewaltige Strom 
brantete tie ganje flacht hoch an tae Ufer. 

m 


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2 Hs ich am tttorgen oon einem furjen Ausgang 
jurucffehrte, bei bem id) ihr Äofen taufte, fchob 
fte mir in ihrer bemutigen 2 irt ßiUfchtueigenb einen 
örief in bie £afd>e, ben fte mir unterbeffen ge= 
fchrieben. 34 ) fab f»e in fprachlofem £rßaunen 
an, ba fte hoch £ag unb Had)t bei mir war. 

„ 34 > tann hoch nichts fagen . . . fo mußte ich 
bir’s fcbreiben," erffarte fte fchuchtern. 

T>on ber (Beliebten, bie gegenwärtig iß, weil fte 
ben fpracblicben Haut als ju grob empftnbet, um 
bas 3 U fagen, was unfagbar iß, ben füßeßen Hiebes* 
brief! Unb bas foüre tUieberbolung eines geübten 
23 raucbes fein! 3 n biefes Erlebnis foüre t£rinne= 
rung hineinfpielen non gewohnten ^reuben! tlein, 
auf einen folgen (Bebauten tann man nur einmal 
tommen . . . 

34 ) riß fte in bie 2 lrme unb fußte ihr bie 
fchmeichelnbe <£>anb, bie jene famtenen VUorte ge* 
fcbrieben. 2 lber plotjlich waren bie Sollen oer* 
tauf 4 >t: ße batte ßch auf meine eigene ^anb gebeugt 
unb hielt bie Rippen auf ben Äing gebrucf r, ben 
ich am Ringer trug. <£ s war berfelbe pfauengritne 
£urfis — ben ihr hier feht — unb ben id> wegen 
feiner ^arbenfchonheit immer liebte, obwohl bie 
Hiebe 3 U ber ^reunbin, bie ihn mir oerehrte, fangß 
oergeffen war, unb id> brdngte beßurjt ihren tTJunb 
hinweg unb fagte: „TPie fannß bu ben fremben 
©tein fußen!" 


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UZntt&ufd)t ließ ße ab: „2(ucb bas biß bod> bu!" 

©ie batte einmal geklagt „bu willß mich immer 
anbers haben, als ich bin"; unb nun wunfcbte ich 
felbß, wie ße 3U fein unb wie ße ben Menfcben 
famt ber ganjen ©pb<Sre, bie ßd? bißorifch an ibn 
als Mittelpunkt angefetst bat, in meine Hiebe ein« 
fließen 3U können. 

Jd) fd)<£mte mich meiner C£iferfucht, bie fo weit 
ging, baß icb öfter 3U ber Seit, wo ße beim3ukebren 
pßegte, uor ihrer ^ausrur auf« unb abging, ohne 
oorber mit ihr uerabrebet 3U haben, baß i(b ße 
erwarten würbe. tTTie entbeckte ich einen (Brunb 
3U bem leifeßen Argwohn, außer bem, was 3ugleicb 
ber (Brunb meiner Hiebe war: ber 3 Dufr unb bas 
feine (Drgan bes uon allen Broten umfpielten 
Meibes. 2tm fcblimmßen war baber meine £Eifer» 
fucbt auf bas (Bebeimnis ihres früheren Hebens, 
bie id? nod? kunßlich baburcb geßeigert batte, baß 
ich felbßbie Parole ausgegeben, ben Punkt niemals 
3U berühren — woran ich nun gebunben war. 

Hoch batte ich nicht ben Mut gefunben, ße 3U 
fragen, woher ße bas (Bolbketrcben habe, bas ße 
ums ^anbgelenk trug unb auch nachts nicht ab« 
legte, ©ie mochte aus meinen 2Micken, mit benen 
ich eines £ages ihren 2lnb<£nger, einen Äreis uon 
kleinen Rubinen, an ihrem <balfe betradjtete, ein 
Mißtrauen gelefen haben unb fagte ba her plOQlich 
betrübt: „34> weiß, was bu jetjt benkß . , ." £ie It 


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mit: aber fofort abwehrenb ben XTCunb 3 U unb 
breite mir bann, mit ben ©chultertt fchlenkernb, 
ben &ück en . . . 

„3a, bu machjk immer Programme ..." 

34) merkte, bajj jte bem Weinen nabe war. 

2 tl 9 icb non hinten bie <2><ünbe auf ihre Schultern 
legte unb jte bie 2 lrme hinabjkreichelte, warf jte jtch 
herum unb vergrub fleh weinenb an meine Srujt. 
„Zieh, küffe mich tot . . . bann ij* Äuhe mit mir!" 

„JDann h^tte bich ja bie Weit nicht mehr . . 

„Was liegt an mir!" 

34? 5^9 fte auf meinen ©chof unb feQte ihr 
auseinanber, was ein Wefen wie jte ber Welt be= 
beute, inbem ich ihr erklärte, baf bie XXaturgeijfer, 
bie jtch hie 2 llten unter ben Hymphen unb XXajaben 
buchten, in Wirtlichkeit nichte anberes w<£ren, als 
leibhaftige tTJenjcben, beren Lebenskräfte fo ge= 
jkeigert feien, baf jte ab Halbgötter in bas ££le= 
mentarreich hineinragten, unb baf mir in ihr mit 
ihrem wilben Herjen ein folcher freunblicher JD^mon 
3 ugefaüen, in bem ich mich verjünge, gefunbbabe, 
gütig unb reif werbe. 34 > nannte jte meine d>fler= 
braut unb entwickelte ihr, warum jte allem, was jtch' 
ihr nähere, wie mir, bie liefen erfchliefjen, 'jjbeale 
bilben unb 3 um <25eijt ber 2(uferjtehung werben 
müffe. 

©ie beruhigte (Ich allmählich unb hob bei meinen 
Worten bas Äinn, als wenn jte 3 urücklauf<he auf 

111 


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eine Stimme, bie fern hinter ihr ^erÜ^me, unb 
fagte juletjt mit ihrer t>om tDeinen uerbunPelten 
Stimme: „iDu t?erffe^>fl grauen fo gut ju be* 
hanbeln ... 2Du bifl fo anbere ale anbere . . . 3Du 
uerachtejl uns nicht . . . Wenn bie eine Stunbe 
nicht märe, bie ich immer furchte . . . Äannfi bu 
bir benfen, welche V" 

t>on neuem herrorfchluchjenb, fiel fle mir um 
ben «^ale. „©0 anb<£chtig unb innig hübe ich nie 
einen tTJann geliebt!" 

Unb non ber inneren tUelt unb £7ot biefer Seele 
hatte ich nichts wiffen wollen. 

£Hit gefalteten <5>änben unb £r<hten in ben klugen 
bliefte fle mich an. 

„So frag’ mich hoch, heimele!" 

3ch habe mein Programm natürlich nicht inne= 
gehalten. 

Sie war alfo (Chorijlin, ein Äinb deiner Heute, 
unb flocht fleh fchon ale Schulm^bchen zweimal 
am läge bie blonben Sopfe, weehalb ihr bie jhrenge 
tTJutter warnenb ju erzählen pflegte, wie einmal 
eine 3ungfrau war, fo flolj auf ihre ^aare, bafj 
fle uor bem Spiegel flehenb fleh HocPen brannte; 
aber ale fle begraben werben follte, ba gingen bie 
■&aare nicht in ben Sarg. 

&ur$ unb gut: ber Schleier bee tTJdrchme fiel 
— unb bahinter erflanb eine TDirPlichPeit, bie ihr 
treuherjigee (Beplauber uonfElternhäuelichPcit, bem 

US , 


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eigenen tapferen Heben unb feinen befcheibenen 
^reuben mir 3« einem viel blurvolleren tTUrchen 
verwob. 

££s war einer jener gan3 gewöhnlichen tPerteb 
tage, nach benen abenbs oft ein flilles Hicht in uns 
brennt unb bas 4 >et$ erfüllt mit fonntäglicbem 
^rieben . . . Ütin (Be Witter war ferne vergrollt, unb 
braunen im iDunfel rann ber liegen. tX>ir hatten 
bas Such gefchloffen, bie Hampe gelofcht, unb ber 
biblifche Preis ber Hiebe, ben wir febweigenb 3U- 
fammen gelefen, fummte uns noch im d>hc . . . 

„ 3 Dic Hiebe eifert nicht . . . Sie l<$jfet (Ich nicht 
erbittern . . . jte rechnet bas Sofe nicht 3U . . . Sie 
vertraget alles . . . Sie bulbet alles ..." 

Sic lag in rojtger &orperlichfeit, als w<ke jte 
eben aus bem Hotos gediegen, halb aufgejtÜQt 
neben mir, mich mit unter ihre golbene <£>aarflur 
nehmenb, unb ich wartete, ohne etwas 31t fagen, 
bis ihre Stimme aus ber ^injternis tarn . . . 

„ 3 Die Hiebe eifert nicht ... jte büjfet jtch nicht 
erbittern ..." 

<£r war ein Ingenieur gewefen, ber (Ich mit ihr 
verlobt batte unb bann nach Äleinajlen gereift 
war, um Srucfen unb Sahnen 3U bauen. Seine 
3ufammengewachfcnen fchwar3en Augenbrauen 
hatten ihr immer (Brauen eingeft ofjt. Aber gerabe 
beshalb war fte bem Abenteurer erlegen, ber ver= 
fprochcn hntte, nach ^ahresfrift 3urüct3uf ehren, 

119 


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um fle $u holen unb brüben mit aller Pracht bee 
(Drients 3U umgeben. 3Doch balb blieben feine 23riefe 
aue, unb er lief* fie im ©tich- 

©ie er3<$blt* biee fluflernb, inbem fl* mich mit 
ber freien <J>anb immer beruhigenb babei flreichelte, 
fo baß id) öfter ihre c^anb feflhalren mußte, um 
fle von meinem (Dhre 3U entfernen. Sie ich mein 
Unbehagen nicht mehr meiflern tonnte unb mir in 
ber Weife £uft mach«, baß id) mein tTJißfaUen 
baruber 3U ertennen gab, wie fie bem erflen ge- 
triffenlofen <B>lu dritter 3um (Dpfer fallen tonnte. 

„<?5eb, heimele, bu muff nicht fo fchroff fein . . . 
f£r hatte auch fein (Butee . . . Romm, ich habe ihn 
hoch einmal geliebt ..." 

£6twae 30g fleh in mir 3ufammen, unb ich fuchte 
von ihr ab 3 urucfen. 2lber fle hielt mich fefl an fleh 
gefeffelt, inbem fle mir bie 2lrme wie einen Sollfloct 
3Ufammenlegte, unb fuhr fort _ . . 

,,©ie rechnet bae 23ofe nicht 3U . . . fle ertragt 
alles ..." 

tit r war ein ©chaufpieler. 3hr Heben war ein- 
mal oerfehlt, unb fle wollte fleh nun wenigflene 
lieben laffen von einem, ber 3U lieben oerflanb, 
rafenb, wie fle ihn täglich auf ber 23ubne 2lnnchen, 
3ulia, 4*ro unb alle bie (Blöctlichen umarmen fah* 
2lber nach wenigen Wochen bee Äaufchee mußte 
fle erfennen, baß fle abermale betrogen war: f£r 
war ein verheirateter Wann! ©ie nahm (Bift. 2tte 

Mo 


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fle 5« ftd? Jam, lag fie im Äranfenhaus, unb er 
tniete weinenb vor ihrem Sette. 

ttMhrenb fie nun er3<Ühlte, wie fie Öen um Per» 
3eihung ^lefcenöen felber troflen mufte, fchien fle 
mir ganj in vergangene Seiten $u entgleiten unb ju 
vergeben, baf mein ^aar es war, bas fie babei 
glättete; meine tPange es war, an bie fie babei bie 
irrige anlegte. 3 Denn fle ItebJofle mid> gan$, wie 
man einen Per3weifelten ju beruhigen fucht, unb 
ich flanb fchon im Segriffe aufjufpringen, um mich 
biefer SÄrtlichJeit ju erwehren, bie einem anberen 
jugebacht fchien, als mir meine Folterqual bie 
Frage eingab, mit ber ich fle vor ein UJntweber 
— (Dber fleüen wollte: 

„TPas wurbefl bu tun, wenn er heute wieber» 
B<lmeV . . . ©prich!" 

„£Er Bommt nicht mehr wieber ... fEr ijt tot . . . 
Für mich ifl er tot, heimele ..." 

©ie fagte bies fo einfach unb aufrichtig, baf 
ich mich fofort entwaffnet in bie Äiffen $uru<#= 
flnfen lief, unb pldtjlich von ber ^Erleuchtung er» 
füllt war, baf fie in ber £at nicht mehr an ber 
Perfon bes früheren «Beliebten hangen fonnte, 
fonbern etwas ganj anberes liebte: 3 Das einflige 
^Erlebnis, bas — berausgefch<Ut aus bem 3eitlichen 
(Bewanb — von bem 3urüd*fchauenben 2tuge im 
Eichte einer anberen Eiebe gefehen wirb, als bie 
ehemalige gewefen, wie man eine 3urucPliegenbe 

J2J 


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Pbafe feiner 3u0enb liebevoll betrachtet, ale un» 
oerlierbaren Seju3 in fich tr£gt unb fle ale ein 
©tück feiner Erbengefchichte nicht auegefchaltet 
wiffen mochte, ebne f<£big 3« fein, bie aueempfun» 
benen Empfinbungen trieberjuerwerfen ober fort» 
3ufet?en. 

Unb ich horte weiter 3U unb b«lt ben Hieb» 
kofungen, bie ihre v^nbe bei ber Erinnerung an 
v erklungene ©tunben auf mein < 5 >aupt bluffen, 
ale einem lieblichen 0pielefrieblicher2luegeglichen» 
beit, mit jener l<khelnben ÜDulbung jlanb, mit ber 
man jlch barmlofe (Dualen in gutmütiger Uber» 
legenbeit gefallen l<Jf t, wenn man mit ber <£>errfchaft 
bee Perflebenben über ben JDingen fchwebt. 

riachbem jle mir auch ben Hegten nicht t>or» 
enthalten, einen reichen Äobling, ber jle aus Eifer» 
fucht tagelang einfchlof unb fogar feblug, bis fle 
ihm fchliefjlich, 3ermartert an ileib unb ©eele, ent» 
lief, nickte ich meiner Pertrauenofeligkeit Seifall, 
bie mich fchon ohne biefen Seweio richtig batte 
erkennen laffen, baf mid* keine ihrer Erinnerungen 
einer ^>er3en8regung beraubte, bie mir 3ukam. 3 Denn 
felbfl jenen (Befellen, mit bem fle kein (Befühl als 
Entfetjen oerbanb, fchlofj jle nicht t>on ber 5 uge* 
borigkeit oon ber (Bemeinfchaft aue, in bie fle alle, 
bie ihr einmal nabegeflanben, wie in eine engere 
tUenfchenfamilie aufnabm, unb jle batte auch für 
ihn eine Entfcbulbigung. „Er konnte ja nichts 

J22 


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ba$u, baß er c£ferf&d?t% war . . . 3Das ifl &ran£ 
beit." 

©ie batte in bem einen bas Abenteuer, in bem 
anbern bie Jfceibenfchafr, in bem britten bas leiste 
tPirrfal geliebt, jeben anbers unb jeben erflmalig, 
wie fie in mir bie Heimat fufjre, unb fte fegnere nun 
felbfl bas t>^^lict>e <B>ef<heben ferngerucft als eine 
unoermeibliche ileibensflation ibrer tPanberfchaft 
unb barum als etwas (Smtes, bas fie non niemanb 
fl <h befchmutjen lief. 

3<h wollte bies freilich l<£ngfl nicht mehr, wie 
es ber Hiebesneib fonfl fo gerne tut, ba ich meine 
Perfon nicht mehr beleibigt fühlte, wenn ich an bie 
Errungen ihres Gebens buchte, fonbern nur iTJitleib 
empfanb mit bem ©chonen, bas in ihr beleibigt 
war, unb bie buftige Unuerfehrthtit bewunberte, 
mit ber fie aus ben tPiberlichfeiten ber Vüelt b er* 
oorgegangen ..." 

— (Bunther fchwieg. 2lber bie Jreunbe oer* 
harrten weiter in ber gefpannten Haltung bes 2luf 
merfens, als mache ber Üfoibto nur eine Paufe. 
deshalb fagte er nach einer TDeile: „<bier fehlet 
meine <25efchicbte." 

„3a — aber fie ifl noch nicht $u i£nbe," erflclrte 
Äolf, ohne fleh in feiner Erwartung beirren $u 
laffen. 

„tt>as wollt ihr noch wiffenV" 

„Dilles," rief (ßunar ungebulbig. 


J25 



2)aß id? t>ie faufiifcbe Jbee, im 2tugenblid? bee 
bocbflen (Blücfee ju ve^ichttn, allmählich preie» 
gegeben batte — nahm (Bunter ben ,$<*ben wieber 
auf — tonnt ihr euch benfen. Unb hoch Jam ee fo. 

££e gefchab öfter, baß t<h in größerer (Befetl * 
fchaft einen Cageeaueflug unternabm, wovon id? 
ibr nur beiläufig 3U erbten pflegte. iDann trat 
fie jebeemal, wenn id> mich bem 23 abnbof näherte, 
— manchmal bei Flacht unb Flebel — unerwartet 
wie bae tn 4 rchen hinter einem Pfeiler btrvor, um 
mir noch einmal fluchtig bie bebenbe <£>anb 3U 
reichen. 2tber balb Jam ich babinter, was fte 
eigentlich ba3U trieb. 2 Ile ich tinee £agee bae 
Äeflaurant verlaffen wollte, wo ich — wenn wir 
nicht 3ufammen aßen — bae tTJittagemabl ein3U* 
nehmen pflegte, fianb fte mir an ber Ireppen* 
biegung unverfebene gegenüber unb flarrte mich 
an, bie Rechte auf bem flopfenben 4 >er$en, mit ber 
hinten ftch an bem Creppengelänber feflbnltenb, 
lange fprachloe vor öefcbämung, bie fie mit 
verlegenem fächeln befannte, baß fie burch bie 
Porbänge ber ©chwungtur in ben ©aal b^tt* 
blicfen wollen, wie fte ee fchon oft getan, in ber 
2lngfl, ich wäre einmal plo^lich für fie verfchollen. 

iDoch ich bachte nicht mehr baran, fte 3U ver= 
laffen. 

5 Da riß mich ber Ärieg aue ihren Firmen, ber 
fürchterliche Ärieg, beffen eherner Pan3er allee 

12 * ' 


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tTIatürliche in ber Wenfchenbrufl erfh’cft; ber mit 
6er rafenben ^olge feiner Ratafhropben 6em Emp» 
finben (eine Seit l<£ßt $u rerweilen, weber beim 
Heben, noch beim (tob; ber uns bie Sugel bes 
eigenen ©chicffals aus ben ohnmächtigen <k<£nben 
reißt; jeben Willen jum 23efu5 ertötet; unb in ber 
^olle non ©tunben ben (Beijl um 3<*br$ebnte t>er» 
wanbeit. 

W^brenb ber beiben 3 a bte, wo ich t>or ben 
(Lobesfchlönben ber feinblichen tTJorfer in ben 
©chuQengr^ben lag, entfernte fid) hinter mir &ie 
Welt jum (traumbilb. Sugleich meine Hiebe. 

2 lber auch ihre ©ebnfuchtfcSmpfte (Ich w<$brenb 
ber langen Urennungojeit ab unb ergab fich fcbließ» 
lieh tr<Sumenb bem (Hlucf ber Entfernung, ©ie 
hatte ficb auf mein eigenes 3Dr4ngen jur ©ebau» 
fpielerin berangebt'lbet, wo$u fie immer ein beim* 
liebes Talent b^tte, unb ich metfte aus ihren 
Briefen, wie fie aus bem (traumbefiQ, 3 U bem ich 
ihr geworben war, ihre Rollen mit 2Mut erfüllte. 

tTJan lebt nicht rud*w4rts. ©eit ich in ber 
Heimat bin, fließt auch mir bie Rraft 3 U meinen 
(Be flalten aus bem (Duell ber oerwanbelten Hiebe. 
3br fennt fie je^t. IDas blonbe Weib, bas burch 
meine Sucher fchreitet, ift niemanb anberes als fie. 

©0 (mb wir uns nabegeblieben: 2 tnbere, uom 
©toffe befreit, in gleichseitiger Wanblung aber» 
mals neu oerbunben. 

J2S 


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Unb mebr barf id) fit nicht feffeln. C£in großes 
(BlucF bat fie mir geliehen: bie ungebunbene iliebee» 
fraftfelber. (Belieben. 2Denn ein folcbeo VUefen ge= 
borr ber tDelt, in bie fle herein)! wieber unter» 
tauchen mag, immer tUitwe, immer wieber 23raut. 
©ie bnt feine Äinber. Tibcv wir tTUnner aüe finb 
ibre Äinber. Unb alle grauen feilten fle oerebren. 
JDenn fie fommt non ben „^Huttern" ber Hit be, bie 
in ben ewigen liefen fnjen. 

Unb wenn wir eine ^rau 3<lrtlicb lieben, b<*t I» 
uns erjogen baju. 


116 


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Böltbißie 

tTTict)f aue 6er (BefeUfd?aft 6er $Engel, fonbern 
aue 6em fcbwefeligen &ad?en 6er tPelt fc^reiten 
bie ^eiligen 6crt>or. Unb 6er raud?enbe ©cblunb 
wirb ibnen noch jum labetnafel . . . 

fite war bie faranifcbe Beit, als biegelbm^bnigen 
Könige 6er tTJerowinger, 6en Purpurmantel bea 
byjanttntfdjen Äonfulo um bie ©cbultern, auf 
i>ierfp<Snnigem <Dd?fenwagen burd? bie Jtanbe 
fuhren. 

%üffLtid)en ffanb bamala berühren un6 burd? 
feine faulen ©tufen trocken 6ie Martern. Um 6 ie 
blonblocfigen Ungeheuer aber, 6 ie ibn einna6men, 
brebre ftd) ein i^ejrenfabbat t>on tTJeucbelmorb, 
öublerei, triebifd>en Höften un6 Bluttaten gecjen 
bae eigene ^leifd), i>en Äonigatocbter, öifcbofe, 
Honnen, ^4njerinnen un6 gebungene &ned?te 
in fcbamlofem öunbe auffubrten. 

durften uerfauften ihre i£bre um eine ftlberne 
©cbufTel. (Batten erwürgten ftcb im fHbebett. 
Äonfubinen ließen ihre tfebenbublerinnen t>on 
wilben <J>engf len ju lobe fcbleifen. tTJan lieferte 
©cblacbten in 6er &ird?e unb tränt aue 6en 

J27 


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0d)äbeln erfcblagener t>rrtt?an6ten bie tHinne 
6er Cbrifienbeiligcn, bie bie nacfren (Belage im 
2MntebertrunfenenVDufftinge enbeten. tTJt'c einem 
<25räbergurtel von erbold>ten Äinbern, leben6ig 
Per brannten, vergifteter Unfcbulb unb jerbacfren 
dumpfen fieberten entmenfebte Häuber, gemalte 
^äulnie unb tränte Cropfe ihre iTJolocbeberrfcbaft. 
Unb wdb>rent> ber reifjenbe 2>ämon mit bem 0rier* 
baupt, in bem bae Äonigebaue feinen Urabn ver* 
ebrte, in bas männliche <25efcbled)t gefahren ju fein 
fehlen, berieten bie £>ifcbofe auf einer eigene bterju 
einberufenen 0ynobe allen f£rnftee über bie 5 r<t 9 e / 
ob bie tUeiber ale menfcblicbe VUefen anjufeben 
feien. 

3m ZMutfcbein biefer &$Uenlanbfcbaft wanbeite 
23altbilbie. 

JDer ^ranBenfonig, ber bie Ärone mit ibr teilte, 
war geworben; unb wie ee bem unterbruefteren 
^begatten oft gefebiebt, begann ibr JLeben erft, 
naebbem fld) bae Cor ber Hofburg hinter bem 
0arge bee (£>ewaltmenfcben gefcfoloffen barte- 

tTlit i£iferfucbt batte ber bäurifebe {Tyrann bar* 
über gewacht, bafj fte mit nid)te anberem ftcb be* 
febäfrige, ale wae feine untätige Perfon umgrenjte, 
unb bie flacbeblonbe angelfäcb|tfcbe tTlagb, ale 
0d)enfin an feinen 4>of verfdjlagen, mußte ge* 
horchen, obwohl fte bae einzige ^erj war, bae 
ben Hilferuf ber gemarterten fllenfcbbeif vernahm. 

J28 


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ttadjbem jte nun ihrem Öelbjl: jurudfgegeben, 
fprubelte ber fo lange Ptrjlegelte (Duell ihrer wunben 
lliebe bal?er um fo brißer berpor, unb fte fh'ftete 
IMojter unb fpenbete non ben Jonigltcben ©dxltjen, 
wo immer eine flebenbe <oanb jtch nach ibr aus* 
jftrecfte. 3etjt erjl fühlte jte jtcb als Üanbesmutter, 
bie überall nach bem Rechten ju feben batte. Unb 
fo faßte jte ben ££ntfchluß, ibr weites Reich nach 
allen <oimmelsrichtttngen 3U bereifen, bantit jte ihre 
Wohltaten bort ausjlreue, wo jte bie größte STlot 
fdnbe, unb nacb Erfüllung ihrer irbifchen 2luf 
gaben ben Schleier 3U nehmen. Sugleicb fcbwebte 
ibr ber ( 0 ebanfe por, bie Welt, bepor fte ibr ent* 
fagte, babei auch einmal grünblich fennenjulernen 
unb t?ielleid>t ein troftlidjeres 3 i lb non ihr mit in 
bie Rlojlerjelle $u nehmen, als jte es non ber blut* 
befubelten ©cbwelle bes palaßes aus empfangen 
batte. 

ÜDenn ber 2Ub bes allgemeinen iEte ls umkrallte 
ibr <b*rj fo fürchterlich, baß jte an bem ©chmer$ 
über bie perbeerte Schöpfung unb ber ©ebnfuebt 
nach einem Üichtpttnfct pon ©d>onbeit manchmal 
$u erliefen fürchtete, ©ie Jonnte über bie jarten 
Filigranarbeiten, bie ber Runjller Eligius auf ihre 
Sejlellung in <0olb mit angefchmieberen ©ma 
ragben, Rubinen unb inbifchen ££belj*einen an* 
fertigte, £r£nen pergießen. Unb wenn jte bie far* 
bigen tTJiniaturen betrachtete, bie ber 2Ut*Ranjler 

$ Sf»rnt>*r$, Don Sraiifn flu? gfminnr 129 


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ftuboen für jte fammelte, üerfanfcjte in bentDunber= 
feld) ber wehmutigflen (träume . . . 

iDabei war bies alles noch nid)ts gegen bie Schon* 
beit ihrer heimatlichen ^elfenfujie, wo ber ^ifch* 
Otter wohnt unb in lang unb Seegraswatten bie 
tTJowc watet, ober gegen beit gewohnten Rieben 
ihrer Vnäbdjenjahre attf ber wogenumraufdjten 
3 nfel, wo eine junge tTJufter mit ihrem Säugling 
ungefährbet non tTJeer 3U tTJeer wanbern tonnte, 
unb neben ber eingefaßten (Duelle an ber Straße 
ein fupfertter 23 ed>er ,uir££rfrifcbung ber J\eifenben 
hing. 

SDies aber war bie Schönheit, bie fte auf ber 
geplanten Äeichpfabrt 311 ftnben träumte. £>enn 
jle machte jtch bas Chn'jlentunt nid>t fo bequem 
wie biejenigen, bie jtch oor bem hänberingenben 
Schwarm ber 2 lrmen, <?>ungernben unb Sieden 
mit bem fünften Spn?d>lein „(Bo tt wirb euch nicht 
oerlajfen" falthersig hinter bie Äloßerpforte retten. 
Sonbern es wäre ihr als X>errat an ber tPelt er* 
fd?ienen,thr < 5 )ilfeunbtTJitgefuhl 3 U ent3ieben, ohne 
jtch oorher oerläfftgt 31t hüben, ob auf ber non 
Blut unb (tränen 3errijfenen ££rbe nicht irgenb* 
wo hoch nod) ein (Bnabenbom fließe, aus bem 
ftd) bie tDurtben ben gleichen (troj* 3U fchopfen t>er= 
mochten, ben fte in ber einfamen 5eüe 3U ftnben 
hoffte. tt>ie tonnte es Selige geben, folange es Ver* 
bammte gab! 

JJo 


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$vtunb unb ^einö rerfuchten freilich, |le roit 
6er abenteuerlichen Unternehmung abjubringen. 
iDcr gelehrte 2tu6oen, inbem er fte ror 6en Räuber* 
häufen warnte, 6 ie im ganjen Reiche in 6en aus* 
gebrannten Romerturmen häufen unb alle Wege 
fperrten ober unfd?er machten. „JDer Weg jum 
Fimmel if offen" — lautete barauf ihre Antwort. 

(Braf Ebroin bagegen, ber ^auemaier ihres 
fchwadjen ©obnee, bem fte bei ihrem um fd> 
greifenben Einfuf nicht fchnell genug in einer 
2lbtei eingefdfoffen werben fonnte, gellte ihr ror, 
baf bie lange Reife, bie nur ihre Welrluf auf 
wecfen werbe, ber Vorbereitung jur tlof erlichen 
Entfagung wenig bienlich fei. „5D ie JDinge ber 
Welt laffen uns nur bann in Ruhe" — erwiberte 
fe biefem — „wenn fe in breierlei Weife burch une 
gegangen jtnb: in ber ©el)nfud>t, im öeftj unb 
in ber Erinnerung. 'Jtx ben lebten Rreis bce Er= 
lebene bin ich noch nid?t eingetreten ..." 

©o begab fte (ich benn auf bie ^ahrt burch bae 
rief ge Reich, bas alle fränfifchen idnber oereinigte, 
unb fuhr mit ihrem ©chiff beffen Segel unb 
flaggen bae iTJuttergotteebilb fchmucfte, ben 
Rheinf rom hinauf. 3hren ganjen ^ausfchatj, ben 
fle famt allen Rleinobien in (Bolb rerwanbelt hatte, 
führte fte mit fch. Unb fo fonnte fte aus rollen 
<5>änben fpenben, wo ben ©iechen ein ^aue, bem 
robenben Einfebler eine ^utte, ber rertriebenen 

*• in 


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Sauernfamilie eine neue ^ofjl^tte, bem armen 
£>orf auf rauher eine Birche zu errichten, 
l>em <£>ungernben einen ?Eifct> unb bem ^rierenben 
ein (Dbbacb zu bereiten war. 

Je weiter fle fld) aber von bem blutgebungten 
Gchauplatz bee lajlerbuften Bonigsbofes, wo 
Srüber ftd) wie TUerwolfe zcrfleifcbten, unb aus 
ber verpejleten Üuft ibrer Umgebung entfernte, um 
fo frieblicber breitete fleh bie tDelf vor ibr aus, bis 
ber trübe $lov vor ihren Waren 2tugen jtcb lojle, 
wie ber Bbeinfpiegel erglänzt, wenn fld> ber 
tTJorgennebel aus bem Grromtal erhoben bat. 
Gie fäb gerben langlobiger Gcbafe im tTJufcheb 
fanb ber Ufer grafen, bie d5änfe an ben Sacb= 
munbungen mit ben ^lägeln fcblagen. Gie horte 
bas <i)irtenborn bod> non ben unzugänglichen 
Gteinneflern ber (Bebirgsborfer, bie Bircbenglocfen 
aus ben ©eitentälern fchallen . . . .Slofje unb 
Hachen ber ©almftfcber begegneten ihr am lag; 
unb bie (Blocfen ber <ialftergäule, bie mit VDein 
unb tUaren belabene ^racbtfcbiffe aut hem SLeiw 
pfab zu Serge zogen, läuteten burch bie flacht . . . 
Gie glitt an ben 3 n fduuen unb umfcbäumten 
Blippen wilber (Befäbtte vorüber, wo ©chiffer 
bem rettenben Patron ber ©teuerleute ^eiligem 
bäuseben in bie Sranbung gesellt; vorüber an 
^elfenzacfen, wo bie aus Saumrinbe gezimmerte 
Seile eines Blausnero mit ibtet ^olzbanJ aufragte, 

132 


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auf be r |fict> 6er büß en6e Wallfahrer nieberließ, um 
6em frommen (Befangebrimten ju laufchen . . . (Blitt 
vorüber an 6en Be rgesh<£ngen, von benen 3tvifd>en 
6em malertfd^en 2D<lcbergewirr angeflebter £ehm= 
dörren h»e unb ba noch bie Rampe eines verfallenen 
Prachtbaues mit leuchtenben tHarmorbilbern ins 
(Tal fchaute . . . (Blitt vorüber, tvo von bem£auben= 
gang eines Herren jltjes bie Rofen in ben ©tront 
hingen . . . £egte an, tvo jle abgehärmte grauen 
jerlump tes £ innen auf b er © tranb bleiche ausbreiten 
fab . . • (Bing vor 2 ln£er, um bem Kaufmanns« 
3uge beyupehen, bem bruben auf ber großen <?>eer= 
jtraße ein Überfall brobte . • • Unb flieg ans Üanb, 
tvo bas Unwetter bie Weinbergterrajfen geftur3t 
unb hrrabrollenbe ^elsblotfe Vt>in3erborf unb 
^ifchernacben in ben (Brunb gefd^mettert hatten . . . 

2lber wie leicht war all ber Kummer 3U heilen 
gegenüber bem <£>6llenfhir3, bem fle entronnen! 
l)ie banÜbaren Uferbewohner festen über Hacht 
ben Bug ihres ©chiffes mit (Birlanben unb ßecften 
Birfenbdumchen auf bas <oec£. 2lus ber Hochburg 
ber ©unben war jle ausgelaufen, voll Bangnis: 
mit fd)war3en ©egeln, auf einem ©trom von Blut, 
3wifct>en ©ch^belbergen, eine unfelige ^ahrt 31t 
vollenben — unb nun fchwebten rofablubenbc 
Pftrftchhaine an fonnigen Berglehnen . . . 2 lus 
ben Reben3eilen hob ftch ber Rarjl bes fleißigen 
Widers in ben blauen Fimmel . . . Weiße Wolfen 

J 33 


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weibeten um Me rrdumedfcbe^albe bee 4 >ugel 8 . . . 
Zm flachen 2 tnBerpl atj fchwemmten unb jlebten 
(E>olbw<£fcher ben BofHichen ©anb, ben eine Flottille 
oon Äiesnachen aus bem ©rrome ftfd^re . . . 5>as 
&ab ber ©chiffsmübltn raufchte ben ewigen £aBt 
feines pldtfchernben tDafferfalls, unb ©ommer- 
fairer taumelten gegen ihr befr^njtee ^abrjeug, 
bae — flatt grinfenber Heufetefratjen — 23 lumen= 
Betten wibergefpt'egelt in ber liefe begleiteten . . . 

■ST^rum jauchjte ihr erlofieö, banfbaree <oerj. 
Unb bie <o<£nbe in bas ©piel ber Schmetterlinge 
gebreitet, flanb fte in ihrem weiten luftigen ( 25 e* 
wanbe, t>om Äbeinwinb umfächelt, mit feiben- 
gl<ün3enbem ^>aar auf bem 2 >ecB unb weinte. Unb 
bie glöcBfeligen £r<$nen fielen in ben heiligen Strom. 
(Dbwobl nur ein leichter £ufrb<uich webte, blühte 
fich bas burcbfonnte tTJarienfegel leuchtenb über 
ihr, als wenn ce $erfpringen wollte. 

2lber wenn ber VUinb fie anfangs nicht rafcb 
genug t>on Silb 311 immer wechfelnben Silbern 
fortreißen Bonnte unb ihre uorausfiegenben Sinne 
t?on ££inbrucB 3U ££inbrucB jagten, in ber (Dual, bie 
^ulle ber tUelt nicht eintrinBen ju Bonnen mit einem 
einjigen aüumfpannenben, bie unter bie tUurjeln 
greifenben SlicB, fo Bam nun eine rubeooüe ©amnv 
lung über fie. Sie war unterge tauchten bie offen 
barenbe £iefe bes Äaufcheö. Unb wer einmal mit 
bem Übermaß bee trunBenen 2 tugee gefchaut bat, 

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fchweifr nicht mehr in 6ie Weite, um aue 6er 
Summe 6er f£rfd>einungen 6ae berbebutragen, 
wae jenen &e|t r>on Erfüllung gibt, 6en alles f£n6 
Iict>e unferer Sebnfucht fchulbig bleibt. 5Denn es 
gebort bas oergrof ernbe 2tuge 6er Hiebe 6a3U, bas 
allein richtig fleht, über 6ie tote (Begenflclnblicbteit 
hinaus 3U ernennen, was 6ie Piflon 6es ÜDings un6 
fein leQtee Wefen ifi. 

iDarum lag ihr Schiff nun überall trdumerifch 
uor hinter, wie jemanb auf 6er ^>eimatbci6e liegt 
un6, gebun6en im traben, bocb 6ie Fimmel bejl^t. 
2Mid*te bas Wunber 6er flatur nicht aus 6em 
2luge 6es ^oblenbirten wie aus 6em Kirchhof am 
StromV 3Der Tautropfen, 6er aus 6em Hiebfrau= 
mantelblatte rollt, legte bas Uniperfum in ihre 
<£anb. 3n 6er bärtigen Richte auf gebohltem ,$els 
ritt 6ie ganje Pbantaftif 6er CErbe. Sie nernabm 
in 6em 6oppelten Schwung 6er 6en Stromlauf 
umbiegen6en öergfcetten 6ie ITJuftf 6er Welt . . . 

2lber anflatt 6er Weltlujl in 6ie 2lrme"3U jleuern, 
lanbetejle an einem gan3 anberen Stran6. 

3 e rolltoniger ndmlich Hclben un6 fernen auf 
ihrer reid>befaiteten Seele fpieltcit, um fo weniger 
lu6 fle 6er Schauplac? 6er 3auberifd>en Stun6cn 
3um wohnlichen Perweilen ein. 2lls ihr 6er (Bau 
graf, auf 6er umpbütfcberten Ufertreppe feiner oon 
ölüten umfponnenen Pfal3 jlebenb, erfldrte, an 
ihrer Stelle wür6e er fleh an rheinifchem Kebe»t= 

J35 


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hang einen fomtigen VPttwenfit? erbauen, entlegnere 
fte Bopffcbüttelnb: 3n ber Äircfce wohne man nicht, 
llnb fld) bem Hiebflen $u uermähltn, fei ber Hiebe 
lob. 5)enn bie (Bmabe ber Piflon werbe nur 
einmal gefchenft, unb (Gewohnheit uertreibe bie 
(Seiner beo ©chonen. 3Der (Geifl bee ©chonen aber 
müfie (Bott felber fein, ba nur (Gottlicheo aufblühen 
fonne $u fchoner iBrfcheinung. 

©o führte ftc bie einmal erlangte liefe, bie ein 
(Grashalm fie gelehrt, 3 ur Ziefe überall. Unb balb 
erfuhr fie bas letjte (Geheimnis. 

££s war in einer tTJonbnacht. ©id> über; 
fchneibenb faßten bie fchwarjen Serge bcn ©trom 
in einen ©ee unb wie ein (Geiflerfchiff flieg bie 
Pappelinfel aue ber ^lut, überflimmert t>on ©ter= 
nen . . . (Geheimnisvoll raunten bie Wellen im 
©chilf, unb einfame ^üttenlichter erglommen unb 
ertofchen rings an ben ©d>rägen ber walbigen 
<J>oben . . • Salthilbio fcbaute von bem ihres 
fchaufelnben ©chiffes in bie leife verfchleierte 
Kunbe, unb mailid>er VDohlgeruch mifdjte ih* aus 
(Golblacffüße, herbem (Brün unb tÜafferfeuchte 
einen h*m»tilifct>en £ran£, währenb fern unb nah 
bie Nachtigallen aus bem ÜDuft berüberfchluch 3 ten, 
in ben fich bie (Gebirge allmählich aufloflen . . . 

3n leudjtenbe ©eibe verwanbelt, fcbwoll bas 
tTJarienfegel, in bem ber tTJonbfchein lag, aus 
bem 5Dun£el — ju <£>äupten ber überwältigten 

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©chifferin. 5u ihren ^u^ett aber fchwamm ein 
blenbenber ©chilb non bleichem ^cuer auf ber 
^luf. Unb w^hrenb fte jwifchen ben beiben 
©piegeln überflicfjenben (Blanke in ber £Tad?t 
ftanb unb in bie raufchenben Waffer flaute, mit 
benen fchon fo nieles iTl&tyrerblut unb auch ihre 
eigenen frommen Irenen ftch nermifcht, fchien bie 
Welt auf einmal ben 2ltem anjuhalten . . . 5)ie ©tro= 
mung blieb ftilleftehn, plOQlid) friftallflar bis in 
bie£iefe, unb im (Brunb ber Wogen erblicfte fie — 
bas Bntlics (Bottes. 3Die <o<$nbe nor bas 2lngeftd?t 
fd>lagenb, brach fie in bie Äniee unb hob bie 2lugen 
nicht, bis ber Had?tigallenjubel non neuem einfetjte 
unb ber ewige ©ang ber Wogen tvieber ju rauften 
begann . . . 

3Da beenbete fte ihre ,$ahrt unb reifte in bas 
ittarnetal, um in ber 2lbtei nom Cheües, bie fte 
felbft gegtrunbet butte, ben ©dreier ju nehmen. 

Äeine Projeffion funbigte fie an, bie unter^ubeb 
liebem, Weihrauch unb Äersenglanj etwa (Bebeine, 
ein 2Meib, bie wunbertätige Partifel eines ^eiligen 
ober gar einen ftagel non Chrifti Äreu$ in ebel- 
fteinbefetster J Habe in bas begnabete IMofter uber= 
führte. Unb bie Tonnen ihres Ilieblingsftiftes 
wunberten ftch nicht wenig, bafj fie non feinem 
ber bochwurbigen öifchofe, bie fte in &oln, in 
tTJain$, in ©trafjburg unb Äonflanj befucfct hatte, 
bas (Befcbenf eines Äeliquienftucfes mitbrachte. 

J57 


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tTfd)t6 folgte ibt, als fie aus feer ©<Jnfte ftieg, 
als ein YDagen, feer eine robe IConne trug. 

2lber bas ^olserne 5^ßktn, f ,e *>on ihrer 
Äbeinfabrt mitbracbte, t barg ein wunbertdtigeres 
(Bnabenmittel, als feie llberrejle aller ^eiligen. 

JDenn ab bas Äbeinwafjer, mit feem es gefüllt 
war, unter feen b^ngenfeen Sweigen feer Slutbucbe, 
feie mitten in feem (Barten fees Äreujganges ftanb, 
in fupfernetn Sec fen fpiegelte, fea jeigte es fid), bafj 
wer ficb über feen J\anfe feer ©cbale beugte, — bas 
Slntlitj (Bottes im (Brunfe feer tDelle fab- 

Unfe non feer ^eiligfeit fees Äloflers jlrablte ein 
Hiebt aus über feie franfe VPelt. 


J38 


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Bet gläfetite 6itfd) 

„YDie fomme ich ebler tTJenfch unter biefe 
Sauernlummel!" ^atte 2lmt0rid>ter ilynfer beim 
JLiebeomabl laut unb pernehmlich ben Äetlner ge> 
fragt — mit bem Erfolge, bafj er auo bem Greife 
ber oftelbifdjen (Branben atebalb in ben VDefler* 
walb perfekt mürbe. 

£ßr 3trar erbliche eine (Bunjl barin, in ben 
„TDejlen" t?erfd>Iagen worben $u fein, unb erflanb 
ficb TVrobuch nach ‘Derobuch, im ^ntsucfen über 
bie golbene < 5 ejtnnung biefer ilanbbewohner unb 
bie Wellenlinien ber (Bebirgolanbfchaft, bie er jebem 
öauernweib am ÜDungwagen, wie potn Jelbberrm 
bugel herunter, in ber ,$^ne 3eigte. 

2 tber fonjl ging unter ben ©taatebienern bes 
(Drteo ba© Sprüchlein um: 

„ 3 d> wein’ mir fajl bie Äuglein rot! 
tTJein ©chats, ber muß nach ioeutjenrotb." 

Unb ab ber jüngjie ©efretdr beo (Serichteo flolj 
an ber ©eite beo ihm eben angetrauten ^raud?eit0 
bem künftigen ittyfat 3ufutfchierte, ba fprang 
ihm bao funge hubfche 2 )ing beim Slnblid? ber 
paar <J><£ufer, bie fleh ba im ©d>nee verloren, auo 

159 


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bem ©dritten unb wollte allen $£rnflcs burch iBis 
«nb ^locfen treiben wieber beimlaufen. 

3 m (Brunbe lebte man in bem £>orfe nicht beffer 
unb nicht f dichter, als in anberen borf lieben 
fTejtern, in benen $wifchen ben tTJiflbaufen ber 
Säuern ein paarSeamte wohnen; wo nachts noch 
feine Hatemen brennen, weil es naefo einem 2lu8= 
fprueb bes ^Rriegeroereinsoorflanbes eine febr ge= 
funbe turnerifche llbung ifl, bei (Blatteis ftcb feinen 
Weg im iiDunfel 511 fueben; unb wo bie ndchjle 
Sabnflrecfe, auf ber nur tragen britter unb oierter 
klaffe uerfebren, auf ©chuflers Wappen in einer 
©tunbe ju erreichen ifl — fofem man nicht ein 
febneit, im Äegen erfauft ober auf ber baumlofen 
Safaltfhraße am ©onnenflid) barnieberjmft. 3 Die 
mitfublenbe Srufl bes ^Itnerifaners, eines einge- 
feffenen (Baflwirtfobnes, ber burch einen Sie r= 
(Tafchenpatentuerfcbluß bruben jum tTJilliondr ge* 
worben war unbnoeb alljährlich w^brenb ber3<*gb‘ 
$eit in feinem Heimatorte Hof hielt, batte bas £os ber 
Seamten freilich einigermaßen gelinbert unb etliche 
H^ufer bingejlellt, bei benen Äuche unb Schweine* 
(lall nicht unter einem fcacbe lagen, unb felbfl ber 
ILbeon bes Haufes nicht mehr als ©chilbwacht= 
bauschen braußeit neben ber 3au<benpumpe (lanb. 

Wer auf ein paar ©ommertage in ber alten 
(Bajlwirtfchaft einquartiert war, in beren ^enflero 
bie wilben Äeben fchwanften, fonnre natürlich 

J4c 


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nicht begreifen, wie man es in biefem 3byÜ nicht 
follte ausbulten Bonnen, wo bie &otfcbw<Sn$cben 
in ben (BericbtsaBten bauten, unb wo man morgens 
vom Sette aus feben Bonnte, wie bie 2lebe bruben 
dfenb am tUiefenbang ffanben. ©tunbenlang 
wanbert man, obne einer tTJenfcbenfeele $u be= 
gegnen, nur begleitet von bem Hieb ber £ele> 
tjrapbenflangen, bie jld) enblos in bie VOeite jieben. 
über Reiben mit ihren ^»unenblocBen! iDurcb Sa= 
faltBrater, beren (Drgelpfeifenfdulen aus febwarjen 
VFaffern aufjleigen, in benen bie gelbbaucbige UnBe 
Blagt . . . VDdlber über ftd?, bie wie (Botterbaine 
auf ben Äuppen fleben . . . 2ln bacbburcbriefelten 
i£rlgebol$en bin, in beren violetter ^Dämmerung 
ber ©eibelbafB blubt unb bie mobnblaue ^olstaube 
gurrt . . . 3Das $brenmeer entlang, in bem bie 
Äoggenfrauen ftcb wiegen unb biegen wie ©er= 
pentintänjerinneninbuftigenÖcbleiergewdnbern. . . 
Unb bie (Drtfcbafren um bie SergBegel wie boebge- 
türmte Surgen . . . 3Der erjgl^njenbe ilicbtgurtel 
um bie ^erne . . . JDie großen (Blocfen ber 4>eibe- 
bueben, fo boeb von ber <£rbe, als eine ©d?af 
berbe fie abfreffen Bann . . . 3Die ^latterlaute ber 
2M<£tter! 3Der <Blan$, ber über bas (Bras ber i£rbe 
läuft! Unb bas ewige TUinbesraufcben wie ein un- 
jtcbtbares tTJeer . . . 

tfJenfcben aber, bie in ber £7atur leben, ver= 
Bebren nicht mit ber tTatur, wenn auch bie ?lpfeb 

J4J 


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b4ume wie treue <5>unbe bie ©trafjenrdnber be= 
gleiten unb flct> jebem jur (Befellfcbaft anbieten, 
ber norubergebt; bie Walbjlämme ben ©pa$ier’ 
gdnger fofort in ffurmifcbem Werben umfcbliefjen; 
bie Wolfen ftcb nor bie ^enßer legen wie wartenbe 
Rutfcben; unb Reefen unb Wege, Reifen unbS<£cbe 
rufen: ©ieb micb, flef> mich! 2luf ben Poflfarten 
ber (Bajftvirte, bie ben ^elbgerud) in ber Rocf= 
tafebe tragen, prangt flatt ber £anbfcbafc ihr nücb : 
ferner Sacfjleinfaflen; unb auf ibren ungebeeften 
lifeben (leben wollene Slumen. JDer Sauer, ber 
mit <£>eu unb <5>erbe unter einem 3Dad>e f<bl£fr, 
nerjttjt feine <5>ofen in ber (Bericbtsjfube. Unb bie 
anbern — V Pielleid>t bnt mancher non ihnen in 
feiner guten Seit ben Wertber in ber SEafcbe ge= 
tragen. 2lber eo wirb feine $artb<£utige Sirne auf 
ben Wejlerwalb nerpflanjt, beren ©cbale nicht 
fcbliefjlid) ju hartem Heber wirb, unb nieleo f<bl&ft 
ein inmitten einer Senolferung, bie (teb ben lieben, 
langen Winter bamit befeb^ftigt, auf bao ©<bmel= 
3en bee ©djneee $u warten. 3Die einigen aber, bie 
ben Ropf in bie Hanbfcbaft beben mochten, bie 
armen Ruhe, bie falben, tTJilcb geben unb fahren 
muffen $u gleicher Seif, werben unter bao iDoppeb 
jod> gefoppelt, baf jie ben Slicf wie wabnjtnnig 
in bie f£rbe bohren. 

Hur ber junge Rechtsanwalt Sorfenbagen batte 
in ben fünf fahren, bie er Piebprojeffe unb flach-- 

142 


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barh<htbel fuhrt*/ von bent tt>e(terwalbe nichts 
weiter angenommen, als eine immer größere ©title; 
unh wenn er aud) r*on feiner mit Aachen erwachen» 
hen unh mit £ad>en einfchlafenben ^rau fehr ver» 
fchieben war, fo wußten jtd) hoch beibe harin einig, 
haß hen verfeinerten tTJenfd?eit eine tPelt von hem 
Säuern trennt. 2 Dentt wdhrenh er auf hen ein» 
fatnen, geisblattverfponnenen tPalh wegen 311m 
dichter geworben war, brachte ^rau XLy einen 
Hebensftil mit, her fid) rom ÄimfHerifcben nid>t 
weit entfernte. Eine alte rheinifd?e iraubenhoferin 
hatte vor hem hamaligen Sr<Umgam fchon hen 
Par3enfinger erhoben: „TOo herfe ©e bann fo e 
fei iDam enuff uff he TPeflerwalb fchleppe bei hie 
Äibbauern, wo (ich hie ©<£u um hie ©onn beiße!" 
Unb hariit h<ttte fte recht. ÜDenn wer hen Säuern» 
Mittel nicht an3iehf, höt unter Säuern einen fdnveren 
©tanh; unh ^rau Hy liebte hie Äucffehr 3ur Hatur 
nicht bis hahin, wo man fein Heimweh m hie 
©churse fchneust unh hen ©uppenfroppen warm» 
(teilt im ungemad)ten Sett. VDie fte tapfer gegen 
hen ©d)lo(fer f impfte, her es als eine Seleihigung 
gegen gan3 ^eutjenroth anfah/ haß fle ein ©chloß 
angebracht höben wollte, um nachts hie ^atisture 
3U verfchließen, fo mt'eb (le auch has CSefeUfchafts» 
leben, has harin beftanh, haß hie „iDamen" mit 
breitem Sucfel, auf hen Ellenbogen liegenh unh 
hen iDecfelfrug vor (ich, in tabafsqualmerfulltem 

143 


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tt?irre 3 immer neben ben tH^nnern um ben langen 
ungebecBten ^Etfd? herum faßen unb aus t>er* 
fchmierten TPachstucbbuchlein Jß-ieber grohlrm 
ober in heftiger <£>aueblufe auf ben Äegelfchub 
jogen. 

5u einem förmlichen Sollwert gegen bie T>er< 
bauerung aber gefaltete fte ihren eigenen <bauebalr, 
in bem bie auf bae ßoffelchen, mit bem man ben 
SucFer umruhrt, unb ben feibig burchfehienenen 
ßampenfehirm jeber (B»egenfBanb ein ÄunfBwerB 
war, fo baß ber <$>err (Dberlanbeegerichteprdftbent, 
ale er auf ber Äeoiftonereife feine Aufwartung 
machte, nicht erftaunter h<hte im Türrahmen flehen 
bleiben Bonnen, ale wenn er in einen gezauberten 
Serg geraten wehe, Selbfl ber gluhenbe ^elb= 
mohn, ber in feiner ÄrifBaUBugel mit ftchfbaren 
©fielen immer auf bem fßßtif che flanb, war ihr ' 
manchmal uerleibet, weil ee eben AcBerblumen 
waren unb Beine Äofen. Schließlich pßanjte fte 
3 war all bie eblen Sorten: bie lachefarbene tTJa= 
bame Abel Cbutenet, rofa umfdumre weiße Sour= 
bonrofen, bie fafrangolbne tTJabameÄaoary; aber 
nur fTCabame HrufchBy, bie SchneeBonigin, Bam 
auf in bem fchlagenben tüinb unb Äegengepeitfch- 

XDie ihre Äofenbeete inmitten ber ÄubemücBer 
ber (BemarBung unb ber Oraeghten bee 3Dorf= 
beringe, bmttr beren ßattemaun Sonntage bie 
Äuhe weibeten, fianb fte felbft unter ber HZin- 

J44 


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i 


wohnerfchaft. Wan Bann es einem ÄofenjBrauch 
nicht gleich anfehen, wenn er nicht Brdfrig Wursel 
gefchlagen hat im iErbreid). 3m erffcn 3<*ht borrt 
eine Änofpe unb im 3 weiten 3<tht eine. t>erein$el= 
rer werben bie Äofen unb faft 3 U fd?wer für ben 
matten ©fiel. Unfruchtbare WafTerfchüffe treiben 
hoch unb bie 2lugenreben bleiben 3 urücB. Hur ber 
(Bärtner jteht, baß er nid>t w£chjl, fonbern rege« 
tiert. 

0o war auch ^rau £y an ber Wursel BranB. 
tDie ©tille lajlete auf il>r mit bleiernem JDrucB, unb 
bie ^infamBeit benahm ihr bie üebensluft. 0ie 
war $u gefellig, als baß ihr ein Sud? ben Wen- 
fchert erfe^te, unb ofme bie <25efellfchaft bes tTJdb* 
chens graute fte ftch in ihrem eigenen *^aus. Allein 
auf unbelebten Wegen $u ftreifen, w&re ihr er« 
febienen wie ein ^all in ben Weltraum, unb wenn 
jte mit i^rem Wanne hinauswanberte, ben fte mit 
Seruf unb Äunjt teilen mußte, fo freute jte bes 
feltenen Sejtises jtch fo unb^nbig, baß ihr vor 
fragen unb 0agen unb ©icherleben 2luge unb 
®hr festen für bie tlatur ringsum. “Vielleicht 
war aud> geheime ££iferfu<ht im ©piele, weil fte 
merBen mochte, wie er in jeber i£rfcheinung unter« 
ging, gleich ovibifchen Götterlieblingen, bie jtch 
verwanbeln in Saum unb ©traud). 5)a war er 
ihr plötslid), obwohl fte bichr vor ihm flanb, auf 
geheimnisvolle Weife entfehtvunben in ein Keich, 

JO Stfrntifrg, T>on Srtutx jraufii flitö genannt J4S 


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wohin |te nicht folgen konnte, und ße fab ßch ein» 
fam, hilflos und grauend einem iDoppelwefen 
gegenüber, das ihr eben traut und eben fremd fern 
tonnte. 

£>ann faß er da oben, wo fie ihm den fchonften 
Äaum des Kaufes hergerichtet hätte, und ließ ihre 
£and los; wußte nicht mehr, daß ße es war, die 
ihm in das große dreiteilige ^enjler die ganse Hand» 
fchaft gleichfam hereinholte; die ihn mit Äelim» 
portieren und Polßertüren gegen jede Storung per» 
fchanjte; und ihm die ££rde 3 ugelegt mit weichen 
Teppichen, daß der ilaut feines eignen Schrittes 
ihn nicht hindere, die Stimmen der Stille 3 U hören 
und ihn 3 urucfriffe in die <2>afr l>er Umwelt aus 
pißon^ren fernen. Und ihr VDirten und IDafein 
erfchienen ihr ßnnlos. VUie haßte ße diefes weit» 
abgefchiedene iDorf, wo einen feine tTJenfchenfeele 
erreichen tonnte — diefes <baus, in dem ße pon 
dem ewigen CEinßsen fror wie ein £Eis 3 apfen, ob» 
wohl öie <bei 3 ung tt>£rme ßromre, daß die tX>4nde 
pon Sprüngen 3 erriffen. 

Sie übernachteten einmal in einem <25ebirgs= 
hof pi 3 , das pon Eisbergen um 3 acft, drei Viertel 
des 3ahres in Schnee gepaeft liegt bis unter das 
2>ach, daß fein ^ohfeuer die &<$lte aus den Stein» 
mauern treibt, und die Reifenden, in wollene 3Decfen 
gehüllt, froßelnd im 23 ette liegen wie in (ßlerfcher» 
fpalten — da hatte er wenigßens die <oand auf 

14 6 




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ihren Rüden gelegt, bie Warme, warme <J>anb, bte 
jle nod? immer in (öebanfen bafür fufjte. 

©ie lachte nicht mehr . . . 

2lber eines lEages Üam (Ie mit einem iEntfchlufie 
beim . . . 

2ln ben ©chollen(lol 3 ber &orfgemeinfthaft wagt 
fo leicht niemanb $u rubren. tt>er baju gebort, muß 
tun, als ob ber (Drt, an ben er juf&Uig uerfd? lagen 
iji, ber lieblichfie ^lecf ber £rbe für ibn fei. £>a= 
rum batte ,$rau Hy geglaubt, ba(j fie mit ihrem 
©d>id?fal allein (lebe. 2 lls (Ie aber eines ©onn- 
tags ber ^rau ihres 23ürot>or(lebers, ber bas er(le 
Rinbeben geworben war, einen ITrauerbefud? ab= 
(lattete, ba horte fie ben ©d?rei ber f£infam£eit, 
ben fie felbfl im tieffien <berjen rerfchloffen, aus= 
brechen in lauter De^weiflung, unb (Ie mufjte ben 
©d>leier auf bie ©tirne febieben unb weinenb auf 
bas feine öatifltafchentucb beiden, w^brenb bie 
fd?war 3 gefleibete tTlutter in Cobesbldflfe uor (Ich 
bin wimmerte über bie langen 2lbenbe, bie nun 
wieberf ehren würben; bie VDintermonate, ba man 
(Ich morgens frage, warum man (Id? uom Hager 
erbebe; über bie f£reignislo(igfeit unb la(ienbe 
©rille (Id? ewig gleichbleibenber läge, ba man 
(eben Regentropfen boren muß, beraufbas^en(Ier» 
blech f<Ult, unb allein fei mit ber nagenben tttaus 
im buntlen tTeben 3 immer, ben Räu 3 en auf bem 
abge(iorbenen 23aum unb bem b*ul*nben flacht* 

10 * J47 


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wtnb. SDenn mit 6cm Äinbe fei ihr alles fort- 
genommen, was fle habe, unb hinter 6en tleinen 
,$enßern tonne fle je^t triebe r fttjen an ber menfchen» - 

leeren Strafe, trie inmitten einer flucht non <25e» 
f<5ngni0jeUen, in benen alle frier fchlafenb b»n* 
bdmmern unb feufsen — allein unb tinberloe. 

„Allein unb tinberlos!" Wir bicfgefchwoUenen 
2lugen faß ^rau Hy am 2lbenbtifche ror ben fralb 
jugejogenen 0actleinenrorb<£ngen, in beren n4cb ; 
tigern 0palt bae (Cbrißuebaupt bes jerßießenben 
Wonbes über ih* fcbwamm. 

„Warum fraft bu geweintV" 

0ie legte fanfc bie <J>anb auf feine &anb unb 
fragte, ob ee ifrn ßore, trenn ße £enji Prigge unb 
bie kleine einmal einlabe V 

„2?ann laffe id> auch ^ans mitfommen . . . 3cfc 
febne mid) nach einem Wenfchen!" 

„fEinß baß bu gefagt, ich fei beine Heimat," 
unb bas Äinn jucfte ibr. 

„5)u braucbß ein weibliches Wefen, unb ein 
Wann braucht jutreilen einen Wann . . . Wir 
beibe ßnb basfelbe . . . Wir erweitern uns 
nicht-" 

„3ß non beinen lebten Werten nicht eins fchoner 
unb bebeutenber geworben als bas anbereV" 

2lber er fchöttelte heftig ben Äopf unb rer» 
wunßhte ben (Drt als eine Wuße, beren lEobes» 
ßiüe alle 0timmen bes 3nnern jum Perßummen 

J4« 


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bringe; unb auch bae gähnenbe tTIenfcbenvolt utw 
her mit jenem (Bang wie feine 2\ühe, bas ben 23eflen 
fchließlid? tnube unb fchläfrig g ähne. <Dft fehle 
ihm fchon ber 3Drang, bas 25ilb aue bem 3 locfe 
$u hauen, bae bie ©eherfhmbe ihm aufgebecft, unb 
bie ££rfcheinungen verblaßten, ÖJine tttafcbine aber, 
bie nicht in lätigfeit gehalten werbe, muffe enblicb 
einroflen. Unb wie biefee erlebnielofe 3Dafein <Duel= 
len in ihm wecfen folle! 2tud> feinen ©tanb ver= 
wunfchte er, ber $ur ££ile brängenb hinter feinen 
©chaffenejhmben flehe unb ihm immer nur ein un= 
gefähree Silb ber T>ifton aufe Slatt ju werfen er- 
laube, bae ber ©chärfe ber X>ollenbung entbehre; 
unb ber in ber emflgflen Seit, jwifchen ^aben unb 
,$aben immer unb immer wieber in bie Iure träte 
unb bae jarte VDeb jerreiße, wie wenn man einer 
©pinne bae Vlet$ fo lange jerflore, bie fle nicht 
mehr fähig fei r fleh neue ^äben aue bem Heibe ju 
jieben. 

3Da hielt ihn ^rau in bem flurmifchen 2fuf= unb 

2f bgehen an, inbem fle ben 2trm in feinen 2frm fchob, 
unb erinnerte ihn baran, wie ihn tTJänner ber 
(Broßjlabt glucf lieh gepriefen, baß er nicht im engen 
Sitfel von Literaten lebe, fonbern im (öanjen ber 
wirfenbeit YDelt. 

„TUae in aller Weit aber habe ich von folchen 
C£feln, bie meinen, baß fle bochgeiflig mit mir reben 
mußten, unb ftch fchließlich felbfl für ©ch&pfer 

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kalten, Me nur nickt trie Mefer , 5 aulenjer‘ (Boetke 
Me Seit haben, jeben üfinfall nieberjufckreiben! 
(Beb mir mit tTJdnnern bes lalars unk 6er (Be* 
fckiftigfeit!" 

0ic fragte ihn, ob er glaube, baß fte einen lag 
langer hier bliebe, t»o fle nickt begraben fein muckte, 
trenn fte nickt gefunben ketten, hier fei fein <£le= 
ment — trog allebem. 

„tt>enn nur nickt jebe Äealit£t auf biefem leeren 
0ckauplag fick riefenkuft t>or einen fieüte; jebes 
(Ber^ufck in biefer (BrabesjWle ben ganjen Welt* 
raum erfüllte! <J>abe ick hier je etwas empfangend 
'jknmer abwebren unb abwebren unb bie 2lrme 
flemmen gegen JDinge, bie mick nickte angeken unb 
mick erbruefen!" 

0ie 30g ikm bie ^anb, bie er ror bie 0rime 
fcklug, rom (Bejickt unb 3wang ikn, fte an$u< 
(eben. 

„Unb ickd 3 Die mit ausgefpannten Firmen t>or 
beiner Iure tUackt k&t unb bir Ä<ümpfe erfparr, 
bie fonji ber ritterlicke (Batte für feine ÜDame ftckt! 
tTJockteji bu einmal einen lag bie ittyrmibonen ab* 
webeend 3ck übernehme gern bas dickten!" 

3 Da mußten jie beibe l^ckeln, unb fte fegte ibm 
bie Vorteile ihres juruefgejogenen ÜDafeins in ein 
freunblickes £ickt; bewies ibm — immer mit ffcrei* 
ckclnben <J><Snben — wie oft feine 0 ckw< 5 ne fckon 
iEnten gewefen, unb nannte i kn ityr 2Mnb, bas fle 

J 5 o 


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noch immer mehr beh&ten unb betreuen möffe. 
flur unter tTJenfchen muflfe er mehr. 

freilich fein alter 3ugenbfreunb 4>ane Prigge, 
ber bem tDeflerwalb bie fchieferbefleibeten, f&uber« 
liehen 25al>nböfe mit tiefherabreicbenben ÜDadv- 
helmen unb grunbemalten £<Üben t?erfd>afft batte, 
bampfte wie gewöhnlich auf iDienflreifen im ilanbc 
umher; unb £en 3 i tarn mit bem kleinen blonben 
£od?en£opf allein, ^rau Zy, enblid) wiebe r einmal 
in guter (Befellfchaft, war burchrotet wie ein &ofen« 
blatt, unb 3lelein auf bem Schofj unb bie ^reunbin 
auf bem Sofa neben ftch, lub fle alle im füllen auf 
gehäuften ^ausfrauenforgen unb ben gan$en Berg 
ihrer tragifomifchen Erfahrungen aus bem Zanö- 
leben t>or bem uerfiehenben Äulturmenfchen erlojl 
oon fleh ab. TPas bie Stabt automatifch t>erab= 
reidyt, flnb hkr nämlich ^etneleutepofTe«, unb nur 
mk bem grofj ten Energieaufwanb l <£fjt fleh burd>= 
fetsen, baf? ber B<£cferburfcbe bie Brötchen im 
Beutel bringt unb nicht in ben <£>ofentafchen. Be= 
banfen mufj man fleh, wenn fle einem überhaupt 
was bringen. B<£d?er, Barbiere unb tPirte gibt es 
nicht. Sonbern bas eine ifl 4 err Hommerich, ber 
aus (Befülligfeit auch femanb ein Brot uberldfjt; 
bas anbere ifl <5>err Äolwinger, ber aus ,$minb« 
lichfeit auch <oaare fchneibet; unb ber britte <£>err 
<5>oljappel, ber auch einmal als (Saflwirt aufwartet, 
fofern er nicht gerabe 2Mee hdmjuholen hat- Vt>ar» 

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um nicht! Seainte unb Ähnliches X>olf jlnb ja nur 
hergelaufene ^ungerleiber gegen ben Säuern, unb 
wenn er auch nur fo t»iel(Brunb unb Soben beftQt, 
wie ££rbe in einen Slumenropf gehr. 

Unb bie iDamen tarnen auf T>oltswirtjchaft unb 
Äunft unb (Batten unb Äinb; unb 3 lslein rutfehte 
non bem Schof herunter unb fielite jtch ror bie 
funtelÄugige Stau SLy , bie jtch ihre italienifche 
Äeijebecte ans terrafottafarbener Seibe umge= 
fchlagen hatte, unb jagte: „£anti, weift bu, hier 
tjl’s wie im Himmelreich unb bu bijt bie ^rau 
Königin!" (Dnfel Sortenhagen aber, obwohl er 
jtch felbji (Beneralpermef erteilt hatte, in feiner 
Älaufe 3U bleiben, tonnte bem ungewohnten 2Uang 
ber tTJenjchenfh'mmen im Haufe nicht wiberjlehen 
unb tarn herunter; unb er mufte mit ^ftelein um 
bie tUette laufen, über bie (BrÄben fpringen, unb 
bas febnige JDing fchof wie ein tüinbjpiel auf*bie 
liefen uoraus unb 3urücf, mit hoch aufgeworfenen 
Äocfchen. ££r machte ihr aus tUohntnofpen rot* 
roefige tTJefbiener im (Barten, w^hrenb ihnen ber 
5rofch auf bem Äanb ber Äegenbutte 3ufchaute 
unb Schmetterlinge jtch an bie Hauswanb festen, 
wanb ihr rofane tUicfen ins Haar, lief ihr ben 
(Duecfjtlberrropfeit aus bem !Rapu3inertrejfenblatt 
in bas gehöhlte H^nbchen rollen, unb bas balloenbe 
2 )ing mufte bie flaturwunber gleich iTJutti unb 
lEanri rorfuhren, unb es war ein 3«bel im Haus, 

J 5 2 


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als wenn bie Heinzelmännchen aus allen $£d?en 
heroorfchlupften unb auf Creppen unb (Eifchen 
turnten unb Polta tan 3 ten. 

Aber auch bie Hanbfchaft entzauberte jtch, wenn 
23ortenhagens (Sdjte Ratten. 5?ann erfdn'en ihnen 
bte ganze (Segenb wie ihr eigner Part, bejfen 23ejuz 
ihnen an ber Seite bes mitgenießenben tTJenfchen 
ein grenzenlofes Äeichtumsgeftthl zutrug. Unb Frau 
£enzi mußte bie tödliche Iluft probieren unb fagen, 
ob jte nicht wie ein irunt aue 23ergqueüen fehmeef e; 
fle mußte uor ben wilbgeformten Apfelbäumen 
jlehenbleiben unb beipflichten, baß jeber feinen per- 
sönlichen Cbarafter habe, wie ein Ülenfd?; jte muß te 
fleh an ben&leeblattfchnttenbertPafferfpinnenim 
iichrbraunen Sache mitentzücten; mußte heutigen, 
baß man auf biefer welligen Hochebene mit ihren 
tTJulbenfchatten unb bleich fleh in bie Ferne wie» 
genben ^ugelfetten wie entforpert über ber f£rbe 
fchwebe; unb muße bie ^arbenfreubigfeit ber UDelt 
mitentbeefen an biefen 3Dorflein mit ihren roten 
Scheunentoren, fchwar 3 unb weiß gefelberten (Sie» 
beln, ihren bunten H<$h nen, golbenen 3Dunghaufen 
unb bis auf bie CErbe reichenben Hloosbächern — 
non lEannenpinfeln überragt . . . 

Als es an bie Abreife ging, flammerte fleh hie 
Äleine an beibe grauen an unb fchluchjte bitterlich. 
„3hr lieben Frauenzimmer, ihr 3 wei lieben Flauen» 
Zimmer," fchluchste jte immerfort unb beruhigte 


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f!<b «ft, als ihr ber d>n£el einen moojlgen &ofett= 
gaüapfel brachte, ber, unter 600 Kiffen ihres 23ert- 
ebene gelegt, fte nach ibeutjenroth $urücf$aubern 
follte. ' 

Kinber wiffen um bas tttuttertum im TDeibe; 
unb ^rau Üy |>dtte am liebjten geweint, als bie 
fleinen Ärmchen fte jum 2tbfct>teb umbaljten. 2tls 
ber ÜfUttebnmmer bes öimmelbähncbens hinter 
bem (Tonfelbeinfcbnitt uerflang, fiel ein grauer 
©dreier über bie tDelr, unb nur bie träumenbe 
Erinnerung Üehrte mit bem febweigenben tTJen» 
fcfoenpaarejurüd? in bas jtillgeworbene 4>aue. Hange 
Seit oerweilte fte bei ihnen, wieberbolte ihnen abenbs 
bei ber Hampe liebe tDorte unb ließ (Bejtalten ein, 
bie als ^ausgdfte mit ihnen beratfcblagenb unb 
plaubernb 3ufammenfaßen. 3Das tPicbtigjte aber 
war, baß fte eines (Tages (Dtto Kortenhagen ein 
f^eftmit unbefebriebenen 2M<£tternauf bem 0cbreib» 
tifebe auf feblug, bas ftcb allnnüblicb anfmg ju füllen; 
unb er muß te es oft in fpdter £7ad>t, wenn er trot? 
feines leifen (Trittes ^rau Hy beim Subettegehen 
aus bem ©cblafe gewec£t batte, noeb berüberholen 
unb oorlefen, was er ben (Tag über barangefebrieben; 
unb oftmals fcblief bie warmwangige ^rau mit 
bem <£>eff nm ^>erjen ein, l<$cbelnb, als wenn fte ein 
Kinb im 2lrme hielte. J>as bauerte fo lange, als 
bie Erinnerung ben 3D<$mmerfd>ein $u perbreiten 
imjtanbe war, ber bie Nufere Welt umnebelt unb 

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aus bem Wenfcheninnem eine anbee emporbebt. 
2lber bie beiben Welten impfen ewig miteinanber; 
unb juletjt brurft | 1 ch immer wieber bas ( 5 c|tcbt 
ber Wirtlichkeit an bie Scheiben, unb ber Cräumer 
muß aufmachen unb blief t wieber in bie alte Welt. 

SDann kamen bie einförmigen Cage wieber mit 
ihrem ewigen Slueblicf auf bie einfamen, menf ehern 
leeren ^idchen, in bie nicht einmal ber Wedjfel ber 
3abreö$eiten einen Unterfchieb bringt, nur baß bie 
<5>afen Sommere im Staub unb Wintere im 
Sch»'« ber Hanbfhraße fttjen; ee kamen bie 
langen, einfamen Wochen, in benen man faß bae 
Sprechen »erlernt, baßeeiDtto Sortenhagen fchien, 
ale wenn er ßch im piaiboyer jebeemal bie Sprache 
neu erzeugen mfiffe; unb manchmal wenn er 3 U 
<oaufe laut für jid) hmfptach, »erßummte er mitten 
in feiner Äebe vor bem geheimnisvollen 2 Mang 
biefer frembartigen Haute. 2Ulee würbe ein Schreck* 
nie. Wie ^rau Hy ewig von irgenbeinem (25er<üufch 
ber ftopf in bie <£>ohe fuhr, ft* te, baß ein Haben 
im Winb geigte ober ein 23ahn3ug fern burch bie 
nacht 30 g, fo warb er, wenn er mit bem Äucfen 
gegen bae bunfle ^enßer lefenb auf ber Chuifelongue 
lag, plötzlich grauenvoll jich bewußt, baß er, nur 
burch bie Scheibe getrennt, in ben fchwar 3 en Welt* 
raum uberhing, ber abgrunbtief hinter ihm gähnte. 
3Die angelehnte Cur bee neben 3 immere beunruhigte 
ihn, ale fchaue ein (&efid)t burch bie bunCle (Öffnung 

J5S 


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1 


ihres Spaltes. Wenn ein ,$ubrwerf abenbs mit 
weither (leitbarer ^Latente bie Strafe beranfam, 
fo fab er (Eleifter Äucfen an Äucfen bem fcblafenben 
Fuhrmann auf bem Wagen jitsen, im iDorf fid? eins 
nad) bem anbern oerabfebieben unb in bie <5)<Uifer 
fdbleicben. 3Die &<iu 3 e ums <5>aus, beren gewohnter 
&uf ihm anfangs wie eine 2 tbenbglod?e flang; ein 
m<£benber Sauer, beffen Senfe nod) in ber ÜDunÜeb 
beit räufelte, jagten ihm Schauer über ben Äucfen. 
Allein — in £otenfiille unb ££infamfeir oerwanbelt 
fld? biefTatur aud? am bellicbten £ag. £)ie men fd?en> 
leere Strafe empfingt auf einmal lebenbige Wefen» 
beit; gehörnte lEeufelsmasfen febauen über ben 
Serg; frieebenbe Wolfen ffoÜuben geflammte 
Äucf enf 4mme auf; ber Walb bot 2lugen ; ber Winb 
einen bdmonifeben Willen; fenf recht fliegenbe 
tTl^nner laffen jtcb im Äegengrau b^ngenb auf bie 
Ütvbe berab; bie Sterne 3 ieben jtcb näher unb n<£ber 
über bem <J>oupt bes bilflofen tttenfe ben wie ein 
SDornengefcbling 3 ufammen; gefangen unter ber 
lierwilbbeit ihn umfcbleicbenber Elemente, (lebt 
er bem Wabnjmn nabe, in einem unbefannten Äeid?. 
(Dtto Sorfenbagen febrie nachte im Scblaf, baf 
ihm ^rau SLy entfett ben tTJunb jubielt unb ibn 
rüttelte, bis er fd?weifjgebabet aus bem 2 lngf träum 
erwachte ... 

Sie febief te ihn felbff, obwohl ihr t>or bem Allein» 
fein graute, 3 U feinem ^reunbe <*ans, baf er mal 

J5« 



herausfcdme aus biefem »erheben trieft unb was 
anberes f &be. ^ans Prigge ^attc fchon lange ge* 
fchrieben, baß bas ^remben 3 immer, bas er 3 um 
flänbigen 2lb|ieigequarcier für ihn eingerichtet bube, 
auf ibn warte. „2lm liebten fchenfre ich bir tin 
CEifenbabnerbillet, (Dtto," fchrieb er. „3n jeben 
3ug fpringen, ben bu grabe rauchen flebjl, unb in 
Paris erwachen ober in Petersburg ober was weiß 
ich! . . . bereit fein ifi alles . . . 5Das f£ifenbabner= 
billet." 

C£ s traf fleh, baß er ©trobwitwer war, als (Dtto 
unangemelbeterfchien; unb feltfamerweifebebauerte 
bies Üeiner ber beiben Feeunbe, fonbern fle idchelten 
beibe barüber, baß fi'e wie 3 wei 3unggefellen fleh 
allein im <2>aufe gegenuberjlanben. „23cjftmme, was 
bu tviHfl, " fagte <2>ans, „ich binganj bein ©chatten . . . 
ich bin nur bein ©chatten." 

Unb fle fchlenberten burch bie ©traßen ber <25roß= 
flabt wie $wei Prooinjler, ber ^err Äegierungsrat 
unb ber ^err tTotar, unb (Dtto Borfenhagen be= 
fam 2lugen wie ein 2>ub in ber tTJenagerie unb 
freute fleh über bie Slutobupen unb bie Äutfcher^ 
fluche, über bie Firmennamen unb ben ©traßem 
jlaub, über bie 23lumenb£nbler an ben £cfen unb 
ben ©chuQmann im Perfebrsgewubh über bie 
teerenben2lfphaltarbeiter jwifchen ben<Bleifen, über 
bie gelbe Pofltram unb bie Seitungsausrufer, über 
bie fallen bogenfloße, bie er befam, bas JDrahtne^ 

J 57 


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$u ihren hupten, 6»c ©ticBluft im <£af6 unb bie 
ftlbernen ÄellnerBnopfe, über bas fd?lechte Äefiau* 
rationsefien, über (Betut unb ohren$erreijjenbes < 5e> 
raffel, SenjingejtanB, wabnftnnige ©chaufenjier^ 
reBlame unb {eben Gebrauch feiner ausgehungerten 
©inne. ©ie liefen jtd? burch bas flutenbe iTJenfchen* 
gebr<ünge treiben, gefchoben non bem bichteften <25e» 
wimmel, unb wenn 4><m s l<£c^>elnb non Seit ju Seit 
„Hun, SÄuerlein?" fagte, fo antwortete (Dtto: 
„2tch, tTJenfchen! tTJenfchen!" Unb bas war ihre 
gan 3 e Unterhaltung, ©ie blieben nor ben Zbtatet- 
B<£fien {iehen, nor ben SeitungsBiosBen, nor ben Hit* 
fafjfüulen unb ben Ät'noeingdngen mit ihren giftigen 
Hichtern. 

„tUollen wir hinein, <5>ansV" . . . „3ch bin gan 3 
bein ©chatten, (btto." £ s war noch Seit, (tch’s 
ju überlegen . . . 3Doch fte überlegten gar nichts, 
fonbern oergafjen bas Theater unb Äabaret, X>or* 
träge, Äonjert unb SirBus unb {ianben auf einmal 
wieber nor ber ^austüre unb gingen befriebigt 
hinauf, ©ie nolten in allen Simmern herum; <J>ans 
tifchte Ztt auf unb HuBwafaft, (Duittenpafien, 
2tnchonisbrotchen unb Ärachmanbeln; unb jte afjen 
Äraut unb Äüben burcheinanber; fanben bann, 
bafj fle bie tUanbbilber umhängen müßten; fiellten 
barnach ben tanjenben ^aun nom ©chranB auf ben 
©chreibtifch unb ben bronjenen ^ifchjug nom 
©chreibtifch auf ben ©chranB unb festen {Ich in 

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einiget Entfernung auf tue ©ejfel, um ihre (Brup> 
pierungsfunjle ju begutachten, bis 4>ane fchliefjlich 
fingerfchnahenb auffianb unb jenes mojige (Bewdchs 
herbeibrachte, bas ^Islein feit ihrem Befuche in 
i^eucjenroth immer unter bem Äopffcffen liegen 
haben mußte. „Äennß bu bas nochV" Unb er 
jted?re es bem Befuche 3 U Ehren l<£<helnb ber ^ejre 
in bie <oanb, bie auf bem ^lammenbunbel ritt, bem 
Beleuchtungskörper, ber über ihnen fdjwebte . . . 

,,3d) hübe auch was nom Wefterwalbe mitge« 
bracht." 

2Da gab 4>an s feinem ^reunbe fchweigenb bie 
• 4 >anb, jhrecfte ftch 3 um <5>oren auf bie£huifelongue; 
unb ber -(Dichter las fein neues Wer?. Ein japa» 
nifcher Lampion brannte hinter ihm wie ein roter 
tTJonb, unb er las perlegen unb fcheu über bie erjle 
Preisgabe feines innerßen 3chs unb ?ur 3 atmig por 
Bewegtheit, nur pon träumerifchen Ausrufen bes 
Ent 3 ucfens unterbrochen, bie ber Suhorenbe, bie 
^>anb auf ben 2tugen, pon Seit 3 U Seit ba 3 wij'chen 
warf. (Bleich am Anfänge fchon rief er: „<D, biefes 
Bilb, wie bie ©onnenfcheibe blutrot in ben weiten 
Birnbaum ftn?t! 3Du bifl ein 3apaner, (Dtto, bu 
biß ein 3apaner!" nach einer Weile ßrecfte er, 
ohne bie 2 lugen 3 U offnen, bie <b<$nbe über jtch: 
„2Diefe Weite, (Dtto! nein, biefe Weite! . . . 3<^ 
fchwebe im iuftfchiff . . . iDurchßchtige ©chleier 
pon Iannenfchui?gehegen auf ben <bohen, non bem 



roten 23anb ber tfceibenroscbenblutc burcbfloch 
ten! . . . 2)er bunfle Nahmen ber ,$riebhofe, mitten 
auf fable £riefcblanbfcbr<!lgen gelegt! . . . 3E>ie ge^ 
wunbene lalfhraße wie ein ftlberner ^luf, auf ben 
bie tTJdrcbenburgen ber tt>4lber herabfebauen, bie 
in bie gUüferne^ügelfette ber ,$erne hinein, weit... 
weit . . ." Unb immer öfter famen bie Ausrufe. 

„<D, bas lies noch einmal!" 
w @o aber jmingt bie Hatur jur VPahrhaftigfeit. 
tTie täufebt jte bicb mit unterbaltenbem lanb über 
bicb hinweg, wie bid) bie (Sroßfiabtftraße mit bem 
fcbwinbelnb t>or bir abrollenben ^ilm ihrer Hieb 1 i 
tigfeiten oon bir binwegjiebt, ohne baß bu in bem 
^arbentanj ber (DberfUcbe inne wirft, welche leere 
<£>ulle bu bift. 2lber gebe einen £ag über VPeßer 
wdlber Deibel ©ie unterhalt bicb nicht, wenn bu 
bicb nicht felbjt unterhalten fannft. ^>ie r gibt ee 
nichts $u gaffen, weil ein ©ebutjmann einen Gabler 
auffebreibt ober ber ©ebneiberin im vierten ©torf 
ber Äanarienuogel aufs iDad? geflogen ifi. <5>ier 
mußt bu bicb langweilen, wenn bu nichts mitbringß- 
<£>ier febreit fle bir gellenb in bie ©eele hinein: <^ol?l 
biftbu! 3Daß bu emporfdbrft unb an bir leibeft unb 
bicb berumf<bl£gft mit allen (Gewalten, bis bu lebfl, 
lebft, wahrhaft erlebft, was an ÜDir t>oruber$iebt* 
„(Dtto, jieb bu hierher unb laß mich nach <beut 3 en= 
roth jiehen!" ©o ging es fort; unb als ber Vw- 
lefenbe nach bem leisten Äapitel, heifer unb er= 

Wo ) 


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fchopft, bae <J>eft jutlappte, fprang *J>ane auf, 
faßt* ib n um 6 ie Schulter, nannte ibn 23 abn« 
brecher unb rief ein über 6ae anbere tTJal uolfer 
fErfiaunen au6, waa er allea feinem £>orfe r»erban£e. 

r brticfte ibm fein liebfieö japanifcbea Äeiapapier« 
aquarell, auf bem ein blübenber&irfcbjweig in ben 
tTJonb bineinragr, in bie <£>anb ; legte feine liebjle £ee= 
taffe ba3U, auf bereu eierfcbalenbunnem Porjellan 
ein meiner Leiber im Hebel träumt; ja baa irbenc 
0enftopfchen, baa gerabe auf bem £if<he jlanb, 
unb ibn am liebten mit allem belaben, waa 
er ringaumber greifen fonnte. „betrachte ale 
bein, (Dtto! betrachte biea ala bein <oaue!" 

Hoch burcb bie gefchlojfene 0chlaf3immertur 
rief er bem ^reunbe ju, bafj gleich ben ndcbjien 
tTJorgen 0 chritte getan werben follten, um baa 
neue (Beijleaftnb biuaua in bie TDelt 3U fenben . , . 

'Jeben neuen Cag brdngte ^>ana feinen ^reunb 
ju ben uerlocfenbjlen < 25 rofjftabtgenufTen, inbem er 
fchon beim ^rubf^ucf bie ganje Jlijle ber Per« 
gnugungen aue ber Seirung b^runterfragte. 2lber 
biefer gelangte 3U ber Uberseugung, bafj baa (0e« 
fubl, jtQt allea haben ju fonnen, fcbon <B»enufj 
genug fei, unb fchliefjlich warfen fie baa 23 latt bei« 
feite unb waren jtch baruber einig, bafj bie Seitungen 
nichta ala Unglucf in bie TDelt gebracht bitten; 
Eingebung unb (Blaube fei allea, unb nicbta baa 
TDiffen, wie ber <£>elb bea neuen Äomana ea richtig 

II Qttruberg, Uon Swuö* 5t\iu«n fint> gtimnnr m 


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auofprecbe. ©o tarnen fte unnermerft wiefeer auf 
feen Wefferwalfe . . . 

„Sage mir, (Dtto, trae war feae erffe, wae feir 
feie 2tugen für feae ©d>one geöffnet featV" 

„IDae ifi ein merfwurfeiger (Begenffanfe. 3Du 
fennfi oielleicbt feie bobmifcben (Blaotiere, wie fte feie 
Jtanfegdnger oor langen n in feen TPeflerwalfe 
brachten. 2Du mufjt nid?t an feen gelb unfe blau ge= 
fprenfelten (Blaofyrup feenfen, au© feem feie tTJura= 
nefen in (Gegenwart feer ^remfeen fcbttell nier 23eine, 
0d)wan$ unfe <£>unfeefopf mit feer Pipette ^eraue ; 
$upfen. £0 waren feuftige tt>efen: feuerbraune 
ieufeld>en unfe weife £ferifibaumengel, rote unfe 
weiße <J>irfcbe, fo fcblanf unfe $art, baß feu ^urd?t 
feattejl, fte anjufaffen. ©olcbeitt milchweißer <^irfcb, 
feer auf wafferbellem Äafemen t>on (Blaoffcibcbcn 
fpajieren ging, ftanfe in feem öauernbaufe, in feem 
id> ale ^unge oft bei meinem (Broßuater ju 23efud>e 
war. CTaturlüb wußte id> feamale nicht, baß ich 
ivegen fee© feinen, bockbeinigen <Befd>opfe0 auf feem 

cf bretteben fo gern jum (Broßrater ging. 3Da$u* 
mal faufte mir meine ITJutter noch, weil i<b fo 
fd>nell auffeboß, feie 2lnjuge immer ju groß, fo baß 
ic b erfl allmdblid) in meine Äleifeer bineinwuebß- 
f5o gebt ee uns fa mit allen SDingen; fo ging’0 mir 
auch mit feem^irfeben. 2Ü0 icb ib” l^rtgff uergeffen ju 
haben meinte, wanfeelte er plotjlicb in monfefd?ein= 
febimnternfeen Tt><Ubern geifferbaft nor mir l>ev, 

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unb id? fab wieber bie roten Äaftanien am 2 >orf= 
bacb, ber fo niebrig war, baf bie ^ubner im grae» 
burd?wacbfenen tUaffer ^erumfpajierten, wie fonfl 
nur bie £ 6 nten tun; ich fab wiebe r (Brofoutere 
alten Änecbt, ber mid? auf bem ^ranjofengaul 
mit ber roten ^alfterquafle reiten lief unb aud? im 
Sommer ben wollenen „Pallentien" bid? um ben 
<oals gefcblungen trug; fab bie tt>ed?bobben unb 
tPecfbufen in ber ^enjterauelage be© ÖÄcPere; fab 
bie ©cbnitjelbarre in bem Sd^Iafjimmer, in bem 
mein 2 3ett (lanb; ben ÄdfefdfTg über bem (Bie bei* 
fenfler, ben icb immer für ein Pogelbauer gebulten 
butte; b^te bie < 5 >ammelm<!Ui 0 cben wieber in ber 
tDanb unb febmeefte bue gun 3 e iDorf, bue fo feit« 
fam nach tUalberbe, ^oljPoblenbrunb unb tTJilcb« 
febweijern rieebt . . . 3 d? weif nicht, wo bae 31 er« 
liebe VUefen bingeraten ifl . . . ich bube ibn nirgenbö 
wiebergefunben, obwohl icb ihm jubrelung nach* 
gewanbert bin unb immer noch, wenn icb in ein 
£auernbuu 9 tomme, nueb meinem tTJ^rcbenbirfcb 
fabnbe ..." 

„itaf ibn! 3 cb bube ibn in beinern 23u<b mit 
bleichem (Beweib uoruberfebreiten feben. 3Du bujl 
ibn, d>tto, bu bufi ibn . . . Unb icb febe uueb febon 
feinen Hacbfolger auftaueben, ben bu nicht wahr 
nimm)!, weil er noch luftbell in Äuft ror bir fleht, 
weil er bir noch $u nabe ijl, weil bu noch nicht in 
beine neue IMeibung bineingewaebfen bifl, weil bie 

»* 16 $ 


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umfcbuffenbetTJuchtbee Iruumee noch nicht walten 
fann. ©oll id? bir fugen, wue bet neue auf feinem 
Äucfen tr&gtif . . . C£in 2Mnb wirb auf bem weißen 
<birfch babergerirten tommen — bae reine Äinb 
ber tturur! Unb bu wirft e$ berunterbeben uni» 
aufbeinem 2irm uns ©tabtmenfcben bringen, glaub 
ee mir!" 

2lber über (Dttoe (Beficht fiel ein ©chutten. fErnfi 
fchöttelte er ben Äopf. „JDie Hutur ift fein Äinb... 
Sie ift buntel unb gruufig . . . Unb Pielleicht flnb 
beebulb bie Säuern bei uns fo fchweigfum unb 
perfchloffen; wie bie Seeleute, bie immer bae 
fürchterliche feben unb ben lob unb bie fEim 
famfeit . . ." 

„(Dtto, bu bift ein ©onntugsfinb; $u bir wirb 
fle reben — fingen, (Dtto, fingen!" 

„iDu weißt bae nicht . . . Sie ift ein fhimmer, 
fieinerner Äiefe, mit bem man ringen muß — über 
menfcblid? ..." 

„So ringe mit bem Äiefen, (Dtto, bie er jumlMnbe 
wirb, mit bem bu fpielen fannft. Äinge mit ibm!". . . 

©o unterhielten fie fict> in biefen Etagen, in rer 
einjelten (Befpr<!Uhen gleicbfam nur auerubenb pon 
bem tätigeren ©cbweigen, bae jwifcben ihren br 
freunbeten tTaturen tlingenbe f <iben fpann . . . 

2tl© (Dtto Sortenbugen abreifte, butte er non ber 
(öroßfiubt nicht Piel mehr gefeben, ulö ^ane Priggee 
Pier tÜ4nbe. 

m 


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$rau Hy war gar nicht entjücft, baß er früher 
befmCebrte, als fle ihn erwartet batte, ba fle be= 
forgte, er b<*be bie erhoffte Befreiung oon öer 
23urbe bes fcbwerblutigen ÖJinfleblerlebens nicht 
gefunben. 2tber als er aUee berichtet b<*t«: wie bie 
{Tage bingegangen, was <5>ans ju bem VUerJe ge= 
fugt, bas jlcb f<bon auf ber Äetfe ins tTJ enfeben* 
lanb befanb; unb als er noch taufenbmal mehr ge= 
fragt worben war, als er beantworten Jonnte, lacbte 
fle beKauf. bifl bu ja bie ganje Seit über im 
VUeflerwalbe geblieben!!" 

3Da würbe er jtcb befjen erjl bewußt unb erin= 
nerte jicb, baß ber ^eutjenrotber Äofenapfel w<$b= 
renb ber ganjen Seit wie ein Sauberjlab in ber 
<5>anb ber reitenben <£>ej:e über ibm gefebwebt. 

„Unb ba foll icb alfo auch bei ben 23auern 
bleibend" — „VDeißt bu man fann in ber ©tabt 
faum atmen . . . tHan erjücft . . . Hilft b<*ß bu 
nur fyiet . . . nur blinjelnb fannjt bu bie 2lugen auf 
machen uor ©anb unb ßecbenbem Seug . . . unb 
beffcünbig meinjl bu, beine Hunge wirb febwarj, 
wenn bu nicht bas Hafcbentucb beim 2ltmen uor 
tTJunb unb tiafe b&tß. Unb ..." 

„Unb besbulb foll ich b^bleibenV JDesbulb ganj 
allein V Unb weil ich einen tTJann b<*be, ber bitr 
©ebenes febaffen fann, nicbtV Unb weil ich all 
bas Schone b»’*r mit ibm erlebt habe, m'cbtV Unb 
weil ich ein großes Äinb b«be, neben bem ich nun 

W 


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einmal gar nichts anberes brauchen Hann . . . nid?t 
©tabt unb Trubel unb Käufer unb tTJenfd>en ..." 

Unb flc nahm feinen Äopf in beibe <5><lnbe, 
fftreichelte, verfugte unb b^tfcbelte il?n:' „Unb ber 
gan$e liebe Äopf mit allem, tpas barin ifl, tjl mein, 
ganj allein mein! Unb Heiner braufjen abnt, tpae 
ftd? in bem fufjen PerßecH unferer 2tbgefcbiebenbeit 
alles perbirgt . . . 2tber fei fliU! 2)en &eiferan 3 en 
beH ommjt bu an ben (Eürpfoflen gebangt, bamit 
bu }eber$eit ju ^>ans Prigge flüchten HannjH auf bie 
— tPejferrp&ber Deibel" . . . 

fEr bitlt ßill wie ein (Dpferlamm unb fagte, fo 
gut man mit gefehltem tTJunbe fprechm Hann: 
„tllm . . . 2tb(lanb . . . mum, mm . . . pon ben 
IDingen . . . mum, mm . . . fagt ^>ans Prigge ..." 


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£>et Sritymefiet 

Wenn man auf bem Kucten bee Kochueberges 
fleht, 6er fld) ale leQter 2luel£ufer bee (Bebivgee 
über Singen in 6ie fruchtbare Ebene uorfchiebt, 
unb 6ie beüe offene Kheinlanbfd)aft uberfchaut, 
6ie 6er fllberne ©trom mit feinen fdhiffoformigen 
2tuen wie eine breite Hichtflraße beiter liefen 
burchjieht/ fo buchte man nicht, baß unter bem 
lachenben ©piegel bie Slfphobeloewiefen bee Zobee 
liegen — wäre bie Erinnerung baran nicht burd) 
eine ©anbfleintafel an ber Kapelle wachgehulten, 
bie ftch mit weithin jlchtbarer HurmfpiQe über bem 
bewalbeten Sergeeriegel erhebt. 

Unb wenn bie Kirche bas irbifche Heben aud) 
verwirft, fo gibt fie burd) t>iefe £afel, in weld)e 
bie Hamen t>on achtjehn rerlorenen tTJenfchem 
leben eingegraben flnb, hoch unwillkürlich }U er= 
kennen, baß bas Überleben unferes göttlichen Teiles 
noch nicht mit bem (Bvab in ben Wellen uerfohut 
— mag ee immerhin in ber Tragik ber Welf be= 
fchloffen fch einen, baß bie ^bee nur ftegt, inbem 
ihr £r<£ger 3 ugrunbe geht. 

,$reilid) w4re aber aud) mit ber Kettung unferer 

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f$rperlichen Wefenbeit wenig gewonnen, wenn 
fcamit nur unfere weltliche CSrfcbeinung au© Öen 
fluten ge$ogen würbe unb bas CCwige nicht ebenfo 
gut in bem Uberlebenben imflanbe wäre, feinen 
Criumpb $u offenbaren über ben Cob — wie es 
bei jenem tlnglucf ber ^all gewefen ift. 

£Cs war am jweiten (Djlertage. Äbeinifche ©tu^ 
benten waren $ur „$eier ihres ©tiftungsfefies in 
bem alten, fröhlichen Singen jufammengeftrömt, 
unb bas Couleur beberrf d>te bie ganje, fich um bie 
ftnjlere Surgmaffe berumlagernbe ©tabt, bie ihren 
reichen ^laggenfcbmucf angelegt batte — bei ben 
engen £äufer$eilen unb winfeligen (Bäjjchen ein 
buntes, fejttich bewegtes Silb. 

2lm Ufer bes fct>iffbelebten ©tromes unb auf 
Weinbergs pfaben leuchteten bie farbigen Wutjen 
auf. 3uge bicht befetjter Wagen fchlängelten fleh 
bie ^abrwege $ur <£>obe bes Äochusberges, bes 
©cbarlacbfcopfes unb- bes ©chlofbejirts hinan, 
unb bie bärtigen alten <berrn mit bem ©turmer 
auf bem grauen <£>aar fchojfen noch einmal in bie 
Slute ber oerfloffenen Surfchenberrlichfeir, gleich 
ben Pjtrjtchb^umen, beren roftge ©chleier wieber 
über allen fangen fchwebten . . . 

Wan batte einen ©alonbampfer gechartert, ber, 
bewimpelt unb mit einer Äapelle an Sorb, bie 
jlngenben Wufenfobne in (Befellfchaft ihrer J>amen 
an ©anben unb Pappelauen ooruber führte, beren 

16S 


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btiftige Äuliffen im Sron3egolb bce errett (ßruncnö 
crgl<ütt3ten. 

Wenn man morgene vibcc Öen Waffern getagt 
katre, fo tan3te man am tlacbmiftage — auf ber 
fonnigen Surgterraffe broben, wo man weit über 
bie wogige Serglanbfcbaft bes ^uneruefe hinüber 
febaut — über Öen (ßipfeln, tief unter (td? bie 
febimmernben ©cbleifen bee tTTabetals unb ben 
füllen Äbein, auf bem bie ©<blepp3uge flein t?or= 
iiber3ogen. 

5 Dann fam in fefKicb erleuchtetem ©aale, t>on 
beffen (ßalerien bie 2 Damenwelt 3 ufcbaute, ber große 
Sommere, bem bie Chargierten in uollem Wicbo 
probierten, mit feinen Crinffprucben, er brühe* 

rungen unb ber unermublicben ©angeebegeijierung, 
bie ein gleicbgejlimmter &reiö jugenblicber ^er3en 

auolojf- 

C£in ^aefebug, ber bem Äai entlang (teb mit 
ber pbwantenben Äette feiner glubenben Hampione 
pbantaflifcb in ben nichtigen fluten fpiegelte unb 
bie gan3e i£inwobnerfcbaft bee ©t^btebeno an bie 
^enjler lodte, befbloß bie bewerten Cage, bei 
benen eine ^reube bie anbere abgelojl batte . . . 

2 tla auf ben ©cblepp3Ügm, bie auf ber Singer 
Äeebe t>or hinter lagen, Idngfl fein anberee Hiebt 
mehr brannte, alo bie balbmajl gefegten ruhigen 
riacbtfignale, begab (ub eine (ßruppe uon 3wan3ig 
Perfonen, bie naebglubenben Silber warmen ££r= 

• 169 


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lebens in ber öruß unb fid? in froblid?er Unter« 
haltung burd? bie JDunfelheir anrufenb, nad? bem 
<?>afen, um (Id? auf bie anbere Ä^>cinfeire überfein 
$u taffen, wo man nod? einen fpäten 5ug 3 U er= 
reichen gebadete. 

„£>er ©ang iß t>crfd?ol — len ... ber tUein iß 
rer — raucht ..." fang ein etwas angeheiterter PbtlO : 
löge in webmutigem 23aß hinter ben anbern ber. 

3Der ©d?ijfer, beffen eigener flachen ju niebrig 
geeicht war, fettete eigenmächtig einen größeren 
fremben &al?n t>on ber Safe los, unb obwohl ihn 
einer anfchrie, ob er aud? bas Sprichwort fenne 
„tUer ben Äubesheimer oerfäumt, muß mit bem 
Singer fahren" — wobei er allerbings poffenbaft 
ben Ringer an bie fTafe legte — lachte bie jum 
©d?er$en aufgelegte ©char (unb ber Schiffer mit 
ihr) unb taßete ßd? forglos bie bunfte Hanbetreppc 
hinab in ben umplätfcherten Äahn, ber unter ber 
ßarfen Selaßtmg f ogieich bis an bie ££id>e einfanf. 

„£>er ^ruhmeffer hat um ßeben Uhr morgens 
^eierabenb . . . tUarum gehen wir fd?onV" pro« 
jeßte ber Philologe mit bem geglichen ^errn, ber 
ihn als lebten bie ©teinßufen hinableitete. 

„herein in ben ©eelenoertäufer!" trieb ihn ein 
©paßrogel 3 ur iCile an. 

Perlenbes ^rauengeficher unb breites tTjänner 
lad?en . . . 3^ unterbrod?en burd? einen jener un 
fcheinbaren Vorfälle, bie manchmal unfer ©d?idS 

J70 


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&LJ 



föl befHmmen. £ine r von ber ( 0 efeUfchaft, ber 
fcbon mit eingefliegen war, würbe ndmlicb von 
feinem < 5 >unbe gezwungen, am biesfeitigen Ufer 511= 
rucfjubleiben, ba ber weifje $op im lebten #ugetv 
blicke mit einem 0atse plotjlicb aufbeulenb wieber 
aus bem flachen fcbofj unb mit tTJarf uttb Sein 
burcbbringenben 3 amm *Uauten unb gegen alle 
ilocfungen jur Rückkehr taub, fo lange auf ber 
^afenmauer bin unb her tobte, bie fein <$>err not* 
gebrungen bem winfelnben Ciere nacbfolgte . . . 

3 Die laute Pergnuglicbkeit war mit einem tTJalc 
babin unb fcbweigenb jtiefj ber Äabn vom Üanbe . . . 

tTJan ^atte non bem ^acteljuge einen roten 
Hampion mitgebracbt, mit bem man ftch bie ndcbt* 
liebe tDafferpartie in eine venetianifebe (Bonbeb 
fahrt $u verwanbeln gebadete. 2lber fowie man in 
ben offenen Strom gelangte, kam ein ofHicber 
TOinb über ben tUafferfpiegel gejkricben, ben bie 
0<biffer bei ber Überfallt nicht gerne .feben, unb 
bie Äerje fing $u flackern an unb — erlofcb mit 
einem tTJal . . . 

23 e<£ngjtigenb legte ftcb bte unvermutete ^infier= 
nie, von welcher ber Hampion plotjlicb Verfehlungen 
fchien, auf bie ^abrenben, unb unwillkürlich ruckte 
man biebter jufammen unb hielt ftd> mit ber <£>anb 
an 6eni Sooteranbe fefl. 5 um iEntfeQen aller be* 
gann ber Philologe mitten in ber allgemeinen Se> 
Hemmung wieber feine wehmütige tflelobie anju= 

m 



ßimmen, wie Hrunfene manchmal 3U tun pflegen 
— was übrigens ben £inbrud? eines feltfamen 
Hiefjfnnes macht — aber er fanb feinen, ber mit 
einfftmmte, fonbern würbe fofort mit gebämpftem 
0fi 3ur Äube verwiefen . . . 

„i£s tau — mein bie tUel — len ins iTJe — er," 
fummte er sum brittenmal, ohne bie gegen ihn 
gefebrte ££ntrüftung 3U begreifen unb vermummte 
bann. 

©o fuhr ber bicbtbefetjte Hacken eine ttVile in 
tiefer JDunfelbeit babin. t*Jur bie fleinen £.icht= 
punfte am fenfeitigen Ufer, an bie ftd? bie klugen 
aller Pfaffen anflammerten, blinften fern herüber 
unb man vernahm nichts anberes, als bie Äiemen 
3wifdjen ben IDollen fnarren, bie angefhrengt gegen 
bie ftarfe ©tromung anruberten, bas pidtfchern 
bes tUaffers unb manch mal jenes verlorene (Surgeln, 
bas fo geheimnisvoll fommt unb geheimnisvoll 
geht . • • • 

ÜDer ©chiffer fonftatierte gerabe an ben nacften 
Älippen ber Äraufau, bie bicht vor ihm auftauch' 
ten, baf man bie ©tromesmitte erreicht batte, als 
auf einmal einer 3U fpuren meinte, baß ihm bie 
.Süfje nafj würben, unb unjtcher unter fleh fühlte. 
it r erjlarrte in ber taßenben Bewegung unb 3ifchte 
tonlos htrvor: „tUajfer im öoot!" . . . 

3Der ©chiffer vernahm es, griff bliQfchnell, um 
bas losgelaffene Silber re<ht3eitig wieber auf3U« 

172 




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fangen, mit ber <£>anb nach ber 0treu unb über« 
jeugte fich baoon, bafj bae ©icferwaffer tatsächlich 
iiber bem Irittbrette jlanb. 

0ofort fchleuberte er, w4b«nb alle entfett bie 
3üfe unter ben ber 0eitenb4n?e herauf 

sogen, ben 0chopfer unter fle. 

2lber rrotjbem bie tTj4nner in rafenber iti le 
fchaufelten unb fchaufelten, baf ber Wajferfrabl 
ununterbrochen gegen bie öoorewanb platfchte, 
(lieg bie ^lut b^ber unb b^ber empor. 3Die grauen 
fielen 0cbreie aue unb flatnmerten fleh an ib re 
ffacbbarn ober wollten auffpringen. iDoch ber 
0dbiffer rief unentwegt bajwifchen „0iQen bfei= 
ben . . . 2 (Ue 0 fttsen bleiben" unb immer lauter 
„0iQen bleiben" unb ruberte, baf flcb bie Kiemen 
bogen . . . 

3Da warf ber erf e mit ben Worten „3et?t wirb’e 
fcblimm" feinen Äocf ab unb fprang in ben 
0trom. 

Hun war fein galten mebr. „hierher, <£>err 
^rubmeffer" ♦ • . „tTJeine arme tTJutter" . . . „2tch, 
meine liebe, liebe 0chwefer" . . . „tTJein Rinb, 
allmächtiger <5ott, mein 2Unb" . . . „(D helft mir 
hoch" . . . wirbelte ber Wenfchenjammer burch» 
einanber. „£e tau — mein bie Wel — len ine 
tTJe — er" — bie jmgenbe 0timme bee Philologen 
bajwifcben . . . 

2lber alle Hilferufe oerbullten in bem -SDonner 

173 


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eines 23ahn$ugee, ber bräben am Ufer erleuchtet 
rheinaufm4rte eilte. 

„3Die fahren ine Heben unb mir in ben lob/' 
meinte eine ^rauenjlimme noch . . . 

3Der ©chiffer tat erff ben letjten Äuberfchlag, 
als ihm bae Waffer fchon über ben <5,<$nben ftanb. 

Unb nun trat bae ein, mae bie Heute ein Wunber 
nennen; unb mae auch ein Wunber i|l, menn man 
barunter nicht uerfteht, baß (Sott bae tlaturgefetj 
burchbricht, fonbern ee einmal in polier Harmonie 
malten idßt. 

2tle ber ^ruhmeffer, ber bie 3 ulet$t fchmeigenb 
auf ber ÄuberbanB gefeffen, nämlich fah, baß jte 
alle perloren maren, richtete er jtch langfam pon 
feinem piatje auf, breitete mitten über bie nach 
allen ©eiten ^inmegfchmemmenben magerecht bie 
2lrme aue unb fpenbete, felber fmfenb, über ben 
perfmtenben Rupfern unb ^dnben bie große 2lb= 
folution. 

Unb m^htenb er bie feierlichen Worte bee Ego 
vos absolvo fprach, perjhimmte bae Äocheln ber 
iHrtrinfenben unb ee marb ©tille über ber Waffer= 
fliehe, ale menn nichts gefchehtn m£re . . . 

3nbem er aber bie fegnenbe Prießerbaltung ein 
nahm, blieb er, bie über bie ^üfte perfunJen, in 
bem ©trome (tehen. fCr ftanb in ben Wogen unb 
perfant nicht . . . 

£Er Perfan? nicht, fonbern jlanb aufrecht in ben 
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fluten. 3Der Hachen unter feinen ,£ufen war nicht 
gewichen unb im (Bleichgewichte trug ihn bie 
Äreujesform feiner betenben (BebÄrbe . . . 

3Da erinnerte er jid?, baf ee (Djtern war unb 2tuf 
erflebungetag, wo bae tTJeer bie loten berausgibt, 
bie barinnen jtnb, unb fab im (Beijte feine ver* 
funfenen ^abrtgenoflTen aue ben TUogen empor» 
fhreben; unb im Verlangen, mit ibnen unb für jte 
aus ber Ciefe emporjufchweben, ließ er bie 8rme 
weiter auegebreitet unb jeber tTJuetel feines febn» 
lid? aufgereeften Äorpers warb ©chwinge, ange» 
fpannt jum Zluferßebungeflug . . . 

3Daß er w^brenbbeffen, auf bem unter bemTUaffer 
treibenben Äabne jlebenb, ben ©trom binabfubr, 
würbe ibm nicht bewußt. J)enn inmitten bes jlro» 
menben VUafiers, bas ben ,$abrenben 6ber feine 
fEigenbewegung t<£ufcht, nimmt man nur wahr, 
baß man ftd> fortbewegt, wenn man fefle Ufer» 
punfte ins 2luge faßt. Unb bas tat ber Aufwärts» 
bliefenbe nicht, ber jur ^ohe $u Haie 

glitt . . . 

£Cr trieb an bem tTJublßein vorbei ... an ben 
Jelfeitf opfen ber ^ibbel ... an bem Habegrunb . . . 
an ber tniufeturminfel . . . fchoß pfeilfchneü burch 
bie S4nfe bes Singer Hoches ... bie lange, mit 
Weibenbufchen befkefte Äribbe bes neuen ,5ahr= 
waffers hm . . . auf bie £ei|ien£lippen ju . . . trieb 
bie ganje, weite, von (Gefahren umlauerte ©treefe 

J 7 5 


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bie $um klemenefanb hinab unb — m erftc ee 
nid>t, fonbern fchwebte, t>on ber ©tromung $t»ar 
3U (Cal ge3ogen, aber in feiner ££mpftnbung nad? 
oben gehoben, wie ein (Beijl babin, ber, bie (Cobee* 
laÜen abjftreifenb, aus ben fluten f dreier t. 

■Da gewährten ,£ifd?er, bie in berfelbett nacht 
unter bem kbcinflein ihre mit bem ©cblcppgnrn be* 
bangenen flachen eben jur Ausfahrt rüfleten, ale 
bertTJonb bieTDolfen teilte, plot3lich bie unirbifche 
fCrfcheinung unb trauten ibren 2lugen nicht, als fle 
faben, wie jtd) bas Bilb mitten auf bem kbeine 
beranbewegte — eine aufrechte töejlalt, bie mit 
febnlich geöffneten 2lrmen burch bie fluten 3U 
wanbeln fchien. 2tber ale fle n^berfam unb jie bae 
menfchliche VPefeit ernannten, wagten fie ee, bie 
nachen loe3Uwerfen, ruberten hinüber unb fingen 
ben ©d>iffbrüd?igen in bem 2tugenblid?e auf, ale 
er ohnmächtig bintüber3Ujtn£en brobte. 

©o bnt« »hn bie Balance ale ben einigen (Be> 
retteten 3U bem Siele getragen, bae er nicht gefucht 
batte — jene Balance 3wifchen bem (Seijft’gen unb 
körperlichen, bie allmächtig ijl unb bie Elemente 
3wingt, bem ttlenfchen 3U bienen, wie ajie all 
unferem Beginnen, wenn nur ber erjle ©chritt non 
einer 3entralen kraft geführt war, auch ber 3weite 
unb folgenbe fleh t>on felbjl ergibt, weil ber ©chlüffel 
bes uollenbeten (Cune bie (Liefen bee Unwerfume 
auffcbließt, baß bie fCngel ber ^>6be unb bie 2D& 

17 « 


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monen 6er 2(bgrunbe herbeijtur3en, um ihm 5« 
helfen unb an feinem Siege beteiligt $u fein . . . 

2Ü0 6ie rafchent3unbli<hen Äbeingauer ihren 
Pfarrherrn am anberen iTJorgen mit (Sirlanben 
um ben 3weifpcbtnigen tt>agen heimfuhren wollten, 
perbat (ich ber (Gerettete freilich bas gutgemeinte 
Schmucf wert unb öffnete auch auffetne ber fragen, 
mit benen ba© wunberfiichtige Polt ihn befturmte, 
bie fhrengen Hippen. 

3 Denn er fühlte in ber Eragif jener achtjehn blu= 
henben tTJenfchenleben, bie ben lob in ber sEiefe 
gefunben, baf aud> bie fcheinbar reinfle Hofung 
be© Schicffal©, weil jte nur am £Ein3elmenfchen fleh 
manifefiiert, fo lange bie fchmer3lichfle Sehnfucht 
binterCäfjt, al© an ber göttlichen ^Erfüllung nicht 
bie gan3e tTJenfchheit teilnimmt, fonbern ber ein- 
3elne für fte ba© (Sleidmi© bleibt . . . 

Unb ba© erjle 2lmt, ba© ber 2tufer|?anbene per= 
richtete, war ein feierliche© Äequiem für bie Eoten, 
bei bem er fo bleid) unb geijierhaft 3wifd?en ben 
Äirchenfer3en jianb, wie er über bie vEiefen be© 
Strom© gewanbelt war. 


% 


12 Stf rut>*rg, Don Srm&c $raurn fint» gtnannr 


Ml 


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£>ie Sal>te fcet Pöltec 

2tle die tröpfelnden ©a^e, die an den feuchten 
IDornenwdnden der (Bradierwerfe niederfd?leiern, 
die iluft des tTJunjtertals nod? nid^t mit ibrem 
tTJeergerud? erfüllten, und bieTDilbfprudeldesöa’ 
linengartens erf einige {leine 23adebütten fpeiflen, 
f ieg mit den wenigen Familien, welche die warmen 
(Duellen des abgefcfiebenen ,$ifcberdorfes auf 
fucfttn, aud? ein oornebm gefleidetes ^rdulein ab, 
das der ^eilfraft der örunnenfoble allerdings wenig 
ju bedürfen fcf ien. 

iDemt wie es $uweilen bei rafjtgen 23londinen 
der *|{/ färbte ihre gefunde ^>aut ein fupferner 
Zon, als w<£re jte eben aus peitfcfendem ©al$fcbaum 
gediegen; und ob Äegen, ob ©onnenfcfein {lettertc 
fe wie eine (Bemfe jwifcben den wild 3 erriffenen 
Äluften und wol{enförmenden©d)roffen des nach 
barlicfen Waldgebirges umber. 

©teil fließen die Porpbytwdnbe dort am jen* 
feitigen ^lufufer empor. Und wo der Äebrenbad) 
durd) die ©cfyucbt, die er ftd? felbfi ins (Beflein 
gewafcben, in die riabe furjt und eine breite ©and* 
fcb welle abgelagert bat, ift die einjige Übergangs* 

11 % 


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feile offen geblieben, wo ein Hacken anjuiegen ver» 
mag unb bie Sewobner ber ärmlichen ^ifc^er- 
butten baber oftmals binuberfucbteten, um ibr 
ü.eben ins <B?ebirge hinauf $u retten, wenn bas 
* 2 >ocbwaffer bes burcb bie Serge beengten ^lujfes 
ben wetten ICalBeffel in einen ©ee verwanbelte. 

4 >ie r an bem bunBlen Eingang bes engen Reifen- 
tores, ben Pappelreiben geheimnisvoll in bie Ciefe 
begleiten, fleht ein ^brbaus »m Glatten bes 
tt>eibengebufcbes, aus bem ber ^erge tritt, wenn 
bas ^oluber bes Äeifenben unter ben Überhängen» 
ben $£rlen ber fachen ^luffeite erfcballt. 

ÜDiefer ^crge war es auch, beffen flachen bas 
umberfreifenbe frembe 5^wlein balb täglich von 
Ufer 3U Ufer trug. 

©ct>on bas erfle tTJal, als bas prinjefinnenbafte 
F»gurchen ben 3ierlichen, mit Äreu3bänbern ge* 
gehaltenen ©chub in ben flachen feiste, errötete 
ber bochgewachfene 3ungling bis über bie (Dbren. 

2lls fte beim 3weiten tTJale ben Florentiner, ben 
fle am Zirme trug, binuberfchwenBte, hafte er flatt 
. bes grauen ©chifferwamfes feinen ©onntagsflaat 
angelegt. 

2 tte fle ihm bas britte tTJal in bem flachen gegen» 
überfaf , war er fo in ben ZlnblicB bes feuerbäutigen 
tUefens verloren, bafj er bas Äuber 3U gebrauchen 
vergafj. 

Bufjte bie Welle, bie bas buftige £T 7 äb<hen* 
12* J 79 


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bilb in ßd? getragen unb ihm burd? bie Serubnmg 
ihrer <£<lnbe geheiligt fchien... 

Sis ber arme Surf che eines 2lbenbs nicht mehr 
mußte, was er tat. 3m Sd)UQ ber Sommerung, 
bie fein (Beßcht perbarg, blieb er bebenb t>or ihr 
flehen unb fagte, auf feine jufammengelegten <J>4nbe 
nieberfchauenb, als wenn er ein (Bebet fpnlche: 2tch, 
baß fie nicht feine ^rau werben fonnte. 2tber bas 
XPort war ihm nod> nicht enrßohen, als er ße, be= 
ßörjt über ben Älang feiner eigenen Stimme, mit 
feinen beiben ungefügen <o<$n ben hilflos am 2trm> 
gelent paefte, baß ße laut auffchrie. 

J)ann fchlug ße ihm lacbenb mit bem Sdßeier= 
enbe über bie £7afe unb fagte: Schabe, ße heirate 
nur einen Ulamt mit ßeben 2lbnen. f£he er nicht 
ßeben 2tbnen nachweifen tonne, w<$re es nichts mit 
ihnen beiben. Unb ße wollte ßch babei ganj jer= 
lachen . . . noch bruben t>om anberen Ufer winf te ße 
l^chelnb mit bem Schleierenbe nach ihm $urucf. 

„tUie befomme ich ßeben 2tbnenV" fragte erfrub 
unb fpät, auf feinem halb ans Jfcanb gejogenen 
Äahne jttsenb, unb wie eine (Crauerweibe über . 
gebeugt in bas tUaffer, wo er noch immer ihr Silb 
im tUeüengrunbe $u crblicfen glaubte. 

„Was fragß bu mich, armer 3unge" — fagte bie 
liefe — „in ber alle Silber $errimtenV 3^ h<*be 
fein (Beb^chtnis für uerßoffeneiDinge. ^rage einen, 
ber anfdfßg iß im Jlanb ! " 

1 8 c # 


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„TLbtt wenV. . . Tibet wen V" jammerte bertlnglucf- 
licbe. 

„YDenV" horte er ben famtbraunen (?5olblad? an 
ber ^elswanb fpred^en, wo bas TPaffer ewig aus 
bem ©rein in bas VDalbmoos tröpfelt. „VDenn ich 
auch noch jung bin, fo waebfe ich hier febon lange 
genug. Tile ber^beingraf noch aufbem unjugdng» 
lieben ^elfennejl iiber uns borfete, wo jetjt ber 
Fimmel bureb bie Burgruinen blaut, but mich fein 
vEocbterlein mit eigner *£>anb gefeit, unb icb bube 
mich fort unb fort gefamt bie auf biefen 5Cag. 
©d?on bamals jtanb bas J^baus im Äicbterfpiel 
ber ©ilberweiben, unb non beinern 2 lbn hinüber* 
geführt fromten Äof unb Seifige in blintenben 
Sügen über ben ^luf . . . £>as |mb freilich erf rier* 
bunbert 3 abre ber. 2 tber rieileicbt weif ber <5>o= 
lunber, ber 4lter if als id>, bir mehr uon beinen 
2 lbnen 3 U fagen. . 

5>a ging ber ^erge $u bem ^oluttberbaum, bcjfett 
biefer Stamm ftci> ebenfalls aus einer ©palte ber 
jleilen ^elswanb beroorfrummre unb ben mächtigen 
©ebirm feiner weifen Blürenteller fcbrJtg gegen 
bie ©onne feilte, unb flagte biefem fein £eib. 

„JDafcommf bu allerbings an ben rechten," fagte 
ber frumme ^olunberbaum. „3d> bube bie Seiten 
bes grofen Äaifers gefeben, oor beffen Pfal$ ba 
bruben bie Schiffe berTPelt anlegten. 3Der fr<£nftfcbe 
lurm ragte in bie VPolfen, wo jet?t bie Burgtrümmer 

18 J 


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fiber uite brocfeln. flur bas ^fabaus fleht un= 
veränbert an feiner ©teile, foweit id> juruefbenfen 
fann. Unb beine 2tb«en buhen bie Winjer über* 
gefegt, bie bruben auf fonnenburchglubten VDänben 
bas YDeinlanb anrobeten; unb bie Ritten, bie ihre 
©chweineberben mit ©ereilen um ben <J>als bruben 
3 ur iEichclmaft führten ; unb bie (Großen aller Hänber, 
bie jum <J>oflager bes mächtigen Äaifers ritten; 
unb bie Äeifenben, bie bamals nicht in ben ©al$ 
quellen, fonbern in bem Weinen ttlunjler bruben 
Teilung für ihre Reiben fuchten. . . ©ie alle führte 
beine $& bre aus ben feuchten Sergen hinüber in 
bie fonnige iEbene. 3 hübe freilich erjt neun* 
bunbert 3 a bre gefeben. 2lber vielleicht weiß ber 
wübe ©tachelbeerflrauch, ber älter iß als ich, bt'r 
mehr von beinen 2lbnen ju fagen." 

„©pricb etwas lauter," rief ber ©tachelbeer* 
ftrauch, als ber 3ungling auch ihn um Äat an* 
flehte. „3 eh bube mich nämlich von einem tTJartolf 
etwas hoher am Reifen binaufpflan 3 en laßen, weil 
mir bas hungrige Solf, bas alles an mir vorüber* 
marfchierte, als ich tiefer unten ßanb, fchon bie 
Seeren abriß, als fte noch hurt unb grün waren. 
3d? glaube, bie gan 3 e ttMt iß nämlich an mir vor* 
ubergewanbert. tttit 3o<±wieb unb Hausgerät, 
mit Äarren unb Änechten, mit tt>eib unb Äinb 
famen fte bamals. 3 weiß nicht, ob es fErobe* 
rungsfahrten waren ober Äolomßenbeere. 3<h weiß 

J$2 


-- 2 ^» 3 e ssm 


* 


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nur, bafj fit wanberten unb wanberten. f£in (Stamm 
mit feinem ^>4uprKng hinter bem anbern. 3<*hraus, 
jahrein. £ag unb nacht. Unb itber bie ^^re beines 
“Dorfahrs, ber fchon bamals in bem ^hrhnus 
wohnte, w<ül 3 te fleh bie enblofe tHenfchenwoge aus 
bem (Gebirge hinüber in bas fruchtbare £al. £Hebr 
tann ich hir nicht melben bei meinen 3 wolf hunbert 
^fahren. 2tber frage einmal bie 2 tta 3 ie, bie ifl <£lter 
aie ich ..." 

„tTTach jleben gan 3 en 2U?nen fuchfl bu fo lang, bu 
tTJenfchenfu&n, beffen P<£ter hier fchon bas Äuber 
führten, als ber Hegionefolbat noch über uns auf 
ber bohernen (Salerie feines flrohgebed? ren Wart« 
turms bie Pife fchulterte!" — lachte bie alte 
fchrumpelige 2 tfa 3 te unb fchuttelte bie weifje iLotfem 
peruefe ihrer 2Mörentrauben. „3<wbhh über beine 
S&bre flnb bie&ohorten unter ihrem golbnen 2lbler 
in bie fonnigen (Befilbt bes großen Stromtals ge= 
3 ogen; unb bie Äaufmanns 3 uge, benen fte ben Weg 
gebahnt, mit ber Pracht ihrer (5olb=, Silber* unb 
££lfenbeingefchirre ; unb bie rornehme Welt, bie 
fleh bruben an ben Äebenh^ngen Dillen baute, in 
benen man auf gemalten ^ußboben ging, v^unf 
3 ehnhunbert 3ahre reicht mein (5eb<$chtnis 3 urucf*. 
2tber trenn bu mehr wiffen willjl, fo frage einmal 
bie Xlinbe, bie ifl Älter als ich • . 

3Da wanbte fleh ber ^dhrmann an bie üinbe. 
Unb ber Hinbenbaum, ber fo alt war, baß feine 

J83 


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2lße wie ein (Befleckt non Hindwürmern in die Hüfte 
fuhren, wies ibn an die tTJißel, und die tTlißelBugel 
mit ibten (Blasbeeren wies ibn an die UJibe. Un& 
der alte jerfcQte <£ibenbaum, deffen tPurjeln fi<±> 
wie bleiche (5er ippe in der nagenden XPelle 
krümmten, fagte: 

„2Du alfo biß das Äind meines alten freundes, 
der mit mir grofjgeworden iß t>or dreitaufend 
fahren. £>enn fooiel ßnd die £age meines Hebens, 
mein Sobn. £Er b<*tte euer ^brbaus auf Pfabl= 
roßen in den ^luf gebaut und fuhr, wie du, die 
felibeBleideten 3»üger hinüber in den undurcbdring= 
lieben Wald, in den ihr Steinbeil die erße Hicbtung 
fd?lug. 3Dann gab er das Äuder feinem Sobn — 
auch deinem 2lbn. 3Das war, als die TPeisfagungen 
mißelbefrdn 3 ter Prießer unter wilden (Befangen 
dort über uns t>or dem dampfenden (Botterßein 
$um Fimmel fcballten. 

Und aud) er gab das Äuder weiter an feinen 
Sobn, jenen deiner Päter, der die erßen Pßuger auf 
dem £?acben binuberfubr, wo ße 2Mod*b ^uß* «uf» 
richteten, mit dem Sd)<£bel des Pferdes am (Bie bei. 

JDann Barnen die Zage, wo ße mit gellenden 
Scblacbtbdrnern, Äaubrogelßugel am ^>elm, aus 
den Sergfpalten btrabßurmten, und die ££br* 
deines 2lbns den erßen Ärieg in die Ebenen trug. 

So wanderte das Äuder non <oand 5 U <oand. 
Pom Pater auf den Sobn. Pon Äind auf&indes« 

J8* 


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Einfc. JDemt bie tt>anber3eiten haben nicht auf 
gehört, wie bie tT 7 enfd?en t?on gejlern fagen, fonbern 
ewig sieben bie t>olEer über Seine ,$dbre nach ber 
großen 4 >eevftrafie ber tDelt . . . 3 Du bijE aus altem 
23 lut unb weißt es... Unb wenn bu nor beinern 
^«Sbrbaufe in bie liefe grdbfi, fo finbefl bu in ber 
^Eotenflabt ber tTJenfcbbeif bie Ahnentafel unb ben 
fCrbfcbaQ beines ölten ©ramms. " 

„tTun babe ich Ahnen genug" — rief ber ^erge 
gan3 oerwirrt. „Aber was plant fie um (Bottes 
Willen mit ben nieten ,$dhrleutenV tDill jte alle 
mitheiratenV" — fragte er mit einer 2trt non ££ifer= 
fuebt unb trat 3U aüererjl nor ben tPafferfpiegel, 
um ftcb 3U uberseugen, ob er non bem fürchterlichen 
Altertum, mit bem er nerwur3elt war, nicht oer= 
fchrumpft fei wie eine tHumie. 

Aber wenn ihm auch sumkbft ber Äopf brummte 
nor ben fcbwinbelnben Abgrunbenber Seit, bie unter 
ihm Eiafften, fo bdmmertc ihm hoch allmählich 
etwas banon auf, was es um bie 2tbnenfd>aft ijt. 

TPenn fidjl bie ^ahrgdße an Sonntagen auf ben 
©eirenbdnEen ber ,£dbre brdngten, war es ihm 
beim 2 lnblicE ber ©d^atten, bie ben &abn im 
^lutengrunbe lautlos begleiteten, als ob bie ganse 
Abnenreibe feiner t>orfab«n in ber Ciefe, Äopf 
an Äopf, gebeimnisnoll mit ihm fub**- Unb wie 
er mit bem ererbten 2ln3uge feines "Paters beEleibet 
ging, fo fd)ien es ihm auch, baß er in bem tDefen 

1 85 


I 


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ferner 35 Urert?< 5 ter (lecke unb alle», was in ihrem 2Mut 
gekreift, in (Ich aufgenommen ^abe unb als ber 
allein noch lebenbe Perwalter, auf bem bie “Per* 
antwortung für bas alte 5<*milienerbe ruhe, fortfe^e. 

00 würbe er (Id? auf einmal ehrwurbig. Unb 
3ugleid? bob ihn eine feltfame Unabhängigkeit, weil 
er bas Äed?t, fogar bie Pflicht fühlte, fo unb nicht 
anbers 3U fein, wie er war. Unb in bem fd?onen 
&eid?tum, an unenblid?em v 0trang in ben liefen 
feines Urgrunbes oerankert 3U fein unb (Id? im Utin 
tlang3u beftnben mitoerwanbten, allgegenwärtigen 
(Beizern, nahm er (Id? t?or, ftct> nichts 3U vergeben 
unb (Ich ber uornehmen Prin3eflln keineswegs auf 
3ubrdngen, wenn (le ben einfachen ^dhrmann etwa 
auch (erst noch oerlachen follte. 

Hlchtebefloweniger fiel ihm bas 4 >tv$ in bie 
0d?ul?e, als fte eines tttorgens aus luftiger Äehle 
wieber ihr helles holüber erklingen lief. Unb er 
konnte kaum erwarten, bis fte bas 2luge t?on ben 
regenbogenfarbenen 0chaumblafen abwanbte, bie 
fit im fahren oon ber ruhigentt>afferfl<ld?e fd?6pfte, 
um fchlieflich lachenb 3U fragen: 

„Was machen unfere (leben 2 fl?nen, <J>err 5 ^hr s 
mannV" 

„Was bie (leben 2lhnen machend" antwortete er, 
perlest oon bem fpielerifd?en Hon, unb fchwieg (le 
mit (lehenber tTJiene an. 

2lber ba (le ihre klaren, er(launten 2tugen t>oü b ü 

JS6 


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# 



ihm auffällig, fonnte er 6ie frohe Kunbe nicht 
langer in (Ich oerfchliefen unb erjd^Ire ihr nun 
alle«, vom er non t>em (Bolblacf, bem ^olunber, 
bem ©tachelbeerfhrauch, ber %ta$ie, ber Hinbe, ber 
tHijlel unb bem (Eibenbaum erfahren. 

Hautlos horte fie $u. 2Ms ber Äahn ans Hanb 
(lief. 3Da fpritjte fie ihm bie Cropfen ihrer naffen 
i£>anb ubers (Befielt unb entfprang in ihren weif * 
(eibenen Pantöffelchen, inbem fie fern aus ben 
Vt>albb4umen juruefrief: „3Das muf man mir erfl 
beweifen, 4>erc F^htman!" 

„tDie foll ich bas beweifen^" tonte bas (Echo. 

5>a erinnerte er fleh an ben Äat bes alten titiben 
baumes, holte ^arfe unb ©paten unb (Ing an, t>or 
bem F^hrbaufe ben (Erbboben aufjugraben. 

%le er faum bamit begonnen hatte, fnirfchte ber 
©paten unb $um Porfcbein fam ein golbener 
Fingerring, in bem bie 3nfchrift flanb: „3<h fchre 
in mich 3 urucf . . ." 

(E r grub tiefer, ba flirrte es abermals unb in 
<J>4nben hielt er eine filberne ©örtelfpange mit 
fchon eingelegten roten Felbern. 

(Ein paar ©patenfliche barunter fch4lte (Ich bas 
flache £4nn<hen eines fleinen £onl4mpchens aus 
einer (Brunbfcholle. 

©o grub er weiter unb warf bie oielgewunbene 
©chlange einer bronjenen Slrmfpirale ans Iages> 
lieh f. 

* . 187 


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5>anacb leuchtete ihm eine <J>al?fetre aus großen, 
lajultblauen <25la?perlen entgegen. 

Unb $u unterfi in 6er f£rbe beeilte er ein graue? 
JTongef&f auf, 6a? ein fHenfcbenantltQ mit einer 
balboerlofcbenen 3nf<hrift trug. 

0o befebwor er Oie Seugen 6er Vergangenst, 
einen nad? 6em anberit, au? 6en (Srunben empor, 
un6 mit ibnen Btodlwettf um 0tod?werf, flieg 6a? 
3<Sbrbau? herauf, blofgelegt bi? 3U 6en ^un6a= 
menten 6er bunflen «Tiefe, umflttngen ron 6em 
Faunen 6e? ewigen 0terben? un6 ££ntflebn?. . . 

(Dbne ein tVort 3U fagen, flellte 6er ^i^rmann 
6ie an? £id)t gehobenen 0cb<ÜQe t?or Sie frem6e 
tVanberin bin, al? fte mit 6em 2lben6nebel in 6er 
Walbfcblucbt auftauebte. 

tTJit großen, run6en 2tugen faß 6a? Äschen 
im ^elfenlocb un6 flog febreienb auf. Urton er» 
fefoauerte. tTJif je6em 0tucf*, 6a? fte f<heu in 6 ie 
«£>anb nahm, blickte fte 6en jungen bergen an- 
64d>tiger an, un6 ihre klugen wanberten 3wifcfoen 
6en Sauberbingen un6 ihrem ^errn fud?en6 bin 
un6 b^t . . . 

„3<h te bre in mich 3urud?" fTttflerte fie froflelnb 
6ie tVorte 6e? Äinge?, 6en 2Mid? entgeiflert auf 
6en geheftet, in beffen f£rfd)emung fte 6en Wun6er= 
fprud> plotjlicb leibhafte <?5eflalt gewinnen fab- 
211? fie 6ie "Jnfdvift 6e? Hampcben? entbeefte, 
6ie lautete: „3D ie ^laatme in mir wirb nicht er« 

J 88 


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l&fcben," trugen ihr vor 6cm heiligen Qchauer 
feiner ewigen Perfon 6ie Äniee febwad). 

tTTir foefenhem 2item entzifferte fte fcblieflicb 
6ie kirnen auf 6er Urne mit 6em tTJenfcbenantlitz: 
„durften waren meine (Befpielen, alo aber 6er Io6eo 
engel mir nabte, war id> ohnmächtig." 2>a fuebte 
6 ie furebtfame 2fbnenfud)erin ©ebutz bei 6em, oor 
6em fte ftcb fürchtete, un6 breitete 6ie 2trme nach 
ihm aus: „(D, fo nimm auch mid>, rafftofetDanhre» 
rin, auf in 6en ewigen Äing un6 laf mich an 6einet 
©eite fitzen, 6er 6 ie ©eelen in hieVDelt bweinfdbrt 
un6 führe mich, wie 6u 6ie t>olfer nom 3enfeir© 
jum iDieofeito geleiteft, an 6en ©tran6 heo Jieben© 
hinüber — 6er ^hrmann meiner ©eele!" 

r fanf oor ihr hin un6 filmte ihr hie TDanher» 
fufe, hie fte ju ihm berge tragen au© weiter ^erne. 

JDa warf fte ihr vornehme© ©eihentleih ab unh 
fetzte fleh wie ein £anhm<£hd)en fchweigenh $u ihm 
in 6en ^brnacben . . . 

„TDa 0 wirb man non uno einmal ftnhen in ferner, 
ferner SeitV" — fragte er unh nerfcblof ihr zugleich 
hen tTJunh mit Äuffen, w^brenh 6er©pecht feinen 
<5)Och5eit0wirbel auo hem mailichen tUalhe er» 
fchaüen lief. 

„tUir »erbruefen hie Ufer" — antwortete fte unh 
fog ftcb fofort wieher an feinen tTJunh, gefchaufelt 
non hem fteuerloo treibenhen Äahn. 

Unh wenn fte hie 2tugen auf eine ©eftinhe offnere 

J89 


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unb bae »erfchlungene IDoppelbilbnie im tUafler-- 
fpiegel erblidfte, fo wußte jle nicht, ob bae (Befielt 
ibree oorweltlichen IDafeine in ber liefe mit ihnen 
glitt, 6a ihr fchien, als fei jle fd?on raufenb 'Jabve 
im 2trme bee Hiebjlen babingefabren; ober bae Silb 
ibree nachweltlichen Üebene, ba jie fühlte, baß jle 
nach taufenb fahren noch fo an ber Seite bee ^4hr= 
manne oon Ufer $u Ufer gleiten werbe. 


J9o 


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£>a* Uel) 

i 

3<b bube ein 2\eb im (Barten. 
iDer franjo jtfcbe ^auptmann but bie &id? e broben 
im TPalb gefcbojfen; unb ©acfi unb ©alla, feine 
beiben braunen Algerier, buben bae ÄiQcben mir 
beimgebracbt unb aufgejogen. 

©ie focben für Mr. le capitaine in meinem <buufe. 
2tle fie meinen (Barten entbecften, bupfte ©acfi 
wie ein Äinb: „3<b morgen fpricb le Mr. le capi- 
taine ... Le chevrillard kommen dans le jardin." 
©eitbem fpajiert es in meinem (Barten. 

3d? beft^e wertvolle alte Stiebe, feltene Porsei« 
lane unb Pretiofen, foßbare 23u<bauegaben. 2tber 
ee ifl mir nie eingefallen, bie Äebe barauf3U bringen. 

j)a^ icb ein &eb im (Barten bege, fann icb nicht 
oerfebtoeigen. 'Jd} flechte ee in febee (Befpr4<b ein. 
(Dbue Übergang. VDo ee auch fei: 'Jd) bube ein 
Äeb im (Bürten! 

3cb tourte barauf, ungläubigem £4<beln $u be= 
gegnen. iDenn ee ifl eine Slufforberung, mehr oon 
ibm ju erjdblen. Unb fein tt>efen befebreiben, iß 
(Blucf. 

191 


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Wie habe ich fonjfuber meinen (Barten gejammert! 
Jn ben Äieß wegen foüre bae (Braß wuchern . . . 
Statt be r (Oematißlaube auf bem ^>uge I foüten 
fleh flechtengraue ,$elßblocfe ubereinanberwerfen . . . 
Statt ber 3ierb<$ume follte permoofieß IDicficht 
fchauern . . . 2tuf bem gefrorenen Äafen Weibern 
roßchenbeibe glühen . . . Pan wohnt nicht bann . . . 
£r ijf feine Hatur ... $Er iff fein Walb . . . 3ft 
feine Wilbniß . . . 

nun triumphiert er. <£in Äeh graf* in feinem 
Schatten. 

3hm perbanfe ich baß 3ierliche (Befd>opf unt> 
bas (Blücf, etwaß 3U bejlsen, waß ich bem ent 
juefenben £iere opfern fann. 

3d> bin fo ffolj, alß fei ich heimlich jum Äonig 
gefalbt . . . 34) offne bie (Bartenpforte, alß wenn i 
ich in baß Parabieß eintr4te. 

2tüe Schönheit iff mein. 2)ie Harmonie, bie ich 
pormir wanbelnfehe, ifl in mich felber ubergegangen 

3ch habe ein Äeh im (Barten . . . 

II 

Äein tTJenfch tm ^>aufe tut mehr etwa*. 

feiner loff ben anbern ab auf bem Wege $u bem 
(Barten. „Wo ijf baß 3$ehV . . . Äomm, Äig> 
chen! . . . Wo bift bu, mein Tierchen V ..." Unt> 
fühlt (ich erhöht, wenn ee mit jlchernbem Schritt 
unb taffenben Haufchern n<$her unb näher heram 

192 


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$&gert unb fireicbeln l&$t, bae &reu$ einbiegenb 
unter ber liebBofenben ^anb. 

2 lle bie rote S a bne bee Aufruhr« webte, berfer= 
Berte bie bolfd?ewijlifd;>e Äodu'n: „foae ift gar 
nichts . . . 2Ule© muß perfcbmijfen werben!" 

©ie ifl befebrt. 

iDao Äeb bat (Ie bejaubert. ©ein fcbwarjee, 
langgewimperte© 2tuge bat ben guten 2M icB. 

Ute tjl, w^brenb (te bet Itfcbe faj?, 3U tbr in bte 
Kucbe gekommen, bat ba© feuchte ©d^ndujcben, 
gl<£n$enb wie fd>war$er üacf, auf ibre Änie gelegt 
unb ibr mit bem T>orberlaufe bettelnb auf ben ^uß 
gedampft. 

©ie bat ©acfi auegeflodjen, bem ee mit para* 
bierenb aufgeworfenen ©dritten unb ben <£>al© 
wie ein ©cbwan gebogen nacbt£n$elt, wo er jtd? 
bliden l<üfjt. Unb er idf t ftcb fo wenig obne fein 
23 u£ett pon auoerlefenen (B»emufebl^ttern bliden, 
ba© er wie ein Sr^utigam in ber <£>anb fr<£gt, wie 
obtte fein rote© $e$. 

2tber bie &od>in locft ibm ba© £ier mit gelben 
Äuben weg. 

©aUa fagt liflig: „3d? cuisinier . . . 'Jdb morgen 
focben le chevrillard . . 

J)ie Äucbenfee füllt auf ben Äucfen. 

©aüa wirbelt — im 23 lit?en feine© weiten < 25 e« 
biffeo — wie ein iDerwifd? um ftd? b^um unb will 
berften por Ü.ad)en. 

J 3 6t«rnb«r0, Uon Sreuöt Srauen gtnannr J93 


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3ie ber gutmütige ©acfi mit feinen fcblanffet 
braunen 4&nben ber (£ntfet$ten blinselnb Seiner 
jufingerr. „©alla rigoler . . . 3 mmetr rigoler . .. 
3d? auch rigoler . . . ©alla gutt . . . ©aefi gutt 
. . . Ttttee gutt." 

tTJein 4>am i(l t?oll ^roblid)Jeit. ££in guter <oaue* 
geif* weilt in unfrer iTlitte. VPir baben alle ben 
HiebeetranÜ getrunfen aus bem fanften 23lid?e bea 
abeligen £iere. 

Ubie 3ob^nni0beerfh:4ucber ßeben Bahl wie vom 
Raupenfraß. Ute reeft fleh mit weißem Rinn an 
ben 23ohnenjBangen hinauf unb hufebt bie 2Muten- 
fcbmetterlinge ber roten Feuerbohne. Ute Bnubbert 
bie RofenBnofpen ab . . . C£in Rofenblatt nad? 
bem anbern oerfebwinbet in feinem 3 n nern ♦ • • 
fEe rupft bie (DematisranBen wie aus einem Reff 
uom ©palier herunter. 

Tiber nur ent$ucl*te 23licBe begleiten fein grajiofeo 
Hun. 

„©alla gutt . . . ©acBi gutt . . . 2Ulee gutt ..." 

C£e legt fld? am £7acbmittage in bem ^alblicbt 
bee lEreppenbau fee wieberBduenb auf ben grünen 
idiufer nieber unb binbert ben X>erBehr. 

2lber einer fuhrt ben anbern l<Ü<belnb t>or bas 
23ilb geheimnieuolier Unfcbulb, bie bort in grüner 
tDalbeebdmmerung ju lagern glaubt. 

t£>enn es fleh einfam fühlt unb mit bem eigen= 
tumlt'cben F«plnut, ber wie bas Blagenbe ©timm> 

m 


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eben eines Weinen Vogels Wingt, über ben Äafen 
jiebt, fo läuft alle* herbei, was (Dbren bat — ein 
febütjenber &ing ber Hiebe. 

3Die 23olfcbewifin dauert ftd? ju ibm nieber unb 
preßt es mitfamt feinen angjtuoll jurücfgelegten 
(Dbren an ihren Bufen. „Wan bat es fo lieb wie 
ein Äinb!" 

Wenn bas beben be (Befcbopf, beflen $arten 
Rürper beßänbige lobesängjteüberfcbauern, abnte 
— baß ibm bie Welt $u ^ußen liegt! 

J)er (Beiß ber Hiebe iß in Äebgeßalt bei mir ein« 
gefebrt unb bebient ftd> ber Weisheit, bie fcblanfe 
(Blieber oerfünben. 

III 

IDie febleiernbe ^eber bee raufebenben Waffer« 
ßrabls fät feuernbe gbelßeine. JDer erfrifebte 
(Barten buffet wie eine Walbwiefe nach bem Äegen. 

3Das Äeb fängt an $u fpielen. 

tTJif gereiften Haufebern unb Üetf funfelnben 
klugen forbert es mich iu neefenber Qrartßellung 
heraus, auf es $u$ufcbreiten, um bannen groß* 
bogigen, leichten Sprüngen hoch über öüfebe unb 
öeete unb tropfenbe Sweige $u fielen, bis es meinen 
23liefen entfebwunben. Äommt jurücfgeßogen, 
bis ich wieber in bie <J>änbe f latfebenb tue, als wenn 
ich es bafeben wollte. fliest uon neuem baoon bis 
hinten an bie (Bartenmauer. Äebrt im (Balopp 

is* J95 


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jurucf. (Beht fluchtig. &aß heran, ßeht un b ent- 
fchwebt ... 

(Be fucht „(Beh^uchnis" . . . 

Jd) will ihm eine (Befpielin fchaffen, bie um 
es fei. 

3m öretterßall bes <ointerbaufes halte ich eine 
5iege — t>ie gan$e ^reube lEonis, bes 3 un 0 en 
«oofleute, bei: jle tiglid? barfüßig an 2 3abn 
bofcbungen unb VDeinbergsraine fuhrt, wo manM 
buftenbe 2td*erwinben bas (Beroll uberfpinnen, ü)re 
Hieblingsfoß — größere Hecferbiflen als f£ier> 
bufche unb Caubißeln. 

©ie iß ein rehfarbenes, gut gepflegtes, fcfon 
gezeichnetes £ier. 

%Uee evfchvicft, wie Zoni jle an ber ©taüfette 
in ben (Barren fuhrt. <sat ein häßlicher Sauberer 
ße oerwanbeltV 4>at ber £7achtmar ihr bie J ugenb 
au 0 bem (£ute r gefogenV 

VOie in gefchenfren ©chuhen bachß ße mir ihre” 
fchlappenben flauen in umrennenber, plumper 
tTeugier auf bas feine tDalbticr ju, bas ße m/f 
vornehmer Siegung bes fchlanfen <J>alfes über bir 
2l<hfel betrachtet . . . (Bine Prinjefßn neben einem 
öauernweib! . . . (gleichgültig ijl es weiter . . 

2)ie 3iege bemüht ßch rührenb, tTJänncfen $u 
machen, ßemmt netfenb bie Porberfiiße ein, fptingt 
mit bienernbem Äopfe Cerjengerabe in bie <J>6ht • * 
— tt>er lacht nicht, wenn eine alte Äuh fofettiert ■ 

196 


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(Loni jteb«n bie Irenen in ben Ttugen, unb in 
t>erfd)<Smtem Erbarmen britrft er bem armen 5ipfel= 
bart feinen Zpfel in ben tTJunb. 2lber — o T>er* 
legenbeit über “Der legenbeit! Sie fnatfd?t ibn — 
wie eine bicPe JDrufe an ben Rinnlaben — im gierig 
fcbmat 5 enben,platmajtgentnaul . . . Heben einem 
t£>efen, bae in fcbmecfenber t>orjtd>t mit jierlic^en 
3<$bnd>en bie #fung fruifpert. 

Unb jwifcbm bem VPammfcben unb tDfirgen 
mit b&fjlid?er ©timme bas (Be mecfer aufbring* 
lieber Ülutterliebe . . . Reine (Befpielin! 

TUie ein X>orjiebbunt> fcbaut bae Reb ber ÜDaoon* 
gezerrten nacb, ben T>orberlauf mit bem anmutig 
gebogenen ^ufglieb oerwunbert erhoben . . . 

ÜDann lagert ee f?d? in fd>mer 30 oUer tttubigfeit 
auf bem Rafen, erfl auf bie Rniee, bann fid) auf 
t>ie£rbe nieberlaffenb . . . 3mmer ein Silb. 3«nmer 
X>ollfommenbeit. 2lucb im ©cbmer 3 . 

0b ee regloe wie eine lerrafottafigur unter 
fpiegelnber ©laefcugel fpa 3 ierenfcbauenb ror bem 
<£feubugel liegt. 0b es ben Ropf in bie Rniefeblen 
fd? lupft, wie eine £n te ine (Sefteber. 0b ee ftd) mit 
enbloe«langen Seinen in ber iTJittagebiise wie ein 
RÄngurub unter bie ^arrenbufcbe ffrecft, aud) im 
©cblafe nod> bie b«Uborigen £aufd?er umber* 
fd?raubenb. 0b ee non £id?tern unb ©chatten 
geflreifr jld? burd> bie S£ume winbet. — 3mmer 
ein Silb, 3 mmer **ne tDeibe ber klugen. 


J97 



Ute jiebt fucbenb burd? offene Cüren über bie 
(Blaeveranba burd) Me geplattete £>aUe in Pariert« 
3 immer unb ftnbet fld? vor bem bie auf bie öirbe 
reicbenben Spiegel bee Crümeaue. tTJif verjfcfob* 
nielofer (Hro^ugigfeit fhi^t te einen 3ugenblicf 
vor feinem Silb unb tvenber fid? ab. 

2lucb feine (Befpielin! 

Über ben (Barten herüber aue verfcbloffenem 
SretrerjlaU bae iTJecfern ber ^Mutterliebe bie in 
bie Hacht. 

0 Cragobie ber «£><&ßlicb?eitl ... 0 CragoMe 
ber Schönheit! 

IV 

tMieviel atemlofee Staunen bat unter ber Sern- 
fleinb4mmerung bee Hufjbaume, bie ben 2$eob> 
achter becFte, in bas tMunber bee Cie reo ftd? ein* 
geträumt! . 1 • 

Hur ber (Bnmrocf verachtet mich, ba0 ich VDilb 
im (Barten gefangenbalte, unb verlangt mit ££nt> 
röfhmg, bafj ich te auefeoe. 

2lber ich bube nur einen 3<lger gefannt, ber ein 
4>tt$ butte unb nie ben menfeblicben 23licf rer* ^ 
geffen fonnre, mit bem ibn bae flagenbe 2tuge ber 

fhimmen Äreatur jlerbenb anfab. fjebee&eb, bae ** 
ibm in ben S<bu$ fam, verfebeuebte er feirbem, 
unb nur ilaubjeug war feine 2>cute. 

Sie machen febr feine Unterfcbiebe jwifeben 

m 


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<5>eger unb 3<lger, jwifchen ©chfi*e unb ©chießer. 
3ber fle flnb alle — £iger. 

3dj foU mein &eh auefetjen, bamit ee nicht 
*4nger im (Barten, fonbern in ber Freiheit bee 
vt>albeo lebe. 

3fl bas nicht, wie ber £mpffnbfame, ber feinen 
<5unb $u lieben glaubte, inbem er ibn pergiftete, 
bamit er in feiner »bwefenheit nicht in ber <5>ut 
frember Heute juräcPbleibeV 

2Ue wenn bae ©terbliche nicht lieber in ©chmerjen 
lebte, ate fchmerjloe rerfchiebe. 

'Jd) foll mein &eh auefesen! tTJein 2W 3Dae 
arglofe (Befchopf, bae bie 23efHe im tTJenfcben 
nicht fennt, mit flatfchenben (Dhren um fleh felbfl 
bemmrpirbelnb por mir Äapriolen macht unb fleh 
neben meinem Äorbfeffel nieberlegt, wenn ee jur 
tTlahljeit gongt, ©oll ihm bie Freiheit geben, bie 
ee ben tTJeisgem im grünen Äocf in bie <$><lnbe 
liefert, baß jle ee ffalpieren unb feine bleiche &irn* 
fchale in ihr ^agbjimmer hangen! 

tTJ&ge ber wilbe 3<£ger ^wigfeit alle 

hetjen, bie einem göttlichen VDefen ein Heib juju- 
fügen imfianbe flnb! 

3 d> betrage bie ©chüpfung um ihre 5wecf e — 
fagen fle. 2Ue harten jle beetüilbeetPurf georbnet 
unb regelten ber <binbin Äreißen! 

Tonnen wir bie ©onne fleh nicht um bie iKrbe 
brehen laffen, um uneV 

J99 


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TOieviel atemlofe? Staunen bat unter 6er Sem* 
fleinb^mmerung be? flußbaume, 6ie 6en Seob* 
achter becfte, in 6 ae tDunber be? Cieree jid? ein* 
geträumt! 

V 

2>aö Heb rubt in 6er tTJorgenfonne un6 lecft 
6en lau non 6en (5r£fern. 

mit flugen, bunfelglänjenben Siebtem wenbet 
e? 6en fcbmalcn Äopf in 6em bunten Greift 6er 
ITJenfcben umber, 6ie e? umringen: 3Die beiben 
braunen mufelrnänner, Mr. le capitaine, bie rote 
&6<bm mit 6er Proletariermißgunfl im <ber$en, 
blonbe Hacbbawfinber, 6ie jfcinaltenSetfcbwefler* 
eben, 6ie jlcb Sonntage ihre 2(rmengabe bolen, 6er 
auf 6em 2l£tenauetrag bangen gebliebene kirnte* 
biener, febongeifiige ^auegeüfte . . . ££e tfi, ale ob 
alle in flummer 2lnbacbt ein (Botterbilb umfUnben, 
bae (Befet$e 6er Jliebe gibt . . . £ine Oemeinfcbaft 
von 2(nbetenben . . . 

3«b vergebe ein alte? VPeietum: „VDer eine 
Sterjmeife fabet, 6er ijl um Heib unb (Bur unb in 
unferee Herren Ungnab." 

3Dae heilige Cier! 

JDer eine ifi verfunfen in bie jierlicben Schalen 
feine? fpiijen^ufe?. iDer zweite in fein feelenlflare? 
2luge. 3Der britte in bie feierliche Haltung feine? 
Raupte?. 3Der vierte in bie leichten Jlinien feiner 

200 



friebsollen Bewegungen . . . 8ber bas meinen jle 
nic^t. ÜDieiErfenntnis bestYJenfdjen b&t flc^ immer 
an ein ©tue?, weil bas <Ban$e unfagbar i|t. 

©ie empfmben alle — bie Bezauberung. 
üEin £eil ber ©ebnfucbt eines feben if Heib ge* 
worben in bem mafellofen Hier. Vüas würbe auf« 
(Arabien, wenn es ben tTJantel ber CErfdjeinung 
ploglid) ab würfe unb bas geahnte VDefen ent 3 auberr 
bersortr<Ste! 

5>as 2\eb if aufgefanben, fd>reitet mit sorge* 
fhrecPrem <J>alfe unb ficbemben ©dritten bebenben 
^ingerfpitjen ju, bie fd? örtlich ausfrecfen, bas 
(Bebeimnis ber Boüenbung ju beruhten. 

3Die i^ezen fcbme^en . . . CEin ewiges Hieb er» 
Hingt . . . (Cauftinfelnbes ^rubb'cbf umfpielt bie 
(Bolbgefalt eines Heben geworbenen SCraumbilbs. . . 

tBas würbe gewefen fein, wenn fatt bes ftd? 
opfemben Hammes bas Äeb in ber tTJorgenfonne 
— ficb an bieRniee bes iErlofers gefcbmiegt hätte! 

3 4> fdjließe bie (Bartenpforte, als hütete icb bas 
<?>eil ber tBelf. 


20J 


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t>»n (Leo ©ternberg ** 

in 23. 23et>r« Perlag (£ricbricf> ,|jet>t>erfen), Berlin 
unt> Äeipjig, weiter erfd>ienen: 


3Dec X>enusbetg. 

(8tfötd>ten. 2. Auflage. 


5Dec 6elöenting* «aiiaben. 

jfmXDeltgefang.^tungen. 

(Bott bammett ein Polt. 

2$rieget>td>tungen. 

3Du fronet fiäcm t>es 

Üt’benö. i£ine iluötrabl aus 
feine« TOerFen. 

ÄUftetl* @ebid>te. 2. Auflage. 

@et>id> tc. 2. Auflage. 

2tuefö£rlid>e Perjeicbniffe t>urd> je&c gute &ud>* 
l>anMung ober t>om Perlag. 


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Princeton Uni\ 


32101 



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