Erklärung :
Die Cttnuji da Godiuix
des Sraiuhnaro Biuiiischen
Gletiduu. und iwu :
n-u-h MuitIumiii
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....... Grmxen. d pubirru
Dralo-Tunaji. GletJidim I
Petermanns Mitteilungen
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Dr. A. PETERMANNS
MITTEILUNGEN
AUS
JUSTUS PERTHES’ GEOGRAPHISCHER AHSTALT.
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hekausgegeben
Prof. Du. A. SUPAN.
32. BAND, 1886.
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GOTHA: JUSTUS PERTIIES.
Oigitizecf by Google
Inhaltsverzeichnis,
I. Aufsätze.
1. Allgemeines.
Cb«t di» l'rwht der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
I*. Andries
Gin ßeitng zor Krasionsthoorie. Von A. l’hilippoon
Ober graphische Darstellung der Verteilung ron Tempo ratur und Luft-
druck auf den Parallelkreisen. Von Dr. L. Henkel . . . 142
Asymmetrische Tbäler. Von l’riratdozent Dr. V. Jlilber . . .171
Der VI. Deutsche (leographentog zu Dresden vom 28. bis 30- April
188«. Von H. Wiehroenn 177
Fischers perspektivische Projekt'.', n zur Darstellung der Kontinente.
Nachtrag. Von Prof. Dr. A. U. Nell 247
Die neue Ausgabe von Bergbaus' Physikalischem Atlas . . . 321
2. Europa.
Kino tirolisch- bas rische Sprachinsel in Mähren. Von Dr. Karl Lechner 109
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Kuropas. Von Dr. Alwin
Oppel 134
Die Auswanderung aut dem Deutschen Reich nach überseeischen Län-
dern in den Jahren 1871 bis 1884. Vun Carl Straufs . . 202
Die Grenzen der Gletscherspuren in llufsland und dem Dralgcbirgo.
Von S. Nikitin 267 j
Der Nord— Ostsee- Kanal. Von C. J. Beseke ..... 289
Karte der Dobrudecha. Von Dr. Bernhard Schwan . . .831
3. Aston.
Von Hodeida nach San'ö, vom 24. April bia 1. Mai 1886. Von Gd.
Glaser 1, 33
Der Ausbruch dos Krakatau im Jahre 1883. Von Gmil Metzger . 10
Resultate des sibirischen Nivellements. Von Dr. A. Woeikow . . 87
Gin neuer Atlas von Nicderländisch-lndien. Von Gmil Metzger . 114
Ober meine Ausgabe des SiCat Gazirat al ‘Arab (Geographie der Arabi-
schen Halbinsel) von ai-Htmdioi. Von Prof. ü. H. Müller . 117
Die Insel Saleijer. Von II. G. D. Engelhard 193
Die rezenten Bildungen auf der Insel Bangka. Von Dr. Th. Posewita 197
Dia letxto Hungersnot in Indien und ihr Ginflufa auf die Bewegung
der Bevölkerung. Von Dr. Gmil Jung 333, 3f>9
4. Afrika.
Das KalTernland des untern Olifant Von Dr. H. Raddats . . . 52
Major lleaths und Leut. Peytons Reis« von Härär nach Blrbera, Juni
1885. Von Prof. Dr. Ph. Paulitschkc ..... 65
Die Likoru- Frage. Von Prernierleutnant *. Francois . . .86
ßdte
Reizen im Gebiet des Mu*chi-cooßo im portugiesischen Westafrika.
Von K>r. J. Cbavannc . .97
Die hydrographische Zubehör dea ü« ju atonalen Muta-Nsige. Von Prof.
Dr. Alfr. Kirchhoff ......... 107
Die Österreichische Kongo -Expedition. Briefliche Mitteilungen von
i Prof. Dr. 0. Lcnx ......... 121
Aus dem Süden der Kamerun-Kolonie. Mitgeteilt von Prof. Dr. Alfr.
Kirchhoff 144
Eine neue 8|*zialkarte von Afrika. Von Prof. Dr. Priedr. Ratzel . 161
Bericht über die von Herrn Lüderits ausgerüstete Expedition nach
Südweetafrika 1884—85. Von 11. Pohle ..... 225
Reisen im südlichen Kongo-Becken. Von Premierleut. v. Pnan$ois 271, 322
Die Galla-Staaten im Süden von Abessinien. Von II. Wichroann . 307
Nachrichten von Dr. Bmin-Itai . . . . . . .341
Die Erforschung de« Ulanga-Gebietes. Von Joachim Graf Pfeil . 353
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
Von Dr. G. A. Fischer ........ 363
5. Australien.
Die Erforschung des Pinke River durch D. Lindsayt Expedition« Nach
brieflichen Mitteilungen von H . Dittrich . . • « .213
8. Nord- und Südamerika,
Nordamerika. Bemerkungen über Felsenzeichnungen in den Verei-
nigten Staaten von Amerika. Von Dr. W. Hol! mann . • .147
Die Wilder Ton Nordamerika. Nach Charles S. Sargent . . . 238
Die Cunoa- oder TulMndianer. Nach dem Bericht eines Missionars
bearbeitet von Dr. H. Polakowsky . . . . . .276
Südamerika. Samaner’ Reisen auf dem Apurimoe, Eni und Taraho«
1883 und 1884. Von Dr. C. Locffler 24
Bericht über die Schingü-Kxpedition. Von Dr. 0. CI aufs . 129, 162
Die Markierung der Grenzen zwischen Argentinien und Chile im süd-
lichen Patagonien und im Fencrlondc. Von Dr. H. Polakowaky . 148
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Von Dt. R. A. Philippi 294, 326
7. Polargebiete.
Die neuern dänischen Cntersuchungen in "Grönland 1885* Von H.
Rink 48, 79
Seite
Von Dr.
. 55
67
II. Geographischer Monatsbericht
Von H. WichmaDn.
1. Allgemeines. Seit.
Topinanl, Revue d’ Anthropologie 89
Waroeek, Welche Pflichten legen uns unsre Kolonien auf ? . . 89
Ratze), Fragebogen über Schneevcrhiiltuissc in Gebirgen . . . 182
v. Danekelman, Notwendigkeit eine» Unterrirhtskuraus für Reisende . 248
König und Richari, Bestimmung de» Gewichtes der Knie . . . 248
Gründung de» Internationalen Statistischen Institute .... 249
Allgemeiner deutscher Kongrefs sur Forderung überseeischer Inter-
essen . .. 31 1
59. Versammlung deutscher . Naturforscher in Berlin .... 343
2. Europa. »dt«
Hydrographische llntersochung des Bi>densees ..... 378
Deutsche. Reich. . Nord— Ostsee-Kanal 89
Richter. Di. Adelungsehc Kartensammluug in Dresden . . . 123
Kirrhbolf, Der Bauerngraben am Südfufso des Harz .... 349
Öst er reich- U n garn. Huvsfs, Budapcstcr Landesausstellung . - 90
Skandinavien. Svenoniu», Höchster Funkt Schwedens . . 26
Ausflug der Googr. Gesellschaft in Greifswald nach Bornholm . . 279
Niederlande. Projektierte Trockenlegung der Zuiderzee . . 89
Auflösung des „Willem Barcnta'4-Koiniteee ..... 183
Frankreich. Loue, Areal von Frankreich 26
IV
Inhal tsverzeiclmis.
Bclto
l’errier, Planimetriache Berechnung des Areals Sec. . . . .279
Rufsland. Uru, Wolga — Don-Kanal 26
Rabot, Reise durch Lappland 90
Hult, Physisch-geographische Studienstation io Pinnland . . . 119
Arzruni, Reise nach dem Ural ....... 183
Klhnologischc Erforschung ron Russisch-Polen .... 373
v. Dichy, Reise im Kaukasus 249. 312
Dent u. Dnnkin, Olctschertouren ron Kaschtnn-tan .... 373
Oriechenland. Trockenlegung des KopaTs-Sees .... 249
Omstcin, Erdbeben in Griechenland 312
9. Asion.
Kloinasicn, Arabien, de Goeje, Arabische Karte ron ITadhramaut 91
Diener, Aufnahme ron Mittel-Syrien ...... 183
Fritzsche, Karte ron Arraeniach-Uilicien .
Euling, Heise durch Zentralarabien ....
Kiepert u. r. Diest, Reisen durch Kleinasien .
Sibirien. Bunge nnd r. Toll, Erforschung der Jana
Stejneger, Besuch der BoriDg-Insel ....
de Dobbeler, Fahrt nach dem Taft-Busen .
Jadrinaoir, Archäologisch-ethnographische Studienreise
Eröffnung der Universität Tomsk verschoben
Ausstellung dir Sibirien und den Ural in Jeluterinenburg
Martin, Karte der Reite ron der Lena nach dem Amur
Jürgens, Steinkohlen ron der Lena ....
Bunge, Aufbruch nach Reusibirien ....
Transkaspien, Rutsisch-Turkestan, Turan. Konscbin
Gedeonow, Hohenmessungeu in Trantluatpien, Chiwa und Buchara
Moser, A t rarer» l'.Viio centrale
. 183
. 219
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. 29
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313
Indien, Tibet. Kcedham nnd Molesworth, Reise am Brahmaputra 91
91
184
Radde, Expedition in Tranakaipien und Persien
Ney Elias, Reite nach dem obern Amo-Darja .
Qrum tinymailo, Zoologische Forschungen im l’amir
Neuer Hafen für die transkaspische Eisenbahn .
Fortsetzung der transkaspischen Eisenbahn bis Merrr .
Capas, Ileisc durch Turan nach Afghanistan .
Karte der (Inellflüsse des Amu-Darja
Iran. Stewurt, Aufnahmen im persisch-afghanischen Grenzgebiet
Sterens, Velocipedfahrt durch Afghanistan
Macaulay, Projektierte Expedition nach Tibet . . . 184
Tanncr, Aufnahmen des l’unditen Lama im südlichen Tibet
llobday, Aufnahme der Andamanen .
Woodthorpe, Expedition in Axiam .
Iloldich, Aufnahme des Saloinon-Thrones .
Loekharts Expedition nach Gilghit und Batlakschan
Arnold, India rerisited ... . .
Groubtschesraky, Reise durch Ostturkestan nach Kafiristan
Carey, Reise durch Westtibot
Hinterindien. Neis, Reise auf dem Mehkong .
llallelt, Erforschung der Sehan-Staaten .
Annexion Burmahs durch Grofsbritannien .
Tenison-Wooda, Ersteigung des Gunong-Bubu . .
Reise eines Indiers rom Brahmaputra bis Mogonng .
Caims, Aufnahme des Irawaddi bis Mogonng .
Ffxigny, Passage der Stromsebnellen des Mehkong .
Swettcnham, Durchkreuzung der Malaiischen Halbinsel
China. Desgodins, Le Thibet ....
Potanin, Reise in der südlichen Mongolei .
Webster, Ross und Gardner, Grenzgebiet »rischen China
Morrison, Flora der südlichen Mandschurei
Ignaticw und Krasmow, Erforschung des Chan-Tengri
Henry, Reisen in Canton und auf Hainan . .
Hosie, Karte der Routen in Scetschuan und Jünnan .
Boome, Projektierte Reise nach Jünnan .
Tarnen de Ijtcouperio, Ursprung der chinesischen Kultur
Locxy, Beschreibung ron China ....
Japan. Entrahungswcaen
Ostindischer Archipel. Hendrich, Skia» des Karin
Hatton, North Borneo .....
Montana, Reise auf den Philippinen 1879 — 1881
4. Afrika.
Gant Afrika oder gröfsere Teile. Buonfantis Entlarvung
I-aonoy de Bissy, Karte ron Afrika
28
nd Korea
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Flusaes
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. 185
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186
186
artum
kko
üleerop, Durchkreuzung des Kontinentes .
Olireira, Kurte ron Portugieaiieh-Südafrika
NO- Afrika. Wilson und Brackenbnry, Feldzug nach K
Ponnazzi, Sudan und Abiasinia
Masuja, Trcntacinqnc anni di miasione .
Obnek. Französische Strlflingakolonie . .
Schweinfurth, Aufnahmen im Pajum und Rajan
l'urdy, Route von Berenice nach Berber .
Salimbeni, Brückenbau in Abessinien
NW- Afrika. Durayrier, Höhe ron Fes
Maurel und de la Martiniero, Hohen in Marokko
de la Martinicre, Route ron Alkaasar nach Mekncs
Kobelt, Algerien und Tunia ....
Durcrrier, Position ron Tuggurt
Ixschouque und Bondier, Positionen aus Tunasien
Carte de la Tunis» l : 200 000
Cora, Kurte der italienischen Gesandt Schafts reise nach Man
Marcel, I» Maroe
Pakts Reis« nnd Tod
CerTcra Bariera, Heise nach Adrar .
Haimann , Cirenaiea
Jannaaeh, Heise durch Südmarokko .
Laudas, Krbnhrang artesischer Brunnen bei Gtbes
PlayCiir, Hundreise längs der tnnesisehen Küste
Cerrert Bariera, Heise naeh Marokko 1884
Dureyrier, Hei» in die Landschaft Rif .
Fischer, Reiseskizzen aua dein südlichen Tunis
Senegambion nnd Guinea. Karte des Volta -Gebietes
Mähly, Ethnographie de« Volta- Gebietes .
Asante. Tagebuch der Heise nach Salaga .
Tarquah. Aufnahmen ron Honten nach den Ooldminen
Fahrt dos Kanonenboots „Niget* auf dem obern Niger
Le Urun-Itenaud, Französische Besitzungen in Westafrika
Frey, Feldzug nach dem obern Niger 1886/86
Telegraph am Senegal ......
Deutschland verzichtet auf Koba und Kabitai .
Deutsche und französische Besitzungen an der Sklarcnküate
Telegraph nach Bammako
Krause, Heise nach Salaga und Timbuktu
Manager und Leeren, Heise nach Adangbe
Abgrenzung der portugiesischen und franrösischen Besitzungen
Blaubuch Uber Sierra Leon«
C'nflinicres de Nord eck, Mündungsgebiet des Rio Pongo
Thomson, Reise nach Sokoto
Falkenstein, Reise nach Agotime ....
Flegels Tod in Brass
Staudinger und Hartert, Rückkehr ron der Flegelsehen
Deutsch-englische Grenze »rischen Kamerun und Benne
Visrd, Reise nach Timbuktu .....
Westäquatorialafrika- Amelots Tod bei Nyangwe
Büttner, ltcise nach dem Kuango ....
Grenfell und r. Francois, Fahrt auf dora l'ruki und Lulongo
Karten ron Capellos und Irens' Koute
de Carralho, Reise in das Lands-Reich
60
Wautcrs, Bemerkungen über die Polemik ron Peehuäl-Lusche
Wotff, Fahrt auf dem Karsai, Sankuru, lamami.
Wifsmanns Expedition .....
Lenz* Expedition
Abgrenzung der deutschen Besitzung ron Kamerun
Zöller, Deutsche Kolonien in Wostafrikn .
Schwarz, Reise in Kamerun ....
Viard, Projektierte Reise nach dem Liba-See .
Mixon, Hypothese über den Liba-See
S. de Brazzs, Thätigkcit am Ogowe und Kongo
Dolisic, Erforschung des Nkuudscba
J. de Hraxia, Erforschung des Sekoli . .
Karte ron Wifsmanns Kassai-Fahrt . . .
Wobeser, Antwort sn Peehuül-Lösche
Snelleman, Veths Tod .....
Osvorio und Monte» de Oea am Benito und Campos
Zöller, Erkundigung über den Flufs Ndong
Kund und Tappenbeck, Expedition im südl. Kongo-Beeke
Kiepert, Karte ron Büttners Route nach dem Knango
r. Ranckclman, Büttner» Höbcnmessungen , ,
124
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60
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127
127
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150. 254
. 150
. 150
Inhaltsverzeichnis.
v
Valdan und Knutsnn, Rundreise um diu Kamerun-Gebirge ■
Bauroann, Katt« von Ango-Ango
r. IHnckelman, v. Frangois* Höhonmewungon .
Abgrenzung der französischen und portugiesischen Besitzungen
v. Soden, Untersuchung dos Kio de! Key ....
Grenfell, Fahrt anf dem Kassai-Sankurru ....
Maxsari, Erforschung des IJkuala-Licona ....
Victoria an die Baseler Miuionsgesell-chaft abgetreten
Zintgrafl, Keise in Kamerun ......
Grenfell, Aufnahme der Kongo-Tributäre ....
Wauters' Utdlc-Mobangi-Hypothcxe .....
'Oatäquatorialafrika. Lage von Kmin-Bei, Caaati und
Junker .... 29. 94. 125, 190, 216. 255.
Bischof llannington, Reise nach Uganda . . 29, 59, 94,
Erwerbungen der Rcutxch-Ostafrikanischon Gesellschaft
Fischer, Expedition zum Entsatz von Dr. Junker 59, 125, 150,
8mythies, Rückkehr vom Nyaxsa längs des I.ujcnde .
Deohardt, Erwerbung des Witu-Gebietes . .
Weife und Jühlkc, lteien nach dem Kilima-Ndxeharo
Last, Reise nach Blantvre .....
Nicdcrmetxctung der Porrnsehen Expedition nach llarar
Paulitschke, Hydrographie der Galla-Gebiete .
Franzoj, Keise nach Kaffs
Cardozo, Reise im Osten de« Nra an
Graf Pfeil und Schlüter, Erforschung des l'ranga
Engelhardt und v. Wonsierski, Karte von Zentral-Oitafrika
Wagner, Deutseh-Ostafrika .....
Picards. Schilderung von Useguha, Ukwere und L'doe
Cecchi, Werk über seine Reise nach Katfa
Martini, Reisen nach Schoa .
Soleillet, Keise nach Kalla
Graf Pfeil, Reis« nach Kutu .
Schmidt, Keise in llsaramo .
d'Abbadie, Serpa Pintos und Gardozos geoditiael
Pringle, Journey in East Afrieu
Dt. Junkers Ankunft in Msalala
Tod des Reisenden Soleillet
Itraversi, Ausflug nach dem Suai-See
Swiony. Reisen im Gebiete des Kyasxs .
Baur und Le Roy, A travers le Zanguöbar
Ferry da Camara, Distrikt von Kap Delgado
Südafrika. Bethel, Positionen im Betschuanen-Lande
Jeppe, Bearbeitung einer neuen Karte von Südafrika .
Elkin, Position von Kimbcrlcy ....
de Mattos und Moreira de SA, Fahrt auf dem Ineomati
Republik llpingtonia im Orambo-Landc .
Parini, Keise durch die Kalahari
Marhadn, Eiienbahntraee Ton der Delagna-Bai nach Transvaal
Montagu Kcrr, Reise durch das Matabele-Land
Holub, Reise nach dem mittlern Sambesi . . .
Wangemann, Ein zweites Reisejahr in Südafrika
Portugiesische Besitzergreifung von Manie«
da Silva Lima, Aufnahmen in Maniea
Duparquet, Keise ins Amboella-Gebiet . .
Blaubuch über Betschuanenland ....
Conder, Karte der Ostgrenze des Bntschuancnlandes .
Ravenstein, Portugiesische Aufnahmen südlich von Sambes
Mager, Biographie von K. Mauch ....
Coillard, Photographien aus Südafrika
Wrey, Karte der Walfisch-Bai . ...
l’reeis of Information coneeming Zululand
Inseln. Lannoy de BLssy, Karte von Madagaskar .
Andebcrt, Erwiderung gegen Dahle ....
Portugiesische Karte von Säo Thome
Möller, Höchster Punkt Ton Sin Thomf .
Französisches Protektorat über die Comoren
Raumann, Expedition nach Fernando Po .
Keller, Die Bai Diego-Suarez .....
Seite
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. 346
5. Australien und Inseln des Qroffeen Ozeans.
Winnceko, Depresion des Lake Byre
v. Mueller, Übersicht der Forschungsreisen in Australien
Boyd, Kimbeiler - Distrikt . . . . .
Mc Donald, Viehherde nach dem KimbcRny-Distrikt getrieben
Neuguinea. Everili, Expedition in Neuguinea
Korbes, Expedition nach Neuguinea
Schräder. Expedition nach Kaiser Wilhelms - Land
Deutsche Stationen in Kaiser Wilhelms -Isind
Zoller, Projektierte Reise nach Neuguinea
Chalmera und Gill. Werk über Neuguinea
Strachau. Fahrt auf dem Mai-kaasa .
Gl
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128.
Seile
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■ 189
■ 283
283, 346
Kteiuer« Inseln. Neue Namengebung im Bismrcka- Archipel , 61
Spanische Oberhoheit über die Carolinen von Deutschland anerkannt . Gl
Deutsch-englische Grenae im westlichen QroCscn Ozean . . . 218
Engliachc Besetzung der Kermadec • Inseln gtR
Allison. Entdeckung einer neuen Insel ...... 283
Britische Annexion der Ellice-lnsoln wird nicht bestätigt ■ . 283
Deutsche Schutzlierr-cliaft über die Marshall-, Brown- und Providencc-
Inscln . , , . , . , . . , , 347
fl. Amerika.
Alaska. Cantwell, Erforschung des Kowak-Fluasw . . .61
Stoney . Erforschung de» nönlliehen Alaska . ■ . . 62, 347
Dallmann. Fahrt auf dem Kaiserin Augusta- Flusse
v. Schleinitz. Reisen in Kaiser Wilhelms -Land
Mc Lcnegan, Erforschung des Nonatak-Flusies
Woolfc. Aufnahme der Küste zwischen Nonatak und Kap l.isburne
Allen, l'nteraachutm des Kupfer- Flusses 62.
62
02
152
Garland und Beatty. Krise vom Mnckontie zum Jukon
62
Schwstka. Erforschung der Elias-Alpen
255. 347
Britische Besitzungen. Maeoun, Low u. Bigncll, Mistassini-See 152
Cabot-Strafse zwischen Neufundland und Cape Breton-Insel . ■ 152
Goodridge, Projekt der Absperrung der Izibrador-Stromung
Boas, Ethnographische Forschungen in Vancouver
255
317
Vereinigte Staaten.
Mississippi-Quelle
Gannett. Glazicr« angebliche Entdeckung der
152
l’owelh Topographische Karte der Vereinigten Staaten
Dakota und Washington sind nicht zu Staaten erhoben
Tissandier, Reise in Utah und Arizona
218
218
218
Davis. Beobachtung von Erdbeben in den Kcuengtand-Staatcn . ■ 255
Dutten, Tiefenmeaaungen im Crater Lake 347
Mittel amerik 8. Hads‘ Schittsciscnbahn über die Landenge von
Tehuantepee 62
Martin. Ksiae in Westindien 62
8toll. Guatemala 152
Bovalliu». Karto der Provinz Talamanca . ■ . ■ . .152
Maudalay, Archäologische Forschungen in Copan ■ . . .347
Menoeal, Chambers a. Taylor, N ikaragua- Kanal 347
Südamerika. Westküste. Payer, Keise am obern Amazonas 219. 348
La l*lata-Staaton, Feuerland. Thouat, Aufnahme des Pileomayo 62
La Plata, Hauptstadt dar Provinz Buenos Aires . ,43
Valverde u. Rhode, Diskussion über den B&riloche-Pafs
Moyano, Projektierte Expedition durch Patagonien ,
Karte der westpatagonischen Gewässer aufgenommen vom
Victorica, Feldzug in Gran Chaco ....
Ithode u. Quiroz, Karte des argentinischen Chaco
de Brettes, Reise im südlichen Chaco
Fontana, Reisen im zentralen Patagonien . .
Liata, Reise nach dem Feuerland
. . 63
. 63
.Albatros*“ 63
. . 153
. ■ 153
■ 153
. 219. 284
. ■ 348
Brasilien, Goiana, Venezuela. Martin, Keise in Surinam . 62
Sie \ er,, Heise in der Cordillera und S» Nevada . . . 62, 153
Simons, Reise nach der Gnajira-Halbinscl * . . . • 62
ChafTanjon, Aufnahme des Orinoeo-Deltaa 62
tan Kate, Anthropologische Studien in Guiana 153
v. d. Steinen, Erforschung des Xingu 219
Ehrenreich, Angaben Uber den Rio Doee 220
Whitely, Ersteigung des Berges Twekkway 283
Wells, Verhältnis de* Rio Para zum Amazoneustrom .... 284
Derby, Geologische Aufnahme der Provinz Sio Paulo . . . 348
7. Polarfgebiete.
Festland. Lindsaya und Dittriehs Kzpedltion
60, 151, 283, 346
v. Sehrenek. Neuvibirisehe Inseln
Graf Anrep-Elmpt, Keisewerk
Bunge u. t. Toll, Ezpeditiou nach den Neuaibiriichen Inseln
. £3j 155
Belooeh. Angebliche Entdeckung von Leichhardts Orab
. 151
HooDer. Werk über die Fahrt des „Corwin" 1881 .
. 64
Digitized by Google
VI
Inhaltsverzeichnis.
Stlte
Lanraan, Lockwoods Keinen . . . . . . . .04
NordeiiükiÖld, Werk der Grönland-Expedition .... 64, 154
F*ddcr<en, Fischerei von Irland ....... 64
Garde u. Fink, Kiebodeekune von Grönland . . . . .153
liyder u. Rloch, Keine nach Westgrönland . . . . .154
Gordoo, Fahrten des „Alert“ nach der Hudson-Bai . . . 155» 284
Werk über die österreichische Polarstation auf Jon Mayen . . 220
Gilder, Projektierte Expedition ..... 220, 256, 349
Pearv, Expedition ins Innere von Grönland . . . . .221
Danenhowcr, Urteil über Polarcxpcditioncn 256
Erforschung der antarktischen Gebiete
Snellen, Niederländische PoUrexpedition der „Varna“
Thoroddsen, Heise in NW-Jeland .
Holm, Fahrt der „Fylll“ nach We^tgrönland .
Ri-Ite
. 256, 349
. 348
. 348
. . 349
8. Ozoano.
Keller, Austausch der Meeresfauna zwischen Rotem u. MittclUnd. Meer 256
Prinz von Moiue», Untersuchung des Golfstrom*» .... 349
Tiefenmessungen auf Grahim'e Shoal ...... 349
III. Litteraturnotizen.
8elte
Allgemeines .......... 31. 284
Europa 95, 165, 286. 318
Asien . ■ . . . . . . . . .157, 318
Afrika 189, 350
Australien und Inseln de» Großen Ozean* .... 221. 352
Amerika .......... 222, 371
Seite
Polargebiote • . . 224. 376
Oxeuue 224, 376
4. und 5. Quittung über die Beiträge lut Dr. Fischen Expedition 32, 192
Erklärung gegen Dr. Eduard Glaser 320
IV. Karten
unter Redaktion von B, Hassenstein.
1. Allgemeines.
12 Figuren 'zur Erläuterung der Erosionstheorie. Von A. I’. Phi*
lippson Seite 72 — 78
Graphische Darstellung der Verbreitung ron Temperatur und Luftdruck
auf den Parailolkrciaen im Januar und Juli. Von Dr. L. Henkel Seite 143
14 Figuren zur Erläuterung asymmetrischer Thalbildungen. Von Dr.
V. llilber ........ Seite 172 — 177
8. Europa.
Der Nord — Ostsee-Kanal. I. Kanalprojekte. II. Kanaltracce. III. Ver-
schiebung der Nord — Ostsee-Fahrt. IV. langen profil des Kanals.
Zusammengestellt von C. J. Bescke ..... Tafel 14
Querprofil des Nord — Ostsee. Kanal» ..... Seite 291
Die Glctseherspureo in Bufsland nnd dem Uratgebirge. Von S. Ni-
kotin. Mafsstab 1:20 000000 Seile 257
Dobrudscha zur übersieht der deutschen Kolonien. Entworfen ron
Dr. B. Schwäre. 1:1200000 Tafel 17
3. Asien.
Provisorische Skizze eines Teiles ron Eduard Glasers Reiaen in Jemen.
Oktober 1883 bis Mira 1864 und Ende April 1885. Von Eduard
Qloser. 1 : 500000 Tafel 1
Der Vulkan Krakatau zor nnd nach dem Ausbruch 1883. Nach den Ver-
beekschen Aufnahmen zusammengestellt ron E. Metzger. 1 : 160000. —
Nebenkarten: 4 Profile. 1:160000: Höhenmafsstab 1 : 80 000. Tafel 2
Originalkarto der Insel Saleijer ira Ostindischen Archipel. Von H.
E. D. Engelhard. 1:150000 — Nebenkarte: Celebes nnd die
Kleinen Sunda-Riseln. 1:12 500 000 Tafel 9
Karte der Allurialbildungcn in Bangka. Von Dr. Tb. Posewitz.
1 : 1400 000. — Nebenkarten: Durchsehnitt durch Mitten-Bangka ;
Östlicher Eingang der Bangka - Straf« ; Durchsehnitt der Klabat-
Bai . . . . " Tafel 10
Durchschnitt der Mündung des Flusses Saranglang . . . Seite 198
4. AlVikn.
Du untere Olifant-Becken (Südafrikanische Republik). Mit besonderer
Berücksichtigung der Eingeboraen - Bevölkerung ges. ron Dr. H.
Raddstx. 1 : 600 000 Tafel 4
Reiseroute des Majors Heath und des Leut. Feyton von Hirar nach
Berbers, Jnni 1685. Nach den Aufnahmen des Msjors Heath ge*,
von Prof. Dr. l’h. Paulitsebke. 1:750000 — Nebenkarte: Über-
sicht der Beiscn im Gebiete der Kjssa-Sotnili und Häbr-Aual.
1:4000000 Tafel 5
Skizze de» mitllern Kongo-Lauf«. Von ». Frangois. 1 : 7 000 000. Seite 86
Originalkartc de» Gebiete» der Musehi-congo im portugiesischen West-
afrika. Nach eignen Aufnahmen gezeichnet ron Dt. Josef Cha-
ranne. 1:400000 ...... . Tafel 6
Itinenir- und trigonometrische Aufnahmen in Uidcritz-Land. Von
H. Pohle. 1:1000 000. — Nebenkarten: l'mgebung ron Au»;
Guos; Harry» Trift. 1:500000 Tafel 11
Originalkartc der Itineraraufnahmen und Erkundigungen dea Premier-
leul. Curt r. Frangois im Stromgebiet dos Kasai, Juni 1884 bis
Juli 1885. 1:2 000000 . Tafel 13
Übersichtskarte der Reiserouten de» Kapitäns A. Cscchi und dos In-
genieur» G. Chiarini im südlichen Abessinien, 1876 bis 1 881 -
1:4 000000 Tafel 15
Die NebenllUsse des mittlem Kongo, Lulongo, Tschuapa, Mobangi
u. a. Nach den Aufnahmen ron Promierleut. Curt r. Francois
und Kev> George Grenfell im euglisehen Misaionsdampfer „Pace*,
1884 und 1885. 1:2000000 Ihfel 16
Durchschnitt des Kasai ....... Seite 326
Originalkartc son Joachim Graf Pfeils Reisen in Ostafrika, Oktober
1885 bis Februar 18BG. 1:1750000 Tafel 18
6. Australien.
Der Unterlauf des Finke River in Znntralaustralien. Nach eigner Erfor-
schung entworfen und gezeichnet ron II. Dittrich. 1 : l 600 000. Seite 213
6. Nord- und Südamerika.
Verbreitung der Vegetalionsformen Nordamerikas. Nach C. S. Sargent.
1:25000000 Thfel 12
Spezülkarte des Schingustromc*. Nach den Aufnahmen und Orts-
bestimmungen von Dr. 0. Oaufs. 1:500000 — Nebenkarte: Über-
sicht der Reise ron Dr. v. d. Steinen u. Dr. Claufs. 1 : 7 500 000. Tafel 7
Routenaufnahme der Expedition r. d. Steinen ron Cuyabä bis zum
Rio Batory , 26. Mai bis 25- Juli 1885- Von Dr. 0. Claufs.
1:500000. — Nebenkarte: Vertikalprojektionen der Route . Tafel 8
7. Polargobioto.
Skizze ron König Christian IX. -Land. Aufgenomraen von 0. F. Holm,
1884 und 1885. 1:1 140000. — Nebenkarten: Übersichtsskizze
ans Grönland. 1:14 000 000- — Kjellströms Aufnahme d« König
Oskar- Hafens. 1:200000 -Tafel 3
Inhaltsverzeichnis.
vir
V. Alphabetisches Register zu den Monatsberichten.
Seit«
Abich t 260
Adelung, Kartoniaiumlung 123
Afrika 29, 50. 92, 124, 149.
IMi 11 5, 252* HO* 315*
344. US
„Albatros»". Westpatago-
nirn . .
Allen, Alaska
Allison-Insel
Amelot + .
GS
G2, 152
. . 283
. . 19
Amerika
6Jj 152, 218, 255*
283, 317
Amu-Darja. Karte . . 279
Anornkow . . . 184. 250
Anrep-Elmpt, Australien . GO
Antarktische Forschung 250,
343. 319
Arnold, Indien . . . . 251
Amuni, Ural-Reis« . . 183
Asien 26, 91, 124, 183, 249,
312, 313. 373
Asante, Salaga .... 30
Audebert, Rechtfertigung iß
Australien . C0, 161. 189,
283. 346
Bammoko. Tolegraph . 124
Baseler Mission in Kameruu 3 1 6
Bastian, Museum
Baumann . .
. . 313
188, 315
Baur, Zanguebar . .
'■ 34h 1
Barifia
. 143
BcattT am Jukon . .
. 62 1
Belooch, Leichhardt .
■ 151
lienue, Grenze. . .
■ 316
Bethel, Positionen
. All
Bignell, MUtassini-Sc«
. 133 '
Bloch nach Upernirik
. 151
Boos, Vancouver . .
. 347
Bodens»«. Tiefenkarte
. 313
Boudier, Tuuesieu
. 33
Bon nie nach Jünnan .
. 232
Bovalliu», Tolamanca .
. 132
ßoyd, Kimhcrley Distrikt 346
Brukeobury. Nil-Feldzug 125
de Brazz» . . . 94, 253
de Breites, Gran Chaco . 53
Bunge . 18, 0^ 155. 315
Buonfanti entlarvt . . . 186
Burma, engl, Provinz 91, 314
Büttner, Kuango . 29, 156
Büttn**r , Erziehung der
Neger 311
Cabot-Strsf&e . . . . 152
Cairns, Irawaddi . . . 185
Camara, Kap Delgado . 345
Cantweli, Kowmk-Fluf* . 61
Cupelln .... 30, 345
Capus, Turke.-itan . 230. 313
Cordozo .... 187, 282
Corey, Ostturkextan
de Carrtlho.
t.'asati ....
Ceechi, Reisewerk. .
Chatlaiijon, Onnoeo .
Uhalmers, Neuguinea . . 12S
Chamber*, N icaragua- Kanal 347
CofHnierm. Basra-I*and . 232
Coillard, Photographien . 283
Comoren französisch . . 217
Cond er, Betschuaueu.Ld. 21 7
Cent, U Plata. . . . G3
. 314
30, 188. 2iU
. • 125, 317
. 281
. G2
Seite
Cor», Kart« von Marokko 121
Credxjer, Bornholiu . . 279
Cromo, Marokko . . . 124
Dakota kein Staat . . llß
Dsllmann, Kalt. Augusts-
Fluh» :
v. Dunckelmait . . 188. 248 ,
Dunenhower, Polarforsch. 236
l>aris, Erdbehenbeobacht. 235
v. Jh-cbjr, Kaukasus 249, 312 -
D« I.acouperie, Chinesische
Kultur 314
Dclanueau, Niger-Fahrt . 232
Dcnhardt, Witu . . . 126
Dent, Kaukasus . . . 373
Desgodins, Tibet ... 38
Derby, Prov. Sao Paulo . 348
Deutscher Kougreb über-
seeischer Interessen . 311 !
Dibrughsr bis Mogoung . 183
Diener, Syrien .... 183
Dittricb, Lindaays Exp. . GO
Doblielcr, Talsbusen . . 183
Dolisie am XkundtcJts . 91
Donkin, Kaukasus . . . 373
Dru, Wolga — Don-Kanal 26
Dupuri}uct, Amboelia . . 217
Dntton, Crater Lake . . 347
Duvejrrier . . 92, 93, 341
Eads, Tehuantepoc • Bahn G2
Ebroureieh, Rio Dos« . 220
Elias nach Badakschan . 91
BUica-lnsalo .... 283 •
Emin-Bci 39, 94, 125, 130, '
21«. 255. 317. 313 J
Engelhardt, Oxtafrika . 216
Battet, Liba-Scc . . . 94
Europa 26, 89, 133* 149,
183, 249, 279, 312,
Rüting, Arabien . . .
Kvcrill, Fly-Kxped. .
Falkenstein, Agotime .
Farini, Kalahari . 127,
Feddeneo, Island . . .
Fisigny, Mekong- Fahrt .
Fituchhafen Station . .
Fischer, G. A. 69, 95«
130, 216,
Fischer, Tis. Tunis . .
Flogcl t
Fontana, Chubut . 219.
Forbes, Neuguinea 61,
ftn^oii . . 29, M, 161
Praozoj .... 187, 343
Frey. Niger-Feldzug . .
Fritxsche, Cilirien . . .
Gabun. Nord grenze . .
Gannett, G taxier* Missix-
sippi-Quelle . . .
Garde, Eis in Grönland .
Gardner, Koroao. Grenze
Garland am Jukou . .
Gedeonovr, Trau.-kaspitu .
Gilder. . . 220. 256.
Gill, Neuguinea . . . 128
Gleerup .... 280. 344
Gluzier, Mississippi-Quelle 132
Goejc, Hadhramuut . . 91
Goodridge, Lvbmdorstrom 235
Gordon, Hudson-Bai 164, 284
Grcifswalder Googr. Ges. 219
373
319
GO
31 G
982
Gl,
185 1
128
125. 1
351
211
31G
8ßij
983
59
183
92
Seite
G reu fr 11 29.59. 150.254. 311
Grunbt»chow*ky, K&vehgar 313
Grum-ürshimailo im Pamir 251
Guinen. Fortug. Grenze 213
,, Habicht“ Rio dol R«v 187
lluimaon, Circnaiea . . 186
Kallott, Scban-Stoaten . 91
Unnuigton 29,39.94. 126. 216
Hartort, Rückkehr . . 316
Hattou, North Borneo . 92
lUvofs, Budapester Ausstell. 99
Hendrich, Katinguu-Flufs 92
Henry, Canton u. llainan 251
liobday, Audamaneu . . 1S3
Holdich, Solomon -Thron 185
Holm, „FylU"-Fahrt . . 349
Holubs Exped. . . . 151
Hooper, .Corwin “-Fahrt . Gl
Hosie in SW-Cbiua . . 252
llowsrd, Nordalatka . . 347
liult. Stuüieustatiou . . 149
Ignatiew, Chan Tcngri . 121
Internat. Statist. Institut 219
Ittomcicr, Mistionsfrage . 31 1
Icons 30, 345
Jadrinzew 259
Jannasch, Marokko . . 216
Japan. KnctebungswcaeQ 183
Jokntcrinburg. Aufteilung 311
Jeppe, Kart« von Transvaal 31
Jühlke .... 126. 281
Junker 94, 125. 253, 317
Jürgens, Steinkohlen an
der Leoa 313
Kabinda. Grenzen . . 215
Kamerun. Südgronzo . 22
Karolinen, spanische . . Gl
ton Kato, Guiana . . . 153
Kellor .... 256. 346
Krrmadcc- Insel englisch 218
Kieport.lL, Kleinasien . 373
N R., Büttners Kouto 150
KirchhofT, Bnuerngrabeu . 249
Knuts»», Kameruu . . 1 87
Kobelt, Algier uud Tunis 93
König, Gewicht der Erde 218
Konschin, Usboi . . . 2G
Kopais-Se«. Trockenlegung 219
Krassnow, Clian Tengri . 121
Kruuse, Salaga 124, 316. 374
Kund . . 127, 150. 251
Lachouque, Tunesieu . 93
Lam», Sro Yaxndok . . 184
Laudas, ltoudaires Projekt 252
Linman, latckwnod . . Gl
Lannoy do Biasy 1 28* 186. 189
La Plato. .Stadt . . . 63
Last 127, 187
Le Bruu-Kenaud, franx. Bes. 30
Machado, Do lag. -Balm
Mackay . . 29, 216
Macoun, MisUssiui-See
Mager, Mauch . .
Mihlr, Volta-Gebiet .
Mauica portugiesisch .
Marcel, Marokko .
Manhall-Inselu deutsch
Martin, Koutcukartc .
Martini, Kcisowerk
de la Martiniere . .
Masssja, Etiopia . .
M.iHsin. Likuala . .
Mattos, inconuti . •
Maudslay, Copau . .
McDonald, Viehtrift
Scitu
127
255
. 152
. 282
. 39
. 188
317
311
281
92
125
280
31
311
346
McLcncgan, Nonatak-Flufs G2
Manager, Togo-Iamd . . 121
Menguroni, Cocchis Kart« 281
Meuocal, Nicaragua- Kanal 347
Molesworth, Rima . . 91
Möller, Pico de Sio Thom* 128
Monaco Pr. r., Golfstr . 319 '
Montogu Korr Matabele . 12s
Montau», Philippinen . 92
Monte» do Oes . 127. 317
Morrison, Mandschurei . 91
Moser, Zentralasien . . 28
Moyano 63
v. Mucllcr, Austral. Reisen 189
Naturforacherver9. . 313
Ncedham, Reise noch Rima 91
N4is, Reise am Mebkong 91
Neubritanmcu. Neue Namen Gl
Neuguinea 60, 128, 189,
283. 346!
Keumsyer, Antarktische
Forschung .... 343
Ngaim-See. Ausdehnung 283
H Niger". Fahrt nach Sau-
aaudig ... 39, 252
64,
89
151
125
311
Lccrou, Togo-Iiond . . 121
Leichhardt, Spuren . . 13 1
Lenz . 60, 188, 280, 315
27 Le Roy, Zanguebar . . 343
319 Lindsay 60, 131, 283. 316
153
91
62
. . 318
231. 313
LLsta, Feuerland
Lock hart
Lockwood, Fartbeat North 61
Iwnczy, China . . . . 311
Lous, Areal von Frankreich 26
Ix>w,.MLtas»ni'See . . 152
Macaulay . 184. 231. 311
Nord — Ostsee- Kanal
Nordeuskiüld . .
Obock. Strafkolonie
Oliveira, Po rtug. -Afrika
Ornstein, Erdbeben .
Ossorio . . 127. 188,
Ostafrik. Ges. 29, 126,
Ozeane .... 256,
Palat t . . . . 149,
Pamir-Kurte . . . . 279
PaultUchke, Oberer Wcbi 187
Payer. .... 219, 318
Pesry, Grünland
Peel, Siorra-Leone
Penrioxxi, Sudan
Ferner, Aroal v. Frankreich
Pfeil . . . 216, 281
Picard», Cseguba . .
Playfair, Reue in Tunis
Plüddcraann, Westpata-
gonien 63
Polargebicte 63, 163. 220.
233. 284. 318i
Polet). Ethnologie . . 373
Polynesien 61, 218, 263, 347 |
m Grenze . . 218 1
Porro. Knuordung . . 13ü |
Pot&nin . . 28, 124. 2hd
Powcll, Karte der V. St. 218
Pringle, Ülautyre . . . 282
317
217
319
315
221
252
125
219
311
252
Seit«
Purdy, Berenice . . . 187
Quiroya nach Ad rar . 313
Quiroz, Grau Chaco . . 133
Rabot, Reise in Lappland 99
Rodde . 91* 184* 250, 312
Ratzel, Fragebogon . . 182
iUvcnttoin, Mauica . . 282
Rävrillerc, Mekong-Fahrt 1 83
Rhode .... 63, 153
Kicharx, Gewicht der Erde 2 48
Richter, Adelung« Karten 123
ltink, Eis in Grünland . 153
Rizxo nnrh Ad rar . . . aift
Ross, Korea». Grenzgebiet 91
Koudaircs Projekt . . . 232
Ryder nach Upernirik . 134
Sä, Iucomati- Aufnahme . 31
Saiimbnni iu Godscbani . 1 87
Sio Thornt. Karte . . 128
t. Schleinitz . . 283, 346
Schlüter, Nach dem Nyassa 2 1 6
Schmidt, l'suramo. . . 989
Schräder . . . 61, 128
v. Schrenck, Neusibirien 63
Schuckmann, Rio del Key 188
Schwarz, Kamerun . 93, 253
Schwntko, Mt. Elias 236, 347
Sehweinfurth . . 311. 343
Senegal. Telegraph . . 59
Serpa Pinto . 187, 282. 346
Sierra L?ono. Blaubuch. 232
Sievera . . 62, 152. 218
da Silva Lima, Manie» . 188
Simons, Goajira . . . 62
Sklave tik liste. Grenze . 92
Srarthiex ..... 59
Snelleman, Vetha ExjkhI. 94
Snellen,NiedcrL Polarfahrt 318
v. Sodon, Rio del Ray . 253
Soleillet .... 281, 315
Stnudingor, Rückkehr . 31 fi
v. d. Steixien, Xingu . . 219
Stejueger, Bcring-Insel 29
Steven« in Afghanistan . 313
Stcwnrt, Scistan . . . 18z
Stoll, Guatemala . . . 132
Stoney, Alaska . . 62. 347
Strachan, Mai-k»»oa . . 189
Svenonius, Kubnakaixs . 26
Swettenharo, Malakka . 185
Swinny am Nvosju . . 345
Tappenbeck 12L 159. 25A
Tarquah. Goldminen . . 30
Taylor, Nicaragua- Kanal . 348
Tchuantepec-Bahn. Karte 62
TenUon-Woixla .... 92
Thomson, Sokoto . . . 232
Tboroddaeu, NW-Island . 349
Thnuar, Pitcomayo . . 62
Tbsandier, Utah . . . 218
v. Poll • 2i» 68, 166. 313
Tomsk, UuiversiUit . . 314
Topinurd, Revue d'Anthr. 89
Transkaspische Bahn 184. 230
Transvaal. Westgrenze . ¥17
Traversi, Suai-See . . 343
Tunis. Carte. . . 93, 374
Upingtonia-Kepublik . 127
Valdau, Kamerun . . 187
Valverde, Barilochc-Paf* . 63
Viard 94, 314.
VIII
Inhaltsverzeichnis.
Seite 1 Seite I Seite
Victorica, Gran Chico . 153] Webster, Korea». Grenze 91 Wilson, Xil-Feldzug . . 123
Wagner, 0«Uftika . . 217 Weif», Kilimu-Xdjch.ro . 120 Winncrkc, laiko Kvrc . 131
Wnngeroann, Südafrika , 131 Welle, Kio Para . . . 281 j Wifsmami . . . . CO, 91
Warncek, Kolonien . . 89 v. Wensierski, Ostafrika . 21C ' v. Woketer, 1’cchuM-
Wasllington kein Staat . 218 Whitely, Twckkway . . 283 Lösche 91
Wuutera .... 59, 341 „Willem Barents" -Komitee 183
Seite
v. Wohlgemut!), Jan Mayen 220
Woltf, Sankuru CO, 234, 281,
343
Woodthorpc. . . 183, 313
Woolfe in Alaska . . . 62
Seito
! Wrey, Walfiaeli-Bai . . 34C
zintgraff in Kamonm . 317
Züller, KeUewerk 93, 127, 128
Zuidenee. Trockenlegung 89
Zulultnd. Information . 34 6
Beilage: Geographischer Littteraturbericht
Ergänzungshefte.
Nr. 81* Geographisch - geologische .Studien tut dem Kühmennddc. Von Fr. Baybeiger. Mit 2 Karten. M. 4.
Nr. 82. Die Pazifischen Kiwmbnhcn in Nordamerika. Von Kob. t. Schlagintwcit. Mit Karte. M. 2,«o#
Nr. 83. l>cr Alpcnfohu in seinem Einflufs auf Natur- und Menschenleben. Von Dr. G. Bernd t. Mit Karte. M. 3,00.
Nr. 84. Arcbir für Wirt*chafl<gcngTaphic. I. Nordamerika, 1880 — 85. Von l’rof. Dr. Alex. Supan. Mit 2 Karten. M. 5*
Inhaltsverzeichnis von Petermanna Geogr. Mitteilungen 1S75— 84. Mit 4 Karten. M. 4.
Druckfehler und Berichtigungen.
Seite 62. Spalte
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Zeile 3 u. 8 v. o. lies 170 km stau 48 km.
34 v. o. He« P^cbjr statt l)echy.
hm i, ,, n Ilomolk* MaU Hornolka.
» 27 r. u. „ 8ll>ueo statt Siluco.
„ 20 t. u. „ Richter Matt Ritter.
„ 17 v. u. *, Bologna statt Mailand.
3 v. u. „ Leipzig. Drockbant .tau Jena, Costouoblc.
Seite 146, Spalte 2, Z. 18 v. u. Hoaßanoko* statt Banokos.
1 Überschrift He« Januar statt Jaul.
14«,
166.
188,
310,
1, Z. 14 u. 16 ▼. u. lies Banokos Matt Banakas.
2, Z. 1 u. 2 sind tu Sp. 1 zwischen Z. 4 u. 6 olnztuchaltcu.
2, Z. 81 v. u. Al* zuverlässigste llohcnmciMins von 8tanlcy
Pool ist bisher die von Dr. A. r. Dnnckolnian bererbueto
Bestimmung von Dr. PochulU.L&scfce — 276 m — anxu-
«eben.
2, Z. 18 r. u. llct l'hcbc statt L’bcbo.
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Von Hodeida nach San’ä vom 24. April bis 1. Mai 1885.
Aus dem Tagebuch des Forschungsreisenden Eduard Glaser.
(Mit Kalte, *. Tafel 1.)
Im März vorigen Jahres mufste ioh Siidarabieu wegen
Geldmangels gerade iu einem Momente verlassen, wo ioh
alle durch frlihero Reisende geschaffenen Schwierigkeiten
beseitigt und die Wege für eine segensreiche Erforschung
des ganzen Sabäerreiches geebnet hatte. Meine drei von
S an’ä aus unternommenen Expeditionen haben dies wolil
hinreichend bewiesen, auch wenn deron Resultate bisher der
Öffentlichkeit nur bruchstückweise bekannt goworden sind.
Selbst Märib, dor Zielpunkt jedes mit dem Sabäertura sich
beschäftigenden Reiseudon, war durch liier nicht zu erör-
ternde Mittel zugänglich gemacht, und ich hätte daselbst
in vollster Freiheit meinen wissenschaftlichen Arbeiten ob-
liegon können. Die bovorstehondo Ankunft des dort regie-
renden Scherifs Husciu ihn ’Abderrahman infolge absoluten
Geldmangels nicht abwartend, reiste ich anstatt nach Mä-
rib nach Europa, von wo ich nach 3 Monaten wieder in
mein Forschungsgebiet zurUokkohron wollte, eine Absicht,
welche leider an Verhältnissen scheiterte, deren Tragweite
nnd Ziel ich nicht geahnt hatte. Armer als ich in die
Heimat zurückgekehrt war, vorliofs ich dieselbe, von nichts
anderem begleitet als von etlichon Schulden, dem trösten-
den Bewufstsoin, meine Pflicht unter den schwierigsten Ver-
hältnissen voll und ganz erfüllt zu babon, und einem un-
zerstörbaren Idealismus, der mir seit frühester Jugend tief
in die Brust gepflanzt. Man hat sich sogar nicht geschout,
eine kleine für Antiquitäten erzielte Geldsumme zurückzu-
halten, ja selbst ein für astronomische Zwecke notwendiges
Chronometer, das ich zur Reparatur zurückgelassen und
seither oft reklamierte , hat man bis zur Stunde nicht zu-
rückgestellt, so dafs ich schon deshalb in den astrono-
misch-geographischen Arbeiten absolut gehindert bin. Nach
langem Zuwarten in Konstantinopel erlangte ioh endlioh
von seiton des österreichischen Unterrichtsministeriums
eine bescheidene Subvention von 800 fl. ö. W. in Papier (ca
1600 Frank, die kaum die Kosten moines Aufenthaltes in
Konstantinopel deckten), und machte mich mit etwas orborg-
tera Gelde ein zweites Mal auf den Weg nach Südarabien.
Edle Menschen, moinc Lage kennend, haben mich dabei
unterstützt, indem sie mir alle möglichen Ermäfsigungen
Petemnon » GeogT. Mitteilungen. 1886, Heft I.
erwirkten. Es drängt mich, diesen Horren, ganz besonders
Sr. Exzellenz dem Herrn Botschafter Baron Calico, ferner
den Mitgliedern der K. und K. Botschaft in Konstantinopol :
Militärattache Major v. Manoga und Legationssekretär Freiherr
v. Call, wie nicht mindor dom Präsidenten der österreichisch-
ungarischen Kolonie, Commodore Fomi, bei dieser Gelegen-
heit meinon ergebensten Dank auszusprechen.
So kam ich am 21. April, nachdem ich das Bafyr el
ah mär (d. i. das Himjarenmeer, welches Wort schon von
den Alten dor gleichen Schreibweise wegen mit der Be-
zeichnung „Rotes Meer“ verwechselt wordon sein mag) an
Bord des Lloyddampfers „Juno“ durchschifft hatte, in Ho-
deida an, wo ioh an der Landungsbrücke von meinem treuen
Diener §äli(i bogrüfst wurde, der seit meiner Abreise von
San’ä regelmäfsig mit meinen Maultieren an die Küste hin-
abstieg, um seinen Herrn zu erwartou, eiu Beispiel von
Treue und Redliobkeit, das wohl besonders hervorgehobon
zu werden verdient.
Die wenigen hier befindlichen Europäer, darunter nuch
ein wackerer jungor Deutscher, Beamtor der ottomanischen
Tabakregio, namens Wendt, weloher leider wenige Tage
nachher, wie ich in San’ä erfuhr, einem perniziösen Fieber-
anfall erlag, und ein aus Württemberg stammendor Bürger
der Vereinigten Staaten Nordamerikas, nahmen mich aufs
freundlichste auf, und auch die türkischon Beamten thaten
ihr möglichstes, um aufs neue zu bowoisen, dafs sie einer
der liebenswürdigsten Nationen der Walt, angeboren. Einer
derselben erzählte mir interessante Dinge über den leider
ermordeten Forschungsreisondon Charles Huber, welchen
er in Mekka gesehen, noch bevor er von dort mittels Es-
korto nach Djidda dirigiert worden war.
Hodeida eine im Aufblühen begriffene See-
stadt mit seichtem Hafen, ist in Europa wohl allzu be-
kannt, als dafs ich mich des weitern über eie äufsern sollte.
Als einziger Stapelplatz fUr ganz Türkisch-Temen würde
diesos Emporium wohl etwas mehr Aufmerksamkeit von
seiten dor österreichischen und deutschen Kaufmannswelt
verdienen, und mir selbst würde os trotz der indifferenten
Haltung der malsgebenden kommerziellen Kreise dennoch
1
2
Von Hodeida nach San a.
zum Vergnügen gereichen , alle eveutuellen Anfragen sei-
tens österreichischer oder deutscher Gesellschaften oder Fir-
men aufs gewissenhafteste zu beantworten.
Die Anwesenheit der aus sieben Ärzten bestehenden
(Juarantänekonmiission von Rumänin benutzend , besuchte
ich mit einigen dieser Gelehrten das uufsorhalb der Stadt
gelegeuo, aus ’Arw&iS (P). von ’Ariä = Hütte aus Holzge-
strüppe u. dg)., in der ganzen Tihäma üblich) bestehende
Akhdam- Viertel (Häfet. el akhdam), um die hier hausende
Parinbovölkerung zu studieren. Du die Herren Ärzte, dur-
unter auch Dr. Guth, ein Landsmann von mir, in diesen
Dingen durchaus kompetenter als ich, ihre Beobachtungen
über die Akhdüm Hodcidas zu veröffentlichen zugesagt haben,
so kann ich mich füglich mit dem begnügen, was ich dar-
über im „Ausland“ (16. März 1685 in eiucin Aufsätze:
Die Kastengliedcrung im Yomen) mitgeteilt habe.
Da der Weg von Hodeida nach San’ü in der letzten
Zeit etwas uusichor geworden — man hatte wenige Tage
vorher sogar die Postkuriere zu wiederholten Malen ange-
fallen — , so wollte ich nicht ohne Begleitung reisen.' Nach
3 Tagen vergeblichen Suchens entschlofs ich mich dennoch,
blofs mit meinem Dieuer und einem Polizeisoldatun abzu-
reisen, da mir das Klima der heifseu Seestadt außerordent-
lich lästig zu werden begunu.
Freitag den 24. April, 6 Uhr abends, ritten wir zum
nördlichen Stadtthor hinaus. Ich atmete ordentlich auf;
denn seit 3 Tagen war ich nicht einen Augenblick (selbst
nicht bei Nacht) aus dem Schweifst» gerateu. An einem
lieblichen Palmenwäldchen vorbei, in welchem die Spitals-
hütten untergebracht sind , gelangen wir gar bald ins so-
genannte Khabt eine beinuhu durchweg sandige
Steppe, welche mit eiuom kleinen büschelförmigen Gewächs,
’üsul (J -jz.), unserm Heidekraut in der Form nicht unähnlich,
bedeckt ist, aus welchem die Araber eine schwarze Masse
f t
(Hufum »J>) bereiten, die zu dun verschiedensten Dingen
verwendet wird: als Beigabe zur schwarzen Farbe, als In-
grodiunz zur Seife, ferner vermischt mit Söder ( als
Händeschminke der Frauen, und zu viel andern. Tausende
von Grillen beloben diese einsame Steppe mit ihrem lieb-
lichen Zirpen. Sonst herrscht Totenstille. Nur das Fir-
mament mit seinen glitzernden Sternen trägt noch etwas
Leben, allerdings ein geräuschloses und erhabenes, hinein.
Freilich möchte ich hier nicht, vom Wege abwoichend, blofs-
fufsig durch die niedrigen Büsche wandern, denn zahlreiche
Schlangen (von den Arabern hajjat und binään genannt),
geräuschloser noch als das Firmament, windon und schlän-
geln sich durch den Sand, und wehe dem, der dieser Ge-
sellschaft zu nahe tritt!
Um 9 Uhr erreichten wir das ersto Mikäje, das soge-
nannte Kahwet el Khabt, das Wüsten- oder Stoppen- Kaffee
— und in der That verdient es diesen Namen , denn weit
und breit gibt es kein Dorf, keine Hütte — ; das Kaffee-
haus besteht aus fünf oder sechs ’ArwfUs, die koin andres
Meublement enthalten, als zwei oder drei sogenannte Ka-
rfisi (Plural von Kurs!) oder Ka’äid (Plural von Ka'da), eine
Art Bettgestell der einfachsten Konstruktion, etwa 1 m hoch
und mit einem Faser- oder Strickgeflecht überzogen. Die
allzugrofse Feuchtigkeit in der Tiluima erlaubt nicht, dafs
| man auf der blofsen Erde schlafe.
Aufscr einigen Kameltreibern (djammälin) war nur noch
ein verarmter Gelehrter aus Baghdad da , der seit etwa
10 Jahren im fremdou Laude bettelt. Eiue Krankheit scheint
ihm die Sprache genommen zu haben, denn nur mit Mühe
stotterte er einige Worte. Schon tags zuvor hatte er sich
mir in Hodeida gewisserinafsen als einen Kollegen vorge-
stellt, als einen armen reisenden Gelehrten, nur mit dom
Unterschied, dafs or mich ftlr reich hiolt. Mit grofser
Mühe brachte er das „Saläm ’aleikum!“ heraus, und auf
meine Einladung leistete er mir beim Kisrtrinken Ge-
sellschaft. Kiär ( .-ixi), der Absud aus don die Kaffeeboh-
nen einbüllendeu Hülsen (die Hülse heifst eben Kiär), wel-
cher in bauchigen und langhalsigen Gefäfsen (Djemin =
Plural von djemeno) dargereicht wird , ist da« einzige La-
bung«- und Stärkungsmittel, das man in dieser Einöde be-
kommen kann.
Nach dreistündiger Rast brachen wir Punkt 12 Uhr
wieder anf, diesmal von unserm Gelehrten begleitet, der
gleichfalls nach Bädjil gohon wollte. Wir durchziehen von
Hodeida angefnngen bis an den Rand des Gebirges fort-
während das Gebiet der Kohrä-Araber (I-Äi), eines grofsen,
etwa über 3000 bewaffneter Männer verfügenden Stammes,
welchen Karl Ritter (I, 913) fälschlich für einen aus Täif
nach dem Yomen eingewnnderten Tribus hält. War unser
Weg bisher ziemlich genau nach NE, so wendet er sich
nunmehr gegen ENE, beinahe E. Die Gegend, bisher bei-
nahe baumlos, wird belebter. Verkrüppelte T'aHibäume mit
geradezu horizontaler Krone treten ziemlich häufig auf,
und hier und da erscheinen auch einige Dompulmcu (Daum
genannt, und nicht zu verwechseln mit dem gleichfalls Daum
genannten Baume in den tieferu Partien der Wadis, zu
beiden Seiten des Serät). Die Dörfer Der el Mazära’a,
Der Sälim, Der llöbal, El Hamra, Der es Seil, Der ihn
Ahmed, befinden sich teils an der Route selbst, teils in der
Nähe, während das Hidjro-Dorf (von Aäräf oder Sflde be-
wohut) Maräwa’a und Kotä' ziemlich woit rechts vom
Woge bleiben, und zwar beide im Flufsbette des Wadi
Sahäm ((*up~). Talicj bei Ritter (I, 718 u. I, 893)
Dahhi genannt, der übrigens kleine llnuptort des Djur-
balji- (Plural = Djoräbih) Stammes, bleibt ziomlich weit nörd-
lich vom Wege liegen, jedoch nicht so woit, als es nach
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Von Hodeida nach San’a.
3
Niubuhr verzeichnet ist. Alle diese Dörfer sind einfache
Hüttendörfer, zumeist weitläufig angelegt. Zum Unterschiede
von don Küstenstadton, welche Steiuhäuscr enthalten, findet
man hier weit und breit keinen Stein, keinen Felsen. Das
allein schon wurde uns genügen, in Übereinstimmung mit
einzelnen moinor Vorgänger zu behaupten, dafs die gauze
Oegend verhältnismäfsig neuern Ursprunges ist , und ihr
Entstehen nur dom Zurückweichen des Meeres verdankt.
Man könnte !>einahe mit Sicherheit sagen, dnfs die den Alten
bekannte Küste ziemlich weit im Innern des heutigen Lan-
de» war, etwa dort, wo man die ersten Saatfelder erblickt,
so dafs manche der von 1'tolomäuB, Plimus und dem Ver-
fasser des Periplus erwähnten Küstonortsclmfton und Häfen
gegenwärtig im Innern des Landes zu suchen sein werden.
Es ist hier dassolbe Phänomen zu konstatieren , wie in
Djidda, Port Said und andern Städten des Koten und des
Mittelländischen Meere» , wo sich der Seespiegel geradezu
zusehends von Jahr zu Jahr senkt und meereiuwärt» zu-
rückziebt, wie am Tritonischen Golfe und in Uttica. Nur
I
jene Tilnimagcgouden, welohe an und für sich höher liegen
und wolche sich erst durch genaue barometrische Messungen
werden feststellen lassen, können als schon vor alter Zeit
hlofsgulegto Strecken betrachtet werden.
Bei Der el ’Obnki ( .mt.), auch Der el Djebl genannt,
treten wir schon zwischen die ersten Vorläufer de* soge-
nannten Tihämagebirges ein. Unser Weg führt nun durch
niedrige Hügel hindurch längs eines ausgetrocknetvn Fluß-
bettes (Säila) bis nach Bädjil, das zwischen Dj. ’Obüki, dem
mächtigem Dj. Dämir und dem Dj. Dihno (äi?j)
cingescblosscu liegt. l>j. Milhän und Dj. Ijiofää
erscheinen nördlich im nahen Hintergründe von
Dj. Dilma und dem östlich davon gelegenen Dj. ’Yzzän
_c) Allseitig befinden sich in der Nähe der Dörfer !
bereits Saatfelder, zumeist Dnkhn, Dirre (s.j, anderwärts
Durrah genannt) und Rfimi (= türkischer Weizen, Mais).
Um 6 Uhr morgens reiten wir in Bädjil ein , der grofsen 1
Huttenstadt und dem Zentrum der gleichnamigen Kadhä,
(türkische Aussprache: Kazä) oder de# Verwaltungsbezirkes,
welcher unter einem eignen Kaimakäm steht.
Bädjil aus etwa 500 grofsen ’Arwäs, drei oder
vier von den Türken erbauten Steinhäusern , und einem
festungsurtig angelegten Regierungsgehäude beslebend, ist
eine der merkwürdigsten Städte der remenischen Tihäma.
I>rei bis fünf Hütten, von einem Zaune umgeben und dann
I)ärc genannt, bilden gewöhnlich das Gehöfte einer aller-
dings bisweilen zahlreichen Familie. Einige grofse, thüuerne
oder irdene Bottiche, gewöhnlich bi» zur Hälfte oder noch
tiefer eingegraben, enthalten da* Trinkwasser. und mitten l
im Hofe befindet »ich die Feuerstelle. Die ‘Arwäi sind
nach Art der europäischen Häuser ziemlich rechteckig und j
mit einem regelrechten , allerdings nur aus Knüppelbalken
verfertigtem Dachstuhle versehen , hei welchem sogar der
Firstbalkon nicht fehlt. Von innen betrachtet , bietet das
Ganze den Anblick oines leeren europäischen Hausgerüstos
der allerprimitivsten Sorte ohno Dachboden. Die senkrech-
ten Wunde des ’Ariä werden von innon mit einer gelblich-
braunen Masse verkleidet (die Arabisten durften mit Hilfe
der Wörterbüohor leicht hcrausfindeu , was diese Masse,
daff el häkar genannt, sein könnte, ohne dafs dies in guter
Gesellschaft oder vor wohlerzogonen Lesern ausgesprochen
zu werden braucht). Außer einigen Ka’äid findet man
nichts als eine Öllampe (Mäsraflje), eine Merfa'a (kleiner
dreifußiger Schemel , kaum 30 cm hoch, auf welchen man
diu Schüssel stellt), eine Medä'a (hohe Wasserpfeifo mit
langem Rohre) und höchstens noch eine alte Kognftkkisto
oder einen Kasten, in welchem die Kleinodien der Familie,
bestehend in einigen Blechtöpfen, Kiirtäßclion und zwei
oder drei Eßlöffel der allerordinärsten Sorte, sorgfältig ver-
sperrt aufbewahrt werden. Den Schlüssel dazu hat selbst-
verständlich die emsige Hausfrau. Da im ganzen Hause
Thür und Thor stet« offen ist — die meisten Hütten buhen
gar keine versctiliefsbare Thüre , sondern einfach Matten-
vorhänge — . so ist diese weise Vorsicht vielleicht nicht
ganz überflüssig. Die Männer gehen beinahe ganz nackt.
Bloß um die Lenden tragen sie ein großes Tuch oder viel-
mehr ein Stück lannwand (Futa). Der Kopf wird nur selten
mit einer Art ’Ainäme (Kopftuch, in der Tihäma Massar,
im Gebirge Kuh’, genannt) bedeckt. Der Oberloib wird
bisweilen mit einer engärnieligun Jacke (Zonne, im Gebirge
Medra’a genannt) bedeckt und nur die Vermögendem tragen
eine Art Überwurf aus dünner Ixdnwand (*Abl»e) und San-
dalen (Medina*, im Gebirge Hidä oder Hidä genannt). Die
Damen, un verschleiert, tragen Beinkleider, ein enganschließen-
des Tuch, welches von den Hüften bis zu den Knöcheln
reicht und an dor Bewegung hindert. Wie die besser si-
tuierten Männer, verhüllen auch die Damen, und zwar ohno
Ausnahme, ihren Oberleib durch eine Art Jacke und trogen
gewöhnlich auch ein Kopftuch. Im ganzen sind sio manch-
mal bestrickende Erscheinungen , besonders wenn sie die
BlUtejahre noch nicht überschritten haben. Draußen im
Freien sieht man die Weiher häufig mit nach oben sich
verengenden Strohhüten (Mawähif Plural von Mau-
hif oder Mauhifel mit großer Krempe, eine Tracht, die
man hei den Männern nur im Sa'finlande wuhniohmen kann.
Da» Nutzvieh, gewöhnlich aus zwei oder drei magern Buckel-
küheo bestehend, findet Platz genug im Hoframn, wo man
ihnen zumeist etwas ‘Adjür f d. i. getrocknete Stengel
der verschiedenen Tibämaptlanzen , seltener jedoch ‘alaf
( _“g). eine Art Heu als Futter vorsetzt. Eine solche
Kuh hat dann auch nur schlechtes Heisch und ist kaum
»•
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4
Von Hodeida nach San’«.
mehr als 15 — 18 Mariatheresienthaler wert. Aufsordem be-
sitzen die Leute gewöhnlich nooh einige Schafe und Ziegen,
und auch Katzen (eine sehr grofse Sorte) und Hunde fehlen
nicht.
Bädjil ist der Mittelpunkt des Kohrnstammes oder des
sogenannten Kohrijalandos und zugleich ein grofaer Markt-
ort, wo es an Markttagen rocht bunt hergeht. Ganz Kol.ira
hält es fiir seine Pflicht, acte de prdsence zu thun und
jeder oinzelne erscheint mit seiner Ghariz d. i. einer
kurzen Lanze und seiner Djurda oder Djirda, einem aus
Syrien her eingeführten Schwerte, das gewöhnlich in einer
Holzschoide (djihüz) steckt. Selbstverständlich fohlt die
Djenbija (das Gürtelmesser) niemals, wenngleich sio nicht
so schön aufgeputzt ist, wie bei den Gebirgsarabern. Nur
dio Akhdäm, welche abgesondert wohnen, tragen keine Waffen.
Die Kobrä- Araber sind etwas dunkel gefärbte Leute von
schwächlicher Statur; sie sind seit undenklichen Zeiten in
dieser Gegend angesicdolt und sind vielleicht gerade die-
jenigen, welche den durch das Zurückwoichen des Meeres
blofsgelogten Boden urbar machten; denn aus den in den
arabischen Handschriften aufgczeichueten Überlieferungen
geht, hervor, dafs ’Akk, der Vaterstamm der Kohrü, aus dem
Gebirge hierher cingewandert und erst nach der Zerstö-
rung dos Dammes von Marib bis hart ans Meer vorgerückt
ist. Die Küstengegend kann also nicht viel alter als 1700
Jahre sein. Indes haben nur die wenigsten der heutigen
Kol,mi- Araber eine Ahnung von ihrer Abstammung und
Herkunft. Danach befragt, geben sie gewöhnlich zur Ant-
wort: -Wir sind Unterthanon (ra’ija) der Regierung und
schauen zu, dafs wir oin Stückchen Brot erwerben; was
sollen wir von den ansüb (Deszendenzen) wissen? Das ist
nur bei don Gebirgskabylen Sitte , welche grofse Herren
sind. Höchstens kann dir darüber einer unsrer Golehrten
oder ein Sejjid Aufschlufs gebon!“ In der That liegen
auch dio diesbezüglichen Verhältnisse in dor Tihama spe-
ziell, wo die Völkerschaften gar oft durcheinander gewürfelt
wurden, nicht ganz einfach. Indes werden die südaro-
bischen Handschriften in dieses Chaos etwas Ordnung bringen.
Ich solbst besitze — abgesehen von einem ausgezeichneten
Exemplar des 10. Bandes dos Iklil des Hamdaui, dom Raud-
hat el albäb und einer dritten an Wert alle andern über-
flügelnden Handschrift, deren Verfasser leidor nicht ge-
nannt ist — ein vollständig erhaltenes Manuskript Uber
südarabischo Genealogie von dom aus Djibla stammendon
berühmten El Melik el asraf abi Haf$ ’Omar ibn es Sultan
Jüsuf ibn ’Omar ibn ’Ali ibn Rasül el Ghosaüm. Ich werdo
Gelegenheit haben , später auf dieses ausgezeichnete Buch
zurückzukommen. Hier nur eino kleine Probe, welche uns
nicht nur über dio Kohra-Araber Aufschlufs geben, sondern
auch zeigen wird , wie viele Stammesgruppou der heu-
tigen Tihäma sich auf bekannte alte Stämme zurückführen
lassen.
Der Autor führt folgende (von mir wesentlich gekürzte)
Genealogie dos ’Akk ibn ’Adnän an:
Es gibt zwei ’akkitische Linien: Sahid und 'Abdallah,
beide Söhne des ’Akk-Sahid verzweigten sich wieder in zwei
Stämme: ’Afik und Sä’ida, ebenso wie 'Abdallah, von wel-
chem ’Abs und Banlän abstammen.
Von ’Afik leiton ihren Ursprung her dio : Kijunn, Ma-
küsira, Dibna (bewohnon die Hügel zwischen El Fakhrija
und El Muk^arija, das sind die bereits oben erwähnten Borgo
Dihna bei Bädjil), Rami , Dübi und Li’sän (bereits in Pli-
nius VI, § 157, erwähnt). Zu Sä’ida, einer Urenkelin Sü-
hids gehören : Läm, Sakhr, Da’idj, Na’idj, Za’l (ursprünglich
wahrscheinlich auf dem Dj. Hadliür Su’aib, gegenwärtig
zwischen Hodeida und Lobya), Kiu, Kudhija, ’Aldfa, Iläil
(welche von Hais bis Alauäah (?) und im eigentlichen Yemen,
südlichen Teils, wohnen), ferner Wälija, Kohr, zu denon dio
BcdQ el Iladaki und dio Kohrü, vielleicht die Cyrei des
Plinius, gehören, dio Raidha und die Rukäma.
Auf ’Abs werden zurückgefiibrt : Zuheir, Malik, Kureif,
Zeid, El ’Aiülik, Hädjaba, Ghüuarn, Nüdj, Mensik (zum Ge-
biete vou Mahdjam gohörig) , ’Amrän, zu welchen dio im
Wadi Sahüm wohnenden Kudhü bonü ’ Amrau Besir , viel-
leicht dio Chodae des Plinius, gehören, El Habthä (in Ha-
radh), El Harma, El Djartha im Wädi Surdud, Sabi’a, el
Mutüwako, ’Abida &c.
Endlich dio Stämme Baulüns : El ’ Alawi, el Kahabi, el
Djurbabi, ’Adwän, El Wabra C?), el Huleili (im Surdud),
Es Sammi, El Ka’bi (im Wadi Maur, auch auf meiner
Kartenskizze nachgewiesen , und zwar unweit von Snda).
Aufserdem noch zahlreiche andre, da ’Akk mit Aä’ur ver-
schwägert war, und infolgedessen manche Strecken von boidon
Stämmen gemeinschaftlich bewohnt wurden. Die meisten
dieser Stämme sind noch heute nachweisbar und sollen auch
im Verlaufe meiner Publikationen über den Yemen zur
Sprache kommon. Vorläufig genüge uns , aufser den be-
reits genannten Kobraort schuften noch diejenigen aufzuzüh-
len , welche man heute zu diesem Stammesgebiote rechnet.
Dör el Wafi, Bohäh , Diret 'Am, Kobbet el Massü’ir,
Mukleh, Samhar und ’Obäl, welches schon obenso wie Mik-
töre in der Nähe von Hodjeila gologen ist. Aufsordem ge-
hören zur Kobrija noch dio Staramesgruppon dor Madjärda,
Duwämire (beide auf dem Dj. Dürnir) und Li’sän. Südlich
von den Kohrü (schon zu Boyt ol Fakih gohörig) wolint
dor grofse Stamm dor ’Abüs, oder wie die Araber auch
sagen, die Kabilat el ’Absi welche gleichfalls zu
’Akk gerechnet werden, und den untorn Teil des Wüdi Sa-
ham innehaben. Nördlich von den Kohrü leben dio Djerü-
bih und die Ahl Milhüu und Ilofaä. Im Osten stofseu dio
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Von Hodeida nach $an’A.
5
Kohrä an das Gebiet der Zijüdini , welche am Fufso der
Haräzberge wohnen.
Um 2 b 45 m nachmittags muf» ich die Temperatur
im Schatten und fand nicht weniger als 37,8* C. Das
Maximum jedoch scheint gegen 40* betragen zu haben,
da selbst meine Wirtin meinte, dafs dies „maut wa müä
biimi“, d. h. „der Tod und nicht blofs heiß“, sei. Diese
Tcm(x>ratur scheint jedoch selbst in der Tihäma eine außer-
gewöhnliche zu sein. Indes, ich verbrachte doch die Zeit
so angenehm als möglich, donn sowohl die Wirtin als auch
einige andre Bewohner des Ortes waren liebonswürdig
genug, mir eine ganze Reihe von Aufklärungen über die
Sprache und andre Verhältnisse des Landes zu geben, welche
mein bisheriges Wissen wesentlich ergänzten. Merkwürdig
bleibt nur, daß der treffliche Niobuhr, dem os keiner seiner
Nachfolger an Schlichtheit und Gewissenhaftigkeit in der
Darstellung der bereisten Gebiete gleich gothan hat, von
Lol.iija Über Tabej nuch Boyt el Fakih reisend und ganz
nahe an Rädjil vorüberpassierend, doch von dieser bedeu-
tenden Stadt kaum den Namen erwähnt, liädjil liegt be-
reits an 180 m höher als llodcida.
Um 7h 30“ ritten wir von liädjil ab, unmittelbar hinter
der Stadt bereits ins eigentliche Gebiet der (mit Unrecht)
sogenannten Tihämaberge eintretend. Unser Weg führt
uns, immer in einem Flufsbotto aufsteigend , zwischen den
zwei niedrigen Kegeln des Dj. Dihno und don zwei gleich-
falls nicht hohen Kuppen des Dj. ’Yzzän einerseits und dem
etwas mächtigem, wenngleich ebenfalls nur niedrigen Dj. L)ä-
mir anderseits, bis knapp an den nördlichsten Rand des
letztem, wo wir uns jäh noch SE wenden, immer in dem-
selben Flufsbette, welches südöstlich von Bo bäh seinen Ur-
sprung nimmt und gerade au dem erwähnten Wendepunkte
ein zweites Wadi, das Wadi Markh (a. j (in seiuom Ober-
laufe, d. h. in den Bergen der Reni Sa'd, Wädl el Hirith
genannt), aufnimmt. Hinter dem Dj. Dihne und
dem Dj. zzün, scheinbar in unmittelbarster Nähe, erheben
sich die gewaltigen Massen des Dj. Milfeän, HofAü and Tais,
welche sich bis gegen Tawile erstrecken, von unserm Ge-
biete jedoch durch das Wtldi Surdud getrennt sind, das
den Djerübih- Arabern als Wohnsitz dient. Der Dj. Dämir,
nicht sehr hoch, jedoch aufserordentlich ausgebreitet, ist
mit zahlreichen, zumeist aus Steiuhäusern bestehenden Dör-
fern besetzt, welche den Dawämire und Medjärda, zwei
gleichfalls zum Kolirästauime gehörigen Lahüm (= Unter-
abteilangen) gehören. Unser Weg führt unB immer knapp
an dem Ostabbango dieses Bergzuges; östlich vom Woge
erblicken wir in nächster Nähe blofs einige von Medjärda
bewohnte niedrige HugelzUge, hinter welchen sich das schon
den Klassikern und Hamdäui bekannte Land Li’sän bis in
die Gegend der Benl Ismä’il, ins W. .Sahntu bis ’Obäl und
Saihün Danmar erstreckt. Hinter Li’san erheben sich die
mächtigen Berge der Benl Sa’d. Auf dem Dj. Dämir gibt
es noch keino Kaffeekultur, welche erst mit dem Dj. Bura*
(gj) beginnt. Um 10b 45“ abends erreichen wir Bobäb
wo wir auf Anraten einiger Kameltreiber über-
uachten, da sie uns mitteileu, dafs der vor wenigen Stunden
gefallene Regen den Weg besonders zur Nachtzeit unprakti-
kabel gemacht habe. Boltäh, ein kleines Hüttendorf, ist ohno
jede Bedeutung. Es liegt 365 m Uber dem Seespiegel.
Den uächsteu Morgen, d. i. Sonntag um 6b 15“, brachen
wir auf. Trotzdem die Hitze ganz aufserordentlich war,
bedauerte ich doch keinen Augenblick, nicht bei Nacht go-
reist zu sein ; donn der Weg war geradezu entsetzlich, so
dafs ich an zahlreichen Stellen vom Maultier absteigon
mußte. Wir durchritten zunächst, uns immer in der Nähe
dos rechts vom Wogo befindlichen Dj. Bura’ haltend, die
Kä’ Mnt-hali bis zur Enge von Bäh el Käre
(■ijj), hinter welcher wir in die Kä’ Snmliur ( —*— ) hinaus-
traten. Hier erblicken wir in nicht großer Entfernung
das große Marktdorf ’Obäl, über welches eine zweite Straße,
und zwar für Kamele, nach Mefliak führt. Der
Weg, welcher die mächtige Bcrgraasso von Hurüz (-Ls*-)
umgeht , fiihrt von ’Obäl nach Sok er Rubü’ und
Sanfar ( ,yUo) im Wädi Sahüm und von hier durchs
Wädi Saihän hinauf nach Beyt el Käbili (
und SaihAu, dann durch niedrige Einsattelung zwischen dem
Dj. 'Äniz ( J-c) und den Borgen der Benl Mukätil
nach Mefl.iak, wo er mit dem kürzern über Me-
näkha (.vj>— /c) nach San ä führenden Wege zusam-
montrifft
Wir lassen deu au der Nordostseite des Dj. Bura’ be-
findlichen Marktort ’Obäl rechts liegen uud steigen direkt
gegen Hodjeila (jJuc?“ ) empor, zalüroiche, tiefeingeschnittene
Flußbette durchschreitend , welche allo zum W. Sahara
gehören. Um llb 30“ vormittags erreichen wir Hodjeila,
einen Marktort, in welchem nur ein einziges unständiges
Gebäude, numlich die auf der Höhe gelegene türkische Ka-
serno vorhanden ist. Alle übrigen Häuser dieses letzten
Tihämaortes stellen ein Gemisch von Hundehütten und
’Arwäi vor. Die Hütten , kaum mannshoch , werden aus
großen, unbehauenen Steinen ohno Mörtel aufgefübrt. Der
Ort hat seinen Namen von den zahlreichen Steinhühnern,
die in der ganzen Umgegend geschossen werden können.
Ilodjeila scheint identisch zu sein mit dem &a{ el hadjal,
welches Hamdäni in seinor Beschreibung der Djezirat el
I ’arab bei Huräz anführt.
Die Einwohner von Hodjeila , alle förmlich kastanien-
braun uud unsren Zigeunern nicht unähnlich, gehören teils
zum Stamme des Z(jädini teils zu dem der Khaull
oder Khäuli oder Die enteren scheinen
6
Von Hodeida nach fjan’ä.
ein Zweig dor Boui Dawwär zu Bein. Die Zijädini haben
folgeude Dörfer inne : Hodjeila, Wa’il (j-x.) im NNE von
Hodjoilu und ol M’äzebe (ju jxA) , welche» wie das oralere
auf dem kürzesten Wege nach Menäkha gelegen ist, jedoch
etwas weiter. Die Khauli wohnen in Hodjeila und besitzen
aufserdem das Dorf El K&hira (ä-f Jsj , ziemlich genau
südlich von Hodjeila auf dem Berge, kaum 2 km entfernt
Aufsur den Steiuhühueru gibt es besonders in den Gewäs-
sern der Umgebung eine Art wilder Enten, hier Khulal (JJw>)
genannt, welche sehr schmackhaftes Fleisch liefern. Aufser-
dem eine Unzahl von Yogulurteu und Schmetterlingen,
welche das Buschwerk beleben. Da meino Mittel mir nicht
gestatten, naturhistorische Sammlungen anzulegen, so habe
ich mich damit begnügt, die Namen der mir zu Gesichte
gekommenen Vögel und ebenso der Pflanzen zu erkunden
und überdies mit vollem Erfolge nach Manuskripten zu
fahnden, welche uns darüber Aufschlufs gehen können.
Sollte sich einmal ein Museum bereit finden, für diesen
Zweck oine ausreichende Summe zu opforn, so würde iuh
wohl in der Ijage sein, mehr als huudort zum grofsen Teil
noch unbekannte Tier- und Vogelspezies und wenigstens
eine gleiche Anzahl gewils ganz unbekannter Pflanzon-
sorteu, darunter auch eine vollständige Sammlung sämt-
licher in Südarahien vorkommonden Weihruuchsorten und
wohlriechenden Pflanzen anzulegen. Dasselbe gilt hinsicht-
lich der mineralogischen Sauimluugen, auf welche ich gleich-
falls verzichten mufs, da mir moiue Mittel nicht einmal er-
lauben, meinen alten bewährten Diener und meine Maul-
tiere zu behalten.
Eigenartig ist die Haartracht der Frauen in Hodjeila.
Sie tragen nämlich einen Zopf um das Ohr herum, welcher
in oiner Kettenlinie, von der Schläfe beginnend, um das
Ohrläppchen herum nach dem Hintorhuupte verläuft, wo
er unter dom Kopftuch verschwindet. Selbstverständlich
gehen hior wie überall in der Tilmma dio Damen uuver-
schieiert. Die Kinder, Knaben sowohl als Mädchen, laufen
gröfstenteils nackt herum.
GogunUbor meiner Semseru (Herberge) befand sich oin
aufserordentlich buschiger, schöner Baum, auf welchem
sich zahlreiche Vögel heruratummolten. Es ist dies der
sogenannte Humar - Baum (Tamarinde) , dessen köstliohe
Schotenfrucht uns zur Bereitung eines wohlschmeckenden
Getränkes diente. Man brachte mir ganze Körbe voll
dieser Schoten.
Hodjeila liegt 620 m über dem Meeresspiegel. Das,
was man Tihüma nennt, ist also eine von der Meeresküste
landeinwärts bis zur Höhe von 600 m ansteigende Ebene,
dio also keineswegs überall denselben Charakter darbietet.
Das eigentliche Gobirge beginnt also erst mit dor Höhe
von 800 m und steigt, wie wir weiter unten sehen werden,
bis zu einer Kammhöho von 2600 m empor. Die da-
zwischen liegenden Partion, solbst die scheinbar tiefliegen-
den Khubüt (pl. v. khabt) liegen nicht unter dem Niveau
von 1500 m.
Hodjeila gehört schon zur Kadhü Menäkha, und zwar
zum Mudirlik (Unterabteilung) von Mitwah auf dom
Dj. Sa’fän , welcher sich nördlich von Hodjeila erhebt.
Aufser diesem mächtigen Berge sieht mau liier den ganzen
Westabhang der Berge von Harüz, an deren Fufs oben
Hodjeila gelegen ist. Mau wird geradezu verwirrt, wenn
mau zu diosun Bergrioseu empurblickt, auf deren obersten
Zucken, wie aufgopickt, sich menschliche Wohnungon, ja
ganze Dörfer zu befinden scheinen und wirklich befinden.
So die Borge von Lahüb (Meb’ar, Mederro , Sukruf , Lä-
kama), von Hauzan (Käradh, Ku$eibe oder ’Emka, Kami
(Kahil wird in den genealogischen Tufeln der Südaraber als
Sohn As urs uufgeiuhrt]), von MasAr (und nicht Maiar, wio
D. H. Müller in seiner sehr wenig verläßlichen Ausgabe
der Djezirat el ’Arab des Hatndüni schreibt) und von
Sa’f&n, welcher mit dem Masür zusanmiuuhängt und mit
diesem um die Höhe zu wetteifern scheint. Gegen SW
erblickt man den Dj. Bura’, der schon aus den Berichten
des phantastischen Missionars J. Wolff bekannt ist (Bitter I,
754) , welcher von hier au „drei Tage hindurch nur von
ungesäuertem Brote und den Kräutern des Feldes sein
Leben fristen raufste“, bis er endlich hei Metne die ver-
meiutlicheu „Nachkommen des guten alten Vaters Jouadab,
des Sohnes Rehab (II. Buch der Könige 10, 15; Jeremia
35, 6 — 14) kennen lernte“. Niehuhr (Ritter 1,893) rechnet
den Dj. Buru“ zur Hofüi gruppe , welche er gegen Sana
sich hinziehen läfst. Beides ist unrichtig. Weiter im Süden
schliefst sich an den Dj. Bura’ der mächtige Dj. Reima an,
der von dem unglücklichen Siegfried Langer besucht wurde
und den Europäern Hodeidas seit Jahren als Sommeraufent-
halt dient- Als Doktor dor Archäologie und der orienta-
lischen Sprachen hat dieser bedauernswerte und in der
Kartographie unerfahrene Reisende denn auch kein rich-
tiges Bild von der Gegend geben könneu , ebenso wenig,
wie er selbst im stände war, in die Verhältnisse im Yemou
einen Einblick zu gewinnen. So läfst er beispielsweise die
türkische Horrsobaft mitton in der Kadhü Anis, dem fettesten
und ruhigsten Bezirke von ganz Yomeu, nicht gölten, sucht
den heriihmten Dj. Pliin im Bilüd Anis und hält einige in
türkischen Diensten stehende Polizisten aus dum Haiid-
stamme der „sonderbaren“ Kelbiin für die Herren des Lan-
des, und zahlreiche ähnliche Dinge (s. D. H. Müller, Sieg-
fried Langer» Reiseberichte aus Syrien und Arabien). Ohue
seinen sonstigen, gewiß epochemachenden Verdiensten (er
soll eine ganz besondere Art von liimjnrischen Inschriften
im Yeinen entdeckt haben) nahe treten zu wollen, muß
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Von l.lodeida nach San’A.
7
ich «loch im Interesse der korrekten Kurtenzeichnnng be-
tonen, dofs der Dj. Sa'fli» wohl mit den Hergen von Masnr,
keineswegs nbor mit den Bergen von AlhAn zusammen-
hängt. Überdies befindet. Bich der mächtige Sn’fAnzug nörd-
lich und nicht Bildlich von Hodjeilft. Hie Karte I/ingers
wird einer vollständigen Umarbeitung tadürfon, falls sie fiir
geogru|>hi8che Zwecke verwendet werden soll.
Bevor wir von der TihAma Abschied nehmen, sei es uns
gestattet , noch einige Worte über ihre Sprache zu verlie-
ren , während wir das Historische weiter unten behandeln
wollen.
Die Sprache in der TihAma ist wohl im allgemeinen
eine einheitliche , ihre Aussprache jedoch wechselt, in den
Bergen beinahe von Ort zu Ort. Lexikalisch wurde sie
bekanntlich von Mohammad ben Ja'kob el FeirflznbAdi, dem
Verfasser «les Kämfls, bearbeitet, welcher in der yeraeni-
schen TihAma mehr als 20 Jahre lebte und im Jahre 817
der flidjra in Zebid starb , allwo er auch begraben ist. j
Es scheint jedoch, dafs dieser grofse Gelehrte, welcher
erst im hohen Alter nach dem Yemon kam und sich daher
kaum den Strapazen gröfserer Keisen aussetzt«, nicht alle i
yemenisehen Dialekte in gleicher Weise studiert hat , wie
gerade den der Stadt Zebid und ihrer Umgebung. Beson-
ders scheint er die Gebirgsspraohe , zumal die des söge- i
nannten Mairek nicht vollständig gekannt oder verwertet
zu haben, was aufserordcntlich zn bedauern ist, denn
sonst wurden die himjarischen Inschriften fast, ohne Aus-
nahme mit Hilfe des KümOs ohne jede weitere Schwierig-
keit zu uberwinden sein, und einzelne Himjaristen wären
der zeit- und geldraubenden Mühe überhoben, sich an aus
dem gebirgigen Yemen nach Palästina ausgewanderte Juden
zu wenden. Ich selbst habe eine nicht unbedeutende An-
i
zahl von echt himjarischen Wörtern im Gebirge gesam- -
melt, wie nicht minder einige dem KAmOs nachgebildet«,
die Gehirgasprache und die Sprache Hadhramauts behan- i
delndc Manuskripte, welches Material ich auf Verlangen
einzelnen Gelehrten mit Vergnügen zur Verfügung stellen
werde. Hinsichtlich der TihAmasprache will ich mich auf
einige Bemerkungen bezüglich der Aussprache und auf
einige ganz besonders hervorstechende Lokutionen beschrän-
ken . welche nicht gerad«> als grammatikalisch bezeichnet
werden müssen.
In der TihAma ist zunächst die Stimme eine weit tie-
I
fere als auf den Bergen, und kommen im allgemeinen nur
wenig Diphthonge vor. Ganz besonders vermeiden es die
TihAma- Araber, an Stelle des o ein öu oder gar Au zu
sageu. wie es die Gebirgsbewohner thun. Die Aussprache
der Konsonanten ist in der TihAma weniger rein als im
Gebirge , waa besonder* hinsichtlich der verschiedenen
«i-iaiute gilt.
Boi der imn folgenden Liste einzelner Worte und Sätze
in der TihAma will ich daneben auch bisweilen in Klam-
mern den Gebirgsausdruck setzen, mir vorbehaltend , über
die Gebirgsspraohe an besonderer Stolle zu handeln.
O «»bi it abejjik! o, du (Mann), höre, was ich dir sageu
will!
A kuhet! o Knabe! (um ihm zu verstehen zu gehen,
dafs man mit ihm sprechen will),
it Inliätn! komm her! höre, was icb dir zu sagen habe,
oherridjak ! ich will mit dir sprechen !
lablu-k! ich bin bereit, ich stehe wie ein Sklnve zu dei-
nen Diensten (dies die Antwort),
enti hibheki? gehst «ln? wohin gehst du? (im Gebirge:
eins tsir ?).
ana lahheki Badjil, ich gehe nach BAdjil.
jAnak! jAnak! beeile dich! komm schnell herbei 1 sofort!
ana labbeku ! ich komme schon !
lös, nein, es gibt nicht (dus bekannte laisa), bisweilen
auch lam, im Maärek lüm.
ljjo, ja, jawohl.
hebli n'uni , gib mir ein wenig Wasser zn trinken (im
Gebirge: iskinü).
hariw, der Bräutigam (im Gebirge: ’arüs).
hariwa, die Braut.
6 janakum ! jAnaknm ! Begrüfsungswort von seiten des
hariw, wenn die Hochzeitsgäste (die Zeremonie unter
freiem Himmel) ankommen.
kniin ! kuwitö ! Ihr müget stark sein ! Gott starko ench !
(dies die Antwort der Gäste),
irhabü fük ’aini u fük rnsi ! seid herzlich willkommen,
bei meinem Ange und meinem Kopfe !
min ol kä' ila fok el ka'Ade! macht« ench bequem, vom
Fufsboden his herauf aufs Sofa!
'ariA (Plural ’arwAA), W ohnhütte.
däre, mehrere »rwss, welche von einem Zaune umgeben
sind.
der, ein Dorf (im Gebirge: Kirje oder Karje oder auch
Beit FulAn).
bonder, Stadt (im Gebirge: medlne).
beit, Haus (im Gebirge: Beyt , DAr und Burdj , welches
letztere als türkische Einführung aus der ersten Türken-
invasion bezeichnet wird).
mdAbbe (zusammengesetzt aus dem in der TihAma zu-
meist m oder em lautenden Artikel und dAhbe), Schaf
und Stier, im allgemeinen Schlacht- oder Nutzvieh.
’af (’afw), ’afwe, Esel, Eselin,
haise (ju^sP), Pferd.
ghariz, kurze Lanze, im Snn'A hadit.i genannt,
rumb, grofse „ r , harba .
djirda oder «Ijurda, Schwert (im Gebirge: Seif).
8
Vod l.Iodeida nach San’ä.
l^ak , Genitivpartikel (entsprechend dem mtä' oder btä’
der nördlichen Lander), auch im Gebirge,
maj, Wasser (im Gobirge: mä oder mu, im Maärok sehr
häufig mäjo oder mäjum).
kheiraba ! guten Morgen ! (im Gebirge : asbahtü !).
Bil kheir ! Antwort auf den Morgongrufs (im Gebirgo :
allah jusubbihkum bil khoir!).
miirhabä ' gewöhnlicher Grufs, wenn man an 'jemand
vorübergeht, helfet auch soviel wie : „ich stehe zu dei-
nen Diensten, ich werde thun, was du verlangst“,
keisbaht! (offenbar keif sbajit) gute Nacht (im Gebirge:
amsitö !).
sabbaiik allah bil kheir! Antwort auf diesen Nachtgrufs
(im Gebirge : massäkum oder jumassikum allah bil
’äfija).
attämis, gestern (im Gebirge: ams).
kabl ettämis, vorgestern (im Gebirge: awwal min ams).
el jöm, heute.
bukra, morgen (im Gebirge: gbudwa).
fi shär, Mitternacht.
niää etkarra’, ich will frUhstückeu (im Gebirgo: iitelii
iijtabbali).
el kure’, das Frühstück (im Gebirge : es suböh)-
etghadda, ich mittagmahle ) . . _ , .
. .. . , ! wie im Gebirge,
et aääa, ich uachtmahlo |
etkuhwa, ich trinke Kisr (auch im Gebirge).
Djahme, Kohle (im Gebirge: Saud und Fahm).
käris, geronueuc Milch (im Gebirge: Laban).
’ais, Brot (auch khubz, wie im Gobirge).
Medä'a, Wasserpfeife.
rfis, Kopf der Wasserpfeife (im Gebirge: bOri).
kujb, Holzrohr der Wasserpfeife.
mid'i, das Wassergefäfs der Pfeife, gewöhulioh aus Kohta
vorfertigt.
djalläs, der Dreilufs, auf welchen man die Pfeife stellt,
(rnblü , daB biegsame lange Rauchrohr der Wassorpfeifo
(im Gebirge : küssaba).
djemmelft , Kamel (im allgemeinen gibt es sehr viele
Wörter, boi welchen man in der Tihäma am Endo
das Q deutlich ausspricht).
dakliilak, rahi'ak, jä khäjej ! schenke mir das lieben, ich
flüchte mich zu dir, stelle mich unter doinon Schutz!
stenne li ! warte ein wenig ! (im Gebirgo : usbur !).
ma säk ! was willst du ? (im Gebirgo : mä tefitl , ont-
standon aus mä teätahi).
a&a min de, ich will von diesem,
henne, hier (im Gebirgo: häua).
hassä’ (entstanden aus hädihi es sii'a), jetzt (im Gebirgo :
dal hin = liädä el hin),
dalä dalä, langsam. &c. &c. &<•.
Wir verlassen nunmehr die Tihäma, um das giganti-
sche Gebirgschaos mit der Sonde der geographischen Wis-
senschaft zu untersuchen. Der Orientierung wegen wollen
wir zunächst einen kurzen Überblick übor das geben, was
Hamdäni in seiner Djezirat el ’arab über das Gebirge, die
Thäler und die Einwohner sagt. leb mufs mich dabei lei-
der an die, wie sich im Verlaufe dioses Berichtes zeigen
wird, nicht immer verläßliche Müllcrscho Ausgabe dieses
trefflichen Werkes halten, da ich meino vorzügliche Hand-
schrift im vorigen Jahre der Kgl. Bibliothek in Berlin ver-
kaufte, welche sie Herrn Prof. D. H. Müller zur Verfügung
stellte. Ich habe übrigens Aussicht, ein aus dem 5. Jahr-
hundert der llidjra stammendes Exemplar dor Djezirat
käuflich zu erwerben, welches vortrefflich erhalten ist und
den Vorteil der Punktierung der meisten Eigennamen be-
sitzt. Vorläufig werde ich mich darauf beschränken, nach
meinen eignen Forschungen die markantesten Verstümme-
lungen von Ortsnamen dor Müllerschen Ausgabe richtig zu
stellen.
Hamdäni bespricht zunächst (Müllers Ausgabe, S. 53)
dio Städte der Tihäma, dann die der Berge, den Djof,
Hadhramaut , den Sarw Ilimjar mit seinen Thälorn und
Bewohnern, den Sarw Mad-(iidj, dio Städte und Einwohner
des östlichen und südlichen Temen (Gebirge und Tihäma)
und kommt sodann, S. 103, zu den Gegenden, welche west-
lich von der Verbindungslinie Ma’äfir — Sau’ä liegen und
dio uns speziell interessieren. Nachdem nun einzelne andre
Gegenden folgen, bringt S. 119 wieder eine kurze Be-
schreibung der Tihäma.
Das Gebirge von Temen, Itekanntlich ein von 'Aden
bis nach Syrien sich erstreckender Alpenzug, Serät genannt
(siehe Ritter I, 109, wo er die Bcdoutung dieses Gebirgs-
zuges zu eng faßt), trügt an den verschiedenen Stellen
Spezialnamen , wie Ma’äfir, Sar'ab (Sarä’ib) , Serät Kala’,
Serät Beni Seif, Serät Djeblän, Serät Alhän, Serät el Ma-
süna’a, Serät Kudam &c..
Für unp sind nur dor Serät von Djeblän, von Alhän
und von MaHÜnn'n von Interesse. In bezug auf diese sagt
Hamdäni (S. (58):
„Daun folgt der Sorät Djeblän , dessen obere Partien
sind : Anis, Djeb^jeb, Suraba, Djuma’, während die folgen-
den dazu gehörigen Gebirgstoile tiefer liegen : Sadjbän,
Wädi Sudjba, Saihän , Rima’, Bäh Ko(ilän , Es $ulaj,
Dj. Büro’, 'El ’Axnh (Müller hat El ’Arab) und das Gebiet
von Li'sän, das zu 'Akk gehört.
„Auf diesen folgt der Sorät Alhän, dessen Rücken ge-
bildet wird von: DhOrAu (Türän) , Madüb, Alhän, Motnrä,
El Häklein, ’Aäär, Huklän, NakilesSaud, HaklSahmän und
Dj. Hmlhnr. Zu seinen tiefem Partien gehört: Wädi
KuliAm, Säbi(i (V), Al Akhrfidj, das Gebiot von Haräz, wel-
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Von Hodcida nach san’n.
9
chea aus sieben Teilen besteht, und zwar : Haräz, Hauzau,
Lahäb, Mudjejjih (?), Kurär, Masär (Midier schreibt Masär)
und Haraz el mustabriza, das alles unter dem Namen
Haräz , dessen Markt in Mauza ist , zusammengefafst wird
und welches (im Westen) an Li'sän nugrenzt, (ferner das
Gebiet von) Tuhär ben Baäir cn Neski von Hamdän und
die untern Teile von Hadbftr, d. h. desson Ghaur (tief ge-
legene Bergpartien) wie das Belod es Säjad , Sum (V) und j
Mädhikh (V).
»Au dieses Gobirgo schliefst sich der SerAt el Masäna’a
an, dessen höchste Teile sind: Dj. Dakluir, HadhOr Beni
Azd, Beyt Afra', Meda', Haldinlara, Karin, El Malidad und
El 'Asam. Seine mittlern und liefern Teile sind : El Bäkir,
Sähid, Tais, Nudhär, el Mä'iz, Djuräbi Säre’, Sumu’, Bekil,
Surdud, HofäA, Milhfin (welches Berge sind, von denen der
eine seinen gegenwärtigen Namen von Mii(iän, einem Manne
aus Hiinjar, hat, wahrend der eigentliche Name des Ber-
ges Reisän ist), Fedj ‘Akk mit Kl Mid-häja (Müller hat
hier Mudhäkn), El Fäsik, El MansOl im ‘nkkitischen Gebiete
von Saliär, Lä'a, Tumam (dürfte Taman sein), Ei Sawärik,
El Djelier (Müller schreibt El Hutar), Maswar, Ez Tälitna,
El 'Err, Dj. Tukhla, Kailäb, Nimr (Müller schreibt Niinl), ,
Seris, das Gebiet von Adrän, Hädjo, ’Ajjän, el Mu’ajja), 'Uli,
Wa'ila, Humlän und das zum Gebiete von HadjOr gehörige I
Makhlufa und hierauf wieder zurück zum Fedj 'Akk.“
Viele dieser Namen sind auf meiner Kartenskizze ein-
getragen. Um die Orientierung zu erleichtern, seien hier
nur folgende Identifikationen augemerkt :
Snihün = Saigon Beima, nicht zu verwechseln mit
Saifiän Daumar.
Hakl Sahinän bei Meine eingetragen.
/um Serät AJhau gehört auch der hohe, heute Kamel
Wa'l genannte Rücken, welcher sich von Dj. HadhOr
Sti'aib gegen Sok el Khamis und von hier nach SE
gegen das Wadi Sahäm erstreckt.
Dj. IjadbOr = HadhOr Nebbi Su'aib.
El Akhrodj = Haiinet el Khäridjija.
Dj. Dakliär = Dj. Dhula' , das ist der Bergrücken , auf
welchem sich Kuukabän befindet und welcher sich
gegen Tawila hinzieht.
Hadbor Beni Azd = Dj. HadhOr es Seikh.
Säfiid = Sähidija.
Eä Sawärik, auf der Kart« Säriki.
Ez Talima = Dj. Tuleima, nordwestlich von Süda.
Dj. Tukhla = Dj. Beyt Fäis, knapp westlich vom Dj.
Maswar.
Auf S. 71 führt nun Hamdüni die zu diesen Gebirge-
teilen gehörigen Flufsläufe an.
Nach dem W. Zobid heifst es :
»Auf dieses folgt das W. Uiina’, ein enges Wädi, wel-
rüitiuiiu lieogr. MitteUangea. 1886, Heft I.
che» seinen Ursprung in Djahräu und im westlichen Ge-
biete von Di Haäaran bis zum W. Sadjba hat. Auf seiner
rechten Seite nimmt es die Gewässer von Süd-Alhän und
Anis, und auf seiner linken die Abtliisso des nördlichen
Teiles von Beled Djuma', Suraba, bis Kadjbän auf. Es fliefst
dann zwischen Djeblän el ’Arkshn und Djeblän Reim» hin-
durch und tritt bei Duwäl hinaus in die Ebene, wo es die
Fluren bis zum Meere hin bewässert. In seinem untern
Laufe befindet sich eine Wasserstelle, welche Ghasxän ge-
nannt wurde.“ (Siehe weiter unten.)
Djeblän ’Arkabe ist mit Usäb ’üli zu identifizieren.
»Hierauf kommt das W. Sahäm, dessen Ursprung und
Kopf sich bei dem nur eineu Bruchteil einer Tagereise
südwestlich von San a gelegenen Gubirgspofs Nakil el Saud
befindet. Auf seiner rechten Seite nimmt es dio Gewässer
auf von: Süd -HadhOr, Süd -AkhrOdj und Süd -Haräz: auf
seiner linken Seite: Nord-Alhän, ’Aäär, Bufclän, Nord-Anis,
Sailiän, Nord -Djeblän Reima, Es Sulaj, Dj. Bura-, und tritt
bei Kedrä und Wökir (V) in die Ebene, all wo es die Ge-
filde bis zum Meere hin bewässert.“
Kedrä existiert noch heute als ein kleine» Dorf bei
Marüwa'a; Wäkir dürft« Walt »ein.
»Daun folgt da» W. Surdud. Sein (Juellgebiet befindet
sich in Ahdjir Sibäm Akjan , in den Abflüssen von Sum
und Mädhikh, in HadhOr und im Beled Säjad. Auf sei-
nem rechten Ufor nimmt es die Gewässer von Tais, Nud-
här, Bakil, Kaihama, die südlicheu Abflüsse von HofäA auf :
auf seinem linken Ufer: die Gewässer von Haräz und
Akhrüdj. Da* Wadi tritt l>ei El Mahdjam in die Ebeue
hinaus.“
El Ahdjir ist die Gegend südwestlich von Kauksbän.
Die Ruine von El Mahdjam befindet sich knapp westlich
der bekannten Stadt Zeidija.
Hinsichtlich der Bewohner dieser Distrikte zu Hamdä-
nis Zeit erfahren wir aus der Djezirat folgende».
Kedrä sowie überhaupt das W. Sabätn war von dem
Stamme 'Akk bewohnt , dem auch Angehörige von AA'ar
beigemisebt waren. Nur Nebed war khaulanitisch. Das
W. Surdud war von Mahdjam aufwärts von Khaulaniern
bewohnt, wadiabwärts jedoch gleichfalls 'akkitisch. Ebenso
wohnteu nördlich von diesem Wädi und im W. Maur ’Ak-
kiten. Die in unsern Tagen in jenen Gegenden wohnen-
den ‘Ahns , Kohr«, Djeräbifi, Hiäbira, Nuleil, Za'lija &c.
gehören ebenfalls der»el!>en Stammesgruppe an.
Djeblän 'Arkabe war zu Hamdänis Zeiten von den
Stämmen Surähi und Wafäbl (richtiger U»äbi) bewohnt.
Heute heifst der ganze Bergzug: Usäb , und zwar Usäb
'äli, Usäb säfil mach Usäb ben Mälik ben Zeid ben Sadad
ben Zur'a lien Hiinjar el aaghsr\ Der Dj. Bura' war da-
mals vom himjuriseben Stamme der Sajäbir liewobnt. Der
10
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
Gebirgsstock vou Haräz, welchen Hamdüni 8. 105 ausführ-
lich bespricht, war von IJaräz und Hauzun, zwei Söhnen
des Ghauth ben Sa'd hen 'Auf ben ’Adi, also von iiitqja»
rischen Stämmen, ferner von ilanutil, Beni Lo’f, Neäk und
andern himjarischen Stämmen bewohnt. Mehroro dieser
Stämme leben auch heute noch anf diesem zwischen W.
Sahäm und W. Surdud gelegenen Gebirgsstock. Im W.
Sahäm, soweit dasselbe Haräz von Süden her umfließt,
wohnten die Li’säu. Auch heute noch trägt die Gegend
diesen Namen.
In dem zwischen Haräz und Hadbtir gelegenen Bled
Akhrftdj, welches seinen Namen von Akhrfidj ben el Ghauth
ben Sa’d hat, wohnten zu Hamdanis Zeiten die SuleihijQn,
ein Stamm, den wir auch heute noch in Karnläu oberhalb
Bau'än untroffcn. Hadhür selbst wurde damals bereits von
himjarischen Stämmen bewohnt. Die untern Gebiete des
Serät Djeblän, also der gröfsto Teil des W. Sahäm, waren
von ’Akk bewohnt. Albans Bevölkerung leitete ihren Ur-
sprung von Alhän ben Malik, einem Bruder Hamdans, her.
Nach dieser Abschweifung nehmen wir unsre Wande-
rung wieder auf.
(Fortsetzung folgt.)
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883 ').
Von Emil Metzger.
(Mit Katte, s. Tafel 2.)
Die Untersuchung der den großartigen Ausbruch, wel-
cher auf genannter Insel im Jahre 1883 stattgefunden hat,
begleitenden Erscheinungen war durch dio Regierung von
Niederländisch • Indien dem Chof- Ingenieur bei dem Berg-
wesen, Horrn R. D. M. Vorbook, aufgotragon. Dieselbe ist
im vorigen Jahre zum Abschluß gebracht und das Resultat
derselben jetzt vollständig der Öffentlichkeit übergeben wor-
den; es dürfte daher nicht unwillkommen sein, in diesen
Blättern eine möglichst gedrängte Übersicht der Thatsacheu,
insofern sie fostgestellt werden konnten, und die von Vor-
beek angenommenen Komhinntiouon, sowie diejenige Erklä-
rung der Vorgänge , die ihm die wahrscheinlichste schien,
zu finden.
Die Lage des Pik von Krakatau wird zu 105® 26' 36"
ö. L. Gr. und 6® 8' 50' S. Br., die Höhe desselben auf
822 — 823 m angegoben ; dio Längouachso der Insol war
ca 9 , die größte Breite ca 5 km , die Oberfläche betrug
etwa 33 qkm.
Uber die Konfiguration dor Insol sind die Angaben
sehr verschieden*); sicher ist es nur, daß dor Pik den
daranschließenden nördlichen Teil der Insel um wenigstens
400 m ilborrugto 8). Ganz in dor Nähe lagen „Verlaten“
und „Lang“ -Insel, sowie „Poolscho Hoed“.
*) Krakatau door K. D. M. Verbeek, Mijn Ingenieur. Korst« godcelt«.
L’itgcgevcn op last nn Zyno Kxcelleutie den Gouverneur Generaal lan
Nederlandsch- Indio. Batavia Landsdrakkcry 1884, VI und 100 pp.
idom Tweed« goderlte 1885, XXXIX und p. 101 — 546, Album von
25 Zeichnungen iu Farbendruck und 43 Karten und Figuren.
2) Man vergleiche x- I). die Skiixen, di« Verback mitteilt, mit der-
jenigen, welche iu Verhandlungen der Gesellschaft für Krdkundo (X, S. 9
und 10) gegeben ist, uud der Skizze, welche Junghuhn (Java 11, p. 6,
der holländischen Ausgabe, nach der ich ciliare) mitteilt.
*) Nach meiner persönlichen Erinnerung (und Skixxen, die ich noch
habe) laue ich geglaubt, daß der ßanan (im mittlem Teil der Insel)
i •
Bekanntlich spricht Junghuhn in seinem „Java“ *) von
einem Ausbruch auf der Insol, über den Berichte aus dem
Jahre 1680 vorliogcu, und nach deu darüber beigebrachten
Zeugnissen scheint die Tbatsache festzustehen -) ; es findet
sich auch eine Mitteilung über einen Ausbruch uuf Sehcssi,
der einige Jahre früher stattgefunden haben soll ®) ; meines
Wissens sind die Quellen, auf denen dieser Bericht beruht,
nicht nuchgowiusun.
Nach Vorbeek wäre die Formation der Insolgruppe fol-
gendermaßen zu betrachten : Verlaten und Lang-Tnsel sind
dio ältesten Teile der Gruppe, sie siud die Uber Wasser
steheugebliebenen Überreste einer Kraterniauer , die hei
niedriger gewesen sei, als Vcrheek augibt; ich muß jedoch hinxufügen,
daß ich die Intel aus der Flüche nur von südsüdöstlich bis südlich
gelegenen Funkten, aus dem Osten aber nur von einem bedeutend höher
gelegenen Berge, dem Karang, gesehen habe, wo natürlich die Masse der
Insel dem Pik gegenüber scheinbar au Belief verlor. Bei den trigono-
metrischen Arbeiten wurde dor Kegel 1868 beinahe direkt vom Landungs-
platx aus erstiegen, unterwegs batte man eine wann« Quelle tu panieren.
') a. a. 0., S. 6 und S. 1385.
*) I>er Gewährsmann ist Elias Vogel, der 1679 nach Java kam und
eich in demselben Jahre nach Sumatra begab und auf der RUckrci» nach
Batavia I *361 , als er xum drittenmal die Suudastrafse passierte, bemerkte,
daß diese Insol durch damals noch fortdauernde vulkanische Thatigkeit
verwüstet worden war. Iler Kapitän seines Schiffes teilte ihm mit , der
Ausbrach habe im Mai 168U stattgefunden. Bei Nachforschungen, dio
1883/84 au Batavia gemacht wurden (Mr. V. P. van den Berg, Tijdsrhrift
van Indische Ihal-, Land- en Volkcnkunde, XXIX, p. 208 ff.), hat sich
die Wahrheit uller von Vogel hinsichtlich seiner Heise gemachten Angaben
bestätigt gefunden, es findet sieh aber nirgends eine andre Mitteilung über
einen Ausbruch von Krakatau, außer bei Eliaa Heste, der den Bericht
aber wahrscheinlich von Vogel seihst erhalten hat Mit Rücksicht auf die
ganx positive Mitteilung Vogels müssen wir jedoch annchmen, dafs der
Ausbruch wirklich damals stattgefnnden hat, daß aber der Vulkan viel-
leicht nur in Zwischenräumen tbätig gewesen ist , so dsß andre Reisende
ihn passieren konnten, ohne etwas von vulkanischen Ausbrüchen su be-
merken.
*) Siehe F. G. Steck in Bijdrogen tot de Indisch« Taal-, Land - nn
Volkcnkunde, II« reeks, IV, p. 80-
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
11
dem Einsturz eines alten Vulkans übrig geblieben ist; auf
der Südseite wurde durch eine spätere vulkanische Thätig-
keit der aus ganz andern Gestein bestehende Pik empor-
gehoben; an seiner Basis konnte man einen Teil der altern
Kraterwand bemerken. Zwischen den Inseln und dem Pik
bildete sich nun infolge späterer Eruptionen die Insel Kra-
katau, die sich endlich mit dom Kegel zu einem Ganzen
vereinigt bat. In diesem jüngsten, zentralen Teil fanden
dio Ausbrüche von 1680 und 1883 statt, wobei schliefs-
lich dieser mittlorc Teil mit dem nördlichen Abhang des
(wie gesagt ältern) Kegels einstürzte: dadurch hat der
Berg 1883 eine Gestalt bekommen, welche an die Form
eriunort, die Santorin gehabt haben mufs, ehe die Kamieni-
Inseln gebildet worden waren.
Im Jahre 1880 war die Gruppe in mineralogischer Be-
ziehung, allerdings nur flüchtig, durch Yerbeek untersucht
worden. Er hatte einige Gesteinproben vom nordwestlichen
Ende, wo sich der Lavastrora von 1680 ins Meer ergossen
hatte, mitgebraoht, dann noch Lang-Insel besucht, wo eine
in beinahe horizontalen Platten abgesetzte lichtgraue Lava
mit zahlreichen schönen Tridymit- Kristallen vorkam, und
„Pool sehe Hoed“ , wo er dunkelschwarzgrünliches Glaa-
gostein antraf. Oie mikroskopische Untersuchung orgab,
dafs alle diese Gesteine sehr glasreiche Modifikationen von
Pyroxenandesit waren , und dafs der Unterschied in der
äufsorn Erscheinung hauptsächlich von der gröfsern oder
geringem Menge Glas abhing, welche sich zwischen den
Kristallen befand. Sie sahen ganz anders aus wie dio
gewöhnlichen Pyroxenandesiten und Pechsteine der Vulkane
von Java und Sumatra, und enthielten sehr viel Kiesel-
säure, ferner noch Aiaunerde, Eisenoxyd, Kalk, Magnesia,
Soda, gar keine oder wenig Pottasche und nur 0,87, rosp.
0,66 Prozent Wasser. Auch das dunkle Gestein auf dem
„Poolsche Hoed“ war wasserfreies Glasgestein, wie z. B.
dunkler Andesitobsidian , — auch diese Steine bilden eine
Ausnahmo unter den vulkanischen Steinarten von Java und
Sumatra *).
Nach langer Ruhe also fand ein neuer Ausbruch am
20. Mai 1883 statt; keine anfsergewöhnlichen Anzeichen
hatten denselben angokündigt. Vom Januar bis zum Mai
waren nur 14 Erdbeben, davon 4 im östlichen Teil des
Archipels , 7 auf Sumatra zu verzeichnen gewesen ; in der
Sundastrafse waren im zweiten Drittel von Mai einige
schwache Erdorsohütterungen beobachtet worden. Auch die
Vulkane in Indonesien waren sehr ruhig, nur der Lamougan
warf am 13. und 14. April Asche und glühende Steine aus.
*) K. D. M. Vorbeek , Topographische en Geologische besclirijTing
t>d Zuid Sumatra. Met geol. K urt in 4 bladen. Jaarbock ran bet mijnsrewin
in N. O. J., Deal I. (Uber Krakatau handelt: p. 154 — 166, 179 — 181,
214—216; eine Skiaie der Inselgruppe findet man auf l’rofilblad 7.)
Der Vollständigkeit wegen möge hier gleich noch beigefügt
sein, dafs noch am 27. Mai in der Sundastrafse ein Erd-
beben beobachtet wurde, nachher trat bis zum 26. August
nichts Ähnliches oin.
Es ist festgestellt, dafs der Ansbruch am 20. Mai vor oder
gegon 10 Uhr vormittags erfolgte; von der genannten Stunde
an hörte man zu Batavia und Buitenzoog, sowie auch an
andern Orten dumpfes Getöse und starke Explosionen, wäh-
rend man in dem viel näher gelegenen Anjer und Sorang
nichts davon bemerkte. Es dauerte zwei Tage, ehe man
zu Aujor durch oin dort voröberkommendes Schiff Nach-
richt von dem Ausbruch erhielt und dies naoli Batavia
telegraphieren konnte , wo man bis dahin Uber den Ort
der vulkanischen Thätigkeit im ungewissen verkehrt hatte.
Uber diesen ersten Ausbruch ist namentlich der Bericht
von S. M. S. „Elisabeth'', Kapitän Ho'.lraann ’), zu erwäh-
nen, welche am 20. Mai um 9 Uhr Anjer verliefs. Bald
darauf orhob sich von Krakatau oine weifso Dampfsäulo,
mit der sich gleich nachher schwarze Wolken vermischten,
deren Höhe auf 11 000 m bestimmt wurde. Am 21. Mai
noch war es nicht holler als bei einer Sonnenfinsternis,
„die Sonne hing wie eine azurblauo Kugel gleiohsam
an einor ungohouren Kuppel von Milchglas“. Dio Asoh-
wolken folgten der „Elisabeth“ 75 deutsche Meilen weit ;
auch auf Kroe fiel infolge des Ostpassats so viel Asoho,
dafs dio Sonne von Zeit zu Zeit verdunkelt wurde.
Am 27. Mai wurde Krakatau durch oine Gesellschaft-
aus Batavia besucht, bei welchor sieh auoh der Berginge-
nieur Schuurman befand, nach dessen Bericht folgendes
über den Znstand des Kraters mitgeteilt wird. Derselbe
befand sich in einer vermutlich nach Norden goöffnoteu,
nur 50 — 60 m Uber dem Meere gelogenen Vortiofung, die
jedoch von ca 100 in hoben, durch Lavaströme bei dem
Ausbruch von 1 680 gebildeten Wänden umgeben war. Die
Vegetation auf dem südlichon Teil der Insel war beinahe
noch ganz unboschädigt. Der Rauch erhob Bioh in einem
Wirbel etwa 1000 — 1200 m hoch und stieg daun noch
2- bis 3000 m, nachdem der Ostwind don Inhalt der Wolke
weggeführt hatte. Allo 5 — 10 Minuten etwa erhöhte sich
die Thätigkeit ; duroh eine kräftigere Exhalation wurden
Steine etwa 200 m emporgeschleudort , und die Wolken
zeigten ab und zu selbst bei Tage einen Feuerschein. Die
Wirkung des Vulkans äufserte sich namentlich in nord-
westlicher Richtung, aber die ganze Insel war bis zur
Flutlinie mit grauer Asche bedeckt ; oin Profi] , wolches
man zu beobachten Gelegenheit hatte, zeigte, dafs auch
andre Stoffe ausgeworfen waren: auf dem weifsen Sand,
I) TIsüehe Kumlscliiu 1883, Nr. 255 und 266 (Marincpfarrer Heim»)
und Jahresbericht dor deutschen Geographischen Gesellschaft, Berlin 1884
(Kapitin r. Sec Holtmann).
2«
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12
Der Ausbruch von Krakatau im Jnhre 1883.
der den eigentlichen Strand formte, lag eine Bimsstein-
bank, etwa 1 Fufs dick, und Uber derselben eine Aschlage
von etwa 2 Fufs ; hier und da traf man auch Gestein
andrer Art. Vom Kraterrande erblickte man ein gegen
40 m tiefer gelegenes Becken von etwa 1000 m Durch-
messer; die Sohle desselben hatte nur eine Mittellinie von
150 — 250 m , darin befand sich eine mit einer schwarzen
Kruste bedeckte, 40 — 50 m im Durchmesser haltende Öff-
nung. Unter starkem Getöse erhob sich Rauch aus dem
Krater, von glühond flüssiger Lava war nichts zu bemer-
ken. Aufser den Wasserdämpfen ist unter die gasförmigen
Produkte nooli schweflige Säure zu rechnen und unter den
sublimierten Stoffen Schwefel zu bemerken , der aufser
in zwei Solfatareu auf der Asche abgesetzt war. Über die
Beschaffenheit der ausgeworfeneu Massen wird weiter unten
im Zusammenhang gesprochen werden. Bei den kurz darauf
vorgenoramenen hydrographischen Vermessungen zeigte es
sich, dafs das Fahrwasser in der Nähe der Insel durchaus
keine Veränderung erlitten hatte. Nachdem der Berg in
der zweiten Hälfte des Juni eine erhöhte Thätigkeit ge-
zeigt hatte, bemerkto man am 24. Juni deutlich eino zweite
Rauchsäule, die etwas schwächer als die andre war. Der
neue Krater lag am Fufs des Borgos Dannu; die Felsen, die
früher am Perbuatan hervorragten , waren verschwunden.
Am 1 1 . August fuhr der mit Vermessungsarbeiten in Ban-
tam beauftragte Kapitän Ferzenaar längs der Nord- und
Ostseite der Iusol. Er bemerkte drei Krater, außerdem
stieg noch an einzelnen Stellen Rauch auf, und die Asche
lag 0,50 m dick. Der Dunuu war schon eingestürzt und
weitere Einstürze schieuon zu drohen.
Das Getöse und die Explosionen wurde in östlicher
Richtung 225 km , nach Nord zu West wenigstens 350,
möglicherweise jedoch Uber 800 km weit (in Singapore)
gehört. Im obersten Teil der Ascheuwolke sind wiederholt
elektrische Entladungen vorgekominen ; die Berichte Ubor
Abweichungen der Magnetnadel stimmen nicht miteinander
überein. Der Bimsstein wurde schon weit entfernt von der
Strafse bemerkt ; um nur e i n Beispiel anzuführen, fand die
„Idomene“ am 11. und 12. August viel Bimsstein zwi-
schen 6 und 8* Südl. Br. und 88° 0. L. In mancher
Beziehung widerspricht den andern Mitteilungen ein Be-
richt des Kapitäns z. See, MeLeod, der im 3. Heft der
Zeitschrift der niederländischen Geographischen Gesellschaft
1884 veröffentlicht wurde. Er kam am 12. August mit
seinem Schiff an der Nordseite der Insel vorbei und konnte
die nuue Krateröffnung deutlich sehen ; sie sohien etwa
100 Fufs (30 m) im Durchmesser zu haben und befand sich
nur einige Fufs über dem Meere, auf dor Karte wird
sie ungefähr auf die Mitte der Insel gesetzt. Diesen Be-
richt erwähnt Verbeek überhaupt nicht; ich habe ihn daher
hier mitgeteilt , um gleichzeitig auf die Möglichkeit hinzu-
weisen, dafs ein weiterer Einsturz seit dem Besuche
Ferzenaars stattgefunden hatte , wiewohl nur ein Tag da-
zwischen liegt.
Ich komme nun zu der eigentlichen Katastrophe vom
26. — 28. August. Die Berichte über dieselbe leiden viel-
fach an Ungenauigkeit, namentlich in bezug auf die Zeit-
angaben, was durch die Umstände, unter denen sie ge-
macht wurden , gewifs zur Genüge erklärt wird. Die An-
zahl der Berichte, welche Vorbeek Vorgelegen habon, ist
zu grofs, als dafs ich auch nur die wichtigem selbst im
Auszug hier mitteilon könnt«; ich mufs in dieser Hinsicht
auf das Buch Verbeeks verweisen 1).
Ich mache daher im folgenden nur einen Versuch, die
Vorgänge bei dem Ausbruch an den orwühuten Tagen zu
einem Gesamtbild zu vereinigen.
Schon am Mittag des 26. wurde an manchen entfernter
gelegenen Orten eine erhöhte Thätigkeit dos Vulkans be-
merkt , die sich in heftigerin Getöse , stärkern und zahl-
reichem Explosionun äuleort«; bei einer der letztem um
2 Uhr wurdo auf der „Medea“, die sich in der Sunda-
strafso befand , bereits eine Höhe der Aschwolko von
27 — 33 km beobachtet. Im nördlichen Teile der Sunda-
strafse war es in der ersten Hälfte des Nachmittags bei
schönem Wetter verbältnisiuäfsig ruhig, wogegen vom süd-
lichen Teile der Strafse berichtet wird, dafs dor Himmel
ein ziemlich drohendes Aussehen hatte ; später trat ein im
nördlichen Teil der Strafse ziemlich leichter, auf den
Schiffen, die sich südlich von dem Vulkan befanden, hef-
tiger Aschenrogen ein; an verschiedenen Punkten der Küsto
wurde eine zum Teil starke Wellenbewegung beobachtet,
die sowohl nm Ende der Lampongbai , zu Telok Betong,
als auch hier und da auf der Java-Küste Schaden anrich-
tete ; im erstgenannten Orte z. B. waren verschiodeno
Fahrzeuge auf den Strand geworfen, der Hafendamm über-
schwemmt, die Verbindung dor Rhede mit. dem Lande
unterbrochen worden; aus allen Berichten ergibt sich je-
doch, dafs mau ebenso wenig in Telok Betong, als auf dor
Java-Küste an ernstliche Gefahr dachte; anders iu Ketim-
bang (Lampongs), wo die Bevölkerung wegen der heftigen
Bewegung des Meeres zwischon 9 und 10 Uhr sich nach
dom Gobirgo flüchtete. Viel drohender noch war der Zu-
stand auf den Schiffen, welche sich südlich von dem Vulkan
befanden; namentlich „Charles Bai“ rapportiert ausführ-
lich über die Schrocknisse der Nacht (sie lag im SO bis 0
von Krakatau etwa 10 — 15 Seemeilen ontfernt); bald be-
l) Vielleicht ist es mit erlaubt, deutsche und engUsehe Ixacr »n
meine eignen Aufxitic in Globus, Bd. XI JV und XLV , und Nature,
Nr. 741, tu erinnern, wo die wichtigsten Berichte insammen gestellt und,
wie »ich bei Vergleichung mit dem Werk Verbeek» ergibt, richtig he-
nulit wurden.
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
13
fand man sich im tiefsten Dunkel, bald leuchtete der Vul-
kan auf und schien durch feurige Ketten mit dem Himmel
verbunden; Asche fiel seit 6 Uhr abends anhaltend, vor-
her schon etwas Bimsstein, die Luft war druckend schwül
und roch nach Schwefel , das Tieflot wurde aus 30 F-
Wasser warm heraufgoholt. (Hierzu stellt Yerbeek die ge-
wifs sehr berechtigte Frage, ob das Tieflot etwa vorher in
der heifsen Asche an Deck gelegen habe.) Auf diesem
Schiff ebenso wie auf der „Berbico“, die beiläufig bemerkt
vom 26. abends bis 28. vormittags 8 Uhr sich in voll-
ständiger Dunkelheit befand , wurden zahlreiche St. Elms-
feuer beobachtet.
In dieser Zeit (26. mittags bis 27. morgons) hat sich
also die Tliätigkeit, wie es scheint, hauptsächlich in dor
Dichtung dor Lainponghai geäufsert, wiewohl vereinzelt
stärkere Wellenbewegung sich auch iu andrer Richtung
fühlbar machte ; auch der Aschonregon war am stärksten in
dieser und der ihr entgegengesetzten Richtung.
Am 27. früh wurden an verschiedenen Punkten der
Suudastrafse heftige Bewegungen des Meeres beobachtet,
meist wird gleich von einer Flutwelle gesprochen , doch
aus der Semangkabai wird gomeldet, dafs erst, die Klip-
pen trocken liefen ; schon die ersten Wellen am frühen
Morgen richteten zu Anjor und zu Telok Botong grofse
Verwüstungen an : an dum zuerst genannten Orte leistete
der gröfste Teil der Gebäude dom ersten Anprall Wider-
stand, obwohl schon viele Menschenleben weggorafft wur-
den ; auch Pulu Merak wurde am frühen Morgen bereits
von don Wogen überströmt, die viel Schaden anrichteten,
während zu Tolok Betong in der Frühe schon eine Welle
alles , was sich auf dem niedrigen Strand befand , wegrifs
und z. B. den Regiemngsdampfer „Borau11, der am Abend
vorher auf den Strand geworfen war, einige Kilometer weit
in das Innere schleuderte. Von dem zuletzt genannten
Orte liegt namentlich ein wichtiger Bericht des Dampfers
„Loudon“ vor, der auf der Rhede liogend den gauzen
Vorgang beobachten konnte.
Diese Darstellung eines Augenzougen ') ist so charak-
teristisch, dafs ich mir nicht versagen kann, denselben hier
abgekürzt und mit Weglassung von notorischen Unrichtig-
keiten als typische Beschreibung einzufiigen.
„,Loudon‘ fuhr am 26. August morgens 8 Uhr von
Batavia nach Anjer , von dort um 3-J- Uhr nach der
Lampongbai, wo sie Aschenregen bekam, und kam um
7 Uhr 25 Min. auf der Rhede von Telok Betong an.
Es war dor unruhigen See wegen unmöglich, mit dom
Lande in Verbindung zu treten, man sah jodoch an
den Alarmzeichen, dafs etwas Besonderes vorging.
*) Ingenieur U. na Saudick.
„Gegen 6 Uhr 30 Min. oder nach andern 7 Uhr mor-
gens kamen vier hohe Wellen hintereinander, welche
den Strand überströmten : in einem Augenblick war die
Verwüstung vollendet. Der Kapitän wollte nach Anjer
zurückkehrou, um Uber die Vorgänge von Telok Betong
zu berichten, doch des zunehmenden Aschen- und Bims-
steinregens und der eintretenden Finsternis wegen mufste
er um 10 Uhr in 15 Faden Wasser bei der kleinen
Insel Togal unkorn.
„Um 10 Uhr 30 Min. war die Finsternis vollständig;
sie wurde begleitet von starkem Aschen - und Schlamm-
regen, Donnor und Blitz und heftigem Winde, der bei-
nahe die Wut oines Orkans erreichte. Auf den Masten
und Raaen leuchteten blaue St. Elmsfeuer; durch [die
heftigen Seen drohte das Schiff zu kentern : um nicht
triftig zu werden, dampfte man langsam vor zwei Ankern.
Gegen 1 Uhr wurde es ruhiger , doch bliob es dunkel ;
erst Dienstag (28.) früh 4 Uhr sah mau einen Streifen
Mondlicht und nun setzte man die Fahrt fort.
„Bei Pulu Tiga sah man, dafs sich eine Barriere
zwischen Sehuku, Pulu Tiga und Ketimbang gebildet zu
haben scliion, mau ging daher durch die Lagundistrafse
und südlich um Krakatau, wobei man in der Strafse sich
einen Weg durch ein in der Mitte beinahe 2 m dickes
Bimssteinfeld bahnen mufste. Gegen 4 Uhr erreichte
man den Ort , wo Anjor einmal gestanden hatte : nur
der untere Teil des Leuchtturms kennzeichnete die Stätte,
alle andern Gebäude waren verschwunden.-1 —
Der Ausbruch dauerte fort; immer mehr wurde die
Sonno selbst in weit von der Sundastrafse abgelegoneu
Orten durch den stärker wordeuden Aschenregen verdunkelt,
heftige Wollonbowogungon folgten , da trat bei völliger
Dunkelheit etwa um 10 Uhr1) mit einem furchtbaren
Knall die eigentliche Katastrophe ein ; nachdem der Berg
einen grofsen Teil des Innern seit Monaten ausgeworfen
hatte, folgte nun der Einbruch dor Wände, gleichzeitig mit
dem Einbruch oines Teils des Moeresbodens , und dieser
Einbruch verursachte die Erschütterungen dos Meeres und
der Atmosphäre, welche weithin beobachtet wurdou. Hier-
mit war jedoch die Thätigkeit noch nicht sofort erloschen,
sie dauerte bis zum 28. morgens fort. Von den meisten
Orten, besonders von denen, welche durch die Wellen über-
strömt worden waren, hatte sich alles Lebende , was sich
retten konnte, geflüchtet; erst als es am 28. wieder Tag
wurde, wagte man sich zurück, um das entsetzliche Bild
der Verwüstung zu sehen; der gröfste Teil der 36 380 Ein-
gobornen und 37 Europäer*), welcho bei dor Katastrophe
>) Ober die genauem Angabe siebe weiter unten.
*) Dies ist die offizielle Angabe, die, soweit sie Java betrifft, als ziem-
lich genau, soweit sie sieh auf Sumatra besieht, als Annäherung an die
14
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
ihr I/eben eingebüfst hatten, ist den Wellen zum Opfer
gefallen, eine verhältnismäfsig kleine Zahl nur wurde unter
der heilsen Asche begraben. 165 Dörfer wurden ganz,
132 zum Teil verwüstet.
Je nach ihrer Stärke und der Bildung der Kiiste waren
die Wellen höher oder weniger hoch gegen die letztere
aufgelaufon und hatten sich weiter oder weniger woit in
das Innere dos Landes orgosson; die gröfste Höhe, bis zu
welcher sie sich in der Sundastrafse erhoben , beträgt
36 m: von der ungeheuren Gewalt derselben habe ich
oben schon ein Beispiel gogeben : als weitem Beweis führe
ich an, dafs auf dem Strande bei Anjor, nicht weit von
der Stelle, wo der eingestürzte Leuchtturm gestanden
hatte, ein ungeheurer Korallblock lag, dessen Inhalt durch
Messung auf 300 cbm bestimmt wurde; sein Gewicht be-
trug dakor, wie Verbeek sagt, wenigstens */g Million Kilo-
gramme. Die Szene der Verwüstung war hier so, dafs
es dem Zeichner unmöglich war, diosolbe in einem Bildo
vorzustellen !
Aulner mit den Bäumen , den Häusern , den Leichen,
kurz mit allem, wag das Wasser dem Lande entrissen
hatte, war das Meer auch bedeckt mit ungeheuren Massen
von treibendem Bimsstein, und dieses Chaos, welches in den
ersten Tagen kaum zu entwirren war, gab Veranlassung
zu Gerüchten Uber neue Kraterbildungen , die später nicht
bestätigt wurden ; die Insoln (Stoers und Calmeyer), welche
sich neu gebildot hatten , aber bereits wieder verschwun-
den sind ') , verdanken ihr kurzes Bestehen nur den aus-
geworfeneu Massen und durchaus koiner unterseeischen Er-
hebung.
Wie ich glaube, wird die vorhergehende kurze Über-
sicht zum allgemeinen Verständnis der Vorgänge ge-
nügen: absichtlich habe ich dieselbe möglichst beschränkt,
um den weitern Vorgängen nach dom 28. August, die
weniger bekannt sein dürften, etwas mehr Raum widmen
zu können.
Durch den glühenden Bimsstein , der im Meere trieb
und in dem es zu häufigen Explosionen kam , durch dio
halbverbrannten Baumstämme, dio auf den Inseln und na-
mentlich auf dem Südabhang von Krakatau fortglimmten,
vielleicht auch infolgo der Nachwirkung, welcho die furcht-
bare Katastrophe auf die Menschen äufserte, liefen wieder-
holt Berichte ein, dafs die vulkanische Thätigkoit zu
Wahrheit (die aber nicht zu hoch Rcyriffen ist) betrachtet werden darf.
Von dieMi Zahl kommen rund 2*000 SchUchtopfcr auf Jura, davon 21 600
auf Bantam, 2600 auf Batavia und nur 2 auf Krawang.
Die Verluste an Menachenleben auf Sumatra kommen mit Aufnahme
von 34 (Henkulen) alle auf die Loiupangs.
') Kapitän FUck vom englischen Schoner „Tweed" berichtete im April
d. J. , dafs er, von der nördlichen Spitze von „Vertaten Eiland" Ost
«tauernd, 29 Peilen gelotet bat.
Krakatau noch fortdauere ; dies war jedoch nur insoweit
richtig, als, wie Verbeek mitteilt, der Krater noch lange
nach dem 28. August Schlamm ausgoworfen haben mufs.
Als Verbeek nämlich am 17. Oktober dio Insol besuchte,
fand er auf der Südseite des Berges auf den Bimsstein-
müssen zwei Schlammströme, 0,2 — 0,3 m dick, 1 — 5 m
breit, welche aus sohr feiner, dunkelgefärbter Asche be-
standen; sie nahmen etwa 200 m unter dem Gipfel ihren
Anlang (also etwa 600 m über dem Meere) und schlängelten
sioh bis zu einem ungefähr 100 m hoch gelegenen Punkte
in der Länge von ca 1300 m hin. Dabei folgten sie den
durch Ausspülung in der Asche und dom Bimsstein ge-
bildeten Rinnen und müssen deshalb einige Wochen jüngor
als jene Auswurfmassen soin. Der Schlamm war am
17. Oktober noch foucht und war vermutlich bei einem
Ausbruch am 10. Oktober (s. unten) ausgeworfen: auch
auf Calmeyer fand sich ähnlicher Schlamm in der Dicke
von 0,20 m, der an der Oberfläche vielfache Sprüugo
zeigte.
Verbeek hat sorgfältig alle Augabon gesammelt, die
auf eine irgendwie mit Krakatau in Verbindung stehende
Thätigkoit deuten und ich lasse dieselben hier im Aus-
zug folgen.
Am 17. September wurdon zwischen 10£ — 11-j- Uhr
vormittags östlich und westlich von Batavia Knalle gehört.
Am 26. Soptember wurden Knalle und Erderschütte-
rungen zu Batavia beobachtet.
In der Nacht vom 8. bis 9. Oktober wurde zu Serang
eine auffallende Lufterscheinung bemerkt , mit Krakatau
schoint dieselbe nicht in Verbindung zu stehen.
Am 10. Oktober wurde in Süd-Bautam eine Welle be-
merkt, welche die gewöhnliche Flutgrenze um 75 m über-
schritt; ein dumpfes Getöse iu der Richtung von Krakatau
wurde gehört. Vielleicht steht dies in Vorbindung mit
dem oben besprochenen Scblaroraauswurf, der jedoch, was
Calmeyer betrifft-, nicht aus dieser Nacht herrühren kann,
da zwei in der Nähe liegende Kriegsschiffe nichts davon
bemerkten.
Auch vom 19. bis 21. Oktober wurden westlich von
Batavia an verschiedenen Stellen Luftbewegungen , rollen-
des GetöBO , Wetterleuchten im Westen beobachtet; auch
in der Nacht vom 12. bis 13. November soll Krakatau in
Thätigkoit gewesen sein (nach einem unverbürgten Bericht
aus Merak).
Am 20. Februar 1884 hörte mau zu Batavia das be-
kannte Getöse und sah im Westen zeitweise ein flackerndes
Licht. Ein aus dor Sundastrafse angekommeues Schiff be-
richtete nachher, dafs Flammen aus dem Pik von Krakatau
aufgestiegen seion. Vorboek macht dazu die Bemerkung:
„wahrscheinlich Brennende Baumstämme“.
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
15
Am 23. Februar 1884 wurden in Meester Cornelia bei
Batavia Lufterschütterungen und Bewegungen von Tbiiren
und Fenstern bemerkt, auch will man einen roten Schein
im Westen beobachtet haben. Andre sprechen von Licht-
erscheinungen, fernem Getöse und einem einzelnen dumpfen
Knall. — Hiernach scheint es, als ob nur die von Vcrbeek
beobachteten Schlammmassen auf einen wirklichen Aus-
bruch hinweisen.
Auch im Anfänge dieses Jahres, gleichzeitig mit dem
Ausbruch des Smoru , hat man auf Krakatau erneuerte
vulkanische Thätigkoit beobachtet. Ich erlaube mir dar-
über nach meinen Notizen noch einigos beizufügen.
Vom 19. bis 24. April wurde durch Fischer in der
Nähe von Krakatau fortwährend unterirdisches (unter-
seeisches?) Geräusch gehört : keine Feuererscheinungen be-
obachtet. Auch in Alt Anjor wurde am 19. Geräusch in
in der Richtung der Insel gehört. Ein Fischor behauptet,
am 22. auf dem Westabhang deutlich Feuer gesehen und
von dor Insel ausgehendes Getöse gehört zu haben. Auch
der Resident der Lampongs hatte mehrfache Berichte über
erneuerte Thätigkoit von Krakatau empfangen; als er am
14. April an der Nord-, West- und Südseite dor Insel vor-
beidampfte, konnte er bei sehr hellem Wetter keinen Rauch
bemerken, ebensowenig wie bei seiner Rückkehr am 16.
desselben Monats: nur schien ihm die nördliche Wand,
die durch don Sturz des halben Kegols 1883 gebildet war,
dunkler gefärbt zu sein.
Am 2. Mai sah man in Neu-Anjcr, dafs auf Krakatau
ein wenig Rauch ausgestofsen wurde; am folgenden Tage
war diese Erscheinung nicht mehr sichtbar, aber im
ganzen westlichen Java wurden leichte Erderschütterungen
beobachtet.
Hiermit glaube ich das Thatsächlicho erledigt zu haben
und lasse nun die theoretischen Betrachtungen Verbeeks, so-
weit sie von allgemeinem Intcresso sind, auszugsweise folgen.
Die Ursachen des Ausbruchs von 1883 *).
Um die Ansicht Vorbeeks hierüber dentlich hervortreten
zu lassen, wird es nötig sein, ihm in seinen theoretischen
Betrachtungen über Ausbrüche im allgemeinen zu folgen.
Die Vulkane liegen gewöhnlich längs der Spalton der Erd-
rinde, wo die goschmolzenen Stoffe des Innern am loich-
testen heraustreten können. In Sumatra — Verbeek hat dies
früher nachzuweisen gesucht — scheinen dlo ersten Spalten
durch Faltungen der Erdrinde entstanden zu sein, die dort
immer in derselben Richtung stattgefunden haben ; nicht
nur die gröfsorn, sondern auch die kleinern Vulkane liegen
in Reihen, welche der Längenachse parallel sind; das ver-
•) Vgl. hiermit die Bemerkungen Ton H. J. Jnhnston Lins (Natura
5. Noiember 1883).
schiedenen Perioden entstammende Gestein besitzt dieselbe
Richtung, wodurch parallele Linien des schwächsten Wider-
standes ontstehou. Aufserdem aber werden auch kleinere
Verwerfungen hauptsächlich längs dieser Linien stattfinden
und gewöhnliob Erdbeben zur Folge haben; ferner dringt
Wasser längs diesor Spalten ein, so dafs bei weiterem Durch-
dringen überhitzter Dampf von ungeheurer Spannung ge-
bildet werden kann, wodurch die Möglichkeit von Ausbrüchen
vorberoitet ist. (Daher sind Gegenden , wo die Richtung
der ältesten Lagen unverändert ist, beinahe ganz frei von
Erderschütterungen.) Über die Ursachen der lotzteru sind
dio Ansichten immer noch sehr geteilt; Dampfbildung in
unterirdischen Räumen oder das Brechen einer Zwischen-
wand bei derartigen Vorgängen werden seit dem Altertum
als Ursache angegeben; die Anhänger diosor Lehre halten
daher auch Erdbeben für die gewöhnlichen Vorläufor von
vulkanischen Ausbrüchen (was sich jedoch in unsorm Fall
nicht bestätigt); eigentümlich ist es jedoch, dafs man hei
Erdbeben nie Dampf aus der Erdrinde hervorquollon ge-
sehen hat. Daneben tritt die Einsturztheorie auf, die eben-
falls sehr alt ist, und dio Theorie, welcher eine Ebbe- und
Flutbewcgung des flüssigeu Erdinnern zu Grunde gelegt ist;
letztere hat bei dem Ausbruch von Krakatau keine Stütze
gewonnen. Über den vulkanischen Ausbruch selbst läfst
sich die Theorie, der Vorbeek sich anschliefst, in folgen-
dem zusammenfa88on. Es ist dor Wasserdampf, der sich
bei der Berührung des Wassers mit den zwischen dem ver-
mutlich festen Kern und der Erdrinde sich befindenden
flüssigen Stoffen bildet, wolcher als Agens auftritt. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dafs diese geschmolzene Masse zu-
sammenbängt und im grofseu und ganzon eine mit dem
Erdkern konzentrische Schale bildet, wodurch jedoch die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden soll, dafs dieselbe
in einzelnen höher gelegenen Räumen in dio Höho geprefst
wird, wodurch innerhalb dor Rinde Lavareservoirs gebildet
worden können. Auf diese Weise stellt sich Verbeek die
sogenannten vulkanischen Herde vor, welche allerdings selb-
ständig sind, doch aber durch das allgemeine Reservoir mit-
einander Verbindung haben, so dafs ein bedeutender Druck
in einem derselben sich auch in den audorn Reservoirs be-
merkbar macht. Das Eindringen von Wasser in solche
Höhlen kann sowohl durch Durchsickern, als wegen der
Kapillarität des Gesteins stattfinden. Da die Temperatur
der geschmolzenen Stoffe jedenfalls höher liegt, uls die kri-
tische Temperatur des Wassers, wird letzteres sofort voll-
ständig in Dampf vorwandelt und zwar, da derselbe sich
gar nicht oder nur wenig ausdohnen kann , in Dampf von
sehr grofser Spannung.
Derselbe wird also im stände soin , die Lava in die
Höhe zu drücken und zwar würde, das spezifische Gewicht
16
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
der letztem zu 2,5 annehmend , ein Druck von 1000 At-
mosphären nötig sein, um dies, wie z. B. beim Ätna, auf
eine Höhe von 4000 m zu thun.
Wenn die Temperatur 1000® C. übersteigt, tritt noch
eine andre Erscheinung ein , die Dissociation , welche die
Spannung erhöht, die jedoch in dem Falle , der uns hier
beschäftigt, mit Rücksicht auf dcu Schmelzpunkt der nus-
geworfenen Massen, und auch ira allgemeinen des starken
Druckes wegen in dem Kraterraum selbst nicht sehr be-
deutend hcrvortreton kann ; anders gestaltet sich dies bei
dem Entweichen des Dampfes aus der Kraterröhro, wobei
die Dissociation wogen des abnehmenden Druckes zuneh-
men mufs, und dafs der entweichende Datupf mit Wasser-
stoff und Sauerstoff vermengt ist, ist wirklich nachgewiesen *).
Bei Krakatau sind hierüber keine Beobachtungen gemacht
worden; Vorbeek glaubt jedoch, dafs es der schnellen Ab- \
kithlung wegen nicht zur Knallgasbildung komme *), und
erklärt die heftigen Knalle, welche die Explosionen beglei-
teten, auf dieselbe Weise, wio den Knall, der beim Ab-
schiofscn einer Schufswaffo entsteht; ihre Intensität aus den
gewaltigen Abmessungen des Kraters. Die verschiedene
Art der Erupliousproduktc und dio Veränderung in der
Roihonfolge derselben und der Art des Ausbruchs im all-
gemeinen erklärt. Verbeek durch die Annahme einer ver-
schiedenen Form dos Lavareservoirs. Hegelmüfsigor Druck
auf dio Lava führt zu ruhigem Ausflufs, plötzlicher Zutritt
von Dampf zu dem untern Ende der mit Lava gefüllten j
Röhre zu Aschausbrüchen (er vergleicht letztere mit dem
Verstäuben des aus der Pistole geschossenen WasBors) ;
genügt die Lavamasse nicht- mehr, um die untore Öffnung
der KraterTühro abzuschliefsen, so kommt es zur fumarolen
Thatigkeit, dio Gase entweichen fortwährend.
Auch die Art der Thatigkeit solcher Kraterröhren, dio
Verbindung miteinander haben , wird von der Form des
Herdes und dor Röhren abhängen; eine Aschornption wird
zuorst aus dem Krater stattfinden, dosson Röhro die am
höchsten gelegene untere Öffnung hat; kann wegon nie-
driger Röhren die Lava ausfliofsen , ehe der Dampf frei
wird, so wird der Ausflufs am erston aus dor Röhre statt-
finden, deren obere Öffnung am dichtesten bei dom Moeres-
spiegol liegt. Übrigens hält Verbeek das Gesagte nicht
für ausschliefslich, wohl aber für in vielen Fällen
zutreffend, weil es genügt, die verschiedenen öfter beobach-
teten Erscheiuuugen zu erklären.
Nath dieser allgemeinen Betrachtung kehrt er zur An-
wendung derselben auf den Ausbruch von Krakatau zurück.
Die Vulkane von Sumatra sowohl als von Java liegen
entweder auf den unter den genannten Inseln sich befin-
■) f. Pnoqo*, Sun torin et ses «Option«. Paris 1879-
7) Lothar Mejror, Die mixieroen Theorien der Chemie. 1884, S. 418.
denden Längenspalteu, oder auf Uuerspalteu ; urstore wer-
den durch dio Linien AtjobHoofd — Gunung Tangka
(138^ — 318}°) und Karang — .Wilis — Smoru (285
bis 105°) bestimmt, auf dem Schnittpunkt liegt Kra-
katau; von hior aus goht eino Querspalto (dio Sunda-
spalte) Uber Pajon einerseits, Sebessi und Rad ja h-
bassah anderseits. Es scheint, dafs diese Richtungen Zu-
sammenfällen mit Vorwerfungsspalten , wio die ungleiche
Tiefo der Sundastralse auf alten Karton nachwoist.
Dio Gegend der Sundaspalte, namentlich Javas „l.Pünt“,
waren in den letzten Jahren wiederholt von Erdbeben heim-
gesucht ; es schoiut jedoch nicht, dafs sie Vorboten des
Ausbruchs waren, sie würden sonst im Lauf der Zeit ver-
mutlich heftiger geworden sein; im Gegenteil wurden sie
größtenteils schwächer. Nun ist es immerhin möglich,
dafs sie mit dem unterirdischen vulkauischou Raum iu Ver-
bindung stehen, wahrscheinlicher jedoch sind sie ent-
weder plötzlichon kleinen Verschiebungen längs der Sunda-
spulto, oder dem Einsturz unterirdischer Höhlen zuzu-
schreiben. (Für engbegrenzte Erdbeben, die nur schwer
vulkanischer Wirkung zugeschrieben werden können, kommt
Verbeek die Einsturztheoric durchaus nicht unwahrschein-
lich vor.) Welches auch die Ursache gewesen sein möge,
so kann dadurch dem Wasser der Zutritt zu dem Lava-
raum erleichtert worden sein, sei es durch Öffnung einer
Spalte oder durch Verschiebung eiuor undurchdringlichen
Lage. Hierin mufs die Hauptursache des Ausbruchs von
1883 nach zweihundortjähriger Ruhe, während welcher nur
wenig Dampf gebildet wurde, gesucht werden.
Erscheinungen bei der Eruption.
Diosolbun sind sehr verschiedenartig: Bewegungen (Er-
schütterungen und Einsturz der Erdrinde), Bewegung der
geschmolzenen Massen und gasförmiger Produkt« aus dem
Innern der Erde, dio nach uufsen dringen, Bewegungun der
Luft und des Meeres, elektrische und magnetische Erschei-
nungen worden hier der Reihe nach besprochen.
A. Erdbeben.
Oben ist bereits erwähnt, dafs vor dem Ausbruch im
Mai einige Erdbeben stattfanden, die weder besonders stark,
noch zahlreich waren , ebensowenig nahm ihre Zahl von
Mai bis zum August zu, im ganzen wurden 1883 nur neun
Erdbeben in der Nähe von Krakatau beobachtet. Ob wäh-
rend dos Ausbruchs von August (mit Ausnahme am 26. auf
dom Leuchtturm auf Java Hoofd) wirkliche Erdbeben beob-
achtet wurden, mufs dahingestellt bleiben; diu Erdboben
nach dum Ausbruch haben auch nichts an Intensität vor-
loren; unter diesen befindet sioh eiues, welches sich über
ganz Bantam fühlbar machte und mit der Sundaspalte nicht
in direkter Verbindung zu stehen scheint.
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883,
17
B. Die ausgeworfenen Stofe.
Ingenieur Schuurman und Kapitän Ferzenaar, die am
27. Mai und 11. August die Insel besuchten, bemerkten,
dafg bis dahin nur Bimssteinstüoke und Ascho ausgeworfen
waren. Auf der Insel selbst waron drei Lagen zu unter-
scheiden : Bimsstein, graue Asche, dunkelgraue Asche. Das
zuerst genannte Material scheint nur in den ersten Tagen
nach dem Ausbruch ausgeworfon zu soin, später bis zum
26. August nur feineres Material ; die ganze Dicke betrug
bis zum 11. August nur otwa 0,50 m. In den vereinzelten
glasreichen Steinstiicken , die Ingenieur Schuurman fand,
sieht auch Vcrbcek Stücke der immer wioder sich nou bil-
denden Kraterkrusto. Was aber die von jenem gefundenen
olivinhaltenden Andesite betrifft, so glaubt er, dafs sie
von älterm Krakataugestein stammen, welches ontweder
sich schon früher da befand , oder bei der Eruption zer-
trümmert und aus dem Krater geworfen wurde. Nach dem
Ausbruch von 1883 fand Verbeck boi seiner Untersuchung
gewaltige Haufen von grobem Bimsstein bis zu 1,0 cbm, da-
zwischen Sand und Asche; das feinere Material war auf
Krakatau seltener; hier und da zeigte sich ein schwarzes,
pechsteinähnliches Stück, wovon os nicht immor sicher
war, ob es zu den Neubildungen gehörte, einzelne Obsidian-
atücke mit bimssteinühnlioher Rinde und Bimssteinstückc
mit gebrochener, glasähnlicher Rinde boten einige Abwech-
selung, Absetzung des neuen Materials in L3gen kam nicht
vor und konnte nicht erwartet werden. Der zum Teil mit
Soowasser vermengt ausgoworfene Bimssteinsand war im
Oktober durch Regengüsse schon mit tiefen Furchen durch-
zogen ; über die Schlammströmo, die noch im Oktober aus-
geworfen zu sein schienon, ist oben bereits gesprochen.
Der Schlamm auf Calmeyer und Steers war schon hart
und ist früher, vielleicht zwischen der Katastrophe am 27.
und dem 28. August, ausgeworfon, Aufserdem findet man
auch einzelne, zu der Unterlage, auf welcher der Vulkan
ruhte, gohörige Stoffe, ältere (mioeäne) Andesiten, Mergel
und ThonstUcke von diluvialem und neuerm Alter, die unten
naher besprochen werden sollen.
Die Dicke der ausgeworfenen Stoffe steigt am west-
lichen Fufs bis zu 60 m, im Durchschnitt beträgt sie da
etwa 30 m , nach oben nimmt sie ab , so dafs man am
Gipfel die alte Oberfläche und die umgefallenen und halb-
verkohlten Baumstämme sehen kann.
Die Gröfse dor ausgeworfenen Stücko nimmt bald ab.
Während auf „Krakatau“ und „Vorlaten Eiland“ einzelne
Stücke noch l,o cbm erreichen, sind auf „Calmeyer“ und
„Sebessi“ Stücke von Kopfgröfse schon selten ; die gröfsern
Stücke Boheinen in einem Kreise, dessen Radius 15 km
betrug, gefallen zu sein ; kleinoro Stücke in Bohnen-, selbst
in Faustgröfse sind noch in 40 — 80 km Entfernung ge-
Pctermanne Qeogr. Mitteilungen. 1886, lieft I.
fanden; diese Stoffe können nicht von der Luft weggetra-
gen, sie müssen gleichsam geschossen soin. Eine theo-
retische Berechnung für den luftloeren Raum ergibt für
eine Elevation von 10* und 80* 1070, für 45* Elevation
625 m Anfangsgeschwindigkeit, um eine Distanz von 40 km
(Ketimbang) zu erreichen; die gröfste vom Projektil er-
reichte Höhe würde resp. 1763, 10000 und 56 700 m sein;
die Flugzoit , 1-j- und 3- Minuten. Im lufterfüllten
Raume mufs die Anfangsgeschwindigkeit noch gröfsor ge-
wesen soin, um an das Ziel zu gelangen. Man wird darum
nicht sehr irren , wenn man annimmt , dafs die ausgewor-
fenen Projektile zum Teil eine Höho von 50 km orroicht
habon, dio feinsten Teile jedoch noch höher mitgeführt
sind ; die oben berechnete, ungefähr das Doppelte der durch
Pulver an Geschosse mitgeteilten Anfangsgoschwindigkoit
steht aber weit hinter derjenigen zurück, welche bei der
Verbrennung von Scbiefabaumwolle entwickelt wird, und
ist darum nicht staunenerregeud.
Einer Erklärung bedarf das Fallon von sehr hoifsor
Asche in Ketimbang, die da und nur da allein heifs genug
war, um Brandwunden zu verursachen ■). Vielleicht erklärt
sich dies dadurch, dafs diese Asche unter einem geringen
Elevationswinkel z. B. 10° ausgoworfen wurde; da sie
hierbei keine so bedeutende Ilöhe erreichte (nur 1763 m
iro lufttleorcn Raum), wurde sie nicht so schnoll ahgekühlt
wie dio hoch in die Lüfte geschleudorte Asche ; Beispiele
hiervon sind mehrfach vorgekommeu, wenn bei einem neuon
Durchbruch eine Öffnung auf der Seito eines Vulkans ge-
bildet wurde2). Die Oberfläche des Teils der Erde, wo
ausgeworfeno Asche fiel, wird auf 15019 geographische
Quadratmeilon berechnet, die Kokosiusoln und Singapore
bilden die nördliche und südliche, Benkulen und etwa der
Patuha auf Java die üstlioho und westliche Grenze. Die
Dicke der gefallenen Asche wird im Maximum auf 60 mm
gestellt. Durch eine sorgfältig ausgeführto Berechnung wird
eine Totahnongc von 18 Millionen ebkm an ausgeworfenen
Stoffen gefunden. Sehr feino Aschteile sind sowohl durch
den Ostwind als auch durch den Nordnordwestwind in der
obern Luft viel weiter mitgeführt, zum Teil bis zum 80° Ö.L.,
d. h. 1600 Bogenminuten von Krakatau.
Feinere Stoffe scheinen noch länger schwobond geblie-
ben zu sein, wie die Beobachtung dor farbigen Sonnen
und des Abendrotes beweisen, wolche Erscheinungen übri-
gens, was ihre Ursache betrifft, voneinander getrennt wer-
den müssen 3). Das zuerst genannte Phänomen mufs dirokt
1) Cbrigen» auch auf „Bert im", „Charles Bai“ (M.).
i) Verbeek fährt seine eigne Erfahrung in Palembang (K*h>) an, Jaarb.
Hijnweien 1881, I, p. 171.
S) Hier wird Prof. Miehie Smith (cf. h'sture 771) angeführt und auf
das bei beiden Erscheinungen verschiedene Spektrum hinge wiraen.
8
18
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
den Staubteilchen zugeschrieben werden, die Abendröte
dagegen hauptsächlich dem Wassordampf, welcher den
gröfsten Teil der Wolke bildete und sich in den hohem
Lagen kondensierte und zu Eis wurde.
Die Aschteilchen können dabei sowohl zur Verstärkung,
als auch als Zentrum der Kondensation mitgewirkt haben.
Der Weg, den die Wolke zurückgelegt haben mufs,
läfst sich leicht verfolgen: am 9. September erreichte sie
Ceylon, nachdem sie einmal um die Erde gegangen war;
dies würde einer Schnelligkeit von 37 m per Sekunde ent-
sprechen; einzelne Toilchen haben bald naoh der Eruption
gleiche Wirkung im Osten (Australien) gehabt. Da nun
die Aschen - und Dampfteilchon der Wolke, welche zuerst
dem Äquator nahe stand, vermutlich durch die NW- und
SW- Antipassatwinde naoh Norden und Södon bewegt wur-
den, haben wir hier die Erklärung, weshalb man die wunder-
vollen Erscheinungen erst später in den entfernteren tropi-
schen Erdstrichen gosehen hat; es geschah dies nach und nach,
als die mitgeführten Stoffe sich mehr vorteilten ; den besten
Beweis, dafs dieser starke Luftstrom bestand, wodurch die
Wolke den Weg um die Erde in zwei gleich lange dauern-
den Perioden machte, wird aus den boidon Beobachtungen
zu Ceylon am 9. September 6 Uhr nachmittags und 22. Sep-
tember 6 Uhr vormittags entlehnt; für die erste Beobach-
tung bekommen wir 1725 Meilen per Tag, Air die zweite
1728 oder, wenn wir annehmen, dafs die Bewegung auf
dem 10. Breitengrad stattfand, 1702 Meilen; nimmt man
an, dafs bei der zwoiten Beobachtung die Wolke bereits
vor Sonnenaufgang ankam (Periodo 12£ anstatt 12| Tag),
so wird die Übereinstimmung noch gröfser.
Die hier und da gefallene Asche vermag Verbcok nicht
als von Krakatau herrührend zu erkennen (selbst nicht diu,
wolche Macpherson beschrieben hat) ; endlich wird noch
daran erinnert , dafs nach dem 6. Oktober auch noch der
Borg Augustin in Alaska thätig war, ebenso Bogosloff in
den Aleuten.
Geologie. — Bei dem Gestein von Krakatau sind nur zwei
Gruppen zu unterscheiden, ein Pyroxenandesit mit ca 68 und
ein Basalt mit ca 48 Proz. Kieselsäure ; die sauem Produkte
wurden durch oinen zentralen Krater ausgeworfen, die basi-
schen im Pik kamen aus einem exzentrischen Krater her-
vor. Der Basalt liegt zwischen zwei Pyroxenandesit-Perioden,
der altern und der jiingorn vom Jahre 1680, au welche
sich die alloijüngste Periodo von 1883 anschliofst.
Die älteste Andesitperiode nahm ihren Anfang, indem
aus der Sundaspalto sich nach und nach ein grofser Kegel
aufhuute, dessen Spitze viol höher gewesen sein mufs als
'der jetzige Pik (die Höhe wird auf wenigstens 2000 m be-
rechnet) ; der Krater mufs sich ungefähr da befunden haben,
wo später der Danan war. Der Berg stürzte ein, einzelne
Teile des Randes blieben als Inseln über dem Meere —
Verlaten -Eiland, Lang -Eiland, Poolscho Hoed (nach dom
Einsturz von 1883 ist noch ein andrer Teil am Fufs des
Pik sichtbar geworden) ; ebenso kam zwischen Verlaten-
und Lang- Eiland ein Teil des Randes bis nahe an die
Oborfläche. Für den Einsturz sprechen der steile Abfall
der Inseln nach der innern, der flache Ablauf nach der
äufsern Seite und der eigentümliche petrographische Cha-
rakter. Der kreisförmige Raum hatte 7 km Durchmesser
und ist einer der gröfsten eingestürzten Krator in der
Welt1). Die Hauptmasse besteht aus aufeinanderliegenden
Lagen von massivem Hypcrsthenandesit ohne zwiscbenlie-
gende Lagen von losem Material , nur an der Westseite
von Lang-Eiland findet sich dunkles Glasgestein in dünnen
Platten, zwischen den dickem Andesitlagen. Poolsch Hoedje
bestand ganz aus diesem schönen dunkelgriin-schwärzliohen
Glas. Die Lavabänke an der innern Seite zeigten an den
50 — 100 m hohen Wänden denselben einförmigen Charak-
ter ohne Abwechselung, alles doutet auf Entstehung, ohne
Zwischenpausen. Die Risse sind durch Abkühlung ent-
standen, darin Tridymit. Darüber liegt eine 2 — 3 m dicke
Lage von reinen Auswurfmassen, in gleicher Richtung wie
die untern Lagen und von demselben Gestein; am Ende
der ersten Periode sind also lose Stoffe ausgeworfen, doch
vielleicht geschah dies erst nach dem Einsturz.
Hierauf brach seitwärts ein andrer Lavastrom durch
und bildete den Pik. Da die Struktur desselben durch den
Absturz von 1883 doutlich zu erkennen ist, wollen wir
dieselbe etwas näher betrachten. Der ganze Vulkan besteht
aus konkordant aufeinander liegenden Lagen von basalti-
scher Asche und solchen Lapilli und abwechselnden Strö-
men von festem, von zahlreichen Adern durohbrochenem
Basalt. Die Lagen sind symmetrisch zu einer durch die
Spitze gelegten Senkrechten, ein Beweis, dafs der Krater
in einer durch die Spitze gelegenen Vertikalebene gelegen
habon mufs. Keino Kraterröhre ist zu sehen, jedoch be-
merkt man gerade unter der Spitze einen breiten Gestein-
gang, der den Berg beinahe vertikal bis auf zwei Drittel
der Höhe durchschnoidot Diesor linsenförmig ondigende,
aus Hypersthenandesit bestehende Gang ist unten 2, oben
*) Verbcok macht folgend« Angaben:
Krakatau 7 km. Beinahe kreisförmig.
Tengger 8 km ron N nach S. Vierteilig ; die 8 km sind die Diagonale.
„ 8 km ron 0 noch W.
Sintnrin GJ km von W nach 0. Umegelmiifsig elliptisch.
. 10 km ron K nach S.
Pik ron Teneriffa 7^ km von K nach S. Oral.
„ m n 10 km von W nach 0.
Bei weitem werden alle übertroffen von dem eing«stünten Krater von
Manindju (Sumatra), unregelmäßig elliptisch mit £5 und 11 km Achao.
Oberffkche etwa 200 qkm mit See (IG GöO und GOOO m Ilurchroeaaer)
von 100 qkm (genau vermessen). Koch gräber iit vermutlich der
»ingwtiirrte Kraterraum, in welchem sich der Tobasee (Sumatra) befindet.
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
19
1 m breit. Von hier bis zur westlichen Ecke zeigen sioh
mehrere schmälere Gänge l/8 — ra breit-, meist steil bis
vertikal, einzelne flach, die alle aus Basalt bestehen. In
dem darunter liegenden Tridymitgestein sind keine Adern
gefunden, wohl Bruchstücke aus Basalt. Die Auffindung
des Kraters ist nioht geglückt; ob er mit eingestürzt ist,
oder sich in dem stehen gebliebenen Teile befindet, war
nicht zu entscheiden, da in der steilen Wand der Fall der
Lagen nioht untersucht werden konnte und der Absturz
an der Ostseite nur den Fufs schneidet. An dor Spitze
befindet sich wirklich auf der Rüokwand eine kleine Ver-
tiefung, doch es konnte nioht entschieden werden , ob dies
dio Mündung des Kraters ist. In den Figuren ist der
Krater als noch vorhanden angenommen, dies ist auch
wahrscheinlich, da man vermuten darf, dafs der Pik aus
einem eignen Lavaherd entstanden ist. Jedenfalls hat der
Einsturz in der Nähe des Kraters stattgefunden, und wir
sehen, dafs bei diesem Vulkan weder ein Hohlraum, noch
ein fester Kern von irgend nennenswerter Ausdehnung be-
steht. (Verbeek erklärt dies ausdrücklich Seite 160,
trotzdem auf dem Bilde [Blatt 25] ein solcher vorhanden
zu sein scheint.)
Der Pik war früher ein spitzer Kegel ohne oingestürzte
Kraterwand. Da nun dio Schmelzung des innern Teiles des
Vulkanmantels als Ursaoho des Einsturzes anzusehen ist,
hält Vorbeek es für nicht unwahrscheinlich, dafs nur bei
ulkanen mit zontralom Einsturz oino bedeutende Ein-
schmulzung des innern Teiles stattgefunden hat, während
bei den Vulkanen , wolche als regelmäßige Kegel bestehen
blieben , eino solohe Einschmolzung gar nicht oder nur in
geringem Mafse stattfand. Natürlich wird es schwer sein,
festzustellen , ob dioao Regel allgemeine Gültigkeit besitzt,
.da natürlich so schöne Vulkandurchschnitte, wie der von
Krakatau, zu den höchsten Seltenheiten gehören und im-
mer gehören werden. Die Basaltströme sind hier und da
verdickt, auf der obern und untern Seite haben sie eine
verwitterte Rinde, gröfstentoils infolge des Entweiohons von
Gasen. Die Dicke wechselt zwischen * */a und 1/j m, die
der Lapillilagen zwischen */< und 2 m. Das Material scheint
gleichmäßig aus Feldspatbasalt zu bestehen, nur im Ge-
stein aus einer der Adorn kommt auch Melielieth vor.
Wieder fanden im Zentrum des alten Kraters Hy-
persthenandeait - Ausbrüche statt. Danan und I’erbuatan
entstanden , vielleicht aß besondere Insoln , endlich ver-
einigten sich alle drei. Mit Ausnahme deB Rakata *) sind
.die genannten (und möglicherweise noch andre Krater) als
Schornsteine desselben Lavaraums zu betrachten. Über
die Zeit dieser Vorgänge wßsen wir nichts, ebenso wenig,
- *) Hakats dar Name, den Verbaak dem Pik gibt.
ob der Krater 1680 schon bestand oder sich da erst bil-
dete. Von dem Gestein dieser Neubildungen wissen wir
sehr wenig; es ist Hypersthenandesit, doch ohne den ma-
kroskopischen Tridymit Auch der merkwürdige, von Kra-
katau übrig gebliebene Felsen ') besteht aus solchem Ge-
stein. Die Platten liogon unter 60 — 70° nach W geneigt,
ein Beweis, daß der Felsen ein aus der ursprünglichen
Lage gebrachtes 8tück des Danan ist ; hierher gehört auch
der oben erwähnte, 2 m dicke Gang von Hypersthenandesit,
der dio Basaltlagen unter Rakata senkrecht durchdringt.
In dem Gestein haben sich Gipskristalle abgesetzt, auch
findet man einige Tridymitkristalle, das einzige Vorkommen
desselben im j Ungern Krakataugestein. Hierher gehören
auch einzelno von Herrn Schuurman gefundene Bruchstücke
von olivinhaltendem Hypersthenandesit, sowie einzelne
Stücke, die weder dem ältern Gestein, noch den Produkten
von 1883 gleichen, — manche derselben zeigen in Höh-
lungen schöne Dolomitkristallo. Unter sich zeigen die we-
nigen Überreste so viel Verschiedenheit, dafs man sie für
die Produkte verschiedener Ausbrüche halten darf. Bei
dem Ausbruch 1883 sind keine Lavaströme gebildet, son-
dern alle Bruchstücke sind aus dem Vulkan ausgeworfen
worden. Sie sind dem alten Hypersthenandesit ähnlich, aber
viel glänzender. Wäre der Basaltberg etwas südlicher em-
porgehoben, so würden wir an diesor Stolle einen Zwillings-
vulkan von verschiedenem Grundmaterial gesohen haben,
wie man sie auf andern Inseln der Sundastraße trifft, ohne
daß man das Auftreten der beiden Gesteinarten durch die
Lage (mit Bezug auf die verschiedenen vulkanischen Spal-
ten) erklären könnte, ebensowenig ist bis jetzt fostgestellt,
ob auch beiden andern Inseln die Basaltperiode zwischen
zwei Andesitperioden fällt. Bei erneuerter Thätigkeit des
Vulkans darf man erwarten, in dom Meere zwischen Lang-
und Vertaten - Eiland und Rakata neue Inseln auftanchen
zu sehen.
Einzelne im Jahr 1883 ausgoworfene Bruchstücke kom-
men aus dem Untergründe. Es würde zu weit führen, auf
die geologische Beschreibung der Sundastraße hier des wei-
tern einzugehen*), es mögo genügen, die Worto hier nieder-
zuschreiben, in welohen gewissermaßen eine Übersicht
dieser Schilderung gegeben ist. Der Vulkan Krakatau ist
überall vom Meere umgeben , nirgends ist etwas von der
festen Grundßge, auf der er ruht, zu sehen. Die bei dem
«
I) BooUmannsfelwn , ein klein«, dem Einsturz entgangener Feleen,
der aus mehr al» 100 m Waarertiefe auftauoht.
*) Verbeek, Top. eo geol. Beoehnjiing ran Zuid Sumatra (Jaarb. Miju-
wexen 1881. I).
Verb«k, Top. en geol. Bejchrijring xip een gedeelte ran 8umatra'e
Weatkuet. Batavia 1883.
Verbeek en R. Fennen», Nieuw. geol. ontdekkingen op Jan. Verb, der
Kon. Akad. ran Wetenec happen. afd. Natuurkunde Deel XXI. 1881-
Digitized by Google
20
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
Ansbrach ausgoworfenen Bruchstücke von scdimeutärom und
Eruptiv-Gestein, welches dem Vulkan ganz fremd ist, ge-
hören zu denselben Gesteinsnrten , die den andern Inseln
und Küsten der Sundastrafse angeboren und wir können
darum für Krakatau dieselbe Grundlage vermuten. Die
Bruchstücke des sedimentären Gesteins gchöron teils zu
kalkhaltigen, teils zu kalkfreiem Thongestein und Sandstein
vou vulkanischem Bruch. In allen ist Material von Kra-
katau vorhanden, das poröse Glas und der Bimsstein jedoch
in sehr verschiedener Menge ; sie gehören also zu einer
diluvialen oder jüngorn, bereits festgewordeucn Ablagerung
des Meeres, einer neuvulkanischen Tuffsteinformung. In
manchen Steinen kommen genau runde, ellipsoidische und
auch unregelmüfsigo kalkroicho Konkremente vor, die auch
froi vom Muttergestein auf dom Bimsstein gefunden wer-
den; in diesem Sande sind sie nicht angetroffen, so dafs
sie bei einem der letzten Ausbrüche ausgeworfen sein
müssen *). Zu den eruptiven Gesteinen, die durchaus nicht
boi Krakatau vorkomraon, gehören auch Bruchstücke von
Andesiten, die mit mioeänem Eruptivgestein in West-Java
übereinstimmen ; sie sind nicht selten zu weifsem Gestein
vorwittort und onthalton gewöhnlich kleine Pyritkristallo,
die schon dem blofsen Augo als gelbgliinzende Punkte be-
merkbar sind; der Pyrit, dor in dor Asche von 1883 in
kleiner Quantität gefunden wird, kommt wahrscheinlich von
diesem Gestein her.
Die Basis von Krakatuu oder von der Sundastrafse im
allgemeinen besteht dor Hauptsache nach aus mioeänem
Eruptivgestein, das durch horizontale Lagen von diluvialem
und jüngern Meeresablageruugeu gebildet ist, Bruchstücke
von tertiärem oder älterrn Sedimentärgestein hat der Vul-
kan nicht ausgeworfen.
Auf die mineralogische Untersuchung dor Krakatau-
gesteine kann ich schon des Baumes wegen nicht näher
eingehen, zudem scheint die Untersuchung solbst — einen
wie schönen Beitrag sie auch liefert — weniger in diese
Blätter zu gehören. Ich begnüge mich daher, dem über-
reichen Matorial oinige interessante Angaben zu entnehmen,
die ich hier in der Reihenfolge, in der sie in „Krakatau“
auftreten , aber ohne sie miteinander in Verbindung zu
bringen, folgen lasse.
Unter den Produkten des Ausbruchs von 1883 findet
man nur Bimsstein, Asche und dichtes Glasgesteiu, die er-
stem zum Betrage von wenigstens 95 Prozent; die Porosität
des Bimssteins wird durch den Wassordampf erklärt, dor
in der geschmolzenen Masse sich befand, aber boi vermin-
dertem Druck entwich. Dio porösesten Sorten vou Bims-
l) Durch eigeue Schwere sind sie alionliog* nach und nach ein-
gedrungen.
stein haben manchmal Poren von 3 um Durchschnitt und
sind so sprödo, dafs man sie mit der Hand leicht zu
Staub zerreiben kann; diejenigen, welche feinere Poren
haben , sind viel fester ; als Putzpulver ist das Material
der vielen eingeschlossenen barten Bestandteile wogen nicht
zu gebrauchen. Der vom Mai herrührende Bimsstein trieb
hauptsächlich nach Westen, der im August ausgeworfene
nach Osten, obwohl auch die Lampong- und die Semaugka-
Bai bis zu Anfang 1884 ganz damit bedeckt wuren.
• Die vom Ausbruch 1883 herrührende Asche ist ein
Behr feines Material. Boi ihrer Untersuchung zeigte sich,
dafs selbst boi den kristallreichsten Sorten nie weniger als
90 Prozent aus Glasteilen bestand, und zwar desto mehr,
je weiter von Krakatau die Asche gefallen war; das Korn
wechselt von fein sandig bis zu fein mehlig: die gröbere
Asche ist grau, dio sehr feine hellgrau bis beinahe weife.
Der grüfsere Glasrcicbtum mufs dadurch orklärt werden,
dafs die Auswurfmassen schnell erstarrten , so dals für
Kristallbildung wenig Zeit Ubrigblieb. Aus den Mit-
teilungen über Bruchstücke von Mergel und Thon ent-
nehme ich einiges Ubor die merkwürdigen Konkremento, um
so mohr, als Vorbeek seit dem Erscheinen des vorläufigen
Berichtes seine Ansicht über dieselben etwas modifiziert
hat: durch den Einbruch des Seebodens gelangten Tufif-
stücke in den grofsen Krater und wurden gegen Ende des
Ausbruchs mit ausgeworfen ; manche sind außergewöhnlich
hart, wohl eine Folge der grofsen Hitze ; am merkwürdig-
sten sind die, meist rogolmäfsigon, grauen oder schwarzen
Körper vou — 6 cm Durchmesser, deren Form Verbeek
früher einer schnell rund drehenden Bewegung im Wasser
und in der Luft zuschrieb. Er hat sich jedoch von der
Unhaltbarkeit dieser Vermutung überzeugt, da er diese
Konkremente später in Thon und auch Mergel ein ge«
schlossen gefunden hat. Man mufs sie also wahrschein-
lich als Konkretionen in den Tuffen betrachten. Ihr Auf-
treten ist aber schwer zu erklären , da Bie sohr kalkreich,
das Gestein aber häufig ganz kalkfrei ist. Auch in ihrer
Struktur und Zusammensetzung bieten diese Kugeln man-
ches Merkwürdige.
Als Ergebnis der chemischen Untersuchung endlich fand
sich, dafs die ältem und jüngern Hypcrsthenaudesiten in
ihrer Zusammensetzung ziemlich gonau stimmten, nur war
bei den letztem der Säuregohalt etwas geringer: or be-
trug 68-J- — 70J, resp. 66 J- — 69 Prozent; nur eine einzige
Sorte Asche enthielt blofB 61 Prozent Kieselsäure; der
Wassergehalt ist in den neuern Gestoinen äufserst gering.
Dio Basalte halten im Durchschnitt 49 Prozent Säuro. In
der Asche vom 27. August worden alle Arten von Feld-
spat von' den basischsten bis zu den sauersten gofundon;
im Durchschnitt enthält er beinahe 58 Prozent Kiesel-
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Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
21
säuro. Das reiue Bimssteinglas enthalt etwa 69 Prozent |
Säure, die im Wasser löslichen Salze der Asche rühren
vom Meerwasser her, mit Ausnahme eines Teils des
Gipses, welcher den altern Gesteinen von Krakatau entnom-
men ist- —
Meteorologische und magnetische Beobachtungen. — Loider
liegen zu Batavia nur Stundenbeobachtungen vor, daher
ist die grofse Luftwelle dort nicht abgelesen ; um 1 1 Uhr
war der Stand des Barometers so hoch (764,05 mm), wie
er seit 1866 nicht beobachtet war, hatte aber vermutlich
sein Maximum schon überschritten. Die bedeutende Tem-
peraturabnahme, die an verschiedenen Orten beobachtet
wurde, kann nicht der Vordampfung der Feuchtigkeit
der Asche zugeschrieben, sondern nur durch die starke
Abkühlung der aus grofser Höhe niederfallonden Aschen-
teilchen erklärt werden; in der Nähe von Krakatau war
es heiß und schwül. Zu Batavia wurden Unterschiede von
7 und 6° mit dem vorhergehenden und folgenden Tage
(nämlich 23° C.), in Bandar gar nur 18,2° um 2 Uhr
beobachtet. Diu Störungen der Magnetnadel kommen nur
auf Rechnung dos Aschenregens , resp. des in demselben
enthaltenen Magneteisens *).
Über Lufteloktrizitat sind zu Batavia keine Beobach-
tungen gemacht worden ; fortwährend fanden in don Asch-
wolken von Krakatau elektrische Entladungen statt; von
don Schiffen werden Elmsfeuer, Wannwerden der Kupfer-
teile und andre elektrische Erscheinungen gemeldet; auf
Javas „1. Ptint“ schlug der Blitz ein (von zehn dort be-
schäftigten Zwangsarbeitern traf er vier, und zwar die-
jenigen, welche einen eisernen Ring um den Haß trugen,
die er von diesor Stelle bis zu den Füfsen verbrannte ; sie
genasen alle).
Bewegung der Luft. — Das Getöse und die Explosio-
nen sind an vielen Orten beobachtet worden, dabei zeigt
sich eine grofse Unregelmäßigkeit ; schon oben ist erwähnt,
dafs man bereits bei dem ersten Ausbruch zu Batavia und
Buitenzoog das Geräusch hörte, aber in dom viel näher
gelegenen Serang und Anjer nichts vom Ausbruch wußte.
Yerboek glaubt dies einfach durch die in der Luft schwe-
benden Aschpartikelchen erklären zu könnon; über der
Aschwolko hin wurde das Geräusch nach allen Richtungen
hin fortgepflanzt, wobei natürlich die Windrichtung Ein-
fluß äußerte. Eigentümlich ist es, daß beinahe allo Beob-
achter sich der Stelle , wo das Goräusch herkam , sehr
nahe glaubten, so -daß man selbst in den Philippinen und
Britisch -Burmah am Notschüsse von Schiffen dachte; der
Schall hat sich über einen um Krakatau mit 30° = 3333 km
■1) Cb« die Beobachtungen «ind umfangreiche Tabellen und reischie-
deue Diagramme mitgeteilt.
Halbmesser beschriebenen Kroß , nach Westen hin sogar
uooh etwas weiter fortgepflanzt (1970 und 2579 Minut-
meilen).
Die Lufterschütterungen waren sehr stark, zu Batavia
— um nur an eine der vielen bekannt gewordenen That-
sachen zu orinnern — bliob die astronomische Uhr stehen,
an Bord der in der Nähe der Ausbruchstelle befindlichen
Schiffe wurden starke Barometerschwankungen, auf der
„Berbicc“ (ohne Zeitangabe) von zwei englischen Zoll
beobaohtet; selbst zu Singkawang wurde zwischen 11 Uhr
und 11 Uhr 55 Minuten ein Unterschied von 8,t mm
beobachtet (wobei es unsicher bleibt, ob wirklich Maximum
und Minimum aufgezeichnet wurden).
Die große Luftwolle ßt schon zu oft besprochen wor-
den, aß daß es hier nötig wäre, mehr als das Resultat, zu
dem Yerbeck gekommen ist, anzufUhren, woboi ihm nament-
lich der Gas-Regulator zu Batavia Dienste leßtete, um die
Zeit der heftigsten Ausbrüche festzustellen. Er findet
5 Uhr 30 Minuten, 6 Uhr 44 Minuten, 10 Uhr 2 Minuten
und 10 Uhr 52 Minuten Krakatauzeit; daraus schließt er
weiter unter der Voraussetzung einer gleichen Geschwin-
digkeit für die Fortpflanzung des Schalls und der Luft-
wello, daß die letztere sich mit der oiner Temperatur von
— 30° entsprechenden Geschwindigkeit, aßo auf der Höhe
von wenigstens 10 km Uber der Oberfläche dor Erde fort-
gepflanzt hat. Der Unterschied in Geschwindigkeit der
Luftwolle in verschiedenen Richtungen muß größtenteiß
den Temperaturunterschieden in den hühern Luftlagen ober-
halb verschiedener Teile der Erde zugeschrieben werden.
Die übor den Druck zu Batavß vorhandenen Beobach-
tungen haben es nicht erlaubt, die theoretisch berechneten
Zeiten von Rückkehr der Luftwelle zu prüfen und daraus
Schlüsse zu ziehen.
Einstürze von Bergen Jj-r. — Nirgonds hat man eine Spur
von Erhebung entdecken können, die Veränderungen im
Meeresboden rühren ausschließlich von ausgeworfouen Masson
her und die Zeit ist, wie wir schon oben gesohen haben,
bemüht, die Veränderungon auszugleichon. Dagegen ist
der Einsturz des nördlichen Teiles von Krakatau nicht zu
bezweifeln ; wo früher die Insel lag, findet man jotzt Tiofen
von 100 — 200 m, an einzelnen Stollon selbst 300 m; die
hydrographische Aufnahme hat sogar an einzelnen Stellen
mit 360 m keinen Grund gefunden ; auch außerhalb der
Oberfläche , welche die verschwundene Insel einnahm , fin-
det man neuerdings bedeutende Tiefen. Es bleibt daher
— wenn man keinen Einsturz annehmen wollte — nur die
Möglichkeit, dafs auch dieser Teil in die Luft geschleudert
wäre. Dies ßt jedoch im höchsten Grade unwahrschein-
lich ; zunächst findet man am westlichen Endo von Kraka-
tau unter den Auswurfsmasseu nur höchst selten ein Ba*
22
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
saltstück ; dann scheint es beinahe unmöglich , daß mit
einemmale ein beinahe kreisförmiger Raum von 3400 m
Halbmesser — also mehr als 36 qkm Oberfläche — , dazu
noch ein Teil des Meeresbodens östlich von Krakatau, in
die Luft geschleudert worden sein soll. Im allgemeinen
hält Verbeek die Theorie der Explosionskrater fUr sehr un-
wahrscheinlich. Wie es scheint, war während des lange
dauernden Ausbruchs von 1883 die ganze Oberfläche der
alten Lava nach und nach erweicht, sie konnte das auf
ihr ruhende Gewicht nicht mehr tragen, und so stürzte
dann schliefslich alles zusammen. Ehe der Einsturz er-
folgte, scheint das Meor schon Zutritt zu der Lava gefun-
den zu haben, jedoch folgten beide Ereignisse sich sehr
schnell hintereinander, wenn sie nicht gleichzeitig statt-
fanden ; der massive Teil des Pik verursachte eine gewal-
tige Bewegung des Wassers, und die Bildung der grofsen
Welle war die Folge. Dadurch, dafa das Wasser bis auf
die Lava drang und durch den darauffolgenden Sturz, so-
wie durch die Krustenbildung auf der Lava vermehrte sich
der Druck auf die Lavasäule bedeutend, aber auch nur für
einen Augenbliok. Mit einer ungeheuren Kraft wurde der
im Zentrum gelegene Teil der Luva hinausgeworfen , der
jetzt mit Seewusaer vermengt war und Schlamm bildete,
welcher bis zu eiuem Abstand von 100 km rund um den
Krator hin geschleudert wurde. Auoh naoh dieser Zeit
fand noch einige Thätigkeit statt, doch der Höhepunkt der-
selben war vorüber. Später werden bei erneuerter Thätig-
keit neue Inseln aus dom Krater sioh erheben, durch Lo-
tungen wird es festzustellen sein, ob dieser Fall eintritt.
Der Einsturz hat sich nach Osten hin Uber die Insel hin-
aus erstreckt, wahrscheinlich hat man es auch hier mit
einem Lavaraum zu thun, der sich möglicherweise unter
ganz Java hin ausbreitet. Der kreisförmige Teil des Ein-
sturzes zwischen den übriggebliebenen Inseln hat 41, der
östliche, dreieckige Teil 34, zusammen also 75 qkm Ober-
fläche. Poolsche Hoed (ältestes Gestein) ist mit verschwun-
den, dio aus Auswurfroa8sen neugebildeten Steers und Cal-
meyer-Inseln gehören jetzt schon der Vergangenheit an.
Im ganzen stellen sioh die durch die Katastrophe ver-
ursachten Veränderungen folgendermaßen dar:
,1.«— hk.Im ir*fun<l«n
Oberflicbe gebulben KeuMWun« Aufnahme
Krakatau . . SS.bMqkm 22, »41 qkm lO.SSSqkm 4, «47 qkm lü.mqkm
Vertaten Eiland 8,71« — 8,71« U,o»4 11,810
Ung-Kiland . 2,s»7 — 2 ,*»7 O,** 3 ,501
Poolaehe lload 0,QM 0,0»« — — —
40,704 qkm 22,407qkm 17,508 qkm 13,017 qkm 30,M6qkm
Verlaten Eiland ist 205, Lang-Eiland 135 m hoch, dor
Pik durch Verbeek auf 832 m neu bestimmt *). Ein kleiner
7) Natürlich ist bin nur an renchicdene Mcwungarciultatc (früher
822 — 828 xa\ nicht an Hebung oder Erhöhung tu denken.
Teil von Lang-Eiland war, wie man an dem steilen Ab-
sturz sehen konnte, ebenso wie der östlichste Teil von Kra-
katau auch in der Tiefe verschwunden.
Bewegungen dt* IVauer*. — Über die Wellen ist im
allgomeinon schon gesprochen wordon, genauere Angaben
worden hier schwierig, da die Wellen keine bestimmte Ge-
schwindigkeit besitzen. Die stärkste Welle, die dem Ein-
bruch entspricht, muß ungefähr um 10 Uhr entstanden
sein ; daß vorher und auch am 26. schon verschiedene
andre Wellen, vermutlich verursacht durch die ausgowor-
fenen Massen, beobachtet wurden, habe ich oben bereits
erwähnt. Ich will Verbeek hier nioht in seine theoretische
Berechnungen folgen, aus denen er ableitet, daß, da auch
zwischen dem Hören dos Knalls und der Ankunft der Welle
in der 8undastraße einige Zeit verging, dio Entstehung der
Welle gleichzeitig mit der großen Explosion stattgefunden
habon kann, mit Rücksicht auf den ausgeworfenen Schlamm
jedoch vermutlich derselben vorausgegangen ist. Dies alles
zusammenfassond , stellt er die Vorgänge folgendermaßen
hin: Zusammenbruch der durch Schmolzung geschwächten
Kraterwände, Eindringen des Seewasscrs auf dio geschmol-
zene Lava uud Einsturz des Pik (10 Uhr Krakatau- Zeit).
Ausschießen der geschmolzenen Stoffe und des Wassers,
und daher Maximum des Luftdrucks schon um 10 Uhr
2 Minuten. Darauf sank die Lava einige 100 m unter die
Oberfläche des Moores zurüok und verhärtete sich. Von
Erdbeben- und Flutwellen kann keine Rede sein. Bei Anjer
und Dwars in den Weg (53 und 48 km Abstand) erreichte
die Welle 36 m, bei Merak (64 km von Krakatau) 35 m, an
der Südseite von „Toppershödje“ 30, an der Nordseite
24 m Höhe, auf Sebessi, dem am meisten exponierten Punkt,
war die Wassorlinie nicht mehr zu sehon. In den Teilon
der Straße, wo dieselbe eine größere Breite hat, war die
Höhe der Welle lange nicht so bedeutend. Längs der ganzen
Nordküste von Java, auf der Südküste bis Tjilatjap, auf
Sumatras Westküste, Banka und Billiton, beinahe Uber die
ganze Erde hin wurde dio Welle beobachtet; da ihm ein-
zelne Angaben fehlten, hat Verbeek seine Untersuchungen
Uber die Wellenbewegung noch nioht abgeschlossen, wes-
halb ioh hier auf diesen Punkt nicht näher eingehen
werde 1). ,
Vulkanische Erscheinungen während dos Jahres
1883 sind 60, 1884 78 größere und kloinore Erdbeben im
Archipel beobachtet worden ; die größere Zahl im letzt-
genannten Jahre erklärt sioh leicht duroh die größere Auf-
merksamkeit, welche derartigen Erscheinungen nach der
1) Ich möchte nur darauf hin weiten, daf» Verbeek tut den Beobach-
tungen in Südgeorgien für die mittlere Tiefe 63«0 m berechnet hat ; »ehr
interessant sind dio im Anachtufs hieran gemachten Bemerkungen, S. «28
und «29.
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre 1883.
23
Katastrophe von Krakatau geschenkt wurde. Über die Erd-
beben, welche in der Nähe der Sundastrafte stattfanden,
ist oben bereits gesprochen; zu erwähnen blieben noch die
gleichzeitig im Arohipel stattgefondenen vulkanischen Aus-
brüche Lamongan vom 13. — 15. April (s. o.); am 5. Juni
fing der Merapi auf Sumatra an thätig zu sein; am
25. Juli erhob sich im Krater des Merapi (Java) ein
neuer Eruptionskegel, der im Dezember 1883 eine Höhe
von 132 m erreicht hatte. In der Nacht vom 25. — 26. August
erfolgte ein Ausbruoh des Gng. Api auf Grofs Sangi
(Men ad o); in dieser Grnppe wurde auch am 27. August
ein 8eebeben beobachtet, und an demselben Tage folgte um
8~ Uhr ein Aschonausbruoh des Merapi auf Sumatra; ein
zweiter um 10 Uhr 50 Minuten; am 26. und am 27. August
wurde ein Seebeben in den Molukken, auf Banda (hier ist
auch ein Einsturz am Puls des Gng. Api bei Neira auf
2 — 5 m Höhe Uber dem Meer über eine Oberfläche von
7000 — 10 500 qm zu verzeichnen) und weiterhin beobachtet,
was mit der Krakatauwelle in keiner Verbindung steht.
Die Welle aus den Molukken scheint übrigens auch auf Java
bemerkt zu sein, und Störungen im Verlauf der Krakatau-
welle verursacht zu haben ; auch auf Bali ist während dos
Ausbruchs auf Krakatau das Wasser in den Brunnen zu
Bondalem bedeutend gestiegen; Bondalom liegt etwa ly km
vom Strande, gegen 100 m hoch.
Aus dor Nähe von Pandeglang wird berichtet, dafs man
am 27. August und zwar kurz vor Einbruch der durch den
Aschenregen verursachten Dunkelheit mittags Rauch aus dor
Erde aufsteigen sah. Verbeek hat die Sache an Ort und
Stelle untersucht. Die Stelle, wo die Erscheinung gesehen
wurde, hat einigermafsen die Form eines Beckens, die Um-
gebung besteht ganz aus braunem diluvialen Thon, die
Vertiefung in der Mitte bildet in der Regonzoit oinen
kleinen, nicht tiefen Morast, die umliegenden Hügel sind
nur 6 — 8 m hoch. Lagen konnten in dem Thon nicht be-
merkt werden. Das Ganze macht nicht den Eindruck eines
alten submarinen Torfkraters, wie man sie sonst in Bantam
findet, die dann gewöhnlich von geneigten Lapillilagen um-
geben sind.
Wiewohl die Mitteilung von glaubwürdiger Seite kam,
scheint es doch, dafs bei der Beobachtung eine Täuschung
vorliegt, und dafs die Asche, welche tags vorher schon ge-
fallen war, durch einen Wirbelwind in die Höhe getrieben
wurde, was den Eindruck von Rauch, welcher der Erde
entstieg, gemacht haben kann.
Die Brunnen zu Telok Betong hatten gegen Ende 1882
weniger Wasser gegeben, was späterhin auch mit Krakatau
in Verbindung gebracht wurde; doch ohne Grund, da das
Wasser sich nur einen tiefer gelegenen Ausweg gesucht
hatte.
Auch nach dem Ausbruch zeigte sich eine erhöhte
vulkanische Thätigkeit im Indischen Archipel, die sich im
Monat April und Juli dieses Jahres bis zu einem Lava-
Ausbruch des 8meru steigerte.
Aufserhalb des Archipels waren um die Zeit des Ans-
bruchs von Krakatau verschiedene Ausbrüche und Erdbeben
zu verzeichnen. Vom 26. bis 29. August werden Erdbeben
aus Australien berichtet und zwar fanden sie in solcher
Ausdehnung statt, dafs sie nicht wohl durch die Einsturz-
theorie erklärt werden können, wenn man nioht annehmen
will, dafs der Einsturz in sehr grofsor Tiefe stattfand, Ver-
beek hält os für wahrscheinlicher, dafs die Bewegung durch
plötzliche Ortsveränderung von Dampf, vielleicht auch von
Lava, veranlafst wurde, da der Druck — wenn man näm-
lioh einen Zusammenhang der unterirdischen Räume an-
nimmt — durch das Auswerfen von Lava und Dampf zn
Krakatau sehr modifiziert werden mufste.
Über die etwas später erfolgten Ausbrüche zu Bogos-
loff und Augustin darf ich wohl hinweggehen, um noch
daran zu erinnern, dafs auch in der Nähe der Antipoden
der InBel vulkanische Thätigkeit zu gleicher Zeit mit dem
Ausbrach von Krakatau beobachtet wurde; es liegen Be-
richte hierüber vor aus San Christobal, St. Thomas und
Nord Kolumbien. Dafs auch in Europa und Asien die Erd-
beben aufsergewöhnlich häufig waren, ist bekannt.
Die Folgerungon, die Verbeek daraus zieht, verdienen
hier mitgeteilt zu werden. Die gleichzeitigen Erschei-
nungen im Indischen Archipel und in Australien machen
es ihm wahrscheinlich , dafs die unterirdischen Lavaräume
Zusammenhängen, und darauB wieder scheint ihm zu fol-
gen, dafs ein grofser Teil der Erde noch immer in flüssig
geschmolzenem Zustand verkehrt. Es scheint dies ein
kräftiger Beweis den Anhängern derjenigen Theorie gegen-
über, welche dio Hitze dor Vulkanherdo nur örtlichen cho-
mischon Verbindungen zuschreiben möchte. Diejenigen
Stoffe, welche bei der Berührung mit Wasser Wärme ent-
wickeln, sind in den vulkanischen Gesteinen so schwach
vertreten, dafs man kaum annehmen kann, sie seien in
solcher Monge im Innern vorhanden, um die Schmelzung
der Kruste bewirken zu können ; aufsordom spricht ihr im
allgemeinen geringes spezifisches Gewicht gegen dio An-
nahme. Gewifs gibt es auch schwere Metalle, die wenig-
stens bei erhöhter Temperatur Wasser zersetzen, doch
dann müfste dem Krater boi oinom Ausbruch viel Wasser-
stoff entweichen und bei Verbrennung in der Luft eine
grofse Flamme geben , Erscheinungen , die bei manchen
Ausbrüchen nicht beobachtet worden sind. Übrigons wür-
don zur Entwickolung der bei einem einzigen Ausbruch des
Ätna entwickelten Wärme — wenn man sie durch Berüh-
rung von Natrium mit Wasser erklären wollte — nuch
24
Der Ausbruch von Krakatau im Jahre J 883.
Fouque ') 7 Millionen Kubikmeter Natrium erforderlich
sein.
Dafs bei manchen Ausbrüchen Flammen beobachtet sind,
kann durch dio Dissociatiou genügend erklärt worden.
Natürlich will Verbook durchaus nicht das Vorkommon
solcher chemischen Prozesse leugnen, sondern nur die An-
sicht aussprechen, dafs in ihnen die Hauptursache der vul-
kanischen Erscheinungen nicht gesucht worden darf.
Die gleichzeitige vulkanische Thätigkoit bei den Anti-
poden hält er für mehr als Zufall, wiewohl er keinen Grund
finden kann, weshalb die Antipode für einen Ausbruch
günstiger gelogen habon soll, als undre vulkanische Gegen-
den der Erde; bei frühem Ausbrüchen ist oine ähnliche
Erscheinung, soviel ihm bekannt, nioht beobachtet worden,
und man wird künftige grofse Ausbrüche abwarten müssen,
um zu beurteilon, ob und welche besondere Bedeutung der
Thatsache beizumessen wäre.
» *
*
Ich habe im vorhergehenden den Versuch gemacht, ein
Ubersichtsbild von dem grofsen Ausbrach und von den
»
!) FouquS, Rapport sur los phenomönw chiraiquw de l'trupHon de
l'litn* en 1865.
durch Herrn Verbeek damit verbundenen Folgerungen zu
geben, soweit dies, ohne in Einzelheiten einzugehen, mög-
lich war. Wenn mir dies nur ciuigermafsen geglückt ist,
habe ich zugleich dom Loser ein Bild von der genialen
Weise gegeben, in dor Verbeek den ihm gewordenen Auf-
trag gelöst hat; welch unendlichen Fleifs es ihm gekostet
haben mufs, dies Resultat zu erreichen, kann man nur er-
fassen, wenn man das Originalwerk mit seinen hunderten
von Notizen, Karten und Zeichnungen in dio Hand nimmt ;
man kann dann erst sehen, welche Aufopferung es erfor-
dert hat, das Work zu dem zu machen, was der Verfasser
beabsichtigte, nämlich nicht nur zu eiuer beschreibenden
Darstellung des Ausbruchs von Krakatau, sondern zu einem
Standardwerk über die bei vulkanischen Ausbrüchen im
allgemeinen vorkommenden Erscheinungen. Dafür gebührt
ihm und seinen Gehilfen alle Ehre, ebenso wio der Regie-
rung von Niedcrländisch-Indien, welche ihm dio Mittel und
die Gelegenheit dazu gegeben und das Rosultat in liberal-
ster Weise dem Publikum in schöner Ausstattung um mäfsi-
gon Preis zur Verfügung gestellt hat. Dasselbe ist eine
Ziorde für Indien und ein Denkmul für die Ijeistungen in-
discher Beamten.
Stuttgart, September 1885.
Samauez’ Reisen auf dem Apurimac, Eni und Tambo 1883 und 1884.
Von Dr. C. Loeffler.
Im Mai v. J. hat das Limeüer Tagesblatt „El Pais“
(Organ des Exdiktators Nicolas de Pierola) die Reisebe-
richte des peruanischen Hacondado Samanoz über die Erfor-
schung des Apurimac bis zum Ucayali veröffentlicht. Sa-
mancz ist wohl der orsto, der den Apurimac von dor Ein-
mündung dos Pacbachaca an bis zum Katarakt von Simariva
in der Provinz La Mar, wo der Flufs am weitesten gegen
Westen vordringt und der Stadt Ayacucho sich am meisten
nähert, und den Eni auf seinem ganzen Laufe befahren
hat. Raymondi und Gastehi besuchten und erforschten nur
einen kleinen Teil des Apurimac, den Toil, der sich durch
die Siorra de Huanta (nordwestlicher Toil dos Doparta-
mento Ayacucho) windet, von der Mündung des Mantaro
stromaufwärts bis zu den Fällen von Simariva, und Tuckor
und später Werthoman kamen auf ihren Forschungszügen
nur bis zur Mündung des Perend, d. i. sie befuhren vom
Apurimac nur den kleinen Teil, der don Namen „Tambo“
führt. Allerdings verfolgte Samanez zunächst don Zweck,
festzustellen , ob der Apurimac sich zu einer leichten und
bequemen Verbindungsstrafse der DepartamentoB Cnzco,
Apurimac und Ayacucho mit dem Tbale dos Ucayali eigne,
und übersah über diesen Punkt, auf den er seine ganze
Aufmerksamkeit richtete, gänzlich andre nicht minder wich-
tige Beobachtungen, wodurch in seinen Roisoberichton eine
recht fühlbare Lücko sich bemerklich macht. Immerhin
' verdankt man aber dom peruanischen Hacondado, der von
seiner Besitzung „El Pasago“ an der Mündung des Pacha-
chaca in den Apurimac bis zum Ucayali hinabgefahren ist,
dio ersten sichern Nachrichten über den Eni und den mitt-
lern Apurimac und ihre Gemarkungen, Gegenden, die bis-
lang zu den unbekanntesten des östlichen Pord gehörten.
Der Apurimac, der, wio bekannt, aus dom Soo Vilafro
, (Huanana von den Eingobornen genannt), Provinz Cailloma,
Departamcnto Aroquipa, unter 15° 16' Südl. Br. kommt,
(liefst zuerst in dor Richtung NNO bis zur Grenzo der
Provinz Canas, Departamcnto Cuzco, wo er seinen Lauf
nach WNW wendet bis ziemlich zur Mündung des Man-
taro, um dann wieder die ursprüngliche Richtung nach NNO
zu verfolgen. Mit der Aufnahme des Mantaro unter
12° Südl. Br. nach Paz Soldan (11° 32' nach Petermann)
verliert er soinen bisherigen Namen. Da man die Benon-
adoptiert hat, diu ihn Eni, d. i. grofser Flufs, nennen. Als
Eni setzt er soinen Lauf von SW naeh NNO in einer
Länge von 110 Meilen1) (nach dor Pctermannschen Karte
kaum 30 Meilen) fort bis zur Vereinigung mit dem Porond,
der die Gewässer der herrlichen Hochthäler von Chanoha-
mayo und Pagoa vereinigt und eine gröfsore Wassermasse
*) Es sind hier 60 Meilen = l“ ts rechnen.
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25
Samanez’ Reisen auf dem Apurimac, Eni und Tambo 1883 und 1884.
als dor Mautaro führt. Von hier (10° 58' nach Tucker)
abermals umgetauft und Tambo genannt, fliefst er gegen N
(auf der Petermannschen Karte zuerst gegen 0, dann erst
gegen N) in einem engen, von sehroffen Felsen eingo-
schlosseuen Bette 40 — 50 Meilen laug, bis er sich mit dom
Urubamba oder Santa Ana vereinigt und mit diesem den
Ucayali bildet.
Der Apurimac im engern Sinne durchiliefst etwas mehr
als 3 Breitengrade, während sein Lauf wegen der unge-
heueren Krümmungen, die er beschreibt, ungefähr 600 Mei-
len lang ist. Seine Strömung ist stets eine reifscndo und
sein Bett im allgemeinen sehr eng und — auf wenigstens
zwei Dritteilo seines Laufes — mit Felsen besäet. Erst
von Chaupimayo (Distrikt Chungui, Provinz La Mar) ab,
wo er bei einer Versetzung seines Bettes einen Fall von
6 m Höhe bildet, traten seine Ufer etwas zurück, in dem
Mafse, wie das Thal nach Osten sich weitot, und haben
vor den Fällen von Chircumpiari , wo oino Furt von nur
l/s m Tiefe in der trocknen Jahreszeit sich befindet, eine
Entfernung von 600 m , um dann wieder nahe aneinander
zu rücken, da nach Aufnahme des Mantaro der Strotn sich
durch enge Felsspalten durchwinden und die Kette von
hohen und schroffen Gebirgen, die ihn wie oino Mauer zur
Rechten begrenzen, durchbrecheu mufs. Dann erst beginnt
die Ostkette der Cordilleren sich in einen anmutigen Höhen-
zug zu verwandeln, der sich, je mehr man sich der Mün-
dung des Urubamba nähort, in der Ferne in eine schön
geschwungeno Linie sanft abfallender Hügel verliert, wolcho
sich am Rando ungeheuerer, mit einer gigantischen uud
dunkel schattierten uralten Vegetation bedeckten Ebenen
erheben.
Die Wassermasse des Apurfmuc, die bei Banca 360 cbm
in der Sekunde bei mittlerm Wassorstande beträgt, ver-
mehrt sich bedeutend durch die Gewässer des Pachacliaca
und Pampas, deren Masse bei der Einmündung auf 200 cbm
in der trockuen Jahreszeit geschätzt wird. Der erste ent-
springt in der Sierra von Aimaraes, durchfliefst die Gogend
von Abancay (Hauptstadt des Departamonto Apurimac) und
mündet durch die r Playa del Pasago“ im Distrikt von
Huancarama, Provinz Andahuayllas, in den Apurimac. Der
zweite kommt aus dor Provinz Castrovirevna und ergiefst
sich nach Beschreibung einer beträchtlichen Krümmung
zwischen den Provinzen Campallo, Andahuayllas und La
Mar nicht weit vom Pachacliaca in den Apurimac. Von
diesom Punkte an vermehrt sich die Wassermasse durch
kleine Zuflüsse derartig, dafs dieselbe nach den An-
gaben des Reisenden Samanez auf 1200 cbm in der Se-
kunde bei der Einmündung dos Mantaro geschätzt werden
kann. Der Mantaro bringt annähernd 400 cbm in dor Se-
kunde, so dafs dor Flufs, der nunmehr Eni genannt wird,
eine Wassennasso von 1000 cbm in der Sekunde fortwälzt,
zu der die Gewässer der Departamentos Junin, Huancave-
lica, Ayacuclio, Apurimac und des gröfsten Teils von Cuzco
beitragen. Sein hydrographischos Netz umfafst so einen
Raum von 62000 Quadratmeilen. Von seinem Ursprünge
an hat der Apurimac eine beträchtliche Wassermasse, dio
nach der Einmündung dos Pampas genügen würde, ihn in
jeder Jahreszeit für Barken schiffbar zu machen , wenn
nicht seino reifsende Strömung und die zahlreichen Fälle
und Stromschnellen fast unüberwindliche Schwierigkeiten
Petennanns Geogr. Mitteilungen. 1880, Heft I.
böten und die Befahning bis kurz vor dem Zusammenflüsse
mit dem Mantaro höchst gefährlich machten. Nicht weit
von Sapacani und nahe bei Simariva schleudert der Flufs
in einem sehr schmalen Engpässe seine Wassermasse mit
so heftiger Gewalt gegen dio einengenden Felsen, dafs dort
die Fahrt selbst mit „Balsas“, den leichten, eigentümlich
zur Überwindung Bolclier Stromhindernisse gebauten Fahr-
zeugen der Eingebornen, unmöglich ist.
Wenige Meilen unterhalb der Einmündung des Mantaro,
also im Eni, fand Samanez die gefährlichen Stromschnellon
von Capasiarqui, wo die Wassermasse zwischen fürchter-
lichen Strudeln „brausot, siedet und zischt“, jedoch noch
eine Fahrrinne für dio Schiffahrt läfst. Weiter abwärts
tritt der Flufs in den Kanal von Pakchapongo, dor, von
sohr hohen , senkrecht abfallenden Felsen gohildot , eine
Länge von 1500 m hat und nur 50 m breit ist, während
vorher die Ufer sich 600 m weit dehnten. Von hier fährt
der Eni fort, sein Bett zu verengen und die Schnelligkeit
seiner Strömung im Verhältnis zu erhöhen, die der Insel
Empalizada gegenüber bis auf 6 Meilen in der Stunde
kommt. Dort erweitert sich der Horizont in das breite
Thal des Perene , und der Eni , der nunmehr Tambo ge-
nannt wird, schiefst 100 m breit zwischen einer Linie von
hohen, steilen Felson dahin und stürzt seine Wassermassen
im „Chillon Werthomau“ hinab. Nun verfolgt der Tambo
einen ruhigem Lauf, so dafs er ohne Gefahr von Dam-
pfern mit entsprechendem Tiefgänge befahren werden kann.
In der Nähe von Sapani nach einem Laufe von 45 Meilen
vereinigt sich der Tambo mit dem Urubamba (auf der
Petermannschen Karte Quillabamba genannt) *) zum Ucayali.
Das Ufer ist hier ausgedehnt, und von scinon Hügeln
Bchweift der Blick nach Osten auf unerforschte Wälder,
welche die Quellon dos grofson Purus und die des geheim-
nisvollen Yuruä bergen, während im Westen der Anden
schneegekrönte Häupter sich Uber den Gebirgsstock erheben,
dor , wio mit einem leichten Sckloior überzogen , im bläu-
lichen, vom Nebel, der die tiefen Thäler bedeckt, weifs-
gest reiften Schimmor ein Bild gewährt, an dom das Auge
trunken hängen bleibt. Die landschaftlichen Reize des
Apurimac dürften sich an abwechselnder Fülle mit denen
des Rheins messen und au grofeartiger Erhabenheit die-
selben wohl übertreffen. Es überrascht gewissermafsen, iu
dor reizenden Wildnis plötzlich angobaute Felder zu scheu,
wie bei Quimpitirique im Bezirke von Anco, wo eine Chi-
nesengosellschaft Reis und Kaffee baut, um die Ernte
nach Ayacucho, 40 Leguas (spanischo Meilen) weit, zu
verkaufen. In Chaupimayo gibt es Zuckerfeldor, und präch-
tige Weiden dehnen sich auf dem linken Ufer. Dies ist
die Gegend der Koka, dos Kakao und dor Vanille. Kaut-
I) E* ergeht diesem Flut« mit seinem Namen wie dem Apurimac.
Von Minern Ursprung« auf dem Pas« ha ltav» zwischen dein Dorf« Sani*
Rosa uud dem Weiler Agua» Calientee an, den ich selbst auf meiner zwei-
maligen Reise nach Cuzco verfolgt habe, Vilcaoota (richtiger Uni Imnot»
geschrieben) genannt — nicht Vileamayo, wie auch auf der Petermann-
wben Karte, da der Vücomajo erst unter 12° 66' in einer Hohe von
etwas über 1100 m link» rinfliefat — , bis er nach Durchbrechung der Ge-
birgskette zu seiner Rechten in die Provinz Urubamba (mit der Hauptstadt
gleichen Namen», 2915 m über dem Moore) tritt. Von hier Hiebt er ala
Urubamba bis zur Vereinigung mit dem Paucartambo (Mapocho), von der
an er zum zweitenmal seinen Namon wochaelt, um als Quillabamb» mit
dem Diiubo den Ucayali zu bilden.
4
26
Geographischer Monatsbericht
schuk gibt es nur in geringer Menge, wie auch dio Casca-
rilla (Chinarinde) in guter Qualität nicht allzu reichlich
vorhanden ist.
Das Klima wechsolt nicht so stark wie die Landschaft
und Flora und ist durchschnittlich nicht — gesund. Eine
stets hohe Temperatur in Verbindung mit einer mit Feuch-
tigkeit gesättigten Atmosphäre schwächt und entnervt den
Menschen. Wenn auch die relativ kräftige Konstitution des
eingebornon Stammes der Campas, der dio Ufer des Apurf-
muc bewohnt, für eino gewisse Milde dos Klimas spricht,
so dürfte doch so viel feststehen , dafs keine Bevölkerung
europäischen Ursprungs dort gedeihen würde. Wie in den
Tropenländern würde sie bald ihre physischen Kräfte ver-
lieren und degenerieren. Obendrein sind dio Wechselfieber,
die am Apurfmac endemisch herrschen, oiu woiteros Hin-
dernis für die Akklimatisation der Europäer, dio sich in
den Thülorn des Apurfmac, verführt durch ihre Fruchtbar-
keit und Schönheit, ansiodeln sollten. Noch grofBere Un-
zuträglichkeiten für eine europäische Einwanderung bietet
der Ucayali. Indes, da der Chanchamayo, ein Nebenflufs
des Perend, bei einem ebenso heifsen Klima wie das des
Apurfmac sich bisher als gesund für Weifse erwiesen hat,
so dürften auch in Apurfmac einzelne Striche sich finden,
die, wie die herrliche Ebene von Capira im Distrikt Chun-
gui der Provinz La Mar, für europäische Ansiedelungen
sich eignen, vorausgesetzt, dafs keine Reis- und Zuckerrohr-
pfianznngen angelegt werden. Der obere Apurfmac mit seinen
zahlreichen kleinen Nebenflüssen ist überhaupt gesund, wie
ich das von meinem Aufenthalte in Cuzco her weifs, bietet
dafür jedoch auch nur schmale anbaufähige Landstroifen,
die längst ihre Besitzer gefunden haben.
Selbstverständlich bat Samanez vielo Zuflüsse entdeckt.
Von denselben ist besonders einer, ein „Zuflufs zweiten
Ranges“ , der grofse Quimbiri , hervorzuheben. Derselbe
mündet in den Eni auf dem rechten Ufer und führt eine
so beträchtliche Wassermasse, dafs er viele Meilen aufwärts
schiffbar sein soll. Derselbe kommt aus der Provinz Con-
cepcion und entspringt vermutlich im Thale von San Miguel.
Ohne dem peruanischen Hacendado das Entdeckerrecht zu
verkürzen , will ich hier bemerken , dafs ich auf einer von
dem Ingenieur Hermann Göhring zu seinem Berichte über
die Expedition nach den Thälern des Paucartambo 1874
gezeichneten Karte einen Nebenflufs des Eni auf dem rech-
ten Ufer ohne Namen finde, der mit dem grofsen Quimbiri
iduutisch sein dürfte.
Geographischer Monatsbericht.
Europa.
Die französische geographische Wochonschrift „La Ga-
zette geographique et l'Exploration“ brachte in Nr. 29
v. J. dio auffällige Mitteilung, dafs nach einer neuern Zu-
sammenstellung der französischen Kutasteraufuahmen, deren
Originale 1871 ira Finanzministerium verbrannt waren, das
Guamtarcal von Frankreich 52 1 532,03 qkm betrogen sollo.
Die auffallend niedrige Zahl, welche eine Verkleinerung dos
Landes um mehr als 7000 qkm gegen die offiziellen Anga-
ben konstatiort, gab Anlafs zu genauem Nachforschungen;
dem Chef der französischen Statistik, T. Loua, verdanken
wir die Aufklärung, dafs diese Angaben vollständig grundlos
sind. Wenn auch das Originalraatorial der französischen
Katasteraufnahmen verbrannt ist, so sind doch vollgültigo
Abschriften vorhanden. Unantastbar ist dio offizielle Areal-
zahl von 528 571,99 qkm nicht, namentlich sind die An-
gaben für die Departements Corsica, die beiden Savoyon,
Alpes Maritimes und Var unsicher, da dio Katasteraufnah-
meu in denselben noch nicht beendet sind. Um alle Zweifol,
welche durch Goneral Strelbitzkis Berechnung (533 479, o qkm)
angeregt worden sind , zu beseitigen , ist eine Kommission
im Finanzministerium zur abormaligen Prüfung der Katastor-
zahlen ernannt worden.
Nach einer Mitteilung von Prof. Broch an dio Pariser
Gcofp-. Gesellschaft (C. R. 1885, p. 499) haben die trigono-
metrischen Höhoubostimmungou dos schwedischen Geologen
I)r. F. Svenom'u* folgende Resultate für dio höchsten
Punkte Schwedens ergeben : Kabnakaisa (ca G8° N., li' 0.
v. Stockholm) = 2135 m, Kaskasatjäkko — 2093 m, Sar-
jektjükko = 2080 m. Die Höhe des letztem wurde 1879
von dem Topographen G. W. Bucht ebenfalls auf trigono-
metrischem Wege zu 2130 m bestimmt. Bei dem geringen
Unterschiede dieser Messungen kann die Frage nach dem
höchsten Punkte des nördlichen Teiles der skandinavischen
Halbinsel nicht als gelöst gelten.
In unsrer Zoit der grofsen Kaualbauten taucht auch
das alte Projekt da Wolga - Don - Fanale» wieder auf. Der
französische Miuoniugenieur Leon Dru, bekanut als Mit-
arbeiter Rouduircs bei Untersuchung der Schotts und Do-
loncles bei dem Projekte des Durchstiches der Halbinsel
Malakka, hat im Auftrago der Stadt Rostow am untern
Don, wolche durch eino Wasserverbindung der Wolga und
des Gebietes des Kaspischou Meeres mit ihrem Flusse und
dem Schwarzen Meere einen lebhaften Aufschwung dos
Handels mit Recht erwartet, dio Ausführbarkeit jenes von
Peter dem Grofsen bereits in Angriff genommenen Pro-
jektes einer erneuten Untersuchung unterzogen.
Asien.
Zontralasien. — Noch immer ist die lebhaft venti-
liorto Frage , ob der Utboi jemals eine natürliche V or-
hindung zwischen dem Kaspischen Meere und dem Aralsee
gebildet hut, nicht zum Abschlüsse gekommen. Dio Unter-
suchungen, wolche A. Konschin 1884 in diesem Gubioto an-
gestellt hat (Iswestija K. Russ. Geogr. Gesellschaft, St. Pe-
tersburg 1885, Nr. 3), scheinen für die Richtigkeit der schon
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Geographischer Monatsbericht.
27
früher von Muschketow u. a. gemachten Wahrnehmungen zu
sprechen, dafa der Usboi von den Ssarykamisch-Seon bis zum
Kaspischen Meere nicht das alte Bett des klassischen Oxus,
sondern ein Produkt der Trennung des Aralsees vom Kas-
pischen Meere und des Abflusses des Aralo-Ssarykaraysch-
schen salzigen Wassers in das Kaspische Meer ist. Das
alte Bott dos Amu - Darja existiert in dor Bestimmtheit,
mit welcher es in dio Karton eingetragen wird, auf dem
Raume zwischen Bala-Ischem und den Ssarykaravsch-Soen
gar nicht. In bestimmt ausgeprägter Form erscheint der
Usboi erst unterhalb der in der Gegend am Bala-Ischem
bestehenden Wasserscheide; oberhalb dieser ziehen sich
von Süden nach Nordon mehrere Reihen von kesselartigen
Vertiefungen hin, dio von hohen Sandhügoln umsäumt wer-
den. Dieso Zone der Vertiefungen bedeckt einen Raum
von 20 000 Quadratwerst (22 000 qkm), dor vor geologisch
nicht zu langer Zeit ein mit halb süfsem, halb salzigem
Wasser ungefülltes Bassin bildete, das bei hohem Wasser-
stande mit der frühem Aibugir-Bucht in Verbindung stand
und in das sich von Südost der Amu-Darja orgofs. Nach-
dem durch Ablagerungen des Amu dio Trennung des Ai-
bugir von den Ssarykamysoh - Seen bewirkt war, zerfiel das
ganze Bassin in dio südlicher gelegenen Tschetkow- Seen
und blieb im nördlichem Teile als ein beträchtliches Wasser-
becken, das Chowaresmische Meer, bestehen, bis auch hier
durch Verdunstung des Wassers und wahrscheinlich auch
durch Hebung des Bodons dor gegenwärtige Zustand her-
beigeführt wurde und der Amu-Darja sich ganz dem Aral-
see zuwandte. Diese sogenannte Wendung des Amu-Darja
hat innerhalb der Grenzen der heutigen Chiwa-Oase statt-
gefunden, nnd zwar auf dem Raume zwischen dom Ssary-
kamysch-Aibugirschon Rando des Usturt und dem Abhango
des Plateaus Dus-kyr, und auf dieser Stelle befindet sich
auch das deutlich orkennbare alte Bett. Mag dor westliche,
zum Kaspischon Meere gehörige Teil des Usboi nun zum
Teil ein Meeresarm, zum Teil der Abflufs der Ssaryka-
mysch-Seen, oder nur ein Rinnsal für Regenmassen ge-
wesen sein, in keinem Falle war er der mf^jestätische Oxus
der Alten, die als das Meer, in das derselbe mündete, nur
das Chowaresmischc Moor ausehon konuten. Dieser west-
liche Teil des Usboi konnte wogen dor vielen Wasserfalle
nicht schiffbar sein, auch haben sich in seiner Nähe keine
8puren von Ansiedelungen der Menschen entdecken lassen.
Konschins Beweisführung stellt die Unmöglichkeit fest für
eine Ableitung des Amu-Daija durch den Usboi in das
Kaspische Meer; denn um von Norden her bei Bala-Isohem
in den Usboi zu gelangen, müfste die Bodonsenkung der
Ssarykamysch-Seen durch einen 300 Werst (320 km) langen
Kanal umgangen worden. Wollte man aber diese Vertie-
fung ausfUllen, so hiefse das da ein künstliches Meer schaf-
fen, wo dasselbe duroh mächtige geologische Einwirkungen
verschwunden ist.
Eine grofse Serie von astronomischen Bestimmungen
und Höhenmessungen im 'lYantkatpuchtn Gtbüt und in den
Cbanaten Chiwa und Buchara, welche für die Karte diesor
Gegenden von Wichtigkeit sind, hat im Jahro 1884 der
Generalstabshauptmann Gedeonow ausgeführt. — Zur Be-
stimmung der Zeit und der Breite bediente er sich des
RopsoldBchen Vertikalkreises und zu den Längen mehrerer
Tisch- und Taschenchronomoter.
Beobachtanfipunkt.
N. Br.
Lange von
Oroonwich.
Höhe ln m
Uber dem
Schnarren
Meere.
1. Nachtlager; xwUchen Kisil-arwat
und dem Brunnen l’urun . •
sg"
10 '34.»"
56°
29 '33,9'
65
2. Nachtlager ; xw. d. Brunnen l*u-
run und dtm Brunnen Naurly .
89
20
16,3
56
33
44,4
38
Brunnen Naurly ......
33
30
24,0
66
46
42,9
57
Urunoen l'ntei-If?dy
39
56
47, S
56
83
53,4
12
7. Nachtlager; xwiocheu dem Br.
Igdy und dem Br. B<Ua-l*chetn
10
8
56.1
57
8
36,9
44
Brunnen Bala-Ischem ....
40
18
« »8
87
31
24,9
73
Brunnen Ortakuju
40
48
0,1
57
SO
23,4
43
Brunnen Nefcs-kuju
40
63
9.8
57
39
39,9
5
Btumi-n Chatib (Giaui-knju) . .
41
85
33,0
58
28
48,9
64
In der Nähe der Kuinon der Peatung
Schach-Sonera
41
35
58.9
58
44
24,9
37
18. Nachtlager; in der Nähe de»
Wa*fierleitungskäiiaU ....
41
52
55,8
59
6
33,9
10
Stadt Iljally
41
52
33,3
59
88
45,9
13
Stadt Tomaaa
4t
50
3,1
59
58
53,4
8
Stadt Kjat
41
42
6,3
60
22
27,9
26
Stadt Crgontach
41
33
57,8
60
37
47,4
60
Stadt Chanki
41
88
29,3
60
49
6,9
175
Stadt I’ttro-Aleiamlrowak . . .
41
28
22,1
61
0
48,9
91
Stadt Chiwa, Hof dt« Hause, dt*
Diwanbejo Mat-Moret . . •
41
23
0,1
60
22
18,9
107
Baxirjan-tupu
41
18
42,1
8t
27
15,9
114
MMchekli-tug&i
41
12
46,1
61
48
6,9
159
Surv-raai-tugai
41
3
41,9
61
67
48,9
150
Schor-tugai
40
88
10,7
62
7
24,9
185
Geotli-tugai
40
13
58,0
02
34
47,4
154
KeVkli-tugm
40
0
23.»
es
27
47.4
143
Tugai, dem Fort Kawachlr Kezmülxt
39
4S
35,7
62
35
24,9
198
Stadt I lisch ik
39
36
9.»
62
88
54,9
76
Stadt Uaatyk
39
30
15.3
63
14
23,4
176
Stadt Kjuin-kaU
39
13
5.1
63
32
54,9
169
Cbetfahrt von Tacbaidshui . . .
.3'.'
8
8,o
63
32
45,9
188
Stadt Twhardabui
39
1
33,8
63
36
12.9
132
Brunnen S,jalrai-kuju ....
38
49
39,9
63
23
29,4
208
Brunnen Kiachtn-robat ....
38
48
56,9
63
12
48,9
171
Brunnen Kepetek
38
33
63,7
63
10 30,9
150
Nachtlager «wischen dem Brunnen
Kepetek und Utoch-adahi . .
38
17
48,1
62
58
12,9
163
Brunnen Utach-adahi
88
6
7,«
62
47
18,9
84
Nachtlager xwiachen dem Brunnen
Utoeh-adohi und Bcur-dwchik .
37
53
59, t
62
87
14,4
Brunnen Beur*de*chik ...»
37
44
14,4
02
3t
32,4
177
Alt-Merw
.37
37
85t*
62
7
36,9
109
Merw ; Signalatange der Topographen'37 35 37,«
61
50
27,9
172
Jolotan: am Ufer des Muiftab . .
37
18
46,3
62
81
15,9
115
Landschaft TVharbek ....
37
6
49,3
62
27
17,4
215
Kaoakli-bcnt *
.36
51
34.»
62
28
32,4
157
ü baifahrt Kangali am Flnat*Tadaheni36
58 40,0
60
61
39.9
111
Noch sind keine 25 Jahro verflossen, seitdem H. Vüm-
bdry die Chanate Zentralasious in der Verkleidung eines
Derwisolies, beständig in Lebensgefahr schwebond, durch-
wandert hat, und jetzt erfreuen sich dieselben Gegenden
einer solchen Ruhe und Sicherheit, dafs alljährlich Reisende
fast aller Nationalitäten dieselben ungehindert besuchen;
jedes Jahr bringt bereits eine Filllo von Beschreibungen
Uber Reisen, welche zu den verschiedensten Zwecken unter-
nommen wurden. Liegt in dieser Thatsache bereits oin
unwiderleglicher Beweis für den Kulturfortschritt, welcher
einzig und allein dor Ausbreitung der russischen Herrschaft
in Zentralasien zuzuschreiben ist, so fällt dieser Erfolg
noch mehr in die Augen in dem Urtoile derjenigen Reisen-
den, welche dieselben Gebiete unmittelbar nach der russi-
schen Besitzergreifung und wiodor nach Verlauf von mehr
als einem Dezennium besucht haben. In dieser Lage befand
4*
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28
Geographischer Monatsbericht
sich H. Äfoter (über seine Reisen vgl. Mitteil. 1884, S. 462),
welcher in seinem Werke: A traveri F Atie centrale (Gr.-8°,
463 pp., mit Karte. Paris, Pion, 1886. fr. 20) den glück-
lichen Bestrebungen der Russen, europäischer Kultur einen
weiten Landstrich zu erschliefsen , unverhohlen Bewunde-
rung zollt, wenn er auch mit den angewuudeten Mitteln
nicht überall einverstanden sein konnte. Mosors Urteil ist
um so unverfänglicher, als er selbst bei seinen ersten Reisen
1868 nnd 1869 sich eines Entgegenkommens nicht zu er-
freuen hatte; auch stimmen die Eindrücke, welche er auf
seiner letzten Reise 1883/84 gewonnen hat, mit denen des
englischen Predigers Lausdell (s. Mitteil. 1885, S. 476) im
allgcmoiucn überein. Von besonderin Interesso sind seino
Schilderungen von Buchara, über die Veränderungon, welche
russischer Einfluß in diesem Chanate hervorgerufen hat;
bereits 1869 hatte Moser als einer der ersten Europäer
längere Zeit in der Hauptstadt sich aufgehalten. Ebenso sind
Aufzeichnungen Uber das Turkmcnen-Gobiet von bloibondem
Werte, da er eine der ersten Zivilpersonen war, welche
nach der Eroberung des Tckko-Landos einen Abstecher hier-
her unternehmen konnton. Der Hauptwert des stattlichen
Workes beruht auf den ethnologischen Schildeningen, und
in diesen zeigt sich der Verfasser als ein guter Beobachter
des Volkslebens. Die Ausstattung des Werkes ist vorzüg-
lich; zahlreiche Hlustrationen, meistens nach Originalphoto-
graphien hergestellt, geben ein Bild von dom Charakter
der besuchten Landschaften, von Szenon des Volkslebens
und hervorragenden Persönlichkeiten. Die Karte genügt
zur Übersicht.
China. — In wesentlich nmgearbeiteter und erwei-
terter Form tritt uns das auf den Briefen und Mitteilungen
von Abbe Deegodin* , dem nnersiihrockonon Missionar und
verdienten Erforschor der chinesisch -tibetanischen Grenz-
distrikte, beruhende Werk : Le Thibot, d’apres la correspon-
danco dos missionuireB (2. Aull., 8°, 475 pp., mit Karte.
Paris, Librairie catholique de l'Oeuvre de Saint-Pau), 1885.
Übor dio 1. Aull. s. Mitteil. 1873, S. 153) ontgegon, iu-
dom die umfangreichen Beobachtungen , welcho Desgodins
auf seinen Reisen von 1873 — 1880 angestellt hat, seino
unausgesetzten Erkundigungen übor das eigentliche Tibet
hinzugeiligt und das ganze Werk mit diesen in Überein-
stimmung gebracht worden ist. Seit 1880 ist Desgodins
aus dem Gebioto, in welchem er 21 Jahro thätig gewesen
ist, abberufen und mit der Leitung einer Station in Pedong
im Distrikte Darjeeling, an dor Grenzo zwischen Indien,
Tibet und Bhutan gelegen , betraut worden , in derselben
Gegend, von wo aus er bereits 1856 in Tibet festen Fufe
zu fassen versucht hatte. Bis die östlichen Gebiete Tibots
Europäern erschlossen worden, wird das vorliegende Work
das zuverlässigste Material über dieselben bioten. Zum
Vorteil der neuen Auflage gereicht auch die wesentlich
verbesserte Karte , wenn diosolbe auch nicht ganz dom
Standpunkto der neuern Forschungen entspricht; nament-
lich sind die Ergebnisse der Reise des Punditen A — K —
nicht genügend berücksichtigt.
In einem Briofe vom 2./ 14. Juli 1885 (Iswestija, K. Russ.
Geogr. Gesellschaft, Bd. XXI, Heft- 5) beschreibt 6. jV. Po-
tanin seine weitere Reise von Ssinin nach Ssi-gu-ssjan, welche
er am 2./14. Mai antrat. Übor das Kloster Gumbura ge-
langte er bei dem oberhalb Gui-dui belogenen Tanguten-
dorfe Arku an den Gelben Flufs, überstieg zwischen Garn-
bum und Arku den 3660 m hohen Pafs eines mächtigen
Gebirges und kam am 6./18. Mai in Gui-dui an. Von diesem
Orte bis zum Dorfo Rty-gri führte der Weg t-halaufwärts
längs des Flusses Lan-taehshu — auf Przewalskys Karte
Duncho-zjan genannt — auf das ca 3000 m hohe Plateau
Rtschandsa-tan. Rechts von dem Uber dieses Plateau füh-
renden Wege erblickt man das Schneegebirge Amni-Dsha-
kar, in welchem Przewalsky im Juni 1880 verweilte. Von
dem Plateau geht der Weg durch das tiefe Thal deB Flusses
Naryn-Dshanba zu dem breitem Thal des Flusses llranwu,
in welchem das Städtchen Bou-nan liegt. An demselben
Flosse, 30 Li (13 km) oberhalb von Bou-nan, befindet eich das
chinesische Kloster Urunwu. Aus dem Thal des Urunwu,
dessen Quellen wahrscheinlich in dem Schneegobirgo Amni-
Tunglyng liegen, gelangt man auf das Plateau Gantsohsha-
tan, das ebenso hoch ist wie das Plateau Rtschandsa-tan.
Am 16./28. Mai kam Potanin in dem ca 3000 m hoch in
dem engen Thalc des Urunwu belogenen Kloster Labran
an, das einige hundert gut gebaute, oft zwei- und dreistöckige
Häuser aufzuweisen hat. Hier residiort dor Gögen Dsha-
jan-Dshapassyn, der mit der geistlichen Gewalt auch die
weltliche vereinigt. Das Thal des Xdami, eiues kleinen
Nebenflusses des Urunwu, führt über ein drittes hohes Pla-
teau zum Pafs Renii-kika, an dessen Südseite sich das
Flüfschen Ankur, ein Zuflufs des Tao-che (tangutisch Luiju-
tschju), hinschlängelt. Auch von diesem Plateau erblickt
man ein schneebedecktes Gebirge, das auf dem Unken Ufer
des Tao-chö von Westen nach Osten streicht. Am Renü-
kikä beginnen die Wohnsitze des Tangutenstammes der
Dshoni, dessen Fürst drei Tagereisen weiter in Dshoni am
Tao-ohi wohnt. Durch dieses Thal, das in der Nähe des
Dorfes Jechu-tschao einen bedeutenden Wasserfall aufzu-
weison hat, gelangte Potanin in vior Tageroisen nach Min-
tschshou, von wo er am 16./28. Juni nach S aufbrach, um
40 — 50 Li (ca 20 km) von diesem Ort entfernt das Gebirge
Jali-ssan, die Wasserscheide zwischen dem Tao-che und
dem System des Jang-tse-kiaug zu passieren. Dor Auf-
stieg ist- leicht- und kurz, der Abstieg führt- aber tief hinab
zu dem iu einem sehr engen Thalo -belegenen Städtchen
Tan-techen. Zwei Li (1 km) von demselben entfernt, be-
findet sich dio Residenz des Tangutenfürsten, der bei den
Chinesen unter dem Namen Ma-tussy bekannt ist. Unter-
halb von Tan-tschen traf der Reisende auf eineu grofsen
Gebirgsstrom, der ein zwischen reich mit Buschwerk bestan-
denen Kalkfelsen liegendes und so enges Thal durchbraust,
dafs dor Weg größtenteils über karniesförmige Felsvor-
sprünge, oft über balkonartig ausgebaute Stellen, und über
schwankende Hängebrücken führt. Drei Tagereisen wurden
in diesem Thalo bis zu dessen Einmündung iu don Pei-tui
zurückgelegt, an welchem eiuo Tagereise stromabwärts die
Stadt Ssi-gu-ssjan auf einer SteUo liegt-, die von hohen
mit nadelförmigon Spitzen gekrönten Felsen eiugeengt
wird.
Sibirien. — Dr. Dunge hat im Sommer 1885 nach
Aufgang des Eises die Jana von Werchojansk aus abwärts
befahren und war dann den Nebenflnfs Adytsch hinaufge-
gangon. Sein Reisegefährte Baron t>. Toll hatte gleichzeitig
eine Tour den Jana- Tributär Dolgulach hinauf und den
Bytautai abwärts unternommen. In dem Thale des letztem
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Geographischer Monatsbericht 29
besuchte er den Fundort des 1877 aufgefundenen Rhino-
zeros Merckii.
Ausführliche Nachrichten über den jetzigon Zustand der
Bering- Irud bietet ein interessanter Bericht des norwegischen
Naturforschers L. Stejneger (s. Mitteil. 1883, S. 351), wel-
cher auf einer dreiwöchentlichen Bootfahrt im August und
September 1882 die ganze Insel umfuhr. Den klassischen
Schilderungen des deutschen Naturforschers Steller, welche
die unglückliche Überwinterung Berings im Jahre 1741 bis
1742 zu einer ewig denkwürdigen in der Eutdeckungsge-
schichto machten, vermochte er raancho Ergänzungen und
einzolne Änderungen hinzuzufligen. Das Andenken dieses
treffliclion Gelehrten ehrte er dadurch, dafs er den höchsten
Funkt der Insel Mount Stellor benannte. Stejneger fand
an vielen Punkten untrügliche Beweise, dafs die Insel im
Aufsteigen begriffen ist. Dafs Vegetation und Klima Vieh-
zucht gestatten werden, darin stimmt Stejneger der Ansicht
Nordenskiölds zu, nutzbringend kann sie aber nicht sein,
da Absatzgebiete fehlen. (Deutsche Geogr. Blätter 1885,
Nr. 3, mit 2 Karten.)
Afrika.
Äquatorialgebiete. — Schon 6 Monate sind ver-
flossen , seitdem durch die Depesche , welche der englische
Generalkonsul Kirk in Sansibar am 28. Juli absandte, die
ersten Nachrichten über Emin Bei* * Rüekiug von Ladt) nach
der Ostküsto nach Europa gelangten. Eine Bestätigung,
dafs Emin durch einen Überfall der Bakodi gezwungen
wurde, sich in deren Gebiete zu verschanzen, um Hilfe von
Uganda oder Uujoro zu erwarten, enthält ein Brief des be-
kannten Missionars JlacJcag, welcher uns durch die freund-
liche Vermittelung des Sekretärs der Churoh Missionary
Society zur Verfügung gestellt wurde. Neuere, vom 30. Juli
datierende Mitteilungen aus Uganda , welche nach über-
raschend kurzer Zeit bereits am 27. Oktober in England
eintrafen , enthalten leider keine Berichte Uber Emins
Schicksal — kein sehr günstiges Zeichen für seine Sicher-
heit. Mackays Brief, welcher datiert ist Mai 1885 auf
dem Victoria Nyanza, lautet:
, Kürzlich horten vir, dafs Dr. Kmin and «in andrer Muzungn
(Europäer; Lupton?*)) nördlich von Kiongas Ortschaft1) »ich befänden
in der Aluicbt, auf diovm Woge die Kirnte zu erreichen. Mach einigen
Berichten sollen «ie eine Arme« von 2500 Mann aufier Trägem, nach
andern nur 30 Mann bei sich haben. Kmin Bei bat Kaba Kega, den
Herrscher von Unjoro, um Erlaubnis ersucht, durch sein Gebiet nach
Uganda marschiorm zu dürfen, derselbe will aber den Durchzug zu
seinen Feinden, den Bnturki und Biuuugu verhindern. Mwanga, der
jnnge König von t'ganda, wünscht, dafs Kmin hierher kommt, und
ebenfall« Katikiro (enter Richter und Premierrainizter) , weit aie die
Hoffnung hegen, dnreh Emin in den Besitz von zahlreichen Schiefe-
wzffen zu gelangen. Wie der letztere mir mitteilte, beabsichtigt er,
falls Kaba Bega den Durchzug verwehrt, ein Heer auszusenden, um ihn
mit Gewalt von den Banjoro zu befreien. Später haben wir auch er-
fahren. dafs Kmin-Bei einen Versuch gemacht, weiter östlich durch
Biuoga nach Uganda zu gelangen, dafs aber die Bakodi ihn auiüek-
geschlagen haben ; «bliefslicb hätten aber Emin und seine Begleiter
mit verstärkter Macht ihren Versuch erneuert, die Bakedi geschlagen
nnd ein Fort in ihrem Gebiete erbaut. Augenscheinlich wissen die
t) Diese Motmafsung Mooksys ist nicht zutreffend, da Lupton-Bei be-
reits seit 1334 in Gefangenschaft der Mahdistcn sich befindet, wovon die
Missionare in Uganda noch nicht unterrichtet sein konnten.
*) D. i. die frühere ägyptische Station Foweira oder Fauera am
Somerset -Nil.
ersten Persönlichkeiten hier nichts von Bmins and Luptont Bewegungen,
und cs dürfte jedenfalls von Wichtigkeit sein, ihnen sichere Nachricht
zukommen tu lassen. Es würde uns herzlich freuen, wenn diese Männer
sicher durehkämen, aber wir können zu ihren Gunsten nicht thltig
sein, selbst eines Rates müssen wir uns enthalten. Wahrscheinlich
werden die Btganda zur Kettung der Männer ins Feld ziehen, welche
England mit all seinen Hilfsmitteln nicht hat entsetzen können, llat
der Mahdi Kmin vertrieben, so wird er wahrscheinlich auch bis in
dieses schöne land Vordringen und die Baganda werden dann natürlich
mamenhaft Mohammedaner werden.“
Bischof llannington , welcher auf dem Woge durch das
Masai-Land nach Uganda zu gelangen sucht, war nach
neuesten Nachrichten am 10. August bis in die Nähe des
Ulu-Gebietes nördlich vom Kilima Ndscharo gekommen.
Mit grofsom Erfolge setzt die Deutech - OitafrünnücJui
Gmlhchaft ihre Landerwerbungen in Ostafrika fort; den
bereit« anerkannten Besitz von Usagara, Ngurn, Ukami
und Useguha hat sie nach 8 ausgedohnt durch Erwerbung
der Landschaft Nkhutu und jetzt nach 0 bis znr Küste
arrondiert durch die Erwerbung der Landschaft Usaramo
mit dem wichtigen Hafenplatze Dar - es - Salam ; die Süd-
grenze von Deutsch - Ostafrika bildet jetzt der Flufs Lufi-
dschi mit seinem nördlichen Tributär Rueba; im Norden
bildet seit der Besitznahme von Usambara, Pare, Anise ha
und Dschagga das Massiv des Kilima-Ndscharo die Grenze.
Oh es der Gesellschaft golingon wird, die Kultivation dieses
ausgedehnten Gebietes in Aufschwung zu bringen , hängt
von der Lösung der Frage ab, wie die Neger an regel-
mäßige Arbeit zu gewöhnen sein werden. Die geplante
Einführung von Kulis nnd Chinesen, wenn sie auch in sehr
beschränktem Mafse stattfindet, wird diese schwierige Frage
sicherlich nicht löson, sondern nur dazu beitragen, den Er-
folg des Unternehmens überhaupt in Frage zu stellen.
Der Versuch des Ingcniours L. Amelot, welcher seit
Juli 1884 auf der Station an den Stanloyfällon sich befand,
eine Durchkreuzung des Kontinentes auszufuhren, ist durch
den Tod des Unternehmers gescheitert. Am 1. November
1884 war er mit dem bekannten arabischen Händler Tippu
Tip nach Nyangwe aufgebrochen , welchen Ort er jedoch
nicht mehr erreichte : nur nooh eine kurze Strecke von ihm
entfernt, erlag or am 1. Dezember den Strapazen der Reise.
Dr. Büttner hat die Aufgabo der deutschen Kuango-
Expedition glücklich gelöst, indem or die Aufnahme des
Flusses, welche v. Mechow an der Steiubarre von Kama-
lainbo aufgeben mußte, zu Ende führte. Von San Salvador
aus erreichte er diesen Punkt, wie es scheint, auf einer
nördlichem Route als dem kürzlich von Dr. Wolff zurück-
gelegten Wege und vorfolgte den Fluß bis znr Mündung
bei Kwamouth.
Dor um die Erforschung des Kongo und seiner Zuflüsse
hochverdiente Missionar Grenfetl hat mit dem Missions-
dampfer „Peace“ eine neue Reise kongoaufwärts ausgeführt,
welche dio Erforschung des Uruki nnd Lulongo, zweier links-
seitiger, weit schiffbarer Tributäre ergeben hat; die von
Wauters verteidigte Identität des Uelle mit dem rechtsseitigen
Zufluß Mobanschi (s. Mitt. 1885, S. 271) erweist sich als
sehr zweifelhaft. Von dieser Reise wird jedenfalls die Karto-
graphie des Kongo - Beckens bedeutenden Gewinn ziehen,
da auf dem Dampfer sich ein geübter Beobachter, Leut.
r. Frangoi», der Begleiter von Leutnant Wißmann auf
seiner jüngsten Kassoi- Fahrt, befand. Die Baluba- Leute,
welche den Entdecker des Kassai bis Stanley Pool begleitet
30
Geographischer Monatsbericht.
haben, werden gegenwärtig von dom Gouverneur des Kongo-
Staates, Fr. de Winton , und Dr. Wolf nach Lulnalurg zu-
rückgobracht auf dem neuerbauton grofsen Dampfer H. M.
Stanley, welcher später den Gouverneur nach dem obern
Kongo bringen soll.
Von der Geographischen Gesellschaft in Lissabon ist
eine vorläufige Karte der Reite een Capello und lernt
herausgogeben wordou , welche allerdings noch nicht auf
den Aufnahmen und Positionsbestimmungen der Forschor
beruht, du deren Berechnung längere Zeit in Anspruch
nimmt; sie gestattet aber eino ungefähre Orientierung
über die von ihnen verfolgte ltoute. Nach einem ersten
Versuche, in direkt östlicher Richtung den Cunene zu
erreichen, wandten sie sich in südlicher Richtung, un-
gefähr Earl of Mayos Route von 1882 folgend, längs des
Cacula nach S und erreichten an dessen Mündung bei Ilumbe
den Cunene, an welchem sie nun bis ca 18° 8. Br. strom-
auf nach NO gingen; jetzt wandten sie sich nach 0,
überschritten den Cubango und erreichten am Cuando
(Tschobe) Serpa Pintos Route von 1880, auf welchor sie
naoh dem Sambesi kamen. An dessen Tributär Cabompo
waudten sie sich in das Gebiet der Kongo- Zuflüsse, fanden
die Quellon dos Ca tue weiter nördlich , als bisher ver-
mutet; vom Luapula aus erreichten sie auf der Wasser-
sohoido zwischen Cafue und Loangoa oder Arunngoa den
Sambesi westlich von Zumbo.
Diu portugiesische Expedition in das Lundu-Reich unter
Major II. de Carvalho hat von Cassansche aus die nörd-
liche von Schütt, Büchner, Pogge und zuletzt von Leut.
Wifsraann verfolgte Route eingeschlagen ; nach Überschrei-
tung des Kwango besuchte sie den Häuptling Cambongo
(Schütts Muata Knmbembo) und orrichtete am Ufer dos
Corillo (Kuilu) unter 8° 24' S. und 20° 42' 0. v. Gr.
eine Station , welche Porto genannt wurde. Diese Posi-
tionsbestimmung scheint der Schüttsohon Karte entlehnt zu
sein , welche die Situation dieses Gebietes um rnohr als
einen Grad nach Osten verschob , was durch Wifsmanns
und Büchners Positionsbestimmungen inzwischen berichtigt
worden ist.
Sonogambien und Guinea. — Kaum hatte die
Baseler Mission ihre jüngste Karte der Goldküste in
1:300000 (s. Mitt. 1885, S. 184) veröffentlicht, als ihr
bereits von ihren Sendboten wichtiges neues Material zu-
fiofs, welches diese auf ihron ausgedehnten Exkursio-
nen , bei denen sie stets ihr Augenmerk auf die topo-
graphischen Verhältnisse dos Landes richten , gewonnen
haben. Diesos Material gab die Veranlassung zur Bearbei-
tung einor neuen Karte in 1 : 800 000 , welche um fast
2 Breitengrade weiter nach N über die Stadt Salaga hinaus
reicht; sie zeichnet sich namentlich aus durch eino ge-
nauere Niedorlegung des Volta -Stromes, welchen Bonnat
1875 zuerst befahren hatte. Der Missionsarzt Dr. E. Mählv
mit den Missionaren Müller und Zimmermann gelangte 1884
auf dem Landwege im 0 des Volta nach Salaga und benutzte
erst auf dor Heimreise die Wasserstrasse , während soin
Begleiter, der eingeborne Missionar David Asante, weit nach
Osten sich wendend, durch die Landschaft Obooso und eine
Reihe von östlichen Volta-Zuflüssen im Quollgebiete kreuzend,
seine Station Anum am mittlern Volta wieder erreichte.
Im W des Stromes lagen Aufnahmen von dem bekannten
Missionar Ramseyer vor, welcher die Distrikto im N von
Okwawu boreist hat. Dio treffliche Karte, welche wiederum
erkennen läfst, dafs die Kenntnis der Goldküste und der
nördlichen Gebiete hauptsächlich auf Arbeiten der Missio-
nare beruht, ist nebst den ßegleitworton von Dr. E. Mähly,
welche eine klare Schilderung dor geographischen und
ethnographischen Verhältnisse des Volta - Gebietet geben,
leider an ziemlich unzugänglicher Stelle veröffentlicht (Verh.
Naturforsch.-Gesellsch. Basel, VH, N. 3 ; auszugsweise nebst
Karte mitgoteilt in L’Afrique exploree Oktober 1885). Das
Tagebuch Dac. Alantes bringt Mitteil, der Geogr. Gesollsch.
in Jena, IV, N. 1 und 2.
Die Erwartung, dafs die Ausbeutung der Goldminen
im westlichen Teilo der Kolonie Gold Coast eino bessere
Erforschung des Gebietes horbeiführen würde , war keine
trügerische , wenn auch der Zuwachs zu unsrer Kenntnis
dieses Gebietes gerade noch keine sehr bedeutende zu nen-
nen ist. Das kürzlich ansgegebene Bluebook (4477) ent-
hält eine Reihe von Skizzen und Routenaufnahmen, welche
unsre Skizze (1880, S. 177) ergänzen; mehrere britische
Regierungsbeamte haben die Goldminen von Tarquah (der ver-
storbene Mineningenieur Dahse schrieb Tacquah) auf neuen
Wegen von dor Küste aus erreicht , teils von Axim aus,
teils von Charna an dor Mündung des Prah. Wio aus
ihren Berichten zu ersohon, hat dio Ausbouto immer noch
nicht die erwartete Entwickelung erreicht, was hauptsäch-
lich der schwierigen Kommunikation mit der Küste zu-
geschrieben wird, da die Einfuhr schwerer Pochwerke da-
durch verhindert wird. Von Axim aus ist, um diesem
Ubelstande etwas nbzuhelfen, ein Weg nach dem Ankobra
angelegt worden. Bis in dio Nähe der Minen ist der Flufs
und soin Tributär Bonsah für Boote befahrbar.
Das im Jahre 1883 von den Franzosen nach Bammako
am obem Niger goschaffte kloine Kanonouboot hat 1884
eineu woitorn Ausflug auf dem Strome gemacht bis San-
sandig unterhalb SeguSikoro und eine Strecke von ca 350 km
des Laufes aufgenommen. Dor bevorstehende niedrige
Wasserstand nötigte zur Rückkehr nach Bammako ; in diesem
Jahre soll die Rekognoszierungsfahrt bis Timbuktu fort-
gesetzt werden.
In einem kleinen handlichen Werke schildert Ch. Le
Brun-Renaud die franxötitchen Betitlungen in Wettafrika'1)
und zwar nach ihrer Entdeckungsgoschichte , ihrem Ent-
wickolungsgange und nach ihrem gegenwärtigen Zustande,
wobei eine Reiho statistischer Tabellen Uber den Stand
des Handels eingefügt werden. Die Schilderung umfafst
Senegambien, die Niederlassungen am Busen von Guinea,
wobei der Erwerbung von Porto Novo noch nicht gedacht
wird, und Gabun nebst der Ausdehnung dieses Besitzes
bis zum Kongo. Am Schlüsse wird dor junge Kongo -Staat
und die deutsche Kolonialpolitik einor Kritik unterzogen,
welche unter Anführung von Unrichtigkeiten keineswegs
unparteiisch beurteilt wird.
Südafrika. — Die Vermutung, dafs durch die Laver-
tinesche Karte der Boeren- Republik Stellaland (s. Mitteil.
1884, Taf. 4 und S. 60), deren Existenz durch Sir
Ch. Warrens Expedition und durch das britische Protek-
1} Ln Paaesriona (nncaisn de l'A/riqae Occidentalo. 18°, 310 pp.
mit 2 Karten, l’arie, Baudoin, 1885.
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Geographischer Monatsbericht
31
torat über Betschnanenland ein schnelles Ende bereitet
wurde, eine ungerechtfertigte Verschiebung des dargestellten
Gebiotes nach Osten stattgofundon habe, findet ihre volle
Bestätigung durch folgendo J’otiliombeetimmungen im töd-
lichen BeUchuanenlande , welcho während der Warrenschen
Expedition durch Kapt. Bethel ausgeführt wurden:
8. Br. Ö. L. v. Gr.
TWr» 87° 33' 38" 84“ 47' 1'
Vrijburg 26 57 39 24 42 35
SiUagoli 26 16 18 25 8 3
MafskiDg 25 52 15 25 37 29
Wir verdanken die Mitteilung dieser wichtigen Bestimungen,
welche geradezu grundlegend für die Karte dor Gebiete im
Norden des Oranje - Flusses sind, dem besten Kennor dor
Geographie von Südafrika, Fred. Jeppe in Pretoria, welchor
gegenwärtig mit einem sehr dankenswerten Unternehmen
beschäftigt ist, mit dor Bearbeitung einer neuen Karte der
Südafrikanischen Republik und angrenzenden Distrikte
von 20° — 31° S. Br. und von 23° — 32° 0. L. im Mnfs-
Btabe 1 : 1 000 000 ; sie wird also ganz Oranje - Freistaat,
Natal , Sulu - und Swazi - Land und den gröfsten Teil dos
britischen Betschuanen - Protektorates umfassen. Seit der
Publikation der Jeppescben Karte von Transvaal in
1:1850000 im Jahre 1877 ist so viel neues Material zu-
sammengekommen, dafs eine gründliche Neubearbeitung ein
dringendes Bedürfnis geworden ist, denn kein Gebiet in
ganz Afrika liogt hinsichtlich seiner kartographischen Dar-
stellung so sehr im Argen als Südafrika mit Ausnahme
der Kapkolonie. Nicht einmal Kimberley liegt seiner Lage
nach fest. Bei der Absteckung der Gronzo zwischen dem
Oranje-Freistaat und Westgriqualaud im Jahre 1877 wurde
Kimberley zu 24° 55' 9" ö. L. bestimmt; durch astro-
nomische Beobachtungen und telegraphische Verbindung mit
der Sternwarte der Kapstadt bestimmte Dr. W. L. Elkin
dio Lage der Diamantenstadt zu 24° 46' 15"; trotzdem
aber wird für dio meteorologische Station im Jahre 1884 von
G. J. Lee eine Position von 24° 50' 15* angogeben. Ebenso
schwankend sind die Angaben über dio Lage von Pretoria,
und es gewinnt den Anschein, als ob infolge der Mohrseben
Positionsbestimmung von Pretoria, welche für äufserst zuver-
lufsig angesehen wurde, ganz Transvaal auf den Karten zu
weit nach Oston gerückt worden ist. Dies findet Bestäti-
gung durch die Vermessungen des Ingenieurs Machado für
den Bau der Eisenbahn von Delagoa-Bai nach Protoria, wio
auch durch Capt. Haggans astronomische Beobachtungen an
der Grenze des Swasi-Landes, welcho um fast '/s° nach
Westen vorrückt wird.
Eine Aufnahmo des in die Bai von Louron;o Marques
mündenden FIusbos Incomati haben vom 28. April bis 5. Mai
1884 die portugiesischen Marineoffiziere X. de Mattot und
Mortira de Sa ausgeführt, und dabei namentlich die Barro
an der Mündung untersucht. Dieselbe kann von Schiffen
mit nicht mehr als 5 Fufs Tiefgang passiert und dor Flufs
aufwärts bis zum Einflüsse des Xhancavnna befahren wor-
den. (Boletim Soc. geogr. in Lissabon 1885, Nr. 3, mit
Karte.) H. Wichmann.
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Vierte Quittung
Uber die bis 21. Dezember eingegangonen Beiträge für Dr. Pisohors Expedition.
Qrelfcwild. Geographische Gesellschaft. , , . . . . M. 50.—
Hartha. Dr. Ilasselbach 3
■ Uneben. Geographische Gesellte ha ft (2. Beitrag) ,*|*]*J***.* .!«.« ift|—
Summe M. 68,—
1. Quittung (23. Juni) M. 1636,—
9. (21. Jnll) 808,14
5. ,, (20. September) »42,—
Totalsnmme >xkL dor von der Geogr. Gesellschaft ln Hamburg bewilligten M. 1600) M. 2673,14
(Geschlossen am 23. Dezember 1866.)
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1 ) AuAwur^BUin m
I 1 L*rm An Lmrau»
Ike rote. Linie ist UtGrtnse
des Einsturzes
Dir S<* murren Ziffern bedeuten
die frühere^ die roten, die jrixige-
Tle/k; Ziffern- mit darüber sfe
henden. . Strich - - wie A# - brdru
tet dass hei dieser Tiefr. i GnuuU
nicht- errdehe wurde.
Profil 4
auf der Linie C"M
Profil 3
auf drr Linie E f
Von Hodekla nach San’ft vom 24. April bis 1. Mai 1885.
Aus dem Tagebuch des Forschungsreisenden Eduard Glaser. (StMuf« ').)
Von Hodjeila oder richtiger von der Tihänm (Badjil)
führen eigentlich drei Wogo hinauf nach San’ä, wovon zwei
längs Flufsthiilern (der oino im Wadi Surdud bis Ahdjir,
der andre bis an don Kopf des Wadi Sahäm) aufsteigen.
Zwischen beiden Thälera haben wir die fast isolierte Berg-
masso von Haräz utul ’Aniz (nicht zu vorwechseln mit Anis)
und hierauf gegen NE den mächtigen D,j. Hadhür Nebbl
Sn’aib. Der dritte Weg nun — und das ist dio Haupt*
strafso nach der Hauptstadt — erklimmt den mächtigen
Gebirgsstock von Haräz, geht dann, immer in der Mitte
zwischen beidon Wadis, durch das ziemlich tief golegone
Gebiet von Haimo wieder steil aufwärts über den südlichen
Teil eines hohen Ausläufers dus I)j. Hadhfir, um daun auf don
eigentlichen Bergrücken des Scrät Alhän ein wenig hinab-
zusteigen (Metne). Von hier führt dann der Weg direkt
nach $an'ä hinab, das schon auf dem Ostabhango des Ge-
birges, und zwar in einem breiten, gogon den l)jöf abfal-
lenden Thalo gelegen ist. Diesen , wenngleich beschwer-
licheren, so doch kurzem Weg habe auch ich gewählt.
Wir ritten von Hodjeila Montag ßh morgens ab. Nach
wenigen Minuten schon befanden wir uns in dem in üppiger
Vegetation prangenden Wadi Brär odor Birär (weiter oben
keifst dieses Wadi Hidjän welches, vom fja’fän und
Masär gegen Süden herabkommeud , die Grenzscheide zwi-
schen beiden Gebieten bildet.. Das W. Hwöit, welches di-
rekt von unsertn Zielpunkte ’Attära nach Hodjeila hinab-
strömt, lassen wir seiner Steilheit wegen rechts liegen.
Nur Fufsgiinger und im Bergklettern geübte Tiere ver-
mögen diesen zur Zeit der Herrschaft- des D&1 von Jäm
allgemein üblichen Weg zu erklimmen. Beide Wadis wur-
den durch den Dj. Usil, einen Ausläufer des Dj. Masär
getrennt. Im W. Brär, in welchem wir bis 8h BO"1 anf-
stiegou , wurden wir von einem geradezu bestrickenden
•Vogolkonzert überrascht. Es wird wohl wenig Gegenden
auf dem Erdball geben, wo man oino gröfscre Mannigfaltig-
keit in der Fioderwelt wabrnehmon könnte. Hier hören
wir einen taubengrofsen Vogel (hudjrüf , eine Art
•) Den Anfans nebst Karte s. t88G, S. t urnl Tafel 1.
Peteuaanns Geour. Mitteilungen. 1886, Heft II.
Kuckuck, soin liebliches ku kü - ltu hu hfl ausrufen , dort
wioder erblicken wir eino Nachtigall (bulliul), welche un-
ermüdlich ihr immer schwächer werdendes ta-ta-ta-tu schlägt.
Wenige Augenblicke darauf stofson wir auf einen ganzen
Schwarm sperlinggrofsor gelber Vögel (Hizür J\ jP), die alle
auf einem und domselhen Baume iu zahlreichen Beutel-
nestern wohnon (das Beutelnest heifst. hier maghwa oder
ntaghwas), u.nd dann wieder eine Unzahl von buntgofärb-
teu Schmetterligen (tutfa) aller Art, hier wieder Tauben
und Turteltauben, wolcho volles Vertruuon in die Situation
zu haben scheinen, bis sie das tödliche Bloi zu spät eines
bessern belehrt, dann ein taubengrofsor Vogel (djaulabi),
mit dem Gesänge der Nachtigull nicht unähnlichen Tönen,
ferner der Jubjubl, ein kleiner, weif«, rot und schwarz ge-
fleckter Vogel und unzählige andre, die nur eiu Ornitholog
zu beurteilen verstünde. In andern Jahreszeiten ist dieses
und die angrenzenden Tlmlor voll von Aflenherden (ruhüh,
Plural von rabh) aller Gröfson und Sorten, welche oft eiu
ergötzliches Spiel treiben, besonders wenn man cs wagt,
einen Flintenschuß gegen sie abzugehen. Mit höllischem
Geschrei und Geächze stäuben sie auseinander; aber schon
J
nach wenigen Augenblicken snmmcln sic sich wieder und
gellen mit Steinen bewaffnet zum Angriff über: allein trotz
des besten Willens bleiben sie Stümper im Scbießhand-
werk und laufen sofort wieder davon, sobald mau nur das
Gewehr an dio Backe anlegt.
Das Dorf Brär im Wädi wird bald erreicht. Links und
rechts vom Wogo türmen sich diu Berge geradezu bis ins
Unendliche hinauf. Hoch oben links erblicken wir die Dör-
forgruppen von Sa’fän, Mitwall, Der ihn Homeid; aber alles
überragend liegt das Dorf Masär auf dom gleichnamigen
Bergztige. Etwa in der Hälfte des Wädi (hier schon Wädi
Ilidjän genannt) beginnt der Zickzackaufstieg auf den
Dj. Usil. Der ganze Berg ist in horizontale Terrassen ge-
gliedert, die zum Anbau von Körnerfrüchten, vorzüglich aber
zur Kaffeekultur benutzt werden. Bei 1150 in Seehöhe
erreichen wir den ersten Kaflfeegarten. Hier sei sogleich
bemerkt, dafs die meisten moiner Vorgänger die Höhen der
jomenisehen Berge unterschätzten und auch in bezug auf
die Kaffeekultur unrichtige Angaben milchten. Kaffeekultur
6
34
Von Hodeida nach San a.
habe ich im Gegonsatz zu den frühem Reisenden bis zur
Höhe von beinalie 2200 m angetroifen, und die Höhe dor
Berge selbst , welche ich mit einem guten, von Zeit zu
Zeit mit einem zu meiner Verfügung gestandenen Queck-
silberbarometer in Ran’ü verglichenen Aneroide gemessen
habe, bis zu 3000 m gefunden.
Ganz Haräz ist ein Kaffeegarten, und seino Einwohner
bereichern sich an dem Ertrage der köstlichen Bohne, welche
sio in Hodeida gegen teures Geld verkaufen. Nach dom
früheren Ausfuhrhafen Mokhä, dor jetzt verödet liegt, nannte
man den jemenischen Kaffee kurzweg Mokkakaffee, wenn-
gloich in Mokhä selbst keine einzige Kaffeebohne jemals
geerntet worden ist. Da houte Hodeida und teilweise auch
'Aden die Stolle von Mokhä einnohmen, so sollte man folge-
richtig den jemenischen Kaffee Hodeida oder ’Aden taufen,
wenn man es nicht vorzieht, die zweckmäfsige Bezeichnung
nach dem Ursprungsort oder dom Ursprungsland, also otwa
Jemen! zu adoptieren.
Das Kaffeebäumchcn, gewöhnlich nicht viel mehr als
mannshoch , in andern Gegenden jedoch bisweilen 5 — 6 m
Hoho erreichend, ist eins der lieblichsten Gewächse, wel-
ches nach don Ausführungen dos trefflichen Karl Ritter
seine Urheimat in Afrika haben soll. Ohno den gelehrten
Ausführungen dieses Heroon unter den Geographen ent-
gegentreten zu wollen, kann ich doch diu Bemerkung nicht
unterdrücken, dafs ich in einer alteu arabischen Hand-
schrift, welche Gedichte aus dem 3. und 4. Jahrhundert
der Hidjra enthält, den Namen „Kahwa“ gefunden habe,
allerdings blofs als eine der vielen Bezeichnungon dos Wei-
nes oder eines undern berauschenden Getränkes.
Die Kaffeepflanzungen verleihen don Bergabhängen odor
richtiger don wasserführenden Schluchten, in denen sie
besonders gut fortkommen, ein ganz eigenartiges Aussehen.
Gern ruht das ermüdete Auge auf dem saftigen dunklen
Grün, durch dus kaum ein Sonnenstrahl durchdringt, und
wenn man entlang dor geradezu schwindelnden Pfade auf
der Höhe angelangt ist und sich an oinem Täfschen Kisohr
erquickt , dann fühlt man es in diesen duftigen Gegondon
heraus, dafs man ein wirkliches Stück des glücklichen Ara-
bien vor sich habe. Ein Botaniker von Fach würde über-
dies in don zahlreichen wohlriechenden Pllauzon, die ge-
meinschaftlich mit der Kaffeestande, wenngleich wild und
nicht gopflegt, seitwärts im Verborgnen gedeihen, gar bald
eine Unzahl von schon bei den Klassikern gerühmten und
gewissormafsen zur Mythe gewordemm alten Bekannten
entdecken, wie die Myrrhe und andre, die hior wie an dem
ganzen Wastabhnnge des Serät Vorkommen, wenngleich dio
klimatischen Verhältnisse auf das Biläd Djabä oder auch
auf das Biläd Djiibau als auf dasjenige Gebiet hinzuweisen
scheinen, wo gewissermaßen zwei Moero miteinander wett-
eifern , eine für das Gedeihen solcher odlen Pflanzen wie
geschaffene Atmosphäre herzustellen. In der That kommt
auch der Kafteebaum nur an solchen Stellen besonders gut
fort, die sich ganz eigenartiger Temperatur- und Feuch-
tigkeitsverhältnisso erfreuen. Der Westserät und, wie es
scheint, auch die Bergabhängo gegen den Golf von ’Aden,
besitzen diese. Denn joden Morgen steigt von der Tihümu,
welche bis dabin wie in ein Wolkeumoer gehüllt war, ein
wohlthuender , äufserst feuchter Nebel direkt gegen die
Berge auf, welche er gegen Mittag erreicht. Dio Mittag-
sonne, welche ja auch der Kaffeopflnnzo nicht besonders
zuträglich ist — man pflanzt iloshalb sehr häufig grofse
schattige Bäume in den Kaffeegarten — , verliert an Hef-
tigkeit, und ein lebenspendender Tau erquickt dio Blätter.
Der Ueiseudo kann wohl manchmal unwillig werden Uber
diese plötzlich hcreinbrechende Feuchtigkeit, dio seihst die
Kleider zu durchdringen vermag. Allein der Kaffeebauer
dankt soinom Gott, wenn er eine recht dichto ’Umiua oder
Sukheimäni (so nennt man diese Erscheinung) aufsteigen
sieht, denn sie bringt ihm Sogen und Reichtum. Dio Er-
scheinung ist so regelmäßig , dafs mau beispielshalber in
Menükhn jährlich kaum 20 Tage nachweisen kann, an denen
kein Sukheimäni gekommen wäre. Ist di« Zeit, wo sonst
dio gröfsto Hitzo (Tomperaturmaximum) einzutreten pflogt,
vorüber, so verschwindet auch die ’Umrna. Allein dio Nähe
der heifsen Tihäma und wohl auch die Vegetation selbst
bewirkon, dafs die Temperatur in der Nacht nicht unter
ein gewisses Niveau herabsinkt, so dals wir in diesom ge-
segneten Klima gewissormafsen ein Treibhausregimo mit
natürlicher Selbsttemperierung vor uns haben. Dies ist.
Sommer und Winter ähnlich , und nur in solchem Lande
godeiht die echte Mokhobohne. Die Kakteen (’Amk), darun-
ter oft mannsdicke Bäume von 8 — 10 m Höhe, scheinen
gleichfalls dieses Klima zu suchen; denn sie sind überall
einheimisch, wo Kaffeo gedeiht. Da die ’Ummanebel nie-
mals den Kamm des Gebirges überschreiten, so ist es be-
greiflich , dafs auf dem Kamme und auf dem Ostnbhnnge
des Serät, wo aufeordem eine geradezu unglückliche Trocken-
heit der Atmosphäre herrscht, die Kaffeepflanze nicht fort-
kommt.
Kurl Ritter hat dem Kaffeuhaum in soiuer Geographie
Arabiens ein eignes, beinahe erschöpfendes Kapitel gewid-
met , so dafs mir Uber diesen Gegenstand eigentlich nur
wenig zu sagen übrig bleibt» Da dios Wenige zumeist ins
kommerzielle Gebiet oinschlägt, so will ich es in dem vor-
liegenden Berichte mit Stillschweigen übergehen. Derartige
Daten ohne weiteres der Öffentlichkeit zu übergeben, ist
in Österreich und Deutschland nicht geraten, weil zu be-
fürchten stoht, dafs Angehörige andrer Nationen viel früher
davon Gebrauch machen würden, als die eignen Landsleute,
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Von Hodeida nach San’A.
35
was Franzosen, Engländer, Amerikaner und Italiener in
Hodeida seit Jahren beweisen.
Bei 1320 in Scehiihe erreichen wir das Dorf Usil, das
auf dem gleichnamigen Bergrücken gelegen ist. Wir gehen
nun längs des Kammes des J)j. Usil bis an den Abhang
des Dj. Masar, auf welchem wir, immer in grofsen Bogen
und gewissermafseu in einer hypsometrischen Linie um die
zahlreichen von diesem Bergriosou herabstürzenden Giofs-
büclie herumgehond, an Beyt Zubeir vorüber, langsam nach
“Attära hiuaufklottorn , das wir um 1 1 Uhr vormittags er-
reichen. 'Attära, oiu Dorf von etwa 60 Stoinbäusorn, welche
sich an die Südseite eines etwa 80 m in die Lüfte rngou-
den, von fast allen Seiten unzugänglichen Felsens anlehnen,
auf dem sich die seiner Zeit durch die Türken zerstörte
Burg des Dä’i von JAm befand, hat eine Seehöhe von
1711 m und liegt in einer Thuleinsenkuug zwischen Masar
und Hauzun (Dj. Sbäm mit berühmter alter Burg). Masar,
Dorf und Gebirge, liegt wenige Kilometer nordwestlich,
Sibam hingegen ziemlich genau östlich von “Attära. “Attära
war bekanntlich vor Einmarsch der türkischen Truppen Sitz
des Dä’i Ahmed öS Sibami, Beherrschers des ismaelitischen
Staates von JAm oder, wie man ihn in Europa besser ken-
nen dürfte , von Xedjräti (auch fälschlich Reich des Mu-
krami genannt). Von hier aus beherrschte er ganz Haräz,
einzelne südlicher gelegene Gegenden , das Wadi Dhahr
im Beled llaradän und sein eignes Stammland. Den
Vorfall des Zuidi-Imamates benutzend, wollten die Jamiten
ihre alte Herrlichkeit im ganzen Jemen, wie sie dieselbe vor
Jahrhunderten dort übten, wieder herstellen, nm den philo-
sophischen Glauben der Isma'ilier, der in den letzten Jahr-
hunderten angefeindet und nur im tiefsten Innern der arabi-
schen Wüste geduldet ward, wieder zur weltlichen Geltung zu
bringen. Diese in den Augeu der Zujüd geradezu entsetzliche
Perspektive, sowie die Bedrängnis 'des zerfulleneu Imamates
von seiten der unabhängigen Stämme von Hasid und ßakil
brachten die türkischen Truppen ins Land , deren Kanonen
den DA'i Ahmed eä Sibami gar bald von der Vergänglich-
keit alles Irdischen und von der Aussichtslosigkeit seinor
Bestrebungen überzeugten. Seine Burg wurde dem Erd-
boden gleichgemacht, er selbst gefangen genommen und
sollto 1872 nach Konstantinopel gobracht werden. Allein
bereits auf dem Woge nach Hodeida starb er, von ganz
Jüm betrauert und beweint. Die Jamiten zogen sich, Groll
im Herzen tragend und nach Rache dürstend, in ihr Stamm-
land zurück, wo ihnen gar bald in der Person des Ismä’il
cl Mükrnmi in Bcdr ein neuer Dä'i erstand. Dieser, nun-
mehr auch für sein Stammland fürchtend, hat mit der tür-
kischen Regierung definitiv Frieden geschlossen, und scino
Unterthanen (asbäb) gehen sogar so weit, in ziemlich grofser
Anzahl in türkische Polizeidieustc zu treten.
Nach anderthalbstündigem Aufenthalte setzten wir uu-
sern Marsch fort. In dem W. ’AjjAS, welches gleichfalls
gegen Hodjeila abiliefst, aufsteigend und dann fortwährend
um die Köpfe der WAdis in grofsen Bogen herumgehend,
passieren wir in der Nähe der Dörfer El Hädjarc und
Läkamu — - in letztorm wohueu viele Juden — und errei-
chen damit die Pafsliöhe zwischen dom Dj. Masar und dem
Dj. Sibam, wo sich uns auch ein Ausblick ins jenseitige
Tiefland eröffnet. An der Nordseite des mächtigen Dj. Sibam
(Sibam Ilaruz, nicht zu verwechseln mit Sibäm Akjän und
zahlreichen andern Orten mit Namen Sibäm) geht es dann,
I hier und da eine kleine “Akabe (Bergstiog) an- oder abstei-
gend , bis MenAkha , welche Stadt wir um 3h 1 5m p. m.
erreichen , nicht ohno knapp zuvor von einem tüchtigen
Regen durchnäfst worden zu sein. Ein türkischer Arzt,
Dr. “Ali Effendi, ein liebenswürdiger Herr, den ich schon
in ‘Amrän kennen gelernt batte , gewährte uns in zuvor-
kommendster Weise in seinem engen Häuschen Gastfreund-
schaft. Der erste Bekannte, den ich traf, war der Feld-
scher des hier stationierten Jägerbataillons, Butros Effendi,
gemeinhin TArikh-Butros Effendi, d. h. der Geschichtsbutros,
genannt. Und diesen Namen verdiont er in der Tliat. Ich
habe nie ein so ausgezeichnetes Gedächtnis gefunden wie
bei diesem Armenier. Man darf nur frageu, was es denn
Neues gebe, und sofort öffnet Butros Effendi die Schleusen
seiner Gedächtniskamuier , welcher nun ein ganzer Strom
von Daten und Zahlen , und zwar alle mit vollständiger
Genauigkeit, entfliefst. Selbst den Tag meiner ersten An-
kunft in Hodeida und in $an'ä, ,j;0 Daten meiner ver-
schiedenen Reisen im Jemen wufste er mir aufs genaueste
ins Gedächtnis zurückzurufen. Gleiches thut er allen Be-
amten und Offizieren des gesamten Armeekorps, und über
alles weifs er Bescheid, was sich seit 12 Jahren im Jemen
ereignet hat. Bein treues Gedächtnis hat es wie in Stein
gemeifselt aufbowuhrt. Wenige Augenblicke darauf he-
grüfste ich auch Nedjib Effendi, den wackern Kommandan-
ten des 13. Jägerbataillons, der an demselben Orte vor
1» Jaliron Wunder der Tapforkoit verübte, und den ge-
lehrten KaimakAm (Bezirksvorstand) ’Ylmi Effendi, mit
denen ich nun recht angenehme Stunden verlebte. Me-
näkhn, 2175 m über dem Meeresspiegel gelegen (der tür-
kische Ingenieur Sokolowski gibt die Höhe Menukhas zu
2217 m an, jedoch nur auf Grund von Aneroidmessungen,
welche nicht durch das Quecksilherharometer kontrolliert
wurden), blickt uur nach E, N und NW frei aus, und zwar
hinab in romantische Thäler. Nach SE oder S lehnt sich
die Stadt an den mächtigen Dj. Kähil an, welcher ihr sein
köstliches Trinkwasser spendet, und im W oder richtiger
] SW der Stadt erhebt, sich der noch mächtigere, etwa
2600 m hohe Dj. Sibam , dem es in der Höhe nur der
5 *
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3G
Von lfodcida nach San’ä.
Dj. Masär gleich zu thun scheint. Die Rerge der Ju’äbir
und der Beni Mukätil, gleichfalls Riesen ihrer Art, schliefson
sich mi den Käbil im SE an , wo sie nur durch eine
schmale Einsenkung vorn Dj. ’Aniz getrennt sind. Alles
Wasser östlich und nördlich von Menäkha und Masär fliefst
in zahlreichen Wadis nach dem Surdud ab. während die
entgegengesetzte Seito dieses Gobirgsstockes ihre Wasser
ins W. Sah am abführt. Wir hüben auf der Nordostseite
das W. Sidju (unter dem Namen Nakil Sidja wird es im
Hamdäni erwähnt) und das W. Zaun, welches später den Namen
W. Sadb führt und nördlich au dem Dj. Masär
vorbei in die Tihäma fliefst, welche' sie boi Sßk el Khnmis
erreicht. Auf seinem reehtcu Ufer ist dieses Wadi der
Reihe uuoh von folgenden Borgen begrenzt: Beni ’Aitheri,
Hätab, Maghuriba , Beni Lo'f mit Tulnir und Du’wa, an
dessen Fufs schon Sok el Kliamis gelogen ist. An seinem
linken Ufer hat es die Berge von Masär, Safän und El ’.Vrdha
Jenseits dieses Wadi, Iminahe östlich von Me-
näkha, blicken wir in eiu grofsartig schönes, tiefliegendes
Bergland, nach Hniina hinab, mit den bekannten Dörfern
’Ydjz und Mefhak, durch welche uns unser Weg
fuhren wird.
Menäkha selbst — der Name mag wohl mit dom Stamme
der Meuäkhiiu oder auch mit dem in jemeuischen Hand-
schriften oft erwähnten Dt» Manäkh Zusammenhängen — ist
sehr hübsch erbaut. Zahlreiche Häuser sowie die umliegen-
den Gobirgsmassen sind aus bläulich - grünem Stein uufgo-
lülirt. Die Stadt dürfte gegen 3000 Einwohner haben,
darunter etwa 200 in einem abgesonderten Viertel wohnende
Juden, welche sich alle um den reichen Härfin (Aron)
scharen, den Thalermilliouär, der dieses nach jemenischen
Begriffeu geradezu unglaubliche Vermögen zur Zeit der
Herrschaft der Da’ä (pl. v. Dä’i) von Jäm angehäuft hat.
Damals war er die rechte Hand dos I)n’i es Sihnnii, welcher,
wie es heifst, Härtln als Mittelsperson benutzte, um .Ge-
schälte“ zu machen , was ihm als König nicht so ohne
weiteres geboten erschien. Härtin hat trotz seines immen-
sen Reichtums seine ' patriarchalisch -jemenisch - jüdischen
Gewohnheiten nicht aufgegoben. Wie einer der Ärmsten
kleidet und nährt er sich und seine Kinder, und wenn man
ihn draufsen mit seinen laugen Schlitlulocken (zinnär) und
dem gcscliornen oder vielmehr glatt rasierten Haupte sieht,
so würde man nur ausrufen, wie einst die „Nachkommen
des bravou alten Jonadab“, als sie in Mctne den Missionar
Wolfl' erblickten: „Ein Judo! Eiu Jude!“ Man würde
kaum glauben, dafs dieser Mann das halbe Land in seinen
Händen bat.
Menäkha ist hauptsächlich Kaffeemarkt : der Katfcehandel
wird natürlich fast ausscliliefslich von llartn und seinen
Angehörigen betrieben, der denn auch gerade deshalb keiu
grofser Fround von Europäern ist, welche ihm ins Hand-
werk plüschen könnten. Die Türkon haben liier ein hübsches
Spital für 60 Betten orbaut, vornehmlich für Kranke aus
der Tihäma, donen kühle Borgluft not tliut und welche doch
einer allzulangeu Reise nicht ausgesetzt werden dürfen. In der
Tiliämn herrschen aufser andern Krunkheiten, geradeso wie
überall auf den Bergen, die sogenannten perniziösen Fieber,
welche ihre Opfer in wenig Tagen, oft Stunden dahin-
raffeu. Auch in Menäkha mufsto ich die traurige Nach-
richt empfangen , dafs während meiner Abwesenheit zwei
meiner bosten Freunde , der einflufsreiche Sejjid Ahmed
und ein türkischer Apotheker, boidcB junge kräftige Männer,
dieser tückischen Krankheit erlogen seien. Aufserdem haben
die Türken eine Kaserne erbaut und ein hübsches Regie-
rungsgehäude. Die Wohnungen in der Stadt sind aufser-
ordentlich teuer. Menäkha ist Sitz oines Kaimakänis, dessen
Sprengel sich Uber den ganzen Gobirgsstock Haräz, Haime
(cd däkhilijn und el khäridjia) und ’Aniz erstreckt.
Das eigentliche Haräz wird heutzutage in folgende Teile
eingeteilt :
1) Beni ’Arräf (auf dem Sa’fänberge),
2) Sa’fäu,
3) Masär,
4) El Magbäriba,
5) Boni IsmaMl (nordwestlich von Masär),
6) Hasubän auf dem W. Dajän (Müller,
Seite 105, Zeile 20, erwähnt zwei verstümmelte Orts-
namen uud setzt hinzu : husiiän , was so viel be-
deuten würde als „zwei Burgen“; offenbar nnifs man
Hiisabän lesen),
7) Hauzan,
8) Thiiluth,
9) Lahäb,
10) Beni Mukätil,
11) El Ja’übir
12) El ‘Okmur ( östlich von Menäkha und an Haima
angrenzend.
Hamdäni (Müller, Seite 105) sagt von Haräz, dafs hior
aufser vielem Ackerbau auch die Warskultur betrieben wird.
Das erste ist allerdings richtig; was jedoch den Ware an-
belnugt, Uber den wir an andern» Orte ausführlich sprechen
werden, so findet sich heutzutage’ diese Färbopflanzo nicht
mehr im Haräz. Es scheint, dafs an ihre Stelle der Kaffee-
lmum getreten ist-
An derselben Stelle beschreibt Hamdäni ziemlich aus-
führlich das Gebiet von Haräz. rudern wir auf diese zum
Teile noch heute zutreffende Beschreibung verweisen, wellen
wir uns damit begnügen, einige Orte, welche Hamdäni er-
wähnt, nachzuwoisen :
Et Taim oder Tom ist eine Unterabteilung von Lahäb
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Vou Hodeida nach San’a.
37
IdrOb (nicht Adrüb, wie Müller schreibt), existiert noch
in der Form eines WAdi Idrttb auf der Westseite des
Dj. Su'lan im Gebiete der Beni ‘ Arraf.
El ’Ubr (?) ist vielleicht identisch mit dem Gebiete der
Ja’äbir; ein ’Ubrät gibt es auch im Gebiete der Beni
MukAtil.
WAdi Hur, westlich vom Dj. §a'f&n.
>»at el Hädjal, dürfte identisch sein mit dem heutigon
Hodjeila.
Tuhar, eine Gegend (ohne Dörfer) in Beni Lo’f in MaghA-
riba. Ein Dj. TAhir befindet sich bei ’AttAra, ein
Tuhar zwischen Dj. Bnra’ und Dj. Koimu, desgleichen
. eins in HudhQr.
El ’Aridha, ein auf meiner Kartenskizze verzeichneter
Berg.
Ilasabän (nicht, wie Müller schreibt, Hu?nau) im W.
Dajän.
Li* situ. Alles lamd, welches am Fufse des Dj. Bura* ge-
legen ist, führt diesen Namen.
’AnAsir (Müller hat daraus KhanA?ir gemacht) im Ge-
biete der Beni Ismail.
BirAr (Müller nennt es Barum) im gleichnamigen Wadi.
El Mauza, gegenwärtig ein kleiner Ort im Thüluth,
kaum drei Stunden von Menäkha entfornt.
Zahlreiche andre Namen sind nach der Müllerschen
Ausgabe leider nicht wieder herzustellen, falls nicht eine
zweite verbesserte Auflage des Hamdanischon Werkes er-
scheint.
Um llh 30m vormittags machten wir uns wiodcr auf
den Wog. Zunächst ging es ziemlich genau nach E eino
aufserordeutlich steile Thalschlucht (W. Sidja) hinab, in
deren Mitte ungefähr sich ein Kaffeehaus mit einer hübschen
schattigen Baumgruppe befindet. Das Kaffeehaus gehört
seit undenklichen Zeiten der Familie E Su’eifa, welche sich
zu den in dieser Gegend wohnenden Ja’abir rechnet. Die
Schlucht wird auf der rechten Seite (Südseite) vou den
Abhängen des KAItil und den Bergen der .la’Abir und links
(nördlich) vom Dj. Hüdhar oingeschlossen. Des Regcn-
wetters wegen mufsten wir im Kaffeehaus , dus wir um
12h 30“ nach außerordentlich beschwerlichem Abstieg er-
reicht. hatten und welches ca 280 m tiefer liegt als Mo-
nakha, Statiou machen. Um l’1 25“ nachmittags verliefseu
wir dasselbe und erreichten um 21’ 20“ nach weiterm Ab-
stieg von ca 250 m den Thalgrund des W. Zaun, welches
vom Dj. ’Aniz kommend, sein Wasser ins W. Sadb ab-
führt. Selbstverständlich Imbun alle diese WAdi nur an
Regentagen Wasser. Das W. Zuun wird von den Beni
MukAtil bewohnt , welchen auch die das WAdi links be-
grenzenden Berge gehören. Wir gingen etwa 20 Minuton
diesem WAdi entlang und wendeten uns dann nach rechts,
das auf einem Hiigel orbaute Dorf Läkamet ol Kurüb
rechts liegen lassend, wo wir eine Unzahl von kleinen
HUgelzügen überschritten , deren Gefälle insgesamt nach
NW gerichtet ist. Wenige hundert Meter vor dem Dorfe
Beyt ibn el Mahdi erblicken wir weit im Hintergründe den
zackigen Berg von Tawila (tJü , ziemlich genau im N
mit einer geringen Abweichung gegen NNW (Azimut 350°).
Zwischen diesem und meinem Standpunkte entfalten sich
die niedrigen Bergen zumeist einzelne Kuppen, von Haimo.
Genau in der Richtung nach Tuwila, etwa 4 Stunden vou
uns eutfernt, erblicken wir den eiuzigeu etwas hohem Borg
dieser Gegend, don Dj. Beni Jftsuf von Haimo. Zwischon
diesem und dem noch näher gelegenen (etwa 2,i Stunden
entfernten) Hügel von Beyt Dobian dielst das zum Surdud
gehörige W. DajjAn.
Um 3h 45“ ritten wir vor Beyt ibn el Mahdi vorübor,
dem letzten HarAzdorfe . welches rechts vom Wege auf
dem Hügel liegen bleibt, immer durch dichtes Buschwerk
hindurch , das der Gegend ganz den Charakter des so-
genannten Khubt vorleiht. Zahlreiche glänzend schwarzo,
fast fingerdicke und etwa 10 — 12 cm lange Würmer,
Hublubban (in einzelnen jomenischou Handschriften auch
HulbibAn) genannt., auf den ersten Blick kleinen Suhluugen
nicht unähnlich , kriechen uuf dem Wege und in den
Büschen umher. Die Araber erzählen, dufs diese Würmer
ursprünglich giftig waren wie die Schlaugou und aufBer-
ordcntlich gefährlich. Da sie aber fufslos waren , gingen
sie mit don Schlaugen eiuen Tauschhandel ein. Dicso
gaben dem Hublubbun die Füfse und Übernahmen selbst
das Gift. Der Name dieser Tiere deutet auf don Weih-
rauch (luhbAn) hin. Sollten sie am Ende gur die bösen
Schlangen vorstellen, welche den Weihrauch bowuchun
sollen , der in dieser Gegend in der Tliat. vorkommt
(s. auch Ritter I, 915, wo auch der Drachoublutbaum or-
| wähnt wird)?
Auch diese Region wird von einer zahlreichen Vogel-
welt belebt, unter der wir als neue Arten nur die so-
genannte SikAja notierten, ein unschön geformter Vogol
von Zaunkönigen oder gar Kolibris.
Nachdem wir eine kleine Weile in dem WAdi auf-
gostiegen, erreichten wir nach Übersetzung eines niedrigen
Iliigelzugos um 51* das Kaffeehaus von ’Ydjz, von wo aus
wir Menäkha ziemlich genau im W erblicken (Azimut 260*).
Der Besitzer des Kaffeehauses, seit etwa 30 Jahren im Jcrnun,
ist ein Kairiner und erinnert sich gern soinor alten ägypti-
nes steifen Beines wogen) triukt. gern ein Gläschen Kognak
und zwar womöglich ein Litergläschuu und sieht fromme
Muselmänner, die keine geistigen Getränke mit sich führen,
38
Von Hodeida nach San’ä.
in seiner Behausung nur ungern', denn dünn mufs er oder I
vielmehr seine armen Weiber den Gästen das Wasser von
ziemlich weit her, vom gegenüberliegenden Dj. Nletammah
zutragen. Das Dorf ’Ydjz seitist liegt ganz nahe dem
KaffeehauBe, jedoch oben auf der Anhöhe. Das Kaffeehaus
hot eine Soohüho von etwu 1550 m. Das ist so ziemlich
das Niveau der niedrig gelegenen Khabtpartie zwischen
Haraz und Hadhflr. Dieses Gebiet , zu Hamdänis Zeiten
El Akhrfldj genannt, heifst heute Haimo oder auch speziell
Hudjra und fällt langsam gegen W oder NW, d. i. gegen
den Surdud ab. Der vom Dj. HadhOr Nebbi Sn’aib ziem-
lich genau nach Süden auslaufende und die weiter östlich
gelogene eigentliche Kammhöhe überragende Karn ol Wa'l
(der Name rührt wohl von der in der Thal überraschenden
Ähnlichkeit seiner topischen Konfiguration mit einem Hirsch- |
geweih her), von dessen Siideudo sich ein niedriger llühcn-
zug bis zur Ostllanko des etwa 2300 m hohen Dj. ’Auiz
erstreckt, bildet die Grenzscheide zwischon den Gewässern
des W. Surdud und denen des W. Sahäm. Dj. ’Aniz
liegt ziomlich geuau südlich von ’Ydjz, und das Zwischen-
luud ist von zahlreichen kleinen isolierton oder sich nach
W und NW ordnenden Hügeln durchsetzt.
Mittwoch den 29. April um öh 50“ morgens reisten
wir von ’Ydjz ab. Wir durchschritten zunächst eine Reihe
von Hügeln und wendeten uns dann gegen NE, wo wir
einige Minuten hindurch durch eine horizontale, vielfach
gekrümmte Felsspalte (Dhaik Sälih, d. h. Felsenenge Sälihs)
ritten. Die Spulte scheint ein vom Wasser verursachter
Durchbruch zu sein. Zahlreiche Kakteen (’Amk) , deren
Saft durch tteifsige Bienen zu Honig verarbeitet wird, be-
decken die Abhänge der Hügel , ein für den Jemeniden
wichtiger Baum, da er zu seiner Hauptmahlzeit „Burr-wa
semn wa ’nsal“ des Honigs nicht entbehren kann. Statt-
liche Tälökbäumo (ein anderer, ähnlicher Baum heifst Tälib)
und ’Aäär, strauchartige Bäume mit grofsen fetten Blättern,
doreu Holz zu Kohlen verbrannt und besonders zur Pulver-
bereitung verwendet wird, vorleihen diesem Khabt eiu
freundliches Aussehen. Nur wenige Saatfelder erblickt man
in den tiefem Partien. Kaffee gibt es in ganz Haime nur [
sehr wonig oder gar nicht. Um 7h 40“ stiefsen wir an
der Spitze der kurzen ’Akabo, welche über den letzten
Höhenzug vor Mef hak führt , auf den Kamelweg , welcher
gewöhnlich Tarik Saufür genannt wird und ziemlich direkt
von Mefbak bis zur Einsattelung zwischen ’Aniz und Bo ui
Mukiitil führt, wo er schon ins W. Saihän (Sailiäu ed
Daumar) einmüudet. Nachdem wir die ’Akabo überstiegen
hatteu , erblickten wir Mcfliuk auf dum nahen gegenüber-
liegenden Bergkegel. Punkt 8h ritten wir im Dorfe ein,
wo wir uns beim liebenswürdigen Mudir ’Othmän Effendi
für einige Stunden häuslich niederlielseu. Dos Dorf, aus
nur wenigen Häusern bestehend, liegt in der Mitte des
Bergabhanges in einer Seehöhe von etwa 1690 m. Auf
der Spitze des Felsens, otwa 80 m höher als das Dorf,
befindet sich eino Art Festung (Husu) , welche von etwa
einem Dutzend Soldaten des Menakhaer Jägerbutaillons
besetzt war. Überdies stehen dem Mudir selbstverständ-
lich auch eine gewisse Anzahl Polizisteu (Dhabtija, nach
türkischer Aussprache Zaptie), zumeist Araber der Gegend
oder solche aus dem Djüf, und zwei türkische Reiter zur
Verfügung. Mefhak ist der Hauptort der zur Kadhü Me-
iiäkha gehörigen ’Yzzle (kleiner Bezirk) Haimat ol kluiridjija
(Aufserhaima). Das im Hamda’ni als Mittelpunkt des Beled
el Akhrfldj huzoichncte Dat Djirdän (im Siidarabischuu
lieifsen die Wllrmor Djirdän, was in diesem Falle wohl auf
Iluhlubbän hindeuten würde) scheint mit Mefhak identisch
zu sein, da Hamdäni ausdrücklich sagt, dafs Akhrüdj sich
an die uutern Teile von Iiadhtir (Jena’, Sum , Miidhikh,
isäbih, El AghjtUn, Harri 5, ’Alasän) anschliefst und zwischen
diesen und Hauzan gelegen ist. Da nun der in letzter
Linie guiiaunte Ort ’Alasän kaum 1 J Wegstunden nördlich
und der gleichfalls zu Akhrfldj gerechnete Ort El Djebädib
ganz in der Nähe von ’Alasän liegt, während alle andern
von Hämdani zu Nieder- HadhOr gerechneten Ortschaften
der nördlich von Mefhak gelegenen Gegend angehören, und
da auf der andern Seite auch die von Hamdäni erwähnten
Einwohner des Akhrfldjlandes, nämlich die StileihijOn gor
nicht weit von Mefliak nachgewiesen wurden (Katulän zwi-
schen Sflk el Khamis und Bau’än wird noch heute von
ihnen bewohnt), so ist kein Zweifel möglich, dafs die
Gegend von Bau’ün bis Reyt ibn el Mahdi das Beled el
Akhrfldj vorstellt, in dessen Mitte, ganz entsprechend den
Worten Humdäuis, Mefhak (Dät Djirdän) gelegen ist, über
welches auch der Wog nach dem Nnkil Sidja und nach
Hauzan (Menäkha) führt.
In Mefliak nannte man mir Derwän , Jenä’, ’Alasäu,
Dj. Alimun (in Beyt cd Djireidi), Er Rukhamija (•/» Stunde
nördlich von ’Alasän) und Dj. Nabhäu (im Gebiete der
Beni Matur) als Ruinenorte.
Um lh 45“ nachmittags brachen wir wieder auf gegen
das genau norduordwestlich gelegene Sük ol Khamis. Wir
hatten dabei eine grofse Reihe von Wadis zu überschreiten,
welche alle gegen SW bis vor Mefhak abflielsen und sich
dann gegen W oder NW wenden und zwar angehlich nach
Ilulil, El Maudjid und in die Tiliuma ins W. Surdud. Bei
den von uns überschrittenen Gebirgsausläufern herrscht das
griino Gestein vor. Sflk el Khamis liegt auf dem Rücken
eines dieser kurzen Ausläufer, jedoch nicht guuz hoch oben.
Die Hauptmasso dieses sich auf der Ostsoite des Dorfes
ausbreitenden Gebirgszuges heifst Dj. Manär; hinter diesem
kommt der Dj. Bir, beide ihrerseits nur Ausläufer des
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Von Hodeida nach §an’ä.
39
Kam el Wa’l, welcher mit dem Dj. HadhOr zusaminen-
hängt. Nach zahllosen Krümmungen und Wiudungon des
Weges erreichten wir um 4h 5m nachmittags Sök el Kha-
mi8. nachdem wir etwa 3/4 Stunden früher vor den Kaffee- j
häusern von El Hauzein (Niehuhr nennt es Hadein, Crutten-
der Hudhein) vorbei passiert waren. In Sük el Khamis (dor
eigentliche Markt, etwas woitor oben gelegen, wurde von den
türkischen Truppen zerstört) blieben wir Uber Nacht und
litten nicht wenig von Flöhen (kumal — pl. v. kutnl zum
Unterschied von kaml •= pl. v. kanda, welches Laus be-
deutet). Ich habe auch nicht einen Augonblick das Auge
schliefsen können.
In Sök el Khamis mafs ich zunächst einige Azimute.
Ich fuud Melba k unter 204° (stets von N über E nach S
und von hier über W uach N zurückgezählt), ’Ydjz
unter 242° (also beinahe südwestlich), Meuükha unter 254,
den die Anis- und Alban - Berge überragenden Dj. Turan
unter 150°.
Der Ausblick gegen Turan ist geradezu reizend. Ein mäch-
tiger Gebirgszug im nahen Hintergründe gegen SE(Ilorgo von
Tuntu) und zwischen diesem und meinem Standpuukt, oder
richtiger dem Dj. Btr, oiuo breite Schlucht, die förmlich
durch eine Herabschwemmung dos Erdreichs gebildet zu
sein scheint. Dieses Thal nennt man El Fers Es
ist der Sammolpunkt uller auf dem Dj. HadhOr Nebbi Su’aib,
im Gebiete der Beni Matur und dem nördlichen Alhün und
Anis entspringenden Giefsbäche , wolcho insgesamt zum
W. Salmm gehören, wolches auch noch das Wasser vom
Südosten von Mefhak aufnimmt. Das Fers, zum grofson
Teile zum Gebiete der Beni Matar gehörig, ist iu seinen
obersten Toilen außerordentlich fruchtbar und liefert vor-
züglichen Kaffee. In seinen untern Partien gilt es als un-
fruchtbar und nur von Beduinen bewohnt (Beni Suwcid
und einzelnen aus dem MaSrek eingowandertcu Stammes-
gruppen). Diese Gegend jedoch ist nicht ohne historische
Bedeutung.
In einer vortrefflich erhaltenen alten Handschrift, des
bereits erwähnten Melik el asruf Abi Huß Omar, betitelt:
kitüb pirfat el asbäb fi ma’rifat el ansüb, die meiner Biblio-
thek angehört, befindet sich eine, vielleicht nicht zur Hand-
schrift gehörige, 51 Quartseiten umfassende Abhandlung,
welche sich ausschließlich mit dem Wadi Saham, den dort
stattgofundenen Stammeswanderungon und kriegerischen Be-
gebenheiten befaßt. Wegen der Wichtigkeit dieser Ab-
handlung sei es mir gustattet. das für nnsern Zweck Mar-
kanteste anzuftihren , zumal die Handschrift ein vielleicht
nicht unwillkommenes Streiflicht wirft auf die Herkunft der
in der Geschichte der arabischen Völker so bedeutenden
Ghassaniden (s. Ritterl, 86. 107 — 111) und überhaupt
auf die seit don ältesten Zeiten stattgofundenen Wande-
rungen der südarabischeu Stämme. Ich will nicht uner-
wähnt lassen, daß der Autor ausdrücklich betont, seine
Abhandlung zum größten Teil auf Grund eines im Jahre
104 der Hidjra verfaßten Buches niedergeschrieben zu
haben.
In dor Himjarenzeit war nach den Nachrichten des
Wnhb ibn Munebbih das W. Salmm in seinem ganzen Laufe,
ferner Mahdjam, Surdud und die Tihäma bis Hais von dem
Stamme ‘Akk ibn ’Adnün bewohnt. Der berühmte Ver-
fasser unsrer Handschrift fügt dom dazu , daß mit den
’Akkiton auch Angehörige des Stammes Aü’ar wohnten,
weil die Mutter der erstem eine Tochter Aä’ars war. Wir
haben gesehen, daß auch Hamdani im großen ganzen das-
selbe sagt.
Als die Zorstöruug dos Dammes von Marib unmittelbar
bevorstand — meiner Ansicht nach infolge der im Ost-
Seröt von Jahr zu Jahr zunehmenden Trockenheit und der
damit verbundenen Verödung deH Lindes, wobei nach be-
kannten meteorologischen Erfahrungen an die Stelle der
fließenden Gewässer (Ghujül) mächtige, verheerende Gieß-
bäche (Sujül) treten, welche allerdings auch die Dämme
zu durchbrechen vermögeu — , zog der König ’Amr Mu-
zikija ibn ’Amir mit es sama mit soinon Kindern und sei-
nem Kriegsvolke Azd von Mürih aus und wandte sich zu-
nächst gegen das W. Saham und El Ilakl. Der König
sandte seinon Verwandten 'Amr ol Maliern zu Semlaka bon
Habüb, dem König von ’Akk, mit der Bitte, zu gestatten,
daß dio Neuangekommenen auf einige Zeit in sein Lind
hinabsteigen dürfen. In einer großen Volksversammlung
in ‘Akk setzte es Semlaka durch , die Leute für die
Fremdlinge zu stimmen. Dio Ghassünidon (d. h. dio Loute
des ’Amr Muzikija) bezogen hierauf den westlichen (untorn)
Teil des W. Salmm. ’Amr ben ’Amir schickte seine Söhne
nach verschiedenen Richtungen des Lindos aus, teils um
Pferdo einzukaufen, teils zu andern Zwocken; doch als sie
zurückkehrten, war ihr Vater beroits gestorben. Ihm folgte
auf dem Throno dor Ghassaniden sein Sohn Tha’lnba el
’Ankü (der Stammvater der Khazradjiten und Ausiten).
Djaza’ ibn Sinün von den Angehörigen des Hüritlm ibn
’Amr stachelte den neuen König auf, von 'Akk den obern
Teil des Wadi zu verlangen, wolches Verlangen dio ’Akki-
ten abschlugen. Durübur kam es zu Streitigkeiten, wobei
Zauba’u, ein Neffe des glmssanidischen Königs, den König
Semlaka erschlug. Auf diesen Vorfall hin fand eine blutige
Schlacht statt, welche ungünstig für Ghassün ausfiel. Auf An-
raten seiner Brüder wandte sich Tha’laba mit einem großen
Teil soines Volkes nach Hamdün (wahrscheinlich in die Gegend
der MasAna’aberge, deren höchster den Namen HadhOr beni
Azd führte, und etwas später von hier längs des Kummes
des Serütes oder vielmehr längs des Ostabhaugos des Se-
40
Von Hodeida nach §an’ä.
rAts gegen N). Nur KhajjAn 'Abs und BaulAn blieben im
Hakl und im W. SahAm zurück (iro obern Teile), wo sie
auch noch zur Zeit des Verfassers ihren Wohnsitz hatten.
Diesen Teil dos Lundes uannte man speziell Ardh GhassAn.
’Abs el Azd und Itaulun el Azd werden iti der Genealogie
als ’Abs, Gefährten des HAritha ihn MAdin ibn el Azd be-
zeichnet. Sie wohnten in dieser Gegend , bis Kuleib und
Muhalhal, zwei Nachkommen des Hain’» ibn ol HArith ibn
el Murra ins W. SahAm, in Mahdjam und Li’sAu einfioleu
und das Land eroberten.
Muhalhal bcu el Fajadh war ein grolser Bedrücker des
Landes und aller Stamme des W. SahAm. Ihm gehörten
die drei Burgen: Asjah, TafAr el Wadiein und Na’tnan,
welche auf einem und demselben Borge im Lande GhassAu
gelegen sind. Niemand vermochte diesen festen Schlössern
etwas anzuhaben wegen des grofsen Mutes und der Aus-
dauer ihrer zahlreichen Krieger von Bakr und Taghlib
beni WAU. Als Gott. Muhalhal und sein Volk züchtigen
wollte, liefs er den unter dem Namon Harb el Basfts be-
rühmten Krieg Uber sie hereinbrccheu , dessen erste Ur-
sache die Tötung dos DjasAs von Kuleib war. Ohne der
nun folgenden genauen Beschreibung dieses Krieges und
den darüber mitgoteilten Gedichten zu folgen, genüge es
uns zu bemerken, dafs nach 40 Jahren der aufreibondston
Kümpfe und Feindseligkeiten ein Nachkomme des bereits
oben erwähnten Königs von MArib, nämlich Hudjeiri ibn
el Hudjeira es SAmi ibn el Hadjr ibn ’AmrAn ibn ’Amr el
Muzikija ibn ’Amir mA es SamA ibu HAritha ibn Amri ol
Kais ibn Tha’lab &c., bis auf Kalitan ihn Und aus Sam
vom Serat des HidjAz kommend, ins W. Saliani einfiel,
unterstützt von den BenS Majar und den seiner Zeit zurück-
gebliebenen GliassAniden , seinen Verwandten. Muhalhal
wurde geschlagen und flüchtete sich zu den Ahl Djanab
im Lande Madliidj. El Huiljeiri nahm Besitz vom Lahde,
welches sich vou El Ma’kAr (in der Nähe des Karjat ol ’Adija
im W. SahAm) bis TafAr und westlich und östlich davon
ausbreitete. Die Nachkommen Hudjeiri’s des] GhassAniden
blieben im Besitze dieses lamdes vou der letzten Zeit der
DjAhilija (vormohammedanische Zeit) bis zur Zeit des lrnüm
Saraf ed din, wo sie dasselbe vcrliefsen. Ihre Nachkommen
lohen noch heute im Dorfe BurhAn (Beni Hasan).
An einer andern Stelle derselben Handschrift, wo der
Autor ausführlich die Genealogie <1ob Djofnu (von GhassAn
el Azd), des Djtibala ibn ol Eiham und dos GhassAn el Azd
bespricht, wird gewisser Bedenken andrer Autoren erwähnt,
wolohe den Wohnsitz der GhassAniden ins Gebiet zwischen
dem W. Zobid und dom W. Kimn’ verlegen. Einzelne Ab-
teilungen der GhassAniden haben diese Gegend gewifs inuo-
gehabt. Wadi Zeinak und W. Zaum der europäischen Au-
toren (s. Ritter I, 109) sind also nichts weiter als falsche
Lcsarton vou W. Zebid und W. Rima’, was bei südara-
bischen Handschriften, welche bekanntlich nur äufserst sel-
ten die diakritischen Punkte besitzen, leicht passieren kann.
Auch HamdAni sagt in seiner Djezirat el ’Arab bei Be-
sprechung des W. Rima’, dafs an seinem untern Teil ein
Wassorort GhassAn genannt, wird. Das wäre also etwa in
der Nähe von Beyt el Faklb zu suchen. Unser Autor sagt
ausdrücklich, dafs einige Stämme von Azd, und zwar speziell
die Beul Djofna, dio Gewohnheit hatten, sich bei einem Wasser
zu versammeln, und erzählt darüber eine hübsche Geschichte
aus MArib, welche den Grund dafür bilden soll. Diesen Ge-
brauch und nicht den Stamm selbst nannte mau GhassAn.
Wir waren also in der Lage, den Bewegungen der
GhassAniden, welche bekanntlich später auch im Jemen
wieder eine grofso Rolle spielten (die Beui Rasftl und andre
waren GhassAniden), in ihrem eigentlichen Stammlande ein
wenig zu felgen. Die weitere Geschichte dieses interes-
santen hinvjarischen Stammes, welcher bekanntlich zu An-
fang des 3. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung ein
selbständiges Reich gegen Syrien hin grüudete , geradeso
wie ihre Stammesgenossen (die Haifa oder Hira) in der
Nähe von Kftfa (als Grenzreich der Sassantden) und zahl-
reiche andre sUdarabische Stämme, welche nach verschie-
denen Gegenden ausgewandert sind, fällt nicht mohr ins
Bereich unsrer heutigen Betrachtungen. Es genüge hier
die Bemerkung, dafs wohl schon lange vorher das hoch-
zivilisierte Volk der Sabäer und der Himjaren auf der ara-
bischen Halbinsel kolonisatorisch aufgetreten sein mufs (siehe
die von Huber und Euting in Nordarabien gefundenen bim-
jarischen Inschriften, denen bald andre aus ganz verschie-
denen Gegenden folgen werden), und dafs man sowohl hier
in Siidurabieu als auch in den andern Teilon der Halbinsel
noch zahlreiche Spuren dieser interessanten Vergangenheit
entdecken wird. Ich seihst besitze in meiuor Bibliothek
einige alte Handschriften, welche weit mehr als dio bereits
eingehend citierte ein erfreuliches Streiflicht auf diese Fragen
werfen werden, sobald ich nur Gelegenheit haben werde,
sie den Orientalisten von Fach zur Benutzung auzubieten.
Ich hoffe, falls ich nicht wie bisher von seiten der euro-
päischen Gelehrtenwclt obno Unterstützung bleibe, oin ge-
radezu erschöpfendes Material znr Aufklärung der Verhält-
nisse dieser längst entschwundenen Zeilen, sei es durch
meine eignen Forschungen, sei es durch Ausspiirung von
für unsre Zwecke wertvollen Handschriften zu liefern; ich
erfreue mich des uneingeschränkten Vertrauens zahlreicher
arabischer Gelehrten und Stammeschefs, welche mir bezüg-
lich der Bücher, dio sie vor andern Leuten sorgfältige! ver-
bergen, keinerlei Schwierigkeit in den Weg legen.
Es leben noch heute zahlreiche Nachkommen des Hud-
jeiri im .Temen, so;
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Vou Hodeida nach f?an'a.
41
Die Heul Hasan b. ‘Alt b. Kasim gemeinschaftlich mit
den Beni Hä^jir in BurbAu.
Die Beni IlewA’ und Beni FarAä auf dem Dj. Sark.
„ „ Djureif in Reda Aäjah.
. „ Sa’td in Ruzwa. Zu diesen rechnet man auch
den Beduinentribus der Boni Djaäftä im Ferä, im W.
SahAm und im W. ’Airln.
Desgleichen erwähnt unser Autor zahlreiche Orte und
Ruinen, welche den GhassAnidon gehurten, so :
Nlenkir und Rukhmnn im Ferä, zwisohen Beni Mnfar,
Sanhän und Beni Suweid.
Ma’kar im unteru Teile der Beni Suweid.
El MuknA|tja.
Djerftja j
Haruzl im WAdi ’Airin im Gebiete der Bent Suweid.
Mn’rner >
Aijah und TafAr im obern Teile der Beni Suweid.
El Khaxa’tja im W. ’AäAr (im Lande ’Afiä).
El ’Ukur, ein Ort im Ferä, wo nach der Lokaltradition
dio aus dem Basftskriego bekannte Kamelin Sarah ge-
opfert worden soin soll.
Es Sauda in der Nähe des Karjat el ’Adtja, mit Ruinen
aus der Heidenzeit.
El Ku(Ana, Ruine, im untern Teile des Hak) SanhAn.
BurhAn mit dem berühmten Friedhof, genannt Mäkbarat
Semsuu.
Kedna im westlichen Teile des Hnkl SanhAn, hochgelegen.
Djawwa el Karlf, im obersten Teile des Hakl, schon
ans Biläd el Maära’a angrenzend.
Mulja mit dem Grabe von ’AbbAd, das von den Beduinen
stark besucht wird.
Sok el Mesulika, auch im Hakl und zahlroicho andre.
Ich habe diese Gegend , dio ich bisher nur aus aller-
dings sehr verläfslichen Erkundigungen kenne, nicht in
meine Karte aufgonommen, da ich godenke, sie in der näch-
sten Zeit zu boreisen.
Heute wird das Ferä zum gröfsten Teile von den Bent
Suweid bewohnt (zu denen in alter Zeit auch die SabAg-
htn in NabhAn in Beni Matar, die Beni SajAr, das W. TA-
lok und die Einwohner de« Belod ’Otuma, welche aus Bur-
bAn stammen sollen , gehörton). Das Land der Bent Su-
weid wird zu Anis gerechnet und hatte zur Zeit des Ver-
fassers der in meinem Besitze befindlichen Handschrift
folgende Ausdehnung: im W. Snhüm vom Hakl angefangen
bis Täht und Wadi Skei(i, grenzt es an das Gebiet der Beni
Maptr und an das untere SanljAn. Die Beni Suweid gliedern
sich in zahlreiche Unterabteilungen (Al 'Abid, Ahl Nafi? &c.),
welche jedoch über ihre Abstammung nicht recht im rei-
nen sind. Die einen glauben , sie stammen von KhaulAn
ab, die andern behaupten, aus dem Norden (wohl mit den
l’tirrmanns Gfo-r. Mitteilungen. 1886, Heft II.
Ghassäniden) eingewandert zu sein iScc. Mit den Bewoh-
nern von Sanhän leben sie seit Jahrhunderten in Blutfehde.
Ihr Hauptnahrungszweig ist heute der Holzverkauf;
mau sieht sie beinahe jeden Tag mit schwer beladenen Ka-
melen durch die Strafsen von San’A ziehen, wo sie ihre
ärmliche Ware anhieten. Ihr Land wird gegenwärtig all-
gemein gemieden, angeblich der grofsen Unsicherheit wegeu,
welche daselbst herrscht.
Nach diesen Abschweifungen , welche indessen einiges
Lieht auf eine sonst gar nicht bekannte Gegend geworfen
habon dürften, nehmen wir unsre Wanderung wieder auf.
Donnerstag 5h 45m morgens bestiegen wir in Sük el
Khamts unsro Maultiero. Um 6b 20m erreichten wir die
Höhe des Dj. ManAr und stiegen an seinem Nordwestrande
empor, wobei uns der Ausblick in das gleichfalls in der
Richtung gegen Meftiak abfliefsende Thal der Bont Sulei-
rniln (das linke Ufer dieses Wadi heilst Mikhl&f) gestattet
ist. Dahinter bemerken wir wieder einen Bergzug, gleich-
falls in derselben Richtung. Um 6h 50m haben wir deu
höchsten Wegpunkt des Dj. ManAr erreicht (2610 ni),
während der Borg selbst noch etwa 80 m höher in die Lüfte
ragt. Hinter diesem Berge (liefst das mächtige Wadi ’Abd
el Hak nach Osten, später nach SE undS. Es gehört gleich-
falls zu Mikhluf und mit diesem zu Mefjiak. Das linke
Ufer dieses WAdi gehört bereits den Bent Matar. Wir
steigen nun zwischen W. ’Abd el Hak und W. Bent Sulei-
män hinauf, bis wir an eine Stelle kommen , wo sich diu
beiden Köpfe der Wadis geradezu berühren. An der Spitze
des erstem befindet sich die Burg und das Dorf KamlAn,
welches auch dem obern Teile des Wadi seinen Namen
gibt, während das Dorf Beyt Salome ca 800 m westlich
von KamlAn sozusagen in beiden Wadis gelegen ist. W. ’Abd
el h*k gibt sein Wasser an das W. Saham ab. Hinter
seinem linken Ufer beginnt bereits das oft erwähnte Ferä.
Zwischen Kamlun und SalAme stofsen wir um 7h 3öm auf
eine Quelle mit frisohem Wasser. Dio Gegend hier führt
den merkwürdigen Namen $alAb Fir’aun (Brachfeld Pha-
raos). Immer noch aufsteigend, erreichen wir um 8h 4nl den
höchsten Wegpunkt dos Karn el Wa’l (2756 in), von wel-
chem wir ins W. Sabäha hinabsteigen. Dieses Wadi (liefst
zunächst gegen N, wendet sich jedoch später gegen E nach
Bau’An, von wo es ins Ferä abfliofst. Um Bau An zu erreichen,
ziehen wir es vor, dom genannten Wadi nicht zu folgen, son-
dern übersteigen einen kleinen vorliegenden Bergrücken, des-
sen ’Akabe uns nun 8h 45m direkt nach dem „grofsen Markt “
hinabfuhrt, der nicht ganz 200 m tiefer liegt, als die Sattel-
hohe des Karn ul Wa’l. Man denke sich zwei oder drei Reihen
von vcritablen Hundehütten, in diesen an Markttagon feil-
schende Arabor in bockender Stellung, so hat man einen
Begriff vom „grofsen Markt“ von Ban’ An (2570 m Seehöhe).
6
42
Von Ho.deida nach Sana.
In Bauän wurde eine Tasse Kisclir genommen, da ich
die Absicht hatte , einen Führer für den Weg auf den
Dj. Hadhür Nebbi Su'aib unzunuhmeu. Ein Hirtenknabe,
der Jahro hindurch auf den Abhängen des Berges Schale
geweidet, schien mir der entsprechendste Führer zu sein.
• Allein trotz des für einen jemenischen Hirtenjungen bedeu-
tenden Trinkgeldes überlegte er es sich doch zuletzt an-
ders und lief» uns uin !lu 15 "'allein abziehen. Wir über-
schritten nun eine ganze Reihe von Wadis, welche, insge-
samt vom Bergriesen Hadhür kommend , nach SE gegon
das Land der Benl Mutar und ins Fcrä abfiiefsen. An der
Spitze des erston Wädi liegt das Dorf Beyt Mahdhai. Wir
gehen zwischen ihm und Beyt el Knramänl, welches rechts
vom Wege bleibt, hindurch. Dann folgt ein Wädi mit
einem Säde-Dorf, namens Tuliär oder Dhubär au seiner
Spitze, welches wir links liegen lassen. Dieses sehr tief
uingeschnitteuo Wädi ist an der Wegstelle mit einem hüb-
schen gotischen Bogen Uberbrückt. So gelangen wir um
10h 30m vormittags nach Jäzil, welches gleichfalls an
einem Wädi gelegen ist, das wio die frühem immer den
Namen des bedeutendsten an ihm gelegenen Ortes führt.
Von hior würde der Weg direkt nach Metne führen: da
ich jedoch schon in Jäzil einen Führer fand, so unternahm
ich von hier aus den übrigens auch kiirzern Aufstieg.
Da die Bevölkerung dieses Berges nie einen Fremden,
ja nicht, einmal einen Türken in ihren Dörfern gesehen,
so hielt ich es fUr angemessen, gewisse Vorsichtsmafsregeln
zu treffen. Meine englische Korkpickclhaube wurde schnell
mit einer Sclmmla bedeckt, und dem Diener der Auftrag
gegeben, im Falle der Entdeckung dieses Abzeichens des
Europäertums einfach zu sagen , dafs dieser Apparat dem
Efleudi als Heservesonnenschirm dient. Ich selbst erhielt
den Namen Sä'ib Elfendi, ein neunngekommener, frommer
Beamter, welcher vor dem Antritt seines Dienstes das Grab
des Propheten Su’aib ibn Mahdam besuchen will. So ritten
wir durch das W. Sanaf , welches in seinem obern Teil
W. Kults heilst, hinauf gegen den Dj. Dhahjän, auf welchem
ich alte Ruincu , nämlich die der Stadt oder des Dorfes
Dhahjän, erblickte. Noch ein andres Wädi, das W. Naktb,
vereinigt sich von links her mit dem W. Kalis. In allen
diesen Flufsthülorn wird Khardal (zur Ölbereitung dionond)
gesäet. Bald nachher gingen wir ins tiefe W. E Dhulu’cin
über, welches scheinbar nach E abfliefst. In diesem W.
liogt Beyt Kuhaim aus nur wenigen Häusern bestehend, an
denen wir vorüborziehon. Um 12h 30m erreichten wir EI
Karja , d. h. „das Dorf* , wo wir direkt auf das Haus des
’Akil lo8stouerten. Leidor trafen wir nur dessen Sohn, der
indes so freundlich als nur möglich war, als er von dem from-
men Zweck meines Besuches hörte. Bald war dBS ganze Dorf
um uns versammelt. Du ich noch an domsell>en Tage nach
Metne hinabsteigen wollte, so schlug ich das Anerbieten
der Einwohner, ein wenig auszuruhen und Kisclir zu trinken,
rundweg aus. Mein Diener hatte Geistesgegenwart genug,
um den Leuten als Grund meines Refus zu sagen, dafs ich
noch das Mittagsgebet (Tnhr) am Grabe des Well (Heiligen)
verrichten möchte. Ich liefs meine Maultiere und meinen
Diener im Kurjo zurück , ihm den ausdrücklichen Auf-
trag gebend, das Gepäck nicht abzuladen . bis ich selbst
I wiederkomme. Ich befürchtete ganz einfach, dafs beim
Abladen der englische Hut zum Vorschein kommen könnte.
Mit dem Polizeisoldaten und meinem Führer erkletterte
ich nun die höchste Spitze (Dj. Kähir oder Dj. Beyt Khau-
län) des Berges, auf wolchem sich die berühmte Grabmo-
schee des Propheten Suaib , eine3 angeblichen Schwieger-
vaters Moses’, befindet. Bei der Moschee gibt es nur vier
oder fünf kleine Häuser, deren Einwohner vom Wakf der
Moschee und den Spenden der frommen Besucher und Be-
sucherinnen leben. Letztere fehlen niemals, da sie diesem
Heiligen, sowie ich das noch überall gefunden habe, ge-
wisse Fähigkeiten zuschreihen. Ich fand denn auch den
grofsen Vorhof der Moschee dicht boset.zt mit zumeist
jungen bildhübschen Frauen, die sich sofort verschleierten,
als sie mich erblickten. Der „erste Türke“, welcher be-
hufs einor Zijäre (Hciligenhesnch) auf don Berg kum, war
denn auch dor Gegenstand des allgemeinsten Anstaunens,
ja man wisperte sogar, dafs ich einor von den braven Tür-
ken sein müsse, da ich sonst trotz meiner Frömmigkeit die
Strapuzun dos Aufstieges gescheut hätte. Die Moschee
wurde sofort geöfluet. Ich legte meine hohen Boiterstiofol
ah und wenige Augenblicke nachher stand ich in einem
duukicu Kaum vor einem niedrigen Grabmal, das mit zahl-
reichen buntgefiirbteii Tüchern überdeckt war. Ich bewun-
derte und achtete in diesem Augenblick die naive Gläubig-
keit der Menschen, denn meine bisherige Erfahrung hat
mir noch immer bestätigt, dafs die in Ergebenheit und in
Demut Glaubenden bessere und. edlere Menschen sind, wc-
iniggteus ihren Glaubensgenossen gegenüber, als die Wissens-
stolzen.
Ich sprach beim Grabmal eine kurze Segensformel, be-
sichtigte hierauf das Grabmal an allen Ecken nnd Enden,
ohno jedoch irgend etwas Antikes zu finden, und hegab
mich dann auf die Terrasse der Moschee, um den herr-
lichen Rundblick zu geniefsen , den man von diesem nach
meiner Messung 2985 in hohen Bergriosen haben kann.
Da mein Aneroid nur bis 580 mm eingeteilt ist, so bin
ich nicht ganz sicher, ob kleinere Prossionen mit Verläfs-
j lichkeit gomessen worden können , zumal sich auch bei
derartigen Bergbesteigungen stets Unregelmäßigkeiten um
| Aneroid ergeben. Mit Rücksicht darauf, dafs der nicht gar
weit entfernte Dj. Hadhür es Seikh (Hadhür beni Azd oder
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Von Hotleida nach San’n.
43
auch HadhOr ul MasAna’u) seiner Zeit von mir zu 2945 m
bestimmt wurde, ein Berg, der weit niedriger zu sein
scheint als der I)j. HadhOr Nebbi Su’aib, bin ich trotz der
Messung doch der Ansicht, dafs dieser letztere eine Höhe
von mehr als 3000 ra, etwa 3150 m besitzt. Denn wie
eine I/uidkarte liegt ganz Jemen vor uns; nach allen
Seiten reicht der Blick bis an die entferntesten Borgspitzen
des Landes. SJan’A (2210 in), Dj. XukOin (2700 ro), I)j.
Barras (2735 m), I)j. Dhin (2033 in), KuukahAti (2005 ra)
und zahlreiche andre Berge liegen förmlich zu unsern
Felsen. Ein eisig kalter Luftzug von allon Seiten zwingt
uns , die wir noch erhitzt, und in Schweifs gebadet sind,
ein Weilchen beim Kischrtopfe hinter einer Mauer Schutz
zu suchen. Als wir wieder auf dio Terrasse zurück*
kehrten, stiegen auch schon dio hier eine alltägliche Er-
scheinung bildenden Sukheimüni oder ’Urnma herauf,
welche genau bis zum Kamin des Gebirges Vorschriften
und die ganze westliche Seite nach uud nach iu ein dichtes
Wolkenmeer hüllen , aus welchem kaum hier und da für
einige Augenblicke die höchsten Bergspitzen hervorragen.
Das Schauspiel war, so störend und unangenehm es mir
auch kommen mochte , dennoch von großartiger Pracht.
Dieser Berg, dann der Dj. Sahara und Dj. Kanin (Müller
schreibt Kinunj sollen nach der Behauptung der Araber
bei der grofeen Sündtlut allein mit ihren Spitzen Über den
Meereswogen erhaben gewesen sein , HadhOr jedoch alle
andern weit überragend. In der That ist der Berg so
hoch, dafs es hier boinahe jeden Winter schneit. Im
verflossenen Winter — so erzählten mir die Einwohner —
konnten die Leute acht Tage hindurch ihre HäiiBer nicht
verlassen, da der Schnee meterhoch gelegen hübe. Xiebuhr
und nach ihm Karl Bitter stellen dioscs mit Unrocht in
Abrede. Ich habe in weit tiefer gelegenen Partien dieses
Gebirges in den Monaten Dezember und Januar sehr häufig
Temperaturen von 2 — 3* Celsius unter dem Gefrierpunkte
beobachtet, und Eis gehört selbst in §an’ä in den genannten
Monaten zu den täglichen Erscheinungen , selbst wenn die
Temperatur nicht bis auf 0* gesunken ist. Ja, die grofse
Trockenheit des OstscrAts und die damit verbundene aufser-
ordentlich starke Verdunstung bringt es mit sich, dafs
selbst bei Temperaturen von 3 — 4* über dem Gefrierpunkt
— einmal beobachtete ich dies sogar bei + 8* ('. —
sich Eis bildet, besonders im Freien, wo die trockene Luft
ungehindert über die Wasserfläche streichen kann. Würde
es in den kalten Monaten Niederschläge geben, dann würde
das ganze Gebirge von Jemen den schneebedeckten Gipfeln
des Libanon oder der Alpen gieichon. Allein die Zeit der
Niederschläge (Regen uud sohr viel Hagel) fallt im jemoni-
•chen Gebirge auf die Monate März — Mai und dutin auf
die Monate Juli, August, September, welche allein eine
gewisse Feuchtigkeit aufweiseu. Die Wintcrmonute, wenn-
gleich kalt, sind doch aufserordeutlich trocken und bubeu
im OstserAt nur ausnahmsweise Niederschläge, welche im
HadhOr stets die Fonn von Schnee haben. Auf diesem
Berge jedoch bringen auch dio SuklicimAui Schnee, welche
eben gerade bis hierher reichen. Ähnlich dürften sich
die Verhältnisse auf dem Dj. HadhOr es Seikh und an-
dern hoben dem Gehirgskamme entsteigenden Spitzen gestal-
ten. Doch haben wir vou dort keine direkten Nachrichten.
Die höchste Spitze des Dj. HadhOr Xebbi Su’aib heifst,
wie bereits eingangs bemerkt, Dj. KAhir oder Dj. Beyt
KhaulAn. Etwa 600 m westnord westlich davon liegt eine
andre fast genau gleich hohe Kuppe, welche Dj. ’Vzziin
heifst uud altes Gemäuer zu besitzen scheint. Genau im
W meines Standpunktes rag» der näher gelegene Dj. Dliähah
empor, und otwa 800 in südwestlich vom KAhir
der Berg El MansOni, welche alle annähernd gleiche Höhe
habou. Im WSW, ca 2 — 3 km entfernt sieht, die Spitze des
Dj, Ghuraz hervor, im S der bereits erwähnte Dj. Dhabjän
und zwischen diesem und dem KAhir der Dj. ZA’le. Im NW
des Berges dohut sich die KA'a Mcni aus, in deren Hinter-
gründe das Dorf Dja’lal (Müller hat Ma’lal) liegt. Ein Dorf
Beyt Ma’din (sollte dies MAdin sein?) liegt hinter dem
Dj. Ghuraz und gehört schon zu Haiura. Östlich vom
Karje wäre noch das Dorf Rakb oder Rakab zu erwähnen.
Eine ganze Monge von Thalschluchten durchfurchen den
• Berg nach allen Richtungen , und man kann vom Had-
hOr sagen , dafs er Wasser nach allen Weltgegenden aus-
sendet: in den Djöf (KliArid), ins W. Surdud und ins
W. SahAm. Eins von diesen WAdi», welches zwischen
dem Dhabah, ’YzzAn und Kühir entspringt, führt den bibli-
schen Nnmen W. DAud und weiter unten den nicht minder
Iahen Namen W. JAzil, der bisweilen in den himjarischeu
Inschriften erwähnt wird. Vor JAzil zieht sieb längs dos
rechten Ufers dieses Wadis der Dj. Meihe und dann der
Dj. Taklda bin, welch letzterer bis zum Dorfe ’Asfur reicht.
Nach der Tradition der Aratier soll auf dein Dj. Had-
hOr der Prophet Su’aib, welcher den» in Unglauben und
Heidentum versunkenen Volk das Erscheinen des Islams
voraussngte, von seinen eignen lauten erschlagen worden
Isein. Gegenwärtig betucht man den Berg am letzten Tag
des Monates RamadbAn und am ’Arafat-Foste, wo die Araber
grofse Festlichkeiten veranstalten.
Nach ziemlich raschem Abstieg erreichten wir um 3b 15™
nachmittags das Haus des ’Akil, wo wir die gesamte Ein-
wohnerschaft des Dorfes versammelt fanden. Allo Welt
beglückwünschte mich und drängte sich um meine beiden
Begleiter, um zu erfahren, was der Eflendi alles am Grabe
des Propheten gemacht habe. Das wurde ihnen denn auch
im Detail erzählt. An mich selbst richtete man sofort die
6*
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44
Von Hodeida nach Sau’a.
Frage, ob ich noch rechtzeitig zum Mittagsgebete eingetrotfen '
sei, was ich unter dem Ausdrucke meines gröfsten Bedauerns
verneinen mufste. Nicht einmal der Wunsch, wenigstens
das ’A?r-Gebet (in der Mitte zwischen Mittag und Sonnen-
untergang) am Grabe des Heiligen zu verrichten , sei mir
gegönnt gewesen ; deun schon sei der Prophet gnädig genug
gewesen , indem er mächtigen Donner rollen liefe, sicheres
Yorzoichen des von der Bevölkerung mit Sehnsucht er-
warteten Regens. In der That begann es bereit« zu
tröpfeln, und wir beeilten uns, so schnell als möglich
das vorbereitete Mahl einzunehmen. Mein Diener, der
wegen meines langen AushleibenB doch abgeladen hatte,
war moincra Aufträge hiusichtlioh des nun wirklich ent-
deckten Korkhutes nachgekoramen. Die Leute fanden das
sehr natürlich und bedauerten obendrein den armen Effendi,
dafs er von der Sonne so viel leide , er , der doch ein
radjol mu-min, ein gläubiger Mann, sein müsso. Durchs
W. Siräre stiegen wir sodann nach Metno hinab , vom
halben Dorfe begleitet, das ob des vermeintlich infolge
meines Besuches eingetreteuuu Rogens dankend gen Himmel
blickte uud mir zu wiederholten Malen versicherte, dafs ich
fi sakhsi mubärak , d. h. in meiner Person gesegnet und
gottbegnadet sei. Um 6b abends waren wir schon in einer
Scmsera in Meine oinquartiert.
Metne, von den Türken Khan Simm Paia genannt, be-
sitzt ein grofses kreisförmiges Wasserbassin und eine allen
Reisenden unentgeltlich zur Verfügung stehende grofse Her-
berge aus mächtigen Quadern , angeblich von SinAn PaSa
erbaut. Der Ort, auf dem Rücken des SerAt gelegen, hat
nach meinen Messungen eine Seehöhe von 2609 m. Hior
kam dein Missionar Wolf! „der erste Schwarm der Rehabitcn-
reitorei mit furchtbarem Geschroi : ,Hu! hu! hu!* entgegen.
Ich hielt ihnen meine Bibel vor und stutzend hielten sie
still und riefen: , Ein Jude! ein Jude'*“ Daun stiogen allo
von den Rossen ab und Wolff erzählte ihnen, dafs er vor
12 Jahreu einen ihres Stammes mit Namen Mosa in Me-
sopotamien (!) gesehen habe. „, Reifst du Wolff?* (!) ,Ja!‘
Sie umarmten mich ; sie besafsen die Bibel noch , die ich
jenem eiiiBt geschenkt.“ Nun war der Missionar ihr Gast-
freund und lornto diesen merkwürdigen Tribus als „die
treuen Nachkommen des guten alton Vaters Jonadub, dos
Sohnes Rehub kennen, die sich rühmten, dessen Gebote zu
halten bis uuf den heutigen Tag“. Allein es kum noch
besser: denn Ritter sagt: „Nach Wolff befanden sich unter
ihren Gefährten auch andere Kinder Israols vom Tribus
Dan, die zu Terim in Hadhramant ihre Wohnsitze hutton“.
Schado, dafs der Missionar Wolff nicht längor im Jemen
geblieben ist, uud dafs andre Reisende Gelegenheit fanden,
nach ihm das Land zu bereisen, und wie speziell ich(
selbst in das Gebiet der Arbub, dieser „treuen Naclikom- 1
kommen des guten alten Vaters Jouadab“, einzudringen,
wo der ganze Humbug des Missionars iu sein Nichts zer-
stäubte !
Um Metne dehnt sich die sogenannte KA’a Sahmün aus
und südsüdwestlich das Gebiet von El Hatäb. Die Dörfer
Kadaf (auf dem Dj. el Hazze, welcher dem gegen die Spitze
dos Hadhfir sich hiuziehenden Dj. el M’äzib |Ma’azib) vor-
gelagert ist) , Boy t Kähin , Dä’or , Masjab , Sahmün (auch
Mirrib), Beyt Radam und Beyt Mahdam, welcho alle auf
diesem Plateau gelegen sind , habe ich in meiner Karten-
skizze verzeichnet.
HamdAni leitet den Namen dieses Gebiotes von Hadhür
ben ’Adi ben Mälik her und rechnet die bereits früher er-
wähnten Gebiete von Haimet od dükhilija, ferner das Be-
led el Akhrüdj, Huld Sahmün, Dju’lal und WAdlii’ dazu.
Bevor wir dieso Gegend verlassen, wollen wir noch
einige Worte über die den Alten bekannte Geographie des
von uns durchzogenen Landes verlieren.
Da haben wir besonders Claudius Ptolomäus, welcher
vortreffliche Nachrichten Uber Arabien gibt, die richtig zu
deuten allerdings auch noch heute aufserordentlioh schwer
ist. Die Behandlung der alten GeogTaphie des Jemen, so-
weit sie uns durch die antiken Schriftsteller, wie Ptolo-
mäus, Plinius, den Poriplus des orythräischeu Moores und
andro überliefert worden ist, einer speziellen Arbeit vor-
behaltend, wollen wir heute nur das eine oder das andre
hervorheben.
Unter don Bergen dos glücklicheu Arabien nennt Ptolo-
mäus den Climax. Niebuhr vermutet bekanntlich, dafs dieser
Berg mit dem Nakil Samara identisch sei. Ich stimme
dieser Vermutung nicht bei, sondern glaube vielmehr, dafs
der SerAt AlhAn mit dem Monte Cliinace (ich citiere nach
der italienischen Ausgabe des Ptolomäus) zu identifizieren
ist. Ptolomäus sagt ausdrücklich: „Unter ihnen (den Mi-
näern) wohnen die Doroni und die Mocriti, dann die Sabei,
die Achiti auf dem Mons Climax“. Identifizieren wir die
Doreni mit den Do Ru’ain oder, was richtiger sein dürft«,
mit den Einwohnern von Ttlrüu und lassen wir die Mocriti
dort gewohnt haben , wo sio noch hout« leben
d. i. am linken Ufer des obem WAdi SahAm, und lassen
wir für die Achiti die Angehörigen deB weitverbreiteten
uud auch von mir heuto nachgowiesenen Stammes der ’Akk
gelten , so ist os nach don Nachrichten der von mir im
Laufe dieses Berichtes oft citierten Handschrift deB Melik
el aäraf, nach welchem dio ’Akk das ganze W. SahAm ein-
genommen habou, klar, dafs unter dem Mons Climax nur
der Borgzug zwischen TorAn und I^adhör Nebbi Su’aib
inklusive des Karn el Wu’l zu verstehen sei; umsomehr,
als auch anzunehmen ist, dafs zur Zeit der Himjaren der
Stamm ’Akk auch auf dem Rücken des erwähnten Berg-
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Von Hodeida nach San’ä.
45
zuges, ja noch etwas östlich landeinwärts gewohnt habe.
So heifst ein grofser Teil des Dj. Hadhür Su’aib auch heute
noch Dj. Za’le, fuhrt also den Namen eines gegenwärtig
in der Tihäma wohnenden (s. moine Karte) ’akkitischon
Stammes; auf der andern Seite sagt auch HamdAni, dafs
noch zu seiner Zeit die Gegend von Sinnetein (mitten im
himjarischen HAsid) von ’Akkiten bewohnt war. Erst nach
und nach mag dieser Stamm gegon die Tihämu vorgedrungen
sein, jedes von den Meeresfluton verlassene, uougobildete
Territorium sofort durch eine seiner Stammesabteilungen
oder (wie wir es im Falle der GhassAniden gesehen haben)
durch einen befreundeten Stamm besetzend. l)io ’Akk und
die Sabäer scheinen also ganz in Übereinstimmung mit
Ptolomäus Nachbarn gewesen zu sein ; den erstem gehörte
der Climax, den letztem die östlich und nördlich daran-
stofsenden Gegenden , wie speziell auch der Serät el Ma-
sAnn'a , dossen höchster Berg noch zu Hamdanis Zeiten
HadhOr beni Azd hiefs (heute HadhOr eS Seikh). In
der That findet man im Gebiete von IJadhOr Nebbi Su’aib
keine oder nur äußerst wenige hinvjarische Denkmäler, wäh-
rend man deren in gTofser Anzahl in den Masäna’abergen
trifft. (Ich erinnere nur an KauknbAn, ÖibAm AkjAn, Sirbab
{ Müller hat daraus Suraib gemachtl, Da’An, Sahir, Hind,
Huneide u. s. w.) Es spricht alle Wahrscheinlichkeit da-
für, dafs der Dj. HadhOr Nebbi Su’aib selbst der Climax
sei. Denn Ptolomäus sagt zum Überfluß, dafs (vom Innorn,
also südlich und östlich gorechnet) bis zum Berge Climax
die Rabaniti leben, was vollkommen stimmt. Die Rä(iabe
mit der in Ruinen liegenden Stadt RahAba ist bekanntlich
die große Ebene in der Nähe von San’A, welche sich längs
des KhArid östlich und nordöstlich der Bergkotto dos Had-
hür ausbreitet. Ein großer Teil des heutigen Belod Ham-
dÄu, das sich bis gegen den Dj. Hadhür hinzieht, gehörte
zu Rabübo. Auch wohnten die MAdin in der Nähe des
Hadhür, wenngleich nicht strikte, wie Ptolomäus angibt,
südlich davon („südlich vom Climax sind die Masoniti“).
In meinen spätem Publikationen über die Alte Geo-
graphie des Jemeu, zu welcher ich ein ziemlich umfassen-
des Material gesammolt habo, werde ich auch die Weih-
rauchfrage zu erörtern Gelegenheit finden, hinsichtlich deren
ich nicht nur einige äußerst wertvolle arabisohe Hand-
schriften erworben oder wenigstens zu meiner Verfügung
habe, sondern auch die Mühe nicht geschout habe, Samen-
körner der meisten im Jomen vorkommenden wohlriechen-
den Pflanzen und ferner Proben der verschiedenen als Weih-
rauch (bukbürAt) verwendeten Harze (wie LubbAu und Mirr)
einzusammeln , welche behufs Anpflanzung resp. Unter-
suchung schon demnächst nach Europa abgehen werden.
Da ich selbst nicht Botaniker bin , so will ich vor dem
Spruche der Fachmänner über diesen Gegenstand nichts
veröffentlichen, sondern mich vorläufig bognügen, meine
Erkundigungen über Benennung, Herkunft und Verwendung
dieser Pflanzen und Harze zu vervollständigen.
Es erübrigt uns nooh, einige Worte Uber den Ackerbau
im Gobirge und Uber die religiösen Verhältnisse der durch-
zogenen Gebiete zu sagen. Die politischen und Handels- Ver-
hältnisse sollen in dieser Abhandlung unbesprochen bleiben.
Im Gehirgo werden zumeist Körnerfrüchte augebaut,
darunter eine Art Weizen oder Korn, Burr genannt, einige
Arten Gerste (Sa’ir, Sakle und Semre), in den tiefem Par-
tien vorzüglich Dirre (eine gelbe und eine weifse Sorte) und
türkischer Weizen oder Maß (rümi). In den Thälern des
OstserAt findet man außer den verschiedenartigsten Obstsor-
ten auch vortreffliche Weinreben. Dort, wo genügend Wasser
vorhanden ist, erntet der Araber bisweilen viermal im Jahre
auf demselben Grundstück. Große Strecken dos Landes
jedoch, besonders im OstserAt, liegen der mangelnden Feuch-
tigkeit wegen völlig brach. Außer Talh, TAlok, Talib und
Daumbäumon kommt noch die Tamariske (athl) besonders
im OstserAt in kleinen , waldähnlichen Beständen und als
Feldereinzäunung vor. Dor Baum jedoch ist außerordent-
lich klein, und wird, wie die zahlreichen übrigen Baumsorten,
fast durchweg KrüppelgewächBe , als Brennholz verwendet.
Nur am Westabhang des Serät gibt es mächtigere Bäume,
dio vielleicht an die ubossinische Vegetation erionorn könnten.
Wohlriochonde Pflanzen (MaäAmiro) wachsen beinahe überall
wild, in einzelnen wohlbekannten Gegenden indes in größter
Üppigkeit und vorzüglicher Qualität. In den Gärten San’ As
werden zahlreiche Sorten besonders gepflegt (man nennt
liier die Gemüsogärtner Ka&äAmlu ; sie gehören zur Paria-
kasto, während eigentliche Gärtner im Gegensätze zu ihnen
freie Männer sind). Dieso wohlriechenden Pflanzen sind es,
welthc uns zum Verständnis gewisser Stellen im Plinius
und Ptolomäus verhelfen werden. Die Türken pflanzen überall,
wo sie festen Fuß fassen, Gemüse an, welches vortrefflich
gedeiht. Ohne diese Nahrung würden ihre Soldaten zu-
meist dem Skorbut erliegen. In Ermangelung von Ge-
müsen vornbreiobte man einmal den Soldaten sogar gewöhn-
lichen Luzernerklee, welcher im Lande in sehr guter Qua-
lität zu finden ist- Dieso Medizin hatte durchschlagenden
Erfolg, denn der Skorbut , welcher bereits an 2000 Mann
dahingerafft hatte, verschwand schon nach wenigen Tagen.
Was nun die ' religiösen Verhältnisse anbelnngt, so kann
ich mich mit wenigen Worten begnügen. In dor TihAina
wohnen Orthodoxo vom Sä'fal - Ritus , in den Bergen von
HarAz : SawAfa'a und IsmA’ilija (DAudija und SuleimAnija),
in der Gegend von §an’A Si’iten von der Zeidi -Sekte In
allen diesen Gegenden gibt es vereinzelt auch Sollten
(SilafA), ImAinija und EthnAäerija. Über allo diese Sekten,
verhältnismäßig wonig bekannt, wird uns eine Reihe von
46
Von Hodeida nach San’A.
Handschriften , welche ich erworben habe, bessere Auf-
schlüsse geben, als ich dies in einem ohnehin schon zu
lang gewordenen Reiseberichte thuu konnte. Vielleicht, ent-
schliefst sich der französische Akademiker J. Dorombourg,
welchem ich vor nun schon 2 Jahren einen eingehenden
Bericht über die religiöson Verhältnisse Südarahiens für
die Academie des Inscriptions et Beilos Lottres eiusandto,
diese Arbeit-, welche leider wio alle meine dorthin gesand-
ten (14) Berichte, Kartenskizzen und himjarischen In-
schriften (276) ihrer Bestimmung nicht zugeführt, wurden,
endlich der Öffentlichkeit zu Ubergeben. Vermischt mit
den Ismä'ilija und den Zujöd kommen auch zahlreiche
Juden vor und zwar in Sa’fun, Menäkha. in den Dörfern
bei Menäkha , dann ganz besonders in San’ä. Entgegen-
gesetzt ihren ahessinischen Brüdern tragen sie an keinem
Punkte des Landes Waffen und werdon allen Demütigungen
seitens der Arabor ausgesetzt. Ebeuso wie die Sabiior
und Himjaren seit den ältesten Zeiten nach Norden aus-
griffen und dort Kolonien anlegteu . buben auch die alten
Juden ihr Augenmerk nach aufseu, speziell nach Süden
gewendet, wo sie befreundete Königreiche wufsten. Es
scheint durchaus keine Fabel zu sein, dafs zahlreiche Juden
auf dem grofsen Handelswege im Innern der arabischen
Halbinsel schon zur Zeit Salomos bis nach dem Jemen
vordrangen , immer in Verbindung mit den ihnen befreun-
deten Sabäern und sich gegenseitig unterstützend. Die
ersten jüdischen Eiuwunderer, allerdings in unbedeutender
Zahl, dürften also vielleicht schon zur Zeit Salomos, das
Gros jedoch gewifs nicht viel vor 1200 Jahren ins Lund
gekommen sein. Vielleicht sind sie gerade den Ghassäni-
den nach dem Jemen nachgefolgt, ln den himjarischen
Inschriften , die doch bis zum 3. oder 4. Jahrhundert, der
christlichen Zeitrechnung hinnufreichen , Hilden sioli die
Juden ebensowenig erwähnt wie in den altern sabäischen
Inskriptionen. Sie scheinun nur iu kleinen Kolonien als
Handelsleute längs der bekannten innerarabischen Handels-
strafsen gelobt zu haben, welche ursprünglich ihren Haupt-
ausgang von Märih nahmen und sich von hier über Kedjrän
nach Lenkekome, Ghaza, an deu Euphrat, nach Bahrein
und nach einigen Küsteuplätzoii der hadhramantischcn Küste
hinzogen. Erst als die wichtige Route von Märih nach
Syrien aufgegeben und nach W ins Gebirge verlegt wurde,
kamen die Juden ins eigentliche Jemen, wo sie unter gün-
stigen politischen Verhältnissen durch starke Einwanderung
sich vormehrten. Gegenwärtig rücken sie sogar bereits
gegen die Tiliäma vor (Meuü'kha, Sa’fän , Dj. Burn’ u. a.).
Sie haben entgegen allen phantastischen Berichten niemals
eine Rolle gespielt und bieten nur die eine Merkwürdigkeit
dar, dafs sie iu der Aussprache des Hobräischen beinahe
vollkommen mit den sogenannten Aäkenezim (.luden Rufs-
lande , Österreichs und Deutschlands) Ubereinstimmeu , was
gelegentlich einmal spoziell besprochen werden soll. Auch
hinsichtlich der Juden ist ob mir gelungen, eine uralte ara-
bische Foliantenhaudsclirift in meinen Besitz zu bekommen,
welche wertvolle Aufschlüsse über die Juden und ihr Ver-
hältnis zu den verschiedenen arnbigehon Stämmen in Ara-
bien enthält, mit denen sie vor dom Auftreten Mohammuds
gemeinschaftlich wohnten. Leider fehlt der Name des Ver-
fassers dieser Handschrift. Erst, der Islam hat diese Ver-
hältnisse wesentlich geändert, und heute könnte man bei-
nahe sagen, dafs es für die jemenischen Juden ein Glück
wäre, wenn sie ein beredter Apostel entweder zum Christen-
tum oder zum Islam bekehren könnte. Die Türken und
die ihnen stets folgenden griechischen Kautleute, auch ein
italienischer Kaufmann in San’ä brauchen nicht speziell er-
wähnt. zu werden. In Hodeida leben auch einige Wania
(Banianen), drei oder vier Parsi und seit einigen Jahreu
zwei europäische Israeliten, der eine als Associe dos italie-
nischen Honorar- Konsularagenten, der andre ein aus Kon-
stantinopel eingewanderter Kaufmann. Dafs nebst diesen
auch noch andre Europäer sich in der Hafenstadt- nieder-
gelassen haben, versteht sich von selbst- Die meisten be-
treiben Kaffeehandel, einer auch den Export von Tierhäuten.
Die Bewaffnung der Gebirgsaraber bestellt zumeist in
alten Luntenflinten. Nur bei den mit reichem Pferdestand
gesegneten Stämmen (im Djüi) findet man die lange Lanze.
Aufserdem hat jeder Gebirgsbewohner ein gekrümmtes Gürtel-
messer (Djenbija) mit schön aufgeputzter Scheide. In
ihrer äufsorn Erscheinung unterscheiden sie sich wesentlich
von den Tiliäma- Arabern. Sie sind nicht, so dunkel wie
diese, sind kräftig gebaut mit vnllkomfnon europäischen
Zügen , lassen das fette, geradezu blauschwarze Haupthaar
in langen Locken herabwallen und tragen bauschige, stets
dunkel (mit Nil) gefärbte Blusen , iu der Studt auch eine
Ar» Hemd , gewöhnlich ursprünglich von weifser , jedoch
von dem abfürbenden Nil bald bläulich schimmernder Farbe,
welches durch den Gürtel zusannnengebalteu wird. Die Wei-
ber sieht mau gewöhnlich im blauen Anzug (Boiuklcider mit
etwus ongerm Gold- oder Silberrande bei den Knöcheln,
Jacken, vielfach verziert, Kopftuch), Leihhemden sind im
Lande nicht üblich, fu der Stadt hüllen sie sieb noch in einen
scheckigen Ijeinwaudüberwurf und tragen mit rotgefärbten
grofsmüchtigen Rhomben versehene Gesichtssohleier. Die
Kinder haben oft allerliebste Gesichtcbeu. Ihre Erziehung
ist, wie überall bei den Muselmännern, eine sorgfältige.
Die Kinder werden selbst bei den wildesten Kabllen an
Gehorsam gegen die Eltern und an Respekt vor Erwach-
senen gewöhnt. Mau wird mitten in Arabien , seihst in
der ärmsten Beduinongesellschaft niemals auf ein unschönes
Wort stofsen. Der Araber ist im allgemeinen aufserordeut.
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Von Hodeida nach San’S.
47
lieh sanftmütig, im Umgang und in der Konversation de-
likat und zuvorkommend. Was er in seinem Herzen birgt,
das weifs allerdings nur er und der Allmächtige. Man
kann deshalb nio mit vollem Vertrauen mit diesen I .outen
verkehren, so angenehm der Verkehr auch sein mag. Der
Südaraber hat hierin ganz und gar den Charakter der
semitischen Rasse, unterwürfig, heuchlerisch, freundlich und
ungeuohm , sobald er es mit jemand direkt zu thuu hat,
betrügerisch, falsch, verräterisch, sobald man den Rücken
gekehrt hat, und überdies rachsüchtig bis zum Exzefs und
grausam gegen jeden , der seine Interessen zu durchkreu-
zen gewagt hat , aber immer schlau , niemals mit offenem
Visier. Im Ilaudel ist der Araber, wie alle Semiten, von
Natur aus für die Übervorteilung des andern angelegt,
wobei ihm kein Mittel zu schlecht ist. Bestechung der
Beamten und Richter , falschen Eid und Zeugenaussage
scheint der Slidaraber gleichfalls von Sem , dom Sohne
Noahs, geerbt zu haben, im grofsen Ganzen also, wenn
man von dem Anstand im Umgang und von dem guten
Familienleben ahsieht, überwiegend unschöne Eigenschaften.
Der Stammesarabor orkennt ondgültig nur die brutale Ge-
walt un. Ist er im Kampfe besiegt worden, dann findet
er es ganz natürlich , sich in allem und jedem wie ein
Hund seinem Sieger zu unterwerfen. Dabei kennt er den
Begriff der Zusammengehörigkeit mit andern Stämmen nicht
im geringsten. Wio die Polen und die Juden, dio nur aus
der Feme für gewisse Dinge schwärmen , geraten sie so-
fort übereinander, wenn sic sich zu nahe kommen. Ja
seihst im eignen Stamme herrscht koine Einigkeit. Das
macht os denn auch dem jeweiligen Träger dor Gewalt im
Lande leicht , diese sonst nnbändigen Stämmo der Reihe
nach zu zähmen und zu unterwerfen.
Nun gehen wir an die letzte Strecke, die uns noch von
San'ü trennt:
Freitag den 1 . Mai, 6b 1 5m morgens, Imstiegen wir zum
letztenmal unsre Reittiere, denn nur noch 5 oder 6 Stunden
tTennen uns von San’ü, dem Throne Jemens (Kurs! ol
Jemen), wie cs die Araber nennen.
Der Weg führt anfangs fortwährend in der Ebone (Kü’a
Sahraan). An einer Stello reiten wir zwischen zwei Grab-
hügeln hindurch, wo im vergangenen Jahre zwoi türkische
Soldaten von Arabern meuchlings ermordet wurden. Bei
Mind beginnt der Abstieg auf die Ostaeite des Serät. Wir
gelangen in die Kü'a von Khsame und Mesüdjid , welches
ebenso wie dor östliche Abhang des Dj. Su’aib sein Wasser
ins berühmte W. Dhahr (.wa) sendet. Auch Ubor diesen
herrlichen Landaufenthalt der San’üner habe ich seiner Zeit
einen ausführlichen Bericht nach Paris geschickt , allwo er
verloren gegangen zu sein scheint. Gleich hinter Mind
fällt dem Wanderer ein mächtigor, losgerissener Felsblock
Iauf, in welchen ein grofses regelmäßiges Zimmer (djorf)
eingehauen ist, gewifs aus alter Zeit stammend. Die Ebene
von Mesüdjid liegt ca 110 m tiofer als der Bergrücken bei
Meine. Nach Khsüine treten wir in dio nach N steil ab-
fallenden Bergkotten von Rei’ün und steigen in einem Wüdi,
das nach Rei’ün abfliefst, ziemlich genau gegen E oder
ESE hinauf. Hier Btofsen wir auf einen alten Brunnen,
Bir ed Dafa. Dieses Wüdi geht auf dom südlich vom
W. Dhahr (zwischen diesem und San’ü) gelegenen W. Dhula’
und von hier wie das W. Dhahr in dio Rühahe (Khürid).
Wenige Minuten später gelangen wir in ein in der Rich-
tung gegen San’ü abfallendes Thal , das oinen förmlichen
Bergsturz vorstellt. Es führt von Beyt ’ Ad ran nach ’Asr
und von hier nach Su’öb , wo sich sein Wasser gleichfalls
mit dem aus San’ü und südlich der Stadt, kommenden Wasser
vereinigt, um in den weiter unten Khürid genannten Flufs
abzugehen. Endlich erblicken wir San’ü nach langer Ab-
wesenheit zum zweitenmal. Tief unten liegt sie vor uns,
dio ausgedehnte Stadt, inmitten einer weiten Ebene, überall,
besonders im N und 8 von einem üppigen Grün umgeben,
das nach der einen Seite bis nach Raudha , der Garten-
stadt sich hinzieht. Aus der dunklen Häusermasse Icuchtot
die in der Nähe meiner Wohnung befindliche Bakilimosohco
(die türkische Moschee) hervor mit ihrer weifsgetiinchten
Kuppel. rLü bud min San’ü, walau tül os safaru, sagt der
Araber. Das Herz erlaubt nicht, §an’ä auszuweichen, auch
wenn Umwege gemacht worden müssen. Wir steigen nun
freudigon und doch erwartungsvollen Gemütes in die Ebene
eine Stello passiorond , wo vor wenigen Tagen zwei Post-
kuriere von Banditen angefallen wurden ; die beiden Ku-
riere, wenngleich schwor verwundet, haben doch Wunder
der Tapferkeit verübt. Sie haben zwei von don Banditen
erschossen , darunter auch den aus meiner Reisobeschrei-
bung (von Arhab und Haäid) bekannten Hadjam aus Arliab,
welcher mich im vorigen Jahre an dem Besuche der inter-
essantesten Ruinen von Ätna (Etwa) und Rijam verhin-
derte. (Siehe Petermanns Mitteilungen Juni 1884.) Das
Dorf ’Asr, am Fufso dos Berges gelegen, ist ein Wakfdorf.
Es wurde vor Jahrhunderten samt seinen Einwohnern der
grofson Moschee in San’ü vermacht und gehört also zu kei-
ner der in der Umgegend dor Hauptstadt wohnenden Stam-
mesgruppen des Bilüd el Rustün, Su’tlb, Bel Hürith, Benl
Matar und Sanhän.
Um llh 60*" vormittags erreichten wir den in der Ebene
gelegenen Brunnen von SöpaÄa (so bezeichnen die Türken
diese Stelle), welchen die Araber Qheil ’Asr odor Masbünot
’Asr, d. h. das Bächlein odor den Wasobplatz von ’Asr
nennen. Bis hierher pflogt man Nouankommenden entgegen
zu gehen. Auch ich fand hier einige meiner alten Freunde,
48
Von Hodeida nach San’ü.
mit welchen ich um 1 Uhr nachmittags durchs Kübel Kä'a,
d. b. durchs Thor des Judenviertels, in die nach meinen
durch mehrere Monate mit einem Quocksilberburometor aus-
geführten Messungen 2210 m über dem Meeresspiegel ge-
legene Stadt einritt, welohe ich in nichts verändert fand.
Bemerkungen zur Kartenskizze.
Die vorliegende Kartenskizze verdankt ebenso wie der
Bericht ihre Entstehung der Überzeugung, dafs die bis jetzt !
erschienenen Karten allzugrofse Mängel aufweisen, was
speziell von den nuuern gilt, dunen diu klassischen Niebuhr-
schen Arbeiten gewifs nicht zum Mustor gedient haben.
Halevy z. B. hat, von Sjan’a angefaugen, das er übrigens
zu woit östlich und nördlich einzcichnete , alle Distanzen
ziemlich genau im doppelten Mafsstabe der Wirklichkeit
aufgetragun, so dafB bei ihm Sa de und Nedjrün in Breiton-
grade fallen, wo man sich schon längst im Nedjd befinden
würde. Das 38 Stunden von fyan'ü entfernte fja’da ist von
mir durch Winkelmessungen festgelegt worden, aus welchen
auch nur aus der beiläuügen Reduktion horvorgoht , dafs
die Breite dieser Stadt kaum 17° beträgt. Desgleichen hat
Halevy hinsichtlich der Gebirge- und Wasserverteilung ganz
eigentümliche Anschauungen entwickelt. Nach seiuer Karte
würde beispielshalber das Wasser von San'ü, also des Ost-
abbanges des Sorät, Uber den Kamm des Gebirgos hinweg
nach dom Meere fliefsen, und ähnliche Dinge mehr. Nichts-
destoweniger mufs hervorgehoben werden , dafs sich dieser
mein Vorgänger die gröbsten Verdienste um die Kenntnis
Südarabiens , besonders des sogenannten M itsrek erworben
hat, und dafs niemand, ganz besonders nicht seine Pariser
Kollegen, das Recht haben, seine Reise und ihre Resultate
in Abrede zu stellen, wie mau dios vorsucht hat. Die
andre Karte ist die des unglücklichen Langer, über welche
das Nötige bereits gesagt wurde. Die Kartun Manzuuis kenne
ich leider nicht. Sie behandeln die Wege von fjan’ü nach Ho-
deida, Mokha und ’Adon und enthalten auch einen Situations-
plan von ijan'Ä, welcher im türkischen GeneralstabBbüreau
vor ca 12 Jahren angefertigt worden ist. Meine Karten-
skizze basiert sich auf diu mittels oiner Moudokkultation
genau bestimmte Länge von San'ü (siehe Sitz.-Ber. der
Kaiser). Akad. der Wissensch. Wien, Oktober 1884), ferner
auf die astronomisch genau bestimmte Luge der Punkte :
Dj. Dliin, ’Aiurün, Lümi, Soda, El Küra, lladje, Maswar,
’Aflür, Ko(ilün, Dhofir und mehrere andre, von wo aus
überall zahlreiche Winkel und Azimute gemessen wurden.
Ich mufs allerdings gestehen, dafs ich vorläufig von einer
Reihe der genannten Orte nur die aus den Winkelmes-
sungen hervorgegangenen Positionen verwendet habe. Diese
können jedoch von den astronomisch bestimmten weder in
Länge noch in Breite um mehr als 2 Bogenminuten ab-
weichen. Die Zwischeupunkte sind durch Azimute be-
stimmt worden, die Küstoulinie nach den gewöhnlichen
Karten. Der Deutlichkeit wegen habe ich nur die wich-
tigsten Ortschaften, Wadis und Berge in die Karte auf-
genommen. Das ganze Material soll erst dann zur Publi-
kation gelangen, wenn alle Reduktionen vollendet sein wer-
den. Ich beabsichtige dann eine Karte im doppelten oder
dreifachen Mafsstabe der vorliegenden zu veröffentlichen,
wobei ganz besonders auf die Archäologie Rücksicht ge-
nommen werden wird.
Ich kann die vorliegende Arbeit nicht schliefsen, ohne
den Wunsch ausznsprechen, dafs die Fachmänner beurteilen
mögen, ob ich wirklich, wie meine Gegner in Europa aus-
gestreut haben, blofs Vergnügungsreisen in Arabien mache
und demgemäf8 keiner Unterstützung würdig sei. Ich bin
dadurch gezwungen, einen Teil meiner Zeit, welche ich
gewifs besser zum Sammeln von wissenschaftlichem Ma-
terial verwenden könnte, zur Ausarbeitung von Berichten
zu benutzen, dio doch während der Roise, wo man keine
ohne Mängel sein können. Ich hoffe übrigens, dafs unpar-
teiische Gelehrte, denen die Erforschung des Zentrums der
semitischen Welt am Herzen liegt, alles das gütigst be-
rücksichtigen und ihre Unterstützung einem Manne nicht
versagen werden, den kein andres Verschulden trifft, als
sich in selbstloser Weise einem gefahrvollen und schwierigen
Unternehmen gewidmet zu haben.
San'ü, Anfang Mai 1885.
Hie neuern dänischen Untersuchungen in Grönland. 1885.
Von H
(Mit Karte,
Die Untersuchungen in Grönland sind im Jahre 1885
durch zwei Expeditionen fortgesetzt wordon , nämlich die
') Fortsetzung des glciclmnmigrn Artikel« für iU« Jahr 1884 im Jahr-
gang 1885, Heft II.
Rink 1).
a. Tafel 3.)
eine uutor der Leitung des Leutnants Jensen nach dem
mittlern Teil der Westküste, die andre, die schon seit dem
vorigen Jahre in Grönland befindliche, welche für die Ost-
küste bestimmt war und jetzt nach glücklicher Lösung
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
49
ihrer Aufgabe zurückgekehrt ist. Obgleich die Gebiete, auf
welchen diese beide Unternehmen sich bewegt haben, weit
vouoinandor entfernt liegen, haben sie doch auch in lokaler
Hinsicht einen bestimmten Berührungspunkt, nämlich die
Bestimmung der Lage und Ausdehnung der alten skandina-
rischen Kolonien. Diese Frage, die so vielfach verhandelt
worden ist und vorgebliche Anstrengungen verursacht hat,
und die , obgleich dem Anscheine nach schon vor 50 Jah-
ren entschieden , doch noch in unsern Tagen von neuem
aufgetaucht ist, kann denn wohl jetzt als endlich aus
der Welt geschafft betrnchtot werden. Nach den Resul-
taten , dio Leutnant, jetzt Kapitän Holm von der Ostküste
Grönlands zurückgebracht hat, werden wohl wenige noch
bezweifeln, dafs dio Ruinen, die mau längst im Distrikte
Julianehaab gekannt hat, obgleich auf der Westküste lie-
gend, doch die Reste der alten „Osterbygd“ ausmachen.
Mit demselben ist es auch bestätigt worden, dafs die Rui-
nen , die ebenfalls in diesem Jahre durch den schon so
rühmlich bekannten Leutnant Jansen aufs neue untorsuoht
worden sind, wirklich dfe „Vesterbygd“ repräsentieren, und
auf diese Weise haben also die Untersuchungen der beiden
Reisenden die aufsersten Grenzgegenden im Osten und
Westen der einst so spurlos aus der Goschichto verschwun-
denen Niederlassungen urnfafst. Wie in den vorhergehen-
den Jahrgängen, werde ich hier den Verlauf der Reisen in
aller Kürze und demnächst die wichtigsten Resultate der
mit denselben verbundenen Forschungon mitteileu.
1. Roisoboricht.
Expedition nach der Wetthute. — Diese hatte, wie eben
erwähnt, den Leutnant Jensen zum Leitor; seine Begleiter
waren: Leutnant Ryder, der schon früher als Teilnehmer
der internationalen meteorologischen Expedition sich mit
Grönland bekannt gemacht hatte, und der Kandidat der
Medizin, Söron Hansen, der speziell die bisher nur wenig
beachteten anthropologischen Beobachtungen zur Aufgabe
hatte. Das Feld ihrer Untersuchungen war die Küste zwi-
schen 64-J- und 65J-° N. Br. und, wie gewöhnlich, mit einer
Rekognosziorung des Binneneises verbunden , so weit ins
feste Land hinein wie möglich. Im vorigen Jahrgang habe
ich Auszüge aus den Schildeningen mitgeteilt, welche unsre
damaligen Reisonden von den zunächst nach Norden gele-
genen Gegendon gegeben hatten. Diosolbon passen auch
recht gut auf den Charakter des hier besprochenen Tei-
les des Landes. Auch hier tritt das Binneneis verhält-
nismäfsig weit zurück; die Thäler and Niedorungen des
grofsen Gebirgslandes sind hier von Landseen und Elvon
durchschnitten, an deren Ufern vor nicht vielen Jahren dio
Rentiero noch in zahlreichen Herden weideten. Mehrere
kleine, besonders aber zwei grüfBere Fjorde öffnen den
P'ttnrtaons Geogr. Mitteilungen. 1880. Heft H.
Weg ins Innore dieses etwa 80 km breiten oisfreien
Küstenlandes bis ans Binnenois. Der eine dieser letztem,
der Isortokfjord , begrenzt die Nordseite, dor andre, der
Godthaabfjord, die Südseite desselben. Indem mau bis ans
Ende diesor beiden Fjordo vordringt, kann man also
teils von Norden , teils von Südon , soweit als die Ober-
fläche Wanderungen zuläfst, den Rand dos Binneneises ver-
folgen, und von Berghöhen aus denselben mit dem davor-
liegenden innersten Teile des eisfreien Landes überschauen.
Dio Reisenden fingen von Norden, in der Gegend der
Kolonie Sukkertoppen , wo sie am 9. Mai anlangten, an.
Als nötige Vorbereitungen zu den bevorstehenden karto-
graphischen Arbeiten wurde hier erst, eine Basis für die
Triangulation gemessen , und ein Ausflug nach Norden
vorgonommen , um die nötige Verbindung der Karte vom
vorigen Jahre mit der jetzt zu entwerfenden zuwoge zu
bringen. Darauf begab man sich denn zu den ersten der
genannten Hauptfjorde, den Isortok. Vom 14. Juni bis
7. Juli wurden die Küsten desselben verfolgt und von der
Südseite aus eine längere, mit Bergbesteigungen verbun-
dene Wanderung ins Innore vorgenommen. Noch mannig-
faltigere Gelegenheit zu Beobachtungen und vorteilhaftere
Wege ins Innere bot aber der südliche Hauptfjord dar.
Nachdem man unterwegs alle kleineren Fjorde besucht und
mit den davorliegenden zahlreichen Inseln skizziert hatte,
erreichte mau am 5. August die Kolonie Godthaah, und ver-
wendete dio Zoit vom 8. August bis zum 10. Soptomber
zur Untersuchung des GodthaabQords und namentlich sei-
ner Nordseite. Wir dürfen, wie obeu erwähnt, jetzt mit
Sicherheit behaupten , dafs die Ruinon , welche um die in-
neru Verzweigungen dieses und des Ameralikfjordes zer-
streut liegen, die Reste der alten „Vesterbygd“ sind. Das
ferne nordöstliche Ende, l'janagsuit, scheint ein Hauptplatz
gewesen zu sein , der durch die noch m hohen Mauern
einer Kirche bezeichnet ist. Von diesem Punkte aus wurde
eine fünftägige Wanderung, den Rand des Binneneises ver-
folgend und in 870 m Höhe kampierend, vorgonommen.
Man hat lange behauptet, dafs in dieser Gegend eine Runen-
inschrift vorkomme ; erst jetzt aber wurde der Stein gründ-
lich untersucht und die Zeichen als aus Naturwirkungen
entstanden erklärt. Koch viel weiter gelangte man von
einem andern Arm dos GodthaabQordes aus auf dem eigent-
lichen Woge dor Rentieijäger. Hier konnte nämlich das
Boot, teilweise über Land getragen, auf Landseen be-
nutzt werden. Der gröfste unter den letztem, ungefähr
24 km lang und cinon Arm des Binneneises aufnehmend,
wurdo in seinem ganzen Umkreise untersucht. Leutnant
Rydor leistete durch seine Übung im Kajakfahren mehr-
fachen Nutzen, indem er im stände war, Nobenoxkursionen
zu machen und über Untiefen zu gelangen, die dem grofsen
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50
Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
Boote ein Hindernis entgegonstellten. Die Reisenden traten
am 21. September von Godthnab aus die Rückreise nach
Kopenhagen an.
Expeditim tweh der Ostkürt?. — Im Berichte des vorigen
Jahres verliefsen wir diese Expedition auf ihrer Fahrt nach
Norden bei Tingmiarmiut auf der Ostküsto, unter 62“ 38'
N. Br., wo sie sich am 30. Juli 188-1 dem Plane gemäfs
teilte, indem Garde und Eberlin zurückgingen, um wiederum
auf der Westküste zu überwintern. Holm dagegen setzte
mit Knutsen die Reise noch Norden fort. Es mufs erin-
nert werden, dafs seine Instruktion darauf ausging, die
Kiiste bis zum Umkehrpunkte GraahB, der Dannebrogs-
insel, unter 65-J-“ N. Br. zu untersuchen; wenn dio Um-
stände es erlaubten, jedoch auch diese Grenze zu über-
schreiten. Das nächste Ziel war also diese Insel, und es
läfst sich nicht leugnen , dafs auch unsre Reisenden Gele-
genheit hatten , zu erfalirou , wie die Hindernisse , welche
hier ihren Vorgänger zur Umkehr zwangon, auf der Fahrt
längs der Ostküsto nach Norden mit jeder Tagereise wachsen.
Es gilt dieses nicht allein von den natürlichen Hindernissen,
die doch mehr oder weniger lokal, oder in Zwischenräumen
auftreten, sondern hauptsächlich auch infolge dos Mangels an
Hilfo von seiten der Einwohner. Wir sahen aus den frü-
hem Berichten, dafs man schon am 17. Juli die Hälfte der
westgrönländischen Besatzung hatte verabschieden müssen,
weil sie sich nicht weiter wagen durfte. Jetzt nach der
Trennung von Garde hatte Holm für seine zwei schwer-
beladeucn Boote, welche die Bedürfnisse eines ganzen Jah-
res trugen, nur noch sechs Rudorurinuen und einen Kajak-
manu von dor Westküste , die sonst normale Arbeitskraft
für nur ein Boot, wozu sich unter den Ostländern für eine
kurze Strecke noch eine Rudereriu und ein Steuermann
hatten werben lassen. Man mufs hierbei noch bedenken,
dafs dio getauften Westgrönländer von ihren heidnischen
Stammverwandten eine von Kindheit an durch die Sagen-
erzählung eingeimpfte Furcht nähren. Dieses gilt nament-
lich von dem fernon Norden der Ostküsto; und auf die Bereit-
willigkeit und Ausdauer der Ostländer solbst konnte man,
wie dio Folgo zeigte, noch weniger Rechnung machen, ob-
gleich diese allein als Wegweiser und Ratgeber ja fast
unentbehrlich schienen. Dio Reisenden befanden sich bald
au der Schwelle einer besonders öden und gofahrvolleu
Streoko, welche die Dannehrogsiusel Graahs einschliefst und
die „nördlichen“ und „südlichen Ostländer“ , so wie sie in
den Berichten bezeichnet werden, voneinander trennt. Die
Reisenden hatten vor Anfang dieser Strecko noch vier
Winterplätzo (d. h. häufig oder früher benutzte Plätze für
Winterwohnungen) zu passieren, nämlich: Umannk, Akorni-
narmiut, Igdloluarsnit und Umorik. In den letzten Jahren
waren diese Plätze mittlerweile meist von reisenden „Nord-
ländern“ benutzt worden, und dioses scheint auch nament-
lich jetzt der Fall gewesen zu sein. Anfangs sah es auch,
was die Hilfe von ihrer Seite betrifft, recht gut aus.
Nicht weniger als vier Boote mit Eingebornen begleite-
ten unsre Reisenden, über sulion beim orsteu Platze trenn-
ten sich zwei von ihnen , um hier ihre Wohnung aufzu-
schlagen. Auf dem zweiten Platze hielt nur eine Familie
sich auf; sie bot den merkwürdigen Fall dar, dafs der
Huusvater aus Mangel un Söhnen seine boideu Töchter als
Kajakfahrer und Seehundsfänger erzogen hatto. Beim drit-
ten Platze endlich erwartete sie die erste bedeutendere
Täuschung, was ihr Vertrauen auf die Hilfleistungen der
Einwohner betraf. Ein Nordländer, namens Umorinak, der
sie schon lauge begleitet und versprochen hatte, sie nach
seiner Heimat im Norden der Dannebrogsinsel zu führen,
erklärte jetzt plötzlich, dafs er hier bleiben und vor Win-
ter nicht weiter nach Norden wollte. Er hatte hier näm-
lich seine Verwandten wiodor getroffen. Im Jahre 1882
war er mit ihnen von Norden hierher gezogen, darauf ging
er 1883 mit einigen von ihnen auf Handelsreise nach der
Westküste und kam jetzt , den Fremden folgend , von da
zurück. Dafs man sich hier uuter don auf einer mehr
primitiven Stufe stehenden Nordländern befand, war schon
beim ersten Anblick der Menschen , die am Strande stan-
den, ersichtlich. Besonders stach ihre Kleidung von allem,
was man bis jotzt gesehen, ah, indem sie sich durch eine
Leichtigkeit auszeichnete , welche mehr für ein tropisches
als ein polares Klima zu passen schien. Am Oborkörpor
trugen sie Pelze aus ganz dünn geschabtem Leder, wäh-
rend für den Unterleib ein um die Hüften angebrachter
und als Beinkleider geformter Lederstreifen genügen mufste.
Aber auch aus ihron Gerätschaften und aus dem Aufsehen,
welches der Anblick der noch nie gesehenen Europäer er-
regte, konnte man schliofsen, dafs diese üstländer einen
weit sparsamem Verkehr mit der Westküste haben als
ihre südlichen Nachbarn. Hier also fühlte Umeriuak sich
schon ganz zuhauso und hier wollte er bleiben, Über-
redungen wurden vorsucht, aber alles vergebens : auch von
den übrigen Ostländern waren keine willig, in diesem Jahre
nach Norden zu ziehen. Inzwischen war den Reisenden
die mächtige Anziehungskraft nicht entgangen, wolehe
der Schatz von Handelswaren, den sie mit sich führten,
auf die Eingebornen übte. Dieso suchten nämlich ihrer-
seits ebenso eifrig dio Fremden zu überreden, für den Win-
ter hier boi ihnen zu bleiben. Die Macht, die dom Leiter
dadurch in die Hände gelegt war, wollte Holm prüfen ; er
erklärte ganz einfach , dafs er ihrer Hilfe nicht bedürfe
und auch ohne ihre Begleitung Weiterreisen wolle.
Am 6. August brach er wirklich auf mit seinen drei
Rudererinnen auf jedem Boote; am folgenden Tago wurde
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
51
das Bis immer dichter und zwang sie zuletzt ans lAnd.
Als sie von hier weiterfuhron und an der unbekannten
Küste entlang mit MUho ihren Weg zwischen den Eis-
schollen suchten, waren die Aussichten allerdings sehr ent-
mutigend, — da tauchte plötzlich aus dem Eislabyrinth hinter
ihnen etwas auf, was einer Reisegesellschaft ähnlich sehen
konnte, und ganz richtig! es waren Boote mit OBtländern,
die von dem Platze, den man jüngst verlassen, nachgeeilt
waren. Es war offenbar, dafs sie gehofft hatten, die Frem-
den würden bei ihnen bleiben, und dafs sie erst recht den
vollen Wert des Warenlagers fühlten, als sie sahen, wie
es fortgeführt wurde. Auf die hierdurch bei unsorn Rei-
senden erwachende Hoffnung sollte aber bald noch einmal
Täuschung folgen. Anfänglich zeigten die ankommenden
Boote sich allerdings als eifrige Begleiter; indem man aber
noch vor Anfang der gefürchteten Gronzo zwischen Süden
und Norden übor den Gyldenlövefjord setzte, bemerkte
man eine bedenkliche Neigung bei ihnen, landeinwärts zu
steuern, und endlich ergab es sich, dafs der letzte südliche
Wohnplatz, Uraovik, ihr Ziel sei, dafs sie hier überwintern
wollten und den Reisenden ernstlich rieton, dasselbe zu
thun. Holm antwortete einfach, dafs er so weit nach Nor-
den reisen wolle, als die .Jahreszeit ihm erlaube. In die-
sem entscheidenden Augenblick untschlofs er sich über doch
noch oinrnnl, dio Zauberkraft seiner Handelswaren zu prü-
fen. Er leitete einen Handel um getrocknetes Fleisch ein;
dieses gah Anlafs, an Land zn gehen und noch einmal die
Kisten zu öffnen. Da bemerkte mau bei einem angesehe-
nen Bootbesitzer, namens Ilinguaki, dafs er in Nachdenken
verfiel; man schilderte ihm dann, was er durch seine
Dienste als Wegweiser erworben könnte, und als darunter
eine Flinte für seinen Schwiogorsohn genannt wurde, konnte
er nicht mehr widerstehen. Am folgenden Tage kam or
und meldete sich als Begleiter auf dem gefürchteten Wege
nach den nördlichen Wohnplätzen , und von diesem Ent-
schlüsse, konnte man wohl sagen, hing das Gelingen der
Expedition ab. Wetter und Eis schienen sich aber jetzt ver-
schworen zu haben , um derselben den Eintritt in die auB
rühmender Beschreibung bekannten nördlichen Gegenden, das
bochgeprieBOne Anymagsalik, zu erschweren. Vom 11. bis
15. August wurden dio Reisenden auf dor Saramsinsel,
wo der Sturm die Zelte umrifs , aufgehalten. Auch wur-
den zwei von den Rudererinnen krank, und es waren nur
noch zwei derselben für jedes der schwerbeladenen Boote
übrig: hei starkem Ostwinde, abwechselnd mit Eis und mit
Seegang kämpfend, logten diese vom 15. bis 20. August
den Weg bis zur Dannebrogsinsel zurück. Vor über
50 Jahren, am 18. August 1829, hatte Graah hier unter
65° 15' 36' N. Br. eine hohe Worte gebaut und die dä-
nische Flagge aufgepflanzt. Nicht mit Unrecht war dioser
Teil der Küste als besonders öde Imschrieben worden, denn
ringsum gewahrte man nichts als kahle Felsen , Schnee
und Eis; nur die Warte war noch im Stande, oinen er-
munternden Eindruck zu machen. Scheinbar unberührt
stand dieses Denkmal noch da ; bei einer näheren Unter-
suchung dieses DonkmalB fand man jedoch nichts von dem,
was dor Erbauor darin oingeschlossen hatte. Nachdem ein
Bericht darin niedergelegt war, wurde es wieder behutsam
aufgeführt, worauf man am 26. August die Reise fortsetzte.
Jotzt erst befand man sich also in ganz unbekannten
Gegenden, und der erste Tag führte über den letzten und
am meisten gefürchteten Teil des gefährlichen Weges,
nämlich den Ikersuaksund. Als hier nun Gletschereis
von der einen und Meercsois von der andern Seite die
armen Follboote gar arg bedrängte, suchte man offeneres
Fahrwasser nach der See zn; hier aber blies ein heftiger
Nordwind mit Seegang ihnen entgegen, und als dieser auch
zugleich Schnee mit sich führte und damit Hinguakis Boot
den Blicken dor Reisenden entzog, wurde ihre Lage eine
geradezu kritische. Der Kompafs konnte des Seeganges halber
nicht benutzt werden, und als sie, nach dem Winde sich rich-
tend, I*and suchten, schimmerte ihnen das Ufer als eine
steile Folswand entgegen. Unter dieson verzweifelten Um-
ständen klärte sich das Wetter ein wenig auf, und gleich war
ein Kajakmann, der von Ilinguaki ausgeschickt war, um
sie aufzusuchen, bei dor Hand. Durch soine Führung und
die Anspannung dor letzten Kräfte der Rudorerinnen ge-
lang es denn endlich, oinen Strand zu finden, auf wel-
chem man landen konnte. Hier warfen sich die Rudore-
rinnen gänzlich erschöpft und von Schnee und Regen
dnrehnäfst zur Erde. War abor die Not hier am höch-
sten, so war auch die Hilfe am nächsten, denn jetzt hat-
ten sie die böse Strecke mit allen ihren Schrecken und
Mühseligkeiten hinter sich; am 30. August erreichten sie
den ersten nordländischon Wohnplatz, Sermilik, und am 31.
den Angmagsaükfjord mit Tasiusarsik kitalek, wo sie zu
überwintern sich entschlossen. Hier stand auf einer Insel
ein von 50 Personen bewohntes Haus, und etwa 20 Minu-
ten Weges von da oino gerade für den Bau der Winterwoh-
nung zweckmäfsige Hausmine. Es war zugleich ein guter
Fangplatz mitten im bewohnten Distrikte, und die Lage
frei und vorteilhaft für meteorologische Beobachtungen. Am
13. September war das Haus fertig, und man eilte jetzt,
um die noch für Bootreisen geeigneten Tage für weitere
Untersuchungen zu benutzen, nämlich erst den äufsersten be-
kannten Wohnplatz, Sermiligak, zu besuchen, und dann auf
der Rückreise so viel wie möglich von dem Innern dieses
ganzen nouon Gebiotes zu sehen.
Zur Orientierung möge dienen, dafs dor hier zum ersten-
mal bereiste Teil der Ostküste, nämlich von der Dannebrogs-
7*
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52
Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
insei an, eine östliche Richtung hat, während die Fjorde
desselben, damit übereinstimmend, sich nördlich ius Land
hineinsieben. Obgleich unsre Reisenden 48 km weiter
kamen als Graah, entsprach doch die von ihnen {er-
reichte Breite nicht dieser Entfernung, und sie kamen im
Innern weiter nach Norden als an der AufsenkUste. Ihr
Winterhaus befand sich unter 65® 37' N. Br. und 37° 10’
W. L., 8ormiligak 48 km von da, unter 65® 52’ N. Br.,
und im Innern des Angmagsalikfjordes erreichten sie 66® 8'
N. Br.
Der Herbst hatte sich jetzt allerdings mit stürmischer
Witterung gemoldet, allein im Vergleich zu den über-
standenen Beschwerden war das Reisen jetzt nur Ver-
gnügen und Genufs. Sechs Rudererinnen auf dem loicht-
beladenen Boote, das ruhige Fahrwasser der Fjorde und
Sunde , die nach grönländischen Verhältnissen zahlreichen
Einwohner und freundlichen Ufer mit mulerischen Ge-
birgen im Hintergründe waren Vorteile, die man den
gröfsten Teil des Sommers hatte entbehren müssen. Am
19. September langten die Reisenden in Sermiligak an
und am 20. bestiegen sie eine 500 m hohe Insel, auf der
eine 2 m hohe und folgenden Bericht uiuschliefsende Warte
gebaut wurde:
„Die Fellboot- Expedition nach der Ostküste Grönlands
erreichte diesen Punkt (im Osten des Serrailigakfjordes) am
20. Soptembor 1884. Nahm im Namen des Königs von
Dänemark die von uns als [den — soweit bekannt —
ersten Europäern bereiste Strecke in Besitz uud nannte das
Land: , König Kristian des Nennten Land', sowie diese
Insel: ,Erik des Roten Insel'. Kein Eis seewärts. Keh-
ren um , um hei Tasiusarsuk (dem Angnmgsalikfjorde) zu
überwintern. Alles wohl !“
Unterschrieben von den Europäern sowohl als den
Grönländern.
Von einer naheliegenden „Leits dos Glücklichen“ be-
nannten lusol, wo auch eine Warte gebaut wurde, konnte
man die Küste noch gegen 50 km weiter nach Norden
mit dem Auge verfolgen.
Nachdem man am 29. September zurückgekehrt, wurde
die Winterhüttc am 2. und 3. Oktobor bezogen. Sie bo-
währte sich als dicht und bequem in jedor Hinsicht. Der
Winter verlief unbemerkt untor mehrfacher Arbeit und
täglichem Verkehr mit den Eingebornen. Schlittenreisen
konnten leider so gut wie gar nicht vorgenommen werden,
weil die Zahl der Hunde in den letzten Wintern zu sehr
vermindert worden war.
Anfang Juli 1885 trieb ein Sturm das Eis vom Ijande,
und Holm mit seinen Gefährten verliefs Kristian des Neunten
Lund um 5. Juli. Inzwischen war Garde so früh wie möglich
von Nanortalik auf der Westküste ihnen entgegengereist.
Am 16. Juli trafen sie bei Uinanak glücklich zusammen,
erreichten am 1. August Nanortalik und trafon noch in
guter Zeit das Schiff, um damit nach Kopenhagen zurückzu-
kehren. (PortMtzuug folgt.)
Bas Kaffernland des Hütern Olifant.
Von Dr. H. Raddatz in Transvaal.
(Mit Karte, s. TSfoi 4.)
Das ganze vor uns liegende Gebiet läfst. sich am über-
sichtlichsten durch die Drakensberge in zwei grofse Teile
zerlegen: Basutoland und Barokaland. Wenn ich von dun
Drakensbergen spreche, so verstehe ich die ganze Gebirgs-
kette bis zum Houtboschberg (eingeschlossen) und bemerke
dies hier absichtlich , weil auf violen Karten sich nördlich
vom Olifantflnfs die Bezeichnung „Devonische Strata“ findet,
was leicht zu der Idee führen kann , als sei dies eine be-
sondere , verschiedene Formation , während es dieselben
Drakensborge sind, durch welche sich der Olifant Bahn
gebrochen hat, und die ja auch devonisch sind.
Das gewaltige Gebirge bildet eine Völkerscheide zwischen
Basuto und Harokn, wenn auch nicht uino so entschiedene
wie die Alpen oder Pyrenäen ; denn Sessuto und Seroka
(die Sprachen) sind nicht so verschieden wie in jenem
Falle. Immerhin fallen uns bei näherer Bekanntschaft be-
deutende Verschiedenheiten im Volkscharakter auf. Der
Moroka verhält sich zum Mossuto etwa wie dieser zum
Zulu. Ist der Zulu sehr roinlich, so ist jener etwas we-
niger sauber, dor Moroka dagegen entschieden schmutzig.
Ein Barokakraal ist sprichwörtlich und scheint auf einem
eigenB zu diesem Zwecko zusammengetragenen Haufen
Schmutz gobaut zu sein. Auch Lügen und Stehlen sind
Nationaleigentümlichkeiten der Baroka , während man bei
den Basuto eigentlich wenig darüber zu klagen hat. Grofse
Tapferkeit braucht man bei ihnen nicht zu erwarten, da-
gegen mag inan vor Hinterlist auf der Hut sein. Basuto
und Baroka stehen sich nicht besonders, und cs fehlt nicht
an kleinen Roibcroion , Prügeleien um Vieh und Kriegs-
drohungen ; zu Blutvergießen läfst man es jedoch aus
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Das Kaffernland des Untern Olifant
53
manchen Gründen nicht gern kommen. Die Stellung des
weifseu Mannes ist im Kuffemiundo eine recht erträgliche, da
jede der beiden Parteien ihn zum Freunde zu hüben wUnBcht.
Die bedeutendsten Rasutohäuptlinge sind K/olokoi j
(der Bruder Secucnnis), Ix^adimane , Mpu'lele, Nkouue,
Maeimola , Marianne ' (die beiden letztem jetzt in Pretoria
gefangen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und
Beherbergung Mampurus), Ra‘la/ane und Nkopodi (Ramorok,
ein Halbbruder Secucunis). Von Baroka sind besonders zu
erwähnen Secororo, Mafefere (Königin Magaopi, kürzlich f),
Motyatyi und Palaboroa. Den genannten beiden , Basuto
und Baroka, kann man den Namen von Nationen beilegen.
Aufserdem finden sich noch allerlei Völkertrümmer , zum
Teil von seinem angestammten Fürsten fortgulaufones,
nichtsnutziges Gesindel. Raffern, die von dem Gros ihres
Volkes getrenn|, also sozusagen in der Diaspora leben,
taugen fast durchgehende nichts. Dio zahlreichsten sind
dio Bakoapa (Knobnenzen; Sprache Sukoapa), welche vor-
zugsweise im Ohrigstadtthal und unter den Baroka am
Nordabhang des Drakensbergs zwischen Secororo und Ma-
fefere sich angesiedelt haben. Erstero nennen sich, weil
sie mit verschiedenen Stämmen sich gemischt hatten,
„hlangaans“ (von hlangana, sich vereinigen), letztere Iukuua.
Die nennenswertesten Chiefs sind MasscleBele und Umkoano.
Im Lolo finden wir einige Swazies (Mapi'le, TJmsut);
ebonso au den Drakensbergon (Mahimpye, Njamasan). Ara
Westhange des Lolo sitzen einige Magocher: sie sind
Stammverwandte von Zebediclas Volk, und wir klassifizieren
sie unter dio Bakalaka, obgleich sie sich selbst Letebele
nennen und fiir ihr Leben gern für Zulus gehalten werden
möchten. Sie kommen von demselben Stamme, wie dio
Bakalaka-Untertliauen des Lobengula, die sich auch Letebele
nennen. Die Zulu haben indessen bekanntlich kein r in
ihrer Sprache und bauen keiuo Steinmauern, so dafs wir
deD Leuten den Gefallen diesmal nicht tbun können.
Schliefslieh müssen wir noch der Mapulana erwähnen, Trüm-
mer eines ehemals bedeutenden Stammes; sie hausen be-
sonders in den Schluchten, durch die der Blydeflufs sich
dem Olifant zuwindet, inmitten einer gewaltig schönen Na-
tur, um die man sie beneiden könnte. Jetzt findet man
wenige Chiefs, die über mehr als 20 Männer gebieten können.
Die bekanntesten sind Makoni, MaSo'le, Maripe und Malitel.
Sie sprechon unter sich ein besonderes Idiom ; da die mei-
sten jedoch Sessuto odor Zulu verstehen , so braucht man
sich mit dem Erlernen dieser Sprache nicht aufzuhalten.
Wir kommen zum Klima und zur Vegetation, und
was damit in Verbindung steht. Das grofse Tiefland
(Onderveld oder Jagtveld der Boeren, Low Country der
Engländer) unter den Drakensbergen ist eigentlich nur
Fieber. Zwischen November und Mai hinunterzugehen,
wäre direkter Selbstmord , und da mir mehrere Fälle im
Juni und September bekannt sind, der eine mit tödlichem
Ausgang, so ist Vorsicht jedenfalls immer anzucmpfehlen.
Das Fieber ist ferner endemisch in den Thälern der meisten
Flüsse, die aus den Drakensbergen ins Tiefland fliefsen, we-
niger im Blydothal, stark im Ohrigstadtthal , wo es oft zu
einer furchtbaren Epidemie ausartet und ehedem fast die
ganze Bevölkerung des Dorfes dahinraffte, ferner im Steel-
poortthal, Letsitele und Groot I<etaba. Jo weiter man dom
Laufe der Flusse aufwärts folgt., desto geringer wird die
Gefahr. Auf den Bergen ist us natürlich überall gesund,
ja, auf dom Hont boschberg und verschiedenen andern
Punkten der Drakensberge kann man bei Ostwind mit-
unter echte Seeluft geniefsun, da das Meter in der Luft-
linie gar nicht so woit entfernt ist. Im Sominor findet
man also aus den oben erwähnten Gründen äufserst selten
einen Weifsen in diesen weiten buschigen Ebenen. Selbst
die Kaffem wohnen meistens am Hange der Berge, — sie
mögen schlimme Erfahrungen gemacht haben. In den
Wintermonaten hingegen zieht die Jagd vornehmlich dio
Boeren herbei , und das „veld“ ist ordentlich belebt,
d. h. man findet nach zwei odor droi Tagereisen , weun’s
Glück gut ist, ein paar weifso Gesichter, so sehr verlieren
sich die zahlreichen Jäger auf der gewaltigen Fläche. Dann
wird in der Kegel reiche Beute gemacht au Giraffen,
Flufspferdcn, Khinocoros, Elan de. Auch Strauße werden
oft erlegt, und Löwen machen sich unangenehm bemerkbar.
| - An FlufBpferden ist besonders die Grofse Zetaba reich.
Die Boeren zeigen seit uiniger Zeit Neigung, die Tiere
mit Dynamit zu jogeu. Diese Aasjägerei ist nun aller-
dings vom Gesetz verboten ; da viele Boeren aber die Ge-
setze für etwas sehr Überflüssiges halten , so wird sich
daran nicht viel gokehrt, und die Regioruug hat nicht dio
Macht, dio Bestimmungen strikt durchzuführen. Wio lange
dies noch dauorn wird, ist nicht ganz sicher; übrigens ist
ja dieses republikanische Staatsschiff an der Hand der
Norm: „Thue Unrecht und scheue niemand“ bislang noch
immer so leidlich durch diverse Stürme hindurchgesteuert.
Doch zurück zum Wild. Giraffen sind häufig in don
Ebenen nördlich von Palaboroa und um untern Salati und
kommen im Sommer bis dicht unter den Berg bei Maripe.
Iiöwen habe ich besonders zahlreich am Segne gefunden,
i wo ich eines Morgens die Spuren von 13 ausgewachsenen
Tieren zählte, die am Abend vorher im Zwielioht meinen
Eseln gefolgt waren. Da heifst es Vorsicht in der Nacht,
denn ein Esol ist der gröfste Leckerbissen für den Löwen, und
us kommt vor, dafs er ihn zwischen den Feuern und aus
dom „Schirm“ herausholt. Das grofse, sogenannte „weifse“
Rhinoceros ist sehr harmlos und leicht zu erlogen; dagegen
54
Das Kaffernland des Untern Olifant.
ist das kleine schwarzo ein böser Geselle, der scliou oft
Opfer an Menschen und Pferden gefordert hat. Auch das
Elan wird, besonders wenn es ungeschossen ist, sehr grimmig,
und noch in der vorigen Saison biifste ein mir befreundeter
Boer durch ein solches Tier sein Leben ein.
Die Vogotation ist auf den Bergen des von uns besproche-
nen Gobietes die des transvaalschen Hochfelds. Die Schluch-
ten der Drakensberge sind mit prachtvollem Nutzholz bestan-
den, welches leider sehr häufig an unzugänglichen Orten stoht.
Wir finden hier von Koniferen (Taximeen) den Gelbholz-
baum (Podocarpus elongatus), ferner das Bittermandel-,
Eisen- und Stinkholz ; diu erstem erreichen oiuo Hölle von
über 100 Pufs, und 70 bis 80 Bretter aus einem Stamme
gosägt kommt häufig vor. — In den tiefer gelegenen Par-
tien haben wir verschiedene Nuancierungen in dor Pflanzen-
welt je nach der Eiovation. Ohrigstadt und Watorfall
tragen den gewöhnlichen Buschfeldoharaktor ; in Secucunis
Land finden wir schon den Morulabaum, neue Euphorbien-
arten und baumartige Aloen, und im Olifantstiefland treffen
wir Palmen (Phoenix rechnete , wilde Dattel, auch hoch-
stämmige bis zu 50 Fufs), gröfsere ßaumlegutninosen,
Baobab (Adansonia digitata), Schirmakazien , den wilden
Pisang (Muss Ensete), verschiedene neue Strychnusarton,
darunter efsbare und andre teils tropische, teils semi-
tropische Gewächso. Erwähnen möchte ich von diesen
noch den „Terpentinbaum4 , von den Boereu so genannt
wegen des intensiven Terpentingeruches seiner Blätter, der
hier zuerst südlich vom Olifant vorkommt, und den man
dann bis weit jensoits dos Limpopo immer in streng ab-
gegrenzten Zonen findet. Ferner den „Kaarsboom“ dor
Boeren (uravungute der Raffern), der mit seinen zahl-
reichen wurstähnlichun Früchten oinen äufserst komischen
Eindruck macht. Er ist wahrscheinlich ein Verwandter
der ägyptischen Röhrenkassie (Cassia fistula). Eino weitere
Stufe des Tieflandes würden dann schliefslich dio Rogionou
zwischen den Lebombobergeu und der See bilden, wo wir
teils dieselben Vogetationsformen in bedeutend gröfsern und
üppigem Gestalten (z. B. Schirmakazien und Kuphorbion),
teils neue Arten erblioken. Doch gohöron dieso Toilo nioht
mehr in den Rahmen unsrer Skizze.
In administrativer Beziehung gohört das vor uns
liegende Kaffernland verschiedenen Distrikten, vornehmlich
Lydenburg und Zoutpansberg an. Zwischen diesen beiden
bildet dor Olifant die offizielle Grenze, was indessen als
ein starker Mifsgriff zu bezeichnen ist. Die natürliche
Grenze beider Distrikte sind, wie jodem beim orston Blick
auf die Karte auffallen mufs, die Drakensberge, wäh-
rend das Tiefland ein in sich abgeschlossenes Ganze
bildot. Von den Zontren beider Distrikte aus ist dos
Olitäntstiofland mit Fuhrwerk nur auf grofsen Umwegen zu
erreichen, von Zoutpansberg über Bolubedi (Motyatyi) und
von Lydenburg über MacMac ; und zu Pferde auf ungemein
schwierigen Saumpfaden über Mafefere und via Ohrigstadt
Uber Marules Fläche. Aufsordem herrscht das Fieber drun-
ten den gröfsten Teil des Jahres, und so ist die Zeit,
welche den Eingebornen-Komraissarien von Lydonburg und
Zoutpansberg neben ihrer andern Arbeit übrigbleibt, nm
die Steuern von den Kaffem in diesem weiten Territorium
beizutreiben, bei weitem zu kurz bemessen, ich bin über-
zeugt, dafs au der Untern Letaba, am Timbabati uud
weiter südwärts an der westlichen Abdachung des Le-
bombo, so lange der Staat besteht, noch kein Kaffer Steuern
bezahlt hat. Es gehen so Tausende von Pfuudou dem
Staatsschätze verloren, und die Finanzen sind in dor That
nioht so glänzend, dafs man sie entbehren könnte. Außer-
dem wird an der unbewachten Grenzo ein schwunghafter
Schmuggelhandel betrieben. Man begegnet förmlichen Kara-
wanen von Kaffem, welche mit Gewehren (6 pro Mann),
Pulver , Blei , Zündhütchen , Rum , Kaffcrpicken u. a. aus
dem portugiesischen Gebiet kommen. An einem Tage truf
ich nördlich vom Sonutn bis zu 80 konterbandefiihrende
Kafforn auf oinem Haufen. Auch dieses Treiben entzieht
der Staatskasse einen gewaltigen Posten an Einfuhrzöllen.
Gauz bedeutende Abhilfe könnte geschafft werden , wenn
man vorderhand das Tiefland zu einem besondere Ein-
gebornen- Territorium unter oinem eignon Kommissar er-
klärte, der zugleioh eine Art Grenz- und Zollpolizei aus-
zuüben hätte. Da das Land gegenwärtig, wie gosagt, von
Weifsen noch nicht bewohnt ist, würde es spätem Zoiten
Vorbehalten bleiben , um dies Territorium zum Distrikt zu
erheben. Die Unhaltbarkeit der jetzigen Einteilung wird
dann hoffentlich an maßgebender Stelle einleuchton.
Zum Schluß möchte ich dio Gelegenheit benutzen, um
einige Irrtiimer in der Schreibweise und Aussprache von
Kaffornworten zu berichtigen , die jedenfalls durch Un-
kenntnis dor Sprache entstanden sind und seitdem sich auf
unsem Karten eingebürgert haben. Der Limpopo oder
Krokodilfluß hat außerdem noch drei Namen. Die Ba-
mangwato nennen ihn Loli oder Noka Loli (das l aus-
gesprochen wie auch im Sessuto zwischen d und l), hieraus
ist jedenfalls dor Name Oori oder Ouri herausgehört, den
wir auf Karten finden ; die Stämme von Zoutpansberg
nennen ihn Bepe (spr. Bäpe), woraus wohl der Bempo ent-
standen ist, und nach seiner Vereinigung mit dom Olifant
führt er den Namen Miti. Dieso Namen sind streng nach
der Lokalität auseinander zu halten, da z. B. die Amatonga
schwerlich wissen würden, was man mit Loli meint u. s. f.
Unbekanntschaft mit dor Sprache ist fornor die Ursache
des Irrtums, dor den Ohrigstadtfluß zu einem Nebenfluß
des Steelpoort gemacht hat , während schon sein Name
über die Ursache der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
55
(Mo'lateiAoana) ihu als Nebenfiufs dus Blyde (Mo'lfttsi) er-
kennen läfst, indem die Eingebornen häufig Nebenflüssen das
Diminutiv der Hauptfliisse beilegen (Tnbatse — Tubataana).
Ferner ist Timbabati , Zebediela, Paluboroa , Motyatyi , Se-
cororo zu sagen statt Imbabati , Zebedeli , Palamboro,
Matyatyi und Skorr. Der auf der Kart« bestellende Schlüssel
wird die Aussprache wesentlich erleichtern.
Über die Ursache der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
Von Dr. P. Andries.
Durch die Untersuchungen vou Professor v. Besold,
Karsten, Wobor, Holtz und andrer ist die Thatsache durch-
aus sichergestellt, dafs die Zahl der Blitzschläge in den
letzten 50 Jahren ganz bedeutend zugenommeu, ja in man-
chen Gegenden um das Drei- bis Fünffache gewachsen ist.
Diese Zunahme ist nun nicht etwa so zu verstehen , dafs
infolge der wachsenden Zahl der Häuser, der Fabriken &c.
auch die Zahl der Blitzschläge entsprechend zugenommen
hat; diese Zahl sollte im Gegenteil eigentlich abnehmen,
denn jedos Gebäude, auch ohne Blitzableiter, bewirkt einen
wenn auch schwachen Ausgleich der entgegengesetzten
elektrischen Spannungen, folglich mUfste durch die wachsende
Zahl der Häuser die Zahl der Blitzschläge relativ ab-
nehmen. Dies bewahrheitet sich auch thatsächlich, indem,
auf das Jahr und 100 000 Gebäude bezogen, auf 23 länd-
liche nur 13 städtische vom Blitze getroffene Gebäude
kommen (dagegen Mühlen 1442 nnd Kirchen 452).
Man sah sich daher genötigt, einen ueuon Begriff oiu-
zuführen: die „Blitzgefahr“, und versteht darunter das Ver-
hältnis der Zuhl der zündenden oder auch nicht zündenden
Blitze, die in Gebäude einschlagen , zu der Zahl der Ge-
bäude eines bestimmten Distriktes überhaupt. Dieser Quo-
tient, also die Blitzgefahr, ist nuu nach Prof. v. Besold
in Bayern von 1844 bis 1882 um das Dreifache gestiegen,
ja nach den Akten einer Lübecker Fouerversichorungs-
Gesellschaft hat sich diese Zahl in den letzten 50 Jahren
verfünffacht und nach der Statistik von Holtz ist sie für
ganz Deutschland von 1 anf 2,7s für die Jahre 1854 bis
1877 gestiegen. Ähnliche Zunahmen orgaben sich für
andre Länder.
Da in der Natur jede Erscheinung ihre bestimmte Ur-
sache haben mufs, so lag die Frage nalio, auf welche Ur-
sachen obige Erscheinung zurückzuführeu sei. Diese Frage
bietet uicht mir ein wissenschaftliches Interesse dar, son-
dern hat auch, wie leicht einzusehen, eine hohe praktische
Bedeutung. Zur Erklärung dieser Erscheinung sind nun
auch schon mehrere Hypothesen aufgestellt worden.
Prof. v. Bezold nimmt für die Blitzgefahr gewisse, zwi-
schen einem Maximum und Minimum schwankende Perioden
an und glaubt, dafs wir uns in einer grofsen säkularen
Periode dem Maximum nahe befinden. Er verweist auf
die elfjährige Sonnenfleckenperiode, die auch in einer
grüfsern Periode von 54 Jahren verläuft und die das ir-
dische Klima beeinflussen könnte.
Prof. Karsten erklärt, die Abnahmo dor Waldungen in
Deutschland als Ursache der steigenden Blitzgefubr. Durch
die Abnahme der Bäume werden die Häuser immer mehr
zu den hervorragendere Punkten einer Gegend gemacht,
aufserdem bewirkt diese Abnahme gröfsore Erwärmung im
Sommer und dnmit zahlreichere Gewitter. Andre suchen
deu Grund in der starken Vermehrung solcher Einrich-
tungen wie Gas- und Wasserleitungen, Wetterfahnen &c.
Diese Ansicht erklärt aber nicht die Zunahme der Blitz-
gelähr gerado bei den ländlichen Gebäuden , bei denen
doch derartige Einrichtungen höchst selten zu treffen sind.
Obwohl nun die oben angeführten Ursachen zum Teil
die erhöhte Blitzgefahr erklärlich machen, so genügen sie
doch nicht, um eine so allgemeine Erscheinung besonders
aber die grofse Zunahme dor Blitzschläge in so kurzem
Zeiträume vollständig zu erklären. Diese grofse Zunahme
kann nur durch eine grofse, weitverbreitete Ursache ihre
Erklärung finden. Man mufs sich die Frage stollon: „Wo-
durch kann die elektrische Spannung bei Gewittern so ver-
mehrt werden , dafs eine gröfsere Zahl von Blitzen nach
der Erdo überspringt als früher? Denn es ist nicht so
sehr die wachsende Zahl dor Gewitter, als ihre stei-
gende Heftigkeit, die die vermehrte Blitzgefahr her-
vorruft.“
Als Hauptursache verweisen wir nun hier auf die ge-
rade innerhalb der letzten 50 Jahre stattgefundene enorme
Vermehrung der Fabriken, Lokomotiven, Dampfschiffe, kurz
aller Einriuhtuugun , die die Atmosphäre mit Bauch , mit
Dämpfen und Staubteilchen aller Art erfüllen. Wenn man
bedenkt, dals tagtäglich Tausende von Lokomotiven , Tau-
sende vou Dampfern die Erde umkreisen, dafs ebenso
Tausende von Fabriken allor Art Tag für Tag kolossale
Monge» von Rauch , vou Dämpfen und Staubteilchen in
die Luft sonden, dafs besonders in den Städten die enorm
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Über die Ursache der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
gewachsene Zahl der Häuser ebenfalls täglich ungeheure
Rauch- und Staubmengen absondert, so wird die Behaup-
tung kaum übertrieben erscheinen, dafs in der Gegenwart
gewifs hundertmal mehr Staub, Rauch und Gase gebildet
und von der Atmosphäre aufgenommen werden als vor
50 Jahren. Jedenfalls wird zugestanden werdon müssen,
dafs in der Jotztzeit die Verunreinigung der Atmosphäre
infolge dor Dampfmaschinen und der Fabriken ungleich
viel gröfser sein mufs als vor Jahrzehnten. Schon mit
dum blofson Auge kann mau diese Trübung dor Atmo-
sphäre konstatieren. Man reise z. B. von dor Nordsee
nach den niederrhoiuischon Kohlenrevieren und Fabrik-
zentren wie Essen , Bochum , Dortmund , Ruhrort &c. und
man wird den Unterschied iu der Reinheit der Luft ganz
auffällig finden. Über jenor Gegend lagort Tag flir Tag
eine nebelartige Dunstschicht, die Luft ist mit übelriechen-
den Gasen angefüllt, alle Gegenstände erscheinen mehr
oder weniger schwarz durch die niedersinkenden schwororn
Staubteilchen. Welchen Einllufs grofse Städte über-
haupt auf die Beschaffenheit# der Luft ausüben, geht aus
einer neuern Untersuchung des französischen Forschers
G. Witz in Rouen liorvor. Derselbe wies das beständige
Vorhandensein schwefliger Säure in der Luft in denjenigen
Städten nach, in welchen Steinkohle gebrannt wird: auf
dem flachen Lande liefe sich dagegen keine schweflige
Säure nachweisen.
Nach Feststellung dieser Verhältnisse tritt nun die wei-
tere Frage heran ilbor den Zusammenhang derselben mit
der steigenden Heftigkeit der Gewitter. Zum bessern Ver-
ständnisse dieses Zusammenhanges müssen wir hier auf dio
Theorie dos Gewitters kurz eingohen, speziell auf dio Ent-
stehung der Gewitteroloktrizität.
Nach den neuern Anschauungen über diese letztere
Frage, wie sie in Deutschland von Hoppe, Gorland, Liebo-
now, von Luvini iu Turin und Faye iu Paris, sowio end-
lich vom Verfasser dieses Artikels vertreten worden , be-
trachtet man im allgemeinen die Reibung als Haupt-
quelle der Gowitterolektrizitüt. Reibung zwischen Luft
und Eisnadoln (nach Luvini), zwischen Luft und Wasser-
kügelchen , zwischen Wasserdumpf und Wasser (Liebenow,
Faye und Andries, nach dem Prinzip dor Hydroeloktrisior-
maschine) ist die Hauptquelle der Elektrizitätsentwicke-
lung '). Wirken uufser den genannten Faktoren noch
Staubteilchen mit, so wird dadurch die Eloktrizitätsent-
wickelung sehr gesteigert, wie dies am bestell die Gewitter
hei Vulkanausbrüchon heweisen, wo neben dem Wasser-
1) Di« »usfiihrliehere Begründung dieser Anschsuung hm der Ver-
fasser in »einen beiden Artikeln „Ober Gewitter und HagelbildunR** in
den Annalen der Hydrographie (1864, 8. 1 — 17. 65 — iS, und 1885,
S. 125 — 134. 187 — 195) gegeben. 8. Litt. -Her. 1885, Nr. 256.
dampf auch feine Aschenbostandteilo massenhaft ausge-
worfen werdon und wodurch diese Gewitter eiuon aufser-
ordeutlich heftigen Charakter annehmen. Auch Prof. Luvini
weist auf diese vermehrte Elektrizitätsentwickelung infolge
der Reibung der Staubteilchen mit der Luft hin.
Ferner darf noch an die merkwürdige Erscheinung dor
Elektrisierung der Cheops - Pyramide durch den empor-
wirbelndon WUstenstaub erinnert werden; nur die Reibung
dor Sandkörnchen am Boden und an der Pyramide kann
die Ursache der Elektrizitätsentwickelung sein.
In betreff dieser Reibung als Hauptquello dor Elektri-
zität geht nun dor Verfasser dieses mit Faye und Luvini
noch weiter als die oben genannten Autoren, insofern er
bei Gewittern auch eine Wirbelbewegung statuiert,
dio oben diese Reibung bei weitem inteusivor und daher
viel wirkungsvoller macht als ohne diese Bewegung.
Er behauptet , dafs die ebenso rasche wie enorme und
langdauernde Elektrizitätsentwickelung bei Gewittern ohne
eine roin mechanische Ursache, d. h. Wirbelbewegung,
analog der mechanischen Kraft boi dor Hydroolektrisior-
maschine, nicht erklärt werden kann.
Die Anwendung dieses Satzes von der Reihung zwi-
schen fosten , flüssigen und gasförmigen Bestandteilen der
Atmosphäre zur Erklärung der steigenden Heftigkeit der
Gewitter der Neuzeit ergibt sich nun sofort von seihst.
Ist unsre Atmosphäre gegenwärtig anfserordeutlich weit
mehr mit feinen Staubteilchen angefüllt als in frühem Jalir-
zohuten , so mufs dieser Umstand auf diu Intonsität der
elektrischen Erscheinungen boi Gowittern von grofsem Ein-
flufs sein. Unsro heutigen Gewitter müssen sich in bezug
auf elektrische Spannung zu den frühem ähnlich verhalten
wio ein Gewitter bei einem Vulkanausbruch zu einem ge-
wöhnlichen Gewitter. Sind also die Gewitter der Gegen-
wart heftiger als die frühem, so erklärt sich die grofsere
Zahl der Blitzschläge schon an und für sich; doch tritt
noch oin wichtiger Faktor hierbei in Wirkuug, der aller-
( dings schon aus dem gröfsem Staubgehalto der Loft folgt,
doch noch besonders hervorgehoben werden mufs.
Nalirwold ') hat nämlich nachgowiesen , dafs das Vor-
handensein fester Körperchen iu der Luft die Leitung
dor Elektrizität sehr erleichtert und dafs der
Staub in der Luft durch Reibung elektrisch wird. Unsre
heutigen Gowittor müssen sIbo nicht blofs hoftigor (und
wohl auch etwas zahlreicher als früher) sein, sondern durch
dio grofsere Leitungsfälügkoit der staubhaltigen Luft wird
auch der elektrische Funko viel öfter als frühur von einer
Gewitterwolko nach der Erde überspringen , anstatt von
einer Wolke zur andern. Die durch den grofsen Staub-
*) Siche Österreichische Zeitschrift für Meteorologie 1879, S. 72.
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57
über die Ursache der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
gehult der Luft hervorgerufene gröfsere elektrische Span-
nung in den Gewitterwolken und die gröfsere Leitungs-
fuliigkoit der Luft wirken also in hezug auf die Blitzgefahr
in demselben Sinne und dürften dieselbe vollständig erklä-
ren. Man könnte allerdings einweudun , dnfs die gröfsero
Leituugsfahigkeit der Luft infolge gröfsern Staubgehaltes
die Höhe der eloktrischen Spannung, also auch die Heftig-
keit der Gewitter gerade vermindere ; indessen iBt zu berück-
sichtigen, daf's die etwas erhöhte Tjeitungsfähigkeit nur eine
kleine Rolle spielt gegenüber der überaus heftigen und
ebenfalls durch Staub beschleunigten Entwickelung der Ge-
witterelektrizität, und wenn selbst beide Faktoren in ihren
Wirkungen sich aufhöben, so bliebe immer noch das durch
den gröfsern Staubgehalt erleichterte Überspringen des
Blitzes nach der Erde hin übrig. Auch erklärt die gTöfsoro
Leitungsfähigkoit staubhaltiger Luft die schon seit alten Zei-
ten bekannte Vorsichtsmafsregel, bei einem herannahenden
Gewittor das Feuer in den Herden und Ofen ausgehen zu
lassen ; der aufsteigende Rauch bildet ebon eine Säule
gröfserer Leituugsfahigkeit, und darin mag die Erklärung
für den UniBtand gefunden werden, dafs der Blitz gewissor-
malsen mit Vorliebe die Schornsteine aufsucht, abgesehen
davon , dafs diese in der Regel die höchsten Punkte eines
Gehäudes bilden. Gleiches gilt für die Mühlen.
Der obige Versuch einer Erklärung der gröfsern Hef-
tigkeit der Gewitter und der zunehmenden Blitzgofahr
findet eine schöne Bestätigung in den Beobachtungen frü-
herer Zeiten. Im Sommor 1783 war über ganz Europa
ein dichter Staubnuboi verbreitet , den man mit gutem
Grunde mit den äufserst heftigen Vulkanausbrüchen auf
der Insel Island und in Calabrien in Verbindung brachte.
„ Man bemerkte1) allomul einig« Abnahme dos Nobels
nach Gewittern Man glaubte indessen, ihn
wegen der zahlreichen Gewitter, die sich durch
häufigus Einschlagen auszeichnctcn , elektrisch nen-
nen zu können. Die vielen Fälle, wo Häuser, Buume uud
Menschen getroffen wurden , veranlagten zu dem Schlüsse,
dafs die Gewitter sich in sehr geringer Höhe über der
Erde hofändeu uud gleichsam in dem dicken Nebel selbst
entstehen mülston. Dabei waren die Gewitter zugleich
ungewöhnlich heftig. So erzählt. Senebier z. B.,
dafs am 12. Juni, wo der Höhenrauch ungewöhnlich dicht
war, in Genf ein von 12-J- bis 4; Uhr nachts dauerndes
Gewitter den Himmel durch unzählige Blitze fast unauf-
hörlich erhellt habe, während der Donner mit furchtbarem
Getöse ohne Unterbrechung fortdauerte.
Ähnliches berichtet Toaldo, dafs nämlich bei einigen
Gewittern mehr als 100 Schläge an demselben Orte
*) KMmU, tahrlmrh <i«r Meteorologie, Bd. HI, S. 202—208.
Petennurae Oeogr. Mitteilungen. 1886, Heft II.
boobachtet wurden , dafs manche Gebäude bei einem Ge-
witter von mehreren Blitzen getroffen wurden dfcc.
Diesen Nachrichten liefson sich viele ähnliche aus den
Mannheimer Ephemeriden anreihen.“ Ancli die von Espy
hervorgehobene Thatsachu, dafs als Folge der in Florida
zur Erzeugung von Regen absichtlich augezündeten Schilf-
grasfeldor zuweilen vollständige Gewitter ganz lokaler Natur
auftreten, dient zur Bestätigung obiger Ansicht. Die auf-
steigenden, enorm grofsen Rauchmassen und die mitgerisse-
nen Wasserdämpfe bilden hier offenbar dio alleinige Ur-
sache der Entstehung von Gewittern und Regon, du in der
betreffenden Jahreszeit diese Erscheinungen ohne künstliche
Erzeugung nie beobachtet werden.
Ferner erwähnt Kämtz (nach einer Abhandlung von
Brugmanns Uber diesen Nebol) einen auffallenden Geruch
nach Schwefel, der besonders ain 24. Juni auftrat, und
hebt schliefslich auch noch die Möglichkeit einer solchen
weiten Vorbreitung von Staub- und Ranchnebeln hervor.
Boi seinem Aufenthalt auf dem Rigi im Jahre 1832 er-
schien ihm das Thal von Schwyz am frühen Morgen vollkom-
men rein; sobald aher in den Wohnungen gegen 5 — 6 Ühr
Feuer a »gezündet worden war, erschien zuerst über der
Stadt eine Rauchwolke von nur geringer Höhe und ebener
Oberfläche. Im Laufe des Tages breitete sich die Wolke
weiter aus, gewann an Mächtigkeit, und das ganze Thal
erschien mit einem Sohleier üborzogen.
Die gröfsere Zahl und Heftigkeit der Gewitter der
Jetztzeit hat neben ihren mannigfachen üblen Folgen uueh
eine gute, nämlich die Reinigung der Luft von Staubteil-
chen. Das Gewitter stellt nämlich gewissermafsen eine
grofsartigo Luftroinigungsmaschino dar. Im vergangenen
Jahre machte Prof. Lodge aus Liverpool sehr interessante
und wichtige Versuche über das Niederschlagen von Rauch
in geschlossenen Räumen vermittelst Elektrizität. Er füllte
ein Gefäfs durch Verbrennen eines Magnesiumdrahtes inner-
halb desselben mit dichtem Magnesiarauch an und liefs
dann durch das Gefäfs einen elektrischen Strom goheu.
Der Rauch begann sofort herumzuwirbeln und ballte sich
dann zu grofsen Flocken und Kotten zusammen, die fast
augenblicklich auf dem Bodon und den Wänden des Ge-
fäfses sich niederschlugen , so dafs das Gefäfs ganz frei
von Rauch war. Während beim gewöhnlichen Verlauf ver-
schiedene Stunden zum Nioderschlageu des Rauches er-
forderlich waren, erfolgte dieser Niederschlag vermittelst
Elektrizität in wenigen Sekundon. Der gleiche Erfolg fand
statt, wenn das Gefäfs mit irgend einer andern Art von
Rauch angefülit war. Qrofse, mit diohtem Rauche angefüllte
Zimmer wurden auf obigem Wege in kürzester Zeit von
diesem Rauche vollständig gereinigt.
Der Godsuke lug nuu nahe , diese Methode auch auf
8
58
Über die Ursache der zunehmenden Zahl der Blitzschläge.
Borgwerke, Bleihtitten &c. anzuwenden. Herr Walker, Mit-
teilhaber einer grofsen Bleigiefserei in Nordwales, liefs nach
den Vorschriften von Prof. Lodge den Hauch der Schmolz-
öfen in grofse hölzerne Rauchfringe, die geschlossen wer-
den konnten und außerdem mit Glasfenstern zum bessern
Beobachten dor Vorgänge versehen waren, passieren. Eiue
starke Maschine erzougto den elektrischen Strom, der sich
an zahlreichen zwischen den beiden Fenstern befindlichen
Metallspitzen ontlud. Nachdem der Kanal dicht mit Rauch
augcfUllt und dann geschlossen worden war, setzte man
die elektrische Maschine in Thätigkeit und nun beobachtete
man genau , wie bei dom obigen Experiment mit dem
Magnesiarauch ein Herumwirbeln des Rauches um die Me-
tallspitzon , dann ein Zusammenhalten desselben in kleine
Flocken gleich Schneeflocken, und endlich ein Niedersinken
dieser Flocken an den Wänden des Rauchfanges. Auf diese
Weise war derselbe in unglaublich kurzer Zeit vollständig
vom Rauche gereinigt.
Ein weiteres Experiment mit nicht geschlossenem Rauch-
fange, wo also der Rauch in lebhafter, aufsteigender Be-
wegung war, ergab ganz dasselbe Resultat. Herr Walker
entschlofs sich natürlich sofort, diese NioderschlagBinethode
in grofsem Mafsstabe in sämtlichen BleihUtten einzuflihren.
Ziehen wir aus diesem interessanten und praktisch
höchst wichtigen Experiment die uahuliogondcn Schlufs-
folgerungen in bezug auf die Vorgänge bei einem Gewitter,
so ist sofort einleuchtend, in welch hohem Mafse die Luft
durch die heftigen und dauernden oloktrischon Entladungen
von jeglichem in ihr vorhandenen Staube gereinigt werden
mufs. Es sei hier nur au die oben erwähnte Abnahme
des Staubnebels nach einem Gewitter im Jahre 1783 er-
innert. Gevwtter bewegen sich bekanntlich auf langen,
mehr oder wonigor breiten Zonen. Tausendo von Blitzen
durchfurchen die Luft über einer solchen Zone und rei-
nigen sie von Staub und Rauch.
Wir sehen also, dafs die Natur im Gewitter gewisBer-
mafsen einen Regulator geschaffen, der die Aufgabe hat, die
normalen Verhältnisse in der Atmosphäre immer wieder
herzusteilen ; diese Aufgabe beschränkt sich aber nicht blofs
auf den Niederschlag von «Staub, sondern bostoht auch in
einer Ausgleichung anomaler Temperatur- und Feuchtigkeits-
verbültnisso. Daher uuch das erfrischendo Gefühl nach
einem Gewitter, woran Mouschon, Tiere und Pflanzen tcil-
nehmen, daher die befruchtenden Gewitterregen, die jedem
Landmann willkommen sind. Da ferner die irgendwo in
gröl'serm Mafse erzeugten Rauch- und Staubmasseu durch
Luftströmungen nach allen Richtungen verbreitet werden, so
ist die allgemein beobachtete gröfsere Zahl und Heftigkeit
der Gowitter leicht begreiflich und nicht etwa blofs an die
Orte gröfster Rauchproduktion gebunden.
Zum Schlüsse noch eine kurze Erwägung des Einflusses
des Staubgehaltes der Luft auf die Nordlichter. Aus Prof.
Tromholts Mitteilungen über den sogenannten Königsspie-
gel ') und dessen Übersetzung durch Peder Claussön , be-
sonders aber aus einer von letzterm hinterlassenen „Nota“
aus dem Jahro 1604 oder 1605 geht klar hervor, dafs
das Nordlicht in frühem Jahrhunderten nur in nördlichem
Gcgondon sichtbar, überhaupt scltenor gewesen sein mufs
als gegenwärtig. Ebenso wird in dem Tagebuch, das von
sieben Seeleuten, die von 1663 — 1664 auf Jan Mayen
l überwinterten und sämtlich dort starben, geführt wurde,
eines Nordlichts mit (keiner Silbe erwähnt, trotzdem nach
dom Tagebuch viele helle Nächte in genanntem Winter auf-
traten, und die Verfasser auch dio geringfügigsten meteoro-
logischen Ereignisse fleifsig notierten. Solche Tlmtsachen
sind jedenfalls sein auffällig. Wenn bei Entwickelung eines
Nordlichtes dio Cirruswolkcn jedenfalls eine grofse Rolle
spielen , da , wie Prof. Luvini nach Faraday gezeigt hat,
Reibung zwischen Eis und Luft Elektrizität hervorruft, so
dürfte, infolge des vermehrten Staubgehaltes der Luft, der,
wie wir gesehen haben , ebenfalls eine Elektrizitätsquelle
bildet , vielleicht cbonso ein häufigeres und glänzenderes
Auftreten der Nordlichter in dor Neuzeit stattfmdon , wie
bei den Gewittern, und auf gleiche Weise zu erklären sein.
Man könnte dann den Satz aufstellen, dafs mit wachsen-
dem Staubgehalte der Luft alle elektrischen Erscheinungen
der Atmosphäre an Intensität zunehmen. Allerdings müfsten
dann dio Nordlichter der letzten 50 Jahro ganz besonders
an Zahl und Intensität zugenommen haben , was auch in
gewissem Mafse der Fall zu sein scheint. Dieser Punkt
bedarf noch oiner speziellen Untersuchung.
Ferner dürfte die entschieden geringere Zahl der Süd-
lichtor mit dem ungleich geringem Staubgehalte der Luft
der Südhemisphäre eng Zusammenhängen. Der auf der
nördlichen Erdhülfte erzeugte Rauch und Staub wird zum
bei weitem gröfsten Toilo auf dieser Halbkugel bleiben und
dort seine Verbreitung finden. Dann mufs auch die In-
tensität und Häufigkeit aller elektrischen Erscheinungen nuf
der Nordhalbkugel im allgemeinen gröfser sein als auf dor
Südhalbkugel, und dies trifft in der Tliat zu, liesonders in
bezug auf die Polarlichter.
') Meteoroler. ZciUcbrift, Bd. II, S. 2t.
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59
Geographischer Monatsbericht.
Afrika.
Senegambien. — Der Jetzt«! Feldzug 1884— -85 zur
Verproviantierung der Posten am ohem Senegal und Niger,
welchen Kommandant Combos leitete, hat zu einer weitern
Ausbreitung der französischen Herrschaft geführt, indem ein
neuer Posten in der Landschaft Birgo bei Niagassola ge-
gründet wurdo, wodurch eine zweite Routo von Kita nach
dem oliern Niger in Besitz genommen worden ist. Din
nördliche Route fuhrt übor Kuudu nach Buutmuko, die süd-
liche über Niagassola nach Kangaha. Zugleich wurdo über
die Landschaft Bure, zwischen den Quellflüssen des Senegal
und dem Niger, welche durch ihre Produktion an Gold von
Wichtigkeit ist, die .Schutzherrschaft erklärt- Eine feste
Begründung der französischen Herrschnft hat sich auch
durch diesen Feldzug nicht erreichen lassen, da ihr stärk-
ster Gegner, der Prophet Samory, einem entscheidenden
Kumpfe auszuweichon wufste, obwohl Combos den Niger
überschritt und seinen Gegner weit verfolgte; trotz meh-
rerer Schlappen war Samory den französischen Truppen
stets wieder auf den Fersen, sobald sie den Rückzug antrn-
ten. Aus diesem Grunde ist die Entsendung einer gröfsorn
Expedition 1885/86 unter Oberst Frey notwendig gewor-
den , welche Ende November von Kayes abgegangen ist
und bereits Kämpfe mit Samory zu bestehen hatte. Fiir
die Verbindung der Kolonie Scnogal mit den PoBten am
obern Flusse ist es von besonderer Wichtigkoit, dafs es
nach jahrelangen Bemühuugon gelungen ist , die Lücke,
welche in der Telegrnphenlinio bestand, wesentlich zu ver-
kleinern, indem eine telegraphische Verbindung zwischen
den lieidon Posten Saide und Matam durch die Landschaft
Toro Futa hergestellt ist. Es bleibt nur noch die 97 km
lange Strecke zwischen Matam und Bakel zu vollenden, um
eine direkte telegraphische Verbindung zwischen ßamraako
am Niger und St. liouis, der Hauptstadt des Senegal, und
damit auch mit dem Mutterlando Frankreich herzustollen.
Äquatorialafrika. — Dr. G. A. Fischer ist, wie
eine Depesche aus Sansibar vom 1. Januar meldot, in
Kagoi am Südufer dos Victoria -Sees nngekommon *). Da
Dr. Fischer erat Anfang August von Pangani aufgebrochen
ist , so hat er Boino Reise , welche durch gröfstenteils un-
erforschtes Gebiet führte, in der überraschend kurzen Zeit
von ca 4 Monaten zurückgelegt. Bei dem schwankenden
Charakter des jungen Königs Mwanga von Uganda , wel-
cher sich leicht durch dio Araber zu Mifstrauen gegen
Europäer beeinflussen läfst, ist sehr zu befürchten, dafs
Dr. Fischer mit grofsen Schwierigkeiten zu kämpfen habun
wird , bis der Durchzug durch Uganda und eine Unter-
stützung durch einheimische Truppen ihm gestattet wird.
Gelingt ihm dieses nicht, so wird er vorsuchen müssen, das
Reich Uganda im Westen durch Unjoro oder im Osten durch
Usoga zu umgehen, um mit den bedrängten Forschern Emin-
Bei und Dr. Junker sich zu vereinigen. Das wechselnde Be-
nehmen des Königs Mwanga, welcher u. a. 1885 mehrere
Zöglinge der englischen Mission lehendig verbrennen liofs,
’) I >i c Kolniwhe Zeitung rum II. Januar 1880 teilt «in Telegramm
aus Sansibar tom 9. Janunr mit, wonach Dr. Kvcher sieh nach Australien
eingwehilft haben will; vermutlich liegt hier eine Verwechwlung von Au-
stralien mit L'gtndt vor.
\
gibt auch Anlufs zu dor Befürchtung, dafs dio Trauerbot-
schaft über dio vou ihm verfügte Verhaltung und Hinrich-
tung des englischen Bischofs S. TTannington nicht ganz un-
begründet ist. Bischof Hannington war am 22. Juli 1885
von Monthas aufgebrochen , um auf direkter Routo durch
das Massai -Igtnd die Ostklisto dos Victoria -Sees zu errei-
chen und von dort nach Uganda sich einzuschitfen; seine
letzten Nachrichton vom 10. August stammten aus dem
Gebiete Ulu nördlich vom Kilima Ndscharo. Nach den
i lotzton Berichten aus Uganda vom 3. Oktober 1885 hatte
der Missionar Mackay dio Erlaubnis erbeten , Bischof Hnn-
niugton an dor Ostküste abholen zu dürfen ; dieselbe war
ihm vom Könige jedoch verweigert worden. Später ent-
schlofs sich dersolbe, einen Beamten «lern Bischof ontgegon-
zusenden, um ihn nach dem Siidufer des Sees zu bringen,
wo er weitere Befehle abwarten sollte.
Der Bischof der Universities Mission in Zentralafrika,
Smithie, hat seinen Rückweg vom Nyassa - Seo, wo er dem
Stapellauf des neuen Missionsdnmpfers „Charles Janson“ bei
dor Station Matope boigowohnt hatte, nach der Ostküste
längs des Lujende ausgeführt , den er von der Quelle bis
zur Voreinigung mit dem Kovtima und dann bis zur Mün-
dung verfolgte. Bischof Smithie bestätigt durchaus die
Beobachtung des Konsuls O'Neill, dafs dor Lujonde nicht
ein Abflufs des Kilwa (Schirwa) -Sees, sondern dor Seen
Chiuta und Amaramba ist, welche durch einen niedrigen
Rücken vom Kilwa -See getrennt worden.
In der Polomik von Dr. Pcchtul- Lösche und Stanleg
weisen wir auf oiuo knrzo Erwiderung des Erforschers dos
Kongo hin (Now York Horald 13. Dezember 1885) und
eine längere Auseinandersetzung von A. J. Wauters (Mou-
vement geographique 1886, Nr. 2), worin auffallende Wider-
sprüche zwischen Pochuol- Ixisehes Originalberichten und
Angriffen gegen Stanley nachgewinsen werden.
Nur noch kurze Zeit wird es währen, bis die Hydrographie
des Kongo -Beckens in seinen Hnuptziigen festgestellt sein
wird, dank den Unternehmungen des Kongo-Staates und dor
englischen Missionaro. Der auf geographischem Gebiete t (tä-
tigste unter ihnon, Rov. G. GrenfeU, hat soinon vielfachen
Verdiensten ein nettos hinzugefügt durch die in Begleitung
von Leut. v. Francois ausgofübrte Befahrung der linkssei-
tigen Nebenflüsse Lulongo mit seinem Zuflufs Lupuri, und
dos Uruki, welcher stromaufwärts Tschuapa heilst, mit sei-
nem Zuflufs Bussera. Beide auf einer Strecke von mehr
als 600 km befahrene Ströme weichen in ihrem Verlaufe
nur wenig von dor ost- westlichen Richtung ab. Der Lu-
longo wurde bis 0° 10' N. Br. und 22° 32' ö. L., der
Tschuapa bis 1° 1' S. Br. und 23° 14' ö. L., sein Tri-
butär BusBvra bis 1° 9' S. Br. und 20° 23' Ö. L. auf-
genommen. Namentlich längs des Tschuapa existiert eine
sehr dichte Bevölkerung. Auch einen rechtsseitigen, untor-
halb dos Mobunschi, nntor 1° 8' S. Br. mündenden Flufs
Mhungu hat der Dampfor -Pence“ 50 km weit befuhren und
Rav. Grenfell glaubt denselben mit dem von de Brazzn 1879
entdeckten Liconn identifizieren zu dürfen. Diese Frage
ist für die Begrenzung des Kongo-Staates von Wichtigkeit,
da nach dem Vertrage mit Frankreich das Becken des licona
noch letztem) zufallen soll. Bezüglich der Frage der Tden-
8°
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60
Geographischer Monatsbericht.
tität des Mobanschi und Uelle stimmt Rev. Grenfell, dor .
Erforscher des erstem, der von Wauters aufgestellten Hy-
pothese bei, da der Mobanschi unter 4° 20' N. Br. direkt
aus Osten kommt1); die Veröffentlichung der Grenfellschen
Aufnahmen des Mobanschi ist in kurzer Zeit durch die Lon-
doner Geogr. Gesellschaft zu erwarten. Dr. Wolff, \ Mitglied
der Wifsmannschen Kassai- Expedition, hat auf dem neuen
Dampfer *H. M. Stanley“ dio Baluba-Leuto in ihre Heimat
am Lulua zurückgebracht und an dem Zusammenflufs des
Lulua uud Kassai eine neue Station gegründet. Leut. Wife-
mann ist nach kurzem Aufenthalt in Madeira nach dem
Kongo zurückgokehrt, um die Erforschung des Gebietes im ,
NO des Lulua wieder aufzunehmen.
Nach langem Aufenthalt am untern Kongo , welcher
durch die Schwierigkeit, Träger zu erlangen, verursacht j
wurde, ist Prof. Dr. 0. Len» im November 1885 nach
14tägigem Marsche am Stanley Pool angekommeu. Seine
Weiterreise ist dadurch gesichert, dafs die Regiorung des
Kongo-Staates ihm den neuen Dampfer „H. M. Stauloy“ zur
Verfügung »tollte. Sohr wichtig für die Zwecko dor Expe-
dition, Feststellung der Wasserscheide zwischen Nil und
Kongo, Erforschung dos Mobanschi uud seines permanouten
Zusammenhanges mit dem Uello ist es, dafs Dr. Junkers
langjähriger Begleiter, Bokndorff , welcher bisher in Man-
janga stationiert war, als Delegierter des Kongo -Staates
an dioser Fahrt teilnohmen wird. Da derselbe des Ara-
bischen vollständig und auch der Niamniam-Sprache ziemlich
mächtig ist, wird er für die Fortschritte der Expedition
sehr nützlich sein, wenn es sich bestätigt, dafs der Mo-
banschi und der üelle ein und derselbe Flufs sind.
Australien und Inseln des Grofson Ozeans.
Festland. — Im Oktober 1885 ist unter Leitung
des erfahrnen Feldmessers David I.indsatj , welcher 1883
die Halbinsel Arnhem-Land erforscht hnt, eine neue Expe-
dition in das Innere des Kontinentes aufgebrochen, welche
iu erster Linie das Ziel verfolgt, neue Weidegründe aufzu-
suchen und zu vermessen. Ausgangspunkt ist die End-
station dor südaustralischen Nordbahu , Hergott Springs,
von wo aus er sich dem in den McDonell Ranges ent-
springenden Finkt River zuwenden wird, dosson Untorlauf
noch gänzlich unsicher ist ; von diesem wird er nach dem
Herbert River ziehen , welcher bereits zum grüfsten Teilo
in dem Gebiete von Queensland liegt., und endlich werden
seine Aufnahmen an dem Arthur River, welchor in den
Carpentaria - Golf sich ergiefst , ihr Endo erreichen. Dio
Dauer der Expedition ist auf ein Jahr veranschlagt. Die
Expedition erregt noch darum, wie Buron Ford. v. Mueller,
Australiens grofser Botaniker, uns mitteilt, oin besonderes
Interesse , weil sie das Gebiet durchziehen wird , in wel-
chem mutmafslicb vor 37 Jahren Leichhardt umgekommen
ist. Diese Vermutung stützt sich namentlich auf Mittei-
lungen eines Squatters, Jarvis, welcher vor längerer Zeit
von Eiugcbornen in Erfahrung brachte, dafs vor vielen
Jahren bei dein Übergang über einen salzigen Flufs, Tirrea-
wah, eine Expedition woifser Männer überfallen und nieder-
gemacht wordon sei. Lindsavs Expedition ist mit Drome-
') Di« Nschnrht, dafs di* Identität beider Plmye zweifelhaft erscheine
($. 20}» mir durch ein falsches Telegramm entstanden.
daren ausgerüstet. Unter seinen sieben Begleitern befindet
sich ein Deutscher, oiu früherer Artillerieoffizier, IT. Ditt-
ricJi, welcher namentlich soine Aufmerksamkeit der Flora
zuwenden wird. Aus einem Briefe desselben, welchen
Baron v. Mueller uns übersendet , entnehmen wir folgende
Nachrichten über den Beginn der Expedition :
„The ,P*ak4 Telegraph Station, 13« November 1885«
.Nach zwölfttigigeni Manche sind wir heute früh von Her^ott an*e-
kommoii und geniftfetn einmal wieder den Luxus von Tisch und Stuhl
beim Schreiben. Die Witterung wnr bi* jctxt noch angenehm, — über
120° P. (49° C.) in der Sonne sind wir noch nicht gekommen. Eine
Nacht hat es sogar tüchtig geregnet. Die Kamele halfen sich gut gehal-
ten; sie sind kleiner und schwächer als die in Ägypten gebrauchten. Von
den vier Hunden, die wir mitgenommen, ist uns der beste leider am Ilitz-
schlag gestorben. Die für mich bestimmten Kamolo, von Sir Thomas Eider
gütig geliehen, werde ich wohl erst bei Charlotte - Water* erhalten. Bi*
jctxt rauf* ich mein Kamel mit dom Schwager de* Mr. Limlwy teilen und
konnte daher (für Sammeln von Pfianren) wenig von der Straf»? abwei-
chen. — Bei Charlotte • Watfr* hat Mr. Lindsay ca ,76 miles survoy-
buainetK*, was uns beinahe einen Monat dort aufhalten dürfte. Von hier
gehen wir den Finko Häver hinunter und dann durch ,unknown country4.
Am I*ke No*h an dei Queensland Boundary kommen wir wieder mit der
Telegraphen- und Postlinie in Verbindung. Wir bleiben morgen norh hior,
und ich werde die Gelegenheit benutzen, Photographien von verschiedenen
interessanten Punkten in den Bergen uufru nehmen.
.Ich habe eben gehört, dafs ein alter Schwarzer an eine Station nahe
Charlotto-Water* anlangte, welcher willens ist, mich daliiu zu geleiten, wo
Spuren weifser Miinncr noch zu sehen sind, welche dort durchzogen, als
er «in Knabe wnr. Sollte sich die* als wahr erweisen, «*o ist es eine gute
Neuigkeit.“
Viel des interessanten bietet die Scbilderung , welche
Reinh. Graf Anrep- Elmpt von Australien entwirft, aber leider
in einer zu weit Husgespouncuen , oft Wiederholungen ge-
benden Darstellung, so dafs diu Loktüre des dreibändigen
Werkes (8°, 552 + 505 4- 248 SS. ohne Register, ohne
Karte. Leipzig, W. Friedrich, 1886. M. 24) nrmiidond
wirkt. Besonders gab dio Form des Tagebuches zu dieser
Weitschweifigkeit Veranlassung. Graf Anrep -Elmpt bat
in 1-J- Jahren, vom September 1878 bis März 1880, die vier
Kolonien Neu -Süd - Wales, Queensland, Victoria und Süd-
auBtralien in verschiedenen Boförderungsweisen durchreist,
gröfsere Strecken sogar zu Fuls durchwandert, um sich ein
eigneB Urteil über Land und Leute zu bilden. Nur in
den gröfsern Orten hielt er sich längere Zeit auf, trotzdem
war es ihm aber gelungen, seinen Unterhalt hei dieser um-
herscliweifendeu Lebensweise zu verdienen, was gerade keine
Bestätigung ahgibt- für sein Urteil, dafs in Australien alles,
Handel, Industrie, Landwirtschaft, Viehzucht daniedorliogt.
Die Ursache dieser Entartung Australions, welche sogar
auf dio Bewohner, Einwandorer wie Eingoboruo, sich er-
streckt , sucht der Verfasser in der schrankenlosen Sucht
nach Gewinn, welche zur rücksichtslosen Ausnutzung und
Verwüstung von Flur und Wald , zum gegenseitigen Ver-
nichtungskumpfe führt. Von Oktober 1882 bis März 1883
führte der Reisende einen zweiten Besuch in Australien
aus, welcher hauptsächlich den nördlichen Gebieten von
Queensland galt. Die Eindrücke , die er auf Reiner ersten
Tour gewonnen hat, wurden in ihm fast überall bestätigt
und sogar verstärkt.
Neuguinea. — Über den Verlauf der Expedition,
welche unter Leitung von Kapt. EveriU von der austra-
lischen Geographischen Gesellschaft nach Neuguinea entsandt
worden ist, verdanken wir I)r. R. v. Lendenfeld in Sydney
folgende ausführliche Mitteilung:
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Geographischer Monatsbericht.
61
.Die Expedition, welche im Juni 1886 von Sydney nach dem enu-
lixrben Teile von Neuguinea abging, und über welche wir damals berichtet
haben, ist nun hierher zurückgekehrt. Kurz vor dem Eintreffen derselben
in Cooktown war das GerUcht verbreitet worden, dafc die gante Expedition
durch einen Überfall bewältigt und von den Ringebnmen vernichtet worden
wäre. Von Thuwday Ialand, wurde eine Expedition sogleich abgeacbickt,
um die !>outc zu retten, oder wenigsten* ihr Schicksal zu erfahren, und
der Admiral auf der australischen Station entsandte eine Korvette, ein Ka-
nonenboot und fünf kleine Dampfer zu dem gleichen Zwecke nach dem
Flv River. Glücklicherweise erwiesen sieh die Mafsregeln als unnötig, nnd
die Expedition ist wohlbehalten am 3. Dezember in Sydney eingetroffen.
.Die Resultate dieser Expedition entsprechen leider nicht der grofseu
Summe von etwa 70 OOO Mark, welche sin den australischer. Kolonien ge-
kostet hat. Die Sammler unter der wissenschaftlichen Leitung des Dr. Hnacke
thaten xwar ihr möglirh*tc*, allein c* sind nach ihrer eignen Aussage die
Sammlungen infolge der 1’nfthigkeit des Führers, Kapitän Kverill, und des
mangelhaften Arrangements, unbedeutend. Herr Biurlen, welcher für Huron
Mueller in Melbourne botanisierte, sagt, er schäme sich seiner Sammlung.
.Die Expedition erreichte im Juli das Fly-Delta und fuhr den Fly-FluE*
hinauf bis zu einem Punkte, wo D’Alberti« einen von Norden kommenden,
gröf«ern Nebcntiufs in «einer Karte angegeben hat. Dieser Kluf* mündet
ungefähr 140° 50' östl. und 7° 35' aüdl. in den Flv. Am 28. Juli fuhr
die .Bonito* mit der Expedition in diesen Flak, welcher , Bonito River*
genaunt wurde, ein. Die Bonito safs wiederholt auf Saud und Gerdllbiinkeu
auf, was tum Teil der grofsen Schwankung in dem Was verstände des Flusse«
und aum Teil der Unfähigkeit de« Kapitän Everill zuzu ich reiben ist. Im
ganten war die .Bonito' 120 Tago in dem Flygehicte und *af* 90 Tage
davon fest. AU die Boutto in 6° 30' S. Br. festgerannt war, wurde die
weitere Erforschung des Flusse* in einem Rettungsboote angetreten. Bi«
hierher besitzt der Flufx viele starke Krümmungen, von hier an verliert
er diesen Ouraktnr mehr und mehr, bi* er nördlich vom G* südlich fast
krümmungslos in nordsüdlicher Richtung dahinzieht. Im Boote erreichte
ein Teil der Expedition einen Punkt etwa 5° 35’ S, 141° 40' 0, wo
wegen Proviautroamteh umgekehrt wurde. Die ersten Stromschnelleu wur-
den hei G° 50' S angetroffen, wo der *nnxt sebiummige Boden kiesig er-
scheint. Die Stroroschnellen erstrecken sich bis 6° S. Weiter nördlich
wurden keine mehr angetmffcn. Zwischen 5 und 7° S Ut der Strom
in viele Anne aufgelöst. Es ist auffallend, dafs der höchste eneichte Punkt
«> nah»? an einem der von IVAlbcrti* erforschten Anne de* Flv liegt. Mög-
licherweise vereinigen sich beide bereits in Norden. In der Nähe dw fern-
sten erreichten Punktes fanden sich einige alluviale Hügel, welche bestiegen
und deren Höhe zu 200 m geschätzt wurde. Hohe Gebirge wurden nir-
gends gesehen, und die wenigen unbedeutenden Hügel, welche kaum merk-
lich über die weite Ebene emporragen, sind alluvial.
.Im grofsen und ganzen scheint die Flora und Fauna und nehcinen die
geologischen und klimatischen Verhältnisse an diesem Flusse die gleichen
xu sein, wie jene sm Fly, und es »ollen fast blofs solche Tier- und Pllan-
zenarten gefunden worden sein, die schon IVAlbortii aufgefundeu hatte.
Dir Ringebomen erwiesen sich als feindlich, und du die Expedition Kanoes
ausgeraubt, Häuser geplündert und mehrmals auf die Eingobornen geschossen
hat, dürften dieselben kaum freundlicher gestimmt worden »ein. Im allge-
meinen wurden nur sehr wenige an dem neuen Zuflusse gesehen.
.Es wurden zahlreiche photographische Aufnahmen gemacht, von denon
einige die Vegetation an den Ufern des Fly sehr schön darstetlen.
.Mehrere Rxpeditionsmitgliedor litten au Fieber, und einige sind wah-
rend der Rückreise erkrankt, trotzdem dafs täglich Chinin genommen wurde.
Hin Malaie ist an Lungennucht gestorben.
.Die kartographische Aufnahme de* neuen Flusses wurde von Mr. Se-
nior mit einem prismatischen Kompafs und mittels Schätzung der Dis-
tanzen ausgeführt, die astronomischen Ortsbestimmungen von demselben mit
dem Theodoliten gemacht.
.Wenn wir nnn die Resultate zusammenfa*<cn , so finden wir, dafs
fest gestellt wurde, dafs die Fly-Ebene sich weiter nach Osten, jedenfalls bis
zura 141° 50' 0. cTstrockt, und dafs die Arthur üordon- Range sich nicht
so weit nach Westen ausdehut, wie dies auf einigen Karten angegeben ist.
Weiter fand man, dafs kein Unterschied «wischen diesem Teile der Fly-
Ebene und den schon bekannten Teilen derselben besteht, und dafs auch
hier das I«and und die Naturprodukte keinen praktischen Wert haben.
„Das Ziel der Expedition war das Hochland. Man konnte unmöglich
auf ungeschicktere Weise versuchen, dasselbe zu erreichen, als durch den
Fly River hiuaufzufabren. denn dort ixt der Weg Ton der Küste zum Burg-
land der weiteste; dennoch wurde die Expedition durch den Fly hinauf-
geochlcppt, and die Folge war, dafs man de« hohen Gebirges nicht einmal
ansichtig wurde.
»Weil man aber alle* daraructxtc, möglichst weit — bis an* Ge-
birge — vorzudringen, konnte den Sammlern keine Mufse gegönnt wer-
den — selbst Dr. Hsackc sollte Holz fallen! Gleichwohl warn man weiter,
und vielleicht bis in« Gebirge vorgedrungen , wenn ein tüchtiger Seemann
ah Kapitän fungiert hätte. Zu bedauern ist es, dafs die Resultate so ge-
ring sind, weil dies die Kolonialregiernugen abschrecken wird, in der Zu-
kunft geographische Forschungen zu unterstützen , nachdem durch die Un-
geschicklichkeit , mit welcher Sir Edward Strickland , der Präsident der
Sydneyer Sektion der Geographischen Gesellschaft von Australasien, diese
Expedition arrangiert hat, das Opfer einer a<> grofsen Summe und eines
Menschenleben* erfolglos geblieben ist.“
I
II. U. Forlen ist um 6. Oktober 1885 nach nountägigem
Morsche von Port Moresby aus in dem Dorfe Sogere an-
gokuinmon , welches der Ausgangspunkt für soiue Unter*
Buchungen der Owen Stanley -Kette sein wird. Seine lie-
gleitung bestellt aus 3 Europäern, dom Topographen Hen-
nesgy , dem Botaniker Andersson und dem Zoologen und
Ausstopfer Ixipos, sowie 2 Amhninesen und 21 javanischen
Kulis.
Audi von deutscher Seite werden jetzt lebhafte An-
strengungen gemacht, den neuerworbenen Besitzstand in
Neuguinea zu erforschen. Anfang Februar soll , wie dio
Weser- Zeitung vom 22. Januar meldet, unter Leitung von
Dr. Schräder , des Leiters der Polarstation auf Südgeorgien,
oine von der Neuguinea -Gesellschaft vorzüglich ausgerüstete
Expedition Deutschland verlassen ; verschiedene Naturfor-
scher worden sich an derselben beteiligen. Wie Korbes
wird auch Dr. Schräder in Java Malaien anwerben, um
nicht auf Schwierigkeiten hei Anwerbung von Trägern zu
stofsen.
Nur wenig Anklang bei Geographen nnd Kartogra-
phen wird das Vorgehen der Neuguinea - Gesellschaft fin-
den , welche mehrere Punkte ihrer Besitzungen hat um-
taufen lassen. Der bisherige Mount Beaute mps- Beauprd
auf der Gazellen - Halbinsel heifst künftig -Varzin’’ , Neu-
Trland erhält den Namen „Neu - Mecklenburg“ , die Duke
of York -Gruppe „Neu-Lauenburg* , die grüfstc Insel dos
Archipols Netihritannion , Birara, soll „Neu-Pommern“
genannt werden. Dafs neuentdeckte Buchten, Flüsse, Ge-
birge, Kaps &c. oder nougegründete Stationen in die-
sem Gebiete mit deutschen Namen belegt worden, er-
scheint fast selbstverständlich : auch gibt es unbekannte
Punkte hier genug, um deutsche Namen einzuführen, aber
zur Umänderung längst eingebürgerter Namen lag kein
genügender Grund vor. Würde jede Kolonialmacht bei
neuen Erwerbungen in ähnlicher Weise vorgelion, die von
den Entdockcrn verliehenen Namen zu verwerfnn, so würde
| auf Karten und im Unterricht bald allgemeine Verwirrung
herrschen.
Durch Vermittelung des Papstes ist am 17. Dezbr. 1885
in Rom zwischen dem Deutschen Heicho und Spanien ein
Vertrag zu stände gekommen , durch welchen die »panüche
Oberhoheit über die Karolinen unerkannt wird. Als Grenze
der spanischen Kolonie sind festgesetzt dor Äquator und
11° N. Br.. 133° und 164° 0. L. v. Gr.
Amerika.
Alaska. — Die Bemühungen dor Vereinigten Staa-
ten, ihr jüngstes Territorium von Alaska kennen zu lernen,
sind im verflossenen Jahre von bedeutenden Erfolgen ge-
krönt worden. Leut. Cantwell hat seine 1884 begonnene
62
Geographischer Monatsbericht.
Erforschung dos Kotvak- oder Korvak - Flutete . welcher im
Flotham - Inlot ausmündet, beendet, indem er mit. einer
Dampfbarkasse den Kluis bis zu den ersten Katarakten
verfolgte und in Fellbootuu den Oborlauf aufnabm ; der
Fluf» hat seinen Ursprung in vier grofsou Seen, ca 520 miles
(830 km) von der Mündung entfernt. In seinem obere
Teile nähert er sich sehr dem Kojukuk, einem rechtsseitigen
Nebenflufs des Jukon. Auf der Rückkehr traf Leut. Cant-
well am Mittelläufe mit Leut. Stonoy zusammen , welcher
1883 den Kowuk entdeckt hatte und jetzt an demselben
überwintern wollte, um im Frühjahre 1886 dus Gebiet im
N bis Point Barrow zu untersuchen. Er hatte sein Win-
terquartier, Fort Cosmos, ca 350 miles von der Mündung
errichtet. Der nördlich vom Kowak, ebenfalls in Hothain-
Inlet sich ergiefsende Nonatak oder Kunalak war dus Ziel
von Ingenieur 8. II. McLenegan : auch ihm gclung es, die-
sen Flufs stromaufwärts bis zu seiner Quelle zu verfolgen
und dadurch bis zur höchsten bisher erreichten Breite im
Innern der Halbinsel vorzudringen. Diu Quelle des Nuuu-
tak liegt in einem ca 400 miles (640 km) von der Küste
entfernten See. Während des Winters 1884/85 hat der
Geolog TI. I). Woolfe bei Kap Lisburne überwintert und
im Laufe desselben die Küste südlich bis zum Nunutak
aufgenommen; auf der Strecke zwischen Corwin - Lagune
und Kap Krusenstorn lmt. er mehrere Kohlenminen ent-
deckt. Die bedeutendste Unternehmung ist aber die Auf-
nahme dt* Kupfer - oder Ätna - Flutte* durch Leut. II. J.
Allen, welcher in Begleitung von zwei Sergeanten dos
Sigual Corps bereits im Januar 1885 seine Expedition auf
der Eisdecke des Flusses begann. An dem Zusammenflufs
der beiden Quellfliisse , wo der Vulkan Wrangel sich auf-
türmt, wandte sich Ijeut. Allen dem westlichen zu, wäh-
rend der östliche in der Nähe des Lvnn - Kanales und der
Jukon- Quellen entspringen soll. Sowohl der Quellllufs wie
der Ilauptstrom sind sehr reilsend und bilden zahlreiche
Wasserfälle. Nach Überschreitung der schneebedeckten
Zentralkette von Alaska und Befahrung des Tannnath kam
Leut. Allen im Juli am Jukon an. Sowohl die topogra-
phischen Aufnahmen wie die geologischen Untersuchungen,
durch welche das Vorkommen von Kohlen, Gold, Silbor,
namentlich aber von Kupfer- und Eisenerzen nachgewiesen
wurde, meteorologische Beobachtungen und Höhoumcssungen
stellen ein umfangreiches Material zur Kenntnis von Alaska
iu Aussicht. Endlich haben noch zwei englische Touristen
Garland und Beutty die bisher noch nicht untersuchte
Strecke vom Mackenzie bis zum Jukon zurückgelegt.
M i 1 1 e 1 a m o r i k a. — Das grofsartige Projekt einer
Schifjseitenbahn liier die Landenge von Tehuantepec, welches von
dem amerikanischen Ingenieur Fad* entworfen wurde, findet,
in Science 1885, VI, Nr. 127, eine summarische Darlegung
unter Beigabe einer zur Ohersicht. genügenden Karte in
1 : 550 000 und verschiedener Illustrationen, welche die zur
Überwindung der technischen Schwierigkeiten beabsichtigten
Marsnahmen veranschaulichen. Dio Kosten dos Unterneh-
mens sind auf 50 Millionen Dollars berechnet.; das Bott der
Bechs Schienengeleise soll 50 Fufs (15 m) breit werdon,
die äufsersten Schienen 30 F. (8 m) voneinander liegen. Die
beiden Endpunkte dor Bahn sind Minatitlan am Flusse
Coatzacoalcos au der atlantischen und Chicapa an der
Obern Lagune, an dor pacifischen Küste.
I
i
i
Nicht allein der geognoatische Aufbau der Insel Ariiba
zeigt, wie Prof. Dr. K. Martin durch seine Untersuchungen
nachweist (Tijdschr. Nederl. Aardrijksk Genootsch. 1885,
Nr. 8), dafs dieselbe vom Festlande losgerissen ist, sondern
auch die Fauna liefert oiuon Beweis für die frühere Ver-
bindung mit Südamerika ; besonders charakteristisch ist das
Vorkommen einer grofsen Papageien-Art, des Frosches und
namentlich der Klapperschlange. Die drei Tiere fehlen auf
Bonaire und Cura^ao , und daher ist. der Schlufs zulässig,
dafs Aruba länger mit dem Festlande im Zusammenhang
stand. In jüngster Zeit ist die Insu) durch Hebung im
stetigen Anwachsen begriffen. Eine ausführliche Schilde-
rung scinor dreiwöchentlichen Reise auf dom Surinam nebst
Mitteilungen über die Buschneger und Kariben in Hollän-
disch-Guiuuu veröffentlicht Prof. Martin iu Heft 1, 1886,
der Bijdragen tot du Taul-, Land- ou Volkeukunde van
Nederl. Indio.
Venezuela und Columbia. — Seit Ende 1884
bereist Dr. W. Sievert mit Unterstützung der Geogr. Ge-
sellschaft in Hamburg die Cordillura von Merida und die
Grenzbezirke von Venezuela und Columbia. Bis Ende Mai
reichende ausführliche Berichte, welche namentlich reich
sind an barometrischen Höhenmessungen , au Nachrichten
über die topographischen und geologischen Verhältnisse
dieses bisher nur sohr wenig erforschten Gebietes, enthält
Heft 1 , 1 885 der Mitteilungen der Geogr. Gesellschaft in
Hamburg.
Im Westen des Meerbusens von Maracaibo springt, die
Ilalbinsel Goajira weit in das Karibische Meer vor; trotz-
dem dieselbe so von drei Seiten bequem zugänglich ist,
sind die topographischen und ethnographischen Verhältnisse
bisher so gut wie gänzlich unbekannt, geblieben , und erst
dem Erforschor dor Sierra do Santa Marta, F. A. A. Stmont,
war es Vorbehalten , durch ausgedehnte Erkursionen ge-
nauere Nachrichten Uber dieselbe zu gowinucn. Die Ge-
birge der Halbinsel, drei von NW nach SO verlaufende
HoheuzUge, welche in dem Pic Macuiru zu 2600 F. (800 m)
austeigen, siud vulkanischer Natur und sowohl von der
Sierra de Santa Marta wie auch von dou östlichen Ausläu-
fern der Cordillera durch eine weite Ebene geschieden.
Die Bewohnor, der Stamm der Goujiros, zerfällt in 30 Kasten
und zählt gegen 20 000 Seelen. Über die politische Tei-
lung der Halbinsel zwischen Colomhia und Venezuela hat
kürzlich der König von Spanien einen Schiedsrichterspruch
gefällt, welcher jedoch noch nicht veröffentlich ist. (Prooeed.
R. Geogr. Soc. London VII, Nr. 12, mit Karte.)
Ein französischer Reisender, Chaffanjon, hat. im März
und April eine Aufnahme von mehreren Armen des Ori-
noco-Deltas wie auch dos Flufslaufos selbst ausgofllbrt, den
er bis zu dom Orto Urbana verfolgte; auch auf zahlreiche
Tributäre, namentlich dun Cuuca und Meta hat er seine
Untersuchungen uusgudohut. Eine neuo Reise wird der-
selbe Ende Januar im Auftrag des französischen Unter-
richtsministeriums untreteu, um das Gebiet deB Cassiquiari,
namentlich in ethnographischer Beziehung, zu durchforschen.
Argentinien. — In Begleitung einer kleinen argen-
tinischen neeresmacht hat im Oktober und November 1885
der französische Reisende A. Thouar die Aufnahme de* lh'lco-
mayo, welche er 1883 (s. Mitteil. 1884, S. 155) hatte
unterbrechen müssen, um auf direktem Marsche über Land
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Geographischer
Monatsbericht.
63
so schnei] als möglich den Paraguay zu erreichen, zu Endo
geführt. Am rechten Ufer stromaufwärts ziehend, gelangte
die Expedition bis zu den ersten Stromschnellen , welche
ca 600 km von der Münduug entfernt sind ; die Rückkehr
wurde zu Wasser angetreten.
Das rapide Wachstum von Städten in den Vereinigten
Staaten findet jetzt ein Gegenstück in dem Aufblühen der
neuen Hauptstadt der Provinz Buenos Airos. Durch Be-
schlufs der argentinischen Nationalversammlung vom 4. Mai
1881 war die Stadt Buenos Aires zur Hauptstadt der
Republik bestimmt und als eigner, direkt den Staatsbehör-
den unterstellter Distrikt von der gleichnamigen Provinz
losgelöst worden. Statt die Provinzialregierung in einen
andern Ort der Provinz zu verlegen , entschlofs man sich
zur Gründung einer neuen Hauptstadt, für welche ein
günstig gelegener Punkt östlich von Buenos Aires strom-
abwärts am Rio de La Plata gefunden wurde, in einer
Bncht (Eusenada) , die sich zu Hafonanlagen eignet. Ara
19. November 1882 erfolgte hier die feierliche Grundstein-
legung der neuen Provinzialhauptstadt , welche La Plata
benannt wurde. Die Übersiedelung der Behörden, die aus-
gedehnten Unternehmungen , welcho durch den Bau der
Stadt liorvorgerufen wurden , lockten natürlich eine zahl-
reiche Bevölkerung herbei, welche Endo März 1884, also
nach 17 Monaten, 10407, im November 1884 bereits
21 349 und im Oktober 1885 sogar 26 327 Seelen zählte.
An letzterm Zeitpunkte waren 4315 Gebäude vollendet
und 724 im Bau. Durch Eisenbahnen ist ein Verkehr mit
Buenos Aires wie auch mit der Provinz hergestellt. Die
Hafenarl>oiten, welche sehr eifrig betrieben werden, gestat-
ten einen Schiffsverkehr noch nicht. (E. R. Coni : Reseüa
ustadistica y descriptiva de La Plata. 8°, 192 pp., mit.
Karten. Buenos Aires, 1885.)
Patagonien. — Infolge dor vermutoton Wiedorauf-
tindung des Barilocho- Passes durch den argentinischen
Hauptmann J. J. Rhode, welcher eine bequeme Verbindung
zwischen dem Gebiete des oborn Rio Negro und Chile bieten
soll, entsandto die chilenische Regierung im .lanuar 1885
eine Expedition unter Führung von E. Valverde , um die
Brauchbarkeit dieses Überganges über die Kordilleren zu
prüfen. Valverde ging von der Reloncavi- Bucht, aus, es
gelang ihn jedoch nicht, den Pafs, welchen er am Fufso
des Tronador als Verbindung zwischen den Seen Calbutue,
welcher mit dem Lago de Todos los Santos in Verbindung
steht , und Gutierrez, einem Tributär des Nahuel Huapi,
aufzußnden. Gegen die Annahme Valverdes, dafs der Bari-
loche-Pafs gar nicht existiere, wendet sich nun J. J. Rhode
(Bol. dol. Inst. Geogr. Argent. 1885, VI, Nr. 10) in einer
ausführlichen Darlegung, dafs der von ihm 1883 gesehene
Pafs nicht in dem Gebiete des Lago de Todos los Santos
liege , sondern im S des Nahuel Huapi eine Verbindung
zwischen dom Oberläufe des Chubut und dom Rio Puclo,
welcher im südlichen Teile der Boca de Reloncavi aus-
mündet, herstullt. Da Rhode den Barilocho- Pafs auch nicht er-
reicht, sondern nur aus einiger Entfernung gesehen hat, so kann
diese Meinungsverschiedenheit, welche ihren Ursprung hat
in einer verschiedenen Interpretation der Angaben des Paters
Mereudez, welcher allein 1791 den Bariloche - Pafs über-
schritt, nur durch eine Untersuchung an Ort und Stelle ent-
schieden werden, und ist es zu erwarten, dafs Major M.
3/ogano, welcher im September 1886 von Santa Cruz nuf-
brcchen wird, um den Ostabhang der Kordilleren vom Quoll-
gebiet des Santa Cruz bis zum Nahuel Huapi zu unter-
suchen, diese Aufgabe lösen wird.
Erst aus der jetzt vollendet vorliegenden Karte der wnt-
pataganiechen Gciciieter in 1:300000 (2. Bl., hcruusgegeben
vom Hydrographischen Amt, in Kommission bei D. Reimer,
Berlin, 1855. M. 3) ist deutlich zu erkennen, welch ein be-
deutender Fortschritt in dor Kenntnis dos Gebietes zwischen
dem Golf von Trinidad und dem Golf von PeÜas den Auf-
nahmen des deutschen Kriegsschiffes „Alhalrote'1 unter
Korv.-Kapt. P/üddemann zu verdanken ist. Die bisher als
ein zusammenhängendes Land dargestellte Wellington-Insel
besteht nunmehr aus zwei Groppen, welcho durch den in
nordsüdlicher Richtung streichenden Fallos- und Stosch-
kanal voneinander getrennt sind, auch wird aus der Dar-
stellung ersichtlich , dafs noch woitero Vorbindungen zwi.
sehen dun zahlreichen fjordartigen Einschnitten und Kanä-
len existieren, so dafs sich die grofse Insel in einen voll-
ständigen Archipel auflüse» wird. Auf 23 Nebenkarten
sind wichtige Punkte in diesem neuen Schiffahrtswege nach
der Westküste von Südamerika , durch welchen einesteils
die Gefahren der hier besonders häutigen Stürme im offe-
nen Ozean, andernteils die engen Passagen in dem bisher
meist benutzten Messier-Kanal vermieden werden, nament-
lich Ankerplätze, sichore Buchten 4c., in grofsem Mafsstabe
eingetragen.
Polargebiete.
Die für das Jahr 1886 in Aussicht genommene Expe-
dition nach den Kcueihinechen Intel» hat. dem Akademiker
Leop. «?. Schrenck , dem besten Kouner Ostsibiriens , Ver-
anlassung gegeben, alles dus zusammenzufassen *), was bisher
durch die Bemühungen der Promyschlenniks über dieses
Polarland bekannt, geworden ist., dessen topographische Ver-
hältnisse namentlich durch Anjous Aufnahmen vollständig
erkundet worden sind, während iu naturhistorischcr Bezie-
hung die Inselgruppe noch vollständig terra incognitn ist.
Während die Angaben über die Entdeckung der Inseln,
über die Fahrten von Ljachow, Sannikof, Hcdenströra,
Anjou u. a. zum Teil bereits durch Ford. v. Wraugels
Reisewerk und andro Quellen bekannt goworden sind, ent-
hält die Zusammenstellung dor Nachrichten über die in den
letzten 60 Jahren ausgoführten Besuche der Inseln seit
Anjous Expedition gänzlich noues Material. Wenn auch
durch die „Jeunnette“ -Expedition keine erhebliche Erwei-
terung unsrer Kenntnisse von Neusibirien gewonnen wurde,
Bo mufste der Vollständigkeit halber ihr Verweilen daselbst
doch erwähnt werden. Die Ausführung der Expedition haben
Dr. Alex. Lunge , welcher als Arzt der internationalen Polar-
station Ssagastyr bereits 2 Jahre im Lena-Delta zugebracht
und durch zahlreiche Exkursionen reiche Erfahrungen über
Reisen im Polargebiete gesammelt hat, und der junge
Naturforscher Baron Ed. v. Toll freiwillig übernommen. Sie
werden sich gegen Ende de« Winters 1885/6 von Kasatschje,
dem jetzigen, an Stelle von T'stjansk getretenen Hauptorte
t) Zur Vorgeschichte der von der K. Akademie der Wis»enMli. ausge-
rüsteten Kzpedition nach den Neuribiriwhen Inseln und dem Jena -Guide.
(Abdr. ao«: Beiträge zur Kenntnis des Russischen Reiches. 3.Polge, Bd. I.)
St. Petersburg, 1885.
64 Geographischer
an der untern Jana, ülier Swjatoi Nobs nach der Ljaehow- i
Insel begehen und wenigstens einen Bomraor auf den In-
seln verleben. Sowohl in geologischer Beziehung, wie auch
Über die Tier- und Pflanzenverhältnisse und deren Zusam-
menhang mit dem Festlaude sind wichtige Resultate zu
erwarten.
Auf der Kreuzfahrt, welche der Yer. 8t.- Zolldampfor
„ Corwin" unter Capt. C. L. Hooptr im J. 1881 im Arkti-
schen Ozean ausgeführt hatte, um Nachforschungen nach
der rJeannettou und zwei Walfangschiffen anzustellen, war
oa bekanntlich gelungen, um 12. August, nachweisbar zum
erstenmal, die Wrangel- Insol zu erreichen, wolchc im fol-
genden Monat von der Expedition des Rodgers genauer
durchforscht uud aufgenommen wurde. Dor dem Laude
von (’apt. Hooper beigolegte Name New Columbia ist von
den amerikanischen Behörden nicht angonommeu worden.
Ausführliche Mitteilungon Uhcr diesen Besuch, wie auch
Uber die Landungen an der Küste von Nordsibirien und
an verschiedenen Punkten von Alaska sind in dem offiziel-
len Bericht enthalten: „Report of the Cruise of the U. S.
Rcv. St. , Thomas Corwin1 in tho Arctic Ocean 1881“.
Besonders eingehend sind die ethnographischen Berichte, wel-
chen eine Reihe photographischer Abbildungen von Tschuk-
tschon und Eskimos, sowie der von ihnen verfertigten Gegen-
stände beigefügt sind ; auch über dio Frage der Strömungen
in Behring-Meer und -Strafse, sowie Uber die Eisverhält- 1
nisse äufsert Capt- Hooper seine Ansichten. Störend wirkt
das Fehlen von Index und Register, sowie einer Karte.
Bis zu dem hoffentlich buhl zu erwartenden Erscheinen
dos Greeleyschcu Reisewerkes sind wir in bezug auf dio
Ergebnisse seiner Expedition noch immer auf kurze Vor-
träge und vorläufige Berichte angewiesen. Um so will-
kommener ist es, dafs jetzt ein Werk vorliegt, welches
wenigstens den gröfsten Teil der rein geographischen Ent-
deckungen in ausführlicher Weise darlegt, nämlich die
Thaten von I-eut. J. II. lochcood , welcher mit Sergeant
Brainard den nördlichsten Punkt der Erde erreicht und
auch die Durchkreuzung von Grinnell-Land ausgeführt hat.
Dem von Ch. Lonman ausgearbeiteten Buche „ Farthest
North “ (8°, 333 pp., mit Karte. New York, Appleton & Co.,
1885) liegen die ausführlichen Tagebücher uud Briofo des
Forschers zu Grunde , welchem leider nicht das Los be-
scbicden war, in dor Heimat die wohlverdienten Lorbeeren
für seine hervorragenden Jyeist ungen zu ernten. Ausge-
stattet ist das Work mit einer Karte, welche die originale
Nomenklatur von Lockwood und Greeley gibt, während die
offizielle Karte des Hydrogr. Office in Washington hierin
willkürliche Änderungen vorgenommen hat, einigen Illustra-
tionen von Polarszenen , teils nach Photographien , teils
nucli Lockwoods Skizzen angefertigt, sowie einem vorzüglich
gestochenen Porträt des jungen Offiziers.
Nordtnskiöld * teütictri !) Ubor soino Expedition nach
Grönlaud im J. 1883 liegt nunmehr vollendet vor. Aufser
') Den andr* Dickeonak* eipeditinnen tili Grönland , dass inte ieöken
oeh de» ooetkust. 8", SAG pp., mit Karten. Stockholm, F. & G. Bei-
ern. 188«. — *. Mitteil. Iä8.t. S. 311.
Monatsbericht.
einer Übersichtskarte , welche den Kurs dos Expedit ions-
dauipfors „.Sofia“ angibt, ontbält das Werk au Beilagen
einen Plan von Sofia - Hafen au dor Westküste, eine Karte
der Eiswanderuug (s. Mittel!. 1884, S. 354), eine Skizze
dor Kryokonitthäler auf dem Binneuoise und einen Plan
von König Oskar- Hafen auf derOstküste; Nordenskiöld war
es bekanntlich gelungen als der erste Europäer die Ost-
küste von Grönland südlich von 70° N. Br. per Schiff zu
erreichen. Der Plan dieses interessanten Punktes, welchen
die Nebenkarte auf Tafel 3 dieses Heftes enthält, ist eine
Reduktion der Aufnahme der Nordenskiöldschon Expedition.
Leider konnte der Aufenthalt nur sehr kurze Zeit währen,
du Nordenskiöld bei dor späten Jahroszeit uud bei dein
Kohlunmungel seine Expedition nicht der Gefahr aussetzeu
durfte, durch die antroibendon Eismassen von der Rück-
kehr ahgeschnitteu zu worden. Dio Schilderung dor Eis-
wanderung gibt dem Verfasser Gelegenheit, die Bedeutung
des Kryokonit für das Abschmelzen des Polareises und für
den Aufbau der Erde nochmals zu lieleuchten. Die wäh-
rend dieser Eiswanderung von mehreren Mitgliedern der
Expedition unternommene Exkursion nach Waigatt und nach
Kap York an der Melville-Bai zur Untersuchung der dor-
tigen Lager von Magneteisen, welche ungünstiger Eisver-
hältnisse wegen nicht den gewünschten Erfolg hatte , wird
im 6. und 7. Kapitel von dem Geologen der Expedition,
A. G. Nuthorst, geschildert. In einem Schlufskapitel gibt
Nordenskiöld eine ausführliche Darstellung dor Eskimos, ihrer
Geschichte, Lebensweise, Gewohnheiten, Natur- und Cha-
rakteranluge , Beeinflussung durch den Umgang mit Euro-
päern &c., wobei er, sich aul'ser auf eigue Beobachtungen
auf die ausführliche Litteratur stützt. Zu erwähnen ist
auch der reiche Schmuck an Illustrationen , welche teils
den während der Reise aufgenommenen Originalphotogra-
phien, teils guten Vorbildern, Ross, Graah n. a. entlehnt
worden sind.
Im Jahre 1884 war der dänische Ichthyolog A. Fed-
derten , welcher sioh um die Hebung der Fischzucht in
Dänoiuark bedeutende Verdienste erworben hat, nach Is-
land !) berufen worden , um die dortigen Gewässer behufs
eines rationellen Betriebes der Lachsfischerei zu unter-
suchen. Erklärlicherweise richtete er seine Aufmerksamkeit
auch auf die Soefischuroi , deren Ausbeute fast ausschliefs-
licli in Händen der Franzosen uud Norweger ruht, so dafs
Island uud Dänemark nur geringen Nutzen von diesem die
Insel umgebenden Reichtum ziehen. Die Ursache liegt
darin , dafs die Isländer den Fang nur mit offnen Rooteu
betreiben, was nur bei ruhiger Witterung möglioh ist; es
fehlt an den nötigen Mitteln, um gröfsere Fahrzeuge aus-
zurüsten, welche an den unbewohnten Küsten dem Fango
obliegon könneu : den Inselbewohnern gehen aber uucli die
nötigen nautischen Kenntnisse ab. Durch Gründung einer
Navigationsschule, verbunden mit Unterricht im Fischfang
auf hoher See, glaubt Fedderseu eine Hebung der isländi-
schen Fischerei erwarten zu künuuu. H. Wichmanu.
>) P*a IsUnAik Grund. Optegn«U«r tra en rejte 1884. 8", 188 pp.
(Ohne ltogutor und Inhalt'Teneirbnii.) Kopenhagen, Hott ts Son, 1883.
(<}*>4cblo»»«D ftca 99. J*uuai- IHM.)
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.lahltaaft IXU.TUri 3
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GOTHA JUSTUS FERTKKS
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Major Heaths und Leutnant Peytons Keise von Härär nach Börbera, Juni 1885.
Bemerkungen zur Karte s. Tafel 5.
Von Prof. Dr. Philipp Paulitschke.
Hei meinem zweiten Aufenthalte zu Dgchaldessa an der
Grenze der Nöle- Galla erklärte sieh der britische Spozial-
kommissar für die Evnkuation Härürs, Brigademajor Heath,
der damals die Beistellung der Kamele fUr den Truppen*
transport bei dem Ugäs der Ejssa-Somälen betrieb, bereit,
bei seiner Rückkehr an die Meeresküste mit nur wonigen
Bewaffneten eino bislang unbegangono Route eiazuschlagen,
dieselbe mit Uhr und Kompafs sorgfältig anfzunehmen und
mir, wenn die Reise glücklich abliefe, das kartographische
Material zu übergeben. Major Heath , ein kühnor Löwen-
jägcr, beabsichtigte ursprünglich, von Dgchaldessa ostwärts
an der Grenze des Galla» und Somäl- Landes nach dem
Gebiet der Häbr-Auäl-Soraalen vorzudringon und sich dann
gegen Berbers zu wondon; die Verhältnisse machten es
abor nötig, dafs Härür zum Ausgangspunkte der Reise ge-
wählt wurde, nnd so trat Heath mit I^eutnant Peyton An-
fang Juni 1885 von Härür aus durch das Gebiet der Nile-
und Djärsso -Galla, der Beraub- (Berstik-), Gfrri-, Bertfrri-,
Häbr-Auäl - und Häbr Gerhädji-Somälen die Reise nach
Berbers an und erreichte nach 20 Tagemärschen die letz-
tere Stadt. Dio ganze Routo ward sorgfältig aufgenommen,
und ich bedauere nur, dafs ich Major Heath keines meiner
vorzüglichen Aneroide zur Benutzung überlassen konnte.
Dor Reisende ersetzte das Fohlon eines Höhenmefsinstru-
mentes durch gelegentliche Abschätzung der Höhenlage
einzelner Punkte, doch nahm er die Schätzungen äufserst
selten vor, und so blieb leider diese Lücko unausgofüllt.
Dio Reisenden verliefsen Härör durch das Bnb er-räh-
rnali, durchschritten die Kaffeegärten im E der Stadt und
stiegen, an Güfthaly-gOt-glmut und Cabbätly vorboiziehend, in
das wohlangobaute Erer-Tbul, setzten Uber die beiden nord-
westlichen Quellflüsse des wasserreichen Erer und folgten
dem Laufe desselben am rechten Ufer durch das ongo Thal
bis zur grofsen Furt, welche boi Hochwasser unpassierbar
ist, abor dio einzige Übergangsstelle auf dem Wege nach
den Landschaften des E bildet. Uber eino äufserst steilo
Seiten wand windet sich der Steg nach dom Djärsso -Gebiet
und zum Läfto-Flufs, an dessen linkem Ufer gegen NE
IMermarmt Gtogr. Mitteilungen. 1886, Heft III.
sich die Wohnsitze der Wörra - O'mar ausbreiten, einer aus
Galla und Somäl bestehenden Mischtribe, deren Individuen
in oiner Art Konföderation untereinander leben, wie deren
früher an dor Gronzsoheide des Galla-Gebietes noch zu An-
fang dieses Jahrhunderts mehrere bostanden, und die sich
überall dort gebildet zu haben scheinen, wo die Individuen der
heterogenen Rasson bei dor Expansion an physischer Kraft-
entfaltung einander das Gleichgewicht hielten. An dem
Abhange der südlichen Ausläufer des Kondela (Kundclo)
passierte die Karawano die Makälla Finmhiro oder Imam-
biro (Njembira), einen in jüngerer Zeit ständigen Markt-
platz oder Bazar der Eingebornen. Solcher Makällas gibt
es im Galla -Lande mehrere, so Godänni, Kdbbo, Läga
Dima &c. Sobald sich dio Eingebornen gewöhnt haben,
nach einem solchen gut gewählten Punkte aus ihren Gäudas
dio Produkte zu bringon, bleibt er fix, bis Produktions- oder
Zufuhrverbältnisso die Verlegung veranlassen. Vor Läfto
zweigt der Weg nach Därmi und hinter Fiambiro nach
dom Lande der Beraub ab. Im Quellgebiete des Sänthala-
oder Bethy-Flusses, die Elalämi-Berge zur Rechten lassend,
erreichten die Reisenden den Punkt Ghaut Häbr-Auäl an
der Grenze des Gfrri-Gebietes, wo die Karawanen, die von
dor Meeresküste kommon , wie in Dgchaldessa ihre Trag-
tiere und Geleitsmannschaft zu wechseln genötigt sind. Die
Ufer des Sänthala, des wegen der Bteilen Lehmufer in der
Hut unpassierbaren Elmdke und des vom N kommenden,
gegon W von den Fiandira- (Fujantlra-) , gegen E von
den Gfrri- Bergen eingeschlossenen Gübbi bedeckt Bäbul-
Vegetation. Das Bersäb-Gebiet von Sänthala und Elmdke
ist gegen S von den Dagagätha- und G6bbi-Hämer-Borgen
umrahmt. In das Thal des Göbbi mündet von W her
eine Strafse von Härür ein. Burton hat sie auf seinem
Zugo nach Härür benutzt. Ein zweiter Weg mündet hier
von Därmi ein, welchen Hunter und Fullerton 1884 ge-
gangen.
Hoath und Poyton wandten sich vom Göbbi gegon Süd-
osten, dio hohen Gurais-Berge und deren zahlreiche Aus-
läufer zur Linken lassend, durch ein mäfsig bebautes, von
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GG
Major Heatbs und Leutnant Peytons Reise von Harfir nach Bdrbera, Juni 1885.
kleinen Wasserläufen und pittoresken, mitunter grofsartigon
Felspartien durchzogenes Gebiet marschierend. Bei dem
Platze Dagabicle ist Wasser in den Felsen zu finden. Heath
schätzt die Meereshöho des Terrains am Fufse der Guräis-
Berge auf wenigstens 750 m. Durch einen von den
Guräis - Ketten und einen), soweit das Auge roichte, gegen
SE sich erstreckenden Ilölienzuge eingeengten Weg ((Hun-
ters Borfik • PafB) fand der Abstieg nach der ausgedehn-
ten Bün- oder Märar-Prärie statt. Burton gab dieser grofsen
Grassteppe die Richtung von NNW nach SSE und schrieb
ihr an der Stelle, wo er sie passierte, eine Breite
von 43 km zu. Ohno Zweifel hat sie in der von mir
und I)r. v. Hardegger passierten Hochobene zwischen Bia
Kaböba und Würdschi eine nordwestliche Fortsetzung bis
zum Lande der Danäkil hin. An der Stelle, wo sie Heath
und Peyton betraten , ist sie in weiter Ausdehnung von
den Bertfrri-Som&lon bewohnt , an die sich weiter gegon E
die Häbr- Aual ansohliefsen. In östlicher Erstreckung hat
Hunter der Märar-Prärie in dieser Breite eine Expansion
von 160 km zugeschrioben. Heath passierte sie in einem
mächtigen nach N geöffneten Bogon. Die Karawauon ver-
sehen sich auf dem Marsche durch dieses absolut wasser-
loso Präriengebiet in dem Betto dus Zigztgah - (Jig-jiga-)
Flusses mit einem Wasservorrat fiir fünf Tago , donn so
lange dauert der Marsch einer Karawane durch die-
selbe. Bei dem Marsche von Berbers gegen Härftr wird
der Wasservorrat aus don Marale -Brunnen in der Land-
schaft Öra-giir-gtire genommen. Die Ebene bedockt schönes,
bis an die Knieo reichendes grünes Gras, und da sich
keine Niederlassungen von Eingobornen längs der Route
befinden, haben die Karawanenführer den einzelnen Flächen
an der Route verschiedene Namen gegeben , so Bedbebis
und Duteti am Zigztgah, Garnbusn, Timti, Lanvnsn, Gitlfa,
Dubejt u. s. f. Ab und zu unterbrechen die Grasfläche
mehr oder minder ausgedehnte Mimosenboständo, wclcho
an der östlichen Begrenzung immer dichter werden. Wasser
ist in der Biin- Prärie nur unmittelbar nacli dom Regen
zu finden. Dio Somäl vom Stamme der Bertfrri und Häbr-
Auäl, welche die Bdu-Prärie besuchen, trinkou während ihres
Aufenthaltes in derselben nur Milch. Bei dem Vieh ersetzt
das Wasser während der 8 bis 9 Monate, wo das Gras
grünt, reichlicher Tau. Zwei Woge aus Ogaden münden
in die Karawanenstrafse nach Berbern ein. Die Bun- oder
Märar-Prärie reicht gegen 8 bis etwa zum 8° N. Br. und
führt den Namon Eden.
In der Landschaft Thabaluwäjua, wo Heaths und Pey-
tous Weg sich gegen NE wandte, beginnt niederes Mimosen- j
gebüsch, auf welches in der Landschaft Tdiinka dichtes
Babol-Gestrüpp folgt, und auch an denUforn des Erer-Flusses
Anhalt. Dieser Erer-Flufs, dessen Quelle in der Landschaft
Marodili ist, iliefst in der Nähe von Bulhir ins Meer. An
dem rechten und linken Ufer desselben sind die vielbesuch-
ten Marale-, Arat-h-, Arfa-, Baguljira- und Hargesa-Brunnen,
welche den Karawanen das Wasser für den Marsch durch
die Märar-Prärie liefern. In der Nähe der Hargesa-Quellen
findet sich am Fufse der Obel Djiftho - Berge eine Nieder-
lassung der Häbr-Gerhädji-Somftlen , Rer Erer genannt,
welche ein bifschen Getreide bauen und von einem Sech
regiert worden. Hier findet die Bun -Prärie ihr Eude und
wird von Bergzügen im N und S begrenzt. Die Reisen-
den kreuzten auf dem Weitermarsch wiederholt den Erer
oder marschierten durch dessen von dichtem Bäbul-Gostrüpp
umrahmtes Bott. Der Karawanenpfad ist durch den Bäbul
ziemlich breitgetreten. An den Marotiüa- und Nuckle-
Brunnen vorbei gelangten die Reisenden, dem Erer- Bette
folgend, bis zur Einmündung des Däger- Flusses in den Erer,
wo sio beim Rer Burküthli Ruinen einer alten Stadt und
eines Begräbnisplatzes entdeckten. Unweit, derselben be-
fand sich das Grabmal des SucliB Burküthli. Heath und
Peyton verliefsen bei dem Dschalela- Felsen das Bett des
Eror, der seinen Lauf gegen NW wendot, überschritten
don Rübli-Flufs und den Fathus mit dessen zahlreichen
rechtsseitigen Zuflüssen und gelangten an den Fufs der
Bliürior-, Hathoi - und' Aber« -Berge. Die Ufer der zahl-
reichen gegon N gerichteten Wasserläufo sind mit Vegeta-
tion bedeckt. Dio Spitzen der Bhorior-Berge schätzt Heath
auf 180 m, die der H&thoi- Berge auf ca 160 bis 180 m.
Die zahlreichen Wasserläufe kommen aus gobirgigem Ter-
rain, namentlich den unmittelbar im S vorgelagerten DscherAt-
Iliigeln. Die letzten Ausläufer der Ahero-Berge sind im JE
von offener Landschuft umgrenzt. Erst jensoits des Bnr-
kason -Flusses , der von den Abhängen der Ganlibah- und
Gölis-Berge niederströrat, erhebt sich dio bis zur Höhe von
270 m ansteigende Hogöbbo - Kette , welche das linke Ufer
des Lafrük-Flusses in nordsüdlicher Richtung begleitet. In
der felsigen I^ndschaft Thick-the-Kyöh verliefsen Heath
und Peyton den Lauf des Lafrük und rückten, eine Anzahl
von Wasserläufen der NNW — SSE -Richtung kreuzend, an
don Svene- und Abala-tOmo-Hügeln vorbei durch die Land-
schaft Tubfnnu , Djiftho, Gumbürti, Arathalej und Gürabur
Venanoth durch niederes lichtes Gebüsch ziehend, am zwan-
zigsten Marschtage in der Neustadt Berbora ein.
Den Entwurf von Major Heaths Itinoraro habe ich auf
dio von mir bestimmte Position Hürärs (42° 24' 26"
östl. v. Gr. und 9° 23' 00" N. Br.) und dio hekannte
Position Berheras (45° 01' östl. v. Gr. und 10* 26' N. Br.)
boi der Variation von ca 4,&* West basiert, und es haben
die Entfernungsangaben in den Elaboraten des Majors mit
dieser mathematischen Basis vortrefflich gestimmt. Mit dem
topographischen Material, welches ich den Kartenentwürfen
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Major Heaths und Leutnant Peytons Reise von H&r5r nach Burbera, Juni 1885.
des ägyptischen Gencralstabskapitäns 'Abd ul-Kerim Ejesat
zu HdrSr Air den E der Stadt zu entnehmen vermochte,
verglichen, zeigte sich im großen und ganzen eine gute
Übereinstimmung. Im einzelnen fällt die falsche Rieh-
tuugsangabe des Läfto- , Elmoke- und Gebbi- Flusses auf,
welche nach S, nicht nach N strömen. Ich bin geneigt
zu glauben, dafs die drei genannten Flufsläufe im Verein
mit dem Zigziga Major Heaths den Oberlauf des Tik (Tuk)
Fafän bilden und ein dem Zigziga zufließendes Gewässer,
dessen Käme Major Heath nioht orkundet, in der Biin-
Prärie dem Glrir entspricht, Major Heath konnte sich auf
seiner Reise mit Erkundigungen nicht befassen , und so
bleibt diese interessante Frage, zu welchor auch J. L.
James auf Beiner Ogaden-Karte (Proceedings 1885, Xr. 10)
durch Xennung der Quellilüsse des Tdk Fafän einen Beitrag
geliefert, noch offou. Es scheint nun richtig, daß Kapitän
Burton, aus der Märar- Prärie kommend, den Weg durch
die Jujantira- Berge nach Wualfnsi und Djafra Kala ge-
nommen hat. Leutnant J. D. Fullertons Kartenentwurf
(„Somali Land and the Harar Province, 1:633000“) ist
zu dürftig, als dafs sich etwas Näheres als die allgemeine
Richtung der Reiseroute, soweit sie mit jener Major Heaths
und Leutnant Peytons zusammenfällt — und dies ist für
den größten Teil der Reise der Fall — , zum Vergleiche
demselben entnehmen liefse. Mit den Aufnahmen J. L.
James’, soweit sie die Umgebung von Berbers betreffen
(s. die vorcitierte Karte), stimmen Heaths Daten bis auf die
Richtung der Zuflüsse des Lafriik (bei James im weitern Ver-
laufe Tuk Baba genannt) überein, desgleichen mit Menges’
Aufnahmen (Petermanns Mitteil. 1885, Taf. 20). Unter
welchem Winkel immer man diese nur in dor Regenzeit
pormauent wasserführenden Flufsläufe kreuzen mag, ihre
NNW — SSE- Richtung konnte von Heath, der im Juni
reiste, nicht verkannt werden. Dazu dio Übereinstimmung
mit Menges. Dio Differenzen in der Nomenklatur spielen
keine so hohe Rolle, weil dio Tuk, Cherän, Auädi bei den
Somäl die verschiedenartigsten Namen führen , deren ein
Flufsbett in seinem Verlaufe oft drei bis vier hat, nament-
lich im Ober- und Mittellauf, während die Namen des Unter-
laufes konstant bleiben. Auffallend sind dio so sehr diffe-
rierenden Höhenangaben für die Spitzen der Hegobbo-Berge.
Während Heath, ein geübter Höhen- und Distanzmesser,
die Höhen der Hegöbbo zu 180 — 270 m schätzte, finden
sich bei Menges auf Grund von Aneroid - Beobachtungen
solcho von 510, 540 und 660 m eingetragen. In ethno-
graphischer Beziehung bestätigt Heath die von mir er-
kundete und beschriebene Lagerung der Galla- und Somäl
• Stämme. Major Heaths Routenaufnahme der wichtigen
Strecke Hdrftr — Berbers ist nach dem Gesagten, eines zum
andern gestellt, eine sehr anerkennenswerte geographische
Leistung.
Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
Von A. Philippson.
In der folgenden kleinen Abhandlung soll versucht wer-
den, einen Beitrag zur Erosionstheorie zu liefern durch die
Erörterung dor Frage, welches im allgemeinen das Resultat
der Erosionsthätigkeit eines Gewässers an den einzelnen
Punkten seines Laufes ist. Dio in der Arbeit enthalte-
nen Gedankon drängten sich mir beim Studium unsrer
zwar äuf8er8t ausgedehnten , aber noch lange nioht er-
schöpfenden Litteratur über die Erosion des fließenden
Wassors auf. Es boII einer spätem Arbeit Vorbehalten
bleiben, dio theoretischen Resultate dieses Aufsatzos, wenn
sie vor der Kritik standhalten sollten, auf einige Erscheinun-
gen der Erdoberfläche anzuwenden. Es wird daher für diese
Zeilen um Entschuldigung gebeten, wouu sie sich zu wenig
an konkrete Fälle in der Natur halten, auf denen zu fußen
der Geograph ja niemals versäumen sollte.
Eho wir uuserm speziellen Thema näher treten, müssen
einige allgemeine Bemerkungen Uber die Erosion des fließen-
den Wassers vorausgeschiokt werden.
Wenn eine Wassermasse auf einer geneigten Unterlage,
der Schwere folgend, herabBtrömt, erlangt sie dadurch oine
gewisse Stoßkraft. Diese Stoßkraft wird zum Teil durch
dio Roibung der Wasserteilchen aneinander bei der Bewe-
gung konsumiert, der übrige Teil wird durch das Auf-
stoßen auf die Rauhigkeiten des Bettes oder auf sonstige
in demselben befindliche Hindernisse entweder ganz ver-
zehrt, oder es bleibt ein Rest, der nach abwärts eine wei-
tere Beschleunigung der Wasserbewegung erzeugt. Der
Teil der Stoßkraft, weloher auf das Aufatoßen auf die
festen Körper in und an der Bahn der Wasserteilohen ver-
wandt wird, übt auf diese Körper eine Wirkung aus, welche,
wenn genügend groß, diesolbon zur Ortsveränderung im
Siune der Bewegungsrichtung des Wassers bringen kann.
Je nachdem diese bewegten Körper vorher einesteils frei
schwebend im Wasser oder lose auf dem Boden liegend
sich befanden, oder andernteils fest verbundene Teile des
Bettes des Gewässers bildeten, unterscheidet man zwei Be.
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Ein Beitrag zur
tliätigungen der Stofskraft des bewegten Wassers: Trans-
port und Korrasion. Der erstere ist die Vorwärts-
bewegung loser Teile , die letztere die LosreiTsung vorkor
fest verbundener Teile aus ihrem bisherigen Yerbando1 * * *).
Es ist klar, daß zum Transport einer gewissen Masse,
bei dem nur die Schwere derselben zu überwinden ist,
viel weniger Kraft erfordert wird , als zur Korrasion der-
selben Masse, der aufsor der Schwere auch noch die Kohä-
sion entgegensteht. Es werden daher niemals an einer
Stelle des Flufsbettes größere Massen korradiert , als von
derselben Stelle weiter transportiert werden könuen. Wenn
daher dio Stofskraft des Wassers sich auf der ganzen lüngo
seines Laufes nicht vermindern wurde, bo würde alles aus
dem Bette korradierte Material auch bis ans Endo dos
Wassorlaufes transportiert werden : es fändo unterwegs keine
Ablagerung statt, es sei denn, dafs von aufBen dem Was-
ser neuo Massen zugeführt wllrdon (z. B. durch Bergsturz
oder dgl.). Wenn dagegen eino Verminderung der Stoß-
kraft stattfindet , so vermindern sich auch Korrasion und
Transport, und vou dem bisher mitge führten Material bleibt
so viel liegen, als dem Verlust an Stoßkraft entspricht.
Es ergibt sich hieraus, daß die Wirkung eines Wasser-
Stroms auf seine foste Umgebung an jedem Punkto seines
Laufes resultiert aus:
1) der Größe soiuer zur freien Wirkung kommenden
Stoßkraft :
2) der Vorwendung der Stoßkraft zu Transport und
Korrasion, d. h. dem Wechselverhältnis dieser beiden Thä-
tigkeiten ;
3) dem großem oder geringem Widerstando, welcher
der Korrasion geleistet wird.
Jeder dieser drei Faktoren muß in seinen Ursachen
und seinon Folgen geprüft werden , wenn die Wirkung
eines Wasserstroms zu untersuchen ist.
Dio Gröfso der Stofekraft
wird durch folgonde Faktoren bestimmt.
a) Das Volumen der Wat* *erma** *e in einem gewisson Ab-
schnitte des Bettes-). Dasselbe kann ausgedrückt werden
durch den Flächeninhalt des Querschnittes der Wasser-
masse. Zunächst wächst bei glcichor Geschwindigkeit die
Kraft einfach proportional mit dem Wasservolumen: eino
doppelte Wassermasse kann die doppelte Masse Material
transportieren oder korrodieren. Aber noch ein andrer
Umstand kommt hinzu. Mit dem Volumen nimmt die
Fläche dos Bettes in geringem Maße zu. Bei Flüssen,
>) Im folgenden »11 mit „Kornwion" die« Lostrennung, mit „Kro*
tinn“ mehr du durch dicte Thiitigkeil bewirkte Einjchnciden (Thalbildung)
bezeichnet werden.
*) Vgl. Gilbe« , Beport on the Geology ef the Heu« Mountains.
Washington 1877. p. 104. 109.
Erosionstheorie.
deren Querschnitte ähnliche Figuren bilden , verhalten
sich die Volumina wie dio Quadrate der Seitenlinien der
Querschnitte. In allen Fällon hält die Zunahme des Fläohou-
raumes des Bettes nicht Schritt mit der Zunahme des
Volumens. Daher ist die Reibung an diesen Fläohen bei
großem Strömen verhältnismäßig geringer, und es ergibt
sich daraus mit dem Wachsen der WassermaBso eino Be-
schleunigung der Bowegung und damit oino Vergrößerung
der Stoßkraft um so viel , als die Verminderung der rela-
tiven Reibung beträgt. Durch Zunahme des Volu-
mens wächst also die Stofskraft oines Was-
serstroms mehr als einfach proportional. Es
folgt darauB, daß, wenn zwei Ströme sich voreinigen, der
Gesamtstrom eine größere 8tußkraft besitzt, als dio boideu
einzelnen Ströme zusammengenommen '). Dasselbe ist der
Fall bei einer Spaltung des Flusses; auch dort besitzen
die beiden getrennten Arme zusammen boi gleichem Ge-
fall wenigor Kraft als dor vereinigte Strom. — Die Größe
der Wassormasse, welche sich in einem Rinnsal sammelt,
wird bedingt durch zahlreiche Faktoren , unter denen be-
sonders hervorzuheben sind: die Oberfläche des Flußgebie-
tes, seine klimatischen Verhältnisse (Rogenfal), Verteilung
desselben auf die Jahreszeiten , Verdunstung, Vegetation),
seine geologische und orographische Beschaffenheit (wolcho
die Größe und Schnelligkeit der oberirdischen Wasserzu-
fuhr bedingt).
b) Die Geschwindigkeit der Bewegung. — Dio Geschwin-
digkeit an irgend einer Stollo dos Wasserlaufes ist in erster
Linio vou dem Gefälle au dieser Stelle abhängig, und zwar
wirkt die Schwerkraft nach dem Kosinus des Winkels (u),
welchen diu Böschung (1) mit der Vertikale (h) bildet ®)
(cos u — j-). Nach altern Ansichten verhalten sich die
Geschwindigkeiten wie die Quadratwurzeln der Ge-
fälle, nach Humphreys und Abbot wie die viorten Wur-
zeln dor Gefälle. Eine Kritik beider Formeln und ausführ-
liche Tabellen über diesen Gegenstand gibt Kutter8). —
Ferner ist die Geschwindigkeit abhängig vom Querschnitt
des Bettes und dom Grade seiner Krümmuug &c.*). Drit-
tens von dor Wassormasse, wie obon gesagt. Viertens von
der von oben mitgebrachten Stoßkraft. Denn die Beschleuni-
gungen , welche der Strom an den einzelnen Punkten sei-
nes Laufos durch die Schwerkraft ompfängt , würden sich
beständig summieren und so eine stetig beschleunigte Be-
1) Gilbert ß. *. 0., S. 10$.
a) Costa de Bastelica, Le» Torrent*. ]‘»n« 1874. p. 84.
S) In Dunkelbergi Kultur-Ingenieur I. Brauntchweig 1808. S. 293 ff.;
11, 18B9, S. 87 ff. 184 ff. 327 ff.
1) Die einschlägigen Formeln sind übersichtlich »uwmmcngcrtellt in :
Klans , Die Bewegung d<« Wn*«crs in FIümcii und Kanftleu nach de» Un-
ternuehungen Humphreys' und Abbot» am Mi»i*«ippi (Dünkelberg« Kultur-
Ingenieur I, 8. 43 ff.).
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
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weguug, ähnlich wie boim freien Fall, bewirken, wenn nicht
die Reibung an den Wänden und Hindernissen des Bettes
sie wieder aufzehrte. Wenn die Reibung gröfscr ist als
die Beschleunigung, findet Verlangsamung, wenn sie ge-
ringer ist , Beschleunigung der Bewegung , Wachsen der
Geschwindigkeit stromabwärts statt. Dann eilen die Wasser*
inaasen schneller über die zunächst abwärts gclogoncu Punkte
hinweg, als sie vermöge der nur an diesen Punkten erhal-
tenen Beschleunigung thun würden. Aus diesem Grunde
strömen die Gewässer eines grofsen Flusses noch eine Strecke
weit auf der Oberfläche des Meeres bin , wo gar kein Ge-
fälle und somit auch keine Beschleunigung vorhanden ist.
Die von oben mitgebrachte Stofskraft kann das Wasser
sogar eine Strecke bergauf troibon und dadurch auch Trans-
port nnd Korrosion bergaufwärts bewirken. Ein interes-
santes, allerdings extremes Beispiel hierfür führt Kollbrun-
ner1) an: Die Murg fördert südlich von Frauonfold
(Thurgau) ans einem Riesentopfe von 10 F. Tiefe, der
sich dort im Bachhette gebildet hat, Gerolle zu Tage , die
im Wellenschaum merklich Uber das Wasserniveau em-
porgehoben werden. Ähnliches läfst sich an vielen Ge-
birgsbächen und Wasserfällen beobachten. — Es ist also
zu beachten , dafs die Geschwindigkeit an einem Punkto
des T^ufes nicht allein von Wassormasse, Gefällo &c. an
diosem Punkte, sondern auch an den oberhalb gelogenen
Punkten, also von der mitgebrachten Stofskraft abhängt. —
Mit der durch die genannten Faktoren bedingten Geschwin-
digkeit wächst nun die Stofskraft des Wassers, und zwar
nach dom Quadrate der Geschwindigkeit*).
c) Die Führung ton fettem Material. — Es ist selbst-
verständlich , dafs die Kraft oiner bewegten Masse um so
gröfser ist, je spezifisch schwerer und jo härter sie ist.
Die Kraft eines Gewässers ist daher, gleiche Geschwindig-
keit vorausgesetzt, um so gröfser, je mehr, je schwereres
und je härteres Geschiebe es mit sich fährt3). Wir habon
aber schon angedeutet und werden noch darauf zurück-
kommen , dafs anderseits Transport Kraft verbraucht nnd
dadurch die Bewegung verzögert. Eine Vermohrung dor
Geschiebe hat also zwei entgegengesetzte Folgon, die gegen-
einander abzuwägen nicht loicht ist.
>) Beiträge zur Morphnlogio der Thalbildungon und Flufssvsteme. Pro-
gTtrarn der Thurgauer Kantuuschule. Frnueufeltl 1877. S. CG.
*) Studer, Iiohrburh der physikalischen Geographie und Geologie,
Bern 1844 — 47. S. 109. — Costa de Blutelicu a. a. 0., p. 31. —
BnuMmruj, Kasai mir !a thfarie dos eaax courantes. \Um. prfsentfa p.
dir. sarante ä l'Acad. d. Seiene. de l'Inft. de France. So. math. et pby*.
XXIII. Paria 1877. p. 59. — Im Gegensatz tu diesen Autoren geben
Dana, Manual of Geologe. 1803, p- 035, und Sonkltr, Orographic, 8. 239,
gentütit aut Hopkins (ohne die Stelle anzuführen), an, dafs die Stoßkraft
zunimmt mit den sechsten Potenten der Geschwindigkeiten. Man sieht
aus diesem Widerspruch, wie wenig selbst die fundamentalsten Grundlagen
einer Theorie des Weisenden Wassers festgestellt sind.
4) Gilbert a. a. O., p. 108.
Die Verwendung der Stofskraft.
Haben wir bisher die hauptsächlichsten Faktoren, welche
die Gröfse der Stofskraft bestimmen , andeutungsweise zu
skizzieruu versucht, so weuden wir uns nuumehr zur Ver-
wendung dieser Stofskraft zu der einen oder andern Ar-
beitsleistung. Die Stofskraft, soweit sie nicht durch die
innere Reihung des Wassers verzehrt wird , findet ihre
Ausgleichung iu der Reibung gegen die im Wasser be-
findlichen Geschiebo und gegen die Wände des Bettes selbst.
Die Reibung wächst mit dem Quadrate der Geschwindig-
keit. Wenn dio Stofskraft an irgend einer Stelle nicht
durch dio Reibung vorzehrt wird , so findet nach abwärts
gemäfs der Beschleunigung durch die Schwerkraft eine Be-
schleunigung der Bewegung statt, bis die in dem Quadrate
der Geschwindigkeit wachsende Reibung ihr das Gleich-
gewicht hält und sie ihre volle Aufzehrung findet. Dieses
Gleichgewicht kann jedoch beim Weiteretrömeu schon im
nächsten Augenblick durch Veränderung der Wassermenge,
des Gefälles, des Querschnittes des Bettes oder dgl. wieder
gestört werden.
Es ergibt sich sowohl aus dieser Betrachtung als aus
der Beobachtung der Natur, dafs die ganze Summe aller
Beschleunigungen, welche das Wasser während des Hiuab-
fliefsens auf geneigtem Boden fortwährend durch die Schwer-
kraft erhält, welche Summe gleich ist)^2gh (h = Höhen-
differenz von Quelle uud Münduug, uatürlich verschieden
für die einzelnen Gewässer, die sich in einem Strome ver-
einigen)*), — dafs diese ganze Beschleunigung durch die
Reibung verzehrt wird, mit Ausnahme der Geschwindig-
keit, mit welcher schliofslich noch das Mündungsniveau er-
reicht wird. Je gröfser an einem Punkte die Stofskraft
ist, desto stärker ist die Reihung, durch welche erstere
verzehrt wird , desto gröfsor ist die Wirkung des Wassers
auf die Körper, mit denen es in reibende und stofseude
Berührung tritt. Diese Körper sind, wie oben erwähnt,
teils lose, die weiter oberhalb korrodiert sind und nun nur
weitergeschafft zu werden brauchen, teils sind es feste
Teile der Wandungen des Bettes, die durch das Anstofsen
dos Wassers losgerissen werden können. Es ist klar, dafs
die Neigung sowohl zu Transport als zu Korrosion bei
fließendem Wasser niemals = 0 ist, denn so lange über-
haupt noch eine Vorwärtsbewegung des Wassers stattfin-
det, ist Reibung gegeben, und damit können beide Arbei-
ten geleistet werden, allerdings nur in entsprechend kleinem
Mafso*). Mau kann also nicht eigentlich sagen : „Ein Strom
korrodiert an einem gewissen Puukte nicht, sondern la-
gert dort ab“. An einem solchen Puukte ist das mitge-
1) Vgl. Günther, Lehrbuch der Geophysik II. Stuttgart 1885* S. 398.
2) Vgl. Costa de Bartelica a. a. 0., p. 29.
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
brachte Material zu groß und zu massenhaft, um von der
verringerten Stofskraft überwältigt zu worden ; es lagort
sich im Flufshett ab und schützt es, indem nun die immerhin
vorhandene , aber geringe korradierende Reihung anstatt
das feste Flufshett die Gesckiebeablagerungen trifft. Die-
selben werden durch die Korrosion nicht zerstört, weil
reichlichere Massen von oben aukommen, als die Korrosion
entfernt. Abor Korrosion ist vorhandon, sobald
Reibuug des Wassers, d. h. sobald Bewegung
stattfindet. Es gibt daher keine Gronzo der Korrosion
(aufser beim Aufhöreu der Wasscrbowegung), sondern nur
eine Grenze, wo die Anhäufung die Abtragung überwiegt.
Diese Grenze ist für die Art der Thätigkeit dos Flusses
entscheidend.
Zwischen Transport und Korrosion findet demnach ein
gewisses Wochselverhältnis statt, das man nnr annähernd
durch den gebräuchlichen Satz uusdrückuu kann: „Ein Ge-
wässer korrodiert nur dann, wenn ein Überschuß von Kraft
vorhandon ist, der nicht vom Transport verbraucht wird“.
Richtiger kann das Verhältnis so ausgesprochen werden:
Transport und Korrosion sind zwoi nur nach
den Objekten unterschiedene Bethätiguugcu
ein und derselben Kraft, mit deren Gröfso sie
beide waclison und sich verringern, auf die
sie beide durch ihren Kraftverbrauch wieder-
um zurückwirken. Vermittelst dieser Rück-
wirkung auf die gemeinsame Kraftquelle ste-
hen beido Thätigkeiten in gegenseitig regu-
lierender Wechselwirkung. Wenn daher im Laufe
einos Stromes jene Kraft abnimmt, kann es sich an oinem
Punkte ereignen, dafs sich die bisher transportierten Ob-
jekte in gröfserer Masse aufhäufen, als durch die zugleich
vorminderte Korrasionskraft entfernt werden. Es kommt
also darauf au, zu ermitteln, eine wie grofse Kraft zu
einem gewissen Transport erfordert wird, um zu erkennen,
in welchem Mafse dadurch die Stofskraft vorriugert wird;
ferner, oino wio grofse Kraft zur Korrosion einer gewissen
Masse nötig ist.
Da kommen wir auf einon dunklen Punkt in der Ero-
sionstheorie: die Wechselwirkung zwischen Stofskraft und
GescbiebefUbrung. Wio achon oben erwähnt, wird die Stoß-
kraft eines Wasserlaufes durch oiuon gewissen Gehalt an
Geschiebe vergrößert, anderseits wird durch den Transport
Stofskraft verbraucht. Du beido Wirkungen in ihrer Grofse
noch nicht genügend bestimmt sind, so ist leicht verständ-
lich, dafs ihr gegenseitiges Verhältnis gänzlich unklar ist.
Daher begegnet man in der Littoratur häufig den seltsam-
sten Widersprüchen in dieser Beziehung. Eiumul wird oinu
stärkere Erosion durch Reichtum an Geschiebe, das andre
Mal durch Mangel an solchom erklärt. Im allgemeinen ver-
braucht grofse Gesckiebeftikrung bei mäfsigom Gefälle mehr
Stofskraft, als sie erzeugt, und je mohr Stofskraft zum
Transport verbraucht wird, desto langsamer {liefst das Wasser,
desto geringer wird die Korrasion. Wenn wir von jener
Steigerung der Stoßkraft durch das Gewicht der transpor-
, tierton Massen absohen, so ist nach Gilbert (a. a. 0., S. 106)
der Verbrauch an Kraft beim Transport in der Zeiteinheit
gleich dem Gesamtgewicht (unterWasser) der transportier-
ten Masse multipliziert mit der Distanz, welche die ein-
zelnen Partikel im rukondon Wasser iu der Zeiteinheit hin-
absinken würden. Da feine Partikol wegen der relativ
gröfsern Reibung langsamer sinken als grobe, so kann die-
selbe Kraft cino größere Masse feiner als grober Materie
transportieren. So hängt also die für dou Transport einer
gewissen Masse aufgewendete Kraft nicht allein von dem
Gowicht, Bondern auch von der Gestaltung und Vorteilung
der Masse ab. Aus demselben Grunde findet moist inner-
halb eines Wassorlaufes eine Sortierung dor Geschiebe nach
der Grofse statt, indem die kleinen schneller und weiter
vorwärts gebracht worden als die grofsen (nach Costa de
Bastelica a. a. 0., p. 25: transport par triage). Kur bei
ausnahmsweise grofsem Gefälle, wie es z. B. die Muhrgänge
der Alpen besitzen , kommt es nach starken Regengüssen
vor, dafs das Gcschiebovolum gröfser ist als daB Wasser-
volum, mit welchem es herabströrat; es entsteht dann ein
Schlammstrom (courant de matiere), der sich sehr langsam
vorwärts bewegt, und in welchem die Geschiebe sich so
häufig berühren , dafs sie sich , trotz ihrer verschiedonon
Grofse, alle gegenseitig eine mittlere Geschwindigkeit mit-
teilen. Es findet dann keine Sonderung statt, sondern ein
„transport en masse“ '). Doch das sind Ausnahmefälle, die
nur im Hochgebirge zuhause sind. Nach dem Gesetzo
der Sonderung der Geschiebe werden die Transportverhält-
nissu eiues Stromes in hohem Grade beeinflußt von der
Beschaffenheit des transportierten Materials, von der Länge
deB Weges, den es schon zurückgelegt hat u. dgl. Über-
haupt repräsentiert die Masse und Beschaffenheit, des an
einem Punkte dos Stromlaufes muchauisoh voriibergofükrten
Materials die Summe der gesamten korradioreudon Thätig-
keit, welcho dor Strom und alle seine Tributäre oberhalb
dieses Punktes geäußert haben ; diese ist bedingt einerseits
durch dio Korrasionskraft dos Stromes, anderseits durch den
Widerstand der korrodierten Gesteinsmassen. Die Kraft,
welche zur Korrasion einer gewissen Masse verwandt wer-
den muß, ist abhängig von der Kohäsion des Gesteines, und
von der Art, in welcher die Stoßkraft auf die Wände des
Flußbettes wirkt. In dieser letztem Hinsicht ist eine wich-
') Bei solchen Muhren treten noch eigentümliche Zustande von Vis-
cositit hinzu, die ton den gewöhnlichen Verbültnissen abweichen, und von
Costa de Bastelica sehr interessant beschrieben sind.
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
tige Frage, soweit mir bekannt, noch so gut wie gar nicht
beantwortet worden. Ks ist dies die Frage, wie sich die
Korrasion des Bodens zu derjenigen der Seitenwände des
Bettes verhält. Nach unten ist die Kraft des Wassers stärker,
am stärksten senkrecht unter der Linie des Strorastrichs
(der Linie der schnellsten Bewegung) ; nach den Seiten ist
der Widerstand geringer wegon der Qeneigtheit der Seiten-
wände, und zwar desto geringer, jo geneigter diese Wando
sind. Aus der Beobachtung ergibt sich, dafs bei einem
starken Strom dio Tfofenorosion überwiegt, bei einem
schwachen dio Soitoncrosion; aber die Bedingungen
beider Arbeitsrichtungen sind noch nicht gonauor festge-
stellt. Diese Lücke auszufüllen, wäre eine dankbare Auf-
gabe der Physiker. Ebenso geringfügig ist das Material,
das uns zur Beantwortung der dritten Hauptfrage zu Ge-
bote steht: der Widerstandsfähigkeit der Gosteine.
Widerstand der Gesteine.
So viel steht fest, dafs kein Gestein auf dio Dauer dor
Korrosion durch lliefsendes Wasser widerstehen kann. All-
bekannt sind Beispiele des Einsohneidens von nicht sehr
bedeutenden Gewässern in Lavaströmo aus hartem Basalt,
zum Teil in sehr kurzer Zeit (Simeto in Sizilien, Zentral-
frankreich, Eifel) * *). Es scheint demnach im Gegenteil die
Widerstandsfähigkeit der Gesteine in nicht sehr weiten
Grenzen zu schwanken. Über den Hauptfaktor derselben,
die Kohäsion, resp. Härte der Gesteino , wissen wir , wie
Penck mit Recht in seinor „Vergletscherung der deutschen
Alpen“ bemerkt, noch zu wenig, um allgemeine Schlüsse
darauf zu bauun. Auch ob die Korrosion leichter in dor
Richtung des Schichtenstreichcns, oder quor dazu vor sich
geht, ist noch durchaus nicht sichergestellt. Nur schein-
bar ist in vielen Fällon dio Korrosion quor zum Streichen
dio begünstigte ; das liegt meist daran , dafs dio stoilore
Abdachung der Quorrichtung entspricht. Auch dio Zor-
kliiftungsfähigkeit, dio Zugänglichkeit für chemische Erosion
und vielo andre Umstände sprechen bei dor Frage nach
dem Widerstande eines Gesteines mit. Es ist daher leicht
verständlich, weshalb sich bis jetzt noch ein näheres Ein-
gehon auf diese wichtigen Punkto in oiuor Allgemeindar-
stellung verbietet. Es ist Sache von Spezialuntersuchungen,
hierüber Licht zu verbreiten.
Die Tieferlegung durch ^Erosion und ihr Endziel.
Durch dio Bewegung eiues Gewässers entsteht eine Rei-
bung an den Seitenwandon und dom Boden seinos Bettes,
welche durch dieGröfse der Stofskraft, des Gewässers reguliert
*) Vgl. Hartung, Thal - und Seebildung, Zritachrift dor OoMUsehaft
für Erdkunde iu Berlin, lld. XIII, 1878: und Schneider, Thalbildung in
der Vorder« fei, dieselbe Zeitschrift 1883.
7F
wird. Diese Reibung bewirkt eine Abnutzung des Strom-
bettes, die von dem Verhältnis der Stofskraft des Gewässers
zu der Widerstandsfähigkeit des Gesteines abhängt. Je
mehr dio Stofskruft den Widerstand übertrifft, desto schneller
schreitet die Abnutzung, also vornehmlich dio Tioferlegung
des Bettes vor. Aber je tiefer das Niveau des Strombettes
bei konstantem Mümlungsniroau horobsinkt, desto geringer
wird das Gefälle, desto langsamer wird dio Bewegung, desto
langsamer die Korrosion, und zwar nach den Quadraten
der abnehmenden Geschwindigkeiten. Mit dem Vorschrei-
ten der Korrosion nimmt diese selbst also immer mehr ab,
d. h. desto gröfser worden die Zeiträumo , dio für die Er-
niedrigung um ein gewisses Längenmafs nötig sind , oder
desto geringer ist dio Tioferlegung während eines gewissen
Zoitraafses. Es wird endlich ein Niveau erreicht , wo die
Abnutzung in einer gewisson endlichen Zeit so gering ist,
dafs wir Bie ganz vernachlässigen können. Das ist also schein-
bar oiu vom subjektiven Ermessen abhängiger Moment. Aber
da die Tioferlegung vom Beginn der Erosion bis zu diesem
Niveau beständig sich quadratisch verlangsamt, so handelt
es sich scbliefslich um so kleino und sich immer mehr ver-
kleinernde Gröfsen, dafs dem subjektiven Ermessen nur ein
verschwindend kleiner Spielraum gelassen wird. Wenn auch
theoretisch die Erosion nie zum Stillstaud kommt, so kann
man doch iu der Praxis von einem Niveau reden , wo
dio Erosion aufhört, d. h. , wo in einer unendlich grofsen
Zeit nur noch unendlich kleino Massen korrodiert werden.
Dieses Niveau nennen Powell ’) und Dutton 2) base level
of erosion, und ein Flufs, der sich auf diesem Niveau be-
wegt-, befindet sich im equilibrium of action (nach Gilbert
a. a. O.)3). Ebenso wie die Soblo dos Flusses werden
auch die Seitenwände des Thaies endlich eino solche Gleich-
gewichtslage erreichen, denn an den Thulwänden wirkt ja
auch beständig die Korrosion der kleinen und kleinsten
Wässerchen , die an ihnen herablaufon ; dieBO schwächere
Korrosion dor Wände bleibt im Anfang hinter der Tiefor-
legung dur Sohle zurück, das Thal bleibt eng und steil.
Aber in dem Mafse als sich dio Tiefouorosiou verlangsamt,
macht sich das Zurücktroten und Abflachen der Thalwünde,
die Vorbreiterung des Thaies bemerkbar.
Das endlich erreichte Gefüllo der Thalsohle ist das Pro-
dukt von Wasserkraft und Widerstand des Gesteines. Je
geringer an einem Punkt die Kraft des Stromes, desto steiler
ist das Gefälle der Gleichgewichtslage, d. h. bei dosto stei-
lem» Gefälle hört dor Strom schon auf zu erodieren; je
l) Kaploration of the Colorado River. Washington 1875.
*) Tlie lerliary history of the Oranii Caflon DLstrict. Washington 1882.
*) Dutton sagt a. a. 0., p. 76: The «pproach (to »he base lerel)
eonaista in an infinite aoriea of approximaliona like the approack of a hv-
perhola In tangcncy vith ita Asymptote.
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72
Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
gröfser die Kraft, desto sanfter ist das sehliolslicho Gefiille,
d. h. boi desto sanfterm Gefalle hört der Strom erst auf
zu erodieren. Ferner, je härter das Gestein, desto Bteiler
das Endgefäll. Het raubten wir nun, wie sich dos Endge-
fälle in den verschiedenen Punkten ein und desselben
Wasserlaufes verhalten wird.
Dabei müssen wir zunächst den Widerstandsgrad dos
Gesteins aufser acht lassen, da er sich allgemeinen Ge-
sichtspunkten nicht unterwirft. Nehmen wir ihn für die
ganze Stromlänge als gleich an. Da die Erosion an jedem
Punkte des Laufes ein Gofällo austrebt, bei welchem sie
zum Stillstand kommt, so wird au jedem Punkto ondlioh
ein Gefälle erreicht werden, welches umgekehrt propor-
tional ist der Wasserkraft. Von den Faktoren der
Wasserkraft, welcho wir obon erläutert haben, kommt für
die Gröfse des zu erreichenden Endgefällos das ursprüng-
liche Gefälle des Strom ob gar nicht in Petracht;
denn dieses wird ja gorndo durch die Korrosion zerstört und
in das Endgefälle übergefUhrt, Je steiler dos ursprüngliche
Gefälle ist als das Eudgefälle, desto energischer wird es durch
die Korrosion angegriffen, und dadurch im Laufe der Arbeit
recht bald eine Ausgleichung angebahnt, dio vollendet ist
bei Erreichung des Endgefälles. Die Gestaltung des letz-
tem ist also, wie loicht ersichtlich, unabhängig vom
ursprünglichen Gefälle, sobald diesos überhaupt dorort ist,
dafs Erosion stattfinden kann. Von den beiden übrigen
Hauptfuktoren kommt in erster Linie die Wassermasse
in Betracht.
Wio wir oben gesehen haben, wächst die Stofskraft
mehr als einfach proportional mit der Wasser-
massc. Das Endgefälle, bei dem die Erosion zum Still-
stand kommt, wird also bedingt durch die Wassermasse,
und zwar ist das Endgefälle — da es umgekehrt propor-
tional ist der Wasserkraft — desto geringer, je gröfsor die
Wassermasse, und desto gröfsor, je kleiner die Wassermasse
au einem Punkte des Etromlaufos ist1). Gilbert sagt2):
„Wenn eine Gleichgewichtslage erroicht ist, so stellt ceteris
paribus dio Noigung im umgekehrten Verhältnis zur Wasser-
masse“. Boussinesq8) äufsert sich ähnlich unter derselben
Voraussetzung: „Die Neigung oines Wasserlaufes findet
sieh ebenso geringer, als die Flüssigkeitsmasse, welche ihn
durchströmt, auf die Längeneinheit11) gröfser ist“. Es scheint
l) Dabei ist tu berückiichtigcD, data nun für Bestimmung der Wtsut-
muss nicht der Qucrxchnitt genügt, »andern daf* in Kccbnung zu ziehen
ut, wie riet Wiener in der Zeiteinheit an einem 1 “unkte voiüberfliebt.
Bei Vorlangumung der Bewegung wichst der Querachnitt der Wawernuuso
(wenn der Zudub gleich bleibt). Bei Annäherung an du Kndgeßille wichst
als«, wenn auch der Zultufs an Waescr gleich hleiht, der Querschnitt der
Wawcrmasse: aber diese selbst bleibt in der Zeiteinbeit konstant.
*) In dem schon oft citierten : Report on the Geology of the Henry
Mountains, Washington 1877, p. 113.
*) Kasai 4c., p. 157-
*} Vgl. obige Anmerkung >).
mir nun nach dem von Gilbort gegebenen Grundsätze
(die Stofskraft wächst mehr als einfach proportional der
Wassermasse) nicht richtig, dafs es sich hier um eine
umgekehrte einfache Proportion handelt, sondern das Ver-
hältnis ist vielleicht oin rocht kompliziertes. Aber so viel
steht fest: je gröfser die Wassermasse, desto
geringer das Gefälle de r Gle ich ge wi c h t sl a g e.
Da in gewöhnlichen Klimaten ein Flufs von der Quelle
bis zur Mündung beständig an Wasser zunimmt (Ausnah-
men sind die Steppen- und Wüstenflüsse, z. B. Nil, Tarim,
die Flüsso der Pampas &c.) , so ergibt sich daraus , dafs
unter den gewöhnlichen Verhältnissen ein Flufs, wenn er
seine Erosionsarbeit vollendet hat, von der Quelle zur Mün-
dung an Gefiille beständig abnimmt. Das heifst, sein Go-,
fälle bildet eine am Krümmungsradius wachsende Kurve,
welche sich asymptotisch der Horizontalen nähert, ohne
je dieser parallel zu werden (s. Fig. 1: M = Mündung,
Kig. 1.
S = Wasserscheide, M 3= Horizontale. Der Punkt M kann,
anstatt am Meer , natürlich auch an einem Binnensee , an
einer Salzpfanne oder dgl. zu flogen kommen). Diese Kurve
könnte man wohl als Endkurve der Erosion, odor
als Erosions-Terminante bezeichnon.
Diese Kurve stellt bIbo das „baso level“ der Erosion
nach seiner Höhenlage und seinem Neigungswinkel für die
verschiedenen Punkte eines Wasserlaufes dar. Andeutungen
in der Erosionslitteratlir , dafs dieses Niveau eine Kurve
bilde, habe ich in einem wenig klaren Aufsätze von Tylor *)
und in dem trefflichon Werke von Ponck „Die Verglet-
scherung dor deutschen Alpen“ (Leipzig, 1882) gefuudeu.
Der lotztero Autor sagt bei der Charakterisierung der Ver-
schiedenheiten von Wasser- und Glotschororosion auf S. 295:
„Dies (die erodiorundo und anhäufende Thätigkeit des Was-
sers) dauort so lauge, bis ein gewisser Ausgleich erziolt
ist zwischen Länge des Wasserlaufes tiud seinem Gefälle,
bis letzteres oi uo b os t i in m t e K ti r v e beschreibt.
Freilich ist ja nio Stillstand im Laufe dor Gewässer, un-
ablässig verlängern sie denselben rückwärts und verändern
dnher stots die Kurve ihros Gefälles. Dieselbe aber bloiht
stets derselben Art und stets beschränkt sich dio anliäu-
fendo Thätigkeit dos Wassers auf seinen Unterlauf . . .
Man sieht, dafs hier dio Bedeutung der Kurve als Endziel
l) Ou the action of tlenuding agencte«. Geol. Magazine, N. S. II, 1875«
p. 433 IT.
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Ein Beitrag zur Erosionstlieorie.
73
der Erosion, wie sie im erston Satze treffend gekennzeich-
net ist, durch dou zweiten Satz wieder aufgehobon und
dadurch der BegrifT derselben unklar gemacht wird. Ein
Rückwärtsschneiden der Erosion findet nur so lange statt, als
die Endkurve noch nicht vollständig erreicht ist, wie weiter
unten gezeigt werden soll; und auch dann setzt dasselbe
sich Uber die Wasserscheide nur in bosondern Fällen fort.
Durch das Erreichen der Kurve wird, wenn nicht Rtickver-
I
lugung dor Wnssorscheide stattfindet (immerhin ein Aus- i
nahmefall), eben jener Stillstand herboigofUhrt , den Penck
in dem zweiten angeführten Sntzo für immor ausschliefst.
Es wUrde hier zu weit führon, auch diose Komplikation, die
Rückverlegung der Wasserscheide, noch in Betrachtung zu
ziehen. Sie bildet einen Untersnchungsgegenstand für sich.
Gehen wir also im folgenden von der Voraussetzung kon- ,
stanter Wasserscheiden aus * *).
Noch einer Schrift mufs Erwähnung gethan werdeu,
welche das Gefalle dor Flüsse in ähnlicher Weise auffafst.
Ich kann mich hierbei leidor nur auf ein Citat in einer
Abhandlung von Dünkelberg2) berufen. Dieser sagt wört-
lich (S. 64): ^Zuerst mufs hier der (autographierten) Re-
lation des Schweizer Ingenieurs Oppikofer erwähnt werden,
in welcher derselbe aus dem Längenprofil des Rhoinstroms
nn der St. Gallor Grenze bis zum ßodensec das Walten
eines gauz bestimmten und klaren Naturgesetzes dahin nach-
zu weisen sucht, dafs dieses längenprofil in seiner Haupt-
form in einer C y k 1 o i d e verlaufe, die sich aus einem an
der darüber liegend gedachten geraden Linie rollenden Kreise
mit einem Halbmessor von 6 700862 m entwickeln lasse.
Das Aufsteigen der gekrümmten Linie (hier Höhe über dem
Bodensee) wächst mit dem Quadrat der Entfernung vom
See, das relative Gefälle (pro mille) dagegen im einfachen
Verhältnis zu dieser Entfernung. Die interessanteste und
wichtigste Eigenschaft der Cykloide und der Grund, warum
die geschiebeführenden, sich selbst ihre Sohle bildenden
Flüsse dieselben einzuhalten bestrebt soion, sei jedoch die,
dafs auf oder in derselben ein Körper in der kürzesten Zeit
von einem hohem zu einem niedrigem und entferntem
Punkte horablaufe, weshalb sie auch mit dom Namen Brachi-
stochrone oder Linie der kürzesten Fallzeit, oder des
schnellsten Falles genannt werde.“
Ich meine, dafs zu einer Aufstellung einer allgemein gül-
tigen Formel der terminanten Kurve, überhaupt zu ihrer nä-
hern mathematischen Bestimmung, wio es in der eben citier-
>) Ferner benutzt I’enek die durch die Erosion erzeugte Kurre zur
Erklärung der norddeutschen Seen in «einem sn-'irt reichen Vorträge: über
die Periodizität der Tbelbitdung. Verhandlungen der berliner OsMlUctuft
für Erdkunde Xr, 1884, S. 6 ft.
*) Die Kulturtechnik in ihrer trzteraatuchen Anwendung zuf Vorarl-
berg. Bonn 1878.
Petermanni Oeogr. Mitteilungen. 1886, Heft 111.
ten Arbeit versucht zu sein scheint, bis jetzt die zwei
Hauptbedingungen fehlen : erstens genaue Feststellung des
Verhältnisses von Wassermasse und Wasserkraft und des
Verhältnisses der Wasserkraft zu einer gewissen mittlern Wi-
derstandsfähigkeit der Gesteine ; zweitens genaue Messungen
der Wassermussen in Einzelfällen. Trotzdem können ihre
allgemeinen Charuktero auch so , durch einfacho Betrach-
tungen erschlossen, und damit ein Ersatz geschaffen werdon
für jene bekannte Danasche Erosionsfigur >), die sich durch
alle Lehrbücher trotz ihres viel zu schematischen Charak-
ters fortgepflanzt hat. Wir setzen sie vergleichshalber
hierher, und leicht wird ersehen werden, dafs unsre Kurve
nur eine der Natur mehr angepafste Modifikation des Da-
naschen Schemas ist. (Fig. 2: A = Quelle, B = Mündung.
Fig. 2.
Aß mn ursprüngliches Gefälle. A r s B = Endgefälle. AlmB,
AnoB, ApqB = Zwischenstadien. — s q o m B — riverpor-
tion. Im, no, pq, r s = torrentportion. Ap, Ar = Cascade-
portion.)
An der Wasserscheido (8 in Kg. 1) ist die Kraft des
rinnenden Wassere = 0; dort wäre also die Steilheit der
Kurve = 90*, wenn sie nicht in der Natur durch die
Maximalböschung , welche dem Gestein durch seine Ver-
witterbarkeit auferlegt wird, in sanfterer Neigung er-
halten würde. Je schneller die Wassermasse zunimmt, desto
schneller krümmt sich die Kurve zur Annäherung an die
Horizontale um. Die Krümmung ist also boi jedem Flufs
verschieden, gemäfs den Verhältnissen seiner Wasserzufuhr.
In regenreichen Gegenden wird die Krümmung sich schneller
S
Fig. 3.
') Dana, Manual of Geology, 1863, p- 63 j.
10
74
Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
verflachen (Fig. 3), als in regenarmen (Fig. 4); bei gleich
grofser horizontaler Entfernung von Wasserscheide und
S*
Mündung (MI=U1JI) wird im erstem Fullo die Kurvo
lauge nicht so hoch Uber dus MUnduugsnivoau aufsteigen,
als im letztem Falle. Sind a und b Punkte, die gleich
weit von 2 entfernt sind (in Fig. 3), als a* und b* von 2X
(in Fig. 4) , so ist in den senkrecht über diesen Punkten
gelegenen Punkten der Kurve dios Gefällo in Fig. 4 steiler
als in Fig. 3: Gefälle in ßx steiler als in ß, in a* steiler
als in a; zugloich: b* ßx > bß\ a1 a* > a«. Ebenso wor-
den sich FlUsso mit woiteut Stromgebiet zu solchen mit ong
begrenztem Gebiet verhalten. Im einzelnen ist die Kurve
nicht regelmäßig, da die Zunahme au Wasser meist an be-
stimmten Punkten durch Nobenfliisso orfolgt, aber wenn
man diese Knickungen, die im Endgefälle durch das Ein-
munden gröfserer Nebenflüsse verursacht werden, veruach-
lüfsigt und allo die Punkto, wo Wusserzufuhr, grofs oder
klein, stattfindet, fortlaufend verbindet, so entsteht eine
Kurve von der beschriebenen Art. Je weiter von der Quelle
zur Mündung, desto flacher ist das Gefalle, desto größer
ist der Radius dor Kurve, denn oino desto kleinem Winkel-
differenz bewirkt eine gleich große Wasserzufuhr. Die
Winkel, um die es sich bei dom Gefälle gröfserer Wasser-
mengen handelt, sind in der Regel so gering (z. B. beim
Rhein zwischen Bingen und Bonn durchschnittlich kleiner
als 1 Minute), daß sich dio Kurve bei solohen Strömen nur
noch mit starker Übertreibung der Verhältnisse auf dem
Papier darstellen läßt. Es muß der Unterlauf sehr ver-
kürzt werden im Verhältnis zu den Teilen des Stromlaufes,
welche der Wasserscheide näher liegen, wo die Kurve in
ihrer natürlichen Steilheit dargestellt werden kann. — An-
ders sind die Verhältnisse bei Flüssen , die von einem ge-
wissen Punkto ihres Laufes an eine Verminderung
ihrer Wassermasse erfahren (z. B. beim Nil). Hier findet
im Unterlaufe wieder oin Stoilorwerden der terminanten
Kurve statt, die also etwa den in Fig. 5 dargestellten Ver-
6
lauf haben würde. — In demselben Sinne, wie dio Wasser-
masse, wirkt auf die Gestalt der Erosionsterminunto die
Summierung der Beschleunigungen, also die von oben mit-
gebrachte Stofs kraft. Diese nimmt in einem Stroralauf
im allgemeinen von oben nach unten zu, muß daher ihre Aus-
gleichung durch einen stärkern Bewegungswiderstand, d. h.
durch stete Reduktion des Gefälles findon. Ein
Fluß, dor mit einer gewissen Wassormasse entspringend
keine Vermehrung derselben bis zu seiner Mündung erführe,
würde trotzdem, nur durch die Vermehrung der Stoßkraft
durch die Beschleunigung mit der Liinge des Weges, sich
eine Gefällskurve ausarbeiten, welche nach unten sich stetig
abflacht, allerdings in geringem Grade, als es die Kurve
eines beständig wachsenden Stromes thut. Die mit der
Länge des Weges wach sende S to fskra ft modifi-
ziert daher die terminanto Kurvo in dem Sinne,
dafs sie sich nach dor Mündung zu noch stärker
abflaoht. — Noch ein Faktor kommt für die Gestalt der
terminanten Kurve in Betracht, die Geschiebeführung.
Die Masse des Geschiebes nimmt bei einem Strome, der in
Erosionsthätigkeit begriffen ist, auf der ganzen Strecke, wo
diese Tbütigkeit erfolgt, in der Richtung von der Quelle
zur Mündung zu. Zugleich aber wird in derselben Rich-
tung das Material immer mehr verfeinert und dadurch die
Zunahme der zu transportierenden Last zum Teil aufge-
wogen. Die Verschiedenheit der zum Transport aufge-
wandten Kraft wird daher, relativ genommen, für die ein-
zelnen Punkte des Stromlaufes nicht allzu bedeutend sein.
Je mehr sich die Stroinaibeit dem Ziele der Erosion, der
Erreichung jener Kurve, nähert, nimmt, wie bereits aus-
einandergesetzt, die Intensität der Korrosion und damit die
Masse des zum Transport gelieferten Materials , zugleich
die Größe der einzelnen Partikel, beständig ab, und im
Zustande der Gleichgewichtslage ist die GeBchiebemasse
überhaupt sehr gering. Die Geschiebefüh rung kann
daher die Gestalt der terminanten Kurve nur
unwesentlich beeinflussen.
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Hin Beitrag zur Erosionstheorie,
75
Von größerer Bedeutung ist dagegen der Widerstand
dor Gesteine. Im harten Gestein ist das Endgefällo steiler,
als im woiehen oder stark verwitternden Gestein. Durch
die verschiedene Verteilung von harton und
weichen Gesteinen entlang eines Flußlaufes
wird die Kurve unregelmäßig gemacht; außer-
dem wird ihre Erreichung hier beschleunigt,
dort verlangsamt. Trotzdem wird der Charakter der
Kurve , welcher im wesentlichen von der Zunahme der
Wa8sermasse abhängt, auch hierdurch kaum in hohem
Maße verändert. Da sich bis jetzt die Widerstandsfähig-
keit der Gesteine der allgemeinen Betrachtung entzieht,
ist es nicht möglich, sie bei der Behandlung unsrer Kurve
des nähern in Überlegung zu ziehen.
Noch ein Umstand mufs in Erwägung genommen wer-
den, ehe wir die Gestalt der terininanten Kurve verlassen,
das ist der wechselnde Wasserstand der Flösse und Bäche.
Es ist leicht verständlich, dafs ein Flufs bei niedrigem
Wasserstand längst seine Korrasion beendigt haben kann,
wenn seine Hochfluten noch eine beträchtliche Tieforlegung
des Bettes bewirken können. Mafsgehend für die Gestalt
der terininanten Kurve ist daher dio durchschnittliche Was-
sermasse des regelmäßigen höchsten Flutstandcs , wonigor
die außergewöhnlich großen Hochfluten, die zu selten und
zu schnell vorübergehend sind, um n achh a 1 ti ge n Einfluß
auf die Gefällsvorhältnisse auszuüben. Außerdem kommt
es viel darauf an , ob nicht vielleicht der Hufs bei niedri-
gem Wasserstand genügende Geschiobo führt, um die durch
die Hochflut hervorgebrachto Tieferlegung durch Ablage-
rungen während deB Niederwassers wieder auszugleichen.
Die Höhe, die Häufigkeit und Dauer der Hochfluten und
dio Größe dor Goschiebuablagerung bei Niedurwasser sind
daher hierfür maßgebend. Übrigens vermindern sich die
Hochfluten bedeutend mit der Annäheruug der Tieferlegung
des gesamten Flußlaufes an die Erosionsterminante. Dies
läßt sich am besten an dun Muhrgängen der Alpen beob-
achten, dio ihre verheerenden Wirkungen einstellen, wenn
sioli ihr Gefälle bis zu einem, gewissen Grade erniedrigt hat.
Die kurzen Tobel und Seitenschluchten der Alpen bieten
überhaupt die beste Gelegenheit, die Gestalt unsrer Kurve
in der Natur zu studieren. Nur zwei Beispiele mögen hier
angeführt werden , in denen unsre Kurve zu prägnantem
Ausdruck kommt. Es sind dios zwei kurze Soitenschluch-
ten des Etschthales im obern Vintschgau, auf der Nord-
seite desselben. Sie siud bereits zu relativer Ruhe ge-
kommen , was sich daraus erkennen läßt , daß zahlreiche
Häuser auf ihren bewachsenen Schuttkegeln und zum Teil
sogar in den Schluchten selbst gebaut sind. Nach der
österreichischen Generalstabskarte siud ihre Gefällsvorhält-
nisse folgende :
1.
tlawenlhal u niceil Mals:
Entfernung
Höhe
Gefalle Ln Pror.
Mittereck
2900 m
Punkt abwärts
2200 „
70 Prni.
2000 „
25 .
Plaweu . .
1700 .
15 ,
Mündung in die Etsch bei Burgeis 4 .
1260 .
11.* -
GesmiUange 7,* km Durchschnitt!.
Ge/äl!
. 21,1 IV»i.
2.
Litzerbachthal bei Laos.
Entfernung
Höbe
Gefalle in Prot.
Weilse Kiepl
2940 m
—
l'unlct abwärts
2200 „
74,« Pro/..
M .
i -
1800 .
40
«• IV
• .
• - - - i .
1500 .
30
Säge . . .
1284 .
16.« »
Oberhaun . .
1100 .
13,1
Mündung in die Buch . . . 2,1 „
860 „
10.« ,
Geaamtlängc 8 km Durchscbnittl.
Gefall
. 26 l’ro x.
Fasson wir das über den Charakter der Erosioustermi-
nante Gesagte noch einmal zusammen. Ein Fluß strebt
dahin , an allon Punkten seines Laufes ein Gefälle herzu-
stellen, wolches der Wasserkraft au jenem Punkte ent-
spricht. Er zerstört dabei sein ursprüngliches, ihm von
dem Gebirgsbau angewiesenes Gefälle und führt es durch
allmähliche Arbeit iu ein neues über, das sein eignes Werk
ist. Für die Gestalt desselben kommt also das ursprüng-
liche Gefälle nicht in Betracht, sondern in erster Linie die
Wassermasse, und zwar diejenige des gewöhnlichen höch-
sten Wasserstnndes. Da diese in den meisten Fällen von
der Quello zur Mündung beständig zuniramt, so stellt das
Endgefälle eine voit oben nach unten stete flacher wer-
dende Kurve dar, die jedoch nie parallel der horizontalen
wird. Eine Ausnahme bilden die nach unten abnehmenden
Flüsse. Andro Faktoren : die Summierung der Beschleuni-
gung, die Geschiobeführung, dor GcsteiiiBwidcrstand wirken f
entweder in demselben Sinne, oder haben keinen großen Ein-
fluß, odor ontziehen sich noch der Erwägung. Die Kurve
ist zwar noch nicht mathematisch bestimmbar . aber die
Erreichung dieses Zieles liegt durchaus nicht außer dem
Boreiche der Möglichkeit. Jedenfalls können die Erosions-
terminanten zu mancherlei Betrachtungen verwertet werden,
wie sich im folgenden Abschnitt zeigen wird.
Erreichung dor terminanten Kurve.
Betrachten wir nun dio Art und Weise, in welcher
untor den verschiedenartigen Bedingungen, wio sie in der
Natur vorkommon, dio terminanto Kurve von den Flüssen
erreicht wird.
Wasserläufe entstolion, wenn ein Land sich aus dom
Meere erhebt; dio zuorst emportauchenden Teile werden
Wasserscheiden, von ihnen laufen Rinnsale herab, dem
Gefällo des Landes folgend, sammeln sich zu größern Strö-
men, die, je weiter das Meer sich zurückzieht, desto mehr
10«
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
nach unten hin sich verlängern. Nehmen wir zunächst
der Einfachheit wogen an, ein gleichmäfsig geneig-
ter Landabfall, aus gloichbleibendem Ges tein
bestehend, wird plötzlich vom Meere ent hlöfst;
nehmen wir ferner an , es fänden von da ah keine Ver-
änderungen in dem Gebirgsbau, dem Mcorosnivoau und dem
Klima mehr statt, so ergeben sich folgende Fälle:
1. Man denke sich die terminante Kurve (Fig. 6: sM)
Rg. 6.
so angelegt, dafs ihr unterer Endpunkt in den Mündungs-
punkt des Flusses, also in das konstant gedachte Meeres-
niveau (resp. Binnensee oder dgl.) fällt (M). Dann falle der
Wasserscheidepunkt der Kurve (s) unter den Wasser-
scheidepunkt S dos primären Abhangs (S M) , d. h. mit
andern Worten : das Gefälle des Abhangs sei stärker als
die Neigung der geraden Verbindungslinie der beiden End-
punkte der Kurve. (Diese Verbindungslinie stellt das mitt-
lere Gefälle der Kurve dar.) Zur Vergleichung von Ab-
fall und Kurve dient ein System von senkrecht untereinan-
der liegenden Punkten beider Linien. Auf dom Abhang S M
beginnt die Tieferlegung durch Korrosion an allen den
Punkten , in douon die Neigung des Abhanges steiler ist,
als die Neigung der Kurve (d. h. deren Tangente) in don
senkrecht darunter gelegenen Punkten der Kurve. In a
wird keine Tieferlegung statt finden, weil die Neigung dort
geringer Ut als die Neigung der Kurve in «. Dagegen
wird in b, c, d, e Tieferlegung orfolgen, und zwar jo woi-
ter nach abwärts, desto schneller, weil bei dem angenom-
menen gleichmäßigen Gefälle des Abhanges der Unter-
schied zwischen demselben uud dem Gefälle dor stets
flacher werdenden Kurve nach unten zu immer stärker
wird. An der Mündung wird daher zuerst die terminante
Kurve wenigstens annähernd erreicht. Nach einer gewissen
Zeit hat sich der Flufslauf aus SM in S 1 1 M verlegt.
In der Strecke 1 « ist nun eine noch größere Steilheit
hervorgebracht und dadurch dort die Korrosion noch ge-
steigert (torreut portion nach Dana). Dieselbe verlegt aber
das Flußbett nicht in der Lotlinie abwärts, sondern in dor
Normalen zur Gefällslinio. Dadurch wird ein Rückwärts-
sohreiton des Bettes zugleich mit dor Tieferlegung be-
wirkt, und dieses RUckwärtsschrciten geht um so schneller
vor sich, jo steiler das Gofälle ist. So wird die oberste
Laußtrecke S 1 , die keine selbständige Tieferlegung erfah-
ren konnte, durch das Rückwärtsschreiten der Erosion von
unten nach oben nun auch in Angriff gonommcn und immer
mehr verkürzt. (Wenn dns Meeresniveau in 1 stünde, so
würde in S 1 gar keine Erosion möglich sein.) Nachein-
ander ist nun die Flufslage: S2<IM, S3yM, 64 ßU , S5aM.
Damit ist endlich die Wasserscheide selbst von der rück-
schreitenden Erosion erreicht- Wenn dies gleichzeitig von
der andern Seite geschieht, so bleibt sie Uber derselben
Stelle (senkrecht über 2T) , wird aber fortwährend ernie-
drigt, bis sie die tormiuanto Kurve orreicht, bis also der
Fluß von s seinen Ursprung nimmt. Dann ist auf dor
ganzen Strecke die terminante Kurve hergestellt und damit
hört die Erosion auf. Dafs die Annäherung an die Terrai-
naute nicht so einfach vor sich geht, wie es hier der
Kürze halber geschildert ist, sondern daß sie mit einer
allmählichen Abnahme der Thätigkeit verbunden ist, erhellt
aus unsem obigen Ausführungen. Es würde aber zu weit
führen, das im einzelnen immer wieder zu berücksichtigen.
Etwas anders gestalten sich die Vorgängo im zweiten Fnll.
2. Der Wasserscheidopunkt dor Kurve (s) fällt über
den des Abhanges (8. Fig. 7), d. h. die Neigung des Ab-
hanges ist g o r i n g e r als diejenige der Verbindungslinie
der Endpunkte der Kurve. Abhang und Kurve schneiden
sich also in einem Punkte K. Die Strecke sK der Kurve
bat natürlich hier nur einen theoretischen Bestand: sie
drückt das Gefälle aus, bei welchem die Erosion auf joner
Strecke zum Stillstand kommen würde , wenn das Gefälle
üborhuupt eine Erosion ermöglichen würde. — Auch in
diesem Fall beginnt die Tioforlegung nur auf der Strecko,
wo der primäre Abhang steiler ist als die Kurve (1 M) in
derselben Weise wie im vorigen Fall: der Fluß nimrnt-
die Lage SlfM an. Dann orfolgt Rückwärtsschneiden (S2JM.
83yM). Endlich wird dor Schnittpunkt von Abhang und
Kurve, K, erreicht, und dumit hört das Rückwartsschneideu
auf, die Erosion kommt zur Ruhe. Die Wasserscheide und
die zunächst liegende Strecke des Wasserlaufes werden also
gar nicht von dor Erosion, weder von der direkten, noch
von dor riickschreitendon , orreicht. Sie bohalton im we-
sentlichen ihre anfängliche Niveaulage.
Es ergibt sich aus diesen beidou Fällen schon der all-
gemeine Satz, daß sich an don Müssen drei Abschnitte unter-
scheiden lassen: 1) Der Abschnitt, dor von der Erosion
überhaupt nicht berührt wird, der sich an dio Wasserscheide
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
77
anechliefst. Dieser Abschnitt fohlt den Flüssen , dio ein
stärkeres primäres Gefälle besitzen , als das Durchschnitts-
gefalle ihrer terminanten Kurve beträgt. 2) Der Abschnitt,
der nur durch riickschreitende Erosion angegriffen wird,
also zunächst unversehrt bleibt. 3) Der Abschnitt der un-
mittelbaren Erosion. — Dazu kommt noch das Ablagerungs-
gebiet, das dom Meere abgewonnen wird. Durch Unregel-
mafsigkeiten des primären Abfalls kommen Abweichungen
von dieser Verteilung der Erosionsthätigkeit vor. — Der
Teil zunächst der Wasserscheido bleibt stets von der Tiefor-
legung durch dio an Ort und Stelle erzougte , direkt«
Erosion verschont, woil dort die Kurvo wegen der geringen
Wassermeuge stets steiler als der primäre Abfall des Lan-
des ist. Diese Zone umzieht das ganze Stromgebiet ringsum.
Es hängt nun von der Krümmung der terminanten Kurvo
und von der Stärke des primären Gefälles ab, wie breit
diese Zone ist — sie kann das ganze Stromgebiet einneh-
men, sie kann aber auch nur auf wenige 100 m sich er-
strecken — , und ob sio von der rückschreitendeu Erosion
vollständig zerstört worden kann (im Fall der Fig. 6), oder
ein Teil unter allen Umständen erhalten bleibt (im Fall der
Fig. 7). Der erste Full trifft bei den meisten Alpenflüssen
zu, deren Wasserscheiden sich meist in dem Zustande der
Zuschärfung und Erniedrigung bofinden , der zweite Fall
vorwiegend bei Flüssen in weiten Plateaulandschaften und
Ebenen, z. R. den russischen Strömen, von donen v. Baor
sagt , dafs sin „keinen Oberlauf'1 haben *). Als v. Richt-
hofen den Tsin-Iing-shan im südlichen Shen-si, den
östlichsten Teil des grofsen Kwonlun- Systems, überschritt,
machte er die Beobachtung*), dafs die Flüsse, welche von
der nahe dem Nordrande des breiten Gebirges gelegenen
Wasserscheide nach Süden strömen , im Oberlaufo weite,
sauftgeformto Thalbecken besitzen, weiter unton am Süd-
rande dagegen durch enge und steile Schluchten das Ge-
birge verlassen. Als ähnliche Fälle, wo dor Oberlauf flach,
der Unterlauf steiler ist, führt derselbe Autor an : die Cal-
dera« der Vulkane, die Tafelländer des Colorado , einzelne
Tbäler der Tauern, Skandinavien, den wostlichen Abflufs
der kalifornischen Sierra Nevada, den östlichen Himaluyn.
Ähnliches ist auch in unsurn heimischen Plateaus häufig
genug zu beobachten, z. B. in der Eifel 3). Diese Erschei-
nung steht im Widerspruch mit dem Danaschen Schema
und dem gewöhnlichen Satze : je näher zur Wasserscheide,
desto steiler das Gefallo. W enn wir dagegen unsern zweiten
Fall (Kg. 7) hierauf anwenden, so können wir die Erschei-
•; förr Fl Sw* um! ilrrr-n Wirkungen. Studien au» d*m Gebiete der
5unr*iwn»ch*A. Petersburg 1876.
*) China, Bd. 11 (Berlin 1882), 8. 578 ff.
*) Vgl. Sehneider. Studien über Tti»!bitdung itu der Vorderetfel. Zeit-
•chnlt der Owelliebift Tür Erdkunde <u Berlin 1883. S. 26 f.
nung durch die Annahme erklären , dafs wir in den vor-
hältnismüfsig flachen obern Thalböden diejenigen Flufs-
strecken vor uns haben, in denen wegen zu geringer Wasser-
masse bei dem gegebenen Gefalle keine oder nur sehr lang-
same Erosion st-attflndet, und zu donen die rückschroitende
Erosion noch nicht vorgedrungnn ist, oder auoh niemals
Vordringen wird. In der That besitzt der Tsin-Iing-shan
im Verhältnis zu seiner Höho eine sehr bedeutondo Breite
und mit Ausnahme dos steilem Nord- und Südrandea eine
sehr geringe Abdachung.
Bisher haben wir angenommen, dafs der ganze iu jedem
Falle zu betrachtende Landabfall plötzlich vom Meere ver-
lassen wird. Das findet in der Natur nicht statt, Bondern
thutsiichlich geschieht das Aufsteigen in langsamer, säku-
larer Bewegung, sei cs in stetiger Weise, odor in kleinen,
ruckweisen Hebungen.
Je näher der Wasserscheido, desto älter ist die Teil-
strecke des Flusses, es müfate sich denn nachträglich die
Woaserschoide verschoben haben. Unter dor Voraussetzung
gleichbloibender klimatischer und orographischer Verhält-
nisse ist natürlich die Gestalt der Erosions- Terminante
gleich, ob langsame oder schnelle Hebung stattfindet. Beim
Rückzüge des Meeres verlängert sich die Kurve nach unten
zu in der entsprechenden Gestalt, welche sie auch bei plötz-
licher Hebung besitzen würde; nur verschioht sie sich,
I parallel mit sich selbst, vertikal nach abwärts, je tiefer der
I deute wieder die Gerade SM den Abfall, der successivo
vom Meere enthlöfst wird. Der Abfall und die Kurve haben
dieselbe Gestalt wie in Fig. 7. Im ersten Moment stellt
das Meer in b. Danp ist die Terminante für diesen Mo-
ment dos Kurvenstück s, b; dieses ist gleich und pa-
rallel *5 ßb, wiederum gleich tß in Fig. 6. Ln zweiten
Moment steht das Meer in o; dann i*t dio Terminante
Sj c = sjj j ' i s y (in Fig. 6). Dasselbe wiederholt sich
nun; weiterhin iui nächsten Moment steht das Meer in d,
die Terminante ist 8j d ; im folgenden Moment ist das Meer
bei e, Terminante s4 e; im folgenden Moment endlich ist
das Meer iu M, Terminante «jM — »M in Fig. 6. Dasselbe
78
Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
liefst) sich uooh weiter fortsetzen, wenn wir den Abfall und
die Kurve entsprechend Uber den Endpunkt M in Fig. 6
hinaus verlängern wollten, selbstverständlich letztere mit
immer stärkerer Abflachung. Es gilt dabei das Gesetz, dafa,
angenommen die Punkte S, b, d, o,! e, M haben gleiche
Höhendifferenzen, dann die zugehörigen Punkte 84, s*, s3,
84 , 35 nicht gleiche Höhendifferenzen haben , sondern
«li < sj 83 < 83 84 < 84 sB. Es ist eine Funktion der
Gestalt der Kurve, in welchem Verhältnis die Strecken
Sj bjj, s2 s3 &c. fiir gleiche Höhendifferenzen der zugehö-
rigen Münduugspunkte zunehmen.
Sohon wir nun zu , wie diu Erosion in einem solchen
Falle vor Bich geht. Nohuiou wir uu , dafs dor Kückzug
des Mecros so langsam sei, dafs dio Erreichung der Ter-
minante durch die Erosion damit Schritt halten kann. Der
Kückzug geschieht nicht in grolsen Sprüngen, wie es in der
Fig. 8 dargestellt worden mufste, soudorn allmählich; in
dem Mafse, wie das Meer sinkt, sinkt und verlängert sich dio
terminante Kurve, und arbeitet die Erosion die terminante
Kurve aus, so dafs. wenn das Meer in b ist (Fig. 8), der
»
Pi* 9.
Flufslauf = S 1 b ist; 1 ist auch hier der Punkt, ober-
halb dessen keine direkte Erosion erfolgt, weil die Termi-
nanto steilorj ist als das primäre Gefälle. Steht das Meer
in c, so ist der Flufslauf Säe &c. — Eine schnellere Ar-
beit der Erosion, als sich der RUckzug des Meeres voll-
zieht, ist, wie leicht ersichtlich, undenkbar. Wohl abor
kann die Erosion langsamer arbeiten, als sich das Meer
zurückzieht. Dann entsteht zunächst demMoere eine stei-
lere Strecke des Flufslaufes, welche in sioh dio Ursache
trägt, dafs, sobald das Sinken des Meeresspiegels (oder
die Hebung des Landes, das iBt ja für unseru Zweck gleich-
gültig; also die negative Bewegung nach Suess) aufhört
oder sich verlangsamt, dann durch dio starke Erosion an
dieser Steilstrecke suhnell das Vorsäumte nochgoholt und
das Gefälle ausgeglichen wird. In Fig. 9 stellen die punk-
tierten Linion die uugefähre Lage des Flufslaufes während
des Sinkens des Meeresniveaus dar, wenn dieses letztere bei
d, resp. e vorbeipassiert; d x und 0 y sind die steilen
Strecken in der Nähe des MeereB. — Ganz Ähnliches wür-
den wir erreicht haben, wonn wir statt Fig. 6, Fig. 7 zu
Grunde gelegt hätten.
Diosc Betrachtung hat unB gelehrt, dafs zwar durch
die Annahme einer plötzlichen Entblöfsung eines Landab-
falls die Betrachtung des Ganges der Erosion widernatürlich
vereinfacht wird, dafs aber das Ziel der Erosion, die ter-
minante Kurve, durch diese unberechtigte Annahme nicht
im geringsten bceinflufst ist. Wir können also die Eigen-
schaften der Kurvo, wolcho für plötzliche Entblöfsung vom
Meere gültig waron, ohne weiteros auch für die langsame
Entblöfsung annohmen. Die Schnelligkeit des Rück-
zuges des Meeres hat Einflufs auf das Verhal-
ten der Flüsse vor Erreichung dor Erosions-
terminan to, nicht aber auf Gestalt und Lage
dieser Kurvo selbst, welche allein, wio frühor darge-
than, von den Faktoren der Wasserkraft (mit Ausschlufs
des Faktors Gefälle) und von dem Gesteinswiderstaude be-
dingt wird.
Noch eine von unsern Voraussetzungen haben wir einer
Umänderung zu unterziehen. Wir nahmen bisher einen
gleichmäfsig geneigten priiuäron Laudabfall an; in
der Natur wird sich ein solcher in gröfsorm Mafse wohl
niemals findon. Aber es bedarf keiner genauem Ausfüh-
rung, weshalb auch diesor Umstand keine Änderung der
terminanten Kurve zu verursachen vormag. Je stärker das
primäre Gefälle von der Terminante abweicht, desto ener-
gischer wird os angegriffen, desto schneller zerstört. In
Fig. 10, 11 und lä stellen wir das Erreichen der Kurve
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Ein Beitrag zur Erosionstheorie.
79
für verschiedene Palle oines gebrochenen Unfalles dar, indem
wir wieder eine plötzliche Entblöfsung von 8 bis M an-
nehmen. Die durch Ziffern bezeichneten Linien (1, 2, 3)
bedeuten die Stadien der Erosionsarbeit vor Erreichung dor
Endkurve. Unter der Voraussetzung eines allmählichen
Rückzuges würden sich ganz entsprechende Modifikationen
ergeben, wie sie Fig. 8 und 9 gegenüber Fig. 6 aufweisen.
Wenn sich nach dem Rückzüge des Meeres geotoktoni-
scho Veränderungen ereignen, so werden diese entweder
so stark sein, dafs sie die ganzen Abdachungs- und Ab-
Hufsrichtungen verändern, oder aber sie vermögen dies
nicht, weil die Erosion mit ihnen Schritt zu halten vermag,
und daher die alten Flufsläufe trotz der neuen Oberflächen-
verhältnisse erhalten bleiben. Ereignisse letzterer Art kön-
nen zwar die Erreichung des Endzieles der Erosion beein-
flussen , sie verlangsamen oder beschleunigen , aber dieses
Endziel selbst, die terminante] Kurve, wird durch sie nicht
verändert. Wohl geschieht dies hingegen durch klimati-
schen Wechsel. Wird die Wassermasse, welche einen Kanal
durchströmt, stärker, so verflacht sich die Kurve, und die
schon zur Kuho gekommene Erosion kann wieder in Thä-
tigkeit treten. Wird die Wassormasse dagegen geringer,
so wird die Kurve gekrümmter, ihre einzelnen Punkte er-
heben sich über ihr bisheriges Niveau zu gröfserer Höhe.
Dadurch] kann die noch im vollen Gange befindliche Erosions-
tbätigkeit des Flusses zur Ruhe gebracht werden, indem
nun ein früher höher als die Kurve gelegener Punkt des
Bettes jetzt tiefer als die Kurve zu liegen kommt. In
diesem Falle behält das Gefälle des Flusses eine unregel-
mäßige, unvollendete Gestaltung, wie sie dem Standpunkte
der Arbeit zur Zeit der Störung entspricht.
Überblicken wir noch einmal das Ergebnis unsrer Be-
trachtungen. Ein Flufs, der von der Quelle zur Mündung
an Wasser zunimmt, ist bestrebt, sein Gefälle in eine Kurve
zu bringen, welche sich von der Quelle zur Mündung be-
ständig verflacht. Diese Kurve ist unabhängig vom pri- ■
mären Gefälle, von dor Art des Sinkeus des Meeresspiegels
und von den geotoktonischeu Veränderungen, sobald diese j
ein gewisses Maß nicht überschreiten. Sie ist bedingt
durch die klimatischen Verhältnisse und die Größe des
Gebiotes, dessen Abflüsse sich in der Stromrinne sam-
meln. Die Erreichung findet statt teils durch Tioferlegung
durch an Ort und Stelle erzeugte Erosion, teils durch von
der Mündung zur Quelle rückschreitende Erosion. In dem
Falle, daß die Kurve zum Teil über das primäre Niveau
des Flusses zu hegen kommt, bleibt die entsprechende
Strecke des Flusses überhaupt von dor Erosion unberührt.
Solcbo Strecken finden sich oft zunächst dor Wasserscheide.
Sie können nur dann von der Erosion erreicht werden,
wenn eine neue, hinreichend große, negative Niveauver-
schiebung (Sinken dos Meeresspiegels) erfolgt, wodurch die
Kurve in die Tiefe gerückt wird. Die Kurve bildet das
Ziel, nach dem die Thiitigkeit des Gewässers unablässig
strebt; trotz aller Störungen, welche die Erosion erfahren
kann, arbeitet sie immer wiodor daran, diesem Ziele näher
zu kommen und es endlich zu erreichen. Das Ziel ist
eben erreichbar, es ist nicht, wie vielfach fälschlich zu
lesen ist, dio völlige Applanierung der Erdoberfläche, son-
dern nur eine Abflachung ihrer Unebenheiten bis zu einem
gewissen Maß, das der Thätigkeit dos Wassors ein Ende
beroitet, bis neue tektonische Ereignisse neue Unebenheiten
erzeugen. Viele Gewässer haben ihr Ziel schon erreicht,
andre sind noch in voller Arbeit begriffen.
Wenn wir die Gestalt einer solchen Kurve für einen
bestimmten Fluß mathematisch konstruieren könnten, wür-
den wir aus dem Vergleich mit seinen augenblicklichen
Gefällsverhältnissen Schlüsse auf seine Geschichte , sein
Alter, seine Zukunft machen können. Aber zur mathema-
tischen Bestimmung fehlen noch die Elemente; es bleibt
der Zukunft überlassen, dieselben festzustellen. Wie ge-
ringzählig sind ja überhaupt die Probleme der Geophysik,
namentlich der dynamischen Geologie, welche bis jetzt haben
mathematisch befriedigend gelöst werden können ! Trotzdom
kann man auch so aus dor Betrachtung dieser Kurven,
welche der Erosion ein Ziel setzen, Nutzen für die Erd-
kunde ziehen. Manche Erscheinung der Oberflächengestalt
der Erde, soweit diese von der Erosion bedingt wird, kann
mit Hilfe derselben dem Verständnis näher gebracht werden.
Die neuem dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
Von H. Rink. (Schiuf« »).)
2. Übersicht der gewonnenen Resultate.
Allgemein/ Geographie de * Lande*. — Dem vorigen Artikel
ist eine vorläufige Skizzenkarte der zum erstenmal bereisten
]) Don Anfang nebst Karte s. Heft II, S. 18 u. Taf. 3.
Strecke der Ostkißte beigegeben. Eine ähnliche hat Leut-
nant Jensen mit seinem Beriohte für 1885 eingesandt. Die
ausführlichem Karten sind nooh unter Arbeit und werden
mit den schon vollendeten, aber noch nicht veröffentlichten,
an welche sie sich schließen, in den „Meddelelser“ er-
80
Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
scheinen. Die neuesten untersuchten Areale sind: auf der
Westküste zwischen 64J-* und 65|-° N. Br., auf dor Ost-
kUsto teils durch Garde (1884 und aufs neue 1885) von
Duilck unter 60° 55' bis 62° 38', teils durch Holm, von
hier weiter bis zu 66 J ° X. Br. (siehe Mitteilungen 1885,
8. 49 und 52). Die Breite dioser KUstenstrocken kann auf
der Westküste zu 60 — 80 (100 — 130 km), auf der Ost-
kiiste zu 10 — 30 engl. Meilen (15 — 50 km) veranschlagt
werden.
Wie schon im ersten Abschnitte erwähnt, wurde das
westliche Gebiet von dem uns schon so rühmlich bekann-
ten Leutnant Jensen in Begleitung des Leutnants Ryder
und cand. mod. Sören Hansen beroist, und sie durch-
forschten das innere Land, indem sie von den Enden dor
beiden tiefsten Fjorde ausgingen , nämlich im Norden vom
Isortok-, im Süden vom Godthaabfjord. Ersterer hat seinen
Namen von dem unklaren Wasser, welches ihm vom Binnon-
eise zuströmt. Zwei gröfsere „Elve“ ergiefseu sich hier
und führen den Gletschorschlamm in ungewöhnlicher Menge
mit sich. Vor ihnen und um ihre Mündungen herum gibt
es deshalb teils ausgedehnte Untiefen, teils für Grönland
ungewöhnliche Partien Flachland , bald neugobildotes und
noch ödes, bald älteres und mit Vegetation hodecktes. Der
Rand des Binneneises wurde hier über woito Strecken
kartographisch bestimmt- In grofsartigen Armen ergiefst
es sich zwischen emporragenden „Nunataks“ über dieses
flache Land, welches mit Landseen abwechselt und auf
welchem der Pflanzenwuchs mit dem als Flugsand auftre-
tenden Gletscherstaube zu kämpfen hat. — Von der Süd-
seite , dem Godthaabsfjord aus wurde das vor dem Rande
des Binneneises liegende Land durchwandert, bis man den
Zwischenraum zwischen diesem und den von Nordon aus
besuchten Bergon übersehon konnte. Diese ganze Gegend, in
welcher wahrscheinlich die alten Skandinavier der „Vester-
bygd“ ihre beste Rentierjagd gehabt habon, biotet gröfsere
Abwechselungen der Landschaft dar als jene nördliohero.
Erst das fruchtbare Thal um Ujaragsuit mit den Resten
der wichtigsten Niederlassung, dann sehr öde, teilweise
wohl früher vom Eise bedeckto Strecken , mit Spuren
der Rentierjagd, Resten von Hütten oder Erdmauern
zum Schutzo fUr Schlafstellen. Aber weiter naoh Nor-
den , um den See Tasersuak herum , traf man verhältnis-
mäfsig üppige Vegetation, Weidengostrüpp , reifo Booron
und mancherlei Blumen unmittelbar bis an den Rand des
Eiswallog. Auch die Oberfläche des Sees berührt diesen
Rand und empfängt Bruchstücke von demselben. Allein es
erwies sich hier, dafs es auf Übertreibung beruht, wenn
man solohe Bruchstücke, die in Landseon herumschwimmen,
mit eigentlichen Eisbergen hat vergleichen wollen. Da-
gegen mufs der See bedeutende Wassermassen vom Binnon-
eise empfangen, denn ein Strom ergiefst sich anderseits
von demselben in den Godthaabsfjord, der mit Fellbooten
befahren wird, die man aber an drei Stellen der Katarakte
halber streckenweise Ubor Land tragen mufs. Wie ge-
wöhnlich wurden viele Höhenmessungen vorgenommen ; aber
wie os scheint hat man hier keine Berge über 4000 Fufs
(1200 m) huch angetroffen.
Von der OstkUsto ist das südlichste Stück bis zu Duilck
oder 60* 55' schon im vorigen Jahrgange besprochen. Die
ganze Küste hat allerdings mit dem entsprechenden Teile
der Westküste viele Ähnlichkeit, besonders was grofse In-
seln und die von steilen, zackigon Folson begrouztou Fjorde
betrifft. Allein anderseits sind die kleinern Inseln weniger
häufig, und das Land ist überhaupt entschieden wilder und
öder. Obgleich die Einwohner, wie bekannt, ihren Unter-
halt allein vom Moore habon, findot man sio doch nur in den
freundlichem, an niedrigem Hügeln und in an Pflanzeuwuchs
roicboru Gegenden angesicdelt Es gibt zwei solche frucht-
baro, bewohnte Partien: 1) Tingmianniut mit Igdloluarsuk,
2) die Umgegend von Kap Dan oder das von den „nörd-
lichen“ Ostländern bewohnte Kristian des Neunten Land.
Von Fjorden, welche eigentliche Eisborge abgeben, findet
man im ganzen fünf: 1) Sermilik (westlich von Angmag-
salik, 2) Ikersuak (östlioh von der Dannebrogsinsel, 3) Pi-
kiugdlit (Kjögebucht) , 4) Igdloluarsuk (Bernstorfjord),
5) Anoritok.
Der von Garde untorsuchte Teil, nuilek bis Tingmiar-
miut, hat im gauzen acht, durchschnittlich etwa 16 engl.
Meilen (25 km) lange Fjorde. Die zahlreichen Gletscher
reichen häufig bis ans Meer, uud indem man längs der
Küste rudort, sieht man oft stundenlang den Strand nur
mit Eis und Schnee bedeckt. An andern Stellen wird er
von Bteilen Felswänden gebildet, die keine Landung ge-
statten. Kommt hierzu das Treibeis, teils das grofse von
dor Meeresseite, teils das Winter- und Gletschereis von
den Fjordon, so darf wohl behauptet werden, dafs das Rei-
sen in Fellbooten hier mit vielen Schwierigkeiten und teil-
weise mit Gefahr verbunden ist. Man trifft , wenn etwa
der südlichste Fjord Kaugerdluluk ausgenommen wird, erst
bei Tingmiarmiut grüne Thäler und niedrigen Strand von
irgend einer Bedeutung. Die gröfsten von Garde gemes-
senen Berghöhen beliefen sich auf 6000 F’ufs (1900 m).
Die Wiuterhütte Holms und Knutsens stand auf einer
Insel in der Mündung des 36 roiles (60 km) langen Ang-
magsalikfjords. Hier biegt die äufBere Küste sich von
ONO naoh NO. Die daneben liogendo äufserste grofse
Insel, oder richtiger ihre unter 65* 31' N. Br. und
36* 55' W. L. liegende Südspitze mufs denn wohl das
Kap Dan sein. Im Osten geht der Sermiligak 20 miles
(30 km) und im Westen der SermilikQord 60 miles (100 km)
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
81
ins Land hinein. Grofse Inseln liegen teils in, teils zwi-
schen den Fjorden, indem diese durch Sunde miteinander
verbunden sind. Die dom vorigen Abschnitte bcigogebone
Karte zeigt, dafs das Land in der Nähe des Meeres sich zu
Höhen von teils 4000 — 6000 Fufs (1200 — 1900 in), teils
2000 — 3000 Fnfs (600 — 900 m) erhebt. Kommen hierzu
die vielfach verschlungenen Meeresarme und die Gletscher
und steilen Felswände im Gegensatz zu den mit Vegetation
bedeckten Hügeln und Flächen am Fufse der Berge, in
Thälern und 8cbluchten , so darf es uns nicht wundern,
dafs unsre Beisenden die Erinnerung mancher erhabenen
Naturschönheiten von ihren Wanderungen in diosen ein-
samen Gegenden mit nach der Heimat gebracht haben.
Wie schon in den Reiseberichten erwähnt, ist dieser
Angmagsalik-Bezirk nach Süden durch die vorzugsweise öde
Küste um die Dunnebrogsinsol herum von dem ebenfalls
für Wohnsitze geeigneten Tingmiarmiut getrennt Nach
Norden bis zu 68* N. Br. kennt man das Land aus dor
Beschreibung der Eingebornen von Angmagsalik, wolche es
der Bärenjagd und des Narwalfanges wegen besucht haben,
und auf Verlangen eine Karte desselben zeichneten. Es
hat viele Fjorde und Inseln aufserhalb derselben, und das
Eis soll hier weniger Schwierigkeiten in den Weg legen.
Bei 68* stöfst man auf die Mündung eines sehr breiten
Eisfjords.
Durch Erkundigung bei den Einwohnern und durch
eigne Erfahrung hat die Expedition auch endlich gröfsere
Klarheit über die Bedeutung des Treibeises (Grofs- Eises)
längs der Küste zuwege gobracht. Im Februar erschien
es und lag dicht am Land, bis ein Föhn oder Nordost-
wind im Juni es hinaustrieb. Es wird aber behauptet,
dafs das Eis auch ohne einen solchen Wind im Juni und
Juli sich zu verteilen pflegt. Im Herbst soll es immer
ganz fortgehen, doch können im Winter ab und zu klei-
nere Partien vorbei treiben. Die Ostküste, so meint man,
läfst sich gewils im Juli und August durch eine Rinne
längs der Küste, und im September und Oktober direkt von
der See ans mit Dampfschiff' befahren. Erst im Januar
und Februar fiudet das Eis sich wieder ein. Der von
Nordenskiöld entdeckte „Oskars -Hafen“ ist, wie schon
vorläufig erwähnt , eine Bucht Tasiussak in unmittelbarer
Nähe des Kap Dan. Nordenskiöld ist bekanntlich der erste,
der die Ostküste südlich von 70* N. Br. direkt von der
See aus erreicht hat. Als im Jahre 1879, Anfang Juli,
Kapitän Mourier eino bedeutende Strecke der Küste in ge-
ringer Entfernung rekognoszierte, kam er zu dem Resultat,
dafs eine Landung direkt nicht zu bewerkstelligen sei, wo-
gegen sein Nächstkommandierender, Kapitän Wandel, sich
für die Möglichkeit einer solchen in der Nähe des Kap Dan
auBBpraoh. Man erkennt aus allem diesem die Wichtigkeit
Petemiano» Oeogr. Mitteilungen. 1886, Heft III.
dor Jahreszeit für die ganze F'rage, indem Nordenskiöld
nämlich seinen Versuch im September anstellte ').
Binnmei» und GUUchtr. — Was die hierunter gehören-
den Fragen betrifft, stehen Jensons Rekognoszierungen auf
der Westküste oben an, weil dadurch eine Reihe von Un-
tersuchungen abgeschlossen ist, ohne welche man noch immer
über die Eisbedeckung des Innern, also über die Haupt-
frage in der physischen Geographie des grofsen Polarlandes
im unklaren sein würde. Die Bestimmung der Grenze, bis
zu welcher sich diese Eisbildung über das Land erstreckt,
sowie die Untersuchung ihrer Wirkungen in den weiten
Zwischenräumen zwischon don oigentliohen Eisfjorden, haben
wir hauptsächlich diesem Forscher zu verdankeu. Auf der
Strecke von 61-J- — 6&J0 N. Br. hat er überall den Rand
des Eises, wo es sich am weitesten von der äufsem Küste
zurückzieht, zu verfolgen gesucht. In die meisten dieser
völlig menschenleeren Gegendon batte früher wohl noch kein
Europäer seinen F’ufs gesetzt. Auf diesen mühsamen Wan-
derungen mufsten zahlreiche Berggipfel bestiegen werden,
um Überblick zu gewinnen, und zwar um so häufiger, als
die Versuche dieser Art oft durch Nebel und Schneewetter
vereitelt wurden. Die schwierigste und gefahrvollste seiner
Fahrten war jedoch die im Jahre 1878 vorgenommone Wan-
derung Uber das Biunoneis selbst. Was nun die letzten
Untersuchungen Jensons betrifft , so scheint der Rand des
Binnoneises von 64-j- — 65J° N. Br. verhältnismäfsig stag-
nierend zu sein. Hierauf deuten die schon erwähnten Be-
obachtungen beim Isortok und Tasorsuak. Wie gowöhnlich
scheint das Flis periodisch an einer Stello vorwärts zu rücken,
an einer andern sich zurüokzuziohen. Die Abwechselung
fruchtbarer und öder Flecken in unmittelbarer Berührung
mit der Eiswand scheint jedenfalls teilweise hierdurch sich
erklären zu lassen. Direkte Messung der Bewegung wurde
auoh versucht; sie zeigte sich aber so sohwach, dafs sie
jedenfalls in dor Zeit, die darauf verwendet werden konnte,
nicht zu bestimmen war.
Dio Eisfjorde auf der Ostküste sind schon oben erwähnt
worden. Duroh dieselben wird ja auch hier das Vorkom-
men des Binneneises angodeutet, aber im übrigen hat sein
Rand selbstverständlich da nicht wie auf der Westküste ver-
folgt werden- können. Garde hat auf seinen wiederholten
Reisen längs der Küste viele Eisberge untersucht und ge-
messen. Der höchste ragte 193 F. (60 m) über die Wasser-
fläche empor; im ganzen war sowohl ihre Gröfse als Zahl
geringer als man erwarten sollte, da ja doch die ganze
Eisbergproduktion vom Norden her, an dieser Küste vorbei
I) In einem ron mir rerfafsten Artikel in den Proceeding» der Ame-
rican Philosophie»! Society für 1885 ist Mourien Auwag« mit Wandel» sar-
wechselt worden, und in der Angabe der Wanderung Nordenskiölds über
du Binoeneia steht irrtümlich „kilometera“ anstatt .tmles“. K.
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
ihren Weg nach Süden suchen mufs. Dieses bestätigt., was
schon früher vermutet wurde, dafs die Wasserscheide Grön-
lands zwischen Ost und West der Ostseite am nächsten liegt,
und dafs der HnuptAbflufs dos Innern nach der Baffins-
Bucht hin stattfindet. Merkwürdigerweise haben wir ja
aber jetzt auch eine direkte Beobachtung, die zu demselben
Schlüsse führte, indem nämlich Nordonskiölds Expedition
1883 zwischen 68 und 69° von der Westküste aus gegen
180 engl. Meilen (290km), mehrere Male so weit als ir-
gend jemand vor ihm , ins Innere von Grönland vordrang.
Man darf wohl mit Wahrscheinlichkeit annohmon, dafs die
genannte Wasserscheide durch einen Gebirgsrücken oder
durch hervorragende, verhältnismäfsig eisfreie Berge, Nu-
nataks, bezeichnet ist. Wenn sie nun einigennafsen mit
der Mittellinie des Landes zusammenfiele , hätte es nicht
fehlen können, dafs sie von Nordenskiölds Expedition, die
jedenfalls dieser Linie nahe gewesen ist, beobachtet wäre.
Bekanntlich glückte es aber derselben nicht, eisfreies Land
in diesem mittlern Teile von Grönland zu entdecken.
Garde, der den gefürchteten Puissortok viermal passiert
hat, liefert die Beschreibung einer „Kalbung“ desselben.
Wie es scheint, ist dieser Gletscher wirklich ein Zweig
des Binneneises. Garde schildert die Wirksamkeit dessel-
ben als verhältnisraäfsig unbedeutend ; da aber eino „Kal-
bung“ so selten von Reisenden gesehen worden ist, dürfte
es passend sein, ein paar Worte aus seiner Beschreibung
derselben hier anzuführen. Sein Zolt stand auf einer Tand-
spitze ungefähr 1 engl. Meile (1600 m) vom Gletscher-
rande entfernt. Als plötzlich Lärm gehört wurde, eilte
er hinaus und sah , dafs ungefähr */6 des Randes in Be-
wegung war und kleinero Bruchstücke abwarf. Erst nach
einigen Minuten löste sich dann ein gröfseres Stück, glitt
herab und heugto sich vornüber, so dafs seine vordere
Seite im Wasser die untere wurde. Gleichzeitig stürzte
noch eine bedeutende Menge kleinerer Bruchstücke eben-
falls ins Meer und tauchte ganz in der Nähe wieder auf. Das
grofse Stück, welches doch wohl kaum als ein eigentlicher
Eisberg gelten konnte, ragte 35 P. (1 1 m) Uber die Wasser-
fläche empor, bei einer Länge von 150 P. (47 m) und einem
vermuteten Inhalte von einer Million Kubikfufs. Es bestand
aus blauem Eise, nur die ursprüngliche Oberfläche war
schneeartig. Ein andres Stück war schwarz von erdiger
Beimischung.
Von isolierten, nicht zum Binneneise gehörenden Glet-
schern gab es, wie schon erwähnt, sehr viele; besonders
reich daran waren die Fjorde: Kangerdlug-suatsiak, Napa-
sorsnak, Anoritok, Auarkat und Ingitait.
Geologie, Hoianik und Zoologie. — Es versteht sich, dafs
die Resultate der Expeditionen, was diese Wissenschaften
betrifft, vorzugsweise aus der genauem Untersuchung der
mitgobrachton Sammlungen hervorgehen müssen. Nur fol-
gendes ist hier vorläufig zu bemerken.
Die schon im vorigen Jahrgange erwähnten Gebirgs-
arten der Ostküste sind auch auf dem später untersnehten
Teile derselben die allein vorherrschenden, und die geo-
logische Struktur überhaupt also eiue sehr gleichförmige.
Die mehr oder weniger geschichteten Massen : Gneifs, Gneifs-
schiefer und Gneifsgranit wechseln mit massivem Granit,
Hornblendegranit oder Syenit ab, und gehen mit diesen zu-
sammen zum Toil ineinander Uber. Doch scheint es, als
ob man grüfsere Partien, die sich kartographisch darstellen
lassen, unterscheiden kann, indem zugleich Partien der einen
Formation inselförmig in der andern Vorkommen können.
Granit und Hornblendegranit finden sich auch häufig als
Gänge, in welchen dann hauptsächlich die seltenem Mine-
ralien zu finden sind. Schärfer ausgeprägte Gänge von
Grünstein durchkreuzen alle diese Gebirgsarten ; sie 'können
von grofser Mächtigkeit sein und dann über woite Strecken
verfolgt werden. Weichstein findet sich an mehreren Stellen
in und um Angmagsalik. Diaklase (Bmchrichtungen des
Gestoins) sind überall in den Richtungen der Fjorde und
Sunde zu erkennen. Mit Ausnahme der südlichen Sunde
finden sich hier, ganz wie auf der Westküste, Spuren einer
altern Glazialzeit, während welcher das Binneneis eine wei-
tere Verbreitung gehabt hat. Dagegen wurden keine Zei-
chen von neuem Hebungen, Terrassen oder Strandlinien
entdeckt.
Auf den Reisen hat man fleifsig Pflanzen gesammelt,
und gelegentlich wurden auch zoologische Gegenstände er-
worben. Auf der Westküste hat S. Hansen bei Bergbe-
steigungen die für dio verschiedenen Höhen bezeichnenden
Pflanzen boi diesen Einsammlungen besonders berücksich-
tigt. Von der Ostküste wird Eberlin wahrscheinlich neue
Arten gebracht haben. Als Resultate früherer Expeditio-
nen (namentlich 1884) werden bald, teils ein Anhaug zur
Phanerogam- Flora, teils ein Conspectus der Moose, Flech-
ten und Algen Grönlands erscheinen, und von Warming
sind schon Proben seiner pflanzoubiologischen Wahrneh-
mungen in Grönland geliefert worden.
Ethnographie und Anthropologie. — Im HerbBt 1884 war
die Zahl der Bewohner der Ostküste im Süden von 68°
N. Br. 548, von denen 413 zu den nördlichen, 135 zu
den südlichen gehörten. Die letztem haben also seit Graahs
Besuche bedeutend abgenommen, namentlich wohl durch
Auswanderung nach der Westküste. Man fand, abweichend
von der frühem Annahme, dafs cs 247 Personen männ-
lichen gegen 301 weiblichen Geschlechts gab. Sie be-
safsen im ganzen 42 Kajakke, 33 Umiaks in brauchbarem
Zustando und 41 Zelte. Es ist besonders die genannte nörd-
liche Abteilung dieser eskimoischen Bevölkerung, die unsre
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
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Aufmerksamkeit verdient , indem sie Grönländer in ihrem,
durch den Einflufs der Europäer noch nicht voränderten
Zustande, und zwar nicht, wie man vermutete, verkümmert,
sondern im Gegenteil recht kräftig entwickelt repräsentiert.
Holm und Knutsen haben ihren langen Aufenthalt unter
ihnen und die vorzügliche Hilfe des Katecheten Hanserak und
des Dolmetschen Johan Potersen benutzt, um Beobachtungen
zu sammeln, die an und für sich allein als Resultat dor
Reise genügen könnten. Folgendes ist einer vorläufigen,
von ihnen gemeinschaftlich ausgearbeiteten Schilderung ent-
lehnt.
Während die südlichen Ostländer fast ganz den West-
ländern ähnlich sind, haben die nördlichen, die von jenen
insgemein Angmagsalikbewohner genannt werdon, schlankere
Figuren , sind roittelhoch , stark gebaut und wohlpropor-
tioniert. Sie haben markierte Gesichtszüge mit vorspringen-
der Nase ; bei einigen drängen die Backenknochen sich doch
auch etwas hervor, und die Augen verraten ihren Ansatz
zur Scliiefheit. Haare und Augen sind schwarzbraun, Haut
bläulich-weifs. Nicht wenige habon Bart, den die jüngern
doch auszurupfen suchen. Fast alle Frauen sind tättowiert ;
ein paar kurze Striche sind zwischen den Augonbrauen
angebracht, einer unterhalb der Nasenwurzel und ein paar
kurze auf dem Kinn. Arme, Hände und teilweise Reine
sind mit mehr oder weniger aus geraden Linien geformten
Figuron und mit kleinern Strichen, die öfters gröfsere Par-
tien bedecken, geziert; so auch bei einigen Frauen der
Zwischenraum zwischen den Brüsten. Männer dagegen
sind nur ausnahmsweise tättowiert, und dann mit ein-
zelnen kleinen Strichen am Arme und Handgelenk, durch
■welche sie glauben, sioh Glück im Harpunieren sichern zu
können.
Viele anthropologische Messungen sind angestcllt, Photo-
graphien sind genommen worden, und für die wissenschaft-
liche Benutzung dieser Mittel bietet sich jetzt die günstigste
Gelegenheit dar, indem der Mediziner S. Hansen, welcher,
wie schon erwähnt, die Westküste zunächst für anthropo-
logische Zwecke bereiste, auch die Bearbeitung des Ma-
terials von der Ostküste übernommen hot.
Es findet sich nur ein Haus an jedem Wobnplatzo. Ein
solches ist 24 — 40 F. (7-j — 12 jm) lang und 12 F. (3,8 m)
breit. Es ist wo möglich auf einem, nach der Seeseite
sich noigendem Grunde gebaut, so dafs der hintere Teil in
die Erde hineingesenkt, und das Dach hier mit der Ober-
Bäche im Niveau ist. Ein enger, 20 — 30 F. (6 — 9 m) langer
Gang führt hinein. Die Priteche hebt sich 1 Fnfs über
die Diele und ist für die einzelnen Familien in Räume ein-
geteilt, welche durch eine entsprechende Zahl das Dach
stützende Pfeiler bezeichnet sind, indem von jedem der-
selben eine 1-i Fufs hohe Scheidewand ausgeht, die jedoch
längs der hintern Wand einen Durchgang läfst. Vor der
Pritsche stehen die Lampen, über welchen grofse Weich-
gteinkessel hängen. Daneben steht der Wasserkübel und
unter der Pritsche das Uringefäfs, beide mit Kunst und
Sorgfalt ausgearbeitet. Gewöhnlich wohnen etwa 10 Fa-
milien oder 50 Personen zusammen. Für den Sommer gibt
es Zelte aus doppeltem Folie, in denon jedoch selten andre
als nabe Verwandte zusammen wohnen.
Die Bären finden sich periodisch mit dem Treibeise ein.
Geschieht dieses im Winter, so verkriechen sie sich in
Schneehöhlen, die männlichen nahe am Strande , die weib-
lichen höher oben, wo sie denn zugleich Junge werfen.
Die meisten worden gejagt, ehe sie in die Höhle gehen,
indem sio zu der Zeit fett, später aber magor sind. Da sie in
der Regol vor Menschen fliehen, pflegt man sio durch Hunde
aufzuhalten und dann mit der Lanze zu erlegen. Als im
vorjährigen Winter ein Mann dabei seine Lanze zerbrach,
erdrosselte er das Tier mit seinem Fangriemen. Bisweilen
werden sie auch in der Höhle erstochen, nämlich von oben,
indem sie da wenig Widerstand leisten können. Früher
wurden sie auch in Fallen gefangen, die wie Fuchsfallen,
aber aus sehr grofsen Steinen und eben nur für eineu
Bären Raum lassend, konstruiert waren. Frülior wurden
auch Walfische, Moschusochsen und Rentiere gejagt ; letz-
tere Landtiero sind jedoch ganz ausgerottet.
Es scheinen keine andren sozialen Verpflichtungen als
die zwischen Hausgenossen und teilweise Verwandten zu exi-
stieren. Durch stillschweigende Übereinkunft wird unter
den Hausbewohnern einer, der sich durch Tüchtigkeit aus-
zeichnet oder auch ausgezeichnet hat und von tüchtigen
Söhnen unterstützt wird, als Oberhaupt anerkannt. Er re-
präsentiert Besuchondon gegenüber den Hauswirt, bestimmt
die Verteilung dos Raums und sorgt für die Ordnung im
Hause überhaupt Alle bekommen ihren Teil am täglichen
Fange, sowie am Wintervorrat, doch so, dafs der Besitzer
des letztem jedesmal entscheidet, was serviert werden soll.
Sobald aber die Sommerwohnung, das Zelt, bezogen wird,
hört diese Gemeinschaft auf.
Die Stellung der Frau ist meist die einer Dienerin.
Gewöhnlich sitzt sie auf der Pritsche ohne andre Kleidung,
als die nur die Scham bedeckenden „nadit“ (richtiger wohl
„naitsut“, die Kurzen, d. h. Beinkleider). Die Frauenzim-
mer sind sehr reinlich , d. h. soweit als dieses mit dem
Waschen in Urin vereinbar ist. Das Haar ist in einen
grofsen, mit Perlen geschmückten Zopf zusammengebundon.
Was Verbrechen betrifft, so kann Dieberei wohl vorfallen,
allein wahrscheinlich mehr durch Rache als durch Hab-
sucht hervorgerufen. Mordthaten meint man im Verhältnis
zur Volkszahl als nicht selten bezeichnen zu müssen. Zwi-
schen den verschiedenen Wohnplätzen fallen öfters Streitig-
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
keiten vor. Gericht und Prozedur werden durch den ge-
wöhnlichen Spottgesang vor öffentlicher Versammlung reprä-
sentiert. Eine Rechtssache kann mitunter jahrelang fort-
gesetzt werden , indem die Verhandlung gelegentlich bei
Zusammenkünften wieder aufgenommen wird.
Das Verwandtschal'tsband, als ein Verpflichtung zu gegen-
seitiger Unterstützung mitsichflihrendes, wird bis ins dritte
oder vierte Glied geachtet. Die Ehe an und für sich gilt
aber, besonders wenn sie kinderlos ist, nicht als oin solchos
Band, da sio zu jeder Zeit aufgehoben werden kann. Nach
dem Hausvater nehmen die Söhne, selbst die ganz kleinen,
den ersten Rang ein. Der Mann schenkt der Frau während
ihrer Schwangerschaft besondere Fürsorge ; sie mufs Amu-
lette tragen, durch die sie für die Geburt eines männlichen
Erben disponiert werden soll, und wenn es Winter ist, mufs
sie ab und zu der Bewegung halbor nach der Trommel auf
der Diele herumtanzen. Wie gewöhnlich gibt es auch hier
bei der Geburt mehrere Zeremonien zu beobachten.
Im Hause und Zelte geben Kinder bis ins 14. oder
sogar 16. Jahr völlig nackt. Hernach werden die „nadit“
angelegt, und damit ist zugleich ein baldiger Beginn der
Heiratsfähigkeit angedeutet. Elin Jüngling heiratet gern,
sobald er eine FVau ernähren kann, aber diese frühen Ehen
geben auch leicht Veranlassung zu Scheidungen, mitunter
sogar drei bis vier, ehe ein solches Bündnis mit Kindern
gesegnet wird. Mau weifs von keinem Beispiele, dafs ein
Mann gleichzeitig mehr als zwei Frauen hatte. Man sah
auch nur e i n unverheiratetes älteres Mädchen , und selbst
dieses hatte Kinder. Die meisten Ehepaare haben drei bis
vier Kinder, doch sind auch sieben bis acht Kinder in einer
Familie keine Seltenheit; auch Zwillinge hat man beobachtet
Unfruchtbarkeit einer Ehe führt leicht zur Scheidung; die
Regel ist aber, dafs die Männer ihre Frauen mit Zärtlich-
keit behandeln, und dieses dauert selbst bis ins Alter, be-
sonders wenn die Jahre nicht verhältnismäfsig zu früh bei
der Frau ihre sichtbaren Wirkungen zeigen. Endlich geben
aber auch unsre Reisenden die Schilderung gewisser Ge-
bräuche, die das Bild des häuslichen Lebens dieser Natur-
menschen allerdings sehr verdüstern. Es sind diese erst-
lich das „Lampenlögchen-8pielu, wobei in einem Hause,
nachdem dio Lichter ausgemacht sind, ein freier Verkehr
zwischen den Geschlechtern erlaubt wird, und zweitens der
Weibertausch zwischon befreundeten Ehemännern auf längere
oder kürzere Zeit.
Man sieht selten Leute, deren Alter der Vermutung
nach 60 Jahre überschreitet. Dio gewöhnlichsten Krank-
heiten sind Erkältung und Hautübel. Nur die verzweifelte
Lage , welche das notwendige Zusammenleben in den
engen Wohnungen unter gewissen Umständen roitsichführen
kann, dürfte zur Entschuldigung der Grausamkeit dienen,
mit der Wahnsinnige behandelt werden sollen, indem sie
gebunden und dem Tode durch Hunger und Kälte über-
lassen oder ins Meer geworfen werden. Ganz unheilbare
Kranke sollen auch mitunter den letztgenannten Ausweg
zum vermeintlichen Übergänge in eineu glücklichem Zu-
stand wählen.
Dio Sprache dieser Ostländer klingt weicher und ge-
schliffener als dio ihrer südlichen Nachbarn. Der Katechet
Hnnserak hat die Abweichungen dieses Dialektes vom west-
grönländischen nach dem bekannten Wörterbuche Klein-
sebmidts notiert. Dem Verfasser des gegenwärtigen Ar-
tikels, der sich mehrere Jahre um die Sammlung und Ver-
gleichung eskimoischer Dialektproben bemüht hat, ist dieser
wertvollo Beitrag, der ungefähr 600 Wörter umfafst, zur
nähern Bearbeitung überliefert. Eine entsprechende Samm-
lung der Sagen wird dazu noch erwartet, und es trifft sich
ebon, dafs er ein ähnliches, hauptsächlich linguistisches Ma-
terial aus Cumberland - Inlet von Dr. Franz Boas empfangen
hat. Schon ein flüchtiger Vergleich dieser Beiträge aus
Gegenden, bei deren Eiinwohnern alle Berührung unterein-
ander gänzlich ausgeschlossen ist, zeigt verschiedene recht
merkwürdige Fälle, in denen sie sich gegenseitig beleuchten
und ergänzen können.
Die Loiohen der Verstorbenen ins Meer zu versenken,
scheint ein für die Eskimos Ostgrönlands eigentümlicher
Gebrauch zu sein ; er ist aber nicht der allein herrschende,
indem nebenbei auch Begräbnisse auf dem Lande stattfin-
den, wo dann die Toton in zusammengebogener Stellung
mit Steinen zugedeckt werden. Wenn einer der Vorväter
eines Gestorbenen im Kajak umgekommen ist, so wird die
Leiche des letztem immer ing Meer gesenkt oder bei nie-
drigem Wasser auf den Strand gelegt, so dafs die Flut sio
Uberspült Die Bestattung der Toten überhaupt ist die
Sache der Verwandten. Wo bei Hungersnot oder Seuchen
mehrere Personen in einem Hause sterben, kann es gesche-
hen, dafs dieses verlassen wird und die Toten auf ihrem letz-
ten Lager liegen bleiben. Dieses soll namentlich uoch in den
allerletzten Jahren, nämlich 1881 — 1883, der Fall gewesen
sein. Unter den vielfachen Trauersitten nehmen diejenigen,
die auf den Namon des Verstorbenen Bezug haben, einen
hervorragenden Platz ein. Es scheint hier strenger noch
als anderswo vermiedon zu werden, solche Namen auszu-
sprechen, so dafs für Gegenstände, von denen der Name
genommen ist, selbst wenn sie zu den in der täglichen
Rede am häufigsten genannten gehören , ein neues Wort
gewählt werden mufs. Anderseits wird es aber doch gleich-
falls für ebenso wiohtig angesehen, dafs ein Kind nach dem
Verstorbenen benannt wird. Es ist, als dächte man sich
den Menschen aus drei, bis zu einen gewissen Grade selb-
ständigen Teilen bestehend, nämlich Seele, Körper und
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Die neuern dänischen Untersuchungen in Grönland, 1885.
Name. Letzterer lebt in dem Nameusvettor fort und wacht
über die Ehre des Verstorbenen.
Unsre Reisenden erstaunten über die merkwürdige Kunst,
mit welcher die Angakut ihre Geisterbeschwörungen aus-
führen. Gegen die Fremden zeigten diese sich sehr offen-
herzig, sie machten dabei den Eindruck, als glaubte jeder
von ihnen an die Weisheit seiner Kollegen, aber nicht an
seine eigne, und was das Volk betrifft, so schien es, als ob
die Angakut eigentlich mehr gefürchtet als geachtet wären.
Was übrigens die religiösen Begriffe angeht, so werden wohl
erst die Sagen die notwendigen Mittel zu einer richtigen
Beurteilung derselben liefern.
Die Angmagsulikbewobnor sind im ganzen lebhaft, nicht
ohne Verstellungsgabe, aufgeweckt und klug in der Be-
nutzung der natürlichen Hilfsmittel. Sie sind höflich, gast-
frei, nachsichtig und fügsam gegeneinander. Obgleich sie
viel 11 ei fei ge re und bedachtsamere Einsnmmler von Vorrat
sind als die Westländer, tritt doch ab und zu auf einem
Wohnplatz Not ein. Dann statten die Männer Besuche auf
den nächsten Plätzen ab, speisen nach Herzenslust von
dem, was ihnen vorgesetzt wird, und nehmen die Reste mit
sich für Frau und Kind. *
Eine reiche Sammlung ethnographischer Gegenstände
ist von der Expedition mit nach Kopenhagen gebracht und
dort kurz nach der Ankunft ausgestellt gewesen. Sio könnte
an und für sich als Beschreibung dieses kleinen Stammes
dienen, indem der verhältnismäfsig neue äufsere Einflufs
sich deutlich von dem primitiven Kulturzustande, als dem
noch ganz vorherrschenden, sondern und orkonnen läfst.
Eisen oder Metall überhaupt scheint erst vor kaum 50 Jah-
ren allgemein in Anwendung gekommen und namentlich
von Schiffstrümmern gewonnen zu sein. Man fand noch
Waffen mit knöchernen Spitzen und noch zwei steinerne
Messer ; letztere, sowie eine Art Messer aus Haifischzähnen
zum Haarabschneiden wurden doch mehr als Heiligtum
für gewisse Zwecke aufbewahrt. Nähnadeln waren aus
Eisen oder Messing ausgehämmert, zugespitzt, und das Nadel-
öhr eingebohrt. Aus Mangel an Beilen waren Bretter und
Latten für Boote und Schlitten mühsam mit Holzkeilen aus
dem Treibholz ausgespalten. In der mit Sorgfalt ausge-
führten Böttchorarbeit sind die Dauben nicht durch Reifen,
sondern durch schräg eingesetzte hölzorne Nägel und durch
knöchernen Beschlag zusammengefügt. In der Sammlung
fand Bich ein nach europäischer Weise als Armbrust ge-
formter Bogen. Die Kleider bieten teilweise eigentümliche
Formen dar und sind unter Anwendung verschiedener Felle
sorgfältig und nicht ohne Kunstsinn zusammengefügt und
ornamentiert. Auch Bärenfelle , Fuchsfelle und gefärbtes
Leder ist daran verwendet. Knochenarbeit wurde früher
auch mit Steinmessern, von denen noch einige aufbewahrt
sind, ausgeführt. Sowohl in Holz als in Knochen ge-
schnitzte Figuren, Ornamente, Knöpfe oder sonstige für
Kleidung und Gerätschaften bonutzte Gegenstände fanden
sich in reichlicher Menge in der Sammlung. Von ganz
eigentümlicher Natur waren endlich gewisse aus Holz ge-
schnittene Reliefs oder Bilder, Konfigurationen der Küste
vorstellend, und auf Reisen benutzt. Die Einwohner ver-
rieten eine nicht geringe Anlage zum Kartenzeiohnen, uud
diq Skizzen von derselben Gegend, die man von verschie-
denen Personen bekam, zeigten eino merkwürdige Überein-
stimmung. .
Archäologie. — Schon früher ist die von Brodbeck zu-
erst beschriebeue Ruine im südlichsten Fjord der Ostküste,
und im vorigen Jahrgange sind ein paar, wahrscheinlich
von Schiffbrüchigen errichtete Warten erwähnt. Sowohl
Garde als Holm haben später auf ihren weiten Reison be-
ständig die Aufgabe vor Augen gehabt, Ruinen oder auoh
nur audro Zeichen von der Anwesenheit früherer Europäer
aufser Graah auf der Küste zu finden. Sie haben sich
darüber aufs genaueste bei den Einwohnern erkundigt, und
selbst in allen Fjorden, mit Ausnahmo einiger unbedeuten-
den und in den ödesten Gegenden mündenden, ihro Nach-
forschungen angestellt. Es ist keinem Zweifel unterworfen,
dafs die Einwohner entschieden geneigt waren, ihnen alles,
was sie davon wufsten , mitzuteilen ; aber dieses be-
schränkte sich am Ende darauf, dafs im Umanaks-Fjorde
dio Ruine eines nicht eskimoischen Hauses zu finden sei.
Garde untersuchte deshalb diesen Fjord vom 12. bis 16.
Juli 1885. Der Eingang machte einon imponierenden Ein-
druck, indem freundliches Grün sich hier am FVfse der
Berge ausbreitete, während eine wilde Alpenlandschaft mit
Schnee und Eis das Innere umgab. Die Ruine aber, als
sie endlich gefunden, war nichts weniger als grofsartig:
eine zirkelrunde Anhäufung von Steinen, 7 FNift (2m) im
Durchmesser, uud übrigens zweifelhaften Ursprunges, das
war das Ganze; von andern nicht eskimoischen Ruinen
wufston dio Ostländer durchaus nichts, denn dio oben er-
wähnten , allerdings jetzt aufsergewöhnlichen Bärenfallen
schrieben sie ihren eignen Vorvätern, namentlich berühm-
ten Sagenhelden zu. Dafs trotzdem im Süden von 68°
N. Br. auf der Ostküste noch Ruinen versteckt liegen
sollten , die an Gröfse sich zu denen bei Julianehaab,
wie die alte österbygd zur Westorbygd verhalten sollten,
können wir getrost als unmöglich erklären. Eine Frage,
die Uber 100 Jahre lang mancho unnütze Mühe verursacht
hat, ist also jetzt aus der Welt geschafft, und damit ist
der Archäologie ein wesentlicher Dienst geleistet. Die Alter-
tumsforscher können hernaoh, von dieser Seite gesichert,
ihre Bemühungen auf den genauem Vergleich der bei-
den Bezirke der Westküste (zwischen 60 und 61* N. Br.
86
Die Likonafrage.
und zwischen 64 und 65" N. Br.) mit den alten isländischen
Sagas konzentrieren. Diese und keine andre waren die
östorbygd und die Westerbygd. Jetzt wissen wir auch,
dafs die fruchtbarsten Flecken Grönlands sich innerhalb
Julianehaab finden, allein diese batte auch schon Erik der
Rote entdeckt, hier hatte er seinen 'Wohnsitz gewählt, und
hier irgendwo stand vor ca 400 Jahren ein Bischofssitz,
aber die nühoro Bestimmung der speziellen Lokalitäten for-
dert noch zu fernem Untersuchungen auf. Indem die letzte
Expedition nach der Ostküste auf diese Weise die Geschichte
der alten Kolonien aufklärt, wird sie sicher auch durch
ihre Nachriohton von dom Angmagsalik-Stamme zu einorn
bessern Verständnisse der eskimoisohen Einwanderung in
Grönland wesentlich beigetragen haben.
Die Likonafrage.
Von v. Francois, Premierleutnant a. D.
Frankreich steht gegenwärtig mit dem Kongo -Staat in
Verhandlung Uber die definitive Abgrenzung der beidersei-
tigen Gebiete am Kongo, bezüglich deren der vor einem
Jahre abgeschlossene Vertrag nur allgemeine Bestimmungen
enthielt.
Frankreich wurde duroh die Konvontion vom 5. Fe-
bruar 1885 das ganze Becken der Likona zugesprochen1).
Nach de Brazzas Ansicht sollte dieser Flufs zwischen dem
Äquator und 1° Südl. Br. in den Kongo einmünden. Da
auf dieser Strecke der Kongo von rechts den Mubaugi auf-
nimmt, so würde man im Sinne de Brazzas den weitern
Schlufs ziehen, dafs die Likona in einem östlichen Laufe
dem Mubangi zufliefst. Thatsächlich haben auch französi-
sche Blätter diesen Gedanken ausgesprochen und den .Mu-
bangi als französisches Territorium betrachtet* *).
Da ich persönlich mit Mr. Grenfell die Mündungen der
zwischen Mubangi und Lefini einmündenden rechten Zu-
flüsse des Kongo genau exploriert, auch einzelne eine ge-
wisse Streoke aufwärts verfolgt habe, so bin ich zu dem
Schlufs gekommen, dafs die Likona weder im Delta dos
Mubangi ausläuit, noch ein rechter Zuflufs desselben ist,
vielmehr, dafs die Likona mit dem unter 1° 15' Südl. Br.
einmündenden Puuga, auch Kunja genannt, idontisch ist.
Zu dieser Ansicht haben mich folgende Erwägungen
geführt.
Auf der Strecke zwischon Mubangi und Lefini befinden
sich vier von rechts dem Kongo zuströmende Flüsse,
und zwar:
l) Nach Artikel III dieser Konvention wird »U Orenie zwischen dem
französischen Territorium und dem Kongo-Stute festgesetzt: „ Der
Kongo hi« zu einem noch zu bestimmenden Punkto oberholb des Plus«!
Licone- Nkundja : eine noch festztuetzendc Unie rou die«m Punkte bis zu
17° 0. L. r. Or., sie soll möglichst der Wasserscheide des Licona-Nkundja*
Beckens folgen, welches französisches Gebiet ist. *
Die Redaktion.
*) Auch de Brazzo selbst beansprucht in seinem am 21. Januar 1886
in der Pariser Geogr. Gesellschaft gehaltenen Vortrage das Mubangi- (Ou-
bangui) Bocken als französisches Territorium. (C. R. des scances 1886,
Kr. 2, p. 80. mit Karle.) Die Redaktion.
1. Punga . .
. 17°
20'
ö.
L. r. Gr., 1°
15'
8. Br.
2. Bossaka . .
. 17
17
H
• HW 1
20
• H
3. Botsi . .
. 17
6
w
w n • 1
36
M •
4. Iukio . .
. IC
45
• Hl« 1
58
• H
Die Reise des Mr. Grenfell auf dem Mubangi hat er-
geben, dafs erst nördlich von 2° N. Br. dieser Strom Zu-
flüsse von rechts erhält. Ich kann nicht annehmen , dafs
die Konfiguration des Terrains derart beschaffen ist, dafs
die Likona mit einem nordöstlichen Lauf dem Mubangi
zufliefst.
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Die Likonafrage.
87
Es würde eich nun fragen , welcher der Zuflüsse , die
ich unter 1 — 4 genannt habe , mit der Likoua iden-
tisch ist.
Der Inkio und Bossi besitzen beide eino verhältnismäßig
so goringe Wassernüsse, dafs die Schlußfolgerung einer
Zusammengehörigkeit mit der Likona nicht gerechtfertigt
ercheint, da diese bereits in ihrem Oberlaufe ein ausge-
dehntes Flußsystem zeigt.
Die Alima wird von den Eingebornen als Handelest rafse
nach der 8 Tage oberhalb gelegenen französischen Station
benutzt. Durch diese würde schon festgestellt worden sein,
ob die Alima von links einen Zufluß aufnimmt, der mit
der Likona identisch ist. Also auch diese Annahme, dafs
Likona und Alima sich oberhalb vereinigen, ist ausge-
schlossen.
Der Bossaka, welcher in der Nähe des Punga-Doltas
in den Kongo tritt, ist ebenfalls in seiner Wassermaase so
gering, daß er nicht mit der Likoua zusammengehörig sein
kann.
Seine von der Wasserfarbe des Punga abweichende
theeschwarze Farbe schließt trotz der Nähe des Punga-
Deltaa die Annahme aus, daß er ein Arm des Punga sei.
Außer dem bereits Angeführten sprechen für meine
Ansicht noch folgende Punkte.
1. Die große Wasserraasse des Punga, welchor diu des
Bossaka, Bossi und Inkie erheblich ü bortrifft.
2. Die von Norden nach Süden gerichtete Wasserscheide
zwischen Kuilu und Ogowe einerseits und den Zuflüssen des
Kongos anderseits bedingt für letztere zunächst einen Lauf
in östlicher Richtung. Sobald diese in die Terrainsenke des
Kongo eintreten , werdon sie die Richtung des großen
Stromes aunehmen, also nach Süden abbiegen. Hiernach
würden die Gesetze der Bodenformen für Likona, Bossaka,
Bossi und Inkie einen ähnlich gerichteten Lauf erfordern,
wie ihn der bereits erforschte Lefini darbietet.
Konstruiert man sioh nach diesen Betrachtungen die
Likona und trägt auch dem Umstande Rechnung, dafs die
Thalsohle des Kongo oberhalb des Lefini an Breite zu-
nimmt, dann muß die Likona da einlaufen , wo sich das
Punga-Delta befindet.
3. Zwischen dem bis 4t 0 Nürdl. Br. erforschten Mu-
bangi und dem in seiner ganzen Ausdehnung bekannten
Lefini kennt man den Oberlauf von drei Flüssen, nämlich
die likona, Alima und Mpaka.
Auf derselben Strecke sind die vier schon genannten
Flußmündungen bekannt. Wenn ich von dem Bossaka ab-
strahiere, dessen sehr geringe Wassormasse auf einen nur
kurzen Lauf hindeutet, so würden die drei Mündungen den
im Oberlauf bekannten Flüssen entsprechen.
4. Die verschiedene Benennung der im Oberlauf und
an der Mündung bekannten Flüsse ist keineswegs ein Be-
weis dafür, daß die betreffenden Flüsse nicht identisch sind.
Die Eingobornen bezeichnen den Fluß gewöhnlich nach
Ortschaften oder Yolksstämmon , und kann es Vorkommen,
daß die Benennung des Flusses nach kurzem Lauf wech-
selt; so heißt:
1) der Inkie im Oberlaufe Mpaka,
2) der Bossi „ „ Alima,
und so wird auch
3) die Punga (Kunja) im Oberlaufe die Likona sein.
Von den beiden Regierungen ist zur Entscheidung der
Frage eine Kommission bestimmt worden , die sich am
1. November 1885 den Kongo aufwärts begeben hat. Diese
Kommission besteht aus Leutnant Massari (Italiener) und
Leutnant Liebrecht (Belgier) einerseits, und dem franzö-
sischen Kapitän Rouvier und dem Dr. Ballay anderseits.
Resultate des sibirischen Nivellements’).
Von Dr. A. Woeikow.
Endlich liegt diese Arbeit vollständig vor, das Ergebnis
des größten und in seinen Resultaten wichtigsten Nivelle-
ments, welches bis jetzt gemacht wurde. Schon vor 7 Jah-
ren war das Endresultat, die Höhe des Baikalsees, be-
kannt8). Die Berechnung und Kritik des Ganzen mußte
natürlich viel Mühe und Zeit in Anspruch nehmen und
i) Im Auftrwf <in Conwils der K. H. Geogr. Ge«, bearbeitet ton
W. Fum. (Zapiiki der «llgera. Geographie, Bd. XV, S. 1 — 44, mit Karte
and graphiacben Tabellen.)
*) 8. l’eterm. Mitt. 1878, S. 269.
wurde dann noch durch die lange Krankheit und endlich
den Tod des Ingenieurs Moschkow, welcher den Hauptteil
der Arbeit leitete, verzögert Hier ist nicht der Ort, in
die Details einzugehen, welche über die Art der Ausfüh-
rung und Berechnung gegeben werden, ebenso Uber die
wahrscheinlichen Fehler; es genüge zu bemerken, daß die
Arbeit selbst die größten Garantien der Genauigkeit bietet.
Leider ist ihr Ausgangspunkt, Swerinogolowsk am Tobol,
noch nicht durch Nivellement, sondern nur durch Triangula-
tionen mit dem Schwarzen und Baltischen Meere verbunden.
88
Resultate des sibirischen Nivellements.
Tabelle der Entfernungen und der Höhe über Meeretniveau
vom Anfangspunkte.
Entfer-
nung
km.
Hohe
In m.
2
Niveau des Tobolflussea bei Sarerinogolowsk 2. >14. Juni 1875
81
16
Niveau des Flu»** Jolabugu 7./19. Juni.
104
32
Geodätisch« Signal an det aibitiachen Gtenze .
169
82
Se« bei der Stanixa Preasnogorkowskaja .
157
105
Kapelle im Po&*ad PrewnogorkoKski •
165
14?
Dessl. Jekateriniiukaja .
153
182
Sae bei Preasnosrskaja
135
228
Kapelle in Swrohaiski
144
266
Salisee bei Sstanovraja
117
310
Kapelle in Archangelsk^)«
108
320
Sec bei Trech - Osernav
94
331
laehim bei der St. Petropawlowsk
89
332
Kirche bei St. Potrop&wlowsk
97
392
Kapelle in Poludennaja
124
429
Kapelle in Medweshi • .
129
488
See bei Lossewo
107
518
Kirche in Nikolajewakaja
120
558
Bittersee
100
661
Kapelle in Pokruwskaja .
107
618
Kapelle in yiolnitschnaja
88
642
Irtysoh bei Omsk 18. 30. August
68
642
Kirche in Omsk
85
6? 3
Ouillub 21. Auguat ,/ 2. September
73
702
Kirche in Jurjewa
108
773
Cliomutinskaja
110
811
Orcnre der Gnuvcrneraents Tobolak uud Tomsk
107
842
Kirche- in Kamvschewo
116
890
Flufs Tartal
98
951
Kirche in Antoscbkino .......
116
1007
Omllula bei Kainsk
104
1007
Heilandkirche in Kainsk ......
112
1071
Kircho in Kalmakowo .......
136
1130
Kirche in Kargatakajo
138
1202
Tschulrraatlufs, niedrigste* Wasser
133
1208
See Jtkul
139
1237
Kirche in Sscktinskoje
160
1284
Kirche in KrutTje-I»gi
163
1296
Orcnae der Barabinzen- Steppe
158
1308
Kirche in Tarvachkinn
108
1323
Bach Ojtuh
102
1330
Kirche in Kolvwan
139
1352
Iktarcndorf Orckaja
90
1379
Obflufs 21. Juni, 3. Juli
85
1399
Flufs Taschata
91
1427
Kirche in Oyaschi
117
1430
Flufs Buricba
160
1440
Dorf Taehtbulitukaju .......
201
1442
Bach Tsehobula
162
1476
Usch Bototnaja
138
1498
Kirche in Friaaflki
133
1507
Bach Tschugur
103
1532
Bach Teehemaja, Brücke
85
1547
Kirche in Kintaitkoje
109
1556
Dorf Kaftantschikowa .......
84
157t
TomfluU bei Tomsk
69
1574
Kathedrale in Tomsk
92
1607
Bach Kamenka ........
132
1622
Dorf Chaidejesra
219
1623
Flufl B. Maidan
183
1649
Zusammen flufs des T&schmaja und der Bcreioiraja .
123
1661
Flufa Tita*
ui
167*
Kirche in lehimtkoj.
141
1691
Dorf Koljutukoj.
218
1718
Dorf Potachitanakoje
225
1729
Flufs Jelanka
177
Entfer«
uung
km.
Hätte
ln iii.
1758
Kirche in Berikulskoje
181
1780
Dorf Podjelmtscbnaja
143
1804
Kirche in Mariinik
127
1807
S«c bei dom Dotfe Pristan
123
1829
Dorf Susslovra
192
1800
Flufs Tjaahik
184
1929
Ktappenhaus in Bogotot
243
1961
Kirche in Krassnoretschenskoje .....
218
1996
Trchulymailuf* 17./S9. August .....
192
1996
Kirche in Atschinsk
212
2028
Kirche in TscheraoijoUchrnskoje .....
263
2070
Flute Grofser Kemtschug 7./19. August ....
269
2087
Flufs Ibrjul
310
2108
Flufs Kleiner Kemtschug
342
2119
Niveau de» Baches Katsch
267
2141
Kirehe in l’stanoirakoj«
200
2167
Stadt Krasauojarak .
152
*168
Flufs Jenissei bei Kraasnojarsk 25. Juli/ 6. August .
138
2183
Flufs lioroKivrka
150
2198
Ktappenhaus in Betolskoje ......
237
2252
Kteppenhaus in Kuukun
361
2278
Ktapiienhaue in IJjaraknje
332
2325
Postatation Borodiuskaja
374
2362
Dorf Grob-Urio»koje .......
248
2389
Kirche in Kansk
207
2391
Dorf Kausko-Perewuanjr . ......
*08
2419
Kirche in Ibnikojo .......
263
2446
Kirche in NUhne-Ingasehesvskojc .....
261
2471
Flute Tin 18./24. Juli
251
2472
Kirche in Tiiaskoje
323
26(8)
»Station Kljutschin&kaja .......
364
2641
Kirche in Kantorakoje .......
252
254«
Grenze der Gouvernements Jenissei und Irkutsk
247
2568
Kirche in Bajeronowakoje • . . .
288
2594
Poststation lUsgoonaja
388
2617
Fluts Alsamai
304
2643
Station Algaschetskaja
324
2669
Bach Kamy.ichct, Brücke ......
350
2688
Kirche in Ukowakoj«
502
2717
Kathedrale in Nischneudindc
417
2719
Ufer der l'da
4<>5
2749
Kirche in (’hinguinkoje .......
541
2810
Post Station Kurxuukaja .......
517
2836
Kirche in Tulupovr*koj«
481
2840
Bach Uj ........ .
455
2908
Kirche in Kuitun
513
2925
Kapelle in Listwianka
675
2948
Kirche in Kimilteiskoje . . . . ■ .
437
2980
Kirche in Siraenakoje .......
468
2981
Flut» Oka. rechtes l'fer
461
3010
Etappeohaus in Tyr et
462
3013
Flufs Unga, Brücke
594
3017
Berg Unga
461
3030
Kirche in Stlarinskoje
455
3031
Fluts Salarja, Brücke
597
3062
Kirche in Kutulik ........
537
3091
Kirche in Tscheremchowo . ...
578
3119
Postatation Polowink* .......
543
3160
Kircho in Malta
438
3161
Kirche io Telroa ........
438
3185
Kloppenhaus in Ssuchowskaja
449
3221
Niveau des Angara b«i der Mündung des Irkut
449
3222
Kathedrale in Irkutsk .......
454
3234
Kirche in Itasvodinskoje
469
3240
Berg Polowinnaja ........
503
3252
Angara bei der Mündung der Wercline • Pladowaja .
458
3294
Niveau des Baikal bei Listwjanitscbnoje ....
477
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89
Geographischer Monatsbericht.
Allgemeines.
Eins der angesehensten Organe der französischen
Anthropologie, die Revue <T Anthropologie in Paris, begründet
1872 durch Paul Broca und fortgesetzt von Dr. Paul To-
pinard. Generalsekretär dor Anthropologischen Gesellschaft
in Paris, beginnt eine neue Sorio unter Mitwirkung von
Celubritäten in allen Fäohern dor Anthropologie , unter
denen folgende hervorzuheben sind : Dr. Gavarrot, Direktor
der anthropologischen Schule ; Dr. Mathias Duval, Direktor
des anthropologischen Laboratoriums der Ecole des Hautes
Et udos; Marquis de Nadaillac; General Faidherbe; Pro-
fessor de Quatrefages; die Herren Harny und Rousselet,
Mitarbeiter für Ethnographie ; Baron Larrey ; die Herren
Jules Rochard und d’Arbois de Jubainville u. a.
Zu einer eigentlich überflüssigen Rechtfertigung der
Missionsthatigkeit in überseeischen Gebieten gestaltet sich
Dr. O. Wameckt Flugschrift: „Welche Pflichten legen
uns unsre Kolonien auf?1*1); überflüssig erscheint, sie aus
dem Grunde, weil Geographen, Ethuographcn, sowie alle,
welche aufmerksam die Entdockungsgeschichte der letzten
Jahrzehnte verfolgt haben, von dem heilsamen und überaus
fördernden Einflüsse dor Missionare und ihrer Leistungen,
namentlich in Afrika, überzeugt sein werden , während die
Gegner der Missionen auch trotz diesor Rechtfertigung
fortfahren werden, nach den nicht abzuwendenden Aus-
wüchsen und einzelnen Mifsständen ihr Urteil zu bilden.
Nicht zu leugnen ist, dafs aber auch Dr. Warneck den
Einfluß der Missionen überschätzt ; gerade die jüngsten
Vorfälle in Uganda, die Hinrichtung des Bischofs Hanning-
ton , zeigt, dafs trotz zehnjährigen redlichen Strebens die
Missionare einou sehr geringen zivilisierenden Einflufs er-
langt haben. In der Erziohung der Neger und andrer
einheimischer Völkerschaften zur Arbeit erkennt Dr. Warneck
mit Recht die Hauptaufgabe der kolonisatorischen Wirksam-
keit; die Mittel und Wege, welche er dazu vorschlägt,
werden aber, so sehr sie auch vom humanitären Stand-
punkt gerechtfertigt sind , niomals die Billigung der Prak-
tikor erlangen , denn welcher Staat , wclchor Kaufmann,
welcher Plantagonbauer vorfügt Uber so bedeutende Mittel,
um die Zeit abwarten zu können, bis der Neger durch
Wohlthaten sich zur Arbeit bequerat. Wenn die Bewirt-
schaftung der Kolonien in einer absehbaren Zeit keinen
Nutzen abwirft für Staat und Kaufleute, so mufs die Er-
werbung von Kolonien als verfehlt betrachtet werden. Aus
diesem Grunde wird die Unterdrückung des verderblichen
Branntweinhandels, dor Einfuhr von Schiefswafibn und
Pulver niemals erfolgen ; die Erschwerung dieses Handels
wird allerdings gute Früchte tragen.
Europa.
Nach langjährigen selbstlosen Bemühungen des Ham-
burger Kaufmanns H. Dahlström erscheint die Aufführung
Jet Xord - Ottteekanalt gesichert. Nach dem von der Deut-
schen Reichsregierung angenommenen Plane dos Regierungs-
baumeisters Boden wird der Kanal von dor Elbe oberhulb
') Heft 75 and 76 d«r ..Zeitfragen des christlichen Volkslebens“.
Heittmmn, Gehr. Henninger, 1885. M. 2.
Pctennanne Geogr. Mitteilangen. 1886, Heit III.
Brunsbüttel ausgehen, durch den Kudensee, die Burger Au
und Holsten Au in das Gebiet der Eidor hinüberführen,
welche sie duroh die Niederung der Gieselau bei Witten-
bargen unterhalb Rendsburg erroicht; mit Beseitigung der
Krümmungon der Eidor und dos alten Eiderkanals wird er hei
Holtenau in die Kieler Bucht ausmündon. Die Kosten der
Ausführung sind auf 156Mill.Mark veranschlagt worden, von
welchen das Königreich Preufsen 50 Mill. Mark ä fonds perdu
tragen wird. Um den Kanal auch für die Kriegsmarine nutz-
bar zu machen, sind bedeutende Dimensionen vorgesehen wor-
den, nämlich 26 m Breite in der Sohle, 60 m im Wasserspie-
gel und 8,5 m Tiefe. Die Länge dos Kanals wird ca 93 km
betragen, die Bauzeit wird auf 7 Jahro borcchuot. Durch
die Durchstechung der jütischen Halbinsel wird die Route
von der Elbmündung nach dem mittlern Teile der Ostsee,
dem Schnittpunkte der dortigen Schiffswege gegenüber
Möon, beträchtlich verkürzt; von Hamburg aus beträgt die
Verkürzung fast 45 Stunden, von Bromcrhafen 32} Stun-
den. Aufser der Belebung dos Handels- und Schiffsver-
kehrs, welchen die Hnfen sowohl der Nord- wie der Ostsee
erfahren werden, ist auch der Vorteil, welchen Schleswig-
Holstein in wirtschaftlicher Beziehung erlangen wird, nicht
gering anzuschlagon , denn filr bedeutende Landstriche im
Gebiet der Eidor wird dor Wassorabflufs erleichtert, wer-
den, während andre Landestcilo durch leichte Bewässerung
einer intensivem Kultur eutgogeugehen.
Ein wenn auch noch nicht, wie das Projekt des Nord-
Ostseekanals, Jahrhunderte alter Plan, so doch schon län-
gere Jahre angeregtes Unternehmen, wolehes ebenso einon
Triumph des heutigen Unternehmungsgeistes und der tech-
nischen Wissenschaften bedeutet , ist in letzter Zeit seiner
Vollendung einen Schritt näher getreten. Am 4. Januar hat
in Amsterdam eine Versammlung stattgefunden, in welcher
die Ausführung dor projektierten Trockenlegung der Zuider-
zee wieder angeregt wurde. Da dio niederländische Re-
gierung wogon des andauernden Ausfalles ihrer Einnahmen
aus den ostindisohen Kolonien die erforderlichen Mittel
nicht zur Verfügung stellen kann, so wurde dio Gründung
eines Vereins beschlossen, welchor die Prüfung der ver-
schiedenen Projekte, Bowohl nach der technischen, wie nach
der finanziellen Seite vornehmen soll; es handelt sich also
zunächst um Aufbringung der Kosten, welche diese Unter-
suchung erfordern wird. Neben dem ältern Plane (s. Mitt-
teil. 1876, S. 284 u. Taf. 16), nur don südlichen Teil dor
Zuiderzee von Enkhuizen über Urk bis zur Ijsselmiindung
abzudämmen, hat in den letzten Jahren ein umfassenderes
Projekt viele Anhänger gefunden; dasselbo geht dahin, die
Inseln Texel , Vlieland , Terschelling und Ameland durch
Dämme miteinander zu vorbinden, wie bereits ein Damm
zwischen Ameland und dem Festlande existiert, und schliefs-
lich durch Errichtung eines mit einer Soblouse versehenen
Dammes zwischen Texel und Heldor die Zuiderzee von
der Nordsee abzusperren. Man hofft dadurch dieselbe in
kurzer Zeit in einen Süfswassersee umzuwandeln und die-
sen gedenkt man alsdann stückweise auszupoldoru , und
trockenzulegcn , um die Kosten auf grofse Zeiträume zu
verteilen. Die Ausführung dieses Projektes wird voraus-
12
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90
Geographischer Monatsbericht.
sichtlich wegen der nicht unbeträchtlichen Tiefen zwischen
den einzelnen Inseln, namentlich aber wegen der starken
Strömung in der Meerenge zwischen Texel und Helder auf
grolse Schwierigkeiten stofsen.
Über die Beteiligung der Ungarischen Gsogr. Gesellschaft
an der Budapester Landesausstellung im J. 1885 hat der
Schriftführer der Kommission , Dr. Rud. llacafs , ausführ-
lichen Bericht erstattet , in welchem die wichtigsten der
von der Gesellschaft ausgestellten geographischen Publika-
kationon besprochen werden. Die Hauptzierde war die
Lanfranconische Sammlung von Karten und Ansichten von
Ungaru aus dem XIV. bis XIX. Jahrhundert ; sie umfafst
17 riesige Bände. An ältesten Druckwerken sind zu er-
wähnen: die älteste in ungarischer Sprache erschienene
Reisobeschreibung : „Europica Varietas“ von Martin Szepsi-
Czombor, erschienen 1620 in Knschau (16°, 421 pp.); fer-
ner dio älteste in ungarischer Sprache erschienene Astrono-
mie und Kalender, genannt „Breversohe Cisio“, erschienen
1650 in Leutschau. Das interessanteste war das älteste
Werk, in welchem auch Uber Ungarn dio Rede ist, von
Franz Berlinghieri, erschienen 1478 in Florenz. Das aus-
gestellte Exemplar stammt aus der Privatbibliothek des
Papstes Pius VI. Ausgezeichnete Beiträge lieferten die
ungarischen Kartographen E. v. Decby und Jos. Hornolka.
Berechtigtes Aufsehen hat die von dom Mitgliedo der Szeche-
nyischen Expedition nach Tibet, Ludwig Loczy, bearbeitete
Karte von China in 1:4 000 000 erregt.
Wie schon seit einer Reihe von Jahren , hat der be-
kannte französische Alpinist Charles Rabot auch im Som-
mer 1885 wiederum eine Tour durch das nördliche Europa
gemacht und aufser auf ethnologische Studien auch auf
Beobachtung der topographischen Verhältnisse sein Augen-
merk gerichtet. Wie frühor im uördlichou Norwegen und
Schweden, so hat er auch auf soiuor jüngsten Reise durch
Lappland zahlreiche IrrtUmor unsrer Kenntnis dieses Ge-
bietes aufgedeckt:
„Von Vardö aus reute ich am tu. August nach Kol», einem ira Grunde
des gleichnamigen Fjorde* liegenden, ringe von Hügeln umgebenen Ihirfe,
weicht* ungefähr 500 Eiuwohner zählt. Der untere Abhang dieser Hügel
ist bewaldet, und die Landschaft macht keineswegs deu iiden Eindruck, den
man beim I«en des Wortes tundra auf den Karten vermuten konnte. Im
Sommer besteht die Bevölkerung Kolas fast ausichliefalich aus Frauen, da
die Männer in dieser Zeit an der Küste mit dem Fischfang beschäftigt sind.
Die Bevölkerung Kolas besteht nur aus Küssen und einigen Kvrmen. Ka
existiert keine fuhrbarc Slrafse. Von Kola aus begab ich mich nach Kan-
dalaks am Weiften Meer, indem ieh dio lange Senkung, welche beide Meere
miteinander verbindet, verfolgte. Es ist dies eine varbkltnismäfsig leichte
lteiae. Alle 35— fit) km trifft man eure aus einer Holzbütte besteheude
Station, ein, wenn auch nieht komfortable* , so doch wenigstens für einen
Forschun es reisenden genügendes Obdach, oder eine von Lappen bewohnte
Hütte. Diese lappen sind zura Fostdienat verpflichtet, d. h. sic müssen
den Reisenden als Träger oder Ruderer dienen.
„Die Senkung zwischen Kola und Kandalaks besteht aus zwei Thklcm,
dem bei Kola in dos Eismeer mündenden Thale, und dem Tmandra-Baasm.
Die nach diesen beiden verschiedenen Richtungen tliefsondcn Gewässer wer-
den nur durch einen Streifen sumpfigen Terrains getrennt. Zwischen dem
Guoltejauti, dem obem See dos Kolathalea, und dem Ficresjauri zeigte das
Barometer eine Differenz von nur ?/,„ mm. Der Abfall des Kolathalea ist
sehr gering; auf eine Entfernung von 75 km (von Kola bis Uuollejauri)
erhebt sieh der Boden nur um c« 1 20 m ; wie in ollen Thälern des ark-
tischen Europa steigt es terrassenförmig an, und auf jeder Terrasse befindet
sich ein Sec. Der vortrefflichen Beschreibung von Prof. Priu1) habe ich
nur ciuige Bemerkungen über den Imandra himuzufbgeu. Dieser See wird
*) Friis: En Sommer i Finmatken, Kuasiak Lapland og Jfordkarelea.
Chiiatiania, Cammermever, 1880.
von zwei Bergketten begrenzt, deron Wichtigkeit bisher nicht erkannt wor-
den ist. Auf dem westlichen Her erhebt sich zwischen dem See und dem
Tschume oscto-Tlial — dasselbe ist auf den Karten nicht angegebon ; es mün-
det auf dem linken Ufer des Imandra, 20 km OSO von Jokostrow — ein
von Osten langsam ansteigender, nach Westen schroff abfallender Höhen-
tug vou 900 — 1000 m. Der l'mbdek, welcher das Ostufer des Imandra be-
grenzt, ist kaum so hoch. Von der Höhe eines 800 m hohen Gipfels hatte
ich eine prächtige Aussicht : ich überblickte da* das ganze Land bedeckende
Waldmeer, in welchem sich Hügel erhoben und Seen sieli wie silberne Bin-
der hindurchsehlüngelten. Am 15. August 10h a. m. zeigte das Thermo-
meter | 21,2° C. , im Schatten 2b p. m. + 24®, am 18. um 2b p. rn.
+ 16,4 , den 19. (Tag der Ersteigung) um lob a. m. +13,»®. Die«
Ersteigung liefs mich erkennen, dafs der Ircacdm ein ganz andres Aussehen
bat als nach den Karten. Kr ist von Hunderten von Inseln durchsetzt,
und seine Ufer van zahlreichen Buchten unterbrochen, welche auf den Kar-
ten nur sehr schlecht eingetragen sind. Diese sind : Auf dem westlichen
Ufer 20 km südlich vou Rasnavaluk die Moutscho Guba, eine sehr bedeu-
tende, über 20 km tiefe Bucht, welche sich nach NW in ein bedeutendes,
Mimische Dunder und Tschume Dunder trennendes Thal fortsetzt. 2.: Je-
truon, 7 km südlicher, 3. : Gaba Gut», G km SW von Jokostrow — auf dem
Unken Ufer: 1.: Bielo Uuba, G km NÜ von Jokostrow; 2.: Tikx Gubs,
OSO von derselben Station, 3.: Kokts Gands, 20km lang, 1.: dio Uay
Suabjejka. Hierzu roufa man noch den Babinski Imandra, den SW-Atra des
Imandra hinzuzufügen , welcher mit dem Imandra nur durch eine kaum
700 m breite Meerenge in Verbindung ateht. Kr hat eine weit grö/sere
Ausdehnung, als ihm Friis heimifst- Vom Gipfel dos 350 — 40U m hohen
Siratuudra aus sah ich drei Buchten: Kamaka Guba, Kuntsrhes Guba,
Tachewris Guba, welche sich im S öffnen und sich durch den Wald nach
SW hin in Sümpfe nnd kleine Seen fortsetzen. Der Imandra ist wie alle
Seen dieser Gegend nicht tief; G km nördlich von Jokostrow war er 31m,
1 km weiter nördlich nur IG m tief. Den Lappländern nach soll inau in
der Gegend des l'mbdek Tiefen von 150m finden; Friis (s. a. 0., S. 234)
roafs jedoch nie Uber 20 m. Der Ablesung dm Barometer nach hat dieser
See eine absolute Höbe von ungefähr 100 m. Er ergiefst sich durch den
Niva, einen ungefähr 30 km langen Flufs, in das Weifte Meer.
„Von Kandalaks kehrte tob nach dem am Imandra gelegenen Sashjcjka
zurück und von hier aus erreichte ich Kola wieder, indem ich die gänz-
lich unbekannte Gegend im Westen zwischen dem l’eriuga osero (Huerinshj
jaur von Friis) und Tuloma durchreiste. Der Fcringa oftro ist mit dem
Imandra durch eiuen 7 — 8 km langen Arm verbunden; er ist der erste
See in dem langen Tbo), welches sich bis an die Grenze von Finnland er-
streckt. Wie der Imandra ist er nicht sehr tief (höchstens 3 m), und sein
Grund ist mit groben Blöcken glazialen Ursprungs übersäst. 30 km vom
Imandra, auf dem nördlichen Ufer des I’eringa oeero, mündet das Thal dea
Njaroraeljokki (Hasenhach), dessen Länge GO oder 70 km betrogen mag.
Dieses Thal bildet ein grofses Becken, einen tiefen Einschnitt zwischen dem
Tschume Dunder und eine Reihe von l’lateaus von 4— 800m Höhe, deren
Existenz bisher unbekannt gewesen. Im X dieser l’lateaus trafen wir den
Knpcsosero, einen 3 — 4 km grnfsen Sec. K* ist dies der erste See de*
langen Thale*, welcher in den Imandra (Montacbe Guba) mündet, nachdem
er den Montsrho Dunder vom Tschume Dunder getrennt. Jenseits erstreckt
sieh ein zweites, 400 m hohes I’lateaumassiv, welches die Gewässer de* letz-
tem Thaies vom Tulnma-Bceken trennt. Auf dem N-Abhnng dieser Krtto
öffnen sich drei Thäler, welche sich dann vereinigen, um den Leiha reka,
einen bedeutenden Xcbentlufs de« Tuloma zu bilden, der sich 1 km von
l’adome (Lappische Station am Tuloma. 5 km vom N'uotjauri oder dem rus-
sischen N’otosero) in diesen Flufs ergiefst. 30 km nördlich von Kopeswero,
bildet sich ein tiefer Einschnitt, in welchem das N’otosero-Barin liegt.
„Man bat mit Unrecht dus russische lopplnnd als Ebene bezeichnet,
wahrend ira Gegenteil dieae Gegend, oder doch wenigstens sein westlicher
Teil Ton hohen llergcn durchzogen wird. Von der Küste de* Weifsen Meeres
bis zura Eismeer bilden aie drei deutlich erkeunhare Ketten. Zwischen den-
selben breiten sich weite, bewaldete Ebenen aus, welche von Seen und
Bächen unterbrochen werden. Entgegen der allgemeinen Annahme sind dieae
Wälder sehr schön. An den Ufern de* Kot osero befanden sich einige
10 — 12 in hohe Fichten, auch sah ich mehrere Fichten (pinus sylvestris),
welrhc einen Trauertypu* trugen. Die Zweige der einen bildeten einen
Halbkreis und berührten den Boden. Die obere Grenze der Vegetation ist
sehr unsicher; die de* Xadoiholaes schwankt zwischen 160 m (westlicher
Abhang von l'mbdek) und 300 m (nördlicher Abhang der zwischen Kopee-
osero nnd dem Tuloma- Häsin gelegenen Flateaos), die dee dichten Birken-
gehölz« zwischen 230 und 350 m. Bis zu 4- bis 600 m findet man noch
Gesträuch (Birken und Weiden). Das ganze land ist verödet. Von Sssh
jejka bis Tuloma fanden wu nur drei lappländische Familien. Die Entfer-
nung zwischen diesen beiden Funkten beträgt ungefähr 200 km. “
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Geographischer Monatsbericht.
91
Asien.
Arabien. — Eine Reihe wertvoller Ergänzungen unsrer
Kenntnis von Hadhramaul teilt Prof. M. J. dt Goeje mit;
denselben liegen Darstellungen und Aufzeichnungen zu
Grunde aus oincm Atlas, welcher einen gelehrten, in Batavia
ansässigen Araber Seijid Otbinän ibn Jatja, zum Ver-
fasser hat. Für die Kartographie von Südarabien sind
diese Auszüge um so wichtiger, als der Besuch des Landes
für einen Nicht- Moslim noch heutigestags mit Todesgefahr
verbunden ist ; leider ist eine Übersetzung der Karte seihst
nicht beigefügt. (Revue Colon. Internat. 1886, II, Nr. 2.)
Iran und Turan. — Ende Januar ist Dr. G. Rodde
mit seiner Expedition zur naturhistorischen Erforschung
des transkaspischen Gebietes und von Khorassan von Tiflis
aufgebrochen und am 1./13. Februar in Askbabad, bis
wohin die transkaspische Eisenbahn boroits eröffnet ist,
eingetroffen. In seiner Begleitung bofinden sich der Geolog
nnd Mineningonieur Konschin, der Zoolog Dr. Walter und
der Botaniker Braun.
Ney Eliot, der verdiente Erforscher von Innerasien,
hat, wie ein Telegramm aus Caloutta vom 7. Februar an-
zeigt, eine Reise nach dem obern Amu Daija zu Endo
geführt. Durch Shugnan und Roschan, die bisher nur
durch Puuditen und den Botaniker Albert Regel betretenen
Ländor, gelaugte er nach Badakschan.
China. — Dsb früher unbewohnte und neutrale Grenx-
gebiet zwischen Korea und China, welches 1877 letztem
Staate einverleibt wurde, ist im Dezember 1884 von don
englischen Missionaren Webtier und Rote, im Januar 1885
von dem englischen Konsul in Niutschang, Gardner, durch-
reist worden. Es ist in vier Distrikte : Tnnghwa, Hwaijen,
Kwantien und Antung geteilt. Im nördlichen Teile über-
wiegt bei weitem koreanische Bevölkerung; auch herrscht
hier noch dichter Waldbestand, welcher im S von don
chinesischen Ansiedlern fast vollständig ausgerodet worden
ist, um Ackerfelder zu gewinnen. Dem eingehenden Bericht
Gardners Uber seinen Konsulatsbezirk, Provinzen Liaotung und
Mandschurei (Blnebook C. — 4594), welchem wir diese Notiz
entnehmen, ist eine längere Abhandlung von dem Konsulate-
arzte W. B. Morriton über die Flora der südlichen Mand-
schurei beigefügt. Die südliohe Mandschurei ist in stän-
digem Aufschwung begriffen; seit 1863 haben sich ca
1 Million chinesischer Einwanderer aus Petechili und Schan-
tung dort angesiedelt.
Eino Bestätigung für den Einflnfs des tibetanischen
Flusses Sanpo in den Brahmaputra liefert die im Dezember
und Januar ausgeführte Reise der beiden indischen Beam-
ten Needhatn und Moletxcorth längs des Brahmaputra und
Zayul Chu bis Rima, welchen Ort sie allerdings infolge der
feindseligen Haltung der Bewohner nicht betreten konnten.
Da der Pundit A — K auf seinem Wego von Lutze -Kiang
(Saluuu) bis zu dem einige miles südlich von Rima gelege-
nen Dorfe Sama keinen gröfsern nach Süden (lielsenden
Strom überschritten hat, und diese beider. Beamten, welche
den Lauf des Brahmaputra und seines Nebenflusses uioht
verlassen haben, ebenfalls einen nach Süden sich wenden-
den Strom nicht antreffen konnten, so ist die Identität des
aus dem eigentlichen Tibet kommenden Sanpo mit dem
Irawaddi unmöglich.
Hinterindien. — W enn der französische Marinearzt i
Dr. P. Nett seinen ursprünglichen Plan, die Untersuchung
der Wasserscheide zwischen dem Mehkoug und dem süd-
chinesischen Meere, nioht hat ausführen können, auch seine
spätere Absicht, bis Jünnan odor nach Tongking durchzu-
dringon, au dom Einbrüche der Hos scheiterte, so hat
seine Reite auf' dem MehJcong 1883/4 und seine Exkursionen
auf verschiedenen seiner Nebenflüsse (Bnll. Soo. göogr.
Paris 1885, Nr. 3, p. 368, mit Karte) sehr wichtige Er-
gänzungen und Nachträge zu De Lagröes Aufnahmen im
Jahro 1866 orgeben. Von Pnklay aus, wo Stromschnellen
die Schiffahrbarkoit des Stromes auf eine weite Strecke
unterbrochen , wandte sich Nois westwärts und erreichte
den Muhkong bei Tuddua wieder; speziellere Aufnahmen
machte er von den Nebenflüssen Nam-Chane und von Luang-
Prabang, wo er eine Änderung der politischen Verwicke-
lung abwartete, von dem Nam-Kane und Num-U. Seinen
Rückweg trat er von dem oberhalb von Luang - Prahang
gelegenen Xieng - Sen an durch das eigentliche Siam längs
dos Mohwan und Mehnam ; auf dieser Strecke verfolgte er
gröfstenteils die Route von C. Bock (s. Mitteil. 1883, S. 162),
dessen oberflächliche Aufnahmen er durch reiches Detail
ergänzte. Xieng-Sen (Kiang- Hsen) war auch der nörd-
lichste Punkt, welchen Holt. S. Halletl von Britisch-Burmah
aus erreicht hatte. Er unternahm seine Forschungen in
den Schon - Staaten , um die Ausführbarkeit des Colquhoun-
schen Projektes einer Eisenbahnverbindung zwischen Bri-
tisch-Burmah und dem südlichen China zu untersuchen.
Als Ausgangspunkt dieser Bahn schlägt er den Hafen Maul-
mein vor; nach Überschreitung der Wassorscheido zwi-
schen dem Saluen und Mehnam in einorn 697 m hohen
Passe würde die Bahn im Thale des Mohping und Meh-
wung von Raheng aufwärts bis Lakon zu legen sein, von
wo aus sie nach kurzer Berührung des Mehngau in das Thal
des Mehkong hinübergeleitet wird. Von Kiang-Hsen würde
die Bahn längs dieses Flusses bis Ssumao in Jünnan fortge-
führt werden müssen. Gleichzeitig ist ist die südliche Abzwei-
gung der Bahn von Raheng nach Bangkok in Aussicht genom-
men. Die genauen Aufnahmen, welcho Hallett zur Feststellung
dieses als des am leichtesten auszuführonden Projektes ver-
anlafsten und welche eine 2500 miles (4000 km) lange, teils
zu Wasser, gröfstenteils per Elefanten zurückgelegte Strecke
umfassen, sind in einer grofsen Karte, welche sich als
wertvoller Beitrag zur Kartographie Hinterindiens erweist,
niedergelegt wordon (Proceed. R. Geogr. Soc. London 1886,
Nr. 1). Dos Ziel dieser Forschungen und Projekte, in
welchen Engländer und Franzosen miteinander wetteifern,
ist dio Erschliefeung der an Mineralschätzen reichen chine-
sischen Provinz Jünnan, unter deren starker Bevölkerung
ein Absatzgebiet für europäische Erzeugnisse erwartet wird.
Während Frankreich durch die Besitzergreifung von Tong-
king zuerst dieses Ziel zu orroichen strebt, sucht England
jetzt von Westen her dom Nebenbuhler zuvorzukommen.
Die erste Etappe hat dieser Staat durch die am 1. Ja-
nuar 1886 vollzogene Annexion det Königreich» Burmah zu-
rückgolcgt ; Britisch-Indien ist dadurch unmittelbarer Nach-
bar von China geworden, allerdings an einem Punkte, am
Oberlaufe des Irawaddi, wo die Terrainsohwierigkeiten oiuou
regen Verkehr nicht gestatten. Ob auch eine Annexion
der bisher in einem geringen Abhängigkeitsverhältnis zu
Burmah stehenden burmehsisohon Sohan- Staaten, welche
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92
Geographischer Monatsbericht.
zwischen Jiinnan und den siamesischen Schau- Stauten sich
ausdehnen, beabsichtigt wird, ist aus den offiziellen Kund-
gebungen der britisch -indischen Regierung noch nicht zu
erkennen.
Im Aufträge des britischon Residenten in Perak hat
E. Tenison - Woods Ende Mai 1884, nachweisbar als der
erste , die Ersteigung des höchsten Herges in Perak , des
Gunong Bubu , ausgerührt. Derselbe ist fast 5600 Fufs
(1700 m) hoch, die letzten 1000 Fufs (300 m) sind schroff
abfallende Granitmassen. Von seinem Gipfel war als der
höchste Berg der Halbinsel oine auf 8- bis 9000 Fufs
(2400 — 2700 m) geschätzte Erhebung nordöstlich vom ;
Gunong Robinson sichtbar. (Journ. Straits Brauch R. Asiatic
Society, December 1884, p. 275.)
Indischer Archipel. — Eine Skizze des Katingan-
Flusses auf Borneo , welcher östlich vom Sampit mündet,
enthalt Nr. 12 der Berichte der Rheinischen .Missions-
berichte nach den Angaben des Missionars Hendrich, wel-
cher im Mai und Juni 1885 eine Fahrt auf dem Flusse
unternahm. Er gelangte auf demselben bis zum Zusam-
menflüsse seiner beiden Quellflüsse, den östlichen verfolgte
er noch bis zu einem Wasserfall, welcher der Schiffbarkeit
ein Ende macht.
Welch beträchtliche Fortschritte in der Erforschung
von Nordborneo gemacht sind seit der 1878 erfolgten Be-
sitzergreifung durch dio englischo Kompanie, ist aus der
neuesten Karto dieses GobietoB ersichtlich , welche auch
schon den Umfang der neuen, vierten, 1885 vom Sultan
von Brunei abgetretenen Provinz , Dent - Provinz benannt,
angibt. Die Westgrenze des jungen Staates bildet jetzt
eine Linie von der Mündung des Sipitok- Flusses in die
Brunei-Bai nach dem Gura-Peak (ca 116° 5' 0. L., 3° 52'
X. Br.) , die Siidgronzo die Linie vom Gura Peak bis zur
Mündung des Siluco an der Ostkiiste; die Niederländer
nehmen allerdings das Binnonland und dio Inselu der StA
Lucia -Bai bis Batu Tjiuagat in Anspruch. Diese Karte
ist dom Werko1) beigegeben , welehos die Thätigkeit
des jungen Naturforschers Frank Hatton auf Nordborneo
nach seinen hinterlassenen Tagebüchern und offiziellen Be-
richten schildert. Noch nicht 22 Jahre alt, war er am
1. März 1883 durch zufällige Entladung seines Gewehres
getötet worden. Er führte 1882 die erste Durchkreuzung
der Nordspitze aus längs des Flusses Labuk und von des-
sen Oborlaufo über Land nach dem Bongon-Flusso, an wel-
chem er bis zur Mündung in die Marudu-Bai hinzog. Seine
letzte Unternehmung galt dem Flusse Kinabatangan , den
er bis nahe an seine Quelle aufuahm , und dem Scgamah,
bei dessen Befahrung er seinen frühen Tod fand.
Den Verlauf und die Erlebnisse der zweijährigen Reite
auf den Philippinen, welche I)r. J. Montana 1879 — 81 mit
Dr. P. Rey , hauptsächlich zu anthropologischen Unter-
suchungen, unternommen hatte, schildert ersterer in einem
kleinen Werke: „Voyage aux Philippines et en Malaisie“®)
(18°, 351 pp., mit Karte. Paris, Hachette, 1886. fr. 4),
welches mit zahlreichen guton Illustrationen, zum Teil
’) North Borneo. 8", 3*2 pp., mit Karte. London, Low, 1886.
18 ah.
ä) über die wissenschaftlichen Resultate tr], Petcrmanns Mitteil. 1885,
S. 233, bitter. -Ber. Nr 219, — über die topographischen Aufnahmen in
Mindanao and Nordborneo ebend. 1883, S. 32.
nach eignen photographischen Aufnahmen des Verfassers
angefertigt, geschmückt ist. Die Form des Tagebuchs ist
beibelmlten worden , welche gerade nicht geeignet ist , ein
anschauliches Bild von Land und Leuten zu liefern. Nach
einer kurzen Exkursion in die Kolonie Penang auf der
Halbinsel Malakka begannen dib beiden Reisenden ihre For-
schungen auf den Philippinen, in deren Verlauf namentlich
der südliche Teil von Luzon an verschiedenen Punkten
berührt wurde. Kurze Abstecher wurden nach den Inseln
Panay, Palawan, der Calamianen -Gruppe, nach dem Sulu-
Archipel unternommen und eine Durchkreuzung des öst-
lichen Teiles von Mindanao ausgoführt, auf welcher auch
der 3143 m hohe Vulkan Apo bestiegen wurde.
Afrika.
Die bisher herrschende Unsicherheit über die Grenzen
dor europäischen Kolonien an der afrikanischen Küste be-
ginnt allmählich zu schwinden, dank dem Vorgehen der
Deutschen Reichsregieruug. Dem Vertrage mit Grofsbri-
tannien ist jetzt ein allerdings noch der Genehmigung
der französischen Kammern unterliegendes Abkommen mit
Frankreich über die Abgrenxung der deutschen und franzö-
sischen Besitzungen gefolgt, welches am 24. Dezember 1885
in Berlin abgeschlossen wurde. Nach demselben verzichtet
das Deutsche Reich auf alle Hoheitsrecbte Uber die Land-
schaften Koba und Kabitai, und erkennt die Souveränität
Frankreichs Uber die Gebiete zwischen dem Rio Nunez uud
Mellacoree an. Ebenso erkennt das Deutsche Reich die
Schutzherrschaft Uber Grofs-Popo an der Sklavenküste,
Frankreich dagegen die deutsche Schutzherrschaft über das
Togogebiet und seine Ausdehnung auf Porto Seguro und
Klein-Popo an. Als Grenze zwischen dom deutschen Schutz-
gebiete von Kamerun und der französischen Kolonie Gabun
ist fostgestellt worden der Lauf des Campo- Flusses bis zu
10° ö. L. v. Gr., und von diesem Punkte ab dessen Pa-
rallelgrad bis zu dom Schneidepunkte desselben mit 15°
O. L. v. Gr. FVankreich leistet demnach Verzicht auf Ma-
limha und Grofs-Ilatanga, während das Deutsche Reich seine
Ansprüche auf Bata, Ranoko und Benito aufgibt. Durch
diese Abmachung in Verbindung mit dem vorjährigen Ver-
trage mit Grofsbritannien, durch welchen die Nordgrenze
von Kamerun festgesetzt wurde, ist der deutschen Herr-
schaft das Hinterland von Kamerun gesichert worden.
Nordafrika. — Mittels 1 27 barometrischer Beob-
achtungen hat TI. Dteveyrier, welcher an der Mission des
französischen Gesandten Feraud nach Marokko Teil nahm, die
Höhe der Hauptstadt Fe* bestimmt. Nach Renous Berech-
nung boträgt die Höhe der Stadt am Palast Arset El-Ka-
badsch 352 m (C. R. Soc. geogr., Paris 1885, Nr. 18).
Auch hat dieser orfahreuo Beobachter eine durch Positions-
bestimmungen gestützte sorgfältige Aufnahme seiner Route
von Tanger nach Fes ausgeführt. Einige weitere Höhen-
bestimmungen (C. R. 1886, Nr. 1, p. 7) stammen von
G. Maurel und H. de la Martiniere : Chiavona 158m, Tee-
rigen 348 m, Berg hinter Iserisca 594 ra, Ruinen von Basra
248 m, F’os (Fos-ol-Bali) 335 m, Sfro 938 m.
Eine topographische Skizze von Wetsan, dem Sitze des
marokkanischen Papstes, zugloich mit einer Aufnahme der
Route von Alkassar nach Wessan und Meknes (Miknasa)
gibt H. de la Martiniere, welcher im Mai 1884 diesen Weg
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Geographischer Monatsbericht
93
zurückgelegt hat. Er verfolgte die westlicho Route durch
das Thal des Wed-el-Kuss und ging mit Berührung der
Ruinen von Volubilis woiter nach Meknits. (Revue do geo-
graphie, Dezember 1885 und Februar 1886.)
Nicht allein auf Beobachtungen und Eindrücke, welche
auf der letzten viermonatlicheh Reise — März bis Juli 1884 —
gewonnen wurden, beruht das vorzügliche Werk des Malako-
zoologen Dr. W. Kobelt , „ Reiseerinnerungen au s Algerien und
Tunü“ 1), sondern auch auf langjährigen Studien der Litte-
ratur über Algerien und auf Untersuchungen, welche der-
selbe schon bei frühem Besuchen angostollt hat. Seine
Aufmerksamkeit während der Reise, auf welcher er Algier,
die Metidja, Blidah, Cherchol, Mcdeah, das Kabylengebiet,
Constantine, Böne, Biskru, Tunis, von wo Ausflüge nach
Porto Farina, Beja und Zagliouan unternommen wurden,
berührte, konzentrierte sich keineswegs auf sein Spezialfach,
die Schneckenkunde, sondern Topographie und Flora, Eth-
nographie und Vergangenheit der einheimischen Bevölke-
rung, Handel und Verkehr beobachtete er ebenso sorgfältig;
auch suchte er sich völlig unparteiisch Uber das Kolo-
nialsystem der Franzosen zu unterrichten, und soin Urteil
lautet bei weitem nicht so absprechend, wie in Deutschland
allgemein üblich ist, obgleich er Mißgriffe häufig klar
darlegt. Von grofsom Interesse sind seine Mitteilungen
Uber die Kabylen und ihre Stellung unter den Völkerschaften
von Algier. Das Urteil über Dr. Nachtigal (S. 449) ist
doch wohl zu hart, wenigstens ist aus dessen eingehendem
Bericht über Tunis (Deutsches Handelsarchiv 1884, Nr. 1)
nicht zu entnehmen, dafs er „kein Verständnis für die Be-
deutung Tunesiens als Absatzgebiet für deutsche Produkte*
gehabt habe. Im Anhänge sind noch Liston der von Dr.
Kobelt gesammelten Kriechtiere und Schmetterlinge bei-
gefügt.
Aus einer nicht erklärten Ursache sind erst jotzt die
astronomischen Beobachtungen, welche II. Duvegrier 1860
in Tuggurt angestellt hat, einer genauen Berechnung durch
Herrn Oltramare am Pariser Observatorium unterzogen wor-
den. Diese Oase liegt danach unter 33* V 0" N. Br.
und 3* 46' 0' ö. L. v. P. (6* 6' 15' 0. L. v. Gr.),
während die Generalstabskarte von Algerien (1874) sie unter
3° 28' ö. L., also 18' zu weit westlich verlegte. (C. R.
Soc. gdogr., Paris 1886, Nr. 1.)
Einige neuere Poeitionen aue Tunesien , wolche Comin.
Lachougue und Leut. Boudier kürzlich bestimmt haben, sind
vom Kriegsrainisterium der Pariser Geogr. Gesellschaft mit-
geteilt worden. (C. R. 1886, Nr. 1.)
S. Br.
o.
L. v.
Gr.
UiCm
. 34«
25'
30"
8*
47'
13"
Tooter • « . • .
55
42
8
8
48
Douz
27
45
9
0
53
Bir Kedjcm Matnug .
. 33
19
16
8
55
17
Bir Sultan . . .
. 33
17
26
9
42
30
Duirat . • • * ,
. 32
52
34
10
12
40
Diese Positionen sind bei der neuesten Lieferung der
vom Kriegsministerium herausgegebenen Carte de la Tunisie
in 1 : 200 000 bereits benutzt. Dieselbe enthält die Blätter
13: Gafsa, 14: Muliarita, 16: Kebilli, 17: Gabes, 18: Zar-
i) Hena«g*z*t«n von d.r Senckent>erKi>ch«n NitarfoiwhtDdrn
schilt. 8°, 480 SS. oho« lUznt.r, nhnr Kurte. Frankfurt tulil-, Diäter-
wetr, 1885. M. 10.
zis, und bringt die ganze Karte bis auf vier südliche Grenz-
sektionen zum Abschlufs. Wenn auch diese provisorisohe
Ausgabe in technischer Beziehung, an Lesbarkeit manches
zu wünschen läfst, so mufs doch hervorgehoben werden,
däfs die französische Regierung sich durch die beschleu-
nigte Ausgabe ein bedeutendes Verdienst um die Kenntnis
Tunesiens erworben hat.
Wüstäquatorialafrika. — Mit dem 3. und 4. Band
ist das Work, in welchem Dr. Hugo Zoller seine Erlobnisso
und seine Erfahrungen bei der Gründung der ersten deut-
schen Kolonien in Westafrika niedergelegt hat : Die deutschen
Besitzungen an der westafrikanischon Küste (Stuttgart, Spe-
mann, 1885 und 1886, ä M. 5) vollendet; der 3. Band
ist dem Flufsgebiet von Kamerun , der 4. dem südlichen
Kamerungebiet, den spanischen und französischen Besitzun-
gon und dem untern Kongo gewidmet. Sie bieten keines-
wegs allein eine Darstellung seiner eignen Reisen und der
kriegerischen Ereignisse in Kamerun, sondern sie sind, ebenso
wie die ersten Teile, reich an ethnographischen Beobach-
tungen, an Aufschlüssen über klimatische Verhältnisse, an
Hinweisen auf die Bedeutung, künftige Entwickelung des
Handels und der Handelswege, an Fingorzeigon für die wei-
tere Erforschung dieser Gebioto, wolche in der Eifersucht
der Küstenstämme gegen die Binnenländer auf so bedeu-
tende Hindernisse stöfst , an Erläuterungen über die Mög-
lichkeit von Plantagenbau, und namentlich an beachtens-
werten Aufschlüssen über die Arbeiterfrage, über die Aus-
sicht, die Neger zur Arbeit zu erziehen, worauf, wie der
Vorfussor offen ausspriclit, die Zukunft der deutschen Kolo-
nien beruht. Zur Beurteilung dieser Frage war der Ver-
fasser um so mehr kompetent, als er reiche Erfahrungen
hierüber iu Niederländisch -Indien, in Polynesien, in Süd-
amerika und andern Orten gesammelt hatte. Uber die
topographischen Ergebnisse seiner Reisen vgl. Mitteilungen
1885, S. 421 u. 430.
Der erste Versuch, die Hinterländer von Kamerun zu er-
schliefsen , hat keinen ungünstigen Ausgang genommen,
wenn auch die aus Handelsneid aufgerichtete Sperre nicht
gleich vollständig durchbrochen werden konnte. Den immer-
hin bedeutsamen Fortschritt, welcher eine mit Unter-
stützung der Kolonialverwaltung anszuflihrende Fortsetzung
aussichtsvoll erscheinen läfst, verdanken wir dem Touristen
und ReiBondeu Dr. Bernhard Sehwart, welcher über seine
in diesem ihm neuen Gebiete ausgofUhrte Tour folgendes
mitteilt l) :
„Anfang Oktober verlief« ich Hamburg und erreichte f» Wochen »p&ter
Kamerun. Von da begab ich mich nach wenig Tagen nach Victoria, um
mit einigen 40 Bakwiri-Tragem (vom Kamcrun»Bcrge), die grofsc, von Zbller
wohl erkundete, über bisher noch nie in ihrer gnnsen lange durchmeaaene
Handel&fttrafec über die üppigen Gelände des Kamerun-Piks in dos Innere
su sieben. In Bakundu-bs-Narubele raufeto ich leider den mir beigegebenen
Begleiter, Oardclcutnant v. Prittwitz-Gaffron, Fieber» halber suriiekeenden.
„Ich selbst drang von da durch die endloee, an Klefanten, Kaffee,
Gummi Are. reichen l.'rwllder mit verschiedenen intereu&nten Ortschaften
in da.« eigentliche, von Kogosinski wohl erstrebte, aber bisher wegen der
durch die eifersüchtigen Stamme energisch aufrecht erhaltenen Handels-
sperre noch von keinem Weifsen betretene Interior ein. Ober den Kuroba-
Flufs gelangt# ich in da.« Gebiet von Bafon, du« Produktionaland von Elfen-
bein, Ol und Sklaven für die Küstenländer. Hier wohnen die Bafarani,
welche in einer tropisch reisenden, fruchtbaren und gesunden Gebirgaland-
l) Zur Orientierung su vergleichen: Mitteilungen 1884, Tafel 7.
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94 Geographischer Monatsbericht.
»chaft Plantagenbau und Viehzucht betreiben. &» glückte mir hier, Uber
die je mehrere tausend Einwohner zählenden, ansehnlichen Städte Kumba
und Kimendi ein gut Stück bis nahe au den obern Kalabir vomi dringen.
Letztem seihst zn sehen, verwehrte mir schliofolich nur der Angriff seitens
600 bewaffneter Baiärani-S klaren.
.Mancherlei wichtige An (Schlüsse über dos bisher fälschlich beurteilte
Hinterland unsrer neuen Kolonie, und vielfache Korrektionen der zumeist
ganz irrigen HogozinsktVhon Kurte, hoffe ich demnächst in einem Werk-
ehen zu geben."
Dafs Dr. Schwarz wenigstens einige Tagereisen — lauge
kann seine Tour nicht gewahrt haben, da er, dor erst Ende
November in Kamerun angekommen war, bereits in der
ersten Hälfte des Februar wieder in Europa war — über
die bisher von Europäern erreichten Punkte hinausgekom-
men ist, verdankt er in erster Linie der Führung eines
der beiden im Kamerun-Gebirge ansässigen Schweden, welche
durch Dr. Zöller vorteilhaft bekannt geworden sind.
Ed. Viard, welcher bereits einige kommerzielle Unter-
nehmungen ain Niger und Bonuo (s. Mitteil. 1885, S. 396)
geleitet hat, rüstet sioh zu einer neuen Expedition, um dun
Liba-See, von dosseu Vorhandensein unter den Einwohnern
des Kamerun -Gebietes die Hede ist, aufznsuchen, was in
jüngster Zeit weder dom Polen Rogozinski, noch dem Schwei-
zer Dr. Passavant geglückt ist. Als Begleiter schliefst
sich ihm ein Fregattenkapitän II. Estbce an. Dieser rätsel-
hafte Liba ist nach den Erkundigungen, wolche Leut. Miton
am Ogowe eingezogen hat. koin Soe, sondern ein Tributär
des Kongo, welcher unter 1— 2° N weit im Wösten, an
dem Ostabhange der Scrru de (’ristal entspringt; Mizou
vermutet, dafs dieser Flufs, dessen Ursprung also nur oino
kurze Strecke von der Küste liegt, die bequemste Verbin-
dung mit dem Kongo bieten wird. Auf die übrigen Han-
delsstrafsen, welche zum Mittellauf des Kongo führen, baut
er der bedeutenden Kosten wegen , welche der Transport
von Waren hier erfordert, keine Hoffnungen, und entschie-
den verurteilt er de Brazzas Versuche, den Ogowe als
Schiffahrtsstrafse anzupreisen. (Revue maritime, Dez. 1885.)
Gerade 10 .lahro sind verflossen, seitdem Savorgnan d«
lircnza zum erstenmale das Gebiot dos Ogowe, dessen Er-
schlielsung sich zu seiner Lebensaufgabe gestaltet hat, betrat,
und nach den erreichten Resultaten kann er wohl mit Genug-
tuung auf dieso Jahre dor Entbehrungen und Opfer zu-
rlickblickou. Wo vor 10 Jahren Frankreichs Einflufs nur
auf dem Papier bestand, erstreckt sich jetzt eine ununter-
brochene Kette von Stationen bis zum Kongo hin, und auch
dor Besitz des durch den Vertrag mit dem Kongo -Staate
vom Februar 1885 Frankreich zugefallenen Anteiles am
Kongo-Becken und des Kuilu-Niadi-Gebietes ist ebenfalls durch
Stationen gesichert. Io den Jahren 1883 — 1885, welche
Savorgnan de Rrazza der Organisation dieses französischon
Territoriums, „France äquatoriale u, gewidmet hot, sind die
Stationen Mandschi am Kap Lopez — Njole, Okota, Obombi,
Atschuka, Bowe, Bundschi, Madiville, Dume und Franoeville
am Ogowe — Diele, Ngampo, Leketi und Mbotschi an der
AJima — Brazzaville, Ngantschuno, Mbe (Makoko), Nkeme,
Bouga und Nkundschu am Kongo und seinen rechtsseitigen
Nebenflüssen — Pointe Noire, Loango, Bas Kuilu, Ngotu,
Niari-Ludima und Philippevillo an der Küste nud im Knilu-
Thale, zusammen 26 Stationen orrichtet worden. Auch die
Erforschung des weitern Hinterlandes ist begonnen worden,
indem Dolirie die Untersuchung des Xkundscha (nach de Braz-
zas Auffassung identisch mit Grenfells Mobanscbi) ausführt,
während der Bruder des Forschers, Jacques de Braun, mit
Pecilo zusammen von Madiville aus nach Norden aufbrach,
um möglichst der Wasserscheide zwischen dem Ozean und
Kongo folgend bis zum Benue vorzustofsen. (0. R. Soc.
geogr., Paris 1886, Nr. 2, mit Karto.)
Die Originalkarte von Leut. Wif ernannt Eatsai- Expedition
ist in sorgfältiger Ausführung, aber ohne Torraiudarstellung,
in 1:3 703 700 in Heft 6, 1885, des Bulletin der Brüsseler
Googr. Gesellschaft erschienen. Sie zeigt die l^andreiso
von Malnngo nach Luluaburg mit den Exkursionen zum
Muata Kumbana, noch Mona Tenda und zu den Rakuha,
sowie die Flufsfahrt auf dem Lulua, Kassai, Kwa und Kongo
bis nach Leopoldville. Der Ausgangspunkt Malange ist nach
Wifsmannschen Bestimmungen von 1881 festgelegt; für die
übrige Darstellung sind die Fraugoisachen Positionen ange-
nommen, durch welche das Land dos Mukcngo bedeutend
nach Osten verschoben wird.
Gegon dio Angriffe, welche Dr. 1‘echuel- Loetche gegen
Stanley gerichtet hat, tritt jetzt II. r. Wobesrr, der Über-
setzer von Stanley« Kongo - Werk , in einer Broschüre für
letztem auf (Leipzig, Brockhaus, 1885). Von dor weiteren
Entwickelung dieser wenig erquicklichen Polemik können
wir keine Notiz nehmen.
Über die letzten Unternehmungen der holländischen
Expedition unter Führung von I). D. Veth gibt ein Nach-
ruf1) genauere Auskunft, welchen J. Snelleman seinem einst-
maligen Reisegefährten in Zontralsumatra gewidmet hat.
Am 16. Januar 1885 war dor Aufbruch von Mossamedes
erfolgt, am 1. Februar traf die Expodition in der Buren-
Niederlassung Humpata ein; zur Vervollstäudiguug kehrte
Veth am 17. März, obwohl bereits leidend, nochmals an
dio Küste zurück , und zwar ging er auf noch nicht auf-
genommenem Wege über Quillengnes nach Benguella, von
wo er am 1. Mai den Rückweg antrat; an der Station
Kalahanka aber an dem kleinen Flusse San Francisco oder
Capororo etarb Veth am 19. Mai; seine Gefährten setzten
die Reise bis Humpata fort.
Ostäquator ialufrika. — Durch einon Brief aus
Uganda vom 27. Oktober 1885 und eine Depesche aus
Sansibar vom 12. Februar 1886 findet die Trauerbot-
schaft von der Hinrichtung oder Niedermetzolung des engli-
schen Bischofs für Zentralafrika, S. Hannington, und seiner
ganzen, aus 50 Mann bestehenden Begleitung leider Bestä-
tigung. Bischof Hannington, welcher den Versuch machen
wollte, eine direktere Verbindung zwischen der Küste und
Uganda zu öffnen, war, im allgemeinen Thomsons Route
folgend, im Oktober am Nordufor des Victoria - Seos ange-
nommen und hatte, nachdem er in der Landschaft Kawi-
rondo im NO des Sees den schwarzen Missionar, Rov. W.
Jones, zurückgelassen , die Landschaft Usoga-) im Osten
l) Sep.-Abdr. aus Eigen Haard.
*) ln der Landschaft l’soga sollte bekanntlich Dr. Kmin-Bei mit sei-
nem europäischen Begleiter (Dr. Junker? Cspt. Cumti?) bei seinem Rück-
züge aus den ägyptischen Äquatorial - Provinzen angegriffen worden sein
und nach lüngerm Kampfe ein feste« Lager bezogen haben, um in demselben
Hilfe von Uganda zu erwarten. Da inzwischen bereits mehr als l/a J* *hr
rerlioiscn ist ohne neuere Nachrichten über die Lage dieser Foneher, so
ist die Hoffnung sehr gering, dafs sie bis zur Ankunft von Dr. Fischer
sich halten werden.
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Literaturverzeichnis.
95
des Victoria Nil , betreten. Hier wurden sie von einer
Baude von Waganda gefangen genommen und dem Könige
von Usoga ausgeliefert, welcher bei seinem Oberherrscher,
dem Könige von Uganda, Verhaltungsmafsregelu einholte.
Seine Boten wurden am 25. Oktober von dem Könige
Mwunga zurückgesandt mit dem Aufträge, die Hinrichtung
zu vollziehen ; weder die drei onglischen Missionare in
Uganda, noch die Mitglieder der katholischou Mission konn-
ten die Ausführung dos Befehls verhindern. Am 31. Ok-
ter fand das Gemetzel in Usoga statt; nur vier Mann ent-
kamen und gelangten mit Kev. Jones nach Sansibar zurück.
Die alleinige Ursache zu dieser blutigen That scheint in
dem Mifstrauen des jungen, arabischen, d. h. den Euro-
päern feindlichen Einflüssen unterworfenen Königs Mwanga
zu suchen zu sein, und dieses Mifstrauen, welches durch
dio Nachricht von der ursprünglich geplanten Ankunft dos
Bischofs am Ostufer des Sees in Sendege bereits geweckt
worden war, wurde dadurch bestärkt, dafs Bischof Hauniug-
ton nicht auf dem gewöhnlichen Wege vom Südufer des
Sees, sondern auf dem Landwege durch die Landschaft
Usoga bis an die Grenze von Uganda gekommen war.
Dieso Landschaft gilt als der unsicherste Teil des Reiches,
da die Wasogo von einem starken Unabhängigkeitsgefühle
beseelt sind. Durch diesos Ereignis sind diu englischen
wie auch die katholischen Missionare in eine sehr schwie-
rige Lage geraten, ja sio erscheinen sogar in ihrer per-
sönlichen Sicherheit bedroht. Auch Dr. Fischer , welcher
Ende Oktober noch am Südende des Sees weilte, wird an
weiterm Vordringen durch Uganda verhindert sein, da er
unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum darauf rech-
nen kann , die Hilfe dieses Staates zur Entsetzung der
europäischen Forscher zu erreichen. H. Wiobmann.
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T 2: Tuckum, T3: Riga, T4: Fried riehttadt, T5: Jacobsladt, T 6: Rie-
ebiia — 98 E: Datin, 116 K: Kowcl — 136 Et Lnak — 154 F: Dubno —
146: Plauen — 173 C: Rxeaxow — 173 F: Brody — 192 D : Samhor. 102 E :
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497: Neifse , 499: Kosel , 500: Gleitvltr., 535: Tirschenreuth, 538: Plefs,
571 : Pirmasens, k M. 1,30.
Meßtischblätter. 1:25 000. 309: IbenbOrtt, 310: Prorow, 311: Zingst,
312: Pramont. 368: Wustrow, 370: Barth, 371: Niepar*. 435: lUbnltz. 436:
Ahrcuthagen. 437: Velgast, 509: Marlow, 510: Drecbow, 674: Koisendorf,
675: Demmln, 676: Hnntxin, 679: Rubkow, 759: Ken- Kalen, 765: Anklaro,
854: Ivenack, 858: Hpantrkow , 859: Ducberow, 851: StavenhaKeu, 952:
Rosenow. 1047: M5llrnhagen, 1048: Penxllii, 1050: Pragsdorf, 1061: Golm,
2772: Kämpen, 2774: Bolcslawice, 2835: Reichthal, 2835: Pit*»b«n. 2836:
l’scbatz. 2801: Gollor, 2944: Wigandsthal, 2956: Ohlau, 2969: Scbwirtx,
3006: Tafelflchte, 30«: Kapp, 3094: Sautenbcrg, SOW : Strickerhauser.
3069: Schnrcgruben-Baudt', 3130: Tschbpsdorf. 3138: Arnsdorf. 3141 : Drain-
brau, 3194: Bösdorf, 3196: Psyebod , 3249: Kcuttadt <01, 3483: Saarllns-
berg, 35A4: Klodorbronn, 3587: Mothcrn. 3596: Buchsweiler. 3597: Pfaffen-
hofen, 3'.99: Hufflsmhelm. 3800: Scls, 3607: Zabcrn, 3610: Bhchwollrr,
3817: Truchtsrshciro, 3022: Mölsheim. 3625: Plaine, 3626: Schirwirck, 3629:
Plolsbnlm, 3643: Kckkircb, 3047 : Dlebolshelm, 3659: Rothenbach, 3663:
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(Geschlossen am 24. Februar IW4.)
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Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
Von Dr. Josef Cbavanne.
(Mit Kart«, >. Tafel 6.)
Angeregt durch wiederholte Mitteilungen übor mannig-
faltige Mineralvorkommen im Gebiete zwischen dem Lunda,
Lelundo und Loge, welche mir der Superior der katholi-
sehen portugiesischen Mission in San Salvador, Pater I!ar-
roso, gemacht hatte, und durch eigne Untersuchungen am
südlichen Kongo -Ufer, wollte ich schon im August 1884
eine Reise dahin unternehmen , wurde abor durch dio Un-
möglichkeit, Träger zu erhalten, daran verhindert. Einem
übernommenen Aufträge entsprechend, erneuerte ich in der
Absicht , bis nach den vielbesprochenen Kupfergruben von
Bembe zu kommen, im August 1885 den Versuch, und
konnte ihn, dank der glücklich gelösten Trägerfrage, auch
durchführen ; nur mufste ich mich dazu verstehen , den
Weg über Nokki und San Salvador zu nehmen. Es war
mir in Nokki geluugen, zu meinen 26 Loungoleuten, die als
Träger nur Mittelmäßiges leisten, 18 Muschi-congo zu er-
halten , deren Leistungsfähigkeit als Lasttransportraittel
am Kongo wohlbekannt ist; am 21. August brach ich in
Gesellschaft meines Begleiters, I)r. E. Zintgraff, ins In-
nere auf.
Nokki, dessen richtiger und von den Eingebornen einzig
gebrauchter Name Lukango * *) ist , liegt am rechten Ufer
des Lukango - Flüfschons 34 m über dem Meere und wird
aus einer französischen, zwei portugiesischen und einer
spanischen Faktoroianlage gobildet, welche auf einem bogen-
förmigen Felsenvorsprunge , aus wechsellagerudon grünen
Schiefern und Quarzitbänken bestehend, liegen. Der Spie-
gel des Kongostroms liegt selbst 26 m über dem Meere,
und bildet der Kongo hier ein scharfes, fast rochtwinkeliges
Knie , die Ufer beiderseits mit Schieforklippen besäumt,
welche heftige Gegenströmungen erzeugon. Die Bedeutung
Nokkis liegt einerseits darin, dafs bis hierher Seeschiffe *)
ohne besondere Schwierigkeit gelangen können, anderseits,
l) Grob- und Klein -Nokki sind zwei Dörfer »uf dem \Ve*e tou Lu-
kiogo nach Txlabali*. Die UtndeUleut« hingegen halten roh an der Be-
zeichnung Nokki oder Noki für den am Kongo liegenden Paktoreikomplex.
*) Im Juni 1884 lief der 1600 Tonnen haltende Dampfer . Ainriano“
der Companhia portugueza do Zaire in direkter Fahrt bia hierher.
Petermanna Oeogr. Mitteilungen. 188G, Heft IV.
dafs es der Endpunkt des Haupt-Karawanenweges vom Zorobo-
plateau und dem Gebiete der Makuta ist. Soit seiner An-
lage im Jahre 1873 bat die kommerzielle Bedeutung des
Platzes stetig zugenommen , namentlich seit es gelungen
war , den Elfenbeinhandel von den Küstonplätzen zwischen
dem Kongo und Ambriz ab und nach dom Strome zu len-
ken. Sollte die projoktierto Bahn am rechten Ufer des
Kongo znr Ausführung kommen, so wird der Platz aller-
dings wieder seine Bedeutung gänzlich verlieren. Unmit-
telbar hintor den Faktoreianlagen steigen die Thalhöhen
dos Kongo fast mauerartig bis zu 200 und 300 m empor;
nur dag ca 250 m breite Thal dos Lukango- Flüfschons,
das zur Zeit (Cacimba oder Trockenzeit) in oinem kaum
3 m breiten Bette noch Wasser führt, gestattet einen
etwas freiem Blick nach den Höhen von Nomuidi , die
in ca 6 km Entfernung den Horizont abscliliefsen. So-
wohl der Höhenzug bzw. Thalrand am rechten Ufer des
Lnkango-FlUfscliens, der in dem vom Dorfo gleichen Namens
gekrönten Nesojorücken mit 355 m kulminiert, als auch der
am linken Ufor dieses Flüfschens aufragendo M'buessi-
rücken sind aus von NW nach SE streichenden, unter
ca 22° nach SW einfallenden wechsellagernden parallelen
Schichten von Glimmerschiefer , Thonglimraorschiefer und
Quarzit gebildet, wolcho, au der Oberfläche zu Latent
(Glimmcrschioforlatcrit) zersetzt, mit bombenförmigen Mas-
sen von Brauneisen und Rasoneisenstein und einem Tep-
pich von Quarzknollen besäet sind. Dieser Gebirgsbau
bleibt sich bis zum Kai'nsa- Plateau im Innern mit gerin-
gen Modifikationen ziemlich gleich. Wo schieferige, eisen-
schüssige, undurchlässig» Thone unter der zelligcn Laterit-
decke liegen, darf man auch überall sicher sein, auf Pflan-
zungen der Eingebornen zu stofsen, während die Abhänge
der chaotisch scheinenden Erhehungsmasson in schier end-
loser Monotonie den durch Andropogon- und Cymbopogon-
Gräser bestimmten Charakter dor offenen Campincnland-
schaft tragon. Diesen Landschaftscharakter behält das
Muschi -congo -Gebiet im grofsen Ganzen bis San Salvador
bei. Es läfst sich thatsächlich keine schärfere Negation
13
98
Reisen im Gebiete «1er Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
der landläufigen Vorstellung tropischen Landschaftscharak-
ters denken , als eben das Lateritgebiet zu beiden Seiten
des untern Kongolaufes bis in die Nähe von Stanleypool.
Wenn nicht die Vegetationsformeu der Palme und Bao-
babs und der Rassentypus der Eingcbornen an das äqua-
toriale Wostafrika mahnen wilrden, dürfte man sich in die
südliche Randzone des Atlasplateaus versetzt denken, wo
überdies die Rodenbedeckung mit Haifa Ubereinstimmeud
wirkt.
Schon 1 1 km südlich von Nokki verläfst der Karawanen-
pfad das bis auf 80 m eingeengte sumpfige Thal des
Lukango-FlUfschens und erklimmt die Sattelhöhe des Som-
buankeo in fast gerader Linie und bei oiner Böschung von
45 — 50*. Der Ausblick von der Sattelhöho ist sehr loh-
nend und gewährt einen lehrreichen Einblick in den Auf-
bau des westafrikanischen Schiefergebirges. Hier, sowie
in noch klarerer Woise von der Höhe des isolierten Mongo
Elonga, zwischen Wuuda und Kinga, überblickt man ein
Meer von Erhöhungen, die sämtlich in ungefähr gloicher
Höhe liegen. Die trennenden Erosionsschluchten verschwin-
den und lassen das ganze Gebiet als ein zusammenhängen-
des Tafelland erscheinen, auf dessen ebener Oberfläche nur
einzelne Rücken von NW nach SE strolchen, die etagon-
förmig gegen das Innere sowohl in südlicher als östlicher
Richtung an Höhe zunehmeu. Hervorragende Spitzen fehlen
gänzlich. In der Nähe besehen ist es hingegen schwer,
in dem Chaos von isolierten, durch Erosionsschluchten all-
seitig umgebenen Erhebungen ein System herauszufinden ;
nur das Streichen der Schiefer im anstehenden Gestein
bringt Ordnung in das Unentwirrbare.
Nach Vornahme einer Reihe von Peilungen stiegen wir
zur Thalsohle des Vumfunde- Baches hinab, der östlich von
Nokki in den Kongo mündet und den Plateaurand in einer
engen, tiefeingcschnittenen Schlucht, welche die ganze
Schichtenfolge kristallinischer Schiofor blofslegt, durchbricht.
Im Westen des Weges erhebt sich dio Thonschiefermasse des
Luki-Kissi-Berges und zwischen dem Lubululu-Massaka-Bache
und dem Thale des Lukango ein schmaler Rücken, auf
welchem vor uns das in einem Haino von Ölpalmen und
Baobab versteckte Dorf Dima erkenntlich ist. Während
dio Hänge der Höhenzüge mit Ausnahme der erwähnten
Campinengrä8er jeder, auch strauchartigen Vegetation ent-
behren, sind die Uforleisten der periodisch wasserführenden
Rinnsale — und ein solches ist auch der Vumfunde, den
wir auf der Rückreise in den ersten Oktobertagen gänzlich
trocken fandon — dio Asyle der Baumformen, unter welchen
namentlich Spondius lutea (Mingenge der Bafiote), kleino
Bestände bildend, auftritt. Anona senegalensis (m’lolo der
Bafiote) und der Riese unter den Bäumen dieses Gebietes,
Eriodeudron anfractuosum (mafuma der Bafiote), plane oder
cotton -tree der Engländer, sowie eine Akazienart vervoll-
ständigen das Vegetationsbild. Tropische Üppigkeit-, na-
mentlich Schlingpflanzen und dichtes Unterholz wurden
gänzlich vormifst. Nach Überschreitung des ca 4 m brei-
ten und 2 m tiefen Baches erklimmen wir neuerdings die
Höhe des Plateaus, auf welchem die Pflanzungen (Maniok,
Erdnüsse und Uandubohnen) des Dorfes Kimoina liegen.
Später führt der Pfad über eine Reihe kuppenförmiger,
von Quarzadern netzartig durchzogener Thonschiefermassen,
deren Abstürze den Umwandlungsprozess zu Laterit deut-
lich erkennen lassen. Nachdem wir noch den durch La-
teritbänke sich schlängelndon Mbindabach überschritten,
führt der Weg Uber 2 km lang durch einen von Bananen-
Pflanzungen unterbrochenen üppigen Buschwald mit Pracht-
exemplaren des WTollbaumes nach dem Dorfe Wunda, wo
wir das erste Nachtlager aufschlageu. Das ca 70 Hütten
zählende, anscheinend wohlhabende Dorf, in welchem wir
zum erstenmal die weibliche Bevölkerung Baumwolle ') spin-
nond an trafen , liegt zu beiden Seiten des Kekulo • Baches,
welcher dem Vumfunde zufliefst. Trotz üppiger Vegetation
hatten wir gar nicht von Moskitos zu loiden, während wir
späterhin au vollkommen vegetationslosen Lagerplätzen und
in Seehöhen über 400 m arg belästigt wurden. Es ist
mir der Grund dieser Erscheinung nicht klar geworden;
ich fand im Gegenteile im Walddickicht des Mangrove-
gürtels am untern Kongo dieselbe Erscheinung, dafs in-
mitten oines von Moskitos überschwemmten Gebietes voll-
kommen plagefreie Örtlichkeiten zerstreut waren.
Die bisher befolgte Wogrichtung ESE ging nach S
über, als wir am folgenden Tage von Wunda aufbrachen,
um nach Überschreitung des Vumfunde, Erklimmung der
isolierten Masse des Mongo Elonga und Abstieg in dio
Schlucht des Mavuva das buschbedeckte Plateau von Kinga
zu erreichen. Der Mongo Elonga bildet die Wasserscheide
zwischen den kleinen Zuflüssen des Kongo und jenem des
M'pozo und ist mit Ausnahme de3 kegelartig aufragenden
Sululuberges (494 m), welcher den Nordhorizont dominiort,
der höchste Punkt der Landschaft im Umkreise von 9 bis
10 km. Sein Südabhang ist mit einem ungewöhnlich glim-
merschioforreichen , eisenschüssigen roten Laterit in einer
Mächtigkeit von Uber 2 m bedeckt. Schon in Kinga und
in noch höherm Mafse in Tomboko machten sich die Nach-
wirkungen der niederschlagsarmen letzten Regenzeit fühlbar ;
nur mit grofser Mühe golang es, von den Eingebornen
einigen Proviant für unsre Träger zu erstehen. Das Er-
trägnis der Pflanzungen war kaum hinreichend, den Bedarf
der Dorfinsasson zu decken, und diese waren solbst genötigt,
nach entfernter liegenden Marktplätzen (Kitandas) zu gehen,
>) Von Gossypiuin trbortum gt-wonuen.
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Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika
um das Fehlende zu ergänzen. Dafs das Jahr ein Mifsjahr
war, liefs sich auch aus der Beobachtung abloiten, dafs
man unter den zahlreichen uns begegnenden Karawanen,
welche Elfenbein, Kautschuk und Erdnüsse nach Nokki
trugen, zahlreiche halberwachsene und sogar knabenhafte
Gestalten bemerkte, welche unter der Last der Muteta
(Traggestell) zusammenzubrechen drohten. Solche Mifsjahre
sind im Lateritgebiete keine Seltenheit und tragen dazu
bei, den ohnehin geringen Üborsohufs der Geburten Uber
Todesfälle gänzlich aufzuheben , ebenso wie sie zahlreiche
Freie zur freiwilligen Sklaverei nötigen.
Die landschaftliche Öde des Lateritgebietes trat an den
folgenden zwei Marschtagen noch schärfer hervor; nach
Überschreitung der Buschwäldchen in den Thalschluchton
des Majnnde, eines FlUfschons, das vereint mit dem Mavuva
dem M’pozo zueilt, zur Zeit aber, ebenso wio der folgende
Lubulu , Mukulu und Kengele , gleichfalls Zuflüsse des
M'pozo, vollständig ausgetrocknet waren, durchwanderten
wir bis zu dem ersten Tombokodorfo oino völlige Stein-
wüste , in welcher selbst dio genügsamen Campinengräser
kein Fortkommon mehr fanden ; abwechselnd über förmliche
Quarzschotterhalden und ausgedehnte Lateritflächen steigt
und senkt sich der Pfad in ermüdender Monotouio bis zum
Thale des Lukango fort , um unmerklich , aber stetig bei
Kainsa mit 476 m zu kulmiuieron. Jenseits des Kengele
überschreitet man die Wasserscheide zwischen dem M’pozo
und dem bei Kinsao in den Atlantischen Ozean mündenden
Lelundo; alle Rinnsale, wie der M’bumi, M’pambu, Joudo
und Koko Maunsu gehen in südwestlicher Richtung dem-
selben zu. Nach Überschreitung dos Koko Maunse betra-
ten wir ein in geologischer Beziehung neues Gebiet, indem
vorerst in einzelnen blockartigen Massen, später als durch-
gehendes Oberflächengestein ein in Gneifs übergehender
Granit auftritt, der das zum Lukangotbalc sehr steil und
jäh abfallendo Plateau Mongo Kainsa bildet. Der Plateau-
absturz zeigt fast nordsüdliches Streichen des Gesteins und
ist mit grofsen und kleinen granitischen TrümmermasBen
wie besäet. Formationswechsel und Gebirgsbau am rech-
ten Ufer des Lukango sprechen dafUr , dafs wir es hier
mit einer Querverwerfung zu thun haben. Auch in ethno-
graphischer Hinsicht bedeutet das Kai'nsaplateau die Nord-
westgTenze der echten und eigentlichen Muschi-congo, denn
an die 8telle der spitzen Soheiteldächer bei den Hütten der
Bakongo tritt das bogenförmig gowölbte Dach und der
Lehmauwurf dor Hütten wände, wie er die Wohnplätze der
Muschi -oongo charakterisiert. In Maselele, einem kleinen,
ca 20 Hütten zählenden Dorfe, wo wir Rasttag hielten,
waren wir nur 297 m Uber dem Meere und auf der 3-} km
langen Strecke von Kai'nsa bis zur Furt über den Lukango
184 m herabgestiegen. Das Thal des Lukango, hier ca
99
3 km breit, ist auf eiuer Strecko von Uber 10 km im
Westen von dem mauerartig abfallenden Kai'nsaplateau, im
Osten von mehreren Höhenzügen eingosäumt, die, kulissen-
artig angeordnet, nach ORten an Höhe zunehmen, jedoch
nirgends das Niveau des Kainsaplateaus erreichen. Der
zwischen 3 — 5 m hohen Steilufern (Laterit) in Meridian-
richtung nach N fliefsende Flufs war zur Zoit an der brei-
testen Stelle 8 m breit und durchschnittlich 0,4 m tief,
dio Ufurleisten von dichtem Busch eingesäumt. Zur Regen-
zeit wird das FlUfschen ein tosender Wildbach , der das
Thal bis auf 300 m Breite inuudiort und nur schwimmend
oder auf einer Lianen-Hängebriicke bei dem Dorfe Lukango
zu passieren ist.
Den Formationswechsel am rechten Ufer wird man ge-
wahr, sobald man an das Thal des tiof eingeschnittenen
Schimabaches gelangt; die ßchichteufolgo zeigt dichte graue
Kalksteine (jedenfalls alte, vielleicht paläozoische'/) in dün-
nen Lagen und mit ebenen Schichtflächen, mit Kalkthon-
schiefern und Thonschiofern wechsellagernd, d. h. nur bis
zu einer geringen Tiefe, während das Liegende noch allent-
halben von kristallinischen Schiefern gebildet wird. Die
Streichungsrichtung der Schichten ist NNW — SSE , und
fallen dieselben nach W ein. Doch ist die Zone dieser
Kalkstein -Zwischenlagerungen nicht breit, denn schon dio
Sanza Talambanza ist der Masse nach aus Thonschiefer
aufgebaut, welchem Schieferthone und feinzeiliger Laterit
auflagem. Die 60 m tiefe, kaum 150 m breite Schlucht
des Talambanza-Flüfschons gibt in dieser Hinsicht den klar-
sten Aufschlufs. Von dom kloinon Dorfe Talambanza, das
auf dem Kamm des gleichnamigen Höhenzuges liegt, über-
blickten wir das ganze Gebiet bis an die linksseitigen
Tbalrandhöhen dos Lundaflusses in einer Entfernung von
22 km in dor Luftlinie. Nur eine bis 30 m hohe, dem
M'pozoflusse parallele Bodenwelle, aus Kalkmergel und
Kalkstein bestehend, trennt das eigentliche M'pozothal von
dem Luzutbal, ebenso wie nur niedrige, flache Höhen-
rücken, die nach Osten an Höhe zunehmen, die östlich des
Luzu dem Lundaflusse zueilenden Flüfschen voneinander
trennen. Die Streichungsrichtung aller diesor Höhenzüge
nähert Bich immer mehr der allgemeinen und der Küsten-
linio parallelen , NW — SE. Das Thal des M’pozo im en-
gem Sinne ist 5 — 6 km breit und von thonigen Alluvioneu
des Flusses bedeckt; die ausgedehnten Pflanzungen, welche
wir durchzogen, sprechen für seine relativ grofse Frucht-
barkeit. Der M’pozoflnfs selbst, über den hier eine aus
Lianen und Baumstämmen hergestellte Hängobrücko führt,
für deren Benutzung der Prinz des Dorfes M'pozo eine
Mautgobühr erhebt, hat an der Übergangsstelle eine Breite
von 25 — 30 m und hatte zur Zeit 1 — 1- m Tiefe. Ob-
wohl klares Wasser führend, rieten die Eingebornen davon
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100
Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
ab, im Flusse zu baden , der Krokodile halber, welche das
im sanft geneigten Thale ruhig fliefsende Gewässer bevöl-
kern. An den Ufern bestand das unter der Alluvionschicht
liegende Gestein wieder aus dichten Kalksteinen. Eine
eigentümliche, in geologischer Hinsicht interessante Er-
scheinung beobachtete ich in dem 1 km östlich des aktuel-
len M’pozobettes verlaufenden alten Flufsbette des Wakala
Matombe. Tn dem Bumpiigen, ca 400 m breiten, 0,5 — 1 m
tiefen Kinnsale verlaufen zahlreiche parallele Kulksteinrip-
peu in fast regelroäfsigen Abständen von 1 m von NNW
nach SSE, förmlich Geleise bildend, zwischen welohen das
Wasser rascher nordwärts fliefst. Die Grate dieser Kip-
pen sind oft haarscharf abgeachlitTen, während an der Basis
und an den Neigungsflächon durch die Erosion des ehemals
heftig wirbelnden Wassers zahlreiche Trichter ausgehöhlt
wurden. Im ganzen erinnert die Erscheinung an die Ofen
in unsorn Alpen. Die unter ca 28° nach SW einfallenden
Schichten bestehen aus dichtem alten Kalke.
Der Übergang über den folgenden Luzuflufs entrollte
uns das Bild eines kleinen Galerienwaldes, in dessen Schat-
ten der ca 12 m breite und 0,3 — 0,5 m tiefe Flufs mit
4 — 5 m Geschwindigkeit in der Sekunde stark rauschend
über scharfkantiges Goröll, aus Quarz und Kalkthonschiefer-
blöckcn bestehend, nach NNW dahinfiofs. Das klare, wohl-
schmeckende Wasser mit 1 4 ° C. Temperatur bot uns einen
bislang entbehrten erquickenden Trunk. Die folgendo leicht
gewellte Ebene bis zu unserm fünften Lagerplätze Finda-
rnbumbo fand ich mit zahllosen kleinen Eisenoxyd • Konkretio-
nen bedeckt, welche, mit Quurzgeröll vermengt, den Marsch
ziemlich erschwerten. Trotz des scheinbar sterilen Bodens
war die Ebene mit zahlreichen Anona senegalensis-Bäumchen
und wilden Jasminsträuchern, die in vollster Blüte standen,
besäet. Der verbältnismäfsige Wasserreichtum des Gebietes
zwischen M’pozo und dem Lundafiufs schmückt dasselbe auch
mit zahlreichem kleinem und gröfsern Buschwäldorn(N'Finda
der Bafiote), unter denen der aus drei parallelen, ca
3- bis 400 m breiten Waldstreifen bestehende Finda-
rabumbo (d. h. der geheiligte Wald) der bedeutendste Kom-
plex ist, dem wir bisher begegneten. Zu den bereits be-
kannten Bauraformen gesellten sich in diesen Buschwäldern
noch zwei schlankstämmige Ficusarten und der Kotholz-
baum, Baphia nitida, Bowie auch die Hyphaone guincunsis
sich in greiserer Zahl beimengt. Unterholz findet sich
auch hier nicht, hingegen stöfst man namentlich an dem
Ficusbaum und den Bombaceen auf üppiger entwickelte
Schlingpflanzen, unter welchen jedoch Landolphia florida
noch fehlt. Imponierend wirken die fächerartig ausstrah-
londen Wurzolwändo von Eriodendron anfractuosum , aus
welchen der bis zu zwei Drittel der Höhe astloso gerade,
bis 22 m hohe Stamm aufragt. Auch das Tierloben tritt
in diesem Gebiete in den Gesichtskreis dos Reisenden, und
die im Dorfe Findambumbe aufgerichtete Skelettpyr&mide
von Antilopen- und Büfielschädeln, sowie die an den Vorder-
fronten der Hütten als Fetische präparierten Hörner der-
selben sprechen für relativen Wildreichtum der Gegend.
Tbatsächlich hatten wir auch am folgenden Tage den An-
blick einer an einem toichartigen Tränkplatz kaum 100 m
abseits des Weges äsenden Antilope, die erst nach einem
Schüsse das schützende Dickicht dos nahen Buschwaldes
in raschen Sprüngen aufsuchte. Mit Ausnahme der von
Vegetation erfüllten Thalschluchten und Uferleisten ist dio
Tierwelt der offnen Campine die denkbar ärmste ; nur sel-
ten schlägt der Ruf einer Wildtaube an das Ohr, oder
kreuzt eine pfeilschnell sich verbergende Campinenmaua
(oin gesuchter Leckerbissen der Eingebornen, n'kuote der
Bafiote) oder ein Klippschliefer (n'bfsi, plur. sibfsi) den Weg,
selbst nachts läfst sich höchstens der Klageruf des Palm-
mardors (m'pfda der Bafiote) oder das Geheul eines Schakals
vernehmen.
Unerwartete Abwechselung brachte der sechste Marsch-
tag, an welchem wir den Lunda- und LukosBaflnfs über-
schritten und in Lao das Lager aufschlugen. Von Congo
di Lemba (C. dia L. der Muschi-congo) steigt der Pfad
nach Überschreitung des in tiefer Schlucht dem Lunda
zueilenden Bimbabache (Thonschiefer und Kalkthonschiefer
wechsellagernd) rasch zur Höhe von 303 m empor, um
steil zur Lundaschlucht abzufallen. Der Lundaflufs, an der
Übergangsstelle . 35 — 45 m breit und 1 — 2,2 m tief (zur
Regenzeit 5 — 0 m und dann nur Uber eine schwankende
Hängebrücke passierbar), strömt mit 2,5 — 3 m Geschwin-
digkeit in der Sekunde in einem von Kalkstein und Schiofer-
blöcken bedeckten Bette zwischen 30 — 50 m hohen steil-
wandigen Ufcrhöhen in nordwestlicher Richtung. Ein üp-
piger Buschwald säumt beide Ufer und beherbergt nach
der Aussage der Eingebornen sowohl Elefanten wie Flufs-
pferdc und Büffolherdon. Krokodile finden sich erst flufsauf-
und -abwärts, da sie die schnellenreiche Übergangsstelle
meiden. Auf der rechten Uferhöhe angolangt , tauchte in
E 31 N- Richtung der isolierte Gipfel des Ankuanza - Berges
auf, au dessen Fufse der Karawanenweg nach Buuza Ma-
kuta und ein selten begangener Weg nach San Salvador
vorüberführt. Nach Kassierung einer in einem allseitig von
Höhen umschlossenen Thalkessel gelegenen Kitauda wand-
ten wir uns scharf nach SE und S und durchwanderten
eine mit wahrhaft üppiger Waldvegetation (in welcher auch
das Unterholz kräftig entwickelt war) erfüllte Schlucht, in
der wir auf zahlreiche , aus der letzten Regenzeit herrüh-
reudo Elofuntenspuren stiefson. Nach Überschreitung des
am Ende dioser Schlucht in südwestlicher Richtung dem
nahen Lunda zueilenden Lukossa, an der Stelle 15 m breit,
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Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
1 — 1,5 m tief, zwischen thonigen Ufern und über feinon
Quarzkies schwach fiielsend, trat das Lateritgebiet wieder
in alter Schärfe auf und wich erst, nachdem wir in das Thal
ues Masa um Lao hinabgestiogen waren, das von einem
schmalen Streifen Busohwald durchzogen wird, und in wel-
chem das ca 60 Hütten zählende, von einer Prinzessin
regierte Dorf Lao liegt.
Zwischen Lao und der folgenden Lagerstelle N'gulungu
(d. h. Schirrantilope der Bafiote) vollzieht sich ein neuerlicher
Formationswochsol , indem wieder in Gneifs Ubergehender
Granit in zahlreichen Gängen die sekundären Sedimente von
Thon- und Kalkschiefer, der stellenweise wie bei Etawa
und dem Inkimbadorfe I)emho dolomitischen Charakter
annimmt , durchbricht , und der Latent eine graugelbe
Färbung erhält. In den Schluchten der zahlreichen, dun
Dembobach bildenden Wasserrinnsale entwickelt sich auf
den Zersetzungsprodukten des Thonschiefers und Granits
eine üppige Buschwaldvegetatiou, in welcher eine neue
imposante Baumform mit dornförmiger üppiger Laubkrono
und kleinen kannoisinroton Beerenfrüchten (von dun Eiuge-
boruen Taddi-taddi genannt) auftritt. Sohon nachdem wir
den Westrand des von ausgedehnten Maniokpflanzungen (von
den Bewohnern Etadis und N’gtilnngus gemeinschaftlich
bearbeitet) bedeckten Plateaus im Osten des Dorfes Etadi
erklommen hatten, wurde unser Interesse durch eino Reihe
von vier isolierten dunklen Felsenmassen absorbiert, welche
ans der Ferne einem dunklen Buschwalde täuschend ähnlich
sahen. Das vermeintliche unregelmäfsig zerzackte Laubdach
erwies Bich iu einiger Näho als der phantastisch zerklüftete
sägeförmig gezackte Grat einer iu den obern Partien dun-
kelschwarzen Felsmasse, die sowohl die Missionare als Han-
delsleute dazu verleitete, in diesen von Nord nach Süd
streichenden Massen jüngeres Eruptivgestein (Basalt) zu
erblicken. Die nähero Besichtigung dieser von den Eiugebor-
nen Fetisch erklärten Fulsou widerlegte sofort die irrige An-
nahme, denn dieselben bestehen der Hauptsache nach aus
Kalktuffen, welche iu wellenförmig aufgebogenen Schichten
mit Kalkthonschiefern wechsellagern ; die tiefschwarzo Fär-
bung der Oberfläche aber rührte von der vegetativen Docko
von Flechten her, denn an alleu durch Erosion und Ver-
witterung blofsgolegten Stollen trnt das Schmutzigweifs der
Kalktuffe blendend zu Tage. Zahlreiche llohlräume von
geringer Ausdehnung wurden an den steilen Wunden sichtbar,
und konnten zur Annahme verleiten , dafs dieselben als
Grabstätten der Eingobornen verwendet würden, was in-
dessen unstichhaltig sich erwies, da die Begräbnisstätte
am Fufse der dem Dorfe unmittelbar benachbarten Fels-
masse von ca 400 m Umfang liegt. Die Felsen von N'gulungu
sind jedoch nicht die einzigen im Muschi-congo-Gebieto,
welche mir als Basalt bezeichnet wurden, sowohl im Raum
zwischen dem Lukossa - Oberlaufe und der von uns verfolg-
ten Route, als auch südlich derselben längs des Uber
Kimatinga führenden Karawanenweges treten vollkommen
gleiche , isolierte , in meridiotialer Richtung streichende
Tuffmausen auf. N’gulungu, eines der gröfsten, wohlhabend-
sten und reinlichsten Dörfer des Muschi-congo-Gebietes, ans
80 zu 15 von Mingcngo-Zäunen umfriedeten Gehöften ver-
einigten Hütten bestehend , ist auch in ethnographischer
Hinsicht interessant, denn hier trafen wir wieder so wie
an der Loangoküste zwischen Chinchoxo und Loango die
durch ihren offenkundigen semitischen Typus ausgezeich-
neten Mavumbu. Unerklärlich blieb mir dieses Auftreten
besonders darum, da die betreffenden Individuen, der prinz-
lichen Familie angehörig, echte und seit Gedenken im Lande
ansässige Muschi-congo zu sein erklärten.
Nach Überschreitung einiger vom Masa ma N’gulungu
gebildeten, zur Zeit trocknen Rinnsale erklommen wir den
steilen Hang eines Plateaus, auf dem die Dörfer Mavussu
und Buila liegen, stiegen von dor Pafshöhe Mabondo
in 505 n» absoluter Höhe, von wolchor aus San Salvador
schon wahrnehmhar war, iu das sumpfige Thal des Muanga
hinab, und erreichteu uach zweistündigem Marsche am neun-
ten Tage dio Kapitale des einstigen Kongoreiches, Am-
basi oder das heutige San Salvador, wo wir iu der katho-
lischen Mission die gastfreundlichste Aufnahme fanden.
Sau Salvador, die Residenz des Königs von Kongo, Dom
Pedro V., liegt auf einem allseitig von Thulweitungen um-
gebenen elliptischen Plateau, dessen Längsachse N 10
E — S 10 W iu einer Länge von 2,4 km verläuft, während
die gröfste Breite 1,1 km beträgt. Im Süden wird das Pla-
teau von dem mäanderartig gewundenen Lueschi (Luegi)-
Flusse halbkreisförmig umspannt, dessen sumpfiges, 0,5 — 2 km
breites Thal zur Rcgenzoit zum grofsen Teile inundiert wird.
Im Osten treunt der kleine M’bendebach das Plateau von
dem Kialundua- Höhenzuge, im Westen wirdes vomSongho-
baclt begrenzt. Geologisch ist das Plateau von San Salvador
besonders darum interessant, weil es eine isolierte, von alten
Kalksteinen umgebeno Masse kristallinischer Schiefor (Glim-
merschiefer, chloritische Schiefer und Quarzit) ist, an dereu
Oberfläche ein an Eisenoxyd-Konkretionen ungemein reicher,
schlackenähnlicher, grofszelligor Latent in oiner wechselnden
Mächtigkeit von 0,5 — 3 tu auflagert. Im Liegenden tre-
ten massige Gange eines granitischen (dioritischen?) Ge-
steins auf, und aus ihnen treten am Fufse des Plateaus,
sowohl an der Süd- als Ostseite ergiebige und frisches Wasser
führende Quollen zu Tage. Der Abfall des Plateaus ist
entsprechend den nach Westen sanft einfallenden Schichten
au der Süd- und Ostseite am steilsten, und beträgt die
Niveaudiffercuz zwischen dem kulminierenden Südwestrande
des Plateaus und dem Lueschithale bei Samba 164 m, wäh-
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Reisen im Gebiete der Muschi -coDgo im portugiesischen Westafrika.
rend sie nach Westen bin zur Songho -Thalweitung nur
114 m erreicht. San Salvador ist der Sitz einer katholisch-
portugiesischen und einer englischen Baptisten-Mission, und
es bestandon zur Zeit meines Besuches eine französische (die
älteste), eine portugiesische und eine eben in Errichtung be-
griffene holländische Faktorei, während die Gründung einer
englischen in nahe Aussicht gestellt war. Sonst zählt San
Salvador 212, durch zwei Ijingsatrafson und mehrere Quer-
wege (alle durch Mingeuge - Hecken markiert) in Quartiere
abgesonderte Hütton und eine sefshafte Bevölkerung von
neuu Europäern (drei Missionare und Bechs Handelsleute) und
690 — 700 Eingebornen, von denen indoB selten mehr als
die Hälflo ortsanwesend sind, da die übrige Hälfte jahraus
jahrein Trägerdienste versieht. Bei der eminenten Bedeu-
tung San Salvadors als Knotenpunkt aller vom Nordosten,
Osten und Süden nach dem Kongo gravitierenden Handels-
wege beherbergt der Ort eine beständig fluktuierende Be-
völkerung von 3- bis 400 Seelen, so dafs namentlich zu
Zeiten gröfserer Wochenmärkte bis zu 1000 Seelen das
Plateau bevölkern. Die unleugbare Zunahme der Bevölke-
rung des Ortes ist jedoch nicht eine Folge des lokaleu Zu-
wachses, sondern durch Zuzug von aufson (Sklaven und
einzelne Zwischenhändler) bedingt, denn nach Mitteilung
des Pater Barroso war seit mohr als 10 Jahren ein Über-
schufs der Todesfälle über Geburten zu konstatieren.
Raummangels halber raufs ich es hier unterlassen, Uber
König Dom Pedro V. und die Geschichte des Kongorcichos
eine Reihe von bisher unbekannten Dotails anzuführen,
die ich der Freundlichkeit Pater Barrosos verdanke. Von
den aus der Glanzzeit Sau Salvadors im 16. Jahrhun-
dert stammenden Kirohenruinen, von welchen noch Bastian
zu Ende der Fftnfzigerjahre (1857) vieles zu berichten
wufste, ist seitdem wieder ein gut Toil der Vernich-
tung anheimgefallen , indem nach dem erzwungenen Ab-
züge des vou dem energischen Gouverneur Angolas,
d’Andrade, goleiteten portugiesischen Expeditionskorps, an
welches heute noch die trostlose Ruine eiuos bastiouierton
Polygons und dio Gräber einiger ermordeter Offiziere er-
innern, im Jahre 1861 viele Ruinenpartien dem Erdboden
gleich gemacht wurden. Die einzige noch relativ erhaltene
Ruine ist jene der dreischiffigcn Kathedralkircho, in deren
Innern auch die Begräbnisstätte dor Prinzen und Herr-
scher der regierenden Dynastie angelegt wurde. Auch
von der zur Zeit Bastians blühenden Gemüsekultur und
dem allgemeinen Wohlstände überhaupt ist zur Zeit nur
wenig mehr walirzunohmen. Dio Erfolge der Missionsthätig-
kuit sind, objoktiv beurteilt, sehr gering. Äufserlich ist es
wohl der katholischen Mission gelungen , in San Salvador
selbst den König und einon Teil der Bevölkerung zur An-
nahme der Taufe zu bewegen und in der südlich von San
Salvador sich ausbreitenden, landschaftlich bevorzugten Ge-
gend Marimba eine Filialschule zu errichten, und im ganzen
innerhalb 4 Jahren ca 2000 Taufakte vorzunehmen, doch
bosohriinkt sich daB Resultat der Bekebrungsversuche ledig-
lich auf dio gelungene Abstellung der vorher grassierenden
barbarischen Ordalien, während alle Versuche, der Poly-
gamio zu steuern, vollkommen scheiterten. Immerhin mufs
der katholischen Mission , welche mit sichtlichem Erfolge
bemüht ist, ihre Zöglinge (zum grofsen Teile den Sklaven-
händlern durch Kauf abgewonnene Kinder aus den Makuta-
und Zombolandschaften) zu regelmäßiger Arbeit und zum
Foldbau zu erziehen und ihnen einen brauchbaren Elemen-
tarunterricht zu erteilen, der überwiegendst gröfsoro Teil
des bisher Erreichten zugeschrieben werden , während die
Baptisten-Mission trotz gröfserer Geldmittel selbst über die
schüchternsten Versuche eines Erfolges nicht hinausgekom-
men ist. Die Existenz zweier in konfessioneller Hinsicht
trotz aller scheinbaren Toleranz gegnerischen Missionen
an eiuom Orto wie San Salvador mufs überhaupt als grofser
Übelstaud bezeichnet werden und fördert nur dio egoisti-
schen Zwecke des Königs, welcher mit der dom Negor an-
gebornen Schlauheit vortrefflich eine Mission gegen die
andre ausspielend die ausgedehntesten Vorteile daraus zieht.
Politisch steht der König, dessen Macht eine rein nomi-
nelle ist, ganz unter dem Einflüsse Portugals, als dessen
Vasall er sich auch betrachtet.
Nach einigen Rasttagen wandten wir uns von San Salva-
dor nnch Süden, um nach den Kupferminen von Bombe zu rei-
sen. Wonigo Wogstundon nach Überschreitung dos Lueschi,
der selbst hier in beträchtlicher Entfernung vom Kongo
zur Regenzeit noch Flußpferde und Krokodile behorbergt,
an der Übergangsstelle (Hängebrücke) 7 m breit, 1 — 1,5 in
tief ist und in tief eingeschnittenora Botte fliofst (Thon-
schiefer anstehend), gewinnt dio Landschaft einon weit
anmutigem Charakter; die bisher offene Campino wird mehr
geschlossen, kleine Buschwäldchen und lichte Bestände von
Lolo-Räumen und Anona senegalensis und Anacardium occi-
doutulc (Acajou) wagen sich aus den Schluchten auf die
Thalränder empor, die Gegend erscheint auch dichter bovöl-
kert, die Dörfer, namentlich jenseits des N’Koko (dom Lueschi
tributär) , zahlreicher und reinlicher gehalten , die Pflan-
zungen ausgedehnter und nähor aneinander rückend.' Südlich
vom Dorfe Kimpangu erklimmou wir ein breites und über
den Lunda nach Süden reichendes Plateau, auf welchem
die Schluchten der Rinnsale woit flacher vertieft sind und
die dem Plateau aufgesetzten Erhebungen nur mäfsigen,
meist in moridioualer Richtung streichenden Rodenwelleu
gleichen. Die Formation ist jonor zwischon Lao und N'gu-
lungu vollkommen gleich, auf Thonschiefer ruhen hier, zu
mächtigen Bänken entwickelt, Kalkthonschiefer und alte
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Reisen im Gebiete der Muschi- congo im portugiesischen Westafrika.
Kalksteine auf, ca 25° nach Westen einfallend; Latent
tritt nur lokal, namentlich am Nordabfalle des Plateaus
und am Abstiege zum N’koko vor dem Dorfe Kiascbi auf,
ebenso spater nach Überschreitung des Kukutu, wo man
die kulminierende Partie des Plateaus in 685 m absoluter
Seehöhe erklimmt, und endlich am Abstiege zum obern Lunda-
thale. Der eben nbgehaltene Wochenmarkt zu Kenghe Kitanda
gab uns, abgesehen von dem Bilde bunt bewegten Lebens,
die Gelegenheit, gröbere Einkäufe an Provisionen zu
'machen und von eingebornen Zwischenhändlern ein aus-
führliches Itinerar von Ambriz nach San Salvador zu
erkunden, das zwischen der Route Grandys und Dr. Bastians
auf noch unerforschtem Gebiete verläuft, auoh wurde mir
bestätigt, dafs die Quellen des Lueschi, N’koko und Lunda
auf einem leicht gewellten, von zahlreichen PapyTossümpfen
bedeckten Plateau eine kleine Tagereise östlich des Markt-
platzes liegen, und sowohl der Lunda als Lueschi beim Ver-
lassen des Plateaus kleine Fälle bilden. Ln Buschwalde,
der das Dorf Kiaschi umgibt, trafen wir im Dickichte des
Unterholzes die wildwachsende Ananas in grofsen Massen,
ebenso eine Akazienart, deren Fruchtschoten von den Eiu-
gebornen als Spielzeug verwendet werden, indem dieselben,
an einem Faden befestigt und in lebhafte Rotation versetzt,
ein dem in Drehung versetzten Hohlkroisol ähnliches Ge-
räusch erzeugen. — Als Wertmesser bei allen Tauschgeschäf-
ten im Musobi-congo-Gebiete gilt nicht wie am Kongostrom
das panno, sondern die oktaedrisch geschliffene dunkel-
blaue Matarperle, zu je Hundert an Faden angereiht; süd-
lich von San Salvador und auf dem Zomboplateau hingegen
tritt eine dunkel -karminrote, olivenähnliche Schmelzperlo
(Missanga) auf, deren Wert sich zur Matarperle, wio 5:1
verhält.
Von Kiaschi ab wird die Richtung des Weges siidsiid-
östlich, und führt derselbo wiodorholt wio boi dem Dorfe
Sengene und südlich des Dorfes Lombo durch breite mit
Papyros antiquorum dicht bestandene Sümpfe, welche zur
Zeit wohl zum gröfsten Teile trocken lagen, zur Regenzeit
aber bis Schulterhöho inumliert sind. Die Wasserscheide
zwischen den kaum merkliches Gefälle zougonden Zuflüssen
des N’koko und Lunda, eine schwach undulierte Hochfläche,
überschreitend, holte uns der von San Salvador mit der
Post aus Europa und M’Boma nachgesendete Bote ein, und
nötigten mich die erhaltenen Nachrichten, den Plan nach
Bembe zu gehen aufzugeben und in kurzer Zeit nach
M’Boma zurückzukchren. Da Don Alvaro, ein Sohn des
Königs von Kongo und Lehrer an der katholischen Missions-
filiale in Kinganga, von unsrer Durchreise avisiert war und
uns erwartete, entschlofs ich mich, noch bis Kinganga vor-
zugehen und nach einer kurzon Exkursion zum obern Lunda-
tbale den Rückmarsch anzutreten. Um eiue orientierende
Fernsicht Uber das ganze Gebiet zu erhalten, bestieg ioh
den isolierten, in der Masse aus Diorit aufgebauten Höhen-
zug von Kidilo, von dessen Höhe man mit dem Fernrohre
das Plateau von San Salvador deutlich wahrnehmen konnte,
und der Landschaftscharakter des Marimbagebietes klar zum
Ausdruck kam. Im Süden und Westen begegnete das Augo
ausgedehnten, die Hänge und Rücken der langgestreckten
Höhenzüge bedeckenden dunklen Waldmassen; namentlich
am rechten Ufer des Lunda erstreckt sich die Waldmasse
geschlossen vom Bumbawalde bis Uber den Khonkowald
hinaus. Im Osten und Nordosten reiht sich otagenartig
Buschwald an Buschwald , den Banft geböschten Hang des
Quellplateaus des Lunda hinan, in den muldenförmigen Thal-
weitungen dehnen sich allenthalben von Papyros bestandene
Sümpfe aus, zahlreiche Dorfkomplexe lugen aus den Wald-
lisieren heraus. Einzelne dieser Dorfkomplexe, wie z. B.
Banza Khonko , bestehen aus 30 Einzeldörfern , die auf
einor Fläche von nur 4 qkm verstreut sind. — Grofse und
wohlgepflegte Pflanzungen umgeben die Dorfanlagen , und
nebst Maniok, Erdnüssen, Uandubohnen trifft man auch
Tabakfelder, die ein ganz brauchbares, selbst dem Europäer
zuträgliches Kraut liefern. Tn den Buschwäldern der Um-
gebung von Kinganga, das auf einer fruchtbaren Lichtung
am linken Ufer des dem Lunda tributären Vula Ijomba liegt,
stofsen wir auch zum erstenmal auf die Kautschuk spendende
Liane Landolpbia florida.
Das 6,5 km im SW von Kinganga verlaufende Lunda-
thal, von einem üppigen Galeriewald erfüllt, hat an der
Übergangsstelle eine Breite von 150m, der Flufs selbst
ist 10 — 12 m breit und zur Zeit 0,2 — 0,7 m tief, Dimen-
sionen, welche nach den Hochwasserzeichen an den Bäumen
zur Regenzeit zu 50 m und 4,6 m anschwelleu müssen und
darzuthun geeignet sind, dafs die Regenmengen hier jeden-
falls gröfser sind als an der Küste. Das Bett des Lunda-
flusscs fand ich an der Übergangsstelle nach Banza Khonko
546 m Uber dem Meere, ob besitzt der Flufs daher auf der
nur ca 100 km langen Strecke bis Congo di Lemba ein Gefälle
von 322 m. Nach den Mitteilungen des Pater Pereira,
welcher im August 1883 auf einem Papyrosflofse die Fahrt
von D’antoina bis Congo di I^emba in Gemeinschaft mit dem
französischen Handelsmann Protche ausgeführt, fliefst der
Lunda über ein felsiges, von Schnellenreihen durchzogenes
Bett zwischen mit undurchdringlichem Urwalde bedeckten
Ufern hin , die von Elefanten- und Büffelherden bevölkert
werden , aber fast jedor menschlichen Ansiedelung ent-
behren.
Nach San Salvador znrückgekehrt , entschied ich mich,
in Begleitung des Pater Pereira vor meiner Rückkehr nach
M’Boma noch die Fälle des M’Brische und das Zombopla-
teau zu besuchen , die an hellen Tagen von San Salvador
104
Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
in N 85 E selbst mit unbewaffnetem Auge wahrnehmbar
sind. Die sechstägige Exkursion erwies sich als sehr er-
gebnisreich und machte mich wohl mit dem landschaftlich
schönsten Teile des Muschi -congo -Gebietes bekannt. In
geologischer Hinsicht ist das durchmessene Gebiet von San
Salvador bis an den M’Brisohe und selbst bis Banza Zulu aus
sekundären Sedimentgesteinen aufgebaut, und in fast un-
mittelbarer Nähe von San Salvador auf dom waaserschei-
denden Höhenzuge zwischen Lueschi und Luunza (dom Luvo
tributär) sind Kalksteine und tiborgelagerte schieferige Thone
vorherrschend. Tektonisch und landschaftlich lassen sich
drei Abschnitte unterscheiden. Der erste bis zum Höhen-
zuge von Kintina, der den Südwostrand einer Plateaustufe
bildet, diu bis zum Luvoflusse reicht, und in wolchem die
vogotationsarmo offene Cnmpine mit öder Steinwüsto ab-
wechselt; der zweite, aus der eben begrenzten westlichem
und hohem und der östlichem bis an den Fufs des mauer-
artig steil abfallenden Zomboplateaus sich erstreckenden,
wenig niedrigem Platoaustufe gehildet. Auf der westlichen
Stufe sind die Zuflüsse des Luvo schluchtonförmig und. tief
eingeschnitten und von dichten Buschwäldern begleitet;
sämtliche Höhenztige folgen der allgemeinen Streichungs-
richtung NW — SE. Das geringe Gefälle der Flüsse deutot
darauf hin, dafs dus Platoau sich in fast gleichem Niveau
jedenfalls weiter nach NW fortsotzt; auf der östlichen
Plateaustufe ist die Streichungsrichtung der wenigen Boden-
wellen eine nahezu meridionale, die Rinnsale nur mäfsig
vorteilt mit sanften Böschungen , thonige Sande bodecken
grofse Flächen, ebenso wio Papyros-Sütnpfo. Die offene
Campine waltet vor, ohne indessen den sterilen Charakter
wie jene westlich des Lukango zu haben ; lange, sanft ge-
böschte Abdachungen treten an Stelle der steilen Abfälle
der westlichen Stufe. Als dritter Abschnitt endlich folgt
das wandartig, 300 — 370 m zur Thalebeno des M'Brisohe
abstürzende, aus Diorit aufgebaute Zomboplateau , dessen
Westrand eine von NNE nach SSW verlaufende Broch-
liuio im Aufbaue des westafrikanischen Hochplateaus be-
zeichnet. Von den während dioser Tour überschrittenen
Flüfschen sind, vom M'Brische abgesehen, der 15 — 18 m
breite und bis 1,2 m tiefe Tenda, und der 4 — 5 m breite
und 0,5 — 1 m tiefe Luvo, der selbst noch in der Seehöhe
von 502 m zur Regenzeit Krokodile boherborgt, die einzig
nennenswerten, alle übrigen führten zur Zeit nur in Lachen-
reihen Wasser.
Eine als Strafsenknotenpunkt und in kommerzieller Hin-
sicht wichtige Stello ist dio Kitanda de Lombelo , der
gröfste Kautschukmarkt bzw. -börse dos ganzen südlich
vom KoDgo gelegenen Freiliandelsgebietos, an welchem sich
monatlich ein- bis zweimal die gesamten Zwischenhändler
und Corradores (eingehorno Handelsagenten der Faktoreien)
zuBammenfinden und Geschäfte abschliefsen. Vod hier füh-
ren die Karawanonwcge sowohl nach der Landschaft Ma-
kuta und M'pumbu (südlich von Stanleypool), als auch nach
dem Kuango und der Landschaft Kusso Uber das Zombo-
plateau. In frühem Zeiten dionto der von einer üppigen
Gruppe von Taddi-taddi - Bäumen beschattete grofse Platz
auch als Richtstätte, wofür noch manche an den Asteu
bleichende Schädel sprechen. Auch sollen zu jener Zeit
die Muschi -congo insofern Authropophagun gewesen sein,
als die Familie des Gerichteten genötigt wurdo, zur 8ühne
einige Bissen von der Hand des Opfers zu vorschlucken,
eine Mitteilung, die mir auch von Pater Barroso als glaub-
würdig berichtet wurde, mir aber trotzdem unverbürgt
erscheint.
Ein 300 m breiter Waldstreifen , der Aufenthalt zahl-
reicher Affen, säumt die Ufer des an der westlichsten Über-
gangsstelle zwischen flachen Ufern und in einem kies-
grundigen Bette stark strömenden (3 m in der Sekunde), 22 m
breiten, 0,7 m tiefen M’Brische, der sich kurz vorher scharf
nach SW gewendet hat. Dichte , bis in die vom Zombo-
plateau gebildete halbkreisförmige Bucht zur Thalsohle
herabhängende Nebel verhüllten uns am 19. September
den Anblick des nahen Falles, dessen Rauschen wir schon
im Dorfe Banza Zulu, dessen Fetischhütte im Lande grofsen
Ruf genief8t, vernahmen; erst als wir das Dorf Lungesi
erreicht hatten, hob sich der Nebel und eröffnete uns die
Aussicht auf don imposanten Wasserfall, dessen dritten und
gröfsten Abschnitt ich auf trigonometrischem Wege von
Lungesi ans zu 62 m Höhe bestimmte. Dor Fall liogt im
innersten Winkel der erwähnten halbkreisförmigen Bucht,
als deren Aufsenpfeiler im Süden der 1040 m hohe Sukun-
tentole-Berg, im Nordwesten der 760 ra hohe Kinsondsclii-
Berg sich erheben. Die mauerartig auisteigendo Wand die-
ser Bucht ist fast durchgehende, namentlich im Mittelstücke,
von üppiger Baum- und Strauohvegetation bedeckt, und
louchtet auf diesem dunklen Grunde das schneeige Band
des M’Brischefalls um so heller, während der Staubregen
und die aufsteigenden Wasserdünsto des unter 80* Neigung
schräg herabstürzenden Falles dio dunklen Laubmassen
im Grunde der Kesselsohle verschleiern. Der Aufstieg
zu den um Plateauraude inmitten eines Hains von Ol- und
Fächerpalmen gelegenen grofsen (75 Hütten) Dorfes Kizulu
erforderte über eine Stunde und vollzog sich in der obern
Hälfte über eine RieBen-Felstreppe von 1 — 2 m hohen Stufen-
absätzen. Im Dorfe wies das Aneroid 676 mm und das
Schleuderthermometer 22* C. (12 Uhr mittags).
Der M’Brischeflufs entspringt in dem 18 km von Kizulu
entfernten, „Fetisch* gehaltenen Ntoankoko-Bergen aus zwei
Quellen, an wolcho Leoparden und Wildkatzen zur Tränke
gelieu und die daher von Antilopen gemieden worden ; sein
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Reisen im Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
Gefalle bis ca 30 m östlich des Plateaurandes ist relativ
gering, wie die Strömungsgeschwindigkeit zeigt. An der
ersten Fallkante liegt der zur Trockenzeit 10 — 12 m breite
bis 0,8 m tiefe Flufs 908 m liber dom Meere, fallt zunächst
3 in tief unter ca 60° Neigung auf eine ca 6 m breite
Dioritplatte und über diese zweite Fallkante 17 m tiof auf
eine unter ca 25° geneigte Felsplatte, welche die dritte
und Hauptfallkante bildet, Uber welche das Wasser in einem
geschlossenen Strahle 62 m tief, in einer Breite von 7 m
herabstürzt. Zur Regenzeit, wo der Flufs an der obersten
Fallkante 22 — 25 m breit ist und nach der am Felsen beob-
achteten Hochwassermarke 2,5 m Tiefe besitzt, mufs die Er-
scheinung des Falles eine weit imposantere sein. Unter-
halb des Hauptfalles hat sich das Wasser einen bis 4 m
tiefen Kessel auf einer Felsstufe ausgehöblt und stürzt sich
in acht gröfsern und kleinern Kaskaden und oinor ununter-
brochenen Reihe von Schnellen bis zu dem Punkto herab,
wo der Flufs sich in zwei Arme spaltet, von welchon der
schwächere Muana M’Rrische (Sohn des M’Brische) heifst.
Dem südlichem Hauptarme gehen der fast ebenbürtige
Diaono und der Pasassa zu, welche beido in mehreren kleinen
Fällon von den Abhängen des Sukuntentole- Berges herab-
stürzen. Erst nach der Vereinigung der beiden M’Brische-
arme mäfsigt sich die Geschwindigkeit des Flusses, und
gewinnt or rasch an Breite und Tiefe. Die Temporatur
des Wassers oberhalb der Fälle betrug am 20. September
16° C. , an der Mündung des Pasassa 11° C. Die Ge-
samtfallhöhe des M'Brischc von der ersten Fallkante bis zur
Einmündung dos Pasassa beträgt aber 356 m (Comber
schätzte sie zu 400 engl. Fufs).
Nach Osten steigt das Plateau von Zombo äufserst sanft
an , und Uborragen die Bodenwellen , welche in Nordsüd-
richtung dem Plateau aufgesetzt sind, das allgemeine Niveau
nur um 20 — 50 m. Der landschaftliche Charakter dos Pla-
teaus in Sehweite war die ofTenc Campino mit isolierten
kleinen Baumgruppon , unter welchen ich nach längerer
Unterbrechung wieder den Baobab wahmahm. Nächst dem
Sukuntentole ragon am Plateaurande der ca 1006 m hohe,
vom Dorfe gleichen Namens gokrönte M’Banguberg 5 km
N23W und der ca 970 m hohe Wambaborg über das
Plateauniveau auf.
Die 190 — 200 Soolon zählende Bevölkerung von Kizuiu,
deren Dialekt selbst den Musohi-congo seiner Guttural-Laute
halber schwer verständlich ist, stehen im schlechten Rufe,
grofsc Diebe zu sein, und auch ich machte diese Erfah-
rung. Überraschend war mir dio Beobachtung mehrerer
Fälle von Hypertrophie der Schilddrüse bei Dorfinsassen.
Fieber ist unter ihnen äufserst selten, häufig hingogen
skrophulöse Krankheitsformen und namentlich hartnäckige
Hautkrankheiten und fressende Geschwüre, lotztere hervor-
IVt ermann« Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft IV.
gerufen durch den Sandfiob, dessen Vorkommen ich konsta-
tieren konnte.
Nachdem das Wetter nach mehreren Tagen bedeckten
Himmels sich glücklicherweise am Abend des 20. Septem-
ber aufgeklärt batte, konnte ich an die astronomische Posi-
tionsbestimmung dieses äufsersten von mir im Osten er-
reichten Punktes gehen und trat am folgenden Tage den
Rückweg Uber San Salvador und Nokki nach M’Boma an,
mit einigen geringfügigen Abweichungen den auf der Hin-
reise gewählten Weg verfolgend.
Die grofse, zumeist zu Überschätzung führende Un-
sicherheit in den Angaben der Forschungsroisonden Uber
die Bevölkerungszahl und Volksdichtigkoit tropischer afri-
kanischer Gebiete, hat mich bewogen, nebst dem rein geo-
graphischen Teile speziell der Bevölkerungsstatistik eine
besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, und habo ich mich
dor Mühe unterzogen, nicht nur dio Hütten sämtlichor von
mir selbst passierten Orte zu zählen , sondern von den
Eingebornen sämtliche 5 km zu beiden Seiten der Route
liegende Orte und ihre Gröfse (Hüttenanzahl) zu erkunden.
Für die von mir selbst berührten Ortschaften kann ich die
Bewohnerzahl als höchstens zu 2 Prozent schwankend be-
zeichnen, für die erkundeten, zum grofson Teile aus der
Ferno gesehenen, mag der mittlere Fehler mit 8 — 10 Pro-
zent angesetzt werden dürfen. Erwägt man nun, dafs
z. B. in einem 40 Hütten zählenden Dorfe durchschnittlich
15 — 20 Proz. der Behausungen toils als Fotischhütten, Vor-
ratsräume , Beratungsraum , Gasträumo für durchziehende
Europäer oder Eingeborne von Rang unbewohnt bleiben,
so läfst sich in Berücksichtigung des durchschnittlichen
Familienstandes von 3—4 Köpfen (dio Polygamio ist unter
den Negern obenso wie im Orient de facto eigentlich in-
nigst mit der Wohlhabenheit des Mannes verknüpft und
nur Ausnahme und nicht Kege), wovon ich mich unter den
Bafiote - Stämmen überzeugt habo) por bewohnte Hütte mit
ziemlicher Genauigkeit die sofshafte und ortszuständige
Bevölkerung berechnen, wovon die ortsanwesendo , d. h.
die woit geringere, wohl zu unterscheiden ist. Mit Aus-
nahme von San Salvador, dossen ortsansässige Bevölkerung
690 — 700 Seelen (inkl. Europäer) beträgt, sind Dörfer, wie
Vunda, Lao, N’gulungu, Gozella Vondemba, Banza Go-
zclla, Funkilla, Muinga, Banza Tandn und Kizuiu mit
mehr als 50 Hütten im ganzen Muschi - congo - Gebiete sehr
gering an der Zahl ; die durchschnittliche und häutigst wie-
derkohronde Hüttenzahl schwankt zwischen 20 und 30, ihre
zuständige Bevölkerung daher mit Rücksicht auf die erwähnte
Beschränkung zwischen 64 und 96. Auf Basis dieser Annahme
finde ich als Bevölkerung der 1520 qkm bedeckenden Fläche
zwischou Nokki und San Salvador (dieses mit inbegriffen)
62 Ortschaften mit 2074 Hütten und 6521 Einwohnern.
14
10.'’»
Reisen in» Gebiete der Muschi -congo im portugiesischen Westafrika.
Um einer Unterschätzung vorzubeugeu, schlüge ich als
Bevölkerung isolierter Hüttenkomplexe (Inkimba- Hütten,
temporär bewohnte Jäger- uml Pflanzungshutten , Fischer-
hütten &c.) 10 Prozent der Gesamtsumme hinzu, woraus
sich die Summe von 7173 Einwohnern ergibt, nnd mithin
4,8 per qkm. Berechnet mun auf derselben Basis die Be-
völkerung der Umgebung San Salvadors im Umkreise von
10 km, so erhält man 11 Ortschaften mit 547 Hütten und
einer Bevölkerung von 1804 Seelen, d. h. 18 Seelen
per qkm. Für die 320 qkm bedeckondo Fläche zwischen
San Salvador und Kimiala (die Bevölkerung des ersten
Ortes mit eingerechnet) 34 Ortschaften mit 1102 Hütten und
3606 Einwohnern, d. h. 11,2 per qkm, endlich für die
Flächo zwischen San Salvador und Kizulu 620 qkm (in-
begriffen San Salvador) 61 Ortschaften mit 2008 Hütten
uud 6083 Einwohnern , daher 9,8 per qkm. Diese Zahlen
mögen hinreichen , um die Unzulässigkeit einer oberfläch-
lichen Schätzung afrikanischer Volksdichtigkeit zu zeigen.
Vereinigt man unter Eliminierung dor wiederholten Ziffer
für San Salvador diese Zahlen zu einer Gesamtsumme, so
erhält man für die 2460 qkm bedeckende Gesamtfläche
16 862 Einwohner uud daher 6,9 per qkm. Ähnliche, nur
einigermafsen genau vorgenommene Zähluugsvcrsuche wür-
den z. B. für den Kongostaat weit geringere Zahlen er-
geben, als mau unch Stuulcys Angaben anzuuehmen geneigt
war. Dafs diese Durchschuittszifler nicht zu niedrig zum
mindesten für das ganze westafrikauische Frcihandelsgehiet
bis Stanloypool ist, mag daraus hervorgehen, dafs sich die
von mir ermittelton Zuhleu auf eine der belebtesten Kara-
wanenrouten beziehen, längs welcher sich die Bevölkerung
naturgemäfs verdichten mufs, und dafs sowohl zwischen
dem Lukossa und Donibe, als auch längs' des Lundaflusses
grofso unbewohnte Wildnisse sich ausdehnon.
Es erübrigt mir noch , schliefslich einige Worte Uber
die Konstruktion der Karte des Muschi-congo-Gebietes hin-
zuzufügen. Die Karte beruht auf folgenden von mir astro-
nomisch bestimmten Punkten ') :
N’kimgolo 5° 44' 1" S. Br., 13° 38' 41* E. r. (Ir.
Xokki 6 44 22 , —
Vivi 5 4t 7 „ 13 42 33 „
') Als Instrumente standen mir ein kleines UmreraHnstiuuieiit ton
Nenhi'fot in Wien, ein Seitant (Segretti-Zambn» in London), ein« Azinint-
bnssole, rarei An«roido von JJcnhofer in Wien und Thermometer von
Uaudin in I’aris zur Verfettung.
Wunda 5° 48' 14’ S. Br„ — E. v. Gr.
Eins« 5 54 49 , —
Toroboko njitnqo . . . 6 2 58 „ —
Maseleli- 6 8 58 , 14 4 18
Eindambumbe ■ ... 6 11 43 , —
I-ao 6 13 39 „ 14 28 57
N’ffulungu 6 16 14 » —
San Salvador .... 6 20 10 - 14 47 18
Kiascbi 6 29 39 „ —
Eingang 6 36 19 . 14 51 8
Luquaqua 6 14 20 ■■ —
Kizulu 6 17 14 „ 15 18 56
Sämtliche Breiten wurden aus deu beobachteten Stern-
kulminationen abgeleitet , die Längo von N'kongolo , San
Salvador, Kinganga und Kizulu aus beobachteten Mondhöhen
und Monddistanzeu, die übrigeu Langen aus Monddistanzen
berechnet. Der mittlere Fehler einer Breitenbestimmung
ergab sich zu 10", einer Längenbestimmung dor ersten
Keihe zu 26', der übrigen zu 1,5 Minuten. Alle barome-
trischen Hühenmessungen basieren auf korrespondierenden,
fünfmal des Tages angestellten Luftdruckbeobachtungen an
einem Fortinschen (Jnecksilberbarometer des meteorologi-
schen Observatoriums zu San Salvador; ein Teil von Gipfol-
höhen (im Abschnitte Vivi und Kizulu) wurde auf trigono-
metrischem Wege bestimmt. Wo immer nur es thunlich
war, wurden Peilungen vorgenommen, und so die Lage von
Punkten auch aufscrhalb des eignen Itinerars festgelegt.
Bezüglich dor Anpassung fremder Itineraro an mein eignes,
ist zu bemerken , dafs Combers Boute von San Salvador
nach Banza Khouko von diesem östlich meiner Route ver-
legt, thatsächlich um den entsprechenden Distanzunterschied
(Längenunterschied) nach Westen zu liegeu kommt, uud
hei Comber eine Verwechselung von SSW und SW mit
SSE uud SE stattgefunden hat. Die Position von Vivi
erleidet den altern Bestimmungen gegenüber eine Verschie-
bung nach West, und zeigt sowohl in Breite als Lange
nicht unbedeutende Unterschiede gegen Ivens und Stanley
(Ivens 5° 35' 52" S. Br., 13° 53' 25" E. v. Gr. Stan-
ley 5° 48' 50' S. Br., 13° 35' 19" E. v. Gr.): gering-
fügiger ist die Verschiebung San Salvadors in der Breite
(Ivens 6° 18' 5") und Länge (Ivens 14° 46' 30"), hin-
gegen ist die Längo nach Lannoys Karte (14° 52' 29”)
und Kieperts Karte der Routen von Schulze und Dr. Wolff
(14° 41' 5") um 5 und 6 Minuten verschieden; in der
Breite und Situation erleidet auch ferner Kizulu eine we-
sentliche Verschiebung.
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107
Die hydrographische Zubehör des äquatorialen Muta Nsige.
Von Alfred Kirchhoff.
Es werden erst demnächst zehn .Iah re , dafs wir über
die Ausdehnung des Mwutnn Xsige oder Mnta (Luta) Nsige
unterrichtet sind, den wir zum Unterschied von dem süd-
licher gelegenen gleichnamigen Seebecken unter dem Äqua-
tor besser als Albert- See bezeichnen. Im April 1876 be-
fuhr nämlich Gessi im Auftrag von General Gordon-Pascha
diesen See von Magungo im Nordosten, an der Einmün-
dung des Weifsen Nil , des hier so genannten Somerset-
Flussos, bis zum ganz flachen Südwestende, welches er zu
1* * 10' N. Br. bestimmte. Seitdem sehen wir den Albert-
See auf unsern Afrikakarton als einen ausschliefslich nord-
hemisphärischen Speiser des Nil; man setzte ihn als Quel-
lensammlcr dem Viktoria- See gleich. Ernst Behm schrieb
damals: „Es unterliegt also nunmehr koinem Zweifel mehr,
dafs der Ukerewe-See oder Victoria Nyanza und der Mwu-
tan odor Albert Nyanza dio Quellseen des Nil sind“. Noch
heute pflegt man an jenor Sudwestspitze des Albert- Sees
das Nilgebiet gon SUdwest wio mit einer Sackgasso endi-
gen zu lassen.
Selbst das klassische Kartenwerk Ravensteins („Map of
the Eastern Equatorial Africa“, London 1882) stellt das
Siidwestcndo des Soes so geschlossen dar, wie es Gessi
beschrieb. Letzterer fuhr mit soinen zwei Eisenbarken so-
weit wie möglich gegen das Seeondo zu, fand sich aber
zuletzt durch eiu dicht mit Ambatschbäumen bestandenes
Sumpfterraiu au dor Weiterfahrt gehindert. Das Ambatsch-
dickicht verwischte dio klare Abscheidung von Wasser und
Land , die Barken fuhron bei oiuer Wassertiefo von nur
2 — 2± Fufs (0,61 — 0,76 m) auf den Grund, und selbst mit
den kleinsten Kähnen der Eingebornen konnte man sich durch
das enge Gewirr des Amhatschgürtels nicht mehr durch-
arbeiten. Das Wasser daselbst war von schwärzlicher Farbe
und untrinkbar, der Grund jedoch sandig, eine Strömung
nicht bemerkbar. Gessi beobachtete zwar vom Bootsmaste
aus, dafs jenseit des Ambatsohwaldes sich eine weite grüne
Ebene bis an den Fufs der Gebirge erstreckte, welche die
beiderseitigen Borgufor des Sees über dessen Siidwest-
ende hinaus fortsetzten ohne zusammenzuschliefsen,
vielmehr eine Thal Öffnung zwischen sich las-
send; indessen er war zufrieden, als er danach auch vom
Häuptling des Ortes Matungolo hörte, jenseit dos Ambatsch-
gürtels folge Sand und Gebüsch, doch kein Flufs münde
dort ein. Demnach galt es für ausgemacht, dafs der Albert-
See nur einige seitliche Zuflüsse empfange, im übrigen
auf die Regen angewiesen sei, die allerdings „zur Zeit der
Stürme“, eben im April, so massenhaft sich ergiefsen, dafs
Gessi von zwanzig solchen Tropeuergüssen des Tages und
ebensovielen während der Nacht redet.
Allzu unbeachtet ist aber geblieben, dafs im nächstfol-
genden Jahre bereits unsre Kenntnis über die in Rede Bte-
honden hydrographischen Verhältnisse eine wichtige Er-
weiterung erfuhr. Oberst Mason - Bei entdeckte bei soinor
Umfahrung des Albert- Sees auf dem Dampfer „Nyanza“
(14. — 19. Juni 1877) einen 400 m breiten Flufs*), der
seine rötlichen Gewässer von Süden lior in sehr matter
Strömung dem See unter 1 ° 1 1 ' 3' N. Br. raittoilto. Die-
sen breiten roten Flufs übersehen auch unsre neuern Kar-
ten so gut wie allgemein. Und doch kann es gar keinem
Zweifel unterliegen, dafe dieser Flufs, welcher Gessi ent-
gangen ist , durch seine SinkstofTo den Albert • See an sei-
nem Südwestende so stark vorseichtigt, der Albort-
See mithin als Durchflufssee gedeutet wer-
den ra u f s und auch von der Regel der Deltabildung bei
Durchflufsseen an der Aufnahmestolle des durchziehenden
Flussos keine Ausnahmo bildet. Woher kommt nun dieser
geheimnisreiche rote Flufs, den noch kein Forscher befah-
ren hat?
Unsre heutigen Karton lenken die Blicke dessen , der
diese Frage beantworten möchte, auf jenen anscheinend viel
gröfsern See, welcher zwar ebenfalls Muta Nsige gleich
dem Albert-See benannt zu werden pflegt, aber, wie wir jetzt
bestimmt wisson, ein selbständiger See ist. Stanley wurde
bekanntlich dor Entdecker diosos Sees, ohne sich dossen wäh-
rend der Entdeckung selbst bewufst zu soin. Er gelangte
im Januar 1876, als er auf seinem Westzuge von Uganda
aus den Albert-See erreichen wollte, in der That un einen
mächtigen Seospiegel nahe dem Äquator (etwas südlich des-
selben, nicht, wio man behauptet hat, nördlich). Ganz
natürlich hielt er dioson See für den Albert-See, dessen
Ausdehnung bis Uber den Äquator hinaus man damals noch
allgemein annahm. Nur von diesem Irrtum stammt die
Gleichbezeichnung des von Stanley entdeckten Äquatorial-
sees und deB Albort-Seos; ob das Unjoro-Wort „Mwutan“
(von welchem „Muta“ und „Luta“ doch offenbar nur Neben-
formen sind) überhaupt von Rechts wegen dem erstem zu-
steht, scheint sehr fraglich*). Jedenfalls bedarf hier die
1) Der Originalberieht Utun-BtU findet eich im Ball, de li Snc.
KhtdivUle de GCort. de Caire, Nr. 5 (Mai 1877 — Februar 1878).
*) Kinin- Bei hörte den Albert-See ron den Bewohnern sein» Nord-
wentuferu in ihrer Lun-Sprache „Nam maddunng“ (grölte« Warner) nennen,
und fügt di»*r Bemerkung hiniu: „Der Name Mwutan -Naige ist nur in
Unyoro gebräuchlich und wird selbst in Uganda kaum verstanden*. Vgl.
den Jahrg. 1881 dieser „Mitteilungen", 8. 9.
14*
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108
Die hydrographische Zubehör des äquatorialen Muta Neige.
Nomenklatur einer möglichst baldigen Klärung, und unsre
Kartographen sollten sich inzwischen nicht quälen, die ver-
schiedenen Varianten eines und desselben Namens so zu
verteilen, dafs Bie der einen (Mwutan) für den nördlichem, '
der andern (Muta oder Luta) für den südlichem den Vor-
zug geben, dabei der letztem Wortform das appollativisobo
„Nsige“ beifügen, der erstorn nicht, — was doch blofs
auf einem stillschweigenden, rein willkürlichen Kompromiß
beruht.
Dafs der grüne Albert-See und der tiefblaue Äquatorial-
sce in seinom Sudwesten kaum um eiucn vollen Broiten-
grad nuseinanderliegen, dürfen wir als eine sichorgostellte
Thatsache ansehen. Denn, so unvollständig uns auch noch
zur Zeit die Umrisse des grofsen bluuen Seespiegels be-
kannt sind, so lehrte doch schon Stanleys Kokognoszierung
von der Höhe oberhalb des Beatrice-Golfes, wie er den von
ihm erreichten Seezipfol taufte, ein Herüberreichen über
den Gleicher nach Norden. Genaues wissen wir auch Uber
die Meereshöhe des fraglichen Sees allerdings zur Zeit noch
nicht, indessen die Stanleyschen Schätzungen lassen daran
nicht zweifeln, dafs der vom Äquator geschnittene Muta
Nsige höher liegt als der Albert-See, folglich in diesen
abwässera kann. Stanley bestimmte die Höhenlage seines
am 11. Januar 1876 nahe dem Plateaurande über dom
Beatrice -Golf bezogenen Lagors zu 4724 Fufs, also zu
1440 m, die relative Höhe des Lagerplatzes über dom See
zu 457 m *), so dafs wir die Spiegelhöhe des letztem über
dem Meero zu 983 m anzusetzen hätten, während diejenige
des Albert -Sees nur 700 m beträgt.
Trotz aller dieser viel mehr für eine Anknüpfung des
Muta Nsige an das Nilsystem sprechenden Verhältnisse
zeigen dio meisten neuern Kartierungen einen hypotheti-
schen Anschlufs desselben an den Kongo. Cbavanne läfst
auf der seinem Werke „Afrikas Ströme und Flüsse“ bei.
gegebenen Karte aus dom Nordende unsres Sees don Aru-
wimi, den grofsen rechten Kongo -Nebeuflufs, hervortreten;
im Texte des nämlichen Werkes (8. 129) hält er zwar
diese Anschauung aus orographischen Gründen selbst für
nicht wohl annohmbar und neigt dazu, dem Muta Nsige
einen Ausflufs an seiner Südwestseite zuzuschreiben, näm-
lich den Lovwa (Stanleys Lowwa oder Rowwa) ihm ent-
fließen zu lassen. Ravenstein läfst dagegen (auf Blatt 12
seines Kartenwerks) aus dem SUdwcstende dos Muta Nsige
den ins Nordende dos Tanganjika-Secs einmündenden Ruanda
oder Lukanda hervortreten, iudem er sich auf eine dahin
l) Die Angabe di«»ci Höhe tu nur 335 m in der deutschen Cher-
«UunR von Stuilevs .Durch den dunkeln Weltteil* (lld. I, S. 475) be-
ruht auf einer unrichtigen l/mrwhnung der englischen Fuf» in Meter, steht
auch im Widerspruch mit der Angabe derselben Hohe (ebenda S. 440) tu
..etwa 450 m“.
lautende Erkundigung Livingstones beruft , dabei voraus-
setzend (was schwer zu beweison), dafs Livingstones „Cho-
vembe-Seo“ identisch sei mit dem Muta Nsige. Noch auf
eine andre, der eben erwähnten widersprechende Erkundi-
gung bezieht sich Ravenstein bei dieser Gelegenheit: auf
die Stanleysche, nach welcher der Kagera unsern See zum
Victoria Njausa entwässere. Jedoch letztere Behauptung
würde nur dann Berücksichtigung verdienen , wenn sich
Stanley in der Abschätzung der Höhenlage des Muta Nsige
vergriffen hätte. Ein See von weniger als 1000 m Meeres-
höhe kann keinen Abfluß in einen Uber 1000 m hoch ge-
legenen besitzen.
Als Livingstone und Stanley zusammen im Dezember
1871 den Norden des Tanganjika- Sees untersuchten, fan-
den sie im Hintergründe eines der Nordzipfel, in welche
dort der See ausgeht, allerdings einen Fluss, den Rusisi,
von Norden her einraündend. Er zeigte sich indessen recht
unbedeutend. Man brachte in Erfahrung, derselbe ent-
springe auf den Bergen , die im Südwesten den kleinen
Kivo-See umfangen, und nehme ganz zuletzt den Ruanda
auf 1 *). Steht auch über die Herkunft des letztem noch
weiter nichts fest, so kann man gleichwohl unmöglich an-
nehmen, dafs derselbe als Nebcnader eines 27 m breiten,
seichten Flüfschens den Abstrom des grofsen Muta Nsige
ausmuche. Noch weniger aber als diese Verknüpfung des
Muta Nsige durch Vermittelung des Tanganjikas vermag
sich die uuinittolbare mit dem Kongo durch irgend welche
rechte Nebenflüsse desselben auf beglaubigte Thatsachen
zu stützen.
Daraus dürfte sich für zwei gowichtigu praktische Fra-
gon der Gegenwart ein sicherer Schluß ziehen lassen.
Nach den Beschlüssen der vorjährigen Berliner Konferenz
reicht der Kongostaat nicht über die Wasserscheide zwi-
schen Kongo- und Nilsystem hinuus, erstreckt sich das
mittelafrikauische Freihandelsgebiet zwar vom Atlantischen
bis zum Indischen Ozean, jedoch mit Ausschluß dor Nil-
länder. Stanley selbst zieht nun den Muta Nsige („so
lange die Sache noch uicht weiter aufgeklärt ist“) mit ins
Kongogobiet, folglich auch mit zum Kongostaat und zum
Freihandelsgebiet. Man wird aber nach Vorstehendem um-
gekehrt (wenigstens bis auf weiteres) den Muta Nsige samt
seinem Entwässerungsraum dem Nillande zuschlagen müssen.
Wonn Stanley*) für seine Ansicht geltend macht, bei
Ausschluß dos Muta Nsigo aus dem Kongogebiet verstände
man nicht, woher Nebenflüsse des Kongo, wie Lowwa,
Ulindi und Lira ihre Wasserfälle bezögen, so erscheint die-
ser Einwaud wenig stichhaltig, denu die genannten Flüsse
') SUnlcy, Wi« ich Liringaton« fand. 2. Auf!. Leipzig 1885. Bd. II,
S. 130.
*) Der Kongo. Leipzig 1885. Bü. 11, S. 371.
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109
Die hydrographische Zubehör des äquatorialen Muta Nsige.
können auch ohne Wasserzufuhr aus dein Muta Nsige
immer noch ein Wasserbezugsfeld haben, so umfangreich
wie dasjenige des Malagarazi, dieses hauptsächlichen Wasser-
lieferanten des mächtigen Tanganjika. Hingegen würde es
ein kaum lösbares Rätsel bleiben, wie der Xil doppelt so
wasserreich aus dem Albert -See treten kann, als er kurz
vorher in ihn eingetreten, wenn dieser an eigner Wasser-
kapazität doch nur müfsige See nicht mit einem gröfsorn
benachbarten Entwässerungsgebiet in andauernder Verbin-
dung stände. Dafs dieses letztere aber sein Gewässer uicht
unmittelbar durch den eingangs erwähnten roten Flufs in
den Albert- See einströmen läfst, sondern es vielmehr in
einem Seespeicher sammolt, wolcher aus der Regenzeit
immer noch genug Wasser während der trocknen Zeit
übrig behält, um seinen Ausflußi, als welchen wir eben
den roten Flufs ansehen, das ganze Jahr hindurch gleich-
mäfsig zu versorgen, das scheint aus Gessis Mitteilung von
der stets gleichbleibenden Spiegelhöhe des Albert -Sees zu
erhellen ,).
Fiir unsre Ansicht vom äquatorialen Muta Nsige als
dem westlichem Hauptsammlur der Nilquellen, dum Ge-
schwister des Viktoria -Sees, dürfen wir schlielslich eiuen
erlauchten Gewährsmann anführen, dessen Beschreibung
des Nilsystems durch die bisherigen Entdeckungen immer
noch glänzend gerechtfertigt wurde: Claudius Ptolemäus.
Offenbar schöpfend aus ganz lautern Naobrichten, welche
■) Leutnant ran Gele hotte in det That ron TSpo-Tip bei oinor Unter-
redung mit ihm an den Stanley - Füllen , «eine jener Gegenden durchaus
kundigrn l'nterhäuptlinge hätten ihm „als absolut gewih mitgeteilt, data
der See Mwuta Nzige, gelegen im Norden des Tanganika, sum Dänin des
Nil gehört, dureh einen Wasaerlauf rerbuudeu mit dein Süden des Albert-
S««-. Vgl. Moureiueut giographiijue, Brüssel 1885, Nr. 13.
die im Altertum gar nicht unbedeutende ägyptisch-griechi-
sche Kauffahrtei längs der ostafrikanischen Küste bis an
und Uber den Äquator ihm nach Alexandrien gebracht
hatte, berichtet er im 7. Kapitel seines 4. Buches, der
Nil ströme aus zwei unfern des Äquators ge-
legenen Seebecken, einem westlichem (xiöv htiviöv
fj övnfuxMTtQu) und einem östlichem (fj uyuTwXixwx/gu
Tiüy Xt/tyiöv). Beide Seen fixiert er beinahe unter die
nämliche Breite und 8 Längengrade voneinander entfernt,
was (bei seiner zu schmalen Ansetzung des Meridian-
abstandes überhaupt) auf eine nicht sonderlich starke Über-
treibung der wirklichen Entfernung der Mittelpunkte de»
Viktoria -Seus und unsres Muta Nsige hinausläuft ; noch
wenigor darf es uns stören, dafs beiden Seefiächen südhemi-
sphärische Breiten zugeschriobon werden (dem westlichen 6°,
dem östlichen 7° Äquatorabstand), denn Ptolemäus’ Nil-
karte ist überhaupt in den aufserägyptischen Breiten zu
weit südwärts verdehnt.
Jedenfalls ist es von Bedeutung, dafs nicht Albert- und
Viktoria-Seo ungefähre Breiten- und Gröfsengonosson sind,
sondern allein Muta Nsige und Viktoria -See Ptolemäus’
westliches und östliches Sammelbecken der Nilgewässer
wioderspiegeln könnten. Zweck dieser Zeilen war es nur,
zu boweisen, dafs der Forscher, welcber dio Frage nach
der hydrographischen Zubehör des äquatorialen Muta Neige
an Ort und Stelle — sei es im einen, sei es im andern
Sinne — entscheidet, das berühmteste Problem der Afrika-
kuude , dasjenige der Nilquellen , erst zur vollständigen
Lösung bringen wird, dafs aber schon heute der Albert-
See aufhören mufs, dem Victoria Njansa gleichwertig zu
heilsen.
Eine tirolisch -bayrische Sprachinsel in Mähren.
Von Dr. Karl Lecbner.
Wenn man auf der prachtvollen, nun ganz vereiusamten
Reichsstrafse wandert , die von Brünn nach Olmütz führt,
so gelangt man zu dem einst blühenden Markte Neuraufs-
nitz. Von hier bis zu dem nordöstlich davon gelegenen
Städtchen Wischau finden wir rochts von der Strafse moh-
rere deutsche Kolonistendörfer. Es sind dies aufser dem
einst fast ganz deutschen Neuraufsnitz die Orte Tschechen
und Gundrum, durch das tschechische Podbrezitz davon ge-
trennt die Dörfer Lissowitz, Kutscherau, Hobitschau, The-
reschau, Swonowitz und Rosternitz, der Rest einer oinst
viel gröfsern deutschen Siedelung, die eine nähere Berück-
sichtigung um so mehr verdient, als Uber ihro Abstam-
mung die sonderbarsten Ansiohton kursieren ')•
Die Leute nennen sieb „Scbwoben“ , und als solche
führt sio auch Schwoy2) und Wolny3) an, letzterer mit
dor Bemerkung, dafs sie eine „schwer verständliche deutsche
Mundart“ sprechen , ja er schonkt dor von den hiesigen
A) Erneu Ungern Artikel darüber schrieb H. Kirehmayr in der Zeit-
»chrift „Moiaria*, Brünn 1882, S. 53 ft. 101 ff. 170 ff., der dem Ver-
faser die Veranlassung bot, aieb naher mit dieser Sprachinsel tu beschäftigen.
*) Topographie vom Markgraftum Mähren 2, i 27 (1793 erschienen).
3) Dio Markgraf »chaft Mähren topographisch, statistisch und biatoritcli
geschildert 2, 158. 159 (1836 erschienen).
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Eine tirolisch - bayrische Sprachinsel in Mähren.
Bauern nur ungläubig belächelten Anschauung Raum, dafs
eie, speziell die des jetzt slawischen Ringelsdorf — Schwe-
den seien *). Wir wollen im folgenden den Nachweis zu
liefern suchen , dafs das Gros diosor Reste tirolisch - bayri-
schen Ursprunges ist.
Gegenüber den altslawischen „ Rundlingen“ ist die Dorf-
anlage hier überall die der sogenannten „Langdörfer“ , in
Mähren seit dem 12. Jahrhundert nachweisbarI) 2 3 4). Der
leichtern Verteidigung wegen hat ein solches nur zwei
Aus-, resp. Eingänge, zu beidon Seiten der Strafso die
Häuserreihen , dahinter die Stallungun und hinter diesen
die ununterbrochen fortlaufenden Schounon , so dafs das
Ganze kralartig ausschaut8). Nur ein Umstand fällt auf.
In allen dioson und wohl ancli noch in ehemals deutschen
Nachbardörfern sind alle ältern Häuser an dem obern Ende
der Gassenfront mit einem Vorbau versehen, der oben
einen weiten Rundbogen bildet, unten sich vorengt, mit
einem niederu Thürchon abgeschlossen ist und vor der
eigentlichen Hausthür einen Raum von 4 — 6 qm enthält.
Dieser jetzt wie das ganze Hans aus Ziegel aufgefiihrte
Bau war ehedem wohl aus Holz horgestellt und heifBt
heute noch „Soldor“, der in don slnwischou Dörfern hierzu-
lande nicht bekannt ist. Alte Leute vorsichern, früher sei
derselbe so grofs gewesen , dafs die ganze Familie zur
Sommerszeit darin ihre Mahlzeit einnehmen konnte. Fehlt
dieser Vorbau, so ist in allen alten Häusern ein geräumiges
Vorhaus mit einem grofsen Efstische*).
Noch auffälliger ist die Tracht diosor deutschen Bauern,
welche sich noch überall erhalten hat, nur dafs in Tschechen
und Gnndrum blofs alte Leute sie noch tragen. Beginnen
wir mit der Frauontracht. Dio niedrigen Schuhe aus blauem
Tuch sind weit ausgeschnitten und mit einem breiten hell-
blauen Bande (Reinesch) gebunden ; wo der Absatz ans
Oberleder stöfst, ist ein kleiner roter Lederstreifen einge-
näht, der ehomals rings um den ganzen Schub lief, welcher
vorn ein grofses Stück rotes Loder als Lappen hatte.
Krapprote Strümpfe (Strümp) heben die Waden kräftig
hervor, der schwarzleineue dicht gefältelte Rock gleicht
gonau dem „Wifling“5 * *) und reicht nur wenig über die
Kniee; ein Schurz (fuerstig) bedeckt ihn teilweise. Über
I) Wohl deshalb, weil die Schweden 1648 io dieeeu Gebieten nabten
und «englen.
*) Uudik, Mährens allgemeine Geschichte 8, 60 ff- (Ilriinn 1878).
3) In Gandrum findet «ich ein ganz eigentümlich« Thor, au» Ziegeln
gebaut, am Eingänge de« Dorfe«. Der heutige Name Mausthnr wird wohl
auf Mautsthor »urürkiuführon «ein, da die ältest« Straf* von Wiechau
nach Austerlitz durch diesen einst befestigten l'latz geführt haben dürfte.
4) In Ncuraafsnitz und Wiscbau «ind noch Häuser mit sogenannten
Tauben, die in allen Städten Mähren« mehr oder weniger vorhanden waren
oder noch sind nnd sicherlich nicht slawischen Ursprunges, wie man hier
violfach behauptet, sondern italienisch - deutscher Herkunft «ind.
6) Der Name „Wifling*- ist hier nicht bekannt, und der Hock heifst
Schurz nach dem hannakiichen „aoree“.
das grobe Hemd (foit) kommt ein bis zur Hüfte reichendes
weifses Jäckchen (hemad) und übor dieses das blaue, auch
rote Jaukerl (fridka), das Uber dom Busen durch rote Bän-
der zusammengehalten wird. Darüber wird im Sommer
ein blauer „Schofs“ getragen *), der im Winter mit weifsom
Schafpelz gefüttert ist, der auch als Verbrämung den Scbofs
umsäumt. Um den Hals legt sieb eine etwa 6 Zoll höbe,
vorn und rückwärts horabgebogone, an den Seiten bis über
die Ohren hinaufreichende Krause („tazl“ oder „kreasl“).
Ein farbiges „Tüecbl“ wird ganz so wio in Oberbayern um
den Kopf geschlungen, im Winter letzterer und der Ober-
körper mit einem grünen Shawltuch bedeckt, das vor einer
Generation noch in weifser Farbe beliebt war. Mädchen
haben am Endu des Haarzopfes (zöppl) eine farbige Schleife.
Bei grofser Kälte trägt das weibliche Geschlecht 2 bis 3 Ellen
laugo schwarze Strümpfe, welche stark gefältelt das Bein
walzenförmig erscheinen lasson2). Die moisten Männer tra-
gen noch hohe enge Stiefel, in welchen die schwarze Leder-
bose steckt, während ehedem dieselbe blofs bis zu den
Knieen reichte und Stulpstiefel und weifse Strümpfe ge-
tragen wurden. Eine doppelte Reibe von Knöpfen ziert den
eng geschlossenen „Brustfleck“, eine blaue Tuchjoppe oder
oin woiter langer Rock (Burnus) , im Winter eino Pelz-
mütze, im Sommer ein gewöhnlicher schwarzer Hut voll-
enden seinen Anzug. Der rauhhaarige, c.ylinderartige Hut,
mit Gold- oder Silberschnüren besetzt, ist schon abgekom-
men8). Diese Männert rächt war ehedem auch in Neu-
raufsnitz , Deutsch - Prufs , Deutsch - Malkowitz , Bohdalitz,
Koslau und Ruprecht üblich. Bei grofsen Hochzeiten , die
stets am Dienstag gehalten werden , gibt es noch eigne
weibliche Hochzeitetracht. Die Fridka heifst dann Haimerl
und wird vorn übor einem reich mit Tressen besetzten
„Bund“ verschnürt; dio Braut hat einon eigentümlichen
Aufsatz (börtel) auf dem Kopfe ; dio Weiber tragen das so-
genannte „Happentiiochl“, ein 2 bis 3 Ellen langer, 2/s Elle
breiter Leinwandstroifen , der, an den Enden mit reicher
Seidenstickerei bedeckt, sehr stark gestoift und derart um
Kopfe befestigt wird, dafs nach drei Soitcn die Eckon vor-
ragen und die Enden über den Rücken binabhängon. Fragt
man die I»eute nach ihrer Herkunft, so erhält man zur
Antwort, sie eeion vor alter Zeit nach einer grofsen Pest
eingewandort , die einen sagen aus dem ElBafs, andre aus
Württemberg, wieder andro von dor bayrischen Grenze.
Dafs es mit der Pest soine Richtigkeit hat, löfst sich nicht
bestroiten; so wurde vor gar nicht langer Zeit oino Menge
menschlicher Gebeine von liostornitz auf den Luitscher
•) Statt deinen virlfaeh der hannnkisehe Ausdruck „garumeika'- ge-
bräuchlich.
ä) In Tirol nur im Thal« „lirsndenberg" im Unterinnlhale in weiter
Farbe noch gebräuchlich; auch in Schwaben)?
*) !m oberbayrischen Gebirge noch häufig.
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111
Eine tirolisch - bayrische Sprachinsel in Mähren.
Friedhof Überführt, und in I.issowitz erzählen »Ile Ixnite,
dafs bei der „Martersäuln“ vor dem Dorfe zahlreiche Toteu-
köpfe ausgegraben worden seien. Postepidemien gab es
aber viele, und wir müssen daher auf andern] Wege die
Zeit der Einwanderung zu eruieren suchen.
Nach Dr. Beck wären Kosternitz , Hobitscliau (Prufa)
vom Olmützor Bischof Bruno v. Schaumburg, Krouzek von
den Johannitern zu Austerlitz , Kutscherau vom Kloster
Saar, Swonowitz von dou Brunner Pröpsten mit deutschen
Ansiedlern besetzt worden *) , nllein die von ihm hierfür
citierten Quellen enthalten keine positive Angabe, auch
Dudik weifs davon niohta2). Doch wollen wir uicht leug-
nen, dafs die ältesten Kolonisten in dieser Zeit nus Schwa-
ben sich hier angesiedelt haben3), dio heutigen Bewohner
aber sind später eingewandert und stammen nicht aus
Schwaben. Allo hierher gehörigen Ortsnamen sind sla-
wisch, nur Qundrum (auch Gundrains, Guntrums) kommt
seit 1342 in dieser deutschen Form vor, und 1347 schenkt
ein gewisser Holubo „villam et munitionem Gundrains“ dem
Nonnenkloster Maria-Saal in Brünn 4). Damals oder wenig
später waren schon dio heutigeu Bewohner eingewandert,
aber uicbt vor 1313. In Guudrum, in Lissowitz, Neu-
raufsnitz und in der Pfarrkircho von Wischau findet man
den heiligen Wendelin und die heiligo Notburga abgebildet,
vereinzelt auch den heiligen Leonhard , der mit Wendelin
als Viehpatron besonders verehrt wird. Das ist von we-
sentlichem Belang. Zwischen Loch und Isar wird dor
heilige I-eonlmrd wohl verehrt, neben ihm aber der hei-
lige Colomann5), selten der heilige Wendelin, kaum oder
gar nicht dio heilige Notburga, wohl aber im untern
Innthale Tirols8); vor Notburgas Tod sind also die
Tiroler und Bayern nicht gekommen. Es ist zwar keine
Urkunde bekannt, welche darüber Aufschluss gäbe; wenn
wir aber daran erinnern, dafs seit der Vermählung dos
Markgrafen Johann mit Mnrgaretha Maultasch von 1330
bi- 1341 viele mährische Herren Tirol kennen lernten,
so z. B. Heinrich von Lipa, dem ursprünglich Hobitscliau
und Rosternitz gehörten ") , so werden wir die Behaup-
tung, es seien um 1350 von Tirol und Bayern aus die
fraglichen Dörfer kolonisiert worden , nicht zu gewagt fin-
I) Jo VVotojv kirchlicher Topographie von Mähren, 2. Abt., 4. IM .,
S. XXIII <1801); ei »oll di» etwa rund am 1250 genesen sein.
*) L c. », 111 ff.
Dieselben lind jedenfalls längstens am die Mitte des 14. Juhrhun.
4erM flut ttintlich eutgesforbc». Heute rind nämlich nur noch wenige Worte
•rhaibuch, spen&sch schiribUrh von Ftmilicimimcn nur noch ..Schiller".
*) Codex diplomaticns et epistolarii Morarme cd. Braadl. 7, 323. 518.
Ich erinnere au die Coloinanaskirch« unweit Schwang*» bei lassen.
V) Iler heiligen Notburga xu Klircn ist iro Dorfe Kbcn unweit dm Achen-
sees eine Wallfahrtskirche erbaut, die ton Bewohnern des mittlern und i
'.r.tero Innthales, sowie des angrenremlcn Bayern stark besucht wird. Not-
burga starb 1313 (Sinnlicher, Beitrage tur Geschichte der bischöflichen
Kirche Sahen and Bnxen 5. 121).
\ Schwoy 2. 130. 3(1.
den. Überdies dürfen wir nicht vergessen, dafs der mäch-
tige Heinrich von Hottenburg, Notburgas Dienstgeber, Hof-
meister Johanns war 1). Und sollte es blofser Zufall
sein, dafs Jacob Hüter aus Welsberg im Pusterthal eine
Menge tiroler Wiedertäufer in das von uusero deutschen
Siedeluugon nur eine Stunde entfernte Ansterlitz führte?
In Lissuwitz ist ein uraltes Bild zu sehen ; die Mitte
j nimmt eine roich vergoldete Madonna mit dem Kinde (die
von Mariazell?) ein, links in dor Ecke ist der heiligo Wende-
lin, rechts die heilige Notburga. Ich fragte daher, ob Wall-
fahrten nach Mariazell in Steiormark unternommen werden,
und erhielt hier und anderwärts diese Frage bejaht mit
der Bemerkung, ob heifse die dortigo Madouua hei den
Leuten hier die „t i ro 1 i sc he“ Muttergottos. Bezüglich
der Pest mag daran erinnert werden, dals 1349 dieselbe
derart heftig in Brünn herrschte, dafs MarkgTaf Johann
1351 die Stadt „miscrabiliter devastatu et deserta“ nennt
und deshalb alle neuen Einwauderur, woher sie immer sein
mögen, auf vier Jahre steuerfrei erklärt*). Sollte nicht
damals das Kloster Maria-Saal für die wenige Stunden davon
entfernten Ziusdörfer Kolonisten gebraucht haben?
Doch wir wollen die Sprache der „Schwoben“ ins Auge
fasseu. Als ich mit ihnen im Dialekte , wie er zwischen
Lech und Bodensee üblich ist, sprechen wollte, verstund
mich niemand; wie ich biugegeu mich bemühte, die
von meiner Mutter gelernte oberbayrische Mundart, wie sie
in Muruau, Tölz, Miesbach, Tegernsee heimisch ist, zu spre-
chen, meinten die Ixiute, das sei ja ihre „Röd“. Charak-
teristisch ist, dafs an- und auslautendes „pf“ nur durch
„f-, resp. „p“ wiedergegebeu wird, weiter die Ausgänge
auf „1“, z. B. Köpf], Diendl, Blatt], Schotzal (= Geliebte)3).
Das schwäbische tröme lautet hier tirolisch -bayrisch trän»
(= Balken), statt im men hört man das nnterinnthalische
„baien“. Ein Mädchen sang mir ein Lied vor; auf meine
Bitte um weitore Lieder erhielt ich zur Antwort : „ans
hoben* eh Schon und ka schien» ko i nod“. Hingegen
klingt schwäbisch : feifo = 5, llräuti = Geliebter (nicht Ver-
lobter), weiter die Formen kejina, nejma und Personennamen
wie läse, Thrine, Th re so, Hönes (oder echt bayrisch Jo-
hannes), statt liärble dagegen wieder Boarbe.
Einen der wichtigsten Belege für den tirolisch-bayrischen
Ursprung dor Bewohner unsrer Sprachinsel, ihre Familien-
namen, dürfen wir nicht übergehen; doch können nicht alle
auf den Friedhöfen, in Kobotverzeichnissen und Grundbü-
chern gefundenen Namen erwähnt werden. Viele derselben
1) L>*? Kinttufe d**r Fremden tt igt weh wohl «urh «Ur. n , dt/« mir
1334 zum entenro&l in lieuUchtirul ein« Kirche de* beiluren l'yrill in
Bmeo «mahnt finden (Sionifber 5, IM).
*) Cod. dtpl. M, 9Ä, «ul*^rdem meine AhKftfidiutig Ubtf du
Sterten 134« — 1341, 1>K4. S. 3«.
w-hnabivh bekanntlich le".
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112
Eine tirolisch * bayrische Sprachinsel in Mähren.
sind ausgestorben, z. B. Gritzuor, Gleichstein, Grantzberger,
Schrarnbl1 *), andre sind nach den Dörfern gewählt, z. B.
Kutscherauor, Molkowitzor8), wieder andre stammen ans der
Zwittauor Gegend in Nordmähren, so Appel, Heger, Woifs,
Rotter, Schulz, Friedl, Olscher, denn Thereschau, 1 790 ge-
gründet, hat Bewohner aus dem mährischen Gobirge. Natür-
lich fehlen die Müller und Maier nicht. Von den übri-
gon Familiennamen kommen die Fritz, Fuchs, Winter, Stei-
ner, Schmidt, Bauer, Langer, Hackl, Jack), Bartl, Polzer
häufig im fnnthale vor, Potsch und Marischlor klingon wohl
romanisch3). Echt bayrisch hingegen ist der Name Sedel-
rnaier4), tirolisch jedoch der hier jetzt Legner, früher Lech-
ner geschriebene Name (so z. B. 1810), der vorzugsweise
im mittlern Innthal, ganz besonders aber im Zillertlml vor-
kommt 5). Dioser Namo haftet meist an Höfen, welche durch
Rodungen entstanden sind 6), und darauf deuten nuch ältere
Siegel; so hat Lissowitz eine den Dreschflegel haltende
Hand, Gundrnm Sichel und Pflugschar im Siegelfelde.
Hingegen finde ich aufser Schiller keinen echt schwäbischen
Namen, vor allem fehlen solche auf — le, — li, — lin;
dagegen ist häufig das österreichisch -bayrische — 1, z. B.
Jahndl, Schicki, Greipl, Beutl &o. Ganz eigentümlich klingt
der Name Schurius (Hobitschau).
Auch die Flurnamen sind wichtig. So finden wir Ackerl,
Langen, Broiten, Stuanen, häufig den Namen Lufs, auch
Lüfsl, Gmuaacker, Bruch, den besonders in Bayorn und im
Innthal häufigen Namen Leiten, weiter Gröften. Zahlreich
sind die mit plosi“ zusammengesetzten Ackemamen, von
denen oine Abgabe (löai) gezahlt werden mufste. Die Be-
zeichnungen Tröllö8sen, Haidlös, Broitlös, Schmolös, Holz-
lössou, Kruochlös weisen auf ein hohes Alter hin, da die
mittelhochdeutsche Form „loese“ noch ganz erhalten ist7).
Romanisch ist hingegen Twiern8). In Lissowitz heilst ein
Acker der Rausinger, also der gegen Rauseins gelegene
Ackor. Diese doutsche Benennung Rauseina für Runfsnitz
finde ich zum erstenmal im Jahre 1354 erwähnt9).
Wir haben unsre Sprachinsel den Rost einer einst viel
gröfsern deutschen Siedelung genannt und müssen nun
diese Behauptung noch erweisen. Krouiek (deutsch Ringols-
>) Grundbuch v.in LbuosiU vom Jnhrc 1678 (gehört, den Domini-
kanerinnen zu St. Katharina in OlroUts).
*) Solche «Uhlen bekanntlicli zu denllteeten; «iehe Heintze, Die dent-
achen Familiennamen geschichtlich, gsographitth , sprachlich. Halle 188<>.
S. 52 (f.
*) Unterer wohl im obersten Innthal (jehriiachlieh: letzterer im Kt*eh-
thsl?
*) Buck. Oberdeutaehee Flurnamenbuch. Stuttgart 1880. 8. 255.
*> Die Zueammenectsunifen diesea Namens, besonders in Salzburg und
dem angrenzenden Tirol hluflg , kommen hier nicht vor; solche »ind
z. B. bei Heintze, S. 164, mehrere.
*) Buck 1. c. 160.
*) Buck 1. c. 166.
®) ibid. SOS in der deutschen Schweiz noch tuuRg.
°) Codez dip'.nm. &c. 8, 236.
dorf) war vor 40 Jahren noch deutsch , heute sprocheu
blofs fünf alte Bauern ihre Muttersprache ; böhmische Schule
und Kirche hat sie zu Slawen gemacht. Alle Feldernamen
sind doutsch, und es berührt den Wanderer wehmütig, wenn
erhört: rpoidou na Markacker“ (ich gehe auf den M.). Hinter
diesem Dorfe führt der Weg Uber den Luthersteg und
S t. U r b a n in einer Stundo nach dem jetzt fast ganz sla-
wischen Städtchen Austerlitz. Nenraufsnitz ist fast ganz
slawisch, nur die Juden haben dort eine doutsche Schule,
deutscho Familiennamen findet man noch sehr viele 1). Viele
Worte siud noch zu erkennen, z. B. hoblik (= Hobel) bil-
nfk (Feile), knep (Kneip), raäplu (Holzraspel) , und sonder-
bar berührt die Redensart : mato uz Feiorabond ? (habt ihr
schon Foiorabond ?). In dem durch die hohe Achtung des
Kaisers Josef H. vor dem Bauernstände berühmt geworde-
nen Slawikowitz (er zog hier eine Fnrche) stofsen wir auf
die Flurnamen Schmolös, Vierhab &c., in Altraufsnitz und
Niomtschan*) finden wir Haidlössen, im letztem Dorfe anch
Schmolös und Broitlös, und ebenso in Orlovitz und Koslan,
wo noch heut« Frank3), Kipfer, Greitl wohnen. Hier und
in Bohdalitz sprach mau nach Aussage alter Leute in ihrer
Jugend fast nur doutsch, im Jahre 1633 legten 179 Per-
sonen in Bohdalitz ihre Osterbeichte in deutscher Sprache
ah*). Der Name Deutsch -Malkowitz oder Reich beweist
die deutsche Besiedelung, üherdios treffon wir dort Schmidt,
Preis, Riesner, Loher u. a. Über Mähriscb-Malkowitz ge-
langen wir nach Schwabenitz 5), wo z. B. 1772 Knapp,
Basti, Pulz, Loisek als Zinsbauern des Olmützer Erzbischofs
erwähn t werdon G). Das Dorf Marhöf(on) und Dreihüfe (jetzt
Kruh), weist auf deutschen Ursprung hin.
In nächster Nähe von Gundrum liegt das Dorf Tucap,
knapp am Rnndo einor aus der Ebene aufsteigenden Ter-
rainwelle. Auch dieses Dorf war oinst ganz oder teilweise
deutsch. Tn ihrem Dialekte hoifsen die hiesigen Deutschen
dasselbe Boden und sagen z. B. : „wir gean zo Bouda“.
In oiner Bestimmung der Gomoindcgrenzun vom Jahre 1733
erfahren wir, dafs es im östlich gelegenen Drazowitz Wohr-
lossen, in Tu£ap Wosserlossen gab. Bei dieser Grenzhe-
gehung wurden Knaben nach altdeutschem Brauche ge-
peitscht, damit sio sich die Grenzen ja gut merkon sollten.
Von Familiennamen werdon dabei genannt Schwach in
1) An der Kaiseratrafrc gelegen, blühte dieser Ort, so lange der Schie-
nenstrang nicht war, kräftig auf, denn der ganze Handel nach Polen und
Schlesien ging auf dieser Strafte, und man trifft keinen iltom Bauern in
unsern deutschen Dörfern, der nicht all Fuhrmann nach Ccrnowitz oder
Brodr gekommen wäre.
3) Der Ortuname hängt zusammen mit n$mec, der Deutsche.
3) Dieter Name kommt gleichfalls in den deutschen Dörfern Tor.
*) Wolnjr, Kirchliche Topographie, 2. Abt., 3. Bd., 8. 428.
Ä) Der Name deutet auf Schwaben hin, ebenso der Familienname
SchwabetukT.
<*) Alle nicht speziell angeführte historische iHten sind dem fiimtcTzhischof-
liehen Archive zu Kremiier entnommen (alle zur Herrschaft Wischau gehörig).
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113
Eine tirolisch- bayrische Sprachinsel in Mähren.
Dra2owitz, von Tuüap Kiestier und Brandt, der neben
Leffner und Sterzl heute noch vorkonirat. Von hier kommt
man Uber Meis (anch da waren Deutsche) nach Wischau,
welche Stadt ehedem fast ausschliefslich deutsch, heute stark
utraquistisch ist. Weit Uber 100 Familiennamen auf dem
Friedhofe (fast zwei Drittel aller vorhandenen) sind deutscher
Herkunft, natürlich auf neuern Krenzen mit tschechischer
Orthographie, z. B. Friü, Vagner, Sindler u. a. m. In näch-
ster Nähe liegt das slawische Hrnan, zu deutsch Bründlitz,
und gleich daneben Krzeczkowitz. Im Jahre 1473 erhält die
Witwe eines hier samt seinen fünf Kindern an der Pest gestor-
benen Müllers und ihr zweiter Gatte, Jörg Scbrotz von Goifsel-
hering bei Straubing (Bayern), dessen Nachlafs. Nordwost-
wärts von genannter Stadt liegt Dieditz, wo wir 1772
Saibach und Scholz, 1571 einen Müller Nagele aus Schwa-
ben finden. In Nosalowitz stufst man auf die Namen Reich
und Gottwald. Längs der Kaiserstrafse gelangt man nach
Deutsch-Prufs, Pustomir und Drissitz, seitwärts liegen Zieltsch
und Ondratitz. Seit 1378 kommt fUr Zieltsch das deutsche
Sals, seit 1348 fiir Prufs Praus vor1). Im letztem Dorfe
sind noch die Flurnamen Bislös (statt WieslösV), I luslös,
Hammerfeld und Grüften bekannt. In Pustomir wird 1344
ein hinter dem Städtchen liegender „Mansperch“ erwähnt,
und in einer Urkunde von 1465 heilst, es bei demselben : „Sunt
ibidem quidam agri, qui appellantur Praitae“, und zu Drissitz
in dem gleichen Dokumente: „sunt ibidem Praitae decemu.
Im Jahre 1455 werden in Drissitz zwei Wiesen „Hoffreucz“
(Hofreute) und „Gnmtlos“ genannt, 1367 als Zeuge ein
Michael Meuslin ; 1 G85 ein Ludwig Fiechtl von Tntzingen
am Würmsee in Ondratitz. In der Nähe dieser Orte haben
anch das 1345 als verödet angeführte Dorf Schönhof und
die 1348 zum Kloster in Pustomir gehörigen Dörfer Schrey-
nern und Sohönvelt gestanden , dio heute nicht mehr vor-
handen Bind. Auf der Generalstabskarte finden sich gegen
das Plateau von Draban zu noch viele deutsche Namen,
z. B. l’ruklös, das 1465 als öde hezeichnete Dorf Nebstich
(auch Neustift), siidwestwärts davon Ruprecht, woselbst heute
noch einige alte Bauern ihre deutsche Muttersprache reden,
und deutsche Flur- nnd Familionnnmon zn treffen sind. Im
Hannathal liegt der Markt Eiwanowitz. Auch da stöfst
man noch auf deutsche Namen, und eine Vorstadt, die ich
zum erstenmal 1593 erwähnt finde, heilst heute noch Frank-
stadt. Ich denke, diese Nachweise sollton meine Behaup-
tung über die Ausdehnung dor deutschen Sprachinsel ge-
nügend rechtfertigen.
Wird die von allen Seiten von der slawischen Hochflut
umbrauste Sprachinsel im Kampfe um ihr Heiligstes untor-
>) Die Zeit, «eit welcher die detittehen N'tmenforruen Vorkommen,
»prieht für die von um behauptete KinwinderangHeit sehr stark.
gehen? Die acht Dörfer zählen zusammen 3247 Bewohner
(1880), darunter sind kaum 60 — 80 Tschechen. Am meisten
gefährdet ist Tschechen und Gundrum, einmal weil os durch
Podbrezitz von den andern getrennt ist, und hier W’echsol-
heiraten häufig sind, wogegen die andern dieselben nicht
zulassen. Rechnen wir zur vorstehenden Zahl die meist
deutschredenden Juden in Neuraufsnitz und die kleine Schar
wackoror deutscher Männer christlichen Bekenntnisses dort-
selbst (zusammen rund 700), und an 2000 Deutsche in
Wischau, so ergibt sich oino Gesamtzahl von fast 6000
Deutschen, für die gegenwärtig ein deutscher Bauernverein
in Wischau im Entstehen begriffen ist. Allerdings treffen
wir in den genannten Ortschaften viele Familiennamen sla-
wischer Herkunft, deren Träger aber schon seit 2 — 3 Ge-
nerationen redliche deutsche Männer sind, so z. B. Dolezell,
Drabek, Hroz, Haschka, Mentu, Zabisky, Koudelka u. a. m.
Auch in der Sprache zeigt sich tschechischer Eiuflufs. So
kommt für Zwetschon der hannakisohe Vulgärausdruck ka-
latken (eigentlich karlätky) vor, fridka und gazomeika haben
wir schon genannt, für Sacktasche hört man das Wort
„gapsich“ ; der Willkommgrufs lautet vielfach nicht mehr
nach deutscher Art: „Grüfa Gott“, sondern: „Schön will-
kommen“, die genaue Übersetzung des tschechischen pöknf
vftäm. Auch die slawische Sitte des „Todaustragens“ am
sogonannten schwarzen Sonntag hat sich überall Bahn ge-
brochen. Die Geistlichkeit steht zu don Slawen, die Lehrer
sind mit einer einzigen Ausnahme slawische Agitatoren, ja
dermalen ist ein solcher in einem deutschen Dorfe , der
nicht einmal völlig des deutschen Idioms mächtig ist. Da-
bei ist die kirchliche Einteilung den sprachlichen Verhält-
nissen diametral zuwiderlaufend, und deutsche Dörfer ge-
hören in eine slawische Pfarrei, umgekehrt wird wegen
Slawen, die in eine deutsche Pfarre nicht gehören, doch
in regelmäfsigon Tomiinon slawisch goprodigt. Trotzdem
ist das deutsche Bowufstsein seit langer Zeit rege; schon
vor 25 Jahren ging eine Bauerndeputation nach BrUnn,
um einen urslawischen Pfarrer aus dem deutschen Sprengel
wog zu bringen; derselbe hat heute noch den nämlichen
Posten inne. In Hobitsehau bestellt schon ein bäuerlicher
Leseverein mit deutschen Zeitungen, os gibt Männer, welche
keinen deutschon Parteitag in Brünn und anderwärts un-
bosucht lassen, und daher glauben wir, dafs der kleine Rest
dieser einst viel gröfsern Sprachinsel noch nicht so bald
von den Tschechen vertilgt werdon kann, wenn anders die
Leute wie bisher rührig ihre Muttersprache verteidigen.
Eine Unterstützung derselben stünde besonders den Zweig-
vereinen des deutschen 8chulvoreins in Tirol und Bayern
an. Und so scheiden wir denn mit dem trauten, hier üb-
lichen Abschiedsgrnfse von diesem versprengten Glieds deut-
scher Stammesbrüder: er lautet: „In Gods Xörna“.
Ptterminni Geo*v. Mittoüunjtcn. 1886, lieft IV.
15
114
Ein neuer Atlas von Niederländisch - Indien ').
Von Emil Metzger.
Wiewohl bisher schon ein ziemlich umfangreiches Kar- |
tenmaterial über die holländisch-indischen Besitzungen ver-
öffentlicht worden ist, verdient dieser neue Atlas doch die
besondere Aufmerksamkeit aller derjenigen, welche sich mit
dem Studium Indonesiens beschäftigen. Seit etwa 10 Jah-
ren erst sind nämlich durch die Regierung Mafsregeln ge-
troffen , alles vorhandene Kartonmaterial (mit Ausschluß
der Seekarten) bei dem topographischen Büreau zu Batavia
zu sammeln, und wahrend es vorher wohl keinem Sterb-
lichen beschieden war, eine Übersioht über dasselbe zu
erlangen, haben die Autoren durch ihre Stellung, sowio
durch die von seiten der Regierung ihnon gewährte Unter-
stützung Gelegenheit gehabt, von dem ganzou reichen Mate-
rial Gebrauch zu machen ; dann aber ist der Atlas bis zum
Augenblick des Abdrucks nocbgetragen, was dadnrch mög-
lich war, dafa Herr Stemfoort sich mit Urlaub in Europa
befand, während sein Mitarbeiter ihm von Batavia aus allo
uoch nötig gewordenen Verbesserungen mitteilte.
Der Atlas besteht aus 14, 64 auf 91 cm messenden Kar-
ten, ferner dem Titel, auf welchem dio Einteilung dor ver-
schiedenen Blätter angegoben ist. Ich lussc zunächst eine
Angabe des Inhalts und der Air die einzelnen Blätter ge-
brauchten Mafsstäbe folgon.
1. Übersichtskarte dos Niederländisch -Indischen Archi-
pels, 1 : 6 000 000.
Dient nebouher als Übersicht Uber llitfen, Dampfschiff-
fahrtsverbindungen. Merkwürdigerweise reicht dio Karte
(wiewohl dies sehr gnt möglich gewesen würo) nicht bis
zur Ostgrenze, dem 141. Längengrad von Gr. Gibt eine
Karte der Niederlande zur Vergloiehung.
2. Vier Karten von Java und Mndura mit politischer
Einteilung, 1 : 2 000 000.
a. gibt die Dampfschiff-, Telegraphen- und Eisenbahnver-
bindungen, Leuchtfeuer, Hafenanlagen, Entrepota &c. an.
b. erläutert die militärische Einteilung, weist die Garni-
sonen und die Stationen der Marine an und stellt die
Militärstrafse dar.
c. Hier findet mau eine Darstellung der Diohtigkoit der
Bevölkerung uach den einzelnen Provinzen. Dio Abstu-
fungen sind: weniger als 1000 Einwohner (nur in Banju-
wangi); 3- bis 4000, 4- bis 6000, 6- bis 9000, 9- bis
13000, 13- bis 16000, 16- bis 19000, 19- bis 21000
per geogr. Quadratmoile. Ferner ist für jede Provinz die
Zahl der bewohnten Orte eingoschrieben , die folgender-
mafsen klassifiziert sind: weniger als 200, 2- bis 500, 500
bis 1000, 1- bis 5000, 5- bis 10000, 10- bis 20000 : bei
stärker bevölkerten Orten ist die Zahl der Bewohner ange-
geben.
d. Sprachenkarte.
0 A t ) a * der Nodor landache Beaittingen io Ooat-Indie
naar dt nienwste bronnen saroengexteld e n tan de Regeering upged ragen door
J. W. Stemfoort en J. J. ten Siethoff, Kapitel» ran den Generalen
Stsf ran het Nederlandach Indische Leger, (iereproduoeerd, op last ran
het Departement ran Kolonien aan de Tojiographiiche Inrichting te t* Gra-
tenhage onder leiding ran den Directeur C. A. Eckstei n. (Haag, J. Sraul-
ders k Co.)
3. 4. 5. westlicher, mittlerer und östlicher Teil von
Java, 1:500000.
Kartons: Pläne von Batavia1) (3), Semarang (4), Sura-
baja (5) , alle 1 : 50 000 ; ferner im Mafsstab der Haupt-
karte: Bawean (5) und Kangean (5), endlich Angabe der
politischen Einteilung.
6. 7. 8. nördlicher, mittlerer und südlicher Teil von
Sumatra.
Kartons: Pläne von Kota Hadja (6), 1:40000, Pa-
dang (7) und Palembang (8), 1 : 50 000 ; ferner im Mafsstab
der Hauptkarte: Nias (7), ein Teil von Pageh (8).
9. a. Banka, 1 : 500000 ; b. Billiton, 1 : 400000 ; c. Riouw-
und Lingga-Archipel, 1:750000. Zu letzterer gehört noch
P. Tudjuh, im Mafsstab dor Karte.
10. nördliches Borneo, 1:1500000. Karton im Mafs-
stab der Hauptkarte diu zu Riouw gehörigen Anambas-,
Natuma- und Tambelan - Inseln.
11. südliches Borneo, 1:1500000; Kartons: Plan von
Pontianak und von Bandjermasin, beide 1 : 20 000.
12. a. Celebes, 1:2000000, mit Karton: Talaur-Inseln
im Mafsstab der Hauptkarte, und Minabassa, 1:800000.
b. Südwest -Celebes, 1:500000; Karton: Insol Saleijer im
Mafsstab der Hauptkarte, Plan von Makassar, 1:20000.
13. die Kleinen Sunda-Inseln, 1 : 1 000000 in 3 Teilen:
a. Bali bis Sumbawa, b. Surnba und Flores, o. Timor und
umliegende Inseln. Übersichtskarte der ganzen Gruppe
als Nebenkarte, 1:5000000.
14. a. die Molukken, 1:3000000 (geht nur bis etwa
136* 8' ö. L.). Kartons: Neuguinea, 1:20000000; Plan
von Amboina, 1 : 20 000. b. Residenz Amboina, 1 : 1 000000,
mit Karton : einige Baudu-Inseln, 1 : 78 000.
Manches hätte ich in der allgemeinen Anordnung an-
ders gewünscht; ich bin jedoch weit entfernt, den Autoren
hieraus einen Vorwurf machen oder den Leser durch Auf-
zählung meiner Bemerkungen ermüden zu wollen ; nur
wenige meiner Bedenken mögen hier eine Stelle finden.
Die Wald verschiedener Mafsstäbe , teilweise sogar auf
demselben Blatt , hat gewifs manche Übelstüude , obwohl
dor Zweck, den dio Autoren zu orruichcu suchten — mög-
lichste Ausnutzung des Raumes — , auf dor Hand liegt
und auch enroicht ist. Es wäre zu wünschen gewesen,
dafa man in mancher Beziehung gröfsere Gleichmäfsigkeit
beobachtet hätte ; so begreife ich z. B. nicht , warum nur
die politische Einteilung von Java am Rande übersichtlich
zusammengestellt ist; manchem wäre es gewifs angenehm
gewesen, auch für andre Teile des Archipels ähnliche An-
gaben anzutreffeu. Ferner fällt os auf, dafs man auf Blatt 8
(Süd-Sumatra) neben der Schummerung Isohypsen zur Dar-
stellung des Terrains findet, ohne dafs ein Grund für diese
Ausnahme ersichtlich wäre. Für die drei Karten von Java
(3, 4 und 5) ist der Meridian von Batavia für alle andern
Karten der von Greenwich als erster Meridian angenom-
men worden. Ganz besonders aber mufs es aus vorschie-
>) Die eingeklammerten Zahlen geben die Nummer der Karte an, auf
welcher die Kartone sieb befinden.
Ein neuer Atlas von Niederländisch -Indien.
115
denen Gründen als ein Fohlor bezeichnet werden, dafs Neu-
guinea nicht bis zur Grenze des niederländischen Besitzes
zur Darstellung gekommen ist, sei es wenigstens auf der
Übersichtskarte, oder noch besser auf Blatt 14*, wo es
durch andre Verteilung wohl möglich gewesen wäre, Raum
zu finden.
Die Karten sind alle in Farbendruck ausgeführt, die
Gewässer sind blau gehalten, die Berge braun geschum-
mert, die Wege je nach ihrer Bedeutung rot oder schwarz,
die politischen Gronzen in vorschiodenen Farben, alle an-
dern Zeichen in schwarz gehalten. Der Atlas ist mittels
der Dampfpresse vervielfältigt, und über die technische
Ausführung brauche ich nichts weiter hinzuzufügon , wenn
ich nnr daran erinnere, dafs sie unter der bewährten Lei-
tung C. A. Ecksteins gestanden hat; nur möchte ich noch
auf das außergewöhnlich grofse Format des Atlas hinwei-
sen , wodurch dio Schwierigkeiten der Herstellung noch
vermehrt wurden und das Verdienst, dieselben überwunden
zu haben, um so größere Anerkennung verdient.
Daß der Wert der verschiedenen Baustoffe, welche den
einzelnen Karten zu Grunde gelegt sind, ein sehr verschie-
dener ist, liegt auf der Hand. Es ist ja begreiflich, daß,
wieviel auch in den letzten 35 Jahren für eine gute, syste-
matische, topographische und hydrographische Aufnahmo dor
niederländisch -indischen Besitzungen geschehen ist, doch
— ganz abgesehen von der Unvollkommenheit alles Men-
schenwerks — Zeit und Mittel nicht ausreichten, um auch
nur einen großem Teil des ausgedehnten Archipels richtig
und nach festen Grundsätzen zu kartieren. Ob es nun
nicht vielleicht den Wert des Atlas erhöbt haben würde,
wenn das weniger zuvorliissigo in der Ausführung äußer-
lich von den gonauor vermessenen Teilen durch eine mehr
skizzenhafte Behandlung unterschieden wäre? Nicht jeder,
der einen solchen Atlas benutzt, kann mit dem Material so
vollkommen bekannt sein, um zu wissen, wo er demselben
Vertrauen schenken darf und wo er vorsichtig soin muß,
und nicht jeder ist mit kartographßchen Arbeiten genü-
gend vertraut, um es an den eigentümlichen Schummerun-
gen gleich bomerken zu können, wo die Phantasie den Stift
des Zeichners zum größten Teile geführt hat. Ich werdo
nun den Versuch machen, das den einzelnen Blättern zu
Grunde liegende Material flüchtig zu charakterßieren ; zu
oiner eingehenden Behandlung würde der Raum einer Mo-
natsschrift nicht ausreichen.
über die in Indonesien ausgeführten geographischen
Ortsbestimmungen habe ich früher schon eingehend berich-
tet *) ; der Kürze wegen darf ich mich wohl auf jonon Auf-
satz beziehen, und ich habe daher hier nur naohzutragen,
was in dieser Hinsicht seit joner Zoit geschehen ist; es
wurden Ortsbestimmungen in der Karmiatastraße und auf
der Ostküste von Borneo gemacht, die wohl, zum Teil we-
nigstens, noch bei der Zusammenstellung des Atlas benutzt
worden sind.
Für den größten Teil der Karte von Java konnten dio
Karten der militär- topographischen Aufnahme gebraucht
werden; nur für wenige Provinzen — Bantam, Preanger
Regentschaften , wohl auch Besuki — lagen dieselben bei
Schluß der Redaktion des Atlas noch nicht vollständig vor
') Zeitschrift für wisKuscbaltliche Geographie, 1882.
(Bantam und Preanger Regentschaften sind auch jetzt noch
nicht ganz vermessen). Über den bei der Verfertigung
dieser Karten befolgten Modus habe ich mich in dem eben
erwähnten Aufsatz schon so ausführlich ausgesprochen, daß
ich diesen Punkt füglich übergehen kann ; könnte es nach
den a. a. 0. mitgeteilten Thatsachen scheinen , als ob das
Material teilweise nicht ganz genügte, so ist zu berück-
sichtigen, daß beinahe in jedem Jahresbericht der Regie-
rung von Ergänzungen und Verbesserungen die Sprache ist,
und man daher jetzt vielleicht hoffeii darf, daß die Bau-
stoffe, wenigstens für eine Karte im Maßstab von 1 : 500 000,
als genügend genau betrachtet werden können. Was die
auf dem zweiten Blatt gegebenen Übersichtskarten betrifft,
so wäre über die Bevölkerungskarto zu bemerken, daß sie
auf der Zählung von 1880 beruht; die Sprachenkarte ist
nach dor dom Kolouialberictit von 1882 beigogebenen, von
Herrn K. F. Holle, einem rühmliobst bekannten Indologen,
bearbeiteten Karte reduziert.
Das für Sumatra vorliegende Material ist von sehr ver-
schiedener Beschaffenheit. Eine eigentlich topographisch-
militärische Vermessung (die übrigens in der Ausführung,
schon weil keine Triangulierung vorausgegangen, wohl
hinter dor von Java zurückbleibt) liegt für einen sehr kleinen
Teil von Atjeh und für einen Teil dor Residenz vou Suma-
tras Ostküste, d. h. für Deli und Bengkalis vor ; viele Toilo
des Landes sind zu verschiedenen Zeiten militärisch auf-
genommen, doch besteht die Hauptschwierigkeit bei Be-
nutzung dieses Materials wohl darin, den Weizen von der
reichlich vorhandenen Spreu zu sondern. Weiteres Mate-
rial lioferte die Niederländische Sumatra -Expedition, dann
vorschiedono Reisende, z. B. Brau de St. Pol Lias, Hagen,
Sillem &c., wie überhaupt die „Mitteilungen“ vou A. Peter-
mann und Tijdschrift Aaardr. Genootschap, in denen dio
Arbeiten der letztgenannten erschienen sind, verschiedene
wortvolle Beiträge enthalten. Von besonderer Bedeutung
sind dio für die Eisenbahn nach den Oinbilien - Kohlenfel-
dorn unter Leitung des Ingenieurs J. L. Cluysenaer auf
dor Westküste gemachton und bis nach ßonkulon (bis zur
Südküste) ausgedehnten Vermessungen, endlich dio Arbei-
ten der Ingenieure des Bergwesens. Auch kartographische
Arbeiten einzelner Beamten , dio nur zum Teil veröffent-
licht sind, konnten benutzt worden. Nur im südlichen
Teilo dor Lampongs standen oiuigo wenige, durch Triangu-
lierung bestimmte Fixpunkto zur Verfügung. Trotz des
umfangreichen Materials fehlt solches jedoch für manche
Teile des Landes, wo nur die Strandlinie und das zunächst
daran stoßende Terrain auf den Marinekarton angegeben
ist , boinahe gänzlich , und es mußte eben ein guter Teil
der Karton ohne genügende Grundlagen , zum Teil auf
bloßes Hörensagen gezeichnet werden. Daß das Material
so ungenügend ist, kann den Autoren des Atlas natürlich
nicht zum Vorwurf gereichen, und jeder, der sich auch
nur einigermaßen mit Kartierungsarbeiten beschäftigt hat,
wird die unendlichen Schwierigkeiten erkennen, wolcho die
Redaktion des Atlas zu überwinden hatte; aber gerade hior
möchte ich unwillkürlich die Frage wiederholen , ob nicht
„weniger“ in vielen Fällen „mehr“ gowesen wäre, wenn
dann auch das Ganze einen weniger harmonischen Ein-
druck gemacht haben würde? So ist z. B. das I^nd der
Gajos — und dies gewiß nicht allein — vollkommene terra
116
Ein neuer Atlas von Niederländisch -Indien.
incognita, trotzdem Wege, Dörfer und Gebirgsformation
eiugezeichnet sind. Ganz beiläufig möge die Bemerkung
eiue Stelle finden, dafs dem Tobasee eine bedeutend gTöfsere
Ausdehnung gegeben ist als bei Ilagen ') und Sillem 2).
Was die auf dem neunten Blatte befindlichen Karten
betrifft, so wäre zu bemerken, dafs aufser den geographi-
schen Ortsbestimmungen für Banka einzelne durch Triangu-
lierung bestimmte Punkte Verwendung finden konnten; für
die Küstenlinien standen teilweise neuere Aufnahmen der
Hydrographie, für das Innere Detailvermessungen der Inge-
nieure des Bergwesens und eine ältere (wohl nicht sehr
zuverlässige) militärische Aufnahme zur Verfügung. Der
Karte von Billiton ist die neueste Karte des Hydrogra-
phischen Bllreaus von 1882, sowie eine von dom Topogra-
phischen Büreau zu Batavia 1879 veröffentlichte Karte zu
Grundo gelegt; letztere beruht zum Teil auf 1878 dort
vorgonommouen „flüchtigen“ Aufnahmen ; möglicherweise
konnten auch noch particllo, im Dienst der Zinn -Exploita-
tion vorgonommene Vormossuugen benutzt werden. Sehr
beschränkt war, soweit mir bekannt ist, das Material für
den Riouw - Archipel ; aufser der Karte des Hydrographi-
schen Büreaus ist nur noch eine im „Indischen Gids“ ver-
öffentlichte Karte3) des Battam-Archipels vou J. G. Schott
zu nennen.
Auch für Borneo (Blatt 10 und 11) ist das vorhan-
dene Material sehr dürftig ; aufser den astronomischen Ortsbe-
stimmungen haben wohl hauptsächlich nur holländische und
englischo Seekarten, aufserdem partielle und flüchtige mili-
tärische Aufnahmen und die llouten einiger Reisender das
bei der Redaktiou der Blätter verfügbare Material ausge-
macht; für den nicht niederländischen Teil scheint die Karte
von Joseph Hatton *) benutzt zu sein. Die Grenze mit
dem Gebiet der Xordborneo- Gesellschaft, die bekanntlich
noch nicht endgültig festgestellt ist , haben die Verfasser
nach der holländischen Annahme eingetragen. Als solche
gilt Batu Tinagat, dessen I^age auf 4* 12' 22" N. Br.
vor einigen Jahren neu bestimmt wurde (früher war 4° 21'
angenommen); in der Kälte befindet sich eine niederländi-
sche Station Muara Tawao, der Sitz eines Beamten. Eng-
lischerseits wird der Flufs Sebuku als Grenze angegeben.
Etwas mehr Material stand fUr Celebes (Bl. 12) zur
Verfügung. Südwest-Celebes ist 1855 — 79 aufgenommen
worden, und wiewohl diese Vermessung zu nicht ungerecht-
fertigten Bedenken Veranlassung gegeben hat, dürfte sie,
abgesehen von den kartographischen Arbeiten van Musscheu-
bronks (Menado s), Bai von Tomini 6)) bei woitem das beste
Material Air die vorliegenden Karten geliefert haben, da
im übrigen nur die Routen einzelner Reisender, sowie Mit-
teilungen verschiedener Beamten zur Verfügung standen;
für die Ostküste konnte man auch neuerdings veröffentlichte
Marinekarten zu Rate ziehen.
Für die auf Blatt 1 3 dargestellten kleinen S u n d a -
Inseln lag nur sehr wenig Material vor; Bali beruht auf
oiner bei dem topographischen Büreau zu Batavia 1883 neu
t) IVtermanns Mitteilungen 1883.
*) Tijdvh nfl Aardr. Geaootschsp HI.
3) Ind. Gült 1883, II.
4) Tlie Jtwr Ojlon 1881.
4) 1880 TVTfilUntlirht.
'■) Tijdichr. Aardr. Gcoouls. IV.
zusammengestellten Karto, für die andern Inseln (Flores aus-
genommen, wofür eine von Professor P. J. Veth redigierte,
von J. G. Veth gezeichnete Karte1) zur Verfügung stand) be-
schränkte sich das Material ansschliefslich auf die Mitteilungen
einzelner Beamter, namentlich aber auf die neu bearbeiteten
Karten der indischen Hydrographie ; ebenso ist das letzte
Blatt hauptsächlich auf Grund der von der Marine gelieferten
Karten bearbeitet worden ; zur Verfügung standen noch
einige Aufnahmen auf Ambon , Skizzen von Halmaheira
(1. Leutn. C. F. H. Campen) und Skizzen und Karten von
v. Rosenberg. Namentlich müssen für dio zuletzt genann-
ten Blätter verschiedene Arbeiten des Residenten Riedel er-
wähnt werden. Ich mufs hier daran erinnern, dafs aufser
den eigentlichen hydrographischen Aufnahmen, dio sich in
den letzten Jahren hauptsächlich auf die Karimatastrufse
und dio Ostküste von Borneo, sowie auf einzelne Stellen
von Java und Sumatra beschränkten, auch die Reisen der
Marine benutzt worden, um immer noues Material zur Ver-
besserung der Karten zu verschaffen, so dafs das hydro-
graphische Büreau zu Bataviu in den letzten Jahren im
stände war, eine grofse Zahl neu bearbeiteter Blätter er-
scheinen zu lassen. Dafs die Autoren das zur Verfügung
stehende Material im allgemeinen richtig benutzt haben,
läfst sich wohl annebmen, aber nicht mit Sicherheit fest-
st eilen ; selbst eine Vorgleichung mit den erschienenen
„Kesidentio Kuarten“ im Mafsstab von 1:100000 könnte
hierüber keine Gewifsheit verschaffen , da letztere, wie ich
oben schon anführte, nach ihrer Veröffentlichung noch
vielfache Verbesserungen erfahren haben. Ich habe mich
daher auch nicht der Mühe unterzogen, eine derartige
Untersuchung vorzunehmen. Einige Bemerkungen, die ich
mir bei dem flüchtigen Beobachten der Karte verschiedener
mir sehr genau bekannter Teile von Java gemacht, mögen
hier nur insofern eine Stelle finden , als sich deren Rich-
tigkeit (auch ohne Lokulkeuntnis) aus der Betrachtung des
Atlas erkounen lufst; sicher liefso sich die Zahl derselben
bei systematischer Untersuchung sehr vermehren, doch
kommt es mir weniger darauf an, alle Fehler und Irrtümer
nachzuweisen, als vielmehr die Art derselben ins Licht zu
stellen.
Die südliche Grenze der Residenz Batavia zeigt auf
Blatt 1 und 3 einen Unterschied, der wohl nur einem
ZeicheDfehlcr (auf Bl. 1) zugeschrieben werden mufs: der
durch Juughuhns klassische Arbeiten bekannte See Telaga
Patengau (uuf dem südwestlichen Abhang des Patuha)
— dieser Name ist auch verschwunden — ist auf Blatt 3
weggeblieben, wiewohl das Dorf gleichen Namens eine Stolle
gefunden hat; bei Sadjira (östlicher Teil von Bantam) auf
demselben Blatt ist die Höhenzahl 8 beigeschrieben, was
(wie ein Blick auf die Schummerungen, die Waaserläufe
uud andern Höhenzahlen ergibt) wohl nur ein Irrtum
sein kann.
Mehr als solche verhältnismäfsig unbedeutende und ver-
einzelte Irrtümer möchte ich den Umstand hervorheben,
dafB die Darstellung des Terrains im allgemeinen, soweit
ich es aus persönlicher Erfahrung zu beurteilen vermag,
das Relief des Landes durchaus nicht so wiedergibt, wie
es ist, was doch gerade bei dem Gebrauch von Schumme-
*) Tijdtchr. Aardr. Gmoot». I.
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Ein neuer Atlas von Niederländisch - Indien.
117
rungen, wobei es sich nicht um mathematische Genauig-
keit handelt , verhältnismäfsig leicht zu erreichen ge-
wesen wäre. Allerdings ist durch die vielen beigefügten
Höhenziffeni dem ÜbelBtand einigermafsen abgeholfen, al-
lein was das plastische „Herausarbeiten“ des Terrains be-
trifft, ist an manchen Stellen im Vergleich mit frühem
Arbeiten, namentlich einzelnen Blättern des Atlas von Ver-
steeg, geradezu ein Rückschritt zu bemorkon. Möglicher-
weise , dafs die Ursache schon in den zu Grunde gelegten
Detailkarten zu suchen ist ; jedenfalls ist die Thatsache Bohr
bedauerlich, da für demjenigen, welcher einen Atlas be-
nutzt, um sich mit einom ihm fremden Lande bekannt zu
machen , eino charakteristische Darstellung der Terrain-
gestaltung mit zu den besten Hilfsmitteln seines Studiums
gehört. Wer vermöchte — ich führe wieder einzelne Bei-
spiele an , die auch dem nicht mit Lokalkenntnis ausge-
statteten Leser die Möglichkeit gewähren, die Berechtigung
meiner Bodenkon zu beurteilen — auf dieser Karte (3)
zu erkennen, dafs die Gunung Bungbreng nach dem Thal
der Tjibuni so steil abfallen , dafs der Weg troppenförmig
angelegt ist , um den Gebrauch von Pferden (und die
können beim Ersteigen von Abhängen auf Java etwas lei-
sten!) überhaupt möglich zu machen; die Darstellung die-
ser Partie im Atlas von Verstoeg war ganz entschieden
besser. Wer vermöchte zu erkennen, dafs diese Borge auch
nach der Südküste ziemlich plötzlich abfalleu; wer könnte,
wenn er den Tjiremai betrachtet, sich eine Vorstellung
j von dem Torrain nördlich desselben machen , selbst wenn
er die Ziffer 585 bemerkt, die beinahe am Fufs des all-
mählich verlaufenden Kegels eingeschrieben ist. Von der
Darstellung des Terrains in Bantam will ich nicht sprechen,
woil de Aufnahme da noch nicht beendet ist. Wer ver-
möchte endlich , wenn or dio Tjilaki und Tjitarun , die
sich zum Indischen Ozean und zur Java - See wenden , als
gleicbmäfsig starke blaue Streifen zwischen 2000 m hohen
Bergen ineinander übergehen sieht, sich eine Vorstellung
von der Wirklichkeit zu machen?
Wie ich schon bemerkte, trifft dieser Vorwurf dio Au-
toren des Atlas möglicherweise nur zum Teil ; sie haben,
wie ihre Arbeit so vielfach beweist, die gröfste Sorgfalt an-
gewendet, um viel Detail zur Darstellung zu bringen, und
dadurch demjenigen, welcher sich mit dem Studium der
niederländisch -indischen Besitzungen beschäftigt, ein mög-
lichst vollständiges Hilfsmittel zu geben, oin Hilfsmittel,
wio ein solches bis jetzt uicbt einmal Air oine oinzige der
vielen Inseln in dieser Weise bestand, und für dio Sorg-
falt, die sie dabei angewendet , für die Arbeit, die sie ge-
leistet haben, verdienen sie alle Anerkennung.
Möchten diese wenigen Worte dazu beitragen, den
Horreu J. W. Sterafoort und J. J. ten Siethoff letztere zu
verschaffen , und dem Atlas , der beweist , welcho Fort-
schritte die Kartographie in Indien in einem Menschen-
alter gemacht hat, viele Freunde gewinnen.
Februar 1886.
Über meine Ausgabe der Sifat Gazirat al ‘Arab (Geographie der Arabischen Halbinsel)
von al-Hamdäni.
Von Prof. D. H. Müller1).
Herr Eduard Glaser hat in diesen „Mitteilungen“, 1886,
Heft I und II, einen Bericht über seine Reise „Von Ho-
daida nach $anä“ veröffentlicht und dio Gelegenheit be-
nutzt, um über meine Ausgabe der Geographie der Ara-
bischen Halbinsel von Hamdani sich in absprechender Weise
zu äufsern. Er nennt die Ausgabe auf Seite 6, Kol. 2,
„sehr wenig verläfslich“, bedauert auf Seite 8, Kol. 2,
„dafs er sich bei den Citaten aus diosom Werke, au die,
wie sich im Verlaufe seines Berichtes zeigen wird, nicht
immer verläfsliche Ausgabe dieBOB trefflichen Werkes hul-
ten mnfs, da er seine vorzügliche Handschrift im vorigen
Jahre dor Königlichen Bibliothek in Berlin verkaufte, welche
sie Horrn Prof. D. H. Müller zur Verfügung stellte“. End-
lich „beschränkt er sich darauf, nach seinen eignen For-
') Anmerkung der Hedakliuv. Die »rate Hilft« dieser Erwiderung
war bereit« in uiueni Händen, »D der zweite Teil tou Glaser» Artikel im
Pabruarbeft erschien, und es wurde erst nachträglich eine lose Verbindung
zwischen beiden Hälften hergeateltt. Der Herr Verfasser hat uns auf unser
Ansuchen gestattet, alle«, waa sich nicht auf seine Person und sein Werk
bericht, zu streichen, da wir, durch ltaumbesehrünkung und den Charakter
der .Mitteilungen" genötigt, die unumstobliche Absicht haben, einer Pole-
mik über obigen Gegenstand, die aich bester für andre Pachblätter eignet,
keine Aufnahme mehr ru gewähren.
Behlingen die markantesten Verstümmlungen von Ortsnamen
der Müllerschen Ausgabe richtig zu stellen“.
So sehr ich es vermeiden möchte, selbst über den
Wert meiner Ausgabe mich auszusprechen, und so wenig
Herr Glaser auch berechtigt erscheint, auf Grund seiner
Beobachtungen ein allgemeines Urteil über die Verläfslich-
keit derselben abzugeben, die allein auf Grund der Kodices
geprüft werdeu kann, so sehe ich mich donnoch mit Rück-
sicht auf den Ort, wo diese Äufseruugen abgodruckt wur-
den, gezwungen, das Urtoil Glasers in das richtige Licht
zu stellen. Es möge mir gestattet sein, hier vorerst in Kürze
die Geschichte der Herausgabo zu erzählen, welche bei der
hervorragenden Bedeutung des Buches nicht ohne Interesse
ist, uud die boi der Beurteilung der Verläfaliohkeit der Aus-
gabe berücksichtigt werden mufs. Im Jahre 1876 habe ich
in London im British Museum dio von Cuptain Miles dort-
hin geschenkte Handschrift der Öazirat al ‘Arab kopiert,
und konnte oin Jahr später diese Kopie mit der iu der
Köprülu-Bibliothek in Konstautinopel sich befindenden Hand-
schrift kollationieren. Schon damals, als ich einzelne Aus-
züge aus diesem Werke veröffentlichte, traten gute Freunde
an mich mit dem Scaligerschen „cur non edunt“ heran.
Bei der Eigenartigkeit dieses Buches, das eine genaue topo-
1 18 über meine Ausgabe der Sifat Oazirat al ‘Arab (Geographie der Arabischen Halbinsel) von al-Hamd&nt.
graphische Beschreibung vieler Gegenden Arabiens liefert
und ca 8000 Orts- und Eigennamen enthält, die zum grofsen
Teil bisher unbekannt waren, bei dom Umstande ferner,
dafs auch die Sprache wogen ihrer Knappheit und Präzi-
sion und der dialektischen Färbung, nicht leicht zu ver-
stehen ist, wehrte ich alles Drängen ab und liefs im Oriente
Uborall nach Handschriften der Öazirat al 'Arab nachfor-
schen. Herr Baron Alfred v. Krem er, der damals in
Kairo weilte, suchte selbst und ermunterte seine Freunde,
eine dritte Handschrift aufzutreibon, und so gelang es dem
damaligen Direktor der Vizeköniglichen Bibliothek iu Kairo,
Spitta-Bey, einen Kodex zu erwerben. Die Erwerbung
dieses Kodex wie der Verkauf desselben nach Berlin wurde
mir sofort mitgeteilt, und Profossor Lepsius, der mir stets
aufs freundlichste entgogenkam, schickte mir umgehend die
Handschrift ius Haus. Auf Grund dieser drei Kodices und
der Handschrift des Herrn Schefer in Paris, die eine mo-
derne Kopie des Konstantinopel-Kodex ist und zu einer
Zeit angefertigt wurde, in der jener Kodex noch nicht so
wurmstichig war wie jetzt, ging iclj an die Herausgabe des
ebenso wichtigen als schwierigen Buches.
Wer einmal Arabisch lesen gelernt hat, kann sich eine
Vorstellung von deu Schwierigkeiten machen, welche der
Editor eines arabischen Buches zu überwinden hat. Viele |
Buchstaben sind ihrer Gestalt nach vollkommen einander
gleich und unterscheiden sich nur durch diakritische Punkte.
So z. B. kann das Zeichen jo nachdem dasselbe mit einem
Punkte unton, zwei Punkten oben, einem Punkt oben, drei
Punkten oben oder zwei Punkten unten vorsohen wird,
b, t, n, th oder j gelesen wordon. Boi einem zusammen-
hängenden Text führt der Inhalt und Zusammenhang oft
auf die richtige Lesung. Dagegen ist man bei Eigen- und
Ortsnamon, dio sonst nicht bekannt sind, vollkommen ratlos.
Das Material, das mir vorlag, war auch durchaus nicht
ermunternd. Die Konstantinopeler Handschrift ist fnst ganz
ohne diakritische Punkte, von Vokalen gar nicht zu reden,
der Londoner Kodex leidet durchaus nicht au einem Über-
flufs von Punkten und ist dazu an einigen wichtigen Stellen
lückenhaft. Etwas zahlreicher sind die diakritischen Punkto
und Vokale in der Berliner Handschrift, Kodex Spitta. Ein
wichtiges Mittel zur Herstellung des Textes boten dio viel-
fachen topographischen Beschreibungen Hamdanis, dio eine
Wiederholung einzelner Ortsnamen nötig machten. Selbst-
verständlich sind die arabischon geographischen Lexika, die
Wüstenfeld ediert hat, wio die von Prof, de Goeje in Lei-
den herausgegebone ßibliotheca Geographicornm Arabicorum,
nicht minder aber auch die modernen Reisenden von Niebuhr
bis auf Siegfriod Langer benutzt worden. Mir speziell war
es auch möglich, verschiedene handschriftliche Werke, dar-
unter besonders die beiden bis jotzt nufgofundenen Bücher
dos Iklil von Hamdäni, wie dio zahlreichen in Südarabien
entdeckten Inschriften zu verwerten.
Die ersten 80 Seiten meiner Ausgabe waren bereits
gedruckt , als ich durch Prof. Nöldeke in Strafsburg die
Nachricht erhiolt, dafs der Reisende Ch. Huber eine Hand-
schrift aus Arabien mitgobracht hat, und zwar die (razirat
al 'Arab vom Hamdäni. Herr Hubor stellte mir sein Manu-
skript aufs bereitwilligste zur Verfügung, welches, obwohl
es nicht besonders korrekt ist, auch einige wesentliche Dieuste
leistete. Erst als der erste Band meiner Ausgabe, der den
vollständigen Text des Hamdäuischen Buches enthält, gedruckt
vorlag, kehrte Herr Glaser von seiner ersten Reise aus
Arabien zurück und brachte eine weitere (fünfte) Handschrift
des Hamdäni mit. Bei einem Besuche, den er mir in Wieu
abstattete, versprach er, mir seine Handschrift zur Kollation
für kurze Zeit zu überlassen, während ich ihm ein gedruck-
tes Exemplar zur Verfügung stellen sollte. Als Antwort
auf meine Zusendung erhielt ich von Herrn Glaser die An-
zeige, dafs er „gelegentlich seiner Reise nach Paris“ die
Handschrift verkauft habe. Ich wäre in Verlegenheit ge-
wesen, wenn ich den Kodex auf dem Wege von Wien nach
Paris hätte suchen wollen. Zum Glück kam mir bald die
Nachricht aus Berlin , dafs die Königliche Bibliothek die
Handschrift erworben habe, und über mein Ansuchen wurde
sie mir von Dr. Rose zngeschiokt. Also die „vorzügliche“
Handschrift des Herrn Glaser konnte bei der Herstellung
dos Textes nicht benutzt worden, woil sie in Europa noch
nicht war. Dieselbe wird aber im zweiten Band, der text-
kritiscJie und sachliche Noten, wie Indices enthält, und augen-
blicklich sich unter der Presse befindet, verwertet, und ich
kann schon jetzt sagen, dafs wohl einiges aus diesor Hand-
schrift gelernt werden konnte, aber durchaus nicht gar zu
viel ; denn dio Handschrift ist eine recht roittelmäfsige. Sie
hat sehr viele Lücken, wenig diakritische Punkte und fast
gar keine Vokale.
Die Stellen, dio Herr Glaser im Januarheft aus meiner
Ausgabe anfübrt, befinden sich auf Seite 68 — 72, dio un-
glücklicherweise in der Londoner Handschrift fehlen, und
also nur nach zwoi Kodices hergcstcllt wurden. Der Edi-
tor kann, insofern er von den Kodices abhängt, nur auf
Grund einer Wahrscheinlichkeitsrechnung arboiten, und mufs
diejenigen Ijesarten aufnehmen , welche dio moiston und
relativ besten Kodices bieten. Das Resultat dieser Rech-
nung kann ein andres werden, wenn neue Handschriften
oder andre Eaktoron das Verhältnis ändern. Dem Editor
darf daraus kein Vorwurf gemacht werden, so lange er
nach richtigen Prinzipien gehandelt hat. Ich orwartoto mit
Bestimmtheit, dafs eine geographische Durchforschung Süd-
arabiens mit dem Hamdäni in der Hand — den ein geistrei-
cher Schriftsteller mit Recht den Rädeker Arabiens nannte —
einerseits der geographischen Wissenschaft grofsen Nutzen
gewähren, anderseits aber auch für dio Toxtoskritik wese n t-
liehe Verbesserungen ergeben wordo. Herr Glaser hat
nun oinen Teil der südarabischen Alpen mit diesem Bucho
in der Hand untersucht, und das Resultat ist nach Glasers
Behauptung, dafs von 110 — 120 Orts- und Eigennamen
(oinige darunter kommen wiederholt vor), welche er ans
meinor Ausgabe anführt, fünf falsch geschrieben, oder wie
Herr Glaser sich uusdrückt, „verstümmelt“, sind, nämlich:
al-‘Arab (ojLI) für al-'Azah (cjyul),
al-Hutar (jJCsil) für al-Djeber
Mnsär für Masär
Niml für Nimr
Mudhäqa für Midhäja (KjLJOw»).
Aufserdom liost er für Dhfträn Türän (q, Ji),
versieht die Ortsnamen Säbib , Mudjejjib , Summ , Mäd-
hikh und Wäkir mit Fragezeichen und schlägt für letzteres
dio Lesung Wäfi vor. Zu erwähnen ist nooh — was Herr
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Über meine Ausgabe der $ifat tiazirat el ‘Arab (Geographie der Arabischen Halbinsel) von al-Hamd&ni. 119
Glaser grofsmUtig verschwieg — , dafs bei einer Verglei-
cbuDg meiner Yokalisation mit der Glaserschen Transskrip-
tion sich auch einige Differenzen ergeben , so namentlich,
dafs bei mir öfters dort u oder i geschrieben wird, wo
Glaser i bzw. e hat. In allen diesen Fallen halte ich
durchaus meine Lesungen aufrecht, weil die Wiedergabe
der Yokale durch die Schrift gesichert erscheint, wobei ich
gern zugebe, dafs leichte Färbungen, namentlich in der
heutigen Aussprache Vorkommen mögen, welche Herrn Glaser
zu seinen Transskriptionen wohl berechtigten.
Was nun die mit Fragezeichen versehenen Wörter be-
trifft, so weifs ich nicht, worauf sich der Zweifel Glasers
stützt und kann ihn also nioht beseitigen. loh will über
bemerken, dafs das konsonantische Gerippe nach den meisten
Kodices feststeht, während die Vokalisation bisweilen nur
durch einen Kodex gegeben ist.
Diese Namen finden sich übrigens öfters, so: $äbib
S. 68, Z. 17, 106, 12; Summ und Madhib 68, 20. 72, 8.
106, 12. 135, 8; WAkir 72, 3. 119, 21, wodurch die
Zweifel Glasers wohl beseitigt erscheinen. Für WAkir findet
sich die Variante Wäfir, aber das r ist durch alle Kodices
gesichert, das k auch durch den Geographen Jacut. In
bezug auf die Lesung D h ü r A n stimme ioh mit allen altern
und jungem Geographen und Editoren überein. Die Schrei-
bung Türan ist öfters südarabischen Haudschriften eigen-
tümlich, die auch in andern sichorstehenden Wörtern t für
dh schreiben. Auch für MAdhih wird Mätih von zwei Ko-
dices geschrieben.
Es bleiben also noch die „markantesten Verstümmelungen“
zu besprechen, die Herr Glaser meiner Ausgabe zum Vor-
wurfe macht.
Ich gebe sofort zu, dafs die Lesung al-Arab, obwohl
sie nach den Kodices aufgenommen werden mufste, un-
richtig ist. Die Kodices schwanken zwischen al-‘Arab und
Gharab, auch der Geograph Jacut, der die Stelle aus Ilam-
dani anführt, hat im Text al-Arab, in den Varianten al-
Gharab. Nur an einer Stelle meiner Ausgabo 103, 25,
hat Kodex Spitta uj üt t während in allen andern die dia-
kritischen Punkte fehlen. An dieser Stelle habe ich auch
die Lesart al-Ghazb aufgenommen, und ausdrücklich in den
Noten bemerkt, dafs dieses Wadi mit al-Arab (oder nach
Glaser al-Azab) idontisch ist, dafB ich alter die Verschie-
denheit der Lesarten selbst im Text nicht ganz zu besei-
tigen wage. Mir scheint jetzt die richtige Lesung al-Gha-
zab zu sein, und Herr Glaser möge sich an Ort und Stelle
überzeugen, ob 1 oder gh (^ oder k ) gesprochen wird ; denn
die Südaraber verwechseln“ dieso beiden Laute auch sonst,
z. B. in dem Worte Maghrib, Wösten, das inschriftlich
Ma'rib geschrieben wird. Horr Glaser hätte, wenn er
ehrlicher und sachlicher Weise kritisieren wollte, die Les-
art al-Ghazb erwähnen müssen. Dagegen halte ich die
Lesart al-Hutar gegen Glasers al-Djeber aufrecht Auf
S. 69, Z. 1, haben die Handschriften Hubers und Glasers
allerdings al-Djeber, aber die Ubrigon Kodices al-Hutar (mit
Vokalen). Läge uns nur diese Stelle vor, so müfste die
Glasersche Lesung unbedingt vorgezogen werden. Der Ort
wird aber 1 93, 1 3, erwähnt , und dort in allen Kodices
(auch in denen Hnbers und Glasers) al-llutar geschrieben.
Dazu kommt noch eine andre Erwägung, dafs die Wurzel
liatara „befestigen“ und djabare „festmachen“ heilst,
so dafs sich beide Namen, al-Hutar und al-Djebar als ihrer
Bedeutung nach identisch erweisen (vgl. den Namen der
Burg Sibäm, die auch Ja(tbuä heilst, wo ebenfalls beide
Wurzeln Synonyme sind). Es kann also kein Zweifel sein,
dafs al-Hutar zu lesen ist. Derselbe Berg hiefs später
al-Djabar und ist deswegen als Glosse in beide verwandten
Kodices eingedrungen. Herrn Glasers Angabe, dafs der Berg
heute al-Djeber heifst, ist richtig, aber meine Lesart mufs
trotzdem festgehalten worden, weil sie die ältere Benennung
wiedergibt und von den Kodices gesichert wird.
Ebenso halte ich die Lesungen al-Mud-liaka aufrecht.
Allo Kodices hier 68, 26, und 113, 1, ferner im 10. Buch
Iklil bieten diese Lesart, so dafs ich also eine Verschrei-
bung der Kopisten (für Mid-lmja) für ausgeschlossen halte.
Hat aber eine Verschreibung stattgefunden, so mufs sie auf
den Autor zurückgehen, und ich hätte meine Pflicht erfüllt,
indem ich die Lesung HamdAnis feststellte. Es sind aber
noch eiue lteihe von andern Möglichkeiten vorhanden. Mid*
häja kann verschieden von Mud-haka sein, oder die heutige
Aussprache ist verstümmelt, oder endlich, Herr Glaser hat
schlecht gehört, — er ist durchaus nicht unfehlbar.
Erst recht mufs ich die Lesung Na ml oder Niml
gegen Nimr verteidigen. Das Wort findet Bich 69, 2.
72, 17. 113, 18. 190, 21. 193, 15 meiner Ausgabe, aufser-
dem noch Iklil, 10. Buch, und an allen Stellen haben alle
Kodices das 1 gesichert. Ich glaube, Herr Glaser solbst
wird bei ruhigor Berücksichtigung der Fakta zugeben, dafs
er schlecht gehört hat, und dafs ihm zu Liebe gegen alle
Kodices die Lesart nicht zu ändern sei.
Bei dem Ortsnamen Mai Ar bin ich mir aller-
dings der Sünde bewufst, dafs ich gegen die Kodices, welche
MasAr -j) haben, die von Glaser gerügte Lesart auf-
genommen babo. Man höre aber meine Begründung, die
in den Noten vor zwei Jahren geschrieben wurde: „Ich lese
MuAAr, obwohl die Kodices MasAr haben, weil der Geograph
Jacut es so an verschiedenen Stollen seines Workos schreibt
und es auch in der alphabetischen Reihenfolge unter
(nicht MS) anführt. Auch in Dichterversen, die er citiert,
behält er die Losart Ma&Ar (vgl. Jacut IV, 437. 535 und
1002). Dazu kommt noch, dafs eine Stelle in einer süd-
arabischen Inschrift lautet : ,in den beiden Gebieten Malar
und Musajjih *, die mit ,Maiar und Mudjajjih ‘ bei Ham-
dAni identisch zu sein schoinen. Nur wird man entweder
Mudjajji(i in Musajjih oder umgekehrt verbessern müssen.“
Ich habe jetzt zu dieser Begründung nichts binzuzufügen.
Das Resultat ist, dafs von den fünf Verbesserungen
Glasers nur e i n c als stichhaltig sich erwiesen hat, wobei
jedoch meine Lesung, dio nach den Kodices aufgenommen
werden mufste, durchaus nicht tangiert wird. Ob Herr
Glaser auf Grund seiner Beobachtungen berechtigt war,
moino Ausgabe als eine „sehr wenig verläfsliche“ zu be-
zeichnen, selbst wenn er in allen Punkten Recht hätte, und
ob diese Beurteilung rein sachlichen Motiven entsprungen
war, mögen dio prüfenden Leser selbst beurteilen.
Wenn ich zu Glasers Arbeiten und seiner Objektivität
ein gröfseres Vertrauen haben könnte, als ich es nach diesen
Proben habe, so müfste ich meine Ausgabe, die bei 120
Ortsnamen eine leichte Verschreibung aufweist, geradezu als
eine mustergültige bezeichnen. Ich bin aber überzeugt, dafs
120 Über meine Ausgabe der $ifat Gazirat el Arab (Geographie der Arabischen Halbinsel) von al-Hamdät>i.
eine genauere Nachforschung in Südarabien noch vielerlei Ver-
besserungen zu meinem Texte liefern wird (so lese ich z. B.
jetzt anstatt &uraib , das ich nach den Kodices aufnehmen
mufste, in Übereinstimmung mit der Karte Glasers Surbab
oder Äirbab), was aber den Wert meiner Ausgabe nicht im
geringsten beeinträchtigt, und ich kann mit voller Seelen-
ruhe behaupten, dafs ich bei der Behandlung des Textes
alles gotban habe, was unter den gegebenen Verhältnissen
geleistet worden konnte.
Über die Arbeit Glasers hätte ich gar vielerlei zu be-
merken, ich mufs mich jedoch über ausdrücklichen Wunsch
der Redaktion auf die Defensive beschränken. Die zwei
folgenden Bemerkungen sollen davon eine Ausnahme machen,
indem sie zeigen, wie vorsichtig man mit „Verbesserungen“
sein mufs. Sehr merkwürdig ist die Schreibung Dja'lal
bei Glasor westlich von Sund in der Nähe von Hadhür
und Masjab, wo man nach Hamdüni 82, 1. 106, 19 ff.,
109, 8. Mu'lul erwarten müfste. Eine Verschreibung bei
Hamdäni auzunehmen, ist angesichts der Übereinstimmung
der Kodices und der Inschriften (vgl. Mordtmann und Müller,
Sabäische Denkmäler, S. 53) unmöglich. Anderseits aber
scheint Haldvys Djdlel Glasers Schreibung zu bestätigen.
Wir hätten also zwei Ortschaften, Mu'lul und Djn'lal, in
derselben Gegend anzusetzen.
Glaser bat einen Ort Beyt Dänib. nordwestlich von Reida,
der unzweifelhaft identisch ist mit Beyt Dänim hoi Ham-
ddni 86, 6. 111, 18, wo man also dus b (für m) dem schlech-
ten Gohör Glasers zur Last legen müfste, wobei ioh jedoch
zu seiuor Entschuldigung ausdrücklich hervorhebe, dafs die
SUdaraber, wie bekannt, m und b in der Ausspracho ver-
wechseln.
Während sich Herr Glasor in dor ersten Hälfto seines
Artikels auf „die Richtigstellung der markantesten Ver-
stümmelungen“ meiner Ausgabe beschränkt hat, verschmäht
er im zwoiten Teilo (Pobruarhoft) selbst vokalische Diffe-
renzen nicht als Verbesserungen zu notieren. Aufserdem
ist er in seinem Fehlersuchen auch auf einige ganz un-
mögliche Identifikationen verfallen. Um dem prüfenden Leser
die Fällung eines Urteils zu ermöglichen, gebe ich hier die
Übersetzung der von Glaser kritisierten Beschreibung, auf
die er als sachlich noch heute zutreffend verweist, und fügo
in Klammern die wesentlichen Varianten bei. Dio Stelle
befindet sich auf S. 105 meiner Ausgabe und lautot wört-
lich: „Der Distrikt Haräz und Hauzan besteht aus sieben
Teilen, d. h. sieben Landschaften: Haräz, al Mustahniznh,
Hauzän, Karär(Jacut: Kirär), wonach dio karärischen Rinder
benannt werden, Sa'fän, Maäür (so Jacut; Kodices: Masär),
Lahäb, Mudjajjikh, Sibäm. Der Gesamtname dieser Land-
schaften ist Haräz und Hauzan, welche zwei himjarische
Stämme sind, nämlich die Söhne des Ghauth bin Sa'd bin
‘Auf bin ‘Adijj. In Ijfaräz wohnen auch die Hauätilah
(Var. Ifahätilah), die Söhne des Hantal (Var. Habtal) bin
‘Auf bin 'Adijj, ferner Lo'f und Naäk von Hamdän und andre
Stämme von Himjar. Das Land ist reich an Saaten, Wars,
Honig und edlen Rindorn , welche der Rasse nach denen
von Djublän gleichen. Haräz grenzt im Westen an das von
‘Akkiten bewohnte Li'sän. Dazu gehören at-Taim und al
Adrüb und al ‘Adjab und al 'Obar (Var. ‘Otar) und al
'Arkin und W. Här. Im W. Sahäm befindet sich oin
heifses Wassor (eine heifso Quelle V), in welchem Eier und
l
Reis gargekocht werden können. Zum W. Här gehören
al ‘Okbul (Var. ‘Okail, beide ohne Vokale) und al Habil
und al An'üm, die An Um sind ein (limjariscber Stamm, und
Satt »1 Hadjal und al Ahai^i; letzteres ist ein Tränkplatz
des Zuhär b. Itasir an-Naski vom Stamme Hamdän, und
ad-Danäbät und al-Aridhah und ol-Ma'iür und ar
Rukhäm (Var. Zu(iäm) und al-Djam' und as-Sük und
al-Hauräuijjän und Saulänah und al-Buwajjah,
zwei Burgen.“ Das häufige „und“, welches man sonst in
dor deutschen Übersetzung wegzulassen pflegt, habe ich
absichtlich hier genau nach dem Arabischen wiedergegeben ;
der Leser wird später den Grund erfahren. Hierauf folgt
eine Aufzählung der Träukplätze (J-PLka) dor Li'sän, worun-
ter al-Khanäsir und Baräm Vorkommen. Die ziemlich um-
fangreiche Liste dor Tränkplätze schliefst Hamdäni mit fol-
genden Worten : „Wir haben diese Ortschaften in erschöp-
fender Weise aufgezählt, was wir in andern Gegonden
Jemens nicht gothan haben, um darauf hinzuweisen, dafs
diese Gegenden nicht von den Rabfah b. Nizär bewohnt
waren, wie unwissonde Gonealogen und Archäologen unrich-
tigerweise behaupten“. Qogon diese Behauptung polemi-
siert Hamdäni auch auf S. 172, Z. 25 ff.
Von den in der Beschreibung des Distriktes Haräz vor-
kommenden Ortsnamen identifiziert Glaser aufser den schon
im orsten Artikel angeführten noch einige weitere und hat
an mcinon Lesarten nichts auszusetzen. Unidoutifiziert
bleiben nur dio gesperrt gedruckten. Er beanstandet die
Jjesungon von vier Ortsnamen, von donen zwei nicht mehr
in Haräz , sondern im Gebiete der Li'sän sich befinden,
und liest :
Idrüb für Adrüb,
Anafir (.oJit) für al-Khanäsir («oJL»!),
Birär für Baräm
Hasabäu für Hianän ((.),^j>)|
und aufserdem noch an einer undern Stelle Kanin für
Kinan, und Dj’alal für Ma'lal.
Übor die Verbesserung Dja’lal für Ma'lal bitte ich dus
oben Gewagte zu vorgleichen. Die Vokalisiorung Kanin scheint
richtig zu sein, denn Kodex Spitta vokalisiort ebenso, wäh-
rend dioübrigo Handschriften ohne Vokale haben. Meine
Losung stützt sich auf Jacut (IV, 313), wo Kinan vokali-
siert wird. Gegen eine Handschrift mufste ich unbedingt
die Lesart Jacnts aufnehmen, wie es jeder Editor gethan
haben würde. Dagegen weise ich alle weiteren Verbesse-
rungen Glasors aufs entschiedenste zurück. Ich habe schon
früher gesagt, was von gewissen vokalischen Differenzen
moiner Ausgabe und der Glasorsclien Transskription zu
halten ist. Da Gluser mir die Vokalisation verbessert, so
mufs ich zeigen , wie unwissenschaftlich der Vorwurf ist.
Eine Form Idrüb ist nach der arabischen Sprach-Analogie in
alter Zeit unmöglich. Die alte Form kann mir Adrüb gelautet
haben. Aber Herr Glaser hat Idrüb gohört und mufs so
ansotzen. Ich will die Richtigkeit soinor Behauptung nicht
bestreiten, aber dieselbe erklären, — obwohl es selbst dem
feinsten Gehöro bei Wörtern, dio mit Spiritus lenis im Se-
mitischen beginnen, schwer werdon dürfte, zwischon E und f
zu unterscheiden, >.jj| , wie ioh es vokalisiort habe, mufs
nicht Adrüb geleson werden , sondern wird meistens von
Arabern Edrüb gesprochen, da das kurze a nur in bestimm-
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Cber meine Ausgabe der $ifat Gazirat el ‘Arab (Geographie der Arabischen Halbinsel) von al-Hamd&nl 121
t«n Fallen rein erhalten, sonst aber zn S wird. Das weifs
Glaser sehr wohl , der öfters den arabischen Vokal für
a durch e wiedergibt. Um die Differenz moiuer Vokali-
Mtion von der heutigen Aussprache noch gröfser zu machen,
als sie in Wirklichkeit ist, sagt er: „Müller schreibt Adrflb“,
wahrend er sonst ohne weiteres es „Edrüb“ lesen würde.
Eine weitere Verdünnung von e zu i ist iinmerliiu möglich,
scheint mir jedoch durchaus nicht sicher. Wie schwankend
die vokaliscbe Wiedergabe ist, zeigt z. B. Glasers Aus-
sprache Atuwa neben Etwa, während die Kodices Itwa,
Bekri Atwa, resp. Etwa hat. Also selbst zugegeben, dafs
Glaser ausgezeichnet gehört hut, darf und kann ich noch
heute nur Adrflb vokalisieren (was jeder nach Belieben auch
EdrOb lesen kann, da das Arabische für das e kein beson-
deres Vokalzeichen hat).
Weiter sagt Herr Glaser: „Ha&abän auf
dem W. Dajän (Müller, 105, 20, erwähnt zwei verstüm-
melte Ortsnamen, und fügt hinzu: hugnän was
so viel bedeuten würde als ,zwei Burgen“; offenbar mnfs
man Hasabän lesen)“. Glaser hat nicht das Recht, die zwei
Ortsnamen Saulänah und Buwajjah als verstümmelt zu be-
zeichnen ; denn die fünf Handschriften bieten übereinstim-
mend dieso I /«'Barten. Was betrifft, so ist das-
selbe in zwei Handschriften (AC) ohne Punkte , drei da-
gegen und darunter die „vorzügliche“ Glasersche haben
busnän. Dio Identifikation ist aus topographischen Grün-
den durchaus nicht sicher. Trotzdom würde ich keinen
Anstand nehmen , die Glnsersche Emendation als richtig
anzusehen, wenn das .und“ nicht fehlen würde. Ich habe
deswegen alle .und“ des Textes wiedergegeben, um zu zeigon,
dafs das vor dem letzten Wort in allen Handschriften feh-
lende „und“ die Glasersche Lesung unmöglich macht.
Es bleiben nur noch al-Khanä»ir und Haram zu recht-
fertigen, wofür Glaser Anäsir, bzw. BirAr lesen will.
Bei der Übereinstimmung der Kodices ist eino Verlesung
in graphischer Hinsicht ausgeschlossen. Die Identifikationen
sind in topographischer Beziehung höchst unsicher. Dazu
kommt noch, was Herr Glaser nicht wufste, dafs die ganze
Stelle, „die Tränkplätze dor Li'sän“, wo al-KhanA*ir und
Baräm Vorkommen, in Bekris geographischem Worterbuchc
(ed. Wüstenfeld) 773, sich findet, und dafs auch Bekri
al-Khnnäsir und Baräm hat. Warum konnte aber Glaser
von dieser langen Liste nur den Marktplatz Mauzah iden-
tifizieren? — Darüber hat Hamdäni in der obigen Stelle
Aufschlufs gegeben. In diese I-iste hat der Geograph aus
polemischen Zwecken ganz unbedeutende Trnnkplätze auf-
genommen , die vielfach wechseln und die heute meistens
verschwunden sind oder andre Namen führen. Herr Glaser
aber gräbt die alten Brunnen auf, um neuen Hader zu be-
ginnen, und hat die Kühnheit zu schreiben: „Zahlreiche
andre Namen sind nach der Müllerschen Ausgabe leider
nicht wiederherzustellen, falls nicht eino zweito verbesserte
Auflage des Hamdänischen Werkes erscheint“. Jeder Ur-
teilsfähige weifs, was von diesem unbefugten Urteil zu
halten ist !
Der Appell , den Herr Glaser am Schlüsse seines Ar-
tikels au die europäischeu Gelehrten richtet, erweckt deu
Verdacht, als ob man hier in Wien Herrn Glaser jede
Unterstützung verweigert hätte, und als ob ich daran die
Schnld trüge, dafs die Verdienste Glasers nicht gehörig
gewürdigt worden wären. Dem gegenüber sei mir gestattet
zu konstatieren, dafs Herrn Glaser von hier aus auf meine
Anregung und Empfehlung hin wiederholt Unterstützungen
gewährt worden sind.
I
Die österreichische Kongoi- Expedition.
Briefliche Mitteilung von Prof. Dr. Oskar Lenz.
Aus den zahlreichen Berichten , die ich an die K. K.
Geographische Gesellschaft in Wien geschickt habe und
von denen ich hoffe, dafs dieselben auch in Europa an-
gelangt und in den „Mitteilungen“ der genannten Gesell-
schaft publiziert worden sind , werden Sie Über den bis-
herigen Verlauf meiner Expedition unterrichtet sein. Einen
grofsen Zeitverlust verursachte die Trägerfrage. Es ist
gar nicht so einfach , vom untern Kongo . d. b. von der
Gegend bei Vivi aus . eino gröfsere Zahl Träger für den
Transport der Waren zum Stanley Pool zu erhalten. Das
wiederholt beliebte Auskunftamittel , Loango - Leute zu be-
nutzen , ist durch die neuesten Erlasse des französischen
Gouvernements daselbst wesentlich erschwert, ja fast un-
möglich geworden. Vorausgesetzt, dafs es einem Nicht-
franzosen überhaupt gelingt, dort Träger zu finden, dürfen
dieselben einmal überhaupt nur auf die Zeit von sechs
Monaten eugagiert werden. Hält der Europäer dieselben
länger zurück , so hat er für jeden Mann eine bedeutende
Geldstrafe zu erlegen. Aufserdem mufs man beim Engage-
ment den Leuten nicht nur einen Teil des Gehaltes voraus-
Pttermtans Oeogr. Mitteilungen. 1886, Heft IV.
zahlen, sondern auch für jeden Träger eine Garantiesumme
beim Gouvernement erlegen, welohe gleichfalls verfällt,
wenn dio Leute nicht zur rechten Zeit mit einem Dampfer
in ihre Heimat zurlickbefürdert worden sind. Abgesehen
davon, dafs es jetzt kaum möglich sein wird, die Loangos
höher als bis zum Stanley Pool zu bringen, ist dies auch
aus der angegebenen Beschränkung in der Engagements-
dauer vollständig ausgeschlossen. Man ist demnach auf
einheimische Träger angewiesen, und diese finden sich
am 8üdufer des Kongo nur in der Gegend von Ngombe.
Mit Hilfe des einflufsreichen Händlers Makitu gelang es
meinem Begleiter, Herrn Bauroann , mir 80 Mann nach
Ango Ango zu bringen , trotz verschiedener Intrigon und
Schwierigkeiten, die ihm in den Weg gelegt wurden. Die
Nachfrage nach Trägern ist eine sehr bedeutende. Da*
Gouvernement in Vivi bedarf deren sehr viele, ebenso die
englischen und amerikanischen Baptistenmissionen. Dazu ist
neuerdings das holländische Handelshaus in Banana ge-
kommen , welche* am Stanley Pool eine Faktorei anlegt
und demnächst einen grofsen Dampfer heraufschafft, der
16
122
Die österreichische Kongo - Expedition.
aus Europa, vollständig in Trägerlasten zerlegt (ca 70 Pfund),
demnächst kommen wird , vielleicht schon in Banana liegt.
Es ist dies der erste Versuch , den die Kaufleute an der
Küste machen, um Bich im Innern festzusetzen. Die Fak-
torei am Stanley Pool kann übrigens auch nur ein Waren-
depot werden , wie es Banana am Meere ist. Der Ankauf
der Naturprodukte kann nur am obern Kongo und in den
Zuflüssen erfolgen, denn am Stanley Pool ist das Elfenboin
z. B. fast ebonso teuer, wie an der Küste. Dazu kommt
dann noch dor kostspielige Transport der Waren landaufwärts
und der Produkte abwärts. Es ist ein grofser Irrtum zu glau-
ben, dafs man vom untern Kongo ohne weiteres zum Stanley
Pool gelangen könne. Ein einzelner Mann mit nur wenigen
Trägern für sein Privatgepäck kann allerdings ohne wei-
teres die Heise ausführen , eine Expedition mit gTofsen
Warenmassen mufs sich erst die Träger aus dem Innern
verschaffen, was viel Zeit und Geld kostet.
Ich unterlasse es, Detailmitteilungen über den ZuBtand
der Stationen des Kongostaates zu geben , ich mufs nur
darauf aufmerksam machen, dftfs einmal durch die Ver-
schiedenheit der Nationalitäten untor den Boamten, ander-
seits durch das nicht immer einheitliche Zusammengreifen
der Anordnungen der Zentralleitung in Brüssel und des
Gouvernements in Vivi Zustände geschaffen sind, deren
Fortdauer im Interesse des Ganzen unmöglich erscheint.
Besser kann es überhaupt nur werden , wenn aus diesem
internationalen Unternehmen oin nationales wird; das Zu-
sammenarbeiten von vier, fünf verschiedenen Nationalitäten
unter den Beamten wird nie möglich sein, und selbst wenn
ein Mann als Gouverneur käme, vor dem man nioht nur
Hespokt, sondern geradezu Furcht hat, so würde dorsolbo
doch kaum im stände sein, den Eifersüchteleien der zahl-
reichen Elemente , aus denen der Beamteukörper besteht,
entgegenzutreten.
Seit dem Erscheinen des StaDleyschon Werkes werden
die verschiedenen kolonialen Großmächte wohl weniger als
je geneigt sein , sich des Kongostaates anzunehmen ; denn
jedem nur einigermaßen mit den Verhältnissen vertrauten
Menschen inüsson doch die Zahlenangaben Uber den an-
geblichen Keichtum des äquatorialen Afrika an Naturpro-
dukten einfach lächerlich erscheinen. Diese" vollständig
aus der Luft gegriffenen Zahlen können nur die schädliohe
Reaktion hervorrufon, daß man überhaupt keinen Angaben
mehr Glaubon schenkt und die in Rede stehenden Gebiete
für völlig wertlos hält.. Die Wahrheit zwischou beiden
Extremen liegt, wie immer, in der Mitte.
Sollten sich in Europa Philanthropen finden, welche die,
vorläufig übrigens unmöglich auch nur annähernd anzu-
gebende Summe für den Bau einer Eisenbahn zum Stanley
Pool zusammenzubringen geneigt sind, so würde allerdings
eine wesentliche Änderung, und zwar ira günstigen Sinne,
in den hiosigen Verhältnissen eintreten. Es ist sogar mög-
lich , daß in einer Reihe von Jahren die jährlichen Be-
triebskosten eingebracht werdon könnten ; an eino Verzin-
sung des sehr bedeutenden Anlagekapitals ist wohl auf
Dezennien hinaus nicht zu denkon.
Die technischen Schwierigkeiten sind natürlicherweise
leicht zu überwinden ; aber es sind ungemein zahlreiche
Brücken und Vindukte nötig, die alle ans Eisen und Stein
errichtet werden müssen, um die Masse von mehr oder we-
niger tiefen Einschnitten zu überschreiten. Was für Ar-
beitskräfte man dazu übrigens benutzen will, ist mir auch
unklar. Die Neger sind dazu nicht zu verwenden , und
man wird doch nicht so gewissenlos sein und europäische
Arbeiter hierher lockeu wollen. Erdbewegung ist bekannt-
lich das Schlimmste hior und orzougt sofort heftige Fieber,
und der Rau einer solchen Eisenbahn wird unter den doch
notwendigerweise aus Europäern bestehenden Ingenieuren
und Aufsichtsbeamten zahllose Opfer fordern. Warum man
übrigens bei den jetzt vor sich gehenden technischen Vor-
studien immer nur das Nordufer berücksichtigt, verstehe
ich nicht; ich stimme den zahlreichen Leuten von hier bei,
welche das Südufer für in jeder Beziehung bequemer hal-
ten. Den Franzosen würde natürlich das Nordufer ange-
nehmor sein , da Brazzavillo dort liegt und Endpunkt der
Bahn werden müßte. Vielleicht will man aber nur die Bahn
bis Isangila bauen , dann den Fluß benutzen , die Waren
ans Südufer schaffen und von Manjanga aus auf dieser
Seite die Eisenbahn weiter bis Leopoldville , resp. Kin-
ebassa führen. Einfacher müßte es doch sein, die Bahn
gegenüber Vivi am Südufor beginnen zu lassen und dann
bis zum Stanley Pool zu führen.
Wir haben ein sehr ausführliches Itiuorar dos Weges
Ango Ango bis Stanley Pool nach Wien geschickt und
hoffen , dafs dasselbe bald veröffentlicht wird. Trotzdem
schon so zahlreiche Europäer diesen Weg zurückgelegt
haben, so dürfte eine so genaue Aufnahme desselben , wie
die unsrigo , noch nicht existieren. In Ango Ango und
hier am Stanley Pool wurden eine Reihe Längen - und
Rreitenbesfimmungen ausgeführt- Es existieren eino genü-
gende Zahl solcher Beobachtungen, aber nirgends finden
sich die Elomento publiziert, aus denen man die Berech-
nungen hergestellt bat. Eine möglichst ausführliche Publi-
zierung der von uns ausgeführten Beobachtungen wird also
. zur Kontrolle wünschenswert sein.
Was das Fortschreiten unsrer Expedition betrifft, so
sind die Verhältnisse vorläufig insofern günstig für uns,
als wir durch die Güte des Gonoraladministrators Sir Francis
de Winten einmal dio Passage auf dom Dampfor „Stanley“
bis zu der Fallstation erhalten haben, und anderseits wurde
der jetzt im Dienste des Kongostaates stehende Herr Bohn-
dorff zur Verfügung gestellt- Derselbe war natürlich sofort
bereit, mit uns zu reisen ; ich erwarte von ihm und seinem
Niam - Niarn - Dioner Djuma eine wesentliche Hilfe hoi un-
gern) Bestreben, vom Kongo aus die Niam-Niam-Länder zu
erreichen. Der „Stanley“ wird voraussichtlich am letzten
Dezember d. J. von hier aufbreeben, und dürfte etwa sechs
Wochen später in der Station bei den Stanley - Fällen cin-
treffen. Dort muß ich suchen, mich mit Tippo-Tip ins
Einvernehmen zu setzen, um dio Möglichkeit zu bekom-
men, in nördlicher oder nordöstlicher Richtung vorzugehen.
Sollte dies zu keinem Resultat führon, so müßte ich ver-
suchen, einen der nördlichen Zuflüsse aufwärts zu fahren,
wozu wohl der von Grenfell befahrene Loikafluß aß der
geeignetste erscheint-
Auf Ihrer neuesten Karte von Afrika, für deren Zu-
sendung ich bestens danke, haben Sie die sogenannte Hypo-
these Wauters vorzeichnot, wonach der Ubaogi und der
Uelle identisch sind ; auch Mr. Grenfell neigt sich dieser
Ansicht zu. Absolut sicher erscheint mir daB aber durchaus
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Die österreichische Kongo -Expedition.
123
noch nicht. Sieht man die Detailkarten Mr. Grenfells an
(dessen Güte wir eine Kopie verdanken), so findet mau,
dafs derselbe den Ubangi doch vorherrschend in nördlicher
Richtung hinaufgefahren ist ; die kleine Biegung nach Osten
am Ende der Fahrt kann möglicherweise nur eine lokale
Biegung sein. Immerhin hat die Hypothese manches für
sich ; vielleicht sind wir so glücklich, etwas Genaues über
diese hydrographischen Verhältnisse seinerzeit mit teilen zu
können.
Aus Zeitungsnotizen erfuhren wir, dafs die europäischen
Reisenden in Lado von dort aus in südlicher Richtung ge-
gangen sind. Nachdem Dr. Fischer schon im Juli d. J. von der
Ostküste aufgebrochen ist, dürfte derselbe wohl früher Gele-
genheit finden, zu Dr. Junker und den andern Europäern
zu gelangen, als wir. Immerhin werden wir natürlich ver-
suchen , Nachrichten Uber diese verdienten Männer einzu-
ziehen, wenn es uns gelingen sollte, die Niam-Xiam- Länder
zu erreichen. Bei den traurigen Zuständen , die im ägyp-
tischen Sudan herrschen, scheint eine Rückkehr nach Nor-
den zu ausgeschlossen, und dio genannten Reisenden müs-
sen entweder vom Kongo oder von Zanzibar aus gerettet
werden.
Mit dem jetzt zu expedierenden Dampfer „Stanley“
sollte auch eine Spezialinission des Königs von Belgien
nach den Stanley Falls gehen, bestehend aus den Herren
Van Gele, Waetcrinks und Eyken, mit der speziellen Auf-
gabe, das Verhältnis des oinßufsreichen arabischen Händ-
lers Tippo Tip zum Kongostaat zu rogeln. Leider er-
krankten die beiden erstgenannten Herren an einem schwe-
ren biliösen Fieber und waren genötigt, sobald sio nur
transportabel waren , nach Vivi und von da nach Europa
zurückzukehren. Der Dampfer wird trotzdem sieben Passa-
giere haben: Mr. Doane als Divisionschef für die Falls,
und Mr. Eykeu, ferner ein Agent commercial des Kongo-
staates, Mr. Van der Berg, Mr. Ward, der für die Bangala-
station bestimmt ist , uud unsre Expedition (Lenz , Hau-
mann und BohudorfT)- Es müssen einige am obern Kongo
stationierte Europäer abgelöst und eine gröfsere Zahl von
Haussa- Soldaten, deren Dienstzeit vorüber ist, zurückge-
bracht werden. Da Mangel an letztem ist, will man dies-
mal versuchen, Bangala - Leute, die für sehr tapfer gelten,
für den Dienst in der Station Stanley Falls zu gewinnen.
Im übrigen wird der gröfste Teil der Stationen am obern
Kongo aufgelöst, offenbar aus Ersparungsgründen, und
sollon vorläufig nur Bangala und die Fallstation bestehen
bleiben. Das ist wohl zu wenig, um den Einflufs auf dom
ganzen Ungeheuern Flufslauf vom Stanley Pool bis Stanley
Falls aufrecht zu erhalten.
Gegenwärtig ist hier eine Kommission thätig, um die
Grenzen zwischen französischem Gebiet und dem Kongo-
staat in der Nähe des Ubangi festzustellen. Seitens der
Franzosen wurden Kapitän Rouvier und Dr. Ballay , der
langjährige Mitarbeiter Brazzas, gewählt; don Kongostaat
vertritt Mr. Massari, der bekannte italienische Reisende.
Das ist das Neueste, was von hier zu melden ist. Als
sehr wichtig wird die Anlage der holländischen Faktorei
am Stanley Pool betrachtet, was freilich den grofsen ein-
gebornen Händlern Ngaliema, Pedro Congo, Makitu u. a.
sehr unbequem ist, denn sie verlieren unstreitig dabei,
haben aber nicht die Macht, etwas Ernstliches gegen die-
ses Unternehmen, dem sicher bald andre Handelshäuser
folgen werden, auszuführen. Es ist nicht zu leugnen, dafs
am untern Kongo, d. h. bis Stanley Pool, der Kongostaat
einen gewissen Einflufs auf die Eingebornen erlangt hat
und unter Umständen auch fähig ist, etwaigen Aufständen,
die wegen der Uneinigkeit der verschiedenen Stämme wohl
kaum gröfsere Dimensionen auuohmeu können, mit Gewalt
entgegeuzutreten.
Leopold ville, 21. Dezember 1885.
Geographischer Monatsbericht
Europa.
Über die Adtlungtche Karteruammlung in Drosden vor-
danken wir dem Bibliothekar Dr. P. Ritter daselbst fol-
gende Mitteilung:
Dafs der am 10. September 1S0G verstorbene Oberbibliothekar der
Königl. öffentlichen Bibliothek in Dresden, Johann Christoph Adelung, eine
•ehr bedeutende Kartensarnmlung binteilaseen, ist aus dem von ihm selbst
rerlafsten, im Jahre 1796 erschienenen Kataloge derselben sicher rieten be-
kannt, wenige aber werden wirsen, was eigentlich aus ihr geworden. Die
Berichte Uber die Verhandlungen der Zweiten Kammer das Königreichs
Sachsen geben in dem soeben erschienenen 136. Bogen endlich den Karten-
freunden authentische Auskunft. Bür 5000 Mk. wurde die Kartensamrolung
im Jahre 1883 für die Konigl. öffentliche Bibliothek in Dresden angekauft,
und ihre Erwerbung soll deshalb für besagte Bibliothek ron um so schätz-
barem) Werte tein, als nach der oben genannten Quelle die in der Ade-
lungschen Sammlung enthaltenen Blätter in der Kartensammlnng der Biblio-
thek fast auaachliefslich nicht rorkamen. Jene bestand aber nieht nur
aus Karten, sondern auch aus Plänen, Grundrissen und Ansichten, haupt-
sächlich der thüringischen und sächsischen Lands.
Der Sammlor Adelung, am 3. Oktober 1787 au der Bibliothek an-
gestellt, kaufte, da damals der Bibliothek nur wenige Mittel aur Verfügung
standen, für eigene Becbnnng nur solche Karten Ac. an, welche damals
in der Bibliothek fehlten *— er nahm übrigens die Karten , wo er sie fand,
gleichviel ob sie einxeln erschienen, oder ob er sic aus Büchern beraus-
trenuen mufste! — , und dem ist es au danken, dafs sich unter den er-
worbenen ca 30000 Blatt nur c* 3000, aber immerhin für den Tausch
oder Verkauf wertvolle Doublettcn befinden. Von den im Adelungschen
Kataloge aufgeführten Nummern sollen, wie die Berichto sagen, wenige
nur fehlen. Adelung starb, wie oben bemerkt, 1806 (nicht 1805, wie es
in den Berichten heifst), und von da wurde die in neun grofs* Kisten ver-
packte Sammlung versiegelt im Japanischen Palais aufbewahrt. Nach dem
Napoleonisehen Kriege wurde aie (im Jahre 181-t) von Adelungs P.rbeo der
Bibliothek fllr nur 1 5 000 Tbaler zum Kaufe angeboten, aber die Regierung
zahlte woder diese Summe, noch die im Jahre 1 830 verlangten 8000 Thalcr,
aie dachte abzuwarten, konnte ea ja auch, da aus verschiedenen Gründen
die Konkurrenz eines andern Käufers nicht zu befürchten war. Endlich
im Jahre 1883 konnten die Erben Adelungz, deren einer weit hinten in
Amerika sich aufhalten soll, dazu vermocht werden, für 5000 Mark sich
der Cast vergessenen Sammlung zu entäuCieni. Nun ist sie, mit der altern
Kartensammlnng der Bibliothek vereinigt , aber noch nicht katalogisiert
— denn Adeluug selbst hat ja noch zehn Jahre nach dem Erscheinen
seines Kataloge« gesammelt, und dorsclbe kann deahalb nur zum Teil
gelten — , im Lesemule in etwa 340 riesigen Schubfächern untergebracht ;
die ganze Erde ist vertreten , and Dreeden nebst nächster Umgebung füllt
allein 5 aolche Schubfächer, das Königreich Sachsen überhaupt 19, Deutsch-
land überhaupt 74. davon Stldte-Ansichten, -Pläne und -Grundrisse allein 18,
16*
124
Geographischer Monatsbericht.
Türke: 4, KufnUnd 4, Polen 2, Ungarn 3, Schwell 3, Holland und Bel-
gien 24, Dlneroaik 3, Norwegen 2, Schweden 4, England, Schottland und
Irland 24, Frankreich 25, Portugal 2, Spanien G, Italien 16, Griechen-
land 2, Europa überhaupt 4, Amerika 12, Afrika 4, Aaien 14, und Karten
über die gante Eide 6. Die Klirrten, mit aufklappbarer Vorderwand »er-
sehen, aind etwa 16 cm hoch, und fast gant gefüllt.
Asien.
China. — Aus einem Briefe 0. Potanin* (Iswest.
K. Russ, Geogr. Gesellsch. XXI, Nr. 6), datiert aus Ssun-
pan 8./20. August 1885, entnehmen wir folgende Mitteilungen
über den Fortgang seiner Expedition. Aus dem Thale, in
welchem Ssigussjan liegt, führte der Wog den steilen Ab-
hang dos rechts das Thal begrenzenden Gebirgos hinauf,
dann hinab in das mit jenem parallel laufende Thal, durch
dieses bis zu dem Tangutendorfe Tschagon und Uber den
südlich von diesem Dorfe belogenen Berg Tscbagola, dessen
Paßböhe über die Grenze der Waldrogiou hinausragt. Vom
Tscbagola ging es hinab in das Thai des Po'icho, der, wie
alle von dem Reisenden überschrittenen Flüsse, ostwärts
strömt. Das hohe Gebirge JedBhu-gon trennt das Thal
des Po'icho von dem südlicher Bich hinziehenden Thale, in
welchem die von Reisfeldern nmgebene chinesische Stadt
Nan-pin liegt. Von diesem Orte wurde die Reise längs
des Peicho fast bis zu dessen Ursprung und dann in sanftem
Aufstieg Uber das Gebirge, jenseit dessen sich das Torrain
nach Saun-pan neigt, fortgesetzt. Die Stadt Ssun-pan
liegt in einem Thale, das von flachen Höhen eingeengt,
wird, auf deron Abhängen sich Ackerfelder ausbreiten,
aber bereits in einer solchen Höhe, dafs daselbst keine
Frnchtbäume mehr godeihen. Die Stadt dient als Stapel-
platz Itir die nach Amdo versendeten chinesischen Waren.
Die Gebirge dieser Gegenden tragen Wälder, die in der
obern Hälfte aus Fichten , strauchartigen Birken und Eber-
eschen und andern Sträuchern , in der untern aus Birkon,
Linden, Eichon, Ahornbäumon Acc. bestehen, oder sind dicht
mit einjährigen Pflanzen bedeckt. Auch ist daß Land reich an
verschiedenen Sträuchern und mächtigen Schlinggewächsen.
Ssun-pan ist der äufserste Punkt, den Herr Potanin erreicht
hat. Er benutzte den Aufenthalt daselbst, um Naohriohten
Uber die geographische Beschaffenheit der benachbarten
Provinzon zu sammeln, und beabsichtigte dann Ubor Lun-
an-fu, Weu-ssjan, Ze-tschou, Ssicho, Lissjan und Gun-tscbap-fu
nach I-an-tscheu zurückzukehren. Nach den neuesten vom
9./21. Oktober datierten Berichten ist Potanin in Lon-i-sur
eingetroffen und stand im Begriff nach Umbu am Nord-
ufer des Kuku-nor aufzubrechen. Die Rückreise auf rus-
sisches Gebiet soll über den Nian-schan und Sutschou nach
Kiachta erfolgen.
Die Kaiser!. Rnss. Geogr. Gesellschaft bereitet die Ent-
sendung einer Expedition vor, welche im Laufe des Som-
mers den Gebirgsstock des Chan-Tengri, des Kulminations-
punktes des Thian-schan, untersuchen soll. Dieselbe steht
unter der Leitung der Herrn Ignatiew und Krastnow.
Turan. — Ln Laufe des Jahres 1885 hat Herr Grum-
Grxymailo ausgedehnte Gebiete der wostliuhen Vorländer
des Pumir bereist, um zoologische Forschungen iu Kara-
tegin und Darwas, in den bucharischen gebirgigen Bekaten
Hissar, Kuljab und Baldschuan und in don halbstoppenar-
tigon, die letzten Stufen des Pamirgebirges einnehmenden
Bekaten Scbacbrssjab, Karschi, Husar und Scbir-Abad aus-
zuführen. Eine kurze Darstellung des zurückgelegten Weges
gibt der Reisende in Heft 6 der Iswostija der Kais. Russ.
Geogr. Gesellschaft, Bd. XXI.
Afrika.
Marokko. — Guido Coras Konstruktion dtr Route, welcho
von der italienischen Gesandtschaft nach Marokko im Jahre
1882 zurückgolegt wurde, liegt jetzt in dem Mafsstabe
1:750 000 (Cosmos, Bd. VIII, Nr. 8 u. 9) vollendet vor.
Wenn dieselbe auch fast ausschließlich schon begangene
und aufgenommene Strafsen verfolgte, indem sie auf Leut-
nant Washingtons (1829 — 1830) und 0. Lenz’ Route (1880)
die Stadt Marokko erreichte und nach Mogador an dio Küste
zurückgeluugte, so haben Kapitän Crornas detaillierte Itinorar-
aufnahmon doch in Einzelheiten manche Berichtigungen und
willkommene Ergänzungen ergeben. Zahlreiche barome-
trische Höhenmessungen geben das Material zu einer Profil-
tafel des ganzen Weges; der höchste berührte Puukt liegt
am Gobel Fetetin mit 680 m ; die Gipfelhöhe wurde auf
800 m geschätzt.
Weniger ergebnisreich in topographischer Beziehung war
die Expedition der französischen Gesandtschaft unter Or-
dega, welcher auch im Jahre 1882 nach Marokko reiste.
An dersolbon nahm als Arzt Dr. A. Marcel teil, welcher
tseiue Aufzeichnungen in dem Werke: Le Maroc (18°, 298 pp.,
mit Karte. Paris, Pion, 1885) niedergolegt hat. Die Ex-
pedition nahm als Ausgangspunkt an der Küste den Hafen
MazagaD und gelangte auf einer von Leutnant Washingtons
Route wesentlich abweichenden Straße nach der Sommer-
residonz des Sultans; der Rückweg wurde auf dem oft be-
gonnenen Woge nach Mogador zurückgolegt. Das Buch ist
von französischem Standpunkte aus geschrieben.
Senegambien und Guinea. — Seitdem 27. Dezem-
ber 1885 steht die französische Besatzung in RammaJco am
obern Niger in direkter telegraphischer Verbindung mit der
Kolonie Sonegal und dem Mutterland ; dio letzte zwischen
den Forts Matain und Bakel bestehende Lücke in der Tole-
graphenlinie vom 8enegal nach dem Niger ist nach längerer
Verhandlung mit den Häuptlingen der Landschaft Damga
ausgefüllt worden.
Während in Kamerun bereits durch Dr. B. Schwarz
ein glücklicher Versuch, in die bisher aus Handelsinteressen
versperrten Hinterländer vorzudringen, gemacht worden ist,
soll auch im Togo- Lande jetzt oine darauf ziolende Unter-
nehmung begonnen werden, und zwar von dem bekannten
Forscher und Linguisten Gottl. Ad. Krause. Inzwischen
ist es bereits zwei katholischen Missionaren gelungen, um
ein kloincs Stück den fernsten Punkt Agome, welchen Dr.
Zöller im November 1884 im N des Togo -Sees erreichen
konnte, zu Überholen. Der Präfekt der apostolischen Präfektur
Dahomey, Pater Manager, hat in Begleitung dos Paters
Lecron im Januar (1886?) don von Zöller erkuudoten Ort
Adangbe erreicht. Sie gelangten dahin, Zöllers Route fol-
gend, von ihrer Station Ague auB über Kloin Povo, Porto
Seguro, Gporne (Zöllers Epome), Agome, Jobome und Gati.
Der Rückweg wurde nach Wo am Nordrande der gleich-
namigen Lagune zurückgelegt1). Adangbe ist ein Ort von
7000 — 8000 Seeion, und bewohnt von Minas, welcho in
>) Zur Orientierung, igU Mitteil. 1885, Tafel 11.
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Geographischer Monatsbericht.
125
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhuuderts aus der Gegend
von Akkra vor den Aschantis flüchteten. Der Flufs, an
welchem Adanghe liegt und welcher in die Nordspitze des
Togo-Seos mündet, Boll an dem Gebirge bei Atakpamo ent-
springen. Agonie bezeichnet Pater Manager als die Nord-
grenze der Küstenvegetation von verkrüppeltem Buschwerk,
aus welchem nur Kokospalmen hervorragen ; von Agome
aus nach Norden erstrecken sich ausgedehnte Waldungen.
(Los Missions catholiques 1886, XVTII, Nr. 874.)
NO. -Afrika. Die vergeblich erwartete Wiederauf-
nahme des Feldzuges gegen die Anhänger des Mahdi,
und das Vordringen derselben in Dongola lenkt die Auf-
merksamkeit auf das Gebiet hin , welches das Ziel der
militärischen Operationen sein müfsto. Es ist die von den
Engländern geräumte Provinz Dongola und die Bajuda-
Steppe zwischen dem grofsen Bogen des Nil, welche schon
im vorigon Jahre der Kriegsschauplatz waren. Detail-
lierte Schilderungen der topographischen Verhältnisse die-
ser Gegenden , welche diu Schwierigkeiten eines dortigen
Feldzuges recht urkenuon lassen, linden sich in den beiden
Werken1), wolclio Bich mit den Unternehmungen im Januar i
und Februar 1885 beschäftigen. Col. Ch. W. T!riUon be-
schreibt den Vorstofs von Korti nach Khartum, welcher
erfolglos blieb, da diese Stadt wenige Tage vor seiner Ankunft
auf den Gordonschen Dampfern vom Mahdi erobert worden
war, und Gordon-Pascha selbst Beinen Tod gofunden hatte.
Der hierdurch veranlafste Iiiickzug der kühn vorgeschobenen
Kolonne des englischen Heeres machte auch di« Umkehr
des zweiten Detachements notwendig , welches unter Gen.-
Maj. H. Brackenbury hingt de * Nil bis Huella kurz vor
Abu Hamid vorgerückt war. Nicht allein vom militärischen
und politischen Standpunkte haben beido Bücher bleibenden
Wert, wenn auch vielleicht eine offizielle Darstellung des
erfolglosen Feldzuges erscheinen sollte, sondern bei dem
Mangel an Schilderungen dieser Gebiete sind auch für
Geographen dio zahlreichen Bemerkungen über dio Beschaffen-
heit des Terrains von Interesse.
Ebenfalls mit dem englischen Feldzuge gegen deu Mahdi
beschäftigt sich der italienische Reisende Graf L. Pennaai,
welcher durch wiederholte Handels- und Jagdexpeditionen
in den ägyptischen Sudan eine eingehende Kenntnis der
I-age der Bewohner erworben hat. Sein neuestes Werk:
Sudan e Abittinia (8°, 469 pp., mit 3 Karten. Mailand,
Zanichelli, 1885), welches neben der Schilderung von Land
und Leuten eine Darstellung der Ursachen und des Ver-
laufes des Mahdischen Aufstandes enthält, ist wesentlich
politischen Zwecken gewidmet, nämlich, seine Landsleute zu
energischem Eingreifen in die Wirren des Sudan anzu-
spornen; die boigefilgtou Karton sind dürftig.
Die Erinnerungen seiner 35jährigen Thätigkcit als Mis-
sionar in Abessinien beginnt Bischof (jetzt Kardinal) G. Mat-
taja in einem gut ausgestatteten Werke: „/ mim trenta-
cinque anni di mütione neW Alta Etiopia “*) zu veröffentlichen.
Auf Veranlassung dor d'Abbadieschen Reise durch Abessi-
nien nach Kaffa war die Entsendung einer Mission in die
Galla- Länder beschlossen wordon, wolche dem Kapuziner-
l) 8°, mit Karton, London , W. Blackwood i Sons, 1885 n. 86.
ä 7 sh. 6.
*) Bd. I. Gr. -8°, 216 pp., mit Karte. Korn, Tipogi. Poliglotta, 1885.
orden anvertraut wurde: dio Leitung derselben wurde 1846
in Massajas Hand gelegt , welcher im November von Mas-
saua seine Reise antrat. In fesselnder Weise erzählt der
vielgeprüfte Missionar seine Wechsel vollen Schicksale ; wieder-
holt eingekerkert und aus dem Lande verwiesen , in die
kriegerischen Verwickelungen zwischen den verschiedenen
Strebern nuch der Oberherrschaft verwickelt, hat Massaia
stets seine Versuche erneuert, festen Fufs im Lande zu
fassen und für die Ausbreitung von Zivilisation und
für die Unterdrückung barbarischer Gebräuche zu wirken.
Der erste vorliegende Band umfafst die Zeit von 1846
bis 1851, bis zu seiner ersten Rückkehr nach Europa. Der
Wert dieses Bandes liegt weniger auf geographischem Ge-
biete, wenn nuch die Schilderung der bereisten Gebiete
nicht vernachlässigt worden ist. Eingehender befafst sich
Kardinal Massaja mit den Bewohnern , und namentlich or-
halten wir eine möglichst unbefangene Darstellung der poli-
tischen Verhältnisse jener Zeit. Zahlreiche Illustrationen
von einzelnen Punkten, sowie von ethnographischen Gegen-
ständen schmücken das Buch: die spätere Beigabe oiner
guten Karte ist wünschenswert.
Die französische Kolonie Obock ist durch ein Dekret
des Präsidenten der Republik vom 3. März 1886 zur Sträf-
lingtkolonie erhoben worden , und zwar in orster Linie für
Sträflinge arabischer Rasse. Durch diese Mafsregel soll
dem Mangel au Arbeitskräften, welcher in der Kolonie
herrscht und welcher durch die Einfuhr von Knlies nicht
gehoben wurde, abgeholfen werden.
Ost-Äquatorialafrika. — Nach langer Zeit grofser
Besorgnis für das Leben der Europäer, welche durch
den Aufstand des Mahdi von allem Vorkohr mit Europa
abgeschnitten und au der Rückkohr verhindert sind, trifft
endlich eine Nachricht oin , welcho die Hoffnung auf die
Ermöglichung ihrer Rettung wieder aufleben läfst. Am
8. Januar sandte Dr. G. A. Fit eher, welcher seit Ende Ok-
tober v. J. am Südende des Victoria - Sees weilt , von wo
aus er Unterhandlungen mit dom Könige von Uganda an-
geknüpft hat, um die Erlaubnis zum Durchzuge nach Nor-
den zu erhalton, an das deutsche Konsulat in Sansibar die
Nachricht, dafB der englische Missionar Mackay in Uganda
einen Brief von Dr. Kmtn - Bei erhalten habe ; nach dem-
selben befindet er sich mit Dr. Junker und Kapitän Catati
wohlbehalten in der Nähe von Unjoro, im NW von
Uganda am Ostufer des Albert - Sees : der Durchzug durch
diese Landschaft, in welchor Emin bereits 1877 längere
Zeit sich aufgchalteu hatte (s. Mitteil. 1878, Tafel 21, und
1879, S. 179. 220. 388), werde ihm aber verwehrt. Lei-
der wird das Datum des Briefes von Emin an Mackay
nicht angegeben. Diese Nachricht ist um» so wichtiger, als
sie Gewifsheit gibt, dafs sowohl Dr. Junker als auch Kapi-
tän Casati bei Emin, dem durch seine längere Verwaltung
dor Äquatorialprovinzen mit den Stämmen des Seengebiets
wohlvortrauten Forscher, sich befinden. Wolche Schritte
Dr. Fischer thun wird zu ihrer Befreiung, ist von hier uus
nicht abzusehen; aber wahrscheinlich ist es, dafs derselbe
versuchen wird, auf direktem Wege längs des Südufers des
Sees nach Unjoro zu gelangen, da der Durchmarsch durch
Uganda von dem augenblicklich den Europäern feindlich
gesinnten König Mwanga schwerlich gestattet werden wird.
Dieser Umweg um deu See wird die Kosten der Expedition
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126
.Geographischer Monatsbericht.
wesentlich erhöhen. I)r. Fischor schrieb bereits kurz nach
seiner Ankunft am Victoria-Soe an Prof. Bastian, dor Tribut
auf dem Wege über Karague habe eine solche Höhe er-
reicht, dafs bei Benutzung desselben ihm keine Waren
übrig bloiben wllrdon. Soll l)r. Fischer Erfolg haben , so
mufs er durch Anweisung reichlicher Mittel in die Lago
versetzt werden, schnell vorzugohen. Es wlirdo kein Ruhmes-
blatt fiir die deutsche Nation sein, wenn unsre Forscher
Emin-Rei und I)r. Junker im Stiche gelassen würden, weil
die Entsatzoxpedition aus Mangel an Mitteln ihr Ziel nicht
erreichen kann.
über die Route, wolche Dr. EücJier von Pangani aus
bis zum Victoria • See verfolgt hat, liegen gomtuore Mittei-
lungen noch nicht vor. In soinom Briefe au Prof. Bastian
bemerkt er nur, dafs er den Weg in 101 Tagen zurück-
gelegt habe und dafs er in der Landschaft Usukuma zu
einem Umwege längs des Fimier - Flusses (?) genötigt ge-
wesen sei.
Der Begleiter Bischof Hanningtons, der schwarzo Missio-
nar Rev. W. H. Jones, hat oiu längeros Schreiben au diu
Church Missionary Society (Mail, 17. März 1886) gerichtet,
in welchem er nähere Aufschlüsse über die Ermordung Han-
ningiont uud seiner Begleiter gibt. Der Route Thomsons
durch dus Massai- Gobiet folgond, war die Expedition am
8. Oktober v. J. in der Landschaft Kuvirondo, im NO dos
Victoria-Sees, eingetroffen ; in dem Dorfo Sundu bliob Rev.
Jones mit einigen Trägern und einem Teilo des Gepäcks
zurück , während Bischof Hannington mit 50 lauten am
12. Oktober nach Uganda aufhrach. Am dritten Tage er- !
reichte derselbe den See, am zehnten Tage, also am 22. Ok-
tobor. wurde er vou dem Häuptlinge uinos nicht genannten
Gebietes (jedenfalls Usoga), dem or die Bezahlung eines
sehr hohen Durchgangszolles verweigert hatt«, auf verrä-
terische Weise gefangen genommen. In seiner Karawane
löste sich beim Bekanntwerden dieses Ereignisses jede Ord-
nung auf, und leicht wurden die einzelnen Leute, ohno dafs
Widerstand geleistet wurde, Überwältigt und gefesselt. Nach
achttägiger Gefangenschaft traf der Befehl zur Hinrichtung
des Bischofs ein, welche am nächsten Tage, am 31. Ok-
tober, durch Erschienen vollzogen wurde, während die
übrigen Leute mit Speeren niedergemetzelt wurdon. Vier
Trägern gelang es zu entkommen und nach Kavirondo zu
flüchten; aus ihren Aussagen scheint hervorzugoheu, dafs
noch zohn andre Leute vorschont wurden, um bIb Sklaven
verkauft zu werden. Bis zum 8. Dezember wartete Jones
in 8undu und trat seinen Rückmarsch erst an , nachdem
die Kunde von dem Ereignisse durch die Mitteilungen dor
umwohnenden Stämmo Bestätigung gefunden hatte. Nach
sehr anstrengendem, entbehrungsreichem Marsche orreichte
er die Küste bei Rabai am 4. Februar.
Es ist nicht zu leugnen, dafs auf diesen traurigen Fall,
wie auch auf die gefährliche Lage von Emin-Rei und Ge-
nossen das energische Vorgehen der Ostafrikanischen Ge-
sellschaft einigen Einflufs geübt hat, denn naturgemäfs haben
die Araber, welche sich in ihrer soit Jahrzohnton geübten
schrankenlosen Ausbeutung der Eingebornen, in ihrer Will-
kürherrschaft nnd in ihrem unsaubern Gewerbe des Sklaven-
handels bodroht sehen, ihre Macht, wo es überhaupt noch
möglich war, aufgeboten, um die Häuptlinge gegen Euro-
päer, und ganz besonders gegen Deutsche, aufzuhetzen. Ein
Vorwurf kanu der Ostafrikanischen Gesellschaft hieraus na-
türlich nicht gemacht werden, denn oiu solcher Erfolg war
weder beabsichtigt, noch konnte, wo ob sich um hohe poli-
tische Ziele handelte, auf einzelne, wenn auch hochverdiente
Männer Rücksicht genommen werden. Die Erwerbungen
un dor Küste Ostafrikas scheinen zu einem vorläufigen Ab-
schlufs gelangt zu nein , indem fast die ganze Küste von
Kap Gardafui bis Kap Delgado in doutscho Hände gelangt ist.
Allerdings ist dor Schutz des Deutschen Reiches noch nicht
Über alle diese Gebiete ausgesprochen worden, da seit
10, Dezember 1885 eine aus Vertretern des Deutschen
Reichs, Frankreichs und Englands zusammengesetzte Kom-
mission in Sansibar mit der Abgrenzung dor Herrschaft des
Sultans beschäftigt ist. Die Erwerbungen der (htafrikanüchen
GetelLchaft sind in folgender Weise vorgenommon worden :
1. Ui« Landsehiftso Psagara, Nguru, l'seguha und l'kami durch Ur.
i'eten und Graf Phil laut Yortrigrn vom Dezember 1881, anerkannt durch
kaiierliehen Schutabrief vorn 27. Februar 1885.
2. Landschaft Chutu durch Graf Pfeil, Vertrag vom 10. Juni 1885.
3. Das ganze Kilima-Ndacharn. Gebiet, umfassend die Landschaften l’sam-
bara, Pate, Aruscha und Daehagga, durch Dr. Jiihlke und Leutnant Weif»,
Vertrag vom 19. Juni 1885-
1. Da» Somali- Land, 20 Tagereisen landeinwärts von der Nordküst«
östlich von Berbern bis Warzebetich an der Oitküste durch Iteg.-Iiaumcbter
H oernecke und Leutnant v. Anderten, Vertrig* vom September und No-
vember 1885.
5. Die Landschaft l'suramo durch Leutnant Schmidt, Vertrag vom
19. Dezember 1885.
6. Di« I.andachaft l'hehe durch Graf Pfeil und Leutnant Schlüter,
Vortrag vom 29. November 1885.
7. Dio Londachaflen l.'b« na , Wamatsehonde, Mähen ge und Wangindo,
durch Graf Pfeil uud Leutnant Schlüter.
8. Die Oebiote dos llemrhorhauata der Maare, deren Umfang durch die
internationale Kommiaaion featgestellt werden müssen, Vertrag durch Assesor
Lucas.
*
Das Reich der Ostafrikanischen Gesellschaft erstreckt
sich daher, falls alle diese Erwerbungen unter den Schutz
des Deutschen Reiches gestellt werden, von 12“ N. Br. bis
12* S. Br., oder von der Nordküste des Somali • Landes
zwischou Berbern und Halule bis Kap Delgado, mit Aus-
nahme einor geringen Küstenstrecke zwischen Warschoich
und Barawa ; landeinwärts dehnt sich diese Herrschaft aus
längs dos Rovuma bis zum Ostufer des Nyassa, weiter im
Norden bis nach Ugogo und bis westlich vom Kilima-
Ndscharo. Das ganze Reich umfafst mindestens 800000 qkm,
d. h. mehr als das doppelte Areal des Königreichs Preulsen
(348 330 qkm). Eingeschlossen zwischen diesen Erwerbungen
der Ostafrikanischen Gesellschaft liegt das IVitu- Gebiet,
welches von Gebr. Denfutrdt am 8. April 1885 für das
Witu- Komitee in Berlin erworben wurde. Am 27. Mai
wurdo dor Schutz des Deutschen Reiches zugosagt. Die
Grenzen werden gebildet (s. Denkschrift über die deutschen
Schutzgebiete vom 2. Dezember 1885, Abschnitt IV):
.durch eine gerade Linie zwischen Witu und Fungasombo , Fungs*
sombn und Mkonumbi, denn durch den Fluss Mkonumbi bis zum Indischen
Ozeen, ferner durch den Indischen Ozean zwischen der Mündung des
Mkonumbi - Flosse« nnd der Mündong dos Flusses Osi, sodann durch den
Flnfe Osi bis Ktn, den Flufs Magagoni nnd durch eine gerade Linie, welche
den fernsten nach dem Inland hin belegenen Punkt diese» Flusses mit
Witu verbindet * .
Die Expedition , welche Leutnant K. Wetft uud Dr.
Jithlke im Juni 1885 nach dem Kilima - Ndtcharo ausführten,
hat allerdings nur Gebiete borührt, welche bereits durch
die Reisen von llurton und Speke, von der Decken und
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Geographischer Monatsbericht
127
Dr. Kenten, Thomson, Fischer, Johnston u. a. als gründlich
durchforscht gelten können; trotzdem verdienen die Auf-
zeichnungen , welche Leutnant Weifs Hilf dieser schnell
durchgeführten Tour gemacht hat (Meine Reise nach dom
Kilima-Ndjaro-Gebiet. 8°. 46 SS, mit Karte, Herlin, Luck-
hardt, 1886. M. 1,60), lleachtung, da gerade dieses Gebiet
jetzt ein Gegenstand lebhaftem Interesses ist. Nicht mit
Unrecht werden gerade auf diese 1 .andschaftcn grofse Hoff-
nungen gesetzt als Kolonisationsgehiet.
l>or von der Londoner Geogr. Gesellschaft ausgesandte
Reisende Im*1, welcher besonders mit der topographischen
Aufnahme dor Umgegend dor Namuli-Gegeml beauftragt ist,
meldet seine am 16. November 1885 erfolgte Ankunft von
der Einmündung des Lujende in den Kovutna. Eine
vorläufige Rorechnung seiner Positionsbestimmung ergibt
für diesen Punkt 11° 25' 20' 8. Br. und 38* 1' 52, j'
0. L. v. Gr.
W es t-Ä qnat o rial- A frik a. — Die ReAlrchtnng,
durch die Ausdohnung der französischen Kolonie Gahuu
nach Norden hin ganz vom afrikanischen Festlamle ver-
drängt zu werden , hat diu Spanier voranlafst , eine Expe-
dition in das von ihnen beanspruchte Gebiet des Muni zu
entsenden. Unter Führung von Dr. Oiorio und .1 foulet de
Oca drang dieselbe an seinem südlichen Ncbonflufs Nova,
welchen bereits Du Chaillu befahren hatte, nach Osten
vor, dann überschritt sie die Wasserscheide zum Bonito
und gelangte an diesem aufwärts bis ca 12* 0. v. Gr.
(Revista de geogr. commercial Nr. 12 — 15.)
Die Existonz eines grofsen Flusses, welcher in dor
Nahe der westafrikanischen Küste unter 1 — 2* N. Br. nach
Osten sich ergiefsen soll, wurde auch Dr. II. Zoller (Die deut-
schen Besitzungen an der westafrikanischen Küste, Bd. IV,
S. 52 n. 67) während seines Aufenthaltes an der Batanga-
Küste bestätigt. Die Bapuko - Häuptlinge , welche er auf
Dr. Nachtigals Rat zu einer Versammlung berufen hatte,
um Erkundigungen über die Gebiete nach Osten oinzuzie-
hen, nannten den grofsen Flufs Ndong; die Banoko - lernte
bezeichnen ihn mit Ndjong , rügten über hinzu , dafs ihn
noch kein Ratanga - Manu gesehen habo. Etwas südlicher
an der Batta-Küste hörte er von dem Häuptling der Mörma-
Leute, dafs man nach zehn- bis zwölftägiger Reise in süd-
östlicher Richtung, nachdom man mehrere Gebirgsketten
überschritten , zu einem äufserst mächtigen und sehr tie-
fen, der aufgebonden Sonne untgegenfliulseudon Strome ge-
lange. Den Namen wufste der Gewährsmann nicht anzu-
geben. An der Existenz dieses Flusses kann nicht wohl
gezweifelt werden, da auch Ijeutnant Mizou während seines
Aufenthaltes am Ogowe 1881 — 83 von einem 1 — 2* N.
nach Osten strömenden bedeutenden Gewässer hörte, also
von 8 her von andern Stämmen dasselbe erkundete. Dafs
dieser Strom zum System des Kongo gehören wird , kann
einem Zweifel nicht unterliegen , da atifser dem Kongo
höchstens der Ogowe als Hauptstrom in Frage kommt;
von letzterm steht es aber fest, dafs er keinen bedeutenden
Xebenflufs empfängt. Da das Batanga- und Banoko- Land
jetzt endgültig deutsches Schutzgebiet geworden ist , so
wird es eine dankenswerte Aufgabe für deutsche Forscher
sein, die Wahrheit dieser Aussagen, deren Bestätigung don
handelspolitischen Wert dor Erwerbungen wesentlich er-
höhen würde, zu untersuchen; Zöller bezeichnet Batanga
als den besten Ausgangspunkt für eine ins Innere zu unter-
nehmende Expedition.
Die Mitglieder der deutschen Expedition nach dem
Kuango, Iamtnant Kund und Tappenheek, welche sich am untern
Kongo von ihren Regleitern trennten, als die Beschaffung
der Träger auf Schwierigkeiten stiefs, haben von 1/copold-
vilio aus eino sehr erfolgreiche Reise ausgeführt; dieselbe
ist um so wichtiger, als bedeutende Strecken des mittlern
Kongo • Gebietes zum erstenmal zu Jaindo boreist worden
sind, wahrend die Unternehmungen der Beamten des Kongo-
Staates, der Missionare und von lamtnant Wissmann aus-
schliefslicb dor Untersuchung der grofsen Wasseradern
gewidmet waren. Nach den dürftigen, vorläufigen Berichten
haben die beiden Reisenden, welche im August Leopold-
villc verliefst*», den Kuango, Kassai und Sankuru über-
schritten und wurden nur durch die bedenkliche Verwundung
von Leutnant Kund in einem der zahlreichen Kämpfe, welche
sie mit den Eingebornou zu bestehen hattoo, gehindert, bis
nach Nyangwe vorzudringon. Die Waldregion soll erst
östlich vom Sankuru beginnen ; bis dahin herrscht l’rärien-
land vor, nur längs der Flüsse erscheint die Gegend
fruchtbar. An einem Flusse, welcher oberhalb des Sankuru
in don Kassai sich orgiefst , erbauten sie sich Boote und
legten den Rückweg nach Stanley Pool zu Wasser zurück;
am 29. Januar trafen sie daselbst ein.
■Südafrika. — Im Ovnmbolande südlich von l'unone
ist oin neues Staatswcson gegründet worden , dio ItepuhUk
Upingtonia , benannt nach dem Premierminister der Kap-
koloniu. Von den Eingebornen hat ein englischer Händler,
Jordan, Grund und Boden angekauft, und scheint er nament-
lich darauf zu rechnen, die in Humpata in der Provinz
Mossamedes ansässigen, aber mit ihrer l>age unzufriedenen
Bocrn zur Rückkehr über den Cuncue und zur Ansiedelung
in der Republik bewegen zu können.
Wie es scheint im Jahre 1884 , hat oin Amerikaner,
Farini. als Jager don zentralen Teil der Kalahari von Süden
nach Norden bis zum Ngami-See durchkreuzt und ist auf
einer westlichem Route, grefstenteils im trockenen Flufs-
bette des Nosob nach dein Oranje - Flusse zurückgekehrt.
Es ist das erste Mal, dafs diese sogenannte Wüste in ihrer
ganzen Ausdehnuug von einem Reisenden durchwandert
worden ist; seine Mitteilungen (Vorhand). Gesellsch. f. Erd-
kunde, Berlin 1885, XII, Nr. 9) zerstören die Vorstellungen
von der Beschaffenheit dor Kalahari als eines öden unfrucht-
baren Landstriches. Weithin dehnen sich Grasfelder aus,
Weizen gedeiht überall, wo es Wasser gibt, und der Mangel
an Niederscldügen läfst das ganze Gebiet als Steppe er-
scheinen. Hoffentlich wird einer ausführlichem Publikation
eine Karte nicht fehlen.
In der Zeit vom 18. August 1883 bis 24. Dezember
1884 hat der portugiesische Major J. Maehado im Aufträge
der Südafrikanischen Republik eine genaue Vermessung
eines Eisenbahnt racees von dor portugiesischen Grenze im
Ltbombo-Gebirge bis Pretoria ausgeftihrt, nachdem er bereits
1882 für die portugiesische Regierung die Linie von Lou-
rem;o Marques bis an die Grenze aufgenomnien batte.
Gegen die altern Projekte, welche die Eisenbahn durch
das unabhängige Swasi-Iamd leiten wollten, bietet Machados
Entwurf, welcher das Thal des Incomati und des Crocodile-
Flusses benutzen will, aufser der kürzesten Verbindung den
128
Geographischer Monatsbericht.
Vorzug, dafs der erzreiche Distrikt Lydouburg durch die Bahn
zunächst erschlossen wird. Die länge der ganzon Bahn
beträgt 561,1 km, von denen 90,8 km auf portugiesisches
Gebiet fallen; die Baukosten sind auf 1891 000 L veran-
schlagt. Leider ist dom detaillierton Berichte Machados,
welcher oino Fülle von wichtigen Angaben über die topo-
graphischen und geologischen Verhältnisse der berührten
Landschaften enthält (s. Bol. Socied. de Geogr., Lissabon
1885, V, Nr. 5), keine Karte beigefügt worden.
Vom Mai bis Oktober 1884 legte der Engländer
W. Montage Kerr eine neue Roate von Gululuwavo, der
Hauptstadt des Matabele-Landes, bis zum Sambesi zurück;
dieselbe verläuft zwischen dom von Mauch 1872 verfolgten
Wege nach Sena und der 1882 von Solous begangenen Strafso
durch das Muschoua - Land nach Sumbo. Korr überschritt
den Sambesi bei Tete und setzte seine Reise nordwärts
durch das Gebiet der Angoni fort bis zum Nyassa, wo er
bei der verlassenen Station Livingstonia von dem Dampfer 1
„Nyassa“ aufgenommon wurde. Wio Mauch uud Solous
konstatierte auch Korr das Vorhandensein von Gold in
den südlichen Zuflüssen des Sambesi. Der Reisende glaubt
Nachweise für die Abnahme der Feuchtigkeit sowohl im
nördlichen Rotscliuanenlande , wie auch im Gebiete des
Nyassa gefunden zu haben. (Proceed. R. Geogr. Soc.,
London 1886, Nr. 2, mit Karte.)
In so ln. — Aus Lannoyt de Bissyt Karte von Afrika
ist ein ganz Madagaskar umfassendes Blatt aus don Sek-
tionen 47 Nosy-Bö, 51 Quilimune , 52 Antananarivo, 56
Tullear und 57 Ambahy zusammengesetzt worden, wodurch
eine dem gegenwärtigen Standpunkt unsrer Kenntnis ent-
sprechende, übersichtliche Karte dieser Insel, welche durch
den andauernden Widerstand gegen die französischen An-
nexionsgelüste gröfsere Aufmerksamkeit erregt, geschaffen ist.
Währond die Hauptkarte in 1 : 2 000 000 gezeichnet ist, ent-
halten Nebenkarten genauere Darstellungen der Insel Reunion
in 1 : 260 000, und Pläno von Hollville , dom Hafenort von
' Nosy-Bö, von Tamatave und von der Bombetoke- Bucht.
Der die Insel umgebende TJrwaldgürtel ist durch Kolorit
hervorgehoben.
Der von dem norwegischen Missionar Dahlo angegriffene
Reisende J. Audebert (s. Mitteil. 1 885, S. 398) veröffentlicht
im Globus 1886, XLIX, Nr. 10 eine kurze Entgegnung,
in welcher or „den grofsen Zorn der Missionare“ durch
die Thatsache erklärt, dafs er den von ihnen getriebenen
MifBhrauch ihres Einflussos zu politischen oder gar persön-
lichen Interessen aufgedeckt habe. Auf Beweis für die
Authentizität seiner Reisen im Innern von Madagaskar ver-
zichtet Audebert, da seine glänzendon Sammlungen im Lei-
dener Museum und sein Briefwechsel mit dom Direktor des-
selben für dieselben sprechon. Zum Schlüsse richtet Aude-
bert einige Angriffo gegen Sibree wegen falscher Angaben
über die Fauna von Madagaskar ; er übersieht jedoch, dafs
Sibree sich auf Pollen und Grandidier beruft. Übrigens
ist Dahle nicht englischer, sondern norwegischer Missionar.
Von der 1884 auf Tafel 6 veröffentlichten Karte der
Insel Säo Thomc von Prof. Dr. R. Groeff weicht die 1885
von der Commissäo de Cartographia in Lissabon heraus-
gegebone Karte in 1:150000 ganz bedeutend ab, sowohl
£-
in der Lage wio in der Gestalt. Nach Prof. Greeff erstreckt ■*"“
sich die Insel von 0° 30' bis 0* 1-t' N. Br., und von
6° 34' bis 6° 54' ö. L. v. Gr., nach der offiziellen Karte „/
jedoch nur von 0° 24 ' N. Br. bis 0° 1 ' N. Br. und von
6° 26' bis 6° 44' ö. L. v. Gr. Die Greffsche Karte ver-
gröfsert also die Insel in nordsüdlicher Richtung um mehr v
als 5' und verschiebt sie um ca 10’ nach Osten. Auf- ( Ei
fallender ist noch die Abweichung in der Gestalt; Greeff
läfst den kleinen Ort NS das Neves dun nordwestlichen
Puukt der Insel bilden, während nach der portugiesischen
Darstellung der Morro Carregado diese Stelle einnimmt, und
jener Ort um fast 3' südwestlich davon liegt. Dadurch
wird eine Vorzerrung der Küstenkonturen herbeigeführt, so
dafs die Inseln auf beiden Karten einander völlig unähnlich —
sind. Auch im Detail findon sich viele Abweichungen. Die
aus dum Jahre 1829 stammende englische Aufnahme stimmt
im allgemeinen mit der portugiesischen Karte.
Den höchsten Punkt der Insel, den Pico de San Thome,
hat kürzlich der deutscho Botaniker MoUer, welcher im Auf-
träge der Regierung die Insel bereiste, bestiegen, und seine
Höhe zu 2142 m’ bestimmt.
Australien und Inseln dos Qrofsen Ozoans.
Neuguinea. — Mit der Kolonisation von Kaiser Wil-
helms-Land ist bereits ein Anfang gomacht worden. Am
5. November v. J. ist die erste Station am Finschhafen ge-
gründet worden ; am 1 7. November stand das Lagerhaus,
und am Ende deB Monats war auch das Wohnhaus fertig.
Die Station liegt auf der Holzinsel und steht unter Lei-
tung von C. Hunstein. Das Land um den Hafen ist eben
und zunächst mit einem breiten Streifen Waldes bostauden,
welchen die Eingebornen zum Schutze stehen gelassen haben ;
erst hinter diesem Schutzwall beginnen die umfangreichen,
wohlgepflegten Plantagen , auf denen die Bewohner Taro,
Jams, Zuckerrohr, Bananen und Tabak bauen. Ende Ja-
nuar ist eine zweit« Station am Dallraann-IIafen gegründet
worden. (Nachrichten Uber Kaiser Wilhelms -Land 1886,
Nr. 1.)
Die Expodition von Dr. C. Schräder ist am 8. Februar
von London übor Batavia und Cooktown nach Neuguinea
abgereist; ihn begleiten Dr. M. Hollrung und Dr. C. Schnei-
der. Nach dem Programm soll derselbe von Finschhafen
aus einen Vorstofs bis an die englische Grenze machen
und auf neuem Wege nach dom Ausgangspunkte zurück-
kehren, um alsdann von oinom andern Küstenpunkte wie-
der landeinwärts vorzudringen. Zwei Jahre sind für die
Dauor der Expedition in Aussicht genommen.
Ebenfalls zu einer Forschungsreise nach Neuguinea
rüstet sich Dr. JTugo Zoller, der nicht rastende Korrespon-
dent der Kölnischen Zeitung; im Herbste 1886 gedenkt
er aufzubrechon.
Im Hinblick auf diese nouen Unternehmungen, welche
das allgemeine Interesse in Deutschland lobhuflor unsern
Besitzungen hinwenden wird, erscheint rechtzeitig die Über-
setzung von Chalmers' und Giß*’ Werk über Neuguinea
(8°, 304 SS., mit Karte. Jena, Costenoble, 1886), übor
welches bereits 1885, S. 398, ausführlicher berichtet wurde.
H. Wiohmann.
(Oo«chloM«Q am 90. März 1806.)
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Bericht über die Schingu -Expedition im Jahre 1884.
Von Dr. Otto Claufs.
(Mit Kart«, $. Tafel 7.)
Die kartographischen Aufnahmen sowie das ganze Ma-
terial physikalischer und astronomischer Messungen, welches
durch die Schingu - Expedition dos Jahres 1884 gowouuen
wurde, soll in diesem und dem folgenden Hefte der Mit-
teilungen“ zur Veröffentlichung gelangen.
Dioser rein geographische Teil der Roiseergebnisso wird
eine Ergänzung bilden zu dem in diesem Monat erschei-
nenden Buch des Herrn Dr. Karl von den Steinen
„Durch Zentral brasilieu“ (F. A. Brockhaus), wel-
ches oine eingehende Beschreibung der Reise liefert und
sich zur besondurn Aufgabe macht, die ethnologischen Ver-
hältnisse am Schingu zu denen des übrigen tropischen
Amerika in Beziehung zu setzen. Dasselbe enthält aufserdem
das Illustrationsmaterial des Herrn Wi 1 h el m v. Steinen.
Jedoch erscheint es mir für die Veranschaulichung der
Karten und Tabellen wünschenswert, auch an dieser Stelle
oine kurze Schilderung des Reisogebietes und einige Noti-
zen über den Verlauf der Reise zu geben.
Der Ausgangspunkt der Expedition war Cuyabä, die
etwa 15 000 Einwohner zählende Hauptstadt der brasili-
schen Provinz Mato Grosso. Hior wurde uns eine mili-
tärische Eskorte von 25 Mann zum Schutz gegen Indiauor-
gefahr zur Verfügung gestellt, und Proviant für drei Mo-
nate , bestehend aus Bohnen , Reis , Mandiokmehl , Speck,
beschafft. Zum Transport der Last dienten Ochsen und
Maulesel. Am 25. Mai 1884 verliefsen wir Cuyabä, be-
traten am 7. Juni daB grofse Plateau von Mato Grosso
und befanden uns am 6. Juli, nachdem wir auf 14 J° S. Br.
deu Rio Paranatinga überschritten hatten, auf jungfräulichem
Boden. Unter östlichem Kurs gelangten wir um 13. Juli
an einen etwa 40 m breiten Flufs , deu Rio Tamitatoala-
Batovy. Hier wurden aus der Rinde des Jatohähaumes
Kanus gefertigt, die Lastochsen geschlachtet, ihr Fleisch
eingesalzen , und am 25. Juli begannen wir — 20 Mann
im ganzen — in acht Kanus dio Flufsfuhrt. Die Hälfte
der Eskorte war vom Paranatinga aus zurückgeschickt wor-
den. Am 30. August liefen wir unter 12° in den eigent-
lichen Rio Schingu ein, passierten die zahllosen Katarakte
Pettrmanr.il 0*ogr. Mitteilungen. 1886, Heft V.
des Mittellaufes vou 8 — 3|* S. Br. unter Führung der
Yuruua-Indianer in den soliden Baumstammkanus derselben
und erreichten am IG. Oktober die „Volta“ , jene charak-
teristische Bieguug des Schingu. Dieselbe schnitten wir
auf dem Iiandwege ab und langten am 27. Oktober in
Porto de Moz an.
Diesor Route entlang werde ich im folgenden die ein-
zelnen Gebiete kurz besprechen. Cuyabä liegt am linken
Ufer des gleichnamigen Flusses, etwa 200 m über dem
Meore. Der Rio Cuyabä fliefst hier in einer über 100 km
broiten Niederung, welche im E, N und W durch die Ab-
fälle des Plateaus von Mato Grosso umgrenzt ist. Im Osten
der Stadt ist auf eine Entfernung von 30 km dieser Plateau-
abfall als ein langgestreckter horizontaler Rücken zu sehen.
Das Terrain der Niederung ist sauft gowellt und ruht auf
oiner Unterlage von stark geneigten Thonschieferschichten.
Diese treten nur selten zu Tage. Der ganze übrige Boden
ist eine dichte Masse von feinem roten Sandstaub. Auf
der Oborffäche zerstreut und besonders häufig auf den
RUokon niedriger Hiigel Süden sich kleinere und greisere
schlackenartig aussehende Steinblöcke. Diese Gebilde , bei
den Brasilianern Cauga genannt, trafen wir auf der gan-
zen Lund- und Flufsreise an. Wiilirond dieselben jedoch
auf dem Sandboden lose herumlagen, bildeten sie am Flusse
sowohl in der Sandstein- als später in der Granitformation
krustenartige Überzüge ütier don aus dom Wasser hervor-
ragenden Steinblöcken und gaben diesen das Aussehen vul-
kanischer Gesteine. Leider ist der erste Teil unsrer kleinen
geognostischen Sammlung auf der Reise vorloren gegangen.
Die heimgebrachten Handstiicke wurden von Herrn Prof.
Karl v. Fritsch in Halle bestimmt. Nach seinen Diagnosen
ergab sich ein Stück Cauga des Plateaus als unreiner „Braun-
eisenstein mit ziemlich viel eingebackenen Quarzkörnern“,
einige Stücke Cauga vom Schingu: „1) Braunoisenerz und
Roteisenerz. Anscheinend als Konkretionon in Sandsteinen
oder in GeröllmaBsen gebildet, vielleicht zum Teil unter
Umwandlung von kleinen Kalkgeröllen. 2) Bohnerzartiger
Brauneisenstein, wohl umgewandelte kleine Gerolle. Kon-
ti
130
Bericht über die Schingü - Expedition im Jahre 1884.
kretionen? Diese Eisuuerze machen den Eindruck eines
jungen Gebildes. Alluvial, diluvial odor jungtertiär?" Von
den Cangas aus der Cuyabümündung stellten sich einige als
Konglomerate von Quarzbreccien heraus. Der Canga wird
wegen seiner Hiirto in Cuyabü vielfach zura Bauen ver-
wendet.
Der landschaftliche Charakter des t'uyabiithales wird
durch einen niedrigen Laubwald bestimmt, welcher die
flachen Terrainwellen in ein blasses Grün kleidet. Die
Bäume stehen in grofsen Abständen voneinander und haben
einen knorrigon Wuohs ; vielfach sind es armleuchterartige
Gestelle mit Büscheln grofsor gummibaumähnlicher Blätter
an den Armenden. Zwischen den Bäumen wächst hohes
Gras. Es ist die Vegetation , wie sie unter den scharfen
Gegensätzen einer Trocken- und Regenzeit sich gebildet
hat. Wo dieser Wald steht, erhält der Boden während
eines halben Jahres keinen Tropfen Wasser. Einen andern
Charakter dagegen gewinnt die Vegetation längs der zahl-
reichen Bäche, welche dem Cuyabü zufliefsen. Hier span-
nen weitschattige Figuoiras und Banyanen ein dichtes Ijaub-
dach Uber die sulimalo Wasserriuue. Das dunkle üppige
Grün dieser Bäume kündet schon auf weithin die Näho
eines Wasserlaufes an.
Von Cuyabü aus führen rings uach den kleinen Ort-
schaften und Ansiedelungen schmale Wege. Auf dor nord-
wärts gerichteten Btrafse, welche wir benutzten, gelangt
man Uber das Kirchdorf G u i a nach dem Städtchen Ro-
sario, auf dem rechten Ufer des 180 m breiten Rio
Cuyabü gelegen. Gttia hat etwa ICO Einwohner; der Ort
treibt nur mit Cuyabü Handel. Er produziert Bohnen, Reis,
Rapadura (Rohzucker) und bezieht dafür Werkzeuge und
Salz.
Rosario ist von ca 1280 Seelen bewohnt; es lebt vom
Handol mit Cuyabü und Diamantino. Die Handelsartikel
siud Reis, Bohnen, Tabak, Zucker, Cajassn (Rum), Speck,» i
Bauholz. Diese werden in Kanus nach Cuyuhü oder mittels
Ochsonkarawanen nach Diamantino gebracht. Diaman-
tino, auf dem Plateau gelegen, ist zwar an Ausdehnung
gröfser als Rosario, aber seit die reichen Diamantschätze
der dortigen Bäche ausgebeutet sind , ist die Bevölkerung
unter der Einwirkung dos ungesunden Klimas derart zu-
sammengeschmolzen, dafs dio Einwohnerzahl heute kaum
600 beträgt. I)a Diamantino gegenwärtig nichts als Kaut-
schuk produziert, bedarf es zu seiner Existonz der Einfuhr
aller Lebensmittel aus Rosario.
Die Strafse von Rosario nach Diamantino führt unweit
von Rosario durch die Schlucht des Rio Tombador auf das
Plateau von Mato Grosso. Wir liefsen Diamantino links
liegen und nahmen auf der Hochebene NE-Richtung.
Dieses Plateau von Mato Grosso ist eine mächtige Sand-
steinbildung. Herr Prof. v. Fritsch sagt über die mitge-
brachten Handstücke: „1) dunkelroter, feinkörniger Sand-
stein , 2) zwei Stücke von feinkörnigem , dunkelrotem, ins
Bräuuliche stechendem Suudatoin. Eine mächtige Bildung
roter und bunter Sandsteine, welche jünger als die eigent-
liche Steinkohle, älter als Jura sein soll, also Rotliegendes,
Zechstein oder Trias, soll in Britisch - Guianu 1000 m
Dicke überschreiten und nach Brasilien hinüberreichon. Ähn-
liche damit zusammenzustellende Gebilde werden aus der
brasilianischen Provinz Sergipe bei der Stadt Estancia
erwähnt, sowie von der Grenze zwischen Brasilien uud
Bolivia.“
Das Handsteinplateau von Mato Grosso hat eine mittlere
Erhebung von 450 ra über dem Meere. Es erstreckt sich,
wie durch die Reise des Grafen Castelnau dargethan wurde,
vom Rio Aragnay, wo der Steilabsturz des Plateaus Serra
Taquara heilst, bis gegen die bolivianische Grenze, also
von 52 bis etwa 60° W. L. Gr. und in SN-Richtung von
uugofäbr 18 bis 1 3 ) ° S. Br.
Auf dem Plateau befinden sieh dio Quellen von fünf
mächtigen Strömen des Guapore (Madeira), des Tnpajoz,
des Schingü , des Araguay (Tocantins) und dos Paraguay
(Ln Plata). Solch Ungeheuern Wasserreichtum verdankt
das nur 450 m hohe Tafelland seiner tropischen Loge.
Denn hier enthält dio Luft durch den Einflnfs des SE-
Passats stets so viel Feuchtigkeit, dafs bei der starken
nächtlichen Abkühlung über dem Plateau — unsre Minimnl-
temperatnr war + 6’ C. — selbst in der Trockenzeit Tau-
bildung stattfindet.
Die Wasserscheide der nonl- und südwärts gehenden
Flüsse, also des Amazonas und La Plata, ist auf dor Linio
des südlichen Plateauabsturzes, wie ich ihn ganz allge-
mein bezeichne, zu suchen. Als Beispiele hierfür erwähne
ich die Punkte Estivado , Rio Quebo , Buracao , Beijaflor,
welche auf dor Spezialkarte zu findon sind. Hier wenden
sich die «lern Cuyabü zuströraendon Gewässer direkt nach
der Tiefe, während die auf der Höho fliefsenden dem Ama-
zonasgebiet zugehören. In ähnlicher Weise unhe dom
Plnteaurand liegen dio Quellen des Paraguay bei Diaman-
tino und die des Säo Lourcnyo boi Agoa Bianca; dagegen
gehört der Rio das Mortes auf dem Plateau von Agoa
Branca zum Amazonas.
Ob mau aus diesen Thatsachcn don Schlafs ziehen darf,
dafs das ganze Tafelland schwach gogen das Amazonasgebiet
geneigt ist, mag dahingestellt bleiben.
Dio Thüler und Becken auf dom Plateau Bind Produkte
der Erosion. Dos Landschaftsbild ist immer wieder das-
selbe. Die horizontale trockone Plateaufläche ist mit niedri-
gem dünnen Laubwald bestanden, wie ich ihn vorhin aus dem
C'uyabütha) beschrieben habe. Die Gohänge haben Wiesen-
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131
Bericht über die Schingü
Charakter, und die ringe zusammcufliefsenden Wasserrinnen
sind durch Streifen saftig grüner Vegetation gesäumt. Nahe
der obern Kante der Thalwände sind die Quellen der klei-
nen Gewässer, und hier stehen gewöhnlich einige mächtige
Buritfpalmon. Dieses Bild wiederholt sich beständig 'im
grofson wie im kleinen.
Man marschiert auf dem Chapadäo, d. h. auf dom Tafel-
land durch den Wald. Stundenlang kein Ausblick und
kein -Tropfen Wasser. Da kommt eine Lichtung. Ein
schmaler Streifen feuchten Wiosengrundes ist sanft gegen
eine Galerie hochragender Bäume geneigt, darunter ist ein
Bach und jenseits steigt symmetrisch wieder ein Wiesenstrei-
fen an — das Ganze ein Streifen von 100 m Breite, der die
Eintönigkeit des Sortüo, wie ihn die Brasilianer nennen,
unterbricht. Oder man befindot sich plötzlich au einem
50 m hohen Steilabsturz, zu Püfson liegt ein Thal, dessen
Wände durch die kuÜBsenartig vorspringenden Plateauab-
fälle gebildet werden.
Brasilianische Ansiedelungen bestanden frühor auf der
Strecke vom Tombador bis zum Itio Paranatinga. Ileute
sind alle diese Plätze aus Furcht vor den räuberischen
Coroados verlassen , welche zuweilen bis in die Gegend
von Cuyabä Vordringen sollen. Dagogen haben sich die
Ansiedelungen der sogenannten „zahmen“ Bakäirf am Rio
Novo und am Rio Paranatinga erhalten. Diese Indianer,
die unter sich noch ihr eignes Idiom sprechen, leben ganz
wie die brasilianischen Landleute und beschäftigen sioh
wie diese mit Ackerbau und Viehzucht. Ihre Produkte
verkaufen sie an Händler aus der Stadt.
Zu ihren „wilden11 Stammesbrüdern im Schingiigobiot
haben die Bakairl alle Fühlung verloron ; das Land jenseits
des Paranatinga ist ihnen unbekannt.
Der Paranatinga ist bei dem Bakai'ridorf schon ein statt-
licher Fiufs von 150 m Breite. Sein Niveau liegt dort
ungefähr 400 m Uber dem Meere. Zwischen dem Parana-
tinga und dem Schingu erhebt sich 100 m über der Thal-
sohle des Paranatinga eine ausgedehnte Plateauterrasse,
welche von W aus langsam anstoigt. Aus der Höhe er-
scheinen die niedrigem Ausläufer der Terrasse wie Land-
zungen mit tief eingescbnittenen Buchten. Nach S jedoch
fällt diese Plateauterrasse ziemlich steil ab und bildet mit
dem nördlichen Absturz des Platuaus von Agoa Branca
einen wohl 25 — 30 km breitou Thaleinschnitt von E- nach
W-Richtung. Hier sammeln sich die Quoll Aufsehen des
Rio Paranatinga, und weiter nach E wahrscheinlich die des
Schingü. Verfolgen wir den Einschnitt nach W, so ge-
langen wir in das eigoutlicho Quellbecken des Rio Cuyabä.
Dort wurde uns für den in blauer Ferne sichtbaren Ab-
sturz des Plateaus von Agoa Branca der Name Serra
Azul angogeben.
Expedition im Jahre 1884.
Die erwähnte Plateauterrasse jenseits des Parauatinga
ist das Quellgebiet von flinf bis sechs stattlichen Zuflüssen
des Schingu. Für den Lauf derselben darf man wohl durch-
weg nördliche bis nordöstliche Richtung annohmen. Cha-
rakteristisch sind die Quollbockou , von denen wir drei
kennen lernten. Dieselben sind m u sc h eiförmig in das
Tnfeliand eingesenkt : ihr gröfster Durchmesser kann 20 km
betragen. Die Ausflufsmündung ist vorhältnismafsig eng,
so dafs das Becken allseitig umschlossen zu sein scheint ;
zu beiden Seiten der Öffnung fällt das Plateau steil ab,
das übrige Gehänge ist rings sanft geneigt. Von diesem
fliefseu die Wasseradern zusammen und vereinigen sich zu
40 — 50 m breiten Flüssen. Dieselben durchschneidcn dann
das Plateau in 2 — 3 km breiten Erosionsthälern. Auf den
Wasserscheiden der dicht anoinandergereihten Becken stehen
gowöhnlich Tafelberge , als Überrest« einer allseitig arbei-
tenden Erosion. Die Höhe derselben beträgt ungefähr 80 m ;
sie sind wegen ihrer steilen Hänge sehr schwer zu bestei-
gen. Obon auf der horizontalen Flache dieser Berge steht
wieder der kümmerliche Plateauwald. Der Rundblick von
der Höhe orientiert eigentlich nur übor die beiden Nach-
barbecken, auf deren Wasserscheide der Berg sich befindet.
Jenseits der schwer zu bestimmenden Beckengrenzen sieht
man lange, niedrige, horizontale Züge steil gegeneinander
abfallend und dazwischen wieder die fortartigen Tafolborgo.
Ich habe die Kartenskizze eines Suyä-Indianers, welche
den von uns bereisten Teil des Flufsgebietes völlig richtig
gab, zu einer hypothetischen Darstellung dos obern Schingü-
gebietes benutzt. Danach würden eich östlich an unser
Tamitatoala- Batovybecken noch vier ähnliche Becken anrei-
hen, und dann erst käme das eigentliche Schingüthal.
Wir schifften uns auf 13® 57, a' S. Br. oin, gerade da,
wo das Erosionsthal des Rio Batovy beginnt. Der Fiufs
nähert sich häufig don steilen, 60 m hohen Abfällen des
Plateaus ; an solchen Stellen sind die Gehänge dicht und
üppig bewaldet. Tn gröfserer Entfernung vom Fiufs sind
dieselben unbewachson , und die horizontalen Sand - und
Thonschichten treten zu Tage. Nur entlang der obern
Kante sieht man Gras , und hier stehen auch zuweilen
einzelne Buritipalmen, welche nur auf feuchtem Grunde
Vorkommen.
Weiter nach Norden wurden die den Fiufs begleitenden
Plateauabfälle immer niedriger; unter 13|° S. Br. tritt
der Rio Batovy in das Flachland. Innerhalb des Thaies
und aufserhalb desselben noch bis 13® 14' , im ganzen
auf oiner Strecke von ungefähr 120 km des Flufslaufea,
durchsetzen zahllose Steinschwellen, dio mehrfach eine Breite
von 500 m erreichen, das Flufsbett und bilden Wasser-
fälle, Katarakte und Stromschuellen. Der Begriff „Kata-
rakt“ dockt sioh ungefähr mit der „Cachoeira“ der Brasi-
1J*
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132
Bericht über die Schingii -Expedition im Jahre 1884.
lianer. Dor wesentliche Unterschied zwischen der Cacho-
eira und dem Salto (Wasserfall) besteht darin, dafs bei
diesem eine gTöfsero Niveau Verlegung ganz unvermittelt und
plötzlich erfolgt, bei jenem dagegen langsamer und stetig.
Bei der Cachoeira schiefst das Wasser über die Steine
dahin, sie kann bei sehr hohem Wasserstand zur Strom-
schnelle (Correuteza) werden. Bei mittlerm Wasserstand
dagegen ragen die Felsen allenthalben aus dem Flufsbett
hervor, sie zerteilen den Strom in zahlreiche kleine Arme
oder zwingen das Wasser in einen engen Kanal, durch
welchen es mit hohom Wellenschlag bricht. Ist ein solcher
Kanal tiof genug und ist er frei von Klippen , so biotet
ftir hochrandige Boote das Passieren der Cachoeira keine
Gefahr.
Für die niedrigen und labilen Rindenkauus aber sind
solche Passagen bedenklich , namentlich dann , wenn sie
schwer beladen sind. Die Last mufste daher bei den Ca-
choeiras gewöhnlich zu Lande transportiert werden, und die
Kanus wurden über die Steine goschobeu. Auch dafür sind
die Rindenschalen nicht widerstandsfähig genug. Es dürfte
sich deshalb für die Zukunft empfehlen, die ganze Strecke
der Cachoeiras bis in die Gegond des 13. Grades auf dem
Landwege zu umgehen und sich dann erst einzuschiffen.
Bei dem Mangel gröfserer seitlicher Zuflüsse deB Rio Ba-
tovy wird ein Vorgehen zu Lande in nördlicher Richtung
von dem Quellbecken aus nicht mit sonderlichen Schwie-
rigkeiten verbunden sein.
Durch das Flachland nimmt der Rio Batovy in zahllosen
kleinen Windungen seinen Lauf. Diose schliefson sich so
eng aneinander au, dafs die ganze Flufslänge das Doppelte
der Entfernung von Quelle bis Mündung beträgt. Das
Flufsbett, durchschnittlich oOm breit, ist tief in den Sand-
boden eingerisseu. Die steilen, gewöhnlich nackten Sand-
ufer (Barrancas) wechseln in der Höhe von 2 — 6 m. Dor
höchste Wasserstand des Flusses war an Schlammabsätzen
an den Bäumen zu erkennen ; er betrug 4 m Uber dem da-
maligen Niveau. Auch bei der „Volta“ des Schingii Jag
die höchste Wassermarke 4 m Ubor dem Wasserstand ; auf
dem untern Schingti nur 3 m.
Die Ufer des Rio Batovv sind bewaldet : anfangs inner-
halb des Erosionsthalcs folgen dom Flufslauf nur schmale
Stroifeu hoher Stamme. Im Flachland erweitern sioh diese
Streifon zu oinem dichten Urwald. Derselbe nimmt jedoch
bei den Katarakten dürftige Buschform an, wahrscheinlich
wegen des steinigen Untergrundes. Charakteristisch für
sämtliche Katarakte sowohl des Rio Batovy als des Schingii
sind die grofsou Moskitoschwärme , auf welche wohl die
kloinen I-achen stagnierenden Wassers zwischon den Steinen
und die tagsüber stark erhitzten Stoine besondere Anzie-
hungskraft ausiibeu mögen.
Der Waldsaum des Rio Batovy erleidet bei den scharfen
Biegungen häufig eine kurze Unterbrechung. Diese mit
hohem Gras bestandenen Lichtungen sind mit „Camp“ be-
zeichnet. Auffallend ist, dafs sich die Camps stets auf der
konvexen Seite der Flufakrümmungen befinden.
Gröfsero Zuflüsse erhält der Rio Batovy nicht. Er mündet
unter 12° 8. Br. in den von links kommenden 300 m brei-
ten Ron uro, unmittelbar oberhalb dessen Vereinigung
mit dem K u 1 i s e u , wie der östliche grofse Arm heifst.
Der Kuliseu hat an dieser Stelle eine Breite von 400 m, und
ist als der eigentliche Schingii zu bezeichnen. Durch die
Aufnahme des Ronuro wird der Schingii ein 500 m breiter
Strom. Als solcher windet er sich in sanften Biegungen
durch das Flachland. Die wenig erhöhten Ufer sind dicht
bewaldet. Die Biegungen sind schon von weitem durch
das kulissenartige Vorspringen des Waldufers zu erkennen;
oft hat mau auf Strecken von 5 km und mehr glatte Flufs-
stralse vor Augen , die im Hintergründe durch einen nie-
drigen blauen Baunistreifeu abgesperrt zu sein scheinen. Der
Boden ist Sand, selten treten einige anstehende Cangas zu
Tage. Unterhalb der schwachen Uferkrümmungen sind stets
gTofse Sandbänke augeschwemmt. Hier bergen die kleinen
Flufsschildkröten ihre Eier zum Ausbrüten; wir mafsen
in diesem Sande des Mittags Temperaturen über 50' Celsius.
Das Flufsbild bewahrt diesen Charakter bis 10° S. Br.
Hier tritt der Schingii in das Granitgebirge, nachdem er
von rechts drei, von links zwei Nebenflüsse aufgonommon
h'at und zu einer Breite von 1 km angewachsen ist. Diese
Stelle , welche durch einen Felsriegel — den M a r t i u s -
katurakt — bezeichnet ist, hat auch ethnologisch her-
vorragende Bedeutung. Sio bezeichnet die natürliche Grenzo
der oborn Schingiistämme.
Ungefähr 18 Iudianerstämme mögen an den verschiede-
nen Quellarmen des Schingii wohnen. Am Rio Batovy, der
bei den Bakairf Tamitatoala heifst, befinden sich vier
Dörfer dieser Bakairf, ein Dorf Kustenaü und eins
W a u r ä. Am Kuliseu , kurz vor seiner Vereinigung mit
dem Ronuro sitzen die Trumaf. Am Schingii selbst unter
11° 1 1 ' 8. Br. dicht unterhalb der Einmündung eines brei-
ten Nebenflusses von rechts liegt das Dorf der Suyä,
und au einem weiter abwärts von links kommenden Neben-
flufs wohnen die Manitsaud. Für die übrigen Stämme
erfuhren wir Namen und Wohnsitz durch einen alten Suyä.
Derselbe demonstrierte seine Angaben an einer in den Sand
gezeichneten Kartenskizze des obern Schingiigebietes, wie
er es durch seine oiguon Fahrten können gelernt hatte.
Danach befinden sich an den vier linken Nebenflüssen
des Kuliseu :
1) Kamavurd; 2) Arauitf; Auitf; Minakii (vier oder fünf
Dörfer); 3) Yauraqud (fünf Dörfer); 4) Guikurd.
133
Bericht über die Schingü - Expedition iw Jahre 1884.
Weiter oberhalb am Kuliseu selbst: Aratü, Uauaquä,
Gnafin, Yaurikumä, Auatibü', Kayuquorä.
Natürlich können bei Aufzeichnung dieser Namen man-
cherlei Mißverständnisse mit untergelanfen sein.
Diese Stämme gewinnen sämtlich ein grofses Interesse
dadurch, dafs sie von dem Einfluß aller europäischen Kultur
unberührt gebliobon sind.
Ihre Werkzeuge sind Steinbeilo , Knochenspitzen und
Muscheln; ihre hauptsächlichen Nahrungsmittel Fische und
Mandioka. Die Banane ist ihnen unbekannt.
Zum Anbau der Mundioka mufs dem Wald der Boden
abgewonnon werden. Wir trafen bei dem ersten Bakairi-
dorf eino Lichtung von vielleicht 200 m im Goviert ge-
schlagen. Die Baumstrünke standen noch sämtlich; die
gefällten Stämme waren teils angekohlt, teils verbrannt.
Jahrelange Arbeit mufs es bei den unvollkommenen Werk-
zeugen kosten, ehe solch ein Stück Boden urbar gemacht ist.
Man darf daraus schliefsen, dafs wir es hier mit sefshaften
Stämmen zuthun haben. Neben der Mandioka wird Baumwolle
kultiviert, welche zur Verfertigung von Hängematten dient.
Am Rio Batovy liegen die Dörfer gewöhnlich mehrere
Kilometer vom Ufer ab und unter sich mindestens eine
Tagereise voneinander entfernt. Das Suyädorf steht direkt
am Schingü. Die Häuser sind halbkugelfönnig gobaut und
sehen aus wie grofse Bienenkörbe; ihr Durohraossor be- *
trägt 10 m. Der zahlreichste Stamm sind die Suyü; sie
zeichnen sich vor den übrigen durch ihren Lippen- und
Ohrenschmuck aus, welcher ihnen Ähnlichkeit mit den ßoto-
kuden gibt.
Dio Fahrten, welche der Suyü -Alte im Rindonkanu zu
den andern Stämmen gemacht hat, lassen darauf sohliefsen,
dafs das ganze obere Schingü System glattes Fahrwasser
besitzt. So ist das Gebiet der oberu Schingüstämme zu-
gleich das kataraktenfreie Gebiot dos Flusses.
Innerhalb des Granitgehirges verliert das Flußbild seinen
friedlichen Charakter. Grofse Felsblöcke ragen aus dem
Wasser horvor. Folsriffo und Felsbarrieren erzeugen Strudel
und Katarakte.
Oft gleicht das auf 2 km ausgebreitete Flufsbett einem
steinernen Meer, dann wird der ganze Strom wieder durch
ßergo auf 600 m zusammengcschnürt; es ist ein bestän-
diger Wechsel der Szenerie.
Daa Gebirge zwingt den Schingü zu grofsen Biegungen.
Die Berge, 3- und 400 m über dem Wasserspiegel sich er-
hebend, fallen häufig direkt nach dem Flufs ab ; an solchen
Stellen sind sie dicht bewaldet.
Die rasche Fahrt, und der mangelhafte Ausblick aus den
engen Flufskanälen liefseu nur das zusammenhangslose nnd
unvollständige Bild der Berghänge zu stände kommen, wel-
ches auf der Karte gegeben ist.
Bedeutendere Zuflüsse wurdou auf der Strecke von
10 — 3° nur zwei konstatiert, beide von links. Der erstere
unter ungefähr 6” 20', und der zweite, der Rio Guirirf,
unter 3° 60'.
Doch mögen die Wassermassen, welche dem Schiugü von
den Berghängen zugeführt werden, zu seiner Vergröfserung
beitragen.
Der kataraktenreicho Mittellauf des Schingü ist von
9 — 4° das Gebiet der Vuruna-Indianer. Diese haben Füh-
lung mit den Brasilianern und tauschen von ihnen gegen
ihre solid gearbeiteten Bnumstammkanus , Ubüs genannt,
Werkzeuge uud Porlen ein; von den Stämmen am obern
Schingü haben sie koine Kenntnis. Die kleinen Häuser der
Yuruna liegen immer mitten im Strom auf ganz kleinen
Felseninseln und am liebsten in der Nähe von Katarakten.
Hier ist ein natürliches Schanzwerk gegen räuberische Über-
fälle gegobon, welche die Yuruna beständig von seiten der
Carajü- Indianer zu befürchten haben. Die Carajü durch-
streifen das Gebiet zwischen Tocantins und Schingü.
Der tägliche Kampf mit den Katarakten hat die Yuru-
nas zu vortroffliehou Piloten gemacht. Nur unter ihrer Füh-
rung nnd in ihren widerstandsfähigen Ubüs war es uns
möglich, den gefährlichen Mittellauf des Flusses in kurzer
Zeit zu überwinden.
Bis 3° 40' siud dio brasilianischen Kautschuksammler
von Norden her vorgedrungen. Fast alle Inseln sind von
dort ab von solchen „Seringeiros“ besiedelt. Bei 3° 11'
beginnt die Volta des Schingü. Dieselbo ist ein grofses
Kataraktensystem. Das Niveau des Flusses wird innerhalb
der Biegung um ungefähr 80 m tiefer verlegt. Eine aus-
führliche Beschreibung dieser Katarakte findet sich in der
„Reise dos Prinz Adalbert von Preufsen“. Wir umgingen
diesen Teil des Flusses auf einem neu gebahuten Landwege,
welcher mitten durch den Wald geführt ist. Seine Längo
mißt vom Anfang bis Ende der Volta ungefähr 50 km.
Das Terrain ist auf dieser Strecke von tiofen engen
Thaleinschnitton durchzogen. Das Gestein ist nach Herrn
Prof. v. Fritsch : „Thonsteinartiger Schiefer , anscheinend
ein verwitterter Schalstein. Gehört vielleicht zum Devon,
das von der Einmündung des Rio Tapajoz in den Araa-
zonenstrora bekannt uud paläontologisch sichergestellt ist“.
Dor gewöhnliche Weg, welchen der Verkehr zwischen
unterm und mittlerm Schingü benutzt, geht auf dem Fals-
chen Ambe 8 Stunden hinauf, dann 4 Stunden Uber
Land naoh dem Rio Tucuruy und schließlich diesen bis
zu seiner Mündung in den untern Sohingü 12 Stunden
hinab.
Eine Fahrt die Volta abwärts duuort 3 — 10 Tage,
hinauf 10 — 40 Tage. Auf diesem Wogo müssen alle gröfsern
Fahrzeuge transportiert werden.
134
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
Der untere Schingu wird von Dampfern befahren. Un-
mittelbar unterhalb der Volta ist der Flufs durch 23 grülsere
Inseln in viele Armo geteilt. Von 2° 42' an liegt die
gauze Wasserfläche des Schingu offen.
Als ca 8 km breiter Strom gleitet er nun mit NNE-
Richtung hin und orgiefst sich bei Porto de Moz unter
1° 43’ in den Araazononstrom. Die Inseln dos untern
Schingti sind aufserordentlich reich an Kautschukbäumen.
Über 1000 Menschen leben hier von der Kautschukgewin-
nung. Die Erntezeit sind die trocknen Monate Juni bis
Dezember. In der andern Hälfte des Jahres ziehen sich
die Soringeiros von den überschwemmten Inseln nach den
kleinen Städtchen Sonzel und Porto de Moz zurück, welche
auf diese Weise nur während der Regenzeit bewohnt sind.
Souzel lag ehedem auf dem linken Ufer dos Schingu ;
dort waren jodoch die nahe au den Flufs horautrotenden
Berge der weitern Ausbreitung des Städtchens hinderlich,
und deshalb wurde es im Jahre 1849 auf dem rechten Ufer
neu gegründet. Porto de Moz ist Station der Amazonas-
dampfer.
Dio kommerzielle Bedeutung des Schingti ruht vorerst
nur in seinem Kautschukreichtum; schon unter 9° wurde
von uns der wertvolle Baum angotrofleu. Als Verkekrs-
strafse aus dem Innern Brasiliens nach der Küste kommt
der Schingti im Vergleich zum Tapajoz oder Tocantins nicht
in Frage.
Um so gröfsoros Interesse vordient der Schingti von
seiten der wissenschaftlichen Forschung. Es ist zu wünschen,
dafs das reiche und unverfälschte ethnologische Material,
welches jene obern Schingtisfämme repräsentieren , noch
gründlicher ausgebeutet werde, als es durch uns bei einer
nur mangelhaften Ausrüstung geschehen konnte.
(Portwtning folgt.)
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
Von Dr. Alwin Oppel. *)
Seitdem die Statistik nicht nur in den meisten Staaten
Europas, sondern auch in einigen Gebieten der andern
Erdteile systematische und periodische Aufnahmen über
die Zahl und Bewogung der Bevölkerung, sowie Uber ge-
wisse Zweige der Volkskunde vorgonommeu und dadurch
eine bestimmte Summo verhältuismäfsig sicherer Zahlen ge-
wonnen hat, hat sie, wie auf viele andre Wissenschaften,
so auch auf die Geographie einen nicht zu verkennenden
Einflufg ausgeübt. Dieser Einflufs war, wie in der Natur
der Sache liegt, ein verschiedenartiger nach Umfang und
Wirkung. Am meisten ist die Volkskunde der Kulturvöl-
ker, besonders sowoit sie dio Existenzbedingungen der euro-
päischen Staaten anbelangt, von der Thätigkeit der offi-
ziellen und privaten Statistik berührt worden , und man
könnte fast fürchten, dafs diese Teile dadurch unsror Wis-
senschaft entwoder schon entfremdet seien oder es doch
noch werden dürften. Auch kann man nicht behaupten,
dafs die Wirkung des durch die Statistik ermittelten Zahlen-
materials eine für die Geographie in allen Fällen günstige
gewesen sei. Der ohnehin sehr roicho und nicht immer
homogene Stoff, mit dem die Geographie zu arbeiten hat,
wurde vielmehr durch die massenhaft zugeführten Zahlen
noch umfänglicher gemacht, dio Übersicht Uber das ganzo
') Abfftschlooeti ror der letzten Zahlung im Deutwhen Keieh.
Material erschwert, und die Einsicht in den Zusammenhang
der verschiedenen auf einen Gegenstand wirkenden Fakto-
ren getrübt und verdunkelt , kurz es wurde demjenigen
Zustande in der geographischen Wissenschaft in die Hände
gearbeitet, den man „Zersplitterung“ nennt, und desseu
sichtliches Zunehmen in neuerer Zeit von mehreren Seiten
mit Recht beklagt worden ist.
Der Statistik selbst aus dieser für die Geographie ent-
schieden ungünstigen Einwirkung einen Vorwurf zu machen,
wäre ungerecht ; im Gegenteil, dafür, dafs sie vielo und
im Durchschnitt verhältnismäfsig zuverlässige Zahlen lie-
fert, mufs der Geograph ihr dankbar sein ; seine Sache ist
es, sich vor oinor falschen Anwondung dor statistischen
Ergebnisse auf das sorgfältigste zu hüten. Leider ist in
dieser Hinsicht viel gesündigt worden; man hat von man-
chen Seiten eine grofse Menge Zahlen in die Darstellung
eingoflochto», welche dem Leser den Geschmack verdorben
müssen, da sie eben ein nicht gerade anschauliches Dar-
stellungsmittel sind ; • fernor hat man aufser acht gelassen,
dafs dio Zahl an sich weder einen Begriff noch einen Ge-
danken , weder einen Zustand noch ein Gosetz der Volks-
kunde bezeichnet, um so weniger, als die Verhältnisse der
einzelnen Völker wie der gesamten Menschheit einem
: beständigen Wechsol unterworfen sind : „Omnia iiumaua
fluxa sunt“.
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185
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
Hält man dagegen daran lest, daß die Zahl der präzi-
seste Ausdruck von der Intensität eines Zustandes im
Völkerlehen zu einem ganz bestimmten Zeitpunkte ist, und
beachtet man fernerhin, dafs die statistischen Aufnahmen,
in gewissen Perioden sich wiederholend , für diese Zeit-
räume ganze Reihen von Zahlen darbieteu , ermittelt man
endlich aus solchen Zahlenreihen deren gegenseitiges Ver-
hältnis — Gleichbloibon, Zu- oder Abnekmon — , ohne das
ganze zu Grunde gelegte Material der Darstellung selbst
einzufügen, so vermag die Statistik dem Geographen we-
sentliche Dienste zu leisten; dieser aber braucht sodann
nicht Gefahr zu laufen , anstatt einor geographischen eine
statistische Arbeit zu liefern. Denn wie gesagt, dem Geo-
graphen , dem es obliegt, das gesamte Leben eines VolkeB
zu erfassen und aus allen darauf einwirkendon Bedingungen
zu erklären, ist die Zahl nicht Selbstzweck, sondern oiu
Mittel, um einen beobachteten Zustand in einer bestimm-
ten numerischen Intensität auszudrücken.
ln diesem Sinne aufgefaßt uud verwendet, vermögen
die durch die periodischen statistischen Aufnahmen gewon-
nenen Zahlenreihen zwar nicht allen Zweigen der Volks-
kunde wichtige und erspriefsliche Dienste zn leisten , für
viele sind sie aber doch sehr erwünscht, für einige endlich
geradezu unentbehrlich. Zu den letztem Fullen rnufs un-
bedingt die Fest Stellung der Volkszahl oines
bestimmten Gebietes gerechnet werden. Die Bevöl-
kerungsziffer irgend eines Erdenraumes mit irgend welcher
Zuverlässigkeit anzugeben, ist eine Aufgabe, wolche, für
alle Geographen zusammen einfach unlösbar, nur durch
die Statistik in zufriedenstellender Weise ausgeführt wer-
den kann. Wie ungenügend alle Angaben über den nume-
rischen Betrag der Bevölkerung sowohl dor einzelnen Län-
der als dur gesamten Erde bis auf dio letzten drei bis
fünf Dezennien waren, braucht hier des weitern nicht er-
örtert zu werden ; es genügt, auf die trefflichen Auseinander-
setzungen und Zusammenstellungen hinzuweisen , welche
Herr Prof. H. Wagner im Ergänzungsheft Nr. 35 zu „Peter-
mauns Mitt.“ in dankenswerter Weise ausgeführt hat.
Allerdings ist aber auch gerade die Feststellung der
jeweiligen Bovölkerungsziffer eine sehr wichtige Sache.
Denn wenn es richtig ist, dio Zustände der Mensch-
heit in Beziehung zur Natur zu setzeD, wenn
es ferner richtig ist, dafs zwischen einem Volke
und dem von ihm bewohnten Erdonraume oin
bestimmtes Verhältnis obwalten mufs, das nicht
gestört werden darf, ohne das Volksleben aufs tiefste zu
schädigen , dann mufB es eine der ersten Aufgabon dos
Geographen sein , aufser dom Umfuugo irgend eines Ge-
bietes auch die Zahl der dasselbe bewohnenden Menschen
zu ermitteln.
Ohne Zweifel ist jenes Verhältnis, das zwischen dom
Umfange des Raumes und der Höho der Bevölkerung»-
Ziffer, eine dor Grundbedingungen für das menschliche
Leben ; und wie die Arbeitskraft und Produktionsfähigkeit
dos einzelnen Menschen wie ganzer Völker ihre bestimmten
Grenzen haben , so vermag nicht minder ein Erdenraum
nur oiuer beschränkten Seulenzahl als Wohuraum zu die-
nen ; denn der Raum ist, iin allgemeinen Sinne gesprochen,
eins dor drei von Natur gegebenen Verhältnisse, ohne
welche kein Lebewesen bestehen kann. Die äufsersten Gren-
zen in dom Verhältnis zwischen dem Umfange des Wokn-
raumes und dem Betrage der Buvölkerungszahl mögen sehr
woit voneinander liegen , aber daran , dafs sie vorhanden
sind uud ohne Gefährdung der letztem nicht überschritten
werden dürfen, kann oin Zweifel nicht obwalten. Es kann
zwar scheinen, als ob die Geschiohtc mancher moderner
Völker von diesem Verhältnis, das oben als eius der
Grundgesetze der Menschheit hingcütellt wurde, Ausnahmen
darzubioten im Staude wäre ; man köunto in erster Linie
auf die enorme Vermehrung des englischen Volkes hin-
weisen und sagen, dafs dieses jene Grenzen, wenn nicht
schon überschritten, so doch wohl erreicht habe, ohne Ein-
bufse an seiueni Nationalvermögen erlitten zu haben. For-
mell ist dieser Eiuwaml richtig; es ist feroor richtig, dafs
sowohl das englische Volk als solches sehr reich und mäch-
tig ist, als auch dor einzelne Engländer sich im Durch-
schnitt günstigerer Existenzbedingungen erfreut, als die Mit-
glieder andrer Nationen , den Holländer vielleicht ausge-
nommen. Aber bei Beurteilung dieser Verhältnisse darf
nicht aufser acht gelassen werden , dafs die Weltstellung
des englischen Volkes, zumal in diesem Jahrhundert, eine
beispiellos vorteilhafte gewesen ist. Seit Anfang dieses
Jahrhunderts ist ja England, wohl 50 Jahre hindurch,
jeder ernstlichen Konkurrenz auf den Ozeanen enthoben
gewesen: Portugal und Spanion waren iliror wichtigsten
Kolonien beraubt, jodes Einflusses bar; Frankreich auf soine
europäischen Besitzungen fast beschränkt und durch die
innern Unruhen zu jeder Aktionsfähigkeit nach aufson un-
fähig ; Holland mit sioh und den ihm wiodergegebeuen asia-
tischen Inseln fast ausschließlich beschäftigt, jedenfalls nicht
gewillt, den früher geführten Kampf mit dem inzwischen
gewaltig emporgewachsoneu Rivalen und Nachbar jenseits
dus Kanals aufs neuo aufzunehmen ; Rufsland noch weit iu
Asien zurück und nirgends in bedrohlicher Nähe britischer
Besitzungen ; Deutschland und Italien , beide eine Zeitlang
in ohnmächtigem Ringen um nationale Einigung begriffen,
und dann endlich diese mit don Waffen erzwingend: so
genoß England den einzigen, in der ganzen Geschichte
nie dagewesenen Vorteil , so ziemlich die ganze bekannte
Erde für sich ausbeuten zu können. Und dio Briten haben
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136
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
es redlich gethan! Aber werden sie solche unerhörte Vor-
teile auch in Zukunft geniofsen können?
Ohne die Beantwortung dieser Präge jetzt ausführlich
darlegen zu wollen , weise ich nur darauf hin , dafs iu
letzter Zeit der englische Einilufs im Stillstand begriffon
ist, und dafs die Schwierigkeiten und Verlegenheiten dieses
Weltreichs wachsen , was desto mehr geschehen wird , je
gröfser der Erfolg sein wird , den die «Ihrigen Kolonial-
mächte, besonders Deutschland, bei ihren Unternehmungen
finden. Doch dios nur zur Andeutung! Kehren wir wio-
der zu dem Grundsatz zurück, der oben so formuliert
wurde, dafs zwischen dem Umfange des Wohnraumes und
der ihn bewohnenden Menschenmenge ein bestimmtes Ver-
hältnis obwalten müsse, und dafs dossen Verschiebung auf
die Lobenszustände der Bevölkerung oinen gewissen Ein-
flufs ausüben werde. Eine solche Verschiebung nun wird
in erster Linie bewirkt durch die Veränderung der Volks-
menge, dio sich im Laufe der Zeit in einer gewissen Rich-
tung vollzieht. Diese aber besteht, abgesehen von ein-
zelnen Ausuahmefällen, in einer r ege 1 m ä fsige n Zu-
nahme dor Bevöl kerung wenigstens innerhalb der
Staaten Europas, auf die alloin bei den folgenden
Betrachtungen Rücksicht genommen wird. Die übrigen
Erdteile müssen einstweilen davon ausgeschlossen werden,
einerseits weil dioso zu einem grofson Teile von Nicht-
kulturvölkern bowohnt werdon, deren Zahl bisher nicht
statistisch festgestellt, sondern nur oberflächlich geschätzt
worden ist, und deren Bevölkerungsbewegung überhaupt
andern Bedingungen unterliegt, als die der europäischen
Völker; anderseits woil dio höher entwickelten Völker der
vier andern Erdteile auch nicht gezählt sind, und wo dios
geschehen ist , entweder nur vereinzelte Zahlen vorliegen
oder dio ßevölkoruug nicht allein aus sich , sondern , wio
dies hauptsächlich in Amorika und Australien geschah und
noch geschieht, hauptsächlich durch Einwanderung wächst.
Dazu kommt noch der Umstand, dafs die Statistik dor
Ein • und Auswanderung zur Zeit recht fühlbare Liioken,
nicht selten empfindliche Widersprüche aufzuweisen hat,
so dafs daraus ein einigermaßen sicheres Urteil kaum ab-
geleitet werdon kann.
Aus den Zählungsergebnissen der letzten drei Jahr-
zehnte — wir meinen vornehmlich den Zeitraum von 1850
bis 1880 — geht mit völliger Sicherheit hervor, dafs die
Bevölkerung Europas in boträchtlichom Mafse
zunimmt. Im Jahre 1854 von F. W. v. Reden1) auf
Grundlage von Zählungen und Schätzungen auf 266 Mil),
angegeben, wurde sie von Juraschek für das Jahr 1884
zu 330857 000 berechnet; das gibt in 30 Jahren oinon
1) Deutiolilaud uml da« übrig« Kump». S. 20.
effektiven Zuwachs von 64 857 000 , wobei zu beachten
bleibt, dafs aufserdem Europa gerade in den letzten dreifsig
Jahren mehrere Millionen, mindestens zehn, an die andern
Erdteile abgegeben hat. Jene 64 857 000 auf 30 Jahre
verteilt, ergeben oinen jährlichen Zuwachs von 2161900
oder 0,ai27 Prozent. Da beide Zahlen, dio für 1854 und
1884, auf Berechnungen beruhen, so könnte man vielleicht
fürchten , dafs der Prozentsatz der jährlichen Zunahme,
0,8127, zu hoch sei. Dafs dies nicht der Pall ist, zeigt
das gegenseitige Verhältnis der Jahre 1873 und 1882, für
deren Zahlen der Hauptsache nach direkte Zählungsergeb-
nisse verwendet werden konnten. E. Bebm und H. Wagner
beziffern dio Bevölkerungszahl Europas für 1873 auf 300 Mil) ,
für 1882 auf 327 743 000; daraus resultiert oin Zuwachs
iu neun Jahrenl von 27 743 000, oder in einem Jahre von
3 082500 oder 1,027 Prozent, welcher Prozentsatz uns
allerdings etwas zu hoch vorkommt.
Versucht man nun, das für den Erdteil gewonnene Re-
sultat zu detaillieren , so mufs bedauert werdon , dafs für
die einzelnen Staaten Europas die statisti-
schen Angaben weder in gl e i c h e r V o 1 1 stä n d i g-
keit noch in gleicher Zuvorlässigkeit vorliegen.
Am schlimmsten steht es in dieser Hiusicht mit der Bal-
kanhalbinsel, insofern die Bevölkerung der seit dem
Berliner Kongresse dem Türkischen Reiche gebliebenen
Gebiete überhaupt niemals gezählt worden ist; dio dafür
angogebonon Zahlen beruhen , wio für don gröfsern Teil
Asiens und Afrikas, durchaus auf Schätzung; dor sichere,
d. h. ziffernmäfsige Nachweis der Bevölkerungszuuahme ist
hierfür also nicht zu erbringen; von Vermutungen aber,
ob die Volkszahl der spezioll türkischen Besitzungen sich
vermohrt oder vermindert hat, sehen wir an dieser Stelle
geflissentlich ab. Dasselbe gilt von Montenegro. Für dio
andern Teile der Balkauhalbinsel , welche im Laufe dieses
Jahrhunderts von dor Türkei abgelöst und entweder wie
Montenegro zu selbständigen Staaten formiert oder audern
Mächten einverleibt worden sind, finden sich zwar statisti-
sche, auf Zählungen beruhende Angaben vor, aber diese
sind entweder ganz vereinzelt, wie z. B. für Bosnien-Herze-
gowina dio Zählung von 1879 und für Bulgarien die Auf-
nahme von 1881, oder wo mehrere aus verschiedenen Jah-
ren herrührendo Zahlen vorliegen, sind diese, im Vergleich
mit den für die übrigen europäischen Staaten vorhandenen
Nachweisen, nicht zuverlässig genug, um als foste Unter-
lage für dio Berechnung der Bevölkerungsbewegung dienen
zu können. Aus diesen Gründen mufs auch der türkische
Besitz wie ein aufsereuropäisches Gebiet behandelt und von
dem Übrigen Europu ausgeschlossen werden ; auch die an-
dern Teile dor Balkanhalbinsol erfahren einstweilen das-
1 selbe Schicksal , doch werden sie später einer gesonderten
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Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
137
Betrachtung unterzogen werden, um wenigstens den Ver-
such zu machen, die in ihrer Bevölkerung sich vollziehen-
den Veränderungen annähernd zu bestimmen.
Was die übrigen Staaten Europas anbetrifft, die ein
Gebiet von etwa 9,i Mil). <]km mit fast 310 Mill. Einwoh-
nern darstellen, so liegen zwar nicht für alle ganz gleiche
Verhältnisse vor, indem besonders die Statistik Kufslands
viel zu wünschen übrig läfst, und auch Portugal und Spa-
nien nicht auf derselben Höhe wie die audern Staaten sto-
ben. Immerhin aber sind die für diese drei bestehenden
Abweichungen nicht so grofs, dafs sie nicht der gleichen
Behandlung, wenigstens für gewisse Zweige, uuterzogen
werden dürften. Dies kann auch deshalb geschehen, weil
selbst in den übrigen Staaten die periodischen Zählungen
nicht die gleichen Zeiträume nmfaeson. Während z. B.
für Schweden regelmäfsige Zählungen schon seit dom Jahre
1751 vorliogen, sind alle übrigen Teile erst seit Anfang
dieses Jahrhuuderts statistisch aufgenommeu worden, Groß-
britannien zum erstenmal im Jahre 1801 , einige Teile
Deutschlands soit 1816, die übrigen soit 1834, Frank-
reich im J. 1821, Island 1825, die Niederlande 1829, Däne-
mark 1840, Belgien 1840, Irland 1841, die Schweiz 1850,
die Bestandteile Italiens zwischen 1819 und 1857, Spa-
nien 1857, Österreich -Ungarn 1857, Rufsland 1858 und
Portugal 1863. Dazu kommt endlich noch der Umstand,
dafs erst seit den letzten 30 Jahren infolge der statisti-
schen Kongresse die Verschiedenheiten der Aufnahmen
mehr und mehr beseitigt worden sind, und daher nur die
neuern Zahlen sich zu gegenseitigen Vergleichen verwen-
den lasseu.
Betrachtet man nun die Art und Intensität der Be-
völkerungszunahme in den einzelnen Staaten, so wird jener
erste für das ganze Europa ermittelte Prozentsatz nicht
nur als im ganzen richtig sich ergobon, sondern es wird
sioh daraus mancher interessante Schlafs ziehen lasseu.
Als Grundlage dafür diene die beifolgende Tabelle A *),
Tabelle A.
Karne des I.siwlei.
Ettlfc m
Grund*
gelegte
Ziblong-
DaraaUge Zahl,
J.cutc
ZÄJllUBg.
t.i Ute Zahl.
Gfluatw
i'liCMvllllb.
DordufiballtUcbef
PrdMotMU
i#r JUhritetotk
Vonacbmnjj,
BJit'b deal PHvIp
d*sr fflnwiriairi(hnna|.
Dänemark ohne Färöer und Island . . .
1850
1 407 747
1880
1 969039
561 292
1,919
»,lä
Norwegen
1843
1 338 471
1875
I 806 900
478 429
i,m
1,03
RufsUnd
1858
«8 981 728
1880 >>
85 058 424
16 121 696
l^es
0,M
Niederlande ohne Lounbug
1848
8 056 »79
1879
■1 0(2 693
965 814
1,0«»
0,$l
Schweden
185t)
3 482 341
1880
4 566 688
1 083 127
1.08T
0»«l
OlnMiill»iiii[|ii und Irland .....
1851
27 488 »53
1881
3B 24« 562
7 757 709
O.oti
0/3 für 1 801/41 : 1,*S
Deutsches Iteie-h
1850
33 393 476
1860
45 234 061
9 S4Ö 535
O.v/f
n.SJ
Belgien .
1848
4 337 190
18B0
$62000»
1 182813
0,51
Portn^n) ohne Mo .....
1861
.8 693 362
187»
1 160*18
456 968
0,5*3
0,50
Ö«terieich-lh>gaTO(ohiie Bosnien-Iler zcgowma)
1657
32 533 002
1880
37 785 422
6 253 420
0,50?
0,63
Schweiz ...........
1850
2 390 116
1880
2 648 107
435 991
0,4»*
0,3»
Italien ....
1871
28 801 154
1881
28 460 931
I 559 777
0.419
0,60
Laxemhurg. ..........
1840
169 73t)
1880
809 570
39 840
0,WJ
O.SS
Spjmicii mit BnldtJOn. ata-T ohne dt« l ar.afiiw
1857
IS 130 294
1877
16 342 990
1 201 702
0,4*4
0,3»
Frankreich («ha* Savoyen und Nizza) . .
1851
34 961 905
1881
36 689 775
1 677 870
0,l«o
0,13 für 1872/81 : 0,41
309 838 472 O.Ä9 Durchschnitt
in welcher, soweit es anging, die Zählungsresultate der letz-
ten drei Jahrzehnte einander gegenübergestellt werden ; auch
wird darin der durchschnittliche Prozentsatz der jährlichen
Vermehrung hiuzugefügt. Ausdrücklich sei bemerkt, dafs
mit Ausnahme von Kufsland immer nur wirkliche Zählun-
gen angeführt, Berechnungen oder Schätzungen also ver-
mieden wurden, dafs ferner nur die wirkliche Vermehrung
angegeben, die Auswanderung demnach nicht berücksich-
tigt ist.
Aus der vorstehenden Tabelle ergibt sieh das inter-
essante Resultat, dafs, so verschiedenartig auch der Grad
der jährlichen Zunahme sein mag — er schwankt zwischen
0,i6o und 1,328 — ■, keiner der angeführten europäischen
Staaten eine Einbufse an seiner Bevölkerungszahl erlitten hat ;
*) Berechnung.
l’*Urmann» Oeogr. Mitteilungen. 1886, tieft V.
und selbst Frankreich, das die bei weitem geringste Zunahme
aufweist, vermehrt sich bei einom 30jährigen Durchschnitt
um jährlich 55 925 Seelen , hinreichend , um daraus eine
Stadt in dor Greise von Erfurt zu formieren. Beachtens-
wert ist ferner der Umstand, dafs das gerade in der Mitte
der Tabelle A befindliche Belgien mit seiner Zunahme um
0,802 dom für die sämtlichen Staaten berechneten Durch-
schnittssatze von 0,802 am nächsten kommt, und dafs fer-
ner von den übrigen 14 Gebieten die eine Hälfte über,
die andre Hälfte untor dem Durchschnitte sich befindet.
l) Bei den folgenden Betrachtungen sind nur die Durrhuchmttspro-
»ntsätz« iwgeurendet ; dieselben sind zwar et«** höher ah die ZinMaziiu-
Prozentsätze; eie entsprechen abor unsre» Brachten* der Sache besser als
die letztem, «eil eben die Bevölkerungsbewegung sich nicht mit mathe-
matischer Genauigkeit vollzieht. An dem wirklichen Verhältnis zwischen
Volksrahl und Vermehrungsbctrag wird natürlich durch die verschiedene
Höhe jener beiden Prozentsätze nichts geändert.
18
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138 Die progressive Zunahme
Ganz überrascheuderweise kommen die Prozentsätze der
hohem Zunahme ausschließlich den lindern des Nordens
und Ostens zu, und es wäre eine interessante Sache, den
Gründen dieser merkwürdigen Erscheinung nachzugehen,
eine Aufgabe, die wir in nächster Zeit bei andrer Gelegen-
heit zu lösen versuchen werden. Die niedrigen Prozent-
sätze betreffen ausschließlich die Staaten des südlichen und
westlichen Europa, und zwar so, daß keiner derselben den
fUr den ganzen Erdteil berechneten Durchschnittssatz er-
reicht. Im allgemeinen also ergibt sich aus den gegebenen
Zusammenstellungen das interessante Gesetz, daß
in Europa die progressive Zunahme derBeröl-
kerung in der Richtung von Norden nach Sü-
den abnimmt; ferner, daß dergeringereProzent-
satz der Zunahme keineswegs nur den Völ-
kern romanischer Rasse eigen ist, sondern da fs
auch die südlich wohnenden Zweige der Gor-
m anen, nämlich die Schweizer und Österreicher, auf
wesentlich gleicher Stufe mit einigen roma-
nischen Völkern, don Italienern und Portugiesen,
stehen.
Da nun die angegebenen Prozentsätze der jährlichen
durchschnittlichen Revölkemngszunahme zunächst nur auf
die innerhalb wouigor Jahrzehnte gewonnenen Zählungen
basiert sind, so könnte man vielleicht meinen, daß die in
letzter Zeit erfolgte allgemeine Zunahme eine momentane
sei, und man könnte zweifeln, ob die durch Berechnung
erzielten Prozentsätze in der Thut auch die in der Bevöl-
kerung vorsichgehendo Bcweguug richtig ausdrücken. Ein
solcher an sich berechtigter Zweifel wäre nicht zu be-
seitigen, wonn nicht in einem großen Teile der europäi-
schen Staaten oder einzelner ihrer Gebiete schon früher
als vor drei Jahrzehnten Zählungen stattgofunden hätten,
welche die Möglichkeit gewähren, die in Tabello A ver-
zeichneten Prozentsätze auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen
und zu kontrollieren. Es vorstoht sich von selbst, daß
man bei Zugrundelegung eines längern Zeitraumes nicht
genau denselben Prozentsatz erwarten darf, wio bei einem
kürzern, denu die Bevölkerungsbewegung ist, wie man sich
aus den statistischen Werkon überzeugen kann, sich nicht
konstant von Jahr zu Jahr gleich, sondorn es gibt Sprünge
vor- und rückwärts. Wenn nun die Idee der progressiven
Vermehrung richtig ist, so muß der auf einem langem Zeit-
raum basierte Prozentsatz größer sein , als die auf oinem
kiirzern Zeitabschnitte beruhende Vorhältniszahl , denn es
muß von diesem Gesichtspunkte dio Bevölkerung sich nach
Maßgabe der Zinseszinsrechnung vermehren. Die nach-
stehende Tabelle B . welche die altern Zählungen , soweit
solche zugänglich waren, berücksichtigt, wird den zuletzt
ausgesprochenen Gedanken als richtig beweisen.
der Bevölkerung Europas.
Tabelle B.
Älteste
Ditfcrenaxatil
JMirl.
Name de* La mies.
Zahlung.
Zahl.
Zahlung.
In
Pr-oxent.
Schweden
1751
1 785 727
2 779 941
Dänemark ')
1801
929 001
1 030 038
1,34«
Grofsbritannien und Irland *)
1801
16 237 300
18 868 040
1,44«
Großbritannien
1801
10 500 956
19 201 700
2,284
England und Wales . . .
1801
8 892 536
17 075 750
2,400
Schottland
1 608 120
2 125 950
1,443
Großbritannien und Irland .
1841
27 036 450
8 210 112
0,7M
Irland allein
1841
8 175 124
—3 015 286
— 0,9«*)
Norwegen
Frankreich ohne Savojren und
1815
1051 316
755 582
1,198
Nina
1821
29 180 734
7 459 041
0,4»
Niederlande
1829
2 613 487
1 399 206
1,011
Deutsches Reich , resp. das j
betreffende Gebiet
1871
1834/5
1816
41068 792
30 935 648
24 831 396
4 175 792
14 938 413
20 402 655
1,134
1,073
1.343
Italien
1855 *)
24 552 OOO
3 908 931
0,437
Italien
1833«)
21 211 926
7 249 005
0,797
Die Tubello B zeigt in allen Fällen eine Zunahme des
Prozentsatzes, und zwar steigt dieser
in
Dänemark von ....
1,828 auf 1,18«,
Diffcreni 0,028
in
Norwegen von . . . .
1,172
9»
l.i».
0,024
in
den Niederlanden von .
1,042
*»
1.071,
»
0,081
in
Schweden von . . . .
1,037
1»
1.2»,
n
0,160
in
Grofsbritannien und Ir-
Und von
0,>41
•
1.444,
•*
0,?08
im
Deutschen Ilciche von .
0,927
W
1 1,078,
1 1,242,
n
0,14»'
0,316
in
Italien von
0,419
m
10,617,
10,727,
0,018
0,108
in
Frankreich von . . .
0,160
»
0,426,
n
0,346
Auch dieser Vergleich zeigt das überraschende Resultat,
daß keiner der angeführten Staaten — so lange man ihn
als Ganzes betrachtet — eine Einbuße an der prozentua-
len Progression erleidet. Dieser Umstand berechtigt zu
der Annahme, daß jene ersten Prozentsätze von Tabelle A
keineswegs zufälliger oder momentaner Natur sind, und es
kann daher keinem Zweifel mehr unterliegen , daß sie dio
Richtung der Volksbewegung genau angeben, während sie
von deren Intensität eine annähernd zutreffende Vorstel-
lung erwecken ; um dieso letztere sicherer zu bestimmen,
bedarf es der Hiuzuuahme einiger andrer Faktoren, vor
allem der Statistik der Wanderung (Ein- und Auswande-
rung) und der in den betreffenden Zoitraum fallenden ge-
schichtlichen Ereignisso wie Kriego, Aufstände und Revolu-
tionen. Mit Rücksicht darauf wird man nicht erwarten
dürfen, daß die Differenzzahlen zwischen den boidon Pro-
zentsätzen bei allen Staaten ein gleichmäßiges Verhältnis
aufweisen; ohno Zweifel müßte dies aber für längere Zeit-
1) Sich Kolb, Haadb. der Vergl. Stat., 8. Aufl., find in Dincmark die
erste Kühlung im J. 1801 statt; nach II. Wagner, Bevölkerung der Erde V,
geschah dies erst 1811.
8) Oboe Kanaliuseln und Man, weil dafür im J. 1801 keine Zahlen
ermittelt wurden; die Zahl für Irland beruht auf Schüttung; in Irland
fand die erste genane Zahlung im J. 1841 statt.
*) Abnahme!
*) Teüweise Kühlung.
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Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
139
räume vorhanden sein , wenn nicht eben jene Störungen
die regel- und gleickmärsige Bevölkerungsbewegung unter-
brächen. Leider wird es nicht möglicli sein, bei irgend
einem gröfsern Gebioto jenes thatsächliche Vorrücken der
Bevölkerung genau zu konstatieren , besonders doBwegen,
weil die Wanderungsstatistik in allen Staaten zur Zoit un-
genügend ist, und besonders in dem letzten halben Jahr-
hundert sowohl die intereuropäische als die interozeanische
Wanderung alle Völker mehr odor weniger ergriffen hat.
Ein allerdings nur annähernd richtiges Bild der Bevölke-
rungsbewegung über längere Zeiträume kann man indes
von Schweden vorführen, da in diesem Lande die regel-
mäfsigen Zahlungen schon seit dem Jahre 1751 stattfinden,
und der Betrag der Wanderung bis zum Jahre 1870 we-
nigstens sich in mäfsigen Grenzen bewegte; seitdem hat
allerdings auch hier die Auswanderung stark zugenommen.
Betrachtet man die Jahre 1751 — 1870 der schwedischen
Bevölkerungsbewegung in drei gleich grofsen Abschnitten,
von 1751 — 1700, von 1790 — 1830 und von 1830 — 1870,
so ergibt sich folgendes:
1751 bet nie die Volkuabl 1 785 727, 1790 : 2 158 232; ii« stieg also
um jährlich O.Y) 1 Seelen oder 0,535 Prozent.
1790 betrug die Vnlkraahl 2 158 232, 1830: 2 888 082; aie atieg »Iso
uro jährlich 18246 Seelen oder 0,845 Prozent.
1830 betrug die Volkaiahl 2 889 082, 1870: 4 188 525; »ie atieg alao
um jährlich 32011 Seelen oder 1,108 Prozent.
Die Steigerung der jährlichen Zunahme innerhalb der
Zeiträume von 40 Jahren zeigt auf daB deutlichste , mit
welcher Gleichmäfsigkeit die Bevölkerung wächst, wenn sio
von starken Störungen frei bleibt. Selbst in Schweden
würde die Progression noch gloichmäfsiger sein, wenn nioht
einerseits im J. 1772 eine Hungersnot eingetreten wäre,
welche die im J. 1771 ermittelte Zahl; 2 041081 auf
1972 407 (im J. 1773) herabdrückte, anderseits der Betrag
der Auswanderung in den Jahren 1850 — 70 eine beach-
tenswerte Höhe erreicht hätte; diese ergibt nämlich für
das Dezennium 1851 — 60 im jährlichen Durchschnitt 1690,
für 1861 — 70 1225. Da nun im letzten Jahrzehnt die
Auswanderung in enormem Mafse gestiegen ist — sie be-
trug beispielsweise im J. 1871: 1 7 4 50, im J. 1880 sogar
42 109 — , so braucht man sich nioht zu wundern, dafs
das letzte Dezennium einen erhebliohen Rückgang in der
Progression der Bevölkerungszunahme erlitten hat; die jähr-
liche Vermehrung bolief sich nämlich zwischen 1870 und
1880 auf 39714 Seelen odor, wenn die Zahl für 1870
als Ausgangspunkt betrachtet wird, auf 0,952 Prozent.
Bei den vorausgegangenen Betrachtungen waren dio
Staaten beständig als Ganze aufgefafst geworden ; der er-
mittelte Betrag der Bevölkern ngsprogression bezieht sich
also auf das ganze Volk. Ein solches Verfahren vermag
aber nur dann eine einigermafsen zutreffende Vorstellung
von der Art und Stärke der Bevölkerungsbewegung zu ge-
währen, wenn das betreffende Volk nicht sehr zahlreich
nnd verhältnismäfsig homogen nach Abstammung und wirt-
schaftlicher Lage ist; dies ist beispielsweise in Skandina-
vien, Dänemark und in den Niederlanden der Fall. Wo
aber die Bevölkerung sehr zahlreich ist, und wo sio sich
entweder aus verschiedenen Nationalitäten zusammensetzt,
odor die wirtschaftlichen Verhältnisse eine weite Spannung
der Gogousätze zeigen, da wird sich auch die Art der Pro-
gression mehr oder weniger verschiedenartig gestalten. Die
Richtigkeit dieser Behauptung wird in erster Linie durch
das Verhältnis zwischen Österreich und Ungarn dargethan;
während nämlich in dem sogenannten Cisleithanien die
Zivilbevölkerung in dem Zeiträume von 1857 — 80 von
18224500 auf 22144244 stieg, also jährlich um 170423
odor 0,935 Prozent, wuchs sie itu Königreich Ungarn inner-
halb des gleichen Abschnittes von 13 667 868 auf 1 5 642 1 78,
was einer jährlichen Zunahme von 85883 Seelen oder
0,G28 Prozent entspricht. Am stärksten und auffal-
lendsten abor zeigt sich die Un gleichmäfsigkeit
der Volksvermehrung in Grofsbritannien und Irland;
der Grad der dort im Laufe dieses Jahrhunderts vorge-
kommenen Bevölkerungssobwankungen ergibt sich schon aus
den Zahlen der Tabellen A und B. Während das ganze
Königreich in dem Zeiträume von 1851 — 81 um 0,941 Pro-
zent gewachsen, ergibt dio Berechnung des Abschnittes
von 1841 — 51 oine Progression von nur 0,759 Prozent,
anderseits die Periode von 1801 — 81 den Grad der Zu-
nahme auf 1,444, wobei allerdings zu beachten ist, dafs die
für Irland in die Berechnung eingestellten Zahlen nicht
genau verbürgt sind, da nach Kolhs Angabe die erste zu-
verlässige statistische Aufnahme erst im J. 1841 stattfand.
Betrachtet man Grofsbritannien in dem Zeiträume 1801 — 81
für sich allein, so zeigt dieses eine Steigerung der Volks-
zahl von 10500596 auf 29 702 650 oder um 2,2 8 5 Pro-
zent, eine ganz onorme Zunahme ! Noch etwas anders ge-
staltet sich das Verhältnis, wenn man in denselben 80 Jahren
England mit Wales und Schottland, jedes für sich allein,
betrachtet; alsdann ergibt sich, dafs Schottland von 1 608420
auf 3 934 370 gewachsen ist, was einer jährlichen Zunahme
von 1,652 Prozent entspricht, während England mit Wales
seine Bevölkerung von 8892 536 auf die ungewöhnliche Zahl
26 968 286 erhöht, d. h. um 2,400 Prozent sich vermehrt
hat; dies ist das kolossalste Wachstum, das für eineu
gröfsern Raum mit Sicherheit nachgewieson werden kann.
Die beispiellose Prosperität Englands legt den Schlufs nahe,
dafs die Gunst der wirtschaftlichen Lage einen fördernden
Einflufä auch auf die Progression der Bevölkerung auszu-
üben vermöge.
Die beträchtliche Differenz, welche der Vergleich der
18»
140
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
verschiedenen Länder des britischen Archipels ergibt, er-
klärt sich aus dem Vorhalten der Bevölkerung Irlands;
diese betrug im J. 1841 8175124, im J. 1881 dagegen
nur 5159 839; sio hat also, und zwar ist dies der einzigo
Fall , der für ein größeres Gebiet innerhalb eines lungern
Zeitraumes zahlenmäfsig nachgewiesen werden kann, in star-
kem Mafso abgenommen, nämlich im jährlichen Durch-
schnitt um 75 382 Seelen odor 0, 939 Prozent. Dafs die
Ursachen dieser in der Bevölkerungsbewegung des ganzen
Europa durchaus singulären und höchst befremdlichen Er-
scheinung in don politisch -nationalen und wirtschaftlichen
Verhältnissen der Insel begründet liegon, ist allgemein
bekannt.
Nachdem nun die Prozentsätze der jährlichen Durch-
schnittsvermehrung gewonnen sind, komme ich noch einmal
auf eine der an frühem 8tellen gemachten Bemerkungen
zurück, welche die Thatsache betrifft, dafs die. eben er-
mittelten Zahlen nur die effektive Zunahme bezeichnen und
die in der Bevölkerung vorsichgehendo Bewegung nicht
ganz exakt ausdrückon, da eben gerade in don letzten Jahr-
zehnten, innerhalb deren die Statistik verhültnismäfsig rich-
tige Zahlen geliefert hat, bedeutende Wanderungen statt-
gofunden haben. Würden diese auf die europäischen Staaten
unter sich beschränkt geblieben sein, so würden sie den
Erfolg unsrer Berechnungen insofern nicht beeinträchtigt
haben, als jeder einzelne, auch wenn er soin Vaterland vor-
lassen hätte, in irgend einem Gebiete gezählt worden wäre,
und wenn auch die Sätze der einzelnen Länder einen klei-
nen Eintrag erlitten hätten , das Resultat für den ganzen
Erdteil hätte richtig herauskommen müssen. Nun ist aber,
wie bekannt, der Betrag der intereuropäischen Auswande-
rung weit geringer als der Umfang der überseoischon ; es
mufs daher a priori angenommen werden , dafs die von
uns in den verschiedenen Tabellen mitgeteil-
ten Prozontsätzo für alle mit starker Auswan-
derung versehenen Gebieto zu niedrig sind.
Wäre nun die Statistik der überseeischen Auswanderung
von hinreichender Zuverlässigkeit und Vollständigkeit, so
würde man im stände sein , jono zu niedrigen Sätze auf
die richtige Höhe zu bringen. Loider ist weder jenes der
Fall, noch dieses möglich. Wie verschiedenartig in dieser
Hinsicht die Angaben sind, ersieht man aus folgendem Boi-
spiele. Das „Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich“,
Jahrgang 1884, S. 25, gibt die Zahl der aus deutschen
Häfen und aus Antwerpen in überseeische Länder einge-
schifften deutschen Auswanderer für dio Periode von 1871
bis 1883 auf 1 1 66686 an, die zwar zum gröfsten Teilo,
aber doch nicht alle sich in die Vereinigten Staaten von
Nordamerika wandten, während nach einer Veröffentlichung
des Statistischen Büreaus in Washington die Zahl der in
demselben Zeitraum in die Vereinigten Staaten eingewan-
derten Deutschen 1 4 2035 3 betragen hat. Diese bedeu-
tende Differenz erklärt sich eben aus der Mangelhaftigkeit
der Auswanderungsstatistik.
Trotzdem würde es möglich sein, die Zunahme der eu-
ropäischen Völker genau zu ermitteln, wenn in den gleichen
Zeiträumen, seit welchen offizielle Volkszählungen stattge-
funden haben, auch die Registrierung aller Todes- und
Goburtsfälle erfolgt wäre, und die betreffenden Ergebnisse
veröffentlicht worden wären. leider ist weder das eine,
noch das andre für längere Zeiträume erfolgt; es fehlt
demnach auch diese Handhabe, um wenigstens für die letz-
ten zwei odor drei Dezennien den Betrag der Wanderungen
wirksam zu kontrollieren. Immerhin aber sind einige, wenn
auch unvollständige Zahlenreihen zugänglich gewesen, welche
gestatten, den Betrag der effektiven Vermehrung mit der
Höhe der verschleierten Volksvermehrung zu vergleichen.
In der folgenden Tabello C sind die Ergebnisse unsrer
darauf bezüglichen Untersuchungen zusammcngostellt; zu-
! gloich ist in derselben der Versuch gemacht, die ermittelten
Beträge der Auswanderung zusammenzustellen.
Dio Tabello C zeigt, dafs in allen Staaten zwischen den
Thatsachen der Bevölkerungsbewegung und den Prozent-
sätzen der effektiven Volkszunahme eine mehr oder minder
erhebliche Differenz vorliegt, wolcho mit einer einzigon Aus-
nahme zu gunsten der erstem ausfällt ; dafs diese Ausnahme
gerade Dänemark betrifft , wo doch neuerdings eine nicht
unerhebliche Auswanderung stattgefunden hat, ist eine über-
raschende Thatsache, für die leider kein ausreichender Grund
anzugeben ist.
Bei den vorstehenden Betrachtungen wurde nach Maß-
gabe frühor angegebener Gründe auf dio Staaten und Ge-
biete der Balkanhalbinsel keine Rücksicht genommen; im
folgenden soll wenigstens für einige derselben der Versuch
gemacht werden, die Bevölkerungszunahme zu ermitteln;
dieser kann sich indes nur auf Rumänion, Griechenland
und Serbien boziohen ; während dio eigentliche Türkei,
Bosnien - Herzegowina , Ostrumelien und Bulgarien einst-
weilen beiseite gelassen werden.
In Rumänien fand bisher eine einzige Zählung im Jahre
1859 statt, welche auf dem damaligen Gebiete 4 424 961
Seelen orgab ; da nun Rumänien durch den Berliner Frieden
1878 etwa 4000 Seelen gewann, und dio Schätzung für
1881 eine Bevölkerung von 5376 000 bestimmt, so würde
die Volkszahl in 22 Jabren auf dem frühem Gebiete um
911039, oder jährlich im Durchschnitt um 41411=0,937
Prozent gowuchson sein. Noch stärker ist die Zunahme
in Griechenland; setzt man nämlich — mit Ausschlafs des
jüngst erworbenen Gebietes — die Zählungen von 1879
und 1861: 1 679 765 und 1325 341 in gegenseitigen Ver.
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Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
141
Tabelle C.
Name de« Lande«.
Zeitraum.
Ergebnis d. Bevöl-
kerungsbewegung
für «in Jahr.
Different zwischen
der effektiven Zu-
nahme u. d. Bevöl-
kerungsbewegung.
Ermittelter Gesamtbetrag der Auswanderung.
Rafdand ohne Polen and Finnland .
1870
917202 = 1, JM
Kurland mit Polen
1867—75»)
Ist«
+ 0.1»
Verbannung nach Sibirien 1875: 14 196
1 Noch Hübner- Juraachek oelt 1820: 4 Mill.
Deutsches Reich
1872-82
541810= 1,1*7
-f 0,970
! Nach and. Ang. 1847—83: 3 465 904
1 1871—83: 1 165 686
Österreich • Ungarn
1878-80
271 450 = 0,74
-{-0,0*8
J Österreich: 1850—82: 164 178
l Ungarn: 1881—82: 28 507
Frankreich
1873-79
121379 = 0,»*
+ 0,16*
1849—82: 355 680
Großbritannien and Irland . . .
1872—81
440 861 = 1,17
+ 0,41»
| 1815—82: 9 232 928
\ 1871—82: 2 201 287
Italien
1871—80
190516 = 0,4*4
+ 0,067
1876—82: 248 691
1858—65
133 625 = 0,83
Spanien
Juruschek
0,6*
+ 0,1*
Keine Angabe.
Btigiea
1874—80
48089 = 0,68
+ 0,078
Die Kimranderung soll nach Kolb in den
letzten Jahren grober sein als die Aus-
wanderung.
Schweden
187G-80
50989 = 1,116
-{-0,079
1851—81: 335 011
Portugal
Juruchek
1,10
— 0.J47
1855—65 und 1870—81: 233 054
Niederlande
1878— 81
52562= 1,J0
— 0,1M
Keine Angabe.
Schweix
1876—81
23018 = 0,»1
+ 0,174
1868—76 und 79—82: 66 974
Dänemark
1876—80
24 251 = 1,7*
— 0,008
1809—82: 66 093
Norwegen . . .*
Jnruehek
1,38
-(-0,178
1846—82: 280 873
Jähr). Durchschnitt.
gleich, so resultiert daraus ein Gcsamtüborschufs von 354 434,
oder eine jährliche Vermehrung um 19 691 Seelen = 1,486
Prozent, ein Prozentsatz, der Bich den höchsten von uns
ermittelten Beträgen un die Seite setzt und um so un-
wahrscheinlicher erscheinen mufs, als die uns zugänglichen
Zahlen der Bevölkerungsbewegung nur einen jährlichen Fort-
schritt von 0,7 ergeben. Serbien endlich hatte im Jahre
1878 nach Zählung auf dem ehemaligen Areale 1389 337
Menschen, 1874 waren es 1 352 822 ; die Differenz zwischen
beiden ergibt eine jährliche Yermehruug von 9129 Seelen
oder 0,67G Proz., ein Prozentsatz, der glaubwürdig erscheint.
Legt mau dagegen ältere Angaben, z. B. die für 1866:
1215 645 zu Grunde, so gibt das eine Vermehrung um
1,4t 1 Prozent, ebenfalls ein wenig Vertrauen erweckendes
Resultat !
Kehren wir wieder zu jenen sicherem Ergebnissen zu-
rück und erinnern daran , dafs trotz aller politischer und
wirtschaftlicher Erschütterungen, trotz Unzufriedenheit und
Auswandorung die Bevölkerung der europäischen Staaten
stetig und fast gleichmäfsig gewachsen ist, so wird es wohl
auch gestattet sein, auf solcher Grundlage einen Blick auf
die Zukunft, vielleicht auch auf dio Vergangenheit zu werfen.
Demnach kann es koinom Zweifel unterliegen, dafs die ohne-
hin schon hohe Bevölkerungszahl in Zukunft eine entspre-
chende Steigerung erfahren wird. Um den ungefähren Be-
trag für ein bestimmtes Jahr der Vergangenheit oder Zu-
kunft zu ermitteln , kann man nun einen zwiefachen Weg
einschlagen. Entweder kann man das Prinzip der Zinses-
jährlich
89 668
jährlich
10 778
jährlich
166 774
jährlich
14 629
jährlich
10 826
jährlich
10133
jährlich
5152
jährlich
4721
jährlich
7607
nur don Durch-
*) Nach 0. Hübners geographUeh-statUluchen Tabellen, Jahrs. 1884,
beiorgt von Prof. Dr. Pr. r. Juruchek.
Schnittsprozentsatz der Tabelle A einfach mit der Zahl dor
Jahre multiplizieren. Theoretisch richtig ist der orstere
Weg; auch mufs derselbe unbedingt für Berechnungen,
welcho sich auf dio Vergangenheit beziehen, in Anwendung
kommen ; für Zukunftsbetrachtungen dagegen empfiehlt es
sich, den zweiten Weg eiuzuschlageu, insofern es ratsamer
erscheint, eine vielleicht zu kleine, als eino zu grofse Ziffer
zu gewinnen. Auf Tabelle D sind die Resultate beider
Bercchnungsmethoden für je ein Jahrhundert der Vergangen-
heit und Zukunft zusammengestellt.
Die in Tabelle D aufgestollten Zukunfts- und Vergangeu-
heitsbevölkerungon stützen sich auf die Annahme, dafs die
Bevölkerungsbewegung ungefähr dieselbe war und sein wird,
wie dor aus zumeist den letzten drei Jahrzehnten berech-
nete Vermohrungsprozentsatz. Dafs diese Voraussetzung
für längere Zeiträume richtig ist, läfst sich leider wegen
Mangels zuverlässiger älterer Zählung nicht einmal für die
Vergangenheit strikt beweisen. Indessen sind wenigstens
für einige Länder ältere Angaben vorhanden, teils auf
Schätzung, teils auf mehr oder weniger genauer Zählung
beruhend, welche eino annähernde Beurteilung dor durch
Rechnung gewonnenen Zahlen zulassen. Da dieselben in
die Tabelle eingestellt sind, so bedarf es hier keiner wei-
tern Erörterung; nur die eine Bemerkung sei gestattet,
dafs nämlich unter don altern Zahlen, obgleich sie von den
Rechnungsresultaten mehr oder weniger abwoichon, keine
dem Prinzip der progressiven Vermehrung widerspricht.
Man darf daher aus diesem Umstande das Vertrauen schöp-
fen, dafs auch die Zukunftszahlen nicht allzusehr mit der
bevorstehenden Wirklichkeit disharmonieren werden. Was
142
Die progressive Zunahme der Bevölkerung Europas.
Tabelle D.
Name de« Laude«.
Letzte Zahlung
um 1680.
MulroablicheZabl 100 Jahre später, um 1980,’
berechnet an t Grund- i berechnet auf Grund-
läge der durch, ckntttl. l.ge der Zin»c.iln«- ‘
Proxentsäuc und ein- ; oitxe und Ziuic-ixlu*-
facber Vermehrung, i renuehmog.
Ktwft vorhandene Zahlen aus Mlterer Zell.
Rutaland
85 058 424
175,4 Millionen
221,2 Millionen
32,7 Millionen
Schätzung lilr 1782: 27 500000.
Deutsche« Kelch ....
45 234 061
97, t
102,4
20,0
1816: 24 831396.
Örterreith- Ungarn . . .
37 785 422
64, <
-
72,4
*
19,7
*
1796: 22 Mill. (ohne Dalmatien und Salzburg),
1786: 18 959 000 (auf dem damal. Areal).
Frankreich
36 639 775
42,8
ff
56, 8
M
25,0
m
1784 schätzte Necker: 24 800 000; die unge-
naue Zählung von 1762 ergab: 21 769 163;
1790 (Zähl.): 26 363000; 1801 : 27 349 902.
GroCsbritannisn und Irland .
35 246 562
67,4
80,7
12,8
m
FinlaUou schätzt England und Wales für 1780
■sf 7 815 000; für Schottland wird 1755:
1 265 000, Irland 1785: 2 845 932 ange-
gebon.
Italien
28 460 931
46,1
m
51.»
m
15,8
n
1788: 17 700 000 (mit Coraiea); 1812:
19 800 000; 1858: 25 880 000.
Spanien
16 342 996
22,9
••
24,0
H
11.1
•4
1787: 10 541 221.
Belgien
5 620 009
0,9
m
11,2
H
2,7
ff
1831: 3 785 814.
Schweden
4 565 668
»,»
11.8
1*9
N
1773: 1 972 407.
Portugal
4 160 315
7.2
8.4
N
2,1
•
1850 (uugenaue Schätzung): 3 471 199,
Niederlande
4 012 693
8,2
9,2
1.8
•f
1829: 2 013 487,
Schwei*
2 846 107
4,«
6.1
„
1,8
m
Dänemark
1 969 039
4,8
6,0
0.8
1801:929 001.
Norwegen
1 806 900
8.»
*»
5,0
m
0,8
1815: 885 467.
diese anbelangt, so habe ich die aus dou zwei verschiede- i
nen Berechnuugsarten ermittelten Beträge uebeueiuandor-
gostellt. Gomäfa einer früher gemachten Bemerkung möchte
ich glauben, dafs die kleinern Zahlen mir als die relativ
richtigem erscheinen. Man sieht, dafs auch so die Bevöl-
kerung Europas in gewaltigem Mafse anschwillt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs eine so enorme
Steigerung der Bovölkorung Europas, welche ohne die starke
Auswanderung noch erheblicher sein würde, einen bestimm-
ten Einflufs auf die innem Zustände dor Völker ausüben
rnufs. Die Erhöhung der Volkszahl, naturgemäfs verbunden
mit einer Verdichtung dor Bevölkerung, vermehrt zwar die
VolksltTaft nach den verschiedensten Richtungen, aber sie
steigert auch die wirtschaftlichen Bedürfnisse, ohne eiuo
Gewähr dafür zu leisten, dafs die Deckungsmittel in ent-
sprechendem Mafse wachsen. Würde dies letztere ober
nicht geschehen, so müfste in Zukunft eine allmähliche Ver-
armung dor Völker eintreten, die weitero Ausbildung ihrer 1
Kultur auf bisheriger Grundlage ernstlich in Frage gesetzt
werden. Dafs aber jenos der Bovülkerungszunahme ent-
sprechende Wachstum des Nationalvermögens mit Bestimmt-
heit eintreten werde, erscheint mindestens zweifelhaft, jeden-
falls kann die Steigerung des Nationalvermögens nicht gleich-
mäfsig in ollen Erwerbszweigen erfolgen.
Wenn nun in dem vorliegenden Aufsatze der Versuch
unterlassen wird, die äufsorsten Grenzen der fUr die euro-
päischen Staaten zulässigen Bevölkerungsdichtigkeit zu er-
mitteln, so kann derselbe, für gewisse Hauptzweige, doch
angestellt werden, und es soll dies bei einer spätem Gele-
genheit geschehen. Jedenfalls aber ist die progressive Zu-
nahme dor europäischen Bevölkerung eine Thatsache, die
nicht allein den Geographen interessiert, sondern auch für
die Volkswirtschaft und besonders für die praktische Politik
von eminenter Wichtigkeit ist. Wir schliefsen unsre Be-
trachtungen mit dem Wunsche, dafs dieser Umstand von
zuständiger Seite oine entsprechende Beachtung finde.
••
Uber graphische Darstellung der Verteilung von Temperatur und Luftdruck auf
den Parallelkreisen.
Von Dr. L. Henkel.
Der enge Zusammenhang in der Verteilung von Tem-
peratur und Luftdruck tritt, so scheint es mir, durch Be-
trachtung der Isothermen- und Isobarenkarte noch nicht
mit der Klarheit hervor, wie es für oin genaues Studium
desselben wohl wünschenswert ist. Ich glaube, dafs hier
eine graphische Darstellung der Temperatur und des Baro-
meterstandes Uber den einzelnen Parallelkreiseu mit Nutzen
ergänzend einzutreten im stände ist.
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143
über graphische Darstellung der Verteilung von Temperatur und Luftdruck auf den Parallelkreisen.
Juni.
Ich habe eine solche Darstellung für einige Parallel-
kreise nach den Isothermen- und Isobarenkarten in Supans
„Grundzügen der physischen Erdkunde“ ausgefUhrt.
Was bei denselben zunächst sehr scharf hervortritt, ist
die Übereinstimmung in der Lage der Scheitel der Kurven
der Temperatur und des Luftdruckes.
Die obern Kulminationspunkte der einen Kurve fallen
überall zusammen mit den untern der andorn, so dafs jede
der beiden Kurven fast wie das Spiegelbild der andern
aussieht.
Nur fallen die Scheitel der Temperaturkurve immer
etwas östlich von denen der Luftdruckkurve. Es stimmt
dies genau zu der Wahrnehmung Wilds, dafs die Isobaren
zwar in der Gestalt die gröfste Ähnlichkeit mit den ther-
mischen Isanomalen zeigen, jedoch, um auch der Lage nach
Juli.
144 Über graphische Darstellung der Verteilung von Temperatur und Luftdruck auf den Parallelkreisen.
einigermaßen mit ihnen zusammen Zufällen, etwas in öst-
lioher Richtung vorschoben werdon müssen. Der Umstand
findet auch wohl seine genügende Erklärung darin, dafs ein
barometrisches Minimum in der Regel auf die Gegenden
an seiner Ostseite eine erwärmende Wirkung ausübt, ein
Maximum ebenso eine abkühlende.
Im übrigen zeigt sich bei unsrer Darstellung auch sehr
schön der Eintlufs der Kontinente, sowie der der Raud-
gebirgo des Pacifischeu Ozeans, welch letzterer Einflufs sich
in der außerordentlichen Steilheit dor Kurven au den be-
treffenden Stellen bemerkbar macht. Klar ersichtlich wird
außerdem, wie, in den hohem Breiten wenigstens, die Unter-
schiede auf demselben Parallelkreis im Wiuter viel bedeu-
tender sind, uls im Sommer.
Forner gibt eino derartige Darstellung wohl entschieden
das bequemste Mittel zur Berechnung der Mitteltemperatur
der Parallelkreise, ebenso würde sich vermittelst derselben
der mittlere Luftdruck über den Parallelen berechnen und
zur Konstruktion har i scher Isano malen verwenden
lassen. loh behalte mir vor, auf diesen Punkt au andrer
Stelle noch zurückzukommen.
Ein besonderes Interesse erhalten aber die graphischeu
Darstellungen der Temperatur dadurch, daß sie unter dem
Gesichtspunkt der neuern Ansichten von der Entstehung
der Winde offenbar geradezu als Profile der Atmosphäre
sich ansehen lassen und uns ein Bild geben von der Ge-
stalt der Linien gleicheu Drucks (in vertikaler Richtung
genommen) Uber dem betreffenden Parallelkreis.
Wie unsre Kurven als Profile, so läßt sich übrigens
eine Isothermenkarte sozusagen als Höhenschichten-
karte der Atmosphäre auffassen.
Es ist neuerdings der Gedunke aufgetaucht, synoptische
Wetterkarton in Roliofform horzustellen, in der Weise, daß
die Erhebungen die Höhe dos Luftdrucks darstellen sollten.
Weit mehr dürfte es sich meiner Ansicht nach em-
pfehlen, eine solche Darstellungsweise für die Temperatur-
verhältnisse zu wählen , da man damit bis zu einem ge-
wissen Grade ein Bild von der wirklichen Gestalt der At-
mosphäre erhalten würde, auch eine anschauliche Darstel-
lung dos Gefälles der Flächen gleicheu Drucks für diu Be-
urteilung des kommenden Wetters ein nicht zu unter-
schätzendes Hilfsmittel sein dürfte.
Aus dem Süden der Kamerun- Kolonie.
Mitgeteilt von Alfred Kirchhoff.
Nirgonds reicht noch zur Zeit dio terra incognita des
afrikanischen Innern so dicht an die Küste heran wie an
dem langen Küstenstreifen südwärts dor Bucht von Kame-
run , wo jüngst der Kampo - Flufs als Grenze festgesetzt
wurde zwischen dem deutschen Kolonialbesitz im Norden,
dem französischen im Süden. Jode auch mäßige Bereiche-
rung unsrer Kenntnis von Land und Leuten jener Gegend
muß darum bogrüßt werden.
Eine solche liegt mir vor in einer ausführlichem Nieder-
schrift des Herrn E. Beyrich, dos Verwalters einer Woer-
mannschon Faktorei in Groß-Batanga, der am 30. Mai 1885
daselbst dor Dvsontorie erlag. Aus seinem Nachlaß ist
dieses Schriftstück auf konsularischem Wego an mich ge-
langt. Der Verstorbene hatte dio große Güte gehabt, das-
selbe für mich aufzusetzen , da ich mich an ihn um Aus-
kunft Uber seine ihm so wohlbekannte Umgebung gowandt
hatte. Inzwischen hat nun zwar Hugo Zöllor im 3. Bänd-
chen seines verdienstlichon Workes über Kamerun sowio
in seinem vor der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ge-
haltenen Vortrag ') uns auch über dio beiden Batanga-Län-
der, von denen der vorliegende Bericht handolt, genauer
*) Vgl. di» Verhandlungen dieser Gesellschaft, 12. lld. (1885), S. 461.
unterwiesen, so daß eine ausführliche Wiedergabe der Bey-
richschon Mitteilungen nicht geboten erscheint; indessen
eine Auslese aus derselbeu mögo zur teilweison Ergänzung
der Schilderungen Zullers gestattet sein ').
1. Der Moanja in Klein - Batanga.
Das eigentliche Batangaland oder Groß-Batanga beginnt
erst am linken Ufer des Lokunje- Flusses2) und besteht
von Nord nach Süd aus den Küstenlandsclmften Plantation,
Kriby und Groß-Butanga (im engern Sinne). Die Europäer
haben Bich jedoch gewöhnt, im Widerspruch zur Gewohnheit
der Eingebornen die Küste nordwärts vom Lokunjo Batanga,
und zwar Klein -Batanga zu nennen; in der That wohnt
auch alloiu hinter dieser das Volk der Batangas. Eigentlich
bezeichnet der Kaufmann mit Klein - Batanga nur die paar
Faktoreien , welche auf der schmalen Landzunge an der
Mündung des Moanja - Stromes gelogon sind.
Der herrlicho Moanja strömt aus Nordosten der Küste
zu, verhiudot sich in seinem Unterlauf durch einen linken
1) Alt Kartenanhalt für dt» Folgende dieut um besten Zollers a. a. 0.
Tcrotrcntliclile „Skizze des Katangn- oder Moonja-Fluasea* und seine ebenda
zu Bildende Karte vom „Südlichen Kamerun -Gebiet“.
*) Kleine Abweichungen der Bcyrichwhen von der Zöllertchi-n N’ameu-
schreibung (wie „lokunje“ statt „lokundje“ u. ä.) »ind hier beibehalten.
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Aus dem Süden der Kamerun - Kolonie.
145
Seitenarm mit dem Lokunje und wendet kurz vor seiner
AusniUndung scharf gegen Nordwest um , wodurch er die
genannt« Landzunge abschneidet. Seine Mündung selbst
hat die stattliche Breite von 700 m; leider ist ihr eine
gefährliche Barre vorgelagert, weshalb nur Fahrzeuge von
höchstens etwa 3 m Tiefgang einfahren können. Man über-
schaut einerseits jene 2 miles (3,5 km) lango, ganz schmale
und spitz zulaufende, von niedrigem Buschwerk bestandene
Landzunge mit den Faktoroigebäuden der Firmen C. Woer-
mnnn, Jantzen und Thormiihlen , F. W. King in Bristol;
andrerseits wird der Gesichtskreis beschränkt durch zahlreiche
Flufsinseln mit unabsehbaren Mangrovedickichten. Von Eiu-
gebornen wird man nichts gewahr , denn deren Dörfer
(towns) beginnen erst 4 miles (7 km) Bufsaufwärts. Der Handel
bezieht sich hier auf Palmöl, Pulmkcrno und etwas Elfen-
bein. Das Wasser ist fischreich, aber auch von Krokodilen
und zahlreichen Flufspferden bewohnt.
Beyrich unternahm von hier aus in Begleitung Hugo
Zollers und des dortigen Faktoreiagenten Dettmering in
einer grofsen, von kräftigen Krujungen geruderten Gig die
Befahrung des bis dahin der Welt so gut wie unbekannt
gewesenen Stromes. Anfangs nichts als öde Sumpfinsoln
voll Mangroven; später die charakteristische Gostalt von
Pandanus Candolabrum. Der Flufs verengt sich auf 150 ra; |
endlich lugen die ersten Negerdörfer durch das Grün der
Bananen und riesigen Bambupalmen (Kaphia); es sind
Siedelungen des Beondo- Volks. Nachdem mehrero dieser
Beondo- Dörfer passiert sind, gelangt man an das Dorf dos
Batanga-Königs Japite, noch dessen Volksstamm die ganzo
Landschaft den Namen empfangen hat. Je weiter flufsauf-
wärts, desto häufiger trifft man auf Dörfer. Grofsartig ist
die Urwaldszenerie oberhalb der steil, bis otwa 3 m, em-
porsteigenden lohmigen , oben aus schwarzer Humuserde
bestehenden Ufer: Laubhölzer von wahrhaft riesigem Wuohse
wechseln mit Kokos-, Ol- und Bambupalmen ; einzelne Affen,
zahllose Papagoien sieht man in den Wipfeln.
Ungefähr 10 miles (18 km) aufwärts wurde das sehr zahl-
reiche Volk der Bakokos erreicht. Die Bakoko- Weiber tragen
zolldicke Holzklötze im linken Ohrläppchen. In grofsen, 12 m
langen Kanoes kamen diese Schwarzen auf die Gig zuge-
rudert, nahmen aus Handelsoifersucht mit ihren Feuerstein-
gewehren eine drohende Haltung an, doch gelang es, sie
mit Hilfe des Dolmetschers Ubor den Zwock der Fahrt zu
beruhigon, sowie mit einer Flasche Gin, etwas Tubak und
Zeugstücken zu begütigen.
Der Triumph der Fahrt bestand in der Entdeckung der
grofsartigen Wasserfälle des Moanjn, welche Zöller „Nevon-
Du Mont - Fälle“ benannte. Verschiedene Stromarme vor-
einigen sich hier oberhalb einer dreistufigen Felsterrasse
aus Granit. Donnernd stürzte die gewaltige WasBermasse
Potermanns Qeogr. Mitteilung«». 1886, Beit V.
über die Felsen ; sie mochte zwar vielleicht nur zwei Drit-
tel der Wasserfälle des Rheins bei Schaffhausen ausmachen,
und die Höhe des Sturzes mochte zur Zeit nicht über
10m betragen, aber es war auch gerade Trockenzeit. In
der Regenzeit, wo hier die Flüsso oft Uber die Hälfte zu-
nohmeu , mufs das Schauspiel viel überwältigender sein.
Man bemerkte in beträchtlicher Höhe über dom gegenwär-
tigen Wasserspiegel vom Strom abgewaschene Steine und
ausgewetzt« Felsrinnen. Die Eingobornen erzählten , dafs
öfterß Elefanten beim Versuche, den Strom zu durchschwim-
men, in den Pällou umkämen.
Der Moanjn macht viele kleine Windungen, obwohl er
im ganzen die Richtung gegen SW einhält. Dicht unterhalb
der Fälle zweigt sich ein breiter Arm nach Norden ab,
der nach Versicherung der Eingebornon in den Malimba
führt. Für die ganzo Stromfahrt bis zu den Fällen und
wieder zurück gebrauchte mau 20 Stunden. Abgesehen von
einigen Sandbänken scheint die Stromtiefe ziemlich gleich-
mäfsig zu sein und nicht unter 2 m sich zu verringern.
Dio durchschnittliche Strombreite schätzt Beyrich auf 200 m.
Das Wasser ist schön klar und trinkbar. Die Luft war
angenehm aufgefrischt durch die ganz hinaufziebende See-
brise und nicht geschwängert mit den widrig duftenden
Sumpfmiasmen.
2. Grofa-Batanga.
Der die beiden Batanga- Länder scheidonde Lokunje ist
noch von keinem Europäer befahren worden , seine Mün-
dungsbarre kann auch kaum mit einem Boot passiert wer-
den ; seine Breite mifst ungefähr 50 m. An der Küste von
Plantation (bewohnt von Bapukos, König Gray) und von
Kriby (bowohnt von Banokas, König Jack) hat die Firma
Woermunn Faktoreien. In Kriby bildet ein kleines Flüfs-
cben ') einen Wasserfall. In dem eigentlichen Grofs-Ba-
tanga * *) macht der malerische Wasserfall des 40 m breiten
Lobe -Flusses eine wirkliche Sehenswürdigkeit ans; er be-
findet sich zwischon den Orten Boambi (mit Woormuunscher
Faktorei) und Lobe (mit Faktorei von Hatton & Cookson
in Liverpool)3). Hierauf folgt gen Süden dor kleine Ort
Mawili (mit Faktorei von F. W. King in Bristol) und so-
dann der Ort Grofs-Batanga („Big Batanga“), wo C. Woer-
mann und die Firma Jantzen & Thormählen ihro Haupt-
faktoroion für Batanga haben. Dicht südlich davon liegt
Bungaheli, das Residenzdorf des Banoko-Königs Madola.
1) Die ZÖUereche Karto gibt in Kribt den Behuwo-Ortek an, der also
rermutücb hier gameint ist.
2) Zuller lüfst dawclbo mit dem Küxtenort Bomono beginnen.
*) Hiernach würde die Ortschaft Lobe link* ron der Mündung dos Lobe-
fluMC* liegen, nicht (wie auf der Zollewchen Kart©) recht*.
19
146
Aus dem Süden der Kamerun - Kolonie.
Hier endigt die Landschaft Bntanga ’). Viel südlicher mün-
det dann der Lualabe („Lualavi-Bach“ bei Zoller).
Was das Land, von der See aus betrachtet, interessant
macht, das ist das Profil eines weitverzwoigten Küstenge-
birges, dessen einzelne Gipfel zum Teil wunderbare Formen
haben die einen sehen aus wie Särge, die andern wie schiefe
Kegel. Der Elefantenberg und der Nisus sind bis 3000 Fufs
(600 m hoch), der Alouette (etwas südlicher) erhebt sich
sogar zu 3400 Fufs (1050 in)*). Hinter dieses Gebirge hat
noch kein Weifser seinen Fufs gesetzt. Die Eingebornen
sagen, in sieben Tagomtirschon erreiche man von hier das
Volk derFan(Mpangwe), in fernern sieben ein „grofses süfses
Wasser“, den Njon (wahrscheinlich ein Nebenflufs des Kongo).
Tief aus dem Innern ist das Gerücht an die Küste gelangt,
ein Weifser sei in einem grofsen Boote den Flufs hinunter-
gefahren und habe den Schwarzen zugowinkt. Das mufs
Stanley gewesen sein.
Das Klima von Batanga gehört zu den gesundesten und
angenehmsten der Küste. Es ist frei von Miasmen, ge-
kühlt durch regelmäfsig wehende Seebrise. Die Tempera-
tur geht nie Uber 30° Celsius, nie unter 31,25° C. Mos-
kitos und Sandflöhe kommen nur selten vor. Die wenigen
Weifsen in den Faktoreien führen hier zwar ein einsames,
aber ein bequemes Leben. Der Handel betrifft ausschliefs-
lich Elfenbein, wofUr Batanga einen der Hauptmärkte der
ganzen Küste bildet. Das Elfenbein wird nach „bundles*
(Bündeln) gehandelt, eine sehr verwickelte Art von Han-
delsverkehr, die schwer zu erlernen ist3).
Dio Bewohner von Grofs-Batanga im eugern Sinne siud
wieder wie in den nördlichem Bezirken Plantation und
Kriby Bapukos und Banakas. Der hiesige Bapuko- König
Toko ist ebenso wie der hiesige Banaka- König Mudola ein
grolser Deutschenfreund. Diese Batangalente zeichnen sich
>) Letztere Angaben «eichen Ton denen Zollers (a. t. 0., Bd. III, S. 45)
nicht nnbetriehtlieh ab. Nach obigem gilt der OrtachafUname Orot»- Ba-
tanga entweder nur für die am Seestrand des Dorfes Bapuko telegenen bei-
den deutschen Faktoreien, oder er achlielat Bapuko mit ein, nicht aber auch
Bungaheli.
*) Die letztgenannten zwei Berge erwähnt Zoller nicht.
3) Näherea egl. bei Züller a. a. 0., Bd. III, S. 46 ff. Bin „Bündel*
besteht aus den verschiedenartigsten Tauschwaron. Ein besonders tadelloser
Blefantenzabn tod 40 Wund (englisch) wurde z. B. während Zöllen Aufent-
halt in Orob-Batauga für ein .Bündel* verhandelt, welches aus 35 Warcn-
aorten in 810 einzelnen 0 egenständen bestand, darunter allerdingi Kleinig-
keiten wie 200 Feuersteine.
durch eine fabelhafte Lebendigkeit und Zungenfertigkeit
aus: ihre Sprache ähnelt sehr derjenigen der DuallaB oder
der eigentlichen Kamerunneger. Sie sind frohsinnig und
gutmütig, dabei aber entsetzlich faul. Ein andres Interesse
als den Handel kennen sie nioht. Die Weiber besorgen
die Maniokpflanzungen, die Männer treiben in 3 m langen,
äufaerst leichten Kanoes, die gleichwohl der ärgsten See
Trotz bieten, Fischfang mittels Angeln. Morgons am 7 Uhr
stechen Hunderte von Kanoes in See, mittags um 13 Uhr
kehren sie zurück. Ihre Beute besteht aus kleinen, finger-
bis spannenlangen Fischen, die recht gut schmecken. Nach-
dem ein Teil der Fische unter lärmendem Geschrei ver-
schachert ist, nehmen die Fischer ihr Boot wie einen Regen-
schirm unter den Arm und gehen heim. Ihre Sitten bieten
wenig Bemerkenswertes. Die Weiber werden wie Elefunten-
zähne um „Bündel“ gekauft; ein Mann hat 4 — 10 Weiber.
Ihre sehr unblutigen Kriege erinnern stets an den troja-
nischen, insofern sie ganz regelmäfsig um „Weiber-Palaver“
geführt werden. Die Sterblichkeit unter den Neugebornen
ist entsetzlich (Beyrich schätzt sie auf 80 Prozent). Von
Zwillingskindern wird immer das eine getötet. Beschneidunn
ist nicht Brauch. Die leidenschaftliche Liebe dieser Bat&nga-
leute zu ihrer Heimat, zu ihrer Familie, zu ihren Kindern
macht einen dor hübschem Züge ihres Charakters aus. Es
bofindet sich unter ihnen eine ziemliche Anzahl Christen,
dio in Corisco erzogen sind; einige von ihnen meinen es
wirklich ernsthaft mit dem Christentum. Ein allgemeiner
Sehnsuchtswunsch, insbesondere auoh König Madolas, geht
darauf hin, eine eigne Missionsstätte zu erhalten; sie mei-
nen dabei aber eine solche Mission, die ihnen
auch etwas Nützliches in der Sohule und für
ihre Handwerkelehre. Kein Zweifel, dafs die christliche
Mission im Batangaland aufserdem hohe ethische Aufgaben zu
erfüllen hätte. Nioht rasch genug könnte sie namentlich
den auch hier verbreiteten Wahnglauben ausrotten, dafs
jeder nicht durch offne Gewaltthat erfolgende Todesfall einer
Zauberei zuzusohreiben sei, — ein Wahn, dem noch heut-
zutage in diesem doch nun deutschen Schutzgebiet unschul-
dige Menschen als bejammernswerte Opfer verfalleu.
Herr Beyrich schliefst seinen Bericht mit dem auf reicher
Erfahrung fufsenden Urteil: „Die Zukunft unsrer Kolonien
liegt nicht im Handel , sondern im Plantagenbau und des-
halb in der Gewöhnung der Schwarzen an Arbeit“.
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147
Bemerkungen über Felsenzeichnungen in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Von Dr. W. G. Hoffman in Washington.
Grofses Interesse hat während der letzten Jahre das
Stadium der Felsenzeichnungen in den Vereinigton Staaten
erregt, und häufig wird uns jetzt von neuen Funden aus
Gegenden berichtet, in denen lange Zeit Weifse ansässig
waren , die jedoch , wie bb scheint diese örtlichen Eigen-
tümlichkeiten gänzlich übersehen haben, entweder aus ab-
sichtlicher Nachlässigkeit, oder weil sie glaubten, dafs diese
sonderbaren Zeichnungen keinen Wert haben. Vor kurzom
hatte Verfasser Gelegenheit, einen interessanten Einblick in
den sich an die Bildor knüpfenden Glauben zu erlangen,
welche in die Sandsteinnfer des Missouri in Dakota, mehrere
Meilen westlich vom Santoe Indian Agency, eingezeichnet
sind. Er fand daselbst lebensgrofse, in den weichen Stein
geritzte Zeichnungen von menschlichen Wesen; einige
dieser Figuren schienen von Messern durchbohrt zu sein,
neben andern stand ein Feuergewohr, uud an dem'Leich-
narn war deutlich dio Stelle sichtbar, wo die Kugel hin-
durchgedrungen sein mufste, und wieder andern war die
Brust von Pfeilen durchbohrt. Die Indianer, welche diese
Gegend bewohnen , glauben , dafs diese Figuren von den
Geistern der Verstorbenen gezeichnet worden seion, und
dafs dies ihre Todesart darstellc.
Weiter im Nordosten, in dem prächtigen Pfeifenstein-
bruch, sind noch viele kolorierte Felsenzeichnungen sichtbar,
welche vor Jahren von verschiedenen Personen dort ein-
geritzt wurden, die den Bruch deB Pfeifensteins wegen
aufsuchten. Diese Zeichnungen bedeuten Personennamen
und wiederholen sich häufig, was deutlich auf den mehr-
fachen Besuch der betreffenden Indianer hinweist. Der Ort
wird noch jetzt heilig gehalten , und alle Stämme kominon
sich daselbst auf freundschaftlichem Fufso entgegen, während
sie sich sonst feindlich gegenüborstehon.
Mohrere Orte, Ln donon sich Felsenbilder befinden, sind
schwer zugänglich und schwer passierbar, und unter solchen
Umständen scheinen diese Figuron mehr die Bedeutung
geographischer Wegweiser zu besitzen. Auf dom Kamm
der Blauen Berge , zwischen den Staaten N.-Carolina und
Georgia, fuhrt die alte indianische Fährte Uborsohr zerrissenes
Land. In einer in die Augen fallenden Öffnung befindet
sich eine Geschicbebank, auf welcher man menschliche
Fufsspuren eingeschnitten sieht, die unzweifelhaft im vorigen
und im Anfang unsres Jahrhunderts den Weg in das india-
nische Lager bezeichnen sollten. Die Cherokee - Indianer
sind als grofse Wanderliebhaber bekannt , da sio ihren
Aufenthaltsort mit dor Jahreszeit wechseln. Ähnliche Wog-
marken, welche zweifellos von den Cherokoe-Indianern her-
rühren , findet man in Virginia. Hier sind sio auch wohl
notwendiger, da sie dem unerfahrenen Jäger die seichten
Stellen in den tiefen Strömen angoben. An mehreren
Furten am Konawha-Flufs kommen ebenfalls Felszoichnungen
vor, welche dazu dienen, den Wanderer auf die Bicher©
Fährte zu loiton. In Südwest -Virginia werden gleichfalls
Bergpfade mittels menschlicher Fufsspuren bezeichnet, welche
den direktesten und praktischsten Weg zur nächsten An-
siedelung angeben.
Allem Anschein nach sollen mehrere der bunten, Sonne,
Mond und verschiedene Tiere und Vögel darstellenden Figu-
ren, welche man in die fast vertikalen Steilufer der Gewäs-
ser des östlichen Tennessee in dor Nähe verschanzter und
ausgehöhlter Begräbnisstätten eingoritzt fand, don Rang und
die gesellschaftliche Stellung der Verstorbenen bezeichnen.
An allen Orten, welche man daraufhin durchforschte, stellte
es sich heraus, dafs diese Felsenzeichnungen zu den Gräbern
gohörig seien. Aber os erfordert noch eines eingehendem
Studiums und genauerer Prüfung, um wirklich wertvolle
Resultate zu erzielen. Es ist schon oiue bemerkenswerte
Thatsache, dafs die frühere geographische Verteilung vieler
eingeboraon Stämme mit Hilfe dieser dauernden Stein-
zeichnungon ermittelt werden kann, wie die indianische
Tradition ja selbst mehrfach bestätigt- hat.
Es ist bekannt, dafs die Indianer in frühem Zeiten
weitero Roison zu Handels- und andern Zweckon unter-
nahmen als heutzutage. So traf denn Vorfasser im Jahre
1884 in Port Townseud in Washington eine Indianerin,
welche in ihrer Jugend ihren Vater auf einer Geschäfts-
reise nach der San Francisco-Bai begleitet hatte. Die Ent-
fernung zwischen diesen beiden Punkten beträgt 750 miles
(1200 km) und der Weg dahin führt über dichtbewaldetes
Gebiet, welches an verschiedenen Stellen aufsorordentlioh
felsig ist. Man bedenke nur, wie gefährlich eine solche
Reise schon dor wilden Tiere wegen ist, ganz abgesehen
von der Gefahr, von andern Stämmen überfallen zu worden ;
und es gibt wohl auch jetzt nur wenige Personen, welche
ein solches Unternehmen nicht abschrecken würde. Jeden-
falls wurden schon damals diese Touren durch praktisch
angelegte Wege erleichtert, denn die Indianer sind ja da-
durch sprichwörtlich geworden, dafs sie, um ihren Rückweg
bequem wiederzufinden, die Bäume weifs zeichnen. An
verschiedenen Orten Californias existieren noch Felsen-
zeichnungen, welche einer wissenschaftlichen Prüfung noch
nicht unterzogen wurden, wolche aber möglicherweise wiodor
neues Licht über ehemalige geographische Verhältnisse
verbreiten, sowie Aufschlufs Uber die Bewohner dieser jetzt
gänzlich von Indianern verlassenen Gegend geben worden.
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148
Die Markierung der Grenze zwischen Argentinien und Chile im südlichen Patagonien
und im Feuerlande.
Von Dr. H.
Nach Artikel 1 des Grenzvortrages zwischen den Re-
publiken Chile und Argentinien vom 23. Juli‘1881 beginnt
dio Nordgrenzo ira südlichen Patagonien in dem Punkte,
wo der 52° S. Br. die durch dio Anden gebildete Wasser-
scheide schneidet. Diesen Punkt genau festzustcllen, war
eine der Aufgaben der von der chilenischen Regiorung im
Jahre 1885 zur Erforschung und Vermessung des an Chile
gefallenen Teiles von Patagonien und dem Peuerlande aus-
gesandton wissenschaftlichen Kommission. Der Leiter der-
selben war der Ingenieur D. Alejandro Bertrand. Derselbe
teilt nun iu einom aus Valparaiso vom 1. November 1885
datierenden kurzen Berichte * *) an don Minister der Aus-
wärtigen Angelegenheiten die Thateache mit, dafs an dieser
Stelle eine Andenkette überhaupt nicht vorhanden ist. Diese
bereits vor mehr als 300 Jahren erwiesene Thatsache war
bei Abfassung dos Grenzvertrages üborsehon worden. Dio
Cordilloro der Anden vorliort „bei ihrem Eintritte in die
patagonischen Regionen' 2) ihren ununterbrochenen Zusam-
menhang, sie verläfst daa Festland und setzt sich in den
zahlreichen Inseln und Halbinseln, welche die westlichen
Kanüle bilden, fort.
Die Wasserscheide der Flüsse, welche zu beiden Ozea-
nen gehen , liegt nicht auf dem oft durch Zwischenräume
unterbrochenen Rücken der Andon , sondern meist mehr
östlich, in den Ebenen der Pampas. Dies ist besonders
unter dem 52° S. Br. der Fall, wo das Terrain von einem
bis zum andern Ozeane eine Ebene ist.
Der Entdecker und erst« Erforscher der verschiedenen
Kanäle, welche die Westküste des südlichen Patagonien zer-
schneiden, war Juan Ladrilloro, wolchor in don Jahren 1557
und 1558 von D. Garcia Hurtado de Mendoza, General-
kapitiiu und Gouverneur von Chile, zur Erforschung der
Magellun - Strnfse von der Westseite her ausgesandt wurde.
Der ausführliche, sehr wertvolle Boricht Uber dieso hoch-
interessante Reise wurdo von der spanischen Regierung
lange verheimlicht, später führten einige Autoren (wie Var-
gas i Ponce, J. G. Kohl) in ihren Arbeiten über die Ent-
deckung dor Magellan-Strafse einige Stellen aus diesem
Berichte, welcher in die Manuskripteusammlung des Mufloz
aufgenommen worden, an. Der gunzo Bericht wurdo abor
erst durch die Chilenen publiziort, und zwar geschah dies
im Jahre 1879 durch D. Mig. L. Amunategui im ersten
Bande seines schönen Werkes: La cuestion de lfmites entre
Chile i la Rcpiiblica Arjentina, und dann im Jahre 1880
durch dio Oficina Hidrografioa im VI. Band des Anuario
Hidrogr. de la Marina de Chile. Diese Ausgabe ist dio
wertvollere, da sie von einer grofsen Anzahl erklärondor
Anmerkungen begleitet ist. — Ladrilloro schreibt Uber diese
Gegend unter dem 52* S. Br. und bei einem von ihm
Seno de la Ultima Esporanza genannten Kanäle: „und hier
l) Abgedr. in Memoria pro», por el MinistTo de Keine. Ester, i de Colo-
nia. de Chile el Congr. Nac. de 1885. Santiago de Cb., 1885, 2»,
p. 259 sig.
*) Eine Botcichnüng der Breite wiire erwünscht.
Polakowsky.
hört die Cordillere auf, und war alles eben in der Rich-
tung nach ONO und bis zum Nordmeero, wio es schien“.
Erst 272 Jahre spater, d. h. im Jahre 1830, besuchten
Skyring und Kirke mit dem Schoner „Adelaida“ diese Gegend
zu wissenschaftlicher Durchforschung. Sie bestätigten durch
ihre Schilderung die obigen, ihnen unbekannten Angaben
dos spanischen Piloten und nannten dio Ebene, welche hior
die Cordillere auf dem Festlande unterbricht resp. abschliofst :
Llnnura de Diana, und die im W an dieselbe grenzende
Bucht : Disappointment Bay J).
Die eignen Beobachtungen des Herrn A. Bertrand be-
stätigen nun, dafs eine ca 20 km lange, völlig ebeno
Fläche nördlich vom 52° die Cordillore unterbricht. Er
sah diese Diana- Ebene oder Sümpfe von der Spitze der
Cerro de los Penitentes und dann von den Morros del Des-
linde aus, welche sich trotz ihror relativ geringen Höhe
doch Uber den Horizont diesor Ebenen — deren gröfste
Erhöhung sicher nicht mehr als 250 m Uber dem Meeres-
spiegel beträgt — erheben. Bertrand und seine Begleiter
waren an dieser Stelle weniger als 55 km von der Ba-
hia del Desongaflo (= Disappointment Bay) entfernt. Die
Ufer diesor waren aber wegen dor unwegsamon Sümpfe,
welche zwischen denselben und don Morros del Dcslinde
liegen, unerreichbar. Es ist also erwiesen, dafs bei 52°
S. Br. die Anden alle ihre Wasserläufe in don Stillen Ozean
senden, uud dafs die Wasserscheide des Kontinentes hier
östlich von der Cordillere in den ausgedehnten Auen, welche
den westlichen Nebonflufs des Rio Gailegos umgeben , zu
suchen ist.
Der Punkt, in welchem der 52° die Wasserscheide
durchschneidet, ist wegen der ebenen und sumpfigen Be-
schaffenheit des Terrains schwer zu fixioren und zu be-
schreiben. Er liegt am Nordrande einer bewaldeten und
mit vulkanischen Blöcken gekrönten Hügelreihe, welche nach
Süden in deu Cerro del Penitente übergeht. Der Punkt
liegt dicht westlich vom 72° W. L. v. Gr., zwischen
diesem und der Küste der Bahia del Desengaüo , welcher
Kanal sich dem 72° bis auf 20 km nähert. Von diesem
Punkte aus folgt die neue Grenzo genau dom 52° S. Br.
nach 0 zu. Sie durchschneidet abwechselnd die Ausläufer
der Wälder und Sümpfe , geht über den Morro del Des-
linde, schneidet 1 1 km weiter den Rio Gallegos, welchor in
dieser Gegend von S nach N fliefst, und tritt in die „mesa
de I09 guanacos“ genannte hügelige Pampa, welcher alle
irgendwie bedeutenden Erhebungen fehlen. Durch diese
Parnpu geht die Grenzlinie (d. li. dor 52° S. Br.) bis zur
vulkanischen Region der l’icana und durchschneidot dieselbe
in der Weise, dafs der Hauptkegel 2 km nördlich, und dor
eiloschene Krater de la Picann 1700 m südlich derselben
bleibt. 5 km weiter östlich schneidet dio Grenzlinie den
70° W. L. v. Gr., und hier macht dieselbe oinen Winkel,
') Siehe über die Gleichartigkeit der Angaben ton Ladrillero and Kirke
die Noten auf S. 484 in Anuar. Hidrogr- de la M. de Ch. VI.
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Geographischer Monatsbericht.
149
indem sie in OSO-Richtung und in gewundener Iiinie nach
dem Monte Amon •), welcher schon von der Spitze der Pi-
cana sichtbar ist, führt. Diese Eutfernung inifst 40km.
Die Strecke, in wolcher die Grenzlinie genau durch den
52° S. Br. gebildet wird, schätzt Herr Bertram! auf unge-
fähr 137 km. — Die Grenze boII nun weiter Uber dio Hügel,
welche in OSO liegen, nach dem Monte Dinere führen.
Da aber alle hervorragenden Hügel auf dieser Strecke foh-
len , so wird es neuer Verhandlungen bedürfen , um sich
über die definitive Absteckung der Grenzlinie an dieser
Stelle zu oinigon. Vom Monte Dinero aus geht die Grenze
in gerader Liuie bis zur Punta de Miera (Kap Dungcnefs).
Die Entfernung vom Mt. Amon bis zu diesem Kup beträgt
1) I>if*rr Ben; viel whr verschieden beieicbnct. Ick führe die Namen,
welche ich auf den mir gerade vorliegenden Karten finde, an. — Im Grenz-
vertraje selbst wird dieser Berg Monto Agmond genannt, auf einar oftiiiellen
chilenischen Karle vom Jahre 1883, welche das streitige üreDIgebiet dar-
•teilt, figuriert er als M. Airoon, auf Tafel 1U von Stielcr und anf Tafel 11
in Zeitxchr. d. ücrellwhaft f. Krille. XI (1876) als U. Aymnjul, auf der
Karte der Argentinischen Kepublilc von A. SeeUtrang und A. Tounnente in
R. Nappa Werk über die Argentina ala Cerro Kgmont.
ungefähr 84 km. Die ganze Nordgrenze von don Diana-
Ebenen bis zum Atlantischen Ozeane also 261 km. Das
zu Chile gehörige, zwischen dem 52° S. Br. und der Ma-
gellan-Strafse belegene Terrain schätzt Herr Bertrand anf
75000 ha. Um die Grenze dauerud zu markieren, schlägt
er vor , in Entfernung von jo einer Legua (4,5 km) pyra-
midenförmige , aus Steinen und Kalkmörtel hergerichtete
Grenzsteine von 6 m Höhe aufzustellen. Die Kosten für
diese 58 Grenzsäulen schätzt er auf 5800 Pesos.
Von der Punta de Miera geht die Grenzlinio direkt nach
Süden, genau mit 68° 34' W. L. v. Gr. zusammenfallend.
Sie durchschneidet die grofse Feuorlandinsel. Das be-
treffende Terraiu ist im nördlichen Teile der Insel unbe-
wahlet und meist sumpfig, von 53° 30' bis 54° aber mit
parkartigen Wäldern bedeckt. Das Gebiet von 54° bis zum
Beagle-Kanal , wo der genannte Meridian die Küste bei
54° 54' S. Br. und 22 km westlich von der englischen
Missionsstation Uschuwia erreicht, ist uoch unerforscht. Die
Entfernung vom Nord- bis zum Südrande der grofsen Feuer-
landinsel beträgt 248 km, die ganze Länge der neuen
Grenzlinie zwischen Argentinien und Chile also 509 km.
Geographischer Monatsbericht.
Europa.
Der Dozent für Pflanzengeographio an der Universität
Helsingfors, Dr. R. JTuU, hat die Absicht, während der
Sommerferien (Ende Mai bis Anfang September) eine phy-
ntch-gcographüche ütudiemtalion in Finnland einzurichten und
zu leiteu, ein Unternehmen, welches freudig begrüfst werden
mufs, da für manche Fragen der physischen Erdkunde eine
Lösung zu erwarten ist. Die Untersuchungen sollen na-
mentlich folgenden Punkten zugowendet werden: 1) dio
Beziehungen der Gewässer zu den Asar; 2) die postgla-
zialen Erdformationeu als Zeugnisse über Verschiebungen
der Uferlinieu und Uber klimatische Veränderungen; 3) die
Lagerungsfolge in den Torfmooren ; 4) die Besitznahme neuen
Landes durch die wilde Vegetation ; 5) der gegenwärtige
Stand der wildwachsenden Eichenkolonien in Finnland. Als
die für die beabsichtigten Untersuchungen geoignotete Ge-
gend ist die Umgebung dos Eisenwerkes Svartd am SUd-
ostende des Lojo-Sees in Nyland auserwählt worden. Dor
grofse HangüSs streicht dicht vorbei, beiderseitig mit schönen
Uferterrassen besetzt. In den anliegenden Torfmooren sind
3 — 5 Lagen von Baumwurzeln vorhanden, die noch nie bo-
tanisch untersucht worden sind. Auf den Inseln des Sees
befinden sich die nördlichsten Eichenbestände des ganzen
Landes. Eine wesentliche Unterstützung des Unternehmens
ist dadurch geboten, dafs die geologische Landesaufnahme
dieses Gebiet bereits bearbeitet hat, so dafs eine sehr schöne
geologische Karte desselben vorliegt.
Afrika.
Nordafrika. — Die Erforschung des Tuareg-Landes
hat abermals ein Opfer gefordert. Leutnant Palat, welcher
im Oktober 1885 von Algier aufgebroeben war, um durch
die Sahara bis Timbuktu zu gelangen, ist in der Oase Tidi-
kelt bei 'Ain-Salah von Tuareg ermordet worden. Da die
französische Regierung nach derNiedermetzolung dor Flatters-
schen Expedition sich zu einem energischen Vorgehen gegen
die Tuareg nicht entschliefsen konnte, so ist allerdings nicht
zu orwarteu, dafs diese neue Gewaltthat ein Einschreiten
der französischen Regierung veranlassen wird. Berechtigt
aber ist die Frage, wann endlich Frankreich die von Du-
veyrier, Kohlfs und allen Kennorn Nordafrikas längst ange-
ratene Besetzung von Ain-Sulah vornehmen wird, um da-
durch eine achtunggebietende Stellung gegen dio Tuareg
einzunehmon, welche diesen Räubern der Wüste wenigstens
Furcht vor dem grofsen Staate einflöfsen wird. Der Mord
erfolgte am 8. März an einem Punkte Badjoun im Bette
deB Oued-Fiissen.
Während die Spanier bisher ihre neuen Erwerbungen
an der Westküste der Sahara nur als Stützpunkte für ihre
kanarischen Fischorcien betrachtet hüben, schicken sie sich
jetzt au, oiue kommerzielle Verwertung dieses Gobiotcs zu
beginnen, indem sie Verbindungen mit dein Hinterlande anzu-
bahnen sich hemiiheu. Zu diesem Zwecke ist Anfang d. J.
eine von der Handelsgeographischen Gesellschaft in Madrid
ausgerüstete Expedition von Cudix aufgebrochen , welcher
namentlich dio Aufgabe gestellt wordon ist, bis zur Oase
Adrar vorzudringen und dem lebhaften Handel, welchen ihre
Bewohner mit Timbuktu und den Landschaften des obern
Senegal betreiben , nach der Küste ein Absatzgebiet zu
öffnen.
Äquatorialafrika. — Von dom gleichen Schicksal
wie die grofse Flatterssche Expedition ist dio in ebonso um-
faBsondor wie sorgfältiger Weise von der Mailänder Han-
delsgeogr. Gesellschaft, dor Italienischen Geogr. Gesellschaft
in Rom und der Afrikanischen Gesellschaft in Neapel aus-
gerüstete Expedition, welche am 26. Januar unter Leitung
150
Geographischer Monatsbericht.
von Graf G. Porro Italien verliefs, ereilt worden. Ala Haupt-
ziel hatte aie die Erachliefaung der Somali- und Galla- Länder
für italienische Handelaunternehmungen ins Auge gefafst,
zu welchem Zwecke sowohl au der Küste wie in wichtigen
Orten des Hinnenlandes Faktoreien angelegt werden sollten.
Zum Ausgangspunkt wurde Zeila bestimmt, das nächste Ziel
war Harar, von wo aus unter günstigen Umständen ein
Vorstols nach SO, nach KafFn und dem ober» Nil, gemacht
werden sollte. Am 16. März brach Graf Porro mit acht
Italienern, darunter Graf Cocastelli di Montigiio, Prof. Licata,
Dr. Gottardi u. a., in Hegleitung einer indisch -britischen
Bedeckung von Zeila aus; bei Artu, kurz vor Dschaldessa,
wurden die Italiener von dem Sultan von Harar überfallen
und niodorgemetzelt, welcher erst 1885 von der ongliscbon
Regierung nach Zurückziehung der ägyptischen Besatzung
auf den Thron gesetzt worden war.
Wie mit einiger Sicherheit vorausgesetzt werden konnte,
hat Dr. G. A. Fieeher, um zu Dr. Junker und Dr. Erain-
Bei zu gelangen, sich entschlossen, um die Südkiiste des
Victoria-Sees seinen Marsch fortzusotzon und nicht den
Wasserweg zu benutzon, da oine Landung an einem mit
Uganda in Verbindung stehenden Punkte ihn der Gefahr
aussetzen würde, von den gegenwärtigen, für die Sicherheit
seines Thrones sehr besorgten König Mwanga dem Schick-
sale Bischof llanningtons preisgegeben zu werden. Die Ver-
hältnisse liegen auf dioser neuen Route wesentlich ungün-
stiger für Dr. Fischer, da der Plan seiner Expedition nur
den Durchzug duroh Uganda im Auge batte, worauf die
Auswahl seinor Waren getroffen war. Über seine nächsten
Pläne und die von Mackay ihm zugesandten Nachrichten
über Emin und Junker berichtet Fisoher am 8. Januar von
Kagei aus an Professor Bastian :
„l’gändz nicht p&asierbar; Kabaka ein mher, KfwiUtbStijtor Mann, der
dem Banai- Keuchen ergeben. Europäer «erden xerfol^t ; Araber haben
intrigiert , aut Vorgänge j„ Saniihur (ufterxl , besonders gegen Deutsche.
Englischer Bischof llannington ermordet, alle Missionakinder verbrannt, Hun-
derte ron Waganda (aueh Wakunga) getötet, weil sio ru den Engländern in
die Schule gegangen. Gestern Nacht durch xwei meiner Leute, welche nach
l'ganda geachiekt, um mich anxumelden, einen Brief ron M. Stack«) er-
halten, der sagt, dafs der Kabaka Tor hat, mich mit allen Trägem au töten.
Ich aoBe sobald wie möglich Kagei terlasaeo. Bin Glück, dafs ich nicht
zwei Monate früher hier eintraf, bevor Bischof llannington l'ganda erreichte,
welcher mit 400 Mann durchs Massailand über Kawirondo und l'aogm ge-
zogen; in der Nähe des Nil-Auslluases ist er mit 50 Sanaibarleuten getötet,
seine zwei Begleiter sollen entkommen sein. E min- Bei hat an Markav
geschrieben, dafs er keine Erlanbnia erhält, Enjoro xu passieren, Kabarega
will weder Europäer noch Ägypter oder Araber sehen. Krain-ßci soll mit
Junker unweit l'njoro lagern, im Grenzgebiet von Kedi. Die Bakedi hat
er zurückgeechlagen. — Will übermorgen fort und versuchen , östlich um
den See au gehen, über Kawirondo, von dort die Grenzgebiete ron l'ganda-
l'njoro weit links lassend, die ägyptischen I’rorinaen zu gewinnen suchen. —
Habe keinen Augenblick Huhe, alle Waren müssen wieder umgepaekt wer-
den; dabei noch schwach von Fieber. Sehr ungesunder Ort hier: bösartige
Fieber, Dysenterie, Augenentzündungen (4000 Fufs über dem Meeresspiegel).
Die Route ist sehr schwierig, da keine mohammedanischen Handelswege
hier bestehen. Auch sind meine Waren für Uganda- l'njoro eingerichtet
(riete teure Zeugstoffe), während in jenen Gebieten hauptsächlich Messing-
draht und Perlen gehen. Habe «n Mackay geschrieben, womöglich Kmin-
Bei wissen zu lassen, dafs ich versuche, auf besagtem Wege mich mit ihm
zu vereinigen. *■
Eine nicht geringe Überraschung bereifet Dr. Rieh. Kie-
pert* Konstruktion der BiiUnertchen Itinerarauf nahmt (Mitteil.
Afrik. Gesellsch. 1886, V, Tafel 1) während seiner Reise von
San Salvador nach dem Kuango, welchen er eino Zeitlaug
verfolgte, um dann über Land nach dem Stanley Pool sich
zu wenden. Nach dieser Konstruktion, welcher allerdings
kein sehr vorzügliches Material zu Grunde lag, da Dr. Bütt-
ner nicht in genügender Weise mit Instrumenten versehen
war, nähert sich der Kuango an dom fernsten von dem
Reisenden erreichten Punkte, bei Kiballa, so sehr dem Kongo,
dafs es den Anschein gewinnt, als müsse er zwischen Stan-
ley Pool und der Kwa- Mündung direkt in den Kongo sich
ergiefsen, statt in einem recht unwahrscheinlich aussehen-
den scharfen Bogen nach NO sich zu wendon und an der
bisher vermuteten Mündungsstelle mit dem Kassai sich zu
vereinigen. Dafs Dr. Büttner keine bessere Aufnahme seiner
Route ausführen konnte, ist zum Teil durch die besonders
schwierigen Verhältnisse, Kämpfe mit den Eingebornen,
Unzuverlässigkeit der Träger &c. begründet- Die zahlrei-
chen Höhonmessungen, welche von Dr. v. Danckelman berech-
net worden sind, stimmen gut mit Major v. Mechows Be-
obachtungen am Kuango, sehr wenig dagegen mit l)r. Cha-
vannes Messungen (s. Mitt. 1886, Nr. 4, Tafel 6) auf der
Route von San Salvador bis zu den Arthington- Fällen.
Nur 10 Tage später als Dr. Büttner waren Leutnant
Kund und Tappenbeck am Kuango eingetroffon. Da eine
Vereinigung mit demselben unausführbar erschien, setzten
sie am 7. September Uber den Strom und zogen unter
zahlreichen Kämpfen mit den Eingebornen ostwärts, wobei
sie eine Reihe mächtiger Zuilüsse des Kassai überschritten ;
unter 18° 0 und 4° 45' S den Wambo, 18° 55' 0 und
4° 30' S den Saie oder Tschia, welche sich beido wahr-
scheinlich mit dem Kuilu (19° 22' O, 4° 5' S) verei-
nigen. Am 19. Oktober erreichten sie den Sankurru, iden-
tisch mit Wirsmanna Kassai, welchor Name den Eingebor-
nen nicht bekanut ist; hior endigen dio Karawauenstrafsen
der Elfenbeinhändler. Nach Überwindung zahlreicher Schwie-
rigkeiten wurde in der Nähe des Zusammenflusses von ßo-
lumbo (Kassai) und Sankurru der Strom durch eine sechs-
tägige Fahrt von Insel zu Insel überschritten. Durch dichten
Urwald zogen die beiden Forscher nach NO, erreichten
am 19. November unter den 20° 10' 0 und 3° 25' den
lkata (auch Lokenje und Lukata), dessen Überschreitung
nach vielen Kämpfen mit den Barmnbo, trefflichen Bogen-
schützen, am 6. Dezember gelang. Das nördliche Ufer des
Flusses war nicht bewohnt, stundenweit zog sich Wold und
Morast hin ; nach Rückkehr auf das Südufer versuchten sie
nochmals nach Osten sich durchzuschlagen ; nach einem
unglücklichen Treffen mit den Eingebornen , in welchem
1 .entmint Kund ernstlich verwundet wurde, traten sie am
20. Dezember unter 21° 30' O und 3° 20' S. Br. den
Rückweg per Boot an. Zwanzig Tageroisen weiter östlich
soll oin grofser Flufs, Impiku, sich bofinden, wohl ein Nebeu-
tlufs des am Äquator in den Kongo sich orgiefsonden Uruki
(Grenfells Tschuapa). Der lkata erwies sich auf der Rück-
fahrt als identisch mit Stanleys Mfini, dem Abflufs des laeo-
poldll.-See. (Vorläuf. Abdr. : Mitt. Afrik. Gesellsch. 1886,
V, Nr. 2.)
Eine Übersichtsskizzo von sämtlichen Dampferfahrten
des Rev. G. GrenfeU, des ungemein rührigen Baptisten-
Missionars , auf dem Kongo und seinen Nebenflüssen mit
dem Dampfer „Peace“ bietet „The Missionarv Herald“ vom
1. März 1886 zugleich mit einem Bericht Uber die letzte
Fahrt auf dem Uruki (Tschuapa) und seinem Nobenflufs. dem
Bosira (Bussera), und dem Lulougo mit seinen Quollflüssen
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Geographischer Monatsbericht
151
Lopori und Maringa. Auf derselben wurde er bekanntlich
von Leutnant Wifsmanns Gefährten auf der KasBai-Expe-
dition, Leutnant t>. fYanfoit, begleitet, welcher in der Ge-
Seilschaft für Erdkunde zu Berlin (Verband]. 1886, Nr. 3),
Bericht erstattete.
Südafrika. — Nach einer sehr strapaziösen Reise,
welcher namentlich eine grofse Zahl seiner Gespanne zum
Opfer fiel, ist Dr. Emil ITolub in der bekannten Handels-
Station Panda ma Tenka in der Näho des Sambesi ange-
kommen und stand im Begriff, nach Überschreitung des
Stromes seine Reise nach Norden fortzusetzen. Für den
ersten Teil derselben hatte der seit langen Jahren hier an-
sässige Händler Westbeach sich ihm als Begleiter ange-
boten.
Die gewaltigen Änderungen, welche die letzten 20 Jahre
in Südafrika hervorgerufen haben, treten besonders klar vor
Augen , wenn man die beiden Reisewerke vom Missions-
direktor Dr. Wangmann, welcher, nachdem er bereits 1866
bis 1867 eine Reise zur Inspektion der Stationen der Ber-
liner Mission unternommen hatte, im Jahre 1884 — 1885
abermals zu demselben Zwecke die Reise ausfiihrte, mit-
einander vergleicht. Es ist begreiflich, dafs das letzte
Werk: „ Ein stceifet Reittjahr in Südafrika “ (8°, 432 SS.,
mit Karte. Borlin, Schulze, 1886) in erster Linie den Mia-
sionsinteressen gewidmot ist, sowie dafs der Verfasser trotz
guter Absicht die Verhältnisse nicht immer völlig unpar-
teiisch beurteilt, aber immerhin sind seine Anschauungen
und Darstellungen höchst beachtenswert. Obwohl Dr. Wango-
xnann seine Roise weiter ausdohnte als 1866 und weit mehr
Stationen zu besuchon hatte (von 1864 — 1884 vermehrten
sich dieselben von 14 auf 45 Haupt- und 57 Nebenstatio-
nen; die Zahl der Getauften stieg von 1300 auf 15 000
Seelen), so konnte er doch dank der bessern Kommuni-
kationen in bedeutend kürzerer Zeit seine Reise zu Ende
führen.
Australien und Inseln des Orofsen Ozeans.
Festland. — Mit Erfolg hat Dav. Lindtay seine Ex-
pedition durch Zentralaustralien begonnen und namentlich
seine erste Aufgabe, die Erforschung de* Finke - Flu* t et ge-
löst, indem er demselben stromabwärts folgte, bis er sich
in den Sandhügeln nordöstlich von Dalhousie (26° 26' 8. Br.
und 135° 45' 0. L.) verliert. Bei starkem Ansteigen des
Flusses sollen seine Wassermassen durch den 8pring Creek
Flat bis in den Macumba oder Treuer River fallen, wodurch
seine Zugehörigkeit zum Lake Eyre erwiesen ist Die Um-
gegend des Finke zeichnet sich durch guten Graswuchs
aus, auch Wasser soll zur Genüge gefunden sein. Spuren
von Leichhardt konnten nicht entdeckt werden, es war al-
lerdings auch nicht möglich , in der stark bewaldeten Ge-
gend alle Bäume nach etwaigen Lagerzeicben des verschol-
lenen Forschers zu untersuchen. Vom Finke aus führte
Lindsay einen erfolgreichen Vorstofs bis an die Grenze
von Queensland aus, welche er unter 25* 30' S. Br. kreuzte,
und kehrte dann über ein gänzlich unerforschtes Land nach
dem Uberlandtelegraphen zur Station Charlotte Waters zu-
rück. Am 3. Februar d. J. setzte er von hier seine Reise
nach Ijake Nash fort.
Während diese Nachforschung nach Spuren LeicfJwrdt *
nicht zum Ziele geführt hat, kommt aus Queensland plötz-
lich die Nachricht, dafs die CbtrretU des unglücklichen
Forschers , welcher vor mehr als 38 Jahren , im Dezem-
ber 1847, seine letzte Unternehmung begonnen hatte, ent-
deckt sein sollen. In der Nähe von Cloncurry, einem
kleinen 8tädtchen in dem gleichnamigen Kupferminendistrikt
(20° 40' S. Br. und 140° 35' 0. L.) will der afghani-
sche Kameltreiber Belooch am 10. Januar d. J. diese Spu-
ren entdeckt haben, wie er telegraphisch am Baron v. Muel-
ler, dem unermüdlichen Förderer aller Untersuchungen nach
Leichhardts Verbleib, berichtete. Es ist nicht das erste
Mal, dafs angeblich ganz untrügliche Mitteilungen Uber
Leichhardta Schicksal in Australien aufgetauoht sind ; es
sei nur daran erinnert, dafs A. Hume 1874 die Sensations-
nachricht verbreitete, im Innern mit Leichhardte Reise-
gefährten, Classen , zusammengetroffen zu sein, dals 1881
Skuthorpe sogar die Tagebücher und Instrumente Leich-
hardts gefundon haben wollte, welche bis zum heutigen
Tage aber noch nicht zum Vorschein gekommen sind, da
die Kolonialregierungen sich weigerten, ohne oingehende
Prüfung des Fundes die Summe von 6000 L zu entrich-
ten, und es ist daher selbstverständlich, dafs man solch
neuern Sensationsnachrichten skeptisch gegenübertritt, ob-
wohl manche Erwägungen für die Möglichkeit der Ent-
deckung durch Belooch sprechen. Wenig östlich von Clon-
curry hatte 1864 der Reisende Molntyre am Westufer
eines Armos des Flinders ca unter 20* zwei Bäumo ent-
deckt, welche durch ein grofses L gezeichnet waren, woraus
er die Vermutung ahleitete, auf ein altes Lager Leichhardts
gestofsen zu sein. Mit don Lagerzeichen Landsboroughs
konnten diese Marken nicht verwechselt werden, weil jener
Reisende am Ostufer des Flinders gereist war und seinen
Lagerzeichen eine fortlaufende Nummer des I Nigers hinzu-
zuftigen pflegte. An der Expedition, welohe infolge dieser
Nachricht unter Mclntyres Leitung 1865 — 66 ausgosandt
wurde, nahm Belooch als Kameltreiber teil ; dieselbe verlief
erfolglos teils infolge der aufserordentJichen Dürre, welche
in jenem Jahre herrschte, teils durch den frühen Tod des
Führers.
Einer neuen Karte des Gebietes von Zontralaustralien
von der Linie des Überlandtelegraphen bis zur Grenze von
Queensland , welche von dem bekannten Feldmesser und
Forscher C. Winneck* bearbeitet worden ist, entnimmt dio
Zeitschrift: The Colonies and India vom 9. April 1886
einige wichtige Angaben über Höhenverhältnisse. Er wie-
derholt seine boroita im J. 1877 ausgesprochene Ansicht,
dafs der Lake Eyre bedeutend tiefer liege als der Meeres-
spiegel, also eine Depression bilde, wie schon nach seiner
Entdeckung 1840 zeitweilig vermutet worden war. Nach
Lewis’ Messungen von 1873 soll der See 70 F. (21 m) über
dem Meere liegon , neuere Messungen ergaben eine Höhe
von nur 3 F. (0,9 m). Eine endgültige Entscheidung dieser
Frage wird erst dann zu erwarten sein, wenn die Triangu-
lation von Südaustralien bis hierher ausgedehnt sein wird.
Für die wichtigsten Stationen der Telegraphenliuie erge-
ben seine Beobachtungen folgende Höhen : Tennant Creek
1075 F. (328 m); Barrow Creek 1724 F. (625 m); Alice
Springs 2000 F. (610 m); Charlotte Waters 481 F. (147 m);
Peake Station 75 F. (23 m); Strangwaya SpriDgs 188 F.
j (57 m).
152
Geographischer Monatsbericht.
, Amerika.
Alaska. — Die Expedition von Leutnant Allen
durch Alaska war, wie die Deutschen ßeogr. Blätter 1886,
Heft 1 , einem Berichto in der Kansas City Times ent-
nehmen, viel ausgedehnter, als die vorläufigen Angaben
erkennen liefscn. Niolit allein don Kupferfiufs (Ätna) hat
er bis zur Quelle verfolgt, sondern auch dessen Nebenflurs
Chitinah untersucht und daun den Haupttributür des Yu-
kon, den Tananah, dessen Qnellgobiot aufserordentlich roich
an Seen ist, erforscht; nach Erreichung des Yukon hat
er das Gebirge im N, die Yukonherge, überschritten, bis
er an seinen roächtigon nördlichen Zuflufs, den Koukuk,
gelangte, welchen er noch 175 miles (280 km) aufwärts
verfolgte, ohuo an seinen Ursprung zu gelangen. Nachdem
er von den Eingebornen in Erfahrung gebracht, dnfs 15 Tage-
reisen stromaufwärts noch eiu weiterer Tributär iu dun
Koukuk sich ergiefse , trat Allen, du die Zeit zur Ausdeh-
nung seiner Reise bis dorthin nicht mehr genügte, die
Rückreise an , welche er zu Root auf dem Koukuk und
Yukon bis nach dem Norton -Sunde ausftlhrte.
Canada. — Der grofse Mittassini - See in Labrador,
dessen Ausdehnung bishor unbekannt geblieben ist, obwohl
ein Posten der Hudson-Bai- Kompanie schon lauge an sei-
nem Ufer sich befindet, ist im Juli 1885 vou einer Expe-
dition unter J. M. Macoun und A. P. Low aufgonommen
worden, nachdem bereits im Herbste 1884 die beiden zu
diesem Zwecke abgesandten Expeditionen sich verfehlt hat-
ten, und im Winter wegen Proviantmangels und andrer un-
günstiger Verhältnisse die Aufnahme nicht zustandegekom-
men war. Er stellt sich jetzt als eine bedeutende Er-
weiterung des Rupert -Flussos heraus, indem or bei nicht
ganz 100 roileB (160 km) Lauge eine durchschnittliche
Breite von nur 12 miles (19 km) besitzt. Nur zwei Tie-
fenmessungen wurden nusgeführt, wolche Tiofen von 374 •
und 279 Fufs (114 und 85 m) nachwiesen. Der kleine
Mistassini-See, welcher oberhalb des grofsen Sees sich be-
findet , wurde von Teut. F. TT. Bignell befahren , auch er
erwies sich nur als eine 6 miles (10 km) breite Erweite-
rung des Flusses.
Die breite, bisher unbenannto Strafst* zwischen der
Cape Breton-Insel und Neufundland ist von der englischen
Admiralität im Einverständnis mit der kanadischen Regie-
rung zu Ehren ihres Entdeckers Cabot - Strafte benannt
worden.
Vereinigte Staaten. — Gegen die Behauptung
von Capt. TP. Glatter (s. Mitt. 1885, S. 103), im J. 1881
die wirkliche Mississippi -Quelle entdeckt zu haben, wendet
sich Henry Gannett mit dem Nachweise (Nature, 7. Ja-
nuar 1886, p. 221), dafs durch Nicollets Untersuchungen
im Gobicte des Itasca-Sees 1836 bereits dio Zuflüsso des-
selben vollständig bekannt worden sind, während dor Itusea-
Soo, welcher als Sammelbecken verschiedener Wasseradern
als Quelle des Mississippi angesehen werden niufs, schon
1832 durch Schoolcraft aufgefunden wurde. Das ganze <
Gebiet ist bereits im J. 1876 vom Land Office aufgenom-
men und mappiert worden. Das von Glazier als eigent-
liche Mississippi- Quelle angegebene Wasserbecken stimmt
nach der Lage mit dem Elk Lake überein ; nur die Griifse
seines Sees hat Capt. Glazier bedeutend übertrieben, denn
derselbe hat nur eine Oberfläche von sq. niile (1,30 qkm).
Mittolamerika. — Einen fünfjährigen Aufenthalt
als Arzt in Guatemala, 1878 — 83, hat Dr. 0. Stall, jetzt
Dozent an der Universität Zürich, verwertet zu gründlichen
Studien über Land und Teilte , Spraohen der indianischen
Bevölkerung, Hilfsmittel dos Landes , Handel und Verkehr,
welche er in oiuern lesenswerten Buche: „ Guatemala , Reison
und Schilderungen uus don Jahren 1878 — 83 *)“ nieder-
gologt hat. Dassolbu erregt gerade im gegenwärtigen Au-
genblicke um so mehr Interesse , als es ein offenbar nicht
von parteiischem Standpunkte gefärbtes Bild gibt von
den traurigen sozialen und politischen Verhältnissen dieses
Freistaates, dessen Präsident. Barrios im Friilyahr 1885
den Versuch machte, die zentralamerikanischen Republiken
durch Waffengewalt unter einen Hut zu bringen, ein
Unternehmen, welches or mit seinem Leben buzuhlon uiufste.
Uber diese Episode gibt uns das Work eingehende Auf-
schlüsse. Dr. Stell hat in verschiedenen gröfsern Orten
des Landes längere Zeit praktiziert, aufserdem zahlreiche
Studienreisen ins Innere ausgeführt und schliefslich noch
das Land von der llanptstadt nach Livingston, dem Hafen
an der Ostküste, durchkreuzt. Die beigefügte topographi-
sche Karte in 1:1472000 ist in dor Torraindarstellung
ganz verunglückt, welche, in brauner Schummerung aus-
geführt, ein ganz falsches Bild von dem Aufbau des Lan-
des gibt ; in der Situation ist insofern ein Fortschritt zu
verzeichnen , als sie frei ist von Phantasiegebilden , wovon
selbst die detailliert« Karte von H. Au nicht freizusprechen
ist. Die ethnographische Karte ist, in einzelnen Punkten
berichtigt, der Monographie des Verfassers „Zur Ethnogra-
phie vou Guatemala“ (s. Mitteil. 1884, S. 468) eutuommon.
Auffallende Abweichungen von dem Teile von W. Gabbs
Karte von Costa Rica, welcher dio Provinz Talamanea dar-
stellt (s. Mitteil. 1877, Tafel 18), weist, die von dem Zoo-
logen Prof. Carl Boealliut entworfene Karte dieses Gebietes
in 1:500 000 auf (Ymer 1885, Bd. V, Nr. 5); die Auf-
nahme wurde angestellt auf einer Reise , welche der Ver-
fasser 1882 im August und Septembor in Begleitung von
Bischof Thiel ausgeführt hatte. Die bedeutendsten Verän-
derungen betreffen das Flufssystem des Tiliri und seines
gröfsten Tributäre, Coon (Telire und Couen nach Bovallius),
deren Quellen weit mich Osten, gernde südlich von Cerro
Chiripö verlegt werden. Bisher noch nicht erforschtes
Gebiet, wurde auf dem Rückwege vom Tiliri nach dem
Estrella-Flusse (North River) durchzogen ; auf letzterm fuhr
die Expedition an die Küste zurück. In seiuem Reise-
berichte berücksichtigt Prof. Bovallius unter Beigabe zahl-
reicher Illustrationen besonders das Leben und Treiben der
Tnlainnuca- Indianer. Über die Ursache der Abweichungen
seiner Karte von Gabbs Aufnahmen erhalten wir keinen
Aufschlufs. Hoffentlich erfolgt in nicht ferner Zeit eine
kartographische Bearbeitung von Bischof Thiels Reisen.
Columbia. — Dr. TP. Steuer» hat sich im Januar
d. J. nach der Sierra Nevada de Santa Marta begeben, um
die Erforschung dieses isolierten Gebirgsstockes, Uber wel-
chen bereits Simmonds mehrere interessante Berichto gelie-
fert hat, in eingehender Weise durchzufiihren. Seine ersten
Exkursionen galten der Umgogond von Santa Marta, auf
wolchen zwei Wege der Indianer von Mamatoco bis Minca
1) 8°, 5t8 SS., mit 2 Karten. Lriprip, F. A. BrocUuu«, 1886.
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Geographischer Monatsbericht.
153
and von Masings aus südöstlich aufgonomraon wurden. Ende
Januar wollte er Uber Valle Dupar in die Nevada auf-
brechen, deren Unwegsamkeit seine Studien sehr erschwert.
Gegenwärtig ist eine Eisenbahn von Santa Marta nach
Cienaga im Bau, von welcher bereits ein Teil befahren wird.
Guiana. — Seit Juni 1885 ist Dr. H. Ten Kate auf
einer hauptsächlich anthropologischen Untersuchungen ge-
widmeten Reise in Guiana begriffen , welche auch ftir die
Erforschung in topographischer Beziehung gute Resultate
verspricht; dieselbe ist namentlich durch eine bedeutende
Unterstützung durch den Prinzen Roland Bonaparte er-
möglicht worden. Nach kurzen Ansflügen in die Umge-
bung von Paramaribo zu den Indianern am obern Para,
den Buschnegern am Cottica und Patamacca, nach Coronie,
wo er Nachgrabungen anstellte , und zu den Buschnegern
am obern Saramacca, den Beku und Musinga, welche in
ethnographischer Beziehung viel von ihrer Originalität ver-
loren haben , trat er am 10. September die erste gröfaere
Reise an, welche ihn zu den Btark gemischten Kariben am
Wayombo und nach den Stromschnellen des obern Nikerie
brachte. Das von diesom durchflossene Gebiet ist dicht
bewaldet, aber gänzlich unbewohnt ; seine Ufer sind Thon-
boden, die zahlreichen Felsen im Flusse bestehen aus Granit.
Vom Nikerie machte Ten Kate einen Abstecher nach Oreala,
deT Indianermission auf der englischen Seite des Corantin,
wo er unter den Indianerstummen der Wammen und Ar-
rowak Untersuchungen anstellte, und reiste dann zu Lande
nach Georgetown. Bis zum 1. Dezember hatte er bereits
106 Schädelmessungen ausgeführt. Seine nächsten For-
schungen galten den Anwohnern des Surinam und Maroni,
dann beabsichtigte er, sioh dem bekannten Guiana-Reisenden
E. Im Thurm auf einer Rundreise durch Britisch - Guiana
anzuschliefsen , und nach Untersuchungen an den Kariben
in Trinidad und Venezuela wird er seine Reise beendigen
in Florida, wo er durch Messungen feststellen will, ob der
Stamm der Seminolen zu den Kariben gehört.
Argentinien. — Der Erfolg des vormaligen argenti-
nischen Kriegsmiuistors, des jetzigen Präsidenten J. A.
Roca, welchem es 1879 gelungen war, die südlichen Pampas
der Republik bis zum Rio Negro hin von den Indianern
zu säubern und dadurch der Kultur und Zivilisation zu
erschliefsen, hat den jetzigen Kriegsminister General Dr. B.
i'ictorica zu einem ähnlichen Unternehmen veranlafst, näm-
lich die Sicherung der nördlichen Staaten durch Vertrei-
bung der Indianer aus dem Gran Chaco, soweit dasselbe
zu Argentinien gehört. Der Feldzug wurde Ende 1884
ausgeführt, ist aber vorläufig nur teilweise geglückt, da die
verschiedenen Expeditionen nur das südliche Chaco bis zum
Bermejo hin zu säubern vermochten, während das zentrale
Chaco zwischen Bermejo und Pilcoraayo einstweilen noch den
Indianern überlassen blieb. Aber selbst im südlichen Chaco
sind weite Strecken, namentlich im Wösten, noch unberührt
geblieben , so dafs das Unternehmen nicht den durchschla-
genden Erfolg gehabt hat, wio General Rocas Pampas -Ex-
pedition. Jede der fünf Kolonnen wurde von einer topo-
graphischen Kommission begleitet, welche die Aufgabe hatte,
das durchzogene Gebiet genau aufzunehmen, botanische und
geologische Untersuchungen anzustellen, Sammlungen anzu-
legen und die Besiodelungsfähigkeit des eroberten Gebietes
zu untersuchen. Die topographischen Resultate sind von
IVtennians Qtogt. Mitteilungen. 1886, Heft V.
den Genoralstabsoffizioren J Rhode und S. Quirox zu einer
„ Karte des argentinischen Chaco “ in 1:800000 verarbeitet
worden, welche, reduziert auf 1 : 2 500 000 nebst einem zu-
sammenfassenden Beriohte von Kapitän J. Rhode, in der
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkundo, Berlin 1886,
Heft 1, veröffentlicht wird. Dieselbe bietet bedeutende Be-
reicherungen unsrer bisherigen Kenntnis, namentlich berich-
tigt sie die Lage und den Verlauf der Flüsse und Bäohe,
auch gibt sie die zum Schutze der jetzigen Gronze ange-
legten Befestigungen an. Der Versuch, dieses kaum den
Indianern abgenommene, aber trotz der Kette von Befesti-
gungen längs des Bermejo doch nicht genügend gesicherte
Gebiet als ein günstiges Feld für europäische Kolonisation
auszugeben, kann entschieden nicht gebilligt werden. Die
Untersuchungen sind in keiner Woise eingehend genug,
auch namentlich nicht von unparteiischem Standpunkte ab-
gefafst, dafs darauf ein Kolonisationsuntornehmon gegründet
werden darf. Namentlich aber ist es sehr gewagt, das
Klima dem von Südbrasilien gleichzustellen, da einiger-
mafsen zuverlässige klimatische Beobachtungen im Chaco
erst durch diese Expeditionen, die doch nur einen ganz
kurzen Zeitraum umfasson , gemacht wordon sind. Uud
selbst wenn die günstigen Verhältnisse in jeder Weiso Be-
stätigung finden sollten, so wird der Ansiedler für lange
Zeit mit dor Schwierigkeit des Absatzes zu kämpfen haben ;
Kommunikationswegu müssen erst geschaffen werden, und
das nächste Absatzgebiet, die dichter besiedelten Teile Ar-
gentiniens, namentlich die Hauptstadt, liegt zu fern, als dafB
die Konkurrenz mit Südbrasilien Aussicht auf Erfolg hat.
Wenn auch diese Karte des Chaco schon einen be-
trächtlichen Fortschritt bildet, so zeigt sich bereits jetzt,
kaum ein Jahr nach jener Expedition, dafs von Argen-
tinien noch bedeutende Anstrengungen entfaltet werden
müssen , bis eine zuverlässige Aufnahme des ungeheu-
ren, fast unbewohnten Gebietes vorliegt. Im März und
April 1885 machte der französische Vicomte G. de Brettes
(C. R. 8oo. geogr. Paris 1886, Nr. 1) den Versuch, von
Corrientes aus das südliche Chaco von Osten nach Westen
zu durchkreuzen , und nahe seinem Ziele stiefs er hier auf
einen grofsen Salzsee , welcher auf der Rhodeschen Karte
noch nicht zu finden ist. Neun Tage zog er an sei-
nem Westufer hin; der nördlichste Punkt liegt nach seinen
Aufnahmen unter 25* 57' 6* 8. Br. und 63" 35' 6*
W. L. v. Gr.; der südlichste unter 27° 30' 18' 8. und
64* 3' W. L. Nach der Rhodeschen Karte fliefst dort,
wo das Südende deB SeeB liegen soll, beroits der Salado,
den de Brettes gar nioht erreicht hat. Um diesen Wider-
spruch zu lösen, sind ausführliche Nachrichten des Reisen-
den abzuwarten. Auf seinem Marsche traf dorselbo drei
nach N, wahrscheinlich dem Bermejo sioh zuwendonde Flüsse.
Polargebiete.
In seinem Artikel : „Die neuern dänischen Untersuchun-
gen in Grönland 1885“ (Petermanns Mitteil. 1886, Heft 3,
8. 81 und 82) hatte Dr. H. Rink die Ansicht ausgespro-
chen, dafs besonders durch Leut. Gardes Untersuchungen
die schon früher geäufserte Vermutung bestätigt worden
sei, dafs die Wasserscheide zwischen Ost- und Westgrön-
land der Ostküste am nächsten liegt. Leut. T. V. Garde,
welcher bekanntlich Mitglied der dänischen Expedition nach
20
154
Geographischer Monatsbericht.
Ostgrönlaud 1883 — 85 war, teilt der Redaktion der Mit-
teilungen über diese Frage folgendes mit:
„Ich mufs mir die Bemerkung erlauben, dafs Dr. Rinks
Auffassung nur durch ein Mifsverständnis der bisher von
mir eingesandten, nur sehr kurzen Berichte entstanden sein
kann ; da Dr. Rink in Christiania seinen Wohnsitz hat, und
ich biakor noch keine Gelegenheit hatte, ihm meine ein*
gehendem Beobachtungen mitzuteilen , so ist eine 'solche
irrtümliche Auffassung loicht erklärlich. Nach Dr. Rinks
Meinung bin ich zu dem Resultate gekommen, dafs man
viel weniger Eisberge an der Ostküste Grönlands trifft, als
man erwarten sollte. Meine Untersuchungen haben im
Gegenteil das ganz entgegengesetzte Ergebnis veranlafst,
„Dem südlichen Teil von der grönländischen Ostküste
fehlt allerdings eine solche Reihe von 8cheren (Klippen*
insein, Skjaergaard) , wie man sie überall längs der West-
küste trifft; dagegen trifft man hier sehr oft Eisberge in
solchen Mengen, dafs man sie in Wahrheit , Skjaergaard* 1
nenneu könnte. Diese Eisberge haben eine mittlere Höhe
von ca 30 m, aber unter ihnen trifft man einzelne bis zu
ca 80 m hoch über dem Meeresspiegel. Wenn ich Dr.
Rinks Bemerkung recht verstehe , soll der grofste von mir
beobachtete Eisberg eine Höhe von 60 m gehabt haben.
Dieselbe trifft insofern zu, als der erwähnte Eisberg der
höchste von mir gemessene war; ich habe aber mehrere
Eisborge von weit beträchtlicherer Höhe zu beobachten
Gelegenheit gehabt. Der Reichtum der OstküBte au Glet-
schern ist ungemein grofs. Von der Südspitze bis 63° 5'
N. Br. zählte ich 70 grofse Gletscher von über 1600 m
Breite und über 100 kleinere Gletscher, während auf der
entsprechenden Strecko der Westküsto im ganzen nur
19 Gletscher sich befinden. Von den erwähnten Gletschern
der OstkÜ8te steht mindestens die Hälfte mit dem Biunon-
eise in direkter Verbindung.
„Nach meiner Ansioht findet die bisherige Annahme,
dafs die Wasserscheide in Grönland der Ostküste am näch-
sten liegt, durch folgende Punkto, wenigstens für Grönland,
keine Bestätigung: 1) durch die viel stärkere Produktion
von Eisbergen an der Ostkiiste als an dem entsprechenden
Teile der Westküste; 2) durch die Thatsache, dafs das
Binneneis sich Uber die bis zu 2000 m hohen, jedoch
nicht zusammenhängenden Bergmassen , welche 50 — 60 km
von der Küste entfernt liegen, noch 60 — 100 m zu er-
heben scheint. Jedenfalls bin ich der Überzeugung, dafs
das südlichste Alpenland von Grönland und die wohlbekann-
ten Berggipfel Ingolf Fjeld, Payer- und Petermann - Spitze
nichts mit dem gedachten Gebirgsrücken der Wasserscheide
zu thun haben ; dieser liegt jedenfalls überall westlich von
diesen Gipfeln, welche abgesonderte Gebirgsgruppen sein
werden. Wenn auch Nordenskiöids Reise auf dem Binnon-
eiso im J. 1883 bestätigt hat, dafs die Wasserscheide unter
68 — 69° N. näher der OstküBte verläuft, so kann dieselbe
in Sudgrönland doch sehr wohl westlicher liegen.“
Dr. 77. Rink bemerkt hierzu: „Ich habe nicht von der
Wasserscheide Südgrönlands unterhalb 64’ N. Br., sondern
von der des ganzen Grönland gesprochen. Dafs der Ab-
flufs des Niederschlages vom ganzen Lando nach Westen
gröfser ist als nach Osten, läfst sich ja gut. mit der An-
nahme vereinigen, dafs in dem bei weitem kleinsten und
schmälern südlichen Teile das Umgekohrte stattfindet- Ich
•\
bin noch der Ansicht, dafs die Menge des an der Ostküste
entlang und um das Kap Farwel treibenden Eisberg-Eises
denuoch geringer ist, als die Masse der von der Westküste
ausgehenden, an Labrador vorüber bis nach New Foundland
treibenden Eises, wobei ich einräumen mufs, dafs ich aller-
dings die vorläufigen Berichte Gardes, insofern als sie die
Menge und Grölse der Eisberge veranschlagen, etwas roifs-
verstanden habe. Doch ist es nur die Folge des möglichst
gedrängten Stiles, dafs ich ,den höchsten1, statt , höchsten
der gemessenen1 Eisberge schrieb. Die Zahl der Arme,
welche das Binnenvis ins Meer sendet, scheint hior nur von
sehr untergeordneter Bedeutung, indem es bei Beurteilung
der Entfernung der Wasserscheide nur auf die gesamte
Bewegungsmenge derselben, die Produktivität der Eisfjorde
ankommt, und unter 20 gleich breiten Gletscherarmen ein
einziger mehr bedeuten kann, als all die übrigen zusammen.
Die fünf, jetzt auf der südlichen Ostküste entdeckten Eis-
fjorde sind demnach allerdings von Wichtigkeit.“
In vorzüglicher Ausstattung ist Freiberrn A. E. t. Nor-
dentkiöldt Werk Uber soine Räte nach Grönland im J. 1883,
welche bekanntlich zum Vordriugon bis in den zentralen
Teil des arktischen Landes und zur Erreichung der Ost-
küste zu Schiffe führte, nunmehr auch in deutscher Über-
setzung *) erschienen unter Wiedergabe sämtlicher, zum Teil
höchst interessanter Illustrationen und der 6 Karten, worun-
ter namentlich der Plan vom König Oskar-Hafon an der
Ostküste, und die Karten der Eiswanderuug besondere Beach-
tung verdienen. Die Karte von Grönland, im Mafsstabe
1:5000000 von C. J. O. Kjellström entworfen, mufs bis
auf die neuern Forschungen an der Ostküste, welche wir
Leut. Holm verdanken und die hier noch nicht benuzt
werden konnten, als die beste Übersichtskarte bezeichnet
werden. Während Nordouskiöld nach dem Resultate seiner
Eiswanderung anfänglich zu der Ansicht gekommen war,
dafs das Iuuere Grönlands wirklich eisbedeckt sei, neigt er
sich jetzt wieder seiner ursprünglichen Theorie zu , dafs
die Existenz eines eisbedeckten Kontinentes unter den
jetzigen atmosphärischen Verhältnissen nicht möglich sei,
und er sieht es wenigstens als möglich au, dafs er 1883
auf einem breiten Eislande vorgedrungen ist, welches unter
69 und 70’ N. quer durch das Land sich hinzieht , eine
Hypotheso, welche boreits 1884 Prof. Erslev in Kopenhagen
aufgestellt hatte (s. Mitteil. 1884, S. 114).
Auch in diesem Jahre läfst dio dänische Regierung die
geologisch • topographische Aufnahme von Grönland fort-
sotzen, und zwar wird der nördlichste Teil von Westgrön-
land, der Distrikt Vptmivik, der Schauplatz sein. Die Ex-
pedition steht unter Leitung der Mariuoleutnants C. E.
Ryder und P. C. D. liloch.
Um genaue Daten über die Eisverhältnisse in der
Hudsou-Bai und -Strafse, über Beginn und Dauer der
Schiffbarkeit zu erlangen, läfst die kanadische Regierung
die daselbst errichteten Stationen noch ein weiteres Jahr
in Thätigkeit. Wie aus dem Berichte von Leut. A. R.
Gordon. dem Führer dor „Alert “ -Expedition von 1885,
horvorgeht, war das erste Beobachtungsjahr 1884/85 ein
*) Grünland. Seine Eiswüsten im Innern und seine Ostküste. 8°»
505 SS., mit 6 Karten. Leipzig, F. A. Brockbaue, 1886. M. 24. — über
1 die schwedische Ausgabe t. Mitt. 1885, S. 311, und 1886, S. 64.
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Litferaturver/eichnis.
155
aufsergewohulich ungünstiges liinsicbtlich der Eisverhält-
Bisse , denn bereits Ende Oktober war der westliche Aus-
gang der Strafte blockiert, und erst Anfaug August konnte
der „Alert“ die Durchfahrt erzwingen, traf jedoch auch
Beobachter fand ohno Unfall statt, nur die südlichste Sta-
tion an der Nachvak-ßai an der NO -Küste von Labrador
wurde ganz aufgehoben. Des begleitenden Geologen R. C.
Bell Versuch, an der StidkUste in der Gegend dos Severn
zu landen, um zu Lando nach Manitoba zurückzukehren,
konnte der späten Jahreszeit wegen nicht ausgeführt wer-
den, dagogen wurde auf einer Insel der Sleepers gelandet; |
jetzt noch schwere Eismassen sowohl in der Strafse wie
in der Hudson-Bai. Die Ablösung, resp. die Ersetzung der
vou Port Laperriere aus machte Bell auch eine mohrtägige
Exkursion nach dum Festlande von Labrador. (Report of
the Department of marine for 1884 — 85, Ottawa.)
Dr. Bunge und v. Toll haben Anfang 1886 von Kasa-
tschie aus ihre Expedition zur Untersuchung der Neutibiri-
tchtn Inteln augetreten, nachdem sie in den letzten Monaten
des Sommers das Gebiot zwischen Jana und Lena -Delta
wiederholt bereist haben. Vor Ende Oktober 1886 steht
ihre Rückkehr nicht zu erwarten. H. Wichmann.
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/«•selbem au« K«ria. BrUf O. FoUalu« an« Säen - Uchuan. — — Balligen : drei
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di«Midef«4f<r f4r Taching U-Chso, von N. Polanln. — — Barlcbt Obar dl« ThZtlg k«Jt
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OeMllsrbaft : Brt«f von Herrn N. PoUnln, Xsekrtchten von dan llarran Wolter and
Truamaoo. — — Bell««*»: 1/ Plan der Polarstation 8tagaeipr. 1', Vorlleflg« Kirte
dae Lecm-lUlta«. 4) Die Xdcbaoef «Irr Icht-jadabtn-eher». d. i. der Jurten, in wel-
ches Reliquien T«cblngU-Cbsa« aufbewahrt werden.
Nr. 4 i Mitteilung -ie* Koiiaaili, d*f* dar Kalaar «000 Hubel aur EnUen-leng einer
Ki)«<ltl»n tum Bammeln von Volksliedern Im Xordan Kvfalandi geepen/et bat. — —
A. JelUeeJew : Aotbropologieaba Kskvrtlon In dt« Kehar«. — — ThUigkelt dar
AMallungan dar Oaaaltachafl : L Kankaaiecba Abtallong; II. OaUlblriaeb« Abtailang;
III. Weetaibtrtecb« Abteilung. — — TtsZtlgkedt dar Oa««IUcbafU — — Brief dar
Herren Putaoln aue bei - gu - «Jen. — — Zeichnung. Hainen von Aebipr-Taacb «um
Artikel, ,.Tnrkeetan«tfb« Altertümer" von D. Iwanow, siehe Heft 4.
Nr. 4; 8. Kiuneeow i Beste des Heldentum« bet den TachercnaltMU (mit Zekh*
oaagan). — — A. Pjntn : Ober die Aufgaben der ruasla-'haii Ethnographie. — —
J. kbuktlikl t Dar Kv*gu*iaat (mit Kana), — — K. Gelkei i Forschungen ut«
d*n an dar Wolga lebenden Xlcbtraeaen. — — A. Tillo : AbeoVat« 115be> de« Ladoga-,
Oaeg«- und Ilaatn-fteae. K. Kowerekl : 0*ofr«i>hi*ch« Dag« Meachedt.
J. Cbroeebtarbew : Urteil Aber das Mana«kript d*s Herrn Rjabinekt „Ober dla
Materiell«« «er Ethnograph 1« dm htkollsh*ai der Kinder". — — Tbztlgkett dar
hnstliebift. — — Nachnrbtan Ober dl« IipedlUuotn der 0«welU<h«ft i llrl«f X.
PrMwetekle au« dar Oaee Tiehlra. Itrief O. Potanlne au« 6un*Pan , K«laa O. Gram-
Orsjmalo« In der Umgegend de« Pamir. — — J. Muichketow : BlbUcgrspbbch«
Berner bangem.
XXII, Nr. 1; A. Kraeaaow : CJeol. • boten. Uataraaebuugeu ln dar Kaluidcken*
stepp«. — — N. Jadrinaaw ; Abo« bin« der Waaiermeugen In dar uralUcb • kaepl-
scheu Bodeo«enkaog 'mit Karte,. — — J. Ktehalaki X tutet« BeeUmmungeu dar
mittbcm Dichtigkeit dar Krd«. - - 7Mtlgkelt dar Gewellt-cheft. — — A. v. Tillo i
Blhlkgr. Notier**. — — Kart« dar B*ee» Vecbany , Beniuj und Abparbka».
IiwoiDJa der Knuka» Sektion der Kni«. Kuit. Geogr. GeaclUch. in TiflLa
IS84 — 86, VIII. Nr. 2. (ln ni«a. 8pr.)
Inhalt: I. Aafadtae. J. Btebnliiky ; Über dla Krag# dar Gaetatt der Krd«. Brief
an dm Akedeaeiker M. Papa In Part«. — P. da Kosrbkuli Dar Napbtba • Barg. —
K. Pelltaia * Vomcblag aur KoIodImIIc« dee Oonvemreeaeata Kuban, mit Kart«. —
P. Kolberg : Telegraphier b» langen beetlraanng und amte llreltanbaetltamaog Ton
7 t tu*, Tecbeaonbba. Haha; Telegraph («ehr Heetlniaung *ler Llngaesoatenchlerla awt-
«ehan Bauern oad Nikolajew. — L. Ragarak/ : K. Palltato« Arbeltaa Uber dl« Berg-
bewohner dt* G<« vernemaat* Kuben ; AnthnopologUcbe Me«4ung<m einiger kauka-
•Ucher VülkemchafUso. angcatallt von Om. H. v. Kekert und Prof. K. Cb antra. —
P. Lewaar: Kurve Be«cbr«lhaog der NW-Grnnaa von Afghe&latao. L hsgarskjr:
Abrife von J. StebalUkpe Arbeiten «er Krforxbung de« Keukesue während der
Ittilc» 46 Jahre. — t. OeographUcbe , etbaograpbUcb« , «tatDtiecba MltUilungan.
A. PervM : Triangnlall .-nspvmktc in IVanskaeplcn. bestimmt lill-ll.— D. Gedao-
aow - AatrosKenlxh tesÜnaU Puakta In TranakeupUu , in den Cbaaatea Cbiwa
and Buchara, 1444. — N. Kaaikoff: Hoben, bcetimmt 1884 mittele Xneroldea in
der Aeiatiecban Türkei uad in Porti eo. — B. Slalkuwsky : Gröfete Waaeenaeugan
in einer Kekande wibraad starker Rtgcengüaa« an Punkten , wo Plitaee von der
EDrababn durfhecbnlttm werden. — — 3. Wissenschaftliche Chronik für die
Jahr« 1081—84. — — 4. Jabireterirbt der Sektion für 1484—64: SlUuagsbcrlobte
fCr 1484—44. — — 6. Anhang. Tdrve Achter : Führer durch Armenian. Beise-
kvUna da« Arehlmaadrlte« O. KrmudaUauta«. AbgekOrat« Cbenetiaii| van a
KUchmtecbeff. — — Verbeaaarungee aar Liste der wehrend dar roeeiicbeu Be-
Mfmnf bawobntan Ortac haften der Provina Krtersa. — AuaaQgo ao a dam ,
®*met" nr da a Yllajat Krserum für 1466 (1661 — 61). — L. »agurvky : Hlst- riscb-
(tegrapbUche NoUaan *ber di« 8pro • Chatdear. — — Cb. Wilaon : Uber «Ua pbjr»
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Faslern Sheet. 1: 1 6O0GCO. (Nr. 797.) Southern Portion, Eastern Sheet.
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«P vu' ur N\Y SE
69 - u. 29 — Parts of Wazlri; 29 --- u. 2# Hherani; 29 -j- :
tu- NW NW
Dera Ghazl Khan; 29 ™ : Harnai. Bori ; 30 — u. 30 : Slbl and
Marri HllU.
1:252 000 (4 mlles to 1 inch). Bl. 15 NE: Panjgur; 16 SE : Kalat ;
30 SW: Hctmand River; 20 SE: Kalat-i-Ghllzal ; 61 NW: Kandahar, Gi-
rishk : 21 NE: Tamak und Arghastan Rivers; 61 SE: (Juetta, Pi*bin :
26 NW: Lora llamun ; 62 SW: Kharan; 62 NE: Kalat Mästung: 63 NW
und HW: Kharan u. Kalat; 27 HW; Kabul; 87 SE: Jalalabad ; 28 NW:
Ghaxot; 28 SW: Guma! River; 28 NE: Kurarn Kort, Pestawar: 29 NW:
/.hob vallcv; 29 SW; Bori and /.hoi»; $o NW : Part of Balnchistan.
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1» NE: Baaswara 4 1 ik. 6; 9*4 AiUUUd 4 *k.; Inda» lo OeUibcr 18a». 0 d.
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0 BL 1 sJ 000 040. 1» ik.
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t ME, SE ) Jl MW, NB, SW, 8B; »i NW, NE, SK; St KW, SW, SK; 8» NW,
SW, NK, SK; 1»4 KW, 8W - 1 :08 960. Bl. 8. 9, 19, 81, tt, 83 W, 70, 104,
IM, 106, 1 44, 179, INO k S «k. 0. — Level* Bl. It: 1: 11*000. 4 «k. — Kohlt*
kUo-MMrUlo«, J Bl.: 1:160 000. 6 ab. - NW ProvtnCM »ad Oodlt. 1:» 000 000.
10.4. - - Panjab. Dlatr. Dkar» Iamail Khan 1:03 840 Dl. 19, 18, *«, 17, »I,
4», 34, 87, f«, 41, 4*. 4t, «t A, 4t B k 3 ik. 0. — Gurdaapur. J HL 1 : 114 000.
4 ak. i Pari a of Ferotepur. Al. 88. 4 eh. - - Oudh Heven. Surr. 1 : 08 100.
BL »4, ]»4. 141 t Sab. 0; I)l.tr. Skatiabud. 14 BL k 1 »k. 8. Central ln-
(11a and Kajputana. 1:3*000. Part of Jodkyu ro and Slrokao. 4 ab; City of
Ajmr« 1 j 8t POO. — Hcrcauc Surv. DUtr. Daaaob. 1:*40«40. t ab. 0; 1:49 880.
BL >«. 07, 174, 170, 177, 847. 809, 4SI k 8 ah. 4. - - Lower Bengal. Darjae-
Uac JUrt*. Sur*» . 1:3t 000. BL 1 — 4 i 8 »k. — South Andaouta. Bl. 14. Viper
8B
Ulaad littoeo. * ab. 0. - — British Barmab. 1 : 10 000. HL 94
U 5. 90 — ; 111 — . — ; 118 - I :81 000. Bt. 90 MW, ME, SE ;
t 4 * S 1 1 u. 8
114 MB. SB; lld NW, ME, SW. 8E ; 1*8 MB, SB; 1*4 MW, MB, SW, SB ; 114 XW,
XL k t ab. 0. - P«*m DWUlv® 1 : ti*8 000. 4 Ul. 10 ab. Assam* Boaudar* bet-
«»4o Kkaat Billa and Ksarup. 0 III. 1:8*000. 14 ik. 0. — — ME Trsna-Pruntiar
hurra y. Porta uf Akka and Dapbla KlIU. 1 : *40 000. BL 14. - Peru of BbuUn
MW
and Akha Hill* 1:1*4000. BL 14 ;•
8 a. 4
Bombay Pre*ldency. Onjarat. Bl. 40, SekL 1-8. i : ic oco a 3 ab. -
Bl. 40. 1:08 840. 4 ik. — - Kksndaik Survay t/lang, ebart. Vill. 1:840000.
IXcvau Topugr. »orr. 1 1 68 »CO. HL 61, 68. 49: DUtr. ftatar*. 8 ih. 6. - -
NW NK SK 8W XW
Xcakaa. 1:16 940. Dlatr. Tbana. HL 70 -p-j, j — " — "* - — ~l »* “l
fj — , — — 4 4 ik. 0. - l : 08 300. Bl. 79, M A I ik «.
1-4 1—4
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Eine neue Spezialkarte von Afrika').
Das Geographisch«) Institut hat dieses hervorragende
Kartenwerk im hundersten Jahre seines Bestehens heraus-
gegeben. Die erste Liefemng wurde an dem Tage veröffent-
licht, an welchem das Jubiläum der berühmten Anstalt ge-
feiert wurde. Mit Recht wählte man Afrika, um an einer
neuen Karte zu zeigen, dafs die wissenschaftlichen und tech-
nischen Kräfte des Instituts die Traditionen Potermanns und
Behms zu erhalten und zugleich den erhöhten Anforde-
rungen gerecht zu werden wissen, welche eine Zeit nie ge-
sehener Regsamkeit auf dem Felde der afrikanischen Geo-
graphie und Ethnographie vor allem an den Kartographen
stellt. Die „ Mitteilungen aus Justus Porthos’ Geographischer
Anstalt“, welche bis zur Begründung der mit grofsen Mittoln
und „singleness of purpose“ arbeitenden afrikanischen Ge-
sellschaften, der Aussendung staatlich unterstützter Afrika-
reisenden und -expeditionen und des Aufschwunges der afri-
kanischen Missionsthätigkoit weitaus hervorragendster Sam-
melplatz und reichste Quelle afrikanischer Nachrichten waren,
gaben vor 23 Jahren in dem Ergänzungsband „Innerafrika,
nach dem Stande der geographischen Kenntnis in den Jahren
1861 — 1863“ eine zehnblätterige Karte von Innerafrika in
1:2000000, die an Vollständigkeit und Gründlichkeit alles
bis dahin auf diesem Felde Geleistete übertraf und viele
Jahre unerreicht geblieben ist.
Die seit lange als erwünscht bezeichnete Neuausgabe
dieses Spezialatlasses, dio man bis heute besonders in den
nördlichen Blättern und im Text mit Nutzen noch in vie-
len Fragen zu Rate zieht, erweiterte sich glücklicher-
weise zu dem gröfsern, völlig nouon Werk, das vor uns
liegt und von dem wir hoffen, es werde sich ähnlich wie
jenes Denkmal des Fleifses, der Kritik und der Begeiste-
rung A. Petormanns und B. Hassensteins nicht blofs als
ein Gegenstand des Studiums, sondern auch als ein Werk-
zeug der Forschung bewähren. Im Mafsstabo von 1 : 4 000 000
ausgeführt, füllt es eine Lücke zwischen den beträchtlich
') Spciitlkart« von Afrika im MafwUb von 1:1000000
(10 Blatt) entworfen von Hermann Uabenicht, beatbeitet von dem-
selben, Brano Uoraann und Dt. Richard Lfiddcrke. Gotha:
Juattia Perthes, 1885 u. 86.
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft VI.
gröfser gemessenen Karten Ravensteins und Lannoy de Bissys
und den kleinern Übersichtskarten , wie die letzten Jahre
sie in greiserer Zahl erscheinen sahen. Sie bietet das
ganze kartographisch darstellbare Material über Afrika kri-
tisch geläutert, ohne allzu unhandlich und kostspielig zu wer-
den. Für einen doch nur halb bekannten Erdteil ist dieses die
erwünschteste Kartengröfse. Dafs es indessen nicht leicht,
diese Mittelstellung zu behaupten, zeigt die dichte Zusam-
mendrängung dor Schrift und der Signaturen auf denje-
nigen Blättern, welche Gegenden mit verbältnismäfsig dichter
Besiedelung darstellon, wie besonders 4 und 9. Zusam-
men mit dom nicht immer günstigen Farbenton erzeugt
dieselbe leicht oiueu verwirrenden Eindruck. Vorzüglich
orientierend ist die farbige Darstellung des Vegetations-
Charakters, der gegenüber die broiten Farbenbänder der Be-
grenzungen der Kolonien und Schutzgebiete sich etwas zu
sehr aufdrängen.
Die Bezeichnung aller Missionsstationen entspricht der
Kulturbedeutung dor Mission in Negerafrika. Das Pro-
blem, was an Wohnsitzen in einem Lande schwankendster
Bevölkerungs- und Kultnrverhältnisso, wie z. B. im Nyassu-
und Rovuma- Gebiete kartographisch darzustellen uud zu
benennen sei, wird freilich nur der Fortschritt der Kultur
lösen können. Da nicht blofs dio Lago , sondern auch
selbst die Namen der Dörfer bei den Negern , wio wir
bei der Wioderbesclireitung älterer Reisewego durch neuoro
Forscher mehr und mehr erfahron, veränderlich sind , ist
sicherlich viel Mühe vergeblich aufgewandt worden. Allein
daran ist heute nichts zu ändern. Der naheliegende Vor-
schlag, den auf dreifsig Jahre zurückgehenden und teilweise
noch altern Ortsangaben, wie man sie in dor westlichen Kala-
hari findet, wo gewifs manche nicht mohr zutreffen, wenig-
stens die Jahreszahl ihrer Festlegung boizusetzen, mufs
i wegen zu befürchtender Üborfüllung der Karte zurückge-
zogen werden. Den Verschiedenheiten in Gröfse und Be-
deutung festliegender Plätze der Eingebornon hätte man
vielleicht in einzelnen Fällen gröfsere Berücksichtigung an-
gedeihen lassen können. So hätte Schoschong wohl ver-
dient, als „gröfaerer Ort“ signiert zu werden.
21
162
Bericht über die Schingü - Expedition 1884.
Manches, was auf der Hauptkarte nicht Ausdruck finden
konnte, wird auf den Snpplemeutblättern klarer, welche
mit der letzten Lieferung ausgegebeu wurden , so beson-
ders die ethnographischen und politischen Verhältnisse,
deren kartographischer Darstellung sich fast unüberwindliche
Schwierigkeiten entgegenstellen. Die gleichzeitig als Supple-
ment ausgegebene Höhenkarte ist die beste Darstellung dieser
Art, welche wir kennen, und bietet besonders in Ostafrika
vielfach Neues. Hier, wie auf allen Blättern der Spezial-
karte, sind die ältorn wie die neuesten Detailforschungen
mit einer Treue verwertet, wie kaum auf einer frühem
Karto von Afrika. Mau vergleiche z. B. die hoch ange-
schwollene Litteratur und Kartographie des Nyassa-Gebietes
mit dem hier Gebotenen , um den Wert dieser kartogra-
phischen Zusammenfassung zu schätzen , von welcher wir
mit deu Worten eines ungenannten Kritikers im Maihoft
dor -Proceedings^ : „the finost map of the African Continent,
that has ever been given to the world“, und mit der ange-
sichts dieser schönen Leistung doppelt bedeutsamen Erinne-
rung Abschied nehmen, dafs es gerade jetzt etwa 100 Jahre
sind, soitdom die halbmythischon Afrikakarten d'Anvilles
und Homanns verschwanden, und dafs wir in Kürze das
Jubiläum dos Erscheinens der Bruceschen Reise und der
Begründung der Africau Association feiern werden , der
Pylonen, die den Eingang in die Siegesatrafso der wissen-
schaftlichen Afrikaforschung verheifsungsvoll flankierten.
Friedrich Ratzel.
Bericht über die Schingü -Expedition 1884.
Von Dr. Otto Claufs. (Fortsetzung!).)
(Mit Kart«, t
Ortsbestimmungen.
Die Bestimmungen von Ort und Zeit wurden mit-
tels eines kleinen Theodoliten (L. Casella 4672) ausge-
fuhrt. Der Vertikalkreis des Instrumentchens, welcher
ausschließlich zu den Beobachtungen benutzt wurde, mafs
6,5 cm im Durchmesser. Au demselben befand sioh nur
ein Nonius, welcher ganzo Minuten gab. Das Instrument
war in einem Kästchen von je 12 cm Breite und Höhe
und 27 cm Länge verwahrt. Bei diesen kleinen Dimensio-
nen dürfen die Anforderungen an die Genauigkeit der Mes-
sungen nicht zu hoch gestellt werden.
Nach Rückkehr von der Reise habe ich den Höhenkreis
an den Sternwarten Hamburg und Göttingen einer genauen
Prüfung unterworfen. In Hamburg, wo mich Herr Dr.
Schräder gütigst unterstützte, wurden mit dom Theodolit
Sternhöheu gemessen und diese mit den aus der genauen
Zeit berechneten Höhen verglichen. In Göttingen wurde die
Vergleichung mit Hilfe des Herrn Assistenten Holborn direkt
am Meridiankreis nach der Methode von Gaufs vorgenommeu.
Die Untersuchung des Kreisos beschränkte sich auf die-
jenigen Stellen , welche in den Reisebeobachtungen häufig
Vorkommen. Höhen über 60° waren nie gemessen wordon,
da das Fernrohr wegen seines langen Okularendes nur bis
60° erhoben werden konnte.
Don Anfang *. Holt V, S. 129, mit Tafel 7. — Auf der .Cberaicht
der Expedition y. d. Steinen durch Brasilien“ auf Tafel 7 ixt der l’arana-
tinga irrtümlich als Nebenflufx de. obern Schingü gezeichnet; derselbe
fliefxt nach KW dem Topajoz in und ist identisch mit dem Ilio Sio Manoel.
. Tafel 8.)
Als Korrektionen des Höhenkreises ergaben sich fol-
gende Beträge :
Ham
bürg.
G 8 , t
i n g e a.
Hübe
Korrektion
Hübe
Korrektion
16 — 18“
-HM
11“
- 1-0,7
3S|— 35
—0,4
— 1,»
34—37
—o,*
18
-f0,8
38—41
—0,1
45 — 47
-j-l»4
28
-f-0,4
56
0,0
-HM
56
“0,6
34
—0,4
— 0.»
45
-0.4
50
—0,4
Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dafs dio von der Ex-
zentrizität oder von Teilungsfehlern des Kreises herrüh-
ronden Ungenauigkeiten sich innerhalb der Unsicherheiten
bowegen, welche durch don geringen Durchmesser des Krei-
ses bedingt sind. Bei den Berechnungen wurden daher
jene Korrektionen unberücksichtigt gelassen.
Die Aufstellung des Instrumentes wurde durch zwei
kleine Niveaus kontrolliert; der Skalenwert des Höhen-
niveaus ergab sich nach mehrfachen Untersuchungen zu 1'.
Die Beobachtungen auf der Reise wurden von Herrn
Wilhelm von den Steinen und mir gemeinschaftlich
ausgoführt.
Wir haben in Cuyabä eine Reihe von Polhöhenbestim-
mungen gemacht, welche, verglichen untor sich und mit
den schon für Cuyabä vorhandenen Breitenwerten, das nö-
tige Material zur Beurteilung der Genauigkeit unsrer Mes-
sungen liefern.
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163
Bericht über die Schingu - Expedition 1884.
Im folgenden bedeutet h die einzelnen Höhen, auf
den Moridian reduziert und mit der Kullpunkts-
korrektion versehen. Das woitoro Detail, wie Kreis-
ablesung, Niveaustand, Zeit &o., wolcbes zur Kontrolle der
Rechnung nötig wäre, wilrde hier zu viel Raum erfordern
und kann deshalb an dieser Stelle nicht zur Veröffent-
lichung gelangen. Dagegen werden die Grenzen der Stun-
denwinkel t angegeben , innerhalb deren die Zirknm-
meridianhöhen gemessen wurden, da dor Stundenwinkol für
Beurteilung der Güte der reduzierten Höhe von Bedeu-
tung ist.
Breitenbestimmungen von Cuyabri.
11. IV. 1881.
%
h = 62” 13,«'
43,6
11.«
43,6
43,*
43.1
43.1
43.«
Mittel 52'' 13,«'
t=*-f2«aln. ; -..261“*»'
9> = 15° 35,0'
12. IV.
* 'S
,9° h — -
h = 52° 43,4'
h =» 53° 34,4'
42.«
34.3
42,9
33,9
42,9
33.«
43,0
34,1
43,9
33.7
43,3
34,1
43,«
34.«
42,7
34,1
42,9
34,3
52” 43,1'
53“ 34, 1'
— g min. ; -«-gmln.
t .= — 5 mlo. ; 4.7
<p=15° 36,«'
<p =» 15° 36,4'
26. IV.
ß Leoni* o Cruci*
h = 69° 11,6'
h = 43° 8,3'
11.4
M
12,3
7.»
12,7
8,5
12,0
7,8
10,8
8,1
59” 11,*'
8,5
t S= ±13 ml».;
8.3
-:-24 min.
7,8
<p = 15° 35,1'
7,7
43“ 8,1 '
— 10 ml»-
<F — 15° 35,8'
9. V.
G
G
h = 56° 49,«'
h = 56” 48,6'
50,4
47,8
50,1
47,7
49.«
48.«
56° 49,8'
66” 48,«'
t »mm — 21 min.;
t = — 9 min. ;
^4 min.
2 min.
<p —15° 35,«'
<p = 15° 37,1 '
0
Q
h = 56° 48,8'
h — 56" 47,8'
60,3
49,4
49,4
49,0
49,7
47,8
56° 49,5'
56” 48,4'
t = -f-2 min.;
t = -f-15 min.
±12 ml».
±21 min.
g = 15° 35,«'
<p = 15" 86.«
Die verschiedenen Werte sind somit folgonde:
1. C> = 15°
35,0'
Abweichung
vom Mitte)
—1,0
6. 15”
35,«”
Abweichung
vom Mittel
—0,4
t.
36,7
±0,*
7.
87,1
-f-1,1
S.
36,4
±0.«
8.
35.«
—0,4
4.
35,1
—0,9
9.
36.«
±0,8
5.
35,8
-0.«
Erhalten die Werte 2, 3 und 5 doppeltes Gewicht, so
ergibt sich = 15° 36,0 '.
Castelnau hatte 15° 36' 3* als Breite von Cuyabä
gefunden, Lacerda, dor Astronom der brasilianischen
Grenzkommission, 15* 35' 59".
Diese Beobachtungen wurden im Zentrum der Stadt
ansgeführt, während wir etwas weiter südlich in unsrer
Wohnung nahe dem Marktplatz observierten. Die Diffe-
renz dürfte jedoch höchstens */ jo Minuten betragen. Wird
tf = 15° 36,0 ' als der wahre Wert zu Grunde gelegt, so
ergibt sich als mittlerer Fehler für die einzelne
Beobachtung ±0,6' und als wahrscheinlicher
Fehler ±0,i'.
Aus der Tabelle ist aber zu ersehen, dafs die Abwei-
chungen vom Mittelwert lleträgo bis zu 1 ' erreichen ;
solche Abweichungen sind daher auch in den unten fol-
genden Breitenwerteu möglich , wenn dieselben aus e i n o r
Beobachtungsserie abgeleitet sind. Ich habe beim Entwurf
der Karte an zwei Stellen von dieser Fehlermüglichkeit
Gebrauch gemacht , um die Routonaufnahme nicht auf un-
natürliche Weise zwischen die Fixpunkte zwingen zu müs-
sen. An den betreffenden Stellen ist dies besonders er-
wähnt.
Breitenbestimmungen auf der Beise.
Pindabibal 28. V. 1884. Baku 30. V.
3 0 O ©
h =
52° 55,4' h
= 62'
57, r
b = 52° 52,6'
h = 52°
52,0'
55,0
56,4
52,8
52.1
56,6
55,4
51.7
51,6
55.8
54,«
52,6
51,7
54,8
55.3
52,1
50,7
65,3
56,0
52,3
60,1
56,6
56,0
51,«
51,4
56,0
55,»
51 «8
51,1
62° 65,7'
62
55,8'
52° 02,1'
52”
51,3'
t —
— 11 min.:
— 1 min.;
t — —7 min. :
t = ±l min.
•3 min.;
-f.
.5 min.
0 min.
+7
min.
9 =.15” 28,«'
<P —
15° 28.4'
05— 15° 14,1
V = 15
” 14,9
<r — 15°
28.5'
15° 14,5
Rosario
3. VI
,
To mb »dor 7. VI
Q
0
a
Crucis.
h =
52” 44,8' b
— 62
’ 44,4'
h =■
42° 9,»'
44,3
43.»
10,1
43,8
44.4
9*7
45,0
44.0
9,8
43,7
44,0
9.«
43,8
44.«
10,3
45,1
44,4
10,1
4M
44,0
9.«
52° 44,3'
52
9 44,*'
42” 9,9'
t —
—9 min.;
i — o “i“. :
t = ±12
min.; -1-20
min.
>2 min.
±5 min.
tpysm
14” 37.7'
g> =. 14” 50,4'
V —
14” 60,«'
<f — 14°
50,5
1
Bur a c io.
12
VI.
13.
VI.
G
G
o
G
b — 52” 25.8”
b = 52” 26,0'
h = 62° 23,8'
b = 62° 22,«'
26.3
25,9
25,7
22,0
26,7
26,1
24,6
22,9
27,o
25,6
25,0
21,«
26.«
25,5
52” 24,7'
52” 22,8'
27,1
26,6
t = — 6 min.;
t — . o m,n- :
26,0
25.«
— 2 min.
±3 min.
26.3
25,9
p = 14” 19,«'
<?•** 14° 21,8°
52“ 26.6'
52’ 25.6'
(Gewicht l’o)
t =„ — 4 min. ;
t— ±5 min.;
<f = 14° 21,1 '
±3 min.
-j-H min.
g> = 14” 20,9'
T — n° 21,8’
14” 21,3'
Gcsatntmlttel (jr = 14° 21,2 '
21*
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164
Bericht über die Schingü - Expedition 1884.
Rio Noto —
Bakatri 15. VI.
Rio Verde 23. VI.
0
b — 52° 26,0'
0
h — 52° 25,*'
Mittagshöhe der Sonne:
25,1
25,8
h = 52“ 26,1 '
25.«
24.»
<7= 14" 8,2'
26,0
24,8
25.»
24,1
25,8
24,3
25.7
25,3
26,n
25,3
52° 25.7'
52“ 24,0'
t = — io min.;
t = — 2 mln.;
3 min.
_j_ 4 min.
<7 = 14° 13,1
» = 14“ 14,0'
<P =
14“ 13,«'
Auf Grund de* Itincrar*:
<7 = 14“ 14,6'
Corrego Fondo 27. VI.
©
©
h=52“ 23,0'
h = 52“ 24,0
22,8
24,0
23,0
23,3
23,1
23,1
22,7
22,9
23,0
23,3
23,3
24,8
23,3
23,9
52*' 23,0'
52“ 23,«'
18 mio.; — 12 min.
X mm IQ min. ; 2 rata-
<7 = 14“ 18,9’
4P = 14“ 18,3'
<*“■14
“ 18,6'
■
Paranatinga (Bakal'ri).
»
VII.
5. VII.
G
O
O G
= 52“ 48,0'
h = 52° 47,4'
h = 53“ 3,1' h = 53“ 3,»'
48,3
47,8
4,1 3,9
46.»
47,4
4,1 3,5
47,4
47,0
4,5 3,1
47,7
47,0
3,5 2,8
48,0
47,0
3,5 3,4
47,1
48.«
4.« 4,1
47.7
47.1
4,7 4,3
52“ 47,4'
52“ 47,3'
63“ 4,0' 53“ 3,6'
t = — 11 “in-;
t = -L3 nln.:
t = — 10 mir». ; t«»._2oiin.;
— 4 min.
-f-4 mlu.
— 4 min. -|_4 min.
<* = 14° 13,0
<7 = 14° 13,8'
9> = 14“ 12,7' 9> = 14“ 13,1'
<*>=-14° 18.0'
Riberio do
Bugio 11. VII.
Rio Batoyjr — Elniehifrungapnnkt.
14. VII. 15. VIL
ß Centauri.
h— 44“ 15,8'
a Coronae.
h = 48° 57,7'
©
h = 54* 87,4'
O
h = 54“ 37,«'
15,4
57,0
37,«
37,1
15,7
57,8
38.»
36,5
16,5
56,9
39,0
36,«
15,9
57,1
37,6
36,8
15,0
56,9
37,9
36,9
15.5
57,0
38,1
37,1
16,0
57,4
39,0
37,1
16,1
16,1
57,8
67,3
64“ 38,1'
t = —9 mln.;
54“ 37,0'
t = — 1 min.;
44“ 15,8'
t = —7 min- ;
-J-6 min.
<7 = 14“ 4,9'
48* 57,*'
t = -f-6 min.;
-i-Jl min.
9C=4lS“ 56,7'
o min.
<JP=18“ 57,1'
<p= 18“ 57,2'
-j-4 min.
<p «■> 13“ 58,3
Rio Batory; Station 5, 30. VII,
St. 9. 4. VIII.
St. 12. 7- VIII.
O
o
a Trianguli,.
er Tnangnli*.
h= 57“ 50,6'
h = 57" 50,1'
b — 34“ 48,1'
h = 84” 32,1'
60,1
50,1
46.8
32,8
40,1
49,7
48,9
32,8
49,5
49,4
48,4
32,7
50.0
49,4
48.«
32,7
49,8
49,3
47,9
113.8
49,6
50,1
48,1
32,1
50,0
50,4
48,8
32,8
57“ 49,8'
57“ 49,8'
34“ 48,»'
32,8
t _ — 8 min.;
— 1 min.
t= 4-1 rot». :
-|_7 min.
t ss -|-2 min. ;
4*13 min.
32.»
Itt” 32,6'
<*-=•13“ 50,6'
<7 = 13“ 60,»'
<7 — 13“ 37,4’
t = —6 min.
<7 = 18
“ 50,6'
4-6 min.
<7-13“ 21.5'
I. Hak aSH-
II. Bakalri-
dorf.
dorf.
8t. 16. 12. VIII.
St. 19. 17. VIII.
St. 21. 19. VIII.
St. 25. 23. VIII
Acberoar.
o Trianguü*.
a Lyrae.
a Paroni».
h = 45“ 25,8'
h = 34“ 18,3'
h = S8“ 25,1'
h = 46“ 28,0'
25,3
18,3
25,8
28,1
25.«
16,«
26,1
28,7
24,«
18,*
25,8
28,9
24,7
17,9
24,8
28, t
25,3
18,6
26,0
28,8
24,8
18,8
26,3
28,5
25,3
18,7
25,1
27,»
25,5
34“ 18,4'
38“ 25,«'
45“ 28,4'
24,8
t _ 4-9 min.;
t— 4-21 min.;
t am 4-2 min. ;
45“ 25,1 '
-f-18 »In.
4-8O mtn.
-j-14 min.
t = —8 min. ;
— 4 min.
»=13“ 14,8'
<7 = 13“ 7,8'
<7 = 12“ 53,0'
<7 = 12“ 34,5'
Kustenaü.
Mündung de*
Rio Batoff.
St. 29. 27. VItl.
St. 32. 31. VIII.
St. 33.
3i. vm.
a Patents.
Achernar.
a Pavonis.
a Cygni.
h = 45“ 11,1'
b = 44“ 6,1’
h = 44" 40.1'
h — 83“ 20,1'
12,1
6,7
40,0
20,9
11,9
6,1
40,0
21,4
11,9
6,7
39,9
21.7
11,8
5,7
39,8
20,8
12,3
6,1
40,1
2t, l
11J
6,8
40,*
21,3
11,4
6,9
40,8
20."
45“ 11,8'
44“ 6.4
44“ 40,1'
33” 21,0'
t = — 2 min.;
t = 4-11 min.;
t= —4 rnto,;
t = -fl min.
min.
-f-20 mln.
4-g min.
4-11 min.
<7 = 12“ 17,9'
<7 = 11“ 55,5'
» = 11® 46,3’
»= 11“ 46,«'
<7=11
“ 4«,5'
SnyAdorf St. 36.
Station 40.
3. IX.
5. IX.
9.
IX.
o Cygni.
a Paronie.
a P*rnm*.
<7 Cygni.
h = 83“ 57,0'
b = 44° 6,9'
h — 43“ 13,4’
b = 34“ 48,0'
55,6
5,5
13,4
48,3
55,1
6,4
13,4
48,4
55,6
5,3
12,6
48,4
55,1
5,0
12,7
48.»
56,0
4,4
13,6
48,0
56.«
4,0
12,9
47,8
56,1
5,9
13.9
47, t
33“ 55,9“
44" 5.1'
43“ 13, r
34“ 48,1'
t = +4 min.;
t = —4 ™ln.;
t -- 0 »In.;
t= —10 ■»'■»■
4-13 »ln-
~4 min.
-i-H mtn.
— 1 min.
<p = ll“ 11,«'
» = 11“ 11,7'
»—10“ 19,1'
» — 10° 19,4'
» = 11“ 11,4'
<7 = 10
“ 19,3'
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165
Bericht über die Schingü - Expedition 1884.
St. 42. 13. IX.
St. 44.
14. IX.
St. 45. 15. IX
a Aurigse.
a Pavoni*.
a Crjpau
a. Pavoni*.
h=» 34" 10,8'
h = 48° 29, t’
h = 36“ 30,8'
h — 42“ 33, 1'
10,1
29,3
31*4
32,4
9,1
29,8
31,8
33,0
9.»
29,4
31,7
33,0
9,9
28, 1
30,7
' 32,8
10*3
29*3
31.«
32,3
io,s
29,8
31,7
33.«
10*3
30,0
32,1
33,8
34" 10,0'
42" 29,*'
35“ 31,4'
42“ 32,9'
t .=» — pmln. ;
t = 4-4 mln.;
t =r -.2 mln- ;
t = i min. ;
4.J min.
-|-15 min.
-j-7 min.
min.
? = ft“ 57.5'
(P— .9“ 35.*'
(p r»- 9U 30,1
4P — ft“ 99.1'
<P — 9
85,»'
St. so.
St. 47. 17. IX.
20. IX.
21. IX.
er Pavoou.
0 Cygni.
a Aurigae.
= 42“ 10,9'
h = 36“ 32,«“
b™35“ 34,8'
11, »
32,9
33,5
10,8
32,4
33,7
11.*
32,8
82,8
13,4 (Gew. •/,)
31,8
34,7
10,3
32,5
34,3
11,2
33,2
33,1
10,1
33,6
32,8
42“ 11,0'
36” 32.«
35“ 33,«'
— -j-5 min.; .(.gifnln.
t= .4 3min. ; .(.7min.
t — — 7 min. ; L3mln
V — ft“ 17,2'
<f’ ~ 8“ 34,»'
<f- = 8" 33,9'
Auf Grund des Itinerars:
<r~8" 84,o-
I. T urunsdorf.
St. 51. 22. IX.
a l'aronis.
a Cygni.
h 41“ 27,4’
h = 36“ 34,7'
27,2
34,1
26,1
34,8
26,6
34,8
27,7
33,8
26,9
34.»
41” 27,1’
34,»
ts4-4 mio.: -i j[ \ min
34,4
34,9
36” 34,»'
t = — gmln.; 4-6 «>>n
<7 = 8" 33,»'
<p->8” 33,2'
<7 = 8“ 88.3-
St. 55. 27. IX.
a Lyrse.
37“ 6,8' Aulsermeridiin-
höh*.
”7" 25,g'
II. V urunsdorf.
St. 56. 28. IX.
St. 58
30. IX.
a 1‘avouu.
a Cygni.
er l’uvoni*.
O Cygni.
<40“ 0,0'
h m 38“ 0,4'
h = 39" 40,9'
h «*> 38" 12,8'
0,4
0,»
47,1
IV
1,»
0,8
40.«
12,T
1,8
0,8
47,5
12,5
0,0
59,7
47,1
13,8
0,8
0,5
46,8
12,«
1,0
0,8
47,»
12,3
i.«
0,7
46,8
12,5
40“ 0.7'
38“ 0,5'
39” 47,0'
38“ 12,7'
= - .-K min,;
t = -+-2 min. ;
t «— — c min. ;
t*= — 16 min.
- r - 1 7 inin.
4-16 min.
_|_2 min.
— 8 min.
cp = 7" 6,9'
IJP — 7“ 7,0'
Cf 6” 53, t'
= 6“ 54,8'
9=,
7" 7,0'
tr-0
54,o'
St. 59. l.X.
St. 61. 3. X.
er Patents.
0 Cygni.
a Pavonia.
a Cygni.
= 39” 34,4'
h = 38" 27,2'
h = 39“ 8,1 ’ h
= 38" 64.1'
34,1
27,2
8.1
53,0
33,6
26,7
7.»
53,7
34,5
27,7
7.»
52,9
39” 34,1'
38” 27,8'
7.8
53,4
— -^-14 min.;
t = 0 min. ;
8.«
53,4
4-18 mlo.
-|-4 intn.
8.8
63,7
Cf' wm 6“ 40,8
' cp = 6" 40,8'
8,1
53,9
¥> —
6“ 40.3'
39" 8,0'
38“ 53,8'
t — m’n* ;
t = — 5 min.
4-10 min.
-f-4 nitn.
<y> = 6“ 14,2’
Cp-~ 6" 13,8
.
cp — <>"
14.0'
St.
62. 4. X.
St. 64.
8.x.
a Pavoni*.
0 Cygni.
Canopa«.
= 38" 42,-4'
h= 39” 17,8'
h = 42“
47,3'
42,0
17,6
46,8
42,1
17,8
46,7
42,4
17,0
46,4
38" 42,2'
:_j_3niln.; t
U12 mlti.
= 5° 18, 4’
ms — 0 min. ;
— 2 min*
<f — 5° 50,0'
48,7“
46, »
47, *
_ 46.7
42“ 46)3'
b »9 min. ; o min.
<r = 5“ 24,6'
TV. Y urunsdorf.
St. 65. 9. X.
St. 66.
9. X.
Csnopus.
a Pavonia.
er Cygni.
h = 40" 56,8’
h — 37“ 41,8' b
= 40" 19,8'
56,8
41,7
19,8
56,7
41,2
18,7
56,1
41,2
18.»
55,8
41,6
10,1
56,7
40,8
19,4
56,1
41,0
18,9
66,8
41,2
18,8
40" 56,8'
37" 41.2'
40° 19,0'
t — 4 min.; -i.g min.
t= — 1 min.;
t = — 11 min
»*-—5° 8,7'
-i.7 min.
— 4 min.
Cf -4“ 47,4'
<r — 4“ 48,4'
* = 4“
47,9 '
V. Y urunadorf.
St. 67. 10. X.
St. 69.
13. X.
er Pavonia. a Cygni.
er Pavonia.
a Cygni.
h = 37" 27,5’ li ,»= 40“ 32,4'
h 36" 58,7' h
= 41" 2,0'
28,4 32,8
57,0
1,«
27,9 32,4
58,0
1,6
27,9 32,0
57,9
1.6
87“ 27,9* **•*
57,7
2,1
tcs-n-14 min.; 32,8
57,9
1,7
4-1J» min. 32,6
418,5
1,7
9-4“ 34,r
68.7
1,6
40" 32.«'
36“ 68,2'
41" 1.7'
t= -(-6 min.;
t= —3 “In. ;
t ~ — IS min
-1-12 min.
-|-6 min
— 5 min.
<r = 4“ 34,«'
<J><— 4“ 4,«'
<7 =4” 5,7'
<9
II
4*
O
£
c,*.
<r = 4“
5,1'
St. 70. 14.X.
St. 71.
16. X.
a Pavonia. a Cygni.
Csnopus.
b = 36“ 40,9' b = 41” 21,«'
39,« ‘ 20,8
h«.40”
66,1'
56,8
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166
Bericht über die Schingü - Expedition 1884.
h — 86° 30,7'
40,1
36° 39,«'
t =• »In.;
-j 7 min.
<p«3° 46,«'
»41° 20,1'
21,9
41* 81,2'
t = — 3 min.;
-f-J min.
<p -» 3“ 46,2'
<r = 8° 46,2-
b = 40° 36.7'
66,1
35.«
56,7
56.1
56,8
564'
40
+4 “in- ;
12 min.
9—8" 84,1'
Beginn der Volta
Bode der Volta
Sehingü-Mündang
Coronet G a r o * o.
Seringeiro Saraiba.
l’orto de Uot.
St. 72. 17.X.
22.X.
27. X.
Canopus.
Canopus.
a Gruis.
i = 40° 34,8 '
b = 40" 15,9'
b = 44“ 14.9'
33,8
16,1
13,8
33,8
16.9
13,4
33,2
16,6
13,8
33.1
15,9
13,9
33,9
15.9
13,4
34.9
16,1
14,0
33,7
16.8
13,8
40“ 33,9'
40° 16,2'
44" 13,7'
— -f 12 mio-:
t— • — 3 min.;
t = — 8 min.;
-1-28 “in.
-f- 13 “Io.
-j-2 min.
9-8* 11,7'
9—2° 54,0'
00
i
9
J
8*
Der Gang unsres Taschencbronometers war zu unregel-
«näfsig, als dafs die Zeitbestimmungen zur Längunberech-
nuug batten benutzt werden können. Nur in einigon we-
nigen. Fällen bei starker östlicher oder westlicher Versetzung
gab die Uhr einen brauchbaren Wert für die Länge. Im
übrigen sind die Längen direkt mit Hilfe des Itinerars ge-
messen, wobei die bekannte Breite den Mafsstab lieferte.
Da die Vorwärtsbewegung wesentlich nordwärts war, sind
Fehler in der Breite nur mit einem Bruchteil in den Längen-
wert Ubergegangen.
Der geringe Betrag der maguotischen Deklination ist
nur bei der langgedehnten Flufsaufnabme berücksichtigt
worden. Zur Bestimmung der Deklination diente eine kleine
mit dem Theodolit verbundene Bussole, welche zentrisch
über dom Horizontalkreis bofestigt war. Der Krem der
Bussole gab ganze Grade. Folgende Deklinationswerte u
wurdon mittels Sonnenazimuten gefunden :
Ort 1 a
Ort.
a
Ort.
er
Ort. a
Cuyabi . . !r 2,6“ E
St. 1.
N 1,9° E
St. 58.
N 0.7° W
St. 66. !x 0,4° W
Bahü . .IN »,7 K
32.
N 0,9 w
61.
X 0,8 w
67. jX 0,9 «V
N 2,* K
45.
N 0,4 W
62.
X 1,0 w
69. [X 1,2 W
Bunein . [N 2,4 E
50.
0°
64.
X 0.« w
72. X 1,4 W
l’arsnatingajN 2,1 E
54.
N 0,8 W
65.
X 0,1 w
Die Distanzen im Itinerar wurden nur durch die Zeit
markiert. Bei dem stets wechselnden Rudereifer unsrer
brasilianischen Soldaten war es unmöglich , durch direkte
Messung unsre Fahrgeschwindigkeit zu bestimmen. Ich habe
dieselbe mit Hilfe der geographischen Breiten aus dem Iti-
nerar berechnet und dafür folgende Mittelwerte gefundou :
In den Mindenkanus: Geschwindigkeit pro i Mb.
Rio Bstorjr, Station 1 — JO |
Strecke der Katarakte { • • • • 51,4 m
Rio Batorr, Station 16 — 32 .... J»,2
Schingü 38—51 74.9
In den Ubds :
SebioRÜ 51—72 |
Viele Stiomschnelleu J 8I',
Die gröfsto Tagesgeschwindigkeit betrug 88 m ; sie wurde
sowohl in den Ubäs als in den Rindenkanus erreicht. Die
kleinste Tagesgeschwindigkeit auf dem Schingü war 66 m,
und zwar bei konstantem Nordwind und starkem Wellen-
schlag. Die grufste Strecke, welche in einem Tage zurück-
gelegt wurde, betrug 54 km bei zehnstündiger Fahrt. Die
täglichen Fahrten Anden sich genau verzeichnet in dem
Buche „Durch Zentralbrasilien“.
Die Länge des Rio Batovy vom EiiiBcliiffungspunkt bis
zu seiner Mündung ergibt sich aus dem Itinerar zu 449 km,
die Länge des Schingü von seiner Vereinigung mit dem
Ronuro bis zur Volta beträgt 1328 km.
Barometrisohe Höhenmessungen.
Als barometrisches Normalinstrument führten wir ein
Siodopunktthermoinetor (Fuefs Nr. 44) mit uns. Dasselbe
gab */ jo“ ; mit der Lupe konnte man schätzon. Herr
Prof. Dr. Oskar Döring in Cördoba hatte die Güte,
vor der Reise unser Instrument mit seinem Normalbaro-
moter (Fuefs Nr. 133) zu vergleichen. Ich nahm nach der
Reise eine solche Vergleichung in dom physikalischen In-
stitut von Götti ngon vor. — Folgende Tabelle gibt die
Resultate der einzelnen Vergleichungen:
Prof. Döring. Cördoba —31° 25' Br., 4QOm Seehohe.
Nr.
Datum.
R«d.-B»r.
Schwere und
Inttrmnentalkor-
rektion.
B.
t
berechnet
t
observiert
Korrektion do«
Hypsometers
i.
*.
3. (2 Obs.)
4. (2 Obs.)
5.
6.
7.
8-
1884
Januar 4.
14.
15.
46.
17.
18.
19.
20.
725,82 mm
23.88
21.88
21,83
21,89
18,88
29,78
28,82
—1,14
—1,14
-1,14
— 1,14
—1.14
— 1,14
— 1,1*
—1,18
Claufs. O 0 1
724,38°
22.49
20,71
20,76
20.»
17.49
28,40
27,87
Ungtn -j-5
98,646w
693
634
636
606
400
m
790
1,«° Breite ,
98,660°
4IO
400
498
410
616
780
700
VSOm Srehö
193
134
087
096
085
09«
090
he.
1 Korrektion (Xr. 3 dopp. Gew.)
+0,139°
| Mit Anschl. t. Nr. 2 +0,121°.
Korrektion
(Nr. 4 dopp. Gew.)
+0.090.
1.
S.
3.
4.
5-
1885
Juli 15.
18.
28.
31.
August 7.
753,0 mm
49,2
52,9
49,0
45,8
Also Mitt
T-0,12
+«.17
4-0,17
4-0,17
4-0,17
Januar 1S84 Kr
753,17°
49,47
53,07
49,17
45,97
irrelrtion +0,0
09,750°
610
745
600
460
9°. Ende Jul
99,766°
660
746
WO
455
1885 Korrek
—0,008°
-fO, 08«
io, 000
4-0, oio j
+0,025
tiou +0,01 °,
Korrektion +0,014°
Mit Ausschluß von Nr. 2
0,0078°.
Digilized by Google
167
Bericht über die Scbingü - Expedition 1884
Der Nullpunkt des Thermometers hat sich daher in
18 Monaten um 0,08° erhöht. Dieser Zuwachs kann der
Zeit proportional angenommen werden.
Zu den regelmäfsigen barometrischen Beobachtungen be-
nutzten wir zwei kompensierte Tascheuaneroide von Camp-
bell (Hamburg). Die Teilung derselben gab 2 mm. Die
Konstanten wurden durch Vergleich mit dem Hypsometer
ermittelt und finden sich in der unten folgenden Tabelle.
Die Temperaturkorrektion der Aneroide wurde vernachläs-
sigt, da die Temperaturen dor Beobachtungon sich ira we-
sentlichen innerhalb des kleinen Spielraums von 20 — 30°
Celsius bewegten , und da innerhalb dieser Grenzen die
Korrektionen keinen von der Temperatur abhängigen Gang
erkennen liefsen.
Konstantenbatimmung der Aneroide.
Datum.
Ort.
Hypao*
b.
Luft*
tenip<t-
ratur.
An. 1
Korr.
An. 11
Korr.
1884
4. IV.
Cuyabä
99.480“
745,96
-(-26,0
754,4
— 8,4
745,8
-(-0,3
8.
470
43,70
26,0
56,0
—10.»
47,6
-1.9
9.
670
48,38
22,0
58,3
— 9,8
49.7
—0,8
11.
MO
47,04
25.6
57,8
— 10,6
47,6
— Oit
15.
3P6
43,68
28,0
54,8
— 11,7
44.3
— 0,3
22.
470
45,70
26,7
57,8
— 12,1
46,4
—0,7
24.
466
45,3«
57,3
— 11.«
46,3
— 0,8
4. V.
470
45,70
28,0
57,4
— 11.7
45,8
—0,1
8-
666
50, *8
20,«' 62,0
— 11.»
51,4
—0,7
9.
696
49, «H
20,8
61,0
— 1 2,0
49,6
—0,8
24.
670
48,68
IG, 6
CO, 8
— 12,4
48,7
1-0,1
4. VI.
Rosario
446
45.«
22,91 57,6
-12.6
44,8 -HM
8-
Tombndor
98, »IS
30, M
29,6
43,8
— 12,9
32,7
— 1.8
13.
Buracio
706
25.«
26,4! 36,7
— 11,8
26,7
—0,8
15.
Kio Noto
660
24,96
24,01 34.«
— 10.8
24,4
—0,1
17.
700
25,80
24,9
35,3
— 9.9
24,8
1 0,8
27.
Corrego Fundo
«44
24.13
27,0
35,6
—11.3
23,6
(-0,4
28.
7JO
25,82
25,0
36,6
—10,8
25.6
+ 0,3
2. VII.
Caraoatinga
710
25,83
30.0
37,8
—12,0
27,0
—1,3
8.
616
28,91
29,0
38,6
— 10,9
28,1—0,8
4.
6*6
24,3t
29
35,7
— 10, 8l 24,8
-0,4
15.
Kio Batory 1.
666
24,39
22|8
34,7
—10.3
24,7
—0,3
23.
716
25,69
27,0
35,6
—10,1
26,0
— 0,3
30.
5.
710
25,3«
28.7. 34.3
— 8.«
24.»
-r0,8
14. VIII.
IC.
686
30,15
34,0. 40.8
—10,4
30,0
4*o,i
1. nc.
.Schisgu 33.
99,106
35,97
18,8 44,9i— 8,1
36,3
—0,3
14.
44.
166
38,0»
31,3
48,0
— 9.»
39,7
— 1,1
23.
51.
236
39.43
26,7. 50,0 —10.«
40.8
-1,4
23.
236
39,43
50,4!— 1 1,0
41*7
— 1,8
1. X.
59.
280
40,63
31,8, 52,91—11,«
43,7
—3,1
6.
03.
360
42,49
29,0! 64,6 —12,1
47.7
-4,7
17.
72.
700
MAI
25,3
GS, 6
— 11,6
56,6
-4,6
23.
Insel dos Major
820
55,11
31,8
68,4
1—13,3
61,8
—6,8
Die Konstanten der zwischenliegeudun Tage wurden
durch graphische Interpolation gefunden. Dio beidon für
die Aneroide erhaltenen Kurven zeigten einen ähnlichen
Verlauf.
Zur Bestimmung der Höhe von Cuyabä Uber dem
Meeresspiegel haben wir vom 1. April bis 24. Mai 1884
regclmäfaige barometrische Beobachtungen gemacht. Da
dieselben zugleich ein Bild von dem täglichen Gang des
Luftdruckes aus einer meteorologisch noch völlig unbekannten
Gegend liefern , so mögen sie hier zur Mitteilung gelangen :
Ancroidbcobachtunycn in Cuyabä.
6».
10»
4P-
10P-
6»-
10»-
4P*
10P-
April 1.
—
745,3
742,3
744,7
Mai 1.
746, u
746,7
743,9
—
2.
745,7
47,6
44,7
46,7
2.
«6,7
40.«
44,8
745,9
3.
47,0
48,3
45,1
46,3
3.
46,9
47,7
43,6
—
4.
40,0
47,0
43,9
44,9
4.
44.«
45,7
424
44,1
5.
44.1
45,3
42,7
43,9
5.
—
44,9
41,7
44,0
6.
43,6
44,3
41,3
43.9
8.
43,4
44,8
42,0
43,0
7.
43,6
•14,9
43,0
44,7
1.
44,3
45.«
43,9
48,1
8.
44,0
45,7
43,0
47,0
8.
49.3
50.«
48,1
49.3
9.
48,1
48,7
45,6
45, &
9.
47,8
48.«
44,7
46,0
10.
45,1
46,8
43,6
45,*
10.
46,7
46,3
43.«
—
11.
45,1
46,8
43,«
40,0
11.
47,7
47,0
444
45,9
12.
45,7
46,7
43,«
—
12.
46,7
47,2
45.»
48,1
13.
44,7
—
—
—
13.
47,8
48,7
45,8
47,7
14.
45,1
46,3
42.«
44.«
14.
47.«
48,1
44,9
45,8
15.
43,3
44,7
42,3
44.1
15.
45.«
46,6
14,0
45,0
16-
44,9
—
—
43,«
16.
45,8
46,3
43.«
45,4
17.
44,3
44,9
42,9
44,6
17.
45,«
43,7
—
—
18.
44,7
44,8
41,7
42,8
18.
—
50,0
47,4
48,1
19.
41.8
42,2
39,8
—
19.
48,7
49,9
47, a
48,1
20.
—
44.4
42.«
43,9
20.
49,8
50.0
48,3
49,9
21.
44,3
46,0
42,6
44.0
21.
50.«
—
49,6
50,*
22.
—
45,2
42,9
44,3
22.
50,8
51,0
49,4
60,1
23.
45,3
46,0
43,3
44,9
23.
—
50,0
47, a
—
24.
44,9
45,0
42,4
44,3
24.
—
19,6
47,4
—
25.
44,3
45,3
41,3
43,9
Mittel
746,93
747,38 745,33 746,90
26.
44,1
44,8
—
—
27.
—
46,*
43,3
—
28.
44,3
45.«
43,0
44,6
29.
44.«
44,8
42,7
45,0
30.
45,1
45,9
43,0
46,1
Mittel i744.»l'i45,T»!T42,H 744,7t
Mittlere tiigliche Schwankung im April: 2,8mm,
im Mai : 2,t mm.
Den hieraus sich ergebenden täglichen Gang des Luft-
druckes habe ich bei den spätem Reisebeobachtungen be-
nutzt, um dieselben auf gleiche Zeiten zu reduzieren. Zur
Berechnung des Monatsmittels des Luftdruckes ist nur das
Mittel aus den Beobachtungen 10* und 4P zu nehmen.
nie» Hrchen fto Ml»“ 1884 : 744,3 mm; t = 24,4°
D.aw, ergehen filr |M(U _ 746>i t = 22,7
Zur Berechnung der Höhe konnten die gleichzeitigen
Beobachtungen von drei Basispuukten benutzt werden. Herr
I’rof. Dr. 0. Döring hatte mir seine eignen, in Cordoba ge-
machten Barometerablesungen zur Verfügung gestellt, Herrn
Direktor Guallerio G. Davis in Cordoba verdanke ich die
Aufzeichnungen von Corrientes, und Herrn Marinekapitän
Cacheiras da Gra^a diejenigen des kaiserlichen Observa-
toriums in Rio de Janeiro.
Aus diesen Tabellen ergeben sich folgende zur Höheu-
bereclinung nötige Daten.
8«ch0he.
April 1 —
Barometer auf
NormalKlmere
Paria repariert.
10.
Lufttem-
peratur.
Mai 1—2
Barometer auf
Nonnabcbwcre
Paria repariert.
4.
Lufttem-
peratur.
Cordoba . .
Corrient« . .
Rio de Janeiro
410 m
70
66
725.7 mm
764,9
756.7
-f 16,0U
21,8
23,7
728.7 mm
758.8
758,0
+ 12,9”
15,3
21.»
Bei den geringen Höhen, um die es sich auf der ganzen
Reise handelte, und bei der Unsicherheit der Aneroidan-
gaben siud die feinem Korrektionen der barometrischen
168
Rericht über die Schingü - Expedition 1884.
Formel zu vernachlässigen. Es wurde daher Tabelle 6 im
Anhang von Neumayers „Anleitung“ zu den Höhenboroch-
nunguu benutzt.
Die Höhen für Cuyabä sind:
Cötdoba . .
CunienlM ■ •
Rio de Janeiro
1 191 ra
1201
| 193
| 210
1 210
| 198
Mittel: 201m.
Der mittlere Fehler dieser Höhe von 201 m beträgt
3,4 m ; der wahrscheinliche Fehler 2,2 m.
Von frühem Beobachtern kennen wir für Cuyabd die
Höhen :
Langsdnrff . 1827: 213 m
Ciutelaau . 1845: 85 (ahne Barometer orhalten)
MelsK° 186C/67: 162
Die Höhon unsres Roiscgebietes sind aus der beigege-
benen Karte zu entnehmen, in welcher die Vertikalprojek-
tion der ganzen Marschroute gegeben ist. Als Fixpunkte
für (Uese I’rofilzeichnung dienten die Stationen Tombador,
Rio Novo, Corrego Fuudo, Parauatinga, EinschifTungspunkt
am Rio Batovy. An diesen Orton hatten wir mehrtägigen
Aufenthalt; doch genügte auch dieser bei der grofson Ent-
fernung der Basispunkte nicht zu einer präzisen Bestim-
mung der Höhe.
Höhen der Fixpunkte des Ih-ofils.
Tombador
3 Taxe.
Klo Novo
4 Taxe.
Corrtgo Pondoj 1’aranatinK*
4 Taxe. 1 4 Ta**,
Klo Batovy
» Ta««.
CArdotn . .
[304 TO]
488 ro
43!) m
410m
462 m
Corricnte» . .
[389 1
473
468
104
479
Rio de Janeiro
417
492
505
478
510
Mittel
-
484 m
471 m
431m
483m
Die Höhen dor zwischeuliogunden Punkte der Route
wurden durch Interpolatiou mit Hilfe der Aneroide be-
stimmt.
Aus dem Profil ist zu ersehen , dafs das Plateau von
Matto Grosso Erhebungen bis nahe 700 m besitzt.
Für die Vertikalprojektion des Rio Batovy und des
Schiugu wurden die sämtlichen Aneroidaufzeichnungen direkt
verwertet. Aus den zwoimal des Tags gemachten Able-
sungen wurde nämlich der mittlere Barometerstand eines
jeden Tages berechnet. Leider haben wir für die Beob-
achtungen nicht die Termine 10“ und 4? eingehalten, welche
bei den unbedeutenden täglichen Nivoauändomngeu zu kor-
rekten Werten des täglichen mittlorn Luftdruckes hätten
führen müssen, sondern wir beobachteten immer an den
Haltopunkten.
Die hieraus bereehuotou täglichen Mittelwerte wurden
nun auf diejenigen von Rio de Janeiro bezogen, und so er-
gaben sich die in dem Flufsprofil bezeichueten Punkte,
welche die Konstruktion der wahrscheinlichsten Profillinie
gestatteten.
I
Die Beobachtungen von Cordoba und Corrientes wurden
bei dieser Darstellung unberücksichtigt gelassen , sowohl
wegen der grofsen Entfernung dieser Orte als auch wegen
ihrer beträchtlichen lokalen unperiodischen Luftdruckände-
rungen , welche hoi Benutzung von nur eintägigen Mitteln
die Resultate unbrauchbar machen.
Als Höhe von Porto de Moz ist- 15m angenommen auf
Grund von Ortons barometrischem Profil (Mitteilungen 1869,
S. 113). Nach der Darstellung des wahrscheinlichen Schingü-
profils wird iunerhalb der Volta das Niveau des Flusses
um 130 m tiefer verlegt.
Als mittleres Gefälle ergibt sich aus dem Profil:
Hio Batoiy. Station 1 — 16 l
Viele Katarakte |
llio Ratovjr, Station 16 — 32
Srhingü, Station 32—72
O.oäS m pro 101) ni
0.«« „ .
0,014
Ein beträchtlicher Teil des Scliingdgefälles wird jedoch
durch die vielen Katarakte dos Mittellaufes ausgeglichen,
so dafs die Stromgeschwindigkeit nur eine sehr geringe
sein kann, wie das mit unsror direkten Wahrnehmung iiber-
einstimmt.
Klimatologisches.
Einen wichtigen Beitrag zur klimatologischeu Kenntnis
Zentralbrasiliens hat ein Deutscher in Cuyabä, Herr August
Carsten t, geliefert. Durch uns veranlafst, hat er sich mit
grofser Ausdauer dor mühevollen Arbeit der meteorologi-
schen Aufzeichnungen unterzogen , und wir besitzen von
ihm schon einen ganzen Jahrgang Beobachtungen von Au-
gust 1884 bis Juli 1885. Seine meteorologischen Instru-
mente sind ein gewöhnliches Thermometer , wie wir es in
Cuyabä haben bekommen können, und ein Regenmesser.
Das Thurmomoter wurde mit uusreu Sokleuderthermometern
(Fuofs) in einem Wasserbad von verschiedenen Temperatu-
ren verglichen und zeigte dabei nur Abweichungen vou
Vjp Grad , so dafs die Angaben als vollkommen brauchbar
zu betrachten sind. Zum Schutz gegen Sonnenstrahlung
wurde für das Thermometer ein Wetterhäuschen aus Blech
hergestollt.
Zur Beurteilung dor Sicherheit der Monatsmittel mögen
die aus uusern Beobachtungen 1. April bis 24. Mai 1884
abgeleiteten Werte dienen. Wir beobachteten 10», 4p, 10p
und Minimaltemperatur. Daraus ergab sich für April: 25,4*,
för Mai 22,7*.
Die mittloro Jahresschwankung für Cuyabä beträgt G,5°.
Die absoluten Extreme der beobachteten Temperaturen
sind 41,3* im August 1884 und 10* im Juli 1885; die
wahren absoluten Extreme mögen noch mehr voneinander
abweichen , da ja die Margenbeobachtung erst 7* gemacht
wurde.
Dio Windtafol zeigt, dafs Nord- und Südwinde am häu-
figsten Vorkommen. Der Nordwind erlangt seine gröfste
Digilized by Google
169
Bericht über die Sching« - Expedition 1884.
Häufigkeit im Dezember, also zur Zeit des südlichsten
Sonnenstandes, die Häufigkeit der Südwinde hat dagegen
hier ihr Minimum ; diese dominieren im Juni zur Zeit des
nördlichsten Sonnenstandes, wo Nordwinde kaum wehen.
Das grofse Plateau von Mato Grosso mag zur Entstehung
dieser typischen Winde mit Veranlassung geben.
Tabelle 1.
Resultate der meteorologischen Beobachtungen in Cuyabd.
Bowiiiknng Windstärke <0— -13)*). i Tag* II Häufigkeit der Winde
:•
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116
19
Die Regenmesser- Beobachtungen Carstens* sind in der
folgenden Tabelle mit einer zweijährigen Beobachtungsreihe
1879 — 81 vereinigt, welche wir Herrn J. 8. Gardis in
Cuyabd verdanken. Herr Gardis, ein Franzose, hat seine
Messungen mittels Wägung ausgeführt. Das Regenwasser
wurde durch einen Trichter von */j Quadratdezimeter Öff-
nung aufgefangen und flofs in eine Flasche ab. Die Wage
gab 1 Gramm; 5 Gramm entsprachen 1 mm Höhe, so dafs
also die Millimeter hinreichend verbürgt sind.
Leider sind die Messungen nicht jeden Tag gemacht
worden, so dafs die Zahl der Regentage nicht mit Sicher-
heit festgestellt werden kann.
Tabelle 2.
Reg enbeo ba ch tu ngen tu Cuyabd von J. S. Gardis (September 1879
bis Juni 1881) und August Carstens (Auguit 1884 bis Juli 1885).
1879—80
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1879-80
Tage.
1880-81
1884—85
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November .
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12 — 17
7
13
Dezember .
257
351
151
18—24
12-14
13
Januar . .
348
306
222
14
12—16
15
Februar
260
156
319
19
7—11
14
Mürz . .
361
182
111
15
8—13
15
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35
11
7
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1512
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105—116
68—90
102
l) Eine zweifelhafte Beobachtung ausgeschlossen.
*) Berechnet von A. Hupen.
s) Diese Zahl unsicher.
4) Xur etwas Staubregen.
Petermanns Oeogr. Mitteilungen. 1886, Heft VI.
Die Regenzeit beginnt in Cuyabd mit den» September
und hört auf im Mai. Von Juni bis August kommen nur
ganz ausnahmsweise Hegenfdlle vor, und diese Monate re-
präsentieren daher die eigentliche Trockenzeit.
Die gröfsten Regenmengen fallen in den Monaten De-
zember bis März. Der gröfste Regonfall betrug 111 mm
am 13. Februar 1885; er dauerte nur 5j- Stunden.
Gewitter scheinen nur im Beginn der Regenzeit, Sep-
tember bis November, aufzutreten.
Für die Klimatologie des Rcisegebietes von Cuyabd bis
zur Mündung des Schingd haben wir durch regeimufsige
meteorologische Aufzeichnungen bei unsrer raschen Vor-
wärtsbewegung nur weniges von allgemeiner Bedeutung
erlangen können. Diese Aufzeichnungen besitzen allein
Wert zur Charakteristik des Wetters während der Reise
und sind deshalb in extenso in die Reisebeschreibung des
Herrn Dr. von den Steinen aufgenommen.
Hier soll der Witterungscharakter ganz allgemein be-
sprochen werden.
Die Temperaturverhältnisse auf dem Plateau mögen
durch folgende kleine Tabellen (s. Anfang der nächsten
Seite) illustriert werden, obwohl die Zahlen sich Uber ganz
kurze Zeiträume erstrecken.
Die Morgentemperatnren waren in der Regel niedrig.
Die Minimaltemperatur betrug 6,3 ° am 16. Juli. Wir
froren in den Nächten ganz empfindlich, und häufig war
es wegen der Kälte unmöglich, in der Hängematte zu schla-
fen; wir legten uns dann direkt auf den Boden. An Orten,
welche oberhalb eines tiefen Thaleinschnittes lagen, wie
Boa Esperanza und Desengano, waren dagegen die Morgen-
teraperaturen gemäfsigt, 18 — 20 *.
22
170
Bericht Uber die Schingü - Expedition 1884.
Extrem-
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Das leuchte Thermometer stand in den Morgenstunden
nur wenige Zehntelgrad unter dem trocknen ; die Luft war
nahezu mit Feuchtigkeit gesättigt, und es fand starke Tau-
bildung statt, welche nilein zu erkläreu vermag, wie bei
der monatewährenden Trockenheit die zahlreichen Quollen
des Plateaus nicht versiechen. Gegen Mittag dagegen be-
trug die Differenz von feuchtem und trocknem Thermo-
meter 13 und mehr Grade, woraus sich eine relative Feuch-
tigkeit von 75 — 80 °/o im Durchschnitt berechnet.
Die Nächte auf dem Plateau waren immer klar. Mittags
wurde der Horizont rings von mächtigen Cumuli umsänmt.
Ebenso herrschte in den Xächton, sowio abends und mor-
gens gewöhnlich vollkommene Windstille. Dagegen setzte
mit Hegelmäfsigkeit um 10* oder 11* ein scharfer NE- bis
NW- Wind ein, meistens N. Er kam in Stöfsen, die häufig
5 der ßeaufortskalu erreichten. Dieser Wind liefs nach-
mittags ab und hatte sich um 3p vollständig gelegt. Da
in Cuyabä in dieser Jahreszeit der Südwind dominiert, so
darf man vielleicht an eine Luftbewegung denken, welche
durch dio starke Bestrahluug des Plateaus in den wolken-
armen Monaten hervorgerufen wird ; dann müfste ja die Luft
von den Niederungen in N und S des Plateaus nach die-
sem zusamraenfliefsen. Dafür würde auch sprechen, dafs
au einigen bewölkten Tagen, am 21., 23. und 24. Juli, der
Nordwind ganz ausblieb.
Ein sehr hübsches Schauspiel gewährten kleine Cumnli,
welche sich stets in einiger Höhe über grofsen Wiesen-
hränden bildeton.
Für dio Temporaturverhältnisse längs des Flusses sind
die gemessenen Wassertemporaturen von einigem Interesse.
Dieselben mögen daher zugleich mit den jeweiligen Ab-
weichungen von der Lufttemperatur hier verzeichnet werden.
t — Lufttemperatur, t' = Wiuaerteroperatur.
Ort
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49.
27, S
—4,9
Der gröfste Unterschied zwischen Morgen- und Abend-
temperatur des Wassers betrug 4 * vom 14. bis 1 5. September.
Um ein Bild von dem Verlauf der Wassertemperaturen zu
gewinnen, kann man dieselben zur Konstruktion einer Kurve
Digitized by
Bericht über die Schingü -Expedition 1884.
171
benutzen , deren Abscissenpunkte durch die geographische
Breite der einzelnen Orte zu bestimmen siud. Dann sieht man,
wie von 14—12 * S. Br. auf dom Itio Batovy die Wassorteui-
peratur um 5® wächst: bei Punkt 1 beträgt t' ungefähr
= 22®, bei Punkt 31 =27®. Auf dem Schingii verteilt
eich die Zuuahme von 4 ° auf die grofse Strecke von
12 — 3® S. Br.; davon fallen 3® auf 12 — 8° S. Br.; von
8 — 3 ° S. Br. bewegten sich die Wassertemperatnren nur
zwischen 30 und 31° C.
Wieviel von dieser Temperaturzunahme auf Kechnuug
der mit der Jahreszeit vorrückenden Sonne, wieviel auf
Rechnung der gröfsorn Nähe am Äquator zu setzen ist,
kann natürlich nicht entschieden werden. Es ist hier nur
das Faktum dieser Zunahme zu konstatieren.
Das Mittel aus den täglichen Extremen der Wasser-
temperatur war stets gröfser als das Tagesmittel der Luft-
temperatur; es kann 3,5° ungefähr als Mittelwert dioser
Differenz gelten.
Das Bad in Schingii empfand man auch unter Tags als
ein wärmendes.
Den orsten Regenfall seit unserm Abmarsch am 24. Mai
notierten wir am 2 3. August auf dem Rio Batovy. In
Cuyabä war schon der 20. August der erste Regentag.
Doch hatten wir im September 16 Tage mit teilweise
sehr heftigen Niederschlägen und Gewittern auf der Strecke
von 11 — 7° S. Br., während in Cuyabä im September nur
9 Regentage verzeichnet wurden.
Am Schingii war also die Regenzeit schon intensiver
cingetreten. Von 7 * ab bis zur Volta hatten wir dagogen
nur wenig unter Regen zu leiden, obwohl fast nllo Tage
einige Tropfen Regen fielen, oder wenigstens ein Wetter
an uns vorüberging. Es schien daher, als ob wir uns aus
dem Gehiet. für welches die Regenzeit schon im September
begonnon hatte, allmählich entfernten; damit würde auch
iibereinstimmen, dafs bei den Kantschukhändlern oberhalb
der Volta die Monate Dezember bis Mai die eigentliche
Regenzeit, „den Winter“, repräsentieren. Am untern
Schingii verschiebt sich diese Regenzeit noch um einen
weitern Monat Januar bis Juni; diese Monate sind zu-
gleich die Zeit des höchsten Wusserstnndos und zwingen
daher die Seringeiros , ihre Wohnsitze auf den niedrigen
Waldinseln zu verlassen. Die höchste Wassermurke lag
oberhalb der Volta 4 m über dem damaligen WasserBtand,
unterhalb der Volta, wo sich das Klufsbett des Schingii
bedeutend erweitert, waren es nur 3 m. Vergleichen wir
damit die beträchtliche Standdifferenz von 10 — 14 m, welche
der Amazonasspiegel innerhalb eines Jahros erleidet, so
kommt uns die weit markantere Plastik des obern Araa-
! zonasgebietes im Vergleich zu den hier erörterten Verhält-
nissen zum Bewufstsein.
Asymmetrische Tliäler.
Von Dr. Vincenz Hilber, Privatdozenten in Graz.
Wer aus der Sandsteinzone der Karpaton in das ost- ,
galizische Flachland hinabsteigt, gelangt zuerst auf die
Hügclwellen der mioeänen Salzthonbildung. Die Faltung
ihrer Schichten zwingt den Geologen, sie mit dem Gebirge
zu verknüpfen , während sie der Geograph wegen der ge-
ringen Erhebung ihrer Kämme davon trennt. Die Nord-
wärtswanderung führt in das Thal des Duiester, der breit
und langsam seine trüben Fluten dahinwälzt. Viele Meilen
weit ist keine Brücke über den Strom. Eine Seilfähre, bei
Hochwasser ein freiscliwimmendes Hofs für Wagen, ein
Kahn für einzelne Personen führt hinüber. Jenseits dos
Thaies steigen wir ungefähr 200 m ornpor. Wir stehen
auf der podolischen Platte. Auf der baumarmen Ebene
bieten die verstreuten jüdischen Schenken, alle nach einerlei
Bauart angelegt , fast die einzigen Ruhepunkte für das
schweifende Auge. Hier und da eine weidende Horde oder
eine Gruppe Feldarbeiten, von einem herrschaftlichen Auf-
seher zur Arbeit angetrieben, sind nahezu die einzigen
Spuren des Lebeus auf der weiten Fläche. Die ununter-
brochene Erstreckung der letztem ist aber nur eino schein-
bare. Bald stehen wir vor einem tief eingerissenen Thale.
Dort finden wir Wasser, Bäume, Felsen, Häuser, ja Dörfer
und Städtchen. Wenn wir in eins der zahlreichen Seiten-
thäler des Dniesters geraten sind, welche Bich fast gerad-
linig von Norden nach Süden gegen den^otztorn erstrecken,
so fällt uns sofort eino eigentümliche Erscheinung auf; der
polnische Forscher Lomnicki hat dieselbe im Jahre 1880
in kurzer Weise, ohne einen Erklärungsversuch zu gebeu,
zuerst berührt.
Wir steigen von Westen her über eine sanft geneigte
Böschung hinunter, welche nnsern geologischen Studion
nur den verbreiteten gelben Lehm der Gegend, den Löfs
darbietet. Anders auf dem Ostgehängc. Steiler und müh-
samer geht der Anstieg hinan. Aber dafür werden wir
entschädigt durch den Anblick der Erdschichten, welche
wir auf der Hochebene unter nnsern Fiifsen hatten. Eiu
172
Asymmetrische Thäler.
von dieser aus niedergetriebenes Bohrloch würde uns die
gleiche Schichtenfolge zeigen , welche uns die Thalwand
aufschliefst. Dio untersten, an die Thalsohle grenzenden
silurischeu und devonischen Schichten berichten von einer
Zeit, in welcher das tierische I.eben noch fast ganz auf
das Meer beschränkt war. Das Fehlen der Karbon-, Dyas-
nnd Trias -Sedimente in der podolischen Platte versetzt
uns, und zwar au einer einzigen Stelle, sogloich in dio
Juraperiode. Die obere Kreide finden wir in allen gröfsern
podolischen Thäleru in mariner Ausbildung vertreten und
darüber die konchylioureichen Meeresachichten der miociinen
Zeit. Mit ihnen haben wir wieder die löfsbedeckte Plateau-
hohe erreicht.
Es mag gleich hier bemerkt werden, dafs die oben be-
schriebene, von Tietze für selbständig gehaltene Einseitig-
keit des Löfses in diesen Gegenden als eine Folgeerschei-
nung der ungleichen Büschung zu botrachten ist , deren
Anlage sowie nachweislich die Einfurchung der Thäler in
dio Zeit vor Absatz des Löfses zu verlegen ist.
In dem nächsten nordsiidlichen Thale folgt- die gleiche
Erscheinung der ungleichen Gehüugböschung ; mit ihr hängt
der Umstand zusammen, dufs die Wnsserschoido zwischen
je zwei Flüssen einseitig gelegen ist, nahe an der steilem
Wandung der durch die Flüsse abgeschnittenen Plateau-
segmente. Die Umrisse der Rücken, welche von dem un-
gegliederten Hauptstamme der Platte, ihrer Hauptwasser-
scheido, nach Süden laufen, lassen sich so mit jenen der
Kiistendiinen vergleichen , welche meerwärts einen sanften,
landwärts einen steilen Abfall und dantm auch eine land-
wärts gelegene Kückenlinie besitzen , oder mit jenen vom
Winde getriobener Wogen, deren Form die gleiche Orientie-
rung gpgen den Wind zeigt, wie jene der Dünen (Fig. 1 u. 2).
Noch zutreffender würden diese Vorgleiche in ihrer
Anwendung auf das Hügelland der östlichen Mittelsteior-
mark seiu, weil dort nicht gewölbte Plateaustücke, sondern
echte Rücken zwischen den Thülern liegen. Dort schnei-
det die Mur durch ihren beim Austritte aus den Alpen
südlich, weiterhin, naho dem Unterlaude östlich gerichteten
Lauf die in die Atpenbncht eingelagerten tertiären Massen
in zwei Stücke auseinander. Das östliche derselben mit
dem von vulkanischen Gesteinon und Heilquellen begleite-
ten Gleichenberg in der Mitte, wird durch oino Reihe
uordsüdlicher Thäler, welche zum östlichen Muraste laufen,
entwässert. Die Rücken sind, wie in Ostgulizion, auf ihrem
westlichen Abhänge weit stoilor als auf dem östlichen und
fragen ihre Wasserscheiden nahe der Westsoito. Sie be-
stehen aus miocituen Thonen, Sauden und Schottern, inner-
halb welcher dio Stellen alter Vulkane durch mächtige
Basalt- und Trachytkuppen bezeichnet sind.
Die in Redo stehenden einseitigen Thalsteilränder haben
mit Flufssteilrändem weder Erscheinung noch Ursache ge-
meinsam, was wohl zu beachten ist.
Fig. 2.
Eine kartographische Darstellung derartiger Verhält-
nisse der Thalgehängböschungen hat kürzlich Penck:) aus
der Tertiärlandschaft nordöstlich von Lundshut in Bayern
gegeben, ohne indes im Text auf dieselben einzugehen.
Die besprochene Erscheinung, welche man ebensowohl
als Asymmetrie der Rücken , wie als jene der Thäler be-
zeichnen könnte, ist keineswegs auf moridionalo Thäler be-
schränkt. Studien dor mir zugänglichen Spezialkarten liefson
erkennen, dafs auch dio den Breitengraden und den Zwischen-
richtungen folgenden Thäler die gleiche Eigentümlichkeit
zeigen können. So liegt die Wasserscheide zwischen den
ostwestlich laufenden Flüssen Maros und Kis Kuküllü in
Siebenbürgen nahe dem letztem (Blatt 20, XXXI dor
neuen Generalstabskarte) ; desgleichen die Scheide zwischen
den gleich gerichteten Unterläufen der Lassnitz und der
Kainnch in Steiermark nahe der erstem (Blatt 18, XIII),
in beiden Fullen, wie nicht anders möglich, mit den ent-
sprechenden Böschungsverhältnissen der Thalwände.
Nach diesen wenigen Beispielen einer trotz ihrer all-
gemeinen Verbreitung noch so wenig gewürdigten Erschei-
nung, dafs sio in kein Lehrbuch der Geologie oder der
physikalischen Goographio Eingang gefunden hat, möge
ihre Erklärung folgen.
Bereits Bütimeyer3) hat das zu immor vollerer Aner-
kennung gelangende Rückwärtswachsen der Thäler und den
Einflufs der Erosionsbasis, als welche Tbalriegel (für die
flufsaufwärts gelegenen Strecken) oder dor Spiegel des Haupt-
flusses , eines Socb oder des Meeres (überhaupt eigentlich
für jeden Punkt oiu beliebiger flufsabwärts gelegener) wirk-
sam sind , betont. Ein Abwärtsrücken der Erosionsbasia
') Die rollen Linien bedeuten die Flüsse, die punktierten die Gren-
zen des Tlialkoden* und die gestrichelten die Kämme.
*) Kirrhhutfs Uinderkunde: Penek, Dis Deutsche Reich, 1886, S. 139.
*) Th«l- und Seebildung, 1869.
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Asymmetrische Thäler.
173
btt stärkeres Gefälle und damit ErosioDsvermebrung im
Gefolge.
Den Einfluß der Tiefe der Erosionsbasis auf die Lage
der Wasserscheiden, und unter diesen namentlich der Längs-
wasserscheiden, hat Gilbert1) richtig erkannt: „In gleichem
Material und bei gleichen Wasserquantitäten hängt der
Grad der Erosion für zwei Abhängo von deren Neigung
ab. Der steilere wird stärker abgetragon. Es ist augen-
scheinlich, dafs, wenn die zwei Abhängo auf entgegen-
gesetzten Seiten einer Wasserscheide sind, die stärkere Ab-
nutzung des steilem die Wasserscheide gegen die Seite des
sanftem bewegt. Dio Wirkung hört auf und die Wasser-
scheide wird erst dann stationär, wenn das Profil der Wasser- j
scheide symmetrisch geworden ist.“ Jener Forscher erörtert
dann den Fall, wo von zwei parallelen Flüssen der eino
durch harte Massen in seiner Erosion gehemmt wird, so
dafs der Nachbar sein Bett stärker vertieft. Dio Folgo
wird eiu Rücken der Scheide gegen don höher fliefsenden
Strom sein.
Gilbert läfst den Erosionsprozofa der Herstellung gleicher
Böschungen zustreben. Wir werden sehen, dafs das End-
ziel das umgekehrte ist, diesem Geologen aber in bezug
auf die Wirkung verschieden tiefor benachbarter Rinnen auf
die zwischenliogende Wasserscheide beistimmen und jener
von ihm als möglich erkannten Ursache dieser verschiedenen
Tiefe, ohne sie indes auszuschliefsen , eine andre ungleich
häufigere gegonüberstellen.
/\/\
Kg. 3. Kg. 4. Kg. 5.
Kg. ß. Kg. 7.
Wenn der eino zweier parallelen Flüsso (Fig. 3) in der
Vertiefung seines Bottes vorunoilt (Fig. 4), so wird für das
ihm zugekehrto Gehänge des trennenden Rückens eine tie-
fere Erosionsbasis und damit ein stärkeres Gefälle herge-
stellt. Die Durchschnittsneigung dos Gehänges ist ver-
stärkt, die Abtragung des ausspringenden Winkols führt
zu einer Neignngsverstärkung auch in den oborn Teilen
(Fig. 5), die Folge der verstärkten Neigung des Gehänges
ist seine stärkere Abtragung, welche Ermäfsigung dos Go-
fälles im Gefolge hat. (Die Richtung der Abtragung ist
dio der stärksten Neigung, dio Senkrechte nuf dio Tbal-
richtung; sie ist bei parallelen Flüssen auch die Senkrechte
t) Geolog? of the Henry Mountain» 1877. p. 140 — 141.
auf das Nachbarthal, gelangt aber bei nicht parallelen Flüs-
seu mit der Abtragungsrichtung des gegenüberliegenden Ab-
hanges auf der Kammlinie des Rückens zur Verschnei-
dung. Die Abtragungsrichtung ist bei Thälem, welche
senkrecht auf dem Hauptthale stehen, mit letztem parallel,
bei schief stehenden dagegen nicht.) Es tritt ein Stadium
ein, in welchem die Neigung wieder gleich der eingangs
angenommenen geworden ist (Fig. 6). Dies ist die von
Gilbert als letzte angenommene Phase des Vorganges. Die
angeführten Beobachtungen aber lehrten eino in gTofser
Regelmäfsigkeit auftretende Ungleichböschung der Rücken
kennen. Auch das läfst sich erklären. Mit der Annähe-
rung an das in Fig. 6 dargestellte Stadium ist nämlich
ein neuer Faktor hinzugetreten. Die Nicderschlagsfiäche
der dem tiefem Thal zugekehrten Rückenseite hat sich
vergrößert. Dio vermehrte Menge des abfiiefsenden Was-
sers zieht eino weitero Verstärkung der Erosion und da-
durch eino weitere Gofüllscrmäfsigung nach sich, und der
Rücken wird nouordings unsymmetrisch (Fig. 7), und zwar
im entgegengesetzten Sinne zu der Asymmetrie der Figur 5,
welche die Einleitung des Vorganges war.
Zugleich ist eine seitliche Verschiebung des Kammes
und eine Erniedrigung desselben eingetreten.
Es brauchte wohl kaum ausdrücklich bemerkt zu werdon,
| dafs die einzelnen Phasen unmerklicher ineinander über-
gehen, als dies in der gegebenen schematischen Darstellung
der Fall ist.
Eine stetige Aufeinanderfolge immer tieferer Thäler
würde nach diesen Darlegungen dio aus Oststeiermark und
Ostgalizien vorliegenden Verhältnisse erklären. Dioso Auf-
einanderfolge besteht nun , wie aus den Karten ablösbar,
in der Timt. Jono Zuflüsse des Dniesters und der Mur
bewogen sich in von Westen nach Osten au Tiofo zuneh-
menden Tlüilcrn. Die Ursache dioser Tiofen/unabme liegt
in den beiden Hauptthälern. Dniostcr und Mur fließen
von Westen nach Osten. Es hat also jedes der in diesen
Richtungen aufeinanderfolgenden Seitenthäler eine um so
tiefere Mündung, je weiter dasselbo nach Osten liegt. Das
MUnduugsuivcuu ist über die Erosiousbasis für diosu Seiten-
thäler, cs bestimmt die Thaltiefeu. (In Figur 1, wio in den
Figuren 9 — 11 versinnlicht das Dickenverhältnis der die
Flüsse darstellenden Linie den Grad ihrer Eintiefung.)
Das ideale Querprofil, welches Supan ') von dem Nord-
abhange der Otzthalor Alpen gibt, veranschaulicht dio ge-
schilderten Erscheinungen der Asymmetrie , ebgloich die-
selben iu der Abhandlung solbst nicht erwähnt werdon, in
ausgezeichneter Weiso, um so mehr, al die absoluten Zah-
len der Thalbodenhöhen eingesetzt sind (Fig. 8).
l) Studien übei die Thalbildungen im «»fliehen Uraubiinden &(.
| Mitteil. Geogr. GeaclUcb., Wion 1877, Tafel VI.
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174
Asymmetrische Thäler.
jener Gründe entwickelt, welche unten als
wirkliche Ausnahmen von dem Gesetze be-
zeichnet werden sollen.
Fi#. 8-
Die verzeiehnoten Tlniler, Kaunser-, Pitz- und Otzthal,
haben, da das sie aufnehmende Innthal daselbst von Wösten
nach Osten abwärts verläuft, in der Richtung ihrer Tiefen-
zunahme immer tiefer liegende Mündungen; die sie tren-
nonden Kämme, die Wasserscheiden, sind nach dem hohem
Thal, dom westlichen Nachbar zu, golegen. In das Profil
ist auch der Inn einbezogen, da er westlich von den Auf-
uahmestellon dieser SeitenfUlsse nach NNO (liefst. Ver-
möge seinor gröfsern Wassormasse hat er ein tiefereB Thal
als die genannten SoitenflUsse, und dom entsprechend ist
die Wasserscheide zwischen ihm und dem Kaunser -Thal
nach Osten verschoben.
In Ermangelung eines reichen Materials topographischer
Spezialkarten scheint mir auch folgender Hinweis auf eine
Stelle in Rütimeyers erwähntor Abhandlung sehr wertvoll.
Er sagt auf Seite 11: rVom Genfer bis zum Rodensee
vorfolgon sämtliche Flüsse mit solir seltenen und kurzen
Unterbrechungen eine auf das Streichen der Alpen verti-
kale Richtung und werden aufgenommen in einen groTsen
Sammelkanal, der dem Fufs dos Jura folgt Hierzu
kommt die Thatsache, dafa diese Flufsriunen an Sohlenbreite
zunehmen und in um so tiefero Niveaus hinabgehen, als wir
von Wost nach Ost fortschreiten Von der Saaue
an nach Ost haben sich demnach die Flüsse bis zur Reufs
und Limmnt immer tiefer gebettet oder trafen schon von
vornherein auf eine immer tiefere Unterlage. Jenseits der
Limmnt erhebt sich dann allerdings das Niveau der Thäler
so, dafs Glatt und Töfs hoher liegen als Reufs und Lim-
mat, und erst wieder die Thur von Frauenfold an selbst
unter dom Niveau des Rodensoes verläuft.“
Diose That8achen entsprechen den oben entwickelten
Anschauungen. Die Flüsso besitzen eine nordwestliche,
jener Rammelkanal hat eine nordöstliche Richtung. Von
der Saaue bis zur Liininut folgen die Mündungon nn der
Reihe nach abwärts gelegenen Stellen ihrer Sammelrinne,
als welche die Depression vom Neuonburger See an bis
zur Mündung der Aare in den Rhein dient. Von da an
aber nimmt der Rhein die Zuflüsse auf und gibt in der
umgekehrten Richtung zunehmendo Mündungshöhen ab, da
sein Lauf von Osten nach Wösten vor sich geht. Das
höhere Niveau der ihm ungehörigen Flüsse Glatt und Töfs
läfst sich in dieser Weise im Rahmen der obigen Ausein-
andersetzungen erklären.
Die gröfsere Tiefo der Thur hingegen, wolche mit ihrer
gröfsern Wussermasse und gröfsern Länge zusammenhängt,
hat sich trotz ihrer höher gelegenen Mündung aus einem
Über die Wasserscheiden und diu Gehängböschungen
geben die mir vorliegenden Karten dieses Gebietes wogon
ihres zu kleinen Mafsstabes nicht genügenden Aufschlufs.
Die, wie oben erwähnt, von Penck dargestellte Ungleich-
böschung dürfte sich in unsro Erörterungen gut einfügen
lassen; denn die Thäler verlaufon nach Süden zur Isar,
welche dort eine ostnordöstiiehe Richtung hat. Die mir
nicht zur Verfügung stehenden Spezialkarten der bayrischen
Hochebono müfston überhaupt in den zahlreichen Parallel-
thnlern ausgezeichnete Relege ftir die gegebenen Erörte-
rungen enthalten.
Übrigens ist der Parallelismus zweier benachbarter Thä-
lor kein unbedingtes Plrfordernis zu dem Zustundekommen
der Tlialasymmetrio , sondern es zeigen sich auch an kon-
vergierenden Thülern oder Thalstrccken die gleichen Er-
scheinungen, wenn auch naturgemäfs in minder auffallender
Weise.
Untergeordnet, wenngleich als Ergänzungen nicht un-
wichtig, sind folgende sich an die Thalasymmetrie knüpfeude
Reohachtungcn und Erwägungen.
Die Entfernung der Rückenlinie von dem höhor liegen-
den Thalo zeigt gegenüber jener von dem tiefem Thale
ein auffallendes Einhalten enger Grenzen. Meist beträgt
in jenem steirischen Gebiete die horizontale Projektion dieser
Entfernung, wie sie an den Karten unmittelbar mefsbar
ist, ca 500 m, während die ganze Rreite der Rückenbasis
sich bis auf mehrere Kilometer boläuft und in ihren ver-
schiedenen Teilen sehr ungleich ist. Die Rücken ziehen
von der Hauptwasserscheide zwischen Mur und Raab aus,
in südlicher Richtung an Hoho und in ihren südlichen Teilen
auch au Rreite bis zur völligen Zuspitzung abnehmend;
aber trotzdem bleibt die Entfernung der sekundären Wasser-
scheide von dom westlichen Hiigelrande die gleiche. Dies
lehrt, dafs die Länge der (lächern Rückenseito noch nicht
dem natürlichen Übergewichte des tielern Flusses entspricht.
Diu von letzterm her auf den Rückon wirkende Kraft hat
nicht dus ihrem Uborschufs entsprechende Gehängstück
erobert, sondern weniger, und strebt darüber hinaus. Das
höher gelegene Thal wird dadurch gehindert, das ihm nach
seiner Tiefe gegenüber dom Rücken gebührende Gehäng-
stück zu erhalten, sondern mufs sich mit einem konstanten
Teile begnügen , welcher wahrscheinlich vorwiegend durch
die natürliche Böschuug der den Rücken zusummensetzon-
den Gesteine bedingt ist. Die Wirkung beider Thäler auf
die Gehänge kommt in der Rückenlinie zur Verschneidung
und erniedrigt sie immer mehr, bis entweder Gleichgewicht
oiutritt, oder bei genügender Tiefeuverschiedenheit und
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Asymmetrische Thäler.
175
.Nähe beider Thäler das höher liegende Thal in das tie-
fere einbezogen wird. Auf letztere Erscheinung hat Gil-
bert zuerst hingewiesen und sie als abttraelion bezeichnet.
Diese Einziehung mufs von unten hör, wo die Rücken
auch jetzt niedriger sind als weiter flufsaufwärta , vor-
schreiten. Der früher selbständige Nachbar mündet in sei-
nen begünstigten Genossen, nachdem diu trennende Rücken-
spitze verschwunden , und diese Mündungsstelle schreitet
mit der weitern Abtragung der Schoido nach aufwärts vor.
Durch diese Ileseitigung der gegon das Hauptthal vortre-
tenden Rückensporne wird dieses selbst breiter.
Ich will hier nur nebenbei auf eine fruchtbare Anwen-
dung dieser Anschauung auf eine noch nicht ganz befrie-
digend erklärte sonderbare Erscheinung hinweisen.
Die Wandungen der nicht caflonförmigen Thäler treten
innerhalb des gleichen Querschnittes nach oben auseinan-
der, sie konvergieren gegen die Thalsohle. Nicht selten
beweisen beidseitig eingesclinittcno Flufsterrassen , dafs
die Entfernung der jotzt diu Thalwand bildenden Abhüngo
an den dun Kämmen nähern Stellen nicht erst nach der
weitern Yertiofung horgestellt wurde, sondern schon zu
einer Zeit vorhanden war, als das Thalnivcau in der Höhe
jener Terrassen gelegen war. Dies führte zu verschiedenen
Erklärungen, zu der verbreiteten Annahme einer früher
gröfsern Wassermasse , ferner zu dom Gedanken , dafs bei
gleicher Dauer der aufeinanderfolgenden Rubezeiton der
Thalvortiefuug in höher gelegenen (altern) Thalstadion wogen
der geringem Höhe der abzuschrämmenden Thalwände eine
stärkere Verbreiterung erzielt werden konnte (Hoini).
Die angeführte Einziehung eines Nachbarthaies scheint
nun ebenfalls eine beachtenswerte Erklärung zu liefern.
Mindestens eine dor beiden entsprechenden Terrassen ge-
hörte zu ihrer Bildungszeit einem durch einen Rücken
von ihrem Gegenstück geschiedenen Thale au, welches von
dem stärkern Nachbar zu dessen Gobiet gezogen wurde.
Dio Höhe dor Terrassenoberflächcu wird die gleiche seiu,
wenn die Tiefonverschiedenheit der Thäler nicht vor der
Bildung der Terrassen bestand, oder wenn dio Terrassen
zwei das einziehende Thal begleitenden, unter sich gleich
tiefen Thälern angehörten.
Während die Beispiele aus den Flachländern, mit wel-
chen dioso Ausführungen begonnen wurden , den von tek-
tonischen Einflüssen unberührten Vorgang aufdcckon, lehren
die Belege aus den kristallinischen Kettongebirgsmassen der
Otzthaler Alpen, dafs die der Erosion dienenden Kräfte
auch in den geschilderten mehr sekundären Vorgängen über
die allerdings mächtigen Bedingungen von seiten tektoni-
scher Verhältnisse schliefslich obsiegen.
Scheinbare Ausnahmen von dem Gesotze , dafs
dio tioforo Mündung eines Nuchbarflusses eine gröfsere
Tiefe der entsprechenden Thalstreckon , oinc Abdrängung
der Längswasserscheide gegen den höhorn Nachbar und
eine flachere Böschung der zugekehrten Rüekenwand zur
Folge hat, entstehen dann, wenn die Verbindungslinie der
Mündungen mit den Linien der (parallelen) Nebenflufsrich-
tungen gegen den Ursprung de3 Hauptflusses zu spitze
Winkel bildot. Das tritt in zwei Füllen ein. Erstens, wenn
zwei parallolo Nebenflüsse mit dem sie aufnehmenden Haupt-
Hufs llufsaufwärts divergieren. So läuft die Kainach in der
westlichen Mittelstoiormark unterhalb Mooskirchen nach Süd-
osten, die Sdding und die Lioboch fliefsen ihr, unter sich
fast parallel, in südsüdöstlicher Richtung zu. Obwohl die
Mündungstiefe der (weiter unten mündenden) Lieboch be-
deutender ist als dio der Söding, so liegen doch die die
Abtragung des Zwischenrückens beeinflussenden Stellen der
Lieboch höher, als die entsprechenden Punkte der Söding,
wie dies die Hühenzuhlon der Karte ausweisen. Die Wasser-
scheide liogt hier demnach nahe dom Ostende dos Rückens,
hauptthulabwärts , während Bie sonst hauptthalaufwärts ge-
legen ist. Diu schomatischo Fig. 9 soll diese Verhältnisse
verdeutlichen.
Der zweite hierher gehörige Fall besteht in der gröfsern
Entlegenheit der Mündung des tiefer einströmenden Neben-
flusses durch Einbiegung des Hauptflusses gegen den hohem
Nebenflufs (Fig. 10), oder Ausbiegung desselben vou dem
tiefem hinweg (Fig. 11). Auch hior ist bei entsprechen-
dem Betrage der Krümm ungou das Niveau der korrespon-
dierenden Thalstücke und folglich dessen Wirkung in gloi-
• ehern Sinne verschieden.
Dieselbe Wirkung kann ferner durch eine Krümmung
des tiefer mündenden Nebenthaies hervorgorufen wurden.
Die Umkehrung der erwähnten Verhältnisse wirkt in
176
Asymmetrische Thiiler.
allen drei Fällen in entgegengesetztem Sinne, also die ge-
wöhnliche Erscheinung der Asymmetrie verstärkend.
Neben diesen scheinbaren gibt es indes auch wirk-
liche Ausnahmen. Dahin gehört erstens die Wirkung
der großem Wassermasse eines Flusses im Vergleich mit
einem andern , welche sich zwar auch in normaler Weise
als Folge der grölsern Miindungstiefe und (dadurch bedingten)
Flußlänge lierausstellt , aber in vielen Fällon durch andre
Faktoren bedingt wird. Die bedeutendere Wassormenge
hat an und für Bich eine bedeutendere Eintiefung zur Folge.
Von der nähern Erörterung der Ursache vermehrter Wasser-
führung, welche in dem gröfsern Alter der Rinne, in der
Anzapfung einer vorgebildeten Depression, in Vegetations-
verhältnissen, in tektonischen Ursachen, überhaupt in
allen Umständen liogen kann, welche die RUckwärtsver-
längerung des Flußgebietes und somit die Gewinnung
eines gröfsern Sammelgebietes begünstigen, soll hier abge-
sehen werden. Wahrscheinlich ist in den meisten Fällon
das höhere Alter des Hauptllusses bestimmend ; von ihm
aus und durch seine Depression veranlaßt, entstanden Neben-
rinnen, doren Wasserzufuhr den Hauptflufs Macht und Stel-
lung behaupten und fortbilden liefs. Die gröfsere Wasser-
masse ist dio Ursacho, dafs dio Rinnen der Hauptflüsse
stets tiefer liegen , als die ihrer Nebenflüsse , sofern die
Namengebung don hydrographischen Verhältnissen entspricht.
Denn für beide ist von dem Punkte ihrer Voreinigung an
für die aufwärts gelegenen Strecken die gleiche Erosions-
basis gegeben, nämlich die Vereinigungsstelle.
Andre Ausnahmen können durch monokline Schichten J),
namentlich aus verschieden widerstandsfähigen Lagen ge-
bildete, deren Neigungslinien die Längsrichtungen der Flüsse
kreuzen , ferner durch eino quer über die Flufsbetten
verlaufende primäre Oberflächennoigung des Terrains (welche
ja nicht in allen Fällen die Richtung der Tliälor be-
stimmt), fornor durch verschiedene Resistenz der Thal-
wandgesteino , endlich durch verschiedene Widerstände der
Thalsohle gegeben worden. Diese hier als Ausnahmen ver-
zeichneten Fälle sind zugloich selbständige Faktoren unsym-
metrischer Thalbildungen, sie tretou aber gegenüber dem-
jenigen der zunehmenden Thaltiefen in den Hintergrund.
Gleichwohl würdon sie hier eine ausführlichere Behandlung
erfahron, wenn dem Verfasser eigne Beobachtungen darüber
zu Gebot« stünden.
Solche Ausnahmen, in welchen nicht die Verhältnisse
der Wassermeugeu als primäre Ursachen anzunehmen sind,
liegen mir verhältnismäßig wenigo vor. Es sind die von
Süden kommenden Zuflüsse des Kis KUküllö in Siebenbür-
gen auf dem Blatt« 20, XXXI der neuen Generalstabskarte,
*) Gilbert, Henry Mountains, 1877, p. 140, Fig. 69.
ferner Zuflüsse des Luczitm-Baches (6, X(X der Karte),
und des Osiok-Baches (6, XX) in Schlesien. Die auffallendste
dieser Ausnahmen bildet dor Rücken zwischen dem Mur-
flusse und dem Pöfsnitz-Bacho in Steiermark (19, XIII und
XIV), welche, beide in westöstlioher Richtung fließend, durch
einen breiten Rücken getrennt sind, dossen Wasserscheide
in der östlichen Gegend ganz nahe an der viel wasserrei-
chem und viel tiefer eingerissenen Mur liegt. Zahlreiche
Bäche laufen nach Süden zur Pößnitz; ein wenig geglie-
dertes Steilgehängo wird von der knapp an dasselbe an-
drängenden Mur bespült. Daß die Erscheinung nicht mit
dem Andrängen dos Flusses , welches wohl seinen An-
teil daran haben muß, allein erklärt werden kann, geht
daraus hervor, dafs der Rücken bei der gedachten Verle-
gung des Flufstbales an dessen nördlichen Rand noch immer
in gleichem Sinno unsymmetrisch wäre.
Dio Ursache dieser Ausnahmen müßte für jeden ein-
zelnen Fall aus dem gonauon Studium der betreffenden Ört-
lichkeit abzuloiten versucht werden.
Die mit der seitlichen Lage der Wasserscheiden zusam-
menhängende Asymmetrio der Rücken kommt nicht immer
mit jener der Thäler vor, ebensowenig wie die Thalasym-
metrie mit jener der Rückon. In dem oben gegebenen
Supansclien Profile haben wir oine Annäherung au das erst-
genannt« Verhältnis. Wären das Innthal und das Pitzthal
gleich tief, und der Glockenkamm und das Kaunsergrat gleich
hoch, so hätten wir das Beispiel eines symmetrisch gebau-
ten Thaies, welches von zwei unsymmetrischen Rücken be-
grenzt wird. Wenn also zwischen zwei gleich tiefen Thal-
furchen ein höheres oder tieferes Thal liegt, so ist bei sonst
gleichen Faktoren dieses mittlere Thal symmetrisch , seine
beiden Grenzrücken sind aber unsymmetrisch; die Wasser-
scheide liegt, je nachdem das mittlere Thal höher oder tiefer
ist als seine beiden Nachbarn, näher dem mittlern Thale
(Fig. 12), oder näher den beiden äußern Thälern (Fig. 13).
Fig. 13.
Ein symmetrischer Rücken bei unsymmetrischen Greuz-
thälern kann entstehen, wenn dioser Rücken von zwei gleich
tiefen Thälern begrenzt wird , diese aber nach außen je
einen höhern oder tiefem Nachbar haben (Fig. 14).
Auch bei gleicbor Mündungstiefe, gleicher Wassermenge
und auch sonst gleichen Erosionsfaktoren kann eine Thal-
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Asymmetrische Thäler.
177
Kr- 14.
asymmetrie entstehen. Wenn zwei Flüsse in schiefer Rich-
tung (schief in bezug auf die Verbindungslinie ihrer Mün-
dungen, in ähnlicher Weise wie in Fig. 9) in das Meer
oder einen Seo einströmen, wird sich aus der gleichen Ur-
sache wie bei der Mündung in einen Flufs die gleiche
Asymmetrie einstellon, in diesem Falle sogar in stärkorm
Mafse , da nicht die höhor gelegene Mündung des einen
Flusses ein Gegengewicht schafft. Flüsse , welche, unter
sich parallel, senkrecht auf dio Küste in das Meer münden,
wie beispielsweise die den südöstlichen Saum der Vereinig-
ten Staaten durchströmenden, müssen nach der Regel ihren
verschiedenen Wassermengen entsprechend gestellte Längs-
wasserscheiden besitzen.
Auch mit Bezug auf die Lage der grofsen Wasserschei-
den zwischen Flußgebieten spielt die Höhenlage der Ero-
sionsbasis eine gleichbedeutende und dio tektonischen Fak-
toren schließlich überwältigende Rolle. Dor Platz unsrer
obern Wasserscheide in der Figur 1, welcho mit Rücksicht
auf den Hauptflufs als Längswaaserscheide, hinsichtlich der
Nebenflüsse als Querwasserscheide wirkt, würde durch einen
jenseits derselben gelegenen Längsfluß in gleicher Weise
beeinflußt werden , wio dios an den Längswasserscheiden
der Nebenflüsse gezeigt wurde. Zahlreiche Beispiele für
dieses Verhalten können auch aus Karten kleinern Maß-
stahes entnommen werden.
Bekannt ist ferner die einseitige Lage der Plateau-
Wasserscheiden. Für die podolische Platte erklärt sich
der Verlauf der Wassorscheide an deren nördlichem Rande,
welcher Verlauf mit der „ Randstellung der Höhenpunkte“
zusammentrifft, genügend aus der großem Tiefe der Dniester-
rinne im Süden im Vergleich mit der Depression der Tief-
ebene im Norden.
Dio Tiefo der Erosionsbasis beeinflußt auch Länge und
Breite der Thäler, wie dies in Figur 1 angedeutet wurde.
Schon Supan hat in soiner angeführten Schrift (S. 366)
den Satz ausgesprochen, daß die Thaldepression im ge-
raden Verhältnis zur Länge dor Thälor steht. Thäler,
welche , um den einfachsten Fall anzunehmon , unter sich
parallel senkrecht in ein Hauptthal münden , müssen , wo
nicht störende Umstände umgreifen, je weiter hauptthalab-
wärts sie golegen sind , um so mehr an Länge zunehroen,
so daß dio Wasserscheide hinter ihnen mit dem Hauptfluß
in dor Richtung des Laufes des letztem divergiert, wie dies
ebenfalls in Figur 1 gezeichnet wurdo.
Dem Einflüsse der Erosionsbasis ist auch die Tbatsache
zuzuschreiben, daß die Hügelländer sowohl in der Richtung
ihrer eignen Flüsse, als auch in jener der sie begleitenden
Sammolrinnon an Höho abnehmen, und domnach die herr-
schende Oberflächenneigung zwischen beiden Richtungen
liegt.
Der VI. deutsche Geographentag zu Dresden vom 28. bis 30. April 1886.
Der Verlauf des VI. deutschen Goographentages, welcher
in der Woche nach Ostern vom 28. bis 30. April in Dresden
stattfand, stimmte vollkommen mit seinen Vorgängern über-
ein; in der Wahl der Vorträge, Arrangement der Aus-
stellung, in don geselligen Zusammenkünften trat ein Unter-
schied von don bisherigen Versammlungen nicht hervor.
Nur in der Zahl der Teilnehmer war ein großer Abstand
bemerkbar, aber man würde einen Irrtum begohou, wenn
man hiernach auf eine Abnahme der Teilnahme an dieson
Zusammenkünften, welche einerseits das allgemeine Interesse
au geographischen Forschungen wecken , anderseits den
Fachmännern durch Diskussion streitiger Fragen und Vor-
bringen neuor Gesichtspunkte Anregung zu gründlichen
Untersuchungen geben soll, schließen wollte. Die bisher
nicht erreichte Zahl der Teilnehmer in Hamburg war teil-
weise in lokalen Verhältnissen begründet, wie denn dort
dio Stadt und nächste Umgebung den höchsten bisher er-
reichten Prozentsatz der Teilnehmer stellte. Die geringere
Petermann* Oeogr. Mitteüongen. 1886, !l«ft VI.
Teilnahme in Dresden ist hauptsächlich in dom bereits
eingetretenen Schluß der Schulferien und dem nahe bevor-
stehenden Schluß der Universitätsferien zu suchen, durch
welchen zahlreiche, sonst regelmäßige Besucher abgehalten
wurden , in Drosdon sich oinzußnden l). Auch die gleich-
zeitig stattflndonde Generalversammlung des Deutschen Ko-
lonialvereins dürfte den Besuch des Geographentages beein-
trächtigt haben.
Die großu Reiho dor Vorträge eröffnoten in dor in
Gegonwurt des Königs von Sachsen abgehaltenen 1. Sitzung
>) Die Teilnahme an den butterigen Geographentsgen war folgende: In
Beilin ca 70, in Halle 434, in Frankfnrt a. M. 504, in Mönchen 345,
in Hamburg 633, in Dresden (nach vorläufiger Zusammenstellung) 333,
und zwar waren von diesen 196 aut Dresden und Umgegend, 51 aus
Sachsen, 24 aut Mitbeldeutachland, 39 au» Nord- und Westdeutschland,
5 au» Süddeutschland, 18 au» dem Auslande (8 aus Österreich -Ungarn,
4 aus der Schweis, 2 au» den Niederlanden, 2 au» Kufsland, 1 aus Ru-
mänien, l au» den Vereinigten Staaten). Die Versammlungsorte selbst
stellten folgenden Prozensati der Teilnehmer; Berlin nicht fesUustellen,
Halle 51 Prozent, Frankfurt a. M. 70 Prozent, München 65 Prozent, Ham-
burg 76 Proxent, Dresden 59 Prozent.
23
178
Der VI. deutsche Geographentag zu Dresden vom 28. bis 30. April 1886.
Leutnant von Francois’ Mitteilungen Über seine Reisen im
südlichen Kongogebiete, über dio mit Leutnant Wifsinann
ausgerührte Fahrt auf dem Kassai und die in Begleitung des
Missionars Grenfell durchgoführte Aufnahme des Tschuapa
und Lulongo und ihrer Tributäre Bussera und T.opuri. Der
Reisende schilderte die physikalische Beschaffenheit der durch-
wanderten Gegenden, ihre Bewohner, deren Thätigkeit und
Lebensweise, Tier- und Pflanzenwelt und berührte auch
die Streitfrage über die Nutzbarkeit des Kongo -Beckens,
indem er es mit Recht für ganz undenkbar erklärte,
dafs ein Gebiet von mehr als 2 Mill. qkm, welches eine
Bevölkerung von vielen, zum Teil sehr gedrängt ansässigen
Millionen ernähre, gar keino die Ausbeutung lohnendo
Produkte bieten solle, v. Francois stellt sich nach seinen
auf einer Wanderung und Wasserfahrt von 4500 km Länge
gesammelten Erfahrungen vollständig auf Soite von Leut-
nant Wifsinann. Zugleich verteidigte er auch die Möglich-
keit oinor Besiedelung dos südlichen zentralen Kongogcbiotos
durch Europäor, welche bei einigor Vorsicht- selbst bei
sonnigen Tagen 4J Stunden im Freien arbeiten können.
Die Erschliefsung des Kongobeckens erwartet auch er von
der Anlage einer Eisenbahn am untern Kongo, welche die
Ansiedelungen begünstigen müsse.
Prof. Dr. E. Naumann gab einen Einblick in dio Schwie-
rigkeiten, welohe der von ihm übernommenen Aufgabe einer
geologischen Aufnahme Japans entgegenstanden. Um die
Grundlage dieses Werkes zu schaffen, war die Ausführung
einer topographischen Aufnahme nötig, für welche erst -die
Mitarbeiter unter den Japanern horangebildet werden
mufsten; die geringe Schulung derselben, der Mangel an
Mitteln, endlich der von der Bevölkerung ontgogongebrachto
Widerstand verhinderten denjenigen Mafsstab an Gründlich-
keit, welcher in Europa au derartige Werke gelegt wird.
Prof. Naumann berichtete über den Stand dor Aufnahmen
nach fünfjähriger Thätigkeit und schilderte in kurzen Zügen
den Aufschlufs über den orographischen Aufbau dor süd-
lichen Inseln, welchen die Aufnahmen bereits gegeben.
Loidor erfolgt die Veröffentlichung der Berichte in japa-
nischer Sprache, sie sind deshalb für Europäer nicht zu-
gänglich, werden aber auch nur von sehr wenigen Japanern
gelesen und verstanden.
Dio Untersuchungen, welche Dr. Leipoldt über dio Er-
hebung des Meeresspiegels an den Festlandküsten anstellte,
gipfelten in dom Vorschläge, die Beobachtungen des Queck-
silher- Barometers zur Kontrolle der Pendelraessungen zu
benutzen , da diese zu bedeutende und widerspruchsvolle
Abweichungen für dio Höhe des Meeresspiegels vom nor-
malen Sphäroid ergeben hätten. In der anschliefsoudon
Debatte wies der Leiter der deutschon Seewarte, Geh.
Admiralitätsrat Prof. Dr. Neumaver, auf das Helraertsche
Werk „Theorien der hohem Geodäsie“ hin, welches in
bahnbrechender Weise den verschiedenen Wert der Pendel-
beobachtungen aufgedeckt und nahgewiesen habe , welche
Korrekturen namentlich bei altern Serien auzuweuden sind,
um deren Ergebnisse mit neuern Untersuchungen ver-
gleichen zu können.
In seinen Erörterungen Uber Küsteneinteilung und
KUstenentwickelung in verkohrsgeographischom Sinne suchte
Prof. Hahn die Aufmerksamkeit der Geographen der lange
wenig beachteten Gestaltung der Küsten zuzuwenden und
namentlich zu eingehenden Untersuchungen an Ort und
Stelle aufzufordern, auf welche Weise die Küste entstanden
sei, welche Kräfte an ihrer Umgestaltung thätig seien, wie
dieselbe ihre Wirksamkeit äufsere, welchen Einflufs die
Küsten auf Verkehr und Ansiedelung ausüben. Ein reiches
Material sei bereits in den Seekarten und namentlich in
den Segelhandbüchern verborgen , welche viel zu wonig
ausgenutzt würden. Eine Reihe von typischen Erscheinungen
der Kiistengest<ung empfahl der Vortragende nach ihrem
charakteristischen örtlichen Auftreten als normännisclie,
mediterrane, jütische &c. Küstenfora zu bezeichnen.
In warmer Verteidigungsrede wies Dr. P. Lehmann
auf Kants Bedeutung für die Geographie hin, welche durch
soino hervorragenden Leistungon auf andren Gebieten bishor
vielfach verkannt wordon sind. Die beiden Ausgaben seiner
physischen Geographie sind ungeeignet, Kants Bedeutung
zu würdigen, da sie teils entstellt, teils ohne sein Wissen
veröffentlicht wurden. Kants Arbeiten in der physischen
Erdkunde, seine Untersuchungen über dio Erdumdrehung,
Erklärungen geologischer Formationen, Beobachtungen me-
teorologischer Erscheinungen, vorzüglich die Erklärung der
Passat winde, siud um so mobr der Anerkennung wert, als
er niemals fremde Länder gesehen hat, und selbst die
Kenntnis von Gebirgsformen ihm fehlte.
In flüchtigen Umrissen skizzierte Prof. Egli die Ent-
wickelung der Ortsnamenkunde, die von England und Frank-
reich ausging und erst nach dem Dreifsigjährigen Kriege
in Deutschland festen Fufs fafstc. Aus der Zeit vor 1600
sind höchstens 50 Schriften über diesen Zweig der Geo-
graphie zu ermitteln, von 1600 — 1840 sind bereits 270
zu verzeichnen, bis 1870 steigerte sich die Zahl auf 740
Nummern, während in den letzten 15 Jahren, bis 1885,
nicht wonigor als 1100 Untersuchungen über die Bedeutung
der Namen von Ländern, Orten, Flüssen, Gebirgen &c an-
gestellt worden sind.
Für die greise Wichtigkeit, welche die Erschliefsung
Sibiriens für dio Wissenschaft wie für die Weltwirtschaft
zur Folgo haben wird, brachte Dr. E. Petri eine grofse
Reihe von Nachweisen. Die topographischen wie die oro-
graphischeu Verhältnisse sind noch wenig erforscht, wie
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179
Der VI. deutsche Geographentag zu Dresden vom 28. bis 30. April 1886.
selbst die treffliche russische Generalstabskarte von 1884
darthut. Die Untersuchungen über die Vergletscherungen,
Qber Reliktenseen sind noch nicht auf dieses jungfräuliche
weite Gebiet ausgedehnt: die Klimatologie wird in den
einfachen, aber ungeheure Räume umfassenden Verhält-
nissen der Oberflächen -Gestaltung wichtige Aufschlüsse er-
warten dürfen. Ebenso werden Flora, Fauna und endlich
die Menschen selbst, die, noch wenig beeinflufst von euro-
päischer Kultur, alle Stufen der Entwickelung vom wan-
dernden Jägerstamme bis zum sefshaften Ackerbauer ver-
treten, reichen Stoff der Ausbeute gewähren. Trotz der
bereits mehr als ein Jahrhundert betriebenen raubbau-
mäfsigen Ausbeutung Sibiriens, namentlich soiner Pelztiere,
seines Goldes, seines Ackerlandes, sind die Schätze Sibiriens
als unabsehbar zu bezeichnen, welche erst gehoben werden
können, wenn durch Gewährung von Selbstverwaltung, Auf-
bören der Deportation, bessere Kommunikationen eine freie
Ansiedelung bogünstigt wird. Diose Mitteilungen fanden
noch Ergänzung durch Dr. Woeikow, welcher der Anlage
einer Schmalspurbahn von Tomsk nach Irkutsk gegen den
Bau von Kanälen zur Verbindung der verschiedenen, oinen
grofsen Teil des Jahres durch Frost unzugänglichen Wasser-
strafseu den Vorzug gab. Prof. Wagner schob die Schuld
für die geringo Kenntnis sibirischer Verhältnisse in Europa
dem Umstande zu, dafs die Resultate russischer Forschungen,
weil fast ausschliefslich in russischer Sprache veröffentlicht,
der Benutzung wenig zugänglich seien. Sein Wunsch,
diese Untersuchungen durch Übersetzungen den westeuro-
päischen Geographen zu erschliefsen , wie es einst Ermans
Archiv gethan, darf um so mehr auf Anklang rechnon, als
selbst die Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft von der zeit-
weilig angewandten Methode, ihren Publikationen Referate
in französischer Sprache boizufligen , wieder Abstand ge-
nommen hat.
Die Notwendigkeit einer sebärfern Re-grenzung geo-
graphischer Begriffe, über deren Benennung in Lehr-
büchern noch vielfache Unklarheit herrsche, betonte Dr. 0.
Schneider durch das Beispiel der schlechthin mit Steppe
bezeichneten Erscheinungsformen , welche sowohl die ei-
gentliche Steppe der subtropischen Gebiete, die Savannen
der Tropen als auch die Tundren der arktischen Gegenden
umfasse. Eine hierauf bezügliche Resolution wurde vom
Vortragenden zurückgezogen, nachdem Prof. Wagner, wel-
cher sich auch für möglichst genaue Klassifikation aussprach,
das Thema für nicht spruchreif erklärt hatte.
Einige Angelegenheiten, welche schon frühere Geogra-
phontage beschäftigt batten, standen wieder zur Verhand-
lung. Aus dem fortlaufenden Berichte der Zentralkominis-
sion für deutsche Landeskunde ist hervorzuheben, dafs nach
Wunsch des V. Geographentages durch Kooptierung von
Bibliothekar Dr. Richter eine Kraft gewonnen wurde, welche
namentlich für die Zusammenstellung der Bibliographien
beratend eintreten wird. Ein Normalschema iUr die mög-
lichst praktische Einrichtung dieser Wegweiser in derlitte-
ratur ist bereits von demselben verfafst und von der Zen-
tralkommission verteilt worden. Auf Veranlassung der Zen-
tralkommission hat der Verein für Erdkunde in Dresden
ein Verzeichnis sämtlicher Forscher auf dem Gebiete deut-
scher Landeskunde unter besonderer Hervorhebung des von
einem jeden gepflegten Spozialstudiums herausgegeben ; dieses
Verzeichnis gelangte während des Geographentages zur Ver-
teilung. Einen weitern Sohritt zur Iäisung ihrer Aufgabe
hat die Zentralkommission gethan durch diu Anregung von
Monographien zur Landeskunde, vou denen bereits fünf er-
schienen sind.
Die Begründung eines fortlaufenden geographischen Re-
pertoriums, für welches Prof. v. Riohthofen bereits in Mün-
chen die Anregung gegeben hatte, war durch die Einrich-
tung des Litteraturberichtes in diesen „Mitteilungen“ bereits
zur Ausführung gekommen, welcher, wio der Antragsteller
ausführte, allen Anforderungen entspreche; er sprach zu-
gleich den Wunsch aus, dafs eine gröfsere Anzahl von Mitar-
beitern sich an diesem Werke beteilige, und dafs von seiten
der Verleger, namentlich der aufserdeutschen, das Unter-
nehmen, welches den Qoographen die wünschenswerte Orien-
tierung in der grofsen Zahl geographischer Publikationen
verschaffe, die erforderliche Unterstützung erhalte. Das
Mandat der Kommission von drei Mitgliedern wurde auf ein
weiteres Jahr verlängert, um Uber die Möglichkeit einer
etwaigen Erweiterung der Berichte mit dem Herausgeber sich
ins Einvernehmen zu setzen. Auf Vorschlag des Referenten
sprach dor Geographontag dem Verfasser der Litteratur-
berichte, Prof. Supan, den Dank für sein Unternehmen aus.
Zu einer langem Debatte, welche abor eine Klärung
der entgegenstehenden Ansichten nicht brachte, gaben die
Ausführungen von Direktor Matzat, wie das Zeichnen beim
geographischen Unterrichte gehandbabt worden solle, Ver-
anlassung. Durch die von ihm angewandte Methode wird
die Lage von einzelnen Orten nicht nach den Graden, son-
dern durch die mittels konzentrischer Kreise zu ermittelnde
Entfernung von einem Hauptorte bestimmt. Bei der Dar-
stellung der orographisohen Verhältnisse wird nicht nur
die Richtung und Loge der Gebirge, sondern auch ihre
Abdachung und Höhe in möglichst einfacher Weise zur
Anschauung gebracht- Während Dr. Schneider vor einer,
bereits auf dem ersten Geographentage zurückgowiesenen
Überschätzung des Zeichnens und der darauf begründeten
Beurteilung des Wissens boi den Schülern warnte, traten Pri-
vatdozent Dr. ltegol und Schulrat Dr. Krosta unter Aner-
kennung der durch Zeichnen gewonnenen Resultate für
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180
Der VI. deutsche Geographentag zu Dresden vom 28. bis 30. April 1886.
möglichst einfache Karten ein, wodurch eine überbürdung
der Schäler verhindert werde.
Gerade die Debatte über diesen Gegenstand läfst es
wünschenswert, erscheinen, dafs die Einrichtung, welche
sich namentlich in Münchon bewahrt hat, durch Ernennung
eines zweiteu Referenten dio Erörterung verschiedener An-
schauungen zu fördern, auch fernerhin mehr befolgt werden
möge. Die Auseinandersetzungen würden allerdings längere
Zeit in Anspruch nehmen, aber voraussichtlich mehr zur
Klärung der Ansichten beitragen. Eine Beschränkung der
Vorträge müfste jedenfalls erfolgou, um genügende Zoit für
oingehende Erörterungen zu gewinnen. Dafs eine solche
Beschränkung dem Geographentage zum Nachteilo gereichen
würde, ist wohl nicht zu befürchten : es dürfte unsrer An-
sicht nach oin Vormittag für Vorträge, welche eine Debatte
nicht horvorrufon worden, wie Borichto über Entdeckungs-
reisen, dio man gedruckt mit ebensoviel Vergnügen und viel-
leicht mit mehr Nutzen lesen wird, gonügen, um die Erwar-
tungen weiterer Kreise zu Imfriedigen. Bereits im vorigen
Jahre wurde an dieser Stelle der Wunsch ausgedriiekt, dafs
eine Beschränkung in dom Mafse des Gebotenen erfolgen
möge. Dieselbe ist teilweise eingetreten , aber immer-
hin war die Zahl der Vorträge noch zu grofs, so dafs aus
Rücksicht auf die noch zur Verhandlung stehenden Gegen-
stände eino Diskussion teils gar nicht begonnen, teils bald
abgebrochen werdon mufsto. Das Programm gelangte leider
auch diesmal so spät in die Hände der Mitglieder, dafs
eine eingehende Vorbereitung wenigstens erschwert war.
Den Wünschen der zahlreichen Lehrer, welche sich an den
Geographontagen beteiligen , dürfte eine gröfsere Berück-
sichtigung schulgeographischor Fragen gerecht werden. Eine
gleichmäfsigere Verteilung der Verhandlungen zwischen den
schulgeographischen, den sogonaunten akademischen Fragen
und allgemein interessierenden Vorträgen ist wohl ohne
grofse Schwierigkeiten zu erzielen.
In einer Beziehung zeigte sich ein wesentlicher Fort-
schritt auf diesom Geographentage gogen dio Vorgänger,
nämlich in der Beteiligung seitens der Deutschen Geogr.
Gesellschaften, von denen die Vereine in Berlin, Leipzig,
Halle, Hamburg, Jena, Königsberg i./Pr., Greifswald, Kassel,
Stettin und dor Deutsche Kolonialverein vertreten waron;
von aufserdeutschen Geographischen Gesellschaften waren
Vertreter zugegen seitens der Vereine zu Amsterdam, Wien,
Budapest, Bukarest, Bern, St. Gallen und Nouch&tcl. Die
Verwirklichung des Zieles, dessen Erstrebung dio Veran-
lassung zu den Geographentagen gegeben hat, oin einigen-
dos Band zwischen den deutschen Gesellschaften herzu-
stellon, ist dadurch wieder mehr in den Vordergrund ge-
treten. Eino solche Annäherung der Deutschen Geogra-
phischen Gesellschaften wird allerdings die teilweise noch
gehegte Hoffnung auf oine Verschmelzung derselben zu einer
Allgemeinen Deutschen Geographischen Gesellschaft nicht
verwirklichen ; wohl aber kann diese Annäherung in Zukunft
dazu fuhren , dafs die Geographentage zur Förderung ge-
meinschaftlicher Unternehmungen seitens verschiedener Ge-
sellschaften denAulafs geben werden. Da gegenwärtig oine
grofse Zahl dor Deutschen Geographischen Gesellschaften dio
Unterstützung landeskundlicher Studien sich angelegen sein
läfst, so wäre ein Zusammenwirken der ZentralkoinmiBsion
für Landeskunde in gemeinschaftlichen Berufungen mit den
Vertretern der einzelnen Vereine während der Geographen-
tage wohl zu ermöglichen.
Die Ausstellung, auch in diosem Jahre ein Anziehungs-
punkt des Bosuches, bot in mauchon Teilen viele erfreu-
liche und lehrreiche Erscheinungen, welche sich sonst selten
in solcher Anschaulichkeit und Reichhaltigkeit nebeneinan-
der finden.
In geradezu imponierender Weise wurden die Leistun-
gen der staatlichen sächsischen Kartographie vor Augen
geführt, wie sie in den Landesaufnahmen niedorgelegt sind.
Neben oinigen ältorn Blättern aus dom 16. Jahrhundert,
von Münster, Ortelius, Mercator, welche nach den dürftigen
Hilfsmitteln der damaligen Zeit nur die relative Lage der
einzelnen Orte zeigte, erregte die erste, durch Matth. Oeder
1586 — 1607 ausgefuhrte Landesvermessung infolge ihrer
noch jetzt leicht zu erweisenden Genauigkeit die ihr ge-
bührende Aufmerksamkeit. In weit hohem Grade aber
wurde diese noch den Originalaufnahmen zu teil , welche
von Joh. G. Lehmann , dem wissenschaftlichen Begründer
der noch jotzt angewandten, wenn auch in Einzelheiten ab-
geänderten Darstellungsweise des Terrains auf Karten, aus-
gestellt worden waren ; aufser seinen Originalaufnahmen ans
dem sächsischen Grenzgebirgo , welche seit 1819 durch
Oberreit zu dum Topographischen Atlas von Sachsen er-
weitert wurden, lagen noch eine' Reihe von Schlachtplänen
von Lehmann vor, Blätter, die eines eingebunden Studiums
wert sind. Neben der 1862 — 1870 unter Oberst Peters
ausgearbeiteten Topographischen Karte in 1:100 000 lagen
eine grofse Zahl von Blättern dor neuern Aufnahme in
1 : 25 000, in welcher dio Torraindarstellung durch Höhen-
kurven von 10 zu 10m eingetragen ist, aus; das Tabloau
von 25 Blättern dieses Werkes, welche das Qobiet auf bei-
den Ufern der Elbe von Schandau bis Meifsen enthalten,
machte einen höchst wirkungsvollen Eindruck, erreichte
aber doch nicht die Wirkung, welche einzelne zusammen-
gesetzte Sektionen der auf derselben Grundlage beruhenden
Karten der Geologischen Spezialkarto vermöge ihres Kolo-
rites erzielten. Besonders eindrucksvoll war das Bild, wel-
ches die Wandkarte der Granite des westlichen Erzgebirges
und ihrer Kontakthöhe gewährte. Zu erwähuen sind an
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181
Der VI. deutsche Geographentag zu !
dieser Stelle eine reichhaltige Sammlung von Plänen, welche
die Entwickelung der Stadt Dresden seit dem 15. Jahr-
hundert zeigten , sowie eine Zusammenstellung von Ilerg-
werkskarten von Freiberg und Burgk, enthaltend Gruben-
risse, Bergkarton, Profile, Ansichten &c. Uber dio Ar-
beiten der europäischen Gradmessung im Königreich Sachsen
orientierten die Publikationen des Geodätischen Instituts in
mehreren Karten und Jahresberichten.
Die vom Meteorologischen Institute in Chemnitz aus-
gestellten Gegenstände waren graphische Darstellungen,
welche sich auf die laufenden Arbeiten, namentlich auf die
täglichen Wetterberichte beziehen, ferner Vorarbeiten für
kartographische Darstellungon der einlaufenden Beobach-
tungen , an denen namentlich Untersuchungen Uber den
Einflufs der Terrainverhältnisse auf die Witterungen anzu-
stellen sind, bereits ausgefuhrte Verarbeitungen von Boob-
achtungsmaterial , und endlich eine Zusammenstellung der
Publikationen dos Instituts.
Namentlich für dio Lehrer der Geographie von Inter-
esse war Dr. 0. Schneiders geographische Schulsammlung,
welche in grofser Auswahl ein umfassendes Anschauungs-
material enthält, um dem Schüler das vor Augen zu füh-
ren, wovon ihm im geographischen Unterricht« Mitteilung
gemacht wird. Erzeugnisse der Natur, der Industrie aller
Erdteile , neben dem Rohprodukt die Verarbeitung dessel-
ben, Abbildungon, namentlich Photographien von mensch-
lichen Typen, verschiedenen Formationen, besonders charak-
teristischen Landschaften &c. liefsen erkennen, mit welchen
roichen Mitteln der begeisterte Schöpfer der Sammlung den
Unterricht zu beleben weifs. Nachahmenswert ist sein
Beispiel unbedingt , ob es aber vielen Lehrern gelingon
wird, die entgegenstehenden Hindernisse, namentlich den
Mangel an Mitteln , zu besiegen , mufs so lange fraglich
erscheinen , als der Unterricht- in der Erdkunde noch als
Nebensache behandelt wird.
Eineu hervorragenden Glanzpunkt der Ausstellungen
bildeten zahlreiche bildliche Darstellungen, Gemälde, Zeich-
nungen , Photographien , welche allerdings nicht systema-
tisch über einzelne Gebiet« der Erde gesammelt waren.
Einen Einblick in die außerordentlich umfangreiche Thätig-
keit, welche Dr. A. Stübel während seiner zehnjährigen
Expedition ausgeübt hat, gewährte die Ausstellung von
Olgemäldon , Landschaften und Volkstypen aus Ecuudor
darstellend, welche ein von ihm selbst herangebildeter jungor
Maler von Heiligenbildern , Rafael Troya , in seinem Auf-
träge angofertigt hatte ; Dr. Stübel hatte den Mitgliedern
des Geographentages einen bosondern Katalog übor diesen
Teil seiner Ausstellung zur Verfügung gestellt, welcher
durch Umrifsskizzen und Erläuterungen namentlich Auf-
schlufs über die Topographie der dargestellten Gegenden
Dresden vom 28. bis 30. April 1886.
gab. Abbildungen ethnographischer Gegenstände aus Süd-
amerika aus vorspauischer und spanischer Zeit, Material
eines in Vorbereitung befindlichen Werkes, veranschaulich-
ten Kultur und Industrie südamerikanischer Völker in alter
und neuer Zeit- Beim Betrachten dieser reichen Samm-
lungen konnte man sich unwillkürlich des Bedauerns nicht
erwehren, dafs die Ergebnisse dieser au Resultaten sowohl
für Topographie, Geologie, Ethnographie, Archäologio über-
reichen Expedition nur langsam zur Verarbeitung gelangen,
und dafs noch jetzt ein übersichtlicher Bericht, ein Reise-
werk über ihren Verlauf, in welchem die landschaftlichen
Darstellungen die ihnen gobührende Beachtung finden wür-
den, dem Geographen noch nicht zugänglich ist.
Ebenfalls aus Südamerika stammen A. Goerings Aqua-
relle, welche Natur- und Volksleben in Venezuela und
Argentinien behandeln. Erwähnenswert sind die Abbildun-
gen der durch Humboldts klassische Schilderung bekannten
Guacharo-Höhle. Eine grofse Serie von Photographien aus
Moxiko lieferte Dr. E. Deckort. Die Aucklaud-Insoln waren
durch 50 Photographien vertreten, welcho H. und J. Krone
während der deutschen Expedition zur Beobachtung des
Venus - Durchganges 1874/75 aufgenommen hatten. Land-
schuften von Madeira und don Kanarischen Inseln stellten
Bleistiftskizze und Aquarelle von 0. v. Alvonsloben dar.
Dio Originale der in seinom Prachtwerke über Russisch-
Turkest-an , Buchara, Chiwa und Transkaspien teilweise re-
produzierten Photographien , ca 300 an Zahl , waren von
H. Moser auf Charlotte nfels ausgestellt. In bunter Ab-
wechselung bieten sie Szenen aus dum Volkslubon, Typen
der verschiedenen Stämme, Gebäude, Persönlichkeiten u. dgl.
und lassen den durch Rußlands Vordringen ausgeübten
Einfluß erkonnen. Von dom gerade aus Japan zurück-
gekehrten Ingenieur Curt Netto stammte eine beträchtliche
Sammlung von Aquarellen aus Siam, Indien, China und
Japan.
In weit eingehenderer Weise gestattet« einon Einblick
in das Loben und Treiben des Volkes, in die Natur von
Japan Dr. Naumanns umfassende Ausstellung, wolche mehr
als 200 Nummern zählte ; ein geringer Bruchteil war be-
reits auf der vorjährigen Ausstellung in Hamburg vertreten
gewesen. Erstaunlich ist die Summe der Leistungen, welcho
Dr. Naumann in kaum fünf Jahren ungebahnt und teilweise
zur Vollendung gebracht hat, zumal in anbetracht dor
Schwierigkeiten, welche seinen Arbeiten durch don gänz-
lichen Mangel an geschulten Zeichnern und Graveuren ent-
gegonstunden. Ebenso erstaunlich aber sind auch die Fort-
schritte, welche die Japaner in dor technischen Herstellung
von Kartenworkon gemacht haben. Von der topographischen
Rekognoszierungskarto in 1 : 400 000 lagen die den nörd-
lichen Teil der Hauptinsel umfassenden Sektionen in zwei
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182
Der VI. deutsche Geographentag zu Dresden vom 28. bis 30. April 1886,
Ausgabeu, mit lateinischer und mit chinesischer Schrift
versehen , von der Spezialkarte in 1 : 200 000 die Blätter
Yokohama, Kadzusa und Idzu ebenfalls in zwei Ausgaben
aus. Zahlreiche Origiualskizzen, Mefstischblätter, Entwürfe,
Tabellen , zum Teil von japanischen Hilfsarbeitern ango-
fertigt, illustrieren die bei der Aufnahme erfolgte Methode.
Borichto an dio japanische Regierung und mehrere Ver-
öffentlichungen Dr. Naumanns gaben einen Einblick in die
gewonnenen Resultate. Aufserdem hatte derselbe eine grofse
Zahl von Photographien und Aquarellen vorgelegt, welche
namentlich den verschiedenen Charakter dos Landes nach
der goologischen Formation erkennen liefsen.
Nicht sehr reichhaltig war die Zusammenstellung der
Kolonial -Litteratur. Sie umfafste nur 25 Nummern und
zeigte dadurch deutlich , dafa in Deutschland das Inter-
esse für Kolonien noch nioht sehr bedeutend ist- Nur zum
Teil erfreulich war die Ausstellung der neuosten geographi-
schen Litteratur, 1885 — 86, wolche allein auf dem Gobiote
der Reisewerke eino wesentliche Bereicherung erfahren
hatte, und selbst diese ist größtenteils ausländischen Ver-
fassern zuzuschreiben, deren Werke durch Übersetzungen
dem deutschen Publikum zugänglich gemacht wurden, z. B.
Tbomsons Durch Massai-Land, Johnstons Kilima-Ndscharo,
Stanleys Kongo, Chalmers und Gills Neuguinea, Norden-
skiölds Grönland, i>ansdeUs Russisch Zentralasien u. a. An
neuern Werken von deutschen Besuchern sind zu nennen
Ratzels Völkerkunde, Richthofens Führer, A. B. Moyers
Gurina, Flegels Lose Blätter, Stolls Guatemala, Stelzners
Geologie von Argentinien, Eglis Geographische Namenkunde.
Weniger fruchtbar war das verflossene Jahr in Veröffent-
lichung von bedeutenden Kartenwerken gewesen. Den
ersten Rang nahm unter diesen unstreitig Habenichts Spezial-
karte von Afrika ein , welche trotz der detaillierten Aus-
führung auoh als Waudkarte eine ganz bedeutende Wirkung
ausübte. Von Richtbofens Atlas von China war die zweite
Lieferung erschienen, von Bergbaus' Physikalischem Atlas
war die erste Lieferung vorhanden; Linggs Erdprofil der
Zone von 31* — 65* N. Br. in 1:1000000, wolches bereits
in München als Zeichnung berechtigtes Aufsehen erregte
(s. Mitteil. 1884, 8. 195), lag in sechs Blatt, in sauberm
Kupferstich ausgeführt, vor; Brackebusohs Karte der west-
lichen Provinzen von Argentinien, dio im Wiener Militär-
Googr. Institut ausgeführte Karte von Griechenland in
1 : 300000, liebes' Physikalische Erdkarte, die jetzt voll-
endete, im Wiener Militär-Geogr. Institut bearbeitete Karte
von Mitteleuropa in 1 : 750000 erschöpfen, abgesehen von
neuen Auflagen älterer Karten, die Thätigkeit des deutschen
Buchhandels auf diesem Gebiete.
Gorade in anbetracht dieser nicht zu leugnenden Dürftig-
keit dürfte es wünschenswert sein, wenigstens in der Ausstel-
lung neuer Publikationen eine längere Pause eintreten zu las-
sen. Es ist ja erklärlich, dafs der Ortsausschuß eines jeden
Geographentages dio Veranstaltung einer Ansstellung wün-
schen wird, da dieselbo einen wesentlichen Anziehungspunkt für
das Publikum bildet. Dieselbo könnte sich aber wohl auf lokale
Publikationen, ältere wie neuere, beschränken, während den
Schriftstellern, Kartographen und der doutschon Verlags-
thätigkeit eine mindestens zweijährige Pause einzuräumen
ist, um mit bedeutenden und wertvollen Werken hervor-
I zutreten.
H. Wichmann.
I
Geographischer
Allgemeines.
Fragebogen über die SefmeeverhiiUnute in Gebirgen. — rZu
den wenig beobachteten Erscheinungen der physikalischen
Geographie unsrer Gebirge gehören dio Schneeverbältnisse.
Die Erforschung der Tiefe, Ausdohnuug und Dauer
der Schnoodecko und Schnee- oder Firnflecke
im Gebirge verspricht wertvolle Resultate für Geographie,
Geologie und Meteorologie. Der Schnee ist von Wichtig-
keit für die Bodenbildung, indem or eine großo Masse klei-
ner Bestandteile organischer und unorganischer Natur wie
in einem Siebe sammolt, den Boden vor Abwehung, den
Pflauzenwuchs vor Frost schützt. Er ist von bekanntem
Einfluß auf dio Durchfeuchtung des Bodens , den Quellen-
reichtum und den Höhestand fließender und stehender Ge-
wässer. Die Rückwirkung ausgedehnter Schnoedecken auf
die Temperatur der Luft ist ein großes Problem der Klimato-
logie. Die vießeitige Bodoutung des Schnees für Land-
Monatsbericht.
und Forstwirtschaft, besonders in den Alpen, braucht nur
angedeutet zu worden. Es bedarf wohl keiner ausführ-
lichem Begründung, wenn wir an alle Frounde der Erd-
kunde, welche in der Lage sind, der Schnoelagerung in den
Gebirgen ihre Beobachtung zuzuwenden, die Bitte richten,
nebenstehende Fragen zu berücksichtigen und eventuell
Antworten auf dieselben dem Unterzeichneten übermitteln
zu wollen.“
1. Wann füllt dor «rate Sehnte auf den Berxen in der Umgebung Ihre*
Wohnortes? Wie hoch sind diese Berge? Wenn Aufzeichnungen vor-
handen sind, bittet man um Angabe des Datums.
S. Von welcher /eit an liegt die vollständige oder mit Lücken dauernde
Schneedecke ?
3. Wann bleibt gewöhnlich der Schnee in Ihrem Wohnorte selbst liegen?
Wie hoch ist Ihr Wohnort?
4. Werden im Laufe des Wintert die Berge Ihrer Umgebung seitweiiig
schneefrei? In welcher Höhe und auf welcher Seite geeehieht die*
am frühesten?
5. Wann verschwindet der grübte TeU der vrinterlichen Schneedecke?
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Geographischer Monatsbericht
183
6. Wie boge bleiben die leisten lteete derselben liegen ?
7. Wie «eit erstreckt eich gewöhnlich die bleibende Schneedecke nach
anten hin ?
8- An «eichen Stellen liegt gewöhnlich in Ihrer Gegend der Schnee am
tiefsten ?
J. Wo häuft der Wind in Ihrer Umgebung die gröfsten Schneewehen an ?
Wie verhalten sich in denselben die verschiedenen Abhinge der Berge
oder Hoheniüge?
10. Welchen Einflufs üben die Bodenformen auf das Liegenbleiben des
Schnees? Man beachte besonders die Abhinge von verschiedener Steil-
heit, Gipfel, Schluchten, Thalhintergründe, Mulden.
1 1. Welchen Einlluft übt die Beschaffenheit der Oberfläche , je nachdem
diese Stein, Geröll, Sand, Erde, auf das IJcgenbleiben des Schnees?
1!. Welchen Einfiufs übt die Pflanzendecke and besondere der Wald auf
das Liegenbleiben das Schnees?
IS. Welchen EinSnfs Übt die Nähe de« Wassers auf das Liegenbleiben des
Schnees? Auch Sümpfe nnd Moore sind dabei zn berücksichtigen.
14. Welchen Eintlufs übt die gröbere oder geringere Dnrchlänigkeit de«
Bodens anf das Liegenbleiben des Schnees ?
15. Nach welcher Zeit nimmt der Schnee körnige Beschaffenheit an?
Unter «eichen Verhältnissen geht er in Eit über ? Man unterscheide
körniges, blasig«! und klares Eis.
16. Bemerkt man Riue nnd Spalten in den Schneefeldcm ?
17. Beobachtet man Bewegung in den Schneefeldcm oder liifal sieh auf
jene ans Spuren an Gegenständen ihrer Umgebung »blieben?
18. Kommen gröbere Rutschungen de« Schnees (Lauinen) in Ihrer Gegend
vor? lausen sieh die Ursachen derselben erkennen? Was ksnn von
den Wirkungen derselben auf Boden and Vegetation (Wald) ausgesagt
«erden ?
19. Welche auffallendem Formen beobachtet man an der Oberfläche des
Schnees als Folge von Wind, Schmelzung oder andern Ureaehen r
10. Treten deutliche Schichtungen im Schnee hervor?
II- Wie grob ist der Einflufs, den Sehneeschmelzen, auch winterliche, auf
den Wasserstand der Flüsse und Seen Ihre« Gebiete« üben? In welcher
Zeit nach dem Eintritt der Schmelzung macht sieh derselbe geltend?
11. An welchen YVtuserläufen bemerkt man zuerst die Wirkung der Sehnee-
Khtnelze ? Verhallen sich die verschiedenen Abhänge ein« Gebirges in
dieser Beziehung verschieden?
München, Technische Hochschule. Professor Dr. Friedrich Itatzel.
Europa.
Durch Reschluft vom 8. Mai d. J. hat sich das Willem
Barents- Komitee, welches in den Jahron 1878 — 84 Sornmer-
fahrteu mit dem Segelschoner „Willem Barents" in die
Polargebiete , namentlich in das Barents - Meer ansführen
liefs, sich aufgelöst, da bei den gegenwärtigen Verhältnis-
sen keine Aussicht vorhanden ist , dio nötigen Mittel zur
Organisation neuor Expeditionen zu erlangen. Das Schiff
soll verkauft, und der Ertrag nebst dem noch vorhan-
denen Vermögen zur Gründung eines Willem Barents-
Fonds verwandt werden, aus dessen Ertrage alljährlich et-
waige Forschungsreisen unterstützt werdon sollen. Da be-
deutende Resultate in der Erforschung der Polargebiete
mit einem kleinen Segelschiff!) , wie der „Willem Barents“
ist, heutzutage nicht mehr zu erringen sind, die Anschaf-
fung eines Dampfschiffes bei den beschränkten Mitteln des
Komitees aber ausgeschlossen war, so kann die Auflösung
desselben und dio Verwendung der Mittel zu andern Unter-
nehmungen nur gebilligt werdon , so sehr auoh die hier-
durch wiederum sich zeigende Abnahme des Interosses au
Polarforschungen zu beklagen ist.
Der Profossor an der Technischou Hochschule in Aachen,
Dr. Arzmni , hat Etide April eine Heue nach dem Ural an-
getreten , um zunächst die geologischen Verhältnisse in
einem Teil des Hüttenbezirkes Newjansk zu untersuchen
und diesen selbst kartographisch aufzunohmen. Eine noch
wichtigere Aufgabe wird Professor Arzruni in dem zweiten
Teil seiner Reise zu lösen suchen , nämlich die Herkunft
der im südlichen Ural im Flüfschen Sakmara vorkommen-
den Goldsande fustzustellon, welche auch solche Mineralien
enthalten , die in Brasilien mit Diamanten zugleich nuf-
treten.
Asien.
Kleinasien. — Dafs auch in vielbetretenen Gebieten
ein sorgfältiger Beobachter, zumal wenn er ein geübtes
Auge für die topographischen Verhältnisse hat, Bedeuten-
des leisten wird, zeigen die Aufnahmen, welche Dr. Carl
Diener im östlichou Teile von Mittel- Syrien gemacht und in
einer detaillierten Karte in 1:500000 (Mitteil, der k. k.
Geogr. Gesellschaft., Wien 1886, Heft 1 ff.) niedergelegt hat.
Von Damaskus aus, dessen Umgegend auf zahlreichen Aus-
flügen genau untersucht wurde, unternahm Diener drei
gröfsoro Exkursionen vom 1 1. bis 20. April 1885 nach dem
Gipfel dcB Grofsen Hormon und in den südlichen Teil des
Iäbanon, vom 30. April bis 14. Mai nach der Onso vou
Palmyra , welche Tour gemeinsam mit dom Archäologen
Dr. B. Moritz ausgeführt wurde, vom 29. Mai bis 13. Juni
nach Baalbek und don höchsten Erhöhungen des Libanon.
Eine letzte Exkursion von Buirüt aus führte den Reisenden,
15. — 23. Juni, noch Bhumdun, einem ergiebigen Fundorte
kretazoischer Versteinerungen aus den Sandsteinen des Liba-
non. Den Plan oinor geologischen Dotnilaufuahmo des Liba-
non mufste Dr. Diener fallen lassen, da die topographische
Grundlago zu einer solchen, dio französische „Carte du Liban
von 1860 — 1861“, sich iu den Details bei weitem nicht
zuverlässig genug erwies.
Aus dem Istituto Geografien Italiano in Rom ist. oino
von G. K. Kritische bearbeitete, technisch sohr gut ausgo-
führto Karte von Armenisch- Cilicien im Mafsstabe 1 : 1 000000
hervorgegangen, welche in manchen Punktuu sowohl in der
Situation wie in der Darstellung des Torrains von H. Kie-
perts Karte der Asiatischen Türkei abweicht. Wodurch
diese Abweichungen begründet sind, ist aus der Karto selbst
nicht zu ersehen ; dieselbe ist eiuoiu in armenischer Sprache
verfafsten Werke: Sissuan, physische, geographische, histo-
rische und wissenschaftliche Beschreibung vom armenischen
Cilicien (Vouedig, 1885) beigegeben.
Sibirien. — Gerade nioht selten oreignet es sich,
dafs ein Reisender, selbst wenn er als der erste in ein
bisher verschlossenes Gebiet eindringt , tadelnd über Un-
richtigkeiten der Karten sich ausspricht, als ob die Karto-
graphen, die doch nur Aufnahmen oder Erkundigungen verar-
beiten, dio Urheber solch falscher Darstellungen wären. Auch
de DobMer , wolcher im Juli und August 1884 an einer
Dampf schiffaltrt vom Ob nach dem Taftbusen — dio ersto,
welche überhaupt stattgefunden hat — teilnahm, klagt über
mangelhafte Karten, aber or selbst scheint nicht daran ge-
dacht zu lmbon, durch irgoud welche Aufnahmen zu einer
Verbesserung derselben beizutragon. Am 19. Juli verlieft
das Herrn H. Funck in Tobolsk gehörige Daropfboot Obdorsk,
und nach vielon Beschwerden und Gefahren, welche durch
das seichte Fahrwassor des Obbusens veranlaftt wurden,
gelangte es am 8. August in dou Taftbusen ; am ll.AuguBt
wurde das Ziel der Expedition, die Fuuckschon Faktoreien
au dor Mündung der Flüsse Taft und Pnrr erreicht (Annal.
d. Hydrogr. 1886, Nr. 4); de Dobbeler blieb in einem Block-
hause au der Purrmünduug zurück und trat am 2. Dezember
mit einer Rentierkarawano auf dem Landwego dio Rück-
184 Geographischer Monatsbericht.
reise an ; in 24 Tagen gelangte er durch nie besuchtes
oder wenigstens nie aufgenommenes Gebiet nach Surgut,
von welcher Route Aufnahmen auch nicht gemacht zu sein
scheinen, und von dort durch bekannteres Gebiet nach
Tobolsk uud Tjumon (Globus 1886, XLIX, Nr. 8 u. 9.)
Iran und Turan. — Dio transkaspisch r Eisenbahn,
welche boreits über Askhabad hinaus bis Duschak auf oinor
Strecke 364 Werst (388 km) vollendet ist, während die Er-
öffnung der Fortsetzung bis Merw in wenigen Wochen zu
erwarten sein wird, litt bisher an einem ganz unzuläng-
lichen Landungsplätze; die Tiefe des Hafens Michailowak
ist so unbedeutend, dafs die nur 9 Fufs Tiefgang haben-
den Schiffe dos Kaspischon Meorcs nicht bis in diese öst-
lichste Ausbuchtung des Michael-Busens golangon konnten.
Sämtliche nach Transkaspien bestimmten Waren mufsten
daher in Krasuowodsk in kleinere Harken umgoladen wer-
den, wodurch grofae Verzögerungen verursacht wurdon.
Die Ausbaggerung eines tiefen Fahrwassers erwies Bich als
unzuverlässige Verbesserung, da die vorherrschenden Ost-
winde wieder eine Versandung dos Kanales herbeiführen ;
das sicherste Auskunftsmittel, dio Fortführung der Rahn
um dio Balchan-Bucht bis Krasuowodsk, uiuom vorzüglichen
Hafen , würde der Terrainschwierigkoiton wogen grofse
Kosten erfordern. Aus dioson Gründen ist eiu drittes
I’rojekt ausgeführt worden, dio Fortführung der Bahn um
24 Werst (25 km) nach Westen bis auf die Insel Uzun-ada,
welche durch eine Untiefe mit nur 1 F. Wasser vom Fest-
lande getrennt ist. Die Landungsstelle selbst hat eine
Tiefe von 12 F. (3,7 m), so dafs also ein direkter Verkehr
von allen Teilen dos Kaspischen Moores mit dor transkaspi-
schen Bahn eingoleitet worden kann. (Globus 1886, XLIX,
Nr. 19.) Der neue Hafen ward am 10./22. Mai er-
öffnet.
Dio naiurhistorische Erforschung de s transkaspischen Ge-
bietes durch Er. G. Itadde hat unter recht ungünstigen Ver-
hältnissen ihren Anfang genommen , trotzdem aber bisher
schon erfreuliche Resultate geliefert. Durch das in diosom
Jahre au 3 — 4 Wochen vorspätoto Eintreten dos Frühjahres
ist das Sammeln von Pflanzen uud Tieren anfänglich fast
ganz unmöglich gemacht worden. Bis Anfang April war Aska-
bad das Standquartier, von wo aus zahlreiche Exkursionen in
das persische Grenzgebirge, den Greisen Baikhan, dessen
höchste Erhebung von Dr. Walter am 15./27. April or-
stiegen wurde. Dr. Radde stand Aufaug Mai im Begriff,
den untern Atrek und soinon Zuflufs, den Sumbar, zu unter-
suchen, um am 20. Mai/ 1. Juni die Reise nach Merw an-
zutreten.
Eine lange geheimgehaltene politische Mission, nämlich
die Überwachung des russischen Vordringens in das Turk-
menen-Gebiet aus möglichster Näho, führte den englischen
Oberst C. E. Stewart 1881 nach dor persischon Provinz Cho-
rassan ; or benutzte die Zeit seines dortigen Aufenthaltes zu
ausgedehnten Reisen und Aufnahmen im persisch -afgha-
nischen Grenzgebiet, deren Ergebnisse die bedeutendste Er-
weiterung der geographischen Kenntnis von Porsion seit
vielen Jahren bilden. Seine Aufnahmen umfassen das ganze
Gobiot von Meschod im N bis in die Landschaft Seistan
im S, welche keineswegs, wie Beit Kbanikofs Durchkreuzung
im Jahre 1861 angenommen wurde, eino ununterbrochene
Salzwiiste bildet. Stewart fand nur uubodoutendo Strecken
Salzwüsten. Eine gröfsere Salzwüste bildet dagegen die
Wüste Lut, wolcho sich von Birdschend nach S bis in
dio Provinz Kirroan hinein erstreckt. Bei seinom Versuche,
Uber Khusf, Kur und Naiband diese Wüste zu durchkreuzen
geriet Stewart in die Gefahr zu verschmachten und mufste
deshalb umkehren. Auf der Karte (Proceed. R. Geogr. Soc.,
März 1884) sind boreits die Aufnahmen der russisch-eng-
lischon Grunzkommission und noue Rekognoszierungen Ste-
wartB in den Jahren 1883 und 1884 verwertet. In seiner
eingehenden Schilderung des Thaies dos Hari-Rud uud des
Gebietes von Herat (Scottish Geogr. Magaz. 1886, II, Nr. 3),
betont Stewart in derselben Weise wie andre Besucher die
ungeheure Fruchtbarkeit des Bodens, obwohl die Rewoliner
auf künstliche Bewässerung angowiesen sind. Die von alten
Schriftstollorn für dio Stadt augogebone Bowohnerzahl von
100000 Seoleu hielt Stewart nicht für übertrieben, er glaubt
sogur, dafs die heutige Stadt, deren Einwohnerzahl or unter
Ausschlufs der starken afghanischen Besatzung auf 12000
Köpfe schätzt, dieselbe Zahl Menschon fassen könne; die
Umgegend ist auch heutigestags noch sehr dicht he-
. wohnt. Das Herat-Thal von Obet bis Kuhsan in einer
Länge von 120 milos (190 km) und oinor Breite von 12 miles
(19 km), gleicht einem ununterbrochenen Garten; der be-
wässerte Boden gestattet alljährlich zwei Ernton.
Indien und Tibet. — Nach jahrelangen Bemühungen
und Verhandlungen ist es der Regierung von Indien endlich
gelungen , vom chinesischen Hofe die Genehmigung zur
Entsendung einer Gesandtschaft nach Tibet zu erlangen,
welche in dor Hauptstadt Lhasa Verhandluugen zur An-
knüpfung eines direkten Handelsverkehres mit dom Dalai
Lama anknüpfen soll. Ende Mai boII dio unter Leitung
von Mr. Macauiag, welcher bereits vor 1* Jahren au der
Grenze Verhandlungen mit Vertretern von Tibet angeknüpft
hatte, Darjeeling verlassen, um durch den Jalepla-Pafs
und über Phari und Gyangtse nach Lhasa zu gelangen.
Als wissenschaftlioho Begleiter wird an der Expedition eine
Koiho von Mänuern sich beteiligen, doreu bisherige Leistun-
gen oino Bürgschaft dafür geben, dafs die Kenntnis von
Tibet durch ihre Thätigkeit eine bedeutende Erweiterung
zu erwarten hat. Col. Tanner, bekannt durch seine Auf-
nahmen in Kaflristan und Afghanistan, wird als Topograph,
Dr. Oldham, der langjährige Mitarbeiter an der geologischen
Vermessung Indiens, als Geolog, Dr. Cunningham als
wissenschaftlicher Beobachter, Dr. Leahy als Arzt teilnohmen.
Hoffentlich erreicht die Expedition das Ziel ihrer Wünsche,
die Erschliefsung des letzten asiatischen Reiches, an dessen
Grenzen noch die Inschrift : „Verbotener Eingang“, prangt.
(Mail, 10. Mai 1876.)
Dio Wahl dos Topographen dieser Expedition mufs als eiue
sehr glückliche bezeichnet werden, da Col. H. C. B. Tanner
das von ihm zu durchreisende Gebiet durch eingehende
Studien der Punditen- Aufnahmen vollständig beherrscht,
wie er durch seine vor kurzem erschienene Bearbeitung
der Aufnahmen des Punditen Lama wiederum bewiesen hat
(General Report of the Oporations of tho Survoy of India
Department administered under the Government of India
during 1883 — 84, p. XLIV, mit Karte). Das hauptsäch-
lichste Ergobnis dieser Reise bezieht sich auf den greisen
See Yarndok (Skorpionen -See, von dou Tibetanern nach
seiner Gestalt benannt), wenig südlich vom Mittelläufe des
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Geographischer Monatsbericht.
185
Sanpo. 1-ama hat diesen See, welcher au der großen
Handelsstraße von Nepal und Bhutan nach Lhasa, nur
50 milcs (80 km) von der Hauptstadt entfernt liegt, und
daher schon von violen Heisenden nach Tibet berührt
worden ist, vollständig umschritten; seine Aufnahme gibt
demselben einen viel großem Umfang, als bisher an-
genommen wurdo. Mit Anrechnung der Windungen des
Ufers beträgt seine Länge ca 180 miles (290 km); seine
Höhe über dem Meere wird zu 1 3 800 F (4200 m) berechnet.
Anffälligerweise befindet sich auf einer weit in deu See
Yorspringonden Halbinsel ein andrer See, Dumu, 14 300 F.
(4350 in) hoch, welcher mit dem Yamdok 'l'so in keiner
Verbindung steht. Der Dumu Tso hat eine Uferlänge von
24 miles (38 km); für die Tibetaner ist er ein Gegenstand
höchster Verehrung, da der Sago nach seine Gewässer
dereinst ganz Tibet überschwemmen sollen. Der bisher
als ßinnunseo betrachtete Yamdok Tso strömt, dem Sanpo
durch den an seinem Westufer austretenden Flufs Rong
zu, wie der Lama, der dem Laufe des Flusses abwärts
folgte, bestimmt versichert; doch gibt er zu, dafs hei hohem
Wasserstande im Sanpo die Gewässer des Rong die um-
gekehrte Richtung einschlagen und don See speisen. Der
Rong muß eine Strecke von ca 50 miles (80 km) in ost-
westlicher Richtung, also in einer dem Laufe des fast
parallelen Sanpo diametral entgegengesetzten Richtung,
welche auffallende Erscheinung er mit. don meisten süd-
lichen Sanpo-Zuflüssen teilt, zurücklogen, bis er bei Shang-
pa, nordöstlich von Gyangtso in deu mächtigen tibetanischon
Strom sioh ergießt. Wenig südlich vom Yamdok Tso ent-
deckte der Lama einen neuen großen See, Pho Mo Chang
Tang Tso, in 16050 F. (4890 m) Höhe.
Derselbe Jahresbericht der indischen Landesvermessung
für 1883 — 84 , welcher diesen wichtigen Beitrag zur Er-
forschung Tibets enthält, bietet außer den fortlaufenden,
durch zahlreiche Karten illustrierten Nachweisen über die
Fortschritte der verschiedenen Aufnahmen in den einzelnen
Provinzen Indiens, wie auch in don Grenzländern, nament-
lich in Afghanistan und Belutschistan , eine Reihe von
Aufnahmeberichten über cinzelno besonders interessante
Gebiete. Capt. J. R. Hobdag schildert seino Arbeiten in
den Andamanen, namentlich die Aufnahmo der beiden kleinen
vulkanischen Insoln, Barren Island und Xarcondam, von
welchen zwei trefflich ausgeführte Plane in 1 : 15840 bei-
gefügt werden. Eine militärische Expedition gegen die
Assam benachbarten, unruhigon Stämme der Akas, an wolcher
Iieut.-Col. R. O. ii’oodlhorpt teilnahm, gab Gelegenheit,
trigonometrische Messungen der tibetanischen Schneegipfel
auszufuhren. Wichtiger waren die Aufnahmearbeiten im
Daphla- Gebiete, in welchem ein bedeutender Fluß, der
Kameng, entdeckt wurde; derselbe erwies sich später als
ein Tributär des Baroli. Einen wichtigen Beitrag zur
Kenntnis des indisch-afghanischen Grenzgebietes gibt Major
J. II lloldich in seinen Mitteilungen über die Aufnahme
dt* Saiomon* - Thronet, des Takht-i-Suliman; veranlaßt wurde
die Expedition durch die Hoffnung, von seinen boiden
höchsten Punkten, welche aus der Entfernung als hoch Uber
ihre Umgobung sich erhebende Gipfel erschienen, Messungen
in der Richtung nach den schwer zugänglichen östlichen
Gebieten von Afghanistan auaführen zu können. Diese
Hoffnung sollte aber gründlich enttäuscht werden. Das
Petermznns Gtoitr. Mitteilungen. 188G, Heft VI.
Sulitnan -Gebirge wird von zwei Parallelketteu , welche
durch ein Plateau getrennt sind, gebildet ; in der wcstlicheu
Kette liegt dar nördliche und höchste Gipfel der Kaisargarh,
11300 F. (3440 m), in der östlichen, südlich von jenem
der Takht-i-Suliman, 11070 F. (3380 m). Von beiden
bot sich aber kein Einblick in die topographischen Ver-
hältnisse von Afghanistan.
Hinter-Indien. — Die liandsclmften zwischen dem
Brahmaputra und dem mittlern Irawaddi sind zum ersten-
mal von einem ungenannten Indier bereist worden , welcher
die Strecke von Dibrughar bi* Mogoung in 16 Tagen zu-
rücklegte. Er soll eine gute Beschreibung seiner Route
verfaßt haben.
Die Aufnahme de * Irawaddi ist von Leut. Cairn * bis
Mogoung ausgedehnt worden, welche Strecke bisher nur
nach Rekognoszierungen durch Punditen bekannt wurde.
Sowohl der Mogoung wie der Siniho können von Dampforn
nicht befahren werden. (Mail, 5. April 1886.)
Nachdem es dom Kapit. RIotilRre gelungen ist , die
Stromschnellen des Mekong bei Prea-Patang mit einem
kleinen Dampfboot zu passieren , wodurch Aussicht für
die Ausdehnung der Schiffahrt auf dem Mekong stromauf-
wärts eröffnet wurde, sind von dem Kolonialrate von Cochin-
china 8000 Piaster zur Vorfügung gestellt worden , um
durch Leut. Feeigny eine genaue Aufnahme der Strom-
schnellen und eine Untersuchung behufs deren Beseitigung
anzustellen.
Die 1885, S. 478, erwähnte Durchkreutung der Malai-
ischen Halbinsel von Perak aus bis Paliang durch F. A.
Swetisnham fand vom 12. April bis 6. Mai 1885 statt.
Bis Kuala Slira wurde der Wasserweg des Rernam benutzt,
längs desselben und seines Quellbaches Briseh ging es auf-
wärts zur Wasserscheide , welche zugleich dio Grenze
zwischen den Staaten Perak und Paliang bildet. In einer
Höhe von 3150 F. (960 m) wurde dieselbe überschritten.
Nur wenige Schritte voneinander durch die Paßhöhe ge-
trennt, entspringen der Briseh im W, der Sungei Sambilan,
einer der Quellflüsse des Liphi, im O. Nach kurzem
Marsche wurde Perraatang Linggi in einer Höhe von 640 F.
(195 m) erreicht, und von jetzt ab wurde auf Flößen der
Wasserweg benutzt, welcher einer regelmäßigen Schiffahrt
wiodcrholt durch Stromschnellen Hindernisse bereitet. Bei
Kuala Tcmelin vereinigen sich der Lipis und Jelei zura
Pahang- Flusse. Dom eingehenden Reisetagebuche (Journ.
Straits Brauch R. Asiatic Soc. Singapore Nr. 15) ist leider
nur oine ganz ungenügende Karte beigegeben , welche die
wenigsten der erwähnten Ortschaften angibt und über die
Terrainbildung des durchreisten Landes vollständig im un-
klaren läßt.
Japan. — Eine eingehende Darstellung dos Ertiehungi-
wesene in Japan liefert ein Bericht des Bureau of Education
im Ministerium des Innern in Washington. Im Jahre 1883
genossen von 5952000 Kindern im schulpflichtigen Alter
3037 270 Kinder, also 51 Prozent, den vorschriftsmäßigen
Unterricht, an welchem außerdem 117 851 Kinder unter
6 Jahren und 128950 Uber 14 Jahren teilnahmen. Die
Zahl dor Schulen belief sich auf 30156 Elementar-, 173
Mittel-, 80 Normal-, 80 Gewerbe-, 7 höhere Mädchen-,
1278 gemischte Schulen, 1 gymnastisches Institut, 1 Kon-
servatorium für Musik und l Universität; letztere zählte
St
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186 Geographischer
178 Lehrer und 1650 Studenten. Die Ausgabeu für öffent-
liche Schulen beliefen eich auf 10800000 Yen.
Afrika.
Die von Marquis Buonfanti bei seiner Abreise nach dem
Kongo in BrUssel in Verwahrsam der Geogr. Gesellschaft
zurückgelosscnon Dokumente, welche nach seiner eigenen
Reehti'ertigungsschrift (Roll. Soc. Geogr. Ital. 1885, Nr. 7,
p. 517) die Beweise für soiue Reise von Tripolis bis zur
Guinea -Küste enthalten sollten, sind vom Generalsekretär
dieser Gesellschaft, Professor J. Du Fief, einer Durchsicht
unterzogen worden; der betreffende Koffer enthielt, wie I/Es-
ploratore, März 1886, berichtet, keine irgendwie beschaffenen
Bewoiso oder Andeutungen für die von ihm behauptete
Durchkreuzung des Kontinentes. Es kann jetzt einem
Zweifel nicht mehr unterliegen , dafs Buonfantis angeb-
liche Reise auf Schwindel beruht, dessen Entlarvung dem
Reisenden Gott). Ad. Krauso (s. Mitteil. 1885, Nr. 2, S. 59)
zu verdanken ist.
Ganz Ägypten und den gröfsten Teil des Sudan bis
südlich von Khartum und Massaua umfassen die neuesten
Blätter der grofsen Karte von Afrika iu 1 : 2 000 000, welche
von dem Major im französischen Generalstabe R. de Ietnnog
de Riug bearbeitet wird. Es sind die Blätter Nr. 7: Beng-
hasi, 8: Kairo, 14: Assuan, 15: Kap Elba, 21: Khartum
und 22: Suakin; gleichzeitig erschien noch Nr. 3: Madeira,
und mit Darstelhing des Torrains Nr. 61 : Ascension, und 62:
St. Helena. Es ist eine wirkliche Freude, den Fortschritt
dieser bedeutenden Arbeit zu verfolgen, denn ein jedes
Blatt gibt Gelegenheit, die Sorgfalt des Bearbeiters ira Zu-
sammentragen und in der Benutzung des zerstreuten Ma-
terials zu beobachten, wobei er sich jedoch niemals in
nebensächlichen Einzelheiten verliert, deren gar zu gründ-
liche Untersuchung nur dio Vollendung des Ganzun ver-
zögern würde. Dufs hin und wieder einzelno Irrtümor
unterlaufen, Stichfehler in Namen- und Höhcunngabeu sich
finden, ist bei der Schnelligkeit, in welcher dieses Material
bewältigt wird, leicht erklärlich: im Hinblick auf die un-
gemein reichhaltige Nomenklatur können Bolcbe Irrtiimer,
die einen verschwindenden Prozentsatz erreichen, nicht ins
Gewicht fallen. Nur höchst selten mufs man dio Bemerkung
machen, dafs eine wichtige Arbeit unbenutzt geblieben ist,
und das ist auf dem Blatte Khartum der Fall gewesen.
Weder die Karte, noch die Liste vou Positionen von F.
S. Ensor (Incidents on a journey through Nulia to Darfoor)
wurde zu Rate gezogen, durch welche namentlich die 1-age
vou Khartum und diu grolse Nilkrümmung bis nach Dongola
beeintlufst worden wäre ; es ist allerdings zu bemerken,
dafs Ensors gerade für die Kartographie besonders wert-
volles Buch wohl infolge seines wenig zutreffenden Titels
bei seinem Erscheinen nicht die ihm gebühronde Beachtung
gefunden bat. Die Darstellung dos Gewirres vou Wadis
in der Kubischen Wüste auf dem Blatte Assuan hätto wesent-
lich beschränkt werden können oder müfste wenigstens viel
mehr einen hypothetischen Charakter verraten, da weder
durch Reisen von Europäern, noch durch Erkundigun-
gen diese ausgedehnten Verzweigungen konstatiert worden
sind. Wenn auch dio Lannoyscho Karte in äufsorer
Eleganz, was bei der erstaunlichen Billigkeit (ä Bl.
Fr. 0,30: mit Terrain ä Bl. Fr. 0,50) auch gar nicht zu
Monatsbericht
verlangen ist, mit der im vorigen Jahre erschienenen Nou-
velle carte de l'Egypte in 1 : 3000000 nicht wetteifern
kann, so übertrifft sie dieselbe doch bei weitem an Zuver-
lässigkeit und Reichhaltigkeit. Zu erwähnen sind noch
zahlreiche Nobonkarten, Mudoira in 1:356913; Porto
Santo 1 : 300000; Fuucb&L 1: 13156; Beughasi; Alexan-
dria 1 : 64 000; Port Said und Suez 1 : 50000; Ismailia ;
Kairo 1 : 200000; Ruinen von Thebeu ca 1 : 40276; Sua-
kin 1:33 750; Mnssauah 1:56120; Khartum 1:180000;
Ascension 1 : 60000 und Georgetown.
NO-Afrika. — Dio Schilderungen der Reut von Ren-
ghati nach Bema, welche Comm. O. Hamann im März und
April 1881 im Aufträge der Mailänder „Socioth d'esplorazione
commerciule in Africa“ ausfuhrtu, sind bereits iu zweiter
Auflage *) erschienen , vermehrt um eine Biographie des
Reisenden, welcher am 15. September 1883 in Alexandrien
gestorben war. Sie umfassen in gleich ausführlicher Weise
die Erlebnisse während der Reise, wie die Eindrücke, welche
Natur und Bewohner hervorriefeu , dio Vergangenheit des
Landes, uaturwissenschaftlicho Beschreibung desselben. Die
Karte ist identisch mit Taf. 15, Jahrg. 1881 der Mit-
teilungen ; hinzugefügt sind Pläne der Stadt und des Hafens
von Ilenghasi und von Derna. Die zahlreichen Illustrationen
sind nach Zeichnungen des Verfassers ausgeführt.
Noch nicht zur Verfügung standen Lannoy de Bissy bei
dem Blatte Kairo die Ergebnisse von Dr. Sehweinfurth* Auf-
nahmen im Fajum und im südlich angrenzenden Bepretmotu-
gebtete, welches nach Cope Whitehouses Theorie der alte
Moeris-See gewesen sein boII. Durch seine im Januar 1886
ausgeführte Reise und Beobachtungen hat Schweinfurth in
seiner bekannten Gründlichkeit reichhaltiges Material zur
Beurteilung dieser sehr verwickelten Frago beigebracht,
doch erklärt er dasselbe als noch nicht genügend zur
Entscheidung: Uber diese Ergebnisse wird an andrer Stelle
borichtet werden. Sehr bedeutend sind gloiohfalls die topo-
graphischen Resultate, durch welche ein grofser Teil
des Depressionsgebietes festgestellt wurde ; auf der Karte
in 1 : 500 000 (Zeitschr. Gesellsch. f. Krdk., Berlin, 1886,
XXI, Nr. 2) tritt dasselbe jedoch nicht klar genug hervor,
während es der Redaktion doch leicht gewesen wäre, durch
Signaturen oder verschiedene Farbentöne sowohl die be-
stimmt naebgewiesene Depression, wio auch ihre mutmafs-
licheu Fortsetzungen klur herrortreten zu lassen. Durch
seine Aufnahme des Birket-el-Qerun hat Schweinfurth
endlich Bich das Verdienst erworben, einem alten, auf allen
Karten heimisch gewordenen Irrtum den Garaus zu machen;
dieses Seebecken im Fajum erstreckt sich von O nach W,
nicht von NO nach NW, wio seit der Aufnahme der fran-
zösischen Expedition angenommen wurde; auch die Umrisse
dos Sees sind wesentlich andre. Soit 10 Jahren, besonders
aber seit dem Eingeben der Zuckerrohrkultur am Siidende
des Sees, durch welche früher eine bedeutende Wasser-
menge verbraucht wurde, macht sich ein Steigen des See-
spiegels bemerkbar, welche jährlich 3 cm beträgt.
Eine sehr verdienstvolle Aufgabe hat die Societü Khö-
diviale de geographie in Kairo sich gestellt, durch deren
*} Cir«n*ica; S°, 215 pp., mit Karte und Illustrationen. Mailand,
U. Iloepli, 188C.
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Geographischer Monatsbericht.
187
Ausführung sie sich den Dank aller Geographen und der
für Afrika sich Interessierenden erwerben wird ; ihre Lösung
dürfte die Gesellschaft allerdings auf Jahre hinaus beschäf-
tigen. Es handelt sich darum, die zahlreichen Berichte
über Forschungen , welche auf Kosten der ägyptischen
Regierung im Laufe des vorigen Jahrzehntes, während
der Glanzzoit der Forschungen in den ausgedehnten Be-
sitzungen Ägyptens, im Sudan und in den Äquatorial-
provinzen in Angriff genommen wurden, auB dem Dunkel
ägyptischer Archive und des Privatbesitzes hervorzuziehen
uud der Öffentlichkeit zu übergeben. Als erstes derartiges
Dokument bringt Nr. 8, Serie II ihres Bulletins den Be-
richt nebst Karte von Oberst Jhtrdys Aufnahme der Route
ton Berenice am Roten Meere bis nach Berber am Nil aus
dem Jahre 1873; die Expedition wurde unternommen, um
Untersuchungen Uber die Möglichkeit vorzunehmen, durch
dieses Gebiet eine Eisenbahn nach dem Nil herzustellen.
Leider ist die Aufnahme nicht vollständig gelungen, da
Purdy wegen Wassermangels in der 10 Tagereisen langen
Strecke von Dj. Chigre (ca 21* 13' N. Br.) bis Berber
keine Aufnahmen machen konnte; die zahlreichen baro-
metrischen Höhenmessungen, welche er in seinem Berichte
erwähnt, scheinen nicht berechnet worden zu sein. Das-
selbe Gebiet ist bisher nur von Browne und Linant de Belle-
fonds bereist worden, welcher letzterer eine nur oberfläch-
liche Aufnahme des weitverzweigten Wadis gemacht hat,
so dafs Purdys Karte zu ihrer Ergänzung und Verbesserung
eiueu willkommenen Beitrag liefert.
Mit der Expedition des unglücklichen G. Bianchi hatte
Graf A. Salimbeni im Januar 1883 Italien verlassen, um
ein von Bianchi dem Könige dor abessinischen Provinz
Godscham Taele Haimnnot gegebenes Versprochen, eine
steinerne Rriicko iibor dun Blauen Nil oder Abni erbauen
zu wollen , zu erfüllen. Als geeignetsten Punkt für die
Anlage erwählte er eine wenig unterhalb der Mündung des
Bir gelegene. Stelle ; die Ausführung des Baues wurde aber
infolge eines Verbotes des Königs Johannes von Abessinien
verhindert, wolcher durch die Brücke eine Erleichterung
von Kaubzügen der Bewohner von Schoa befürchtete. So
begann Salimbeni zunächst den Bau einer kleinern Brücke
über den Temscha, einen Nebonllufs des Blauen Nil, zwischen
dem Kloster Dembetscha und Dobra Marcos, der Residenz
dos Köuigs von Godscham, an einer stark begangenen Kara-
wanenstrnfse gelegen. Erst am 15. Dezember 1884 konnte
nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten, welcho die
Herbeischaffurig von Baumaterial verursachte, und nach
Beseitigung mancher Intrigen, der Grundstein der Brücke
gelegt werden; bereits am 14. März 1885 war dieselbe
vollendet. Es kann einem Zweifel nicht wohl untorliogon,
dafs durch derartige Unternehmungen, welche auf Handel
uud Verkehr in Abessinien einen grofsen Einflufs ausiiben
werden, die Stellung der Europäer fester begründet und
besser und sicherer die Erschliefsung des schöuen Lan-
des für die Zivilisation erreicht werden wird, als durch
militärische und politische Missionen.
Ostäquatorialafrika. — Als ein woitores Ergebnis
der Hardeggerschen Expedition nach Harrar hat Prof. l)r.
PU. PauUtschke die Erkundigungen, welche er über die hy-
drographischen Verhältnisse der südlichen Gebiete einziehen
konnte, verwertet zu einer kartographischen Darstellung des
obern Weht (Mitt. K. K. Googr. Gcsellsch., Wion 1886, Nr. 4),
bei welcher auch die von Chiarini, Cecchi, Bischof Cabagne
und James mitgeteilten Ansichten über das noch unklare
Flufssystem der Galla- und Somal-Läuder in Betracht ge-
zogen werden. Dom Wöbi tributär bezeichnet Paulitschke
sämtliche Wasseradern westlich von 43° 0. L. ; die östlich
entspringenden eilen dem Tuk Fafän zu, welcher nach Ja-
mes in Sümpfen sich verliert.
Der Untergang dor Porroschen Expedition nach Harrar
hat einen andern Italiener, Aug. Frantoj, welcher durch
sein Vordringen nach Ghera, wo er die Auslieferung der
Gebeine Chiarinis erzwang, als unerschrockener und unter-
nehmender Reisender sich erwieson hatto, nicht abschrecken
können , dasselbe Gebiet als Ziel einer Expedition zu er-
wählen. Franzoj, welcher Anfang Mai in Genua sich ein-
schiffte , will von Zeila Uber Harrar und Sohoa , also auf
bisher verschlossenem Wege, nach Kaffa Vordringen, dann
nach den Äquatorialseeu des Nil sich wenden und über
Sansibar zurückkehren. Für das Gelingen dieses Planes,
welcher schon 1875 zur Aussendung der ersten italienischen
Expedition nach Schon unter Antinori den Anstois gegeben
hatte, ist nur sehr geringe Aussicht vorhanden.
Der von der Londoner Geogr. Gesellschaft abgesandte
Reisende fast ist längs des Rovuma und Lujenda am
13. Januar in Blantyre eingetroffen. Er beabsichtigte, die
Frage, ob oine Verbindung zwischen dem Sohirwa- oder
Kilwa-See und den Quellseen dos Lujenda existiert, noch-
mals einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen, da
die Eingebornen ihm übereinstimmend mitgeteilt hatten, dafs
in jeder Regenzeit durch das Anschwellen des Sees oine
Verbindung mit dom Lujenda, sei es auch nur durch Durch-
sickern durch don Sand, hofgestollt würde. (Proceed. R.
Geogr. Soc., London 1886, Nr. 5.)
Das Mifsgeschick, von welchem Serpa Pintos Expedition
verfolgt, wurde, scheint auch nach dem durch Krankheit
veranlafsten Rücktritte ihres Führers nicht gewichen zu
sein. Sein Nachfolger, Leut. Cardozo, traf Anfang Februar
mit nur drei Identen in Blantyre ein, um seiner zurückge-
bliebenen Karawane die nötigen Lebensmittel zusenden zu
können ; falls er seine Vorräte in Blantyre ergänzen konnte,
wollte er nach Tete, der portugiesischen Faktorei am Sam-
besi, Bich begeben. Die Aufnahme der Route von Ibo bis
Blantyre wird eine gröfsere Lücke in don Karten des Ge-
bietes von Mocambique ausfüllen.
Westäquatorialafrika. — Den beiden, seit An-
fang 1884 am Südabhange des Kamerungebirges ansässigen
schwedischen Kolonisten G. Valdau und K. Knuteon, welche
als Kulturpioniere und Förderer deutschen Einflusses in
jonem Gebiete bereits grofse Verdienste sich erworben haben,
gelang es im Mai und Juni 1885, eine Rundreise um das
Kamerungebirge auszufUhren, und zwar in einem gröfsern,
namentlich nach Norden weiter greifenden Bogen als Rev.
Combers Route vom Novomber 1877. Während Comber
längs des Mungo über Bakundn-ba-Namboleh nach dem schon
von ihm früher von W her erreichten Richards-See ge-
langte, folgten die Schweden anfänglich der von ihnen schon
im Januar 1885 mit Dr. Zoller begangenen Route nach
ßuea (Bwea), von liier wandten sio sich, westlich vom
Mungo-Laufe bleibend , direkt nach Norden zum Richards-
See und nach dem von Rogozinskis Begleiter, Tomczek, zu-
188
Geographischer Monatsbericht
erst erreichten Elefanten-See (Balombi-ba-Mbu), den sie um-
fuhren. Das Quellgebiet des Mcmc , eines Tributärs des
Rio delKey- Deltas, wird gegen Tomczuks Darstellung wesent-
lich berichtigt. Nördlich von Meine verfolgten sie ihro
Reise in westlicher Richtung, bis sie in das Quellgebiet des
Mokono, eines anscheinend dem Old Calabar zuströmenden
Flussos, kamen. Von ßalundu kehrten sie nach SO über
den Meme zurück und erreichten in südwestlicher Richtung,
Combers Route wiederholt kreuzend, die Küste bei Botikka
(Colli). Ihr Bericht (Ymer 1885, V, Nr. 7 und 8, mit
Karte) ist reich an ethnographischen Notizen , sowie an
Auskunft übor dio Bewohnerzahl der berührten Punkto. Für
die politischen Verhältnisse erscheint es wichtig, dafs die
Schweden der Iäisung der Frage nach der Existenz des Rio
del Rey, welcher nach dem Übereinkommen vom 7. Mai 1885
die Grenze zwischen den britischen Niger-Distrikten und der
deutschen Kolonie Kamerun bilden soll, näher gekommen sind.
Da sie in kaum 20 miles (30 km) Entfernung dio Wasser-
scheide zwischen Meme und Oid Calabar fanden, so schoint
die Vermutung gerechtfertigt, dafs ein eigentlicher Flufs Rio
del Rey, welcher zwischen beiden Platz finden müfste, gar
nicht existiort, sondern dafs der Rio del Rey , ähnlich wie
der Muni, Gabun u. a., nur ein ausgedehntes Astuarium
bildet, welches aus zahlreichen kleinen Klufsläufen gebildet
wird, was auch nach der Aufnahme de» Rio del Rey durch
das doutsche Kriegsschiff „ Habicht “ unter Korvetten-Kapitän
c. Schnckmann I wahrscheinlich erscheint. Durch diese im Ok-
tober 1885 ausgeführte Aufnahme wurde festgestellt, dafs
der Rio del Rey gebildet wird von zwei Wasserarmen, von
denen der von NO kommende nach Aussage dor Eingebor-
nen der Mome sein soll, während der nördlicho Zuflufs mit
dem Old Cnlnbar in Verbindung steht. (Anna), d. Hydrogr.
1886, Nr. 3, mit Karte.)
Dr. Otorio ist längs des FIussor Campo, welcher nach dem
mit Frankreich abgeschlossenen Vertrage vom 24. Dezember
1885 die südliche Gronze der deutschen Kolonie Kamerun
bildet, 165 miles (260km) inslnnore vorgedrungen und über-
schritt sodann die Wasserscheide nach dem Benito, wel-
chem er bis zur KüBte folgte. Unterwegs schlofs er eine
grofse Reihe von Schutzverträgen mit Häuptlingen dieses
Gebietes ab. Die Besitzergreifung dieser Küstenstrecko durch
die Franzosen, welche an der Campo- und an der Benito-
Mündung bereits einen Militärposten errichtet haben, wird
von Spanien, welches ältere Anrechte haben will, bestritten;
zur Entscheidung dieser Streitfrage ist in Paris eino fran-
zösisch-spanische Kommission zusammongetroten. (Revista
du geogr. commercial 1886, Nr. 20 uud 21.)
Als erstes kartographisches Ergebnis der Lenzschen
Kongo - Expedition veröffentlicht die K. K. Wiener Geogr.
Gesellschaft (Mitteil. Heft 3) die Karte der Umgegend von
Ango-Ango in ca 1 : 60 000, konstruiert nach Aufnahme und
Routenskizzon von Oskar Baumann.
Nach den neuesten Nachrichten ist Dr. Lenz am 14. Fahr,
in der Station Stanley Falls eingetroffen. Nach seinon Ver-
handlungen mit dem bekannten Tippo Tip ist ein Vordrin-
gen nach N nur mit starker Begleitung möglich, welche
augenblicklich nicht zu beschaffen war, da eine greisere
Expedition des arabischen Händlers gegen das Volk der
Wabai schon seit 10 Monaten unterwegs war. Falls die-
selbe in Monatsfrist nicht zurückkehrte, so wollte Lenz mit
Tippo Tip nach Nyangwe ziehen und von dort die Rich-
tung nach Ruanda und dem Muta Nsige einschlagen , von
wo er nach dom Albert-See und Unjoro zu gelangen hofft.
Die portugiesische Expedition in* Lunda- Reich unter Major
U. de Carvalho war nach Nachrichten vom 11. Januar bis
an den Tschikapa gelangt, den sie unter 7® 17' S. Br.
überschritt ; dor von ihr verfolgte Weg scheint demnach
nicht wesentlich von Büchners Rückreise abzuweichen. Im
Lunda- Reiche herrscht seit dem Tode des letzten Mua-
tiamvo vollständige Anarchie; es wurde befürchtet, dafs
das Reich in zahlreiche kleine Gebiete zerfallen würde.
Einem ausführlichen Briefe (Bol. Soc. Geogr. Lisboa 1885,
Nr. 8) sind folgende Positionsbestimmungen entnommen:
8. Br.
6.
L.
Or.
Hübe in m
Station Coata und Silva .
. 8‘
' 28’
JO"
18°
21
’ 15’
765
Lager im Vallc das Amarguras 8
33
30
19
12
30
1020
Lager V. M. da Ounha .
. 8
28
24
19
37
8
1180
Station Cidade do J’orto
. 8
24
18
20
42
IS
Lout. r. Eran(oi* zahlreiche I/bhenmesitungen , welche auf
der Reise nach Luluuburg und auf der Kassai • Fahrt mit*
tels Aneroid- und Quecksilberbarometer, dem ersten unver-
sehrt nach Zentralafrika transportierten, angestellt wurden,
sind von Dr. A. r. Danckelman (Zoitschr. Gosellsch. f. Erdk.
Berlin 1886, Nr. 2) berechnet worden. Trotz der Un-
sicherheit der Berechnung, welche sich hauptsächlich daraus
ergibt, dafs die Instrumente weder vor Antritt noch nach
Beendigung der Reise mit Normalinstrumenten verglichen
worden sind, ist dio lango Serie von Höhen von grofser
Wichtigkeit, da sie immer noch zuverlässiger erscheinen
als ältere Messungen, weloho sowohl im zentralen Teile,
als auch am Kongo angestellt worden sind. Dr. Büttners
Höhenmessuugen am Quango dürften crhoblich zu niedrige
Werte ergeben haben. Aus der langen lüste geben wir
einige der wichtigsten Messungen wieder:
Malangc
1148 m
Mukenge . • . •
660 m
Kela>)
1240 M
Luluaburg ....
Moanja t)
930 „
Lulua-Spirgel . . .
ca 530 .
Kuango-Spicgel . • •
GfiO.
Luebo-Mündung . .
•
410.
Mubongo
1030 „
!,ulu*-Mündung • .
•
390 .
Quengo, rechte* Ufer*) .
1090 „
Sankuru-Mumiuntj
.
360.
Kiinuun^o (Kuilu, l. l?fer)
1020 „
Lonnee-Mündung . .
.
340 .
Loange-Spiegel . . .
870.
Kunngo-Mundung
.
295 .
Lnwoa-Spiegel ....
650.
Kaesai-Mundung . .
•
287 .
Kika.ua am Kaseai . .
465 .
Stanley Pool (I/opoldv
He).
271 .
Südafrika. — Als eine Folge der Expedition von
Paiva d'Andrada nach der goldreichen Landschaft Mam'ca
im J. 1881 ist die militdri*che Httetxung dieses Gebietes
durch die Portugiesen anzusehen, welche Ende 1884 erfolgt
ist. Sitz des Gouverneurs ist Gorongoza, welches den
Namen Villa Gouveia erhalten hat. Man hoffte einen di-
rekten Weg von Manica nach Sofala zu eröffnen, wodurch
die Küste in 6 Tagen zu erreichen sein dürfte, während
die Entfernung nach dem untern Sambesi 15 Tagereisen
beträgt. M. C. da Silva Lima, oin Begleiter des .Gouver-
neurs, hat 1885 festgestellt, dafs der bei Gorongoza ent-
springende Inhandue oder Ignandue duroh den Zangwe in
den Sambesi fliefst und nicht, wie seit d'Andradas Expedi-
1) Durch diete am 1. und 3. Augujt 1884 angertellten Beobachtun-
gen findet der schroffe östliche Abfall der Wauencheide zwischen Kuante
und Kuango abermalige Bestätigung.
2) ln der Liste wohl irrtümlich abemult mit .Quango* bezeichnet.
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Geographischer Monatsbericht. 189
tion angenommen wurde, durch den Urema in den Ozean
sich ergiefst. (Bol. Soc. geogr. Lisboa 1885, p. 496.)
Madagaskar. — Der Zusammenstellung seiner grofsen
Karte von Madagaskar (s.Mitt. 1886, S. 128) aus den einzelnen
Blättern seiner Karte von Afrika in 1:2 000 000 hat- Lanmy
de Bitty sehr bald das Heft seiner auf Madagaskar bezüg-
lichen kartographischen Notizen folgen lnsson, welche weit
mehr enthalten , als nach dem Titel zu erwarten war.
Nicht allein eine Angabo der zu Rate gezogenen Kartenwerke
und Litteratur, sowie eine Darstellung, in welcher Weise
die verschiedenartigen Aufnahmen aneinander angoschlossen
wurden , liefern diese Notizen , sondern sie sind erweitert
zu einer gedrängten physikalischen Geographie der Insel,
in welcher die orograpbischen, hydrographischen, ethnogra-
phischen und kliinatoiogischen Verhältnisse, zum Teil nach
noch unpublizierten Materialien von Grandidier geschildert
werden. Sehr wertvoll für den Kartographen ist die aus-
führliche Wiedergabe einer grofsen Reihe von Positions-
bestimmungen nebst kritischen Erörterungen ihres Wertes.
Australien und Inseln dos Grofsen Ozeans.
Festland. — Eine aufserordentlich reichhaltige Zu-
sammenstellung der jüngsten Fortchutigereieen in Australien
und den Inseln des Stillen Ozeans, namentlich in Nouguiuea,
findet sich in dem Jahresberichte, welchen Australiens ver-
dienstvoller Botaniker , Baron Ferd. v. Mueller ’) , iu der
Geogr. Gesellschaft in Melbourne erstattete. I)afs Baron
v. Mueller, welcher in hervorragendem Mafse bei der Er-
forschung des Kontinentes beteiligt gewesen ist, teils durch
eigne Reisen, teils durch Anregung zur Entsendung von
Expeditionen die Entdeckungsgoschichte Australiens in einor
Weise beherrscht, wie kein andrer, zeigen die zahlreichen
Hinweise auf die Ergebnisse früherer Expeditionen. Sehr
beachtenswert sind auch die Wünsche, die er für fernere
Forschungen ausspricht; seine Andeutungen worden jedem
Reisenden wertvolle Fingerzeige sein, auf welche Punkte
)) Victorian Brauch of the Geogr. Society of AuttraUxin. Proeeedinga
at the annunl rocetiog Jnnr. 1886. Melbourne.
er soine Aufmerksamkeit zu richten hat. Baron v. Mueller
tritt auch wieder energisch für die Inangriffnahme der Er-
forschung der antarktischen Gebiete ein.
Neuguinea1). — Der durch seine verunglückte Ex-
pedition nach Neuguinea im J. 1884 bekannt gewordene
Kapt. J Straehan hat vom November 1885 bis Januar 1886
oine neue Reise ausgefübrt, welche dem Mai-kassa oder
Baxter, dem 1875 von dom Missionar McFarlane entdeck-
ten und ca 90 miles (145 km) stromauf befahrenen Flufs
westlich vom Fly-Dolta, galt, ln Begleitung von Mr. Kery
und Mr. Poett, einem alten ostindischen Pflanzer, fuhr er
don Flufs auf einem kleinen Dampfer ca 100 miles (160 km)
hinauf und untersuchte noch mehrere seinor Zuflüsse , na-
mentlich den Prince Leopold Ri vor, bis im Flufsbette la-
gernde Stämme die Woiterfahrt verhinderten. Die Expedition
wurde dadurch verhindert, Aufschlufs darüber zu geben,
ob der Mai-kassa mit dem Fly zusammenhängt, was nach
der bisherigen Aufnahme der beiden Flüsse als wahrschein-
lich erscheinen mufs. Von dem fernsten Punkte unternah-
men die Mitglieder kleinere Exkursionen landeinwärts, welche
drei bis vier Tage währte und bis 40 milos (64 km) aus-
gedehnt wurden. Nach der Versicherung Poetts soll das
Land, namentlich nach dem Fly hin zum Anbau aller tro-
pischen Gewächse vorzüglich geeignet sein. Nach der Rück-
kehr zum Meere vorfolgte die Expedition die Küste weiter
nach O bis zum Papua -Golf und entdeckte fünf kleinere
Flüsse, dio 10 — 30 miles (16 — 48 km) befahren werden
konnten ; auch hier wurden bis zu 50 km sich ausdehnende
Exkursionen landeinwärts unternommen. Proben von wert-
vollen Hölzern und Bodenerzeugnissen bildeten aufser einer
reichen ethnographischen Sammlung das Resultat der Ex-
pedition. Schon vor Antritt derselben hatte Kapt. Straehan
von dem Administrator von Britisch -Neuguinea sich ein
Vorrecht auf Ausbeutung dos Gebietes von der holländi-
schen Grenze bis zum Papua -Golf erteilen lassen.
H. Wichmann.
>) Die deutsche AutRab« (lu Werke» Ton Cb.lrorr» und Oill : „Neu-
guinea" {*. Mitteil. 1S8G, S. 1 S>8) ist nicht bei U. Costenoble in Jena,
sondern bei F. A. lirockhaus in lycipzig erschienen.
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ThomO. Carla da Ilha de S . 1:160CKK>. Lissabon. Comm. cartogr.,
1885-
Fünfte Quittung
Uber die bis 1. Mui eiugegangenen Beiträge für Dr. Fischers Expedition.
Stattin. Verein ftlr Erdkunde M. 81, 50
Summe der 1.— 4. Quittung M. 2673, io
Totabutnme (exkl. der von der Geogr. Gesellschaft In Hamburg bewilligten M. 1400) M. 2764,06
Auf S. 1«3 der .Mitteilungen' (Maiheft}
tu lesen.
Berichtigung.
hat sieh ein siuiutvrender Druckfehler eiugeschlicben.
Juni — Januar
Als Cberwhrift in der Spalte link, ist nimlich statt
(OescbloMen am 18. Mai löse.)
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Die Insel Saleijer.
Von H. E. D. Engelhard.
(Mit Kart«, s. Tafel O.)
Zwischen dem südöstlichsten Punkto von Celebes, Kap
Lassowa oder Bira, und der Insel Floros oder Mangara'i,
liegen mehrere Inseln und Inselgruppen, welche administra-
tiv zu der Provinz Celebes und deren Dependenzen gehören.
Die zwisohen ca 119° 50' und 121° 30' ö. L. v. Gr. und
zwischen 5° 36' und 7° 25' S. Br. gelegenen Inseln bil-
den zusammen die Abteilung Saleijer, welcher Name von
der Haupt insei entnommen ist, denn auf dieser befindet
sich der Flaggenstock vor dem Hause des holländischen
Beamten unter 120° 27' 26' ö. L. und 6® 7' 22' 8. Br.
Zusammen gehören zur Abteilung Saloijer 73 Inseln von
verschiedenster Gröfso ; die der Hnuptinsol zunächstliegendon
sind Pulu Pasi oder Schwcineinsel , und woitor südlich
Malimbu, Guwang, Bahuluwang, Tambalongang und Pulasi
oder Lasi.
Von der Insel Celebes ist Saleijer durch die gloioh-
namige Strafse geschieden, welche in der engsten Stelle
ca 7-J- km breit ist1). Da Bie von alters her die gewöhn-
liche Oberfahrt bildet, bo ist sie unter der Bevölkerung
allgemeiner bekannt unter dem Namen Limbaugang. Wie-
derholte Lotungen haben bei 100 Faden noch keinen Grund
erreicht. Infolge dos starken Stromes ist das Befahren
dieser Strafso für diu einheimischen SchifTo sehr gefähr-
lich , und der Aberglaube hat dieselbo darum mit einem
böson Geisto, Karaeng lowd, in Verbindung gebracht ; beim
Passieren der Strafse wagt man daher kaum ein Wort zu
sprechen. Ebenso nennen die Seeleute bei der Überfahrt
niemals den Namen Saleijer, sondern nur Pulu Dowang, eine
ganz kleine Insel oder richtiger Sandbank an der Küste
der liegentsekuft Tanete. Es wird daher bisweilen fälsch-
lich behauptet, dafs die Insel Saleijer auch den Namen
Pulu Dowang führt. Von den Inseln Liukang-lowe oder
Betong aus, wolche beide zu den Buzeruns in der Saleijer-
Strafsu gehören , obenso wio vom Strande von Koloug an
der Westküste dos obengenannten Kap Lassowa erscheint
>) P. J. Veth: Notaie Sctujar cd isolc adiicenti. (Cosmo» VI, j
P- 4t.)
Petennaon! Ge ogi. MitteilunijeB. 1S86, Heft VII.
Saleijer alsein in der Mitte durchschnittenes Dreieck-, seine
Spitze bildet der höchste Berg Bontona - Haru , dessen Ost-
abhang sehr steil , dessen W estabhang dagegen sehr all-
mählich abfällt. Vom Kajuwadi oder irgend einem andern
östlichen Punkte sieht Saleijer wie zwei dicht bei einander
liegende Inseln aus infolge eines tiefon Einschnittes zwi-
schen den Bergen Nipotokka und Bodi , welche auf der
SUdhälft« der Insel liegen.
Vergleicht man die Gestalt von Saleijer mit den süd-
lich benachbarten Inseln Tambolungang und Pulasi oder
Lasi, so ist eine merkwürdige Ähnlichkeit nicht zu ver-
kennen. Dazu ist die Strafse zwischen den beiden letzt-
erwähnten Inseln sehr soicht infolge stetig zunehmender
Korallenbauten , so dafs bei starker Ebbe der Grund fast
ganz trocken wird. Die Vermutung erscheint daher ge-
rechtfertigt, dafs die Hauptinsol ursprünglich aus zwei
Inseln bestand.
Das Saleijer umgebende Meer ist nn allen Punkten der
Ostküste, selbst in unmittelbarer Nähe dos Landes, beson-
ders tief, was für die Entstehung von Handelsplätzen nicht
gerade förderlich ist. Aufserdem haben die zahlreichen
Buchten keinen passenden Ankorgrund. An dor Westküste
dagegen ist das Meer sehr flach und zeichnet sich hier
durch eine Menge Korallenbänke aus. Namentlich bei mo-
driger Ebbo in den Monaten August, September und Ok-
tober ist dor Grund bis 200 m vom Strande mit präch-
tigen Pflanzen und Korallenbauten bedeckt. Eine Ausnahme
hiervon macht der Binnensee oder die Bucht von Bonto-
bangun, welche von der Insel Lasi und der Regentschaft
Bontobangun gebildet wird. Im N hat sie eine Breite von
1817 m und läuft nach S bis zum Kampong Pedang trich-
terförmig zu; sie hat einen Flächenraum von ca 400 ha.
Gegen die horrschondou heftigen Westwinde, durch welche
viel Sand und Schlamm in die Bucht getrieben wird,
ist sie vollständig geschützt. Aufserdem münden hier die
Flüsse Buwa-buwa, I’angiliang. Giring-giring und Binanga-
lura, welche namentlich in der Rogenzeit auch viel Schlamm
mit sich führen. Bei näherer Untersuchung wird es sich
25
194
Die Insel Saleijer.
sehr wahrscheinlich horausstellen , dafs der Seeboden in
dieser Bucht aus Korallen bostebt. Nicht unmöglich ist
es auch, dafs das niedrige Land östlich von Kampong Pa-
dang durch Anschwemmung entstanden ist. Auch die In-
seln Tambalongang und Pulasi sind von Korallenbänken
umgeben, welche bei Ebbe fast trocken liegen, ebenso wie
diejenigen an der Ostküste der Insel Bahuluwang. An der
Ostküste ist der Strand mit feinem weifsen Sande bedeokt,
da er durch den Strom fortwährend Uber Fels und Koral-
lenbänke gescheuert wird; an der Westküste dagegen ist
der Sand grobkörnig und grau. Das Moor von Saleijer
zeichnet sich aus durch grofse Klarheit und durch Phospho-
reszieren während eines grofsen Teil des Jahres.
Über die Strömungen in unmittelbarer Nähe der Haupt-
insel lassen die Funde von Flaschen &c. , welche an der
Westküste der Hauptinsel gemacht worden sind, einen
Schiuls zu. Hiormit stimmt die Thatsache überein, dafs der
Dampfer „Sumbawa“ Anfang 1884 auf der Fahrt duroh
die Lombok-Strafse nach Makassar treibende ßimssteinmas-
sen, welche vom Krakatau stammten, antraf.
Während des Wechsels der Jahreszeiten (pantjaraba),
gewöhnlich im April und Novembor, herrschen Windstillen
oder andauernde wechselnde Winde. Die Regenzeit wird wie
in Sudcelebes während der Monate Mai bis Juli von schwe-
ren Ungewittern begleitet. Wegen der unmittelbaren Nähe
des Meeres treten sie aber nicht so heftig auf wie auf dem
festen Lande. Die Temperatur des Hauptortes schwankt
zwischen 70 — 72° F. (22* C.) vor Sonnenaufgang und
90 — 95* F. (32 — 35° C.) um 2h p. m. Die kühlsten Mo-
nate sind August bis Oktober, in welchen die Temperatur
nicht selten auf 60° F. (15,5* C.) sinkt.
Während deB ganzen Jahres sieht man bei einigermafsen
starkem Winde, niemals bei Windstille, naoh Sonnenunter-
gang zwischen 8 und 9h , oft noch später, einen hellen
Schein an der N-, wie au der S- Spitze der Insel. Der-
selbe, bald stark, bald schwach und auf grofse Entfernung
in See sichtbar , zieht sich im N über den Gipfel Rura,
im S über den boreits erwähnten Berg Nipotokka bin.
Eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Erscheinung hat
noch nicht stattgefunden. Warum sie gerade naoh Sonnen-
untorgang sich bemerkbar macht , und nnr auf den beiden
Bergspitzen, nicht aller auf den vielon andern Gipfeln sich
zeigt, ist nioht erklärlich. Nach Annahme der Bevölkerung
soll dieser Schein eine Ausstrahlung von Goldmasson sein,
die im Boden verborgen sind.
Mit dem Klima steht der Gesundheitszustand in engem
Zusammenhang. Saleijer steht in dem Rufe, sehr ungesund
zu sein, in Wirklichkeit ist die Insol aber besser als ihr Ruf.
Dio Fieber, derentwegen die Insel so berüchtigt ist, herr-
schen ausschließlich beim Weobsel der Jahreszeiten ; sonst
sind sie einfach intermittierend, ohne bösartigen Charakter.
Epidemische Krankheiten gehören auf Saleijer zu großen
Seltenheiten.
Dio Oberfläche der Hauptinsel umfaßt 635 qkm, welche
in folgender Weise auf die verschiedenen Regentschaften
verteilt sind.
Tauete
. 8G,l>5
qkm
BotomaU ....
. 63, W
m
Buki
. 65,8t
m
Boneijt
. 12«, M
m
Bwiteog (HaupUUdt)
. 4 ,44
m
Bontobangnn mit Pasi . 140,00 qkm
Balobulu 20,44 .
Loijolo 90,04 „
Bvang-biraog . . . 48,10 ,
Über ganz Saleijer erstreckt sioh in meridionalor Rich-
tung eine Bergkette, welche verschiedene Bezeichnungen
trägt; sio bildet die Wasserscheide zwischen Ost- und
Westküste und erreicht im Bontona-Haru ihren höchsten
Punkt. Die höchste der beiden Spitzen dieses Berges hat
eine Höhe von 1780 m, während die andre 78 m niedriger
ist. Im Osten fällt diese Bergkette fast senkrecht zum
Meere ab, während sie im N und S in einem sehr steinigen
Plateau endet. Bedeutende Uferflächen exßtioren daher an
der Ostküste nicht, mit Ausnahme von Pamatata an der
NO-Küste von Tanete. Nur wo kleine Buchten, wie bei
Dolßea, Lasangiring, Dodaija, vorhanden sind, ist ein wenig
Sand abgesetzt, so daß ein Strand von wonigen Metern
Breite sich gebildet hat, welcher bei hoher Flut aber unter
Wasser steht. An einzelnen Punkten, namentlich an den
MUndungon der zahlreichen FlUsse, entstehen auoh Moräste,
in welchen besonders Rhizophoren gedeihen, so bei Labu-
wang Hangkowang, Labuwang Balambang u. a. 0.
An der Westküste bleibt der Abhang 1-} — 4J- km vom
Meere entfernt, ausgenommen an wenigen Punkten der
Regentschaften Buki , Bontohongun, Balabulo, Laijolo und
Barang-barang, wo das Land steil aus dem Meere aufsteigt.
Daher existieren au dieser KUste auoh zahlreiche, biswei-
len mit iliohtem Wald bestandene Moräste und Lagunen,
z. B. in den Buchten von Barang-barang und Pondaug,
auf der Strecke östlich von Kampong Padang und in un-
mittelbarer Nachbarschaft der Hauptstadt. Solche Moräste
werden jo nach ihrer Lage zum Fischfänge, z. B. bei Po-
lokka , oder auch zur Salzgewinnung , wie Büdlich vom
Hauptorte, benutzt.
Obwohl das Terrain sehr zerrissen ist, so gibt es doch
nirgends große Bergmassen oder breite Thäler; die be-
deutendsten der letztem sind das Bchüne Thal von Balabulo
und das von Bontonia an der NO-KUste. Größere Ebenen
befinden sich nur auf der Insel Pasi, die Sandebene Dje-
nega auf der Westküste.
Flüsse gibt es in Menge, aber alle sind ohne irgend
welche Bedeutung; die wichtigsten münden auf der West-
küste im nördliohen Teil der Insel. Den ersten Pßtz
nimmt der Tamanroija ein, sowohl seiner Breite als auch
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Die Insel Saleijer.
195
der Ausdehnung seines Stromgebietes wegen. Dasselbe
liegt ganz und gar in der Regentschaft Boneija und be-
greift eine Fläche von ca 25 qkm. Er entsteht in der
Nähe von Kampong Maro Mare aus der Vereinigung zweier
Quollflüsse , von denen der südlichere bei Kampong Djam-
boeija noch einen nicht unbeträchtlichen Zufluß aufnimmt.
In zweiter Linie ist zu nennen der Dalang, welcher mit
seinem rechten Zuflufs größtenteils die Grenze zwischen
den Regentschaften Bonoija und ßuki bildet, und endlich
der Banysia in der letztem Regentschaft. Von geringerer
Bedeutung sind der Tallay a, der Buwa-buwa, welcher die
Nordgrenze, und der Pangiliang, welcher die Südgrenze der
Hauptstadt Benteng bildet, der Giring-giring, der Binanga-
lura und der Sangkulu - kulu. Im südliohen Teil der Insel
ist nur der Balindongang zu erwähnen, weloher nicht weit
vom Kampong Laijolo einen in der Regenzeit nicht unbe-
deutenden Wasserfall, den einzigen der ganzen Insel, bil-
det. An der Ostküste sind nur der Balara und Sndiang
nennenswert; beide sind sehr reißend und haben sich tief
in den Boden eingegraben. Keiner der genannten Flüsse
kann von großen Schiffen befahren werden, teils wegen zu
geringer Tiefe, teils wegen der starken Deltabildung an
der Westküste.
Seen gibt es auf der Insel nicht. Eine unbedeutende
Wasseransammlung, welche diesen Namen nicht verdient,
liegt auf dem Berge Bontona-Haru und bildet die Quelle
einiger kleinen Bäche. Auch Moräste im eigentlichen Sinne
existieren nicht, dagegen viele Lagunen oder Gräben, z. B.
auf dem nördlichen Teile von Fasi, welche dadurch in
zwei Inseln geteilt wird , nämlich in das eigentliche Pasi,
den südlichen, größten Teil, und Gusung. Auch auf Tamba-
longang dringt von der Ostküste eine Lagune tief in das
Land ein und gestaltet das Nordendo zu einer Halbinsel.
Vorherrschend sind West- und Ostwindo. Stürme tre-
ten höchst selten auf. Als einer Merkwürdigkeit gedonken
die Chroniken eines Sturmes, welcher im Jahre 1047 der
Hedschra (1635 n. Chr.) ganz Saleijer verwüstet hat Auch
die Nacht des 17./ 18. März 1881 wird in der Erinnerung
bleiben infolge eines heftigen Cyklons, dessen Zentrum die
kleine Insel Bondrate, welohe administrativ zu Saleijer ge-
hört, gewesen zu sein scheint Zugleich fand oiu Seebeben
statt, welches den Wasserspiegel mit einem Schlage um
5 — 6 m unter den gewöhnlichen Stand sinken ließ, um
dann unter gewaltigem Andrang der Wogen das verlorne
Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Kampongs am
Strande, sowohl auf Boneratc wie auf dom benachbarten
Kalave oder Lambdgo, wurden dadurch gänzlich verwüstet,
und viele auf der Rhede liegende Schiffe gingen unter.
Die Folgen dieses Seebebens wurden, wenn auch in gerin-
gen» Maße, längs der ganzen NO-Kiiste von Saleijer em-
pfanden, wo obendrein ein 36stündiger schwerer Regenguß
erfolgte, welcher alle Flüsse Uber die Ufer treten ließ.
Die Wälder stehen ohne Kontrolle der europäischen
Verwaltung ausschließlich unter Aufsicht der einheimischen
Häuptlinge. Große Urwälder existieren auf Saleijer nur
noch auf den beiden höohsten Spitzen des Bontona-Haru
und im südlichsten Teile der Regentschaft Barang-barang.
Im Gebiete des Kampong Baera (Regentschaft Bontobangun)
findet sich ein Wald mit riesigen Canarium-Bäumen und in
den südlichen Regentschaften Laijolo und Barang-barang
große Wälder von Camirium-Räumen (Aleurites Moluscana
Willd). Sowohl Canarium als Camirium bilden einen wich-
tigen Handelsartikel, da ihr Holz gesuchtes Material zum
Bau der einheimischen Bauten liefert. Für dieselbe Be-
stimmung liefern die nördliohen Regentschaften, besonders
Batamata und Buki, eine besondere Holzart, Rita genannt
(Alstonia scholaris R.).
Die Fauna von Saleijer stimmt im allgemeinen mit Süd-
celebes überein , nur Affen kommen nicht vor , mit Aus-
nahme eines kleinen schwarzen Nachtaffen, welcher zum
Geschlechts der Halbaffen gehört; er mißt in der Höhe
höchstens eine Spanne. Dagegen existiert Sciurus microtis
oder Kalabinting, welcher viel Ähnlichkeit mit dom Eioh-
hörnchen hat, aber kleiner und grau von Farbe ist. Das
zierliche Tier unterscheidet sich von den übrigen Eich-
hörnchenarten dadurch , daß es kleine Ohren und mit
Gruben versehene Zähne hat. Unter den Coleopteren habe
ich viele bßhor unbekannte Arten entdeckt
Die geologischen Bildungen von Saleijer sind sämtlich
sedimentären Ursprungs. Sowohl auf den Bergen als in der
Ebene trifft man wenige Fuß unter dem Boden immer
Korallen, und hieraus ist der Schluß berechtigt, daß die
Insel durch vulkanische Kraft über den Meeresspiegel er-
hoben worden ist Feste Kalksteine sieht man überall,
hier mit verschiedenen Erdschichten bedeckt, dort gänzlich
bloßliegend, sowohl in dem nördlich und nordöstlich vom
Bangsia liegenden Teile, als auch im südlichen Teile der
Regentschaft Barang-barang. Infolge der andauernden Ver-
witterung dieses Gesteines ist dos Wasser besonders im
Gebirge sehr kalkhaltig. Als auffallendes Beßpiel hierfür
kann die an der Ostküste der Insel Bahulnwang sich be-
findende Quelle angeführt werden, deren Wasser in ganz
kurzer Zeit eine ansehnliohe Kalkkruste in der hölzernen
Wasserleitung abgesetzt hat
Mit Ausnahme der Regentschaften Tanete und Barang-
barang wird in Saleijer überall Sandstein aus verschiede-
nen Perioden angetroffen ; die schönsten stammen aus den
Gruben bei Lasangiring an der Ostküste von Batamata,
gröbere Sorten vom Bontona-Haru und Batu Pute au der
Westküste von Laijolo. Die Inseln Pasi, Tambalongang
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Die Insel Saleijer.
und Pulaai bestehen gleichfalls ausschliefslich aus Kalk-
uud Saudsteingebilden. Erze kommen weder auf Saleijer
noch auf den umliegenden Inseln vor.
Ausgezeichnet durch seine Fruchtbarkeit ist der Boden
von Saleijer mit Ausnahme der Nord- und NW -Küste,
eines Teiles des Kampong Pamatata in fast gerader Linie
bis zur Mündung des Flusses Dulaug. Geht mau von der
Westküste ins Innere, so findet man erst einen Uber die
ganze Insel sich ausdehnenden Streifen Sandboden, dann
einen fruchtbaren, aber steinigen Lehmboden und dann
oiuen vortrefflichen schwarzen Ackerboden. Wegen ihror
Fruchtbarkeit sind ferner berühmt die Thäler von Ralabulo
und Bontona, letzteres in der Regentschaft Tanete, ferner
die Landschaft Putabangun in der Regentschaft Bontobangun.
Zahlreiche Wcgo durchkreuzen die Insel nach allen
Richtungen. Von Kampong Boneloho im Norden läuft ein
6 m breiter Weg fast immer in der Nähe der Küste bis
nach dem Kampong Barang-barang im 8 ; gerade bei Kam-
pong Ernsaija schlägt dio Strafso südöstliche Richtung ein
nach Pariangaug, Residenz des Regenten von Balabulo, bei
Batlindungang erreicht sie die Küste abermals, welche sio
nicht wieder verläfst. Von dieser Hauptlinie zweigen sich
folgende Strafseu ins Innere ab : 1 . von Batamata-bara öst-
lich nach Batamata-sapo und weiter nördlich bis Kampong
Pamatata; 2. von Apabatu längs des rechten Ufors des
gleichnamigen Flusses nach Gantarang; 3. von einem Punkte
etwa 1 Paal (lj- km) nördlich von der Hauptstadt in öst-
licher Richtung nach Kampong Tabang und sodann süd-
lich nach Hontosa’ile , der ehemaligen Residenz des Rogon-
ten von Putabangun; 4. von einem Punkto ca */s Pft*l
{sli km) südlich von der Hauptstadt Beuteng gleichfalls
nach Bontosäilü; 5. von Kampong MatalaJang, Sitz des
Residenten von Bontobangun, nach Kampong Bontobangun,
gänzlich in steinigem Boden ausgehauen; 6. ca 8 Paal
(12 km) entfernt von der Hauptstadt nach Padaug, ganz
durch Morast führend ; 7. von Pariangang längs dos rech-
ten Ufers des Flusses Balabulo nach Saugkulu-kulu.
Alle diese Strafsen sind auf Kosten der holländischen
Verwaltung angelogt, werden aber von den Bewohnern
unter Aufsicht der Häuptlinge unterhalten. Sie sind unter
sich wieder verbunden durch Nebenwege von 2 m Breite,
welche von den einheimischen Häuptlingen aus eignem An-
trieb ohne Anregung der niederländischen Regierung angelegt
wurden und unterhalten werden. Innerhalb des Bereiches
vieler Kampongs trifft man aufserdem vorzügliche Wege an.
Die Ausfuhr von Handelsartikeln geschieht zu Iunde
meistens durch Träger, welche die Fracht an einem Trug-
stocke, lembarang, über die Schulter herabhängen lassen;
nur wenig bedient man sich der Pferde oder Büffel. Längs
der Küste findet der Verkehr mittels kloiner Fahrzeuge,
roppö , lepa-lepa, statt. Mit der übrigen Welt wird die
Verbindung unterhalten mit einem einheimischen Fahrzeug,
welches dreimal per Monat dio Reise nach Bulu-Komba
und zurück macht behufs Überbringung der Post, während
der Postdampfer von Makafsar via Buton nach Kendari
auf der Hin- und Rückreise bei Saleijer anlegt.
Die Bevölkerung von Saleijer mit anliegenden Inseln
betrug 1880 ca 57 000 Seelen, welche sich folgendermafsen
auf die einzelnen Regentschaften verteilten:
Bnwohntr Auf 1 Qu.-PaaI Auf 1 qkm
Tauet« . .
3 989
106
46
Batamata .
7 112
264
112
tiaki .
5 231
180
79
Üoneija
14 63t
276
121
Bonteng (Hauptstadt)
1476
738
326
Bontobingua inkl. Insel Pari
16 878
272
120
Balabulo
2 668
296
ISO
Luijolo . .
3 767
94
41
Barang-barang
1 398
74
36
Saleijer .
67 143 “
"ca 204
’ 90
Ituel Tambalonging
1087
„ l'ulari
431
„ Bahuluwaug
103
Die Bowohnur vou Saleijer sind im allgemeinen nicht
so dunkel gefärbt, als die Bewohner von Makalsar und die
Bugineson. Sie sind wohlgebaut und meistens schlank;
muskulöse Leute trifft man sehr selten unter ihnen, wenn
auch die Bergbewohner, besonders in den südlichen Regent-
schaften , dunkler gefärbt und von kräftigem Bau sind.
Unter den Frauen und Mädchen sieht man sehr viel schöne
und zierliche Gestalten, besonders zeichnet sich dio Regent-
schaft Balabulo in dieser Beziehung aus.
Die Saleijesen sind ein munteres, bescheidenes, aufge-
wecktes und sanftmütiges, besonders aber fleifsiges and
sparsames Völkchen. Sie besitzen nicht den alles gering-
schätzcudcu Hochmut, den albernen Eigensinn, dio kindische
Halsstarrigkeit, welche besondere Charaktereigentümlichkei-
ten unter den Bastarden der Makafsar-Buginesen sind. Viel-
leicht ist os ihrem sanften Charakter zuzuschreiben, dafs
sie bei den übrigen Völkern in Niederländisch -Indien nir-
gends in Ansehen stehen.
Ihre Sprache ist hart und scharf wie die der meisten
seefahrenden Völker, aber durch den ihnen eigentümlichen
singenden Tonfall verliert sio sehr viel von dieser Eigen-
schaft.
Die herrschende Religion ist der Mohammedanismus,
wolchor nach den Chroniken von Saleijer im Jahre 1014
(1 002 n. Chr.) durch malaiische Ansiedler von Menangkebo
(Sumatra) eingeführt wurde. Als Kernpunkt des Islams
ist entschieden der Kampong Batamata-bora zu bezeichnen.
Die einheimische Verwaltung ruht auf den Häuptlingen
oder Regenten, wolcho von der Bevölkerung Opu genannt
werden , denen geringere Ruugstufen zur Seite stoben mit
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197
Die rezenten Bildungen
dem Titel Opulolo oder Baligau und Glarang. Die Opus
erhalten eine feste Besoldung von der niederländischen
Regierung.
In Zukunft scheint Saleijer noch eine wichtige Rolle
spielen zu sollen , und zwar nicht allein für die Provinz
Celebes. Stets suchen sehr viele Saleijesen aufsorhalb ihrer
Insel sowohl auf Celebes wie in andern Teilen des Archi-
pels ihren Unterhalt, um nach einigon Jahren mit kleinem
Vormögen zurUckzukehron. Nebenbei besitzt die Insel noch
auf der Insel Bangka.
einen beträchtlichen Viehstand. Ihre Pferde, wenn auch
klein, sind in Celebes sehr gesucht, besonders für schwere
Transporte in gebirgigem Terrain , während die Unmasse
von Büffeln, welche zur Landwirtschaft nicht benutzbar
sind, ein ausgezeichnetes Schlachtvieh liefern.
Boi den Fortschritten der Kultur und der damit ver-
bundenen Entwickelung von Ackerbau und Industrie wird
Saleijer ftir Celebes sicher die Bedeutung gewinnen, woloko
Madura jetzt für Java hat.
Die rezenten Bildungen auf der Insel Bangka.
Von Dr. Theodor Posewitz, Volontär der KgL ungarischen Geologischen Landesanstalt.
(Hit Karte, s. Tafel 10.)
Die Konfiguration der Insel Bangka steht in engen
Beziehungen zu dem geologischen Bau derselben. Während
der nördliche und südliche Teil sich mehr ausbreitet, er-
scheint Mittelbangka von beiden Seiten eingebuchtet. Im
Norden und Süden der Insel treten vielfach uuwoit der
Meeresküste oder hart am Strande feste Felsarten auf —
Granite und quarzitischo Sedimcntärgestoino , sowohl der
Verwitterung als den eindringenden Meerosfluten gröfsern
Widerstand darbietend, während in Mittelbangka zumeist
thonige und sandige Gobildo von geringerer Widerstands-
fähigkeit Vorkommen. •
Im Norden sind es die Granite von Muntok und Djo-
bus, ferner die Granitzügo in Blinju und Sungei-I.iat, sowie
quarzitischo Gesteine an der Kirnte, welche die äulsere Ge-
stalt bedingen. Im Süden sind es die Toboali-Granitmas-
sen, das Duwa • ajamgubirgo an der südwestlichen Insel-
spitze und die Ausläufer dos Phtwnu- Puddinggebirgszuges
an der südöstlichen Insolspitzu, die weit in die See hinein-
ragen. Auch in Mittolbnngka, wo ausnahmsweise hurte
Felsmassen sich an der Küste zeigen, so beim Gebirge
Penniss (SW), beim Gebirge Saliuta (NO) verschwindet die
Einbuchtung. Man kann gewifs behaupten, dafs überall,
wo sich ein Kap vorfindet, man daseihst nuch harte Fels-
masseu anzutreffen hat, wie es z. B. der Fall ist an der
Ostküste beim Kap Lempujang, Gunung-Salinta, Pnnei.
Die Alluvialbildungcn , in Bungka räumlich weit ver-
breitet, zeigen sich zumeist als Küstenbilduugen; doch tra-
gen diese an der Westküste einen andern Charakter als im
Osten, und auch ihro räumliche Verbreitung ist an beiden
Küsten eine ungleiche. Im Westen treten vorwiegend Mo-
rastbildungen auf und bedecken grofse Arenlo, während
Seesandbildungen nur lokal sich vorfinden. An der Ost-
. küste begegnen wir fast ausschließlich letztem Bildungen
der ganzen Küste entlang, zumeist eine Dünenhügelkette
bildend: und uur an einer Stelle, bei der Mündung des
Flusses Butu-rufsa, tritt Morasthildung bis an den Strand
heran.
Denkt man sich eine ideale Linie durch Bangka gezo-
gen von der Klabat-Bai im Norden bis zur südwestlichen
Inselspitze, so herrschen westlich davon Morastbildungen
vor, östlich hingegen Diiuenbildungen.
An der Küste des Distriktes Muntok bemerkt man aus-
gebreitete Morastbildungen und nur an vereinzelten Stellen
geringe Dünenbildung, besonders da, wo granitische Ge-
steino bis an die See herantroten , oder in der Nähe der-
selben anstohen; so z. B. beim Granitgebirge Tempelang.
Nun sind die Küstenbildungen bis zum Gebirge Permiss
fast ausschliofslieh wiederum Moräste , gebildet durch die
sumpfigen Niederungen der Flüsse Kottawaringin , Mundo,
Solan , und nur au drei Steilen treteu feste Gesteine bis
an die See. Beim Gebirge Permiss findet sich ein Dünen-
streifen, und dann folgen die weit ausgedehnten Morastbil-
dungen der Flüsse des Distriktes Toboali, Balar- Bangka,
udjong, Olim 4c. Im Südwesten treten mehrfach Granit-
massen an der Küste auf, und ebenso Seesandanhiiufungen,
die sich dann zwischen die Moräste einlagern. Letztere
sind auch fast allein entwickelt zwischen der südwestlichen
und südöstlichen Inselspitze. Von der letztem Spitze zieht
Bich nun der ganzen Ostküste eutlang ein schmaler DQnon-
streifen, nur an vereinzelten Stellen unterbrochen, wo Granit-
massen in die See hineinragen. Im Norden Bangkas tre-
ten beide Bildungen an mehreren Orten auf: doch sind
westlich von der Klabat-Bai Moräste vorherrschend, östlich
davon Seesatidanhitufungeu.
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198
Die rezenten Bildungen auf der Insel ßangka.
Die Ursache der räumlich ungleich entwickelten Küeten-
bildungen im Osten und Westen der Insel ist in den hydro-
graphischen Verhältnissen zu suchen ; und der verschieden-
artige Charakter derselben in dem Antagonismus zwischen
ruhig erfolgender Sedimontablagerung und dem entgegen-
wirkenden Einflüsse der Meereswellen, der Brandung.
Die Hauptwasserscheide Bangkas zieht sich entsprechend
der Längsachse der Insel in NWSO- Richtung vom Maras-
gebirge Uber den Mangkol hin, und stößt im Süden an
die ostwestlioh laufende Plawan - Paddingbergkette , die im
Süden die Grenzscheide der Wasserläufe bildet
Der nördliche Teil Bangkas kommt hier weniger in Be-
tracht; die zahlreichen Granitberge bestimmen hier die
Richtung der vielen, doch gröfstenteils unansehnlichen Flüsse,
welche östlich, nördlich oder westlich sich in die umgebende
See ergiefsen oder in die Klabat-Bai eintnfinden.
östlich von der Hauptwasaersoheide ergießen sich alle
Flüsse in die ungestüme Chinesische See, mit alleiniger ,
Ausnahme des Flusses Lajang, der, in den Granitbergen
der Ostküste entspringend und ostwestlich strömend, seine
Wässer (nördlich vom Marasgebirge) der Klabat-Bai zu-
fdbrt. Westlich von der Grenzsoheide eilen sämtliche Flüsse
der ruhigen Bangkastrafse zu.
Die Hauptwasserscheide teilt Bangka in zwei ungleiche
Hälften, in eine breitere westliche und in eine schmälere
östliche. Selbst nach Abzug der bedeutenden Morastbil-
dungen an der Westküste erscheint hier die Landzone
nooh um vieles breiter als im Osten.
Dies hat aber eine ungleiche Länge der Flüsse zur
Folge. Im Westen sind sie fast sämtlich mächtig ent-
wickelt und besitzen ausgedehnte Flufsgebiet«, so die Flüsse
Kottawaringin , Mundo, Solan, und die aus der Fadding-
kette entspringenden Banka - udjong , Olim, Njiri, Gossong,
Kapo, Gumba. Im Osten sind die Flüsse meist unbedeu-
tend; blofs die Stromgebiete der Flüsse Batu-russa und
Kurau stehen den westlichen Wasserläufen an Ausdehnung
nicht nach, und auch ihre Flufslänge ist eine bedeutende.
Die westlichen Flüsse führen Schlammwasser aus einem
gröfsorn Areale als im Osten mit sich fort, um sie vor ih-
ren Mündungon abzulagern; darum müssen naturgemäß
Alluvialmassen dort stärker entwickelt sein als hier. Und
die schon ins Beginne mächtigere Ablagerung wird im
Laufe der Zeit noch ungleicher, d. b. die Mächtigkeit der
Alluviouon im Westen nimmt rascher zu, als es im Osten
geschehen könnte.
Dafs man im Osten an der Küste fast keine Moräste
findet and auch die sumpfige Niederung des Flusses Batu-
russa verhältnismäßig nicht bedeutend ist, hat darin sei-
nen Grund, daß hier die Morastbilduogen iu ihrer Ent-
wickelung gehemmt sind.
Während an der Westküste die Schwemmmassen sich in
der ruhigen Bangkastrafse ungestört ablagern können, be-
finden sie sich im Osten im Kampfe mit der dünenbilden-
den Brandung der ungestümen Chinesischen See, besonders
zur Zeit des Ostmonsuns, und werden in ihrer Ausbreitung
von den Dünen gehemmt und zurückgedrängt.
Sumpfige Niederungen besitzt eigentlich jeder Fluß auch
im Osten der Insel, nur erstrecken sich diese nicht bis
zur Küste.
Eine Ausnahme hiervon bildet, wie schon erwähnt, der
Fluß Batu-russa, an dessen rechtem Ufer die Morastbildung
bis zum Strande sich erstreckt; am linken Ufer ist eie
durch Seesandauhäufungen zurückgedrängt. Landein wärt«
jedoch ist die Sumpfbildung dem Russe entlang mächtig
entwickelt.
Besonders schön sieht man diesen Kampf zwischen
Morastbildung und Dünenvorlagerung beim Flusse Kurau
im Osten. Bei seiner Mündung in die See bei dem Orte
Kurau gewahrt man nichts von Sumpfbildung; zwischen
weithin abgelagerten Secsandmassen fließt er dabin. Am
Wege gegen Koba zu reisend, bemerkt man jedoch, daß
man sich auf einer Düne befindet, und landeinwärts er-
strecken eich in einem tiefem Niveau Sumpfbildungen in
großer Ausdehnung, das linke Ufer des Kurau-Flusses um-
säumend. Diesem in NW — SO- Richtung strömenden Fluß,
umgeben von seinen sumpfigen Niederungen , wurde als-
bald durch die Dünenkette ein Hindernis in den Weg
gelegt, und er wurde gezwungen, seinen Lauf zu verän-
dern und längs der Düne nun in SO — NW-Richtung dem
nahen Meere zuzneilen. Die Ausbreitung der Sümpfe bß
zur Küste wurde also durch die Dünenbildung verhindert.
Ähnliche Beispiele findet man auch im Dßtrikte Merawang
im Osten. Die beiden kleinen Flüsse Mangong und Sarang-
lang fließen durch eine Dünenkette dem Meere zu. Sie
zeigen denselben veränderten Lauf wie der Fluß Kurau,
und ihre sumpfigen Niederungen sind ebenfalls durch die
vorgelagerten Dünen zurückgedrängt und teilweise gestaut.
Vorliegende Skizze zeigt diese Verhältnisse an.
D bt
lilÄraMssi
Auch im Nordosten des Distriktes Koba erstreckt sich
eine langgedehnto sumpfige Niederung und ihr vorgelagert
eine Dünenreihe.
Dasselbe irt dor Fall beim Flusse Olim in Toboali;
von beiden Seiten schieben sich vor seiner Einmündung in
dio See Dünen vor und drangen die Morastbildung zurück.
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Die rezenten Bildungen auf der Insel Bangka.
199
Die schönsten Beispiele findet man aber an der südwest-
lichen Inselspitze. Zwischen Kap Kelapan und Kap Keda-
min einerseits, und zwischen Kap Kuba und Kap Tanah-
rebo anderseits, lagern an der Küste mehr oder weniger
ansgebreitete Dünen, nur an wenigen Stellen einen schma-
len Durchflute den der See zueilenden Gewässern gestat-
tend. Landeinwärts davon dehnen sich die Tagab- nnd
Kangkamoräste aus, in welche mehrere Wasserläufe eich
ergiefsen. Hier werden die Gewässer siohtüch durch die
vorgelagerten Dünen gestaut; und wäre der Abflufs ein
gröfserer, so würden die Sümpfe an Umfang um vieles
abnehmen.
Zwischen den Küstenbildungen an der West- und Ost-
küste besteht dem Gesagten zufolge blofs ein scheinbarer
Unterschied. Die Ungleichheit resultiert lediglich daraus,
daß die Sedimentablagerung in der Bangkastrafso meist
ungestört vor sich gehen kann, während am Strande der
Chinesischen See die Dünenbildung entgegentritt und die
Ausbreitung derselben hindert.
Die Beschreibung der Küstenbildungen führt uns aber
zur Betrachtung der Flufs- und Thalbildung in Bangka,
die bei den grüfsern Flüssen am deutlichsten vor Augen
tritt.
Nur im obern kurzen I>aufe besitzen die Flüsse ein
mehr oder weniger starkes Gefälle; das Thal hat steile
Ufer, ist schmal und vom Wasserlaufo fast gänzlich ein-
genommen. Der weitaus längste Teil des Thaies jedoch
besitzt mit abnehmendem Flufsgefälle einen verschiedenen
Charakter. Die steilen Thalgehänge sind verschwunden,
das Thal ist breit geworden und nimmt an Breite gegen
das Thalende stets zu. Ein kleiner, schwacher Wasserlauf
oder deren mehrere schlängeln sich langsam dahin und
stehen, was ihre Mächtigkeit betrifft, in gar keinem Ver-
hältnisse zum breiten Thalboden. Diesor selbst ist in den
obern Teilen trocken, gegen das Ende zu wird er allmäh-
lich sumpfig und nimmt naturgemäfs an Breite (bis zu
3 — 4-t km) zu, wo zwei Flüsse sich vereinigen. Am Thal-
ende finden sich dann ausgedehnte Moräste und bilden nun
die sumpfigen Niederungen der Westküste.
Auch im untern Flufslaufe ist der Unterschied zwischen
Flufs- und Thalbreite ein ansehnlicher ; so besitzt der Flufs
Selan einige Kilometer vor seiner Einmündung in die
Bangkastrafse bei einer Breite von einigen Metern eine
1-}- km breite sumpfige Thalniederung; so der Flufs Batu-
russa beim gleichnamigen Orte eine Breite von 200 m,
während die ihn umgebenden Moräste 1-J- — 2 km breit
sind.
Der sumpfige Thalbodon erstreckt sich weit landein-
wärts, beim Flusse Selan gegen 27 km, beim Flusse Kapo
sogar gegen 30 km.
Interessant ist es ebenfalls, dafs zuweilen der sumpfige
Thalboden von beiden Seiten von einem schmalen, trocknen,
etwas höher gelegenen Saume umgeben wird ; oder dafs sich
eine trockene Tbalebene zwischen zwei sumpfigen Flnss-
thälern ausdehnt, wie bei den Flüssen Krantei und Kambu
im Distrikte Slan.
Zu erwähnen ist ferner der Umstand, dafs bei den
Flüssen in Bangka die Ebbe und Flut sich tief in das
Innere der Insel erstreckt, wodurch die oft unbedeuten-
den Flüsse während der Flut so hoch anschwellen,
dafs sie für kleinere Schiffe befahrbar sind. Der Flufs
Batu-russa ist z. B. 20 — 24 km landeinwärts der Ebbe
und Flut unterworfen. Der Flufs Kottawaringin 15 km,
der Flufs Mundo 20 km. Beim Flusse Slan macht sich
der Unterschied im Wasserspiegel 18 km landeinwärts bis
zum Orte Slan geltend; in der trocknen Jahreszeit hin-
gegen 22 km weit bis zur verlassenen Mine llekrek, und
noch weiter wird der Wasserlauf zur Zeit der Flut gestaut.
Alle Flüsse Bangkas sind so entwickelt; nur treten
diese Verhältnisse bei don kleinen Wasserläufen weniger
vor Augen.
Die zwei Eigenarten der Flüsse Bangkas, das Mißver-
hältnis zwischen der bedeutenden Thalbreite und dem
schmalen Wasserlaufe und die allmähliche Versumpfung des
Thalbodens gegen die Flußmündung zu, erklären sich un-
gezwungen durch die geologischen Verhältnisse in der
Nach -Tertiärzeit, als noch die See das durch die jetzigen
Küstenbildungen einnehmende Areal bedeckte. Den größten
Teil der jetzigen Thäler nahmen schmale Meerbusen ein,
sich tief ins Innere der Insel erstreckend, gewiß so weit,
wie gegenwärtig dio Ebbe und Flut reicht. Der Meeres-
spiegel war also damals ein höherer.
Bangka hatte zu dieser Zeit eine vielfach andre Gestalt
als jetzt. Die geringsten Veränderungen zeigt die Ostküste.
Hier bildete unter anderm der jetzige sumpfige Thalboden
des Batu-ruBsa-Flusses einen schmalen gegen 20 km langen
MeereBarm, in dessen oberes Ende die Flüsse ihre Wasser
ergossen. Ähnliche, aber unbedeutende Moeresarme bofanden
sich auch an Stelle der jetzigen kleinen Flußthäler. Die
Tuwingbergkette im NO war eine Insel. Dio Klabat-Bai
war ansehnlich vergrößert um die jetzigen Alluvionon der
Flüsse Antan und Lajang; letzterer bildete eine Meeres-
bucht.
Der Distrikt Djobus war eine Halbinsel, im Süden durch
zwei Meeresbusen, die Sumpfniederungen der jetzigen Flüsse
Kampa und Antan, eingeschlossen. Zwischen den Mnn-
tokschen Granitbergen und dom Tempelang, die teilweise
von der See bespült wurden, lag oine breite Meeresbucht, —
das Alluvium des Djering - Flussos. Der Distrikt Merawang
war ungefähr */so schmäler als gegenwärtig; eine Meeres-
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200
Die rezenten Bildungen auf der Insel Bangka.
bucht erstreckte sich hier in das Iunore dor Iusol —
Sümpfe dor jetzigen Flüsse Kottawariugin und Mundo — ,
Kap Todong bildete eine Insel, gleich dor jotzigen Insel
Nangka. Ein Meorbuson bespülte die Küste beim Orto
Slan und drang noch weiter landeinwärts; ein zweiter
befand sich südlich davon : das Thal des Banka - Kotta.
Den südlichen Fufs des Pennissgebirges bespülte das Meer,
während Kap Mentigi eine Insel und dor Berg Glinsom,
jetzt weit weg von der Küste gelegen, ein Kap bildete.
Vielfach von Meeresarmen durchschnitten, erscheint auch
der Distrikt Toboali, welcher wohl Vs kleiner an Umfang
war als heutzutage.
Aus der einstigen Seebedccknng des untern Teiles der
Thäler kann man mit wenig Mülle den gegenwärtigen
Charakter der Thäler und Wasserläufo erklären. Als die
Bildung der Alluvioueu begann, als dio See durch die vou
den Flüssen herboigeführteu und abgelagerten Schlamm-
massen allmäblig zurückgedrängt wurde, oder zum Teile
sich zurückzog und auf ihr jetziges Niveau sank, wurden
auch die Meeresarme langsam trockengelegt, und in den
so entstandenen breiten Thälern mufsten nun die kleinen
Wassorläufe sich einen neuen Weg bahnen, ein neues Bett
graben. Daher das Mißverhältnis zwischen Thal und
Flufs. Daraus erklärt sich auch dio allmühlige Versumpfung
des Thalbodeus gegen das Thalonde zu. Die oberen,
höher gelegenen Teile wurden früher trockengelegt als
dio untern; jene konnten demnach viel schneller ihren
sumpfigen Charakter verlieren als diese.
Dies ist auch die Erklärung für die obenerwähnten
Fälle, wo sumpfige Thalböden von einer schon trocken-
gelegten Zone umgeben werden ; und der schon trockeu-
gelegton — weil höher gelegenen — Thalebene zwischen
den sumpfigen Niederungen der Flüsse Krantei und Kambu.
Dieser Prozefs der Entsumpfung der Thäler schreitet
aber fort, und wenngleich langsam, so wird doch stetig
der Tlmlboden weiter uud weiter trockengelegt. Dafs dio
Stelle der jetzigen Thäler in der posttertiären Zoit Meeres-
arme (teilweise mit brackischem Wasser) einnehmon, wird
auch durch puläontologische Funde erhärtet.
Die ZinnBoifen (Thalzinnsoifen) finden sich nämlich wie
bekannt im Gebiete der jetzigen Thäler, und die zinuerz-
führende Schichte liegt unmittelbar über dem frühem
Thal- resp. Seeboden.
Aus den Ziunseifen vou dor Schwostcrinscl Billiton
— die gleichgebaut ist wie Bangka — sind aber eine grofse
Anzahl Meerestiere — zumeist Gasteropoden uud Lamelli-
branchiaten — bekannt *)i die einesteils auf ein sehr junges
') Jaarlwek ran hot mijnwezen ran Nedeilandich -Indif- 188*, II,
p. SOS. K. Martin, Paläontologie ran NsdoxtsotUch - Indill.
Alter hiuweisen, andernteils aber — da die betreffenden
Tiore zumeist an der Küste lobten — beweisen , dafs die
Ablagerung der Zinnsoifen erfolgte, d. h. der ersten
Schlammmassen im See- resp. brackischen Wasser erfolgt«.
Auch ein malaiisches Boot von anderer Konstruktion als
in historischer Zoit wurde in einer Tiefe von 16 Fufs
(5 m) gefunden , zum Zeichen , dafs das Wasser sich bis
dahin erstreckt« !)•
Es fragt sich nun, ob die Verlandung an der West-
küste in Zusammenhang zu bringon sei mit einer etwaigen
Hebung Bangkas oder mit einem Zurückweichen der Seo.
Um dies zu beantworten, ist es nötig, zuerst einen
Blick zu werfen auf die die Insel Bangka umgebende See.
Es ist bekannt, dafs rings um dieso Insel oine untiefo See
sich ausbreitet, welche den Schiffen eino gröfsoro Annäherung
an die Küste verbietet ; uud dafs das Fahrwasser noch gefähr-
licher wird durch die Anzahl von Klippen und Untiefen,
die sich vorwiegend an der Ostküste vorfinden.
Schön sind diese Verhältnisse dargestellt auf der Küsten-
kart« von Bangka , welche auf den Aufnahmen durch die
Dampfschiffe Pyladcs , Stavoren und Ilydrograaf (1879)
beruht.
Auf der erwähnten Karte findet man die Untiefen der
Seo angegeben; einen Teil zur Zoit dor Ebbe trockenge-
legt; einen zweiten bis zur Tiefe von 3 Faden (5-j- w);
und einen dritten bis 3 — 5 Faden Tiefe (5-J- — 9 m). —
Darüber hinaus beginnen gröfsere Tiefen.
Man sieht daraus, dafs zur Zeit der Ebbe rings um
Bangka ein Streifen trocknen Landes znm Vorschein tritt,
welcher sich Vä — 2 km seewärts erstreckt und wodurch
die Insel merklich vergröfsort wird. Nimmt man hinzu
das Areal des Soobodens bis zur Tiofe von 5 Fadon (9 m), so
beträgt dies wenigstens Vs vom Umfange Bangkas. Dazu
gehört, dann die ganze Klabat-Bai mit Ausnahme oiner
schmalen Rinne tiefem Fahrwassers; ferner die Meeres-
buchten längs dor Distrikte Djebus , Muntok , Merawang
und Sungei-Slan ; das ganze Area) von der Ostspitze Kobas
bis zu den Lepar- Inseln; und ebenso das Gebiet von dor
erwähnten Ostspitzo in fast, gerader Linie bis zur Tuwing-
bergkette im NO längs dor Ostküste Bangkas. — Be-
merkenswert ist aber die ungleich tiefe Seo im Osten der
Insel einerseits und anderseits im Norden und Westen.
Ira Süden schließen sich die Lepar- Inseln an und fernerhin
die Eilande in der Nähe Billitons.
Im Norden findet man schon in 5 km Entfernung
20 Faden (37 m) tiefes Fahrwasser; uud wo in Buchton
gröfsere Sedimeutablagerungen stattfinden, die genannte
Tiefe in Seen 16 km Entfernung. Im Westen, in der
l) Journal ot tlie geological society 1851« p. 302.
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201
Die rezenten Bildungen auf der Insel Bangka.
Bangkastrafse , ist dassolbo Verhältnis vorhanden, d. h.
20 km woit von der Küste findet man gröfsero Tiefen.
Nur die Ostküste macht eine Ausnahme. Im NO ist die
Tiefe von 36 m erst in 25 km Entfernung vorhanden; bald
aber steigt diese Entfernung bis 75 km von der Küste und
erhält sich in dieser Ferne bis zur Ostspitze von Koba
(Kap Brikat) und von da gegen die Nordküste von Billiton
sich hinziehend, wenngleich stellenweise auch schon in
gröfsorer Nähe des Landes goriugero Tiofeu Vorkommen.
Dafs die Vorlandung Bangkas an der Westküste rasch
vorschreitet, beweist aufsor der untiefen See die unge-
meine Entwickelung der alluvialen Morastbildungen daselbst,
die an der Küste des Distriktes Sungei-Slan z. B. gegen
ein Fünftel von der Breite der Insel in diesem Teile ein-
nimmt. Hügel, gegenwärtig weit von der Küste entfernt,
bildeten in der posttertiären Zoit Kaps; so der Hügel
Dunggen im Distrikte Toboali, von den Eingebornen auch
jetzt noch Kap Dunggen genannt; ferner der Berg Glinsom
im Distrikte Sungei-Slan. Jetzige Landzungen waren früher
Eilande; so das Kap Tedong und Kap Mentigi in Sungei-
Slan. Es war derselbe Vorgang, der sich gegenwärtig mit
der Insel Nangka in der Bangkastrafse abspielt. Dieso
kleine Insel, doppelt so grofs zur Zeit der Ebbe als zur
Flutzeit, ist von Bangka durch einen flachen Mecrosann
getrennt, der nur stellenweise bis 5^- m tief ist. Die Zeit
ist also nicht mehr unabsehbar, wo diese Insel mit Bangka
vereint eino Landzunge bilden wird.
Ebenso vorlandet stets mehr und mehr die Bangka-
strafse. Noch kurz nach der posttertiären Zeit trennte
eino breite See die zwei benachbarten Inseln Sumatra und
Bangka, welche Soe durch Ablagerungen gewaltiger Diluvial-
nnd Alluvialmassen l) gegenwärtig zur Bangkastrafse ge-
worden ist. Auch jotzt schreitet die Verlandung noch
fort; durch Anhäufung von Schlammmassen erscheint dieso
Wasserstrafse stellenweise (besonders in den Buchten) schon
um ein Drittel verschmälert. Dafs die Insel Bangka an
der Westküste sich beträchtlich vergröfsert, ist ans dem
Vorhorerwähuten einleuchtend.
Nicht so leicht ist die Frngo zu beantworten in bezug
auf die Ostküste. Während dio untiefe See im Westen
wohl gänzlich der Sedimeutablagoruug zuzuschreiben ist,
reicht man damit an der Ostküste nicht aus. Hier erstreckte
sich die untiefe Sec viermal so weit als im Westen,
und erst in einer Entfernung von 75 km findet man
eine Tiefe von 36 m, welche Tiefe im Westen schon
*) Die Sompfmcderungeii Sumatras (des Flusses Sink) haben 13b km
Lärigenausdehnunx; bi* 160 km tod der Küste entfernt macht sich im
Strome der Binflufs der Ebbe und Flut bemerkbar, und erat 250 km weit
(von der Küste) wird da» Termin sichtbar hoher. (S. Janrboek van hot
■nijnwexen in Ncderlind*ch-Indi6 1874. I. Verelnz van eene onderzoeking»-
rci.» in het rvk Sink. It. Everwjrn.)
Peterruanc* Qeogr. Mitteilungen. 1886, lieft VII.
bei 20 km erreicht wird. Früher wurde schon erwähnt,
dafs die Verlandung an der Westküste a priori eine
viel mächtigere sein mufs als im Osten , und ich gab
als Hauptursache die der Ostküste viel näher liegende
Wasserscheide und das dadurch bedingte viel geringere
Stromgebiet der Flüsse an. Die untiefe See, auf Kosten der
Sedimentablagerung allein gebildet, könnte liier im beston
Falle blofs eine lüngenerstreckung von 20 km erlangon
wie im Westen.
Einen Leitfaden zur Erklärung der 75 km weit sich
erstreckenden untiofen See bieten uns die zahlreichen Klip-
pen Bangkas, welche sowohl hart am Strande (im Distrikte
Merawang und Pangkal Piuang besonders entwickelt) als
auch weit im Meere draufsen sich vorfinden, und ebenso
dio vielen Bänke und Untiefen dnsolbst.
Diese Klippen bestehen aus denselben Gosteinen wie
man sie am Festlando solbst antrifTt , besitzen dasselbo
Streichon und bezeugen daher eine unterseeische Fort-
setzung der Insel in östlicher Richtung. Schön sind die
Strandklippon zu beobachten zur Zeit der Ebbe, wenn sich
dio Soe weithin zurückzieht, doch verschwinden sie zum
gröfsten Teile während der Flut. Dieser unterseeische Teil
Bangkas von dem die Klippen, Riffe und Untiefen dio
höchsten Erhebungen darstellcn , hat wenigstens zwoi
Drittel vom Umfange der jetzigen Insel, und diese untiefe
See erstreckt sich gegen Osten bis nach Billiton, zahlreiche
Inseln einschliefsend ').
Dieses unterseeische Land beweist, dafs im Osten der
Insel einmal eine Senkung stattgofunden haben mufs, und
zwar in einer ältern Periode, als der posttortiären Zeit.
Es finden sich nämlich Anzeichen , dafs in jüngster Zeit
auch an der Ostküste die Verlandung fortschreitot, wenn-
gleich auch nicht in solch mnehtigom Mafse wie im
Westen. So ist z. B. das morastige Terrain südwestlich
von der Tuwingkette (Distrikt Blinju) erst neuern Da-
tums, uud diese Bergkette selbst erst in jüngster Zeit
mit Bangka vereinigt. So fiudet mau z. B. im Zinnseifen-
gebiete des Distriktes Pangkal Pinangs (östlicher Teil des
Mangkolgebirges und der Laddibergkotte) ein ziemlich aus-
gedehntes, bis zum Strande reichendes Terrain aus weifs-
lichen Banden bestehend, wolches ich für diluvialen Alters
halte. Dieses Stück Land ist also von der See zurück-
erobort worden. Dieselben weifslicken Sande findet man
auch beim Verlassen des Ortes Rlilik (Distrikt Pangkal
Pinang), vou wo sie sich bis zu dom am Strande liegenden
I) Die»« meine Meinung wird »och geteilt vnm erfahrnen indischen
MnnUningenieur de Jnngb, der lieluuptet, dal» ,,m>ch ein belangreicher
Teil des östlichen sinneraführeuden Mantel» der (irnnitformation im Distrikte
Sungci-Uut gegenwärtig durch die See bedeckt »ei* (siehe Jaarboek v»n
het mijnwezeu in NedcrlanrUch-Indiü 1885, II, p. 179).
26
202 Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884.
Orte Kurau erstrecken und daselbst in Seesand Ubergehn.
Diese Secsandanhüufungon am Strande erreichen oft eine
Breite von 100 — 200 m (KUste von Merawang) und noch
mehr1) zur Zeit der Flut, und beweisen auch dadurch
die Landvermehrung. Und dafür sprecheu überhaupt die
Thalzinnseifen auch an der OstkUsto im Bereiche der
jetzigen Thäler, welche Thälor früher, wie schon erwähnt,
Meeresarme darstellten und jotzt mit Schlammmassen sehr
jungen Alters erfüllt sind.
Aus der Betrachtung der rezenten Bildungen und dor
KUstenkarte Bangkas ergiebt sich also: dafs ein grofsor
Teil der Insel au der östlichen Küste in früherer geologi-
scher Periode unter don Seespiegel gesunken ist, dafs aber
gegenwärtig Bangka verlandet. Dieser Landgewiun schreitet
') Am Strande dp» Uutrikte* Kob» stellenweise 5 — 600 m nach
der Dutriktlartc von Koba.
an dor Westküste mächtig und deutlich erkennbar fort,
zeigt sich aber auch an der Ostküate, wenngleich hier in
viel kleinerm Mafsstabe. Hier sind meist die „altem“
Seosandbildungen , die sich mehr odor weniger tief land-
einwärts erstrecken, bis wohin jetzt auch die höohsten Flu-
ten nicht mehr reichen, die Beweise davon.
Ob man die jetzige Vergröfserung Bangkas einer säkn-
l&ron Hobung zuschreiben will, oder eher geneigt ist, an
ein Sinken des Seespiegels zu denken, will ich dahinge-
stellt sein lassen. Sicher ist aber, dafs die Ablagerung
der mächtigen Schlammmassen eine wiohtige und grofise
Bolle bei dor Verlandung spielt
Bangka büdet ein schönes Beispiel von Inseln , die
durch vulkanische Thätigkeit und Faltenbildungon nicht
beunruhigt werden , wo Denudation und Erosion stetig vor
sich gehn, und wo die Küsten langsam aus den Meeres-
fluten emporzutauchen scheinen.
Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern
in den Jahren 1871 bis 1884.
Von Carl Straufs.
Es ist oine bekannte Thatsache, dafs die nach den Er-
gebnissen der Volkszählungen für da3 Deutsche Reich er-
mittelte Bevölkerungszunahme znrüokbleibt hinter derjenigen,
welche sich fllr dasselbe Gebiet und den gleichen Zeitraum
nach dem jährlichen Überschüsse der Geburten über die
Sterbefälle ergeben müfste. Diese Differenz entsteht ins-
besondere dadurch, dafs die Auswanderung (namentlich die
überseeische) aus Deutschland bei weitem die Einwanderung
in das Reich übersteigt.
Schon frühzoitig wurde dio Aufmerksamkeit der deut-
schen Regierungen auf don bedeutenden Menschenverlust
gelenkt, welchen die einzelnen Staaten alljährlich durch die
Auswanderung erleiden, und je molir derselbe, namentlich
seit Vervollkommnung der Transportmittel, zunahm, desto
oifriger suchte man die persönlichen Verhältnisse der Aus-
wanderer und ihr Reiseziel, sowie den Umfang dor Aus-
wanderung überhaupt zu ermitteln, um dio Veranlassung
des Wegzugs kennen zu lernen. So kam es, dafs die
meisten deutschen Regierungen schon frühzeitig Ermitte-
lungen über die Auswanderung anstellten und zwar am
bisherigen Wohnorte der Wegziehenden. Diese Erhebungen
sind indessen für die Feststellung def wirklichen Auswande-
rung nicht geoignet, da in den meisten Fällon dio ohne förm-
liche Entlassung aus dem Unterthanenverbande stattfin-
dondo Auswanderung amtlich nicht festgestellt werden kann.
Allerdings konnten zur Vervollständigung dieser An-
gaben die Aufzeichnungen der Einschiffungshäfen Uber dio
überseeische Auswanderung benutzt werden, allein dieso
waren, abgesehen davon, dafs sie auch erst seit neuerer
Zeit (Bremen seit 1866, Hamburg seit 1851) die Deutschen
von der Gesamtauswanderung ausscheiden, unvollständig,
da von andern deutschen Häfen nur für einzelne Jahre,
von aufserdoutschen Häfen überhaupt keine entsprechenden
Nachweisungen erfolgten.
Um nun wenigstens in die Erhebungen deutscher Häfen
Übereinstimmung zu bringon, bestimmte der Bundosrat des
Zollvereins durch Beschlufs vom 23. Mai 1870 und dor Bun-
desrat des Reichs durch Beschlufs vom 7. Dezember 1871,
dafs in allen doutschon Einschiffungshäfen Aufzeichnungen
Uber die daselbst stattfindende Auswandererbewegung vor-
genommen würden. Der Ermittelung sollten sowohl die
Individnalverhältnisse der Auswanderer, Art der Reise und
Ziel der Auswanderung, als auch dio Art dor Beförderung
der Auswanderer im allgemeinen unterworfen sein. Dom-
gemäfs wird ermittelt Vor- und Zuname, Geschlecht, Alter,
bisheriger Wohnort, bisheriger Stand und Beruf dor be-
treffenden Persouon, fernor das Ziel der Auswanderung und
ob sio in Familie oder allein reisen. Aufserdem wird das
Datum des Schiffsabganges, Flagge und Eigenschaft (Dampfer
oder Segler) des Schiffes und der Bestimmungshafen an-
gemerkt und festgesetzt, ob die Beförderung direkt nach
einem überseeischen Hafen erfolgt. Das auf dioao Weise
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Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884. 203
erlangte Material soll nach vorgoschriebenen Formularen
znsammengestellt und alljährlich dem Kaiserlichen Statisti-
schen Amte zugestellt werden. Die Auswanderung seewärts
nach europäischen Ländern und die Einwanderung seewärts
bleiben sonach von der Erhebung ausgeschlossen.
Auf Grund dieser Beschlüsse gingen dom Statistischen
Amte Nachweisungen über die nach überseeischen Ländern
beförderten deutschen Auswanderer zuerst 1871 von Ham-
burg zu — für Bremen wurden dieselben für das gleiche
Jahr aus den Publikationen des dortigen Statistischen Bü-
reaus möglichst vervollständigt — , seit 1872 ununterbrochen
von Hamburg und Bremen, während die preußischen Häfen
die angeordneten Aufzeichnungen erst seit 1874 und von
da ab regelmäfsig Vornahmen. Bei den proufaischon Häfen
kommt eigentlich nur Stettin als Einschiffungshafen in Be-
tracht, da neben diesem nur 1874 Stade, 1882 Geeste-
münde, 1883 und 1884 Memel mit unbedeutenden Zahlen
erscheinen. Aus den Seehäfen der übrigen deutschen Staaten
wurden Auswanderer nicht befördert. Für aufserdeutscho
Häfen gingen 1872 von den deutschen Konsulaten in Rotter-
dam und Genua für diese Hafonplätzo summarische Daten
ein, von Marseille eine Gesamtsumme für die beiden Jahre
1872 und 1873. Alle diese vereinzelten Angaben blieben
indessen hier unberücksichtigt. Auoh die aus französischen
Quellen stammenden Mitteilungen über die Auswanderung
Deutscher via Havro sind, es sei denn der Einschlufs aus-
drücklich erwähnt, in den folgenden Angaben nicht einbe-
griffen. Hingegen sind die Nachrichten über dio gesamte
deutsche Auswanderung via Antwerpen , welche von dem
dortigen deutschen Konsulate seit 1872 ununterbrochen ein-
gehen, mit derjenigen Uber deutsche Häfen in den folgen-
den Übersichten völlig verschmolzen worden, während in
den Publikationen dos Statistischen Amtes die Nachweisun-
gen Antwerpens getrennt gehalten worden von denen der
deutschen Häfen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dafs
die über Antwerpen beförderten Auswanderer nur nach den
Ausschiffungshäfen auf die Bestimmungsländer ver-
teilt worden können , während die über deutsche Häfen be-
förderten Auswanderer nach dom Ziele der Auswan-
derung aufgeführt sind. Von Bedeutung ist indessen
dieser Umstand nicht, da zumeist Ziel der Auswanderung
und Land des Ausschiffungshafens zusammonfallen.
Die Ergebnisse der Zusammenstellungen über dio über-
seeische deutsche Auswanderung sind in der Statistik dos
Deutschen Reichs veröffentlicht, und zwar für 1871 und
1872 in Bd. II, S. II, 128 ff.; für 1873 in Bd. VTH,
S. II, 112 ff.; für 1874 in Bd. XIV, S. II, 105 ff. und
Nachtrag in Bd. XX, S. IV, 41; für 1875 in Bd. XX,
S. IV, 32 ff. und Nachtrag in Bd. XXV, Märzheft S. 10;
für 1870 in Bd. XXV, Märzheft S. 1 ff.; für 1877 in
Bd. XXX, Märzhoft S. 28 ff.: für 1878 in Bd. XXXVII,
Märzlieft S. 68* ff.; für 1879 in Bd. XLIII, S. HI, 17 ff.;
für 1880 in Bd. XLVHI, S. II, 113 ff. ; für 1881 in Bd.
Lin, S. I, 15 ff.; für 1882 in Bd. LIX, S. I, 86 ff. und
Nachtrag Monatshefte 1884, S. I, 1; für 1883 Monats-
hefte 1884, S. I, 1 ff. ; für 1884 Monatshefte 1885, S.
I, 148 ff.
Es sollen hier nicht alle Angahon der Reichsstatistik
über die deutsche überseeische Auswanderung behandelt
werden, sondern nur diejenigen über Geschlecht, Herkunft,
Einschiffungshafen und Ziel der Auswanderer in den Jahren
1871 bis 1884.
Für die Beurteilung der Zahlen ist noch die That-
sache von Bedeutung, dafs sowohl in Bremen als in Ham-
burg in gewissen Fällen solche Personen , welche nach
Deutschland oder nach ihrer überseeischen Heimat zurüek-
zukehren beabsichtigen , als Auswanderer goziihlt werden.
Es kommen nämlich als solcho zur Aiischreibuug :
1. in Bremen:
a. Europäer, welche in der Absicht, sich in einem
bestimmten aufsereuropäischen Lande ein neues
HeimwoBen zu gründen, ihre Heimat verlassen.
b. Europäer, welche, meist im jugendlichen Alter, ihre
Heimat nur in der Absicht verlassen, um den in
der Regel günstigem Arbeitsmarkt in den über-
seeischen Ländern zu benutzen und demnächst,
nach Ablauf von Jahren zurückkehren.
c. Vormalige Europäor, welche als naturalisierte Ameri-
kaner u. s. w., eventuell mit Familie, nach Europa
zurückgekehrt waren und wieder nach Amerika
u. s. w. gehen.
d. Vergnügungsreisende aus aufsereuropäischen Län-
dern, wolche dabin zurückreisen.
2. in Hamburg:
a. Alle Passagiere eigentlicher Auswauderorschiffe, d. h.
solcher Schiffe, welche mit mehr als 25 Personen
nach überseeischen Plätzen abgehen.
b. Die wenigen mit andern Schiffen beförderten Per-
sonen, welche von den Schiffsexpedieuten aus-
drücklich als Auswanderer angegeben sind.
Die in Bromen zur Anschreibung gelangenden Personen
dcutsuhor Nationalität kann man wohl mit Recht fast
ausschließlich als Auswanderer betrachten, von den in Ham-
burg eingeschifften hingegen sind eine gewisse Anzahl
gewöhnlicher Reisender unter den Auswanderern enthalten.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, daß die Nach-
weisungen Uber die Überseeische deutsche Auswanderung
als vollständig nicht anerkannt werden können und zwar
vornehmlich aus dom Grunde, weil fortwährend eine ge-
wisse Anzahl Deutscher sich in solchen Häfen einschifft,
26*
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Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884.
204
von denen dem Statistischen Amte koino Nachrichten zu-
geben. Die Unzulänglichkeit der Erhebungen kann von
dem genannten Amte auch nicht durch Vergleich mit den
Aufzeichnungen über den Wegzug Auswandernder an ihrem
bisherigen Wohnorte oder mit solchen über den Anzug Ein-
wandernder im Bcstiimmwgslande paralysiert werdon, weil
erstlich statistisch ausreichende Kontrollen über dio über-
seeische Auswanderung im Binnenlande nicht vorhanden
sind (die Nachweisungeu Uber Erwerb und Verlust der
Reichs- und Staatsangehörigkeit sind hierzu nicht ver-
wendbar), sodanu genügende Angaben über die deutsche
Einwanderung aus den Bestimmungsländern bzw. Aus-
schiifungshäfen im allgemeinen nicht vorliegen. So sind
z. B. dio amerikanischen Ziffern Uber dio Einwanderung
Deutscher in die Vereinigten Staaten stets bübor, als die
deutschen über dio gesamte deutsche überseeische Auswan-
derung , obwohl in den letztem doch auch die Zahl der nach
andern Bestimmungsländern sich Wendenden enthalten ist.
Es ist sonach nicht zu leugnen, dals die von der Rcichs-
Btatistik gelieferten Übersichten über die deutsche über-
seeische Auswanderung hinsichtlich der Gesamtzahl der
Auswanderer und ihrer Verteilung auf Herkunfts* und
Bestimmungsländer der Wirklichkeit nicht entsprechen, aller-
dings ist aber mit Sicherheit unzunehmun, dafs sie sich
derselben bedeutend nähern. Allein trotz dieser Lücken-
haftigkeit dürfte es statthaft sein, da die Unvollständigkeit
in den einzelnen Jahren eine gewisse Gleichmäfsigkeit und
Regelmäßigkeit aufweist, zwischen den Ermittelungen be-
stimmter Zeitabschnitte, namentlich über Ab- und Zunahme
der Auswanderung, Uber dio prozentuale Beteiligung der
Geschlechter u. a. m. Vergleiche anzustellen.
A. Dio deutschen überseeischen Auswanderer nach
Gesamtzahl, Geschlecht, Herkunftsland, Einschif-
fungshaf'en und Bestimmungagebiet in den Jahren
1871 bis 1884.
Das Kaiser!. Statistische Amt hat in Bd. II der Statistik
des Deutschen Reichs die Zahl der gesamten deutschen
Auswanderer nach überseeischen Ländern geschätzt
Tabelle 1.
im Jahrzehnt 1821,30 . auf 8 000 Personen,
„ . 1831/40 . . 177 000 .
. „ ! 841/50 • * 485 000
„ „ 1851/60 . , 1 130 000 „
, » 1861/70 . . 970 000 „
Ziuamraen 1821/70 2 770 000 Personen.
Dazu kommen nach den offiziellen Ermittelungen:
1871/80 595 151 Personen.
1881/84 . 714 121 £
Zusammen 1821/64 4 079 272 Personen.
Aufserdem gingen 1871/84 (1871 unvollständig) nooh
französischen Quellen 63 183 deutsche Auswanderer über
Ilavre nach überseeischen Ländern.
Die Verteilung der deutschen Auswanderung auf die
einzelnen Jahre seit 1871 zeigt. Tabelle 2.
Die Zahlenreihen sind bezüglich ihrer Höhe bedeuten-
den Schwankungen unterworfen, repräsentieren aber auch
in ihren kloinstou Beträgen immerhin einen immensen
Verlust an Arbeitskraft und Kapital für unser deutsches
Vaterland. Nichts liegt uns daher näher als die Frage, ob
auch andre Länder die gleiche Erscheinung, ob in dem-
selben Umfange und mit den gleichen Schwankungen auf-
weisen. Die folgende Tabelle 2 gibt einen Vergleich der
deutschen überseeischen Auswanderung mit derjenigen frem-
der Länder. Als Quello diente hierzu die offizielle Statistik
der betreffenden Staaten.
Tabelle 2. Die übttteek&e Auswanderung europäischer Staate» 1871 bis 18$ 4.
Mur.
Deutsch»*
Vereinigte» KSmcniob.
Schwab.
8t,hw«den.
äfiriti).
XtagVudL
Schottland.
Ir, Md.
Nor it t'Kcn .
Dlncolrk.
Frankreich,
Italien,
Portugal.
1.
1 s.
4,
fc
«
7.
«•
9.
».
»>• _
11
1871
75912
102 451
19 232
71 067
3 868
13 18G
18 876
3 906
688*
1872
125 050
118190
19 54t
72 768
4 899
U 968
13 365
6 893
8751
MM
17 *84
1878
103 638
123 843
21 310
83 692
4 967
9 042
10 852
7 200
8832
—
12 989
1874
45 112
116 490
20 288
60 406
2 672
3 569
4 601
3 319
6385
_M
14 885
1875
30 773
»4 540
14 686
41 440
1 772
3 689
4 048
2 073
3783
MCW
16440
1876
28 368
73 396
10 007
85 976
1 741
3 786
4 353
1 581
2591
22 392
1 1 035
1877
21 904
CS 711
8 653
22 831
1 691
2 997
3 20«
1 877
*848
22 608
U 057
1858
| 24 217
72 323
1 1 067
29 492
® 60$
4 400
4 863
2 972
4316
23 901
9 »26
1879
: 33 327
104*75
18 703
41 296
4 288
12 868
7 608
3 10*
86*4
*9 827
1* 208
1880
: 108 180
Ul 845
22 05«
93 641
7 255
36 398
20 212
5 858
4612
85 677
12 697
1881
210 547
139 976
26 826
76 *00
10 985
40 762
25 976
7 985
4456
43 725
14 637
1882
193 860
162 901
32 242
84 182
10 396
44 685
28 804
11 614
6100
67 6S2
—
1883
186119
183 236
31 138
106 743
18 602
25 911
IM
8 373
70 486
1884
143 580
Auf 1O0I
H>0 der Berölkerung k<
mmen Ausw
anderer:
1871—83
198
432
527
1 206
192
360
260
—
—
MM
1871—82
181
—
—
—
—
—
642
—
13
—
1870—83
217
—
—
—
—
—
—
—
MM
143
—
1872—81
161
—
—
—
—
—
—
—
—
—
306
1 ) 1871 bis 1873 fehlt die deutsche Auswanderung über die preufsischen Ulfen, 1871 »afserdem noch diejenige über Antwerpen.
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Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884. 205
Es haben sonach alle germanischen Staaten uino relativ
bedeutendere Auswanderung als das Deutsche Reich, die
Schweiz steht dem lotztern ziemlich naho. Von den
romanischen Staaten übortrifft Portugal das Reich uro fast
das Doppelte, und nur Italion und in sehr hohem Mafse
Frankreich stehen hinter Deutschland zurück.
Die 6esurotzahl der deutschen Auswanderer verteilte
sich in folgender Weise auf diu beiden Geschlechter (Pro-
zente im Verhältnis zur Auswanderung des betreffenden
Jahres).
Tubelle 3. Xachiceisuny der prozentualen Bcteiliyuny der
Geschlechter.
Jahr
ISHDol.
walbl.
Jahr
mjiiiul.
w«lhl.
%
1.
%
1871 .
. . 54.91
45,09
1878 • .
. 69,60
40, W
1872 .
. . 56,84
43,««
1879 . .
. 60,88
39,67
1873 .
. . 54, ES
45,81
1880 . .
. 6ü,0«
39,94
1874 .
. . 53,68
46,87
1881 . .
. 58,68
41,47
1870 .
. . 55,07
44,98
1882 . .
. 57,14
42,9«
1876 .
. . 57,14
42,8«
1883 . .
. 56,47
43.88
1877 .
- . 58,7)
41,99
1884 . .
. 56,47
43,68
Die
Tabelle ergibt , dafs
in keinem
Jahro dio
auswan
dernden Frauen den Männern numerisch üborlegen waren.
Die Männer, deren Anteil an der Auswanderung des Jahres
1871 sich auf 54,91 Prozent belief, beanspruchten im fol-
genden Jahre einon noch hohem Prozentsatz. 1873 und
1874 sank ihre Beteiligung an dor Auswanderung, um
jedoch in den folgenden 5 Jahren, 1874 bis 1879, ein per-
manentes Steigen aufzuwoisou. Das Jahr 1879 weist diu
höchste Beteiligung des männlichen Geschlechtes an der
deutschen überseeischen Auswanderung auf, von 1880 ab
sinkt dieselbe jedoch allmählich und stetig bis zum Jahre
1883. Das letztgenannte Jahr weist mit 1884 dieselben
Prozentzahlen auf. Bei dem weiblichen Geschlcchte findet
Steigung und Senkung in entgegengesetzter Weise statt.
Es scheint nicht von Eintlufs auf die Beteiligung der Ge-
schlechter an der Auswanderung zu sein, ob die letztere im
allgemeinen eine Tendenz zum Anschwellen oder zur Ab-
nahme zeigt, denn während dor Jahre 1872 bis 1877, als
die Gesamtauswanderuug immer mehr sich dem tiofsten
Niveau zuneigte, nahm zuerst die Beteiligung dor Frauen,
später die der Männer zu, und während dor Poriode 1878
bis 1881, als der Auswandererstrom allmählich wieder
wuchs, blieb umgekehrt die Beteiligung der Männer im
Zunehmen begriffen und wurde später zu gunsten der
Frauon abgeschwächt.
An der Gesamtauswanderung der ganzen Periode
1871/84 beteiligten sich die Männer mit 57 Prozent , die
Frauen mit 43 Prozent; das Fehlen dor über Antwerpen
in 1871 und über die preufsischeu Häfen in 1871 bis
1873 beförderten deutschen Auswanderer dürfte auf die
prozentuale Beteiligung der Geschlechter ohne Einllufs
sein.
Dio Beteiligung der einzelnen deutschen Staaten und
Landesteile an der deutschen Auswanderung ist in den fol-
genden Übersichten eingehender behandelt. (S. Tabelle 7.
8. 9 und 10.)
Es mufs hier noch besonders hervorgehobon werden,
dafs alle Zahlen, betreffend die Verteilung der Auswanderer
auf die Herkunftsländer und alle aus denselben gezogenen
Folgerungen, nur mit Reserve aufzunehmen sind. Wenn das
Fehlen der Auswanderung Uber die preufsischeu Häfen im
Zeitraum 1871 bis 1873, das an und für sich schon der
niedrigen Zahlon der beförderten Auswanderer wegen von
wenig Bedeutung für die Beurteilung und Vergleichung
der deutschen Auswanderung in den einzelnen Jahren seit
1871 ist, bei einem Gegenüborstellen der Prozentzahlon
für die Beteiligung der beiden Geschlechter ebenso wie
das Fehlen der 1871er Angaben für Antwerpen wenig
in Betracht kam, so ist dieses Niohtvorhandensein von An-
gaben fUr diese Häfen in den benannten Jahren doch von
höherer Bedeutung bei eiucr Untersuchung, in welchem
Grade sich die einzelnen Herkunftsländer au der Aus-
wanderung beteiligten, und es wird aus der weitern Be-
sprechung sowie aus Tabelle 8 ersichtlich werden, welche
Herkunftsländer mit zu geringen Zahlen erscheinen.
Der gröfsto Teil der absoluten Gesamtauswanderung
aus Deutschland für die genannten vierzehn Jahre entfällt
sonach auf die Provinz Pommern, auf diese scheint Wost-
preufsen zu folgen, dann Posen, Hannover und das rechts-
rheinische Bayern. Auch die absolute Auswanderung aus
Schleswig- Holstein , Württemberg, Brandenburg mit Berlin
ist sehr bedeutend. Die absoluten Auswandererzuhlen siud
an sich nicht goeignet ein richtiges Bild zu geben über
die Gröfse des Verlustes, den die einzelnen Gobiete durch
die überseeische Auswanderung erleiden , einen bessern
Überblick kann man sich verschaffen , wenn mau die Aus-
waudererzahl eines bestimmten Territoriums in Beziehung
setzt zu dessen Einwohnerzahl. Dies wird im folgenden
noch goschohcn.
Dio Verteilung der Auswandererschar in den einzelnen
Jahren auf die Häfen zeigt die Tabelle 4 (S. 206) , in
welche ausnahmsweise Havre mit aufgenommen ist.
Wie grofs der relative Anteil der einzelnen Häfen an
der Beförderung dor ermittelten Anzahl deutscher Aus-
wanderer gewesen ist, läfst sich zwar für den ganzen
Zeitraum 1871 bis 1884 feststellen, allein da für die
preufsischen Häfen die Nach Weisungen bis 1874 fehlen,
für Antwerpen erst seit 1872 vorhanden, für Havre in
1871 unvollständig sind, so sind dio Zahlen zu Vergleichen
nicht geeignet. Von der Gesamtsumme aller deutschen
206 Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884.
Tabelle 4.
Jahr.
E* wurden Personen befördert Über
| . = J Ä |l , fc
a ,
^ £ *5 1 ■ S 5w >
llilllpis
:spl |f«
Zu-
sammen.
Tircuion.
t! Am-
burg.
Preufti-
«ehe
Häfen
(mimt
Stettin).
Ant-
werpen.
1871
45 C68
30 254
—
—
75 912) *) 287
76 199
1872
66 919
57 615
—
1 116
125 650: 2 593
128 243
1873
48 608
51 432
—
3 598
103 638| 6 776
110 414
1874
17 907
24 093
1530
1 576
45 1121 2 511
47 623
1875
12 613
15 826
268
2 066
30 773 1 489
32 262
1876
10 972
12 706
202
4 488
28 368|| 1 258
29 620
1877
9 328
10 725
75
1 836
21 964 939
22 903
1878
11 329
11 827
85
976
24 217 1 399
25 616
1879
16 828
13 165
245
4 089
33 3271 2 485
35 812
1880
51 627
42 787
552
11 224
106 I9flj 10 757
116 947
1881
98 510
84 425
1434
26 178
210 547 10 251
220 798
1882
96 116
71 164
1936
24 653
193 869 9 590
203 459
1883
87 739
55 666
546
22 168
1 166 119 7 455
173 674
1884
75 776
49 985
750
17 075
143 586Ü 5 393
148 979
ZoMmmtn j{648 930|53 1 6701 76*9 jlS! 013 |l 31)9 472.63 1S3||1 372 455
Überseeischen Auswanderer (inkl. Havre) im Zeitraum 1874
bis 1884 beförderten
Bremen
Hamburg
die preußischen Hüten
Antwerpen
Harre
46,1, Proient i
3''1" ’ [ = 94,94 l’roient
V|<* H
11,00 „ .1
5,0* ,
und von der im gleichen Zeitraum durch die amtliche
deutsche Statistik nuchgewieseuen Auswandererinenge
Bremen 48,48 Prozent
Hamburg 39,06 „
die preußischen Hüten 0.7* „
Antwerpen II, 99 „
Mit welchen Prozentsätzen sich die letztgenannten
Hafeuplätzo an dor Qesamtauswanderung des Reichs in
den einzelnen Jahren soit 1874 hinsichtlich der Beförderung
beteiligten, zeigt die folgonde Tabollo 5:
Tabelle 5. Prozentuale Beteiligung der einzelnen Häfen an der
Beförderung der durch die amtliche deutliche Statistik nach-
gewiesenen deutschen Auswanderer in den einzelnen Jahren von
1874 bis 1884.
Jahr.
Bremen.
Hamburg.
Preufiisthc
Häfen.
Antwerpen.
1874 . .
39,7
53,4
3.4
3,6
1875 . .
41,0
51,4
0,9
6,7
1876 . .
38,7
44.8
0,7
15,8
1877 . .
42,4
48,9
0,1
8,4
1878 . .
40,«
48.8
0,4
4,0
1879 . .
47,4
39,4
0,7
12,8
1880 . .
48.«
40.»
0,6
10.«
1881 . .
40,«
40.1
0,7
12,4
1882 . .
49.6
36,7
1,0
12.7
1883 . .
62,6
33.4
0.4
13,4
1884 . .
52,8
34,8
0,6
11,9
*) Nach frantüiiKhcn Quellen.
7) Unrollatündii;.
Seit 1874 sind alle Häfen, welche das Material für
die amtliche deutsche Statistik liefern, gleichmäfsig vertre-
ten. Die Prozentzahlon der Tabelle 5 können also zn
Vergleichen benutzt werden.
Werfen wir noch kurz einen Blick auf die absoluten
Zahlen der Tabelle 4, so ist zunächst zu konstatieren, dafs
Bremen, Hamburg und Antwerpen die meisten Auswanderer
in dem Jahre beförderten, in wolchem (in dem hier behan-
delten Zeiträume) dio doutsche überseeische Auswanderung
Überhaupt ihren Höhepunkt erreicht hatte, nämlich in 1881.
Havre hingegen schiffte die meisten deutschen Auswanderer
1880 ein, die preufsischen Häfen erst 1882. Bremen und
Hamburg weisen, in Übereinstimmung mit dor Bewegung
der deutschen üborsocischen Auswanderung Überhaupt, die
niedrigsten Zuhlen in dor Periodo 1874/79 auf, dio preu-
fsischeu Häfen indessen 1875/80. Bei den letztgenannten
Hafenplätzen sind auch die Zahlen der 1883er und 1884er
Beförderung deutscher Auswanderer gering. Bei Ant-
werpen und Havre ist die Bewegung bis 1880 sehr
schwankend, von da ab folgen beido gleichfalls der allgemei-
nen Bowegung.
Dio Prozontzahlen der Tabelle 5 zeigen zunächst die
überraschende Thatsache, die allerdings auch auB den ab-
soluten Zahlen, und bei diesen auch für das Jahr 1873
zu ersoheu ist, dafs Hamburg, welches hinsichtlich seines
Auteils an der Auswandererbeförderung des ganzen Zeit-
raumes 1871/84 nicht unerheblich hinter Bremen zurtick-
Bteht, letzteres in den Jahren 1873 — 1878 bezüglich der
Zahl der beförderten deutschen Auswanderer absolut und
rolativ übertrifft. Allerdings fällt diese Hegemonie Ham-
burgs zum gröfsten Teile in die Zeit, wo die deutsche
überseeische Auswanderung ganz bedeutend abgenommen
hatte.
Der relative Anteil der preufsischen Häfen ist am be-
merkenswertesten im Jahro 1874, im allgemeinen erreicht
derselbe fast in keinem Jahre 1 Prozout dor deutschen
Auswanderung des betreffenden Jahres.
Antwerpen tritt am meisten hervor 1876, wo os 15,8
Prozent der durch die amtliche deutsche Statistik nach-
gewiesenen deutschen überseeischen Auswanderer beförderte.
Soit 1879 sank seine Beteiligung nie unter 10 Prozent.
Antwerpens zunehmende Beteiligung scheint insbesondere
auf Kosten Hamburgs stattzufinden.
Tabelle 6 zeigt die Richtung der deutschen über-
seeischen Auswanderung in den Jahren 1871 — 1884.
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Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884. 207
Tabelle 6.
Land, b/.vr. Erdteil dor He.itimmung.
1872.
1873.
1874.
1875.
187«.
1877.
1878.
1879.
1880.
1881.
1882.
1883.
H
Zusammen
abiolut-
relativ.
Otuauabl HlUr droucheu Au»w*mlerer .
73 912
125 «0
103 «38
45 112
50 773
28 34«
21 964
24 217
33 327
106 190
210 547
193 860
166 119
T
1 300 272
loo.oo
Davon gingen nach:
J. Afrika
18
2
4
5
1
64
760
394
23
27
31«
335
772
2 920
...
9. Aulen
11
12
9
33
37
31
31
50
31
34
35
40
60
35
441
0,08
3- Aoitrallcn
Ö17
1 172
1 331
700
1 024
1 226
1 306
l TIS
274
133
745
l 247
2 104
M4
14 664
1.1*
4. Amerika
75 0G6
124 464
102 294
44 17«
29 709
27 057
19 877
22 066
« 990
105 »5
202 463
IW 247
163 193
142 455
1 291 238
98,4*
Von den nach Amerika Auiw. gingen uach :
a. Nordamerika
73 b26
120 746
96 690*
42 «SO
27 872
22 778
18 251
20 462
30 652
103 337
206 476
189 76«
ICO 486
140 067
1 254 *26
96.W
b. Mexiko, Mutclaracrika n. Wcctlndicn
68
99
CO
107
73
43
268
96
76
119
114
104
Hl
1 36*3
O.io
<. Südamerika
1 163
3 610
6 544
1 457
1 764
4 236
l 358
1 497
2 071
2 539
2 864
2 387
2 624
J3
35 652
2.1*
bxw. nach folgenden Landern:
a. den Vereinigten Staaten von Amerika
rssie
120 G5e
96 641
42 492
27 834
22 707
18 240
20 373
30 008
103 115
206 1*9
189 373
159 894
l 250 937
96. M
b. Britinch -Nordamerika .
9
690
49
138
38
11
11
89
4t
2*2
2*6
388
69!
728
S 289
0,14
c. Mexiko und Mlttclainerika .
21
33
32
24
24
8
26
22
17
19
56
66
52
Sii
«44
0,03
d. Wettindien
37
01
28
83
47
35
243
74
69
100
68
39
32
kJ
ai«
0,07
«•. Brasilien
920
3 232
5 048
232
1 01!»
1 387
3 432
1 069
1 048
1 USO
2 119
2 102
1 286
1 584
*s
27 128
2,07
(. Argentinische Staaten ....
«
160
1*5
124
104
87
201
916
189
362
594
«48
S 858
0,*O
g Peru
35
46, 78
€0
75
34
58
82
48
12
3 8
39
42
6*
700
0.:e
h. Chile
100
61
92
115
IIS
100
79
94
113
122
210
311
186
JO*
2 002
0,19
andern «Qdamorlkanitchen Staaten .
63
121
94
78
6S
») 66«
70
72
04
97
152
157
145
1 964
0,15
Die Schwankungen des prozentualen Anteils der Ver-
einigten Staaten an der deutschen überseeischen Aus-
wanderung sind für die einzelnen Jahro aus folgenden
Zahlen zu ersehen. Diosolben absorbierten:
1871 . . .
. . . 97,»* Pro«.
1878 . . .
Pi oi
1872 . . .
1879 . . .
. . . 92,44
*
1873 . . .
. . . 93, »4 .
1880 . • •
»*
187* . . .
1881 . . .
. . . 97,93
1875 . . .
1876 . . .
1883 . . .
m
1877 . . .
188* ■ . .
n
der Auswanderung Deutscher nach überseeischen Gebieten.
B. Dio aus den einzelnen deutschen Staaten 1871
bis 1884 ausgewanderten Deutschen nach Gesamt-
zahl, Geschlecht, Einsohifi'ungshafen und Bestim-
mungsgebiet.
Überschaut man dio Zahlen der deutschen überseeischen
Auswanderer in den Jahren 1871 bis 1884, so ist zunächst
auffällig der hohe Stand derselben von 1871 bis 1873, das
tiefe Nivoau in den Jahren 1874 bis 1879 und die von neuem
behauptete Höhe von 1880 bis 1884, welche von keiner der
Zahlen aus der Zeit von 1874 bis 1879 erreicht wird.
Es ergeben sich demnach von selbst in dem Stande der
deutschen überseeischen Auswanderung, soweit dieselbe
nach den Publikationen des Statistischen Amts zurück ver-
folgt werden kann, drei Perioden, deren erste die Jahre
1871 bis 1873 umfafst, während dio zweite durch die
Jahre 1874 bis 1879, die dritte durch dio von 1880 bis
1884 gebildet werden. Die Jahresdurchschnitte dieser drei
Perioden, berechnet für die einzelnen Staaten und Landes-
teile, gewährou ein gutes Hilfsmittel für die Beobachtung
von Steigen und Sinken der absoluten Auswandererzahl
in den genannten Periodon. Ein noch weit zuverlässigeres
Bcobachtung8material gewinnt man indessen, wenn man
*) Darunter 499 Personen au« der Provins Preufcrn Dach Veoetuela.
die auf diese Weise erzielten Jahres -Durchschnittszah-
len in Beziehung setzt zu 'den Ergebnissen der Volks-
zählung für dio einzelnen Gebiete. Dies ist in der folgen-
den Tabelle geschehen, und zwar wurden zur Ermittelung,
wio viele Personen von 100000 der Bevölkerung durch-
schnittlich jährlich in jeder Periode auswanderten , für die
erste Periode die Ergebnisse der Volkszählung vom 1. De-
zember 1871, für die zweite diejenigen der Zählung vom
1. Dezember 1875, für dio dritte die der 1880er (1. De-
zember) zu Grunde gelegt. Für die Ergebnisse der
anf diese Weise erziolten relativen Auswandorerzahl in den
einzelnen Perioden wurde aufserdem durch eine Berech-
nung festgesetzt, in welchem Grade bei den einzelnen Ge-
bieten Schwankungen der rolativen Auswanderung in den
einzelnen Perioden stattfandeu. Hierbei ist die Zahl der
Personen, welche von 100000 Personen der Bevölke-
rung durchschnittlich jährlich auswandern, für die Periode
1874/79 == 1 gesetzt, und alsdann ihr Verhältnis zu den
entsprechenden Zahlen der übrigen Perioden ermittelt wor-
den. Auch hier ist wieder zu berücksichtigen, dafs die Aus-
waudorerzahlen für dio Jahre bis 1874 exkl. nicht so voll-
ständig ormittelt sind, als für die übrige Zeit.
Tabelle 1 «. S. 208.
Es kann hier nicht jede einzeluo Periode geuau und
eingehend behandelt werden, es mufs vielmehr eine Be-
schränkung auf die letzte Periode oiutreten, indessen sollen
alle wesentlichen Abweichungen gegenüber den beiden vor-
hergehenden Perioden nicht unerwähnt bleiben.
Von 100 000 Personen im Deutschen Reiche wanderten
jährlich im Durchschnitt der Jahre 1880/84 363 aus,
d. h. fünfmal so viel als in der vorhergehenden Periodo
Dieser war die erste Periode mehr als dreifach überlegen.
Die stärkste Auswanderung weist im Verhältnis zu seiner
Einwohnerzahl in der dritten Periode Pommern auf, wo
1222 Auswanderer auf 100000 Einwohner kamen. Dem-
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208 Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884
Tabelle 7. Die durchschnittliche jährl i ch e Auswanderung absolut und relativ ( 100 000 da- Bevölkerung) in den drei Perioden
1871-73, 1374179, 1880-34, sowie Beziehungen der relativen Hahlen dieser drei Perioden.
Staaten bzw. Landcvtellc der Herkunft.
Es wnnderten durchschnittlich jährli
ch Person'
0 Personen
( in der Pe
n ans 1
Werden alle relativen Zahlen der
Periode 1674479 in 8p. 6=1 gesetzt,
io verhalten »ich dazu dir Zahlen
der Übrigen Perioden (8p. 6 u. 7)
in der Periode
von 100 00
krrun
der Berol-
riode
1871/73
1874179
1880/84 !
1871/73
1874/79
1880/84
I.
S. I
s.
*• i
6.
6. ( |
7.
«.
10.
Provinz Oatpreufsen
, Weztpreufooa
j 12 051
3 539
I 1771
1 16 185
j 384
ui
• 92|53b'
(1151p ■
3.»
1
4,8
„ Brandenburg mit Berlin ....
3 795
1 700
8 781
132
64
259
2,4
1
4,8
„ Pommern
11 575
3 162
18817
808
216
1222
3,t
1
6,7
„ Posen
10 014
2 434
14 752
632
152
866
4,7
1
6,7
„ Schlesien
2 246
1 262
4 732
60
33
118
1,8
1
3,8
w Sachsen 1 2
1 684
628
3 062
80
29
132
2,8
1
4,8
* Schleswig- Holstein
5 427
1966
9 795
519
183
869
2,8
1
4,7
w Hannover
7 735
2 943
12 294
394
146
580
2,7
1
4,0
» Westfalen
1 968
844
4 756
111
44
233
2,6
1
5,8
„ Hessm • NVvtau
3 933
956
6 490
281
65
411
4,8
1
6,8
M Rheinland
2 469
992
6 493
61
27
169
2,8
1
5,9
Hnhcnzollcm
86
30
143
131
45
211
2,»
1
4,7
Preufsen ohne nähere Angabe
—
99
137
—
—
|
—
—
1. Königreich Preufsen [
62 983
20 555
108 208 1
255
80
397
3,8
1
5,0
Bavern rechts des Rheins
7 715
1 969
12 958 !
183
45
281
4,1
1
6,1
Pfalz
2 244
457
2 586
365
71
382
5,1
1
5,4
2. Königreich Bayern
9 959
2 426
16 544
206
48
294
4,8
1
6,1
3. Sachsen
2 329
1036
6 336
91
38
213
2,4
1
5.«
4. Württemberg
4 971
1 415
9 540
273
75
484
3,8
1
6,6
5. Baden
5 067
1 205
5 225
347
79
333
4,4
1
4.1
6. Honen
2 902
686
3 480
341
78
372
4,4
1
4.8
7. Mecklenburg -Schwerin
6 330
758
4 016
1136
137
696
8,3
1
5,1
Thitringixchc Staaten
*) 1937
434
2 S53
>) 181
39
218
>) 4,8
1
5,e
8. Sachsen - Weimar
—
152
742
—
52
240
—
1
4,8
9. Mecklenburg- Strolitx
566
82
657
572
80
655
6,7
1
7,8
10. Oldeuburg
1 184
384
1 855
376
120
550
3,1
1
4,8
11. Braunschweig
420
162
664
135
49
161
2,8
1
3,3
12. Sachsen - Meiningen
—
85
560
—
44
270
—
1
6,1
13. Sachsen- Altenburg
—
34
171
—
23
110
—
1
4,8
14. Sachsen- Coburg -Gotha
—
52
504
—
29
259
—
1
8,9
15. Anhalt
162
79
243
75
37
104
2,0
1
2.8
16. Schwanbnrg - Sondemhauscn
—
23
ui
—
34
156
—
1
4.6
17. Schwarzbunt- Rudolstadt
—
32
197
—
42
245
—
1
5,8
18- Waideck
156
41
218
277
75
386
3,7
1
5,1
19. KeuCs i. L
—
22
60
—
47
118
—
1
2,6
20. Reufs j. L
—
34
208
—
37
205
1
5,6
21. Schaumburg • Lippe
1 14
60
142
170
1 | 1.8
1
4,4
22. Lippe
| 76
372
[67
309
1
4.0 \
23. Lübeck
109
47
177
209
83
878
2.6
1
3,3
24. Bremen
596
298
1 358
487
210
835
2,3
1
4,0
25. Hamburg
1 051
663
2 754
311
171
607
1,8
1
3,6
‘JO. Elsafs- Lothringen
628
152
657
41
10
42
! 4,1
1
4,7
Deutschland ohne nähere Angabe. . . .
51
116
246
—
mmm»
—
—
Deutschen Reich
101733
| 30 627
j 164 062
li 248
72
363
3,4
»
6,0
Tabelle 8. Die Uber Havre in den Jahren 1880 bis 1884 gegangenen deutschen Auswanderer.
Gertrat-
Davon kamen
aus
Jahre.
tlerung
Uber
Havre.
Preurien.
Bayern.
Württem-
berg.
Sachsen.
Baden.
neisen.
Ebaf«.
Lotb.
ringen.
Deutsch-
land exkl.
Elsafs-
Lothringen.
Richtung der Auswanderung.
1880
1881
1882
1883
1884
10 757
10 251
9 590
7 455
5 393
578
635
486
*) 563
512
369
348
257
395
485
635
629
61
37
41
«713
5654
541«
3344
22
12
11
5
2587
3035
2«57
2016
2037
3356
| Hauptsächlich nach den Vereinigten Staaten von Amerika.
Davon 9237 nach den Verein. St., 274 nach Argentinien,
j Hauptsächlich nach den Vereinigten Staaten von Amerika.
1) Für die einzelnen thüringischen Staaten lassen »ich die entsprechenden Zahlen für die Periode 1871 78 nicht teststellen, es ist daher für diesen
Zeitraum hier die Summe für dieselben eingesetzt und siod die Ergebnisse der übrigen Perioden in den Spalten 3. 4. G. 7. 9. 10 vergleichsweise hinzugefügt.
2) Kiosehliefslich der 1883 nicht besonders genannten deutschen Staaten.
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Die Auswanderung aus den) Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884. 209
nächst folgt Westpreufsen mit Hol, und weiterhin Schles-
wig - Holstein mit 869, Posen mit 866 und Bremen mit
835 Auswanderern. 600 — 700 Auswanderer auf 100 000
Einwohner entsandten beide Mecklenburg und Hamburg,
500 — 600 Hannover und Oldenburg, 400 — 500 Württemberg
und Hessen -Nassau, 300 — 400 Waldeck, Pfalz, Hessen,
Baden1) und Lippe, 200 — 300 das rechtsrheinische Bayorn,
Lübeck, Brandenburg mit Berlin, Westfalen, die thüringi-
schen Staaten (ausschl. Schwarzburg- Sondershausen, Reufs
ä. L. und Altenburg), Königreich Sachsen und Hohen-
zollern, 100 — 200 die noch nicht genannten Staaten ohne
Ostproufsen (92) und ElsafB - Lothringen ’-) (42). Die Aus-
wanderung war sonach relativ am stärksten in den die
Südküste der Ostsee bildenden Gebieten ohno Ostpreufsen,
jedoch einschliefslich Posen, ferner Schleswig- Holstein, den
südlich an die Nordsee angrenzenden Landen. An die letz-
tem schließen sich sodann Territorien, welche die Verbin-
dung zwischen Hannover und Süddeutschland Herstellen,
ausBchliefslich der Grenzgebiete im Westen, dann Süd-
deutschland. Im Reste von Deutschland ist die Auswande-
rung ohne besondere Bedeutung.
Die Abnahme der Auswanderung in der zweiten Periode
gegenüber der ersten war besonders stark in beiden Mecklen-
burg und der Pfalz, ferner in den thüringischen Staaten,
Hessen, Hessen - Nassau , Posen, dem rechtsrheinischen
Bayern und Elsafs-Lothringen, Pommern, Waldeck, Württem-
berg, Oldenburg (für Westpreufsen läfst sich dies leider
nicht ersehen, ist aber wahrscheinlich), also in den Ostsee-
gebioten mit Posen, Süddoutschland, Thüringen und den
Hessenländern.
Die Zunahme der Auswanderung in der dritten Periode
gegenüber der zweiten ist am bemerkenswertesten in
Sachsen -Coburg -Gotha, Mecklenburg - Strolitz , Württem-
berg, Hessen -Nassau, dem rechtsrheinischen Bayern und
Sachsen- Meiningen; weiterhin auch in Rheinland, Schwarz-
burg - Rudolstadt , Pommern , Posen , Königreich Sachsen,
Thüringen, Reufs j. L., Pfalz, Westfalen, Mecklenburg-
Schwerin und Waldeck.
Im allgemeinen überragen die relativen Zahlen der
dritten Periodo diejenigen der orsten. Eine Ausnahme
machen hierin nur Mecklenburg- Schwerin, wo dor Unter-
schied ein bedoutonder ist, und Baden. Nur gering ist
die Differenz zwischen dor relativen Auswanderung dor
ersten Periode und der höheru der dritten in Elsafs-
') Im Durchschnitt der Jahre 1880/83 (t;1. Tabelle 8) Ȋnderten
alljährlich 6282 Pemmcn aus Baden über Harre aus. Berücksichtigt man
diese Zahl in Spalte 4 und 7 der Tabelle 7, so steigt der badische Anteil
aut das Doppelte seines dortigen Betrages.
*) Im Durchschnitt der Jahre 1880/84 «änderten jährlich 2576 Per-
sonen aus Elsafs - Lothringen über Harre aus. Der Anteil dieses Landes
stiege sonach auf das Fünffache der obigen Zahl.
Peteraanns Qeogr. Mitteilungen. 1886, lieft VII.
Lothringen, der Pfalz, Hessen, Braunschweig, Lübeck,
Anhalt und Mecklenburg -Strelitz, sehr stark hingegen in
Westfalen, Schaumburg- Lippe und Lippe, Württemberg,
Königreich Sachsen und Rheinland. Die Rtarke Überlegen-
heit der dritten Periode gegenüber der ersten hat aber
bei denjenigen Staaten und Gebietsteilen , welche einen
hohen Prozentsatz über Antwerpen befördern lasson, ihren
guten Grund, denn in einem der drei Jahre, welcho die
] erste Poriodc bilden, fehlten die Angaben über die deutsche
überseeische Auswanderung via Antwerpen. Das Fehlen
von Nachweisungen über die Auswanderungsbeförderung
der preußischen Häfen ist fast bedeutungslos. Eine ge-
wisse Erhöhung könnte in der dritten Periode bei einzelnen
Territorien auch dadurch veranlaßt sein, daß dieselben in
frühem Perioden ihre Auswandorer mehr Uber Hafenplätze
befördern ließen, für welcho dor amtlichen deutschen
Statistik keine Naohweisungen zugehen.
Bei allen diesen Vergleichen ist indessen nie der Um-
stand außor acht zu lassen, daß die Vollständigkeit bzw.
Unvollständigkeit der statistischen Nachweise nicht für alle
Teile des Reichs die nämliche ist- Die Auswanderung aus
Westdeutschland und Süddeutschland, insbesondere Elsafs-
Lothringen und Baden, erscheint z. B. verhältnismäßig
viel zu gering, wie aus Tabelle 8 über die deutsche über-
seeische Auswanderung via Havre in den Jahren 1880 bis
1884 zur Genüge hervorgehen dürfte.
Die folgenden Tabellen (S. 210 u. 211) weisou je für
die oinzclDen deutschen Staaten und Landesteile nach :
Tabelle 9 die Summe aller über deutsche Häfen und
Antwerpen im Zeitraum 1871 bis 1884 ausge wan-
dorten Personen nach Gesamtzahl, Geschlecht, Ein-
schiffungshäfen und Bestimmungsgebieten;
Tabelle 10 die Verhältniszahlen zu Tabelle 9, und zwar
für die Beteiligung der Herkunftsgebiete an der Summe
aller Auswanderer, oller Männer, Frauen, allor Uber
die einzelnen Häfen beförderten und aller nach den ein-
zelnen Bestimmungsgebieten ausgowanderten Personen.
Wir vorzichten darauf, hier eingehend die Zahlen der
Tabellen 9 und 10 zu besprechen, doch sei es uns ge-
stattet, Uber die prozentuale Beteiligung der Geschlechter,
Eiuschiffungshäfen und Bestimmungsgebiote an dor Summe
aller aus den einzelnen Herkunftsgebieten Ausgewanderten
noch einiges hinzuzulügen. (Eine Tabelle für diese Prozent-
zahlen ist nicht lieigefiigt.)
Was zunächst den prozentualen Anteil der beiden Ge-
schlechter, an der Gesamtauswandorung der Jahre 1871
bis 1884 aus jedem der einzelnen Gebiete der Herkunft
betrifft, so ist in keinem derselben der Anteil der aus-
waudernden Frauen größer als deijenige der Männer.
In keinem Gebiete sinkt der Anteil der Männer unter
27
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210 Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884.
53 Prozent, nnd in keinem steigt dcmgemäfs derjenige
der Frauen über 47 Prozent. Den höchsten Prozent-
satz beanspruchen die Männer in Lübeck (65,7 Prozent),
demnächst in Braunschweig, Anhalt, Königreich Sach-
sen, Rheinland, Schaumburg - Lippe nebst Lippe und Pro-
vinz Sachsen. Die Frauen hingegen erreichen die höch-
sten Prozentsätze in Bremen , Posen , den beiden Pro-
vinzen Preufsen, beiden Mecklenburg und Pommern (47 Pro-
zent). Dio prozentuale Beteiligung des weiblichen Ge-
schlechts ist sonach am bedeutendsten in den Gebieten an
Tabelle 9.
Davon
Von der Gcaaratxahl worden
befördert Uber :
Von der Gesamtzahl wanderten ans nach :
Staaten bxw. Landeateile der
Herkunft.
i Gc»arnt-
männ-
lich.
weib-
lich.
Bremen.
Ham-
burg.
l*mj3-
•Uche
Häfen.
Ant-
werpen.
Nord-
amerika.
Davon
nach den
Ver-
einigten
Staaten.
Mexiko,
Mittel-
amerika
und West-
Indien.
Sttd-
amerika.
Afrika.
Aalen.
Austra-
lien.
Prorins Ost- nnd Westpreufseu1)
J1) 147 167
79 359
67 519
81 029
58 001
1373
6 764
! 139 515
138 568
70
5 083
108
4
3 387
* Brandenburg mit Berlin
65 495
37 797
27 698
20 9G9
41 473
761
2 292
| 61 468
61 233
89
1 865
365
18
1 690
„ Pommern
147 780
78 335
69 445
r. 4 020
73 524
4241
5 995
136 667
135 743
83
8 386
133
9
2 602
„ Posen
118 404
64 919
53 485
58 481
65 450
669
3 808
117 168
116 788
6
62K
48
1
553
. Schlesien
37 970
22 345
15 625
14 390
20 717
265
2 598
35 046
34 911
38
2 112
82
3
689
„ Sachten
24 126
14 717
9 411
12 928
10 190
32
978
22 446
22 8*5
*7
1 086
112
8
449
* Schleswig-Holstein . .
77 056
43 967
83 089
3 227
73 182
9
638
72 480
72 312
176
2 210
253
89
1 848
„ Hannover ....
102 333
59 678
42 655
82 320
18 284
132
1 647
99 01S
98 928
143
1 352
593
32
1 200
„ Westfalen ....
34 745
20 745
14 000
25 879
3 464
1
5 401
33 317
33 809
42
799
218
5
364
„ Hessen-Nassau • . .
49 9831
28 833
21 150
35 503
10 293
3
4 184
49 127
AO 002
24
536
74
7
215
„ Rheinland . . . .
45 824
28 139
17 685
13 933
6 897
1
24 993
43 175
43 132
43
2 434
51
13
109
Iloheniollern
1 156
692
464
484
401
271
1 154
1 154
1
1
Preufsen ohne nah eie Angabe
1 279'
794
485
_
-
1 279
783
788
—
496
—
—
—
Königreich Preufsen . . .
i*) 853 3201
480 320
372 711 413 163 371 832
7477
60 848,
811 259
808 248
741
20 988! 2037
188
12 107
Barem recht* des Rheins . .
99 747
58 496
41 251;
Gl 133
25 450
15
13 149
98 869
98 828
24
712
43
7
92
Pfalz
22 405
12 843
9 562
11 G15
3 287,
6
74 97|
22 296
22 296
—
101
“
8
Königreich Bayern ....
122 162; 71 339
50 813
72 748
28 737
21
20 646
121 165
121 124
24
813
43
7
100
Sachsen .......
44 881
27 700
17 181
26 796
16 737
18
1 330
42 698
42 623
57
1 632
135
9
350
Württemberg
71 107
41 635
29 472
41 018
17 700
1
12 328
70 497
70 484
22
418
21
5
144
Baden
48 557
28 403
20 164
24 399
9 741
2
14 415
48 011
47 990
23
366
61
—
96
Hetzen
30 492h 17 630
12 862
10 727
10 100
—
3 665
30 182
30 160
10
228
22
—
50
Mecklenburg-Schwerin . . .
43 612! 23 304
20 308
3 282
40 004
36
290
42 921
42 889
23
325
96
12
235
Meektenburg-Strelitz . . .
5 474
2 943
2 631
937
4 449
c
82
5 363
5 354
1
52
21
1
36
Thüringische Staaten*). . .
21 1701 12 494
8 676
15 393
5 163
4
610
20 519
20 499
10
614
18
3
106
Oldenburg
15 131
8 687
6 444!
13 600
1083
o
446
14 695
14 693
7
181
13
10
225
Bruan*chweig
5 040
S 152
1 902,
3 224
1 678
—
152
4 685
4 682
IG
260
8
2
83
Anhalt
2 145
1 330
815;
1 411
612
o
120
1 999
1 999
8
100
11
—
27
Waldeck
1 800]
1 069
731
1 497
255
—
48
1 784
1 784
1
13
—
—
s
Schaumburg Lippe und Lippe2)
3 454
2 112
1 342
3 158
266
—
3l!
3 408
3 408
1
30
7
1
7
Lübeck
1 495
982
513
82
1 395
—
18
1 287
1 285
16
126
25
8
33
Bremen
10371
5 830
4 541
9 389
867
59
5G
9 500
9 499
80
395
30
24
342
Hamburg
20 900
12 494
8 406
981
19 635
—
284
16 685
16 649
316
2 651
376
171
701
EUnfs-Lothringen ....
6 080
3 644
2 436
1 125
1 357
1
3 597;
5 978
5 977
8
74s
5
_
20
Deutschland ohne nähercAngabe
2 077
1 354
723
—
—
—
2 077!
1 590!
1 590
1
486
—
—
—
Deutsches Keich . .
*)1309 272
<46 422
562 561
648 930
531 670
7629
121 043
1254 226 1250 937
1360
3)35 652
2929
441
14 664
männlich
713 919
712 141
1045
20 726
1893
317
8 522
weiblich
540 307
538 796
315
14 637
1036
124
6 142
■) Im Zeitraum 1879 bis 1884.
Ostpreufsen
Westpreufsen
*) Im Zeitraum 1873
:
bia
9 287
83 428
1884:
5 382
44 791
3 905
38 637
3 538
49 034
4 743
30 760
220
728
786
2 906
9 123
82 659
9 062
82 254
5
1021 36
446) 37
1
3
21
278
Sachsen- Weimar . . . .
5 014
2 932
2 082
3 841
1032
3
138
4 821
4 820
l
165
3
i
23
Sachaen-Mciningcn . . .
3 642)
2112
1 530
2 719
782
_
14?
3 530
3 530
l
104
J#
—
5
Sschsen-Altenburg . . .
1 233
790
443
682
519
32
1 164
1 164
—
64
S
—
s
Saehsen-Cobnrg-Gotha . .
3 159
1 922
1 237
2 248
753
_
158
3015
3 000
6
69
4
—
65
Schwarzburg-Sonderohaoaen
759
456
303
535
189
35
750
750
4
5
—
_
Schsraraburg-Rudolstadl
1 284
763
521
957
295
32
1 259
1 259
—
22
2
—
1
Kaufs ä. L.
460
270
190
371
75
1
13
435
435
—
24
—
—
1
Beufs j. L.
1 344
858
486
841
467
36
1 316
1 316
1
23
—
i
3
Sebaumburg-Lippe . . .
409
276
133
850
47
—
1*
394
394
—
6
6
—
»
Lippe
2 450j
1 494
956
2 236
195
—
19
2 423
2 423
1
20
1
4
*) Herunter 289 Kinder ohns Angabe des Geschlechts.
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Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884. 211
der Ostsee, sodann folgen nach dem vermittelnden 'Cbor-
gangsgliede, Schleswig- Holstein , die Nordseeländer, das
mittlere Westdeutschland, Süddentschland sowie Branden-
bürg und Schlesien , endlich das eigentliche Mitteldeutsch-
land, bestehend au3 Königreich und Provinz Sachsen nebst
Anhalt und Braunschweig.
Als Einschiffuugshafeu kommt, wie schon frühor gesagt
wurde, in erster Linie Bremen in Betraoht. Die meisten
Auswanderer wurden verhältuisinäfsig aus Lippe (91,4 Pro-
zent) und Bremen selbst (90, s Prozent.) über diesen Hafen
befördert. Fast alle an die Nordsee grenzenden deutschen
Gebiete , mit Ausnahme von Schleswig - Holstein , sandten
mehr als drei Vierteile ihres Auswandererstroms in jenen
14 Jahren Uber Bremen. Das Gleiche gilt vou den nahe
Tabelle 10.
Staaten bxw. Landesteile der
Herkunft.
Ge-
samt-
zahl.
Geschlechter
Einschiflungshäfen.
Bcrtimmungsgebiete.
männ-
lich.
weib-
lich.
Bre-
men.
Ham
bunr.
Prcus-
•Ische
Hafen.
Ant-
werpen.
amcrlk* 8UAU?n
Mittel*
atnerika.
Sfld-
atnerika
Afrika.
Asien.
Austra-
lien.
Provinz Ost- und Westpreuben1) . . .
11,23
10,8»
12,oo
12,49
10, »1
18,00
5,59
11,19
11,08
5,1»
14,98
3,69
0,91
16,98
„ Brandenburg mit Berlin . . .
5.00
5, cs
4,99
3,71
7.»
9,98
1,89
4,90
4,90
6,44
5,28
12,46
4,09
11,4»
„ l’ommcra
li.«
10, so
12,86
9,88
13,8»
55,49
4,»»
10,8»
1U.89
6,10
23,69
4,M
2,04
17,74
. Pctseu
9,04
8,70
9,51
9,01
10,«
8, »4
3,1«
9,34
9, »4
0.44
1,76
1,64
0,28
3,77
. Schlesien
2,00
2,99
2,78
2,99
3.»
3,47
2,1»
2,79
2,70
2,70
5,91
2,$0
0,«8
4,70
„ Sachsen
1,81
1.W
1,87
1.99
1,9»
0,4,
0,81
1,79
1,7*
1.99
3,0»
3, *9
1,81
3,06
. Schleswig-Holstein
5,8,
5,89
5,88
0,80
13,7«
0,12
0,58
5,78
5,78
12,94
6,20
8,84
20,18
12,60
„ Hannover
7,82
8,00
7.W
12,69
3,4»
1,78
i,»«
7,90
7,91
10, »9
3,79
20,96
7,98
8,18
„ Westfalen
2,84
2,78
2,49
3,99
0,«»
0,01
4,46
2,««
2,««
3,09
2,24
7,44
1,13
2,48
„ Hessen-Nassau
3,8,
3,86
3,78
5,47
l.»4
0.04
3,46
3.»J
3,99
1,77
1,50
2,»»
1,59
1.47
„ Rheinland
3, JO
3,77
3,14
2,1»
1,»0
0,01
20,«»
3,44
3,45
3,18
6,83
1,74
2,73
0,74
Hohenzollern
0,0t
0,09
o,os
0.07
0,07
—
0.9»
0,09
0.09
—
0,00
—
—
0.01
Prcufcen ohne nähere Angabe ....
0,10
0,11
0,0»
—
—
—
1,06
0,06
0,o«
—
1,39
—
—
—
Königreich l’reufsen
65,17
64,36
66,25
03, «7
69,94
98,01
50,97
64,88
64,61
54.49
76,70
69,»»
42,63
82,56
Bayern rechts des Rheins
7,M
7,84
7,38
9,42
4,79
0,19
10,8«
7,88
7,93
. 1.7«
2,00
1,47
1,59
0,«»
Pfalz
1,7*
1,70
1.7»
0,62
0,08
6.20
1.78
1,78
0.28
—
0,05
Königreich Bayern
9,*»
9,6«
9,01
11,21
5,41
0,97
17,06
9,««
9,68
1.7«
2,78
1,47
1,69
0,68
Sachsen
3,4,
3,71
3,05,
4,13
3,15
0,94
1,10
3,40
3,41
4,19
4.5$
4,61
2,04
2,39
Württemberg
5,4»
5,88
5,94
6,88
3,84
0,01
10,1*
5,62
5,84
1,62
1,17
0,7»
i,i*
0,98
Baden
3,71
3,81
3,J8
3.76
1,8»
0,03
11,91
3,83
3.94
1,69
1,0*
2,08
—
0,88
Henen
2,„
2,88
2,29
2,58
1,90
—
3,0»
2,41
2,41
0,74
0,64
0,76
—
0,34
Mecklenburg- Schwerin
3,„
3,12
3,8t
0,80
7,»»
0,47
0,24
3,49
3.«
1,69
0,91
3,9*
2,79
1,60
Mecklenburg-Streliti
0,4,
0,89
0,4»
0.14
0,97
0.08
0,07
0,43
0,4»
0,07
0.15
0.7»
0,3*
0,25
Thüringbcbe Staaten5*) ......
1,62 1
1,68
1,54
2,8T
0,84
0,03
0,»1
1,64
1.«
0,74
1.44
Ü.«l
0,88
0,79
Oldenburg
i,u
1,18
i.i»
2,09
0,20
0,03
0,*7
1,17
1,18
0.51
0,»1
0,44
2,97
1,43
Bmunschweig
0,» i
0,49
0,84
0,40
0,32
—
0,19
0,87
0»*7
1,18
0,78
0.97
0,45
0,57
Anhalt
0,16
0,18
0,1*
0,99
0,11
0,03
0,io
0,1*
0,1»
0,»9
0,78
O.JS
—
0,18
Waldeck
0,14
0,14
0,18
0,91
0,05
—
0,c«
0.14
0,14
0,07
0,04
—
—
0,01
Schaumburg-Liii|>e und Lippe *) . . .
o,w
0,98
0,24
0,4»
o,o«
—
0,02
0,97
0,97
0,07
0,08
0,94
0,3»
0,0«
Lübeck
0,11
O.ia
0,09
0,01
0.99
—
0,01
0,10
0,lo
1,18
0,35
0,84
1,81
0.98
Bremen •
0,7»
0,70
0,81
1,4»
0.16
0,77
0,05
0,76
0,78
5,88
i,n
1,0»
5,44
2,3»
Hamburg
l,«o
1,«R
1,49
0,1»
3,69
—
0,23
1,88
1,33
23,94
7,43
12,84
38,78
4,78
Klsafs-Lntbringen
0,46
0,49
0,43
0,17
0,9«
0,oi
2,97
0.48
0,48
0,9»
0,21
0,17
—
0,14
Deutschland ohne nähere Angabe . . .
0,1*
0,18
0,13
—
—
—
1,79
u.ia
0,13
0,07
1,38
—
—
—
Deutsches Reich
100,00
mo,oo
100.00
100,00
100,00
ino,oü
100,00
100, 00
100,00
100, CO
100,00
loo.oo
100,00
100,00
männlich
56,9»
56,»»
76,94
58,81
64,«*
71,**
58,19
weiblich
43,08
43,07
23,14
41,39
35,*7
28,13
41,88
1) Im Zeitraum 1879 bis 1884:
Ostpreuben
Westpreufsen
*) Im Zeitraum 1873 bis 1884:
1,09 | 1,00
9,77 ; 9,00
1,08 '
10,71 ;
0,83
11,52
1,49
9,70
4,03
13,W
0,4
2,«
1,10
9,9«
1,09
9,98
0,79
0,90
0.68
2,97
2,12
2,17
0,44
1,83
0,41
5,88
Sachsen- Weimar
0,4» 0,4«
0,44
0,71
0,98
0,04
0,11
0.4«
0,4«
0,08
0,&3
0,10
0,34
0,18
Sachsen-Meiningen
0,88 0,33
0,*»
0,51
0,19
—
0,1»
0,33
0.13
0,08
0,34
0,07
—
0,54
Sachsen-Altenburg
0,11 0,13
0,09
0,13
0,13
—
0,03
0,11
0,11
—
0,21
0,07
—
0,09
Sarhson-Cohurg-Gotha
0,98 1 (i.SO
0,3«
0,43
0,17
—
0,13
0.28
0,98
0,30
0,22
0,14
—
0,41
Schwarxburg-Sondersh&uaen
0,07 0,07
0,07
o,io
0,04
—
0,03
0,08
0,07
—
0.01
0,17
—
—
Srhmnrzburg-Rudolstadt
0,12 0,12
0,11
0,18
0,07
—
0,03
0.13
0.13
—
0,07
0,07
—
0,01
Reufs fi. L
0.04 0,04
0,04 1
0,07
0,02
0,01
0,01
0.94
0,04
—
0,08
—
—
0,01
Itcnfs ], L
0,14
U.)6
0,10
—
0,01
0,12
0,13
0,08
0,08
—
0.24
O.or
Schauruburg-Lippe
0,04 0,04
0,03
0,06
0,01
0,01
0,04
0,04
—
0,03
0,90
—
0.0*
Lippe
0,10!
0.4»
0,04
0,C2
0,33
0,33
0,0«
o.o«
0,0»
0.94
0.03
27 *
212 Die Auswanderung aus dem Deutschen Reich nach überseeischen Ländern in den Jahren 1871 bis 1884.
anliegenden Provinzen Westfalen und Hessen - Nassau. Süd-
deutschland exkl. Elsafs • Lothringen, Mitteldeutschland
und die Provinzen Preufsen schickten mehr als '/o
bis 3/ 4 , die Provinzen Pommern , Posen , Branden-
burg, Schlesien hingegen nur */ 3 bis V2, Rheinland noch
etwas weniger als */j der Auswanderer über Bremen. Die
Auswanderung der beidon Mecklenburg, Schleswig-Holsteins,
Lübecks uud Hamburgs bingogen werden last ganz von
Hamburg absorbiert. Elsafs - Lothringen sendet nur 18, s Pro-
zent seiner Auswanderer über Bremen.
Diejenigen Gebiete, welche relativ die wenigsten Aus-
wanderer vou Bremen befördern lassen, beteiligen sich zu-
meist am stärksten an der Einschiffung in Hamburg. Aufser
den schon genannten sind noch hervorzuhobon mit '/2 bis
3/l ihrer Gesamtauswanderung die Provinzen Brandenburg
mit Berlin, Schlesien, Pommern und Posen, mit J/8 bis t/2
die Provinzen Proufsen und Mitteldeutschland, mit bis
^3 Süddeutschland und Hessen -Nassau.
Stettin liegt zwar inmitten derjenigen Gebiete, welche
absolut und relativ die stärkste Auswanderung aufweisen,
allein trotzdem ist die Auswanderungsbeförderung daselbst
eine verschwindend geringe. Pommorn selbst sandte 2,9 Pro-
zent seiner Gosumtauswandorung über diesen Hafen,
Brandenburg 1,2 Prozent, alle übrigen Staaten bzw. Landes-
teile weniger als 1 Prozent.
Antwerpen endlioh ist der Haupteinschiffungshafen für
Elsafs - Lothringen (59,2 Prozent) und Rheinland (54,5 Pro-
zent) und befördert mohr als t/g der Auswanderer aus der
Pfalz. Aus Westfalen, Hessen- Nassau und dom übrigen
(noch nicht besonders anfgefiihrten) Süddeutschland gehen
8 bis fast 30 Prozent (Baden 29,7 Prozent) der Aus-
wanderer über Antwerpen , aus den sonstigen Gebieten
weniger als 8 Prozent.
Diese Angaben für die einzelnen Häfon beziehen sich
indessen nicht für alle Häfen auf den gleichen Zoitruum,
sondern zeigen nur, mit. welchem Prozentsatz 9ioh die-
selben an der thatsiichlich für 1871/1884 bekannt gewordenen
Auswanderung beteiligten. In Wirklichkeit müssen die An-
teile Antwerpens und Stettins etwas gröfser gewesen sein.
Das Ziel fa9t aller überseeischen deutschon Auswanderer
war Nordamerika, vornehmlich die Vereinigten Staaten von
Amerika. Süddeutschland, beide Mecklenburg und Posen
sandton fast, ihre sämtlichen Auswanderer dahin, aber auch
Westdeutschland (ausschl. Rheinland), sowie Thüringen
und das Königreich Sachsen mehr als 95 Prozent. Preufsens
östliche Provinzen (ausschl. Posen), Schleswig. Holstein,
Rheinland, Braunschweig und Anhalt gaben an jenes Be-
stimmungsgebiet 92 — 95 Prozent ihrer gesamten über-
seeischen Auswanderung ab, am wenigsten verhältnismäfsig
die Hansestädte. Von den ohne nähere Angabe des Landes
der Herkunft ausgewanderten Deutschen bzw. Preufsen
gingen nur etwa 8/« bzw. */ö nach Nordamerika, der Rest
fast ausschließlich uach Südamerika.
Nach Südamerika gingen verhältnismäfsig, wie über-
haupt nach den übrigen Bestimmungsgebieten, am meisten
Hamburger (12.7 Prozent) und Lübecker (8,4 Prozent), sonst
folgen in absteigender Reihenfolge Pommern (5,7 Prozent),
Schlesien, Rheinland, Braunschwoig , Anhalt, Provinz
Sachsen, Bremen, Königreich Sachsen, Provinzen Preufsen,
Schleswig- Holstein , Brandenburg mit Berlin, Thüringen,
Westfalen. Die übrigen Gebietsteile weisen weniger als
2 Prozent auf.
Nach Australien sandten relativ die meisten Auswan-
derer die Hansestädte, Brandenburg mit Berlin, Schleswig-
Holstein, Pommern, Provinz Sachsen, Schlesien, Braun-
schweig, Oldenburg, Hannover, Anhalt und Westfalen.
Nach Afrika wandten sich aus Hamburg 1,8 Prozent,
Lübeck 1,7 Prozent der Auswanderer. Aus den Ubrigon
Staaten bzw. l-andesteilen gingen weniger als 1 Prozent
ebendahin. Erwähnenswert sind noch Brandenburg, Hannover,
Westfalen (je 0,6 Prozent), Provinz Sachsen uud Anhalt
(je 0,5 Prozent).
Mexiko, Mittelamerika und Westiudien partizipierten
am stärksten bei Hamburg (1,5 Prozent), Lübeck (1,1 Pro-
zent), Bremen (0,8 Prozent), Anhalt (0,4 Prozent) und
Braunschweig (0,3 Prozent).
Nach Asien endlich wanderten verhältnismäfsig die
meisten Personen aus Hamburg (0,8 Prozent), Lübeck
(0,5 Prozent), Bremen (0,2 Prozent), Schleswig - Holstein und
Oldenburg (je 0,1 Prozent).
Von allen ausgewanderten Frauen gingen nach Nord-
amerika 96,05 Prozent (davon nach dun Vereinigten Staaten
95,78 Prozent), von den Männern hingegen nur 95,65 Pro-
zent (Vereinigte Staaten 95,41 Prozent). Nach sämtlichen
sonstigen Reisezielen ging jedoch ein höherer Prozentsatz
der männlichen als der weiblichen Gesamtauswanderung.
Es ist wohl nicht nötig, hier noch besonders darauf
hiuzuweisen, dafs dem Statistischen Amte die oben erwähnte
Unvollstöndigkeit der Auswanderertabellen in keiner Weise
zur Last zu legen ist. Dasselbe kann das ihm ühersaudte
Material nur gewissenhaft Vorarbeiten, hat aber durchaus
keine Macht, zu bewirken, dafs in fremden Ländern, z. B.
in Englaud , Italien &c. , genaue Aufzeichnungen über
deutsche überseeische Auswanderer , welche sich in den
Häfon jener Länder einschilleu , stattfinden. Dafs cs mit
seinem ganzen Eiutlufs dafür eingutreten ist, die Aus-
wanderernachweisungen so vollständig als möglich zu
erhalten, darf wohl als ganz Bicher angenommen werden.
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Die Erforschung des Finke River durch D. Lindsays Expedition.
Nach brieflichen Mitteilungen von H. Dittrich an Baron Ferd. v. Mueller in Melbourne.
213
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X. «* 'iim . Mt Ajfi
»I-. ■
/>yf- ;v* «•>-?*»
t a Tfc<£y
T-v;
Von Dalhousie - Station am Überlandtelegraphen brach
ein Teil der Expedition am 5. Dezember 1885 auf iu di-
rekt östlicher Dichtung, um am Ambuchorra Creek den
Leiter der Expedition, Dav. Lindsay, und seinen Begleiter,
Leut. a. D. H. Dittrich, zu erwarten. Auf der steinigon
Hochebene gingen die Spuren der vorausgegangenen Partie
sehr bald verlorou , mehrstündiges Umhersuchen auf jener
und der anschließenden salzhedeckten Ebene batte kei-
nen Erfolg, und so mufsten die beiden Reisenden schon
die erste Nacht durstig und hungrig verbringen, da alle
Vorräte mit den Packtieron vorausgeschickt waren. Am
nächsten Morgen früh 4b brachte die Sorge um die ver-
fehlten Begleiter beide Forscher wieder auf die Boino,
um 5b erfolgte der Aufbruch; die grofse Salzebene wurde
in l-J- Stunden gekreuzt, und in östlicher Richtung der
Marsch über steiniges Land fortgesetzt auf der Suche nach
dom Jambullina-Wasserloche, wo sie das Nachtquartier der
Vorausgegangenen vermuteten. Unerwartet stiofsen sie auf
frische Kamelspuren, welche aber direkt nach S führten;
trotzdem folgten sie denselben und erkannten bald, dafs
die Spuron von den fünf vorausgegangenen Tieren stamm-
ten. Nach Verlauf einer halben Stunde fanden sie dann
trocknen Busch und ein halbverlöschtes Feuer, von wo aus
die Spuren gen Osten verliefen. Unter Leituug eines
Schwarzen war die Partie, wie sich jetzt berausstellte, statt
den Windungen dos Ambuchorra Creek zu folgen, auf di-
rektem Wege über die trocknen Salzfliicbon des Spring 1
Creek hiugezogen und am Abend von dor östlichen Rich-
tung nur abgewichen, um Holz für das Lagerfeuer zu finden.
Um 9b trafen die Reisenden, den Spuren folgend, zu glei-
cher Zeit mit den Lasttieren am Jambullina-Wasserloche
ein. Tausende von Taubon flogen aus den Büschen auf
und versprachen eine gute Mahlzeit- Obwohl der Tages-
marsch nur ein kurzer gewesen war, wurde doch schon
Rast gemacht, da dos Gepäck in Ordnung zu bringen war;
aufserdem drohte es wieder, wie am vorhergehenden Tage,
sehr heifs zu werden, und in der That stieg das Thermo-
meter auf 114° F. (45,6° C.). Die Samen, weloho Dittrich
unter den Büschen der Umgegend sammelte, gingen später
gröfstenteils wieder verloren, da dor Sumenbeutel, welcher
hinten am Sattel befestigt war, durch die scharfen Dornen
des Gestrüpps am Fiuke River zerrissen wurde.
Uber die stark zerrissene, mit reichem, aber gauz trock-
nem Grase bedeckte Ebene im Tliule des Spring Creek
ging es am 7. Dezember weiter gen Osten. Der Ritt er-
forderte grofse Vorsicht, da dio Kamele in den tiefen Ris-
sen im Boden leicht strauchelten. Zur linken 5 — 6 miles
entfernt, zur Rechten 3 miles entfernt, wurde das Thal
von hohen Hügelketten eingesohlossen, Ausläufern des stei-
nigen Hochlandes. Kurz vor dem Eintreffen am Wasser-
loche Oolorinna schwenkten die Hügel zur linken nach X
ab. Die ganze Ebene ist höchst fruchtbar und würde bei
einiger Bewässerung Alles, selbst Baumwolle und Zucker-
rohr produzieren, leider aber sind die Wasser am Jambul-
lina und Oolerinna nicht permanent.
Am Wasserlocbe Oolerinna, welches inile lang,
70 — 80 Yards breit und stellenweise 6 — 7 Fufs tief ist,
befanden sich mehrere Eingeborne mit ihren Lubras und
Kindern ; sie batten das Gras am linken Ufor angezündet,
um den guanas und Ratten besser nacitspüren zu können.
Durch dio Vermittelung des bei der Expedition befindlichen
Schwarzen Charlie, welcher entweder Bruder oder Vetter
dieser und aller später angetroffenen Eingeboruen sein wollte,
wurde iu Erfahrung gebracht, dafs 20 miles weiter nörd-
lich ein Wasserloch Mukra oder Mnkrinna sich befinden
solle, von wo während der Rogenzeit dio Wassermassen
herunterkämen und bis zum Macumba sich ergössen; alle
diese Wasseriäufe wurden mit Finke oder Marapinta be-
zeichnet. Da diu Existenz eines Wasserloches Mukra im
Unterlaufe dos Finke schon bekannt war, so zeigte sich
die frohe Aussicht, den schwierigsten Teil der Aufgabe
bald lösen zu können.
Es galt nun vor allem, die Lage von Mukra festzu-
stellen, zu welchem Zwecke Lindsay und Dittrich in Be-
gleitung des Schwarzen Charlie am nächsten Morgen auf-
brachen. Als am Abend die Eingeboruen mit Tabak be-
lohnt in ihr Lager zurückkehrten , ließen sie hei der Ex-
pedition zwei Lubras (Weiber) zurück, ein Akt der Gast-
freundschaft, welcher im ganzen Northern Territorium ge-
bräuchlich sein soll. Einem mit den Packtieren zurück-
bleibenden Gefährten blieb es überlassen, das gut« Einver-
nehmen mit dem Stamme wiederhorzustellen, da die beiden
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214
Die Erforschung des Finke River durch D. Lindsays Expedition.
Aspasien wegen der Verschmähung ihrer Liebenswürdigkeit
gerade nicht gut gelaunt zu sein schienen. In fast direkt
nördlicher, nur wenig nach W abweichender Richtung ging
es vorwärts, anfänglich über eine verbrannte Grasebeno,
deren Staub nicht sehr angenehm war, dann folgten hohes
Gras und tiofe Risse im Boden infolge der Dürre, und
schliefslich kamen Sanddünen , welche von NW nach SO
verliefen. Dieselben waren bedeckt mit Spinifex (porcupine
gross, Triodia irritans), und hin und wieder mit. einem ver-
krüppelten Mulgabuscli. Aufsordem war der Boden besäet
mit grofsen Prickles, die an dicken strohartigen Stielen
wachsen, Kugeln von J/j — 1 Zoll Durchmesser und mit
starken dornonförmigen Stacheln bedeckt, welche sich die
Kamele laicht tief ins Fleisch eintreten. Nach fünfstün-
digem Ritte wurde ein Creek mit prächtigem Baumschlage,
verschiedenen Arten Eukalyptus, erreicht; aufwärts längs
desselben wurde die Vegetation immor dichter, und oft waren
die Reiter bis zum Sattel in einem Riede mit schmalou dunkel-
grünen Blättern versteckt. Bald zeigten Krähen und andre
Vögel dio Näho des Wassers an, welches um 3| p. ra. gefun-
den wurde. Dasselbe befindet sich 19 miles N 8* W von Oolo-
rinna, 9 miles SO von Kitiola und 12inilos von Morrelperinna.
Der Rückweg nach Oolerinna wurde am 9. Dezember
längs des Ostufers des Finke angetreten ; zunächst auf einer
Strecke von 6 — 7 miles gab es prächtigen Raumschlag, dann
folgte überflutete Ebene mit einzelnen boxtroes (Eukalyptus-
Art) und Dünen mit kleinen Wasserläufen. Abends trafen
dio Reisenden wieder in Oolerinna ein. Sio hatten die
Zweifel über don Lauf dos Finke glücklich gelöst , wenn
auch nicht ganz nach Erwarten. Er verläuft streckenweise
in Dünen, tritt nach Aufnahme von Zuflüssen wieder
zu Tage, überschwemmt Eboneu und bildet dann wieder
selbständige Wasserläufe.
Mit gefüllten Wasserbehältern brach die ganze Expe-
dition am 10. Dezember nach SO auf; Lindsay trennte
sich bald, um von einem Aussichtspunkte in don Dünen zu
trinugulieren, während Dittrich die Wegoaufuahme bis zum
Wasserloche Durodinna ausführte. Dasselbe liegt inmitten
von boxtrees am Fufse eines steilon Hügels, auf welchem
ein trigonometrisches Zeichen sich befand. Dio Herkunft
desselben ist bishor nicht aufgeklärt worden, da, soweit sich
konstatieren läfst , Lindsays Expedition zuerst bis hierher
vorgedrungen ist. Nach S zu erstreckten sich Sanddünen,
soweit das Augo roichto. Um Lindsay dio Wogorichtung
anzugeben, liefs Dittrich gegen Abend das dürre Gras an-
zünden, der Feuerschein brachte ihn glücklich ins Lager.
Er war, nachdem er das Gros der Expedition verlassen
hatte, 4 — 5 miles nach Osten gegangen, bis er nach Über-
schreitung einer Dünenkette wieder eine Eliune mit schönem
Baumschlage erreichte. Derselben war er dann nördlich
gefolgt , bis er ihren Austritt aus dem Bette des Finke
unterhalb Mukra mittels des Furngloscs konstatieren konnte ;
nun wandte er sich südöstlich und schliefslich südlich bis zu
einem verlassenen I/ager der Eingebornen, Etelkerta, bei wel-
chem später auf dem Rückwoge auch Brunnen entdeckt wurden.
. Lindsay hatte den äufsorsten östlichen Arm dos Finke er-
forscht; woiter im Osten setzten sich dio Dünen wie die
Wellen deB Ozeans ins Unendliche fort; kein Baum, kein
Strauch war sichtbar, nur Spinifex, dessen hohe Halme
sich wie Ähren im Winde wiegten.
Um die Dünen zu vermeiden, wurde am nächsten Mor-
gen eine Strecke Wegs wieder zurückgeritten, dann folgten
dio Reisenden einer Abzweigung dos Wasserlaufes in der
Erwartung, dafs er sich später mit dem östlichsten Arme
wieder vereinigen würde. Dem war aber nicht so. Der
Bauiüwuchs hörte schon bald nach dem Eingänge ins Thal
i auf; nachmittags wurde das Thal wieder versprechender,
Graswuchs und Lehmboden wechselten mit Wasserbetten
und tiefem Sande ab, bis das Ijager auf einer Ijehmplatte
mit trocknem Graso und vereinzelten Eukalypten aufge-
schlagen wurde. Die Hügel von Durodinna waren Uber dio
Dünen hinweg sichtbar. Die Kamele hatten kein Wasser.
Eine arge Plage während der Nacht waren Ameisen und
Moskitos.
Nach vierstündigem Marsche stellte es sich am 12. De-
zember heraus, dafs das Bett, in welchem die Expedition
nach S zog, in den Dünen sich verlor. Infolgedessen wand-
ten sich Lindsay und Dittrich Uber mohroro Dünenketten
nach 0, bis sie auf ein breites, schönes Flufabott stiefsen,
das dom bisher verfolgten parallel verlief. Da der Schwarze
Charlie dio Vermutung äufserte, dafs man längs dieses
Wasserlaufes das Wasserloch Maitiukon im Adnumurkina
Creek erreichen könne, so wurde der Marsch in dem Bette
fortgesetzt, aber auch dieses endete um Mittag vor einem
steilen Sandhügel. Nochmals wurde eine Kotte von Saud-
dünen überstiegen, bis ein neues Flufsbett gefunden wurde,
und in diesem ging es weiter nach S ; später stiefs man
auf ein breites von NO kommendes Thal mit dichtem Poly-
gonum Muehlenbickia und sehr altou boxtrees. Dio Wassor-
marke an den Abhängen der Dünen war über 5 F. hoch ;
das Bett mufs also gelegentlich ganz gewaltige Wasser-
nüssen fassen.
Dieser Flufslauf mündete in einon breiten von NW
kommenden Creek ein , inmitten einer mit schönem Baum-
wuchs bestandenen Ehono; in demselben befand sich das
gesuchte Wasserloch Maitiukon, welches das schönste Wasser
enthielt, das auf der ganzen Reise gefunden wurdo. Das
Loch ist ca 1 mile lang, 80 Yards breit und fast überall
tiof genug zum Schwimmen. Dio Kamele fanden vorzüg-
liches Futter, und die Reisenden einon reizondon Platz zum
Lagern unter einem riesigen, hulh ins Wasser hängenden
Eukalyptus, welcher mit dem Zeichen von Lindsay markiert
wurde. Dio Lage war so einladend, dafs am nächsten Tage
an diesem idyllischen Fleckchen Erde gerastet wurdo, um
Generalwäsche zu halten und den Tieren Ruhe zu gönnen.
Zu Mittag gab es vorzügliche Enten.
Am 14. Dezember ging es wieder weiter nach S, dem
Lauf der verschiedenen Creeks folgend. Unerträglich wurde
die Hitze, da hohe Hügelreihen auf beiden Seiten deu Zu-
tritt auch des leisesten Windzuges verhinderten. Zur all-
gemeinen Überraschung deutete die Lage des Troibholzos
auf entgegenkommende Strömung hin, und durch diese Wahr-
nehmung wurde die Vermutung angeregt, dafs daB Wasser
des Mncumba in unmittelbarer Nähe von Maitinken mit
dem Finke zuBummonstrümo ; der Überschufs des Wassers
verläuft sich in den Dünen. Nur 2 miles von Macumba
entfernt, dessen Baumreihen deutlich zu erkennen waren,
wurdo das Lager aufgeschlagen und eine äufserst unge-
mütliche Nacht verbracht, du Milliarden von Ameisen nie-
mand zum Schlafe kommen liefsen.
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215
Die Erforschung des Finke River durch D. Lindsays Expedition.
Während die Packtiere nach dem Wasserloche Maitinken
zurückkehrten, zogen Lindgay und Dittrich nach S weiter,
um den Macumba-Creek nach versobiodonen Richtungen zu
untersuchen. Das Thal desselben ist eine 2 miles breite,
baumreiche Ebene mit zahlreichen Wasserläufen, aber kein
hübsches sandiges Bett ist vorhanden. Ein Abpat.rouillioron
nach Osten oder Westen schien zwecklos, denn im Osten
setzten Sandhügel den nach N austretenden Gewässern bal-
dige Schranken, und nach W zog sich die Ebene viele viele
miles hin ; soweit das Auge reichte, gab es keine Landmarko.
Nach eingehender Beratung, ob es zweckdienlicher sei, längs
des Macumba nach W zur Telegraphenlinie zurückzukehren
oder den Finke abermals aufwärts zu verfolgen, entschieden
sich die beiden Reisendon, zunächst nach einem Ausflüsse
der hei Maitinken sich zusammendrängenden Wassermassen
zu forschen und dann den östlichsten, noch nicht untersuch-
ten Arm des Finko zu untersuchen.
In der nächsten Nacht fiel Regen, und trat eine gegen
die letzten heifsen Tage angenehm abstechendo Kühle ein;
auch am Morgen regnete es wieder. Da nach Angabe der
bei Maitinken sich einstollcnden Schwarzen wirklich ein
Ausfluls nach Osten vorhanden sein soll, so machte sich
Lindsay auf die Suche und nach achtstündigem Ritte brachte
er die Nachricht von der Auffindung dioses Ausflusses zu-
rück. Denselben weiter zu verfolgen , brach lindsay mit
Dittrich und einem angeblichen Vetter von Charlie, mit
Namen Fortnight, am 17. Dezember auf. Der Ausflufs
zeigte sich als breite Ebene nüt schönen gum- und boxtrees,
Gedye- und Mulgabusch &c. bestanden. Fünf schöno Ge-
wässer befanden sich in derselben, von welchen das mittlere,
Ickelden, bereits dem Macumba angehörte, denn von da aus
kam die Strömung, wie 18 miles westlich am Adnumurkina
Creek, den Reisenden entgegen. Der Macumba tritt also
in die weiten Ebenen im Norden aus und vereinigt sein
Wasser mit dem des Finke, das dann teils verdunstet, teils
von den Sanddünen aufgesogen wird. Bei Angaran, 18 miles
östlich vom letzten Lagor am Macumba, erkannten Lindsay
und Dittrich die Baumreihen des Flufsbettes wieder.
Nach einer schrecklichen Nacht, in welcher Muskitos
und Ameisen miteinander wetteiferten, niemand Ruhe zu
gönnen, erfolgte dor Aufbruch schon bei Morgengrauen, und
immer dem östlichen Rande der Ebene folgend, trafen die
Reisenden gegen Mittag wieder in Maitinken ein. Die ganze
Gegend ist reich und wortvoll, in den letzten Jahren hat
sie überflufs an Wasser gehabt, doch bezweifelt Dittrich,
dafs dasselbe permanent fliefst. Doch wird es leicht sein,
durch Graben stets Wasser im Bette des Finke zu er-
halten.
Der Rückweg wurde um 19. Dezember angetreten in
baumreicher Ebene , welche als östlichster Arm des Finke
angesehen wurde. Am nächsten Tage stellte sich aber
heraus, dafs dies nicht der Fall war; der WasBerlauf wurde
schmäler und schmäler und wandte sich immer mehr nach
Westen. Im rechten Winkel setzte die Expedition Uber
Sandhügel, überschritt einige ebenso grofso Wasserläufe, wie
den am vorhergehenden Tage verfolgten, und kam schliefe-
lieh in eine breite Ebene mit schönen box- und gumtrocs,
den gewünschten östlichen Arm des Finke. Sand und
Spinifex, soweit das Auge reichte, zeigten am Ostrande des
Thaies an, dafs hier wirklich das Endo erreicht war. Nach-
dem Lindsay das Thal abwärts noch rekognosziert hatte,
ging es nach N weiter und nach kurzem Aufenthalt an don
Wasserlöchern Etelkerta, wo die Brunnen der Eingebornen
mit Hilfe von Fortnight aufgedeckt wurden, und in Oolerinna,
traf die Expedition am 23. Dezember wieder in Dalhousie-
Station ein.
Geographischer
Afrika.
Durch einen am 15. Mai d. J. in Paris abgeschlossenen
Vertrag haben Frankreich und Portugal über die Abgrenzung
ihrer Gebiete in Guinea und im Gebiete nördlich vom Kongo
sich in folgender Weise geeinigt. Portugieeitch- Guinea wird
durch eino Linie bestimmt, weloho, ausgehend vom Roxo-
See , nach den Terrainverhältnissen in möglichst gleicher
Entfernung zwischen den Flüssen C'azamance und San Do-
mingo de Cacheu bis zum Schnittpunkte von 17® 30'
W. L. v. P. (15° 10' W. v. Gr.) und 12* 40' N. Br. ver-
läuft und dann diesem Breitengrade folgt, bis 16° W. v. P.
(13° 40' W. v. Gr.); 16° W. v. P. bildet die Ostgrenze bis
11° 40' N. Br; die Südgrenze geht aus von der Mündung
des Rio Cajet, gelegen zwischen der an Portugal fallenden
Inael Catak und der an Frankreich fallenden Insel Tristäo,
und verläuft nach den Terrainverhältnissen in möglichst
gleichen Abständen zwischen den Flüssen Componi (Tabati)
im S und Cassini im N , dann zwischen dem nördlichen
Zuflufs des Componi und dem südlichen Zu Aufs des Cas-
sini (Gewässer von Kakondo), später demjenigen des Rio
Grande bis zum Schnittpunkte von 16° W. v. P. (13° 40'
"W. v. Gr.) und 11° 40' N. Br. An Portugal fallen alle
Monatsbericht.
Inseln zwischen dem Längengrade des Kap Roxo, der Küste
und einer Linie, welche, von der Mündung des Rio Cajet
ausguhoud , durch den Passe - des - Pilotes nach SW bis
10° 40' N. Br. und auf diesem Breitengrade bis zum
Längengrade des Kap Roxo verläuft. Nach diesen Bestim-
mungen Uberläfst Portugal an Frankreich die Besitzung
Ziguinchor am Cazamance, während Frankreich seine An-
sprüche auf Bissasma und die Ufer des Cassini aufgibt.
Portugal erkennt ferner das französische Protektorat über
Futa Djallon an, während Frankreich sich verpflichtet, die
von den Almamys den Portugiesen eingeräumten Vorrechte
nicht abzuändern. — Die portugiesische Kolonie Kabinda ,
nördlich vom Kongo, orhält eine beträchtliche Erweiterung
nach N; die nördliche Grenzlinie geht aus von dem Zu-
sammenflüsse des Loema oder Luisa Loango und dem Lu-
binda, verläuft soweit als möglich und nach den Terrain-
verhältnissen in gleicher Entfernung zwisohon beidon Flüssen
und soll von der nördlichsten Quelle des Flusses Luali,
eines südlichen Tributäre des Loema, der Wasserscheide
zwischen den Gebieten des Loema und des Chiloango fol-
gen bis 10° 30' ö. L. ▼. P. (12° 50' ö. L. v. Gr.),
dann diesem Längengrade bis zum Chiloango folgen, dessen
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216
Geographischer Monatsbericht.
Lauf bis zur Mündung des Luculla bereits die Grenze des
Kongo-Staates bildot (s. Wortlaut des Vortrages in La Ga-
zette guogr. 1886, Nr. 21, p. 410).
N W - A f r i k a. — Zu einer Forschungsreise wider Wil-
len gestaltete sich die von Dr. R. Janntuch, dem rührigen
Vorsitzenden des Berliner Zentralvereins für Handelsgeo-
graphie, geleitete Hundelsexpodition nach Hiifon der Mittel-
inoerländer. Om mit den Ländorstrichen südlich und süd-
westlich von Marokko in direkten Vorkohr zu treteil, machte
Dr. Jannasch am 24. März südlich von Kap Nun einen
Landungsversuch, in der Brandung konterte das Boot, von
dessen Besatzung zwei Personen ertranken ; der Führer
selbst mit sechs Begleitern erreichte glücklich das Land an
der Mündung des Flusses Schwika. Da die Rückkehr zum
Schiffe durch die andauernd starke Brandung vorhindert
wurde , so traten die Geretteten den Marsch nach N an,
erreichten nach vier Tagen unter grofsen Entbehrungen
Uber ein ödes Plateau den Wad Draa, wo sie von Am-
bern aufgeuommou wurden. Nach läugerer Gefangenschaft
unter diesem auf seine Selbständigkeit pochenden Stamme
und häufigen Gefahren, ermordet zu werden, wurdon sie
am 10. April an den Kaid von Glimim im Wad Nun aus-
geliefert und von diesem am 26. April dem Sultan von
Marokko, welcher mit einer starken Armee nach Süden
zog, im Wad Mosa übergobcn. Am 3. Mai trafen die Rei-
sondon in Mogador. wieder oin. Zum Teil fällt Dr. Jan-
naschs Route mit derjenigen von Leop. Pauet von 1850
zusammen. (Export 1886, Nr. 24.)
Ostäquatorialafrika. — Durch einen glücklichen Zufall
ist das Tagebuch dt» Bitchoft Hannington in die Hände der eng-
lischen Missionaro in Rubaga gekommen, und oino Abschrift
desselben nach England gosandt worden, wo es von der Church
Missionar}- Society baldigst veröffentlicht werden wird. Wie
Mr. Mackay mitteilt, geht aus dem Tagebuche hervor, dafs
Bischof Harinington mit geringen Abweichungen die Route von
Thomsons Rückreise aus dem Massai -Lande verfolgte; es
reicht vom 23. Juli bis zum 6. Oktober, der Ankunft in Sakwas
bei Kwo-Sundu am NO-Ende des Victoria-Sees. Das aus-
führliche Schreibt» Mackays (Church Mission. Intell., Juni
1886), welcher bereits im 8. Jahre in Uganda weilt, schil-
dert eingehend die Zeit der Gefahr für die englischen Missio-
nare, gogen deren Leben seitens des jungen argwöhnischen
Königs ebenfalls ein Anschlag geschmiedet war; ihre Lago
war um so gefährdeter, als dur Argwohn dos Königs be-
stärkt wurde durch das gleichzeitige Eintreffen von Bischof
Hannington in Usoga, von I)r. Fischer in Kagei, von Briefen
des 8ultans von Sansibar, des englischen Residenten, Dr. Kirk,
und von der ägyptischen Regierung an Dr. Emin-Boi, und
von wiederholten Hilfsgesuchon des letztem. Wenn es uueh
gelang, durch Vorsicht und diplomatisches Verhalten die
unmittelbare Lebensgefahr zu beseitigen, so konnten Mackay
und Genossen doch nur wenig zur Unterstützung von Emin-
Bei thun; nur rechtzeitig vermochten sie Dr. Fischor, wel-
cher nach dem Kate der in Uganda weilenden Araber nach
Rubaga gelockt und ebenfalls ermordet werden sollte, eine
Warnung zukommen zu lassen, worauf derselbe sofort den
dirokteu Marsch nach Uiyoro fortsetzte. Von Uganda könnon
Emin-Boi und Genossen Unterstützung nicht erwarten , da
Mwanga nicht einmal die für denselben bestimmten Bot-
schäften passieren läfst. Auch die an die Missionare ge-
richteten Briefe Eroins sind nicht in deren Besitz gelangt.
Mackay schreibt in seinem Berichte an die Missionsgesell-
schaft, von dem ein nicht gedruckter Teil uns freundlichst
zur Verfügung gostellt wurde:
„Vor einigen Moniten, als die Kunde hierher drans, dafe Kmin in dn
Nachbarschaft von ltionga »ich befand, verwehte ich wiederholt, den Käsig
und Kitikiro au «einer 1’ntentUtxung zu veranlassen, da Kmin ein alter
Freund von Mtma »ei; »tete bekam ich unwahre Auidliichte zur Antwort,
dafa ihm entweder Hilfe ceaandt aei oder gesandt werden »olle. Nach und
nach verschwand dieser Gegenstand von dor Tagesordnung , bis er durch
die Uncfe von der Küste wieder angeregt worden i»t. Wir können höch-
stens durchsetzen, dafs der Köniz den Brief der ägyptischer! Iterierung,
welcher von Sir John Kirk eingesendet worden ist, an Kmin -Bei weiter
sendet, während wir eelbst Stoffe und Vorräte ihm auschicken wollen. —
Da» für Kinin lxotimmte Schreiben wurde vom König eröffnet, und ein ara-
bischer Brief ron Xubar Pascha wurde ron einem arabischen Händler, Ma-
hnmet au» Tripolis, entziffert; da von Soldaten und Offizieren darin die
Rede ist, au geriet der König in noch gtöfsere Angst ul» znror, und die
Absicht, die Briefe durch Vermittelung ron Kabrega von L'njoro an Bmin
gelangen «u lassen, scheint jetzt aufgegeben.
„Der Tripolitanor Mihomet bin Mahomet erzählte mir, dafs wahrend
seiner jüngsten Anwesenheit in l'njoro Boten ron Kmin-Bei ein trafen, mit
14 Krasileh Klfenbein, weicheg egen Stoffe verkauft werden sollten; er hatte
eine Aniohl Dollars und undre kleine Geschenke für dio arabischen Händler
in Kabaregas Hauptstadt heigefügt. Auch Briefe, an die französischen
Missionare und an uni aelbst gerichtet, waren bei der Sendung, aie sind
aber von einem entlaufenen Küsteubewobner aurtickbehalten worden; er will
diese Briefe bei seiner Bückkehr an die Kiisto mitnehmen , da er für di*
Ablieferung eine Belohnung Tom Sultan von Sansibar erwartet. Bmin sollte
sich 10 Tagereisen von Kahsregns Hauptstadt befinden. Stoffe waren zur
Zeit uieht vorhanden, und so nahm der König von Uojoro das Klfenbein
einstweilen in Verwahrung.”
Durch diese Mitteilungen Mackays wird es immer mehr
zur Gewifsheit, dafs die Lage Emins und seiner Gefährten
weit gefährdeter ist, als man in Deutschland angenommen
hat. Auch von andrer Seite wird bestätigt, daTti die Auf-
regung unter den arabisohen Händlern, teils durch das Vor-
gehen der Ostafrikanischen Gesellschaft , teils durch die
Konkurrenz deutscher Handelskarawanen im Wachsen ist,
und dafs sie sich bemühen, im Innern die Stämme gegen
deutsche Reisende aufzuwiegeln. Dr. Fischer, weloher hof-
fentlich schon soit geraumer Zeit iu Unjoro eingetroffen ist,
wird mit grofsor Vorsicht zu Werke gehen müssen, um
diesen hindernden Einflufa zu beseitigen.
Eine neue Route von der 0»lkii»te nach dem Nyatta haben
Graf Pfeil und Leut. Schlüter von der Deutsch-Ostafrikani-
schen Gesellschaft eröffnet , indem sie von Usagara aus
durch Uhebe nach Mahengo zogen und uach einem Vor-
stofs längs des Urauga nach dem Nyaasa auf dem kürze-
sten Wege direkt nach Kiloa Kiwindje an die Küste zu-
rückkehrten. Ein Bericht über diese Reise ist allerdings
noch nicht veröffentlicht, wohl aber ist dio Routo auge-
deutet auf dor Karte von Zentral- Oltafrika (Berlin , Engel-
hardt 1886. M. 2, so), welche Dr. P. Engelhardt und J.
v. Wenticrski mit Benutzung des Materiales dor Deutsch-
Oatafrikanischen Gesellschaft entworfen habon. Dieses Ma-
terial bezieht sich in erster Linie auf dio Abgrenzung der
von der Gesellschaft erworbenen Gebiete , auf dio Eintra-
gung der Routen von Dr. Poters, Graf Pfeil, Dr. Jülilke,
Leut. Schlüter u. a. , auf die Bezeichnung der deutschen
Stationen. Die Grundlage der iu 1:3000000 gezeichne-
ten Karte bilden selbstverständlich die Kartenwerke von E.
Ravenstein und Lannoy de Bissy, auch sind eine Reihe der
wichtigsten nouorn Forschungen , so von Giraud , O’Neill,
Thomson, Fischor u. a. berücksichtigt worden. Nicht benutzt
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Geographischer Monatsbericht.
217
wurden die Routen der katholischen Missionen in Useguha,
Wadoe, Ukami und Nguru. Unerklärlich bleibt die von
CI. Denhardts Darstellung abweichende Zeichnung des Tana-
Flusses; Denhardts fernster Punkt, Massa, wird entgegen
seiner Angabe um fast 25’ nach Westen verschoben, wo-
durch die ganze Richtung des Flufslaufes beeinträchtigt
wird. Die Karte gibt übrigens einen neuen Beweis, dafs
die durchgängige Anwendung der Rundschrift auf Karten
nur auf Kosten der Lesbarkeit und Deutlichkeit erfolgt.
Über die Entstehung und die Bestrebungen der Deutsch-
Ostafrikanischen Gesellschaft, welche durch die Energie
ihres jugendlichen Vorsitzenden, Dr. Carl Peters, mit einem
Schlage in den Mittelpunkt der Kolonialpolitik vorgeschoben
wurde, gibt J. Wagner in seinem Werke: ,, Deutsch - Ost-
afrika“, Geschichte der Gesellschaft fiir deutsche Koloni-
sation und der Deutsch - Ostafrikanischen Gesellschaft (8°,
111 SS; Berlin, Engelhardt, 1886) erwünschten Aufschlufs.
Mau mag über den Wert der OBtafrikanischen Besitzungen
urteilen , wio man will ; man mag noch so geringo Hoff-
nungen auf ihre gedeihliche Entwickelung und ihren künf-
tigen Wert für das Deutsche Reich setzen, die Anerken-
nung kann auch der grundsätzliche Gegner von Kolonial-
erworbungen den Unternehmern nicht versagen, dafs sie
mit Umsicht und Entschlossenheit ihre schwierige Aufgabe
angegriffen und bisher fortgesetzt haben. Die Schrift, welche
auf amtlichen Quellen der Gesellschaft beruht, erzählt zu-
nächst die Vorgänge, welche zu ihrer Gründung dou An-
stofs gaben, geht dann über zu der ersten Unternehmung,
Dr. Peters’ Usagara-Expedition , deren Verlauf ausführlich
dargelegt wird. Die Ausführung derselben, die Erwerbung
der Landschaften Useguha, Nguru, Usagara und Ukami ge-
lang wider Erwarten schnell, da die Mitglieder sowohl auf
der Ausreise, wie auch in Sansibar ihre Ziele vortrefflich
zu verheimlichen vorstanden hatten. Auch über die übrigen
Unternehmungen, die Reisen , welche zur Ausdehnung der
Erwerbungen der Landschaften bis zum Rufidschi im S
und zum Tana im N, sowie im Somali-Lande führten, gibt |
der Verfasser Aufklärung. Ob alle diese Landschaften, na-
mentlich dns Küstengebiet, im Besitz der Gesellschaft bleiben
werden, das hängt von der Entscheidung der in Sansibar tagen-
den deutsch -englisch- französischen Kommission ah. Jeden-
falls wird genügoud übrig bleiben, um eine kolonisatorische
Thätigkeit zu entfalten. Jetzt, nachdem politische Neben-
buhler nicht mehr zu fürchten sind , wird es Aufgabe
der Gesellschaft sein zu zeigeu, dafs sie ebenso umsichtig
zu organisieren weifs, wie kühn zu erwerben.
Eine weit eingehendere Schilderung eines der neuen deut-
schen Schutzgebiete, der Landschaft Useguha nobst Ukwere
und Udoe, biotet der katholische Missionar Pater Jh'rarda,
welcher in der Station Mnudera nördlich vom Wami sein
Heim aufgeschlagen hat. Er gibt (Missions catholiques 1886,
Nr. 880 — 8‘JO) zunächst eine kurze Übersicht über die
topographischen Verhältnisse dieses Gebietes, schildert Hora
und Fauna und verweilt dann mit grofser Ausführlichkeit
bei den Bewohnern, den Wasiguha, deren Anschauungen,
Lebensweise , Thätigkeit &c. er eingehend darlogt. Eine
detaillierte Skizze , welche auf topographische Genauigkeit
keinen Anspruch machen kann, gibt einen Überblick über
die Umgegend von Mandera.
Südafrika. — Der Gründer der katholischen Mission
Pdetmson« Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft VII.
im Ovampolande, Pater Duparqutt , hat seinen Wirkungs-
kreis nach NO ausgedehnt und ist bis in das Gebiet der
Amboellas zwischen Cuneno und Cubango (Okavango), wel-
ches von der Expedition Capcllo und Ivens durchkreuzt
worden ist , vorgedrungen. Von Humbe aus , der letzten
portugiesischen Station am Cunene, bat er die Landschaf-
ten Evaro und Hauda durchreist und im Amboelia - Laudo
unter 15° 8' S. Br. und 16® 14' ö. L. v. Gr. eine neue
Station, Notre-Dame des Amboellas, errichtet; dieselbe liegt
unter 1350 m Höhe am rechten Ufer des Okashitanda,
eines linksseitigen Tributärs des Cunene. Durch diu Land-
schaften Handa und Evare (liefst der Kuerahi , welcher in
dem Evare -See endigt; derselbe ist nicht dem Cunene
tributär, wio Duparquot früher nach Erkundigungen ange-
nommen hatte. Dor für die Erforschung seines Gebietes
sich lebhaft bemühende Missionar versichert ausdrücklich,
dafs der Cunene keine Abzweigungen ins Ovampoland ent-
sendet. (C. R. Soc. do geogr., Paris 1886, Nr. 10.)
Eine neue Bestätigung, dafs dio Wesigrenu ran Trans-
vaal eine beträchtliche Verschiebung nach Westen er-
fahren mufs gegen die bisher übliche Darstellung der
Karten , liefert das neuoste umfangreiche englische Blau-
buch (C 4643) , welches namentlich die Mission von Sir
Ch. Warren zur Ordnung der Verhältnisse im Betschuanen-
Lande zum Gegenstände hat. Unter den zahlreichen Kar-
ten und Plänen vordient namentlich dns von Capt. C. R.
Conder, welcher durch seine Vermessung von Palästina als
tüchtiger Topograph sich bewährt hat, entworfene Blatt:
„Survoy of the Eastern Border of Bechuanaland4 , Beach-
tung, da es die Grundlage für die richtige Darstellung de?
Grenzgebietes schafft- Kopjo Enke), von welchem Hügel
die neue Grenze von der Grenzlinie von 1881 abzweigt,
kommt um 29' westlicher zu liegen, Kunana sogar um 33'.
Das Heft enthält aufserdem, leider nicht immer in geniefs-
barer Form, eine Fülle von Mitteilungen über topographi-
sche, physikalische, geologische, ethnographische und kom-
merzielle Verhältnisse des Betschuanen - Landos und dor
angrenzenden Gebiete, Berichte über die Handelsstrafsen
nach dem Ngami-See, dem Sambesi und in das Matabele-
Laud, Erkundigungen über die Beschaffenheit und dio Be-
wohner der Kalahari; kurz es ist eine wahre Fundgrubo
für die Geographie Südafrikas. Abweichend von der Er-
klärung des Missionsarztes Dr. Morensky über den Ursprung
des Namens Stella- Land (s. Mitteil. 1885, S. 428, Anm.),
gibt das Blnubnch an , dafs dieser Name von den Boeren
gewählt worden sei, woil im J. 1882, als der Krieg zwi-
schen den Häuptlingen Massouw und Mankoroatie stattfand,
und sie sich des Landes bemächtigt, der grofse Komet
sichtbar war. Hoffentlich wird eine zusammenfassendo
Schilderung über die Thätigkeit Warrens und der Grenz-
kommission nicht aushleiben.
Inseln. — Nachdem bereits Ende 1885 durch die
Vermittelung des französischen Naturforschers Humblot eiu
Sultan der Insel Grofs-Coraoro die französische Schutzherr-
schaft anerkannt und durch das Eingreifen der französi-
schen Murine dio Herrschaft über dio gauze Insel an sich
gerissen hatte, ist durch einen an» 24. April auf der Insel
Johanna Unterzeichneten Vertrag das französische Protektorat
übor dio ganze Inselgruppe der Comoren ausgedehnt wor-
den. Die lusel Mayotte, welche bereits seit 1845 unmit-
28
218
Geographischer Monatsbericht
telbare französische Kolonie ist, bleibt von diesem Vertrage
selbstverständlich ausgeschlossen.
Australien und Inseln des Grofsen Ozeans.
Kleinere Inseln. — Das deutsch - englische Abkom-
men vom 17. Mai 1885, durch welches die Grenzen der
beiderseitigen Besitzungen in Neuguinea festgestellt wur-
den, hat durch eine am 6. April 1886 in Berlin Unter-
zeichnete Erklärung eine Erweiterung erfahren, durch welche
die deutschen und englischen Machtephären im westlichen Stil-
len Oiean begrenzt worden sind. Nach Abschnitt II dieser
Erklärung (Reichsanzeiger 3. Mai 1886) geht die Demar-
kationslinie von der Grenzo des deutschen und britischen
Anteils an Neuguinea, von einem Punkte in der Nähe von
Mitrc Rock unter 8° S. Br., aus und verläuft bis 154° 0. L.
auf 8° S. Br.; ihr weiterer Verlauf ist fustgestellt durch
die Punkte 7° 15' S. Br. und 155° 25' 0. L.; 7° 15'
S. Br. und 155° 35' ö. L. ; 7* 25' S. Br. und 156° 40'
ö. L.; 8° 50' S. Br. und 159° 50' ö. L.; 6° N. Br.
und 173° 30' 0. L.; 15° N. Br. und 173° 30' 0. L.
Aufser dem Bismarck- Archipel (Neubritannien, Neu -Ir-
land &c.), welcher bereits durch den Vertrag vom 1 7. Mai
1885 als deutsches Schutzgebiet anerkannt worden ist,
fallen durch dio vorliegende Erklärung in den Bereich der
deutschen Machtsphäre im Salomon- Archipel die Rougain-
ville-, Choiseul- ') und Isabel- (oder Mahaga-), sowie die
kleinern St. George-, Shortland- und Gower-luseln, die iso-
lierte Pleasant -Insel und endlich der Marshall - Archipel.
Vom Salomon -Archipel verbleiben New Georgia-, Guadal-
canar-, Malayta- und San Christoval- (oder Arossi-) und
einige kleinere Inseln der britischen Machtsphäre. Im Hin-
blick auf dio noch höchst ungenügende Aufnahme des
Salomon -Archipels bestimmt Abschnitt V der Erklärung,
dafs die Grenzlinie, sobald durch neuere Vermessungen
irgend welche Inseln auf den jenseitigen Teil der Grenze
verlegt werden, in der Weise geändert werden soll, dafs
solclio Inseln auf derselben Seite der Linie erscheinen, auf
welcher sie jetzt auf den der Erklärung zu Grunde liegen-
den Karten angegeben sind. Die Erklärung findet keine
Anwendung auf die Samoa-, Tonga -Inseln und die Niue-
(Savage-) Insel, welche neutrales Gebiet bleiben.
Unmittelbar nach Abschlufs dieser Erklärung ist von
der englischen Marine von der kleinen Gruppo der Eermadeo-
Inttln Besitz ergriffen worden. Dieselben liegen nordöst-
lich von Neuseeland auf halber Route nach den Tonga-
Inseln zu.
Amerika.
Vereinigte Staaten. — Der lange gehegte und
sehr gerechtfertigte Wunsch nach Herstellung einer ein-
heitlichen , nach denselben Gesichtspunkten bearbeiteten,
den gesamten Bundesstaat umfassenden topographischen Kurte
der Vereinigten Staaten scheint jetzt endlich der Verwirk-
l) Die einheimwehen Namen der BouzanmUe- und Choiseul -Insel
sind noeb nicht bekannt ; es würde eine dankenswerte Aufgabe für die
Oftlaiere der deutschen klarine »in, welche voraussichtlich jetzt durch
häufigere Fahrten die deutschen Interessen in der noch wenig bekannten
Salomon • Gruppe unterstützen wird , die Namen dieser Inseln xu erfngeu,
welche jedenfalls besser geeignet sind , die von den Kntdcckem gegebenen
Namen xu ersetzen als neue deutsche Bezeichnungen.
's.
liebung entgegenzngohen. Allerdings handelt es Bich noch
nicht um eine neue Vermessung, welche, etwa nach Art
der europäischen Generalstabsaufnahmon , das ganze Land
mit gleicher Genauigkeit und mit den neuern Hilfsmitteln
der Wissenschaft niederlegen soll , sondern um Schaffung
einer kartographischen Grundlage für andre Zwecke, nament-
lich zur Ausführung einer geologischen Karte der Verei-
nigten Staaten; Major Powell , der Leiter der geologischen
Aufnahme, welcher mit dieser Aufgabe betraut wurde, hat,
wie er in der Einleitung zum Fourth Annual Report mit-
teilt, den Plan gefafst, als Grundlago fUr diese geologische
Karte zunächst eine topographische Karte im Mafsstabo
1:250000 (ca 4 miles to an inch) herstellen zu lassen,
und zwar mit Benutzung aller vertrauenerweckenden Ar-
beiten, welche über einzelne Gebiote vorliegen, namentlich
vou Kings Aufnahme des 40. Parallelgrades, Haydens Ver-
messung der Territorien, Powells Aufnahme der Rocky Moun-
tains, Wheelers Mappierung im W dos 100. Meridians, so-
weit ihr Mafsstah eine Benutzung gestattet, dio geodätischen
Arbeiten der Küstenvermessung u. a. Allo diese Arbeiten
umfassen aber oinen verbältnismäfsig nur äufserst geringen
Teil der Vereinigten Staaten, und namentlich für die Ost-
staaten ist nur ein sehr wenig zuverlässiges Material vor-
handen, so dafs hier eigne Aufnahmen in Angriff genom-
men werden müssen. Dio Torrainverhältnisse sollen auf
dieser Karte durch Höhenkurven von je 200 F., in einzel-
nen Gebieten von je 25 F. zum Ausdruck kommen ; natür-
lich werden diese Kurven . da wirkliche Nivellements nur
in wenigen Gebicton ausgeführt wurden, zum Teil auf
Mutmafsung und Kombination gemessener Punkte beruhen.
Die Karte soll in einzelnen Blättern, wolche einen Längon-
und einen Breitengrad umfassen, zur Ausgabe gelangen.
In der Tagespresse, wie auch in einzelnen geographi-
schen Zeitschriften (Verhandl. Gcsellsch. f. Erdk. in Berlin,
Nr. 3 ; Geogr. Rundschau Nr. 8 u. a.) macht die Nachricht
die Runde, dafs die Vereinigten Staaten einen Zuwachs um
zwei Staaten erfahren haben durch Erhebung des südlichen
Teiles des Territoriums Dakota und des Territoriums Wash-
ington unter Einverleibung des nördlichen Teiles vou Idaho
zu Staaten. Diese Nachrioht ist zum mindesten verfrüht;
allerdings hat der Senat der Vereinigten Staaten diese Mafs-
regel beschlossen, dio Zustimmung dos Kongresses ist aber
bisher nicht erreicht worden , und die Aussicht, dafs der-
selbe den Vorschlag zuin Gosetze erheben wird, ist bei
der augenblicklichen Zusammensetzung der gesetzgebenden
Körperschaft sehr gering.
Durch die wenig bekannten Grenzgebiete der Territorien
Utah und Arizona führte A. Tmandier 1885 eine Exkursion
aus. welche er bis zu den Marble Cafions des Colorado aus-
dehnte. Eine ansprechende Schilderung dieser Tour ent-
hält Nr. 1326 der Wochenschrift Le Tour du Mondo ; die-
selbe ist ausgestattet mit vorzüglichen Abbildungen der grofs-
artigen, wenn auch schaurigen Noturschönheiten. Auch das
Kärtchen im Text enthält manches Neue.
C o 1 o m b i a. — In weiterm Verfolg seiner Untersuchun-
gen in der Sierra de Sta Malta hat Dr. W. Sievert im Februar
von San Sebastian aus dio Schuoogrenze des Gebirges er-
reicht, welohe nach vorläufigen Berechnungen seiner Höhen-
beobachtungen mittels Aneroids in 4420 m liegt ; die ge-
samte Höhe des Gipfels schätzt der Reisende auf 5000 in.
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Geographischer Monatsbericht.
219
Der östliche Hauptgipfel besteht aus Granit, neben welchem
besonders Porphyr eine Rolle bei der Zusammensetzung
des Gebirges spielt. In 2000 m Höhe hört der Wald-
wuchs auf. Starke Gletscherspuren finden sich im Thale
des obem Catuca. Der ganze Westabhang ist mit dichtem
Urwald bedeckt, welcher der Erforschung grofse Schwie-
rigkeiten bereitet, da er pfudlos ist. Die Simonssche Karte
fand der Reisende im allgemeinen zuverlässig. (Verb. Ge-
sellsch. f. Erdk. , Berlin 1886, Nr. 4 und 5.)
Patagonien. — Der Gouverneur dos patagonischen
Territoriums Chubut, Oberstleutnant Fantana, welcher sich
bereits durch seine Forschungen im Chaco hervorgethan
hatte, war am 14. Oktober 1885 von der Ansiedelung Ra w-
son am untern Chubut aufgebrochen uud kehrte am 8. Fe-
bruar hierher zurück, nachdem er eine Rundreise nach dem
Oberlaufe und dem Quellgebiete des Chubut, längs des
Ostabhanges der CordiUera nach Süden und zurück im
Thale des Chubut-Tributiirs Senger ausgeführt hatte. Bis-
her nicht aufgenommen war der Oberlauf des Chubut; den
Senger hatte bereits 1880 Moyano verfolgt und dabei die
beiden Seen Colhue und Musters entdeckt. Die Kenntnis
des Ostabhanges der CordiUera verdanken wir der Reise
von Musters aus dem Jahre 1870/71 , jedoch steht zu er-
warten, dafs Fontanas Aufnahmen die Berichte desselben
wesentlich ergänzen werden, da Musters seiner indianischen
Begleiter wegen nicht ungehindert beobachten konnte.
Brasilien. — In einer der Bedeutung der Reise ent-
sprechenden würdigen Weiso tritt das Rcisewerk von Dr.
Karl van dm Steinm Uber seine Erfortchung de* Xingü unter
dem Titel „Durch Zentral-Brasilien“ an die Öffentlichkeit.
(8°, 372 S8., mit Karten. Leipzig, Brockhaus, 1886.) Nach
einem orientierenden Überblick Uber die bisherigen Versuch,
die Herkunft des Xingü zu entschleiern , gibt der Ver-
fasser eine Schilderung der Provinz Matto Grosso *), worin
er die Ursachen der geringen Bedeutung dieses ausgedehn-
ten Landesteiles für Handel und Verkehr von Brasilien er-
örtert; wie er nachweist , sind Mangel an Arbeitskräften
und geringe Verkehrsmittel die Ursache der viel zu wenig
ausgenutzten Produktionskraft der Provinz. Auch von den
Steinens Xingü-Fahrt konnte einen ununterbrochenen Ver-
kehrsweg nach Norden nicht nachweisen, denn der Xingü
besitzt wie alle südlichen Tributäre des Amazonas beim
Durchbruche des Hochlandes zahlreiche Stromschnellen;
da dieses am Xingü viel weiter nach N sich vorschiebt
als an den andern Zuflüssen, so hat derselbe auch einen
bedeutend kürzern schiffbaren Unterlauf. Im Mittelläufe nach
dem Zusammenflüsse der drei Quellarme ist er allerdings
auf gröfsere Strecken frei von Hindernissen, hat aber hier
nur geringe Tiefe. Die Thalfahrt der Reisenden währte
vom 25. Juni bis 17. Oktober, also fast 4 Monate. Durch
zahlreiche Ausschnitte aus dem Tagebuche, zum Teil durch
weitere Ausführungen geleitet der Vorfasser den Leser durch
die wechselvollen Erlebnisse und Szenen der Fahrt, nament-
lich den Verkehr mit den von der Zivilisation nooh unbe-
rührten, noch mitten im Steinzeitalter stehenden Stämmen,
weifs er trofflich zu schildern. Über die ethnologischen
Ergebnisse dieser Fahrt wird au andrer 8telle berichtet
l) So di« offizielle brasilianische Schreibweise. Der Verfasser schreibt
sbweicheod phonetisch: Schmgu und Mato Orowo.
werden, hier sei es nur noch gestattet, auf die zahlreichen
vorzüglich ausgeführten Illustrationen, welche Wilh. von den
Steinen zum Verfasser haben, hinzuweiseu.
Nach längerer Pause geht uns ein neuer Brief zu von
dom Reisenden im Gebiete des Amazonenstromes, Rieh.
Payer , welcher seine Forschungen in jüngster Zeit weiter
nach Westen in das Quellgebiet verlegt hat. Derselbe
schreibt uns am 9. März vou Puccalpa am Ucayale :
.Di« grofae Wavtentrafao des Maranon, welch«, über Nauta hinaus in
drei Ami« zerfallend, durch die Abflüsse der Anden-Gipfel ernährt wird,
gab mir Gelegenheit, auf dem l'carale reitend, deren Charaktere zu stu-
dieren.
.Am 29. Januar 1886 erreichte ich deu Tamaya, der von den Sibiros
b«wohnt wird. Die»« sind bereits zugänglich, ihr Anblick aber schauder-
erregend für den Europäer. Diese gelben grinsenden Gestalten malen Ge-
sicht und Bünde blau, verzieren di« Arme und Bein« mit Tierzähnen und
Glasperlen, and das darüber zuiammenwachscDde Fleisch, sowie die in d«r
Nasenacheidewtnd klimpernde Silberplatte , verleihen der Menschenfigur,
die noch obendrein an fast allen Körperteilen mit Arabesken (Ähnlich jenen
an den Wassergefällen) bemalt ist, einen diabolischen Anstrich von Scheufs-
liehkeit. Ihre Sprache ist lebhaft, wild, ihr Benehmen zudringlich und
auffällig verschieden von dem der Indianer in der l'arima und an deren
Ausläufern. Eigentümlich unterscheiden sieh die Weiber fast gar nicht in
Ansehung der Gesichtzbildung von den Männern, sie haben dieselben groben
Züge und die nämlichen hervorstehenden gewaltigen Backenknochen, durch
welche sich im allgemeinen dieser Stamm auaxeicbnet, und nur an ihrer
kleinem Figur, die von einem wlbetgewebten groben langen Baumwollbemd
wie ein Poneho umhüllt ist, erkennt man die Lebensgefährtinnen dieser
halbwildeu Kingebomen, während mau ibre h'amensverrandten, die Caasivos,
zn den gefährlichsten Stämmen dos l'cayaie zählt, dio den Kautschuk-
arbeitem des Paehitea (der verworfensten weifsen Meuacbenklaaie) das Leben
versauern. Das in l'nruhen befindliche Peru kann wenig für die Kube
und Ordnung in diesen entfernten Distrikten ausübeu, und das gibt dem
Arbeiter Gelegenheit zur Entsittlichung.
.ln neuester Zeit kamen auch Leute von der deutschen Kolonie ,Po-
zuse' nach dem Ucayale, um Geld durch die Kautwhukarbeit zu verdienen;
viele von ihnen starben unterwegs. Ich sprach mit denselben und erkun-
digte mich nach dem Leben der Kolonisten. Hs war ein eigentümlicher
Anblick, den ich nie vergeasen werde, diese treuherzigen, biedern Özter-
reicber, aus deren blauen Augen noch die alt« Arglosigkeit und Offen-
herzigkeit zu lesen ist, inmitten des andern venlächtigen Gesindels, die
eich betrügen, besaufen nnd totschlagen, den ärmlichen, erbärmlichen Kampf
ums Dasein raitmachen zu sehen. Das reiche, vielverheifsende Peru hat
für diese armen Deutachen , die schon 25 Jahre ohne jedwede Kommuni-
kation von der Scholle Erde leben, auf der nun ihnen ihr Glück verheifoen
hat, gar nichts getban ; sie sind vollständig auf den eignen Verbrauch ihrer
Erzeugnisse angewiesen, gegenwärtig von der Geldnot des lande* hoim-
gesucht und von revolutionären Banden umschwirret. Wie selten dringt
eine Nachricht von diesen armen Landsleuten an dio Öffentlichkeit ! —
Möge dieser Wamungsrul um ao nachhaltiger aufgenommen werden, da er
nur ein wahrheitsgetreues unparteiliche» Licht über dies Häuflsiu von mebr
als 300 Menschen wirft, dio mit spartanischem Mute ibre f*tlichten er-
füllen und sich unvermisebt erhalten haben.
.Die letzten 22 Tage waren denkwürdig nnd inhaltsschwer. Das Ge-
schick hatte eiD« schwere Prüfung geschickt. Die Auffahrt wurde im Hio
Auhau vorgenommen, im Chüraa (coulluent) fortgesetzt; an der groraen
Wasserscheide, zu Lande mit einem Sibivo von mir allein. Flüchtigen Schrittes
die jungfräuliche Enle durcheilend, nahm ich verschiedene Proben mit mir
und zwar: Zimmt, Kautschuk, Cumaru, Orchideen, l'almen (neuere sehr
dekorative Spezies, Samen unreif, durch Abbildung bestimmt), und sine kleine
anthropologische Sammlung. Nebenbei atudierte ich die Indianer-Stämme der
Sibivos und Remos. Auffällig unterscheiden sich dieselben durch extreme
Sitten. Ihre Toten werden im Hause begraben. Leicht konnte ich jede
Gruft auffinden; ein anatomischer Fund ist in Abwesenhsit der Bewohner,
welche durch Waldarbeit monatelang vom Stammplatz ferugehalten werden,
leicht ausführbar. Auch leben sie im Kriege mit deu gefährlichen Casaibos
der Pacbitea. Die Remos bekriegen sie nur, um deren Pamiliengliodcr als Beats
zur Arbeit zusehieppen. Der Eigentümer der Hütte am Quellenlauf des ltio
Chörsa, ein mutiger Sibivo, halte drei Camivoe getütet und mir seine Aben-
teuer am Pacbitea mitgeteilt. Das Weib, welches er in die Gefangenschaft
nahm, entfloh. Glückt es dem (’a.nlbo, einige der Sibivos geftogen zu neh-
men, so ist hingegen deren Schickazl ein trauriges, da es hier allgemein be-
| kennt ist, dafs dieser wilde Stamm noch beute das Fleisch der cingtfangenen
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220 Geographischer Monatsbericht.
Kinder neniefst. Mein Begleiter, ein alter Mann, der den Kautschukhandel
treibt, sprach glücklicherweise die notigen Idiome der hier lebenden Stämme.
Lebensmittel- und Sali- Mangel machten diesmal weiterer Vorgehen un-
möglich.
„Aul der ltückfahrt nach dem L'eayale liefen wir mit dem Boot an
einen Baumeurorn, muteten derselbe auf glatten Binden de« Umbau ra-
Stammes wie einen Schlitten überführen, und hatten das Unglück, durch
eindtingendee Wasser unter Boot Umschlagen ru sehen. Ich sprang zwischen
die unterirdischen Stämme und Strituchcr und hotte mit wollt zwanzig Tauch-
»ersuchen den grollten Teil mriner Sammlungen herauf, auch einen Teil nnsrer
BeiseelTekteu, aber die gante Orchideen-Sainmlung und den Kautschuk des
armen alten Mannes »erschtangen die Wirbel der Chorm. Das Ärgste aber
war der Zustand unsres Brotspenders, eine alte einläufige mit Stricken zu-
sammengebundene, schon vielfach reparierte Hinte war so «ugerichlet,
ilafa wir den Schuft nicht herausziehen konnten, und so hungerten wir
bis aur Mündung des Uearale und blieben in der durebwässerten Bekleidung,
den Schlaf am Feuer siatierend , da ein Auffinden trocknen Platze» in der
Verspätung am Abend, wo uns ein zweiter Stamm mit dem Untergang
drohte, zur l'nmögliebkeit wurde. Krst am 22. Reisetag gelangten wir am
l’cajrale zur Besserung unsrer I.ngc und behielten don Vorsatz, künftig nur
eiserne Kisten und darauf Gummi-Sehlafiitcke zu gebrauchen.
„Ein grofser Verlust war für mich das Versinken einer ganz neuen
S|iezies aus der Familie der t'utleja. Möge es gelingen, auf einer andren
Reise den Schaden auszubessern. Die »on den Indianern bezeichnten
Orte mit dem Vorkommen heifser Mineralquellen konnten des Proviant-
mangels wegen noch nicht erreicht werden.'*
Dem Stromgebiete des Rio Doce, welcher in seinem
Oberläufe die Provinz Minus Geraes, im Unterlaufe die
Provinz Espirito Santo durchstrdmt, stattete im Anfang
1885 Dr. P. Ehrenreich oinon langem Besucb ab. Trotz
der unmittelbaren Nahe der Kiiste , an welcher bedeu-
tende Handelsplätze bestehen, erscheint dieses Gebiet auf
den Karton noch als ein grofser, weifser Flock, welcher
nur durch don Flufslauf unterbrochen wird. Die Ursache
dieser auffallenden Erscheinung liegt darin, dafs die Er-
schliefsung des Flusses für einen regen Handelsverkehr
durch eine sehr geftihrlicho Barre an der Mündung ge-
hindert wird , hauptsächlich aber an den Bewohnern , den
wilden Botocuden , welche noch heute den Europäern zum
gröfsten Teil feindlich entgegentreten. Uber die topogra-
phischen und kommerziellen Verhältnisse dieses Gebietes
entwirft Dr. Ehrenreieh eiuo eingehende Schilderung, welche
auch manche Berichtigungen und Ergänzungen für die Karte
bietet, in einem Vortrage in der Berliner Gesellschaft für
Erdkunde (Verband!. 1880, Nr. 2), in welchem er auch
ein Zusammentreffen mit Angehörigen der Botocuden be-
schreibt.
Folargebiete.
Wie die oeterreichitche vom Grafen Wilczek ausgerüstete
und vom Schiffsleutnant r. Wohlgemuth geleitete Expedition
nach dem Programm der internationulen Polarforschung die
erste gewesen ist, welche den erwählten Posten, Jan Mayen,
1882 erreichte , so liegt nuch über ihre Aufnahmen und
Arbeiten zuerst ein eingehender Bericht *) vor. Da die
Statiou durch die Unterstützung ihres Organisators mit
einem grofsen Stabo von wissenschaftlichen Beobachtern und
andren Hilfskräften ausgerüstet war, so konnte auch eine
Reihe von Bootfahrten unternommen werden, welche zu
einer vollständigen Aufnahme der einsamen Insel führten.
Diese Arbeiten standen unter Leitung des Schiffsleutnants
A. Bobrik v. Bohlea ; in ausführlicher Darstellung gibt er
t) Dia üsterreichi.cbe Polarstation Jan Mayen. Rcoboehtungsergebmase,
herausgegeben von der K. Akademie der Wimen« haften, I. Band. 4®, mit
4 Karten, 15 Tafeln und 10 liolxicbnittco. Wien, 1880-
Aufschlufs Uber die Vermessungen und das Material, aus
wolchem diu Karte konstruiert wurde, und fügt eine detail-
| lierte Beschreibung der topographischen Verhältnisse der
Insel bei. Die Karte selbst, welche die Mohnschen Auf-
nahmen (s. Mitt. 1878, T. 13), denen grofses Lob gespen-
det wird , wesentlich ergänzt und vervollständigt , ist in
1:100 000 in Heliogravüre auf Kupfer vom Militär-Geogr.
Institut ausgeführt worden ; eine zweite Karte gibt eine
genauere Darstellung iu 1:25 000 von dem zentralen Teil
der Insel zwischen der Nord- und Südlagune (bisher mit
West- und Ostlagune bezeichnet), mit der uäbern Umgobung
dor Station im Wilczek-Thale. Der Verfasser bestätigt auch
die Anguhen von Vogt und Mohn über die Änderungen,
welche die Insel in historischer Zeit nachweisbar erfuhren
hat, so die Entstehung der Ost- oder Südlugune, die Ver-
landung der Eier-Insel u. a. Dem Vorbericht von v. Wohl-
gemuth, welcher zVuskunft gibt über Entstehung, Ausrüstung
und Programm dos Unternehmens, dio Fahrt mit der „Pola“,
den Bau der Station, und über den Verlauf des einjuhrigeu
Aufenthaltes, ist ein Situationsplan, sowie eine Karte der
Kreuzfahrt längs der Eiskanto vom 25. Juni bis 13. Juli
beigefügt, welche die Lage des Eises in verschiedenen Pe-
rioden während dieser Zeit zeigt. Für spätere Expeditio-
nen wichtig sind seine Mitteilungen über die Erfahrungen,
welche bezüglich dor Ausrüstung und hygienischen Mars-
regeln gesammelt wurden. Uber die wissenschaftlichen Er-
gebnisse der Beobachtungen wird an andrer Stelle berichtet
werdun.
Ein Polarreiseuder, welcher besonders roiclie Erfahrun-
gen in Schlittenfahrten gesammelt hat, Col. W. H. Oilder,
der Begleiter Schwatkas auf der Expedition nach King William-
Land, Teilnehmer an der Fahrt des „Rodgers“ nach Wrangel-
Land, der anschliefsenden Schlittenfahrt durch das Tschuk-
tschen-Land nach Jakutsk und an den Nachforschungen nuch
dor verunglückten Mannschaft der Jennnette- Expedition im
Lena-Delta, hat den kühnen Plan gefafst, eine Expedition zur
Erreichung det Nordpole » anzutreton. Gestützt auf seine Er-
fahrungen verwirft er die bisher verfolgte Methode, zu Schiffe
möglichst hoho Breiten zu erreichen und dann unter Mit-
nahme von Proviantvorräten nordwärts vorzudringen; er
will alle Brücken hinter sich abbrecheu und, als Eskimo nur
mit Eskimos reisend, ohne zahlreiche Begleitung sein Ziel
zu erreichen suchen. Als Begleitungsmannschaft hat er
Eskimos vom Bafßn-Lando in Aussicht genommen , da die
grönländischen Eskimos infolge ihres langen Verkehrs iu
zivilisierten Verhältnissen Dicht mehr genügende Ausdauer
und Erfahrung in Schlittenroiseu und in der arktischen Jagd
haben. Gilders Plan ist folgender: Auf einem Waler von
New Bedford oder New Isondon will er dio Überfahrt
nach Cumborland-Suud, event. nach der Hudson-Bai machen,
um dort die nötigen Eskimo-Familien zu engagieren. Da
die Eskimos während des Sommers dor Rentiorjagd im In-
nern des Landes obliegen, so kann er seinen 1’luu erst nach
ihrer Rückkehr zur Küste, aUo im Herbste 1886, ausfiih-
ren, und da danu kein Schiff mehr nach Norden geht, so
wird er zur Überwinterung gezwungen sein. Im nächsten
Frühjahr gedenkt Gilder mit seiner Eskimo-Bogloitung auf
einem schottischen Waler sich einzuschiffen, um sich bis
zu dem fernsten, von diesen zu erreichendon Punkt« über-
fuhren zu lassen; bei günstigen Eisverbältnissen wird er am
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Geographischer Monatsbericht
221
Lancaster-, im glücklichsten Palle im Jones- Sunde landen,
■wo er seine erste Station und Niederlage seiner Vorräte er-
richten und auch den ersten Winter verbringen wird. Das
nächste Ziel ist die verlassene Station der Grecleyschcn
Expedition au der Lady Frauklin- Bai. Fort Couger, wu be-
deutende Vorräte zurückgeiassen wurden , welche ihm zur
Verfügung gestellt sind ; diese Station als Stützpunkt und
Zufluchtsort benutzend, will er dann längs der Küste von
Grönland seinen Zug nach Norden fortsotzon und hofft zu-
versichtlich, diu von Lockwood orreichto höchste Breite,
83° 24' 30', überschreiten und wenigstens die nördlichste
Spitze von Grönland erreichen zu können. Erstreckt sich
Grönlaud nun nicht viel weiter zum Pole hin, so dürfte die
Expedition Gilders hier ihr Endo erreichen, da nach dou
Erfahrungen von Dr. Boas im Packeise die Eskimos so gut
wie gar nichts nützen können. Bedenken mufs auch der
Entschlufs erregen , dafs sich Gilder ganz auf die Erträg-
nisse der Jagd verlassen und nur für den höchsten Notfall
einen kleinen Vorrat an Lebensmitteln mitnohmcu will. Die
letzten englischen und amerikanischen Expeditionen haben
in den Gebieten nördlich vom Smith -Sunde nur ein sehr
dürftiges Tierleben angetroffen, namentlich die Ausbeute an
Robben und Walrosscu war aufserordentlich gering; wenn
auch zugegeben wurden mufs, dafs die Eskimos gröfseros
Geschick im Aufspüren und Erlogon von Wild entwickeln
werden, so können wir die Befürchtung doch nicht unter-
drücken, dafs die kühn entworfene Unternehmung an dem
Mangel an Subsistenzmitteln scheitern wird. Aber wenn auch
das Projekt nicht in seinem vollen Umfange zur Ausfüh-
rung kommt, so dürfen wir doch wichrigo Ergebnisse er-
warten, denn keine Art von arktischen Reisen ist so geeig-
net zur topographischen Forschung als die Schlittenreisen
ü la Esquimau.
Ein ähnlich kühnes Unternehmen plant oin Ingonieur
der Vereinigten Staaten -Marine, Ji. E. Peary, welcher Nor-
denskiölds-I-oistung im Vordringen auf das grönländische
Binneneis noch üherbioten zu können hofft. Für seine be-
abrichtigU Durchkreuzung Grönland * hat er oiue höhere Broito
als Nordcnskiöld, nämlich diu Disko-Bui, als Ausgangspunkt
gewählt, und oine frühere Jahreszeit für seine Eiswande-
rung bestimmt, um weniger durch die Schneeschmelze und
Bildung von Wasserbächen auf dein Binneneise gehindert
zu werden. Ziel ist der Franz Josef- Fjord, desson Vor-
zweigungon er viel weiter landeinwärts vermutet, als von
der deutschen Expedition 1869/70 gesichtet werdon konnte;
auch erwartet, er, dafs ein so bedeutender Gipfel wie die
3400 m hohe Petermanu-Spitze weithin ins Innere sichtbar
sein werde. Peary wird sich auch dio Erfahrungen dor
Hullscheu und Schwatkascheu Schlittenreisen zu uutzo machen,
indem er sich nach Art der Eskimos der Hudson-Bai aus-
rüstet. Eskimos will er zum Transport der im Depot zu-
riickzulassenden Rationen soweit als möglich mitnehmen,
was nach Nordenskiölds und Jenseus Erfahrungen schwer
zu ermöglichen sein durfte; die Eiswauderuug seihst will
er nur in Begleitung eines oder zweier Mischlinge ausführen.
Peary betrachtet seine Unternehmung selbst nur als eine
Vorexpedition, um Erfahrungen zu sammeln, mit deren
Benutzung er später, vielleicht von einem noch nördlichem
Punkte aus, dio Durchkreuzung abermals in Angriff nehmen
wird. H. Wichmunn.
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Irtijv •C Salnjcr
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition
nach Südwestafrika, 1884—85.
Von H. Pohle.
(Mit Kort«, t. Titel 11.)
Der Zwock der Expedition , die aus den Herren Dr.
Schinz, Dr. Sckenck, de Jongh, sechs Bergarbeitern und
dom Verfassor bestand, war die Untersuchung des dem
Herrn Liideritz damals ungehörigen Küstenstriches vom
Orange River bis zur Walfisohbai, oder vom 28 J ° — 23° S.Br.,
also auf einer Lüngenausdehuung von 75 deutschen Meilen
(560 km); dio Rreiteuausdehnung war uns zu 20 geogr.
Meilen (150 km) von jedem Punkt der Kiiste angegeben;
dies schlofs jedoch ein woitores Vordringen nach dem In-
nern des Landes nicht aus.
Die Untersuchung war hauptsächlich auf das Vorkom-
men nutzbarer Mineralien , auf Pflanzon , Tiero und dio
sonstige Beschaffenheit des Landes zu richten. Dr. Schinz
hatte als Botaniker und Zoolog die letztgenannte Aufgabo,
Dr. Schenck als Minoralog und Chemiker die Feststellung
dor geognostischen Verhältnisse , der Verfasser die Füh-
rung und Leitung der etwa in bergmännischer Beziehung
nötig werdenden Arbeiten und die Vermessungsarbeiten,
de Jongh war der Expedition als Dolmetscher, Landes-
kundiger und als Verwalter dos mitgenommenen Inventars
beigegeben. Die Ausrüstung bestand in einem Theodoliten,
Nivellier-Instrument, zwei Barometern nebst verschiedenen
Thermometern, einem Lötrohr- Probierapparat, dem Gepäck
für dio Bergarbeiter und sonst nötigen Gegenständen, als
Zelte, Gewehre &c. &c.
Nach den Anordnungen und Bestimmungen des Herrn
Lüderitz hatte dio Untersuchung seines Landes folgender-
mafsen zu geschehen. Sein Schiff, die „Mota“, werde uns
in Kapstadt erwarten. Mit diesom sollten wir am Orange-
flufs landen und von dort aus nach Norden das Land in
einer Ausdehnung von 20 geogr. Meilen (150 km) untersuchen.
Die .Meta“ bleibe zu unsror Verfügung, sie habe nur die
Wassertransporte von Kapstadt nach Angra Peqnena aus-
zuführen und uns dabei mit Proviant zu versorgen; zu
dem Zweck sollte an dem jedesmaligen Aufenthaltsort unsrer-
seits eine Flagge gehifst werden , dio „Meta“ werde dann
dort landen und uns mit allem Nötigen versehen. Übrigons
würden wir am Orangeflufs jagdbare Tiere und aufserdem
l'etemunn» Gfogt. Mitteilungen. 1886, Heft VIII.
Fische in unzählbarer Menge vorfinden, so dafs Mangel an
Proviant völlig ausgeschlossen sei. So der Plan, dessen
Ausführung wir um so mehr für möglich halten mufsteu,
als Herr Lüderitz bereits selbst im Lande gewesen war.
Am 22. August 1884 verliefsen wir Hamburg und tra-
fen am 19. September wohlbehalten in Kapstadt ein. Hier
wurden wir von dom Agenten des Herrn Lüderitz , Herrn
Poppe, empfangen; wir waren mehr als erstaunt, ja be-
stürzt, von demselben zu hören, dafs die „Meta“ uns nicht
erwarte , sondern bereits vor einigen Tagen naoh Angra
Pequuna gesegelt sei, und zwar auf Anordnung dos dama-
ligen Vertreters der Firma Lüderitz, Herrn Vogelsang, da-
selbst. Woiter erzählte uns Herr Poppe, dafs sich der
Kapitän der „Meta“, Herr Poister, weigere, die Expedition
an Bord zu nehmen und dieselbe am Orangeflufs zu lan-
den, weil sein Schiff viel zu klein sei, um zehn Mann
nebst dem nötigen Gepäck und Proviant aufzunehmen ;
aufserdem Boi eine Landung am Orangeflufs wogen der
ungemein starken Brandung daselbst durchaus unausführbar,
es wäre mehr als Tollheit, dort eine Landung auch nur
versuchen zu wollen, da Schiff, Mannschaft und Passagiere
dabei unfehlbar zu Grunde gehen würden. Herr Poppe
bestätigte sowohl die Kleinheit des Schiffes, als auch die
Unmöglichkeit einer Landung, da bereits Boote dor deut-
schen Kriegsschiffe dies versucht, aber bis jotzt als unaus-
führbar wioder aufgegeben hätten. Alles dies habe Herr
Poppe bereits nach Bremen berichtet, Antwort darauf könne
aber erst in sechs Wochen cintreffon.
Was nun? Unbekannt mit allen Verhältnissen in Kap-
stadt, mufsten wir uus lediglich auf die Vorschläge des
Herrn Poppe verlassen. Es blieb auch nur ein Weg übrig,
nämlich ein Schiff zu mieten und mit diesom nach Angra
Pequena zu fahron, da ein Landungsversuch am Orangeflufs
auch von andern Kapitänen ganz entschieden vorweigert
wurde. Den Landweg über Steinkopf uach dem Orange-
flufs einzuschlagen , wurde der Kostspieligkeit wegen , da
wir alloin 80 Zugochsen brauchten , von vornherein ver-
worfen, um so me hr, als es gar nicht möglich sein würde
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884—85.
dieselben in Kapstadt oder Umgebung aufzutreiben. Es
mufste daher der Vorschlag des Herrn Poppe, auf die An-
kunft seines Segelschifies .Formica“ zu warten und dieses
zur Fahrt nach Angra Pequena zu benutzen , acceptiert
werden. Die Genehmigung dazu wurde von Bremen tele-
graphisch erbeten. Die Depesche allein kostete 200 M.,
die Miete des Schiffes 5000 M.
Unser Reiseplan war damit vollständig verworfen und
in keiner Beziehung mehr ausführbar. Es mufsten ganz
andro Bestimmungen getroffon werden, um dio uns ge-
stellte Aufgabe zu losen, da es nun galt, von Angra
Pequona aus den Landweg Uber Aus nach dem Orange-
Aufs einzuschlagen. Zu diesem Zweck mufsten in Kap-
stadt vier Transportwagen bestellt werden, die allein
mit allem Zubehör, als Wasserfässem , Leitern &c. &c.,
7000 M. kosteten. Auch die Verproviantierungsfrage war
eine ganz andre gewordon, da nun aufser uns zehn Mann
noch acht Treiber zu den Ochsenwagen und ein Koch
hinzugekommen, also 19 Mann auf ca oin Jahr mit allen
nötigen Nahrungsmitteln zu versorgen waren. Kurzum,
es galt eine wahre Sintflut aller möglichen Gegenstände
zu beschaffen, um in einem Lande, das den Beschrei-
bungen nach effektiv nichtB bot, ein Jahr, nach Boiinden
länger, existieren zu können. Dazu kamen auch noch Tausch-
artikel für die Eingebornen , dann Dynamit und Stein-
kohlen, letztere für die Feldscbmiede.
Unser gezwungener Aufenthalt in Kapstadt dauerte vom
19. September bis 20. Oktober 1884. Die freie Zeit be-
nutzten wir zu Ausflügen in dio wahrhaft paradiesische
Umgebung, ebenso zu wiederholten Besuchen des Botani-
schen Gartens und des Museums. Auch einige weitere
Ausflüge nach dem Innern des Lundes wurden unternommen.
Am 18. Oktober nachmittags war endlich alles so weit
fertig, dafs wir an Bord der „Fonnica“ , die bereits auf
der Rhede lag , gehen konnten ; aber erst am 20. Oktober
nachmittags war es möglich abzufabren, weil erst da Süd-
wind eintrat. Nach viertägiger Fahrt sahen wir wieder
Land; Wetter und Wind war bisher gut gewesen, aber
mittags steigerte sich der Wind bis zum Sturm, das Schiff
verlor zwei Vordersegel, und nur der Geschicklichkeit und
Umsicht des Kapitäns Witting, der übrigens diose Fahrt
zum erstenmal machte, Imtten wir es zu danken, dafs wir
nicht kurz vor dem Ziel scheiterten, sondern gut die fatale
Stelle bei Angra Ruck passierten, wo ein Felsen mitten
im Meere, der bei Flutzeiten kaum sichtbar, die Einfahrt
in die Bai sehr erschwert.
Nachmittags gegen 4 Uhr konnte endlich in der Bai
Anker geworfen werden. An Landung war aber der hohen
See wegen nicht zu denken.
Nachdem wir uns von der Aufregung der letzten Stunden
erholt hatten, wurde das vor uns liegende Land mit leicht er-
klärlicher Neugierde eingehend gemustert- Unsre Illusionen
wurden bei diesem Anblick vollständig zerstört; es war
aufser den Faktoreigebäuden nichts zu sehen, als unendliche
gelbe Sandstreifen und hohe, vollständig kahle Bergzüge;
das Auge suchte vergebens nach einem grünen Punkt, um
wenigstens einen Strauch oder Baum zu entdecken. Eine
trostlose Öde, die nur durch das bowogte, aber immer
schöne Meer etwas gemildert wurde. Die „Meta“ fanden
wir hier vor Anker liegend.
Am 25. Oktober früh 9 Uhr fuhren wir an Land, da-
selbst begrüfst von dem Kommis der Firma Lüderitz. Der
Vertreter der Firma, Horr Vogelsang, war mit dem General-
konsul Herrn Dr. Nachtigal und dem Schiffsleutnant Graf
Spee nach Bethanien gegangen, von wo die Herren in kur-
zer Zeit zurückkommen würden. Noch trafen wir dort
einen Herrn Belck, der zur Expedition des Herrn I)r. Hopf-
ner gehörte.
Uns vier Herren wurden nun Zimmer angewieson, meine
Arbeiter schlugen ihr Zelt auf, dio Afrikaner und der Koch
wurden anderwoit untergobracht. Die Löschung der von
der „Formica“ mitgebrachton Fracht konute nur langsam
und nur in den Morgenstuudon bis 10 Uhr erfolgen , weU
von da an bis zum Abend ein konstanter Südwind, der
Massen von Sand brachte, wehte, und de*r jedes Arbeiten
im Freien hartnäckig hinderte.
Nachdem wir uns vorläufig wohnlich eingerichtet hat-
ten, wurden Streifzüge in die Umgebung, anfänglich bis an
die Zähne bewaffnet, unternommen. Bald aber liefsen wir
die Waffen zuhause , da die Umgegend vollständig harmlos
war; aufser einigen Schakals, Schlangen und unondlich vie-
len Eidechsen, auch einigen Chamäleons, war nichts zu
sehen.
Die Untersuchung der nähern und weitern Umgebung
wurde so ausgeführt, dafs wir morgens 6 Uhr ausrückten,
dabei ein vorher gegebenes Ziel im Auge behielten, in
Rufnähe voneinander entfernt gingen und so auf eine
Breite von 150 m die Gesteinsschichten und die dieselben
durchsetzenden Quarzgänge nach nutzbaren Mineralien durch-
suchten ; wurde etwas Auffälliges und Bemerkenswertes ge-
funden, so liefe ich nach Befinden einige Bohrlöcher schla-
gen und wegthun, um die Oberfläche zu entblüfsen. Ei-
nige von den Treibern mufsten diese Streifereien begleiten,
um Wasser und Proviant zu tragen , da wir immer erst
am Abend nuch der Bai zurückkohrten. So ging es von
Tag zu Tag mit wenig Ausnahmen. An das nicht allzu-
heifse Klima hatten wir uus bald gewöhnt, nur war der
fast konstante Wind mit dem mitgeführton Flugsand äufserst
lustig und unangenehm.
Am 1. Novomber fuhren wir mit dem Boot über die
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
Lagunen und untersuchten die Gogend südwestlich von
Angra mohrore Stunden weit. Dort fanden wir einen jetzt
verlassenen Versuchsschacht auf einem Quarzgang , der
anno Kupfererze führte und von Engländern angelegt wor-
den war. Weiterhin fanden wir Magneteisen, Kalk, ebenso
in den sogen. „Schwarzen Bergen“ Massen von Eisen-
stein. Aus Gneifs bestehen fast sämtliche Gebirgszüge,
durchsetzt mit oft sehr mächtigen Quarzgängen ; das Haupt-
streichen ist von Süd nach Nord. Selten geht der Gneifs
in Granit über. Ich verweise hier auf einen Aufsatz von
Herrn Dr. Schenck in Petermanns Mitteil. 1885, S. 132 ff.,
der in diesem eine eingehendere Beschreibung der geognosti-
schen Verhältnisse gibt.
Diese tagelangen Aasflüge in dieser trostlosen Einsam-
keit , wo man kaum , mit Ausnahme von Schlangen und
Eidechsen, ein lebendes Wesen sieht, hier und da allenfalls
einen kleinen Vogel und im Sand Spuren von Schakals,
bei diesem fast immer blauen Himmel keine Möglichkeit,
irgendwo vor den heifsen Sonnenstrahlen Schutz zu finden,
sind insofern furchtbar ermüdend und zeitraubend, da man
alles mit sich führen mufs , was unbedingt zur Leibesnah-
rung und Notdurft gehört, hauptsächlich Wasser, da ja
nirgends ein Tropfen zu finden ist. Will man mehrero
Tage, ja Wochen ausbleiben, so gehört eine Karawane
dazu, um alles mitzunehmen, was nötig ist, sogar Holz,
oder violmohr vertrocknete Pflauzenresto , um Feuer an-
machen zu können , da grofse Strecken nicht oinmal diese
bieten. Dann möchte man auch die Zelte mitnehmen, da
das Schlafen im Freien, in wollene Decken gehüllt, in der
Nähe der Küste, der Ausdünstung des Meeres wegen nicht
gerade die Gesundheit fördert. Mit Zugvieh kann man
diese Ausflüge nicht wagen, da für die Tiere jedes Futter
und Wasser mangelt; es bleibt also, freilich nur in der
Nähe der Küste, der Transport durch Boote übrig. Mit
dem von Kapstadt kommenden Wasser ist um so spar-
samer umzugehen, als jedes F&fs ca 30 M. kostet, des-
wegen kann' man auch in Angra Zugvieh und Pferde nicht
einstellon. Diese werden in Bedarfsfällen durch expresse
Boten in Gubub bestellt; nach fünf bis sechs Tagen kom-
men sie nach der Bai, und mufs dann sofort der Rückweg
angetreten werden.
Am 3. November ritt de Jongli nach Aus und Betha-
nien , um mit dem uns bestimmten Führer Münzeuberg,
einem Deutschen, der seit 25 Jahren in dem Lande lebte
und zuletzt dio Transportfuhren für die Firma leitete,
Rücksprache wegen unsrer Weiterreise zu nehmen.
Mittlerweile traf ich die Vorbereitungen zur trigono-
metrischen Aufnahme dieses Teiles der Küste, Auswahl der
Standlinie und der Dreieckspunkte, bestimmte auch die geo-
graphische Breite von Angra Pequena-ßai zu 26° 36' 45'
aus Sonnenmittagshöhen ziemlich übereinstimmend mit der
von dem Kapitän Aschenborn seiner Zeit gemachten Be-
stimmung der Lage der Diaz-Spitze, die er zu 26* 37' 52'
angibt.
Am 3. November bestiegen Dr. Schinz und ich die
4 Stunden nördlich von Angra gelegenen Flugsaudborge,
die eine Höhe von 4- bis 500 m und eino Broito von ca
15 km haben, ihre Gestalt aber täglich ändern. Das
Besteigen war aufserordentlich mühsam, da man bis über
die Knöchel in den Sand einsank und bei jedem Schritt
einen halben Schritt wieder zurückrutschte, dazu kam der
unendlich feine Sand, der durch den wehenden Südwind den
Augen ungemein lästig wurde. Ein Eindringen oder gar
Durchwandern der Berge ist unmöglich, da, wenn man die
orste Höhe orroicht hat, der Sandberg steil, mehr als 60°,
in eino Tiefe von ca 100 m abfällt , und der folgende bis
zu gleicher Höhe wieder ansteigt. Die Längenausdehnung
in der Richtung von Süd nach Nord ist über 75 km;
nördlich gehen diese kolossalen Sandauhäufuugen bis zur
Küste und an derselben fort, südlich führt der Weg nach
Aus, ungefähr 1 — 2 Tagereisen von der Bai entfernt,
quer durch sio, aber wechselnd, weil, wo heute ein gröfserer
Borg lag, morgen schon alles wieder weggeweht ist.
Am 7. November nachmittags kam der Herr General-
konsul Dr. Nnchtigal an , begleitet von den Herren Graf
Spee und Vogelsang. Der schon genannte Münzeuberg
leitete die Transportwagen.
Herr Vogelsang teilte mir mit, dafs er in der Nähe von
Guibes einen Hottentotten gesprochen habe, der am Fisch-
Hufs Gold liegen wisse und erbötig sei, die Fundstelle zu
zeigen. Ich möge dahor Dr. Schenck absenden, damit sich
dieser von der Wahrheit überzeuge; da auch Herr Dr. Nach-
tigal dieses Gesuch unterstützte, so liefs ich am 8. November
Herrn Dr. Schenck, auoh Dr. Schinz mit den zurückgehen-
den Transportwagon abreisen, da letzterer boi der geringen
Ausbeute, die der Küstenstrich bot, mit seinen Sammlungen
für Botanik und Zoologie fertig war.
Führor Münzenberg hatte mir positiv erklärt, dafs er
die Führung der Expedition nach dem Innern uud nach
dem Orange River orst im Februar übernehmen könne, da
er nur dann hoffe, das nötige Wasser für Menschen und
Vieh zu finden, orst dann seien die Rogenwasserplätze wieder
gefüllt. Er versprach, alle nötigen Dispositionen bezüglich
des Zugviehes treffen zu wollen, damit wir dann ohne Zeit-
verlust abreisen könnten. Es blieb nichts übrig, als sich
dieser Anordnung zu fügen.
Längoro Gespräche mit dom Herrn Generalkonsul Dr.
Nachtigal, der das Land bis Bethanien kennen gelernt hatte,
belehrten mich schon damals , dafs in diesem Teil Afrikas
für Kolonisationszwecke, speziell für Ackerbau, nichts zu
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228
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
hoffen sei. Die einzige noch übrig bleibende Hoffnung Bei
die, dafs es uns gelingen möge, solche reiche Erzaufschlüsse
zu machen, die den Transport nach Deutschland lohnten,
und zwar womöglich in der Nähe der Küste, da auch der
Transport aus dem Innern ganz bedeutende Summen kosten
würdo. Erschwert würde ja alles durch den mit geringen
Ausnahmen stattfindenden Mangel an Triukwasser, dem auch
schwerlich abgeholfen werden könno, da alle atmosphärischen
Niederschläge fehlen.
Am 17. November früh 6 Uhr kam das doutscho Kriegs-
schiff „Möwe“ an , und am 20. November fuhr dasselbe
mit dom Herrn I)r. Nachtigal und Vogelsang an Bord nach
Walfischbai ab. Beim Abschied von erstcrein ahnte ich
nicht, dafs es diu letzte Heise des so verdienten und
liebenswürdigen Mannes soin sollte.
Am 25. November früh schickte ich vier Bergleute und
zwei Afrikaner mittels Boot nach dem Nordkap, um die
dort Vorgefundenen Brauneisensteine und Quarzgänge, letz-
tere Schwefelkiese haltend, näher und eingehender zu unter-
suchen.
Nachmittags kam Dr. Schenck zurück, leider völlig resul-
tatlos. Der Hottentotte, Namens Mosenthal, hatte sich in
Widersprüche Uber don Fundort des Goldes verwickelt, und
da dem Burschen nicht zu trauen war, hatte Dr. Schenck
nach Rücksprache mit Herrn Jordan, einem Bediensteten
der Faktorei Aus, vorgezogen, denselben durch einon zu-
verlässigem (?) Hottentotten, Moses, begleiten zu lassen,
damit dieser die Proben vom Fischfhifs zuriiekbringon sollte, j
Beide wurden mit Pferdon, Gewehr, Patronen und Proviant
ausgerüstet. Mosenthal ritt aber eines Nachts ohne soition
Begleiter davon, und — damit war dio Sache erledigt.
Am 28. November ging ich mit Dr. Schonck nach dem
Nordkap, um die Arbeiton der l^ento zu besichtigen; es
zeigten sich ziemlich starke Gänge von Brauneisenstein,
aber keine Spuren von cdlon Metallen. Dr. Schencks An-
sicht war, dafs auch in grüfsorer Tiefe nichts Erhobliclies
zu finden sein würde.
Am 4. Dezember ging Dr. Schenck mit dem Führer
Müuzenberg wieder nach Aus, um die dortige Gogond ab-
zusuchon. Er versprach, Weihnachten oder Noujahr zu-
rück zu sein, um dann die etwa bis dahin von uns ge-
machton Funde zu untersuchen und festzustellen. Nach-
mittags ging ich nach dem Nordkap, blieb dort bei don
Leuten im Zelt, um am folgenden Tago eine gröfsoro Ex-
kursion nach Norden, bis wo die Flugsandborge an das Meer
treten, zu machen. Wir fanden das Gebirge hauptsächlich
an der Küste furchtbar zerrissen, fünfmal mulstcu wir berg-
auf- und wieder bergobsteigen. Diese Thiiler können sich
nur durch Erosion gebildot haben, die starke Verwitterung
des Gesteins, die überall sichtbar, thnt dann das Übrige; |
keine Vegetation , nichts Lebendes in diesen grofsen Ein-
öden, als allenfalls Schakale und Möwen und das Meer mit
seiner furchtbaren und doch schönen Brandnng.
Drei Stunden vom Nordkap nördlich fanden wir auf
oinor grofsen Bandebene sehr viele Walfischgerippo von
bedeutender Gröfse, die durch die Flut hiorhor geworfen
worden waren und schon lange Jahre hier liegen mufsten,
da die Knochen vollständig weifs gebleicht waren. Eine Er-
hebung der Meeresküste ist wohl als sicher anzunehraen,
da die Gerippe oft mehr als 1000 m vom jetzigen Strand
entfernt auf einor Höhe von 20 — 30 m über dem Meeres-
spiegel lagen, wo die Flut selbst bei Stürmen nicht mehr
hinkommt.
In mineralogischer Beziehung war die Ausbeute völlig
geringfügig; einige Gänge von Hornblende und Pistazit,
viele Granaten im Glimmerschiefer, Magneteisen in roicher
Auswahl und einige Quarzkristalle war der Erlös des Tages.
Abends kamen wir müdo und abgespannt boi unserm Zelt
wieder an, des Nachts umheult von Schukalen, die sich ihre
Beute von einem in der Nähe liegenden Eiland holten, wo
die Seovögcl übernachteten. Es gelang uns nicht, auch
nur einen dioscr feigen Räuber zu schiefsen.
Am 8. Dezember kam ein Schiff des Mr. Spence, die
„ Lilla“ , hier an, die Briefe und Zeitungon Uberbrachte.
Mr. Spence hat drei Schiffo auf der Strecke von Kapstadt
nach seinen Inseln, Angra l’equena uud der Spence Bay lau-
fen, don „Seabird“, „Louis Alfred“ und dio „Lilla“. Erstorer
betroibt hauptsächlich den Robben- uud Fischfang, alle drei
aber nehmen den auf dun Inseln gesammelten Guano auf
und schaffen denselben nach Kapstadt oder St. Helena. Ich
habe mir seiner Zeit besondere Erlaubnis des Kapitäns des
„Senbird“ ausbitten müssen, um eine der lnsoln, die l’ingui-
neninsel, zum Zweck trigonometrischer Messung betreten
zu dürfen. Man wollte uns sogar verbieten , Bohrlöcher,
die doch zu Borgbauzweckon und zur Ijegung eines Weges
nach Bethanien notwendig waren, abzufeuern, da dadurch
die Vögel gostört würdon.
Am 9. Dezember kamen die Arbeiter vom Nordkap zu-
rück, nachdem dio dortigen Schurfversnche uns don Nach-
weis geliefert hatten, dafs Brauneisenstein unendlich viel
vorhanden sei, weiter aber nichts.
Den in den Thälern zusammengespülten Sand habe
ich von verschiedenen Stellen gosammelt und mit dem
Sichertrog gowaschen , ohne indos Spuron von Gold zu
finden.
Am 20. Dezember begannen die Schurfuntersuclningen
am und auf dom Elisabeth-Höhenzug östlich von Angra an
mehreren Stellen, wo Glanzeisongünge zu Tage traten. Die
Hauptmasse des Gebirges war Gneifs, durchsetzt mit sehr
mächtigen Quarzgängen , die vielfach Magnoteisen führten,
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
wieder viel Hornblende, auch Granaten. Das Hauptstreichen
war auch hier von Süd nach Nord mit einem westlichen
Einfallen der Schichten von 70°. Der Eisenglanz durch-
setzte fast den ganzen Gebirgszug. Bei 7 — 8 m Tiefe
keilten aber alle diese Gängo aus, ohne weitere Spuren zu
hinterlassen. Ich habe dieses Verhalten fast durchgängig
gefunden, auch iu Aus bei dem Kieselkupfer- Vorkommen.
Die weitere Untersuchung des Elisabethgebirges wurdo auch
im Januar fortgesetzt, ohne indes zu erheblichem Resul-
taten als Eisenfunden zu fuhren; ebenso die Vermessungs-
arbeiten.
Ich hatte den Entschlufs gefafst, die nun täglich zu
erwartende „Tilly“, ein Segelschiff, das direkt von Deutsch-
land kam und den Ingenieur Conrad und drei Arbeiter mit
vielen Bohrappnraten, Dynamit, Pulver und sonstigen Gegen-
ständen bringen sollte, zu benutzen, um unsre Reise nach
dem Orangefiufs fortzusetzon. Moin Plan war, mit der
„Tilly“ nach Elisabeth - Bai zu fahren, dort zu landen, um
die angeblichen Silbergänge bei Pomona zu untersuchen.
Mittlerweile sollte der Kapitän am Orangoflufs die Einfahrt
versuchen oder deren Unmöglichkeit konstatioren und uns
dann wieder abholen, um uns im günstigen Fall nach dem
Flufs zu bringen. Bis zu dieser Zeit erwartete ich Dr.
Schinz und Dr. Schenck zurück.
Ara 31. Januar kam Dr. Schinz allein wieder an.
Am 1. Februar früh hiefs es, die „Tilly“ komme. Es
war ein prachtvoller, heitorer und windstiller Sonntags-
morgeu. Gegen 10 Uhr fuhren die Kommis der PinnA
und Dr. Schinz in einem Boot nach dein bei Angra Rock
liegenden Schiff, das wegen der herrschenden Windstille
nicht in die Bai einlaufen konnte. Gegen 2 Uhr kam Dr.
8chinz mit dem Ingenieur Conrad ganz aufgeregt in mein
Zimmer mit der Meldung: „Die , Tilly1 geht unter, das
Schiff ist verloren!“ Bestürzt eilte ich ins Freie und sah
noch das unglückliche Schiff fast unmittelbar hinter der
Pinguineninsel versinken. Es war nachmittags 3 Uhr;
der Kapitän nebst Mannschaft und die Arbeiter des Horrn
Conrad hatten sich in die Boote gerettet, kamen aber
erst abends 8 Uhr an Land, da sich mittlerweile ein
starker Südwind erhoben hatte, der das Laudon der Booto
nur mit unendlicher Mühe und Arbeit gestattete. Eine
Beurteilung dieses Vorfalles vermag ich nicht zu geben.
Die ganze Fracht lag auf dem Boden des MeereB; fast
nichts wurde geborgen, und Herr Conrad stand mit seinen
Leuten ohne Arbeitsgerät da.
Nun war auch mein Plan, mit der „Tilly“ weiter zu
gehon, vollständig gescheitert, und mir blieb nur der I^aud-
weg übrig. Ich benachrichtigte sofort Münzenberg, um-
gehend mit den Zugochsen zu kommen, da nn einen lan-
gem Aufenthalt in AngTa Pequena der vielen nun dort
vorhandenen Menschen schon des Trinkwassers wegen nicht
zu denken war. Alles Nötige wurde gepackt und vorberei-
tet, damit die Tiere mit den Wagen sofort aufbrechen
konnten.
Am 7. Februar ging ich mit den Leuten nach einem
mehrere Stunden entfernten Triangulationspunkt. Auf dem
Wege dorthin, an der andern Soite des Elisabethgebirgos,
am Fufse desselben , fand einer meiner Leute zufällig
im Sand ein sehr schönes Stück Bleiglanz. Nach lan-
gem Suchen gelang es uns, auch den Ursprungsort zu
finden. Dieses Vorkommen konnte ich jedoch augenblick-
lich vor unsror Abreise nicht weiter feststellen. Ich liefs
daher Steinhaufen als Merkmale aufsetzen, um den Punkt
später wiederfinden zu können. Am 8. Februar abends
kam Münzenberg zu Pferde an und meldete, dafs die Zug-
ochsen am Abend des andern Tages ointreffen würden.
Es ist hier an der Zeit, die Temperatur- und Barometer-
beobachtungeu zu erwähnen, soweit sie von mir notiert
wurden. Die Temperaturmessung ergab nach 14tägiger Be-
obachtung im November 1884 durchschnittlich folgendes
Resultat: früh 6 Uhr 13° C., 10 Uhr 15,5* C., Mittag
22, s° C., abends 6 Uhr 18,0° C., während das Barometer
fast konstant 760 mm angub.
In der Zeit uusros Aufenthaltes vom 25. Oktober bis
10. Februar, also iu 3-i Monaten, hat es nur einmal, und
zwar am 21. Januar von abends 8 — 11 Uhr etwas und
mit Unterbrechungen geregnet. Nebel fielen am 11. De-
zember und am 31. Januar, die ziemlich starke Nieder-
schläge brachten. Diese Naturerscheinungen fanden aber
nur bei dem selten eintretenden Nordwind statt , wäh-
rend der fast konstant wehende Südwind nur blauen Him-
mel und den furchtbaren Flugsand brachto, der jede
Vegetation im Keim erstickt. Ich liefs z. B. von meineu
Arbeitern einen Sack voll gekeimter Zwiebeln, die gewöhn-
liche Efszwiebel, au geschützter Stelle hinter einem Haus-
giebcl pflanzen, dio doch fast überall in sandigem Boden
fortkommen; sie wurdon sorgsam gepflegt und mit siifsem
Wasser begossen, trotzdem hat nicht eine eiuzige Wurzel
gefafst.
Am 10. Februar verliefsen wir endlich die Bai, um
unsro Reise nach dem Innern anzutreten. Meine Beglei-
tung bestand aus Dr. Schinz, de Jongh, Conrad, der bis
zu den Salzquellen in Gaokaosib und Guos mit wollte, und
sechs Bergarbeitern. Die vier Wagen, mit dem nötigen
Gepäck und Proviant beladen, wurden von 80 Ochsen,
vor jedem 20, gezogen, und von acht Mann, je einem
Treiber und Führer, geleitet. Die Oberaufsicht führte
Müuzenborg.
Nach Rücksprache mit dem lotztern, der mir uugofähr
den oinzuschlagenden Weg beschrieben, ging ich mit dreien
230
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Süd westafrika, 1884—85.
meiner Leute den Wagen voraus, nachdem alles zur Ab-
fahrt fertig war, um die Umgebung unsres Weges näher
zu durchforschen. Wir fanden nur einige Quarzgänge, die
wieder Eisenglanz und Magneteisen führten. Nach acht-
stündiger Wanderung, abends 6 Uhr, hatten uns die Wageu
noch nicht eingeholt, wir hörten kein Lebenszeichen von
dem uns folgenden Trofs, und da wir keinen Proviant mit-
genommen, blieb uns nichts übrig, als mildo und hungrig
umzukohren. Zwei Stunden mufsten wir im Sande gehen,
bis wir die Wagen fanden. Hier hörten wir, dafs schon
kurz nach der Ausfahrt einer der Wagen auf dem aller-
dings gar nicht mehr Weg zu nennenden Durcheinander
von grofsen Steinen und Sand umgestürzt sei. Das Aus-
packen, Aufrichten und Wiedereinpacken des Wagens hatte
den Aufenthalt verursacht. Glücklicherweise war an dem
Wagen selbst nichts beschädigt worden , wohl hatte aber
der Proviant durch Zerreifsen von Heis- und Kaffeesäckon
und Zerbrechen von Flaschen gelitten. Ein böses Omen !
Am 11. Februar wurde morgens Uhr anfgebrochou ;
nach zwei Stunden Fahrt erklärte mir Münzenberg , dafs
er mit seinen Ochsen nicht weiterkönne, da die Tiere
aus Mangel au Futter und Wasser, das sie seit fünf Tagen
nicht rnohr erhalten, die vier Wagon nicht weiter zu zie-
hon vermöchten. Er wolle versuchen, ob er mit je 40 Och-
son vor einem Wagen dieselben weiter brächte, zwoi Wagon
müfsten jedenfalls Zurückbleiben. Zur Erklärung sei hior
beigefügt, dafs die Zugochsen in Gubub, drei bis vier Tage-
reisen von Angra, stationiert sind, wo sio Wasser und Gras
in ausreichender Menge finden.
Einen Arbeiter und einen Afrikaner liefs ich mit deJongh
zum Schutz der Wagen zurück. Nach sehr mühsamer (
Reise durch die 7-}- km breiten Flugsandberge, in bren-
nender Sonnenhitze (wir hatten am 12. Februar mor-
gens 7~ Uhr bereits 39° C. im Schatten), kamen wir
abends nach der Gaokaosib genannten salzhaltigen Quelle,
wo wenigstens das Vioh don Durst löschen konnte; das
klar und rein aus der Erde kommende Wasser umgab schilf-
artiges Gras, das aber wenig von don Ochsen gofressen
wurde. Ein einziger kleiner Baum, eine Akazie, stand in
der Nähe, der erste, den wir seit unsrer Landung zu sehen
bekamen. Das Barometer zeigte 727,5 mm, T = 19,5* C.,
t — 21® C. ; wir waren also schon 393 m von Angra Pe-
quena aus gestiogon. Die Nacht Uber wurde durchgefahren,
und am 12. Februar morgens 8 Uhr kamen wir in Guos,
der zweiten salzhaltigen Quelle, an. Hier fand ich einen
Barometerstand von 717,5 mm, eine Temperatur von 37* C.
in der Dose und 31,5° C. Temperatur der äufsern Luft;
dies entspricht beroits einer Seehöhe von 543 m. Der
zurückgelegte Weg zeigte durchaus niohts Bemerkenswer-
tes, unendlich woit ausgedehnte Sandflächen ohne die ge-
ringste Vegetation ; tot, öde alles, was man sah. Zwischen
den beiden Salzquellen traten Kalk- und Quarzgesteine
auf, denen wir später einen Tag zur genauen Besichtigung
widmeten.
Am Fuls des Kleinen Münzenberges, don ich so ge-
nannt, da Belck den mehr SW gologonen hohem Berg be-
reits Münzenborg genannt hatte und dem ich die Bezeich-
nung „Grofsor“ beilegte, schlugen wir unsern Lagerplatz
mitten zwischen zahlreichen Euphorbienbüschen auf, welche
die ganze Umgegond bedeckten, und aus deren milchweifsem
Saft die Buschmänner ihr Pfeilgift bereiten sollen. Die
Ochsen wurden ausgespannt und, nachdem sie an der sal-
zigen Quelle getränkt, wozu ein besonderer Platz ausge-
graben war, nach einem mehrere Stunden entfernten Futter-
platz getrieben. Von dem mitgenommenen Schlachtvieh
wurde ein Ochse getötet; was nioht verbraucht, wurde in
Streifen geschnitten und in der Sonne getrocknet.
Nach vior Tagen, am 17. F'ebruar, brach Münzenberg
wieder mit seinen Zugochsen auf, um die zurückgebliebenen
Wagen abzuholen. Am 19. abends traf er wieder ein.
Die Zeit vom 13. bis 19. Fobruar bonutzte ich zn
trigonometrischen Aufnahmen der ganzen Umgegend. Leider
war mein Aneroidbarometer durch oingedrungenen feinen
Flugsand, der gerade in diesen Roisotagon außerordentlich
heftig wehte, trotz sehr gutor Verpackung vollständig un-
brauchbar geworden. In Guos fanden wir einen Busch-
mann nebst Frau und raohreren Kindern vor, der in der
Nähe der Quello seinen Kral vorüborgehend aufgesclilagon.
Von was dioso Menschen leben, ist geradezu rätselhaft, da
fast alles jagdbare Wild fehlt.
Am 20. Februar nachmittags wurde zur Weiterreise
aufgebrochen. Dor Weg führte durch oino endlose Hoch-
ebone mit sehr spärlicher Vegetation, die ganzo Nacht
wurde durchgefahren , um der Sonnenglut dos Tages aus-
zuwoichon. Am 21. Februar ändorte sich der Anblick; es
zeigten sich in der nähern und entferntem Umgebung wie-
der hohe Borge , aus Gneifs und Granit bestehend , mit
grofsen und kleinen Geröllstücken bodeckt, Zeichen der
mächtigen Folgen der Verwitterung. In den von Gebirgs-
zügen eingoschlossenen Thälern fanden sich ausgetrocknete
Flufsbetten, teilweise mit Kameldornbäumon, einer Akazien-
art, besetzt, etwas mehr Vegetation als früher, und an den
Berghängen recht schöne Blumen, teils Zwiebel-, teils strauch-
artige Gewächse. Tiere haben wir aufser Schlangen, darun-
ter die giftige Hornvipor, nicht gesehen; dos Nachts aber
hörten wir das Geheul der Schakale. Menschen sahen wir
nur in Kleinfontein, wo wir wegen in der Nähe befindlichen
Wassers einige Stunden rasteten. Hier standen oinige Krals,
und in der Umgebung suchten einige Ochsen, Schafe und
Ziegen kümmerlich ihre Nahrung.
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884—85.
Am 23. Februar, früh 6 Uhr, kamen wir in Aus an.
Wir hatten also von Angra bis Aus allerdings den langem
Weg Uber Guos und, abgerechnet der 6 Tage Aufent-
halt daselbst, 6 Tage gebraucht, um eine Entfernung
von ca 25 deutschen Meilen zurückzulegen , immerhin
noch eine erhebliche Leistung bei ansteigendem Terrain,
völlig ungebahnten Wegen, tiefem Sand und hoher Tem-
peratur.
Hier erhielt ich einen Brief von Dr. Schenck, in wel-
chem er unter dem 15. Februar schreibt, er sei von Betha-
nien nach Bersaba mit dem Missionar Barn gefahren , und
von da habe er eine dreitägige Fulstour nach dom Fisch-
flufs gemacht; die ganze durchstreifte Gegend sei ein ödes
Sandsteingebiet , er habe auf der ganzen Tour nichts von
brauchbaren Erzen gefunden.
Kaum in Aus angekommon, besuchte mich der König
von Bethanien, Joseph Fredericks, mit seinen Würdenträ-
gern. Er selbst ging in einem schwarzen Anzug und
grauen Filzhut, soine Räte in allen möglichen Anzügen,
teüweise sogar barfufs. Die Begrüfsung bestand in einigen
holländischen Worten; das Hauptvorlangen war Suppi, d. h.
Schnaps oder Kognak, und Tabak. Ich liofe jodem ein
Gläschen einschenken, freilich für solche Kehlen zu wenig,
wie ich später in Erfahrung bringen sollte. Nachdem sie
sich alles angesehen, da wir gerade mit Auspncken der
Wagen beschäftigt waren, entfernten sie sich, um später,
als die Zelte aufgestellt waren, wiederzukommen. Nach-
mittags war der König so betrunken, dufs er, als er sich
in meinem Zelt auf einen Feldstuhl setzen wollte, zu Boden
fiel und liegen blieb , so dafs ich ihn durch meine Leute
fortschaffen lassen mufste. Ich erfuhr später, dafs de Jongh
trotz meines Verbotes ihm eine Flasche Kognak gegebon hatte.
Der Führer Münzenberg hatte mir orklärt, dafs wir
einige Zeit hier bleiben müfsten, damit sich das Zugvieh
wieder vollständig erholo ; aufserdem müsse er noch einmal
für die Firma nach Angra zurück, um einen Transport
Waren zu holen. Ich sagte ihm, dafs ich nach den Er-
fahrungen auf der Reise hierher beschlossen habe, nur mit
zwei Wagen nach dem Orange River zu gehen, wo wir
also nur 40 Zugochsen nötig hätten und nach Befinden vier
Reitpferde.
Hauptsächlich roitbestimmend war der zu erwartende
Wassermangel , wenn ich die doppclto Anzahl von Perso-
nen und die doppelte Zahl von Zugochson nehmen wollte.
I)r. Schinz trennte sich hier von mir.
Aus liegt nach 14tägigen Beobachtungen von Dr. Sohinz,
allerdings nach dessen kleinerm Barometer, 1427 m über
dem Mcoresspiegel ; das Durchschnittsresultat ergab für
B = 640,7 mm , für t — Temperatur der äufsern Luft
22,4® C. ; demnach sind die Angaben von Dr. Schenck in
Petermanns Mitteil. 1885, S. 133, der dieselbe dort zu
1600 m angibt, nicht zutreffend, ebensowenig die von Belck,
der in der Kolonialzeitung sogar 1826 m anführt.
Ein vertrocknetes Flufsbett, das auch in den Winter-
monaten (eine Regenzeit gibt es hier nicht) kein Wasser
fUbrt, durchschneidot das enge Thal; mehrere Krals be-
herbergen ungefähr 30 — 40 Hottentotten. Ein ziemlich
guter Brunnen, der ca 7 — 8 m tief ist, gibt Trinkwasser.
Im Thal stehen zahlreiche Kameldornbäume, die mit ihren
gelben Blüten und langen weifsen Stacheln sehr gut aus-
sehen ; leider gedeiht sehr wenig Nachwuchs, der Trocken-
heit wegen ; es wird daher nicht lange dauern , so sind
auch diese Bäume verschwunden. Unmasson einer grofsen
Art Blattwanzen leben unter diesen Bäumen, deren Bifs
nicht gerade zu den angenehmen Dingen gehört und den
Schatten verleidet, den diese Bäume geben. Auch Ratten,
kleiner wie die unsrigen, leben in den Gesteinshöhlen. Des
Nachts kamen oft gröfsere, ganz schwarze Käfer ins Zelt,
die dnrch ihr Pochen ganz unangenehm wurden. Schlangen
und die häfslichen Skorpione waren in Massen da.
Auf der Höhe, wo mau ziemlich freien Rundblick hat,
steht der Store oder das Warenmagazin der Firma Lüderitz.
Unser Aufenthalt wurde zu zahlreichen AustlUgen in
die aufserordentlioh gebirgige Umgebung verwendet; wir
fanden dieselbe Formation wie früher, Gneifs, Granit und
Glimmerschiefer mit sehr zahlreich eingesprengten Gra-
naten. In unmittelbarer Nähe von Aus , östlich , waren
schon frühor Spuren von Kioselkupfer gefunden worden;
ich liofs den Vorsuchsschacht fortsetzen , soweit dies bei
allem Mangel an bergmännischen Hilfsmitteln, hauptsächlich
Haspel und Tonnen zum Herausziehen des gewonnenen Ge-
steins, und Holz zur Sicherung der Arbeiter, möglich war.
Nach der Tiefe zu verloren sich aber alle bisher deutlich
sicfitbBren Spuren des schmalen Trumes. Auch weiter süd-
lich fanden wir einige NeBter von Kiuselkupfer : es trat
aber nicht als Gangformation, sondern nur lagerförmig auf,
nach der Tiefe zu vorloren sich stets die Spuren voll-
ständig.
Ara 24. Februar entliefs ich olle in Kapstadt ange-
nommenen Afrikaner, die bisher als Treiber fungiert hatten,
nebst dem Koch, da sie in trunkenem Zustand sich schlugen
und den Koch töten wollten. Mit Mühe gelang es uns,
diese Bande auseinander zu bringen. Das Getränk hatten
sie de Jongh gestohlen. Ich schickte sie nach Angra zu-
rück, damit die „Meta“ sie bei erster Gelegenheit nach Kap-
stadt bringe.
Am 27. Februar gegen Abend sahen wir zum ersten-
mal in Afrika ein Gewitter, es zog leider in der Ferne vor-
über und brachte uns nur wenig Regen. Die Hitze war aber
auch während unsres Aufenthaltes hier geradezu erdrückend.
232 Bericht über die von Herrn Lüderite ausgerüstete Expedition nach Süd westafrika, 1884 — 85.
Von 9 Uhr morgens bis nachmittags 4 Uhr war es im
Zelt nicht zum Aushalten, das Thermometer zeigte fast
täglich 39° im Schatten.
Am 3. März kam aber oin Gowitter mit einem wahrhaft
tropischen liegen. Der Erdboden, oder vielmohr der Sand
war so trocken, dafs nach demselben auch keine Spur der
eben erst gefallenen Wassermasseu zu sehen war, alles war
wie von einem Schwamme aufgesogen.
Die geographische Breito von Aus fand ich zu 26° 44' 28",
nicht viel verschieden von der von Angra. Dio noch froio
Zeit benutzte ich ebenfalls zu einer trigonometrischen Auf-
nahme der nähern und entferntem Umgebung.
Endlich am 8. März nachmittags 4 Uhr konnten wir
Ans verlassen ; unsre Karawane bestand diesmal nur aus
zwei Wagen mit jo 20 Ochsen bespannt, vier Reitpferden,
oinigen Schlachtochsen, Schafen und Ziegen. Meine Begleiter
waren de Jongh und zwei Bergleute; M Unzenberg hatte an
Stelle der entlassenen Treiber vier Hottentotten angenom-
men, dann einen zur Führung und Beaufsichtigung der Pferde,
und einen Buschmann zur gleichen Leistung bei dem Schlacht-
vieh. Münzonbcrg hatte Air sich eine zweirädrige Karre,
einen Treiber und einen Jungen, beides auch Hottontotten.
Das Amt dos Koches wurde einem dor Treiber Überträgen.
Den zurückgebliebenen vier Bergarbeitern hatte ich Auf-
trag erteilt, bis zur Abreise von Dr. Schinz den Versuchs-
schacht auf Kieselkupfer fortzusetzen , dann mit demselben
nach Angra zurück zu gehon, und dort die Arbeiten wieder
aufzunehmen.
Abends kamen wir nach dem 2 Stunden entfernten Gu-
bub, dem Weide- und Wasserplatz für die Ochsen, wo ein
Bediensteter dor Firma, in einem Zelt wohnend , die Auf-
sicht führte. Hier fanden wir, in nicht grofser Entfernung
voneinander drei Brunnen , von deuou zwei gutes Trink-
wasser führten. Diese Brunnen hier und in Aus scheinen
von einem und demselben unterirdischen Wasserlauf ihren
Zullufs zu erhalten ; bei unsrer Rückkehr ira Mai hatte aber
der Wasserstand ganz bedeutend abgeuommen, so dafs mau
an ein Tieferlogen der Brunnen dachte.
In Gubub waren damals ca 300 Ochsen , eine grofse
Menge Schafe, Ziegen und 15 Pferde. Die Tiere suchen
sich ihr Futter und gehen oft so weit, dafs mehrere Tage
dazu gehören , um sie wieder zu finden. Nur wenn sie
Wasser brauchen, kommen sie freiwillig zurück. Die Weide-
plätze liegen östlich und südöstlich von Gubub, sie sind in
den Wintennonaton Juni , Juli , August mit einem hohen
Gras bestanden, das aber nur vereinzelt wächst, nicht zu-
sammenhängend wie in Europa : von einem Rasenteppich kann
man daher nicht sprechen. In den heifsen Sommermonaten
ist aber jede Spur dieses Graswuchses verschwunden. Die
Weideplätze liegen auf einer schönen, grofsen Hochebene,
rechts von den Tafelbergen begrenzt Würde hier regelmäfsig
Regen fallen, so wäre dieser Teil des Landes jedenfalls am
besten zu Aokerbauzwecken geeignet — Auch findet man
hier unzählige Termitenhaufen ; die Eier dieser fliegenden
Ameisen dienen den Hottentotten zur Nahrung.
Am 9. März kam endlich Dr. Schenck von Bethanien
nach vierteljähriger Abwesenheit wieder zu uns. Er erzählte,
dafs er keino Gelegenheit habe finden können, wieder zu-
rückzukehren als jetzt, wo ihm ein Wagen geschickt wor-
den sei. Besondere Mineralienfunde habe er nicht gemacht.
Aus und Gubub sind die höchstou Punkte in diesem
Teil von Afrika, von hier fällt das Terrain bis zum Orango-
flufs. Die auf der Karte angegebenen Höhen sind durch
das kleine Barometer von Dr. Schenck, die Entfernung der
Berge von der Reiselinie sind durch Schätzung, und die
Richtung beidor durch den Kompafs bestimmt worden. Als
Mnfsstab der mit den Wagen zurückgelegten Entfernungen
diente mir die wiederholte Beobachtung, dafs die Ochsen durch-
schnittlich bei horizontalem, auch auf- und absteigendem Ter-
rain 13 Minuten brauchten, um eino abgemessene Distanz
von 1000 m zuriickzulegen.
Leider war es mir nicht möglich, auf dieselbe Art und
Weise den Weg von Angra bis Aus zu bestimmen, da wir
diese Strecke der Hitze wegen gröfstentcils des Nachts durch-
fuhren.
Am 11. März nachmittags 3 Uhr setzte sich unser Zug,
durch Dr. Schenck vermehrt, in Bewegung ; wir fuhren bis
abends 9 Uhr, wo Halt gemacht wurde. Die Hottentotten
mufsten Pflanzenreste als Feuerholz Zusammentragen, die
Ochsen wurden ausgespannt, um sich ihr Futter selbst zu
suchen, die Pferde wurden an den Vorderfüfsen gefesselt,
die Lagerfeuer ungebrannt, Kesse) mit Wasser auf Drei-
füfsen an das Feuer gestellt, um die mm täglich sich zwei-
mal wiederholende Kost von Reis und Schalfleisch zu be-
reiten , und den Kaffee zu kochen. Für uns wurden der
Feldtisch und die Feldstühle vom Wagon genommen, und
bei herrlich gestirntem Nachthimmel wurde das Abendbrot
verzehrt. Dann kroch man in dio in den Wagen bereiteten
Lagorstätten , bestehend aus Strohmatratze und wollenen
Docken. Die Hottentotten legten sich an das Lagerfeuer.
So ging es ein wie alle Tage, mit wenig Abwechselung.
Früh 5 Uhr wurde, nachdem die Ochsen wieder zu-
snmmengetrieben , was manchmal Stunden in Anspruch
nahm, der Kaffee gekocht und dann aufgebrochon. Gegen
Mittag passierteu wir ein ausgotrocknetes Flufsbett, Ara-
sab odor Barthflufs genannt , stellenweise mit Kameldorn-
bäumen bosetzt. Eigentümlich war, dafs die ganze Ober-
fläche der nochebene mit einer verwitterten Kalkkrustu wie
überzogen war. Die Szenerie war sehr hübsch, zur Linken
und nach vom, also nach Süd, dio auf grobe Ausdehnung
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233
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
sichtbaren Tafelberge, rechts teils vereinzelt stehende Berge,
teils zusammenhängende Gebirgszüge, die aber alle nicht die
geringste Vegetution zeigten. Um auffallende oder sonst
bemerkenswerte Punkte näher zu untersuchen , bestiegen
wir die Reitpferde.
Am 13. März früh kamen wir an einen Regenwasser-
platz, wo die Ochsen getränkt werden konnten ; hier fand
sich nach und nach eine Buschmannfamilie ein, bestehend
aus sieben Männern und vier Frauen, alle mit ganz zer.
lumpten Kleidern bedeckt ; sie brachten Schakalfelle, Gerne-
und Springbock-Höruer zum Tausch gegen Kaffee, Heia und
Tabak. Vormittags passierten wir ein grofses, von dem
uns umgebenden Gebirgszug heruntergorolltes FelsstUok.
Der Platz hat den Namen Pockenbank orhalten und soll
davon herrühren, dafs hier einmal die Pocken durch einen
englischen Händler eingeschleppt worden sind.
Mittags durchschritten wir wieder ein trocknes Flufs-
bett, die Umgebung zeigt immer noch Tafelberge.
Am 15. März kamen wir in eine grasreiohe Gegend,
die schönes hohes, bis zum Knie reichendes Toagras zeigte.
Die Bodenfärbuug war rötlich. Ich liefe hier den Boden
untersuchen : es zeigte sich, freilich fast ganz trocken, eine
Ackerkrume mit Lehmboden von 0,4m Stärke, darunter
Kalksteingerölle. Proben nahm Dr. Schenck zur chemischen
Untersuchung. Ein Hottentott brachte uns eine ungefähr
1 m lange Schlange, die uns durch ihre unverhältnismäfsige
Stärke auffiel. Dr. Schenck öffnete sie und fand fünf kleine
Schlangen, die in Spiritus aufbewahrt wurdon.
Das Wassor mufste in diesen Tagen aufserordentlich
eingeteilt werden, an Wuschen des Gesichtes und der Hände
war schon seit mehreren Tugen nicht zu denken. — Hier
sahen wir den ersten Steinbock.
Am 17. März fuhren wir bis nuchmittag 4 Uhr, wo
Halt gemacht wurde, da 5 — 6 Stunden von diesem Platz
entfernt Wasser für Menschen und Vieh sein sollte. Da
aber der Weg dorthin nicht mit dem Wagon zu passieren
war, so wurden die Ochsen ausgespannt, und Münzenbcrg
giug mit den Troibern dorthin ab, unsre Wasserfässer mit-
nehmend, um sie wieder füllen zu lassen.
Am 18. März morgens bestiegen wir den unmittelbar
beim Lagerplatz liegenden Gebirgszug, von dessen höchstem
Punkte wir einen kleiueu Teil des Orangeflusses sehen
konnten.
Die Hitze war ganz unerträglich, 8y Uhr morgens
waren 32° C. im Schatten uusres Wagens, 2-i- Uhr
nachmittags 39° C.
Am 19. März ritt Dr. Schenck, de Jongh und ein Ar-
beiter nach dem Orangeflufs. Erst abends trafen sie bei
dem Lager wieder ein, geleitet durch ein grofses Feuer,
das ich hatte unziiiiden lassen. Dr. Schenck berichtete, dafs
I’rtcrm&nns Geos-r. Mitteilungen. 1880, Heft VIII.
wir diesen Weg und den dem Orangeflufs entlaug nicht
einscblagen könnten, da auf beideu Seiten desselben die
Gebirgszüge hart bis an das Ufer herantraten. Der Ort
werde Sendlings Trift genannt, wo in frühem Zeiton eine
Fähre die Verbindung beider Ufer hergestcllt habe. Sie
seien nach dreistündigem Kitt im Galopp dort angekommen,
der Flufs sei breit, führe aber schmutzig - gelbes Wasser;
Gras habe er nicht gefunden, wohl nber Akazien- und Eben-
holzbäume. Einen Buschmann mit zwei Hunden habe er als
einzigen Bewohner dort getroffen. In geognostischer Be-
ziehung habe er nichts Neues gesehen, als die schon be-
kannten Formationen.
Unser Buschmann, dem wir unser Schlachtvieh, Ziegen
und Schafe anvertraut hatten, war nicht nach dem von
Müuzenberg angegebenen Wasserplatz gekommen, er war
mit den Tieren und einem Kaffeekessel auf und davon. Sehr
empfindlich war uns hauptsächlich der Verlust der beiden
Melkziegon. Wir haben den Burschen nicht wieder zu
Gesicht bekommen.
Erst am 20. März nachmittags 2 Uhr kam Münzenberg
zurück, und um 4 Uhr konnten wir unsre lteise fortsetzen.
Die Richtung des nun eingeschlagenen Weges war recht-
winkelig zu der bisherigen, fast genau nach W. Wir sahen
den zweiten Steinbock, aber aufser Schufsweite. Abends
6 Uhr trafen wir am RegenwaBBerplatz Obib ein. Es ist
dies eine enge Felsenschlucht , wo sich au dem tiefsten
Punkt derselben das von den hohen und steilen Felsen ab-
fliofsonde Wasser sammelt, wenn — os einmal roguet. Für
Menschen ist es kaum geniefsbar, da alles Vieh beim Tränken
in das Wasserloch hinein läuft und dasselbe verunreinigt.
Am 21. März passierten wir eine durch rote Färbung und
durch ganz gerade Richtung von dem bisherigen Terrain
sich abscheidendo Hochebone, die durch Flugsand gebildet
wird. Vor dieser Grenze fanden wir sehr grofse Mengen von
leeren weifsen Schneckenhäusern, wie sie auch in Deutsch-
land Vorkommen.
Den Flugsand zu durchfahren, kostete unendliche Mühe
und Anstrengung für die Tiere ; die Räder der Wagen
sanken bis an die Nabe ein, das Vieh konnte kaum festen
Fufs fassen, und sohr oft mufsteu alle 40 Ochsen vor einen
Wagon gespannt werden.
Am 22. März, Kaisers Geburtstag, früh 3y Uhr, fuhren
wir von unserm Lagerplatz ab. Wir hatten eine sehr
schlechte Stelle zu passieren , die , ziemlich steil abfallend,
rechts einen Kalkfelsen zeigte , dessen Ausläufer sich bis
in den Sand erstreckte, und links einen hohen Sandberg.
Es war früh 6 Uhr, als mein Wagon die Stelle ziemlich
gut durchfuhr, der zweite Wagen aber stürzte um, da das
eine Rad zioralich hoch auf den Felsen kam , das undro
sich in Sand einwühlte. Das linke Hinterrad war teil-
3o
234
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
weise zerbrochen. Der Wagen mufste abgeladen, aufge-
richtet und wieder beladen werden, nachdem das Rad mit
Stricken aus Leder notdürftig wiederhergestellt worden
war. Nach fünf Stunden Aufenthalt in glühender Sonnen-
hitze konnte die Reise weitergehen. Naobmittag 4 Uhr
kamen wir nach sehr mühsamer Fahrt, die steil bergab
durch enge Gebirgsschluchten führte, wo nur allein durch
den massenhaft darin liegenden Flugsand ein Fahren mög-
lich war, au dem Orangeilufs an. Abends wurde noch
ein Grog gebraut, um auf das Wohl des Kaisers von Deutsch-
land ein Glas zu leeren.
Zum erstenmal nach langen Monaten sahen wir wieder
das frische Grün von Bäumen und Strauchwerk und dus
Wasser eines Flusses. Wio entzückend war dies nach
dieser langen Heise im Sand und Sonnenglut. Trotz des
nicht einladenden Aussehens dos Flufswassers , das gelb
und trübo dahinfloß, nahmen wir ein Bad, um endlich die
Flugsandkruste los zu werden, die unsern Körper bedeckte.
Bad und frische Wäsche machten uns wieder zu Menschen.
Die Ufer de3 Orangeflusses waren dicht mit Trauer-
weiden , die oft einen Umfang von mehr als 1 m hatten,
Ebenholzbäumen und Akazien umstanden ; stellenweise war
sogar ein Durchdringen unmöglich. Gräser zum Futter
waren aber fast nicht vorhanden.
Das defekto Rad an dem einen Wagen war nicht mehr
zu gebrauchen. Der Wagen mufste unter Aufsicht zurück-
gelassen, und die Reise mit nur einem Wagen fortgesetzt
werden. Abends wurde dann ein Rad gelöst-, nach dem
frühem Lagerplatz zurückgebracht, und der defekte Wagen
auf dieso Art uachgeholt. Da wir den ganzen Weg von
hier zu Pferd zurücklegten, so konnto ich keine Notizen zu
späterer Darstellung der Reiseskizzo aufzeichnou.
Die Gegend zeigte den bisherigen Habitus, hohe Berg-
züge zu beiden Seiten des Flusses, größtenteils Kalkstein
und grüner Schiefer, mitunter grofse Sandtlächen und nur
an den Ufern des Flusses Bäume und Strauchwerk. Zahl-
reiche, 2 — 3 m hohe Lehrahaufen standen umher, die von
einer im Jahre 1861 stattgefundenen grofsen Überschwem-
mung zurück-gelassen worden waren, wie uns Münzenberg
erzählte.
Am andern Ufer des Flusses sahen wir zwei Frauen,
auch Schafo und Ziegen. Gegen Abend kam ein Hotten-
tott, der, über den Flufs geschwommen, uns Milch und sogar
Honig brachte. Den Honig suchen die Leute in Felsen-
höhlen , die in ziemlicher Höhe liegen , und zu denen sie
auf ganz primitiven Leitern eraporsteigen. Die Bienen
scheinen ihre Hauptnahrung in den Blüten der Trauer-
weide und der Akuzie zu finden.
Am 24. März wurde die Umgebung noch freundlicher;
wir ritten durch einen Park von Ebenholzbäumen. Zu
Nutzholz läßt sich dasselbe aber nicht verwenden, da die
Bäumo nur sehr schwach und klein sind. Man sieht deut-
, lieh, wie die Einwirkung von heftigen Stürmen und Sonnen-
brand dem Wachstum derselben Einhalt thnt.
Am 25. März ritt ich früh 6 Uhr mit Dr. Schenck
allein fort, um die Gegeud auf oine größere Breite unter-
suchen zu können; wir verließen den Fluß, der dort in
einem großen Bogen nach Ost läuft. Nachmittags kamen
wir wieder un den Orangefluß; dieser Punkt wurde
Harrys Trift genannt, wo wir, wie sich später herausstellto,
bis zum 1. Mai bleiben mußten.
Am 28. Mürz fuhr Münzenberg mit dom defekten Wagen
nach Aus zurück, um unsern dritten Wagen als Ersatz zu
holen, denn hier ließ sich keino Reparatur vornehmen.
Dio Untersuchung der nähern und entferntem Umge-
bung unsres Lagerplatzes ergab in mineralogischer Bezie-
hung in keiner Art und Weise nur irgend einen Fund;
fast überall, wo wir hinkamen, fanden wir, daß bereits
Leute, höchst wahrscheinlich Engländer, hier gewesen waren,
die das Land und das Gebirge nach allen Himmelsrich-
tungen untersucht hatten ; neben angefnugenen Schürfstol-
len fanden wir Kognakflaschen , Sardineubüchsen uud der-
gleichen Gegenstände, teilweise waren sio fast vom Sand
verweht. Die unmittelbare Umgebung unsres Lagerplatzes
bestand aus hohen Akazienbäumeu , Strauchwerk von Cy-
pressen, verkrüppelten Ebenholzbäumen und unmittelbar am
Fluß Trauerweiden, mitunter waren Massen von Holz
durch den Orangefluß angeschwemmt, so daß der Wald
einer undurchdringlichen Maner glich. In der Nähe des
Lagerplatzes machte der Flufs einen großen Bogen, hervor-
gerulen durch eine mächtige Sandbank, die sich auf unsrer
Seite nach und nach angesetzt batte. Das gegenüberlie-
gende Kapland zeigte ähnlichen Baumwuchs und gleicho
Verhältnisse, nur war das Ufer steiler. Grofso Herden
von Pavianen waren an beiden Uferu oft zu sehen, wir
sind aber wenig von ihnen belästigt worden. Viele kleine
Vögel hielten sich in den Bäumen auf, auch einige Lach-
tauben, Schakale habe ich mehrere zu Gesicht bekommen,
aber nie in Schußnähe; des Nachts umschlichen sie aber
zahlreich und heulend unsern Lagerplatz. Die Szenerie,
die uns umgab, war sehr schön ; der ca 1 50 m breite Fluß,
; auf beiden Seiten mit dicht stehenden Bäumen eingefaßt,
darüber nach SO ein sehr hoher Gebirgszug bis zu 1271m
über dem Meeresspiegel, auf Seite der Kapkolonie, im
Vordergrund bis an den Flufs herantreteude steile Felsen,
nach W aber wieder die uuendlicho Sandebene, teilweise
nur durch ferne Bergspitzen begrenzt, dazu die reine, un-
endlich klare und durchsichtige Luft; ein schönes Bild,
aber ohne Leben, ohne Bewegung. Bei Nordwind hörten wir
sogar die über acht Stunden entfernte Brandung des Meeres.
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Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85. 235
Von Port Nolloth und der Poststation Steinkopf mit
den Kupferwerken Ookiop waren wir nur einige Tagereisen
entfernt. De Jongh, der sich die dortigen Handelsverhält-
nisse ansehen wollte, trat in Begleitung eines Hottentotten
am 2. April seino Reise an, deren Anfang insofern
schwierig war, als der Orangeflufs überschritten werden
niufstc. Es wurde eine Art Flofs gebaut, auf das sich
de Jongh setzte ; von zwei Hottentotten , die nebenher
schwammen, wurde es gelenkt-, und so wurde das andre Ufer
erreicht. Kleider, Sättel, Briefe banden sich die Schwimmer
auf den Kopf. Zwei Pferde wurden in das Wasser mit
grofsem Hallo getrieben ; von der Strömung erfafst, schwam-
men sie dann dem andern Ufer zu.
Die geographische Breite unsres Lagerplatzes, Harrys
Trift genannt, fand ich zu 28“ 29' 15". Zur Bestim-
mung der Länge blieb mir nur die Messung von Mond-
distanzen übrig, da mir Chronometer fehlten.
Am 12. April naohmittags, also nach zehn Tagen, kam
de Jongh zurück. Er überbrachte einige Kupferorzproben
von Ookiep. Die Beschreibung seines Rittes ergab niohts
Neues, ebenso tote und öde Sandflächen bis Port Nolloth,
wie wir Rie schon kannten.
Die mühsamen und zeitraubenden Wege zu den ver-
schiedenen Triangulationspunkten, oft fünf bis sechs Stun-
den weit, füllten die übrige Zeit unsres Aufenthaltes ans.
Das Schlimmste dabei war immer das Mittragen von Nah-
rungsmitteln uud Wasser, obonso Gewehr und Munition,
da man die zahlreich in der Umgogend hausenden grofsen
Affen zu fürchten hatte.
Die Temperaturmessung ergab immer noch ziemlich
hohe Resultate, mittags bis zu 39°, nachmittags nach
4 Uhr 35°. Lästig waren die ungemein zahlreichen Flie-
gen, ebenso die grofsen unangenehmen Blattwanzen. Auch
eine Hottentotten-Gesellsclmft, Ungeziefer für uns Deutsche,
hatte sich eingefunden.
Ich habe bisher nicht erwähnt, dafs wir unsre Zug-
ochsen , Schlachtvieh und Pferde , zwei Tagereisen vom
Lagerplatz entfernt, unter Bewachung auf oinon Weideplatz
geschickt hatten, da die ganze Umgebung des Flusses koiu
Flitter bot. Um unsern Ausflug nach der Mündung anzu-
treten, mufste ioh erst dorthin schicken.
Am 21. April nachmittags kamen die bestellten acht
Ochsen und vier Reitpferde.
Am 22. April früh 8 Uhr brachen wir auf. Bei der
ersten Krümmung des Orangeflusses fanden wir einen alten
zerfallenen Wagen, auch Spuren eines verlassenen Lager-
platzes. Nachmittags 3 Uhr kamen wir in Obigaro an,
wo das Vieh Wasser und auch etwas Futter fand.
Am 23. April früh 7 Uhr, nachdem wir die Nacht
unter freiem Himmel, in unsre Decken gehüllt, geschlafen,
durch den stark fallenden Nebel aber ziemlich durch-
näfst worden waren , ging es weiter. Der Weg zog sich
anfänglich im alten Bett des Orangeflusses hin. Das-
selbe war von dem jotzigen Lauf ca 2000 m entfernt, der
Zwischenraum war mit Sand ausgefüllt, der teils ange-
schwemmt, teils angeweht worden war. Alte Akazienbäume
standen noch an den frühem Uferrändern. Ebenholzbäume
hörten ganz auf. Dann passierten wir noch gegen 10 Uhr
einen steilen und breiten Gebirgszug, den letzten vor der
Mündung.
Von hier aus sahen wir deutlich die Brandung des
Meeres, aber auch wieder eine endlose Sandfläche, nach
Nord zu vom Atlantischen Ozean begrenzt. Kurz darauf
kamen wir wieder an Flugsandbergen vorbei, deren Streichen
genau Nord war. Um 12 Uhr fanden wir eineu zerbroche-
nen Wagen im Sand steckon, der, nach der Woifse des Hol-
zes zu urteilen, schon jahrelang hier stoben mochte.
Um 1 Uhr kamen wir in der Näho der Münduug auf
einen ziemlich grünen Weideplatz, ähnlich der sogen.
Schafhutung in Deutschland, auf der wir schon aus gröfserer
Ferne ungefähr 30 Pferde, darunter Fullen, gezählt hatten.
Beim Näherkommen sahen uns die Tiere verwundert an;
aber plötzlich, das Leitpferd voran, gingen sie im Galopp
an uns vorüber und verschwanden in der Sandwüste. Schein-
bar waren die Tiere herrenlos, da niemand zu sehen war,
weder Kralo noch ein Hüter. An ein Einfangen eines oder
mehrerer dor Tiere war nicht zu denken.
Am andern Ufer sahen wir drei von Stein erbaute
Häuser, die aber unbowohnt zu sein schienen. Es hiefs,
dieselben hätten einom Händler, einem Engländer, gehört, der
aber gestorben soi.
Unverzüglich ging es nun zur Miindnng, die in a/j Stunde
erreicht wurde. Sprachlos standen wir am Meer, wo das
Getöse der ungeheuren Brandungswellen kaum das Sprechen
gestattete. Hier sahen wir nun, dafs naoji unsern Begriffen
ein Landen fast zur Unmöglichkeit gehören müsse, da diese
kurz nacheinander aukommenden vier Brandungswellen bei
einer Fallhöhe von ca 2 — 3 in alles, was in ihren Bereich
komme, zerstören und überschütten müsse. Zur Zeit, als
wir dort waron, war rückgehende Flut, unser Standpunkt
war kurz vorher noch von den Wellen überspült worden,
nnd dabei war dieser grofse Atlantische Ozean so ruhig,
fast wie das Wasser eines Teiches.
Nur die dringendste Not würde hier einen Landungsver-
such rechtfertigen, da, wenn mau der Wassergefahr ent-
gangen, der Hungertod auf dem Lande fast sicher ist. Die
Natur bietet ja effektiv nichts, was dem Menschen zur Nah-
rung dienen könnte, alles trostlos, tot, öde, schlimmer als
eine Wüste, wo man wenigstens noch Oaseu findet. Alle
Schilderungen über don Wildreichtum des Flufsgehiotos sind
30°
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236 Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
erlogen, oder die Verhältnisse miifsteu sich rapid geändert
haben. Wir sahen nur einige wenige Seemöwen, Pingui-
nen, also nicht einmal efsbare Vögel. Der Anbliok, der
sich uns bot, war ein überaus trauriger. Vor uns das end-
lose blaue Meer, und soweit das Auge nach Nord und
nach Sild sehen kounto , die furchtbaren Brandungswellen,
links ein kleiner Gebirgszug, Kap Voltas genannt; nach
der Landseite nur diese trostlosen Sandcboneu, durch nichts
belebt, weder durch Bäume noch durch Tiere.
Die Mündung des Flusses war am Tage unsrer An-
wesenheit nur ca 150 m breit, während der Orangeflufs
kurz vorher mindestens noch eine Breite von 1000 m hatte.
Der Flufs ist durch Sandbänke eingeengt, die durch das
Meer selbst gebildet werden, da die ungestümen Wogen
allen Sand, den der Orangeflufs in dasselbe führt , wieder
lieranswerfen ; bei sehr niedrigem Wasserstand des Flusses
scheint es , als wenn die Mündung durch Sand ganz ver-
schlossen würde. Grofse, langgestreckte Sandinselu liegen
gleich oberhalb der Mündung.
Unmittelbar am Meer, wo die Flut mehrere Male täglich
darüber wegspült, fanden wir eine Stelle, die sogen.
Edelsteinsand mit einer Masse von Magneteisen enthielt,
wovon wir Proben raitnahraen.
Am 24. April früh 7| Uhr fuhren wir ab; ein
längerer Aufenthalt war deswegen nicht möglich, weil Och-
sen und Pferde das Orangeflufs- Wasser nicht trinken
wollten, da es viel zu salzig war. Um 1| Uhr kamen wir
wieder in Obigaro an, übernachteten dort und fuhren am
folgenden Tag früh 7-’- Ubr weiter. Das Thermometer
zeigte 8° C. Nach Passieren der schon früher beschrie-
benen Sand-IIochebeno — die Tiere konnten kaum von der
Stelle, die Pferde mufsten wieder geführt werden — kamen
wir nachmittags 3 Uhr an unserm alten Lagerplatz an.
Von den Arbeitern hatte ich schon früher an der Grenze
des alten Flußbettes, ca 600 m von dem jetzigen Flufsbett
entfernt, einen kleinen Schacht niederbringen lassen, um die
angeschwemmten Schichten zn untersuchen , in der Hoff-
nung, vielleicht irgend einen Fund , seien es Diamanten,
oder im Sand Gold, zu machen. Ersteres war möglich, da
der Modder River bei Kimberley, au dem die Diamantfelder
liegen , sich in den Orangeflufs ergiefst. Es fand sich
aber leider nichts Wertvolles ; bei 3,43 m kamen wir wieder
auf den Wasserspiegel des Flusses. Eigentümlich waren
die gefundenen Lehmschichten ,. die nur von Überschwem-
mungen herrühren konnten. Steht es fest, dafs das starke
Lehmlager von der Überschwemmung im Jahre 1861 her-
rührt, wie Münzenberg behauptet, so würden bis jetzt, also
in 24 Jahren, weitere 0,943 m angeschwemmt worden sein.
Das Wasser mufs mit furchtbarer Gewalt durch das
im obern Lauf des Flusses durch Felsen auf beiden Seiten
eingeengte Flufsbett strömen, alles dann mit sich fortreifsend
und überschwemmend, da die untern, mehr ebenen Flächen
der Flufsufer keinen Widerstand bieten.
In der Zeit unsrer Anwesenheit, also in 5 Wochen, Bei
der Flufs um 0,6 m.
Am 30. April nachmittags kam Münzenborg von Aus
wieder an, uns lang entbehrte Briefe und Zeitungen Uber-
bringend.
Am 1. Mai mittags 1 Uhr, nachdem alles verpaokt und
geladen war, ging es auf den Rückweg. Anfänglich wurde
die Richtung nach der Mündung eingehalten, dann aber
ging es in westlicher Richtung weiter.
Es ist wenig Bemerkenswertes über diesen Teil der
Reise zu sagen, da das durchfahrene Gebiet ganz ähnliche
Verhältnisse in jeder Beziehung, wie schon beschrieben,
zeigte. Leider ist man bei dioson Reisen viel zn sehr von
den Wasser- und Futterplätzon für die Tiere abhängig,
man kann daher nicht sagen, hior will ich einige Zeit bleiben,
oder ich will diese Richtung oinschlagen.
Sehr oft mufsto das Bohrzeug zur Hand genommen wer-
den, um uns nur den Weg zu bahnen und grofse Felsstücke
zu sprengen.
Hinter Obib mündeten wir wieder in den alten Weg
ein und kamen am 8. Mai abends in Aus an.
Nachdem am folgenden Morgen die Zelte aufgeschlagen,
ging es an das Ordnen der mitgebrachten Sammlungen, Ver-
vollständigung der Tagebücher und der sonst nötigen Ar-
beiten.
Bei Zusammenstellung der Tabellen für die zurückge-
legte Reise fand ich, dafs wir auf dem Hinweg nach dem
Orangeflufs von Aus aus 267 200 m = 35,6 deutsche Meilen,
von da bis zum Lagerplatz Harrys Trift noch 43 855 m = 5,3
deutsche Meilen, also 302 255m = 41,0 deutsche Meilen
oder 190 englische Meüen gefahren waren. Dies macht
für 12 Reisetage, oder 66 dazu verwendeten Stunden durch-
schnittlich pro Tag 5,5 Ständen Fahrzeit mit einem znrück-
gelegten Weg von 25188 m = 3,3 deutsche = 15,6 eng-
lische Meilen ; dies sind pro Stunde ca 3 englische Meilen.
Vom Lagerplatz nach der Mündung war die Entfernung
46 000 m = 6,13 deutsche Meilen.
Es sei hierbei noch erwähnt, dafs wir auf dem Hinweg,
also auf einer Ausdehnung von 41 deutschen Meilen, nur
14 Menschen, teils Hottentotten, teils Buschmänner, antrafen,
und jagdbares Wild, aufser einigen Steinböcken gar nicht fan-
den. Auf dom Rückwege zählte ich 20 Menschen. Die auf
den Landkarten zahlreich angegebenen Ortsnamen müssen
jedenfalls frühere Niederlassungen von Eingebornen bezeich-
nen, oder Wasserplätze, die einen Namen erhielten; jetzt
sind höchst selten kaum noch Spuren von Kralen zn finden.
Es mufs sich ja auch alles Lebende ans diesen Gegenden
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85. 237
znrückzieheu, da die Huuptbedingung „Wasser-4 vollständig
fehlt.
Die Monate Mai und Juni waren die kältesten und un-
freundlichsten, die wir in Afrika verlebten.
Das Minimmntliermometer gab durchschnittlich vom
13. — 31. Mai 2° C., am 15. Mai sogar — 2°; das Maximum
war 9,5®. Das Maximumthermometer gab in oben genann-
ter Zeit 18,3°. Der Monat Juni ergab nach täglichen
Beobachtungen durchschnittlich für das Miniranmthermo-
meter + 4,o* , und für das Maximumthermometer +21,*®.
Barometerbeobachtungen sind nicht angestellt worden, da
mein Aneroid unbrauchbar geworden war. Wir hatten
teilweise etwas Regen, Nebel, einmal sogar starken Reif.
Die Nächte waren für uns sehr kalt, da wir nur das
Zelt und Feldbett mit zwei wollenen Decken hatten. Abends
nach 6 Uhr, sowie die Sonne untergegangen, mufste man
das Lager aufsuchen, um sich nur erwärmen zu könnon.
Die Hottentotten tanzten um das Feuer, das vor ihren
Kralen stand , aus gleicher Ursache bis tief in die Nacht
hinein, bei einer ohrzerreifsenden monotonen Musik, wozu
sie — sangen.
Am 24. Mai, dem ersten Pfmgstfeiertag, abends kam ein
Händler, Redfort, zu Pferde an. Dieser erzählte , dafs er
an der Grenze von Namaqua- und Damara-Lund ausgeraubt
worden sei, wo ihm die aus Hottentotten und Damaras be-
stehende Baude alles genommen hätte, sogar Wagen und
Zugochsen. Ähnlich müsse es dem Dr. Schinz gegangen
sein, da er Kleidungsstücke, die derselbe zum Tausch mit-
genommen, in den Händen der Räuber gesehen habe.
Eine Hilfo unsrerseits war dem Dr. Schinz nicht zu
bringen, da es zu weit war, wir auch kein genügendes Per-
sonal hatten. Von dem damaligen Konsulatsvortreter Vogel-
sang wurde aber dem König Fredericks durch Boten Meldung
gemacht. Später hörte ich , dafs derselbe ausziehen wolle,
um die Übelthäter zu strafeu , und dafs dem I)r. Schinz
ein Warenwert von 40 L geraubt, er selbst aber un-
verletzt geblieben sei und seine Reise fortgesetzt habe.
Dies die letzte Mitteilung, dio ich über Dr. Schinz er-
hielt.
Am 25. Mai hatten wir in der Nacht ein sehr heftiges
Gewitter mit starkem Regengufs.
Am 28. Mai fuhr ich mit dreien meiner Bergleute Uber
Gnbub nach Zaus, wo Kupfererze liegen sollten. Am 30. Mai
vormittags kamen wir daselbst an. Zaus ist nur ein Regen-
wasserplatz, gebildet aus Vertiefungen, die sich in grofse,
horizontal liegende Gneifsplatteu nach und nach durch Vor-
witterung ausgehöhlt haben. Links in einer Stunde Entfer-
nung befand sich ein grofser, hoher Gebirgszug, den wir
nach allen Richtungen durchsucht haben, reohts an unserm
Lagerplatz eine kleinere Gebirgserhebung ; in dem dazwi-
schen liegenden Thal fand sich nun ein Kieselkupfervor-
kommen, ähnlich wie in Aus, lager- oder nesterförraig, von
Kalkbreccie eingeschlossen. Jedenfalls sind diese Nester,
deren gröfstes nur 4 ra in der Länge und 1 m in der Breite
mafs, durch irgend eine Ursache dorthin gekommen; ur-
sprünglich haben sie keinesfalls dort gelegen, denn nach der
Tiefe, Grundlage Gneifs, setzte keines derselben fort, auch
kamen diese Nester nur vereinzelt vor, wir fanden nur vier
derselben. Den Gebirgszug rechts durchsetzte in der Rich-
tung von Nord nach Süd ein starker Quarzgang, der eben-
falls etwas Kieselkupfer führte. Auch die fernere Unter-
suchung ergab kein weiteres Resultat
Am 6. Juni fuhr ich nach Aus zurück. Briefe, die mir
nachgesendet wurden, hatten mir gemeldet, dafs der neue
Vertreter der Firma Lüderitz nach Aus kommen wolle, um
mich zu sprechen. Am 13. Juni kam Dr. Schenck von Angra
zurück, wohin er kurz nach unsrer Ankunft gegangen war.
Im Mai 1884 war dem Herrn Lüderitz angezeigt wor-
den, dafs man in Guibes reiche Kupferorze gefunden habe,
von denen auch Proben nach Deutschland zur Untersuchung
geschickt worden waren, und deren Analyse einen hohen
Prozentsatz von Kupfer ergab. Zur Aufsuchung dieser Gänge
ging Dr. Schenck mit dem Finder derselben am 21. Juni
dorthin , zwei Bergleute begleiteten ihn. Am 5. Juli kam
er zurück und berichtete, dafs er gar keinen Kupfergang
gefunden habe. Jedenfalls seien dio Stücke beim Transport
von der bei Konchas liegenden Kupfermine, die Engländern
gehöre, verloren gegangen. Er habe dort nur Grünstein-
gängo und einige Quarzgänge mit einem Anflug von Ma-
lachit gesehen.
Dr. Schenck machte am 13. Juli noch eine Exkursion
nach Gukaus, SW von hier, wo* Herr Belck Kupfererze ge-
funden haben wollte, dies auch in der Kolonialzeitung ver-
öffentlicht hatte. Die ganzo Reise war ebenso resultatlos
wie die frühem, da keine Spur von Kupfer vorhanden war.
Am 22. Juli wurde nach Angra aufgebrochen, wir fuhren
wieder über Guos; ohne erwähnenswerte Vorkommnisse
kamen wir am 25. Juli abends 10 Uhr dort an. Wir hatten
in dieser Zeit 14 deutsche Meilen zurückgelegt.
Während der Zeit unsres Aufenthaltes, vom 26. Juli
bis 28. August 1885, wurde nun fleifsig an dem früher ge-
machten ßleierzfund gearbeitet. Die weitern Aufschlüsse
ergaben, dafs man es auch hier mit keiner Gangformation
zu thun hatte, sondern dafs das Erz nur lager- und nestor-
weise auftrat, also keine weitern Erfolge nach der Tiefe zu
erwarten seien. Nach der Analyse enthält das Bleierz
70,5 Proz. Blei und 0,02* Proz. Silber. Interessant zeigten
sich die Zersetzungsprodukte des Bleiglanzes, nämlich Chrom-
blei, Cerussit und Pyromorphit.
Gern wären wir noch nach Pomona gegangen; aber
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238
Bericht über die von Herrn Lüderitz ausgerüstete Expedition nach Südwestafrika, 1884 — 85.
abgesehen von den Schwierigkeiten des Landweges (ein Schiff
stand uns nicht zur Verfügung) waren auch die Besitzver-
hältnisae — da Mr. Spence oder Sinklair diesen Teil des Lan-
des als Eigentum beansprucht — noch nicht geordnet, eiu
Eindringen unsrerseits daher nioht ratsam.
Am 28. August kam das Dampfschiff „Namaqua“ au, das
die Herren Reicliskommissar Dr. Goering, Referendar Nels
und August Liideritz brachte. Am 30. August fuhren wir
mit diesem Dampfer ab und landeten nach kurzem Aufent-
halte in Sandwich • Hafen und Walfisch -Bai um 10. Sep-
tember in Kapstadt und am 7. Oktober in London.
Das Resultat dieser Expedition, die mit so grofsen Hoff-
nungen augetreten wurde, ist ein vollständig negatives.
Der gänzliche Mangel au atmosphärischen Niodorschlägen,
und die Geringfügigkeit des an nur wenigen Stellen vor-
kommenden Trinkwassers hindert jeden Versuch zu Kolo-
nisationszwecken. Die Untersuchung in mineralogischer Be-
ziehung gab durchaus keine nennenswerte Ausbeute, um
den Transport nach Deutschland zu lohnen, da nur Edel-
metalle, als Gold, Silber, Platin, und zwar auch nur in
ganz bedeutenden Mengen einen pekuniären Gewinn ab-
werfen würden, und endlich ist die Vegetationslosigkeit
dieses ganzen Landstriches erwiesen, dio ja kaum das Leben
von Menschen und Tieren gestattet, wenn auch in sanitärer
Beziehung nichts zu wünschen übrigbleibt. Die Worte,
die mir der nun verstorbene Generalkonsul Herr Dr. Nach-
tigal sagte: „Ich will lieber durch die Wüste reisou, da
finde ich doch wenigstens Oasen, als noch einmal durch
dieses Land“, sind vollständig zutreffend.
Der Herr Reicliskommissar Dr. Goering übergab mir
ein Manuskript zur Durchsicht, das dem Auswärtigen Amt
eingereicht worden war und Vorschläge zur Nutzbarmachung
des ganzen Küstenstriches vom Orangeflufs bis Kap Frio
enthielt. Ganz abgesehen davon, dafs die Beschreibung des
von uns durchforschten Gebietes in bezug auf Vegetation
und Tierwelt jetzt nicht mehr zutrifft, sind speziell die
Vorschläge, die zur Kolonisation des Ufergebietes des Orange-
flusses gemacht werden, wo man z.B. zuerst beginnen müJst«,
Kanäle u. dgl. zur Bewässerung und Fruchtbarmachung der
Umgebung anzulegen, völlig unausführbar, erstens, weU eine
Landung dort nie möglich sein wird, und die Anlage sol-
cher Kanäle ganz unbestreitbare Kosten verursachen würde.
Um nach dem untern Teil des Orangeflusses zu kommen,
bleibt nur der Weg durch die Kapkolonie über Port Xol-
loth oder über Aus übrig. Ferner liat der Flufs in seinem
obera Teil viel zu viel Gefälle, wodurch Unmassen von
Sand und Boden dem untern Flufslauf zugeführt werden;
er ist ja schon jetzt auf 45 km fast vollständig versan-
det, so dafs eine Schiffbarmachung eine Riesenarbeit sein
würde. Der in der Schrift angegebene Wildreichtum ge-
hört in das Gebiet der Fabel.
Von unsrer Reise haben wir nur das Verdienst zu be-
anspruchen , nachgewiesen zu haben , dafs alle auf diesen
Teil des Lindes gesetzten Hoffnungen illusorisch waren, und
sich durch nichts verwirklichen lassen.
Eine kleine Sammlung von Käfern, dio ich mit nach
Deutschland brachte, ist von Herrn Clemens Müller in
Dresden bestimmt worden.
Die Namen derselben sind folgende:
1. AnthU cinctipennia Lef.
2. Clloaoml Smesileni* Drj.
3. Chlaemu* modestua Doli.
4. Alindria RTaodis.
5. Denuent«* rulpinu» Pub.
6. A teuc! ms apcc. r
7. Oriti» Sphinx Fab.
8. Oritia rar. Alexis Klag.
9. Orthophayus Gazella Fab.
10. Paehnoda cincta l)ej.
11. Stemooera lanifica Er.
12. Jntodis macalata fast.
13. Paeplms apiculatu* 1‘soh.
14. Admmia Gorgi Sol.
15. Adwmia orata Olir.
16. Adeamia mnltixtriata Her?.
17. Stenocara nov. apee.
18. Metriopus Uoffraannioggi Sol.
19. Zophoaia muiicata Fab.
20. Kpiphyaa tlavicolli» Fab.
21. Psaramudes blaptoidex Haag-
22. Paaintnodea nov. apec.
23. Trachynotu* acnetw.
24- Kuryrtioaa aaltiralis Haag.
25. Eurychoaa barbata Olir.
26. Kuryehoaa nov. apcc.
27. HtmaUamua mandibtilalia Er.
28- Gonopi» plumoana Tliunbcry.
29. Qonopiu aulcatua Sol.
30- Clitobius nov. apec.
31. Mylabria oculata Thumbcry.
32. Mylabria myop* Clietdolal.
33. I.ytta thoracica Er.
34. Ceropleii» ferruyata Fab.
35. Phyllocuemi latip« de Geer.
Die Wälder von Nordamerika.
(Mit Karle, a. Tafel 12.)
Der 9. Band des grofsen Zensuswerkes der Vereinigten
Staaten (Washington 1884) enthält eine sehr detaillierte
und streng wissenschaftliche Beschreibung der Wälder von
Nordamerika mit Ausnahme von Mexiko, welche von zahl-
reichen und prächtig ausgefiilirten Karten begleitot wird.
In Tafel 12 siud zwei dieser Karten zu einem Bilde ver-
einigt. Der Verfasser, Professor Charles S. Sargent,
beginnt seinen Bericht mit einigen allgemeinen Bemerkun-
gen, welche mit unbedeutenden Kürzungen hier Aufnahme
finden mögen.
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Die Wälder von Nordamerika.
239
Der nordamerikanische Kontinent, oder der nördlich
von Mexiko gelegene Teil desselben, welcher hier allein in
Betracht kommt, kann hinsichtlich seiner Forstgeographie
durch eine sich längs des östlichen Fufses des Felsen-
gebirges und seiner östlichen Ausläufer vom arktischen
Kreis bis zum Rio Grande erstreckenden Linie bequem in
ein atlantisches und ein pacifisches Gebiet eingeteilt werden.
Die Wälder, welche diese beiden Teile des Kontinentes be-
decken, sind in ihrer natürlichen Beschaffenheit, Zusammen-
setzung und Verteilung ebensosehr voneinander verschie-
den, als das Klima und die Topographie Ostamerikas von
dem Klima und der Topographie des pacifischen Abhanges.
Die Ursachen, welche der ungleichen Beschaffenheit dieser
beiden Waldgebiete zu Grunde liegen, müssen in den
klimatischen Bedingungen einer frühem geologischen Pe-
riode , sowie in der gegenwärtigen Formation des Konti-
nentes gesucht werden ; jedoch sind dieselben hier nicht
zu erörtern.
Die Wälder des atlantischen und pacifischen Gebietes wer-
den im Norden durch einen breiten Streifen subarktischen
Waldes verbunden, welcher sich nördlich vom 50. Breiten-
grad quer durch den Kontinent erstreckt Die eine Hälfte
der den nördlichen Wald bildenden Arten erstreckt sich
vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean, und wenn auch
die Hauptcharakterzüge östlich und westlich von der Konti-
nentalscheide wegen der verschiedenen klimatischen Be-
dingungen verschieden sind, so stimmen sie doch im all-
gemeinen noch ziemlich überein. Die Wälder des atlantischen
und pacifischen Gebietes werden ebenfalls im Süden durch
einen schmalen Streifen der dem nordmexikanischon Plateau
eignen Flora verbunden, welche sich hier in nördlicher
Richtung bis in dio Vereinigten Staaten erstreokt. Ge-
wisse charakteristische Arten dieser Flora erstrecken sioh
vom Golf von Mexiko bis zu den Küsten des Stillen Mee-
res, und wäbrond sich östlich und westlich vom Felsen-
gebirge charakteristische Details noch erhalten haben, sind
doch manche Grundzüge beiden Abhängen gemeinsam. Ty-
pische nordamerikanische Arten, welche den Wäldern des
atlantischen oder jenen des pacifischen Gebietes angehören,
vermischen sich auch auf den Black Hills von Dakota und
auf den Guadeloupe- und andern Bergen des westlichen
Texas, sowie auf dem äufsersten Ostrücken der Rocky Moun-
tains-Kette und den Vorposten zwischen dem atlantischen
und pacifischen Gebiete.
1. Das atlantische Gebiet.
Im atlantischen Gebiete lassen sich sechs natürliche
Teile unterscheiden: der nördliche Wald, die Provinz der
Weymouthskiefer, die südliche Waldprovinz, der sommer-
grüne Wald des Mississippibeckeus und der atlantischen
Ebenen, der halbtropischo Wald Floridas und der mexikani-
sche Wald von Südtexas.
Die nördliche Waldprovinz erstreckt sich längs der
Nordküste Labradors fast bis zum 60® N. Br., wendet sich
hierauf der südlichen Hudsonbai zu und erstreckt sich dann
in nordwestlicher Richtung bis zum Polarkreis. Nach Süden
zu erstreckt sie sich bis zum 50® N. Br. an der atlanti-
schen Küste und fast bis zum 54° im 100. Meridian. An
der atlantischen Küste nimmt sie 10, und in ihrer gröfsten
nordsüdlichen Ausdohnung längs des Ostfiifses der Rocky
Mountains fast 20 Breitongrade ein. Dieses Gobiet erfreut
sich , mit Ausnahme der Gegenden an der SW - Grenze,
reichliohen Niederschlags; es wird von unzähligen Strömen
und Seen durchkreuzt und ist Uborreich an grofsen Strecken
Moorlandes. Die Bodenbeschaffenheit und die durchschnitt-
lich niedrige Jahrestemperatur beeinträchtigen die Verbrei-
tung des Baumwuchses und reduzieren die Zahl der hoch-
stämmigen Arten , aus denen hier der Wald besteht , auf
acht. Von diesen verbreiten sich vier bis zur pacifischen
Küste, während die übrigen, mit einer einzigen Ausnahme
westlich von der Kontinentalscheide, durch nahe verwandte
Arten des Pacificwaldes ersetzt werden. Die Weils- und
Schwarzfichte (Picea alba, P. nigra) sind charakteristische
Bäume dieser Region; sio bilden lichte Wälder auf den
niedern Wasserscheiden und erreichen eino höhere Breite,
als alle andern hochstämmigen Arten des Kontinents. Die
Thäler und breiten Einsenkungen Bind mit Pappeln, Zwerg-
birken und Weiden bedeckt. Der Wald dieses ganzen Ge-
bietes ist spärlich, licht, verkümmert und von geringem
Wert. Er umfafst südlich vom 60* N. Br. deu nördlichen
Teil des grofsen mittelkontinentalen Plateaus, dessen noch
später gedacht werden wird.
Südlich davon erstreckt sich der Kiefernwald von der
atlantischen Küste bis zum 96. Meridian ; östlich vom
Appalachian-Gebirgssystem erstreckt er sich südwärts Uber
beinahe 6 Breitengrade mit einem langon , schmalen Aus-
läufer, welcher der Alleghany - Kette fast 3° nach Süden
folgt ; westlich vom Alleghany - Gebirge, in der Gegend der
grofsen Seen, wird er südlich vom 43. Breitengrad durch
den sommergrünen Wald des Mississippibeckens ersetzt-
Diese zweite Provinz des atlantischen Waldgebietes wird
durch die Weymouthskiefer (Pinus Strobus), der wichtig-
i sten, wenn auch nicht am allgemeinsten verbreiteten Art,
charakterisiert, östlich vom Appalachian-Systein bildet die-
ser Baum auf der sandigen Ebene des Lorenzo- Beckens
oft grofse Wälder ; weiter südlich und westlich tritt er in ver-
einzelten Gruppen, oft von bedeutender Ausdehnung, inner-
halb des sommergrünen WaldeB auf. Auch die Wälder
von Schwarzfichten bilden, hauptsächlich im Norden, einen
Charakterzug dieses Gebietes, und innerhalb seiner Grenzen
240
Die Wälder von Nordamerika.
erreichen die Hemlocktanne, die gelbe Zeder, die Schwarz-
linde (Tilia antericana) , die sohwarze und weifse Esche
(Fraxinus sambuclfolia und F. atnericana), der Zuckerahoru
and verschiedene Birken- und Ulmenarten die Nordgronze
und den Höhepunkt ihrer Entwickelung. Walnufsbaum
und Eiche, welche die sommergrünen Wälder des gan-
zen zentralen atlantischen Oebietes charakterisieren , er-
reichen hier ihre Nordgrenze, desgleichen die Kastanie, der
Sassafras , der Tulpeubuum , die Magnolie , welche hier
durch eine einzige Art vertreten ist, die rote Zedor (Juni-
perus virginiana), der Tupolobaum, die Platane, Buche und
andre wichtige Gattungen.
Die südliche Küstenproviuz erstrockt sich vom
36a N. Br. längs der Küste in einem uur 160 — 320 km brei-
ten Streifen bis zum Kap Malabar und zur Tampa-Bai ; die
Siidgrenze durchkreuzt die Floridahalbinsel und zieht sich
längs der Küste des mexikanischen Golfes bis zum Alluvial-
lande des Mississippi hin ; im Westen dieses Flusses taucht
der Küstenwald dann in Louisiana im Norden und Süden des
Red River wieder auf und vermischt sich hier allmählich mit
den sommergriinen Waldungen des Mississippibeckens in
Arkansas und Osttexas. Dieser Streifon wird durch die
aufserhulb der breiten Flußniederungen und der unmittel-
baren Küstennähe fast allgemein verbreiteten lichten Wäl-
der aus laugimdeliger Kiefer (Pinus palustris) charakterisiert.
Quercus virous, Palmettopalme (Sabal Palmetto) und ver-
schiedene Kiefernarten charakterisieren den Küstenwald die-
ser Gegend. In den Flufsthälern und längs der Ufer der
seichten Seen erreichen hier und da im Kiefernwald zer-
streute Nyassa- und Bumeliaarteu, Quercus uquatica, Wal-
nufsbäumc und Esoheu eine beträchtliche Ausdehnung.
Die südliche Cypresse (Taxodium), welche übrigens die
Grenzen dieser Provinz woit überschreitet, erreicht hier ihre
gröfste Entfaltung sowie ihren höchsten W’ert und kann
neben der langnadeligen Kiefer wohl als charakteristischste
Art dieser Waldprovinz angesehen werden.
Der sommergrüne Wald des Mississippibeckens
und der atlantischen Ebene nimmt mit einer unbe-
deutenden Ausnahme, welche später erörtert worden wird,
den übrigen Teil des atlantischen Gebietes ein, in dem
besondere geologische Verhältnisse die Entwickelung von
Koniferen begünstigt haben. Besonders in einigen Teilen
der atlantischen Ebene und an den Grenzen der südlichen
Küstenprovinz, wostlich vom Mississippi, kommen Nadel-
wälder gruppenweise oder mit Eichen und andern breitblätte-
rigen Bäumen untermischt vor. Den Hauptcharakter verlei-
hen jedoch dem Wuldc dieser ganzen Gegend die hreitblätte-
rigeu Arten, aus denen er gröfstenteils besteht. Die Eichen,
Walnufsbäume (Juglans und Carya), Magnolien und Eschen
verleihen diesen Wäldern Abwechselung und Wert, und hier
gelangen dio sommergrüneu Baumarten der atlantischen
Region mit Ausnahme weniger Arten , welche einer nörd-
lichem Breite augehören, zu ihrer höchsten Entwickelung.
Auf den Abhängen des südlichen Alleghany - Gebirges und
am untern Red River, Gegenden, welche ergiebigen Regen
und fruchtbaren Boden besitzen, erlangt der Laubwald eine
unübertroffene Mannigfaltigkeit und Üppigkeit. Auf dem
Alleghany - Gebirge sind nördliche und südliche Arten ge-
mischt oder werden nur durch die Bergkämme voneinander
getrennt; Rhododendron n\aximum , Lorbeerbäume und
Maguolien , welche hier zur schöusten Entwickelung gelan-
gen, beleben die nördlichen Kiefern- und Hemlocktannen-
Wälder , welche die Abhänge dieser Berge bekleiden oder
zwischen andern breitblätterigen Arten verstreut sind. Der
Kirsch-, Tulpen- und Kastanienbaum erreichen hier eine in
andern Teilen des Landes unbekannte Größe. Auch der
Wald dos Red River-Thnles ist wohl schwerlich weniger man-
nigfaltig. Die nördlichen Arten, weloho auf dem Alleghany -
Gebirge nach Süden wunderten , fehlen, aber andre Arten,
weiche der atlantischen Süd- und der GolfkUste angehören,
finden wir hier mit Pflanzen des südlichen sommergrünen
Waldes gemischt. Die sieben Arten der Carya (Hickorien)
treten sonst nirgends so eng miteinander verbunden auf.
Eine große Anzahl der wichtigsten Eichenarten wächst hier
nebeneinander, hier ist der Hauptentwickelungspunkt des
nordamerikanischen Weißdorns, welcher sonst nirgends
eine solche Schönheit und Größe erlangt. Der orangen-
gelbe Maulbeerbaum (Maclura aurantiaca) ist dieser Gegend
eigentümlich. Die rote Zeder (Juuiperus Virginiana) , die
am weitesten verbreitete der amerikanischen Koniferen, und
dio kurz- und langnadelige Kiefer (Pinus mitis und P. pa-
lustris) entwickeln sich hier am schönsten. Gerade außer-
halb dieser Gegend, auf den Steilufern des Mississippi-
thaies, entfaltet die stattliche südliche Magnolie, welche
vielleicht der herrlichste der nordamerikauischen Bäume ist,
sowie die Buche ihre größte Schönheit, und verleihen die-
sem südlichen Wald einen besonder» Reiz.
Das westliche Drittel der atlantischen Region ist kli-
matischen Bedingungen unterworfen, welche von denen im
Ostteil herrschenden sehr abweichen ; es besteht aus einem
Hochplateau , welches , vom Ostfuße der Rocky Mountains
abfallend, die sogouaunte Große Ebene bildet. Dieses aus-
gedehnte Binnenland hat wegen seiner Entlegenheit vom
Meere nur spärlichen und unregelmäßigen Regen, welcher
wohl genügt, um den Graswuchs zu fördern, nicht aber
um außerhalb der engen wasserarmen Flußbotten kümmer-
lichen Waldwuchs zu ernähren. Diese baumlose Ebene er-
reicht in ihrer nördlichen Ausdehnung den 52. Breitengrad,
verfolgt hierauf südwärts den Zug der Rocky Mountains
bis weit nach Mexiko hinein , indem sie sich an ihrer
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Die Wälder von Nordamerika.
241
breitesten Stelle ostwärts ungefähr beim 40° N. Br. bis
fast zum 97. Meridian nusdelint. Diese ganze Gegend ist
größtenteils unbewaldet. Dio engen Thälor der grofson
Ströme sind jedoch mit Weiden, Puppcln, Ulmen und Celtis
occidentalis besetzt, d. h. mit Baumarten, welche sich daran
gewöhnt haben, unter solch ungünstigen Verhältnissen zu
gedeihen. Diese vermindern sich in Größe und Zahl bei
ungenügendem Regen und verschwinden an dor Westgrenze
des Plateaus, südlich vom 45. Breitengrad, oft gänzlich,
selbst an den Ufern der größten Ströme. Nördlich und
östlich von diesen zentralen baumlosen Ebenen erstreckt
sich ein Prüriestroifen vom 60® N. Br. bis nach Südtexas.
Die durchschnittliche Breite dieser Prärie ist fast überall
gegen 240 km. Zwischen dem 40. und 45. Breitengrad
erlangt er jedoch eiue bedeutend größere Ausdehnung;
hier reicht er bis an die Ufer des Michigan-SeeB und
bildet in dem üppigen Wald der atlantischen Region eine
fast 1000 km tiefe Einbuchtung. Der Übergang der üp-
pigen Waldungen des östlichen und zentralen Teiles des
atlantischen Gebietes zu der banmlosen Hochebene ist ein
stufenweiser. Der Wechsel vollzieht sich in der Prärie.
Dies ist die Gegend, auf welcher ein beständiger Streit
zwischen Wald und Steppe stattfindet. Hier gibt es ge-
nügende Feuchtigkeit, um unter normalen Verhältnissen
einen lichten Waldwuchs zu fördern, aber der Stroit hält
sich so gut im Gleichgewicht, daß jede Dazwischenkunft
sofort den Ausschlag geben muß. In die Prärie gepflanzte
Bäume gedeihen, wenn sie vom Feuer und dem Eingreifen
des zähen Präriegrases verschont bleiben, und so dehnt
sich der Wald nach Westen hin aus; ist aber der Wald,
welcher den östlichen Präriesaum bogrenzt, zerstört, so ge-
laugt er nur schwer wieder in den Besitz des Bodens, und
so wird dio Prärie allmählich nach Osten hiu ausgedehnt.
Die östliche Grenzlinie zwischen der Ebene, wo die
hochstämmige Vegetation auf die Flußthäler beschränkt
ist, und der Prärie, in welcher auch außerhalb der Fluß-
ufer wilder Bnumwuchs zu finden ist, und wo unter günsti-
gen Verhältnissen überall Bäume wurzeln köunteu, wird
von dum Regen bestimmt. Den äußersten Ostpunkt, den
diese Grenzlinie erreicht, findet mau bei 40° Br. in der
Nähe der Nordgrenze des Kansasstaates. Nördlich vom
40® wendet sie sich allmählich nach Westen und erreicht
den Ostfufs der Rocky Mountains ungefähr unter 52° Br.
Diese Nord west- Wendung mag der verhältnismäßig geringen
Verdunstung, welche während des kürzern Sommers stattfin-
det, sowie einer geringen lokalen Vermehrung des Regens im
Frühling und Sommer zugeschrieben werden. Südlich vom
40. Grad wendet sie sich unter dem Einfluß des Mexikani-
schen Golfes allmählich nach SW und erreicht in Texas
unter 100° L. ihren äußersten westlichen Punkt.
l'otermam» Gcogr. Mitteilungen. 1886, Haft VIII.
Jedoch haben auch andre Ursachen, als zu geringer
Regen und ein im Gleichgewicht erhaltener Kampf zwischen
Wald und Steppe , den nilgemeinen Bnumwuchs in der
Prärie, östlich vom 95. Meridian, gehemmt. Der Regen
dieses Gebietes genügt, um das Wachstum eines üppigen
Waldes zu ermöglichen. Die Regenmengen in den Prärien
von Minnesota, Wisconsin, Iowa, Illinois und Missouri
kommen im wesentlichen jenen der Michigan-Halbinsel und
des ganzen, südlich der Seen Ontario und Erie gelegenen
Gebietes gleich, und doch existieren inmitten des üppigsten
Waldreichtums Prärien. Es mangelt nicht an genügender
Wärme, oder an reichlichen, gleichmäßig verteilten Nieder-
schlägen, was etwa die Ausbreitung des Waldes über diese
Prärien verhindert hätte. Der Prärieboden ist, wie die
Thatsache, daß gepflanzte Bäume kräftig und schnell em-
porwachsen, beweist, für den Baumwnchs nicht ungünstig.
Vielleicht ist es nicht unmöglich, daß sich die Wälder der
atlantischen Region einst bis zum 95. Meridian nach Westen
hin ausdehnten, obgleich keine Bewoiso für solch eiue An-
nahme existieren; und die Ursachen, welche zuorst zu der
i Zerstörung des Waldes in dieser Gegend führten, vor-
ausgesetzt, daß er überhaupt jemals vorhanden war, können
wir mit uuseru heutigen Kenntnissen bezüglich dioses
Punktes nicht mehr vermuten. Überdies kann man wohl
voraussetzen, daß in einer Gegend, welche durch Klima,
Regen und Bodenbeschaflenheit wie dazu geschaffen ist,
Wälder hervorzubringen, solcho auch existierten, und daß
das Fehlen derselben unter solchen Verhältnissen besondern
Umständen zugeschrieben werden muß. Es ist leicht be-
greiflich. daß der in einem so öden Gebiete zerstörte Wald
nicht leicht wieder in den Besitz des Bodens gelangen
konnte, welcher mit einem undurchdringlichen Wuchs von
Präriegras bedeckt und den jährlichen Präriobränden unter-
worfen ist, die auch in unsrer Zeit noch vorkommon, wäh-
rend die heftigen Windstößo, die, von keiner Waldgrenze
gehemmt, über eine solche Fläche sausen, auch ohne die
Präriebrände allein schon genügt hätten, die Verbreitung
dos Waldwuchses zu erschweren und zu verlangsamen. Die
Annahme, daß diese östliche Prärie einstmals bewaldet ge-
wesen ist, wird durch die Thatsache bestätigt, daß sich,
soitdem sie dem Ackerbau unterworfen ist, und die jährlichen
Brände aufgehört haben, ßiiumo, wolche sonst nur au
den Flußnfern vorkamou , nach und nach Uber das Hoch-
land sich verbreiten. Kleine, gerade am westlichen Wald-
saume gelegene Prärien sind der Erinnerung noch leben-
der Persoueu gänzlich entschwunden ; die lichten Eichen-
wälder, deren hohe Bäume die jährlichen Brände nicht
wesentlich beschädigten — und welche einst die charakte-
ristische Formation dieser Prärien bildeten — , sind ver-
schwunden. Sie sind jetzt durch dichte Eichenwälder er-
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Die Wälder von Nordamerika.
setzt , welche nur in der ersten Zeit vor Feuer geschützt
werden müssen. In Wosttexag breitet sich der Mesquit-
bäum (Prosopis pubeecens), welcher durch die Briinde
gezwungen war, fast unter die Erdoberfläche zu wachsen,
jetzt, da die Präriebründe weuiger häufig und schädlich
sind , über Gebiete aus , wo sich wenigo Jahre vorher noch
baumlose Prärie befand.
So verlieren denn die Prärien, oder wenigstens der öst-
liche Teil derselben, welche in einer mit Regen reich ver-
sehenen Gegend liegen, beinahe ihren baumlosen Charakter,
und der vor Feuer geschützte Wald verbreitet sich schließ-
licli immer mohr; Gegenden, welche vor 50 Jahren außer-
halb der Flufsthäler baumlos waren, sind jetzt mit Wald
bodeckt, welcher 10 — 20 Prozent der Fläche bedeckt. Diese
östlichen, gut bewässerten Prärien dürfen jedoch nicht mit
dem dürren Randgebiet der wirklichen Ebene, oder mit
dieser solbst verwechselt werden. Diese ist wegen Mangel
au Feuchtigkeit baumlos; einzelne Baumanpflanzungen könn-
ten vielleicht einige Jahre fortleben, aber früher oder
später müßte eino Trockcnhoitsporiodo in oiner Gegend, wo
so wenig und unregelmäßige Niederschläge vorhanden sind,
jeden Versuch einer systematischen Aufforstung vernichten.
Nun bleibt noch der halb tropische Wald Flori-
das und der mexikanische Wald von Südtoxns
zu besprechen. Eine Gruppe hochstämmiger Arten, welche
westindischen Ursprungs sind, besetzt den schmalen Küsten-
und Inselstrich Südfloridas. Dieser Streifen halbtropischor
Vegetation ist uuf die unmittelbare Küste und die nahen
Hügel beschränkt, welche iuselartig aus den einen großen Teil
Südfloridas bodcckondon Savannen aufsteigen, wo Bodenbe-
schaflenheit und Muugel au Abfluß den Baumwuchs hindert.
Dieser halb tropische Wald erreicht Kap Malnlmr an der Ost-,
und die Ufer derTampo-Bai an der Westküste, während einige
seiner Repräsentanten sich noch zwei ganze Grade weiter
nördlich erstrecken. Er ist außerordentlich mannigfaltig, fast
ein Viertel aller Baumarten des atlantischen Waldes finden wir
in dieser bedeutungslosen Gegend. Trotzdem ist er nur von
geringem wirtschaftlichen Wert. Die ihn bildenden Arten
erreichen hier die äußerste Nordgrenze ihror Verbreitung
und sind daher im allgemeinen klein und kümmerlich. Ge-
wisse Arteu jedoch erreichen ansehnliche Dimensionen ; der
Mahagonibaum, der Eisonholzbaum (Sidoroxylon Mastichoden-
dron), der Mangrovobaum, die Seetraube (Coccoloba uvifera),
die Königspalme (Oreodoxa regia), die jamaikanischo Piscidia
Erythrina, Manschinollenbaum (Hippomane Mancinella) und
andre Arten werden hier zu ansehnlichen, wichtigen RäumoD.
2. Dus paciflscho Gebiet.
Das pacifische Waldgobiot ist identisch mit dem großen
Cordilleren-Svstem des Kontinentes. Die Ursachen, welche
die jetzige Lago und Dichtigkeit der Wälder bedingen,
müssen in der besondorn Regeuvertoilung in dieser Gegend ge-
sucht werden. Solche Niederschläge wie an der Nord Westküste
findet man in keinem andern Teile des Festlandes. Mit der
Abnahme der Breite vermindern sich die Niederschläge, bis
in Kalifornien die Temporatur dos Landes gegenüber jener
des Ozeans so sehr ansteigt, daß einen großenTcil des Jahres
hindurch Nioderschläge unmöglich sind. Das Innere dieses
ganzen, großen Gebietes, welches sich gegen den Ozean
mit einer hoben Bergkette abschließt , wird nur sehr un-
vollkommen mit Feuchtigkeit versorgt. Es ist dies eine
Gegend, wo nur spärlicher, unsicherer und ungleich ver-
teilter Regen fällt, welcher im Norden noch reichlicher ist
als an dor Küste, sich aber fast in demselben Verhältnis all-
mählich mit der Rreite vermindert. Eine Menge Bergketton,
welche gewöhnlich eine meridionale Richtung haben und
lange und gewöhnlich schmale Thälor umschließen, durch-
ziehen dieses Binnengebiet. Die Nioderschlägo hängen
größtenteils von der Lage dieser Bergketten ab. Die warmen
Luftströmungen steigen an den Gobirgen empor, kühlen sich
ab und müssen ihren Feuchtigkeitsgehalt niederscb lagen.
Es folgt daraus, daß, während das Binnenland heinahe oder
ganz regenarm ist, die Bergketten, und besonders die hohem,
bedeutende Niederschläge von Regen und Schnee erhalten.
Wenn dio Waldverteilung irgend einer Gegend von dor
Verteilung und der Menge der Niederschläge abhängt, so
müßte man an der Nordwestküste Wälder antreffen, welche
an Dichtigkeit alle die andern Wälder des Festlandes Uber-
treflen; nach Süden hin müßten sie allmählich abnehmen
und in dor Nähe der Südgronzo der Vereinigten Staaten
ganz verschwinden, während dio Wälder des ganzen Binnen-
landes vom Kamm der Hauptküstenkette bis zum Ostfufse
der Rocky Mountains auf die Berglehnen und Höhen be-
schränkt sein müßten. Dioso Wälder müßten in den
Hochgebirgen, hauptsächlich gegen Norden, einen üppigen
Wuchs entfalten, aus den Thälern und den niedrigen
Bergketten aber gänzlich verschwinden. Eine genauere
Untersuchung der Wälder des pacifischen Gebietes wird
zeigen, daß sie in der That in ihrer allgemeinen Verbrei-
tung und Dichtigkeit von der Verteilung der Rogonmeugen
dieser Gegend abhängig sind. Sie orklären den Einfluß
der Feuchtigkeit auf den Baumwuchs sohr deutlich. Man
trifft hier die üppigsten oder dürftigsten Wälder zugleich
mit den reichlichsten oder spärlichsten Regenmengen an.
Man kann den Wald des pucifischen Gebietes in vier
Teilo gliedern; den nördlichen Wald, den Küstenwald, den
Binnen wald und den mexikanischen Wald.
Der nördliche Wald der Pacificregion erstreckt sich
beinahe vom 70 bis 58’ N. Br., und wird nur unmittel-
bar am Gestade durch den Küstenwald zwei Grade weiter
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Die Wälder von Nordamerika.
243
nach Norden gedrängt; von der Kontinental Wasserscheide, auf
welcher er sich mit dem nördlichen Wald vermischt, erstreckt
er sich bis an den Pacifischen Ozean. Die Südgrenze dieser
lichten, kümmerlichen nördlichon Waldungen, welche teils
ans den dem ganzen Kontinent ungehörigen, teils aus den
nordatlantischen Spezies nahe' verwandten Arten besteht,
ist, besonders im Innern, noch ziemlich unbekannt. Die
Entscheidung über mehrere Arten der Südkette in Alaska
und Ilritisch-Columbia, sowie einiger andorn dor nördlichen
Kette, mufs noch weitern Untersuchungen Vorbehalten bleibon.
Die Weifsfichte, der wichtigste Baum des nordatlantischcn
Waldes, bildet auch hier die Hauptspezies. Sie erreicht unter
65° X. Br. eine ansehnliche Gröfse und setzt im Jukon-
Thale Wälder von nicht geringem lokalen Wert zusammen.
Die Papierbirke (B. papyrifera), die Balsampappel und die
Espen, welche in der nordatlantischcn Region heimisch sind,
kommen auch hier vor. Die graue Kiefer (Pinus Banksiana)
und die Balsamtanne der atlantischen Region werden durch
einige mit dunseiben verwandte Arten vertreten. Die Lärche
allein findet koinen Vortroter im nordpacifischen Walde.
Der Küstonwald, dor üppigste, wenn auch nicht
mannigfaltigste des Kontinonts, erstreckt sich in südlicher
Richtung längs der Küste in einom schmalen Stroifen, von
60 bis 50° Br.; hier wird er breiter, umfafst die Ufer dos
Puget-Sundes und zieht sich ostwärts über die hohon Borg-
ketten. Bedeutende Niederschläge lassen ihn binnenwärts sich
über die Gold-, Solkirk- und andre Bergketten Britisch-Colura-
bias verbreiten , bis er in einem schmalen Ausläufer fast
den 54. Parallelgrad erreicht. Nach Süden erstreckt er
sich längs des Coeur d’Alüne, Bittor-Rood und der westlichen
Ketten des Felsongobirges und erroicht, indem er das nörd-
liche Washingtongebiet, Idaho und einige Toilo Westmon-
tanas umfafst, ungefähr 47-j-0 Br.
Unter dem 50. Breitengrad nimmt dor Küstunwald das
zwischen dem Meere und den Ostabhängen der Koskadonkotte
gelegene Gebiet ein. In Kalifornien bildet dor Rücken des süd-
lichen Hauptausläufers dieses Gebirges, die Sierra Nevada,
die Ostgreuze des Küstenwaldes, welcher südlich vom 35. Pa-
rallelgrad allmählich verschwindet, obgleich er durch den
hohen Rücken des südlichen Küstenzuges fast noch bis an
die Südgreuze der Vereinigten Staaten fortgesetzt wird.
Der Küstonwald besteht, wie die Wälder des ganzen paci-
fischen Gebiotes , gröfstenteils aus einigen Koniferenarten
von meist woiter Verbreitung. Dur Mangel an Laubbäumen
im pacifischen Gebiet ist auffallend; nur im atlantischen
Gebiet bilden sie grofse Waldungen und kommen sie
dort auch hier und da einmal vor, so bleibon sie doch nur
auf die Küstenthäler und die Ufer der Bergströme be-
schränkt und sind in wirtschaftlicher Beziehung von ver-
hältnismäfsig geringer Bedeutung. Die charakteristischsten
und wertvollsten Arten des nördlichen Küsteuwaldes sind
die Alaska- Zeder (Chamaecyparis), die Picea Sitchensis und
die Ilemlocktanne. Diese Arten bilden den Hauptbestand-
teil des Waldes der Bergketten und Küsteninseln der zwi-
schen dom 61. und 50. Purallelgrad. Andre Arten des
Küstenwaldes erreichen hier ihre Nordgrenze, wenn auch die
Hauptstätte ihrer Entwickelung weiter südlich zu finden ist.
Die Douglastanne (Pseudotsuga), dor wichtigste und am
weitesten verbroiteto Baum des pacifischen Gobiotes, erreicht
den Küstonarchipel unter 51 * Br.; weiter im Innern des Lan-
des orstreckt sie sich volle 4° weiter nach N, und in dor
Umgcgond des Puget-Sundes und im Küstenwald Wash-
ingtons und Oregons ist sie der herrschende Baum.
Der charakteristische Wald der Nordwestküste, obgleich
mehrere Arten enthaltend, welche sich südwärts bis zum
Kap Mendicino, nahe am 40. Parallolgrad erstrecken, wird
südlich vom Thal dos Rogue River durch einen Wald ersetzt,
dessen vorherrschende Arton mehr dem Süden als dem Nor-
den angeboren. Der Wuld dor Nordwostküste erreicht seine
gröfste Dichtigkeit und Mannigfaltigkeit in dom schmalen
Gebiete zwischen der Kaskadenkette uud dem Ozean. Nörd-
lich vom 51. Parallel vermindert sich seino Dichtigkeit
allmählich, und südlich vom 43. Parallel ändert er soinen
Charakter und seine Besoliaffenhoit. Diesor Streifen KUsten-
waldes wird in Dichtigkeit nur von einigen Teilen des Rot-
holzwuldes (Sequoia serapervirens) der kalifornischen Küste
Ubertroffen. Die Rottanne *) , die gTofse Picea Sitchensis,
die Hcmlocktanne und rote Zeder (Thuya) erlangen hier
, enorme Dimensionen. Die breiten Flufsthäler sind mit einem
dichton Wuchs von Ahorn, Pappeln, Eschen und Erlen, dio
engen innern Tbäler mit lichton Eichonwäldern bekleidet.
In diesen grofsen Koniferenwäldern stohon die bis zu 60 bis
90 m hohen Baumstämme oft nur weuigo Fufs voneinander.
Der Boden, über wolchon sich dor Wald jahraus jahrein
gleich einem Baldachin wölbt, wird niemals trocken; er ist
mit einem dichten , woichen Teppich von Moos und Farn-
Stollen diosos Waldes werden durch einen undurchdring-
lichen Wuchs verschiedener, fast baumartiger Heidelbeer-
gewächse , von Haselstaudun , Acor circinatum und andern
Sträuchern fast erstickt. Der Boden , welcher in dieser
Gegend den schönsten Waldwuchs horvorgobracht hat, ist
außerhalb der Flufsthäler ein dünner, poröser, selten Uber
wenig Zoll tiofer Kies glazialen Ursprungs ; so erklärt der
üppige Wuldwuchs den Einflufs eines reichen Regenfalls
und gumäfsigten Klimas auf die Bnum Vegetation.
*) Der Verfasser spricht meist von Red tlr ohne nähere Bezeichnung,
und in diesen Fällen mutsto der volkstümliche Name beibehalte» werden,
obwohl er 3 Arten umfafst: die Douglastanne (Pseudotsuga Douglasü),
Abics nobilis und Abies magnifica. Die Red.
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Die Wälder von Nordamerika.
Der allgemeine Charakter dieses binnenländischen Waldes
weicht, obgleich er gröfstenteiis aus der Kiiste eigentüm-
liclien Arten besteht, doch ein wenig vom dichten, undurch-
dringlichen Kiistenwalil ab. Östlich von der Knskadenkette
wird er durch einen lichtem Wald ersetzt, dem es im allge-
meinen an Unterholz fehlt. Die Rottanne, die Hemlock-
tanne, die rote Zeder (Thuya) sind noch wichtige Bestand-
teile desselben. Auch siud weniger wertvolle Arten des
Küstenwaldes, wie Weifstanne (Abies grandis), Taxus, Erlen,
Berg-Hemlocktanno (Tsuga Pattouiana), Weifsdorn, Kreuz-
dorn und Pinus monticola, hier vertreten. Die letztere, eine
an der Küste nur lokal anftretende Art, erreicht, ihre gröfste
Entwickelung erst nahe der Ostgrenzo dieses Gebietes, wo
sie ansehnliche und wertvolle Wälder bildet. Andre, dem
Kästenwald eigentümliche Arten, wie Ahorn, Esche, Eiche,
Erdbeerbaum und Alaska- Zeder, siud im Osten des Kas-
kadungebirges nicht zu finden. Picea Sitchensis wird durch
eine verwandte Art des Binnenlandes ersetzt. Die weit
verbreitete gelbe Fichte (Pinus ponderosa), welche in den
nördlichen Teilen des unmittelbaren Küstenwaldes sehr dürftig
vertroten ist, bildet im Osten des Gebirges einen der wich-
tigsten und charakteristischsten Bestandteile des Waldes.
Südlich vom 43. Breitengrad ändert der Kii3tenwald seinen
Charakter. Picea Sitchensis. Hemlocktanne und Thuya wer-
den allmählich durch südlichere Arten ersetzt. Die Zucker-
kiefer (P. Lambertiana) erscheint hier zum ersteumal. Der
kalifornische Lorbeerbaum (Umbellulnria) bedeckt die breiten
Flufsthäler mit seinem prächtigen Wuchs. I.ibocedrus, ver-
schiedene Eichen und Castanopsis chrysophylla erreichen
hier ihre Xordgrenzo. Dor Übergang vom nördlichen zum
südlichen Wald wird durch das Auftreten der Port Orford-
Zeder (Chamaecypnris Lawsoniana) gekennzeichnet, die den
Wäldern der südlichen Oregonküste Mannigfaltigkeit und
Wert verleiht. Weiter im Süden, naho der Xordgrenze
Kaliforniens, erscheinen die Rothofzwälder (Sequoia).
Der kalifornische Küstenwald kann bequem in drei Teile
zerlegt worden: der Wald der Küstengegeud, der Wald
auf dem Westabhang der Sierra Nevada, welcher sich in
der Nähe der Nordgrenze des Staates bis zur Küste hin
erstreckt, indem er die Gebirgsmassen umfafst, welcho hier
die Sierra Nevada mit der Küstenkette verbinden , und
drittens der lichte Waldwuchs in den schmalen , langen
Thälern , welche südlich von dieser Verbindung zwischen
der Küstenkette und der Sierra Nevada liegen. Die wichtigste
Eigentümlichkeit der Küstenkette bildet bis zu 37* Br. der
Kotholzgürtel, ein unregelmäfeiger unterbrochener Streifen
im Angesicht des Meeres, der selbst an seinen breites-
ten Stollen wohl kaum 50 km überschreitet. Den üppig-
sten Rotholzwald findet mau nördlich der Bai von San Fran-
cisco , und hier, an den Abhängen und am Grunde der
Cailons der Wostabdachuug der Küstenkette, erreicht er
seine gröfste Produktionsfähigkeit. Kein andrer Wald von
gleichem Umfang kommt in dieser Beziehung den Rotholz-
gruppen gleich, welche längs der nordkalifornischen Küste
verstreut liegen. Dio Rottanne erreicht an dor kali-
fornischen Küste eine Gröfse und einen Wert, der nur
in den nördlichem Küstenwäldern übertroffen wird ; in
den nördlichen Teilen dieser Gegend ist dio gelbe Kiefer
ein wichtiger Baum , und endlich gibt es hier auch eine
Reihe endemischer Spezies. Der Wald der Küstenkette
wird durch das Vorhandensein mehrerer, in ihrer Ver-
breitung sehr beschränkter Arten gekennzeichnet. Cnpres-
sus macrocarpa und Pinus insignis bleiben auf wenige
vereinzelte Baumgruppen an dem Gestade der Monterey-Bai
beschränkt: Abies bracteata nimmt hoch oben im Santa
Lucia-Gebirge drei bis vier Cafions ein, ohne sonst irgendwo
gefunden zu werden: und Pinus Torreyana, dio lokalste
Baumart Nordamerikas , ist nur in ein oder zwei kleinen
Gruppen auf den gerade nördlich von der San Diego -Bai
gelegenen Sanddünen entdeckt worden. Dor charakteristi-
sche Wald der Küsteugogeud wird etwas unterhalb des
35. Parallols durch ungenügende Feuchtigkeit an seiner
weitern Entwickelung nach Südeu hin verhindert ; dio küm-
merlichen Wälder, wolche dio hohen Abhänge der Küsten-
ketto bekleiden, gehören weiter im Süden ihrer Zusammen-
setzung nach den Sierrawäldern an.
Der üppige Wald, welcher die Westhänge der Sierra
Nevada bedeckt und den nur der Rotholzgürtel der Küste
und der Tannenwald am Puget-Sund an Dichtigkeit iiber-
treffen , erreicht den Höhepunkt seiner Entwickelung in
der Region von 1200 bis 2400 m Höhe. Dieser Wald-
streifen erstreckt sich ungefähr vom Fufso des Mount Shasta
im Norden bis zum 35. Parallel, weiter nach Süden nimmt
er an Dichtigkeit ab und verschwindet auf dem südlichen
Rücken der Küstenkette gerade nördlich von dor Südgrcuze
Kaliforniens. Da , wo im Süden des Mount Shasta das
Siemisystom in eine Masse niedriger Bergrücken und
-spitzen ausläuft, ist er am breitesten. Die charakteristi-
sche Art dieses Waldes ist die grofse Zuckerkiefer (P. Lara-
bortiaua), welche sich hier am prächtigsten entwickelt und die-
sem Bergwald unübertreffliche Schönheit verleiht. In ihrer
Gesellschaft finden sich die Rottanne, die gelbe Kiefer,
zwei edle Abiesarten, der Libocedrus und im mittlem Teil
des Staates dio grofse Sequoia, welche erst nur in ver-
einzelten Gruppen, weiter im Süden jedoch, in der Nähe
der Quellen des Kemflusses, als ein schmaler Streifen
auftritt, der sich mehr oder weniger zusammenhängend
mehrere Meilen ansdelint. Im Gegensatz zu dem Wald,
welcher weiter nördlich die Westhänge dor Kaskadenkette
bekleidet, entbehrt dieser üppige Sierrawald fast gänzlich
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Die Wälder von Nordamerika.
245
des Unterholzes uud juDger Bäume. Er zeigt deu Einflufs
eines wannen Klimas und gleichmäßig verteilten Regens
auf die Waldvegetation. Die Bäume, welche oft in gröfsern
Zwischenräumen voneinander stehen , haben zwar einen
enormen Umfang, wachsen aber sohr langsam. Oberhalb die-
ses Gebietes zieht sich der Sierrawald bis an die Grenze
der Baumvegetation hin. Sein Charakter ist hier ein sub-
alpiner und alpiner, und er bietet wenig wirtschaftlichen
Wert. Verschiedene Fichten und Kiefern, llemlocktannen
und der westliche Wacholder bilden lichte, auf den hoheu
SierrarUcken verstreute Waldstrecken. Unterhalb des Haupt-
Waldgürtels lichten die Wälder sich allmählich. Die Bäume
werden kleiner, aber die Zahl der verschiedenen Arten
wird gröfser. Die kleinen Fichten der oborn Vorberge ver-
mischen sich allmählich mit verschiedenen Eichonarten, und
diese nehmen nach und nach an Zahl zu. Fichten kommen
hier weniger häufig vor und verschwinden ondlich ganz.
Der Wald in den Thälern besteht aus Eichen, die, oft
weit voneinander abstehend, einen stattlichen Umfang er-
reichen, nirgends aber einen zusammenhängenden dichton
Wald bilden. Der Küsten wald des pacifischen Gebietes,
der eine unerreichte Dichtigkeit besitzt, besteht aus ver-
hältnismüfsig wenigen Arten, welche oft eine enorme Gröfse
erlangen. Überall ist der Grundcharaktcr dersolbo, und
nur die wechselnden klimatischen Bedingungen rufen kleino
Variationen hervor. Die Arten, welche ihn znsammensetzen,
gehen fast durch 26 Breitengrade hindurch, oder es werden
nördliche Spezies durch nahe verwandte Formen ersetzt; und
gleichwie im atlantischen Gebiet, so fibertreffen auch hier
die südlichen Arten an Mannigfaltigkeit die des Nordens.
Der Binnenwald erstreckt sich von der SüdgTenze des
nördlichen subarktischen Waldes bis zum Plateau von Nord-
mexiko. Er nmfafst das Gebiet, welches sich zwischen
der Ostgrenze des pacifischen Küstenwaldes und der ätifser-
steu Westgronze des atlantischen Gebietes befindet. Die
Wälder dieser ganzen Gegond sind im Vergleich zu den
östlich und westlich von ihnen gelogenen kümmerlich und
durch ihre Artenarmut bemerkenswert. Sie beschränken
sich auf die steilen Abhänge und Cafions der zahlreichen
Bergketten des Binnenlandes , während die Thäler baumlos
oder mit Ausnahme der unmittelbaren Flufanähe fast baumlos
sind. Der Binnenwald erreicht seine gröfste Entwickelung
und Bedeutung an dem Westabhang der kalifornischen Sierras
und auf den Hängen und hohen Gipfeln des südlichen Felsen-
gebirges von Colorado, wo sich die Baumgrenze bis zu
4100m erhebt, bis nach Süd-Neumexiko und Westarizona.
Das Minimum nordamerikanischer Waldentwickelung, aufser
in den ganz baumlosen Gegenden , sowohl hinsichtlich der
Artenzahl, wie des Verhältnisses des Waldes zur Ge-
samtfläche, findet man südlich von den Blauen Bergen Ore-
gons auf dem dürren Gobict zwischen dem Wahsatch-
Gebirgo und der Sierra Nevada, welches als Great Basin
bekannt ist. Hier beschränkt sich der lichte, kümmerliche
Wald auf die höchsten Kämme und die Abhüngo der sel-
tenen Cailons dor niedorn Bergketten. Die Bäume siud
klein, obgleich oft von hohem Alter, und überall tragen
sie Spuren eines ernsteu Kampfes um das Dasoin. Nur
sieben Banmarten hat man in dem nördlichen und zentra-
len Teile dieser Gegend entdeckt. Der Bergmahagonibaum
(Cercocarpus) , der einzige Laubbaum dieser Gegend mit
Ausnahmo dor Espen , welche im ganzen Binnenlande in
einer Höhe von mehr als 2400 m alle Bergströme beglei-
ten, erreicht hier seiuo höchste Entwickolung. Diese Baum-
art, sowio Pinus mouophylla charakterisieren diese Gegend.
Spärlicher Wacholder breitet sich über die untern Berg-
hängo aus oder durchkreuzt weiter südlich oft die hohen
Thäler und bedeckt die Mosas, unter welchem Namen die
niedrigeren Vorhöhen au manchen Orten bekannt sind. Ein
lichter, hochstämmiger Yukkawald (Yucca brevifolia) auf dem
Hochplateau von Mojave ist ein charakteristischer und eigen-
tümlicher Zug der Flora dieser Binnengegend. Die Rot-
tanne und die gelbe Kiefer, welche weithin über das paci-
fische Gebiet verbreitet sind , treten auf den Bergketten
des Great Basin nicht auf.
Die üppigem Wälder des Binnenlandes, welche mau an
Westhängen der kalifornischen Sierreu und im Fölsen-
gebirge findet, liegen meistens südlich von 42° Br. Die
Wälder des ganzen nördlichen Binnenlandes mit Ausscblufs
des Felsengebirges, welches noch von dem Küstenwald ein-
genommen wird, empfinden den Einflufs ungenügender Feuch-
tigkeit; sie bestehen aus wenigen Arten; die einzelnen
Bäume sind oft klein und verkümmert, während dio Wälder
licht sind, des Unterholzes entbehren uud auf dio Canons
und hohen Berghänge beschränkt bleiben. Die am allge-
meinsten verbreitete Art dieser nördlichen Gegend , eine
I Zwergkiefer (Pinus Murrayana), nimmt fast mit Ausschlufs
jeder andern Art weite Flächen ein und bemächtigt sich
nach und nach des durch Verbrennen wortvollerer Bäume
frei gemachten Bodens. Südlich vom 52. Parallel treten
die Douglastanne (Pseudotsuga) und die gelbe Kiefer (P. pon-
derosa) auf; zu ihnen gosellt sich in den Blauen Bergen
und in oinigen Ketten des Felsengebirges die westliche
Lärcho (Larix occidentalis) , der gröfste und wertvollste
Baum des Columbia-Beckens.
Der Wald, welcher den Ostabhang der Sierra Nevada
bedeckt, besteht fast ausschließlich aus verschiedenen Kiefer-
arten, welche oft einen ansehnlichen Umfang und Wert
erreichen. Die charakteristischsten Arten dieser Gegend
sind die gelbe Kiefer und die ihr nahverwandte Pinus
Jeffreyi , welche sich hier am schönsten entwickeln. Die
24G
Die Wälder von Nordamerika.
Rottanne fehlt diesem Walde gänzlich, und auch die Eiche,
welche auf den Westliängen dieser Bergo sehr häufig und
in den verschiedensten Arten vorkommt, hat hier keine
Vertreter.
Die Wälder des südlichen Folsengebirges, weniger üppig
und nicht so allgemein verbreitet als jene der Westhänge
der Sierras, sind im Vergleich zu denen des Great Basin,
üppig, dicht und wertvoll. Sie verdanken ihre Existenz
den in dieser hochliegendon Gegend verhältnismäfsig reich-
lichen Niederschlägen. Die charakteristische Art des Colo-
rado-Gebirges ist eine Pcchtanno (Picea Eugulmauui), welche
in einer Höhe von 2400 — 3000 m grofso, wertvolle Wälder
von ansehnlicher Dichtigkeit und Schönheit bildet ; zu ihr
gesellen sich eine Balsamtanne, welche sich weit nach
Nonien vorbreitet , und verschiedene alpine und subalpine
Nadelhölzer; auf nicdern Höhenzügen bedecken gelbe
Kiefern- und Bottanuenwälder die Berghänge, während die
Flufsthäler mit Pappeln, Erlen und Ahorn, oder mit einer
lichtgestellten Woifstannc (Abies coucolor, einer dem Küsten-
wald ungehörigen Art, welche hior ihre Ostgrouze erreicht)
besetzt sind. Die über der baumlosen Ebene liegenden Vor-
höhen sind mit spärlichen Grnppon von Pinus edulis, küm-
merlichen Wacholderbäumou und einer kloinen Eiche be-
deckt, welche in mannigfachen Formen oino grofso Hache
des südlichen Binnenlandes einnimmt. Ein Wald, der in
seiner Hauptbeschaffenheit jenem von Colorado gleicht und
im allgemeinen dieselben Arten enthält, dohut sich iibor die
hohen Bergketten Neuroexikos bis zu denen von Westtexas
und des westlichen und nordwestlichen Arizona aus, woselbst
ein üppiger Nadelwald das Hochland bedeckt, welches sich
läugs des 35. Parallel hinzieht und in den dicht bewaldeten
San Francisco-Borgen Nordarizona gipfelt.
Die Arten dus inneru pacifischen Gebietes vermischen
sich au der Südgrenze mit douon des Plateaus von Neu-
mexiko. Obgleich der pacifisch-muxikanischeWald
hinsichtlich seiner natürlichen Beschaffenheit von dem atlan-
tisch-mexikanischen total vorschieden ist, so besitzen sie
doch mehrere Arten gemeinschaftlich. Die Wälder dieses
Gebietes sind auf die Berge und ihre Vorhöhen und auf
die Ufer der seltenen Müsse beschränkt. In der Colorado-
Wüste und den niedrigen Borgketton und Thälern des süd-
westlichen Arizona vorschwiudon sie gänzlich. Die wich-
tigste und am weitesten verbreitete Art in den Thälern
dieser Gegend ist der Mosquit (Prosopis julillora), auch die
charakteristischste Art des atlantisch-mexikanischen Gebietes.
Der Kiesenkaktus (Cereus giganteus) ist jedoch vielleicht
die hervorragendste Art dieser Gogend und vorleiht den
dürren Mosas von Mittel- und Südarizona ein ungewöhn-
liches und auffallendes Aussehen. Die hohen Bergketten,
welche dio Grenzo der Vereinigten Staaten zwischen dem
105. und 111. Meridian schneidet, erfreuen sich eines
reichlichem und gleichiuäfsiger verteilten Regens, als die
östlich und westlich von diesen Meridianen liegenden Ge-
genden. Dichte und mannigfaltigo Wälder bekleiden diese
südlichou Gebirge häufig. Auf ihren Höhen und den
fast unerreichbaren obern Abhängen vermischen sich die
Tannen und Kioforn des pacifischen Gebietes mit den Nadel-
hölzern, einer Wacholderart, einem Erdbeerbaum und ver-
schiedenen andern, dem Plateau von Mexiko angoltürigon
Arten. Auch grofse Cypressenwälder mexikanischen Ur-
sprungs charakterisieren diese Gebirgsflora. Der Boden
der Canons ist mit Pappeln , Zürgelbäumen , prächtigen
wilden Platanen, Eschen, Kirschbäumen und andern sommer-
grünen Arten dicht bedeckt. Die hohen Vorberge und
Mesas sind mit lichten Gruppen verschiedener der mexi-
knnisch-pacifischon Provinz ungehöriger Eichenarten beklei-
det, welche hier, wenigstens in deu Vereinigten Staaten,
den Höhepunkt ihrer Entwickelung erreichen.
So ist deun die vorherrschende Waldboschafleuhuit Nord-
amerikas folgonde: Das atlantische Gebiet charakterisiert
ein dichter Wald, der aufser im Norden , gröfstenteils aus
mannigfaltigen Laubholzartcu besteht und sich von der atlan-
tischen Küste in einer fast ununterbrochenen Linie fortsotzt,
bis mangelhafte Nioderschläge seine Weiterentwiokelung nach
Westen hin hemmen. Das pacifische Gobiot dagegen charak-
terisiert der Koniferenwald, der die Bergketten des grofsen
Cordilleren -Systems bedeckt und welcher in dem feuchten
Küstenklima zwar eine unübertreffliche Dichtigkeit erlangt, in
dem trocknen Binnenlande jedoch licht und kümmerlich ist.
Eine genauere Untersuchung der Buumurtun Nordameri-
kas zeigt uns die Füllo der Wälder des atlantischon, und
die verhältuisinäfsige Armut derjenigen dos pacifischen Ge-
bietes, und läfst uns deutlicher erkennen , wie verschieden
die Beschaffenheit der Wälder dieser beiden Regionen ist.
Genera des nordamerikanischcn Waldes.
Atlantische* Padtiichc*
Gebiet. Gebiet.
I. Auch aufser halt» der aüdlichonOrenx-
gegendeu verbreitet:
Gemeinsam 38 38
Nur im atlantischen Gebiet 42 —
Bäume des atlantischen Gebietes, die im |sscifise)icn
durch Strüucher vertreten sind 7 (7)
Nur im pacifischen Gebiet — 9
Bäume des (lacifuchen Gebietes, die im atlantischen
durch Striuchcr vertreten sind (1) 1
Summe . 87 (1) 48 (7)
2. Nur in südlichen Grenzgegendeii:
Südliche« Florida 47 —
Alorikunisfhes Gebiet:
Gemeinsam 5 5
Nor atlantisch 3 —
Nur pneitiach — 4
l'acitlsehe Bäume, die im atlantiacheu Gebiet durch
Striuchcr vertreten sind (2) 2
Summe . A3 (2) II
HaupUumme . 142 (2) 59 (7)
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247
Fischers perspektivische Projektion zur Darstellung der Kontinente.
Die 158 Genera des nordamorikanischen Waldos ent-
halten 412 Spezies. Von diesen sind nur 10 allgemein
verbreitet ; nur 1 5 Arten des atlantischen Gebietes über-
schreiten noch die pacifische Grenze, und nur 9 Arten des
pacifiscben Waldes dringen auch noch in das atlantische
Gebiot vor.
Fischers perspektivische Projektion zur Darstellung der Kontinente.
Nachtrag zu dem Aufsätze in Petermanns Mitteilungen 1885, S. 295 ff.
Von Professor Dr. A. M. Nell.
Iu dem bezoichuoten Aufsätze ist das Material gegeben,
um dio Kartennetze flir die Kontinente der Alten Welt
mit Leichtigkeit und Sicherheit zu konstruieren.
Um dio gleicho Aufgabo auch für die übrigen Teile
der Erdoberfläche zu lösen, betrachten wir zunächst Nord-
amerika. Diesos Lnndergebiet erstreckt sich ebenso wie
Asien hoch nach Norden; im Süden reicht es allerdings
nicht bis zu den niedrigen Breitengraden herab, wie letz-
teres. Da man übrigens das Karaibischc Meer auf der
Karte von Nordamerika noch vollständig anzngehen pflegt,
so erlangt dieselbe dadurch eine Ausdehnung nach Süden,
welche nicht allzuweit hinter derjenigen von Asien zuriiek-
bleibt. Hiernach läfst sich dos Netz dieses Kontinentes
auch zur Darstellung vou Nordamerika benutzen, wobei
nur dio Meridiano anders zu boziffern sind.
Südamerika liegt zwischen dem 12. Grade nördlicher
und dem 5fi. Grade südlicher Breite. Daraus ergibt sich
die Mittelbroito — 22 Grad südlich. Hiermit findet sich
_ 2 art 34“ sius17® „ , . ...
D== — r-nr = 2,964757 1 , welcher Wert bei der
arc 3-1° — sin34 ' ’
Talul 4 zu Gruude gelegt ist.
4. Tafel der rechtwinkligen Koordinaten zur Konstruktion einer Karte ron Südamerika, in Fischers persjiektirischer Projektion.
Mittelbreiic ~ 22°, Augendislanz — 2.9«4Tstj U.
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Für Australien mit Polynesien nehmen wir 20 Grad sich hier derselbe Wert wie bei Südamerika, welcher daher
nördliche und 48 Grad südliche Breite «1b Grenzwerte, er- auch der Tafel f> zn Grunde liegt,
halten daher für dio Mittelbreite 14° südlich. Für D findet
9, Tafel der rechtwinkeligen Koordinaten zur Konstruktion des Kelzes einer Karte von Australien und Polynesien, in Fischers
perspektivischer Projektion. Mittelbreite — 1P , Augendistanz ss 2,scsTe?i fl.
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24S
Fischers perspektivische Projektion zur Darstellung der Kontinente.
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0,78809
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—0,61658
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0,99436
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0.66932
0,63046
—0,66570
0,76771
— 0,940»
0,83102
Ara einfachsten gestaltet sich die Konstruktion des
Netzes Für eine Nord- oder Südpolurknrtc. Die Meridiane
sind darin gerade Linien und die Parallelkroise erscheinen
als konzentrische Kreise. In Tafel 6 sind die Halbmesser
derselben angegeben.
Was die Berechnung der Koordinaten der Durchschnitts-
punkte von Meridianen und Parallelkreisen betrifft, so sind
die Formeln dafür in dem oben bezeichueten Hofte dieser
Mitteilungen angegeben. Zuerst berechnet man die Winkel
8 und u, dann findet sich der Wert vou v, nachdem man
noch einen Hilfswiukel a bestimmt hat. Die Berechnung
des letztem läfst sich indes vermeiden ; da dann (nament-
lich hei Anwendung der Additionslogarithmen) die Rech-
nung sich etwas einfacher gestaltet, so wollen wir hier die
hierzu nötigen Formeln vollständig anführeu.
cot u = tg er — sin ß cot 1,
»inl ° ' r '
sin s = -
a
DK
D— R*
co» tp «int
, ...
n
D— K
X = V cos u
y = v sin u.
6. A ’onl- oiler Südpolarkarte in Fischen perspektivischer I*ro-
jektion. Augendistanz = 3,s9ooe»s-
Die Meridiane erscheinen al» zensile Linien, welche dieselben Winkel
wie auf der Kugel miteiuander bildeu.
Die I’arillclkreiso stellen eich als konzentrische Kreise dar, doren
Mittelpunkte in den Pol fallet).
Radien der Parallel kreise.
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* i r t
<P
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V
r
’f
r
30“) 1,04790
45*1 0,78684 ,
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0,62431
70’
0,34931
85“
0,08727
35 1 0,96094
50 | 0,69941
65
0,43678 |
75
0,26191
90
0,00000
40 1 0,87408 |
55 | 0,6118« l|66” 33’
0,409« |
80
0,17467
Die Projektion von Fischer liefso sich selbstverständlich
auch zur Darstellung kleinerer Teile der Erdoberfläche ver-
wenden. Doch dürfte sich dies kaum vorlohnen, da zur
Anfertigung des Netzes immer eine etwas umständliche
Berechnung und Konstruktion erforderlich ist, und man in
einem solchen F’alle einfacher herzustellende Projektionen
hat, welche wenig zu wünschen übrig lassen.
Ist hierbei s wenig von einem rechten Winkel verschie-
den, bo erhält man den Wert durch den Sinus bekanntlich
nicht mit der erwünschten Genauigkeit und wende daun
folgende Formel an:
cos s = cos ß cos (f> cos k + sin ß sin (f.
Für k = o wird s — ■ <f. — ß, u = o und x — v, y = o.
Zur Berechnung von x und y kunu man übrigens auch
statt der obigen Formeln die folgenden auweudeu, wobei
in und n zwei Hilfswinkel sind:
= -*TD~2"-co t-i*
tg m =
°der
tgn -- 7- — cot 4-7.
ö fi) *
u = m — n
auch
•»*— Scot^+«
v =
2 R tg Is
, , D— 2K .
1 + — i» — - »g-i«
x = v cos u, v = v sin u.
Geographischer Monatsbericht.
Allgemeines.
Eino sehr beachtenswerte Anregung gibt der General-
sekretär der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, I)r. v. Danckel-
man. indem er (Verhandlungen 1886, Nr. 6) auf die Not-
wendigkeit hinweist, auch in Deutschland eiuen Unterrichts-
kurt us für angehende Forschungsreisende im Gebrauche astro-
nomischer Instrumente und in topographischen Aufnahmen
zu errichten. In diesor Beziehung hat ilio R. Gcogr. Society
als Vorbild zu dienen, welche 1879 eine solche unter
Leitung des anerkannten Kartographen J. Coles stehende
Anstalt geschaffen hat und die vorbereitenden 'Cbungon jetzt
auch auf Botanik, Geologie und Photographie auszudehnen
beabsichtigt. Die reichen Mittel der R. Geogr. Society ge-
statten es ihr auch, gute Reiseinstrumente den Reisenden [
zur Verfügung zu stellen, was in Deutschland ebenfalls an-
zust rohen ist, da es leider noch zu häufig vorkommt, dafs
F'orscher mit ungoprüften Instrumenten ihre Reise autreten,
weshalb die Resultate ihrer Beobachtungen au Höhenmes-
8ungen, Ortsbestimmungon, Aufnahmen trotz aller Sorgfalt
nur die Masse von zweifelhaften und mangelhaften An-
gaben, namentlich in Afrika, noch vermehren. Dr. v. Danckel-
mans Anregung erschliefst deu Deutschen Gcogr. Gesell-
schaften ein F'eld fruchtbarer gemeinsamer Thätigkeit.
Wie in A. Woldts wissenschaftlicher Korrespondenz
vom 2. Juli 1886 mitgeteilt wird, aiud gegenwärtig sorg-
fältige Untersuchungen im Gange, durch welche eine neue
Bestimmung des Getcichtes der Erde erzielt werden soll.
Diesellien werden ausgeführt von Dr. A. König und Dr.
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Geographischer Monatsbericht
249
Fr. Richarz mit Unterstützung aus den Mitteln der K. Preufs.
Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die von ihnen
angewendete Methode ist insofern eine Verbesserung der
v. Jollyschen Messung, als sie die gegenseitige Anziehung
körperlicher Massen durch eino sehr sorgfältig konstruierte
Wage genauer ermittelt. I)io Untersuchungen finden in
einer Kasematte der Citadelle von Spandau statt.
Die Feier des 50jäbrigcn Jubiläums dor Statistical So-
ciety in London im Juni 1865 gab Veranlassung zur Grün-
dung de* Internationalen Stalietüchen Institut *, welches die
seit 1876 politischer Umstände wegen nicht mehr zustande
gekommenen internationalen statistischen Kongresse zu er-
setzen und ein gemeinsames Hand für dio Statistiker aller
Nationen schaffen soll. Vorsitzender des Instituts ist Sir
Rawson W. Hawson , Präsident der Londoner Statistical
Society, Generalsekretär L. Bodio, Generaldirektor der ita-
lienischen Statistik. Die nächste Versammlung, welche
namentlich den weitern Ausbau des Instituts bringen wird,
findet vom 23. — 29. September d. J. in Rom statt. Vor
allem wird das Institut seine 'I'hatigkeit darauf richten, die-
selben Grundlagen, dieselben Termine bei statistischen Er-
hebungen zur Durchführung zu bringen. AJs Organ er-
scheint fortan in vierteljährlichen Heften ein Bulletin de
lTnstitut International de Statistique , von welchem das
Heft I und II vorliegt. Aufser einer historischen Ein-
leitung von Prof. F. X. v. Neumanu- Spallart und oinom Be-
richte über diu Jubelfeier in London enthält daB Heft eino
Untersuchung über die Bevölkerung dos alten Rom von
Prof. J. Beloch, eine Vergleichung der Bevölkerung Italiens
nach Geschlecht und Alter mit derjenigen andrer Staaten
von L. Perozzo, eine Studie über die italienische Auswan-
derung u. a. Eine auch für Geographen sehr dankenswerte
Beigabe ist die ausführliche Bibliographie der statistischen
Litteratur.
Europa.
Ein Ausflug an den periodischen See am Südfufso des
Harzes , den sogen. Bauerngraben , gab Prof. A. Eirchhoff
Gelegenheit, die Anschauungen über die Entstehung dos Sees
zu berichtigen (Saale-Zeitung 1886, Nr. 146). Nicht der aus
dem Glasegrund hervortrotonde Bach bildet den See ; denn
das Wasser jenes findet im eignen Bett unter dem wärmern
Seewasser soiuen Weg bis zum üufsern Seewinkel, wo es
ebenso, wie wenn das Becken trockon wäre, in einem Trichter
verschwindet. Dio den Seo speisenden Gewässer stammen
aus den Klüften, welche den Zechsteingips durchziohon; dio
Ursaclio dieses Heraustretens des Grundwassers mag ent-
weder in zeitweiligen Vorsporruugen tieferer Abzugskanäle
oder in stärkern Niederschlägen zu suchen sein. Der Name
Hungorseo , welcher nach Prof. Strengs Angabo (Mitteil.
1864, S. 43) dem See gebührt, ist jotzt dort unbekannt.
Der zur Trockenlegung de* Kopai*- See* in Böotien unter
Leitung von Ingoniour Pochet angelegte Kanal ist am
13. Juni oröfTnet worden. Der durch seine Fioborausdünstun-
gen die Besiedelung seiner Umgegend hindernde See geht
nunmehr seiner Austrocknung entgegen, und es ist damit
ein Unternehmen zur Vollendung gekommen, wolches be-
reits im Altertum wiederholt in Angriff genommen wurde.
Von dem bekannten Alpinisten M. e. Dicht/, welcher
seit einigen Jahren soin Arbeitsfeld mit grofsem Erfolge in
Peterroaniu Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft VIII.
den Kauka*u* verlegt hat, erhalten wir folgendo Nachrichten
übor seine vorjährigen Unternehmungen, sowie Uber den
Beginn seiner diesmaligen Reiso :
„Da* Itincrar meiner vorjährigen Rei*e im kaukasischen Hochgebirge
— ich war tnf derselben ron Prof. bojka, einem Botaniker, (»gleitet —
nmfafste da* Gebiet des Adai-Choch (Cciglelscber and Msmissonrout* hi*
Gurscbevi im Itiontholr}, die ElhrasglctuJicr im Bakaanthalc, ron Heisenden
bi* jetzt nicht begangene Glelsrkerpäas* vom Iiakctnthale über die llaupt-
ketto nach dem Neaknthalo in Svanetion, das Hochthal des Ingur bi* zum
Adiachgletzchcr und einen gleichfalls zum erstenmal von Reitenden über-
schrittenen Gletacherpaf* vom Ingur Über die Hauptkette (Thuberpafs) nach
Tacbegem. Am Ceigietecher , den Elbrosgfet*chcrn , Asau- und Terskol-
gtetscher und am Adiscbgletsclicr wurden Messungen und Beobachtungen
angestellt (Hohe de* GleUcherendes, Hohen der Moränen, Messung de* eis-
frei gewordenen Terrains bi* zur ersten Vegetationaansaramlung, Erstellung
von Mauern und Signalen nahe dem Gletneherende, photographische Auf-
nahmen der Gletscherzunge, de* eisfreien Moräuenlerraitn &e.). Die El-
bruiglcUeher erfordern eino Ton der Karte ganz verschiedene Darstellung.
Die Hohen wurden meist aus Beobachtungen mit Queckailberbarometem
abgeleitet.
.In diesem Jahre habe ich mich zuerst wieder nach dem fcigleticher
begeben. In meiner Begleitung reist Herr Dr. Schafarzik, Geolog am
K. ung. Geologischen Institute. Dio Signsle und Mauer am Ceigletscher habe
ich unversehrt gefunden und einen bedeutenden ltückgang de* Gletscher*
konstatieren können. Da sowohl Asau- und Terakolgletscher als auch Adisch-
gletseher besucht werden sollen, werden wir zum erstenmal in den Uesita
numerischer Daten über Rückgang oder Vorwärtsbewegung der kau-
kasischen Gletscher gelangen. Ein andres wichtiges Moment ist die Höhen-
rocivung an der Grenze zwischen Gletschereis und dem Beginne de* Pinie*.
Diese Messungen wurden im Vorjahre an allen von mir überschrittenen
Gletschern gemacht, und sollen nnch heuer fortgesetzt werden. Auch in
diesem Jahre werden die Messungen mit Quecksilberbaromctor auageführt,
deren wir rier Stück mitbrackten. Am Ceiglctacher beabsichtigte ich zur
Ergänzung meiner ä la vue- Aufnahme desselben, im Pimgebieto Aufnahmen
au machen, die Überschreitung des ersten Eisfaltes war jedoch ohne Be-
gleitung europäischer Bergsteiger unmöglich , dts schmale Schneefeld am
linken Ufer des Gletschern, das uns vor 3 Jahren Passago verschaffte, war ver-
schwunden, und so konnte ich diesen Teil de« Programme* nicht ansführen.
Vom Ceiglotseher gingen wir nach Sadon, über einen niedrigen Bergpaff
nach dem Congutthale und hinaus in das Hruehthol, das wir nach Strr-
Digor aufwärts moderten. Dio Gletseher im Hintergründe desselben wur-
den besucht und sodann ein Arbeitstag dem Karaguragletacher gewidmet,
einem der gröfston und vielleicht am tiefsten niederziebenden Gletscher des
Kaukasus. Der riesige Plisfall dieses Gletschers wurde 1868 von Preshfield
und Devouavsoud auf ihrem Wege über die Kette nach dem Itionthalc
überschritten.
.Wir beabsichtigen jetzt nach dem im Westen des Elbras gelegenen
Gebiete zu geheu (Teherda, Dout, CuehkuUn und die Übergänge am Bo-
giune dieser Thälcr), sodann hinüber in das Uakssnthal zu den Elbrasglet-
schcm, über einen neuen GleUeherpafs (durch Adilsu) nach Sranctien, zum
Aduchgletsrber und das Ingurthal hinauf nach IJaehküU, hinüber in das
oberste Tzehcnis-Squatisthal, und wollen auf einem neuen Gletscherpavse ver-
suchen, nach dem Tschcrekthale zu gelangen.
.Damit wäre dann die Reise im zentralen kaukasischen Hochgebirge
beendigt. Wenn möglich wollen wir dann einen Streifzug durch das besser
bekannte Ilaghcstun machen und rasch zum Arrarat gehen.
.Die geologischen Arbeiten brachten his jetzt schon manche neue Auf-
schlüsse, und dio Sammlungen mehren sieh trots grofser Enthaltsamkeit in
einer für den Transport gefahrdrohenden Weise.
.Ich hoffe von Wadikafka Ibnon Nachrichten über den Verlauf des
jetzigen gröfsten Abschnitt» der Reise au senden.“
Asien.
Arabien. — Bedeutende Resultate für dio Topographie
von Arabien sind von der Reite des Strafsburger Archäologen
Prof. J. Ettling , welcho hauptsächlich zur Sammlung von
Inschriften im August 1883 bis April 1884 ausgefuhrt wor-
den war, allerdings nicht zu erwarten, da er meistens auf
wiederholt begangenen Routen von Damaskus aus dio Nefud
und das Reich dor Scharamar durchwanderte; nur soiuo
Rückreise von el-‘0la an dor Karawauonstrafse von Syrien
32
I
Geographischer Monatsbericht.
250
nach Mekka , nach el-Wegh ain Koten Meero ist von Eu-
ropäern noch nicht begangen und aufgenoinmen worden.
Der Reisendo hatte jedoch Gelegenheit, Land und Leute
eingehend zu beobachten , und über alle Verhältnisse ent-
wirft er in seinem Vortrage in der Berliuer Gesellschaft
für Erdkunde (Verhandl. 1880, Nr. 5) ein so ansprechendes
und lehrreiches Bild, dufs der Wunsch nach Ausgabe eines
umfassenden Reiseberichtes gerechtfertigt erscheint. Die
auch vom Ehepaar Blunt beobachteten tiefen Löcher in
dem Nefud , welche mit den Eindrücken von riesenhaften
Pferdehufen vergleichbar sind (von Blunt fuljes, von Eu-
ting Ka‘r, Plur. KuOr genannt), sucht Euting durch das
Vorhandensein von schwach gogen Wösten hängenden Sand-
steinbänken zu erkläron, wolcho durch nord-südlich laufende
härtere Gesteinsbänder gegliedert sind , so dafs an diesen
das im Grundo schräg anlnufende Wassor sich staut und
dadurch auf der tiefem Westseite die Verwitterung und
Auflösung des Sandsteines beschleunigt wird. Der gegen-
wärtige Emir von Schammar hat fast das ganze alte Wa-
habitenreich unter seiner Herrschaft vereinigt ; alle Beduinen
des Nedgd und vom untern Euphrat bis an dio Grenze des
mittlere Higäz (Khaihar) und bis nach Rijäd selbst znhlen
ihm unweigerlich Tribut.
Russische Besitzungon. — Der Nestor der For-
schungsreisendon, der russische Geh. -Rat Dr. Herrn. Abick,
ist am 1 . Juli in Wien im 80. Jjebensjahre gestorben. Go-
boren am 11. Dezember 1806 in Borliu wurde der Ver-
storbene uach Beendigung seiner Studien und mehrerer Stu-
dienreisen in Italien und Sizilien 1842 als Professor der
Mineralogie nach Dorpat berufen und wurde 1853 Mitglied
der Akademie in St. Petersburg. Einen grofsen Teil seines
Löbens verbrachte er im Kaukasus, in Armenien und im
nördlichen Persien, von welchon Gobieten er durch oiuo
Fülle von meteorologischen Beobachtungen, HöhenmeBsungen
uud geologischen Untersuchungen die Grundlage einer wissen-
schaftlichen Erforschung schuf. Seine litterarische Thätig-
keit war sehr bedeutend. Sein Hauptwerk : „Geologische
Forschungen in den Kaukasusländern“ ist noch nicht voll-
ständig veröffentlicht.
Im Aufträge der Kais. russ. Archäologischen Gesell-
schaft hat der bekannte Altai -Forschor N. Jadrinzew eiue
mehrmonatliche Reue nach Sibirien behufs archäologisch-ethno-
graphischer Untersuchungen unternommen. Es handelt sich
in erster Linie um ein Studium der privaten und städtischen
Sammlungen in Sibirien (berühmto Sammlung von Sslow-
zow in Tjumen, Museum in Minussinsk &c.). sowie um spe-
zielle Forschungen und Nachgrabungen in Permschen Ge-
bioto, auf der Strnfso von Tomsk bis Irkutsk &c. End-
punkt der Reise, auf welcher auch ethnographische und
ethnologische Beobachtungen gemacht werden sollen, wird
der Baikal-See sein. (Mitteil, von Prof. Petri in Born.)
Am 2./14. Juli erfolgte dio Eröffnung der tranekaepitchen
F.itenbahn bi* Mene. Es ist damit ein Unternehmen gelungen,
welches flir die Zukunft Zentralasiens in politischer wie in
handelspolitischer Beziehung von gröfster Bedeutung sein
wird , denn Rufsland ist durch diese Verbindung in den
Stand gesetzt, mit grofser Truppenmacht an der Grenze
von Afghanistan aufzutreten , bevor indische Truppen dio
Sudgrenze von Afghanistan erreichen ; auch wird der rus-
sische llundel die Konkurrenz mit Indien in den zentral-
asiatischen Staaten mit grofser Aussicht auf Erfolg be-
kämpfen können. Dio Strecke von der neuen Station am
Kaspischen Meer, Aznn-Ada, beträgt 773 Werst (825km),
von denen die 531 Werst (566 km) lange Strecke von Kisil
Arwat bis Merw in der Zeit von kaum einem Jahre erbaut
wurde. Die Weiterfiihrung der Bahn nach Tschardjni am
Amu-Darja ist in Angriff gonommen worden, und steht die
Eröffnung dieser 152 Werst (163 km) langen Strecke im laufe
des Herbstes zu erwarten. Das Vordienst, dieses wichtige
Mittel zur Erschliefsung Zentralasiens geschaffen zu haben,
gebührt in erster Linio dem General Annmkow, welcher das
Projekt entworfen und den Bau selbst geleitet hat.
Dr. G. Rndde hat im Laufe dos Monats Mai den Kopet-
Dng, das Grenzgebirge zwischen dem transkaspischen Ge-
biet und Persien, trotz der durch aufserordentliche Hitze
verursachten Beschwerden durchforscht und sich dann nach
Merw begeben, wo der Ingenieur Konschiu sich ihm au-
schlofs. Nach Untersuchung der Ruinen von Alt- Merw
zog die Expedition längs des Murghab nach der afghani-
schen Grenze und erreichte um 10./22. Juli Serachs.
Iran und Turan. — Über eine neue Reise, welche
I)r. G. Caput in die transkaspischen Gebiete, nach Persien und
in die turanischon Staaten unternommen hat, erhalten wir
von dem Reisenden folgende Mitteilung, datiert Mesched,
5. Juni 1886:
In den Jahren 1880— 1882 bereute ich in Begleitung meine» Freunde»,
des Herrn Bonralot, den giöfsten Teil Zentrelasien». Diese, im Aufträge der
französischen Negierung unternommene lteise soll nun von uns in ruehrern
Tellen ergänzt und ausgedehnt werden. Aufver Herrn Bonvalot and mir
nimmt an der Heise teü, Herr l’epin, Maler, dem speziell die Aufnahme
von Zeichnungen, Skizzen und Malereien anvertraut ist. Wir retliefsen
Pari» am 27. März 1886 und schifften um ron Marseille nach llatum
ein. Die Dampfer der Linie i“ai)uet A Cie machen dieee Überfahrt in
12 Tugen. Die sonst sehr beschwerliche Heise von Tiflis nach Baku legt
der Zug jetzt in 20 Stunden zurück. Wir stiegen jedoch in Chadji-Kabal
aus, weil ron dort die russische Post nach laenkorün der persischen Grenze
zu lehrt und die lteisc dem Uaspi-Se« entlang durch du persische Talrsch
weit mehr Interessante» bietet, als die gewöhnliche Dampferlinie ron Baku
nach Kiueli. Das Innd von Chadji- Kabul bis naho an Astara ist flach und
fallt »ehr langsam zum See ab. Die Alluvialtliche ist gut bebaut , haupt-
sächlich in der Nähe der russischen Ansiedelungen, spärlich und schlecht
im Kreise der tatarischen Dörfer. In der jetzigen Jahreszeit (liefst der
Hegen in grofsen Mengen nieder uud verwandelt alle Wege in Schrauta-
buche. Bei Kum-buscbi ist der Hoden teilweise sandig, uud grofse Seen,
Teiche und TUmjiel zerstückeln die Fläche bis zu den Bergen im Westen.
Diese Seen sind mit hohem Schilfe dicht bewachsen, beherbergen eine un-
geheure Menge Federwild und erzeugen fieberhaftes Klima. Von Leukorän
nimmt man I-flsttiere naeh l’erzien. Dio Grenze ist Astara, oder vielmehr
der Astara- tschaf, ein reibender Bach, au dessen südlichem Ufer Peraueh-
Astaro, am nördlichen Itusaisch-Astara liegt. Dem Unwissenden würde all-
sogleich die Grenze einleurhten wegen des bedeutenden Schmutzes und der
Armseligkeit de« erstem und der Keiulichkeit und Ordnung de» letztem. Von
Astara nach dem Murd - üb bei Enzeli stöfst man, der Küste entlang gehend,
auf über 30 Bäche, tschai genannt. Sehr selten finden sieb einige in
Baumstämme ausgehöhlt«, im Viereck längliche Kähne, wahre Wassenchau-
keln ; fast immer müssen Pferde und Menschen das Wasser durchwaten. Unweit
Astara fängt der Wald an und erstreckt sich unaufhaltsam bi» an dio Wasser-
scheide Glutins und Mueuderins. Nach Anlobil zu und nach Mandjil
(im Süden Ton Beseht) hört am westlichen map. südlichen Abbange de»
Bogrob dsgh alle Baumvegetation fast plötzlich auf und wird durch Steppen-
flora ersetzt. Diese VcgetatiunsreihiltnUv) sind durch die Feuchtigkeits-
vorhältnisse der Lall, d. i. durch die Hichtuug der Luftströmungen bedingt.
Die Wilder Ohilins (der Name Ghilün bedeutet richtig „Land de« Schmutzes*)
sind dicht und reich an Holzeattungen. Merkwürdig ist die allgemeine
Verbreitung des wilden üranatutrauchea, der bis in den Sand des Meeres-
ufers seine Wurzeln sendet. Eiche, Buche, Platane, Ulme. Buch «b»um, Ahorn,
fast alle unsre Porstgattungeii dringen »ich dicht aneinander und, von Feuch-
tigkeit gesell wingert, bokleidon sie »ich mit engem Moos- und Epheuüberzug.
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Geographischer Monatsbericht.
251
Erna Akazieuart kann durch die llcwliuflcnlint ihrer von apitzon Nadeln |
«trotiendcn Ä»to dem Iteisenden gefährlich «erden. Die kleinen, enn Wald
umgebenen Teiche wimmeln von V (igeln aller Art, hauptsächlich schönen
Stelrfülslcm. ln den Waldungen rers leckt und sontreut liegen unbedeu-
tende Dörfer, deren Kinwohuer, Tataren oder beaser Tnljrschi, ein wenig Acker-
bau und mehr Viehzucht treiben. Oft ßndot man auch aus Schilf und
Stroh aufgeführte äufserst ärmliche Hütten, ullwo Menschon und Vieh xu-
aammen ein unnützes Knulenxorleben führen. Diese Tataren haben Holz
in Hülle und Fülle, Hände xum Arbeiten, aber sie machen sich nicht
einmal die Mühe, gefallene Äste nach ihrer Wohnung xummmenzutchleppen.
Öfters gebrauchen sie ihre Finger zum Stehlen und zum Hauten mit ihren
(irenxuachbatn. Dime Talpsrhi -Tataren sprechen einen eignen türkischen
Dialekt ron Lenknrü» bis Taljrsch-i-Duläb. Weiter hinaus, spricht man
Ohileeki. Das Hauptdorf, zugleich Reüdenx des Gouverneurs Nusret- Ullali-
t'hiu Dt Karganarud, ld km ungefähr vom lUudc des Meeres im Innern
der Küito gelegen. Hier verbrachten wir 3 Tage im Hause Nusret - tlllahs,
der geradem in mittelalterlichen Wirtvchaftaverbältuiascn als kleiner Despot
regier! und hier und da dem Sclrnli ein Sehnippehen schlägt, woru ihn übri-
gens die von dem richtigen Perser grell abstechende ßrmvour seines Kerrsche
öfters verleiten könnte. Von Karganarud nach Enzeli führt der Weg am
Meeresrande vorbei , selten 2 oder 3 km in den Wald eindriugend. Man
zählt nach „Aghatsrhs“ gleich den persischen „Farsaklis“ und den lurkcs-
taniieheo -Tasc^i oder Seniys" ; d. h. diese Entfernungseiuheiten haben
gar kein bestimmtes Mafs und wechseln von 6 — 9 km. Von Ensoli fuhren
wir über den Murd-ib oder Tote« Wasser nach Pir-i-bogor, und ritten ron
da nach ltescht. Von ltcscht nach Teheran über die Maudjilbrücke, den
Karson-Pafs und Kaswin kamen wir «m ]1. April nach der Hauptstadt
Persiens. Die Heise nnch Meached legten wir über Simnän, Dainjran, Shah-
rud, Uortaiu, Sehzevor und Vischapur in 25 Tagen per Pourgon zurück.
Mesehcd, die heilige Stadt Im .im Itizns, Dt ein Nest fanatischer Dummheit
und das Ziel aller Landstreicher. Dem Europäer Dt hier nicht immer das
Leben gesichert. Land und Lcuto in Persien sind uns herzlich zuwider
geworden. Von Mesched reiten wir nach Scrochs und Mcrw, um von dort
das Land Baktricn, Hauptziel unsrer Quer fahrt durch .Asien, zu erreichen.
Nach ciuor Notiz der „Turkestanischen Zeitung” vom
6. Mui 1886, Nr. 17, befindet sich dor Entowolog Grum-
Grthsmailo gegenwärtig auf einer neuen Forschungsreise
durch das Thian -schon- und Pamir - Gebiet. Er beabsichtigte
ursprünglich am 1. April vou Margilan in Ferghaua aufzu-
brechen, war jedoch durch die Ungunst dor Witterung
und durch die Unmöglichkeit, so früh schon in die noch
verschneiten Gebirge vorzudriugen , genötigt, die Abreise
bis zum 20. April hiuauszuschioben. Die beabsichtigte
Marschroute ist die folgende. Von Oscb nach Norden an
den MaiU-ssu, diesen aufwärts und über den Pafs Kasyk-
bel an den Naryn, Sson-kul, Tschatyr-kul, Kuschgar, Jun-
manjar, Pamir, Kung-kul, Kara-kui, Alai, Kitschi-Alai (Klei-
nes Alai) und längs der Akbura zurück nach Osch. Geo-
graphisch von besonderer Wichtigkeit wäre dio Ersteigung
des Ostrandeg des Pamir längs des Janman-jar, weil wir da-
durch vielleicht Genaueres über den Bau der Kisyl-art-Kette
und über die Beschaffenheit der sie durchschueidenden Thal-
schluchten erfahron dürften. Grum-tirshimailo vertritt die
schon von .Muschketow vorgetragene Ansicht, dafs der
Thian- schau einerseits und Alai -Gebirge und Pamir zwoi
getrennte Systeme bildeten und dafs letztere zum Hindu-
kusch-System gehörten. Der Querriegel, welcher gegen-
wärtig beide Systeme verbindet — zwischen den Pässen
Torek-dawan und Ssujok-bel — , hob sich erst in späterer
Zeit, als TbiuD-schan und Alai-Pamir bereits von einer ge-
sonderten Tierwelt belebt waren. Für diose Ansicht hofft
der Reisende neue Bestätigungsmomente aufzufiuden. Er
beabsichtigt speziell den Gang dor Vorbroituug der Tier-
welt vom Thian -schau zu Alai und Pamir und umgekehrt
zu verfolgen.
(Mittoil. vou Dr. Wilb. Geiger in München.)
Col. Lockharts Expedition hat von Gilgbit und Tschitral
aus den Hindu Kusch überschritten und am 1. Juni Kala
Pändsch (Kila Punjab) am südlichen Quollflufs dos Amu-
Durja erreicht. Von hier brach sie am 5. Juni auf und
gelaugte um 10. Juni nach Zebah in Badakschan ; sie hat
sich also im allgemeinen auf den Routen dos Punditen
Munschi bewegt. Col. Lockbart traf am 12. Juli wieder
in Gilgbit ein , während sein Begleiter Col. Woodt-
liowpo in Badnkshan zuriickhlicb, um Vermessungen auszu-
ftlhron.
Indien und Tibet. — Wer über Indien, Land und
Leute, und seine gegenwärtigen Zustände sich unterrichten
will, ohno eingehende Studien zu machon, dem sei das
ueuesto Werk des onglischen Dichtors Edwin Arnold, India
revisited (8°, 324 pp.; Ixmdon, Trübner, 1886), bestens
empfohlen. Von einer fast enthusiastischen Liobo zu der
wichtigsten Besitzung Grofsbritanuiens beseelt, bat der Ver-
fasser es trefflich verstanden, die Vorzüge des Landes, dio
guten Eigenschaften der Bevölkerung hervorzuhoben ; und
gcgrüadoto Ursache bat er auch dazu, da or, welcher in
den meisten seiner Dichtungen das Loh Indiens gesungen
hat, von Europäern wie von Einheimischen in ehrenvollster
Weise aufgenommen und gefeiert wurde. Vou woitergebon-
dem Interesse sind namentlich dio Eiubliuke in die An-
schauungen und die religiösen Gesinnungen der einheimi-
schen Bevölkerung, welcho er in eingehenden Unterredungen
mit ihren Priestern zu ergründen sich bemühte. Auch
über die Annäherung zwischen Europäern und Indiern in
dor politischen Verwaltung des Landes spricht er sieh an-
erkennend aus, wenngleich or zugesteht, dafs dio britische
Herrschaft es noch nicht verstanden hat, eine wirkliche
Zuneigung sich zu erringen.
Dio englische Gesandtschaft nach Tibet unter Führung von
Mr. Macaulay weilt noch immor in Darjeeling, da die chine-
sischen Behörden daB beliebte Spiel wiederholen , welches
auch Przewalski, Graf Szöchenyi u. a. kennen gelorut haben,
indem sie unter allorlei Vorwänden ihre frühere Zusage
zum Besuche dieses letzten erschlossenen Landes zurückzu-
nohmen suchen. Die Aussicht, diese Schwierigkeiten aus
dem Woge zu räumen, ist nur gering.
China. — Dankbar ist es zu begrüfsen , dafs 11. C.
Henry eine Reihe von Schilderungen über Kreux- und Quer-
züge in der Provinz Canton und auf der Insel Hainan, welche,
in den Monatsschriften „China Review“ und „Chinese Re-
corder“ zerstreut, nur dem Spezialisten bekannt geworden
sind, durch dio Zusammenstellung unter dem Titol: „Ling-
Kam, Interior viows of Southern China, includiug explora-
tious in tho hitherto untraversed island of Hainan“ (8®,
511 pp., mit 3 Karten; London, Partridgo & Co., 1886;
6 sh.) allgemein zugänglich gemacht hat. Vor allem ver-
dienen seine Wanderungen durch Hainan, welche Insel
zum erstenmal 1882 durch den dänischen Missionar Jere-
miassen in verschiedenen Richtungen durchkruuzt worden
war , dio Beachtung des Geographen und Ethnologen , da
Bie den erston Aulschlufs über die topographischen Ver-
hältnisse des den Europäern bisher verschlossen gewesenen
Innern, wie auch über die Ureinwohner der Insel, die Li,
welche den Chinesen nooh nicht unterworfen worden konn-
ten , gewähren. Zu bedauern ist es, dafs die Aufschlüsse,
wolchc Henry gewährt, nur in recht- rohen Kartenskizzen
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Geographischer Monatsbericht
niedergelegt uml nicht zuvor durch die Hand eines erfahr-
nen Kartographen gegangen sind.
Zwei Jahro nach Veröffentlichung dos Berichtes ülior
die erste Reise des cuglischen Konsular- Agenten Al. Hotte
(s. Mitteil. 1884, S. 230) in den SW - Provinzen Chinas
liegt nunmehr auch die Karte seiner sämtlichon Reiserou-
ten vor (Proceod. R. Googr. Soc. 1886, Nr. 6), welche
teilweise mit dou Forschungen von v. Richthofen , Gill,
Buher, Iiocher, Garnier u. a. zusatumenfallen. Wichtig
ist besonders die Route von Ning-yuan-fu nach Tali-fu,
welche durch bisher unbetretenes Gebiet hindurchfuhrt. Auf
dieser Route an dum Orte Tung-pei Ting ist der Endpunkt
des Handels von Rurmah nach dem westlichen Jlinnan, die
Gebiete nördlich von diesem Punkto worden von der Pro-
vinz Szotschuau mit Waren versorgt. Selbst von einer
Vorbesserung der Handelsstraßen zwischen Burmah und
Jünnan erwartet Hosie, wie auch Babor, keinen hesoudoru
Vorteil für britische Hnudolaiutoresse» ; die natürliche Ein-
fuhrstrnfso nach Ssutschuan ist der Yaugtsekiang und nicht
die gebirgigen unwegsamen Distrikte des nördlichen Jünnan.
Ein Mitglied der britischon Gesandtschaft in Peking,
Mr. Räume, steht im Rogriff, eine Expedition in den süd-
westlichen, am wenigsten bekannten Teil der Provinz Jün-
nan anzutroton, deren Dauer auf 2 Jahro borechnot ist.
Afrika.
Tunis. — Das Roudairesehe Projekt der Inundicrting der
Schotte im südlichon Tunis und Algier ist vorläufig beisoite
gelegt worden, wenn auch die Anhänger derselben von dem
goringcn Nutzen ihrer Ausführung noch nicht überzeugt
sind. Nachdem die iin vorigen Jahre gemachten Versuche,
artesische Brunnen in dem Gebiete von GabeB zu orbohren,
sehr befriedigende Resultate geliefert haben , will Major ,
Landet, welcher seit dem Tode Roudnires die Untersuchun-
gen fortsotzto, zunächst soine Tbütigkoit auf die Erbohrung
woitorer Brunnen und Schöpfung von Oasen in deren Um-
kreise beschränken und dann den Bau eines Hafens an der
Ausmündungsstelle des früher beabsichtigten Speisungskana-
los am Ouod Molah, 19 km nördlioh von Gabes, in Angriff
nehmen. (Gazette googr. 1886, Nr. 22.)
Diese Änderung des Projektes, nämlich statt eines zu-
flufslosen und der Versumpfung ausgesctxten Binnensees
ein von Ähron und Palmen wogendes grünes Meer zu
schaffen , wird natürlich auch die Zustimmung der Gegner
der Inundiorung finden ; jedenfalls verspricht sie von gröfso-
rer Bedeutung für Handel und Waudol im südlichen Tunis
zu werden, wie auch der englische Generalkonsul It. L.
rlayfair, welcher gelegentlich einer Rundreise längt der lune-
titchen Küste im Oktober und November 1885 dieses Gebiet
bosuchte , betont (Blucbook 4651 mit 3 Karten). Überall
hatte er Gelegenheit, den günstigen Einflufs dor französi-
schen Okkupation auf die Entwickelung des Landes zu
konstatieren. Eingebend beschreibt Playfair die Insel Djerba;
den Meeresteil, welchor die Insel vom Festlande trennt, glaubt
er mit dem Triton -See der Alten identifizieren zu können.
Sonogambien und Guinea. — Das kleine Kano-
nenboot „Niger“, welches 1883 nach dom obern Niger
zum Schutze der dortigen französischen Stationen trans-
portiert. wurde, hat während des im September und Ok-
tober 1885 stuttgofuudencn Hochwassers unter der Leitung
des französischen Kommissars, Capit. Delanneau, seine Re-
kognosziorungon (s. Mitteil. 1885, S. 30) stromabwärts bis
zur Stadt Diafaraboh an der Einmündung des von der
Stadt lljenne kommenden Hinterwassers fortgesetzt. Die
einet so volkreiche Stadt Sansandig, zu Mungo Parks und
auch zu Mages Zeit noch ein wichtiger Handelsplatz , bil-
det nur noch einen Trümmerhaufon , da die Stadt nach
langer Gegenwehr von den Tukuleurs erobert worden ist.
Abwärts von Sansandig bildet, der Niger einen durch zahl-
reiche Inseln weit verzweigten Lauf. Unterhalb Diafara-
beh hören Waldungen an den sumpfigon Ufern fast gänz-
lich auf. Auf dem Rückwege wurde mit der Stadt Nvamina
ein Schutzvertrag abgeschlossen, und die dortige Besatzung
der Tukuleurs vertrieben.
Eine Reihe wichtiger, wenn auch roh ausgeführter Kar-
ten über die angrenzenden Gebiete von Sierra Leone ent-
hält ein kürzlich ausgegebenes Blaubuch (C4642; 4 sh. 4 d.),
welches namentlich mit Berichten über Dämpfuug von Un-
ruhen, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen verschiede-
nen Völkerschaften , Erkundigungen über Ilandelsstrafsen
ins Innere Bich befaßt. Viol Neues biotot namentlich dio
Karte „shewing journey through part. of the Settlement of
Sierra Leone in March, April and May 1885“, welche eine
Route des politischen Agenten E. Peel von Port Lokkoh
im Binnenlande bis zum Bagruh - Flusso , sowie die Reisen
von Peel und Major Testing zwischen den Flüssen Sulymah
und Mnunah enthält.
Dio zeitweilige Existenz des deutschen Schutzgebietes
Dembiah veranlaßte die französische Regierung, den süd-
lichen Distrikten der Kolonie Senegal, den sogen. Rivieres
du Sud, mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden , indem sie ein
kleines Kriegsfnhrzeug „Goüland“ daselbst stationierte. Der
Führer desselben, Leutnant Coffinihret de Kordeei, benutzte
soinen Aufenthalt daselbst, um genauere Aufnahmen im
Mündungsgebiet des Rio Nunez und der Küste bis zum
Rio Pongo zu machen, sowie Studien Uber dio Stämme der
Nalus , Bagas u. a. anzustellen. Karte und Beschreibung
soincr verschiedenen Exkursionen bringt die französische
Wochenschrift „Le Tour du Mondo“ 1886, Nr. 1321
und 1322; die zahlreichen lllustratiouen sind in der bei
diesem Blatte gewohnten Meisterschaft ausgeführt.
Während Rob. Ed. Flogol im Anfang 1885 nach Deutsch-
land zurückkehrto, um dort durch rastlose Agitation die
zur Ausnutzung der von ihm geplanten Kolonisation des
Beuuo-Gebiotos erforderlichen Kapitalien aufznbringen, ging
die National African Co, welche nach Ankauf der französi-
schen Faktoreien am Niger uud Bonuo den Handel ausschließ-
lich ausübte, energisch vor, die ihr drohende Konkurrenz im
Koimc zu orstickeu. Im Februar 1885 bereits sandte sie in
aller Stille den bekannten onglischen Reisenden Jot. Thomton
nach Sokoto, dessen Sultan gegen eino jährliche Subsidie der
mächtigen Gesellschaft beide Ufer des Benue und seiner
Noboufiüsso auf einer Strecke von 30 miles (48 km) über-
ließ und zugleich das ausschließliche Monopol dos Handels
und der Mineralausbeute in soinern Reicho einräumte. Ein
ähnlicher Vertrag wurde auch mit dem Sultan von Gandu
betreffs beider Ufer des Niger von Lokoja bis oberhalb Ssay
abgeschlossen. Die National Africau Co ist, da Adamana
Tributärstaat von Sokoto ist, alleinige Besitzerin dos Nigor-
Bunuo-Gobietes geworden, und die durch die Kongo-Konferonz
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Geographischer Monatsbericht
253
gewährleistete Handelsfreiheit in diesem Gebiete ein toter
Buchstatie geworden. Als Hegel im Juli 1885 wieder am
Niger eintraf, war es zu spät, der Gesellschaft den errun-
genen Vorsprung wieder abzujagen; er mufste sich be-
gnügen, in Wukuri eine Station zu grUnden (Mitteil. Afrik.
Gesellsch. 1886, Nr. 1). In geographischer Beziehung
ist Thomsons Reise leider reBultatloB geblieben , da er auf
der Rückreise seiner Tagebücher und Aufnahmen beraubt
worden war. Auf Flegels Route von 1880 — 81 hatte er seine
Reise zurückgelegt , seine Aufnahme fand er überall kor-
rokt. Abweichend von Flegels Angaben stellt Thomson das
Reich Bussang wio auch das kleine Borgland Eugaski als
Tributärstaat von Gaudu hin (Journ. Manchester Geogr.
Soc. 1886, II, Nr. 1, mit Skizze). Durch königliches Pa-
tent vom 10. Juli ist die National African Co in ähnlicher
Weise wie die einstmalige Ostindischo Kompanie mit fast
unumschränkten Souveränitätsrechten ausgestattet wordon.
Westäquatorialafrika. — Von Rogozinskis Dar-
stellung der Hiuterlando vou Kamerun (Poterm. Mitteil. 1884,
S. 7) zeigen die Ergebnisse von Dr. Sekicarz jüugstor
Reise *) , welche ehenso schnell nusgearbeitet worden sind,
wie die Reise ausgeführt wurde, so bedeutende Abweichun-
gon, dnfs notwendigerweise dio Arbeit oines dor beiden Rei-
senden ein Phnntasiestück soin mufs. Und in dorThut erhobt
Dr. Schwarz gegen seinen Vorgänger den direkten Vorwurf,
dafs or dio Gegenden, welche or schildert, gar nicht gesehen,
sondern nur nach Erkundigungen bei Eingebornen in Text
und Karte niedergelegt hat. Man dürfte nun wohl erwarten,
dafs der Verfasser irgend welche bestimmtere Beweise als
nur soino eigne Behauptung für dio Richtigkeit seiner
schweren Vorwürfe beibringen, namentlich durch ganz
genauen Nachweis des gewonnenen Materiales die Zuverläs-
sigkeit seiner eignen Karte erhärten würde ; doch wider Er-
warten gowährt Schwarz’ Darstellung keinen Einblick in
seine Aufnahmen, wir erfahren nicht, wie er das Material
seiner Karte gewonnen hat, ja nicht was für Instrumente
benutzt worden sind. Wenn auch Rogozinskis Karte in
diesen Mitteilungen veröffentlicht wurde, so haben wir doch
keine Veranlassung, Beine Verteidigung zu Übernehmen;
die Gerechtigkeit aber verlangt es , wenigstens darauf hin-
zuweisen , dafs Dr. Sobwarz nicht immor in begründeter
Weise Rogozinski angreift. Dieser hat z. ß. nicht be-
hauptet, den Mbu-See (Elefanten -See) besucht zu haben,
sondern den Ruhm seiner Entdeckung überläfst er seinem
verstorbenen Begleiter Tomczek; und dafs dieser Geolog
den Memch erreicht und don Mbu-See bofahren hat, das
wird Dr. Schwarz, nachdem Tomczeks Darstellung durch
die Reise dor boiden Schweden (Ymer 1885, Taf. 6; Deut-
sche Geogr. Blätter 1886, Taf. 2) Bestätigung gefunden hat,
auch nicht bestreiten können. Dr. Schwarz zog von Vic-
toria auf der von den Schweden und Dr. Zöller zuerst be-
gangenen Karawaneustrafso über Mapanga und Buea nach
der Missionsstation Bakundu-ba-Namboleh und verfolgte
von hier aus die grofse Strafse ins Innere noch 5 kloine
Tagereisen bis Kimendi, eine Tagereise weiter als Rogozinskis
fernsten Punkt (?) Kumba, wo die wahrscheinlich durch die
Kamerun- Händler nufgcstachelto Bevölkerung dor Bafaromi
l) K»m*rnn. Kei«e in die Hiattilande der Kolonie. 8°, 387 SS.,
mit Karte. Leipzig, Frohborg, 1886. M. lu-
den Durchzug nach dem Kalabar verwehrte. Auf etwas
östlicherer Routo ging Dr. Schwarz zum Mungo zurück,
den er von Maudame stromabwärts befuhr. Judonfalls wäre
es eines Versuches wert gewesen , auf einer Seitenrouto
die durch den Handelsneid der Kameruner errichtete Sperre
zu uuigohon oder zu durchbrechen.
Die Vermutung Tomczeks und der Schwoden in Kame-
run, dafs der Menieh den Oberlauf des Rio del Rey bilde,
hat nach einer Mitteilung der letztem (Deutsche Geogr.
Blätter 1886, Nr. 2, S. 140) keine Bestätigung gefunden.
Durch mehrere Reisen des deutschen Gouverneurs in Kame-
run, F'reiherm p. Soden, und Aufnahmen des deutschen Kbt.
„Habicht“ ist nnchgewioson worden, dafs dor Momoh iden-
tisch mit dum östlich vom Rio del Rey mündenden Rumbi ist,
während die von den Schweden als Tributäre des Alt Kala-
bar angesehenen Wassorläufo in den Mokasse sich ergiefsen,
welcher als selbständiger Flufs ins Delta des Rio del Roy
mündet. Der Rio del Rey selbst, welcher wio der Alt-
Kalabar eine grofse Ausbiegung nach N macht, wurde
während einer siobontägigen Fahrt auf einer Dampfbarkasse
des „Habicht“ ca 200 milos (320 km) stromaufwärts verfolgt.
Aus den zwar gedrängten, aber doch ungemein reichhal-
tigen und vortrefflich zur Orientierung geeigneten halbjähr-
lichen Übersichten über die Fortschritte der Entdeckungs-
geschichte, welche Charles Muunoir und Henri Duvoyrier don
Semesterbänden der illustrierten geographischen Wochen-
schrift „Le Tour du Monde“ boigeben, erhalten wir dieses
Mal (1886, LI, p. 421) die erston ausführlichem Nach-
richten Uber die Expedition, welche Jacques de Jiratza, der
jüngere Bruder des unlängst zum Generalgouvornour des
französischen Kongo-Gebietes ernannten Forschers Savorgnan
de Brazza, vom Ogotoe nach Norden geführt hat. Am 10. Juli
1885 war er von der Station Madivillo aufgobrochon ; einen
Monat lang durchzog er dichte Waldgebiote der Umbotes
und Ossotes, gelangte dann auf Steppen im Bereiche der
Mbokos und ontdockto am 3. September unter ca 1° 30'
N. Br. einen bedeutenden Tributär des Kongo , Sekoli.
Durch das Gebiet der Okotas konnte dio Expedition bis zu
den Giambia unter 2° 30' N. Br. Vordringen, wo sie nach
einmonatlichem Aufenthalt in dem Dorfo Doku durch den
Widerstand der Bewohner zur Umkehr genötigt wurdo.
Woitor nach N im Gebiete der AbBnhaB und Pupus sollen
tieh dichte Waldungen ausbreiten. Wieder am Sekoli an-
gekommen, liefs de Brazza Kähne horsteilen, um den Flufs
stromabwärts zu verfolgen ; nach einmonatlicher Fahrt wurdo
dio Mündung des Amboli erreicht, wo der Flufs bedeutend
gröfsero Dimensionen anuimmt. Am 1. Januar 1885 ge-
langte die Expedition nach der Station Mbongo.
Während die französischen Reisenden sich bemühen,
durch Untersuchungen zu Lande Klarheit über diu Beschaf-
fenheit dos französischen Anteiles am Kongo- Gebiete zu
gewinnen, beschränkt sich die Verwaltung des Kongo-
Staates beharrlich auf Wasserfalirton, auf Erforschung der
Tributäre des Kongo mittels ihrer Dampfer, und selbst in
diesem Streben bat sie den Löwenanteil bisher dem engli-
schen Missionar Grenfell überlassen. Vor 7 Jahren hat.
das belgische Kongo-Unternehmen bogonnon, seit mehr als
5 Jahren sitzen dio Belgier am Stanley - Pool , mohrore
Dutzend Stationen, welche zum gröfsten Teile wieder auf-
gegeben werden mufsten, wurden am Ufer gegründet; aber
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Geographischer Monatsbericht
noch konnte von keinem Versuche berichtet werden, die
Beschaffenheit des Landes kennen zu lernen, die Schätze
im Mineral' und Pflanzenreiche, welohes dieses vielleicht
besitzt, zu erschließen. Es ist ja richtig, daß zunächst
eino Grundlage geschaffen werden mußte, welche als Aus-
gangspunkt solcher Forschungen zu benutzen war; dieselbe
war aber vorhanden, als dio Expedition am Stanley -Pool
fest gegründet war , und jedenfalls durfte dio Forschung
zu Lande nicht so lange vernachlässigt werden, so daß
selbst an der wichtigen Eingangspforte zum Kongo-Staate,
am Stanloy Pool, unsro Kenntnis von Land und Louten
schon wenige hundert Meter von Jaiopoldvillo landeinwärts
ihr Ende erreicht. Durch diese unausgesetzten Flußfahr-
ten , wolcbe insofern vordionstlich sind , als sie dio Hydro-
graphie von Inuerafrika schneller klarstellun als durch
Landreisen, scheint die Regierung des Kongo-Staates anzu-
deuten, daß sie ihr Augenmerk in erster Linie auf Förde-
rung des Haudols, auf Erschließung neuer Ilandelswego,
auf Hinleitung des Handels aus dem ganzen Kongo-Gebiete
nach Stanley Pool richten will , während dio Erschließung '
des Landes selbst und seiner Hilfsquellen hintangesetzt
werden soll. Wenn die Afrikanische Gesellschaft in Deutsch-
land ihr Augenmerk nicht gerade auf diese Seite der Er-
forschung des Kongo -Gebietes gelenkt und ihre Roisenden
auf Forschungen zu Lande ausgosaudt hatte, unsre Kenntnis
desselben wäre bouto noch gerade so dürftig wie vor 7 Jah-
ren. Auf den Resultaten deutscher Forschung fußend, konnte
Leutnant Wißmoun auf soinor zweiton, im Dienste des
Kongo -Staates unternommenen Roßo den Unterlauf des
Kassai feststellen, und dieser Erfolg Wißmanns bildet wie-
der die Grundlage für die Entdeckung einer neuen Wasser-
straße, oder richtiger der Fortsetzung dos Kassai -Wasser-
weges nach Osten. Seitdom Leutuaut Wißmanns Flußfahrt
den Zusammenfluß von Sankuru und Kassai entdeckt hatte,
konnte ein Zweifel nicht mehr obwalten, daß dieser San-
kuru identisch sein würdo mit dom von Poggo und Wiß-
mann überschrittenen Sankuru oder Lubilasch; den wirk-
lichen Nachweis, daß diese beiden Flüsse identisch sind,
hat Wißmanns Begleiter, Dr. Wolf, geliefert durch eine
ca 800 km lango Fahrt auf dem Sanhtrtulrom (Mouvement
geograph. 1886, Nr. 13), welchen er bis 5° 30' S. Br.
verfolgte; er mußte also Pogges und Wißmanns Üher-
gangspunkt bei Katschitsch passiert haben. Unter 4® 20'
traf Dr. Wolf einou östlichen, schiffbaren Tributär, welcher
der Loinami sein soll, uud befuhr denselben ca 140 km.
Durch diese Entdeckung scheint ein bedeutend kürzerer
Schiffahrts- und Handelsweg in diu arabischem Einfluß
unterliegenden Gebiote des Kongo-Beckens und nach ihrem
HauptstUtzpunkt, Nyangwo, gewonnen zu sein, dünn die
Überlandroute vom Lomami nach Nyangwe ist noch wesent-
lich kürzer, als die zur Umgehung dor Stanley- Fälle des
obern Kongo erforderlicho Lamlreise. Wio Rov. Grunfull
(Missiouury Herald Juli 1886) mitteilt, schickt sich dor
bekannte portugiesische Händler Saturnino de Souza Machado
bereits an, die neuo Handelsstraße des Kassai für seine
U nternehmungen auszunut zen.
Don Kassai selbst hat jetzt auch Rov. Grtnfcll mit seinem
Dampfbooto „Peace“ verfolgt bis zu der neuen Station
TiUebo an der Müuduug des gleichnamigen Flusses in den
Luluu. Unterwegs entdeckte er drei südliche Zuflüsse des
Kassai, wulcho von Leutnant Wißmann und v. Francois nicht
beobachtet worden waren. Da dieselben au der Mündung
nur 60 — 80 m breit sind , so hat die von Leutnant
v. Nimptsch (Mouvement 1886, Nr. 13) vermutete Identität
eines derselben mit Leutnant Kunde Kuilu nur geringe
Wahrscheinlichkeit für sich, denn dieser hatte an dor Über-
gangsstelle oine Breite von ca 400 m. Als wichtigster
Beitrag zur Kenntnis des Kongo -Beckens stellt sich immer
mehr die von den Leutnants Kund und Tappenbeck ausgeführte
Reise durch das Gebiet de* Kos tat- Sankullu t) (s. Mitteil. 1886,
S. 127 u. 150) heraus, denn sie waren die ersten, welche nicht
auf Wasserstraßen das Kongo-Gebiet kennen gelernt haben,
sondern zu Lande ihre Forschungen anstellten und somit die
ersten Nachweise über Kulturfähigkeit des Kongo -Gebietes
lieferten. Das Gebiet zwischen Kongo und dem Westufer
des Koaugo stimmt mit dem linken Kongo -Ufer überein;
längs des linken Koango - Ufers dehnt sich eine ca 70 km
breite Hochebene aus, welche ihrer Unfruchtbarkeit wegen
fast ganz unbewohut ist. Im Osten des Koango bis zum
Kassai - Sankullu bessert sich diu Kulturfähigkeit, die Be-
deckung mit Humus nimmt zu, ebenso die Ausbreitung dos
Waldes, welche im N des Kassai zu ununterbrochenem
Urwald sich verdichtet. Dio Entdeckung der drei schiff-
baren Flüsse Wambu, Saio und des bedeutenden Kuilu,
welche, mit dem Koango vereinigt, dem Saukullu Zuströ-
men, vor allem aber dio des wichtigen Lukonjo, welcher
Stauleys Loopold D.-Soe speist, sind wichtige Erweiterungen
für die Kenntnis des Kongo • Gebietes ; der Lukenjo oder
Lukatta, dessen von Kund vermutete Identität mit Pogges
Lukalla (östlich vom Lubilasch) nach Dr. Wolfs Fahrt auf
dem Sankullu und Lomami nicht mohr aufrecht erhalten
werden kann, dürfte sich ebenso wie der Sankullu als oine
kürzere Verbindungsstraße zwischen den Gebieten des obern
Kongo und Stanley -Pool erweisen. (Vorhandl. Gesellsch. f.
Erdkunde, Berlin 1886, Nr. 6, mit Karte.)
Der Versuch, dem in den ägyptischen Aquatonalpro-
vinzon abgeschnittenen Forscher Dr. Junkor und den bei
ihm befindlichen Dr. Emiu-Boi und Kapitän Casnti, Hilfe
zu bringen und ihnen den Weg zur Ostküste zu öffnen, ist
vorläufig mißglückt. I)r. G. A. FücJier, welcher von dom
Bankier Junker in St. Petersburg mit dieser Hilßexpedition
betraut wurde, ist am 21. Juni nach einjähriger Abwesen-
heit wieder in Sansibar eingetroffen. Da dio ungünstige
Stimmung des Herrschers von Uganda den Durchzug durch
dieses Lund vorbot, so trat Dr. Fischor Anfang Januar von
Kagei aus soinen Vormarsch um dio OstkÜBte des Victoria-
Sees an, in der Absicht, Uganda im Norden zu umgehen,
um mit den bedrängten Forschern, welche nördlich von
Unjoro in dor Gegond dos Somorsot-Nil vormutet wurden,
sich zu vereinigen. Aus dem un Prof. Bastian gerichteten,
leider verstümmelt eingetroffenen Telegramm und einem am
15. Juni von Wauga datierten Briefe geht hervor, daß Dr.
Fischur, welcher die bisher unbekannten östlichou Uferland-
schaften des Victoria durchziehen mußte, bis zum Baringo-
See gelangte ; hier herrschte Hungersnot, seine auf Uganda
l) Dor Name Kassai, »eichen die l’ortngieseu dom obern baute geben,
kennen die Ringebornen in den ton l/cutnnnt Kund betretenen Distrik-
ten nicht; hier heifat der Fluf« stet« „Sankullu”, uud hierdurch wird an-
gedeutet, dnfs dieselben nicht den Kassai, sondern 1’okrca Sankuru als
Oberlauf atuehen.
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Geographischer Monatsbericht.
255
berechneten Waren, namentlich feino Zeuge, waren nicht
gangbar, der unter den Massai als Marktgegenstand Ublicho
Messingdraht war schnell verbraucht, und so sah sich I)r.
Fischer , seiner Subsistenzmittel beraubt, zur Umkehr ge-
zwungen , die er über den Naiwasoha-Soe und durch die
Landschaft Kikuju glücklich bewerkstelligte. Warum Dr.
Fischer Dicht den Versuch gemacht hat, von Händlern die
ihm nötigen Artikel zu erwerben odor von Sansibar sich
nachsenden zu lassen , darüber wird der bald zu erwar-
tende ausführliche Bericht Aufschlufs geben.
Inzwischen truf in Sansibar Auskunft über die Lage
von Emin - Bei und Genossen ein , welche durch Vermitte-
lung dos englischen Ministeriums dem Auswärtigen Amte
in Berlin übermittelt wurden. Am 2. Juli soll in Sansibar ein
Brief von I)r. Junker, datiert vom 10. Februar, eingetroffen
sein ; derselbe herichtet, dafs der König von Uganda sein
Nachbarreich Unjoro, bei dessen Herrscher Junker sich auf-
hielt, mit Krieg überzogen uud in einem heftigen Treffen
geschlagen haben. Junker, welcher seine sämtlichen Samm-
lungen verlor und nur seine Tagebücher retten konnte, soll
mit dem Könige Kabrega in die Gebiete südlich vom Albert-
See geflohen sein. Emiu-Bei befand sich mit Gasati nach der-
selben Quelle wieder am obern Nil in Wadelai, wo er den
Versuch machen wollte, seine Provinzen auch fernerhin
für die ägyptischo Herrschaft zu erhalten. Wenn auch
diese Mitteilung noch weiterer Aufklärung bedarf, da nichts
über den Ort von Junkers Aufenthalt, über die Ursache
von Emins Rückkehr in seine Provinz gesagt wird, so ist
sie au uud für sich nicht unglaubwürdig, da einesteils die
Zeit von 4^- Monaten — 10. Februar bis 2. Juli — völlig
ausreicht, um eine Botschaft vom Albert-Soo nach Sansibar
gelangen zu lassen, anderseits auch der Ausbruch cinos
Krieges zwischen Uganda und Unjoro durch die englischen
Missionare in Uganda bestätigt wird; auch der Zeitpunkt
dieses Krieges befiudet sich mit dem Datum von Junkers
Briefe in Einklang. Mackay schreibt, wie uns von dem
Sekretär der Church Missionury Society froundlichst mit-
geteilt. wird , am 31. Januar:
„Vor einigen Tagen trnf hier die Nachricht »in, dafv Dr. Emin sich
in Kubregax HzupUUdt liefimir, wnriuf «dort der Krieg erklärt wurde,
welcher schon hingst beabsichtigt war, dessen Ausbruch nher sich noch lang»
hätte verzögern können. Da nun aber ein Wcifcer mit dem aufrührerischen
Herrscher sich vereinigt hatte, so mufste er gefangen genommen und getötet
werden. Wir geben una der Hoffnung hin, dafs Emin sich nicht dort be-
findet oder doch noch Norden in seine Provinz flüchten kann. Wir sehen
jetzt, wie recht wir gehandelt haben, nicht in den König zu dringen, dafs
er Kmin und Lupton hierher holen lasse, wie uns der (ieuernlkonsul em-
pfohlen hatte. Wir kannten nur zu gut den hinterlistigen Charakter der
hiesigen Gewalthaber.'*
Die um 5. Juli in London eingotroffeno Post vou Ost-
afrika bracht« keine neuen Nachrichten aus Uganda. Hoffent-
lich bringt die nächste Post die Briefe Junkers, dann läfst
sich, namentlich unter Berücksichtigung von Fischers Rat-
schlägen, eine Entscheidung treffen, in welcher Woiso den
bedrängten F’orschem jetzt noch Unterstützung zugeführt
werden kann.
Amerika.
"Wir hätten es nicht der Mülle wert gefunden, von dom
famosen Projekte des amerikanischen Ingenieurs John Good-
ridge jun., dor durch Abtprrrung der Labradontrömung mit-
tels eines Dammes durch diu Bolle - Islo - Strafso zwischen
Labrador und Neufundland das Klima der östlichen Verei-
nigten Staaten verbessern und europäisieren will, Notiz zu
nehmen , wenn dasselbe nicht auch in unsre Tagespresso
Eingang gefunden hätte, und selbst das „Ausland“ (Nr. 29),
eitio Zeitschrift, dio man sonst ernst zu nehmen gewöhnt
war, dem amerikanischen Woltvorhesseror auf den Leim
gegangen wäre. Nicht der böse Polarstrom bringt dem
östlicbon Nordamerika den kalten Winter, sondern die mitt-
lere Verteilung dos Luftdruckes. Horr Goodridge müßte
zuerst ein Mittel erfinden, um den winterlichon Barometer-
stand über dem nordamerikanischen Kontinent tiefer zu
machen als Uber dem Nordatlantischen Ozean , denn der
schönste Golfstrom (oder richtiger Floridastrom) nützt einer
Küste nichts, so lange Land winde vorherrschen. Wer nur
eiuigermafseu mit der Klimalehre vertraut ist, weifs , dafs
die ektropisclion Westküsten unsrer Hemisphäre — der
alten Welt ebenso wie dor neuen — in erster Linie des-
halb klimatisch begünstigt sind, weil sie auf der Aquatorial-
8uito dor grofsen subarktischen Cvklonen liegen und daher
Seewinde empfangen, welche dio Luft vom wärmorn Ozean
und von südlichem Breiten landeinwärts tragen. Aach
Nordamerika hat milde Winter: an seiner Westküste; auch
unsre nlte Wolt hat ihre anormal kalte Küste: die asia-
tisch-pacifische. Der Gegensatz vou West- und Ostküsten
bleibt bestohen, auch wenn Herr Goodridge den Labrador-
strom zwingen sollte, einen etwas östlichem Weg einzu-
sclilagon ; denn diosor Gegensatz beruht auf der Verteilung
des Luftdruckes und dieser wieder auf dom thermischen
Gegensatz von Wasser und Lund. Doch dies sind Funda-
mentalsätze , Uber welche man sich in jedem guten Lehr-
buch unterrichten kann; es dauert aber bekanntlich lange,
bis wissenschaftliche Erkenntnisse durchsickern, und solten
erobert eino im Sturme die Welt. (Supan.)
Alaska. — Eine vielversprechende Unternehmung hat
der durch seine Reise nach King William -Jzand 1879 — 81
und seine Ynkon-Fahrt. 1883 bekannte Leutnant Fr. Schwatka
am 14. Juni von Port Townsend angetroton : sio gilt dor
Untersuchung der Mount Elin» - Alpen in Alaska; nnter gün-
stigen Umständen soll sogar dio Besteigung des Mount
Elias versucht werden. Mit wissenschaftlichen Beobach-
tungen, namentlich topographischen Aufnahmen und Hölien-
roessungen, wird sein Begleiter, Prof. W. Libbey vom Prince-
ton College, sich befassen. Die Expedition ist ausgerüstet
auf Kosten der New York Times.
Vereinigte Staaten. — Auf Anregung von Prof.
W. M. Davit in Cambridge hat der Appalachian Mountain
Club in Boston an seine Mitglieder dio Aufforderung er-
gehen lassen zur Beobachtung und Registrierung von Erd-
beben in den Neuougland- Staaten, namentlich aber in New
Jlamjwhire , welcher Staat unter allen Gebieten östlich von
den Rocky Mountains am häufigsten von Erdhoben heim-
gesucht zu worden scheint. (Science 25. Juni 1886.) Es
dürfte 9ich jedenfalls empfehlen, diese Beobachtungen nicht
ausschließlich an subjektive Wahrnchmuugen anzuknüpfen,
sondern wenigstens an einigen Orten Erdbebenmesser auf-
zustellon, welche besser als persönliche Beobachtung Rich-
tung, Dauer uud Heftigkeit der Bewegung angeben.
Polargebiete.
Gerade 10 Jahre, nachdem Weyprecht auf der Natur-
forscherversammlung in Graz den Stab Uber Polarexpeditio-
Geographischer Monatsbericht.
256
nen gebrochen hatte , tritt ein Polarreisender, Leutnant
John W. Danenhotcer , Mitglied dor „Jeannotto“ -Expe-
dition , in soine Fufsstapfon , indem er in einom Vortrage
im U. S. Naval Institute (Proceedings 1885, XI, Nr. 4)
in noch entschiedenerer Woiso das Stroben nach weitern
Eutdeckungon innerhalb des Polurkroises vorwurf, weil, wie
er bei der kritischen Durchmusterung der in den letzten
20 Jahren ausgeführten Expeditionen nachzuweisen suchte,
dio Opfer an Menschenleben und die Kosten in einem un-
günstigen Verhältnisse zu den gewonnenen Resultaten stän-
den. Die zahlreichen arktischen Forscher, welche teils
persönlich zu der Diskussion erschienen waren , teils ihre
Ansichten übermittelt hatton, Capt. Nares, Leut. Grecley,
Ingenieur Melvillc, Dr. Rink und CI. R. Markhum, konnten
den Ausführungen Danenhowers nicht zustimmen, und mit
Rocht, denn gerade die Erfolgo der in den letzten 20 Jah-
reu ausgeführten Reisen widerlegen seine Ansichten , wie
CI. R. Markhum darlegte. Schon die Behauptung, dafs
Polarexpoditionen nicht gewinnbriugond seion, ist hinfällig;
hat die Erschliofsung neuer Jagdgründo im amerikanischen
Archipel und ijn Norden der Beringsstrafse, welche wir den
Franklin - Expeditionen verdanken, den schottischen und
amerikanischen Walfischfängern nicht reichen Gewinn ge-
bracht? Hat sich dasselbe nicht durch dio Erschliofsung
der Jagdgründu im Kurischen Meere für die norwegischen
Walrofsjügor wiederholt? Ebenso unzutreffend ist die Be-
hauptung, dafs alle vorgoschlagouen Routen zum Polo
schou zur Genüge versucht worduu sind. Diu Ostgrönland-
routo ist erst ein einziges Mai untersucht worden, von der
Koldewoyschen Expedition mit einem wenig tauglichen
Schiffe; Franz Josef- Land ist seit Weyprechts Überwinte-
rung bereits dreimal ohno besondere Gefahr, sogar von
einem Segelschiffe erreicht worden , aber eine Expedition,
welche ein Vordringen in hohe Breiten beabsichtigte, hat
dieson Weg noch nicht wieder eingeschlaguu. Leutnant
Hovgaards Vorschlug, von Kap Tscheljuskin aus nach N
vorzudringen, ist noch niemals zur Ausführung gekommen;
ebenso sind die Nousibirischen Inseln noch niemals boi
einem ernstlichen Versuche, sei cs zu Schlitten, sei es zu
Schiffe in nördlicher Richtung vorzugehen, zum Ausgangs-
punkte genommen worden. Sollten Leutnant Danenhowers
Warnungen dazu beitragon , dafs ungenügend ausgerüstete
oder von untüchtigen Kräften geführte Unternehmungen
vorhiudort werden, so ist ein solcher Erfolg natürlich freu-
dig zu begrüfsen; die Kahl der Opfer der Polarexpoditiouen
wird dann nicht gröfser werden, als dio Erforschung andrer
Kontinente gefordert hat und noch fordert. So lange das
Streben nach Wahrheit die Menschheit überhaupt beseelt,
so lange noch Wissensdrang vorhauden ist, so lauge wer-
den Polarexpeditionen zuvorsichtlich nicht unterbleiben, und
bei den Fortschritten der Touhnik, bei den immer voll-
kommener werdenden Hilfsmitteln für Reisen ist die Ent-
schleierung der eisbedeckten Gefilde dos Nordens uud Sü-
dens kein Ding der Unmöglichkeit mohr.
Die von Oberst Gilder (s. Mitteil. 1886, S. 220) ge-
plant« I'olarexpudition ist für diesos Jahr aulgegebon, da der
Roisonde, im Begriffe nach New lx>ndon aufzubrechen, per-
sönlicher Angelegenheiten wogen in Haft genommen wurde.
Dafs dio Ansichten von Leutnant Dauonhower noch
nicht als mafsgebend angesehen werden , dafs Polarexpe-
ditionen noch nicht als abgethane Sache gelten, zeigt
das Eintreten anerkannter Männer der Wissenschaft in
Victoria für dio Ausführung einor Expedition in die ant-
arktischen Gebiete , so dafs die langjährige, beharrliche An-
regung von Prof. Neumayer endlich Aussicht auf Erfolg
hat. Nachdem bereits im Jahre 1885 von dor British
Association eine Kommissiou zur Vorberatung einer ant-
arktischen Expedition ernannt worden ist, hat die Sek-
tion der Australasian Geogr. Society in Melbourne untor
Vorsitz von Baron F. v. Muullor und dio R. Socioty of
Victoria unter Vorsitz des Meteorologen R. L. J. Ellery ein
Antarctic Exploration Committee eingesetzt, welches am
8. Juni d. J. seine erste Sitzung hielt. In Aussicht ge-
nommen wurde zunächst dio Errichtung eiuer meteorologi-
schen Station auf der Macquarie- Insel, daneben aber dio
Notwendigkeit eines erneuten Vorstofses in die südlichem
Gobiet« betont, vou welchem wichtigo Aufschlüsse Uber die
physikalische Geographie, wio auch für unsre Kenutnis der
Erdoberfläche , der Verteilung von Ijand und Wasser zu
erwarten sind.
Ozeane.
Der Schweizer Zoolog, Dr. Conr. Keller, hatte im April
d. J., als er auf seiner auf Kosten der St. Gallener Geogr.-
Kommerz. Gesellschaft unternommenen Reise nach Madagas-
kar den Suez-Kanal passierte, Gelegenheit, diu Fortschritte
in dem Austausch der Fauna zwischen dem Mittelmeer und
dem Koten Meer , welchon or 1882 als der erste nachge-
wiesun hatte, zu beobachten. In soiuen anregenden Reise-
briefen (Neue Züricher Zeitung 1886, Nr. 133 fl'.) teilt or
über seine Beobachtungen, welche namentlich erkennen las-
aon, dafs die Bitterseou immer mehr aufhören, eine Schranke
für die Wanderung dor Meerosbewohuor zu bilden, da jeden-
falls die Verminderung ihres Salzgehaltes durch dun Ein-
flufs des Kanales fortschreitet, folgendes mit: „Der Aus-
tausch hat seit meinem Besuch iui Jahro 1882 entschiedene
Fortschritte gemacht. Nicht nur konnte ich das Vorrücken
langsam wandernder Arten, sondern auch das Eindringen
neuer Formen feststellen. In den Bitterseen hat die Algen-
vegotation eine Zunahme erfahron, und bietet die Tierwelt
nach und nach günstigere Existenzbedingungen. Beispiolweise
haben sich im Timsah -See Mittelmeer -Garneelen in Monge
angesiedolt, während sie vor 4 Jahren noch nicht da waren.
Die Sardinen werden jotzt in den Bitterseon häufig ge-
fischt und finden sich im Roten Meer schon zahlreich. Be-
sonders ergiebig war eino gTöfsere Exkursion nach dem
Kanalstück boi »Serapcum, und ich begegnete dort zahl-
reichen, merkwürdigen ModuBun , welche vom Roten Meer
her einwanderten.“ H. Wichmanu.
(Ge*clilo««eD am 28. Juli 1888.)
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Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
Von S. Nikitin, Chefgeolog des russischen Geologischen Komitees.
Heutzutage kann die aurserordontliche Entwickelung von
Gletschern und die Existonz einer Eiszeit im Laufe der
ersten Hälfte der posttertiären Periode für ein in der
Peterminnj Qeogr. Mitteilungen. 1886, Heft IX.
'Wissenschaft fostgestelltes Faktum betrachtet werdon. Dio
Ansicht, dafB dio sogenannton Goschiebebildungen
Reste eines mächtigen , kolossalen Gletschers waren , der
33
258
Die Grenzen der Gletacherspnren in Rufsland und dem Uralgebirge.
einst Norddoutsckland und Uber die Hälfte dos europäischen
Rufslands bedeckt«, beginnt auoh aus dem Bereiche der
mehr oder minder geistreichen Hypothesen in dio Reihe
der fast allgemein anerkannten, wissenschaftlich bewiesenen
Lehren überzugehen. Der Zustand, in dem die Frage Uber
die Eiszeit sich bofindet, erheischt sowohl die Erforschung
der Yerbroitungsgrenzen der Geschicbebildungen gelbst, als
auch der Entwickelung der Gletscher zur Jetztzeit und
während der Eisepoche, auf den Gebirgsabhängen, die das
Gebiet des grofsen skandinavischen Gletschers , als dessen
Reste wir unsre Geschiebebildungen betrachten, umsäumten.
Diese Nachforschungen sind auch in der Timt in letzter
Zeit allerseits unternommen worden.
Eine ganze Reihe von Untersuchungen der Alpenglet-
scher von seiten der Schweiz und Frankreichs ist durch
Pencks1 *) glänzende Monographie von seiten Deutschlands
würdig gekrönt worden. Der unermüdliche Forscher der
Gletscherphänomene hat uns, nachdem er mit den Alpen
abgeschlossen, mit einem nicht minder interessanten Werke
über dieselben Erscheinungen in den Pyrenäen3 *) beschenkt.
Die Arbeiten der portugiesischen Geologischen Landesanstalt
haben dargethan, dafs die Verbreitung der Gletscher im
Duerothale sich bis zum Moero erstreckt hat3). Die Geo-
logen der Wieuor Geologischen Reichsanstalt, Tiotze, Uhlig*)
u. a. haben dio Erforschung der Spuren früherer Gletscher
im Gobiote dor Karpathen oifrig unternommen.
Die Arbeiten der Herren Credner5), Partsch6) u. a.
bieten ein herrliches Material zur Erforschung derselben
Spuren längs der mitteldeutschen Gebirge. James7) und
Archibald Geikie8 *) haben sich durch ihre Forschungen
auf diesem Gebiete in England und Schottland grofsen
Ruhm erworben. Wenn man die Forschungen E. Favres ®),
Abichs10) und Muschketovs11) über die Verbreitung dor
') A. Penck: Die Vergletscherung der deutschen Alpen. 1882. In
diesem Werlte findet der Leser Hinweise nuf dio lleuptlitteratur in bezug
suf die Erforschung der Alpengletscher.
*) A. l’onck: Eiszeit in den Pyrenäen. Mitteilungen des Verein» filr
Erdkunde zu Leipzig, 1883.
3) Cebral : Estudo de depositoa superficiales da beeis doDuro. Lisboa 1881.
*) S. oino ganxo Reihe von Berichten dieser Herren in den in den
letzten Jahren erschienenen Schriften der Wiener Geologischen Rcichs-
anstalt.
8) Abhandlungen dieses Verfassers in der Zeitschrift der Deutsch. Geo-
logischen Gesellschaft 1876 — 80.
*) Partsch: Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und dem
Mittelgebirge Deutschlands. 1882.
7) Arch. Geikie: On the Phenomena of the Glacial- Drift of Scot-
land. 1863
6) James Geikie: The Great Ice Age. 1877. Prebistoric. Europe. 1881.
®) K. Pittc: Eecherchos gtologiques de la chaine du Caucase. 1875.
ü>) Abich: ßtudes aur les glaciers »ctueb et anciens du Caucase.
1870. — Bemerkungen über die Geröllablagerungen im Kaukasus. Bull,
do l'Aead. de St-IYtcrxbourg 1871. — Erforschung der gegenwärtigen und
frühem Gletscher im Kaukasus. Sammlungen von Mitteilungen über den
Kaukasus. Bd. I, 1871. (Itu »tisch.)
U) Miuchketov: Geologischer Ausfiug nach dem Kaukasus. Milteil,
der russ. Ueogr. Gesellschaft 1882. (Russisch.)
Gletscher auf dem Kaukasus zur Eisepoche hinzufügt, und
endlich die bisher nur in vorläufigen Renditen bekannten
Mitteilungen Muschketovs über die alten Gletscher Mittel-
Asions, so erhalten wir ein ziemlich vollständiges Uild von
den Gobirgsglotschorn während der Eisepocho in Europa
und Mittelasien.
Unter anderm haben diese Forschungen zur Feststel-
lung der zuerst, schon im Jahre 1877 von Peschei in sei-
nem berühmten Werke „Völkerkunde“ (S. 43) erwähnten
Thatsache geführt, dafs nämlich die Verbreitung der Glet-
scher in Europa und Asien während der Eisepocho von
West nach Ost abnahm. Dieses Resultat, zu dem mau auf
dem Wogo genauer Vergleichungen gekommen ist, bringt
seinorsoits die Frago von der Entwickelung der Eisdecke
immer mehr und mehr auf don Standpunkt, boi dem wir
dio frühero Vergletscherung nur als eine aufserordentliche
Verstärkung der jetzt existierenden Glotsohor x) zu betrach-
ten habon. Die mäohtigo Entwickelung des Eisos ging von
den Zentren aus, wo sich noch jetzt dessen mächtige Reste
erhalten haben. Auf deD Gebirgsmassen, auf denen in der
gegenwärtigen geologischen Epoche die Gletscher, ungeach-
tet der verhältnismäfsig bedeutenden Höhe dieser Berge,
schwach entwickelt sind, war auch zur Zeit der Eisepoche
relativ dieselbe Gletschervorbrcitung. Dort endlich, wo jetzt
gar keine Gletscher sind , gab es auch damals keine , oder
es existierten nur lokale Gletschor, die auf keinen Fall in
weite, ununterbrochene Eisfelder zusammenflossen. Hier ist
nicht der Platz, die außerordentliche Bedeutung dieses
auch an don Gletsohorn Asions und Amerikas bestätigten
Schlusses für die Lösung theoretischer Fragen über die
Eisepoche zu entwickeln. Ich werde nur darauf hinweisen,
dafs derselbe die Geologen, die sich mit der posttertiären
Periode beschäftigen, immer mehr und mehr zu dor Über-
zeugung bringt, dafs seit dem Ende der tertiären Periode,
in Europa wenigstens, keine wesentlichen Veränderungon
in den Umrissen dos Festlandes stattgefunden haben. Soviol
uns uusro Kenntnisse Uber die Verbreitung der einstigen
und gegenwärtigen Gletschor im Kaukasus und in den
Gebirgen Mittelasiens zu urteilen erlauben, sind dieselben
auch auf die Grenzgebiete zwischen Asien und Europa zu
beziehen. An dem Glauben, der den verschiedensten Hypo-
thesen als Lieblingsthema gedient hat, dafs hier, aufserlialb
der streng bezeichneten Grenzen des Aralo - Kaspischen
l) A Heim : Gletscherkunde. 1835, S. 551—567.
A. Penck: Vergletscherung der deutschen Alpen, S. 437 ff.
Partsch a. a. 0.
Muechkotov a. a. 0.
Wojeikov: Klimatische Bedingungen der Uletschererseheinungon. Ver-
handlungen der Mineralogischen Gesellschaft 1881. (ltuasiscb.) — Von
demselben: Gletscher- und Eiszeiten in ihrem Verhältnisse zum Klima.
Zeitsehr. d. Deutsch. Gesellsch. f. Erdkunde, Berlin 1881. — Von dem-
selben: Die Klimata des Rrdball*. St. Petersburg 1884. (Russisch.)
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Die Grenzen der Gletscherspuren
Beckens, beträchtliche Verrückungen von Land und Meer
stattgefunden hätten , wird auch von dieser Seite stark
gerüttelt.
Durch die Arbeiten der Herren Berendt1), Penck2),
Creduer3) u. a. ist dor Zusammenhang der Ablagerungen
des sogenannten Gescbiebelehms und überhaupt der Ver-
breitung der skandinavischen Geschiobebildungen im nörd-
lichen Deutschland mit der Entwickelung eines mächtigen
Gletschers festgestellt, der sich einst von Skandinavien aus
über den gröfsten Teil diosor Gegend herabliefs. Die letz-
ten Arbeiten der preußischen Geologischen Landesanstalt4)
bestätigen und entwickeln nur die glänzende Theorie von
einem kolossalen skandinavischen Gletscher, die von To-
rell 5) für Schweden und von dem Fürsten Krapotkin 6 *) für
Finnland entwickelt worden ist. Durch die Arbeiten von
Wolf*), Stur8), Tietze9), Hilber10) und Uhlig11) ist die
südliche EntwickelungsgTenze der erratischen Geschiebe-
bildungen, welche Polen und den nördlichen Teil Galiziens
bedecken , genau angegeben worden. Durch eine ganze
Reihe in den letzten Jahren ausgeführter Forschungen, die
sich an die Grundansicht der Arbeit Krapotkins eng an-
achliefsen, ist in Rufsland die Ansicht entwickelt, dafs der
Geschiebolehm und die erratischen Blöcke ein Moränen-
rest desselben skandinavischen Gletschers seien. In diosor
Richtung sind bo sonders die Arbeiten von Holmerson 12),
Schmidt13 *), Growingk11), Armuscheveki 15) und dem Vor-
faasor16) dieser 8chrift zu beachton, die sich auf bedeu-
') Glotw.herthcorir oder Drift thoorio in Norddentaehland. ZeiUchr. d.
deut-seh. Geolog, GeselUch. 1879.
*) Die Geschiebeform in Nnrddeutschland. Ebend. 1879.
*) Cbor OleUehcrMblilf* bei LeipsiR. Ebend. 1879.
*) S. eine gerne Reibe von Arbeiten preußischer Geologen in „Jahr-
buch der preußischen Geologischen Lindesaustilf für 1880 — 1888.
5) Undennkningar öfver iatiden. Vetenak. Akad. Forhandl. 1872 and
Zeitschrift d. deutsch. Geolog. GeselUeh. 1875, S. 961.
®) Forschungen Uber die Eisaeit. Schrift d. ruaa. Qeogr. Qceellech.
Bd. VII. 1876. (Ruaaiach.)
7) Verband!, d. Geolog. Reichaanatalt 1859. — Ebend. 1860-
S) Ebend. 1860.
°) Jahrbuch d. Wiener Geolog, Uoiclisarutalt 1882, 1. Heft. — Ebend.
1883, 2. Heft.
10) Ebend. 1882, 2. lieft.
11) Ebend. 1883, 3. lieft.
19) Studien Uber die Wanderbldcko. I und II. AHmoiros de l'Acad.
de St.-Pitersbourg 1869 und 1882.
u) Die Berichte Schmidts für die Jahre 1882 — 83 und 1884 in den
Bulletins des Geolog. Komitees. (Russisch.) — F. Schmidt: Mitteilungen
über die glazialen und postglazialen Bildungen von Esthland, ösel und Inger-
manland. Zeitschrift d. Geolog. Geaellach. 1884, 2. Heft.
14) C. Gtevringk: Erläuterungen zur geologischen Karte Liv-, Krth-
und Kurlands. 1879.
15) Armaschcraki : Geologiaehe Gberaicht des Gouvernements Drehend-
gor. Schriften der Naturforscher -Gesellschaft zu Kiew, Bd. VII, 1883.
(Rnasiseh.) — Armaachevskis Berichte über die Erforschung de» Gouverne-
asnts Pultava für dis Jahrs 18B2 und 1888 in d. Bull. d. rasa. Geolog.
Komitees. (Russisch.)
1®) NUcitin: Geologiacbo Gberaicht des Oobielc» Wctluga. Material
für die Geologie BuUsnds, Bd. XI, 1883. (Russisch.) — Allgemeine geo-
logische Karte von Kußlaud. Blatter 56 und 71. Mbmoiree du Comit4
gbol., Vol. I u. II. — N ikitina Berichte über die Forschungen in den
in Rufslarid und dein Uralgebirge.
tendo Fliichou Rufslands beziehen, die von Geschiebobil-
düngen eingenommen sind.
Es ist überflüssig, sich hier Uber die wichtige, ja man
kann sagen universelle Bedeutung auszulassen , die das
Erforschen dor Spuren der Gletscherersehoinungen im Ural
und in Zentralrufsland hat, worüber unter anderra auoh
gegenwärtige 8chrift handelt. Nicht der Geolog allein
schöpft eine Meugo Daten aus den Besaiteten dieser For-
schungen , die viole Seiten des geologischen Baues der
russischen Ebone beleuchten. Die Erforschung der Gesetze
für die geographische Verbreitung auf derselben dor gegen-
wärtig existierenden Tiere, der Pflanzenformen und endlich
dos Menschen ist heutzutage, wie bekannt, mit der Ver-
breitung der Gletscher zur Eisepoche bei uns eng ver-
bunden.
Die möglichst genauen Grenzen des skandinavi-
schen Gletsohers in Zentralrufsland würden wir
erhalten, wenn die Entblöfsungen des angeschichteten Ge-
schiebelehmB und der ihm analogen ungeRchichteten Trüm-
mergesteine und Sandarten, die ungeschichtete Geschiebe
enthalten, auf der Karte aufgetragen würden. Für solch eine
Arbeit sammle ich Daten; sie kanu aber wegen der Größe
der Aufgabe und wegen der Widersprüche der wissenschaft-
lichen Angaben, die oinor Berichtigung an Ort und Stelle
bedürfen, nicht bald orschoinon. Vorläufig kann zu diesem
Zwecke, wenn auch nur in den allgemeinsten Zügen, die Er-
forschung der Grenzlinie der erratischen Blöcke
und Rollsteino dienen, ohno die sie oinschließende Ge-
steinsart in Betracht zu ziehen. Die Bedeutung solcher For-
schungen wird jedoch durch zwei Umständo vermindert, welche
nne stellenweise bewegen, einem Gletscher irrtümlich größere
Verhältnisse zuzuschreiben, als sie in der That waren. Einer-
seits ist durch alle Forschungen der jetzigen und einstigen
Gletscher bewiesen, daß Gletschergerölle und Geschiebe von
den Gletscherbächen und -strömen auf bedeutende Entfer-
nungon fortgetragen und darauf in den obern Teilen dor
Flufsthäler mitten unter alluvialem Material abgesetzt wor-
den sind. Anderseits habe ich mich beim DurchBehen der
russischen geologischen Litteratur in bezug auf die vor-
liegende Frage überzeugt, daß in vielen Forschungen gar
kein Unterschied gemacht wird zwischen wirklichen errati-
schen Blöcken und Gerollen und zuweilen auch sehr be-
deutenden Stücken lokaler Gesteine, die duroh die Kraft
der Flußströmungen und des Flußeises oft in weite Fer-
nen gebracht werden.
Deshalb habe ich mich zu jeder dieser Angaben kritisch
verhalten, aß ioh weiter unten auf Grund der neuesten
Gouvernement* JoroaUv, Twer, Koatroma, Moskau und Wladimir in den
Bull. d. russ. Geolog. Komitees flir die Jahre 1882 — 84. (Ruaaiach.)
33*
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260
Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
Forschungen die Grenzlinie der Fundstätten von Gesehiobe-
bildungen zog, und habe allo zweifelhafteu Fälle beseitigt,
wo sich irgend eine Möglichkeit bot, den Gerollen einen
rein alluvialen Ursprung zuzuschreiben, besonders wenn
die Angabe gefundener Gerolle nicht von einer umstand*
liehen Beschreibung der Ablagerungon, in denen sie gefun-
den wurden, begleitet ist. So eino kritische Analyse des
Ursprunges der Geschiebe wird durch dio petrographische
Beschaffenheit derselben, zugleich mit der geographischen
Lage ihres Fundortes wesentlich unterstützt. Gerolle von
gleichen petrographischen Bestandteilen bieten bei weitem
nicht überall gleich überzeugende Beweise ihres erratischen
Ursprunges. So z. B. können Granitblöcko, die im mitt-
lern Rufsland als herrliches leitendes Element dienen, nicht
als solches im Gebiete des Dnjopr und Don gölten , we-
nigstens nicht ohno die genaueste mikroskopische Unter-
suchung ihrer petrographischen Bestandteile, da in den
letztgenannten Gebieten solche abgerundeten Geröllo höchst
wahrscheinlich lokalen Ursprunges von kristallinischem Ur-
gesteine sind. Findet man aber im Gouvernement Kiew
Geschiebebildungen mit Fossilien aus dem nordwestlichen
Silur oder Steinkohlenkalk, so dient es im Gegonteil als
untrüglicher Beweis, dafs es erratische Findlinge sind. Be-
sonders charakteristisch aber für den gröfsten Teil Rufs-
lunds, der ehemals vom skandinavisch -russischen Gletscher
bedeckt war, sind eine Menge Geschiebe von typischem
roten Olonetzschen Sandstein (Schokschinskyschor Stein),
der längs der ganzen östlichen Grenzo der Gcscbiebobil-
dungen von dem Flusse Medweditza bis zur Wotluga und
Wytschegda verstreut ist.
Auf Murchisons Karte ging die Vorbreitungs-
grenze der erratischen Blöcke in Rufsland, wie
man weifs , aus dem nördlichen Toile Galiziens durch den
Norden des Gouvernements Volhynien an den Flufs Pri-
petj, von da zwischen den Gouvernements Tschernigov und
Mohilev, dann weiter südlich bis zur Stadt Putiwl und
den Flufs Seim, machte darauf eino scharfe Biegung gegen
Nordon bis Kosclsk und Peremischl im Gouvernement Ka-
luga, ging hierauf auf Krapiwnu im Gouvorneraent Tula
zu , und dann nach Süden bis zur Stadt Woronesh ; von
hier aus zog sich die Grenze in nordöstlicher Richtung,
durchschnitt die Gouvernements Rjasan, Tambow und
Nishuy- Nowgorod, ging dann weiter zwischen den Flüssen
Unsha und Wjotluga und längs des nordöstlichen Zweiges
dor Wolga -Dwinschen Wasserscheide hin. Diese Grenze
ging zwischon den Flüssen Nem, Petschora und Kolwa fast
dirokt bis auf dou Ural zu, worauf sie gegen Nordwest
längs dos westlichen Abhanges des Timanschon Gebirges
abbog. Als Grundlage für dio Augabun dieser Grenze
dienten drei grofse Expeditionen der Herren Murchison,
Blasius und Keyserling. Dio vollständige Abwesenheit von
Gerölleu Bnnländisch -kristallinischer Gesteine, welche von
Keyserling für das Potschora-Gobiet konstatiert worden ist,
war dio Ursache, dafs die Grenze gegen den westlichen
Abhang des Timanschen Bergrückens abwich. Als höchst
wichtig erscheint das bereits von Murchison aufgoBtellto
Faktum , dafs die Verbreitungsgrenze der Geschiebe im
Süden und Osten Rufslands eine allgemeine nordöstliche
Richtung hat mit zwei gegen Süden bei den Städten Pu-
tiwl und Woronesh vortretenden Spitzen. Wenn bei gegen-
wärtig herrschender Ansicht Uber die erratischen Rollsteine
dio Verbroitungsgronze derselben, wie obon gesagt, mit
derjenigen des Gletschors auch nicht fUr übereinstimmend
gelten kann, da dio Geröllo durch die Kraft fliefsender
Wasser nochmals eino Strecke weitor getragen worden konn-
ten, so zeigt doch dio Richtung und der Umrifs des von
ihnen eingenommenen Gebietes auf den Verbreitungscharak-
ter des Gletschers im allgemeinen. Auf diese Weiso zeigt
ein Blick auf Murchisons Karte, dafs das erratische Material
mit der Annäherung an den Ural nicht nur nicht zunahm,
was notwendig hätte sein müssen, wenn dieser Bergrücken
selbst das Zentrum der Gletscherentwickelung gewesen
wäre, sondern dafs es im Gegenteil in einiger Entfernung
von demselben abbrach und sich demselben nur in einem
Punkte, bei dem Anfänge dos Flusses Wytschogda, näherte.
Sehen wir jetzt, wie dio nachfolgenden Forschungen
die Grenzen des Gebietes dor orratisohon Blöcko und zu-
gleich auch des skandinavischen Gletschers in Rufsland
verändert, haben. Froilich kann dioso Grenze jetzt nur in
den allgemeinsten Zügen angegeben werden, da für den
gröfsten Teil Rufslands ausführliche geologische Forschun-
gen fehlen, bei denen aufserdem die Geschiebolager oft
gar nicht beachtet worden sind. Es ist auch selbstver-
ständlich, dafs meine Forschungen, die fast ausschliefslich
auf einem aus der Litteratur geschöpften Material gegrün-
det sind, nicht auf Originalität Anspruch machen dürfen,
dafür aber auch nicht für die Unrichtigkeiten der mitge-
teilten Fakten verantwortlich gemacht werden können. Ich
stehe nur für die Vollständigkeit dos gesammelten Materials,
aus dem ich alles Zweifelhafte, Unbewiesene und Unwahr-
scheinliche zu scheidon bomüht war.
Im Gouvernoment Volhynien *) ist die Grenzo der Ge-
schiobobildungen nur etwas gegen Südost, ungefähr bis
zum Flufsthal des Styr, gerückt. Im ganzen übrigen Gouver-
nement, aufser dem nördlichen Kreise Owrutsch, wird dio An-
') Oeovtki : Geologische Ohereieht das Gouvernement« Volhynien.
1807. (llussiacli.) — Karbol- de -Maroij und Kaipiiuki : Ideologische For-
schungen ira Gouvernement Volhynien. 1873. (Kuasiscb.) — Barbot-de-
Mnmij: Geologische Forschungen in den Gouvernement» Kiev, l’odolien
und Volhynien. Verhandl. d. Minenlog. GejelUch. , Bd. VII, 1872.
(Konttch.)
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Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
Wesenheit nördlicher erratischer Blöcke abgosprochen. Duni-
kovski1 *) weist darauf hin, dafa er nördliche orratische Blöcke
Ton Granit, Syenit und Quarzit längs dos obern Laufes
des Flusses Bug, im nördlichen Teil von Podolien, zwi-
schen den Städten Proskurov und Mendshibosh gefunden
hat. Abgesehen davon , dafs dieses Faktum allen ubrigon
Forschungen sowohl der österreichischen als der russi-
schen Geologen widerspricht, welche die Grenzo der nörd-
lichen Geschiebebildungen viel nördlicher bezeichnen, kann
ich nicht umhin, Herrn V. IThlig*), der Herrn Dunikovskis
Arbeit referiert bat, darin boizustimnien, dafs der nördliche
Ursprung der Blöcke von diesem Verfasser durchaus nicht
begründet ist. Die Arboiten von Dubois (1831) und Feo-
filaktov (1851) zeigen hier dagegen, den ganzen Bug ent-
lang bis zur Stadt Protkurov inkl., Hervortrittspunkte von
Urgraniten, wie sie auch auf der Karte von Podolien von
Barbot-de-Marnij angegeben sind. So erklärt sich das Yor-
handeuscin von Granitblöcken ira Löfs bei der Stadt Pros-
kurov auf ganz natürliche Weise durch die oberflächliche
Zerstörung derselben, wenigstens vorläufig, bis eine genaue,
vergleichende mikroskopische Untersuchung nicht von dem
Gegenteil überführt. Duroh dio umfangreichen Forschungen
des Hrn. Armaschowski 3 *) wird die Entdeckung der Prof.
Feofilaktov und Borissjak von unzweifelhaft nördlichem Ge-
schiebe bei Kiev und Pultawa auf einen grofson Teil Klein-
Hufslands ausgedehnt. Es hat sich erwiesen, dafs erra-
tische Geschiebebildungen das ganze Tschernigovsche und
den östlichen Teil dos Kievschen Gouvernements bedeoken,
und dafs die Gronzscheide durch die Kreise Owrntsch,
Kodomyslsk, Wassilkow und Swonigorod geht. Barbot-de-
Marnij*) und Armaschewski wollen auf keinen Fall eine
weitere Verbreitung der Geschiobehildungen nach dem Süden
zu, ins Gouvernement Cherson, anerkennen. Im Gouverne-
ment Pultawa fuhrt Armaschewski dio Grenze der Ge-
schiebe zwischen don Flüssen Psjel und Worskia hindurch.
Von liier nach Norden weicht die neue Greuze im Gebiete
der Gouvernemonts Kursk , Orel , Tula fast in niohts von
den von Murchisou gegebenen Daten ab, die für annähernd
richtig , und die Abwesenheit von Geschiebebildungen bis
zu den Gebieten der Flüsse Shisdra und Upa für bewieson
zu halten sind. Dafür hat das Gebiet der Geschiebebil-
dungen östlich von Woronesh oine bedeutende Erweiterung
erlitten. Pacht5) hat erratische Blöcke im Gouvernement
') Zeitschr. d. deutsch. Geolog. Gesellseli. 1884, Nr. 1.
3) Verbund I. d. Geolog. RoichsonstnU 1884, Nr. 13.
3) Armaschewski: Du Gouvernement Tsehcrnigov, a. u. 0. — Be-
richte Ober die Forschungen im Gouvernement Pultawa, a. u. 0. (Kuv
noch.} — Seine persönlichen, noch nicht veröffentlichten Mitteilungen.
*) Baibot-de-Muoij : Geol. Übersicht de« Oouvcm. Cherson. 1869, X.
4) Pacht : Ocognostische Forschungen von Woronesh bis Samara. (Ball,
d. üeogr. GeselDch. 1856. (Russisch.) — Kbend. Beitrüge zur Kenntnis
des Rassischen Reichet. 1858.
Tambov und im westlichen Teil des Gouvernements Pensa
gesehen. Kulibin l) hat ihre Verbreitung im ganzen Gou-
vernement Tambov angegeben und bewiesen, dai's die Süd-
grenze von Woronesh aus durch den südlichen Teil des
Ussmanschen Kreises in den nördlichen von Borissoglebak
geht Die Forschungen von Sintzov 3) und Dokutsohaiev s)
haben die Verbreitung der Geschiebebildungen nach Süd-
osten bis zum Flusse Medweditza verfolgt und die südliche
Grenze längs der Eisenbahnlinie Griasy — Zarizyn bis zu
dem Busuluk (einem Nebenflüsse des Choper) , der Art-
schoda (einem Nebenflüsse der Medweditza), der Tersa
und bis zum rechten Ufer der Medweditza in ihrem obern
Laufe erweitert. Noch vor Sintzev hat Prof. Borissiak*)
darauf hingewiesen, dafs südlich von Woronesh bis Ostro-
goshsk und längs der Choper und der Medweditza Granit-
blöcko und andre Geschiebe vorkämen. Derselbe Forschor
verneint die Existenz von Geschiebebildungen ira Gouverne-
ment Kursk am Donetz und längs des ganzen Don unter-
halb Ostrogoshsk. Auch in don nördlichen Teilen des
Gouvernements Charkov zeigt er auf eine vollständige Ab-
wesenheit von Goschiebebildungcn. Aber am mittlern Laufe
des Donetz hat er von Zeit zu Zeit Blöcke kristallinischer
Gesteine gesehen, obgleich man stark daran zweifeln kann,
dafs es nördlicho erratische Blöcke seien , in anbctracht
dessen, dafs solche im ganzen nördlichen Teile des Gou-
vernements Charkov, laut Angabe des Herrn Borissiak selbst,
vollkommen fehlen, und auch in anbetracht dessen, dafs es
wiederum nach seinen Angaben im ganzen Gouvernement
Charkov keinen erratischen Grus und Goröllo und koinen
besonder» erratischen sandhaltigon Lehm gibt. Dafs es
am Donetz Granitgeröllo gibt, läfst sich dadurch erklären,
dafs nördlicher, im südlichen Teile des Gouvernements
Woronesh, mehrfach Urgranitgesteine auftreten. Nach den
bereits erwähnton Forschungen der Herren Pacht und Ku-
libin und der bewiesenen Abwesenheit von Geschiebebil-
dungen im Gouvernement Simbirsk zu urteilen, geht die
östlicho Grenze längs des westlichen Teiles des Gouvorne-
monts Pensa, ungefähr auf Serdobsk, Mokschansk uud wei-
ter auf Sarantk , Ardatov (Gouvernement Simbirsk) , längs
des untern Laufos dor Sura bis zum Gouvernement Kasan5).
Wegen der mangelhaften Erforschung des Gouvernements
') Kuiibin : Gcognostische übersieht de* Gourcmemcnta Totnbor. Ver-
band!. d. Minenlax. GaxlDeli. I, 1886. (Russisch.)
3) Sintzer: Allgemeine geologische Karte Kurlands. Bl. 93. Memoire*
du Com. Geol. Vol. II, 1885. (Hum: sch.)
3) Dnkutschaier: Der römische Tseheraosera. 1883. (Russisch.)
*) Borissiak : Sammlung Ton geologischem Material lür Südrufaland
1867. (Russisch.)
S) Wangenheim t. Qualen. Ball, de la Soc. de Ultimi. d« Moscou
1852, Nr. UI.
Möller: Dos Gouremement Nishni- Nowgorod. Material lür die Geo-
logie Rufslands, Bd. VI, 1874- (Russisch.)
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262
Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
Peima und der daran stofsenden Teile andrer Gouverne-
monts kann übrigens die Verbreitungsgrenze der Geschiebe-
bildungen auf der Strecke zwischen dem obern Laufe der
Medweditza und dem Suragobiete noch nicht mit vollkommner
Genauigkeit bezeichnet werden. Als Resultat der Forschun-
gen in den Gouvernements Simbirsk und Saratov bleibt es
jedoch jedenfalls fostgestollt, duls diu nördlichen erratischon
Geschiebebildungen auf keine Weise bis zum rechten Wolga-
Ufer gehen. Die letzten Arbeiten von Dokatsuhaiev ') zei-
gen, dafs die Verbreitungsgrenzo nördlicher Geschiobobil-
dungcn schon in den östlichen Toil dos Gouvernemonts
Nisbui-Nowgorod tritt, denen er im gröfsten Teile dos Ge-
bietes zwischen den Flüssen Piana und Sura nicht weiter
bogognot hat. Jenseit der Wolga mufs auf Grund mei-
ner persönlichen Beobachtungen®) und der Forschun-
gen von Baron Rosen3) die Grenze Murcliisons bis ans
rechte Wetluga- Ufer versetzt werden, wo das Gebiet nach
Osten hin aufhört. Den obern Lauf der von Norden kom-
menden rechten Nebenflüsse der Wetluga umbiegond, geht
die Grenze der Geschiebebildungen laut Krotovs Beobach-
tungen nach Süden, dabei ins Gebiet der Wetluga-Quellen
eingreifend. Von hier aus wendet sich die Scheidegrenze
laut der höchst ausführlichen Forschungen Krotovs4 *) kurz
vor dor Stadt Kotelnitsch nach Nordon, durchschneidet die
Nebenflüsse der Wiatka, Moloma und Letka, umbiegt Orlov,
Wiatka und Slobodsk und zioht sich, die Wiatka durch-
schneidend , gegen Osten , in der Nähe des rechten Ufers
der Tschepza, zu den Ausflüssen der Wiatka hin.
Leider bleibt uns die fernere genaue Richtung der erra-
tischen Geschiebe noch immer nicht ganz deutlich. Herr
Iwanow, der im Aufträge dor Kasanor Naturforscher-Gesell-
schaft den oborn Lauf der Kama bis Ussoljo im Jahre 1879
erforschte, hat bis jetzt seinen vollständigen Bericht noch
nicht veröffentlicht. Aus don kurzen Angaben, die or in
einer Sitzung dieser Gesellschaft, den 21. Dezembor 1879,
gemacht hat, ist zu ersehen, dafs das Gebiet der obern
Kama von Geschiebebildungen bedeckt ist, und dafs die
meisten Rollstoiuo aus Bergkalk , Feuersteinen und quarz-
haltigem Sandstein bestehen. Ob auch Blöcke kristallini-
scher Gesteine gefunden wurden , und namentlich welcher,
was in diesem Falle das höchste Interesse bietet, darüber
äufsort sich dor Roferont gar nioht- Einem Teile dieser
') Dokstscboiev : Mstorisl für Titrierung der Ländereien im Gouverne-
ment Nishni. Die Kreise Sergatsch und Lnkitnov. 1834. (Kusdich.)
*) Nikitin: Die Gegend bei Wetluga. Material für die Geologie Hufs-
lands, Bd. XI, 1883. (Russisch.) — Allgemeine geologische Karte Bufs-
lands. Bl. 71. Memoire« du ComiW G*ol., Vol. II, 1885.
3) Baron Hosen : Bericht über einen geologischen Ausflug. Beilage
zum Protokoll der Kasaner Naturforscher - GcselUehaft für das Jahr 1878
bia 1879. (Ruseisch.)
4) Material für die Geologie des Gouvernements Wiatka. III. Schrif-
ten der Kotaner Naturforscher-Gesellschaft, Bd. VIII, 1879. (Uuxaiocb.)
Blöcke ist wahrscheinlich erratischer Ursprung zuzuschrei-
ben, obgleich die beständige Verwechselung in unsrer geo-
logischen Littcratur der wirklichen erratischen Blöcke mit
gewaschenen Felsstücken und Rollsteinen lokaler Gesteine,
die in unsern Flufsthälern ganze Lager bilden, höchst vor-
sichtig zu sein empfiehlt, wenn auf Grund unbewiesener
Angaben Ubor gefundene Geschiebe ohne sorgfältige Ver-
gleichung derselben mit don lokalen Grundgesteinen, und
ohne die Beschreibung dor Ablagerungen, in denen sich
die Gerolle befinden, ein Schlufs gezogen worden soll. Im
gegebenen Fallo z. B. erwarten wir, dafs Herr Iwanov in
seinem vollständigen Bericbto ausführlich erkläre, dafs die
an der obern Kama gefundenen Blöcke Dicht zu den Sand-
und Kalksteinen der permischen Arten und der Stufe der
bunten Mergel gehören können, die hier überall entwickelt
sind und von Herrn Iwanov in derselben Sitzung referiert
wurden. Das eine aber scheint vollkommen glaubwürdig,
dafs nämlich an der Kama , unterhalb Ussolje , von errati-
schem Geschiebe auch nioht die Spur vorhanden ist1 *).
An diesem Flusse wird nur auf abgorundeto Kioselsteine
von Karbonkalk mit Fusulinen kingewiesen, welche jeden-
falls den zahlreichen Eutblöfsungen lokaler Grundgesteine,
teils an dor Kama, doch hauptsächlich an doron Unken
Nebenflüssen angehören. Zu domselbeu Schlüsse bringen
uns Stuckonborgs®) Untersuchungen des aUernördUchsten
Nebenflusses der Kama, der Kolwa, und der Wasserscheide
zwischen diesem Flusse und den Ausflüssen der Petschora.
Dieser Forscher bat, wie aus seinen Arbeiten zu ersehen
ist, eingehende Beobachtungen der Geröllefundstätten ge-
macht, und dessenungeachtet nur an einem Punkte, am
Ufer des Tschussowa- SeeB, einige abgerundete Sandstein-
blöcke gefunden. Das waren, wie er sagt, die ersten Ge-
rolle, donon er auf dem Wogo begegnete. FreiUcb haben
solche Blöcke mit dor Thätigkoit dor Gletscher nichts zu
schaffen und gehören den iu diosor Gegend überall ent-
wickelten pormischon oder Steinkohlen -Sandsteinen an, die
durch die Kraft strömender Wasser abgerissen und ge-
rundet worden sind.
Nur bei dom Übergang in das Potsohora-Becken
beobachtete Stuckenberg ziemUoh viele Gerölle, wenn auch
von geringer Dimension. Ijeider weist er auf die petro-
graphischen Bestandteile derselben nioht hin. Jenseit des
Überganges aber in don Tkälern der Wolosnitza und der
Petschora trifft Stuckonborg schon ziemlich viele Rollsteine,
und zwar von don verschiedensten Bestandteilen : Granit,
Gneifs, Kalk, Schiefer und Sandstein. Ganz dasselbe bo-
’) Sattxev: Das geologische Profil der Kama-Ufer, übend. Bd. VII,
1878. (Itaasiach.)
*) Stuckonborg: Die Gegend an der Petachora and die Timanscha
Tundra. Material für die Geologie Rublands, Bd. VI, 1875. (Russisch.)
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Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
263
hauptot auch Hofmann, der vor Stuckenberg denselben Weg
genommen hatte; auch er hat orratischc Blöcko kristalli-
nischer Gesteine nirgends gesehen, als nördlich vom Über-
gänge ius Petschora-Beoken * *). Wenn sich erratische Blöcke
an der obern Kama und endlich auoh im westlichen Teile
des Tscherdynsohen Kreises vorfinden, so geht doch deren
Grenze , vom Uralgebirge stark abweichend , in nördlicher
Richtung und schliefst sich an die Wasserscheide in dem
Punkte , wo zwischen den Nebenflüssen der Wytschegda
und der Kama auf Murchisons Karte diese Grenze nach
Keyserlings Angaben dem üralgebirge am nächsten kommt.
Es mufs jedoch bemerkt werden, dafs Mnrchison diese Nähe
der Scheidegrenze der skandinavischen erratischen Blöcke
zum Ural hier vollkommon schematisch angezeigt hat. Nach
Keyserlings®) Worten müfste sio bedeutend westlicher ge-
rückt werden, denn die lotzten kristallinischen Gerolle fand
er an der Wytschegda , zwischen der Wyscliera und der
Keltma beim Dorfe Anybskoe. Weiter am Flusse hinauf
hat er nur abgerundete Stücke kanonischen und permischen
Kalkes, d. h. der hier in den Entblöfsungon entwickelten
Grundgesteine gesehen. Dasselbe wird auch von Barbot-
de-Marnij s) behauptet ; auch er hat am obern Laufe der
Wytschogda nur Kieselsteine von Bergkalk und jurassischem
Gesteino mit gut konservierten Fossilien, als Spirifer, Bolem-
niten und Aucellen gefunden, was ebenfalls nuf den lokalen
Ursprung dieser Gesteine hindentet Das alles bestätigt,
wenn auch nicht mittelbar, dafa die kristallinischen Gerülle
an der Wytschegda nordwestlichen Ursprunges sind, und
nicht vom Timan oder Ural stammen, denn im entgegen-
gesetzten Falle würde ihre Anzahl gegen Osten nicht ab-
nehmen, sondern im Gegenteil anwachsen. Auf dem Ti-
mauschen Gebirge, wenigstens in dessen südlicher Hälfte,
hat Keyserling weiter keine Blöcke kristallinischer Arten
gesehen, die man dem skandinavischen Geschiebe im Wyt-
schegda-Gebiete gloichstellen könnte. Gerade auf der Ti-
manschen Wasserschoido hat er wohl, mitten im Sande,
grofse Blöcke Quarzit und Kieselschiefer gesohen, aber die-
selben konnten auch von lokalen Grundgestoinen stammen *).
Bemerkenswert ist, dafs Keyserling dieselbe Abwesenheit kri-
stallinischer Gesteine im Flufsbette auch auf seiner Rück-
reise an dor Wym5) konstatiert, an der er, wio auch an
don Abhängen dos Timanschen Bergrückens, eine Mengo von
Blöcken und abgebrochenen Stücken gesehen hat, die aus-
J) Hofmann : Der nördliche Ural. 1856, S. 216.
Keyserling: Wissenschaftliche Beobachtungen auf einer Reise in das
Potschora-Land 1846, S. 349—352-
9) ßarbot-do-Marnij : Reise in die nördlichen Qouvemcmenta Rufülandg.
Verband!, der Minor. Gccellsch. 1868. (Rujtiieeh.)
*) Keyserling a. a. 0., 8. 855.
O) In dem untern Laufe dieses Flusses Wym waren die Verhältnisse
während Keyserliuga Expedition fiir geolog. Beobachtungen ungünstig.
schliefslich aus Kalkstein lokalen Ursprungs bestehen J). Ira
Resultat dieser Forschungen, die sich auf das gesamte Ma-
torial unsrer Kenntnisse von der östlichen und nordöstlichen
Grenze des von erratischen Blöcken eingenommenen russi-
schen Zentralfeldes gründen, sehen wir, dafs diese
Fläche scharf und von allen Seiten vom Ural
getrennt ist, und wenn sie aufser Skandinavien und
Finnland mit irgend einem andern Zentrum der Gletscher-
entwickelung zusammenhängt, so ist es allenfalls mit dem
Timanschen Gebirge, von dem ein Teil zur Eiszeit vom
Gletscher bedeckt war, wovon weiter unten dio Rede sein
wird. Der Ursprung der erratischen Blöcke des russischen
Zentralfoldos , dessen Umrifs durch die oben angeführte
Grenze gemacht worden ist, hatte Bchon seit Murchisons
Zeiten nicht don geringsten Zweifel erregt, obgleich die
Ansicht Ubor deren Ühertragungsweise sich seitdem radikal
verändert hat. Alle Forscher erkennen einstimmig den
finnländischon und olonetzschen Ursprung deijonigen von
ihnen an, die aus kristallinischem Gesteiue bestehen; und
in der 'l'hat, wem es vorgekommen ist, unsre Gerolle mit
Sammlungen aus den Gouvernements Finnland und Olonotz
zu vorgleichen, mufs vou dor Identität derselben überrascht
gowoson sein. Dieselben grauen Nonnalgranite , dieselben
roten Granite mit Oligoklas und derselbe charakteristische
Rapakivi, dieselben Diorite, Diabase und Glimmerschiefer,
derselbe schioforige, fleischfarbige Quarzsandstoin (Schok-
sohinschor Stein), sind auf der ganzen Fläche, von Kiev,
Woronesh, Arsamas, Wetluga bis zu der Wytschegda und
der Dwina verstreut. Alle Eigentümlichkeiten der Geschiebo-
arten verschiedener Gebiete Rufslands bestehen hauptsäch-
lich nur in den Bestandteilen der kalkigen , sandigen und
andern Gerolle, die .den Ablagerungen entsprechen , durch
welche der Gletscher gekommen ist. Ich selbst habe eine
Menge grauen Sordobolschon Granit, Rapakivi, besonders
aber Schokschinschen Stein, im ganzen Gebiete der Unsba
und Wotluga verstreut gesehen, ganz ebenso, wie ich sio
auch in den übrigon Gouvernements Zentralrufslands beob-
achtet habe; mir ist kein einziger kristallinischer Block
dieser Gegend vorgekommen, für welchen unter den jetzt in
bedeutendem Mafse erforschten finnländischen und olonetz-
schen Gesteinsarten kein Analogon zu Enden wäre. Gegen
don allgemein anerkannten nordwestlichen Ursprung der
Geschiebe des zentralrussisohon Foldes ist übrigens kürz-
lich, wie es scheint ohne genügenden Grund, der Kasaner
Geolog Krotov8) aufgetreten. Er meint, dafs die ira nörd-
!) Keyserling a. a. 0., S. 400—403.
*) Material für die Geol. des Goar. Wiatka III; Schriften der Ka-
saner Katurforachergeaellschaft. Beil, rum Protokoll dieser Gesellschaft
Nr. 67. 1883. — VorL Ber. für d. J. 1884. Ball. d. Geolog. Komitee
1885, Nr. 4.
264
Die Grenzen der Gletacherepuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
liehen Teil dos Gouvernements Wiatka vorherrschenden Ge-
rolle von grauem Granit, Quarzit und Quarzsandstein ura-
liscbon Ursprunges seien, während ich, nach Erforschung
dos Nachbargebietes Wetluga, die ebenfalls unter dem Roll-
steine vorherrschenden Quarzsandstoine und grauen Gra-
nite unbedingt Air solche Grundgesteine halte, deren Aus-
trittspunkte mir an den Ufern dos Ladoga- (Sordobolj) und
Onega-Soes (Schokscha) bekannt sind. Krotov beweist soine
Behauptung 1) indem er sagt, dafs dio Wiatkaor Geschiobo
in der Nähe (?) dos UralB liegen. Meiner Berechnung
nach liegt die von Krotov erforschte Gegend von dem
nächsten Punkte des nördlichen Urals , an dem man die
Existenz eines alten Gletschers zugeben könnte 1 * 3 *), in einer
Entfernung von 600, und von dem Onega-See in einer
Entfernung von 900 km, was den Reweisanfuhrungen Kro-
tovs jede Bedeutung nimmt, da es bewiesen ist, dafs Schok-
schinscher Sandstein bis zum Flusse Medweditza, auf eine
Entfernung von 1200 km von dem Ursprungsort fortge-
tragen worden ist. 2) Krotov sagt, dafs grauer Granit
und Quarzsandstein im Ural in so grofsor Menge sich
findet, dafs das Vorherrschen derselben in den Gescbiebe-
blöcken von Wiatka vollkommen erklärlich ist Aber auf
die zweimalige Anfrage, zu welchen Uralsandsteinen und
Graniten namentlich er diese Wiatkaer Blöcke rechnet, fährt
er fort, darüber zu schweigen. Granit abor hat am west-
lichen Abhange des nördlichen und mittlem Urals weder
Krotov, noch ein andrer aufser ITofmann bis zu jüngster
Zeit in situ gesehen8), und auch dieser hat ihn jenseit
des 64. Breitengrades, hoch im Norden nach dem Über-
gänge in das Petechora-Becken, 1000 km von der Fundstätte
der Wiatkaer Geschiebe gefunden. Kraft allos Gesagten
kann Krotovs Meinung, wenn auch für originell, doch kei-
nesfalls Air bewieson gelten , und schwerlich dio allgemein
anorkannto Ansicht über den Ursprung der russischen Ge-
sohiobelager verändern, besonders aber in anbotracht allos
dessen, was ich von der Isolierung dor Grenze dieser For-
mationen im Osten und Nordosten vom Ural gesagt habe,
loh bin fern von dem Gedanken, diese vollkommene Iso-
lierung Air unbedingt bewiesen zu halten, doch entspringt
diese Folgerung dom ganzen uns bisher in der Litteratur
bekannten Material in bezug auf die Erforschungon des
fernon Ostens und Nordostens Kufslands, dus freilich nicht
zu den Ländern gerechnet werden kann, deren geologischer
Bau ausführlich orforscht ist.
Jetzt gehen wir zu dem zweiten Teile dieser Abhand-
*) Siehe weiter unten.
2) AIn schwach entwickelt kennt man die Granite auf der Ilauptwaaser-
scheide d« Ural, südlich ron der Stadt Jekatcrinburg im Gebiete der obem
Tftchuitsnwaja und der Tbleika (Barbot 1862, Hofmann 1870 und Kar-
pinski 1883); aber freilich können diese Herrortritto schon wegen ihrer
Lage in keiner Beziehung xu den Wiatkaer Geschieben stehon.
lung über, ob nämlich auf dem Ural Spuron von
Glotscherorscheinungen vorhanden sind; und,
wenn es der Fall ist, wie weit sich die Gletscher der Eis-
epocho nach dem Süden erweiterten, und in welchem Mafoe
sie die Abhänge des Urals bedeckten? Hier ist vor allem
auf das, wie es scheint, festgestellte Faktum hinzuweiseo,
dafs gegenwärtig der ganze Ural bis zu seinen
nördlichsten Ausläufen nicht dio geringsten
Gletscher aufzuweisen hat. Das wird von so kom-
petenten Reisenden im Gobiote des nördlichen Urals be-
hauptet, wie Schrenk *) und Hofmann !). Die Abwesenheit
von Gletschern, und dafs die Schneeünio dort Ubor den
Gipfeln liegt , ist um so überraschender, da dor gröfste
Teil des nördlichen Ural eine Höho von 1200 — 1600 m
hat; während das in donselbon Breiton liogendo Norwegen
bedeutondo Gletscher besit zt, und die Sohneelinie auf dessen
Bergon nach Norden zu sich auf 700 m herabläfst 9). Midden-
dorf hat auf oin noch überraschenderes Faktum hingewiesen,
dafs nämlich auch an dor ganzen nördlichen Küste Asiens,
die gegen das Eismeer gorichtet. ist, keine Gletscher exi-
stieren, obgleich sich hier stellenweise bedeutende Gebirge-
messen orheben, wie z. B. auf dem Tairayr'1). Diese Rei-
soliden haben wohl hier und da solche Schneeanhäufungen
beobachtet, die vom Winde, gleich Schneewällon (Schnee-
Dünen), zusammengefegt, oder in tiefen Schluchten vor der
freien Einwirkung der Sonnenstrahlen geschützt, im Laufe
des ganzen Sommers nicht schmolzen und, in eine Art Firn
verwandelt, bis zum Winter liegen blieben; die gesamte
Schneedecke aber bis zu den höchsten Spitzen und dem
nördlichen Auslauf dos Pai-Chou verschwand im August
vollständig. Dafs die Ergebnisse, zu denen die Forscher
der Gletscherphanomone der Eiszeit in Europa hinsichtlich
dor Glotschorverminderung der Alten Welt in der Richtung
von West nach Ost und der bezüglichen Proportionalität
der Gletscherentwickelung zur Jetztzeit und zur Eisepoche
gokommen, auch auf das Urnlgebirgo anzuwonden sind, zu
diesem Schlüsse gelangen wir in gewissem Grade , nooh
ehe wir die Analyse des in der Litteratur vorhandenen
Materials über die Geologie dos Uralgobirges unternehmen,
und sehen auch schon, dafs der Ural zur Eiszeit entweder
I ganz frei von Gletschern war, oder dafs die Glotscherer-
scheinungcn dort nur minimale Entwickelung hatten, die
sowohl dor Höhe des Gebirges, als auch dessen geogra-
phischer Lage bei weitem nicht entsprach.
Die Erforschungen der Schoidogronze des mächtigen
skaudinavisch-russischen Gletschers haben uns in der That
1) Scbrcnk: Heise n»ch d. Nordosten d. curop. Hofslands. 1818.
*) Hofmann : Der nördliche Ural und das Gebirge Pai-Chou, 1L
3) Heim: Gletscherkunde, S. 431.
*) Middendorf: Heise nach Nord- und Ostsibiricn. 1863*
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265
Die Grenzen der Gletscherspuren
zu dem entschiedenen Schlüsse gebracht, dafs es mächtige
klimatische Bedingungen gegeben hat, die der Entwickelung
des Gletschers nach Osten jenseit der Wolga und in der
Richtung des Urals hinderlich waren. Diese Bedingungen
haben sich in ihrer energischen Thätigkeit auf dem Ural
selbst gezeigt und äufsorn sich auch sichtbar und entschie-
den in allen angrenzenden Gebirgen und Ebenen Asiens. Die
zu Anfang dieses Aufsatzes genannten Arbeiten der Herren
E. Favre, Abich und Muschketov über den Kaukasus sagen
uns, dafs, so wie die gegenwärtig existierenden Gletscher
auf den Alpen bis zu einer Höhe von 1000 — 1500 m über
dem Meeresspiegel niedersteigen, während die Gletscher des
Kaukasus nur bis zu einer Höhe von 2000 — 2800 m herab-
kommen, die Gletscher der Eiszeit in den Alpen sich bis
zu einer Höhe von 90 — 500 m herabliefsen, auf dom Kau-
kasus dagegen die letzten Gletscherspuren auf oiner Höhe
von 600 — 900 m und höher angegeben werden. Noch über-
raschender sind in diesem Falle die von Muschketov für
die Gebirge Tian- Schau und Pamir gegebenen Data. Hier
findet man Gletscher dor Jetztzeit nur in einer Höhe von
3000 — 3300 m , und die alten Gletscher liefsen sich nicht
unter 1500 m herab. Nur der Sarawschansk-Gletscher steigt
bis auf 2700 m herab. In ganz ähnlichem relativon Ver-
hältnisse befinden sich, nach Muschketov, die von den gegen-
wärtigen und den einstigen Gletschern der Alpen, des Kau-
kasus und Mittelasiens eingenommenen Felder. Auf dem
Altai übrigens läfst sich der Gletscher von Katunjunter, dem
50. Breitengrade, bis auf 1240 m herab. Dafs in Sibirien
in der That nichts dem ununterbrochenen skandinavisch-
russischen Gletscherfelde Ähnliches oxistiert hat, dafür zeugt
die in den Ebenon Sibiriens, als auch in den an den Ural
grenzenden, von kompetenten Beobachtern konstatierte Ab-
wesenheit dessen, was im europäischen Hufsland Geschiobe-
bildungen genannt wird, und auch die Abwesenheit jeder
Spur von wirklichem erratischen Gerolle !).
Mit solchen , hauptsächlich negativon Daten versehen,
welche alles oben Gesagte liefert, wollen wir uns zum Ural
selbst wenden, und versuchen, uns zu den in der geolo-
gischen Littoratur Rufslands verstreuten Angaben über die
Spuren der Gletscherphänomene der Eiszeit an den Ab-
hängen dieses Gebirgos kritisch zu verhalten.
I) Siehe Middendorf a. *. 0.: Hofmann, Reise nach den Goldwisehen
Ostsibiriens, 1847. Middendorf fuhrt als besondere Ausnahme die Ent-
wickelung arratisrher Blöcke an, die er auf Tatmyr beobachtet hat, und wo,
aller Wahrscheinlichkeit nsch, oin slter Gletscher su rerrnuten ist. Der
Akademiker Schmidt hat Spuren erratischen Materials in den untern Teilen
des Jenissei-lteckens gesehen, war aber nicht im stände zu entscheiden, von
welchem der dortigen Gebirgsrücken dieses Material kam. Auch in Ost-
aibirien kennt man nur Spuren Ton dilurialen Gebirgigletsebero , die aich
nie über die sibirische Ebene erstreckten, wie es die sibirischen Studien
ron Krapotkin ganz deutlich beweisen. (Siehe Neues Jolirb. f. Min. &e.
1885. I, S. 23C.)
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1886, lieft IX.
in Rufsland lind dem üralgebirge.
In der deutschen geologischen Litteratur ist die Frage
darüber , was bei gegenwärtigem Stande der Wissenschaft
für die untrüglichen Merkmale eines frühem Gletschers zu
halten ist, so sorgfältig bearbeitet, dafs ich mich wohl kaum
dabei aufzuhalten brauche. Freilich sind verschiedene Mo-
ränoureste, Geschiebeblöcke, Schliffe und Schrammen nicht
die oinzigen Resultate der Thätigkeit eines Gletschers; er
wird von einer ganzen Reihe geschichteter Bildungen be-
gleitet, die sich an seinen Gronzon und teils unter ihm
ablagern ; doch wenn diese geschichteten Bildungen uicht
von den oben erwähnten Moränenerscheinungen begleitet
werden , bieten sie selten an und für sich die Merkmale,
um zu den Gletschererscheinungen gerechnet zu werden.
Anderseits gibt es eine ganze Reihe von Bildungen, die den
Eindruck von Gletscherwirkungen hervorrufen, die aber in
Wirklichkeit ihre Existenz ganz andern Agentien verdanken
und deshalb zu einor Gruppe unter dem Namen .pseudo-
glazialo Erscheinungen“ verbunden werden ,). Das alles
geht darauf hin, dafs nur eino ganze Reihe deutlich go-
äufsertor Moränon- und andrer Gletschererscheinungon, und
nicht ein vereinzeltes Vorkommnis im Stande ist, uns von
der einstigen Existenz eines Gletscher« in gegebener Gegend
zu überzeugen. Das alles mufs besonders auf eine solche
Gebirgsmasse, wie der Ural, angewandt werden, wo sich die
Existenz eines einstigen Gletschers in einer ganzen Reihe
von Erscheinungen hätte wiederspiegeln müssen, wo man
Moränenspuren auf Schritt und Tritt ttogegnen müfste, wo
es aber zu gleicher Zeit eine Monge besonderer Ursachen
gibt, welche pseudoglaziale Erscheinungen hervorbringeu
konnten. Indes ist die Bedeutung von dor Vergletscherung
deB Urals zu wichtig, als dafs man sich zu dorsolbon leicht
verhalten könnte ; deshalb erscheint dio strengste Analyse
aller sich darauf beziehenden litterarischen Angaben als
eino dringende Notwendigkeit. Bei der Erörterung der Ge-
schichte unsrer Kenntnisse von den Spuren der Gletscher-
erscheinungen im Ural läfst sich dieses Gebirge leicht in
zwei Teilo teilen: den nördlichen, dor bei den Quelleu der
Petschora und der Wasserscheide zwischen deren oboru
Nebenflüssen und den nördlichen Nebenflüssen der Kama
beginnt und dauu weiter in die Timankette geht, und den
mittloru und südlichen Teil, dor südlich von diesem Punkte
liegt. Zuerst wollen wir uns zu dem letztem wenden.
Alles von der östlichen Grenze der nordwestlichen erra-
tischen Blöcke oben Gesagte und die vollkommene Abwesen-
heit derselben, die für das mittlere und untere Kama-
Becken streng bewiesen ist, überzeugen uns, dafs, wenn Ln
irgend einem Teile dos Urals bis zu der obern Kolwa und
') Jahrbuch der preußischen Geolog. Landesanstalt 1883, 8. 547.
Penck: Die Eiszeit in den 1‘yrenien a. a. 0., S. 172.
l’enck Pseudoglaxiale Erscheinungen. Ausland 1884. Nr. 33.
34
Die Grenzen der Gletecherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
266
den Potschora-Quelleu ein Gletscher existiert hätte, dieser
mit dem skandinavisch * finnländischen nicht zu einem ge-
meinsamen Eisfelde hätte zuBammoniliefsen können. Daraus
folgt, dafs, wenn Überhaupt in irgend einem Teile des mitt-
lern oder südlichen Urals ein Gletscher existiert hätte, seine
Spuren sich in derselben Form hätten erhalten müssen, in
der wir die Spuren der alten begrenzten Gletscher in den
Alpen, Pyrenäen, dem Kaukasus &c. finden, mit einem Wort
so, wie überall, wo die Gletscher nicht in ein gemeinsames
Feld von Inlandeis übergingen. Wir müfsten die scharf
ausgeprägten Formen der Moränenerscheinungen sehen, mit
den bogenartigen Wällen ihrer Endmoränen und den ent-
lang gehenden Wällen der Seitenmoränen. Nicht nur kennen
wir nichts Ähnliches, sondern die Detailkenntnisse der Ge-
genwart von sehr vielen Teilen des Urals widersprechen
dem einstimmig. Von Murebison ') au (der freilich diese
Frage von einem andern Standpunkte betraohtet hat) ver-
neinen alle Kenner des Urals, als Karpinski, Möller, Musch-
ketov u. a., ondlich auch die Geologen des Komitees, dio
an dor Aufnahme der Uralkarte teilgenommen haben, jeden,
auch den geringsten genau und deutlich geäufserten Hin- !
weis auf Gletscherablagerungen und deuten darauf hin,
dafs sie in den von ihnen erforschten Teilen des Urals nur
lokalen, alluvialen und eluvialen Detritus gefunden haben.
Es ist durchaus nicht schwer zu beweisen , dafs die we-
nigen, immer nur partiellen Hinweise auf Beobachtungen
der vermeintlichen Gletschererscheinungen in dem zu er-
forschenden Teile des Urals sich entweder nuf unklare
Begriffe von diesen Erscheinungen gründen , oder auf
Aufserachtlassen und irrtümliche Erklärung der geologi-
schen Prozesse, die während der posttertiären Periode
in diesem Gebirge wirklich stattgefunden haben; und diese
Spuren gehören zu der Kategorie derjenigen Erscheinungen,
die man jetzt pseudoglazial zu nennen pflegt. Alle solche
Angaben bilden zwei Gruppen : a) die Spuren von Gletscher-
schliff und Schrammen, und b) das Vorhandensein erra-
tischer Blöcke.
Vom Gletsoherschliff im Ural macht uns dio erste An-
zeige Barbot - de - Marnij * 2), der die Sanarkschen Gold-
seifen im östlichen Abhange des südlichen Urals untersucht
und dort Kalksteine mit glattpolierter Oberfläche gefunden
hat, welche den Seifen als Lager dienen. Bei der Ansicht,
die jetzt für bewiesen gelten kann, dafs die Ural-Goldseifcn
ein Produkt der Zerstörung lokaler Gesteine sind, welchos
teils an Ort und Stelle gebliebon, teils durch atmosphärische
Wasser und Bergflüsse auf eine verhältnismäfsig geringe
Entfernung von dem Grundiagor deB Gesteins fortgetragen
*) Komi» and tho l'ral Mountain», p. 476 und 522.
2) Barbot -de-Mamij: Notiz über die Uiluvialerecheinnngen im Ural.
'Verband!, d. Miner. UenelUch. St. Petersburg 1658.
worden ist, — kann wohl kaum irgend ein Zweifel darüber
walten, dafs wir es hier mit Kalkstein zu thun haben, wel-
cher durch die Bewegung des Wassers der Kamenka (in
deren Thale die Seifen liegen), die eine Menge verschiedener
Kiesel und abgebrochener Gesteine fortträgt, abgeschliffen wor-
den ist. Zu einer solchen Ansicht kommen wir schon, wenn
wir die Abhandlung Barbot-de-Marnijs losen, dor jodoch die
von ihm gesehene Glättung mit den Schliffen vergleicht,
die er auf den Felsen Finnlands beobachtet hat. Die Lek-
türe einer neuern Beschreibung dieser Gegend von Musch-
ketov *) läfst nicht den geringsten Zweifel an dem allu-
vialen Ursprung sowohl der auf Kalkstein lagernden Seifen-
teile, als auch der Politur des Kalksteines selbst. Dafür
spricht vor allem dor Charakter der in die Masse der Seifen
kämm- und helmartig vortrotendon Kalksteinspitznn, die so-
gar von Barbot abgebildet sind und ganz unmöglich wären,
wenn man hier Gletscherbewegung voraussetzen sollte. Das
Material der Seifen selbst wird von Barbot als geschichtet
beschrieben und abgebildet ; die in den Seifen oingelagerten
Kiesel und Felsstücke stammen alle von den hervortreten-
den lokalen goldführenden Gesteinen und teilweise von Kia-
nitschiefer, der bei den Quellen desselben Flusses, der Ka-
menka, liegt. Mit einem Wort: eine solche Art Politur der
weichen Arten bildet eine ganz gewöhnliche Erscheinung
in den Betten dor Flüsse , die eine Menge abgebrochenen
und abgerissenen Materials mit sich führen, wie es bei den
meisten Uralflüssen der Fall ist. Ich habe mich bei den
Politurspuron des Kalksteins an der Kamenka und in den
Samarkschen Goldseifen deshalb aufgehalten, weil diese, wie
es scheint, die Ursache waren, dafs Prof. Penck auf seine
Karte der Eiszeit an diesom Punkte einen kleinen Gletscher
aufgetragen hat2).
Ganz in demselben Verhältnisse befinden sich augen-
scheinlich auch die von Helmersen3 *) roforierton Seifen bei
Kedrowka im Kreise Goroblagodatsk , zu den geschliffenen
Dolomiten, dio jenen als Lager dienen. Auch hier ist wohl
die Politur der Wirkung des fliefsenden Wassers zuzuschreiben,
welchos eine Masse Bruchstücke mit sich trägt, ein Mate-
rial, das sich in Gestalt von Seifen abgelagert hat. Der-
selben Thätigkeit mufs auch die Bildung der von Helmersen
beobachteten Riesentöpfe zugeschrieben werden, deren Ent-
stehung man jetzt aufgehört hat, hauptsächlich durch die
Thätigkeit der Gletscher zu erklären *). Doch die Gerech-
1) Musehketov: Material zur Erforschung de» Bergreviera Slntoujrt \-e.
Vorhand!, dor Minor. Go»oll»ch. 1878. (Kussisch.)
2) A. Penck: Mcnach und Eiszeit. Archiv für Anthropologin. Bd. XV.
1881.
2) Vcrhindl. der Minor. Gesellschaft. Bd. I, 1886. Protokolle der
Sitzungen, S. 355. (Busateoh.)
*) Heim: Gletscherkunde. 1884, S. 406. — Penck: Vergletscherung
der Alpen &c. S. 455. — Penck: Pseudoglaxialc Erscheinung >. a. O.
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Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
267
tigkeit fordert, dafs gesagt werde, dafs weder Barbot noch
Helmersen daran gedacht haben, die von ihnen beobachtete
Politur des Kalksteinbettes der Seifen der Wirkung der
Gletscher zuzuschreiben, sondern dafs sie diesolbe schwim-
menden Eisschollen beitnafsen ; das von Hclmerson erst
später angegebene Faktum ist ganz irrtümlich in dio Zahl
der Bewoisgriinde für die Existenz eines Gletschers im Ural
aufgenommen worden1). Fügon wir noch hinzu, dafs auf
der geschliffenen Oberfläche der Kalksteine von Sanarka
und des Dolomits von Kedrowka keine Schrammen ange-
geben waren. Die nächste Angabe von Spuren der Eiszeit
im mittlern Ural, auf dem Wege von Perm nach Katha-
rinenburg, wurde von Poliakov 2) gemacht. Dieser Reisende
beschreibt mit der gröfaton Ausführlichkeit allerlei Glet-
scherapuren, von den verschiedensten Moränen an bis zu
den in bestimmter Richtung gehenden Schrammen, so dafs,
wenn auch nur der geringste Teil des von ihm Mitgeteilten
in der That existierte , die Entwickelung eines mächtigen
Gletsohors im mittlern Ural für bewiesen gelten könnte.
Der Weg, auf dom Herr Paliakov gefahren, hat bis zum
Eiseubahnbau allen, die aus Perm nach Sibirien gingen, als
gewöhnliche Überfahrt gedient ; aber nicht allein will keiner
von den zahlreichen Geologen , die hier vorbeigekommen
sind, in Wirklichkeit etwas Ähnliches gesohon haben, son-
dern Krotov, der an die Existenz von Uralgletschern glaubt,
hat auch die Gegend absichtlich erforscht, um sich von der
Richtigkeit von Poliakovs Angaben zu überzeugen, und
mufste gestehen, dafs er zwischen Perm und Jekaterinburg
nichts von dem gefunden, was Poliakov gesehen zu haben
meint3). Die Herren Iwanov und Krotov*) endlich haben
an einer Stelle, am rechten Ufer der Jaiwa, die durch den
östlichen Teil des Kreises Solikamsk fliefst, den Hervortritt
eines, „wie ein Spiegel glattpolierten“, Quarzsandsteines der
untern Etage der Steinkohlenformation „mit Spuren von
Gletscherschrammen“ beobachtet. Freilich ist der Fund
von glattgeschliffenen Flächen an den Ufern von BorgflUssen,
die im Frühjahr Eis treiben, an und für sich durchaus kein
Beweis für die Wirkung eines Gletschers, wenn andre schla-
gendere Beweise für dessen Existenz fehlen, was jetzt von
allen Sachkundigen anerkannt wird. Was die Gletscher-
Bchrammen anbetrifft, so scheint hier ein merkwürdiges
Mifsverständnis obzuwalten. Aufser, dafs gut konservierte
Gletschersohrammon gewöhnlich nur auf glattpolierten Flächen
>) Krotov: Beilage zum Protokoll 1883 ». a. 0., S. 35. (Russisch.)
Krotov war der ent«, der diese» Faktum für einen Beweis der Gletscher-
spuren anzunehmen vorschlug, hst sieh ober selbst widerlegt, indem er
sagte, dafs dieses Faktum such anders erkürt werden könne.
ä) Schriften d. Akad. der Wissensch. XXXIII, 1877, S. 2. (Russische
Ausgabe.)
3) i’rotok. d. Kasaner Naturforscher-GeaeUscli. Jahrg. X, S. 10. (Rosa.)
*) Krotcar: Vorläufiger Bericht f. d. J. 1884. Bullet, de« Geolog. Kom.
1885, 57r. 4. S. 179, und Beil, sum Protokoll n. a. 0., S. 35. (ttusöseh.)
des Gletscherhettos beobachtet werden, die von Moränen-
ablagerungen vor dem zerstörenden Einflüsse der atmo-
sphärischen Ageutieu ') geschützt sind , wird ein einfacher
Auszug aus Krotovs Abhandlung jedem, der dio Gletscher-
erscheinungen kennt, besser als alle möglichen Kommentare
zeigen, was von dom Glotscherschliff und den Eisschrammen
an der Jaiwa zu halten ist. Folgendermafson äufsert sich
Krotov in seinem letzten Artikel, nachdem er im Jahre 1884,
wiederau der Jaiwa gewesen war: „Diese En tblöfsung von
Quarzsandstein hat eine spiegelglatt polierte Oberfläche. Es
ist mir gelungen ein bedeutendes Stück dieses polierten
Steines abzuschlagen, um die Beschaffenheit der Oberfläche
besser zu untersuchen, da an Ort und Stelle nicht die ge-
ringste Spur von Gletscherschrammen zu sehen war *). Diese
Spuren traten jedoch hervor, nachdem die Oberfläche vor-
sichtig abgewaschen und eine Decke von Flechten (Zicheres)
und brauner Rinde, die aus braunem Eisenoxyd bestand, da-
von entfernt worden war.“ (Und das alles an der spiegel-
glatten Oberfläche eines Quarzsandsteiues V !) Das alles
und dazu die bei Krotov fehlenden gonauen Angaben über
die Lage des beschliffenen Quarzits Uber dem Wasserspiegel,
das in der ganzen von Krotov genau untersuchten Gegend
vereinzelt stehende Faktum, der Mangel an Notizen bei
diesem Verfasser über die allgemeine Form und die Um-
risse des poliorten Gesteines, über die Richtung der ver-
meintlichen Schrammen in bezug auf die Richtung des Thaies,
endlich fohlende Hinweisungen auf die Unmöglichkeit, dafs
diese Erscheinungen in gegebener Gegend durch dio Wir-
kung andrer Kräfte erklärt wären, von denen man weifs,
dafs sie dieselben hätton hervorbringen können, — das alles
erlaubt uns nicht, dio Entdeckung der Gletscherspnren an
der Jaiwa ernst zu nehmen.
Nachdem wir mit den Spuren der Gletscherschrammen
abgeschlossen haben (andre Angaben dieser Art kenne ich
nicht), wollen wir zu dem andern Beweise für die Existenz
von Uralglet8cliern übergehen. Ich moino das Vorhanden-
sein auf den Höhen dos wostlichen Uralabhanges von ver-
schiedenem Gerolle kristallinischer und sedimentärer Ge-
steine, denen, soviel ich weifs, bis jetzt nur Krotov allein
in seiner letzten Abhandlung erratischen Ursprung zuschreibt,
während er die sandig-lehmige Grundmasse, in der diese
Gorölle enthalten sind, für Moränenablagerungen hält. Sol-
cher Art sind die von ihm angegebenen Punkte im Gebiete
der Tschanwa bei dom Bergwerke Konstanskoö und dor
Gluchai» Wilwa, bei dem Dorfe Nisowaia in einem von
1) Siebe z. B. WahnacbalTe : Ober Glazialerscheinungen &c., Zeitsehr.
der deutschen Geolog, üesollsch. 1883, lieft IV.
2) Im Jahre 1881 hat sich KrotoT selbst an Ort und SteUe tod dem
Vorhandensein ron Gletscherschrammen an demselben polierten Sandsteine
überzeugt. Siehe Beilage rum ProtokoU a. a. 0-, 8. 35. (Buasiach.)
34*
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268
Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland uud dem Uralgebirge.
artinskschen1) Schichten eingenommenen Gebiete, oder
in der Nähe von Entblöfsungen unmittelbar darunter liegen-
der Schichten obern Karbonkalkes. Prof. Stuckenberg be-
schreibt augenscheinlich dieselben Bildungen und auch mit
denselben darunter liegenden artinskschen Schichten süd-
licher, an den Wasserscheiden zwischen der Tscliussawaia
Bissertj und Sylwa3). Die Herren Geologen des russischen Geo-
logischen Komitees, Tschernyschev und Krasnopolski, haben
mir als ein Resultat ihrer mehrjährigen Forschungen, die
nächstens in den Schriften des Geologischen Komitees in
ihren ausführlichen Berichten erscheinen, persönlich mitge-
teilt, dafs ein Streifen lehmig-sandigor oberflächlicher Bil-
dungen, welche dio verschiedensten Gerolle und Blöcke
von Kalksaudstein uud kristallinischen Gesteinen enthalten,
die zum Aufbau des Urals dienen, sich als fast ununter-
brochener Strich an dem ganzen westlichen Abhang dieses
Bergrückeus längs den Kntblöfsungen der artinskschen
Etage hinzieht. Dasselbe wird auch von einem Kenner des
Urals wie Prof. Karpinski behauptet. Don Herren Kar-
pinski und Tschernyschev verdanken wir die sehr einfache,
einzig mögliche Erklärung dieser Erscheinung, diu thatsäch-
lieh mit dem Gletscher nichts zu schaffen hat. Es ist
bekannt, dafs dio Lager artiuskscher Sandsteine auf verschie-
denen Horizonten Zwischenschichten von allerloi Konglome-
raten haben, die sowohl au der Basis als auch, und zwar
noch stärker, in don obern Toilen der Etago entwickelt sind.
Diese Konglomerate bestehen laut dem Ausspruche genannter
Forscher aus abgerundetem Gerolle von durchaus allen Arten,
die den westlichen Abhang und die Zentralachse des Urals
bilden, ja noch mehr, es wurden im artinskschen Konglo-
merate solche Rollsteine gefunden , denen im ganzen Ural
kein bisher bekanntes Grundgestein entspricht. Die Dimen-
sionen von 1 — 2 Fufs im Durchmesser solcher Blöcke ist
durchaus keine Seltenheit. Als Kitt dient dem Konglomerat
wie auch der Hauptschicht artinskschen Sandsteines eine
lehmig- kalkige oder sandig-kalkige Masse, die an dor Obor-
fläohe sehr leicht verwittert, verwest und von den atmo-
sphärischen Wassern ausgelaugt wird ®). Als Resultat solch
eines Prozesses zeigt sich ein besonderer eluvialer, sandiger
Lehm, der stellenweise von Gerollen überfüllt ist und sich
längs den Entblöfsungen der artinskschen Etage und mit
dieser am ganzen westlichen Uralabhang hinzieht und gegen
Westen und Osten mit dem Hervortreten älterer und neuerer
Bildungen verschwindet. Auch ist es augenscheinlich, dafs
in den Fällen, wo solch ein eluvialer Lehm unmittelbar auf
') Pemiu-kaibon, tei[>. untere permwehe Schichten.
3) Bulletin des Geolog. Komitee«. IM. III, Nr. 5, 1884. (Russisch.)
S) Siehe Ktrpinski* Werk : Geolog. Erforschung des Orenburgsrhen Ge-
bietes. Verbandl. d. Miner. Geeellscb. IX, 1874. (Kuss.) — Tichemyscher :
Bericht f. il. J. 1883. Buil. d. Geolog. Komitees 1884, Nr. 1. (Russisch.)
den obern Karbonkalk beobachtet wurde, er seine Existenz
der vollständigen Verwitterung an der Stelle dor untern
Horizonte der artinskschon Schichten verdankt. Diese ar-
tinskschen Gerolle sind es, die zuweilen die Forscher der
posttertiären Ablagerungen im Ural irreleiten. Sie sind
es auch, die in der letzten Gruppe der pseudoglazialen Er-
scheinungen im Ural figurieren , die dort mit der Bildung
der Flufsthäler verbunden sind , zu deren Erforschung ich
jetzt übergehen will.
Die von der russischen Bergverwaltung unternommenen
und später dem Geologischen Komitee üborgebeneu For-
schungen des westlichen Uralabhanges haben eine aufser-
ordentliche Einförmigkeit im Haupttypus dor Flufsthäler
dieses Gebietes gezeigt. Die Herren Möller, Tschernyschev,
Stuckenberg, Krasnopolski und endlich auch Krotov kon-
statieren alle, dafs von dor südlichen Grenze bis zur Wasser-
scheide der Petschora in diesen Thälern, aufser den nouern
alluvialen Ablagerungen, noch eine besondere obere, an-
geschwemmte ältere Terrasso an die Grundge-
steine der Ufer angelehnt ist. Dio petrographische Be-
schaffenheit dieser Terrasse verändert sich nur wenig unter
dem Einflüsse der lokalen Verhältnisse. Tschernyschev gibt
vom Süden und Krotov vom Kordon des Urals die Be-
schreibung ganz desselben Typus, des immer mehr oder
weniger deutlich geschichteten Baues desselben , und zwar
folgendermaßen : PObon zioht sich rötlicher oder gelblicher
Löfs hin; darunter liegt dunkelgrauer zäher Lehm und auf
dem Grunde endlich eine mehr oder minder mächtige Schicht
von Kiessand , Grus, Kieselsteinen und abgehobenen Ge-
rollen, die doutlich übereinander geschichtet sind. Zuwoilen
findet sich das mittlere Glied ausgekeilt, oft sind Sand,
Grus und Gerolle vorherrschend und verdrängen sogar die
andern Gebilde. In diesen alten Terrassen, besonders im
Löfs, sind nicht solton dio Knochen ausgestorbener Säuge-
tiere und Formen von Land- und Süfswassermollusken ge-
funden worden. Diese aufsorordentliche Beständigkeit im
Baue , die jedenfalls durch die gleichen Bildungsursachen
hervorgerufen ist, weist darauf hin, dafs dio physischen
Bedingungen auf dem ganzen westlichen Uralabhange, we-
nigstens bis zur Wasserscheide der Petschora, während der
postplioeänen Epoche dieselben gewesen sein müssen. Daraus
folgt, dafs, wenn hier dio Existenz eines Gletschers aner-
kannt wird , dieselbe auch für deu ganzen Ural bis zu
dessen südlioher Grenze anorkannt wordon muß: wenn aber
im südlichen Teil kein Gletscher gewesen ist, wofür wir
unbestreitbare Beweise haben, so konnte es auch keinen
bis zur Petschora geben, ohne dafs sich dieses Agens in
dem Baue der Flufsthäler verraten hätte. Diese Thäler
müfsten uns die ganze Serie von Ablagerungen der Gletscher-
bäche bieten, wie solche z. B. au den Abhängen der
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Die Grenzen der Gletscherspuren in Rufsland und dem Uralgebirge.
269
Alpen ') gofunden werden, und mit denen die Ablagerungen
der alten Terrassen der Uralflüsse nichts gemein haben8).
Da nach den Beobachtungen, hauptsächlich der Kasaner
Geologen 3) , dieser Bau der Flufstbäler am westlichen
Uralabhange über das ganze Gebiet des östliohen Rufs-
lands verbreitet ist, welches aufserhalb der Verbreitungs-
sphäre erratischer Blöcke liegt und teils auch an der Grenze
derselben, sich aber in den Zentralgebioten , wo typischer
Geschiebelebm entwickelt ist, gar nicht beobachten läfst,
so habe ich in moiner Arbeit über die Bildung der Flufs-
thäler im mittlern Rufsland ■* *) einen Versuch vorgeschlagen,
diese Bildung auf natürliche WeiBO zu erklären. Ich meinte,
der Unterschied in der Bildung der Thäler des östlichen
und des zentralen Rufslands werde bedingt durch ein höheres
Alter der erstem und durch die Existenz des skandina-
vischen Gletschers auf dem Gebiete Zentralrufslands wäh-
rend der Zeit, wo sich das Material zu den alten Terrassen
der östlichen Flüsse ablagertc. Der Umstand, dafs das
Material der alten Terrassen in vertikaler Richtung ver-
schiedene petrogrnphische Bestandteile bietet, die sich dabei
von dem nouern Alluvium dieser Flüsse unterscheiden
und mit einer Geröllschicht anfangen, — bedarf wohl kaum
der Erklärung. Es ist klar, dafs zu Anfang ihrer Existenz,
während der ursprünglichen Bildung der Thäler, das Ma-
terial unmittelbar durch die Zerstörung und Abreibung
abgelöster Grundgesteine im primitiven Flufshett geliefert
werden mufste. Zu dieser gesellten sich allmählich die
von den Abhängen hiuuntergetragenen , fein zerriebenen
Produkte der Verwitterung und Abschlämmung der ober-
flächlichen Grundgesteine , während in gegenwärtiger Epoche
der Flufs gleichzeitig mit diesen eluviulen Produkten haupt-
sächlich seine eignen ursprünglichen alluvialen Niederschläge
abschlämmt und ablagert. In seiner letzten Abhandlung
spricht Krotov seine Verwunderung darüber aus, heim
Untersuchen dor Struktur dor Flufsterrasson in dem von
ihm erforschten Teile in der Kiesel- und Geröllosobicht dieser
Terrassen Blöcke von solchen Gesteinsarten gefunden zu
haben, von denen es im gegebenen Flufsthale keine Grund-
lager gibt. Das bewegt ihn, in dieser Erscheinung das
Resultat einer Übertragung der Gerolle durch einen Glotscher
zn sehen, obgleich weder der Bau der Flufsterrasseu, noch
*) Siehe z. B. Heim : Gletscherkunde, S. 307. — Penck : Vergletsche-
rung der deutschen Alpen a. n. 0. Are.
2) Bs ist bemerkenswert . dsls diejenigen von den mitteleuropäischen
Gebirgen, auf denen es keinen Gletscher gegeben hat, stellenweise an ihren
Abhängen gam identische alte Terrastcn von Flntsthiilern mit ähnlichem
Baue reigeD. Siehe z. B. Gebirgwdilurium enn StaptT. Jahrb. der preufs.
Landruwstalt 1883, S. 540.
*) Siehe eorzugsweiie die Schriften de» Baron» Rosen in den Schriften
und Protokollen der Ka-ancr Naturforscher- Gesellschaft.
<) Xikitin: Allgem. geolog. Karte Kurlands, Kr. 50. Memoiren des
Geolog. Korn. Bd. I, Nr. 2, 1884. (Rum.) — übend.: Memoire» de l'Acad.
d. St-Petenb. Vol. XXXII, 1884.
die von ihm angegebene Schichtung des Geröllelagers nicht
die entfernteste Andeutung auf ihren Gletscherursprung
geben. Ein aufmerksames Durcbleaen seines Berichtes zeigt
aufs deutlichste, dafs Krotov die artinskschen Konglome-
rate, von donon vorhin die Rede war, übersehen hat. Seine
Profile der Flufsterrassen befinden sich alle im Entwicke-
lungsgehiete der artinskschen Ijager oder an den Flüssen
etwas unterhalb derselben.
Aus allem oben Gesagten folgt, wie mir scheint, dafs
unsre gegenwärtigen Kenntnisse dos westlichen Uralabhanges
nicht nur keine streng wissenschaftlichen Hinweisungen auf
die Existenz von Gletschern im Ural geben, sondern dafs
im Gogentei) dio Vollständigkeit dieser Kenntnisse und das
Bestreben sohr gonauer Beobachter, dieSpuren dieser Gletscher
auf joden Fall zu finden, einon zuverlässigen Anhaltepunkt
für die entschiedene Behauptung geben, dafs es zur Eiszeit
im Ural, wenigstens bis znr Wasserscheide der Petschora,
keine Gletscher gegeben hat.
Wenden wir uns jetzt zum nördlichen Teil des Urals
oder eigentlich zn der dreiockigen Fläche, die durch den
Ural und die Timankette gebildet wird. Hier bietot sich
uns die Existenzfrage von Gletschern zur Eiszeit in einem
ganz andern Lichte dar. Ungeachtet unsrer sehr mangel-
haften Kenntnis dieser Gegend, und ungeachtet dessen,
dafs wir hier uur drei vollkommen glaubwürdige Zeugen
haben, nämlich dio Herren Hofmann1), Keyserling8) und
Stuckenberg 3) , ist die Vergletscherung des gröfsten Tei-
les, wenu nicht dieser ganzen Gegend, für den Leser ihrer
Worke, der mit dom gegenwärtigen Stande dor Glotscher-
lehre bekannt ist, keinem Zweifel unterworfen. In unsrem
Entwürfe wollen wir 68 versuchen , eine Antwort auf fol-
gende Fragen zu geben, deren Lösung in höherm oder ge-
ringem) Mafso durch die Analyse der oben genannten For-
schungen geliefert wird.
Auf die Frage, ob es im nördlichen Ural, jenseits der
Petschora- Quellen , einen Gletschor gegeben hat, erhalten
wir zu allererst eine affirmative Antwort beim Lesen der
Seiten 259 — 263, des geognostischen Teiles von Hof-
manns Werk. Die Erscheinungen, dio or im obern Teile
des Ussa-Beckens, von dem Gebieto des südlichen Neben-
flusses Lorto-Motalau an, beschreibt, können uicbt anders
als für Moränen angesehen wurden. Dafs dieser Gletscher
gegen Westen herabstieg und , das ganze Gebiet des Pet-
schora-Beckens bedeckend, fast bis zum Fufse des Timan-
gebirges ging, wird durch eine Menge Geschiebe von Ural-
gesteinen bewieson, die auf der ganzon Fläche verstreut
') Ilofmann: Der nördliche frei. 185G.
7) Keyserling: PeUehor» - Lind. 1840.
4) Stuckenberg : Das Pebchon-Land und die Timtnzehe Tundra. Maler,
zur Geolog. Rnfslands. VI. 1875. (Rususeh.)
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270
Die Grenzen der Gletacherspuren ii
sind, und zwar unter solchen Bedingungen, unter denen ein
Übertragen denselben durch Flüsse oder Flufseis als un-
möglich vorausgesetzt worden kann. Hierher gehören die
zahlreichen Beobachtungen Keyserlings (S. 359, 370, 372,
377 und 391) und Stuckonbergs (S. 31 — 33). Von be-
sonderer Bedeutung ist dio Angabe Keyserlings, der soine
Beobachtungen am Fufse des südlichen Timans, im Gebiete
der untern Soiwa, einem linken Nebenflüsse der Petschora,
angestellt hat, dafs er 8yenit- und Porphyrblöcke in einer
Höhe von 500 Fufs über dem Wasserstande des Flusses
gefunden hat, die ihrer Beschaffenheit nach nicht vom Timan
gebracht werden konnten. Leider fehlen uns die Data,
um dio Frage zu lösen, wo die Gletscherbildung des west-
lichen Abhanges des Urals im Süden endigte. I)a(s man
in den obern Teilen der PotBchoru und dor WoloBuitza,
eines Nebenflusses derselben, Gerolle gefundon hat, worauf
sich Stuckenberg (S. 17 — 19) beruft, ist nicht überzeugend
genug. Darauf kann alles das bezogen werden, was oben
gegen Krotovs Beobachtungen der Gerolle in den Flufsthä-
lem des Tscherdynschen Gebietes gesagt worden ist. Diese
Gerolle hat Stuckenberg jedeufulls auf sekundärer Lager-
stätte, mitten im geschichteten Alluvialsando des Flufsthales
gefunden. Das ganze Gebiet liegt mitten unter artiuskschem
Gesteine. Die Gerolle worden als abgorieben beschrieben;
Hofmann, der dieselbe Gegend besucht hat, behauptet hier
Uborall gesehen zu haben, dufs quorgehende Lagen von
Sandstein und Konglomeraten zu Tage treten, und ist ge-
neigt, die von ihm gesehenen Rollsteine von Kiesel, Kiesel-
schiefer, Jaspis u. a. diesen Konglomeraten zuzuschreiben.
Wie weit der Gletscher vom östlichen Uralabhango
herabstieg, dafür haben wir durchaus keine Daten aufser
der oben erwähnten Reisebeschreibung des Herrn Poliakov,
welcher behauptet, dafs die Gletscher des Obdora-Urals
bis zum Thale des untern Ob ’) herabstiegen.
Die Forschungen der Herren Keyserling (S. 382 und 400)
und Stuckenborg (S. 32 und 71) weisen ganz deutlich auf
die Entwickelung selbständiger Gletscher auf dem Timan
hin. Die südliche Grenze eines solchon Gletschers ist jedoch
auch hier nicht deutlich gonug bezeichnet; es ist möglich,
dafs er bis zum Wytschegda- Ausflufs gereicht hat (Koysor-
ling, S. 355). Der Timangletscher stiefs, noch Nordosten
herabsteigend, mit dem Uralgletscher zusammen und füllte
mit diesem das ganze Petschora-Becken aus, dabei Geschiebo
suines Karbonkalksteines über die ganze Gegend verbreitend.
Stuckenberg sagt, dafs man das verhältnismäfsige Vorherr-
schen der Timangeschiobe im Westen, und der Uralgeschiebe
im Osten, und alsdann die Vermischung derselben haupt-
sächlich im mittlern Teile des Beckens beobachten kann.
») #. a. S. ISO— 123.
Rufsland und dem Uralgebirge.
Diese Geschiebe werden teils als abgerundet, teils als
ganze Blöcke mit vollkommen scharfen, unabgeriebenen Rän-
dern, teils mit deutlichen Spuren von Schrammen beschrieben.
Als Material der Grundmoräne zeigte sich hier typischer
Gcschiebelehm. Dieser Gletscher hatte unzweifelhaft eine
Bowegung nach Norden hin ; aber die Struktur seiner Nieder-
schläge wurde dadurch komplizierter, dafs ein bedeutender
Teil des nördlichen Petschora -Gebietes zur Eiszeit vom
Meere bedeckt war. Das gab dem gröfsten Teil der von
dem Gletscher hineingetragenen Niederschläge eine geschich-
tete' Struktur, und da jene mit den Niederschlägen des
MeereB vermischt wurden, haben Bich in den zahlreichen
Resten von Seemuscheln, welche in diesen geschichteten
Geschiebeablageruugeu eingenistet sind, Spuren ihrer Ver-
senkung erhalten.
Dio Fragen endlich, wio weit der Timangletscher nach
SUdwesten herabgestiegen ist, ob er sich mit dem skandi-
navischen Gletscher zu einem vereinigt hat, und bis wohin
in diesem Falle das Vordringen der Geschiebe ins Innere
von Zentralrufsland verfolgt werden kann, — das alles blei-
ben auf Grund des vorhandenen litterarischeu Materials
vollkommen offne Fragen.
Ich mufs nochmals wiederholen, dafs es durch die oben
erwähnten Forschungen Keyserlings und Barbots konstatiert
ist, dafs von dem Gebiete des Flusses Wym nach Süden
und Südosten, zwischen dem Timan und der Verbreitungs-
grenze skandinavischer kristallinischer Geschiebebildungen,
ein breiter Streifen liegt, auf dem nur Geschiebe von lokalen
Sedimentgesteinen gefunden werden. Ein ähnlicher, noch
doutlichor bezeichneter Streifen tronnt das Gebiet der skan-
dinavischen Geschiebe vom Ural ; und das gibt seinerseits
eine negative Antwort auf die letzte und höchst wichtige
Frage, ob der Gletscher des Petschora-Gebietos nach Süden
herabgestiegeu und über die Petachora-Kama-Wassorscheide
in oiner Richtung gegangen ist, welche derjenigen dos na-
türlichen, nach Norden gewandten Abhanges entgegengesetzt
ist, eines Abhanges, der in anbetracht der Senkung eines
bedeutenden Teiles des Petschora-Gebietos unter den Meeres-
spiegel, wahrscheinlich steilor war als jetzt.
Hiermit schliefse ich. Meine Aufgabe bestand darin
zu zeigen, welchen Standpunkt die sich auf die vorhandene
russische geologische Litteratur gründende Frage von der
Vergletscherung Rufslands zur Eisepoche jetzt einnimmt.
Vieles von dem in dieser Übersicht Gesagten mufs sich
mit der Zeit , bei genauerer Erforschung Rufslands , ver-
ändern; vielleicht sind einige hior nicht angezeigte Fakta
dem einen oder dem andern der russischen Forscher be-
kannt; doch glaube ich, alles Veröffentlichte und unser Ver-
trauen Verdienende bei der Zusammenstellung dieses Ent-
wurfes berücksichtigt zu haben.
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271
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
Von Premierleut. v. Francois.
(Mit Karte, t. Tafel 13.)
I. Überbliok über das durchreiste Gebiet.
Mitte Februar 1884 traf in Malange die vom König
der Belgier ausgerüstete Expedition zur Erforschung des
Kassai ein.
Dieselbe bestand aus dom Leutnant Wifsmann als Leiter,
dem Dr. Wolf, den Leutnants Franz und Hans Müller
und mir.
Die anthropologischen Beobachtungen machte der Stabs-
arzt Dr. Wolf, Leutnant Hans Müller Ubornahm nach dem
Tode des Leutnants Franz Müller, der am 9. Januar 1885
zu Mukenge einem perniziösen Fieber erlag, dessen Beschäf-
tigung neben der Bearbeitung der botanischen und geolo-
gischen Verhältnisse. Ich selbst hatte die kartographische
Aufnahme und die Notizen über die Meteorologie zu machen.
Als Handwerker waren der Expedition der Schiffsziramer-
mann Buslag und die Büchsenmacher Schneider und Meyer
zugetnilt. Letzterer erlag noch vor dem Abmarsch in das
Innere zu Malange dem Fieber.
In drei gesonderten Karawanen marschierte dio Expe-
dition Mitte Juni 1884 nach Mukenge, der Residenz des
Baluba-Häuptlings Kalamba ab, wo sie Mitte November des-
selben Jahres eintraf.
Nachdem in der Nähe von Mukenge am Lulua oine
Station erbaut war, und ich persönlich eine Expedition in
das Gebiet der Kanioka unternommen hatte, rückte die Ex-
pedition wiederum in gesonderten Karawanen nach einem
geeigneten Punkte am Lulua, um dio Wasserfahrt durch
Bau von Kanoes vorzubereiten.
Am 28. Mai 1885 vorliofson wir mit 60 Malange-Trä-
gern und 100 Baluba den Kanoebauplatz, fuhren in einem
Stahlboot und 16 Kanoes den Lulua abwärts bis zum Kassai,
wo wir am 5. Juni eintrafen, und kamen am 9. Juli am
Kongo unter 3° 10' S. Br. an.
Nach Beendigung dieser Reise begab ich mich in Be-
gleitung des um die Afrikaforschung hochverdienten Missio-
nars Orenfell den Kongo aufwärts, um dessen Nebenflüsse,
den Lulongo und Tschuapa mit dem Bussera, zu erforschen.
Am 22. Oktober 1885 traf ich wieder in Leopoldville
und am 17. Dezember desselben Jahres in Europa ein.
Im ganzen habe ich auf diesen beiden Reisen 4500 km
kartographisch festlegen können , von denen 4000 km bis
dahin noch unerforschten Gebieten angehören.
Die geographischen Ergebnisse sind insofern von Be-
deutung, als in dum gröfsern unbekannten Teil des links-
seitigen Kongo-Beckens die hydrographischen Grundzüge be-
kannt geworden Bind.
Genauer festgelegt ist die nächste Strafse von Malange
nach Mukenge, das Land um Mukenge zwischen 5}° und
6-J-® S. Br. und bis 23£° ö. L. v. Gr., die Flufsläufe des
Lulua und Kassai von 6-t® S. Br. an, des Tschuapa, Bus-
sers, Lulongo und Lopuri.
Das Land zwischen dom westlichen Randgebirge, dem
nach Süden geöffneten Bogen des Kongo und etwa dem
8® S. Br., gehört einer Hochebene von 3- bis 800 m Höhe
an. Dieselbe dacht sich bis zum 5® 8. Br. nach Norden
und von dort zum Kongo in westnordwestlicher Richtung
ab. Auf der Oberfläche verläuft sie in flachen Wellen,
deren begraste und bebuschte Kämme die vorbezeichneten
Richtungen einhalten und im südlichen Teile zahlreicher
und höher wie im nördlichen sind. In den meist sumpfigen
Wellenthälern fliefsen gröbere odor kleinere Gewässer, die
von dichten, schwor passierbaren Galeriowaldungen ein-
gefafst sind.
Vom Thal des Kongo abgesehen, ist das ganze Gebiot
von grofser Gleichförmigkeit. Dasselbe gilt von der Boden-
unterlago. Wo Erde oder Gestein zu Tage treten, sieht
man vorwiegend schwarze Humuserde, rotgelbe Lehmerde
und einen rötlichen 8andstein.
Unter den erforschten Flüssen nehmen der Kassai und
Tschuapa die erste Stelle ein.
Der Kassai ist von den Poggefällen bis zur Einmün-
dung des Lowoa und von letzterm bis zu der Einmündung
in den Kongo, stromauf und stromab, im ganzen auf einer
Strecke von 650 km schiffbar.
Schwierigkeiten begegnen der Schiffahrt durch die zahl-
reichen Inseln und Sandbänke des mittlern und untern Laufes.
Seine Wassermasse imponiert durch die Tiefe im untern
und die Breite im mittlern Laufe.
Das Gefälle ist am stärksten bei der Einmündung des Lulua,
wo dasselbe bei Niedrigwasser in 1 Minute 80 m beträgt.
Sein landschaftlich märchenhaft schöner Zuflnfs, Lulua,
ist von der Mündung des Lnebo an schiffbar. Oberhalb
ist sein Bett steinig und von zu starkem Gefälle, so dafs
ich z. B. bei meiner Thalfahrt von Tschingenge bis zur
Station Luluaburg streckenweise 700 m in einer Minute
hinabgeführt wurde.
Von den andern gröfsern Zuflüssen strömen mit starkem
Gefälle links der Loangu und Kuango, rechts der Sankura
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272
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
ein. wehrend der Mfini von rechts mit wüfaig starker Strö-
mung eiufliofst.
Vor dom Kassai hat der erst tiefschwarze, spätor gelb-
liche Tschuapa durch sein gleichmäfsig tiefes und breites
Fahrbott noch den Vorzug der bessern Wasserstraße. Er
wurde 650 km weit befahren und soll von der Stelle , wo
wir umdrehten, noch 30 Kanoetage, 240 km weit, schiffbar
sein. Sein linker Zuttufs , Bussera, hat ähnliches Gefalle
und ist 240 km aufwärts befahrbar.
Die Schiffbarkeit der mäfsig schnell fliefsenden Wasser-
masse des Lulongo, einschliefslich der im obern Lauf sehr
erheblichen Krümmungen, beträgt 600 km.
Der ihm von Norden zufiiefsende Iaipuri hat dieselbe
WasBermenge, wurde nur 60 km aufwärts verfolgt, soll je-
doch nach Aussage der Eingebornen noch 300 km weit
schiffbar sein.
Klimatisch erscheinen die durchroiston Gegenden im
Vergleich zur Küstengegond bevorzugt.
In den Grastunneln der Negorpfade und im Urwalde
horrscht häufig eine unangenehme Schwüle , wie etwa bei
uns im gutgeheizten Treibhaus.
Wie bei uns bringen dann aber nach längerer Ilitze
Regen , die meist als Gewitter auftreten , angenehme Ab-
kühlung. Von einer eigentlichen Regenzeit kann dabei
nördlich des 6. Grades nicht gesprochen werden. Nur etwas
regnerischer ist die Zeit, in welcher die Sonne südliche
Deklination hat.
Gesundheitsschädlich sind die Ausdünstungen der ver-
wesenden Stoffe in Wald, Sumpf und Grasflur, die zwar
dor Angosossono, aber nicht dor Forschungsreisende ver-
meiden kann.
Die Pflanzendecke, die durch ihre Üppigkeit und Massen-
baftigkeit meinen täglichen Arbeiten viele Hindernisse in
den Weg gelegt hat, zeigt einen durchaus gleichartigen
Charakter. GraBflur, bebuschte Grasflur, Grasflur mit Baum-
gruppen, Galeriewaldungen und ausgedehnterer Urwald
sind die stets wiederkehrenden Typen, die nur in dichter
bevölkerten Strichen durch die Kulturen der Eingebornen
unterbrochen werden.
Abstufungen in der Üppigkeit der Vegetation sind na-
türlicherweise lokal vorhanden. Doch uueh in diesen Ab-
stufungen lassen sich noch bestimmte Gesetze erkennen.
In allen Nioderungen ist die Vegetation üppiger, dichter,
sind dio Arten mannigfaltigor und gröfser. 8o erreichen z. B.
die starren Grasstengel in der Niederung Höhen bis 6 m,
während dieselben Grasarten auf den Höhenkämmen nur
2—3 m erreichen. Ausnahmsweise kommt wohl auch auf
der Höho 6 m hohes Gras vor, dann kann man aber stets
aunehraeu, dafs der Boden dioser Strecken von ungewöhn-
licher Fruchtbarkeit sein mufs. Für die Gegend um Mukenge
und ausgedehntere andre von mir berührte Streckeu trifft
dies ganz sicher zu.
Eine weitere gesetzmäfsige Anordnung der Pflanzendecke
drängte sich mir im Verlaufe meiner Reisen auf. Es war
ganz auffallend, wie stetig und gleichmäfsig die Pflanzen-
decke an Mächtigkeit gewann, je mehr ich mich der Zone
des immerwährenden Regens näherte.
Unter 9° S. Br. waren die Galeriewaldungon schmale
unterbrochene Waldstreifen. Unter 8° S. Br. führte mein
Weg überall durch zusammenhängende dichte Galleriewal-
düngen. Unter 7\° S. Br. traf ich den ersten grölsern
Regenwald, don lichten Wald von Kundungulu, und zwischen
Loange und Kassai unter 6-i-“ S. Br. wurden die Wald-
bestände dichter, wobei sich eine stete Zunahme in der
Undurchdringlichkeit des Unterholzes bemorkbar machte.
Weit ausgedehnte Urwaldungon durchkreuzte ich zwischen
Kassai und Luebo unter 6°, und nur schwer kann man
sich eine Vorstellung machen von der Dichtigkeit, Massen-
haftigkeit und dem Artenreichtum der Pflanzenwelt zu den
Seiten der in der Nähe des Äquators befindlichen Flufs-
läufo, Tschuapa, Bussera, Lulongo und Lopuri.
Unter den Pflanzenformen fallen besonders die Palmen
dureb ihre grofse Zahl und Mannigfaltigkeit auf.
Am Lulua sieht mau tagelang nichts wie Palmen und
Paudanus, am Kassai treten im untern Laufe neben den
Palmen Grasarten in den Vordergrund, und am Tschuapa,
Bussera, Lulongo und Lopuri herrschen die Kopalbäume vor.
Dor inaugolnden Übersicht wegen sieht man selten Wild,
doch ist dio Artenzahl der in Freiheit lebenden Tiere sehr
grofs. Besonders grofso Herden von Flufspferden , sowie
zahlreiche Elefanten uud Buffo) sah ich am Kassai. Die
meisten Antilopen fand ich im Walde von Kundungulu.
Schlangen waren am häufigsten boi Mukenge.
In sämtlichen Flüssen waren Krokodile und ein großer
Reichtum von Fischen. Die Insekten waren am lästigsten
im Thale des Lulua.
Die Zahl der Haustiere ist geringer als bei uns. Ziegen,
Schafe, Schweine oder Hühner werden überall, Rindvieh
orst seit einiger Zeit bei den Baluba gehalten.
Die Bevölkerung der durchreisten Gegenden bestand dem
Aussehen nach aus reinen Negern, welche mit Ausnahme
der Batua dem Sprachstamme der Bantu angehörten. Die
verschiedensten Hautfärbungen vom lichten Gelbbraun bis
zum tiefsten Schwarz sind vertreten. Am dichtesten wsr
die Bevölkerung am Tschuapa und Bussera, am wenigsten
dicht am Lulongo und im Walde von Kundungulu.
Alle berührten Stämme botreiben Ackerbau.
Nebenbei betreiben die Stämme am Tschuapa und Kassai
in ausgiebigster Weise den Fischfang, für welchen sie sich
rocht zweckmäfsige Anlagen gemacht haben.
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Reisen im südlichen Kongo - Becken.
273
Bemerkenswert ist die Geschicklichkeit dieser abgelege-
nen Vülkor in Anfertigung von Gebrauchsgegenständen.
Thon, Holz, Pflanzenfasern, Stein, Eisen, Messing, Kupfer
und Elfenbein werden zu ganz zierlichen Hausgeraten und
Waffen verarbeitet. Vorzüglich gearbeitete Stoffe aus Palm-
faser worden von den Bakuba angefertigt.
Als Händler besonders hervorzuheben sind die Kioke,
welche vielleicht die geschicktesten Kaufleute Afrikas sind.
überall treten die Grundlagen der Kultur, Ackerbau
und Handel, hervor, die auch ihren äufsern Ausdruck in
der Sucht des Negers nach Putz findet.
Die Tättowiorung findet sich bei allen Stämmen am
Kassai, Kougo, Tschuapa und Lulongo, in besonders schünon
Mustern bei den Baschilango. Sie ersetzt bei don Bau-
gombe-Weibern, die vollständig nackt gehen, gänzlich die
Bekleidung. Sonst wird das Hüfttuch getragen, das bei
den Männern durchgängig reichlicher wie bei den Weibern
bemessen ist.
Produkte :
Elfenbein, Gummi, Kopal, Angolaholz, Ebenholz, Palmöl,
Palmkerne, Orseille, Rizinussamen, Erdnüsse, Kolanüsse,
Zucker, Wachs, Ilippopotamuszähno, Felle.
Hierzu treten durch Anpflanzung Reis, Kaffee, Gewürze,
Tabak, Baumwolle.
Die Ergiebigkeit des Bodens ist allerdings verschieden.
Am geringsten scheint sie im Unterlaufe des Kongo und
Kassai zu sein. Dagegen sind die Gegenden am mittlern
Kassai, dosseu linken Nebenflüssen und dem Lulua vorwie-
gend fruchtbar, stellenweise von ominonter Fruchtbarkeit
und für Plantagcuanlagen geeignet.
II. Astronomische Ortsbestimmungen.
Berechnet von E. Stück.
Auf der Reise von Malange bis Leopoldville wurde für
die astronomischen Hühenmessungen ein Prismenkreis mit
einem Teilungsdurchmesser von 157 mm, von WanBcbaff in
Berlin, benutzt.
Der Limbus war in Drittelgrado geteilt und mit Hilfe
des Nonienpanros auf 20’ ablesbar.
Eine Untersuchung des Instrumentes in bezug auf Fehler
der Teilung, des Spiegels und der Blendgläser hat bisher
nicht stattfinden können, da das Instrument in Afrika zu-
rückgeblieben ist.
Die Höhen wurden stets mit Hilfe eines Quecksilherhori-
zontes und meist ohne Anwendung des Glasdaches gemessen.
Die Ablesung erfolgte zum gröfsten Teil an beiden Nonien,
in einzelnen Fällen wurdo nur oin Nonius abgelesen.
Der Iudexfehler des Prismenkreises wurde vor joder
Beobachtungsreihe bestimmt. Die flir denselben gefundenen
Werte erreichen, wie aus der unten folgenden Zusammen-
stellung hervorgeht, bis zur Station 92 (unterhalb der Loange-
mündung) einen nur geringfügigen Betrag. Von der Station
93 ab zeigt aber die Reihe der Worte einen erheblichen
Sprung , der darauf hindeutet , dafs das Instrument auf
dom Marscho wahrscheinlich einen Fall erlitten hat. Eine
infolgedessen am 23. Juni 1885 vorgonommeuc genauere
Untersuchung des Instrumentenkastens ergab dann auch,
dafs derselbe einen Sprung zeigte, den er vorher nicht
bosessen hatte.
Für die Baroraeterangaben wurde das Aneroidbarometer
Nr. 570 benutzt, die Temperaturablesungen geschahen an
einem in Celsiusgrade geteilten Thermometer,
Als Beobachtungsuhr diente ein Taschenchronometer
mit Ankerliemrauug und Kompensation für Temperatur.
Zur Bestimmung der geographischen Broit« wurden
in den wichtigem Lagerplätzen Zirkummeridianböhen von
Sternen und der Sonne gemessen. In den minder wich-
tigen Beobachtungsplätzen wurden nur KulminationBhöhen
beobachtet. Zur Zeitbestimmung dienten meist korrespon-
dierende Sonnen- oder Sternhöhen.
Zur Längenbestimmung wurden Monddistauzen und Mond-
höhen an sieben Beobachtungspunkten gemessen, doch mufste
von einer vollen Auswertung dieser Beobachtungen vor-
läufig Abstand genommen werden, da hierzu noch verschie-
dene Nebenrechnungen zu erledigen sind.
Aus vier Monddistanzen , sowie aus vier Mondhöhen,
welche an der Mündung des Sankuru in den Kassai beob-
achtet worden waren , ergibt sich als Mittelwert für dio
Länge = lh 22™ 1“ +;37* (ö. L. v. Gr.).
Zusammenstellung der geografischen Breitenbcstimmungen aus KulminationslUShen.
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Fetomiania Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft IX.
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+28
+20
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274
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1885. Januar 15.
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.. 26.
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6 1 36
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706,1
+20,5
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73.
1884. Norbr. 22.
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76 15 20
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4- 0 20
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4-28
5 56 16
74.
„ . 25.
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a Kridani
76 40 0
40 0
4- 0 20
711
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G 8 36
76.
1885. Januar 5.
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a Aurigne
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4- 0 20
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+27
5 22 3
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„ . 9.
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„ April 20. •
Uakua Kitsehimbula
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66 18 20
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5 35 58
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65 57 0
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5 25 21
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71 12 0
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4- 0 20
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+25
5 24 9
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5 25 17
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96 37 20
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Sankuru-Mündung
ß Uentauri
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67 53 0
53 0
+ 1 20
736
+32
4 17 53
89.
. . 18.
Kaxtai, recht« Ufer
Sonne Q
123 52 0
52 0
4- 0 50
737,6
-1-34
4 22 48
o2 Uentauri
68 3 40
3 40
4- 0 50
73<
+31
4 23 0
90.
. „ 19.
» In*ol i. d.Niiked. link. Ufers
ß Uentauri
68 57 0
57 0
4- 0 50
736
+30
4 17 2
91.
- » 20.
Loange-Mündung
Sonne Q
125 5 40
5 40
4- o 30
736,«
+31
4 16 11
92.
21.
Kaisii, Insel i. d. Niibcd. recht. Ufers
Sonne 5
125 21 40
21 40
4- 0 30
740,1
-r34
4 8 0
ß Uentauri
08 37 0
37 0
4- 0 30
7 37 »8
+82
4 C 48
93.
. „ 22.
... „ „ linken »
Sonne Q
125 42 0
42 0
—11 30
736.«
+28
4 4 5
23.
Sonne (3
124 37 40
37 40
—11 30
736,4
+29
4 5 27
oo.
ß Uentauri
68 44 20
44 20
—11 30
738.4
+26
4 4 30
94.
„ , 24.
.. rechtes l'fer
Sonne y
126 1 20
1 20
—11 30
738
+34
3 66 22
95.
„ . 25.
» Insel i. d. Nahe d. link. Ufers
o2 Uentauri
67 5 0
5 0
—11 0
789,*
+30
3 47 40
96.
26.
Sonne Q
126 41 20
41 20
—12 10
739,7
+30
3 39 49
o2 Uentauri
66 48 40
48 40
—12 10
740»*
+29
3 39 0
97.
„ » 27.
Sonne 0
126 52 20
52 20
—1 1 5
740,7
+35
3 36 15
98-
.. „ 28.
„ linkes Ufer
Sonne
127 7 20
7 20
— 12 0
738,4
+29
3 31 58
o2 Uentauri
66 34 20
34 20
— 12 0
740,7
-1-30
3 81 49
99.
. . 29.
a2 Uentauri
66 20 40
20 40
— 12 0
740,6
+30
3 24 59
100-
„ , 30.
„ rechtes Ufer
Sonne -Tj
127 34 40
34 40
— 12 0
742,8
—32
3 24 59
101.
„ Juli 1.
„ Insel t. d. Nähe d. Unk. Ufers
Sonne
127 56 20
56 20
—12 0
743
4 32
3 18 8
a2 Uentauri
66 7 20
7 20
— 12 0
740,6
—32
3 18 20
102.
o.
Kuaneo-Mündung
o2 Uentauri
65 55 40
55 40
—12 0
740,1
+31
3 12 30
103.
„ . 3-
Karsai, lnv*l i. d. Nähe d. link. l*few
ß Uentauri
66 47 20
47 20
— 12 0
742
i-SO
S 5 42
a2 Uentauri
65 41 0
41 0
— 12 0
743,7
-430
3 5 9
104.
. „ 4.
a2 Uentauri
65 36 20
36 20
—12 0
743
+30
3 2 49
105.
„ « 6.
„ linkes Ufer
«2 Uontauri
65 37 0
37 0
—12 0
743
+32
3 3 10
106.
„ .. 8.
o2 Ontuuri
65 38 0
38 0
—12 0
742
+29
3 3 40
107.
k „ 10.
Kassai-Mündung
Sonne Q
128 55 40
55 40
—11 «5
744.6
+31
3 10 23
108.
■ . 11.
Oobila, linkes Ufer des Kongo
Sonne
128 49 0
49 0
—11 25
743.«
-1-83
3 21 27
109.
„ » 12-
Kongo, linken Ufer
a2 Uentauri
66 52 20
52 20
— 11 25
743,4
+30
3 41 9
111-
» » 15.
Sonne 0
129 34 20
34 20
— 10 80
744,4
+31
4 5 13
112-
. . 19-
Liopoldrillc
" Urgni
81 47 20
47 20
—10 30
737,«
-+99
4 20 11
Sonne y
131 13 0
13 0
— 11 20
739,7
-r29
4 20 14
n? ^ u.
a Lrrtte
94 10 40
10 40
—11 30
739
-r-29
4 20 20
. . 25.
»
Sonne Q
132 52 20
52 20
—10 50
739.7
1-29
4 20 2
t) Ungünatige Beleuchtung.
35
276
Reisen iui südlichen Kongo -Recken.
Zusanwicnetclluny der geographischen Breiten.
Diese Zusammenstellung enthält die Breitonorgeb-
nisse, wie sie die Kulmination"- und ZirkuuimeridiAiihöhen
liefern.
Gesamt«
c
u c.
ErgcbnUtc
■5 u c
Wahr*
O r I.
der <<inz«lncn
isl
5f =
schein.
Breiten*
Hoher
bcMtitnmuogcu.
Fehler.
8Ud1. Br.
< 1
2.
Kambnndc
9V
29'
58"
1
-25"
3.
KuUlu
9
28
58
5
=±=1I
4.
Kaperekesua
9
26
14
9
± 8
5.
N*D»ta Kinguangtu
9
24
20
18
± 6
6«
Kattun
9
21
49
1
ah 25
7
h'arabo
9
20
15
1
ah 26
8.
Vljunji
9
17
16
1
t^-25
9.
KeU
9
15
51
U
-18
10.
Moanju
9
16
1
12
i ^
11«
Kafuich
9
14
50
3
3:14
12.
Mohanua . .
9
ii
19
1
±25
13.
Maschia-Kikawa
9
6
58
1
-25
14.
Sekcto
9
4
46
7
3= 9
15.
Banda Gonge
8
59
40
7
3: 9
10.
Kotubue, west). KinjilU ....
8
53
43
1
ah 25
17.
KinjilU
8
6t
56
8
± 9
18.
Mulollo-Arabango
8
46
35
7
ah 9
19.
Mns^inzana
8
38
26
5
hall
20.
Guvru
8
37
44
4
±12
21.
Molurabu sra Kuango
8
33
10
5
±11
22.
Kionguo
8
33
26
1
ak25
23.
Kiaiiiu-KinjilU
8
33
22
5
±11
24.
Samba
8
33
9
6
±10
25.
Kabne*o * Mukansu
8
34
59
10
± 8
26.
Mona Ndmuba-Mukaznba ....
8
37
14
2
±18
27.
Kamba-Ktai
8
39
30
1
±25
28.
Wald am Kisemba-Bach ....
8
43
0
4
±12
29.
Oojia
8
42
26
4
±12
30.
KatuUsarnba
8
40
51
3
±14
31.
Muhoneo
8
39
11
4
±12
32.
Am Kamaue*Bueh
8
26
38
3
±14
34.
Am Kipusuka-Bach
8
26
16
2
±18
36.
Mona ÜU Monanco
8
23
12
10
38.
Im Walde von Kundungulu . . .
7
59
56
4
±12
39.
Am Kiogongo-Barh
7
64
9
14
± 7
40.
Ara Katxchazela-Bach
7
52
35
1
±25
42.
Seha Kabuita
7
46
46
4
±12
47.
Am Lufuwh
7
7
56
4
±12
48.
Seha Katuala
7
0
35
2
±18
50.
Seha Mukosi*« .......
e
54
33
2
±18
51.
Muco« Tomba am I»woa-Kluf« . .
6
65
0
3
±14
52.
Ara Uowoa rechte« Ufer ....
6
54
54
3
±14
Laufende
Nummer.
Ort.
Oeaiut-
ErvebnlMe
der • Imelnen
Breiten«
be&tiumiuQgen.
SOdl. Br«
c
t C
j;au
"3 3
— O 0
-a’Z c
lii
< i
a
Wahr*
• rheiu*
lieber
Fehler.
64.
Am Kissuagunde-Btch
6
63'
54"
6
±u‘
57.
Am Kiboago-Bach
40
5
4
±12
58.
ZumbuU
6
35
18
4
±12
59.
Kauansche II
8
22
6
6
= 11
61.
Kav.ai (l’ogge) -Fall
0
31
58
3
— 14
62.
Kirabundu
8
20
2
4
= 12
63.
Molo Tschmiama
6
12
53
6
= 10
65.
Mäkelte
0
12
16
*
±18
66.
Atn Dan za« Buch
•;
8
44
2
= 18
68.
Tumbu Kimbari
6
9
1
3
±14
69«
Masehito-Alupiimbo
6
11
55
2
±18
70-
Mucle Kuerabe
8
8
4
15
= 7
72.
Mukeuge
*J
0
14
=2= 7
73.
Luluiburg
5
56
21
4
±12
74.
'IVchinKcnge
0
8
32
4
±12
76.
Kapuku Tschimbundu
5
22
28
4
±12
77.
Kitukula
38
40
4
±12
78.
Bakus KiUehimbula
8
35
58
1
±25
80.
Tiewu (Kanoe-Bauplatx) ....
6
24
56
S
±11
83.
Bcna Bikengc
S
9
31
1
=25
85.
K&ssat, Bcue Diele
4
36
43
10
± 8
86.
Ka&sai, Insel in d. Nähe d. r. Ufern
4
34
22
5
±11
87.
m <* <t «• • *
4
30
4
2
±18
88.
Sankura-Miindung
4
17
34
8
± 9
89.
Kami, recht» Ufer
4
22
54
o
— 18
90-
„ Insel iu d. Nähe d. 1. Ufers
4
16
49
4
±12
91.
Loaoge-Miinduug
4
16
3
3
— 14
92-
Komi, Insel in d. Nähe d. r. Ufers
4
7
24
8
± 9
.93.
„ 1. Ufer»
4
4
27
1
± 9
94.
’.ossai, rechtes Ufer
3
55
44
&
±11
95-
* Insel in d. Nähe d. 1. Ufers
3
47
6
5
— 11
96.
r •» • Jt * * «
3
39
56
7
± 9
97.
« • M 8 It V "
3
35
51
2
= 18
98.
Kiuoai, link» Ufer
3
31
57
3
±14
99.
3
24
49
3
±■4
100.
Koasai, recht» Ufer
3
25
39
4
±12
101.
. Insel in d. Nähe d. 1. Ufers
3
18
0
7
± 9
102-
Kuango-Mündung
3
12
30
1
±25
103.
Kossai, Insel in d. Nähe d. 1. Ufers
3
5
7
6
±10
104.
w « « ■ * f* ■
3
9
28
6
±11
105-
Kaasai, link» Ufer
3
8
47
3
±14
106-
• »e it ••«•*•
3
3
66
3
2T 14
107.
Kaasai-Mundong
3
10
7
±12
108-
Gobila, linkes Ufer des Kongo • •
3
21
55
4
±12
109.
Kongo, link» Ufer
8
40
49
3
±14
111.
*
6
22
±11
112.
L6o|H>tdrille
4
19
58
11
± a
(Schlaf« folgt.)
Die Cunos- oder Tute- Indianer in Darien.
Nach dem Bericht eines Missionars bearbeitet von Dr. H. Polakowsky.
Herr Bernhard August Thiel, Bischof von Cosla-Rica,
welcher vom Juli 1884 bis zum Mai 1886 mit kurzon
Unterbrechungon in Panama wohnte, hatte im Jahre 1885
einen Priester zu don Bewohnern der Dörfer Paya und
Tapaliza iu Darion gesandt. Diese Dörfer werden vom
Golfo do San Miguel aus erreicht, indem man den Rio
Tugra hin Auffahrt und östlich von der Mündung des Rio
Yavisa in einen von Süden in den Tugra fallenden Strom
einbiegt. Dieser grofse Flufs hat, wie mir Herr Bischof
Thiel schreibt (Brief aus Panama vom 11. Mai 1885), kei-
nen bestimmten Namen , einige nennen ihn Rio de Chepi-
gana, andre Rio I’iuogana, oder Rin Grande, oder Rio de
San Miguel. Auf der „Carte generale du Darien möridional
par Luc. N.-B. Wyse" in Iteclus’ Werke über Panama und
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Die Cuuos- oder Tule- Indianer in Darien.
277
Darien ') und auf der Karte, welche Wyse seinem „Rap-
port sur les etudes de la Commission internat. d’explorat.
de l'isthme du Darien“ (Paris 1877) beifügt, wird dieser
Strom als der obere Teil des Tugra - Stromes bezeichnet.
Auf der schönen „Carte generale de l’isthme colombieu,
dressee par Luc. N.-B. Wyse“ (1:500000) in dem nouesten
Werke'* *) dieses Forschers ist dieser Strom gleichfalls als
Rio Tugra bezeichnet.
Die Aufgabe dos katholischen Missionars war, die
Indianer dieser Gegend zu bekehren, den schon Bekehr-
ten zu predigon und allo nach Kräften zu unterrichten.
Da aber Bischof Thiel ein Kirchenfürst ist, welcher nicht
nur wie wenige andre dos spanischen Amerika eitrigst
für das Seelenheil und leibliche Wohl der Eingeborneu be-
dacht ist, sondern der auch nach Kräften dio Förderung
der Wissenschaften, besonders der Sprachforschung, Ethno-
logie und Geographie, betreibt und unterstützt, so gab er
diesem Missionar die Weisung, die Sitten der Indianor zu
beobachten , ihre Sprache zu erlernen und Aufzeichnungen
derselben zu machen. Auch studierte derselbe vor seiner
Abreise nach dem Golfe von San Miguel das genannte Buch
von A. Reclus. Boi seiner Rückkehr nach Panama erklärte
er nun dem Bischof, dnfs er vieles von dem, was Reclus
aufgezeichnet , nicht wahrgonoinmeu habe. So existiere
z. B. Polygamie unter diesen Indianern nioht *). In dem
Werke von Wyse finden sich prachtvolle Abbildungen der
Wälder, Flüsse uud Ortschaften dieses Teiles von Darien,
aber nur wunigo Angaben über die Sitten der Bewohner
desselben. Dio Existenz der Polygamie wird übrigens auch
kurz angeführt *). — Weiter erklärte der Missionar , die
Lebensweise dieser Indianer sei im allgemeinen durchaus
nicht so barbarisch und sittenlos, und lebten die Weifsen
und Mestizen in Pinogana, St. Maria, Yavisa &c. oft „wil-
der“ als diese Wilden. Der Irrtum der französischen Ent-
deckungsreisenden erkläre sich dadurch, dafs oft mehrere
Familien dieser Indianer in einem Huuso loben. Für den
Fremden sei es boi kurzem Besucho oder bei nicht sehr
eingehender Beobachtung dieser Indianer schwor, ihre Sit-
ten und Verhältnisse richtig zu beurteilen oder überhaupt
zu verstehen.
Nachdem der Missionar die einzelnen Dörfer la Palma,
l) Arm. Beeilt*, l’»n»ma i't Darien. Voyages d'exploratton. PiiLi 1881.
*) Luc. X.-B. Wjfjc, L« Canal do l’isama. Paris 1880.
3) Keclu* (a. a. 0., S. 210) schreibt: » I J [KÜygamie exiite prnbabio-
ment ch« eox. Aucun dc*rt de parontt' ne met obiteclo au maria^e, et
mime le* uniona les plua frequentes »out entr* frere at aoeur. Oenerale-
ment norose* et tacitumrs, ils ne aortenl de leur railancolie quo dam
rirresse , et deTiennent alnr» quemllours et crucla. Ili sont pareueui et
impriToyant*."
*) Wyae {*. a. O., S. 15) tagt: .et bien que quelquea-um d'entre
eui aient cependant dea notions rudimentairea de chriatianiame , ils aont
quelquefoia polygam»*.
Chepigana, Yavisa und Real do Santa Maria besucht und
iu jedom dieser Dörfer, in welchen neben den Indianern
bereits Weifso und Mischlinge leben, 8 bis 14 Tage ge-
predigt hatte, ging er am 21. April 1885 von Piuogaua
ab, um die Indianer von Paya zu besuchen. Aus dem
Tagebuche, welches der Missionar über diese Reise geführt
hat, teilt mir nun Herr Bischof Thiel in dem genannten
Briefe die folgenden Auszüge und Bemerkungon mit.
Ein Koch, ein Küster uud vier mozos (Burschen, Ar-
beiter) waren neben dem Missionar in der grofsen piragua
(Boot) , in welcher die Reise angetreteu wurde. Man war
bestens ausgerüstet mit Kochgesohirr, Hühnern, Eiern, Brot,
Zucker, Reis, Kaffee. Die mozos erwiesen sich als brauch-
bar uud gehorsam. Am Abond dos ersten Tages wurde
Yape erreicht, wo einige Indianer wohnen; am Abend des
zweiten Tages kam man bis Playa, am dritten bis Reveze
und am vierten Abend bis zur Mündung des Rio Paya.
Am 25. April wurde Paya selbst erreicht. Der Rio Paya
hatte wenig Wasser, das Boot konnte oft nicht durch die
laugen Stangen (palancas), mit denen die mozos dasselbe
bisher geschoben hatten , fortbewegt worden , sondern die-
selben mufsteu in das seichte Wasser stuigeu und das
Fahrzeug ziehen. In der Nähe von Paya liegt Payita
mit 27 , Abajo por aca mit 28 und Puoblo nuovo mit
73 Indianern. In Summa wohnen im Bezirke des Dorfes
Paya 218 Indianer, von denen Uber die Hälfte getauft ist.
Einige wenigo Weifse und Schwarze fand der Missionar
unter deu Bowohuern von Paya.
Man räumte ihm sofort ein Haus ein und bald darauf,
auf sein Verlangen, ein andres, bessores. Dio Indianer
kamen fieifsig zu ihm ; dos Morgens um 6-i- und des Abends
von 5 J- bis 6-}- Uhr hielt der Missionar Gottesdienst ab.
Mit Hilfe einiger intelligenter Indianer, welche lesen und
schreiben konnten, übersetzte or in wenigen Tagen den
Katechismus dor katholischen Glaubenswahrheiteu und eine
Erklärung dos Weseus der christlichen Kirche in die Sprache
dor Indianor. Die Gebete trug er in spanischer Sprache vor.
Über die Indianer selbst schreibt dor Missionar: „Die
Unwissenheit unter den Indianern von Paya ist sehr grofs.
Nichts wissen sie. In bezug auf die Toten sind sie voll
von Aberglauben. Sie legen die Toten in eine hamaca
(Hängematto) , «liose wird dann mit ihren Endstricken am
Grunde zweier Bäume, zwischeu welchen eine Grube an-
gelegt ist, in dor Weise aufgehängt, dafs die Leiche in
der Grube froi schwebt. Über die Leiche werden Brotter,
Äste, Zwoigo und darauf Erde geworfen. So lange die
Stricke nicht verfaulen, die hamaca also mit der Loiche in
der schwebenden Ijage verbleibt , irrt der Tote unstät
umher: wenn aber die Stricke abfaulcn und die Leicho iu
den untern Teil der Grube fällt, daun ist der Tote erlöst»
Digitized by Google
278
Die Cunos- oder Tule- Indianer in Darien.
Von der Auferstehung haben diese Indianer keine Idee,
ebensowenig von Feiudesliebe. Sie können es nicht ver-
stehen , dafs Krankheit und Unglücksfäile eine gütige
Schickung Gottes sein können. Von Gott und von einer
Seele wissen sie sohr wenig. — Binnen acht Tagen bin
ich alle Punkte der christlichen Lehre mit den Indianern
durchgegangen ; sie haben jetzt Ideen von den wichtigsten
Lehren des Christentums. Auf dieser (d. h. der nördlichen
Seite) des Flusses habe ich alle getauft, die meisten Ehen
eingesegnet. Die Leute bringen mir viele Nahrungsmittel,
darunter Eier, Yuca, Apfelsinen und ein Huhn. Ich gebe
ihqpn Geld und kleine Geschenke.
„Ich war in Payita1) zum Besuche ; der capitano (Cazika,
Häuptling) ist krank, desgleichen viele der übrigen Indianer.
Die Frauen sind wenig bekleidet, tragen nur einon langen,
bunt besetzten Kittel. Sie tragen einen eckigen Ring in
dor Nase und viele Glasperlen am nalse. Männer und
Frauon tragen das Haar lang und ringeln dasselbe , wenn
sie es gekämmt haben und ordnen wollen, um den Kopf.
Das Haar ist schwarz. Die Nasen färben sie sich rot.
Ich sah einige sogenannte Albinos, deren Haut rötlich-weifs
ist, und deren Augen sehr schwach und abnorm geformt
sind. — Es ist hier im Bezirke von Payita alles sehr teuer.
Die Männer arbeiten sehr wenig, die armen Weiber arbei-
ten auf den Feldern, müssen auch alles ins Haus schlep-
pen. Dio Männer fischen, jagen, säen und fällen Holz.
Es wird von allen viel chicha (das aus Mais bereitete be-
rauschende Getränk) getrunken. Die Sitten sind rein, ein
Verstofs gegen die eheliche Treue kommt sehr selten vor.
Die Ehen werden vor den Eltern beider Teile und dem
capitano abgeschlossen. Ein uneheliches Kind werfen sie
in den Flufs und bestrafen das Weib hart. Sie haben
grofsc Furcht vor dem Teufel. Zwei Tagereisen von hier
liegt Cutirail (?) mit vielen Indianern , welche denselben
Dialekt sprechen. Der capitano Francisco ist alt , spricht
gut spanisch und ist in Piuogana erzogen. Er ist verhei-
ratet und hat einen Sohn, Benito genannt.“
Es folgen nun einige speziellere Angaben über die
seelsorgerische Thätigkeit des Missionars und die Er-
folge derselben, und schreibt er dann weiter: „Was die
Indianer gewinnt, ist dio Güte; ein hartes Wort, ein zür-
nender Blick kann oft alles verderben. Geduld, kleine Ge-
schenke und der uneigennützige Eifer Bie zu belehren und
zu bekehren, sind erforderlich. Dor Pater Fray Pedro* *) war,
wie sie Bagen, zu bravo (heftig, strong). Langos Predigen
ist unnütz, man mufs mit den Indianern seihst die Glaubens-
lehren praktisch überlegen und besprechen und Beispiele
l) Einige Kilometer nördlich tod Pava. 8. die Kirtr ton Wjree in:
„Le Cinal de Pan»ra»~.
*) S. Kerl tu, Panama et Darien, p. 174.
und Vergleiche , welche ihrem Gesichts- und Ideenkreise
entnommen sind, anführen.
Ich führe hier ein elendes Leben. Ich schlafe auf einem
Brette, welches auf der blofsen Erde in meiner Hütte lieg».
Ich habe weder Stuhl noch Tisch und meist ein sehr arm-
seliges Essen. Und doch ist dasselbe noch viel besser als
das der Indianer. Ich habe alle Bewohner von Pueblo
viejo getauft , in Pueblo nuevo dagegen habe ich wenig
Teilnahme gefunden und konnte nicht lange daselbst bleiben.
Ich bete jetzt die Gebete mit den Indianern spanisch,
die doctrina aber in ihrer Sprache. So bat es noch bisher
kein Priester mit ihnen gemacht, daher waren sie so un-
wissend. Jetzt haben sie wenigstens eine kleine Idee der
doctrina (Lehre des Christentums) erhalten. Ein gemein-
samer Kirchhof fehlt. Ich habe in Paya 50 Indianer ge-
tauft und 18 Ehen geschlossen. Es bleiben 75 ungetaufte
Indianer.
Am Mittwoch den 6. Mai reiste ich von Paya nach
Tapaliza ab; sechs Indianor, welche einen Teil meiner
Sachen trugen, begleiteten mich. In 5 Stunden erreichten
wir Tapaliza ; die erste Hälfte des Weges war gut. Man
räumte mir in diesem Dorfe ein gutes Haus ein , und be-
gann ich sofort mit der genauen Aufzeichnung und Zählung
aller Bewohner desselben. Es wohnen 112 Indianer in
Tapaliza. Der capitano ist gut, sein Name ist Juan Bau-
tista. Diese Indianer sind bereits viel zivilisierter als die
von Paya. Sie begraben ihre Toten nicht in der oben
beschriebenen Art in einer hamaca , setzen auch weder
Chicha noch Mais ins Grab. Sie sind liebenswürdiger und
sprechen mehr spanisch als die Bewohner von Paya. Alle
sind getauft, sie wissen aber nichts von der Seele, der
Auferstehung &c., in einem Worte von der doctrina. Die
Ortschaft ist schöner als Paya. Man sieht auffallend we-
nige Kinder in Tapaliza. Ich erteilte täglich zweimal oder
noch öfter Unterricht, da die Wifsbegiorde der Leute sehr
grofs war. Sie bekamen viele neuo Ideen beim Unterrichte,
welchem sie mit grofsor Aufmerksamkeit und leuchtenden
Augen beiwohnten. Ich segnete 17 Ehen ein und taufte
19 Kinder. Der capitano bat mich um ein remedio (Heil-
mittel) für die Zunge seines Sohnes, damit derselbe das
Spanische schneller erlerne. Bei einer andern Gelegenheit
fragte er mich: „Warum tragen wir Kleider, da wir doch
alle nackt geboren worden?“ —
Es ist leider wahr, dafs man auch hier die unehelichen
Kinder in den Flufs wirft oder sie lebendig begräbt. Ebenso
verfährt man mit einer Witwe, welche nach dem Tode ihres
Mannes ein Kind zur Welt bringt. Es müssen strenge
Mafsregeln gegen dioso Greuel ergriffen werden. Infolge
des schlechten Triukwassers , welches man mir in einem
verfaulten Gefäfse brachte, war ich während der ganzen
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Die Cunos- oder Tuld- Indianer in Darien.
279
Zeit meines Aufenthaltes in Tapaliza krank. Ich hatte
4 Tage lang das Fieber, habe in 6 Tagen wenig gegessen
und geschlafen. Der hiesige capitano geniefst grofse Auto-
rität, führt ein musterhaftes Leben, ist wifsbegierig und in
jeder Beziehung besser als der von Paya.“
Am 15. Mai verliefe der Missionar Tapaliza und wurde
Pinogana nuch einer Fahrt von 11 Stunden erreicht. —
So weit die AuszUgo aus dem Tagebuche dos Missionars,
welche mir Herr Thiel mitgeteilt hat Weiter sandte er
mir eine Abschrift des genauen und sehr interessanten
Zensus der genannten Ortschaften , welchen der Missionar
mit grofser Sorgfalt anfgenommen hat. Ich kann denselben
hier nicht ganz abdrucken , begnüge mich deshalb damit,
den Zensus einer dieser kleinen Ortschaften ganz anzu-
führen und von dem der übrigen nur das Resultat anzu-
geben.
Payita besteht aus zwei Häusern. Im ersten Haus wohnen :
1) Agapipi mit seiner FYau Catalina und zwei erwach-
senen und einem kleinen Sohn und einer kleinen Tochter.
In Summa also sechs Personen. 2) Die Schwester der
Agapipi, eine Witwe mit zwei Söhnen; in Summa drei
Personen. 3) Juan , verheiratet mit einer Schwester dos
Agapipi, mit drei Kindern; in Summa fünf Personen. Im
zweiten Hause wohnen: 1) Juato, ein Bruder des Agapipi,
verheiratet, hat drei Kinder. In Summa also fünf Personen.
2) Ein andrer, verheirateter Bruder des Agapipi; 2 Per-
sonen. 3) Die alte Juanita; eine Person. 4) Payato mit
seiner F'rau und einem Sohne ; in Summa drei Personen.
In Abajo por aeä leben 28 Menschen in zwei Häusern
in fünf Familien (Feuerstellen). In Pueblo nuevo 73 Men-
sohon in neun Häusern in 24 Familien; in Pueblo viejo
92 Monschon in 14 Häusern in 30 Familien. Summa der
Bewohner von Paya mit Payita: 218 Indinner, von denen
105 getauft sind. In Tapaliza wohnen in sochs Häusern
73 Indianer in 27 Familien, in Pdcara 39 in drei Häusern
in neun Familien. Summa der im Gebiete von Tapaliza
lebenden Indianer: 112.
Von den Erzählungen und Angaben des Herrn Reclus
über den Lelo weifs der Missionar nichts. Nach Reclus
(a. a. 0.) ist der Leie die zweite Person in jedem Dorfe.
Er ist Priester, Zauberer und Arzt in einor Porson. Wyse
(Rapport Bur Darien, Paris 1877, p. 29, und bes. p. 36 f.)
behandelt den Leie einfach als capitaine des Indiens de
Paya. — Weiter sandte mir Herr Bischof Thiel eine Reihe
sprachlicher Aufzeichnungen , welche unsre Kenntnis der
Sprache dieser Indianer wesentlich bereichert. Ich habo
diese Herrn Pfarrer Wilh. Herzog (Fufsgönheim) zur ge-
fälligen Verwertung und eventuellen Publikation übergeben.
Geographischer Monatsbericht.
Europa.
Ein nachahmenswertes Beispiel gibt die Gtogr. Gesell-
schaft zu Greifswald durch Veranstaltung alljährlicher Aus-
flüge , welche man geradezu Lehrfahrten nennen kann,
nach einem durch landschaftliche Schönheit sowie in natur-
historischer und geographischer Beziehung interessanten
Punkt der nähern oder weitern Umgegend ; das Ziel der
diesjährigen von 70 Teilnehmern besuchten Exkursion, welche
unter Leitung von Prof. R. Credner vom 14. — 18. Juni
währte, war die Insel Bornholm, wo nebon der Besichtigung
von landschaftlich hervorragenden Punkten auch die Indu-
strie, welche durch die Natur der Insel wesentlich bedingt
wird, in Augenschein genommen, und endlich das Augon-
merk besonders auf die Erscheinungen der physischen Geo-
graphie gerichtet wurdo. Unter Leitung von Prof. Cohen,
Dr. Deecke und Dr. Gottsche hatte eine geologische Sek-
tion die Insel teilweise auf andern Routen durchstreift.
Der durch General Strelbitskys vordienst volles Work
,La superfleie de l’Europo“ gegebene Hinweis auf die Un-
genauigkeit der Arealangahen einzelner europäischer Staaten
hat bereits den Erfolg gehabt, dafs in Italien durch das
Militär-Kartographische Institut eine planimetrischo Berech-
nung der Gröfso des Königreiches ausgeführt worden ist
(s. Litteraturbericht 1886, Nr. 100). Diesem Beispiel wird
jetzt auch Frankreich folgen, in welchem Staate die An-
gaben Uber die Gröfse des ganzen Staates wie auoh die
einzelnen Departements beträchtlich schwankten. Nach einem
Beschlüsse dos Ministeriums soll nicht allein eine planime-
trische Berechmtng Frankreich», sondern auoh der Departe-
ments ausgeführt werden. Als Grundlage der Berechnung
soll die grofse Generalstabskarte in 1 : 80 000 dienen ; die
Ausführung der Berechnung ist dem Kriegsministerium über-
wiesen worden, und von diesem wurdo Col. Ferner, der Chef
des „Service geographique“ dor Armee, mit der Arbeit be-
traut.
Asien.
Dafs die Erforschung des Pamir durch die im Jahre 1883
errungonon bedeutenden Erfolge, welche den Reisen von
Putjata, Iwanow und Benderski einerseits, Regel anderseits
zu danken sind, der Hauptsache nach zum Abschlüsse ge-
kommen ist, diese Überzeugung drängte sich boreits durch
die vorläufige Karte (s. Mitteil. 1884, Taf. 4) auf, und sie
wird durch dio nunmehr vorliegende endgültige Bearbei-
tung durch die kriegstopographischo Abteilung dos russi-
schen Generalstabes noch wesentlich verstärkt. Dieses unter
dom Titel „ Karte der QueUfhiue de* Amu Dar ja nach den
nouesten Forschungen bis 1885“ erschienene Blatt im Mafs-
stab von 30 Werst auf den Zoll (1: 1260000) reicht von
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280
Geographischer Monatsbericht
Kaschgar im O bis Karki im W, von Xainnngan ira N bis
Tschitral im S und umfafst also das ganz« ('Imnat Huchara
mit seinen Depeudeuzen, die südlichen Provinzen von Rus-
sisch-Turkestan, den nördlichen Teil von Afghanisch -Tur-
kestan und don westlichen Teil von Chinesisch- oder Ost-
turkostan. Hauptsächlich ist die Karte auf Grundlage der
russischen Forschungen der letzten 15 Jahre nusgearbeitet,
aber auch die durch die Reisen der Punditen und engli-
schen Forscher gewonnenen Resultate sind nicht übersehen
worden ; das wichtigste (juellenmaterial , welches bei der
Karte benutzt wrurde, ist in Heft 2 der Iswestija der
KaiB. russ. Geogr. Gesellschaft 188t), Bd. XXII, zusmnmen-
gestellt. Die topographischen Verhältnisse des Pamir tre-
ten auf dieser Karte, welche in der bewährten technischen
Meisterschaft der russischen Generalstabsarboiten ausgeführt
ist, klar hervor; das lange vermutete Plateau löst sich
auf in eine Reihe 0 — W verlaufender Parallelketten , zwi-
schen denen die Zuflüsse des Amu-Datja nach Westen
strömen. Die bedeutendste Ergänzung der vorläufigen Karte
zeigt sich in dem Laufe des Murgab oder Bartang, welcher
an Bedeutung für den Amu-Darja mit dem Pändsch wett-
eifert; das von Putjnta 1883 noch nicht vermessene Stück
des Flufslaufes ist durch neuere Aufnahmen vollständig ver-
messen worden, und dadurch auch an diesem Punkte die
Verbindung zwischen Hegels Arbeiten und den topogra-
phisch weit zuverlässigem Aufnahmen Putjatas und Ben-
derskis hergestellt worden. Die NO-Greuzo von Afghunistnu
wird nördlich von der Landschuft Horan verlegt, obwohl
von afghanischer Seite Ansprüche auf die Ijandschaften
Roschan und Schugnan gemacht werden ; die Stellung von
Wachau zu Afghanistan wird zweifelhaft gelassen.
Über die Fortschritte der Potuuinschen Expedition (s. Mit-
teil. 1886, S. 124) geben Briefe des Topographen Skassi
vom 9./21. Oktober und von Potoniu vom 21. Dezem-
ber / 2. Januar Auskunft (Iswestya K. russ. GeogT. Gesellsch.
1886, Xr. 2), wonach im Herbste eine Routeuaufnahme
des Weges von Sunpautin bis nach Lan • tschou über die
Orte Luuan-fu, Uen-sjan, Sicho, Lisjan und Nin-juan-yan
ausgefbhrt worden war; dieselbe wurde durch zahlreiche
astronomische Ortsbestimmungen feBtgelegt. Der Natur-
forscher Beresowski begab sich nach Sigusjan, um zu jagen;
in seiner Abwesenheit verfolgten Potauin und Skassi den
Oborlauf des Gelben Flusses bis nach Santschuan, und von
hier ging Skassi , um die aufgeuommene Strecke mit Lan-
tschou und Guidui in Verbindung zu bringen, stromauf-
wärts über Sjau-chuatin nach dem Kloster Schjatschuu
und von da uueh dem Kloster Guiubum. Demselben Ziele
giug Potauin von Santschuan aus am Sining-Flusse strom-
aufwärts entgegen. Die Erlaubnis znm Besuche dos be-
rühmten Klosters wurde von dem chinesischen Amban in
Sining erst nach längerer Zögerung erteilt. Unterwegs
hatte Potauin die Ruinenstätte des Klosters Pilinssy (tangu-
tisch : Schjanba-buni-lyn) besucht , zwei Tagoreisen ober-
halb von Santschuan. Bei seiner Ankunft in Gumbum am
7./ 19. Dezoinber wurde Potanin ein ganzes Haus einge-
räumt, um seine Sammlungen unterzubringen. Der Aufent-
halt an diesem Punkte erwies sich als sehr vorteilhaft für
die ethnologischen Studien, da von weiter Ferne die Mongo-
len hierher wallfahrten. Im Frühjahr gedenkt Potanin die
am Flusse Edsiu-gol sefsliaften Torgouteu aufzusuchen, um
auf einer ganz neuen Route die Wüste Gobi zwischen
Sogok-uor und den östlichen Ausläufern des Altai zu
durchkreuzen.
Afrika.
Zentralafrika. — Eine neue Durchquerung von
Zontralafrika hat der schwedische Leutnant Glcerup, wel-
cher auf der Station Stanley Falls stationiert war, ausge-
führt. Im Dezember 1885 trat er mit einer Karawaue von
Tippu Tip die Reise am Kongo aufwärts an und traf Anfang
Juli 1866 in Zanzibar ein. Da Gleerup die Route von Stanley
1877 in umgekehrter Richtung verfolgte, so sind wichtige
geographische Aufschlüsse , mit Ausnahme der nicht uner-
wünschten Kontrolle der Stanleyschen Aufnahmen, kaum
zu orwarton. Von Interesse werden dagegen Gleorups Mit-
teilungen sein Ubor den Einflufs der arabischen Besitz-
ergreifung des Gebietes zwischen Stanley Falls und Njangwe,
wolches er als erster Europäer Beit Stanley — der Belgier
Amelot starb 1884 kurz vor Njangwe, Berichte Uber seine
Reise sind nicht veröffentlicht worden — durchkreuzte, wie
Uber die gegenwärtigen Zustände in Maujema.
Eine unerwartete Verzögerung hat der Aufbruch von
Prof. Dr. 0. Lenz von der Station an den Stanley - Fällen
erfahren. Die direkte Route nach Norden blieb ihm ver-
schlossen , da eine von Tippu Tip in dieser Richtuug ent-
sendete Expedition bereits seit 10 Monaten keine Nachricht
von sich gegoben hatte, und deshalb befurchtet wurde, dafs
sie bei den Stämmen südlich vom Uelle auf ernstlichen
Widerstand gestofsen sei. Lenz hatte sich deshalb ent-
schlossen, da Tippu Tip noch nicht reisefertig war, Ende
März allein nach Njangwe aufznbrechen , von wo er mit
l-euten des arabischen Händlers nach dem Mutan Neige
und der Landschaft Ruanda Vordringen will ; in letzterer
besitzt Tippu Tip eine Seriba.
Durch dio im vorigeu Hefte erwähnte Reise von
J. de Brazza ist der Beweis geliefert, dafs die von französi-
schen Geographen und Politikern (vgl. v. Franyois in Peter-
inanns Mitteil. 1886, S. 86) beliebte Darstellung des Li-
cona als eiues Zuflusses des mächtigen Ubangi unrichtig
ist, denn der zwischen boiden Flüssen sich ergiefsende Se-
koli strömt unmittelbar dom Kongo zu und ist identisch
mit dem von Grenfell und v. Francois befahrenen Punpa,
während der Licona wahrscheinlich mit dem von Maztart
entdeckten , zwischon Punga und Bossaka in den Kongo
mündenden I.ikuala Ubereinstimmen wird. Massari hat den
aus NNW kommenden Likuala bis zum Äquator befahren
(Mouvement geogr. 1886, Nr. 10). Da der italienische
Reisende seit einigen Wochen nach Europa zurück-gekehrt
ist, so dürfte eine Veröffentlichung seiner Aufnahme, welche
Klarheit über den Unterlauf des Licona bringen wird, bald
zu erwarten sein ; ebenso aber auch die endliche , seit
1J Jahren vorzögerto Veröffentlichung seiner Fahrt auf
dem Kuango. Da Massari bisher allein diesen Flufs von
seiner Einmündung in den Kassai bis 4® S. Br. verfolgt
hat, so kann nur er Gewifsheit darüber verschaffen, ob der
Flufs wirklich eine auffallende Ausbiegung nach Westen
macht, oder ob Dr. Büttuor, wie er selbst als Dicht un-
möglich einräumt (Verhandl. Gesellsch. f. Erdkunde , Ber-
lin 1886, Nr. 6), bereits am Kongo angalangt war, als er nach
elftägigem Mnrschc westlich vom Kuango bei Kiballa eiuen
\
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Geographischer Monatsbericht
mächtigen Flufslauf, N'siuli Bulumbu, erreichte, welchen er
für den Kuango hielt.
Einige weitere Einzelheiten über die vom 8. Januar
bi* 4. April ausgeführte Fahrt von Dr. Wolf auf dein obern
Sankuru und lomami enthält ein neuerer Brief des Rei-
senden (Mouvement geogr., 1886, No. 17), welcher bereits
auf dem Rückwege nach Europa sich befindet, nachdem er
von Leutnant Wifsmaun in der Leitung der Stationen am
obern Kasaai-Sankuru abgelöst worden ist. Seine Aus-
führungen lassen keiueu Zweifel durüber, dafs der Louiumi,
welcher wegen eines Unfalles der Dampfmaschine nur bis
4* 40' S und 25* 5' 0 befahren werden konnte, in der
That Tributär des Sankuru ist, wodurch das Stromgebiet
des Kassai-Sankuru bis 26° 0. L. ausgedehnt wird. Den
Sankuru , in seinem obern Laufe Lubilasch , verfolgte der
„En Avant“ über Wifsmanns Überguug 1882 bei Kat-
schitsch hinaus bis 5° 30' S. Br., von wo aus Dr. Wolf
zu Lande noch bis 6° S. Br. vordruug, wo Stromschnellen
die Schiffbarkeit unterbrechen. Den linksseitigen Zutlufs
Lubi befuhr Dr. Wolf ebenfalls bis 5" 30' ; als weit weniger
bedeutend stellte sich der Lubudi heraus, welcheu Leut-
nant v. Francois östlich von Lulua entdeckt hatte. Die
Resultate der Wolfschen Aufnahme sind auf Tafel 13
dieses Heftes nach diesen vorläufigen Berichten bereits
angedeutet.
Die portugiesische Expedition unter Major 11. de Car-
c alho hat die Hauptstadt des Muatiamvo erreicht und mit
dem jetzigen Herrscher einen Vertrag abgcschlosseu, durch
welcheu das Lunda-Reich unter den Schutz des Königs von
Portugal sich stellt; ein portugiesischer Resident soll künftig
hier seinen Aufenthalt nehmen.
Ostafrika. — Die orste umfassende Darstellung eiues
der wichtigsten Teile der italienischen Expedition nach
Schon liegt seit kurzem vollendet vor; es ist Capt. Cecchit
Werk ]) über seine Reise in den von Schon abhängigen
kleinen Galla -Landschaften und sein Vordringen bis Kalla,
welches er als erster Europäer seit d’Abbadies und Bischof
Massajas Aufenthalt im J. 1843 u. 55 wieder erschlossen hat.
Das der Bedeutung der Reise entsprechend würdig uusge-
stattete Werk schildert hauptsächlich den wechselvollen
Verlauf der Reise, sowie die Gefangenschaft in dem kleinen
Fürstentums Gera, welche den Tod seines Begleiters Chiarini
zur Folge hatte ; iu einzelnen Kapiteln eingestreut sind
Exkurse historischen und ethnographischen Inhalts. Die
in drei Blättern von Prof. R. Mengaroni ausgenrbeitete
Karte in 1:1 000 000 ist im wesentlichen der Darstellung
der Cecchischeu Route gewidmet: die ältern Arbeiten in
diesem Gebiet, namentlich d’Abbadies geodätische Auf-
nahmen , sind wohl berücksichtigt , aber nicht kritisch be-
arbeitet worden. Der in baldige Aussicht gestellte 3. Band,
welcher die wissenschaftlichen Resultate, nämlich Vokabular
und Grammatik der Galla-Sprachen, die geologischen, astro-
nomischen , geodätischen Beobachtungen und Höhenmes-
sungen enthalten soll, wird der geologischen Übersichts-
karte hoffentlich auch ein kritisches Memoire Uber die
*) Da Z«l* all« frontiere di Calfs , VUftgi di Autonio Ceedii.
2 Vol. g°, SCO — 648 pp., mit 3 Kartrn, zahlreiche!! llluatntiuneu und
Tafeln. Heraiugcgebfti von der Italienischen Geogr. Gesellschaft. Rom,
K. Loewhcr, 1886. L. 20.
Eetermanns Geogr. Mitteünngen. 1886, lieft IX.
281
kartographische Litteratur dieses Gebietes beifügen. Wir
hoffen , auf dieses wichtige Werk noch eingehend zurück-
zukommeu.
Wenig Geschmack ist dagegen dem Werke von Sei. Mar-
tini1) abzugewinnen, denn es ist wesentlich polemischer
Natur und strotzt von Ausfällen gegen die italienische
Regierung, gegen die Geogr. Gesellschaft iu Rom, und
greift selbst Tote, namentlich den um die Erforschung
Afrikas hochverdienten Marquis 0. Autiuori, welcher sein
Leben für sein Streben eingesetzt hat, in erbittertster
Weise an. Iufolge der Unglücksfälle, von welcheu die
italienischen Expeditionen wiederholt heimgesucht wurden,
mufste Martini dreimal die Route vou Zeila nach Schoa
zurücklegen uud nach Italien zurückkehreu, uro neue Mittel
herbeizuechutl’en, so dafs er wenig Gelegenheit fand, soiue
Leistungsfähigkeit zu beweisen. Der zweite Teil des Buches
ist eine tagebuchartige Erzählung seiner dritten Reise von
Zeila nach Schoa, seines dortigen Aufenthaltes uud seiner
Rückkehr an die Küste vom 5. Juli 1879 bis 2. Februar
1881. Am wertvollsten ist der dritte Teil, die Wiedergabe
des topographischen Tagebuches, welches die genaue Routen-
beschreibung, Richtung, Zeitdauer Sc. des Marsches — für
Konstruktion der Karte wertvolle, aber ungenügend aus-
genutzte Angaben — enthält, sowie der vierte Teil, wel-
cher die Berechnung der Breiten- und chronometrischen
Längenbostimmungen von neun Punktcu ausführlich augibt.
Der erste, welcher die Wiedereröffnung Kaffas für Euro-
päer uuszuuutzen wufste, war der durch seine Forschungen
in der Sahara bekuunte französische Reisende P. Snleiltit,
welcher für eine in Obock etablierte französische Handels-
gesellschaft Ende 1882 eiuen kurzen Ausflug nach Kulfa
machte , um Handelsverbindungen daselbst uuzukuüpfou.
Die Reise vou Ankober bis Bonga, Hauptstadt von Kaffa,
währte gerade eiueu Monat. Während ein ausführlicher
Bericht im Bulletin du la Sechste Normaude de geogruphio
iu Rouen, leider ohne Karte, erschien, liegt jetzt auch
ein Auszug vor: Obock, Le Choa, Le Kafla, une exploration
commerciale ou Ethiopie (Paris, Dreyfouss, 1886; fr. 2, so),
welcher das Hauptgewicht auf die persönlichen Erleb-
nisse legt.
Anerkennenswert ist es, dafs die Ostafrikanische Ge-
sellschaft dem schlechten Beispiele der Geheimniskrämerei,
welche die Association Internationale du Congo lauge Zeit
beobachtet hat, und wolche trotz der gemachten üblen Er-
fahrungen auch jetzt noch nicht völlig von der Regierung
des Kongo-Staates aufgegeben wurde, nicht gefolgt ist, in-
dem sie ihre Reisendeu iu keiner Weise verpflichtet , ihre
Erlebnisse und Erfahrungen, die gewonnenen Eindrücke
der Mitwelt zu verheimlichen. Im Gegenteil sorgen diese
dafür, dafs die neuen deutschen Erwerbungen in weiten
Kreisen bekannt werden; ihre Berichte bilden, wenn sie
auch keine grofsen Entdeckungen zu verzeichnen haben,
eine beachtenswerte Bereicherung der Litteratur über Ost-
afrika. In jüngster Zeit gingen uns durch die Hände:
Dr. K. Jühlke» Bericht der Wanderung nach dem Kilima-
i ydscharo (Kölnische Zeitung, Nr. 152 — 160); von Joachim
Graf Pfeil: Meine Heine nach Kutu (Schlesische Zeitung,
>) Riconii dl ««urvioni in Atlriv« da! 1878 ttl 1881. 8a, 386 pp.,
mit Kart«. Floieaz, lip. di G. Buben, 1836. L. 10-
36
282
Geographischer Monatsbericht.
Nr. 415 — 463); von Leutnant Schmidt: Meint Reite in l'ta-
ramn und den deutschen Schutzgebieten Zentral-Ostafrikas
(8°, 36 SS.; Berlin, Engelhardt, 1886; M. 0,so).
In keinem Teile von Afrika hat iiu letzten Dezennium
die Forschung so bedeutende Fortschritte gemacht , als in
dem Gebiete zwischen dem Nyassa und der Ostküste. Bis
zum Ende der 70er Jahre waren nur zwei Strafsen nach
der See mit einiger Sicherheit festgelegt: die Route längs
des Schire und Livingstones Route längs des Rovuma ;
nur wenig mehr "Wort als eine Erkundigung hatte der von
dem zu früh verstorbenen Roscher zurückgelegte Weg. Der
übrige Teil des ausgedehnten Gebietes wurde auf den
Karten nusgefüllt mit zweifelhaften Flufsläufen und Höhen-
zügen und Namen von Stämmen, deren Existenz durchaus
unsicher war. Trotzdem Mocambique der Sitz eines portugie-
sischen Gouverneurs war, machte die Erforschung des ihm
unterstellten Territoriums keine Fortschritte, erst mit der
Errichtung einer englischen Mission am Nyassa erfolgte
eine Änderung , und zwar hauptsächlich von englischer
Seite. Dio Missionare Steere, Johnson, Maples, Smytbies,
die Konsuln Elton und O'Neill , der Geolog Thomson , die
französischen Reisenden Giraud und Angelvy haben das
Dunkel dieser der Küste naheliegenden Distrikte gelichtet.
Einen sehr wesentlichen Beitrag zur Karte scheint die
jetzt beendete Reise von Major Serpa Pinto und seinem
Nachfolger, Leutnant Cardozn, in Aussicht zu Btelleu, wie
A. d’Abbadie, welcher die Arbeiten der beiden vor kurzem
zurückgekebrteu Reisenden in Augenschein nehmen konnte,
in einem Schreiben an „The Athenaeum,< (14. Aug. 1886)
mitteilt. Die beiden Forscher haben sich nicht begnügt,
eine einfache Itineraraufnahme des von ihnen zurückgelegten
Weges auszufiihren , sondern sie haben ihre ganze Route
von Mocambique nach Ibo und von dort landeinwärts bis
Blantyre und zurück an die Sambesi -Mündung mittels
Triangulation festgelegt, eine äufserst mühselige und zeit-
raubende Operation, welche eine ausreichende Erklärung
dafür liefert, dahs die zudom von Krankheit und Not heim-
gesuchten Reisenden ihr Roiscprojekt nicht vollkommen
beendigen konnten. Da nach d'Abbadies Versicherung ihre
Arbeiten geradezu ein Muster für zukünftige Forscher
bilden, so mufs mau ihrer Veröffentlichung mit berechtigter
Spannung entgegensehen.
Als die schottische Missionsgesollschaft Mitte 1880
einou Beamten zur Untersuchung von Mifsständen und
Übergriffen nach der Station Blantyre entsenden mufste,
entschlofs sich die Frau des gewählten Komiteemitgliedes
A. Pringle , dio Reise mit ihm zu unternehmen. Zu geo-
graphischen Entdeckungen fand sich keine Gelegenheit, da
die gewöhnliche Strafse auf dem Sambesi und Schiro und
der kurze Landweg von Katunga bis zur Station nicht ver-
lassen wurde, auch Exkursionen nach dom Nyassa konnten
während des mehrmonatlichen Aufenthaltes in Blantyre
nicht gemacht werden, dagegen bot. sich mannigfaltige Ge-
legenheit zu Beobachtungen tibor Anschauungen und Sitten
der Makololo und Maganja, und diese weifs dio Dame ge-
wandt wiederzugeben in ihrem Buche; A jounuy in Katt
Afriea towards tho Mountains of the Moon (London, Black-
woods, 1886), an deren Existenz die Verfasserin iibrigeus
selbst nicht glaubt. Recht interessant sind die Mitteilungen
über die Akldimatationsversuche von Pflanzen in Blantyre,
welche bei Eukalypten, Kaffee, Weintrauben, Feigen u. a.
sehr gut geglückt sind.
Südafrika. — Eine vorläufige Skizze des Gebietes
zwischen Gorongoza und der Küste bei Sofala, namentlich
die neuern portugiesischen Routen vom Sambesi bis zum
Pungue darstellend (s. Mitteilungen 1886, S. 188), hat
K. 0. Ravenstein nach den portugiesischen Berichten und
brieflichen Mitteilungen von Capit. Paiva de Andrada, welcher
im Juni d. J. eine Expedition zur Erforschung des Sabia
angetreten hat, entworfen (Proceed. R. Geogr. Soc. 1886,
p.508). Nach neuern Nachrichten (Depescho ans Mocambique
vom 23. Juli, s. Kolonialzeitung 1886, Nr. 16) soll die
portugiesische Regierung die Annexion von Manica nach
W ausgedehnt haben bis in die von Mauch 1872 durch-
zogenen Gebiete, wodurch die von dom deutschen Forscher
entdeckten Goldfelder nun thatsiichlich portugiesische Terri-
torien geworden sind.
Dem Entdecker dieses Gebietes , welcher in der Erfor-
schung von Südost-Afrika Hervorragendes geleistet hat,
trotz der kärglichen Mittol , die ihm zu Gebote Stauden,
hat ein Jugendfreund, K. Mager, ein litterarisches Denkmal
gesetzt durch Veröffentlichung einer Biographie; „ Karl
Mauch, der Afrikareisende aus dem württombergiseben
Schulstand “ (Quartalschrift für Erziehung und Unterricht,
1886, Nr. 1 u. 2), welcher wesentlich durch Wiedergabe
eigener Schilderungen Mauchs seine Bedeutung als Reisen-
den hervorzuheben sucht. Dieselbe ist als Vorläufer einer
gröfsern Arbeit zu betrachten , welche in eingehenderer
Weise die Tbütigkeit des unermüdlichen Forschers schil-
dert, der es in seiner Bescheidenheit nicht verstanden hat,
sich in den Vordergrund zu drängen , und dessen Name
kaum 10 Jahre nach seinem Tode der Vergessenheit anheim-
zufallen droht.
Wor unter den Ergebnissen einer afrikanischen Reise
in erster Linie eine Schilderung von spannonden Erlebnissen
erwartet , der wird sicherlich von G. A. Farinis Reitewerl:
Through the Kalahari Desert (8°, 475 pp., mit Karte,
London, Low, 1886, Sh. 21) äufserst befriedigt werden,
denn an aufregenden Szenen, Jagdabenteuern, Gefahren für
Leib und Leben ist in demselben kein Mange). Daneben
aber enthält das Werk noch manche beachtenswerte Auf-
schlüsse über Land und Leute der südafrikanischen Wüste
oder richtiger Steppe , deren zentraler , allerdings schon
häufig von Händlern durchwanderter, aber unbekannt ge-
bliebener Teil von Farini zum erstenmal eingehend be-
schrieben worden ist. Den grüfsten Gewinn aus dieser
Reise scheinen die beschreibenden Naturwissenschaften zu
ziehen , da bedeutende botanische und zoologische Samm-
lungen zurückgebracht wurden. Sehr dürftig sind die Er-
gebnisse für die Karte, da eine fortgesetzte Itiuerarauf-
nahme nicht gemacht wurde ; die dom Werke beigegebene
Karte kann auch sehr mäfsige Ansprüche nicht befriedigen *).
Die Schlufsfolgerungen , welche der Verfasser aus seinen
Wahrnehmungen zieht , erscheinen sehr gewagt und ent-
behren zum Teil genügender Begründung. So wird die
>) Weit ansprechender und mit gröf»«rer Sorgfalt ausgeführt ist di«
im Juli-Helle d«r Procceding« of the It. Geogr. Socittj erschienene Kart«
der Finnischen ltoute.
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Geographischer Monatsbericht
283
auch von andern Reisenden beobachtete Abnahme der
Wassermenge des Ngaini-Sees ’) durch eine andauernde He-
bung des Landes zu erklären versucht, für welche der Beweis
einzig und allein in einer Höhenmessung fiir Tunobis auf
der Route von Damara-Land nach dem Ngami-See gefunden
wird, welche ein die Galtonsche Messung von 1851 um
10 F. Überragendes Resultat ergab. Wenigstens voreilig
ist die Schilderung der Kalahari als eines zur Kolonisation,
namentlich zur Viehzucht geeigneten Gebietes; zu einer
solchen Behauptung bedarf es noch genauerer Nachwoise
über periodische Wiederkehr und Monge der Niederschlage,
sowie über die Möglichkeit, durch Brunnen Wasser zu er-
langen ; ein Absatzgebiet fiir Produkte der Viehzucht und
des Ackerbaues wäre in der Kalahari auch nicht loicht
herbeizuschaffen.
Bis zum mittlern Sambesi in das Barotse -Mambunda-
Reich ist der photographische Apparat bereits vorgedrungen.
Während seiner Reise nach lüalui, der Hauptstadt des-
selben, im Jahre 1884 hat der französische Missionar
CoiUard eine grofse Zahl von Photographien ausgeführt,
welche jetzt durch die Socidte des missions evaugcliques
de Paris zum Verkauf gebracht werden. Die ganze Samm-
lung zählt 107 Nummern (75 l'rcs; einzeln ä fr. 0,50 — fr. 1)
und umfafst Ansichten und Typen aus Transvaal, dem
Betschuanen - Gebiete, der Kalahari und vom Sambesi.
Australien und Inseln des Grofsen Ozeans.
Festland. — Nach einem vergeblichen Versuche, auf
direkter Route vom Finke River nach der Westgronze von
Queensland durchzudringen , hatte Dar. Lindtay bessern
Erfolg, als er die Station Alice Springs zum Ausgangs-
punkt nahm. Durch die östlichen Ausläufe der MacDonell
Ranges traf die Expedition Anfang April am Luke Nash
ein nach bedeutenden Strapazen, verursacht durch Wasser-
mangel, anhaltende Dürre und Hitze. Das durchzogene
Gebiet, von welchem ein Teil bereits 1878 und 1884 durch
Ch. Winnecko aufgenommen worden war, wurde vermessen,
und dann die Kartieruug des Herbert- Flusses begonnen.
Neuguinea. — Die durch Dr. Finsch erfolgte Ent-
deckung des bedeutenden Kaiserin Augusta-Flusses an dor
Nordküste von Neuguinea ist von Kapt. Dalimann weiter
ausgebeutet worden, indem derselbe am 4. und 5. April
mit einer Dampfbarkasse den Flufs ca 40 miles (65 km)
stromaufwärts verfolgte : der Flufs scheint jedoch noch viel
weiter mit Dampfkraft befahren werden zu können. Eine
zweite Station der Neuguinea • Kompanie ist am Hatz-
feldt-Hafen (145° 9' 0. L.: 4° 24' S. Br.), ein dritter
am Constantiue - Hafen (145° 45' Ö. L. , 5° 30' S. Br.)
errichtet worden , naebdom wegen dos Mangels an bequem
erreichbarem SüfBwasser von der projektierten Station am
Friedrich Wilhelm -Hafen Abstand genommen war. Die
wissenschaftliche Forschungsoxpedition unter Leitung von
Dr. Schräder, welche am 19. April in Fiusch-Hafeu eintraf,
t) Mach item Berichte eines ungenannten deutschen Reisenden und
Händlers (Kolonialzeitung 18H6. Kr. 16) soll der See jetzt nur noch eine
Llngroausdehiiung ton 31 miles haben, «ährend Chapman 1850 seine
Länge — gegen Licingstones Darstellung allerdings Übertrieben — zu
50 miles berechnete.
hat gröfsere Reisen noch nicht unternehmen können, da
die Malaien auf den Stationen auf längere Zeit nicht zu
entbehren sind und die von Cooktown mitgebrachten Chinesen
zu solchen Touren sich untauglich erwiesen. Zwei kleinere
Ausflüge wurden vom Finsch-Hafen ausgoführt , der eine
unter Leitung von Dr. Schräder nach dem Korallenflufs
12 km landeinwärts, ein zweiter von Dr. Hollrung nach der
Laugemuk-Bucht, womit eine Untersuchungsfahrt auf dom
FIubbo Bubui verbunden wurde, in welchem Stromschnellen
schon bald der Schiffahrt ein Ende setzten. Nach neuesten
Nachrichten ist der Landeshauptmann Admiral Freiherr
v. Schleinitz am 10. Juni 1886 im Finsch-Hafen ange-
kommen (Nachrichten über Kaiser Wilhelms -Land, 1886,
Nr. 2 und 3).
Die Expedition des englischen Naturforschers II. O. Forbe*
nach dem Owen Stanley- Gebirge ist wegen Mangel an Mitteln
gescheitert. Durch unvorhergesehene Verzögerungen auf
der Ausreiso war er erst Ende August 1885 in Port Mo-
resby, zu spät, um vor Eintritt der Regenzeit noch die
Expedition nach dem zentralen Gebirge anzutreten, weshalb
er sich zur Errichtung einer Station in dem Dorfe Sogeri,
zwei Tagoreison landeinwärts, entscblofs, um während der
Regenzeit zu sammeln, meteorologische Beobachtungen an-
zustellen und vorbereitende Ausflüge zu unternehmen ; auch
führte er eine sorgfältige Triangulation des Distrikts im
Auschlufs an die englischen Küstenaufnahmou aus. Da
neue Geldmittel nach Ablauf der Regonzoit nicht eintrafen,
so sah sich Forbes gerade zu Beginn der Reisezeit ge-
nötigt, seine Forschungen abzubrechen und nach Australien
zurückzukehren.
Nach einem Berichto von Comm. Moore, Führer des
englischen Vermessungsschiffes „Rambler", ist im deutschen
Schutzgebiete eine neue Insel entdeckt worden (Notice to
Marinere, 1886, Nr. 143). Die Entdeckung wurde gemacht
von W. N. Allison , Führer des englischen Dampfschiffes
„Fei Lung“ , welcher auf der Fahrt von Sydney nach
Shanghai zwischen den Echiquier- Inseln und der Durour-
Iusel eine 2 — 3 miles lange, 100 — 150 Fufs hohe, mit
Bäumen bedeckte Insel sichtete, welche er Allison - Insel
nannte. Der Dampfer passierte in 6 — 8 miles Entfernung
zwischen Durour- und Allison- Insel , welche gleichzeitig
sichtbar waren. Die neue Iusel liegt ca unter 1° 25' S. Br.
und 143° 26' ö. L.
Polynesien. — Die von englischen Zeitungen ge-
meldete britische Annexion der Ellice - Inseln ist nach einer
vom Kolonialminister am 23. August 1886 im Untorbauso
abgegebenen Erklärung unbegründet.
Amerika.
G u i a n a. — Nach der ersten erfolgreichen Besteigung
des Rorairaa werden auch die ähnlich gestalteten Gipfel
im Grenzgebiet von Guiana und Venezuela das Ziel der
■ Erforschung. So hat der Naturforscher H. Whitely den
50 miles im NNW vom Roraima gelegenen Berg Twekhcay.
am Südufer des Carimang, unterhalb des Aruima-Einflusses,
erstiegen. Er ist weniger hoch als der Roraima, zeigt aber
in der Gestalt grofse Ähnlichkeit mit demselben, indem er
auf dem Gipfel abgeplattet ist und in fast senkrechten
Wänden abfällt. Dagegen ist sein Gipfel bewaldet und
die Entwässerung des Gipfels findet nicht wie beim Roraima
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Geographischer Monatsbericht
durch 'Wasserfalle über die Seitenwnnde statt, sondern die
Niederschläge sammeln sich in der Mitte des Plateaus in
einer tiefen Höhlung. (Proeeed. R. Geogr. Soc., London
1886, Nr. 7.)
Brasilien. — Dafs der Rio Para nur scheinbar ein
Mündungsarm des Amazonenstromeg ist, bestätigen Wahr-
nehmungen , welche der englische Ingenieur J. W Well*
1884 machte. I)io W'assermenge , welche aus dem Am«-
zonenstrom durch die Para- Mündung abfliefst, ist jetzt so
unbedeutend, dafs der Rio Para nur noch als Mündung des
Tocantins betrachtet wird, wenn er auch früher die Haupt-
miindung des Amazonenstromes gewesen sein mag. Die
Verbindung zwischen dem Tocantins und Amazonenstrom
wird durch einige sehr schmale, aher tiefe Kanäle her-
gestellt, durch welche Dampfer nur mit Mühe hindurchkora-
meu. (Proeeed. R. Geogr. Soc. 1886, Nr. 8.)
Patagonien. — Eine ausführliche Wiedergabe von
Col. Fontana t Bericht über seine erfolgreiche Krforechung
de* Chubut • Gebiete» (s. Mitteil. 1886, S. 219) enthält das
Augustheft des Scottish Geogr. Magazine. Besonders gün-
stig fällt seine Schilderung von dem Ostabhange der Pata-
gonischen Kordilleren aus, welcher dicht bewaldet ist, und
dessen Thäler von üppiger Vegetation bedeckt sind. Mus-
ters’ Beobachtung, dafs die Kordillere keine zusammen-
hängende Kette bildet, sondern an mehreren Punkten von
Flufelänfen, welche in den Stillen Ozean sich ergiefsen,
unterbrochen wird, fand durch Fontana Bestätigung, wel-
cher den Flufs Corcovado, südlich von dem gleichnamigen
Gipfel, ca 25 miles (40 km) verfolgte, ohne seinen Austritt
ans dem Gebirge erreichen zu können infolge des dichten
Unterholzes. Vom Senget aus machte Fontana eine Ex-
kursion nach dem St, Georgs- Golf, an welchem die Mün-
dung des auf den Karten sich findenden gleichnamigen Flusses
nicht existiert. Längs des Rio Chico, welcher sich in den
Chnbut ergiefst, traf Fontana nach viermonatlicher Abwesen-
heit im Februar wieder in der von Auswanderern aus Wales
gegründeten Kolonie Chubut ein.
Polargebiete.
Leut. Gordon* lierichl ') Uber die vorjährige Expedition
der „Alert“ in die lludton- Strafte und - Hai , sowie die Be-
obachtungen der sechs Stationen während des ersten Jah-
res 1884/85 lassen erkennen, dafs die geplante Ausnutzung
dieser Wasserstrafse zur Erschliefsung der Hudson -Bai-
Länder mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben
wird, wie die Sibirienfahrten durch das Karische Moor,
wenn auch die Eisverhältnisse sich etwas günstiger gestal-
ten werden, da die Zufuhr von Eis in die Bai von X her
niemals so bedeutend sein knnn, als au den Zugängen zum
Karischen Meere. Anfang Juli konnte die „Alert“ die Eis-
barriere in der Hudson -Strafst! noch nicht durchbrechen,
erst im August gelan die Fahrt, aber auch jetzt mufste
das Schiff mit Mühe seinen Weg durch die Eisschollen
bahnen ; die Hudson - Bai war bis auf eiuigo Schollen frei
von Eis, ebeuso die Strafse auf der Rückfahrt im Sep-
tember. Durch die Beobachtungen der Statiouen ist fest-
gestellt worden, dafs die schweren Eismassen nicht, wie
wie früher angenommen wurde, aus dem Fox -Kanal stam-
men, sondern von Osten her durch die Hudsou-Strafse an-
treiben, also in der Baffin-Strümung ihren Ursprung haben.
Ob sich jemals mit der für den Handel genügenden Sicher-
heit bestimmen läfst, in welcheu Monaten die Fahrt durch
die Hudson -Strafse keino Eishindernisse finden wird, er-
scheint mindestens fraglich. Für die Karte bemerkenswert
ist es, dafs durch die Beobachtung des „Alert“ die Insel-
gruppo der nördlichon Sleepers oder der Ottawn- Inseln
bedeutend nach Osten verschoben worden ist. Am 23. Juni
hat die „Alert“ abermals die Fahrt nach Fort Churchill
angetreten : die Stationen sollen aber nicht länger in Thä-
tigkeit bleiben. H. Wichmauu.
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I. Lieferung. Kr. 14 ttergbeu«: M(tUlU»4l«cä«« u*4 8chwaroe« M**r. Neben*
karte«. 1; 600 000 1 llafeo von Mar««4Ue ; KUiUk« laiel uo4 w«*ö««4e IUIMomI
(Opkagtaj ; Senkrecht* W4no«vert«4lunf Im MittelUodltcbeo Meer; Delta da«« er*
«h aften Kl um«« (KVro), .Neulaad ata (lull von TuuU ; ilif«« von Ode«t ; Delta
■ weiter Ordn'ing IKllla); llafea vou Athen, linfi« von Gibraltar. Lldl «ml Laau*
nea vun Venedig ; Entstehend« Halbinsel (b, <1* L4rtn») ; IUI t»i*»»e)u gewurdeii« In*
•ela (Oien* tmd Aigentario) . Aoh*«E» do» to • Delta ; Jsn-lfes« geworden« luel
(PUasblnw); Straf.* voo Mowlna. U«he1uag de« Petieiv« ; Drohen 1c Traaouog de«
Iha^rdUckeo llafeo» t«m» der 3m; Trennung de» LstoUeäe« Buten» v«a der See ; Bo»*
ponu; Hefen von Alexandria — Nr. 17 1 Uana; Jahredtoihermea. .Nebenkarte«: i
Jabre«leaooroale« nach Dove und Wild; Linien glekher jährlicher Wirmeschwan*
k.og »ick Snpan und Wild; J*br«»l»vtb« rrnes um den Nordpol. — Xr. 4? : Drude:
Kl otxokerte von Europa
1. Llefctung. Nr. ST ; Ifana : Jährlich« Verteilung der Kegeatnrage ftber die
Erde nach 1191. Nebenkarte« ; Jährlich« Regeamrage in den Vereinigten
Staaten neck Schott und !>«o«rc*>djr; Jlbrttobe Uegenateeg« in Mitteleuropa; Jihr*
liehe RegenmeoKe lo Indtea aaeh Blandfonl und llltl ; jährliche Regentacoge in
Juntk»; ln Meurltla»; la Xeueeelaad. — Nr 41: Drude: Vegctatlonssonen der
Erd«. XtUskirUa I VegeUtloawotwickeiuns Im Janaar . im Juli. — Nr 70 : Oer-
land: Die Völker Gxeanlea* Nebenkarte: Oe«amtgebl«t der w*«nit<hrn Völker.
1. Lieferung. Nr. 10: Hergtau«: Land* oad Wa»terrerteiliuvg. Stromgebiete
der Erd« la !*<ubfrte fltrhenrechter Aalmuul • Projektion und flir don Horiaoat
von Iterlla. .Nebenkarten - Debeleng de» Orlnoco; Waatertellung cwiicheu Severn*
und Winnipeg**«« : Oebeluag der II ut; Zwiefach« (Quellen In Ilalllngdat ; Wa»*cr-
teiluag In lUrdaagev; <4«eH« de* llaatn* und Logen! Gabelung de* Tomei Elf;
cellwelae tl «belang de« 8*rbew«l j iMtwets« Waaeertellung de« Menjrtech ; Gabelung
de» Bahr el Daheb!. — — Nr. IS: llana : Januar • Isotherme« Nebenkarten:
Janwar-Itanomaltm neck TeU»*renc de Bart und WIM; Winter * Isothermen um den
Nordpol: .lanaar • Dothertueo Im anfcertroplschen Sddemertka. — — Nr. St: Mar*
eha’l t V«rbrwttu«g der Saugetier«. I. A. Primat*« sod LemurcMe* (Affen und Halb,
affen); II. ChiropUra (Vi«d«rnUut* , ; C. Ineeotlvora (Insektenfresser); D. and E. :
Caralvor» (> :. isebfratser) ; K. Ramloantia fWleMevkluer).
4. Lieferung. Nr. 6 : llergkao» ; Eicverbreltong einet und Jet* t , Pvlaraniicht
der Erd« In Lambert« itZehenreobter Atlmutal * Projektion. Nebenkarten j Der
KESqm - QleUchvr uarb A. Kal»«». 1:1 400 00*>; 8*e«g«biet la Nordamerika mach
ChamhrrUn and Wrlght. 1 ; SO 000 000 ; Der Ithela • Gletscher nach A. Kev re.
1 : 1 S00 000 ; Die HnropSUchen Alpen- 1 t S 000 000 ; Der Loiiech* und Inu Uletacher
nach Prack and H»jrberg«r. I :l 800000; Die etdllehen Alpen von Neuseeland u«ch
J, v. Ilaa«t. 1 : S VOO 000. — — Nr. 29 : Um« : Juli • Isotherme«. Nebenkarten t
Juli - I «anomal e» nach T«U««rcnc de Bort und Wild. Juli • Isoth ernten um den
Nordpol ; Mal • Isothermen von tadle«. — — Nr. 03 i Merehall : Verbreitung dev
Saugetiere, II. A and II: llodeotia '.Nagetier«) . C: Hodentle ''Nagetier« tmd Hyrm*
coide« ; D: Probo»cld«« (K0»eoUier«) un-1 l'ngulete (Huftiere!; K. Edeatala .Zahu*
atme), Moootremat« (Gcbeitiere), Cetacea (Wale) ; K; Mertuplalla (Beuteltier«;. 81*
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stein, Hannover, Westfalen Sc«., 107 S8* M. l,ao. — 3: Prov. Sachsen,
l(e**em*Na*sau &c., 106 Hft. M. l.so. — 4: prov. Pommern, Brandenborg,
Grof» tierzogt. Mecklenburg »tc.. 10$ 88. M. 1,ho. — 6: Prov. Posen. Schle-
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642: Mamiulng, 670: Aham, 671: Fröntenbauxcn, 600: Gerzen. 60t: Gang*
hnfen, 751 : Halling. 776: Stephanskirchen, 7 <6: Prien. Litb. k M. l.so. — —
Topogr. Atia». 1:50 000. Hl. 20: Bamberg W, 89: Ansbach W. Kupfcrdr.
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454: Ilerby, 519: Ratihor, 620: Kybnlk. 637: Ruptau, 672: Landau i Rpf.,
628: A*chaflfeuburg.529: Lohr, 630: WUrzbarg, 606: EMingcu. k M. 1,6«.
Mcfstltcbblatter. 1;260CO. Nr. 369: Llidcrxhagen, 438: Rlchteoberg. 606:
Danschcnbnrg. 609: Marlow, 611: Franzburg, 670: HobenweMedt , 68«:
Tessin : 688: Tbelkow, 689: Trlbiee«, 690: Olewitx, 671: L*aage, 672: Wal*
kendorf. 673: Gnoien, 677: GUtzkow, 678: ZUhsow. 767: Warnkcnbagen,
768: Thürkow, 74U: Verchen, 761: LeUtenow, 762: Daberkow, 763: Crien,
764: Medow, 866: Törpla, 860: Jültx, 3771: Trembatachau, 2772: Kempen,
Litteraturverzeichnis.
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2773 : ßaranow. 2332: Srhmograu, 2834: Reinersdorf . 2896: NaioiUu.
2897: Noldau, 2896: Kozutadt, iS» : «ch-nwal.l, 2W>0: Lsndsberg i*Ob»chl.,
2943: Frlcdcberg am tjuals, 2949: AltKrmnit*. 2247: Uinchbent I Schl.,
3948: Kauffung, 2949: Bolkenhaln. 29 50: Hohenfriedherg, 2990: Karlsruhe,
2991: Bodland, 2962: Krcuxburg, 3007: Klintberg, 3008: Scbrelberbau. SU0U:
Warmbrunu. 8010: Kupfrrberg, 3011: Ruhhaok, 30)2: Freiburg IScfal..
3023: Alt-ßudkowltx. 3070: KrnmmhUbel. 3071: Schraledeberg. 3072: Landes-
but. 3073 : Waldenburg I Sehl., 3131 : Schömberg, 3132: Kriedland bAValdhg.,
3814 : Mnrklreb. 3643: Schlotutadt, 3648: Hilsenfcelm, 3651: Urbei». SG32:
Rappoltswcller. 3633: Gomar, 3354: MarkoUheim. 3630: Münster l/E., 3681:
Winzenheim, 3662: Kolmar, 3668: Lautoiibach. 3669: Gebweller. k M. 1.
Umgebungskarlen. 1:23000. Siraftburg SK. 4 Bl. — Hagenau, a Bl.
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Cok, H.s Geognostischc Karin der Gegend von Ottenhofen. 1:60 000. Lahr,
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grenzenden Ländern. 1:11500. Volksausg. Drcaden, Ja nicke, 1686. M. 1.
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1886.
Karle :
BOSSi, C. : Nuova Carta «teile Stradc ferrata itallane. colla indlcazlonc della
dtvlslone dcllc rotl. 4 Bl. 1:900 000. Mailand. 18S6. 1. 4.
(Gescbloaien am 25. August 1666.)
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I
*
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Der Nord— Ostsee-Kanal.
Von C. J. Beseke.
(Mit Karte, *. Tafel 14.)
Grofse Unternebmungou sind nicht das Produkt dos
Augenblicks, und wie der Suez* und Panama - Kanal , so
bat auch der Nord — Ostsee-Kanal seine Geschiohte. Nachdem
der Bau dieses Kanals ' unmittelbar bevorsteht , dürfte os
angemessen sein, auf die Einzelheiten desselben näher ein-
zugehen; denn es kann wohl kein Unternehmen neuerer
Zeit sich mit dem vorliegenden in militärischer und wirt-
schaftlicher Hinsicht messen. Die zahllosen frühem Ver-
suche, die der Konstruktion dieses Seeweges vorausgingen,
gehören nunmehr der Geschichte an ; es ist aber interes-
sant, einen Rückblick auf dieselben zu werfen, da die Idee
einer Durchquerung der jütischen Halbinsel bereits seit
mehreren Jahrhunderten nach ihrer Verwirklichung rang.
I. Die frühem Kanalprojokto ').
Naturgemäfs bewogten sich die altern Kanalprojekte in
nach ungern heutigen Begriffen aufsorordoutlich bescheide-
nen Grenzon und verfolgten vornehmlich den Zweck, der
Binnenschiffahrt, allenfalls auch dor benachbarten KUsten-
schiffahrt zu dienen. Der älteste, zu solchem Zweck pro-
jektierte und auch zur Ausführung gelangte Kanal ist
1) der Steclm'U- Kanal. Derselbe verbindet dio Stock-
nitz, einen rechten Nebenflufs der Trave, mit der Delvenau,
einem rechten Nebenflüfschen der Elbe, und so also mittel-
bar Lübock über Mölln und Lauenburg mit Hamburg. Der
Kanal wurde 1391 — 98, also vor etwa einem halben Jahr-
tausend, von Lübeck erbuut, um dem Binnenverkehr der
beiden mächtigou Hansestädte zu dienen. Er hatte für die
Seeschiffahrt aber gar keine Bedeutung, denn seine Tiefe
ist nur auf flachgehende Fahrzeuge der Binnenschiffahrt
berechnet. Es ist bekannt, dafs man sich in Lübeck in
neuerer Zeit ernsthaft mit einer gründlichen Korrektion
dieser Wasserstrafse beschäftigt. — Eine zweite, direktere
Verbindung Lübecks mit Hamburg kam vermittelst
2) dos Altler - Kanals im Jahre 1525 zwischen der
‘) Wir Terweiwn bezüglich dieser Ktuaiprojekte auf die Zusammenstel-
lung, welche der Karten I der angobefteten Karte des Nord — Ostsee-Kanals
«athilt
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft X.
Beste, einem rechten Nebenflüfschen der Trave, und der
in Hamburg in die Elbe mündonden Alster zu Btande. Die
Herrlichkeit dauerte nicht lange, denn nach kaum 25 Jah-
ren liefs der anwohnende Besitzer der Güter Börstel und
Süllfeld bei Gelegenheit eines Streites den Kanal — ein-
fach zuschütten! Die kleinen Dimensionen erleichterten dies
Verfahren sehr, denn der Kanal kann kaum als Barken-
kanal (3 Fufs Wassertiefe) bezeichnet worden. — Die Trace
dieses Kanals, der eine natürliche, durch die Flufsläufe ge-
gebene Verbindung vervollständigte, ist noch dreimal in
spätem Jahren Gegenstand des Projekts gewesen. Im
Jahre 1818 wurde eine, diese Trace in erweitertem Mafse
in Vorschlag bringende Arbeit des dänischen Kapitäns
v. Justi und des Dr. Lorenzen von der „ Hamburger Ge-
sellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Ge-
werbe“1 preisgekrönt. In den Jahren 1854 bis 1857 be-
schäftigte sich eine Brüsseler Gesellschaft mit derselben
Trace, jedoch erfolglos, da Dänemark die Wahl Trave-
mündes als Ostseemündung des Kanals nicht zuliefs; und
schliefslich wurde auf Anregung Altonas noch im Jahre 1873
eine von Michaelis bearbeitete Kanallinie in derselben Trace
projektiert, die bei Teufelsbrück , unterhalb Altona, in die
Elbe münden sollte. Alle drei Projekte kamen jedooh nicht
zur Ausführung.
3) Eiuo Kanallinie llibe — Holding, reBp. Ribe — Hadertlcben,
1539 und 1559 von dänischer Seite (König Christian III).
projektiert, kam nicht zur Ausführung. In gleicher Weise
blieb auch das Projekt
4) Ballun — Apenrad e, im Auftrago Christians IV. von
dem holländischen Ingenieur Pitaol projektiert , und zu
11 Fufs Wassertiefe bemessen, unausgeführt. Diese beiden
letztgenannten Projekte sind die nördlichsten und vorfolgen
die kürzesten Linien. Weiter südlich folgte dann
5) Tondem — Fleruburg, von dem dänischen Kapitän v. Justi
im Jahre 1761 in Vorschlag gebracht, und ferner, von
domsolben Ingenieur projektiert,
6) Jlutum — Schletwtg — Eckemforde, ebenfalls im J. 1761
entworfen; dieses letztere Projekt wurde 1848 vom Deicli-
inspektor Petersen abermals boarbeitet und 1866 im Auf-
87
290
Der Nord — Ostsee-Kanal.
trage eines Kanalkomitees der interessierten Städte von
dem holländischen Ingenieur Stieltjes umgearbeitet. Die
hierbei in Betracht gezogenen Dimensionen (128 Fufs Breite
im Wasserspiegel, 50 Fufs an der Sohlo, 22 Fufs Tiefe)
waren bereits solche, dafs damit einem Durchgangsvorkehr
der Seeschiffahrt in erheblichem Mafse Rechnung getragou
war. Zur Ausführung kam jedoch auch dieses Projekt
nicht. Inzwischen war nämlich der ira Juni 1777 in An-
griff genommene
7) Eider -Kanal im Jahro 1785 zur Ausführung gekom-
men, der im Auftrago dos Königs Christian VII. gebaut
worden. Dieser, nunmehr also Uber 100 Jahre bestehende
Kanal, verbindet die an der Eider gelegeno damalige Festung
Rendsburg mit dem Kieler Ilafen bei Holtenau. Diese
Kanallinie war bereits 200 Jahre früher, im Jahre 1571,
von dem Herzog Adolph von Schleswig - Holstein - Gottorp
ins Auge gefafst worden, jedoch damals noch nicht in An-
griff genommen. Der Eider -Kanal stellt also von Rends-
burg aus durch die Untereider mittelbar eine Verbindung
von Ost- und Nordsee her. Der Kanal ist ein Schleusen-
kanal von ca 7 m Scheitelhöhe , und zwar steigt derselbe
von Holtonau nach dem Flemhuder See mittels dreier
Schleusen hinauf und von da mittels zweier Schleusen nach
der Untereidor herab. Dio Untereider selbst steht unter
dem Einflüsse der sioh bis Rendsburg bemerkbar machen-
den Flutbewegung der Nordsee. Die Wassortiefe des Kanals
beträgt hur 9 Fufs, so dafs ihn nur unsre kleinsten Kano-
nenboote durchfahren können. Trotzdom er also einem
Seeverkehr nur in höchst unvollkommenem Mafse dient,
weist er eine Frequenz von ca 4500 Schiffon im Jahre
auf. — Ein ferneres, seinen Ausgang direkt in die Nordsee
nehmendes Kanalprojekt, wie dies bei sämtlichen (bis auf
1) und 2)) vorgenannten Projekten der Fall geweson, ist
8) das Projekt Bütum — Eckernförde. im Jahre 1863 von
Jessen als eino Abzweigung eines andern (des Christensen-
seben) Projekts entworfen. Wegen der unbrauchbaren Hafen-
Verhältnisse bei BUsum hatte es jodooh von vornherein
keine Aussicht auf Verwirklichung.
Die nun folgenden acht Projekte nehmen sämtlich
ihren westlichen Ausgang an der Unterolbo, währond die
OstmUndungen zwischen Eckernförde, Kiel und dor Lübockor
Bucht hin- und herschwanken. Die Linie
9) Brumbuttel — Rendeburg — Eckern för de, von dem Hafen-
orte Brunsbüttel an der Unterolbo ausgehend , wurde von
den Gebrüdern C. F. und H. Christenson im Jahre 1848
projektiert, hatte eine Länge von 87 km, Tiefe 24 Fnfs,
drei Schleusen und sollte 33 Millionen M. kosten.
10) Brunsbüttel — Kiel, im Jahre 1848 im Aufträge des
„Kieler Flottenausschusses“ bearbeitet, und im Jahro 1864
von einem Kioler Komitee von neuem aufgenommen, sah
oine Tiefe von 25 Fufs vor, sechs Schleusen mit Dampf-
pumpwerken und war zu ca 80 Millionen M. veranschlagt.
11) Auch das Projekt Störort — Kiel, von der Mündung
der Stör in die Unterelbe ausgehend, wurde im Jahre 1849
von dem vorgenannten Kieler Flottenausschufs bearbeitet.
Dieselbe Linie verfolgte oin in neueror Zeit von dem Eng-
länder Dr. Bartling 1880 bearbeitetes Projekt, welches mit
dem, dem jetzigen Regierungsprojekt zu Grunde liegenden
Dahlströmschen in Konkurrenz trat. Wogen der ungünsti-
gen Terrainverhältnisse , da diese Linie die höchsten Stel-
len des holsteinschen Höhenrückens dtirchschneiden raufste,
kam es jedoch nicht weiter in Frage.
12) Im Jahre 1861 wurde eine Linie St. Margarethen —
Ilaffkrug , also von der Ilnterelbe nach der Neustädter
Bucht, von KrÖhnko und Hansen projektiert ; die Tiefe war
zu 25 Fufs, die Baukosten bei nicht weniger als sieben
Schleusen zu 141 Millionen M. veranschlagt.
13) Im Jahre 1863 projektierte J. Sturz die Linie
Störort — Kiendorf, oin rein lubeckischcs Lokalprojekt, wel-
ches, an der enormen Länge von 121 km krankend, auch
den alten Alster-Kanal (man sehe unter 2)) benutzen wollte.
Nicht viel anders war es mit
14) dem Projekt St. Margarethen — Travemünde, welches von
einer Lübecker Nord — Ostsee-Kanalkommission im J. 1865
in die Hand genommen wurde. Auch dieses war über-
mäfsig lang, 124 km , und sollte 150 Millionen M. kosten.
Hiormit ist die Aufzählung der mehr oder weniger un-
fruchtbaren Projekte, in denen jedoch eine grofso Summe
von Vorarbeiten enthalten, beendet, und wir haben nun
nur noch diejenigen beiden Projekte auzuführen, aus deren
Verschmelzung das jetzige Rogierungsprojokt hervorgegan-
gen ist. Es ist dies zunächst die Linie:
15) St. Margarethen — Rendtburg — Eckemförde, ein im
Jahre 1864 vom preufsisohen Oberbaurat Lentze bearbei-
tetes Projekt, welches in Verbindung mit dem Dahlströra-
sclien das jotzigo Rogierungsprojokt bildet. Oberbaurat
Lentze führte dio Vorarbeiten im Jahre 1864 im Aufträge
des preufsisohen Handelsministeriums aus. Hier war zum
erstenmal der Kanal als reiner Durchstich auf
Meeroshöhe, ohne Schleusen, projektiert, und nur an
der Elbmündnng sollte, wie ja unvermeidlich, eiu Schlou son-
System den Kanal gegen die Flut- und Ebbebewegung der
Nordsee abschliefsen. Dio Schleusou sollten mit hydrauli-
scher oder mit Dampf- Kraft betrieben werdon. Die Kanal-
tiefe war auf 31 Fufs, die obero Breite auf 224, die
Sohlenbreite auf 76 Fufs projektiert, also ganz bedeutende
Dimensionen; dio Länge würde ca 85 km betragen haben,
die Baukosten ca 85 Millionen M.
16) Zum Schlufs folgt die von dem Hamburger Dahl-
ström 1881 bearbeitete Linie St. Margarethen — llendeburg —
•v
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Der Nord — Ostsee-Kanal.
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HolUnau, die im wesentlichen von der Lontzeschen dadurch
abweicht, dafs sie die Ostseemündung in den Kieler Hafen
verlegt (bei Holtenau), von oberhalb Rendsburg also nahezu
ganz den alten Eider-Kanal benutzt. Auch dieses Projekt
war als reiner Durchstich auf Meeroshöhe, mit Endschleusen
gegen den wechselnden Wasserstand an beiden Mündun-
gen, aber ohne Zwiscbenschleusen.
II. Das Belohskanalprojekt.
Der Nord — Ostsee-Kanal, wio er nach dem Reichstags-
beschlusse vom 25. Februar 1886 zur Ausführung gelangen
wird, erhält im grofsen und ganzen die folgende Gestalt.
(Man verfolge den Karton II der angehefteten Karte deB
Kanalprojekts.)
Der Kanal nimmt seinen Ausgang zwischen St. Marga-
rethen und Rrunsbüttel an der Unterelbe, wendet sich dann,
den Kuden-See , in sumpfiger Moorgegend gelegen, durch-
sohneidend, dem Thal des Fliifschens Burger Au folgend,
Uber Burg (15 km) nach Gröndal (30 km), der höchstge-
legenen Gegend der Kanaltrace , und dann im Thal der
Gieael-Au zur Untereider nach Wittenbergen (42 km), wo-
selbst er in diese einmündet- Dann folgt die Trace, unter
Ausgleichung einiger Krümmungen, der Eider aufwärts bis
nach Rendsburg (62 km), umgeht dieses an der Nordseite,
folgt dann dor Obereider und führt durch die Oboreider-
seen, verläfst letztere bei 75 km, schneidet dann erhebliche
Krümmungen ab, durchquert die Nordseite des Flemhuder
Sees und mündet, wiederum dem jetzigen Eider-Kanal fol-
gend und bei Knoop eine Ecke abschneidend, bei Holtenau
(99 km) in die Westseite des Kieler Hafens.
Bei Wittenbergen wird ein Abschlufs gegen die zur Nord-
see führende Untereider durch ein Schleusensystem bewirkt.
An der Ostseemündung wird ebenfalls durch eine Schleuse
Sicherung gegen den wechselnden Wasserstand der Ostsee
geschaffen. An der Elbmündung werden die Schleusen-
einrichtungen mit Rücksicht auf die Bedürfnisse dor Han-
dels- und der Kriegsmarine ganz besonders ausgedehnte
werden und aufser einer grofsen und einer kleinern Kammer-
schleuse noch eine sehr grofse sogenannte Kesselschleuse
erhalten, die gleichzeitig vier Panzerschiffe zu fassen ver-
mag. Diese Endschleusen haben jedoch ausschliefslich den
Zweck, den Wasserspiegel des Kanals gogon die wechseln-
den und Strömungen verursachenden Wasserstände der
Ostsee und der Elbe zu schützen. Dor Kanal selbst iBt
ein reiner Durchstich auf Meeroshöho (Ostseespiegel), so
dafs er in einer Tour von don Schiffen passiert werden
kann. Die Ostsoeschleuso wird fast das ganze Jahr, die
Elbschleuse fast täglich zu gewissen Stunden des mittlere
Wasserstandes geöffnet bleiben können. Dafs für die nöti-
gen Kohlenstationen sowie sonstigen Anlagen an den Mün-
dungspunkton gesorgt wird, liegt auf der Hand.
Die totale Länge des Kanals beträgt 99 km ; auf unsrer
Karte sind, von 5 zu 5 km, die Kilomoterzahlon einge-
schrieben. Die Breite im Wasserspiegel ist 60 m, an der
Sohle 26 m, die Tiefe 8,5 m. Es könnon im Kanal ohne
Kollisionsgefahr nicht nur zwoi dor gröfsten Handelsdam-
pfer, sondern selbst ein grofsor Handelsdampfer und das
Panzerschiff „König Wilhelm“ aneinander vorbeipassieren.
In der bestehenden Skizzierung des Querprofils des Kanals,
sowie des Panzerschiffes „König Wilholm“ in beladenem
Zustande und eines grofsen Handelsdampfers ist das Raum-
verhältnis des Kanalprofils veranschaulicht. Besondere Aus-
S.M. 8. ,K8 o ty Wilhelm
det *•«*!»
HP— BMÜ— gggs
K&n.\l$ohlr - ü i&Uctcf
weichestelleu wie im Suez- und im Panama -Kanal worden
nicht angologt.
Karton UI gibt eine Skizzo des Längenprofils, wio
sich solches nach Mafsgabe der Trace an der Hand dor
Generalstabskarte konstruieren lüfst- Auch haben die aus
verschiedenen, im Aufträge Dahlströms vorgenommonon
Lotungen , wolche zur Erforschung dos Untergrundes an-
gostollt worden, crhaltenon Mafse dieser Skizze als Grund-
lage gedient. Die gosamte Ausschachtung dos Erdreichs
ist auf rund 64 Millionen cbm berechnet, was einen Auf-
wand an Arbeitslohn von 71 Millionen M. erfordern wird.
Der höchste Punkt, an welchem etwa bis zur Kanalsohle
30 m tief einzuschneiden sein wird , liegt otwa bei 24 km
östlich von Gröndal. Jedoch ist der Boden fast durchweg
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Der Nord — Ostsee-Kanal.
leicht zu bearbeitender Sand, resp. sandiger Lehm; nur
in der Umgebung des Kuden-Sees werden einige, aber
durchaus nicht unüberwindliche Schwierigkeiten bei Durch-
schneidung des Moorbodens derselben entstehen.
Die Kanallinie wird, wie aus unsrer Karte ersichtlich,
von vier Eisenbahnlinien gekreuzt: Itzehoe — Heide, Neumün-
ster — Heide, Neumünster — Rendsburg und Kiel — Eckern-
forde. Die Überführung derselben wird, wie schon jetzt
bei Rendsburg, vermittelst eiserner Drehbrücken stattfinden,
ebenso bei den beiden Chausseen bei Rendsburg und zwi-
schen Kiel und Eckernförde ; zur Überführung bei den an-
dern Landstrafsen sind Dampf- und Handfahren projektiert.
Die Herstellung des Kanals, dessen Grundzüge wir vor-
stehend skizziert, wird von seiten des Ruichs geschehen
und einen Kostenaufwand von 156 Millionen M. erfordern,
zu denen Preufsen einen Präzipuolboitrag von 50 Millio-
nen Mark leistet.
HI. Der Einfluf8 des Nord — Ostsee-Kanals auf die
Schiffahrt.
Fassen wir den Einflufs der durch den Kanal bewerk-
stelligten Fahrtabkürzung hier näher ins Auge, so er-
gibt sich, dafs der überwiegende Teil der Nord — Ostsee-Schiff-
fahrt eine ganz wesentliche V erschiebung der Routen
erfahren wird. Die hier abgedruckte Karte voranschaulicht
diesen Vorgang in charakteristischer Weise. Die in der-
selben angegebenen, von den schwedischen, russischen und
deutschen Häfen an der Ostsee ausgehenden Schiffahrts-
linien nach der Nordsee vereinigen sich vor dom Sund in
einem Punkte westlich von der Insel Bornholm, der etwa
auf dem 55' N. Br. und dem 13' 0. L. v. Gr. liegt. Er
ist in unsrer Karte an dem strahlenförmigen Zusammen-
treffen der eingezeichneten Schiffahrtslinien deutlich erkenn-
bar. Von hier aus gehen die Fahrtlinien der Schiffe jetzt
in gemeinsamer Route durch den Sund, um Skagen herum
und durch das Skagorrak zur Nordsee und wenden sioh
vom Skagerrak aus in strahlenförmigem Auseinanderlaufen
deu einzelnen Bestimmungshäfen zu. Allo jene Routen nun,
die westlich hier einen Hafen an der englischen Küste auf-
suchen, der südlich von Newcastle liegt (dom 55' N. Br. etwa),
werden durch einen Nord — Ostsee-Kanal eine Abkürzung er-
fahren, die um so gröfsor ist, je näher der Bestimmungs-
hafen nach dem Canal la Manche zu liegt, und die
am gTÖfsten sein wird für die diesseits des Kanals liegen-
den festländischen Häfen in Belgion, den Niederlanden und
Nord Westdeutschland. Die auf dem 55* N. Br. endigende
Route (nach Newcastle) wird nur eine geringe Abkürzung
erfuhren, während sie zwischen Bornholm und der Themse-
Mündung bereits 200 Seemeilen und von der Ostsee nach
deu deutschen Nordseehäfen nahezu das Doppelte (390 See-
meilen) beträgt. Für die südwestlich von Bornholm und
südlich von Kiel, der Ostseemündung des Kanals, liegenden
deutschen Ostseehäfen wird die Reise nach der an Eib-
und Wesormündung liegenden deutschen Nordseehäfen die
gröfsto überhaupt zu bewirkende Abkürzung erfahren; die-
selbe wird boispielsweise für Lübeck, Wismar und Rostock
ca 570, 530 und 510 Seemeilen betragen.
Unsre, zum Zweck dieser Darlegungen entworfene Karte
läfst dieVorsohiobung der Routen scharf hervor-
treten. Es sind in der Karte diejenigen Schiffahrtsstrafsen,
die zwischen den Hauptbäfen der Ostsee und denen der
Nordsee, sowie durch den Canal la Manche gehend befahren
werden, und die auch nach Eröffnung des neuen Nord — Ost-
see-Kanals in Benutzung bleiben würden, da für sie keine
Fahrtabkürzung eintreten würde , durch einfache dünne
Linien bezeichnet; es ist dies die gesamte
Ostseefahrt östlich von Bornholm kommend bis zur Ver-
einigung der Fahrtlinien etwa vor dem Sund, sowie der-
jenige Teil der weitern Fahrt nach der Nordsee, der von
diesem Vereinigungspunkte aus sich durch den Sund nach
den Häfen nördlich von Newcastle (sowie nach norwegischen
und einigen dänischen, resp. schwedischen Häfen) wendet.
Der übrige Teil der jetzigen Routen, der nach Eröffnung
des Nord — Ostsee-Kanals als unverhältnisraäfsiger Umweg er-
scheinen und daher alsdann nicht mehr befahren werden
würde, ist mit feiner Strichlinie — — — — angegeben ;
es ist dies der gesamte Ost— Nordsee-Verkehr durch den Sund
(oder Belt) nach englischon Häfon südlich von Newcastle,
nach sämtlichen französischen, belgischen, niederländischen
und dou deutschen Nordseehäfen , sowie der durch den
Canal la Manche gehende mittelländische und transatlan-
tische Vorkehr. Für diesen Verkehr würden in den Fahrten
dann dio in unsrer Karte mit dicker Strichlinie«"
bezeichneten, an den neuen Nord — Ostsee-Kanal anschließen-
den kurzem Routen eintreten. Der Kanal selbst, von Kiel
über Rendsburg zur Unterelbe führend , ist in der Karte
mit einer dicken Linie angegeben. Die Zeich-
nung läfst durch den Unterschied der dünnen und der star-
ken Linien den zukünftigen Verlauf der Nord — Ostsee-Fahrt
(und vice versa) deutlich hervortreten und veranschaulicht
somit klar die bedeutende Verschiebung, die in der Lage
der frequenten Routen eintreten wird. Um dio Übersicht-
lichkeit der Skizze nicht zu beeinträchtigen , sind in der
Zeichnung nur eine gewisse Zahl der Fahrtlinien nach den
Haupthäfen angegeben, zumal der Leser die fehlenden aus
der Karte leicht ergänzen kann.
Über die Interessen, dio bei einer derartigen Verkehrs-
verschiebung dauernd in Frago kommen, geben die Zahlen
des Schiffahrtsvorkohrs zwischen Nord- und Ostsee Aus-
kunft. Der Verkehr aus der Nordsee mit sämtlichen Häfen
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Der Nord — Ostsee-Kanal.
293
der Ostsee ergab für die fünfjährige Periode 1877/81 im
ganzen 161 179 Schiffe mit ca 53 Millionen Kegistertons,
was einen Jahresdurchschnitt von 10,6 Millionen Kegister-
tons ausmacht. Wenn man hiervon die entsprechenden
Abzüge für den bei dem Nord — Ostsec-Kanalvorkohr nicht
in Frage kommenden Yorkohr noch den Häfon Schottlands
und Nordenglands, Dänemarks, Norwegens und eines Teils
von Schweden, sowie Kufslands am Eismeer und am Weifsen
Meere macht, so verbleiben für den Kanalverkehr immerhin
noch ca 18000 Schiffe mit 5} Millionen Kegistertons jähr-
lich. Die Abkürzung durch die Kanalfahrt würde für
Dampfer etwa 2 Tage, für Segler 3 — 4 Tage betragen,
und da ein Dampfschiff etwa 12 Doppelreisen per Jahr
zwischen Nord- und Ostsoe macht, so würde dasselbe
ca 24 Tage gewinnen. Für Segler kommt hinzu, dufs die
Fahrt durch den Sund bei niedriger Windrichtung oft tage-,
ja wochonlang verzögert wird. Durch die Kaualfahrt wür-
den ferner die Gefahren der Fahrt um Skagen, dessen Dü-
nen den bezeichnenden Namen „Kirchhof der Schiffe“ füh-
ren, sowie längs der gefährlichen jütischen Westküste, der
„eisernen Küste“, an welcher u. a. auch unsre „Undine“
gestrandet ist, vermieden werden.
Die mit dem Zeitgewinn erzielte Kostenersparnis inter-
essiert in erster Linie unsre Handelskreise. Der Vorsteher
deB deutschen Nautischen Vereins, Herr John Gihsone in
Danzig, berechnete dieselbe in oinem auf Veranlassung des
Urhebors der Kanalidee in neuorer Zeit, Herrn Dahlström in
Hamburg, an dio nautischen Voreino in den deutschen Hafon-
plätzon erlassenen Rundschroibon auf ca 65 Mk. bei Dampfern
und 16 Mk. bei Seglern für jede 100- Registertons und
Tag. Bei einer Dnrchschnittsgröfso von 700 Registertons
für erstere und 450 Registertons für letztere ergibt sich
somit für diese Dampfer 450 Mk. und für dio Segler 72 Mk.
Gewinn pro Tag. Dem Gewinn aus dieser Kostenersparnis
stehen die zu erhebenden Kanalgebühren gegenüber, die
jedoch zweifellos in einem für die Frequenz des Kanals
günstigen Sinne normiert werden, und bei deren Festsetzung
das Urteil der nautischen Interessenten in Deutschland
unbedingt ins Gewicht fallen wird.
Hat nun zwar die gTofse Schiffahrt den am meisten in
die Augen springenden Gewinn von dem Kauul, so trifft
dies doch in nicht unbedeutendem Mafse auch für die
Küstenschi ffahrt ein und für die Hebung der deut-
schen Fischerei. Was die erstere anbetrifft, die selbst
in Fachkreisen noch häufig unterschätzt wird, so bezifferte
sich nach der Statistik dos Deutschen Reichs die Schiffs-
bewegung des Jahres 1879 im Verkehr der deutschen Häfen
unter sich auf 55 788 Schiffe mit rund 2 400 000 Rogistor-
tons, von donen 83 Proz. auf deutsche, 17 Proz. auf fremde
Flaggen entfielcu. Von den deutschen Ostseehäfen wird
von ihnen eutfernt ist, am leichtesten erreichbar sein, wäh-
rend an der Ostsee jetzt die englische Schiffahrt aus der
Nordsee gegenüber dor deutschen präpouderiert ; der Seeweg
von der nördlichen englischen Küste nach dor deutschon Ost-
seeküste ist kürzer, als der von den doutschon NordBeehäfen
aus. Es haben z. B. jetzt dio Schiffe, die an der Ems oder
in den Weserhäfen nach dor Ostsee abgeladen werden, fast
300 Seemeilen mohr zu machen , als dio von nördlichen
englischen Häfen nach der Ostsee fahrenden. Es ist also
auzunehmon, dafs mit gründlicher Änderung dieses Verhält-
nisses sich ein ganz neuer deutscher Nord — Ostsee-Verkehr
entwickeln wird. Dio bisher durch ihren Umweg vom Welt-
handelsverkehr nahezu ausgeschlossenen Ostseehäfen werden
demselben in dor Zukunft erheblich näher kommen und in
wirksamen Wettbewerb mit den deutschon und ausländischen
Nordseehäfen zu treten vermögen.
Von den wirtschaftlichen Vorteilen, die dor
Kanal für das deutsche Hinterland haben wird, er-
wähnen wir hier nur als den bedeutendsten, die Hebung
des Absatzes der Produkte aus den westlichen deutschen
Industriebezirken nach dem Osten. Die Eisen- und Kohlen-
industrie kann mit ihren Produkten jetzt nur gerade bis
zur deutschen Nordseeküste hin gelangon und dort mit der
englischen konkurrieren; nach Osten findet dies Verhältnis
seine Grenze bereits im westlichen Mecklenburg, und weiter
nach Osten überwiegt in den Küstenländern die englischo
Kohle ganz bedeutend. Sobald aber der Seeweg von den
Ems- und Weserhäfen nach der Ostsee der westfälischen
Kohle durch den Nord — Ostsee-Kanal eröffnet sein wird, wird
dieselbe im stände soin, dio onglische Kohle auch in dem
deutschen Ostseegebiet zu verdrängen und sich in schwe-
dischem und russischem Gebiete neueB Terrain zu erobern.
Wird, wozu zur Zeit ja gegründete Aussicht, der von
der preufsiachon Regierung projektierte Dortmund — Ems-
Kanal gebaut, dann wird diese Sache mit einem Schlage
dofinitiv zu gunsten der deutschen Industrie entschieden,
da es dann beispielsweise möglich sein wird, die deutsche
Kohle zu 2,5 Mk. per Ton an die Küste zu transportieren,
statt wie jetzt zu 4,2 Mk.
Wie die westlichen Landosteile, so haben auch die öst-
lichen binnenländischen Gebiete au dem in Rede stehendon
See-Kanal ein reges Interesse, da bedeutende Plätze des
Binnenlandes, wie Berlin, Magdeburg, Breslau u. a. durch
die via Stettin horgestellte Wasserverbindung mit der Ost-
seeschiffahrt in Berührung stehen, so dafs jede Hebung und
Erweiterung des Scbiffahrtsverkehrs der Ostseehäfen ihnen
direkt oder indirekt Vorteil bringen mnfs.
Die vorstehend berührten Gesichtspunkte, dio in diesen
Zeilen eine erschöpfende Erörterung natürlich nicht finden
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
konnten, erklären es, wenn man, abgesehen von der hohen,
die Wehrkraft des Deutschen Reichs zur See nahezu ver-
doppelnden Wirkung des Kanals, die aufserhalb des Rüh-
mens dieser Ausführungen liegt, dem Unternehmen auch
in allen nichtmilitärischen Kreisen des In- und Auslandes
daB lebhafteste Interesse widmet, da dasselbe bestimmt er-
scheint, der gesamten Nord — Ostsoe-Schiffahrt ein, wie aus
unsrer Karte klar ersichtlich, wesentlich verändertes Gepräge
aufzudrücken.
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Von Dr. R. A. Philippi.
Wenn wir nicht annehmen wollen , dafs die ersten Be-
wohner Chiles im Lande selbst erschaffen sind, so müssen
wir wohl glauben, dafs sie von Norden her einwanderten.
Sie sind von Anfang an Ackerbauer gewesen und haben
die Stufen des Jäger- und Hirtenlebens übersprungen, aus
dem einfachen Grunde, weil os in Chile einerseits keine
wilden Tiere gegeben hat, wenigstens nicht in hinreichen-
der Mongo, um auf die Jagd derselben die Existenz des
Menschen gründon zu können, anderseits auch keine solche,
die sich hätten zähmen losson, und von deren Ertrag an
Milch und Fleisch der Mensch hätte loben können. Das
einzigo gröfsore Tier , welches in gröfserer Menge vor-
kommt, ist das Guanako , und dieses lebt auf den Anden.
Die ursprünglichen Chilenen haben ob wohl gejagt und
auch unter dem Namen chilihueque (die Spanier naDnten
das Tier „Schafe des Landes“ [carneros del pais] gezähmt
gehalten. Die Einwohner benutzten hauptsächlich seine
Wolle für ihre einfachen Kleider; den Gebrauch dor Milch
kannten sie nicht, und das Fleisch dieses ihnen unentbehr-
lichen Tieres wurde nur sehr selten gegessen. Ihre Haupt-
nahrung blieb Fflanzonkost , besonders die wilden Knollen
und Zwiebeln des Landes, unter deuen die Kartoffel die
wichtigste ist, welche aber uio die Hauptnahrung ausge-
macht hat. Diese war der Mais, dessen Körner geröstet
und zwischen Steinen zerrieben wurden. Die ersten Ein-
wanderer haben ihn unstreitig aus ihrer Heimat mitgobracht,
und ist der Mais als die erste eingeführte Pflanze zu be-
trachten. Dio Küstenbewohner nährten sich grolsenteils,
wie noch heutzutage die Feuerländer und Chiloten, von
Muscheln, wie die Kjökenmöddings beweisen, die mau ab
und zu findet. Etwa hundert Jahre vor Ankunft der Spa-
nier wurdo das nördlichu Chile von den Incas erobert,
und Claude Gay meint (Hist, fisica i polftica de Chile Agri-
cult., p. 3), die Peruaner hätten dabei Ajf (spanischen
Pfeffer), Quinoa (Chonopodium Quinoa) und Pallar (Pha-
seolus pallar) eingoführt. Letzteres halte ich für einen Irr-
tum, denn der Pallar wird meines Wissens nirgends in
Chilo als Nahrungsmittel kultiviert, sondern nur als
Kuriosität, etwa wie Dolichos sesquipedalis. Peruanische
Bäume , Sträucher und Unkräuter scheinon durch die Er-
oberungen der Incas nicht noch Chile gokommon zu sein,
und es ist einleuchtend, dafs die wenigen eben erwähnten
Kulturpflanzen keine grofse Veränderung in der Physiogno-
mie der ursprünglichen Vegetation hervorgebracht haben.
Ganz anders gestaltete sich die Sache mit der Erobe-
rung deB Landes durch die Spanier. Diese brachten nicht
nur alsbald die Cerealien und die mannigfachen Gemüse
ihres Vaterlandes, sondern auch dessen Obstbäume (abge-
sehen von den Zierpflanzen) mit und bauten sie in gröfserm
Mafsstabo an, so dafs sie nicht nur für den Verbrauch der
immer steigendon Bevölkerung auBreichten, sondern auch
Ausfuhrartikel lieferten, doren Mengo und Wichtigkeit, na-
mentlich seit der Befreiung vom Mutterlands, von Jahr zu
Jahr wuchs. Damit veränderte sich die Physiognomie des
Landes bedeutend. Grofso Strecken, die früher mit ein-
zelnen Sträuchoru und spärlichom Pflanzonwuchs bekleidet
waren, sind jetzt mit den wogendon Halmen von Weizen
und Gerste bodockt, oder von grünen Teppichen von Al-
falfa (Luzerno), auf donen Tausende von Pferden und Rin-
dern weiden , oder auoh mit grofsen Anpflanzungen von
Weinreben. In don südliohen Provinzen verschwinden die
Wälder mehr und mehr, um diesen Kulturen Platz zu
machen, und im HerbBt ist oft der ganze Himmel mit Höhen-
rauch erfüllt, dor von den zahllosen Waldbränden herrührt.
Während man im Süden durch Abbrenneu der Wäl-
der neues Kulturland zu gowinnon sucht, das zwar in
don orsten Jahren roiohen Ertrag liefert, abor oft schon
im dritten Jahre erschöpft ist, hat man im Norden die
wegen ihrer Trockenheit durchaus unfruchtbaren Strecken
in Felder mit reichem Ertrag zu verwandeln gewufst, indem
man aus den Flüssen mit grofsen Kosten gewaltige Kanäle
abgeleitet und das befeuchtende Wasser in tausend Adern
über don dürren Buden vorbreitot hat. Dos Wasser ver-
wandelt in heifseu Ländern solbst die kahlste Wüste in
einen Garten, der Boden mag noch so unfruchtbar schei-
nen. Schon die Peruaner kannten sehr wohl den Wert
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
295
der Bewässerung, und noch sieht man in ihrem Lande be-
wunderungswürdige Kanalanlagen, die aber jetzt meist ver-
fallen sind, und auch im nördlichen, von den Incas be-
herrschten Chile fanden die Spanier Bewässerungsgräben,
aber allerdings nur unbedeutende Anlagen. Alle gröfsern
Bewässerungskanäle stammen aus diesem Jahrhundert. Der
wichtigste ist unstreitig der Canal de Maipu, welcher das
Wasser aus dem Maipufiufs nach Santiago leitet, und die
Umgegend dieser Stadt, mehrere Quadratmeilen, aus oinor
dürren, erbärmlichen Viehweide in reiche Äcker, Wein-
berge und Gärten verwandelt hat. Sein Bau, oftmals in
Angriff genommen, schlug mehrmals fehl. Im Jahre 1817
brachte er zuerst Wasser nach Santiago, aber vollendet
wurde er nicht früher als 1844. Ein zweiter, sehr bedeu-
tender Kanal fängt das Wasser des Coquimboflussos ab, so
dafs dieser Flufs jetzt nicht mehr das Meor erreicht, son-
dern in zahllose Felder und Gärten sich verliert.
Alles angobaute Land ist jotzt mit fremden , fast aus-
nahmslos europäischen Pflanzen bewachsen, und wenn man
die chilenischen Felder und Gärten besucht und auf den
Wegen von einem Ort zum andern wandert, so glaubt
man nicht in Amerika, sondern mitten in Europa zu sein,
so sehr ist die einheimische Vegetation zurflckgedrängt.
Man siebt nur europäische Pflanzen (mit Ausnahme der
einheimischen Kartoffel) kultiviert; an den Wegen erblickt
man die Marianeudistel, Fenchel, Sohierling, Zichorien,
Saudistol, Ampfer-Arten, Chenopodium murale, die Mäuse-
gorste: die grofsen Besitzungon sind zum Teil eingefafst
von Hecken von Brombeeren, Pflaumen, Quitten und Ulux
europaens; Pappelalleen, an denen oft Rosen mit gefüllten
Blumen emporklettern, führen von den Heerstrafson nach
den einzelnen Landgütern; ja man mufs nach einem ur-
sprünglich einheimischen Gewächs ordentlich suchon, und
erst stundenweit von den bewohnten und bebauten Orten
findet der Botaniker die einheimische chilenische Flora.
Wie der europäische Mensch den amerikanischen vordrängt,
so machen es die europäischen Pflanzen mit den einhei-
mischen.
Ich werde jetzt dio hauptsächlichsten Kulturpflanzen
Chiles auffuhren.
1. Eingeführto Bäume, die als Nutzholz dienen.
Der Chilene ist sehr wenig geneigt sein Kapital in Unter-
nehmungen zu stecken, die nicht in ganz kurzer Zeit oinen
Gewinn abwerfen, was bei Anlage von Nutzholzbäumen
natürlich nicht der Fall ist; und so kann ich leicht die we-
nigen Personen namhaft machen , welche versucht haben,
kleine Waldungen von fremden Bäumen anzulegen, die Nutz-
holz oder Brennholz licforn. Ein Herr Valdes hat bei Cu-
naco einen kleinen Wald von europäischen Eichen an-
gepflanzt, der viel verspricht; denn diese Eiohe gedeiht
überall in Chile vortrefflich und wächst doppelt so rasch
wie in Europa ; ob das Holz dieselbe Güte hat, kann man
aber jetzt noch nicht sagen , da die Bäume noch zu jung
sind, um geschlagen zu werden. Ein paar andre Grund-
besitzer haben Versuche im kleinen mit Nadelhölzern, na-
mentlich mit Pinus pinaster gemacht, welcher Baum ebenfalls
in Chile sehr rasch wächst ; aber aus dem oben angegebenen
Grunde kann man auch hier nicht sagen, wie das Holz sein
wird. Überhaupt wachsen in Chile alle Arten von Pinus
im ongem Sinn, d. h. die mit büschelförmigen Nadeln sehr
gut, vorzüglich die kalifornischen, wogegen die Tannen, so-
wohl Rottannon wie Weifstannen, und die damit verwandten
Nadelhölzer rocht schlecht gedeihen. Die Z e d o r n , die
Sequoia gigantea, Araucariu excelsa und A.bra-
siliensis gedoihon in den Gärten nach Wunsch; dio ein-
heimische Araucaria imbricata gedeiht aber bei
Santiago nicht und bringt ihr Loben auf 5, 10 bis höchstens
20 Jahre, wahrscheinlich weil ihr das Klima zu trockon
ist Die Araucaria excelsa sieht mau in vielen Höfen der
Häuser Santiagos, und sie ragt jetzt weit über die Dächer
hinaus, was auf jeden Fremden einen auffallenden Eindruck
macht
Seit etwa 15 bis 20 Jahren hat man den gepriesenen
Eucalyptus globulus vielfach angepflanzt, selbst da,
wo er nicht hingohört, z. B. an öffentlichen Plätzen und
als Alleebaum. Er wächst, wie es scheint, in allen Pro-
vinzen, in trocknom und in feuchtem Boden gleich gut und
rasch. D. Jose Francisco Vergaro hat auf den dürren
Bergen seiner Besitzung von Viüa del mar bei Valparaiso
viele Tausende dieser Bäume, sowie auch mehrere kalifor-
nische Kiefern mit dem besten Erfolg pflanzen lasson. Selbst
wenn alle diese Bäume nur zu Brennholz sich nützlich or-
weisen sollten, so müssen sie ihm, da dieser Artikel in Val-
paraiso sehr teuer ist, in einigen Jahren einen grofsen Ge-
winn abwerfen. Leider höre ich nicht, dafs sein Boispiol
viol Nachahmung findet.
Nur ein fremder Baum wird in Chile in uugeheuror
Menge angepflanzt, die Pyramidenpappel, die in allen
mittlern Provinzen sohr rasch wächst, wenn der Boden von
Natur oder durch Bewässerung feucht genug ist. In der
Provinz Coquimbo gedeiht der Baum weit schlechter als
bei Santiago, und auch in der Provinz Valdivia wächst er
nur langsam. Fast alle chilenischen 8tädte haben auf der
einen Seite eino öffentliche Promenade, die nach alter spa-
nischer Sitte von einer mehrfachen Allee von Pappelbäumen,
spanisch älamos, gebildet wird, weshalb auch alle solche
Promenaden alamedas heifson, selbst wonn sie mit andern
Bäumen bepflanzt sind. Den schönsten derartigen Spazier-
gang besitzt Concopcion ; es sind prachtvolle grofse Buumo,
296
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
die herrliche Kühlung im Sommer spenden; ich habe aber
niemand darin spazieren gehen sehen. Der Chilene ist
überhaupt kein Freund vom Spazierengehen, und selbst
in dem herrlichen Park der Quinta Normal Santiagos, oder
im parque Cousinho sieht man fast nur Fremde spazioren
gehen. Ich habe schon gelegentlich erwähnt, dafs in den
mittlern Provinzen in der Regel die Wege, welcho von den
Hauptstrafsou nach den Wohnhäusern der verschiedenen
Hacienden odur Rittergüter fuhren, mit Pappeln eingefaßt
sind, die wenige Fufs voneinander gepflanzt sind und so
zugleich als Hocken zur Einfriedigung der Grundstücke
dionen, während sie ein wertvollos Nutzholz liefern, wenn
sie grofs genug geworden sind. Das Pappelholz dient nicht
nur in Gestalt von Brettern zu allem möglichen Gebrauch,
sondern man verwendet es auch zu Dachsparren, Balken,
ThürBchwellen &c. , und eignet es sich sehr gut zu allen
diesen Zwecken: us ist leicht, wirft sich nicht, läßt sich
leicht bearbeiten, ist dem Wurmfraß nicht ausgesotzt und
ßt auch in der Trockenheit vollkommen dauerhaft, wogegen
es freilich in sehr kurzer Zeit verrottet, wo es feucht wird,
z. B. wenn man Dielen davon auf die Erde als Fußboden
legt Der Pator Guzman hat im Jahr 1810 diesen Baum
aus der Provinz Mendoza nach Chile gebracht.
Es wird noch eine sehr liedeutonde Menge Nutzholz in
Chile eingeführt, namentlich das Rotholz von Oregon und
Sequoia sempervirens , uud betrug beispielsweise der Wort
der Einfuhr von Nutzholz im Jahre 1880 die Summe von
286 000 pesos. Die großen Waldungen der südlichen Pro-
vinzen, vom Araukanerland bis zur Magollansstraße hinab,
könnon das fremde Nutzholz, welches fast ausschließlich
Nadelholz ist, nicht ersetzen ; sie bestehen, ganz im Gegen-
satz zu dou Wäldern von Kalifornien und Oregon, zum
größten Teil aus Laubholz, welchem nur wenig Nadelholz
eingesprengt ist; der Norden Chiles ist aber jotzt ohne
allen Wald. Ich habo schon erwähnt, daß die Chilenen
eine Menge Waldland abbrennen, aber sie schlagen auch
ohne Erbarmen jeden wild wachsenden Baum nieder , und
halteu es für unnütz , ja geradezu für lächerlich , für den
Nachwuchs der Waldbäume zu sorgen. Ich brauche nicht
auseinanderzusotzen , wie groß der Nachteil ist , welchen
das Land dadurch erlitten hut und noch erleidet. Auch hat
man dies wohl eingosehen, namentlich wurde tief empfun-
den, daß infolge des Abholzous so viele Quollon aniingen
zu versiegen, und die Tränken für das Vieh seltner wur-
den. Die Regierung hat deshalb auch vor mehreren Jahren
ein Gesetz über das Abhauen der Wälder, corta de los
bosques, gegeben, und ioh selbst bin Mitglied der Kom-
mission gewesen, welche den Gesetzentwurf ausgearbeitet
hat, der dem Kongreß vorgelegt und von demselben an-
genommen wurde. Damit batte die Sache aber auch ein
Ende, und habe ich nie gehört, daß irgend ein Mensch
danach gefragt hat, ob das Gesetz auch befolgt werde;
es ist ein toter Buchstabe, oder wie ioh es im Schoß der
Kommission genannt hatte, ein totgebomes Kind.
Es ist beinahe überflüssig, zu bemerken, daß alle mittel-
und südeuropäischen Bäume in Chile wachsen, Cypressen,
Trauerweiden, Eschen, Ulmen, Ahorn, Linden, Platanen &c.;
Buchen und Roßkastanien godeihen aber schlecht. Man
sieht diese Bäume indessen nur in Gärten, Parks, bei den
Häusern, ebenso wie violo nordamorikanische Bäume, z. B.
die weiße Akazie, Gleditschie, dio Magnolia grandiflora &c. ;
die erstero wird seit einigen Jahren häuflger zu Alleen
angopfianzt, um Weinpfäklo zu gewinnen.
Die Korbweide wurde von einem Behr intelligenten
französischen Gärtner, Namens Bertrand, etwa im Jahre 1850
eingeführt, und hat dieser auch die Leute gelehrt, Körbe
daraus zu flechten. Früher wurden diese von Quitten-
zweigen und besonders im Süden von gespaltenem Rohr,
Arundo Donar, oder von den einheimischen, bambusartigen
Rohren des Genus Chusquoa gemacht. Die Indianer haben
noch mehrere Pflanzen , von denen siu Körbo machen,
z. B. Acaena argentea, Bromelia (Groigia) Landbocki, Lu-
zuiraga &c.
2. Obstbäume und Obatsträueher.
Ioh werde die aus der Fremde in Chile eingeführteu
Bäume und Sträucher dieser Kategorie in botanischer Ord-
nung auffuhren und fange mit der Cherimoya. Anona
Cherimolia, an.
Dieser kleine , aus Peru stammende Baum , dessen oft
mehr als faustgroße Frucht ein weißos , rahmähnliches
Fleisch mit schwarzen Samen oinschlioßt, die von vielen
Personen für die köstlichste Frucht der Tropen erklärt
wird, ist noch in den Gärton Santiagos und weiter südlich
zu Gnden, wo der Baum auch an besonders geschützten
Stellen soino Früchte zeitigt. In den Gärten von Quillota,
Limaclie, Viiia dol mar, Valparaiso ist er häufig, und wer-
den dio Früuhtc auch auf den Markt gebraoht. Doch kom-
mun uueh viele Früchte aus Peru.
Allo Arten von Agrumen, als da sind Zitronen,
süßo Orangen, bittere Pomeranzen, Pompolmusen, Limon
citrus, welche den Zitronat liefern, Gndot man in den
Gärten des nördlichen und mittlern Chilo , selbst bei der
! Stadt Valdivia kann man noch einzelne Zitronenbäumo
sehen , die im Freien stohon und Früchte tragen. Man
kann indessen nicht sagen , daß sie in großer Häufigkeit
gebaut worden, und oine darauf gegründete Industrie, wie
die Bereitung von Essonzen oder Zitronensäure, existiert in
Chile nicht. Der allgemeine Name für alle diose Bäume ist
; sonderbarerweise in Chile : ärboles do espina, d. i. Dornbäume.
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297
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Der Weinstock wird fast in ganz Chile mit Aus-
nahme der südlichsten Proviuzon gebaut; in Yaldivia reifen
nur ganz frühe Sorten. In den nördlichen Provinzen
zieht man die Sorten, deren Beeren ein hartes, festes
Fleisch haben, die sogenannten uva de Italia, und bereitet
meist Rosiuen daraus, die unter dem Namen pasas de
Huasco in den Handel kommen und zu den besten gehören,
die es gibt. Sie sind alle von weifsen Trauben und kom-
meu nicht allein von dem genannten Thal, sondern auch
von andern Orten. Man rechnet dort, dafs oin Weinstock
einen jährlichen Ertrag von einem Peso, also Uber 3 Mark,
liefert. — In den inittlern Proviuzon zieht man die Robe
von Jahr zu Jahr in steigender Menge zur Weinboreitung,
und seitdem französische Reben eingeführt sind, besonders
aber seit eine bossoro Bereitung des Woines durch franzö-
sische Weinbauer bekannt geworden ist, erzeugt Chile ganz
vortreffliche Tisch- und Dessertweine, die man seit kurzem
von Jahr zu Jahr in greiserer Menge ausführt, namentlich
auch nach Frankreich. Man zieht in den mittlern Provin-
zen den Weinstock in der Ebene wie die übrigen Kultur-
pflanzen und bewässert ihn mit laufendem Wasser; in den
südlichem, namentlich in Maule und Concepcion, aber ohne
künstliche Bewässerung und meist an den Abhängen der
Hügel. Die letztgenannten Provinzen sind eB, welche die
schweren, dem Portwoin ähnlichen Sorten, die „mostos“
von Concepcion liefern. — Man bereitet aus dem Trauben-
saft viererlei Getränko , die erwähnten mostos , gewöhn-
lichen, aber sorgfältig bereiteten Woin, vino, weniger sorg-
fältig bereiteten, chacolf, der im ersten Jahre woggotrunken
werden mufs, und „chicba“. Dios Getränk erhält man,
indem der ausgeprefsto Traubensaft mehr oder woniger ein-
gekocht wird , um die Gärung zu unterbrechen ; cs ist
einor Lohmbrüho ähnlich, trübe, süfs und gar nicht un-
augenehm zu trinken, und hält sich auch mehrere Wochen.
Der eben ausgeprefsto süfse Traubensaft heilst lagrimilla.
Man bekommt in Santiago recht guten Tischwein, wenn
man ihn fafsweise kauft und selbst abzieht, zu 15 bis
20 Cents (00 bis 80 Pfennige bei hohem Kurs) die
Flasche; ein weifser Wein, der mich 72 Pfennige kostet,
wurde schon mehrfach für Moselwein getrunken. Man rech-
net, dafs in der Provinz Aconcagua eine cuadra Land
(6^- Magdeburger Morgen), mit Reben bepflanzt, einen Brutto-
ertrag von 1000 Pesos, etwa 3000 Mark, liefert. — Die
grofsen thönernen Krüge, die dolia der alten Römer, ver-
schwinden mehr und mehr, und wo der Wein rationell be-
reitet wird, sieht man jetzt nur holzorne Fässer.
Der Mandel bäum ist in dun mittlern Provinzen
nicht gerade selten , und man findet ihn bisweilen verwil-
dort, die Bäume tragon aber lange nicht so reichlich, wie
im südlichen Italien. In Yaldivia wächst der Baum noch
Pctennaans Gsogr. Mitteilungen. 1886, Heft X.
ganz gut und blüht überall, setzt aber kaum die eino und
die andre Frucht an, wahrscheinlich weil zur Blütezeit
noch Nachtfröste und Regon herrschen.
Der Pfirsichbaum ist wohl der gemeinste Obstbaum
in Chilo, und trägt in den meisten Jahren so reichlich,
dafs die Zweige brechen, wenn man nicht zeitig mit einem
Knüppel eine Partie Früchte herunterschlägt An ein Be-
schneiden dor Bäume denkt kein Mensch; es wäre auch
höchst überflüssig. Man zieht vorzugsweise die Abart mit
hartem Fleisch, welches sich nicht vom Kern löst, weshalb
die Pfirsich in Chile „durazno“ , von dnro, hart, heifst,
und man den spanischen Namen melocoton und persico
nie zu hören bekommt. Die Früchte werden in grofser
Monge geschält und getrocknot und heifsen dann huesillos
(Knöchelchen); sie liefern gekocht eine sehr augenehmo
Speise. Die getrockneten Pfirsioho , denen man den Stein
genommen hat, hoifsen doscocados; ondlich preist man
Schnitzon davon zu kleinen Kuchen, quosos do duraznos.
Weniger häufig, aber doch immer noch in Mengo, findet
man die Pfirsiche, die vom Stein lassen, duraznos priscos,
und die mit glatter Haut odor Noktarinien, duraznos pcla-
dos. — Vor 50 Jahren waren die Pfirsichbaume in der
Provinz Valdivia so häufig, dafs man sogar aus den Früch-
ten „chicba“ machte (chicba, sprich tschitscha, ist ein
peruanisches Wort und bedeutet allgemein jedes gegorene,
namentlich aus Früchten bereitete Getränk). Die Pfirsich-
bäume sind alle eingegangen, und die Bäumchen, die man
jetzt vom Norden hinbringt, gehen auch nach wenigen
Jahren zu Grunde , tragen aber sehr wohlschmeckende
Früchte, wenn auch nur spärlich. 1 Dio Ursache liegt nicht
an der Kräuselkrankheit der Blätter, denn diese zeigt sich
in den mittlern Provinzen ebenso häufig ; es scheint fast,
als sei eine Veränderung im Klima Valdivias vorgogangen. — '
In den mittlern und nördlichen Provinzen sieht man ab
und zu verwilderte Pfirsichbäume.
Die Aprikosen sind in den nördlichen und mittlern
Provinzen ziemlich häufig zu finden, werden aber boi wei-
tem nicht so vielfach verwertet wie dio Pfirsiche. Man
ifst sie roh odor als Kompott. Sio heifson in Chile nicht
albericoques wie in Spanion , sondern damascos , nach dor
syrischen Stadt, wo sio in so unendlicher Menge gezogen
werden.
Pflaumen der verschiedensten Arten gedeihen in
ganz Chilo sehr gut, auch noch in Yaldivia; die nutz-
barste Sorte, die Zwetsche, sieht man am seltensten. Dio
gctrocknoten Reineclauden werden gewifs von keinen euro-
päischen Ubertroffen, kommon aber solten und nur in klei-
nen Quantitäten auf den Markt. Am häufigsten findet man
auf diesem eine kleine runde Pflaume mit hartem Heisch
im getrockneten Zustande.
33
298
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Kirschen, sowohl slifse wie saure, findet man in
allen Provinzen , doch nicht in solchem Überflufs wio in
Deutschland; auch kommen getrooknete Kirschen auf den
Markt. Kirschen und Pflaumen erzeugen in Valdivia so
zahlreiche Ausläufer, dafs man die gröfsto Not hat, sie zu
vertilgen ; sonst erhalt man in wenig Jahren einen dichten
Wald von diesen Räumen.
Himbeeren wollen in dem Klima von Santiago nicht
recht gedeihen und sind den Chilenen so gut wie unbo-
kaunt. Dio deutschen Kolonisten im Süden ChileB ziehen
sie in ziemlicher Menge ; leider haben in den letzten Jah-
ren dio kleinen Vögel dio Entdeckung gemacht , dafs diu
Himbeeren gut schmecken, was sie lange Jahre hindurch
nicht wufsten.
Die Brombeere mit unterseits weifslichcn Blättern
und blofs rosenroten Blumen wird im mittlern Chile an
sehr vielen Stellen zu undurchdringlichen Hecken gezogen,
und zwar in einer Varietät, dio reichlich blüht, aber keine
Früchte ansetzt. Deutsche Einwanderer haben aber die
fruchttragende in Valdivia eingobürgort, wo sie weit üppi-
ger wächst als in Deutschland , aber jotzt leider zu vor-
wildem anfäugt, indem sie von den Vögolu verbreitet wird.
Die Birnen sind in den mittlern und südlichen Pro-
vinzen häufig, und seit etwa 40 Jahren sind die besten
und feinsten europäischen Sorten eingefiihrt. Die Bäume
tragen reichlich, und man findet auch getrocknete Birnen
auf dem Markt. Birnenwein wird nirgends gemacht.
Dio Apfelbäume haben im Süden Chiles, namentlich
im Araukanorland und in Valdivia , ein Klima gefunden,
das ihnen ausnohmend zusagt, und sind dort ganz und
gar verwildert, indom das Vieh, wolchos dio Apfel frifst,
dio unverdauten Korno mit soinom Mist überallhin ver-
schleppt. Die Zahl der dortigen wilden Apfelbäume geht
sicher in die Millionen. Die Früchte derselben haben allo
möglichen Gröfsen, Gestalten und Farben und sind manch-
mal ganz wohlschmeckond , oft bitter , aber nie so herbo
und zusammenziehend wio dio wildon Holzäpfel Deutsch-
lands. Sio sind von der gröfsto» Wichtigkeit für dio Pro-
vinz, indem sie das täglicho Getränk für dio Bcwobuor
derselben , den Apfelwein , liefern , dor hior schlechtweg
chicha heifst. Im Mai 1852 habe ich es erlebt, dafs der
Valdiviaflufs, der infolge anhaltenden heftigen Regens über
seiue Ufer getroton war, Millionen von Äpfeln ins Meer
führte, dio, durch den Nordwind gotriobeu, bis nach Chiloe
gelangten. Dort wurden sie am Strande aufgclosen und
zu Apfelwein verarbeitet. Diese Erscheinung wiederholt
sich ab und zu. In Chiloe gab es früher auch vielo Apfel-
bäume; als ich aber im Jahre 1859 in Ancud war, hörte
ich allgemein darüber klagen , dafs so viele derselben ab-
gestorben seien, und dafs dio übrigen jetzt fust gar keine
Früchte mehr trügen. Die Leute schoben die Schuld davon
auf das grofso Erdbeben von 1837; einige behaupteten
auch, das Klima sei anders geworden, ich sollte aber mei-
nen, die Bäume seien vor Alter gestorben, und die Leuto
hätten aus Indolenz keine neuen gepflanzt. Die meisten
Eingebornen sind zu faul dazu und meinen, das liebe Vieh
werde schon hinreichend für neue Anzucht sorgen ; doch
könnte ich auch Deutscho namhaft machen , die derselben
Ansicht sind. — Ich braucho wohl nicht zu sagen , dafs
man in den Gärten das feinste Tafelobst findot. In den
mittlern Provinzen Sautiago, Valparaiso &c. wachsen dio
Apfelbäume nicht so gut, so dafs von Puerto Montt,
Valdivia und Concepcion Apfel nach dem Norden geschickt
werden. Die Chilenen ziehen sonderbarerweise die Stifsäpfel
vor. — Die Rlattlaus des Apfelbaums, Schizoneura lanigera,
die vor etlichen 50 Jahren mit aus Frankreich bezogenen
Apfelbäumen nach Valparaiso gekommen war, hat sich von
dort aus in unglaublich kurzer Zoit Uber ganz Chile ver-
breitet und ist so massonhaft aufgetreten, dafs viele Bäume
davon ganz eingegangon sind, und mau schon den Tod
sämtlicher Apfolbäume befürchtete. Jetzt hat sich das
Übel gemildert , aber man findet selten oinen Baum ohne
dioso fatale Laus.
Die Quitte gedeiht in ganz Chile; von getrockneten
Quittenschnitten wird ein erfrischendes Getränk bereitet.
Die gewöhnliche Mispel, Mespilus germanica, sieht
man nur selten einmal in einem Garten, desto allgemeiner
wird aber die japanische Mispel, Eriobotrya japonica,
hier schlechtweg Mispel, m'sporo, gonannt, gebaut, und
die Früchte, ziemlich dio ersten des Jahres, sind ein ganz
gewöhnliches Obst der mittlorn Provinzen geworden. In
Valdivia wächst der Baum obonsogut wie in Santiago,
blüht aber nur ganz 'ausnahmsweise und setzt dann auch
kaum eine Frucht an. Claude Gay hat diesen Baum 1831
eiugoführt.
Der Granatapfel ist nicht eben häufig in don mitt-
lern Provinzen ; öfter begegnet man ihm in den nördlichen,
Coquimbo und Copiapü, oder Atacama, wie dio Provinz
offiziell hoifst. Die Früchte, dio mnn in Santiago bekommt,
sind bei weitom nicht so gut wio die Süditaliens.
Von don süfsen Melonen und Wassermelonen wordo
ich weiter unten bei Gelegenheit der Kürbisse und Gurken
sprechen.
Man sieht in don Gärten der nördlichen Provinzen und
in denon von Valparaiso und selbst von Santiago gar nicht
selten Exemplare vom Molononbaum, Carica. Es ist
aber nicht dio Art, welche efsbare Früchte trägt, C. papaya,
sondern eine andre, deren Früchte sehr wohlriechend, weit
kleiner, schmaler, jedersoits spitz und etwas gorippt sind,
und deren botanischen Kamen ich nicht mit Sicherheit
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
ermittelt habe. Man nennt die Frucht papaya de olor, und
soll das Bäumchen aus Peru stammen.
Die indianische Feige, Stachelfeige, Opuntia
vulgaris, in Chile tuna genannt, wird ziemlich viel in don
nördlichen Provinzen bis Santiago und etwas südlicher ge-
zogen. Die Fruoht soll bisweilen guayavo genannt wer-
den, welchen Namen ich nie für dieselbe habe gebrauchen
hören ; vielleicht soll es guillave heifsen. Mit diesem Namen
bezeichnet man die Frucht des grofsen Armleuchterkaktus,
Coreus quisco, der an allen sonuigen, felsigen Abhängen
so gemein ist ; sie wird von den Landleuten und Kindern
gegessen und schmeckt süfslich schleimig.
Stachelbeeren und Johannisbeeren siud den
Chilenen kaum bekannt und finden sich fast nur in den
Gärten der angesiedoltcn Fromdon ; in der Provinz Santiago
tragon sie wouig, namentlich die Johannisbeeren. Die deut-
schen Kolonisten im Süden ziehen eie reichlich ; sie machen
auch ab und zu Wein daraus.
Die Lucumas sind die Früchte eines kleinen Baumes
mit lederartigen, dunkelgrünen Blättern; sie sind vollkom-
men kugelig von einem Durchmesser von 4 cm und
haben eine düuno, dunkelgrüne Schale, unter welcher
man ein Fleisch findet, das an Farbe und Konsistenz ge-
kochtem Eidotter gleicht und meist nur einen grofsen
Samen einschliefst, der oinor runden Bofsknstanio zum Ver-
wechseln ähnlich sieht. Der botanische Name ist Lucuma
obovata , ich kann aber weder au den Blättern noch an
den Früchten etwas Obovates finden. Diese Frucht wird
sehr häufig von Valparaiso, Limache, Quillota &c. nach
Santiago gebracht ; das Fleisch ist gewöhnlich sehr trocken,
aber sonst ganz wohlschmeckend. Auch in Santiago wächst
der Baum ganz gut an geschützten Stellen. Er stammt
aus Peru, doch gibt cs auch eine einheimische Art, Lucuma
valparadisea, mit kleinern schönem, roten und gelben
Früchten, die man allenfalls auch goniefsen kann.
Diospyros Lotus und virginiana findet man in
dem einen oder andern Garten von Santiago, Valparaiso &c. ;
die Früchte schmecken nicht Übel.
Der Ol bau m ist bei weitem nicht in der Menge zu
finden wie in Südeuropa; seine Früchte werden nur ein-
gemacht, um sie zu verspeisen, und siud ziemlich teuer;
nirgends wird Ol daraus geprefst. Es wird auB Europa
nicht nur Olivenöl, sondern auch eingemachte Oliven ein-
geführt. übrigens spielt ersteres keine sehr wichtige Bolle
im Haushalt. Eine Olivenpflanzung bringt viel Geld ein,
dennoch kultiviort man den Baum selten, da er ein bedeu-
tendes Alter orroichen niufs, ehe er Frucht trägt, und
aufserdem viel von einer Schildlaus leidet.
Der Paltabaum, Persea gratissima, wird in den Gar-
ten von Copiapö, Coquimbo, Valparaiso, Quillota ab und
zu gezogen, doch stammen die moisten der auf don Markt
gebrachten Früchte aus Peru, dor Heimat des Baumes.
Sie haben eine grüne Farbe und um den grofsen Sameu
ein weifses Fleisch von dor Konsistenz der Butter. Id Quil-
lota und auf verschiedenen Hacienden des Maiputhales findet
man einon Baum, der schwarze, ebenso wohlschmeckende
Früchte trägt, und von dem behauptet wird, er sei ein-
heimisch , was ich bezweifle. Ob derselbe eine eigne Art
oder eine blofse Varietät der grünen Palta ist, müssen
spätere Untersuchungen entscheiden. Die Palta gehört zu
den seltenen Früchten.
Der weifse Maulbeerbaum wächst in ganz Chile
vortrefflich, doch werden die Früchte nicht auf den Markt
gebracht und nur von Kindern gegessen. Es gab vor etwa
20 Jahren eine Zeit, wo alle Wolt Maulbeerbäume pflanzte
und Seidenraupen ziehen wollte, dio ausgezeichnet in Chile
gedeihen, und wurde dazumal, da gerade in Europa ver-
heerende Krankheiten unter den Seidonraupen herrschten,
eine ziemliche Menge Seidenwurmoier von hier dorthin
verschickt. Der Enthusiasmus verrauchte aber schnell, nicht
weil die klimatischen Bedingungen für die Seidenzucht un-
günstig wären — ganz das Gegenteil ist der Fall — , son-
dern woil diese Industrie viel Mühe macht und der Chi-
lene im allgemeinen ein Feind von mucho trabajo (viel
Arboit) ist, und weil dio Tagelöhner und dio meisten
| Handwerker gowöhnlich Sonntag und Montag betrunken
, sind und nicht arbeiten , während die Seidenwürmor keine
Fasttage haben wollen. — Sehr selten Bieht man den
schwarzen Maulbeerbaum.
Der Feigenbaum trägt noch iu Valdivia, wenn er
an geschützten Stellen steht, roifo und schmackhafte Früchte,
allein je weiter man nach Norden vorschreitet, um so wich-
tiger wird er. Getrockneto Feigou sind keine Näscherei,
sondern ciu wichtiges Nahrungsmittel für die Bergbewohner
in den Nordprovinzen, und der Baum gedeiht so ausge-
zeichnet iu den Provinzen Aconcagua, Coquimbo, Copiapö,
dafs er eine Hauptquelle der Einnahme für die dortigen
Grundbesitzer liefert. Man brenut auch dort nicht selten
Branntwein aus den Feigen. Eine nennenswerte Ausfuhr
von getrockneten Feigen findet indes nicht statt.
Der Nufsbaum, Juglans regia, wird vorzugsweise iu
den mittlern Provinzen kultiviert , und sieht man nament-
lich bei Quillota und Limache grofse Strcckon Landes damit
bepflanzt, doch wächst der Baum auch noch an geschützten
Stollen in Valdivia. Walnüsse werden viel gegessen und
sind koin unbeträchtlicher Exportartikel ; im Jahre 1880
wurden davon für 162000 Pesos ausgeführt.
Es wundert mich sehr , dafs man in Chile so selten
ächte Kastanien bäume findet, da der Baum von den
mittlern Provinzen bis nach Valdivia sehr gut wächst. In
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300
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
einigen Gärten Santiagos sieht man ganz riesige Bäume,
die kaum 300 Jahre alt sein können. Die Kastanien , die
recht gut wie in Südeuropa ein Nahrungsmittel für das
Volk sein könnten, sind bis jetzt eine Leckerei geblieben;
als ich vor 34 Jahren nach Santiago kam, kostete das Hun-
dert Kastanien noch 1 Pesos, daznmal 4 Mark, heutigen
Tages die Hälfte.
Die Haselnufs findet sich nur als Kuriosität in ein-
zelnen Gärten, und trägt nur selten und spärlich Früchte.
Ich kann mir diese Thatsacho nicht erklären, da der Strauch
in Neapel und Sizilien, wo die Sommor viel heifser sind
als in Chile, vortrefilich gedeiht, so dals seino Früchte
einen Ausfuhrartikel abgeben (os hat ja dio Haselnufs ihren
lateinischen Namen, Nux avellana, von der süditalionischen
Stadt Avella), zumal auch in der weit kühlem Provinz
Valdivia die Haselnufssträucher nur wenig tragon.
Den Pisang, spanisch plätano, sieht man in den
Gärten von Copiapö, auch wohl ab und zu weiter im Süden,
aber mehr zur Zierde als zum Nutzen. In Santiago hält
er den Winter nicht aus, wogegen Musa Knsete im vorigen
Winter in mehreren Gärten einen Frost von 4° unter Null
Überstunden hat, freilich nicht ohne die äufsern Blätter zu
verlieren.
Die Dattelpalme findet man hior und da bis in das
Thal dos Maipufiusses und ist z. B. auf der Hacienda S. Mi-
guel, welche früher der Familie Carrera gehörte, eine ganze
Allee alter Dattelbäume. Efsbare Früchte tragen sie aber
nicht, selbst uicht in Copiapö, wo man diese Palme häu-
figor sieht, wie dies auch zu erwarten ist.
3. Coroalion.
Der Weizenban ist eine der Hauptquellen des Wohl-
standes von Chile, wenngleich ein Korrespondent des „Aus-
land“ aus Buenos Aires vor ein paar Jahren berichtete
uud aus schönen theoretischen Gründen bewies, Chile sei
durchaus kein Land für den Weizenbau. Sohon zur Kolo-
nialzoit führte Chile Weizen nach Peru aus, doch blieb bis
zur Entdeckung Californiens der Bau dieses Getreides in
mäfsigen Schranken, um alsdann plötzlich eine grofse Aus-
dehnung zu gewinnen , die noch jedes Jahr zugonotnmen
hat. In den ersten Jahren der Bevölkerung Californiens
wurde dort nur chilenisches Mehl konsumiert und mit fubel-
haften Preisen bezahlt, und jetzt geht oine grofse Menge
Weizen nach Europa, namentlich nach England, und hält
die Konkurrenz mit dem russischen und nordamorikanischen
Weizon aus. Im Jahre 1880 betrug die Ausfuhr von
Weizen und Mehl Millionen Pesos. Dio Provinz Col-
clingun und die benachbarten produzierten früher den meisten
Weizen, jetzt liefern die Landstriche südlich vom Flufs
Biobio, die bis vor wenigen Jahren noch im alleinigen Be-
sitz der Araukaner waren , enorme Mengen. Fünf Güter-
| züge sind im März und April täglich beschäftigt, um von
j Angol nach Talcahuano den dort geernteten Weizen zu
schallen. Im Jahre 1883 wurden aus dem genannten Hafen
und ein paar kleinem der Nachbarschaft für 3379 293 Pesos
Weizen ausgeführt, im laufenden Jahr bis zum 10. April
für 2440 725. Der Weizen gedeiht noch vollkommen in
der Provinz Valdivia, auf der Insel Chiloe hingegen wird
er nur wenig gebaut, da es dort zur Erntezeit schon fast
ununterbrochen regnet; die Ähren werden unter Dach
aufbewahrt, und täglich so viel mit den Füfsen ausgetreten,
: als man im Hause für den Gebrauch des Tages bedarf,
besonders um dio beliebto harina tostada (Melil von ge-
röstetem Weizen) daraus zu bereiten. Der Weizen liefert
um so weifseres Mehl, je weiter man in Chile nach Norden
geht. In don nördliohen Provinzen ist der Weizenbau ganz
unbedeutend, woil es dort an kulturfähigem Lande mangelt,
und andre Gowächso reichern Ertrag liefern.
In grofser Menge wird Gerste kultiviert, nicht blofs
zum Bierbrauen, sondern hauptsächlich zum Futter der Pferde
und Maultiero, denn diese werden noch heutigestugs in Chile,
wie im Altertum in Griechenland, Italien «Sc., mit Gerste, nicht
mit Hafer gefüttert. Bedeutende Mengen von Gerste gohen
deshalb nach Peru. Dio Ausfuhr dioses Getreidos ist ziem-
lich bedeutend; für das Jahr 1879 ist sio auf 788973 Pesos
angogehon, für 1880 auf 12 000 Pesos. Diese Abnahme
rührt daher, dals im Jahre 1879 die peruanische Provinz
Tarapaed, welche der Hauptkonsument der chilenischen Gerste
ist, noch als Ausland angesehen wurde, da der Frieden noch
nicht abgeschlossen war , der diese Provinz au Chile ab-
getreten hat.
Roggen wird in geringer Mongo und fast nur von
deutschen Kolonisten im Sildon Chiles gobaut : Roggenbrot
ist in Santiago und Valparaiso oine Art Leckerei, die nur
von Fremden gekauft wird.
Auch Hafer wird nur von deutschen Kolonisten zum
eignen Gobrauch, d. h. zum Futter ihrer Pferde, kultiviert.
Boi Paihunno in der Provinz Coquimbo fand ich ein
kleines Feld mit Riesenroggen, Triticum polonicum, bestellt;
sonst habe ich diese Getroideart nirgends gosohon. Der
Eigentümer des Feldos versicherte mir, das Korn gebe eine
sehr wohlschmockonde „harina tostada“.
Obgleich der Mais kein nach Ankunft der Spanier ein-
geführtes Gewächs ist, sondern die Hauptnahrung der da-
maligen Chilenon ausmachte , also eigentlich nicht in den
Rahmen dieser Abhandlung gehörte, so will ich doch, um
ein vollständiges Bild der in Chile gobauten Cerealien zu
geben, kurz orwähnon, dafs er in ganz Chile mit Ausnahme
der Insel Chiloe gebaut wird, aber bei weitem nicht dio
Wichtigkeit als Nahrungsmittel hat, wie im tropischen
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat
301
Amerika oder in den Vereinigten Staaten. Man ifst allge-
mein die noch weichen, nicht ganz reifen Maiskolben, cho-
clos, in der Suppe gekocht ; man macht daraus sehr wohl-
schmeckende Pastoten , umintas und tamalas, letztere mit
Zusatz von gehacktem Fleisch ; man verkauft auf den Strafsen
die in Wasser abgesottenen Körner als mote de mais, der
aber nicht so häutig genossen wird, als der mote de trigo ;
endlich macht man von der curagua genannten Varietät
des Mais, nachdem derselbe geröstet ist, ein foines woifses
Mehl, harina de Calle, das man in Trinkwasser rührt.
In ziemlicher Menge baut man in Chile das Kana-
riengras, alpiate genannt, Fhalaris canariensis, unge-
achtet die Samen desselben nur als Vogelfutter dienen.
Dieser Samen ist kein unbedeutender Exportartikel ; im
Jahre 1879 betrug die Ausfuhr desselben, die fast nur nach
Peru geht, 72 000 Pesos, im folgonden noch 15300 Pesos.
4. Putterkräuter.
Grofse Strecken des anbaufähigen Bodens sind mit Lu-
zerne (Medicago sativa), chilenisch alfalfa, in Atacama
alfa, bestellt, und dienen größtenteils als Viehweide , seit
einigen Jahren aber auch zur Gewinnung von Heu, wel-
ches in beträchtlicher Menge nach Peru und namentlich
auch nach der Provinz Tarapacä ansgeführt wird. Mein
Solin hat auf seiner Expedition nach diosor Provinz seine
Maultiere oft mit dem aus Chile eingeführten Luzerneheu
ernähren müssen und dieses, um nur ein Beispiel anzu-
führon, noch in Ascotan, 3750 m über dom Meoresspiegel
entfernt, vorgefunden, bis wohin vom Hafen aus eine Tage-
reiso Eisenbahnfahrt und 4 bis 5 Tage Fahrt mit Fracht-
karren zurUckzulegen sind, und wo der Zentner -14- Pesos
kostete. Die Luzerne gedeiht in Chile so vorzüglioh, dafs
bekanntlich europäische Reisende sie nicht als Luzorne er-
kannten, sondern für eine in Europa unbekannte Futter-
pflanze erklärten und eine nicht unbedeutende Einfuhr von
Alfalfa -Samen nach Europa veranlafsten. Sie wächst in
Chile auf unfruchtbarem Kiesboden, wenn dieser nur be-
wässert werden kann; und da ihre Wurzel sehr tief geht,
so erzeugt sio durch die abfallenden Blätter im Verein mit
dem Absatz des Rioselwassers mit der Zeit eino Decke
von Humus, so dafs auf dom Alfalfa- Acker, wenn er naoh
vielen Jahren umgebrochen werden mufs, andre Kultur-
pflanzen gebaut werden können. In den südlichen Pro-
vinzen , von Concepcion an , will die Luzerne nicht mehr
recht wachsen, während sie in den mittlern Provinzen förm-
lich zum Unkraut wird. — Sie wird noch in Antofagasta
de la Sierra in 3570 m Meereshöhe angebaut.
Um so besser gedeiht in den südlichen Provinzen der
rote Wiesenklee, Trifolium pratense, doch wird er
dort noch wenig angebaut. Vor einigen Jahren erst hat
man angefangen, bei Concepcion gröfsere Flächen damit zu
bosäen, was den für den Kleebau geeigneten Grundstücken
einen bedeutend erhöhten Wert gegeben hat.
Der weifBe Klee, Trifolium repens, breitet sich von
Jahr zu Jahr mehr in Chile aus, und ist jetzt, namentlich
in Valdivia, eine der gemeinsten Pflanzen, die überall wächst.
Im Anfang der fünfziger Jahro fand ich dieseu Klee nur
spärlich und nur in den Wäldern, so dafs ich ihn irrtüm-
lich für eine einheimische, noch unbeschriebene Art hielt,
Esparsette, Onobrycbis sativa, wird nirgends in
Chile gebaut, was vielleicht mit dem Umstand znsammen-
hängt, dafs in Chile fast gar kein Kalkboden existiert.
Die Pimperneile, Poterium Sanguisorba, ist vor etwa
40 Jahren in der Provinz Concepcion als ein für trockne
Hügel Behr geeignetes Fütterkraut eingeführt worden und
ist auch dort verwildert; ich habe aber nicht gehört, dafs
man den Anbau dieser Pflanzo fortgesetzt hat. Die Chi-
lenen nannten sio pasto nogro, schwarzes Futter.
Der spitzblättorigo Wegorich, Plantago lanceo-
lata, den mehrere Personen als Fütterkraut eingeführt hatten,
ist jetzt, seit etwa 20 Jahren eine der gemeinsten Pflan-
zen geworden, ja er ist teilweise sogar ein läatigos Unkraut.
Was die eingeführten Gräser betrifft, so nimmt das
Honiggras, Holcus lanatus, offenbar unter ihnen den
ersten Rang ein; die deutschen Kolonisten haben es nach
Valdivia gebracht, wo es ein ihm besonders zusagendes
Klima gefunden hat. Fis wächst dort auf jedem Boden,
im Trocknen wie im Fouchten, und man findet es fast
überall, selbst da, wo es nie gestiet wordon ist. Sein spa-
nischer Name ist heno blanco , die Chilonon haben aber
den deutschen Namen übersetzt und nennen es pasto de
miel. — In don mittlern Provinzon baut man viel auf feuch-
ten Stollen das italienische Raigras, Lolium italicuin
oder multiflorum. In Valdivia wächst nächst dem Honig-
gras am besten das französische Raigras, Arrhena-
therum elatius, wogegen andre deutsche Wiesengräser,
Phleum, Alopecurus, Dactylis, Cynosurus &c. nicht fortkom-
men wollen. Ich habe sie auf meiner Besitzung versuchs-
weise ausgosäet, aber sie sind mit den Jahren ganz ver-
schwunden, nur Agrostis vulgaris hat sich nicht nur er-
halten, sondorn sogar ziemlich ausgebroitet. Poa pratensis
und uomoralis werden als chilenische Pflanzen aufgofiibrt,
und wachsen obenso wie Poa trivialis, die ich noch häufiger
gefunden habo, unter Umständen, welche sehr für diese
Ansicht sprechen ; man sieht wenigstens nicht ein, welcher
Zufall europäischen Samen an ihre Fundorte gebracht haben
konnte. Unsre sociedad nacional de agricultura hat vor
einigen Jahren die in Guatemala einheimische und als Fütter-
kraut sehr geschätzte Euchlaona oder Reana luxurians als
für Chile geeignet auompfohlen, aber damit glänzondes Fiasko
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302
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat
gemacht. Der Professor der Agrikultur in Santiago, Herr
Lefeuvre, hätte dies billigerweise vorher wissen köunon.
Nirgends werden in Chile zur Ernährung des Viehs
Kuben oder Knollen gezogen.
5. Industriepfianzen.
Bevor Chile sich von Spanien losrifs und seine Häfen
dem Handel öffnete, wurde das Speisoöl von dem einhei-
mischen Madia1) mellosa (= sativa) gewonnen, auch wohl
die Pflanze zu dem Zweck kultiviert, was jetzt nirgends
mehr geschieht. Jetzt braucht man kein andres Speiseöl
als Olivenöl.
Raps (Brassica Napus oleifera und andre) wird nir-
gends besonders gebaut-, die Pflanze ist aber oines der
gemeinsten Unkräuter Chiles geworden, und die Weizen-
felder der roittlern Provinzen Chiles sind namentlich so voll
davon, dafs man beim Sieben des Getreides nach der Ernte
grofse Menge Rapssamen erhält, der uuch an mehreren
Orten ausgeprefst wird.
Der Lein gedeiht sehr gut bis nach Chiloe. Dort
mischt man den Samen mit Gerste oder Weizen, wenn
man harina tostada, dio gewöhnliche Nahrung der ärmem
Leute macht Es wird etwas Leinsamen aus-, aber eine
ziemliche Menge von Leinöl eingefiihrt. Die Fasern werden
in keiner nennenswerten Menge verarbeitet ; ein paar deutsche
Kolonisten machen Leinwand fürs Haus, und etwas Flachs
wird von den Taufabriken verarbeitet.
Hanf wird in nicht unbedeutender Menge in den mitt-
lcrn Provinzen, namentlich in Aconcagua gebaut und liefert
auch das Material für die boidon bedeutenden Fabriken
von Tauwerk die in Chile existieren. Es ist mir nicht
bekannt, dafs Hanföl gemacht wird.
Die Rizinuspflanze findet sich in den mittlern und
nördlichen Provinzen stellenweise massenhaft verwildert, und
ab und zu fordert auch jemand ein Patent auf die Berei-
tung von öl aus deren Samen , soviel ich weifs geschieht
es aber nirgouds in Chile.
Ebonsowcnig macht man öl aus den Samen der Sonnen-
blume (Helianthus annuus) ; vor oin paar Jahren sah man
die Pflanze in Menge auf den Rainon bei Santiago ange-
pflanzt.
Man hat mehrmals versucht, im Norden Chiloa und selbst
bei Santiago Baumwolle zu bauen, und zwar Gossypium
herbaceum, und die Baumwolle von Copiapb und Catema,
dio ich gesehen habe, war von sehr guter Beschaffenheit.
Da aber andre Kulturen lohnender sind , hat man dieso
Versncho schnull aufgegeben.
*) Iler einheimische Karne raadi -wird jetzt kaum noch gebürt, man
bezeichnet die Pflanze jetzt allgemein mit dem Kamen roclosa.
Die Agave, Agave americana , die mau fälschlich Aloe
nennen hört, wird in Chile Pita oder rnaguci genannt und
wächst ziemlich gut in den nördlichen und mittlern Pro-
vinzen; in Santiago bedarf sie aber immer 10 — 15 Jahre,
eho sie zum Blühen kommt. Man hat die Pflanze nur in
Gärten und benutzt ihre Fasern nicht, ebensowenig wird
sio zu Hocken angepflanzt, wie dies anderswo in Südamerika,
z. B. bei Montevideo dor Fall ist.
Umgekehrt gedeiht der neuseeländische Flachs,
Phormium tenax, besser im Süden. In Yaldivia wächst er
ganz vorzüglich ; ich habe dort einmal an einem einzigen
Busch meines Gartens 22 Blütenschäfte gehabt. Er findet
bis jetzt keine industrielle Verwendung.
Unsre Sociedad nacional de agricultura hat auch ein-
mal den Anbau von Urtica nioca empfohlen und auch ein
Beet mit dieser Staude bepflanzt, aber kein Mitglied der-
selben oder ein Professor vom landwirtschaftlichen Institut
hat es der Mühe wert gehalten , einen Versuch zur Be-
nutzung der Faser derselben zu machen.
Zur Kolonialzeit ist in Chile Waid, Isatis tiuctoria,
gebaut worden, und noch heute findet man ab und zu
verwilderten Waid, z. B. bei S. Bernardo, allein gegenwärtig
wird keinerlei Farbpflanze im Lande gebaut. Die Land-
leute, besonders die Araukaner, die Indianer in Valdivia
und die Chiloten, färben ihre wollenen Gewebe mit einhei-
mischen, wild wachsenden Farbekräutern und mit Indigo,
den sie kaufen.
In dor ersten Zoit der Ansiedelung dor Spanier wurde
Tuch im Lande gemacht, und zu dem Ende die Weber-
kardo, Dipsacus fullonum, gebaut; dieso Pflanze findet
mau jetzt fast in allen Provinzen verwildert, ungeachtet
dio Tuchfabriken bald eingegangon waren. Erst seit 30 bis
40 Jahren gibt es wieder solche.
Die Hopfenpflanze wächst ganz gut in Chile, und
auf den verschiedenen Ausstellungen, die in Santiago statt-
gefunden haben , waren seit 1 854 immer Proben schönen
Hopfens zu sehen, ohne dafs der Hopfenbau über das Sta-
dium des Versuchs hiuausgokorameu wäre.
Anders ist cs mit dom Tabak. Diese Pflanze ist Btets
im Lande heimlich gebaut worden , trotzdem der Tabak
„estanco“, d. h. Monopol der Rogiorung war, und aufser
der Vernichtung der Pflanzen eine ziemlich hoho Geldstrafe
den traf, welcher den Anbau derselben versucht hatte. Seit
oin paar Jahren ist dieses Monopol gefallen , und es wird
jetzt mehr „Habanatabak“ aus Chile aus- als eingefukrt!
Die Araukaner haben von jeher ihren Tabak gebaut, und
zwar schon ehe die Spanier ins Land kamen, da man iu
Menge in ihren alten Gräbern eigentümliche, steinerne und
thönerne Tabakspfeifen findet, während die jetzigen Chile-
nen nur cigarros und cigarritos aber nie Pfeifen rauchen.
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
303
Dieser einheimische Tabak „mapunche“ ist Nicotiana rus-
tica, der sogenannte Bauerntabak, während im übrigen Chile
nur Varietäten der Arten mit roten Blumen kultiviert wer-
den, Nicotiana Tabacura und verwandt«.
In den sechziger Jahren errichtet« ein Herr Lavigne,
der mit seiner Kunstmühle sich ein hübsches Vermögen
erworben hatte , eine Runkelrüben - Zuckerfabrik dicht
bei Santiago, machte aber schon im zweiten Jahr bankrott,
trotzdem die Rüben sehr zuckerreich waren , und erschofs
sich. Er hatte freilich vieles sehr verkehrt angefangen.
Jetzt ist man dabei, wieder eine Zuckerfabrik an geeigneterer
Stelle in einer südlichem Provinz anzulegen, der wir bessern
Erfolg wünschen wollen.
Zuckerrohr wurde Ende vorigen Jahrhunderts in den
nördlichen Provinzen gebaut, und auch etwas Zucker ge-
macht; diese Kultur hat aber ganz aufgehört. Die Pflanzo
wächst übrigens noch in Santiago im Freien , wenigstens
an geschützten Stellen.
Vor mehroren Jahren wurde bekanntlich grofser Lärm mit
dem Zuokersorghum, Sorghum saccharatum, gemacht,
und auch in Chile versuchton einige Personen die Pflanze
zu kultivieren, machten auch etwas Melasse und Rum daraus,
liefsen aber rasch den Anbau derselben wieder fallen. Im
vorigen Jahre wurde er wieder von Nordamerika aus an-
empfohlen.
Die Neger liirse, Sorghum vulgare, in Chile cura-
guilla genannt, wird ziemlich viel, aber nirgends im grofson,
gebaut, um Besen aus dom Blütenstand zu machen. Die
Körner dienen nur zum Füttorn des Geflügels und nicht
zur Nahrung der Menschen, da man gonug bessere hat.
6. Gemüsepflanzen und Küchenkräutor.
Ich weifs nur drei einheimische Pflanzen aus dieser
Kategorie zu nennen, die Kartoffel, die Kruppbohnen und
die Quinoa. Die Kartoffel spielt bei weitem keine so
wichtige Rollo im Haushalt des Volkes wie in Deutschland ;
sie fehlt wohl nie auf dem Mittagstisch, aber nur als Zu-
gabe zum „puchoro“, und sie macht beinahe nie allein für
sich oin Gericht aus, sie diont nicht zum Viehfutter, nicht
zum Branntweinbronnen. Der Branntwein wird fast nur
aus Getreide gewonnen, nächst dem aus Weintraubon.
Ganz allgemein wird der Kohl, Brassica oleracea, in
allen seinen Varietäten, mit Einschlufs der Oberkohlrabi
gobaut, wogegen die Steckrüben oder Unterkohlrabi
fast nur von den deutschen Kolonisten im Süden gezogen
werden; den Chilenen sind sie unbekannt. Dasselbe gilt
von den eigentlichen Rüben, Brassica Rnpa.
Allgemein findet man dagegen den Rettig, Raphanus
sativus, gebaut, besonders eino Varietät mit blafsviolettor,
J/s m langer Wurzel, die, in Scheiben geschnitten, ausge-
wässert und als Salat zubereit«t eine sehr beliebte Speise
der armem Leute im mittlern Chile ist. Der Rettig ist
verwildert und ein sehr gemeines Unkraut geworden. Wo-
her kommt es wohl, dafs man es im verwilderten Kohl an-
trifft? — Don Moerrettig, Axraoracia rusticana, findet
man nur in den Gärten einiger Fremden.
Dio Oka, Oxalis oca , wird jetzt nur von einzelnen
Individuen bei Puerto Montt und in Chiloü gobaut; zu den
Zeiten Molinaa mufs dies häufiger dor Fall gewesen sein.
Dio Kruppbohne, Phaseolus nanus, porroto (perua-
nisch purrutu) und frijol genannt, hat in Chile ganz dioselbe
Wichtigkeit, welche die Kartoffel in Norddeutschland hat.
Sie fehlt auf keinem Mittagstisch der Reiohen und ist das
tägliche, oft einzige Gericht der Armen und der Gefangenen.
Die chilenischen Bohnen sind aber auch ganz vortrefflich.
Sie sind auch ein bedeutender Exportartikel ; im Jahre 1880
belief sich die Ausfuhr derselben auf 3 766 000 kg zum
Wert von 266 000 Pesos. Man hat eine grofse Menge Varie-
täten , deren Samen die verschiedensten Farben und Ge-
stalten haben ; so sind z. B. diu sogenannten borriquitos
(Eselchen), dor Phasoolus osellus des Molina, fast kugel-
rund und esclsgrau. Südlich von Biobio kann man die
Kruppbohno nicht mehr mit Vorteil zu Samen ziehen, da
die Regen schon im Herbst kommen und dio Ernte der
trocknen Bohnen sehr beeinträchtigen ; hier treten dio
grofsen Bohnen oder Saubohnen, Faba sativa, und
die Erbsen an doron Stollo. — • Gay führt in seiner „Flora
von Chile-1 an, Phaseolus Pallar werde in Chile häufig ge-
baut; dies ist oin Irrtum. Der oino oder andre Gutsbe-
sitzer der mittlern und nördlichen Provinzen baut allenfalls
ein paar Pflanzen dieser in Peru einheimischen Bohnen nls
Seltenheiten, aber auf dem Markt sieht man sie nie. —
Häufiger bauen fremde Gärtner sowie die deutschen Kolo-
nisten die Stangenbohnen, Phaseolus vulgaris, und
auoh wohl die türkische Bohne, Ph. multiflorus. Ab
und zu zieht auch jemand einmal die eine oder andre Art
von Dolichos, namentlich I). sesquipodalis und Lablab, aber
mehr als Kuriosität als zum wirklichen Küchengebrauch.
Überall wird dio E r b s o gebaut und teils grün, teils
im roifen Zustand verspeist; letzteres besonders im Süden,
wo sie besser gerät als im Norden. Sie führt in Chilo den
Namen alveya, auf Spanisch heilst Bie guisante. Zur Zeit
des Kaisers Karl V. war sie in Spanien noch unbekannt ;
Herrera erwähnt sie gar nicht.
Soltoner sieht man dioKichererbso, garhanzo (Cicer
arietinum), gebaut, doch fohlt sio nie auf den Märkten der
Stadt«. In Spanion war sie dagegen und ist vielleicht noch
dio wichtigste Hülsenfrucht. Noch weit seltener bekommt
man die cicercha, Lathyrus sativus, zusehen. Die weifse
Lupine, Lupinus albus, spanisch chocha und altramuz,
304
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
habe ich nur in den Gemüsegärten italienischer Missionare
angetroffen, die mir versichert haben, sie schmeckten sehr
gut. Das ist Geschmackssache. In Italien werden sie viel
gegessen , ebenso in Valencia und Murcia , aber der alte
Ilerrera sagt: rdie Menschen essen sio in unfruchtbaren
Jahren“, d. h. wenn bessere Nahrung fehlt. Linsen wer-
den in ziemlicher Menge gebaut.
Die kürbisartigenGewäohso nehmen, wie in allen
warmen Ländern, eine bedeutende Stelle unter den Nah-
rungsmitteln dor nördlichen und mittleru Provinzen oin;
in den südlichen, Valdivia, Llanquihue, Puerto Mont t, können
die meisten nicht mehr ihre Früchte zur Reife bringen.
Am häufigsten baut man Cucurbita melopepo, den „zapallo“,
dessen Früchte ein gelbes, festes Fleisch haben und sich
auch don gröfsten Teil deB Winters hindurch aufhcben
lassen. Ein Stück Kürbis darf nie im puchero fehlen. Dio
Cucurbita nmxima ist auch nicht selten ; die Schale der
Früchte wird in dor Mitte durchgeschnitten und dann viel-
fach in den ärmern Haushaltungen als Gefäfs benutzt. —
Eine eigne Art Kürbis ist die alcayota , deren botanischer
Name mir unbekannt ist. Die Frucht ist von regelmäfsiger,
elliptischer Gestalt, stets dunkelgrün, sehr fest und hält
sich über ein Jahr. Man macht daraus eine sehr gute
Marmolode. — Ebenso kultiviert man die Kalabasse, La-
genaria vulgaris, deren harte Schale bekanntlich (laschen
abgibt, weshalb ja die Pflanze auch Flaschenkürbis heifst;
doch sieht man diese Flaschen hier seltener im Gebrauch
als in Suditalion. Der gepulverte spanische PfofTor, ajd,
wird nur in kleinen Kalabassen verkauft, und aus klei-
nen Kalabassen bestehen auch meistens die Gefäfse, aus
denen der „mate“, der Anfgufs auf dio „yerba“, die schwach
gerösteten, gröblich gepulverten Blätter des Ilex paragua-
jensis und verwandter Arten, vermittelst der „bombilla“
gesogen wird. Es ist dies eine Röhre von Rohr, Silber
oder Blech mit einor bimförmigen, durchlöcherten Erweite-
rung am untern Ende, die verhindert, dafs Blätterteile mit
der Flüssigkeit in den Mund gelangen. Der Genufs des
Mate gilt aber jetzt nicht mehr für fein. Die unreifen
Früchte einer Varietät von Kalobasso werdon im puchero
gegessen : man hat sie früher im Jahr als die Kürbisse.
Die Gurko wird nicht so häufig genossen wie in
Deutschland, und vorzugsweise von Fremden. Desto allge-
meiner und häufiger ist die Wassermelone, sandia,
und das ärmere Volk lebt gröfstenteils von dieser Frucht
in den letzten Monaten des Sommers. Fast ebenso häufig
ist die Melone. Im südlichen Chile kann man Melonen,
Wassermelonen und Kalebasson ebensowenig im freien Felde
ziehen wie den Kürbis.
Von Portulak sagt Gay, man kultiviere ihn in der Nähe
dor Hacienden ; ich für meine Person habe ihn nirgends an-
gebaut gesehen, noch je gehört, dafs man ihn irgendwo als
Zuthat zu Speisen verwende: verwildert und als Unkraut
ist er häufig genug in den Gärten zu finden. — Die Ara-
katsch a, Aracacha tuberosa, mufa zur Zeit Molinas von
dem einen oder andern Gutsbesitzer gebaut worden sein,
denn sein Heradeum tuberosum kann nur diese Pflanze
sein; gegenwärtig ist sie nirgends in Chile zu finden. —
Mohrrüben oder gelbe Wurzeln, Daucus Carota,
werden in allen Gärten gezogen und sind an den Wegen
zwischen Chillan und Concepcion, namentlich an den Ufern
des Biobioflusses, überall verwildert zu sehen. Sehr selten
sieht man die Pastinake kultiviert; verwildert habe ich
sie in der Gegend von Talca gefunden. Petersilie und
Sellerie fehlen in keinem Gemüsegarten; von letzterm
werden nur die Blätter wie dio der Petersilie zum Würzen
der Speisen benutzt ; der Knollensellerie wird nur von
fremden Gärtnern gezogen und fast alloin von Fremden
gegessen. Den Kerbel kennt die chilenische Küchen-
gärtnerei nicht, ebensowenig die Gartenkresse.
Sehr beliebt als Würze von Suppen und andern Ge-
richten ist der römische Kümmel (Comino, Cuminum
Cyminum); weniger häufig dient dazu der Koriander,
culantro. Nicht selten würzt man die Suppen mit Basi-
likum, Ocimum basilicum, auf spanisch albahaca. Unser
deutscher Kümmel, alcaravea, und der Dill, eneldo (Ane-
thum graveolens), sind in Chile unbekannt. In den mitt-
lern Provinzen wird ziemlich viel Anis, aniso (Pirapinella
anisiun), gebaut; er dient fast nur zur Bereitung des all-
gemein beliebten Anisbranntweins, anisado ; auch wird Anis
zum Betrage von 15- bis 20000 Pesos jährlich nach Peru
ausgeführt. Von Fenchel, hinojo, wird sonderbarerweise
kein Gebrauch gemacht, und man findet ihn nicht einmal
in den Apotheken; früher mufs es anders gewesen sein,
denn diese Pflanze ist gegenwärtig eins der gemeinsten
Wegeunkräuter in Santiago und andern Provinzen.
Fast in allen Küchongürten findet man Zichorien
und Endivien, deren Blätter als Salat dienen; von der
Zichorienwurzel wird kein Gebrauch gemacht. Die Zichorie
ist in den mittlern Provinzen zu einem gewöhnlichen Un-
kraut geworden. Ganz allgemein und in Menge wird der
Lattich in verschiedenen Varietäten als Salat gezogen.
Die Franzosen haben bei Santiago in ihren Gärten Beit
etwa 25 Jahren den Löwenzahn, Taraxacum officinale,
eingeführt, da sie die jungen Blätter desselben gern als
Salat verspeisen, und nun ist diese Pflanze ein gewöhn-
liches Unkraut geworden. In dor Provinz Valdivia hat sie
sich durch die deutschen Kolonisten eingebürgert, indem
der Same mit dem von Futtergräsern hinkam. Der Feld-
salat, Iiapüntschen &c. (V alerianella olitoria) findet sich
seit einigen Jahren ab und zu bei Santiago verwildert und
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt bat.
stammt sicherlich auch aus den französischen Gärten ; sein
spanischer Name ist yerba de los candnigos.
Häufig sieht man in den Gärten den Bocksbart,
salsifi (Tragopogon porrifolius). Schon aus seinem Namen
läfst sich erkennen, dafs derselbe von den französischen
Gärtnern eingefübrt ist. Desto seltner findet man auf
dem Markt die Schwarzwurzel, escorzonera (Scorzo-
nera hispanica), ungeachtet sie, wie auch ihr Karne sagt,
aus Spanien stammt. (Die Chilenen bezeichnen mit dem
Namen escorzonera verschiedene einheimische Pflanzen des
Geschlechts Hypocbaeris oder Achyrophorus , deren Wur-
zeln indessen wohl selten zur Speise und fast nur als
Hausmittel gegen verschiedene Krankheiten dienen.)
In den Provinzen Coquimbo und Copiapd findet man
ab und zu die Batate oder siifse Kartoffel, in Chile
camote genannt (Convolvulus Batatas), kultiviert, doch kom-
men die meisten Knollen, die auf dem Markt oder auf den
Strafsen feilgeboten werden, aus Peru. Von der gewöhn-
lichen Kartoffel ist schon oben die Rede gewesen ; aufser
dieser Solanum -Art wird auch die berengena, der Eier-
apfel (Solanum Melongena und S. esculentum) gezogen,
doch nur selten, und als Kuriosum sieht man wohl hior
und da in einem Garten Solanum (Cyphomandra) betaceum.
Allgemein wird dagegen der Liebesapfel, tomato (Lyco-
porsicon esculentum), gebaut, als Salat gegessen, zu Saucen
verwendet &c. In Valdivia gedeiht die Pflanze schlecht
wegen der späten und frühen Nachtfröste.
Vom spanischen Pfeffer (aj(, Capsicum) baut
man zwei Varietäten, eine schärfere, ajf schlechthin, und
eine mildere , ajf limenso , und macht von beiden viel Ge-
brauch. Die Früchte der lotztern werden mit Rinderfett
geschmolzen, welches davon eine rote Farbe bekommt und
alsdann als „color“ zu Suppen und andern Speisen ver-
wendet wird. In Valdivia und weiter siidlioh kann man
den ajf nicht mehr ziehen.
Häufig werden Artischocken, alcachofas (Cynara Sco-
lyrous) gebaut, und sie wachsen auch noch in Valdivia sehr
gut. Die Cynara Cardunculus, die in Chile schlechthin c a r d o ,
Distel, heilst, hat sich, wie Gay sagt, erst in diesem Jahr-
hundert in don mittlern Provinzen aufserordentlich ver-
breitet und bedeckt bisweilen grofse Streckon Landes, wenn
diese nicht in Kultur genommen werden können, weil man
sie nioht bewässern kann. Die Landleute bringen die
Blattstiele, poncas, zum Verkauf, die verschieden zubereitet
gegessen werden , und das Rindvieh frifst im Herbst die
Samen trotz der stachligen Kelche. In Valdivia kommt
die wilde Artischocke nicht vor.
Man ifst auch vielfach im Süden die zarten, jungen
Stengel der Mariendistel (Silybum marianum), die so-
genannte .tallos“ ; diese Distel wächst in den südlichen
Petermann» Geosr. Mitteilungen. 188G, Heft X.
Provinzon, namentlich in Valdivia in grofser Menge überall,
wo Kulturen sind oder einmal waren, als sehr lästiges Un-
kraut, während sie im Norden viel seltner auftritt. Ist
diese Distel jemals gebaut worden , oder ist sie durch
blofsen Zufall nach Südamerika gekommen?
Die Chilenen sind keine Spinatesser, und so findet man
die verschiedenen 8pinatkräuter nur in den Gärten der in
Chile ansässigen Fremden, am häufigsten den echten Spinat,
Spinacia oleracea, und den Sauerampfer, Rumex Ace-
tosa, selten die Gartcnmelte, Atriplex hortensis; den
englischen Spinat, Rumex Patientia, habe ich in
keinem Garten getroffen, obgleich die Pflanze ein gewöhn-
liches Unkraut geworden ist. Ebenso habe ich nirgends
den neuseeländischen Spinat, Tetragonia expansa,
angebaut gesehen, welcher an der chilenischen Küste fast
überall wild wächst.
In den meisten Küchengärten findet man den Man-
gold, Beta vulgaris, und namentlich auch die Varietät
mit roten Wurzeln, die rote Boete, wolche als Salat ver-
speist wird. Auf dom Laude essen die Leute auch öfter
gekocht die Blätter der Quinoa, Chonopodium Quinoa,
häufiger jedooh werden die Samen zu Suppen oder als
Brei genossen. Auch wird eine Partie Samen nach Peru
ausgeführt. Gay glaubt , die Quinoa sei mit dem spa-
nischen Pfeffer, ajf, durch die Inkas in Chile eingeführt
worden (s. Agricultura, p. 3), gibt aber die Gründe nicht
an, die ihn zu dieser Annahme bewogen haben. Jetzt
findet sich die Pflanze in den mittlern und südlichen Pro-
vinzen verwildert. Bei dieser Gelegenheit mufs ich ein
närrisches Quidproquo erzählen. In der offiziellen Handols-
statistik Chiles für das Jahr 1875 fand ich, dafs vom Hofen
Constitucion oine Menge „cascarilla“, d. i. Chinarinde, nus-
gefiihrt sei. Ich wandte mich um Aufklärung dieser
höchst auffallenden Thatsache an den Direktor der Oficina
de estadistica comercia) , und nun stellte es sich heraus,
dafs in den Listen des Hafens Constitucion als Ausfuhr-
artikel eine Partie Quinoa notiert war ; der Beamte , wel-
cher die Listen der Aus- und Einfuhr der verschiedenen
Häfen zusammenzustellen hatte und nicht wufste, was Quinoa
war, glaubte, einen Schreibfehler vor sich zu haben, und
verwandelte das Wort in quina (Chinarinde), und flir quina
wurde dann in der Schlufsredaktion der gebräuchlichere Name
ca8carilla gesetzt.
Der Spargel gedeiht in den mittlern Provinzen und
in Valdivia sehr gut; ich kann nicht sagen, ob er auch in
den nördlichen Provinzen gezogen wird. In Chiloe ist dies
nicht der Fall, wenigstens klagte mir im Jahre 1859 der
Intendant dieser Insel, er könne solbst in der Hauptstadt
Ancud nur die allergewöhnlichsten Gemüse auftreiben.
Eine grofse Rolle spielt in der chilenischen Küche die
39
306
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
gewöknliolie Zwiebel, Allium Cepa, und sie ist auch
von ausgezeichneter Güte und bei weitem nicht so scharf
wie in Deutschland. In der Provinz Valdivia gedeiht sie
nur stellenweise und wird dort durch die Schalotte, Allium
ascalonicum , ersetzt. Fast noch häufiger zieht man
überall den Knoblauch. Der Porree oder spanische
Lauch, puerro, Allium Porrum, und der Schnittlauch
werdon nur in den Garten der Fremdon augotroffen. Die
Winterzwiebel, Allium fistulosum , und die Perl-
zwiebel, Allium Scorodoprasum, habe ich nirgends in ei-
nem chilenischen Garten gosehen. In keinem Garten fehlt
der Majoran, Origanum Majorans, in Chile nur oregano,
nie mejorana oder almoradux wie in Spanien genannt; er
dient nicht nur zur Würze Behr vieler Speisen , sondern
wird auch (getrocknet) in ziemlicher Monge nach Peru
ausgoführt, in manchen Jahren für 12000 Pesos1).
Dagegen habe ich den Thymian, Thymus vulgaris,
der im Werke von Gay vergessen ist, nur in Gärten der
in Chile ansässigen Fremden angetroffen. Dasselbe gilt
vom Bohnenkraut, Satureja hortensis, und es ist ent-
schieden ein Irrtum von Gay, wenn er sagt, die Pflanze
sei „sehr häufig in den Gärten und zuweilen verwildert“.
Als die Spanier im 16. Jahrhundert nach Peru kamen,
waren sie grofse Freunde von mit Minze gewürzten Ge-
richten und brachten die Pflanze als eine der ersten euro-
päischen dorthin , wo sio sich rasch einbürgcrto. Schon
Garcilaso do la Vega (geb. 1540 in Cuzco, gest. 1620 in
Spanien) wundert sich , dafs die Minze sich in wenigen
Jahren über ganz Peru ausgebreitet habe. Man findet
überall in Chile zwei Arten, verwildert und auch in den
Küchengärten, Mentha piperita und M. citrata ; beide heifsen
yuba buona ; zur Würze von Speisen werden sie jetzt nicht
häufig angewendet.
Fast in allen Gärten findet man den Boretsch, der
sich immer von selbst aussäet; in der Küche wird er
kaum gebraucht und dient mehr als nnschädliches Haus-
mittel bei weiblichen Krankheiten. Ebenso häufig trifft man
überall die Melisse, toronjil, Melissa officinalis, an, die
ebenfalls als Hausmittel dient2).
7. Unkräuter.
Die aus fremden Ländern stammenden Unkräuter sind
teils verwilderte Kulturpflanzen, teils solche, deren Samen
zufällig mit andern Samen nach Chile gelangt sind und
l) Der Majoran Ut in Chile mehrjährig; Pereoon und andre Botaniker
geben ihn ala einjährig an ; die Dauer hängt vom Klima ab ; Hiiinua, Coix
lacryma &c. aind in Chile auch mehrjährig.
*) Daa von Molina als wildwachsende Pflanie Chiles angegebene Ocl-
man aalinum, die „jetba del salilre“ , ist Franken in Berteroana, die in
den Wegen niirdlicb von Santiago sehr gemein ist und Salz aunchwitzt,
daa zum groben TeU aus nchwefeUaurem Natron beatebt.
hier ein ihnen zusagendes Klima gefunden haben. Die
Zahl soloher jetzt in Chile wild wachsender Gewächse ist
sehr grofs, wie das Verzeichnis derselben am Ende dieser
Arbeit zeigen wird , doch kann man Unkräuter nur solche
nennen, welche grofse Strecken Landes fast ausschliefslich
bedecken, so dafs andre, nutzbare Pflanzen nicht dagegen
aufkommen können, oder auf die eine oder andre Art den
Anbau derselben erschweren. Eino scharfo Grenze zu zie-
hen ist freilich unmöglich. Ich werdo jetzt die wichtigsten
derselben auffuhren.
Silybum marianum, die Mariendistel, von der
schon oben unter den efsbaren Pflanzen die Rede gewesen
ist, bodeckt, namentlich in Valdivia, oft bedeutende Strecken
Landes auf dem Felde uud in den Gärten, nnd läfst keine
andre Pflanze zwischen sich aufkommen.
Centauroa molitensis, zicana genannt, findet sich
überall zwischen dem Getreide, besonders wenn der Boden
schon erschöpft ist, nnd wird von den Schnittern sehr ge-
fürchtet, da es ihnen beim Schneiden des Getreides die
Hände zersticht. In der Provinz Aconcagua sagte man
mir, die Schafe fräfsen die Blätter der jungen Pflanze,
und man nannte dieselbe yerba de la rosa, wegen der Ro-
setten, welche die ersten Blätter bilden.
Cirsium lancoo 1 atuin , cardo nogro genannt, unsre
gemeine deutsche Distel, ist von einem Engländer, einem
Herrn Price, in den fünfziger Jahren in die Provinz Chillan
eingeführt worden, nach don Aussagen einiger, indem er
dio Pflanze als Futterkraut auf seiner Hacienda ausgesäet
habe, nach der Meinung andrer unabsichtlich. Im Jahre 1862
sah ich sie zum orstonmal auf dom Wege nach den Bädern
von Chillan, und vor vier Jahren erschien sie zuerst in
Valdivia; jetzt ist sie überall eins der gemeinsten Unkräu-
ter und fehlt nur nooh den nördlichen Provinzen.
Anthemis Cotula, manzanilla cimarrona oder manznnilla
bastarda, bedeckt in allen Provinzen grofse Stücke Landes
ausschliefslich und läfst keine andre Pflanzo zwischen sich
aufkommen ; man findet sie namentlich auf Rainen und in
der Nähe der Wohnungen.
Digitalis purpurea, der roto Fingerhut, wurde als Zier-
pflanze im Jahre 1850 von deutschen Einwanderern nach
Valdivia und Anend gebracht und hat sich von dort aus
dergestalt uusgubroitut, dafs sie jetzt in der Nähe der ge-
nannten Städte ganze Morgen Landes ausschliefslich be-
deckt nud als eins der schädlichsten Unkräuter angesehen
wird. Man findet mitten unter den Pflanzen mit roten
Blumen eine Monge solcher, die weifse Blumen tragen.
Convolvulus arvensis, dio Ackerwinde, spanisch corre-
juela. ist in deu nördlichen und raittlern Provinzen so ge-
mein , wie uur irgend in Deutschland ; in den Provinzen
Valdivia und Cliiloe habe ich sie nicht gesehen.
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
307
Zn den schlimmsteu Unkräutern des Südens mufs ich
die Braunelle, Prunella vulgaris, rechnen, die gegenwärtig .
dort überall häufig ist und den Oraswuchs sehr beeinträch-
tigt. Im Jahre 1852 fand ich nur wenige Exemplare auf
meiner Besitzung und suchte diese auszurotten; jetzt ist
sie dort eine der gemoinsten Pflanzen, nicht nur an feuch-
ten Orten, sondern auch an ganz trocknen Abhängen. Es
ist mir unbegreiflich, auf welche Weise sich diese Pflanze
so hat verbreiten können. Das Vieh frifst sie nicht und
trägt also nicht etwa den Samen derselben mit seinen Ex-
krementen fort; die Samen haken sich nicht und sind
auch nicht so beschaffen, dafs Bie der Wind leicht fort-
bewegen könnte.
Hypochaeris radicata hat sich seit etwa vier Jahren in
der Provinz Valdivia auf eine wahrhaft erschreckliche Weise
verbreitet und verdrängt durch ihro der Erde dioht an-
liegenden Blätterrosetten alles Gras auf den Weiden. Ähn-
lich macht es auf meinem Grundstück jetzt Crepis virens,
der jedoch nicht ganz so schlimm ist. Beide Pflanzen
sind mit Grassamen von Deutschland gekommen.
Zu den allerschädlichsten Unkräutern gehört, nament-
lich im Süden, ltumex Acetoselia, die romasilla der Chi-
lenen. Sie üborzieht den Boden mit einem dichten Teppich,
der keine andre Pflanze wachsen läfst, und ist selbst iu
Gärten wegen ihrer zahlreichen Wurzelausläufer gar nicht
auszurotten ; das geringste Stüokcheu , was in der Erde
bleibt, ist in ein paar Wochon eine neuo Pflanze.
Die tiatina, Avena hirsuta, findet sich in allen Teilen
Chiles und wird auf sandigem Boden oft genug zu einer
lästigen Plage.
Dor Taumollolch, Lolium temulentum, kommt überall
unter dem Getreide vor und ist in manchen Jahren sehr
häufig. Allgemein ist die Meinung, dafs die obersten Kör-
ner der Weizenähre dies schädliche Unkraut hervorbringen,
und ein Herr Vicente Perez Kosales hat mich im „ßoletin
de la Sociedad natural de agricultura“ gehörig abgekanzelt,
weil ich diesen Irrtum bestritten hatte. Unsre Trespe,
Bromus socalinus, kommt in Chilo noch nicht vor.
Wor sollte glauben, dafs dor kleine, einjährige Melilotus
parviflora, den man in Chile gewöhnlich trebolillo nennt
und dor häufig genug zwischen dem Getreide, zumal der
mittlere Provinzen, wächst, schädlich sein könnte! Und
doch ist es so. Im vorigen Jahre kamen aus England
Klagen, dafs eine Partie von Chile erhaltenen Weizens nicht
zu brauchen sei, indem derselbe duroh die grofse Menge der
demselben beigemisebten Samen des Meliotus einen starken
Geruch angenommen habe, der sogar dem aus dem Weizen
gemahlenen Mehl anbafte und dies unverkäuflich mache. Der
chilenische Verkuufor des Weizens hatte diesen von Unkraut-
samen zu reinigen unterlassen. (Schlufo folgt.)
Die Galla -Staaten im Süden von Abessinien.
(Mit Kurte, s. Tafel 15»).)
Am 6. März 1876 verliefs Marquis 0. Antinori an
der Spitze einer sorgfältig ausgerüsteten italienischen Ex-
») Die Karte Tafel 15 befindet sieh nicht überall in Übereinstimmung
mit der Darstellung Ton Kepit. Cecchis Routen. Die beträchtlichsten Ab-
weichungen finden eich namentlich auf der Strecke ron Zeila bis Hchoa,
welche auf Tafel 15 nach den vorläufigen Positionsbestimmungen Cecchis
(Memorie detla Societi Qeogr. Italiana 1878. Vol. 1, p. 170) fostgetegt
worden war. Von diesen weicht die Lage der einaelnen Punkte auf der
Ton Prof. MoDgaroni entworfenen Karte wesentlich ab. So soll nach Kapit.
Cecchis Angabe, welche durch seine Reobschtung im Jahre 1881 (Botlctt.
Soc. Geogr. Ital. 1882, p. 701) bestätigt wird, die Oase Carof ungefähr
in der Mitte des Wege* zwischen Zeila und Schoa unter 41° 45' 0. L.
T. Gr. liegen: auf der Karte ist sic nach 42" 24' ö. L., also um 17'
östlicher, verlegt. Ebenso weicht die läge von Harar, wohin Ceccbi auf
seiner Rückreise von Hchoa an die Küste 1881 einen Abstecher macht*,
beträchtlich von seiner eignen Positionsbeobachtung 41° 43' 15° (Boll.
Soc. Geogr. Ital. 1882, p. 701) ab, während die Karte sein« Koisewerkes
den Ort ebenfalls nach 42° 2^' verlegt. Auf Tafel 15 ist Harar nach
der Position, welche Prof. Paulitachke 1885 gefunden hatte, 42° 24' 36°
ö. I. (Pcterm. Mittcll. 1885, S. 478) eingetragen ; auf der Karte von
Cecchis Reiaeweik nähert sich also die läge von Harar der Angabe von
Paulitschkc wesentlich; immerhin aber bleibt noch ein Unterschied von
22' vorhanden. Eine Entscheidung, welche dieser Positionsbestimmungen
das meiste Vertrauen verdient, wird nieht eher su fällen sein, als bis die
Serie von Beobachtungen, welche die Grundlage der Berechnung ist, vcmttont-
licht sind, was für Cecchis Angaben im 3, Bande seines Werkes in Aussicht
pedition Europa, in der Absicht, die ausgedehnten uner-
forschten Gebiote im SO des Golfs von Aden, welche zu
steht. Da für Cecchis Koute von Zeila nach Schoa aus dem Jahre 1877
seine ersten Positionsbestimmungen auf unsrer Karte beibehalton sind, dio
Wegstrecke x wischen Zeila und Harar aber nach Paulitsehkes Angaben
oiedergelegt wurde, so erlitt Cecchis Route von Uarof über Dacbal-
deisa nach Harar eine starke Verzerrung; während diese drei Orte nach
Ceeeh( in fast genau nord— südlicher Richtung aufeinander folgen, liegt
Dachiidessa (42° 30' ö. nach Paulitachke) auf unsrer Karte in südöst-
licher Richtung von Uarof, Harar aber in BSW von Dachaldeass. Auf der
Route von Zeila bis Schoa hat auch Kapit. Martini auf seiner dritten Reiee
1879 eine Reihe von Positionsbestimmungen beobachtet, welche von den
in den Ceeehiaehen Karten angenommenen Längen nicht eehr erheblich ab-
weicben. Die Mittelwerte aus Martinis Beobachtungen sind folgende:
N. Br.
ö.
L. v.
Gr.
Zeila . . 11*
21’
40°
(4
Beob.)
43°
30'
34°
(1
1
Ambos . 11
10
10
<1
)
48
16
23
(1
. >
Abasuin . 10
54
53
(1
m
>
42
54
19
(1
. >
Lauharar 10
43
9
(1
m
)
43
33
24
<1
. >
Abdagala. 10
29
8
(1
)
42
18
8
(1
. )
Tul-Harr* 9
51
1
«
m
)
41
20
26
(1
. >
Ankober . 9
30
11
(X
m
)
39
54
5
(3
» >
M
39
46
49
(2 Monddixt.)
Pur Uarof selbst findet sieh also bei Martini keine Positionsbestim-
mung; das benachbarte Abdagala (Addagalla nach Cecchi), wenig südlich
39*
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308
Die Galla -Staaten im Süden von Abessinien.
den ausgedehntesten nnbekannten Strocken Afrikas gehö-
ren, zu erschliefsen und, wenn Land und Leute es gestat-
teten, einen Vorstofs bis zu den Quellseeu des Nil zu unter-
nehmen. Trotz unermüdlicher zehnjähriger Thätigkeit, trotz
der bedeutenden Mittel, welcho aufgewendet wurden, trotz
ständigen Eintretens neuer Kräfte ist dieses Programm noch
heute nicht zur Ausführung gekommon. Es ist den italie-
nischen Reisenden , welche sich mit gro&em Enthusiasmus
und Energie ihrer Aufgabe widmeten, nioht gelungon, die
Schwierigkeiten zu beseitigen , welche teils durch die poli-
tischen Verhältnisse, durch das Mifstrauen zwischen Schoa
und Abessinien, durch die von andern Europäern in Schon
angozottolten Intrigen, teils durch die schwierige, nur mit
grofsen Opfern an Zeit und Geld aufrecht zu erhaltende
Verbindung mit der KUste, teils endlich durch die un-
günstige Stimmnng der Bowohnor diosor Gebiete und durch
das Mifstrauen ihrer Beherrscher outstaudou.
Wenn somit das Endziel dieser Expodition nicht er-
reicht wurde, so wurdo doch durch das Vordringen Kapit.
Cecchis bis nach Kaffa die Grundlage für eine weitere
Ausdehnung der Forschungen nach S geschaffen, indem die
Gefangenschaft, in welcher der Reisende durch die Königin
dos kleinen Ländchens Gera gehalten wurde, dom König
Monilek von Schoa die Veranlassung gab, gewaltsam gegen
die kleinen Galla-Staaten im Süden von Abessinien vorzu-
gehen und dieselben zu unterworfen. Durch diose Ände-
rung der politischen Lago ist dio Aussicht auf eino er-
folgreiche Fortsetzung der italienischen Expedition nach
Süden bedeutend günstiger geworden und, dank diesem
entschlossenen Vorgehen Menileks, konnten bereits euro-
päische Reisondo , namentlich Händler, mit Leichtigkeit in
kurzer Zoit dieselben Gebiete durchziehen, in welchen Cecchi
unter Entbehrungen und steten Erpressungen fast 2 Juhro
zurückgehalten worden war, während soin Begleiter Chia-
rini und der seit 3 Jahren von jedem Vorkehr mit Eu-
ropa abgeBchnitton gewesene Missionar Abbe Leon des
Avanchers gestorben waren.
Aber nicht um einen kurzen Triumph war es dem Kö-
nige von Schoa zu thun, er war nicht gewillt, wie es sonst
ron Ano, wird an n i1 nach Ovten verschoben gegen Cecchi, wühlend
Tnl-Huri um wenig westlicher su liegen kommt.
Weniger abweichend ist Tafel 16 von Cecchi im Westen ron Schoa.
Der Oberlaof des llawaseh hat nach Cecchis Darstellung eine um 20'
südlichere Lage: infolgedeaaen sind auch dio beiden Seen Suai und Horra
bedeutend nach Süden zu verlegen. Leider ist von den Aufnahmen Dr.
Steckers, welcher 1882 nach dem erstem gelangte, während Cecchi sie
nur von der Hoho des Borges Siqusls gesichtet hat , nichts veröffentlicht
worden. Das Fürstentum K&bieua liegt nach Cecchi weiter im Westen,
seine Hauptstadt Mod scher um ca 17 ' , ebenso auch der Oberlauf de»
Waira. in guter Übereinstimmung mit Cecchis Karte ist Tafel 16 in der
Lage der kleinen Galla - Staaten, für deren Zeichnung dio grofse Serie von
Positionsbestimmungen d'Abbadi» (GCodosie d'Hthiopie) als Grundlage ge-
dient haben , was auch bei Konstruktion der Cecchischen Karten der Fall
gewesen zu sein scheint.
wohl bei Kämpfen in Afrika der Fall ist, nur einen Beute-
zug auszuführen und eine zeitweilige Tributzablnng zu er-
zwingen, sondern er war entschlossen, die Geschicke dieser
kleinen Galla-Staaten für immer an sein Reich zu knUpfen,
nnd aus diesem Grunde setzte er überall seine ihm ergebe-
nen Feldherren als Statthalter ein ; dem Führer in dem sieg-
reichen Feldznge, Ras Gobana, übergab er die Regierung
von Kaffa selbst mit dem Aufträge, die angrenzenden Land-
schaften, namentlich Wallagga seinem Reiche einzn verleiben.
Nach Cecchis Mitteilung *) sind dem Könige Menilek jetzt
tributär Soddo, Kiabiena, Qurage, Tadallie, Botor, Tschora,
Limmu, Goroma, Gera und Kaffa, sowie die Stämme am
Gibbe, dem wahrscheinlichen Oberlaufe des Dschub.
Diese bedeutende Ausdehnung der Herrschaft von Schoa
gab dem Könige von Qodscham Tocla Haimanot (Ras Adal),
welcher 1880 durch sein drohendes Auftreten die Befreiung
Cecohis erzwuugou hatte, den Anlafs zu ähnlichem Vor-
gehen gegen die seiner ProviDZ angrenzenden Galla-Staaten.
Er unterwarf die Stämme südlich vom Abai oder Blauen
Nil über den Didesa bis zum Baro : Gndern, Horro, Liben,
Gimma-Rare, Lagamara, Gimma-Hine und einzelne Schan-
galla-Stammo sind Godscham tributär geworden.
In weiten Landstrecken sind relativ geordnote Ver-
hältnisse eingeführt worden, und damit ist die Sicherheit
für europäische Reisende oine gröfsere geworden. Wo die-
selben früher langwierige Unterhandlungen mit den über
einen räumlich nur sehr beschränkten Bezirk herrschenden
Fürsten führen mufston, um die Erlaubnis zum Betreten des
Gebietes, aber auch zum Verlassen desselben sowie die
Stellung dor notwendigen Träger durchzusetzen , genügt
jetzt das Wort des Herrschers von Schoa, um das Fort-
kommen des Forschers zu ermöglichen. Nur die Verbin-
dung von Schoa nach der Küste ist auch jetzt noch schwierig
und unsichor, da die Völkerschaften der Somal und Danakil
oder Afar, auf deren Unterstützung hoi Erwerb der Trans-
portkamele nnd Anwerbung von Treibern gerechnet werden
mufs, in hohem Mafso unzuverlässig und durch Erpressungen
und Räubereien der Schrecken aller Reisenden geworden sind.
Gelingt, es erst auf diese Völker einen derartigen Zwang
anszuüben, dafs sie aufhören, ein Hindernis für den Verkehr
zu sein, wie sio os jotzt sind, was durch ein gemeinsames
Vorgehen der am Roten Meer und am Golf von Aden kolo-
nisatorisch auftrotenden Mächte, die jetzt jode Mafsregel
eines Nebenbuhlers argwöhnisch überwachen und teils durch
Geschenke, teils durch Intrigen bei den umwohnenden Stäm-
men einander den Rung abzulaufon suchon, jedenfalls zu
erreichen wäre, dann wird Schoa oin geeigneter Ausgangs-
punkt sein für dio Erforschung der von Galla-Stämmen ho-
l) Bollottino Soc. Geo^r. ItalUuo 1886» Vol. XI« N’r. 7» p. 51 2.
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Die Galla - Staaten im Süden von Abessinien.
309
wohnten Landschaften bis zum Indischen Ozean einerseits,
bis zu den Nilquellseen anderseits.
In der mittelbaren Veranlassung zu diesen günstige
Aussichten eröffnenden politischen Umwälzungen beruht aber
keineswegs das einzige Verdienst von Kapitän Cecchis
Expedition. Zwar war es dem Forscher trotz seiner un-
ablässigen und energischen Bemühungen nicht möglich,
in die ersehnten südlichen Gebiete vorzudringen; aber der
unfreiwillige Aufenthalt, weloben er in diesen Ländern neh-
men mufste, war von ihm trefflioh benutzt worden, um
Land und Leute kennen zu lernen, und ihm verdanken wir
die erste eingehende Darstellung1) dieser Länder, welche
die Gebrüder d’Abbadio 1843 — 1848 zuerst besucht batten.
Dieser Erfolg der französischen Forscher hatte den Anstois
zur Gründung einer katholischen Mission in den Galla-
Staaten gegeben, welche 1855 durch Bischof Massaja er-
folgte, um diese Stämme dem Christentum wiederzugewinnen,
von welchem sie vor ca 150 Jahren duroh arabischen Ein-
Aufs abgefallon waren. Der Islam batte sioh in diesem
Zeitraum bis an dio Grenzo von Kaffa, dessen Beherrscher
direkter Nachkomme Salomons sein will, ausgebreitet. Dieser
Staat, wio auch dio im S und 0 benachbarten Landschaften,
haben alle Versuche mohammedanischer Invasion , welche
an den Ufern des Godscheb zum Stillstand kam, zurück-
gewiesen, und ihre Bewohner sind koptische Christen ge-
blieben.
Das Gebiet westlich von Schoa bis zum Godscheb wird
von einer Reihe von Hochflächen eingenommen , die teils
von schroffen Bergketten, teils von Thälern durchschnitten
sind. Im Osten sind diese Hochflächen von den Abessini-
schen Alpen begrenzt, welcho ihre nord — südliche Strei-
chung etwa bis 9° S. Br. boibehalten, wo sie sich in Quer-
ketten und isolierte Masson auflösen, so dafs der vielfach
angenommene Zusammenhang der Abessinischen Alpen mit
den Gebirgsmassen des Massai-Landes wenig Wahrschein-
lichkeit für sich hat. Eine Verbindung mit dieser meri-
dionalen Kette glaubt Cecohi eher dem 2800 — 3000 m
hohen, von NO nach SW verlaufenden Arussi - Gebirge
zugestehen zu dürfen, welches er in nicht ganz zutreffen-
der Woise als Wassorscheido zwischen dom mittlern Nil-
thal und dom Indischen Ozean bezeichnet, donn seine Go-
wässor strömen nirgends dem Nil zu, sondern wenden sich
zum geringen Teil nach dem Ilawasch, hauptsächlich aber
sind sie dem Uma und damit dem Dschub, sowie dem Webi
tributär, dessen westliche Zuflüsse die Wasserscheide viel-
leicht sogar durchbrechen. Cecchi betrachtet dieson Gebirgs-
zug als Fortsetzung deB Ittu-Gebirges westlich von Harar. Von
') Da Zcila «He frontiere del Cafta. Viaggi di Antonio Ceechi. 2 Vol.
8°, 560 -j-648 pp., mit Karten and zahlreichen Illustrationen. Kom,
Loeacber & Ko., 1886, i 1. 10.
Hochebene von Tschorm . 2200 m
Lim®u 1780 „
IHi'himma 2044 „
Gera 2070 „
verschiedenen hervorragenden Punkten der Reiseroute war
das Arussi-Gebirge zu erkennen, und die Form seiner Höhen
liofs auf ihre Entstehung durch vulkanische Thätigkeit
schliofsen.
Die mittlere Höhe der einzelnen Abschnitte der Reise
verteilt, sich folgendormafsen :
Soddo-Hnchcbenn . . . 2450 m
Kabieaa 2077 „
Gibio-Tbal 1623 .
Pab im Botor- Gebirge • 2673 „
Vom Blauen Nil oder Abbai aus fällt die Hochebene all-
mählich gegen Süden. Dio an dieselbe unmittelbar angren-
zende Landschaft hat eine mittlore Hoho von 2350 m, das süd-
lich anstoßende Langamara eine solche von nur 1710 m. Nach
dem Quellgebiet des Gibie, Didesa und Godschob findet
dann wieder eine geringe Steigung statt, indem dio Land-
schaften Lieca und Limmu zu einor durchschnittlichen Höho
von 1780 m sich erheben.
Seiner geologischon Beschaffenheit nach ist das Gebiet
zwischen Schoa und Kaffa entschieden vulkanischer Natur.
Eine grofso Zahl von Berggipfeln bestehen hauptsächlich
aus Sanidin-Trachyton und besitzen auf der Spitze Krater,
welche teils noch ganz unversehrt, teils eiugestürzt sind, so
dafs manche kaum noch zu erkennen sind. Am besten
erhalten sind die Kraterbildungen auf dem Jorer, Redda-
gebabi und Suquala, sowie andre kleinere Vulkane im Ge-
bioto dor Ada- und Liben-Galla. Südlich vom Ilawasch und
bis nach Kaffa hin ist nefilitischer Basalt das am meisten
anstehende Gestein. Von der einstmaligen starken vulka-
nischen Thätigkeit legen die zahlreichen erloschenen Krater
im Gebiete der Tschora Zeugnis ab, welcho von den Einge-
bornen Tschora-Gofäßo genannt worden. Auch im ArnsBi-
Lande existieren zahlreiche orloschene Herde vulkanischer
Ausbrüche, wie Chiarini von den Höhen im SO von Gomaro
deutlich erkennen konnte.
Von Versteinerungen wurden anf der ganzen Routo
keine Spuron entdeckt; obenso fehlen Metalle gänzlich, mit
alloiniger Ausnahme von eisenhaltigen Gesteinen, an wel-
chen sämtliche berührten Galla-Landschaften, namentlich dio
Umgegend von Fin-Finni, Gera u. a. überaus reich sind.
Dieses Eisenerz tritt moistens als teils sehr fester, teils stark
bröckeliger Raseneisenstein auf.
Im hydrographischen Netz spielen die wichtigste Rollo
der Hawasch, der Didesa, der Baro und der Umo oder Omo
mit seinen Quellflüssen Gibio oder Gibe und Godscheb.
Der Hawasch umsäumt im woiten Bogen das eigent-
liche Schoa; im Osten und Süden bildet- dor Fluß dio
Grenze gegen dio Galla-Staaten, welcho nunmehr dem Kö-
nigreich tributär geworden sind; im Osten bildet er die
Grenze gegen die Danakil oder Afar. Der Fluß erreicht
das Meer nicht, sondern verliert sich im Westen der Ta-
810
Die Galla - Staaten im Süden von Abessinien.
schurra-ßai in dem Salzsee Abkehad, welcher nach John* *
stous1) Überaus uneichoror, weil nur auf Augenschein be-
ruhender, und nicht durch irgond welche Messung unter-
stützter Angabe tiefer liegen soll als dor Meeresspiegel*).
Trotz seiner beträchtlichen Wassermasso hietet er daher
keine Verbindung mit dem Ozean. Seine südliche Wasser-
scheide bildet die Soddo- Hochebene. Der Suai-See steht
nach I)r. Steckers Angabe mit ihm nicht in Verbindung,
sondern bildet einen abilufslosen Binnensee.
Allo Gewässer südlich vom Soddo - Plateau gehören be-
reits dem System des Gibie, welcher aus den drei gleich-
namigen Flüssen Gibie von Gambo oder Lugamara, Gibie
von Limmu und Gibie von Dschimma entsteht. Nach seiner
Vereinigung mit dem von Kaffa kommenden Godscheb er-
hält er von Beinen Anwohnern, den Warrata, den Namen
Omo oder Umo. Schon seit v. d. Deekens Erforschung
des Dschub hatte sich teilweise die Ansicht ßahu gebrochen,
dafs dieser mächtige Zufluls des Indischen Ozeans mit don
von d’Abbadie in den Galla-Ländern outdeckten, nach S
abströmenden Flufsläufen identisch sein müsse, wenn auch
einzelne Geographen geneigt waren, den Omo als Tributär
des Nils, andre als den Erzeuger des abilufslosen Samburu-
Sees anzusehen. Durch Cocchis Angaben, welche nament-
lich auf dio von Pater Ltion des Avanchors oingezogenen
Erkundigungen zurückzuführen sind, erscheint es nunmehr
als zweifellos, dafs der Omo wirklich der Oberlauf dos Dschub
ist. Nach dem Zusammenflüsse des Gibie und Godscheb
bildet der Omo die Ostgronze des Reiches Kullo und schlägt
nach Aufnahme des Hadia, welcher auf den Hotta- Bergen
entspringt, SW-Richtung ein. Nachdem er das Roich Konta
im S umflossen und aus demselben verschiedene Zuflüsse
aufgenommen hat, wendet er sich in woitom Ilogon nach
SO, um nach Aussago der Bewohnor von Konta endlich
don Indischon Ozean zu erreichen.
Weniger Bicher erscheint die Zugehörigkeit deB Waira
zum System des Dschub, welohe Cecchi auf Grund der von
Chiarini eingezogenen Erkundigungen verteidigt, während
Paulitschke 3) nach den ihm in Harar zu teil gewordenen
Mitteilungen ihn als Oberlauf dos Webi annimmt. Chiarini
stützt seine Folgerung, die namentlich auf v. d. Deekens An-
gabe, dafs ein Zuflufs des Dschnb, dor Webi Sidama, aus dem
') Tmvclt in Southern Abywfut* I, p. 208.
*) Zwar hat Graf Antonelli 1888 und 1881 auf Min«n Bauen von
der Awab-llai naah Schna zweimal den Cntnlauf du Hzwzteh wenift west-
lich Ton seiner Mündung in den Seo berührt; da or aber IlbhenmeasUDgen
nicht gemacht zu haben scheint, ao ist die Lösung der Krage, ob der Se«
Abhebad wirklich eine Depre»ion ist, noch nicht möglich. Trotx der kaum
80 km betragenden Kntfcrnung von der Tadschurra-llai, deren Ktieten jetat
franxöeiaches Territorium sind, ist daa Gebiet dieser Seen, welehes 1875 der
Schauplatz der Niedetmetzelung Munzingen und scinea Heeres war, Ton
Konchungsreismidcn noch nicht genauer untersucht worden.
3) Mitteil. K. K. Geogr. Gesellach., Wien 1886, Sr. 1, S. 210.
Laude dor Alaba herkommt, und dieses berührt in der That
der Waira, deu der italienische Reisende auf seiner Ex-
kursion von Kabiena aus im Oberlaufe erreicht hat.
Die beiden andern Haoptilüsse der Galla- Staaten ge-
hören dem Nil-System an. Der an der Nordgrenze von Gera
entspringende Didesa wendet sich nach N und mündet nach
CecchiB Mitteilung direkt in den Abbai oder Blauen Nil,
womit auch Schuvers Darstellung übereinstimmt.
Ebenfalls mit Schuvers Erkundigungen und Aufnahmen
Uberoinstimmond bezeichnet Cecchi den an der Wostgronze
von Kaffa nach N strömenden Baro als den Oberlauf oder
wenigstens als einen der wichtigsten Zuflüsse des Sobat.
Der Baro, welcher seinen Namen (in der Sidama- Sprache
gleichbedeutend mit See) seinem Wasserreichtum verdankt,
entspringt nach Leon des Avanchers’ Angaben in einem
bedeutenden See Boro oder Boo, welcher südlich von dor
au Kaffa angrenzenden Laudschaft Kischa entspringt. Nach
Aufnahmo des an der Nordgreuze von Kaffa entspringenden
Gabba schlägt der Baro oine mehr westliche Richtung oin
und bildet schließlich einen grofsen See, dessen Inseln von
Schangalla- und Masango-Leuten bewohnt sein sollen. Ver-
mutlich ist dieser See identisch mit dem von Schuver von
der Höhe des Goho-Bergos aus gesichteten Haarlemer Meer l).
Die klimatischen Verhältnisse sind in den Galla-Staaten
nicht besonders günstig, namentlich wegen der infolge der
beträchtlichen Höhe (ca 2000 m) hier herrschenden grofsen
Feuchtigkeit. Die eigentliche Regenzeit hat eine sehr lango
Dauer; sie boginut im Juni und endot in Kaffa erst im
Novomber. In den andern Monaten bleiben aber die Nieder-
schläge nicht gänzlich aus, sondern häufig treten recht
schwere Regengüsse ein. Diosem Reichtum an Nieder-
scblägon in Verbindung mit dem fruchtbaren Boden, wel-
cher aus verwitterten vulkanischon Gesteinen besteht, ver-
dankt das Land seine üppige Vegetation und seine auf
weite Entfernungen hin berühmt gewordene Fruchtbarkeit.
Cecchi hält aber trotz des feuchten Klimas diese Gebiete
nicht für absolut unbewohnbar für Europäer, sondern er
ist der Ansicht, dafs mit einiger Vorsicht boi Auswahl der
Wohnung und beim Genüsse von Spoisen oin Europäer
sogar aIs Ackerbauer und Handwerker hier langem Aufent-
halt nehmen kann.
Den Ursprung der Gallas, welche sich selbst Orma oder
Oroma nennen, führt Cecchi entschieden auf Arabien zurück,
und zwar briugt er sie iu Zusammenhang mit dem Stamme
der Beni-Asd, welcher nach Angabe einiger arabischer Chro-
nisten um dio Zeit Alexander dos Grofson, nach andern erst
um dos erste Jahrhundert v. Chr. aus Jemen auswanderte
und nach mancherlei Schicksalen sich in Hedscljas nieder-
*) Mitteil. 1883, Tzfcl 4 und Krginxungzhtft 72, S. sl&.
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Geographischer Monatsbericht
lieft. Seines Bleibens war auch liier nicht lange , da die
unfruchtbaren Thäler die grofte Zahl der Einwanderer nicht
zu ernähren vermochte ; nur ein Teil blieb in den neuen
Wohnsitzen bei Batn-Marr unweit Mekka zurück. Von
demjenigen Teilo des Stammes, welcher sich wieder auf
Wanderschaft begab, soll nach Cecchis Annahme eine grofsore
Schar das Rote Moor gekreuzt haben uud dio Stammhalter
der Gallas geworden sein, für welche Annahme or direkte
Beweismittel nicht beibringen kann. Auch vermag er nicht
311
anzugeben, wo jener Übergang erfolgte, und auf welche
Weise die Eindringlinge auf afrikanischem Boden so weit
nach Süden gedrängt worden sein sollen. Zur Unterstützung
seiner Ansicht beruft sich Cecchi auf Charaktereigenschaften
der Gallas, welche mit denen der alten Araber der vor-
mohammedanischen Zeit vielfache Übereinstimmung zeigen
sollen. Jedenfalls werdon diese Anschauungen bei Ethno-
logen und Sprachforschern vielfach Widorspruch finden.
H. Wichmann.
Geographischer Monatsbericht.
Allgemeines.
Vom 13. bis 16. September d. J. tagte in Berlin der
„Allgemeine Deutsche Kmxgref* tur Förderung überseeischer
Interessen" , welcher vom Zentralverein für Handelsgeogra-
phie und der Gesellschaft für Deutscho Kolonisation ein-
berufen wurde. Trotzdem der Deutsche Kolonialverein aus
Gründen, deren Erörterung nioht in den Rahmen unsrer
Zeitschrift gehört, die Teilnahme abgelehnt batte, war der
Kongrofs ziemlich zahlreich besucht, und damit der Boweis
geliefert, dafs die überseeischen Bestrebungen auch in
Deutschland feste Wurzeln geschlagen haben. Als ein be-
sonders erfreuliches Symptom ist auch die Anwesenheit eines
Vertreters dos Reichskanzlers bei den öffentlichen Ver-
handlungen zu betrachten. Leider hat der Kongrefs seine
Tbätigkeit auch auf ein Gebiet ausgedehnt, das ihm schon
seinem Titel nach fremd bloiben muftte. „Nicht um Politik
zu treiben“, schrieb dio kolonial - politische Korrespondenz
vom 11. September, „tagen wir in Berlin, sondern um
Fragen xcirtschaftlkher Natur in gemeinsamem Gedanken-
austausch zu beraten. Es wird nicht Saoho des Kongrosses
seiu , Stellung zu nohmen in den Kämpfen , welche unsre
Art hier in Europa fremden Raasen gegenüber zu führen
gezwungen ist; sondern nur mit der Förderung überseeischer
Interessen werdon wir cs zu thun habon.“ Eino solche
weise Beschränkung wurdo, wie joder aus don Berichten
der Tagesblätter ersehen kann, nicht eingehalteu, und wir
bedauern dies, weil eine Häufung heterogener Aufgaben
der Sache selbst und ihrer Unterstützung von seiten der
Reichsrogierung nicht förderlich sein dürfte. Auch dio
Erwartung, über den gegenwärtigen Stand der ostafrikani-
schen Kolonisationsarbeit genauere Details und zahlenmäftige
Angabon zu hören, wurde leider getäuscht; wir vernah-
men nur, daft neun Stationen daselbst eingerichtet sind,
und dafs sich besonders die Tabakpflanzungen in viel-
versprechender Weise entwickeln. Den Gedanken, deutsche
Ackerbaukolonien in Ostafrika zu gründen, Boheint man
gänzlich fallen gelassen zu haben; man erkennt jetzt an,
dafs dio Erziehung des Negers zur Arbeit die Hauptauf-
gabe ist. In dieser Beziehung verdienen die Vorschläge
des Grafen Pfeil volle Beachtung, wenn auch seine Grund-
idee, mit Hilfe der kriegerischen Stämme die friedlichen
Stämme zur Arboit zu zwingen, vielfach Anstofs erregte.
Ein solches Mittel ist unter allen Umständen ein zwei-
schneidiges Schwert , und wir stimmen ganz der Ansicht
bei , die Schweinfurth auf dem Naturforschertag aussprach,
daft die Autorität von Weifton aufrocht erhalten werden
müsse. Allgemein gültige Vorschläge lassen sich wohl
überhaupt nicht machen; Pastor Büttner legte z. B. dar,
daft in Südwestafrika auch durch weniger drastische Mittel
sich Erfolge erzielen lassen. Den zweiten Beratungsgegen-
stand des Kongresses bildete die Auswanderungsfrage, und
hierin wurde wirklich Positives geleistet. Es wurde all-
gemein anerkannt, daft die Auswanderung an sich kein
nationales Unglück ist, vorausgesetzt, daft die Auswanderer
ihre Nationalität erhalten , Konsumenten dor Erzeugnisse
des Mutterlandes bleiben und somit dessen Handel fördern,
und nicht etwa gar, wie in Nordamerika, zu Konkurrenten
der muttorländischen Landwirtschaft und Industrie worden.
Es drang allgemein dio Ansicht durch , dafs das aufser-
tropische Brasilien die beste Gewähr für die Erfüllung die-
ser Vorbedingungen biete, und dafs die Aufhebung dos
bekannten v. d. Hoydtschon Reskriptes anzustroben sei.
Auch dor nördliche Teil des deutschen SW- Afrika eignet
sich nach Büttner vorzüglich für Auswanderung , die aber
nur durch Einrichtung einer direkten Dampferverbindung
gefördert worden könne. Dio Missionsfrago fand eingehende
und sacbgemäfto Erörterung, und dem Chauvinismus, der
sich auch auf diesem Gebiete breitzumachen begann, trat
Pfarrer Ittameier in energischer Weise entgegen, indem
er darauf binwics, wie gefährlich und schädlich es sei,
wenn der tilaubensbote zugleich auch die Rolle eines poli-
tischen Emissärs übernehme.
Eins der wichtigsten Ergebnisse des Kongresses ist die
Einsetzung oines mit dem Rechto der Kooptation ausge-
statteten Kollegiums von 25 Mitgliedern, welches don Titel
„Allgemeiner Verband zur Förderung deutscher Interessen“
führen soll. Der Titel ist etwas weit gehalten ; hoffen wir,
dafs dieses Kollegium sich nicht mit Politik befassen, son-
dern auf die Förderung der überseeischen Interessen sich
beschränken wird ; dann kann dieses Zentralorgan in der
That Segensreiches wirken. Supan.
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312 Geographischer Monatsbericht
Europa.
Der eigentümliche Witterungsuraschlag, welcher boi dem
Ausbruche des Vulkans Tarawera auf der Nordinsel von
Nousoeland am 10. Juni festgostellt worden ist, Bcheint
auch boi dem Erdbeben , von wolchom Griechenland am
27. August heimgesucht wurde, eingetreten zu sein, nur
mit dem Unterschiede, dafs in Griechenland eine regenlose
Periode von mehreren Monaten ihr Ende erreichte durch
einen Gewitterregen, welcher dom Erdboben unmittelbar vor*
anging, während in ganz Australien die Niederschläge, welche
eine mehrjährige Dürre beendeten, dem vulkanischen Aus-
brucho folgten. In einem längern, uns freundlichst zur
Verfügung gestellten Sohreiben an Prof. Dr. Kirchhoff in
Halle macht Dr. Omttein, Chefarzt der griechischen Armee,
folgende Mitteilungen:
„Die Mit Mai währende regenlos* Periode hat am 27. August um
6 Uhr abends mit einem heftigen Gewitterregen ihr Ende erreicht. Die
Temperatur ist seitdem ron 24—25° R. auf 20— 21° herabgegangen, auch
du Barometer scheint eine andauomde Tendern rum Pallen su haben.
AD ich am Abend desselben Tages bereits beim Einschlafen war, wurde
ich plüDlich durch ein zwar schwaches, doch lange andauerndes Erdbeben
aofgeschreckt. Die anfangs schwache, wellenförmige Bewegung, welche die
Dichtung von SW — NO einhielt, ging nach 30 — 40 Sekunden in eine
schnelle und entschieden rotatorische tiber, deren ungefähre Dauer ich auf
15 Sekunden — eher mehr als weniger — veranschlage. Bald wurde
letxtere so stark, dafs ich, obgleich seit Jahreu an seismuche Erscheinun-
gen jeder Art gewöhnt, es doch für geraten hielt aufsustehen. Die Uhr
zeigte llh 35'.
„Nach den am andern Morgen eingetogenen Erkundigungen dürfte
die Dauer dieser Bodensuckung au 50 Sekunden bu 1 Minute anruneh-
men sein. Es ist bemerkenswert, dafs dessenungeachtet, d. b. bei solch
einer Dauer, in Athen und Umgebung ein Schaden irgend welcher Art
nieht zu verzeichnen ist. Schauplatz der Verwüstungen waren die Kreise
Messenien, Arkadien, Aehaja und EID und Lakonien. Die am meDten heim-
gesuchten Städte oder Ortschaften sind FhilDtra, Gargaliani, Korone, Agu-
linitsa und Kypzrusia. Die Zahl der Getöteten dürfte sich auf 100, die
der Verwundeten auf ebensoviel, wenn nieht mehr, belaufen. Wohnhäuser und
Magazine mit den Erträgen der sehr günstigen Korinlhenernte sollen noch
Tausenden eingestürzt oder beschädigt worden sein, so dafs der daraus erwach-
sen de Schaden sich auf ca 15 — 20 Millionen Drachmen beläuft. Auf einigen
Punkten ist das Erdbebsn von doropfem Getöse begleitet und von heftigen
Regengüssen gefolgt worden, auf andern wiederholen sieb die Schwankungen
hu auf den heutigen Tag, wie a. B. in Messenien. So wurde in Kala-
mata am 31. August llh nachts ein Erdstofs verspürt, der merkwürdiger-
weise genau um dieselbe Stunde erfolgte, in welcher daselbst 96 Stunden
vorher die erste und verderbliche Bodensehwaokung sich kuudgegebcn hatte.
„Der Direktor des englischen Zentral -Tclegraphcnamtea in Zante soll
eine Notiz veröffentlicht haben, nach welcher der Kapitän einet von Malta
kommenden englischen Dampfers einige lüge vor dem Erdbeben südlich
von Zante in einer mir nicht mehr erinnerlichen Entfernung rom west-
lichen Küstenrande des Peloponnesos eine Peuenäule von ca 4 m Höhe
dem Meeresspiegel hibo entsteigen sehen1). Das Telegraphenkabel funktio-
niert seitdem nieht mehr, wovon die Ursache dem Zerreifsen desselben an
dieser Stelle beigemessen wird. Meines Erachtens kann daaselbo aber auch
in eine vulkanische Ausbrucluspalte auf dem Grunde des Meeres geraten
sein. Da die Marinebehörde in Malta auf Grund des Berichtes des eng-
lischen Kapitäns zwei Kriegsdampfer nach den griechischen Gewässern be-
ordert hat, tun an Ort und Stelle Nachforschungen anzusteilen. so wer-
den wir hoffentlich bald über die Sache im klaren sein. Die Entfernung
dieser Stelle von Kap Mats pan (Taonaron) mag ungefähr 100 Seemeilen
betragen. Jedenfalls fallt dieser Punkt in die von mir angenommen«
Schütterlinic zwischen 33 — 39° N\ Br., nud es ist leicht begreiflich,
dafs die submarine Bruption ihren unmittelbaren Widerhall auf dem süd-
westlichen Küstensaum des Peloponnesos fand. Hierüber habe ich mich
de« weitem im „Ausland1' 1885 , Er. 27, ausgesprochen. Nach telegra-
*) N’seh einer Mitteilung von W. J. L. Wharton, des Hydrographen
der englischen Admiralität, nahm Capt. L. Aquilins am 27. August llh 30'
p. m. unter 36° 18' N und 21° 32' ö. L., 50 miles W S von Kap
Matapan, die Erschütterung wahr. Die Rauchsäule wurde um Mitternacht
unter 36° 17' N und 21° 27' ö beobachtet. (Nature, 23. Sept. 1886.)
phischcn Berichten sind auch in Italien, Ägypten und Nordamerika Erd-
stöße beobachtet worden, was zu gunsten der von mir a. a. 0. angedeu-
teten, langen Sebüttarlinie zwischen Europa und Nordamerika spricht. Ea
wäre interessant, wenn sich die Gleichseitigkeit dieser vulkanischen Vor-
gänge ermitteln liefse.
„Am 6. September haben sich vor Tagesanbruch die Zuckungen snf
der ganzen Westküste wiederholt , ohne erheblichen Schaden onaurichlen.
Das Zentrum scheint ein submarines und nahe bei den Strophaden tu sein."
Von dem Alpinisten 31. Dechy erhalten wir aus Bott-
lich (Daghestan) vom 21. Angust einen weitern, dankens-
werten Bericht Uber die Fortsetzung seiner diesjährigen
Kaulanufortchung (a. Mitt. 1886, 8. 249):
„Einen Teil meine« zweiten Reueprogramms habe ich auageflihrt; nur
einen Teil, weü ich dieses Jahr solchen Schwierigkeiten begegnete —
mit den betreffenden Völkerschaften — , dafs ich nur mit grofsem Zeit-
verluste vorwärts kam, projektierta Übergänge über die Hauptkette wegen
Maugels an Leuten nicht austuhren konnte, and der Besuch Svanetiens
ganz unterbleiben raufst«, weil mein vorausgeschicktea Gepäck mit photo-
graphischen Platten, Papier, Provisionen &e. in Verlust geriet.
„Die Reiseroute ging in das Gebiet des Kuban , die Tebesda bis auf
dio Hauptwasseraeheide , am Kluchorpaseo. Sodann die Querrtteken über-
steigend an den Tebesda naeh Dout und Utsehkulan im Lande Karatachai. —
Von dort an dio Westhänge des Elbruskammzuges {Uliukamgietacher und
Chotitan) und ron Cburank über nahe dem Elbnumaasiv liegende, weit
Uber 10 000 Pub hohe Bergpässe im Bogen von Westen naeh Norden und
nach Osten hinüber nach dem Baksan. Dort besuchte ich Asau und
Teaakolgtetscher (die Elbrusglctaeher am Baksangehänge) und revidierte die
vorjährigen Messungen. Einem Nährgebiete entstammend, ergab sich für
Asau ein Vorwärtaschreiteo , für Tesskol bedeutender Rückgang.
„Von Umbie raubte das Bakasnthal hinausgegangeo werden, und der
Ansflug nach ßvanetien — wie erwähnt — unterbleiben. Daten über Be-
wegung eines auf der Südseite gelegenen Gletschers — am Adiachgletscher
hatte ich im Vorjahre Mauern und Signale erstellt — werden also fehlen.
Der Ausflug in Daghestan bewegt sich auf bekanntem Terrain und soll
nur in flüchtiger Weise meioe KcnntnD des Kaukasus ergänzen, obgleich
in geologischer Beziehung mein Reisegefährte viel interessantes findet.
„Wichtig war für mich die Umwanderung du Bibras. Die gewonne-
nen Daten — liohenmeasungen mit Queckailberbarometer , Aufnahmen mit
prismatischem Kompefs, Photographien, Darstellung der Gletscherbedeckung
(buher nur ganz mangelhaft) — werden ein interessantes Bild des Elbrus-
massives geben. — Auch in geologischer Beziehung führte unsre Route
auf bu jetzt von Reuenden unbetretenen Wegen.
„Abieh mufs ein grobe« Material zurückgelaasen haben; er eelbst
sagte uns dies in Wion, zb wir ihn vor unsrer Abreise sprachen. Allein
er selbst hat über den zentralen Kaukasus nichts publiziert. Ich kenne
niemand, der das Gebiet aua eigner Anschauung kennt (unter Geologen),
ab Dr. Scbafarsik, mein Reisegefährte, der wohl am geeignetsten — wenn
möglich — diese Arbeiten ans Lacht fordern könnte.1-
I
Asien.
Transkaspieu. — Wie bereits erwähnt (S. 250),
ist Dr. G. Raddes Expodition am 10./22. Juli in Serachs
eingetroffeu nach einer erfolgreichen Exkursion nach Merw
und an dio afghanische Grenze. Auf dorselben raufst« auf
die Begleitung des Botanikers Dr. Walter verzichtet wor-
den, welcher zwischen dom Todshen und Merw durch einen
Sturz aus dom Wagen ein Bein gebrochen hatte; dagegen
schlofs sich in Merw der Bergingenieur Konschin au. Am
linken Ufer des Murgab ging es aufwärts nach Pende
(Pändsch) ; das rechte Ufer ist hoch und wird durch alte,
nicht mehr sandige, sondern lehmige Aralo - Kaspi - Dünen
gebildet; „das Baorscho Gesetz bestätigt sich auch hier in
aufserordentlicher Klarheit“. Die angeblichen Wälder längs
des Tedshen und Murgab bestehen nur aus vereinzelten
Pappeln (Pop. diversifolia) und ziemlich dichtem Unterholz
von Tamarix. Im Murgab-Thale hatten die Reisenden stark
von der Hitze zu leiden. Nach kurzem Aufenthalt in
Tachta-Basar, von wo Konschin Ausflüge nach den Höhlen
am Murgab und nach Merutschak unternahm, ging es längs
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Geographischer
der nouen Grenze, welche durch die traurigste Einöde
führt, Uber diu Kitterquelle von Akrobat nach Sulfagar und
längs des Tedsben nach Serachs und Askabad. Dor Juli
wurde der Untersuchung des Kopet-dag, dessen fünf Parallel-
ketten überschritten wurden, gewidmet, und am 28. Au-
gust / 9. September traf die Expedition wieder in Tiflis oin.
(Jonrn. de St. I’etersbourg 10./22.Aug. u. 1 1./23. Sept. 1886.)
Uber die Fortsetzung seiner Expedition nach Zentral-
asien berichtet Dr. G. Captu am 20. August aus Samar-
kand folgendes:
„Wie icb Ihnen io meinem leisten, aus Meechod übenchriebenen Briefe
mittciltc, war ca unsre Absicht , über Kiafir-kala und Quriin nach Berat
au gehen, um ton dort aus die westlichen Ausllufer des Hindukusch zu
durchstreifen, und womöglich über MaYmeneh und Amlchoi in Bactricn ein-
sudringen. Der englische politische Agent in klcar.hed, Abbas-ehin, machte
uns jedoch einen Gedankenstrich durch die Rechnung, indem er nach einigem
Zaudern uns kundtbat, dafs die Afghanen uns an der Grenze auf- und
festhalten würden. Da wir nach genügend rerlorner Zeit in Mesched nicht
Sinnes waren, schon gleich im Anfang gezwungener afghanischer Gastfreund-
schaft «u geniefsen oder, anderwärt» zu erproben, wie weit eine rein wissen-
schaftliche Expedition auf Umwegen unbehelligt in Afghanistan eindringen
kann (welch Unternehmen uns jetzt berorsteht), so ritten wir am g. Juni
aus Mesched nach Sarachs. Wir wühlten den weniger bekannten Weg Uber
den Muxderän-PaCs. Nach zwei Tagemüncheu den Keschef-rud (der in der
Umgegend »on Mesched deö Namen Mesehed-rud führt) hinab, biegt der
übereil fahrbare Weg nordöstlich ins Gebirge ein. Der Muzderän-Pafs hat nur
eine Höhe ron 3250 F., ist sehr leicht zugänglich und wird jetzt meisten-
teils als der direkteste Weg nach Sarachs gebraucht. Ein persisches Port,
jetzt in Ruinen, krönt auf der Höhe des Passes einen isolierten Hügel und
sendet über den Kamm eine Pestungsmauor, um die abseits gelegene Quelle
reinen Trinkwaasere zu bewahren. Dies ist das erste reine Wasser, das wir
seit Teheran zu geniefsen bekommen. Um das Muzderan -Gebirge zogen
sich jeden Tag, hauptsächlich rom S und SO, gegen Abend massenhaft
Wolken zu tobenden Gewittern zusammen.
„Auf dem NO-Abhang des Muzderün entspringt ein salziger Steppenbach,
der Tchorrük , dessen Wasser dio Pferde verschmähen. Ungefähr 10 km
rom Passe, empfängt der Tchorrük ron N einen Nebenbach reinen, trink-
baren Wassers, das letzte bis Persisch - Sarachs. Allmählich zerläuft das
Gebirge in die Steppe mit festem Untergründe. Der Tchorrük rereiegt (Juni)
90km ungefähr ron Sarachs, doch weisen die auf beiden Seiten stellen-
weise angcschwrmmten Plianzenroste , dafs der Baeb zeitweise reifaend iat
und die ThiDohle überschwemmt. Der in dieser Zeit sehr augeschwollene
Tedjen, führt schnelles, schmutziges Lehmwasser; die Überfahrt nach dom
auf dem rechten Ufer gelegenen rusaischcn Sarachs nshm *;'« Stunde in
Anspruch. Russisch - Ssracbs hat, die Truppen mit einbegriffen, an die
2000 Einwohner. Von Sarachs nach Merw führen zwei parallel fortlao-
fenda Wege, ron denen wir den westlichen als den kürzesten und jetzt
leichtesten wählten. Am 16. Juni rerliefsen wir Sarachs und brachten die
Nacht an den Ufern des Tedjen in Ruchn-abad zu. Der Steppenflufx lliefst
hier in breitem Bett inmitten reichen Bsumwuclises, bildet stellenweise kleine
Sümpfe, deren Ausdünstungen die Gegend ungesund machen. Auch hat
das Wusier d« Tedjen einen schlechten Ruf wegen der faulenden PHanzeo,
dis es sm Ufer fortwährend abreilst und mit sich führt. Von Ruchn-abad
nach Mcrw findet man im Sommer kein Wasser, d. h. auf einer Entfernung
Ton ungefähr i30kra. Die auf den Karten rereeiehneten Brunnen ton
Chaous-i-chin und Schegitli sind rereiegt. Der Weg ist äufserst beschwerlich
und die Gebeine der gefallenen Tiere, worunter Hunde, liegen überall an
denen Bande. Von Ruchn-abad bis Uber Dascb-rebut an die Grenze der
Oaso ist überall Sandwtlste mit reicher Sandflora. Saksaulbäume und andre
Halimodendroon-, sowie Ualligonum- und Tamariz-Arten geben oft dem Wan-
derer den Eindruck eines dichten Waldes, wegen Mangel an Gegenständen
zum Vergleichen, ln Dasch-rabat fanden wir unrerhoift Trinkwasser in
Menge. Der Murgib »endet hierhin einen bedeutenden Aryk (Kanal), der,
während der grofsen Überschwemmung im Monat Mai dieaos Jahres, grofse
Lachen um sich bildete. Diese Lachen bleiben ziemlich frisch im Sand-
boden mit fetter Unterlage und bilden jetzt um Merw, zuf der linken Seite
den Murgib, einen Halbkreie von Sümpfen mit faulenden Pflanzen. Stellen-
weise sind dies« Sümpft ganz verdunstet, und der Boden ist alsdann mit
einem festen Salzniederschlag überzogen1).
•) Von Mesched nach Sarachs sind vier Tagereisen, ebenso von Sa-
rachs nach Merw.
Petermsnns Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft X.
Monatsbericht. 313
„In Merw hielten wir uns Uber 11 Tage auf, besuchten die Ruinen-
atätten ron UaYram-Ali, Sandjar-, Kala und Djebr- oder Oebr-Kala (wahr-
scheinlich ist dieser Name anstatt des öfter« Giaur-Kala), und fuhren per
Wagen nach Kurib-tfa, dann per Eisenbahn nach Askabad. Am 14. Juli
brachte uns der erste Zug zur Eröffnungsfeier der Eisenbahn nach Merw
zurück.
„Von Merw reisten wir am 22. Juli nach Tchardjui. Das letzte trink-
bare Wasser bis zum Brunnen Repetek findet man im Aule Juasuf - ch ins,
21 km von Merw. Der Karawanenweg führt durch die Ruinen des alten Merw,
aliwo jede Spur einer Oase aufhört. Der erste Brunnen, Kiltchi oder Kcld-
jeh, hat salzig- bitteres Wasser, nur den Kamelen uod den andern Tieren
bei grofsem Durst trinkbar. Der zweite , Uteh-hadji (82 km von Jusauff-
chins Aul) hat wenig lieaeres Wasser. Ungefähr 60 km weiter findet man
Repetek mit gutem Trinkwasser. Zwischen Kiltehi uod Uteh-hadji, halb-
wegs ungefähr, liegt, ein wenig abseits der Reute, der Brunnen ArroeDi mit
bitter-salzigem, stinkendem Wasser, und 60 km von Repetek liegt der Brunnen
Karaul • Konion , auf bocharisebera Gebiet, mit gutem Wcsser : von dort sind
ungefähr 40 km nach dar Oase Tchardjui. Dor Weg ist äufserst beschwer-
lich zu dieser Jahreszeit. Die Tiere können fast nur des Nachts gehen,
da während des Tages du Thermometer auf 45° C. im Schatten stieg.
Von Kiltchi aus wird der Sand immer tiefer, die schlechtesten Strecken
sind vor Uteh-hadji, von Repetek nach Karaul -Koni und streckenwebe von
dort nach Tchardjui. Mobile Sandhügcl, sogenannte „Barchans", von N
nach S fortrückend, ohne jedweden Pflanzenwuchs, versperren den Weg;
der wie Wastor fliefsende Flugsand überdeckt bei einigem Wind alltogleich
die Spur und bringt den Reisenden in Gefahr umzukommen. Hauptsäch-
lich kommen diese Rarelians vor von Repetek nach dem etwa 20 km
entfernten Brunnen Iscliön-rabat, dann weiter vom Brunnen Karakul-küjü
nach Kalta-minör, einer Ruine, etliche 14 km von der Oase Tchardjui, von
wo aus die Bokharen früher die Annäherung der räuberischen Turkmenen
von einem Miu&r herab ausspähten. Am rechten Ufer des Amu flndot man
alsdann grofse Barchans von Tchardjui nach Kankul und um die kleine
Festung llstik, weichen Teil wir 1881 besuchten. Die Plattform der von
General Annenkoff nach Tchardjui unternommenen Eisenbahn ist fast fertig
gelegt bis in die 14 km vom Amu, doch stellenweise noch auszugraben.
Grofse Schwierigkeiten bieten unbestreitbar die Flugsandhügel. — Von
Tchardjui über Ruchara nach Samarkand berührten wir Kankul und Ker-
mineh, doch ist dieser Weg bekannt; srir hatten ihn im Jahre 1881 im
Oktober zurückgclegt. Russischer, von Tag zu Tag tiefer eindringender
Einflufs ist überall unverkennbar.
„Von Samarkand werden wir. Herr Bonvalot, Tcpin und ich, in einigen
Tagen durch Hiisar nach dem Amu-daija gehen, um alsdann auf irgend eine
Weise nach Balkli tu gelangen. Falls die Befürchtung einor afghanischen
Gefangenschaft sich als grundlos erweist, suchen wir alsdann über einen
noch schneefreien Ptfs nach Kafirutan überzusteigen.“
Dieselbe Erfahrung au dor afghanischen Grenze wie
Dr. Capus mufste ein amerikanischer Sonderling, Stevern,
machen, welcher sich vorgenommen hat, soweit irgend mög-
lich die Welt per Velocipod zu durchfahren. Weder die
russischen Behörden noch der Führer dor englischen Grenz-
kommission wollten die Fahrt nach dem Amu-darja ge-
statten; darauf überschritt Mr. Stevens auf eigne Faust die
Grenze von rlfghanistan, indem er von Meschhed aus über
Dirdschan bis Farah gelangte, wo dor afghanische Befehls-
haber die Weiterfahrt nach Kandahar nicht gestattete, son-
dern den Reisenden nach Herat und dann über die Grenze
sandte. (Mail, 9. August 1886.)
Indien, Tibet. — Die unter Col. Woodthorpe in
Budakschan zurückgebliebenen Mitglieder der Lockhartechen
Million sind ebenfalls Ende August nach Kaschmir zurück-
gekehrt, und damit ist dieso Expedition, von deren Aufnah-
men wichtige Aufschlüsse Uber den Hindukusch und den
ohern Oxus zu erwarten sind, definitiv aufgelöst.
Einom Berichte des „Russischen Invaliden“ entnimmt
das Journal de St. Petershourg vom 3./15. September 1886
einige Mitteilungen über einen nisaischen Reisenden, Leut-
nant Gronbttcheictky, welcher die westlichen Gebiete von Ott-
turkeeian bis nach Chotan durchforscht hat. Seine Auf-
40
314
Geographischer Monatsbericht.
nahmen stellen eino Verbindung her zwischen den Arbeiten
Kuropatkins aus dem Jahre 1877 und dem Itinerare von
General Przewalsky, welcher auf seiner Rtickroise vom Lob-
nor 1884 Uber Chotau nach der russischen Grenze ging.
Auch die Aufnahmen der Forsythschen Expedition von
1873 — 1874 sollen wesentliche Ergänzungen und Berich-
tigungen erfahren. Neben seinen praktischen Arbeiten rich-
tete der Reisende namentlich sein Augenmerk auf die innere
Verwaltung und die ökonomischen Zustände des Landes,
dessen Bevölkerung unter dem chinesischen Jocho sehr zu
leiden hat durch die Willkürherrschnft der Benmton. Über
den Pamir -Tagdunbasch drang sodann Leutnant Gronb-
tschewsky nach Gilgit vor, und zwar hielt er sich längere
Zeit in dem kleinen Chanate Kunjut auf, welches aus 28 An-
siedelungen besteht und ca 20 000 Seelen zählt.
Wie über diese Reise, so sind auch über eino Unter-
nehmung eines Engländers Careg bisher keine Nachrichten
in weitere Kreise gedrungen. Von Leh in Kashmir aus
begab er sich in das westliche Tibet, reiste sodann nach
Chotnn , und verfolgte endlich den Tarim bis zu seiner
Mündung in den Lob-nor, wo er sich Ende April befand.
Er soll die Absicht haben, seine Rückreise durch das uörd-
licho China zu bewerkstelligen. (Mail, 30. August 1886.)
Dio Schwierigkeiten, welche der Ausführung der Macau-
lagschen Mission nach Tibet (s. Mitteil. S. 251) entgegenstan-
den, haben sich nicht beseitigen lassen , vielmehr hat dio
englische Regierung, wie um 26. August im englischen
Parlament mitgeteilt wurde, sich endgültig entschlossen die
Mission zurückzuziehen, allerdings gegen die Anerkennung
der britischen Herrschaft in Burmah seitens China, welches
sich zur Förderung des Hnndels zwischen China und der
neuen indischen Provinz verpflichtet. Die Grenze zwischen
beiden Staaten soll durch eine gemeinschaftliche Kommission
abgesteckt werden. Die bisher Üblichen Gesandtschaften,
welche vom Köuigo von Burmah alle 10 Jahre nach Peking
geschickt wurden, sollen iu Zukunft auch von der englischen
Regierung entsandt werden.
China. — In einer langem Auseinandersetzung (Aca-
demy, 7. August 1886) bringt Terrien De Lacmperie eine
Roiho neuer Bewciso bei für die seit Jahren von ihm ver-
fochtene Ansicht, dafs der Ursprung der chinesischen Kultur
im südwestlichen Asien, namentlich in Babylon, zu suchen
sei. Wann dioso Einwirkung stattgefunden hat, läfBt sich
noch nicht nachweisen ; wahrscheinlich hat schon mit der
Einwanderung der Bak- Stämme ca 2300 v. Chr. der Ein-
flufs morgenländischer Kultur begonneu.
Noch immer harrt dio wissenschaftliche Welt, Geo-
graphen, Kurtographen, Geologen, Sprachforscher &c. der
Veröffentlichung der in Aussicht gestellten ausführlichen
Schilderung der Expodition durch China, welche vom Grafen
Bela Szeohonyi in den Jahren 1877 — 1880 in Begleitung
des Topographen Oberleutnant G. Kreitner und des un-
garischen Geologen L. Loczy unternommen wurde , denn
mit Recht darf man von diesem Reisewerk eine ganz be-
trächtliche Erweiterung unsrer Kenntnis von China erwarten.
Leider aber vergeht ein Jahr nach dem andern, und das
Werk scheint keine Fortschritte zu machen; das Interesse
an den Erfolgen der Expedition nimmt nach und nach ab
und in mnnchon Punkten, namentlich in der Erforschung
der topographischen Verhältnisse, werden die gewonnenen
Ergebnisse durch neuere Roiseu überholt, und deshalb ist es
um so mehr zu beklagen, dafs die Ausgabe hereits vollendeter
Teile, z. B. der seit 3 Jahren vorliegenden Itineraraufnahme
Kreitners in 1 7 Bl. und ira Mafsstabe von 1 : 1 000 000, welche
Ostern 1883 auf dem Geographentage in Frankfurt a/M.
berechtigtes Aufsehen erregte, aus unerklärlichen Gründen
noch verzögert wird. Jetzt bietet sich wenigstens die Aus-
sicht, dafs ein Teil der auf jonor Expedition gemachten Beob-
achtungen zugänglich werden wird, indem von dem Geo-
logen L. Zong eine, wie das Athenäum vom 11. September
1886 mitteilt, wertvolle Beschreibung von China herausgegeben
worden ist, welche in erster Linie dio geographischen Ver-
hältnisse des Landes berücksichtigt. Das Buch ist in
ungarischer Sprache erschienen, wodurch es nur einem
beschränkten Leserkreise zugänglich werden kann, doch soll
eino englische Ausgabe in Vorbereitung sein.
Sibirien. — Die Aussichten auf eine baldige Eröff-
nung der sibirischen Universität in Tomsk siud überaus un-
bestimmt; jedenfalls sind für das Jahr 1886 keine Hoff-
nungen mehr vorhanden. Die russische Regierung stellt
denjenigen Sibiriern, welche auf die Universität von Kasan
gehen wollen, ein Subsidium zur Verfügung. (Mitteilung
von Prof. Petri.)
Dio von der „Gesellschaft der Freunde der Naturkunde1'
in Jekaterinburg gepinnte wissenschaftlich- industriell« Aus-
stellung für Sibirien und den Ural ist durch Bewilligung einer
Untorstützung von 5000 Rubel von seiten der russischen
Regierung so gut wie gesichert und wird ira Jahre 1887
eröffnet werden. Die sibirischen Blätter zweifeln nicht an
der Möglichkeit einer relativ vollständigen Vertretung des
Urals , wohl aber an einer solchen für das grofse Sibi-
rien. Übrigens ist die Idee einer Ausstellung für Sibirien
nicht absolut neu: dio zwoi westsibirischen Ausstellungen
in Tjumenj in dou siebziger Juhreu hoben ca 1500 Aus-
steller angezogen. Es sind für Jekaterinburg folgende Sek-
tionen in Aussicht genommen: 1) Mineralogie, Geologie,
Botanik, Zoologie, Zootomie und Anatomie ; 2) Geographie,
Kartographie, Verkehrsverhältnisse, Statistik, Klimatologie,
Erdmagnetismus; 3) Anthropologie, Ethnographie und Ar-
chäologie; 4) Bergbau und Metallindustrie: 5) Industrie
und Handwerk; 6) Hausindustrie; 7) Land- und Forst-
wirtschaft, Obstzucht, Gemüsebau, Jagd und Fischerei. Wenn-
gleich wir auch zugeben, dafs die Ausstellung, namentlich
in Berücksichtigung der sibirischen Verhältnisse gar zu
grofsartig geplant ist, so wollen wir dom Unternehmen doch
wodor seine wissenschaftliche, noch seine praktische Bedou-
tung absprechen. (Petri.)
Durch dio freundliche Vermittelung des Generals 0.
v. Stubendorff, dos Leiters der kartographischen Abteilung
des Grofscn russischen Generalstabs , ist uns dio in 16
grofsen Blättern und dem auffällig grofsen Mafsstabe von
1:168000 niedorgelogto Aufnahme der 1883 — 1884 zu-
rückgolegten Reise des französischen Mineningenieurs J.
Martin von der Lena über das Stanowoi- Gebirge nach dem
Amur zugegangen. Der Reisende passierte das Gebiet der
Lena zwischen seinen Tributären Witim und Olekma und
erreichte den Amur oberhalb Albasin ; er passierte das
Stanowoi- Gebirge auf einer, wie es scheint, vorher noch
nicht begangenen Route und wird er auch in anbetracht der
Schwierigkeiten, mit welchen er zu kämpfen hatte (s. Mit-
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Geographischer Monatsbericht.
315
teil. 1885, 8. 181), schwerlich Nachfolger finden : sein Ver-
such, oineu gangbaren direkten Weg von der Lena und den
aufblühenden Goldwäscheroieu von Olekminsk nach dem Amur
und damit nach dem Stiilon Ozean zu entdecken , welche
Verbindung für den Verkehr mit dem Lena-Gebiet und ganz
Ostsibirien von der gröfsten Bedeutung sein würde, kann
nicht als glücklich gelbst gelten. Jedenfalls hat er aber
durch sein gefahrvolles Unternehmen den Austofg gegeben
zu neuen Untersuchungen in dieser Richtung, und es ist
für diu Erschliefsung Osteibiriena nur zu wünschen, dafs
eine solche direkte Stralso über die wilde Wasserscheide
aufgefundeu wird. Zum Teil fallt die Konto Martins mit
älteru Reisen, namentlich mit denen der grofson sibirischen !
Expeditiou unter Schwarz und Schmidt zusammen, aber
auch in diesen Teilen bietet seiue Karte manche wesent-
liche Veränderung. Verdienstvoll sind auch die zahlreichen
Höhenmessungen. Das in Aussicht stehende Keisework Mar-
tins wird hoffentlich eine reiche Ausbeute an Mitteilungen
über diese Gebiete Ostsibiriens bringen, welche in West-
europa nur den gründlichen Kennern der russischen und
namentlich der schwer zugänglichen sibirischen Litteratur
nicht mehr terra incognita sind.
Die Ausnutzung der Dampfkraft auf der „Lena- hat
bisher mit der Schwierigkeit der Beschaffung dos nötigon
Brennmaterials zu kämpfen gehabt, da das Schlagen von
Brennholz mit grofsem Zeitverlust verknüpft ist, und Stein-
kohlen in brauchbarer Beschaffenheit und in günstiger Lage
nicht zu beschaffen waron. Dieser Maugel scheint jotzt
gehoben zu suiu. Leutnant Jürgen», der Leiter der russi-
schen Polarstation an der Lena-Mündung, brachte von sei-
ner Fahrt eiuige Proben von Steinkohlen zurück, welche er in
Irkutsk untersuchen Hofs. Nach der von Herrn Schumarin
angefertigten Analyse erweisen sich drei Proben als voll-
kommen auwendbar zum Heizen von Dampfkesseln. Die
Proben sind leicht zugänglichen Orten entnommen worden,
nämlich zwei aus Lagern , welche sich 25 WerBt (26 km)
südlich von Bulun befinden; die dritte von einer Fund-
stelle am Flusse Wiljui, 40 Werst (43 km) oberhalb seiner
Mündung in die Lena. (Iswestija der ostsibir. Abtei), d.
K. ross. Geogr. Gesellsoh. 1885, Nr. 4. u. 5.)
Der Chef der Polarexpedition, Dr. med. Bunge, schreibt
unterm 13. Dezember 1885, dafs er von einem Tuuguson
erfahren habe, es lioge ein Mammut auf einer ca 250 Worst
(260 km) östlich vom Dorfe KasatBclge gelegenen Stelle.
Der nach dieser Stelle entsendete Gehilfe des Dr. Bunge,
Baron Toll, überzeugte sich von der Richtigkeit jener Mel-
dung, und sollte dersolbo am 15. Februar von Kasatschje
abgehen , um die Zurichtung des Mammuts zu bewirken
und dann Herrn Runge zu folgen, welcher am 15. März
seine Expedition nach den Neusibirischen Inseln, zunächst
nach der Insel Kotelny, antreten wollte. (Iswestya ostsibir.
Abteil. K. russ. Geogr. Gosellsch. 1885, Nr. 4 u. 5.)
Afrika.
NW-Afrika. — Mit dem Tode des jungen französi-
schen Reisenden, Leutnant M. l’alat , welcher die lange
Liste der Opfer der Erforschung dos Tuareg - Landes und
der Anbahnung eineB direkten Verkehrs zwischen Algier
und Timbuktu vergröfsert hat, ist auch leider ein greiser
Teil der bisher von ihm gewonnenen Resultate verloren
gegangen, da nur ein Teil seines Tagebuches, und zwar
der wichtigste, gerettet worden ist. Vor allem abor ist
der Verlust seiner Aufnahmen der Route von El Golea bis
Gurara zu beklagen, welche wesentliche Abweichungen von
dor jetzigen Darstellung ergaben ; so erscheint es nach
seinen Tagemärschen wahrscheinlich , dafs diese Oasen-
gruppe nicht soweit entfernt ist von Golea, als die militä-
rische Expedition von Oberst Colonieu im Jahre 1860
ergab. Eine Orientierungsskizze Uber die von Palat zu-
rückgelegte Route hat P. Lehautcourt dem kürzlich er-
schienenen Tagebuche Palats (18°, 371 pp. Paris, Char-
pentier, 1886; fr. 3, so), dessen Angaben zur Grundlage
1 gedient haben , beigegeben ; das Tagebuch und die Briefe
umfassen die ganze Reise von Geryville über Golea nach
Gurara vom 10. Oktober 1885 bis 25. Januar 1886.
In höchst fesselnder Weise weifs Palat in diesen natür-
lich flüchtigen Skizzen seine Erlebnisse und gewonnenen
Eindrücke mitzutoilen. Er zeigt aber auch , wie sorg-
fältig er sich durch gründliches Studium mit Land und
Leuten vertraut gemacht hatte , und um so mehr scheint
es unerklärlich , dafs seino Vertrauensseligkeit ihn ebenso
ins Verderben stürzen mufste wie Flatters u. a. Das
Tagebuch erscheint übrigens unter dom Schriftstellernamen
Frescaly, unter welchem Palat sich beroits als Schil-
derer algerischer Verhältnisse vorteilhaft in der litteratur
eingeflibrt hatte.
Nur wenig Neues über Marokko bietet das Reisewerk
des spanischen Genie-Offiziers J. Cervera Ilaviera (Expediciön
geogr .-militar ul iuterior y costas de Marruecos. 8°, 144 pp.,
mit Karte. Barcelona, Gi6, 1885), welcher Ende 1884 auf
der gewöhnlichen Strafse von Tetuan über Tanger und
Ksar-el-Kebir nach Fez gelaugte uud die Kiiste bei Rabat
wieder erreichte. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf
dio militärischen Einrichtungen des von europäischen Mäch-
ten vielfach umworbenen Staates , auf seine Strafsen und
auf die Möglichkeit, mit einem Heere in das Innero vorzu-
dringen, überhaupt auf alle Fragen, welche auf einen et-
waigen Feldzug in Marokko Bezug haben. Für ein offen-
sives Vorgehen hält der Verfasser den Hafen Rabat als
besten Ausgangspunkt, da das Thal des Sebu, in wclchom
der Weg nach der Hauptstadt führt, keine grofsen Schwie-
rigkeiten bietet, und auch die Verpflegung einer Truppe
verhältnismäfsig leicht zu ermöglichen ist. Trotz der guten
Ausrüstung mit Instrumenten schoiuen keine nennenswerten
Beobachtungen gemacht zu sein, wenigstens finden sich in
dem Werke weder Mitteilungen über Höhenmessungen,
noch meteorologische Aufzeichnungen. Sehr hübsoh aus-
gefallen sind dogegon die Illustrationen , welche nach den
uuterwogs angefertigten Photographien hergestellt sind.
Inzwischen hat der Verfasser eine neue Expedition
glücklich zu Ende geführt ; ihm war die Leitung der 8. 149
erwähnten spanischen Expedition zur Erforschung der Sahara
und des Hinterlandes des neuen Protektorates an der
Küste der Sahara anvertraut worden. Cerveras Begleiter
waren Fr. Quiroya , Professor am naturhistorischen Museum
in Madrid, und der Generalkonsul F. Kino. Am 16. Juni
war die Expedition von der Faktorei am Rio Oro aufge-
brochen, wohin sie am 24. Juli nach unsäglichen Strapazen
infolge der grofsen Hitze , des Mangels an Lebensmitteln
uud Wusser zurückkehrte. Sie war ca 425 km von der
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316
Geographischer Monatsbericht.
Küste bis nach Adrar vorgedrungen, welches die Reisenden
als Fortsetzung der Wüste ohne Vegetation mit armseliger
Bevölkerung schildern. Sie scheinen hiernach das frucht-
bare Zentrum der Oase, wolcho von Vincent und Bauet
durchzogen worden ist, nicht erreicht zu haben. Die Ex-
pedition hat zahlreiche astronomische und meteorologische
Beobachtungen angestellt, geologische und imturhistorischo
Sammlungen zurückgebracht und endlich eine sorgfältige
Routenaufnahme gemacht. Anfang September war die Ex-
pedition wieder in Madrid.
Oberguinea. — Von zwei Seiten her, von Nordeu
und von Süden , wird gleichzeitig an der Ertchlieftung des
Hinterlandes des deutschen Togo- Gebietes gearbeitet. Von Nor-
deu her sucht Gott!. Ad. Krause durch dio unbekannten
Gebiete nach der deutschen Kolonie durchzukommen, indum
er die bedeutende Handelsstadt Salaga im Gebiete des
Volta zum Ausgangspunkt nimmt. Am 12. Mai hatte er
Accra verlassen, er befuhr bis zum 7. Juni den Volta
aufwärts bis Kete , den Endpunkt der Schiffahrt, und traf
am 18. Juni in Salaga ein (Kreuzzeitung 17. Sept. 1886).
Da diese Strecke wiederholt vou den rührigen Baseler
Missionaren, sowie von dom englischen Capt. Lonsdnle be-
gangen ist, so wird Krause erst im 0 und SO von
Salaga unerforschtes Gebiet betreten. Für die Entwicke-
lung des Handels im Togo -Gebiete wird eino direkte Ver-
bindung mit dieser Stadt, welche weit in den Sudan hinein
einen regen Verkehr unterhält und Stapelplatz für die Pro-
dukte aus dom ganzen Niger-Gebiete ist, von grofser Wich-
tigkeit sein. Von Südou her, vom Togo-Gebiete selbst ist,
wie Dr. H. Zoller in der Kölnischen Zeitung vom 19. Sep-
tember erzählt, der deutsche Reichskommissar Falkenstein
in Begleitung des aus Zollers Mitteilungen bekannten Konsul
Randad vorgegangen. Auf einer zehntägigen Tour gelang-
ten sie von dem anfbliihenden deutschen Hafenplatz Ixmio
über Aguewe, bis wohin zuorst Dr. Zoller 1884 gelangt I
war , ferner Ubor Towe , Kowe uach Agotime oder Petu.
Die für diesen Punkt angegebene Position 6° 4' 0. und
6® 45' N. scheint nur nach der zurückgelegten Wegstrecke
berechnet-, nicht aber auf Grund von Beobachtungen be-
stimmt worden zu sein; jedenfalls verschiebt diese Angabe
den Ort wesentlich nach NO und vergröfsert damit dio
Entfernung von der Küste gegen die Aufnahme des Bremer
Missionars Hornberger (s. Mitt. 1867, Tafel 3).
Eine der ersten Botschaften, welche auf der gerade er-
öffneten Kabelverbindung nach dem Niger-Delta (bis Brass
und Bonny) via Lagos, Accra, Bathurst nnch Europa ge-
langten , war die Trauernachricht von dem am 11. Sep-
tombur in Brass erfolgten Tode Flegels. In ihm verliert
die Afrika- Forschung einen ihrer begeistertsten Anhänger,
der sein ganzes Dasein , seine ganze Existenz seinen Plä-
nen gewidmet hat, zu denen er namentlich durch Heinr.
Barths Erfolge, der stets sein Vorbild gewesen ist, aufgo-
muntert war. Aber nicht allein als Erforscher dos Bouue-
Quellgebietes hat er sich duuorudo Verdienste erworben,
in Deutschland war er ein Bahnbrechor der kolonisatori-
schen Bewegung, und namentlich hatte er sich die Auf-
gabe gestellt, das Gebiet des Benue, der einzigen Schiff-
fahrtsstrafse ins Innere von Afrika, für Deutschland zu
gewinnen. Dieses Ziel hat er allerdings nicht erreicht;
als er nach jahrelanger rastlosur Agitation endlich die für f
ein solches Unternehmen erforderlichen Mittel zur Verfü-
gung hatte, war ihm die National African Co zuvorgekom-
men, welche inzwischen auf das ganze Nigor-Benue-Gabiet
Beschlag golegt hatte. Dio „Mitteilungen“, welche seinen
ersten Leistungen als Forschungsreisender dio ihueu ge-
bührende Beachtung schenkten, verlieren in Flegel einen
troueu Mitarbeiter, der es stets dankbar anerkannte, dafs
diese Zeitschrift zuerst für seine Pläne eintrat. Über seine
letzten Unternehmungen sind Berichte noch nicht veröffent-
licht; im Dezember vorigen Jahres (s. Mitteil. d. Afrikan.
Gesellsch. 1886, Nr. 1) stand Flegel im Begriff, von Wu-
kari zu Laude nach Jola aufzubrechen. Nur wenige Tago
vor dem Eintreffen der Trauerbotschaft wareu Flegels Be-
gleiter, Staudinger und der Ornitholog Hartert, welche im
August vorigen Jahres von Loko am Benue nach Sokoto
abgereist wuren, nach Deutschland zurückgekehrt.
Durch seinen frühzeitigen Tod ist Flegel vermutlich
dio schmorzlichc Kenntnis erspart geblieben, dafs die Ge-
biete , welche er als deutsches Kolonisationsgebiet in Aus-
sicht genommen hatte, endgültig an Grofsbritannien über-
lassen worden sind. Durch ein Übereinkommen zwischen
beiden Mächten am 27. Juli und 2. AuguBt ist die durch
Übereinkommen vom 27. April und 7. Mai 1885 (s. Mit-
teil. 1885, S. 271) festgesetzte Grenzlinie in das Innere
ausgedehnt worden (s. Reichsauzeigor 26. August 1886):
„Von dem Endpunkte der ursprünglichen , durch die Koten vom
29. April und 7. Mai vorigen Jahres festgcoctatcn Grenzlinie au«, dar aut
der englischen AdniirziiUUkarU als .rapida1 bezeichnet ist, soll die neue,
verlängerte Linie ihren Antang nehmen, und zwar soll sie, von den als
,rapids‘ bczcichnctcn Stromschnellen des Alt-Kalabars beginnend, in diago-
naler Kichtung zu einem Punkte auf dem rechten l'fer des Benue-Fltutrs,
im Osten und in der unmittelbaren Nähe der Stadt Vota, laufen, welcher
sich nach vorgenommenor Untersuchung praktisch als zur Festsetzung die-
ser Grenze geeignet herausatcllen wird.*
Dio Grenze zwischou der deutschon Kolonie Kamerun
und den englischen Nigerdistrikten verläuft also jetzt von
der Mündung des Rio del Rey am rechten Ufor des Flus-
ses bis zu scinor noch unbekannten Quelle, dann in ge-
rader Linie bis zu den Ethiopo - Schnellen des Alt - Calabar
und endlich in nordöstlicher Richtung, bis sie östlich von
Jola den Benue erreicht. Die von Flogel erworbenen Land-
streckou in der Näho von Bakundi behufs Anlage einer
Handelsstation bleiben also unter englischer Herrschaft,
resp. ira Machtbezirke der National African Co. , welcher
von der englischen Regierung beschränkte Hoheitsrechte
verliehon worden sind. Boi woiteror Erforschung des von
dieser Grenze durchschnittenen Gebietes, namentlich durch
Feststellung des Rio del Rey-Flusses bis zu seiuor Quelle,
wird eine genauere Bestimmung der Grenze notwendig
worden.
Äquatorialafrika. — Die englische Baptisten-
Missionsgesellschaft hat ihr Besitztum in Victoria, Kamerun,
an die Ilaseler Missionsgesellschaft abgetreten und wird ihre
Thütigkeit jetzt auf das Kongo-Gebiet konzentrieren. Dio
ersten Baseler Missionaro werden wahrscheinlich im Oktober
nach Kamerun abgohen. Durch das englisch-deutsche Über-
einkommen vom 7. Mai 1885 (s. Mitteil. 1885, S. 271)
war die Baptistenniederlassung in Victoria als englische Be-
sitzung anerkannt worden, jedoch mit dem Vorbehalte, dafs
dio englische Regierung bereitwillig ihre Zustimmung zur
Einverleibung dieses Gebietes in die deutschen Besitzungen
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Geographischer Monatsbericht.
317
geben würde, falls die deutsche Regierung zu einer Ver-
ständigung mit der englischen Missionsgesellschaft gelangen
würde. Durch die unter Mitwirkung des deutschen Aus-
wärtigen Amtes erfolgte Abtretung des fraglichen Gebietes
ist dieser Vorbehalt erfüllt worden, und steht die Einver-
leibung des Umkreises von Victoria, welches zwar an Areal
nicht sehr umfangreich ist, wegen seines vorzüglichen Hafens
und seiner günstigen I>age aber eine gTofse Bedeutung für
die Kolonie besitzt, in die deutschen Besitzungen zu er-
warten , sobald dio Übergabe der Niederlassung an die
Baseler Missionsgesellschaft erfolgt- ist.
Ebenso wie die deutsche Regierung die Erforschung des
Hinterlandes des Togo- Landes eifrig betreiben läfst, so wondet
sie auch der Erforschung von Kamerun unausgesetzte Auf-
merksamkeit zu. Nachdem T)r. Schwarz’ Expedition ein
schnelles Endo gefunden hat, ist Dr. Zintgraff, welcher mit
Dr. Chavanno am Kongo gewesen ist, binausgesandt worden.
Da der kleine Regierungsdampfer, „Nacbtigal“, welcher zu
einer möglichst weiten Ausdehnung der Flufsfahrten erbaut
worden ist, glücklich nach Kamerun gelangt ist, so dürfen
wir weitere Aufschlüsse über die Wasserstrafsen Kameruns,
namentlich eine Lösung der Rio del Rey-Frage bald erwarten.
Leider noch ohne Beigabe einer Karte erscheint der
erste, noch oberflächliche und hauptsächlich die Erlebnisse
berücksichtigende Bericht über die Reiten, welche J. Monte*
de Oca und Dr. Otsorio am Muni, Benito und Catnpo ausge-
führt haben. Die orsto Reiso, wolche von beiden Forschern nus-
geführt wurde, hogann Anfang August 1885 von der Mündung
des Muni aus, welcher nach dem Vorgänge von Iradior im
Jahre 1875 und 1884 bis zur Einmündung des Noya be-
fahren wurde. Nach verschiedenen Exkursionen unter den
kleinen Stammen dieses Gebiutes wurde von seinem Neben-
flüsse Utamhoni der Marsch ins Innere angetreten, dessen Aus-
dehnung sich nach den dürftigen Angaben des Berichtes nicht
feststellen läfst, obensowenig wie die Wasserscheide zwischen
Muni und Benito, welchen Flufs dio Reisenden im Oktober
erreichten. Im Januar setzte Dr. Ossorio die Erforschung
des Küstengebietes fort , indem er den Campo, der bei den
Eingebornen Etembuo heifst, bis zu dem Stamme der Jeu-
gue befuhr, wo die Schiffbarkeit durch die Bokoja- oder
Buia- Stromschnellen unterbrochen wird. Am linken Ufer
des aus NO strömenden Flusses ging os Aufwärts bis zum
Zusammenflüsse soinor beiden Quellflüsse. Von dom aus
SO kommenden Quellflufs überschritt Ossorio dio Wasser-
scheide zum Benito, welcher im Oberläufe Volo heifst, be-
rührte zunächst dessen Ncbenflufs Mombo und folgte dann
dem Hauptflufs bis zur Mündung. Beide Reisen verfolgten
in erstor Linie politische Zwecke, nämlich den Einflufs Spa-
niens gegenüber deutschen und französischen Ansprüchen
zu sichern. (Revista de geografia commercial 1886, Nr. 24.)
Klar hervortreten die portugiesischen Besitzansprüche
auf Äquatorialafrika in der von der Commissäo de cart-o-
grapbin in Lissabon herausgegeben , von A. A. d' Olkeira
entworfenen „ Carta da Africa mrridional 1‘ortuguexa" in
1:6000000. Portugiesisch- Afrika reicht danach Uber die
vertragsmäfsigen Grenzen hinaus und erstreckt sich von
Ozean zu Ozean ; es umfafst vom Kongo-Becken nur das linke
Kuango-Ufer, dafür aber das ganze Sambesi -Becken mit
Ausschlufs des nördlich von 1 1 ° 30 ' S. sich erstreckenden
Teiles des Nyassa- Gebietes. Während also im Norden die
portugiesischen Ansprüche wesentlich geringer Ausfallen,
als bisher üblich war, und u. a. auf das ganze Kassai-Becken
und das Reich Muata-Jamvos Verzicht geleistet wird, stei-
gern sich die Ansprüche auf die südlichen Gebiete wesent-
lich; so soll jetzt das ganze Matabele -Land portugiesisch
sein, resp. werden, obwohl nachweisbar kein portugiesischer
Reisender dies Land betreten hat. Wichtiger ist die Karto
durch die Darstellung der portugiesischen Reisen in diesom
Gebiete bis auf Capellos und Ivons’ Durchkreuzung 1884
und 1885, deren Route als wertvollste Neuigkeit bereits
mit ziemlich ausführlichem Detail hier eingetragen erscheint.
Auffällig ist die starke Abweichug ihrer Aufnahmen von
denjenigen Punkton, wo ihre Route mit Serpa Pintos Reise
von 1879 zusammentrifft. Dies trifft namentlich zu ftir
die Strecke vom obern Cuando bis zum Sambesi, wo die
beiderseitigen Routen ungefähr zusammenfallen, ja sogar
Serpa Pintos PositionsbestimuDgon sind verworfen, und der
Sambesi nach den ältern Angaben Livingstones gezeichnet
worden. Schoschong ist nach dem Vorgänge der Pertbos-
schen 10 Blatt-Karte, wolche in vielen Toilen als Grundlage
gedient hat, ebenfalls in dio Mitte von Mohrs und Serpa
Pintos Bestimmungen gelegt worden. Von Girauds Darstel-
lung abweichend, wird der Bangweolo-See in zwei, durch
eine Landzunge voneinander geschiedene Becken geteilt, von
denen das nördliche Bangweolo - See , das südliche Remba-
Seo gonannt wird. Jedenfalls irrtümlich ist die Angabe
der Karto, dafs der Cubango sich Ausschliofslich in den
Tschobe ergiefst, während doch nach Green, Liviugstone,
Schulz u. a. der Zusammenhang zwischen Cubango und
Ngumi-See zweifellos ist, wenn auch ein Teil seiner Wasser-
massen nach dem Tschobo abfliefet. Neu scheint auch dio
Route von Baptista d’Andrada von Ambriz über Bombe
nach Encoje zu sein; Bombe erleidet gegen Leut. Grandy
eine wesentliche Verschiebung nach Osteu und liegt statt
in SW jetzt in SO von San Salvador. Die Grenzen von
Kahinda sind bereits nach der französisch - portugiesischen
Konvention eingetragen. Eine endgültige Ausgabe dieser
Karte mit Darstellung des Torrains wird in baldigste Aus-
sicht gestellt.
Der Trauerbotschaft von dem Tode eines hochbegabten
Afrikaforsohers können wir wenigstens eine hocherfreuliche
Nachricht aus dom Innern Afrikas folgen lassen : Dr. Junior
ist gerettet. Laut Telegramm aus Sansibar vom 23. Septbr.
ist derselbe in Msalala, der englischen Missionsstation an
dem in den Victoria-Nyansa einmündenden Jordans Nullah,
eiugctroffon. Da von hier aus oine regelmäfsige Vorbin-
dung mit der Küste besteht, so ist dio baldige Heimkehr
des schwer geprüften Reisenden zu erwarten. Bereits
7 Jahre sind verflossen, seitdem Dr. Junker hinauszog, um
oino auf 3, höchstens 4 Jahre berechnete Expedition zur
Erforschung der westlichen Zuflüsse des obern Nil und der
Wasserscheide zwischen Nil und Uelle zu beginnen. Aus
den 3 Jahren hat sich seine Abwesenheit von der Heimat
nuf 7 Jahre gesteigert infolgo des Aufstandes des Mahdi
und der rücksichtslosen l’reisgebung der Europäer im Sudan
seitens der englischen Regierung. Was Dr. Junker in den
ersten Jahren geleistet hat auf geographischem Gebiet, ist
den Lesern der Mitteilungen bekannt aus seinen zahlreichen
Berichten und Karten ; von nicht geringem! Erfolge wuron
seine Bomühungcu gekrönt, Zivilisation und Kultur unter
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Litteraturverzeichnis.
den von ihm besuchten Stämmen zu fordern. Die Erruugen-
schalten auf der Heise vom Uelle nach dem Victoriu-Nyausa
werden zweifelsohne seinen frühem Leigtungeu nicht nach*
stehen, obwohl er unter ungünstigem Verhältnissen ar-
beitete. Möge deD beiden letzten im oberu Nil noch ahge-
schuitteneu Forschern, Dr. Emin-Bci und Kapitän Ouali.
welche nach einem gleichzeitigen Telegramm aus Sansibar
die ägyptische Herrschaft in Wadelai am obern Nil noch
aufrecht erhalten, ebenfalls bald eine glückliche Heimkehr
beschieden sein ! H. Wichmann.
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Waiiwer, G. A. J.t Ethnographische»« aus Serara. (Globos 1886, XLIX. Kr. 23.
S. 368.)
Erklärung.
Herr Eduard Glaser hat seinen jüngxt in Prag erschienenen „Mitteilungen über einige aua meiner Sammlung stammende sabäische Inschriften“ eine
Erklärung in Sachen der I). U. Möller», hen Ausgabe der Geographie AI Hundinl'» beigefligt, in welcher ei auch an ein paar Stellen (S. VII und 10»)
gegen mich den Vorwurf erhebt, daf» ieh mich absolut geweigert hätte, eine Entgegnung auf die Replik de. Herrn Prof. I). H. Müller (Petermanna Mittei-
lungen 1885, S. 117) anfxunehmen. l)ie«n Vorwurf weise ich alt ginxlieh unbegründet znrück. Herr Glaser weift, dafs ieh mich 7.ur Aufnahme
einer sachlichen Erklärung bereit erklärte. Wir kamen überein, daf» auch Herrn Prof. Müller Gelegenheit gegeben werde, »einen wissenschaftlichen Stand-
punkt xu wahren, und die beiderseitigen Erklärungen sollten xum Abdruck gelangen, sobald »ieh beide Parteien über den Text derselben verständigt hätten.
Leider war eine solche Verständigung schwer hrrbeixufUhren. Ich spielte lediglieh die Rolle einer an der Streitfrage selbst unbeteiligten Mittel peiwon , bis
»ich Herr Glaser direkt mit aeinem Gegner ins Einvernehmen xu aetxen versuchte. Ara 20. Juni erhielt ieh von Herrn Giater die Mitteilung, data Hen
Prof. Müller «eine Antwort an mich abgesehiekt habe. Eine derartige Sendung erhielt ich nicht und seit dieser Zeit überhaupt kein Schreiben mehr,
weder von Herrn Prof. Müller, noch von Herrn Glaser. Ich mufxte annehmen, dafx der Streit in andrer Weise beigelegt worden sei, und hatte natürlich
kein Interesse dann, die Parteien zur Fortführung derselben in l’etermxnnx Mitteilungen xufxufordeni. Supan.
(Geschlossen sn 97. September 18äe.)
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Die neue Ausgabe von Bergbaus' Physikalischem Atlas.
Um dieselbe Zeit, als Alexander v. Humboldt sein groß-
artiges Gemälde vom „ Kosmos" entwarf, unternahm Hein-
rich Berghaus zum erstenmal den Versuch, die Ergebnisse
der tellurischen Forschung kartographisch darzusteilen. So
entstand der Physikalische Atlas, „eine unter der
fördernden Anregung A. v. Humboldts verfafste Sammlung
von 93 Karten, auf welchen die hauptsächlichsten Erschei-
nungen der anorganischen uud organischen Natur nach ihrer
geographischen Verbreitung und Verteilung bildlich dnrgo-
stellt sind“. Der ersten Ausgabe (1838 — 1848) folgte im
Jahre 1852 eine verbesserte und teilweise umgearbeitete
Auflage, die abor selbstverständlich auch nicht rnohr im
entferntesten dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft
entspricht. In den letzten Jahrzehnten ist der Aufbau der
physischen Erdkunde rascher fortgeschritten, als früher
in Jahrhunderten ; die Ausdehnung der geologischen Landes-
aufnahmen, dio Verbreitung und Verdichtung des meteoro-
logischen Beobachtungsuetzes, die zahlreichen Forschungs-
reisen &c. haben nicht nur unsru positiven Kenntnisso
beträchtlich erweitert , sondern auch unsre theoretischen
Anschauungen umgestaltet. Es war daher gewiß ein dankens-
wertes Unternehmen von Justus Perthes, eine neue Ausgabe
des Physikalischen Atlas in Angriff zu nehmen, und niemand
war zur Leitung derselben bessor geeignet, als Prof. Dr.
Hermann Bergbaus, der damit gleichsam oin natür-
liches Erbe antrat. Aber nicht nur wir Deutsche haben Ur-
sache, dieses Unternehmen freudig zu bogrtißen; der neue
Physikalische Atlas soll und wird ebenso ein Gemeingut der
ganzon zivilisierten Welt werden, wie seine altern Brüder,
Stielers Handatlas und der Historische Atlus von Spruner-
Mencke; denn keino fremde Nation kann ihm etwas auch
nur im entferntesten Ebenbürtiges an die Seite stellen.
Die bisher erschienenen 15 Karten, welche allo Abtei-
lungen mit Ausnahme der erdmagnetischen repräsentieren,
goben hinreichend Gelegenheit, um sich über die Art der
Abfassung und die Methode der Darstellung ein Urteil zu
bilden.
Es muß besonders betont werdon, daß der Physikalische
Atlas etwa nicht eine umgearbeitete Auflage des alten Atlas
ist , sondern ein von Grund aus uud in allen
l'ctomiaons Geogr. Mitteilung*». 188C, Heft XI.
seinen Teilen ganz neues Werk. Es kommt dies
nicht bloß darin zum Ausdruck, daß keine Karte aus dom
alten Atlas in den neuen übergegangen ist, sondern es ist
auch die Herstollungsmethode eine andre geworden. Im
alten Atlas stammen die meisten Karton vom Herausgeber
selbst, im neuen Atlas sind die einzelnen Abteilungen von
Spezialisten bearbeitet, und der Herausgeber hat sich nur
dio Hydrographie Vorbehalten, wenn auch mauolie Karton
der andern Abteilungon (z. B. diu sechs ersten Karten des
geologischen Teiles) sein ausschließliches Werk sind, wie
ja ihm auch die Vorbereitung und die endgültige Redaktion,
d. h. in den meisten Fällen die Zeichnung der Vorlagon
selbst obliegt. Unter den Mitarbeitern begegnen wir den
hosten Namen: Prof. v. Zittol in München für Geologie,
Prof. Julius Hann in Wien für Meteorologie, Geh. Adiuirali-
tätsrat Noumnver in Humburg für Erdmagnetismus, Prof.
Drude in Dresden für Pflanzengeographie, Dr. Hart-
laub in Bremen und Prof. Marsch all in Leipzig für
Tiergeographie, und endlich Prof. Gerland in »Straßburg
für Völkerkunde (und Kulturgeographie).
Die Hauptaufgabe eines Physikalischen Atlas : die Dar-
stellung der Verbreitung der einzelnen Erscheinungen über
die ganze Erde kennte seinerzeit von Heinrich Bergbaus
nur sehr unvollkommen gelöst werden, und die große Zahl
dor Karton orklärt sich daraus, daß viele derselben sich
nur auf ein eugbegrenztes und besser bekanntes Gebiet be-
schränken (z. B. die Spezialkarte des Riesengebirges), oder
lediglich graphische Darstellungen in Kurvenmanier (z. B.
Nr. 10 — 16 der II. Abteilung) oder sogar nur Tabellen
(Nr. 12 der I. Abteilung) enthalten. Der neue Atlas hält
dugegeu im allgemeinen an dom Prinzip fest: Erst Erd-
karten, dann Kartou der einzelnen Erdteile oder wenigstens
der wichtigsten derselben; nur dor crdmagnotischo und tier-
geographische Teil enthält ausschließlich Erdkarten. Aber
unter allen Umständen gilt der Grundsatz: Möglichst
gloichmäfsigo Berücksichtigung aller Teile
der Erde, so daß der neue Atlas in der That nicht
etwa eine »Sammlung von Detailkartou, sondern ein physi-
kalischer Atlas der Erde ist. Trotzdem fehlen aber dio
Detailkarten nicht, sie sind uur in die Kartons gedrängt.
41
322
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
Die Zahl der Blätter ist im neuen Atlas allerdings kleiner,
als im alten: 75 gegen 93, aber die Zahl der Karten ist
eine weitaus gröfsore. So enthalten z. B. Xr. 52 und 53
(Verbreitung der Säugetiere) je sechs Erdkarteu, der Hegen-
karte der Erde (Xr. 37) sind solcho von Europa , Xord-
amerika, Ostindien, Xuuseeland, Jamaika und Mauritius
ungcschlosseu, und — um noch eines Kalles beispielloser
Raumausnutzung zu gedenken — Blatt 24 enthält aufsor
einer grofsen Tielenkarte des Mittelländischen und Schwarzen
MeereB nicht weniger als 21 Kartons! Um Raum zu sparen,
wurdo in vielen Fällen für Erddarstellungen die äquivalente
statt der Üblichen Mercators- Projektion gewählt. Selbst-
verständlich ist aber eine solche Gedrängtheit auf kleinem
Raum nur dann statthaft, wenn die technische Ausführung
präzis und klar ist. Auch in dieser Beziehung verdient
der neue Berghaus-Atlas alles Lob ; die Karten sind in
Kupfer gestochen, und eine verständige und ausgiebige An-
wendung von Kolorit, welches im alten Atlas nur selten
zur Anwendung kam, erhöht dio Anschaulichkeit aufseror-
dentlich.
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
Von Premierleuf. K. v. Francois. (Sthiuf»i).)
(Mit Kalte, s. Tafel 16.)
III. Itinerar.
Zur Herstellung des Itinerars benutzte ich: Kompafs,
Taschen -Chronometer, Taschen -Barometer, Rotstift, Blau-
stift, einen mittelstarken Bleistift und Blockpapier in Oktav-
fortnat. Behufs Reinzeichnung ferner noch: Transporteur,
Linea], Zirkel, Ziehfeder, schwarze, rote, blaue Tusche und
Zeichenfeder. Kompafs, Uhr und Bnrometer befanden sich
auf dem Marsche jedes für sich in einer Aufsentasche auf
der Brustseite des Rockes. Der Kompufs hatte einen
Durchmesser von 5 cm und gestattete Ablesungen bis 1*.
Hierbei wurde die Xadel stets auf die betreffende Deklination
eingestellt. Aufser der Marschrichtung wurden sämtliche
Flnrsläufe, Thäler, Höhenziige, Ortschaften und sonstige iu
die Augen fallende Terraiuohjekte angepeilt und zur Kon-
trolle der Marschrichtung Poiluugen rückwärts vorgenommen.
Auf meiner Reise auf den Flufsläufon Lulongo, Tschuupa,
Bussera und Lopnri benutzte ich mit Vorteil einen Kom-
pafs mit Diopter — 5 cm Durchmesser, Ablesung bis 1 * — ,
der mir durch die Freundlichkeit des Missionars Grcnfell
zur Verfügung gestellt worden war.
Der Taschen- Chronometer diente zur Feststellung der
zurückgelegten Entfernung. Um einen absoluten Mafsstab
zu gewinnen, stellte ich iu Mnlange auf einer ubgemes-
senen Strecke von 1000 m den Zeitaufwand moiner Gang-
art, sowie den meines Stieres fest. Das Mittel ergab pro
Stunde 5000, resp. 4800 m. Entfernungen nach Terrain-
objektou seitwärts des Weges, Länge der Thäler &c. sind
neben der Peilung schätzungsweise verzeichnet worden.
Verlangsamungen des Marsches, wie z. B. bei Sumpf, Flufs-
>) Den Anflog nebst Kute t. Heft IX, S. 27 1 fl.
passagen und boim Passieren von tief eingeschnittenen
Thälern sind stets besonders notiert wordon, und zwar
neben der Zeitangabe nach Ausdehnung des betreffenden
Objektes, wie bei Wasserläufen nach Tiefe, Geschwin-
digkeit, Wasserfarbe und der Beschaffenheit des Ufer-
geländes.
Die Darstellung des Terrains wurde durch Aufzeich-
nung dor Hauptkonturen in Niveaulinien zum Ausdruck ge-
bracht. Dabei diente ein Taschen- Barometer — Konstruktion
Bohne — zur Ermittelung der relativen Höhenunterschiede
an der Marschstrafso , während die Höhen- und Tiefen-
verhältnisso seitwärts derselben goschätzt wurden.
Die Aufzeichnung erfolgte auf einem Blatt Papier in
Oktavformat ohne Zugrundelegung eines bestimmten Mafs-
stabes. Zur Darstellung der Marschlinie , Ortschaften und
Felshängo diente ein Rotstift, für Gewässer ein Blaustift, und
zu Zahlennotizen, Xomenklatur, Terrain und Bedeckung ein
mittelharter Bleistift.
Zur Sicherung der Xomenklatur wurde diese, aufser an
betreffender Stelle in einer Ecke des Blattes notiert , wie
noch an demselben Tage in einem topographischen Tage-
buch aufgenommen, welch letzteres noch Aufschlufs gab,
über dio am Tage zurückgelegte Entfernung, Zeitdauer,
Terrainfiguration im allgemeinen, Erkundigungen, meteoro-
logische Beobachtungen , das Resultat der astronomischen
Beobachtungen und ermittelte Höhe &c. Die Reinzeich-
uung fand einen Tag nach der Aufnahme statt.
Die Orthographie der Namen habe ich genau in deut-
scher Phonetik so wiedergegeben, wie die Xamon von den
Eingebornen ausgesprochen wurden. loh betone: von
den Eingebornen, weil die verschiedene Schreibweise selbst
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Reisen im südlichen Kongo - Becken.
323
untor deutschen Roisenden zum gröfateu Toil daher rührt,
dafs häutig die Namen so geschrieben werden, wie sie von
den Dolmetschern genannt werdon , die dann ihren eignen
Dialekt dom Namen beimengen. So z. B. hängen die
Malango-Neger vielen Worten oin mitklingendes e an. Ab-
weichungen von der Schreibweise finden bei einzelnen Orts-
namen Angolas statt, so z. B. ist Malange so geschrieben
wie der Poststempel angibt.
Über die barometrischen Höhenmessungen s. Verh.
der Berliner Gesellschaft fiir Erdkunde 1886, S. 149.
IV. Klimatologlsches.
Zur Bestimmung der Lufttemperatur kamen Normal-
und einfache Thermometer mit Celsiusskala zur Verwen-
dung. Die Luftfeuchtigkeit wurde in Malange nach einom
Hygrometer von Klinkcrfuefs bestimmt, und blieb diosor
in guter Übereinstimmung mit dem Psychrometor. Dio
Ablesuugen fanden meist um 7, 9, 12, 2 und 9b statt.
In Malange hingen die Instrumente im Schatten des
Hauses, in Mukenge, Luluaburg und Leopoldville im Schat-
ten eines eigens hierzu hergestellten Beobachtungshäus-
chens, 1-J- m über dem Erdboden.
Der höchste und niedrigste Stand der Tagestemperatur
wurde an einem Maximum-Minimum-Thermometer (Kon-
struktion Six) abgelesen. Die Zeit wurde nach dem Taschen-
Cbronometer in wahrer Ortszeit notiert. Auf den Lager-
plätzen während der Reisezeit waren dio Instrumente unter
einem Schirm aufgestellt und überdies auf den meisten
Plätzen gegen die Strahlen der Sonne durch das Laub
der Bäume geschützt.
Die Windrichtungen beziehen sich auf den magnetischen
Meridian. Die Windstärke ist in fünf Abstufungen no-
tiert, für ganz schwachen Wind aufsor der Richtung kein
Zeichen angegeben ; die vior hohem sind durch dio Ex-
ponenten 1, 2, 3, 4 angedoutet.
Die Art der Bewölkung ist durch die vior Hauptwolken-
formen Cirrus, Cumulus, Stratus, Nimbus ausgedrückt. Ganz
bedeckter Himmel ist mit „10“; klarer, wolkenfreier mit „0“
bezeichnet. Zur Bestimmung des Grades der Bewölkung
ist der Umfang jeder Wolkengrnppe zusamraengefafst und
hiernach bestimmt, den wievielsten Teil des Firmaments
sie einnebmen.
Malange.
Temperatur.
Monat.
!)*
12*
3*
0*
ä
Maxim.
E |
'S
5 1
Kxti
B
3
X
ein. i
ä
ö
K
• K
II
K«
ÜS.
Man
80,*
24, S
24,7
19,7
22.»
25.» .
17,6 |
32
10,4
15,4
Am feuchten
Therraom.
16*7
1
7,«
20, S
18.1
18.7
1
April
20,*
24,4
24.4
UM
22,4
25,«
17.«
SO
15.«
14.4
Am feuchten
Thenuom.
19,»
20, S
20,0
19.»
20
Mai
19,«
24.»
26.7
19.»
22,7
27,2
13,4
29
» 1
18,0
Am feuchten
Thenn t>ro.
17,1
17,1
18,*
17,1
17,6
Juni
16,1
*23.7
25, S
17,0
20, S
27.»
11, *
29,8
9.»
bis inkl. 15
Am feuchter
|
Themiom.
1 12,8
13.»
1C.S
14,4
15.«
Relative Feuchtigkeit.
Hegen.
i I »» !
11 > 3*
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J Extrem.
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1
Murr 80, a J"
0 ,01
70
72.1
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59
27
178,7 1 10
1 7
6*2,8
April 80 i
2 09
75
1 71.»
[ 86
| 59
li -7
144,«| 15
1 3
56.»
Mai }67 |1
.7 49,s|67,»
60,1 | 83
1 41
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Juni 66,8
2,1 33,»;i7,l
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HäuHffknit tica Windes.
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Juni 1.— 15.
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5
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6
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—
0
3
SW . . . .
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6
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1
NW . ■ . .
15
23
—
1
M u k o n g e.
Temperatur C.
Monat.
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i i £ 8
2.5 ls
Fl
Tftgeexeit de*
Eintritt«.
,1 u Ja 2»' 3
"l|xi| i
Vom 14n>U
31. Januar
19, »
21,1
23,»! 27.»
28,7
22.*
72
e| 43
2
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1
Februar . .
20
21
24.» 30,*
26, »
20.4
143
1 2 1 40
4
4
4
Marx . . .
20,1
21.»
26, 7| 28,1
27,4
21,4
65
10| 40
1 *
10
1
Vom 1. bi»
7. April .
—
21.«
— | 25,9
27,6
21.6
6
3 5
! 0
3
0
Leopoldville.
Vom 20. Juli
bis 5. August
19.«
20,7
i 1
23 | 26,4! 28.»
22, »
.
.1-
I.
1.
-
Reiten.
V. Zusammenstellung der gröfsern berührten Wasseradern.
Datum.
Name.
r
Breite.
taringito
Tiefe.
Ge*
»cUvrln-
digkeit.
Aino.
tuto
110h«.
mllndec
in :
Bemerkungen.
29/VII. 1884
19/ VII. .
6/vm. .
Luschimbo
Karubo
Lubamla
m
5
5—8
m
4
2
li
m
1 : 90
1 : 100
1 :50
m
Kuije
Kuango
Lui
200 m breite, tumpfige ThaUohle — «nfte mit Baumaasanne bestandene Thalhange.
4- bia 500 m breite, mit Papyrus beataudene Thalaohle — schwach goböaehto Hinge,
l'ferkonturen mit Paudanua eingefaßt — einielne Baumgruppeo — 100 bia 200 m
breite, mit Wiese beatandene Thalsohle — gering geböschte , mit lichter Baum-
«ranne beataudene Thalhinge.
41 •
Digitized by Google
324
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
Datum.
Nur ne.
Geringste
Breit*. 1 Tiefe.
Qa*
»chwin-
rflgkcit.
Ab»©-
luto
Höhe.
mtindot
Sn :
Bemerkungen.
11 VIII.
84
Lai
m
40
2™
zn
1 : 26
m
Kuango
5* bi* 800 m breite, mit Wiese bestandene Thalsohle — GalcriewaldpAnelleo,
13 VIII.
n
8” 52' S. Br.
I.ui
50
H
1:21
Kuango
darunter einige Ölpalmen — steile, 3 m hohe Uferrifidex — Sandstein.
Erhebungen des linken Ufers treten dicht an den Flufs heran — viel Kulturen —
18 VIII.
•»
Kuango
100
2—3
1 : 46
Kassni
der linke Ufemnd dominiert um ca 10 tn den Wasserspiegel — Sandstein —
Galcriewald nul dem rechten t’fcr — so m unterhalb eine Steinbarre.
Thalhaug links mit dichter Buschsavaime bestanden, mittelstark geböscht, tritt bis
24 VIII.
•t
Kolle
4
1
1 : 80
Luhe
an den Fluf* heran — einzelne Baumgruppen — Ufererhebung rechta schwach
geböscht mit reiner Suvaune bestanden, zwischen dieser uud Flufs- Inundations-
gebiet von 200 bi« 1000 ni Breite — oberhalb Steinbarren.
100 m breite, stark versumpfte Tbalsohle — Baurogruppen — ] bia 2 m hohe.
88 VIII.
l'htmta
25
2—3
1 : 70
Kuango
«teile Ufcrninder — schwach gehuschte, mit lichter Buscbsavanne bestandene
Thal hin ge.
Starke Krümmungen — schmale Thalsohle — Galcriewald panrellcn — Ufererhebuo-
10 IX.
•«
(wahrschein-
lich identisch
m. d. Wambu)
Kuengo
10
2-3
1 : 70
Kuango
gen überhöben den Wasserspiegel um 100 m, sind mittelstark geböscht und mit
lichter Buschsavnnne bestanden.
1- bia 2000 m breite, sumpfige ThaUohlc. Stellenweise Galeriewald — Bordoo-
J6'IX.
(wohl idtn-
tiscb mit dem
Imin)
Lubnle
25
1 — 2
1 : 70
mitWieae-
bestand
Kuilu
palmen — Ufererhebungen recht«, mit dichter Baurmavaune bestanden, treten
dicht an den Fluf« heran.
100U m breite, sumpfige, mit Wiese bestandene ThaUohlc — Erhebungen dominieren
19 IX.
I.uiko
15
1—2
1 : 30
Kuilo
den Wasserspiegel um 40 m, sind mit dichter Buscbsavanne bestanden, schwach ge*
böscht und treten recht* dicht an den Flufs heran — Inselbildung — Galeriewald.
1- bia 2000 m breite Thalsoble — Hutung — Galeriewaldparzcllcu — Erhebungen
22, IX.
Kuilu
60
3—5
I : 30
1006
Kuango
dominieren um 40 m den Wasserspiegel, «nd schwach geböscht, mit Wold be-
deckt und treteu rechta dicht an den Flufs heran.
500 bU 1000 m breite , sumpfige, mit Wiese und Ualericwaldparxellon bestandene
24 IX.
T
; 39' S. Kr.
Kongnllo
8—10
1 : 120
985
Loinge
Thalsohle — Erhebungen uberhohen um 30 — 40 m den Wasserspiegel, sind mit
lichter Buurosaranne bedeckt und treten links nahe an den Fluf* heran — Thal*
hBnge schwach geböscht — ober- wie unterhalb Steinbarren.
500 m breite, stark sumpfige Thalsohle — breite Galrriewaldung, besonder* recht* —
26 IX.
*»
Lnange
50
3—5
1 : 80
870
Kassai
Bordonpalmen — schwach geböschte, mit lichter Bauinbuachsaranoe bedeckte
Thal hinge.
Ufererhebungen dominieren den Wasserspiegel um 1O0 bis 150 m, sind mit dichter
3.X.
Latchiko
10
3—5
1:60
610
I-onnge
Baumsnranne bestanden, steil geböscht und «rhlicfsen sieh fast unmittelbar an das
Flußbett an — ober- wie unterhalb viel Steinbarren — roter Sandstein —
Wasserfarbe lehmgelb.
100 m breite, mit Hutung bedeckte Thalsohle — einzelne Baurogruppen — sanfte.
B/X.
6“ 58' S. Br.
I.owon
20
2—5
1 : 80
650
Kuui
mit lichter Baumsavnnne bewachsene Hange — Hang rechts tritt nshe an den
Ftufs heran — Gneifs.
Die linksseitigen, um 20 m dominierenden, mit dichter Baurobuschsavanne bedeckten
J 2 X.
Tidilbpi
40
2—3
1 : 100
615
Ku»i
Erhebungen, treten dicht an den Flufs heran und fallen steil zu diesem sb. Der
Hang »st mit Galcriewald bewachsen. — Erhebungen recht* sind durch einen
200 m breiten Wiesenstrcifen vom Fluf* getrennt, mit dichter Baumxavanne be-
standen, weniger steil uud hoch.
200 m breite Thalsohle — Galeriewaldparzellen — schwach geböschte, mit lichter
16 X.
Tscbiknpt
20—40
2-3
1 : 90
570
Kasaai
Buuruavanne bestandene Hänge — Insclbildung — mehrere Steinbarren — Gneifs,
Scbillerfels
500 m breite, mit Wiese bedeckte Thalsoble — Galeriewaldpanellen , darunter
19 X.
„
Ktssai
2—260
3-6
1:90
465
Kongo
einige ölpalmen.
Der mit Galeriewald bedeckte rechte Thalhang fallt steil zum Flusse ab — Rand
21/X.
Ka&sai-Fall
j
Oberhalb
. . 4<
K) m breit
überhöht den Wasserspiegel um 20 m. — ■ Die linksseitigen schwach geböschten
Erhebungen sind durch eine 4 • bis 500 m breite Niederung mit Baumgruppen
und viel Taimen getrennt.
GaleriewaldparxcUen — viel Fandanus uud Ölpalmen — Thalhünge sanft geböscht.
2 XI.
(1’i.irge-Kiü:)
Laebo
unterhalb . . 150 » ,
Fallhübe . . 8 » ■
Absolute Hohe 475 . .
30 2—4 1 1:12»>I 670
Lulua
mit dichter Ilaumbuschsaranne bestanden.
Die ca 300 m breite Thalsoble ist ebenso wie die mittelstark geböschten Hänge
3 XL
.
Zembu
20
li-2
1 : 100
r»?o
Luebo
mit Urwald bedeckt — Guromi-Liane viel vertreten — Steinbarren unterhalb.
Steilgeböschte, mit Urwald bestandene ThalhSnge treten dicht an die Flufskonturen
10 XI.
Muun
50
2—4
1 : 40
555
I.ulua
heran — Thailänder iiberhöben den Wasserspiegel um 30 m — Tic! Schnellen
und Suag — Gneifs.
50 bis 100 breite, mit Wiese bedeckte Thalsohle — Baumgroppen — linke Thal-
13 XI.
Luiun
3- bi* 400
3—4
1 : 100
.'34
Kasaai
hang sanft, rechte steiler geböscht, mit Urwald bestanden — Thalränder uberboheu
den Wasserspiegel um ca 100 ra. 1000 m unterhalb Steinhano — Wasserfarbe:
schmutziggelb.
Die den Lulua begleitenden Erhebungen sind mit dichter Bowhsavanne bcatanden.
6U 56'
Loluaburg
!
i
}
1
überhöhen den Wasserspiegel um 80 m uud fallen mit mittelstarker Böschung zum
Fluf* ab. Auf der bi* C(H) m breiten Thalsohl# wechselt Wiese mit Galeriewald.
Weitet oberhalb erweitert sich der Lulua bia 1600 m und bildet eine grofsc Zahl
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Reisen im südlichen Kongo - Recken.
325
Datum.
Natu«.
Breit«.
erlogne
Tief«.
Ge*
irtmln-
digkelt.
Ab*o-
lut*
mündet
iu ;
Bemerkungen.
m
m
in
u
kleinerer, mit Pandanus, Palmen und Wollbiuroen bestandenen Invclu. Von Tschin-
genge bis zum Kangombe - Fall unter Gu 25' hat er eine Breit« von ca 200 m.
Auf der GesamUtrerk«: hat er ein« fast ununterbrochene Reibe von Schnellen und
kleinern Fällen.
Unterhalb Luluaburg verengt sich der Flufs bis 200 m und behält diese Breite
bis zum Kan»«* Bauplatz bei Kalamba unter 5° 26' bei. Erst von der Einmün-
dung des Luebo an wird er schiffbar. Die 60 bis 70 m hohen, mittelstark ge-
böschten und mit Urwald bewachsenen Ufererhebungen lehnen sich unmittelbar
an die Flufskouturen an. Mit einer Breite von 500 m tritt er unter 5" 3' und
21* 7' Ö. L. v. Gt. in den Kassai ein.
3/1. 1885
Tschibnuga
6
1—2
1 : 130
r. Zull,
d. Lulua
Geringe Thalsohle — schwach geböschte, mit Urwald bewachsene Hänge — Granit.
*/I. ,
Manaan-
gomma
20
2-3
1 : 60
480
Luhudi
(»Udl. i.
d.San-
kuru)
500 bis 1000 m breite, mit Urwald bestandene Thalsohlc — sanft geböscht«
Hänge — Thalränder dominiere» den Wasserspiegel um ca 100 m. — Viel
Gummi -Lianen — Eisenstein.
11 I. .
Tzcbibterh
7
li
1 : 60
Lulua
Geringe Thalsohl« ; diese wie di« mittelstoil geböschten Hänge sind mit Urwald bedeckt.
u m. ,
Lubi
6" 11 ’ S. Br.
20
2-3
1 :40
I.uhu
r. Zufl.
2- bis 400 m breite, mit Wiese und Haumgruppcn bestandene Thalsohle — sanfte
Hänge — Ufererhebuugen rechts treten nahe an den Flufs heran — am Fufse
Galeriewald mit viel Palmen — Thalhingc sind mittelstark geböscht, mit dichter
Baumhuschsavanue bedeckt *— Thailänder überhöhen den Wasserspiegel um ca 50 m.
11, UI. .
Lunienga
5—8
1
1:50
Lulua
1- bis 200 m breit« Thalsohle — mittelgeboacht« Hänge — halber Hang, wie
Thalsohlc mit Urwald bestunden.
13 in. .
Lukntsa
“
1—2
1:30
Tschiraei
(d. i.
Moljo)
400 m breite, mit Wiese bestandene, sumpfige Thalsohle — Palmen und Panda-
nus — Thalhängc sanft geböscht, mit dichter Baumbu«h*avannc bedeckt — Hang
rechts tritt dicht an den Flufs heran.
i8, in. ,
Kalnmbna
10
ii
1 :50
Lubiabi-
tuto (»dl.
i. d. Sau-
knm)
100 m breite, mit Wiese bestandene Thalsohle — einfache Ufereinfassung — Er-
hebungen iiberhöhen um 50 m, sind mittelstark geböscht und mit Bsumgnippen-
saranne bedeckt.
20,1V. .
Tschibunga
10
1—2
1:90
460
Lulua
100 ro breite, mit Galericwild bestandene Thalsohle, mittelstark geböschte, mit dich-
ter Baumsavanue bedeckte Thalhänge — ziele I’almen-Niveauunteraehiede bi» 60 m.
16 V. .
3/ VI. ,
Lorobelle
Luebo beim
Eintritt in
ilra Lulua
10—16
30
1-2
1 : 90
1 : 40
415
404
Lulua
100 bi» 2U0 ro breite Thalsohle. — Diese, wie der gröfsere Teil der mittelstark ge-
böschten Hange mit Urwald bedeckt. Niveauunterschiede bis 80 ro.
300 m breite, mit Urwald bestandene Thalsohle.
5 VI. .
Kaa»i —
Lulua
Eintritt
500
2-4
1 :60
390
Breite de* Kassai narb Vereinigung mit dem Lulua 2000 bis 2300 m — dein linken Kassai-
Ufer sind eine Anzahl bewaldeter Inseln wie Sandbänke vorgclsgert. Zwischen Ktasai und
dem linken Lulua* Ufer überköhen die Berge ron Bikenge den Wastempiegel um 100
bis 150 m; dasselbe trifft die linksseitigen Ufererbebungen des Kavuii.
7 /VI. .
9 VI. ,
14/VL „
Kassai
LuangalLs-
Mündung
Sankuru-
Mündung
1800
30
400
2—4
1 : 40
1:50
1:80
Erhebungen treten links noch an den Strom heran, sind mittelstark geböscht und überhöhon
um 40 bis 50 m den Wasserspiegel — zu beiden Seiten ausgedehnter Urwald — viele In-
seln und Sandbänke.
Mündet in sechs kleinen Armen von rechts in den Küksü — breite, mit l’rwald bestandene
Thalsohle.
Der Sankura mündet von rechts mit zwei Armen — 250 und 60 m breit — iu den Kassai. —
Der Mündung vorgelagert befinden sich vier bewaldete Inseln, deren grbfste bis auf 2000 m
unterhalb die hellgelben Wasser des Sankura von den bräunlichen des Kassai trennt.
18/ VI. .
Kami
2000
4—6
1 : 50
lteehts wie links treten die den Wasserspiegel um 40 bis 50 rn überhohenden Erhebungen bis
•dicht au den Strom heran — Hänge häufig steil, rechts durchweg bewaldet — viclo Halmen.
20/VI. .
Loange-
Mündnng
(Temua auch
Tcmbns gen.)
60
3—5
1:160
Mündet von links in den Kassai ein — Ufererhcbungeo sind niittelsteil geböscht, bewaldet
und überbuhen uro 60 bis 100 m.
2li VI. .
KtLMui
4* 6 r
19° 57 '
ö. L. v. Gr.
2- bi»
3000
2-4
1:60
Die Erhebungen sind mit lichter und dichter BaumbuschaTann« befanden — der linke Thal-
hang zeigt häutig latenthänge — viele unbewaldete Inseln und Sandbänke — die Ufer
werden ron einem schmalen Streifen Galeriewald eingefafst — der Strom wird ron den
Eingebomen Tsehankulu genannt.
26/ VI. „
Kasai
3“ 38'
19" 9‘
Ö. I- t. Gr.
2- bi»
4000
2—3
1:40
Erhebungen überhöhen den Wasserspiegel um 20 m. — Hange mittelstark geböscht, zum
grölsern Teil mit Urwald bestanden, wo nieht dichte Baumsaranne. Bedeckung der Inseln
Gras und Mimosen.
27 VI. „
Kassai
3" 36’
18" 59’
ö. L. r. Gr.
2- bis
600O
1 — 3
1 : 40
Sehr viele Inseln und Sandbänke — Erhebungen links dominieren den Wasserspiegel um
20 ni — Steilhäng« (Latent).
mm. .
Kasai
3" 24'
18" 35'
G. L. T. Gr.
1200
3—5
1 : 50
Spärliche Bedcckungsvorhältnisse — - tialcriewald nur au wenigen Stellen des rechten Ufers —
zu beiden Seiten Hügellandschaft mit Savanne.
326
Reisen im südlichen Kongo -Becken.
n
erio g*ce
Oe-
achwln-
tiigkoK.
AI.W-
Datum.
Name.
Brette.
Tiefe.
lute
Huhn.
Bemerkungen.
m
tu
ro
m
l/vn. 1885
K&sjai
600
3—12
1 :60
Zn beiden Seiten Hügellandsehaft mit Saranue uud ilöheudiffereuien bis 10 m. An den
3" 18'
Ufem Baum- and Strauchgruppcn — Sandstein.
18° 8'
0. L. t. Gr.
s. vn. „
Kuango
3" 12'
295
Der Mündung sind ausgedehnte Gnuitueln and Sandbänke Torgelagert. — Wasserfarbe : lehmgelb.
17" 59'
s/vn. .
Kftfeti
Der Kassa i erweitert »ich seeartig. Die Ufer nind teil» Ton Galrriewald, teil« Bauragruppen
3" 11"
17“ 36'
Mdmi
eingefaßt. Hügelland.<chaft recht» and link« mit lichter Baurmaranue.
4/vn. „
200 ?
1 : 30?
Erhebungen rechte überhöhen nro 10 m don Wasserepiegel. Links ausgedehnte Grasebene. —
(Lukengo)
Wasserfarbe: schwarzbrauu.
9'VII. .
Kaani
COO
8—86
1 : 70
287
t'ferbekleidung : Bauragruppen oiler Galcriewald, der sich in den Ticfcnlinicn bis auf das Fla-
(Mündung)
tatu der Erhebungen hinaufzieht — auf diesem lichte Baumbuschsarauue — die Hinge
sind «teil gebö«cht — die Thalriinder überhühon den Wasserspiegel um 50 bi* 150 m.
Bei der Einmündung des Ka&ai iu den Kongo Ut derselbe ca 5* bi* G00 ra breit und 20
bis 35 m tief.
Lul ongo.
Derselbe zeigt in seinem ohern Laufe Marke Krümmungen, ist 30 bis
300 m breit, hat eine Durchschnittstiefe von ca 3 nt uud eine Geschwindig-
keit von 1 : 56. Erhebungen treten nur an einigen Steilen an den Fiufs
heran, überhohen den Wasserspiegel um ca 10 bis 20 w und sind mit
dichter Baumsavanne bestanden. Die sehr ansgedehnte Thalsohle ist an
beiden Seiten mit einer üppigen Urwaldvegetation bedeckt und von zahl-
reichen Wasseradern durchzogen. Im untern Laufe erweitert sich der Lu-
longn bis 3000 m, hat eine Tiefe von 3 bis 5 nt uud eino Geschwindig-
keit vou 1 : 40 m. Sein Lauf zeigt weniger Krümmungen, wird aber von
einer gTofsen Zahl dicht bewaldeter Inseln unterbrochen. Erhebungen
treten fast ausschließlich links au den Fiufs heran und übeihöhen den
Wasserspiegel um ca 15 m. Die Bedeckung ist dieselbe wie im Oberlauf.
Au der Mündung ist der Lulongo 700 ro breit, 4 m tief uud hat
eine Geschwindigkeit Ton l : 35 (niedriger Wasserstaod).
Hieraus ergibt sich eine Wasserführung von 1400 cbm pro Sekunde
(Rhein bei Kmmorich 1980 ebra).
T 8 c h u a p a.
Für den Tschuapa treffen dieselben Verhältnisse wie beim Lulongo zu.
Kur ist »ein Lauf gestreckter, sein Flußbett tiefer und »eine Wassermasse
bedeutender. Aach würde noch zu bemerken sein, dtfs die den Fiufs ein-
fassenden Urwatduugen nicht den nassen l'ntergruud haben, wie di« des
Lulongo. Wasserfarbe: theesebwarz.
An der Mündung ist er ca 8üO m breit, hat eine Durchscbnittsticfr
von 6 ru und eine Geschwindigkeit von 1 : 35.
Die Wasserführung beträgt danach pro Sekunde ungefähr 20 00 cbm
{bei niedrigem Wasserstand).
Wasserführung des Kassai zwischen Sankuru
u nd Lo ange.
Mündung unter 4° 22' 42” S. Br. und 20" 20' ö. L. v. Gr.
Am IS. Juni 1885 fand sich Gelegenheit, ein Kassai- Proöl aufzu-
nehraeu. Eine Bast« von 100 m nebst den nötigen Winkeln ermöglichte
die gegenseitige Lage von mehreren Uferpunkten zu bestimmen. Es ergab
sich hieraus eine Flufsbreite von 570 m. Die Durchachnittstiefe betrug
7 ra und die Geschwindigkeit in einer Minute 57 ra. (Niedriger Wasserstand.)
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Von Dr. R. A. Pbilippi. (Sehiufi >>.)
Ich lasso nun ein systematisches Verzeichnis der frem-
den, jetzt in Chile wachsenden Pflanzen folgen. Bei Auf-
stellung desselben bin ich auf die Schwierigkeit gestoben,
dafs es eine ziemliche Menge Gewächse in Chile gibt, von
denen es zweifelhaft ist , ob sie durch die Menschen ein-
geführt oder ursprünglich einheimisch sind, wie wir von
den sogenannten kosmopolitischen Pflanzen, z. B. Sonchas
oleranus , annehmen müssen. Die nur im kultivierten
Zustande , aber nicht verwildert vorkommenden Pflanzen
1) l>en Anfug «. im Torigon fl, fl, 3. 294 fr-
emd mit * bezeichnet ; ein -j- bezeichnet diejenigen, welche
irrtümlich als in Chile wachsend angegeben sind.
Systematisches Verzeichnis der Pflanzen, welahe in Chile
olngeführt sind, und die Chile mit Europa gemein hat.
Hanuneulaceat.
ltanunculiu aquatilis I-
— muricstus L. . gemein an allen
feuchten Orten.
— repeus L. dore pleno, hier und
da, kommt auch mit einfachen
Blumen bei Santiago vor.
— aceleratui I.., wird in Beechey*
Kciw aufgeführt alt bei Val-
paraiso gefunden, Ut nicht
im Werk Ton Gay aufgeführt
und mir auch nicht rorge-
koramen.
Anoiuueae.
•Anona Chenmolia MiU. S. oben.
Papaceractae.
KKhwholuia californiea Chan.. ge-
mein am Wege ron Valparaiso
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
327
nach Visa de! mar and wei-
terhin.
Funurm raedu LoiJ., gomein io den
Hecken und Gärten von Sant-
iagu und anderswo.
— Vailtantii Lois. Im Flufsbett des
Cachapaal gefunden.
Cruci/erae.
Närtuitiuro ofBcinalo 1t. Br., selten.
— palustrc IX.'., im Araultanerl&nd
gefunden.
Sisymbnurn ofßcinale Scop., überall.
— Sophia L-, überall.
ßraasica nigra Koch, gemein in den
nördlichen und mittlern I’ro-
vinien.
*“ *“•“ L * S. oben.
•— Kai» '<• I
' — h'apos L., überall in Chilo eines
der gemeinsten l'nkrüuter.
Baphanus satirus L. , häutig gebaut
und ein gemeines Unkraut.
•Cotblearia Armorncia L. , sehr sel-
ten gebaut.
Isatis tinctoria L., jotit nicht mehr
gebaut, findet sieh bei Sant-
iago Terwildert.
Lepidium rudenle L., sehr selten.
Capsella bursa pastoris Mönch, über-
all, selbst hoch in den Anden.
Sencbiera pinnatifida DC., häufig.
l'iolaricat.
Viola oderata I.., bei Valdivia und
anderwärts verwildert.
— tricolor L. , auf Äckern und in
Garten.
CaryophytUnr.
Sirene galiica L. , überall gemein;
S. glomerata Hand, ist wohl
blofse Varietät.
t— Olites Per»., soll nach Mcycn in
Chile Vorkommen.
+— ccrastoides L. , von Preel als
chüenisch angegeben.
Stellar» media Sm., so gemein wie
in Euro|«.
Arcnaria serpyllifolia L., bei Santiago
gefunden.
— rubra L, nicht selten.
— media L., desgleichen.
Cemtium rulgatum I„, in allen
Gürten.
— arvensc L.,an vielen Orten, selbst
hoch in den Anden.
Sagina procumbens L,|
Jsse:
Malvaceac.
Malta nicaetiuM All., sehr gemein
in den mittlern Provinzen.
— jarrillora L, nicht eben «eiten.
— rotundifolia L., in Valdivia ge-
funden.
Hyper iccac.
Hypericum perforatum L., rängt an,
«ich in Valdivia auazubreiten,
nnd kam mit Ura&amen.
# Mtliaceac.
M<üa Axedsrvh L., nur selten tu
finden.
Ampelideae.
•Vitis viniferaL., stellenweise verwil-
dert.
Oeraniaceac.
Geranium Robertianum I«, hier u. da.
— dissectum I>, in Gärten ebenso.
— rotundifolium I.., ebenso.
— pyrcnaicum L.
Erodiuru cicutdrium W. und
— moschst um W., beide »ehr ge-
mein und ala Pferdefutter ge-
schätzt.
— Botry* Per«.
— nialacoidea W.
Oxalideae.
Ox&li» corniculata L. , überall ge-
mein.
Butaccac.
Kutu bracteosa DC., bei Santiago
und an einigen andern Stellen.
Auacardiaccae.
•Schinus Molle L. , in den mittlern
und nördlichen Provinten, in
IhraiMicä wild.
♦Ailanthuc gUndulota I)c»f. , in Par-
ken und Alleen1).
Leguminotae.
•Ulet europaeus L-, in den Provin-
xen Concepcion und Valdivia
zu Hecken verwendet.
Modicago sativa L., n. oben.
, . hÄufig ;
— lupuhua L.
— roarginata W.
— rouculata W.
— denticulata W.
— minima Lamk.
S. oben.
dlo
Schafe fressen
die Samen lm
8pht<ommer,
wenn nichts
audreiauf den
Weiden xu An-
den Ul.
TrigonelU mooapeliaca L., von mir
im Flufsbett der Floate Acon-
cagua und Cachapoal getän-
den, kommt auch in Argenti-
nien vor.
Melilotus porviflora D«»f., häutig.
•Trifolium prateme L., *. oben.
— repens I.., jetzt fast überall ver-
wildert zu finden, besonders
im Süden.
— procumbens L., von Gay bei Con-
ecpcion gefunden.
Lotus comiculatus L-, in Chiloe
und bei Oaornu.
Lathyrus maritimus L., von der Ma-
gellanstratse bis in die Nähe
von Valdivia.
• — sativns L. S. oben.
Vicia atropurpurea Desf. , in den
Ackern bei Santiago und an-
derswo.
— satira L., in Valdivia und auch
sonst verwildert ; ich habe sie
nie angebaut gesehen.
•Faba vulgaris Mill.
•Brauns I.ens L.
•Piauru sativum L.
•Ciccr arictinum I..
•Pbuseolua nanus L.
• — communis L,
>) Rechnet man die Provinz Tara-
paca zu Chile, so iit noch Mangi-
fera L. hinzuxufugeu.
•Robinia pveudoacaeea L., häufig ge- I
pflanzt.
•Coulteria tiuetoria H. B. Kth. Tara,
in den nördlichen Provinzen
ab und an gebaut; die gerb- •
»totfhaltigcn Friiehtc dirnton I
früher, utn Tinte zu machen.
•Erythrins »p. In den Höfen und
Gärten Santiagos ; wird ein 1
grofser Baum und beifit ceibo.
•Inga Feuilloi, DC., io der Provinz
Tarajtacii gebaut ; die Pulpa
der Früchte wird gegessen.
Amyydalcac.
•Amygdalus Persica L.
— communis L
•Prunus Armeniüca L.
• — arium I*
• — Cerasus L.
•— domestica L.
S. oben.
I
Roiaceae.
Alchcmilla Apbanes I/rer*. , häufig,
selbst in den Bergco.
•Poterium Sanguisorba I.., S. obeu.
Potentilla anserina L., nicht selten
im Süden.
•Fragaria vesca L.
•Kubus Idaeus L. I . . »
.... * ; «sehe oben.
• — iruticosus L. (
Rosa musrhata Mill., an vielen Stel-
len verwildert.
| beide vielfach in
• — rubiginosa L. ! Valdivia ver-
• — canina I- | wildert.
Powaccac.
•Pyrus communis L.
*— Malus L.
Cydonia vulgaris Per«.
•Kriobotrya japonica Lind).
•MespUus germanica L.
•Crataegus monogyna Jaeg.
Onograriat..
Epilobium Utragonum L.
i
77 aloragcuc.
Hippuris vulgaris L. In der M&gel-
lanstrafse, von meinem Sohn
auch bei Truniao gefunden.
Myriophyllum verticillatum L. Ge-
mein.
Callitriche vertu L. Cberall.
Lythrarieac.
Lytbrum Hywopifolia I« Gemein1).
?— Graetferi Ten. (albicault Bert);
die Berteroscbe Art scheint
mir vou der europäischen ver-
schiede».
Portuluctac .
Portulaca oleracea L. S. oben.
Muntia fonta na L.
Paronycnicae .
Polycarpon tetrapbylluro L. In den
Provinzen Curicö, Maule, Con-
cepeion.
Corrigiola telephiifolia Poura.
S. oben.
Selten.
*) L. Thymifoiu, im Werk ton i
Gay als chilenische Pfianie aufgcltihrt, *
wächst nicht in Chile, und ist wohl
uur eine Form von Hysiopifolia, mit '
diesem Namen bezeichnet.
Cra4iulaceae.
Trllaea museota L.
Mtttmbryanthtmcac.
Mesembryanthcroum crystallinum L.
Gemein im Thal von Huasco.
UmbclUferae.
Apinm gTaveolens L.
•Petroselinura wttivum Hotfro. Siehe
oben.
Heloaeiadium nodifiorum Koch. Bei
Coquimbo und Quillot*.
Arnrui Visnaga L. Gemein in den
mittlern Provinzen.
•Pimpiuella Anisum L. S. oben.
Foeniculum dulce DC. Gemein in
den mittlern Provinzen, nicht
im Süden.
•Anethum gravcolcns L.
Pastinaca satira L. Bei Talca &c.
verwildert.
•Cuminum CSminum L.
Daucu» Corota L. In der Provinz
verwildert.
Torilis nodosa Gärtn. Gemeines
Unkraut.
Scandu Pecten-VeneTis I. In der
Crogegend Ton Santiago ge-
funden.
•Antbrwcus Ccrefolium HoHm.
rMyrrhis odorata Scop. Die chileni-
sche Art scheint mir ver-
schieden.
Coniuni mnculaturo I„ Zu Anfang
des Jahrhunderts von einem
spanischen Apotheker einge*
führt, ist jetzt der Scbiorling
in den mittlern Provinzen an
den Wegen gemein, bei Val-
divia »ehr selten; dient zu
Schutzdächern; die Pferde «ol-
len ihn ohne Schaden fressen.
•Aracacbacsculenta Bauer. (Heracleum
tuberosum Mol.), habe ich
nirgends in Chile gesehen.
S. oben.
Bubiact ae.
Sherardii anensis L. In der Pro-
vinz Nubie gefunden.
Galium Aparine L. Gemein.
— murale DC. Auf don Vorbergen
der Anden bei Santiago gar
nicht »eiten.
Valcriantae.
Valerianella olitoria Mönch. Bei
Santiago.
Dipiaccat.
Dipaacus fullonum Mül. Häufig.
Cucurbiitaeace.
•Cucurbita roaxima Duch.
— Melopepo I*
•Lagenaria vulgaris Ser.
•Cucumis »tivua L.
•- Melo L.
• — Citrullus L.
Synanthereac.
Erigeron alpioum L.
Senccio vulgaris I* Brat seit etwa
35 Jahren bekannt, jetzt ein
gemeines Unkraut.
328
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Unaphalium luteo album L.
Pilago s^mllxctt L. Sehr gemein.
Leucantheraum vulgare Lam. Siel-
lenweiae in Yaldivia, mit (irav
samon gekommen.
Anthemis Cotula L. Hin* der ge-
meinsten and lästigsten Un-
kräuter.
— arvenauL. In Valdivia hier u. da.
Achilles millefolium L. Wie die
vorige , mit Gnuuamcn ge-
kommen.
Cotula eorouopifolia I.. Im Werk
von Gay vergossen, trotzdem
sie sehr häufig angetroffen
wird, nicht nur in dor Nähe
des Meere?, Kindern auch
weit landeinwärts.
Pyrethrum Ruthenium Smith. Be-
sonders häufig in Yaldivia ver-
wildert, doch auch anderwärts.
Xantkiura spinoauru L.
— mocrocarpum DC. Heide Arten
sind häufige Unkräuter der
mittlem und oönllichon Pro-
vinxoD.
"Helianthus auuuus L. Bei Santiago
gebaut.
Centaurea meliteosis L. S. oben.
Unicus bencdictu* I*. Kinxeln, bei
Santiago &*c.
"Cynara Sfolymu* L. i
— Cardunculn» L. I« ^
Cirsium lanceolatum Scop. j ‘ 0 ,cn*
Silybum marianum Gärtn. J
Lßpeana communis L. In der so-
genannten Quinta normal von
Santiago.
"Cichorium Bndivia L.
— Intybu« I« §. oben.
Iiypochaeris rndicsta L. S. oben.
— glalira L. Auf der kleinen Insel
im See von Aculco gefunden.
Cnpb virens L. S. oben.
"Tragopogon porrifoliux I«.|
•Seorzonera hispanica L. J 8. oben.
"I«*ctura «itiva L.
Taraxacura ofHcinale Vill. S. oben.
— • lacvigatnm 1>C. Magellanxtrafic,
hohe Anden.
Primul actae.
Primula* farinoea L. Magellan-
stralae.
Anagallis orvensi? L. Hier und da.
Saraolus Vulerandi I.. In den nörd-
lichen Provinzen.
Gtntiantae,
Gentiana prost rata llänk«*. Mugol-
lonstrafo*.
Convolvulaeeae.
"Batntas odulis Choisy. S. oben.
CoiitoItuIus arveniis L. Desgl.
Calystegia sepium L., nur die rot-
bl übende Form (C. rosea I’h.).
— Soldanclla L. An vielen Stel-
len am Seeatrand.
Cresa cretica L. , wenn Cr. trojil-
lensis liurab. wirklich iden-
tisch ist.
Oleaceae.
•Olea eurojaea L. S. oben.
S. oben.
f.abiaine.
"Ociroum Basiücura I.. )
" — minimum L.
Mentha piperila L.
— citrata Khrh. |
— Pulegiuin L. Sehr liäulig.
Lamiutri omplcxiraulc L. In der so-
genannten Quinta normal in
diesem Jahr gefunden.
•Origanum Majorana L. S. oben.
Brunelia vulgari* L. S. oben.
Molacclla laevw L. An mehreren
Stellen nördlich von Santiago
häufig, fern von Wohnungen.
Marrubium vulgare I- Jetzt an vie-
len Stellen sehr gemein, xum
Teil erst seit wenigen Jahren.
Soll aus dem ehemaligen Cuvo,
d. h. dco argentinischen Pro.
viuxeu Mcndoxa, S. Juan und
Cordoba durch Schafe einge-
schleppt sein und heifst
yerlxa CQJPUU.
Teucrium Scorodonia L. Bei Valdi.
via und in der Provinz ftubte
gefunden.
Svlanaccae.
Datura ferox I,. Häufig in den
mittlem Provinzen : ist viel-
leicht eigne Art, und im
Werk von Oav für D. Stra-
monitim gehalten.
"Nicotiaua Tabacum L. S. oben.
?— rustica L. Ob einheimisch ? 8. ob.
Solanum nigruru L. Cberall, wenn
e* wirklich identisch mit der
europäischen Art »st.
"— Berengcno L-
"Lyoopersicuni «euieotum
Mill. S. oben.
I "Capsicum annuuraL. Ajl.
"— var. Aji limenso.
Serophula rinae.
Yeronica Buxbaumii Ten. In deu
Gurten von Santiago.
— arvensw L. itatgl.
— Anagallis L. Im Thal des Rio
de Coquimbo, bis hoch hin-
auf in die Anden.
— serpyliifolia I.. An mehreren Stel-
len der Provinz Valdivia.
Limosei la aquaticx I.. Antofagasta de
la Siena (gemein ist tenuifo-
lia Nutt).
Antirrhinum mxjus L An Felsen ober-
halb Valparaiso.
Linariu vulgaris Mill. In der Pro-
vinz Npblc.
Verba9cuiu virgatura Wilh. Ebenda.
— Thapxus L. An mehreren Orten.
Digitalis purpurn L. S. oben.
Plantaf/ineae.
Plan tago rutjor L. Fast überall.
— lanceoluta L. Vor etwa 25 — 30
Jahren eingeführt, jetzt häufig.
I
Amarantaecae.
Amoranthu* hybridu» L.
— tristi* L.
— Blitum L.
Euzolus caudatoR Moq.
— deflexua Moq.
Auf
Äckern u.
in Gärten
der nürdl.
u. mittlem
Provinxen.
Chenopodiaccae.
•Beta vulgaris L. S. oben.
Chcnopodium ficifolium Sm. Hier
und da.
— murale L. Häufig.
— glaucura vor. L. Magellanstrafse.
Atriplez Huliraus L. In ilen nörd-
lichen Provinzen.
Salsola Kali L. Häufig.
Gemeine
Unkräuter.
Pohjyoueat.
Polygonum Perzicaria L.|
— lapathifolium L.
— aviculare L.
— maritimum L. Häufig.
Humex Patientia L.)
— sanguincu* L. | Gemeine Un-
— erispus L. | krfiuter.
— pulcher L. )
" — Acetoea L. Nicht häufig kul-
tiviert.
— Aeetoeella L. Ebenso häufig wie
lästig. S. oben.
Laurintae.
•Lauras nobilis L. In den Gärten, !
aber nicht häufig.
•Persea gratissima Gärt. 8. oben.
EuphorbiaCCa .
Ricinus communis L. In den mitt-
ler» und nördlichen Provinzen.
Euphorbia Lathyris. L. liier und da.
— Peplua L. Von französischen
Gärtnern zum Garnieren von
Blumensträufsen vor etwa 30
Jahren eingeführt, jetzt ein
gemeines Unkraut.
Urticaceae .
Urtica urens L.
— dioica L. In Gärten und an
Wegen. (Sind die tod Wedel!
hierher gezogenen chilenischen
Formen wirklich blofse Varie- :
taten r Sind sie nicht ur- *
sprünglich einheimisch •).
Camiabineac.
•Cannabis sativa L.
"itaniulu* lupeltas L.
Moraccne.
"Morus alba L. Seit einigen 30 Jahren. -
" — nigra L. Soltcn in den Gärteu
zu (luden.
•Ficus Carica L. S. oben.
"— mocrophylla Desf. In Gurten
und Alleen. In der Hacienda
S. Isidro steht ein Baum,
de wen Krone 30 Schritt im
Umfang hat.
Jwjlandtaz.
"Juglans regia L. 8. oben.
Sallcincae.
•Salix babyloutca L. Überall ange-
p (tanzt.
" — vituinalis L. S. oben.
"Populuc pyramidalis Rox. 8. oben.
• — aogulata Ait. Besonders im Ttial
des Co«iuimbo-klu»ios häufig
zu finden; J 856 von Luis Sada
•ingt führt.
Cupali/erae.
•Castanea vulgaris Iaimek. I
•Quereus ltobur L. J S. oben.
•Corylus Aveüaua L.
Cypreuineae.
"Cupresius fastigiata DC. Häufig in
Gärten, auf den Begräbnis-
plätzen &e.
Abieiineac.
•Araucaria excoUa Ait Häufig in
deu Höfen der Häuser von
Santiago und anderswo.
"Pinus Piuaster Ait. Seit einiger Zeit
an mehreren Stellen ango-
pfianzt.
fsemnnccae.
Leiuna minor L.I v.. . ....
— gibb» L. / :S,cht eb'n llia6*-
Eajadeac.
Potamogeton pusillus L.1 Nicht «l-
— pcctinatus L. j ten.
— natans L.
— lucens L. Im Flufs von Yaldivia.
Zonnichellia palustris L. Nicht sel-
ten, selbst in deu Anden.
Liliaccae.
"Aliium vitirum L.
" — Cepa L.
• — aacalotticum L.
• Porrum L.
• — Schoenoprasum L.
8. oben.
— roflcum L. Gemeines, nicht zu
vertilgende* Unkraut iu vielen
Gürten.
Asparagus officinalis L. Hier und da
verwildert.
"Agavo americana L. Häufig in Gärten,
ab und an on üffeotl. Plätzen.
Palma e.
•Phoenix dactylifcra L. Häufig an-
gopfinnxt, besonders hei Copi-
apo; efsbarc Früchte bringt
sie nicht hervor.
Juncaccac.
•Juncux acutus L. Bei Coureprion und
anderswo.
— bufonius L. Cberall.
— - bniticusDeth. Am Scostrand und
auf sandigen Plätzen.
Aroidcac.
Calla aeUttopica L. Hier und da
verwildert, z. B. bei Alganobo
und Conul.
Typhactat.
Typhaanguvtifolia L. Häufig in den
mittlem Provinxen; fehlt ganz
und gar im Südeu.
Cyperactac.
Cyponw enculentu* L. Selten und
wohl nur aus Kurioiität gebaut.
Kleocharis palustri* R. Br. Nicht
häutig, findet sich besonders
im Süden.
Isolepis aetacea R. Br. Ebenso.
Scirpu* cacspitosu« L.
Carex canescens L. Magellanstr&fse.
divirm Huds.
— iucuna Lightf. (melanocystis
Do*r.)
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329
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Car« leporinn I)m.
— xnuricata? L. Valdiri».
Gramineae.
ImperaU aru wlinncca Cjt. Im Süden
Chile*.
•Saccbarum offirinaram L. S. obon.
Opliiroemis cru* galli Veth. In den
mittlcm Provinzen ein büutige*
Unkraut.
•Phalari* canaricrm* L. S. oben.
Alupecum* alpinu* L. Magellan**
»trafsc, Valdivia, Concepcion.
Phleum alpinumL. MagellonsstraOw,
Anden.
Ilolcus lanatus L, S. oben.
•Sorghum 'ulgnr* IVn-j g obw)
• — saccharatum Pen*, j
Poly|K>gon monspehensis Deaf. Häufte.
ÜMtridium lcndigerom lirtid. Gemein.
Agrostis vulgaris With. In Valdivia,
kam mit Onivamcn.
Phragmites communis Trin. In ganz
Chile» heif*t Carrizo, daher die
Ortsnamen Cairixal.
•Aruudo Donax I« lu den Garten
der mitllem Provinzen häufig ;
blüht faxt nie.
Aira eanrophyllea L. Sehr Hiufig.
DeichampMu flexuoaa Trin. Nur iu
dor MagrllnnstrafAC.
•Aveua eativa. Nur vou Deutschen
kultiviert.
— hirsuta Rtb. Überall, 8. oben.
Anhenat herum elatiu* M. k K. ln
Valdivia verwildert.
Glyceriu fiuitana H. Ilr. An vielen
Stellen.
Poa annua L. überall gemein.
— nemorali* L. Magellnnstrafso.
— pratensis I.. Magellamtrafse.
I
Poa tririulii L. In Valdivia und an-
derwärts, wo sie kaum zu-
fällig biukommen konnte.
Fcstuca m uralt* Kth. Ziemlich häufig.
— sciuroides Roth. Sehr gemein.
Heide «nd ein vortrefniebec»
Viehfutter, das leider nur sehr
kurve Zeit dauert.
— pratensis Uuds. Ist nach Gay bei
Santiago gefunden.
Uriza roinor L. Sehr gemein in den
mittlern Provinzen, von Col-
ebagua bis Nogrete.
•Tritleura vulgare I*-|
• — durum Dcsf. [ S. oben.
•— polnnicuiu L. )
— repent L. Nur in der Magel-
lanstrafsc.
•Sccalo cereale L. S. oben.
Loliutn teinulentum L. Gemeines Un-
kraut.
• — multiflorurn Losck (italicum). S.
oben.
0 — perenne L. Gleichfalls,
•flordeura vulgare L.I
• — heiastichuio L. J- S. oben.
•— distiebum I«. }
— murinum L. Gemein.
— secalinum Schrei». Bov>uders im
Süden bkuflg.
— - nmritiroum With. Am See&trand
hier und da.
•Zp» Mai* L. S. oben.
Filiccs.
Folystichum aculeaturo Rth. Im *iid-
lichcn Chile.
Cyatoptori* fragilis Hernh. An Tirlen
Stellen.
llymcnophyllum tunbridgenae Sro.
Chilolh
In Surotna kommen also 1132 Arten in Cbile vor.
Ich hübe in diesem Verzeichnis die jetzt nur im kulti-
vierten Zustand verkommenden Gewächse mit einem Vor-
gesetzten * bezeichnet ; es sind ihrer 99. Früher wurden
noch folgende Gewächse angebnut, die jetzt nicht mehr ge-
zogen worden: Brassica nigra L., dor schwarzo Sonf ; Isatis
tinctoria, der Waid; Ituta bracteoaa, die Kaute; Conium
maeuiatum, der Schierling; Foeniculum dulco, der Fenchel;
Dipsueua fullonum L., die Weherkarde; Pyrethrum Parthe-
nium L., das Mütterkraut; Cnicus bonediotus, das Bene-
diktenkraut, und Ricinus communis. Von den 99 jetzt
kultivierten Gewächsen sind nur folgende 22 als wirklich
verwilderte auzusohon : Kaphanus sativus, der Kettig; Medi-
cago sativa, die Luzerne ; Trifolium repens, der weifso Kloo ;
Kubus fruticoBus , dio Brombeere; Amygdalus communis,
der Mandelbaum, Rosa mosclmta, Rosa canina L., dio Hunds-
rose, R. rubiginosa, die Weinrose; Pyrus Malus, dor Apfel-
baum ; Cydonia vulgaris, der Quittbnst rauch ; Pactinaca sativa,
die Pastinake; Daucus curota, die Möhre: Valerianolla olito-
ria. die Rahinsche; Pyrethrum Parthonium; Cynara curdun-
culns, die Artischocke; Cichorium Intvhus, die Cichorie;
Taraxacum ofßoinale, der Löwenzahn ; Mentha piperita und
Pctcrmanns Geogr. Mitteilungen. 1886, Haft XI.
j
citrata, die Minze ; Ricinus communis; Asparagus officinnlis,
der Spargel; Holcus lunatus, das Honiggras; Agrostis vul-
garis, gemeiner Windhalm ; Arrbonathorum elatius, das fran-
zösische Raigras. Von den übrigen 75 Arten angebauter
Gewächse ist keines vorwildert., namentlich kein Getreide,
keine lliilsenfrucht, weder der Kobl, noch dio Ruhe, noch
dio Runkelrübe &c. Es ist bekannt, darum aber nicht min-
der sonderbar, dafs diese Gewächse, sowie dio meisten unsrer
Obstbäume, nirgends verwildern, abor auffallend ist es, dafs
in Cbile zwar der Apfelbaum sich in der Wildnis so zahl-
los bat fortpftanzen können, dafs dasselbe aber nicht auch
mit dem ßirnenbaum und Pfirsichbaum der Fall gewesou ist,
die in den mittlern Provinzen unstreitig ein Klima vorfin-
den, das ihnen ebenso zusagt, wie das von Arauco und
Valdivia dem Apfelbaum ; konnte doch auch der Pfirsich-
baum bei ßuenos Aires verwildern.
Die Zahl der Zierpflanzen, welche aus den Blumengärten
hinaus ius Freie gewandert und Bürgerrecht iu dor chile-
nischen Flora erlangt buben, die sogenannten aufugae ex
hortis, ist sehr gering ; ich rechne dahin Eschscboltzia cali-
fornica, Ranunculus repens, Viola odorata, Moluccella spi-
nosa, Verbascum thapsus, Antirrbiuura majus, Digitalis
purpurea, Allium rosouin?, Calla aethiopica.
Die Mehrzahl dor Pflanzen, welche Chilo mit Europa
gemoiu hat, Bind offenbar zufällig mit den Samen von lin-
dern zum Anbau auf den Äckern und in Gärten bestimmten
Gewächsen ins Land gekommen , allein es gibt auch eine
ganze Menge Arten , bei denen dies gewifs nicht der Fall
gewesen sein kann, oder wo es höchst zweifelhaft ist. Dazu
gehören
A.
PUum maritimuro L.
Cotnla coronopifolia L.
C'onvolvulus Soldanclla L.
Atriplex halimua L
Salxola Kali L.
Die Seeatiandpftanxcn :
Polygonutn maritimum L.
Juucus acutus L.
— balticus W.
Hordeura maritimum I..
1). Folgende
Ranunculus oquatili-i L.
Nasturtium oßkinale R. Br.
lleUoKCtadiuro nodifloram Koch.
Veronica Anagallis L.
llippuris vulgaris L
Myriophyllum verticillatum L.
I.eronn minor L.
Süfswasserpilanxcn :
Ixmna gibba L.
Zaunichrllia palustris L.
PoUraogeton natnns L.
— luecns I*.
— pusUlus L.
— pcctimtu* L.
C. Eine Monge SumpfpSunxon oder solche, die wenigstens nur an feuchten
Orten wachsen, nämlich:
Itanunculu* niuricatns I..
— sreleratn, L.
Nasfurtium imtustre H. Br.
Putcntilla anserina I,.
Kpitohium tetragonum I..
Lythrom llystopifolia I-
? — Graetfori Ten.*).
' Callilriehe rema L
Mvntia fnntaua 1,.
Tillsea nnwoa 1-
l Apinm grarcnlens I..
[ Gnaphalium luteo-albnra I-
Samolns Valeiandi I..
I Calyatcgw sepium 1,.*).
i
1) Jth halte mit Berten» die chilenische unter diesem Namen beschrie-
bene Art für verschieden. , , ..
1) Weuu nimtich die Form mit rosenroten Blumen (C. rosen) damit
identisch ist.
48
330
Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
Curex coiiex«cns L.
— difisx ilud*.
— leporinu I#.
— Riuriruta L.
Glyceria fluitons L.
Phnigtmtc* cwmnuni« Tri«.
Veronica xerpylüfulia L.
LimoMlla aquatica L.
Juncus bufouius
Typha angustifolia L.
Heleocharis pnltwtris L.
Isoltfpis vtacea I»
ScLrpus cawpitoaus L.
Die 49 in diesen drei Abteilungen aufgeführton Arten
sind bereits Linne bekannt geweson mit Ausnahme von
Ilordeum maritimum, Carex divisa, Juncus balticus und
dem zweifelhaften Lythrum Graeffori.
Nun gibt es noch eine kleine Anzahl Pflanzen , welche
nicht als Unkräuter Europas betrachtet werden können,
oder von douen sich annehmen lüfat, dafs ihre Samen zu-
fällig unter die von Kulturgewüchsen gekommen sein kön-
nen, die nach Chilo gebracht sind. Einige wachsen zudem
au Orten, die von jodor Kultur weit entfernt siud. Ich
rechne dahin :
CemAtiuni arT«tu« I * Findet steh Primula farino« I..
in den Anden. Gentiana prostrata Hauke.
Geranium pyrcnaicum L. Crcasa crctica L.
Corrigiola telephiifolu Foir. ('arex incum I.ightf.
Myrrhi* odorata Scop. ,). Hoho Kot- Impemta arundiuscea Gr.
dillere. Atopecurus alpinu» L.
Taraxacum laorigatam DC. l’hleum alpinum L.
Erigeron alpinum Lorak. Deschnxnpeiin Ücxuor* Trin.
Id eiuem Aufsatz, betitelt : „Systematische Bemerkungen
über die beiden ersten Pflanzensendungen Philippis und
Lecblers im südlichen Chile und in der Magellanstrafse“,
welcher im sechsten Bande der Abhandlungen der Kgl. Ge-
sellschaft der Wissenschaften .zu Göttingen erschienen ist.
bespricht Griaehach die in der Hookerschen Flora der
Magollansländer aufgenommeuon europäischen Gewächse. Die
Anzahl phanerogamisclier Formen beträgt 47, wozu Grise-
bach noch ans Lecblers Sammlung Cupselia buraa und Urtica
urens hinzufügt. Er teilt diose in drei Kategorien:
1. „Europäische Formen, deren Vorkommen in hohen
Breiten der südlichen Hemisphäre [speziell in Chile] durch
dio Einfuhr europäischer Kulturgewächse oder durch Schifls-
ballast zu orklären ist“, 22 Arten, darunter befinden sich
Taraxacum laevigatum DC. , Chenopodium glaucum L.,
Deschampsia floxuosa Trin., Triticum repons L. Letztere
drei Pflanzen kommen ausschliofslich in der Magellun-
Btrafse vor, das Taraxacum ebenfalls in derselben, aber
auch an vielen Stellen der Anden in grofson Höhen, deren
klimutische Verhältnisse etwa denen der Magcllanstrafse
entsprochen. Europäische Kulturgewächse waren abor zur
Zeit, als Hookor dio erwähnten Pflanzen beschrieb, schwer-
lich in der Magellanstrafso eingeführt, und ebonsowonig
war in der Magellanstrafso Ballast ausgeworfen. In diese
erste Griscbachscho Kategorie müssen noch Erigeron alpi-
l) Die unter diesem Namen aufgeführto rilanze halte ich tlir ver-
aehieden.
num , Gentiana prostrata , Phleum alpinum gerechnet wor-
den, die in der .Magellanstrafso gleichfalls vorkommon, und
deren Samen wohl nicht unter die von Kulturgewüchsen
gekommen sein können. In dieselbe Kategorie müssen wir
ferner Geranium pyrenuicum, Corrigiola telephiifolia, Mvrr-
his odorata, Primula farinosa, Gentiana prostrata, Cressa
oretica, Carex incurva, Imperuta urundinncea, Alopecunis
alpinus rechnen , deren Samen wohl nie unter die von
Kulturgewüchsen geraten können; doch will ich zugeben,
dafs man die Identität mehrerer dieser Arten, wie Gera-
nium pyrenaicum , Myrrhis odorata , Cressa cretica , Carex
in curva, Alopecurus alpinus bestreiten kann. Dann ist
es aber um so wunderbarer, dafs im südlich-
sten Amerika Pflanzenforraen Vorkommen, die
solchen der nordischen Hemisphäre zum Vor-
wo eh so ln ähnlich sind. Dio oben erwähnte Grise-
kachschu Erklärung scheint mir eine reine und den That-
sachcn widersprechende Hypothose.
Zu seiner 2. Kategorie zählt Grisebach 10 Arten, „euro-
päische Formen , deren feuchter Standort , oder deren
Verbreitung an dor Meeresküste und Unabhängigkeit von
der Einwirkung des Seewassers auf die Keimkraft der Sa-
men schliefsen läfst“. Hieraus geht doch wohl liorvor,
dafs Grisebach der Meinung ist, die Samen dieser Arten
seien direkt oder mit Zwischonstationeu durch dos Meer
nach der Magellunstrafse und dem südlichen Chilo ge-
schwommen. Es sind aber, abgesehen von den Seestrand-
pflanzen , nicht 10, sondorn 40 europäische Pflanzenarten,
welche an feuchten Standorten Chiles wachsen und in diese
zweite Grisebuchsche Kategorie gehören , wio aus meinem
oben gegebenen Verzeichnis horvorgeht, wozu noch 9 See-
straudspflanzen kommen , also fünfmal so viel als Grise-
hach kannte. Um die von ihm gegebene Erklärung als die
richtige zu beweisen, genügt es abor nicht zu „sch Hes-
sen, d. h. im gegenwärtigen Falle blofs zu „vermu-
ton“, sondern es ist durch Experimente zu bewei-
sen, dafs wirklich die Samen aller dieser Pflanzen durch
die Reise im Meerwasser ihre Keimkraft nicht verlieren,
und zwar müssen sie die Fähigkeit besitzen , longo in die-
sem ohno Schaden zu verweilen, denn der Weg vou Eu-
ropa nach der Magellanstrafso ist weit, so dafs er von deu
schwimmenden Samen gewifs nicht so schnell wio von
oinem Segol- oder gar Dampfschiff zurückgelegt werden
kann , und manche Pflanzenarten dieser Kategorie haben
keine Zwischenstationon, wo sie sich hätten niedcrlassen kön-
nen, um später ihre Nachkömmlinge weiter uuf die Reise
zu schicken ; wenigstens siud mir von ihnen keine solche
Zwischenstationen bekannt. Ich wüfsle nicht, dafs jemand
deu Versuch gomacht hätte, wie lango die in Rede stehen-
den Pflanzen im Meerwasser ihre Keimkraft bewahren;
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Veränderungen, welche der Mensch in der Flora Chiles bewirkt hat.
331
ohne den derartigen erfolgreichen Versuch ist aber die
Grisobachsche Erklärung eine blofse Mutinnfsung.
Die 3. Kategorie begreift 17 Arten der nördlichen
Hemisphäre in Hookers Mora Antarctica, deren Identität
Grisebach bestreitet, oder weiterer Untersuchung anheim*
stellt. Anemone decapotala Hook, aus der Magellunstrafse
erklärt er für A. multifidu Poir. und für sehr verachiodeu
von der echten A. decapotala Nordamerikas; im mittleru
Chile kommt aber letztere häufig genug vor, wie dies auch
mit andern nordamerikanischen Pflanzen , Crantzia linoata,
Specularia perfoliata, Plantago virginica, Linaria canadensis,
Veronica peregrina, Mimulus luteus, Enphorbia hyperici-
folia, Oxytheca dendroides (Brisegnoa chilcnsis) und an-
dern der Fall ist. Galium Aparine Hook, hält er für ver-
schieden von G. Aparino L., und nennt es G. pseudoapariue-
Ich besitze dies Galium sub dor Magellanstrufse nicht, al-
lein das G. Aparino der mittleru Provinzen ist sicherlich
nicht von dem europäischen zu trennen, und es macht
nicht dio geringste Schwierigkeit zu orklären, wie die Sa-
mon dieses in ganz Europa gemeinen Unkrautes nach Chile
gekommen sind. Primula farinosa der Magellunstrafse hält
er flir vorschieden von der europäischen , worin ich ihm
nicht beistimmen kann. Ebenso halte ich das Pbloum al-
pinen) derselben Gegend für identisch mit dom europäi-
schen; es kommt auch hoch in den Anden an mehreron
Punkton vor. Ob der chilenische Alopecurus alpinus (A. aut-
arcticus Vahl) von der europäischen Pflanzo dieses Namens
spezifisch zu trennen sei, wie Grisebach behauptet, oder
ob man Bie mit Duvaux für identisch halten müsse, lasse
ich dahingestellt sein. Was Cardamine hirsuta, Draba in-
cana, Saxifraga exarata, Statice Armaria betrifft so gebe
ich Grisebach recht, dafs die magellanischen Pflanzen,
welche Hookor unter diesom Xumen auffuhrt, von den gleich-
namigen europäischen spezifisch vorschioden sind. Das-
selbe gilt auch von der in der chilenischen Flora Gays
aufgeführten Vesicaria arctica, welche übrigens nicht in
Chile, sondern am argentinischen Abhang der Anden vor-
kommt, sie ist nämlich V. mendocina Pb. — montovidensis
Eichl.
Dafs in Chile eino so grofse Anzhal von Pilanzcuarten
Vorkommen, dio mit europäischen identisch sind, ohne dafs
man genügend bewoison oder erklären könnte , sie seien
erst von Europa eingewandert oder durch den Mouschen
eingeschleppt, ist eine sehr auffallende Thatsache. Nicht
minder auffallend ist eine andre, nämlich die, dafs so viele
Genora mit denen Europas identisch und zum Teil sehr
artenreich sind, während sie in Argentinien, am Vorgebirge
der Guten Hoffnung, in Australien und Neuseeland ent-
weder ganz fohlon oder nur durch wonigo Arten repräsen-
tiert sind. Namentlich ist dies in der Familio der Legumi-
nosen der Fall, wio nachstehende Vorgleichung zeigt. Dio
Zahlen der Pflanzen aus der Argentinischen Republik, welche
ich aus Gri8ebacbs Plantae Lorentzianae II entnommen
habe, werden natürlich eine Veränderung erfahren, wenn
dio Flora dieses kolossalen Gebietes molir erforscht sein
wird, aber die Thatsache selbst wird schwerlich dadurch
verändert werden.
Wir hüben ')
ln Chile
ln Argcntlnloo
am Kap
ln Australien
ln Kea-
iceland
Trifolium- Arten .
17
1
7
0
0
Aetngalus u. l'liaci
C8
8
1
0
0
Vick . . . .
34
1
0
0
0
I-athyrus . . .
28
6
0
0
0
Lupinu» ....
7
6
0
0
0
Es scheint mir, dafs sich einem jeden dor Gedanke un-
willkürlich aufdrängen mufs, dafs in Chile sehr ähnliche
klimatische Bedingungen uxistieron mufsten wie in Europa,
als die identischen oder zum Verwechseln ähnlichen Pflan-
zenformen, und dio zahlreichen Arten derselben Genera,
wenn sie auch spezifisch verschieden sind, entstanden.
Es fehlt mir leider das Material, diese Vergleichung
auch auf Nordamerika auszudehnen.
l) Die offenbar aus Kuropa cingcfuhrten Arten, i. B. Trifolium rep«D8r
Vielt Mtifa &c., sind weggelassen.
Karte der Dobrudscha.
Bemerkungen zu lafel 17.
Von Dr. Bernhard Schwarz.
Mit dem Streben nach sozusagen offiziellem Kolonial-
besitz ist in Deutschland zugleich auch cino gröfsere Sorge
für die zahlreichen privaten Ansiedelungen erwacht, welche
lange zuvor schon von Deutschen im Auslande angelegt
wurden, und zwar nicht nur für jene in fornern und da-
durch nur um so molir dio Aufmerksamkeit der grolson
Menge errogenden überseeischen Gebieten, wie z. B. in Süd-
amerika, sondern auch für die innerhalb unsres oiguou Erd-
teils bolegenon, wo namentlich nach dom unkultiviertem
Osten hin von jeher doutsohor Geist eine Stätto dor Wirk-
42 *
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332
Karte der Dobrudscha.
samkeit sich gesucht hat. Es wäre indes recht wünschens-
wert, wonn von soiton unsrer Nation dieser osteuropäischen
Diaspora eine noch erhöhtere Beachtung geschenkt würde,
da dieselbe ja unverkennbar eine der bedeutsamsten Missionen
im Dienste der Grenzwacht gegen das andringendo Slawen-
tum und der Schirmung des Germanismus erhalten hat.
Über manche dieser deutschen Filialen ist allerdings in
den letzten Jahrzehnten viel geredet und geschrieben wor-
den, so über diejenigen in den baltischen Provinzen und
in Siebenbürgen. Andre aber blieben dabei fast unbeachtet.
So die zahlreichen deutschen Pflanzstätten in Südrufsland,
in der Krim, au der Wolga und im Kaukasus. Desgleichen
wurdo die Dobrudscha zwar gelegentlich genannt, aber doch
nur flüchtig und vorübergehend in den Kreis der Betrach-
tung gezogen.
Diese letztere nun ist es, der wir mit unsrem Kärtchen
und diesen Erläuteningswortcn dienen wollen. Die Namen
der dortigen Kolonien wurden vor einiger Zeit von der
„Kolonialzeitung“ und durauf auch von andern Blättern
gebracht, über Genaueres Uber deren Verteilung Uber das
doch immerhin oin Areal von 1 1 000 qkm (200 Q. -Meilen)
umfassende Lnndchen wurde dabei nicht angegeben. Diesem
Mangel abzuhelfen, ist das erste Bestreben unsrer kleinen
kartographischen Darstellung. Man ersieht aus letzterer,
dafs wir es innerhalb jenes Gebietes mit 10 deutschen Orton
zu thun haben, während bisher nur 9 genannt wurden.
Der Verfasser fanil aber bei seiner ad hoc unternommenen
Bereisung im Frühjahre 188ß eine neu entstandene Ansiede-
lung, Ortakiöj, südwestlich von Tultscha, wohin sich wenige
Wochen vorhor 15 Familien aus Koscholak, nördlich über
Küsteudscho, gewendet hatten.
Im allgoineinon zeigt die Karte bezüglich des Topogra-
phischen, dafs unsre dortigen I^andsleute sich ziemlich zer-
streut auf Dobrudscha-Erde angesiedelt haben. Wir finden
welche von ihnen in und bei Tultscha, also an der länder-
vorbindondon Donau, dann im Herzen des gebirgigen Teiles
der Provinz, zwischen Pomsil und Sakar Beir, fernerhin auf
dem Plateaulando im Süden und nulie dem Meere bei
Kiistendsche. Nur der südlichste Teil, jenseits der Bahnlinie
Tschernnwoda — Kiistendsche, hat keine deutschen Ansiedler
aufzuweison. Dorselbo ist allerdings auch die traurigste,
verbrannteste und, wenn man will, entlegenste Partie des
gesamten Liindchens. Man sieht also, diese einfachen deut-
schen Bauorsloutc sind mit gutem geographischen Verständnis
zuworko gegangen, und ein Blick auf die Lago ihrer Dörfer
gibt zugleich einen ersten Begriff von der Art des Do-
brudscha-Bodens. Bemerkenswert erscheint es dabei, dafs
diu Kolonisten sich fast durchgängig soitwarts von der
Hauptverkehrsader der Provinz, der Heorstrafse Tultscha—
Küstendsche, gehalten haben, was ohno Zweifel seinen Grund
in dor Furcht vor dem Kriege und den mit ihm verbunde-
nen Plünderungen hat, denen die der Strafse nähern Dörfer,
wie z. B. das stattlicho Koscholak, auch im letzten Feldzuge
wirklich verfielen.
Das religiöse Moment anlangend, so ist zu bemerken, dafs
nur Malkodsch, südöstlich nahe bei Tultscha, eine (römisch-)
katholische Ortschaft ist; die übrigen sind insgesamt prote-
stantisch, doch hat in mehreren seit einiger Zeit dor Bap-
tismus Eingang gefunden, so namentlich in Katalui, südlich
von Tultscha, das als Zentralstelle für diese Soktiererei an-
gesehen werden kann. Dort finden auch baptistisclie Gottes-
dienste und die bekannten Taufhandlungon dor Baptisten
(mit totalem Untertauchcu) statt.
Was das Ethnographische betrifft, so kamen diese Do-
brudscha-Kolouisten, wie bekannt, in den letzten Dezennien
zu verschiedenen Zeiten und in verschieden grofser Anzahl
aus den schwäbischen Dörfern Südrufslands, wo ihnen die
herrschend gewordene Kussifikation nicht mehr bohagte. Sie
sprechen auch jetzt noch den heimatlichen schwäbischen
Dialekt und zwar hier und du, wie z. B. in Koscholak, in
einer nicht leicht zu vorstehenden alemannisioronden Mund-
art. In den meisten der in diesor Woise verlassenen deut-
schen Dörfer finden Bich neben jonen Württombergern andre
nationale Elemente so gut wie gar nicht vertreten, so in
Admadscha, in Koschelak, in Anadolkiöj; es sind also rein
deutsche Enklaven. Iu andern ist die Bevölkerung eine
gemischte in dem Grade , wie es die vielsprachige Dobru-
dscha bedingt, doch herrschen im gobirgigem Norden mobr
Bulgaren, bzw. auch Rumänen und Russen (von der Sekte
der Lipovanen), im Siidon Tataron und Türken vor. Juden
finden sich dagogon auf Dobrudscha-Bodeu zumeist nur in
nichtdoutscheu Dörfern.
Die Beschäftigung unsrer dortigen Landsleute anlangend,
so ist für dieselbe wieder die Bodenart sehr mafsgebend.
Die Kolonisten im nördlichen Gebirgsland sind mehr Acker-
bauer, so die Rewohner von Admadscha und Tschukorowa,
dio auf den südlichen Hochplateaus mehr Viehzüchter. Es
gedeihen alle mitteleuropäischen Getreide-, Geiniiso- und
Obstarten, ganz besonders Wein, für den dio Dobrudscha
ein Hauptproduktionsgebiet. darstellen könnte, überhaupt
würden sich die Leute dortselbst rocht wohl befinden kön-
nen, wenn nicht dio bekannten Assimilierungsbestrobungen
der Rumüuou wären. Thatsäcblicli waren diese durchaus
harmlosen und rechtschaffenen Leute unter den Türken glück-
lich, donn diuso liefsen sich von ihnen zwar schwero Steuern
bezahlen, übten abor sonst die gröfste Duldung, religiös wie
politisch. Aufser der Fruchtbarkeit des im allgemeinen zwar
etwas dürren Bodens ist auch das gemäfsigt warme Klima
als ein sehr günstiges zu rühmen. Ganz mit Unrecht war
in beider Hinsicht die früher wenig bekannte Dobrudscha
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Karte der Dobrudscba.
vordem verschrieen. Nur im SUdcu, in Sumpfgegenden, so
besonders hei Medschidie, kommen im Sommer lästige , je-
doch nicht allzu bösartige Fieber vor.
Diesen wenigen Bemerkungen über die Dobrudscba als
deutsches Kolonisationsgebiet will ich nur noch einige kurze
Notizen allgemein geographischer Art aus der reichen Fülle
dessen beifügen , was ich bei meiner Reise sammeln und
beobachten konnte. Es ist bekannt, dufs die nordwestliche
Ecke der Provinz Gebirgsland in eminentem Sinno ist. Der
Kulminationspunkt des Ganzen ist aber nicht, wie vielfach
angegeben wird, der Sakar Beir im Zentrum, sondern dor
bisher noch kaum genannte Zuzujat in dem auch für das
Auge durch seine schroffen Gipfelformen so grofsnrtigen
Granitgebirgo von Matschin (ca 1600 Fufs). Landschaft-
lich bilden sonst die tiefen Tliäler des Taisa und des Slava,
nördlich und südlich von Babudagh , jenes mit dem zwei-
gipleligeu, isolierten Porphyrstock l’omsil, dieses mit dom
hohen, aber weniger ansohnlichcn Sakar Beir, aus Porphyr
und Granit aufgebaut, die Glanzpartien. Geologisch ist das
Gebiet der Dobrudscha seit Peters (GrundzUgo zur Geogra-
phie und Geologie der Dobrudscha, Wien 1867 — 1868, 2 Bde.,
selten) wohl bekannt. Doch kann ich aus meinon eignen
Untersuchungen noch hinzufügen, dafs der von jenem nur
an einigen Stellen konstatierte Eisenglanz fast allenthalben
in den altvulkanischen Massen, die den Norden des Landes
oinnehmeu , vorkommt, und zwar teilweise, wie z. B. auf
333
> den linken Hängen des oborn Taisa-Thalcs, selbst in abbau-
würdiger Masse und Beschaffenheit- Aufserdom tritt Eisen
noch als Schwofelkios am Sakar Beir u. a. auf. Es gelang
mir, auch Silber nachzuweisen, und zwar in Malachit, mit
dem Chloritschiefer auf den erwähnten Lehnen des Taisa-
Thales reich durchsetzt erscheint. Die Probe ergab im
allgemeinen 0,2 Proz., was eine Ausnutzung noch zulassen
würde. Dor Grünstein, der südlich vom Slava-Thale neben
den mehr am Meere hinstrcichonden jüngern Kalken das
Land weithin einnimmt und hier, von mächtigen, kompakten
Lehmsohichten überlagert , die nochebcnenpartie der Pro-
vinz bildet, schliefst zahlreiche Drusen mit Bergkristall ein,
so z. B. bei Koschelak.
Die Pflanzenwelt ist ebenfalls recht interessant. Als
Waldbaum erscheint hier die prächtige Silberlinde (Tilia
tomentosa Mmch.), ferner die Korneliuskirsche (Com. mas. L.),
der Sumach (Rhus cotin.) u. a., im Unterholz besonders
Päonien (P. tenuifolia), Edelveilchen u. dgl. Das Tierreich
ist reich au Königsadlern (Aq. impor.), auch in der Plateau-
region ; ferner beobachtete ich dio prächtig blaue Mandel-
kräho (Coracias garrula L.) , das Ziesel (im Altertum die
„pontische Maus“ genannt, Spermophilus Cuv.) & c.
Näheres hierüber wollen Interessenten in meinem vor
kurzem erschienenen Workchen: „Vom deutschen Exil im
Skythenlande, Erlebnisse, Klagen und Aufklärungen aus dor
Dobrudscha“, Leipzig, bei Paul Frohberg, nuebsehen.
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einüufs auf die Bewegung der Bevölkerung
nach den offiziellen Zensusberichten dargestellt
von Dr. Emil Jung.
Bereits vor acht Jahren , bald nach dum Erlöschen der
letzten Hungersnot, welche die Bevölkerung oines grofsen
Teils von Britisch-lndieu in so furchtbarer Weiso dezimierte,
war eine Abschätzung der Einwohner der am schwersten
heimgeauchten Provinzen angestellt. worden, und danach ein
Versuch gemacht, die wirklichen Menschenverluste ziffer-
miifsig zu ermitteln. Man war damals zu Resultaten ge-
langt, die vielfach bestritten wurden, und selbst dio auf
diesen Punkt sich beziehenden Toilo des so wertvollon
Berichts der Faraine Commission blieben nicht ohno An-
fechtung, obschou diese Kommission Mnnnor, wie den
General Strachey, H. S. Cunninghnm, James Caird und
eine Anzahl andrer mit indischen Verhältnissen nicht
weniger vertrauter Autoritäten in sich schlofs, und die Er-
hebungen und Erkundigungen stets an Ort und Stelle ge-
macht wurden.
Als Resultat dor letzten Zonsusaufnahme in Indien ist
oino lange Reihe stattlicher Foliobüudo veröffentlicht worden,
von denen manche erst kürzlich erschienen sind. Dio in
denselben aufgospeicherton Daten und Ziffern geben, wio
über viele andre biologische Erscheinungen, so auch über die
Wirkung, welche die Hungersnot von 1876 bis 1878 auf
die Volksvermehrung ausgeübt hat, sehr eingehende Auf-
schlüsse. Allerdings ist, da zwischen dem Erlöschen der
Kalamität und der Erhebung des letzten Zensus mehrere
Jahro verflossen, und auch die in verschiedenen Jahren
vorher augesteilton Zählungen nicht vollkommen verläfslich
erscheinen, oino auch nur annähernd genaue Feststellung
der Verlustziffer unmöglich. Eino eiufacho Subtraktion dor
einen Zahl von der andern kann zu oiuem richtigen Er-
gebnis nicht führen. Allein man kann auf anderm Wege
zum Ziel gelaugen. Die Bevölkerungsbewegung in gewöhn-
Digitized by Google
334 Die letzte Hungersnot in Indien und ihr
lieben Jahren ist hinreichend bekannt, und so darf man
nach dum uormalon jährlichen Durchschnittszuwachs uuf
die ZitVor schliefsen, welcho hätte orrcicht worden sollon.
Der Unterschied zwischen dieser Zahl und der faktisch
durch die Zählung gewonnenen , stellt den Verlust dar,
welchen Iudien erlitten hat.
Die verflossenen Notjahre haben der Bevölkerung mehr
als einor indischen Provinz ihr Gepräge tief eingedrückt,
ganz so, um mit Quetelet zu reden, wie strengo Winter
ihre Spur in dem Holzwucha unsrer Wälder zurückzulasBen
pflegen. Indiens Menscheuverlust ist unbedenklich auf
mehrere Millionen zu veranschlagen. Aber so grofs ist
seine Elastizität, dafs aus der Gesamtziflfer heut ein Ver-
last kaum noch hcruuszuleson ist.
Rückblicke auf frühere Perioden.
Von Hungersnot und Pestilenz, welche den cinon odor
den andern Distrikt Indiens, jn zu Zeiten selbst das ganze
Land heimsuchten, sind schon aus den frühesten Zeiten
Berichte auf uns gekommen. Eine Tiberlieferung meldet
uns von den furchtbaren Loidon, welche Indien unter der
Regierung des Kaisers Ilschaidschand (303 bis 443 v. Chr.)
trafen, und 1022 n. Chr. sollen unter Musaud I. ganze
Jjandschafton durch eine Hungersnot entvölkert worden
sein, welche auf anhaltende Dürre folgte. In den nächsten
hundert Jahren wurde bald der, bald jener Teil Indions
heimgesucht, am schwersten aber scheint der Norden be-
troffen wordon zu sein. Doch auch der Süden blieb nicht
verschont. So herrschte im Dukkau 1344 — 1345 ein solcher
Mangel, dafs selbst vom Palast dos unumschränkten De-
spoten der Hunger nicht abgowehrt werden kennte.
Sicherer fliefsen die Nachrichten soit der Festsetzung
der englischen Macht auf indischem Bodon. Die Archive
der Ostindischeil Kompagnie erwähnen zuerst einor Hungers-
not, welche Surat 1630 heimsuchte. Aber weit allgemeiner
wurde Indien und mit ihm ein Teil der angrenzenden
asiatischen Läudor im darauffolgenden Jahr betroffen
durch oino weithin sich erstreckende Dürre, eine Heim-
suchung, die noch verschärft wurde durch die Fehden, in
denen die Machthaber der verschiedenen Landschaften sich
gegenseitig zerfleischten. Es war gerade während der
Kriege Schah Dschebaus gegon dio Herrscher von Ahmed-
naggar, von Bidschapur und von Golkonda, dafs dieselbe
auftrat. Dio periodischen Regen waren 1629 ausgebliebon
und hat ton einen Notstand hervorgorufen, dor durch oino
Wiederholung dieser Kalamität im Jahre 1630 zu entsetz-
licher Höhe gosteigort wurde, ln Scharen von Tausenden
machte sich dus verhungernde Volk auf, um bogünstigtere
Striche zu erroichon, oftmals vergebens; die Straften waren
mit Toten und Sterbenden bedeckt, während andre in
Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
dumpfer Apathie ihr Geschick in der verödeten Hoimat
erwurteten. Ganze Distrikte wurden entvölkert , denn zur
Hungersnot gesellte sich als furchtbare Gefährtin noch die
Post, und mehr als 40 Jahre lang stand gar manches Dorf
verlassen, ehe es sich abermals mit Bewohnern füllte.
Von der Hungersnot, welcho 1769 — 70 das untere
Thal des Ganges verheerte, haben uns Hunter und die
Famine Commission eingehende Berichte geliefert1). Sie
wird als die verderblichste geschildert, welcho je irgond
einen Teil Indiens betraf. Schon die Ernten im Dezern-
bor 1768 und im August 1769 waren dürftig gewesen, und
dio Kuruproiso zu kaum erschwinglicher Höhe gostiegeu,
als nun aber auch im Oktober 1769 fast kein Tropfen
Regen fiel, und auch 1770 die gewöhnlich von Januar bis Mai
das Land erfrischenden Schauer ausblieben, da brach dio Not
mit allen ihren Schrecken herein. Am 4. Januar 1770 er-
reichten in I’atna die täglichen Todesfälle durch Hunger
beroits die Zahl 50 und vor Ende Mai 150. Die Tanks
waren ausgotrocknet, die Quollen erreichten nicht mehr
die Oberfläche, und das furchtbare Gespenst der Hungers-
not verbreitete überall Vurwüstuug. Bald liefe man die
Toteu unbeordigt; Hunde, Schakale, Geior waren die ein-
zigen Loichonbestatter. In den ersten neun Monaten des
Jahres 1770 soll ein Drittel der Bevölkerung von Niodor-
bengalen des Hungertodes gestorben sein, andro schätzen
die Verluste aus dieser Ursache und den im Gefolge auf-
tretenden Krankheiten sogar auch fünf Achtel der gesamten
Bevölkerung. Noch bis auf dou heutigen Tag lebt die Er-
innerung an diese Schrecknisse im Volke fort, das zugleich
nicht vergifBt, wie dor Gouverneur der Ostindischen Kom-
panie absolut nichts that, das Elend zu mildern, während
seine Boamten sich durch Kornwuchor zu bereichern
! wufsten, wie aber zugleich die eignen Landsleute, in deren
Händen damals die Zivilverwaltung lag, den hartbedrängten
. Ryote 80000 Rupien in Pachtzins stundeten. An die Zu-
führung von Getreide aus den verschonten Gegenden wurde
kaum gedacht ; mau brachte ein paar tausend Zentner Reis
aus dun Distrikten von Baknrgnndsch und Tschittagong nach
Kalkutta und Mursohidabad, das war alles.
Macaulay schildort in soiuen Essays in ergreifender
Sprache das damals horrschondo Elend : „Im Sommer 1770
blieb der Rogen aus, dio Erde wurdo ausgedörrt, dio Zisternen
leerten sich, und eine Hungorsnot, wie sie nur Lander kennen,
wo dio Existenz jedos Hausstandes auf seinem eignen
kleinen Stückchen Acker beruht, erfüllte das ganze Gaugos-
thal mit Elend und Tod. Zarte Frauen, deren Antlitz sich
nie dem Auge der Öffentlichkeit entschleiert hatte, kamen
t) Hunter, Anna!« of Kura! Bengal, p. 19—55, und Iteport «f tbe
Indian Kamine Commission, preseuted to l’arliament 1880, Katt I, p. 62 — 84,
wo auch übor die spätem Hungersnöte Bericht erstattet wird.
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Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
335
hervor aus den inneren Gemächern, in welchen die Eifer-
sucht des Ostens über ihrer Schönheit gewacht hatte, warfen
sich zur Erde vor den Vorübergehenden und erflehten mit
lautem Jammer eine ÜRnd voll lieis für ihre Kinder. Der
Hugli rollte jeden Tug Tausondu von Leichen zu den
Portikos und Gärten der britischen Eroberer. Diu Strafseu
Kalkuttas waren gesperrt durch Sterbende und Tote. Die
abgemagerten und schwachen Überlebenden hatten nicht
genug Energie übrig, die Leichen ihrer Angehörigen zum
Scheiterhaufen oder zum heiligen Strom zu tragen, ja nicht
einmal um die Schakale und Geier zu verscheuchen, die
im Lichte des Tages ihr Mahl an menschlichen Überresten
hielten.“
Es ist zuweilen behauptet worden, diu indischon Herrscher
hätten nie irgend welche Mafsregeln zur Linderung der Not
ihrer darbenden Unterthaucn ergriflon. Aber eino solche
Behauptung entbehrt der t hatsächlichen Begründung. Wie
heut so verdienten auch in frühem Zeiten Hindu sowohl
als Mohammedaner das höchste Lob wegen ihrer Mild-
thätigkeit. Brach eine Hungersnot über das Land herein,
so wurden Almosen ausgeteilt, die Elendesten erhielten
Speise und Trank, man unternahm öffentliche Arbeiten, um
den aus Not Miifsigen Verdienst zu verschaflön. Aber in
dieser Mildthütigkoit, dio nur wenigo erreichte, war kein
Systom; mit dem Fatalismus dos Orients meinte man, dufs des
Monschon Arm zu schwach sei, der strafenden Hand der
Gottheit Einhalt zu thun.
Dio ersten Versuche der englischen Verwaltung in
dieser Richtung gingen schon etwas weiter. Als infolge
der schonungslosen Verwüstungen der Truppen Haider Alis
im Karnatik 1780 bis 1783 eine furchtbare Hungersnot
ausbrach, eröffneto dio Regierung von Madras eine öffent-
liche Subskription zur Unterstützung der Darbendun, an
welcher sich dio Ostindischu Kompanie und der Xawab
des Kurnatik in hervorragender Weise beteiligten. Dio
damals und später gesammelten Gaben riofen eino pormn-
nonto Institution ins Loben, die Monegar Choultry in
Madras, eine mildtlmtige Anstalt, enthaltend ein Armenhaus,
Findelhaus, Hospital und Asyl für Aussätzige, sämtlich aus-
schliefslich für Eingehorne Indiens bestimmt.
Tn Patna fesselt die Aufmerksamkeit oin riesiges, dom-
artiges Gebäude ; zu welchem eine breite gewundene Troppo
führt, und so allmählich ist ihre Steigung, dnfs Maharadschah
Dachung Bohador 1851 auf ihr hinaufroiten konnte. Es ist
einos jener Kornhäusor, Golas genannt, welche unter der
Regierung von Warron Hastings an mehreren Plätzen
Indiens errichtet wurden, um, gleich den Kornkammern der
Pharaonen, in Zeiten des Überflusses gefüllt und, wenn
Mangel hereinbrach, geöffnet zu werden. Diese vorsorgendo
Mafsregel war die unmittelbare Folge einer Hungersnot,
welche von Ende 1783 bis Anfang 1785 zuerst das ganze
Gebiet von Lahoro bis zur Westgrenze von Behar und
dann das Pandschab entvölkerte. Über eine Million Men-
schon sollen allein in dem letztem Gohiot im Jahre 1785
dem Hunger und den ihn begleitenden Seuchen erlegen
sein. Dio Mafsregeln der Ostindischen Kompanie kamen zu
spät; und jener mächtige Vorratsturm konnto seinem Zweck
erst 1874 dienen.
Aber schon wenige Jahre nach jener Katastrophe hatte
der Süden zu leiden. Von 1790 bis 1792 brach unsäg-
liches Elend über Baroda, Cutch und die nördlichen Di-
strikte der Präsidentschaft Madras herein. Scharenweise
wandorte das hungernde Volk über die Grenzen, andre
machten ihrem elendou Dasein ein gewaltsames Ende, noch
andre bereiteten sich ein schrocklichos Mahl uus dem Fleisch
der eigenen Kinder. Die Regierung Hofs etwas Reis ver-
teilen, verbot die Ausfuhr von Brotstoffen und beschäftigte
zum erstenmal in Indien die darbendo Bevölkerung bei
Notarbeiten.
Alle diese und andre bei den vielen in der Folgo auf-
tretendon Hungersnöten getroffenen Mafsregeln entbehrten
eines wohldurchdachten oder wohl auch überhaupt eines Plans ;
die aufgewandten Mittol waren auch viel zu geringfügig,
wo os sich um dio monatolango Unterstützung von Millionen
menschlicher Wesen handelte, dio, von jogUchon Subsistenz-
mitteln entblöfst , bei aller Genügsamkeit doch kolossale
Massen von Nahrungsstoffen verlangten. Zu jenen frühen
Zoiton und noch bis Uber die Mitte unsres Jahrhunderts
hinaus hätte indes der beste dor Pläne scheitern müssen
an der Unausführbarkeit, welcho der Mangel an Kommuni-
kationsmitteln mit Notwendigkeit auferlegte. Erst der
Ausbau des indischen Eisonbahnnetzos ermöglichte es, den
Überflufs des einen Distrikts don entferntesten darbenden
Landosteiion zuzuführon. Aber so Bchncll dieser Ausbau
auch vor sich gegangen ist — Britisch-Indion hatte 1855
erst 350 und am 31. Mai 1885 schon 19 319 km Eisen-
bahnen — , er hat die Leiden der Bevölkerung wohl in
etwas mildern können, sie zu beseitigen, hat er keineswegs
vermocht.
Die Anstrengungen, welche 18(51 in den Nordwest-
provinzen und 18CG in Orissa gemacht wurden, waren
weder in dem oiuon noch in dem andorn Falle von be-
friedigenden Erfolgen begleitot. Und doch schätzt man
die Zahl der damals in den Nordwestprovinzen unterstützten
Menschon auf mindestens eine halbe Million und die Aus-
gaben der indischen Regierung allein auf 750000 Pfund
Sterling. Und obschon in Orissa der Versuch gemacht
wurde, dor bedürftigen Bevölkerung Arbeit und damit dio
Mittel zum Lebensunterhalt zu verschaffen, ohschon Almosen
reichUch ausgotoilt wurden, soll doch ein Viertel der Be-
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336
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
völkerung dieser Provinz durch Hunger dahiugorufft worden
sein: douti hier gab es koino Kornvorräte, auf die man
zurückgreifen konnte, und eine Zufuhr in genügendem Mufse
war weder zu Land noch zur See ausführbar.
Die Sympathien Englands hatten sich bislang nktiv
nicht bethätigt. Die Presse hatte das Ihrigo gothan, Mit-
gefühl zu erregen, und auch im Parlament hatte es nicht
an Rednern (vor allen Edmund Burke und Macaulay) ge-
fehlt, welche auf Indiens periodisch wiederkehrende Heim-
suchung hinwiosen. Aber wenn mau auch in England
selber weiter nichts erreichte, die indischen Behörden wurden
doch zu erhöhter Aufmerksamkeit und angestrengter Arbeit
augeregt, um auf dio Zeichen kommenden Notstandes zu
achten und , wenn er eingetreton , ihm mit aller Kraft
ontgegonzuarbeiten.
In Bengalen und Behur folgten auf einen dürftigen
Regenfall im Herbst 1873 im nächsten Jahr Frost und
trockne Westwinde, welche die Reisernto zerstörten. Die
indische Regierung traf sofort dio umfassendsten Mafsregeln.
Eine Million Tonnou Reis wurde aus Birma, Madras, den
Nordwestprovinzen und dem Pnndsclmb zugeführt, 50 Meilen
Eisenbahnen gebaut, um der Bevölkerung Beschäftigung zu
geben, Offiziere und Beamto wurden abkommandiert, um
die Ausführung goeignotor Mafsregeln zu überwachon, dio
Privatwohlthätigkeit auch aus England selber kam der
staatlichen Wirksamkeit bereitwillig zuhilfe, und so er-
folgreich wurde das drohende Elend abgewandt, dafs kaum
zwanzig Menschen starben. Aber es kostete der indischen
Staatskasse 6759 700 Pfund Sterling. Und dabei war die
Kalumität auf ein verhältnismüfsig kleines Gebiet beschränkt,
das durch Eisenbahn und Flufsschiffahrt unschwer erreicht
worden konuto. Das bisher für unmöglich gehultono war
aber hier doch geschehen, man hatte die Hungersnot bo-
kümpft, dio früher stets gesiegt hatte. In Cawnpur waren
1 J Millionen Pfund Sterling durch Subskriptionen zusammen-
gobracht und vorteilt wordun, täglich wurden 1300 Personen
gespeist, aber 1200 Personen starhon. In den Nordwest-
provinzen und im Pandschab gab man 1868 — 69 enorme
Summen aus, und doch gingen 1 200 000 Menschenleben
durch die Hungersnot und dio sie begleitenden Krankhoiton
verloron.
Man hat die indische Verwaltung des Jahres 1874
dor Verschwendung beschuldigt, und dafs sie durch allzu
bereitwillig gewährte Unterstützungen das moralische Niveau
der indischen Empfänger erniedrigt habe. Aber diese An-
klugen wordon hinfällig, wenn man erfährt, dafs dio Almosen-
empfänger sofort zu ihren Feldoru zurückgesandt wurden,
als der lange erwartoto Regonfall eintrat und die Hoffnung
auf eine ergiebige Ernte erweckte. Dieser Himmolssegon
hätte auch ausbleihen können , denn mehr als ein Teil
Indiens butte boreits eine zweijährige Dürro erfahren ; es
war daher dafür gesorgt worden, dafs im Notfall reichlicho
Vorräte an Lobousmittoln die Rogierungsspeicher füllten.
Denn die Regierung hatte selber die Einfuhr zu besorgen,
ein Unternehmen, das bei den damals bestehenden Handels-
verbindungen nicht ohne grofse Schwierigkeiten war. Als
nun der Eintritt eines fruchtreichen Jahres grofse Vorräte
in den Händen des Staates liefs, waren grolso Vorlusto
unausbleiblich, aber diese Verluste liefsen sich durch keine
menschliche Voraussicht vermeiden. Dio Liberalität, mit
welcher die indische Regierung verfuhr, orntete ihr den
warmen Dank aller einheimischen Fürsten und Landbesitzer
vou Behar ein, sowie den der British Indian Association
of Calcutta, einer Gesellschaft, ausgezeichnet durch den
Rang und die Bildung wie durch die Unabhängigkeit ihrer
indischen Mitglieder. Die Festigung des Bundes zwisohen
dem herrschenden Volke und den Beherrschten weit über
den Herd dos Unglücks hinaus war wohl eines solchen
Opfers wert.
Dio üungorsnot von 1877 und 1878.
Im Sommer 1876 waren im ganzen Dckkun von Puna
bis Bangalore die Regen ausgeblielmn , welche hier der
SUdwestiuonsun iu dor Regel bringt, und von doren Er-
scheinen die Ernte absolut abhängig ist. Im Herbst des-
selben JahroB brachte der Nordostmonsun den südöstlichen
Distrikten der Präsidentschaft Madras nur spärliche Regen-
schauer, und in diesom ganzen ausgedehnten Gobiet gingen
dio Ernten, auf welchen die Existenz der Bevölkerung aus-
schliei'slich beruht, ausnahmslos zu Grunde. Schon die Ernte
des Vorjahrs war knapp gewesen, die Vorräte waren auf-
gezehrt und bereits im November des Jahres 1876 begann
Hungersnot in einigen Teilen Südindiens auszubrechen.
Die Dürro erstreckte Bich in dor Präsidentschaft Bom-
bay Uber neun Distrikte im Dekkan und den Southern
Mahratta-Distrikten ; es waren dies Kandesch, Nasik, Ahmed-
naggar, Punu, Sholapur, Saturn, Kuladgi, Belguum und
Dharwar nebst den angrenzenden Tributärstaaten Kolhapur,
Pbultun, Akulkoto und Sawuntwari mit einer Gcsamt-
bevölkorung von rund acht Millionen Soelen, von denen
fünf Millionen unmittelbar bctrolfon waren. Iu dor Präsi-
dentschaft Madras hatten am schwersten zu leiden die
Distrikte Cuddapah, Bellary, Nellore, Karnul, Madura, Nord-
Arcot, Salem, Tschhingleput, Coimbatore, Kistna, Tritschiua-
pallv und Tandschore. In Muissur und oinigen Teilen des
Huiderabad wurden achtzehn Millionen Menschen betroffen ;
die Hungersnot erstreckte sieb 1877 auch in die Nordwest-
provinzen und Audh, ins Pandschab, Radchputana und die
Zentralprovinzen hinein; im ganzen wurde ein Areal von
257300 engl. Quadratmeilcn , das siud 666380 qkm oder
337
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
ein Gebiet gleich zwei Dritteilen von Europa mit nioht weni-
ger als 58' Millionen Menschen von der Hungersnot schwer
berührt. Gänzlich verschont bliebon nur Bengalen, Assam
und Birma. Aber Bengalen hatte in anderer Weise zu
leiden ; das sogen. Burdwan-Fiebor, der Cyklon von Backer-
gungo und die denselben begleitende Cholera, in geringerm
Mafse spätere Fieber in Nuddca und andorn Distrikten der
Presidenoy- Division dezimierte die Bevölkerung einzelner
seiner Teile in kaum weniger furchtbarer Woise. Ich
werde auf diese später zurlickkommon.
Sobald die ersten Anzoichen der hereinbrechenden Not
eich kundgabon , wurden die gröfsten und umfassendsten
Mafsnahmen ergriffen, um dio Not zu bekämpfen; die
indische Regierung gab die Einfuhr von Getreide gänzlich ,
frei, und in zwölf Monatou wurden 268000 Tonnen zu
Lande und 166 000 Tonnen zur See den betroffenen
Distrikten zugeführt. Wie im Jahre 1874 zeigte das oug-
lischo Publikum auch diesmal die lebhafteste Teilnahme ;
teils durch den Lordmayor von London, teils durch beson-
dere Veranstaltungen im ganzen vereinigten Königreich
wurde die Summe von 800000 Pfund Sterling gesammelt
und nach Indien übersandt. Indien selber wandte die
Summe von 11 194 320 Pfund Sterling auf, wenn man
2 Millionen in Anrechnung bringt, welche den Pächtern
von Regiorungsländeroien erlassen wurden *). Die Hungers-
not dauerte zwölf Monate (die kürzeste Zeit) in den Nordwest-
provinzen , zwoiundzwanzig Monate (dio längste Zeit) in
Madras. Durchschnittlich wurden täglich bei den vom
Staat begonnenen Notarbeiten 877 024 Menschen beschäf-
tigt , 446 641 Personen stellten sich täglich ein, um die
Almosen des Staats zu empfangen. Daboi war die Privat-
wohlthätigkeit unablässig bemüht , weitere Tausende zu
unterstützen. In Madras stieg im September 1877 die Zahl
der Unterstützungsbedürftigen sogar auf 2 591900 Seelen,
von denen nur 654 581, und zwar nur nominell, bei Not-
arbeiten angestellt waren, während der Rest unentgeltlich
Nahrung erhielt.
Dennoch war die Sterblichkeit eine furchtbare. Die
Famine Commission nimmt an, dafs von einer Bevölkerung
von 197 Millionen , welche sich 1877 in den betreffenden
Provinzen mit britischer Verwaltung befand, während dieses
und des nächstfolgenden Jahres 5-} Millionen mehr gestorben
seien , als in gewöhnlichen, von keinor Epidemie heim-
gesuchten Jahren. Und da mit Wahrscheinlichkeit an-
genommen werdon könne, dafs sich dio Zahl der Geburten
um 2 Millionen verringert habe, so lasse sich der GoBamt-
verlust auf 7 bis 8 Millionen veranschlagen.
Allerdings war die Hungersnot nicht die alleinige
*) Heport of the Indian Famine Comruiaiion, Part I, p. 24.
Petermanas Geogr. Mitteilungen. 1886, Heft XI.
Ursache der Sterblichkeit. Zu derselben Zeit dezimierte
die Cholera die Reihen der Erwachsenen , die Pocken die
Reihen der Kinder. An Cholera allein starben in der
Präsidentschaft Madras 357430, in Maissur 58 648, in der
Präsidentschaft Bombay 57 252 Personen. Und als endlich
der Regen kam , fiel er in so mafslosen Mengen , dafs er
oft die neuen Ernten verdarb, immer aber die schon ge-
schwächten Körper der Eingebornen empfindlich traf. Der
Tod, dor kaum von seiner Arbeit gerastet hatte, begann
nun mit Sumpffieber sein Werk mit neuer Kraft. Im
Dekkan kam zu den vielen Übeln ein weiteres durch un-
geheuere Scharen von Ratten, welche weite Strockon von
Getreidofoldern verwüsteten und die so hoimgesuchten Land-
schaften zu einer Tiefe des Elends brachten, aus wolchor
sie bis heute sich nicht haben omporarbeiten können. Dieser
Verkettung von unheilvollen Umständen mufs man Bich er-
innern, wenn man dio Mortalitätsziffern einer Prüfung
unterzieht.
Dr. Cornisb, dor Präsident dor Gesundheitsbehörde in
Madras, hat sehr lehrreiche Tabellen zusammengestellt, aus
welchen die Einwirkung dor Hungersnot auf die Geburts-
und Todesregister sehr deutlich hervorgeht. Im Jahre 1876,
als bereits Hungersnot in Gemeinschaft mit Cholera sich
fühlbar machte, wurden in Madras 632113 Geburten und
680381 Todesfälle registriert. Im nächstfolgenden Jahr,
dem eigentlichen Hungoijahr, fiel die Geburtenziffer auf
477 447, während die Todesfälle auf 1556 312 stiegen.
Im Jahre 1878 machte sich die Hungersnot durch einen
weiteren Rückgang der Geburten auf 348 346, und die
immer noch sehr hohe Sterblichkeitsziffer von 810 921 Todes-
fällen bemerkbar. Im Jahro 1879 stiegon dio Geburten
wieder auf 476 307, blieben damit freilich immer noch weit
unter dem Durchschnitt, und die Todesfälle gingen auf
548 1 58 herunter.
Im Anfang des Jahres 1878 wurde ein Versuch ge-
macht, die Bevölkerung der einzelnen Distrikte zu ermitteln
und dadurch die seit 1876 erlittenon Verluste durch Hungers-
not fcstzustollen. Man fand, dafs die Bevölkerung sich ver-
mindert hatte in Bellary um 28 Prozent, in Karoul um 27,
in Cuddapah um 26, in Nellore um 21, in Coimbatore um
17 und in Tschingleput um 10 Prozent. Die Bevölkerung
des Distrikts Salem schätzte man 1876 auf 2 129 832 Seelen,
am 14. März 1878 betrug die wirkliche Einwohnerzahl
1 559876 Soelon , es fohlte also der Ausweis über
569 956 Seelen oder 27 Prozent der Bevölkerung dieses
einen Distrikts, und hier war die Huugorsnot noch nicht
einmal erloschen. In Maissur hatte die Bevölkerung um
25 Prozent abgonommen. Li Bombay war dio durchschnitt-
liche Sterblichkeitsziffer 32 909 gewesen, aber 1876 — 77
betrug dioselbe 149 053, und die Geburtenziffer war um
43
338
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
32054 gesunken. Ähnliche Resultate ergaben die Er-
mittelungen in den Nordwostprovinzon, in Audh, im Pand-
sckab. Dennoch hat nach den endgültigen Ergebnissen der
Zensusaufnahme vom 17. Februar 1881 eine Bevölkerung
von 206 499 611 Seelen in einem für das ganze Gebiot
durchschnittlichen Zoitraum von 9 Jahren um 14 154 634 In-
dividuen d. h. um 6,85 Prozent zugenommen. Wie die Er-
gebnisse jetzt vor uns liegen, hat sich eine solcho Zunahme
in 15 Gebieten vollzogen, während in nur 3 Gebieten eine
Abnahme zu verzeichnen ist. Nach einer von dom Chef
des Statistischen BUreaus zu Kalkutta , W. C. Plowden,
zusammongostellten Tabelle J) fand diese Zunahmo in den
nachstehenden Provinzen und Staaten in folgondon Pro-
Zwischen
der letzten
und der
jetzigen
Absolute
Durch*
scbnlttllcbe
Provinzen und Staaten.
ZaoAbiflc
Jährliche
Zählung
verflossene
Jabre.
Prozenten.
ln
Prozenten.
Zentr&jprovinxen, Tributfrataaten
ü
62,88
6,99
Birma
9
86,02
4,00
Zentralprorinren, brit. Territorium .
9
20,37
2,74
BCT.1T .
14
19,98
2,04
Assam
9
18,5«
1,79
Adsehmir
14
16.24
1,45
Noniwestprotinzen, Tributirzlaaten .
9
16, IS
1,71
Bengalen
9
10.89
1,18
Barixla
9
9.00
1,00
Pandscbab, brit. Territorium . . .
13
7,05
0,57
Nordwestprovinzen, brit. Territorium
9
6,00
0,««
Cmg
10
5,94
0,59
Travancore
e
3,99
0,44
Bombay, Tributarstaaten ....
9
2,05
0,W
Audi,
12
1,48
0,17
Bombay, brit Territorium ....
9
1,03
0,11
Diose Ziffern würden für die vorstehenden Gebiete ein
freilich sich in weit auseinander gohenden Verhältnissen
bewegendes Anwachsen boweisen, daß dies aber zum Teil
nur scheinbar und auf eine ungenaue, nicht die ganze Be-
völkerung erfassende Zählung des unmittelbar vorher-
gehenden Zensusjahres zurückzuführen ist, wird von sämt-
in denen allen die Hungersnot mit dor gröfsten Schärfe
auftrat, eine Abnahme der Bevölkerung stattgefunden. Es
wird mir möglich sein, dios in der Folge im einzelnen zu
begründen. Einen entschiedenen Rückgang gegen vorher-
gegnngone Zählungen weisen die jetzigon Ziffern für drei
Staaten nach. Derselbe betrug in :
Provinzen und Staaten.
Maisrar
Madras
Cocbin
Zwischen
der letzten
und der
jetzigen
Zahlung
verflossene
Jahr«.
10
10
6
Absolute
Abnahmo
Io
Prozenten.
17,19
1,95
0,14
Durch*
schnlttllcbe
jährliche
Abnahme
In
Prozenten.
1,71
0,13
0,01
Es ist nicht- der Zweck dieser Zoilon, dio Verläßlichkeit
aller dieser Ziffern näher zu heleuchten, ich habe hier allein
mit den von Hungersnot ergriffenen Distrikten zu thun ; nur
darauf sei hingewiesen, dafs überall die Bovülkorung der
Tributärstauteu in weit hölierm Mafse angewachsen ist,
als dio des ihnen politisch übergeordneten britischen Terri-
toriums, während man oft gerado das Umgekehrte ver-
muten dürfte. So sollen die Tributärstaaten der Zentral-
provinzen ihre Bevölkerung jährlich um nahezu 7, die
britischen Territorien die ihrige dagegen nur um 2,26 Pro-
zent vormehrt haben; wie wenig verläfslich aber dio Zahlen
des Zensus von 1872 sind, wird an don betreffenden Stellen
klar gezoigt. So kommt auch der Zensusboamte für die
Nordwestproviuzeu zu dem Schluß, daß die Bevölkerung
dieser Provinz nicht, wie meine oben gegebenen Ziffern
anzeigen, gewachsen Bei, daß sie vielmehr nicht unerheblich
abgenommon habe. Auch hier war die Hungersnot in vielen
Distrikten anfgetreten.
Das Indian Famino Committee hat die Verbreitung der
Hungersnot in Indien und ihre Iutengität graphisch dar-
geBtellt*), es bleibt da wenig von dom ganzon britischen
Kaiserreich ausgeschlossen. Zioht man jedoch nur die Pro-
lichou Zensusbeamten zugegeben.
Viel wahrscheinlicher hat
viuzen in Betracht,
in welchen dio Hungorsnot
besonders
in den am Fuß der Tabello stehenden Provinzen und Staaten,
verderblich auftrat,
so erhält man das nachstehende Bild :
Provinz oder Staat.
Von Hungersnot ergriffen
oder frei davon.
Bevölkerung nach
dam vorherigen
Bevölkerung
nach dem Zensus
Zn* oder
Abnahme.
Zu- oder
Abnahme
Zensus.
von 1681.
Absolut. In
Prozenten.
• Maissur
. Hungersnot (1876 — 77) . . .
. . . 4 556 436
4 686 460
— 869 976
— 18,19
Frei von Hungersnot ...
499 728
4- 752
4- i«<#
Total 5 055 412
5 186 188
— «69 224
—17,19
Madras
. Hungersnot (1876—78) . .
. . . 13 684 508
11 933 181
— 1 751 327
— 12,80
Ftei Ton Hungersnot . . .
19 201 794
4-1 288 430
4- 74»
Total 31 597 872
31 134 975
— 462 897
— 1,46
Bombay, brit Territorium . . .
. Hungersnot (1876 — 78) . . .
6 009 030
— 573 407
— 8,T1
Frsi von Hungersnot ...
10 445 384
4- 742 185
4- 7,45
Total IG 285 CSC IG 454 414
Nordwestprovinien Hungersnot (1878 — 74 und 1876 — 78) 9 957 192 9 398 879
Frei von Hungersnot 20 824 755 23 821 249
-r 188 778
— 658 313
4-2 496 494
4* l.«a
— 5,41
4-n.»
Total 30 781 947 82 720 128 4-1 938 181
Audh Hungersnot (1873— 74 und 1876 — 78) 4 866 815 4 632 498 — 334 317
Frei von Hungersnot .... . . 6 354 136 6 856 243 4- 601 108
Total 1 1 220 950
-F «.*<>
— 6,87
4- 7,8*
11 387 741
— 166 791
4- 1,4»
>) Report on the Consus of British India, Vol. I, p. 463. — *) Statement exhibiting the moral and material progreas and condition of India dnring
tbe year 1882—83, l’att II, Map VIII.
I
I
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339
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
Wir gewinnen hieraus eine gute Übersicht der in diesen
fünf Provinzen nachweisbar durch Hungersnot eingetretouen
Verluste. In Madras verlor eine Bevölkerung von 13-J Millionen
12-i Prozent, während in den andern droi Provinzen oine
Bevölkerung von 21-} Millionen nahezu 7 Prozent einbüfste.
Verhältnismäfsig am schwersten hatto abor unstreitig Maissur
zu leiden, das mit Ausnahme eines einzigen Distrikts durch-
weg die empfindlichste Einbufse an seinem Bovülkorungs-
bostaude erfahren mußte. Ich will dies für die einzelnen
Gebiete nun näher nackweisen.
Die betroffenen Distrikte.
Maissur ist ein Land von mäfsiger, aber genügender
Fruchtbarkeit. Etwa 85 Prozent dor Oborüäche sind der
trocknen Kultur gewidmet, nur etwa 15 Prozent werden
bewässert und mit Keis bestellt. Muissur produziert in
gewöhnlichen Jahren otwa 20 Prozent Getreide über seinen
Eigenkonsum. Der Ackorhauor ist hier fast ausschließlich
auf Regen angewiesen, wenn auch ein nicht unbeträcht-
licher Teil der Bevölkerung regelmäfsig für eine Zeit lohnen-
den Verdienst in dem benachbarten Curg sucht und findet.
Es folgt daraus mit Notwendigkeit, dafs ein Ausbleiben des
Regens einen Fehlschlag der Ernten nach sich zieht.
Dufs irgend ein wirklich harter Mangel infolge von
Dürre das Volk von Maissur in frühester Zeit getroffen
habo, darüber liogen irgend welche Naohrichten nicht vor.
Allerdings wurden am Ende des letzten Jahrhunderts infolge
derlnvusionon durch fcindlioho Truppen und die systematische
Verwüstung ganzer Landstriche , um deren Vormarsch zu
hemmen, sowie durch die gewaltsame Verpflanzung der
Bevölkerung verschiedener Distrikte Notstände hervor-
gerufen, welche don Untergang von Hunderttausondeu zur
Folge hatten, auch wurde Maissur 1824, 1833 und zuletzt
1866 gleichfalls von dom Nahrungsmangel berührt, welcher
in Madras so traurige Zustände schuf; dennoch scheinen
dio Verlusto au Menschenleben im Gebiot der Maharadscha
in keinem Falle sehr hedeutend gewesen zu sein.
Welche Prüfungen abor auch immer Maissur vor 1877
zu bestehen hatte , sie wurdon völlig in den Schatten ge-
stellt durch die Notstände dieses Jahres. Sohon im
Jahre 1875 war dor Regeufall dürftig gewusen, indessen
halfen die Überschüsse des Vorjahrs über die Not hinweg;
als aber uuck 1876 der Regen ausblieb, und nur oin Drittel
der gewöhnlichen Erntemenge eingebracht wurde, während
auch dio benachbarten Distrikte von Madras und Bombay
zu leiden hatten, begann um die Mitte des Jahres der
empfindlichste Mangel sich fühlbar zu machen, und im Do-
zombor trat wirkliche Hungersnot oin. Die Eisenbahnen
brachten täglich 500 Tonnen Nahrungsmittel (den Bedarf
für 900 000 Menschon), aber auch die Frühregen von 1877
waren dürftig, wachsende Not und zunehmende Sterblich-
keit gingen Hand in Hand, und erst das Ende des Jahres
brachte die ersehnten Schauer, aber doch nur in halb so
grofser Menge als in früheren Jahren *). Erst mit dem
Anfang des Jahres 1879 liofs dor schwere Druck nach,
welcher auf dor lange geprüften Bevölkerung gelastet hatte.
Die Zählung von 1881 ergab, dafs dio Bevölkerung des
Staates, welcho 1871 auf 5 055 412 Seelen ermittelt wurde,
in 10 Jahren sich um 869 224 Individuon vermindert butte
und nun 4186188 Seelen botrug. Mau hat berechnet,
dafs in Madras wie in Bombay die Volksvermebrung in
normalen Jahren 0,8 Prozout beträgt, und es läfst sieh bei
den sehr ähnlichen Verhältnissen ein gleichor Prozentsatz
auch für Maissur wohl unnohmcn. Danach müßte die Be-
völkerung dieses Staates, wäre die Hungersnot nicht oin-
getroten, im Zonsusjahro 5474678 Scolon betragen haben;
dor wirklioh erlittene Verlust wäre demnach 1288490 In-
dividuen3). Und dies unter der Annahme, daß der frühoro
ZonBUS die Bevölkerung richtig angah, was durchaus un-
wahrscheinlich ist, vielmehr blieb derselbe sicherlich be-
deutend hinter der Wahrheit zurück.
Die Hungersnot trat vornehmlich im Norden ein, wäh-
rend die südlichen Distrikte Schimoga, Kadur und Maissur,
zum Teil auch Hassan viel sogenanntes Malwad -Land ent-
halten, d. h. Land, das mohr odor weniger mit Waldwuchs
bedeckt, gut bewässert und nahe den westlichen Ghats ge-
legen, und somit dem Einfluß des Südwost- Monsuns unmit-
telbar ausgesetzt ist.
Maissur ist gegenwärtig (soit 1883) in sechs Distrikte
(Bangalore, Kolar, Tumkur, Maissur, Schimoga und Kadur)
eingeteilt, zur Zeit des Zonsus bestanden indes acht Di-
strikte, und dioso lassen sich nach dem mehr oder wouigor
intensiven Auftreten der Plage in folgender Weise gruppieren:
Berolkcrnng Abnahme
Schwerts Hnngersnot
Distrikt
Bangalore .
llaseum . .
Kolar . .
Tstehitaldrog
Tumkur
1871
828 36«
668417
618 964
631 360
632 239
1881 Absolut ln Pros.
669 139 169 916 19,»
132 611 19,80
157 825 25,50
155 050 29,18
535 800
461 129
376 310
413 183
219 050 34,05
Summe 3 279 324 2 455 667 823 767 25,11
MiCsige Hungersnot j
Maissur
Kadur .
943 187
333 925
902 566
328 827
40 621
5 598
4,11
1,47
Summe 1 277 112 1 230 893
Sehr roiCrige
Hungersnot
. Schimoga
498 976 499 728
46 219 3,42
Zunahme
Absolut In Pros.
752 0,1*
Der Zensusberieht für Maissur8) macht die Bemerkung,
>) Lord Lyttons Bericht an die englische Kegierung, 14. Korbr. 1878.
2) Vgl. Report nn the Censu» of British India, Vol. 1, p. 456; da-
gegen berechnete der 1878 erhobene Teatsensus den Verlust aut 1 050 000
Seelen (Report on the Mysore Census, p. 38).
*) Report on the Mysore Census of 1881 by Lewis Rice, C. F. E.,
Bangalore 1884.
43*
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340
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
dafs bei einem Vergleich der Distrikte mit einander die
Stadt Bangalore mit ihrem Kantonnement passender auszu-
schliesen sei. Ihre Bevölkerung betrug 1871 : 142513 und
1881: 155857 Seelen. Bringe man diese Zahlen in Ab-
zug, so zeige der Distrikt Bangalore eine Abnahme von
172 559 Seelen (1871: G85 841 gegen 1881: 513 282),
also sogar um 25,1« Prozent1).
Madras. Die Bevölkerung der Präsidentschaft mit Ein-
scblufs des Pudukota- Territoriums und der beiden kleinen
Staaten ßanaganapalle und Sundur, aber ohne die Taluks
ßbadrachalam und Kekapalle, welche am 23. Januar 1874
von den Zentralprovinzen abgelöst und zum Distrikt Qodavery
geschlagen wurden*), war 17. Februar 1881: 31 134975
Seelen stark gegen 31597 872 Seelen im November 1871;
sie hatte also in 9-1- Jahren um 462897 Seeion oder 1,46
Prozent abgenommen.
In der That ist die Abnahme der Bevölkerung bedeu-
tend gröfser, da der friihore Zensus anerkanntermafsen un-
genau war. Man glaubt mit gutem Grund annehmon zu
dürfen, dafs nahezu eine halbe Million Personen weiblichen
Geschlechts nicht gezählt wurden , und dafs in den Berg-
ländern auch die männliche Bevölkerung nur ungenügend
verzeichnet wurde. Dr. Cornish, welcher den Zensusbericht
für 1871 herausgab, behauptete, dafs die weibliche Bevöl-
kerung überall zu niedrig angegeben sei, dufs das Verhältnis
des männlichen Geschlechts zum weiblichen nicht, wie dor
Zensus ermittelte 500 t 49S , sondern vielmehr 491:505
per Tausend sein müsse. Es erschien ihm ferner wenig
glaubhaft, dafs die flottierende Bevölkerung nur 125 880
ausmachen solle, und in der That ist sicher diese Ziffer viel
zu gering, denn 1881 ergab der Zensus die Zahl 618728.
Der Deputy Superintendent des Zensus iu Madras, Lewis
Mac Iver, glaubt dahor, dafs 488 800 Personen weiblichen
Geschlechts und 359 779 Personen der flottierenden Bevöl-
kerung bei der Zonsusaufnahme von 1871 ganz ausgelassen
seien. Danach hatte sich die Bevölkerung der Präsident-
schaft (ohne die beiden obon genannten Taluks) für 1871
um rund 1310000 Seeion verringert.
Das ist der faktische Rückgang, die Differenz zwischen
!) Die SUdteberhlkeruog dci Stalle» hat «ich in folgender Weile ver-
fndert :
1871
1881
Zu* oder
Abnahme
Bangalore . . .
. 142 613
155 857
4- 8.5 Proz
Mtusor . . . .
60 292
+ * .
SchimogA . . .
1 1 034
12 040
+ 8.3 .
Seringapatau) . .
. 10 594
11 734
-1- 9.7 .
Kolar . . . .
lt 172
+11,1 -
Tu inkur . . . .
9 909
-11.2 .
Tsthilk Ballapur .
9 882
9 133
— 7.5 .
Tsehamapatua . .
8 896
8 865
— 0,1 ,
Tarhikmagalur .
. 4 4C3
7 088
+-37,0 ,
Dod Ballapur . .
. 7 449
7 032
— 5.« .
*) Imperial (,'onsua of 1881. Operation« and Uuulta in the l'reiideney
ot Madras. Yol. I, p. 14.
der Ziffer des letzten Zensus und der korrigierten der vor-
hergehenden Zählung. Eine weitere Frage ist die, welche
Höhe die Bevölkerungsziffer erreicht haben würde, wäre die
Hungersnot nicht dazwischengetreten. Dr. Cornish stellt
folgende Berechnung auf:
Zensusbevölkerung 1871 31697 872
Daiu ungesiblle weiblich» Bevölkerung 488 800
Deagl. die Monierende Bevölkerung 359 779
Wirkliche Bevölkerung 1871:
Zuwaehi von 0,7*1 Prot, jährlich für 9 Jahre
32 446 451
2 466 181
Qucbklxt« Bevölkerung 1881 :
Zenrosbevnlkerung 1881
Davon ab Bevölkerung de« Denen Territorium»
34 912 632
31 170 631
35 656
Rest
Dazu Gberscbufs der Einwanderung Uber die Auswanderung .
31 134 975
226 243
Wirkliche Bevölkerung 188t:
31 36t 218
Differenz
3 551 414
Die Hungersnot erstreckte sich nicht über die ganze
Präsidentschaft, 13 Distrikte blieben verschont, während 8 mit
dem Pudukota-Territorium und den einheimischen Fürsten-
tümern Banaganapallo und Sundur davon betroffen wurden.
Aber auch in den erstem machten sich die Einwirkungen der
Hungersnot bemerkbar, überall herrschton hohe Nahrungs-
preise und Mangel. Waren hier auch keine wirklichen Ver-
luste an Menschenleben zu verzeichnen, so stieg doch die
Bevölkerungsziffer nicht in dem Mafse , welchem sie unter
normalen Verhältnissen gefolgt sein würde. Eine geringere
Zahl von Geburten, eine gröfsere Sterblichkeitsziffer waren
die notwendige Folge der eingetretonen Kalamität Diesen
Einflufs läfst auch die nachstehende Zusammenstellung er-
kennen.
Distrikte.
Bevölkerung.
Zn-
odor Abnahme.
Absolut In Prozent
1) Frei ton Hungersnot
Gandsebam . . .
1871
l 520 088
1881
1 749 604
+-
229 516
+-15,10
VixAgaptttam .
2 159 199
2 485 141
4-
335 942
+-15,09
Godavery • .
1 592 939
1 755 856
+
162917
+-10.»*
Kistna . . .
1 452 374
1 548 480
4-
96 106
4" M*
Tacbiugelput .
938 184
981 381
4-
43 197
4* 4, CO
Sudarcot . .
1 765 817
1 814 738
+
58 921
4- 3.3a
Taudschor . .
1 973 731
2 130 383
■4*
156 652
+- 7,84
Tritsehinapalir .
1 200 408
1 215 033
+
14 625
4- i»w
Tinnewelly . .
1 693 959
1 690 747
+-
5 788
+- 0,*4
Nilgins . . .
49 501
65 594
+-
16 093
+-32,51
Malabar . . .
2 261 250
2 390 475
+-
129 225
+- 5,71
Südcanara . .
918 362
959 514
+-
41 152
+- 4.4»
Madras, Stadt .
397 552
405 848
4-
8 296
+- 2,09
Total
17 913 364
19 201 794
+-I 288 430
+- 7.19
Hnngorenotdistrikt»
Nellor ....
1 376811
1 220 236
— 156 575
— 11.ST
Cudd&pah . . .
1 351 194
1 121 038
— 230 156
— 17.0»
Karnul ....
959 640
709 305
— 250 335
— 26.oe
Bellarv ....
1 666006
1 336 696
— 331 310
— 19P»
Nordarcot . . .
2 015 278
1 817 814
— 197 464
— 9,*0
Maduru ....
2 266 615
2 168 680
— 97 935
— 4»S7
Salem ....
1 966 995
1 599 596
— 367 400
— 18,*8
Coimbator . . .
1 763 274
1 657 690
— 106 584
— 5,99
Total
13 367 813
11 631 054
— 1 736 759
—•I2.fr*
Pudukota-Territnrium
316 695
302 127
— 14 568
— 4. CO
Total für die Hungere-
notdiatrikte . .
.
13 684 508
11 933 181
— 1 751 327
— l2.»o
Total für die Provinz :
81 697 872
31 134 976
— 462 897
— 1,4*
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Nachrichten von Dr. Emin-Bei.
341
Aber auch in den Distrikten, welche in der obigen Tabelle
als frei von Hungersnot (non-famine districts) bezeichnet
worden, und in denen eine faktische Zunahme der Bevölke-
rung atattgefundon bat, ist die Bovölkerungszitfer mit Aus-
nahme von fünf (Gandscham, Vizagapatara, Godavery, Tand-
sebor und Nilgirw) bedeutend hintor dem zurückgeblieben,
was sie unter normalen Verhältnissen hätte sein sollen. Für
zahlreichen Bekehrungen zurUckgefUhrt wird. Die hauptsäch-
lichen Rassen zeigten folgende Bewegung:
1871
lg81 Za- oder Abnahme.
Abtolat la Prozent
Hindu 29 160807 28462 941 —697 866 — 2.»
Mohammedaner . • . 1 866 363 1 932 910 -f- 66 647 -f 8,47
Kinetbom« Chrut*n . 804 209 678 338 4-174 129 -y-24,14
Earopäer 14 661 10 838 — 3 723 —25,57
Kunuier 26 450 21 892 — 4 558 —17.«
jene Klasse von Distrikten beträgt das Defizit nach einer
zuverlässigen Berechnung 29 207 Seelen oder 0,16 Proz.1).
Aber dieses Defizit wird, wie oben ausgeführt, noch bedeu-
tend gröfser, wonn wir an die Auslassung eines grofsen
Teils der flottierenden und der weiblichen Bevölkerung denken.
Dafs die letztem Auslassung wirklich stattgefuuden hat, das
können wir aus der Zunahme der mohammedanischen Be-
völkerung schliefsen (es sind da allerdings noch andre Mo-
mente bestimmend), während das Anwachsen der christlichen
Bevölkerung auf die gerade während der Hungersnot sehr
7) Operation» and BeralU in the I’rwiilency of Madras by Lewis Me Ircr.
VoL I, p. 26.
Als die Hungersnot endgültig aus dem Distrikt ver-
schwunden war, machte die indische Regierung den Ver-
such, den Verlust, welchen die Bevölkerung durch Todesfällo
erlitten hatte, annähernd zu bestimmen, und gelangte dabei
für die nachstehenden Distrikte zu folgenden Resultaten :
Normal« Hierb-
lichkcttaxltTcr im
Todesfälle im
Zunahme
Durchschnitt von
Jahr l(f77 — 78
In Proxonl
Stiem (Uex. 1876 bi» Pein.
6 Jahren
1878) 63 183
204 019
222,6
Bellary (Guty) . . . . .
17 067
278,4
Kam ul (Nandikoskur) . . .
16 261
435,0
Ouddtpth (MuUnapilly . .
4 490
16 095
260,4
Nelloi (Qsdar)
6 173
210,3
Coimbator (Palladam) . . .
5 110
14 099
175,9
Tue hin gol put (Pon«ri) . . .
7 160
157,9
(8chlaf» folgt)
Nachrichten von Dr. Emin-Bei.
Mohr alB drei Jahre sind verflossen , seitdem die letz-
ten direkten Nachrichten von Dr. Emin-Bei, dom rUhrigon,
unermüdlichen Erforscher des Nil- Quellgebietes, dem ener-
gischen und erfolgreichen Verwalter der ägyptischen Äqua-
torialprovinzen, nach Europa gelangten. Am 14. April
1883 hatte das letzte ägyptische Dampfschiff Ladb verlas-
sen; bereits am 29. Mai, also nach 45 Tagen, traf die
Post aus dem fernen Süden in Kairo ein. Allgemein wurde
diese schnelle Beförderung als ein bedeutsamer Fortschritt
in der Verbindung mit dem Innern Afrikas begrüfst, aber
leider sollte mit diesem Fortschritt auch diese Route, welche
einen so verheifsungsvollcn Ausgangspunkt Air die fernere
Erforschung Zentralafrikas zu werden versprach , seitdem
verschlossen bleiben. Der damals schon ausgebrocheno
Aufstand des Mahdi griff weiter um sich ; dor von Hicks-
Pascha unternommene Feldzug nach Kordofan fund in der
Schlacht von Knschgil einen unglücklichen Ausgang, und
bald befand sich ganz Kordofan und Darfur in den Hän-
den der Aufständischen. Der letzte, im Juli 1883 von
Cbartum nach dem Balir-el-Gasal abgefahrene Dampfer „Is-
matlia“ war auf dem Rückwege im Januar 1884 nur mit
genauer Not den Rebellen entkommen. Mit diesem Dam-
pfor, wolchor die letzten Briefe von Dr. Junker brachte,
kam auch die letzte Kundo über Dr. Emin-Bei, welcher
damals am Uello im Monbuttu- Lande weilte, nach Europa.
Der erfolgreiche Kampf des Mahdi gegen dio ägyptischo
Herrschaft, welche mit der Einnahme von Khartum im
Januar 1885 und dem Rückzüge des englischen Entsatz-
heeres aus Dongola für lange Zeit ihr Ende erreichte,
machte jede fernere Verbindung mit den ägyptischen Äqua-
torialprovinzen unmöglich.
Auch ' Uber Sansibar, durch Vermittelung der englischen
Missionare in Uganda, gelangten keine zuverlässigen Nach-
richten über die am obern Nil abgeschnittenen Forscher
Dr. Emin-Bei, Dr. Junker und Kapit Casati nach Europu;
die Missionare selbst erfuhren, da sie von dem mifstraui-
schen jungen Herrscher Muanga, dem Nachfolger Mtesas,
an einer direkten Verbindung mit Emin gehindert wurdon,
nur unsichere, widersprechende Kunde Uber seinen Aufent-
halt. Ganz besonders hatte es überrascht, dafs es Emin-
Bei nicht gelungen war, seinen Rückzug nach Unjoro und
Uganda , mit deren Horrscliern er in freundschaftlichem
Verkohr gestanden hatte , zu bewerkstelligen und so sich
und seine Geführten vor dem Ansturmo der Mahdi-Anhänger
in Sicherheit zu bringen. Die Erklärung bietet der durch
Vermittelung des englischen Konsulates in Sansibar und
des englischen Ministeriums der Auswärtigen Angelegen-
heiten am 28. Oktober in Gotha eingetroffene Brief Emins,
durch welchen die begründete Besorgnis um die Sicherheit
des erprobten Reisenden aufs neue wachgerufen wird. Von
Wadela'i hatte dieses Schreiben Dr. Junker mitgenommen,
welches derselbe wahrscheinlich nach seiner Ankunft am
Victoria- See vorausgesandt hatte.
Trotz dor nun dreijährigen Isolierung, trotzdem die
Zufuhr von Vorräten aller Art vollständig abgeschnitten
ist, bat Dr. Emiu-Bci seine Herrschaft gegon die Angriff»
der Rebellen aufrecht zu erhalten gewufst, wahrlich oin
rühmliches Zeugnis für seine Umsicht und Entschlossenheit,
dabei auch für die Begabung, mit welcher er die seiner
Herrschaft unterstellten Völkerschaften durch gerechte Be-
handlung an sich ketten und selbst in den Zeiten grofser
Gefahr sich treu zu erhalten wufste. Dr. Emin-Bei, welcher
342
Nachrichten von Dr. Emin-Bei.
buroits 12 Jahre, darunter 8 Jahre als Gouverneur in den
Äquatorialprovinzen weilt, hat auch jetzt noch nicht dio
Absicht, seine Provinz aufzugeben, sondern nur im äufsor-
sten Notfälle will er seinen Rückzug an die Ostkiiste fort-
setzon, in welchem Entschlüsse er durch seine optimistische
Auffassung der Lage in Unganda bestärkt wird.
„Wadelai *), 1. Januar 1886.
„Zunächst meine herzlichsten Wünsche zum eben be-
ginnenden Jahre, Wünsche, die Sio jedenfalls etwas spät
erreichen dürften , aber darum um so aufrichtiger sind.
Möge Ihnen wenigstens das neue Jahr alles miiglicho Gute
und Liebe hringon.
„Seit ich das letzto Mal mir gestattete, Ihnen zu schrei-
ben, sind ereignisvollo Jahre Uber uns dahingorauscht, und
auch Sie mögen uns alle wohl längst zu den Verschollouon
und Verstorbenen gezählt haben. Es hat aber so nicht
sein sollen, und wir fechten den harten Kampf gegen wi-
drige Schicksulsschläge immer noch fort : aufgegehen und
verlassen von unsrer eignen Regierung, abgeschnitten von
aller Welt. Meine Handvoll Leute und besonders meine
Negortruppon , nackt und am Nötigsten Mangel leidend,
oft monatelang auf eine Hnudvoll Durra angewiesen, haben
bis heute durch ullo Anfechtungen und Drangsale treu zu
mir gestanden , und mit Gottes Hilfe wollen wir uns zu-
sammen unsern Weg bahuou, auch wenn von Norden her
uns keinerloi Hoffnung mehr bleibt.
„Mein armer Freund Lupton ist, nachdem er zwei
Jahro laug sich wacker herumgeschlagon , schliefslich von
den Hordeu dos Pseudo -Mahdi, Mohammed Ahmed, in sei-
ner Provinz angegriffen und, durch den Verrat seiuer eig-
nen Leute zur Cborgubo gezwungen, nach Kordofan ubge-
führt worden. Was weiter aus ihm geworden, vormag ich
nicht zu sagen*). Ich selbst habe mich einom ähnlichen
Schicksale nur durch List uutzogen und dadurch Zeit ge-
wonnen, alle aufsenliegenden Stationen aufzugebeu, moiuo
Leute zu konzentrieren und schliofslich den Anprall dor
Rebellen zu erwarten. Ich habe violo Leute verloren, brave
Menschen, die ein besseres Los vordient hätten, als sich für
nichts uud wieder nichts zu opfern. Trotzdem hoffe ich
immer noch stark gonug zu sein , um mir nötigen Falls
meinen Weg nach Süden mit Gewalt zu bahnen. Es wird
dazu aber, denke ich, nicht kommen. Sie keuuou ja meine
alten freundschaftlichen Beziehungen zu den Herrschern
von Uganda und Unjoro, und ist auch Mtesa jotzt nicht
mehr am Leben und sein Nachfolger Muanga mir uicht
porsüulich befreundet, so wird sich doch mit Hilfe meines
ulten Frouudos Katikro Pokiuo uud schliefslich durch Vor-
mittelung dor Missionare, falls solche noch in Uganda sind,
manches thun lassen3). Was Unjoro betrifft, so ist es mir
schon geluugou , mit Kabrega mich ins Einvernehmen zu
setzen , und er ist so freundlich gewesen , mir wiederholt
!) WadelaT ixt ägyptische Station am obern Bihr-cMirbsl, wenig unter-
halb seine« Ausfluss«» au» dem Albert -Sec, ca 2° 46' N\ Br.; ». Pcterra.
Mitteil. 1882, Taf. 15.
’) tb» Oefangannahmo Lupton* wurde bereit« am 4. November 1884
von Gonton au» Khartum gemeldet; Mitte 188« befand «ich Lupton, nach
Mittcünngen aus Dongola, uoch als Gefangener in Omdurruaua.
*) Kroin - Bei befand «ich demnach bei Atacndung eeiuea Briefen in
1 nlceontni.i Uber die gänzlieh geänderten Verhäitniaae in Uganda. Der
junge Herrscher Muanga, wolchor eich völlig von arabischen Einflüsterungen be-
liebe Briefe zu senden, mich einzuladen und auf meine
Bitte Stoffe hierher zum Vorkauf zu schicken. So werde
ich meine Leute nach und nach wieder kleiden können, und
das wird ihnon Mut zum Ausharron machen.
„Morgen gehen unser Apothoker und auch I)r. Junker
zu Kabroga, — jener, um dort als mein Vertreter sich
ansässig zu machen, dieser, hoffentlich um nach kur-
zem Aufenthalte nach Uganda zu guheu uud unsre Post
— auch diesen Brief — nach Sansibar zu sonden. Dr.
Junker, welcher herzliche Grüfse sendet, war uoch vor
Anbruch deB eigentlichen Krieges am Bahr-ol-Gasal zu mir
gekommen; in der letzten Zeit, als eB auch bei uns anfing,
unsicher zu werden, hat er lange bei Chef Anfina gelebt.
Soino ganzen Sammlungen vom Bahr-el-Gnsal, teilweise aus
dou forneu westlichen Gebieten, dio nun für Jahrzehnte
vorschlosson sein dürften , sind leider verloren gegangen ;
seine grofsartigen geographischen Arbeiton, zu denen ich
ihm als dor orste Glück wünschon durfte , sind gerettet,
und bringt er diosolbeu mit sich. Sie werden also für dank-
bare Arbeit Stoff findon.
„Auch Kapitän Casati kam noch vor Thorcsschlufs, d. h.
vor Anbruch des Krieges in dieser Provinz, aus Moubuttu
nach Makrakä und von du nach Ladö, von wo er mir hierher
gefolgt ist und nun besserer Zeiten und sichererer Wego
harrt. Auch er hat seine Arbeiten mit sich gebracht.
Beide Forscher haben in die-eu trüben Zeiten wohl manche
Entbohrung sich uuferlegen , wohl manches Ungemach be-
stellen müssen, — es war ebon beim besten Willen nicht
anders möglich. Wir habuu oben jeder sein Teil zu tragen.
„Was rnioh selbst betrifft, so bin ich im Juhro 1883 in
Monbuttu gewesen uud hubo dort, leidor nur kurze Zeit,
besonders zoologisch gearbeitet. Der geographische Teil
meiner Arbeit, sowie oiu audror Vorsuch zu Bciträguu zur
Zoo-Geographie unsres Landes liogen für Sio boroit und
folgen, sobald ich nicht den Vorlust der Briofe zu befürch-
ten habe. Ebenso habe ich für Sie eine Manuskriptk&rto
von Lupton *), die er Ihnen znzuseuden mich ersuchte, und
welche von Junker nicht besuchte Gebiete behandelt, also
eine Ergänzung zu dessen Reisen hildet. Aufserdem liegen
meteorologische Beobachtungen für Ladö, 1-J- Jahro umfas-
send, Ruguumessungon, Ilöheubestimmungeu ebenfalls bereit,
uud sotzo ich wuuigsteus die meteorologischen Beobach-
tungen auch hier regelmüfsig fort, Dafs ich in der letzten
Zeit, die durch dio Sorge für das tägliche Brot meiner
Leute uud meiuer selbst völlig iu Anspruch genommen
war, und wo amtliche Beschäftigungen mich fast erdrückten,
geographisch niohts thun konnte, werden Sie begreiflich
cinflusjen lifU, ist, wie au» den wiederholt mitgeteilten Briefen der Missionare
herrorgeht, den Europäern feindlich gesinnt, da er durch »ie teioo Herr-
schaft gefährdet glaubt. Dieses Mißtrauen offenbarte »ich besonder» durch
die auf seinen Befehl erfolgte Niedermetxelung den Bischof» Hennington,
weil er auf einem bisher nicht von Europäern begangenen Wego »ich der
Ostgrcnae Uganda» genähert bette.
I) Bereit« in «einem Berichte an dio R. Gfogr. Society in London
(Proceed. 1884, p. 251) erwähnte Lupton die durch Emins Vermittelung
erfolgte Absendung einer grofsen Karte nach Gotha, welche, weil damals be-
reits die Verbindung mit Ijuiii unterbrochen war, nicht in untre Hände
gelangen konnte. Die Karte urafafst die Keisen Lupton» westlich vom Nism-
Kiam-Lande bis »um Plaste Koro, einem nördlichen Tributär des Uelle : sie
schliefst sich nördlich an das von Dr. Junker von Soraio aus erforschte
Gebiet an.
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Geographischer Monatsbericht.
finden. Sollte unser Geschick uns wirklich nach Süden
drängen , so finde ich ja in Unjoro mein altes Arbeitsfold
und werde es gewifs ausnutzen. Fitr jetzt mag Dr. Junker
sich dort vorsuchen.
„Die Regenzeit ist nun vorüber, nnd wir wissen nicht,
ob nicht etwa die trockne Jahreszeit uns wiederum An-
griffe vom Rahr-el-Gasal her bringt. Da wir seit April
1883 aller Nachrichten entbehren, aufser denen, welche
uns die Insurgenten in ihron Drohbriefen freundlichst mit-
teilten — die Niedurlage von General Hicks in Kordofnu,
den Tod von Alueddin-Pascha ebendaselbst , die Einnahme
von Khartum im Januar 1885 und den Tod von Gordon —
und welche obensogut falsch als wahr sein können, so er-
warten wir natürlich mit iiufeerster Spannung dio Antwort
auf dio Briefe, welche ich durch Kabregas freundliche Ver-
mittelung an die Missionare in Uganda, resp. die Konsulate
in Sansibar *) gerichtet habe. Was gäbe ich nicht für ein
altes Blatt irgend welcher Zeitung, für ein Journal oder
gar für ein Buch ! Und doch haben wir keinen Grund
1) Wie der Missionar Maräny berichtete (s. Mitteil. 1886, S. £16),
haben Bmini Briefe ihren Bestimmungsort nicht erreicht, sondern sie sind
schon in Unjoro ron inbiachen Händlern zoriickgslisltoo worden. Kbenso
lind euch die in Emin «richteten Briefe der ägyptischst! Regierung nicht
343
zum Klagen: es wird auch wieder besser werden, und
wir habon in der Schule des Unglücks Mufse genug zum
Lernen gehabt. Hat aber je in mir noch ein Atom von
Zweifel bestanden an der Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit
der Neger, so hat diese Zeit den glänzendsten Beweis für
deren Rechtfertigung geliefert, und mich gelehrt , dafs d i e
schwarze Russe an Befähigung gewifs koiner
andern nächste he, an Selbstlosigkeit aber
viele undro Ubortreffe.“
•d denselben gelingt, weil Muings, in den diasslbsn von dem englischen
Generalkonsul Sir J. Kirk in Sinsibir lur Weiterbeförderung gesandt wurden,
Ton Mifstnuen erfüllt, sie iilTnen und Inen lief« und nicht weitermndte, ils
er vernahm, ilifs von ägyptischen Soldaten darin die Rede wir. Muiuga
hat später, als die Nachricht ron Dr. Junkers Ankunft hei Kebregs ron
linjoro *u ihm gelugte, dieses Reich mit Krieg überzogen und Tollstkndig
besiegt, so dafs I)r. Junkrr sein Heil in der Flucht suchen mufste. Auf
welche Weise Dr. Junker die Fortsetzung seiner Reise noch der Ostküxte
ermöglichte — ob dureh Umgehung ron Uganda und seiner Tributärataaten,
ob durrh direkte Krlaubnii Muangaa — , ist noch nicht bekannt. Aua dem
Rannen Verhalten Mtungas, welcher im Juni 1886 die einheimischen Christen
nicdermetzeln liefa und spater sämtliche Missionare, mit Ausnahme des als
geschickten Handwerker» in (icfangeuwhaft zurückgehaltenen Mackey, seines
lande» verwiesen hat, ist ersichtlich, dafs Kmin-Bei ron Uganda irgend
welche Unterstützung seines Rückzüge» nicht erwarten kann. Dnreh die
Niederlage Kabregas ist die Rücksugslinie Emina natürlich noch mehr ge-
fährdet.
Geographischer Monatsbericht.
Allgomoines.
Unmittelbar au don Kolonialkongrofs schlofa »ich in
Berlin dio 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärxte
an, bei der ausnahmsweise auch die Geographie in erfreu-
lichster Weise vertreten war. Die allgemeinen Sitzungen
brachten nicht weniger als drei Vorträge geographischen
Gebalts. In begeisterten Worten schilderte einer der ersten
Afrikaforscher dor Jetztzeit, Georg Schweinfurth, Europas Auf-
gaben und Aussichten im tropischen Afrika, dus allerdings
nicht, wie Indien und Java, etwas Fertiges darbietet, son-
dern wo alleB erst von Grund ans neu geschaffen werden
mufs , sogar und vor ullem der Mensch. Eingehend be-
schäftigte er sich mit don Wirtschaftsaufgaben, wobei er
wieder einmal auf die Notwendigkeit einor botanischen Er-
forschung dos Landes hinwies, und mit der Frage der
Erziehung des Negers zur Arbeit, die aber stets auf eoht
humaner Grundlage zu losen ist, und schlofs mit einem
Appell an das deutsche Volk, don kleinlichen Parteigezänken
in dieser grofsen Kniturangelegenheit endlich einmal zu
entsagen. Dieser Vortrag verdiente separat herausgegebon
zu werden ; ebenso sachlich, als von oinom warmen Gefühl
getragen , könnte er aufklärond und beruhigend wirkon,
denn nicht einmal Unverstand und Gehässigkeit könnten
einen Schweinfurth dor Reklamcsucht oder Unkenntnis
zeihen. Dr. TVolff berichtete über seiuo Reisen im Kongo-
gebiet (Sankuru), und Admiralitätsrat Neumayer, der über
die Wichtigkeit der Südpolarforschung für alle Zweige der
Naturwissenschaften sprach, machte die erfreuliohe Mit-
teilung, dafs man sich in Australien schon ernstlich mit
dum Gedanken einer antarktischen Expedition beschäftige.
Zwei Sektionen waren der Geographie gewidmet: die 8.
(Geographio und Ethnologie), welclio 76 Teilnohmor zählte,
und in der 13 Vorträge gehalten wurden, und dio 24.
(medizinische Geographio, Klimatologie und Tropen-Hygioine)
mit 105 Teilnehmern und 14 Vortragen. Die eigentliche
geographische Sektion gehörte fast ausschliefslioh den
Reisenden. Dr. Büttner, Tappenbeck, Kund, Graf Pfeil,
Müller und Staudinger sprachen über ihre Reisen in Afrika,
Siovera über die Aruacos, v. d. Steinen über dio Ethnographie
Südamerikas, Dr. v. Lusohan über die Kurden. Prof. Kan
aus Amsterdam machte die deutschen Forschungsreisenden
auf die noch recht mangelhaft bekannten Molukken auf-
merksam. Nicht vorgossen dürfen wir bei dieser Gelegen-
heit dos Museums für Völkerkunde, das seine sonBt noch
verschlossenen Thore den Naturforschern öffnete. Staunen-
erregend ist der Reichtum an ethnographischen Gegen-
ständen der verschiedensten Art, die hier zusammenströmen ;
und wer das Glück hatte, an dor Seite des Direktors Bas-
tian , der sich durch diese Sammlung ein unvergängliches
Denkmal geschaffen hat, dio Säle zu durchwandern und
dessou ideenreiche Bemerkungon und Hinweise zu hören,
gelangte zur Überzeugung, dafs von diesem Museum zahl-
reiche Lichtstrahlen ausgehen werden zur Erhellung des
noch vielfach dunkeln ethnologischen Gebietes.
Die Sektion für medizinische Geographie beschäftigte
Tt
344
Geographischer
Monatsbericht.
sich vorwiegend mit den GeBundheits Verhältnissen des tro-
pischen Afrika. Mau kann wohl nicht behaupten , dafs in
diesem so wichtigen Punkte Einigkeit erzielt wurde, und
namentlich stehen sich in bezug auf die Verbreitung der
Malaria Behauptung gegen Behauptung noch immer schroff
gegenüber. Das deutet darauf hin , wie aufserordentlich
mangelhaft das Beobachtungsmateria) noch ist, und wie
sehr noch die Neigung besteht, zu generalisieren. Bedauer-
lich ist es auch, dafs noch so wenig Ärzte an dieser Dis-
kussion teilnehmen. Die Deutsche Kolonialzeitung hat an-
läfslich der Naturforscher -Versammlung ein Spezialheft
herausgegeben , das nur Aufsätze Uber die Gesundhoits-
Verhältnisse verschiedener tropischer und subtropischer
Gebiete enthält. Auch hierin begegnot- man Widersprüchen.
Sehr zu empfehlen ist der Vorschlag von Zülzer, in bezug
auf die Akklimatisationsfrage exakte Untersuchungsmothoden
in Anwendung zu bringen. Auch dio klimatischen und
sanitären Verhältnisse von Südbrasilien, dem La Plata-
Gebiet, SW-Afrika und Transvaal wurden besprochen, und
zum Schlüsse hielt Graf Anrep-Elmpt einen bemerkens-
werten Vortrag über den „Vampyrismus im Kolonisations-
prinzip“, als welchen er dio Raubwirtschaft bczeichnete.
Erhaltung der Wälder sind seiner Ansicht nach das einzige
Mittel, die Zeugungskraft des tropischen und subtropischen
Bodens dauernd zu erhalten. Supan.
Afrika.
Nordafrika. — Hart an der Schwelle von Europa,
am Saume des Mittelmeeros, erstreckt sich in Nordmarokko
die LatuUchaft Rif , welche in einem sehr losen Ahhängig-
keitsverhältnis zu diesem Lande Bteht. Alle von Europäern
gemachten Versuche, in diese Küstenlandschuft einzudrin-
gen, sind bisher nn dom Widerstande der freiheitsliebenden
Bewohner, welche lunge wegen ihrer kühnen Seeräuber-
züge der Schrecken der spanischen und italienischen Küsten,
sowie der Handelsschiffe im Mittelländischen Meere waren,
gescheitert. Auch der erfahrene Sahara-Forscher, TI. Duvey-
rier , hat in diesem Jahre ihren Widerstand nioht zu be-
siegen vermocht, sondern hat die beabsichtigte Erforschung
dieses Gebietes aufgeben müssen ; unverrichteter Sache ist
er jedoch nicht zurückgekehrt, sondern er hat eine genauo
Aufnahme seines Itinerars von der algerischen Grenze bis
Melilla zurückgebracht, welche demnächst von der Geogr.
Gesellschaft in Paris veröffentlicht worden wird.
Äquatorialgebiete. — Dio für die Kartographie
des mittlorn Kongo • Beckens grundlogenden Aufnahmen der
Tributäre de« Kongo durch den englischen Missionar O. Grenfell
werden im Oktober-Hefte der Londoner Proceedings in einem
einheitlichen Bilde vorgeführt; die Übersichtskarte ist in
dem Mafsstabo 1 : 6 800 000 , die Aufnahmen der Flüsse
Mikenje, Mobunschi, Ngala, Loikn oder Ttimbiri am rochten
Ufer, des Tschuapa mit dem Bosira, Ikelemba, Lulanga
mit Lopori und Lomarni oder Boloko am linken Ufer in
1 ; 1 450 000 ausgeiiibrt. Vor allem interessiert die Auf-
nahme des mächtigen rechtsseitigen Zuflusses, des Mohanschi,
und der Bericht über die zweimalige Fahrt auf demselben,
welcher insofern eine Enttäuschung bietet, als er durch-
aus keinen Anhalt oder weitere Begründung für den von
A. J. Wauters verteidigten Zusammenhang mit dem Uelle
bietet, desson nächstor, von einem Europäer berührter j
Punkt *) (26 1' ö von Bohndorff erreicht) noch immer
7 Längengrade, mindestens 770 km, von Grenfells fernstem
Punkte am Mohanschi, ca 4* 28' N und 19° 29' Ö.L., ent-
fernt ist. Weder die Höhenmessungen noch dio Schatzungen
über Volumen und Stromgeschwindigkeit der in Frage kom-
menden Flüsse lassen einen sicheren Schlufs zu, dafs die W as-
Bermassen des Uelle nur dem Mohanschi sich zuwenden kön-
nen. Die Möglichkeit ist noch immer nicht ausgeschlossen, dafs
dio von Junker angenommene Identität des Uelle und des
Schari sich bestätigt, oder dafs der Uelle durch einen
andern Zuflufs in den Kongo sich ergiefst. Da Dr. Junkers
Rückkehr erfreulicherweise in baldiger Aussicht steht, dürfte
es verfrüht sein, jetzt für die eine oder andre Hypothese
sich zu entscheiden, bevor seine Gründe bekannt geworden
sind. Grenfells Vermutung, dafs der von ihm bis 1*33' S
befahrene Lomarni oder Boloko identisch sei mit dem von
Camoron undWifsmann überschrittenen Lomarni, läfst sich
nach Dr. Wolffs Fahrt auf dem Sankurru und Lomarni nicht
mehr aufrochterbalten. Die Grenfellsche Karte führt wieder
klar vor Augen, wio äufserst geringe Fortschritte die Erfor-
schung dos Kongo-Bockens durch Bemühungen der Associa-
tiousboamten gemacht hat. Stanleys Aufnahmen des Kongo-
Laufes und seiner Zuflüsse erweisen sich überall als fehler-
haft und werden z. B. jetzt wieder durch die Gronfellsche
Karte vollständig Uber den Haufon geworfen. Dio Massa-
rischen Aufnahmen am Kuango und Likuala sind noch
immor nicht zur Veröffentlichung gekommen. Von den
zahllosen belgischen Ofßzioren , wolche am Kongo beschäf-
tigt waren und noch sind, scheint aber kein einziger
mit Kompafs und Chronometer arbeiten zu können ; wenig-
stens hat noch nichts verlautet, dafs ihnen Aufnahmen
irgend welcher Art, die geringsten Verbesserungen der
Karte oder gar Positionsbestimmungen zu verdanken seien.
Dieser Teil der Forschung wird den englischen Missionaren
und deutschen Oflizieron überlassen ; bessern Händen
könnte er übrigons eebworliok anvertraut werden.
Wie vorauszusehen war, trägt die Ihtrchkreuxung der
äquatorialen Gebiete durch Loutnant P. E. Oleerup nur wenig
zur Erweiterung unsrer Kenntnis bei, da er im allgemeinen
die Pfade früherer Forscher, namentlich Stanleys, begangen
hat. Von der 8tation Stanley Falls, welche er am
28. Dezember 1885 verliefs, gelangte er per Boot in
10 Tagen jenseit der Stanley- Fälle , welche nur als Strom-
schnellen zu bezeichnen sind. Von der oberhalb derselben
gelegenen Station Tippu-Tips, Kibongo genannt, währte die
Flufsfahrt bis Nyangwe noch 14 Tage; aufser zahlreichen
kleinen Posten besitzt Tippu-Tip au der Mündung des
Lira eine zweite gröfsere Station Liba Riba, wo er durch
Anlage von Pflanzungen sich auch als Kulturapostel erweist.
Von Nyangwe machte Gleerup einen Abstecher nach der
Hauptstation von Tippu-Tip, Kassongo, am rechten Ufer des
Lualaba. Auf der gewöhnlichen Karawanenstrafse durch
Manjema, Udscliidschi &c. gelangte der Reisende, dem sich
unterwegs der in Tabora erkrankte französische Forscher
Revoil angeschlossen hatte, am 25. Juni an die Küste; er war
also von Stanley Falls 6 Monate unterwegs gewesen.
*) Allerdingt btt Potagoe noch weiter westlich alt Bohndnrff den Celle
berührt; die hege da von ihm erreichten Punktet Ingimt ist eher rollig
ansicher and daher nicht geeignet, eine Stütze dir irgend eine Hypo-
these über den Verlaut d« Uelle zu geben.
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Geographischer Monatsbericht.
345
Denselben Weg wie Leutnant Gleemp hat auch Prof.
Dr. 0. Lera einsclilagen müssen; derselbe ist am 4. April
von der Falls -Station in Begleitung des Arabers Tippu-
Tip stromaufwärts nach Nyangwe abgereist und hat, wie
Nachrichten von der Ostkiiste melden, wohlbehalten dessen
Hauptfaktorei Kassongo hei Nyangwe erreicht. Hoffentlich
gelingt es Prof. Ixmz nun durch Ausdehnung seiner For-
schungstour nach dem Muta Neige auch auf goographiscliom
Gebiete bedeutende Erfolge zu erringen, wie es ihm bereits
durch streng wissenschaftliche Arbeiten auf dieser Koiso
gelungen ist; dio Durchkrouzug Äquutorialufrikas auf dieser
vielbegaugenon Route ist an und fflr sich koin erwähnens-
wertes Ereignis mokr , sondern aio kann leicht von jodem
globe-troddor ausgeführt werdon. Lenz’ Begleiter, Bau-
mann, mufsto wegen Krankheit von dor Falls-Station nach
Stanley Pool zurlickkehren und hat die Roise nach der
Küste am Nordufer des Kongo zurückgelegt. Vor Rückkehr
nach Europa unternimmt Baumann eine Forschungstour
durch Fernando Po.
Im Begriffe , sich wieder nach Schoa zu begeben , ist
der französische Reisende P. Soleillet am 10. September
in Aden gestorben; ein rastloser Agitator für die Ausbrei-
tung des französischen Handels in Afrika, für die Anbah-
nung eines direkten Verkehrs zwischen dem Senegal und
Algier ist in ihm geschieden. Seine Bestrebungen, nach
Timbuklu vorzudringen, welche er von 1865 bis 1880
verfolgte, batten sowohl im N wie im S keinen Erfolg ge-
habt; immerhin war er einer der wenigen Europäer, dio in
dio Osbo Tidikelt vordrangen, auch eröffneto er die auf
Erschliefsung des oborn Nigergebiets gcriohtcten französi-
schen Unternehmungon. Glücklicher war er im Osten, wohin
or 1881 soine Thätigkcit übertrug. Er gab Veranlassung
zu der Gründung der Kolonio Obock und drang Uber Schoa
glücklich bis Kaffa vor.
Von der italienischen Station Let Marefio aus hat I)r.
Travtrti einen Ausflug nach dem Suat-See südlich von Ha-
wasch gemacht. Er bestätigt die Angabe von Dr. Stecker,
dafs der See ohne Abduls ist , dagegen an der Ostküste
einen sehr starken Zuflufs Make aufnimmt, welcher im
Gebirge von Soddo und Gurage entspringt. Der Sec hat
fünf Inseln, von denen nur drei bewohnt sind. (L'Exploration,
14. Oktober 1886.)
Da der italienische Reisende A. Frantoj sowohl bei den
englischon Behörden in Sela wie in Obock bei dem fran-
zösischen Kommandanten kein Entgegenkommen für seino
Roise nach Harar fand, so bat er, wie er vom 20. August
▼on Tadschurrah mittoilt (L'Exploration, 30. Septbr. 1886),
seinen Plan vollständig geäudert. Er will jetzt zum Aus-
gangspunkt seines Unternehmens Ras Hafun an der Ost-
küste des Somali -Landes nehmen und das ganze unbe-
kannte Gebiet in der Richtung von ÜBten nach Westen
bis nach Kaffa durchkreuzen, wo er sein eigentliches Pro-
jekt, die Erforschung der südlichen Galla-Gobiete, erst be-
ginnen soll.
Eine Schilderung des 14tägigen Ausfluges von dor Ost-
küste des Nyassa nach Unango in der Näho dos Rovuma-
Tributiirs Luchulingo gibt dor Missionar Swinny in „Contral
Africa“, Nr. 45, dem Organ der Univorsitios Mission. Die
ansässigo Bevölkerung des Distriktos , die Yaos, flüchten
vor don Raubzügou dor Mangwaras auf die unwirtlichen
Prtomuuin» Geogr. Mitteilungen. 1886, lieft XI.
Höhen, die fruchtbaren Thäler bleiben unbewohnt. Swinny
reiste etwas südlich von der Route des Missionars Johnson.
Eine spätoro Exkursion im Mai brachte ihn von der Mbampo-
Bni nach Amakita, welches bereits im Mangwara- Lande
liegt (obendas. Nr. 46, mit Karte). Bei dieser Gelegenheit
wollen wir Geographische und Meteorologische Gesellschaften
darauf hinweisen, dafs Missionar Swinny sich bereit erklärt,
regelmäfsige meteorologische Beobachtungen auf seiner Sta-
tion, der Insel Dikomo in der Nähe der Ostküste, anzu-
stellen gegen Überlassung eines Teleskopes, um durch astro-
nomische Beobachtungen Positionsbestimmungen machen zu
können.
Interessenten für die deutschon Besitzungen in Oatafrika
sei das Werk der katholischen Missionare Et. Baur und
A. Le Roy: A traten le Zangutbar (Gr.-8°, 358 pp., mit
Karte. Tours, Marne et Fils, 1886) ompfohlen; es enthält
gesammelt die Reiseberichte, welche 1882 und 1884 in der
Zeitschrift „Les Missions catholiques“ erschienen sind, und
umfafst gerade die Erwerbungen der Ostafrikauischen Ge-
sellschaft, nämlich die Landschaften Wadoe, Usegua, Ukwere,
Ukami und Usagara. Diese Berichte erzählen nicht allein
die Erlebnisse der vor der deutschen Besitzergreifung unter-
nommenen Rundreisen (die Jahreszahl wird nicht angegeben),
sondern bioten auch eine umfassende Schilderung der durch-
zogenen Gobieto und ihrer Bewohner; sie geben auch Aus-
kunft Ubor dio von ihnen erfolgte Erziehungsmethode und
die Fortschritte der Kultivation, welche die katholischen
Missionaro in Bagamojo und don Nebenstationen, die immer
weiter landeinwärts vorgeschoben werden, zweifellos erzielen.
Wünschenswert wäre die Ersetzung dor Karte durch die
weit reichere und sorgfältigere Karte des Pator Baur in
den Missions catholiques gewesen.
Über die 8. 317 erwähnte, auffällige Abweichung von
Serpa Pinto wird das Reisework und die definitive Routenkarte
von Caprilo und lernt in 1 : 1 000 000, von welcher uns durch
die Freundlichkeit des verdienstvollen Agitators für portugie-
sische Afrikaforschung und Sekretäres der Lissahoner Geogr.
Gesellschaft, Luciano Cordoiro, bereits vier Probeblätter vor-
liegen, weitoro Aufschlüsse bringen. Diese vollendeten Blätter,
welcho dio Routenstrecke von Mossamedes quer durch das
Amboolla-Land bis zum Sambesi und jonseit desselben bis nach
Katanga und der Wasserschoide zwischon Bangwoolo-Seo und
Sambesi, also die wichtigsten Toile der Reiso, umfassen,
zeugen von grofser Borgfalt in den Aufnahmen und bioten
ein reiches Material zur Erweiterung unsrer Kenntnis vom
tropischen Afrika. Namentlich die bisher ganz unbekannten
Strecken zwischen Cunene und Sambesi, dann zwischen
Sambesi und Luapula, werden durch diese Karte, auf welche
wir später zurückkommen werden, genau bekannt.
Eine Schilderung des nördlichsten Teiles der portugie-
sischen Kolonie Mocambique, des Dislriktet von Kap Del-
yado, liefert der frühere Qouvorneur desselben, Major Pemry
da Camara unter Beigabe eines Pianos des Hauptortos Ibo
nach der Aufnahme von Serpa Pinto (Boletin Soo. geogr.
Lisboa 1886, YI, p. 67). Unter seinen Vorschlägen zur
Hebung der portugiesichen Besitzungen an der Ostküste
tritt in erster Linie die Beseitigung der Deportation von
Verbrechern auf, worin auch er den Krebsschaden für die
Entwickelung der portugiesischen Kolonien in Afrika erblickt.
| Im zweiten Teile gibt er eine Übersicht über den Verlauf
44
346
Geographischer Monatsbericht.
der SerpaPintoschen Expedition nach dem Nyassa bis zum
Rücktritte ihres Führers.
Südafrika. — Dem Berichte des Surveyor General
der Kapkolonie, A. deSmidt, für das Jahr 1885, ist als
wertvolle Beigabe eine sorgfältig ausgcführto Karte der Wal-
fisch-Bai und ihrer Umgobung hinzugefUgt, soweit sio bri-
tisches Territorium ist. Da die einzigo Zugangsstrufse zu
dem deutschen Schutzgebiete des Damuru-I-andes von dor
Walfisch-Bai ausgeht und durch das englische Territorium
hindurchführt, so bat dieso Kurte auch für Deutschland eiu
erhöhtes Interesse. Dio Vermessung wurde in der zweiten
Hälfte des Jahres nusgefilhrt von P. B. S. Wrey , welchor
seinem Berichto eine umfassende Beschreibung des ganzen
Gebietes boifllgt. Dor ganze Distrikt zwischen dem Kuisip-
Flusse und dem Ozean ist mit Sanddünen von beträcht-
licher Hoho bedeckt, welche unter den starken SW- Win-
den beständig ihre Form und Lage ändern. Nach N er-
strecken sie sich bis zur Mündung des Tsuachaup, welchen
sie nicht überschreiten können , da er alljährlich sein Bett
wieder uuswäscht. Regen fällt höchstens fünf- oder sechs-
mal im Jahre. Künstliche Aufforstung, um die starke nächt-
liche Ausstrahlung zu verhindern und Wolkenbildung zu
ermöglichen, erscheint nicht ausführbar, weil der Boden in
1 — 2 Fufs Tiefe überall salzhaltig ist. Das südliche Vor-
gebirge der Bai, Pelican Point, wurde zu 22' 52' 30*
S. Br. und 14' 27' 0* 0. L. v. Gr. bestimmt-
Eine eingehende Schilderung der topographischen Ver-
hältnisse von Zululand unter Beigabe einer grofseu zwei-
blätterigen Karte im Mafsstab 1 : 253 840 (4 miles to 1 inch),
welche auf den bisher nicht allgemein zugänglichen Auf-
nahmen der englischen Offiziere während des Feldzuges
von 1879 beruht, ist von dom englischen Kriegsministe-
rium veröffentlicht worden unter dom Titel: „Fred* of In-
formation coneeming Zululand “ (8°, 146 pp.; 7 sh.). Der
Text ist eine Kompilation toils aus altern Quellen, teils
aus den Berichten der Offiziero dos Foldzuges, und sind
Berichtigungen und Ergänzungen bis Oktober 1885 benutzt
worden. Besondere Sorgfalt ist auf die Angabe über den
Zustand und die Brauchbarkeit der Woge verwendet worden,
namentlich im Hinblick auf militärische Operationen.
Inseln. — Durch den Vortrag vom 17. Dezbr. 1885,
wolcher die langwierigen Kämpfe zwischen Frankreich und
Madagaskar beendete, ist den Franzosen das Recht oinge-
räumt wordon, die Bai Diego Suarex an dor Nordspitze der
Insel zu besetzen. Der Wert dieser Erwerbung liegt aus-
schliefslich in ihrer militärischen Bedeutung, da die Bucht
Behr geräumig ist und Sicherheit und Schutz gegen jedes
Wetter bietet. Das Land dagegen bietet nach dem Urteile
des schweizerischen Reisenden Dr. C. Keller (Neue Züricher
Zeitung, 25. Septbr. 1886) keine Vorzüge:
„Anden gestaltet «ich die Wertschätzung vom Standpunkte der Koloni-
zatioo aus. In dieser Hinsiebt iet dio Erwerbung gleich Null zu setzen.
Vergeblich aab ich mich nach landschaftlichen Heizen um. Oberall ein
nackter vulkanischer Boden, der zu einer roten oder gelben und unfrucht-
baren Erde verwittert und meist mit niedrigem Oesträpp bedeckt ixt. Der
Mangel an Wasser macht »ich überall fühlbar. Die Zufuhr von fritchem
Fleuch hingt gtinxlich von dem guten Willen der Eiugeboruen ab. Ein
Umstand macht den Aufenthalt in Diego endlich im höchsten Grade unan-
genehm. über die Hochfläche xtreicht beständig ein so heftiger Wind, dafx
man den Rock sehr fest zuknüpfen, ja «elbzt binden raufi, damit er nicht
vom Leibe geweht wird. Alle diese Eigenschaften »rad schwerlich geeignet
die Kolonisten anzuziehen.*
Australien und Inseln des Grofsen Ozeans.
Festland. — David Lindtag s Expedition bat mit der
Ankunft auf der Station Powells Creek im Nordterritorium
ihre Aufgabe erfüllt; sie hat also die zentralaustruliscbo
Wüste zum zweitenmal durchkreuzt.
Uber dio zunehmende Besiedelung des orst vor 6 Jahren
orschlosseueu Kimber leg- Distrikte* im nordwestlichen Austra-
lien, welche namentlich seit der 1885 gemachten Entdeckung
von Gold sich schnell steigert, gibt ein Brief des als
Pionier schon häufig genannten Carr Bogd Auskunft, den
derselbe im Juni d. J. an Baron v. Mueller in Melbourne
richtete :
„Wir hatten ca SCO Passagiere und 152 Pferde an Bord; letztere
kamen bix auf 11 Stück, welche der Hitze erlagen, glücklich am Bestim-
mungsorte, Cambridge Gulf, au. Die hiesige Ansiedelung, Wrndhum, ist
ent im Entstehen begriffen; ein ltcgicrangxbcamter, ein 1’olizaUcrgeant und
einige weifsc Polizisten, sowie sechs schwarze Träger siud vorhanden. Wasser
gibt es am Ixutdungxplatze nicht; dieses mufs von einer ca 3 miles ent-
fernten, kürzlich erbohrten Duelle hergebolt weiden, wo vorzügliche Weide
ixt, so dafs die Goldgräber nach ihrer tandung nur 3 milex weit zu gehen
haben, um Gras und Wasser zur Genüge zu öndeo. Die Landung ut mit
Schwierigkeiten verknüpft, da von den 24 Stunden nur 6 Stunden zu bo-
nutzen sind, am Pferde ans Land zu bringen. Gestern traf der Dampfer
„AfgbanH mit 240 Passagieren und 175 Pferden hier ein. Der Keginrungs-
beomto Mr. Prien, unser Kspitiin und verschiedene andro Personen batten
das Unglück, als sie an Bord fuhren, mit ihrem Boot zu kentern, wurden
aber noch glücklich gerettet, obwohl sie mindestens */a Stunde im Wasser
blieben. Von dem Dampfer sind bereits eine Masse taute ans Land ge-
kommen, welche nun auf dio tandung ihrer Pferde warten.
„Morgen breche ich nach dem Punkte auf, welchen man hier: „the
12 rolle“ nennt, und hotre ich vor Ende der Woche unterwegs ins Innero
zu sein. Ich habe vier kräftige taute mit acht Pferden gemietet, welche
mit meinen eignen sechs Pferden wohl Vorräte für 5 Monate tragen können.
Bine Tolle Woche ist mein Anfbruch durch die schwierige Landung ver-
zögert worden. Trotzdem ist der im Entstehen begriffene Hafen als ganz
vorzüglich zu bezeichnen; seine Szenerie ist reizend und gar nicht zu be-
zchreiben. Vor ca C Woehen wurden von drei tauten 84 Unzen Gold hier-
hezgebracht ; in 14 Togen werde ich an Ort und Stelle der Funde sein.*
Das Wagnis, eine Viehherde durch Australion von
Burketowu nach Adelaide zu treiben (s. Mittet). 1880 S. 160),
ist durch ein ähnliches Unternehmen der Gebr. McDonald
noch Ubertroffen worden , welche ca 1000 Stück Rinder
und Sclinfo nebst Packwagen und Pferdon von Goulhourn
in Neusüdwalos durch Queeuslaud und dio Küstengebiete
des Oarpoutnria -Golfes bis nach ihren neuen Weidegrüuden
am Margaret- und Fi tzroy -Flusse in Westanstralien ohne
bedeutenden Verlust transportiert haben. Ihr Unternehmen
ist um so bemerkenswerter, als sie zum Teil durch bisher
unerforschte Distrikte ziehen mufsten, und ihr Zug in eine
Periode anhaltender Dürre fiel. Sie waren mehr als 3 Jahre
unterwegs, was erklärlich ist durch den Aufenthalt, den sie
an einzelnen Stationen nehmen mufsten , um die näobsteu
Landstriche genau nach Vorhandensein von genügendem
Wasser und Gras zu untersuchen. Während des ganzen
Zuges bemühten sic sich , das durchzogeno Gebiet zu er-
forschen. (Colonies and Indin, 27. August 1886.)
Neuguinea. — Nach den Dimensionen und der
Wassermasse des von Kapitän Dallmann und Dr. Finsch in
Kaiser Wilhelms -Land 1885 entdeckten Kaiserin Augusta-
, Flusses, wurde bereits der Schliffs gozogon, dafs dieser
Flufs in ähnlicher Weise wie der Fly River im südlichen
Teile von Neuguinea eine weit ins Innero reichende Schiff-
fahrtsstrafse bieten werdo. Diese Aunuhme hat sich durch-
aus bestätigt durch die jüngste Fahrt des Landeshaupt-
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Geographischer Monatsbericht
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roanns iVeih. v. Schleinitz, welcher den Euisenn Augutta-Fhtf»
in südwestlicher Richtuug bis 142* Ö. L. befuhren hat
Er hat denselben, wolchor 144* 32' 0. L. und 3* 52'
8. ür. mündet, mithin 2~ Längongrado, 300 km, verfolgt.
Polynesien. — Durch Kaiser). Verordnung vom
13. September 1886 (Reichsanzoigcr vom 20. Septcmbor 1886)
tritt das Gosetz über die Konsulargerichtsbarkcit vom
1. Dezember 1886 für das Schutzgebiet der Marthall-, Brown-
und Ihrovidenc e -Inseln in Kraft ; die deutsche Schuttherrschafl
über diese Gruppen ist damit amtlich anerkannt. Die Inseln
umfassen ein Gebiet von ca 400 qkm mit ca 1 1 000 Ein-
wohnern.
Amerika.
Alaska. — Reich an Erfolgen war die diesjährige
Forschungskampagne in Alaska. Leutnant 0. M. Stoney
war am 11. Juli 1885 um Hotham lulet gelandet und hatte
mit Hilfe eines kleinen Dampfers „Explorer“ seine zur
Überwinterung beabsichtigte Ausrüstung nobst Proviant für
18 Monato auf dem Putnara- oder Kowak-Flusse aufwärts
bis 156* 57' W und 66* 55' N geschafft, wo das Winter-
lager, Fort Cosmos genannt, errichtet wurde. Im Laufe
dos Winters wurden zahlreiche Expeditionen uusgoführt,
durch welche eine eingehende Erforschung dor von Weifson
nie betretenen Gebieto bis zum Polarmeer hin orzielt wurde.
Im Dezomber machte Stoney mit Fähnrich Howard eine
Schlittenreise nach dom Nortok , welche aufwärts bis ins
Quellgebiet verfolgt wurde. Im Januar und Februar reisten
Ingenieur Zane und Sokoloff zu Lande nach St. Michaels
und zurück; Stoney selbst nahm im Januar die Umgegend
des Selawik-SeeB auf. Im Mürz untersuchte Fähnrich Read
den Oberlauf des Putuam. Endo Fobruar brach Stoney zu
dem Versucho auf, übor die WassorBchoide bis zum Polar-
moor vorzudringon ; dorselbo mufste aufgogobon worden, du
die Eingobornon sich weigerten , in diesor Jahreszeit dio
Expedition durch dio unbewohnte und wildarmo Gegend
zu begloitou. Glücklicher war Fähnrich Howard , wolchor
am 12. April mit F. J. Price seinen Zug autrat; am
25. Juni erreichte er den arktischen Ozean 10 miles öst-
lich von Point Barrow, nachdem er auf einem grofsen Flusso,
vermutlich dem von Leutnant Ray entdeckten Meade Rivor,
per Flofs stromabwärts gefahren war. Am 13. August
schiffte sich noward mit seinen Begleitern auf dem V. St.
S. „Bear“ ein und vereinigte sich in Hotham Inlet mit
Leutnant Stoney, welcher seine Aufnahmen am Putnam
und Selawik fortgesetzt hatte. Währond der Überwinterung
waren in Fort Cosmos rogelmäfsige meteorologische und
magnetischo Beobachtungon angestcllt worden.
Weiter im Süden hat Leutnaut F. SchicuUa dio Sl.
Elia*- Alpen erforscht. Der Versuch, den Gipfel selbst zu
ersteigen , ist bei dom orsten von dor Siidseito unter-
nommenen Angriff Dicht gelungen, doch wurdo unter be-
deutenden Schwierigkeiten, welche durch dio ausgedehnten
Gletscher verursacht wurden, eine Höhe von 7200 Fufs
erreicht. Scbwatka wird den Versuch am Nord- und
Ostabhang des Borges wiederholen. An der Küste hatte
Schwatka die Icy-Bai vermessen und einen in dieselbe sich
ergiefsenden wichtigen Strom, JoneB River genannt, auf-
gefunden.
Vancouver. — Dr. Franz Boa*, der Erforscher des
B&ffin- Landes, hat am 11. Sopteraber von New -York aus
eine Expedition nach der Intel Vancouver angetreteu; sein
nächstes Ziel ist das Küstengebiet der Johnstono Strait, wolcho
den nördlichen Teil der Insel vom Festlande trennt. Haupt-
aufgabe der Expedition ist das Studium der dortigen In-
dianer in bezug auf Verbreitung, religiöse Vorstellungen,
Gebrauch der Masken , Sprache &c. Die Umgebung der
Johnstono Strait gehört noch zu den unbekanntesten
Teilon der Iusol, wesentliche Bereicherungen für die Karte
stehen daher auch von dem bewährten Forscher zu er-
warten.
Vereinigte Staaten. — Nach einor von Kapitän
C. E. Dutdon , dem bekannten Mitarbeiter dor U. S. Geolog.
Survoy, im Juli d. J. nusgeführten Messung erweist sich
als der tiefste Binnensee der Vereinigten Staaten der kleine
Oraler Laie im südwestlichen Orogon , nach welchem unter
ganz bedeutenden Schwierigkeiten oin Boot transportiert
worden war. Die Ufer des Sees stürzen ungemein schroff
ab , so dafs nur an wenigen Stellen die Wasserfläche er-
reicht wordon kann. Der schroffe Abfall setzt sich auch
unter dom Seespiegel fort , denn die gemessenen Tiefen
schwanken zwischon 853 bis 1996 Fufs (260 und 608 m)
wahrscheinlich werdon noch bodeutendoro Tiefen gefunden
werden; der See liegt nach Whoelur 7143 Fufs (2177 m)
hoch.
Mittelamerika. — Unter Beigabe zahlreicher Ulu-
strationen schildert A. P. Mauds/ay, welcher wenige Tage
vor Charnay die ausgedehnt« Ruinenstätte im Gebiete der
Lacondones entdeckt batte, seine neuern, 1883 und 1884
angeführten archäologischen Forschungen in Guatemala,
welche sich namentlich auf Copan erstreckton (I’roceed. R.
Geogr. Soc. September 1886). Maudslay ist dor Ansicht,
dafs diese grofson Ruinenstätten von Zentralamerika , wio
Copan, Quirigua, Palenque, Menohe, Tikal u. a. bereit» zu
Zeit der spanischen Invasion verödet und ira Urwald ver-
borgen waren, denn nur dieser Umstand kann es erkläron,
dafs die Spanier nichts von diesen kolossalen Bauwerken
erfuhren, wenigstens nichts über sie berichtet haben.
Trotz der weit vorgeschrittenen Arbeiten am Panama-
Kanale dauert in don Vereinigten Staaten die Agitation
für Herstellung eines Kanales mit Benutzung des Sees von
Nicaragua noch fort, da durch Vertrag mit der Republik
Nicaragua der nordamerikanischeu Union bedeutende poli-
tische und kommerzielle Vorrechte gesichert wurdon. In-
folge jenes Vertrages von 1884 untersuchte oino noue
Expedition unter Leitung von Ingoniour A. O. Afenocal vom
Junuar bis April 1885 dio Nicaragua - Boule. Dor amtliche
Bericht übor die Ergebnisse der Aufnahmen ist allerdings
noch nicht zugänglich, dagegen hat ein Mitgliod dor Expe-
dition IV. J. Chamber* im U. S. Naval Institute (Proceedings,
Annapolis XI, Nr. 4) dieselben mitgetcilt und namentlich
die gegon die Aufnahmen von 1872/73 sich ergehenden
Änderungen in dem Plane auseinandorgesetzt. Die Zahl
der Schleusen, welche in weit gröfBern Dimensionen pro-
jektiert werdon, wird von 21 auf 7 beschränkt, von donen
4 auf die Westseite, 3 auf die Ostseite oder den San
Junn-Flufs entfallen. Der Durchstich vom Nicaragua-See
bis zum Pacifischen Ozean wird 17,27 miles (27,79 km)
lang sein. Zur Verbindung von der Ostküsto, wo auch
Greytown als Ausgangspunkt und Hafen in Aussicht ge-
nommen ist, soll nicht der San Juan -Hufs benutzt werden,
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Geographischer Monatsbericht
sondern ein 19,48 milea (31,35 km) langer Kanal nach dem I
San Francisco gegraben werden , in dessen Bett, die Ge-
wässer deB San Juan durch einen bei Ochoa zu errichten-
den, 52 Eufs (16 m) hohen uud 1255 Fufs (382 m) langen
Damm goleitot worden sollon. Die ganze Iiingo des Kanals
betragt nach diesem Plaue 169,8 miles (273,3 km), von
denen nur 38,98 miles (62,73 km) ausgegraben werden müssen.
Die Kosten dos Baues werden auf nur 51 Millionen Dollars
veranschlagt, welchen Anschlag Komm. U. C. Taylor in einem
Vortrage vor der Geographischen Gesellschaft in Kow-York
auf 75 Millionen Dollars erhöht. Den Hauptvorzug dos
Nicaragua- Kanales gegen den Panama-Kanal erblickt Taylor
in der Vermeidung der Windstillen im Grofsen Ozean,
welche für Segelschiffe das An- und Auslaufen von Panama
erschwert.
Südamerika. — Richard Payer (s. Mitt. 1886, S. 219)
bat seine Iteise auf den Quelltlüssen des Amazonas fort-
gesetzt und durch die Aufnahme des I’achitea und seiner
Tributäre eine Lücke in der Karte von Südamerika auBgo-
füllt. Von Chuchu ras schreibt Payer am 29. Juni 1886:
.Die Porbetiung nieiuee Weges fsnd durch die an der Mündung des
Pschitea xuerst sichthar «erdenden Andentbster sutl. und tvsr derart, dsb
ich rnirh einem Transporte reisender Ksutschuksrtioiter anrchlofs, die io
xehn kleinen Fahrzeugen mit ihrem Führer aufwiirt« eiligen. Eine der
interesssntesten Führten, die ich jemals vollführtr, bol mir Gelegenheit,
sus dem Rin Pschitea in den Rio Patcassu, und xwu bis iur Mündung
des in letitern mündenden Chnchuraa vorxudringen, wo ich einen grotsern
Halt zu machen gedenke. Es gelang mir, den lauf der bereisten Flüsse
mit allen Details aufzuzeichnen, die vorhandenen Namen sicherzustellen,
fehlende Zuflüsse und alle Inselgruppen nebst den gefiilirliehsten Strömungen
zu notieren. Die l' rauche, warum dieses Gebiet bisher von Forschem
verschont blieb, ist in dem Vorhandensein der gefährlichen Cassivos zu er-
blicken , die läng« des Pschitea ihre Wohnsitze haben , wie ich schon
früher erwähnte. Ihre furchtbar schneidigen Waffen fand ich Gelegenheit
in einer Anziedlong zu bewundern , in welcher 40 Stück denelben auf-
gehäuft lagen : um ihre Wirkung zu vermehren, bedienen sich diese Wilden
der denklairsten Kunstgriffe und der ausgezeichnetsten Hölzer. Von den
übrigen Indianer- Stimmen, welche die mehrgenanoten Flufsufer bewohnen,
sind nennenswert die Lorenzos und die Pampas. Alle bezeugten grnfse
Freude, wenn sie die deutsche Spnrhe erklingen hörten, cs schien, als
seien dio Laute derselben ihrem Gehör und Auffassungsvermögen zugäng-
licher. Die letztem machten auf mich den Eindruck der Harmlosigkeit
uud Kindlichkeit im weitesten Kinne, alles orregto ihre Wifsbegiorde, uud
als ich ihnen die Abbildungen der Stammcigenossen, der Landschafls|>artiro
meiner Heise, verschiedener Personen Ae vorhielt, waren ihre Bem-rkungcn
in der Kegel staunenerrrgend uud trcirend.
.Auf dirser Reis« iiborraschte mich aber ganz besonders das Vorhanden-
sein zweier heifser Quellen, die am Ufer des Pschitea aus der Erde strömen,
beiläufig 8 bis 10 TUgrcisrn auseinander liegen und bis zur Stunde unbe-
achtet sind. Ein in deren Nähe genommenes Bad, dessen Temperatur
durch die Mischung mit Flufswasser — auf die in curnjKiischoii Badeorten
übliche und gniundhcitsxuträgliche Höhe — horabgmtimint wurde, sowie
ein in einer Steinflasche mitgenommenen Quantum Wasser, galten mir viel
Stoff zum Nachdenken während der Fortsetzung meines Weges, der mir
außerdem so zahlreiche Schwierigkeiten bot , dafs ich nur mit dem Auf-
wand aller Geduld und Ausdauer und uur durch Aufopferung aller mir
zu Gebote stehenden Geld- und I-ehenzmittel, Tauschgcgciutändc und sogar
mit Verlud meiner Waffen, die ich den Leuten zur Befriedigung ihrer An-
sprüche hingab, vorwärts kommen konnte, um das mir vorgenommene Ziel
zu erreiehen.
„Als ich an der Mündung des Chnchuraa (in den Palcaasu) angelaugt
war, erfuhr ich die Neuigkeit, dafs auf dem ron mir zurückgelegten Wege
(indem ich anno t88ä aufwärts ging) der französische Konsul, Herr Olivier
Ordiuair* ans Calla», dieselbe Reise — über Lima kommend — abwärts
msrhte; er hatte auf diesem Wege von den Deutschen, namentlich den
Familien, die in lluancabaraba in der Tiroler Kolonie ,Poxnoie' am
Chuehuras ond Pachite* wohnen, überall die freundlichste Aufnahme ge-
funden nnd seinen Dank unverhohlen ausgesprochen.
.Von meinem jetzigen Aufenthalt bin ich in der laige — späterhin
durch eine viertägige Reise zu Fufs — , die doutscho Kolonie , Pozusso*
zu erreichen, um frei von Zweifeln und falschen Berichten ein wahres Bild
ihre» 31jährigen Bestehen« entwerfen za können. Der Gebirgsweg dahin
ist nur mit Hilfe der Carapas- Indianer ausführbar; die kleine Ansiedelung
eines Deutschen, bei dem ich zur Stunde freundliche Aufnahme fand, ist
durch die diesjährigen Hochwasser so arg zugeriehtet worden, dafs die Be-
schaffung nötiger I^bensznittel aus der , Deutschen Kolonie' bereits dringend
geboten ist.“
zVrgentinien. — Im Aufträge der argentinischen
Regierung tritt Ramon Lista Anfang Oktober eine Reise
zur Erforschung der argentinischen Hälfte von Feuerland
an. Er beabsichtigt am Kap Espiritu Santo zu landen
und die Insel nach S bis zur Aguirro-Bai zu durchziuben.
Seine Begleitung besteht aus dem Marinuarzt P. Segors
und 25 Soldaten unter Führung von Leutuant Crobetto.
Brasilien. — Dora Geologen Dr. Orville A. Derby
und den Ingenieuren Th. F. de Sampaio , Fr. de Paula
Oliveira und L. J. Gonzaga de Campos ist die Bearbeitung
einer topographischen und geologischen Karte der iVorw*
Säo Paulo im Mafsstab 1:100000 übertragen worden. Da
es an grundlegenden Vorarbeiten noch gänzlich fehlt, so
j ist dio Ausführung einer topographischen Aufnahme der
Provinz notwendig geworden, mit welcher an dem südlichen
Grenzflüsse Paranapanema bereits begonnen wurde. Die
Dauer der Aufnahme ist auf 10 Jahre berechnet (Bol. Soc.
geogr. Rio de Janeiro 1886, Nr. 2).
Polargebiete.
In einem prächtig ausgestatteton Werke schildort
Dr. 31. Snellen unter redaktiouellor Beihilfe von Leutnant
B. J. G. Volcke den Verlauf der niederländischen Polar-
expedition 1882 — 83 *) , welche die im Rahmen der inter-
nationalen Polarforschung geplante Station in Dickson-
Hafen gründen sollte , ihr Ziel bekanntlich aber nicht
erreichte, sondern in Gemeinschaft mit der dänischen
.Dijtnphtm“- Expedition unter Leutnant Hovgaard, im süd-
lichen Teil dos Knrischen Meeres überwinterte, wo das
Expeditionsschiff „Varna“ vom Eise zerdrückt wurde. In
behaglicher Breite wird die Geschichte des Weyprechtechen
Planes, Zweck und xtnsrüstung der Expedition, die Fahrt
bis an dio Eingangsstrafsen des KariBchen Meeres, dio
wochenlang erfolglosen Hin- und Herfahrten zwischen den
Strafsen, die endlich glücklich durcligosotzte Einfahrt durch
die Karische Pforte und dio baldige Einschliefsung im Eise
mitgeteilt; anregonder, wärmer wird die Darstellung Uber
den Kampf mit dom Eise, das Verlassen der „Varna“, den
gastlichen Aufenthalt auf der „Dijmphna“ und die wissen-
schaftlichen Arbciton, deren ausführliche Bearbeitung wohl
an andrer Stolle erfolgen wird. Den Schliffs des Werkes
muclit die umständliche Schilderung des Rückzuges auf
dem Eiso und per Boot nach der Jugor-Strafse und der
Empfang hoi der Rückkehr, sowie eine Schlufsbetrachtung
der durch dio internationale Polarforschung gewonnenon
Ergebnisse. Ein bemerkenswerter Schmuck des Werkes
sind die nach Photographien vorzüglich hergostellten
grofsen Lichtdrucke, von denen namentlich diejenigen,
welche dio Eisbildung zum Gegenstand haben , als sehr
anschaulich hervorzubeben sind.
Über seine diesjährigen Aufnahmen in Island macht der
t) De Nedoilattdache l’ool-Kxpcditio 1882 — 83. 4°, 164 pp. Utrecht,
Böselt on Zoon, 1888.
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Geographischer Monatsbericht
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Geolog Th. Thoroddun ons am 20. September folgende vor-
läufige Mitteilung:
„KUrilich bin ich von ein*r 2} -monatlichen UntmuchoDgsreU« iro
nordwestlichen Teil der liuel xurückijckomraen , welcher noch »ehr wenig
bekannt ist , weil dort durch die Wege oder besser durch den Mangel an
Wegen überhaupt da* Reisen »ehr beschwerlich ist. Im Juli uoterauehte
ich die Küste von Breithifjord , wobei ich sehr interessante Ergebnis»«» in
geologischer Bexiehung erhielt; u. a. entdeckte ich bei Djüpidalr einen
neuen Fundort ton Doppelspat, welcher ebenso bescbatTen Ut, wie der be-
kannte Ton Helgastathir im Ottlando. An mehreren Funkten sammelte und
untersuchte ich auch tertiäre PflanxenrereteineruDgen. Der Gletscher GUwa
eracheint, wie ich nachweisen konnte, auf der Karte doppelt au grofs, und
ebenso ist der Drangt- Gletscher dreimal gröfsor dargostellt, als er in Wirk-
lichkeit ist.
„Während des August und in der ersten Hälfte des September unter-
suchte ich die Ostküste der NW- Halbinsel bis xum Nordkap hio, eine
Tour, welche mit grofsen Beschwerde!) und Gefahren verknüpft war, da die
Wege längs der Küste halsbrecherischer Natur sind , und dazu war dio
Witterung geradezu abscheulich; die ältesten Leut-' konnten »ich eines
solchen Sommers nicht entsinnen — immer Kegen oder Schnee. Die Küste
im S rum Nordkap (llorostrand) ist schon einmal von einem Reisenden
untersucht worden, von Eggert Plafwon ira Jahre 1764» aber auch er Ut
nicht weiter gekommen, als bis Turufjord.*
Über die Fahrt des kgl. dänischen Orlogschiffee „Fylla “
nach Grönland in 1886 erhalten wir vou Herrn Th. Holm ,
welcher als Botaniker an Bord sich befand, folgenden
Bericht:
„Chef der Expedition war Kapitän ßra£m, I^utrunt Hammer zweiter,
8. K. H. Prinz Waldemar dritter Kommandeur, ferner Leutnant Garde, be-
kannt durch seiue Teilnahme an der ostgrünUndhchen Expedition, Leutnant
Cold und Danneskjöld, Dr. Ilalbcrg, Arzt, Ingenieur Sveistrup und Inten-
dant Nielsen die übrigen Offiziere. Wissenschaftliche Teilnehmer waren
Kand. Kolderup Rosenvioge, welcher die Algeutlora untersuchen sollte,
während meine Aufgabe das Studium der Lamitiorm bildete; ferner waren
mir die zoologischen Untersuchungen aufgetragen , wie auf dem letztem
Zug der ,Fylla\
„Die , Kylla* verlief* Kopenhagen den 26. Mai, lief Trangij»vnag auf den
Foroc- Inseln am 30. Mai und Reykjavik am 4. Juni an- Wir verliefsen
Reykjavik den 8- Juni, passierten Kap Farvel den 12. und, nachdem ein
Eisgürtel mit sehr mächtigen Schollen passiert war, erreichten wir die
Kolonie Gothaab am 17. Juni. Nach der ursprünglichen Bestimmung sollten
wir hier nur einen kurzen Aufenthalt nehmen, aber leider ward die , Fylla*
hier drei Woehen vom Eia gefesselt. Am 20- Juni hatten wir einen süd-
westlichen Sturm mit SchneeUieo, welcher das Eia in den Hafen trieb,
to dafs in kurzer Zeit der Hafen ganz eisgefullt war; mit der folgenden
Windstillo blich das Eis liegen, und die Bewegung des Eise« bei der Ebbe
und Flut bewirkte keine bedeutende Veränderung. Diesen Aufenthalt h**
nutzten die Naturforscher, botanische und zoologische Untersuchungen zu
unternehmen, und viele Algen und Waavertiere wurden eingeaammelt. Auf
dem Lande war die Flora noch wenig entwickelt und nur wenige Ptlanzen
blUhteu.
, Endlich am 9. Juli trieb das Eia binaus und zerteilte sich so schnell,
dafs der Chef sich zu einem Versuch, atmulaufen , entschlofs. l'nd es
gelang; nach ca 4 Stunden war die , Kylla* aus dem Hafen. Noch
hatten wir einen Eisgiirtel zu passieren, aber gegen Mitternacht war auch
dieser durchbrochen und am nächsten Tag, den 10. Jnli, trafen wir in
Sukkcrtoppcn ein. Die«« Kolonie ward den 13. verlassen und die Reise
nach Holstensborg fortgesetzt, wo wir bereits am folgenden Abend ankerten.
Der Aufenthalt war ein »ehr kurzer , schon am nächston Morgen erfolgte
die Abfahrt. Mit »ehr frischem südwestlichem Winde segelten wir bei
Godhavn vorbei und steuerten direkt gegen l'pernirik, welche Kolonie wir
bereits den 17. Juli erreichten. Hier war der arktische Sommer angefangen,
und auf den steinigen Kelsen sah man viele Blumen, und in der Tiefe des
Meere« fand sieh ein «ehr reiche» Tierleben mit einer wuchernden Algen-
vegetation. Hier trafen wir l^utnant Ryder, welcher für Rechnung der
dänischen GrönlandskommUsion das Gebiet von Cpernivik vermeiden sollte.
Von Cpernivik segelten wir am 20. Juli nach Proeven, wo wir am Nach-
mittag anlangten; auch hier wahrte der Aufenthalt kaum Tag. Auf
der Rückreise über die Bofftoibueht nach Godhavn wurden zahlreiche hydro-
graphische und zoologische Untersuchungen rorgonommen , wie gewöhnlich
ira offnen Meere, wenn der Dienst « gestattete. Die zoologischen Unter-
suchungen wurden mit einem Schleppnetz vorgenomroen, demselben, das uuf
dem vorigen Zug der »Kylla* in 1884 benutzt war. Bei Godhavn ankerten
wir den 24. und blieben hier noch den 28. Juli. Eine Expedition ward
hier von mir vorgenommen nach dem bekannten Berg , Skiavc f.rld* mit
seinen unzähligen phantastisch geformten Säulen, Pforten &c., von bei-
nahe regclroäfsiger hexagonalen Basaltpnsiuen aufgebaut; die botanische
Ausbeute blieb sehr ansehnlich, und in dem Meere traf ich eine ganz
reiche Fauna. Wir verliefsen Godhavn den 28. und ankorten bei Holstens-
borg am 30* Juli. Während die Offiziere mit Kand. Kosenvingc eine
Jagdtour nach Iaortok Vornahmen, reiste ich nach den Fjorden Amerdlok
und Ikertok, um die Fauna und Flora zu untersuchen; in Ikertok - Fjord,
ca 6 dänische Meilen (38 km) landeinwärts , fanden »ich dieselben Tier-
forraen, welche in dem offnen Moerc erbeutet waren, t. B. Asteriden, Aktt-
nieo, Chctopoden, Bryozoeu, Spongien A’C.
„Von Holstensborg segelten wir nach Sukkcrtoppcn, von dort noch einmal
nach Godtbaab und schliefslich liefen wir FVedorikshaab am 14. August an.
ln dieser südlichen Kolonie hielten wir uns vier Tage auf, welche ich zu
einer Expedition nach dem Fjord Kangerdluarsuk benutzte. Eine sehr
reiche und besonder» interessante Landdora fand sich hier, ebenso
mehrere seltene Tierformen in dem Fjord. Unart Abreise von Frederiks-
havn war auch unser Abschied von Grönland, und mit günstigem Winde
waren wir in Reykjavik am 26. August und bereits den 4. September in
Dänemark zurück.“
Colonel Gilder hat, nachdem er verhindert war, im
Juni mit den Walorn von New- London nach Curaborland-
Sund aufzuhrechon, oinen andern Ausgangspunkt für seine
geplante Expedition nach dem Nordpol zu erwählt und ist
am 2. Oktober von Wiunipeg nach der York-Faktoroi an
der Hudson -Bai abgereist.
Die Australier gewinnen der Agitation Air die Inan-
griffnahme der antarktischen Forschung eine praktische Seite
ab, indem sie deu Walfang dort einAihren. Das von der
R. Society und der Geogr. Society in Melbourne eingesetzte
Agitationskomitee macht der Regierung von Victoria den
Vorschlag, Prämien Air den erston Dampfwalor auszusetzen,
welcher in victorianische Häfen einläuft, mit oiuer Ladung
von mehr als 60 Tons Thran und Fischbeiu, das südlich
von 60° S. Br. gewounon wurde; zugleich sollen Erleich-
terungen Air die Einfuhr der erforderlichen Apparato in
Aussicht gestellt werden. Das im vorigen Jahre von der
British Association eingesetzte antarktische Komitee hat in
diesjähriger Zusammenkunft noch nicht Bericht erstattet,
da es Air notwendig erachtete zur eingehenden Beratung
dio Mitwirkung andrer Gesellschaften, namentlich der R. So-
ciety, zu erlangen, um sofort mit genau formulierten Vor-
schlägen dio Aussondiing einer antarktischen Expedition sei-
tens der onglischon Murine durchzusetzen.
Ozoano.
Der Erbprinz vott Monaco , welcher soin Interesso der
Untersuchung des Golfstromos widmet, hat von Lorient aus
eine neuo Fahrt auf soiner Jacht Hirondollo angetreten, um
unter 20° W. L. v. Gr. auf dor Breite zwischen Kap Finis-
terre und der Südküste von England eine weitere Zahl von
Flaschen, Tonnen &c. zu vorsenken, au» deren Triebrich-
tung die Richtung dos Golfstromes ermittelt werden soll.
Zugleich sollen auch Tiefsee -Temperaturmessungen vorge-
nommen werden. (L’ Exploration XXII, Nr. 32.)
An dor Stelle im Kanäle zwischen dor Insel Puutcliuria
und Sizilien, wo im Juli 1831 die Insel Ferdinanden —
von den Engländern Grahams Island genannt — auftauchte,
um nach wenigen Monaten wieder zu verschwinden, hat
sich im Laufe der Jahre dio Meorestiefo immer mehr ver-
größert, indem durch Strömungen dio Lava und Aschen,
welche die Insel bildeten, weggewaschen worden ist. Durch
die englische Marino wurden gemessen 1832: 2}F»; 1837:
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350
Litten» turverzeicknis.
9 P.; 1841: 10 P.; 1851: 16| F.; 1863: 15 F.; 1870:
18 F. ; 1885: 24 F. Diese allmähliche Vertiefung scheint
jetzt zu einem Stillstand gekommen zu sein, da bei der
letzten Lotung keine Aschen mehr vorgefunden wurdon.
(Report of Admiralty Survevs for 1885.)
II. Wichmunn.
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Die Erforschung des Ulanga- Gebietes.
Von Joachim Graf Pfeil.
(Mit Karte, ». Tafel 18.)
Nachdem wir im Dezember 1884 von den nunmohrigcn
deutschen Schutzgebieten Besitz genommen hatten, begaben
sich meine Gefährten zurück nach Sansibar, und ich maohte
im Februar 1885 von „Mumie Sagara“ aus, wo ich zurück-
geblieben war, einen Ausflug nach einem kleinen Ort na-
mens Kodi Kodi, in der Absicht, einen zur Anlegung einer
Station geeigneten Punkt aufzusuchen.
Von Mninie Sagara aus steigt man allmählich aufwärts,
immer den Mukondogwn- Flufs zur Linken haltend. Die
Gegend ist landschaftlich prachtvoll, die Vegetation äufserst
üppig, trägt aber ihren spezißsch tropischen Charakter nur,
so lange man in dem Mukondogwa-Thale marschiert.
Man erreicht ondlich den Ugombo-Bcrg und mit ihm
das Ende des eigentlichen Mukondogwa-Thales. Man steigt
oino ziemlich steile Senkung hinab und beßndot sich sofort
auf einer weiten Ebene, welche von allen Seiten so von
steil abfallenden Hügeln umschlossen ist, dafs dem ganz
unbefangenen Beschauer sich sofort die Idee anfdrängt, er
befinde sich in oinem alton Seebecken. Nähere Unter-
suchung scheint dies auch zu bestätigen.
So lange man auf der obenon Fläche fortschreitet, trägt
der Bodon durchaus alluvialen Charakter. Der Gneifs, aus
dem die umgebenden Höhen bestehen, hat durch seine Ver-
witterungsprodukte zur Formation der Bodonscbicht den
erston Anlafs gegeben; dio Aktion dos Wassers hat die
gröbern Bestandteile anfgelöst und in Schlamm verwandelt.
Später hat am Fnfso doB Ugombo- Hügels oin Durchbruch
der Gewässer stattgefunden , welche in dem jetzigen Mu-
kondogwa-Flufs ihren Weg fanden und dio tiefe Mnkon-
dogwa- Schlucht bildeten, — den einzigen Zusammenhang,
welcher zwischen der Ebene von Kodi Kodi und dom Tiof-
lande von Usagara, östlich von den Kideto, oder wie sie
eigentlich genannt werden sollten „Nguru“ - Borgon be-
steht. Was vor allem auf die Annahme schliefson läfst,
dafs die Ebene von Kodi dereinst, wenn auch koinon
See, so doch einen grofsen Sumpf bildete, ist daB Vor-
handensein des kloinen Ugombo -Sees, den man wohl als
Überrest dos früher vorhandenen Wasserbeckens bezeich-
nen kann.
PetMTMnn« Geogr. Mitteilungen. 1880, Heft XII.
Meine Zeit and vor allem mein damaliger Gesundheits-
zustand erlaubten mir leider nicht, genauer auf das Studium
der Gogond einzugehon. Moine Karte zeigt nun von Muimi
Sagara aus einen kurzen Abstecher nach Norden, entlang
dem kleinen Sima- Flufs. Dieser entspringt in den Nguru-
Bergen und fliefat dem Mukondogwa zu. In einem Thalo
au seinen Ufern legto ich dio erste doutsch- ostafrikanische
Station an , die ich Sima-Thal benannte. Die Thälor des
Sima sind aufsorordentlich fruchtbar und von landschaft-
licher Schönheit. Die Berge bestehen meist aus Urgestein,
hauptsächlich Gneifs. Eino einzige Ausnahme scheint der
eigentümliche „Luemba“ zn bilden, dessen spitzer Gipfel
ganz nach oinor Soito Uborhängt, und der von weitem den
Eindruck eines Basaltkegels macht. Leider konnte ioh ihn
nicht besteigen.
Im Mai 1885 begann ich meine Roise, auf welcher ich
die Landschaft Kutu für die Deutsch - Ostafrikanische Ge-
sellschaft erwarb.
Vorläfst man dio Borgo (Nguru -Borge), aus welchen
der Mukondogwa horvorfliefst , so neigt sich der Boden
noch eine Strecke weit, bis er in die sogonannte „Makata“-
Ebene ausläuft. Diese Ebono bildet einen eigentümlichen
Gegensatz zu der sie umgebenden Landschaft.
Während in den bergigen Gegenden sich viel lichter,
die Humusbildung begünstigender Waldbestand zeigt, weist
diese Ebene nur hartos langes Gras auf, in welchem hier
und da, inselgleich, Banmparticn auftauchen. Während
man annohmon sollte, dafs die Erosionsprodukte der Berge,
in diese Ebene hinabgeschwemmt, hier ein fruchtbares Do-
posit bilden müfston , findet fast das Gegenteil statt. Die
Gegend weist nur einon zähen grauen Lohraboden auf,
welcher in der Regenzeit zum bodenlosen Sumpf wird. In
dor trocknen Jahreszeit läfst der Lehm das Wassor nicht
durchsickorn, es bleibt stehen, verhindert jede Waldbildung
und wird langsam von der Sonne aufgosogon. Der Thon-
boden wird hart, wie Fols und von Sprüngen und Rissen
durchzogen. Nur Sumpfpflanzen in der nassen und langes
hartes Gras ans der trocknen Regenzeit vermögen aus die-
sem Boden Nahrungsstoff zu saugen.
45
354
Die Erforschung des Ulanga- Gebietes.
Trotz der Verbindung, welche der Mukondogwa zwi-
schen der Ehone boi Kodi Kodi und der Makata- Ebene
herstellt, sind dieselben doch insofern ganz verschiedenen
Charakters, als dem Boden der Ebouo boi Kodi Kodi die
Fruchtbarkeit durchaus nicht abgesprochen werden kann.
Dort hestolit er aus Silikaten mit lehtuartigem Bindemittel
und erzeugt eine reiche Vegetation, dio oft Neigung zur
Waldbildung zoigt. In der Makata - Ebene würde eino
Fruchtbarkeit erst dann eintreten , wenn regelmiifsigo Ent-
wässerung, Zutritt der Luft zum Boden, und dann wieder
genügende Bewässerung vorhanden wäre. Letztere findet
zur Zeit nur durch die periodischen Regen statt. Zur
Entwässerung dient eine tiofo, in den Bodon eingeschnittono
Rinne, in welcher ein trübes, braun gefärbtes Wasser ziem-
lich schnell dahinläuft, der Makata-Flufs.
Dieser entspringt in den Mabruik-IIügeln (auch Rufutu-
Gebirgo genannt, obwohl es mir nicht golingen wollte,
diesen Namen von den Eingeborneu zu hören) und durch-
läuft in weitem Bogen die Ebone, bis er in den Mukon-
dogwa fliefst. Obwohl er weitaus der kleinere Flufs ist,
behält er doch den Namon Makata bei, bis er sich mit
dem abermuls kleinern Wumi, auch Mvuho genannt, ver-
einigt, dessen Namen er nun bis zur KUsto führt. Von
den die Makata -Ebene umgebenden Bergen werden fort-
während Erosionsprodukte in jene liinabgespiilt, obenso tritt
in der trocknen Jahreszeit äolische Bodenbilduug hinzu . dio
namentlich an den feuchtem Stellen in der Nähe des Flus-
ses anftritt, und so scheu wir dio Erscheinung sich hier
wiederholen , welche in Südafrika dio Nutzbarmachung der
vorhandenen Flüsse zu Beriuselungszwecken so erschwert,
nämlich, dufs dio unmittelbaren Ufer des Flusses höher sind,
als die weitere Umgebung desselben. Da aber die Ufer
sich stets orhöhen, der Bodon des Flusses aber fortwährend
tiefer ausgespült wird, so wird die Entwässerung der Gegend
eine rupidero , zugleich aber unregelmäßigere ; dies Ver-
hältnis nimmt mit der Zeit zu, wodurch natürlich die von
allen Reisenden so gefürchtete Makata- Ebene immer un-
wirtbarer und für den Aufenthalt des Menschen unzuträg-
licher wird.
Thatsächlich finden sich Bewohner nur unmittelbar an
dou Ufern des Makata oder an den Grenzen der Ebene.
Hier möchte man last wieder erstaunt sein über das grofso
Mafs der Fruchtbarkeit des Bodens. Ein Augenblick der
Überlegung zeigt jedoch , dafs os kaum andors sein kann.
Die Makata -Ebono ist umgebon von Bergen, deren frucht-
bare Erdkruste zunächst in dio niederen Orte herabgespült
wird. Der überall vorhandene Wald fügt diesem Vorwit-
toruugshoden eine Menge organischer Substanzen hinzu,
und wegen der hier noch variierenden Gestaltung der Erd-
oberfläche ist die Niederschlagsvortciluug eine günstigere,
also die klimatischen Vorbedingungen zur Humusbildung
sehr vorteilhaft. Deswegen gehören die unmittelbar in dor
Nachbarschaft der Makata -Ebeno gelegenen Distrikte zu
den fruchtbarsten der dortigen Gegend. Als Beispiel führe
ich nur „Myombo“ an, welches an Fruchtbarkeit selbst
noch das Mukondngwa-Thal libertrifft.
Eiu weniger bekannter und auf den Karton nicht an-
gegebener, aber für den Verkehr der Eingeborneu ebenso
wichtiger Ort ist „Mbamba“, welches ich zwei Tagemärsche
nach Myombo erreichte. Es ist wohl ohne Ausnahme das
gröfste zentralafrikanische Dorf, welches ich je gesehen.
Es zählte zur Zoit meiner Auwosonheit gewiß an dio
200 Hütten und lag inmitten fast unabsehbarer Gärten.
Ich lag hier nur zwei Tage , zählte aber nicht wenigor
als neun Karawanen der Eingebornen , welche hier Reis,
Mtama oder andre Cerealien zu kaufen kamen.
Als ich von hier aus in die Berge stieg, fand ich, wo
dieselben Bedingungen vorhaudou waren , auch stets dou
reichen Boden wieder, wenn auch oft an Stellen, wo keine
Ansiedelung von Eingeborneu stattgefunden. Nachdem ich
die Borgo überschritten , befand ich mich in dem Gebiete
von „Kutu“, welches ich durchweg als eiu äußerst frucht-
bares Gebiet kennen lernte.
Schon in Mbamba war mir die erste Kundo von einem
Phänomen geworden , welches ich auf meinem Wege pas-
sieren sollte. Dio Eingeborneu erzählten in dem Tone des
Erstaunens und der FHircht von einem brennenden See, an
dessen Ufer sich kein lobendes Wesen aufhalto. Träten
Menschen an den Rand desselben, so würden sie von un-
sichtbarer Hand mit Steinen boworfeu , ja sogar in die
brennenden Fluten hinabgezogen. Dichter Dampf steige
aus dom Kessel empor , aus welchem das Stampfen von
Getreidemörsern und menschliche Stimmen ertönten, ja
sogar Hahnenschrei soll mau aus dor Tiofo dos Sees ver-
nommen haben. In der Nahe von „Kisaki'1 führten mich
nun Eiugoboruo, die ich für hohen Lohn gedungen hatte,
zu dem unheimlichen Ort, der, ich muß es gestehen, meine
Neugier geroizt hatte. Einen hreunonduu Seo fund ich
zwar nicht, doch wurde meine Neugier auf andro Woise
befriedigt.
Ich fand eino heiße Quelle, auf deren Vorhandensein
auch nicht die leisesten Anzeichen hiudeuteten. Die Hügel
oder vielmehr Berge, aus denen ich horabgostigon war, und
deren Ausläufer mich noch an moiuer Linken, im Norden
begleiteten, bestanden nur aus Urgesteinen, hauptsächlich
Gnoiß. Die Gegond, in der ich mioh befand, war voll-
kommen eben , und in ihr erhob sich ein kurzer Hügel-
rücken, dor allerdings als Hauptbestandteil plötzlich Granit
aufwies, und dessen eines Ende steil in die Ebone abfioL.
Am Fuße dieses Hügels befand sich dio heiße Quelle, die
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Die Erforschung des Ulanga - Gebietes.
355
ein außerordentliches Volumen Wasser ansströmte, welches
eich zuniichst in einem Sumpf sammelte, dann aber in einem
kleinen Bach dem nahen Flüßchen p.Msoloa-* zufloß.
Das Wasser sonderte aufserordentlich viel Sinter ah,
und zwar in der Art, daß hoho Kogol eich bildeten, aus
deren Spitzen das Wasser herausflofa; genügte der Druck des
Wassers nicht mehr, die durch fortwährende Sinterablage-
rungen sich immer erhöhenden Kegel zu überfluten , so
brach es an einer andorn Stolle des Erdbodens hervor,
und der Kegel hörte auf, aktiv zu sein. Thätige Kogol
waren ganz weich, aufsen grau, inwendig weifs, nur wo
dos Wasser oben heranssprndelte, zeigten sich bunto, ent-
weder hellgelbe, rosarote, odor rotbraune harte Sinterbil-
düngen. Die alten Kegel zerfielen größtenteils odor bliebon
stückweise stehon und wurden zu einem harten, dem Tuff-
stoin ähnlichen Felsen von Ringgestalt. Da ich keiue Säu-
ren besaß, war es mir unmöglich, das GoBtein auf seinen
Kalkgebalt zu prüfen. Das Wasser besaß an verschiede-
nen Stellen verschiedene Temperatur, ich maß ß5 , 70
und 72° C. Ehe es sich in den Sumpf verlief, bildete os
durch seine AbBinterungen die bekannten Terrassen, wenn
hier auch nur in Miniatorform. Libellen, Käfer oder Blätter,
dio in dio Quelle gefallen waron , lagen in vollkommenster
Form, aber gelb übersintert, auf dom Boden derselben.
Wo das Wasser noch erhebliche Wärme besaß, wuchs
weder Gras noch Strauch in soiner Nähe, obwohl dio der
Quelle ausströmonde Wärme in der Nachbarschaft einen
ungomeiu dichten und schönen Palmwuchs begünstigte.
Wo das Wasser soine Temperatur verloren, erlaubten die
darin enthaltenen Salze nur einom zähon dicken Riedgrase
das Dasein. Selbst am warmen Mittage lagerte Dampf über
der Quelle, der indessen einen ganz eignen Wohigoruch
ausströmte , den ich mit nichts vergleichen kann. Das
Wasser war außerordentlich klar und von horvorragendom
Wohlgeschmack, wozu die in großer Quantität in dem-
selben enthaltene Kohlensäure wohl nicht wenig beitrug.
War das Wasser erkaltet und dio Kohlensäure verflogen,
so schmeckte os ein wenig wie Emser Pastillen. Auf
Flaschen gefüllt, entwickelte sich dio Kohlensäure so stark,
daß der Pfropfen herausgetrieben wurde, wobei dem Halse
der Flasche in sichtbarer Form derselbe graue wohlrie-
chende Dampf entströmto, den man an der Quelle selbst
wahrnahm.
Ich muß noch einigo Worte über die Wirkung des
Wassers binzufügen, da dieselhe trotz des verhältnismäßig
geringen Quantums, welches wir gonoBsen, doch ganz auf-
fallend war. Ich war in Kisaki mit goschwollener Leber,
gänzlichem Appetitmangel und gestörtor Verdauung ange-
kommeu, und noch mehrere meiner Leute klagten Uber ähn-
liche Zustände. Während zweier Tage tranken wir alle,
soviel als wir konnten, von dom Wussor; allein seines Wohl-
geschmackes halber thaten wir es mit Vergnügen, und schon
nach wonigon Tagon waron die Vordauungsbeschwerden ge-
hoben, meine Leber hatte normales Maß, und mein Appetit
ließ nichts zu wünschon übrig. Gorado so orging es den
Leuten, deren Urteil dahin ging, daß man, nachdem man
von dem Wasser getrunkon, solchen Appetit bekomme, daß
man überhaupt nicht mehr satt werde. Da ich die günsti-
gen Wirklingen ganz allein dom Wasser der Quelle zu-
schrieb, wollte ich diesen interessanten Punkt nicht unbe-
nannt lassen und taufte dio Quelle Markusbrunnen. Wasser
sowohl wie Sinterproben sandte ich in hinreichender Quan-
tität nach Deutschland, ganz unerklärlicherwoise soll beides
in verdorbenem Zustande angekommen und dann verloren
gegangen sein.
Von hier marschierte ich weiter in Büdöstlioher Rioh-
tung auf den Rufidji zu. Hior in diosom Teil von Kutu
bilden die Ameisen eine wahre Landplage. Wenn Darwin
die Regenwürraor als einen in der Bodengcstaltung nicht
unwesentlichen Faktor hinstellt, so dürften meines Er-
achtens die Ameisen , ganz abgesehen von den Torraiten,
nicht übergangen werden. Die großen Baue dor Termiten
sind hinreichend bekannt , auch sie fanden sich zahlreich
und von bedeutender Größe.
Allein zwei andre Arten von Ameisen gestalteten in
diesem Teile des Landes das Leben fast zu einer Plage.
Eino große braune Ameise , von den Eingobornen „Siafu“
genannt, gräbt tiefo Gänge in dor Erde und unterminiert
namentlich gern dio Wurzeln großer Palmon, unter wel-
chen ob daher niemals ratsam ist, ein Lager anfzuschlageu.
Wie die Termiten vegetabilische Stoffe sammeln und ver-
arbeiten, so befasson sich diese Tiere fast nur mit anima-
lischen Abfällen , dio sie in ihre Hüldon hineinschleppen.
Oft sieht man sie in dunkelbraunen Streifen den Fuß-
pfad kreuzon. Die Soldaten, wolcho sich ähnlich wie bei
den Termiten durch die dicken Köpfe und fürchterlichen
Zangen auszeichnen, bilden Spalier und reichen sich gegen-
seitig ihre Zangen, während unter den hoch erhobenen Ober-
körpern und Köpfon gleichsam wie in einom Tunnel die an-
dern Ameisen, die Arbeiter, mit rasender Geschwindigkeit
liinziohon. Die Soldaten stehen vollkommen still, nur plötz-
lich sieht man manchmal einen von ihnen wütend auf eine
dor dahiumarschierenden Amoisen losstürzen, sio empfindlich
kneipen und dann in seine Stellung zurückkohren. Stört
man die Tiere , so schwärmen sio sofort nach allen Soiteu
aus und greifon ihren Gegner an. Ihr Biß schmerzt em-
pfindlich ; wo sie zngefaßt haben, lassen sie nie wieder los,
und sio drohen und winden sich, um mit ihren Zangen die
größtmögliche Verletzung zu verursachen. Man kann daher
den Körper dor Ameise abreißen , dor Kopf bleibt sitzen.
356
Die Erforschung des Ulanga- Gebietes.
Die Tiere gehen ungern auf etwas Rauhem. Ich machte
diese Bemerkung bei einer Gelegenheit, wo ich empfindlich
von ihnen zu leiden hatte.
Mein Bett bestand aus einem Gestell, welches mit star-
ker Sackleinwaud Überspannt war. Auf dieser lagen zwoi
dicke Wolldecken. Eines Nachts wurde ich von einem wan-
dernden Schwarm dieser Ameisen Überfällen , sie kletterten
an dom Gestell in dio Höhe und liefen ungeniert auf der
straff gespannten Leinwand umher. Sehr ungern wagten
sie sich auf die Wolldecke, auf wolchor sie sich nur mit
grofsor Miiho vorwürtsbowogon konnten. Endlioh gelang es
doch etwa einem Dutzend, in moine Kühe zu gelangen, und
da diese Anzahl vollkommen hinreicht, dio empfindlichsten
Schmerzen zu verursachen, so mufste ich auf ein Mittel
sinnen, sie zu vertreiben. Mein Zelt konnte ioh nicht ver-
lassen, da os draufson regnete. Ich nahm ein breites
Messor, machte os an oinem Lichte heifs und botupfte dio
Stellen, wo die AmeiBon sich in gröfster Anzahl versammelt
hatten. Nach ganz kurzer Zeit wufston alle, selbst die,
denen ich mit dom heifison Messer nicht naho gekommen,
dafs ihnen Gefahr drohe, und sio verliefsen sämtlich meine
Bettatclio, auch dio aus der Wolldecko vorzogen sich. Auf
dor Erde trioben sie ihr Wesen weiter, ich blieb aber die
Nacht durch unbehelligt.
Viel schlimmer als dio „Siafu“ ist jedoch oino kleine
Sorte Ameisen, gogon welche weder wollene Decken noch
hoifscs Messer dos geringste Vertoidigungsmittel bieten.
Sie sind außerordentlich klein, dunkelbraun und kommen
gleich zu Millionen ungezogen. Eine Untertasse voll Zucker
wurde in einer Nacht vollkommon von ihnen geleert und
derselbe weggeschleppt. Sobald sie erschienen, und das
geschah eine Zeitlang fast jede Nacht, mufsto ich mein
Zelt räumen und im Froien schlafen. Beide Arten bauen
aufserordentlich. Allerdings nicht Hügel wie dio Termiten,
sondern dn, wo sie heimisch sind, hobt sich der Boden all-
mählich und wölbt sich nach der Mitte zu. Dio kleinen
Ameisen findot man meistens in dor Nähe der wilden Feigen-
bäume und in der Nähe eines andern Baumes mit schlan-
ken Stämmen und fallschirmartiger Krone. Ich inufs hinzu-
fugen, dafs ich beide Arten von Ameisen in dieser Fülle
nur in Kutu angetroffen habo.
Nooh eino, etwa 1 Zoll lange schwarze Ameise vordiont
der Erwähnung. Oft stufst man im Walde auf Stellen,
wo sich ein penetranter Geruch von Schwefelwasserstoff
bemerkbar macht. Dieser rührt von der Ameiso her, die
ihn hervorbringt, wenn Bie gestört wird. Diese Ameise
läuft meistens einzoln umher, nur selten sioht man sie in
kleinen Zügen. Allerdings baut diese Ameise nicht in
einer Weise, dafs man von ihr sagen kann, sie trage zur
Veränderung der Bodengestaltung bei.
In Bohobeho kreuzte ich die Route Thomsons. Hier
starb Keith Johnston, nach welchem der von hier aus sicht-
bare Berg „Kilima Hatambula“ (nicht „Mkulima“, Berg
heifst Kilima) Mt. Keith Johnston benannt ist.
Am Fufse dieser Berge entlang zieht Bich wieder eine
joner fruchtbaren Landstrecken , was sich hior allerdings
wegen mangelnder Gärten uud Bewohner nur durch die
aufserordontlich üppige Vcgotation kuudthut. Stundenlang
zieht sich hier ein Wald hin, fast ausschließlich von der
sich zweigeuden Palmenart gebildet. Tausende von Affen
der verschiedensten Arten, wie ioh sie in ähnlicher Menge
nirgends sonst gesehen , belebten den Wald und nährten
sich von don roten Früchten dor Palme , welche übrigens
auch von den Eingebornen vorzehrt werden, für don Euro-
päer aber gänzlich unschuiackhaft sind. Der Boden trug
hier entschieden einen diluvialen Charakter. Hier und da
zeigten sich Lagunen von geringerer oder größerer Ausdeh-
nung, welche in starken Regenjahren wohl mit dem nicht
mehr allzu weit entfernten Rufidji in Verbindung stehen.
Von weitem ist der Rufidji nur durch den seine Ufer
säumenden aufsorordentlich spärlichen Galoriewald kennt-
lich. Seine Ufer sind hior niedrig, meist sandig, und sein
Überschwemmungsgebiet nach Aussage der Eingebornen
ouorm. Dio Breite des Flusses ist sehr beträchtlich. Er
fliefst oft in violo Arme zerteilt, welche grofse, mit Wald,
an andern Stellen mit Schilf bestandene Insolu umgeben.
Meist sind diu Inseln bewohnt von Leuten, welche haupt-
sächlich dem Fischfang obliogen.
In oiuoin Boot, welches ich mietete, fuhr ioh don Strom
hinab und fand, dafs or stellenweise eine ziemlich starke
Strömung hatte, die jedoch durchaus nicht überall gleich
war. An oinor Stolle, dicht bei „Korogeros“ Dorf, war sie
fast gefährlich für das Baumstammboot, in welchem ich
fuhr. Jedes europäische Boot könnte jedoch gefahrlos den
Flufs befahren. Im Anfang war das südliche Ufer höher
als das nördlicho, schien auch dichter bowolint zu sein.
Später wurde das nördliche Ufor höher und stieg sogar
bis zu einer ungefähren Höhe von 40 Fuß (lim) Uber
den Fluß empor. Im allgemeinen war die Tiefe des
Flusses eine solche, daß flach gohonde Fahrzeuge boquem
darauf fahren konuten. Stellenweise war die Tiefe sohr
beträchtlich.
Das Flußbett des Rufidji ist jedoch kein konstantes.
Ungehouro Massen Saud führt dor Fluß mit sich, dio oft
zu langen und hohen Inseln aufgetürmt sind. Wie es in-
dessen gar nicht anders möglich ist , bahnt sich dio unge-
heure Wassormcngo des Flusses doch oiuen Weg durch
den Sand , so daß immer Kanäle vorhanden sind , durch
welche ein Fahrzeug von geringem Tiefgange sich hindurch-
finden könnte.
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Die Erforschung des Ulanga - Gebietes.
357
In seinem untern Ijaufe hat sich der Rufidji ein ganz
Deues Bett gebahnt. Es existiert ein alter Arm, welcher
noch bei Lebzeiten einiger alten Eingebornon das oigont-
liche Bett des Flusses bildete. Dieser Arm steht indessen
nur bei Hochwasser mit dem jetzigen Flufs in Verbindung
und bildet eine umfangreiche Lagune , bewohnt von Nil-
pferden und unzähligen Scharen von Wasservögeln , um-
geben vom herrlichsten Gnleriowaldo. Abor selbst in trock-
nen Jahron ist die Laguno voll Wasser und bildet selbst
flir die Eingebornen ein unUborsteiglichos Hindernis, wenn
ihre Touren sich senkrecht zu der Richtung desselben er-
strecken. Ich wurde auf diesen Umstand aufmerksam ge-
macht, als ich Leute anssenden wollte, um Nahrungsmittel
einzukaufen.
In diesor Gegend wird viel Kopal gegraben , den man
mir in ziemlich bedeutenden Quantitäten unbot. Von hier
zur Kilste setzte ich meinen Marsch zu Lande fort und
fand auch hier den, dio Küste durch viele Breitengrade
begleitenden Höbonzug, der allem Anschein nach wegen
des vorherrschend reichen Bodens der durch die Seewinde
verursachten reichlichen Nioderschlägo ein für Kultivation
sehr giinstigoB Feld bietot.
Eiuigo Monate später befaud ich mich abermals im Sima-
Thal, von wo aus ich meine letzte Reise nach dem Hoch-
plateau von „Uhobe“ antrat.
Beim Überschreiten des Rubeho-Gebirges hatte ich nur
Gelegenheit, dio grofso Einförmigkeit desselben zu beobach-
ten. Das ganze Gebirge besteht hauptsächlich aus Gnoifs,
hier und da fand ich etwas weiison Granit, stollenweiso
auffallend viel Hornblende.
Bis zu „Marores“ Thal zeigte dio Gegend oinen äufserst
fruchtbaren Charakter. Kaum hatten wir indessen den
Ruaha Überschritten, als wir uns plötzlich in einem Latorit-
gebiet der bösesten Art befanden. Der Baumwuchs kam
niemals Uber das Krüppelhafte hinaus, der Boden war rot,
porös, auf dem ganzen Tagomursch ohne einen Tropfen
Wasser, und warf die Sonnenstrahlen mit unwiderstehlicher
Gewalt wieder nach aufwärts. Einige Baobabs allein spen-
deten Schatten mit ihren riesigen Stämmen. Erst am Fufse
der „Uhehe-Berge“ trafen wir wiedor auf bessern Boden,
auf Wald und auf Wasser. Es ist dies jedoch das oinzigo
Mal, dafs mir diese poröse Art dos Latoritbodens in Ost-
afrika vorgekommen ist.
Die Uhehe-Berge, welche wir nun bestiegen, bestanden
ebenfalls zum gröfsten Teil aus Gneifs, doch zeigte sich
auch viel weicher weifser Sandstein. Diese Berge bilden nur
den Abfall einos Plateaus, denn oben ungolungt, steigt man
nicht wie bei den Rubeho-Bergen in das jenseitige Thal her-
nieder, sondern dio Gegend senkt sich nur allmählich nach
Westen , bis sie in dou Ebenen von Ckonongo ausläuft.
Hier oben herrscht der Charakter der Stoppe vor, der
ßaumwuebs ist spärlich und dio Gegend trocknor. Die
Seewinde lagern den gröfsten Teil ihrer Feuchtigkeit be-
reits an don Ostabhäugen der Rubeho- Berge ab und vor-
mögen der Gegend hier nur noch wenig davon mitzu-
toilon. Kurzer frischer Graswuchs dagegen bodockt das
Land. Vieh findet sioh in grofsen Herden. Doch auch
Agrikultur treiben dio Eingebornen, wenn auch nicht in
dom Mafse wie in der Tiefebene. Sie düngen ihre Gärten
mit dem Dung ihrer Viohhorden und erzielen außerordent-
lich roicho Ernten.
Auf dem Rückwege überschritten wir au oinor andern
Stelle die Rubeho-Bergo, fanden jedoch abermals genau die-
selben geologischen Formationen. Hier passierten wir don
einzigen Urwald, d. h. Regenwald, den ich je in Ost-
afrika gesehen. Er bekleidete den Ostabhang dor Bergo und
erstreckte sich bis zu deren Gipfel; sobald die Gegend je-
doch aus den Bereich der feuchten Seewinde kam, hörte
der Wald auf.
Dio Westabhängc dor Borge zeigton nur den gewöhn-
lichen offnon Savannenwald. Dieser erstreckte sich , mit
Ausnahmo dor Ränder dor am Fufso dieser Berge sehr
zahlreichen Flüsse bis zu „Nalioto“ in „Mahenge“, wurde
hier etwas lichter und in dor Nähe von Nga-homa wiedor
zum richtigen Galoriewald. Boi „Nga-homa“ befunden wir
uns unmittelbar am Ufor des Ulanga.
Nur dem Namou nauh war uns dieser mächtigo flufs
bekannt, und nichts wußte man über seine Bedeutung.
Thomson erblickte auf soiner Reise nach den zentralafri-
kanischen Seen einen Arm desselben, dessen Größe so
wenig im Einklang mit den Ubrigon von ihm geschonon
afrikanischen FlÜBsen stand , daß or den Hauptstrom vor
sich zu haben glaubto. Bcardall, der Ingenieur, der für
M'Kinnon die Straße von Dar es Salaam baute, erreichte
die Suguli -Fälle, uud orhiolt von dou hier lebonden Ein-
gebornen die Information, dafs weiter obon der Strom von
ihren Booten bofahreu würde. Einer von Boardalls Leuten,
dio mit ihm dio Reise gemacht hatten, befand sich in
meiner Karawane. Am 8. Dezomber 1885 erblickte ioh
zum erstenmal den Strom, als ich in dem Dorfo des Unter-
häuptliugs von Mahongo „Nga-homa“ mein Lager auf-
schlug.
Von Kga-horan aus erstreckt sich nach Nordwesten eino
ungeheure Ebene, die sich, wie der sie im Norden be-
grenzende Höhenzug anzeigt, in weitor Ferne nach Westen
wendet. Die Berge im Norden sind die Fortsetzung dos
in Usagara als „Ruboho“ bekannten Gebirges und haben
hier einfach den Namen der „Uhehe“- Berge. Die Ebene
roicht unmittelbar bis zum Fuß des Gebirges. Von Nga-
homa aus orblickt man im Westen auf der andern Seite
358
Die Erforschung des Ulanga- Gebietes.
der Ebene das Ende eines Bergrückens, der sieb fast direkt
von Osten nach Westen zieht, weiter westlich eine bedeu-
tende Höhe erreicht, jedoch nicht dou Uhehe-Bergou gleich-
kommt und „Lipingo*, d. h. rEbenholz“ genannt wird.
Von Nga-homa aus erscheint dio Ebene nur mit hohem
gclbom Schilfgras bewachsen. In ihr ziehen sich jedoch
eine Anzahl gröfsorer oder kleinerer sehr tiefer Kinnen
hin, deren gröfste den Hauptarm des Flusses bildet- Dio
andern sind Nebenarme, deren einige jedoch fast die Gröfse
des Hauptflu8ses erreichen. Ans der Vogelperspektive mufs
sich dio Ebone fast wio eine Eisunbahnkarte nusnehmen,
dio Schienenstränge sind die Flufsarme, die weifsen Flocken
die dnreh sie gebildeten luseln.
Von all diesem erblickt man von Nga-homa aus nichts,
nur durch ein Studium des Flusses wird man die That-
sache gewahr. Die Flufsarme haben ihre Botten so aus-
geliöhlt, die Ufer fallen so vollkommen steil und wohl defi-
niert in das Wasser, dafs dessen Vorhandensein Überhaupt
vor Befahrung des Flusses nicht geahnt wird.
Welchen großartigen Anblick mnfs os daher gewähren,
wenn, wie dio Eiugohornen versichern, zur Zeit des höch-
sten Wnsserstandes der ITlnngn seine vielen Arme zu oinem
einzigen Strom vereinigt, dio ganze, ungefähr 2000 m breite
und etwa eine deutsche Meile lang erscheinende Fläche
Überflutet und als brausendes Moor dahergerollt kommt.
Während der Regenzeit verlassen die Eingehornen ihro
Dörfer, dio sie nach derselben immer wieder auf den In-
seln des Ulanga bauen, und ziehen sich auf die „Lipingo“-
Berge oder das höhor golegene Flachland boi Nga-homa
zurück. DioBo Inseln des Ulanga, wenn wir das Wort
Insel für diese ausgedehnten, von oinom Flufsurm umspann-
ten Landstriche gebrauchen wollen , sind außerordentlich
fruchtbar und werden von den Mahenge des Flußgebietes
vorzüglich kultiviort. Gleich nachdem wir von Nga-homa
aus auf einem kleinen Nebenarm den Hauptstrom erreicht
hatton, schien es uns, als ob wir durch Keisplantagen un-
sorn Weg nahmen. Namentlich war dies der Fall, wo die
Ufer nicht wie gewöhnlich ziomlich steil und hoch waren,
sondern sich in das Wasser verliefen. Die Reisfolder er-
schienen dann oft unabsehbar. Auch wo das Wasser nioht
unmittelbar in dio Felder gelangte, und der Bodun übor
dem Niveau des Flusses lag, onthiolt dieser doch Feuchtig-
keit genug, den Rois trefflich gedeihen zu lassen, obwohl
an solchen Stellen auch viel Mais, Mtarna und Matanga (eine
Art Kürbis) gebaut wurden.
Dio Dörfer der Eingehornen liogon meist unmittelbar
am Wasser. Die Häuser sind gewöhnlich nur loso aus
Ried zusamraougofügt, da sie ja bei jedem Hochwasser weg-
geschwemmt werden. Unzähligo Boote liegen überall an-
gebunden. Oft waron zwei starke Pfähle in den Grund
des Flusses getrieben, hinter denen dann manchmal 6 — 8
Boote nebeneinander lagen, so daß das äußerste im Wasser
schwamm, das innerste fast auf dem Trocknen sich befaud.
Die Boote Bind durchweg schöner als nuf dem RuGdji.
Nur selten siebt man ein Boot, das eine merkliche Krürn-
muug hat, und oft sind sie so breit und tief, daß der Ru-
derer einen erhöhten Sitz im Boden des Bootes nötig hat,
um bequem rudern zu können. Jedes Boot ist aus einem
einzigen Baumstamm ausgehöhlt und bis 35 Fuß lang.
Woher die Eingehornen die Stämme erhalten haben, ist
rätselhaft, denn zu den nächsten Wäldorn ist es sehr weit,
und unmittelbar am Fluß ist kein Baum zu sehen. Ver-
mutlich stammen die meisten Booto aus den Wäldorn des
„Majuruka“, eines von Süden kommenden Nebenflusses des
Ulanga, dessen Ufer dicht bewaldot ist, und dessen sehr breite
Mündung darauf schließen läßt, daß er nuf größere Strecken
befahrbar ist. Dio moisten Boote sind übrigens sehr alt,
und nirgends sah ich die Eingehornen mit dem Bau von
Booten beschäftigt, ja auf Bofrageu konnten sie sogar nicht
angeben, ob Feuer zum Aushöhlen der Baumstämme ver-
wandt werde, oder dies nur mittels eiserner Werkzeuge
geschähe.
In seinem Mittelläufe, wo wir den Fluß zuerst befuhren,
schätzte ich seine Breite auf durchschnittlich 300 m, ob-
wohl stellenweise dieso bedeutend Ubertroffon wurde. Moin
Gefährte , der den Rhein genau kannte , behauptete , daß
dieser nirgends die Durchsohnittsgrößo des Ulanga erreiche.
An seiner engsten Stelle im Oberläufe bestimmte ich trigo-
nometrisch dio Breite des Flusses annähernd zu 08 in. Das
Wasser ist durchgehend von grünlich-brauner Färbung und
hat nur an ongen Stellen oder bei kurzen Biegungen, deren
der Fluß eine große Menge aufweist, starke Strömung.
Wir hatten von Nga-homa zwei grofso Boote orhallon, dio
12 Mann und unser sämtliches Gepäck fassen konnten. In
jedem Boot waren zwei Ruderer und ein Bootführor, der
mittels einer langen Bambusstange das Boot, namentlich
an solchen Stellen, wo die Strömung stark war , vorwärts
stakte. Für den Fall, daß dichtes Gestrüpp am Ufer das
Aufsetzen der Bambusstange nicht erlaubte, war indossen
eino sinnreiche und höchst einfache Vorrichtung getroffen.
Ein Stückchen Bambus wurde an einem Endo so zuge-
schnitten, daß es wie ein Keil aualief, wurde hierauf etwa
einen Fuß weit von dom äußorston Ende der Stange mit
der zugeschnittenen Seite auf diese gelegt und mit der
Rauke oiner Konvolvulusart festgebunden, so daß das Stück-
chen Bambus im Winkel von der Stange abstand und einen
Haken bildeto, der von dom Führor der Stange abgekehrt
war. Dieser Haken wurdo, wo der Boden nicht zu erreichen
war, auf Pflanzongowirr aufgesetzt, und das Boot so vor-
wärts geschoben.
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Die Erforschung des Ulnngu - Gebietes.
359
Von Nga-homa aus wendet sieb der Flufs zunächst west-
lich zwischen wohl definierten Ufern, dio stellenweise aufser-
ordeutlich dicht bewohnt und gut kultiviert sind. Hierauf
nimmt er seinen Lauf nach Südwesten, welche Richtung er
im allgemeinen auch beibehält. Seinen Ursprung nimmt er
in den Bergen am NordoBtende des Xyassa-Sees.
Ein eigenartiges und wohl auch schwieriges Studium
bietet das System dieses Flusses. Es ist auffallend, wie
wenige und nur kleino Nebenflüsse dieser mächtigo Strom
erhält. Allerdings darf man wohl vermuten, dafs mancher
seiner unzähligen Nebenarme Zuflüsse ompfüngt, welche
dem den Hauptarm befahrenden Forschnr unsichtbar bleiben ;
auf der andern Soito liogt oft dio Versuchung uaho, dio
Mündung eines solchen Nebenarmes für die eines Neben-
flusses zu haiton. Nur lango Auseinandersetzungen mit den
oft sehr unwissenden Eingehornen setzten mich in don Stand,
dio weuigen Nebenflüsse zu konstatiorun. Diese münden
nun fast allo zwischen dom Wohnsitz Nga-homa und dem
Anfang dur Sümpfe des Ulauga, auf die ich später zurück-
komme. Von Nga - lioma flufsabwärts fand sich nicht ein
einziger Wassorlauf, der auch nur den Namen eines Bachos
verdient hätte.
Auf dor von mir durchweg benutzten Ravensteinschon
Karte findet sich indessen gerado auf dioser Strecko der
„Msolo“ angegeben, der sich hier mit dom Llanga verei-
nigen soll. Wir überschritten diesen, ehe wir zu Nga-homa
gelangten, wo ich ihn jedoch nach Wösten fliefsend fand.
Von „Kidatn“ aus überschritten wir eine Unzuhl kleiner,
rasch Siebender, Bohr klarer, 5 — 20m breiter, 1 — 3 Fufs
tiefer Gebirgsbäche. Die beiden ersten „Kitimkuru“ und
„Msunguru“ liefen zweifelsohne dum Ruaha zu. Hierauf
kam der „Mtoloa“, der mit dem „Msolo“ synonym ist.
Ich orfuhr dies allerdings orst, als ich don „Msolo“ über-
schritt, und mein Erstaunen darüber ausdrückte, dafs er
seinen Lauf nach Westeu nehme; dio Leute, zwei Führer,
sprachen dann deutlich aus, dufs „Mtoloa“ und „Msolo“ das-
selbe soion. Dur „Msolo“ muls also wohl sämtliche von
den Uhehe-Rergen herahkommendon Bäche in sich aufneh-
mon und deren Wasser dem Ulanga oberhalb Nga-homa
zuführen. Höohst wahrscheinlich ergiefst er sich indessen
in oinen Nebenarm, da wir dio Mündung nicht zu sehen
bekamen.
Wie erwähnt, hatten sämtliche Bache, die von den Ber-
gen kamen, klares Wasser, um so erstaunter waren wir,
uns plötzlich in ausgedehnte Sümpfe versetzt zu sehen, dio
der „Sawa-Sawa“ bildet; sein Lauf lag im Anfang eben-
falls südöstlich, bog sich jedoch plötzlich nach WeBten, so
dafs wir ihn zweimal überschreiten mufsten. Die ganze von
den Uheho-Borgeu in dem Gebiet zwischen Ruaha und l'langa
herabkommendo Wassermcngc Hiebt also lutztorm zu.
Auf der Strecke zwischen Nga-homa und den Ulanga-
Sümpfen vorteilen sich dio andern Nebenflüsse, soweit ich
sie konstatiorun könnt« , folgendermafsen : auf dem linken
Ufer, also der nördlichen Seit« deB Bogons, welchen der
Fluls beschreibt, finden sich in der Reihenfolge stromauf-
wärts: Rumene, Mgomanga, Wipia, liehanje und Kisiri.
Nur der Rohanje ist von der geringsten Bodoutung.
Auf dem rechten Ufer, der innom Seite des Bogens,
empfängt der Ulanga don Majuruka, dessen Mündung be-
deutende Breite und Tiefe besitzt, und dessen Ufer bergig
und dicht bewaldet sind. Auch die Ufer des Ulanga fan-
den wir hier am höchsten. Dann kamen der Pangalala, der
Luri, auch Pombo genannt, welcher zwar klein ist, aber
nach Aussage der Eingebornon einen sehr langen Lauf
habon soll, dor Mqwezi, Ugwamba und Mtwiri. Letztere
sind alle nur kleine, unbedeutende Büche. Ob sich von
dieser Seit« noch Flüsse in den Ulanga orgiefson auf der
Strecko zwischen Nga-homa und don Suguli - Füllen , ist
ungewifs, allein ich glaube kaum dies annehmen zu dürfen,
da sie ihren Ursprung zu nahe den orwühntou Flüssen
nehmen müfstun, um von irgend welcher Bedeutung sein zu
können. Auch würde jeder bedeutendere Flufs wohl seino
Richtung nach Süden nehmen und dom Itovumu zueilen,
da die Lipingo-Rerge sich hierhin abdachon und Ubcrull
sehr nahe au den Ulanga herautroten.
Die Abdachung der U hohe -Berge und der Gebirge in
Ubena nach Westen ist auch der Grund, warum so ge-
ringe und kleine Zuflüsso von Norden her zum Ulanga
kommen. Alles Wasser von hier läuft dem Ruahn zu, wel-
cher uinon groben Bogen nach Westen mucht, und nur das
von den Ostabhängon der Bergo bei Kidntu herabkommendo
Wasser sammelt , wie wir gesehen haben , dor Msolo für
den Ulanga.
Trotz der uuverhültnismüfaig kleinon Zuflüsse fuhrt aber
dor Ulanga Wassormengen mit sich, dio ihn selbst in der
trockensten Jahreszeit zu einem ganz bedeutenden Strome
machen. Der Grund hiervon liogt wohl in der Formation der
Gegend, welcher der Flufs als Entwässerungskanal dient.
Wie schon erwähnt, begleiten ihn auf beidon Seiten hoho
Borgo, die auf soinom liukon Ufer sich bis zum Nyassa hin
erstrecken und ihm hier seinen Ursprung geben. Diese Berge
empfangen oinen grofson Teil des Jahres den von Feuch-
tigkeit geschwängerten Südostpassat, welcher im Darüber-
hinstroichon fast alle Feuchtigkeit an die Berge abgibt,
von welchen diese nicht in Gestalt grofser Flüsse, sondern
in unzähligen kloinen Rinnsalen dem Ulanga wieder zugo-
führt wird. Diese Berge ziehen nun nicht in gerader Linie
don Flufs eutlaug, sondern machen oine plötzliche Biegung
nach Westen, erst später ihre ursprüngliche südwestliche
Richtung wioder einnehmend. Je gröber nun die Ober-
360
Die Erforschung des Ulanga - Gebietes.
fläche ist, wolche der feuchte Wind bestreicht, je mehr
Feuchtigkeit wird ihm entzogen worden. Zu gleicher Zeit
machen auch die „Lipingo“-Bergo am rechten Flufsufer eino
Biegung nach Osten, so dafs in dieser Gegend ein weites
Thal, ein Kessel entsteht, der im Kordosten eino Öffnung
hat, aus welcher dor IJlanga heraustritt. Dieser Thalkessol
hat die Eigentümlichkeit, dafs sein Boden tiefer Hegt, als das
Niveau des Flusses, so dafs dieser, die ganze Bodensenkung
mit seinon Wassern bedeokond, ungeheure Sümpfe bildet.
Die Bodensenkung beginnt bei der Mündung des Ma-
juruka-Flusses, dessen Ufer sowohl wio die des Ulanga noch
ziemlich hoch und sehr steil sind. Von hier aus werden
sie stetig flacher, bis sie unter don Wasserspiegel hinab-
sinken. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dafs diese rie-
sigen Sümpfe auch wiodor Quellen in sich burgon, welche
dem Ulanga Nahrung gewähren. Jedenfalls bilden sie sein
Hauptresorvoir. Die den Passatwindon entzogeno Feuchtig-
keit kann sich hier sammeln und wird durch eine undurch-
dringliche Docke von Vegetation, dio don Sonnenstrahlen
den Zutritt verwehrt, vor Verdunstung geschützt. Eben
dioso Vegetation loistet dem Flufs aber noch einen andorn
Dienst. Von Süden führt der obere Lauf des Flusses eben-
falls noch erhebliche Wasserraengen dem Tbalkossel zu,
dio diesen rasch durcheilen würden, fänden sio nicht den
Widerstand , welchen ihnen das dichte Gewirr von Schilf,
Ried, Papyrus und grofsen Blattpflanzen entgegensetzt.
Die Pflanzonmenge verteilt das Wasser, welches vou
oben rasch zuläuft und sich durch sie ihren Weg suchen
mufs, über eiuo ungeheure Flächo, auf wolchor cs lango
zurückgehalten wird. In dor Regenzeit können also un-
geheure Massen Wasser sich hier ansammeln, die dann
während dor folgenden trocknen Zeit abfliefson, nur die
Ausdehnung der Sümpfe etwas verringernd, den Flufs aber
mit hinreichender Nahrung versehend.
Die Ausdehnung dieser Sümpfe ist unglaublich. Als
wir gegen Weihnachten dos Jahrus 1885 uns darin mit
unsern Booten verloren hatten, vermochten wir nur in
weiter Ferno die Spitzen dor Uhoho-Borgo wahrzunehmon,
die durch dio drückend heifse, dunstige Atmosphäre der
Sümpfe grau gofärbt erschienen. Sonst rings herum im
NO und SW nur ein Gewogo von Schilfspitzen, von lan-
gem Ricdgraso, oiu Nicken von Papyrusstauden und weiter-
hin starro, bewegungslose Fläche, gelb und graugrün.
Weit vor uns tauchten einige oinsamo Bäume auf. Dioso
trostlose Gogeud ist nämlich nicht ohne Bewohner, und dio
Bäume bezeichnen Asyle, wclclio wenigo elende Menschen
hier gofuudon hüben.
Unter den Eingebornon Afrikas sind Hader und Streit
an dor Tagesordnung, und Unterdrücker und Unterdrückte
gibt es hier so gut als wo anders. Die Rollo dor Unter-
drücker spielen hier die Wahehe, dio fortwährend Kriege
führen und ihre Nachbarn unter ihr Joch zu zwingen
suchen. Auf dio Dauer ist das den umliegenden Völkern
unerträglich geworden, und da sio keine Häuptlinge besitzen,
die ein entscheidendes Wort sprächon und dio Führung
Ubernühmon, so haben sich oinigo Familien zusammenge-
than , um in den Sümpfen ihre Wohnung aufzuschlagen,
wohl wissend, dafs die Waheho, die keine Boote besitzen,
ihnen hierher nicht zu folgen vermögen. In den Sümpfen
befinden sich Stellen, wo der Bodon doch über das Wasser
sich erhebt, und auf diesen haben sioh die Loute angobaut.
Ihre Häuser sind leicht aus Schilf gefügt und stehen meist
auf Pfählen , einige Fufs über dom Boden erhobon , da die
Einwohner jederzeit gewärtig sein müssen , dafs oiu ge-
ringes Stoigon des Wassors ihnon bachstäbUch don Boden
unter don Füfsen wegnimmt. Um die Häuser haben sie
dann ihro Gärten angologt, die allerdings eino beispiellose
Fruchtbarkeit zeigen.
Hior leben die Leute von don Wuhehe zwar unange-
fochten , aber andre Feinde dezimieren fast die Bevölke-
rung. Es sind die Krankheiten, dio in dor durch die über-
reiche Vegetation und das stagnierende Wasser veq>estot«n
Atmosphäre lauern. Kaum ein wirklich gesunder Mensch
war in den elenden kleinen Ansiedelungen zu finden, und
Krankheiten und ihro Erscheinungen boten sich dem Auge
dar, von denen es sich mit Ekel abwandt«.
Dio Ansiodolungon waron selten Uber ein paar Morgen
grofs, in joder fanden sich aber ein oder mehrere Bäume,
dio auf dom trocknon Erdroich Wurzel gefafst hatten. Nach
diesen Bäumeu dirigierten wir unsre Fahrt und fanden
nach langom mühseligen Umherirren einen Ort, an dem
wir wenigstens ein Zelt aufschlagen konnten, und mit Stau-
nen blickton die Eingebornon, dio sich in ihren versteckten
Wohnsitzon vor jeder unbemerkten Annäherung gesichert
gehalten batten, auf uns. Der Ulanga bildet mit seinen
Sümpfon, seinen violeu Armen und breiten Gewässern eine
Barriere, dio so leicht nicht überschritten werden kann;
or ist dahor zu einor Völkerschoido geworden , wie sich
deutlich herausstellt, wenn man dio an seinem rechten und
linken Ufor wohnenden Stämme miteinander vorgloicht. An
seinem linken Ufer leben durchweg kriegerische Stämme.
In don Borgen am nordöstlichon Ende dos XyHssa dio eigent-
lichen Mafiti, die wogen ihres Geheuls im Krioge von den
umhegenden Stämmen den bezeichnenden Nameu „Wali-
huhu“ erhalten haben. Dann kommen die von den Wahehe
untoijochton , aber in doron Nation ganz aufgouommenen
„Waben*“, an dio sich dio eigentlichen „Wahehe“ an-
schlicfsen. Dioso sind wirklioh kriegerisch und besitzen
einen Häuptling, desseu Wort Gesetz ist, und dem sie in
; usgcbildetcr Disziplin unterthan sind.
Die Erforschung des Ulanga- Gebietes.
3G I
Hierauf dem I.aufe des Flusses folgend, gelangt man zu
den „Mabenge“, die ebenfalls kriegerisch voranlagt sind,
wenn auch bei ihnen die Disziplin koine so aufserordont-
liche ist als bei den Wahehe. Schon der Umstand, dafs
es unter den Mahongo mehrere Unterhäuptlinge gibt, beein-
trächtigt die Macht des Obersten unter ihnen, der oft nach-
geben mufs, um sich nicht in Stroit mit seinen Untergebe-
nen vorwickelt zu sollen. Da die genannten Stämme un-
ausgesetzt in kloine Fehden mit ihren Nachbarn verwickelt
sind , und da sie namentlich die Unterliegenden zu ihren
Sklaven machen , von denen Bie ihre Feldarbeit verrichten
lassen, sind die Völkerschaften, dio sich unter diesem Drucke
befnndeu, über den Ulanga geflohen, an dessen rechtem Ufor
wir daher nur gänzlich friedliebende Stämmo finden, die ohne
Häuptlinge leben und nur ihren Peinigern auf dem linkon
Flufsufer Tribute zahlen. So finden wir die Wagangi auf
dem rechten Ufer dos Flusses, dio den auf der linkeu Seite
wohnenden Mtangwira als ihren Oberherrn anerkennen.
Ganz eigon hat sich dieses Verhältnis an dem oborn
Stromlauf gestaltet. Hier lobt Mtengore oder wie er eigent-
lich heifst „Kiwangwa", dessen Vater „Mtengore-1, welchen
Titel „Kiwangwa“ erbto, von seinem Bruder, dem König
von Uhehe , vertrieben wurde und hier ein neuos Roich
gründete. Mtengere war Herr von Ubena, mufste ans sei-
nem Lande fliehen und bogab sich nach den Lipingo- Bergen
auf der Südseite des Ulanga, wo er mit den ihm geblie-
benen Getreuen den grofsen Volksstamm der „Wamatshoude“
unterjochte und dem neu eroberten Lande den Namen seiner
alten Heimat „Ubonau gab. Mtengure lebte lange in den
Lipingo -Bergen. Als er starb, hinterliefs er mehrere Söhne,
dio nach afrikanischer Sitte sich sofort um das Besitztum
ihres Vaters in Streit verwickeltou. Einer von ibuon floh
zu „Mqwawa“, dom König von Uhehe, seinem richtigen
Onkel , diesen bittend , ihm zur Besitzergreifung des neuen
Ubenas zu verhelfen. Ein andrer ging zu demselben Zweck
zu den „Walihuhus“, die er versuchte, auf die Wahehe
eifersüchtig zu machen. Der Dritte, der Älteste und eigent-
liche Erbe, blieb in seinem Land, verlegte nur seinon
Wohnsitz auf oino grofso Insel im Ulanga und wehrt sich
gogen die feindseligen Plänkeleien von seiten der Walihuhu
und Wahehe, die ihu, da sie der Bootführung unkundig sind
und keine eignen Boote besitzen , aus seiner Wasserburg
nicht vertreiben können.
Der jetzige „Mtengere“, im Gefühl der Uneinnehmbar-
keit seinor Position, trägt sich sogar mit der Hoffnung, sei-
nem Oheim Mqwawa dereinst sein Land Ubena auf der
linken Seite des Ulanga wieder zu entreifson, und seinen
Wohnsitz wieder auf den kühlen Höhen , an dem kristall-
hellen Wasser seiner Borgo und inmitten seiner grofsen
Viohherden aufzuschlagen.
P«t*m>ums Geogr. Mitteilung«. 1886, Heft XII.
Obwohl dio „Wabona“ keineswegs zu den kriegerischen
Völkern gezählt werden können , sind sio doch berühmt
wegen ihrer schönen Ebenholzspeere, die allerdings Muster
von Arbeitsknnst dor Eingebornen sind.
Kohren wir von don Bewohnern seiner Ufer zu dem
Flusse selbst zurück. Von hohem Interesse ist die seine
Gewässer und Gestade belebende Tierwelt.
Fährt man auf dom Flusse dahin, so erblickt man un-
zählige Mule im Laufe des Tages riesige Saurier , die mit
erhobenem Kopfo don Bewegungen des Bootes folgen und
dann langsam, fast geräuschlos in den Fluten untertauchen,
den langen Schuppenleib aus den Binsen und dem Schilf,
in dem sie geruht, nach sich ziehend. Unzählige Flufs-
pferde beloben das Wasser. Do sie hier niemals gestört
worden , besitzen sie gar keino Scheu , und täglich ver-
nahmen wir das Goschnauf und Gestampf der Tiere, wenn
sio am hellen Tage in dom dichten Gebüsch und Schilf des
Ufers ihre Nahrung suchten. Auf einem freien Rasenplatz
sahen wir eines Tages gegen Mittag eins dieser Tiere am
Ufor, und auf unsurm Heimwege fuhren wir sogar auf dem
Rücken eines solchen fest, glücklicherweise ohne libele
Folgen.
Unendlich zahlreich ist die Vogelwelt vertreten. Unter
dieser waren es namentlich oino Enton- und eine Gänseart,
die unsro Aufmerksamkeit fesselte. Oft sahen wir ein Tier
auf dem Wasser umhorschwimmon, das wir anfangs für oino
Schlange hielten, da es beim Schwimmen ähnliche Bewegun-
gen machte und nur sekumlenwoise Ubor dom Wasser erschien.
Als wir einst danach schossen, erhob sich zu unsorm Erstau-
nen ein Vogelkörpor aus dem Wasser und flog davon. Später
gelang cb uns, von beiden Tieren Exemplare zu erlegen. Die
Gans hatte ungefähr dio Gröftie einer unsohnlichen zahmen
Ente, war von schwarzer Farbe mit metallischem Glanzo
und hatte auf den Flügeln einige helle, fast gelbe, ganz
schmale Federn, die das Tier sehr ausdrucksvoll zeichneten.
Der Hals war unverhältnismäfsig lang, sehr dünn und ver-
lief in einen langen, scharf zugeBpitzten Schnabel, dessen
Ränder zu spitzigen Zähnon ausgezackt waron. Auf den
ersten Blick war keine Spur eines Kopfes sichtbar, da
der Hals unmittelbar in don Schnabel auszulaufen schien.
Das Tier pflegt mit dem Körper ganz unter Wasser zu
schwimmen, nur der Hals ragte hervor und sah dann von
woitem einer Schlange täuschend ähnlich ; wurde es gestört,
so tauchte es unter oder erhob sich mittels sehr langer
breiter Schwanzfedern , die es durch eine sehr kräftige
Muakol rasch abwärts drückte, aus dem Wasser, und flog
mit grofser Schnelligkeit von dannen. Später sahen wir
don Vogel oft auf den Gebüschen sitzen, wo er sich mit
seinen, durch lange und scharfe Krallen bowehrten Schwimm-
füfsen boquom festhalten konnte. Noch eine eigno Manier
46
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362 Die Erforschung des
zeichnete das Tier aus; es pflegte sich, wenn es das Wasser
verlassen, mit nusgcbreiteteu Flögeln auf das Gebüsch zu
legou, damit Sonne und Wind es trockne.
Ganz ähnlich benahm Bich die erwähnte Ente, nur war
sie von weniger dunkler Färbung; ihr Schnabel, der indessen
auch eine ansehnliche Lunge hatte, lief in einen Flaken,
ähnlich dem eines Geiersclinabcls nns, sie trockncto sich nicht
in der Sonne und war erheblich kleiner als die Gans. Reide
Vögel hatten einen unangenehmen thranigon Geschmack.
Am Strande, auf Sanddünen, tummelten sich unzäh-
lige Arten Strandläufer. Dor eine war von schieforgrauer
Farbe, hatte gelhe Ständer, grüngelben Schnabol und einen
Kopf, der lebhaft an den einer Taube erinnerte. An jeder
Seite des Schnabels hing von dor Kehle herunter ein hell-
gelbor Hautluppen, etwa einen Zoll lang. Ein andrer Strand-
läufer sah den Trappen außerordentlich ähnlich und zeich-
nete sich durch einen unverhältnismäßig breiten Kopf aus.
In Scharen flog ein Vogel daher, den man dom Fluge
nach für eine Möwe hätte halten können. Kücken und
Flügel ein dunkles Grau, Brust und Bauch blendend weiß,
und rote Füfso. Eigentümlich war der Schnabel dieses
Tieres. Dor untere Kiefer, otwn doppelt so lang als der
obere, lief in ein Messer aus, dessen Ende breit und stumpf ,
war und scharf das Wasser durchschnitt, wenn der Vogel
dnrüberhin flog, fast ohne eine Spur darin zu ziehen. Der
obero Teil des Schnabels war Obenfalls nur dtinn, und beide
Teile standen mit ihren scharfen Kanten aufeinander. Wie
dio Tiere mit dem Schnabel ihre Nahrung ergreifen können,
ist unerklärlich, jedoch befanden sic sich stets in sehr fettem |
Zustande.
Schwarze Störche, riesige Reiher, weiße Vögel der ver-
schiedensten Gestalten flogen aus dem Gebüsch am Ufor
bei unsrer Annäherung auf, doch keiner war in der Weiso
eigentümlich ausgezeichnet oder interessant als die erwähnten.
Von bunten Vögeln fand sich ein allerliebster sehr kleinor
„Kingfisher“, dessen Farbenpracht ihn vor allen auszoich-
nete. Der Rücken war hollblau, mit metallischem Glanz,
Bauch und Brust rot, und auf dem Kopfe trug er einen
Busch zarter Federn , von hellblauer Farbe mit schwarzen
Flecken. Füße und Schnabel waren hellrot. An steilen
Uferstellen fanden wir in dem Lehm des l.'ferrandos Tau-
sende von Lochern, etwa 1£ Zoll im Durchmesser. Dieso
werden von Vögeln gebohrt, die, wenn man sie boi ihrer
Arbeit überrascht, oft. die ganze Stelle wie mit einer dunkel-
grünen Samttapeto bekleidet erscheinen lassen. Mit seinen
snhnrfon Krallen hakt er sich in dem Lehm fest nnd stützt
sich mit seinen starken Schwanzfodom. Auf dom Rücken
ist dieser Vogel dunkelgrün, auf dem Bauche golb und
rot schillernd.
In den Sümpfen trafon wir noch oino Art Wasserhuhn,
Ulangn - Gebiete?.
dessen lange Zehen dio breiten, runden Blätter einer Wasser-
pflanze, auf denen es zu stehen pflegte, überragte, so daß diese,
da das Gowicht des Vogols gleichmäßig über sie verteilt war,
ihn zu tragen und über Wasser zu halten vermochten.
Der Ulnnga ist außerordentlich fischreich; die meßton
seiner Fische scheinen den Welsen anzugehören, doch
fanden sich auch Fische mit Scbuppon, dio sehr wohlschmek-
kend waren. Der Oberleib eines toten Fisches trieb nns
eines Tages entgegen, der etwa noch ln» lang war, und
dessen Kopf ich fast 1 m breit schätzte. Wahrscheinlich
hatte ein Krokodil ihn zorbissen. Einen andorn Fisch fiugon
die Leute eines Tages, der in soinem gewaltigen Rachen
Zähne wio ein Hund batte, nur waren sie viel spitziger.
Obwohl der Fisch gewiß schon zwoi Tago auf dem Wasser
getricbon hatte, verspeisten ihn meino Leute. Ein breiter
Schuppenfisch sprang einos Tages plötzlich aus dem Wasser
in unser Boot und fiel zu don Füßen meines Gefährten
nieder. Am Abend desselben Tages, als wir in eine kleine
seichte Bucht oinfuhron, um zu laudon, orblickten wir oino
Unzahl Fische von ansolinlicher Größe, die im Schlamme
wühlten. Dio Leuto sprangen sofort hinzu und erlegten
eine Anzahl derselben mit ihren Speoren, ja etlicho wurden
sogur mit den Händen ergriffen.
Auf den ungeheuren Tnseln des Flusses sahen wir oft
im Abendsouuonscheino eich ergohende Antilopenherden.
Weniger reich als die Tierwelt des Ulanga ist seine
Vegetation, wenn wir dio dor erwähnten Sümpfe ans-
nehmen. Von Nga-homa aufwärts ist die Vegetation sohr
einförmig. Wo das Ufer nicht mit Reis bebaut ist, findet
sich eigentlich nur sohr hohes bambusartiges Schilf oder
Röhricht, aus dessen harten Stielen die am Ulanga woh-
nenden Eingebornen ihre Häuser bauen. Unzählige Ban-
ken oiner lila blühenden Konvolvulusart durchweben das
Schilf , e3 zu undurchdringlichem Dickicht gestaltend.
Zwängt man sich donnoch auf oinom dor violon Nilpferd-
pfade hindurch , so gelangt man schon nach wenigen
Minuten ins Freie , wo dor Blick über eine grasige Ebene
bis zu den Uheho- oder Lipingo-Bergon schweifen kann.
Auf dem niedrigen Teile seiner Ufer bekleidet dieser Saum
von Gobtßoh den Fluß auf weite Strecken. Nur hier und
da steht ganz einsam eine Palmo (Hyphaene), dio gewöhn-
lich einem Adler zum Horst diont, der hier ziemlich häufig
vorkam und sich durch die schöne Färbung seines Gofiodors
auezeichuete.
Soweit wir don Fluß befuhren, bomorkton wir ein
eigenartiges Gewächs, das oft in großen Mengeu auftrat
und ganz frei auf dem Wasser schwamm. Seine Blätter
wnren kelchartig geordnet, etwa wie die untern Blätter
eines Krautkopfcs, denen sie auch in Gestalt ähnelten.
Nur fehlte der harte Kopf, an dessen Stelle oiu Kolch
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3C3
Vorläufiger bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
bliob. Unten hingen zahllose zarte Wurzelfäsercbon in
das Wasser, aus dem sie alle zum Gudoihen der Pflanze
nötige Nahrung zu ziehen Bchionen.
In den Sümpfen hätte mau Botanikor sein müssen , um
sich einigermafson in dem Gewirr von Pflanzen zurechtzu-
finden. Grofse, breite Bluttor schwammen auf dem Wnsser,
oben saftgrün, unten rot mit starkon Hippen. Hanken
traton an dio Oberfläche mit mehrero Zoll langen Ge-
lenkon, welche am untern Ende oft zur Grüfso oiuer Faust
aufguschwollcn und inwendig hold waren. Gewaltige Stau-
den, die ich für Papyrus hiolt, standen in grofson Büschen
umher. Einor der Jjoute rifs eine solche Staude auB dem
Boden und verzehrto das untoro, zarte und ganz weifse |
Ende derselben ; es schmeckte süfslich , abor nicht beson-
ders gut. Das Hauptgewächs war jedoch eine longo Binso,
die etwa 2 — 4 Fufs iihor das Wasser omporwuchs und so
dicht stand, dafs es oft kaum möglich war, das Boot hin-
durchzuzwüngen.
Stromaufwärts traten die Berge wieder näher an den
Flufs heran und zeigten , wie fast überall in Afrika , die
lichte Waldbekleidung, die auch den Hauptcharakter dor
Vegetation von Nga-homa flufsabwärts bildet.
In scinom untern Laufe dehnt sich der Flufs zu einer
außerordentlichen Breite aus. Seine geringste Tiefe be-
trug 3m, seino gröfsto Tiofe wurdo mittels eines Poil-
stockes von 6 m länge nicht erreicht. Flufsdampfer jeder
Größe könnten dieseu Strom befahren, der noch dazu den
Vorteil bietet, dafs er die fruchtbaren Länder in soinem
untern Laufe mit don Hochländern verbindet, welcho sich
hinter den Bergen ausdehnen, deren Fufs der Ulanga in
soinem oborn Laufe fast unmittelbar bespült.
Eine Wasserstrafse, wie dor Ulanga sie bildet, mufs
aber für die Länder in ihrem Bereich von der allergröfBton
Bedeutung werden können ; hoffentlich dauert es nicht all-
zulange, bis sio es thatsüohlioh wird.
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
Von Dr. G. A. Fischer.
(Mit Karte, a. Tafel 19.)
Diesem Berichte müssen wir die traurige Mitteilung n dom pietaliehen ninscheidon de* verdienstvollen Forschers hinzufügeu; Dr. G. A. Fischer,
gehören in Barmen am 3. Sliira 1848, den wir am 9. Oktober noeh in anscheinend »oller Gesundheit in Gotha bogriifsen konnten, ward um 11. November
in Berlin »on einem Gallcntleber mich nur eintägigem Krankenlager hingcrafTt. Seine Thitigkeit in Ostafrika hatte Dr. Fischer 1 H 7 begonnen; der Den-
hardtaeheu Expedition »ornuseilcnd , begab er eich im Juni 1877 nach der Landschaft Witu, wo er bis zum Deiember »erweilte (Mitteil. Ilamb. OeogT.
Gesellschaft 1876 — 1877). Vom Mai bis Dezember 1878 bereiste er mit Gebrüder Dcuhardt den Tana-Flufs und das Gebiet der Wapokomo, auf welcher
Kxpodition er sich namentlich mit naturwissenschaftlichen ond ethnographischen Studien befafste (Mitteil, der Hamburger Geogr. Gescllsch. 1878 — 1879).
Naeli der Auflösung der Denhardtschen Expedition blieb Dr. Fischer iu Sansihir zurück, wo er der ärztlichen Praxis «ich widmete. Ende 1882 trat er auf
Kosten der Hamburger Geogr. Gesellschaft seine bedeutungsvolle Heise ins Massai >Iasnd an, von weicher er im August 1883 an die Küste zarückkrhrte.
Es gelang ihm allerdings nur, bis in das Zentrum den Landes, nach dem Naiwascha -Soo, vorzudringen; seine Heise war aber ein erster Schritt für die Be-
schlickung diese« Gebietes, indem er aeineu Nachfolgern Thomson und Hanniugton die Wege ebnete. Ebenso wertvoll wio seino topographischen Aufnahmen
waren seine Studien über die Ktlinographio der Massai, wie über die Fauna und Flors des Landes (Mitteil. Hamburger Geogr. Gesellschaft 1883 — 1883).
Wenn auch Dr. Fischer* letzte Heise, auf welcher er den Keim zu seinem frühen Tode sich xugezogen hat, ihre eigentliche Aufgabe, die Befreiung Dr. Junkers,
aus den in dem Berichte selbst dargelegten Gründen nicht lösen konnte, so hat sie doch durch das Interesse, welches sie in ganz Ostafrika bis nach -Uganda
hin für diesen Forscher verbreitete, die jetzt in Aussicht stehende Uückkehr desselben wesentlich erleichtert. Zugleich aber hat Dr. Fischer, indem cs ihm
gelang, grofse Oebietc als erster Europäer an durchkreuzen , unsre Kenntnis von Ostafrika wiederum bedeutend erweitert. Von segensreichem Kinflufs war
Dr. Fischers besonnene» und tnafsvolles Urteil über die ostafrikanUchen Verhältnisse, welches er in der Schrift ; .Mehr Lieht im dunkeln Erdteil“, nieder-
gelegt hatte; unentwegt durch der Parteien Gunst odor Ungunst war der erfahrene Kenner Ostafrikus stets nur für die Wahrheit eingetreton. Deutschland
hat in dem Verstorbenen einen ebenso kühnen wie besounenen Forscher, welcher noch au grofson Hoffnungen berechtigte, verloren.
Als ich ain 19. Mai 1885 in Sansibar tuntraf, um im
Aufträge des Herrn Baukior Junker in Petersburg eine
Karawano zur Unterstützung seines bereits seit 1879 iu
den ägyptischen Äquatorialprovinzen woilonden Bruders in
das Innere zu führen , war von den veränderten Verhält-
nissen in Buguuda und Bunjoro dort noch nichts bekannt.
Man nahm an, dafs die Hindernisse, welche es Dr. Junker
unmöglich machten, über das Sansibar- Gebiet nach Europa
zu gelangen, anderweitig liegen mußten, zumal der ägyp-
tische Gouverneur Emin-Boi, mit dem sich Dr. Junker
jodeufulls vereinigt, Bugnnda mchrorc Malo besucht hatto
und mit dem frühem Herrscher Mtcsa befreundet gewesen
war. Es wurden demnach vorzugsweise die in Baganda
und Bunjoro beliebten weißen und bunten Baumwollstoffe,
daneben auch tuchene arabische Mäntel und Woslon ein-
gekauft, während Eisen- und Mossingdraht und Perlen — Ar-
tikel, dio in jenen Gebieten so gut wie wortlos sind — nur
in sehr geringer Quantität mitgenommen wurden.
Die Vorhältnisso in Sansibar waron damals für Hoiseudo,
speziell für Deutsche, sehr ungünstig. Der Sultau sah in-
folge des Vorgehens der Deutsch - OBtafrikanischen Gesell-
schaft alle Unternehmungen mit grofsotn Mißtrauen an.
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3G4
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
1) io Folge davon war, daß die Träger, welche meist nur aus
Furcht vor dem Gefängnis ihren Verpflichtungen treu blei-
heu, nunmehr sich sehr unzuverlässig zeigten. Es war da-
her eine sorgfältige Auswahl der Leute eine wesentliche
Bedingung für das Gelingen der Unternehmung. Nur
solche Träger wurden angenommen , die mir von lange
erprobton Leuten gebracht wurden. Es dauerte allerdings
2] Monate, ehe die Karawane zum Aufbruche bereit war;
doch war, was die Zuverlässigkeit der Leute betrifft, das
Resultat insofern ein sehr günstiges, als bei dem Anfbruche
von der Küste von 220 Mann, die 3 Monate Vorschufs er-
halten hatten, nur 4 nicht zur Stelle waren, und überhaupt
nur 8 Manu sich ihren Verbindlichkeiten durch die Flucht
eutzogen.
Von der Route durch das Massailaud über den Mba-
ringo-See und das Gebiet von Bussoga, der interessantem,
wenn auch weniger sichern, wurde Abstand genommen, da
hierfür wieder andro Waren nötig gewesen wären, und ich
Dr. Junker, falls er unterdessen Uber Buganda nach Sansi-
bar aufgcbrochen wäre , verfehlt hätte. Ich konnte mich
jedoch nicht entschließen , den von fast allen zum Tanga-
nika- oder Victoria -See ziehenden europäischen Karawanen
benutzten Weg Bagamojo — Tabora einzuschlagon ; vielmehr
beschloß ich von Pungaui uuszugehon und die Straße
können zu lernen, welche die Pangani-Karawancn nach den
elfenbeinreichcn Gebieten von Umbugwe zu ziehen pflegen.
Mein nächstes Ziel war Kagehi am Victoria -Niansa,
von wo alle für Buganda bestimmten Karawanen über-
gesotzt werden ; denn der Weg über Usiuja und Karagwo
ist besonders dos unerschwinglichen Tributes wegen auf-
gegeben, den Mankorongo, einer der Häuptlinge des Usiuja-
landes , erhobt. Mich und meinu Karawane hätte dieser
Wog ins Verderben geführt, wie wir später sehen wordon.
Am 3. August vorließ die Karawane das der Ortschaft
I’angaui gegenüber gelegene Dörfchen Boeui, zunächst dom
Flußlaufe folgend, bald aber in nordwestlicher Richtung
sich von demselben entfernend. Dag Gobiot von Usogun,
welches hier durchzogeu wurde, war hügelig und wenig
bewaldet, späterhin traten hübsche Partien dichten Nieder-
waldes auf, in denen zum Teil die Kautschuk spendende
Laudolpkiaranke sehr zahlreich war. Mit 'Eintritt in das
Gebiet von Ungii (Nguru) wurde dus Land bergig mit
schmalou Thälorn, in welchen sich kleinen» Gruppen Hoch-
wald bemerkbar machten. Dus Trinkwasser wurde aus klei-
nen Tümpeln gewonnen; fließendes Wasser war uirgeuds
vorhanden. Bei der Ortschaft Mgaera, dem Grenzgebiete
zum Massailaudu, wurde eine Höhe vou 880 m erreicht.
Nahningsmittel waren , trotz des regenreichen Jahres , wie
es gewöhnlich auf ein gehr dürres (1884) folgt, nur in ge-
ringer Menge aufzutreiben, da die Eingebornen dus zur
Aussaat nötige Getreide nicht erlangen konnten. Die im
allgemeinen sehr wenig dichte Bevölkerung hatte in dem
Hungerjahre 1884 außerordentlich gelitten.
Mit dem Elintritt in das Mussuigobiot tritt eine auf-
fallende Veränderung in dem landschaftlichen Bilde und
den Vegetationsverhältuisson auf, eino Veränderung, wie
sie sich iu dem ganzen Küstengebiete in mehr oder weniger
großer Entfernung von der Küste ausspriebt. Berg und
Thal vorschwindeu , eine flache oder nur wenig wellen-
förmige, allmählich ansteigende Hochebene breitet sich aus,
dereu spärliches Gras bald nach der kurzen Regenzeit ein-
trocknet. Wenig belaubte, meist nur krüppoihuft wachsende
Akazien und Mimosen gewähren einen trostlosen Anblick.
Bäche waren nicht vorhandou , einige wenige , zum Teil
schon eingetrocknetes , schlammiges und übelschmeckendes
Wasser enthaltende Tümpel, (lio von der Regonzeit noch
übrig geblieben waren , spendeten das unentbehrliche , oft
schwer zu erlangende Naß.
Die südlichen Massai in den Gebieten von Kibaia,
Sseriän und Ndutiän zeigten sich ganz so wio ihre nörd-
lichen Brüder. Wir wurden wenig belästigt und hatten nur
geringen Tribut zu zahlen, da der größto Toil der Kriegor
auf einem Raubzugo gegen Umbugwe begriffen war. Da
wir, wie oben gesagt, nur wenig Getreide in Usegua uud
Ungii erhalten hatten, die Massai aber nur sehr ungern
ihr Vieh verkauften , indem sie durch eine Seuche große
Verluste erlitten, so langten dio Träger iu sehr erschöpftem
Zustande um 15. Soptomber iu der Landschaft Irangi an,
welche in nordsüdliclier Richtung vou bis zu 1600 m an-
steigenden Borgkotton durchzogen wird. Auf den kleineu
Plateaus und deu Abhängen der Borgo befanden sich die
Acker der friedfertigen Eingebornen , deren Wohnungen
aus den im Gebiete vou Uuianivmbo Ublichon „Tombes“
bestanden. Nahrungsmittel wurden reichlich und zu sehr
billigen Preisen foilgeboteu. Dio Äckor lagen um diese
Jahreszeit vollkommen brach. Die Vegetation war eine
sehr einförmige, wenig üppige. Hior iu Iraugi befindet
sich auch eine kleine mohammedanische Kolonie , die sich
jedoch in nichts wonigor als blühendem Zustande befindet.
Von Irangi aus wurdon 15 Schwächliche und Kranke zur
Küste zurückgeschickt.
Es lag iu moiuer Absicht, von Irangi aus auf dem kür-
zesten Woge durch dio Wildnis vou Turu mich Ussukuma
zu zioheu. Da aber kein Führer aufzutreiben war, und
Wasser auf diesem Wege nur schwer zu urlangen sein
sollte, so mußte der Umweg über das Gebiet von Ussan-
dawi gemacht worden, dus auch von einem ackerbau-
treibenden Stamme bewohnt wird, dessen männliche Be-
völkerung fast durchweg unbekleidet ist. Auf diesem Wege
wurde ein kleiner, Bubd genannter Bach überschritten, der
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365
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
iu den Lufidschi fiiefsen soll und auf der Strocko bis zum
Victoria -Sec der einzige war, der etwas fliefsendes Wasser
flllirte.
Weiterhin wurde das Grenzgebiet von Ugogo berührt;
die .Soboro"1 und ..Ssalanda“ genannten Landstriche waren
nur sehr dünn bevölkert; die Eingebornen klagten auch in
diesem Jahro über Rogenmangel. Wahrend das Land hier
wieder auf 900 m gesunken war, stieg es nach Norden hin
plötzlich terrassonartig bis 1330 m zu dem nach Uwerewere
und Ussure verlaufenden Plateau au. Iu Uworowero, wo
meine Route auf eine kurze Strecke sich mit der von
Stanley vereinigte, bestand frühor eine kleine Kolonie von
Wagogo und Wataturu, die aber von den Massai zerstört
wurde und jetzt nur noch eine Anzahl verfallener 'l'ombos
zeigte. Das Land war sehr trocken, Wasser nur mit Mühe
zu orluugen; Akazien, Mimoson, Adansonien und sogenannte
Myombo-Bäume (afrikanische Esche) waren die vorherrschen-
den Formen. Zuweilen wurde auch ein dichtes, abor voll-
kommen blätterloses Strauchwerk, oin Lieblingsaufenthalt
der Elefanten, durchschritten. Der Boden zeigte überall
den sogenannten Latent.
Am 14. Oktober trafen wir in dor Landschaft Ussure
ein, nachdem wir vorher einon kleinen, in dieser Jahreszeit
trockneu , Muaru genannten Bach überschritten hatteu.
(Liwiunba Stauloys.) Dus Gebiet von Ussuro, in dossen
gleichnamiger Hauptstadt das Weib Saralila, als Nachfol-
gerin des verstorbenen Häuptlings Mgongo, herrscht, um-
fafst nur wenige Ortschaften und ist Uniunieinbe tribut-
pflichtig. Negerkorn und llülsenfrüchte gab es iu Hülle
und Füllo, doch trugen auch hier um dieso Zeit die Äcker
nichts. Der Tribut war hier sehr hoch, da wio gesagt ein
Teil desselben an den Häuptling von Unianiembo abgcliefert
werden mufs. Es war dies, abgesehen von oiner geringen
Menge Eisen- und Messingdraht und Perlen, in dem Massai-
lande der erste Tribut, der entrichtet wurde. Denn in den
Küstenlundschaften ist iufolgo des arabischen Einflusses der
Tribut fast allenthalben aufgehoben.
Nachdem wir in Ussure eine zum Teil unfreiwillige sieben-
tägige Rast gehalten, da die Herrscherin vor Ablauf dieser
Frist den notwendigen Führer verwoigorte, wurde der Marsch
durch die Wembäre- Steppe nach Ussilm in Ussukuma an-
getreten. Der Weg führte zunächst durch lichte Walduug
halbwüchsiger Myombo-Bäume, sodann fiel das Terrain
plötzlich und schroff zu dom Wembäre genannten Snvauuen-
lande ab. Die barometrischen Messungen ergaben , dafs
diese sich zu dum Massaigebiot von Ndnssekora hinziehende
Ebene mindestens 100 m unter dem Spiegel des Victoria-
See liegt. Der oben erwähnte Marawn (Muaru), in der Ebeno
ebenfalls Wembäre genannte Bach, welcher von Woston her
noch melirero aus Ussukuma kommende Bäche aufninunt,
kann daher nicht, wie os die Stanleysche Karte angibt,
sich mit dom Simiu- (Simeju-) Flusse vereinigen und in den
Victoria - See fiiefsen. Er verliert sich vielmehr in der
Ebene solbst und bildet hier in der Regonzeit einen klei-
nen See.
Nuchdom wir dun gefährlichsten, wassorlosen Teil der
Savanne in einem zehnstündigen Nachtraarsche zurück-
golegt hatten, gelangten wir in allmählich ansteigendem
Gebiet nach Ussukuma. Dioses dichtbevölkerte, wellenför-
mige, mit kleinen Mulden versehene Land, welches sich
besonders durch seine wie von Menschenhand aufgeschich-
toten Haufen von Granitblöcken charakterisiert, bot zu
dieser Jahreszeit (Ende Oktober) einen trostlosen Anblick
dar, der an diu ödesten Gebiete Ugogos erinnerte. Kein
Grashalm , kein grüner Buum oder Strauch war zu sehen,
der nackte braune Erdboden war mit halbvormoderten
Getreidehalmon bedeckt, mit denen das abgemagerte Vioh
sein Leben fristete. Nur die Euphorbienhuckeu , welche
die zerstrout liegenden Gehöfto des Wassukuma umgeben,
bildeten das einzige dem Auge sich darbictcudo Grün. In
Abständen von 50 bis 100 Schritten standen blätterlose
Adansonien, die vereinzelte grofse, weifso Blüten zeigten.
Ein heftiger, trocknor Ostwind, der einen feinen Staub vor
sich her triob, machte die Lage in dem den Sonnenstrahlen
ungeschützt ausgesetzten Zelte noch unerträglicher. Wie
sich das Land während der Regenzeit präsentierto , kann
man aus Stanleys Schilderung ersehen.
Ussukuma gliedert sich in eine grofse Anzahl Distrikte,
deren jedem oin sogenannter Mtemf Vorsicht. Die einzelnen
Distrikte sind ohne jeden politischen Zusammenhang und
stohen sich meist feindlich gegenüber. Da man fast jeden
Tag einen neuen Distrikt betritt und daher auch neuen
Tribut zahlen mufs, so vorschliugt dieser eine sehr beträcht-
liche Menge von Waren. Lebensmittel waren reichlich und
billig; ein Schaf oder oiuo Ziege erhielt man für 1 m
weifsen Baumwolleustoffes.
Der Weg durch den Distrikt Usmau, der nächste
nach Kagehi, wird seines hohen Tributes wogen von den
arabischen Karawanou nicht mehr benutzt. Ich zog daher
wie diese längs des Simiu -Flüfschons, das aus dem Mussai-
gebiet kommt. Auch dieses enthielt kein fliefsendes Wasser,
sondern nur unterbrochene Tümpel. Die Ufer waren mit
einigen Sykomoreu besetzt.
Als ich am 16. November bei Kagehi eintraf, hatte ich
das Glück , Herrn Stokes von der Cburch Miss. Soc. dort
zu treffen, deren Segelboot für die Abfahrt nach Bugandn
bereit lag. Herr Stokos, welcher gerado von oinor ver-
geblichen Fahrt längs der Ostküste zurückgekehrt war, wo
er den Bischof Hannington in Kawirondo hatte erreichen
wollen , warnte mich , ohne weiteres nach Bugauda zu
366
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
gellen , da sich die Europäer infolge arabischor Intrigen
in schlimmor Lago befänden, und riet mir, zunächst
einen Brief an den Kahnka zu Bonden, um ihm meine
Absicht, Bugauda zu besuchen, mitzuteilon. So ungorn
ich auch diesen Bat befolgte, da ich in Kagehi so kost-
bare Zeit verlor, so vorteilhaft stollto sich später das
Zuwarten heraus; denn ich wäre unfehlbar mit allen mei-
nen Leuten umgokommon, wenn ich das Boot des Arabers
Said bin Sef, das in einigen Tagen erwartet wurde, benutzt
hätte. Ich wählte daher sofort zwei moinor besten Leute
ans, die schon am nächsten Tage mit dem Boote der eng-
lischen Mission nach Bugauda abroisten. Sio nahmen einen
Empfehlungsbrief an die englische Mission und ein von
dem Arabor Said bin Sof au den Kabaka gerichtetes
Schreiben mit.
Eben genannter Arabor, mit dem Stanley in Knrngwe
zusammentraf, hat bei Kagehi eine kleine mohammedanische
Kolonie um sich vereinigt. Er ist gleichsam Beamter des
Kabaka und hat diesem Ubor alle Fremden und Vorkomm-
nisse Bericht zu erstatten. Sein Fahrzoug, das or noch
arabischor Weise in dom an gutem Bauholzo roichen Uhaia
an der Westküste erbaut hat, fafst ca 300 Lasten (ä 70 Pfd.)
und befördert für den Preis von 1 Jora American! (ca 30 m
weifson Baumwollstoffs) pro LaBt die Karawanen nach
Bugauda. Said bin Sof teilte mir auch gleich mit, dafs,
falls der englische Bischof versuchen solle , durch Bussoga
zu ziehen, dies die schlimmsten Folgen habou würde. Der
Kabaka habe jahrelang mit den ßassoga gekämpft, sehr
viele Leute dort verloren, und erst jüngst sei es ihm ge-
lungen, einen Teil dieses Volkes zu unterjochen; er wolle
daher nicht, dafs Fremde dort vorkuhrton. Auch bestätigte
er die mir bereits bei den Arabern in Irangi gewordene
Mitteilung, dafs dor König von Bunjoro der erbittertste
Feind aller ßlafsgesichter sei.
Die mit dom Eintreffen in Kagohi sich einstellonden hef-
tigen Gewitterregen, die bis Mitto oder fast Ende Dezember
anzuhalten ptlogou, gaben zu oiner heftigen Fioberopidemie
Veranlassung. Überhaupt ist Kagehi wegen seines unge-
sunden Aufenthaltes bei den Karawanen sehr verrufen.
Fieber, Dysenterie, Augonontzüudung sind hior zuhause.
Von meinen Leuten orkrankten 80 Proz., die meisten an
Fieber. Auoh die Eingobornon litten in dieser Zeit sehr.
Ich selbst wurde erst am 40. Tage nach der Ankunft
vom Fieber ergriffen. — Mit Eintritt dieser Kegen be-
gannen auch die Kingebornen ihro Äcker zu bestellen, und
zwar vorzugsweise mit Negorkorn, während in andern Ge-
bieten Ussukumas auch Reis gebaut wird.
Erst am 7. Januar kohrten meine Leute mit dem Missions-
boote zurück. Die Nachrichten, wolche sie brachten, waren
teils erfreuliche, teils unerfreuliche ; erfreuliche, insofern es
sicher war, dafs die gesuchten Reisenden sich noch am
Leben befanden und in der Kälte von Bunjoro weilten ;
unerfreuliche, indem es sowohl für jene wie für mich un-
möglich wurde, Buganda und Bunjoro zu passieren. Ein
Brief von Herrn .Mackay erklärto mir, dor Kabaka habe
vor, mich ebensowonig zu schonon wie den Bischof Han-
nington, welchen er am 31. Oktober in Bussoga mit sei-
ner ganzen Karawane hatte niodermotzeln lassen ; auch
boständo einstweilen kein Weg von Buganda nach Norden,
j Du ich fornor gewarnt wurde, mich allou von Bugauda ab-
hängigen Gebieten, wie IJsinja , Karagwo, Bussoga mög-
lichst foruzuhaltcn , so blieb mir nichts übrig, als einen
Vorsuch zu machen, dou Victoria-See im Osten zu um-
gehen. Dafs dieser Versuch nur unter ganz besonders
günstigen Umständen gelingen konnte, indem nunmehr die
meisten der für Buganda eingekauften Tauschartikel wort-
los wurden, war selbstverständlich.
Am 11. Januar 1886, nach 55tägigem Aufenthalte zu
Kagohi, der hauptsächlich zur Anlegung zoologischer und
botanischer Sammlungen und zu photographischeu Auf-
nahmen benutzt wurde, brach dio Karawane in der Rich-
tung zum Speke-Golf auf. In wenigen Tagen wurdo, nach-
| dein dus Simiu-Flüfschen nahe der Mündungsstelle, unterhalb
der Einmündung des Duma-Baches überschritten war, die
Grenze Ussukumas und damit das Gebiet von Schaschi er-
reicht. Zunächst, südlich vom Rubana-Flnsse, sind nur
dio Ufer des Speke-Golfes bowohnt, und zwar von einer
gemischten Bevölkerung aus Ussukuma, Ukorewc und Scha-
schi. Naoh Überschreitung des mit sehr tiefem Botte
. versehenen Bubana- Flusses betraten wir das eigentliche
Schaschi -Ijand, dessen Berge his zu einer Hölio von
1600 m über dom Meere sich erheben, jedoch nur spärlich
bewaldet sind. Die ,sebr trocknen und zum Teil baum-
losen Ebenen wimmelten von Wild: Zebra, Gnu, Fallah-
I . . .
Autilopon (Aepyceros melampus), Alcolaphus LicbtenBtcun,
Elen -Antilopen (Orens Dorbianus) und Sonogal- Antilopen
(Damalis sonegalensis). Auch die von Speke in Ugogo
entdeckte , durch das ganzo Massailand vorbreitete Gazelle
(Gazella Granti) war liier gemein.
Die Bewohner von Schaschi sind ein gutmütiges, Acker-
bau uud Viehzucht troibendes Volk, das von den Einfällen
der Massai viol zu leiden bat. Weifte baumwollene Stoffe
wurden liier noch gerne genommen, wenn auch Draht und
Perlou auch hier schon allem andern vorgozogon werden.
Einen sehr gesuchten Tauschartikel bilden ferner an der
ganzen Ostküste dio Spaten zum Ackern, dio in Ussukuma
angefertigt und bis zu den Kawirondo in den Handel ge-
bracht werden. Nachdem wir sodann mehrore Tage durch
uubewohntes, wegloseB, zum Teil dicht bewaldetes Torraiu
gezogen waren, gelangten wir nach Durchgang durch das
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3C7
Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
Märoa-Fliifschen, das wenig lehmfarbenos Wasser in einem
tiefen, breiten Bett führte, in die Gebiote von Kinia-
mongo und Niawassi, die von einer Miscbbevölkemng von
Bantu und Kuavi bewohnt werden. Die Sprache ist fast
rein Bantu, während Sitten und Gebräuche die der Kuavi
sind. Ein guter Führer ist für dieso Gebiete , wo eine
Menge kleiner Stämme mit verschiedener Sprache zusammen-
gedrängt sind , uuorläfslich. Ich hatte einen solchon in
dem Grenzgebiete von Ussukuma gefunden, einen eingebor-
nen Kawiroudo, der als Elofautenjäger alle dieso Gebiote
genau kannte.
Nachdem von Schaschi aus das I/and sich wieder ge-
senkt hatte, stieg es nun bei Niawassi plötzlich torrassen-
nrtig bis über 1700 m an, um in eine wellenförmige Hoch-
ebene überzugehen. Hior wurde das Gebiet von Ukira
durchzogen, das ebenfalls von einem Mischvolke aus Bantu
und Kuavi bewohnt wird. Sohr mühsame Märsche durch
das Hochgras, ohne jeden Pfad, brachten uns dann durch
unbewohntes Land zum Mori-Flüfscheu, das unB infolge der
starken Hochflut zu einem zweitägigou Aufenthalte zwang,
um durch gofällte Baumstämme einen Übergang horzu-
stellen. In vior weitern Märschen gelangten wir dann
zum Igutscha- Flusse, auf dessen linkem Ufer die ersten
Ansiedelungen der Wagaia äuget rollen wurden. Das Land
Ugaia ist das bedeutendste an der Ostseite des Victoria-
Sees. Es wird von dom kräftigen Stamme der Wagaia oder
Kawirondo bewohnt. Während nämlich die in den süd-
lichon Gebioten dieses Landos wohnenden Eingebornon don
Namen Kawirondo nicht gern hören und sich lieber Wagaia
nennen, haben dio nördlich wohnenden den erstem Namen,
der ihnen von don Fremdlingen boigelogt zu sein scheint,
angenommen. In Sprache, Sitten und Gebräuchen unter-
scheiden sie sich nicht im geringsten. Ugaia ist ein Uber
15 geogr. Meilen (111 km) längs desSeos sich erstreckendes,
dicht bevölkertes Land. Es ist in eine grofso Zahl von
Distrikten geteilt , deren jedem ein sogenanntor Ruat, der
dem Leibdn der Massai entspricht, vorsteht, die aber unter-
einander ohne jeden politischen Zusammenhang, ohne ge-
meinsame Interessen sind und sich gegenseitig wie ver-
schiedene Stämme befehden.
Ugaia ist oin wenig bewaldetes Land, die unmittelbar
am Soe gelegenen Striche sind moist ohuo jeden Baum
und Strauch. Die trockne Jahreszeit dauert hier 6 Monate
und länger; Anfang März waren dio Ackor noch nioht be-
stellt. Es wird hauptsächlich Hirse gebaut. Rindvieh
war iu grofsor Mongo vorhanden. Die Ortschaften worden
mit Stein - oder Lehmmauorn umgeben. Die Kawirondo
zeigen wohlgebaute, grofse, kräftige Gestalten; auch die
Weiber gehen vollkommen unbekleidet. Eison- und Messing-
draht, weifse uud hellblaue Perlen, ferner auch Kaurimuschcln
bilden die gesuchten Artikel, während Zougstoffe durchaus
verschmäht werden. Die noch an koinen intornationalen
Verkehr gewöhnten südlichen Kawirondo setzten der Kara-
watte Widerstand entgegen, so dafs der anfangs beabsich-
tigte Marsch längs des Sees aufgegeben werden nrnfstc und
es erst beim dritten Vorstofs golang, in dom Grenzgebiete
zwischen Kawirondo und Kossowa durchzudringen.
Nach Norden schliofst sich an die Kawirondo das Gebiet
der Njoro an, die eine von jenen verschiedene Spracho
sprechen und sich durch kloinorn uud schwächlichem Körper-
bau merklich unterscheiden. In don Grenzgebieten hat zum
Teil oino Vermischung mit Kawiroudo stattgefunden. Die
Weiber dieses Stammes durchbohren vielfach dio Unterlippe,
durch die sie ein kleines Hölzchen stecken. Die verschiedenen
Distrikte dieses Landes sind unter sich ebenso uneinig wie bei
den Kawirondo ; der Streit hört hier nie auf, wozu die Mo-
hammedaner noch das Ihrige boitragen. Einer dieser Distrikte
ist der von Kawanga, mit dessen schon vor längere Jahren
verstorbenem Häuptlinge Ssundu die Moharamcdnner Freund-
schaft geschlossen hatten. In der Ilauptortschaft Ukala
(Tbomsous Kwa Sundu), wo jotzt dor Sohn Mumia wohnt,
schlagen die mohammedanischen Karawanen ihr Haupt-
quartier auf, senden von hier kleinore Abteilungen nach
Norden, um Elfonbein zn kaufen, und unternehmen mit den
Leuten des Häuptlings gemeinsame Raubzügo in die um-
liegenden Gebiete, um zn plündern und Sklaven zu machen.
Der Häuptling hatto sich auch schon einige Gewohre au-
gesclmfft, mit denen seine Soldaten aber kaum umzugehen
wulston. Ich hätte ihm gern — obwohl es durchaus
fehlerhaft ist, dio Eingebornen mit Feuerwaffen zu ver-
sehen — eine Anzahl Gewehre und Munition überlassen,
wenn ich nur Getreide dafür orlialten hätte. Es war dies
noch meine letzte Hoffnung, um weiter ziehen zu könuen,
denn Draht und Perlen waren auf ein Minimum zusammon-
geachmolzen ; die Rationen für die Träger hatten schon
seit Wochon herabgesetzt werden müssen. Leider war
nichts aufzutreiben ; die Eingebornen litten selbst Ilungor.
Dio Gewitterregen waren gänzlich ausgebliebou, was in den
letzten Jahren häufig der Pall gewesen soin soll , wie dio
Eingebornen klagton. Das Rindvieh war au oiuer Seuche
fast total zu Grundo gegangen. Zwei Stück vrurdon von
dem Häuptlinge geschenkt, dio aber anderweitig geraubt
worden waren. Drei Pfund Nogerkorn (Durrha) hatto jeder
Träger bei sich, als der Rückmarsch angetreten wurde;
diese mnfsten zunächst für 10 Togo ausreichon.
Am 22. März brachen wir in dor Richtung zum Mbaringo-
See auf. Mit dem Gebiete von Kabaräs, das auch von
dem Stamme der Njoro bewohnt wird , beginnt ein Hügel-
land, das allmählich zu einem Hochplateau ansteigt, welches
bis zu 2300 m über dem Meere liegt. Saftiges Weidegras
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Vorläufiger Bericht über die Expedition zur Auffindung Dr. Junkers.
bedeckte hier den Boden, in den ThalgrUmlon standen
kleino Streifen Hochwaldes, und zahlreiche Bäche hatten
Bich infolge der Gewitterregen gebildet. Plötzlich und
schroff fällt dann das Land bei Ligeijo, wo sich prächtiger
Hochwald befindet, bis zu 1000 m zu einem schmalen, von
dem Londaii genannten Flüfschen durchzogenen Tliale ab,
das, wie die es im Osten begrenzenden, weniger schroff
ansteigenden Kamassia -Berge , einen mehr trocknen Cha-
rakter trägt. Letztere steigen später bis zu 2000 m an,
um dann wieder plötzlich zu der ca 1000 m über dom
Meere gelegenen Einsenkung ahzusclineiden, in welcher der
Mbaringo-See liegt. Der Njernps gonannto Teil dos Beckens
ist ein sehr trocknes, nur mit kümmerlicher Vegetation be-
wachsenos Gebiet, in dom sich eine kleino, nur 2- bis 3000
Köpfe starke Kuavi- Kolonie befindet. Sie halten Schafe
und Ziegen und pflanzen etwas Durrha an, von welcher
ich für einen Rest Perlen so viel erhielt, um jedem Träger
2-j- Pfd. zuzuteilen. In Ligeijo hatto der Mann nufsordora
noch 2}- Pfd. Mehl erhalten. Eine Karawane von Pangani,
die wir am Mbaringo-See trafon , hatte boreits alle ihre
Waren in Elfenbein nmgesetzt und wartete nur noch auf
eine Abteilung Leute, die in das Gebiet der Ssuku ge-
zogen waren. Meine letzte Hoffnung, mich hier mit neuen i
gangbaren Tausohartikeln für die Fortsetzung der Reise
nach dem Nil auszuriisten, welche nach allen Erkundigungen
nennenswerte Schwierigkeiten nicht mehr bot , war somit
geschwunden; schweren Herzens raufst« ich mich ent-
Bcbliefseu, sofort nach der Küste aufzubrechen.
Mit schweren Sorgen für die kommenden Tage vor-
liofsen wir am 13. April den Mbaringo-See. Einen Führer
hatten wir nicht bekommen könuen , doch war der Wog
bis zum Nakuro-Soe in der schmalen Einsenkung kaum zu
verfehlen. Das Land war allenthalben sehr trocken : es batte
noch nicht gorognet, Baumwuchs war fast gar nicht vor-
handen. Der südafrikanische Kampferbaum (Tarchonnnthus
camphoratus), der für einen grofson Teil der über 1400 m
hoch gelegenen Ebenen des Massailandes charakteristisch
ist, vegotiorto nur kümmerlich. Am Nakuro-See trafen
wir mit den ersten Massai zusammen und erhielten fllr
den lotzten Eisendraht zwei Rinder. Ein Gewaltmarsch
brachte uns sodann in einem Tage zum Naiwaaclia-Soo,
wo wir am 20. April eintrafon. Bis hierher hatten die
Träger ohne sichtbaro Anstrengungon ausgohalten. Aber
auf dem Marsche über die Hochebene von Kinangöp zum
Aberdare-Gebirgo wurdo die Sohwächo eine so bedenkliche,
dafs ich fürchtete, die Lasten würden vorloron gehen.
Mehrere Mann blioben, unfähig, sich weiter fortzubewegen,
auf dem Wege liegen. Da keine Mittol mohr vorhanden
waren, einen Führer zu nehmen, wurdo der Weg zu dem
sogenannten Miansini, wo die mohammedanischen Karawanen
Nahrung einzukaufen pflegen , verfehlt. Glücklicherweise
sahen wir au dem Abbange des Aberdaro- Gebirges Rauch
aufsteigen, und alle rafften noch ihre letzte Kraft zusammen,
diesem Punkte zuzustreben.
Dio Bewohner des Gebirges gehören dum Stamme der
Kikuju an. Auf einige Flintenschüsse kamen Eingeborne
herab und versprachen, am nächsten Tago Nahrung zu
bringen. Es war dies am 25. April, so dafs die Träger
während 32 'lägen jeder 8 Pfd. Gotreide und zusammen
4 Rinder erhalten hatten. Nunmehr gab es Nahrung in
Hülle und Fülle; Durrha, Hirsemehl, Erbson, Bohnen,
Bataten, Yams, Bananen wurden gegen bunte Baumwoll-
stoffe eingetauscht. Der Verkehr der zu Hunderten ins
Lagor gekommenen Eingobornon , das sich in einer Höhe
von 2400 m am Bergabhange befand , war zuerst oin sehr
friedlicher. Später fielen Diebstähle vor, und es wurdo ein
Träger ohne Veranlassung meuchlings erschossen. Dieser
heimtückische Charakter dor Bergbcwobnor , mit dom die
mohammedanischen Karawanen überall, wo sie mit Kiktyu
in Boriihrung kommon, zu kämpfen haben, verursacht« uns
nuch fernerhin noch manche Schwierigkeiten und Gefahren.
Da wir Air den gowöhnlich von den Karawanon benutzten
Weg über Miansini und Ngongo Bagäs keinen Führer er-
hielten, so nahmen wir das Anurbioton dor Eingobornon an,
uns durch die Berge zum jenseitigen Abhange zu bringen,
wo wir Führor nach Ukamba finden wiirdon.
Froh , nunmehr alle Schwierigkeiten überwunden zu
haben, brachen wir am 28. April duroh dio mit dichtem
Bambuswald bedocktcn Borge auf. Ich selbst mufste ge-
tragen werden, da ein heftiges Fieber mich befallou hatto.
Wir erreichten noch an demselben Tage die höchste Höhe,
2730 m, und übernachteten im Bambusdickicht an einom
Bacho mit klarom, eiskaltem Wasser, der bereits nach
Osten hin flofB. Schon waren wir am folgenden Tago oin
beträchtliches Stück bergab gozogen, als unsre Führer plötz-
lich verschwanden. Ratlos, nach welcher Richtung wir uns
wonden sollten, um bald ins Freie zu kommen, bahnten wir
nns mit der Axt einen Weg weiter durch das Dickicht.
Eino gut« Stundo mochten wir zurückgolegt haben, als
wir uns plötzlich in einer kleinen Lichtung zwei jungen
Eingobornon gegenüber sahen , die glücklicherweise nicht
davonliefen, sondern sich auf Unterhandlungen einliefson.
Sic waren auf dio Sucho nach Honig ansgegangen und
kamen von einer weiter östlich nnd tiefer gelogenen An-
siedelung von Kikuju. Während dor oino der beiden sich
sofort aufmaohte, um seine Genossen zu benachrichtigen,
mußten wir dio Nacht nochmals in dom aufsorordentlich
feuchten Bambusdickicht zubringen, indem schon lange vor
Sonnenuntorgang oin kalter Nobel niederfiel. Tn grofser
Anzahl kamen am folgenden Morgen die Eingobornon , die
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Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
369
sich so erregt zeigten und einen solchen Lärm machten,
dafs eine Verständigung kaum möglich erschien. Nachdem
an Ort und Stolle ein Tribut gezahlt worden , setzten wir
untor der lärmenden Begleitung der Eingebornen den Marsch
thalwärts weiter fort und zogen noch 1| Tage lang durch
herrlichen Hochwald, dem schönsten und Üppigsten, den
ich in Ostufrika können gelernt, ohe wir zu der Ansiedelung
der Eingebornen gelangten. Hier zeigten dieselben ein so
herausforderndes Benehmen und drängten sich in solcher
Menge in das Lager, dafs ein ruhiger Tauschverkohr nicht
möglich war. Als nun gar vergiftete Pfeile abgeschossen
wurden und einen meiner Leute verwundeten, trioben die
Träger untor Zustimmung der ültern Eingebornen die Menge
mit der Waffe zurück. Wir hatten nun zwar Ruhe , aber
Nahrungsmittel wurden jetzt nur in sehr geringer Menge
gebracht. Auch mufsten wir uns auf dem mehrtägigen
Marsche , der uns durch das dichtbevölkerte und reich-
kultivierte Land der Kikuju führte, mit der Waffe einen
Weg bahnen, da sich die Eingebornen der Karawane immer
wieder von neuem entgogeustellton. Eine Anzahl derselben
fielen; von meinen lauten wurden fünf von vergifteten Pfei-
len verwundet, die aber alle genasen.
Sobald sich daB Land mehr abflachte, und wir in eine
Höhe von 1200 m herabgestiegeu waron , nahm die Land-
schaft wieder die altbekannte, unschöne, einfache und dürre
Physiognomie an. Die starke Bewölkung um diese Jahres-
zeit gestattete nur zweimal oinon kurzen Blick auf die Süd-
spitze des Schneeberges Kenia. Nach Überschreitung eines
Hauptquellflusses des Tann gelangten wir an den Ouell-
flufs des Ssabaki, der hier auch Athi genannt wird. Die-
sem folgend erreichten wir mit dom Distrikte Uiu das
Ukambaland. Das durchzogene unbewohnt« Gebiet wim-
melte von Rhinozeros , deren uns drei Stück zur Beute
fielen. Dio Leut« litton daher keinon Mange), zumal auch
noch zwei Flufspferde erlegt wurden, die sich zahlreich in
obon genannten Flüssen finden.
Das Ukambaland wie überhaupt die vom Kilimandjaro
und Kenia zur Küste sich erstreckenden Gobiete sind sehr
trocken. Besonders gilt dies von Teita, wo die Eingebornen
bei der Hungersnot von 1884 zum Teil gänzlich ausgo-
storben sind. Als wir im Juni 1886 daB Land durch-
zogen, batte es fast noch gar nicht geregnet; in dem
Gebiete von Ndnrn und Kissigau war aufser einigen Wasser-
melonen niohts zu haben. Erst in einer Entfernung von
ca 20km von der Küste bessern sich die Bodenverhältnisse,
und werden die Niederschläge roichliohor.
Am 14. Juni gelangten wir nach elfmonatlicher Ab-
wesenheit in Wanga wieder an die Küste.
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung,
nach den offiziellen Zensusberichten dargestellt
von Dr. Emil Jung. (SdUuf»«).)
Bombays Bevölkerung hat zwar nicht , wie die von
Maissur und Madras, nhgenommen, donn der Zensus von
1881 zeigt eine Zunahme von 168778 Seelen gegen den
vorhorgegangenen Zensus, dennoch ist es der Hungersnot
keineswegs ganz entgangen, wie schon oben nachgewiesen.
Das so betroffeno Gebiet umfufste ganz Kaladgi, nahezu
ganz Scholapur und Ahmednagar mit den östlichen Distrik-
ten von Puna, Dharwar, Beigaum und äntara. Auch
einige Teile von Klmndesch , sowie der Süden und Osten
von Nusik litten mehr oder weniger, so dafs iu einem
Aroal vou 50000 engl. Quadratmeilen mit 8 Millionen
Monschen dio Wirkungen der Hungersnot sich fühlbar
machten, wahrend über 6| Millionen Menschen schwer be-
troffen wurden. Die Hungersnot trat zuerst ira August 1876
auf, breitete sich mehr uud mehr aus und verschärft« sich
bis Januar 1877, liefs dann während der heifsen Jahreszeit
nach, trat aber von April bis Juni dieses Jahres wiederum
härter auf und erreichte in dem letztgenannten Monat ihre
endliche Höhe. Es sind gerade die ärmorn Klassen dor
') Den Anfang v. im »origen Heft, S. 333 ff.
l’etomwnns Otogr. Mitteilungen. 1880, Heft XII.
Ackerbauer (hoi weitotn die gröfsore Zahl) und dio von
ihnen abhängigen Arbeiter, welclto das Gedeihen ihrer
Ernten fast ausschliefslich auf Frühregen gründen, während
den wohlhabendem Grundbesitzern für ihre Felder auch
dio Herbstregon von Nutzen sind. Die Not war daher,
als diese Friihregen sowohl 1876 als 1877 ausblieben,
uuter den erstem Klassen oino sehr greise, und der Ver-
lust au Menschenleben trotz angestrengtester Hilft! seitens
der Regierung wahrhaft erschreckend. Als nun noch Cho-
lera und Fieber hinzutraten, vermehrte sich dio Sterblich-
keit in furchtbarer Weise, donn die durch Hungor ge-
schwächte Bevölkerung hatte diesen neuen Übeln wenig
Widerstandskraft entgegouzusotzon.
Wie diu nachstehende , von mir geordnote Tabelle be-
weist. ist eitto Abnahme der Bevölkerung vornehmlich
bemerkbar in sochs Distrikten des Tafellandes, des Dokkan
und des Karnatik und in je einont Distrikt dos Konkan
und von Gudscberat. Am stärksten , nämlich um nicht
wettigor als 21,77 Prozent, hot die Bevölkerung von Kaladgi
abgenomnien, dann kommt das Kollektorat von Scholapur,
welches 19,02 Prozent seiner Bevölkerung vorlor. In don
47
370
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
übrigen Distrikten ist die Abnahme zwar weniger auffallend,
aber immer noch stark genug. In Dharwar heträgt die-
selbe 10,78, in Belgaura 8,56, in Ahraednagnr 3,48 und
in l’nna 2,25 Prozent. Diose letztgenannten Distrikte
wurden nämlich nur zum Teil von Dürre und Hungersnot
betroffen , wo dieso aber hier auftratcn , war Not und
Menscheuverlust fast ebenso grofs, uls in den um schwersten
leidenden Kaladgi und Scholapur. Dagegen ist dio Ab-
nahme der Bovölkcruug in dem fruchtbaren Distrikt von
Broack in Gudscherat um 0,67 Prozent und in dem Kollek-
torat Kouknn in Ratuagiri um 2,16 Prozent nach der An-
sicht der Zensusbeamten ') andern Ursachen (Krankhoiten,
Auswanderung) als der Hungersnot zuzuschreihen.
Distrikte mit Zuwachs
Bevölkerunzariffer
Zu- oder Abnahme
der Bevölkerung
1872
1881
Abiolut
In Proz.
Ahroedadabad . . .
832 436
856 324
-f- 23 888
-f- 2,86
Kalis
782 733
804 800
-j- 22 067
231
l'nntsch .Mahals . . .
240 743
255 479
-j- 14 736
-
- 6,12
Samt
607 793
614 198
4- 6 405
- 1,05
Th an* . . . • •
847 424
908 548
■+• 61 124
+ 7.»1
Koiah»
350 405
381 649
-1- 31 244
4- 8,»1
Kbftndeah ....
1 030 036
1 237 231
-f-207 195
-20,11
Suik
737 765
781 206
+ 43 451
- 5,*«
SatarA
1 062 121
1 062 350
+ 229
-r 0,o2
Kanari
398 406
421 840
-j- 23 434
4- 53*
Karatschi ....
426 722
478 688
-f 51 966
4-12,17
Hftidernhnd ....
723 883
754 624
-j- 30 741
4- 4,14
Schikarpur . . . .
776 227
852 980
-j- 76 759
- 9.H«
Thar und Parkar . .
180 761
208 344
-1- 22 683
-
-12,4#
l'ppcr Sind Frontiers .
95 584
124 181
4- 28 597
-29,1»!
Stadt und Insel Bnmhoy
644 405
773 19G
-f 128 79t
-19,98
Summe
9 737 434
10 510 644
-j-773 210
-
u 7,94
. Distrikte mit Abnahme
der lievi.lkeiuns :
Broich
360 322
326 930
— 23 392
- 6,07
Itatnxjriri
1 019 136
997 090
— 22 046
- 2.7f.
Ahmeduasiir ....
778 837
751 228
— 27 609
- 3,48
l’Qr.a
900 621
— 20 732
- 2.75
Scholapur ... .
719 375
582 487
— 136 888
— 19,02
Beisaum
944 985
864 014
— 80 971
- 8.56
Dharwur
882 907
— 106 <04
— I0.7S
KnUdgi
816 27.3
638 493
— 177 780
—81,71
Somme 6 68» 863 6 94a 7 70 — 096 182 — 9,11
ln den Nordwest provinzon und Audh hat dio
Bevölkerung seit dem vorletzten Zensus (1872 für die
Nordwestprovinzen, 1809 für Audh) um 0,30 resp. 1,49 Pro-
zent, in der gauzcn Provinz um 5,oi Prozent zugenommon,
wio der Zensus nachzuweiscu scheint. Aber eine genaue
Prüfung der Ziffern läfst uns zu dem Schlosse kommen,
dafs eher eine Abnahme stuttgcfunden hat. Die ganz un-
vcrhältnismäfsige und nur uus einer gröfsern Genauigkeit
dor Zählung zu erklärende Zunuhme der weiblichen Be-
völkerung berechtigt hierzui) * * * * * * 8). Dor Zeususbeamte Edmund
i) Vgl. Operation« and Hejcults in tho Presidency of Bombay inelu-
ding Sind by j. A. Haines, Vot. I, p. 32 tf.
#) Nach dom Ueport on tho Cenau. of tho N. W.-Province» and
Oudh betrug 188t die Gc*»mIbovnlkening 44 107 869 Seelen, davon
22 912 566 männlichen und 21 195 313 weiblichen Geschlecht* , während
v«n der bei dem frühem Zensus ermittelten Gcsimtbcvölkerung von
42 002 897 Seelen 22 236 906 männlichen und 19 765 991 weiblichen Go-
schlechU gewesen aoin sollen. E. hätten sich danach dio Personen männ-
lichen Geschlecht* um nur 657 650, dagegrn dio Personen weiblichen Go-
sehlerhla um l 429 322 Seelen vermehrt, ein durch nichts jeu erkürende»
Verhältnis. Da nun nachweislich eine grnfse Zahl der männlichen Per-
sonen hei dem vorhergehenden Zensus gar nicht gezählt wurde, und die»
l'nterlässung hei den weiblichen in noch viel hoherrn Grade verkam, so
ist jene Annahme einer Abnahme der Bevölkerung völlig gerechtfertigt.
White gelangt, indem er nur die Zahlen für die männlicho
Bevölkerung als die allein verläfslichen in Betracht zioht,
zu dem folgenden Resultat für die nachstehenden Distrikte
der Nordwestprovinzen :
Zunahme. Abnahme.
Dehnt ....
. 22,2
Prozent
Muttrn . . . •
14,«
Prozent
Lalitpur . . .
. 16,2
•»
Shahdsehebanpur
10,1
Alroora . • • • .
. 12.7
•»
Pitibhit . . •
9,4
Jaunpur . . .
. 12,0
*
Agra . • . .
9,1
Turoi ....
. 10.4
Kt*h . . . .
8,4
üarhwat . . .
Hamirpur . • .
5,9
Saharnupur . .
. 9,4
Alignrh ....
4,5
Muxnllumagar
. 9,n
Budaon . . .
3,t
m
Ktawnh . . .
. 6,8
m
Bijnor • • • .
3.1
w
Mainpuri . . .
. 3,»
Farukhabad . .
1.6
T*
AUahnbad . . .
. 3,5
Banda ....
1,5
Jhnitsi ....
•*
Hulandftchahr . .
0,4
n
Meerut ....
. 3.1
Dachalaun . ,
0.2
W
Monidnbad . .
. 2,2
»
Total
5,71 Prozent
CavmpoTe . . .
. 1,5
*
Barei lly . . .
. 1,0
•f
Patchpur . . .
. 0,6
-
' * " :
Total 5,41 Prozent
Die männliche Bevölkerung der 17 Distrikte, in welchen
eine Bevölkorungszunnlune stattfand , betrug naoh dem
Zeusus von 1872: 6 5<18032 Personen, dieselbe hat um
354294 Personon oder 5,4 Prozent zugenommon. Dagegen
betrug die männliche Bevölkerung der 13 Distrikte, welche
verloren haben, 1872: 5 533026 Seelen, und der Verlust
betrug 317 064 Seelen oder 5,7 Prozent,
Aber selbst wenn wir die weibliche Bevölkerung mit in
unsre Betrachtungen hineinziehen, gewahren wir in einer
ganzen Reihe von Distrikten eine sehr erhebliche Abnahme.
Eine solche Abnahme hat sich, wio der Zonsushericht nach-
weist, in drei ziemlich gut abgegrenzten Gebieten vollzogen,
und zwar 1) im nordwestlichen Rohilkand und dem siid-
i liehen T»hsil des Meerut-Distrikts, 2) im mittlorn Doab und
im östliclion Rohilkand und 3) in einem Strich , der sieh
von Dschalnun und Banda in nordöstlicher Richtung iibor
den Ganges nach Bara Banki hin erstreckt. Die einzeluon
Distrikte, in welchen eine solche Abnahme stattfand, waren
die folgenden :
Distrikte :
B e v ö l
104t— 187*2
k e r u n g
1881
Abnahme.
Absolut
In Prozent
Dulandschahr .
937 427
924 822
— 12 605
— M
Aligltll . . .
1 073 256
1 021 187
— 52 069
— 4,#
Muttm . • .
782 460
671 690
—110 770
— 14,7
Agra . . . .
1 076 005
974 650
—101 349
— 9,4
Farukhabad . .
917 178
907 608
— 9 570
— 1.»
Etat) . , . .
829 118
756 623
— 72 595
— 8,7
Bedtehnur . .
737 153
721 450
— 15 703
— 2,1
Budaun . . •
934 670
906 451
— 28219
— 3,0
Seliahdsehobanpur
951 006
856 946
— 94 060
— 9,9
Pilihhit . . .
492 098
461 601
— 40 497
— 8.»
Hamirpur . ,
529 137
507 337
— 21 800
— 4,1
Lucknow . .
778 195
G96 S24
— 81 371
— 10,4
l’nao . . • .
946 955
899 069
— 46 886
— 4,9
Bara Banki . .
1 113 430
1 026 788
— 86 642
— 7,8
Han ßareli . .
989 008
951 905
— 37 103
— 301
Sullanpur . .
1 040 227
957 912
— 82 315
— 7.»
Total
14 126 323
13 232 769
—893 554
— 6,3
Es hat
sich
also dio
Bevölkerung
von 16
Distrikten,
welche hei don unmittelbar vorhergehenden Zählungen
14 126323 Soolen betrug, auf 13232 769 Seelen, d. i. nm
893 554 Seelen verringert. Stellen wir nun noch zum
Schlufs die Divisionen, in denen nach den Zensnsresultaten
371
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
«ine VolksvermobruDg stattgefundou lmt, denen gegenüber,
in welchen sieh die Bevölkerung verminderte:
1) Divisionen, iu denen
sich dio Bevölke-
rung vermehrt*:
Uwnit ....
Allahsbad . . .
Renates ....
Dechanei . . .
Kumaun . . .
Sitapur ....
Pyzabait . • •
Krühgicr
Zutun*
4 977 919
5 468 955
8 179 307
934 934
929 260
2 602 425
2 969 029
Z«n*us
ron 1881
5 141 204
5 754 855
9 820 728
1 000 457
1 046 263
2 777 803
3 230 393
Zu- oder Abnahme
Abiolut ln Proxcot.
+ 163 285 4- 3,*
-|- 285 900 + 5,2
+1 641 421 -20,1
-|- 65 523 + 6.«
4- 117 003 -rl2,6
+ 175 378 4 6.9
+ 261 364 4- 8.«
Total .
26 061 829
28 771703
+2 709 874 +10,4
2) Divisionen, in denen
Früherer
Zensus
Zu- oder Abnahme
die Bevölkerung
abnahm :
Zensus
von 1881
Abiolut ln Pror-eni.
Ast»
5 039 247
4 834 064
— 205183 —4,1
Kohilkaml . . .
5 252 325
5 122 667
— 129 768 —2,4
Luckuow . . .
2 837 580
2 622 081
— 214 $90 —7^
Rio Uarcli - . .
2 811 916
2 756 864
— 55 052 — t.»
Total .
15 941068
15 336 166
— 604 902 —3,8
Danach hätten die vereinigten Provinzen einen Zuwachs
von 2 104972 Seelen aufzuweisen, eiu Faktum, dessen
Dichtigkeit, wie schon bumorkt, von don indischen Statisti-
kern stark angezweifelt wird. Für meinen Zweck, don
Nachweis der Einwirkung der Hungersnot auf die lluvölke-
ruugsziffer, sind aber auch diese Zahlen beweiskräftig.
Das PandBchnb wurde zwar auch zum Teil von der
Hungersnot ergriffen, aber seine Bevölkerung hat sich doch
seit 1868, dem Jahr der unmittelbar vorhergehenden
Zählung, um 625174 Seelen, d. i. um 7,t Prozent ver-
mehrt. Dub ist ftlr eine Periode von 13 Jahren oin sehr
geringes Resultat, das in Wirklichkeit wohl als sogar noch
niedriger auzunehmen ist, da der vorhorgogangene Zensus
von 1868 uller Wahrscheinlichkeit nach nicht die gesamte
Bevölkerung zu erfassen vermochte. Ist auch manche Ver-
schiebung in der Bevölkerung der einzelnen Divisionen
durch Wanderungen eingotreton, bo haben doch mehrere
Distrikte durch Krankhoiton wie durch Hungersnot in der
zwischen beiden Zensusjahren liegenden Periode empfindlich
gelitten. So namentlich die nördlichen Distrikte der öst-
lichen Ebenen, noch mehr abor die Dschamna-Zono; in
den trocknen und gosuuden Territorien von Rohtak und
Hissar ist die geringe Bevölkerungszunahme allein diesen
beiden Ursachen zuzuschreiben. In den beiden Juliren 1878
und 1879 stieg die Sterblichkeitsziffor, welche sich in den
14 Jahren von 1868 bis 1881 auf durchschnittlich 25 pro
Jahr und Tausend bolief, auf 36 und 38 und erreichto
sogar in Hissar 50, in Dehli 70 pro mille. Scheidet man
die 10 Divisionen (Khaibar Pafs kann nicht in Betracht
kommen) in zwei Gruppen, je nachdom die Bovölkerungs-
ziffer zu- oder abgenommen hat, so ergiebt sich folgendes
Resultat :
1) Divisionen mit Zu-
nahme der Bevölke-
rung:
Bevölkerung
ises ibw
Zu-
oder Abnahme
Abiolut lo l*r <> teilt
l!is<ur ....
1 220
594
1 311
067
4*
84
473
— 6,9
l’mbilla ....
1 647
900
1 729
0 43
4-
81
083
— 4,9
Labore ....
1 888
945
2 191
517
+
302
572
— 10,«
Rawalpindi . . .
2 197
041
2 520
508
323
407
—14,9
MulUt: ....
1 477
936
1 712
394
+
234
458
— 15.«
Dcradselut . . .
988
897
1 137
572
4-
148
075
— 15,0
l'ctchawai . . .
1 033
891
1 181
28'J
+
147
398
-14.»
Summe
10 401
264
1 1 781
30D
i
322
120
— 12,«
|
2; Divisionen mit Ab-
nahme tlcr Bevöl-
kerung:
Dehli ....
Jullundur . . .
Amritsar • ■ . .
Summe:
Bevölkerung
184S tSSi
1 928 596 1 907 981
«175 999 2121 781
2 713 659 2 72H 100
7 118 251 7 058 871
Zu- oder Abnahme
Abiolut In Proxcul.
—20 612 — 1.1
—51 218 —2,?
— 11 530 — 0^ _
—89 380 — l.'-‘
In Dehli ist es der Distrikt Gurgaon, welcher 47 186 Secleu
weniger aufweist, in Jullundur haben alle drei Distrikte ver-
loren: Jullundur 4863, Hoschiarpur 36 318 und Kangra
13037 Menschen, in Amritsar hatte 1881 der Distrikt
Gurdaspur 82 431 Seelen wenigor als im Jahre 1868.
Nioderbengaleu (Lieutonant-Governorship of Lower
Bengal) hat eine Verminderung seiner Bevölkerung durch
Hungersnot nicht erfahren , denn , wie bereits ausgeführt,
wurdo die 1873 — 1874 auftretende durch die enurgi-
Schcn , umfassenden Mafsregeln der britischen Regierung
glücklich bekämpft, allein os traten hier in. einem Teil
der Provinz, wenigstens in Bengal proper, andre Um-
stände ein, welche bedeutende Verluste an Menschenleben
nach sich zogen. Und dies ist der Grund, warum in eini-
gen Distrikten die Bevölkerungsziffer eine positive Abuahme
zeigt, während für ganz Niederbengalen cino Zunahme um
10,89 Prozent innerhalb des zwischen den beiden letzten
Zählungen von 1872 und 1881 verflossenen Zeitraums zu
verzeichnen ist.
Dieser Teil ist die Division Burdwan, insbesondere aber
sind es vier Distrikte dieser Division : Burdwan, Beerhhoom,
Midnaporo und Hugli, in denen die Bevölkerung um 303 378
Individuen abgenmmnen hat. Die Division ist seit 25 Jahren
Übel bekannt, als dio Heimstätte des nach ihr benannten
„Burd wan-Fieber“, während sie früher als eine der gesuii-
deston Bongalens angesehen wurde. Über die eigentliche
Natur dieser Epidemie scheinen die ärztlichen Autoritäten
noch nicht in voller Klarheit zu sein. Ursprünglich als
Sumpflieber auftrotend, nahm es hei stetigem Fortschreiten
von Ost nach West einen ansteckenden Charakter an und
raffte während dor 12 Jahre, in denen us die Provinz hoim-
suchte, nicht weniger als 2 Millionen Menschen hinweg,
nach dem Report on the Census of Bengal 1881, p. CO,
aus den einzelnen Distrikten iii folgenden Zahlen .
Burdnan ..... 700 000
Bankur* 20 000
B«f*rbhrxim ..... 350 000
Midnaporc 250 000
Hugli G50 00Ü
50
Zusammen . 2 020 000
Aber, obschon noch immer grofse Strecken verödet bogen,
und schnell aufgeschossener und um sich greifender Dschuugel-
wuld verlassene Felder und Heimstätten bedeckt, hat sich
doch die Bevölkerung bis zum Datum der Zonsusauluahme
so zn ergänzen vermocht, dafs nur ein Ausfall von 30Ü 000
ludividuen zu verzeichnen war. _
Durch andre Kalamitäten wurde dio Bevölkerung dor
Distrikte von Backergunge, Noakliolly und Tschittagong
dezimiort, durch eine verheerende Sturmflut und die in
der Folgo nicht minder verderbliche Cholera. Das Auftreten
der erstem schildert J. Eliot in seinem Meteorologischen
Jahresbericht für Bengalen.
Der Distrikt Backergunge liegt in der Nordostecke der
47*
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372
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einflufs auf die Bewegung der Bevölkerung.
Bai von Bengalen, am Rande des Deltas, welches Brahma-
putra, Ganges und Megna vereint hier bilden. Das Flufs-
wasser findet seinen Weg hindurch zur See zwischen drei
so gebildeten, von Nord nach Süd gerichteten Reihen von
grofson Inseln , Schöpfungen des Stroms , der hier vom
Hochgebirge herabgetrageno feste Stoffe ahlngortc. Diese
Inseln machen je nach ihrer gesteigerten Erhebung Ubor
den Wasserspiegel verschiedene Stadion der Existenz durch.
Sobald das .Flutwasser sie nicht mehr zu Itberspiilen ver- j
mag, bedecken sio sich mit grobem Gras und Buschwerk
und bieten Viehzüchtern und Holzschlägern ein Arbeitsfeld.
Darauf folgt der Ackersmann, der mit der Zeit aus einem
zeitweiligen Inhaber des Bodens zum ständigen Bewohner
wird und Bich durch Anlage von Zisternen und Errichtung
fester Häuser auf hochaufgeschütteten Hügeln ein dauern-
des Heim schafft. In ganz Bengalen gah es keinen Bauern-
stand, der mehr prosperiert hätte als diese Inselbewohner,
bis die grolke Sturmflut vom 31. Oktober 1Ö76 die gunzo
Gegend weithin unter Wasser setzte.
Die Flutwelle, welche an der indischun Küste nordwärts
läuft, erreicht die Mündung der Megna später, als irgend
einen andern Punkt der Küste, und wenn sie den Massen
frischen Wassers entgegentritt, welche in unzählichen Ka-
nälen sich zwischen dem Inselgewirr hindurchwinden , so
entsteht die brandende Flutwelle, welche man in Indien als
Bore bezeichnet, sobald die Flut ungewöhnlich stark ist, der
Flufs Hochwasser hat oder ein Südwestwind weht, ln der
Nacht vom 31. Oktober 1876 wirkten alle drei Bedingungen
in Kombination, und eine mächtige, teils salzigo, teils süfse
Flut wälzte sich über die Inseln, die es mit einer zwischen
3 und 5 m tiefen Wassormasse bedeckte.
Der Distrikt Bnckorgungo allein verlor durch diese Kata-
strophe 73914 Menschen, wie genuuo Ermittelungen er-
gaben, und als sich das Wasser zurückzog, da verpostoten
Tausende verwesender Menschen- und Tierloichen, sowie die
vurmoderudo Vegetation die Luft dergestalt, dafs eine Cho-
lera-Epidemie weitere 41 537 Menschenleben hinrafftc, so dafs
sich nach dieser Berechnung der gesamte Verlust an Men-
schenmaterial auf 115451 Seelen beziffert. Wir wissen
aber wohl, dafs in solchen Zeiten und unter solchen Ver-
hältnissen gar mancher Todosfull nnregistriert bleiben mufste.
Für das ganze betreffende Areal, Noakholly und Tschitta-
gong eingeschlossen , wird die Zahl der Personen , welche
bei der Überschwemmung untergingen, auf 215000 Seelen
angegeben. Von seiten der Regierung wurde indessen alleB
nufgeboten , um die Spuren dos Uuglücks zu verwischen,
und Scharen von Einwanderern wurden aus den Nachbar-
provinzen in die ent völkerten Stricho gezogen , so dafs in
5} Jahren die Abnahme der Bevölkerung vou 25,72 Prozent
auf 16,5 Prozent reduziert wurde. Dennoch zeigen die
nachstehenden Zahlen, wie schwer noch zur Zeit des Zen-
sus (1881) die Wirkungen des Unglücks sich fühlbar machten.
Denn damals betrug die Abnahme in den Tannahs
ühota 11.07 Prozent
llaoptial .... 20,3« .
GoUchipa . . . 25,38 „
Die Bevölkerung der Division Burdwan zeigte 1881
gegen 1872 eine Abnahme von 210707 Personen oder
um 2,77 Prozent, die sich für die einzelnen Distrikte, wie
folgt, bemerkbar machte:
Burdwan — 92 027 ss — 6,30 Prozent
Hankoors -j- 73 155 = -f* 7.6S *
Beerbhoom . — 59 357 = — 6,95 „
Midnaporc .... — 27 377 = — 1,07 „
HvftH —144 617 = —12,49 ,
Howrah -f 31*516 = -f- 6,43
Divüion Burdwan . . —2 10 7 07 = — 2,77 Prozent.
Thchittugong hatte* nur 4939 Einwohner mehr, sein
Bevölkerungszuwachs betrug nur 0,43 Prozent und Noak-
holly wies ein Minus von 19 694 Individuen auf. Hior war
die Populationsziffer um 2,33 Prozont heruutergegangen.
Auch andre Distrikte Niederbongalens (Nuddea, Kajschahye
u. a.) haben empfindliche Verluste durch epidemische Krank-
heiten gehabt, auf welche hier weiter einzugehen unmög-
lich ist.
Chronologische Zusammenstellung indischer Hungorsnot-
Jahre.
Die Kamine Commission gibt im 69. Paragraphen ihres
bereits citierten wertvollen Berichts die nachfolgende Zu-
sammenstellung der historisch beglaubigten Dürren und der
durch diese veranlagten Hungersnöte.
1760 Dürr* in Bengalen.
1770 Hungersnot in Bengalen.
1782 Dftn* in Bombay und Marin«.
1783 Dürre in Oberindien.
1783 Hungersnot in Madras, Murigel in Bombay.
1784 Hungersnot in Oberir.dicn vom Kharamna» bis zum Satledach.
1791 Dürre in Bombay, Haiderub&d und Madras.
1792 Mangel in Nordnmdros; schwere Hungersnot in Haiderabad
und den Süd-Muhratta-Distrikten; sehr schwere Hungers-
not in Dekkau, Gudscheral uud Marwir.
1802 Dürre in Süd* Haiderabad und Drkkun.
1803 Dürre in der Ceded Province der Nordwestprovinxcn und in Zentral-
indicD,
1804 Hungersnot in den Nord west provinzen und Mangel in Zentral-
indien und Uad*chputan3.
1806 Dürre in den zentralen Distrikten von Madras von Tritschinapally
bis Nellore.
1807 Hungersnot in den zentralen Distrikten von Madras.
1812 Düne in Gudacbeftt, Kutsch und Kathyawar, sowie in Teilen von
Madras, in lUdscbputuna ; Mangel in Teilen der Nordweotprorin-
zen und Madras
1823 Dürre in Mxdnm.
1824 Dürrn in Bombay.
1824 Hungersnot in Madras, hauptsächlich im Norden.
1825 Maugel in Bombay, vornehmlich in üudicherat und Nord-
Dekkon.
1832 Düne in den nördlichen Distrikten von Madras, ausschlie Glich
Gandschatn, irn südlichen Haiderabad und in den Southern Mah-
ratto- Distrikten.
1833 Diinre im nördlichen Teil von Bombay, in ItadxchupaUua und Tei-
len des Pandschib und der Nordwestprovmr.cn.
1833 Hungersnot in den nördlichen Distrikten Ton Madras, sehr
schwer in Guntur: Mangel in Haiderabad und dm Sou-
thern Mahmtta-Dislrikten.
1 834 Mangel in Nord • Dckkan und Gudschemt, in lUdschpuUna,
dem lltoir- Distrikt des Pandachab und den Trant-
Dsclutmiiu-Dislhktcn der Nordweatprovinxen.
1837 Dürre in den Nord w«t prormz.cn, den östlichen Stauten von Hadsch-
piitana und dem südöstlichen Teil des Pandschab.
1838 Dürre in Gud.icheral, Katsch und Kuthiawar.
1838 schwere Hungersnot in Xentmi-Dnah und den Tran wisch anma-
Distrikten der Nordweit provinzen, sowie in den Distrikten
Dehli und Jltour.
1839 Mangel in Gndschcrat, Katsch und Kuthiawar.
1844 tplrlicher Hegenfall in Dekkan.
1845 Mongel im Dekkun.
1853 Dürre in den Cfdtd DiftricU von Madrua, in Süd -Haiderabad,
SchoUpur und Kaladschi.
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Geographischer Monatsbericht.
373
1864 Hung*T*not io BolUry, Mangel io den angrenxenden Teilen
▼on Madras, Haidertbod und Bombay.
18*10 Dürre in einem Teil der Kordwt*tpmrinxen und im Pandscbab und
den bcnarhbarten Staaten von Kadiehputana.
1861 Hungersnot iiu Upper Doab der Nordwertprovinzen, in Dehli,
Hua&r, den anatofaenden Teilen von Badschputana : Mangel
in Katsch.
1805 Dürre im nördlichen Madras, im südlichen Huidcrabad and dem
nördlichen Mmltsur, in den Southern Mahretta* Distrikten und
gnnr Westbengalcn.
1806 Hungersnot in Bellary, Oandscham, besonders schwor in
Orissa und Behar; Mangel in allen anatof&enden Teilen
von Madras, Maitsur. Uaiderabad und Bombay, sowie im
zentralen und westlichen Bengalen.
1868 Dürre in Hadscbputana, den Trana-Dschamna-DUtrikten der Nord-
westprovinzen, den nördlichen und südöstlichen Distrikten der
Zentralprorinxen und im Pandscbab von der IHcbamna bis zura
Indus.
1869 schwere Hungersnot im westlichen Kadachpotana und den
Trans-Dwhamna-Dwtrikten von Allahabad and Dehli und
HUsar; Maugel in den anatofeenden Teilen der Kord-
weelprovinxen und dos Pandscbab, vou Gudschcrat, Katsch
und Nord-Dekkan, sowie in den nördlichen und südöst-
lichen Distrikten der Zentralprovinico.
1873 Dürre in Nord-Beliar und einem Teil der Nordwcstprorinxen und
Audb.
1874 Hungersnot io Behar : Mangel in den anstofsenden Grenx-
landaebaften Jct Nordwestprovbxen und Andh.
1876 Dürre in ganz Madras, im Dekkan, Maixsur und dem südlichen
Teil von Haiderubad.
1877 Dürre in den Xcntralprorinxen , den Nordwcstprovinzen und im
Pandsrhab.
1877 sehr schwere Hungersnot in Madras, Maissur, Bombay und
Haiderubad.
1878 Hungersnot in den Nordwestprovinxcn und in Kaschmir;
Mangel ira Pandscbab.
Geographischer Monatsbericht.
Europa.
Die fünf Uferstaaton des Bodensees haben auf einer
Ende September d. J. abgehaltenen Konferenz in Fricdricbs-
bafen die Veröffentlichung einer auf gemeinsame Kosten aus-
zufübreuden hgdrographuchen Karte de * liodenseet mit Dar-
Btolluug der Seotiefen beschlossen ; gleichzeitig sollen Un-
tersuchungen der hydrographischen und physikalischen Ver-
hältnisse , sowie der Fauna und Flora des Sees ausgeführt
werdou. Da das eidgenössische Topographische Bureau durch
die in den lotztcu Jahreu vorgeuominoncn Untorsuchungen
der Schweizer Seen eine roiehe Erfahrung für eine solche
wissenschaftliche Arbeit gewonnen und durch dio in dem
schweizerischen Anteile des Sees ausgeführten Lotungen
bereits eine bedeutende Vorarbeit fertiggestellt hat, so wurde
dieses Bureau ersucht, seine Untersuchungen auf den gan-
zen See auszudehnen und die Karte auszuftihren. Diesem
Beschlüsse hat der Schweizor Bundesrat am 23. November
zugestimmt , so dafs die Inangriffnahme der Arbeit bal-
digst zu erwarten steht.
Dio Kaiser). Russische Geographische Gesellschaft plant
eine umfassende ethnographische und ethnologische Erfor-
schung von Itiueiech - Polen. Es ist das ein durchaus zoit-
gemäfses Unternehmen : die polnischen Provinzen wurden
bisher ungebührlich vernachlässigt und findou sich sogar
ans dem grofsen „Geographisch - statistischen Lexikon des
Hessischen Reiches“ ausgeschlossen.
(Mitteil, von Prof. D. E. Petri.)
Im Sommer 188(1 haben die englischon Alpinisten C. D.
Dent und IV. F. Donkin eine liciho von Gletschortouren
in der Umgegend des Kaschtun -tau im Kaukanu ausge-
führt, dessen Höhe von Ihnen zu 5515 in angegeben wird,
während sie nach der russischen Genoralstabskarte nur
4809 m beträgt. Trotz schlechter Witterung gelang ihnen
die Ersteigung des 53.-14 m hohen Tau Tetnuld.
Asien.
Zur Ergänzung und Verbesserung seiner seit Jahren
in Vorbereitung befindlichen grofseu Karte von Eleinaeien
hat Prof. Dr. 11. Kiepert sich selbst wieder nach dem
Lande seiner ersten Aufnahmen begehen. Nach längerm
Aufenthalte in Konstantinopel, wo or wertvolle Materialien
für seine Karte in den verschiedenen Ministerien aufzutrei-
ben wufste, brach er von Artaki und Pauderma an der
Südküste des Mannara - Moeres nach Pergamon (Bcrgama)
auf, welches er über Gönen und Balikesri erreichte. In
Begleitung des Rittmeisters v. Diett , welcher im Laufe des
Sommers eine topographische Aufnahme des Gebiotes vou
Pergamon beendet hat, setzte er alBdann seine Reise im
Thale des Hormos fort und überstieg von ITschak (Trajano-
polis) aus auf steilen Saumpfaden den Murad-Dag (Didy-
mos) , welcher sich als eine Wetterscheide heruusstellte.
Nördlich dieses Gebirges herrschte mittags glühende Hitze,
während es nachts empfindlich kalt wurdo ; das Gebirge
selbst war am Nordnbhango mit Schnee bedeckt. Von
Kutahia, einem wichtigen Kronzungspunkt kleinasiatischer
Handelsstrafsen, setzte Prof. Kieport seine Reise nach Sku-
turi fort und traf Mitte Novembor wieder in Berlin ein.
Afrika.
Nach den neuesten an Dr. Roh. W. Felkiu in Edin-
burgh gerichteten Nachrichten, welche vom 3. Juli datieren
und in der kurzen Zeit von 4-*- Monaten Uber Sansibar
nach Europa gelangten, hielt Dr. Emin-Iict noch standhaft
in Wadelai aus. Die Überzeugung, dafs die englische Re-
gierung, nachdem sio schon seit Jahren die Ordnung der
ägyptischen Angelegenheiten in Angriff genommen hat, auch
die Verpflichtung habe, für die Rottung dieses höchst ver-
dienstvollen Beamten und Forschers einzutreten, bricht sich
in England erfreulicherweise immer mehr Bahn. Au der
Spitze der immer weiter um sich greifenden Bewegung zu
seinen Gunsten steht dio Schottische Geogr. Gesellschaft,
welcho auf Veranlassung des frühem Missiousarzteg in
Uganda, Roh. W. Folkin, die Entsendung cinor Hilfsexpe-
dition von Sansibar aus bei der Regierung befürwortet
hat ; Unterstützung fand dieser Vorschlag durch die be-
deutendsten Afrika-Forscher der Gegenwart, H. M. Stanley
und Jos. Thomson, durch den Zoologen P. L. Sclater,
durch die Autisklaverei-Gesellschaft u. a. Über die Mittel
Geographischer Monatsbericht.
374
und Wege, welche zum Entsätze Emins in Vorschlag ge-
bracht worden sind, wird das nächste Heft ausführlicher
berichten. Der Hoffnung aber dürfen wir Ausdruck geben,
dafs eiu definitiver Entschlufs baldigst, zur Ausführung ge-
bracht werde, auf dufs die verhängnisvollen Worte rZu
spät“, durch wolche der Eutsatz Gonions in Khartum eineu
so traurigen Abschluss fand, nicht auch das Wirken unsres
getreuen Mitarbeiters besiegeln.
Nordafrika. — Einen güustigou Eindruck von dum
segensreichen EinfluCs der französischen Militärherrschaft
über Tunis hat in ähnlicher Weise wie der englische Ge-
neralkonsul Playfair (s. Mitteil. 1886, S. 252) Prof. Dr.
Theah. Fischer gowonnon, als er Ende März 1886 vou Te-
bessa aus das südliche Tunte bis nach Gahes durchkreuzte;
diese Anerkennung äuTsert er in seinon für den Geographen
höchst heachtnngswerten .Reiseskizzen aus Tunis“ (Köl-
nische Zeitung 1886, Nr. 300 — 304), obwohl er sich in
Algerien wiederum überzeugt batte, dafs die Franzosen wenig
bofäbigt sind, fremdes Volkstum zu verstohen und auf das-
selbe einzuwirkeu. Vou Interesse sind die Vergloicho über
den Zustand des Ltiudes in der römischen Zeit und in der
Gegenwart. Prof. Fischer glaubt nicht, den Rückgang des
Landes aut' einschneidende Änderung der klimatischen Ver-
hältnisse zurückführen zn müssen, die Abnahme des Wasser-
reichtums kann sehr wohl auf Verwüstung dor Wälder, fort-
geschrittene natürliche Entwässerung von Sümpfen und
Seen zuriiekgeführt worden. Die Abnahme des anbaufähigen
Rodens der Oasen, das Eingehen von Brunnen, das Vor-
dringen des Wüstensandes erklärt der Verfasser in einleuch-
tender Weise teils durch Verwüstung durch Herden, teils
dnrcli Vernachlässigung dor Brunnen, welche dadurch nach
und nach verarmten.
Mit Ausgabe der letzten Blätter: Nr. 16'’1’, 16 u. 19:
Nefta, Kebilli, Redjom — Matouc, 17: Gabes, 18: Zarzis,
20: Douirut, 21: Wed Fessi ist die provisorischo Ausgabe
dev Carle de la Tunisie iu 1 : 200 000 zum Abscblufs ge-
kommen, und ein Work damit vollendet worden, durch wel-
ches das unter Leitung vou Cel. Perrior stehende Geogra-
phische Büreau des französischen Gonoralstabes sich eiu
hervorragendes Verdienst um die Kartographie vou Afrika
erworben hat.. Kaum 5 Jabro siud seit der französischen
Besitznahme des Landes verflossen, und bereits liegt die
auf wirklichen Vermessungen beruhende Karte vor. Bei
diesor Schnelligkeit in Aufnahme und Herstellung darf man
dioses Werk allerdings nicht nach demselben Mafsstab
bourteilen , wie Generalstabskarten europäischer Staaten ;
es ist zweifellos, dafs in der Aufnalnno , Nomenklatur &c.
leicht erklärliche Irrtümer sich einschlichen. Die zinko-
graphischu Herstellung ist namentlich auf den zuerst aus-
gegebenou Blättern unschön und teilweise mifslungen, immer-
hin aber bleibt dio Karte ciuo ganz bedeutende Leistung
und bezeichnet oinen grofsuu Fortschritt in dor Kenntnis
des Landes.
Sonegambien und Guinea. — Dor französische
Reisende Viard hat seino projektierte Expedition nach dem
Liba-See (s. Mitteil. 1886, 8. 9 t) aufgegeben, uud von
Kayes um Senegal aus eino Reise nach TimbuJUu angotreten
(L’Exploration, 18. Novbr. 1886). Geographisch weit wich-
tigere Resultate verspricht die Unternehmung des deutschen
Forschers Gottl. Ad. Krause, welcher demselben Ziele, Tim-
huktu , entgegen ain 7. Juli von Salaga in der Nähe des
obern Volta aufgebrochen ist. Leider stehen ihm nur sehr
beschränkte Mittel zur Verfügung, so dafs eino Durchkreu-
zung der nie betretenen, nur durch Barths Erkundigungen
bekannten Landschaften der Mandingo auf Schwierigkeiten
stofseu dürfte. H. Wickmunn.
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(Nr. 4049.) — — (Jute 8ud de la Torr« de Foo. Archipel du Cap Horn
rt Canal du Beatle. {Kr. 4115.) fr. 2. — — Klo de la Plata. (Kr. 4196.)
fr. 2. — Bale de Montevideo (Nr. 4061.) — — Rio de la Plata. Eoseaada
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p. 613». — SOiK) mile» tbrougb Brar.ll. V>, 411 4-386 pp. mit Karten. Lon-
doo. Low, 1886. « „h.
Amaton River , Mouth and Vlclnlty j Maraca Island to San Joäo Island
1 : 18060. (Kr. 886.) Washington, l»««. dol. 0,«(
Brazil, K Coast of - Maraca Island to Parnnnhiba River, 1:97600
ihr. m.) dol. 0,46. — ~ Port of ltahta E Coaat of Brazil. I :5900
(Nr. 976.) dol. 0,«0. ushlngton, i8«6.
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,,Draohe“. Foriehungen 8. M. Kbt.. Kommandant Korr. - Kapt. Holzhauer,
in der Nordsee 1891. 1852 u. 1864. {Anna!, d. Hvdrogr. 1886, XIV. Kr. 7,
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Ferrel, Wb.: ßca-levcl and ocean- current». (Science IBM, VII 1,1 Kr. 182,
p. 99.)
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llngen 1 Atlanterhavct. 4°, 10 pp.. 3 T nf. Kopenhagen, Gad. 1886. Kr. 2.
Lapparont, A. d<*: Le nlveau de la mer et so» Variation«. »8*, 24 pp. Pari».
Gerral», 1.S86.
LuktCh, J., A Wolf. J.: Temperatur und *>p<t/.lfli>rho» Gewicht da« Seewaxter».
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Monaco, A. dos Sur lc Öulf-Sirram. Koeb«rche«tpour *)labllr •*« rapport» avoc
la cdt e de France. 8*, 41 pp., mit 2 Karlen. * Pari», Gauthlcr-Viliar», 188«.
Mord-Atlantik. TIeGoofoncbuogen an der 0«tkü«te von Nordamerika und Im
Golf von Mexiko. (Annal. d. Hydr. 1856. XIV, Kr. 7, 8 *18.)
Tanner, L-: Doop-S6a «oundlttg« by the U. S. F. C. 8t. „Albatroaa“ In tbe
Atlantic Ocean. (Notice to Mariner« 1884, Kr. 21. p. 204.)
Venukoff : Sur In llmito »cptculnonale de' la tnotmou »ud onest do Uocdan
Indien. (C. R. Acad. Sei., Pan* 1886, T. CI, Kr. 27.)
Kurten :
Atlantic and Indian *.eenn* wltbtbe wMternportloa of Paclflc ocoan. 1:22000 000.
(Kr. 2493.) London. Hvdrogr. Off., 1886. ab. 4.
Qordon, A. R.: Charta »howing the toean, montldy and annnal temporature»
of Hudson'« Bay rogton arid Eastero Canada, 8ept. 1884 to Octobor 1886.
Ottawa. 1888.
Mediterranes» Sca. 3 111. 1:1905000. (Kr. 281, 282, 283.) Wa«hiiigton, Hy-
drogr. Off., 1886. k dol. 0,oe.
Morlh Atlantic Ocoan. 2 Bl. 1:4 876 000. 2 Bl. (Nr. 966 u. 966.) Washington,
lly drogr. Off.. 1886. k dol. O.r».
Bervice hydrogr. II« Salntc Hettno et bale Jame«. (Kr. 41*0.) Paria, Clialla-
mel, 185«. fr. 0.TT.
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(Gcscbloasen am 29. Kovrmbcr 1884.)
Druck der Engelhard - Reyberachon Hofburhdruckerel in Gothn.
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GEOGRAPHISCHER
LITTERATÜR- BERICHT
FÜR 1880.
UNTER MITWIRKUNG MEHRERER FACHMÄNNER
HERAUSGEGEBEN
ALEXANDER SUPAN.
(BEILAGE ZUM 32. BAND VON D«- A. PETERMANNS MITTEILUNGEN.)
GOTHA: JUSTUS PERTHES.
188«.
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Liste der Mitarbeiter.
W. F. Andriessen — Wcst-Grafldyk.
Prof. Borghaus — Gotha.
Prof. Blumentritt — Leitmeritz.
Dr. Boa* — Berlin.
t. Dcchy — Budapest.
B. Domann — Gotha.
Prof. Drude — Dresden.
Dr. Gottache — Berlin.
Prof. Günther — München.
H. Habenicht — Gotha.
Dr. Uettner — Leipzig.
Dr. llult — Helsingfora.
Prof. Jentzich — Königsberg.
Prof. Kalkowsky — Jona.
Prof. v. Kämpen — Gotha.
Prof. Kirchhoff — Halle a. S.
Dr. Kobelt — Schwuuheim.
Prof. Krümmel — Kiel.
Dr. I.angkaTcl — Hamburg.
Dr. Matllard — Zürich.
K. Metzger — Stuttgart.
Prof. Partseh — Breslau.
Prof. Penek — Wies.
Prof. Petri — Bern.
Dr. Philippson — München.
Dr. Polakowsky — Berlin.
Prof. Itatscl — Leipzig.
Dr. F. Kegel — Jena.
Dr. Kohrbach — Gotha.
Dr. Schmidt — Gotha.
Hofrat r. Stoin — Gotha.
Prof. Sleinmaun — Freiburg i. Br.
C. Vogel — Gotha.
Dr. Woyhe — Dessau.
H. Wichmann — Gotha.
Prof. Woeikow — St. Petersburg.
Berichtigungen.
Kr. 43. Bei 7, 8 u. 9 ist „Reproduktion“ au streichen.
„ 111. Statt „Lebensweisen“ lies „Lebewesen“.
„ 130. Kef. ist aufmerksam gemacht worden, dais die ron Ebers
Torgetragene und als Ton Zittel herstsmmend bescichnote
Ansicht Uber die geologische Geschichte der Libyschen Wüste
ein wörtliches Citat aus Zittels „ Uriefo nus der Libyschen
Wüste“ (München 1875, S. 49) ist. Zittel war damals
allerdings noch Anhänger Ton Dcsora Thcorio, über er bat
später sein Urteil Ton Grund aus umgestaltet.
Nr. 296. Statt „Österreicher" lies „Botaniker“.
„ 425. Hechte Spalt«, Z. 4 u. 5 r. o statt „in einteinon Jahren“
lies „an einzelnen Uferstellen“.
,, 426. Prof. Tlieob. Fischer teilt uns mit, dafs er die niedere Küsten-
temperaturen an den Westseiten des Kontinents in niedere
Breiten bereits in seinen Mittolmosrstudicn (Erg. -Hfl. 58 au
Petermanns Mitteil., S. 25) durch aufsteigendea Tiefenwasser
erklärt habe.
„ 475/6 Zeilo 7 statt „12° R.“ lies „12' Br“.
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Inhaltsverzeichnis.
1. Allgomoines.
Lehrbücher, Allgemeine Darstellungen, Reisen &c.
Ilann, t. Hochstetter umt Pokorny, Allgemeine Erdkunde .
Günther, Lehrbuch der Geophysik
Iieclus, ElitAe, Xouvelio Geographie universelle. Bd. XI. . .
„ Onesime, La terre ä vol d'oitcau . .
Löffler, Haandbog i Geographien
Marinclli, G., La terra
Blink, Onae aarde
t. Kichthofen, Führer fllr Forschungereilende .
Wagner, Herrn., Geographisches Jahrbuch
Verhandlungen des fünften deutschen Geographentages.
Wildcrrnanu, Jahrbuch der Naturwissenschaften . .
T. Hellwald, Die weite Welt
Blink, De Geographie aia Wctmsrhap
Heiter, Der Entwicklungsgang der Wiasenachaften von der Erde
Kronprina Rudolf ron Österreich-Ungarn, Eine Orientreiao .
Thomson & Murray, Scientific Rcuulte of the Voyage of H. M. S.
„Challenger“
Heims, L'nter der Kriogattaggo des Deutschen Reichs . . .
Uölaels Geographische Charakterbilder
Boa. Platen voor Aantchouwelijk onderwijs in Aardrijkakundo .
Btiss, Index to the Maps in tho K. Geogr. Soc. l'ublications
Mathematische Geographie u>ul Rathosphärolngie.
Jordan, Grundsüge der astronomischen Zoit- und Ortsbestimmung
Alexieh, Ober Kartenprojektionen
Steinhäuser, Wagners Tafeln der Dimensionen des Erdsphiroids
auf Minutendekaden erweitert
Stielt jea, Variation de la densitö dana l'intcricur de la terre ,
Geologie, Mor/thologie und Hydrographie.
Kalkowaky, Elemente der Lithologie ......
de Lapparent, Traitd de goologio
Neumayr, Dio geographische Verbreitung der Juraformation
Daris, Geografical Classification
Härenstem, Balhy-hypsogrnphical Maps
Fcnck, Das Verhältnis des Land- und Wasserareals .
I.öwl, Die Ursache der säkularen Verschiebungen der Strandlinie
Tonis, Das Wandern und Schwanken der Meere.
de Lapparent, Le Niveau de ia Mer
Ja the Ocean Surface depreaaed?
Le Conto, The Pormancnce of Continenls and Ocean-ßasins
Girard. L'instabilitd des continenls et du nircau des mers .
Pechucl.Loeschc, FlachkDaten, Meeresströmungen und Brandung .
Jblg, Ober erodierende Meereetbätigkeit
Dana, Origln of Coral Reefs and Islands
Geikie, J., Mountains: their Origin, Orowth and Decay
Taylor, The Crumpling of the Eorth’a Crust ....
Wincbell, Sourcea of Trend and Cruatal Surpluaage in Mountain
Structurea
Sicco, Dos pbilnominos altimAtriqus* observte daus l'intorieur
des continrats
Löwl, Spalten und Vulkane
Becker, G. F.. The geometrical form of rolcanic conea
Plantamour, Des mouroments pfriodiques du aol ...
Fuchs, C. W. C., Statistik der Erdbeben 1865—1885
Lallemand. L’origino probable des tremhlements de terra .
Mcunicr, La theoric des tremhlements de terre ....
Milne, Seiamic Experimente
Le Conto, Fuirthrquakc-shocks roorc violent on the surface than in minea
Daviaon, Tho Occurenco of undisturbcd Spots in Kartbquakeshakcn
Areas
Chisholm, Rapids and Wsterfnlls ......
Gilbert, The topogrsphie festures of lakc shores .
Geistbeck, Dio Eiaverhaltniase der Isar .....
Schwalbe, Eishöhlen und Eislöcher
Penck, La Periode glaciaire dana lea Pyrlnies ....
Blass, Beitrag xu den psrudoglazialen Erscheinungen .
Waagen, Sorae Vnlacoxoic foseils in tho Olivo group .
Oldham , The Cotrelalion of the Indian and Australian coal-
hearing beds
Poerl, Die Formel der ,, Seiches“ ......
Nr.
1
2
197 ,
198
199
438
439
200
3
4
440
441
444
445
5
442
449
446
447
1
8
450
201
202
10
209
451
203
452
453
464
455
456
465
12
13
457
11
204
463
468
205
208
469
460
461
206
207
462
14
464
471
472
469
470
466
467
15
Meteorologie und Klimatologie. Nr.
Sprung, Lehrbueh der Meteorologie 16
Tin Bcbbcr, Handbuch dor ausübenden Witterungakunde . . 473
Weihrauch, Die Berechnung meteorologischer Jahresmittel . . 213
Woeikow, Examinalion of Croll's Uypotheees of Geological dimates 211
Oldham, Probable Cbanges of Latitude 468
Zenger, Die Meteorologie der Sonne und ihres Systems . . 210
Holdingbauscn, Die Sonno als Ursache der Schwankungen des
Erdmagnetismus und der Polarlichter 478
Langley, Solar heut and ita ahsorption by the earth’e surface . 17
Woeikow, The infiuence of accumulations of snow on climate . 212
Kerrel, Tcmperature of the atmosphere and carth's surface . . 18
Erk, Die Darstellung dor stündlichen und jährlichen Verteilung
der Temporatur .19
Ruys Ballot, The anomalies in the annual rango of tomperaturo 214
Woeikow, La tcmperature des eaux et lea variationa de la tem-
perature du Globe 215
Hann, Verteilung des Luftdruckes auf der Erdoberfläche . . 217
Weihrauch, Anemoraetriache Skalen fllr Dorpat .... 216
Augustin, Die jährliche Periode der ltichtung des Windes . . 474
Abcrcromby, Upper Wind Currente orcr the Equator . . . 21
„ Clouds and Upper Wind-Currente over tho Atlantic
Doldruma . .219
Hildebrandsann, Die mittlere Bewegung der obern Luftströme . 218
Ekholm u. llagström , Mesures des hauteura et des mouvemenU
des nusges 20
Dinklage, Die Staubfällc im Passatgebiet des Nordatlant. Oteans 220
Die Cyklono im Golf von Aden, Juni 1885 .... 475
ClnuA, L’ouragan do join 1886, dana lo golfe d’Aden . . . 476
Taifun-Bahn von Ostasieu nach Europa ..... 477
llann, Entwickelungsgeschichte der Ansichten Uber den Ursprung
des Föhn .......... 23
Pflanzen- und Tiergeographie.
Reiter, Die Konsolidation der Physiognomik .... 23
Hoffraann, Phänologiache Studien 221
Ihne, Karte der AufhlUbseit der Syringa vulgaris in Europa . 222
Peter, Ursprung und Geschichte der Alpenflora .... 225
Schröter, Der Bambus ........ 224
Shufeld, 1s the dodo an extinet hird? 223
Palacky, Verbreitung der Vögel auf der Erde .... 479
Völkerkunde tttid Anthropogeograiihie.
Welcher, Die Kapaxität und die drei Uauptdurchmesasr der
Scbödelkapael 24
Fritsch, Das menschliche Haar als Kassenmerkmal ... 25
Wagner, Moritx, Dio Knlturxllcbtung des Meeschen . . . 226
Katxcl, Fr., Dr.. Völkerkunde 227
Schneider, W., Die Naturvölker ...... 228, 482
Rociua, Elic, Lea primitifs 229
Firmin, L’dgalitA des races huraainee 230
Andree, Kich., Die Masken ln der Völkerkunde .... 232
„ Ethnographische Karten 480
Dallas, Primary Diviaiona and Geogr. Distribution of Mankind . 481
Potri, Unser Verhältnis xu den Völkern niederer Kultur . . 483
Kuliseber, Der Dualismus der Ethik bei den primitiven Völkern 484
De Kosny, Lea Rcligions de Pexträme Orient .... 485
Vämbcry, Das TUrkenvolk 26
Rittirh, Die slawische Welt ..*.... 28
Originalmitteilungen d. Ethnolog. Abteil, d. Kgl. Museen au Berlin 231
Rink. U , Om de Kskimoiske Dialecter 234
Combes, lnfluence de 1'hommo sur la topogTaphio du globe . 27
Virchow, Uber Akklimatisation 32
Mäbly, Akklimatisation and Klimnficber 233
Politische und ’Wirtschafts-Gcograjihie.
Roskoscbny, Europas Kolonien 30
Vignon, Les colonies franraise* 31
Notices coloniales 333
Mager, Atlas colonial 336
Rambaud, I.a France coloniale 490
The „Howard Vincent" Map of the British Empire . . . 237
Salmon, The Crown Colonies of Great Britein .... 238
t. Scberxer, Da» wirtschaftliche Loben der Völker ... 29
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IV
Inhaltsverzeichnis.
Slarkie Gardner, Can UntergTonnd liest be utilised r .
Pechuel-Looacho, Die Bewirtschaftung tropischer Gebiete .
Seniler, Die tropische Agrikultur ......
T. Ilsmmorstoin, Der tropiiche Lindbau
Zoppi & Torricelll, Lsg bi artiüclali doll' Algeria, dclla Francis
e del Bolgio
Übersichtskarte der internationalen Telegraphen-Verbindungen
t. Delden-Laörne, Bnzilie en Jara
Fuchs, Max, Die geographische Verbreitung des Kafloebaumee
Baux, Kotico sur Io the
Harou, Le diainant
Geschieht? der Geographie.
Vining, An inglorioua Columbus
Max Schmidt, llubruks Iicise von 1263 — 55 .
Schwan, Die Ersckliefsung der Gebirge
Dnro, Colin y la Historie l’istuma ......
Balmcr, Der Seeweg iwisehon Europa und Westsibirion
Nordenskiold , Bemötande a( anmärkningar aom riktats raot min
•kildring af Vegas färd
Hans Schiltbcrgers Reisebuch
Blink, 11., Bernhard Varenius .
Joret, Jean-Baptisto Tarcrnicr
2. Buropa.
Allgemeines.
Kiepert, H., Gcneralkarlo von Europa
Lokalklimatologische Zusammenstellungen . . . . .
Rzohak , Die Glazialablagerungen im europäischen Rufsland und
am Kordabhang der Karpathen
Mitteleuropäische Staaten.
Nivellements der Trigonometrischen Abteilung der Landesauf-
nahme
Gehre, Die deutschen Sprachinseln in Österreich.
DimiU, Dio Jagd in Österreich
Mitteleuropäisches Flachland und Mittelgebirge.
Jentzscli, Ausbau der Glazialhypolhese in ihrer Anwendung auf
Korddeutsehland
Dimes, Die Glazialbildungen der norddeutschen Tiefebene .
Berendt, Geschiebe-Dreikanter oder Pyramidalgcschiebc
Wabnsebulfe, Die löfsartigen Bildungen am Rando des nord-
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Inhaltsverzeichnis.
VII
Nr.
Staniland Wake, The r*ce dement» of the pcoplea o( Madagaacar 389
Jorgenseu, Tito tribe* of Madagascar ...... 390
6. Australien und Polynesien.
Australien.
Lukbock, The cuatoms of Marriagc and ayslcros of IUlationihip
atuong tho Australiens 142
Polynesien.
Dutton, llawaiiin Volcanoc» 146
Alexander, The Crsters of Mokiuwejweo, on Mauna Loa . . 399
Codrington, The meianeaian language» 391
Hager, Kaiaer Wiihclma-Lacd und der Bismarck-Archipel . 392
Kubary, Klhuographiacho Uciträge aur Kennlni» der Kaiulinischen
lnselgruppo und Nachbarschaft ...... 143
Guppy, The reccnt Calcarcoua formotiou» of the Solomon Uroup 144
McKerrow, Ucport of the Survey Dep., New Zealand für 1863/34 143
Hector, Now Zeahuid (leol. Surtoy Department .... 393
Haut, l'heGeoiogical Surtoy of the Soulbrrn Alps of New Zealand 394
Ucctor, Goologtcsl strucluro of the Canterhury Mountain» . . 393
Crawford, Change» in the llataitai Valley 396
l’ark, The Aacent of Mount Franklin 397
Die Maori-Bevölkerung in Neuseeland 398
6. Amerika.
Nordamerika.
Kiepert, U., Wandkarten ton Nordamerika 400
Horaford, John Cabot's Landfall in 1479 and the Site ofNorumbega 4U1
Canada.
Marcel, Cartographie do la Xoutello France .... 147
Geological and Natural Hiatory Surtey of Canada 1882—84 . 148
Chaumo, Tonrc*ncuto et les Toire-neutiennee .... 402
Nicolas, Lea llea Saint-Tierro et Miquolon 149
Vereinigte Staaten.
Longitndea determined by eloclric Telegraph 1846 — 85 . . 151
Macomb, Takle» of Geographica! Pontions, Aiimuthsand llistances 4cc. 403
Daria, Karthquakoa in New Kugland ...... 406
Newberry, Surfaco Goology of the counlry bordering the Northern
l'acilic Kailroad 136
Loclercq, l.es Goysirs de la terre des mcrreilles .... 137
„ La Terre dea Merteille» 407
GUhert, The loculcaUon of Seirntitic Mcthod by Eaaraple, with
an illnatratioD from the Uuaternary Goology of Utah . . 408
v. Halb, Arizona ,169
Gardincr jun., A Arizona natural bridge 160
Curtia, Silter-Lcad Depoaits of F.ureka Nerada .... 156
T. ltath, Das Kaskadeugebirge 192
Kussel), A Geologie»! Heconnaissance in Southern Oregon . .153
Dutton, Cratcr Lako, Orogon 409
Fuchs, Kdm., Lea Gratiers aurifires dela Sierra Nerada de Californie 155
Roycr, Zwei l'rolilo durch die Sicrra-Norada . . . .410
Schott, Tablos and lloault» of the l’recipitation, in Hain and Snow 150
Finloy, Tornado Studie» for 1884 404
lloyor, Die Goldgewinnung in Kalifornien ..... 154
„ Kupfer in den Vereinigten Staaten 405
Milteiamerika und H'estindien.
Carta General de los Estadoa llnidos Mexicanos . . . 162
Uarcena y Perez, Katudioa de Meteorologia comparads . . 161
Corthell, The interoccanic Problem and iu scientific Solution . 163
Wyse, Le Canal do Panama 164
Anuario Kstadistico de la Kepublica de Costa-Hica 1885 . . 165
St. John, Hayti 411
Deloncle, La Martinique 412
Südamerika.
Martin, Heise nach den Niederländisch-westindischen Besitzungen 166
Gatchct, The Aruba and the Papiamento Jargon . . . .167
Bruyker, Le V6n6su61e . 413
Siorers, 8cbneererhältniuo io der Cordillore Venezuelas . .414
Krnst, Die Beste der Ureinwohner in den Gebirgen ron Merida 168
Nr.
Kebriog, Eine neue Grison-Art . . . . . . .169
Martin, Heise ins Gebiot des ebeni Surinam . . . .170
Die Heise S. M. Korsette „Aurora“ nach Brasilien und den La
Pists-Staaten 417
Dcnt, A Vear in Brasil 418
Derby, Geographia physica do Valle do Rio grando . . . 171
r. d. Steinen, Durch Zentral brasilicn 419
Bianconi, Carte» eommcrciale«. Uruguay 420
Förster, B., Deutsche Kolonien in dem obern I,n Plata-Gebiote . 172
Stelsner, Geologie und Paläontologie der Argentinischen Republik 173
Usriot, Une raission acieutifique dsu» les rögions Magellaniqucs . 421
Gereon, Tho lnhabitants of Tierra del Fuego . • . . 422
r. Danckelnian, Klima ron Port Stanley 180
Bertrand, A., I.as cordilleras del Desierto de Atacama . .178
Klima ron Santiago de Chile 179
Brcsaon, Boliria 416
Heck, Geograph. Skizzen tlbrr dar Hochland der Republik Boliria 176
Zum Klima ron Cocbabamba in llolirion . . . .177
r. Tsebudi, Das Lama in seinen Beziehungen zum altpcrnanischen
Volksleben 175
| Stilbei, Skizzen aus Ecuador 415
Uribe, Geografie general y compcndio historico de Antidquia . 174
7. Polargobiote.
Arktisches Gebiet.
Chart of the Arctäc Occan 181
Coutributions to our knowlcdge of tbe Meteorology of the Arctic
Hegions . . . - . . * - • * .182
Brdon, Geologie de Plslaade et des Los Faeroe .... 183
Schmidt, 0. W., Die Liparitc Islands 184
Keilback, Islands Natur und ihre Einflüsse auf die Rerölkerung 185
Krahmer, Die Sunde, welche Grönland in westlicher Richtung
dnrchschneideu sollen . . . . • • - .186
Die österreichische Polarstation Jon Mayen. 1. Rd. . . . 423
Tho international Polar Expedition to Point Barrow, Alaska . 424
Antarktische Gebiete.
Engler, A., Die Phxnerogamenflora ron Süd-Georgien . . . 187
Vogel, Die Schneo- und Gletscherverhältuieso auf Süd-Georgien . 425
8. Ozeane.
Allgemeines.
Krilmmel, Der Ozean ......... 426
Thourcnin, Explication nourolle du pbt-nomino do« maree» . 188
Forrei, Soa-lerc! and Ocean-cumnt* 189, 427
Hamberg, Chemie dos Meerwassers ...... 428
Mill, Fhysicat condition» of water in estutnee . . .191
Atlantischer Ozean.
North Atlantic Ocean, 2 Blätter
North Atlantic Ocean. 4 Blätter
Le Prince Albert de Monaco. Lc Gulf-Stream ....
Tiefcumeaaungcn doa ,, Albatros»“ ira Nordattautiachen Ozean
8. August bis 21. Soptcmbor 1885
Ticfseemcsaungen de» U. S. S. „Albatros»“, ira Nordstlsntischen
Ozean, 23. Februar bi» 6. Mai 1886
Tiefenmessungen des U. S. 8. „ Enterpriso" im Atlantischen
Uzeen, 11. Januar bis 10 März 1886
Mill, Physica] Exploration of the tirth of Clyde
Murray, The pbysical and biological Condition» of the Seas and
Estuaries about North Britain
Braun, Fauna dea Finnischen Meerbusen» . ... .
Kaapirek, Die phyaikaliscben Verhältnisse des Sehwaraen und
Axowachen
Pacifiseher Ozean.
Tompcratur und Färbung dea Wassers in der Humboldt-Strömung
Soudage» oxecutca par l’aviso „lo Brnat“ ....
I Sondagei exäcutva par „ le Bruat “ entro la Nourelle-CalMonio et
l'AQstralio . * . . »
Tiefenin otsungen des 0. S. 8. „Enterprise“, im Südpaeifisehen
Ozean, 6. November bi« 15, Dezember 1885 . . . ,
Indischer Ozean.
Verbeck, De Tijdsbcpaling der grootete Explosie van Krakatau
429
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437
Abcrcromby 2t, Jt9.
A«g» -* »ko 295.
Albert, Fr. v. Monaco «32.
Alexander 399.
Alnltb 7.
AI(C« rmi<uK‘n AI.
Audcrllud toi.
ABdm 233, (80.
Ardagh 390.
A*a iir*y itl c.
10, 49$.
A« t» TV SSI. 382.
Auguitiu 474.
Bailev 148 g.
lUliuer 210.
Hals
Barbvy 343.
B.tn rna y Pdrcx 161.
Barde* 73.
Baron 587. 368.
BarroM 616.
BartholOinev* 634.
Baurrmau II9&.
Bau* 16.
Boybergor 511.
Bfolmr 473,
Becker, O. F., 206.
Uecker, M. A. r., 279.
Betrat 302.
Bell 148 c, *.
Bemme len 286.
Bcrcndt 218, 260, 600. 301.
Bcrgeroa MT, 648.
Bergmann kl.
Bcrtraud, A., 178.
Bcrtraud, M., 306, SC6,
$07. 623.
HUneoui 96, 420.
Blug< r 373.
Blttuer 270.
Bla«- 170.
Blanc hard 5GS.
Blink «39, 4(3, 411.
Bllf« 118.
RAM 4.
Rubrik *26 c, *.
Boden* 571.
llocbm CO.
Bol* 372.
Bunajiart»*, Priu» R., 288.
Itonncy A89.
Booth *632.
Bo* 447.
Buurfi'at 624.
BraulüJ 128.
Braun 190.
Braun* 117, 326.
Brdoa INJ
Br«»»on 416.
Bricn 3 35.
Uronn 87.
Hraneati 3 96.
Bruo-Reoaud UM.
Brtiykor 413.
ilrycir 573.
Buctiao 70.
Buchanan 189.
Buvliarow 291.
BUckliig 268.
Bunge 110.
Bure»« 667.
Buya Uallot 214.
Oadcll 636.
Campion 672.
Campon 806.
Cartnau* 64X1.
Cbalmor» 148 g.
Clui per 374, 375, 37«.
('bäume 4V2.
CblUiolm 14.
Cfaoffftt 62 t.
Chrtat 370.
(.‘lauf* 4.
Clou* 470.
Codrlogton 391.
Colombo 132.
Combci 27.
Autoren-Register.
(Die bcjgt’.fUtt'u Zahlen bedeuten die Nummern.;
I Corde* 121.
Ort hell 163.
Coate 116 I.
Ottcao ÖT8.
Ormwford 390.
Cn>Mh 360.
Curd* 160.
Dalla« 481.
Dhiiu** 217, 601.
Dana 13.
Danrkelman 131, 135, 150.
DavU tu, 406.
DavUou 1(2.
Dawhun, U. M., 148 b.
Dawton, J. W., 588.
Derben 61.
Dehn ii*).
Delilen -LaUrnn 31.
Dclonctc. 412.
Dcnt 418.
Derby 171-
Dien.tr 275, 313, 311, 816.
Dlmliz 268.
Dinklage 220.
Dudel 333.
Doutilta 383.
Dm 574.
Duro 257.
Duden 146, 409.
Eber* 130.
Kxeermout 323.
lagert 4.
EgU 3, 510.
Elchrtadl 81.
Kkholm 20.
Kill* 148 1.
Kegler 187.
Erekmaou 347.
Eft 10.
Knut 148.
Faye 461.
FtfltttWUl 207.
F. IUIn 298.
FcUtlft 137.
Fenneiua 124, 344.
Kerfunmn 127.
Ferra! 18, 189, 427.
Fcica 327.
Fintejr 401.
Finnin 230.
FbUief, O. A., #»
Fletohcr 118 b.
Foule 682.
Ford 16. 28t, 617, 618.
F5r*ttr 171.
Krauchet 647.
Frrcdim 3SI.
Frcahfleld 351, 353.
Frdirfa. G., 36, 82,
FdUrh, K. v., 99, 259.
Fach*, C. \V. Cn 459.
Fach*, K., 156.
Fach*. M.. 35.
Qambiuo 539.
Gamble 141.
Oardluer, jun., 160.
Gar*on 2W. 422.
(laichet 107.
Gehre 200.
Ocikic 467.
Geinits 249.
GeDtbock 69, 471.
IlcHell 516.
Gilbert 408, 404.
Glllebcrt Dherconrt 304.
Otrartl 464.
Glrardot 622.
Godel- Bafto 423 b.
Gottache 328, 502.
G8I«, J.. 140.
C.BU, W., 553.
Gunln 644.
GrHfclger 5t4.
(iric*bacb 108, 319.
Grifft* 118.
Gräber 67, 510.
I G «aller 249.
Günther 2. 3.
I Guppy 141.
Haa» 46.
t Haast 391.
, lläbh-r 30S.
I 11*8 er 392.
j Hag^irüm 20.
Haiti h erg 128.
11« Hinter 296.
■ llaninierxletn 487.
Hann |. 22. 81, 217.
Hamen 342.
ltarlot 431«
Harun 37.
Hautberg 3.
llauibaltcr 497.
lieclor $M, 395.
Heer 3*0.
Itelui 103.
Ilritn* 119.
Hclltvnld 441,
l|eplt*-M 534.
Ilevfeldrr 667.
itlck» >533.
Hildebrnudason 218.
liir-> lift-M 3.
Hjalmar lljett 203.
Uochslctter I.
lloffniaun, G. Ch., 1181.
ÜQlTniattn, II., 22t.
Hiighum 80.
Holdiughaiuca 478.
llon<cll 201.
II ’ -• I l 401.
Hohc 331.
liuglle* 318.
Ilull, E., 811.
Hüll. E. 103.
Ilull 287, 293.
llunter 681.
Ihrahliu-tlllmy, Prinz, 657.
Ignariu* 292.
Ihne 222.
Ja.lrtnr.eTv 318» 658, 669.
jM«(n>w IW.
Jeiit/sch 216.
Jel«C 331.
Juhiften 138, 364, 384.
Jmicu 380.
Jordan 8.
Joret tül.
Jurgeuscn 590.
JttJ* 12.
Jürgen*. 115.
Jourdy 122, 505.
Kalkowiky 9,
Kanltr l2l.
Kauu 631.
Kaapirek «31.
Keane 289.
Kellback 185, 261.
Kelhani 127.
Kiepert, |f.. 42, 400.
Kilian 305, 304, 307.
King 317, 68J.
Kinkelin 2C2, 203, 608.
KlrchbofT 4, 48.
Kleiuwkchtar 532.
KtlcmeUr.hnk 423 f.
Klonnou'skiJ 85.
Können 267.
Kolbenhey er 514.
Koldmvev 4.
Kur pur 371.
Koskul 310.
Krahraer 180.
Kraf%m»w 2t>.
Kre)*l 207.
Kromhuui 285.
Krümmel 120,
Kubary ||Ö.
KulMCiier 484.
LalSatuiuc 118 d.
Lalhiuand (00.
Lang 21«.
Lang 278.
Laugley 17.
Langmautel 242*
Lau»dell tll.
Lapparcnt 201, 169.
La»U 69V.
Lataat« 693.
La Touche 580.
Launay 529.
Lebuur 77.
Leclerci| 157, 407.
L« Conto 207, l&S.
Lehmann, Paul. 277.
Lelclicr 504.
Lehrt 107.
Lcroy-Ucaullcti 803.
Urv 647, 518.
Leylt 348.
Ltebo 506.
LutTlcr 199.
I.ofoen 236.
Loua 282.
Lotv 146 f.
l.owcll 11t.
Lüwl 203, 458.
Lnbbnck 142.
I. iut tn ig Salvator, Erzb.,
513.
Lukscli 423 4.
Lullte* X
I.UtChuu 549.
■acalMer 6dl.
Macgoivau 330.
Mac Kerrow tu.
Maclogau 129.
Macomb 403.
MaetH* 47.
Mager 234.
Mali ly 233.
Mailet 346.
Marcel 147.
Marinelll 101. 438.
Märtel 325, 52«, 627, 628,
529.
Martin 166. 170.
Maxi» oll 127.
Mereunky 597.
J Merle 69«.
Metzger 338.
Meuulcr 441.
Mirhajtow 560.
Mkhalskij W.
Mlchow 4.
MiddlcmiM 349.
Mül 1*1, «JA.
Ml lue 200, 601.
Mbltlngcr 301.
Mnntcro y Vidal 337.
Murdocb 424 c.
Muromrmv 106.
Murray 430. «42.
Muachkctovr 80.
Mav^Ut Jf».
N’ eh ring 109.
Neumaon 343, 580.
Nc'ttmny* r 4.
XittBtjrr 602.
Nvvrbcrry 346.
Xlcolaa H9.
MtodcfMbr 27«.
MlboWüJ xvT.
Nipperdey HQ,
X.-etlUig 819. Ml.
SordeitTkUdd 242*
Oberhummer 637.
Offmt 640.
Oldham 407, 46B, 684, 565,
587*
O'XeJll S85.
Palacky 479.
Pategl A(i.
Park 397.
Partsch 636.
Prchtlel-LueNChc 33, J77.
378. 105.
Pcnck 4. 50, 58. 00. 151,
469, 492, 498. 614.
Peter 226.
Pctera «.
Port 320, (83, 668.
PcUeraen 7U.
ffaff 243.
PI« *3.
Plant 575.
PlaoUiuuur 306.
| Plal* W.
| Plryto 31(1.
Poemen 579.
Pokomy 1.
Pnlluuera 642.
Pötewitz 312.
Poalhuum» 380.
Prtcc-Willlama 78.
ProMcholdt $i0.
Radde .554 . 566.
Hauibaud 49U.
Handegger 64.
Rath 152. 169.
Ratzel 4, 227. S12.
Kaulin 126.
KaveiiMteln, K. («., 209.
Uavoiixtclu, L., 270.
Ray 421 a, b.
Heck 170.
Ritltt«, E., 107, 229.
Rcclu*, O-, 108.
Regel, A., 112.
Kelchelt 246.
Kelter 23, 449.
Key«r IM, 406, 410.
i Hevmoud 136.
Richter 60. 62, 278.
HichthofcTi 200.
Riedel 311.
Hink 234.
Rinn 0U4.
RRtlcb 28.
Kuhde 4.
Rolland 002.
Rollet de lislo 509.
R«Kkiin’hojf 30, Ulf.
Uomiv 4t*6.
Ko*t *334,
Kotb 5&».
Ruus<et 329.
Rudolf. Kronprios, 6.
Hu*. dl t6S.
Kzchak 191.
8ucco 443.
Hi. John 411.
Sntmou 238.
Banner 94.
Hanuatlcu* 291.
Schelle 124.
SchQrxcr 29.
Scblllcmann 236.
Scblltbcnrer 242.
fiebtfUU 640.
Schmidt, C. W., 184.
Schmidt, M.. 40.
Schneider 228, 482.
Schott 160.
Schot tky 264.
Srhrader 616.
Schroter 224.
Schwalb« 172.
Schwant 61.
Seime Illfurth 368, 369,360.
591.
Sehwlckcr «7.
Scott 120.
Seeland 274.
Seidillr. UM.
Heikel tMdy* 221.
Sriuler 48«.
Birnfeld 229.
Sterin 414.
Hlulxow 80.
, Hublecaky 423 d, f.
Sollt mlcr 560.
I Sptrfc 119.
1 Hprvnger A52.
, Sprung 16.
SrcraoirakU 90.
i Staulland Wake 389.
Sturki- Gardner 38.
( Staub All.
Slelueu 419.
[ St«iner 614.
Steiuliaufter 8, 66.
| Ste)neg«r 322.
SleUticr 173.
StleRJci 130.
Slrinb 07.
Streb*) 4.
SiUtiel US»
Slutfleld 303.
Svvdmark 83.
Tavlor tl.
Teller 272.
Ti*ul*on-Wood<» lil.
TliomMin 412.
1 luillv < uiu
Tide 330. 677.
Tlllo 89. 600.
Tlrant 670.
Torrance 1481.
TorrlcelU «88.
Toula US. 95. 463.
Tran-Xguyen-Uanb 670.
TraulKrboId 1)4.
Tripp 386.
Trouruirc 2S3, 284.
Tachudl 170.
Ulricl 52.
Uribe 174.
Vacck 271.
Tinbiiy 2«, uo,
Verain 63. 73. 321, 600.
Votifdlgvr 607.
VenukulT A66.
Verbcvk 437.
Veruen-Harcourt 620.
Vland 370.
Vlgiion 31.
Vlnlitg 39.
Vlrcbow 32.
V.*«el 426.
I Volidn-Bey 619.
' Waage» 444.
Wagner, H., 3.
Wagner. M.. tH.
Wubiuchaffe 4«, 2-52. 26S»
264, 499.
Walker .162, 351.
Walther 610.
W«b*t 411.
Weihrauch 213, 216.
Welcher 4, 2«.
Weatcndarp 4.
Whciltey 330.
Wlchiuauo 3.
Wienkmvakl 2.56.
Wild *2.
Wildermann 440.
WHken 37«.
WUliuott 1481.
Willkomm 102.
WilD 5f8.
Wmchell 204.
Wltellu* 310.
Woelkutv 211, 212, 116.
Wohlgemuth 423 *.
Wolf, J.. *23 c.
Wray 127.
WaoderUch 74.
Wyto 104.
Zeuger 210.
Zlmmennann 506.
Zlnlgratf 379.
Zoppl 488.
Zdpprltz 3.
: ZqJovM 301.
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Allgemeines.
1. Hann, v. Hochstetter und Pokorny. Allgemeine Erd-
künde. Prag- Leipzig, Tempsky und Frey tag, 1886.
(Unser Wissen von der Erde, I. Bd.)
An «liebln Buche, das schon wiederholte Auflagen erlebt hat, aber
jetzt in einer beträchtlich erweiterten Gestalt erscheint, ist bekanntlich
nichts anderes aurcusetzcD, als der Titel, der ja auch durchaus nicht den
Iutentiouen der Verfasser entspricht. Al» Vorsehule doa geographischen
Studiums wird das Buch stete ausgezeichnete Dienste leisten, denn cs
führt in die wichtigsten, von verschiedenen Spexialforxchcrn ersten Hange*
bearbeiteten Hilfswissenschaften der Geographie ein, d. h. in die
Hilfswis«*n»chaften als solche ohne Rücksicht auf deren spezielle Ho-
Ziehungen zur Geographie. Das Huch erfüllt also die Aufgabe, die eiuige
Paehgenotscn in Verkennung des Wesens der physikalischen Geogra-
phie, die ein in sieh geschlossenes System darstellen soll, dimer Ictxtern
zuweiseu. Jede der drei Hauptabteilungen hat wichtigo Bereicherung er-
fahren, namentlich aber der biologische Teil, indem die in den frühem
Auflagen nur ganz aphoristisch behandelte Anthropologie und Ethnographie
jetxt in der Bearbeitung von I’rof. Hartmann einen ihrer Bedeutung für
den propildeutiachen Unterricht in der Geographie entsprechenden Raum
einuimmt. Die Zahl der Parbcndrucktafoln ist 38 (davon 18 Karten), die
der Text- und Vollbilder in Schwarzdruck 586. Supon.
2. Günther, l^ehrhuch der Geophysik und physikalischen
Geographie. 2 Bde. Stuttgart, Enke, 1884/85.
Unter den verschiedenen , neuerdings erschienenen Lehrbüchern der
physischen Erdkunde nimmt Hiegmund Günther» Geophysik eine durchaus
eigenartige und bemerkenswerte Stellung sowohl hinsichtlich ««eines Inhalts
als auch in formeller Beziehung ein. Das Werk »oll keine physikalische
Geographie, Mindern ein l^rhrbuc-h von der Physik der Erde sein; in den
Vordergrund tTitt daher durchweg das mathematiach-phrsikalischo Element,
während rein geographische Thataac.hen in der Behandlung zurücktreten,
ohne jedoch ignoriert xu worden. Dem entsprechend weicht das Buch auch
in seiner äußern Erscheinung von den neuem physikalischen Geographien
ab; au Stelle geographischer Daten und Kärtchen tritt die mathematische
Formel, und darin ist die Bedeutuug des vorliegenden Werke* xu »uchen,
dato es dem Geographen vou Puch, welcher vielfach nicht der umfang-
reichen physikalischen Litteratur zu folgen vermag, diese letztere zu er-
schließen trachtet.
Das Werk zerfallt in neun Abteilungen, welchen eine gMchichtlich-
litterarischc Einleitung vorengeht. Die Überschriften dieser Abteilungen
sind: 1) Die kosmische Stellung der Erde. 2) Allgemeine mathoraatiacho
und physikalische YcihiiitnUso des Erdkorpers. 3) Geophysik im engem
Binne; dynamische Geologie. 4) Magnetische und elektrische Erdkräfte.
5) Atmosphärologie. 6) Ozeanographie und ozeanische Physik. 7) Dyna-
mische Wechselbeziehungen zwischen Meer und Land. 8) I>as Festland
mit seiner Süfswaaserbedeckuug. 9) AD Anhang Biologie und physische
Erdkunde in Wechselbeziehung. Neben dem rein physikalischen Gesichts-
punkte Dt bei der Gruppierung des Stoffes also auch der geographische
maßgeblich gewesen, weswegen mehrfach zusammengehörige Materien in
verschiedene Abteilungen gebracht weiden mußten. Das TidenpLünomen
findet z. B. in Abschnitt III (Bd. I, 8. 40), Abschnitt V (Bd. II, 8. 180),
Abschnitt VI (Bd. II, S. 381) Erwähnung, nicht aber in Abschnitt II,
wo die Attraktinnzphänomene abgehandelt werden. Die Krustenbewegung
der Krdo wird in Abschnitt III (Vulkanismus und Erdbeben), Abschnitt VII
(Niveau Verschiebungen), Abschnitt VIII (Gebirgsbildung) erörtert. Wahrend
Abteilang V die Atmospb&rologie darstellt und die optischen , thermalen
und elektrischen Verhiltnbsc der Atmosphäre schildert, werden die Nord-
lichter schon in Abteilung IV behandelt. Freilich weiden sich bei keiner
noch so guten Disposition Zerreißungen zusammengehöriger Abschnitte ver-
meiden lassen, und jedenfalls enthalten die systematischen Ausführungen
des Verfasser» manchen schätzenswerten Wink, weswegen auf die einschlägi-
gen Darlegungen besonder» verwiesen werde, z. B. über den Begriir Geophysik
(Bd. I, S. 30), Atmosphärologie als Zusammenfassung von Meteorologie und
Klimatologie (Bd. II, S. 68); dynamische Meteorologie als Lehre von den
Bewegungen d« Luftmeeres (Bd. II, 8. 188). Die Tbatsache allerdings,
Petennann* Geogr. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bericht
dafx Günther in dem als Anhang gegebenen IX. Abschnitt biologische
Fragen in den Kreis der Geophysik einxicht, dürfte wohl mancherlei Wider-
spruch erfahren. Aufsordcm ist aber dies Kapitel so aphoristisch gehalten,
dnfa cs nur als ein dürftiges Skelett anzusehen Dt.
So weit über den Plan des Werkes im großen und ganzoo ; von
mancherlei bemerkenswerten Einzelheiten in der Gruppierung und Ab-
grenzung de* Stoffe* sei nur hervorgehoben, dafs ein Kapitel (Y) de* Werke«
der Graphik im Dienste der physischen Erdkunde gewidmet ist, in welchem
Prnjektionsmethoden und Terraindarstellung besprochen werden, und dafs
sich in einem Werke, welche* von »einer eraten Seite an die Kenntnis der
hohem Mathematik voraussetxt, ein Paragraph (Bd. II, S. 1 14) mit der Methode
der kleinsten Quadrate beschäftigt, duls selbst die Frage nach der Bewohn-
barkeit andrer Himmelskörper (Bd. I, 8. 124) erörtert wird.
Man rieht, daß Günther die Grenzen der Geophysik ungemein weit
gezogen hat, und er konnte dies wohl thun, da eine jede Seite seines
Werke» vou einer ganx aufserordcntlichcn Belesenheit in neuem und ältern
Schriftstellern zeugt; uud da» Dt formell da» Charakteristikum des Werke»,
daß es sich gleichsam zu einem Repertorium der physikalisch -geographi-
*cbcn Litteratur gestaltet. Damit aber ist ein wahrhaft bestechender Vorzug
dca Buche* angedeutet, es gibt die Quellen der verschiedensten Disziplinen
au, und wird deswegen dem Farhmanne stets ein sehr wichtiges, bequemes
| und meist zuverlässiges Nachsehlagebuch sein. Allein es liegt auf der
HAnd , dafs dieser eminente Vorzug de* Buche* auch zugleich manche
Nachteile birgt. So außerordentlich groß die Belesenheit d« Verfassers
auch Dt, *o kann sie »ich doch unmöglich über alle* erstrecken, manche
Quellenwerkc ersten Hange* sind übergangen, zahllose kleinere Abhand-
lungen aber sind der Vergessenheit entrissen, und manche unbedeutende
Notiz, manche* ErzeugnD der Polemik findet neben dem durch langjährige
Arbeit gereiften Werke eine Freistätte de* f'itate«. Wilds Meteorologie
de* Russischen Reiches ist nirgends erwähnt, und manche Beobachtung
diese* Forscher* nach Müller-Pouillets Kottnischer Physik eitiert; ausführ-
lich werden die Hypothesen von Pilar und andren referiert, Bcyrich nnd
Benecko ober gar nicht erwähnt, welche die Lehre der Gebirgsbildung
durch bloße Verwerfung schufen. Es wird die Eozoonlitteratur nach
0. Hahn eitiert, dessen Name mehrfach genannt wird, wihrend die be-
kanntesten Paläontologen der Gegenwart nicht erwähnt werden , obwohl
x. B. M. Neumayr für die Geophysik äußerst wichtige Ergebnisse erzielte ;
keineswegs alle Quellenschriften filier die Vergletscherung XorddruUchlands
werden angeführt , dagegen die Mehrzahl der popul&mierenden Kompila-
tionen. Im Abschnitt Über dis säkularen Klimaschwankungen findet Schroicks
Hypothese eingehende Darlegung, während an die reiche anderweitige Kis-
xeit-I.itteratur kaum gestreift wird, und auch die Klimate älterer geologi-
scher Perioden überhaupt unerwähnt bleiben (Bd. II, 8. 292).
Derartige Lücken im Citatensehatx treten jedoch , wie hervorgekchrt
werden muß, gegen dessen aufseTOTdcntiichc Fülle in den Hintergrund, und
zudem ist es gewiß auch nicht Fehler des Werkes wenn dieser oder jener
Autor Übergängen sein sollte, währenddem ein wahrer Schatz von Litteratur
selbst dem Fachmann* eröffnet wird, und Günther in selbstloser Weise
rieh der Kritik selbst dann enthält, wo es äußerst notwendig wäre, na-
mentlich in 1‘inem Lehrbache, welche« au* didaktischen Gründen das
Unrichtige vom Richtigen trennen sollte. Er gibt z. B. eine Zeichnung
der Clithouisotherroen-Einscnkangen, welche nach G. A. Koch untCT hohen
Bergen «tattfindeu (Bd. I, S. 309), er referiert Sonklar* Meth<*den zur Be-
rechnung der raittlem Kammhöhen (Bd. II, S. 528), obwohl er der Fehler-
haftigkeit der Methode sich bewußt Dt (Bd. II, 8. 529), und aus der
kurzen Diskussion über die Klassifikation der Insoln, welche in der Zeit-
schrift für wissenschaftliche Geographie »tattfand, leitet er eine ganze Reihe
von Inselklassihkationeo ab, um schließlich sich der Klassifikation von
Hahn (Bd. II, 8. 489) anxuechließen, di* gewichtigen Bedenken gegen die-
selbe von der Hand weisend. I)er Verfasser kommt ferner auf dio so oft
und gründlich widerlegte Hypothese der Kjordbildnng durch Brandung zu-
rück (Bd. II, S. 467), und adoptiert di* Verwechselung von Riesentöpfen
mit geologischen Orgeln, welche allerdings auch anderweitig noch sehr ver-
breitet ist (Hd. 11, 8. 5C2); wie er denn überhaupt in allen morphologi-
schen und geologischen Abschnitten sieh nicht überall der besten Führung
anvertraut und namentlich die englische Litteratur hier bei weitem nicht
aasgenuut hat.
Auf eine selbständige Stellungnahme, selbst gegenüber leicht widerlcg-
a
2
Litternturbericht Nr. 3—4.
baren Anaichteu, vielfach vernichtend, bleibt Günther meist bloß referierend,
und damit ist eine Thatsache angedeutet, welche einem Bandbache ebenso
zur Zier, wie dem Lehrbnehe zum Nachteile gereicht, welche aber bei einer
bloßen Titeländerung de« Werkes ihre Bedenklichkeiten verlieren kann;
während mancherlei kleine Versehen eino nachhaltige Korrektur dos Werkes
seitens des Autors, eine gewi&ic Aufmerksamkeit aber seitens des Lesers
erheischen. Im Referieren hat sich Günther einer höchst sehltxenxwerten
Knappheit befleißigt, aber Öfters ist er entschieden zu knapp geworden.
Manche Darlegungen sind fast aphoristisch , wie z. B. jene über das
Augustache Psychrometer (Bd. II, S. 98), über die Beschaffenheit des Meeres-
grundes (Bd. II, S. 341), audre leiden an fehlenden Worten, wie die De-
finition der Refraktionskurre (Bd. li, S. 126). Hier und da haben sich
auch Intiinw oingeschlichen. Kd. II, S. 101, wird das Kahrcnheitsrho
'Hicnnometer zwischen Gefrier- und Siedepunkt des Wassers in 200° ein-
ge teilt , in einer Tabelle über die Hohe der Schneegrenze nach Hällströra
werden Pu fee anttatt Toisen in Meter verwandelt, weswogen au der einen
Stelle die Höhe der Schueegreuze itn Himalaja zu 612 m, wahrend auf der
nächstfolgenden Seite (Bd. II, S. 586) dieselbe richtig zu 5670 m an-
gegeben wird. Dem Keferenten wird gelegentlich supponiert, er habe die
Höhe der cixceitUchen Schneegrenze «ach dem Vorschläge von H. Hofei
konstruiert, während thataächüch die Anschauungen bekämpft und jeno von
Pr. Simony zu Grunde gelegt wurde« (Bd. II, S. 535). Die Stellung Kaw-
«ayx gegenüber der Glazialeroaion ixt nicht richtig angegeben (Bd. I (. $. 467).
Bd. II, S. 227, wird behauptet, dafs die 1788 in Nordfrankreich gefallene
Hogelmasxe gröl «er gewesen sei, ab die mehrerer Alpengietscber zusammen, ob-
wohl es sich blofx um 4UOOÜOÜOO kg Kis handelt, wie angegebon wird, wäh-
rend doch der Obereulzbachgletscher in den letzten Jahren um 60000000 cbm
=. 54000 000 000 kg allein bei seinem Rückgang verlor. Das Kärtchen
Über Vulkanverbrcitung (Bd. I, S. 340) gibt die rorschiedcnalterigsten quar-
tären und tertiären Eruptiunsetätten als erloschene Vulkane an, okue dabei
irgendwie konsequent oder erschöpfend zu verfahren. Bd. II, S. 73, wird
der Wawer dampf der Atmosphäre bald als aus Buse heu, bald als aus
Plüasigkeitskügelcheu bestehend dahingestellt. Mit voller Absichtlichkeit
endlich werden die von Such» vorgeachlagenen Ausdrücke .positive und
negative Kütfeuvewchicbuiiß*’ in ihrer Bedeutung vertauscht, so dafs hier eiue
wahre Quelle für Verwechselungen aufgelkau wird (Bd. II, S. 443).
K* kann um so weniger die Aufgabe des Referenten »ein, noch eiue
längere Aufzählung derartiger 1’ «Genauigkeiten zu geben, da dergleichen
Dinge nur zu leicht unterlaufen können und neben der Fülle de« wahrhaft
Gediegenen im Werke gern in Kauf gonommen werden dürfen; Günthers
Geophysik ist sowohl hinsichtlich des Reichtums au Litteraturnachwcisen,
als auch durch die kompendiöse Zusammenfassung der verschiedensten
historisch-geographischen, physikalischen , mathematischen und geologischen
Daten ein äußerst schätzenswertes Handbuch, dessen einzelne Teile zwar
vieler Verbesserungen bedürfen, welches aber als Ganzes eine sehr nütz-
liche Leistung ist. Ptnck.
3. Wagner, Horm., Geographisches Jahrbuch, X. Band,
Et. Hälfte, Gotha, Justus Perthes, 1885. (Vgl Litt. -Bor.
1885, Nr. 83.)
Die II. Hälfte enthält die Berichte über die Tiefseeforschung von Zoppritz,
über die Kartcnprojcktionslehro von Günther, über die geographische Onoraa-
totogie von Egli. Uber die Methodik der Geographie von II. Wagner, Uber
die räumliche Entwickelung der geographischen Kenntniasc, und endlich
über die Geographischen Gesellschaften, Zeitschriften und Kongresse. Neu ist
der Artikel von Hinachfcld Über den Standpunkt unsrer heutigen Kenntnis
der Geographie der alten Kulturländer, der sich vorläufig allerdings nur auf
die BslkanhalbinseL die griechischen Inseln und Kleinasien beschränkt. Er
wird dem Jahrbuch nicht nur neue Freunde im Kreise der Philologen und
Historiker erwerben, da er die schwer zugängliche einheimische Literatur
in umfowender Weise berücksichtigt, sondern ixt auch vom geographischen
Standpunkt freudig zu begrüßen, da sich koin andrer Teil der Erde ftir
kulturgeographixche Untersuchungen suf geschichtlicher Grundlage so sehr
eignet, aU der mediterrane. Der Abschnitt über die Entdeckungsreisen
enthält die Berichte über Afrika von Zöppritz (wohl das Letzte, was
dieser zu frühe unx entrissene Gelehrte geschrieben hat), übor Asien
von Lullte*, über die Polarregionen von Wichmanu, und endlich einen
neuen Bericht über Australien und Polynesien (1876—1884) von Ilausberg.
Für Amerika konnto leider noch immer nicht ein geeigneter Bearbeiter ge-
funden werden. Von den Berichten der frühem Jahrgänge fehlt dieses Mal
der von Prof. v. Pritsch über die geognostischon Untersuchungen. So sehr
die» auch zu bedauom Ut, so brachte es uns doch anderseits den Vorteil,
dafx Prof. Wsgr.cr dadurch vcranlafst wurde, seinen Bericht über die Me-
thodik weiter au*zudehneu. Derselbe gestaltet sich so zum interessantesten
Teil des ganzen Jahrbuch*. Zur allgemeinen geographischen Methodologie
lag allerdings nicht viel Material vor; die Aufsätze v. Richthofeua und
Bocks sind in dieser Beziehung die wichtigsten. Zu bemerken wäre nur,
dafs die Klassifikation doch nicht mehr so im argen liegt, wie Ratzel und
Wagner meinen, und dafs in diesor Beziehung doch schon beachtenswerte
Anfänge gemacht wurden. Zum Abschnitt über die methodische Ent-
wickelung einzelner Zweige der Geographie lieferten verschiedene neuere
Werke allgemeinem Inhalts genügendes Material. Namentlich die Be-
trachtungen Über die Beziehungen der Uoographic zu den verwandten
Wissenschaften sind sehr lehrreich, nur verraifsteu wir eine Erörterung
über die Streitfrage der Reziohnng der Geographie zur Meteorologie, welche
jener eigentümliche Komplex von Wissenschaften, der sich früher mathe-
matisch -physikalische Geographie nannte und jetzt unter dem stolzen Namen
»Geophysik* erscheint, ganz für sich in Anspruch nimmt. Ausführlich ist
der Bericht über die Pflege des geographischen Studiums und Unterricht*.
Supan.
4. Vcrhuudluagon des fünften deutschen Gcographentages.
Mit 2 Karton. Berlin, D. Reimer, 1885.
Den ersten Gegenstand der Verhandlungen bildete die Notwendigkeit
und Durchführbarkeit der antarktischen Forschung. Ncnmayer
webt nach, dafs dieselbe seit Ro«s keiue erheblichen Fortschritte gemacht
hat; « ixt noch nicht einmal die Frage, ob Morrells Kcixebrschrcibung
Dichtung oder Wahrheit ist, entschieden. Von gröfster Wichtigkeit Ut die
SÜdpoltrforschung für die Meteorologie, Klimatologie und die Lehre vom
Erdmagnetismus. Von betonderm Interesse Ut folgende, aus Schiffsbcob-
achtungen abgeleitete Tabelle, welche das von kontinentalen Maxien unbe-
einflußte Nommerklima auf hoher See zur Darstellung bringen.
60 — 65° Br. Mittl. Br. ca 56°.
N
. ililbk.
JulL
8. Halbk.
Kefir.
Dltf.
N. Halbk.
Juli’AuK.
8. Halbk.
Febr.
1)10.
Mittel d. Lufttemperatur
9,9'*
— 0,6°
10,8°
12,7'
3,7°
8,e°
Mittleres Maximum . .
11,1
0,4
10,8
13,0
5,3
7,7
» Minimum . .
8,#
— 1,9
10,7
11,0
2,3
9,2
Absolutes Maxiruum . .
12,:
2,8
9,9
16,0
7,3
9,0
» Minimum . .
Mittleres Maximum der
7,0
— 6,0
13,0
8.»
0,0
8.*
Wasscrtempcrotux
10,4
0,3
10,2
12,1*
3,8
9,0
Zur Vergleichung dos winterlichen Seeklimas in den hohem Breiten
beider Hemisphären fehlt bislang noch alles Material. Merkwürdig Ut auch
der Verlauf der Isothermen der Meeresoberfläche von 10 und 4,3°. Im
Winter verläuft die orsteTC ziemlich gleichmäßig, und die zweite macht große
Biegungen; im Sommer findet das Umgekehrte statt. Die jahreszeitliche
Verschiebung der 10° -Isotherme beträgt in der Südsee 8,2°, im übrigeo
Ozesn nur 2,4°, während die 4-}Msotherme im letztem eine größere Wan-
derung auxfübrt, als ln der erstem. Das Ut ein noch ungelöstes Problem ;
Meeresströmungen können nicht zur Erklärung herbeigexogen werden. Neu-
meyer vermutet in den gedachten Erscheiuungen den erwärmenden Einfluß
des breiton, ziemlich flachen und wenig hoch gelegenen australischen Kon-
tinentes. Die Entfernung von den Fwtlandmasscn und die Seehöhe, die die
Gletxcherbildung bedingt, scheinen auch die Ursachen der auffallenden Ver-
schiedenheiten des antarktischen lnsclklimas zu sein. Aber auch in diesen
Beziehungen sind unsre Kenntnis« gering, da die Beobachtungen kurz, nicht
gleichzeitig und auf mittlere Breiten beschränkt sind.
8. Br.
Febr.
Jul!
Jahr
Korguclen . .
49,0'*
5,6®
2,6®
3,9®
Auckl&nd . ,
50, J
9,7
4.7 (?)
7,0 (?)
Falkland
51.7
9,*
2,8
6,3
Slidgeotgi«
5,4 -
-2,3
1,*
Fcucrland . .
8,9
3,7
6,4
Der Mangel von
Beobachtungen iu hohem Breiten
macht sich
auch bei
den von der deutschen Polarkomraiasion entworfenen synoptischen Witte*
rungxkarten der Südhemisphäre in der letzten Pol&rforschungsepoche fühl-
bar, ao dafs entscheidende Losungen meteorologischer Embleme von ihnen
nicht zu erwarten sind. Auch oin erheblicher Fortschritt iu unsrer Kennt-
nis von den erdmaguetischen Erscheinungen Ut nur von der Wiederaufnahme
der autarktischen Forschung zu erwarten. Auch auf der Südbalbkagcl scheint
ein Ring grüfxter Sichtbarkeit der Polarlichter zu bestehen ; während im
Jahr der internationalen Polarforxchung Siidlicbtex suf Südgeorgien und
Kap Hoorn nicht beobachtet wurden, waren solche in Melbourne und Syd-
ney häufig sichtbar.
Ratzel beleuchtet die Frage der Südpolarforschung zunächst vom
geographischen Standpunkt aus. Zweck der Geographie Ut zuuäehat die
Herstelluug ein« richtigen und vollständigen Kartenbildc*. I)io Antarktis
Ut aber nicht nur da« größte aller unbekannten Gebiete, uud nicht nur
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Litteraturbericht Nr. 4.
3
das unbekanntste, sondern auch das eigenartigste. Zwar glaubt der Ver-
taner, dafs zwischen den beiden polaren Gebieten eine Homologie bestehe,
und zwar nicht nur klimatisch und iu beiug auf die organische Welt, sondern
auch morphologisch (Abwesenheit von SchwcmratiefUnd und gTofoer zusam-
menhängender Gebirgsbildungen, Fjorde, insularer Charakter der Lundmaasen),
aber auch er betont, dnfs man aus den arktischen Erfahrungen nicht ohne
weitere* Schlüsse auf die Beschaffenheit der Antarktis sieben müsse; und
ich bin überzeugt, dafs der Gegensätze mehr sind, als der gemeinsamen
Züge, vielleicht auch in morphologischer Beziehung, worüber man jetzt ja
eigentlich noch nichts sagen kann. Ja gerade der Gegensatz der Nord-
und Sudpolargebiete rauf» zur Erforschung der letztem anregen. Katze]
weist nach, wie die Vernachlässigung dieser Forschungsarbeit sich auf zahl*
reichen Wissensgebieten fühlbar macht. Dieses um so mehr, als beide Polar-
gebiete -gewaltige Aktionszcntra" sind, deren Einwirkung sich bis in die
gemäßigte Zone erstreckt. Hier roufs das Problem der Eiszeit gelöst wer-
den. Die Südhalbkugel „ist das ausgedehnteste Gebiet von Schnee* und
Kiswirkungen, das wir kennen“ ; die antarktische Region bietet das Bild der
Eiszeit unter den Bedingungen eines maritimen soramerlosen PoUrklimas.
Penck erörtert die erdgeschichtliche Bedeutung der Polarforschung.
Die Pole sind die Zentren für die Abstufungen des solaren Klimas. Nach
dem Sehlufa der Kreideperiode begann das homogene Klima sich zu diffe-
renzieren, und vom Nord polargebiet dringen die Wellen nouen Lebens kon-
zentrisch gegen den Äquator vor. Die Forschungen Nordeuakjölds und Heers
haben dargcthan, dif* rieh innerhalb der arktischen Zone bereits in der
Tertiirzcil zwoi Klimagürtel deutlich erkennen lassen, von denen der 8a feere
(bia 75° Br.) eine Flora mit subtropischen Elementen, der innere (76— 80° Br.)
eine boreele Flors enthalt. Die Nachkommen dor äufsern l’olnrrtora be-
wohnten in der Miocdnzeit die Schweiz, und bewohnen noch Japan und
die südliche atlantische Abdachung der Vereinigten Staaten ; jene der innem
Polarfiora breitet rieh beuto über die gemäfrigte Zone, das sogenannte Wald-
gebiet der Xordhalbkngel aus. Noch sind aber drei wichtige Fragen zu
lösen: 1) Beherbergte der innerste Polargürtol (SO — 90° Br.) schon in der
Tertiärzeit eine arktischo Florn ? 2) War die Polarfiora de« au tarn Gürtels
gleichzeitig oder alter, als die MioeSnftora Mitteleuropas: und 3. exulierten
jene alten Polarflorrn gleichzeitig mit entsprechenden Polarfaunon, die sich
von da sowohl über die Neue, wie über die Alte Welt verbreiteten ? Damit
wäre in der Streitfrage, ob Amerika oder die Alte Welt die Entwirkelungs-
ituttn gewisser Tierformen sei, in einfachster Weise entschieden. In deT
Tierwelt zeigt sich ebenso wie in der Pflanzenwelt Divergenz gegen S,
Konvcrgenx gegen N ; die südlichen Kontinente sind reich an archäischen
Typen, während die jungem den Landring um den Nordpol bewohnen, aber
häufig bis über den Aqoator nach dem Süden vorgedruugen sind. Die Pole
sind also die klimatischen und damit auch die biologischen Kntvrickelungs-
zentren: und wenn auch der Nordpol in letzterer Hinsicht wegen »einer
lauidnäbe eine ungleich wichtigere Kollo gespielt haben dürfte, als der
Südpol, so ist doch such letzterer nicht zu vernachlässigen; „hier ist zu-
nächst die Richtigkeit des (in der Arktis gefundenen) Resultat« zu prüfen,
um dann weiter diejenigen Modifikationen aufxufinden, welche durch die
verschiedenen morphologischen Verhältnis** bedingt werden".
Aach aus geodätischeu Gründen ist, wie Peters suscinandervetst, eine
antarktische Expedition im höchsten Grade wünschenswert. Von doo brauch-
barsten Pendelbeobachtungen entfallen 104 auf die nördliche und nur 22
auf die südliche Halbkugel, und von den letzteren sind mehrere, namentlich
jene in hohem H reiten von zweifelhaftem Werte, so dafs wir Über die
Figur der SUdhemispbäie sehr ungenügend unterrichtet sind. Besonders
wünschenswert waren Beobachtungen zwischen 60 und 70° Br., und am ge-
eignetsten wäre dis Anwendung des unveränderlichen Pendels, also die Me-
thode der relativen Beetimmuug.
Eggort bespricht die Ausrichten dos Panamakanals. Die Gunst
der geographischen Lage von Panama machte sieh sogleich noch der Ent-
deckung Amerikas geltend, und bis in die Milto de* 17. Jahrhunderts war
es der Hauptstapelplatz für die spanischen Kolonien. Die Aufnahme der
Route um das Kap Uoom bereitete ihm aber ein rasches Ende, und ent
seit den 40er Jahren unsres Jahrhunderts rückte cs die transatlantische
Dampfschiffahrt wieder in den Vordergrund. Epochemachend wirkte in
dieser Beziehung die Entdeckung der Goldfelder in Kalifornien. I)io Pe-
riode 1 855 — 67 war die Glanrxeit der Psnamsbahn. Dann begann wieder
ein Rückgang, einerseits infolge der Einrichtung einer regelmäfaigeo Dampf-
xcliiffahrtsverbindung zwischen Europa und Chile durch die Magcliaostrnfse,
anderseits infolge der Eröffnung der Pacificbahn. Der Panamakanal wird
von Bedeuluug werden: l) für den Handel Europas und der atlantischen
Vereinsstaaten mit der Westküste Amerikas, mit Ausnahme des südlichen
Chiles, und mit den Sudseeinseln, 2) für den Handel der östlichen Verein j-
xtuten mit Ostarien. Der künftige jährliche Schiffsverkehr wird auf 1,7 Mill.
T.-R. (5,7 Mill. 1863 im Suczkanal) veranschlagt. Segelschiffe, welche
enge MeeresstTatan meiden, werden den Kanal nicht benutzen. Der Ver-
fasser glaubt dem Panamakanal keine lange Dauer in Aussicht stellen zu
dürfen (namentlich der Chagrss bildet eine permanente Gefahr), und hält
die Linie San Blas Air viel geeigneter für eine Kaualanlage.
Dr. G. A. Fischer schreibt über die Verwendung des Europäers im
tropischen Afrika. Seine Ansicht von der Unmöglichkeit europäischer
Ackerbaokolonien daselbst hat er in »einem bekaunteu Buche „Mehr Licht
im dunkeln Weltteil" (Hamburg 1885) so hinreichend begründet, dafs trotz
Stanley kein nüchtern denkender Mensch mehr daran zweifelt. Westen-
darp gibt möglichst genaue Auskunft über den Elfenbcinreichtum Afrikas
und über die Ausfuhr desselben in den letzten 5 Jahren :
kg pro Jahr
Tripoli und Bcngswi (aus den HaussaUndcm, Bornu und Wadai) 23 000
Ägypten 148 000
Masiuua 19 000
Berbern und andre kleine Plätze am Roten Me«r ... 7 O00
Sanribarküste (Sansibar, Pangani, Sadani, Bagamoyo) . . 190 000
Mocambiqueküste (Mocambique, Quelimaoe &c.) . . . 142 000
Kapkolonic .......... 29 000
Mo&iarnedcs 2 OÜO
Benguela 24 000
Kongobecken 8G 000
Gabun und Kamerun 64 UÜO
Niger- Bnnuhbecken 89 000
Übrige NW -Küste bis Senegambien 14 OOO
Die Westküste liefert also durchschnittlich pro Jahr 284 000, die Ost-
k iixte dagegen 564 UOO kg; der Gewamtwert beträgt 15 — 17 Mül. Mark.
Um diese Massen zu liefern, müssen jährlich etwa 65000 Elefanten getötet
werden. Wie die beigegebene Karte zeigt, verbreitet sich der Elefant über
das ganze tropische Afrika von ca 15U N bis zum südlichen Wendekreis,
jedoch überall mit Anncblufs der Küatenterrasaen. Das Elfenbein der Ost-
küsle ist weich, da» der Westküste hart, überdies nimmt seine Qualität auch
mit wachsender Breite und SeebÖhe ab. Grota Quantitäten zu geringen
Preisen sind im Innern von Aquatorialafrika nieht zu erwarten.
Welcher berichtet über seine Messungen von Schädeln der einge-
bornen Bevölkerung von Socotr*. Der allgemeine Scbädeltrpus weist auf
ootasiattahe (malaiische) Abstammung hin, das Fehlen der Stimoaht and
die C.'ribra orbitalia aber auf Verwandtschaft mit den Negern.
Die beiden nächsten AufäiUe von Claufs über die Schingü-Ex-
pedition und von Boas über die Eskimos des Bnffinlandes wollen
wir nur in Kürze erwähnen, weil dio Leser der „Mitteilungen" über die
Resultate der Foraekuugareise von Boas bereits durch das 80. Erg. -Heft
unterrichtet sind, und über jene der Expedition von CI auf» uud v. d. Steinen
in einem dor nächsten Hefte eine ausführliche Abhandlung finden werden.
Strebeis Aufsatz über mexikanische Altertümer sind nur eine Er-
läuterung zu der beim Geographen tag ausgestellten Sammlung.
Michow woist auf jene verdienten und doch von seiten der modernen
Historiker unbeachtet gebliebenen Männer hin, denen wir die erste richtige
Vorstellung von der Bodengestalt Rufslands verdanken, und auf deren
Schultern der erste Topograph des rooskowitisehen Reiches, Herberstein,
steht (dessen Werk erschien 1549). Bia in den Anfang des 16. Jahrhun-
derts erfreute rieh die von Aristotel» und l^olemäo* homtammende Fähe!
von den Rkipäen oder Hyperboreisehen Bergen, die Rafriand im N quer
durcbschneiden und den gmtan, in den Pontua rieh ergietanden Strömen
den Ursprung geben sollten, eines allgemeinen, unbezwei feiten Ansehens.
Erst der Sturz der Mongotenhemchaft brachte Rufsland der europäischen
Staatenfamilie näher. Der erste, der jene Fabel zerstörte und ganz Rufs-
land als ein ungeheueres Tiefland darstellte, war der vielgereiste Krakauer
Arzt und Kanonikus Mathias v. Micchow (Tractatus de duabu» Sanuatiis,
Krakau 1517), und ihm folgten bald darauf Paolo Giovio (1525) und Jo-
hannis Pabri (1526), deren Schriften auf Berichten russischer Gesandten
basierten.
Koldewey erörtert die Bedeutung dm Kompasse« im Weltverkehr.
Künders entdeckte 1801 die Deviation des Kompasse» (Abweichung der Mag-
netnadel unter dem störenden EinfiuCs des Eisens im Schiffe), praktisch
wurde dieselbe erst von Bedeutung, als man in den 30er Jahren ganz aus
Eisen konstruierte Schiffe zu transozeanischen Fahrten zu benutzen auflng,
besonders aber »eit der Einführung der Dampfkraft in die Seeschiffahrt,
wodurch eine genaue Einhaltung des Kurses ein GrunderforderoU wurde.
Mit der Entwickelung der Deviationsthooric, deTen Begründer Poisaon (1838)
ist, gingen Hand in Hand die eingehend geechüdeTten Vcibeasenmgrn des
Kompasse», um welche rieh neben den Engländern auch die Deutsche See-
warte ein grobes Verdienst erworben lut
Roh de» Artikel über Ortsnamen behandelt nach einigen einleiten-
den Bemerkungen hauptsächlich diejenigen Namen, welche der Pflanzenwelt
a*
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Litteraturbericht Nr. 5—9.
entnommen sind. Den Schluß der Huch» bildet der Bericht der Zcntral-
kommission für wissenschaftliche L&ndeskuude in Deutschland und der
Bericht über den Erfolg de* Antrages, betreffend die Verwertung der Thä-
tigkeit deutscher Missionare auch für geographisch -ethnologische Zwecko.
Beide Berichte wurden Ton Prof. Kirohhoff erstattet. Supern.
5. Kronprinz Rudolf von Österreich -Ungarn. Eine Oriont-
reiae v. J. 1881. Wien, Hof- u. Staat sdmekorei, 1885.
Der hoho Verfasser beschreibt eine Reise nnch Ägypten und Palästina
in gewohnter einfacher, aber plastisch-anschaulicher und hier UDd da humo-
ristischer Weiie, die jeden Laser befriedigen wird. .Selbstverständlich bekam
der Kronprinz manches zu sehen, was andern Keimenden in der Kegel ror-
achlosien bleibt, und dieser Urmtand macht du* Buch auch für Fachleute
interessant. Mit besonderer Vorliebe verweilt der Verfasser bei der Schil-
derung der Jagdsxenen, und am Schlüsse stellt er dio Ergebnisse seiner
ornithologiscben Sammlungen und Beobachtungen übersichtlich zusammen.
Einen bosondern Schmuck d« elegant ausgestatteten Huch» bilden die
1 1 7 großem und kleinern Holxschnittc nach Originalzeichnungen von Franz
T. Pausinger. Supam.
6. Jordan, Grundzügo der astronominchou Zeit- und Orts-
bestimmung. Berlin, Springer, 1885.
Das vorliegende Werk ist teils aus praktischen Ortsbestimmungen des
Verfassers, teils aus Obungsm&uungen und Vorträgen desselben an den
technischen Hochschulen zu Karlsruhe und Hannover herTorgegangcn. Dem
entsprechend ist es, iru Gegensatz zu den Lehrbüchern der Nautik sowohl
wie zu denen der sphärischen Astronomie, hauptsächlich darauf berechnet,
als Handbuch einerseits für Studierende, anderseits für Porschung*Tei«*nde
zu dienen. Es ergibt sich daraus hinsichtlich der Begrenzung und Be-
handlung des Stoffes die vorzugsweise Berücksichtigung der Verhältnisse
zu Lande und die Beschränkung auf eine gewisse mittlere Genauigkeit (von
etwa l Zeitaekunde) , die hei Anwendung loicht transportabler Instrumente
nicht wohl überschritten werden kann. Es werden daher beispielsweise die
seitliche Refraktion und Parallaxe, sowie dio tägliche Aberration im all-
gemeinen unberücksichtigt gelösten.
Das einleitende erste Kapitel des trotz sein» reichen Inhalts und
•einer ausführlichen, bequem lesbaren Darvtellungaweise sehr handlichen
Buches entwickelt zunächst die uötigen Vorbegrilfe der mathematischen
Geographie. Die Aufgaben der Zeitverwandlung, sowie die.au das astrono-
mische Dreieck (P Z S) anknüpfenden Aufgaben werden eingehend erörtert
und an vollständig durchgeführten numerischen Beispielen näher erläutert.
Hierauf folgt die Betrachtung der Refraktion, der Parallaxe und der
Kierotiofo und daran anschließend die Reduktion gemessener Höhen auf
wahre.
Das zweite Kapitel gibt die wichtigem Methoden der astronomischen
Zeit- und Ortsbestimmung durch theodolitenartige und durch Keflexiooa-
instrumeute , nebst einer Bwchrsibung und Fehlertheorie der zur Messung
dienenden Apparate. Verhältnismifsig kurz ist die Theorio de* Thoodoliten
(im weitem Sinne) behandelt, hinsichtlich deren nuf die ausführliche Dar-
stellung in des Verfasser* „ Handbuch der Vermessungskunde* (Stuttgart,
Metzler, 1877) verwiesen wird. Sehr eingeheud ist dagegen die Behand-
lung der Spiegelinstrumeiitc. Der darauf verwendete Teil de« Buches (ein
Drittel des Ganzen) bildet geradezu eine erschöpfende Monographie dieser
Apparate. Die verschiedenen Formen derselben (Sextanten, Spiegelkrcisn,
Prismenkreise Ac.) weiden ausführlich besprochen und in zahlreichen Ab-
bildungen (größtenteils nach Apparaten der dem Verfasser unterstellten geodä-
tischen Sammlung xu Hannover) vorgefiihrt. An die Fehlertheorie, in welche
zahlreiche Beispiele wirklich ausgeführter Fehlerbcstimmungen oingedochten
sind, schließt sich eine Vergleichung der verschiedenen Kellexionsinstru-
roente hinsichtlich ihrer Vorzüge und Nachteile.
Was nun die Methoden der Zeit- und Ortsbestimmung »eibat betrifft,
«i werden folgende behandelt: Zeitbestimmung aus einzelnen und aus
korrespondierenden Höben, aus Meridiandurchgangs- Beobachtungen und (mit
gleichzeitiger Ermittelung der Breite) aus Sonnenmittogahöhen sowie aus
beliebig zerstreuten Höhen, ferner Mcridümbestimmnng au* korrespon-
dierenden Höhen, Azimut- und Breitenbestimmung mit Hilfe des Polar-
stem*, endlich Längenroeasung durch Monddistanzen. Außerdem wird die
Theorie der Sonnenuhr und einiger andrer zu angeuäherten Zeitbestim-
mungen dienender Vorrichtungen entwickelt Der Einfluß der Beobach-
tung'*- und der (natürlich zu eliminierenden) Instmmen talfehler wird überall
eingehend diskutiert und, wa* besonders hervorzubeben ist durch zahlreiche
in den Text einge-treut« Tafelchen zur deutlichen Anschauung gebracht.
Den theoretischen Entwickelungen «ind meisten* vollständig ausgeführt«
Kechnungftbeispictc beigefugt, welche zum Teil auf Messungen de* Ver-
fassers während der Rohlßachen Expedition in die Libysche Wüste beruhen.
Dieselben bilden cino um so dankenswertere Zugabe, besonder* für den-
jenigen, welcher nur gelegentlich derartige Rechnungen ausfuhrt, als sie
außer einem erprobtem Rechenschenu auch vielfach praktische Winke geben.
Besonder* ausführlich und manche* Neue bietend ist die Behandlung
der Iüngenbestimmung aus Monddistunxen. Hervorxuheben ist r. B. die Be-
trachtung de* Falles sehr kleiner Höhen, bei dem die Berücksichtigung der
bedeutenden und stark veränderlichen Refraktion eigne Untersuchungen
nötig macht. Von großem Interesse ist ferner die ausführliche Bearbeitung
de« reichen Beobachtungsroaterials (Hl 7 Mouddivtanzen), welches dem Ver-
fasser von der Libyschen Expedition her zn Gebote stand. Ala mittlem
Fehler einer einzelnen DUtanzmeesung findet er 22*, wo* einem durch-
schnittlichen Zeitfehler von fast einer Minute entspricht. Eine eingehende
Behandlung erfahrt die Aufgabe der Ausgleichung von Längenbestimmungen,
welche teils durch Monddistanzen, teils durch Chronometerübertragung und
Itincraxberccbnung erhalten sind. Die mit Hilfe der Methode der kleinsten
Quadrate durchgofiihrte Diskussion der iünitlichcn votu Verfasser in der
Libyscheu Wüste augcstollten Beobachtungen ergibt als wichtigste« Resultat,
da f* die Methode der Längeobestimmung au* Monddistanxen
an Genauigkeit durchtu« zurüeksteht hinter den Methoden
der Längenübertragung, wolcho überdies in ihrer Anwendung be-
trächtlich einfacher sind. Als praktische Folgerung fließt hierau«, daß es
bei nicht gar xu weit ausgedehnten I and reisen am vorteilhaftesten sein
dürfte, nur an wenigen Hauptpunkton absolute Längenbeetimmungen vor-
zunehmen, die Zwischenpunkte dagegen nur relatir durch ein sorgfältig
geführtes Itinerur ochst Chronometerübertragung und Breitenbeetiroraungen
festxulegen.
Als Auhang sind dem Buch cino beträchtliche Zahl durchweg neu
berechneter Hiifstafeln hinzugefügt. Bemerkenswert ist, dafs, von dem ge-
wöhnlichen Gebrauch abweichend, die Tafel der Refraktion bis zur schein-
baren Höhe 0 unverkürzt (mit einem Höhenintemll von l') mitgeteilt
ist, — hauptsächlich mit Rücksicht auf die weiter oben erwähnten Unter-
suchungen über Reduktion von Monddistanxen, dio in geringen Höhen ge-
messen wurden. ScAmßir.
7. Alexich, Über Kartenprojoktionon. (Struffleurs östorr.
milit. ZüitHchr. 1885, Bd. XXVI, S. 173.)
Za der nicht gerade geringen Zahl neuerer Schriften über diesen
Gegenstand fügt der genannte Aufsatz eine überschau der gebräuchlichsten
Netze in der üblichen Gruppierung und nach deren wesentlichsten Eigen-
schaften. Formeln, Zahlentabellen oder Hilfskonstruktionen sind aus-
geschlossen, da eine Anleitung zum Entwurf der Karteunetze nicht in der
Absicht der Arbeit lag, die sich dafür recht lesbare Form gewahrt hat.
An eine Beschreibung jener der österreichischen Venn»suDjp>karte in
1 :7.r>0»*0 zu Grunde liegenden Netzstellung, die in deT Wissenschaft die
östeTTeichische polykonische Projektion genannt wird, schließt sich ein
kurzer Auszug aus *A. Tiasot« memoire 1881 der uach deu in Zahlen
ausgedrückten Fehlergrenzen bei Längen, Winkeln und Flächen der wich-
tigsten Eutwurßarten die Eignung der letztem je nach Lage und Aus-
dehnung de* darzustellenden Landes oder Erdteils beurteilen Hilst.
Berghau*.
8. Steinhäuser, Dr. Herrn. Wagners Tafeln der Dimensionen
dos Erdspliiiroids auf Minuteudekaden erweitert. (Zoitschr.
f. wiss. Googr., Wien 1885, Bd. V, S. 137.)
Taff l I, II, III, VII und VIII sind Kr.eitcrungtn Ton VTtgnen
Tafeln I, III, IV, Y und VI in Behma „Geographischem Jahrbuch’, ßd. III
(1870) auf Grund der Be»el»ehen Dimensionen des Erdsphäroid*. Neu
sind Tafel IV (Krümmungshalbmesser für jede Mioutendekadr des Meridians
nnd für jede Minutenpentade zwischen 80 und ß<)° Br.), TVfel V (Halb-
messer des Sphüroids für jede Minutendekade in km und in Dezimalen zum
Aquatorialhalbmesser = 1)» ond Tafel VI (WinkolEnderung gegen Äquator
und Pol für jede Mrautendekade des Quadranten). Kartographen, sowie
zur Flächenberechnung mittels Zoncntabellen werden diese Tafeln vorzüg-
liche Dienste leisten. Supern.
9. Kalkowsky, Elemente der Lithologie. Heidelberg, C,
Winter, 1886.
Wenn « nach v. Richthofen »dem Geographen anzumten ist, sich
diejenigen Kenntnis«« anxueiguen, welcho ihn belihigcn, über seine eignen
Aufguben hinauszugehen und die Untersuchung des innern Gebirgibaue*
selbst auszuführen", so kann auch cino Besprechung des oben genannten
Lehrbuches in dieser Zeitschrift nicht befremden, um so weniger, als gerade
die geologischen Gesichtspunkte in demselben überall besonders betont
werden. Dem Fortschritt von der bloß beschreibenden xur erklärenden Be-
handlungsweise Rechnung tragend, den die Gesteinskunde in deu letzten
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Litteraturbericht Nr. 10—13.
i>
Dezennien gemacht hat, ersetzt der Verfasser den bisher meist für dieselbe
gebräuchlichen Nomen Petrographie durch Lithologie.
An den allgemeinen Teil, welcher in sieben Kapiteln von dem Ver-
hältnis der LUhologfo zur Geologie, von der Zusammensetzung, Struktur,
Lagerung, Entstehung und Klassifikation der Gestein«, sowie den gebräuch-
lichen lTntersuchungsm«thoden handelt, schliefst sich der natürlich bei
weitem ausführlichere „eingehende“ Teil an. Die einzelnen Gesteine sind
hier nach „Familien* gruppiert, deren 15 auf die nnogenen, 24 auf die
katogeueu Gesteine entfallen. Hei den einzelnen Familien kommen daun
wieder der Reihe nach ihre chemische und mineralische Zusammensetzung,
Struktur, eventuelle accessorisehe Gemengteile und He&taudm&i&eii, Jjtgcrung
und Absonderung, Entstehung, ZoROtiungaerscheinungen und die einzelnen
..Arten’ derselben zur Besptechung. Auf einige dem Verfasser eigentümliche
Einzelheiten, namentlich in der Zurechnung der einzelnen Gesteine zu
dieser oder jener Familio und der Anordnung der letztem (vgl z. B. über
die Gabbro) cinzugehen, ist hier nicht der Ort.
Der Studierende der Geogmphic wird das (allerdings für ihn etwas
ausführlich«) Buch mit Vorteil benutzen und auch später schwerlich irgend
welche Auskunft vergebens in demselben suchen. Eine dem Werk zu
wünschende zweite Auflage, würde durch einige Abbildungen im ersten Teil
und Angabe der wichtigem Litteratur über den einzelnen Abschnitten (etwa
wie in Crednera „Elemente der Geologie“) vielleicht gerade für diejenigen
Studierenden, welchen die Lithologie mehr Hilfswissenschaft Ut, an Brauch-
barkeit wesentlich gewinnen. Rohrbaeh.
10. Davis, Geografical Classification. (Proc. Amer. Ass. for
the Advanc. of Sc., Vol. XXXIII, 1885, Sep.-Abdr.)
Verfasser betont die Notwendigkeit ein« orographiachen Systems auf
genetischer Grundlage und bespricht — um seine Ansicht an einem Bei-
spiel zu crliiutero — die verschiedenen Formen von Gebieten mit horizon-
taler Schichtenlagerung. Als Einteilungsprinzip« benutzt er einerseits die
ZuuimmensetzuDg und Kntstehungxweis* der Schichten, anderseits den Grad
der Erosion, der von zwei Momenteu abhängt: von der Schnelligkeit der
Hebung und vom Alter des betreffenden Gebietes. Canons können sieh
nach seiner Meinung nur in mach emporsteigeuden Plateaus bilden. Zu-
gleich kennzeichnen sie das Jünglingsalter ein« Plateaus, ein fortgeschritten«
Stadium ist die Auflösung «in« Tafellandes in ein Täfelgebirgc, bis endlich
die Denudation dio Höhe vermindert uud du* Belief mildert, und das alte
Plateau gleichsam wieder zu den Formen eines Puppeazustaud« xuriiek-
kehrt* S»IJ>3M.
11. Taylor, On the Crumpling of the Earth’s Crust. (Amer.
Journ. of Sc. 1885, Bd. XXX, S. 249.)
Die Faltung und Kunzelung der Erdkruste ist eine durch Beobachtung
festgestellte Thataache, dagegen gehört die Erklärung dieser Thatsache noch
ganz in das Gebiet der Hypothese. In Europa ist noch ziemlich allgemein
dio Ansicht verbreitet, dafs die Abkühlung und Zusanmieuziehung des Erd-
kerns die Hunzelung der Kruste heivorgenifen habe. Der Verfasser findet
mit Dutton diesen Erklärungsversuch als unzureichend. Ausgehend von
dem Satze, dafs die Gezeiten eine Verminderung der ltoUtionsgeschwin-
digkeit der Erde bedingen, gelangt er zum Schlüsse, dnfs die Abplattung
der Erdo sich stetig vermindert bube. Kt berechnet für die Zeit, da dio
Erde viermal schneller sich drehte als jetzt (der Tag also nur 6 Stuuden
dauerte) für den Äquatorialbalbroeamr eine Lange von 7016, und für den
PoUrhalbmeeser eine solche von 6296 km. Der entere verkürzt« sich also
biz jetzt um C38 km , der letztoro verlängerte sich um 1059 km uud die
Abplattung verminderte sich von *li<f , auf >/a88#48. In dieser Verminderung
dos Aquatorialumfang« sieht er nun die 1‘rsache d« Zunammenachubes der
Erdkruste. Die Beschaffenheit des Erdkerns, d. b. der Grad seiner Ver-
festigung und — wenn man einen festen Kern annirnmt — der Zeitpunkt
des Eintretens der Erstarrung ist für diese Frage gleichgültig, da nach
Spencer ein« feste Knikugel sich unter dem EinHosse der Rotation ebenso
abplatten würde, wie eine llüaaige. Ist obigo Erklärung richtig, so müssen
die Zirkumpolargebictc frei von Faltungen (Gebirgen) sein, und raufs die
tropische Zione dio gröfsten Erhebungen enthalten. Das ist aber nur ganz
iro allgemeinen richtig, und der Verfasser verhehlt nicht die mannigfachen
Schwierigkeiten, die ihm die geographische Verteilung der Faltengebirge
bereitet- Solche Schwierigkeiten sind das Vorkommen der höchsten Er-
hebungen nicht am Äquator, sondern an der Grenze der Tropenzone. die
Beschränkung der Fältungen auf gewisse Lokalitäten (dieser Kinwurf Duttons
trifft alle Theorien, welche eine allgemein wirkende Kraft zur Erklärung der
Faltungen annchrocn), der schmale, über beide Hemisphären sich erstreckende
Gebirgsgürtel an der p&cifischen Seite von Amerika, das Vorhandensein von
Erhebungen in den ZirkumpoUrxonen, wenn auch im arktischen Gürtel das
Tiefland und im antarktischen das Meer dominiert. Sum«.
12. Jülg, Über erodierende Meerestlmtigkeit. (Mitteil. Googr.
Ges., Wien 1885, Bd. XXVIII, S. 414 u. 444.)
Eine fieifaige Zusammenstellung des in der Litteratur aufgehäuften
ThalsarhenmutehaU ohne etwas wesentlich Neu« zu bieten. Verdienstlich
ist der Hinweis auf den Zusammenhang der Sturmbahnen und der Ge-
biete gröbster Klistenzcratörung. Recht dürftig ist der Abschnitt über die
Küstcnforrann. Supan.
13. Dana, Origin of Cond Heols und Islands. (Amer. Jouru.
of Sc. 1885, Bd. XXX, 8. 89 u.169. Mit 1 Karte.)
Die Kinwurfe gegen Darwins Kifftheorie, welch« der Generaldirektor
der britischen geologischen Landesaufnahme, Geikie, in seiner Prüsidial-
Adress* vorn Jahre 1883 übersichtlich xuxamm«ng«tcllt und denen er seine
rolle Zustimmung erteilt hotte, voranlafsten den Mitbegründer jener Theorie zu
einer eingehenden kritischen Untersuchung der modernen, von Rein, Semper,
Murray Are. vertretenen Anschauungen , deren Beweiskraft er, wie gleich
im vorhinein bemerkt worden mag , nicht anerkennt. Der Kinwand , dafs
Darwin eine ungeuügcude Thatsachenkcnntnin b«afx, konnte am leichtesten
zurückgewiesen werden, denn wenn sein Beoharhtungsfclrf ouch beschränkt
war, so umfafste es doch ausgezeichnet typische Beispiele von Einbildungen,
und überdies wurde das Bcobachtungxmateriul durch l>ant beträchtlich ver-
mehrt. Sehr zu bedauern ist es dagogen , dafs Dsna die Ansichten Beins
nur aus Geiki« Adrease kennt, und es erklärt sich daraus, dafs er nur
den schwächsten Kinwurf des Erforschers der Bermuda-Inseln zu wider-
logen versucht, allerdings auch nicht in ganz überzeugender NVoise. Rein
hatte auf Grund von Mitteilungen von Professor v. Fritsch erklärt, keine
der altem Formationen weise so märhtigo Riffe auf, als sie Ik&rwin und
Dana für die Gegenwart annehmen, aber er vergafs dabei der ungeschich-
teten Dolomitwälle der Alpen, die v. Richthafen und v. Mojiisovjcs für
Riffbildungen halten, ohno bisher widerlegt worden zu sein. Dor gewich-
tigste Vorwurf, der Darwin gemacht wurde, Ut der, dafs er zuerst seine
Theorie aufstellte und durch dieselbe orst Senkungen nuchzuweiscn sucht«,
während dor umgekehrte Weg hätte eingeschlagen werden »ollen. Dana
gibt eine rein hypothetische Annahme von Senkungen nicht zu. Als aufser-
httlb Hot Theorie stehende Beweis« für dia l«tztcro führt er an : l) die
Existenz fjordenaitiger Küstoueinachnitte , die sich nach oben in Thdler
fbrtselzeu, uud 2) die allmähliche Grötsmobnahme der Inseln einer Gruppe
nach eincT bestimmten Richtung. Daher teilt ot auch nicht Darwins An-
licht, dafs Küstenrifle einen Stillstand oder gar eine Hebung Anzeigen,
und er korrigiert dessen Karte der Niveeuverüuderuugen in mehreren
Punkten. Die Marques*»- Inseln und Tutuila in der Samoagruppe werden
ihrer Fjorde wegen als sinkend betrachtet , uud auch die übrigen Saraoa-
inscln zeigen nach Dana kein« bestimmten Anzeichen einer Hebung. Auch
für die Sandwichinseln vermag er nicht eine allgemein« Hebung anzu-
erkennen. Die Grenzen seines greisen zentralen Senkungsfeld es des Pac lö-
schen Ozeans erscheinen ihm dadurch gegeben, dafs die Inseln der Tahiti-
und die der Sandwichgruppe in westlicher, die der Sarooagruppe aber in öst-
licher Richtung an Gröfs« abnehmen, während gleichzeitig die Kißhildungen
zunehmen. Dafs da» Vorhandensein einer breiten Küstcnebonc auf Tahiti
gegen di« Annahme einer rezenten Senkuug spricht, gibt zwar Dana ebenso
zu, wio die Existenz gehobener Korollonriffc in der Südse«, aber er geht
diesem »ehr gewichtigen Argument der Gegner Darwins dadurch aus dem
Wege, dafs er di«c Hebungserscheinungen für , lokal" erklärt. In den
Tiefaeeuntewuchungen des „Challenger” bei Tahiti erblickt er einen direkten
Beweis für eine einstige Seukuugspeiiode. Dos Vorkommen mächtiger Ko-
TallenfcUmassen in Tiefen von 70 — 180 m ixt nach Dana nur dadurch za
erklären, dafs diese Trümmerzone einst ein hoher« Niveau cinnahm; denn
der Hindu fs der Wellenbewegung uud damit auch die Krosionskraft des
Meeres sei in diesen Tiefen selbst dann gering, wenn der Grund sich all-
mählich senke, uud um so mehr hier, wo die Buchung nirgends unter 45*
sinkt und im Anfang sogar 76° betrügt. Ganz haltlos ist D&nas Beweis-
führung für dio Senkung Floridas, die Agasriz bekanntlich leugnet; denn
mag man auch immerhin an einstigen Landzusammenhang zwischen Süd-
und Zcntralamcrika einerseits und Weatindicn anderseits feethalten, so ist
doch kein zwingender Grund flir dio Annahme vorhanden, dafs die F«t-
landsperiodo noch in die Quartärzcil hiueinragte und dafs die Senkung sich
auch nach N erstreckte. Ein Kontinental Zusammenhang zwischen West-
indien und Nordamerika fand jedenfalls nicht statt. Die moderne Hypo-
these, dal« die Korallenriffe Krönungen unterirdischer Bodenerhebungen
vulkanischen, organischen oder andern Ursprung» »eien, die bis aur Tiefien-
greoxe des Kortülenlebens emporrageu, wird durch Daus nicht erschüttert.
Ob die Tschagoibank eine solche wachsende Anhäufung von Muscheln und
andern Überresten tierischer Herkunft ist, Ut allerdings nicht enriceen,
aber auch das Gegenteil nicht; und die Beobachtung Guppys (Nature,
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r>
Litteraturbericht Nr. 14 — 16.
Bd. XXIX, S. 214). daß die gehobenen Riffe der Salomoninseln eine
verhältnismäßig dünne Schicht über einem unreinen, erdigen Kalkstein
mit zahlreichen Foraminiferen und andern pelagischen Organismen bilden,
ist doch sehr beachten*«* rt. Glücklicher ist der Verfasser in seiner Polemik
gegen jene, die die Kifflcanile durch die Erosion von Meeresströmungen
erklären wollen, wie cs z. B. Seiner in bezug auf den 04 — 82 m tiefen
Kanal der großen f'elewinsel that. Die Erosion kann nicht wirksam gewesen
sein, woil der Ausgang bedeutend seichter ist; und dies ist auch hei zahl-
reichen andern Kiffbildungeu der Fall. Die meisten picifuchcn Atolle
haben Laguncueinginge von weniger als 2 m Tiefe und viele sind ganz
geschlossen, wenigstens zur Kbbezeit. Überdies ist der zerstörende Einfluß
der Welleu an der Außenseite des Riffes ungleich stärker, al« in den Kanälen
und Lagunen, und doch findet dort Wachstum und Verbreiterung statt,
„wenn die Senkung nicht zu rasch vor sich geht“.
Entschieden ist der Streit auch durch die Torliegenden Auseinander-
setzungen Danas nicht. Die Hauptstütze der Darwinschen Theorie, die
Berechnungen der Mächtigkeit der Riffe, ruht uoeh immer auf einer durchaus
schwankenden Bau«, und nur Ticfenbohrungcn , die auch Dana empfiehlt,
werden in diesem Kardinalpunkte eine Entscheidung bringen. Xujxin
14. Chisholm , Rapid» and Waterfalls, (Scottish Geogr.
Mag. 1885, Bd. I, S. 401.)
AU Houptursuche der Entstehung von Wasserfällen und Stromschncllen
betrachtet der Verfasser den Wechte! härterer und weicherer Gesteine, und
namentlich brzeichnet er Massengestcine (besonders Granit), krystalliniach*
Schiefer und Kalkstein als günstig für die Bildung vou WawscrfiUlcn. Auf
die genannte Grundbedingung fuhrt er auch die ThaUarhe zurück , dafs
WassertHlln und Schnellen viel häufiger in Gebirgen, als in Ebenen Vor-
kommen, und dort wieder mehr in Quer-, als in fäingathilem. AU sel-
tener wirkende Ursachen führt er an Verwerfungen innerhalb eines Strom-
bettes (GlcnflUle iro Hudson), Spilteobildung quer durch das Flußbett
(Viktoriaßllc des Sambesi) und Abdämmung eine« Thules. An zahlreichen
Beispielen wird die Theorie erläutert ; interessant ist namentlich der Hinweis
auf die vielen Ministurpendants des Xiagarafalle* in Schottland. Ara Schluß
wird der hemmende Einfluß der Falle und Stromschuellen auf den Ver-
kehr und damit auf die Ausbreitung der Zivilisation besprochen.
SupQH'
16. Forel, Die Formel der „Seiches“; 2. Abhandlung.
(Archives dos Scionces 1885, 3. Sorie, Bd. XI\r, S. 203.)
Id einer frühem Arbeit (Aich. <1m Sc. 1870, Bd. LV1I, S. 278) bitte
der Verfasser aus einer Gleichung H. Merians in Hasel folgende Formel der
Seiches abgeleitet : t z= rr , in welcher t = Zeitdauer in Sekunden
V gh
der halben Oszillation einer „Uninodalseicbe“ ; 1 = Länge and h =r mitt-
lere Tiefe das Seequerschnitt*'», noch welchem die Bewegungen stattünden,
beide letztere Faktoren in Metern aoagedrückt. Die Quantität g wird hier
von Forel nicht erklärt. An tiefen Seen ange wendet, bewies sich die Ge-
nauigkeit dieser Formel aufs vollkommenste.
Derartige Wasserbewegungen, wirklicho ..Seiches4’, wurden aber auch
von H. C. Russell, Präsidenten der Royal Society von New South Wale», auf
dem George -See, Provinz Murray, beobachtet (Tiefe 4,67 — G,10 ra =
16 — 20 engl. P.). Aus 33 gemessenen «Seiches- berechnete Russell die
Dauer einer ganzen Oszillation auf 131 Min. (Diese Dauer wäre, nach
Forel, eine enorme.) , ]9
Die Formel t sr —r, — ”, woraus h =: -- -—z- . gibt als mittlere
V gb V gi *
Tiefe des See* 5,W6 ra :=r 18,1 engl. P., es weicht alao die berechnete
Tiefe vod der beobachteten nicht wesentlich ob, und kann diese Formel
auch bei sehr seichten Seen angewendet werden (der Gcorgo-Sc* hat eine
Läng« von 28962 m und eine Breite von 804 m). Ihre Richtigkeit wäre
also auch hier konstatiert. Sie ist aber auch nur eine Vereinfachung der-
jenigen R. Marians; und schon Sir W. Thompson empfahl sie für jene
Falle, wo -j- einen sehr kleinen Bruch repräsentiert, mit einem Worte, für
alle untiefen Seen. Die Differenz zwischen den Resultaten dieser beiden
Formeln beträgt in diesem Falle nur 0,00« m.
Auf dem Genfer See unterscheidet Forel 3 Typen von Longitudinol-
•eichcs: l. Cninodal-, 2. Binodal-, 3. dikrote Seiches. Die ersten, wo
t = 2190. haben einen einzigen Knotenpunkt (n<rud) und zwei Oazilla-
tion«ar#«M (VentTcs d'oscilUttons), eine westliche und eine örtliche, die «ich
vorzugsweise andern Ufer wahrnehmen lassen. Die Bimxhüneich es sind eigent-
lich zwei l’ninodaUeichtai aneinander gereiht, ln diesen steigt das Wasser
gleichzeitig an beiden Enden de« See*. Die Seichet dierotes sind
durch die Überlagerung der beiden andern gebildet. Häufig an den Enden,
sind sie kaum wahrnehmbar in der Seemitte.
I
I
I
Nachstehende Figuren *) dürften den Unterschied zwischen den beiden
ersten Typen erkennbarer machen.
Figur t. Selche nninodale.
Die früher von Forel als dem «Grand lae- (Villeneuve — Rolle) eigen-
tümlichen angenommenen Seiche« sind nur da* Ostende der Binodaßoiches,
die er biadann im .P^tit UcM (Rolle— Genf) nicht beobachtet hatte.
Sonderbar tst die totale Axymetri* dieser Seiche« auf dem Genfer Sec.
Sämtliche Anhaltspunkte (Ventres und N oeu da) sind nach Werte« ver-
schoben. «<> daß z. B. der „Ventre median'* der Binodalen mit dem Mittel-
punkte de» See* nicht üboreinstimmt, sondern tich, so wie der „Nceud"
der L'niuodaleu, weit westlicher findet. Wahrscheinlich wirken da ab Ur-
sachen einerseits die viel geringere Tiefe de» Wasser* im wertlicheo Teile,
und zugleich die weit geringere llreito in derselben Region. sioiliard.
16. Sprung, Lehrbuch der Meteorologie. Hamburg, Ifoff-
mann & Campe, 1885. (Mit 17 Tafeln.)
Dieses Lehrbuch, im Aufträge der Direktion der Deutschen Seewarte
heraungegebcn , ist da« theoretische Pendant zu r. Bcbbcrs Handbuch der
ausübenden Witterungskundc (s. Litt. -Her. 1885, Nr. 252) und zum Teil
auch zu Hanns Lehrbuch der Klirualologie; denn der Verfasser trennt «ehr
schürf die Begriffe Klimatologie, „welche die meteorologischen Erschei-
nungen vorwiegend vom geographisch-statiatischeu Standpunkte behandelt",
und Meteorologie im engern Sinne, «welche die atmosphärischen Vorgänge
als solche untersucht und dieeclb* auf physikalisch-mechanische Gesetze
zurUckzuführeu »ich bemüht". Da« ist die Ansicht, die auch ich wieder-
holt vertreten habe, wenn sie auch nicht mit jener der „Geophysiker**
übereinstimmt. Trotz seiner Beachriinkung wird aber das vorliegende Lehr-
buch auch dem Geographen manche gute Dionstc leisten; nur muß be-
merkt werden, daß das Studium desselben genügende mathematische Kennt-
nisse vorausaetzt. Wir können hier nur auf ein paar geographisch besonders
wichtige Kapitel aufmerksam machen. Ein solches ist *. B. der Paragraph
der Einleitung, welcher die relative Bewegung eines Körpers an einer be-
liebigen Stell* der rotierenden Erdoberfläche behandelt, und jene Para-
graph* des ersten Kapitels, welche von der barometrischen Höheumeawng
bandeln. In bezug auf den Entwurf von Isobarenkarten «ind zwei Forde-
rungen wichtig: l) die Reduktion des Barometerstände« »nf das Meeres-
mveau kann ohne große Fehler nur bei Statiouen von weniger als 300 m
Sechohn angewendet werden, und zum Studium der Meteorologie von Hoch-
gebirgen eignet sich am beaten die Reduktion auf ein gemeinsame« Niveau
von ca 2000 oder 2600 m Höhe. 2) Jeder mit dem Qnecksilberbarometer
gemoasene Luftdruck ist behufs Vergleichung mit einem andern auf den
46. Grad B. zu reduzieren. Einer Schwerekorrektiou unterliegen aber weder
di« Ancroidangaben , noch die Bestimmungen des Luftdruckes durch die
Beobachtung dw Siedepunktes.
Seitdem die allgemeine Windtbeone von Dove durch dos Studium der
synoptischen Witterungskarten und andre Forschungen (wie beispielsweise
durch die strenge Begrenzung der Posaatgebiet* ) beseitigt wurde, hörte
man nur selten mehr von einer allgemeinen l.uftzirkulation «prochen. Was
früher «1» Störung derselben aufgefaßt wurde, galt und gilt auch heute
noch vielen als Regel. Sprung kehrt dagegen in einer gewissen Beziehung
auf den alten Standpunkt wieder zurück: er verficht die Lehre von der
Rzistenz eines großen Luftaustausche« zwischen dem Äquator und den
Polen, der durch die Temperaturunterschiede dieser Krdstellen hervor-
gerufen werden muß, aber allerdings in den untersten Luftschichten nament-
lich durch den Gegensatz von Wasser und lAnd wesentlich modifiziert
wird. Zur Vereinfachung des Problem» nimmt er mit Forrel an. daß zur
Entstehung von Wärme* und Druckuntersehieden längs der Panülclkreise
keine Veranlassung gegeben aei; eine Annahme freilich, die höchstens in
»ittlero und hohem Breiten der SQdhalbkugel teilweise von der Natur
. l) v bedeutet ventre, n norud.
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7
Litteraturbericht Nr. 17 — 18.
•
«füllt wird. Kinc Tabelle auf S. 193 enthalt die von Porrel und Sprang
berechneten Barometerstände für die einzelnen Breitengrade, nach welchen
ich folgende Kurven (die oberste für die Erdoberfläche , die raittlexe für
2000 ra II., und die unterste für 4000 m Höhe) konstruiert habe. Fol-
gende Probleme sind zu losen:
X. Quad. S. Quad.
1) Der grobe Gegensatz der Karren an der Erdoberfläche im Nord- und
Südquadranten. Die beiden folgenden Kurven zeigen, dafs «ich dieser
Gegensatz in den obern Luftschichten allmählich, wenn auch nicht voll-
ständig auagieieht, und dafs das Luftdrackroaximum im Nord polargebiet
verschwindet. Ob ein solches ira antarktischen Gebiet an der Oberüiche
auch existiert, ist unbekannt, aber wahrscheinlich. 2) Die Entstehung der
subtropischen Barometernuxima. Die dafür übliche Erklärung (Hcrabsinken
de« Antipa&ate* infolge Verengung der Längengrade) wird als unhaltbar
erklärt; denn wäre dieser Grand maßgebend, «• raubte er auch auf der
ruhenden Erde die gleiche Wirkung herrorrafen. Eine Flüssigkeit, die ein
schnell sich verengendes Strombett durchdiefsen rauf», erzeugt aber Stauung;
eine Milche raubte auch ira l.uftmeer xtattfinden und dadurch eine Ver-
mehrung des Luftdruckes in den hohem Breiten anstatt der thatsächlichen
Verringerung bewirken. Zu einem positiven Resultat gelangt aber auch
Sprang nicht, vielmehr vermengt er zwei Anschauungon, die doch scharf
voneinander xu trennen sind: nämlich die subtropischen Baroraeterraaxiraa.
die, wie obige Figur zeigt, nur eine auf die untere Luftschicht beachrünkte
Erscheinung ist, und den Gradienten von der warmen Zone gegen die Pole,
welche (mit Ausnahme des Nordpolargebietes) allen Luftschichten eigen-
tümlich ist. Es ist also 3) zu erklären, warum der Luftdruck von der
Aquatorialxone gegen die Pole so beträchtlich abnimmt, während die Wärrae-
verteilung das Umgekehrte erfordern würde. Porrel* Erklärungsversuche,
denen Sprang prinzipiell zustimmt, enthält, genau besehen, einen Zirkel-
schlaf». Er betrachtet die allgemeine Luftbewegung jeder Hemisphäre als
einen groben Wirbel, dosen Mittelpunkt der Pol ist. Uro denselben be-
wegt »ich die Luft (auf unsrer Hemisphäre) gegen den Uhrzeiger (von W
nach 0) und diese« System rotierender Luft umgibt der Poxsatgürtol mit
entgegengesetzter Luftbcwegung (von 0 nach W); an der Grenze beider
Systeme müsse infolge der Zentrifugalkräfte, welche die Luft nach rocht* ab-
zuweichen zwingt , eine Anhäufung der Luft (das subtropische Karometer-
maximum) entstehen. Hier wird also der Gegensatz zweier vervchtedeu
rotierender Luftmassen als gegeben vorausgesetzt, um jenos Druckmaximum
zu erklären, obwohl er in der Thal nur eine Folge der Drackrerteilung
ist. Mit einem Wort: die Wirkung wird als Ursache gewetzt. Sprung
versucht zwar mit Hilfe der Zentrifugalkräfte den Vorgang plausibler zu
machen, aber vollständig ist der Versuch nicht gelungen. Seine Theorie
ist in Kürze folgende : Ursprünglich besteht iufolge der Temperaturunter-
schiede ein ober« Gradient vom Äquator zu den Polen und ein unterer
von den Polen zum Äquator. Der ober* Gradient ist aber beträchtlich
grober, die obero oat- westliche Geschwindigkeit ist gröber ata die untere
west-östliche. Daher kommt der untere Gradient nur in niedern Breiten
zur Geltung, während in den mittlem und höben) Breiten die obere Luft-
drackvcrteilung das Übergewicht erhält. Auberdera ist Sprang gezwungen,
ganz im Sinne der alten Theorie, ein Herabsinken der obern Luftströmung
an der PoUrgrenxe der Passate anxuuehmen. Der Zusammenhang zwischen
der *o »ehr verschiedenen Drackverteilung in der untern und in der mitt-
ler!) und obern Luftschicht ist also noch nicht Töllig befriedigend erklärt. Die
obige Figur zeigt uns in den mittlem und obern Luftschichten ein Druck-
maximum nicht am Äquator, sondern zwischen 10 und 20° 8. und von
da beständige Abnahme gegen die Pole. Der NO- Passat ist nur ein Phä-
nomen der untern loiftschicht ; über demselben weht bekanntlich 80-Wind,
und ich erinnere zugleich an die Angabe Bl&nfords, dofa über dem X0-
Monsun in Indien der obere SW -Wind Winterregen dem nördlichen Hin-
dustan und Pandschab bringt, während der SW-Monsun in beträchtliche
Höben hinaufreicht. Da* aindThabachcn, die ausgezeichnet mit d« obigen
Figur stimmen, aber in ihren Ictxten Ursachen noch nicht erkannt sind.
Noch wichtiger ist ein andr« Punkt. Die Cirriwolken folgen dem obern
Gradienten, aber auf welchen Wegen strömt die polarwärt* abfliefsende
Loft wind« zum Äquator zurück ? Die Ptswte können nicht da* rückläufige
Glied der Luftzirkulatiou sein, da sie erat in niedern Breiten beginnen, und
in den mittlem und hohem Breiten herrscht der Aqualorialstrom an der
Erdoberfläche ebenso tot, wie in der Uirrusregion. Sprung verlegt den
zurUekkebrendeu Polarstrom in die mittlere Luftschicht ; aber abgesehen
davon , dafs dies eben nur eine Annahme ist, enthält sie auch, wie der
Verfasser selbst zugibt, die .kühne Behauptung", dafs Luftroassen sich
gegen den Gradienten bewegen können. An einer spätem Stelle
sucht er die Möglichkeit eines solchen Vorganges dantuthun.
Ke ist immer anerkennenswert , daf* die auch ftir die physische Geo-
graphie wichtige Frage von der allgemeinen LufUirkulation wieder angeregt
wurde; aber bi* sie nicht gelöst ist, wird der Geograph gut daran thun,
nur mit den drei, an der Erdoberfläche zu beobachtenden LuftstTömungs-
erten zu operieren. In dieser Beziehung findet man in Sprungs Handbuch
nicht nur einen verläßlichen Führ«, aondern auch viele neue Gesichts-
punkte. In ber wichtigen Streitfrage, welche Rollo den Niederschlägen
bei d« Erhaltung und Entstehung der Cy klonen zukomme, nimmt d«
Verfasser eine vermittelnde Stellung ein : der Kondenmtionsprozef* wird als
ein wesentliche* Moment angesehen, da* die Erhaltung der Cykloncu in-
direkt fördert, während es noch unentschieden bleiben müsse, ob er bei
der Entstehung derselben die primäre oder nur eine sekundäre Rolle spiele.
Die Möglichkeit absteigender Luftströme in den Cyklonen gibt der Ver-
fasser xu und erklärt auf diese Weise da* .Auge des Sturm«4, bei tropi-
schen Wirbelwinden. Von den Theorien, welche die Bewegung der Cyklonen
«klären wollen, findet er keine allseitig befriedigend. Etwas dürftig ist
das Kapitel über den Kreislauf de* Warnen in der Atmosphäre, »ehr aus-
führlich dagegen jene* üb« die tägliche Pcriodo der meteorologischen Ele-
mente. Supan.
17. Langley, Researches ou solar heat aud it« absorptiou
by the earth's surfaco. A Report of the Mount Whit-
ney Expedition. (Washington: Government Printing
Office. 1884. 242 pp.)
18. Ferrel , Temperature of the atmoBphere and earth's
surface. Ibid. 69 pp.
Wir glauben diese beiden Publikationen hier zusaminenfa-isen zu sollen,
da dieselben einer fortlaufenden SchrifUnfolge, den „Professional Papers
of the Signal Office44 d« Generals Haxen, angehören und auch verwandte
Stoffe der Erdphysik behandeln. Der Mount Whitney liegt in Kalifornien,
aeine Höhe beträgt gegen 15000 englische Fufa, »ein Gipfel ragt also be-
reits in Luftschichten von *o gering« Dichte hinein, dafs dort angcotcllte
Beobachtungen einen b«ondern Wert haben müssen. Der Verfass« war
ausersehen, den Beobachtungsdienst xu leiten, und so gibt er denn auch
in diesem seinem offiziellen Rapport genaue Rechenschaft über sein Ver-
fahren. Langler hat sich auf seinem Alleghany-Obiervatorium schon früh«
eifrig mit der „ »elektiT*n Absorption “ der Atmosphäre beschäftigt, welcher
zufolge verschiedene Strahlen von unsx« Lufthülle auch in sehr verschie-
dener Weise verschluckt w«den; nicht mind« interessierte ihn die Frage
nach der Intensität der Sonnenstrahlung selbst. All«, wa* hierüber am
ersterwähnten Orte ermittelt werden konnte, findet sich hier im ersten
Kapitel vereinigt. Das zweite ist der Beschreibung der Reise gewidmet,
welche schliefslich zur Begründung einer Beobaehtungsstntion ca 2000 Rufs
unter dem Gipfel des Berges führte; ein photographisch« Bild d« kleinen
Kolonie ist beigrgoben. Weiterhin schildert der Verfasser den Entwickelungs-
gang des als Aktinometrie bekannten Zweige* der Physik, um den sich
insbesondere J. Henchel und Pouillet Verdienste erworben haben, während
neu«ding* Viotle das Verhältnis der Wärme ein« Sonnenstrahls vor und
nach dem Durchgang durch die Erdatmosphäre durch eine Formel ausxu-
drücken suchte. Auf Mount Whitney wurden aktionoraetriache Messungen
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Litteraturbericht Nr. 19—21.
mit einem dem Pouilletschen Pyrheliometer naehgebilde-tcn Instrument« an-
gestellt, welche zu einem verhaltnisroafMgen grofwn Werte fiir die „Sonnen-
koiutantc“ Tcrhalfeu. Aufserdero waren auch kugelförmige Aktinometer
im Gebrauch , wie solche von Mariä- Davy u. a. angegeben sind; e* ist
hierbei nötig, da» sogenannte „ Wasser» Äquivalent " der Kogel zu bestimmen,
dessen Wert mit demjenigen der Sonnenkonstante in engster Beziehung
»teilt, und drei diesem Zwecke dienende Methoden werden ausführlich
auscinandergrsetzt. Da* gesamte so gewonnene Material wird in einer
Reihe von Tafeln und Koorriinatenzeichnungcu nicdorgclegt , auch werden
dio mannigfachen feinen Korrektionen beschrieben, deren es bedarf, um die
Beobachtungen absolut zu machen, um z. B. der Verschiedenheit des Luft-
drucks Rechnung zu trageu Stc. Der Verfasser kommt bei einer Diskussion
seiner Zahlen zu dem Schlüsse, dafs dio selektive Absorption sich euergiKh
bethiitigt, ja dafs bei ihrem Wegfall an der Oberfläche der direkt bestrahl-
ten Erde eine Abkühlung um 200° C. zu konstatieren »ein wurde- Die
reine Warme kraft der Sonne oder auch eines andern lacht und Wärme
spendenden Gestirns, wie »ich solche also etwa au der äufiern Grenze
unsrer Atmosphäre offenbaren mühte, wird nach Langlcy bis jetzt stets
zu gering ge»chlitzt. Im elften Kapitel kommt da» SpektTobolomcter zur
Spracbo; durch diese* wird nach bekannter Weise ein prismatisches Sonnen-
bild entworfen, zugleich aber das Mafs thermischer Energie bestimmt, wel-
che« einer jeden Stelle im Spektrum entspricht. Denkt man sich von dem
fraglichen Punkte au» zur Längsrichtung de» Spektrum» eine StrecJce pro-
portional jenem Inten»itit«mafse abgetragen , so zieht sich durch die End-
punkt« all dieser Strecken eine Linie hindurch, welche hier Knergiekurve
genannt und uns in verschiedenen Abbildungen vorgeführt wird. Neben
der Permeabilität der Loft für Wärme wird auch ihre Durchlässigkeit für
Licht geprüft , und cs ergaben die Bergboohochtungen für den im Sinne
Seidel» ermittelten Zenital - Durchla«ißkeit»koefB*ienten dio Zahl 0,88, der
allerdings den von Pickering geltend gemachten Bedenken zufolge nicht
völlig zuverlässig erscheint. Betreff* der Himroctotrahlung ist Langley,
deuten Obaerrstorium ihm nur selten den Anblick reinen blauen Himmels
gestattet, nicht in der Lage, erheblich Neue» dem hinzuzuftigen , wo» man
»eit Clausius' Arbeiten darüber weif». Dagegen teilt er umfassendere Ver-
suchsreihen mit hinsichtlich der Grübe der nächtlichen Ausstrahlung, zu
deren Measuug er sich einer Kombination von drei verschieden aptierten
Thermometern bedient; die von ihm am Mount Whitney und von Melloni
unter möglichst analogen TempcraturverbältniMcn im südlichen Italien er-
zielten KrlcbnLvie weichen um wenig Über einen halbeu Zentcnimalgrad von-
einander ab. Sehr gründlich wurde auf der kalifornischen Station auch
dor Gang der Luftfeuchtigkeit verfolgt, und Langley benutzte diese Ge-
legenheit, um den Beziehungen zwischen der ürüfso deT selektiven Absorp-
tion und der Luftfeuchtigkeit auf di« Spur zu kommen ; natürlich tragen
die von ihm hierfür entwickelten Formeln zur Zeit noch einen ganz empi-
rischen Charakter. Bin weiteres Kapitel bringt reiches Zahlenmaterial, um
daran die ZuverUbaigkeit verschiedener Formeln Air barometrische Höhto-
messung prüfen xu können, and daran reihen »ich Mitteilungen des Geaell-
schafUmitgliede« Day über quantitative Bestimmungen der atmosphärischen
Kohlensäure. Au» lAngleva Schlußwort erhellt recht deutlich, welche
Schätze fiir kosmische oral tcllurischo Physik in diesem Bande aufgespei-
chert sind, von dessen Thataacheufülle hier freilich nur eine ungefähre
Oberlicht gegeben werden konnte.
Ferrel geht bei »einer Untersuchung aus von der bekannten, u. a.
der auch in Hanns „Handbuch der Klimatologie'* bewiesen« Relation für
die mittler« Intensität der Bestrahlung, welche einem an der Außenfläche
unsrer Atmosphäre befindlichen Punkte im Laufe eines Tages zu teil wird,
und entwickelt die«- Grobe J' in cino Doppelreihe, welche nach geraden
Potenzen des Sinus der Deklination fortschreitet ; die ganz dom gleichen
Ziele zustrebende Arbeit von Schleraäller scheint dem Verfasser entgangen
zu sein. Die auf Grand dieser Näherungsformel berechneten Werte werden
in einer Tafel zu Kimmen gestellt , welche für alle um 10° fortschreitenden
Breiten und jeweils für Anfang und Mitte des Monats den Wort von J'
erkennen Ulst. Der Verfasser untersucht dann weiter den mit der Strah-
lung verbundenen Wärroeierlust und stellt die Differentialgleichungen für
den Fall einer diathermanen Umhüllung auf; vorläufig scheint uns der
Gewinn all die«er Entwickelungen allerdings mehr nach der mathematischen
Seite hin zu liegen. Im dritten Teile der Ferrelachen Schrift berühren »ich
die Untersuchungsobjekte nahe mit denjenigen, denen auch langley vor-
wiegend seine Aufmerksamkeit zuwandto, indem es sich hier um den Be-
trag handelt, um welchen ein durch eine Platte hindurchgegaugene» Strahlen
bündel an (Licht- oder Wärm«-) Intensität verliert. Die Methode der
Konstantenbestimmung ist neu ; desgleichen verdient Beachtung eine zur
Bestimmung der Viollenchen Sonnenkonetant# (s. oben) angc*tcllt« Versuchs-
reihe. Für die physische Geographie wichtig sind die Angaben Uber die
mittlere Temperatur der Erdkugel, sowie Uber die mittleren Temperaturen,
0
welche einer gewissen Polhühe entsprechen, und über die an dieses
Mittelwerten durch die groben Meeresströmungen bewirkten Änderungen.
Die vertikale Verteilung der Temperatur io der Erdoberfläche läßt »ich
gleichfalls nach den vom Verfasser aufgestellten aktinometrischeo Relationen
annähernd it Usch ätzen. Oberhaupt ist in der vorliegenden Schrift zwar
noch keine endgültig« Lösung des so äußerst komplizierten Problems, die
Verteilung der Warme auf der Erde und in der Luft in dem Sinne zu
finden, daß direkt au» dem Sonnenstände und der LuftbeKhatTenheit das
thermometruche Verhalten einer Krdgegend für einen Moment oder auch
für einen bestimmten Zeitabschnitt erschlossen werden könnt«, wohl aber
ist durch Ferrel die Behandlung dieser Aufgabe wieder um ein Stück über
da» Niveau emporgeftihrt worden, welche» bereits durch die Arbeiten von
Meech und Haughton erreicht war. s. QüntKtr.
19. Erk, über die Darstellung der stündlichen und jähr-
lichen Verteilung der Temperatur durch ein einziges
(Thermo - Isopletben-) Diagramm und dessen Verwen-
dung in der Meteorologie. (Met. Zeitschr. , Berlin
1885, Bd. II, 8. 281.)
Der Temperaturreriaaf eine» raittlem Monatstagcs i»t abhängig von
zwei Variahirn, von der Tagesstunde uud dem Monat. Dio Funktion zweier
unabhängiger Variablen führt aber xu einer Fliehe, d. h. eine Tibclle,
welche für jeden Monat uud jede Stunde die Teropcraturaogaben enthält,
kann nur durch eint Fliehe dargestellt werden. In bezug auf die Koo«
«traktinn der Thermo-Isoplethen und die Darstellung selbst mub auf da»
Original verwiesen werden. Dasselbe enthält die Therrno-Iaopletheu für
dre: Stationen : München, Madrid undüssabon; man kann an» denselben Für
jede Stunde jede« TVigrs die mittler« Temperatur ablesen. Aufaerordentlich
interessant ist der Vergleich der Linien für Madrid und Lissabon , der
klimatische Gegensatz beider Ort« tritt mit überraschender Deutlichkeit
su Tage. Diese Darstellungsweise dürft« sich dalier auch für die geo-
graphische Klimatologie vorzüglich eignen, namentlich zur Oiarakteri vierung
klimatischer Unterschied« benachbarter Gegenden, die in den mittleren
MonaUtemperaturen schon verwischt »ind. Die für den Meteorologen wich-
tigste Verwendung der Isopletheu dürfte darin bestehen, dafs sie di« Mittel
an die Hand giebt, die Resultate au» Terminbeobachtongen auf *24»tündige
Mittelwerte zurückzuführeu. Supon.
20. Ekholm u. Hagström , Mosures «los hauteurs «?t des
mouvomouts «los nuAges. Upsala 1885. (Soc. K. des Sc.)
Do» Hauptgewicht dieser Publikation beruht auf der Beschreibung
einer ebenso bequemen, wie sichern Methode zur Messung der Höhen und
Bewegungen der Wolken. Unsre Kenntnis der obern Luftströmungen ist
noch aufserordentlich mangelhaft, und doch kann nur Ton ihr allein der
Ausbau der modernen Windtheorie erwartet werden, und kann nur mit
ihrer Hilfe die wichtige Frage entschieden worden, in welchen Beziehungen
die an der Erdoberfläche beobachteten Windsysteroe zu einer hypothetisch
angenommenen allgemeinen Luftzirkulation stehen. (Vgl. Litt.-B«T. Nr. 16.)
Die Resultate der Beobachtungen der Verfasser selbst sind dagegen
wegen der kurzen Dauer der Bcobachtungszeit (Sommer 1884) noch nicht
sicher genug. Sie beziehen »ich auf die tägliche Periode der Wolkenhöhe,
auf deren Beziehungen zu don Barometerständen und auf die vertikalen
und horizontalen Bewegungen der Wolken. Cher die mittler« Höh« der
Wolken (nach der Terminologie von Hildebrandaaon) gibt folgende Tabelle
Aufsehlufs:
600 m Stratus
1100 n Untere Nimbus
1600 „ Cumulus und Cumulo-stratus
2000 „ Unter« AHo.Curaulu»
2200 m Obere Nimbus
4200 ,i Obere Alto-Tumului
6600 „ Cirro-Cumulus
6800 „ Cirrus. Supan.
21. Abercromby, Upper Wind Currente over the Equator.
(Nature 1885, Rd. XXXII, S. 624.)
Auf einer Heu« rnn Aden tvKh Australien im Februar 1885 wurden
folgende intereraente Beobachtungen über die oberen Luftströmungen gcmmcht :
2* N
1*8
5“S
10° S
13° 8
?*S
25“ 8
Cirri ....
. KSK
B
B-HSK
—
—
—
—
Mittler« Logen .
. F.
« i
N
NNW
SK
SB
8
SK
Oberfläche . .
. USB
NW
NW
NW
$
SK
B
Der wiuterlicbe N W-Moniun de« Indimelien Orratu erscheint *I«o nur
,D eine OberiOchenftrömUDg, über welche der SE-Flml bl» über den
li)U«t(ir binäberreicht. (Vgl. Litt.- Her. Nr. 1G-) Supan.
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Litteraturbericht Nr. 22 — 24.
9
22. Hann, Einigt- Bemerkungen zur Eutwickelungsgeschichte
der Ansichten Uber den Ursprung des Föhn. (Meteor.
Zeitschr., Berlin 1885, Bd. II, 8. 393.)
In einem Vortrag ton Prof. v. B exold (ibid. S. 313) wird der Physiker
Hclmholtx al* der eigentliche Urhobcr der modornon therrno-dynoimsehen Föhn-
theorie genannt (Ober Eis und Gletscher 1665). Dem gegenüber tuscht Hann
darauf aufmerksam, dafs die Bemerkungen von Helmholtx sich nicht auf den
Hauptpunkt dt» StTeitcs zwischen Dote und den Schweizern, die Trockenheit
des Ftthu, bezöget* % und ferner, dafs schon am Anfang der 30er Jahre
der amerikanische Forscher Bspy richtige Ansichten übeT den Föhn (sowie
über andere meteorologische Fragen) äußerte, freilich ohne in der Zeit
der Herrschaft der Doveschen Thronen die ihnen gebührende Beachtung
zu finden. So sind als die Begründer der modernen Föhntheorie immer-
hin llanu (1866 U. 1 8<’»7) und Wild (18G7) zu betrachtet!. Bemerkens»
wert ist <w, dafs auch in einer historischen Notiz von Koppen in derselben
Zeitschrift (S. 414) Dove geradezu als ein binderndes Moment in der Ent-
wicklungsgeschichte der modernen Meteorologie bezeichnet wird; das darf
uns natürlich nicht hindern, Dom gmfse Verdienste um die geographische
Klitnalehre anzugrkennen. .Vupo*.
23. Reiter, Die Konsolidation der Physiognomik, als Vor-
such oinor Okologio der Gewächse. Graz, lausch-
ner & Lubensky, 1885.
ln der phrnognomixchen Betrachtungsweise des PfUnzcnreichc-s welche
zuerst und mit ausgezeichnetem Erfolge zum Zwecke pthmxeugeographischer
Schilderungen Yon A. v. Humboldt in ein bestimmtes System gebracht, und
als beinahe eigner Zweig der Botanik oder physischen Erdkunde bingcstollt
wurde, sind ton jeher bestimmte Typen «ntewchleden worden, welche als
«Vegetationsformen" die Einheiten des I,auiUchafUbildex gegenüber den mor-
phologischen Einheiten des Systems darstellen sollten. Ke hat imraei die
Gefahr nahe gelegen, dafs diene Einheiten teils sehr unbestimmt, teils sehr
willkürlich aus der Fülle der Pfianxenformcn gewählt wurden ; meistens hielt
man sich auch nur an die durch Geselligkeit herrorrageuden Formen, ob-
gleich natürlich ciue prinzipielle Physiognomik ron der Geselligkeit als einem
sehr wenig bestimmten Begriffe absehen mufs. Flir die eigentliche Charak-
teristik der „ Floreureiehe" erweisen sich die Vegetationsformen aus dem
Grunde unzulänglich, weil Jena sich in erster Uni« auf die systema-
tischen Charaktere ihrer l>flanz*nbürger stützen sollen, wie Referent im
Erginzungsheft 7 4 dieser „ Mitteilungen1*, S. 4 — ö und 8. 11— 12, zu zeigen
sich boraühtc; dagegen bilden sic die Hauptunterlago Air die Schilderung
der Wechselwirkungen zwischen Standorten, Klima und Pflanxenleben, oder
für die daraus hergcleitet© Formations- und Zoneneinteilung der
Vegetation. — Verfasser bat sich in vorliegendem Buche bemüht, wissen-
schaftliche Prinzipien von allgemeiner Gültigkeit in die Physiognomik hinein
zu bringen, indem ct, von den systematischen Gruppen dee Pflanzenreichs
abstrahierend, die Anpoa&ungseracheinungen des Pflanxenleben* an ihre Um-
gebung als „Ökologie" odeT „HauxhaRalehre" zu einem eignen wisaonscluft-
lichen Gesichtspunkte erhebt, die Ökologisch gleich eingerichteten Pflanzen
unler dem Titel von „Vegetationsformen" zoxararoenfufat , und die Aufgabe
der Physiognomik darin sucht, die Aggregation und Tektonik der einer
Gegend ein bestimmmtea Gepräge verleihenden ökologischen Grundformen
(d. h. Vegetationsformen) zu erforschon. «Unter einer VcgeUtinnsfonn
sind alK* sämtliche Pflanzen zu verstehen, welche in bezug auf ihre Leben»-
thätigkeit und die dazu gehörige Ausrüstung in allen wesentlichen Stücken
untereinander iibcieinstimmen , mögen sie nun systematisch verwandt sein
oder nicht".
Die entwickelten Prinzipien sind zunächst vollständig richtig, und man
kann, ihnen selbständig folgend, sogloicb z. B. Zwiebelgewächse als eine
solche ökologische Grundform bezeichnen, glaziale Stauden als eine andre
zu sehr viel verschiedenen Ordnungen des Prtanx<um.«tems gehörige, Bäume
als eine grobe Gruppe solcher ökologischer Grundformen örc. So kann
man leicht zu einer groben Reihe natürlicher Einheiten kommen, die unter
sorgfältiger Erwägung der den PflanzenhaushtR bestimmenden Faktoren (also
der verschiedenen Komponenten des Klimas, ferner Boden, Licht- oder
Schatteobediirfnis &c.) eine vollständige und sehr in das Einzelne gehende
Einteilung der gesamten Gewichsformen vorzunehmen erlauben.
Vergleicht nmn nun das vom Verfasser selbst in diesem Buch nach
Minen eiguen Prinzipien gemachte System der ökologischen Grundformen,
so ist man enttäuscht, weil das Resultat nicht den Erwartungen entspricht,
die man nach dem vorher Gelesenen zu hegen berechtigt war. Referent
sucht dies teilweise durch einen prinzipiellen Fehler des Verfassers zu
erklären, der nämlich in der Anatomie wesentlich nur oine Anpoxtungaer-
aeheinung schwach vererbbarer Art erblickt, während bekanntlich eiu grober 1
Petermauns Geogt. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bericht.
Teil ihrer Charaktere nicht der Biologie, sondern der Systematik xufällt.
Wir finden daher unter den Vegetationsformen wiederum eine Reihe syste-
matischer Gruppen, wie z. B. sogleich die Algen und Moose, hier aber
durch anatomische Merkmale vou den übrigen unterschieden, als wenn sie
dadurch ihren Charakter als Systemklacien verloren! Es ist natürlich hier
nicht der Ort, botanische Einzelheiten vorzutesgen, sondern Referent nrafs
es eiuer zudem Gelegenheit Überlauten, diese seine abfällige Meinung über
Reiters Einteilung der ökologischen Grundformen ausführlicher zu begrün-
den, während er die Richtigkeit der meisten l*rinxipien und kritischen Be-
merkungen Uber frühere Leistungen im Gegensatz zu der zu losenden Auf-
gabe vollauf anerkennt ; abgesehen nur Ton joner Übertreibung, die die Kölle
der Pflauzenauatocnie dabei erhalten hat. — Übrigen» enthalten die Kapitel
1—0 eigentlich nur ein gedrängtes Lehrbuch über diejenigen Dinge des
Pflanieniebor», weicht von der allgemeinen (anatomisch - physiologischen) Bo-
tanik dem Ökologen zu wissen notwendig scheinen. Erat der zweite Ab-
schnitt (S. 162 — 25C) enthält dos Originelle, die K|xaielle Ökologie.
Drude.
24. Wclckcp, Die Kapazität und die drei Hauptdurchmesser
der Schädelkapsel bei den verschiedenen Nationen. (Ar-
chiv für Anthropologie, Braunschweig 1885, Bd. XVI,
S. 1.)
In bezug auf die in der Litteratur vorkommenden Angaben über die
Scbadolkapazität auf Grund dirvkter Messung kommt der Verfasser nach
einer eingehenden Kritik zum Schlüsse, dafs !,.'io derselben unrichtig seien,
da die Mittelwerte für ein uud dasselbe Volk bei verschiedenen Autoren
um 100 — 300 ccm voneinander abweichen. Bei den bisher Üblicheu Me-
thoden war die Gefahr der Überschätzung grörsor, ah jene der Unterschätzung.
Kleine Untorsuchuugsreihen (20 — 30 Schädel) genügen zur Ableitung eiu«
guten Mittelwertes, vorausgesetzt, dar* das Material rein uud das Verfahren
zweckmäßig ist. Unter allen Umständen md&sen aber bei Vomahmo jeder
einzelnen Mctrtungsreihc «der bei wichtigem Einzelroessuugeu an einem gut
gefertigten Etalon (am besten Rankes Brnnxrschädol) vor und nach der Ar-
beit Kontrollmcaxungeu vorgenommen werden. Von den Methoden der in-
direkten Ableitung dor Kapazität aus äußern Schädel maßen wird als die
beste und einfachste die Ableitung aus dem Modulus bei Berücksichtigung
des Breitonindex bezeichnet. Die Knochenstärke ist dabei ebenfalls in Roch-
uuug zu ziehen. Zu der, besonders für Forachungsrciseude wichtigen Me-
thode der Ermittelung der Kapazität aus dem borizontnlcn Kopfumfung der
Lebenden werden einige Verbesserungen ungegeben. Die große Tabelle auf
S. 99 ff. gibt die (direkt odor indirekt gewonnenen) Kapoxitütswcrte und
die Breiten- und Höhenindicea (d. h. LängahÖhenindicoa) für 124 Gruppen.
Für größere Gruppen werden folgende Kapazität* werte gefunden : Deutsche
1478, Slawen 1479, vorderindwehe Völker 1316, asiatische Malaien 1402,
Polynesier 1401, Neger 1330 ccm. Die nachfolgenden Kapitel beschäftigen
sich mit den drei Hauptdurehmwscm der Schädclkapsel ; die wichtigsten
Tabellen sind bereits in die 6. Auflage von PescheU Völkerkunde (1885)
aufgenommen worden; hier ist auch Welckera Einteilung der Schädel nach
dem Breiton- und Höhenindex adoptiert worden; üb«T die vielfach vonein-
ander abweichenden Kinteilungxsrstetue gibt ciue sehr lehrreiche Tabelle auf
S. 128 Aufschluß. Als Mittelforro dos Schädels (Indifferenzpunkt der Schädel-
breite) wird der Brcitcnisdex 79 — 80 bestimmt. Folgende Tabclio umfaßt
Welckera Hauptgnippen :
Hrcitan-
UtUa.-
Rn lim-
UCImo-
l»Ui
imlex
Diff.
Index
Index
Di*.
(-)
<+>
(-)
<+>
Deutsche . . .
81,1
72,7-
8.4
Hamiten . .
76,6
74,» —
1.8
Andre germanische
SO-Mougolen .
79,»
78,6 —
0,8
Völker ....
78,6
71,6 —
7,2
Finnotürken .
81.»
75,8 —
6,8
Kelten . . . .
77,1
71,» —
6,8
NO-Moogolen .
85.0
73,7 —
11.»
Romanen . • .
79.»
74,4 —
5,5
Asiatische Ma-
Griechen . •
78,6
74,0 —
4,5
laien . . .
81.»
79, t —
2.)
Slawen . . . •
83,0
76,4 —
6,4
Polynesier . .
75.«
77,1 -(*
1,1
Yorderind. Völker .
73,»
78.»
0
Papua* . . .
72,8
75,7 ■+•
3,4
Hindurch - mongo-
Australier . .
73, *
74,0 -|-
1.«
lische Mischlinge
. . .
72,8
74.» 4-
2,6
uud Verwandte .
77,*
76,* —
M
Koin-Koin . .
71,1
70,0 —
1,1
Semiten . . . .
76,7
74,1 —
2.6
Eskimos . .
72,0
74,1 -f
2,1
Indianer . .
79,1
76,61)—
2.«
Id bezug auf das Verhältnis der beiden Indices in einem und dem-
selben Schädel gelangt der Verfasser zu folgendem Schluß. Mit wachsendem
Breiteilindex wächst durchschnittlich uueh der Höhenindex, aber langsamer
1) Ini Original fälschlich 78,!*
b
10
Litteraturberieht Nr. 25—26,
so dafs bei den Dolicbocepholen der Höhen-, bei den übrigen der Breiten-
index Gbenriegt. Der Wendepunkt (wo die Dille rem aus dem Positiven in
du Negative übergebt) liegt zwischen den BroiUnindicee 74 und 76. Den
Schluß bildet eine eingehende Kritik der Termini nach der Frankfurter Ver-
sündigung, die insofern Verwirrung bringen, als eie für die OccipiUUneicht
geschaffen wurden, und nun für du Profllbild gelten sollen. Supan.
25. Fritsch, Das menschliche Haar als Kassennierkmal,
(Verh. <1. Ges. f. Anthropologie , Berlin 1885,
Bd. XVII, S. 279.)
Von einigen Anthropologen, wie x. B. Huxlry und P. Müller, wurde
bereit« dio Form und Gruppierung d« Kopfhaares als Einteilungsprinzip
in Anwendung gebrecht ; andre , wie z. B. Peschei, betrachteten das Haar
als wichtiges Kaum merk mal, das über zu mannigfache Übergänge zeige, um
als Grundlage eine« Systems xu dienen. Fritsch scheint sich der erstem
Gruppe xuzuneigen; er betont aber zunächst dio Notwendigkeit fest um-
grenzter Begriffe und richtiger Bezeichnungen. Die Bezeichnung „Wollhaar"
ist z. B. seiner Ansicht nach falsch. Die Haare sind makroskopisch und
miknxkopiach zu untersuchen; die erstgenannte l'ntersuchuugsm ist tod
allen Reisenden leicht auszufUhreu. Supern.
26. Vämbery, Da» TUrkenvolk. Leipzig, F. A. Brockhaus,
1885.
Kino Schilderung de« Türken Volkes ist zwoifellr* eine der inhalta-
tollsten und dankbarsten Aufgaben der modernen Ethnologie. Knüpfen
»ich doch an da» Türkcuvolk bei de.weu aufseronlentlichen geographischen
Verbreitung, sowie bei der außerordentlichen Holle, welche es in der Ge-
schichte gespielt hat, eine lteihe von wichtigen Problemen der Anthropologie,
der Antbropogeosnaphif , der Geschichte, der Linguistik. Allerdings hat
der Forscher auf diesem Gebiete auch mit außerordentlichen Schwierigkeiten
zu rechnen: es mul* derselbe nicht nur ein tüchtiger Kthnolog, sondern
auch ein Meister in den türkischen Sprachen und ein Kenner der Ge-
schichte des Orients sein, er muß schließlich, da ja nahezu die Hälft«
der TürkenvölkcT nntOT russischer Herrcchaft steht und ton rusMschon
Forschern studiert wird , auch iu der schwer zugänglichen russischen
Litteratur xuhause sein. Der verdienstvolle Verfasser der vorliegenden
Monographie war diesen Schwierigkeiten wohl gewachsen. Seine Arbeit
hnt demgemäß ihre bedeutenden Vorzüge, welche ihr eine Stellung in der
wissenschaftlichen Litteretur sichern. Der Verfasser gibt uns nach einer
allgemeinen Einleitung über den Ursprung, die Stellung der Türken im
arel -altaisrhea Stamme und die Wanderungen und Gwchickc derselben eine
Reihe von systematisch angeordneten Lebensbildern der einzelnen Türken-
Tölker; sein« Schilderungen bewegen »ich dabei durchweg auf der einzig
richtigen Basis der geographischen und historischen Verhältnisse. Wün-
schenswert wäre es allerding*, wenn der Verfasser den historischen und geo-
graphischen Begriff insofern erweitert hätte, um auch den ökonomischen
Verhältnissen und Geschicken der betreffenden Völker eine gebührende Be-
rücksichtigung zu widmen. Die Bilder, die an« der Verfasser etwa von
den Kirgisen, den Tataren Sibiriens Äc. entworfen, hätten dabei zweifetlo«
an Farbe und Leben gewonnen. Am Platze wir« ferner die genauere,
mitunter auch vollständig fehlende Berücksichtigung der Rech t*be griffe der
Völker gewesen, derjenigen Begriffe somit, die uns als Ausfluß dcT wirt-
spbalUichcn und historischen Geschicke der Völker erscheinen. Nicht un-
billig ist schließlich der Wunsch, dafs eine derartige umfassende und hoch-
wichtige Monographie gelegentlich auch Ton der vergleichenden Methode
Nutzen gezogen hätte; welch eine mächtige Forderung für die Fixierung
uud Ausarbeitung der Probleme der Ethnologie selbst in einer geringen
Andeutung in diesem Sinne liegen und welch ein weites Feld für frucht-
bringende Analogien die Betrachtung der Türken Völker bieten kann, bruuehen
wir nicht näher xu entwickeln.
Sehr natürlich ist es bei der heterogenen Beschaffenheit des Material«,
daß die einzelnen Vülkerbilder nicht die gleiche Vollständigkeit besitzen.
Wir finden jedoch ganz abgesehen von diesem natürlichen l'rnctand, daß
das Werk überhaupt recht ungleich ausgearbeitet ist Währenddem einzelne
Abschnitte mit der bekannten Meisterschaft de« Verfasser» behandelt werden
und eine reiche Fülle von originellen uud geistvollen Kombinationen hirten,
sind andre Abschnitte gewissermaßen stiefmütterlich bedacht: so die Aus-
führungen über die sibirischen Altertümer, die sibirischen Türken, die Ta-
taren von Kasan, diejenigen der Krim Are. Allerdings vermag Referent
aus eigner Erfahrung die Schwierigkeiten zu schätzen, mit welchen die Bo-
«chatfung dcT in diesem Fall unentbehrlichen russbrhen I.ittoretur verknüpft
Ut ; indc«en wären diese Schwierigkeiten für einen Autor vom Kufe Vdro-
hery* und bei der Vorliebe desselben für russische Quellen, durrh welche
er mitunter selbst deutsche und englische Quellen ersetzt, wohl zu um-
gehen; ja wir sind der Anschauung, daß ein« genauere Berücksichtigung
der „ßwesdija*' der russischen Geogr. Gesellschaft und ihrer Sektionen zur
Bereicherung mancher Abschnitte dos Werke» beigetragen hätte, ln bezug
auf die Tendenz de* Werkes möchten wir bemerken, daß der Verfasser
unsrer Anschauung nach dem unbändigen Wandertrieb der Türken bei der
Charakteristik ihres Wesens eine gar zu entscheidende Kollo zuschreibt
(Abschnitt f> der Einleitung, S. 17t, 170, 182 u. ff.), währenddem er doch
an zahlreichen andern Orten treffend die natürlichen l.' machen der Wan-
derung zu erörtern und die bereit» ansässigen Türkenvolker au schildern
weiß. Eigentümlich sind die schroffen Ausfälle gegen den kulturfeindlichen
Islam, de»«n kulturfördernde Riffle an andern Orten durchaus richtig ge-
schützt wird; S. 311 sogt unser Verfasser sogar, daß „vom Islam in bezug
auf dio Umgestaltung de» Nomaden zum Kulturmenschen viel mehr xu er-
warten sei als vom Christentum*'. (S. auch S. 114 und 510.) Daß der
Verfaßter »eine persönlichen Anschauungen über den Ursprung der Magyaren
zur Geltung bringt, finden wir durchaus berechtigt. Sehr verdienstvoll ist
es ferner, daß er seiner bekannten Antipathie gegen da» Kuoentum bloß
durch einen unschuldigen Stofsieufzor Luft gemacht bat, indem er gelegent-
lich der Kulturbe»trcbungen der Russen in Zcntrtdasieu bemerkt: .Wenn-
gleich wir es vorgezogen hätten, diese» Licht au» einer ergiebigen! und
mehr geeigneten Quelle hervoretromen zu sehen, so können wir doch nicht
umhin, selbst das Hcrunbrccbcn dieser neuen Morgenröte mit Freuden zu
begrüßen" (S. 413). Der d filtern Anschauung dos Verfassen, nach welchem
da* Türkenvolk sein« Rolle ausgespielt hatte, können wir keineswegs bei-
stimmen. Der \>rfas<er schildert das Türkenvolk als ein ..Menschen-
geschlecht, das mit oll der weltgeschichtlichen Bedeutung in der Vergangen-
heit, mit oll den riesigen Umwälzungen, di« oa hervorgerufen, unfähig,
•eine nationale Existenz zu begründen , nun teils einer gänzlichen Vernich-
tung, teils einer wesentlichen Umgestaltung entgegeneitt** (8. 822, s. auch
S. 82 — 84). Wir sind nicht der Anschauung, daß ein Aufgebon des
Nomadenturu» gleichbedeutend wäre mit dem Aufhören de» Türken tu ras.
Wir vertrauen auf di« Möglichkeit der Gewinnung zahlreicher türkischer
Stämme für die Kultur. Die Kultuzbefähigung dieser Stämme steht außer
Zweifel (bezügliche Angaben wären ja selb*t über die sibirischen Türken
zu finden, s. Middendortf, Jadrinxew u. a.). Die Schwierigkeit der Ge-
winnung dieser Völker für die Kultur scheint allerdings dafür zu sprechen,
«laß sie einor gewissermaßen eigentümlichen , ihrem türkischen Wesen an-
regenden Kultur bedürftig sind.
Au* der reichen Fülle der bemerkenswerten Ausführungen de» Ver-
lagere heben wir noch folgende hervor: .Dio geographische Verbreitung
der Türken im hohen Altertum hat »ich bis auf die Gegenwart nur wenig
verändert, sowie im allgemeinen die im Anfang d** geschichtlichen Zeitalters
Vorgefundenen ethnischen Gruppierungen der Ural-Altaier gewiß schon »eit
Jahrtausenden »ich nur wonig verändert hatten**, 8. 58. Aß den Ursitz
der Türken siebt Verfasser „das an das Quellengthiet und an den obern
Lauf der Angara, de» Jenissei, Ob und Irtiseh angrenzende Sprachgebiet
an. von welchem einzelne Fraktionen «chon »ehr früh nach S und SW
vorgedrungeii waren, während sie nach N und nach 0 aber nur äußeret
»ölten und nur unfreiwillige raigratorisehe Bewegungen bekundet hohen**,
8. 48. über die Figuren lesen wir unter andern), daß Figuren im hohen
Altertum ein türkischer Volksstamm genannt wurde, welcher »eine Blüte in
dem iistcn Jahrhundert nach Chr. erreicht und „im Norden de« Thieo-
Schan und im benachbarten lligcbiete bß zum Tschui über die benachbarten
Türkenclementc eine geistige und materielle Pression aungeübt hol“. Zur
Zeit de» arabischen Einfalß in Ostturkostan existierte diese, vielleicht von
den Chinesen vernichtete Oberherrnchaft nicht mehr. Erst nach dem Auf-
treten der Mongolen wird der Name Figur wieder aufgefrischt. „Es war
dos nur ein leicht begreiflicher, aber nicht begründeter Namenwechsel, in-
folgedessen man dio Türken Ostturknvtans bei un* im Westen noch bis
zum Anfang dieses Jahrhunderts aß Figuren bezeichnet hatte*, 8. 323.
Da» xu* dem Jahre 10G7 stammende Kudnlku Bilik, dos ältest» Denk-
mal der uigurischen Spreche, kenut den Namen Figuren nicht. Die Be-
zeichnung Chui-Chui gilt keinnsweg» ausschließlich für Figuren: cs worden
hiermit „im allgemeinen die Mohammedaner bezeichnet*1, S. 315. (Im
Uegeuntz zu Kadloff, dessen „Aus Sibirien'' Verfasser übrigens nicht er-
wähnt.) In den Tschuwaschen erblickt det Verfasser einen türkischen
Volk» -»tarnen, .der nicht zur Zeit des mongolischen Einfall», wte Sbojew au-
nimmt, »indem noch lange vor Auftreten de» Islam von seiner südlicher
gelegenen Heimat, worauf sein« Tradition vom Zuge von den Ufern de«
Schwarten Meeres «ich beziehen mag, in die nördlich gelegene Waldregion
am rechten Wolga- Ufer verdrängt worden ist41, 8. 495. ln bezug auf die
Baschkiren existieren für den Yeriasacr keine Rätsel' „Die eigentlich«
Sachlage liegt sonnenklar vor Augen*, S. 496- Die Existenz dieser Fraktion
de» türkischen Volkes, „die in ethnischer Beziehung immer zu den Turko-
Taturen gehörte“, in ihrer heutigen Heimat ist schon im Anßng de«
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Litteraturbericht Nr. 27 — 28.
11
X. Jahrhunderts geschichtlich nachgewiosen. Als äußersten nördlichen Vor-
posten hat di«» Fraktion »hon früh eine sporadische Vermischung mit
tgrieni zu erleiden gehabt. (S. 51G.) Oie Osraaucn, „die.» zumeist nach
dem Westen vorgeschobene Fraktion des Türken Volkes, in welcher das
Abendland stieret den Türken kennen gelernt, gehört dem ural-altaischen
Volkes tum me eigentlich uur dem Nomen, nicht aber dem Wesen nach an,
denn für den Ethnographen reprü.ientiert der heutige Otfuane einen solchen
Menschen, in dessen Adern ein verschwindend kleiner Teil türkischen Hlutea
Hiebt, dessen Physikum auch nicht die geringste Spur dos typischen Türken
nufweist, und dessen türkische Nationalität daher eigentlich nur im poli-
tischen Sinne des Worte« su nehmen ist“. (S. 594.)
Selbstverständlich haben wir mit dieaen wenigen ritaton aiitti nicht
entferot den laichen Inhalt der wertvollen Arbeit Vimbirrs erschöpft; es
wird dies Werk wohl anf lange ein Gegenstand des Studiums und der Dis-
kussion bleiben. • 4
27. Combes, Iofluonce de Htomnic snr la topographie du
globe. (Revue do Guogr., Paris 1885, Bd. XVI,
S. 458.)
Eriuge aphoristische Bemerkungen, dio nicht* Neues bringen. Indirekt
beeinflufst der Mensch den Boden durch den Ackerbau, der den Nahraugs-
gehalt des letztere erschöpft (nur bei extensiver Natur) und 7.um Teil auch
durch die Viehzucht. Die Gegenden mit Jtiuderzucht bieten ein anderes
Bild, als jene mit Schaf- und Ziegenzucht, aber übertrieben ist « wohl, wenn
letzterer hauptsächlich die Degeneration der antiken Kulturländer zugoschrieben
wird. Direkt greift der Mensch durch Flubreguhcrtingen, Entwässerung,
Kanal bauton, Nivellierung zum Zwecke der Anlage von Verkehrswegen Are.
io die Gestaltung der Erdoberfläche ein. Snpan.
28. Rittich, Dio slawische Welt. Warschau 1885. (Mit
mehreren Kurtou. Russisch.)
Der Herr Vorfasoer ist bereits in einer Reihe von geographischen,
ethnogruphischeu und historischen Forachuugeu über Ku bland bestrebt ge-
wesen, dem verstockten Westeuropa die Augen zu öffnen, die «Jahrhunderte
alte, bald versteckte, bald offen auftretende Bosheit, deu hochmütigen Eigen-
dünkel und Egoismus“ der Gegner Hublanda zu bekämpfen und „alles
Gute, Selbständige, da» das Slawentum und Ruhland Europa gegeben“,
sowie „die bescheidene Schweigsamkeit eines groben Volk« dem Geschrei
seiner Neider gegenüber- in das richtige Licht zu setzen. Nachdem die«
geschehen, erwies es »ich ab notwendig, in den europäischen Ländern Um-
schau zu halten, „m denen bis zum Augenblicke noch so viel Verwandte*
unter ganz andern Lebensbedingungen vorhanden ist“.
Hinsichtlich der Entstehung des Namens «Russen“ läfst Hm Rittich
die bekannte von Nestor angenommene und später allein gültige Cbcrliefo-
ruug, nach welcher die unter llurik, äineus undTrawor aus Schweden be-
rufenen normannischen Waräger 862 die Einheit de« Russischen Reiches
begründet und diesem aueb den Namen gegeben haben, als zu wenig er-
wiesen auf sich beruhen. Er glaubt vielmehr, dafs hier, wie bei andern
auf Überlieferungen beruhenden historischen Annahmen, eins Übertragung
und Vereinigung in Zeit und Raum weit auseinanderliegender Sagen statt-
gefunden lub«. So kann zur Entstehung der Ncstonchcn Angabe der Um-
stand Anlab gegeben haben , dub die Briten sich im Jahre 536 fast mit
denselben Worten, die den slawischen Abgesandten an Rurik in den Mund
gelegt werden, nn die Angeln und Sachsen mit der Bitte gewandt habeu,
ihnen einen Herrscher zu geben, der bei ihnen Ordnung mache. Die Nach-
richt hiervon konnte ja leicht durch die auf der südlichen Küste d« Balti-
schen Meeres ansässigen alawischen Seefahrer uud Finiten, die Wagrer,
Borditschen, LjutiUchen und Fomorjaner, die eben solche Norroänner waren,
wie die Sueven, Gothen und Dinen, durch die auf den Inseln Fernem,
Rana (Hiigen) und Wolyn (Wollin) wohnenden reichen slawischen Knuflcutc
uud Soerüubcr, überhaupt diese „nördlichen Slawen oder Männer (deutsch :
Kormänner)" 2U den weiter östlich wohnend eu Slawen gebracht worden
sein. Herr Rittich neigt der Annahme zu, dofs der Ursprung des Namens
Rum iui Südoeten, an der Mündung de« Njeman in da» Kurve ln* Haff zu
suchen sei, wie denn ein Mündungsarm des genannten Flusses noch heute
Kuss heibt. ln dieser Gegend trieben ja die slawischen Normänner als
Seehelden und Piraten ihre rentnbeln Geschäfte. Die Namen mit der
Wurzel Kur fuhren vom Kurischen Haff, über Kurland, Kuwk, Kurja*h
(Kloster bei Cherwson), den Flufs Kura im Kaukasus zu den Kurden. Die
Kuren (die Korsen Nestor«) zogen einst von der Kura nach Norden and
gelangten zur Ddua, Wilia und zum Njeman. Unter ihnen Heben sich die
Russen in der Gegend von Kotaieuy nieder. Wohrr kamen diese Russen?
Die Forschung weist abermals narb dem Siidosteu Asien«. Der Name Kuss
findet «ich schon beim Propheten Heaekiel, der von dem Fürsten in Raa«,
Mschek und Tubal spricht. Auf dem linken Ufer de« Tigris liegt die
Landschaft Roasja (Rasi) nördlich von Susiana und südlich vorn See Wan.
Link« von Batum besteht noch jetzt die Stadt Riw, welcher Name von
den alten Skandinaviern den Russen gegeben wurde, wie denn auch Rufs-
land bei ihnen Kisaland hieb. Dieses Kisa, da« schon in der heroischen
Zeit bestand und eine dorische Faktorei hatte, ist da« heutige Risch auf
der Küste von latislan, am Fube des Gebirge«, das südlich vom Fluso«
Schoroch (Tscharuk) umspiilt wird. Ringsum sind viel« Namen onzutreffen,
die an das alte Rosa, die Drewljaner, die Anten, die Wauen und Waräger
erinnern. Die Verbindung zwischen dem Nord- und SUdabhauge des Kau-
kasus bat immer bestanden, nnd so sind denn auch dieselben Russen und
Anten, dasselbe Trautarakan im Norden und im Süden zu finden. Der
Grofsfünt S*wjato*daw butte auch schwerlich dem Zug nach dem Kuban
und der Laba (gleichen Namens mit der Lab* oder Elbe/ unternommen und
da»lb*t ein neues Fürstentum Tmutarakan gebildet, wenn nicht eine ver-
wandtschaftliche Beziehung der Bewohner des Kiewsehen Russ mit der Be-
völkerung axu Kuban befanden hätte. Es war daher keine Eroberungs-
sucht, andern das Bestreben, die Stammverwandten zu einigen, was Kiew,
Moskau und Petersburg nach dem Kaukasus zog. Erklärte doch auch
Schamil , einst der erbittertste Feind der Rinnen , nach »iner Gefangen-
nahme im Jahre 1869» <Ub er und »in Volk Stammverwandte der Runen
»eien. Auch arabische Schriftsteller geben an. dafs die Ko«**n im 9. und
10. Jahrhundert lange um Kaspischen Meere gewohnt haben. Genug, c«
waren Russen, die unter dom Namen Skythen infolge von mancherlei Um-
ständen, namentlich der vielfachen Völkerbewegungeu über den Kuban
und Terek in das ursprüngliche Skythcnland zwischen Wolga and lk)n
gezogen waren und «ich von da weiter nach Norden sasgehreitet hatten.
Dies wird auch durch die „Witterung* nieht eines Einzigen, *ondern vieler
Millionen bestätigt.
In etymologischen Kühnheiten dürfte übrigens Herr Rittich schwerlich
seinesgleichen finden. Ho kommt der Name der Roxolanen von dem finni-
schen Worte Rotsalaion, mit welchem die Finnen noch heut« die Ru wo
bezeichnen. Die Alanen oder Aseu benannten die gegen sie aufgestellte
slawische berittene Grenzwache Rouen, Russen, Rozalanen und übertrugen
diesen Namen auch auf die Pferde derselben, woher denn dio Deutschen
da« Wort „ltnfs“ erhalten habeu. Ob von den Alanen oder den Pinnen,
oder den Slawen, ist nieht gesagt. Zum Unglück ist die ältere Form
dieses Wortes ors oder hör«, wie denn im Englischen Pferd noch hone
heilst. Erst durch Metathcsi« Ist das Wort Rote entstanden.
Im Westen steht der Name Rum mit dem Namen Rana (Rügen),
Rugier A*c. in Verbindung. Er breitete sich von der watügiseben Küste
bis zur Nordsee und, oft in einzelnen Buchstaben geändert, über den Westen
nnd Süden Europas aus. Auch in der Schweiz, im Jur«, in den Pyrenäen
und am Mittelländüehen Meere wird er vielfach gefunden.
Auf Seite ‘„‘47 dw Werkes finden wir eine Kartenskizze, welche die
Kolonien der alten Westdawen veranschaulichen soll. Da ist die Bretagne
als Wohnsitz derVenodor und Anten mit dm» Städten Brest, Wan (Vamies),
dem Fluue Don (Nebenfluf# der Vilaine) und die Insel Windski (Bellc-Ile)
bezeichnet. Von da gelangten die slawischen Norminner einerseits nach
dem Norden Spaniens, wo die einen slawischen Namen tragende Provinz
Galicia mit dem Skythcnkap (Kap Ortegal oder Kap Var«), den Städten
Orel, Olina, Rylo, Luga und Ljalin und dem Flusse Walga oder Wolga von
den slawischen N euren bewohut wird, und die ganze Nordküste hi« znm
französischen Adour slawischer Kolonialbesitz ist, anderseits nach Britan-
nien, wo ein gTofser Teil der Südküste mit den Ortschaften Sstary Windaki
Fort (altes wendische* Fort) Windski Mettth (Wendisches Schwert) und
Winchester, da« doch auch etwa* von Windski in sich hat, den Slawen
gehört. Ferner ist auf dieser Karte der nordöstlichste Teil Spaniern mit
der Stadt Ko« (Rosas), dem Flusse Russin» (Muga) und Tara (Ter), der
südöstliche Teil Frankreich», wo Roussillon doch zu nahe mit Rom ver-
wandt ist, da* rechte Khoncufer über Lyon (Lugdon) hinaus zum Genfer
See (Liroan) und noch weiter hinauf, die Gegend um den Neuchateler und
Bieler See (Rjcloje Osero), um den Oberrhein und die Aar mit deren Neben-
flüssen San (Saane) und Limnat (Lim), das ganze SÜdwestofer des Boden<ees
(Turgowo-Oscro), das südliche Baden, der zwischen Neckar nnd Donau ge-
legene Teil Württemberg* mit den Städten Ro«» und Rnssjawn, da* Land
zwischen Lech und Inn, zwischen Schelde und Maas, letztere« von den
Bjelukanen bewohnt, und. die Gegend um die Rhein- und Miutxmündung
mit dem Namen Sslswia slawischer Besitz gewesen. Es wären hier noch
allerlei slawisierte Namen von Städten und Flüiaen zu nennen, deren sich
Herr Rittich überhaupt gern bedient, wir halten es aber Air genügend,
überhaupt eine Probe «einer Darstellung5wei.se gegeben zu haben.
v. Stein.
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12 Litteraturbericht Nr. 29 — 33.
29. v. Scherzer, Das wirtschaftliche Lebcu dur Völker.
Leipzig, Dürr, 1885.
Dimes umfangreiche, für den Geographen ebenso wie für den National-
ökonomeu und Produzenten unentbehrliche Handbuch, für dessen Zuver-
lässigkeit und Vollständigkeit die allgemein anerkannte Autorität «eines
Verfassers Bürgschaft leistet* schildert die einzelnen Produkte de« Pflanzen-,
Tier- und Mineralreich* und ihre industrielle Verarbeitung einerseits nach
ihrer geographischen Verbreitung und nach ihrer geschichtlichen Kntwicko-
lung aU V erbraue hsartikel. anderseits nach ihrer Stellung im Welthandel
* der Gegenwart. So entrollt sich tot den Augen de» Itters ein farben-
prächtiges Bild der unser Jahrhundert charakterisierenden „Weltwirtschaft"«
die auf dem Übergang de« Kleingewerbes in den Maschinenbetrieb, auf
wirtschaftliche Inteie*sei£emein*amkeit der Kulturvölker und auf einer
ungeahnten Entwickelung des Güteraustausches basiert. Die letzten Ka-
pitel besprechen die mechanischen Betriebskriifte, die Beteiligung der ein-
zelnen Völker am Welthandel* das Geld- und Kreditwesen, die Verkehrs-
wege und -mittel* das Zoll- und Knnxulatswcven , die Ausstellungen, die
internationale geistige Arbeit, Auswanderung und Kolonisation. .s'mjmh.
30. Ro8koschny, Europas Kolonien. I. Westafrika vom
»Sonegal zum Kamerun. 2. Auf!» Leipzig, Gressner &
Schramm, 1885.
Der Verfasser schildert' auf Grund fleißiger Guellenstudien die euro-
päischen Kolonien des nordwestlichen Afrika cinschliofslirh der Liberia-
Republik, ihre historische Entwickelung, ihre Bedeutung für den Welthan-
del, ihre ethnographischen und sozialen Verhältnisse. Weniger eingehend
ist die topographische Bwchrcibung, auch dort, wo dnr Verfasser das Bin-
nenland in den Kreis seiner Betrachtungen zieht (bei Sene^arubien). Mohr
als der Text* dürften die zahlreichen und fein nusgeführten Abbildungen
das Publikum anlocken ; e* würde dem Buche zum Vorteil gereichen, wenn
der Verfasser auch in bezog auf die Illustrationen »eine Quellen genannt
hlitte. Weniger zu rühmen sind die Karten ; das Terrain fehlt hier ent-
weder ganz oder ist nur »ehr roh markiert. Da« Profil des atlantischen
Becken« (8. III) ist wegen der Übertreibung der Hohe geradezu abscheulich.
Supan.
31. Vignon, Los colonios fran^uiscs. Paris, (-vutllaumin & C\,
1885.
Durch »eine ehemalige hohe Stelluug iiu französischen Handel*- und
Kolnnialministerium erscheint der Verfasser zu einer xusammenfassenden
Darstellung der französischen Kolonien besonders befähigt; fügen wir noch
hinzu, daf* die Sprache entfach und klar, und da« Urteil sich in glück-
licher Mitte zwischen Pessimismus und Optimismus hält* so können wir die
Erwartung ausspiechen , dafs das Buch auch außerhalb Frankreichs sich
Freunde erwerben wird. Nur in dnr Handhabung de« Zahlenmaterials
scheint nicht immer jener Grad von Genauigkeit zu herrschen, der beson-
ders in diesem Punkte wünschenswert ist. Die Kolonien werden der Reihe
nach kurz besprochen, und e* wird kein Mangel chauvinistisch verdeckt.
Der Verfasser verhehlt uieht, daf« der französische Teil von Guyana weitaus
hinter den englischen um! holländischen Berit xuogen surücksteht, und dafs
die Verwaltung von Neukaledouien schlecht ist. Eine eingehende Be-
sprechung erfahrt Frankreich« Stellung im Handel de« tropischen Afrika.
Daf» dieee Stellung oinc verbtUtnismifrig untergeordnete ist* daf« Fraukreich
an der Uuincaküste nicht nur von England, sondern auch von Hamburg
überflügelt wurde, hat seinen Grund wohl zum Teil darin* dafs die fran-
zösische Industrie wenige den Bedürfnissen der Afrikaner entsprechende
und zu teure Ware liefert. K» ist bezeichnend, dafs zwei französische
Häuser vor kurzem ihre Faktoreien an der Küste rou Oberguinea an die
National Africon Company (London) abtreten mufsten. Auch in Polynesien
ist der englische und deutsche Handel bedeutender ala der französische;
die Eröffnung de« Pauamak&nola kann aber den Wert der franzö«ischen Be-
sitzungen daselbst steigern, da diese auf der Route Panama — Sydney liegen.
Dem Gedanken au ein grobes französische* Kolonialreich in Ostindien be-
gegnen wir auch hier wieder. Zwar wird anerkannt, dafs der Besitz von
Coehiuchina, das nur ein wenig einträgliche« Produkt (Reis) liefert, von
geringem Werte ist, und daf» man über die Ergiebigkeit und Zukunft
Auu;uns noch kein Urteil fällen könne; aber Tongkin wird eine grofse Zu-
kunft in Aussicht gestellt* da es nicht hlofs Reis, sondern auch edlere
Produkte erzeugt* da e* ferner auch industriell tbätig zu werden verspricht*
und es endlich bei geeigneten Zolleinrichtungcn ein bedeutender Konsument
französischer Fabrikate werden kann.
Au* der folgenden Tabelle lasaen »ich zwei intcresmnte Thataachen
entnehmen: 1) die überwiegende Bedeutung Algier* gegenüber den übrigen
Kolonien, und 2) Ual< von den letzteren Fraukreich viel mehr einführt, als
Ausfuhr vMill. Fr.) Einfuhr
nach Krank-
nach andern
von Frank-
von andern
reich
Landern
reich
Landern
St. Pierre u. Miquelon
11,»7*
2,570
3, MT
7,647
Guadeloupe . . .
18, «:a
13,194
12.4*4
14,141
Martinique ....
22,901
13,9!*
13,63»
18,611
Guyana
f).:w
0.0*6
Ö.M4
2,557
Tahiti
0,141
3,578
0.(1,
3,11$
Neukaledouien . . .
2.S74
3,11*
6,037
4.04$
Coehiuchina . . .
3,1»
76.54$
7.156
* hl. 906
Vorderindien . . .
1 3.76,
10,1»
0,319
5,845
1
6,800
7 ,5*9
19.1»
Madagaskar u.^layotte
3.«M
2,71*0
o.m
3,500
Gabun (1881). ■ •
0,11*
• 4,91«
0,314
3.903
Senegal
20, MH
1,546
8,(617
3,759
i 20,o*a
140.90,
06,344
144,192
Algerien
86,77«
44,4»
238, 4M
T3.499
Gesamtsumme (1883)
206,504
184,431
304,645
81T.M1
es nach denselben ausführt, so dafs die Bedürfnisse dieser Kolonien vor-
wiegend von andern Lindern gedeckt werden. Dadurch wird aber der
Wert de« französischen Kolonialbesitze« nicht in Frage gestellt; er besteht
vorzugsweise darin, dafs dio Kolonien die Industrie de» Mutterland«* durch
Rohstoffe ernähren. Überdies ist der frunzöeUche Ausfuhrhandel risch den
Kolonien (mit Ausnahme Algier») relativ, d. h. mit Rücksicht auf die Be-
wohncrzahl noch immer dreimal gröber, als jener England« nach »einen
Kolonien. Die gegenwärtigen Schutzzölle werden denselben noch erheblich
steigern. Sirpan.
32. Virchow, Ober Akklimatisation. (Vorh. Gos. f. Anthro-
pologie, Ethnographie die., Berlin 1885, Bd. XVH,
S. 202; die Bemerkungen von Fritsch, S. 256.)
Zwei Fragen sind zu beantworten : die nach der Möglichkeit der Ak-
klimatisation des Individuum«, und die Frage nach der Möglichkeit einer
dauernden Bcviedolung, d. h. der Erhaltung der Familie durch eine
zeugungsfähige Nachkommenschaft, oder nach Vircbows Ansicht noch prä-
ziser aiugcd nickt, die Frage nach der Dauer der weiblichen Fruchtbarkeit,
während Fritsch den baldigen Untergang weiber Familien in den Tropen
nicht u«r wciblicheu Unfruchtbarkeit, sondern der enormen Kindersterblich-
keit zuschreibt. Beide Fragen sind wesentlich voneinander verschieden,
ln bezug auf die erste Frage kommen in Betracht: 1) die Temperatur des
Ortes. Verwiesen wird dabei auf Koppen« Karte der Wiirmnxonen im I. Bd.
d. Meteor. Zeitschr., welche die wirklichen Temperatur Verhältnisse ohne
Reduktion auf da« Meerosniveau durstellt. Sie zeigt auch im warmen Gürtel
einige Gebiete mit günstigerer Würtnevertcilung, die auch instinktiv zuerst
, von Weiften benetzt wurden. 2) Die Eutwtckelung besonder« schädlicher
Stoffe (Molaris «Src.). In dieser Beziehung ist unsre Kenntmv noch dürftig;
nach Hirsch »oll der gröfstc Teil von Polynesien (leider mit Ausschluß* der
deutschen Besitzungen) malariafrei »ein. Auch Südafrika etwa südlich vom
Parallel des Ngaiuiesve» mit Ausnahme der Ostküste bis nach Natal ist nach
Fritsch mulariafrci. lu bezug auf da« Tropenfieber i*t noch besondere zu
beuchten, dafs jeder Anfall die Disposition steigert, und ferner, dafs die
tropischen Kulturen ein lamd nicht nur nicht gcsüuder machen , sondern
geradezu sanitär verschlechtern. In einem heifsen Lind mit Malaria kann
»ich der Weibe höchsten* 2— 3 Jahre hintereinander aufhalten. Die Familie
erhält «ich, wenn koinc Mischung eiutritt, höchsten1« durch drei Generationen.
Die Widerstandsfähigkeit 3t bei verschiedenen weibeu Stammen verschieden;
die Semiten, besonders die Juden sind widerstandsfähiger als dt« Arier, und
unter diesen sind wieder am widerstandsfähigsten die Siidspanier, Sizilianer und
Malteser, d. h. jene, welche stark mit Semiten gemischt sind. Supan.
33. Pechuel-Loesche, Die Bewirtschaftung tropischer Ge-
biete. Strafsburg, Trübner, 1885.
Sehr scharfsinnig ist die Einteilung der Kolonien in Betrieb»- und Be-
siedelungskolonien. Die»e Bezeichnungen »rnd «o prägnant und decken sich
so vollständig mit natürlichen Begriffen, dafs me nicht nur wissenschaftlich
durchaus brauchbar sind, sondern auch in die langatmige Diskuarion über
die Anlage von Ackerbaukolonien, z. B. in den deutschen Besitzungen in
Ostafnka* Klärung zu bringen vermögen. Warnend tritt der Verfasser ent-
gegen dem Glauben an die nur auf flüchtiger Autopsie gegründeten Schil-
derungen der Entdecker und der Vorstellung von der unerschöpflichen Frucht-
barkeit der Tropeulandor. K» ist ein altbekannter, aber immer wieder ver-
gessener Satz , dal» da* tropische Ptlanzenlebfn sehr strenge an die
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Litteraturbericbt Nr. 34.
18
Niederschläge und deren jahreszeitliche Verteilung gebunden ist, und (iofi die
Niederschläge der Tropen ein ganz aufterordentlirL veränderliches Kiemen»
■sind (vgl. Litter.-Ber. 1885, Nr. 471). Namentlich die vorherrschende Boden-
art, der Lntcritbnden, bedarf der Zufuhr atmosphärischen Wantn : in den Ge-
bieten periodischer liegen Grassteppen, und GaleriewElder dort, wo dio
Wurzeln das ünmdwavser erreichen; in Gebieten mit kurzer Trockenzeit
Urwald, oder wie der Verfasser ihn nennt, llcgenwald. Auf die praktischen
Winke können wir nicht näher cing-hen ; es sei nur geäugt , dafs sie im
hohen Grade beachtenswert sind. Supun.
34. v. Delden-LaSrne, Brazilie on Java. Verslag ovor
de Koftiecultuur in Amerika, Aziü en Afrika. (Bijdragen
tot de Taal-, Land- on Volkenkunde van Nederlandsch
Tndie. Haag 1885. Bd. IX, mit 2 Karten.)
Die Kaffeexone von Brasilien, die der Verfasser 1883/84 im Auftrag
des holländischen Kolonielminiatcriurax bereute, liegt zwischen 21 u. 24” Br.
und erztreckt sich vorzugsweise über die Provinzen Bin de Janeiro, Min.«
Oeries und S. Paulo. Granit, Gneifs und Schiefer lieferten hier durch
säkulare Verwitterung einen tiefgründigen Luteritboden (dunkelrote terra
vermelha und hellrote t. masssspC: eine Abart des letztem in S. Paulo, die
mit grüfsem und kleinem Quarzstücken vermengte t. salmoräo), der in
S. Paulo weniger Sand und Pottasche, dafür aber mehr Kalk enthält, als
in den beiden übrigen Provinzen : die Dioritc von S. Panlo geben die terra
roxa, den besten Kaffecbodru , und die Sindsteinfomiation der genannten
Provinz liefert die terra nrca (nach der Parbe als t. peret, vermelha und
branca, d. h. dunkler, roter und grauer Sandboden bezeichnet), die zwar
an Güte den beiden oben genannten Bodenarten nachsteht, aber doch Kaffee-
kultur gestattet. Während in S. l’aulo die obignu Bezeichnungen allgemein
üblich sind, unterscheidet man in Rio und Min« Goracs nnr terra boä und
terra frio, d. h. geeigneten und ungeeigneten Boden. Im allgemeinen hängt
die Eignung des Boden» für die Kaffcckultur von der Mächtigkeit der Ver-
witterungskruste ab, und in dieser Beziehung ist Brasilien allerdings von
unerschöpflicher Fruchtbarkeit, wenn such eigentlicher Humusboden selten
ist. Aber mehr noch, als durch dio Bodenbesehnffenheit, wird die Kaflee-
kultur durch das Klima bedingt. Das Werk enthält einige, noeh nicht all
gemein bekannt gewordene Hcgenmeisungen, aus denen ieh folgende Mittel-
werte abgeleitet habe.
Paranaclacaba
Theraba
Morro Volho
H. Paulo 'Allo «US doM*
S. Br. . .
. . 19” 44, fr'
19" 55'
23” 34'
23 47
W. I- . .
. . 48 8
44 35
46 50
46 30
Seehöho m .
. . 750
695
728
799
Beob. -Jahre
. . 3 (1880/82)
25 (1855/79)
4 (1879/83)
10(1873/8
Dezember .
. . 211
390
177
393
Januar . .
. . 308
299
318
417
Februar . .
. - 321
221
200
430
Miirr. . .
192
125
415
April. . -
52
95
330
Mai . . .
36
58
201
Juni . . .
15
65
229
Juli . . .
11*
60
181*
August . .
. . 29
13
30*
206
SnptembcT .
. . 60
53
87
236
Oktober . .
. . 137
121
07
266
November .
. . 172
284
94
274
Jahr . . .
1637
1376
3568
OroGiie \ Jahre*- j 1770
2220
1835
4290
Kleinste | menge | 1250
1154
1287
2370
Der Verfasser unterscheidet zwei Kaffcezonen : die Rio- und die Santoe-
zone. Die entere umfafst die Provinzen Ksprito Santo und Rio und die
zum grofsen Parahvbathal gehörigen Teile von Minus Gera et und S. Paulo,
und hat Seeklima, das durch die feuchten SW-Winde abgekühlt wird. Man
unterscheidet hier im allgemeinen drei Regionen: die terra abaixo, unter
200 m Höhe, die t. medio, von 200 — 550 m Höhe, und die t frio, über
550 m Höbe. Die Kaffoekultur ist hauptsächlich auf die mittlere Region
beschränkt; die untere Region erzeugt nur eine minderwertige Qualität (eafe
Uapitania). Die Santoszone ist ein Hochland mit kontinentalem Klima, aus-
gesetzt den warmen Parapasvrinden ; der Winter wahrt von Mai bis Oktober.
Der Wetten ist noch unkultiviert, ja unbekannt. Der Kulturboden ist. mit
Ausnahme des Distriktes Amparo, dach, oder höchstens sanft wellig; der
Kaffeebaum gedeiht in Höhen Ton 800 — 800 oder 850 m, und steigt
landwärts bis 1000 ra Höhe an. In beiden Zonen, Uber deren KafTeckultar
Petarmanna Geogr. Mitteilungen. 1888, Litl.-Berich».
nachstehende Tabelle Aufschlufs gib», richtet der Hagel oft grolse Ver-
wüstungen an.
Klo. Zone
Flüche, qkm . . . 155 000
Kaffeezonc, Seehöhe m . 200 — 550
Areal der Kaffeepllanzungen, qkm . . . 7000
Mittlere jährliche Produktion, Mill. kg 252.00
Zahl der fruchttragenden Bäume . . .756 750 756
„ , jungen „ ... 93 508 696
Gesamtsumme ■ . * - 850 265 452
Santoi* Zone
225 000
GOO— 1000
1320
81,1t
100 844 720
40 434 392
141 279 112
Zahl der in Verwendung stehenden Sklaven . 233 333
50 674
Ertrag pro Baum , Gramm 333 805
„ Hektar, kg 364 615
„ „ Sklave, „ 1068 1590
Anzahl der Bäume pro Sklave .... 3644 2*88
Im allgemeinen wird die Kadeekultur in Brasilien noch in ziemlich
primitiver Weise betrieben ; man baut mich zu viel auf die Krzeugungskraft
der Tropennatur. Aufser dem einheimischen bzut man noch Java-, Bourbon-,
Liberia- und Maragogipo-KalTee. Am Export beteiligen sieh folgende Häfen :
Rio
Sautos
Bahia
fear k
1852 — 57
. . 91,8
6,2
1,9
0,1 l’roz.
1858 — 62
. . 87,0
10,4
1«»
0.6 .
1863 — 67
. . 82,«
13,8
2,8
1,0 „
1868 — 72
. . 81,7
15,7
2,0
0,4 „
1873—77
• • 1 7 ,0
19,7
2,6
0,7 „
1878 — 82
. . 72,7
24,0
2,3
0,1 „
Man ersieht daraus, wie die Bedeutung von Santo» auf Kosten von Rio de
Janeiro beständig zunimmt.
Die vierte Tabelle gibt eine übersichtliche Zusammenstellung des Kaffee-
ezportes der Erde auf Orund eingehender Untersuchungen.
Kafleeausfuhr
in Mill. kg
1852 — 82.
1863-43
1803— Ti
1072—82
Cuba und Portorico . . . .
15,40
21,86
Haiti
. . 124,90
145,44
265.18
Jamaica
32,47
41,19
Mexiko
2,07
35,74
Zentralamcrika
98,70
197,41
Columbia
25,77
57,28
Venezuela
141,73
256,08
Surinam
0,41
0,03
1736.10
2491,64
Amerikanischer Export1) . .
. . 1950.M
2226,12
3391.82
Arabien (Aden)
32,09
32,78
Britisch -Indien
154,80
173,08
453,87
367,38
610,38
704,27
Sumatra und Celebes . . -
130,89
149,71
Philippinen
. . 13,44
23,74
40,40
Sandwich -Inseln
(0,74)
(0,82)
Asiatischer Export *} . . . ■
PortujriesLiche B«itzungen • •
Englische - • •
. . 15,08
1407,42
24,48
1,48
1470,73
40,99
1,18
Afrikanischer Export l) . . -
Gesamtsumme
26,34
3659,88
42,48
4904,82
Die letzte Tabelle zeigt den durchschnittlichen Kalfeekonsum (Unter-
schied der Ein- und Ausfuhr) für einige Linder in den Jahren 1878—82,
und den darau* berechneten Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung. Von
der Regel, dafs dio nördlichen Länder Europas mehr KaJTee konsumieren,
als die südlichen, machen nur Grofsbritannien und Rufsland, wo derThee-
Niedctlando
Belgien . .
Norwegen .
Schweiz
Dänemark .
Schweden .
Deutschland
Mill.
kg
35,71
ksc- pro
Kopf
8,07
Frankreich . • •
Mill.
kg
59,44
kg. pro
Kopf
1,49
24,87
4,07
Österreich -Ungarn .
32,88
0,87
7.02
3,07
Portugal ....
2,12
0,41
9,07
3,18
Italien ....
13,42
0,47
5,14
2,01
Großbritannien . .
14,84
0,4?
11,42
2,64
Rufsland ....
7,41
0,»
103,22
2,82
Vereinigte Staaten .
177,70
3,52
s des
wahrscheinlichen Export« nach
Ländern, die
die Listen nufeeuommen sind.
e
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14
Litteraturbericht Nr. 35—39.
Zura Schluß »ei bemerkt, daß das vorliegende Werk noch eine Reibe
wichtiger Kapitel über die natürlichen and Kultur- Verhältnisse Brasiliens
enthält, namentlich über die Institution der Sklaverei, mit deren endgültiger
Beseitigung (im Jahre 1900) die Kaffeekultur jedenfalls eine bedeutende
Veränderung erfahren wird. Die boigegebenen Karten im Maßstab i : 1 Mill.
zeigen die Rio- und Santoa-Zone, die bestehenden, im Bau begriffenen uud
projektierten Bisenbahucu, und die geologische Beschaffenheit nach Professor
Orville A. Derby. Supan.
35. Fuchs, Max, Dio geographische Verbreitung des KutTeo-
baumes. Leipzig, Veit & Ko., 1880.
Von den 25 Arten der Gattung Cotfea sind nur 2: C. arabtea und
C. liberica Kulturpflanzen , und alle im Handel gebräuchliche n Namen be-
zeichnen nur Varietüton, dio durch klimatische Verhältnisse und Bodcn-
besehaffenbeit bedingt sind. Die Heimat beider Arten ist Afrika zwischen
8 und 12° N. C. arob. verbreitete sich von ihrer Urheimat (Abewinische
und Galla- Hochländer) nach Schweinfurt bis an die Westküste, während
C. üb. nur auf den Westen beschränkt ist. Die gegenwärtige Verbreitung
der KafTcekultur ist in Kurze folgendo: 1) Afrika, a) Osten: Abessinien
und Gallal linder, Transvaal an den nördlichen Abhängen der Magaliesberge,
Küstenstrich von Natal, also im allgemeinen zwischen 14° N. uud 80® S. ;
b) Westen (C. lib.): Senegambicn, Liberia, Kamerun, Gabun, Kuigebiet,
Angola, Grenzen Podor IC** 40* N. und Caconda 13° 44' S.; c) auf den
Inseln Fernando Po, St. Thomf, Madagaskar, Bourbon, Mauritius. 2) Asien,
a) Das südwestliche Arabien zwischen 18 nnd 20° N. am Westsbhang des Ge-
birge»; b) südwestlicher Teil von Vorderindien, Midlich von ca 15® N. ; c) Ceylon;
d) an einigeu Punkten von A&mm und Britisch-Birma, für den Welthandel
aber nur von Bedeutung Malxcca und dio Insel Pulu-Pinong; e) Java,
hauptsächlich zwischen 600 und 1400 in H., Sumatra, (Viehes, Bali, die
Molukken, Timor, dio Philippinen (bes. I.uzmi). 3) Australien, Queens-
land, Ostabdachung ; Südsee: Neu -Calcdonien , Fidschi, Samoa, Tonga,
Hawaii. 4) Amerika, a) Moxiko, südlich von 24-}-® B. und zwischen
500 nnd 1500mHÖbo; der zur Kaffeekultur geeignete Boden hat ein Ar«d
von fast 1* Million qkxu; b) die Staaten von Zcutralameriku ; c) die grofsen
Antillen, von Cuba aber jetzt nur dor östliche Teil; von den kleinon An-
tillen besonders Guadeloupe, Dominica, Martinique und Barbados, im ge-
ringen Grade Nevis, St. Lucia, St. Vincent, Grenada, und Trinidad; d) Bra-
silien {*. Litt.- Bericht Nr. 34); e) Guyana, wo die Kaffeekultur stark in
Abnahme begriffen »st; 0 Venezuela, g) in der tierra templada von Colum-
bien ; h) Ecuador bi* 2400 m Höhe ; i) die innen» Thälcr de* östlichen Ab-
hanges von Peru, oberhalb 600 nt Höhe, und in den Yungas von Bolivien
bis 2510 in Höhe: k) Paraguay. Die Kaffccgrenzen sind also in Amerika
24}° N. und 18° S. im Westen, 28® S. im Osten.
Die klimatischen Existeoibodinguoceii der Kaffeekultur sind folgende :
1) Die mittlere Jahrestemperatur der Kaffcclamler schwankt zwischen 15
und 28°, am angemessensten erscheint eine Temperatur von ca 20®.
2) Die jährliche Wärmeachwankung ist gering. 3) Die Mitteltcroperatur
des kältesten Monats ist über 11°, das mittlere Minimum 5,$°, doch kommen
in Natal und Paraguay auch Fröste vor. Die Angabe Meyers und Ritters,
dafs die Kaffeekultur bis 36® N. und S. möglich sei, ist nicht gerecht-
fertigt. 4) Die mittlem Maziroa in der Verbreitungszone der Coff. arab. aind
höchstens 36— -38®; Coff. üb. scheint noch Maxima von mehr als 40® za
vertragen. 5) Dio Kegenverhältmsae sind nur insofern von Wichtigkeit, als
regelmäßige periodische Hegen die Kaffeekultur mehr begünstigen , als
Regen in allen Jahreszeiten. Wichtiger für die Kultur ist dio künstliche
Bewässerung.
Von den Bodemulen kommen in den Kaffccländern am häutigsten vor
Verwittcrungsbodcn von vulkanischen Gesteinen, Gneifs und Granit und
Kalkboden. Die Humusschicht muß eine bestimmte Tiefe haben und eino
gewisse Trockenheit besitzen. Dio Krtragsflihigkeit dca Kaffeebaumes ist in
verschiedenen Ländern sehr verschieden, am größten auf Ceylon uud in
Queensland. Coff. lib. ist viermal ergiebiger aU Coff. arab. Das durch-
schnittliche Maximum der Produktivdauer eine.» Baumes beträgt 30 Jahre.
Supern.
36. Baux, Notice Bur le th& (Cochinchino frans-, Excur-
siona et Reconnaissances, Saigon 1885, Bd.IX, S. 349.)
Din Kcnntni« des Thcf» wir in China nicht vor dem Jahre 360 u. Z.
verbreitet, and der Qehnuch deuelben im ganzen Reiche nicht vor dem
Jahre 800. Von earoptiuchen Werken nennt ihn zuerat die Kcinebesehrei-
bnng von Pinto, der im J. 1644 Canton besuchte; die Aasfuhr des chine-
sischen Thees beginnt im 17. Jahrhundert. Sie betrug in l’fundtn:
1667 100 , 1735 1 380 100
1685 1 ZOO 1770 7 723 530
1710 Ul 000 | 1800 20 358 700
I
1820
1836
1846
1866
22 460 000
89 000 000
48 000 000
63 000 000
1866 102 000 000
1870 120 000 000
1880 250 000 000
1884 255 000 000
Die Gesamtausfuhr betrigt derzeit in Mill. Pfund:
nach Britannien 160 nach Australien und Neuseeland 20
. Kufslaml 80 . allen übrigen Hindern . . 30
„ Amerika 60 Gesamtsumme 350
Den einheimischen Bedarf in China deckten durch lange Zeit die süd-
östlichen Provinieu , und erst uls der Konsum des europiiseben Marktes
immer grbfscro Dimensionen annalim, wurde in den südwestlichen Provinzen
die wenig einträgliche Baumwollkultur durch Tbeepflauzungen verd ringt.
Auch Formosa liefert jetzt geschützten Theo. Haukou, Schanghai, Kingpo,
Futachou, Amoy und Canton sind dio ItauptstapelpUlze du Theebandels.
Schwarzer und grüner Thee sind nicht verschiedener Alten, sondern ledig-
lich Produkte verschiedener Zubereitungsweisen. SiipaH.
37. Harou , Le diamant. (Bull. Soc. R. Beige de Geogr.
1885, Bd. IX, 8. 455.)
Im Altertum und Mittelalter war Vortierindien wahrscheinlich die ein-
zige Fundstätte von Diamanten (Adamas identisch mit Uodawari). Die
Nachrichten der alten Schriftsteller von andern Fundorten beziehen sich
wahrscheinlich nur auf Zentren des Diamanthsndels, oder es liegt eine Ver-
wechselung mit andern Kristallen vor. In früherer Zeit war Vorderindien
der Hauptlieferant von Diamanten: 1678 bestanden 20 Werke im Keirhe
äolkouda, 15 im Reiche Yizapur und einige in l’egu. Im Anfang de»
18. Jahrhunderts wurden in der brasilianischen Provinz Minus Ueraes Dia-
manten entdeckt, und 1730— 1814 3 Millionen Karat produziert. Die
Jahresproduktion betrug also durchschnittlich 36 000 Karat; seit der Los-
reifsung Brasiliens von Portugal otuk sie auf 20- bis 25 000 Karst. Tejuco
ist der ilauptort des Dismantendistriktu von Minus Gera». Aufserdem
fand man noch Diamanten in der Provinz üoraz, 1845 entdeckte man
solche an den Ufern einiger Zullüose des Paraguay iu Matto- Grosso und
1863 die wichtigen Diamantengruben von Sincori in llaliia. Ober die
Diamaulen von Burneo a. Litter. -Ber. 1885, Kr. 320. Außerdem fand
man auch Diamanten im nördlichen Celebes und 1841 auf Hurnatm. Ober
den südafrikanischen Diamantendistrikt s. Litter.-Ber. 1885, Nr. 475. Ohne
Bedeutung sind die Diamanten von Perm, an der Westseite des Ural.
Diamanten von Siam werden in der I.itteratur erwähnt, aber es lüfst steh
nicht ermitteln , ob diese Nachrichten zuverlässig sind. Der zweite Teil
des Aufsatzes von Harou handelt vom Vorkommen, der Benutzung, der
Verarbeitung und den physikalischen Kigcnschaftcn der Diamanten.
gupun.
38. Starkie Gardner, Can Untcrground Heat bo utilized?
(Geol. Mag., Londou 1885, I)ec. III, Bd. II, S. 397.)
Dor »ich in inmior größer« Dimensionen entwickelnde Koblenvcr-
brauch rechtfertigt da» Suchon nach neuen Wärmequellen. Eine solche
ist die innere Erdwnrree. Der Verfasser versucht deu Nachweis zu führen,
daß dio Lithosphäre nur eine vcrhältnifTnäßig geringe Mächtigkeit besitzt,
uud daß sich eine flüssige oder zuhfliUsige Gcsteinslage , welche in vulka-
nischen Gegenden der Oberfläche näher tritt, sich unter allen Gebieten
mit bemerkbaren Niveauveründcrungen befinde. Er stützt sich dabei auf
jene bekannte Theorie (die — wie hier nebenbei bemerkt werden mag —
auch Jelski in seinem Aufsatz „Rapport* de* phtuomeues gCologiques
entre euxM, Bull. Soc. G4ol. de France, 1885, Bd. XIII, S. 581, verficht),
daß die Anhäufung von Denud&tionvprodukten oder andern Massen ein
Sinken de« Untergrundes und damit eine ausweichende Bewegung des flüs-
sigen Erdinnern und eine Erhebung ein« andern Teile* der Erdkruste zur
Folge habe. In cinor Tiefe von 3000 m muß man zu siedend heißem
Wasser gelangen. Die Möglichkeit von Bohrungen bis in gToßc Tieftu
zeigen die artesischen Brunnen. Der tießte ist derzeit der bei Budapest
(951 ro); die Quelle hat eino Temperatur von 71,7°, springt über 10 m
hoch und liefert täglich etwa 800 000 Liter Wasser. Man will die Boh-
rung fortsotxen, bis man Wawer von 80° erreicht. Die Möglichkeit einer
Verwendung dieser Wärme zeigt ein erfolgreicher Versuch zu Lockport in
New York, wo von einer Zentralstation in etwa 200 Häuser Dampf ge-
leitet wird. Supan
39. Vining, An inglorious Columbu». Now York, Apple-
ton & Co., 1885.
De Guignes entdeckte zuerst in den Werken von Ma Twan-tin den
Bericht des buddhistischen Priesters Hoei-schin über dessen Misaionsreias
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Litteraturbcricht Nr. 40 — 44.
15
nach Fusia* im J. 458 u. Z. Die*«« Land liegt 20 000 H «Dllich von
Grof«> Han und ebenso riel östlich von China und hat den Namen ron
einer wichtigen Pflanze. Die erste Nachricht davon findet man in einem
Brief ron 1\ Gaubil vom J. 1752; do Guigne* setzte die wiMcnachaflliche
Welt ent 1761 ron «einer Entdeckung in Kenntnis und verlebt Fusang
an die Westküste ron Nordamerika unter ca 55° Br. Klnproth identi-
fizierte Fusang mit Japan (1831), de Pirmrey (1844) und namentlich Neu-
mann (1864) traten aber wieder für die ursprüngliche Deutung ein, und
letzterer verlegt Fusang bereit« nach Mexiko. Ihm folgt auch Yining in »einem
ausführlichen Werke. Er sucht nachzuwellen, dafs weder die Entfernungen,
noch die Details des Berichtes von Hoei*»chin auf Japan passen, das schon
früher im Verkehr mit China stand, und wo der Buddhismus erst im J. 552
Eingang fand. Das „Land der gezeichneten Leute*1 in Hoei-echins Bericht
sind nach Vining die Akuten; Ta-hati ist Alaska, Fusang Mexiko und die
Pflanze Fusang die Agare. Die meisten Details der Erzählung des Buddhisten-
miasionan* finden auf diese Weise eine ungezwungene Erklärung, und lloei-
schin wäre somit als der erste Entdecker Amerikas zu betrachten. Die
altmexikanisrhc Sage ron Wixipecocha wird als eine Erinnerung an die
40jährige Tätigkeit Hoei-schins in Mexiko gedeutet, und die mexikanische
Kultur stünde »omit im genetischen Zusammenhang mit der asiatischen.
Supan.
40. Max Schmidt, Über Rubruks Reise von 1253 — 55.
(Ztschr. Oes. f. Erdkunde, Berlin 1885, S. 161, mit
1 Kurte.)
Unter den GcundUchafUrciaen an dio Mongolen-Khane ist jene Rubruks
(Peschei schreibt Ruysbrock: Rubruk Dt aber wahrscheinlich der allein
richtige Name) die geographisch weitaus wichtigste. Der Verfasser der
obgenannten Monographie hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine genaue
Reiseroute zu konstruieren und dieselbe kartographisch darzuxtelten. Sehr
beachtenswert sind die kritischen Untersuchungen über die Lage der Städte
Kenchak, Talas, Bolak, Sarai a. d. Wolga, Sumraerkent &c. In bezug auf
Sarai kommt der Verfasser zum Schlüsse, dafs es zwei Städte dieses Na-
mens gab, ron denen die eine mit Selitrrnoje, die andre mit Zarcw zu
identifizieren ist. Als das wichtigste geographische Resultat der Rciae Rub-
ruk* wird die endgültige Sicherstellung der Geschlomenheit de» Kaspisees,
der bei Isidor noch einen Busen de* Eismeeres bildete, bezeichnet. Der
Balchaschsee und der Alakul scheinen im 13. Jahrhundert noch zusammen-
gehangen zu haben. &4pan.
41. Schwarz, Die Erschliefsuug der Oebirgo von den
ältesten Zeiten bis auf Saussure (1787). Leipzig,
Frohberg, 1885.
Seit dem Altertum bis in unser Jahrhundert empfand man eine ge«
wisse Scheu vor den Hochgebirgen. Der jenen Zeiten eigne Hang zur Cber-
treibung zeigt «ich in einer enormen Überschätzung der Höhenverhältnisse
and Schneemassen; allerdings mögen aber auch aus Handelrintereascn die
ungeheuerlichsten Gerücht« verbreitet worden sein. Man fürchtete sich nicht
nur vor den menschlichen und tierischen Bewohnern der Gebirge, sondern
bevölkerte letztere auch mit Riesen, fabelhaften Tieren (besonders Drachen)
und Dämonen, und schrieb den Bergen selbst und deren Gewässern über-
natürliche Kräfte zu. Trotz dieser furchterregenden Vorstellungen hörten
die Gebirge schon iro Altertum auf, absolute Völkerscheiden zu »ein, wenn
der Verkehr sich aurh vorwiegend nur auf altgewohnte Bahnen beschränkte.
Der Bergbau führte die Menschen in die abgelegensten und höchsten Thüler.
Au Der Metallen lieferten die Gebirge noch Holx, Steino (besonders wichtig
die alpinen Kristallo) und Kräuter. Der Vorzug der Alpenweidou wurde
bald erkannt und das Sennerwesen hat ebenso, wie die alpine Kasefabri-
kation ein relativ hohes Alter. Mau begann die lloilquell«n der Gebirge
aufznsuchen, und schon im 16. Jahrhundert waren Badereisen stark im
Schwange, ebenso wie mau auch damals schon die sanitären Vorzüge des
Höhenklimas erkannte, Uralt ist die religiöse Bedeutung der Berge, und
di« Anlago von zahlreichen Borgklftstom, »wohl in der christlichen wie in
der buddhistischen Welt, trog wesentlich zur Erschließung der Gebirge bei.
Trotzdem war die wissenschaftliche Erkenntnis der letztem im ganzen Alter-
tum und Mittelalter eben» gering, wie ihre kartographische Darstellung
roh und unbehilfiieh.
Kriegazüge waren ns zunächst, welche Kunde von don sonst gemiede-
nen Gebirgen brachten, » Xenophons berühmter Rückzug, die Züge Alexan-
der des Grofsen, die zuerst die zentralasiatische Gebirgswelt erschließen, die
Züge Hanibals, vor altem aber die zahlreichen Kriege der Römer und ihre
Straßenbauten. Plinius* Vesuv- und Hadrians Ätnabesteigung sind die ein-
stigen bekannten Priratuntemehmungen im Altertum, da Polvbina* Alpen-
reise zweifelhaft erscheint. Die Völkerwanderung schuf neue Heerstraßen |
und Gebirgaansiedelungen. Die islamitischen Kriegsheere betraten zum Teil
ganz unbekannte Gebirge, arabische Händler durchzogen Zcntralasicu, und
noch mehr verdankt die Gebirgskunde den Kiozelreisen gelehrter Pilger,
wie Edriais, Leos von Granada, besonder» aber Ibn Batutus, der den Adams-
pik auf Ceylon bestieg. Die Krcüxxiige rücken die syrischen Gebirge und
den Sinai in den Vordergrund. Leonlurt Rauhwolf, der 1573 eine Orient-
reise unternahm, durchforschte zum erstenmal ein Gebirge, nämlich deu
Libanon, zu rein wissenschaftlichen Zwecken und begründete unsre Kenntnis
von der vertikalen Veränderung der Flora.
Für die Erschließung der zentralariatisehen Gebirgswelt war die Pe-
riode der Mnngolenhernchaft wichtig. Sultan Babur zeigt sich in seinen
Schriften als feioer Naturboobochter. Bekannt sind die grofsen Reisen ron
Ruysbrock (s. Utter.-Ber. Nr. 40) und Marco Polo. Für unsre Kenntnis des
nördlichen Randgcbirgm von Zentralasien (erste Kunde vom Altai unter
Kauer Justinian) und de« ostsibirischon Gebirges wurden die ruasiwhon
Eroberungen epochemachend. Katholische Missionare durchzogen die Ge-
birge Indiens und Chinas, und das mächtige Hochgebirge der Neuen Welt
begann sich zu entschleiern.
Die wissenschaftliche Gebirgskunde Dt aber nur von den Alpen aus-
gegangen und entwickelte sich aus dem alpinen Tourutentum. Der Vater
de« alpinen Sport* Dt Petrarca, der den Mt. Vertoux bei Orange beatieg.
Die ersten eigentlichen Alpeuforaeher sind aber Schweizer, wie Vadianus
(Besteigung de« Pilatus 1517), Rhellinanu« (Besteigung de« Stockborns, 1536),
besonders aber der gelehrte Konrad üefsner. Scheuchzer, dessen neun Ge-
birgsreisen in dio Zeit 1 702—1 1 fallen, gab zum erstenmal eine Gesamt-
darstellung der Schweizer Alpen. Supan.
Europa.
42. Kiepert , H. , Genoralkarte von Europa. 1 : 4 000 000.
3. Auf!. Berlin, D. Reimer, 1885.
Die sorgfältige Darstellung des Eisenbahnnetzes, das sich nur bei ge-
nauer Betrachtung entwirrt und dos hydrographische Bild, namentlich in
Westeuropa, ganz verdeckt; die Überfüllung mit Schrift and das Zurück-
treten de* Terrains, besonders in den Mittelgebirgslandscbaften , läßt die
Karte nur für den Privatgobreuch bestimmt erscheinen. Eia Karton ent-
hält die ethnographische Übersicht yod Europa nach den Volkssprachen.
Supan.
43. Lokalklimatologiacho Zusammenstellungen.
Unter diesem Titel werde ich in Zukunft alle mir bekannt gewordenen
Darstellungen des Klimas einaeloer Orte, soweit dieselben nieht ein beson-
deres geographische« Interesse in Anspruch nehmen und lediglich nur spe-
xistlen landeskundlichen Untersuchungen dienen, periodisch ausammenstcl-
len. Wenn nichts Besonderes bemerkt ist, besieht sieh die Darstellung auf
alle klimatischen Memento.
1. Lbningen in Oldenburg, J857 — 84. IhrouEwche Statistik 1884,
Heft LXXXII, S. 16b-
2. Inngensslta, 1861 — 84, Temperatur und Regen, ebendaseihst.
3. Markras (Irland; . Temperatur 1842—63, liegen 1833—63. Österr.
Meteor. Ztschr. 188.6, Bd. XX, 8. 511. (Reproduktion.)
4. Calloden (Schottland) , 1841—80. Jnura. Seott. Meteor. 8oc. for
1884 , 8. 163.
3. Dorpat, 1866—80, Meteor. Ztschr., Berlin 1885, Bd. II, S. 40-
(Reproduktion.)
6. Bukarest, 1871—80, österr. Meteor. Ztschr. 1885, Bd. XX, 8. 152.
(Reproduktion.)
7. UoDstmntinopel. 1857 — 73, ebendas. 8. 333. (Reproduktion.)
8. Coroo, 1873 — 82, ebendas. 8. 150. (Reproduktion.)
0. Modena, Temperatur 1849—84, ebendas. S. 231. (Reproduktion.)
Supaa.
44. Über die Kogenmenge in dor Helgoländer Bucht und
deren jahreszeitliche Verteilung. Mitteil. v. d. Deut-
schen Seewürfe. (Annal. d. Hydrogr. u. marit. Met.,
Berlin 1885, Bd. XI II, S. 562.)
Die X iederachlagsterhältniaw der Helgoländer Bucht sind noch nicht
genügend bekannt. Ältere Messungen geben *. B. für den Weser- Leucht-
turm (5 Jahre) 31 und Ihr Helgoland (2 Jahre) 168 cm Jahmmengs.
Die Messungen aus dem Jahre 1882 geben ein gutes Bild ron der Ver-
teilung der Jiiederschläge in ihrer Abhängigkeit ron der Lugs der Gegen-
den IU den westlichen Winden (ich habe gleichartige Stationen au natür-
lichen Gruppen rereinigt):
C*
IG
Litteraturbericht Nr. 45—50.
Ostfriesland, westl. Teil (4 St.) .... 834 mm
, bstl. „ (G St.) . . . . 756 „
Ostvcite der Wes-efbucbt (3 St.) .... 796 .
Untere Elbe (4 St.) 673 „
Dithmarschen und Nordfiiesland (5 St.) . . 976 „
Helgoland ........ 897 •
Die jahreszeitliche Verteilung ixt besonders interessant, da wir uns
hier an der Grenze des ozeanischen und kontinentnlcn Regimes befinden.
9jühr. Mittel (1876—84).
Winter Frühling Sommer Herbit Max. Min.
menge mm
Borkum . .
21,«
16,9
28,8
32,7 Pro».
778
Augtut
Mai
Wilhelmshafen
17,9
16.«
36,3
29,2 .
696
Juli
April
Hamburg . .
22.»
17,2
32,9
27,1 „
781
„ *
•
Keitum . .
21,2
15,9
26,9
36.« „
773
Okt.
w
Helgoland . .
23,2
14,9
26,4
35,7 „
808
„
m
ö’upan.
45. Hsas, Beitrüge zur Geschiebckuudo der Herzogtümer
Schleswig-Holstein. (Schriften Naturwiss. Ver. f. Schles-
wig-Holstein 1885, Bd. VI, S. 3. Mit oiner Karte.)
Von einer Keibe von Abhandlungen, deren Inhalt die Beschreibung
der wichtigen Geschiebe Schleswig-Holsteins sowohl sedimentären als cruj>-
tiven Ursprung* bilden «oll, ist diese die erste.
Das Vorkommen toi» Damit in den Herzogtümern hat «ehon wieder-
holt die Aufmerksamkeit der Gelehrten erregt ; wenn ober Meyn und andre
ron dem massenhaften Vorkommen diese* Gesteins reden, so haben »io nur
„Gesteine von im allgemeinen basaltähnlichem Aussehen gemeint“, weil eie
eine mikroskopische Untersuchung der oft mit einer Verwitteiungaknute
überzogenen Gesteine unterliefen. Von den nahezu 60 Handstücken, welche
der Verfasser selbst sammelte, sind etwa ein Drittel nur echte Basalte,
während die andern Diabase , Diabasroundelsteine , Diorito <Vc. , sogar auch
feinkörnige kristalline Schiefer waren. Nach einer genauem Beschreibung
der Gesteine mit Himufugung des Fundorts und der routmafslichen Heimat
(nämlich der Diabase, Oliviudiaha&c, Diabasporphyritc, der echten Basultc
mit körniger Struktur und mit Glasbasis, der Dasauite, Nephelinbosalte
und Limburgite) kommt der Verfasser zu folgendem Resultate: Die Mehr-
zahl der im Diluvium der Herzogtümer sich findenden und dort unter-
suchten Gesteine stimmt mit solchen von bekanntem Anstehenden in Skandi-
navien überein, aber niRoche Typen, sogar solche, welche in unscro Schich-
ten reichlicher vertreten sind , kennt man anstehend in jenen Gegenden
nicht. Das ist aber, besonders in betreff der Basal tgeiteine, nicht wun-
derbar, denn gerade diese sind nur noch als isolierte Kuppen (ca 70) auf
dem von diluvialen Massen bedeckten Urgcbirge im südlichen und mittlcm
Schonen (s. Karte) bekannt. Vor dem Hereinblechen der zerstörenden Agcntien
der Diluvialzeit waren sie dort viel zahlreicher, aber ein Teil fiel diesen
Agentien zum Opfer. Frappierend ist der absolute Mangel an Ba*alttuffcn in
den Geschieben der Herzogtümer, da sie doch nach E. Srcdraark (Geol.
Foren i Stockholm Förh. VI, Nr. 12, 1883) dort bekannt sind, aber der
weichere Tulf ist wohl dort zerstört worden und nicht nach Norddeutsch-
l»Dd gelangt. /.anpkaiW.
46. Wahnschaffe, Die Slifewasser- Fauna und Süfawagacr-
Diatomeen - Flora im untern Diluvium der Umgegend
von Kathenow. (Jahrb. d. preufs. geol. Landesanstult,
Berlin 1885, S. 260.)
Zu den Nachweisen prüglazialer oder altglaxioler Süfswasscrbildungen
von Ucrendt in der Potsdamer Gegend und von Keilhack im Flachland
westlich der Oder gesellt sich der obgenannte, der die Umgegend von
Rathenow a. d. Ilavel betrifft. Für die Entwicklungsgeschichte der nord-
deutschen Tiefebene »ind sie auch deshalb wichtig, weil sie zeigen, dafs
beim Herannahen der ersten Eisbedeckuog mit Ausnahme der Paludina
diluvi&na die Konchylien • Fauna dieselbe war, wie dio unsrer jctxigen
Flüsse und Seen. Supan.
47. Maenas , Die Elbe bei Magdeburg. (Mitteil. Ver. f.
Erdk., Halle a/8. 1885. S. 1.)
Braprorbet) und kartographisch dargeatellt werden »unichnt die na-
türlichen und künatlichen Verinderungen dra Strornltufe», die im grölten
und ganten im S in einer Weet- and im h' in einer Ottterlegung dt»-
telben bestehen. Ein sehr reichhaltige* Material iat in der graphischen
Daratellung der WaKwratämle »eit 1841 niedergotrgt. Die jährliche Periode
der Elbhöhe ist im Mittel der Jahre 1841 — 83 folgende (in m):
Deaember . 1,7»
Januar . . l,e»
Februar . . 2,32
Mär» . . 2,19
April . . *2.64
Mai . . . 2,42
Juni . . . 1,7»
Juli . . .1,4»
Augtut . . 1,94
September 1 ,20*
Oktober . 1,*4
NoTcmbcr. 1,21
Mittlere Elbkühe (in m).
1727—1800 . . 2,44 1841 — 1850 . . 1,99 1871—1880 . . 1,»7
1800—1883 . . 1,24 1851 — 1860 . . !.!•« (1881—1883 . . 1,91)
186t— 1870 . . 1,8»
Die jährliche Abdufsmenge betrügt im Durehwbnitt 15 871 Milliar-
den cbm, wa» ca t/j der Hegenmenge de» Gebiete» entspricht.
Im Mittel von 54 Jahren hat die Elbe bei .Magdeburg jlihilich 48 Tage
Eie (Eisgang und Eiutand) und 23j Tage Eiaitand. Do» »erteilt eich
proieutiaeh auf folgende Monate:
Nor.
Dez.
Jan.
Febr.
Mftrs
Eis Überhaupt . •
. 31
i&;-
43«
27
18J
Kfetaud . . .
17
46
31
17
48. Kirchhoff, Notiz über Kretinismus abwärts von Mag-
deburg. (Mitteil. Ver. f. Erdk., Hallo a/8. 1885, S. 110.)
Das stagnierende Altwuser der Elbe bei Grufa-Loatau , welche» deu
AlluTialgrund stetig durchfeuchtet, eraeogt zwei, »eiten miteinander »or-
komrueude Übel: Malaria und Kretinismus. Grofs-Lostau ist auch insofern
wichtig, als es der soenkchste Bits des Kretinismus in Mitteleuropa iat.
3. pan.
49. Assmann , Die Gewitter in Mitteldeutschland. Halle
a/S., Tausch & Grosse, 1885.
GeograpbLtch besondere wichtig sind die Ergebnisse über die Verbrei-
tung der Gewitter und deren Begleiterscheinungen. Eine besondere Dis-
position zu Gewitterstürmen scheint in Mitteldeutschland nicht vorhanden
zu sein; am häufigsten sind rio in den, den Gebirgszügen benachbarten
Gegenden, wie auf der südlichen Thüringer Hoch fläche und im Hildesheimer
Becken. Mit wenigen Ausnahmen sind die mitteldeutschen Gewitter von
Stuken Niederschlägen begleitet, die mehrere Male sogar über 100 mra
pro 24 Stunden ergaben; und sie sind es hauptsächlich, welche dos Sommer*
rooximum der jährlichen Niedcrschlagskurve bedingen. Wolkenbruchartige
Gewitterregen kommen besonders an den Nord- und Ostseiten der Gebirge
vor, HagcDchluge vor allem auf der Leeseite der Gebirge (am hagelreich-
sten die Uuchfiächo der S&alcplutte), wahrend die Gebirge selbst, besonders
der Thüringer Wald, am seltensten davon heirogesuebt werden. Am dispo-
niertesten dazu sind also niederschlagsarme Gegenden, welche die Entste-
hung lokaler aufsteigender LufUtrome begünstigen, (l)ozu die Karte auf
Tafel 90 Die tägliche Periode der Gewitter zeigt folgende Tabelle :
12— 3 ». ra. . .
. . 4,2 Frox.
12 — 3 p. ro. .
. . 22.» Pro».
3— 6 „ . .
. . 4,6 „
3— 6
. . 30,6 .
6— 9 . . .
. . 4,6 M
6 — 9 „
. • 17,7 „
9 — 12 „ . .
. . 9,2 „
9—12 .
. . 6,7 .,
Hauptmaximum . . 3— 4h p. tu. UauptmiDimum . . 12 — 1*» a. tu.
Sekundäres Maximum 1 — 2*> a. ro. Sekundäres Minimum 7 — 8** a. m.
Die mittlere Zahl der Gewittertage in Mitteldeutschland betrug 1881
bis 1884 138* Die jährliche Periode ist fnlgende:
Dezember . 4,9* Märe . . 4,76 Juni . . 21,B September 15, 25
Januar. . 3,75 April . . 6, co Juli . . 26,26 Oktober. . 9,00
Februar . 1,25 Mai . . 17,26 August. . 22,76 November . 6.25
Von allen Blitzschlägen zündeten im Durchschnitt (1875 — 84) 42 Pro-
zent. In Hannover Ut dieses Verhältnis 58,2 Prozent. Sujpan.
50. Penck, Das deutsche Mittelgebirge. (Verb. G3es. f.
Erdkunde, Berlin 1885, Bd. XII, S. 369, mit geolog.
Profilen.)
Die archäischen und paläozoischen Schichten wurden in vormeeozoi-
scher Zeit gefaltet, und zwar im W mit nordöstlicher, im O mit nordwest-
licher Streichrichtung. Dann folgte die Ablagerung der 1000 — 2000 n»
mächtigen Schichtengruppe der Trias, dos Jura und der Kreide (Quader-
sandsteinfonnation). Die Dislokationen dei nachmosozoischen Zeit sind im
Gebiet des deutschen Mittelgebirges nur Verwerfungen, d. h. vertikale Ver-
schiebungen einzelner Schollen gegeneinander, wobei allerdings in den
Verschiebungszonen auch die mesozoischen Schichten in geneigte Lage ge-
bracht oder sogar gefaltet wurden. Einzelne Schollen wurden ihrer meso-
zoischen Docke beraubt, und da» gefaltete, aber abgehobelte Grundgebirge
tritt nun zu Tage: Abrasionsplateaus (z. B. Harz) und geneigte
Abrasionsplateaus (bei ungleichförmiger Bewegung der Scholle, z. B.
Erzgebirge). Suest fafste dieselben als Horste, d. h. als sichcngebliebooe
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Litteraturbericht Nr. 51 — 56. 17
Schollen auf, während die Umgebung sich senkte; Penck dagegen als ge*
hoben«* Schollen: das ist ein Gegensatz, der die wichtigste nrogenetieche
Tsgesfrage berührt. An andern Stellen worden diese Horste durch die
Denudation der welchem Schichten in Kückengebirge aufgelöst (z. ft.
Bbhrnenrald) ; das »ind Denudation« - Kückengebirge in Gegensatz io den
Faltengebirgen (x. K. Schweizer Jora). Als Paeudoriiekeugebir ge
wird das Riesengebirge bezeichnet, das aus einer Keihe kleiner Schollen
besteht, die sich verschieden bewegt haben. Neben diesen Formen gibt ea
noch mesozoische Scbichtenplateaua mit horizontaler Lagerung (z. B.
sächsische Schweix) oder mit einseitiger Schichtenneigung (z. B. deutscher
Jura). Die Verwerfungen erfolgten nach bestimmten Richtungen, welche
die reihenweise Anordnung der Mittelgebirge bedingen: nach NO, NW
und N ; die KO-Linie betracht im Gebiet der alten nordöstlichen Faltung,
greift abcT auch in jenes der NW- Faltung über. Die Dislokationen waren
Ton Vulkanausbrüchen begleitet, welche die Berggruppen schufen.
Letztere sind entweder echte Vulkane, deren ursprünglicher Zustand erhal-
ten blieb (Kifol), oder Denudationsreste: bloßgelegte Schlotausfüllung, oder
Ginge, oder Seite alter Decken, weiche ihre Unterlage vor Abtragung ge-
schützt haben (Deckenplateaus). Supan.
51. v. Dechen, Geognostiacher Führer zu der Vulkanreihe
der Vordereifel. 2. Aufl. Mit 1 Karte. Bonn, Cohen
& S., 1886.
Die l. Auflage dieses Werkchens (der bekanntlich 1864 der geognoetische
Führer xura Laacher See folgte) erschien 1861. Seit dieser Zeit haben nament-
lich die petrogruphischen Untersuchungen der Laven (Ncphclinbosaltlaren ohne
Leucit, Nephelin* und I/mcitbosaltlaven und Lcueitbosaltlaven ohne Nephelin)
•o bedeutende Fortschritte gemacht, daß eine neue Auflage dringend notwen-
dig erschien. Die größere Hälfte des Buches ist auch diesen Untersuchun-
gen gewidmet, aber selbstverständlich enthalt es auch zahlreiche andre,
geographisch wichtige Bemerkungen und Beobachtungen. Die Vulknnreihe
der Vordcreifcl zieht in einer iJfage von 49 km von der Falkenlei bei
Bortrich bis zum Goldberg bei Ormont; ihro nach NNW gerichtete Haupt-
achse «teht alno senkrecht auf deiu Streichen der devonischen l’uterlage.
Überall zeigt sich ein bestimmte« Verhältnis der Höhe dor Vulkankegel und
Bosaltkuppcn zur Iföho der Unterlage, mit der jene steigt und füllt. Außer-
ordentlich intensiv war die vulkanische Thätigkeit zwischen Trautzberg und
Hillesheim; im südöstlichen Teil linden sich aurh mehrere Maare („Aus*
bruchstollen ton Tuffen**), unter ihnen das Pul vermoor, das schönste und
regelmäßigste aller Eifeier Kraterseen. Die Streitfrage, ob das Holzmaar
auch ein vulkanisches Produkt ist, wird vom Verfasser bejaht. Genetisch
verschieden von den Maaren sind aber die Keaselthller in der Umgebung
von Kirchweiler und Hiuterweiler. Sehr interessant sind die zerstreuten
Bemerkungen über die Thalbiidung. Im großen and ganzen war zur Zeit
der Vulkanausbrüche die OberflHchcngcstalt der Eifel von der jetzigen nicht
verschieden. Die Eruptionsprodukte erfüllten die Tlulcr, die meist wieder
durch Erosion ausgrhöhlt wurden, manchmal aber aurh verschüttet blieben.
w Ein solches ausgcfiilltcs Thal lernte man 1802 bei einer Brunnenbohrang
in der Nähe von Manderscheid kennen; es bildet jetzt einen Rücken, «1er
von zwei itachen, offenbar jungem Thitora begleitet wird. Die vulkanische
Thätigkeit der Eifel begann schon in der ober-oliogclnen oder unter* miuci-
nen Periode. Basalte und Traehyte waren schon vorhanden, als die, dio
Krater, Laven, Schlacken, Sande und Tuffe erzeugenden Ausbrüche statt-
fanden. Hasaltkuppen von verschiedener Höhe zählt der Verfasser im An-
hang über die Vulkane der benachbarten Hohen Eifel 188 auf, dazu noch
16 deutliche Gänge und 9 Fundstätten von Basaltkonglomerst. Die Funde
von Kumtprodukten unter den» Tuff bei Helmer, aus denen man auf eine
nacbröraische Eruption schließen wollte, sind nun allseitig als nicht beweis-
kräftig anerkannt.
Die geognostiache Karte in 1 : 80 ClOO stammt aus dem Ton J. Roth
herausgegebene« Atlas von Mitscherlich. Supan.
52. Ulrici, Das Maingebiet. (III. Jnbrcsber. Ver. f. Enlk.
Cassel, Koaalor, 1886.)
Eine gut«' kompilatorische Arbeit, die nicht den Anspruch erhebt,
etwa« Neues zu bringen. Die Quellen sind selbst wieder zusammenfas-
sende Darstellungen, sogar eine Schul geographie wird darunter genannt.
K« wird zuerst dio oatüiliche Beschaffenheit des Maingebietes auf geologi-
scher Grundlage und mit steter Berücksichtigung des Einflusses des Bodens
auf die Kultur geschildert, dann die Bericdclungsvcrhältniase zum Teil an
dor Hand einer Untersuchung der OrUnamen und endlich die. geschicht-
liche Entwickelung der Städte. Daf» das Maingebiet niemals eiue politi-
sche Einheit war, wird durch die leichte Zugänglichkeit desselben von
allen Seiten begründet. Dio Engo zwitchen Spessart und Odenwald trennt
scharf das obere und mittlere Maingebiet vom untern und läßt das letztere
ganz iu den Kulturkreis des Kheinthales fallen. Die leichte Übersetzbar-
keit de« Maina machte diesen su einer Yölkeracheidc ganz untauglich.
Supan.
53. Velain, Lc Permion dana lu region des Vosges. (Bull.
8oc. göolog. de France, 1885, Bd. XIII, 8. 536.)
Das perraische System der Vogesen füllt grofse Depressionen aus und
liegt entweder uuf Karbonschiefer oder auf Qneifs und noch häufig auf
Granulit. Mit Ausnahme einiger Punkte, wo es die Gipfel isolierter Berge
krönt, findet es sich meist in einer Höhe von 6- bis 800 m, zum Teil an
dem Fuß des Gebirges und bedeckt vom Yogesensandstein. Das vorherr-
schende Gottein ist ein roter, thoniger Sandstein, der stellenweise in Kon-
glomerat Übergeht, und als Repräsentant des mitteldeutschen Rotliegenden
zu betrachten ist. Zahlreiche Porphyr- und Melaphyraosbrüche charakteri-
sieren auch hier «las pennischc Zeitalter. &4pan.
54. Algermissen, Übersichtskarte von Südwestdeutscbland,
in 1:400000. Metz, G. Lang, 1866,
Da die Karte ohne Terrain, auch im Plufxnetz außerordentlich leer
gehalten ist, da« Wegenetz sich größtenteils nur auf die Chausseen erster
Klasse beschränkt — man vergleiche iu dieser Beziehung die neue l/«oo wo
Karte von Württemberg des statistisch - topographischen Biireaus — , so
konnten neben einer Fülle von Ortszeichen die Signaturen der Eisenbahnen
noch den einzelnen Verwaltungen unterschieden und die Stationen daran
kenntlich gemacht werden. Es fohlen übrigens die Linien von Lauterburg nach
dem Bheinhafcn und von Ettlingen (Bhf.) nach Ettlingen (Stadt), und wäh-
rend die längst außer Betrieb gesetzte Strecke Rödelheim— Frankfurt noch
vorhanden ist, fehlt daselbst die nnao Verbindung Rödelheim — Bockenheim
nebst dem Anschluß nach Rebstock. Die Karte hat blaues Flußnetz und braune
Begrenzung für die Verwaltungaeiuteilung. Warum in Württemberg oufser
den 4 Kreisen die 63 Oberamtsbezirke, in Roden ober nur die 11 Kreise
und nicht auch die 52 Amtsbezirke unterschieden sind, ist nicht recht er-
sichtlich. Eine Menge Abkürzungen in der Schreibung der Ortsnamen, die
übrigens in den Bemerkungen am untern Rand ihre Erklärung finden, hät-
ten können vermieden werden. Die Karte soll den Erfordernissen des Ge-
schäfts- und Reiseverkehrs dienen und reicht von Basel im 8 bis Frank-
furt a/M im N und Ton Mülhausen und Zweihrücken im W bis Kempten
I und Haufurt im 0. Pogri.
55. Generalkarte von Württemberg in 6 Blättern und ira
Mafotab 1:200000.
56. Du9 Königreich Württemberg, ein Blatt im Mafsstab
1 : 400 000. Beide bearbeitet im Köuigl. stat.-topogr.
Bureau, Stuttgart, 1885.
Während wir bislang vergeblich auf das Erscheinen einer oder mehrerer
Sektionen der auf Württemberg entfallenden * lc0u^-Gradabtcilungskarto de«
Deutschen Reiche« warteten, deren Herstellung dem Königlich statistisch-
topographischen Büreau zu Suttgort obliegt, werden wir von dieser Stelle durch
zwei Publikationen überrascht, welche wir noch in weiter Ferne glaubten,
da sie sonst wohl erst nach dem Erscheinen der um zwei- und viermal
gröfsem Aufnahmeblätter hätten erwartet werden können. Da indessen
die Vioo 0Q0 ~ topographisch« Karte der Hauptsache nach ein« Reproduktion
des schon älteru topographischen Atlas von Württemberg in 1:60000 »ein
wird — nur mit dem Unterschied, daß die 55 Blätter desselben bis zur
Gegenwart ergänzt und berichtigt werden und nachträglich mit Höhen-
kurvet» zu versehen sind — , so kann uns dos jetzige Erscheinen der oben-
gononnten Karten, welche mehr für das größere Publikum berechnet sind
und den» n&chston Bedürfnis der Armee durch ihren Inhalt in ausreichender
Weise entgegenkoromeo , nur um so willkommener sein. Ee sei Übrigens
gleich hier gesagt, daß von der Gcneralkarte ent eine Sektion, nämlieh
Nr. 3: Stuttgart — Tübingen — Bolingen icc. vorliogt, das Erscheinen der
übrigen Sektionen aber in baldiger Aussicht steht. Das Blatt reicht in
egaler Ausführung westlich bis an den Fuß der Vogesen und enthält das
ganze Rheinthal von Markolsheim über Stoßburg bis nördlich über Rastatt
und Selz, woraus hervorgeht, daß alle sechs Blätter, wenn fertig, auch da«
ganze Großherzogtum Baden umfassen werden. — Württemberg besitzt be-
reit« eine 1 Gcneralkarte in vier Blättern aus dem Jahre 1874, und
die giniliche Erneuerung derselben innerhalb einet so kurzen Zeitraumes
hat bei aufmerksamer Vergleichung beider Ausgaben, der jetzigen und der
frühen», ihren Grund wohl in verschiedenen — übrigen« leicht hemuo-
zufindenden — Ursachen. Hier sei nur gesagt, daß das vorliegende Blatt
Nr. 3 durchgehend« von einer besonder« sorgfältigen Redaktion Zeugnis
gibt, — einmal durch die wohlüberlegte Auswahl der aufgenommenen Ob-
jekte, und dann durch die angemessene Wahl der Signaturen, wie nicht
Digilized by Google
18
Litteraturbericbt Nr. 57—59.
minder der Schrift für dieselben, Ebenso muß die Terraindaratellung als
eine verständige und der Wahrheit besonders naheknmmende anerkannt
werden. Dax Blatt ixt in Kupferstich ausgeführt, und wir mochten an-
gesichts desselben bei der Deutlichkeit, die überall zu Tage tritt, nament-
lich im Wegenetz und selbst in der Darstellung de« Woldes, sowie in der
ganzen „Lesbarkeit* der Karte, hier ohne weiteres behaupten, data die zwar
„fiel schneller“ herzustellende farbige Auseinanderhaltuiig in Lithographie
oder Zinkographie dennoch nicht den Effekt dieser einfach schwarzen Karte
machen würde.
Die kleinere Karte in 1:400000 erinnert in ihrer Haltung an die
gleiche Karte d« Großkcrzogtum* Baden, auf welcher ebenfalls die ge-
samte Situation und die Schrift schwarz, das Terrain aber in rotbraunen
Schratten erscheint. Bei grofsem Reichtum der Angaben und der dadurch
bedingten kleinen Schrift gibt sie eher zu viel als xu wenig. Auch das
Terrain läßt in manchen Stellen xu wünschen übrig — wohl eine Polge
ihrer Ausführung in lithographischem Umdruck — , und der kantige Abfall
der Rauhen Alp unterscheidet sich nicht genügend non den zwar hoheieo,
aber doch weicheren Formen der Berge des Schwarzwaldes. Der Besitz beider
Karten mag namentlich dem Touristen empfohlen »ein. Yngtl.
57. Gruber, Das Münchener Decken. Stuttgart, Engolhorn,
1885. (Forschungen z. deutschen Landes- und Volks-
kunde, Bd. I, lieft 4.)
Die Hauptflüsse der bayrischen Hochfläche durchziehen abwechselnd
Engen und Weitungen. Eine Reiho ron Thnlbeckcn liegt am Fuße der
Alpen innerhalb der unverletzten Moränenlaudsch&fl, eine zweite außerhalb
der letztem, und zu dieser gehört auch das Münchener Becken (1845 qkm,
Dinge 70 km, mittloro Breite 25 km). Seine Umrandung erhobt sich
etwa 12 ra über den Isarspiegel; sie wird im S durch die Endmoräne des
Iaargletschers, im W und 0 durch glaziale Hügclkomplexe, und im N durch
einen «chmalen Tertiärst reifen gebildet. Das Borkon senkt sich von 700 m
Seehohe im S auf 412 in im N; es ist im allgemeinen eine sanftgenrigte
Ebene , in der nur die grüfsern Flüsse tiefere Einschnitte gemacht haben.
Der südliche Teil ist eine Schottcrfliiche (verwaschene Moränenlandschaft),
dor nördliche besteht aus zwei Mooren, dem Dachauer (21600 ha) und
Erdinger Moor (25000 ha), die durch das Isarthal und die Gnrehinger
Heide getrennt sind. Diese Moore, von denen seit 1860 bereits 13815ha
für die Kultur gewonnen sind, senken sich muldenförmig gegen ihro Mitte
zu, eo dafa ihre Oberfläche stellenweise unter der Mittel hohe der I?ar, die
auf ihren Schotterablage rungon dahinflicht, liegt. Der Bau des Beckens
ist ein einfacher: oben alluviale und diluviale, stark durchlässige Qoroll-
schiehteu, unten der stark undurchlässige Flios (obormiocan), auf dem sich
der Grundwasserstrom, der allgemeinen Abdachung folgend, nach X bewegt.
Da dio Oerölldecke nach K an Mächtigkeit abnimmt (z. B. bei Holzkirchen
85 m, bei Perlach 4 ra, im Erdinger Moor */a — 1} m), 80 müssen die
nördlichen Partien, wo das Orundwaaser der Oberfläche sehr nahe und end-
lich ganz zu Tage tritt, versumpfen. Der Verfasser unterscheidet in Süd-
barem drei Arten und mehrere Unterarten ron Moore: 1) Thalflächen-
moore ira X der MoriSnenlandschaft : Quellmoore, durch austretende*
Grund waaser gebildet (dazu die Moore des Münchener Beckens); Stau-
moore, durch rückgestaute* und durchsickerode* Fiußwasser bei starkem
Quelicnreichtum der Thalsenke und geringer Neigung ihrer Sohle gebildet
(Donaumoore); Infiltrationsmoore in wenig geneigten und regel-
mäfsigen Überschwemmungen au*g«etxten Thilern; 2) Muldenmooro
innerhalb der Morinenlaud schaft entweder am Rande dor Seen, oder in den
zentralen Depressionen der eiszeitlichen Gletscher (verschüttete Seen) oder
zwischen den Schutthügeln (ehemalige Seen oder Hochmoore uuf Block-
lehm); 3) üebirgsrooore an den Abhängen oder auf Gipfeln, Plateaus und
Pässen oder in Thälern. — • flb«T die Bildungswebe der Heideu, die mit
don Quellmooren wechsoln, ja stellenweise sogar innerhalb der Moore auftrcten,
s. Littor.-Ber. 1886, Nr. 400. Sie sind bedeckt mit Spuren eines uralten
Ackerbaues und werden erst jetzt wieder langsam der Kultur gewonnen.
Der 2. Teil ist hydrologischen Untersuchungen gewidmet, auf die wir
ura so mehr Gewicht legeu, als Geographen denselben bisher leider recht
ferne standen. Freilich ist das Boobachtungwnaterial in diwem Punkte
noch ebenso mangelhaft, als ungleichmäßig. Der Verfasser schildert tu-
nichzt die Alluvionen der Isar, die aus beweglichen Schotterflächen und
verlandeten .Auen* bestehen, und teilt die Resultate seiner Vermessungen
mit. Der Winter ist die Periode des Niedrigwasser*, Mai und Juni jene
des Hoohwuwrs der Isar. Nach Beobachtungen im Jahre 1878, das einem
roittlern Durchrchnittsjahr nahe kommt, führte die Isar rund 4150 MiU. cbm
Wasser ab; davon entfielen auf den Winter 13,1, auf den Frühling 40A
auf den Sommer 32, * und auf den Herbst 14,1 Ibrozont. Die Frage nach
einet säkularen Veränderung der Wassermenge läfst aich nicht mit Sicher-
heit beantworten. Interessant sind die genauen Geschwindigkeits-Messungen
(in ra) hei Oberfohring 1378:
N lode master Mittelwasser llorhwawor
Mittlere Geschwindigkeit tra
ganzen Profil
an der Oberfläche . . . .
, „ Sohle
Mittlere Tiefe .....
t,lt
1,4»
1,68
2,11
1,»T
1,6$
2.21
2.20
0,44
0,**
1,17
1,77
0,S3
1,17
1.70
2.»
Das relative Gefälle (bei Länge = 1) der Iiar beträgt zwischen München
und Preising 0,00)6, das der Gtundwasaerergitae der Moore O,ooi* — o.oois.
Die letztem unterscheiden sich vom laarwasser beträchtlich durch ihre
chemische Beschaffenheit und gleichmäßigere Temperatur. Supan.
58. Penck, Zur Vergletscherung der deutschen Alpen.
(Leopoldina, Ualle 1885, Heft XXI, S. 105, 129 u. 145.)
Di« Abhindlung enUliilt einig« wichtig. Ergänzungen *u il.ro unter
dem gleichen Titel crachicncnen Werke dea Verfassers. Unterauchungen am
Pittscher Joch in Tirol (2231 m hoch) lchrton, daß der Zcntralkarom da*
nördliche und südliche Glazialgebiet nicht absolut schied, sondern dafs
auch ein Abfließeu von N nach S stattfand. Damit bt dargethin, daß
der Gletscher bergauf rieh bewegte und in dieser Richtung — wir» direkt
bewiesen — Material fortaehattte. Bemerkenswert sind in dieser Beziehung
die Jochseen, welche echte Felsbocken sind. Die Glazialspuren im Ötxthal
zeigen, daß dio Mächtigkeit des Kiiw thalabwirt* konstant zugenommen
hat; die Oberfläche der alteu Gletscher senkt sich zwar im Sinne des
Tfcalge fälle*, aber anfangs langsamer, dann rascher. GleUchersehliflc kom-
men in den Thalbecken bb auf die Sohle vor und fehlen in den Engen;
sind letztere also poetglazial und bestanden früher die alpinen Thiiler aus
Seeurcihen, ähnlich den jetzigen nordischen? Ihit wäre ein außerordent-
lich dankbares Feld für Untersuchungen. Dio ThaUacho, daß Endmoränen
nur ira Vorland und in der Nähe der heutigen Gletscher Vorkommen, in
den eigentlichen Thälern aber fehlen, läfst sich nur durch die Annahme
erklären, daß dor Rückzug dor Vergletscherung außerordentlich rasch er-
folgte; und der Verfasser sucht theoretisch nachxuweisen, dafs auch das
Eintreten der Verebung rasch geschehen mußte, so daß das Anwachsen
und Uürkscbreitcn der alten Gletscher in ähnlicher Weise erfolgte, wie
GletscherausbrUche der Gegenwart. Beweise für selbständige Gletscher-
entwickclung in den Kalkalpcn sind noch wenige vorhanden; um so be-
achtenswerter ist der Nachweb einer solchen in den Berchtesgadener Alpen,
deren Kbmasseti nicht einmal mit dem Saalachgletscher in Verbindung ge-
standen zu haben scheinen. Fortgesetzte Forschungen auf der bay rischen
Hochebene ergaben, daß die äufsersten GletechervorkommnUso mindesten*
3 km nördlicher liegen, ab man früher annahm, und daß die lutem Moränen
auf der Nordseite der Alpen durchaus vorhanden sind. Die Lehre von der
mehrmaligen Vergletscherung der Alpen findet eino neue Stütze in den
Ergebnissen der Untersuchungen Pencks am Bodensee. Es gibt drei ver-
schied malt orige flnvioglazble Ablagerungen, entsprechend einem dreimaligen
Kisvorstoß; der erste bt augedeutet durch die diluviale Xagclflub (in der
neuerdings wieder glaziale* Material gefunden wurde), die beiden andern
entsprechen der äußern (nun verwaschenen) und der innen» (noch erhaltenen)
Moräueuzone, sowie den beiden jungem Gliedern der diluvialen Schotter-
bildungen. Interessant sind die Bemerkungen über die Veränderungen de*
Hbcinltufes: der Schaffhauwr Katarakt entstand, weil der Rhein, nachdem
er soin früher« Bett (Lingen — Thaiugen —Waldshut) verschüttet hatte,
den ulten Lauf nicht wieder fand und nun in den Fels einschneiden mußte.
SujMM.
59. Geistbeck, Dio Seen dor deutschen Alpen. (Mitteil.
Ver. f. Erdk., Leipzig 1885, S. 203. Mit einem Atlas
mit 8 Taf.)
Möge die Glazialtheoxie welch« Schicksal auch immer haben, so wird
sie doch immer einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der geographi-
schen Wissenschaft behaupten, schon aus dem Grunde, weil sie zu einem
eingehenden Studium des Seenphänoraens Veranlagung gegeben hat. Auch
die vorliegende, bedeutungsvolle Arbeit knüpft au die Olaxialtheorie an.
Der erste Abschnitt beschäftigt rieh mit den kleinen Hochgebirgsseen,
für welche die Bezeichnung Krümmels. „Hochgobirgsweiher“ als uupawend
xurÜckgewiewen wird. Im allgemeinen eTweisen sie sich in ihrer Verbrei-
tung als unabhängig von Gesteinsbeschattenhcit und Architektur, wenn rieh
auch Beziehungen untergeordneter Art bemerkbar machen. Die zur Karst-
bilduug neigenden Formationen der Kalkalpen sind der Seenhildung un-
günstig, weil Wasseransammlungen leicht wieder durch 8palten Abfluß
finden ; die Ausbildung von Thalzirkeu ging in leichter zerstörbarem Ge-
stein rascher vor sich, als in hartem, und Bauformen. wie strenge Anti
klinalen, die nicht verschiedene Uexteinibänkc bloßlegen, können die Zirkus-
Litteraturbericht Nr. 59.
19
bildung verhindern. Die Hochgebixgaaeen «erden nach ihrem Vorkommen
in zwei Kategorien eingcteilt ; Zirkuaseen und Thal- ond Platcausccn ; rich-
tiger Ist die Dreiteilung , wobei die GehUngsscen von der ersten Kategorie
getrennt «erden. Die entern sind an das Vorkommen von Thahirken ge-
bunden. Die Thalxirken, die an Beispielen aus den bayrischen Alpen zwi-
schen dem Inn und Schliem« und aus dem Karwendelgebirge erläutert
werden , teilt der Verfasser in drei genetbch voneinander verschiedene
Arten : 1) Trichterziikon, bekanntlich das obere Stück jedes echten Erosion s-
thalcs und daher nur eiu Produkt des fliefsenden Wassers. 2) Botncr
(vgl. dazu Litt.-Ber. 1886, Nr. 401* 8. 438) Thalsirken mit stufenförmigem
Aufbau, wobei jede Stufe von der andern durch einen Fclsriegel abgegrenst
wird. Da {Hebendes Wasser solche Formen nicht schallen kann, und gene-
tische Beziehungen zum Gcbirgsbau auch nicht erkennbar sind, so kann nur
die Gletschererosion als Trasche angenommen werden. Diese Annahme ist
gestattet, weil sich in jenen obgenannten Teilen der bayrischen Alpen zahl-
reiche GUxialspurcn naehweisen lassen. 3) Muchzirken : Botncr, deren Quer-
riegel später durch fliefsendos Wasser durchsägt wurden, so dab jetzt eine
bruchlose Drainierungalinie hergeatellt bt. In den Zirken der ersten und
dritten Kategorie kommen zwar gelegentlich Seen vor, aber es sind meist
nur unbedeutende, durch Abdämmung «Df landen« Gebilde. Die Botner sind
dagegen rcrhältniimibig reich an echten Pclscnbcckcn, die stufenförmig Über-
oder reihenartig hintereinander in den der Garialeiosion am leichtesten zugäng-
lichen Thalstreckcn liegen und die Stationen des rückschreitenden Gletscher»
markieren. Ihre mittlere Hohe betragt (in der Uichtung W— 0):
Algiuer Alpen ....
Miemingcr Kette • . .
Wettewtein-Kette . • .
Karwcndel-Qebirge . . .
Tcgcmsee-Ucbict . . .
Schliem«- * . . . .
In bezug auf Grobe und Tiefo stehen die hochgelegenen Feldhecken
der nördlichen Kalkalpen hinter jenen der Karpaten und des deutschen
Mittelgebirge« zurück. Die gröbten Soeo bedecken nur 3 — 6 ha; Tiefen-
messungen konuten leider nicht vorgenommen werden. Auch die Gehauge-
seen sind zum Teil echte Felsbecken, aber dann vorwiegend gebunden an
gewisse leicht zerstörbare Schichten (Oberer Muschelkeuper und Liaakalk)
und werden als Einbruch&eeu aufgelabt. Die in den untern Thllem und auf
niedern Hoch fliehen gelegenen kleinen Seen sind ebenfalls zum Teil Pels-
becken (Einbruchsscenr), in den meisten Fällen aber durch Abdämmung
(Flubachult, Moränen) entstanden. Solche Seen konnten besonders leicht auf
breiten Wasserscheiden sich bilden, wo die Kraft des fliefwwlon Wassers
zu gering ist, um den Schutt zu beseitigen. Alle Hochgebirgsseen sind
jugendlichen Alters, viele poolglaztal, die ältesten glazial. Verfasser kommt
am Scblub zur folgenden Einteilung: 1. Echte Fclwnbockcn : a) Glazial-
seen, häufig gruppenweise (Botner und tiefere Thalslrocken), b) Einbruchs-
becken, isoliert (Gehänge und tiefere Thüler), c) Überreste gröfsercr Seen
(Exklaven); 2. AMümnrangcn. Diese Einteilung leidet an demselben lo-
gischen Fehler, der einst Peochel veranlubte, die Keliktenseen als selbstän-
dige Gruppe aufzufassen. Die Exklaven gehören nämlich in eine Einteilung
nicht hinein, welche die Entstehungsart des Hohlruumes zum Prinzip hat.
Ich habe darüber schon ausführlicher in meiner Physikalischen Erdkunde ge-
sprochen. Am Schlub folgt eine Zusammenstellung der Hocbgcbirgmen
einiger Teilo der nördlichen Kalkalpen, die selbstverständlich nicht auf Voll-
ständigkeit Anspruch macht. Es ergibt sich :
Zahl
Höchsten.
ItohcngrcoxcQ
Thal-
Zahl
u. Plateau »ecu.
ffühengreiizen
Salibatger Al pro . . .
10
1600 — 1942m
1 18
660 — #73 m
Bayrische . „ . . .
00
1074—1900
4«
533—1176
Algkatr
87
1000 — 2700
1 15
710 — 1150
Der zweite und dritte Abschnitt handelt von den notdalpinen Jtand-
nnd Yorlandseen; man könnte richtiger sagen : von den g r Ö f# o r n Alpon-
und den Vnrlandseen, denn in der That ixt die Grobe das einzige Krite-
rium, welches zur Unterscheidung der erstorn von den Thalseen der früher
genannten Hauplgruppe („Hochgebirgsseen*) dient. Al» erste Hauptaufgabe
der Secnforxchung bezeichnet der Verfasser mit Hecht die Tiefenmessung,
da jede Theorie in der Luft schwobt, ao lange mau nicht über die Gestalt
der Hohlraume genau unterrichtet bt. Der Verfasser hat im ganxen 1716
Messungen in 20 Seen vorgenommen, und mit gerechtem Stolze kann er
behaupten, „das Bild von der Bodengestalt unsrer heimischen Secbecken in
»einen Hauptzügen für immer fostge* teilt“ zu hoben. Die Resultate sind
in prächtigen bathomet riechen Karten (im Mafwtab 1 : 25000, in zwei Fällen
1:30000) und Profilen niedergelegt.
Al» ein Fundaiuentalhewm für die genetischen Beziehungen zwischen
1850 m
1760 „
1610 *
1630 *
1410 .
1330 -
Achensee-Gebiet. . . . 1750 m
Pcndling 11 — 1200 „
Traun-Gebirge . . . 11 — 1200 M
Königaee- Alpen, Wnstflugel 1760 „
* Oftflügel . 1640 „
Steinerne» Meer . . . 1580 „
der einstigen Eisverbreitung und den Seen wird bekanntlich die geogra-
phische Verbreitung der letztem angesehen; leider überaiebt man dabei in
dar Regel die grobe zentralafrikanische Seengruppe. In Europa und Nord-
amerika steigert «ich aber allerdings das Seenphiinoroen von 8 nach N, und
in den Alpen im allgemeinen von 0 nach W. Da der Verfasser sich ziffor-
roäbig nur auf dio Alpen stützt, und auch hierin die Areulongaben unvoll-
ständig und zum Teil veraltet sind, so bab« ich nach dem Werk von Strel-
bitxky folgende Tabelle zusammengcatellt, die allerdings auch nicht auf ab-
solute Vollständigkeit Anspruch machen kann.
Seeearcal
qkm
Seondlch-
tlgkclt pro
1000 qkm
Britische Inseln
2 618,4
8,44
NorddcutschUnd, Xordhollawl und Dänemark . . .
5 149.«
16,70
Skandinavien
47 251,«
60.»
Finnland . . . .' .
54 483,7
145,81
Nord- und Mittelrubland
57 963,7
23,8«
Nördliche Breiten
167 456,4
39, «4
Wostalpen
Schweis mit dem Bodenwe und «njftcnMndcm Teile
386,«
4, «4
von Italien
2 092,8
36,4»
Schweben, Obeibsyorn, Tirol
732,»
11,36
östliche Alpenländer (südlich der Donau) . . . .
198.«
2,86
Alpenländer # 3 360,6 12,07
Niederlande (ohne den nördlichen Teil), Belgien und
auberalpin« Frankreich . 1 305,7 2*42
Mittel- und Süddeut «ehland und die Sudetenlönder . 797*0 2,61
Polen, ungarische lünder und Rumänien .... 3 073,6 3*16
SUdrubland (ohne Ciskaukaaicn) .... . . . 6 287,f 2,76
Mittlere Breiten 14 823,4 3,3$
PyrcnaLsche Halbinsel 376,8 0,4$
Auberalpines Italien I 248,6 5,73
Balkanhhlbinsel und Istrien j • _. 2 534,3 5,44
Südliche Breiton 4*159,7 3,71
Die alte Spaltcnthcorie bt hinfällig geworden, seit man die Boden«
gestalt der Seen kennen gelernt hat; aber auch Beziehungen der Gröfse der
Seen zur Grübe der sie durchziehenden Küss«, oder zur ilcbungsinteorität
der Umgebung, lassen »ich nicht naehweisen. Vox allem lngt an» dicThat-
mcho , dab die alpinen Seebecken mit der Pliichenauidcbnung relativ an
Tiefe verlieren, die Annahme cinos crosiven Ursprungs nahe. Die erodie-
renden Kräfte — und hierbei kann nach der Ansicht des Verfassern nur an
GlcUcher gedacht werden — raubten im Innern de» Gebirges, wo sio am
kräftigsten wirkten, mehr in vertikaler, im Vorland aber mehr ln horizon-
taler Richtung arbeiten, und die Messungen haben das bestätigt. Das Ver-
hältnis der Tiefe zur Breite (J/ Fläche) ist nämlich im Durchschnitt gleich
bei den
Thalicra im Gebirge
Schweiz. ...... 1 : 31
Bayern und Nordtirol . . 1:30
Salzkammorgut .... 1 : 22,8
Im Mittel 1:27
Vorlandsoeo
1 : 86,8
1 : 89
1 : 87
Bei den Hoebgebirgsaccn bt diene* Verhältnis gleich: in den bay-
rischen Alpen 1:5 — 17, in den Karpaten (Grober See) 1:7, im Böhmer
Wald (Schwarzer See) 1:12.
Eingehender werden hierauf einige gröbere Gebirgsseen besprochen.
Ein gemeinsamer Charakterzug bt die im allgemeinen wannenfömiige Gestalt
der Recken und die breite, echt tafelförmige Gestalt der Tiefenregion. Im
übrigen herrscht aber durchaus nicht Einförmigkeit. Der Achen- und dor
Plansee, beide durch Abdämmung entstanden, haben ihre Hsuptdepre*-
sinn in der Mitte des UagtnpföAla, die Felaenbtckcn des König*- und Wal-
chensees aber am untern Endo. Die Tiefenkarte de» letztgenannten gewährt
uns das Bild einer reichgegliederten Depression, und berichtigt somit die
irrtümliche Ausicht, dab die ScebÖden nur einfach abgeriegelte Thalbilden
und. Schon Gürobel hat gezeigt, dab die 'Hefenregion des Walchensee« fast
genau zusaramenfällt mit der Zone der leicht zerstörbaren , raergelreichcn
Schichten de» obern Keuper»; und ein ähnliches Verhältnis »ucht der Ver-
fasser auch für den Königwee nachzuwcbcn. Im Kocbelsee befindet «ich
die Mnximaltiefe am obern Ende, d. h. dort, wo Jura und Lias sich zwi-
schen Hauptdolomit und Flysch ein*ch;ebeti ; und der Verfasser vermutet,
dab c* »ich bei den beiden andern Randseen (Tegern- und Schlieraee) ur-
sprünglich ebenso verhielt, und dab erat später Allurkmen die Hauptdo-
pression tbalabwirt* verschoben.
ln bezug auf die bayrischen Vorlandscen verbietet die ungestörte Hori-
zontalität der Tertiärschichten , in welche jene cingesenkt sind , ebenso
20
Litteraturbericlit Nr. 59—61.
dio Anwendung der altem Spalten-, wie der jöngom Theorie von der Ab-
riegelung tod Thilern durch später* Foltenbildung. Die geologische Seite
des Problems hat schon Penck hinreichend beleuchtet. Dio grobe» Vor-
landseen sind echte I)«prr$*ion*s*en, deren Entstehung in die Zeit zwischen
der Ablagerung der diluviale» Nagelfluh und dem Schlafs der Eiszeit fallt.
Die Seenregion fallt zusammen mit der Drifricgion ; die Seen sind reihen-
weise (in de» Alpen auch radiär) in den Bahnen der alten Gletscher unge-
ordnet. Trotz ihrer Gleichförmigkeit, die auf eine einheitliche Bildung»-
weise schliefsen laCft, zeigen eio doch auch Verschiedenheiten je nach der
Gröfso der Gletscher und der Fähigkeit der letztem, sich auszubreiten. Ty-
pisch ist die einfache Mttldcnform (am »chöntton beim Ammeraee), woboi
dio Hauptdoprewion gegen die Nordhälfte gerückt ist. Querrücken kommen
nicht vor, wohl aber ist Neigung zur Inselb:! dang bemerkbar, und die In-
seln erweisen sich als widerstandsfähigere Partien des erodierten Rodens.
Neben diesen grofaen Seen, die nur durch Erosion (Gletschererosion) oder
Einsturz entstanden sein können (die Einstarxthcoric erklärt aber nicht die
geographisch« Verbreitung), gibt cs auch echte, seichte Moränenseen (höch-
stens 8 rn tief), welche die in der zentralen Depression der QlcUchcrbohn
liegenden grofsen Seen begleiten , und einige wenige abgeschnürte Flufe-
serpentinen. Einige Seen sind nur Exklaven gröberer Wasserbecken.
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Resultate der Tiofen-
und Tompcraturmcstungcn von Geistbeck zusammengeatellt.
Maximal-
Mittel-
Kalte Seen:
Tiefe
15*
KP
5»
temper.
d. Sees
Walchensee . .
196 m
8 m
12 m
40 m
4.6“
5,6”
Künigesee . .
(188)
—
8
26
4.5
5,1
Achensco . . .
132
—
14
32
4.9
5,5
Starnberger Sre
Warme Seen:
115
•7
15
45
4.5
5.«
Ammer«*« . .
79
Ä
18
53
4.«
1,6
Chiem»«« • .
74
6
16
65
—
8,7
Tegernsee . .
72
—
14
71
4,2
7,9
KocheLse« . .
67
8
15
50
4,8
8,1
Staffclseo . .
35,5
9
14
—
7,6
12,0
Barnue* . . .
31.6
6,7
10
21
4.6
9,1
Wagiagar So« .
27,6
7
15
—
8.0
1 1,8
Ttichinger See .
1$
7,4
—
—
10,2
13.0
Lauter Sc* . .
15
5.*
9.6
—
7,4
11.0
Kicgsce . • .
14
1t
—
—
14,0
17.1
Karpfsee . . .
5.6
—
—
—
10,0
16,4
Baidcrsee . » ,
5.»
— 0,16
Maxiroaltiefen:
8.5
».*
Plan**« . . .
75 m
Simmsep
Schlinrsec . .
Wdrtaec . . .
37
34
Seefelder See .
Der Unterschied von warmen und kalten Seen ist schon seit
längerer Zeit bekannt, aber trotzdem ist obige Tabelle, in der alle Tein-
pernturnngaben sich auf die Zeit der intensivsten Erwärmung beziehen, sehr
lehrreich. Der Verfasser kommt zum Schlaft, dafs die Mitteltemperatur
eines See* im allgemeinen um so höher stoht, je grofter die Seenflkche im
Vergleich zur Tiefe, je reichlicher der Zuflufa, je freier die Loge und je
intensiver die Besonnung ist. Unter Mitteltemperatur ist hier allerdings
nur die einer bestimmten WoAxenäule verstanden, und der Verfasser weist
nach, dafs häufig verschiedene Wassersäulen eines und desselben Sees sehr
wesentlich voneinander differieren.
I m allgemeinen lassen sich drei Wärme7onen unterscheiden : 1 ) Bis ca 1 8 n:
Tiefe; stark beeiuflufsl von der jährlichen Temperaturperiode, die sich aber,
wie nachfolgende Tabelle zeigt, auch noch bis zu beträchtlichen Tiefen geltend
macht. Bis 6 m langsame, dann rasche Winneabnahme. 2) Ca 18 — 60 m Tiefe
langsame Wärmeabnahme. 3) Die Zone von fast gleicher und konstanter Tempe-
ratur, welche aber bei seichtem Seen fehlt. Die tägliche Winneperiode lieb
Kalt«
S«on:
Tiefe : 0 m
1 m
4 m
18m
60 ni
Boden
Starnberger Se«
12. Sept.
1881
15,7°
15,7°
15,4°
8,2°
4,0°
4,6°
* m
19- Man
1882
—
5,4
4,4
4,0
4,0
4,0
Walchensee
1. Sopt.
1881
18,0
17,7
17,2
7,6
43
4a
m
W arme
16. April
i Seen:
•
4,4
4,8
4.«
4,2
4,0
Kochelsee
31. Aug.
1881
16,4
16,6
16,2
7,0
5,0
«,*
*
15. April
i.
—
8,6
6.1
4.7
4,2
4,0
Staffeixe
9. Aug.
1861
22,2
22,0
19.6
8.0
—
7.6
•
14. April
.
—
8,2
5,4
5,9
—
5.0
sich im Walchsee noch bis 10m Tiefe nirbweiscn; bis 12m Tiefe dringen
wurzelnde Pflanzen, bis 20 m die Küstonfatms vor.
Sehr eingehend werden auch die Eiaverhältnisse besprochen.
Alle kalten und die groben warmen Seen haben gewöhnlich nur ein« teil-
weise, die kleinen warmen Seen aber eine totale winterliche Bitriecko. Die
beständige Eisfreiheit wird bedingt entweder durch klimatische, oder durch
be.ior.de n* physikalische Verhältnisse oder durch grobe räumliche Aus-
dehnung. In bezug auf die Farbe der Seen schliefst sich der Verfasser
im allgemeinen Witbtein und Hpriug an. Die Durchsichtigkeit be-
trägt bei warmen Seen durchschnittlich 2,9, bei kalten Seen 13,* in,
variiert aber beträchtlich un Laufe des Jahres und ist am grofsten von
Oktober bis April. Supan.
60. Penck und Richter, Das Land Berchtesgaden. (Zoitschr.
Deutsch, u. Osten*. Alpenver., Salzburg 1885.)
Der erste, von Penck bearbeitete Abschnitt behandelt die Oberfidchen-
geotaUuug des Landes und ihre Kutdtehung. In populärer Form wird der
geologische Bau geschildert, und die pluteau förmige, in einzelne Stöcke
xerfallonde üebirgsgestaltung, die hier in ao drastischer Weise zu Tage tritt,
auf die vertikale Schollenbewegung de* Bodens entlang von Bruchtinien
xuriickgcfubrt, wobei dio Schichten im groben und ganzen ihre horizontale
Lage beibehielten. Nur im Watzruann und Hochkalter sind die Schichten
steil aufgoriclitet ; hier tritt auch der Grat au die Stelle dm Plateaus. Die
erste Anlage einiger Thiiler »cheinl ebenfalls tektonisch bedingt: das
Hinteracethul entspricht einer Bruchlinie, da* Königsseethal einer Synklinale.
Die Thalbildung begann schon am Ende der Triaäxeit (zentral alpine Gerolle
auf dem Steinernen Meer), wenn auch die damals gezeichneten Linien schon
verwischt sind ; die Entstehung der heutigen Thiiler reicht aber bis in die
Kroidopcriode. Da aber trotz ihre* hohen Alter» die jungem Tertiärbildungen
in denselben fehlen, tu» ist es wahrscheinlich, daf* bei der letzten Nivcau-
veriindemng die nördlichen Kalkalpen weniger xturk gehoben wurden, als
das jungtertiäro Vorland. Für die Thalbildungsgeschichte ist »ehr wichtig
der lUmsuuer Mühlxtcinfels , der Salzachgerölle enthalt, also (wie der
Gruttenstein boi Rcichcnhall) auf einen alten Salzachlauf über Zell am
See durch dos heutige Saalachthal und auf eine zeitweise Ablenkung über
den Hirschbichl nach Berchtesgaden hinweist. Im übrigen sind die Ober-
fiächenformen hauptsächlich durch die ücsteinbeschaffcnheit bedingt. Cher
die eiszeitlichen Gletscher von Berchtesgaden s. Litt. -Ber. Nr. 58. Ein
Moränensee ist dcrTiubcnsoc; der Fnnten- und Grüne See fällen geschlossene
Karstthaler und stehen mit den alten Gletschern nur indirekt in Verbin-
dung; echte Felsbecken sind der Königosee und der schon nahezu ver-
schüttete Hintersee, und d« Wimbachthal enthielt früher wahrscheinlich
auch einen solchen. Cber ihre Entstehung liifst sich nichts Sicheres »eigen,
da über ihr Alter bestimmte Anzeichen fehlen. Wichtig sind dio Be-
merkungen Über die heutigen Gletscher; die Cbergowene Alm ist das ein-
zige alpine Fimfeld von norwegischem Typus, und da auf der Sohle überall
Gletschereis vorhanden ist, ein Inlandeis im kleinen Msfmtab. Zu beachten
sind auch die Bemerkungen Über die fortlaufende Bildung der Karren felder
(vgl. Litt.-Ber. 1885, Nr. 19).
8ebr interessant ist die Knltunchildcnmg von Richter, wenn sie auch
selbstverständlich keine allgemein bedeutsamen Resultate zu Tage fördert.
86,2 Prozent des ganzen Lindchens sind entweder Wald oder über dem
Walde gelegenes Gebiet, 2,f* Gewässer und nur 11,9 Kulturland. Mit Rück-
sicht auf die geringe Ausdehnung des letztem ist die Bevölkerung dicht,
daher dio grofte Zersplitterung des Grundeigentums (vorwiegend mit Vieh-
zucht) und die Notwendigkeit, andre Krwerhsxweige zu suchen. Solche
sind schon seit vielen Jahrhunderten die Salzindustrie und die Holzschnitzerei,
wobei aber keine Trennung zwischen landwirtschaftlicher und industrieller
Bevölkerung besteht. Die Berchtesgadener Industrie erhielt aich ober nur
durch Stoatshilfo. Supan.
61. Hann, Diu Temporaturvurhultnisao der östorroivhiscboti
Alpealündur. (I. Teil, Sitz. -Bor. Wien. Akad. d. W.,
mntb.-natunviss. Abteil. 18S4, Bd. XC, II. Abt., S. 585:
II. Teil, ebondas. 1885, Bd. XCI, II. Abt., S. 403;
III. Teil, obendaa. 1885, Bd. XCII, VI. Abt., 8. 33.)
Durch die Torlingond. Abhandlung «erden die Ti-mpKruturrcrkUtni»«
der iMlcrrrichuthen Alpenlünder mit einer Genauigkeit f«itgo«tcllt, «i« >ie
kaum eiu andre, Gebirge der Krdo bisher nufxu«e>*en hat. I>ie Temperatur*
beobacbluugen von 2B9 «iztorTeirhijch-alpinon und dalmatinUehen und 03 be-
nachbarter auberuaterreicbiachen Stationen, deren Kinbeiiehuue »uro Zwecke
gewiattr spezieller llntenueliung notwendig rrnrhien, xiud auf die 30jährige
Periode 1851 — 80 reduriert und datier abwlut miteinander Tcrjlciebb.r
gemacht worden. Die Verteilung Uber die einzelnen Länder Ul folgende:
Digitized by Google
Litteraturbericht Nr. 61.
21
iw ....
. 79 SaUburu ....
19
Ungarn . . •
. 23
Kkmtan . . .
. 78 Obnr - öntorreich .
23
Oberitalien . .
. 17
Knun ....
. 18 Niader-Ö*t*rr«i«h .
28
Schweiz . . .
. 38
Steiermark . .
. 30 Küstenl., Dalmatien
22
Bayern . . .
. 12
Nach d.r llöheolag«:
unter 600 m .
. 162 1000 — 1500 m .
G3
2500 — 3000 m
S
500— 1000 ni .
. 115 1500 — 2000 . .
25
über 3000
. 1
2000 — 2500 „ .
13
Der I. Teil bildet gleiehaam die methodische Einleitung und behau-
delt die klimatologiaeh außerordentlich wichtige, »her Ton den Geographen
noch wenig verwertete Teraperaturabweichung (Veränderlichkeit
nach Dove). Die mittlere Abweichung der Monatsmittel ton der Normal*
temjieratur beträgt im
Wlntor
Frühling
Sommer
Herbst
Jabr
Xordfufs der Alpen
. 2,2) ®
i,»°
1,18®
1,84®
1,41*
Hochalpen . . .
. 1,38
1,42
1,81
1,60
1,65
Südöstlich« ThSlcr .
. 2,«
1,41
0,2»
1,58
1,56
SUdtirol ....
1,32
t,W
1,11
1,2»
Südfnfs der Alpen .
. 1,64
1,37
1,01
1,17
1.27
In den nördlichen und östlichen Alpen ist al«o da» Klima etwas ver-
änderlicher aU in Norddeutschland (1,26° im Jahresmittel nach Hell mann),
was der kontinentalem Lage der Alpen entspricht. Das Hauptmaximum
der Abweichung füllt in den Monat Dezember, das Hauptminimum au/ den
Juni oder Juli; ein sekundäres Maximum tritt überall deutlich im Mai
hervor. Die Zahl der Jahre, die notwendig sind, um den wahrscheinlichen
Fehler des TrmperoturmitteU auf sh 0,1° herabzumindern, beträgt im
Dezember
Juni Jahresmittel
Xordfaf« d»r Alp.ii
. . »80
80
3G
Hochalpen . . .
. . 370
90
24
Smlontlicho Thal« .
. . 4110
60
30
SUdtirol ....
CO
16
Südfufx der Alpen .
. . 200
70 (Juli)
24
Dreißigjährigen Mittelwerten von Monatstemperaturen haften also im Durch-
schnitt noch immer Fehler von iO,l° bis 0,26° und im Muxirautn noch
solche von *n. Bei Vergleichung der Mittelwerte eines verhSltnia-
mäfsig kleinen Kaumcx fallen aber dieie Fehler nicht sehr in das Gewicht,
dagegen ist es unbedingt notwendig (und dieser Satz ist besonders für die
Geographen beachtenswert) f daf» die Beobachtungen gleichzeitig sind oder
daf* «io, wenn die Uoobachtungsdauer verschieden ist, auf die gleiche Periode
reduziert worden. Dieses Verfahren ist deshalb zulässig, weil die Tun-
peraturdiflerenxeu von je zwei Orton viel konstanter sind, als dio Mittel-
werte selbst. Sehr wertvoll ist nun die Untersuchung Über die lleduk-
tiousmethode und ihre Zulässigkeit, doch gestattet uns der Kaum nicht,
darauf näher einzugehen. Ks genügt, die Hauptrcsultatc anzufUhren : I) Der
wahrscheinliche Fehler des Mittels der Temperaturdi/ferenzen ist uuter allen
Umständen im Winter gröber als im Sommer und wächst in allon Monaten
mit dem horizontalen und vertikalen Ab.taud der Keduktions- von der
NormaDtation ; 2) die Kedoktion darf dann nicht mehr angcwvndet wer-
den, wenn der Abstand der beiden Stationen so grnfs ist, daf» die Ver-
änderlichkeit der Tempcraturdiflerenz gleich ist der Veränderlichkeit dor
Tempcraturmittcl selbst, ln den Alpen ist diese Grenze mit ca 1000 km
horizontaler und ca 6000 m vertikaler Entfernung gegeben.
Der II. Teil bespricht die Lokal ei n flii ase auf die Temperatur-
mittel, hauptsächlich mit Bezugnahme auf Wien und dc*»cn Umgebung
(14 Stationen). Hier, sowie auch bei andern Städten zoigt ea sich, daf*
überall die Temperatur der Stadt höher ist, als die der ländlichen Um-
gehung, nbor örtlich in sehr ungleichem Maße. Ks zeigt sich ferner, wie
sehr lokale Einflüsse (z. U. Neubauten) die Temperatur verändern: das ist
ein Punkt, den man hei Untersuchungen über säkulare Klimaanderungen
auf Grund langjähriger Beobachtungen *trl* wird im Auge behalten müssen.
Der UI. Teil handelt endlich mn dor To m perat urverteil u ng in
den Alpenländern und enthält die Tabellen. Der Verfasser mußte «ich hei
der Diskussion de* reichen Beobachtungxmatcriol* Grenzen ziehen, er spricht
aber die Hoffnung iius, dnfs dasselbe noch andern Forschern als Gruudloge
ihrer Untersuchungen dienen werde.
Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit dem jährlichen Torn-
peraturgang. Folgende Tabelle gibt die Maxiraa und Minima der Ab-
weichung dor Monatsmittel und die mittlere Abweichung derselben vom
Jahresmittel, sowie die Jnhresschwankung. Man ersieht daraus die grofsen
Unterschiede zwischen dom Thal- und Höhenklima, zwischen dem Thal-
und Vorlamlklimo, die Eigentümlichkeit des Gipfelklimas, das dem Seeklima
verwandt ist. Im nördlichen Hochland gestaltet »ich das Klima gegen 0
hin immer kontinentaler.
PeUrraann» GeogT. Mitteilungen. 1886, Litt-Bericht.
Nördlich« Alpenland . .
Januar April
— 10,0* 0,2®
Juli
10,1°
Okt.
0,7®
Mittel
6,6°
Jahres-
Schwankung
20,1°
Porter- jThaUohlen . .
—12,8 1,1
11,0
1,4
1,4
23,8
thal und j Anhöhen W u. N
— 9,6 — 0.»
0,3
1,4
6,1
18,8
Kumten J „ 0 . .
— 8.» —0,2
0,3
1,0
5,8
17.7
Hochthälcr
— 9,0 —0.6
9.»
1,4
5,9
18,7
üipfel
— 7,2 —1,4
8,3
1.»
5,3
16,4
Südtirol
— 11,8 1,0
10,7
0,8
7.0
22,4
Italienische Seen . . .
— 9,8 —0,2
10,1
0,8
G,1
20,0
Dalmat. Küste (*Mai) .
— 7,8 1,8*
8,6
1,7
6.4
16,1
Aiu ravehettteii nimmt die Temperatur überall vom Marz zum April
zu, am raschesten nnkt sie von Mitte Oktober bis Mitte November. Sie
sinkt ferner überall rascher im Herbst, ab sie im Frühling zunimrot. Hin
zweites Maximum der Tempera tu neu nähme , vom Mai zum Juni, zeigt sich
schwach bereits im KUchthal, ausgeprägt schon an den italienischen Seen,
und an der dalmatinischen Küste wird es das Hauptraaximum. Folgende
Tabelle zeigt die Elemente des jährlichen Temporaturgangee :
Sccbohe rn
Xftrdl.
Vorland
390
8(1 <11.
Thäler
300
Hoch
thaler
2070
nipfel
2130
Dalmat.
KlDte
0
Eintritt des Minimums
8. Jan.
8- Jan.
9- Jan.
14. Jan.
22. Jan.
* i*
I. Mittels .
17. April
14. April 24. April
30. April
5. Mai
m m
Maximums
24. Juli
19. Juli
25. Juli
2. Aug.
30. Juli
• „
11. Mittels
18- Okt.
20. Okt
23. Okt
24. Okt
29. Okt
Minimum | Abweichung
— 10,40’
—12,00® —9,»»®
—7,18’
—7,,»®
Maximum |
vom Mittel
10,0»
10,82
9.48
8,18
8.60
Amplitude
20,49
22.83
19,d7
15,54
16,2»
Den Abschnitt über die vertikale Verteilung der Temperatur leitet
dor Verfasser mit den Worten ein: „Noch nie ist ein so umfassend** Ma-
terial zum Studium der Winneabnahme mit der Höhe dargeboten worden,
wie hier. Namentlich für die Ostaljicn ist cs das erste Mal, dafx wirklich
vergleichbare Tomperaturmitte) verwendet werden können“. Durch Kombi-
nation aller Temperaturmittel nach der Methode der kleinsten Quadrate
findet er für die Ostalpen eine Wfirrocabnahmc pro 100 m H :
Dezember . 0,M* März . . 0,M° Juni . . 0,**° September. 0,»43
Januar . . 0,3a April . . u,A3 Juli . . 0,62 Oktober . 0,48
Pebruar . 0,4*i Mai . . 0,64 August. . 0,60 November. 0,42
Jahr . . 0,M°
An der Nordseite beträgt die mittlere Wsrxucabnahme o,M" (Dezember
0,32°, Juni 0*63°), im südlichen Tirol und im Tessin 0,6* (Dezbr. 0,48°,
Juni 0,43°), und in Kärnten 0,46° (Januar 0,2, April 0,61°).
Die Seehöhe dor O^-Isotherme (in Meter), mit welcher aleh die untere
Schneegrenze wahrscheinlich parallel auf- und abwärts bewegt, zeigt fol-
gende Tabelle für cinigo Monate :
Januar
April
Aus. (-Juli)
Oktob.i
Unteres Kheiutlul und Nordtirol .
. 80
1904)
3620
2400
Südtirol und italienische Seen
. 550
2070
3590®
2470
Hohe Tauern, Hordaeite . . .
,
19G0
3560
2730
„ Südseite ....
2010
3640
2630
Berechnet man die Abweichung der beobachteten Temperatur von der
nach der roittlem vertikalen Wärmoabnahme berechneten , *n gelangt man
zum Kosultat, dafs im Winter die Temperatur in einer Hoho von 700 bis
1 200 m relativ am höchsten , und auf den untersten Thalstufen relativ am
niedrigsten ist. Die allgemeine Verbreitung dieser bekannten Erscheinung
ist hier zuerst nachgewiesen. Sie leitet uns hinüber zum Phänomen der
vertikalen Wärruezunahme im Winter, soweit dasselbe ein klimatische* Ele-
ment Ut, d. h. auch in langjährigen Mittelwerten sieb ausprügt. Das kärnt-
nische Drautbal Ut ein schon seit tangerer Zeit bekanntes Beispiel dafür;
Hann weist dieses Phänomen aber auch noch für den Pinzgau und das obere
Ennsthal, für das Pusterthal und die von N c in m Und enden Thaler, für da»
Gailthal, fllr die Alpen zwischen üw*t, Mur und Gurk, und die wörtlichen
Abhänge der Sau- und Koralpe, für das Ktschthal zwischen Bozen und Ala.
und für den Kanton Teaxin, wo »ich allerdings nur mehr Spuren finden.
Wir finden also das Phänomen überall , wo Thiler gegen die herr».chende
Windrichtung abgeschlossen xiud: dafs ea in den Alpen bexonder» häutig
auftritt, hat seinen Grund in dor Loge derselben in einem Gebiete relativ
hohen Barometerstandes zwischen der nordatlantischcn und den mediterranen
Depressionen. Man hat in jüngster Zeit für die WÜrraoumkehrung die Nebel-
decke über der Thalsohle und die ungehinderte Inxolatiuu in gröberer Höhe
verantwortlich gemacht. Das Ut unrichtig, denn die vertikale Temperatur-
suDthme ist am größten zur Zeit, wo die Sonne unter dem Horizont »ich
befindet, und am kleinsten nachmittags. Die tiefe Nachttemperatur in den
d
22
Litteraturbericht Nr. 82—64.
untern Stationen, die durch Wärmeausstrahlung in loco entsteht, bedingt |
hauptsächlich das Phänomen. Die Erkaltung der Luftmasscn iin Thal be-
wirkt da» Hcrabsinken neuer Luft au den Bcrghüngen, wodurch letztere er-
wärmt werden, so dnf* rr.nn sagen kann: die Külte unten bedingt die
Wärme oben.
!m Abschnitt über die liorit on tale Tcmpcraturvcrteiluug macht der
Verfasser nur auf cinigo besonders wichtigen Punkte aufmerksam. Kin sol-
cher ist die hohe Temperatur der südlichen Thkler der »eitlichen und mitt-
lem Alpen, einschließlich des Etschthal«, welche sie — da die Tempera-
tur in der Po- Ebene wieder abnimmt — zu klimatischen Oasen macht.
Bewirkt wird sie durch Schatz nach N und 0, und durch die Leichtigkeit
dos Abflusses der kalten Luft. Im Ktachthal ist dieser Abilafs etwas ge-
hindert, datier ist os auch weniger warm, als die westlichen Thöler. Die
klimatische Begünstigung erstreckt sich aber naturgemäß nur auf die untern
Luftschichten. Die Tcmpcraturiinderung für 1* Br. betragt:
0«1scbtvcit
Tirol
Östl. Alpen
W i d t o r :
Niveau 600 m
. . 2,1*
3,r
— 0,4°
•1 2000
. . 0,4
2,0
Sommer:
Niveau 600 m
. . 2,0
3,2
0,8
. 2000
. . 1,3
1,1
1,3
J ah r:
Niv.au 500 m
. . 1,8
2,8
0.1
. 4000
. . 0,»
1,4
0,4
Bemerkenswert ist ferner die rasche Temperatorabnahme während des
ganzen Jahres auf der Südseite in der Hichtung von W nach 0. Im Sommer
ist relativ geringe Würmo der südöstlichen Alpenthiler den groben» Regen-
mengen xuxurcH reiben. Im Winter bildet dus unter maritimem Kinflufa ste-
hende Friaol und Ooneer- Gebiet eine Wnrmcinsel. unmittelbar neben der
kärntnischen Kilteinsel. In Dalmatien ist besonders auffallend der Kontrakt
zwischen dem Winterklima dor Küste und jenem de» gebirgsnmAchlottoenen
Innern: ein Kontrast, der nur dort gemildert ist, wo ein breite» Klubthal
das Kiistcugebirge durchbricht. Sumcm.
62. Richter, Ed., Untersuchungen zur historischen Geo-
graphie dus ohemaligen Ilochstiftos Salzburg und seiner
Nachbargebiete. Mit. 1 Karte. Innsbruck, Wagner. 1885.
Wenn auf diese bedeutsame Schrift hier nur in Kürze verwiesen wer-
den kann, w» erklärt sich dies lediglich darnus, dab sie fust aiiMchliefslich
go'chichtlichen Inltalb ist und dio Grenzen der Geographie eben nur streift.
Entgegen jener Methode der historischen Kartographie, welche es sich zur
Aufgabe macht, alle in einer bestimmten Periode quellenmäßig nachweis-
baren Örtlichkeiten darzustellcn, und welche einerseits wegen der Unglcich-
rnäbigkeit des Quellenmitcrial*, anderseits wegen meist zu kleinem Mufs-
stab der Karten zu ungenauen oder geradezu falschen Bildern führt, hält
dor Verfasser die Aufsuchung administrativer und politischer Abgrenzungen
für die eigentliche Aufgabe der historischen Kartographie. Als lösbare Auf-
gabe erwies sieh im vorliegenden Falle dio Abgrenzung der Gcrichtsbezirke.
die besonders deshalb wichtig ist, weil sie einerseits in dos hohe Altertum
hinaufrcicht, anderseits für deu Grenzvcrlnuf der später hier entstandenen
Territorial Staaten maßgebend wurde. Das ist der Punkt, wo eine derartige
geschichtliche Karte auch geographisch bedeutsam wird, weil so lange an-
dauernde Marken auch — bis xu einem gewissen Grade wenigstens — na-
türlich bedingt «in müssen. Supan.
63. Toula, Geologische Untersuchungen in der «Grati-
wackenzono** dor nordöstlichen Alpen. Mit 1 Karte und
vielen Profilen. (Denkschriften Wien. Akad. der W.,
mathero.-naturwiss. Klasse, 1885, Bd. L, S. 121.)
Die geologische ObrrsichUkarte von Hauer zeigt zwischen dor öster-
reichischen Zentral- und nördlichen Kalkalpent/mc einen breiten Streifen
von Schiefem, Sandsteinen, Konglomerate« und Kalken, der dem Silur zu-
gcteilt, und früher im allgemeinen ab Grauwackenxoue bezeichnet wurde.
Die Auffindung foR«ilionfiihrender Horizonte im fiemmeringgebiet durch Toula
gab zunächst Veranlassung xu eingehendem Studien über die Gliederung dcT
„ (hau waektozoMu , dio in vorliegender Abhandlung niedergelogt sind. Ein
Profil durch du» 8emmeringgebtct in der Richtung von N nach S ergibt ,
nun im allgemeinen folgende Ifauptgliedcr .
I. Kalk alpen.
1. Hochgebirge aus Triaskalk.
2. Werfen tr Schichten.
II. „Grauwackenzooe-,
3. Graue und grüne Schiefer, zonenweisc Wechsel lagernd.
4. Schiefer und Sandsteine der SteinkohleDforroatiou.
Alle diese Schichten fallen konkordant nach Korden; zwischen 4
und 5 besteht Diskordanz.
5. Quarzite und Talkschiefer (a), die entweder dem Verrucano oder
den Werfencr Schichten entsprechen, und grofse dem Rh&t an ge-
hörige Kalkxtcin*t<>ekc (b). im allgemeinen nachdem Schema ababa
weciiselltgemd. Die Schichten fallen meist nach K, aber zahlreiche
Brüche durchsetzen diesen Komplex und verursachen nicht nur ver-
schiedene Fallwinkel, Mindern stellenweise auch Südneigwig.
III. Kristallin iocli e Schieferzouc.
Die Altcn«fcdge der Gesteine der Grauwackenzone ist also folgende :
1. Graue Schiefer, 2. Grünschiefer, 3. Karbon, 4. Yernicano oder Wer-
fener Schichten, 5. Rhüt. Supjn.
64. Randegger, J., Alpenland mit den angrenzenden Gebie-
ten von Zentralen ropa« 9 Blätter in 1 -.500000. Zürich,
J. Wurster & Ko., 1886.
Die Karte ist in zwei Ausgaben erschienen, einer oro-hydrographischen
und einer politischen. Die oro- hydrographische, hauptsächlich für die
Schule bestimmte Ausgabe ist nicht durchaus eine stumme Karte, sondern
es sind die wichtigem Gewässer und Ortschaften mit Kamen, manche
Stellen auch mit Höhenzahlen bezeichnet, überdies ist die braune Schum-
merung für das Terrain stärker gehalten als auf der politischen Ausgabe.
Diese enthält aufser einer groben Anzahl von Kamen und Hühenxahlcn
auch die politischen Grenzen, eine Menge Ton Ortschaften, Strofsen und
Wegen, und die rot eingedruckten Eisenbahnen, Gewässer blau. Streben,
Ortschaften und Kumeti schwarz. Grübe jedes einzelnen Blattes $3/^ cm.
Die ganze Karte repräsentiert einen Flächeninhalt ron 800 000 qkm und
umfafst aufser der Schweiz «Iss nördliche Italien bis zum Logo Trisiracno,
fast die Hälfte von Frankreich bis zum Meridian ron Paris, nahezu ganz
Österreich (mit Ausschlufs ton Ungarn) und da» Gebiet der süddeutschen
Staaten. In dem Begleitworte zu der Karte hofft der Verfasser, .dab die-
selbe ihre nutzbringende Anwendung auf dem Fcldr der Wissenschaften
finden werde, insbesondere, dab sie sich für die Geologie, Geognosie, Bo-
tanik und Meteorologie zu statistischen Zwecken eignen würde. Auch für
die Mititärgcograpbic und strategische Studien »oll die Karte wesentliche
Dienste leisten“.
Wir haben die Karte bereits im Manuskript auf der Weltausstellung in
Paria im Julire 1878 gesehen, indessen nur aus der Fcmo. Sie hing, als
..Wandkarte“ zuwunmengeseUt, «Jamals hoch, als dafs das unbewaffnete
Auge wenig mehr als deu Toluleindruck hätte aufnehracn können, sah aber
dort recht gut aus. Heute, wo wir dio Karte in lithographischer Ausführung
vor uns haben, steht einem eingehenden» Urteil über Auffassung und
Wiedergabe des vom Mithdmeer bis Wien reichenden großartigen Alpcn-
walls und dcT begrenzenden Gcbirgssvstcmc des Jura und Apennin, der
Vogesen und des Schwarzwild« A*c. kein Hindernis mehr entgegeu.
Schon hei einer frühem Gelegenheit sagten wir, „dab die Randegger-
»eben Karten in und außerhalb der Schweix unter diesem Kamen stets
bestens empfohlen sind-, und wir haben thAtaächlicli, so oft wir die schö-
nen Karten ron Teilen des Schweizerlandes in ihrer vollendeten roliefarti-
gen Haltung, um nicht zu sagen .Reliefmalcrei" , xu besprechen Gelegen-
heit hatten, kaum eine wesentliche Einwendung zu konstatieren gehabt.
Liegt doch die besondere Stärke des Autors gerade in der Anwendung dcT
„schiefen Beleuchtung- für das Hochgebirge, von welcher zahlreiche Bei-
spiolo den Beweis gehen. Aber wii konnten ebenfalls früher bereits an-
deuten, .dab an solchen Stellen, wo der ausgeprägte Alpencharakter fehlt,
kleine Versehen und Undeutlichkeiten nicht amge«chlowen sind-. Um so
auffallender mubte es uns »ogieich erscheinen, dafs auf den vorliegenden
Blättern, die noch dazu in ihrer Zusammensetzung als Wandkarte für eine
gewisfe Entfernung berechnet sind, die „«nkrechte Beleuchtung*' ange-
wandt ist, dies indessen nicht ohne Einschränkung. Während z. II. auf
Blatt IV die Savnyschen Alpen schwarz in schwarz, oder besser gesagt,
braun in braun erscheinen, «eben wir bereits Auf dem angrenzenden Blatt V
die Schweizer Alpen Sec. in einer Hinneigung zur lttdiefmauicr , die indes-
sen, z. B. bei den Tewinor Alpen, wieder dcT andern Tonart weicht. Auch
ist dabei ein bestimmtes Prinzip hinsichtlich des Beleuchtungsstüiidpunkte»
nicht immer zu erkennen, welche Unsicherheit sieh auf alle Blätter er-
streckt. Und so kommt cs, dafs tief eingesehnittene Thalor, aus einiger
Entfernung betrachtet, zuweilen eher den Eindruck eines Plateaus machen,
ob den einer Einrenkung. (Val Terescnga, Sarcn und Ponzer Thal.) Of-
fenbar ist erst nachträglich, wohl während des Stiches, versucht worden,
mehr taben in die Gliederung des Hochgebirges zu bringen und dabei
vielleicht dem Gutdünken des Üthogruphen zu viel freie Hand gelassen
I
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Litteraturbericht Nr. 65—68.
28
worden. Doch dw vonnuten wir nur. Mau fühlt aus diesem Schwanken
fortwährend heraus» dafs sieh der Verfasser nicht mehr „auf seinem Felde*4
wufstc, daf* er riellcicht xu spat cingerehcn hat, welchen Vorteil« er sich
begab, ab er seiner Eigenart uicht mehr Folge geben konnte! Daf* bei
dieser Art und Weise die Besonderheit des Hochgebirges gegenüber dem
vorliegenden Mittelgebirge, Jura, Vogesen, Schwarzwald, Böhmerwold &c.
nicht so herau&komnieu konnte, ab dies bei voller Anwendung und Aus-
nutzung der „schiefen Beleuchtung* unzweifelhaft der Fall gewesen sein
würde, bedarf keinor weitern Erklärung. Wenn wir demnach diesmal nicht
so uneingeschränkt wie sonst unsre Obereinstimmung mit der Auffassung
und Wiodcrgnbc dos Alpenrelicfo uussprechen können, so ist das in noch
hoherm Grade der Fall, sobald wir in dio Detail« eiugebeu.
Hier zeigt es sieh sofort, dafs der Verfasser uufserhalb seines engem
Vaterlandes die neuem und neuesten Vernietungen nicht ausgiebig genug
benutzt hat, und besoudera in den österreichischen Alpen sind Fehler
nachweisbar, welche heute oarh Beendigung der VföQO»* Aufnahme nicht
mehr erlaubt sind. So ist, um nur ein Beispiel aus vielen herauszuneh-
meu, auf Blatt 3 die Darstellung der Ostalpen zwischen der Knns und der
Donau bei Wien inklusive des »»genannten Wiener Waldes eine ganz ver-
fehlte. Wir beschränken uns nur auf don Fufs des Gebirges hinzuweben,
der in Wirklichkeit von Steyr in fast schnurgerader Richtung über l’urg-
stall und Wilhelmsburg südlich von 8t. Pölten verläuft und von da in
leichter Biegung über Neu- l>eugbacb bis Greifenstein u. d. Donau scharf
absetzt, während die Karte cs so erscheinen Uifst, ab ob dio Alpen auf
dieser langen Strecke ca 15 km nördlicher direkt bis an die Donau reich-
ten. Die dort angebrachten, überdies falschen Hohenzahlen 479, 619,
438 &e. erwebeu die Unrichtigkeit der Tenaindarstellung auch dem Nicht-
eingeweihten. Figuren wie das Tünnen -Gebirge, das Tote Gebirge, um
Pvhra, Schnee -Alp und Rax -Alp &c. entprechen der Natur nicht, und
wichtige l'isxc, welche für dio Gruppenscheidung der Alpen bedeutungsvoll
sind, kommen weder io der Zeichnung heraus, noch sind sie benannt
(Reckawinkl und Kauniberg, Lueg PM der lsclsbcrg 1*. See.). Kleinere, aber
in den Mafastab dieser Kurte gehörende Qchirgsübergango übergehen wir
dabei. Selbst Kulminationspunkte, wie der weitbekannte 1892 m hohe
Ötscher, der abseits den Haupthühenxngs liegende Giirtner Kogl westlich
von Fontofcl, der Dobmtsch bei Villach, der Tossruck bei Marburg, die durch
ihre Aussicht berühmt gowordene Schmittenhöhe bei Zell & c. sind verges-
sen, während überall unbedeutende, der Aufnahme nicht werte Höheu-
objokte eingetragen sind. Dio charakteristbche, sonst auf keiner Karte zu
verkeunende Gliederung der Dolotnitulpen mit den isoliert aufsteigenden,
oben abgestumpften Bergkcgcln ist hier kaum augedoutet » wie denn ganz
allgemein bekannte Eigentümlichkeiten andrer Berge und Berggruppen nicht
genügend herrorgehoben sind. In der Auswahl der Orte lassen sich wich-
tige Unterlassungen nnchweiscn (Täufers, Abbazia <fcc.}, und zahllose Schreib-
fehler in den Orts-, Berg- und Flubmimen, die teilweise an eine längst
entschwundene Zeit erinnern und auf ein ganz veraltetes Material hiudeu-
ten, lassen es ganz unangebracht erscheinen, hier Beispiele anxu fuhren.
Die Hühciizuhlen sind zum überwiegenden Teil ungenau, manche bis nahezu
100 ni. Von erötfrinten Eisenbahnen vermissen wir die Achenbahn südlich des
Chierawea, St. Pölten —Tulln, Brünn — Tiaehuuwitz , Fehring— Füratenfcld,
Spielfeld — Kodkersburg, sowie die neun Alpcnstrafsc von Fonds ins KUchtbal.
Ebenso wie in Österreich, so ist os in Italien, wo der Verfasser offen-
bar keine Notiz von den längst fertig vorliegenden Vermessungen des dor-
tigen GcneruUtab», welche sich in dem Mafotnb von 1 : 100 000, I .‘60000
und i : 25 000 übor die Pieinontesischen und I.igu rischen Alpen , sowie
über den ungrenzeudeu Apennin Ac. erstrecken, genommen hat. Es kann
al>er durchaus nicht unsre Absicht sein , auch hier längst uicht mehr zu-
treffende Angaben durch neuere zu widerlegen, — und für den übrigen
Teil der Kurte bitten wir um Entlastung. Dafs die Originalzeichnung zu
der vorliegenden Karte bereits in 1878 fertiggtotellt war, entschuldigt den
Verfasser keineswegs dafür, dafs er bis zum Tage der Drucklegung und
Herausgabe nicht dasjenige hineingetragen hat, was mittlerweile durch die
neuen topographischen Landesaufnahmen u. u. Iiekannt geworden ist. über-
dies war bereits damals nicht dasjenige Material an Karten und Büchern
xu Rate gezogen, wolchea man bei einer Arbeit dieser Tendenz nicht wohl
entbehren kanti , und wir bezweifeln daher sehr, dafs die im Begleitwort
ausgesprochenen Hoffnungen und Erwartungen sich erfüllen werden.
Voytl.
65. Steinhäuser, I)io Verteilung der Bevölkerung Nioder-
österreieba nach der Höhe der Wohnorte. (Blättor
Vor. fiir Landeskunde von Niederösterroich , 1885,
Sep.-Abdr.)
Sehr selten sind noch derartige Untersuchungen über europäische linder,
wie sie Blum ftir die Vereinigten Staaten von Nordamerika in so großar-
tiger Weise durchgeführt hat. Aus dem reichen Inhalt des Artikel« von
Steinhäuser, der die vertikale Verteilung der Bevölkerung nach den einzel-
nen üetichubczirken tabellarisch zur Darstellung bringt, wählen wir die
Haupttabelle (Bevölkerung der Hähenstufon in I*roz. derjenigen des betref-
fenden Viertels), Die alten Viertel sind bezeichnet mit U. W. (unter dem
Wieuer Wald), Ü. W. (ober dem Wiener Wald), 0. M. (ober dem Man-
hartsbrrg), U. JA, (untor dem Manhartsberg).
Ober 1000 m . .
Wien
0. w.
o. w.
0. M.
U. M.
Nieder-
'•»(erreich
0,1
0,1
—
—
0,02
900—1000 . .
—
0.4
0,6
0,7
—
0,2
800- 900 . .
—
0,7
0,1«
3,B
—
0,7
700— 800 . .
—
3,0
2,1
6,7
—
1,0
600— 700 . .
—
3,7
3,2
11,2
—
2,3
500- 600 . .
—
5,4
7,7
*4,2
—
6,0
400— 600 . .
—
8,0
9,0
19,0
0,«
4.2
300— 400 . .
—
13,7
25/»
7,2
2,n
6,7
200— 300 . .
18,0
82rO
89.«
12,7
42,3
25,2
100— 200 . .
Prownt der Landea-
30, t
10.0
•M
58,2
61»*
berülkeiuup . .
46,0
16,0
11,9
12,4
13,7
100,0
Es ist »IbatTorsUndlich, dafs diese Tabelle noch
nicht ein
gauz ge-
naues Bild der vertikalen Verteilung der Bevölkerung gibt. Zu diesem Zwecke
müfxtc eigentlich die Dichtigkeit für jede Höhenstufe berechnet werden.
Supan.
66. Boehm , Uber südalpine Kreiden hlageruugen. (Ztschr.
Deutsch. Geolog. Ges. Berlin 1885, Bd. XXX VIT,
S. 545.)
Es winl narhgewiesen, dafs am Lago di Santa Croce in den venetia-
nisrhen Alpen die Guraubildungcn weiter verbreitet sind , als man bisher
vermutete. Supan.
67. Schwicker, Ungarns Waldgebiet. (Ausland 1865,
Bd. LVIJI, S. 821.)
Dm ungarisch* Waldgcbiot nimmt rund 80 Prozent de. Kulturboden*
ein. In den Karpaten beginnt der Wald in 300 m Höhe; bis 1000 m
reicht der Laubhulxgiirtel , bis 1500 m der Nadelholzgürtel, bis 1800 m
die Region der Sträucher und Zworgbäume. Dieses Gebirge samt dem
daran sich schliefsenden sieheulmrgisrhcn Bergland enthält die vier grofsen
Waldkomplexe Ungarns deren Mittelpunkte das Zipn-Göraör-Sohler Gebirge,
dos Marmaroier Komitat, die Komitato Kronstadt und iliromszlk und end-
lich das Komitat K rux«« - Sxöreny bilden. Wenig bewaldet ist das Hügel-
land, am wenigsten bekanntlich da* Alfold. In den Stantxforsten entfallen
15 Prozent auf die Eichen-, 58 Proz. auf die übrigen Laub-, besondere
Buchenwälder, und 25,4 Froz. auf die Nndelwuldungen. Am wenigsten be-
waldet sind dio magyarischen Komitato (mit Ausnahme Am Szekler Lan-
des), am meisten die slawischen und rumänischen. Rückschlüsse auf den
Volkschnrakter darf man aber daran« nicht ziehen (wie der Vertonter es
thut), denn dio Magyaren bewohnen vorwiegend von Natur nti* baumarme
l Gegenden, und der Rumäne ist ein noch ärgerer Waldfeind als der Ungar.
Da* Erträgnis des Waldlandes liefert jetzt kaum 1 - Frox. Zinsen. Trotz-
dem ist die uugarische Forstproduktiou schon aktiv (1883 für 27,8 Mill.
Gulden Ausfuhr gegen 4,7 Mill. Einfuhr). Supan.
68. Magyarorszäg Megyeinek kezi Atlasza. Budapest, I’os-
nor , 1 885.
Von der für die Geogr. Mitteilungen feststehenden Regel, über Schul-
karten nicht oder nur ganz ausnahmsweise zu berichten, mag *» nachfol-
gender Gründe wegen im vorliegenden Fall gestattet »ein , eine Ausnahme
zu machen. — Füllte) mit den Wandkarten aller 63 Komitate Ungarns und
Siebenbürgens, welche auf deu Wunsch des Königlich ungarischen Unter-
richts-Ministeriums in Budapest unter der Ix-itung des Ministerialrates
Ooneijr v. Kogutowicc in dem neu begründeten kartographischen Institut
Ton Posner hergestellt werden, und von welchen dio erste Lieferung vor
uns liegt, erscheinen die Hand karten der Komitato, damit Lehrer und Schüler
auch einen Jaohrbchelf in Händen haben. Und diese Karten sind « vor-
nehmlich, welchen wir einige Worte widmen müssen, da aie auch außerhalb
der Schule vermöge ihres grofsen Mafostabes, 1:226000« 1:800000 und
1:375000, mehr aber noch durch die Art uud Weise ihrer Ausführung —
blau« Gewässer und farbige Unterscheidung verschiedener Höheustufeu mit
Unterstützung von brauner Schraffierung, die Grenzen der Stublbesiike rot,
sonst alles schwarz — wohl Verbreitung finden werden. Ein zweiter Grund,
weshalb wir dieser Karten Erwähnung thun, ist, zu bestätigen, dafa man
in Ungarn anflugt, sich von dem kartographischen Kiufiuf» des Auslandes,
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Litteraturbericht Nr. 69 — 74.
einschließlich der citleithaoUchen Hälfte des Kaiseistaates , unabhängig zu
machen, — und man thut das nicht ohne Geschick. Denn die Wund-, wie
die Handkarten verraten eine geübte, bereits routinierte Kraft , und sehen
nicht danach aus, als fange man erat an xu experimentieren. Vielmehr sind
es empfehlenswerte, sich ihren Zweckes bewußte Karten, welche manchem
ähnlichen Machwerk im lieben Deutschen Ueich, wie man cs in Schulen
and sogar auf Ausstellungen noch sehen kann, bei weitem „über“ sind.
Dadurch ixt es auch erreicht, was raun ja wohl in erster Linie beabsichtigt
hat, dafs die gänzliche Magyarisicrung der Ortsnamen in Ungarn nach der
„amtlichen" Schreibweise konsequent durchgeführt werden kann, und deren
Annahme wenigstens in Ungarn selbst nur noch oine Krage der Zeit —
sagen wir der nächsten Zeit — ist. Zwar finden wir auch hin und wieder
einen deutschen Ortsnamen, er ist aber der amtlichen ungarischen Schreib-
weise untergeordnet. Im übrigen basieren die Karten, das Gerippe sowohl
wie das Torrain, auf der Viui>>>~§PG*itlkarte des Wiener milit.- geogr. In-
stituts mit Benutzung der ueuen in der König), ungarischen Stuatxdrucknrei
horgostollton Karte Ungarns in ]:36UOÜ0, und sic werden bei obligato-
rischer Einführung in den Schulen die systematische Magyaririerung der
deutschen, waLchUcheu, rumänischen und kroato • serbischen Komitate
viel schneller fordern, als da» auf jodom andern Wege möglich gewesen
wäre. Vou den Haodkarten sind bisher fünf Komitate erschienen, nämlich :
1) Pest — PiU* — Solt— Kiskün, 2) Torontal, 3) Vas, 4) Sxiügv, 5) San*.
Fog ei.
69. Carte de France au 1 : 50 000 , publice par le Depot
de la Guerre. Paris.
Nachdem wir erst im letzten Maiheft der Geogr. Mitteilungen die ersten
Sektionen einer ueuen Karte von Frankreich in 1 : 200 000 besprochen
haben, kommen jetzt ton derselben Stelle 27 Sektionen oincr ganz neuen
auf ca 1 lOO Blatt berechneten Karte ron Frankreich , dio unsre Aufmerk-
samkeit in hohem Grade in Anspruch nehmen. Aus dem heigegebenen Be-
richt entnehmen wir, „dafs die ersten Versuche bezüglich der Ausführung
dieser Knrte im Jahre 1881 gemacht worden, indem das DtpAt de 1h Guerre
auf Grund der früher aofgenommonen Meßtischblätter in 1:40000, nach-
dem dieselben durch Nachträge und Berichtigungen auf den Stand der Neu-
zeit gebracht waren, an die Herstellung der 1 -»a»)* Karte mit Hüheukurten
und in Farbendruck ging". Hierzu bemerken wir, dafs die Karte mitteD
Zinkographie in sechs Farben ausgeführt ist, welche bei der dem grofsen
Maßstab entsprechenden räumlichen Auseinanderhaltung gut aneinander pusseu
und deutlich ablesbar sind, — wenn auch die Schärfe und Eleganz dos
verlassenen Kupferstichs bei weitem nicht erreicht wird. Kot sind Kindliche
im Grundriß vorhandenen Ortschaften, sowie die allezeit fahrbaren Chausseen.
Schwarz die Kiteubahnen und das übrige Wegenetz, sowie die Schrift. Der
Wald grün und die GnwiU«cr hUu. Die braunen Niveaulinien haben einen
Abstand von 10 m und sind statt der Texrainschrafßerung durch die Wisch-
roanier (Schummerung) in graublauer Färbung abgetönt. Ob die Wege auf,
über oder unter der Eisenbahn verlaufen, ist kenntlich gemacht, uueh sind
die Zeichen ftir Pos? und Telegraphie bei deu betreffenden Stellen einge-
tragen. Als eine vielen sehr willkommene Neuerung ist dio den Ortschaften
beigodruckto Einwohnerzahl zu betrachten, und wio wir bereits bei Gelegen-
heit der oben genannten Y*»omv' Karte unsrem Erstaunen Ausdruck gegeben
haben, dafs dort die seit 1870/71 entstandenen Neubefestigungen und Fort«
eingozeiebnet waren, so müssen wir dowelbe für die vorliegenden Blätter
betonen, nur mit dem Unterschied, dafs ca hier in noch ausführlicherer
Weis« geschehen ixt. Somit konstatiert diese neue Karte einen großen Fort-
schritt gegenüber der in Kupfer gestochenen schwarzen Ausgabe in t : 80000;
sie wird insbesondere dem Ingenieur für Eisenbahnen und Wegebauteu &c.
bei der Herausgabe dos ersten Entwurfs sehr nützlich sein. Die 27 uns
vorliegenden Sektionen verbreiten zieh in NO-Prvnkreich etwa auf den Kaum
von Verdun — Metz bis Gray — Montb^liard, indem sie nicht ganz bis an die
nunmehrige deutsch - französische Grenze reichen, und wir entnehmen den
zugehörigen Bemerkungen weiter, „dafs dio Fortführung dieses sehr nütz-
lichen Unternehmens wegen finanzieller Einschränkung vorläufig unterbleiben
muß". Freilich ixt zu seiner Fertigstellung, einschließlich aller Vorarbeiten,
ein Kredit von 22000000 Frank erforderlich, weleher von der französischen
Abgeordnetenkammer verweigert wurde. Dafs übrigen« dos große Unter-
nehmen einer neuen Generolanfnabme von Frankreich in dem Maßstah ron
1 : 10000 oder 1 : 20 000 mit genauen Höhenkurven, statt der fortgesetzten
„annähernden * Aufnahmen nur eine Frage der Zeit ist, entnehroeu wir schon
der Bemerkung, „daß die topographische Abteilung des französischen Ge-
neraistah» unter Leitung des Kommandanten de la Loe bereits solche Ar-
beiten ausführt, welche später aß Muster gelten sollen“. Man würde daun
die Meßtßchblätter behufs ihrer Benutzung für dio Ingenieure und die
technische Welt vervielfältigen nnd für das große Publikum und die Arraoe i
eine topographische Karte in l : 60 000 schaffen, welche eine unantastbare
Darstellung des Lande* wäre. Genau so, wie « in einigen andern Staaten
bereit* geschehen ist. Voytl.
70. Album (io Statistique grapbique de 1884. Heraus*
gegeben vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten,
Paris. 1885.
Die ersten 13 Tafeln sind teils kortogrephieehe Dtratellungeo der Hin-
nahmen. Waren- und Peraoneubeweftung auf den französischen Bisenbahnen,
teils graphische Darstellungen dor neuen Tarife der Compaguie de l’Eal.
Tafel 14 — 19 eind den kartographischen Darstellungen der inner« Schiffahrt,
und Thfel 2(1—23 jenen der maritimen Srhilfuhrt im Jahre 1882 gewidmet.
Sehr lehrreich iet die Darstellung der fraozöeuchen Handelebewegung ron
1716—1881 (Taf. 24); bis 1825 bleibt derTotalwert unter 1000 Will. Frank;
1840 erreicht er 2000 Mit)., 1850 2500 Milt., und nun nimmt der Handel
einen gewaltigen Aufschwung, bis er 1881 einen Totalwert ron 10 700MÜ1.
Frank erreicht. Seit 1876 nimmt die DilTerenz der Bin- und Ausfuhr zu
gunsten der erstem stetig zu. Die Karle auf Tafel 25 stellt durch far-
bige Kreiae, von denen jeder ein Departement repräsentiert, die Bevölke-
rungsbeweguug ron fünf zu fünf Jahren für die Zeit 1801 — 1881 dar; die
Berälkerungszahl für den Beginn jedes Qninquenninma wird mit jener ron
1841 verglichen, die also den Nullpunkt darstellt. Binige Departements
der Normandie haben seit dieser Zeit an Kinwohnerxahl abgenommen.
5'upan.
71. Vorhandluugen über den „Canal des deux mors“ auf
dom Cougrös regional zu Borger;«', Sept. 1885. (Bull.
Soc. de Geogr. commorc. Bordeaux 1885, Bd. VUI,
vS. 566.)
Militärische und handelspolitische Grinde machen für Frankreich einen
offenen Schilfabrtakaital im N der Pyrenäen ebenso wünschenswert, wie
den Nonl-Oitsee-Kaual für Deutschland. K$ sei hier aufmerksam gemacht
auf die den Verhandlungen beigegebene Karte, welche die beiden Projekte
darstellt. Nach dem einen nimmt der Kanal seinen Anfang in Bordeaux,
nach dem andern in der militärisch günstiger beschaffenen Bai von Arcachon.
Bei Kourquc* vereinigen aich die Linien beider Projekte uud von da an
verläuft der Kanal parallel mit dem Canal du Midi über Toulouu- nach
Nirbonne. Supa*.
72. Bardet, Orograpbie et Hydrogrnphio du ddpsrtemeut
d'lodre-et-Loire. (Kev. Soc. do Geogr. de Tours, 1885,
Bd. II, S. 405.)
Ausführliche, aber rein beschreibende Darstellung , die aber auch auf
die geoguiMtiichen Veihältnime Rücksicht nimmt. Der hydrographische
Teil ist eine langatmige Umschreibung der Karte. Supan.
73. Velain , Los rochos basaltiquos d'Essey-la-Cöte. (Bull.
Soc. geolog. do Franco, 1885, Bd. XIII, S. 565.)
An der Grenze der Departements Vogesen und Mcurtho und Mosel, süd-
lich ron Lunerilte, erhebt sieb die UAto d'Ksaey (427 m hoch), ein Kegel
Ton auffallend regelmii feiger Form. Kr sei hier nur erwähnt, weil er ein
trofflichos Beispiel partieller Denudation darbiotot. Kr erhebt »ich über
eine, aus schwach nach N geneigten Muschelkalkschichtcn bestehende
Bbeno, und ist aus Keuper- und Liasschichten aufgebaut, die offenbar nur
deshalb an dieser Stelle der Denudation entgingen , weil sie durch mäch-
tige basaltische Gänge gleichsam ftotgehalten wurden. Supon.
74. Wunderlich, Aardrijkskuude vau Nederland. Zutten,
W. J. Thieme & Ko., 1885.
Es ist allgemein bekannt, «laß unter denjenigen Lindern, wo die Geo-
graphie am meisten gepflegt wird, die Niederlande eine ehrenvolle Stelle
entnehmen. Befremdend mag es daher erscheinen, daß die meisten Nieder-
länder sieh bis vor kurzem sehr wenig für die Geographie ihre* eiguen
I<ande* interessierten. Es ist ja noch nicht zwei Jahre her, daß die
Hydrographie dor Niederlande in den meist benutzten Handbüchern t-o
stiefmütterlich wie möglich behandelt wurde, und daß, wenn ihrer schon
erwähnt wurde, meist sonderbare Vorstellungen in Umlauf waren hinsicht-
lich der Polder uud Trockenlegungen, der Fruchtbarkeit de* landcs und
dor Wosscrfönlcrung. Eine glückliche Veränderung vollzog sich seit dem
Erscheinen des Werkes de« Genieoffizier« A. A. Beekman: „NedcrLnd als
Polderland“ (1884), da» ganz neue Anrichten zu Tage förderte und außer-
ordentlich anregend wirkte. Auch das Buch, über welches wir zu refe-
rieren haben, verdankt dieser Anregung seine Entstehung.
Nach oincr allgemeinen Einleitung über don Ursprung do« Namen«,
dio Grenzen, die Lage des Laude* Ac. . widmet der Verfasser seine Auf-
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Litteraturbericht Nr. 75 — 76.
25
merkaamkoit der horizontalen (Küste, Dünen' und vertikalen Gestalt des
Landes , und endlich der Zusonraicn*eUung des Bodens. Nach der Her-
kunft unterscheidet er: das nordische (skandinavische) Diluvium, dos ge*
mischte und dis südliche oder Rhein- uud Maas- Diluvium , und endlich
das Alluvium.
Nach der Beschaffenheit «erden unterschieden:
Moeresthon (xacklei)
Flutsthon (ririerklei) .
Hnchublogcrungen (b^ckheexinkingcu'
Moore (venen)
Dünen (duinen) und äolische Saudablagerungen
(xandstuivingen) .
763 814 ha
348 338 •.
63 609 -
010 364 M
*6 000 „
Alluvium 1 861 176 ha
Sauddiluvium (xanddiluvium)
Kiesdiluvium (grintdiluvium)
Limburger Thon (Limburgschc
. 961 828 „
. 327 679 „
klei) . . 52 140 *
Diluvium 1 341 047 ha
Altere Formationen kommen mit Ausnahme der Provinz Umburg ln
den Niederlanden nur selten vor, doch beläuft sich der jährliche Ertrag
der io den Niederlanden geforderten Steinkohlen noch auf 4 Millionen kg.
Beim Studium der Niederlande aoll man vor allem darauf achten, dafs
man Polder und Trockenlegungen streng voneinander unterscheidet. Kio
Polder ist ein Stück Land, von Kaien oder Deichen eingeschlos»*» zur
Abwehr des umgebenden Wassers und xur Abschliefsung des darin befind-
lichen Wassers; Trockenlegungen dagegen sind tTockengelegte Polder, woraus
durch die Natur oder durch die Arbeit des Menscheu der Torf entfernt
ist, tiefo Bocken als«, deren Boden im allgemeinen 3,74— 6,4 m untcT dem
Nullpunkt de» Amsterdamer Pegels liegt. Die meisten Trockenlegungen
findet nun in den Provinzen Nord- und Südholland, die ältesten (aus
dem 17. Jahrhundert) in Noidholland. Aus der Sache selbst geht hervor,
dafs die Entfernung de« Polderwassers in den Monaten September bis Märx,
wo der Niederschlag die Verdunstung übertrifft, zu den wichtigsten Auf-
gaben gehört.
Nachdem der Verfasser einige Seiten der Verwaltung der Polder ge-
widmet hat, wendet er sich xur Besprechung der Flüsse. Ira allgemeinen
glauben wir, daf» dieaor Teil der schwächste des ganxen Werke« ist, wäh-
rend gerade hier Beekman reformitomch gewirkt hat. Im Anschlufs au
diesen behauptet Wunderlich nachdrücklich, dafs het Pannerdensch Kanaal
(Niederrhein), de Lek und de Nieuwe Maas ein und derselbe Ilauptflufs
sind, so daf» der Itheiu nicht boim Dorfe Katwijk, sondern beim Hock
van Holland ins Meer mündot.
Die nun folgende Besprechung der Seen enthalt weniger Interessantes.
Wichtiger ist die Abteilung über da» Klima. Wie bekannt sein wird,
schwankt die mittlere Jahrestem|»eratur der Niederlande xwischen 9,16°
(den Helder) und 11,11° (Maastricht). Während dor Sommermonate sinkt
die Togestemperatur nie unter den Nullpunkt: bisweilen kommt die* aber
während der Nacht vor, und vorzüglich auf weiten Grasfiurcn, welche bei
heiterni Himmel stark auastrahlen. Der holländische Bauer behauptet, dafs
die Nachtfröste am Morgrn des 15. Juli endigen, um in der Nacht des
16. Juli wieder zu beginnen. Die vorherrschenden Winde sind die west-
lichen. Im Sommer kann aber bei konstanter Witterung der Wind eine
vollständige Drehung im Sinne des Uhrzeiger* »umfuhren. Morgens werden
nämlich die Östlich liegenden Länder erwärmt und es entsteht ein Westwind.
Mittags hat dagegen das südlich liegende Land eine höhere Temperatur, und
man bekommt Nordwind, während gegen Abend, wenn das Meer einen
höhem Wärmegrad besitzt als das Lind , der Ostwind sich fühlen läfst.
Am uichslen Morgen fangt dieser Kreislauf von neuem an. Die mittlere
jährlicho Hegenhöhe beträgt 688 mm. Am meisten Hegen fallt im Juli
und Augu&t, am wenigsten im Märx und April. Die Anxahl der Hegen-
tage beträgt 160, während jene der Tage mit ganz heiterm Himmel sehr
gering ist.
Indem wir jetzt zu der Bevölkerung übergeben, soll zunächst bemerkt
werden, dafs die Vorfahren de» niederländischen Volkes zu drei germanischen
Stämmen, den Priesen, den Franken und den Sachsen gehörten, woraus
nach gegenseitiger Mischung dio Friao-Sachaen an den Grenzen der Provinzen
Drcntc und Pricsland und auf den Torfboden der Provinz Overij&cl, und dio
Friso-Franken in den Provinzen Holland und Zeeland entstanden. Bemerkens-
wert ist es, dafs gerade auf de Veluwe, wo der Boden gemischt ist, auch die
Bevölkerung aus verschiedenen Bestandteilen xuazmroengesetzt ist. Die ge-
nannten drei llauptatämme haben noch jetzt ihre eigentümlichen Merkmale
und Erwerbsmittel bewahrt. Der Charakter der Niederländer ist schon zu oft
und ausführlich beschrieben worden, als daf» der Verfasser auf den wenigen
Petermann« Geogr. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bericht.
Seiten die er ihm widmet, etwas Neue» sagen könnte. Fraglich ist cs, ob die
Behauptung, daf» die Peinlichkeit des Körper* oft viel zu wünschen übrig
läfst, richtig ist. Dor Protestantismus (62 Proz.) hat seinen Sitz in den
Thongogenden aufgcschlagen, der Katholizismus (36 Proz.) auf dem Rhoin-
und Maas - Diluvium , während das skandinavische und gemischte Diluvium
unter seinen Bewohnern sowohl Protestanten als Katholiken zählt. Die An-
zahl der Israeliten in den Niederlanden beträgt ungefähr zwei Proz. der
ganxen Bevölkerung.
Von dem Gesamtareal entfallen auf das Ackerland 26,9, auf da» Gras-
land 34,4, auf Gärten uud Obstgärten 1,4 und auf den Wald 6,8 Prozent.
Ackerbau, Viehzucht, Handel, Schiffahrt, Fischerei und Industrie werden
nun besprochen, worauf gedrängte Kapitel über dio Verkehrsmittel und die
Ortsbmciireibung folgen. Die letztere Abteilung ist aber viel zu kurz; bei
doppelter Ausdehnung würde dieser Gegenstand nicht zu ausführlich be-
handelt »ein. Am Schlüsse dc4 Werk« sind einige Seiten der Verteidigung
der Niederlande ira allgemeinen uud Hollands insbesondere gewidmet,
wclcho mit Aufmerksamkeit gelesen zu werden verdienen.
Wie schon aus obigem hervorgehen wird, verdient das Werk nicht un-
geteiltes Ix»b. Hier und da wäre eine gröfsere Ausdehnung und demzufolge
eine gröfsere Klarheit sehr erwünscht. Im ganzen kann es aber sehr em-
pfohlen werden, auch den Geographen de» Auslands, welche oft noch falsche
Vorstellungen Uber die in mancher Hinsicht so merkwürdigen Niederlande
hegen. Hat man einmal dieses Werk studiert, so hat man eine gute Vor-
bereitung genossen für da» öfter» citicrtc Werk Beekman», ja mau wird,
angeregt durch das viele Interessante der niederländischen Ib*dcnbeichafTen-
heit, nicht länger xögern, uueh mit diesem Werke bekannt zu werden.
Aiwfrkfir«.
75. Noordzee. — Zeegaten van Goeree on Maas, 1:50000.
’s Gravenhage 1885.
Wir körnten nicht allen Erscheinungen der Kartographie in diesen
Blättern Hechnung tragen uud müssen uns darauf beschränken , stets nur
da» Wichtigere, du« Neue und Bessere hernusxugreifen. Zumal bei den
sogenannten Admiralität»- oder Seekarten, deren Veränderlichkeit fast mit
jeder neuen Lotung konstatiert wird, müssen wir un» eine besondere Re-
serve aufcrlcgen. Wo aber, wie in den Niederlanden, die verschiedensten
Ursachen mitwirken, außer dem Mcere*!>odon auch die Küstenlininn und
die Flußmündungen bb tief in da» Lend hinein in gewinen Zeiträumen
erheblich zu verändern, und wo der beständigen Verbesserungsbedürftigkeit
der betreffenden See- und Flufskarlcn in »o vollkommener Webe Genüge
geschieht, wie dort, da bt es nicht zu umgehen, daf» wir von den bedeu-
tendem Publikationen diese« Zweiges der Kartographie mehr als sonst
üblich Notiz nehmen. Au» diesem Grunde verweben wir auf die oben-
genannte, au» den Jahren 1882 und 83 stammende Aufnahme der hydro-
graphischen Abteilung de« niederländiacheu Marineminbtenums, welche sich
durch den außerordentlichen, nirgends einen Zweifel aufkommeu lassenden
Reichtum ihrer Angaben, wie durch die Sauberkeit ihrer Ausführung den
vorausgegangenen Arbeiten von derselben Stelle (s. Geogr. Mitt. 1883» S. 31)
würdig anschliefst. Dio Karte bt besonders wichtig für die Dampfschiff-
fahrt, indem sie genau die Fahrstraße vom Licbtscbiff der Schouwenbank
bis in die Maa»mündung und durch den ..Nieuwe Waterweg“ im Hoek
van Holland nach Rotterdam, wie nicht minder die Wege durch du« Häring-
vliet und De Krummer nach dem Hollindach Diep zeigt. Die frühere
nördliche Mündung der Maas Hct Scheu r ist abgedümmt. Vnptl.
76. Buchan, The animal Kainial! of tho British Islands.
(Journ. Scott. Meteor. Soc. for 1884, S. 131, mit
1 Hegenkarte.)
Die Tabellen geben die mittlere jährliche Regenmenge Ru 547 schot-
tische, 1080 englische und 213 irische Stationen für die 24jäbrigc Pe-
riode 1860—83. Die kürzern Beobachtungareihen wurden mit wenigeu
Ausnahmen auf dio 24jährige Periode reduziert, so daß absolut vergleich-
bare Werte für das ganze Reich geschaffen wurden. Au» den Tabellen,
timen ein kurzer Begleittext beigefugt ist , und der Karte ergeben »ich
folgende Uauptresultate.
Die beiden großen britischen Inaoln acheiden sich in je zwei Haupt-
xonen: eine weltliche mit über 100 cm und eine östliche mit weniger als
100 cm mittlerer jährlicher Niederschlagsmenge, ln Schottland bt die
erste Zone mehr entwickelt. Auf den nördlichen Inselgruppen betrügt die
Regenmenge 69- -113 cm, auf den Hebriden steigt aie schon allge-
mein über 100 cm, und auf der Skyc erreichen wir bereit« eines der
MaximalniederschLgs- Gebiete (Sligachan, 140 m hoch, 234 ero). Da» zweite
Maximalgebiet (mit mehr als 200 cm) umfaßt einen beträchtlichen Teil
des westschottbcheu Hochlande« zu beiden Beiten des Loch Linnhc. Hier
e
26
Litteraturbericht Nr. 77 — 80.
betragt die Regenmenge Meilenweit* über 250 cm; Glancroc, die feuch-
te* te Station Schottland*, 100 tu hoch, hat sogar 320 ctu (allerdings uur
Ojähr., unreduziertes Mittel). Südlich von der Clydcburhl und im *üd-
schottischen Gebirgaland hält sich die mittlere Niederschlagsmenge zwischen
100 und 150 cm, und übersteigt letztere Zahl nur noch tu den hohem
Teile» des Gebirges, aber ohne irgendwo 200 cm zu erreichen. Die Nord-
kustc und die fotliche Abdachung d« Gebirges liegen in der Zone zwi-
schen 75 und l0O cm; am geringsten ist die Regenmenge au der KlUte
von Caithness, am Moray firth und südlich Ton I'cterhcad. Dio Nieder-
schlagsmengen für einige der bedeutendem Orte Schottlands sind:
Wiek ... 71 cm Dundee . . . 77 cm Glasgow . 102 — 100 cra
Interne» . . 71 „ Perth . .84 — 108 , Greenock . . 103 «
Aberdeen . 78—82 „ Edinburgh 72— 70 * Durofrias . . 102 «
ln England nimmt die UH) cm -Zone nur mehr den vierten Teil des
Land» ein und zerfallt in drei isolierte Gebiete, die den Gebirgslkndern
entsprechen. Das erste umfafst das cumberUndsche und pcnnittiachc Ge-
birge; im Seenbezirk steigt die Regenmenge über 250 cm, und dio Station
The Styc (328 m hoch) ergab sogar im 12jiihrige» Durchschnitt 472 cm:
dio gröfste Regenmenge , die bisher in Europa überhaupt gemessen wurde.
Carl islc hat 78, Preston 101, Uvorpool 83, Manchester 94 cm. Das zweite
Gebiet ist das Hochlaud von Wales; die Maxima sind hier 298 cm im N
(Beddgolert) und 244 cm im S (Ty • Draw Trehexbert); von wichtigem
Küstenorten mögen genannt werden: (arnarvon 102, AbcryMwyth HG,
Milford 109, Swansea 95, Cardiff 113 cm. Jenseits des Bristol - Kanals
(Bristol 83 cm) folgt dos dritte Maximalgebiot, dos Hochland von Cornwall,
wo das Darttuoor- Gebirge (423 m hoch) eine mittlere Regenmenge von
200 cm aufweist. Barnstaple hat 106, Ponzanco 113, Plymouth 115.
Kxctcr 85 cm. Die an diese Gebiete aicb ostwärts anschließende Zoue von
75 — 100 cm ist schmal, nur im hügeligen Süden (Down) reicht sie nahezu
bis zur Ostküstc. Östlich davon ist dio Regonmcnge unter 75 cm und
nimmt nach O stetig ab, mit Ausnahme der niedrigen Küitenhoben von
York, Liueoln und Notfolk, wo sie wieder wuchst. Den geringsten Nieder-
schlag finden wir östlich der Linie flumber — Redford — Themsemündung.
Die folgenden Gruppen sind von N nach 8, und die Stationen innerhalb
derselben von W »ach O geordnet :
llarrogate 8C, York 68, Null 71 cm.
Sheffield 77, Gainsborough G3, Louth 76 cm.
Birmingham 82, Letcesler 71, Peterborough 61, Swiffham 71, Nor-
wich 72, Yarmouth 70 cm.
Gloueester 70, Oxford 68, Readiug 68, Greenwich 66, Favershom 87,
Ramsgute 61 cm.
Yeovil 84, Wilton 84, Petcrsfiold 98, Rcigat« 90, Tunbridge 73,
Dover 76 m.
Wewuouth 90, Portsmouth 67, Brighton 74, Hostings 74 cm.
In Irland halten sich beide Hauptzonen so ziemlich das Gleichgewicht.
Dio westliche zeigt auch Neigung zur Dreiteilung durch die Sligobai und
das Shannon • Astuarium. Am regenreichsten sind Joyce's Uountry (Kylo-
morc 227 cm) und dos Gebirge von Kerry (Kcnmarc- Dcrrecn 176 cm).
Im 0 steigt die Regenmenge Uber 100 cm iiu Mourne- und Wicklow-
Gebirge; am trockensten ist die Umgegend ton Dubliu.
West- und Südküxtn: Sligo 109, Wfatport 135, Galway 122, Tra-
lee 118, Cork lll — 92, Wateiford 106 cra.
Inneres: Oinugh 95, Armagh 81, Enniskillen 125, Ballinasloc 106,
Muliingar 101, Tullnmore 76, Kilkenny 81 cm.
Nord- und OstkUste: I/ondonderry 104, Belfast 88, Dundalk 82,
Dubliu 74» Wezford 97 cm. £upon.
77. Lebour, Ou aomo rocent Eartlujuakes ou tlie Durhain
Coust. (Geolog. Mag., London 1885, Dec. III, Hd. II,
8. 513.)
Die häufigen und starken Erderschütterungen bei Sunderland in jüng-
ster Zeit, die aber lokal beschrankt waren, werden partiellen unterirdischen
ilobleneinstürzcn im pemiiachcn Magnesian Liinestonn xugescbricbcn.
Supan.
78. Price-Williams, The Population of London 1801 — 81.
(Journ. S tat ißt. Soc. London 1885, Bd. XLVILI, 8. 349,
mit 2 Karten.)
Eine sorgfältige Studie über die Bevölkerung der 29 Superintendent
RegUlrar*» DUtricts, die allerdings nicht London allein, sondern auch di«
umliegenden, von der Metropole noch nicht verschlungenen Ortschaften
umfassen. In dieser Ausdehnung bedeckt London ein Areal von 75334 acres
30 188 lu, davon 367 ha Wasser). Dio Bevölkerung betrag:
1801
Ahsolnte
Bevölkerung
958 900
Zunahme
Pro«.
äoviilkcraBg
pro Acre
I2,t
Häuser
pro Acre
Bevölkerung
pro Hau«
1811
1 138 800
18,8
15,8
—
—
1821
1 378 900
21,1
18,8
—
—
1881
1 65$ 000
20,«>
■JO 2
—
—
18,1
1 948 400
17,1
26,2
;M7
7,«
1851
2 362 200
21, '2
31,7
4,u
7.72
18C1
2 804 00O
18.7
37,7
4,83
7.»
1871
3 254 300
16,1
43,7
5,41
7,79
1881
3 816 500
17,8
51,8
6,83
7,88
Am meisten wuchs die Bevölkerung in der Umgebung Londons, na-
mentlich ira NO. Die City nimmt ab: 1801 128 800, 1881 51400 Ein-
wohner. Auf Grundlage wahrscheinlicher MoxiroaldichtigkeiU- Ziffern für
die einzeluen Distrikte wird berechnet, dafs Londons Bevölkerung in Zu-
kunft höchcteix« auf 7 Millionen steigen kann. A’njhii«.
79. Pettersen, Karl, Det nordlige Xorge uotler den gla-
ciale og postglaciale tid. III hidrag. (Tromsö Museums
Aarshefte. VIII, 1885. Sep.-Abdr.) Vgl. Utt.-Ber. 1885,
Nr. lll.
Der Uardoelv enttliefst dem Alt- See und halt bis Kirkemo eine
nordwestliche Richtung ein, dann biegt er rechtwiukelig um und fließt
nordöstlich in engem Thule zum Maalsclv, während sich von Kirkemo in
südwestlicher Richtung eine breite Thaluug, Kobryg genannt, zum Salangs-
olv erstreckt, durch welche der ßanloelv eineu bequemen und kurzen Weg
zum Meero haben würde. Die also angcdcutctc Thalbifurkation führt sich
nicht auf Spultenbilduug zurück, auch das enge Thal unterhalb Kirkciuo
ist , wie näher dargelegt wird , ein Enxsionsthal , wahrscheinlich jedoch zu
einer andern Zeit gebildet als dio Kobrygthalung.
Das Tronuthal ist ein stumpf zirkusihulich endendes Seitenthal des
Tromsüsundcs, welches sich an der Grenze von Syeuitgueifs und der Tromsö-
Glimmerschicfergnippe erstreckt. Es mag veranlagt worden sein durch ein«
Dislokatiou, welche beide Gesteino nebeneinander brachte, ist aber durch
eroaivo Thütigkcit vor der Eiszeit, während derselben und namentlich während
der jUngern Gl axial periode sehr erweitert worden. Die mutmaßliche Schatt-
anfülluug des Trumaosunde» würde zweimal das Tromsthal einebnen kön-
nen. Dieselbe dürfte größtenteils praglazial sein. Während der grofsen
Eiszeit war das ganze Tromsthal vergletschert, und das Kis reichte bis auf
Tromsö, wo sich ausgedehnte Moränen finden. Während der jüngeru Eis-
zeit barg dos Thal einen Lokalgtelscher , welcher mächtige Moränen am
Thalausgang hinterlassen bat, dio bei einem Niveau de* Meere«, welches
um 38 tu höher lag als das gegenwärtige, abgelagert wurden.
Auf Renö, einer Insel nördlich von Tromsö, tritt die ostwestlich strei-
chende Rais fjordgruppe und in derem Hangenden di« nordsüdlich streichende
Tromsö -Glimmerschiefergruppe auf, deren Streichen die Richtung des .S iete r-
und Kcinskarthalca bestimmt. Die letztem sind demnach Erorionsthäler.
Der im Innern des Landes auftretendo Inlandgmnit ist durch das
Inlandeis blofs bis an die Fjordeuden verbreitet worden, in den Fjorden
sodann weiter durch Treibeis. Dafür, dafs die Fjorde selbst mit Gletschern
erfüllt waren, finden sich keine Beweise, die Fjordhildung im nördlichen
Norwegen ist daher unabhängig von dor Eiszeit.
Der obere und untere See im Salangsthat liegen über der höchsten
Fluthöhe. Ehedem waren jedoch auch sie, wie aus Muschel reuten hervor-
geht, unter dem Meeresniveau gelegen, und unter dem letztem wurde der
Endmorinenwull , welcher den See gegen das Meer absperrt, abgelagert.
Zweifelhaft ist vorderhand noch, ob dies während der großen oder jungem
Eiszeit geschah. rtnek.
80. Högbom, A. G. : Gittern!» och i>etrografiaka inkttagel-
ger i Jemtlands län. (Sver. geol. uittlors. Ser. C.,
Nr. 70. Mit 1 Tafel und 1 Karte. Stockholm 1885.)
Die Berg« Jemtlands «erden gebildet von archäischen Schichten, Gm-
nit, normalen silurischen Schichten und den kristallinischen Schielern,
«eiche leistete überlagern (llochgcbirgsbildungen , Sere - und Küligruppen
Tümebohms) und in ihren Verhältnissen noch nicht ganz klar erkannt sind
(vgl. hierüber auch die Arbeit von Svemmius, Ser. C, Nr. 75: -NKgta
proliler iuom mellersta Sksndintviens akilTeroraride).
Die Untersuchungen llitgbntns haben besonders wichtige Begebnisse
für die Kenntnis der Kiszeil geliefert. Der Verfasser kommt in Überein-
stimmung mit Huthjr« und Totoebobm zu dem Resultat, dafs sich das In-
landeis in groEsem Mafsstabe der gegenwärtigen Neigung des Lande, ent-
gegen bewegt hat. Wie eine Skizze veranschaulicht, bewegte sich das
Bis vom nördlichen Jeratland aus südwärts , begann sieb in der Gegend
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Litteraturbericht Nr. 81—86.
27
von Ström in zwei Strome zu teilen, von denen der eine nach SO durch
Angerrnanland und Mcdelpad ging, und der andre «ich scharf westwärts
umwandte, die höchsten Gipfel wie den Areskulan und den GrenxQell
überschreitend. Mit letxterm Strom vereinigte »ich ein ebenfalls wo*twärts
gehender, der aus Südjemtlaod und Herje&daleu kam. Die ungefähr nord-
südlich durch Jemtlaud vorUufendo „Gletschencheide" liegt mindestens
1- bis 2000 Fuß (300 — 600 ni) tiefer, als die westwärts vom Eise überstie* ,
gelten Höhon. Die Steigung dürfte aber kaum steiler als 6 : 1000 sei», und
e» erscheint Högbom wahrscheinlich, dsfs diese Aufwxrtsbewcgung zu stände
kam dadurch, dab die grofsc, ostwärts bis über Finnland sich erstreckende
Eisdecke einen Unüberwindlichen Widerstand für eine Bewegung des dor-
tigen Eise» nach Osten daratellte. Dazu war vielleicht die Menge der
Niederschläge im Gebiete der Gletschcrsclieide gröber als in der Nach-
barschaft. Kaikvu-tky.
81. Eichstädt, Fr.: Om qvurtsit- diabasknnglomeratot i
Smtiland och Skäno. (Svor. geol. unders. Ser. C, Nr. 74.
Stockholm 1885.)
Iler für dieses huchuilemsmite , io Gütigen auftretende Unfein rh-
wählte Name ist nicht zutreffend, da es sich nicht um ein Konglomerat,
sondern um einen Diabas handelt, der accctworisch eine Menge von (Juarxit-
gcröllcn enthalt; letztere ntammcu nachweislich aus dem sogenannten Alrae-
säkra-Konglomenit. Der Verfasser «teilt «ich vor, dab die Quarxitrollstücke
als lose Geröll* in reichlicher Menge bei dem Empor, «teigen de« Diabases
in einer schmalen Thalkluft uufgenommen wurden. Etwas Ähnlich« durfte
bisher noch nie, namentlich nicht an unsere thätigen oder erloschenen
Vulkanen Iteobachtet worden sein. Katkwtky.
82. Svedmark, E.: Om granitena och ^oeiscua forhällande
tili hvarandra i trakten mellan Stockholm ochNorrtelgo.
(Svor. geol. unders. Ser. C, Nr. 77, Stockholm 1885.)
Während bisher als herrschende» Gestein iu der nahem und weitern
Umgebung von Stockholm der sogenannte Stockholm«granit betrachtet wurde,
weist der Verfasser nach, dub gerade umgekehrt der Gneib herrscht und
der Granit nur untergeordnet verkommt. 0h letzterer über wirklich zu
einer eruptiven Masse zuammengehört oder nicht vielmehr mit dem Gneib,
dem er auch konkordant cingclagcrt vorkommt, wesentlich gleichalterig ist,
bleibt zweifelhaft. Kukmjky.
83. Sveriges geol. undersökning : Ser. C, Nr. 72. Prak-
tiskt geologiska uudor«ökniugar iuom Norra delen af
Elfeborgs län och Dalsland. Mit 4 Karten. Stock-
holm 1885.
Die Abhandlung enthält auch die rein wissenschaftlichen Ergebnisse
der geologischen Durchforschung, Altes und Neues zusammen fassend. Aufser
geologischen Karten ist namentlich auch eine Hiihonkartc über DaUland
(l : 600 000) beigegeben, auf welcher zahlreiche neue Höhe nbestiromuu gen
niedergelegt «ind. Kaikovtky.
84. Sverigos gool. undorsökuiug: Sor. Aa, Nr. 87; Trolle-
holm, 93; Furusund, 95: Rüdwansö, 96: Grundkalle-
grund; Ser. Ab, Nr. 8: Hvetlauda, Mit erläuternden
Texten. Stockholm 1885.
Von diesen wie immer sauber ausgeführten Karten nebst eingehenden I
Erläuterungen behandeln Nr. 93, 96 und 96 (1:60 000) Küstenstriche
mit den Schuren nördlich von Stockholm. Furusund und Rddmansö (be-
arbeitet von Srcdroaik) «ind interessant wegen der graben, dem Gneib
deutlich konkordant cingelagerten Gabbropartio; auf den Schären de« Blat-
tes Grundkallegrund (von Svcnoniux) findet man bisweilen auf den Felsen
kurze, aber breite und tiefe Kerben, welcho sich ab postglaxiale Friktions-
erscheinungen zu erkennen geben, erzeugt durch in Treibeis eingefrorene
Steine. Im Gebiete des Blattes Hvotlanda (1 : 200 000, bearbeitet von N. O.
Holst) herrschen Gneib- und Granitarteu, bedeckt vom Diluvium.
Obwohl auf dem Blatt Trollehnlm in Schonen ebenfalls die diluvialen
Ablagerungen, welche auf mindestens drei wohl unterscheidbare Entströme,
einen iltcm und einen jüugem (sogenannten baltischen) südöstlichen und
einen mittler» nordöstlichen, zuriiekgefuhrt werden raüfcteu, den festen
Berggrund stark verhüllen, ao ist es dem Bearbeiter A. G. Nathorst doch
gelungen, den Bau dieses letztem fostzustolten. Im nordöstlichen Toil d«
Blattes herrscht Gneib mit untergeordneten Einlagerungen namentlich von
ArophiboUtcn. Einen groben Baum nimmt dann das cambrisch -silurische
System ein, welches »ehr vollständig repräsentiert ist vom carnbriseheii
Sandstein bis zu dem obewilu rischen Cardiolaaehlefer. Silur und auch
der Gneib werden von einer Meuge von nordwestlich bis weztnord westlich
streichenden Diabasgängen durchsetzt; dieselbe Richtung halten mehrere
lange Verwerfungslinien ein, welche das Silur durchziehen und auch wohl
die Grenze desselben gegen den Gneib hin bilden. Sandsteine und Thonc
namentlich bei Klgeröd gehören dem Keuper an, die kohlenführenden Bil-
dungen bei Stabbarp und der Sandstein von Hör gehören dem Khät-Lios
an. Die l bi« 2 Fufs mächtigen Kohlenlager und die «io begleitenden
feuerfesten Thone werden n«*ch ausgebeulet. Der Prtanxenreste und ma-
rine Mollusken einachliebeode, viel gebrochene Sandstein von Hör, welcher
auf dem vorliegenden Blatte xoine grübt c Verbreitung besitzt , dürfte ein
Äquivalent des obern Teile» der kohlenführenden Schichten sein. Schrelb-
kreidtt ist im Süden des Blattes wohl nur in Blocken zu beobachten, bil-
det aber dort doch den Fclsbodcn.
Basalt erscheint au 20 bis 30 Stellen zum Teil in augenfällige» Kup-
per» ; noch den neuerdings mehrfach ausgeführten mikroskopischen Unter-
suchungen finden «ich Plagioklas- , Nephelin- und sogenannte Glosbualte.
Die Vorkommnis»« müssen mit Eichstädt als einzelne Eruptivmasseu aufge-
fafst werden, zwischen denen ein Zusammenhang nicht erkennbar ist. Bei
Djupsdal im Kirchspiel FaringtofU kommt auch Basalt tu ff vor, in welchem
brauukohleuartige Nadelliolxfraginente die ersten in Schwellen beobachteten
tertiären Pflanzen reute dnrstelten. Kulk'/wsky.
85. Klossowskij, Uber die elektrische Energie dor Atmo-
sphäre in Russland. (Kuss.) Odessa 1884. (Auszug
von Metz in der Huss. Revue, 1885, Rd. XIV, 8. 463.)
Die Grundlage bilden Beobachtungen au 176 Stationen im Zeitraum
1873 -82. Die geographisch wichtigsten Resultate sind in folgender Ta-
belle zusaimnengestellt ; nur datf man den von mir berechneten Durch-
Durcbtciuiltu* - •»
Nonlrublaud ....
Ostsecgebiet ....
West ru bland ....
Innere« Itubland . .
Politisches Gebiet . .
Ural
Kaukasus
Kaspisches Meer . .
Zcntrzlasien ....
W«taibirien ....
Ostsibirien ....
eehntttsahlen der Gewitter (worunter das gleichzeitige Auftreten von Blitz
und Donner verstunden ist) keinen zu groben Wert beilegen, einerseits
wegen der ungleichmäßigen Verteilung der Stationen, anderseits weil die
Gewitter örtlichen Einflüssen stark unterliegen. Doch zeigen die Zahlen
die Verbreitung der Gewitter relativ ganz richtig. Man ersieht daraus die
Zunahmen von den Rändern gegen das Innere dos europäischen Hublands
bis an den Grenzgcbirgtn das Maximum erreicht wird. Die Zahl für das
politische Gebiet wird durch die abnorme Ucwittnrrahl für KUehincw (32,7)
stark beeinflußt. TOis hat die größte (-40,«), Petrosowodsk dio kleinste
Gewitterzahl (1,1) im ganzen Reich. Gegcii diu Eismeer zeigt sich deut-
lich eine rasche Abnahme: Moskau 16, Wologda 10, ArcJungel 6, Kala 3.
Die rusüvehen Gewitter «ind Wirbelgewitier (Wärmegewitter gibt es nach
der Ansicht des Verfasser» überhaupt nicht) und entstehen ment im Be-
reich der Teilminiraa au den Rändern größerer Depressionen zwischen den
Isobaren von 760 und 760 mm. Dasselbe gilt auch vom Hagel, dessen
Verbreitung im allgemeinen mit dom dor Gewitter zu «anirneu fällt. Dos
Maximum scheint im Gouvernement Kiew, wo «ch mehrere Sturmbahnen
kreuzen, zu liegen; am seltensten «ind die Hagelfälle an den Gestaden des
Ka.-tpi.icea und in Zentralaueu. £ujmh.
zahl der
» cneuung
in rroz.
im Jahr
Winter
Frühling
Somuier
Herbst
7,2
—
8,2
86,!
6.«
9.4
0.2
9,7
78,7
11.4
14.4
0,4
31,7
69,4
8.4
14,6
o.l
20.4
74,0
6,6
13.6
0,9
li,*«
G9,0
12,2
18.7
0,1
13.!
81,3
3,4
23,!
2.0
21.4
69,4
16,7
7.1
—
—
— -
—
8.1
—
—
—
—
14,0
—
12.4
84.4
3.1
12,7
0,1
4,9
82.7
11,7
86. Mämoires du Comite guologique. Bd. I, Nr. 4, und
Bd. II, Nr. 2. St. Petersburg 1885. (Mit je einer
Karte.)
Nr. 4 des I. Bande« enthält eine geologische Skizze vou Lipetzk
im Gouvernement Tambow mit einem ausführlichen Bericht über die Mine-
ralquellen der Stadt Lipetzk von Muschketow. Die Unterlage de« Bo-
den« bilden devonische Kalksteine, die aber nur an wenigen Punkten zu
Tage treten. Darauf folgen bald konkordant, bald diskordant, wahrschein-
lich kretazelVhe eisenhaltige Sandsteine und Thone , und endlich , den
größten Teil der Oberfläche bildend, erratische Ablagerungen, unterbrochen
von rezenten Flufs- und Seenablageruugen.
e*
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28
Litteraturbericht Nr. 87—93.
In Nr. 2 «Im II. Bandes schildert Sintxow die Gegend von Ka- I
myachin an der untern Wolga. An den rechten Steilufern dieses Fiumes,
nördlich von 60}° Br., ist die Kreideformation entblei fst : a) Thune der
untern Kreide, bei Saratow 85 m mächtig; b) horizontal** Kalke der mitt-
lern kohlen führenden Kreide, stark denudiert, und wie die untere Etage
nur au wenigen Punkten sichtbar; c) Mergel, Sonde und thonige Sand*
steine der obern Kreide, ca 150 m mächtig. Südlich von50j°Br. besteben
die Wolgzhöhen aus eocSnen sandigen und thonigen Ablagerungen , die
auch sonst zusammenhängend grofsc Teile der Oberfläche des Gouveme* i
roents Saratow bitdon oder inselartig aus der diluvialen Sand- und Lofsdccke
auftauehen. Krrotit>cbes Material ist hier ebenfalls noch vorhanden. Der
Löfs tat nach der Ansicht des Ycifamer* Flufeanschwernmung. .Supern.
87. Brown, Forests and Forestry in Poland, Lithuania, tho ,
Ukraine and tho Baltic Provinces of Rusaia. Edin-
burgh, Oliver & Boyd, 1885.
Das Buch hat einen sehr mannigfaltigen Inhalt, denn es bespricht
nicht nur die Verbreitung der Widder, die Forstkultur und den Holzhandel
in den obgenannten Teilen von Rufsland, sondern enthält noch zahlreiche
andre Notizen über die Bevölkerung, die Städte &c., *ognr eine kurze Ge-
schichte des ehemaligen Polnischen Reiches. Die wichtigsten statistischen
Angaben sind in nachfolgender Tabello niedergelegt. Zu bemerken ist nur,
dufx die Zahlen für Polen, die sich auf das Jahr 1870 beziehen, von
zweifelhafter Güte sind; selbst in bexug auf die Ausdehnung der Krön«
wälder weichen dio, ebenfalls im Buche angeführten Angaben von Bitney
namentlich für einzelne Gouverneiuents sehr beträchtlich ab. Mangelhaft
sind die Angaben für einige Gouvernements am Dnjcpr: Drei, WuJdfiiiche
10-425 qkm, davon 26,7 Prox. Kronwälder; Kursk, Walddäche ca 3700 qkm,
davon 50 Piox. Kronwälder; Jekaterinoalaw U05 qkm, davon 30 Prox.
Kronwälder; Cherson, Kronwälder 380 qkm. Der Holzhandel der Hkraino
bewegt sich dem Schwarzen Meere zu, der von Litauen und Polen gebt
nach der Oatsce. Die wichtigsten litauischen Ausfuhrhäfen sind Riga, ,
Memel. Königsberg und zum Teil auch Dsnxig, der polnische vorzüglich
Danzig. Die Hauptkonsumenten sind Grofabritannien und Frankreich.
W » 1 d fl 5 eh e.
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qkm
ln Pros,
d. Getiiun!*
areal*.
Fliehe
in Prox. Jährliche
<1. Wald* Holxfiltung
fiJiche. Kubikfuh
pro Dcwj*tina{
Jährliches
Einkommen 1
Rubel
= 1,4**» ha).
Jrotcn.
Suwalki . . .
3 354
26,7
35,8
0,18
Lonua ....
3 015
24,9
38,9
—
0..9
Plock . . . .
2 240
20,6
13,5
—
0,64
Kuli« ....
2 294
20,2
0.7
—
0,47
Warschau . . .
3 288
22,*
12,0
—
1,0*
Piotrkow . . .
3 310
27,0
25,4
0,S7
Kiclco ....
2917
28,9
28,8
—
0,05
Radom ....
4 152
33, e
21.5
—
0,07
Lublin ....
5 124
30,4
3.»
2, .9
Siedlet ....
Ostsccprovinzcn
3 660
25, *
5.2
0,18
Ezthland . • .
4 016
24,2
1,0
44,2
20,06
Livland . . .
20 7 U
44,0
10,3
30,7
32,01
Kurland . . .
9 306
34,1
53.,
61,8
52,09
Litauen.
Kowbo ....
8 390
20,0
31,7
14,2
0,17
Wilna . . . .
12 629
29,7
3.3,6
15,4
0,18
Witebok . . .
18 988
42,0
21,9
1 1 ,3
0,13
Mohilew . . .
12 935
26,9
15.,
13,4
0,18
Minsk ....
40 160
43,8
27,7
7,1
0,10
Grodno . . .
10 466
27,1
58,9
12,2
0,tt
Wolhynien . .
29 858
41,5
24,7
16,9
0,17
l'odolien . . .
6 435
15,8
19,9
53,1
1,48
Ukraine.
Kiew . . . .
16 988
33,2
17,5
21,2
0,61
T*chenrigow . .
10 138
19,3
28,2
21,0
0,30
Polt.wa . . .
3 387
6,8
12,8
105,1
2,78
Charkow . . .
6 764
12.4
49,8
37,8
1,49
Sup.in.
88. Michalskij, A.; Der polnische Jura. (IsweRtija <les
geol. Komitees, Bd. IV, Nr. 6. St. Petersburg 1885.
Russisch.)
Die liegendsten eisenschüssigen Sandsteine im nördlichen Teil des
Krakau — Wieluner Juraxugw gehören dem mitttern Jura an ; ca folgen darüber
grauo Thone mit an Pctrefekten reichen Sphürosiduriten , der Zone der
Parkimonia Parkinsoni angehörig, dann kalk- und eisenreicho thonig-sandige
Gesteine der Zone der Oppelia fusca, schließlich eisenreicho oolithhehe
und sandige Kalke der Zone der Oppelia aspidoides (mit Opp. bitlexuosa
d'Orb. und Upp. serrigera Waagen.). Ks folgt nun kalkiger Sandstein von
briunlichgelber Farbe, in welchem mnn häufig den für Mittclkelloway cha-
rakterist behen Macroceplulites raacrocephulum findet. Petrographbch in
sehr enger Verbindung mit diesem Sandstein steht eine, F. Römer nicht
bekannt gewordene, nur 0,1 m mächtige Schicht, in welehor thonige uud
kalkige Teile mehr vorherrschen, und die Glaukonitkömer enthält. In die-
ser Glaukonitschicht finden «ch reichlich 1'ctTcfaktcn, die verschiedenen
Zonen de» Kelloway und Oxford augehören, was der Verfasser in Cber-
einstimmang mit den Ansichten Neumayrs als eine Folge der geringen
Mächtigkeit der Ablagoningcn in jener Zoit ansieht.
Diese Ausbildung de» mittlern Jura ähnelt am meisten der im nörd-
lichen Deutschland, während bekanntlich der Krakauer Dogger dem nieder-
bayrischen am nächsten kommt: das polnische Doggerhecken stand wohl
mit beiden erwähnten Becken in Verbindung und obeuio auch mit dem
russischen bis ln die Zeit de» mittlern Kelloway.
Cbrr die zuletzt crwiihnto Schicht folgen nun die Kalke des oben)
Jura, von denen wenigsten» ein großer Teil — entgegen der bisher herr*
sehenden Ansicht — zum Kimraeridge gehört. Über den jum«bchen
Schichten liegen versteinorungsarme kreUxcbchc Mergel. Kaikotctky.
89. V. Tillo, Über die absolute Höhe des Ladogasees
und das Gefalle der Newa. (Bull. Acad. impur. d. Sc.
St.-Petersbourg, 1885, Bd. XII, S.-A. mit briefl. Er-
gänzungen.)
90. Sresnewskij, Barometrische Bestimmung der Meoros-
hölio des Onegasees. (Rop. f. Meteor. St. Petersburg
1885, Bd. IX, kleinere Mittei)., S. 16.)
91. Bergmann, Barometrische Bestimmungen der Meeres-
höhe des Ladogasees (ebendas. S. 20).
92. Wild, Bemerkungen hierzu (ebendas. S. 26).
Ober dio Soohöhn de» Ludogusec» wer bisher nichts Genaue» bekannt;
noch in) J. 1884 mufsto v. Tillo Ihr »eine Huhcnkartc von Itufslanrt 17 m
annehmeu. Im Frühjahr 1884 liofs er ein Priiiaionsnirellemeut nach
SchlÜMelburg hin auaflihren , und später dehnte er dasselbe auch auf den
Onega- und Iimensee au», dessen Resultate er mir brieflich initzuteilen ilie
Güte liatte. Danach beträgt die Seekühe de» mittlern Nireaua de»
laidogiuees 5 m (nach Herlus 18 m)
Onegasees 85 ,, ( „ „ 72 ,.)
llmenaees ....... IR ,. ( „ . 28-1
Die hurnmetrüehe Bestimmung der Hübe de» Lldugase« im Mittel
der Jahre 1877 — 81 ergab nach der Berechnung von llydsewsky 3,7 m
(Unterschied Schliljaelburg — St. Petersburg), und nach Bergmann (Be-
obachtungen 1878—83), uuf dieselben Punkte besogen, 3,1 in. Au» B.ro-
meterbcobachtungen an vier Orten am Ladogasee, verglichen mit drei an-
dern Orten , ergibt sieh eine Höhe ton 5 ± 1 m über dem Meeremiveau
bei llcval. Kür den Onegasee fand Sresnewskij eine Seehohe von 26 m.
Die Unterschiede »wischen den barometrisch und trigonometrisch berechne-
ten Höhen sind daher nicht so bedeutend, als Wild voroussetile.
Da» mittlere Gcflillc der Newa »wischen Kehliuseltiurg und der Insel
Gutujcw ist = 0“ 0’ 13*, gans entsprechend dem Geflille der Wolga in
ihrem mittlern Lauf. Es ist aber nicht gleichmäßig , denn bei den so-
genannten Pellschon Killen (richtiger Stromschnellen) steigert es sich au(
0“ 0' 44" (»wischen Woaneasenakoje und Imanowskojo). Supern.
93. Piö, Zur rumänisch -ungarischeu Streitfrage. Mit
1 Karte. Leipzig, Dutickor & Humblot, 1886.
Der erste Abschnitt handelt vom rumiiniacben Volkstum. Im
Gegeiuat» »ur Wanderangstheorie von Ibialer u. a. sucht der Verfasser die
Kontinuität de» Dacoramänentums in seinen heutigen Wohusitsen uuektu-
weisen. Die Ueianilheit des rumänischen Volkes beseichnet er als brachy-
cepbal, unterscheidet aber auf Grund persönlicher Anschauung zwei Typen :
Litteraturbericht Nr. 94 — 96. 29
1) «len römischen im Banat jenseits der Theiß. in der südlichen Hilft«
von Siebenbürgen, in der kleinen Walachei und, ganz isoliert, in der süd-
lichen Bukowina von Sucxawa bi« über Kadautz hinaus, also in der Wieg«
des moldauischen Staates ; 2) den moldauischen Typus in den Übrigen Teilen
des rumänischen Landes, den er für den dorischen erklärt , obwohl er tu-
gibt, daß zwischen diesem und dem (Ucixchcn 'l'ypus der Trujanftaulo keine
Übereinstimmung herrscht. Die Dacoru iminen *ind demnach als die Nach-
kommen der romanisierten Darier und der römischen Kolonisten xu be-
trachten ; die erstem llüehlcten sich hei dem (iotensturm in die nördlichen,
die letztem in di« südwestlichen Gebirge und stiegen erst lang« nachher
wieder in die Ebenen herab. Als Beweis dalÜr werden auch die rumäni-
schen Volksfeste auf den Höhen der Karpaten uufgeführt; ferner histori-
sche Nachrichten von l*risku*, im Nibelungenlied, mn Simon de Kexa,
Anonymus Belae und Nestor. Die Mscedarununen , welche nach Pouque-
ville ebenfalls xwei verschiedenen Typen angehören, sind dagegen die Nach-
kommen der in das aurelianische Dacien hinUbcrgefUhrten römischen Kolo-
nisten und Dacier, sowie von Oberresten rumänischer Bevölkerung in Thra-
eien. Kür ihre frühe Trennung von den Dacoruniäncn (im 2. bis 3. Jahr-
hundert) spricht das hoho Alter der verschiedenen phonetischen Erschei-
nungen bei der Zusammensetzung des Artikels lu mit dem Hauptwort :
z. B. dacorumänUch omul, locul; nuredoruminisch omlu, loclu. Dieser
Unterschied läßt sich bereits für das Ende des 11. und den Anfang des
13. Jahrhundert» nach weisen. Die Xachsetxung des Artikels IHM sich nicht
mit Bestimmtheit aus dem Einfluß der ugrischen Bulgaren erklären (Ilun-
falvy), sondern ist ein« vielen und räumlich weit voneinander getrennten
Sprächet! eigentümlich« Erscheinung. Auf die Widerlegung der übrigen
Beweise für die Wanderungstheorie können wir hier nicht näher eingehen.
Di« ßtrorumänen , welche körperlich den umwohnenden Slawen ganz glei-
chen , sind nicht vor dem 7. Jahrhundert gegen das Adriatiache Meer hin
gewandert, und wohnten einst vom südlichen Drin bis nach Istrien hin.
Binnen kurzer Zeit werden auch die letzten Reste ihre Sprache mit der
slawischen vertauscht haben. Die mährischen Ylachrn sind dagegen nicht
rumänischen Ursprungs (Miklosich, Bartos), sondern körperlich und sprachlich
echte Slowaken.
Der zweite Abschnitt .Osteuropa im 9. Jahrhundert und die Wande-
rung der l'ngamM bietet nur teilweise geographisches Interesse. Eine
Karte stellt dio ethnographischen Verhältnisse Osteuropas im 9. Jahr-
hundert dar: dos Don- und untere Wolgagebict türkisch, der Kordon fin-
nisch, das mittlere Wolgabecken und die heutigen Ostseeprovinzen finnisch
und slawisch, der SW slawisch. Wichtig ist das Kapitel über die Han-
delsstrafsen jener Zeit. Die wichtigste war der sogenannte griechi-
tehe Weg, nämlich dio Dnjcprstraße, welche sich im N einerseits durch
Vermittelung dos Lowut, Wolchow und der Newa, anderseits durch Ver-
mittelung der Düna zur Ostsee fortsetzte ; nach den Münzfundeit xu ur-
teilen, scheint der zuletzt genannte Straßenzweig am häufigsten besucht
worden zu sein. Nach $ fand diese grofse Meridionalstraße ihren eigent-
lichen Endpunkt in Konstantinopel , wohin russische Kaufleut« schon im
9. Jahrhunden kamen. Kiew, wahrscheinlich an einer wichtigen Furt er-
baut, war das Emporium des Südens, Nowgorod jenes dea Norden*. Diesen
beiden Zentren entsprachen an der Wolga Itil an der Stell« des heutigen
Astrachan und Bolgar unterhalb der Kamamündung; sie waren die west-
lichen Endpunkt« des lebhaften arabischen Handels. Seit der Eroberung
Bolgnrs durch die Russen im J. 986 übernahm devsen Rolle zuerst Kasan,
dann Xischni Nowgorod: ein interessantes Beispiel der Wanderung d«
Emporium innerhalb eine* von der Natur begünstigten Raumes. Mit Itil
stand Kiew über das Asowsche Meer und den Don (bis zu dessen größter
Annäherung au die Wolga), mit Bolgar durch Vermittelung der Demi« uml
Oka in Verbindung. Ebenso xweigte sich von Kiew auch ein westlicher
Zweig bis nach Böhmen ab; er dürfte die ebenfalls uralte Bugstraf»« ge-
kreuzt haben. Nowgorod nahm um griechischen Handel nur geringen An-
teil: hier entwickelte sich der Handel hauptsächlich in ostwestlichcr Rich-
tung, und die Münzfande bezeugen, welche großartige Dimensionen er an-
uahm. Diese zweite Haupt- Handelsstraße führt« einerseits vom Finnischen
Meerbusen über Nowgorod, die Msta und Twerca, anderseits von dem Ri-
gaischen Busen Uber die Düna, den Dnjcpr und die Okn nach Bolgar.
Ani westlichen Handel war Nowgorod nur in vorhanseatUcher Zeil in mehr
aktiver Weise beteiligt. Auch auf dem Baltischen Meere waren im 9. Jahr-
hundert dio Slawen noch die Träger des Huudels: sie besuchten Holtland
und die schwedische Handelsstadt Birk«, und besaßen in Rerik, Wollin,
besonders aber in Stettin wichtigo Emporien. Nach W führte sie dos
Meer bis Schleswig, vielleicht auch bis Holland, und bis zu den deutsch-
slawischen Grenzorten Bardowick, Schelm und Magdeburg. Man ersieht
au* dieser kurzen Skizze, welcho Bedeutung das russische Flufsnetz schon
früh gewann ; Bug und Dnjepr vermittelten schon zu Horodots Zeit einen j
lebhaften Verkehr zwischen den nordpontischcn Oriechenkolonien und dem I
osteuropäischen Binnenland. Pelxwaren und Sklaven scheinen im frühen
Mittelalter die Hauptausfuhrartikel Rußlands gewesen zu »ein.
Das Kapitel über die Wanderung der Ungarn ist vorwiegend
historisch. Als Urheimat der Ungarn und ihrer ugrischen Verwandten wird
da* zentrale Wolgabecken vermutet (mehr als di« Hälfte der hier gefunde-
nen Schädel dolichoccpbal), die Wanderung nach dem Osten fand wahr-
scheinlich im 7. Jahrhundert statt. Die westliche Wanderung der Ungarn
begann in den 40er Jahren dea 9. Jahrhundert« mit dem Übergang über
die Wolga (im Winter), der Ubcrgung über den Dnjepr wird in daa Jahr 889«
die Auswanderung nach Betsarabien in da* Jahr 892, der erste Einfalt
nach Pannonien in d-s Jahr 894 und d**»en endgültige Besetzung in das
Jahr 900 verlegt. Der Einbruch geschah wahrscheinlich über die nörd-
lichen Waldkarpitcn. Supan.
94. Sanner, Beiträge zur Geologie der Balkauhnlbinsel.
(Ztocbr. Deutsch. Geolog. Ges. 1885, Bd. XXXVII,
S. 470, mit 2 Karton.)
95. Toula, Über einige von Sannor iui Öliven- Balkan ge-
sammelte Fossilien. (Ebendas. S. 519.)
Die geologischen Forsch ungsreUen Sanner» im J. 1882 gingen von
Philippopel au« nach S, W und N. 1) Die Rhodope wurde an vier
Stellen begangen. Westlich von Simcina scheint sich der Übergang aus
den nördlichen in die südlichen Qebirgssyateme durch fast genau rnerid to-
nales Streichen bei flachem Ostfall zu vollziehen. Das Braunkohtenbeekcn
von Gabrovitzu lagert unmittelbar auf kristallinischem Gestein. Din Beobach-
! langen zwischen Tatar - Bazardxik und Pe&terc , südlich von St&uimak und
zwischen Kajudzik und Kovanlik bestätigen im allgemeinen die Richtigkeit
der Übersichtskarte von Hochsletter, geben aber reiche« Detail, so z. B.
zeigt Sanner* Karte südlich von Stanimak einen vielfachen Wechsel von
kristallinischen Schiefem und Kalksteinen, und in der Umgebuug von Has-
kiöj eine beträchtlich größere Ausdehnung der Nummulitenschichten . dio
von oinem breiten kristallinischen Streifen durchschnitten werden. Auch
das grofse Braunkohloubeckon von Kovanlik sucht man auf Hochstetten
Karte vergebens, und in diesen Punkten wird auch Toulas Übersichtskarte
etwas berichtigt. Die ältere Vermutung , dafs in der Rhodop« xwei ver-
seliicdenalterige Gneißforinstiouen vorkomme«, wird bestktigt. Das Gebirge
ist kahl, wild und unzugänglich, aber im Innern noch roll von Resten
alter Kultur. 2) Im Gebiete de« rumelischen Mittelgebirge«
sucht« Saunet die Frago zu lösen, welcher Formation die in einem breiten
Streifen dem Südrande angolagerten Schiefer, Sandsteine und Quarzite, die
Hochstetter al* Nrocora und Toula als Gestein« unbekannten Alter* bezcich-
nete, angeboren, aber wegen Mangels an Petrefaktenkunde ohne Erfolg.
Soine Karte kehrt aber zu Hochstetten Auffassung zurück. Der rnesozo:-
sehe Zug, don v. Hochstetter auf dem Kamme des Knradza Dagh und der
Sredna gora verzeichnet«, ist vom erstem schon durch früher« Unter-
suchungen gestrichen worden , und Sanner vermutet , daß er auch auf der
zweiten nicht existiert. Der noch unerforschten Sredna goro gibt der Ver-
fasser eine Mittelhöhe von ca 1700 m. 3) Das geologische Bild des Bal-
kan, wie wir e* auf der Übersichtskarte. von Toula finden, erleidet
durch Sanners Untersuchungen zwischen Sipka und Sliven eine tief-
greifende Veränderung. Es ward« naebgewieseu, daß östlich von der Mag-
liska die mesozoischen Schiefer, Sandsteine und Kalke weit über die
Waaaorechoide hinüberragen und einen beträchtlichen Teil des Südabltange*
zusammensetzen. Leider blich es auch Sanner versagt. Über das Alter der
Gesteine (er verzeichnet auf der Kart« Trias, Jura und Kreide) etwas
Sicheres festzustelleo ; selbst der reiche Petrefaktenfund am Mandralyk ut
nach Toula fUr diesen Zweck unzureichend. Sujxm.
9G. Bianconi, Cartos commercialea , Nr. 1. 2. 4. Paris,
Libr. Cliaix, 1885 (vgl. Litt.-Ber. 1886, Nr. 430).
Nr. i: Albanien. Obertlbanicn zerfällt in drei Produktionsgebict« :
die Eben« von Scutari und die Delta -Ebenen, welche reich an Getreide*
Mais, Oliven und Wein sind und außerdem Suroach und aus dem benach-
barten Gebirge Werkholz Ausfuhren (die der Sardine ähnlich« Scoranzza
des Scutarisccs bildet ebenfalls einen Exportartikel) ; das Gebirgsland, des-
sen Waldreichtum wegen Mangel an Verkehrswegen noch nicht verwertet
werden kann, und das jetzt ausschließlich Produkte der Viehzucht liefert ;
und endlich die Hochflächen von Kossowo, wo neben Wald und Weide-
Hachen auch fruchtbares Ackerland sich findet , und wo neben Mais und
Getreide auch noch Wein und Maulbeerbäume gedeihen, und besonder» bei
Ipek und Diakowa auch viel Tabakbau getrieben wird. Ein Produkt von
hervorragender Wichtigkeit «nd die Pfiauruen. Wenn Unteralbanien oder
Kpirus derzeit vorwiegend nur Häute uml Wolle (Mittelpunkte de* Handels
Jauina, Konitta und Prcroeti) auf den Weltmarkt liefert, so ist daran nur
30
Litteraturbericht Nr. 97 — 101.
die Vorliebe der tragen Bevölkerung für Viehzucht schuld; denn das Land
ist von der Natur außerordentlich reich gesegnet. Der KUsteuatrich ist die
Zone der Olive» die stoilmweisc ganze Widder bildet; der Maulbeerbaum
gedeiht in Epiru* boster als in Macedonie», und die Kokonausfuhr nach
Italien nimmt mit jedem Jahre zu; Getreide wird nach den Ionischen Inseln
auageführt; Reis wird besonder* in der Umgebung von Pargba und Avlona
kultiviert. Die Industrie i*t in der ganzem europäischen Türkei nirgends we-
niger entwickelt als in Albanien» wo höchstens Watten und Webereien für
den heiruischon Bedarf erzeugt werden. Die Huupthäfen , die allein auch
Ton Dampfern besucht werden, sind S. Juan de MMua (fUr Scutari), Avlona
und l'rrvwu ; der Handel liegt überwiegend in Österreich Ucheu Händen.
Nr. 2: Macodonien. Hier sind, wie in Albanien, liüuto und Wolle
Haupt-Ausfuhrartikel. Aufserdem produziert cs Mais und andres Gotreide,
Söxam und Früchte in Meuge. Die ausgedehnte Tabakkultur ist hauptsäch-
lich auf 'len tödlichen niedrigen Teil beschränkt. Baumwollpilanzungen
finden sich in den Distrikten von Kavalla, Ser« und Nuusto. Oliven kom-
men an der Küste vor und dringen nach Angabe der Karte im Vardar-
thal bis über Kam -Sulv hinaus nach N vor. Die Viehzucht besteht hier,
wie in Albanien, überwiegend io Schaf- und Ziegenzucht. Die Wilder
sind noch wenig ausgebeutet , selbst an der Küste. Die Mineral verkomm-
niai*' (Zinnober, silberhultige Bleierze und Kohle) sind noch nicht unter-
sucht. Die Herstellung seidener Störte, einst ein blühender Industriezweig,
hat infolge von Maßnahmen der Regierung und des steigenden Konsums
französischer .Stoffe außerordentlich ahgeuommon. Moderne Scidenfabriken
bestehen seit einiger Zeit iu Velos und Drama und BauruwoUfabriken in
Niausta und Scres. Die Bahn Saloniki - Mitrovitxa verfrachtet hauptsäch-
lich Getreide. Im Kinfubrhandnl von Saloniki spielen Österreich und Eng-
land, im Ausfuhrhandel Frankreich die erste Rolle. Vou Saloniki worden
vorzüglich Getreide, Häute und Wolle, Kokons , Opium und Baumwolle,
von Kavollti vorzüglich Trink und Baumwolle nusgefuhrt.
Nr. 4: Serbien. Die größte Verbreitung genießt die Maiskultur,
die aber vorwiegend dem einheimischen Bedarf dient. Der Weizen ist von
ausgezeichneter Güte. Von den Baumfrüchteu sind die Pflaumen am wich-
tigsten; in größten Mengen kommen sic in der Umgebung von Kiusrhcwmtz
vor. Unter den Uetspiuustpflanxen nimmt Hanf den ersten Rang ein. Der
serbischo Tabak kommt an Güte dem türkischen gleich; man baut ihn
besonders ir. den Departement* Knteblwite, Aloxinatx, Tschutschak und
Udjitzc. Der Maulbeerbaum gedeiht in keinem Lande besser als in Ser-
bien, aber cs wird noch zu wenig Sorgfalt darauf verwendet. Sehr wichtig
ist der Weinbau, dessen Hauptstätten einerseits das nördliche Hügelland,
anderseits die Departements Kisch und Find sind. Im Viehstand dominie-
ren der Zahl nach die Schafe and Schweine, Kiudviebxucht wird westlich
von der Morawa in größerm Mnßstab betrieben, als östlich davon. Die
Wälder, deren vorherrschende Bestandteile die Eiche, die Weiß- und Rot-
buche, die Cime, Esche, Birke, Linde und der Ahorn sind, sind zum Teil
schon verwüstet. Von Bergwerken sind in Betrieb: Kut«chaVna (Blei, Zink,
Gold und Silber), Krupanie (Blei, Zink, Antimon), die Kohlenlager von
Dobra, Sense &c. Vielversprechend sind die Schulthaldeu alter Bergwerke
im Glavitschina- Gebirge, ein serbisches lomrium. Die industrielle Thiitig-
keit ist noch gering; die voibandenon Fabriken befinden sich in den Hän-
den Fremder. Der Wert der Geoamtausfuhr betrug 1882 56,7 Millionen
Prank; davon kommen auf getrocknete l’tlaumcn 14,7, auf Schweine 14,
aut Wolle 8,1 und auf Weizen 6.1 Millionen Frank. Supan.
97. Strauss, Bulgarische Industrie, (österr. Monatsschr.
f. d. Orient, 1885, Bd. XI, S. 126. 146. 169. 191.
u. 207.)
Jeder Bulgare ist ira Sommer Landwirt und im Winter Gewerbtreiben-
der. Seit undenklichen Zeiten bestand eine ausgebreitetc industrielle Tbä-
tigkoit, die einen lebhaften Exporthandel nach dein Orient ernährte, aber
jetzt mit der weateurop&ßchcn Konkurrenz hart zu kämpfen hat. Trotzdem
nind in Bulgarien alle Keime zu einem industriellen Aufschwung vorhanden.
Mit der Fabrikation von Rosenöl beschäftigen sich noch 123 Ortschaften,
besonders ira Gebiet von Kazanlik, die unter günstigen Umständen 2500
bis 30UÖ kg erzeugen. Im ganzen Lande verbreitet ist die Mühlmindu-
strie ; seit dem Aufhören der Türkooherrschaft sind auch mehrere Bier-
brauereien gegründet worden. Thougeschirre werden iu jeder Stadt fabri-
ziert. Die Kucnindustnc von Samakov ist jetzt ihrem völligen Erloschen
nahe. Allgemein verbreitete Zweige der Ilausiudustric sind die Weberei
und die Wolle- und Seidenfärborei. Die Teppich fabrikation hat zwar' nb-
geoommeu, ist aber uoch immer von Bedeutung. Sie hat ihren Hauptzweig
zwischen Sonikola und dom Öiporovci - Balkan ; der Huuptmarkt ist seit der
Abtretung Pirols an Serbien (iporovica. Teppiche geringer Qualität lisfert
Borkovux uud Umgebung. Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Fabri-
kation des Sajaktuchcs (Nationalkleidung). Seide wird besonders iu Tir-
nova uud Vruca erzeugt. Einer der ältesten und nationalsten Gewrcrb*-
zweige ist die Pooaiueutierindustrie , die aber seit der massenhaften Aus-
wanderung der Mohammedaner (der Hauptkonsumenten) uud Errichtung
der bosnischen Zollschranken in starkem Rückschritt begriffen ist. Die
Lederindustrie spielt zwar noch immer eine große Rolle, entspricht aber
nicht den Anforderungen der Zeit. Supan.
98. Genorulkartu dos Königreichs Griechenland. 1 1 Blätter
im Maine 1 : 300 000 dor Natur. Wien , R. Lech-
ner, 1885.
Es bleibt immer oine mißliche Sache, den innern Wert einer Karte
nur nach ihrem Auaseheu xu beurteilen und hinsichtlich de* QucUnnmato
rials, uuf welchem sie beruht, auf Vermutungen angewiesen xu sein. In-
dessen die Tbatsache, d»f§ das K. K. rail. - geogr. Institut in Wien die be-
treffenden Blatter bearbeitet und herausgegeben hat, Ut an und für sich
schon eine Bürgschaft dafür, daß bei Herstellung derselben ulles benutzt
wurde, was irgend Auspruch auf eine gewisse Zuverlässigkeit machen konnte,
und wir werden in dieser Ansicht bestärkt durch eine Vergleichung mit
den früher tusgegtbenen Blättern der Vacoooo* Karte von Zentmleuropa aus
denselben Institut, welche sich zu einem kleinen Teil mit dieser Arbeit
decken. Dieselbe ergibt nach jeder Richtung hin Abweichungen , und wir
gehen wohl kaum fehl, wenn wir als die Hauptgnmdlage des vorliegenden
Kartenwerke« auch heute noch die französische Aufnahme von Griechen-
land des Depot de U Uuerrv in Pari» uus dem Jahre 1832, rrsp. 1852
bezeichnen. Dafs dabei die auf Veranlassung dos Kaßorl. deutschen archäo-
logischen Instituts in Berlin durch Offiziere und Beamte des preußischen
Großen Geucralxtabs entstandenen kostbaren Aufnahmen in 1 : 25 OOO ätc.
von Attika, die durch den Kau neuer Eisenhahnen und des Kanals von
Korinth notwendig gewordenen Vermengungen , sowie die von der inter-
nationalen Grenzkomraisuou 1881 herausgegebenen Aufnahmen und sonstige
neue Rekogno«iorungrn nicht unberücksichtigt bleiben konnten, betrachten
wir als selbstverständlich. Was uns aber mit ganz besonderm Vertrauen
in die Zuverlässigkeit der Angaben erfüllt, das ist die dem Titel beigefugte
Bemerkung: „Nach ßeriebtigungsdaten de* K. griechischen Oberstleutnants
J. Kokides und revidiert Ton Professor Dr. H. Kiepert*. Insbesondere ist
es des letztem Name, welcher für alle kartographischen Darstellungen und
für die richtige Schreibart der Namen im ganzen Orient eine Bürgschaft
ersten Ranges bedeutet. Dessen eben in neuer Auflage erschienene Gene-
ralkarte der »udo*leuropiuMchen Halbinsel beweist uuß neue, daß diese
Länder sozusagen seine unbestrittene „Domäne** sind. — Die auf Blatt V
angebrachte Schrift- und Zeichenerklärung gibt Auskunft Uber alles Wissens-
werte, uud wir wüßteu zunächst keine Frage aufxuxteilen, auf welche dort
nicht Antwort gegeben würde, ln der Situation und Schrift schwarz ge-
halten, mit braunen Schraffen für das Terrain und einem mattblauen Ton
für das Meer, muß die Ausführung der Kurte in Photolithographie und
Schnellprftwendruck als eine sehr gelungene bezeichnet werdon. r«*gci.
99. v. Fritsch, Carl Ritters Zeichnungen des Lophiskos.
(Mitteil. Vor. f. Erdk., Halle a. S., 1885, S. 27.)
An dio Mitteilung zweier wohlgclungencr, aus dem Jahre 1837 stam-
menden Zeichnungen Ritter* von dem weißen Bimwteinbiigel Lophiskos an
der Vulkanbucht auf Not Kaimeni (Santurin), welcher durch die I.ava von
1866 gänzlich übertlutet wurde, knüpft der Verfasser eine Polemik gegen
Pouquö (Suntorin, Paris 1878) und eine Verteidigung seiner Theorie, zu-
lolge welcher der Golf von Sautoriu ein großer Explosionskrater ist (s. Ztscbr.
d. Deutsch. Geol. Ge*. 1871, S. 125). Am Schluß spricht er sich in
scharfer Wciso gegen die moderne Theorie der Lakkolithonbildung (vgl.
Litl.-Ber. 1885, Nr. 372) aus, welcher er ebensowenig bleibende Geltung
in Aussicht stellt, wie der Lehre von den Einsturz- und jener von den
KrhobungskraUrn. Seiner Ansicht nach sind alle seitlichen Injektionen
unbedeutend im Vergleich zum Gang, und sind alle großen Eruptionen
überhaupt nur ObertlKchencrgüsse. Smjxih.
100. Superficie del Regno d’Italia. Firenze 1885.
101. Marinelli, La nuova valutaziono areoraotrioa del Regno
d’ltali». (Atti R. Istit. Veneto di Sei., Lott. cd Arti
1885, Vol. III. Sep.-Abdr.)
Die Ergebnisse der vom italienischen militär - geographischen Institut
im J. 1884 auxgefdhrten planimetrischen Arealberechnung de* Königreich»
Italien sind folgende:
Festland 236 402.1 qkm
Toskanische Inseln ..... 290,1 «
Pontinischc Inseln 75.* •
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Litteraturbericht Nr. 102—105.
31
Treroiti-Inaeln ......
3,4 qkiu
Sizilien
25 461,3
_
Liparische Inseln .....
116,6
M
Urtica ......
8,7
Agadische Insel uud Inseln südl. von Sixilieu
153,7
m
Sardinien .......
23 799,4
H
Küsteninseln von Sardinien ....
277,4 h
Summe 286 588 i 1 qkm
Die Abweichung von dem Resultat Strolbilxky* (288 540 qkm) findet nach
Marinclli ihre Erklärung toiU darin, daf* der italienischen Berechnung, und
mit Recht , die BosaeUchen Dimensionen des Rrdsphärnids zu Grunde ge«
legt wurden, — teil* durch die Benutzung genauerer und namentlich
gröfocrcr Karten seitens dos militär-geographischen Institut*. Marinelli be-
tont sehliefslich die Uuvollständigkeit der ueuen Messung, da diese sieh
darauf beschränkt , da* Areal des Festlandes und der einzelnen Inseln
zu ermitteln, und fügt den berechtigten Wunsch hinzu, dafs auch die
Grüfse der Landesteile und Pruvinxen in derselben Weise bestimmt werde.
H. H’ieAmann.
102. Willkomm, Die Pyrenäigche Halbinsel, III. Abteil.
Leipzig - Prag, Freytag - Tempsky , 1886. (Wissen d.
(jegenwurt, 43. Bd.)
Mit diesem Bündchen, das Ost« und Südapunien nebst den Haiearon
und Pithyusen behandelt, Ut dio Darstellung der pyronäiichen Halbinsel
vollendet. Ober die Art der Darstellung a. Litt.-Ber. 1865. Nr. 88.
103. Hüll, E. Gordon: Etbuological Notes on the Arabs
of Arabia Potraea and Wftdy Arabah. (Journ. Anthrop.
Inst, of Great Britain 1885, Bd. XV, S. 132.)
Dor bedeutendste Stamm auf der Sinaihtlbinscl sind dir Towara; ein
andrer fast ebenso mächtiger sind die östlich vom Wadi Ara ha und dem
13tiscn von Akuba wohnenden Alawin, deren nördliche Grenznachbarn im
Wadi Mute» von völlig andrer Rasse als dio Araber zu sein scheinen. Die
Towara sind nur klein ; das Mittel aus Messungen an 20 Männern war die
Hohe von 1038 mm, um dio Brust 787 mm, der rechte Arm 701 nun.
Der au* einem Grabe oequirierte Schädel einer alten Frau ergab nach
l*rof. Mucalister folgende Mafsc: Länge 170. Breite 120, Höhe 126 tum,
Bauminhalt l,lfK» ccm. Ei Ut intercunnt, dafs ein im Alluvium am Sinai
gefundener Schädel, der jetzt im Hunter-Mu*eum ist, ähnliche Mofse zeigt,
nämlich lbl, 119, 121 und Inhalt 1,100. Die Alawin haben nur eine
Höhe TOD 1600 mm. Lanykaxnl.
104. Anderlind, Der Einflufs der Gobirgswaldungen im
nördlichen Palästina auf die Vermehrung der wässe-
rigen Niederschläge daselbst. (Ztschr. Deutsch. Palä-
stina-Veroins, 1885, Bd. VIII, S. 101.)
In Deutschland bereitet der Entscheidung dieser Frage der Umstand
unüberwindliche Schwierigkeiten, daCs unbewaldete Gebirge von gröfsemi
Umfange fehlen. In dieser Beziehung ist Palästina ein günstige« Land.
Der Verloset kam durch aeiue Forschungen zu dein Resultate, dafs die
Gebirgswaldungon Nord palastina* die Regenmenge daselbst wahrscheinlich
nicht unerheblich vermehren. Er benutzte Chaplins meteorologische Beob-
achtungen von 1860/61 bis 1881/82 und Var tan* zehnjährige von 1869/70
bi* 1878’ 79. Nach Umrechnung der englischen Zoll (in den Original«
arbeiten) in Zentimeter erhielt er folgende Übersicht:
Jerusalem.
Nazaretl
Regenzeit
Rcgeahüho
Kcgeuhöho
Scpt. — Mal cratehliefelich)
mm
nun
1869 70 . - -
412
1870/71 . . .
. . 486
660
1871/72 . . .
683
1872/73 . . .
374
1873/74 . • ■
849
1874/75 . - -
773
1876/76 • • -
406
1876/77 . . .
744
1877/78 • • •
896
1878/79 . • •
419
Jahresmittel des 10jährige«
Zeitraumes . . •
612
Also in Nazareth 42 mm mehr als in Jerusalem.
Den Beweis seines Satze*: „Die Gegend von Jerusalem i*t weit und
breit «> gut wie waldkahl , ein grofser Teil der Gebirge bei Nazareth da«
gegen mit ansehnlichen Waldungen bedeckt“, liefort der Verfasser auf den
Seiten 104 — 116. /.an'/LmW.
105. Muromzow, Der Kaukanus. (Mit teil. Geogr. Gos.
Wien, 1884, Bd. XXVII, S. 321. 393. 498. 529.)
Mit der Bezeichnung „eine phyxiograpbische Studie“ hot Muromzow
eine Keihe von Artikeln in den Mitteilungen der Wiener Geographischen
Gesellschaft veröffentlicht , in welchen er „unter Benutzung de* neuesten
Qucllonmnterial* und auf Grund persönlicher Anschauungen eine gedrängte
Studie über die physiogruphisehen Verhältnisse des Kaukasus vorlegt“.
Leider entspricht diese Arbeit jenen Erwartungen nicht, welche einer *y*to«
mntisch angelegten, umfassenden Arbeit über das bedeutsame Gebiet de»
Kaukasus entgegengebracht werden; und ich fühle die laicht, im Hinblick
auf den Ort des Erscheinen« dieser Arbeit, welcher derselben sich be-
dauerlicherweise öffnete, im Interesse der Hintanbaltung dessen, dafs diese
in deutscher Sprache erschienenen Aufsätze vielleicht als Quellen benutzt
werden, dieselben einer Besprechung zu unterziehen.
Der Verfasser lut in seiner Artikelreihe eine Menge russischen Publi-
kationen entlehnte.« Material ohne System, ohno Berücksichtigung einer
chronologischen Entstehung, «ich widersprechend und kreuzend, mit un-
zähligen Wiederholungen, aneinandergefügt; die Verbindungsglieder sind wohl
Herrn Muromzow* Mache, strotzen aber auch dafür von Unrichtigkeiten,
Verwechselungen und zeigen von einen Mangel naturwissenschaftlicher Kennt-
nisse, insbesondere der Gletscherkunde, der uuglaublich ist.
Es ist schwer, diese* ('Irans zu analysieren. Ich will mich darauf be-
schränken, aus der Darstellung dos mir am besten bekannten zentralen
Teiles des Gruben Kaukasus einiges herauszugreifen. Es ist auch hier
schwer, dem Verfaul« r zu folgen, der ohne System vom Elbrus zum Kasbek,
dann wieder nach Daghestan, hinüber in das Hochland von Armenien und
wieder zurück zu Elbrus und Kasbek springt, kt es glaublich, dafs in einer
langatmigen Arbeit über deu Kaukasus, in welcher au* untergeordneten
Berggnappen eine Unmasse von Namen verhältnumiifsig unbedeutender Funkt«
zusammengewürfelt ist, dor höchsten Granitgipfel des Kaukasus, des Kosch-
tantau, des zweithöchsten Gipfel* de» Gebirges überhaupt, des Dycbtau,
de* Berge* Uwhlxi (de* kaukasischen Matterhorn*), de» Tau Tetnuld, de*
Dongussorun und andrer keine Erwähnung geschieht, dafs der grofse
Zentralkaroro des Kaukasus filr den Orographen Muromzow nicht existiert?
Des so bedeutenden Knotenpunkte* ira Hauptkamme, de* Adai«Chi>ch wird
in verwirren Aster Form gedacht. Und »o wird Admi-Uhoch dargcstcllt, an
welchen sich das für die Urographie des Kaukasus »o wichtige Moment
knüpft, dafs die Fortsetzung der gnuiitischen Hauptkeite östlich vom Adai-
Choch, dio bis dahin die Wasserscheide bildet, aufhört, der Haaptkomm
de* Gebirges zu »ein, indem die Wasserscheide sich vom Adai-Choch süd-
wärts wendet und dem Thonschiefer nun diese Rolle zufallt. Zum Überflüsse
findet e« der Verfasser nngozoigt, seine Berge in den Himmel wachsen zu
lassen; er macht Uimaioi-Choch 5091 m, Adai-Choch 4952 m und Tcbulos
I Dagh 4680 m hoch! Es scheint ihm das Malheur passiert zu sein, die
russischen Fuf* mit Farixor fiir gleichlraltnnd in Meter übersetzt zu haben.
Würdig schliefet eich dem Vorstehenden die hydrographische Skizze
des Rion, Ingur and 'Rtchcnis • Squali an. insbesondere ihrer Quellhezirke ,
trotzdem gerade da die ausgezeichnete Arbeit Kaddcs über die drei ]<*ngen-
hochthiler dieser Flüsse vorliegt.
In einer Studie von acht Druckbogen Uber den Kaukasus rüurat der
Verfasser solchen Nebendingen, wie Schneegrenze, allgemeine Charakteristik
de« Gletscherphäuomeus, Einflufs der südlichen und nördlichen Abdachung
auf dasselbe &c. keinen Raum ein. Nur wenige Gletscher haben seine
Aufmerksamkeit erregt, keinerlei bestimmte Daten über ihre Qröfse, Aus-
dehnung, Höhen ihrer Enden werden geboten. So sehr die Blätter von
Namen wimmeln, scheinen die Gletscher de* Zentralkaukasus bei Herrn
Muromzow namenlos zu »ein. Das Wenige, was wir losen, wirkt geradezu
komisch: „der Elbrus webt genügende Ktusenkuogen auf, um Schnee an-
zuhäufen — auch Ut er zur Bildung von Gletschern »ehr geeignet, wie
dies jene ThSler der Mnlka. des Kuban und des Balkan beweisen*. . . .
Und diese Darstellung wird mit folgender Charakteristik geschlossen: „der
letztgenannte Gletscher erinnert durch seine Qröfse an jene der Schweiz
und von Tirol. . . . der Gletscher reicht bis in die Waldzone, woselbst
er am entwickeltsten ist (!) . . . er befindet sich gegenwärtig (1884? oder
1849? D.) in den Periode de* VorwKrtsichraitens, was man an den in die
Ki*mos*en eingefromen Baumen deutlich wahmehmen kann“ ! ! — Folgen-
den Schlufesatz empfehle ich aber der Beherzigung unsrer Glotschoifor-
acber: „Es wiire interessant, den Binfiufs zu kennen, welchen die Vegeta-
tion auf das Fortachreiteu der Gletscher auszuüben vermag; vielleicht könnte
man daraus einen praktischen Nutzen ziehen, um dio Vorrückung der Glet-
32
Litteraturbericht Nr. 106 — 112.
»eher zu hemmen, wie die* die Natur selbst an jenen Gebirgen thatsäch-
lieh erwiesen hat, in welchen die Wilder das Weiterechreiten der Gletscher
in die Thiler aufgehalteu haben* . so in Tirol“ (!!).
So sehr M. seine eignen touristischen Vordionste hrrvorzuheben weit»
— er scheint über Eisenbahnen und Fahrxtrafaen nicht hinausgekommen
und bei der K&sbekbesteiguug etwa 7000 Huf* unter dem Gipfel umge-
kehrt au sein — , *« wem« versteht er es, die Arbeiten andrer xu würdi-
gen! Unser Verfassor erwähnt zwar: „dafs der englische Tourist, Herr
Douglas W. Freabfield, den höchsten Gipfel erreichte“, beeilt «ich aber hin-
/uzufugen, „ohne jedoch irgend eine wissenschaftliche Beobachtung hinter-
lassen zu haben*. Und gerade das an geographischem Material so reiche
Huch FresliHeU bildet mit die Grundlage, von welcher ansgehond wir die
„Studien“ Muroroxows turiiekweUen müssen '
Kennen wir doch das Verzeichnis von Höhen und Positionen, welche
1881 der russische GeneraLstab herausgab und welches deT Verfamer ver-
ständnislos plünderte. Um so auflallender ist es, dafs der Verfasser nicht
nur dieses Verzeichnis nicht anführt, sondern überhaupt in seiner acht
Druckbogen umfassenden Arbeit d« russischen GcncraDUbe* und »einer
ausgezeichneten taDlungcn kaum gedenkt. Gerade in letzter Zeit sind dort
unter der Leitung de« gelehrten General* Stcbnitzky ausgezeichnete Resul-
tate der neuen Mappierung zu Tage gefördert worden. Di« neuem Arbei-
ten von Radde und Abich , die das Hochgebirge behandelnden und eigner
Anschauung entspringenden vortrefflichen Berichtet Dinniks und Iljins, welche
die Mitteilungen mit richtigem Verständnisse deutschen I^sem zugänglich
xu machen wufsten , scheinen dem Verfasser gleichfalls unbekannt gewesen
zu sein. Dichy.
106. v. Seidlitz, Der transkaspiflehe l^ndatrich. (Kuss.
Revue, St. Petersburg 1885, Bd. XIV, S. 445.)
Die politische Einteilung dos transkaspischen Gebietes ist folgende:
qkm
Bcw.
Dichtigkeit
K reis MuigixliUk . .
. . 207 862
34 500
0,16
. Kiawui'wodik .
. . 105 Cll
15 300
0,14
„ Aehll -Teke . .
. . 36 396
42 600
1,2
LUiirk Merw |
_ TedKhon j
?
167 600
5
Die Gesamtsumme der Bevölkerung betragt demnach nur 260 000
(nach andrer Angabe sogar nur 2 1 4 000) und weicht sehr beträchtlich
von andern, ebenfalls aus russischen Quellen stammenden Angaben ab.
Dio Hauptorte der drei Kreise sind Aloxandrowsk 394 K., Knusno-
wodsk 333 E. und At-chab»d 3700 Einwohner.
Der Viehstand der drei Kreise betrug 1883: 76 254 Kamele, 44 392
Pferde und 628 406 Schaf«. Dio Ernte im Kreis Achal-Teko betrug 1883
in Mill. Hcktol.; 3,9 Weizen, 1,1 Gerste und o»? Dschugarä (Sorghum
cemuum). Sujxm.
107. Leist, Georgion. Leipzig, Friedrich, 1885.
Schilderung einiger Ortschaften, die der Verfasser besucht hat, haupt-
sächlich TiHis*. Sie beschränkt sieh fast uusschlicfslich auf Beobachtungen
eines Touristen über das Leben und Treilien der Hcwohner. Einiges In-
tereave bietet das letzte Kapitel, welches von der georgischen Litteratur
handelt und xeigt, wie energisch sich das Geutecdcben dieses Volkes ent-
wickelt. Slipon.
108. Griesbach, Geologische Notizen aus Afghanistan.
(Vcrh. Geol. Roichsanstalt, Wien 1885, S. 314.)
Geologisch scheinen Hindukasch, die Gebirge von Herit und Cho-
ra&ian und der Klburs ein zusammenhängende« System zu sein. Bei Herit
besteht das Gebirge aus parallelen Antiklinalketten. Die zentnüasiatische
Wasserscheide ist hier auch eine wichtige geologische Grenze: südlich davon
nicht» Altere« als Kreide , nördlich davon eine ununterbrochene Reihe von
Karbon oder Devon bis Plioeön. Supan.
109. Roskoschny, Afghanistan und seine Nachbarländer.
2 Bde. Leipzig, Gressner & Schramm, 1885/86.
Das Buch gehört zu jenen, für unser realistisch«* Zeitalter charakte-
ristischen „Prachtwerkcu“, in denen die Illustrationen die Hauptsache sind,
leider sind die Bezugsquellen der letztem nicht genannt. Das Buch
würdo dadurch nur gewinnen, denn es weif» ja ohnehin jeder, dafs die
Bilder nicht original sind. Der Text ist eine geschickte Kompilation neue-
rer Heisebeschreibungen. Das 1. Kapitel schildert Rufslands Vordringen
gegen Indien , besonder» dou letzten Turkmenenkrieg , das 2. das afghani-
sche Turkestan, das 3. gibt eine orientierende Übersicht Über Afghanistan,
das 4. behandelt Kaftristan. Der zweite Hand ist wesentlich geschichtlichen
Inhalts (1. Ältere Geschichte Afghanistans, 3. der letzte englisch • afghani-
sche Krieg, 4. der afghanische Grenzstreit) und greift im 2. Kapitel weit
über die afghanischen Grenzen nueh dem Indualand hinüber, wobei eine
Gm-chichta Indien« und besonders der Entwickelung der englixchon Herr-
schaft eingefügt wird. Supan.
110. Vambäry, Der Zukunftskampf um Indien. Aus dem
Engl, übers, von Waiden. Wien, Gerold, 1886.
Ks ist nichts dagegen einzuwendon, wenn jemand aus subjektiven Grün-
den Kuftdaud liufst und England bewundernd liebt, aber die« auch objektiv
xu begründen, gelingt nicht einmal Vambery. Der gegenwärtige Zustand
einos uralten Kulturlandes, wie es Indien Dt, kann gerochterweise nicht in
Vergleich gesetzt werden mit jenem der russischen Besitzungen. Wie aber
die Engländer dort, wo sie sich ansiedeln konnten (wie in Australien) die
Kingobomen behandelt haben, verschweigt dor Verfasser wohlweislich, denn
es würde zu schlecht zu seiuer Auffassung der Briten als Apostel der Huma-
nität stimmen. Übrigens gesteht er selbst xu, welchen grofsen Dienst Rufs-
land der Zivilisation mit der Unterwerfung der Turkmenen geleistet hat,
und auf 8. 111 *igt er von Henri: „Eben jetzt, wo der grofao Fluch de#
I/indcs, der sogenannte Uhouf-i-Tourkrnen, d. i. die Turkoraanenfurcht, be-
hoben und durch die Stellung, dio Rufaland einnimmt, den überflutenden
ltäubercinfillen ins I.aml ein Damm gesetzt Dt, kann für dasselbe eine
Zeit drr Wohlfahrt und des Wohlstandes heranbrechcn, wie es niemals eiue
ähnliche gekannt." Sehr beachtenswert ist das Kapitel über die Bedeutung
von Hemt, dem wenige Gegenden der Erde an Fruchtbarkeit gleiehkom-
men, und in doasen Bevölkerung alle Elemente zur friedlichen Ausbeutung
der Naturschätze einerseits, zur Heranbildung einor tüchtigen Lsndwehr
anderseits vorhanden sind. Die bcigegebcuc Karte, welche die Fortschritte
Rufslandv in Zentralasien seit Mitte des vorigen Jahrhunderts darstellen
| soll, enthält manche Unrichtigkeiten. E« figurieren z. B darauf die Pro-
vinz Amu-Darja und das transkaspische Gebiet als Erwerbungen des Jah-
res 1884 ! Supun.
111. Wissenschaftlicher Anhang zu Lansdeils Rusaisch-
Zentrnlasion. Loipzig, Hirt & 1885.
Enthält Listen aller buher in Zeutralasieu aufgefundeneti Tier- und
Ptlanzeiiarten mit Angabe dor horizontalen und vertikalen Verbreitung,
meist in Übersichtlicher tabellarischer Form. Die einzelnen Abschnitte sind
entweder Reproduktionen, oder für vorliegendes Werk von einigen Spezia-
listen bearbeitet. Die Einleitungen zu denselben geben meist in Kürze
über die Beziehungen der zantral&siatDchen Lebensweisen zu denen der
benachbarten Gebiete Aufscblufs und sind daher für den Geographen von
besonder™ Interesse. Dankenswert ist auch eine sehr vollständige Zusam-
menstellung der Bibliographie über Zentralasien. Swpan.
112. Regel, A., Die einheimischen und angohauten Kultur-
pflanzen dos obern Amu-daria. (Gartenflora 1885,
Sep.-Ahdr.)
Berücksichtigt wenien l»esonders die Izuidschaften Darwas, Uosehan
und Schugnau, doch werden, wo es notwendig ist, auch die benachbarten
Gegenden in den Krub der Betrachtung gezogen. In Darwas liegt die
Sohle der Hauptthälor in lo70 — 1800 m Seehöhn. Drei Monate haben
Schnee, der Sommer ist aber heifs. Weizenfelder und menschliche Woh-
nungen kommen bis 2700 m Seehohe vor. In Rosclian hat die Thalsohlc
eine Seehöhe von ca 2100 m. Da» Klima von Schugnan ist gleiehmifai-
ger und feuchter als das der andern Landschaften. Die Temperaturroiniraa
erreichen —20°. Der Schnee bleibt von Dezember bD März liegen: in
südöstlicher Richtung nimmt or ab, aber auch in westlicher; die Gegenden
von Schirabad und am Faisabad in Buchara gelten als fast schneefrei. Einige
wichtige Höhengienxen am Schechdiirri sind: 2700 ni für den Apfel- und
Birnbaum, 3000 m für den Aprikosenbaum, dor aber in den hohem Lagen
»eine Früchte nicht mehr zur Reife bringt; und 3200m für den Weizenbiu.
Spuren menschlicher Ansiedelungen finden sich noch bis 3350 m Höhe.
Die Benutzung des Bodens Dt eine sehr sorgfältige. In den engen Felsen-
thälern von Darwas Dt auch der kleinste Krdfteck bebaut, und die Dörfer
schweben wie Adlerucster über dem Abgrund. Im obern Teil von Darwi*
und in Schugnan ist dna Terrain breiter, und die Ansiedelungen bestehen
hier aus abgesonderten Häusergrappen, deren jede von verwandten Familien
bewohnt wird und unter einem gemeinsamen Oberhaupt »leht. Von deu
wildwachsenden fruchttragenden Hoixgcwäcbscn wird die Mehrzahl auch
kultiviert. Die Nordgreuz« des Weinbaues, die am Südg«hänge des Ih*
thales liegt, springt weiter westlich bi» nach Fcrghana hinab und zieht
daun über Taschkent zum Nordabhang dos westlichen Karatau. Granatcu-
•traueher Überwintern in Darwas ohne .Schutz, in Taschkent aber nicht mehr.
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Litteraturbericht Nr. 118 — 117.
83
Ähnliche* gilt von den Feigenxth&uc hera , die nur kleine Früchte liefern.
Die MundelbSume and Pistazien sehen bU in da* Syrgcbiet. Die Apri-
kosen, die eine ähnliche Verbreitung besitzen, reifen spat und bleiben klein.
Die gewöhnliche Pflaume Wcitturkcatans ist die buchariiche, ebenso ver-
breitet sich die Sauerkirsche über das ganxe westturkestanuche Qebirgsl&nd,
während die Sü&kirsche in grobem Mengen nur in Hiuar vorkommt. Apfel
und Birne sind in zahlreichen Sorten vorhanden; aehr beliebt sind auch
die Dattelpflaume und Blaeagnu* hortensi«. Der schwarz- und weifsfrüch-
tige Maulbeerbaum gibt von Sanfichüo bis zuro Amu-Darja nicht blofs der
Landschaft ein bestimmtes (icprigc, sondern liefert auch ein wichtiges Nah-
rungsmittel; die Beeren de« rotfriiehtigen werden als Arznei gebraucht.
Die Kultur des Nokbautue* reicht n'ördlieh bis zur Thianschsnlinie.
Alle genannten Ilolzgewkchse kommen nebst mehreren andern auch
wild im nbom Amu-Darja-Gebiet vor; «1», gilt abor nicht com Pfiraichbaum,
dessen Heimat da* nördliche Persien bi, iura Kaukasus hin i*t , dessen
Kultur »ich aber über gan* Zcntnlasien bis zum lligebict im N und bis
Afghanistan und Tschitral im S verbreitet. Südfrüchte und immergrüne
Laubbölzer verbannt der muhe Winter; angeblich gedeihen aber Orangen
auch in Buchara und Kanch. Vnn andern KulturpUanzen seien noch er-
wähnt; Kürbis*«, Gurken, Melonen, verschiedene Gemüscartcn und beson-
der* HüUenfrüchte. Da* Hauptgetreide Mittelasiens ist der Woizen. Wild
kommen vor der Koggen in Sehngnan, die Gerate am Sarafsehau und der
Hafer am Ili.
Von Ölgewächsen werden genannt eine schwarzkemig« Form der Sonnen-
blume in Darwas und Koechan, Kroca «ativa in der Dsungarei und im Sar-
tenland, der Dein (ziemlich allgemein) und der Semun in den wännera
Gegenden des »entliehen Turkcstan, und in der Umgebung von Torfan die
wichtigste Erwerbsquelle. Tabak ist allgemein verbreitet und wird in Tasch-
kent verarbeitet, aber auch viel au* China eingefiihrt. Der indische Hanf
wächst in Jasgulam , Roschan nnd Schugnan. In Darwa* und Roechan ge-
deiht auch noch die Baumwollstaude; Farbpfianzcn und Ziergehölze sind
wenig vertreten. Su pan.
113. Spork, Das Rufsland de9 fernen Ostens. (Zapiski der
allgetn. Geogr. der K. R. Geogr. Qos., Bd. XIV.)
Die* ist eine Monographie über da* Amurland, die Frucht eines lang-
jährigen Aufenthalt« des Verfassers, wie auch der Benutzung gedruckten Ma-
terials. Kadi einer allgemeinen überzieht der I.itteratur folgt eine histo-
rische übersieht (Kap. I), dann die Topographie und Geologie (Kap. II),
die Hydrographie (Kap. III). Interessant sind in diesem Kapitel die Be-
merkungen über das Hochwasser des Amur. Ea kommt nicht im Früh-
ling*, »indem im Juli und August, wie auch in den Flüssen Chinas (} 19b),
lat aber nicht regelmütsig. Von 1855 bi* 1882 waren acht grofae Über-
schwemmungen, die gröfste war 1872. In Blagowestechensk war da*
höchste Wasser vom 3. — 4. Juli, es erhob sich 11 m über den Mittel-
stand, wobei zu bemerken ist, dats hier das Thal sehr breit ist. Die Hälfte
der Stadt war unter Wasser. Viele Stanitzen oberhalb der Stadt wurden ganz
vernichtet, einige wurden gar nicht wieder aufgefuoden. Einen Monat später
war ein zweites Hoehwaaser, da* besonders vom Argun ausgiug; von dieaem
litten besonder* die Stanitzen Poklrowskaja und Albasin, das Wasser war
16 m über Mittelstand! Im Jahre 1861 wurden die Überschwemmungen
durch die Seja verursacht, und litten besonders dio l'fer unterhalb Blagowest-
achrnsk. Im Kap. IV (Klima) werden teilweise eigne Beobachtungen dos Verfas-
sers in Blagnwestscheiuk benutzt. Interessant sind die Bemerkungen Uber die
Winde, wobei die häufigen Windstillen im Wintet und die starken Tages-
winde des Frühlings und liechst« hervorgehoben werden. Im Kap. V wird
die Flor» und Faun* behandelt, im Kap. VI die Ethnographie und Bio-
logie. Di«e enthalt manches Intenuaaute und auf eignen Studien Beruhendes,
namentlich über Kolonisation und Biostatistik. In 15 Jsbrcu (1863 — 1877)
war die mittlere Natalitit 4,7 Fror., dio Sterblichkeit 2,9, also ein bedeu-
tender Cbcracbufs der erstem. Eine Ehe kommt auf 116 Einwohner, wo-
bei beroorkt wird , daf» die Ehen hier seltener aind als im europäischen
Kufsland, weil die männliche Bevölkerung stark vorwiegt. Das VII. nnd
letzte Kapitel behandelt die ökonomische Lage des Amurlandes.
W&4ikO*0,
114. Trautschold, Traces de l’Etage Tongrien pr&s de
Kamysohloff. (Sep. aus SapiBok der Uralischen Ge-
sellscb. von Freunden d. Naturkunde. Russisch und
französisch. Jekaterinburg 1882.)
Auf den bisherigen Karten ist da* gesamte Terrain östlich des Ural
entlang dieser Kette bis zum Aralsee zur kupischen Stufe (mithin zum
jüngsten Tertiär) gerechnet, ohne irgend eine Spur älterer Schichten. Dor
Fund von Zähnen dreier Hsifisehe (Leront cospidsta, I. contortideus und
Petermanns Geogr- Mitteilungen 1886, Litt.-Bericht.
Otodus denticulstu*) beweist das Vorkommen «eit älterer Mecre-oc luchten
(Oligocän oder Tongrien). Bereits in früher Tertiärzeit trennte mithin ein
Meeresarm die europäischen Festlandsteile von der Kontineutalraasse Asien*.
Jentuth.
115. Jürgens, Expodition nach der Lenamündung. (ls-
westija K. Russ. Geogr. Ges. 1885, S.-A.)
Dio sngefügten Tabellen geben ausführlich die meteorologischen Be-
obachtungen 1882 — 83. Dio nachfolgenden Mittelwerte sind 21#tündig*
Mittel und weichen vou den im lütter. -Ber. 1885, Kr. 340, mitgeteilten
etwas ab.
Temperatur.
Luftdruck
700 mm -
Sept. 1882
Okt. .
Nor. „
Dez. »
Jan. 1883
Febr. .
März. „
April „
Mai .
Juni „
Juli .
August
Jahresmittel
53,9°
59.4
53.7
81.7
61.4
64.9
63.9
65.8
55.4
52.9
57,8
56.4
59.4
Luft.
+ 0,1°
— 15,t
—27,9
—33,8
—36.9
—42,0
—33,9
—21,0
— 8,8
+ 0.7
•!■ 4.»
+ 3,4
—17,4
Boden.
+ 0,1°
— 15,0
— 27,4
-32,8
—35,6
—39,9
— 32, t
—20,4
— 7.8
4- 3fi
+ 7.0
T 5,4
— 16,3
40 cm
Tiefe.
+ 0,0*
— 5.1
—14,8
— 18,9
—21.7
—24,7
—22,8
—18.4
—11,0
— 2,9
+ 2,4
+ 2,1
— 11,9
Relattee
Peuch*
Ufkrlt.
89.0
89,4
87.3
81.0
83,9
80.7
83.8
86.9
91.4
91.9
92.9
90,6
87.4
Wind-
stärke
m pro
Sek.
G.7
6.6
5.8
5.9
4,1
5.0
4.7
5.8
6.«
6.8
8.9
7.0
6,t
Maximum . . 81,8 +12,8 +30,0 + 5,1 100 22
Minimum . . 19.« —53,9 -49,8 —26,7 56 O
Der kälteste Ttg war der 8. Februar (—52,0*). der wärmste der
24. Jnli (9,6°). Die Minus - Periode dauerte ununterbrochen vom 21. Sep-
tember bi* 27. Mai, die ununterbrochene Plus-Periode endete em 18. Sep-
tember 1882 und begann wieder am 17. Juni 1883 Im ganzen gab e*
274 Minus- und 91 Plustage.
Sehr beachtenswert ist die anormalo jährliche Periode der relativen
Feuchtigkeit ; sic erklärt »ich aber leicht aus der jahresieitlichcn Windver-
teilung. Diese hat einen ausgesprochenen Monsunebaraktor: im Winter
Und-, im Sommer Seewindo. Folgende Tabelle ist ein auf acht Kichtun-
©■*"
N
MF.
£
sc
8
8W
w
KW
Cal.
Herbst 1882
4,3
5,4
12it
8,0
15,8
21,0
22,1
9,5
1.«
Winter 1882/3
M
3.8
8,0
17,4
27,7
19,0
8,3
8,9
4.«
Frühling 1883
2,9
5,9
27,4
16,1
10.1
8,6
20,3
8,0
0,4
Soramor „
7,8
14,3
32,7
18.0
6,1
6,1
7,4
8,4
04
Monaunwechael
(Winter —
Sommer) —
-5,8
— 10,7
—23,7
—0,4 +8t,l
4-0,8 +0,6 +4,3
Monsun-
•Index
41,6.
Supan.
116. Bunge, Bericht Uber fernere Fahrten im Lena-Delta.
(Bull. Acad. imper. des Sc., St, Petersburg 1885,
Bd. XXX, S. 228.)
Hierin finden sich einige bemerkenswerte Nachrichten über das Treib-
holz im Lena -Deila. Die gröfste Höhe dor Trribholzablagoningen ist ca
6 m über dem gewöhnlichen Wasserspiegel. Die Treibholzatellen , wohin
da* Friihjahrawaaser nach den Aussagen dor Jakuten oder nach den zwei-
jährigen Beobachtungen des Verfassers nicht mehr steigt, aind entweder
alte Stromarme oder liegen in der Mitte niederer Inseln 1 } — 3 ra über
dem höchsten beobachteten Waaseratand. Ea ist aber daraus nicht mH
vollkommener Sicherheit auf eine negative Nivcauvcriinderaug zu schliofsen,
wenn auch noch andere Moment«, nie starke Verwitterung des Holzes in
den obein Schichten, und Abwesenheit von bearbeitetem Holz in diesen
(während in den untern Schichten «olebe* vorkommt) dafür sprechen. Denn
es ist immerhin möglich, dafs bei aufaerordentlich hohem Wasserstand und
Starkem Wellenschlag Hol* an Stellen gelangen kann, die scheinbar dem
Wasser unzugänglich sind. Snpan.
117. Brauns, Nachträgliche Bemerkungon Uber japanische
Säugetiere. (Mitteil. Ver. f. Erdk., Halle a/S. 1885,
S. 24 ; vgl. Lilter.-Ber. 1885, Nr. 53.)
Eine Mitteilung von Doederlcin scheint Brauns Ansicht, dafs der japa-
nische Hase (Uaagi) nicht eine eigne Art (L. brachyurus), sondern mit
f
:u
Litteraturbericht Nr. 118—123.
L. varabili. (Sthneshas*) zu v«rraig«i ixt. zu bestätig«). Der Hatschi ist
keine Varietät der Mu.trla sibirica, sondern eine solche unsres Nön.
Sujw».
118. Griffis, Corea, witliout and witliin. Philadelphia 1885.
Dies Bnch ist zur greisere Hilfte ein Auszug aus dem umfangreichem
Werke desselben Verfassers: .Cores, tbe bereut nalion“, New York 1882.
Neu sind die Darstellung der Ereignisse seit 18S2 (Kap. 19), die Angaben
über die wohl inzwischen unterbrochene Tbitigkeit der amerikanischen
Missionare (Kap. 23), und die rollsUndige Gbersetzuug Ton llamels „Onge-
luckige Voyagie ron ’t Jacht de Spcrwor“ (Kap. 4—14, p. 87 — 160).
Die Schilderung llamels, welcher rolle U Jahre, von 1653 — 1667, in
koreanischer Uefangenschaft zubrachte, ist noch heute durchaus zutreffend.
Da sein Originalbericht (Rotterdam 1GG8) und dessen Obersetzungen (Paria
1670, Niimberg 1672 [unvollständig], Amsterdam 1718, London 1732)
»ehr selten geworden sind, da ferner Hitler, Asien III , und Siebnld, Ar-
chiv VII, nur kurze Auszüge daraus geben , darl diese Zugabe dos Uriffis-
seben Ruches als eino äufserst dankenswerte bezeichnet werden. Der Ab-
druck ist nach der englischen Ausgabe von 1732 besorgt. — Oriffis selber
war nie in Korea; seine Kenntnis des Lande» beruht wesentlich auf japa-
nischen Quellen. Es darf daher nicht überraschen, wenn der Verfasser
manches durch die japanische Brille ansieht, uiu so mehr, als sein pro-
japanischer Standpunkt von den offiziellen Kreisen der Union durchaus ge-
teilt wird. Trotzdem kann das gewandt geschriebene Büchlein mit gutem
Gewissen allen empfohlen werden , welche sich über Kore» orientieren
wo",n' (IciinJic.
119. LoW6lt , Chosön , Tho Lnud of the Morning ('ulro.
Boston, Ticknor & Co., 1886.
Der Verfasser bat im Winter 1883,84 einige Monate in Säul, der
Hauptstadt von Korea, angebracht. Gbcr die nächste Umgebung der Resi-
denz ist er uicht hinausgekommen. Die 37 Kapitel des prätentiös ausge-
»tatteten Buches handeln wesentlich vou dem leben der Koreaner, ent-
halten aber kaum irgend etwas , wn» nicht bereits durch frühere Autoren
bekannt geworden vriire. Das Buch fordert daher weniger zu einem Referat,
als zu einer Kritik auf. Und da soll von vornherein zugestanden weiden,
dafs die Albortotypien , welche das Buch begleiten, ganz vorzüglich sind;
namentlich die Ansichten der .Atidienzhalle“ , des .ÜoRinierpatastes“ , der
„Pagodo' , sowie einige der Strafsensxcncn verdienen das vollste Lob.
Ebenso ist anzuerkennen, dal» der Verfasser seine eignen Beobachtungen
mit viel Witz und Gewandtheit wiedergibt. Die enifsen Schwierigkeiten,
mit denen noch vor zwei Jahren die kleine Reise von Chemulpo nach
Söul verknüpft war (Kap. V! u. VII), das bunte Stratseutreiben in der
Hauptstadt (Kap. XXI). der langwierige Charakter eines koreanischen Fest-
esten» (Kap. XXIII) sind in höchst ansprechender Weise geschildert. Auch
was über den Beamtenapparut und die Hofetikette (Kap. XI u. XVI), über
die soziale Stellung der Frau und den Aberglauben (Kap. XV u. XX),
somit! über don Umfang der mathematischen Kenntnisse (Kap. XXIV) mit-
geteilt wird, ist recht lesenswert; aber den übrigen 28 Abschnitten des
umfangreichen Buche» würde etwas mehr Sorgfalt seitens des Verfassers
schwerlich zum Schaden gereicht haben. Zur Begründung dieses Urteils
stelle ich hier einige seiner Behauptungen meinen eignen Erfahrungen
gegenüber. Seite 20: Der Hafen von Wonan iet ron November bis April
zugefrureD (gerado, tlafs die» nie der Fall ist. macht ihn den Russen be-
gehrenswert). S. 42: Die Bevölkerung ist hinsichtlich de» Brennmaterials
auf lloli angewiesen, da die Regierung die Ausbeutung der Kohlenlager
untersagt hat (bauwürdige Kohlenlager sind bis dato nicht in Korea ent-
deckt). S. 71: Die arbeitende Bevölkerung trinkt Tbee (in ganz Korea
■wird weder Theo gebaut noch getrunken: selbst die Mandarine schlürfen,
abgesehen von einigen Sybariten in der Hauptstadt, unter dieiem Nomen
nur einen mit Ingwer gewürzten AufguCs von Weilsdornblattero). S. 184:
Die japanische Invasion dauerte 30 Jalire (nach allen mir bekannten Quel-
len nur von 1592—1598). S. 188: Die achtstöckige Pagode besieht ans
zwei Monolithen von weifsem Granit (Wän-Gak-Sa, das älteste Bauwerk
der Stadt, ursprünglich II m hoch, hat 13 Stockwerke und besteht aua
neun Monolithen von weifsem Marmor; dafs sie neben den Skulpturen in-
teressante Sanskrit insohriften aufweist, ist dem Verfasser entgangen). S. 294 :
Der ..alte Palast“ datiert ron der Gründung Säuls (das wäre 1392; man
sah aber noch 1894 an vielen Teilen desselben, z. B. in der S. 270 ab-
gebildeten Säulenhalle, die Kicbtalriehe de» Steinmetzen). S. 353: Die
Erfindung dos önmun, des koreanischen Alphabets fällt in dieselhe Zeit,
wie die Einführung der beweglichen Lettern ans Metall (letztere «folgte
1403 unter Tai Chong, dem dritten Herrsch« der gegenwärtigen Dynastie;
dss (»nimm dahingegen wird auf Chul Chong, um das Jahr 750 König
von Shinra, zurückgeftibrt).
Nach dieser Blumenlese, die beliebig ausgedehnt werden könnte, noch
ein Wort über die beiden Karten. Die erste, eine Reduktion der bekann-
ten japanurhrn Karte von 1876, enthält bei 23 X 33 cm vierzehn (!)
Namen ; die andre ist das Faksimile einer int«csaanten koreanischen Welt-
ksrte. Der europäische Kinflufs ist unverkeuubar; Amerika fehlt zwar,
doch wird in einer pikanten Pu knote, deren Obenetaung rieh S. IG findet,
die Existenz einet fünften Erdteils .jenseits de» Südpols“ aogedeutet. Ein
Vergleich mit der 1828 von Klaproth in seinen .Mtmoires relatiCs a UAsic“,
Vol. III, rmtgsteilten japanischen Weltksrte aus der zweiten Hälfte des
17. Jshrhuuderts macht cs mir mehr als wahrscheinlich, dafs die koreani-
sche Ksrtc nicht nach chinesischen, sondern Dich japanischen Originalen
kopiert ist. BotlmJu.
120. Scott, Land und Leute auf Hainan. Übors. v. Rudow.
Ilfeld a. H., Fulda 1886.
Kurze und hont durcheinander gewürfelte Schilderung, teils nach
eigne; Anschauung, teils nach den Berichten von Henry und Polder. Der
Norden ist fiaeh, die Mitte und der Süden gebirgig. Die Bewobnor .sind
teils Chinesen (Hakkaa), die im vorigen und diesem Jahrhundert eingevran-
tlcrt sind, teils Kingeborne (Li), die nach d« Ansicht des Verfasser» den
Malaien verwandt sind. Die Chinesen unterscheiden Scbuk-lei , die zivili-
sierten, und Schang-lei, die wilden Li, welche im unzugänglichen Gehirgs-
land fast ausschließlich ton Jagd leben und den Chinesen nur nominell
unterworfen sind. Die Insel ist »ehr fruchtbar; ausgeführt weiden Zucker,
Enlnufsö! und Kokosnüsse. Der wichtigste Hafen, Hoi -bau, geht leider
»einer völligen Versandung «itgegen; besser ist Ju-lin-kan im S. , aber
diese Gegend liefert höclistens einige Waldprodokts. 5tipan.
121. Kanitz, Prof. Dr. A.: Die botanischen Resultate der
zentralasiatischen Expedition des Grafen BtSla-Szt'chenyi.
(Mat hem . u. naturwissensch. Berichte aus Ungarn,
Bd. in. Budapest 1886.)
Der Botaniker an der Universität Klausenburg, A. Kanitz, legt« im
Mürz der Ungaritcheu Akademie einen gedrängten Bericht über seine
mühsame Bearbeitung der von LAezy, als Mitglied der bekannten Sxochenyi-
sehen Expedition, gerammelten Pflanzen vor, welche hauptsächlich aus der
Provinz Kanin stammen und eine sehr interessante Ergänzung za den
Sammlungen PrzcwaUki* bieten, da «io an andern Orten veranstaltet wur-
den und auch nur ein kleiner Teil vom Kuku-nor stammt. Den Haupt-
bestandteil bilden endemische Arten in der Klont Katuus (von Holzgewüch-
»n eine l’kppel, drei Bhododendren, drei Lonicoren, sine Johannisbeere
und zwei Berberitzen, von Krautern u. a. Anemonen, Astragalus, Sunecio,
sechs Enziane (!), Pediculari*, eine Orchis, Iris &c.), und außerdem solche
Arten, welche in Tibet und im Himalaja weiteT verbreitet sind und sich
oft tief nach einzelnen Punkten Ostindiens erstrecken . Zwar finden sich
auch aufserdem mongolische und chinesische Klorenclemente; doch scheinen
diese, auch unter Berücksichtigung der Verwandtschaft jener endemischen
Arten mit andern Galtungsgenossen , zurückxutreten und den Schlafs zu
gestatten, dufs die Klont von h’anv.i als der letzte Ausllufer des Himalaja,
bezüglich Nordtibets anzusehen sei. Dieser Anschluft au den östlichen
Himalaja wird naturgemHfs in Szc-lschuan noch inniger. J>rudt.
122. Jourdy, Note sur ln Geologie de l’Est du Tonkiu.
(Bull. Soc. geolog. de France, 1886, Bd. XIV, S. 14,
mit 2 Taf.)
Das östliche Tongkin besteht aus steil aufgerirhteten Schiefern, darüber
liegenden Sand- und Kalksteinen, welche in steiler Schichtenstellung die
Gebirgo an der Bai von Along und im N ron Bac-I/ bilden und hier mit
einem Steilabfall das niedriger gelegene I#«nd zu Seiten des Lorh-nam be-
grenzen. Alle drei gcogncotischcn Elemente, zu denen sich noch als unter-
geordnetes Porphyrmaasen gesellen, sind einer weitgehenden Metamorphose
unterworfen und von quarz- und eisenhaltigen Adern durchzogen. Die
Uuimdem sind ea auch, die im abrasierten Schicfcrterrain Bodcoerhebun-
geu bilden. Den Bau bedingen Kaltungen und Verwerfungen. Die erstem
streichen in nordöstlicher Kichtung (entsprechen also dem sinischcn System
v. Richthofen-) , und in derselben verlaufen auch Verwerfungen, die das
gefaltete Gebirge in einzelne Schollen auflösten; ein zweites Bruchs) stem
vcrlliuft aber senkrecht darauf in nordwestlicher Richtung (also identisch
mil dem hinterindischen System v. Richthofens). Supan.
123. Tenison - Woods, The Geology of Malaysia, Southern
China &c. (Nature 1886, Bd. XXXIII, S. 231.)
Das südöstliche Asien zeigt eine bemerkenswerte geologische Gleich-
förmigkeit. Cberall findet sich 1) Granit mil ültera vulkanischen Gangen,
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Litteraturbericht Nr. 324 — 129.
&>
2) piUoioUcb* Schiefer, 3) an den AuCwnucitcn Kalkstein, der wahrschein*
lieh der Steiokohlenforroation angehört, und 4) kohlenfUhremle Schichten
Ton verschiedenem Alter. Eine kleine negative Niveauverindcrung förderte
euch mioeftne und pliocänc MoeresebUgcrungon (»uni Teil kohlenfShrend)
zu Tage. — Von Ioteresae Kind einige kurxe Notizen Uber d&i noch wenig
gekannte nördliche Borneo und einige Teile des Philippinischen Archipels.
Die Malagou- Insel daselbst zeigt als Beweise für eine rezente negative
Niveaaveründerung vom Meere ausgewaschene Höhlen in ca 3 m Seehühe.
.su pan.
124. Jnurboek van het Mijnwezen in Nederlandsch-Oost-
Indie. Amsterdam 1885. Bd. XIV, I. Teil.
P.nneroa berichtet über dar K oh len t «r r»in am den llnkit Sanar
(581 m hoch), westlich ron lienkulen im südwestlichen S n ra » t r ». Eine
hypsometrisch. geologische Karto in 1 : 110 (K>0 und zahlreiche Wofile sind
beigegeben. Die Hauptmasse des Gebirges besteht aus Audcsit mit mich-
tigen Khvolithgängen. Darüber breitet sieh eine, durch Denudation viel-
fach zerstörte Decke ron literalen Mioninablagerungen aus. Die östliche
Facies derselben besteht ron unten nach oben aus 1) Kohlenschiefer,
2) Kohle, 3) Konglomerate und 4) Sandsteinen, welche die Hauptmaste
bilden. Die Schichten sind beträchtlich disloziert, sowohl durch allgemeine
Bodenbewegung, als auch lokal durch Ilaaaltauebrüche. Die westliche Facies
(Konglomerate und Sandsteine mit kalkigem Bindemittel, die in Mergel
und Mergelkalkstoine übergehen) entbehrt der Kohlen uml hat weniger
gestörte Lagernngaverbiiltnisse. Diskordant auf dem östlichen Miöcän hegt
Ftiocin , dann Diluvium , ein l’Uteou bildend , in das die Plufsthiiler ein.
geschnitten sind. Die Kohle dieser Gegend könnte ent dann von Bedeu-
tung werden, weon sich eine Industrie sn der Westküste ron Sumatra ent-
wickelt.
Cordee berichtet über das Zinnerz Vorkommen des Distriktes
Koba im südöstlichen Baugka. Die Totalprodaktion im Zeitraum 1833 — 83
betrug 60 704 Pikuts. Beigegeben ist eine geologische Karte in 1:60 f>00.
Den Scblufs bildet der Bericht ron v. Scholle über eine goldfüh-
rende Quarzader im eiten Thonschiefer bei Melassen in Westborneo.
Der geringe Goldgehalt (O.ooot — 0,0006 Proz.) lülst eine bcrgmSnnische
Unternehmung als nicht rätlicli erscheinen. Sujxin.
125. Raulin, Vortoilung der Niedorscblage iu Nioderlän-
disch-lndien. (Ostorr. Motoor. Ztschr. 1885, Bd. XX,
S. 498.)
Wir erwähnen diese Zusammenstellung als Ergänzung zu Woeikows
Abhandlung (s. I.itter. - Her. 1885, Nr. -24) nur in Kürze. Der Verfasser
betrachtet lediglich die Verteilung des Bogens auf die Jahreszeiten, und
unterscheidet acht verschiedene Uegimes. ron denen aber das erste (Som-
mer regenreich, Winter arm an Niederschlägen) weitaus die groCste Ver-
breitung besitzt. Die Tabellen enthalten die Summen dir die Jahreszeiten
und das Jahr von 127 Stationen. Supait.
126. Klima vou Batavia, 1866 — 82. (Observations made
at tbo magnet. and meteor. Observatorv at Batavia,
Bd. VI, 1885.)
Luftdruck.
mm
Tempe-
Mittlere
tätliche
Rela-
tive
Kegen 1864 — 82.
ratur.
Schwan*
Feuch-
mm
750 -b
kung.
tigkeit.
läge.
Dezember . .
8,84
25,4°
3,2°
8.0,0
24.3
18,4
Januar • . .
8*70
25, s-
4,4
87,7
*v>
28,1
Februar . . .
B.f.ß
25,4
4,4*
87.9
316
20,9
März ....
8,71
25,4
5,1
86,2
198
16,9
April ....
8,72
26,3
6,7
85,4
129
13,9
Mai ....
8,15*
26,1
e,t
84,0
83
9,8
Juni ....
8,71
25,9
6,1
84,1
100
9,2
Juli ....
9,00
25,7*
6,6
81,7
63
7,4
August . . .
9,10
25,9
7,3
78,6*
47»
5,7*
Hepteiuber .
9,20
26,7
7,1
78,6*
83
8,0
Oktober . • .
8.61
25,4
6,9
79,9
108
9,8
November . .
8.00
26,7
6,2
82,1
120
12.4
Jahr ....
8,66
25,9
5.9
83.4
1875
154,1
Tage»- Maximum
13,92
28.7
100,0
186,6
Tum-Minimum
3,00
22,6
—
26,2
—
—
Daa täglich« Maximum (1er Temperatur tritt im Jahresmittel uro
lh p. m. , da* Minimum um 6* ». ra. ein. Die einzelnen Jahrestempera-
turen weichen nur um ä- 0,2° vom 17 jährigen Mittel ab; von den Mo-
naten ist am variabelsten der Oktober (4^ 0,41°) und ara konstantesten der
April (i 0,14®)- liic Winde von NNW - KSK erhöhen, die aus den übri-
gen neun Himmelsgegenden erniedrigen die Tem|>eratur. Am kältesten ist
der S, am wärmsten der NNK. Das tägliche Maximum der relativen Feuch-
tigkeit tritt uro 6b o. m., da* Minimum um lh p. m. ein; die mittlere täg-
liche Schwankung beträgt 24,1. Trocken sind die Winde ron NNW— KSE.
Die gröfst« jährliche Regenmenge war 240, die kleinste 132 cm, die mitt-
lere Abweichung mm Normalen ^ 302 roro. Supan.
127. Journal of tbe Straits Rrancli of the R. Asiatic Soc.,
Nr. 12. Singaporo 1884.
Kelham beachliefst seine ornithologischcn Notizen von den Stroit»
Settlements und den westlichen Staaten der MalaiUcjran Halbinsel. Wray
berichtet über die Guttapercha- Baume, von denen er 14 Arten oder Varie-
täten kennen gelernt hat. Der wichtigste derselben (Isonandra gutta) wächst
in den Ebenen von Perak, andre steigen aber im Gebirge bis 800 m See-
höhe an. Dio Methode der Gewinnung der Guttapercha (gutta, korrum-
piert aus mal. götah == Saft ; perchah, mal. = Stück, Streifen) ist äufaerst
primitiv und löfst eine Menge des wertvollen Stoffes verloren gehen. Max-
well schildert ausführlich seine Beobachtungen Uber den ScbamauHmus
in Perak, und Ferguaso» gibt eine längere Liste von Worten zum Nach-
weis der Konsonontcnübergiinge in verschiedenen malaiiwhen Dialekten.
Supan.
128. Branfill, Notos on tbe Physiography of Southorn In-
dia. (Proc. It. Geogr. Soc. London 1885, Bd. VII,
S. 719.)
Vorderindien, eüdl. von 15° Br., besteht aus drei Teilen: die Mala-
barküstc, diu Hochland und die breiten Ebenen von Carnalic im 0. Die
Malabarküste wird in Kürze alz eine niedere und Hache Lat-ritbank bezeich-
net. Die Ghita sind nur die Abfälle des Plateaus ; die Westghäts bilden
den Steilabfall; von 0 gesehen, erscheinen ihre Hohenpunktc als eine hori-
zontale Linie. Daa Plateau ist eine wellige Fliehe von 600 bia 1000 ro
Höhe und übersiet mit rundlichen Granilhügeln bü über 1800 in Höbe, die
entweder vereinzelt oder grup|>enweise anftreten und eine mit den West-
ghits parallele Anordnung erkennen laasen. Die grbfaom Flüsse sind peren-
nierend, aber wegen der Tiefe ihrer Tliäler weder zur Schiffahrt noch zur
künstlichen Bewässerung sehr geeignet. Desto wichtiger sind in letzterer
Beziehung die kloincn Flüsse , die durch Querdämme in eine Beide von
Teichen aufgelöst werdon. ln Moisur gibt es deren ca 40000, nnd dio
Gesamtlänge dor künstlichen Kanäle erreicht 1000 km. Die Kilagiri sind
ein fast isoliertea Massiv ; die Elefanten- und Trawancore-Berge jenseita der
unter 90 m hohen uud ca 40 km breiten Senke ilea Pdlghdt Gap halsen allein
eehten Gebirgscharakter. Pdt die flstkiüto sind die langen Dünen* alle be-
zeichnend. Sie erleidet vielfache Veränderungen, teils Zerstörung durch die
Cyklonen, teils gewinnt sie an Land. Das heutige Korkai, 5kro landein-
wärts. ist identisch mit dem alten Kolkai, da« vor 2000 Jahren eine be-
deutende Seestadt am Golf von Manaa; war.
Man unterscheidet in Südindien drei Jahreszeiten: die Zeit dos SW-
Monsuns, Mai bis September; die Zeit des NO -Monsuns, Oktober bis
Pcbmar, und die heifse Zeit, März bia Mai, die abet durch häufige Gewitter
abgekdhlt wird. Der SW -Monsun ist sohr regelra'afsig , der liegen aber
trotzdem mit Ausnahme der Wostgb.its, unsicher. Interessant ist die Notiz,
dafs der SW-Monsun auf der Ostaeito häufig fölinzrtigen Charakter annimmt.
Supan.
129. Maclagan, The Rivers of tho Pundjah. (Proc. R.
Geogr. Soo. 1885, Bd. VII, S. 705, mit 1 Kurte.)
In den ältesten Zeiten wurde das Land als Siebenstromland bezeichnet,
indem man den Indus einerseits und den Saraawati anderseits hinzurech-
nete. Der letztere wird in den Vedaa als der gröfste aller Ströme gepriesen ;
jetzt ist er ganz unbedeutend und verschwindet im Sand. Nene Gesichts-
punkte zur Erklärung dieses Phänomens werden nicht beigebracht, über
das Gefälle des Indus finden sieh folgende Angaben vor:
Länge
Fall pro km
Quelle bis Skardo . . .
4,84 ra
Skardo — Attok . . .
3.22
Altok — Kalabagh . . .
0.79
Kalabagb — Mittan-kot . .
. 600
0.19
Miltan-kot— Mündung . .
. 760
0,09
Das Gefälle (in ra pro km) der übrigen Flüsse innerhalb der Berg-
region ist folgendes: 1) D>chihlam. Islamabad — Srinagar (64 km) 0,76.
Srinagar — Baramnla (69 km) 0,«. Bararoma — Musaferabad (119 km) 6.63.
von da bis Mirkur ‘4,00: 2) Tschinab, Tschandra— Tsndi (185 km) 1.1,74,
f‘
Litte ratairbericht Nr. 130—133.
3ti
Tandi— Kiiehtwar (185 km) 6,44, Kuehtwat— Aknur (290 km) 1,«; 3) Kavi
(210 km) 21, 1«: 4) Bia» — Laidvchi (120 km) 23,48, Lardachi — Mandi
(40 km) 7 ,M, Ton da bis mm Austritt in dis Ebene (240 km) 2,08 ; 5) Sat-
Isdscb — Kupar (870 km) 6,04.
laufveränderunsen kommen jedev Jahr ror, am häufigsten beim Ravi,
dem kleinsten der fünf Flüsse. Das Wasser steigt infolge der Schneesehmelse,
die Anfang Mürs beginnt, langsam und regelmüfsig, aber bei verschiedenen
Flüssen in verschiedenem Grade. Das iweite Hochwasser tritt aur Zeit der
Somraerrcgon ein. Bei Attok betrügt der Hochwaaseiatund des Indus lim
über dem niedrigsten VVaucntand (mit einer Geschwindigkeit von 20 km in
der Stunde), bei Mari aber nur mehr 5 m, bei den übrigen Flüssen inner-
halb der Ebene 3 — 4^m. Der Fandaclinad (so helfsen die fünf Zutlüasc
des Indus nach ihrer Vereinigung) ist doppelt so breit als der Indus, aber
beträchtlich seichter, und (liefst um etwa ein Drittel langsamer. Bei niedrigem
Stand führt er pro Sekunde ca 1950, der Indus aber 2600 cbm Wasser; bei
Hochwasserstand führt der Indus nach seiner Vereinigung mit dem l’andach-
nad ca 10800 cbm. Der Gehalt des letztem an Sinkstotfen (Schlamm und
feiner Sand) beträgt zur Hochwasaeneit V® Gewicht« oder >/110 des
Volumens, bei Niedrigwasser bzw. Kleine Rollsteine findet
man untorhalb 8 km unter Kalabogb nieht mehr. Dampfachilfahrt besteht
ron Tatta (Delta) bis Multen. Supan.
Afrika.
130. Ebers, Cicerone durch das alte und neue Ägypten.
2 Bdo. Stuttgart-Leipzig. Deutsche Verlagsanstalt
1886.
Wenn man sieb, durch den Titel Ycrfübrt, dies» Work als ein Reise-
handbuch Yorstcllcn würde, so würde man sehr irre gehen. Es ist viel-
mclir eine umgearbeitete und vermehrte Neu- Herausgabe de« Testes zum
Prachtwcrk „Ägypten in Wort und Bild-, dos wegen Miner Kostspieligkeit
nur wenigen luginglich ist. Man findet hier ausführliche Schilderungen
der Xgyptisehen Städte und ihres Charakters in der antiken und arabischen
Kulturperiode und in der Gegenwart, vor allem eelbstTcratiindlich Beschrei-
bungen der grofeen Denkmäler, mit eingestreuten Kzkurzionen über die Ge-
schichte des Landes. Vom kulturhistorischen Standpunkt aus betrachtet,
ist dos Buch sicherlich von hohem Werte, schon deshalb, weil es v iele Züge
des eigenartigen muslimischen Ieebcns, das immer mehr und mehr verschwin-
det, festhält Sein eigentlich geographischer Gehalt ist aber nicht nennens-
wert; die wenigen Bemerkungen bringen entweder nichts Neues oder ent-
halten sogar Irrtümer. Mit Erstaunen liest man in Band II, S. 192, fol-
genden Sati: „Derselbe Gelehrte (Zittel) hat auch erwiesen, dafs die Libysche
Wüste, bevor eie ihr heutiges Ansehen erhielt, voreinst vom Meere bedeckt
war, und dafs die Wellon eines grofsen Ozeans alle die flachen , mulden-
förmigen Vertiefungen und trocknen Hufsbetten (Wadis) mit ihren sanft
abgerundeten Hindern herrorgerufen, die Maasen von Band und Kieseln
herbeigeschwemmt und den Untergrund bis auf die imclnrtig zurückgeblie-
benen .Zeugen1 ausgewaschen haben“. Jeder, der die Arbeiten von Zittel
kennt, weife, da(s gerade dieser Forscher hauptsächlich dazu beigetragen hat,
die Hypothese zom diluvialen Saharamecr zu beseitigen, .lafs er die Ober-
fiicbcngestaltung durch die vereinigte Wirkung von SUfawaaser und Atmo-
sphärilien erklkrt, und die .Sandmaswn von der Verwitterung des nubischcn
Sandstein« herleitet. Ich habe mich aber bemüfaigt gesehen, auf jene
Stelle aufmerksam zu machen, einerseits damit sie nicht, gestützt auf die
Autorität zweier allgemein anerkannter Gelehrter, wieder die Köpfe in Ver-
wirrung bringe, und anderseits um denjenigen vor einer unbegreiflichen
Unterstellung su schützen, dem wir so viote Belehrung über den geolo-
gischen Bau der Sahara verdanken. Sujuh.
131. Navilte, Egypt Exploration Fund. The Store-City
of Pithora and the route of the Exodus. Mit 13
Tafeln uud 2 Karten. 2. Aufl. London 1885.
Selten haben archäologische Entdeckungen einen so hohen Anspruch
auf die Beachtung der Geographen wie die erfolgreichen Ausgrabungen,
welche Naville in den Ruinen Teil el Maskutab, 14 km westlich von Ismailia,
im Frühling 1883 auiführte. Er fand hier nicht nur die durch altägyp-
tische Inschriften genügend beglaubigten Koste des biblischen Pilhom, son-
dern auch lateiniacho Inschriften, die den Beweis für die von der koptischen
Bibelübenetznng und der Septuaginta angenommene, aber von den moder-
nen Gelehrten verworfene Identität Pithoms, mit der später (seit Theo-
phrast) oft genannten Stadt Ero, Hera, Ileropolis mit voller Sicherheit lie-
ferten. Das ist höchst überraschend, weil zahlreiche alte Schriftsteller Hero-
pulis in die Nähe des innsrsten Winkels des Boten Meeres verreisen, und
der Golf von Suez im Altertum geradezu Golf von Ileropolis hirfs. Deshalb
batte man Heropolis, das ihm offenbar dicht benachbarte Arsinoö, die End-
etation de« Ptolemierkanati , und auch das Fort Klysma, das nachweislich
nahe bei Arsinoc gelegen hat, in der Gegend von Suez geeucht und einige
unbedeutende Ruinenstätten unweit Suez unter diese antiken Orte verteilt.
Nun wird auf einmal Ileropolis 75 km nördlicher, etwa auf der Mitte des
Isthmus wiedergefunden, und zum Pberfiufe des Erstaunlichen in seinen
Ruinen noch ein römischer Meilenstein „ab Ero in Cliuma milia V1III* (die
Zahl steht ganz fett, es steht auch das griechische Zahlzeichen (V für 9 da-
bei). Also auch Klysma lag in der Mitte de« heutigen Isthmus, nicht weit
von Ismailia. Damit ist die ganze antike Topographie dieser Gegend in
andres Licht gerückt, und es entsteht vor allem die Frage: Wie konnte
der iinfeerrte Zipfel de« Koten Meeres nach einer Stadt benannt werden,
welche 10 Meilen nördlicher lag, und wie konnte Arainoä Ausgangspunkt
der ptolemäirehen Seelahrten werden, wenn cs mitten auf dem Ietbmus
lag? Narille ist schnell mit der Antwort bei der Hand; „Das Kote Meer
reichte noch zu ADfang unsrer Zeitrechnung viel weiter nordwärts, über das
Becken der Bitterzeen hinaus bis aum Timasli-See“. Dafür liefert die
augenscheinlich dem Boten Meere entstammende Fauna junger Ablagerungen
am Ufer des Timsah-Sees natürlich keinen chronologisch genügend bestimm-
ten Beweis. Die alten Schriftsteller bieten manchen ernsten EiDwand da-
gegen. Wahrscheinlich wird sich zeigen, dafe an Stelle des Timaah-Sce«
und der Bitterseen im Altertum Lagunen lagen, deren Verbindung mit
dem Roten Meere noch wenig beschränkt war, orst spitcr stärker unter-
bunden wurde. Für diese Annahme, welche es denkbar macht, dafs die
Gewässer in der Gegend des Timath-Sees als Zubehör des Roten Meere«
gelten konnten, bietet eine grofee ägyptische Inschrift zu Ehren des 1‘tule-
ralius l’hilsdelphus unverkennbare Anhaltspunkte. Vielleicht gibt diese In-
schrift künftig noch Klarheit über die ganze Frage, wenn ca gelingt, einige
besonders wichtige, aber gerade unleserliche Zeilen eicber zu entziffern.
JtsWscA.
132. Colombo, Klima von ßiskra. (Bull. Soc. Güogr.
Constantine 1885, Bd. III, S. 204.)
Mitgcteilt werden die Temperaturraciuungcn für dio Jahre 1866 — 08
und 1875 — 84 (12 ’ Jahre), die ifogenmessuugen von 1860 — 68 und
1875—84 (19 Jahre, davon zwei unvollständig und bei der Berechnung der
Mittelwerte ausgeschlossen) , und endlich die Zahl der Hochwastontände
1864 — 68 und 1875 — 84 (15 Jahre). Aus dienen Tabellen habe ich nach«
folgende Mittelwerte abgeleitet. Von besonderer Wichtigkeit »eheint mir
die bisher noch niemals durchgcfiihrte Berechnung der Wahracheiulichkeit
gänzlicher Regenlosigkeit : wichtig hauptsächlich für trockne Gegenden. BUkra
liegt am Ramie der algerischen Sahara unter 34° 51' N und 5* 40' O,
und in 122 m Seehohe.
Temperatur
fugen.
Wahrscheinlichkeit
mltllere
min
totaler
von Hoch-
Min.
Max.
Regenlosigkeit
WAKIf r
Dezember
. 7,2
17,6
16
0,?4
0,M
Januar •
. 6,9
17»*
13
0,99
0,40
Februar .
. 8,6
20,0
19
0,1?
0,67
März . .
« 10,6
22,7
20
0,16
1,07
April . •
. 14,6
26.»
31
0,1?
0,7?
Mai . .
. 18.4
31, V
16
0,16
2,00
Juni . .
. 22,6
35,4
10
0,47
1,60
Juli . .
. 26,6
40,*
4
0,76
0,??
August .
. 25,9
39, J
3
0J6
0*9?
September
. 22.«
34,4
15
0,47
1,67
Oktober .
. 16,?
27,4
20
0,24
1,10
November
. 10,6
21,7
tl
0,15
0,40
Jahr . .
. 15,9
27,4
177
—
—
Die gröfste jährliche Regenmenge war 414 mm (1884), die kleinste
62 mm (1878). Supan.
183. Brun-Renaud, Les possessions franyaises de l’Afrique
occidentale. Paris, Baudoin & Co., 1886.
Ein gutes systematisches Handbuch der Geographie, Statistik und Bnt-
deckungsgeechiebte der französischen Besitzungen am Senegal, in Oberguinea,
am Gabun und am Ogowe. AngefUgt sind Kapitel Uber die Berliner Kon-
ferenz, dm Kongostaat und die deutschen Besitzungen in Afrika, Neu-
guinea uud Polynesien (zu denen fälschlich auch die Samoa-Inseln gezahlt
werden). Et mufs henrorgehoben werden, dafs dieses letzte Kapitel ganz
objektiv gehalten ist, wenn auch seine Existenz schon beweist, dafs die
Fraozoien die Entwickelung der deutschen Kolonialmacht nicht ganz ohne
Besorgnis verfolgen. Die beiden Kartenbeilagen sind recht dürftig.
Supan.
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Litteraturbericht Nr. 134 — 139.
37
134. v. Danckelman, Die Ergebnisse der meteorologischen
Beobachtungen der Herren Soyaux und Schran im
Sibange - farm, Gabun. (Mitteil. Ver. f. Erdk., Leip-
zig 1884 11886], S. 388.)
135. , Bemerkungen zu den Resultaten der meteoro-
logischen Stationen im Herero- und Kamaqualand.
(Ebendas., 8. 394.)
Die folgenden Mittel für Gabun sind mehrjährige, und zwar Air
Temperatur 3—4 Jahre und für den Kegen 4 — 5 Jahre, t'nter liegen*
tagen sind hier, wie im folgenden. Tage mit mefsbarem Niederacblag (über
Vi rDfn) twrtanden.
Dezember
Temp.
24,»“
mm
224
Hegen'
tage
16
Juni . . .
Temp.
23,»“
nun
7
R*gcn
lajrc
1
Januar .
25,8
155
11
Juli . . .
22,4*
1
0,4
Februar .
25, »
217
13
August . .
23,1
11
4
März . .
25,»
349
17
September .
24.»
40
8
April . .
25,4
381
17
Oktober . .
24,4
288
21
Mai . .
25,»
189
11
Norember .
24,4
423
22
Mittlere Jahrestemperatur 24, 6*% absolute Extreme 33,6° und 16,0°.
Jährlicher Niederschlag 2265 mm in 141 Tage». Gewitter an 87 Tagen.
Die Originaltabelle enthält außerdem die Mitte! für Luftdruck und Bewölkung.
Die Kcaultatc der Beobachtungen der Missionare im Herero* und Na*
rnaqualand sind, soweit sie din Temperatur betreffen, Ton zweifelhaftem
Werte, weil die Thermometer nicht genügend vor Strahlung geschützt waren.
So lange in dieser Beziehung keine sichere Methode gefunden ist , werden
die Beobachtungen sistiert. Immerhin ist die enorme W&rracsteigcrung land-
einwärts, trotz der bedeutenden Seehöhe bei gleichzeitiger Zunahme der
Schwankungen durch gleichzeitige Beobachtungen au der Walfischbii im
Oktober 1884 sichergeatellt. Die Kcgenmcasungcn ergaben folgende Jahres-
mengen: für Omaruru (21° 35' S, I8W 13' 0) 354 mm an 37 Tagen,
und in demselben Jahr für Rohoboth (23° 10' S, 16u 63' 0) 104 mm
an 28 'Digen. Kegenlos waren die Monate Juni bis September. Zum
Schlufs sei noch bemerkt, dafs die Seehohe ton Otjimbingue barometrisch
auf rund 880 m bestimmt wurde. Supan. *
136. Reymond, Note sur la Geologie du centre de l’Afrique.
(Bull. Soc. Geolog, de France, 1886, Bd. XTV,
S. 37.)
Bestimmung der Gesteine, welche V. Giraud von seiner Keise 1881 — 82
mitgebracht hat. Sie stammen tod dem Westufer des Tanganjika zwischen
Mpala und l'ambetc and aus der Gegend zwischen dem Tanganjika und
Nyassa. Der weitaus gröfsto Teil besteht aus Graniten, Gneifsen, ver-
schiedenen Glimmerschiefern, Dioriten und Porphyren. Die abgerundeten
Grauitblöcke, welche am 'Ruigaojika bis zu einer gewissen Höhe Vorkommen
und auf der englischen Karto irrtümlich als erratisch bezeichnet werden,
sind Produkte der Verwitterung, dio den Spalten entlang bis in das Innero
des Gesteins eindringt und dasselbe bis auf die unversehrten Kerne (eben
jene Blöcke) in Grus verwandelt, der dann gelegentlich abgcochwcramt
wird. Echte Sedimentgesteine (Sandsteine und Thontcbiefcr) kommen nur
zwischen Jendwe sm Tanganjika und Mpata (wohl Mpasa?) auf der Koute
xum Nxassa vor. Fossil führende Schiefer in der Näh© des letztem Ortes
werden von Bertrand als möglicherweise eoeän oder oberkretazeiach be-
zeichnet. Sujmn.
137. Felkin, Note on tho For Tribe of Central Africa.
(l’roc. R. Soc., Edinburgh, 1885, Bd. XIII, S. 205.
Mit 1 Tafel.)
Sciuer schönen Monographie über dio Modi hat Felkin eine ähnlich
eingehende Arbeit Uber dio Für folgen lauen , deren Land er 1879 bei
der Rückkehr au« Hubaga besuchte. Kr schildert «ie ul« einen die HKtft»
der auf 3—5 Millionen zu schallenden Bevölkerung Dnrfur» snsmaehenden
unvcrmiaehten Negerstamro. AI« Neger lauen «ie die körperliehen Merk-
male, »weit «ie mitgeteilt sind, erkennen (Körperhöhe Ton *5 Männern
durchschnittlich 173,0, ron )5 Werbern 168,7, Farbe 47 und 43 der
Brocaselien Tafel, Haar wollig), während die ethnographischen Merkmale
den KinHuf« der nördlichen Nachbarn deutlich anfwoisen. Ke fehlen körper-
liche Verunstaltungen mit Ausnahme der Durchbohrung des linken Nasen-
flügels der Weiber, welche darin »inen kleinen Kristall oder ein h ehern».
Stübchen tragen, es wird nicht tättowiert und kein Zahn uusgwchlagen.
Neben einigen Biencnkorbhütten aus Grus sieht rnan eine Mehrxahi ron
Lehm- und Steinhütten. Ausser Uhurra, welch» die Hauiduahrung abgibt,
wird Weiten und Heu gebaut, ersterer auffallendcrweiae nicht rar Nahrung,
sondern nur zur Ausfuhr. Es gibt eigene Vornitshütten für getrocknetes
Fleisch , andere für Getreide. Allgemein und in grofsera Mals« wird spa-
nischer Pfeffer als Gewürx genossen. Aus Durrba wird meist Grütie,
seltener Fladen bereitet. Auch Biet UDd eine Art gekochten Weinea werden
gebraut. Abfälle werden auf einem besondere Fleck tor dem Dorfe zu-
sammengeworfen und alz Dünger benutzt. Tabak wird nur gekaut und
geschnupft, das Bauchen der Araber dagegen mit Verachtung angesehen.
Unter dem oberflächlichen Firnis des Moharoraedanismua lebt der Glanbo
an einen Gott Molo , den Himmel (Jouel) und die Holle (Uddu). Einige
steinerne Hütten sollen noch vorhanden »ein, in denen einst Molu verehrt
wurde. Der Silz der Seele (Kilma) ist dio Leber. Weiber sind seelenlos.
Für die Braut zahlt der Bräutigam eine reiche Entschädigung an den
Schwiegervater, bei dem er bu zur Geburt des »raten Kindes zu wohnen
hat. Die Hochzeitszeramouien sind ebenso wie die Begräbnugrbrtiucb»
abgeschliffen, wohl durch arabischen KinHufs. Es gibt besondere Dörfer,
wo Priester mit jungen Männern wohnen, die sie unterrichten , uod aus
diesen sind die Weiber ausgeschlossen; und andere, in denen um den
Hluplling sich die Krieger (Dalimar) samt ihren Familien arharen; aufser-
dem wohnen als verachtete Klane die Schmiede in besonderen Dörfern.
Die Welfen sind Speer nnd Bogen, doch werden letztere wenig mehr ge-
braucht. Fische werden mit Harpunenpfeilen geschossen. Jede« Dorf ist
mindestens durch eine Dornhecke befestigt. Eine feste Hauptstadt hat
Darfur erst seit der ägyptischen Eroberung, früher hiefs Kl Fascher der
Platz, den der Herrscher jeweils bewohnte. Tuusehmittel sind Baumwollen-
Stoffe, teils einheimische, teils eingeführtc. Eisen wird mittels thünemer
Toplblssehälge ausgevchmolzen. Der Gerbproxefs ist bekannt, die Töpfer-
scheibe dagegen nicht. Zahlwörter gibt es bis zu 100. — Von beson-
derm Wett sind noch einige Tiergeschichten mythologischen Hintergrundes,
die an die der Hottentotten erinnern, dann die Beschreibungen von Spielen,
nnd die Angaben über Krankheiten und Heilmittel. — Die ganze Arbeit
ist eine der vollständigsten Sammlungen ethnographischer ThaUaehen, die
wir ühor irgend ein afrikanisches Volk besitzen, und trägt durchaus den
Stempel tleifsiger und nüchterner Beobachtung. Beigegeben ist das Bild
des Furknaben. den Felkin nach Europa brachte, und ein kleines Vokabular.
Wir beben zum Schiufa hervor, ilfifa Felkin die Schilderung Dnrfura bei
Mohamed el Tuniai als .erstaunlich genau" bezeichnet. Raiiti.
138. Johnston, Tho Peoplo of Eustern Equatorial Africa.
(Journ. Anthropol. Inst. London. 1885, Bd. 15, S. 3.)
Der Verfasser beschreibt die Hamen, welche in Ostafrika zwischen
1* N. Br. uwl 5* 8. Br. und von 34* Ö. L. bis zum Indischen Ozean
wohnen, sm ausführlichsten aber jene io der Nähe des Kilimanjaro.
Zwischen den Stämmen, welche zur Bantu - Familie und zur äthiopischen
gehören, haben sich manche andere eingcaehoben , so an der Ostaeite des
Victoria Nyania eine Niederlassung der Nilneger, die den Scbilluk nahe-
stehen, über die wir eher nur äufserst dürftige Nachrichten besitzen, und
dann jene zwerghaften Hassen, deren Namen das Swahili-Präfix Wa führen
(Wa-boni, Wa-sauia, Wa-ta, Wa-ndurobo Ae.). In der zweiten Hälfte
seine« Aufsatzes gibt der Verfasser eine ausführliche Beschreibung der
Körperformcn , der Gebräuche und Sitten der Wa-taite, der Kwuri und
Wa-taveita im herrlichen Waldlaude Taveila, der meist Ton Vegotabilicn
sich nährenden Wa-chaga am Kilimanjaro, wenngleich sie als Haustiere
Buckelrinder, Ziegen, Schafe, Hübner nnd bisweilen Hunde besitzen, und
schlielzlicb der Masii und Gallas. Langk utW.
139. Buchanan, Tho 81iire Highlamlg. Edinburgh-London,
Bhickwood 1885. (Mit 1 Karto.)
Iler Verfasser, der 9 Jahre als Pflanzer in Zomba lebte, hat das
Buch zu dem Zwecke geschrieben, um seinen Landsleuten die Besitz-
ergreifung des untern Zambeeigebietes zu empfehlen. 30 Jthrc sind zer-
gangen, seit Liringstone zuerst dieses Land betrat ; seitdem sind im Schira-
gebiet und am Nyaasa-See schon zahlreiche britische Missionsstationen
gegründet worden; die African Iokea Company, denen die beiden kleinen
Dampfer auf dem Nyavsa und Scbire gehören, hat bereit» festen Fufa ge-
falzt, und die Gebrüder Buchanan haben Kaffecpflaniuugeu ftlr den Export
und ZuekerpHanxungen für den einheimischen Bedarf angelegt. Der Ver-
fasser glaubt, dafs die Zukunft des Landes auf der Kaffeckultur beruhe.
Schon jetxt besteht sie in Blaut vre, Mandala und Zomba, und mit jedem
Jahre breitet sie sich weiter ans. C, liberica eignet sieb vorzüglich für
die tief gelegenen Thäler, C. arabica für das Hochland. Außerdem em-
pfiehlt sich noch für Gegenden ron mehr als 900 m Seehöhe die Ein-
führung des Chinirindrn-Baumos; die Thiler des Zambezi und Sebirc liefern
eine Menge Sesam und Erdnüsse, und Indigofen tinctoria wichst hier
wild; auch das Zuckerrohr kann ron Bedeutung werden.
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38
Litteraturbericht Nr. 140—143.
Sehr ausführlich sind die botanischen und ethaegraphbehen Kapitel.
Die Flor» det tiefer Belesenen Flufstbäler unterscheidet »ich wesentlich
Ton jener de» lioehUude», int nicht in besug auf den allgemeinen tro.
piechcn Charakter, sondern nur in he*«* auf ihre Bestandteile. Nur
wenige Arten, wie Araarautus eaudatua oder Jatropba 1. 'accus , reib reiten
»ich ron der Seeküste bis ru Hohen von 1000 — 1200 ra. Die Mehrcahl
gehört entweder nnt dem Tiefland (Boabab und Tamarinden t. B. nnr bis
600 m flöhe) oder nur dem Hochland an. Dichte Wilder scheinen den
letalem au fehlen: die Baume sind mit wenigen Ausnahmen »ehr klein.
Die wichtigsten unter diesen »ind die Napaca Kirkii (Msuku), die vier
Fünftel des Nutzhnlae» liefert, nnd mehrere Brachystegia-Arten , besondera
B. longifoiia (Njombo), deren Binde und Boat benutat wird.
Die klimatologbeheo Notixen erwecken Bedcuken. Daft die mittlere
Jahrestemperatur von Blantyre (600 ro boeh) nur ra lu“ betrügt , Dt
unmöglich. Ai» absolute Extreme während »eines neunjährigen Aufenthalte«
gibt er 35 und — 1.7 *, und als die beobachteten Grenzwerte der jährlichen
Kegenmongo 76 und 132 cm an.
Von den Stämmen des Scbiregebiete« sind die tu den Makololoe
gehörigen Koroakukon, deren llauptort Ttrhimla ist, jetat am mächtigsten.
Da» Uauptoneugnb des Ackerbaues Dt der Mai-, leider hat die Agrikultur-
inetbode einen extrem eatensiren Charakter, indem alte 2—3 Jabre ueaer
Boden in Angriff genommen wird. Die Folge davon ist rücksichtslose
Bntwaldaug, ilie in i .ändern mit periodischem Kegen doppelt »on Nachteil
Dt. Die indnatrielle Thätigkeit der Kingeboroen Dt eine siemlieh lebhafte.
Die letaten Kapitel sind den britischen Missionen in Ostafrika gewidmet.
Ssjns.
140. Götz, Untersuchungen oiner Gestcinasuite aus der
Gegend von Marabastad im nördl. Transvaal. (Neues
Jahrb. f. Miner. &c., Stuttgart 1885, Beilage, Bd. IV,
S. 110.)
Nach der geologischen Einleitung rem Cohen wird das tirundgebirgo
im N, in der (fegend tod MarabsSitad und Uerstoling, von Gneifs (aichäisch [:])
und verschiedenen mcUmorpliischcn Schiefem (wahrscheinlich paläozoisch),
im S aber, von Naboomfontoin über da« Boshveld bD nach Pretoria hinüber,
von Granit gebildet. Die iu den Kriegen zwischen den Kaffem und Buren
viel genannten .Höhlen" dos isolierten Oronitgcbirgeo ljtkalakale »ind keine
eigentlichen Höhlen, sondern Klüfte. Auf den »teil »ufgenrbteten kriital-
linDchen Schiefem ruht diskordant und nnr mit schwacher südlicher Neigung
die Sand ,tc Information des Mokopons-Gcbirges, die sieb mit fast senkrechtem
Absturz über den Schtefenoekel erhebt. Ilie verschiedenen Varietäten der
Sandsteine dürften nur al» Facieabildungen aufaufaasen sein. Ober dem
Ssndv.ein Hegt im westlichen Teil des Mskapous-fiebirgc« Dolomit mit
charakteristischen Einlagerungen hieseliger Schichten. Sandsteine und
Dolomit (letzterer wahrscheinlich identisch mit dem von Ljdeuburg) dürften
auch paläozoisch »ein. Die l’utersnehungcn der Schiefer durch Gütx
liefern einen intereamnten Beitrag tur Theorie des tektonischen Metamor«
phbmus. Aupon.
141, Gamble, Klitna der Kapkolonie. (österr. Meteor.
Ztschr., 1885, Bd. XX, S. 394.)
Eiue Reproduktion au* dem Cape Goremement Blucbook. Mits?ttwlt
worden die jährlichen Niederschlagsmengen r«n 76 Stationen nnd die
monatlichen ton (6 Stationen. Auf Grund derselben habe ich nachstehende
Skizze der KegonTcrtcilung in Südafrika entworfeu, der natürlich immerhin
nur ein promurucher Charakter zukvmrot.
Aot den Tempmturtdbellen teile ich folgenden Auuug mit. Die
Mittel sind aut den täglichen Extremen abgeleitet. Die Zahlen der Be-
obaehtungsjabre »ind in Klammern heigefögt.
Mtttl.
Temper.*
Äeöli'iUe WÄnuAier Kältester Schwan-
m
Mouat
Jahr
kuog.
Küste.
Kapstadt (B. Obs. B'/s) •
12
Jan.
20.6*
Juli 12,7*
le,«“
10,9°
Simonstowa (9) . . .
6
Fobr.
23,0
„ 14,1
18,4
8,1
Mowel-Bai (9) . . . .
32
Jau.
21,3
„ 14.1
17.«
*,«
Port Elisabeth (18) • •
65
21,6
„ 14.0
17, •
7,9
Hast London (7)
6
21,1
„ 14.8
18.*
8.4
Durban (5) ....
45
»
23,»
. 17,*
20, •
Ui
WeStl. GebirgalanA.
Wellington (8) . . . ,
122
Febr.
2° 7
» 11,7
17,7
10,9
Worcester (10). . , .
238
Jan.
22,»
• 11.6
17,7
13,8
Clan William (9) . . ,
91
•
23,«
H 10,6
17,6
17.«
Südl. Karroo.
Aranlienstein (6) . . ,
407
H
24.4
. iu
17.»
12,6
Centrale Karroo.
NeD Poort (5) . . . .
945
23.0
Juni 10,8
17,1
15.7
Somerset Kost (12) . ,
730
m
21.»
Juli 11,7
16,6
11.1
Graharostown (5) ■ . .
650
Febr.
21.«
* 11.7
17,1
10.»
K. William'» Town (9) .
410
f»
21.1
. 11.»
IC.?
14,1
Konti. Karroo Ae.
Alivral North (10) . .
1320
Jan.
23,0
* 6,5
15.«
15»?
Bloamfonteiu (6) . . .
1400
Dux.
22,«
7,8
16,7
14,6
l’ietarmariuburg (6) . .
640
Jan.
22,1
Juni 12,7
18,2 9,8
Supan.
Australien und Polynesien.
142. Lubbock, Ou tlie customs of Marriage and Systems of
Rolatiouship among tlie AuatraUans. (Journ. Anthrop.
Instit., London 1885, S. 292.)
So selbstverständlich für uni die Begriff» von Heirat und Verwandt-
schaft sind, so scheinen sie doch verhältoisniäfsig neuen Ursprungs zu scm.
Der bekannte Verfasser rekapituliert hier nicht die Ansichten Bachofen»,
McLeimans, Morgan.«, Taylor» n. n. . sondern saebt mit austchliefslDbct
Berücksichtigung der »nstralisehen Kingeboroen seine Behauptungen im
.Origin of CiTilisation" gegvn Fisons und Howitts .Karailnroi and Kurnai"
neu au begründen. Au» den Sitten und Gebräuchen der Australier be-
antwortet or die Fragen: „Wie entstand die indisidnnl marriage3* und:
„Unter welchen Umständen wurde die Abstammung durch die Mutter ersetat
dnreh die vom Vater?" Da» Ilceultat ist: „Uonsmunal martiage“ scheint di»
ursprüngliche und in d»u natürlichen Instinkten begründete xu sein ; von
ihr kann nicht die „individual marriage" abgeleitet werden. Zonpkmvl.
*
143. Mc Kerrow, Koport of the Survey Department, New
Zealand for Year 1883/84. Wellington 1885. (Mit
13 Karten.)
Triffooonietriftch und topographisch aufgtnommen wurden 1 1 665 qkm.
Die geodätischen Arbeiten betrafen hauptsächlich die Laogenbaetimniung
Tom Mount Cook (Wellington). Durch telegraphische Verbindung mit Syd-
ney ergab eich die Uinge örtlich ton Greenwich 1*4’' 4ßf 21}“; die Be-
obachtung der Mooiikulminationeu ergab 34" mehr. G. Müller nahm du
biaher noch unbekannte Waldgebirge im südlichen Teil der l*rormj Wnt-
land , an der Jackeon- und Martine- Bai topographisch auf; eine «chüne
Karte dickes Gebietet« Ut dem Keport beigegeheo; eine andre, detaillierte
tojM>graphi*rhe Karte stellt da* Konigriand in der Grafschaft Kawhia {Sord-
ineei) dar. Von dem für Ansiedelungen bestimmten Lande wurden 1778 qkm,
von dem Gebiete der Eingubornm 2252 qkro aufgtnommen. .5.17 km
Straften wurden angelegt und 47G kra aur Strafaenanlage vorbereitet. In
aller Kürze wird auch über die l-ntersuchungcn der Goldwäsche auf der
Sudinsct berichtet. $„!***.
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Litteraturbericht Nr. 144 — 146.
39
144. Guppy, Qbservations ou tho recent Calcaroous formu-
tious of the Snlomou Group, müde during 1882 — 84.
(Nature, 1885, Bd. XXX111, S. 202.)
Schon im litt. -Her. Nr. 18 wurde »uf Guppy. Untersuchungen ver-
wiesen; und nun, da ein ausführlichem Bericht darüber voriiegt, kommen
wir erat recht zur Überzeugung, welche epochemachende Wichtigkeit den-
selben innewohnt. Die Gruppe der Saloraon-Inseln enthält alle drei Haupt-
formen von Hilf bildungen , aber daneben auch dieselben Einbildungen im
gehobenen Zustand. Wir haben also auch hier wieder angebliche
Beweise für eine rexonte positive, und sichere Beweise für eine rezente
negative Niveau Veränderung unmittelbar netancinandex. Schon das stimmt
mifstrauisrh gegen Darwins Senkungstheorie ; wir müfsten, wollten wir die
letztere beibehalten, eine entgegengesetzte vertikale Bewegung benachbarter
Schollen tumehmeu. Die negative Niveau Veränderung der überseeischen
Kalkinseln betrug, gering geschätzt, 1600 — 2500 in ; einige Anzeichen für
eine gegenwärtige Hebung im Betrog von 1-J m sind auch vorhanden, und
cs wurden zum Zwecke künftiger Kontrollierung Marken angebracht.
Das Hauptgewicht ruht auf der geologischen Untersuchung der gehobenen
Inseln, deren Bau bestehende* Idealprofil nach Guppy versinnlicht. Wir
haben drei Bestandteile zu unterscheiden: 1) Den Kern bildet eine alte
vulkanische Insel. Auf vielen Inseln, wie auf Treasury, Alu, St. Christoval
(ßauro), ist der Kern durch die aufserordentlieh starke Denudation, dio
auf den Sulomon-Inseln herrscht (380 cm Regenmenge an der Küste), blofs-
gelegt worden. Petrographische Untersuchungen scheinen nicht augestellt
worden zu seiu; auf der Alu -Insel herracht Quart -Diorit vor. 2) Den
vulkanischen Kern bedecken in grofsei Mächtigkeit Tiefseeablagerangeo,
bestehend aus vulkanischen Tuffen mit Besten von Forominifercn, Ptcropoden
und andern Mollusken. Sie sind geschichtet, tragen im allgemeinen den
Charakter des .vulkanischen Schlammes", den der ..Challenger* Ln der
Kühe mariner Vulkane fand, und einen verschiedenen petrographtschen
Charakter, je nachdem die Tuffe oder die organischen, kalksteinbildenden
Überreste vonriegen. 3) Der äußere Korallenriff, dessen Mächtigkeit
45 — #o ra nie Übersteigt und somit mit der Tiefengrenze des Korollen-
lebens übereinstinunt. Wir haben uns also die Entstehungsgeschichte
folgendermaßen vorzust eilen : die Insel (Bestandteile 1) und 2)) steigt
empor und gelangt endlich in die Konülcnxone. Es bilden sich um dieselbe
Rifft Ton einer Mächtigkeit, die der Tiofe der Korallenxone entspricht, und,
indem die Insel immer hoher steigt, gelangen wiedor andere, tiefer liegende
Teile derselben in die Korallenzone , so dafs sich ein Riffring unter den»
andern um die Insel legt. Auf der ca 150 m hohen Cgi -Insel reichen
die Korallenriffe bi» ca 130 m Scehühe, und auf der ca 350 m hohen
Treasury- Insel bis 120 m Seehobo und in Fragmenten bis 270 m Sechohe.
Die Alu-Insel (150 m hoch) ist eiii gehobenes Barricreriff, die Santa Auer-
Insel (140 m hoch) oin gehobenes Atoll mit einem geschlossenen Siißwasser-
beeken, dessen Boden etwa 30 m unter detu Meeresniroau liegt. Auch
hier ist dor eigentliche Korallenfels nicht mächtiger als 45 m, und auch
hier bilden die Hauptmasse dio weichen Tiefseeachichten und der vulka-
nische Kern.
Ihre Hauptstütze faud die Darwinsche Theorie in der großen Mächtig-
keit der Korolienriffo, aber alle Berechnungen derselben beruhen, wie ich
an andrer Stelle nachwies, auf hypothetischen Grundlagen. Untersuchungen
wurden bisher nur an gehobenen Korallenriffen angrstcllt, und diese lehren
das Gegenteil vor dom, was Danriu annahm. Es wäre nun an der
Zeit, durch Tiefenbohrungen auf Atollen nach zuw eisen, ob
die Ergebnisse der Untersuchungen an gehobenen Riffen
auch auf die jetzigen Riffe Anwendung finden oder nicht.
Ist — wie wahrscheinlich — - dos eratcre der Fall, dann gelangt man zu
dem Schlüsse, dafs das Vorkommen der Riffe nicht, wie Darwin meinte,
auf Senkung»-, soudem auf Hebungsgcblete sich beschränkt. Sujmto.
145. Kubary, Ethnographische Beiträge zur Kcnntim der
Karoliniüchen Inselgruppe und Nachbarschaft. Heft I.
Die sozialen Einrichtungen der Pelauer. Berlin,
A. Ashcr & Ko., 1885.
Eine sehr eiugehende, wertvolle Studie, deren Lektüre jedoch durch
eine unnötige Häufung polynomischer Bezeichnungen und nicht unerhebliche
äußere Mängel, wie zahlreiche schlechte tattern, häufige Formfehler, hier
und da undeutsche Redewendungen erschwert wird. Wohl infolge großer
Abgeschlossenheit sind die sozialen Gebräuche auf dieser Inselgruppe
besonders scharf ausgeprägt wurden; altertümliche Verhältnisse haben sieh
hier zum Teil mit gTofser Zähigkeit behauptet. In der That ist es hohe
Zeit, dieselben näher zu studieren, da die Pelauer einem raschen Untergang
geweiht zu sein scheinen. Als Ursachen des Hinsch winden» gelten dem
Verfasser nicht sowohl die häufiger auftretenden Krankheiten (Influenza u.a.),
als vielmehr die vorzeitige physische Erschöpfung dos weiblichen Geschlechtes,
die allgemein verbreitete Sittenlosigkeit , die abnormen Verhältnisse der
Ehen, welche durchschnittlich eine große Unfruchtbarkeit aufweisen. Aus
den Ermittelungen über dreizehn Gemeinden eines Bezirks ergaben sich
für ein Jahr (1882/83) auf kaum 400 Seelen 58 Todesfälle und nur
7 Geburten! Da zwei Fülle auf die Sitte des „Blobäol* (Kopfnehmens)
kommen , war dio Sterblichkeit 14 Prozent der Bevölkerung, die Geburten
nur 1,? Prozent. Die vom Verfasser für diese abnorm hohe Sterblichkeit
angeführten Ursachen sind jedoch schon seit langer Zeit vorhanden und
hätten daher schon längst vor der Berührung mit den Europäern zum
Aasstcrben flihreu müssen.
Der Name der Inselgruppe kommt nnch Kubary von pelti (l.ond), womit
die einzelnen Dörfer bezeichnet werden; dieselben sind unabhängig regiert,
jede Gemeinde bildet daher einen Staat ftir sich. In derselben sind die
einzelnen Familien numerisch geordnet. Der älteste Munn einet jeden
(„Rupak") ist ibr Repräsentant, die älteste Frau heifat „Kupekeldil" ; die
übrigen Mitglieder der Familie bilden zusammen das Volk, dessen beide
Geschlechter separat, der sozialen Ordnung wegen in einzelne Regimenter
oder Vereine, die „KaldebCkeU" geteilt sind. Eine solche Familie leitet
der älteste Mann, der mit einem für immer unveränderten Namen der »o-
und so vielste „Kupak" wird. So wird der Name zum Titel, der von dem
Namen des Stammplatzes der Familie genannt wird und zugleich die
Bcnenuung für die ganz« Familie gibt. Sein Wohnhaus heifat „Blay a dny",
das Titelhaus, und wird zum Mittelpunkt des ganzen Familienlebens; des-
halb heifat auch die Familie „Blay", weil sie sich alle auf das eine Haupt-
haus beziehen. Ein i*lauiscbcr Blay ist ein nur durch die Frauen erhaltener
Stamm ; diese allein auf den Karolinen noch am deutlichsten erhaltene
primitive StammesverfsMung existierte nach Kubary einst überall in Poly-
nesien und bildete den Ausgangspunkt für die nachträglich veränderte
Gestaltung der Gesellschaft. Mehrere Blay treten zu einer Gemeinde
zusammen, mehrere Gemeinden zu einer zentralen Gemeinde, einem „Klon
pelü“, einem ..großen Land**. Verfasst stellt nun die Grundlage des
Ganzen, das Familienleben, eingehend dar, wobei jedoch dio zur
Erleichterung der Übersieht ursprünglich beigegebenen Tabellen leider fehlen,
da sie bei den nach Berlin eingesaudten ethnographischen Sammlungen sich
nicht mit vorfanden. Besonders eingehend sind die Angaben über das
weibliche Geschlecht, das „Armengol "-Wesen nnd andere tief einschneidende
soziale Einrichtungen.
In dem zweiten Abschnitt über die Verhältnisse innerhalb dor
Gemeinde betont Kubary, dafs hier die genauo Unterscheidung der so
zahlreichen, gebräuchlichen Namen große Schwierigkeiten bereite und
genaueste Konnlnis erfordere, ehe man die eigenartigen Verhältnisse richtig
zu beurteilen vermöge. Bei dem ausgearbeiteten Formenwesen nehmen die
Angelegenheiten für die Gemeinde den Mann vollauf in Anspruch. Man
erstaunt in der That, wie das Lehen dieser Insulaner geradezu aufgeht iu
der Erfüllung eines weitentwickelten , durch die Sitte starr befestigten
Komments. Besonders interessant sind die Angaben Über die „Kaldcbtkels"
mit ihrem starkausgeprägten Korpsgeist. — ln den Beziehungen der
Gemeinden zu einander treten sowohl die „Rupak«** (Regierung) wie
die „KaldcbGcels*“ (das Volk) der einen Gemeinde, welche in abfallend
numerierter Bezeichnung geordnet sind, jsdoch jetzt die früher übliche
Zahl von 20 meist nicht mehr erreichen, mit den entsprechenden Nummern
einer andern Gemeinde in ein spezielleres Verhältnis, was sich bei vielen
Gelegenheiten kundgibt. Hier findet auch die Sitte des „ Kopfnehmen* **
nähere Berücksichtigung. Fr. R<?d (Jena).
146. Dutton, Hawaiian Volcanoes. (Powell, fourth aunual
Rep. U. St. Geol. Survey, Washington 1884, S. 75,
mit 30 Karten und Abbildungen.)
Der Verfasser besuchte im Jahre 1882 die Sandwich-Inseln, deren
Vulkane wegen ihrer ruhig verlaufenden, von häufigen, ober nur schwachen
Erdbeben begleiteten Ausbrüche, ihrer enormen Auswurßmasscn (jene des
Mauna Loa rom Jahre 1855 könnten einen Veisuv aufbauen', und der
Flachheit ihrer Kegelforroen, die durch die Seltenheit lockerer Produkte und
durch den fast ausschließlichen Aufbau aus basaltischer Lava bedingt ist,
stets wieder za neuem Studium anffordem. Die großen Lavaseen in den
Ualderen des Mauna Loa und Kilauea sind Phänomene, wie man sie sonst
nirgends wieder findet, und es ist von hohem Interesse, ihre Veränderungen
40
Litteraturbericht Nr. 147 — 148.
von Zeit zu Zeit fwtxusteilen. Der „neue See4* auf dem KiUuea öffnete
sich ent im Mai 1881. Dio LaraobertUrhe den gröfsem Sees befand sich
1841 ca 300 ra unter dem höchsten Tunkt des Caldcrawulle«; bei Duttons
Besuch war sic uro 120 m gestiegen. Ka wurde oben ton Ualdorcn ge*
sprechen ; der Verfasser zieht diesem Ausdruck den gewöhnlich gebrauchten
„KrateT* vor, und denkt »ich die Caldcren entstanden nicht durch Ezplo*
sion, sondern allmählich aas kleinen Vertiefungen, wie sie der Kilsuea noch
in grofsen Mengen aufweist, durch Schmelzung de*« dem Schlote benachbarten
Gesteins und durch Einsturz. Den Kilauea betrachtet er als einer» selb*
ständigen Vulkankegel, der allmählich mit dem Mtunu Loa verwuchs. Im
Hinblick auf dio gewaltigen Lavacrgüsse de* Mauna Lea (der Strom ton
1865 ist 72 km lang, in den untern 30 km 6 — 7 km breit und im Mittel
20, stellenweise aber gegen 80 m mächtig) ist er geneigt, dio Erklärung
der grofsen Larafslder im westlichen Nordamerika durch abnorme Spalten-
ergibst alizülehneo. Die Lava der Sandwich-Inseln tritt jo nach der gröfaero
oder geringem Neigung der Gehänge in zwei Formen auf: als Ai und ab
Pahoehuc; nach der Beschreibung scheint entere mit der Block letztere
mit deT Fladcnlava des Vesuvs identisch zu sein.
Wir konnten hier nur einige Tunkte aus der umfangreichen Monographie
herausgreifen. Es ist begreiflich, dafs der Verfasser sich die Gelegenheit
nicht entgehen lief», über dos Problem des Vulkanismus selbst sich
ausxusprechen. Diese Partie kanu aber nieht ohne Widerspruch bleiben.
Allerdings mit Kocht betont er, dafs vor allem die Frage zu beantworten
sei, woher jene grobe Menge von Wärme stamme, weiche die Vulkane nicht
blofs während der Eruptionen, sondern auch in den Ruhepausen aua-
»trahlen, während die meisten Theorien sich damit begnügen, die Kraft zu
suchen, welche das Magma zu Tage fördert. Von diesem Standpunkt aus
mufs er natürlich di« bisherigen Erklärungsversuche ab ungenügend be-
trachten (die Annahme gesonderter Lavaherde bezeichnet er garadoxu ab
„einen Appell an ein Mysterium"), aber seine Kritik ist doch in vielen
Fällen unzureichend. So ist es z. B. ganz unrichtig, wenn er meint,
Denudation könne allein den Druck der Schichten, die über dem dem
Schmelzpunkt nahen Magma (Revers Theorie) liegen, vermindern, als ob nicht
Spaltenbildung infolge Schichtenatörungcn dasselbe bewirken könnte und
die geographische Verbreitung der Vulkane auch dafür spräche. Auch i
sein eigner Erklärungsversuch ist ganz ungenügend , schon deshalb , weil
er auf Darwiu* Ansicht beruht, dafa Vulkane nur in Hebuugsgebieten Vor-
kommen. Anzeichen einor negativen Niveauverändcrung sind aller-
dings auf den Sandwich*Inaeln nachzuweisen. Die Südkibte von Hawaii
umaäumen Terrassen, bestehend aus Flufasedimenten, die nur zu einer Zeit
abgelagert werden konnten, ab die betreffenden Teile dor Inseln tiefer lagen,
und da» Gefalle daher ein geringeres war. Untergeordnet nehmen auch
Zwischenlager von Lora teil an der Zusammensetzung der Terrassen, die
jetzt durch die Fluberotsion in einzelne llüge) aufgelöst sind. Die untere
Terrasse hat eine Seehöhe von 150 — 300 m, die obere eine solche Ton
560 — 760 ro: Andeutungen einer dritten finden sich noch in einer Höhe von
1040 m. Einen direkten Beweis für eine negative Niveau Veränderung fand
der Verfasser auf Maui. Diese Insel besteht aus zwei Vulkanbergen, die
durch eine flache Landenge verbunden sind. Am Ostgehinge de* west-
lichen Berges in einer Seehöbt von ca 60 m Anden sich Ablagerungen von
Korallenaandstein mit rezenten fossilen Kinvhlüwn. Die Neigung der
Schichten nach O scheint zugleich anzuzeigen, dafs Ost-Msui an der Be-
wegung des westlichen Hauptstücke* nicht toilnahro.
Häufig begegnen wir Schilderungen ausgezeichnet »ehöner Abrasions-
und Erosionsformen. SteiUbstürxc , echte (’aüona und Überhaupt
scharfe und eckige Können kommen hier und auf den Übrigen hohen Inseln
dor Südsee ebenso vor, wio im westlichen Nordamerika; und Dutton, der
beide Verbreitungsbeiirke genau könnt , ist somit wohl berechtigt, die
vielfach verbreitete Ansicht xuriickxuwcisen , dafs jene Erosionaformen nur
Gegenden mit trockenem Klima eigentümlich seien.
Aus den klimatalogischen Bemerkungen greifen wir nur eine heraus.
Die hohen Vulkane von Hawaii ragen ebenso wie der Tic von Teneriffa
über die Passatrcgion hinaus. Diwe roicht bis 2400 — 3000 m Höhe: in
Höhen von 3700*— 4000 ro beginnt die Herrschaft des Antipassates.
Supcm.
Nord- und Zentralamorika.
147. Marcel, Cartographie de la Nouvolle France (Rev. de
Geogr. 1885, Bd. XVI, S. 186, 282, 359, 412; Bd.
xvn, s. so).
Bin K«naur* Vemicbni» von 114, iura Teil um; «druckten Karten der
einstigen franz>.siscbeu Besitzungen in Nordamerika, als Kreatinins; zu
üarmse» „Bibliutheea amcricana ictuitiwima4-. Die«« Karten stammen aus
ien Jahren 1607—1700.
148. Geological and Natural History Survey of Canada.
Report of Progress, 1882 — 84. Montreal 1885.
a) Di« erste Abhandlung, von Bau er man, hat die Geologie de«
Hochlandes westlich vom Felsengobirgc und in der Nähe
des 4 9. Parallel» zum Gegenstand. Folgendes Profil (von W nach 0)
gibt Aufachlufs über die l(öh«nvnrhältni*«c, die allerdings nur approximativ
mittels Barometer bestimmt wurden.
Westkette des Ka*kaden*Gebirgos (Kulmination) . 2650 ni
Skagit-Thal 490 .
Ostkette dos Kaskaden »Gebirges (Kulmination) . 2300 .
Quellen des Similkameen . . . . ca 1460 „
Ashtnoulou* oder Okanagan-Gebirge (Kulmination) 2300 „
Okanagan-Thal, Osoyoos-Seo . . . • 230 »
Kettle-Gcbirge (Kulmination) .... 1500 «
Columbia -Thal, Fort Shepherd .... 430 »
Pom! d’Oreille-Gebirge (Kulmination) . . . 1980
Kootanie-Flufs, westliche Grenzkreuzung . . 520 ..
Gebirge Östl. vom Yokh-Flufs (Kulmination) . 2560 „
Flathcad-Thal an der Grenze .... 1200 „
Felsengebirge, höchste Punkte in dar Nähe der
Grenze ...... 8000 — 3700 *
Wasserscheide am Ostende der Grenzlinie . . 2270 n
Das Land Ut dicht bewaldet, die Baumgrenze liegt im FcUengebirge
in 2000 — 2100 m Höhe und wird durch Zwerglärchen gebildet. Trotz
der Höhe der Grenzgebirge erhalten »ich nur wenige Schneeflecke Über
den Sommer. Dz* Kaskadengebirge hat einige kleine Gletscher; die nach
N gelegenen steigen bis 1370 m, die östlichen bia 1500 m Seehöhe herab
(im Folsengebirge nicht unter 2100 ro). Mit Ausnahme einiger unter-
geordneten Partien von Kreidpjchiefem und - Sandsteinen und tertiären
Sandsteinen, besteht dos ganze Gebirgwratem nnr aus Graniten und anderen
Maaiengesteinen , Gncif* und kristallinischen Schiefem und palüoxoiechen
Schiefern, die allerdings mit Ausnahme karbonischcr Gesteine keine Fossilien
enthalten. Tektonisch besteht das Gebirge im allgemeinen aus flachen,
stehenden Falten. Die Quartärxeit ist vertreten durch glaziale Ablagerungen
(AusfUllungatomuwen , Scitengebirge) ; Über denselben Anden »ich rezente
Muschelablagerungen (auf Voncouvtr bi» ca 15 ra Seehöhe und 1600 m von
der Küste entfernt : hei New WeHtmÜnster bis c* 9 m Höhe), welche eine
moderne negative Niveauverändcrung anzeigen.
b) Dawsons Bericht über das Gebiet deT Bow- und Bellv-
Flüsse im südlichen Teil von Alberta und angrenzenden Asriniboia, mit
zwei Karten (l ; */t Mil!.). Vgl. dazu Utt.-Bcr. 1885, Nr. 69» Genanntes
Gebiet ist bisher das einzig systematisch untersuchte des ganzen NW-
Territorium* , da es durch die Parificbahn und den Kohlenreichtum «ine
besondere praktische Bedeutung erlangt hat. Die geologischen sind von
oben nach unten folgende:
Quartärbitdun gen, stellenweise über 60 m mächtig :
Geschichteter Sand, Thon und Gerolle;
Oberer Geschiebelehm, Moränen in der Höhe des Gebirges:
Feingnschichtete Interglazialablagerungen mit Torfbildungen:
Unterer Geschicbclohm ;
Quarxgerölle, deren Altor noch nicht bestimmt nachgewiesen.
Lara mieformation (Süfswasserbildungen), kohlenflihrend :
Procupiue- Schichten, vorherrschend Sandsteine, bis 760 ro mächtig;
Willow-Schichten, Randsteine uud verschiedene Schiefer, bis 140 m
mächtig ;
St. Mary - Schichten , wechsollagemdo sandige Schiefer und Thon-
sebiefer, bia 860 m mächtig.
Kreideformation :
Fox- Randsteine, brackische Bildung, 25 ra mächtig;
Pierre-Schiefcr, marin, kohlenfuhrcnd, bis 230 m mächtig;
Bel ly- Schichten, wechaellagemde Sandsteine und Schiefer, kohlen-
führend, bi* 280 m mächtig ;
Unten? dunkle Schiefer, bis 240 m mächtig.
Die vorquortären Schichten fallen sanft nach W ein, so dafa vou 0
nach W immer jüngere Glieder den Untergrund bildeu. Die l«aramie-
fonuation bildet im W eine flache Mulde. Orographisch lassen sich von
0 nach W folgende Glieder unterscheiden ;
1) Die wellige Ebene, über welche «ch einzelne Plateaus (fälschlich
„Ridgw* genannt) 30—60 m hoch erheben. Den Untergrund bildet vor-
wiegend die Kreide, die aber nur in tiefem Thaleinschnitten zu Togo tritt:
darüber breiten sich ununterbrochen die Glaxitiablagerungen aus, welche die
frühem, durch Denudation geschaffenen Niveauunterschiede aasglichen und
somit eigentlich erat die einförmige Kbeno schufen. Die Seehöhe ist östlich
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Litteraturbericht Nr. 149.
41
vom 113. Meridian meist unter, westlich davon meist über 900 m; der
Milk River -Rücken nahe der Grenze ca 1300 m hoch. Der Boden ist
fruchtbar; die Vegetation besteht meist aus kurzem Büffelgras, der ßautu-
wuchs ist auf dio ThäUr beschränkt.
2) Die Proenplne-HÜgel, der Lararaieroulde entsprechend, erstrecken
sich 80 km weit nach NNW, sind ca 30 km breit und etwa 1300 m hoch.
Die Niederschläge nehmen nach W zu, bessere Grasarten treten auf, der
höhere westliche Teil ist echtes Waldland.
3) Die Vor höhen des Felacngebirgea (gefaltete Gesteine der Laxamie-
und Kreideformation), bestehend aus langgestreckten Kücken und Parallel-
thälern, bald felsig, bald gans mit schöner Weide und Waldnogen bedeckt.
Diese 20—40 kro breite Zone eignet sich vorzüglich für die Landwirt-
schaft: das Klima ist bedeutend milder als das der Ebene, was als
eine Folge des föhnartigen Charakters der Westwinde (.Chinooks*) be-
trachtet wird.
Die Kreide- und Laramieformation nehmen auch noch am Baue des
benachbarten Pelsengebirges Anteil und unterscheiden sich von jenen der
Vorhöhen nur durch bedeutende Zwischenlageruugeu vulkanischen Gesteins,
ln bezug auf die Glazialablagerungen ist wichtig, dab Östliche laurentinische
und huronische Geschiebe bis zum Felsengebirge und bis 1340 ro Seehöhe
reichen. Das Landeis muGite entweder nach W sich bewegen oder es
sandte jene Geschiebe mit mächtigen Eisbergen in einen Binnensee, der
die Ebenen von Alberta einnahra ; auf jeden Fall aber scheint es dem Verf.
als erwiesen , dafs die letztem einst tiefer logen als jetzt Mit jenen Ge-
schieben steht auch das Vorkommen von Goldalluvionen in Verbindung. —
Die Kohle kommt in enormer Menge vor und ist stellenweise von ausge-
zeichneter Güte.
c) Beils Bericht Über den Athabaska-Plufs zwischen 55 und
C0V Br., mit einer Karte (l:*/a Mill.). Der geologische Bau besteht aus
drei Ilsuptgliedern : 1. die archäische Fonnation (laurcntinisch und huro-
nisch), 2. devonischer Kalkstein, 3. die Kreideforroation , vorwiegend aus
Mergeln und Sandsteinen bestehend und im ganzen etwa 200 m mächtig.
Die Lagerangsform von 2. und 3. ist meist eine horizontale und konkor-
dante, nur ist das devonische Niveau eine Denudatiousfiäche. Die Ober-
fläche ist mit Gloxitlablagerungen bedeckt, auch einige GlrUchcnchliffe
wurden gefunden. Das Land ist im allgemeines dach, die PtUsae haben
aber ziemlich tiefe Rinnen eingegraben. Die teilweise bewaldeten Ttul-
gehinge steigen am Athabaska 15 — 60, ja bis 90 m, und am Clcarwater
150— 180 m hoch an. Hinderaime der Schiffahrt sind die wiederholten
Stromschellen. Der See la Biche ist ein flaches (nicht über 6 m tiefes),
in geschichteten, thonigen und sandigen Ablagerungen nachtertiären Alters
eingesenkte« Becken. I>er Athabaska -See wird im S von horizontalen
Schichten, im N von archäischen Hügeln begrenzt. Wirtschaftlichen Wert
haben besondere die petroleumführenden Schichten; die Kreide enthält
auch Lignite.
d) La fl am me berichtet über seine geologischen Untersuchungen an?
Saguenay- und St. John-See (Provinz Quebec). Die laurentinische For-
mation besteht aus zwei Hauptgliedern: der Gneifsreihe und den Labrador-
geateinen. Die karabrorilurische Formation ist weiter verbreitet als Logau
unnohra. Die Einteilung der nachtertiären Bildungen in zwei Gruppen, die
Dawson (Geology of Ganada 1863) voraahm, wird bestätigt.
e) Bell berichtet Über die Lab rador -Expedition vom Jahre 1884,
deren Hauptzweck die Errichtung meteorologischer Stationen war. Solcher
wurden fünf angelegt: am Kap Chudley (oder Chidley), auf der Biginsel,
am Kap l^rinx von Wales, auf der Nottingham- Insel und auf einer der Digge-
inseln. Bell war mit geologischen und naturhistorischen Untersuchungen
betraut. Die I^bradorküste, die Gebiete der Hudsonsstrafse und die West-
küste der Hudsonsb«i bestehen vorwiegend aut Urteils, doch wurden stellen-
weise auch huronische Gesteine und horizontal geschichteter Kalkstein beob-
achtet. Mit grofscr Sorgfalt wurden alle Glaxialspuren registriert : Uletscher-
atreifen, Rundhöcker, Geschiebelehm. Bell ist der Ansicht, dafs das ganze
Gebiet in der Eiszeit ein höhere« Niveau einnahm als jetzt, und dafs die
Vergletscherung etwa bis 500 m jetziger Seehöhe reichte ; darüber hinaus
sind die Bergforroen eckig. Die Bewegung des Lund eite* war im N eine
Östliche bis südöstliche, im S eine südliche. An der NO*Küsto Labradors
erhebt sich ein Gebirgszug, der etwa 110 km südlich vom Kap Chudley
1800 m erreicht, dann aber niederer wird (am Kap Chudley nur mehr
460 m). Die Fjorde sind 40— 60km lang, Hamilton Inlet ausnahmsweise
260 km. Zur Inlandebenc fällt das Küstengebirge steil ah. Das Geb et
der in die Ungavabai mündenden Plüste ist eine Moostundra. Die Küste
ist nicht ganz baumlos (Picea nigra. Larix americana), der eigentliche ge-
schlossene Baumwuchs beginnt aber erst 30 krn landeinwärts. Bei Nain
werden verschiedene Gemüse angebaut. Angefügt sind Verzeichnte der
gesammelten Pflanzen und Tiere.
0 Berichte von Ellis und Low über die geologischen Untersuchungen
Petennnnns Geogr. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bericht
der Prinz Ed wards-lnsel und der Gasp4-Halbin*el. Ersterebe-
steht aus Gesteinen, die als permo-karbonitch bezeichnet werden. Obwohl
die Lagerung im allgemeinen eine horizontale ist, lafst sich doch erkennen,
dafs die flachen Antiklinalen von Neu-Braunscbweig herüber streichen. Die
produktive Steinkohlenformation fehlt wahrscheinlich ganz. Bin durch die
Gaspö-Halbinsel von N nach S gezogenes Profil ergibt folgende goognostische
Anordnung: 1. a) Karubrisclie Formation, b) Vorkambrische kristallinische
Gesteine, c) Silur; 2) Devon; 3) Silur; 4) Devon. Im grofsen und ganzen
scheinen 1 und 3 Antiklinalen und 2 und 4 Synklinalen zu entsprechen,
aber jedes dieser tektonischen Hauptglieder Ut wieder in xohllose sekun-
däre Kalten gelegt. Von orognpbisehem Standpunkt sind noch die Granit-
durchbräche als hergbildcnd wichtig. Das innere devonische Tafelland steigt
im Gebiete des St. Anne des Monts- Flusses bis über 400 m an und ist
wegen häufiger Sommerfröste für den Ackerbau wenig tauglich.
g) Zur Geologie von Neu- Braunschweig liefern Bailey und
Chalmers Beitrüge. Erstem beschreibt die geognostische Be^cb Offenheit
der an Maino angrenzenden Counties, letzterer schildert ausführlich die
Glazialablagerungeo im westlichen Neu-Braunschweig und die damit zusam-
menhängenden Oberfliichenorscheinungen. Die zahlreichen Seen dieses Gebietes
sind Abdämraungsseen, meist in vorglazialen Thälern ; Beweise für eine direkte
Soenbildung durch Gletschererosion im festen Untergrund Buden sich nicht.
Bemerkenswert sind ferner die Ausfullungsterrassen des St John - Thaies,
deren Vorkommen im geraden Verhältnis zur Geschwindigkeit de* Flusses
steht. Der St. John-Fall entstand, ähnlich wie der Rheinfall (s. Litt.- Be r.
Nr. 58) durch Verschüttung eine« vorgltzialeu ThaUtückes und Ablenkung
des Flusse«. Dis Gletachrrstreifsn deuten auf eine Bewegung nach
8S0 — SO.
h) Fl et »eher, Geologie von Cape Breton (mit einer vielblätterigen
Karte im Mafsstab 1:63000). Abgesehen von den alluvialen und glazialen
Oberfiächcnbildungen besieht die Insel: 1) aus archäischen Gneifsen, Syeniten
und andern Feldspatgesteinen nebst kristallinischem Kalkstein; 2) aus Ge-
steinen der Karbonformation (untere: Konglomerate und Kalkstein; mittler«:
MiliMtonegrit und produktive Steinkohlenformatinn). Die archäische For-
mation bildet vorwiegend den rauhen, unfruchtbaren, gebirgigen und von
tiefen und steilen Schluchten durchschnittenen Nordteil, die karbonische
dagegen den tiefer gelegenen, fruchtbaren und dicht bevölkerten Süden und
Westen. Die Küsten sind meist steil, und an guten Häfen leidet die Insel
empfindlichen Mangel, daher auch dis Ausbeutung der auf die Westküste
beschränkten Kohlenlager keine erheblichen Fortschritte machen konnte.
i) Den Schlafs bilden bergmännische Berichte yoq Torrance über
die Apatitlager des Ottawa-County (Quebec), von Coat« über die wenig
aussichtsreichen Goldminen am Lake of t he woods. von Willimott Über
seine bergmännischen Beobachtungen in Ontario, Quebec und Neu -Schott-
land, denen sich endlich Hoffmanna chemische Beiträge anschliefsen.
Supan.
149. Nicolas, Lob lies Saint- Pierre et Miqnelnn. (Rev.
marit. et coloniale, Paris 1880, Bd. LXXXYTTI, S. 15
u. 338.)
Kino ausführliche Monographie dieser (Ur den Kobcljaufang so «ich-
tigen Inseln, geschichtlichen , geographischen, politischen und statistischen
Inhalts. Ui« Inseln sind grbtatenteita gebirgig: die Herge erreichen auf
St. rierre eine Hohe von ISO— 200 in und auf Miquelon eine solche von
185 m. Sie tragen auf deu Gipfeln eine Decke von Moosen und Flechten,
ihre Abhänge sind entwaldet und machen einen traurigen Kindruck. So-
viel man aus deu etwas konfoeen Notizen über den geologischen Bau ent-
nehmen kann, bestehen sic vorzüglich aus kristallinischen Schiefern und
»Item Massengesteinen. Auch paläozoische Schiefer und Quarzite scheinen
vorzukommen ; von Erzen wurde Bleiglanz gefunden. Die Verbindung von
Grofs- und Klein-Miquelon (oder Langlade) vollzog sich durch Anschwem-
mung ent im Jahre 1757. Das Klima ist rauh, alter selten fallt das
Thermometer 22 — 24° unter den Nullpunkt: als Teraperaturmaximum
wird 24“ angegeben. Der Winter dauert bi« Mai oder Juni, dann aber
entwickelt eich die Vegetation mit Überraschender Schnelligkeit. Im Fe-
bruar und März ist die Küste oft dicht mit Eis besetzt. Stürme sind
selten, Nordlichter häufig. Miquelon scheint mehr begünstigt zu sein, ata
St. Pierre ; während hier die Taimen nur 2 m Rühe erreichen, wachsen sie
dort 12 — 15 m hoch. Man tarnt vorzüglich Gemüse, der Ackerbau wird
aber im allgemeinen zu gunsten der Viehzucht vernachlässigt- Den urbar
gemachten Boden schätzt man jetzt auf 2550 ha. Die Jagd ist reichhaltig.
Die Bevölkerung, die 1831 nur 1025 betrug, stieg 1885 auf 5765: davon
sind 4360 «efshaft. Der Handel nahm »eit 1860 einen bedeutenden Auf-
schwung: Ausfuhr 1859 4.M, 1884 I6.M: Einfuhr 1859 3.M, 1884
12,49 Millionen Frank. Sujun.
g
Littcraturbericht Nr. 150—154.
42
150. Schott, Tables and Rosults of the Precipitation,
in Rain and Snow, in tho United States. 2. ed.
(Smithsoninn Contributions to knowledgo, Bd. XXIV,
Washington 1885 , mit 5 Karton und mehreren Dia-
grammen.)
AU im Jahre 1872 die erst« Auflage diese» Werke» erschien, wurde
dieselbe mit grobem Beifall aufgenotnraen. Heutzutage stellt nun an ein
klimatographiscbcs Sammelwerk ganz andre Anforderungen, denen die zweite
Auflage der genannten Tabellen , die bi» zum Jahre 1874, bzw. 187C fort*
ge führt sind, nicht genügt. Ohne Unterschied sind alle Beobachtungen
tu (genommen worden , mögen dieselben einen Monat oder So Jahro und
darüber gedauert halten. Aber nicht genug damit ; sämtliche Beobachtungen
einer Station sind zu Mittelwerten vereinigt worden, ohne jede Rücksicht
auf die Jahrgänge, in denen jene Beobachtungen stattfanden. Bei Loubi&ua
z. B. stehen mehr als zehnjährige Mittel aus der ersten Hälfte unsres Jahr-
hunderts ruhig neben solchen aus den letzten Dezennien. Für AU any z. B.
werden Beobachtungen von 1826— 1852, 18C5— 1870 und 1874 — 1876 zu
einem Mittelwert vereinigt, und das ist Doch nicht einmal das krasseste
Beispiel. Hs muh daher vor kritikloser Benutzung dieses Werkes ernstlich
gewarnt werden ; auch die Karten, welcho die Verteilung der Niederschläge im
Jahr und in den vier Jahreszeiten darstellen , bieten kein ganz zuver-
lässiges Bild. Die erste Forderung ist Gleichzeitigkeit der Beobach-
tungen ; kürzere Keilten können dann auf längere reduziert werden. In
dieser Beziehung liefert der Verfasser allerdings Material für eino zukünf-
tige Bearbeitung, wenigstens hinsichtlich der jährlichen Niederschlags-
mengen, die für die einzelnen Jahrgänge mitgeteilt worden. Aber eine ge-
nauere Durchsicht der Tabellen lehrto mich , dafs eine solche Arbeit sich
nur für einzelne Teile der Union lohnen würde. Die meisten Beobachtungen
fallen in die Zeit 1855 — 1874 ; abcT nur 14 Stationen (davon nur drei im
Miwiwippigebiet und nur eine irn paciftschen Westen) liefern eine kon-
tinuierliche zwanzigjährige Itcihe. Beschränkt man sich aber nur auf das
Dezennium 1865—1874, so erhält man zwar allerdings 56 Stationen, auf
die »ich die kurzem Beobachtungen benachbarter Stationen reduzieren
Heben, aber auch mit Hilfe dieser könnte man nur eine ltegenkurle der
zentralen und der nördlichen und mittlern atlantischen Staaten entwerfen. —
Die Darstellung der jährlichen Bogen periode ist au» der ersten Auflage un-
verändert aufgenommen worden. Su;«™.
151. Mothods and Rcsults Longitmles determined by eloctric
Telegraph between 1846 and 1885. Washington 1885.
(Mit 2 Karten.)
Eine Übersicht über die bisherigen telegraphischen Uingenhestimmungcn
der Union gibt folgende Tabelle. Die Stationen zweiter Ordnung sind mit
dem Hauptnelz nur durch eine Linie allein oder durch andre von unter-
geordnetem Charakter verbunden.
Stationen.
1. OrU.
2. Ord.
Summ«*.
Oitliche Staaten
14
37
51
Zentrale „
und Territorien . 13
42
55
Westliche „
* - . . — -
12
12
Summa 27
Öl
118
Dz« amerikanische System ist nun »o weit in Übereinstimmung mit dem
europäischen gebracht , dafs die mittlern wahrscheinlichen Fehler beider
nicht mehr erheblich voneinander abweichen. Supan.
152. v. Rath, Vorträge und Mitteilungen. Das Kaskaden-
gobirge. Bonn 1885. (Sep.-Abdr., Sitz.-ßer. Nieder-
rhein. Ges. f. Natur- u. Heilkunde.)
Da» Kasladengcbirge ist uicht nur geographisch, sondern auch geo-
logisch eine Fortsetzung der Sierra Nevada, obwohl eratere vorzugsweise
aus jungem vulkanischen Maasen, und letztere vorwiegend uus granitbchem
Gestein besteht. Die Sierra Nevada-Grxteino scheinen im Kaskodengebirge
nur verdeckt zu sein; nach eignen Beobachtungen spricht der Verfasser die
Überzeugung au», dafs die mittlern und untern Gehänge des Mt. Ta-
coma aus dioritkbnlichcn Graniten und Thonaliten, und nur die Gipfcl-
mo»*e aus Andcsit (und Dolerit) bestehe; die olympischen Berge sind nach
einer Mitteilung von Willi» hauptsächlich aus Granit, niloritachiefcr und
Serpentin zusammengesetzt, und nördlich von 48“ Br. herrschen wieder
die altem Gesteine allgemein, nur vereinzelt ton Vulkankcgclii unterbrochen.
Auch sonst machen sich zwischen der S. Nevada und dem Krukadenge-
birge Analogien bemerkbar: die ThiÜer de» Cowlitz und Willnmctte ent-
sprechen jenen des Sacra mento und S. Joaquin, und der Paget Sound ent-
spricht der Depression der Colorado- Wüste. Den eigentümlichen Charakter
der Kaakadenkotten bestimmten die schönen, spitzen, schneebedeckten An-
desitkegrl, welche in einer langen Beihe vom Mt. Shasta bis Britisch -Co-
lumbia über das Waldgebirge sich erheben. Urwälder mit herrlichen, den
columbischra Bilanzen provinzeu eigentümlichen Nadelhölzern bedecken den
regenreichen westlichen, lichte, parkartige Wälder, vorzugsweise aus Pinro
ponderota bestehend, den trocknen Ostabhang, an den sich das waldlose
Binnengebiet anschlicfst. Das Durchbruehsthal des Columbia (Lange ca
105 km, während das Gebirge nur 80km breit ist; Gefälle 24m, wovon
18 auf die 5 km lange Koskadenxtrecken kommen; gröfster Fall 10 tu) ent-
hüllt den Bau des Gebirges, das aus horizontalen Lagen von Dolerit, Kon-
glomeraten und Tuffen besteht. Nur auf eine kurze Strecke macht sich eine
Schichtenstöiung bemerkbar. Dio Unterlage bildet eine Kongloroeratbank
mit einer Vegetatiuusachiebt miocineu oder jüngsten eoeänen Alten. Der
der Horixonteiität der Schichten entsprechende Plateaueharaktcr ist in Ore-
gon nur in beschränkten Teilen erhalten, meist aber durch eine gTofaartige
Krosionsarbeit verwischt. Auch Gletscher scheinen daran teilgenommen za
haben; zahlreiche Hochgebirgween , Cirques, Glättung und Streifung d«
Felsen, die sich in der Umgehung von Victoria (Vaucouver) bis zum Meeres-
spiegel herab verbreitet mit vorherrschend meridionaler Streifenrichtung.
Auf beiden Seiten des Washingtoner Kaskadengtbirgea, aber in gröfaerer Aus-
dehnung im W, breitet sich die, in Wiikeaon und Uarbonado in Abbau ge-
nommene Kvhlenformatton (Sandstein mit Kohlenflözen) aus, die man bis-
her für tertiär hielt, die aber wahrscheinlich der obern Kreide angehört.
* Ihre Mächtigkeit wird im W auf 2400—4000 m geschützt. Sie bildet einen
Sattel, dessen Achse »ich nach N senkt. Sehr eingehend werden die vul-
kanischen llochgipfel de» Kaskadengebirgos geschildert, namentlich der
Mt. Taeonrn (älterer Name Mt. Kainier), den der Verfasser selbst besuchte.
Seine Höhe wurde trigonometrisch auf 4400 m bestimmt (= 11440 F., in
Stielen Handatlas 12 360 F.). Von jetziger vulkanischer Thütigkeit weifs
man wenig. Am Mt. Hood sollen heifse Dämpfe ausströmen, von Mt. Helens
wird ein Ausbruch im Jahre 1842 und vom Mt. Baker ein solcher im
Jahre 1843 gemeldet. Kino gröfscre Itcihe geologischer Beobachtungen,
die freilich noch kein zusammenhängendes Bild geben, verdanken wir dem
Verfasser an der Weatseite des Kaskadengebirges im groben Langst hal von
Oregon. Supan.
153. Russell, A Geological Reconnaissance in Southern
Oregon. (Powell, Fourth Animal Report U. St. Geol.
Survey. Washington 1884, S. 431. Mit 2 Karten.)
Wir verweisen auf den Litter.-Ber. 1885, Nr. 344, 3, und fügen dem-
selben nur einige Bemerkungen noch hinzu. Mit Ausnahme von lueus-
trischen und tuburrbrhen Ablagerungen besteht der siidorcgonisclie Teil de»
Great Basiti nur aus Basalten und Khyolitheu und den dazu gehörigen
Tuffen. Die isolierten Hügel von konischer Form und 300 — 760 m rela-
ti\er Höhe, »ehernen zum Teil Beste alter Vulkane zu sein. Sonst ist aber
auch hier die oTographischo Form bedingt durch Verwerfungen. Im Great
Basin lassen sich überhaupt zwei Störungsperioden unterscheiden ; eine ältere
Faltung*- und eine jüngere Vcrwerfung*perindc. Die grofsen vulkanischen
Ergüsse im nördlichen Teil fallen zwischen beide Perioden hinein. Die
Verwerfungsperiode begann in der letzten Tertiürzeit und ist noch nicht
abgeschlossen, denn die Brüche setzen auch durch rezente Ablagerungen
durch. Da» Resultat ist eine Auflösung in eine Unzahl von Schollen, die
fünfzigm»! und mehr länger als breit sind. Die Verwcrfuogdiuic bt meist
40 — 70" gegen den Horizont geneigt. Zwei grobe Bruchlinien grenzen an
das Great Basin gegen die Sierra Nevada und da» FoUcngrbirgc an : die
dazwischenliegenden laufen mit den erstem parallel, also nach N— NO. Wäh-
rend die Kandgebirge dieser grofsen Bruchregion durch seitliche Zusammen-
Pressung entstanden, scheint letztere ein Beaultat seitlicher Ausdehnung (und
iufolgedcjuen Einsturzes) zu »eiu. — (‘her die Geschichte der Seen wird
nicht* wesentlich Neue* genagt. Z« den wenigen bekannten Beispielen von
abtlufalnsen Stifawasaorseeu kommt nun noch der Silbersee hinzu.
Supan.
154. Reyer, Über die» Goldgewinnung in Californien. (Zeit-
schrift f. Borg-, Hutten- u. Salinen wesen, Bd. XXXIV.
Sep.-Abdr.)
Der Inhalt ist vorwiegend bergnünnbrh-tcchnbch, einige Bemerkungen
sind aber von allgemeinem Interesse. Der mittlere Reichtum der wichtigsten
Goldquarzgänge, der am Beginn de» »ochsten Jahrzehnt» 3- bis 800 Mark
pro Tonne l>ctnig, nahm in den letzten 20 Jahren von etwa 80 auf 60 Mark
ab. liier, wie in Australien und einst in Kurona, zeigt die (loldpruduktion
geringe Nachhaltigkeit, und bt im grofsen und ganzen seit jeher pas-
siv gewesen. Das üoldflebcr, da» durch den Umstand, daf» die Werke
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Litteraturbericht Nr. 155 — 161
43
Gegenstand der Börsenspekulation sind, noch immer künstlich genährt wird,
wirkt nationalökonomisch und moralisch sehr schädlich. Infolge der hy-
draulischen Wäschen empfing die kalifornische Ebene io den lotsten Jahren
doppelt soviel Schutt, als früher durch die natürliche Erosion. Der grofso
Prozefs der Farmer gegen die Bergleute ist zu gunsten der erstem ent-
schieden (1884): Halt empfiehlt die Anlage von TbaUpenren; der Verfasser
ist der Ansicht, dafa diese Mafsregel den Eintritt der Katastrophe nur
verzögern könne , und schlägt Plufsregultcrungen und Beschränkung der
Wüschen vor. .Vupan.
155. Fuchs, Edm., Notes sur les Graviere auriförcs de la
Sierra Nevada de California. (Bull. Soc. geol. de
France, 1885, Bd. XIII, S. 486.)
Die goldführende AusfUllungsruasse alter Thalcr in der Sierra Nevada
hat denselben Charakter wio der schwedische Krowtens- und RulDtervsgros
und ist daher glazuloo Ursprungs, wenn auch Gletscherspuren im anste-
henden Gestein noch nicht gefunden wurden. Die Art des Goldvorkom-
mens spricht ebenfalls für eine Ablagerung unter hohem Druck.
SMpan.
156. Curtis, Silvor-Lead Deposits of Eureka Nevada.
Mouogr. U. St. Geol. Surv., Bd. VII. Washington
1884. (Mit 16 Tafeln.)
Von den zahlreichen Gebirgen, die das abfiufsluse Recken des west-
lichen Hochlandes der Union durchziehen, ist das über 2700 m hohe Pro-
spekt -Gebirge, ein südlicher Ausläufer der Diamantenkette, wegen seines
Krzreichturas (1882 ca 60 Hill. Dollar Gold und Silber und etwa 225 000
Tons Blei) eins der bekanntesten (vgl. Litter.-Ber. 1885, Nr. 344, 4). An
seinem Aufbau beteiligen sich Quarzite, Kalksteine und Schiefer der kam-
brischen, silurischen und devonischen Formation, und außerdem auch Kar-
bon; ferner Granit (Huby Hill), wahrscheinlich mesozoischer Quarzporphyr
und lthyolith, denen sich in der Nachbarschaft auch Basalte und Hornblende-
Andesite zu gesellen. Dos Gebirge bildet eine (mit Ausnahme vom Huby
Hill) rocridional streichende Antiklinale, deren Achse westlich vom Gebirgs-
kämme liegt- Nur die massigen Kalksteine haben sich nicht dem seitlichen
Drucke anbequeml, der hier gtofse Bruche und Verwerfungen hervorrief.
Ebensolche St<>rungsfonnen wurden wahrscheinlich durch die Rhrolithaus-
brilche bewirkt, während der Granit sich passiv verhielt. Kr bildete wahr-
scheinlich eine uoteneeiaeho Erhebung, auf der sich die oben genannten
Schichten ablagerten, und wurde am Mineral Hill durch Abtragung blofs-
gelegt.
Die Erze, die durchschnittlich 15 Prot. Blei, 0,079 Pro*. Silber und
0,00248 Prox. Gold enthalten, kommen mit Ausnahme der silurischen Quar-
xitc nur in den Kalksteinen, und zwar in untersilurDcheu , vor ullrm aber
in den kambrischen Kalksteinen vor. Es hängt dies ursächlich mit der
oben erwähnten Zcrberstung und Spalten- und Höhlenbildtmg im Kulkstein
zusammen, die den Mincrallasungcu den Weg wies. Die letztem stehen
wieder in urstichlichctu Zusammenhang mit der aolfutar Uchen Thätigkeit in
der Ausbruchsperiode der Hhyolithe. Supan.
157. Leclercq, Jxjr Geysirs de la terre dos merveillos.
(Bull. Soc. R. Beige de Gcogr. 1885, Bd. IX, S. 393.)
Eine Schilderung den Geysirgcbictes am Vellowstono nach eigener
Anschauung. Der Verfasser bestätigt, dafs mit Ausnahme des Old faithful, der
seit mehr als 10 Jahren mit grüfster Pünktlichkeit seine Ausbrüche wieder-
holt, alle Geysir« von Jahr zu Jahr «ch ändern. Der Ricscngeysir hatte
1871 noch täglich zwei Eruptionen, jetzt aber nicht einmal mehr zwei itu
Monit. Der „Splendide* galt 1871 als erloschen und trat seit 1881 wieder
inThätigkeit; desgleichen der „KxcclsiorN,d«r 1883 sich nieder in den Ruhe-
stand zu begeben schien. Die Theorie erfährt keine Bereicherung. Viel
Gewicht wird auf den Umstand golegt, dafs sieh alle Geysir* in «1er Nahe
von Seen und Flüssen befinden : eine Bemerkung, welche Fort» es bereits in
Island gemacht hatte, und dio ihn zur Annahme eines oberirdischen
Ursprungs des Geysir was»«» veniuluvite. Supan.
158. Newberry , Notes 011 the Surface Goology of tlio
country bordoring the Nortiiorn Pacific Hailroad.
(Amor. Jour, of Sc. 1885, Bd. XXX, S. 337.)
Bei Sims in Dakota hört das Gebiet der östlichen GUzialablagcnmgen
auf; es folgt nun dio Prärie, deren Oberfläche Verwitteruugsboden des
anstehenden Gesteins ist, und im Yellowxlonethal betritt man das westliche
Glaziulgcbict der Rocky Mountains. Die Bestandteile der hiesigen Glazial-
ahlageningetj sind [»elrogmpliDcli schwer ron jenen der östlichen Grund-
morfino zu unterscheiden , daher manche Irrtüroer in bezug auf ihre
Abgrenzung. — Die Kaskaden des Columbia in dessen grofsartigem Durch-
bruchthal sind nicht Zeugen unvollendeter Erosion, sondern durch einen
rezenten Felssturz veranlagt. Das untere Columbia ist ein Astuarium
infolge pociitivcr Nireauveränderung; ebenso sind die San Juan de Fuca-
Strafae und der Pudget Sound (ebenso wie die nördlichen Fjorde) unter
Waaver gesetzte Thiter, die in der Eiszeit noch reit Gletachcm ungefüllt
waren. Marine Terrassen im Pudget Sound in ca 500 m Höhe zeigen eine
spätere negative Bewegung an. — Die Schneelinie liegt an der Westseite
der Gebirge von Washington in ca 2000 m Höhe (im 0 etwas höher) ; die
Bedingungen zu einer bedeutenden Gletscherentwickelung sind also hier
gegeben. Supan.
159. Rath, v., Arizona. Heidelberg, Winter 1885. (Samm-
lung von Vorträgen, herausgeg. von Frommei u. Pfaff.)
Auf Grund eingehender Studien und eigner Wahrnehmungen entwirft
dorVeifawer ein farbenreiche« Gemälde jene« 90 merkwürdig gestalteten Landes,
das ihm als Geologen ein besonderes Interesse einllöfsen mufstc. Leider
scheint die Kürze des Aufenthaltes den Verfasser gehindert zu haben, den
Arbeiten der amerikanischen Geologen wesentlich Neues hinzuxufugen.
Arizona teilt sich morphologisch in eine nordiwtliche Hälfte, welche dem
durch »eine Denudationsformen ausgezeichneten, stufenförmig aufgebauten
Colorudoplateau angehört, und in eine südwestliche Hälfte mit ihren aus
filtern kristallinischen Gesteinen bestehenden und durch breite Thulraulden
voneinander getrennten Sierren. Sehr eingehend ist die Schilderung des
Coloradothal«« , auch über die Grenzen Arizonas hinaus. Es wird hinge-
wiesen auf die noch deutlich erkennbaren Strandlinien der Colorado-Wüsten-
dcprcsüon, einer ehemaligen Meeresbucht, dio durch die Ablagerungen des
Colorado abgedämmt wurde. Wenig bekannt sind die „Montexuma und
Jakobs Well“, gewaltige Einsturztrichter (Dolincn, offenbar ähnlich der
Macorha bei Brünn). Der Bergbau liefert Gold, Silber (Pinal Coudy),
Kupfer, Kohlen im NO und Türkis; in bezug auf RdelmoUll nahm das
Territorium i. J. 1880 noch die 7., 1881 und 82 aber bereits die 4. Stelle
ein. Das Klima ist extrem und trocken. Prescott (1620 m hoch) hat
nach zweijährigen Beobachtungen etwa 3° Winter-, 20,8° Sommer- und
1 1 9 Jahrestemperatur. Dio mittlere Regenmenge Dt hier 30 cm (3 J.),
in Turson 15—17 cm, iu Yuma 11 cm (7 J.). Mehr als die Hilfto des
Werkcbens Dt den Kingcbomen gewidmet, ihrer jetzigen Lage und ihrer
einstigen Kultur, von der zahlreiche Ruinen in nun verödeten Gegenden,
sowie auch dio Berichte der spanischen Conquistatnren Zeugnis geben. Mit
warmen Worten tritt der Verfasser für die ausgestoDeneu Erben des amerikani-
schen Bodens ein; er rühmt ihren Flcifs, ihre Lcmbogicrdc , ihre Kultur-
fahigkeit, ihre tiofo Religiosität. Nicht, wie Peschei meint, eine gewisse
Naturnotwendigkeit , sondern die Brutalität der angelsächsischen Rasse, die
ansteckenden Krankheiten, der Branntwoin, die sinnlose Vertilgung der
Bülfel, der betrügerische Handel, die Entdeckung der Edelmetalle des
Westens, die eine Menge raubgieriges Oorimlel anzogen, haben den Ur-
bewohnern den Untergang gebracht. Auch religiös lief» man die Indüner
verkommen trotz der Ticlen MDsionsgcsclDchaftcn. Weitaus humaner war
die Behandlung durch dio Spanier und Franzosen, und besonders segensreich
die Wirksamkeit der katholischen Missionare; auch die Mormonen zeichnen
sich durch mildo Behandlung der Indianer aus. Die Herrschaft der Union
bedeutet iu diesem Punkte überall einen Rückschritt, und erst jetzt zeigen
sich einige Anzeichen einer Besserung. Supan.
160. Gardiner jun. , A Arizona natural Bridge. (Science,
1885, Bd. VI, S. 67.)
In der Nähe der Grenze zwischen Arizona und Neu -Mexiko, wo die
südliche l*aeificbahn dieselbe durchschneidet , erbebt sich ein Bergrücken
von ca 200 m Höhe, der aus roten Sandstcinon und einer unvollständigen
Decke von feinem Konglomerat oder grobem Sandstein besteht und von
tiefeu Schluchten durchschnitten wird. An dem Auxgang eine* derselben
befindet sich die natürliche Brücke, welche 20 m lang und an der engsten
Stelle 4rJ m breit ist. Sie Dt ein Oberrest jener Konglomeratdecke, während
der rote Sandstein durch Erosion entfernt wurde. Supan.
161. Barcena y Perez, Estudios de Meteorologie coropa-
rada. Tomo I. Mexico. Miuisterio de Fomento de
la Kepublica Mexicuna 1885.
ln einer Reihe von Bänden, welche in kurzen Zwischenräumen zu er-
scheinen bestimmt sind, sollen dio «eit 1881 veröffentlichten Beobachtungen
der meteorologischen und phänologbclien Stationen der Mexikanischen Re-
publik zuMtfumengefafst werden. Da dio bisherige Veröffentlichung derselben
im „Bolclin del MinDterio de Fomento“ unhandlich war und keine sehr
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Litteraturbericht Nr. 182—164.
weit« Verbreitung fand, so ist diese Neuausgabe willkommen zu hoifscn.
Der Torliegende Band bringt die Beobachtungen ton Januar — Mürz 1881
und zwar für jeden Monat zuerst mit grober Ausführlichkeit diejenigen des
Zentral • Obscrratoriums der Stadt Mexiko unter den Abteilungen: Tempe-
ratur der Luft, Temperatur des Bodens, Barometer bei 0°» Dampfspannung,
relative Feuchtigkeit, Bewölkung, Winde, Verdunstung, Hegen, allgemeine
Beobachtungen (Proste, Nebel, Regenbogen, Meteore, Erdbeben, vorherr-
schende Krankheiten, Phäuotogisehe« , Ernten), ln verschiedenen Graden
von Ausführlichkeit folgon dann die Beobachtungen von Aroeca, Guoymaa,
Leon, Mazatlan, Oaxaca, Fabelion, Patzcuaro, Fuebla, San Luis Potooi,
Texiutlan, Tuxpam, Veracrux, Zacatecas, und den Beachlub macht eine ver-
gleichende Betrachtung aller erwähnten Erscheinungen in ihrer Verbreitung
über das Beobachtungsgebiet. Leider reicht letzteres über die Breite von
Oaxaca nicht hinaus, ao dab besonders die hochinteressante Region des
Isthmus von Tehuantepec mit seinen in Entfernung von wenigen Meilen
so scharf unterschiedenen Klimaten am atlantischen und pacifischen Abhang
nicht zum Ausdruck kommt. Es wäre »ehr wünschenswert, wenn Angabon,
die durch ihre Allgemeinheit wissenschaftlich unverwertbar sind, wie .Die
Berge uro das Thal von Mexiko erscheinen mit Schnee bodockt“, oder
„OszilUtorisches Erdbeben am 3. Januar in S. Carlos YautepecM u. dgl. mit
der Zeit durch genauere ersetzt worden könnten. Das ganze Cntemehmcn
begrüben wir als einen tröstlichen Beweis, dab höchst ungünstige V«r-
hültniftie das tüchtige Streben einiger Männer der Wissenschaft im schönen
Mexiko nicht zu lähracn vermögen. p. Ralul.
162. Carta General de log Estados Unidoe Mesicanog for-
mada en el Departament« de Cartografia con los
datos raas recioDtes do Orden del ofieial Major de la
Secretaria de Fomento ,. Manuel Fernandoz“, 1883,
bajo la direccion del Ingeniero I. Molina, const. y
dibuj. Mauricio C. Castro y Ricardo Tangassi. Escala
de 1:3000000.
l)«r \V,rt dinwr toio Ministerium fUr ufTratliohe Arbtit-n in Mexiko
heniUKegebenen Karte dürfte wohl atuMhlwbUrb in Angaben tun Kiienbatm-
t raren und longa denelben entatandenen Ortschaften tu auehen sein. Ab*
geaehen daton, dab schon die saut« Manier der Zeichnung, wie bei den
meisten Karten der amerikanischen Staaten romanischer Abstammung, den
Eindruck grofscr Flüchtigkeit macht, so sind bei dieser Karte weder die
KUiteuaufaahmen der englischen und amerikanischen Marine noch die ver-
schiedenen Speiialarbeiten, welche von den Landstrichen twiacbcn der Kilste
und Mexiko existieren, oder die Karte der Halbinsel Yucatan nach Ilübbe,
Perex und Berendt, in I’ctermamu „Ocographischen Mitteilungen" 1879,
Total 11, benutzt, ja nicht einmal die einzige gtttbero topographische Ver-
messungsarbeit, welche in Mexiko gemacht wurde und in der .Carte du
Mrxiqur. Pia— ja an Pep.lt de la Quem par Mr. Niox", MaCutab 1 : 3000 000,
Paris 1873, als Resultat der Aufnahmen der Offiziere der franxfisivch-mcxika- I
I machen Expedition niedergelegt wurde, ist der in Rede stehenden Karte tu
Grunde gelegt. jr. HoboiWr.
163. Corthell, Tho interoceatiic Problem and its scientific
Solution. (Amer. Ass. for tho Advanc. of Sc., 1885,
Sep.-Andr.)
Der VetÜMtr ist der Ansicht, dab eine SehiffxeUonhaho über den
| Isthmus von Tehuantepec einerseits die sicherste und billigste (daher auch
rentabelste) Verbindung zwischen beiden Ozeanen wäre, und anderseits den
Interessen der Union am meisten dienen würde. In Nordamerika baut
man am billigsten Holxschiffe , England baut die billigzten Eisenschiffr.
Eine interozeanische Verkchnurtrafsc, welche die SegoUchifTe auwchliebt
(Kanal von Panama, von Nicaragua), würde den amerikanischen Handel
schwer schädigen. Supan.
164. Wyse, Le Canal de Panama. Paris, Hachette &Co.,
1886. (Mit 2 Kartell.)
Der Verf., bekanntlich der Chef d«T Expeditionen, welche in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrzehntes den amerikanischen Isthmus zum Zwecke
von Kanalunlagen zu untersuchen hatten, gibt in diesem Werke eine Gesamt-
darstellung seiner darauf bezüglichen Arbeiten. Der I. Teil enthält einen
geographisch -geologischen Überblick Uber den Isthmus, der durch eine
grob« Karte im Mafsstab von l : 500 000 erläutert wird. K* acheint aber
diese Karte an einer etwas allzu schematisehen Terraindarstellung zu leiden.
I)en gunxen Isthmus erfüllt ein zusammenhängendes Kettengebirge,
das nur in der Panama-Enge eine kleine Unterbrechung erfahrt , und von
dem zahllose Äste auslaufra, während et auf S. 8 ausdrücklich heifst, es
gäbe hier beinahe ebonsoviele Erhebungen, als verschiedene Namen. Auf
die Höhen- und ßüschungsverhültnisse ist keine Rücksicht genommen, und
die ganze Darstellung*« eise erinnert auffallend an die ehemalige und auf
englischen und amerikanischen Karten x. T. noch übliche Raupenmanier.
Die geologischen Notizen sind dürftig; eingehender studiert ist auch nur
die Panama-Enge. Im Isthmus von San Blas herrschen Gneib und meta-
morphische Schiefer vor. Im südlichen Dtrieu, wo rezente Vulkanspuren
nicht gefundon wurden, bestallt das Plufsgeröllc hauptsächlich aus kristalli-
nischen Petsarten, die man aber durch Bohrungen vergebens zu erreichen
suchte, und aus sehr wenigen Sandsteinen und Schiefern. Aus denselben
Gerollen beatehen die Küsten der Inseln des S. Miguel-Golf« ; das anstehende
Gestein ist hier ein weicher Sandstein mit nahezu horixoutaler Schichtung.
Der Verfasser Tcrmutot eine doppelto Meercsverbindung in vcrhältnUmäfng
junger Vergangenheit, eine zwischen den Golfen von Uraba und S. Miguel
und eine in der Panama-Enge; die Pottilien in den Sedimenten des nörd-
lichen Teil« der letztem entsprechen genau den noch jetzt in dem einen
oder andern Meer lebenden Mollusken.
Der II. Teil enthält die Erforachungsgwchichte de« Isthmus* der III.
ist den verschiedenen Kanalprojekten , die in nachfolgender Tabelle über-
Atlantischer
Pacifischer Endpunkt.
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1. Tehuantapee- Kanal .
. Minalitlan ....
. Stlina Crux . .
280
280
120
30
140
—
2000
30
20
2. Nicaragua-Kanal
. San Juan del Nortc .
. Bucht von Brite.
292
195
CO
10
21
—
750
15
10
3 •- Panama-Kanal . .
. Liraon-Bai ....
. Panama . . .
72
72
50
6
25
—
600
10
.ul
3 *■
.
. ...
75
75
90
—
—
—
800
4
8
3<- . . .
. . . .
• - ...
72
50
50
—
11
—
450
6
5
4. 8. Btas-Kanal . .
. Golf von San Blas . .
. Chepillo . . .
53
42
45
—
—
15
750
4
10-12
5. Daricn-Kanal . .
. Acanti
. Golf San Miguel
125
74
85
—
—
17
1250
6
15
6. Attato-Kana! . .
. Golf von l'rab» . . .
286
128
90—100
10
22
2 oder 0
1000
16
12
7. . ...
. Humboldt-Bai
210
90
120
—
—
8 und 3
1250
8
14
8 „ ...
• - ...
. Uupica-Bai . .
290
50
60
5
22
C
800
12
10
8 *>• . ...
. - ...
• » • •
290
50
100
—
o
11
1000
8
IS
sichtlich zusaro men gestellt aind, gewidmet. Von diesen können Nr. 1 and <
als ans technischen uad finanziellen Rücksichten undurchführbar bezeichnet
werden. Der Nicaragua -Kanal ist nur als Schleusenkanal ausführbar; ein
Schiff würde 4 — 5 Tage brauchen , um denselben zu durchfahren. Mit
Ausnahme von Nr. 1 — 2 besitzt Wyse die Konzession für alle Projekte für
99 Jahre. Derzeit in der Ausführung begriffen ist Nr. 3 b, mit dem sich
aus geographischen, kommerziellen, technischen und finanziellen Gründen
nur das Projekt Nr. 4 messen kann. Die Projekte Nr. 5 u. ff. haben
nur den Vorzug, dafs sie schon auberhalb jenes Gebietes liegen, in welchem
ein Kanal nur im Einverständnis mit der Panama -Eisenbahngesellschsft
gebaut werden kann ; sie leiden aber an bedeutenden technischen Schwierig-
keiten und nur Nr. 8 h kann als ein relativ günstige* bezeichnet werden.
Der IV. Teil enthält die Grachichte der politischen und privaten Ver-
handlungen bezüglich des Isthmus, und der V. gibt eine übersieht über
den gegenwärtigen Stand der Arbeiten. Angefügt sind mehrere Aktenstücke.
Supan,
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Litteraturbericht Nr. 165 — 172.
45
165. Anuario Estadfstico de la Repdblica de Costa -Rica.
Tomo n°. Ailo de 1885. San Jose de C.-R.
Da* statistische Amt der Republik Costa -Rica, welche» der Leitung
des Herrn Dr. Enrique Villaviccncio untersteht, besteht noch nicht zwei
Jahre. Es verdankt seine Gründung der genialen und eifrigen Thätigkcit
de» Historikers und Lizentiaten D. Leon Fernande/, des Vertreter» der
Republik in Madrid. Zieht man diesen kurzen Bestand des statistischen
Amtes in Betracht, so ist der Inhalt des vorliegenden zweiten Bandes des
* Statistischen Jahrbuches der Republik Costa - Rica- als ein sehr reicher
zu bezeichnen uud von hohem wissenschaftlichen Werte. Waren doch die
frühem Angaben über diesen Freistaat sehr unsicher und widersprechend. —
Nach dem Zensus vom 80. November !883 betrug die Bevölkerung
182 073 Seelen. Das Gebiet der Republik wird auf 59 570 qkm geschätzt,
was 3 Einwohner pro qkm ergibt. Am 31. Dezember 1831 belief sich die
Einwohnerzahl auf 187 889. Auf je 20 Einwohner kommt pro Jahr ein
Geburtsfall. Von den Gebomen kommt 1 uooheliche auf 4,»o eheliche
Geburten. Die Kinder unter 5 Jahren bilden 61 >3* Prozent der Gesamt'
einwohncrzahl. — Der Import belief «ich im J. 1884 auf 3 621 921 Pesos
und 69 Centavos, der Export auf 4 219 617 Pesos und 1 Centavo. Me-
teorologische Beobachtungen sind nur in der Hauptstadt gemacht, ober
noch in diesem Jahre werden in andern Städten meteorologische Stationen
angelegt werden. Ks existieren ca 23* Millionen Knffeebäumc im Lande,
und diese ergaben in der letzteu Ernte (November 1883 bis April 1884)
405 063 Quinta! (n 46 kgr) Katfee im Werte von 3 925 330 Pesos.
//. IWakotcsty.
Südamerika.
166. Martin, Ileiae nach den Niederländisch -westindischen
Besitzungen. (Rev. Colon. Internat. 1885. Sep.-Abdr.
mit handschriftl. Ergänzungen.)
Von den Inseln unter dem Winde wurden geologisch untersucht Cura<;ao,
Arubt» und Bonair«. Sie sind losgetrennte Fertlandftücke, bestehend l) aus
einer steil aufgerichteten, von Dioriten durchbrochenen ailurischen Schiefer-
formntion, zu der sich auf Aruha noch Syenit gesellt ; und 2) aus tertiären
Korallenkalken, die auf Curacoo prächtige Ufertermsen toigen. Ein andres
Anzeichen einer negativen Niveau Veränderung sind die rezenten Korallen-
riffe. Auch über seine Reise nach Surinam macht der Verfasser einige vor-
läufige Mitteilungen, woraus sich ergibt, dufs der geologische Bau des
durchreisten Gebietes mit jenem von Englisch -Guyana übereinstimmt. An
der Küste liegen in jüngster Zeit gehobene Muxchelbänke (auf einer solchen
ist auch Paramaribo erbaut), die nnr lebendo Arten enthalten.
Supan.
167. Gatchet, The Arubft and the Papiamento Jargon.
(Amor. Philos. Soc. Philadelphia 1884. Sop.-Abdr.)
Die Arubasprache, wahrscheinlich identisch mit der auf Cunu^o ge-
sprochenen und verwandt mit der auf Paraguana, ist seit 1800 ausgestor-
ben ; die Bewohner haben seitdem die Papiamentosprache angenommen, die
jetzt auf den Inseln unter dem Wmdc ausschliefslieli herrscht und ein
Gemisch aus spanischen, holländischen und indianischen Worten ist, von
denen die erstem den Hauptbestandteil bilden. Sprachenproben sind au-
gefugt, such vom Karibigi- (Surinam), Cu na- (Panama) und Choco - Dialekt
(Columbien). Suyxm.
168. Emst, Über dio Koste der Ureinwohner in den Ge«
birgon von Mdrida. (Ztschr. f. Etbnol., Berlin 1Ö85,
Bd. XVH, 8. 190.)
Ein Auszug aus einer handschriftlichen Abhandlung von Lar es aus
Mcndu (Venezuela). Dieser nennt die Ureinwohner nach ihrem bedeutend-
sten Stamm Tirootes. Sie waren Ackerbauer und Jäger: der Ackerbau
wurde auf künstlichen Tcmissen an den Abhängen der Beige betrieben.
Die weitem Mitteilungen beziehen sich hauptsächlich auf die Nutzpflanzen
und die Sprache, die mit dem Cliibcha verwandt sein soll. Von den
78 200 Bewohnern der Sektion Mcrida (1881) sind nur etwa 80U0 Wcifse.
Supan.
169. Nehring, Eine neue Grison- Art. (Sitz.-Ber. Ges. d.
naturforsch. Freunde, Berlin 1885, S. 167.)
Die neue, gmfszähnige lirison* Art, Galtet:* entssiden* ernannt, scheint
Surinam und die tropischen Teile von Brasilien zu bewohnen.
Supan.
Petermanns Geogr. Mitteilungen 1886, Litt.-Bericht.
170. Martin, Boricht über eine Reise ins Gebiet des obern
Surinam. (Bijdrngou Taal- , Land- en Yolkenkunde
van Nederl.-Indiii, V. Folge, Bd. I. S. 1.)
Unter ilen BuchneRem, ditren Gr.nzg«biet d,r Keiwnde b«i Toledo,
seiner Endstation , noch lange nicht erreicht hatte , unterscheidet man ge-
genwärtig folgende Stämme:
1. SaTaroakkaner , antihrig am obern Surinam und dem Granmanu von
Gansoe untergeben, früher am Saranukka wohnhaft.
2. Aukaner , wohnhaft am Marowijno (Maroni) und Sarakreek mit Ein-
schlufs von KofHekarap, genannt uach Auka, dom Ort, wo 1762 mit
ihnen Frieden geschlossen wurde.
3. Boni-Neger, wohnhaft am Lava, dem Oberlauf de* Maroni.
4. Paramakkaner, am Paramaklukreek, Nebenfluf* des Maroni.
6- Matuari-Neger, am obern Saramakka, früher am (oppename.
6. Beku* und Musinga-Ncger, beide am untern Teile des obern Saramakka.
In allen Buschnegerdbrfem fir.den sich zwei verschiedene Arten von
Wohnungen, geschlossene und offene, nur mit einem Dach verscheno Hüt-
ten. Als Zierat tragen die Leute an Schnüren um das Handgelenk Cy-
praea moneta und C. annulus, in ein oder zwei Exemplaren an je einer
Schnur. Mifsbildungen in Form eines überzähligen Fingers {g**hhulich an:
kleinen Fiuger, und zwar an dessen unterstem Gliede an gesetzt) sind ziem-
lich häutig. In oinor Familie, in deren Adern noch Indianerblut, war sie
so erblich, dafs sie bei jedem der zahlreichen Kinder auftrat, durch Ope-
ration entfernt werden muf«tc. Ilei den Heiden unter den Negern herrscht
noch das Matriarchat. Verfasser sah auch Albinos mit rötlich weifser
Haut, die Augen waren „grau und, wie cs schien, ohne rötlichen Schein“.
Langkavd.
171. Derby, O. A., Contribni^äo para o estudo da guo-
graphia physica do Volle do Rio grande. (Boletim da
Soc. de Geogr. do Rio de Janeiro, T. I, Nr. 4, 1886.)
Obwohl der wasserreiche Rio gnade oft als Uuellstrom des Parana
bezeichnet wird und dann dessen Namen trägt, so ist er doch nach der
Form des Becken» des Parana nur als Nebenfluß desselben zu betrachten ;
er und die übrigen östlichen Nebenflüsse des Parank südlich bi* zum Iguassü
entspringen in der bergigen Küstenkette, welche aus archaischen Schichten,
raetamorphen Schiefern und Quarziten besteht und eine mittlere Höbe
von 1000 m besitzt. Im Mittel- und Unterlauf durchströmen diese Flüsse
ein aus Schichten von Thonichiefoni und weichen Sandsteinen mit hori-
zontaler Lagorung aufgebautes Plateau, in welches sie sich mehr oder min-
der tief eingeschoitteD haben. Es »ind hier zwei Zonen au unterscheiden:
in der örtlichen mit Pclrefakteu des Devon und Carbon treten mächtige
Diabasgänge auf, in der wörtlichen, vielleicht permischen oder t russischen
Alters, treten MeUphyre in Gängen und Lagern auf; diese Eruptivgesteine
beeinflussen in hohem Grade dos Relief der Gegend. Der Ackerboden im
Gebiet dieser Flüsse ist Überall durch Verwitterung der Gerteine in situ
entstanden; dio Meinung, dafs er nur da, wo jetzt Wald steht, fruchtbar
sei, Ut ein Vorurteil ; der geschätzteste Boden ist eine rote Erde, das Zer-
setzungsprodukt der erwähnten Eruptivgesteine.
Mehr als die Hälfte de» Laufe» des Rio grande liegt in der gebirgigen
Zone kristalliner Schiefer; »eine Quelle liegt cs 2640 m hoch in der
Sem de ItatUia (dieser Berg und einige andre in dem dortigen Gebirgs-
knnten scheinen vulkanischen Ursprungs zu sein). Der Rio grande, dessen
Schiffbarkeit noch nicht genügend untersucht ist, bildet iu seinem Ober-
lauf mehrere Wasserfälle ; da» Thal ist reich an Mineralquellen jeder Art
und ausgezeichnet durch landschaftliche Schönheit. Im Gebiete der Thon-
schiefer und Sandsteine tiiefst der Rio grando in einem tief eingeschnitte-
nen Thalc; die sedimentären Formationen verlieren westwärts an Mächtig-
keit, und es treten im Thalbodcn schlicfslich sogar die Gesteiue der ge«
birgigon Zone hervor. Kalkowtky.
172. Förster, B., Deutsche Kolonien in dem obern La-
plata - Gebiete mit besonderer Berücksichtigung von
Paraguay. 2. Aufl. Mit 1 Karte. Leipzig, Fock, 1886.
Dio modernen Bestrebungen, den deutscheu Auswandere ratrom in Ge-
biete abzulenkeu, wo die Bewahrung heimischer Sprache und Sitte nicht
so sehr gefährdet ist, als in den Vereinigten Staaten, lauen den gemäßigten
und subtropischen Teil von Südamerika immer mehr in deu Vordergrund
des IntcTcwc* treten. Wie Toppen (vgl. „Mitteilungen“ 1885, S. 809)
empfiehlt auch Förster Paraguay, das er 1883 — 86 bereist, und wo er
einige Zeit selbst ah Ackerbauer gelebt hat, wegen seine* gesunden Klimax,
seiner Fruchtbarkeit und seiner besondere Eignung für Viehzucht; verfehlt
aber auch nicht hinzuzufügen, dafs nur die dünn bevölkerten TeUe des
h
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46
Litterattirbericht Nr. 173 — 174,
Landes für eine Kolonisation im gTöCscrn MaOutab günstig »eien, nnd dof»
nur Kapitalisten (10- bia 12 000 M.), Bauern und Handwerker, die nebenbei
auch Landwirtschaft treiben wollen und können, Aussicht auf Erfolg
haben. Die polemischen Partien de« Buches machen ihre* Tone* wegen
einen unangenehmen Eindruck. Supan .
173. Stelzner, Beiträge zur Geologie und Paläontologie
der Argentinischen Republik. I. Geologischer Teil.
Kassel und Berlin, Th. Fischer, 1885. (Mit einer
geologischen Karte in 1:1500000 u. 3 Profiltafeln.)
Der Autor, der 1871 — 74 als l*tofe«or an der Nationaluniversität in
Cordoba wirkte, fafst in diesem wichtigen Werke nicht blofs die Resultate
seiner Forschungsreisen in der Argentinischen Republik und in der Chile*
nischen Cordillert (Thal de?« Rio Putaendo) zusammen, sondern liefert auch
durch kritische Benutzung der geologischen Littcratur wcrtrolle Bausteine
zur Entwickelungsgeschichte de« ganzen südameiikanischeu Kontinentes. Die
Karte trägt allerdings einen fragmentarischen Charakter an «ich, indem die
geognostische Kolorierung sich nur auf die untersuchten Landesteile be-
schränkt, aber gerade dadurch wird sie brauchbarer, aU voreilige Genera-
lisierungen.
Geographisch besteht die Argentinische Republik au« drei Hauptteilen :
die Cordillere (Andee), die Pampa und die inselartig aus der letztem oder
halbioselartig von den Anden in dieselbe hineinrageuden Sierren. Die letz-
tem teilt der Verfasser in parapino Sierren, die hauptsächlich aus archäi-
schen Gesteinen bestehen, und in Vorketten der Cordilleren („Anticor-
dillere*), an deren Bau sich auch Silur beteiligt. Die Pampa* sind nur schein-
bar eine ununterbrochene, rauft nach SO sich neigendo Ebene ; in der Tbnt
besitzen sie einen welligen Bau, und die Depressionen liegen in Mulden des
archäischen l'ntergrundes.
Die archäische Fonnation zeigt auch in Argentinien deutlich eine
Zweiteilung in eino l’rgncif*- und CrschiefcTformution. Daneben treten iu
grober Menge Granite auf, deren Ausbrüche sicher vorsilurischen Alters sind.
Die paläozoische Abteilung ist nach den bisherigen Erfahrungen nur durch
das Silur vertreten. Die Angaben Durmcisters über das Vorhandensein
paläozoischer Formationen io den Provinzen Mendoxa und (uUrearca »ind
unrichtig, dagegen konnte Stelzner an vielen Stellen in der Anticordillere
dos Silur mit positiver Gewifsheit nach« eisen, wodurch ein Verbindungs-
glied zwischen den Silurgebieten der Falklandsinseln einerseits, von Peru
und Bolivia anderseits hergestellt ist. In der Anticordillere zwischen 31 und
33° S tritt rin »chaTfer Gegensatz zwischen den innrrn (weltlichen) und
äußern Ketten zu Tage. Die errtorn bestehen vorwiegend aus silurischen
Thönse hie fern, auf denen sieh nur hier und da klippenartige Reste einer
jüngem Kalkformation erhalten haben ; dio letztem dagegen aus Mimischem
Kalk und Dolomit. Dieser geognortiseke Gegenratz bedingt einen ebenso
scharf ausgesprochenen landschaftlichen: dort runde, hier zackige Formen;
dort eine, wenn auch dürftige Vegetationtdecke, hier nackte Felsen. In
der Provinz Mendoxa ist die äußere Anticordillere nur mehr in einigen
Andeutungen eikennbar, und in La Kioja tritt das Silur nicht, wie zu er-
warten, im W, sondern im O der Sierra de Famatino auf. Wahrscheinlich
kommt Silur auch mitten in dcT Hochcordillero vor. Wie die archäischen
Schichten, so waren auch die silurischen durchaus einem intensiven Pal*
tungspTozofs unterworfen.
Die mesozoische Schichtenreihe, die in Argentinien — soweit man
sie bisher kennt — erat mit dem Rhät beginnt, und das ältere Tertiär ist
vorwiegend durch Sandsteino vertreten, die nicht blofs wegen ihrer
Mächtigkeit und ihrer weiten Verbreitung in gunz Südamerika, sondern
auch wegen ihrer orographischen Formen (schroffe Ketten oder durch De-
nudation isolierte Kegel- und Tafelberge) und der Farbenpracht ihrer fast
immer nackten Wände bedeutungsvoll wirken. Das Rhät, das in der
Cordillere und Anticordillere vorkomrat, ist die einzige kohlenführende For-
mation Argentiniens. Die Abbauwürdigkeit der Kohlenlager ist aber noch
nicht nachgewiesen; am sichersten dürften darauf bezügliche Versuche in
der Gegend zwischen dem Pst de Pullo und der Sierra de la Huerta
anxustcllcn sein. Wichtiger sind die ebenfalls rhitbchcn Petroloumquel-
len von Mendoaa. Wahrscheinlich rhitiicheu Altera sind mehrere Krap-
tivgesteine (Olivindiabase, Diabase und Melaphyre), viel wichtiger sind aber
die Porphyre, die an dem Aufbau der Anden einen so hervorragenden
Anteil uehmen. Der Verfasser unterscheidet 1) vorju russische Uuaraporphyre,
die nur am Ostabbaug der Cordillere Vorkommen, and 2) decken förmige
PorphyrergUwe der Jura- und Kreidezeit mit den dazu gehörigen Tuffen und
Konglomeraten, die einen «hroalon Streifen im W der Längsachse der Cor-
dillere mindestens von 13 — 33° Breite bilden, und die von Darwin u. a.
als metamorphUche Gesteine betrachtet wurden : eine Ansicht, die eich nicht
mehr als stichhaltig erweist. Jura- Sandsteine uni -Kalksteine (litorale
facies) schlichen sieh in einem schmalen Bande den Granit- und voxjuras-
aischen Qaaraporphyren im W an, kommen aber merkwürdigerweise am West-
abhang der Ande* nicht oder vielleicht nur in wenigen, der Denudation
entgangenen Resten vor. Überall, wo Jura bekannt ist, kommt auch die
Kreide (ebenfalls Kalk- und Sandsteine) mit konkordanter Auflagerung
vor, aber letztere breitet sich noch weiter aus, nicht blofs in den Ande*,
sondern auch über zentrale und östliche Teile von Südamerika. Das Ter-
tiär wird eingeteilt 1) in ein älteres, welche* noch an dem letzten Pal-
tuogsproxefs der Cordillere teilgenommen hat (gipshaltige Sandsteine, d’Oi-
bignys tertiaure guaranien), das in Argentinien sich nicht blofs in der Antieor-
dillere, sondern auch in den pampinen Sierren und in den östlichen Pro-
vinzen findet und ursprünglich wahrscheinlich eine zustra menhängende Decke
gebildet hat, und zu dem endlich auch der größte Teil des sogenannten
brasilianischen Sandsteines gehört (a. Peterraanns Mitteil. 1856, Tafel 11);
2) in ein jüngeres Tertiär (tertiaire patagonien, »andige und kalkige Schichten),
in ungestörter Lagerung und wenig über dem Meeresspiegel. Es kommt io
den beiderseitigen Küstern «ginnen vor and erscheint außerdem noch als
Sediment einiger, von der atlantischen Seite aus tief eingreifender Golfe.
Die Periode vom Jura bis zum jüngern Tertiär war also für Südamerika eine
Periode stetig fortschreitender positiver Niveauveiänderung ; seit dem jüngern
Tertiär beginnt die rückläufige Bewegung, die mit lokalen Ausnahmen (am
La Plata über dem Löfs roarino Ablagerungen) ebenfalls stetig fortschreitet.
Daneben lassen aieh drei grofse Eruptionxpcrioden unterscheiden: die vur-
ailurische Granit-, die Porphyr- und die tertiäre Andeaitpcriode. In den
beiden letztem Fallen war die Cordillerenspalte (wie auch heute noch) der
Hauptsitz der vulkanischen Kraft, aber im Osten bis zum Atlantischen Ozean
hin erfolgten zahlreiche kleinere Ausbrüche, die jedoch keine selbständigen
Gcbirgihildungcn zur Potgo hatten. In bezug auf die Anderite de* West-
abhanges der Cordilleren und die sie begleitenden Trümmergerteine kommt
dor Verduner, der, namentlich gestützt auf die Lagerungsverhältnisite im
Valle hermoeo, entschieden für ihr frühtorttires Alter eintritt, zu ganz an-
dern Resultaten als Darwin und fast alle andern Geologen, welche die Ande-
aitformation mit der Porpbyrformation susammenwerfen und daher auch
jene für vorjuramuch erklärten. Im Orten der ozeanischen Wasserscheide
gehören d«r Tertiärperiode zahlreiche Tracbyte, Andesitn und Baaalte an;
den sogeuauuten Andengesteinen (Granite, Syenite und Diorite) wird spät-
mesozoische«, zum Thcil sogar spittertiärex Alter xucrkannl. Ein längeres
Kapitel handelt von den zahlreichen Erzgungen der argentinischen Ge-
birgo (edle Silliererze, silberhaltige Bleierze, gold- und silberhaltige Kupfer-
erze und reine Golderze), die sich in der Nähe von Kruptionsherden in
Zonen intensiverer Schichtensturung entwickelt haben, uud denen eine grofse
Zukunft bevorateht. Auch Mineralquellen sind aohr reichlich.
In bezug auf den Löfs, der den Boden der Pampas bildet und sich
vom chinesischen Löfs nur durch geringere Mächtigkeit und Mangel an
iAndschnecken unterscheidet, spricht der Verfasser die Ansicht aus, dafa
er oino äolische Bildung ist, xu der dos Material aber hauptsächlich durch
die Gcbirgsriüase geliefert wurde (wodurch die Annahme einer abflußlosen
Periode unnötig wird). Dio Lößbildang dauert noch immer fort, ebenso
wie die der Salcsteppen, Salzseen und Salinen. Wichtig ist das Vorkommen
von Lagunen und Brunnen mit äußern Wasser inmitten der salxgeschwänger-
ten Ebene. Von rezenten Bildungen sind außerdem noch zu nennen die
Sehotterbildungen im Gebirge, die auf eine Periode der Tbalausflillung
(Glazialzeit) binweisen, und dio merkwürdigen „Sandgletscher“, Flugsand-
bildungen in Schluchten des Hochgebirges, desien Material, wie Pflanxeo-
samen zeigen, von den benachbarten östlichen Ebenen stammt.
Supnn.
174. Uribe, M., Geograf!» general y compeudio hietdrioo
del Estailo de Antiöquiu eu Columbia. Mit 2 Karten.
Paris 1885.
I)cr Verfasser ist kein Geograph von Fach, sondern ein Lai«, welcher
«in« Mnfsestunden benntxt hat, um all«« Wissenswerte über »eine engere
Heimat AnttAqoi» tuaamnienautragen. Sein Buch, das durchaus den Geist
untrer alten Landeskunden atmet , darf daher nicht mit wissenschaftlichem
MafuUbe Sememen werden. Die Oro- und Hydrographie »ind durch«!»
nnch dem, auf don Arbeiten ron Codaxzi beruhenden Buche ron Felipe lVm
(„Jeografia fl sie» y polltica de los Estados Unido. de Colombia-, 2. T., Bogoti
1863) gearbeitet, der historische Teil geht nieht über .Aeosta histor.s d«t
descubrimiento" fee- (Baris 1848) hinaus, llie Voraeiehnisse der Pflana.n
und Tiere sind gana unrollstindig und höchstens für die Kenntnis der Vulgär*
nameu interessant. Gans lehrreich sind dagegen einige Mitteilungen über
Sitten and Sprache der wenigen noch heute in Antioquia lebenden wilde»
Indianer, and die Beschreibung der Gute«, d. h. der altindianuchen Grü-
bet, welche um ihrer Goldschätze willen eifrig ausgebeutet werden. Hin*
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Litteraturbericht Nr. 175 — 178.
47
lUihe (Urin gefundener Gold- und Thongegemttude sind auf 34 Tafeln, aber
leider ohne Angabe des Fundortes , gegenwärtigen Aufenthalten, Mafastabes Are.
abgebildet. Der eigentliche Wert de» Buche« ruht in dem topographischen
Teil, welcher zwar weitschweifig und ungleichroäfsig gearbeitet iat, aber
interessante Daten über die Besiedelung des Lundes, Vorkommon Ton Gold,
Kohle, Salzquellen kc. enthält. Für die Betölkerungaangaben konnte ein
neuer Zensus vom Jahre 1883 benutzt worden. Die erste der beigegebenen
Karten ist die in Peterra. Milt. 18HU, Tafel 3, veröffentlichte mit einigen
Nachträgen, die zweite stellt anf derselben Grundlage die Züge der Kon-
quistadoren und dio alten Ansiedelungen der Indianer dar. Der Behandlung
des Klimas sind die meteorologischen Beobachtungen von Tomas Herrin
in Medellin Ton 1875 — 78 beigefugt, aus denen wir die folgenden Werte
entnehmen :
Beobachtungen zu Medellin, 6° 8' N, 75° 55' W, 1479 m hoch.
(Beobachter Toraas Herrin, Zeit 1875 — 78.)
LuftünKk Toap„m.
Niederschlag
Relative
mm
Tage
tigkclt
Dezember . . .
38.8*
21,0°
G8
12
72
Januar . . . .
39,1
21,6
55»
11*
69
Februar ....
39,2
21,9
64
12
69
Min
39, f
81.»
100
18
71
April
39,8
21,4
141
17
73
Mai
39,8
21,6
21S
18
75
Juni
30.7
21,7
153
16
72
Juli
39.4
21,4
21,8
97
18
68
Ausruf ....
39,7
100
16
67*
September . . .
39.»
21,4
174
19
74
Oktober ....
39,4
21,0
176
21
<<
November . . .
39,0
20,4*
155
20
77
Jahr
39,8
21.»
1600
198
72
Absolute« Maximum
43,6
31,7
—
—
—
„ Minimum
34,8
13,8
—
—
HHtntr.
175. v. Tschudi
, Das
Lama in
seinen
Beziehungen znm
altperuaniscben Volksleben. (Ztschr. f. Ethnologie,
Berlin 1885, Bd. XVII, S. 93.)
Du Lama ist eine der vier bestimmt geschiedenen Auchenia- Arten
(Lama, Alpako, Wanoko und Wikuna), von denen Wanoko den grdfsten
und Alpako den kleinsten Verbreitungebezirk hat. Du Lama war einst
nach X und nach W weiter verbreitet , aber ohne jemals in die warmem
Gegenden jenseits der Küsteuoordilicre oder io den heifsen Osten, wie
Humboldt gUubte, hinabzuslcigen. Nach der spanischen Eroberung ver-
minderten sich dio Lamahorden sehr rasch, teile infolge von Obcranitren-
gung und sinnloser Ausrottung, teils iufolge einer verheerenden Hautkrank-
heit, und endlich infolge der Einführung andrer Xutztiero. Vor dor Inka-
zeit spielto es eine äufserat wichtige Rolle aowohl im religiösen Kultus,
wie ira Staatshaushalt. Es machte die Puoaregion eigentlich erst be-
wohnbar und kulturfäbig. Es gab Fleisch und Wolle für den eignen Be-
darf und war gleichzeitig ein hervorragender Handelsartikel iura Eintausch
gegen andre Lebensartikel , besonder* Mais. Als Milchtier wurde cs
wegen seines störrigen Naturells nicht benutzt. Die Exkremente, die es
mehrere Tage lang an einem und demselben Orte ablagert, dienten als
Feuerungsmatcriol, besonders beim Schmelzen der Metalle. Soit den ältesten
Zeiten wurdo es als Lasttier benutzt (es trägt höchstem 50 kg und legt
damit täglich höchstens 18 — 22 km zurück), aber niemals als Zugtier bei
dem Ackerbau uud nur vereinzelt seit der spanischen Eroberung als Reittier.
Supan.
176. Reck, Geographische Skizzen über das Hochland der
Republik Bolivia. (VI. Jahresber. Geogr. Ges., Hanno*
ver 1885, 8. I.)
Zum gTofaten Teil ein Auslug aui den Aufsitzen des Verfassers in
lVtcrroanni Mitteil. 1805 — 67. lnteressnnt sind die Bemerkungen über
die Wüste Alarnma, wo der Salpeterboden nur eine Kruste Uber reinem,
feurhtem Sandbuden mit Ikouigera Bindemittel bildet, der den schönsten
Ackerboden liefert. Wisset, dessen Stand Tim den Zuflüssen der Andes
abhängig ist , findet man in 1 } — 6 m Tief*. Bei der Seltenheit racleoro-
l<'*i«eher Beobachtungen auf dom Andeshoehland sind auch nachfolgende,
ru Huinrhzoa (ea 16“ B. , 4102 m hoch) und zu Sucre (2839 m hoch)
trotz ihrer kurzen Dauer ron einiger Wichtigkeit. Die Temporaturmittei
7 2 | . $
sind aus ohne Korrektur gebildet.
3
lluanchaea.
Sucre.
Mai 1882
6,7°
Jan.
1883 10.»°
Juli
1883 12,7° i Jan.
1884 16,1°
Juni .
6,0
Febr.
m
9,6
Aug.
„ 13,7 ! Febr.
„ 15.8
Juli .
5.»
Min
W
10,0
Sept
, 14,7 März
. 15.6
Okt. „
13,6
April
m
8,4
Okt.
. 18.» ' April
. 15.8
Not. .
11,7
Mai
5,8
Not.
. 17,1 Mai
. (U.8)
Dez. .
12,6
Juni
m
2,8
Dez.
. 16,1 :
?b 5.»
\ 2b
12,»°,
9b 6,»°
7b
11,6°, 2b 80,8°,
9b 144°
Von 411 Tagen waren in lluanchaea 251 trocken und stürmisch,
75 trocken und windalül, 85 mit NiederachUgen (daron 59 Januar bis Min).
In Sucre waren ron 321 "Eigen 210 schon ; Ton 111 Tageu mit Kegen
und Hagel kamen 77 auf die Monate November bis Mora. .supan.
177. Zum Klima von Cochabamba in Bolivien, (österr.
Meteor. Ztschr. 1885, Bd. XX, S. 370.)
Die Beobachtungen zu Cochabamba (17° 21,»’ S, 05° 52' W,
2208 m hoch) wurden ron Eugen t. Boeek angestellt, und sind daraus
folgende Mittelwerte 1
beneehnet worden:
Temperatur
1882 1883
Regen
1883
mm
1883
Januar .
. 19»*°
18,0°
169
164
Februar .
. 20,0
18,0
33
116
März
. 19,0
17,4
G3
87
April
. 19,5
18,0
4
12
Mai . .
. 17,6
16,0
2
38
Juni • .
. 14,1
14.0
13
0
Juli • .
# —
15,2
—
14
August .
. —
16.9
—
6
September
. —
17,8
—
18
Oktober .
. —
20,0
—
22
November
. —
19.0
—
47
Dezember
• —
17,0
—
118
Jahr . .
. IS, 3
17,3
405
636
Absolutes Temperaturmaxiraum 31°,
Minimum
-5".
Supan.
178. Bertrand, A., Memoria sobre las cordilloras del De-
»iorto de Atacama i rejiones limitrofes prosontada al
Seöor Miuistro del interior. Mit (> Karten. San-
tiago 1885.
Die Regierung Chile« beeilt« »ich, sofort nach Beendigung des pacifi-
schen Krieges, die durch die Erfolg« der chilenischen Waffen definitiv für
Chile gewonnenen ehemaligen Provinzen tou Bolivia (Autofagasta) und Peru
(Turapaeä) geographisch aufnehrnen und auf ihre natürlichen Keichtiimer
untersuchen zu lasten. Auch die vorläufig (bis 1893) von den Chilenen
besetzte und administrierte, zwischen dem Rio Soma und dem Rio Coroa-
roncs belegene Provinz Tacna ist exploriert und nufgenommen worden.
Tacna ist vom Ingenieur Villanucva im J. 1883 bereist worden, die Küste
derselben und der von Tarapacü bat das Kanonenboot »Pilcomayo“ aufge-
nommen. Die Schluchten von Camarones und Tarapocä und einige minder
wichtige Waoerlttofe bat der Artillcriekapitin Jorge Boonen R. aufgenom-
roen. Die Errichte und Karten beider Expeditionen, welche auf Befehl
des Kriegsministers ausgeführt aind, sollen, noch im J. 1885 publiziert
werden.
Das vorliegende Werk zeigt auf dor dritten Karte die neuerworbenen
Provinzeti. Interessant ist di« ThaUache, dafs auch der östlich von der
Yulkancnrcihe : Licancaur — Miniques— Socompa — Uullaülaco belegene Teil
von Autofagasta an Chili fällt. Man mufste nach den bisherigen Nach-
richten über die Frieden Verhandlungen mit Bolivia glauben, dafs die-
ses Gebiet bei Bolivia verbleibe. Herrn Alej. Bertrand fiel die Aufgabe
zu, dieses Gebiet von Antofagasta zu untersuchen. Er hat dieselbe in kur-
zer Zeit glänzend gelöst und unser Wissen über diese bisher fast unbe-
kannten Teile des frühem Bolivia wesentlich bereichert. Besondere Aner-
kennung verdient die prompt« Veröffentlichung des Berichte». Die Inter-
suchungskommiesion , an deren Spitze Hctt Bertrand stand, arbeitete vom
20. Januar bis Ende April 1884 ; am 25. August desselben Jahres war
der Bericht fertig und im Juli 1885 bereits gedruckt. — Seit Ende 1884
ist Herr Bertrand mit deT Aufnahme der an Chile gefallenen westlichen
Seite des Feuerlaodes beschäftigt. Gleichfalls steht noch der Bericht von
Herrn San Raraon, welcher 1883 und 1884 die Gegend nördlich von C.'o-
piapö bereiste, aus. Rezensent behält «ich vor, über alle diese, die Erfor-
schung der Atacama und der angrenzenden Territorien bezweckenden Expe-
h*
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48
Litteraturbericht Nr. 179 — 185.
ditioneu und die Resultat« derselben spater in dieser Zeit«hrilt ausführlich
und unter Beifügung einer Karte des nördlichen Chile zu berichten.
H. P<.Iakou$hy.
179. Klima vou Santiago de Chile. (Osterr. Ztschr. f.
Meteor. 1885, Bd. XX, S. 365.)
Die Daten gründen sich auf die Beobachtungen Yerganix von 1800 — 81.
Ira folgenden nur ein kurzer Auszug aus der reichhaltigen Tabelle. Die
Beehöhe der Station betragt 519 ru.
Januar April Juli Oktober Jahr
Temperatur 20, l* 13.0° 7,6° 13.«° 13,«ü
Mittleres Minimum 30, *°, Minimum — 1,7°.
Sommer H**rb»t Winter Frflhliog Jahr
Kegen nun . . 9 76 185 58 328
Regentag« ♦ . 2,8 10,0 20,8 11,8 44,9
Erdbeben tage . 3,8 4,J 0,8 6,3 20,4
Supan.
180. v. Danckelman, Zum Klima vou Port Stanley, Falk-
lands -Inseln. (Annal. d. Hydrogr. Berlin 1885,
Bd. Xm, S. 676.)
Nach den Beobachtungen in den Jahren 1875 — 77 und 1883 — 83
hat der Vertaner folgende Mittelvert« berechnet, die um so wertvoller
sind, als l’ort Stanley die iwlnichete Station mit mrhrjthriKcr Heobach-
tungedauer im Gebiete des antarktischen Seeklima» ist. Die Temperatur-
mittel sind Mittel der Extreme, die, nach den Beobachtungen auf Süd-
Georgien xu schliefscn, nieht wesentlich von wahren Mitteln abweichen
dürften.
Temperatur
Regen
Bewölkung
xnm
Togo
Dwmbfr . .
. . 8.3“
64
20, &
7,2
Januar . . .
72
20,6
7,3
Februar . . .
61
16.8
7,4
More . . .
67
20.«
7,0
April . . .
. . 6,0
63
22.«
6,8
Mai . . . .
. . 4,2
61
21.4
7,0
Juni . . . .
iS
20.6
7.«
Juli . . . .
51
20.5
7,9
August . . .
37
20,8
0,7
September . .
. . 4.2
36
17,7
7,0
Oktober . . .
37
16.6
7.0
November . .
42
16,6
7,3
Jahr . . . .
632
235,6
7,1
Die ruittlem Temperaturextrrme sind 19,4'' und — 5,4*, die absoluten
waren 24,4* und 11,,*; die Extreme der Jahresmengen des Kegens waren
77 uud 52 cm. Supan.
Polarländer.
181. Chart of the Arctic Oeeao. 1:7500000, publiziert
durch das hydrographische Amt, Washington 1885.
Zummmenfaaaende Darstellung unsrer bisherigen Kennlniwe ron der
arktischen Beginn innerhalb de» 75. Parallel«. Da» Land bat einen gelb-
lichen Ton und hebt sieh »ehr klar ton der weiften Meere-dtäeho ab; Ter-
rainxeiehnung fehlt. Die Tiefenmessungen sind sehr sorgfältig eingetragen.
Von den Koordinaten sind nur Tier Meridiane und der 75. Parallel einge-
tragen; die Einteilung derselben in Viertelgrade gibt aber die Mtiglichkeit
an die Hand, da» Netz nach Bedürfnis in genügend detaillierter Weite ru
Tenrollständigen. Auffallend abweichend ron den sonstigen Darstellungen
ist jene de» Eskimosee» östlich von der Mackentiemündung, der hier fast
wie eine grofs« Meeresbuehl erscheint. Supan.
182. Coutributions to our knowletlge of the Meteorology
of the Arctic Regions. Part IV. London 1885.
Mit diesem Hefte itt der erste Band des vom Meteorologie«! Council
herautgegebenen wichtigen Uuellenwerke» vollendet. Er enthalt die Be-
obachtungen an 28 Stationen xwitchen 20 und 145* W uud 60—80* N.
Die Beobachtungen itamraen am der Periode 1819 — 60; die Dauer der-
selben beträgt in 8 Füllen weniger als 1 Jahr, in 20 Füllen 1 volle» Jahr
und darüber, an 2 Stationen 2 Jahre und an einer (Predeitkahaah) 4 Jahre.
Supan.
183. Breon, Notes pour servir it l’etude de la geologio
de l’Islande et des iles Faeroe. Paris, F. Savy, 1884.
(Mit 9 Tafeln in Farbendruck.)
Die Reise, welch« der Verfasser im Auftrag« des französischen t’nter-
richUministcrs von Juui bis September 1880 nach den genannten Gegen-
den unternahm, uud deren geologische Resultat« in der vorliegenden Schrift
enthalten sind, zerfällt in vier Teilt : 1) Exkursion von Reykjavik nun, um
den Hvolfjord nach Saurboer und von dort nach Koykolt, auf dem von
Preyer und Zirkel benutzten Wege, südwärts nach Tbiugvellir (Austlug tum
Geysir, der wahrend 40 Stunden keine Eruption neigte, ja nach der Aus-
sage der loindleute oft Wochen uud selbst Monate fast völlig ruht), dann
auf der WesUeito des Thingralltuers nach Süden tum Zirkus von Hengiil
und zurück nach Reykjavik; 2) Exkursionen von Isafjord aus in die noch
wenig erforschte, sehr gegliederte Nordwesthalbinsel nach Amuli und
dem DrangajÖkull , dann zwischen letztem und dem Glamujökull durch
Larawluteu südwärts nach Djupidalr (wo »ich ein ziemlich bedeutender Cal-
citgang im Basalt findet>, uud auf demselben Wege zurück nach Is&Qord;
3) von Akurerri (dem nichstbedeutendwi Hafen nach Reykjavik) zuro My-
vatn, der Krabla und dem Hrafntinnurbiggr und wieder nach Akurerri;
4) von Thnrshavn auf den Paeroer, Exkursion nach den einzelnen Inselo
dieses Archipels.
Gesteine vortertiären Altera konnte Br*on nicht konstatieren1); er
nimmt folgende Altersfolge der Eruptivmassen an : 1) die rhyoli t hischea
Gesteine, welche sich am Fufse der Krabla und bei Saurboer (anscheinend
nur in losen Blöcken) finden, und den Baulakegei bilden, den Brion nicht
selbst besuchte; 2) basaltische Gesteine, in wechselnden Lagen, bald
mit automorphem, bald mit xenomorphem Augit, in Ictztcrm Palle mit por-
phy risch ausgmcbiedenen Feldspatindividuen, die einzelnen Decken oft durch
schwächere Tufflagen getrennt und bei tcilweiser Zerstörung dann oft trep-
penähnliche Abhänge bildend; 3) ächte Augitandosito (Hoogil, Stile -
kisholrn &«.), welche bisher von Island nicht bekannt waren (von den viel-
fach dort rorkommenden „olivinfreien Basalten** werden dieselben unter-
schieden): 4) andlxites aeides, pauvres en pyroxene mit gTofscn Oligoklas-
(Bamdin*) kristallen; 5) glasreiche rhvolithische Gesteine, Obsidiane: G) ba-
sische Gesteine, verbunden mit grofxen Tuffmaasen und übergehend in die
rezenten vulkanischen Produkte Irlands.
Auf den Kncrocr finden sich aussehliefxlieh die unter 2) erwähnten
altem basischen Gesteine; dio vulkanischen Kräfte müssen hier schon seit
sehr langer Zeit ruhen, selbst heilte Quellen oder ähnliche Reste ihrer
ThKtigkeit fehlen gänzlich, nur auf Ostcroe soll eine kohlenslurehaltige Quelle
existieren.
Hinsichtlich der Lignitvorkommen (surtuibrandur) auf Island sowohl
wie auf den Paeroer schliefst sieh der Verfasser der Ansicht derjenigen Geo-
logen an, welche das Material derselben als Treibholz auffawen, das durch
den Golfstrom angeschwemmt wurde. Jtohrbach.
184. Schmidt, C. W., Die I.iparite Islands. (Ztschr. Deutsch.
Geol. Gcb. 1885, Bd. XXXVII, S. 737.)
Die Liparite sind in der ganzen Küstrnzon« von Island za finden,
selten aber an der SüdkiUte und im grofsten Teil tod Nordland, d. b.
dort, wo die Oberfläche durch jüngere Kruptionsprndukte oder glaziale Ab-
lagerungen gebildet wird. Die Uparitausbriicho, die zum Tnil tertiär, zum
Teil aber jünger sind, nehmen an dem Aufbau der Insel nur eiuen unter-
geordneten Anteil und treten vorherrschend als Ginge oder Koppen auf.
Die letztem sind entweder Donudationsreite von Stratovulkanen (Kjeiulft
Theorie), teils aber homogene Vulkane. Die Metamorphose der Liparite,
deren Verbreitung di« Kart« auf Tafel XXX zeigt, steht mit der Solfataren-
thätigkeit in utaicbüchor Verbindung. Supan.
185. Keilhaok, Islands Natur und ihre Einflüsse auf die
Bevölkerung. (Deutsche Geogr. Blätter, Bremen 1886,
Bd. IX. S. 1, mit 1 Karte.)
Sehr wertvoll ist die beigegebene Karte in l : 1 920 000, welche die
Ausdehnung der menschlichen Niederlassung in klarer und präziser Weite
darstellt. Bewohnbar aind in Itdaud nur der Küstenaaura von wechselnder
Breite, die untern Flafxtbülcr (im X und 0 ziehen sich hier dio Ansiede-
lungen tief in das Innere der Insel hinein), und vor allem die Tiefebenen
ira W und $. Unbewohnbar sind aufser den Gletschern und den Hoch-
l) Sehirlitz (Tschermaks min. und petrogT. Mitt. 1882) glaubt be-
konntlich gewissen Gesteinen vom Bsjfc und einigen andern Orten im Wnsten
und Norden der Insel ein solches auf Grund ihres petTograpbischen Ha-
bitus zusprechen zu müssen.
Litteraturbericbt Nr. 186 — 192.
4'J
platcau* oberhalb der WcidegTcnze die Tuff nicken und Lsvastrüme wegen
langsam fortschreitender Yorwittoning und die „Sandr-, Hache Sand- und
Kiesablagerungen der Gletacberstrümc. Bewohnbare Gebiete werden durch
die vulkanische Thätigkeit häufig verwüstet, entweder direkt durch den
Ausbruch selbst oder indirekt durch die Staubitürme, welche vulkanisch«
Asche mit sich fuhren. Der letztere Vorgang ist besonders interessant,
weil sonst Wüstenbild ung auf iolUchcm Wege meist nur ouf niederschlags-
arme Gegenden sich beschränkt. Lesenswert sind auch die übrigen Par-
tien des Aufsatzes, wenn sie auch nichts wesentlich Neues enthalten.
Supan.
18(5. Krahmer, Über die Sunde, welche Grönland in west-
licher Richtung durchschneiden sollen. Halle &. S.
1885.
Infolge irrtümlicher Auffassung der Entdeckungen Probishcrs (157 G —
1578} und auf Gruud falscher, nach Beschreibungen entworfener Karten
erscheint seit dem Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts auf
den Karten von Grönland , meist in der Breite des Senoiliareuk-Fjoides,
die du* ganze Land durchschneidende Probisherstnifse; seit dem 2. Jahr-
zehnt dra 17. Jahrhunderts, spätesten* aber seit 1706, eine 2. Straf*«
zwischen 66 u. 69v N. Br. Spatere Heisende, wie Egidi, Gieaecke, Cranz,
Scoresby Äc- hielten auf Grund von Eskimoberichten an der Anschauung
fest, dafs solche Me©rc»traf*cn (zu denen sie noch andre, wie in der Vor-
längerung des Kisijordes nach IkareKik unter 72}° N. Br. hinxufUgteu)
wirklich bestanden haben und zum Teil noch bestehen, zürn Teil ober in
historischer Zeit unter der fortschreitenden Eisdecke begraben wurden.
Der Verfasser weist das Irrtümliche dieser Ansicht nach, bezeichnet auch
die neuer« Hypothese, duf» Grönland ans mehreren Inseln bestehe, die durch
eine gemeinsame EUdecke verbunden sind (Payer, Brown) als unhaltbar,
und kommt aus geognostüchen und topographischen Gründen zu demselben
Schlüsse, wie Heliand mit Rücksicht auf dio Fjordennatur der Küst«, dafs
nämlich Grönland eine ununterbrochene zusammenhängende Fratlaodascholle
ist oder wenigsten» gewesen ist. Smjmi*.
187. Engler, A., Die Phanerogamenflora von Süd-Georgien.
Nach 'den Sammlungen von Dr. Will bearbeitet. (Eng-
lers botanische Jahrbiioher, B<1. VII, Heft 3, März
1886, S. 281.)
Zum erstenmal wird di« Flora von Neu -Süd -Georgien aus den For-
schungen der deutschen „Venus" -Expedition bekannt. Die 13 aufgefunde-
nen Blutenpflanzen »teilen wahrscheinlich den ganzen Bestand dieser insu-
laren Blütenflora dar, während eine sehr viel gröbere Zahl von Sporen-
prtan7.cn (Algen!, Moose und Flechten ! Farne fehlen) um Gestade und
auf den Klippen der Insel gewimmelt wurde, deren Bearbeitung noch nicht
vollendet ist. Die Blutenpflanzen setzen sich zusammen aus vier Gräsern
(Airn ontarctica, Phleum alpinum, Festuca ereflu, Fob tlabellaU gewöhn-
lich Dactylis cac*pito«a benannt und durch ihr Vorkommen auf den Palk-
londsiuseln als „Tussack- Gras“ berühmt), zwei Birnen (Hostkovia magella-
nica und Juncus Novae Zeolundize), drei Garyophyllincn (Montiu foutona,
Colobauthus subulatus und crosrifoliu«), «in Hahnenfufs (Kanuuculus bitoma-
tu«), zwei Sanguisorbeen (Aeaena adscendtn* und loevigata) und endlich
dio weitverbreitet© ( all i triebe versa, welche zusammen mit der Montia
und dem Phleum die drei mit der deutsch-alpinen Flora gemeinsamen Arten
bildet. Keine dieser genannten Arten ist auf Süd -Georgien allein be-
schränkt, zwölf davon Anden »ich auch auf Feuerland oder auf den Falk-
landinseln oder auf beiden, die dreizehnte auberdem nur auf den neu-
seeländischen Alpen; nnun Arten sind im antorkti«chcn Florenreich auch
sonst weiter verbreitet (Kerguelen, Campbell - 1. , neu*6eländische und tas-
manisch- australische Bergländer), drei Arten dagegen (P<xa Habollata, Colo-
banthus crasrifolius, Aeaena Ueviguta) sind nur auf dA» antarktische Süd-
amerika beschränkt. Itrudt.
Ozeane.
188. Thouvenin, Explication nouvello du phenomene des
marees. Cause des courant« atlantiques et des vents.
Warschau, Gebethner & Wolff, 1885.
Der Mond, bzw. die Sonne erzeugen 2 Flutwellen, die eine auf der
ihnen zugekehrten, die andre an der entgegengesetzten Seite de» Erdkörpers.
Nach der Ansicht de» Verfassen ist nur die entere durch die Anziehungs-
kraft des Mondes (bzw. der Sonne), die letztere aber durch die Zentrifugal-
kraft zu erklären. Die Strömungen und Winde werden als ein Austausch
polarer und äquatorialer Massen, der ebenfalls durch die Zentrifugalkraft
bewirkt wird, betrachtet. Supan.
189. Ferrel, Sea-level and Ocean-currents. (Science, 1886,
Bd. VII, S. 75 ; vgl. dazu ebendas. 8. 102.)
Ferrel versucht auf Grundlage der angeblichen Thatsache, dafs der
Spiegel des Golfe« an der Mississippi -Mündung 1 m höher ist als jener
des Ozeans bei New York, und das Meeresniveau bei Brest 1 m höher als
bei Marseille, eine neue StTömuogstheorie zu entwickeln. Wesentlich neu
ist dieselbe allerdings nicht, denn sie geht von der alten Annahme einer
Mcercuirkulation zwischen dem Äquator und den Polen aus und sucht
eigentlich nur jene angeblichen Niveauunterschiede durch die Strömungen
au erklären (WasserauhSufung an den Westküsten in den hohem und an
den Oxtkiisten in niedem Breiten). Indes ist von berufener Seite darauf
aufmerksam gemacht worden, dato jene Niveaudifferenz an der atlantischen
Küste Nordamerikas nicht sicher nachgewirscn ist. .Vujton.
190. Braun, Fauna des Finnischen Meerhusens. (Sitzungs-
bericht d. naturforsch. Ges. Dorpat 1885, Bd. VH,
8. 140.)
I)in Fauna dir* Finnischen Meerbusen* besteht aus 45 marinen Arton,
71 SUfovanartieren und 5 endemiMhen Arten. Die Verbreitung ist folgende:
8ttf*w4M«r-
tlere.
Marin« A.
Litoralzone 21 G8
Zone der gröCstcn PHanxenentwickelung (2 bis
13 m Tiefe) 28 8
Zone d. abgestorbenen Pflanzen (13 b. 21m T.) 21 3
Pelagisch leben 7 Arten. Vergleicht man diese Resultate mit jenen
der Pommerania-Hxpedition , so könnte man zu dem Schlafs verleitet wer-
den, dafs die Verarmung der Ostsee an marinen Arten erst im Finnischen
Busen beginne. Die» Ut aber unrichtig, denn von den 267 in der Ostsee
gefundenen marinen Spezies kommen die meisten im salxrcichen westlichen
Teil vor, nur 64 im eigentlichen Baltischen Becken und 50 im Finnischen Golf.
Supan.
191. Mill, Pbysical conditions of water in estuaries. (Scott.
Geogr. Mag., 1886, Bd. II, S. 20.)
Die Beobachtungen über Salzgehalt, Temperatur, Farbe Ärc. wurden in
der Mittellinie des Firtb of Forth angestellt. Ein Auszug au» den Tabellen
enthält die wichtigsten Ergebnis»«.
(r« Obnfliichentrn.prr.tur *C.
oiiorfDchc Novbr. 1684 Mal 1886
1. Allo.
1,00027
7,2$
—
2. Kincardine ....
1010
7 M
9, «7
3. Hen und t'hicken* . .
1PS1
8,28
9,06
4. Hlackness .....
2167
8,44
8,44
5. Inchgarvie ....
2664
8,78
7,94
6. Oiear •
2418
8,72
7,69
7. Inchkoith
2467
9,0«
7,69
8. —
2496
9,11
8,28
9. —
2609
9,39
8,00
10- gegenüber von Fiddra .
2614
9,78
7,94
1 1. gegenüber von Boss Rock
2691
—
—
12. Insel May ....
2626
—
—
Die Dichtigkeit de» Oberfliichenwasscrs war an allen Stationen
im Winter
grofsar als im Somm«T, aber die Differenz nimmt «©«wart« stetig ob. Di©
Dichtigkeit ist ferner am Boden gröfser als an der Oberfläche, und auch
hier nimmt der l’nterachied seewärts ab und ist im Sommer gröfser als
im Winter. Im Firth of Tay, der kürzer, enger und seichter ist und einen
grüfsem und reibendem Fluh aufuimmt al» der Firth of Porth, ist di©
Dichtigkeit des Wasser» beträchtlich geringer, aber die Zunahme vollzieht
sich in beiden Ästuarien in gleicher Weise. Die Temperaturbeobaebtungen
zeigen »ehr deutlich die Abnahme des kontinentalen Einflusses mit der
Entfernung von der Küst«. Es ergibt sich daraus, dafs Wännemessungen
des Seewassers erst in ca 2 km Entfernung von der Küste brauchbare Re-
sultat« liefern. .Supan.
192. Tiefenmessungen deB * Albatross“ im Nordatlantischen
Ozean 8. August bis 21. September 1885. (Notice
to Mariners 1885, Nr. 361.)
Der Kur» bewegte «ieh Ton 40° K, 70,4“ W nach SO bi* 37,4° N,
68° W, und dann nach KO bia 41° N, 85° W. Grüble Tiefe am Kunde
de* Nordatlantischen Knsel* (37° 45' K, 66° 56' W) 4994 m. Eine
»weite, kleinere Measungareihe bewegt «ich um 321° N und 77“ W, die
Tiefen Ton 452 — 966 m ergab. Supan.
50 Litteraturbericbt Nr. 193—198.
193. Temperatur und Färbung des Wassers in der Hum-
holdt-Strömung. (Anna), d. Hydrogr. u. marit. Met.
1885, Bd. XIII, S. 385.)
Die Tabelle enthalt »Kindliche Auheichnungen iler Oberfliehentemp«-
retur, stugeführt von S. M. 8. „Prinz Adalbert* auf der Fahrt von Calla»
nach Valparaiso , 14 — 30. März 1885. K» soll daraus henrorgehen, dafa
die kalte Stibmung in dieser Gegend im Widerspruch zu den bisherigen
Darstellungen lieh lediglich auf einen sehr schmalen Streifen entiang der
Küste beschranke. Auch die FSrbung steht in innigem Zusammenhang mit
der Temperatur. Das strömende kalte Wasser ist ostseegrün , das ruhige
wärmere Warner blau. Sprunge oder allmähliche Übergänge der Wärme
rufen gleiches Verhalten der Färbung herror. Supan.
194. Soudages oxdcut«8 par l’aviao „le Bruat“ , pour ex-
perimeuter une machiue h sonder Thomson. (Anna],
hydrogr. , Paris 1885, 2. Ser., Bd. VH, S. 34, mit
2 Karben.)
195. Rapport sur les sondages executes par „le Bruat“
entre la Nouvelle-Caledooie et TAustralie. (Eboudas.
8. 43, mit 1 Karte.)
I)i« Versuch*me«ungen worden ausgeführt 1) xwischen der SUdoit-
spitz« von Neucaledonien und der Pininn-Insel (Boden wellig, bis 89 m tief,
mit Ssnd und Trümmern von Muschelschalen bedeckt). S) zwischen Yatt
(Neucaledonien) und der Mart- Insel (I/iyalty- Gruppe'. ln der Mitte der
Strafe« fehlen die Beobachtungen . der Boden scheint aber ein« ziemlich
regelmäfsige Mold« zu bilden: tiefste gerne*!*»« Stelle 2100 m. Boden-
bedeckung schlammiger Sand und MuscheUaod. Auch durch die 39. ziem-
lich gleichroäftig verteilten Messungen zwischen Gomen (Neucaledonien) und
dem Sandy Cap (Australien), die mit der südlichen Messungsreihe der Tusca-
rora annähernd parallel laufen, wird Peterraanns Tiefenkartc (Mitteil. 1877*
Tafel 7) erheblich korrigiert. Auf der australischen, wie auf der neucale-
donUchen Seite fallt die Küste sehr steil zu beträchtlichen Meerestiefen
ab: die Patterson- und di« Gazelle - Tiefe Petermann» setzen sieh nach N
fort (tiefste Stellen in der Fortsetzung der Patterson -Tiefe 4390 m in
24° 24' S, 154° 44w O und in 24° 17' S, 15ft° 9' 0; tiefst« Stelle
in der Fortsetzung der Gazelle- Tiefe 3870 m in 21° 13' S, 163' 34' 0).
Zwischen diesen beiden Kinnen erhebt sich stufenförmige* Plateau : die
westliche Stufe (136' — ICO* 0) hat eine ziemlich gleichmafaigc Tiefe von
2300 m im Mittel, die östlich« (160 — 162ju 0) eine mittlere Tiefe von
1600 ra, steigt aber am Ostende bis 800 m empor. Die Bodeubedeckung
besteht vorwiegend aus klebrigem gelben Sand. Supan.
196. Tiefenmessungen des U. S. S. „Enterprise“, ('omni.
Barker, im Sudpacifischen Ozean, 6. November bis
15. Dezbr. 1885. (Notice to Marinem, 1886, Nr. 9.)
Die Messungen sind ziemlich gleichroäfsig über den Oxean zwischen
der Nordinsel von Neuseeland und der Magellan- Strafe* verteilt, also über
einen bathometrisch bisher noch unbekannten Teil der Süds*«. Sie stim-
men Überein mit d«T nördlichen, parallelen Serie der „Gazelle“, nament-
lich in der Lage der Erhebung östlich von ca 123° W. Der Meeresboden
war im Westen bis 168° W vorwiegend mit grauem und östlich davon
mit braunem Schlamm bedeckt, mit Aufnahme der Strecke 150 — 106° W,
wo Sand herrschte. In die nachfolgende Tabelle sind nur die Messungen
in der Flacbseo bei den Chntham- Inseln nicht au/genommen worden.
41°
41' S
175°
OK
637 Fd.
1165 ra
43
37
175
34
1192
2180
43
7
178
19
1320
24 14
44
41
178
53 W
751
1373
45
3
178
21
996
1821
45
11
177
53
1381
2526
45
45
176
37
2180
3987
4$
19
174
34
2237
4091
46
80
172
34
2782
6088
46
50
170
34
3002
5489
47
8
168
0
2972
5435
46
52
166
46
2881
5269
47
22
164
84
1798
5108
47
54
162
°2
2750
5029
48
16
160
17
2533
4631
48
25
159
5
2796
5113
48
51
156
43
2789
5100
48
57
154
21
2509
4588
49“
9“ 8
152®
2' W
2650 Fd.
4846 <n
49
6
150
0
2915
5331
49
4
147
97
2506
4583
49
8
145
11
2522
4612
49
4
142
55
2584
4726
49
14
140
33
2613
4773
49
21
137
27
2383
4353
49
27
134
53
2646
4839
49
28
132
28
2467
4512
49
26
129
18
2423
4431
49
25
127
48
2239
4095
49
37
125
33
2253
4120
49
36
123
0
1964
3499
49
39
120
54
1895
3466
49
49
118
38
1690
3091
49
51
117
36
1562
2857
50
0
115
60
1583
2895
50
6
114
26
1847
3378
50
15
112
0
2162
3954
50
21
109
32
1848
3380
50
30
107
36
1997
3652
50
35
105
51
2197
4018
50
42
103
52
2224
4067
50
42
101
9
2324
4250
50
43
98
55
2291
4190
50
44
97
20
2383
4358
50
50
95
14
2540
4645
50
54
93
40
2711
4958
50
58
91
33
2677
4896
6t
1
89
30
2579
4716
51
7
87
0
2516
4601
51
13
84
38
2477
4530
51
18
82
81
2378
4349
61
67
78
34
2162
3954
52
10
77
8
2167
3963
52
16
76
Q
1200
2195
8mpan.
Allgemeines.
197. RecllJS, Elis^e, Nouveüe Geographie universelle. Bd.XI.
L’Afrique septentrional. II. Teil. Paris, Hachette
& Co., 1885.
Dieser Band behandelt TripoliUnien, Tunesien, Algerien, Marokko und
die Sahara. Es scheint mir von methodischem Standpunkt aus nicht ganz
richtig,- dafs auch hier bei der Einteilung die politischen Grenzen fe»t ge-
halten wurden, so dafs diejenigen Teile der mediterranen Länder, die zur
Sahara gehören (z. B. Fess&n), bei den erstem zur Besprechung gelangen,
obwohl hier die politische Zusammengehörigkeit von ganz untergeordneter
Bedeutung ist. Fälschlich wird sogar die Kufra-Oase zu Tripolis gerechnet.
Algerien nimmt die Hälfte des Bande* in Anspruch. Veraltet sind hier
die klimatischen Angaben; Angnt ist noch nicht benutzt worden. Sonst ist
bekanntlich die Quellenkenntnis des Verfasser* eine aufserordeotlich um-
fassende; um so mehr befremdet es, dafs er z. B. Zittels Arbeiten über
die Geologie der Libyschen Wüste nicht zu kennen scheint. Auf S. 788
sagt er ganz richtig, dafs die Sahara kein ausgetrockneter Meeresboden
ist; auf S. 136 sehen wir aber auf einer kleinen Karte das Saharamcor
nach der Hypothese Ton Bourguignat, und Reclus bemerkt nur hierzu,
dafs „dieses Meer schon seit langem, wenigstens seit den ersten Zeiten
j der Miocänpeviode, ausgefroeknet ist“. Die Wüsten bi Idung wird nicht be-
friedigend erklärt: der Verfasser ist der Ansicht, dafs die Winde der Sahara
auf ihrem Wege durch ganz Europa ihren Feuchtigkeitsgehalt eingebüfst
haben. Ein flüchtiger Blick auf eine gut« Windkarte hatte ihn von der
Unrichtigkeit dieser Ansicht überzeugen können. Supam.
198. Reclus, Onesimc. La terre a vol cToiseau. Paris,
Hacliütto & Co., 1886.
Unter obigem Namen verbirgt sich eine populäre Länderkunde, in
welcher der Schwerpunkt auf den zahlreichen (616) schön ausgeführten,
wenn auch selten neuen Illustrationen liegt. Der Text ist recht dürftig,
man merkt es, dafs der Verfasser mit der Geschwindigkeit eine* Vogels
über die Länder liinfliegt. Er bemerkt einige auffallendo Einzelheiten, ver-
steht aber nicht , dieselben zu einem Gesamtbild zusammenzufaasen. Ein«
systematisch« Darstellung der physischen Verhältnisse sucht man eben*»
vergehen.*, wie des Zusammenhangs von Natur und Volk, ja nicht einmal
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Litteraturbericht Nr. 199 — 200.
51
wirtschaftliche Notizen. Dafür bietet der Verfasser Schilderungen der ver-
schiedenen Volkacbaraktere , natürlich — wie in den meisten derartigen
Fallen — stark »objektiv getobt. Außerdem macht »ich auch noch fran-
zösischer Chauvinismus unangenehm bemerkbar. Ks ist lächerlich, wenn
ein geschniegelter Leutnant mit ziemlich einfältigem Gesicht als deutscher
Typus hiogeetellt wird, oder wenn, um die Zahl der „Francophooen" zu
erhöhen, sämtliche Bewohner von Algier und Tonis als französisch sprechend
aufgeführt werden. Supan.
199. Löffler, Haandbog i Geographien. 3. Auf]. Kopen-
hagen. 1885.
Dos Buch verdient von methodischem Standpunkt besonders deshalb
unsre Aufmerksamkeit, weil der Verfasser der einzige akademische Vertreter
der Geographie in Dänemark ist. Wesentlich neue Gesichtspunkte haben
wir in demselben nicht gefunden. Das Buch zerfällt in einen allgemeinen
und einen speziellen Teil (Länderkunde), von denen der erste nicht ganz */7
des ganzen Werkes einnimmt. In der Länderkunde der außereuropäischen
Kontinente ist eine strenge Scheidung der physikalischen und politischen
Geographio vorgenomroen ; Kuropa wird dagegen in einzelne Gruppen zer-
legt, und bei jeder Gruppe zuerst die Bodenbeschaffenheit und das Klima
und dann die politiseho Geographie abgehandelt. Auf dio geognostischen
Verhältnisse wird nur ausnahmsweise mehr Rücksicht genommen. Die po-
litische Geographie besteht vorzugsweise in Städtebeschreibung ; der Ethno-
graphie und PToduktenkunde wird nur ein verhältnismäßig kleiner Raum
gegönnt. Auf die geographische Ijtge der Städte wird nicht eingegangen;
sie werden charakterisiert nach Handel, Industrie, Bauten u. dgl., und
auch die Mehrzahl der Illustrationen stellt denkwürdige Gebäude dar. Be-
kanntlich hot der Verfasser schon an einer andern Stelle (Ztschr. f. wiw.
GeogT. II. Bd.) die Beibehaltung des aus alter Zeit überkommenen Bädccker-
Anhingsels verteidigt. $ujx»n.
200. v. Richthofen, Führer für Forschungsreisendo. Berlin.
Oppenheim. 1886.
Wenn schon der, von demselben Yerfaastr herstammendc Artikel .Geo-
logie“ in Neomaytra .Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf
Reisen** eine lteihe allgemein wichtiger Bemerkungen enthielt, so gilt das
in noch viel hüherm Grade von dem vorliegenden Werke, das uns al» be-
deutende Erweiterung des oben genannten Artikels entgegentritt. Nament-
lich bemerkenswert sind dio vielfachen Versuche einer systematischen Ein-
teilung der Oberfliichenformen auf genetischer Grundlage, und die Einfüh-
rung charakteristischer Bezeichnungen für dineclben ; und außerdem ist es
von hohem Interesse, zu orfahren, wie eüi so hervorragender Vertreter der
geographischen Wissenschaft den brennenden theoretischen Tagesfragen eich
gegenüberstellt.
Der einleitende Teil bespricht die Reiaevorbereitung und die Kciso-
roethoden, Messung und Zeichnung, klimatische und biologische Beobach-
tungen. Wichtiger sind für uo» die beiden folgenden Abteilungen. Die
zweite enthält Beobachtungen über üufsorlich umgestaltende
Vorgänge. Hier sei zunächst auf die mechanischen Wirkungen des Grund-
wasser» aufmerksam gemacht. Durch Fortführung fester Bestandteile bei
genügendem Gefälle des Üruorfwa&ser» und Kachsinken der Oberflächen-
schichten entstehen wahrscheinlich die flachen Terrainwcllcn im Schwemm-
land, ebenso wie die LöCstcrraasen, dio der Verfasser früher durch Abson-
derung in horizontale Bänke zu erklären verauebt hatte. Sehr ausführlich
ist natürlich dus Kapitel über die mechanische Arbeit des fließenden Was-
sers, und von großem Interesse namentlich die Schilderung des „Kampfes
um die Wamerscheide“, der bedeutende Veränderungen im Entwässerungs-
system einer Gegend verursacht. Wichtig erscheint mir auch der Paasu»
über den Einfluß der Periodizität der WMtenntsso auf die Erosionsarbeit
und über die Wirkung heftiger Regengüsse in der Wüste; wichtig deshalb,
weil dadurch die Annahme gänzlich veränderter klimatischer Bedingungen
zur Erklärung der Wadis Ac. überflüssig wird, und die Annahme eines vom
jetzigen nur graduell verschiedenen Klimas als ausreichend erscheint. Die
Canonform wird noch al» die Thalform tTockner Gegenden betrachtet; vgL
dazu Litter.-Ber. Nr. 146. Daß der Verfasier ganz auf Seiten der Theorie
der Thalbilduog durch Erosion steht, erscheint heutzutage fast wie selbst-
verständlich, aber auch er gibt zu, daß Zerklüftung, besonder» bei erup-
tivem Granit und horizontalem Ȇckbankigcn Sandstein der Erosion be-
stimmte Wege vorgezeichnet haben kann. Die Eroaionaarbeit wird bis in ihre
Details verfolgt, und der Einfluß verschiedener äußerer Verhältnisse aus-
führlich erörtert. Namentlich zwei Punkte erregten unsre Aufmerksamkeit:
die Theorie von der „diagonalen Stromzerlegung**, die dadurch entsteht,
daß ein Fluß ein aus aufgerichteten hiirteru und weichem Schichten be-
stehendes System diagonal durchschneidet, wobei er das Bestreben bat, in
den weichem Schichten möglichst lange zu verharren und die harten Schich-
ten auf möglichst kurzem Wege zu durchqueren, und somit ein aus kurzen
Läng»- und Querstrecken bestehende« Thal schafft ; — und femcT die Theorie
Ton der „epigtmcttschen" Thalbildung. Auf dem Abrasionsplateau ist das
Querthal die vorherrschende Form, die Löngsthüler sind meist antiklinal.
Die transgTedierenden Schichten eint« Abnuioosplateaus können eine schiefe
Ebene bilden, während die verborgene Oberfläche des letztem »ehr unregel-
mäßig sein kann; indem nun ein Fluß, dem Gefalle der erstem folgend»
bis in da* Abrasionsplateau eingreift, und die Sedimentdecke ganz oder zum
größten Teil der Denudation anheimfallt , kann ein Thalsystem entstehen,
das mit der gegenwärtigen ObcrfUchengestaltung im Widerspruch zu stehen
scheint. Es können dann auch noch Sehiehtenstörangen stattflnden, aber
io langsam, daß der Fluß nicht abgelenkt wird ; und der Yerfoaer ist ge-
neigt, manche Durchbruchthäler, wie z. B. jene des Himalayu, durch epi-
genetische Bildung zu erklären. Die Querstufen der Gebirgttbäler teüt er
ein in 1) Gestciawtufen, bedingt durch den Wechsel härterer und weicherer
Gesteine in Krosionsthälern , 2) Dzromstafen, durch stauende Wälle ent-
standen, und 3) Ablenkungsstufen, erzeugt durch eine Änderung der Ge-
fiUlsverhältniase , wodurch eine Absturzstrecke geschaffen wird (x. B. der
Absturz eine« Ncbentlialos in das in der Erosion fortgeschrittenere Haupt-
thal). Queratufen, die »ich in entsprechender Höhe als Längsstufen (Ter-
rassen) fortsetxcn, bezeichnet er al» Stromheckenstufen.
Der Verfasser bekennt »ich auch zur Theorie von der üieUchererosion,
aber mit Einschränkungen. Die wichtigste Einschränkung ist aber nicht
genügend klargelegt. Die Erosionsarbeit de» fließenden Wasser» besteht
au» Ablation („Uxffüauog gelockerter fester Stoffe durch die Kraft
de» Wassers allein“, S. 135) und Korrosion (Reibung der suspendierten
Teile gegen die Wände des Kanals). Auch bei der Glctschcrerosion werden
diese beiden Faktoren unterschieden, aber unter Ablation versteht hier der
Verfasser die „Fortscbatfung des von dem Gletscher Vorgefundenen
außerordentlich bedeutenden Bestandes un gelockertem Material“ (S. 243),
also mit einem Wort: die Ablation besteht bei dem Flusse in Loslösung,
beim Gletscher nur in Fortschaffung. Es erklärt sich daraus, daß der Ver-
fasser bei der aashöhlenden Tbätigkeit der Gletscher immer nur von Kor-
rosion, nicht von Erosion spricht. Als Hauptbestandteil der Grundmo-
Tunen der diluvialen Gletscher muß er demnach den präglszialen Vorwitte-
ruugsachutt betrachten. In bezug auf das Problem der Seebildung durch
Gletscher gelangt er zu folgendeu Schlüssen : 1) Gletscher vermögen See-
becken in lockerm Schutt au*zngraben; 2) sie vermögen dies aber auch
im festen Gestein (besonders infolge der Unterschiede de» Druckes, den
sie auf eino unregelmäßig gestaltete Neigungsfläche aasüben), ober der Ver-
fasser neigt zu der Ansicht hin, daß die dadurch entstandenen Becken nur
relstir flache Mulden sein können, aufser dort, wo Veranlassung zu einor
rotiercudeu Bewegung des Eises gegeben war (kleine, aber tieß runde See-
becken). In bezug auf die Felsenbecken ehemals vergletscherter Fischland-
gebiete hält er noch an der Theorie Pumpellys fost. Auch dio Entstehung
der „Kesselböden“ des Hochgebirges (Botner, Kare A*c.) setzt er in gene-
tische Verbindung mit der Vergletscherung und führt sie hypothetisch zu-
rück auf „örtliche Verschiedenheit in der Intensität und Richtung der Kor-
ration infolge von Unterschieden des Druckes and der Bewegung*.
Die Seen werden eingeteilt in 1) Schuttlandbecken (entstanden durch
unebene Ablagerung) , 2) Abdiraraungsbecken (Abdämmung von fließendem
Wasser), 3) Abgliederongsbecken (Abschnürung von Meeresbuchten und Teilen
von Landseen), 4) Ausräumungsbecken (Aushöhlung durch von außen wir-
kende Agentien), 5) Kxplorionsbecken (Entstehung «ine» Kingwalle» durch
vulkanische Thätigkeit), 6) Einbruchsbecken (örtliche Entziehung der Unter-
lage), 7) tektonische Becken (Entstehung durch gebirgabildcnde Vorgänge),
leb habe schon wiederholt, zuletzt im Litter.-Ber. Nr. 59, darauf hingo-
wiesen, daß dio Abgliedcrungsbccken nicht als gleichwertig den andern Kate-
gorien an die Seite gestellt werden dürfen. Von don kleinem Becken trennt
der Verfasser die ausgedehnten Hohlräume des Featlonde«, die er aß Becken
der kontinentalen Gliederung bezeichnet, obwohl «ine solche Trennung, wie
er selbst zugibt, nur aus äußern, gewissermaßen didaktischen Gründen zu
rechtfertigeu ist. Hs werden hier wieder unterschieden : 1) Meer«re»te
im Binnenland, 2) Zentralbecken der Kontinente, entweder auf Hochflächen
oder Depressionen zwischen Hochlandgebieten. Mit wenigen Ausnahmen
treten die Seen gesellig auf, und zwar an Ktistenstrecken , in Flußniede-
rungen, in Pultungflgcbirgcn, in Bruchgebieten, in vulkanischen Gegenden,
in Gebieten ehemaliger Vergletscherung, und endlich in abflußlosen Räumen
im Innern der Kontinente.
Eins der lehrreichsten Kapitel de» Buche» ist jenes, welches von den
Küstenbildungen handelt, also von einem Gegenstand, dem mtn bis-
her noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Die Küsteulinien »tehen
entweder in intimen Beziehungen zur Plastik des Festlandes, oder sie sind
davon unabhängig. Die erstem verlaufen entweder parallel zu dem näch*t-
gclegcnen Gebirge (Längsküsten), oder schneiden dasselbe unter einem rech-
52
Litteraturbericht Nr. 201.
tcn oder spitzen Winkel (Quer- oder Tramvcrsalküsten). Vom praktischen
Standpunkt aus sind dio LingakÜsten sh Absperrung* und die Querküsten
als Aufschliefsungsktisten zu betrachten. Genetisch stehen die Längsküsten
in Verbindung mit Verwerfungen sn Lüngabrüchen, die Querküston zum Teil
mit solchen an Querbrüchen. zum Teil sind sie aber eine einfache Abra-
siouserachoinung. Kino ü bergangast clluog nehmen die Bcckenrandküstcn
an der Innenseite ron Faltengebirgen ein. Ohne Beziehung zürn Verlauf
ton Gebirgen sind die neutralen Hochkürten oder Schollenküxtcn (*. B. Süd-
afrikas) und die weit sich ausdehnenden Bchweramlandküaten. In bezug auf
die Dctailgliederung unterscheidet der Verfasser Typen, welche auf dem Kin-
gTcifen des Meeres in die Tbüler beruhen, und solche, welche auf dem An-
satz von Schwemmland beruhen. Zu den erstem zählt er die Fjorde, Rias, den
dalmatinischen Typus, die Limine &c. Es ist dies eine Vermittelungstheorie
zwischen der ältem Anschauung, welche die Fjorde streng ton allen ihn* |
liehen Erscheinungen an nicht glazialen Küsten trennt, und derjenigen, die
alle jene Gestaltungen als gleichartig betrachtet. Sicherlich wird die Ver-
gletscherung auf die Form der Küsten einwirken, aber man mag theoretisch
noefy so sebarfo Unterschiede aufstellen, in der Natur werden sieh jene
Typen doch nicht immer auseinanderhalten lassen. Sehr bemerkenswert
ist auch der Versuch einer morphologischen Einteilung der Seehäfen. Ein-
gehend ist die Schilderung der mechanischen Wirkung der Brandungswelle
und Meere*«tröm ungen, namentlich des Vorgang«, den der Verfasser schon
in »einem China-Werk als Abrasion bezeichnet lut, und der damit in Ver-
bindung stehenden transgredierrndm Ablagerung der Zerstöningsprodukt«.
Die Inseln werden nach geologischen Gesichtspunkten eingeteilt in
Kontincutalinselu (Teile des Grundhaucs der Krdoborlliche) , parasitische
Inseln (vulkanische und korallinuche) und Schwemmmselti. Bei der Re-
konstruktion der Eutwickelungsgcsehichte einer Insel werden sich ober wohl
auch die biologischen Gesichtspunkte nicht auwhliefsen lassen. Die oben
genannten Hauptgruppen reichen wohl im grofsen uud ganzen aus; dals
aber die Untereinteilung noch der Klärung bedarf, geht schon daraus her-
vor, dnf* Jn|xan den sclhstiimligen, wie den uunelbttündigcri Kontincntalinsetn
zugezählt wird. Das Kapitel Uber die Korallenbauten bringt mancherlei Neues.
Die Existenz eines tlachcn unterseeischen AufscliüttungskegeU wird als not-
wendig dnrgetban, wenn auch die mangelhaften Beobachtungen damit nicht
Ubereinstimmen. Der Verfasser neigt der Darwinschen Theorie zu, will
aber »Ult „Senkung- den allgemeineren Ausdruck „Zunahme des Vertikal-
absUndos zwischen Obertliche und llodon des Meeres** gesetzt haben.
Die allmähliche Abdachung des Meeresbodens an der Küste bis zur
200 m -Linie, und der dann folgende raschere Abfall wird dadurch erklärt,
dafs jene Flachboden Gebiete der Ablagerung sind, und dafs die Uniloge-
rungslÜhigkeit der Meereswellen sich bis 200 m 'IWo erstreckt.
Von besonderra Interes«« sind da* Kapitel über die mechaui»eheu Wir-
kungen des Windes, den bekanntlich der Verfasacr zuerst als einen hoch
bedeutsamen geologischen Faktor klar erkannt hat, und jene* über dio Boden-
arten, ihre Entstehung und Verbreitung, das die fruchtbarsten Keime einer
geographischen Bodenkunde enthält. Auch in diesem Funkte hat dor Ver-
fasser schon in »einem China-Werk bahnbrechend gewirkt, aber auch dieser
Gegenstand wird in vorliegender Schrift wesentlich gefördert.
Das 16* Kapitel enthält den Versuch einer möglichst vollständigen
Systematik der Bodenformen von genetischem Standpunkte aus.
Unter den Hohlfonneu der Gebirgsglioderung unterscheidet der Vertaner
Laudxenken und Thälcr, und unter den letztem wieder tektonische und
Sknlpturthälor (reine Erosiouathäler). In der Detailgliederung schliefst er
sich vielfach an Löwl an, ersetzt aber dessen hypergelehrte Terminologie
durch eine verständlichere. Die Hauptkategorien der ObcrHSchonformon
sind nach seinem System folgende;
I. Gebirge.
1. Tektonische Gebirge;
a. Bruch- oder Schollongobirge;
a) Einseitige Schollengebirge oder Schollcnrandgobirgc , Abart
das Flexurgebirge ;
ft) Horstgebirge ;
b. Faltungsgebirge;
a) horoooroorphischc mit zonalem (z. B. Schweizer Jura) oder
regionalem Typus (südöstliches China);
ft) hetromorphische (z. B. Alpen, Karpathen &c.);
2. Abrasion»- oder Rumpfgebirge;
3. Aufgesetzte oder parasitische Gebirge;
a. Ausbruchsgebirge;
b. Aufcehüttungsgobirge (DUneo, Glazialschutt 4cc.);
4. Krosionsgebirge (aus Flachböden hervorgegangen).
H. Klachboden: 1) Ahrasionsplatten, 2) Marine Flachländer, 3) Schichtung*-
tafellund, 4) (vulkanische) f'bergufstafelländer , 5) Stromflachland,
C) Flachbödeu der atmosphärischen Aufschüttung.
Wie man sieht, ist der genetische Gesichtspunkt nicht überall als der
allein mafsgebende festgehalton worden, sonst miifst«*n AbntMon«pl*tten nicht
so weit von den Rumpfgebirgen getrennt werden ; wieder ein Beweis dafür,
dafs der Geograph mit dem genetischen Standpunkt allein nicht nusreicht.
Zu beachten ist ouch , dafs manche Gebirge sowohl zur Kategorie 1* wie
2 gehören, ferner, dafs einzelne Teile eines Gebirges zu verschiedenen Kate-
gorien gehören können. Auch dio Elemente de* äuforn Gebinrabauea, wie
die Kämme, Wasserscheiden, Pässe und Übergänge versucht der Verfasser
in ein foetos System zu bringen, und macht damit die Ergebnisse seiner
Studien, zu welchen ihm die akademische Lehrthätigkeit nötigte, weitem
Kreisen zugänglich. Man kann ihm dafür nicht genug dankbar «ein.
Supan.
201, de Lapparent, Traite de geologie, 2ra® ed. Paris,
Savy. 1885.
Nachdem erst Ende 1882 die erste, 3000 Exemplare starke Auflage
des genannten Werk« als ein Teil des bei Savy in Paris verlegten ^Coura
complet d'histoire naturelle** erschienen, liegt bereit« jetzt nach Verlauf
von drei Jahren eine zweite, von 1261 auf 1504 Beiten vermehrte, viel-
fach unbearbeitete Auflage vor. Bicher beweist schon das für ein Werk
von solchem Umfang ungewöhnlich schnelle Vergriffensein der ersten Auf-
lage , wie »ehr ein solches Ruch Bedürfnis in der französischen Fach-
Literatur war, und zugleich, wie richtig der Autor seine Aufgabe erfafst,
wia vortrefflich er sie gelöst; allein auch in der Bibliothek deutscher Geo-
logen und Geographen renitent das Work Lapparent* einen Platz recht
bequem zur Hand, und wird selbst durch längst bewährte Lehrbücher wie
Uredners „Elemente" nicht ontbehrlich gemocht.
Die ganze Anlage ist eine umfassendere als bei allen Ihnlichco Wer-
ken ; hier haben wir eine allgemeine Erdkunde im weitesten Sinne des
Wortes; behandelt doch dor gesamte erste Teil (S. 31 — 559) au**chliefslich
dio gegenwärtigen Verhältnisse der Erde, und ent nachdem hier die ein-
zelnen Phänomene und ihre Faktoren bis ins Detail studiert sind , wendet
sich der Verfasser dor Erdgeschichte, der „eigentlichen Geologie* zu. Zahl-
reiche Hinweise verknüpfen beide Teile zu einem Ganzen. Dor :iu (ser-
ordentliche didaktische Wert dieser Anordnung liegt offen zu Tage, doch
sei hier uocli besonders auf das hingewtesen, was der Verfasser in der
Einleitung in seiner aufscrordentlich klaren, treffenden Weise über die Methode
der Uoologie sagt. Wir geben zunächst eine kurze Cbersicht über die ge-
samte Anordnung des Stoffe*.
Die Einleitung (1 — ,10) behandelt Begriff, geschichtliche Eutwicke-
lung und Methode der Geologie, ihre Beziehungen zu andern Gebieten des
Wissens und des praktischen Lebens.
Erster Teil: I. Buch: Morphologie terrestre (31—140). Die
Erde als Himmelskörper, ihre Gestalt und Dimensionen, ihre Dichtigkeit
und die Methoden zur Bestimmung derselben; die Atmosphäre, Verteilung
von Land und Wasser; Relief der Kontinente und de« Meeresgrundes,
Eigentümlichkeiten desselben, allgemeine Sätze darüber. Verteilung
der Wirme auf der Erde, Isothermen, Winde, Meerestemperaturvn , Strö-
mungen Are.; Erdmagnetismus; Verteilung des organischen Lebens.
II. Buch: Dynamique terrestre externe (141—342). Mechani-
sche Wirkungen der Atmosphäre ; des Meeres; des fliehenden Wassers
(57 Seiten); des unterirdischen Wassers; des Eises (62 Seiten) als Glet-
scher, Polaren, Klufxcix &c., Theorien über Fjord-, Seen- und Zirkusbil-
dung. Chemische Veränderungen d« Meerwaum und grober Seen,
Salzgehalt: chemische Wirkungen des Wassers auf dem festen lande.
Thätigkcit der Organismen auf deru Lande: im Meere, Korallen und Ko-
ralleninseln (24 Seiten).
III. Buch: Dynamique terrestre interne (383 — 559). Aus-
führliche Darstellung der geothermischen Verhältnisse und der einschlägigen
Bcobachtungsmethoden ; warme Miuernli}uelleD mit Ausschluß der Ocuirs.
— — Vulkanische Erscheinungen, Entstehung der Vulkaue, ihre Verbrei-
tung dcc. — — Solfataren , Geisir*. heifac Quellen vulkanischer Natur
und Mofctten. Dislokationserscheinungen : Erdbeben, Methoden dcT
Untersuchung Uber dieselben, ihre Verbreitung und ihre Ursachen; säku-
lare Niveauveranderungen, Beobachtung der Erscheinungen, Strandlinien,
Interpretation der Beobachtungen.
Zweiter Teil: Eigentliche Geologie. I. Buch: Sutions fonda -
mentales nur la composition de tVcorce terrestre (564 — 679).
Hier wird zuerst eine Übersicht über dio Petrographie der Eruptivgesteine
gegeben, ein Anhang behandelt die Meteoriten, dann wird das Grundgebirge
besprochen, in welchem Lapparent die ursprüngliche Erat&rrung&rinde der
Erde sehen zu müssen glaubt.
II. Buch: Description des formations d' origine externe ou
Si’dimnitaircs. Hier werden der .«yslematiscben Behandlung der einzel-
nen (680— 1284) Formationen zahlreiche Einzeldarstellungen über ihre
v
Litteraturbericht Nr. 202 — 205.
53
Verbreitung (zunächst natürlich in Frankreich) eingereiht: auf eine ein-
gehendere Inhaltsangabe diese« überaus reichhaltigen Buche« mn(s jedoch
hier verzichtet werden.
111 Buch: Formation« d 'origine interne ou Eruptives (1285
bi« 1390). Darstellung der wichtigsten Kruptivbildungen. Krzlager-
« lütten.
IV. Buch: Dislocatiom du globcet throrie« geogrnigue« (1391
bb 1473). Dislokationen im allgemeinen; Alpen nnd Jura, andre Beispiele
zuniiehst au« Frankreich, dann aui andern Landern. Gebirgsbüdungsthco-
rien. — — Pentagonalsystem ftlie de Beanmonts; Tet mode rarstem Low-
thian üreen's; Veränderungen der klimatischen Verhältnisse und ihre Ur-
sachen; geologische Zeitbestimmungen.
Ein Register, welche« unter ca 4000 Stichworten mehr als die dop-
pelte Zahl ron Hinweisen entliilt, erleichtert wesentlich die Benutzung
des Buchet.
Von besonderen Interesse für den Geographen ist die rnn 1 parent mit
größter Sorgfalt durchgeführte Neuberechnung der mlttlern Hohen
der Kontinente. Zum Zwecke dieser Berechnung, die sieb auf die Karten
des Stielerwhen Handatlas und auf die Arbeiten ron Sjdow und Leraaseur stützt,
werden zunächst fünf Häbensonen unterschieden: 0—2OO m, 200 — 500,
500 — 1000, 1000—2000, Uber 2000. Die mittlcm Hohen der rier ersten
Zonen werden angenommen sn 1O0, 300 , 700, 1300 und die der letzten
je nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu 2000, 2500 oder 3000 m.
Dem aus diesen Mittclbohen erhaltonon Resultat wird jedesmal noch ein
Minimalwert gegenübergeetellt , dadurch gewonnen, dafs jeder Zone, mit
Ausnahme der ersten, nur die Höhe ihrer untern Grenz« gegeben wird.
Die Resultate, zu denen Lappareut kommt, und denen wir zur Ver-
gleichung die Ton Krümmel gegebenen Zahlen (I.apparent zitiert für die-
selben Andreei Handatlas) gegenüberstellen, sind folgende:
Mittler«' Höhe
au» den
Mit ol- J Minimal*
höben. [ höben.
Pror-ent
de«
Fest-
lande«.
Höhe der Ober die
Geuatntfiäche de« Fest-
land*» autgehreiteten
Masse des Kontinent«
aus den
Mittel- 1 Minimal-
höben. { höhen.
KrflmmeU
Schätzung.
i
Europa . .
292,0 I 228.0
7
20,7
16,0
3001)
Asien . .
879,0 662,0
32
281,0
212,0
500
Afrika . .
602,o 453,0
21,4
130,0
98,0
500
Nordamerika
595,0 454,0
20
120,0
89.0
j 410
Südamerika
537,4 397,4
13,4
72,4
54,0
Australien .
| 277,0
ß
22,0
17,0
250
I
100
646,7
480,0
440
Pür die Ausdehnung der einzelnen Zonen ergeben sich folgende Pro-
zentzahlen :
tost-
Europa Asien Afrika Nord- Mit}- Auatra- Und
emprika amnptka Ken tlliar- .... V*
haupt ,läch0
40.4 32,0 8,0
87,0 19,0 5,0
14.4 28,0 7,4
7.0 16,0 4,3
1.0 5,0 l.a
26,7 ~
Die mittlere Meerestiefe wird nach einer ziemlich oberflächlichen
Schatzung zu 4000 m angenommen. RoArbocA.
202. Neumayr, Die geographische Verbreitung der Jura-
formation. (Denkschr. Wien. Akad. d. Wiss., Math.-
nat. Abteil., 1885, Bd. L. I. Abt. S. 57, mit
2 Karten.)
Ks ist hier zum erstenmal der Versuch gemacht worden, die Verbreitung
einer Formation Uber die ganze Erde tu verfolgen; und wenn auch
eelbetreratändlich einem derartigen Versuch noch viel Hypothetisches an-
haftet, ao ist er doch immerhin fiir die Entwicklungsgeschichte der Erd-
oberfläche aufsernnlnntlich wertvoll. Die erste Karte stellt die Verteilung
von Wasser und Land zur Zeit der gröfsten Mceresausdehnung (oberer
Jura) mit der klimatischen Zoneneinteilung dar, die andere zeigt In drei
Farben diejenigen Teile der Kontinente, welche während der ganzen Jura-
periode Festland waren , diejenigen , welche schon zur Liaszeit vom Meere
bedeckt waren, und endlich diejenigen, in welche da» Meer erst in der
Malmperiode eindrang. Zwei Resultate von allgemeiner Wichtigkeit ergehen
>) abgerundet aus l^ipolds 296,64.
Fetcrmanna Geogr. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bericht.
sich daraus. 1) Die Ansicht von der Permanenz der Kontinente und
Meeresbecken ist unrichtig. Die Malmperiode hatte Festländer vorwiegend
in den raittlern Breiten: brasilianisch -äthiopischer Kontinent mit der
indo-raadagasaisehen Halbinsel, und sinn • australischer Kontinent ln den
hohem nördlichen Breiten nur der neoarktische Kontinent (westliches Nord-
amerika, Grönland nnd bis Island und Körner) und an der Stelle von
Europa und dem benachbarten Asien mehrere Inseln, von denen die skan-
dinavische und turaniache die gröfsten waren. Der Atlantische Ozean
ezistiert« noch nicht; dafür zog sich aber ein breiter Meeresarm (zentrales
Mittelmoer) vom Pocifiscben Ozean über Zentralamerika, Mittel- und Süd-
europa und Vonlerasien zur indischen Bucht des Antarktischen Ozeans.
2) Die Lehre, dafs die Klimaänderungen nur eine Folge von Änderungen
in der Verteilung von Wasser und Land sind, wird nicht bestätigt, da
die grofse Transgression des Malm in den nördlichen Breiten ohne
Eintlufs auf die (klimatisch bedingte) Verbreitung verschiedener Meeree-
bewohner blieb. Aüpon.
203. Löwl, Die Ursache der säkularen Verschiebungen der
Strandlinie. Prag, Dorainicus, 1886.
Den beiden bestehenden Theorien, von denen die eine die Verschiebungen
der Strandlinie kontinentalen Hebungen (die jetzt, sofern sie nicht mit
Faltung in Verbindung «teilen, von der Mehrzahl der Forscher dir unmög-
lich erklärt worden) und Senkungen, die andre Schwankungen des Meeres-
spiegels zuschreibt, gesellt nun der Verfasser eine dritte hinzu, welche auf
der immer mehr sich klärenden Erkenntnis von der Wichtigkeit der Ver-
werfungen oder Einbrüche gröfserer und kleinerer Scholien entlang von
Bruchspalten basiert. Dieser Theorie zufolge sind die Verschiebungen der
Strandlinie bedingt durch die fortgesetzten Einbrüche der Meeresräume
(vgl. dazu in Litt.-Ber. 1885, Nr. 89, die Bemerkung vou Sueis über
das Auftauchen von Tafelländern infolge von solchen Einbrüchen). Die
nächste Folge davon wäre ein allgemeiner Rückzug de« Meeres von den
Küsten, wenn nicht die Randspalten örtlich in da« Festland eingriffen,
und das Verhalten der KUalenachotten nicht je nach dem Betrag ihrer
Senkung bald eine stationäre I-agn der Strandlinie, bald sogar eine positive
Verschiebung derselben verursachen würde. Leider ist die Grundlage der
ganzen Theorie, die Lehre von der fortgesetzten Senkung der Meeres-
becken, noch nieht vSIlig gesichert; sie beruht nicht auf Beobachtung,
sondern ist aus gewissen theoretischen Anschauungen hervorgegangeu und
kann mit diesen wieder verschwinden. Aber immerhin wird Löwl« Theorie
ihren Platz in der Wissenschaft behaupten ; man mufa e« ihr n&clisagen,
daf« sie gerade Tür dasjenige Moment eine Erklärung gibt, welche« bi«her
so rätselhaft erschien, nämlich das ungleiche Verhalten benachbarter Küsten-
strecken and Inseln, welche als Horste anfgefafsl werden. Nur darf man
sich ihr nieht sogleich als einer alleinseligmachenden Theorie vertrauuugs-
voU in die Arme werfen, vielmehr wird ihre Anwendbarkeit in jedem einzelnen
Falle durch eingehende geologische Untersuchungen zu erweisen sein.
Supan.
204. Winchell, Sources of Trend and Crustal Surplusage
in Mountain Structures. (Amer. Journ. Sc. 1885,
Bd. XXX, S. 417.)
Der Verfasser ist der Ansicht, dafs di# ältesten Gebirge und Fest-
Undslinien eine meridiontle Richtung benafsen, und sucht den Gzund hierfür
einerseits in der Tidenbewogung in den frühesten Perioden der Rinden*
bildung, anderseits in der Abnahme des Äquatorialumfangs (vgl. Litt.-Ber.
Nr. 11). Supan.
205. Becker, G. P., The geometricftl form of volcanic cones
and tho olaatic limit of lava. (Amor. Journ. of Sc»
1885, Bd. XXX, S. 283.)
Io jedem horizontalen Querschnitt eine« rulkaniachcn Kegel* darf der
auf die Flächeneinheit entfallende Druck der darüber liegenden Maste
nirgends die Elastizitätsgrenze überschreiten, wenn nieht eine allmähliche
Deformation cintreten soll. Dadurch iat flir die Steilheit der Gehänge eine
obere Grenze gegeben. Infolge der fortgesetzt am obern Ende erfolgenden
Aufschüttung könnte diese Greozfonn, meint der Verfaßter, unter günstigen
Umständen wirklich erreicht werden. Eine einfache Berechnung ergibt
als solche eine unendlich hohe logarithraache Säule, dio durch Umdrehung
einer logarith mischen Kurze (y = e *) ura ihre vertikalo Axe (y so) ent-
2 x
steht. AU lüngeneinheit flir x und r dient dabei die länge c = — -♦
wobei x die Grenze der Druckel«utiz!t<it , ^ die Masse der \ olumeneinheit
dw den Vulkan xusaruraeneetxenden Gestein* bezeichnet. Dafs die Säule
i
0 — 200
60.»
27,0
18.0
33,0
45,0
200— 500
24,0
10,0
20,0
24,4
20,0
500—1000
10,0
31,0
47,0
20,4
17,4
1000—2000
5,0
22,6
14,0
17,®
12,4
über 2000
1,0
9,6
1,0
5,0
5.0
54
Litteraturbericht Nr. 206—211
«ine unendliche Höhe besitzt, zeigt an, dafs der oberste Teil dea Berg«
ton der ermittelten theoretischen Form wesentlich abweichen reufa. Die»
ist indessen ton vornherein tu erwarten, da für die Gestalt des Vulkan-
kegcls noch manche andere Faktoren maßgebend sind, welche gerade an
den obere steilsten Böschungen am meiatrn zur Geltung kommen. Der
Verfasser wird jedoch durch diesen Umstand veranlagt, die Lösung y= e 1
Oberhaupt für unmöglich tu erklären und an Stelle derselben eine andro
aufiusucben, bei welcher der Druck an jeder Stelle de» Innern der
Elastiiitätsgrenze möglichst naho kommen soll. Eigentlich müsste ihn dies
wieder auf die soeben verworfene Lösung führen ; durch eine mathematisch
nicht gant einwurfsfreie Deduktion 6ndct er statt dessen j = ^e 1 e*^.
Hiermit vergleicht er nun die Form einiger bekannten sehr regelmüfsig
gebauten Vnlkane (Fusiyama, Komagatako, ML Shasta, Mt Hood, Popo-
catepetl, Sogar Loaf). Er findet bei passender Wahl der Längeneinheit
ein« in der That recht gute Übereinstimmung. Nur die obersten abge-
rundeten Teile weichen von der theoretischen Form ab. Für dio Richtig-
keit der letztere liegt indessen in dieser Übereinstimmung kein Beweis;
— a
die einfachere Gleichung jr = e gibt die wirklich beobachteten Formen
ebenso gut wieder. Für die weitere Betrachtungen, die der Verfasser an
die gewonnenen Ergebnisse anschliefst, ist die Inkorrektheit der obigen
x
Gleichung übrigens unerheblich, da der Term e nur in der Kühe des
— x
Gipfels einen im Verhältnis zu e merklichen Wert besitzt. Insbesondere
wird die Bestimmung der Elastizitätsgrenze z (n j e p), aus den ermittelten
Werten ton e, dadurch kaum berührt. Di« für x gefundenen Zahlen,
welche allerdings mit Rücksicht auf die der ganzen Untersuchung zu Grunde
liegende Voraussetiung nur als untere Grenzen gelten dürfen, Bibern sieh
in der That den durch direkte Messung ermittelten Werten genügend, um
eine Bestätigung der Theorie liefern zu können. .VÖriML
20C. Milne, Seismic Experiments. (Transact ions Seisniolog.
Soc. of Japan, 1885. Bd. VIII, S. 1.)
Die Versuche wurden 1881 — 83 in der Nähe ton Tokio teils mittel«
Sprengstoffen, teils dadurch, dafs man schwere Gewichte aus verschiedenen
Höhen auf den Boden fallen lief« , »gestellt. Hügel erwiesen sich als
schwache, Hohlräume aber als starke Hindernisse der Fortpflanzung der
Bodenbewegung. Nur im lockere Boden wurden Bewegungen von merk-
barer Größe erzeugt; im feuchten Boden dauerte die Bewegung länger,
als in trocknen). Die Seismographen (Kurvenzeiehner) brachten eine
doppelte Bewegung zur Darstellung : eine zur Fortpflanzrichtung normale
und eine transversale. Die Eigentümlichkeiten derselben werden eingehend
besprochen und durch Diagramme erläutert ; da die letztere zum Verständ-
nis wesentlich sind , mufs auf das Original verwiesen werden.
$ujKzn.
207. Le Conto, Earthequake-shocks roore violent ou the
aurfuco thon in reine«. (Science, 1885. Bd. VI,
S. 540.)
Für genanntes l’binomen arird folgende, auch vom Verfaarcr nur als
hypothetisch betrachtete Erklärung gegeben. Die vom Erdbebenscntrura
ausgehenden Wellen brechen sieh an der Erdoberfläche. Sobald sie nun
dieselbe unter einem spitzen Winkel treffen, müssen sie nach dem Gesetz
von Airr als kräftige Wellen entlang dem Hindernis;« und unmittelbar
an demselben «ich weiterbewegen, wäbrend die tiefem Schichten Verhältnis-
mäfsig ruhig bleiben. Swjxm.
208. Plantamour, Des mouvements periodiquos du sol
accuses par les niveaux h bullo d’air. (Archives des
Sciences, Genf 1885. Bd. XIV, S. 443.)
Dar Jahr 188.r> hatte nichte Besonderes aufzuweisen. Wie immer,
waren die Bodenschwankungen den mittlere Lufttemperaturen parallel.
Ausnahmen boten allein die NS. Schwankungen , hauptsächlich für zufällig«
Tcmperaturitadcruogrn io einer und derselben Jahreszeit Di« Südseite der
Niveaumesser sinkt Im Winter und wild im Sommer allmählich gehoben,
parallel dem allgemeines Temperuturgang.
Um den lg. Oktober 1881, sowie im ganzen Juni 1888 und um den
SB. September 1885 wurde ein Gegenaatz zwischen Boden- und Temperatur-
Schwankungen beobachtet. Diese Anomalie, welche jedoch nie im Osten
■lattfand, vermsg der Verfasser nicht su erklären. Die Bodenbewegungen
finden immer etwas später statt, als die Würmcschwankungen. So wurde
das letzte Jahr das Maxitnslsinken der Ostseite mehr denn vier Monate später
wahrgenommen als jenes der Temperatur. Während der letzten »eben
Jahre bitte der Ost eine allgemeine Tendenz zu zinken; nur im ersten
und im vierten stieg er ein wenig.
Was den Süden anbelangt, so fällt mit einer starken Steigung des
Bodens du plötslicbe Sinken der Temperatur am 28. September 1885 zu-
sammen; darin besteht die Anomalie. Darauf gestützt, betrachtet der
Verfasser dieses Maximum nicht als du jährliche, denn es folgt nicht sos
einet sllmähiiehen Ternperatursteigung im Sommer, die ihren Höhepunkt
erreicht hätte, sondere im Gegenteil aus einer plötzlichen Erkältung, als
die Südseite sieh schon seit mehr als einem Monate in einer Senkungs-
Periode befand. HaütarA.
209. Ravenstein, On Batlry - liypsographical Map«. (Proc.
R. Geogr. Soc. London 1886. Bd. VIII, S. 21,
mit Kartanbeilagen.)
Die H6hcniuigab*n der englischen Generalstabskarten und die Tiefen*
angaben der Adrniraiitütsk&rten beziehen sieh auf verschiedene Nullpunkte:
jene auf oin ideales mittleres Mceresnivesu, dieses auf das normale Niedrig*
nwr an dem betreffenden Orte, wo dio Messung vorgenommen wurde.
Die Different kann stellenweise ziemlich betriehtlich sein, und es wird der
Vorschlag gemacht, eine neuo hfpeobethometrische Karte mit gemeinsamem
Nullpunkt tu entwerfen, zu welchem Zwecke vorerst systcmstiiehe Tiden-
beobachtoogcn angestellt werden müssen. Supan .
210. Zenger, Die Meteorologie der Sonne und ihres
System«. Wien, Hartleben 1886.
Durch zehn Jahre avztematiseh fortgesetzte photographische Aufnahmen
der Sonnenseheib« zeigten, daß letztere bei starken atmosphärischen und
magnetisch«) Störungen von rasch wechselnden weiften Gebilden umgeben
ist. Es wird engenommen, dafs diese Gebilde atmoephäriachen Wirbeln in
den obersten Schichten, die allmählich zur Erde hernbsteigen , ihre Ent-
stehung verdanken ; es wird ferner auf Grund eines bekannten Kzperiracntes
angenommen, dafs dio gedachten Wirbel durch elektrische Entladungen,
die aus dem Himmelaraum kommen, entstehen, nnd dafs diese wieder mit
Störungen in der Photo- und Chroraosphäre in genetischer Verbindung
stehen. Das letztere sucht der Verfasser durch die Beobachtungen im
Jahre 1883 zu beweisen (paralleler Gang irdischer und solarer Störung»).
Es wird hierauf der Versuch gemacht, ntchzuweiaen, data die magnetischen,
atmosphärischen und endogenen Störungen (Erdbeben und Vulkanausbrüche)
eine Periodizität zeigen, welche mehr oder weniger mit der Dauer einer
halben Sonnenrotation ( 12,« Tag«) zusammenßillt ; es mufs «her hervor-
gehoben werden, dafs einerseits das statistische Material dürftig ist, ander-
seits in der Kombination der Zahlen Willkür herrscht. Ein Beispiel möge
genügen. Süditalienische Erdbeben kamen im Monat Jannnr vor: am 9.
(in den Jahren 1639 und 1826). am 19- (im Jahre 1873) und 22. (im
Jahre 1842). Daraus worden kombiniert als mittlere Erdbebentage des
Januar, der 9. und 20, a, woraus sich ein Intervall von lli lägen ergibt.
Ebenso wenig beweiskräftig ist die Zusammenstellung aller Störung»
der Atmosphäre und de« Erdinnere für da« Jahr 1885, die auffallend an
die Tabellen Falbs erinnert. In beiden Fällen wird es als gleichgültig be-
trachtet, ob die Störungen mehrere läge vor oder nach der theoretisch
besliruraten Epoche fallen ; und da bekanntlich Störungen aufserordentlieh
häufig sind, so läfit sieh, wenn msn sich mit jener laxen Methode begnügt,
jede beliebige Periodizität herausfinden, und die Itcehnung wird scheinbar
um so heuer stimmen, je kleiner die angenommene Periode ist. Wer an
wissenschaftliche Beweise strengere Anforderungen stellt , wird daher die
weittragenden Schlußfolgerungen de« Verfassers nicht als zwingend annchmeo
können. 5spas
211. Woeikow, Exaroination of Dr. Croll’s Hypothesen of
Geological climates. (Amer. Journ. Sc. 1886, Bd.
XXXI, S. 161.)
Ka mufs auf die» scharfe . aber zutreffende Kritik beaonden deshalb
aufmerksam gemacht werden, weil Grolls Theorie auch in Deutschland
immer mehr Anhänger tu gewinnen ech«int. W. weist nach, dafs di«
ganze Methode der Teraperaturberechnungen Grolls eine verfehlt« isL weil
sie einerseits auf die Diathermaoität der Luft unter verschiedenen Bedingun-
gen, anderseits auf die verschiedet)« Fähigkeit der Wärmeaufnahme von Waaaer
und Land keine iiücksicht nimmt. Daher kommt es, dafs die Ditfercnsra
lwisehen den ton ihm berechneten und den wirklichen Temperaturen gröfser
sind, als der Wärmennteraehied von Äquator und Nordpol im Jahresmittel.
Die Frage, welche Temperatur einem Punkt der Erdoberfläche in einer be-
stimmten Jahreszeit zukommt, je nachdem er der Sodo« nabe ateht oder ent-
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Litteraturbericht Nr. 212—216.
55
fernter von ihr bt, läßt steh nicht beantworten : nur <o ric! U fit lieh sagen,
dafs der Einfluß der grfifseni oder geringem Sonnenferne eich im Innern
des Festlandes mehr geltend machen taufe, als auf dem Oiean und an den
Küsten. Ein nordbemisphlirierber Winter im Aphel würde die Tcmpentur
der grofseu Festländer erniedrigen, aber der Gletaeherbildung noch un-
günstiger sein, als der gegenwärtige Zustand (rgl. Ztaehr. Ges. f. Erdkunde,
Berlin 1881. S. 254). Ei wird endlich nachgewinen , dsf« der Übertritt
der südhemisplüfriachen Strömungen auf die nördliche Halbkugel der Herbei-
aiehung astronomischer Ursachen zur Erklärung nicht bedarf, und dals die
Vergletscherung der Westküsten des aufsertropischen Südamerika und Ton
Neuseeland durch die Lage an grofsen Meeresflächen, die Seewinde und die
Hube der Gebirge beding« ist. öüpan.
212. Woeikow, Ou the influence of accumulationg of
snow on climato. (Quat. Journ. K. Meteor. Soo.
Lomlon 1885, IM. XI, S. 299.)
Eine Schneedecke erhöht einerseits die Temperatur des Bodens, indem
sie dessen Ausstrahlung hindert und die Wärmeleitung TCrlangaamt, und er-
niedrigt anderseits aus den schon angeführten Gründen, wie auch deshalb,
weil sie selbst rasch und intensiv Wärme auastrahlt, die Temperatur der
untern Luftschichten. An der Hand der Beobachtungen in den arktischen
Gebieten srird nsebgewieaen, dafs der Tauproxets des Schnees, wenn dieser
ausgedehnte Teile eines Festlandes mit einer zusammenhängenden Decke
bekleidet, nicht durch die Sonnenstrahlen, sondern durch warme Winde
eingeleitet wird; daher bleibt im antarktischen Gebiot , wo warmo Winde
nicht eindringen können, der Schnee das ganze Jahr hindurch liegen, und
auch ira Sommer steigt die Temperatur nicht über den Nullpunkt. Ein
Vergleich der Stationen in Kufsland und in Sibirien seig«, dafs bei gleicher
monatlicher Mitteltcroperatur die winterlichen Maxims in schneearmen
Ländern bedeutend höher sind als in schnccreichen ; ebenso erxeugt die Scbnee-
schmelze kalten Frühling und hindert eine rasche Temperatursteigerung.
Des Einlluases der Schneeschmelxe auf die jährliche Periode der Flüsse wurde
bereits im Litt--Ber. 1885, Nr. 284, gedacht. Supon.
213. Weihrauch, Über die Berechnung meteorologischer
Jahresmittel. (Sitz. • Her. Naturforsch. Ges. Dorpat,
1886, Sep.-Abdr.)
Die Jahresmittel sind das arithmetische Mittel Ton den Mittelwerten
für die zwölf bürgerlichen Monate. Der Verfasser weist nun nach, dafs
diese Methode einen systematischen Fehler zur Folge hat, indem die
so gebildeten Jahresmittel für dio Lufttemperatur auf der nördlichen
Hemisphäre kleiner, und auf der südlichen gröfscr sind, als die wahren
Jahresmittel (Snmmen der Tagmmittcl, dividiert durch 365), und 2) dafs
dieser Fehler wenigstens 0,1 Frosent der jährlichen Schwankung {Unter-
schied der extremen Monatsmittel) betragt. Stipan.
214. Buys Ballot, Tho anomalies in the annual ränge of
temperature. How to dctect thom. (Quarterly Journ.
R. Met. Soc. Kd. Xr, 1885, Sep.-Abdr.)
Es läfst sich gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit bestimmen, ob in
dem jährlichen Ginge der Temperatur an einem bestimmten Orte wirkliche
Anomalien Vorkommen oder nicht. Einerseits ist es nicht möglich , den
normalen Verlauf theoretisch zu berechnen: anderseits gestatten auch dio
längsten bis jetzt vorliegenden Bcobacbtungzreihen nicht, die durchschnitt-
liche Temperatur eines jeden Tages im Jahre so genau su ermitteln, dafs
eine Trennung wirklicher und nur scheinbarer Anomalien ausführbar wäre.
Zur Erhärtung dieser Behauptung gibt der Verfasser eine Tabelle, aus
welcher iu ersehen ist, wie oft während 118 Jahren in St. Petersburg
jede« überhaupt mögliche (auf ganze Grade abgerundete) Tagesmittel that-
sächlich rorgekoramen ist. (Beispielsweise schwanken diese Tigcsmitte! im
Januar zwischen den Grenzen —37° und -j- 4°.) Man kann demnach
zunächst nur die Abweichungen von dem noch unvollkommen bekunuton
durchschnittlichen Temperaturvprlaufo aufsuchen, also ermitteln, ob gewisse
Tage stärkere Störungen aufweisen als andere. Zu dieeem Zwecke ge-
nügt die Betrachtung von Fentadenmitteln nicht, seihst wenn alle 366
Fentaden (nämlich die fünf mit dem 1., 2., 3., 4. und 5. Januar beginnen-
den Keihon derselben) benutzt werden; man mufs vielmehr möglichst auf
die Temperaturen der einzelnen Tage zurückgehen. Um Unregclmäßig-
keiten im jährlichen Gange derselben aufzudeeken, kann man in verschiedener
Weise verfahren. Man kann die Differenzen der mittlern Temperaturen
je zweier entweder unmittelbar oder in bestimmtem Abstande aufeinander
folgender Tage berechnen and alle diejenigen als onorast bezeichnen, denn
Vorzeichen dem zu erwartenden entgegengeeetzt izt. Man kann auch zu-
nächst Summen mehrerer Tagesmittel bilden und diese alsdann in ähnlicher
Weise auf ihre suceessive Änderung prüfen. Es kommt dies letztere Ver-
fahren im wesentlichen auf eine teilweise Ausgleichung der durch die
Beobachtungen gelieferten Tagesmittel hinaus. Die zufälligen l'nregel-
mäfeigkeiten werden dadurch gemildert oder ganz eliminiert, — aber freilich
zum Teil auch die etwa existierenden wahren Anomalien. Der Verfasser
entwickelt nun eine Methode der tabellarischen Berechnung, durch welche
man alle diese verschiedenen Zahlenreihen schnell und bequem erhalten
kann. Kr bildet zunächst durch Zusammenfassung von je drei aufeinander-
folgenden Tageamilteln Triadensummen, die er in drei Kolonnen (mit dem
1., 2. und 3. Tage beginnend) anordnet. Durch passend« Addieren oder
Subtrahieren erhält er dann eus diesen weitere Reihen, welche mehr oder
weniger geeignet sind, cur Beurteilung dos jährlichen Temperaturrerlaufs
zu dienen. Bin vollständig abgedzuckt« Beispiel (auf den Mai in St.
Petersburg bezüglich) erläutert das Verfahren. Kino andere Tabelle enthält
für sämtliche Monate (und denselben Ort) swei Differenareihen , die gleich
der für den Mai gegebenen ausführlichen Tabelle seigen , dafs gröfsere
Anomalien , dio sich noch in den Mitteln mehrerer Tage auaprägen , selten
sind. Ira Anacbtufs bicrau gibt der Verfasser für achtzehn (größtenteils
in Mitteleuropa gelegene) Orte ein Verzeichnis sämtlicher Unregelmißig-
keiten der Jabraetemperaturkurven , soweit dieselben durch die bisherigen
Beobachtungen festgeatclit sind. Von besonderem Interoaee ist noch eine
kleine Tabelle, welche zeigt, wie vielen dieser Orte irgend eine Anomalie
gemeinsam ist. Die vollkommene Regellosigkeit der bier mitgcteilten An-
zahlen untcralützt die Vermutung, dafs wenigstens viele Unregelmäßigkeiten
nur zufällige seien, die in der noch unvollkommenen Ausgleichung der in
den einzelnen Jahren atxttllndcndcn Störungen ihren Grund haben.
ScJu*ütl.
215. Woeikow, Etudo »ur In temperature des eaux et
sur leg Variation» de la temperature du Globe. (Aroh.
Sc. phya. et nat. Genf 1886, Bd. XV, S. 5.)
Die stehenden Gewässer werden nach ihren Wärmeverhältniasen in
zwei Kategorien eingeteilt. 1) Die Salxwataeraeen mit wenigen Ausnahmen,
die Süfswasaerseen der wärme m Gegenden und die nahezu isolierten
Meeresbeckeu. Ihre Temperatur ist immer höher, als die der Maximal-
dichtigkcit, und die Oberlläclientempenitur schwankt jährlich um mehr
als 5°. Zwischen der Temperatur der Luft im Jahresmittel (t), der
Wasseroberfläche (la), der ganzen Wassersäule (ta) und des Grund« («0
bestehen folgende Relationen :
t < ts, t > ta, ta > ta, ta > tf, ts-ta > ta-tf.
Diese Relationen sind eine Folge der Wärmeausgleichnng durch auf- und
niedersteigende Strömungen. 2) Einige Salzseen und die Süfswisseraeen
der kältem Gegenden haben eine Geaamttemperatur , welche gleich oder
geringer ist ab die der Maximaldiehtigkeit. Hier ist ts < ta und ta < tf,
d. b. die warmem Schichten befinden sieb unten. Die Beziehungen von
t und ts sind sehr veränderlich ; ts kann wegen Eisbildung im Winter sehr
niedrig werden.
Die Ozeane geboren in die erste Kategorie. Ihre mittlere Temperatur
betrügt in den niedera und mittlern Breiten ca 4 ®. Es ist dies be-
kanntlich eine Folge der untern antarktischen Strömung, die nach der
Ansicht des Verfassers durch Dicbtigkeitsunterschiede erzeugt wird, und,
weil dio lctztom sehr gering sind und nur säkular wirken, sehr langsam
sein mufs. Das Uauptnauitat ist, daß di« Abkbhlong des Krd-
körpers «ich hauptsächlich im Ozean und vor allem im Ant-
arktischen Ozean vollzieht, während das Festland wegen der
Unbeweglichkeit seiner Teilchen nur wenig an diesem Prozeß teilnimmt.
Die Abkühlung der tiefem Schichten der Ozeane ist die Folg« ein« lange
dauernden ErkäUungsprozesu« in den polaren Meeren. Sujmh.
216. Weihrauch, Anomoraotrigche Skalen für Dorpat, Ein
Beitrag zur Klimatologie Dorpats. (Arch. f. d. Naturk.
Liv-, Ehst- und Kurlands. Bd. IX, Sep.-Abdr.)
Das in den letzten Dezennien erfolgte Zurücktreten der rein klimati-
schen Untersuchungen in der Meteorologie gegenüber den auf synoptisch«
Betrachtungen gerichtebn bat dio früher so häufig vorgeaommene Berech-
nung von Windrosen für die einzelnen meteorologischen Elemente «ehr ein-
geschränkt. Und doch find dieselben von großem Werte für di« Darstellung
d« Klimas ein« Ortes. Allerdings ist eine durchgreifende Vervollkommnung
der Methode nötig : « muß nicht allein , wie es bisher stets geschah , die
Windrichtung, sondern auch die Windstärke sum Ausdruck gebracht werden.
Dies« Ziel läßt sieh nnr erreichen, wenn man der Berechnung di« wahren
auemoraetrischen Mittel der einzelnen Komponenten zu Grunde legt. Aus
allgemein mathematischen Gründen erscheint es dabei unthunlicb, du sum
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56
Litteraturbericht Nr. 217—223.
Winde in Beziehung gesetzte meteorologische Element als Funktion dieser
Komponenten daizusteUen ; man mult vielmehr umgekehrt fragen : welche
Mittelwerte der Windkomponenten entsprechen gegebenen Mittelwerten jene»
Elemente? Da die au» den erhaltenen Komponenten zu berechnenden
Windrichtungen nicht alle Quadranten erfüllen, sondern »ich um eine
mittlere Bichtung gruppieren, so kann Ton Windrosen nicht mehr die Bede
»ein. Der Verfasser bezeichnet deshalb diese neue Zuordnung der Wind-
komponentenmittel zu den übrigen meteorologischen Blementen als an emo-
metrische Skalen.
Nach dem angegebenen Prinzip bearbeitet nun der Verfasser die
14jährigen Dorpater Beobachtungen (1870 — 1883} de» Luftdruck«, der
Lufttemperatur, der Bewölkung und des Niederschlags, sowohl für die ein-
zelnen Monate wie für das Jahr. Die Resultate sind rollatändig in aus-
führlichen Tabellen angegeben, zu deren Heratellung im wesentlichen das
folgende Verfahren führt. Sämtliche beobachtete Tagesmittel einen Elements,
z. B- der Temperatur, werden nebst den zugehörigen Tsgesmitteln der
Windkomponenten ihrer Uröfse noch in eine Reihe geordnet, und diese
wird in lt> Gruppen von je gleich vielen Beobachtungen geteilt. Die
Mittelwerte der einzelnen Gruppen stimmen alsdann mit den (aus praktischen
Rücksichten auf etwas andre Weise berechneten) Zahlen der betreffenden
Tabelle überein. (Bei der Niederschlagsmenge und teilweise auch bei der
Bewölkung ist die Zahl der Gruppen geringer.) Dem angegebenen Ver-
fahren haftet ein Übelstand an, der die Übersicht über die Resultate etwa»
erschwert. Die Werte des Arguments einer jeden Tabelle sind keine runden,
oder auch nur äqcdistanten Zahlen, und ain sind in den Tabellen der
cinselnen Monate und des Jahres nicht dieselben. Dagegen besitzen, was
der Verfasser besondere betont , sämtliche mitgeteilten Werte gleiches Ge-
wicht, da sie auf gleich vielen Einrelbeobzchtuogen bomben. Darin liegt
in der That ein nicht zu unterschätzender Vorteil, besonders wenn es sich
um weitere wissenschaftliche Verwertung des lleohachtungsmatensls handelt.
Die Resultate selbst können auszugsweise natürlich nicht wieder-
gegeben werden; ee sei nur erwähnt, dsfs sie im allgemeinen einen sehr
deutlich ausgeprägten Zusammenhang der verglichenen meteorologischen
Elemente zeigen. &Amfdr.
217. Hann, Beiträge zur Kenntnis der Verteilung des Luft-
druckes auf der Erdoberfläche. (Meteor. Ztaclir. 1886,
Bd. III, S. 97.)
Die Bearbeitung von Isobarenkarten für die neue Ausgabe ton Berg-
baus' Physikalischem Atlas gab dem Verfasser Veranlassung zu einer
kritischen Untersuchung des vorhandenen Materials und zur Berechnung
neuer Mittelwerte, von denen jene aus der arktischen Region, von Oztasien,
Australien, Westindien und dem südöstlichen Teil des Mittelmeere» hier
mitgeteilt werden. Pur die Methode der Berechnung ron Normalwerteo
enthält der Aufsatz einige sehr wichtige Bemerkungen. Das Endresultat in
bezog zuf die Zuverlässigkeit der Isobarenk»rten ist folgendes: »die Kur-
ven, die mit dem vorhandenen guten Material konstruiert werden können,
hedürfen so umfassender Interpolstionen, dsfs sie eigentlich mehr eine
Darstellung unserer Vorstellungen von der Verteilung des Luftdruckes
sind, als der Ausdruck von Thatsachen" . Niemand wird aber bestreiten,
dafs die bisherigen Isobarenkarten trotz ihrer Mangelhaftigkeit (bei den
meisten war sogar die Schwcrckorrektion vernachlässigt) dor Wissenschaft
schon grobe Dienste geleistet haben. gupan.
218. Hildebrandsson , Die mittlere Bewegung der obem
Luftströme. (Meteor. Ztaclir. 1886, Bd. HI, S. 19.)
Dectievrcni, Direktor des Observatoriums zu Zikawei, hat jüngst nach-
gewiesen, dafs auch in Ostasien dio Cirruswatken das ganze Jahr hindurch
vorherrschend (in 69,4 i*roz. aller Beobachtungen) ron W kommen, und
zwar im Winter häufiger (70,1 Proz.) als im Sommer (48,7 Proz.). Dieses
Resultat ist besonders deshalb wichtig, weil in China die Cirrutbewegung
entgegen den Forderungen der Theorie vom barometrischen Maximum zum
Minimum hin erfolgt. Für Europa fafst Hildebrandsson die Ergebnisse der
bisherigen Untersuchungen in folgende Sätze zusammen. »1) Die mittlere
Richtung der Cirri ist in ganz Europa aus den Kompafs-Strichcn zwischen
SW — NW. 2) Im Winter kommen die Cirri aus einer mehr nördlichen
Himmelsgegend, als im Sommer. 3) Die nördliche Kompasante ist im
Winter besonders grob über Schweden und den nördlichen Küsten des
Mittelländischen Meeres. 4) Die Hiehlung dieser obern Strömung fällt mit
der mittlere Richtung der Zugatrabe der Minima nahe zusammen“. Zum
weitern Studium dieser für eine allgemeine Windtheorie hochwichtigen
Krage empfiehlt der Verfasser Wolkenbeobaehtungen und -messungen an
irgend einem Punkte an der Polargrcnze des lhzotatcs: besonders geeignet
hierzu wären die Aroren und Kaprerdisrhen Inseln. Slipon.
219. Abercromby , Clouda and Upper Wind-Currunts ovor
the Atlantic Doldrums. (Naturo 1886, Bd. XXXIII,
S. 294.)
Nach Beobachtungen auf zwei Seereisen kommt die ober« Luftströmung
über den Südost - Passat aus einem Punkte rechts vom Überdachen- Wind,
also etwa aus ESE, über dem NE-l’assat aber aua einem Punkte links vom
Oberfiächenwind, d. h. von E, SE bis S und SSW. über dem SW-Monsun
des Golfs von Guinea sichen die Wolken von E bis SE; ein Beweis, dafs
jenor nur eine in den untersten Luftschichten sich vollziehende Ablen-
kung des SE-Paasates ist. Supan.
220. Dinklage, Die Staubfälle im Passatgebiet des Nord-
atlantischeu Ozeans. (Annal. Hydr. und marit. Meteor.
1886, Bd. XIV, S. 69 u. 113. Mit Karten auf Taf. 2.)
Die Darstellung beruht vorzugsweise auf den Berichten deutscher
Schiffe aus den Jahren 1878—84 und ergänzt räumlich die Abhandlung
von Bellmann (Monatsber. Akad. Wias., Berlin 1878), welche nur du
Gebiet südlich von 20 * N berücksichtigt. Der Verfusar kommt aber zu
demselben Sehlufs wio Hellmaun, deb der Prep rungsort der nordatlantisehen
SUubfälle die Szhara ist, und nicht, wie Khrenberg annahm. Südamerika.
Pur die saharische Abstammung spricht zunächst der Verbrcitungsbezirk,
der im N etwa durch den Parallel von Kap Juby, im W durch 40° W. Gr.
und im S durch eine ron Kap Verde nördlich von SL Paul ziehende
Bogenlinie begrenzt wird. Die« Grenzen beziehen zieh aber nur auf du
Vorkommen ron Staubfällen überhaupt; du Gebiet gvöfster Häufigkeit
erstreckt sich nur von der afrikanischen Küste zwischen K»p Verde und
Kap Blaneo über die Kapverdischen Inseln zum 30. Meridian. Die Süd-
grenee verschiebt sieh mit dem NO-l'azsstgfirtel im laufe des Jshres um
mehrere Grade, nicht aber die Nordgrenze, die durch die Inge der Sahara
bestimmt ist. Wirkliche Staubfille kommen aeltcnor vor, häufig dagegen
Staubneiiel ; meist hei trockoner Witterung. Dafs der Staubnebel auch aus
der Ssbara stammt, geht daraus herrnr, dafs er sieh ebenfalls fast nur auf
du östliche Pusatgebict beschränkt. Wirkliche Staubfille kamen in den
Jahren 1878 — 84 nur an 00 Tagen vor, also durchschnittlich an 8 — 9 Tagen
im Jahre. Von den 60 Tagen entfallen 18 auf den Januar und 20 auf
den Februar, und ebenso prononciert zeigt »ich du Wintermaximura, wenn
man die vom Meteorologie»! Office angeführten Rille in die Hechnung ein-
besieht. Im Winter finden sich also die günstigsten Bedingungen , wie
anch die Wetterkarten lehren: hoher Luftdruck über Nordatrika, steifer
Passat, der an der Saharakäste aua dem lande webt. Die Seltenheit der
Staubtalle südlich von Kap Verde wild durch die Pllanzenbedeckung des
Küstenlandes in dieser Breite erklärt. Unentschieden bleibt die Herkunft
der African Smokes der Ouineabucht. Eine der ausgebreiteUten staub-
falte wurde am 12. Februar 1882 beobachtet ; er bedeckte ein Gebiet von
ca 627 300 qkm. gupan.
221. Hoffmann, Phänologische Stadion. (Meteor. Ztaclir.
1886, Bd. III, S. 113, mit Taf. 6.)
222. Ihne, Kurte der Aufblülizeit der Syringa vulgaris iu
Europa. (Ebendas. S. 121, mit Taf. 5.)
Tafel 6 »teilt die Aufblübzeit des Apfel- und Birnbaumes in Europa
im Vergleich zu jener in Giefsen dar. Die Isophanen (Kurven gleicher
Verspätung oder Verfrühuug) verlaufen im allgemeinen WKW — SSO, und
zeigen nur zwischen 40 nnd 60 * Br. eine Übereinstimmung mit dem Fort-
sebrriten der 9° - Isotherme (nach Hildebrandsson). Die Verspätung gegen
Giefsen (in Tagen) für den kontinentalen Teil östlich Ton 10° Ö. Gr. zeigt
folgende Tabelle;
Birnbaum Apfelbaum
über 60° Br. 40.» 41,8
65—60 32,7 31, t
60 — 55 14,0 16,8
45 — 60 3,3 3.»
Ihnes Karte befolgt eine neue Methode; der Vergleich mit einem
Ausgang-vort fällt weg, und man ersieht sofort au» der Karte, in welcher
Monatshälfle die SyriDga vulgaris in irgend einer Gegend zur Blüte ge-
langt. Es unterliegt keinem Zweifel , dafs dieso Neuerung acht zweck-
entsprechend ist, und die ältere Methode Vordringen dürfte. Smjmh.
223. Shufeld , Ib the dodo au oxtinct birdV (Science,
1886, Bd. Vn, S. 145.)
Enthält die, allerdings nicht ganz verbürgte Nachricht, ilafs der Dodo
(Didus ineptus) auf den Samoa-Inseln noch lebe. Supun.
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Litteraturbericht Nr. 224 — 227.
57
224. Schröter, Der Bambus und seine Verwendung als
Nutzpflanze. Mit 1 Tafel. Basel, Goorg, 1885.
Der Bambus (vom indischen Marabu oder Barabu) ist osch der Syste-
matik von Bentham eine der 13 Tribus der Familie der Gräser, deren
charakteristische Eigentümlichkeiten ein holziger, verzweigter Halm, da*
Gelenk, an dem sich die Blottspreite von der Scheide abgliedert, und die
Dreizahl der Saftschüppchen (lodiculae) sind. Die gtofsten bekannten
Exemplare erreichten eiue Hohe von nahezu 4ü m; die dicksten haben
einen Durchmesser von *29 cm. Die Tribus enthält 22 Gattungen und
171 — 174 Arten, von denen nur eine (Bambus* vulgaris) in den Tropen
der Alten und Neuen Welt vorkoramt; aber auch diese scheint iu Amerika
erst eingeführt. Von den Gattungen ist nur die Arundaria kosmopolitisch.
Amerika besitzt 80 Bainbusarlen, und zwar Nordamerika 1. Zentralaiuerika
und Westindien 13, das tropische Südamerika 64, Chile 7, Paraguay 1.
Die äufsersten Grenzen der horizontalen Verbreitung sind 4*2* S. und
40* N., in den tropischen Anden steigen sie bis gegen 4600 rn Hohe au.
Auf der Östlichen Hemisphäre fehlen sie vollständig in Europa und Austra-
lien. Da* Zentrum ist Indien mit 5G Arten; China hat 15, Japan 5, die
Molukken *.», die Philippinen 7, Tahiti uud Hawaii je 1, Bourbon 3, Mau-
ritius 2, Madagaskar 3 — 4, Afrika einige wenige Arten. Die Grenzen der
horizontalen Verbreitung sind in Afrika 32° S., in Asien ca 10° S.. Poly-
nesien (Tahiti) 17° und auf drr Nordhalbkugel 46° B. (Kurilen). Die
Höbengrenze liegt im HimaUra in 3000 — 3400 rn.
Im Vergleich zu den Nutzpflanzen der gemüßigten Zone sind die
tropischen zum Teil schon von Natur aus für den menschlichen Gebrauch
besser vorbereitet , zum Teil auch in viel mannigfaltigerer Weise zu be-
nutzen. Die universellsten Nutzpflanzen sind aber die Palme und der
Bambus, der namentlich in Indien und (Müden eine allgemeine Verwen-
dung gefunden hat. Düs betreffende Kapitel, welches sich nn die Darstel-
lung vom Wallare (im Malcy Archtpelago) auschlicNt, ist sehr ausführlich
und vollständig. Der Bambus dient zum Hüttcnhau, zur Umzäunung, zur
Herstellung der verschiedenartigsten Gerätschaften, als Papier, als Nahrungs-
mittel. als Medizin, zur Herstellung von Kleidungsgegensläuden und Waf-
fen, beim Schilf- und Brückenbau, beim Landbau und in der Industrie Are.
Die Bambuskultur spielt in Japan und China eine hervorragende Holle und
hat auch in Europa, besonders in Südfrankreich (Departement des Basses-
Pyrtnre«) schon festen Fuß gefaßt. Die Zahl der kultivierten Arten in
Europa beträgt jetzt 11; data sie auch ein kältere.* Klima vertragen, be-
weist ihr üppiges Wachstum bei Schlieren im Limmattbal. .viipun.
225. Peter, Ursprung und Geschichte der Alpenflora.
(Ztschr. 1). u. ö. Alpenverein, 1885, Bd. XVI, S. 1.)
Um den Ursprung der Alpenflora »u erklären, .teilt der Vertaner eine
Theorie auf. die gleichsam zwischen der Balls und der Heers u. o. vermit-
telt. Auf den Gebirgen des arktischen Gebietes, das seit der Devonzeit
Festland gewesen »ein soll, entwickelte sieh iu der Tertiärperiode aus den
Elementen der umgebenden Tieflandflora die arktische Flora, und auf die-
selbe Weise entstand auf dem Hochgebirgswall, der seit dem Tertiär Asien
und Europa durchzieht, die alpino Flora. Beide Floren drangen in der
Glazialzoit in die Ebenen vor und mischten sich ira eisfreieu Gürtel zwi-
schen dem nordischen uud dem alpinen Izrndr:«. Noch Ablauf der Eiszeit
begann die Rückwanderung, aber nicht der alpinen nach S, der arktischen
nach N, sondern der Mischflora nach N und 8. Daraus erklärt sich
dt* Vorhandensein endemischer und arktischer Arten in der Alpen-, ende-
mischer und alpiner Arten in der arktischen Flora. Dafs die Zahl der
endemischen Pflanzen in der Zirkumpolarzono ungleich geringer ist als in
dm alpinen Floren, führt der Verfasser darauf zurück, dafs die ursprüng-
liche arktische Flora dem zerstörenden Kinflufs der Eiszeit in viel inten-
siveren Grade erlag als die ursprünglich alpine. Aber auch von der
letztem seien die Ptlsnzen der untersten (montanen) Gebirgsregion voll-
ständig vernichtet worden; und daraus erkläre sich, dafs nach der Eiszeit,
als die alpinen und subalpinen Pflanzen sich au ihre frühem Standorte
zunickzogeu. die roouttne Region nur spärlich von passenden Elementen
der eingewanderten Kbenonflora besiedelt werden konnte. Daher die Exi-
stenz einer, an Individuen reichen, un Arten ober armen Pflanzen region,
die in den Alpen zwUchen 11(K) und 1400 ni, in den Beskiden zwischen
1040 und 1365 m liegt und in Norwegen schon ln 35 m Seehöhe be-
ginnt. Der Verfasser versucht auch dio Thatsache, daf* der Kaukasus weniger
Arten mit den Alpen gemein hat als der entferntere Altai, durch die An-
nahme zu erklären, dafs der erstere von Meeren oder Salzsteppen umgeben
war. welche eine Konservierung der in der ersten Eiszeit von den Alpen
in den Kaukasus cingewamlerten Pflanzen in der zweiten Riueit, ab die
•norm sich entwickelnden Gletscher die Flora abwärts drängten, unmöglich
machten. Supan.
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1880, Litt.-Bericht.
226. Wagner, Moritz, Die Kulturzüchtung des Menschen
gegenüber der Naturzüchtuug im Tierreich. (Kosmos,
1886, Bd. I, 8. 19.)
Die Darwinsche Selektionsthoorie reicht nicht aus, um die Bildung
der menschlichen Russen zu erklären. Sie steht beispielsweise im »chrotfen
Widerspruch mit der Thatsache, dafs ganz Amerika trotz der grundver-
schiedenen natürlichen Bedingungen seiner einzelnen Teile doch nur eine
einzige Rasse beherbergt. Sie erklärt sich aber 1) aus der unausgesetzten
Kreuzung zwischen den einzelnen Stämmen infolge der Scheu vor Blut-
schande, und 2) au« dem Mangel orogruphischer Schranken in äquatorialer
Richtung. Die Scheu vor Blutschande ist ailen Völkern gemein, aber es
wird vorausgesetzt, dafs dieselbe zu einer Zeit nicht bestand, als der Mensch
gleich dem Tiero noch nicht dauernde Familienbande kannte. Zu dieser
Zeit bildeten sich die Rassen „durch fortgesetzte Inzucht isolierter Familien
in riinmlirli gesonderten Wohnbezirken*. Die Ratsenhiidung nahm ein Ende
mit der Eiszeit, als die Klimaäuderung zu Wiuderungeu zwang. Dauerndes
Zusammenleben der Familienglitder ertötete die geschlechtliche Neigung zwi-
schen Geschwistern. Andre Faktoren, wie die Fähigkeit, künstliche Werk-
zeuge zu bereiten uud durch Kleidung die Einflüsse des Klimas zu ver-
ringern, und die Ausbildung der Sprarho und damit auch des Denkver-
mögens, erhöhten die Migratiousfihigkeit des Menschen und begünstigten
Majuenwnnderung und Maxscnmixrhung. An die Stelle der Naturzüchtung
tritt die KultarzUchtung; die RüMenbildung hört auf, und es entstehen
Uiitemuuen und Völkertypen mit schwankenden Merkmalen, welche die anthro-
pologischen Messungen zu keinen scharfen Resultaten gelangen lassen.
Supan.
227. Ratzel, Fr., Dr., Völkerkunde. Erster Band. Die Na-
turvölker Afrikas. Mit 494 Abbildungen im Text,
10 Aquaroiltafelu und 2 Karten. Leipzig, Bibliogra-
phisches Institut, 1885.
, Zur Einführung in die geplante ganze Serie völkerkundlicher Bande
werden zunächst in einem voranstehenden allgemeinen Teil die ..Grundzüge
der Völkerkunde** dargelngt (8. 1— 96 in besonderer Paginierung). Der
nachfolgende afrikanische Hauptteil (S. 1 — 648) behandelt dir sämtlichen
Völker Afrika* außerhalb de* Kulturbereiches der Mittolnicerländer : ihm
geht wiederum eine kiirzore Einleitung (S. 1 — 36) voraus Uber die Natur
und dir Bewohner Afrikas, und bespricht dann in 29 Abschnitten die drei
giofsen Gruppen der Südafrikaner, der Zeutralafrikauer und Westalrikaner,
wobei die Sudauländer nur in ihrem westlichen Drittel, und auch diese*
weniger eingehend, zur Behandlung kommen. Der Darstellung der Unter«
gruppen sind stets zusammenfawendc .Schilderungen der betreffenden Schau-
plätze, auf welchen jene Stumme sich bewegen, vorangestellt. — Dieses
gesamte, überaus reiche, mit größtem Fleifse und Beherrschung der ausge-
dehnten I.itterutur zuxammengelrageue Material über die Naturvölker Afri-
kas ist wohl als eine Frucht der ausgebreiteten Studien anzusehen, welche
der Verfasser bei Ausarbeitung »einer AnthropogeogTaphie angestellt hat, so
dafs die in Angriff genommene, auf fünf Bände berechnete Völkerkunde ge-
wissermaßen eine spezielle Ausführung der dort in einem abgerundeten Ganzen
niedergelegten Gruudgcdanken zu werden bestimmt ist. Diese« Vorherr-
schen der an thropogeograp hi sehen Gesichtspunkte ist ex, wel-
ches der neuen Völkerkunde ihr besonderes Gcpriigo aufdrückt ; eine Fülle von
Gedanken und anregenden Hypothesen wird hier geboten, ohno dafs der Ver-
fasser darauf ausgeht, dieselben nun auch sämtlich bi* in alle Einzelheiten
aus- und durchzuführen. Liegt hierin einerseits das ungemein Anregende
dieses Werkes, welches ja in erster Linie für weitere Kreise, für alle
Gebildeten, bestimmt ist, nicht speziell für die Fnchgcnossen , die es
jedoch zu weiterer Spezialforschung mannigfach anregon dürfte, so wird man
demselben anderseits einen gewissen methodischen Vorwurf insofern machen
können, als die vorangeschickten „Grundzüge" sowohl , wie der umfang-
reiche sechste Abschnitt („Allgemeines über die Neger") gewisse in der
Entwickelung der Völker nacheinander aufhetende Phasen systematischer
hätten henrorheben müssen, um dann bei den Einzelschildernngen der zahl-
reichen Stämme kurz und bestimmt anxugcben, auf welcher Entwickelungs-
stufe der hetToffcndo Stamm nun seinerseits gerade steht. So vermiet min
iu den speziellen Abschnitten oft die nähere Auskunft über bestimmte, bei
dem Mangel durchgreifender anthropologischer Unterscheidungsmerkmale in
der grofsen Menge afrikanischer Völker doppelt wichtiger ethnographischer
Thatsachen, wie Matriarchat, Art de« Erbrechtes den Grad der Seßhaftigkeit
u. a. rn.
Ein ganz besonderer Reifs ist auf die iiufsere Ausstattung de*
Werk«# und die bildliche Veranschaulichung verwendet, gerude bei ethno-
graphischen Darstellungen ein** besonders wichtige Seite. Sowohl die Schätze
k
58
Litteraturbericht Nr. 228.
der groben öffentlichen Sammlungen (insbesondere von Berlin, Lon-
don, Mönchen und Stockholm) sind für die Abbildungen verwertet worden,
wie auch namentlich die schwerer zugänglichen, nur durch ausgehreitctc
persönliche Beziehungen zu gewinnenden, in Privatbesitz befindlichen
ethnographischen Gegenstände und bildlichen Darstellungen (besonders von
R. Rurhta, M. Büchner, Fabri, Falkenitein, Techuel-Loesche, Wangeimnn u. a.)
in ausgiebigster Weise herangezogen. E« treten daher in den schön aus-
geführten — zum Teil jedoch etwas zu lebhafte Farben bietenden — Bunt-
drucken und ebenso in den Hunderten von meist vortrefflich gelungenen
Holzschnitten die Reproduktionen schon vorhandener Abbildungen gegen
die Fülle der Originalbilder sehr zurück. Als nicht genügende Holz-
schnitte sind die Nachbildungen einiger Photographien , z. B. der Negerin
von der Lnangokiiste (S. 227), zu bezeichnen. Die Quelle, aus welcher die
Abbildungen herrühren, ist stets genannt, was unentbehrlich ist, da ja dio
Abbildungen gerade für ethnographische Zwecke einen sehr verschiedenen
Wert besitzen.
Ein näheres Eingehen auf die einzelnen Abschnitte des spezieller. Teil«
würde hier zu weit führen, in manchen, s. B. den Ostafrika behandelnden
Abschnitten, wird man nicht allen Behauptungen des Verfassers zustimmen
können; auch über die von ihm getroffene Auswahl der Sudanbcvölkorung
(in dem letzten Hauptteil : .Die Westafrikaner“) wird man andrer Meinung
sein dürfen; denn, so gut wie die Hnussa genannt wurden, waren doch auch
die Bewohner von Sokoto. Bornu und Wadai zu erwähnen. Es genüge da-
her, zu einigen Punkten der „Grundzugc“ der Einleitung und des wichtigen
Abschnittes 6 Stellung zu nehmen.
Grotte Vorsicht ist geboten in den schwierigen Fragen, welche die
Abstammung der Religion und des Kulturbesitzes bei Naturvölkern betrelfon.
Verfasser neigt hier der Anschauung zu, dafs auf diesen Gebieten viel«,
was wir heute hei diesem oder jenem Naturvolke Terlinden, von andershcr
eingedrungene Lehren, bezüglich Erfindungen seien, welche sich in redu-
zierter Form, oder als verderbtes Überbleibsel erhalten haben. Somit wäre
das geistige Leben der Naturvölker eher ein verkümmertes, rückwärts ge-
gangenes als der Entwickelung zustrehendes, der heutige ärmliche Koltur-
besitx nur der Rest einer grofsern Summe von Besitztümern. So zutreffend
das in einzelnen Pillen ist, scheint die Verallgemeinerung dieser Anschauung
auf alle Naturvölker dem Referenten doch ab eine allzugewagte.
Vorsichtiger verhält sich der Verfasser der Frage gegenüber, ob dis
Bekleidung aus Befriedigung der Gefallsucht oder aus Schamgefühl hervor-
gegangen sei, da er keine Möglichkeit sicht, die Priorität eine* der beiden
hier in Fragt« kommenden Gefühle zweifellos festzualellen. Aus den That-
sachcn ergibt sich xwar dos Übergewicht der Lust zum .Schmucke über das
Schamgefühl, aber daraus folgt nicht auch das höhere Alter derselben.
' In dem letzten Abschnitt (.der Staat-, S. 87 u. ff) hätte die Anordnung
syitematischer »ein können; bei der Ausbildung der Staaten spielt denn
doch wohl die Rassenbegabung eine gröfsere Rolle, ab ihr der Verfasser
einrüumt.
In der Einleitung zum speziellen Teil wird die auffallende RosKcnarmut
des Erdteils, die Herkunft deT hellen Südafrikaner und dunklen Zentral-
afrikaner behandelt, und sodann ein kultureller Gegensatz der Küstenvölker
betont im Vergleich zu den Bewohnern des Innern, indem die Kultur nach
den Binnenländern hin zunehme. Schon in der Antbrnpogcographio findet
»ich die Ansicht ausgesprochen, dafs die hellfarbigen Südafrikaner und die
im Innern zerstreut auftretenden Zwergvölker ab die ältesten Einwanderer
des Erdtoils aufxufosuen seien, denen dann die dunkelfarbigen Negerstärame
folgten, weiche ihrerseits wiederum von den Hamiten nach Süden gedrängt
worden seien. Beweise für diese Hypothese waren bis jetzt nicht zu ge-
winnen. Die Annahme von einer Steigerung der Kultur mit dem Eindringen
in das Innere darf wohl nicht *o allgemein auf die gesamte Kultur, ab
vielmehr auf go wisse Seiten der Industrie bezogen werden; hier
ist ja allerdings durch die langandauemdc Berührung mit den Erzeugnissen
europäischer Kultur so manche blühende Industrie dahingotch wunden oder
doch stark zuruckgegangen. Daher machen manche Stämme des Innern,
welche erst in den letzten Dezennien in ihrer ursprünglichen Kulturroin-
heit aufgefnnden wurden, wie dio Waganda, Njarn-Njam, Monbuttu, den
Eindruck, ab acicn sie Träger einer hohem Kultur, wie dio heutigen Küsten-
völker. Interessant aind die Beziehungen zwischen den Njam-Njam uud
den westafrikanbehen Fan.
Sehr eingehend gibt der Verfasser die allgemeine Charakteristik der
Neger in Abschnitt 6, wenn schon manche Seiten, wie x. B. das Matriarchat
(S. 152) entschieden zn kurz kommen. Nicht Überall jedoch steht das
hier Gesagte in vollem Einklang mit manchen der spatem Ausführungen.
So wird z. B. S. 225 behauptet, dos gewobnheitaraäfsige Nacktgehen er-
strecke «ich, wo es überhaupt unter den Negern voikomme, nur auf das
männliche Geschlecht, während doch nach den Mitteilungen auf S. 494,
■53'J und 575 bei manchen Stämmen gerade die Wtibor viel mehr ent-
blöfst geben ab dio Männer. — Auffallend sei (nach S. 222) dio Unkenntnis
de« Gerbens bei diesen berdenreichen Völkern, ein Proxefs der nur im Sudan
sich finde. Auf S. 388 wird dann aber von den Hatoka am Sambesi mit-
geteilt, dafs sie diese Fertigkeit besitzen und dieselbe mit gTofitcra Erfolge
veimittcbt der Rinde eines Omkura genannten Baumes ausüben. (Man ver-
gleiche hierzu das S. 511 über die Bongo Gesagte.) Sehr überraschend
ist die Auffassung der Beschneidung ab ein Rest der Menschenopfer
(S. 172, vgl. dagegen „Grundzüge“ S. 68). Dieser Gebrauch, düsen Vor-
kommen übrigens bei den Stämmen, welch« sie üben, nicht überall erwähnt
wurde, ist doch wohl weiter nichts, ab das fortdauernde Hufserliche Sicht-
barroschen der abgetretenen Mannbarkeit, welch« sich durch dos Hervor-
treten d«T Eichel aus der Vorhaut dokumentiert. — - Auch di« S. 181 aus-
gesprochene, ab wahrscheinlich hiugestellte Ansicht, dafs „der Fctischglaub«
aus der Seeltnverohrung heraus einem reinem Götterglauben xugewachsen
sei, ähnlich wi« bei hohem Völkern der Bilderdienst geistigere Vcrehrung*-
formen überwuchert“, ist keineswegs ohne weiteres zuzugeben.
Es mögen diese Andeutungen genügen ! Ist es ja doch leicht, an einem
grob angelegten Werke einzelne Stellen zu bemäkeln, besonders auf einem
vielfach so hyt>otheti8fhen Gebiete, wie die Völkerkunde cs zur Zeit noch
ist. Kommt doch das hier vorliegende gedankenreiche und nach den ver-
schiedensten Richtungen anregende Buch gerado jetzt gelegen und wird vielen
in dem Drange nach Befriedigung ihrer Kenntnisse über die Bewohner Afri-
kas ein guter Führer sein, welcher die in der Fachliteratur vorhandenen
monographischen Arbeiten von G. Fritsch, R. Hartroaun, G. Schweinfurth,
G. Nachtigal u. a. wesentlich ergänzt und von allgemeinem Gesichtspunk-
ten aus zu umspannen versucht. jy. R<gtl (Jena).
228. Schneider, "W. , Die Naturvölker, Mißverständnisse,
Mißdeutungen und Mißhandlungen. 1. Teil. Pader-
born und Münster, Ferd. Schöning!), 1885.
Der VerfesMr nimmt in »inet Diskussion öos Wesens der Nnturrolker
Stellung gegen die Darwinistische Auffassung der Entwickelung des Men-
schengeschlechts aus niederen tierihnlichcn Anfängen. Er betont mit Recht,
dafs nirht jeder niedere Entwickelungszustand eines Volkes auf seit alters
geringfügigem Fortschritt beruhen raufs , dafs er vielmehr auch die Folge
von Rückschritt »ein kann. So sehr man aber auch den Satz de« Ver-
i fassen billigen mag, dab die gräf&te gegenwärtig zu findende Verkommen-
heit eines Naturvolkes nicht ohne weitere« ab ein Spiegelbild de« Urzu-
standes unsres Geschlecht« zu gelten hat, ist doch der Standpunkt de«
Verfassers nicht weniger dogmatisch als der von ihm bekämpfte, wenn er
Überhaupt die Kulturarmut der sogenannten Naturvölker ab eine Rück-
schrittswirkung auffafst und die Gleichung aufstellt: „Wildheit = Ent-
artung“. Nur bei sehr gläubigen Gemütern wird dos Urteil de« Verfassers
Anklang finden: „Jedenfalls ist die Bevorzugung de« Urmenschen in Form
göttlicher Belehrung oder einer aufcerordentlichen Führung bis zur Mög-
lichkeit der eignen Fortbildung unvergleichlich anmutiger und wissenschaft-
lich annehmbarer ab dio Herabwürdigung desselben zum tierischen Ur-
erzeuger“. Ganz ungereimt ist die Alternative des Verfassers, man müsse
entweder „göttliche Einleitung und Begleitung der menschlichen Entwicke-
lung“ (warum nicht gleich tapfer theologisch „UrofTenbarung“ ?) annehmen
oder .den Urmenschen, dem es einfiel, die Kunst des Feuerzündens und
de« Kochens, der Tierzähmung und des Ackerbaues za erfinden, ab ein
Universal- und Sükulargcnio anschen“. Als ob irgend ein Vernünftiger di«
genannten fundamentalen Fortschritte unsres Geschlecht«, welche sicherlich
vielen Jahrtausenden und unzähligen glücklich verwerteten Zufälligkeiten
zu danken sind, auch ganz zweifellos in Australien und Amerika noch vor !00(
beziehentlich 400 Jahren zum Teil noch völlig anbekannt waren, einem
einzigen Adam andichtete!
Trotzdem ist das in Rode stehende Ruch keineswegs unTordienstlich.
Sein Hauptwert liegt in dem zweiten nnd dritten Drittel seine« Inhalt«,
wo der Verfasser mit immer genauer Angabe der Belegstellen teilweise
nahezu erschöpfende Übersichten gibt Uber Kannibalismus, über Hinschlach-
ten von Menschen am Grabe andrer, denen sio das Geleit ins Jenseits geben
sollen, über Geisterglauben und Hexenwahn, über Stellung des Weib« und
Vielweiberei, über Trägheit, geschlechtliche Ausschweifung und Kindcrroord
der Naturvölker.
Bei der ansehnlichen Belesenheit des Verfassers fallen mancho selt-
same Verstöfsc gegen bekannte Thatsachen nur um so mehr auf. Blofs
einige derselben seien hier erwähnt. So ist die von Uhonykow allerdingi
behauptet« Verwandlung der blonden Haare und blauen Augen unsrer schwä-
bischen Ansiedler Transkaukatiens ins Schwarze (S. 12) längst ab ein auf
Verwechselung beruhender Irrtum erkanut worden. Dafs die Germanen
jemals unter polaren Naturbedingungen gelebt hätten (S. 60), ist völlig
nnerweislich. Ein ..VÖlkerrückfall*' wird S. 67 zu beweisen versucht durch
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Litteraturbericht Nr. 229—234. 59
4ie gtnt unstatthafte Aufstellung einer Deszendenz der heutigen Beduinen«
Stämme Arabiens Ton dem altspanisehoo Kulturvolk arabischer Zuuge. S. 121
wird die Zahl der jetzt lebenden Menschen entschieden zu niedrig auf
1400 Millionen bestimmt. Die 'llinkiten oder Koluschen bewohnen nicht,
wie S. 282 zu lesen, die ganze K liste vom Kkssbcrg bis zum Kolumbiu-
strom, sonden» sie reichen nicht Ober den 55. Parullelkreis südwärts.
Kirtkhoff.
229. Reclus, l5lie, Lee priinitifs. Ütudes d’ethuologie
coraparee. 2. Aufl. Paris, Chamerot, 1885.
Auf dem Hintergrund der landschaftlichen Szenerie des betreffenden
Wohn raumes entwirft der Verfasser lebhafte, farbenreiche Schilderungen
der Sitten einiger von der europäischen Kultur noch wenig oder gar nicht
berührter Volker und Völkcrgruppcit: der Eskimos und der Aleuten, der
Apotschcn, dor Natrs (oder Najer) au der Mulubarküxte, der Bergvölker in
den Nilgiria, der kolumchen Stimme (Kolhs) in Bengalen. Ks ist eine
Darstellung nach Litteratuiqaellen, die der Verfasser leider nur in allge-
meinster Weise, niemals mit genauer Stcllcnnngabo zum Beleg anführt.
Kinmal stöfst man sogar auf das Citat .Adolf Bant nur ohne jegliche Angabe
des Werkes, welches gemeint ist; da» könnte wie Vergoltuug erscheinen.
Die Hauptabsicht scheint, wie auch der Titel zeigt, in dem Nachweis
gewisser unredlicher Sittenzüge bei gegenwärtig noch fortlebenden Natur-
völkern, ja in Uberlebseln selbst bei hochgelegenen Kulturvölkern zu be-
stehen. Es fehlt daher nicht au mancherlei Vergleichen , die jedoch bis-
weilen der unkritischen Methode huldigen, als inüfsten irgend welche Bräuche
darum Cberlebsel aus dem höchsten Altertum sein, weil sie solchen hei
heutigen Naturvölkern von weitem ähnlich sehen. Was soll man z. B.
dazu sagen, wenn der Verfasser das Cicisheat, wie es gelegentlich argen
HittenverfalU in Italien allerdings hier und da legalisiert wurde, als ein
solches uraltes Erbteil neben bekannte schamlose Brauche der Aleuten stellt !
Auch ob dio „Muttcrfamilio“ der Natrs aU Uberlebael der Urzeit zu deu-
ten, dUrfte nicht so zweifellos sein, ab der Verfasser annimmt. Sie ist ja,
wie er selbst ausfuhrt, auf den Kricgtadel beschränkt; Kriegerkasten aber
sind häufig sexueller Verwilderung anhcimgcfallon , wie di# Snporogen und
die Sulu» unter Tscbzks beweisen.
Von Kinzehcrstößcn sei nur der .ständig wiedorkehrende Irrtum einer
Kcbeneinandnrstellung von Koloschen (Koluschen) und Tlinkiten erwähnt,
was doch nur verschiedene Namen für dasselbe Volk sind , sowie die Be-
hauptung, dio Körpergröße der Eskimos schwanke zwischen l,s und 1,7 m;
tlut sächlich geht letztere selbst bei Frauen kaum jemals auf 1,5 m herab,
bei Männern aber steigt sio bis auf 1,8 m. Kirckhojf.
230. Firmin, Do lYgalite des races humaines. Paris,
Pichon, 1885.
Das Interessanteste an diesem Buche ist, dato es ein haftischer Neger
geschrieben hat, der es zum Advokaten, zum Schulinspcktor in seiner Hei-
mat und noch zu andern Würden gebracht hot, während seines Pariser
Aufenthalte» auch Mitglied der anthropologischen Gesellschaft daselbst ge-
worden ist.
Das Buch selbst ist eine weitschweifige Erörterung über die Frage
der Gleichheit oder Ungleichheit dor Menschenrassen, wobei nirgends weder
eine neue Thatsache noch ein neuer Gedanke zum Vorschein kommt. Dem
Vcrfawer Ut cs vornehmlich Herzensbedürfnis nachzuweisen, dafs die Neger-
rass* durchaus nicht zu den uiedera Kassen zähle und dafs ihre Entwiche-
lungsfthigkcit nach Ausweis der in Haiti erzielten Fortschritte eine sogar
außerordentliche sei. Einesteils sind die hier geführten Beweise für diese
Thesen unnütz, indem sie Wahrheiten verfechton, die in wissenschaftlichen
Kreisen nirgends auf Widerspruch »toben dürften, anderseits schießen sie
weit über das vernünftige Ziel hinaus uud sind nur zu oft kritiklos. So
wird allen Ernstes die Kulturfahigkeit des Negers damit zu erhärten ver-
sucht , dafs die aUägvptische Nation der Negerrasse eioverleibt wird (ge-
lehrte Citate werden dafür beigebraeht, die aber eben nur von „äthiopi-
scher* ira Sinne von ost-hamitiecher Verwandtschaft reden). Die Griechen
•ollen uns ein Muster in ihrer Hochachtung vor den Negern sein, denn
schon Homer rede von den „untadeligen Athiopen" (!). Aus Haiti be-
kommen wir nicht blofs den wirklich bedeutenden Toussaint • Louvcrturc
vorgefiihrt , sondern eine ganze Reihe noch jetzt lebender duukler Ehren-
männer, die als bittersten, Dichter Ärc. daheim oder in Paris glänzen, bzw.
geglänzt haben. „Innerhalb eines Jahrzehnts**, versichert der Verfasser mit
patriotischem Stolz, „wird man in Haiti ausgezeichneten Spezialisten in
jeglichem Zweige des Wissens begegnen**. Wie man sieht, dürfte Beschei-
denheit nicht zu den Tugenden zählen, welche die lloehkultur der schwar-
zen Kasse dereinst erlangen mag. Der Verfasser beweist das ziemlich deut-
lich, indem er die Neger mit französischem Pathos nennt: „die Enterbten
der Gegenwart, die Riesen der Zukunft*. Kirchhoff.
I 231. Originalmitteilungen aus der Ethnologischen Abteilung
der Kgl. Museen zu Berlin. 1885.
Mit dem vorliegenden Hefte beginnt eine Publikation, welche zunächst
i den Zweck hat, weitore Kreise rasch mit den eingelaufenen Vermehrungen
der Sammlung bekannt zu machen, die ober auch kürzere ethnologische
Aufsätze enthalt (T'dcnbestattung auf den Pelau- Inseln , Reisebericht von
Uohde aus Südamerika, Notizen zur lamaislischcn Ikonographie, Vokabular
der Colondos von Ecuador — nicht, wie das Inhaltsverzeichnis fiibchlich
meldet, aus Costa Rica). Auch Abbildungen sind beigegeben. Supan.
232. Andree, Bich., Die Masken in der Völkerkunde. (Arch.
f. Anthropologie, Braunschweig 1886, Bd. XVI, S. 478.)
Masken sind bei außerordentlich vielen Völkern in Gebrauch; es las-
sen sich aber doch gewisse Zentreu finden, wo dieser Gebrauch besonder*
intensiv ist und von wo aus er in die Nachbargebiete üborgreift. Solche
Zentren sind Ostasien. Melanesien und die Nordwestküste von Amerika.
Die Masken dienen entweder ira Kultus, oder im Kriege, in der Toten-
ausstattung, in der Rechtspflege und bei Schauspielen und 'Pinzen; im
letztem Falle stehen sie zuin Teil auch in Beziehungen zum Gottesdienst.
Jede Kategorie findet eine sehr eingehende Besprechung. .supan.
233. Mähly, Akklimatisation und Klimafiebor. (Deutsche
Kolonialzeitung 1886, Bd. HI, S. 72.)
D« Verb»«, Anl von Beruf, hielt «ich 1882 — 84 an der Ooidküste
auf, um im Aufträge der Baseler Mission die dortigen Gcsundhcitsvcrhätt-
nisse zu studieren. Seiner Überzeugung nach ist das tropische Klima an
sich und direkt für die Gesundheit der weißen Einwanderer nicht gefähr-
lich. Es gibt kein Kliroafiebcr, sondern nur «ine Malaria, die eine In-
fektionskrankheit ist (auch die Bezeichnung Sumpffieber ist unrichtig, da die
Malariukeime nicht ausschlicfsiich an das Vorhandensein von Sümpfen ge-
bunden sind). Dafs die Malaria nichts mit dem Klima zu thuu hat, ist
dadurch erwiesen, dafs sie übemnpfbar ist, wohl aber spielt dabei der, nn
sich ungefährliche Prozofs der Akklimatisation insofern eine Rolle, als er,
je nach der individuellen Disposition die Aufnahme des Kranhintskoimo*
begünstigen kann. Bei den Kingcbomcn fällt einerseits diese Nebenursache
weg, anderseits ist schon früh eiue Auslese eingetreten (große Kindersterb-
lichkeit infolge von Malaria); daher sind sie dem Fieber weniger zugäng-
lich. Die Hauptursache der großen Kolonistensterblichkeit in den Tropen
kann somit nicht beseitigt werden, auch nicht durch Ausbreitung der Boden-
kultur; wohl aber liegt es in der Macht des Menschen, durch passende
Auswahl von Stationspliitzen und zweckmäßige Lebensweise (einige Vor-
schriften werden gegeben, der Genuß von Wein und Bier nicht apodik-
tisch verboten) die Hilfxuraachen zu beschränken. Supan.
234. Rink, H., Om do Eskimoisko Dinlecter. (Aarb. f. nord.
Oldk. og Hist. Kjöbenhuru 1885, p. 219.)
Die vorliegende Untersuchung der Eskimodialekte in bezug auf die
Lüauug der Frage nach der Verwandtschaft der Stamme stützt sich auf das
ungemein reiche, vom Verfasser in langjähriger Arbeit zusimraeugetragene
Material, welches bückst wertvolle Aufschlüsse Über die Beziehungen der
Stämme zueinander gewährt. Nachdem ein kurzer Überblick über den Bau
der Sprache gegeben ist, werden mit Beziehung auf die Dialekte die zahl-
losen Kskimostamme in fünf Gruppen vereinigt : die Grünländer, dio Labra-
dor-, zentralen, Mackenzie- und westlichen Eskimos, und cs wird die vom
Vorfassor schon früher vortrefflich entwickelte Ansicht, dafs die Eskimos ehe-
mals Flußbewohner im Innern der nordamerikanischen Kontinente gewesen
seien, als die wahrscheinlichste hervorgehoben. Referent glaubt, daß die
Kopfzahl der raittlcrn Stämme, welche Rink auf 4000 schätzt, zu hoch
angenommen ist, und oino Zahl von 3000 kaum überschritten werden dürfte.
Ferner würde er vorziehen, die Bewohner des Smithsundee und wenigstens
von Nordlabrador in diese Gruppe einzubegreifen, da in bezug auf Sprache
und Sitten diese Stämme einander näher stehen ab den Grünländern. Die
Vergloichung der Dialekte führt den Verfasser zur Aufstellung einer über-
sichtlichen Verwandtschaftstafel, nach welcher die Aleuten sich zuerst vom
Hauptstamro getrennt haben, der sich »einerseits in einen östlichen und einen
westlichen Arm spaltet. Der östliche teilt sich in den Mackenzie- und
roittlcm Stamm, von denen der letztere die Labrador- Eskimos und dio
Grönländer ausstrahlen läßt.
Auf Grund der vorhandenen Wortverzeichnisse vergleicht der Verfasser
die Dialekte zunächst in bezug auf die Ausdrücke für gewisse Begriffsklassen,
wie Körperteile, Gerätschaften, Tierarten, Verwandtschaft A*e., und findet,
daß die Namen der Gerätschaften die größten Unterschiede zeigen. Von
großem Interesse sind seine Bemerkungen über die Verbindung fabelhafter
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60
Litteraturbericht Nr. 235 — 239.
Vorstellungen mit Tier- und Völkernamen, welche einzelnen Stämmen un-
bekannt geworden find, sowie über die eigentümliche Thatsache, duf* com
Mackenzie bis Grünland die Europäer *1* Qavdlunaq bezeichnet werden, ob-
wohl die erste Berührung in relativ junger Zeit stattfand. Es möge hier
die Bemerkung verstauet sein, dafs der Name alla (S. 242) für Indianer
auch unter den südlichen Stammen von Bxffin - I.anl vorkoramt, und von
dem Worte adla, Fremder, verschieden ist. Diese Alla sind identisch mit
den Hrqigdlit von Lancaster- Sund und Grönland, wahrend das gleiche Wort
im Westen Indianer bezeichnet.
Zu wichtigen Schlüssen wird der Verfasser durch eine Vergleichung
der in den einzelnen Dialekten gefundenen Stammworte geführt, deren Re-
sultate in einer übersichtlichen Tabelle xusammengeslrllt sind. Referent
glaubt, dafs eine l'nUTfuchung der Lautwandlung in den einzelnen Dialekton
nicht zu vernachlässigen ist, und kann daher dem Vorschläge des Verfassers,
die grönländisch« Form der Worte als normalo anzuoebraen, nicht bei-
ttimiuen.
Bei der unvergleichlichen Kenntnis der eskimoischen Sprache und Cher*
lieferungen, welche der Verfasser besitzt uud den aufserordentlich wertvollen
Resultaten, zu welchen seine Arbeiten schon geführt haben, rau (s man seinen
Untersuchungen Uber das reiche ntue Material, welches au9 Ostgronlnnd,
Labrador, den zentralen Gebieten und Alaska in don letzen Jahren zusum-
mengetragen ist, mit Spannung entgegensehen. li -as.
235. Xoticos coloniales publiees a Uoccasion de Texposition
universelle d'Anvers en 1885. 3 Bde., mit mehrern
Karten. Paris, Chullamel aine, 1885.
236. Mager, Atlas colonial. Paris, Bayle, 1885.
Das erstgenannte bildet ein vollständiges geographisch-statistisches Hand-
buch der französischen Kolonien und Schutzstiutcn mit Ausnahme von
Algier und Tunis. In regclrnäfsiger Reihenfolge werden besprochen die geo-
graphische I,oge. das Klima, die Bevölkerung, die wichtigsten Städte, die
Häfen und Märkte, die Schiffahrts- und HandeUbewcgung in den letzten
Jahren, die innem und äufsern Verkehrsmittel, die Frachtpreise, die Geld-
vcrhältni*<*, die öffentlichen Arbeiten, die Bodenkultur, die den Kolonisten
überlassenen Gründe, die Industrie, die einheimischen Arbeitskräfte, die Ein-
wanderung, besonder* die europäische Are. Jede Kolonie ist durch eine oder
mehrere Karten im gröfsem Matsstab (von H. Mager) vertreten, wodurch das
Werk einen noch höhern Wert erhält, wenn auch nicht alle Karten (wie
z. B. die der Insel Reunion mit seltsamer Terrainzeichnung) uneingeschränktes
Lob verdienen. Das Buch triigt zwar nicht einen ausgesprochen offiziellen
Charakter, aber da es von der französischen Koionialverwaltung heruusgegeben
ist, und die einzelnen Artikel meist von offiziellen Persönlichkeiten bear-
beitet wurden, so verdient es immerhin das vollste Vertrauen. Manche
Zahlen siud sogar neuem Datums als jene des jüngsten Bandes der Statis-
tiques coloniales, und nur einige wenige (wie z. ß. die Bevölkerungsdaten
flir Senegal) veraltet. Der ernte Band enthält die- Schilderung der asia-
tischen und madagassischen Besitzungen; als Nachtrag hierzu bringt Bd. II
eine Beschreibung Annams ▼. Seh illeroans. AD geognostische Haupt-
bestandteile Annam« werden angegeben: rötliche Schiefer und Sandsteine
der Perroforruatiou , rote und graue Sandsteine und Schiefor des Kohlen-
terrain*, und endlich die aus Kalkstein {Devon nachgewiesen) bestehende
Gebirgskette. Cber das Klima von Hut* (vgl. Litter.-Ber. 1885, Nr. 316)
werden neuere Beobachtungen von Philip und Maugin mitgeteilt. Die mitt-
lem Monatstemperaiureu waren :
Aug. 1882 29,0° Dez. 1882 18j° Febr. 1884 20,3° Juni 1884 28,«°
Sapt. „ 26,9 Jan. 1883 19,1 März „ 24,6 Juli „ 28,4
Okt. „ 25,* Febr. ., 18,9 April * 25,4 Aug. „ 28,4
Not. ., 21,4 März „ 20,7 Mai „ 27,5 Sept. „ 28,0
Aus den folgenden Banden ist namentlich aufmerksam zu machen auf
die offiziellen Berichte über da* obere Senegalgebiet und über die projek-
tierte Seneguleiscnbahn; eine Karte zeigt die alte und neue Trace. Von
Med ine werden die meteorologischen Beobachtungen im Jahre 1884 mit-
geteilt ; die Temperaturmittcl weichen von jenen in der Östcrr. Meteor.
Zeitschrift, Bd. X, S. 375, mitgeteilten, ziemlich beträchtlich ab:
Januar 25,1° April . 34,1* Juli . 27,8° Oktober 28,6*
Februar 28,1 Mai . 33,7 August 26,4 Novbr. 27,4
Mürz . 29,7 Juni . 30,0 SeptÖT. 27,5 Dczbr. 24,4
Es ergibt sich daraus ein Jahresmittel von 28,57* (1875: 29,9°). In
der Regenzeit. Juni bis Oktober, herrschen Westwinde, in der trocknen Zeit
Ostwindc. Temperaturangaben von St. Pierre (ca 47° N, Beobachtungi-
jabre 1879—83) linden sich im dritten Bande. Die extremen Monate sind
Januar mit — 6.5* und Aüguat mit 16", da* Minimum war —16,8°, das
Maximum 21,*°, das Jahresmittel Dt 4,7°. Von den KulturverhältnDseo
Guianas wird auch in diesem halb-offiziellen Werke ein sehr ungünstige«
Bild entworfen; die beiden Sätze: „La Ouunr n'est pa* cultivfe. Elle
pourrait l’fltre* enthalten ein Urteil, wie es schärfer und prägnanter nicht
ausgedrückt werden kann. Dagegen wird nachgewicseo , daf* der Buf der
Ungefundheit nicht begründet Dt: die Sterblichkeit betrug in der Periode
1857 — 79 6,6 Prot, und ülwirstieg niemals 9,9 l'roz. Dafs auch dio Ker-
guelen zu den französischen Besitzungen gezählt werden, dürfte wohl die
meuten I^ser überraschen.
Der Atlas colonial enthält dieselben Karten, wie das früher ge-
nannte Werk, nur sind die Karten von Guianu und die Übersichtskarte der
französischen Kolonien in der Ausführung etwas verschieden (letztere enthält
z. B. eine groben* Anzahl von Hafen pliinen); an Stelle der Karte von ganz
Zentralafrika in Nr. 235 tritt hier eine Karte des französischen Kongo-
gebiete*, und die Karle der Neuen Hebriden und eine Darstellung der pro-
jektierten ostindisch -chinesischen Eisenbahnen sind neu hinzugekomrueu.
Jede Karte wird ton eiuem Artikel begleitet, und der Umstund, dafs die
Verfasser dieser Artikel, unter denen wir don glänzendsten Namen, wie
Grandidier, Faidherbe, Lesseps Are. begegnen, entweder ForschungsTcDcnde
sind oder in amtlichen Beziehungen zu den Kolonien stehen, bürgt für die
Gediegenheit uud Zurerl&ssigkeit de* Textes, der allerdings an Reichhaltig-
keit mit dem unter Nr. 235 genannten Werke sich nicht messen kann. Es
durchweht denselben eine frischt* BegeUteruug Tür die Ausbreitung und Be-
festigung der französischen Kolonialmacht ; auch für die Ausbreitung, daher
auch Gebiete, wie nichtfranzüsbche Teile von Hinterindien, die Neuen He-
briden und Solomon- Inwln in den Kreis dor Betrachtungen gezogen werden.
Wir fürchten nur, dafs diese patriotische Begeisterung «ich zu krankhaftem
Chauvinismus steigern werde, denn ein folgender Band soll aufser Algier
und Tunis auch Elsafe-Lothringen uud die aufserfranzöxDchen Gebiete mit
französisch redender Bevölkerung in Europa, sowie die verloren gegangenen
Kolonien enthalten. Der Begriff ..La plus grando France*' erhält somit,
wie man sieht, einen für die europäischen Nachbarstaaten unangenehmen
Beigeschmack. Su^an.
237. Tho „Howard Vincent** Map of tho British Empire.
Edinburgh und London, W. & A. K. Jobneton, 1886.
Die vierblätterige Karte in Mercators Projektion uud im Mafatab von
1 : 22.: Mill. gibt ein deutliches Bild von den britischen Kolonien, die das
rote rlichenkolorit sehr scharf henrorhebt. Auch die neuesten Erwerbun-
gen, wie ßirmn, Port Hamilton, dio Kalahari sind verzeichnet; ebenso
auch die Kohlen- und SchiffahrUstationen. Kurze statistische Notizen sind
beigrgeben, und eine Nebenkarte: „die britischen Besitzungen ira J. 1786**
zeigt uni, wie gewaltig sich die britische Kolonialmacht seit luO Jahren
entwickelt hat. Siipan.
238. Salmon, The Crown Colonies of Great Britain. Lon-
don, Cassell & Co., 1880.
Kurse hsndclsgeographischc unil statistische Schilderung der zwölf
Kronkolonien. Es bitte die Cbetsichl sehr gefördert, wemi die vielen
Zahlenangabon in Tabellen vereinigt worden vrSren. Supan.
239. Duro, Cesäreo Fermindez, Colon v la HiBtoria Postum».
Examen de la que escribiö el Conde de Boseliy de
Lorgues, leido ante la Real Academia de la Historia.
Madrid 1885. 304 pp.
Die»«, neueste Werk de» fleifsigen Autors, welcher un«tr*ilig iu den
bedeutendsten der leitenden Historiker Spaniens gehört, verdankt »ein« Ent-
stebung der Publikation der „llistoire Posthume de Christophe Colomb par
!e Comtc ltoselijr de Lorgues“ , Pari* 1885. Der Graf KoseUy , ein über-
eifriger Verehrer des Columbus, ist bekanntlich »eit vielen Jahren bemüht,
die römische Kurie zur Heiligsprechung de» Christ. Columba» au bestim-
men. Das ietate Huch de» Herrn Grafen hat aber — mehr als alle frü-
hem — ilaau beigetmgen, durch Cbciticibungen und Entstellungen das
Ansehen de» Columbus als Menscheu au schädigen. Weil Graf Itoselly die
Fehler des grofsen Seefahrers und Entdeckers verdeckt und seiner Ein-
gebung zur Last legt, besonders aber Veit er das Benehmen Ferdinands des
I Katholischen gegen Columbus als das eines ehrlosen und undankbaren Heuch-
lers darstellt, sah sieh Herr Duro als Historiker und als Spanier genötigt,
die Wahrheit schonungslos ru enthüllen. Es ist ihm in glanzender Weise
gelungen, alle gegen Ferdinand und Isabetla und Carl V. wegen ihrer Un-
dankbarkeit gegen den Columbus und seine Nachkommen gerichteten Klagen
und Angriffe au widerlegen. Da» kleine Werk bereichert unsre Kenntnis
der Entdcckungsgescbichle wesentlich. u. /WokoK.kp.
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Litteraturbericht Nr. 240 — 246.
til
240. Ba\mer , Studien Ubor den Seeweg zwischen Europa
und West Sibirien. Mit 1 Karte. Hamburg, Friedrich-
sen & Co., 1886.
Der erste Teil der Inaugural-Dissertation enthält einen geschichtlichen
Überblick der Nordostfahrten und der darauf gegründeten Ansichten. In
vielen Fullen, wie 2. B. bei der Beurteilung der sogenanuten Orofsen Nor-
dischen Kxpedition (1734 — 43) oder der Äufserungen Harra über die Kura-
See und der daraus sieh entwickelnden Polemik, machte sich eine selb-
ständige Auffassung geltend. Der zweite Teil handelt von den physischen
Verhältnissen der Meere zu beiden Seiten ton Nowaja Serolja, und ist
eine rocht sorgfältige Zusammenstellung des vorhandenen Materials, aus der
sich allerdings keine weittragenden Resultate ergehen; doch sind die Vor-
schläge , welche darauf ahziclcn , sich am Anfang des Sommers ein l ’rteil
Uber die zu erwartenden Eisverhältuixse der Kara-See zu bilden, beachtens-
wert. Die Frage nach der Schiffbarkeit der Kars -Sen zu 1 lundeiszwecken
lüfat der Verfasser unentschieden, und ebenso skeptisch verhält er sich
gegenüber den Projekten einer Ijind Verbindung zwischen Kufsland und
Westsibirien. Das sibirische Getreide konnte seiner Ansicht nach wegen
der hohen Frachtsätze nicht nl* konkurrenzfähig auf dem europäischen
Madct auftreten, und Überhaupt seien (in diesem Punkte schliefst er sich Petri
(Ui) die wirtschaftlichen und administrativen Verhältnisse Sibiriens noch so
trauriger Natur, dafs auch bessere Verbindungswege mit Europa die schlum-
mernden Produktionskräfte nicht zu wecken vermochten. Supan.
241. Nordenskiöld, Bemötando af anmärkningar som rik-
tats mot min skildring af Vegas färd kring Asien och
Europa. (Yraer, Stockholm 1885, S. 246, Sep.-Abdr.)
Dies« Verteidigungsschrift richtet sich zuerst gegen Pr. Schmidt, der
dem Verfasser Zurücksetzung der russischen Forscher vnrgoworfcn hatte,
und Lnuridscn, der diese Vorwürfe wiederholt hatte. Nordenskiöld hält
seine Darstellung aufrecht, wenn er auch zugestebt, dafs dieselbe wegen
ITnvolUtändigkcit des (Juclleumaterial* mauche I.Ücke aufweist. Die Frage,
ob Wrangel an die Existenz des noch ihm hemmnten lindes gcglautt hat
oder nicht, liifst er unentschiedeu, und weist darauf bin, dafs eino voll-
ständige Analogie zwischen der Entdeckung de* Wrangel- und jener des
König Karl - Landes besteht, ohne dafs die schwedische Expedition von iöf.4
die Entdeckung des letztgenannten Landes für sich in Anspruch genommen
hatte. In der Polemik gegen Stejneger berührt N. wieder die Frage nach
dem Zeitpunkt der Ausrottung der Seekuh auf der Beringsinsel. N. halt
an der Jahreszahl 1779 oder 1780 (nach Stejneger 1775) fest, und cbonso
an der Jahreszahl 1854, die letzterer ganz verwirft, und zwar auf Grund
von Aussagen derselben Gewährsmänner, die N. befragt hatte. In einem
Punkte wird da« „Vcgn“ -Werk berichtigt. Münsters Karte von Kufslaud
(1544) iat nicht die älteste, sondern jene, von N. erat kürzlich entdeckte, die
einer 1538 in Basel gedruckten Ausgabe der Soliuua beigegeben ist. Sie
zeichnet sich durch besonders korrekte Darstellung aus. Dasselbe Buch
enthält auch eino Karte von Asieu, auf welcher der gegenüberliegende Teil
von Nordamerika als .Terra incogniUr erscheint. Smjain.
242. Hans Sohiltbergers Reisebuch. Nach der Nürnberger
Handschrift heransg. von Dr. V. Langmantel. Tübin-
gen 1885. (Bibliothek Litt. Ver., Stuttgart. CLXXII.)
Die» Nenausgabe ein« der hervorragendsten deutschen It.iscwerke
des 15. Jahrhunderts beruht auf brwerra Handsebriftenmaterial als die bei-
den frühem, welche für wissenschaftliche Zwecke in Botracht kommen
können, nämlich die deutsche von K. P. Neumami (1859) und die engli-
sche von J. B. Telfer (1859). Sie konnte eine ganze Reihe von Fehlem
vermeiden, zu welchen der üble Zustand der Handschrift die Vorgänger
verleitete, und vermag aus demselben Grunde schwierige oder dunkle Stol-
len richtiger zu deuten. Auch trägt sie durch den Nachweis des weit-
gehenden Nutzens, welchen Schiltbcrger von den Arbeiten seiner Vorgänger
zog, zur Klärung der Stellung bei, welche diesem bayrischen Reisenden
in der Geschichte der Reisen und Kcisebochrcibungcu gebührt. Das H.iupt-
rerdienzt der Neuau&gabe ist jedoch ohne Zweifel die Herstellung eines
mit den heutigen Hilfsmitteln kaum richtiger zu gebenden Textes eines
wichtigen Quellenwerkes zur historischen Geographie Vorder- und Mittel-
asiens im Mittelalter. FrUdrich Saint.
Europa.
243. Pfaff, Die Gletscher der Alpen, ihre Bewegung und
Wirkung. Heidelberg, Winter, 1886. (Frommel & Pfaff,
Sammlung von Vortrügen, Bd. XV.)
Das Schriftehen scheint durch die G!et*ehorknndc von Heim und die
moderne Glazi<heorie hervorgerufen worden zu »ein. ileim gegenüber
erörtort der Verfasser weitläufig die Ansicht, dafs die Temperatur im In-
nern des Gletscher» in einer gewissen 'Hefe, wo sie konstant wird, nicht
über, sondern unter der mittlcm Lufttemperatur liege, gibt aber zu, dafs
sie von da ab mit der Tiefe wieder zunehme. Durch Rechnung gelangt
er zu dem Schlafs, dafs die Abschmclxung nicht ausrcichc, um die GleUcher-
bSche zu ernähren, und er nimmt an, dafs dieselben hauptsächlich durch
Quellen, die am Glctschcrgnind hervortTctcn und auch die Abzogsrinne
schaffen, gespeist werden. Dafs Pfaff ein Gegner der Gletschererosion ist,
wird niemand wundernebraen, der weif», dafs er gegen alle neuem Theo-
rien sich ablehnend verhält; aber seine Einwände sind auch in diesem
Falle nicht zutreffend. Der Hinweis auf sogenannte physikalische Unmög-
lichkeiten imponiert nicht mehr, und man erwartet auch nicht mehr, dafs
jeder AlpenglrUchcr während seines periodischen Vorstofses ein Seebecken
ausbobele. Non kann man aber von der Theorie der Glotacheierosion nicht
ragen, dafs sie allein aus Spekulation hervorgegangen; sie stützt sich im
Gegenteil auf zahlreiche Beobachtungen, und diese darf der Gegner nicht
ignorieren. Der populäre Zweck des Schriftcheus kann auch nicht als
Entschuldigung dienen; cs würde damit nur bewiesen sein, dafs der Ge-
genstand für eine Erörterung corara populo noch nicht reif ist. — Zum
Scblufs sei noch erwähnt, dafs der Verfasser mit anerkennenswerter Offen-
heit seine Beobachtungen über zeitweilige vertikale und rückläufige Bewe-
gungen des Firns als nicht gesichert erklärt. Supan.
244. Lang, Der säkulare Verlauf der Witterung als Ur-
sache dor Gletscherschwaukuugon in den Alpen,
(österr. Meteor. Ztßchr. 1885, Bd. XX, S. 443.)
Die Voruntersuchung ergab, dafs der s&kulare Verlauf der Witterung
auf beiden Seiten der Alpeu der gleiche ist, woraus gefolgert werden kann,
dafs er sich auch in den Alpen selbst in gleicher Weise vollzieht. Die
biüden mufsgebenden Faktoren bei den Gletscherachwankungen sind die
Niederschläge und die Temperatur. In bezug auf dio erstem kommt der
Verfasser zu dem Resultat, dafs eine Reihe niederscbl&gsreicher Jahre dem
Gletechorvorstofs vorangeht . während die niedcrsrhlngrarmen Perioden mit
jenen des Gletschenrückzugs nahezu zuKammenfallen. Die Perioden hoher
Jahrestemperatur geben jenen de» Glct*eherrüekzugs, und die Perioden
niederer Jahrestemperatur jenen de» GletwhervoT$tof*e* etwas voran, über
die Extreme der Jahrestemperatur fallen fast genau in die Mitte der ent-
sprechenden Gletscherschwnnkungen. Geringer ist die Übereinstimmung
zwischen den Kurven der Somraerteroperatur und der Gletscherschwankung,
und der Verfasser glaubt daraus den, für die Frage nach den Ursachen
der Eiszeit wichtigen Scblufs ziehen zu dürfen , dafs die Niederschläge in
bezug auf die Gletscher ein wichtigerer Faktor sind, als die Temperatur.
8upan.
245. Reichelt, Beiträge zur Geschichte des ältesten Wein-
baues in Deutschland und dessen Nachbarländern bis
1000 n. Chr. Reutlingen, Kocher, 1886.
Die allmähliche Ansbreitung dos Weinbau«* bi» zum Jahre 1000, wo
er den Höhepunkt erreich!, wird in diesem Sehnlichen au.scblief.lich an
der H.nd Ton Erkunden fcstgestellt. In der HiSroereeit wurde höchsten*
am linken Kbcinufrr spärlicher Weinbau getrieben; seine eigentlichen An-
fange im westlichen Rheingau füllen aber erst in die Zeit des australi-
schen liciches, wie schon Bodmaun dargethan hat. östlich vom Rhein
wird er zuerst im Jahre G28 oder 038 (Gegend um Iadcnhurg am untern
Neckar) genannt, und ins Innere von Deutschland dürfte er im 7, Jahrhun-
dert wahrscheinlich noch nicht vorgedrungen sein. Einen bedeutenden
Aufschwung nahm er im 8. Jahrhundert, hauptsächlich durch das reiche
Kloster Fulda: nach 0 finden wir ihn bereit* bi* in die Gegend zwischen
Main und J*it und bi* zur mitllern Donau vorgedrnngen. Im 9. Jahr-
hundert haben sich die Weinorte am Rhein , besonder* um Oberrhein und
um den Bodensec bedeutend vermehrt, and ebenso auch an der obern
Donau und deren südlichen Zuflüssen, Vom Main au* erstreckt »ich da*
Rcbeogcbict bereit* in ds* Saalethal und nach Thüringen, und auch in
Württemberg erscheinen Gegenden al< Weinbauern), die e» jetzt nicht mehr
sind. Noch nu*gcbreiletcr Ul der Weinbau ira 10. Jahrhundert (Thürin-
gen. Brandenburg, Niedexbavem). Wesentlich trug dazu der Gebrauch de*
Weines bei der Mene bei. Je mehr sich der Geschmack und die Ver-
kehrsmittel begleiten , desto mehr zog »eh der Weinbau in Gegenden zu-
zück, wo er noch als lohnender Zweig der landwirtschaft betrieben werden
konnte. $»pan.
246. Jentzsch, Beiträge zum Ausbau der Glazialhypothese
in ihrer Anwendung auf Norddeutsehland. (Jalirb.
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62
Littcraturbericht Nr. 247—253,
Preufa. Geolog. Landesanstalt f. 1884, Berlin 1885,
S. 438, mit 3 Tafeln.)
Die Relicfformen des diluvialen L'ntcrgrunde« stimmen xum Teil mit
denen der heutigen Oberfläche überein. PrigUziale Thüle; existierten in
der Gegend des Pregelthule* bei Königsberg und des Weiciueltkale* bei
Tliorn, wie eich *a* dem welligen Verlauf der thonigen Schichtengrupp«
und ihrer zunehmenden Mächtigkeit in den Senkung^gebieten schliefen
liiUt. Am Beherberg (bei Königsberg) steigen und senken sich die liegen*
den Tertiir- und Kreidexchichteu ganz konform mit der diluvialen Ober-
fläche. Der Verfasser kann eich dies nicht ander* erklären als durch post-
glaxiale Hebung und vermutet als 1‘rsoche der letztem die klimatische
Veränderung (also Ausdehnung des Bodens durch Erwärmung nach dem
Verschwinden der Eisdecke). Vorläufig müssen wir es aber wohl dahin-
gestellt sein lassen, ob diesem Faktor wirklich eine geologische Bedeutung
xukoromt. Mehrere Beispiele von erheblichen Schichtenstörungen des Di-
luviums sowohl, als der liegenden Schichten durch den tangentialen Druck
des Eises werden angeführt.
Wichtig sind die Bemerkungen über die Gliederung des Diluviums.
Die von Berendt durehgefiihrte in ein oberes und untere* Diluvium hat
praktischen Wert, entspricht aber nicht einer doppelten Vereisung. Dage-
gen wird naebgowieson, daf» die tieschiebemergel (Gruiidmoränen) im nörd-
lichen Teil von Norddeutschland durch wenigstens eine iutcrglaxiulc Mee-
ressebicht mit Nordscefaunu getrennt wird, der im südlichen Teil oinc
Land- und Sufswnsserbildurig entspricht. Beachtenswert ist in dieser Be-
ziehung das Profit von Punnallcu ($. 512):
2. Vergletscherung,
3 m mächtig
J a. Diluvialsand und Grand.
| b. Geschiebemergel.
Interglazial,
21, fl ui mächtig |
l. WTgDtscherung, |
27 m mächtig |
Vorläufer der
1. Vergletscherung, J
27 m mächtig |
c. Kohle mit Sanddecke.
d. feinkörniger Sand,
e. geschiebefreier Thonmerge’..
f. Geschicbemergol,
g. Sand uud Grand mit Gerollen,
h. Geschiebemorgcl.
i. Sand, Grund und Gorüilt.
h. Glnukonitmerge),
k. Sand und Urand.
Neben den geschichteten intcrglaxialcn und Rendbildunsen gibt cs
auch solche von subgiiiialen Gewässern {vgl. Ult.-Ber. 1885, Nr. 182).
Die alleinige Wiuerabfuhr unter dem Eite bildet noch der Ansicht de*
Verfasser* den Hauptgegeniatz zwi**cheo den diluvialen nordischen und
den Landeisbildungeo der Gegenwart. Im nördlichen Hufsland , Finnland
und Esthland fehlen geschichtete Zwischenlogen: die letztem werden nach
S zu um su reichlicher, je mehr das Diluvium an Mächtigkeit zunimmt.
Der L>fs aiu Bande des LtmleUc* ist äolisch umgolegerter GleUcher-
achlamm; durch diese Erklärung wird die ältere Lifstheorie dev Verfassers
mit der t. Richthofens verknüpft. Supan.
247. Dames, Die Glazial bi) düngen der norddeutschen Tief-
ebene. Merlin, Habel, 1886. (Virchow & Holtzen-
dorff. Snmml. wissensehafU. Vorträge, Heft 479.)
Eine populäre Darstellung des norddeutschen Diluviums auf Grund
der neuesten Forschungen , )ind>evondcre Berendt* und seiner Mitarbeiter,
sowie Credners , Nehring» und Pencks. Bedauerlich *ind einzelne Un-
genaoigkeiten in der Darstellung der PrioritiDTerhiltnUs« , z. B. betreffs
der Entdeckung der Diatomeenschichten. Bezeichnend ist der Satz, mit wel-
chem die schwebende Frage nach der Eutstehung der preufsiveh- mecklen-
burgischen Seen gelöfst wird (S. 38 — 33): .Nach Ansicht des Verfusm
ist die einfachste Erklärung die, dafs das auf den Plateaus liegende und
iu der Abichruelsung begrilfcne Eis seine Schmelzwiioer nicht samt und
sonder* in die Thäler hcrabgevchickt bat, sondern dafs sich ein Teil der-
selben in Bodenvertiefungen aiworamelte und nach dem gänzlichen Ver-
schwinden des Eises als Seen zurückgeblieben ist". Je tu st cA.
248. Berendt, Geschiebe- Droikautcr odor Pyramidalge-
schiebe. (Jahrb. Preufs. Geolog. Lnudesanstalt f. 1884,
Berlin 1885, S. 200.)
Die dreikantigen Geschiebe, .reiche im Gebiet de» nordische» l)iln.
vinnw rorwiegeod auf Anhöhen oder hohen Thalrändern und im innigen
Zuvimmeuhang mit dem Ge«chiebedeeks«iid reichlich Vorkommen , werden
für ein Produkt der, weite Fliehen bedeckenden SehmeUwässer beim Rück-
zug dev Inlandeise« eritUit. Soiwo.
249. Geinitz, Diu mecklenburgischen Höbenriicken (Ge-
sebiebestreifen) und ihre Beziehungen zur Eiszeit.
Stuttgart, Eugelhorn, 1880. (Forschungen zur deut-
schen Landes- uud Volkskuude, Bd. I, Heft 5.)
Die mecklenburgische Seenplatte besteht au« einer Anzahl paralleler,
nach SW (also hexeynbch) streichender Falten dos Flotzgeblrges, da» aber
nur steiler.. eure au.« »einer mächtige» unterdiluvialcu Dockt von Sanden,
Granden, Getblllnscn Are. anftaueht. Anf oder au, manchmal auch hinter
diesen urspr i» n tz 1 ic h en *) liodenwellen lagert oberdiluvialer gcschiebe-
reicher Moränenschutt in 1 — 5, «eiten 8 m, manchmal anch weniger als
1 m Mächtigkeit, welcher als endmorinenartige Anhäufung der Grundroo-
rlitie hei dem allmählichen Rückzug der letzten Vereisung zu betrachten ist.
Geinitz weist die Kzistenz von 10 solchen parallelen Geschiebestreilen, die
zum Teil durch Querriegel verbunden sind , in Mecklenburg und von je 3
in Pommern mul Rügen einerseits und in der I.ünehurger Heide anderseits
nach, und hat dieselben auch auf zwei Kärtchen dargestellt. Der markan-
teste dieser Geschiebes! reifen ist jener, der von der Insel Fiel im }! der
groben Seen nach Feldberg zieht. Die charakteristischen Eigentümlichkeiten
der Morünenlandschaft sind innerhalb dieser Ge Ulli lebest reifen meist noch
deutlich entwickelt. Die laindstriche zwischen den (leschiebestreifcn liegen
entweder niedriger, oder in gleicher lfoho oder eogar hiiher als die letzten
und sind sandiger lieideboden verschiedenen Altere : entweder aus untern
Senden, wie die Lüneburger Heide, oder aus untern Sanden, gemischt mit
oberdituvialem Mergel und Deckenkies, oder eudlich aus jungdiluvialcn, bzw.
altalluviuicn Thaltandrn bestehend. Der Verfeaser weist nach, dafs die ge-
nannten untern Sande, die man bisher dem Unterdiluvium zuwies, zua
grofsen Teil wenigstens als eiue oberdiluviale Facies, nahezu gleichalterig
mit dem geschiebereichen Grnndmnränenschutt , zu betrachten sind. E«
verdient noch bemerkt zu werden, dafs der Verfasser sich immer mehr der
Ansicht von einer zweimaligen Vereisung des europäischen Nordens nähert
(vgl. Litter.-Ber. 1885, Nr. 26C). Supa».
250. Berendt, Das uuterdiluvialo Alter dos Jouchimsthal-
Oderberger Goscbiobowallos. (Zeitschrift Deutsch.
Geolog. Gesellschaft 1885, 8. 804 — 807.
l'iiterdilnvisles Alter ist nunmehr lieber fealgestellt für den genannten
Geschicbewill, der sich durch Mecklenburg bis Kliitzerort über ca •' SO km
verfolgen läfst, und den man bisher als Rndmoräue der letzten Vergletsche-
rung auffafste. Da nunmehr dieso Deutung unmöglich*), eo neigt Verfasse
zu der Ansicht, dafs dieser ganze mecklenburgisch • ruirkitche Landrücken,
und ebenso der preuCsische nnd pommorsche, als Inseln au« der zweiten
I Vereisung hervorragteu. Jmtir*.
251. Keilhack, Über ein interglaziales Torflager im Dilu-
vium von Lanenburg a. d. Elbe. (Jahrb. Geol. Landes-
anstalt für 1884, Berlin 1885, S. 211.)
Du Torflager ruht auf Getchicbclchm (Grundmoräue) und wird über-
lagert von zum Teil mächtigen Sanden und diese wieder von oberem Ge-
echicbelrlim. Dafs das Torflager nicht während einer Oszillation des Land*
eises, wildem während einer langen I n t e rglazial zci t mit gemdfeig-
tarn Klima entstand, beweist seine Flora. Sujssn.
252. Wahnschaffe, Mitteilungen ilbor das Quartär am
Nordrande des Harzes. (Zeitschrift Deutsch. Geol.
Gesellschaft 1885, Bd. XXXVII, S. 897.)
Von allgemeinem! Interesse ist das Resultat, dafs der Südrand des
skandinavischen Iziudcise* den Harz nicht erreichte, eondera nördlich roo
den Vorbergen desselben lag. Supan.
253. Wahnschaffe, Die geologischen Verhältnisse der Um-
gegend von Bathenow. Mit 1 Karte. Rathenow, Ba-
heu zien, 1886.
Dir*«» kleinen populären Seliriftchens »ei hier deshalb gedacht» weil
Rathenow an der Havel insofern unter Intercue erweckt, als c« an der
Vereinigung des alten Welchen!-» Oder- und Elbcthale» liegt. Di« Elbe
benutzte danult, wie die zahlreichen KiezeUchiefer- uud Milchquartgerölle
beweisen, du untere Havelthal. Supam.
*) Die«* Erklärung «tebt im direkten Gegensatz zur Aufpre**ung*theohe
ron Brrendt. S.
Wenn nämlich „entc Vcrglettcherung- und „l?nterdilu?iuni** «tül-
Khweigrnd zeitlich portUelttiert werden. J.
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Litteraturbericht Nr. 254 — 260.
63
254. Wahnschaffe, Die Quartärbildungen der Umgegend von
Magdeburg. (Abhandlung zur geologischen Spezialkarte
von Preufsen, Bd. ATI, Heft 1, 1885. Mit 1 Karte.)
Dio Hnuptclcmento Her OborHächetigcbilde und : 1) im Elboth&l io einem
Streifen ton durchschnittlich 10 km Breite Alluvium, teil* au# iütcrm Thai-
land, teils aus jungem Flu CwblagcrunRen, meist Schlick, bestehend; 2) west-
lich vou der Elbe das wellige, nach W ansteigende LÖf#lond der Börde;
3) das nördliche, östliche und westliche, höher liegende Randgebiet aus
unterm Diluvium. Dem Alter nach werden in ansteigender Linie folgende
Quartärbildungen unterschieden :
1) Eine prüglaziale Paludinenscbichte ist nicht vorhanden; iV.udina
diluviana wurde aber auf sekundärer Iurgerstüttc gefunden.
2) Altglaxialer Flufsschotter von Uellnitz.
3) Unterer Oceehiebemcrgcl, der ernten Vereisung entsprechend. Da die
Gletecheratreifen von Gommern eine südliche Richtung des Eises anzcigen,
*o erklärt ca sich, dafs die Grundmoränc nur von X stammende Geschiebe
enthalt. Durch kleine Oizillatiauen des Eises dürften sich die geschichteten
Einlagerungen erklären Ir wen.
4) AU interglazial dürften der Kalktuff bei der Sudenburg, und die
Sande und Grande mit von S stammenden Kioclsrhicfcr- und Milchquarz-
gerollen, wie sie die Elbe heute noch fuhrt, zu bezeichnen sein.
5) Oberer tieschiebemrrgel ist nicht vorhanden, e# wird aber ange-
nommen, dafs der obere Geschiebeeand und die Steinsohle des Bördelöfscs,
welche aus groben nordischen, zum Teil mit GlcUcherslreifuug versehenen
Blöcken besteht, Denudationsreste der obern Grundmoräne sind.
C) Der Bördelüfs wird trotzdem, dafs er vollkommen ungeschichtel ist
(der Verfasser schliefst eich in dieser Beziehung der Erklärung von Fe#ca
an, demzufolge Schichtung nur bei stetiger Änderung der Strorage*chwmdig-
keit möglich sei), als eine fluwatile Ablagerung betrachtet, und zwar
hauptsächlich aus drei Gründen : 1) wegen seiner gleichmiifsigen Ausbildung
trotz grofscr Mannigfaltigkeit in der Gesteinabejchaffenheit der nahem und
weitern Umgegend (vgl. dazu Litter.-Ber. 246), 2) wegen seiner gleichmSfsigen
Mächtigkeit, und 3) weil er nach unten nicht Vertiefungen ausfüllt, Kin-
dern mit einer ebeucn Flache abschncidrt. Gegenüber Penck hebt der Ver-
fasser hervor, dafs der Löfs nicht interglazial sein könne, weil erratische#
Material gänzlich fehlt. Im allgemeinen betrachtet er ihn als ein Altera-
äquivalent de# obern Gescbiobetande», oder genauer genommen, als etwas
älter. Der Absatz erfolgte im ruhigen Wasser, dessen Ablauf der nördliche
Eisrand hinderte. Der Kalkgehalt stammt von dem zerstörten obern Go-
achiebemergel. In der auf die arktische Periode folgenden Steppenperiode
überzog sich deT Löfs mit Grasvegetatiou, welche den Humus zur Bildung
der obern, humosen Lüfsdecko lieferte. Seine Fruchtbarkeit verdankt der
Löfsboden hauptsächlich seiner mechanischen Zusammensetzung , während
sowohl der Humusgehalt, wie der an Pflanzcnuährstntfcn kein hoher ist.
Das heutigo Elbctbal bildete »eh aus, als dex Geschiebemergel zwischen
Wolroirstedt and Hohenwarthe durchbrochen war. Früher war der Ahtlufs
nach NW gerichtet, aber nicht (wie Fr. Hoffroann meinte) durch das Obie-
tlutl, das zu schmal ist, um den Elbeetrom aufzunehmen, und nur vorüber-
gehend bei Hochwasser Elbewasser aufnuhm (Vorkommen von Elbegeröllen
im Ohrethal). Supan.
255. v. Wienkowski, Die pommerseben Kassuben. (Mittei!.
Geogr. Ges. Wien 1885, Bd. XXVIII, S. 537.)
Echt« Kassuben, d. b. mich« wendischen .Stammet, mit denen die
angesiedelten Polen häufle identifiziert werden (wie auch umgekehrt), sind
die «vangcliieben Slawen, welche in Ilinterponnmern zwiachen den
Flüsschen Lupow and Leb* in einer Kopfzahl vou ca 450 leben. Katho-
lischc Kaatuben, die Ton den mit ihnen lebenden Polen schwer zu tren-
nen »ind, wohnen noch im angrenzenden Pommerelleu in einer Zahl von
ca 3000. In nicht ferner Zeit dürfte dieser spärliche wendische itest
gänzlich verschwunden sein, und ethnographische und sprachliche Mittei-
lungen (dio Sprache steht zwischen dem Czcchischen and Polnischen) sind
daher dankenswert. Supan.
256. Lossen, Über das Auftreten metamorphiseber Gesteine
in den alten paläozoischen Gebirgskernen. (Jahrb.
Preufs. Geolog. Landesanstalt f. 1884, Berlin 1885,
S. 56.)
Obwohl dieaer Aufsatz aomchliefstich geologisches Interesse bietet, ao
sei doch auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, weil er zahlreiche,
nicht nur für die Tektonik der mitteldeutschen Gebirge von den Sudeten
bie zn den Ardennen , sondern aach für die Lehre von der Gebirgsbildung
überhaupt wichtige Beobachtungen enthält Es ergibt sich daraus, dafs
der Faltungsprorefs nicht alle Teile eines Gebirgskörper» gleichzeitig und
mit gleicher Intensität ergriff, und dsts Störungen von verschiedenem Alter
und in verschiedenen Sichtungen innerhalb ein« und desselben Gebirges
vcrUnfend, eine in den mitteldeutschen Massivs allgemein verbreitete Er-
scheinung ist, wodurch die eigentümlichen unter Zug- und Druckwirkung
durch Tonion verzerrten Falten entstanden sind. Supan.
257. v. Koenen, Über Dislokationen westlich nnd südwest-
lich vom Harz. (Jahrb. Preufs. Geolog. Landesanstalt
f. 1884, Berlin 1885, S. 44.)
Die mindestens 900 km lange DislokntionsÜnie , die von Osnabrück
über Coburg nach Ijnr reicht und sich in Faltungen und Verwerfungen der
sonst flach geneigten mesozoischen Schichten üusfert, ist jünger als das
marine Oligociin, zum Teil auch jünger als die Braunkohlcn/orraation, und
steht im Zusammenhang mit den Basaltausbriichen. Die meridionalen Spal-
ten im Westen des Hanes und die senkrecht darauf stehenden, vom Han
ausgehenden Radialspalten , welche zur Bildung von Hinbruch -Thäiern
(Leinethnl zum Teil) und -Becken (z. B. Leinebecken bei Greene an einer
Kreuzungsstelle von Spalten) and von Seen mit Lehmablagerungen Ver-
anlassung gaben, sind dagegen erst nach g lazialen Alters nnd stehen
im Zusammenhang mit einem Schub von 0 nach W , wodurch einerseits
der Abstsnd des Harzes vom rheinischen Schiefergebirge, anderseits die
Länguchso des llnrzes verkürzt, also eine Aufwölbung des letztem bewirkt
wurde. Der Verfasser spricht die Ansicht aus , dafs auch dio tiefen Seen
der Mark Brandenburg und „vermutlich“ auch von Pommem und Preufsen
durch nachglaziale Einstürze infolge tektonischer Veränderungen entstunden
seien. äupan.
258. Bücking , Gebirgsstöruugen südwestlich vom Thürin-
ger Wald. (Jahrb. Preufs, Geolog. Landesanstalt f.
1884, Berlin 1885, S. 546, u. Taf. 30.)
Der südwestliche Abhang de» Thüringor Waldes wird von zahlreichen
Verwerfungen durchschnitten , über welche der Verfasser zura Teil schon
im Jahrbuch für 1880 Bericht erstattet hat. Dio Verwerfungen streichen
Lrn allgemeinen parallel mit dem Gebirgszug ; einige bezeichnen die Gienzo
zwischen Gebirge und Vorland, andre gehören ganz einer dieser Zonen an,
und wieder andre gehen aus einer Zone in die andrr über. Einige Ver-
werfungen »teilen «ich als Überachicbungen dar, was auf seitlichen Druck
hindeutet, andre stehen mit vertikalen Senkungen (und Hebungen-) in Ver-
bindung. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen diesen Störungen
uud der Herausbildung dew nordwestlichen Thüringer Walde»; und da dio
erstem tertiären Alter» sein dürften, #o Ut anzunehmen, dafs auch der
nordwestliche Thüringer Wald er*t in der Tertiincit «eine heutige Gestalt
erhielt. Supan.
259. V. Fritsoh, Das Pliocüu im Thalgebiet der Zahmen
Gera in Thüringen. (Jahrb. Preufä. Geolog. Landes-
anstalt f. 1884, Berlin 1885, S. 389.)
SO — 50 ra über dem heutigen Thslboden der Gera liegen pnläonto-
logisch als Pliocün sich erweisende Flufsablageruugcn , welche anzeigen,
dafs der Flufs damals in grüCrero Serpentinen «ich bewegte als jetzt. Di«
Windungen hingen von der damaligen Verteilung weicherer und härterer
Schichten ah. Anzeichen, dafe der Flufs damals wasserreicher war, fehlen
ganz. Es ist Grund zur Annahme vorhanden, dafs anch andre, für düu-
vial gehaltene Thon- und Gerollablagernugen Thüringens pliocüu sind.
Supan.
260. Proe8choldt, Geologische und petrographischo Beiträge
zur Kenntnis der Lungen Rhön. (Jahrb. Preufs. Geolog.
Landesanstalt f. 1884, Berlin 1885, S. 239, u.
Taf. 12.)
Xach älterer Anschauung besteht das Plateau der Langen Rhön (Ast-
lieh vom LTstertbal) aus Tertiärablagerungcn , Tuffen und Braunkohlen in
Wechsellagerung mit Basaltdeckon, welche« Schichtcnsystcra auf einer Un-
terlage von ungestörten Triasschichten aufruht. Die Untersuchungen des
Verfassers ergaben aber das Vorhandensein einer lteihe von Verwerfungs-
s palten ; diese bedingen »einer Ansicht nach auch ein treppenförraigea Ab-
setzen der Tertiärschichten, wodurch der Eindruck der Wechaellagerung,
die in der That nicht existiere, hervorgemfen wird. Von den genannten
Spalten »ind die nach NW und NO streichenden die Mtern, die meridionalen
die jüngem (vgl. Litt.-Ber. Nr. 257). An der Krcuzungsntelle der erstem
erfolgten die grofsen Basaltausbrüche; das Profil am Gangoltsberg zeigt
deutlich, dafs die Eruptionen durch Verwerfungespalten erfolgten, also eine
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Litteraturbericht Nr. 261 — 267.
Folgeerscheinung der Dislokation sind. Jüngere lUsuite dürften auch mit
dem meridinnalen Spalten«jr»tom in Verbindung stehen. Die heutige oro-
graphi»che Gestalt ist aber eiu l’rodukt der Erusinn. $»pan.
261. Honsell, Der deutsche Oberrhoiu iu vorhistorischer
und historischer Zeit. (Korr.-Blutt Go*, f. Anthropo-
logie &c., Hraitnschwcig 1885, Bd. XVI, S. 100.)
Die Ansichten über die Dreiteilung des Rheins oberhalb des Kaiser-
Stuhl« (Hypothese von Tulla) und die Laufverüuderung des Neckar, der bei
Ladenburg rechts abgebogen und bei Trebur gemundet haben «oll, werden
als unbegründet luriiekgcwiesen. Die Hauptstromrinne hat sich in der
Richtung des gröfsten Gefalle«, d. h. dort, wo sie jetst liegt, entwickelt,
aber sie war nicht immer so beschaffen, wie am Beginn unsres Jahrhun-
derts, als die Flufskorrektionen begannen. Die Hanptphasen sind : Bildung
eine« Thaies innerhalb de» ausgetülltco Seebodens dutch seitliche Erosion,
Wiederverschüttung de« Thalee tom Kaiserstuhl bis gegen die RenchmUn-
dung, uud unterhalb derselben Itückiug der Serpentinen rou den alten
Hochufcrn bi» unterhalb (Jertuersheim. wo der ltheinlauf keine wesent-
lichen natürlichen Veränderungen mehr erfahren hat. Bis hierher reicht
auch die Reihe jener Orte, welche teils durch Untergrabung der llochufer,
teils durch Verschüttung zu Grunde gingen. Ehe der Mensch hier eiu-
grilf, bestand da« Rheinthal aus einer, ron einem unsteten Strom durch-
zogenen Niederung: aus Roehufcm, die wohl Schutz gegen den Flufs,
ober nur kärgliche Nahrung boten ; uud ron da bi» an den Gebirgerand
sumpfige Ebene. Entsumpfung der letztem und endlich Flufskorrektion,
wodurch uueh die Strnnmiederung der Kultur gewonnen würde, war der Inhalt
der viele Jahrhunderte dauernden Kulturarbeit, die das ehemals fteber-
auahauchende Surapfgebiet in eine der fruchtbarsten und gesundesten Ge-
genden Deutschlands umwandelt«. Sopan.
262. Kinkelin, Geologische Tektonik der Umgebung von
Frankfurt a./M. (Ber. Seuckeuberg. nuturf, Gesell-
schaft 1885, S. 161.)
263. , Senkungen im Gebiet des Uutermaintkales
unterhalb Frankfurts und des Uuterniedthales. (Ebend.,
S. 235.)
In der Umgebung des Taunus luasen »ich mehrere Senkuugsfelder nach-
weUeu. Ss» sank die Landschaft östlich vom Taunus im mittlem Mitteloli-
gorSn so tief, dafa die anfangs seichte Bucht 160 — 30<>m tief wurde; west-
lich son Nockenheim — Flörsheim setzte sich diese Senkung noali, später fort.
Da* untere rntermainthal bildet vom l'ntermiocin bis zum l’ostpiiocän eiu
13 km breites, von, den Rheinspalteu parallelen Verwerfungslinien begrenztes
Senkungsfeld, das mit mächtigen Sandcn undThoncn des Pliocän erfüllt ist.
In der Wetterau begannen gleichzeitig mit den Basaltrrhcbungen in der
Miocänzeit Senkungen, welche naeh Verfasser bis in die jüngste Zeit fort-
dauern ; aueli ein Senkungsfold zwischen Hanau und Aschaffenburg mag mit
Basaltergüssen in Beziehung stehen. Jrnturk.
264. Schottky, Beitrage zur Kenntnis der Diluvial-Ablage-
rungen des Hirschberger Thaies. Mit 1 Karte iu
1:100000. Bruslau, Koehnor, 1885.
Der Kernet von Hirschberg am NonlfuCs des Biesengebirgo» entstand
durch Einsturz am Ende der Teftiörxcit. Die Stonsdorfer Hügel, die das
Warmbrunncr vom Krdmannsdorfer Becken scheiden, werden als „Horst“
aufgefafst. Seehohe des Siidendcs des Wamibrunner Thaies 363 m (Hemis-
dorf), des Erdmannsdorfer Thaies 428 m (Schmiedeberg), von Hirschberg
328 ra. Die Ausfüllungsmasscn des Kessels sind alluvialen und diluvialen
Alters und bestehen von oben nach unten au« folgenden Schichten:
4. Alluvium,
3. Flufjsobolter oder Geschiehelehm mit nordischen uud einheimi-
schen nördlichen und südlichen Geschieben,
2. geschichteter Thon,
1, tboniger Sand, darunter :
Granit, meist mit einer Verwittcrungikrume.
Die Glieder l und 2 enthalten nur einheimisches Material und sind
Ablagerungen des vorglezialen Binnensees. Der Gcsehicbelobm entspricht
der unteiu GrutidmorXne Norddeutsehland». Nordische Geschiebe reichen
höchsten« lii» ca 400 m Seehöhe ; da« Thal südlich von Erdmannsdorf ist
daher frei davon. Indem das nordische Inlandeis das breite Thal bei
Gruunu sperrte, zwang e» dio Bober, eiucn andern Abzugskanat sich zu
schaffen. Dieses in die in Gncif* eingewlmittene Schlucht , .Sattler“ ge-
nannt. Es bestand hier allerdings schon in der Diluvialreit «Io Thal, da«
aber gegen W hin geschlossen war: daher fremde Geschiebe hier keinen
Eingang fanden. Supsw.
265. Hammer, Über den Verlauf der Isogonen im Mitt-
lern Württemberg. Mit 1 Karte. Stuttgart, Metzler,
1886.
I.amonts magnetische Karten von Deutschland vom Jahre 1854 stützen
«ich für dos mittlere Württemberg nur auf rin« sehr geringe Anzahl ton
Beobacbtungastationcn; und au* diesem Grunde, sowie auch deshalb, weil
die Annahme, dafs die säkulare Veränderung für grofseTC Gebiete eine gleich-
mäßige «ei, sich nicht als ganz zutreffend erweist, war eine neue Bearbei-
tung der Isogoueukartc für da* in Hede stehende Gebiet wünschenswert.
Die**» Gebiet orstreckt sich ron 48° 16' bis 49° 15* N und von 8° 15'
bis 10° 15' O r. Gr.; die Beobachtungen wurden im Herbst 1885 an 38 Sta-
tionen ange*tellt, und die gefundenen Werte auf die Epoche Anfang Oktober
1885, 10h a. in. reduziert. Die Isogonen sind ron 5 zu 6 ' gezeichnet;
schraffierte Fiiicheu umfassen die mittlere Unsicherheit der Lage der 10'-
Kurven, welche iu inaximo i 1,»' und ira Durchschnitt i 0,7' betrügt;
und p* sind auch die lokalen Abweichungen rom regelmäßigen Verlauf,
die wahrscheiulich durch die geognostUchr Beschairenheit des Bodens be-
dingt sind, zur Darstellung gebracht. Da* mittlere Württemberg liegt zwi-
schen den Isogonen 13° 25' im W und 12° 30' ira O (es ist hier di«
ältere iKustcllungsweise derselben nach absoluten Werten beibehalten
worden); die Grüße der mittlem näkularen Abnahme pro Jahr ergab sich
7'. Suy<m.
266. Gehre , Die deutschen Sprachinseln in Österreich.
Grofsenlmin, Hentze, 1886.
Zweck des Schriftchcns ist die ziffermHßige Feststellung der deutschen
Bevölkerung innerhalb der Sprachinseln im slawischen und romanischen
Österreich nach der letzten Zahlung (auf Grund der Ortsrepertorien) und
di« Untersuchung, welche Verluste hier dos Deutschtum in den letzten
Jahrzehnten trfahron hat. Wo» den ersten Punkt betrifft, so darf man
nicht vergessen, daß der letzte Zensus die Nationalitäten nach der „Um-
gangssprache“ zählt«, und daß dieser Begriff vielfacher Deutungeu fähig
ist, besonders in Zeiten lebhafter nationaler Streitigkeiten. Indes war
vielleicht für die vorliegende Frago gerade der Begriff „Umgangssprache"
besser gewählt, als „Muttersprache“. Es mag manche Deutsche gegeben
haben, dio dos (’zechischo unbedenklich als Umgangssprach« angaben, aber
sich vielleicht doch geschämt hätten, es als Muttersprache zu bekennen;
um! man kann annchmen, daß diese samt ihren Nachkommen dem Deutsch-
tum verloren sind.
Dio Darstellung der dcutschon Sprachinseln ist in der oben genannten
Schrift eine sehr vollständige, auch für Galizien, welches noch kein Orts-
reportorium für dos letzte Zensusjahr besitzt. Der Verfasser beschränk:
sich nicht uur auf die grüßen: Sprachinseln, unter denen die SchÖnhengstler
in Mähren und dem benachbarten Böhmen mit 194 Ortschaften und
122 249 Deutschen die bedeutendste ist, sondern berücksichtigt auch überall
die deutschen Minderheiten in underttsprachigon Orten. Fast überall tritt
uns die Tlmtsache entgegen, daß di« deutscheu Sprachinseln im Ver-
schwinden begriffen sind. In Pilsen z. B. stieg di« czechische Bevölkerung
seit 1850 von 27 auf mehr al* 82 Prozent, und iu Prag seit 1850 von
41 auf ca 80 Prozent. Der K» ln at tonal ixicrungsproxefs kann nur durch
Errichtung deutscher Schulen aufgehaltcu werden. In einem Punkt be-
darf die Schrift einer Berichtigung. Die „Deutschen44 der Bukowina sind
zum großen Teil Juden, und zwar Juden mit einem ausgesprochen selb-
ständigen nationalen Typus. Muu kann sie heute noch unmöglich als
Deutsche gelten lassen, aber man kann sogen, dafs sie ein geeignetes Ma-
terial für dio Gcrmaniiierung bilden. Supan.
267 Krejci u. Feistmantel, Orographisch - geotektonische
Übersicht des sibirischen Gebietes im mittlem Böhmen.
Mit 1 geol. Karte u. Profilen. Prag, ltivniiö, 1885.
Schon vor 25 Jahren veröffentlichte Krejit im 12. Bd. der Jahrb.
der Geologischen ltoichunstalt ein« umfassende Studie über den nördlichen
Teil de« böhmUehen Silurgebietes. Zu neuen Aufladungen (mit Ausnahme
einer noch zu erwähnenden neuen Attgrcnrnng im Untersilur) führte dio
im Jahre 1883 angeführte Lntersuehun- de« westlichen Teile, nicht: wohi
nber erhalten wir in obon genannter Schrift mm erstenmal eine Gesamt-
darstellung der Silurmulde, wie eine solche von Barrande leider vergeben,
erwartet wnrde.
Die Azoische Grupiie (Bamndea Etagen A uud B), die wahrscheinlich
dem liurmi entspricht, achliefsen die Verfasser von der Darstelinng aus,
doch tielien sie auf Grund von Braehiopodenfunden ira Jahre 1884 die
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Litteraturbericht Nr. 268—270.
65
Konglomerate und quarzigen Grauwackenschichteu der Etage B (Pribraraer
Grauwacke auf ▼. Hauer» Übersichtskarte) zum Silur hinüber. Dieses
wird in droi Hauptglieder eingeteilt, welche infolge der muldenförmigen
Anordnung auch geographisch gesondert auftreten.
1) System der Primordialfauna (oberes B und Etage C). Die
obengenannten Konglomerate und Grauwacken treten in Tcreimelten Streifen
innerhalb der südwestlichen azoischen Schiefer auf, über deren tlachwellige
Oberfläche sic sich in scharf ausgeprägten Bergzügen erheben. Es lassen
aich unterscheiden: 1) die Hügelzüge von Duhenrr, die aber Ton den be-
nachbarten Granithi>hen überragt worden; 2) die kleinen Gebirge Tremain
(825 m) und dterbina (751 m) nnd in ihrer Fortsetzung der 25 km lange *
Pribramer Höhenzug (Vojna $22 m); 3) das ca 40ftqkm grobe Tremo* na-
Bergland zwischen Pribram, Kokycan und Jinec, das durch LüngsbrUehe
in fünf nach NO streichende Parallelrücken mit steilem Südfall zerteilt
ist Die höchste Kuppe ist Tok, 857 m; im allgemeinen tffst sich, wie
in der ganzen Silurmulde, eine Hühenabnohme nach NO erkennen. Die
die PTiroordialfnuna beherbergenden Schiefer kommen nur an zwei, weit
voneinander entfernten Stellen (bei Jinec und Skreje) vor und sind ohne
Einfhif* auf die ObcrtitichengestnltuDg.
2) Mittelsilur (Etage D). Gegen das Innere der Silurmulde folgen
auf die Konglomerate der Primordialfauna oder auf die nzoischen Schiefer:
a) Grauwacken und Schiefer mit Diabas- und Eisenstein-Einlagerungen :
flaches Terrain, b) Die darauf folgenden Quarzite, nach NO an Mächtigkeit
abnehmend, sind von hervorragender orographUcber Bedeutung, die ihrer
Widerstandsfähigkeit zuzuschreiben ist. Aus dem grofsen, vom Kokyzaner
Becken bis Cemovirc sich ausbreitenden Gebiet der sub a) genannten
Schichten erheben sich isolierte Quarzitkuppen zwischen Plxenee. und Mauth
und zwischen Zbirov und Althütteo. Noch wichtiger ist der nach NO
»ich erstreckende Grof.se Brdarüekcn, der im Pisek 688 m erreicht, in den
Höhen bei K<>nig*nnl auf 358 m heraboiukt und jenseits der Moldau nur
wenig mehr hervortritt (ca 300 in hoch). Der Schichtenfall ist gegen NW
gerichtet, in dem rechtwinkelig davon abzweigenden Hühenzug der Ple&ivec
aber nach NO. Sein Gegenstück auf der nordwestlichen Seite ¥ der Ober-
silurmulde ist der kleine Brdarücken («-der Brdatka), der bei Zebrik mit
der Kravi Horka (400 m) beginnt, im Kalcc-fierg (504 m) kulminiert und
mit dem Zizkaberg (267 m) bei Prag endet. Der letzte Quarzitriicken
ist endlich der racridional streichende Querriegel westlich tod Hoforict
mit Östlichem Schichtenfall, der durch die Antiklinale de» Porphyrberges
Irina cntzwcigc*rhnitten wird, c) An der Innenseite schmiegen sich an
die Quarzitberge Tonschiefer an, denen Gmuwaekenschiefer (mit dem Eisen-
erzlager von Kladno und Kdnigshof) folgen, wolche eine kontinuierliche De-
pression zwischen dem Quurzitriicken und dem obentilu rischen Plateau
bilden. Das letzte Glied sind endlich: d) weiche Tonschiefer und härtere
qtiarzitische Grauwacken und Sandsteine, welch letztere nls die Hand kämme
des obersiluriseben Plateaus ebenfalls orographisch bedeutsam hervor-
taten.
3) Obersilur (Etage K, = Graptolithen - Schiefer und Diabase,
Etagen E.^, F und G = Kalksteine, Etage H = Schiefer). Die Schichten
F», 0 und H führen xwar noch eine Fauna von vorherrschend ailuriichera
Charakter, enthalten aber bereits auch devonische Typen, deren Vorhanden-
sein durch die Kolonien-Tbeorie ßarrandes erklärt wird. Orographisch
individualisiert erscheinen nur dio Graptolithcn-Schiefcr, nnd zwar als eine
elliptische Aufsenfurche, Uber die sich dz» ziemlich einförmige, wellige
Kalksteinplulcau (ca 37 km lang, 4 — 8 km broit, 350—400 m hoch)
erhebt, das nur in den tief eingeschnittenen Querthälem Gehirgscharakter
zeigt. Frühere Höhenunterschiede sind durch Schutt, dem letzten R«t der
einst das ganze Plateau bedeckenden Kreideschichten zum Teil ausgeglichen.
Der ursprüngliche tektonische Charakter des Silurgebiete« ist der einer
Mulde, wie sie das berühmte Idealprotil von Barrande darstcllt. Faltungen
und grob« Verwerfungen von paläozoischem Alter haben aber die ursprüngliche
Gestalt wesentlich verändert. Sechs grofte Ungibrüche (SW — NO) durch-
setzen die Silurmulde; daneben gibt es noch zahlreiche, teils nach NO,
teils nach N streichende Querbrüche. Alle dies« DUlokationslinien ge-
langen auf der Karte zur Darstellung. Krejci schreibt diese Störungen
meist dem seitlichen Druck zu und setzt sie in genetische Verbindung
mit den Porphyr-, Diabas- und Gmnitausbrüchen, denen er an andern
Stelten eine aktive Holle bei der Gebirgsbildung zuerkennt. Der Ausbruch
der roittelbühmischen Granite fallt in die letzte Zeit der Ablagerung der
Etage D. Der Verlauf der Thäler ist zum Teil durch Bruchlinien bestimmt,
so z. B. das Querthal der Berauu, oder das der Moldau von Vrane bis
unterhalb l*T»g. In der Nähe von Prag kreuzt sich dieser Querbruch mit
einem Längsbruch, dem nun die Moldau folgt. Aus dieser Interferenz
entspringt nach der Ansicht Krejcis die malerische Gruppierung der Hügel
und Berglehnen, welche die Gegend der böhmischen Hauptstadt auszeichnet;
er ist auch geneigt, den Namen Praha aus Porogv (Katarakte oberhalb 1
Petermanns üeogr. Mitteilungen. 1886. Litt. -Bericht.
Prags), die den ersten Ansiedlern aus ihrer Heimat am Dnjepr bekannt
waren, abzuleiten. $uj>an.
268. Dimitz, Diu Jagd in Österreich. Linz, Korb, 1886.
Diese Schrift ist für uns deshalb wichtig, weil sie neben einer be-
achtenswerten historischen Einleitung eine genaue Jagdstatistik der cis-
leithaniftchen Länder, mit Ausnahme von Dalmatien, wo noch freie Jagd
besteht, für die Jahre 1874 — 82 enthält. Wir können aus demselben nur
kleine Auszüge bringen, ziohen es aber vor, die relativen Werte nicht (wie
der Verf.) auf die Flüche, sondern auf die Bevölkerung zu beziehen.
Jährliche Durchschnittswerte in Gulden.
Auf 1000 Bewohner entfallen:
Gesamtertrag.
Hoho Jagd.
Nieder» Jagd.
SuGDUiO.
Böhmen . . .
*58 SS4
38,7
98,1
136,8
Möhren . . .
321 048
42.1
lüi.o
149,1
Schlesien . . .
44 057
39,»
55.»
95,1
Niederusterreieh .
295 297
47.4
79.S
126,7
Oberöste rreich
126 523
83,7
83,o
166,7
Tirol ....
51 239
30,6
25,6
56,7
Salzburg . . .
23 241
107.1
35,4
142.»
Steiermark . . .
144 268
73.7
45,7
118.»
Kärnten . . .
38 756
78,1
33,7
111,8
Knin ....
16 499
13.»
20,8
44,7
Küstenland . .
24 282
1,*«
35.6
37,5
Galizien . . .
115 437
7.8
11.6
19,3
Bukowina . . .
7 297
4,6
8.7*
12,6*
Cislcithamcn . .
l 976 168
33,7
58,0
91.7
In vorstehender Tabelle ist namentlich zu achten auf das Verhältnis
von hoher und niederer Jagd; entere herrscht vor im alpinen Hochgebirge,
letztere im Mittclgebirgo und Flachland. Die zweite Tabello gibt Aufschiufa
über das Vorkommen einiger besonders bemerkenswerten 'Here, von denen
da« Damwild ausscbliefslich in Tiergärten, und das Schwarzwild vor-
wiegend in geschlossenem Kaum verkommt. Der Biber wird nur noch
auf der Schwarxcnbergschen Domäne Krumau gehegt.
Stückzahl
in 9
Jahren (1874-
-82).
Dam-
wild
Schwarz-
wild
Büren
Wölfe
Luchse
Murmel-
tiere
Adler
Böhmen . .
14 219
9 755
—
i
—
—
76
Mähren . .
3 623
1 993
o
3
t
—
158
Schlesien . .
474
168
—
o
i
—
44
Niedcroaterrcich
1 639
2 433
—
—
—
—
80
Oberasterreich
72
338
—
—
l) -
116
Tirol . . .
—
1
52
1
—
1866
299
Salzburg . .
—
—
—
—
i
51
29
Steiermark . .
231
8
—
i
s
8
228
Körnten . .
131
—
—
—
1
—
28
Knin . . .
1
—
38
129
3
—
73
Küstenland
—
—
4
10
6
—
159
Galizien . .
145
6 907
183
1205
129
1
1658
Bukowina . .
—
142
30
889
42
—
364
Cisleithauicn .
20 535
21 740
309
1680
188
1926
3312
Supan.
269. Gsaller, Über alpine Nomenklatur und ihre Fest-
setzung. (Ztschr. D. u. ö. Alpenvurciu, 1885, Bd.
XVI, S. 131.)
Die Feststellung der alpinen Nomenklatur begegnet aufserordentlichen
Schwierigkeiten, einerseits aus dialektischen Gründen , anderseits weil
ein und derselbe Habenpunkt in versehiedenen Thilorn verschiedene Namen
führt. Die neue österreichische Generalstabskarte enthält in dieser Bo-
sichung viele Verrtöfee. Der Verfasser setit die Grundsätze auseinander,
die ihn in dieser Frage leiteten, und die Methode, welche er anwendete,
um die richtigen Namen tu finden. Supan.
270. Bittner, Aua dem Ennsthaler Knlk-Hochgebirge. (Verb.
Geol. Reichsanstalt, 1886, S. 92.)
Nach v. Hauers geologischer Karte von Österreich besteht das Kalk-
und Doloniitgebirge von der Saliach bis über die Enns hinaus aus rhil-
tischeu Gebilden: ent östlich davon treten wieder (russische Hoebgebirgs-
massen auf. Diese Auffassung scheint unrichtig zu sein; im Kalkgebirge
zu beiden Seilen des Durchbruchsthales der Enns kannte ltittner nach-
•) tu den offiziellen Listen fälschlich 6 angegeben.
1
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66
Litteraturbericht Nr. 271 — 276.
weisen, dafs der grofste Teil de« sogen, Hauptdolomites unter den
Karditatehichten liegt, also der Ttias aogehört. Die Oliedorung ist
hier ron unten nach otien : 1) Werfener Schichten, i) Dolomilfacies aller
Schichten zwischen den Werfend Schiefem und Karditasehicbten, S) Kar-
ditaschichtcn, 4) ilauptdolemit und Dachsteinkalk ; für das zweite Glied
fehlt bisher ein bezeichnender Name. Hs ist klar, dafs diese Entdeckung
das geologische Knrtenbild und die Auflassung der geotektonischen Ver-
hältnisse stündlich umgestaltet. s„paii.
271. Vacek, Über den geologischen Bau der Zcntralalpou
zwischen Enns und Mur. (Verh. d. Gool. Reicks-
anstalt, 1880, S. 71.)
Wir erhalten hier wieder einen wichtigen Ueitmg zur Stratigraphie
der sogen. „Grtiuwackenzonc* am Nordabhang der östlichen Zeutralalpeu
(«gl. Litt. -Bor. Nr. 63), aus dem bervorgebt, ilafa nur «in geringer
Teil dieser Zone dem Silur angehört, und ferner, dafs die ältere Ansicht
«on einer regelmsfsigen Aufeinanderfolge immer jüngerer Glieder am Aufson-
rand der Zentralalpen unrichtig ist. Zwischen Kottenmaun und Bruck n. M.
besteht das Gebitge aus folgenden Teilen: 1) Gueifs, in einem nach N
geöffneten Bogen erst nach SO, dann nach 0 und endlich nach NO
streichend und stets nach der Innenseite des Bogens einfallend. 2) Gra-
naten-Glimmerschiefer, nur auf die Südseite des Gneitunassiv* beschränkt
und diskordant verschiedenen Gliedern desselben auflagerud. 3) Auf der
Nordseite des Gueifsbogcns tritt eine (luArzpbyllit-Zone auf, aus der einzelne
Gceiiskerne inselartig auftauchen. Auf diesen «der auf den Phylliten
lagert unkonform 4) Silurischcr Kalkstein. Ganz unabhängig von dessen Ver-
breitung, zum Teil direkt dem Gneifs (1) aufgelagert sind 5) die Ablagerungen
der Steinkohlonforroation. ö) l)ie berühmten Eisenerze und ihre Begleit-
gesteine, die man bisher für siluruch hielt, sind entschieden jünger als
Obersilur und älter als untere Tri»»; der Verfasser glaubt sie der penuschen
Formation zuweisen zu dürfen. Sujion.
272. Teller, Zur Eutwickelungegeechiohte dos Thaibeckuns
vou Ober- Seeland. (Verh. Geol. Reichsanstalt, 1886,
S. 102.)
Am Südabhaug des Seeberges, über den eine der besuchtesten Alpen-
strafsen aus dem Drauthal in das obere Savcthnl (von Eisen -Kappel nach
Kruiuburg) führt, liegt das sumpfige Berken von Ober-Seeland, das noch
gegen Ende de* 17. Jahrhunderts ein See war. Es wird nschgewicsen,
dafs die Bichtung des Seebachlhales (NO — SW) und der einmündenden
Koi-nathäler (SO — NW) tektonisch bedingt ist, indem »ic mit Ising», und
Guerbriicheu zusammenfailen , während die Seebildung selbst erst in der
jüngsten Entwickelungsphase des Thaies durch Absperrung des Hauptthnles
bei St. Oswald vemulaf.it wurde. Oie Iticgel sind mächtige, wohl durch
Bergstürze gelieferte Schuttmassen, die aus dem Thal der untern Kocna i
kommen und hl* auf das rechte Gehänge des Scebaehthales hiuanreichen.
Supan.
273. Richter, Beobachtungen an den Gletschern der Ost-
alpen. II. Die Gletscher der Otzthaler Gruppe
im J. 1883. (Ztsehr. D. u. Ö. Alpenverein, 1885,
Bd. XVI, 8. 54.)
Das wichtigste ltesultat ist die Vermessung des durch seine Oszilla-
tionen merkwürdigen Veruagtgletschers. Das Areal des Gesamtgletschers
betrug nur mehr 1706 ha; nimmt man die Isohypse von 2600 m als
Greuzo zwischen Firn und Gletscherzunge au, so entfallen auf letztere nur
mehr 103 ha, und sie Torhält sich zum Firn wie 1 : 16,7. Dieses abnorme
Verhältnis zeigt , dafs die oben angenommene Grenzbestimmung nicht
richtig sein kann, sondern dafs sieh die Firnlinie ebenfalls verschiebt, und
zwar iu diesem Falle ziemlich beträchtlich. Ganz aufeergewöhnlich ist
auch das Verhältnis der noch eisbcdeckteu Fläche (b) zu der seit dem
letzten Votstofs vom Eis verlassenen Fläche (Q:
t.
b.
f : b s
Mittclberggletseher . .
. 23 ha
1602 ha
1 : 69.«
Obersolzbachgletscher .
. 50 „
1568 „
31,7
Rhonegtetacher . . .
. 106 ,
2370 „
22,3
Suldeugletscher . .
33 „
700 ,
21,3
Vernagtgletjcher . .
. 157 .
1706 „
10.»
Der lineare Rückzug des Gletscherendea, das Ende 1648 in ca 2120 m
und 1883 in ca 2480 tu Seehöhc lag, betrügt »eit 1847 2093 m. Die
llnnptursaclie der gewaltigen Oszillationen des Vernagtgletsehers sieht der
Verfasser in der plötzlichen Erweiterung und GefälDteigerung der Thal-
sohle beim Austritt des Gletschers in da* Kofcnthal, und verspricht ein-
gehendere Untersuchungen über den Zusammenhang «on Olctschcrbctt und
Glctsehrrschwnnkungen. Nicht zu überschau ixt die Beobachtung «on
ErdpymmideubiUlung in der offenen Grundmotäne des Vernagtgletsehers. —
Boi den iibrigon besuchten Gletichorn wurde nur der Rückzug des Gletscher,
ende», der meist 150 — 18(1 tn, beim Mittelberggletscher aber seit 1878
718 ro beträgt, und die Verminderung der Eismächtigkeit, die als
Maximum 90 — 100 m ergab, gemessen oder, geschützt. Supan.
274. Seeland, Studien am Eusterzen-Gletscker, VI. (Ztscbr.
I). und Ö. Alpenveroin 1885, Bd. XVI, S. 79.)
liu J. 1879 wurden 4 Marken an dcu Ufern der l’astcrze angebracht,
und zwar a und b an der Ostscitc, e an der SW- Beite und d auf der
Felsiusel des unteru Gletscher«, und jede* Jahr wurde Ende September
über den Rückzug , bzw. das Einsiukeu dea Eiaes ein Protokoll aufge-
nommen. Das Miuuszeichen zeigt im folgenden das Schwinden, das Plus-
zeichen das Anwachsen de* Eite* in m an.
il
b
c
d
Mittel
179—80
— SiOO
— 8,80
— 7 ,40
— 10,00
— 8,05
80-
-81
— 8,87
— 4,00
— 8,05
— 6,00
— 0,37
81-82
— 7,4*
— 6.45
— 7,40
— 10,00
— 7,60
82-
-83
-4* 2,«
— 2,80
— &t#0
— 2,00
- 2,1«
80*^84
— 0,90
— 4,50
— 1,00
— 3,77
— 2,54
Supan.
275. Diener, Studien an deu Gletschern des Sckwarzen-
steingrundes. (Ztscbr. D. und ö. Alpenveroin, 1885,
Bd. XVI, S. 66.)
Au den 3 grofsen Glotschern, welche in den Zemrogntnd (Zillezthal)
hinahsteigen, hat der Verfasser in den letzten Jahren genaue Messungen
Torgeuoramon. Der Rückgang betrug:
1881
1882
1883
Summe
— 82
— 83
— 84
Schwarzenstein-Kee« .
. $ QI
2,1 tn
12 m
22 ru
Horo-Km . . . .
8
27
52
Waxeck-Kees . . .
. ii
6
10
32
Das Minimum iu der
zweiieu Periode wild
durch
die reichliche
•SchnccbcdeckuDg der QleUchmuog* im
Frühjahr
1883
cikUrt. Mine
Zunahme der Firumasae läfst sich hier ebenoo, wie in der Dachsteingruppe,
seit 1882 konstatieren. Der Voluroverlust des Uorngletscher* bis zur
Isohypse vou 2400 nt beträgt seit 1850 331- Millionen cbm. Die jährliche
Zufuhr war durchschnittlich um 1 Million cbm geringer, als der Verlust
durch Ablatiou.
Die Allurinllliiche vor dem Schwarzcustein-Kccs besteht nur aus Grund-
rnoiäue, die wenigstens 2 m mächtig ist. Da eine Mitlelmorüue nicht vorhanden
ist und die Spaltenlosigkeit des Eise* das Eindringen der Seitenrooräne nicht
gestattet, so wird angenommen, dafs die Qrundmorüue ein Erosion- produkt
des Gletschers ist. Die AUuvialfiächo wird nach anfsen von einem Riegel
au« anstehendem Fels abgeschlossen , so dafs sie eine 13 — 15 m tiefe
Mulde bildet. Es ist möglich, dafs diese durch Gletschererosion entstand.
Ssjian.
276. Ravenstein, Karte des Krainisch- Kroatischen Gebirgs-
laucles. Frankfurt a. M. 1886.
Das in Lithographie sauber gearbeitete Blatt, 71:46 em grofs uud
im Mafsstab von 1:250000 der natürlichen Länge, gehört der wiederholt
auf das günstigste beurteilten Karte dor Ostalpen in 9 Bl. au, welche der
Verfasser .unter Mitwirkung des Deutschen und Österreichischen Alpcn-
vcrcins" bearbeitet hat, und von der die benachbarten Sektionen über die
Steirischen Alpen und deu Wiener Wald bereits im vorigen Jahre erschienen
sind. In der gesamten Situation, also im Flufs- und Wegenctx — das
entere blau — , wie in den Ortschaften bis berub zum Weiler und dem
einzeln liegenden Wirts- und Jagdhaus, der Ouelle und Höhle, dem Bad
und Bergwerk die., ist auch dieses Blatt der Hauptsache nach eine
Reduktion der österreichischen 1 : 75 OOO- Militämufnabmc, uoter besonderer
Berücksichtigung und Hervorhebung der beim Touristenverkehr in Betracht
kommenden Merkmale. Ebenso sorgfältig ist das Tertuinbild auf Grund
derselben Aufnahme in Schichten von 250 m Vcrtikalnbstand dargestcllt,
welche in brauner Abtönung, je höher, je dunkler, die Lesbarkeit der
Karte nicht beeinträchtigen. Darin steigen, abweichend von ähnlichen
Darstellungen, dio Ebenen und Tbalwcitcn bis hinauf zur Höhe von
1000 m in Grün empor, so dafs man dcu Eiudrnck des Thatsächlichen und
Natürlichen in «erstarktem Mafso erhält. Denn viel klarer, als dies durch
Schraffierung zu erreichen wäre, treten dudurch auch die im südlichen
Teil von Krain, im Küstenland und in den kroatischen Distrikten Fiume
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Litteraturbericht Nr. 277 — 278.
67
und Oguliu *o zahlreich verkommenden charakteristischen Bodensenkungen
heraus, welche dem ganzen Karstgcbirge das Gepräge des Besondern ver-
leihen. Viele Höhenzahlen aufserhalb der Niveaulinien und cino reiche
Nomenklatur erhöhen den Wert dos Kartenbildes. Vielleicht wäre es am
Platz« gewesen, die stark iru Hau befindliche uud ihrer Eröffnung in Bälde
entgegensebendo Eisenbahn von Zapresic durch das Kropint -Thal, welche
am ober» ltand der Karte das Ivanscica- Gebirge mittel» Tunnels durch-
bricht, um über Yarasdin bei i'sakathum die österreichische Südbahn zu
erreichen, sowie die Zweigbahn derselben von Zabok nach Krapina noch
aufzunchmen. Sonst repräsentiert die Karto den neuesten Zustand, und es
hätte sich daher wohl gehört, daß die Jahreszahl 1880 irgendwo erkenn-
bar gemacht worden wäre. Welche l-nzutriiglichkoiten mit der Unter-
lassung dieser einfachen, eigentlich ganz selbstverständlichen Anforderung
verknüpft sind, das ist ja wohl bekannt genug.
Das Matt reicht im N bis Krainburg, Cilli und Krapina, in S bi«
zum Golf von Fiume und an die bosnische Grenze, im W bis Pinguente
auf der Istrischen Halbinsel, Divacca und Idria, und im 0 bis weit hinter
Agram nnd Giina. Wir möchten dasselbe als «hypsometrische Touristen-
karte* l»ez«ichnen und wünschen ihm, soiner fleißigen Durcharbeitung
wegen, eine weitere Verbreitung. Vogel.
277. Lehmann, Paul, Die Südkarpateu zwischen Rotjezat
und Königastein. (Ztaclir. Ges. f. Erdkunde, Berlin 1885,
Bd. XX, 8. 325, mit 1 Karte in 1:600000.)
Das tüdlichc, fast auaschliefslich aus vielfach wechsellageruden und
daher kartographisch schwer auszuscheidenden Uncifscn und kristallinischon
Schiefem bestehende Randgebirge von Siebenbürgen zwischen dem Törx«
burger Paf* und der das Gebirge durchsetzenden Terogovaer Furche ist
erst in jüngster Zeit in bezug auf seine tektonischen Verhältnisse etwa«
genauer bekannt geworden. Das Hauptverdicnst gebührt den ungarischen
Geologen Primics und Iukey, mit deren wenig zugänglichen Arbeiten Paul
Ixhmanu uns hier bekannt macht. Der Verfasser hat wiederholt jeno
Gebirgsgegenden besucht , und vereinigt eigne und fremde Beobachtungen
zu einem höchst interessanten Gesamtbilde.
Zwischen dem Törzburger Puls und dem Altdurchbruch erheben sich
die Fogarascher Alpen. Dafs die nördlich« Mauptkette ein« etwa« nach
N Gbf rschobenc Antiklinale ist , hält Lehmann auch jetzt noch fest ; eine
zweite Falt« lullt mit der südlichen, vom Pspungebirge nach SW zu den
Koziabcrgcn streichenden Hauptkette zusammen; und zwischen beiden
liegen noch zwei Falten, die aber orognphisch nicht zum Ausdruck kommen.
Die vier Falten setzen jenseits des Altdurchbruch« in das Mühlbacher
Gebirge hinüber; nur ist die nördliche Falte, die dem de« Fogaruicher
Gebirges entspricht, nach NO abgelenkt und orographisch ohne Bedeutung,
und der nördliche Hauptkamm liegt in der zweiten Faltung, der südliche aber,
wie östlich vom Alt, in der vierten Falte. Auch im Vulkangebirge (westl.
vom Schyl) läßt sich die vierte Falte (in Kombination mit der dritten nach
Iukey) verfolgen, während der hoho Kamm des Itetjezatgebirges eine
stellvertretende Falte darstellt. In einem derartigen, trotz aller l'nklarkeit
in den Details doch einfach großen Faitcnhau sucht man natürlich zuerst
rach grofsen tektonischen Lüngsthälem , und solche finden wir auch in
den von neogenen Ablagerungen erfüllten Thälera des Schyl und Lotru;
ober merkwürdigerweise fehlen sie in» Fogartscher Gebirge, obwohl auch
hier zwei Parallelkämme sehr scharf hervortreten. Einfache Guerthäler ziehen
hier parallel miteinander von N rach S und zerschneiden di« südlich«
Kette in einzelne Gruppen. Di«e Gegend erscheint mir als aufserordent-
lich wichtig für das Studium der Thalbildung überhaupt. Der Verfasser
betont , dafs mit Ausnahme jener Llngsthäler alle Thüle: der SÜdkarpalhen
»ich als einfache Erosionsthäler erweisen; nur in bezug auf die binden
DurchbruchrthÄler (Alt und Scbyl) ist er geneigt, Störungen noch unbe-
kannter Art als primäre Ursache anzunehraen. Dafs solche Störungen noch
in der späten Tertiärxeit cintraten, zeigt die Dislokation der Neogcn-
schichte» sowohl innerhalb des Gebirge«, wie am lUnde desselben; und
für ihre Fortdauer scheinen häufige Erdbeben zu sprechen. Gletscherapuren,
die Lehmann in den Südkarp&tben zuerst entdeckt hatte, ging er auch in
den letzten Jahren eifrig nach, und allenthalben mehrten sich die Zeugen
der Glazialzeit , so in den Fogarascher Alpen , wo jedes Hochthal Rund-
höcker und wannenartige Vertiefungen zeigt; im Mühlbacher Gebirge am
Uindrelu, Surian (wo der Gletscher bis 1650 m Seehöhe herabreichte),
besonders aber am Nord- und Ostabhang des Pnrcngstockes , und endlich
auch am Südabhang des Retjezat. Bezeichnend ist besonders das Vor-
kommen der Zirken (die der Verfasser als die durch Eis ungestalteten
Sammelbezirke der Gletscher auffafst), die an keine Gwteinaart gebunden
erscheinen, aber nur an Bergen von mehr als 2000 m Höhe, und um Süd-
abhnng sogar erst jenseits der Isohypse von 2400 m auftTeten. Es ist
mit allen unsern Erfahrungen in Übereinstimmung, dafs diese charakteristische
ObcrtÜLchenform am SÜdabliange weniger weit nach 0 reicht als am Nord-
abhang; und besonders wichtig erscheint mir dos Resultat, dafs an den
raeridionalen Querkäromeo die Ostseite mehr Zirken besitzt als die West-
seite , was mit den Ergebnissen von Heiland und Partseh auffallend über-
einstimmt. Hochseen , zum Teil Moränenseen, zum Teil auch echte Fels-
beckcn, kommen meist in 1900 — 2100m Seehöbe vor, und an der nörd-
lichen Abdachung etwas tiefer als an der südlichen.
Die Südkarpathen sind ein energisch« Verkehrshindernis ; bis 1885 führt«
auf einer Strecke von 240 km Lang« nur der RotcTurm-Pafs nach Rumänien.
Sein« Bedeutung i«t seit dor Eröffnung der Tömöt- Eisenbahn stark ge-
sunken, und er würde ganz au her Verkehr gesetzt werden, wenn die
Scbylbalin (wichtig für die Kohlenausfuhr von Petroscny) zu Stande kirne.
Eine Fahrstraße wird jetzt hier angelegt. Soust gibt es nur Thalwege
neuern Datums zur Holzabfuhr und die uralten Saumwege auf den Höhen
d« Gebirg«, auf denen der Schmuggel lebhaft betrieben wird. Trotz
Höhe, Geschlossenheit und Rauheit sind die Südkarpathen aber keine
VölkergTünzo. Mit Ausnahme der beiden grofsen Längsthäler und d«
nördlichen MühlUicher Gebirge» sind sie im Winter unbewohnt ; im Sommer
aber entwickelt »ich ein bewegtes Uirtenleben auf den Anhöhen, wo in
13 — 1700 m Höhe die Stinen (Sennhütten) stehen. Aufser im Schyl-
that kommen nutzbare Mineralien nicht vor; auch die alten Goldwäschen
würden »ich nicht mehr rentieren. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, die
eingehend erörtert werden, bieten kein erfreuliches Bild; auch Hermann-
stadt ist im Niedergang begriffen. Da« starre Festhalten der Sachsen am
Dreifeldersystem wirkt ebenfalls schädlich. Die Wald Verwüstung ist eine
alt« Klage. Die untere Zone bis durchschnittlich 1300 m Höhe (rach 0
und N sinkt die Grenze etwas) ist Buchenwald; darüber folgt, einst bis
1800 m Hohe und stellenweise noch höher, der Fichtenwald, an dessen
oberer Grenze sich hier und da die Zirbe einstellt ; endlich folgt der
Strauchgürtel stellenweise bis 2200 m Höhe. Supern.
278. Lang, Statistik der Bevölkerung Ungarns. (Budapest,
Athenaeum, 1885.)
Dieses Werk i*t ein Auszug aus der, in ungarischer Sprache erschie-
nenen Darstellung der Krgehni»n der Volkszählung vom Jahre 1880* Es
besteht lediglich aus Tabellen und 20 farbigen Kärtchen, welche mit Zu-
grundelegung des Komitates ul» Einheit die verschiedenen statistischen
Verhältnisse veranschaulichen. Wir können hier nur nuf einige geographisch
interessantere Punkte binweisen. Di« neuen Zahlen für di« Nationalitäten
mit Kinschlufs der sprachlosen Individuen sind dieselben wie in Peter-
roonns Mitteilungen vom Jahre 1885, S. 41. Bezeichnend ist, daß nur
die Magyaren und Deutschen in der Stadtbevölkorung mit großem Prozent-
sätzen vertreten *ind , als in der Gesamtbevolkernng. Von den 143 un-
garischen Städten hat nur in 13 kein« Nationalität die absolute Mehr-
heit; von den übrigen 130 sind 74 vorwiegend magyarisch, 24 deutsch,
24 slowakisch, 6 rumäoisch, 1 (Zombor) serbisch und 1 (Vinga) bulgarisch. Von
den Nichtmagyaren (Ungarn) sind der magyarischen Sprach« mächtig 1 1,4 Pro-
zent (von den Armeniern 88,4, von den Deutschen 21, von den Rumänen
und Rutheuen weniger als 6 Prozent). Seit 1869 haben angenommen die
Magyaren um 4,46. die Slowaken um i,M und die Deutschen um 0,to Prozent,
dagegen nbgenomraen die Ruthenen um 24,76, die Rumaoen um 7,94 und
die Kroato- Serben um 0,47 Prozent. Diese Zahlen zeigen klar, wie
energisch die Magyarisierung fortsebreitet. Das Verhältnis von Religion
und Nationalität zeigt (für den ganzen Ungarischen Staat) folgende Tabelle :
Ms*
Deutsche
8lo-
ltu-
Kuthe*
Kroate»
zyaren
tvakcQ
mänen
non
Serben
V
r o z e n t e
Römisch-Katholisch . .
56, n
06,8
68.»
0,8
0,6
62,3
Griechisch-Katholisch
2,?
0,1
5,5
36,8
96.»
0.4
üri«hi.ich-Orienta!i«h .
CM
0,8
0,1
62,8
0,9
37,0
Augsburger Konfession .
4.0
20.8
23,8
—
—
—
Helvetische Konfession .
30.»
1*3
0.«
O.t
—
—
Unitarier
0,8
—
—
—
—
—
Israeliten
5,7
11,4
1,1
0.4
3,0
0.»
Sonstige Konfessionen
0.»
0.1
—
—
—
0,1
Summ«
100
100
100
100
100
100
Diese Tabelle bedarf insofern einer Ergänzung, als die Juden bei der
Volkszählung nicht national ausgeschiedeu wurden. Von denselben be-
kannten sich 65,* Prozent zur magyarischen und 33,7 Prozent zur
deutschen Nationalität; gewiß eine recht bemerkenswerte Thatsache! Was
die Ücschlechtsveih<ni»« betrifft, so kommen im ganzen Bereich der
Stefanskmne auf 1000 Männer 1031 Weiber; über diwen Durchschnitt
steht das Verhältnis nur bei den Slowaken (1094), Deutschen (1081) und
Armeniern (1054), bei den Magvaren beträgt es 1030* und bei den Ru-
I •
68
Litteraturbericht Nr. 279—281.
münto, Slowenen, Zigeunern und andern kleinern Nationalitäten iat die i
Zahl der Weiber geringer »1» die der Männer. Cber die Volksbewegung
für die einzelnen grbfrern Gebiete gibt nachfolgende Tabelle Aafschlub:
Durchschnitt 1876 — 80
Auf
1000
Kinder-
Abnahme (— )
Bewohner
Sterblich-
keit
oder
Zunahme (-f-)
in Prozenten
Gehörten
Sterbe-
falle
auf 1000
Geburten
1869-80
Ungarischer Staat ....
44
37
422
+ 1.«
Abweichung vom Mittel
Wwt-I'uearn nnrdl. d. Donau
0
-f- 1
—37
4- 1,54
. ȟdl.
0
— 3
— 3
Lund zw. Donau u. Tbeifs
-r 6
■4” 2
-f-24
-j- 0,48
Ob. Tbtifsgebiet ireatl. Teil
— 2
— l
— 15
— 3, JO
<• „ 8*U. ,
0
0
— 5
— 3,i7
Thsifs- Maros -B«k*n. . .
-j- 4
+ 4
*~34
— 1,84
Siebenbürgen
— 5
— 4
— 43
— 3,20
Fiume
+ 2
0
— 7
4- 17. *a
Zivil • Kroatien
— 1
—34
4" 4,41
Ebemal. Militlrgreore . .
-T- 1
0
— 29
4- O.ai
Zu bedauern ist, dafs die Beschäftigung der Berolkerung, eins der
wichtigsten geographischen Momente, für die einzelnen Kornitste nicht
nachgewicscn ist. Slipon.
279. Becker, Die blaue Grotte von Busi. (Mitteil. Geogr.
Ges., Wien 1885, Bd. XXVIII, S. 529.)
Das kleine, ans Iiudistonkalk bestehende Felseneiland üusi (Ldeherin-
sel), SW von I.iaaa, hat, soweit bekannt, 10 nur au Schiff zugängliche
Grollen, unter denen die blaue Grotte die interessanteste ist. Sie ist 31m
lang, 15 — 17 in breit und hat eine Wsaserliefe ron 16 — 18 m. Zum l'nter-
sehied von der Grotte ron Capri erhält sie das Lieht durch eine unter-
seeische Öffnung ron 10) ni Breite und 18 ni Höhe. Eine zweite bleue
Grotte daselbst empfängt aber direktes Sonnenlicht. Supan.
280. Heer, Dio uivale Flora der Schweiz. (Neuo Denk-
schriften Allg. Schweiz. Naturf. Gos. 1885, Bd. XXIX.)
Es seien hier nur einzelne Stellen dieses wichtigen Werkes berück-
sichtigt, die ron einem allgemeinen Interesse sind. Osw. Heer bearbeitete
es drünitir in seinem letzten Lebensjahre; leider ist es unvollendet geblie-
hen, und der Verfasser hat die Schlüsse der von ihm klsrgelcgtcn That-
sachen nicht selbst xiehen können. So weit ist es aber vorgeschritten, dafs
einige dieser Folgerungen sich von selbst aufstellnn.
Wir kennen in der Schweiz 337 Arten Blütenpftanzcn , welche von
2600 — 4200 m verbreitet eind. Zwölf wurden noch über 3900 m ge-
funden. Ein Zehntel gehört dor Kbencntlora, neun Zehntel den Ge-
birgspflanzen an; von diesen bildet ein Viertel die eigentliche nirale
Flora. Das Monte lloia- Gebirge onthält die reielute Sammlung dieser letzten
Kategorie, welche hier den höchsten Funkt über dem Meere in der Schweiz
erreicht. Die Mehrzahl der Arten ist durch die ganze Schweiz verbreitet.
Nur ein kleiner Teil findet sich auischliefslich im Osten vom Ortler bis
zum Gotthard, oder im Westen vom Gotthard bis nach Savoyen. Etwa die
Hilfto der Arten, d. h. 150. finden wir ebenfalls in det arktischen Zone;
Skandinavieu allein zählt davon 134, Sibirien 91, Island 70, Grönland
84, Arktisches Amerika 75 &c. 122 Arten fehlen überall im dazwischen-
liegenden Tiefland, und können als arktisch-alpine Arten bezeichnet werden.
Diese gtofse Verbreitung ist durch die Gleichförmigkeit der Folarfiora be-
dingt. Dafs sich aber such eine so grofve Anzahl arktischer Arten in unsren
Alpen findet, beweist, dafs diese Flora von Nord nach Süd gewandert ist
und nicht umgekehrt, sonst niüiste die europäische von der asiatischen und
amerikanischen sehr verschieden sein, was gerade nicht der Fall ist. (Vgl.
Litt.-Ber. Nr. 225.) In Amerika ist, dank der günstigen NS-Richtung der
Kordilleren, die eine nicale Brücke bildeten, die arktische Flora viel weiter
nach Süd vorgerückt als bei uns.
Die mioeüne arktische Flora rückte schon zur Tcrtiärzeit nach Europa
vor, und die europäische Tertiärflora erhielt von ihr die Typen, welche
heute die gemäfsigte Zone charakterisieren; sie erlangten mehr und mehr
das Übergewicht über die l'rcinwohnet, tropische und subtropische Formen,
und standen zu diesen in demselben Verhältnis wie jetzt die alpine Flors
zu der der Ebenen. Derselbe Frozefs hat sich übrigens in verschiedenen
Wcltaltcni vollzogen. Die endemische Flora entstand in unsren Alpen. Ihre
Mutter war wahrscheinlich die Flora des tertiären Gebirgslandcs. Was die
Höhe über dem Meere anbelangt, so stehen die Insekten der Flora gegen-
über weit zurück. Heer beobachtete keine Insekten über 2900 m, so dafs |
die Befruchtung der Pflanzen in diesen Höhen wohl ohne deren Hilfe vor
•ich gehen rauf«. Hai Uart.
281. Forel, La Faune profonde des lacs Suisses. Basel,
Georg, 1885.
l)ei erste Teil dieser preisgekrönten Monographie bandelt von den
physischen Verhältnissen der Schweizer Seen. Die Tiefengrenze » bis zu
weicher die Wellenbewegung im Genfer See noch io energischer Weine »ich
geltend raucht, betrügt 2 — 6m; iu einer Tiefe von über 10m herrscht
nahezu absolute Hube, ln den übrigen Seen dürften diese Grenzen noch
höher liegen. You der normalen Strömung, die wegen ihrer geringen Ge*
schwindigkeit keine nennenswerte mechanische Arbeit ausxufuhrcn im stände
ist, sind zu unterscheiden die vorübergehenden, durch Wfcrracunterschicde
und Winde bewirkten Strömungen, von denen die letztem für die Ver-
mischung der Wuscncbichten von grofser Wichtigkeit sind. Die jährliche
Wärmeschwankung nimmt mit der Tiefe rasch ab und ist in ca 100 m Tiefe
in allen Seen uahezu gleich Null. Die Teraperaturdifferenzen zwischen den
einzelnen Seen sind nur in den obersten Schichten beträchtlich, übersteigen
aber in den ticfern 1 — 2W nicht. Eine Bodenteraperatur von l* findet
man nur in Seen von mehr als 100 m Tiefe und in klütern Gegenden, wo
die Winterterapemtur auf A" herabsinkt. Die groben Schweizer Seen ge-
frieren selten, über raun kann einen solchen Fsll nicht abnormal nennen.
CnteT somt gleichen Umständen bildet sich eine Eisdecke um so rascher und
häufiger, je geringer die Tiefe und je kleiner der Böschungswinkel der Wände
und Thalgehänge ist. Für das Tierleben ist sie von besonderer Bedeutung,
weil sie auch die hohem Waaerschichten vor dem Eintluf* der äufsern
Luft schützt und bei längerer Dauer einen Mangel an Sauerstoff im Wasser
herbeiführt. Die mittlere Tiefengrenze der Sichtbarkeit im Genfer See bei
Morge* ist 10,1 m, im Winter (Oktober bis April) betrügt sie 12,Tm. im
Sommer (Mai bis September) 6*« ni ; das Maiimum war 1 7 in. Die jahres-
zeitlichen Schwankungen hiingen zusammen mit dem Gehalt des Wassers
an suspeudierten Stoffen. Die „Grenze absoluter Finaler ni»*, bei welcher
dio Sonnenstrahlen Chlorsflber nicht mehr Offizieren, liegt im Sommer in
Ab und im Winter in 100 m Tiefe. Die chemische Beschaffenheit des See-
wassers bleibt sich in den verschiedenen Tiefen nahezu gleich. Aufser den
gelbsten Bestandteilen enthält das Seewas*er auch schwebende Staubteilchen
organischen und mineralischen Ursprungs. Verschiedene Analysen de* See-
wassern und Bodenablage run gen werden mitgeteilt.
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Regionen
und Zonen der Schweizer Seen:
0 — 25 m Tiefe: Litorale Region*).
Otn Tiefe: Jährliche Wärmeschwankung 15 — 20°.
10 „ Grenze der Wellenthütigkeit, der Sichtbarkeit und der
täglichen Wärmeschwankung.
20 •• Grenze der chlorophyllhaltigcn Flora. Jährliche Wärme-
Schwankung 6 — 8U.
25 — 00 m Tiefe: Tiefenregion , Obere Zone.
30 m Tiefe: Jährliche Wärmeschwankung S— 5°.
50 * Grenze der chemischen Sonneuwirkung im Sommer,
jährliche Wärmeschwankung 2 — 3*.
über 60m Tiefe: Tiefenregion , Untere Zone.
100 m Tief«: Grenze der Chornischen Sonnenwirkung im Winter, jähr-
liche Wärmeschwankung 1*.
150 « Grenze der jährlichen Wärmeschwankung.
250 i* Wärmeschwankung in Ungern Zeiträumen
Die Fauna der obern Wasacrschicht ( — 25 m Tiefe) ist zura Teil
eine Ufer-, zum Teil eine pelagische Fauna (Fauna der offnen See). Unter den
pelagischen Tieren sind die Muschelkrebse deshalb von hervorragender Wich-
tigkeit, weil dieselben Spezies sich nicht blofs über dio alpinen, sondern
auch über die skandinavischen und kaukasischen Seen verbreiten. Die Kennt-
nis von der Existenz einer reichen Labewdt in der Tiefenrogion der sub-
alpinen Schweizer Seen verdanken wir Forel, der sie zuerst im Jahre 1869
im Genfer See entdeckte. Für den Geographen ist nur das Resultat der
zoologischen Untersuchungen von Interesse, dafs nämlich die Tiefseefauna
nochglazialcn Ursprungs ist uud von der Litoralfuuna abstamrot, ebenso wie
die pelagische Fauna, die l’avesi noch im Jahre 1883 für eine Relikten-
fauna erklärte. Ein Zuströmen litoraler Tiere in die Ticfenregion findet
auch jetzt noch statt. Jene Theorie hat nur für zwei blinde Arten keine
Gültigkeit, die wahrscheinlich von Bewohnern unterirdischer Gewässer ab-
stammen : Niphargus Forelii Ton N. puteancus, und Asellus Forelii von A. cara-
ticu«. Unaufgeklärt ist das Herkommen von Plagioetoroa Lcmani (aufsex in
dem Genfer noch in sieben andern Seen gefunden), der einzigen bekannten
*) Der Name ist nicht glücklich gewählt, weil er auch die obere
Schichten der offnen See cinschlicfst.
>,
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Litteraturbericht Nr. 282 — 290.
69
Süfswasscrform des marinen Geschlechtes lnagjostnraa, und vorn Genna Acao-
thopus (im Genfer See), das zur marinen Familie der Ovtberideen gehört.
Die Untcnachuogrn .Kapere in den italienischen Alpenaoen ersten keine lle-
Uktenfauna, ähnlich jener des Gardasees; nur Paveri betrachtet AIom vul-
pan* des Lugancr See* als eine Reliktcnfoma. .Vujmm.
282. Loua, Lea accroissements de la populatiou on France
depuis le commeuceinent du siede. (Journ. Soe. do
Statist., Paris 1886, Bd. XXVII, S. 84.)
Am Ende des 17. Jahrhunderts hatte Frankreich eine Bevölkerung
von 19C94 000, 176t» nach Mewancc: 23 109 000, 1784 nach Necker:
24 800 000, uud 1790 nach Young: 26 303 O00. Die Zählungen in un-
seren Jahrhundert ergaben in runden Zahlen:
Innerhalb der
Steigerung ln
heutigen Grenzen:
Fror.
1801 .
. 27 349 OOO
26 931 000 (
0,64
1821 .
. 30 462 OOO
29 871000 |
1831 .
. 32 569 000
- i
O.tt
1841 ■
. 34 230 000
33 407 000 (
1851 .
. 35 783 000
— 1
0,37
1801 .
. 37 386 OOO
35 845 000
1872 .
. 36 103 OOO
— 1
0,26
1881 .
. 37 672 000
37 672 OOO 1
Der Verfasser tröstet sich damit, dafs, wenn auch die andern Nationen
sich stärker vermehren, die mittlere Zunahme doch allmählich geringer wird,
und endlich bei allen Völkern ein Stillstand eintreten müsse.
Vergleicht man die Zahlungen von 1801 und 1881, so ergibt sieh,
dafs eine Zunahme* Uber das Durchschnittsmala nur in folgenden Gegenden
stattfaod: l) Paris; 2) im N die Departements Nord und Fas de Calais;
3) im W die KÜstengegendeu Fmislöre, an der I.oire dio Departements Loire
inffricurc, Maine et Loire und Vend/*e, endlich Gironde; 4) im O Meurthe
et Moselle und Beifort; 5) im Zentrum die Departements Cher, Nicvre.
Allier, Loire und Rhönc; 6) an der Mittelmeerkiiste : Fyrfn4et orientale«,
Aude, lierauld und Bouches du Rhöno. Geringer ist die Bevölkerung jetzt \
als im Anfang d«sc Jahrhunderts: 1) in den normannischen Departements
Manche, Calvados, Orne und Eure; 2) in den örtlichen Gebirgsdepirtements
Jura und Basses Alpes; 3) nn der Garonne in den Departements Lot et
Garonne und Tarn et Garonne. Sujmm.
283. Trouraire, Sur les monvements orogeuiques en Au-
vergne. (Bull. Soc. Geolog, do France, 1885/86,
Bd. XIV, S. 113 und Tafel VII.)
284. # Sur certains details de la configuration des
montagnes du Cantal. (Ebendas., S. 117 u. Taf. VII.)
ln der osten Mitteilung sucht der Verfasser an einem Prodi nördlich
von Clermont nachzuweisen, dafs nach Abschluß der Basal Uusbrüche noch
Faltungen und Verwerfungen erfolgten. lu dem zweiten Aufsatz weiden die
grofien Zizken, welche im Cantalgcbirgc die meisten Thiiler an ihrom Ur-
sprung abscblief*»», und jene merkwürdige dünne, schroffe und gleichmäfsig
hohe Felsraauer, welche vom Puy Man1 zum Puy PeyTO-Arae hinüberzieht,
geschildert, und auf sekundär* Kraterbildungen an deu Abhängen des groben
Aufschüttungakegels zurückgefiihrt. Siijoan.
285. Kromhout, Atlas van Nederland in 43 koarten, mot
toelichtenden tekst. ’s Gravenhage , Gebr. van Clcef,
1885.
Schon beim ersten Aublick rauchen die Karten dieses Atlasses, in
1 : 200000, einen angenehmen Eindruck. Sie enthalten in Schwarzdruck
die Grenzen de« Deiche* t der Provinzen und der Gemeinden, die Namen
der Gemeinden mit den dazu gehörenden Weilrm \c., die Eisenbahnen
mit den Stationen, die vornehmsten Schutzsehleusen und die Stationen
der Rettungsboote, uud in Uotdruck die Kunstwege, Städte und Leucht-
türme. Zu der saubem Darstellung gesellt sich noch eine seltene Voll-
ständigkeit; sogar die kleinsten Dörfchen und oft anch die Namen für
kleine Häusergruppcn, wie man sio so vielfach in Holland findet, sind
auf diesen Karten angegeben. So haben wir z. B. auf dem Blatt Nord-
holland mit der größten Anstrengung nicht mehr als ein paar Nomen
finden können, deren nicht Erwähnung geschieht, und dafs diese unbedeutenden
Flecken weggelaaen sind, ist der Karte eher als ein Verdienst denn als
ein Nachteil anzarechnen, di durch die Fülle ton Namen an einigen Stellen
die Übersichtlichkeit doch schon mehr oder weniger gelitten bat. Dies
ist aber m> geringfügig und hat »o wenig zu bedeuteu, dafs wir diese Karten
als Gemeinden- und Wegekarten nicht genug empfehlen können, ja, dafo
wir nicht wissen, warum in der Folge den» bekannten .Topographische
atlas van het Koniukrijk der Nederlanden* (1 : 200 000), welcher obendrein
zweieinhalbmal mehr kostet, der Vorzug gegeben werden toll.
Ein halbes Dutzend kleinerer Karten (Mafsstab i : l 500 OOO) sind
diesem Atlasse noch hinzugefügt, und zwar: a) Höhenkartc, b) die Nieder-
lande, ohne Deiche gedacht und überschwemmt bei der gewöhnlichen
Flut vom MeereswaKtcr und beim höchsten bekannten Wasserstande vom
Flufswasser; c) die Waterstaat- Einteilung des Reiches und die Namen
der alten Landschaften ; d) die gerichtliche Einteilung des Reiche».; e) die
militärische Einteilung und die zentralen und Garntsonsmagazine , und
f) Bisenbahukarte. Man riebt also, dafs dieser Atlas besonders geeignet
ist, um sich eingehend zu unterrichten. Dazu dient aufserdera ein aus-
fdhrlieher erläuternder Text, eigentlich ein autistisches Handbuch, dast
ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, doch mehrere höchst lehr-
reiche Angaben enthält in bezug auf Lage, Gröfse, llühenverhältniase,
SUatseinrichtuugeu, Unterricht, Marine, Finanzen, Heer, Flüsse, Eisenbahnen,
Handel und Industrie und Kirchgenossenschafteii.
Falls dieser Atlas eine zweite Ausgabe 'erleben würde, was unsres
Erachtens nicht unwahrscheinlich ist, so möchten wir darin, um von
kleinem, weniger wichtigen Verbesserungen nicht zu reden, eine grofso
Veränderung gern eingeführt seheu, nämlich die moderne Orthographie,
sowohl hinsichtlich der geographischen Namen (die Niederländische Geo-
graphische Gesellschaft bat sich bemüht, dieselben in einem Büchleiu zu
summe*. u und hcrau-vtugeben , und warum sollten wir dies nicht dankbar
benutzen?) als des Titels der Karten. Andri<$*ni.
286. Posthumus & van Bemmelen, Atlas van Nedorland
en zijn bezittingon. 3. Auf]. Amsterdam, C. L.
Brinkman.
Schon die Namen der beiden Verfasser bieten Gewähr für die Güte
des Werkes, und bei Benutzung desselben wird man auch nicht enttäuscht.
Dr. von Brramclcn besorgte den geologischen Teil und eine Erläuterung,
welche als ein kurzer I«cit faden der Geologie der Niederlande bezeichnet
werden darf. Die erste Karte gibt eine gute Übersicht über das Relief,
die zweite über die geognostischc Beschaffenheit der Niederlande. Auch
von jeder der Provinzen sind zwei Karten nebeneinander abgedruckt, wo-
von die erste mehr fürs Studium der politischen Geographie bestimmt ist.
Mit roten Buchstabeu werden aufserdera auf dieser Karte die verschiedenen
Erwerbsmittel angegeben. Die zweite Karte ist geologisch koloriert und
enthält außerdem Angaben über die Verteilung der Bodenprodukte. Wie
man rieht, sind diese Karten sehr reichhaltig, und zu bedauern ist nur die
mangelhafte Darstellung des Flufsnetzcs. Auch dio Karten der überseeischen
Besitzungen der Niederländer sind gewifa nicht die schönsten. Im ganzen
verdient aber das Werk alle Anerkennung. Andri<tt<n.
287. Hult, ßlekingos Vegetation. (Meddelesler af Societas
pro Fauna et Flora fennica, 1885, Bd. XII, S. 163.)
Der Verfasser entwirft nach deu in Nr. 293 geschilderten Prinzipien
ein rloriitisches Bild von Blekingc* Flora, wo das Anziehende und Lehrreiche
auch in der Gliederung, in der analytischen Behandlung des Gesamt-
bildes beruht. Ke treten hier, im südlichen Schweden, die Eichen- und
Buchenformationeu zu den nordische» Gruppen hinzu und legen die Ver-
gleiche mit der holstein - pommerschcn Küste dem deutschen Pflantcngco-
grapheu besonders nahe, da die ausführlichen, nach Häufigkeit geordneten
Register vielfältig ganz genau übereinstimmen. — ln dieser Schrift ist
den Moosen und Flechten, die vielfach gröblich vernachlässigt oder als
etwas ganz andres wie die Blutenpflanzen betrachtet werden, eine ihrer Be-
deutung entsprechende Berücksichtigung zu teil geworden. &rwU.
288. Prince Roland Bonaparte, Not« on the Lapps of
Fiumark ;
289. Keane , The Lapps, thoir Origin, Etknical Affimties,
Pliysical and Mental Characteristics, Usagos, Present
Status, and Futur« Prospects ;
290. Garson, On the pliysical characteristics of the Lapps.
(Journal Antlirop. Institute, 1885, Bd. XV, S. 210.)
Nach einer Serie von 101 Photographien erläuterte der erste Ver-
fasser die MaGe der einzelnen Körperteile der brachyccphalcn, durchschnitt-
lich i,w m (Frauen 1,47 re) gxofsen Lappen.
Keane bespricht zuerst die Gruppierungen:
in Rufsland: Fischer- und Berg-Lappen ;
in Schweden: Fischer-, Wald- und Berg-Lappen;
in Norwegen: Soe-, Flufs- und Berg-Finnen.
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TO
Litteraturbericht Nr. 291—293.
Der Name .Lappen6 ist verhältnismäßig neuem Datum« (vom Jahre
120U und 1*230)» .Finnen* ist sowohl vom anthropologischen als nationalen
Standpunkt aus korrekter und außerdem die deutsche ('bcrtragung des
nationalen .Same“ (Flur: Samelats. wörtlich: Fin- Minner). Nicht ton
Süden her kamen nach dem Zuriickgehen der Gletscher die Lappen mit
ihrem Reu in jenen Landstrich, sondern von Osten, vom Altai-Baikal. Nach
einer Beschreibung ihrer Körpercigentümlichkciten , ihrer Trennung von
den Eskimos gibt Verfasser einen interessanten kurten historischen Huck-
blick über die Lappen, ihr sozial« und häudichos Leben (Hen, Lappen-
hund, Schlitten, Schneeschuhe)» ihre geistigen Eigenschaften, Religion
und Sprache.
Garsou gibt genauere Maße der einzelnen Körperteile.
Lanjrtatcf.
291. Bucharow, Reise iu Lapplund im Herbst 1883. (Sa-
piski Kuss. Geogr. Ges., 1885, ßd. XVI.)
Die am 2. (140 Mai 182C zwischen Hufslaud und Norwegen abge-
schlossene Grenxkonventinn hatte dem freien Umherrtreifen der Lappen auf
dem beiden Staaten gemeinsamen Gebiet, den sogenannten Faelledsdistricter»
durch Festsetzung einer bestimmten — noch jetzt bestehenden — Grenze
ein Ende gemacht. Durch eine besondere Klausel war nun einem oder
dem andreu der beiden Staaten xugeteilten Familien versuchsweise auf
sechs Jahre dis Hecht zuerkanut worden, unter Beobachtung der be-
stehenden l’oiizei- und /ollvcrorduungen , zur Ausübung der Jagd und
Fischerei wie früher auf das Gebiet des andren Staates Übenugeheu. Die-
ses Recht war jedoch nur den angesiedoltcn Kingcbomcn dieser Gegend,
nicht aber den russischen oder norwegischen Zuzüglern und ebensowenig
den Kenticrnomadcu Vorbehalten.
Durch eine neue Konvention vom 6. (18.) August 1834 wurde auch
dieses Hecht beseitigt, und nur die russischen Lippen des Dorfbezirks
Pasiezki behielten die alte Freiheit, den Lachsfang in der Paramündung
und dem Jarfjord, beide Norwegen gehörig, zu betreiben. Diese Bestim-
mungen haben noch gegenwärtig Gültigkeit.
Bucharow. geleitet durch das Intercne, welches die durch die po-
litischen Verhältnisse geschaffenen Lebensbedingungcn der russischen, fiun-
Undisrheu, norwegischen und schwedischen Lappen, der alte Kampf zwischen
der nomadisierenden und der unttfsigeo Bevölkerung und die wenigen,
aber eigentümlichen Schönheiten, sowie die Srhrecken der Tundra wach-
gerufen, beschloß im Herbst 1883, eine Heise durch Lappmarken zu unter-
nehmen und namentlich die Kirchspiele Knarr, Ißchiok, Pohuak, Kant-
schok, Kautokcino, Knontcki* und Muniom««ko zu besuchen. Kr wendete
seine Aufmerksamkeit besonders den ökonomischen Verhältnissen der diese
Wildnisse bewohnrndon Menschen zu und beschreibt sie sehr ausführlich.
Kr kommt schließlich zu der Erkenntnis, daß die Zahl der Lappen
sich allerdings vormindert, aber weniger durch Aussterben infolge der
harten Arbeit im Kampfe ums Dasein, als durch die NermUchuug mit
Norwegern und besonders mit Finnen. Die verhältnismäßig stärkere Ab-
nahme der nomadisierenden Bevölkerung wird hauptsächlich durch den
(’bergang zum ongesiedetten Leber., und dieser wieder durch die Er-
schwerung den freien l'mherciehens der Hentierherden bedingt. Da nun
die finnUndisrhe Tundra einen unerschöpflichen Reichtum an Henticrraoo«
hat, während von letztenn in Norwegen nur so viel vorhanden ist, dafs
die Rentiere zwar erhalten, aber nicht stark vermehrt werden können,
ist es trotz aller gesetzlichen Bestimmungen bei der Schwierigkeit der
Kontrolle nicht zu verhindern, daß die Rentiere der Norweger auf finn-
Kindisches Gebiet übertreten.
Im allgemeinen sind Hoden, und klimatische Verhältnisse derartig, dafs
die Lappen zwar kümmerlich ihr Leben fristen, aber kaum zu einer höhern !
Entwickelung gelangen können. r. St«iu.
292. Ignatius, Finlands Geografi. I. ADmnn öfverblick af
laiid och folk. Heft 1 u. 2. Helsingfora, G. W.
Edluud, 1881 und 1885.
Von dem großartig angelegten Werke über die Geograph ic Finnlands,
das die tinuländische Litteratuigevelßchaft angeregt hat, liegen bis jetzt nur
zwei Hefte vor. Das sehr langsame Erscheinen der Einzelhefte berechtigt
zur Besorgnis, daß es dem Verfasser nicht vergönnt werden wird, das
Riesenwerk zu vollenden. Der erste Teil allein, der „Überblick über Land
und Volk“, soll dem Plane gemäß 35 Druckbogen betragen. Jedenfalls
bilden die vorhandenen zwei Hefte gewissermaßen ein abgeschlossenes
Ganze für «ich. indem sie, nebst einer Einleitung über die Geschichte der
Geographie des Landes, dir Darstellung der physischen Geographie vollendet
haben. Die neuo Kapitel umfassen in üblicher Reihenfolge die Er-
örterung 1) des Namens, der Lage und der Grüß* des Großfiirrteulums
2) der umgebenden Meere, 3) der Konfiguration und des landschaftlichen
Charakter* de» Lande*, 4) der, geologischen Verhältnisse, 5) der Gtbirge,
6) der Hydrographie, 7) des Klimas, 8) der Flora und 9) der Fauna. Ver-
fasser ist mit der Littenitur des Landes gut bekannt und hat sich viel,
focher Unterstützung der Fachmänner zu erfreuen, weshalb seine Angaben
immer sehr beachtenswert sind, soweit sie sich auf den Boden der Thit«
sarhen beschränken. Die Stärke des Verfassers liegt jedoch eigentlich in
dem statßtßcben und historischen Fache (er ist ehemaliger Chef des Sta-
tistischen Amtes und jetzt Mitglied des Senats für Finnland), weshalb sein«
Tüchtigkeit sich hier wenig bewähren konnte. Seine theoretischen Aus-
einandersetzungen sind dunkel und vielfach auf veraltete Anschauungen
gegründet.
Hin Cm «.tand, der weniger dem Verfasser als der noch allzuwenig
fortgeschrittenen Erforschung de« Lindes zugeachricben werdeu muß, wird
dem Fachgelehrten sofort auffallen. Es ist das die Lückenhaftigkeit des
Stoffes. In einigen Beziehungen i«t die Arbeit sehr ausführlich, so be-
sonders in topographischen 1 Mails. Der Verlauf der Lande-sgrenxe wird eia
gehend erwähnt. Die Namen violcr auch ziemlich unbedeutender Mmj
buseti, Inseln, Binnengewässer und Hügel sind gewissenhaft verzeichnet
worden. Die florUtischen und faunirtischcn Abschnitte tragen den Cha-
rakter botanischer und zoologischer Verzeichnisse. Dagegen vermißt nun
die Angaben über die Regime und die Wawcrma-vse der Ströme, die Tiefen*
und Bodenverhältnisse der Seen, Sowie eine übersichtliche Darstellung der
Pflanzen- und Tierwelt. Weder von dem landschaftlichen Charakter der
Vegetation, noch von der regionalen uud provinziellen Gliederung der
organischen Welt wird etwas getagt. Ebensowenig werden den gegen-
wärtigen Forderungen der geologischen Darstellung Rechnung getragen.
Besonders befremdend wirkt die übertriebene Bedeutung, die den Wasser-
scheideliuien zugemessen wird, und die Verwechselung derselben mit den
Geröll- und Saudanbäufungen , die unter dem Namen „Äaar“ bekannt
sind. Cbcrhaupt herrscht in der skandinavischen Litteratur wegen der
verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes grobe Begriffsverwirrung. Bald
bezeichnet das Wort einen Höhenzug im allgemeinen, bald wird darunter
ein Cferwall verstanden, bald wieder alto Moränen oder verschiedenartige
Hrdwälle unbekannten Ursprungs. Dersellten Unsicherheit begegnet man im
vorliegenden Werke. Daher kommt es, daß Verfasser den „As" Salpens*
zelki §1« Außtaucr der wcst-tanda*tlandisrhcn Gpw.Uvt wirken läßt, ob-
gleich die ganze Wassermasse sich 90 km nördlicher iu eiuem Zeutralbecken
sammelt, folglich 90 km in nördlicher Richtung von dem .Af“ wegfließt,
ehe sie sich einen Weg zum Meere sucht. Diese ganze Gegend, wo der
Pelsgruud überall zu Tage tritt, hat also eine freilich seichte Noigung gecea
Norden, und der „As“ Ist nur dem südlichen Höhenrücken des Lindes
aufgesetzt. Da, wo »ich der „As* von dem Höhenrücken entfernt, wird
er vielfach von ganz unbedeutenden Blichen durchbrochen. Hiermit wird
nicht behauptet, daß die „Asar" niemals als Wasserscheider fongieren
können.
Die Arbeit Ut von Karten uud einigen Bildern begleitet. Unter den
Karten mag eine Höhenschichtenkarte , eine von Fachmännern hergrsteüte
geologische und eine ebenfalls von einem Spexialßten ausgearbeitete pflanzen-
geographische Karte besonders hervorgehoben werden. Auch die hydro-
graphische Karte ist lehrreich. Die pflanzengeographisebe Karte Ut insofern
irreführend, nU die Isothermen nicht mit den Angaben im Texte übcrein-
atimmen. Die Isothermen der Karte nehmen eineu allzu geradlinigen Ver-
lauf. 22. HuU.
293. Hjalmar Hjelt & Hult, Vegetationen i eu del af Kemi
Iiappmark och Norra Osterbotten. Helsingfors 1885.
Die beiden Verfasser hatten itn Bummer 1877 eine Reise nach dem
nördlichen Finnland, zwischen Torneä-Klf und dem Ounas-Joki in den
Breiten 66* bis 68w N zu naturwissenschaftlichen, besonder« floristischen
Studien unternommen. Ara 19. Jnni von Torneä nordwärts aafgebrochen,
folgten sie dem Torncä-Klf und wandten «ich zu der wenig östlich von
ihm gelegenen Bergkette, die endlich in die große Fjeldkette nordwärts
cinUufl; ihr höchster Punkt, den sie bestiegen, war der 760 m hohe
Yllästunturi; hier konnten sie auch nach ungefähren Abschätzungen die
Grenze der Nadelholzregion, von Pious dlvestris und Abie« (Picea) excelsa
gebildet, zu 451) m bestimmen, die sich von da zu dem nördlichsten auf
dieser Reise besuchten Gebiete um 100 m senkt. Dim Abecbätzungeo
sind nur ungefähre, weil die Reisenden kein Höhcnmeßinstrunient bei »ich
führten, sondern ihre Notizen nach der topographischen Karte Finnlands
machten. — In diesem Gebiete, wo am 18. August der erste starke Frort
die Vegetation unterbrach, wurden bis in den Herbst hinein zahlreiche
Aufzeichnungen und .Sammlungen gemacht. Da die Flora schon lange im
Bestände ihrer Arten und deren Häufigkeit bekannt ist, handelte es sich
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Litteraturberichfc Nr. 294 — 299.
71
hauptsächlich darum, di* Vegetatiousfnrroationeu in ihrer Zusammensetzung
genau zu »tudicren, außerdem auch Notizen über die Aufbluh-, Reblättc-
rungs- und Knlblätterungsxeiteu der wichtigem Pflanzen zu machen, mit
«eichein Gegenstände sich besonders Huit schon lange ausführlich be-
schall igle und atu seinen Studien schon ein* wertvolle Abhandlung: .. Re-
cherche* sor les Phenorocne* p6riodiqo«$ des plante»* (Upsala 1881) der
Gesellschaft d. Wiss. in Upsala im November 1870 vorgelegt bat. ln
der hier zu besprechenden Brcuchiirc werdon Einzelheiten daraus roitgcteilt,
die vielfaches Interesse erregen, besonders daß die Früh*omruer-Vege-
tatioubphasen im uurdiirhen Lappland höhere Mittcltempcraturen erfordern,
als im südlichen tapplund resp. Norrbotten, während es sich bei den
Hochsoiumerph&*eu umgekehrt verhält. Beispiel:
Blattent Wickelung von Prunus | Nonbotten 3. Juni bei 9,2* C.
P.ulu* in ( nördl. Lappland 13. Juni bei 10*4* C.
Blnttcntwickclung von Populus ( Norrbotlcn 12. Juni hei 11,1° C.
trexuula in f nördl. Lappland 19. Juni bei 13,0° C.
. Al-, • I Nonbotten 25. Juli hei 15,0* C.
% * | nordl. Lipp.und 15. Aug. bei 11,0" C.
Die Erklärung dafür liegt in dem deshalb mit hinzugefügten Datum.
Die Schilderungen der Vcgctutionsfonuatiouen bringen die Verfasst? nach
folgenden Abteilungen: Kiefernwälder, Fichtenwälder, gemischte Wälder,
Daubholxwiilder, 2>umpfinoostljchen, Moore, KietlUrheo, ürusltächcn, kulti-
vierte Orte und Anbaustellen, Fehenvegetation , Waaserläufe mit Teichen,
JPjeldvegelation. Die Prinzipien dafür sind von Hult, eben nach den auf
dieier Reise gemachten Beobachtungen, ausführlich ausgearbeitet und schon
früher in einer besondem Schrift: „Fbrsük tili analytuk bchandling ul
Västfonuatiouerna* (Meddel. af Societas pro Fauna et Flora teunica, 8:
Hclsingfors 1881) erschienen. Bme Schrift war »ehr lehrreich für die
Methode der ptUnzengeogniphischen Schilderung mit Berücksichtigung aller
BorUtiscbcn Einzelheiten der geselligen, häufigen oder als seltnere Genossen
eingesprengten Pflanzen, da die Schilderung bekanntlich trotz ermüdender
namentlicher Aufzählungen kein klares Bild zu liefern vermag, wenn nicht
der ganze Gegenstand in klare Disposition gebracht ist. Die Vorteile seiner
Methode zeigt nun die hier zu besprechende xusammcnfaxÄcndc Schrift; der
deutsche Botaniker entnimmt z. ß. ohne weiteres aus der Schilderung der
Kiefernwälder im nördlichen Finnland mit Unterwuchs von Prcifsolbcerc
und Heidelbeere nebst Linnucu horealis als häutigsten Halbsträuchern, ein-
gestreuten andern Halbstriuchcrn, wie gewöhnliche Heide und Empctrum
nigrum, vielen deutschen Gräsern und bekannten Stauden ( z . ß. Hierariuin
murornm, Epilobium angustifolium , Solidago virgauren), daf» dieselben
ziemlich so ausseh en müssen wie im nördlichen Deutschland, ausgenommen
hinsichtlich der seltnen oder au andern Standorten lebenden Halbsträucher
Linnaea boreulix und Kmpctrum. Die nahen Beziehungen solcher For-
mationen ebenso wie einzelne Verschiedenheiten werden also dadurch klar-
gelegt, untl die FlorcnvcTglcichung erhält eine bessere Stütze, als durch die
eiufachcu Pfl&nzeukatologe. Deuu wir finden sogleich bei Berührung der
GebirgxvcgoUtion , die den Fjoldon in geringerer Ausdehnung entspricht,
mit Charakterge wachsen: Linnucu borealis, Phyllodoce coeruleu, PedicuUris
lapponica, dafs diese Genossenschaft als solche ganz und gar in Deutsch-
land fehlt, dafs «© eine spezifisch arktische ist. Die Auflösung des
systematischen Pflanzenkatal oges in Forroationsglieder
und Art-Genossenschaften ist cino wesentliche Forderung der mo-
dernen päonzengeogruphischcu Floristik, und diese Forderung haben die
Verfasser in diesem Berichte erfüllt. Es sind daher ihre Schriften auch
methodisch für ühuliche Untersuchungen im Bereich des ganzen nördlichen
Florenreich» *von Wichtigkeit. 2>rudc.
294. Sarmaticus, Von der Weichsel zum Dnjepr. Mit 1
Karte u. 14 Skizzen. Hannover, Mierzinsky, 1886.
Das Buch zerfällt in einen militür- geographischen und einen kriega-
geschichtlichen Teil. Als polnischer Kriegsschauplatz werden die Gouverne-
ments Warschau, Kowno, Wilna, Grodno, Minsk, Wolhynien und Podolien
und die österreichischen Provinzen Galizien und Bukowina bezeichnet.
Wenu der Verfasser den preußischen Anteil an Polen deshalb davon aus-
geschlossen hat, weil hier das Deutschtum schon feste Wurzel geschlagen
hat, so ist er durch die jüngste Vergangenheit widerlegt worden. Die
geographische Beschreibung ist sorgfältig; der Ilnuptschwcipunkt liegt na-
türlich auf der Hydrographie, da die Flüsse hier die wichtigsten Beweguugs-
hindernisso sind; zahlreiche Skizzen stellen die bedeutendsten Flüsse und ihre
Cbrrgangspunkte dar. Beachtenswert ist besonder» der Hinweis auf die
militärische Bedeutung der Entwässerung der Pripet-Sümpfe , die noch in
diesem Jahrhundert nufhören werden, den nord* und südpolnischen Kriegs-
schauplatz zu trennen, wodurch dünn das Hauptmerkmal des polnischen
Kricgvtheaters, die ungeheuren Räume, die man beherrschen muf», in einem
viel höheru Grade herrortreten werde. Endlich möge noch auf das
i Festung» • Kapitel aufmerksam gemacht werden, da auch Stielen» HundatU*
in dieser Beziehung veraltet ist. Festungen sind jetzt an der Weicbsel-
linie: 1) Iwangoroi, eine reine Militirachöpfung; 2) Warschau; 3} Novo
Georgiewsk; ferner 4) Goniadz am Bobr; 5) Brest litowsk am Bug;
6) Kowno tun Niemen; 7) BobruUk ander Beresina und 8) Luzk-Michai-
lograd am Styr. Zamosc im Gouvernement Lublin, das Stielers Handatlas
noch als Festung angibt, ist als solche aufgelassen. Supan.
295. Aggeenko , Bericht über Untersuchungen im Gou-
vernement Nisehny-Nowgorod. (Trudy, St. Petersburg.
Ges. d. Naturforscher, Bd. XVI, S. 287.)
296. Niederhöfer, Über den Einflufs von Bodeu und Klima
auf dio Verbreitung der Pflanzen im Gouvernement
Nischny -Nowgorod. (Ebend. S. 416.)
Dies sind Resultate der wissenschaftlichen Reisen zweier junger
Österreicher, welche von der genannten Gesellschaft in das Gouvernement
Nbchny-Nowgorod geschickt wurden. Neben lloristischen Untersuchungen wird
auch manches über Einwirkung des Bodens Standortes und Kümos auf
die Pflanzen berichtet. Die Gegend bietet viel Interesse, weil ein Teil zu
der Schwarzerde- Region gehört und also den Einflufs dieser Bodenart auf
die Pflanzen zu studieren erlaubt. Auch der Kontrast der Flora des Waldes
und der offenen Flächeu ist interessant. Schade nur, dafs die Höhe über
dem Meerctnivftau, auch die der Hügel und Plnte-aus über den Tbälcrn &c.
nicht berücksichtigt wurde, und dafs die Reisenden sich nicht mit einem
der w bequemen Taachcn-Ancrofdc versahen. Wonkotc.
297. Nikolskij, Ornithologische Beobachtungen am WuiTsen
Meere und der Munnanküsto. (Trudy, St. Petersburg.
Ges. d. Naturforscher, Bd. XVI, S. 337.)
Die» ist die Frucht der Beobachtungen während dor von der Gesell-
schaft im Jahre 1880 entsandte» Expedition nach dem Norden. Neben
raunist ischctn Material enthält dio Abhandlung manche» Interes-ante in
zoogeograph i.-M'her Hinsicht. Besonders lebhaft ist die Schilderung dor
i Stille und Öde der Tundra, d. h. der waldlosen, felsigen Region am Meere
und in den hfihcrn Teilen des Innern, mit dem iiu Sommer so lebhaften
Meere. Hier werden zwei Regionen unterschieden, diejenige de» Weißen
Meeres und des Ozeans östlich toü Swj&tul Noii mit ihrer an Individuen
reichen, aber artenarmeu Fauna, und dio artenreichere an dem wäricem
Meere wörtlich von dem Vorgebirge. Wotikcto,
298. Felizin, Kurze Darstellung dor Besiedelung desKuban-
schen Gebietes. (Iswostija d. Kuukus. Sektion d. K.
Kuss. Geogr. Ges., Bd. VIII, S. 250, mit Karte im
Mafsstabe von 1 : 840 000.)
Verfasser bringt zur Ergänzung seiner hauptsächlich das kulturgoogra-
phisekr Element berücksichtigenden Karte eine historische Studie über dio
Besiedelung des Kubatischen Gebietes; leider beschränkt er sich dabei vor-
nehmlich auf die administrative und militärische Besiedelung. Die seit
1808 begonnene freie Kolonisation, welche bis 1882 bereits 240 000 An-
siedler (30 Prozent der Gesamtbevölkexung) geliefert hat, wird nur kurz be-
sprochen. Die Karte, welche keineswegs fehlerlos reproduziert ist (der
Verfasser notiert selber S. 283—284 einige wichtige Fehler), erscheint ah
Vervollständigung der 1874 vou der railit.-topograph. Sektion de» kauLss.
Militärbezirk» hcrousgfgcbcnen Karte, auf welcher die neuen Niederlassungen
(87 an Zahl), Straßen, Angaben der Entfernungen und die neuen admi-
nistrativen Einteilungen eingetragen sind. Der Karte ist eine kleine
statistische Tabelle über Ar«ad und Bevölkerung beigegeben. Petri.
299. Krassnow, Geo- botanische Forschungon in den Kal-
myken - Stoppen , nebst Verzeichnis der gesammelten
Pflanzen. (Iswestija d. K. Ituss. Geogr. Ges. 1886.
S. 1.)
Verfasser hat lssi bei seinem viermouatlichen Aufenthalt in den
Kalmykea-Stcppen ein reiches Material gesammelt , welches er, wie er
selber zugibt , zu c. wissen kühnen Schlüssen verwertet. Er unterscheidet
mehrere botanische Provinzen: I) Die Küstenregion: etwas nordlieh von
Jcnolajcwsk an der Wolga bis zum Delta und von hier aus dem Kaspischen
Küstensauin entlang bis zur Mündung der Kuma; charakterisiert durch die
.Flora der CberschwemmUDgswicsen•^ zu */, dem mittlern, ja sogar dem
nordliehen Kulsland angehörig (Tab. I. sub 1.), zu */s einen südlichem
und für das Delta typischen Charakter tragend (Tab. 2. sub 2.). Die sogen.
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Litteraturbericht Nr. 300 — 301.
Iljmeni (die Seen «wischen «Jen Bienchen Hügeln) besitzen einen ton
Hamas gefärbten Ufereaum mit einer spezifischen Flora (I. »ub 3). wogegen
die Hügel die Flora der Steppenregion, die .Wermut-Flora“ (Tab. III. sab I.)
aufwerien; nach Süd und West werden die Seen, welche hier von den j
nbcrsehweniniuugen «ier Wolga nicht mehr erreicht, und deren Wasser darum
nicht mehr erfrischt wird, bruckisch; die Ufer gewinnen eine ..Salzflora“
(Tab. II. sub 1.). Das bezeichnet* Gebiet ist wenig für Ackerbau geeignet.
Die heftigen Winde wirbeln die leichten kaspischen Ablagerungen auf; der
Sand, der mit dem Vorechreiten der Menschen immer mehr uru sich greift,
bildet Barchanen (Tab. IV. sub 1.): Verfasser schildert S. 1» die Residuen
.äolischer Korraaion“. Übrigens wäre dem Vorrücken des Sandes, wenn j
man die Abneigung der russischen Bevölkerung gegen BaumznptUnzur.gen
uiul Gartenbau überwinden wollte, Einhalt zu tliun.
II) Innere Steppe — charakterisiert durch die „Wcrniutllora“ (III.
sub 2.). In den einzelnen Niederungen (ehemalige Seebecken?), welche,
je näher 2u CUigan-Gaschun, um so häufiger werden und weiter nördlich
zu den Füf»en der Jergeni in eine auf mehrere Dutzend Werst sich
erstreckende Niederung übergehen, Huden wir die „Uamphorosraische Flora“
(nach dem Verwiegen von Camphorusraa ruthenicum) ; die gleiche Flora
vermittelt den Übergang von der Wiesen- oder Sulzflora an den Ufern der
Secu, der Cberrcstc der eiust so zahlreichen Becken (Tab. 1. 4., II. 2. 4.)
zu der Wermutttora, gerade so wie das mitunter in «ler Region I. in dein
Hügel gebiet zu beobachten ist. Der Gedauke liegt nahe, «lafs die vier
Formationen : Wiesen-, Salz-, Coniphorosma- und Werroutfioni die einzelnen
Stadien der allmüligen Auslaugung und Austrocknung der aralo-kaspischen
Niederung repräsentieren. Die Steppe wird von Kalmyken bevölkert,
über dereu Niedergang infolge der Ausbeutung von seiten der laimtu, der
Kosaken und der unaufhaltsam vordringenden russischen Kolonisation der
Verfasser zahlreiche Angaben bringt. Hervorzuheben ist die Bemerkung
des Verfasser« über die Fortschritte der Kalmyken in der Schulbildung.
.Man mag es keum glauben", heilst es u. a., „dafs die Kalmykeukiuder in
einem Jahre ganz tüchtig russisch lesen und schreiben lernen“. (S. 20.)
Die Mission hat geringe Erfolge. Mit «lern Ackerbau der Küssen steht es
schlecht; sie folgen vielmehr dem Beispiel der Kalmyken und sind Vieh-
züchter geworden.
III) Gebiet dev Hügelzugs dor Jergeni — charakterisiert durch das
Auftreten einer „Flora der Schwarzerde“ (Tfcb. V.). Typisch sind die
Übergänge der Flora in den Schluchten (Balki) des östlichen steilem
Abfalls: der Oberlauf der Flüsse in diesen Sehluchten hat eine nördliche
Uferflora, im Unterlauf tritt allmählich der Steppcnrharakter hervor; sämt-
liche Floren sind reicher und Üppiger vertreten al» in den andern Regionen
(Tab. auf S. 31, Schwarzerde der Schluchten Tab. V. sub • in Niederungen;
Salzdora II. 3.: WermutHora III. 3.; Saudtlora IV. 2.). Die Schwarzerde
von bloft 3 Prozent Humus ist zumeist an I.öf*Torkoramcn gebunden und fiudet
sich in «itu auf der Wasserscheide des Don und Kaspi, sowie in Schluchten
und Niederungen. Von Interesse ist die reiche (5 Prozent Humus und lj
Arschin Mächtigkeit) Schwarzerde am Fufse der Kurganen, welche energisch
bebaut wird. Das relativ geringe Alter der Kurganen (ca 600 Jahre),
somit also die rasche Ausbildung der Schwarzerde unter günstigen Be-
dingungen — Feuchtigkeit, Schutz vor Wind uud Sonuenhitze — , spricht
gegen das ungemein hohe Alter der mittel russichcn Schwarzerde (Rupert).
Die russische Bevölkerung des Gebietes beschäftigt sich mit Acker- und
Gartenbau und mit Viehzucht.
Ein Abstecher zum Manytsch bewies, dufs die Vorposten der kauka-
sischen Flora erst im Thale der Kuma zu finden sind.
Die Flora der Jergeni ist nach Anschauung des Vtzfeum die ältctto ;
ihr folgen die Salz- und die Campbnroimentlora, daun die WermutHora und
schließlich die Sandflora. Wir bemerken noch, dafs der Verfasser seine ,
Sammlung keineswegs für vollständig gelten lassen will. Die Schlufstsbelle j
bezieht sich auf die von Menschen verpflanzten «vier verschleppten Arten.
Petri.
300. Dehn, Deutschland nach Gaten! I. Land uud Leute
der Balkauhalhinael. München - Ixüpzig , Roth, 1886.
Eine kurze Schilderung der wichtigsten Volksstämme der Balkinhalb-
insei und Ausblicke in die Zukunft, die durch die jüngsten Ereignisse in
Bulgarien angeregt wurden. Vollständige Befriedigung der christlichen
Völker in bezug auf |wlitische und nationale Selbständigkeit, und Erhal-
tung des Türkischen Reiches mit dem Schwerpunkt in Asien, aber mit
Konstantinopel als Hauptstadt, erscheint dem Verfasser als die beste Losung
der gegenwärtigen Wirren. Supan.
30 1 . Zujoviö, Geologische Übersicht des Königreichs Serbien.
(Jahrb. Geol. Reichsanstalt, Wien 1886, Bd. XXXVI,
S. 71, mit einer geol. Kurte in 1 : 750000.)
*
Die Karte von Zujovic, die Frucht fünfjähriger Beobachtungen, ergänzt
in dankenswertester Weise das geologische Bild von der nordwestlichen
Balkanbalbinsel, in weichem nur noch der Distrikt von Nori Bazar eine
unangenehme Lücke bildet. Ein Vergleich mit der geologischen Übersichts-
karte von Toula in Petermnnns Mitteil. 1882 zeigt, wie wesentlich ZujoviA
unsere Kenntnis gefördert hat. Er unterscheidet auf seiner Karte folgende
Formationen :
1. Kristallinische Schiefer, vorwiegend Glimmerschiefer, setzen
fast ausschliefftlich das Gebirge im W des meridionalen Morawathales bis
Kragujevac und im S des Thaies der westlichen Morawa zusammen, jedoch
so, dafs das Thal der südlichen Morawa ganz in die archäische Formation
hineinfillit. In gröfaerer Ausdehnung treten sie noch zu Tage am Nord-
ende des ostserhuehen Kalkgebirges , südlich von der Donau, im unmittel-
baren Anschlufs an das Banater Gebirge, und im Bukuljamaasir südlich von
Belgrad, sowie an ein paar Punkten im westserbuchen Gebirge. Das
StTeichen der Schichten ist fast überall ein meridionales, steht also nicht
im Einklang mit dem Streichen der Gebirgszüge. Von den nutzbaren
Mineralien sind MognctitcinUgcrungen am wichtigsten.
2. Paläozoische Schiefer, hauptsächlich im westlichen und süd-
westlichen Serbien. Bestimmbar erwiesen sich nur die Karbonschichten
zwischen Pek und Mlava im nordöstlichen Serbien.
3. Kote Sandsteine, bestehend aus einem Komplex von roten
Sandsteinen, Konglomeraten und Schieferthouen, und wahrscheinlich in das
Niveau dm Perm und der untern Trias gehörig, werden meist nur in
kleinern Ausbissen und KntblÖfsungen sichtbar. Im Gebiet von Rigrcnica
(östlich von Jagodina, 44 ° B.) enthalten sie mächtige Kohlentlötze.
4. Die Trias, durch Kalksteine vertreten, ist auch in Serbien nur
unvollkommen entwickelt. Einen nennenswerten Anteil nimmt sie nur atu
Bau des wostlichen Grenxgebirg**, wo sie, wie in Bosnien, Karstterrain bildet.
5. Der Jura fiudet sich in mannigfaltiger petrographiseber Ausbildung
fast nur im Hstlichon Gebirge, ist aber auch da geographisch von keiner
Bedeutung.
6. Die Kreideformation, hauptsächlich aus Kalksteinen, daneben
aber auch aus Mergel , Saudsteinen uud Schieferthonen bestehend . ist in
Serbien zur vollständigen Entwickelung gelangt. In bezug auf Verbreitung
und Anteilnahme am Üebirgsbau können sich nur die archäischen Schiefer
mit der Kreide messen.
7. Der eoeäne Flytch ist nicht so verbreitet als man früher glaubte.
Von geographischer Bedeutung ist nur die Flyschzone der Cer- und Vtisic-
Planina an der Drin«.
8. Das Neogen, zum Teil Lignit führend, setzt einerseits die breite
Hügellandzono südlich von dor Save und Donau, an die nur bei Belgrad
und zwischen Moldova and Orsova ältere Gebirge herantreten, zusammen,
und zwar im unmittelbaren Anschlufs an die Neogenablagerungen dm
ungarischen und walacbisehen Beckens; anderseits bildet es Ausfüllungen
ehemaliger Süftwaxterbcckon , unter denen die der Morawa zwischen den
Durchbrüchen von Bagrdan und Stulac, der westlichen Morawa, und jenes
von AlcksinaoN « die wichtigsten sind. Letzteres enthält hei Jclalnica
mächtige Kohlentlötze. Alle Stufen des ungarischen Neogens sind auch in
Serbien paläontologisch nach gewimen.
9. Quartäre Sedimente sind außer dem Thalalluvium besonders zu
nennen u) Sec-Ablugcrungen von Pirot, ßeU-Palanka, Alekrinac-Nis, Becken
von Leskovac Are.; b) Löes an den Ufern der Save und Donau, dem im
Innern dm Landes Thon ebeufalla mit Laudtierrwten entspricht; c) die
Flugsandbildungen nn der rumänischen Grenze bei Negotin und zwischen
Kam und Üradiste (Fortsetzung des Banater Gebietes).
10. Die Massongestcine Serbien» worden eingeteilt:’ a) in grani-
toide Gesteine (Granite, Diorite, Diabase, Dolerite, Kcroantite), die in Ver-
bindung mit den kristallinischen Schiefern Vorkommen: b) Euphotide und
Serpentine, meist zusammen vorkoromend, treten in zahlreichen gröfsern
uud kleinern Inseln auf, von denen hier nur die Stolovi-PLanina am Ibar,
das Zlatiborgebirge und die Maljen-PUnina im westlichen Gebirgslam!
genannt werden mögen. Noch zahlreicher und ausgebreiteter siod die
Ausbrüche c) der verschiedenen trochytoidcn Gesteine; so x. B. am Tirook,
am Ibar, besonders aber im Gebirge westlich von Kragujevac, wo sie den
nach NNW streichenden Hauptkamm aufbaucn.
Eine rohe Einteilung des serbischen Gebirges vom geologischen Stand-
punkt wäre etwa folgende. 1) Ikt» ostterbische Kreidekalkgebirge, östlich
von der Morawa; 2) dos kristallinische Schiefergebirge zwischen den beiden
Morawa» und zwischen der Morawa einerseits uud den Thallinien im Meri-
dian von Kragujevac anderseits; 3) das wwtsorbiache Gebirge, liestehend
aus palüo- und mesozoischen Kalksteinen uud Schiefern, Eruptivgesteinen
u. s. w.; 4) das nördliche neogene Hügelland, aus dem sich ein meridio-
naler Kreidekalkzug, den man vielleicht dis Kosmajgebirge nennen könnte,
erhebt. Sufan.
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Litteraturbericht Nr. 802—308.
78
302. Carta geologico dell’ isola d’ Elba. 1 :50 000. Herausgeg.
vom Ufficio geologico, Rom 1885.
Elba besteht aus 2 geologisch wesentlich Toneinander verschiedenen
Haupttcilen, die durch die Einschnürung zwischen den Buchten von Porto«
ferrajo und della Stella getrennt werden. l>er östliche hat seine L&ngwchse in
meridionaler , der westliche Teil in äquatorialer Richtung. Jeder der
Hauptteile zerfallt wieder in 2 nnvgraphisch gesonderte Gruppen. Der
östliche ist ein einseitiges Kettengebirge mit Gipfeln von ca 3« bis 400 tu
Höhe; nördlich ton deT Bucht von Longone treten an der Ostkfiite
kristallinische Schiefer zu Tage, dann folgen gegen W Silur und Perm
(vorwiegend Schiefer), dann Lins (vorwiegend Kolk) und endlich die coc&ntn
Kalksteine und Flysch, neben welchen auch eoeäne Diabase und Serpentine
eine hervorragende Rolle spielen. Das nach NW streichende Gebirge süd-
lich von der Bucht von Lougoue (Mte Calamita 415 m ht*h) besteht der
Hauptsache nach aus kristallinischen Schiefern t welche ein mächtiges Ge-
wölbe bilden. Die oben genannte, durch eine Depression gekennzeichnete
Grenzlinie zwischen beiden Hauptteilen fällt nahezu zusammen mit eineT
Bruchspalte, längs welcher die paläo- und raMozoisehen Gesteine noch ein-
mal in einer schmalen Zone zu Tage treten. Im westlichen Hauptteil
herrschen vulkanische Gebilde eocouen und naeheoeänen Altera, neben
welchen nur noch Hociinsedimente Vorkommen. Schreiten wir von O nach
W vor, ao treffen wir zunichst auf die Diabasmasae des Mte Orello (877 ra
hoch) und dann auf ein ausgedehntes Gebirge aus nacheoc&nem Granit-
und Quanporpbyr. (‘benetzen wir dann die Kinaenkung zwischen den
Golfen di Carapo und di Procchio, so stehen wir tot dem, durch seine
rtgelmkfsige kreisrunde Gestalt ausgezeichneten Granitmassiv des Mte Cajx&nne
(1019 m hoch; ebenfalls nacheocSn), das fast genau in seinem geometrischen
Mittelpunkt kulminiert. Supan.
303. Carta geologica della Sicilia. 1:500000. Herausgeg.
vom Ufficio geologico. Rom 1835.
östlich von der Eisenbahn Termini— Girgcnli dacht aich Sizilien von
dem hohen Nordrand allmählich nach S ab. Im N tritt noch das Grund-
ge rüste der Intel , die kristallinischen Schiefer und Granite, welche die
unmittelbare Fortsetzung des Aspromonte • Massivs bildon , weiter nach W
hin aber nur noch stellenwei»e da» triassische, jurassische und kretazeische
Kalkgebirge zu Tage. l)or gTöfitt Teil dos Grundgeriist« ist aber auch
hier unter einer tertiären Decke begraben. Die ganze lange Südabdachung
ist raioeän und plincän; dio Schichten fallon allmählich nach S und find au for-
dern in Hache Wellenfalten gelegt, in deren Antiklinalen tiefere Tertiär-
achichten auftreten. Don östlichen Bruchrand charakterisieren der Ätna
und die Dasaltmitiaen den Mte Lauro (085 m horh). Westlich von der
Linie Termini— Girgonti ist der Bau insofern ein anderer, als zwei oder
drei parallele mesozoische Aufbruchswellen Vorkommen, die breite Tertiär-
mulden cinwhlicf*cn. Der nördliche dieser Aufbrüche ist die Fortsetzung
der Östlichen (nebrodischen) Antiklinale, aber zum Unterschied von dieser
fast ganz von der Tortilrdecke befreit. Supan.
304. Gillebert - Dhercourt , Rapport sur U Anthropologie
et l’Ethnologie des populotions Sardes. (Arcb. Missions
ßcient. et litt^r. Paris 1885, 6d. XII, S. 33, mit
mehreren Abbildungen.)
Die alten, wie die jetzigen Sardinier sind ilolirhoctphal. Von 47 unter-
suchten Schädeln hatten nur G einen Breit emndez von 77 und darüber,
und der Mittelwert beträgt 7*2,0. Messungen an 98 Lebenden ergaben
55 dolichocephole (65— 76), 36 Meaocephale (77 — 92) und 7 Brachycephale
(83 — 84), und einen Mittelwert von 76,4. Von den Personen mit einem
Breitenindez von Über 80 gehörten 6 der Küste, 5 dem Binnenland und
C dem Bcrgland an: d. h. ihre Zahl beträgt in Prozenten sämtlicher Ge-
messenen für die Kürte 24,9, für dos Binnenland 21,1 und für das
Gebirge 9,?. Folgerungen in bezug nnf Völkermischung lassen sich aber
nach der Ansicht dos Verfassers daraus nicht ablaiten. Jm allgemeinen
aind die Sarden als eine homogene dolichocephale Rasse zu betrachten;
dnlichoccphal waren sowohl die ursprünglichen borborischen Bewohner, wie
die ersten Kolonisten Die Ausicht, die Zanetti zuerst ausgesprochen bat,
dals die Schiidelkapazität seit dem Altertum abgenommen habe, erweist
«ich als unrichtig. Die Hautfarbe ist weifa und nur an den unbedeckten
Körperteilen brenn; die linare sind schwarz. Die ürüfse betrügt im
Mittel wahrscheinlich 1586 mm und ist geringer als in Italien; der Ver-
fasser bestreitet, dafs dies mit der Mangelhaftigkeit der Ernährung Zu-
sammenhänge, die durch häufige Hungerjahre bedingt ist. Bemerkenswert
ist jedenfalls, daf* dieselbe Erscheinung auch bei den ViorfUfsern zu Tage
tritt, und der Verfasser erklärt sie durch RasaeneinHiiase. Wohl aber mag
Pctermunna Geogr. Mitteilungen. 1886, Litt.-Bcricht.
die durch altertümliche, unrationelle Wirt*chaft bewirkte Ungleichheit des
Bodenertrages mit eine Ursache der langsamen Volksvermehrung sein. Die
Intel beherbergt jetzt nur ca 600000 Menschen, wahrend ihre Bevölkerung
in» römischen Altertum doppelt «o grofs war. Sehr eingehend ist die
Schilderung des Charakter«, der Lebensweise, der Sitten und Anschauungen
der Sarden. Die Hirten sind zum Teil jetzt noch Höhlenbewohner. Die
Sarden aind ein gesundes, abgehärtetes Volk, «tehen aber kulturell noch
auf einer tiefen Stufe. Von der männlichen Bevölkerung sind 87,9, von
der weiblichen 95, t Prozent Analphabeten, und nur 3 Prozent der Kinder
besuchen die Schule. Das Käubcr Unwesen hat sich durch alle Perioden
der Geschichte hindurch erhalten, wenn es auch jetzt etwas abgenommen
hat. Auch die merkwürdigen kegelförmigen Steinbauton (Nur-aghos) Hnden
eine eingehende Erörterung; der Verfasser hält aie fllr wesentlich ver-
schieden von deu rohen Truddhi von Otranto, die aie Zufluchtsstätten
dienten, während die erstem Air Semaphore erklärt werden. Sup-in.
305. Bertrand und Kilian , Rapport sur leg terrains secou-
daires et tertiaires de l’Andalousie (provinces de
Grenade et de Malaga). (Compt. rend. 20. April 1885,
Sep. - Abdr.)
306. , Le bas8in tertiairo de Grenade. (Compt. rend.
20. Juli 1885, Sep. -Abdr.)
307. , Sur leg terrains jurassique et crdtace des
provineeg de Grenada et de Malaga. (Compt. rend.
18. Januar 1886. Sep. -Abdr.)
Gegen du End« d«r peläozoiwhen Zeit vollzieht »ich die Scheidung
zwßehen der epanUeb - ItuiUnl.chcn Scholle (MeeeU) and dem endlichen
Teile von Spanien. Die Depresrion zwischen Spanien and Afrika setit das
Mittelmeer mit dem Atlantischen Ozean in Verbindung; and «ährend die
Meseta keine Faltung mehr erfahren hat , dauern die Schichten itSrangen
in der genannten Depression bis «am Ende der Tertiiirzeit fort. Es erheben
sich hier der Atlas und die bitbehe Kette, und die mesozoischen und tertiä-
ren Schichten sind im Korden der letztem bis zum Guadalquivir gefaltet.
Schoo in der Trias kommt der Gegenutz der beiden geologischen
Provinzen, des raitttern Spaniens (Keupermergel , mames irislee) und des
südlichen Spaniens (Schiefer mit krutsllinitchem Kalk) zum scharfen Aus-
druck. Die Jura* und Kreideablagerungen (vorwiegend Kalk) des Südens
zeigen einen ausgesprochen alpinen Charakter, analog dem in Sizilien und
in Südtiml. Am Scblufs der Kreidezeit erfuhr die biituchc Kette dje erst«
Faltung; du Kocanmeer umgab das Gebirge, und die N u mm oliten schichten
lagern durchaus diskordant auf den Kreidrachiehtfn. Eine zweite Storungs-
periode faltete die Nummulitcnschiehten des Nordabhanges, aber etwas
unregelmäßiger als die Kreideachieliten. Dann folgte die Transgcssion
des Miocünmeeret; nach dem HUckzng des Meeres der helvetischen Stufe
entlang der Guadalquivir • Linie folgte Hebung des Gebirges und Thal-
bildung und endlieh wieder Senkung, Bintritt des Meeres in die Tbäler
und Ablagerung mariner Schichten bis zu einer Seehöbe von 960 m (tor-
tonische und sarmatisebe Stofe), worauf dann wieder allmähliche Hebung
eintrst (brackisrhe Ablagerungen , Gips der mittlern mcasenischen Stufe,
endlich lakustrische Ablagerungen). Es ist bezeichnend, dafs das Zer-
storungsgebiot des großen Erdbebens von 1884 in dies« Zone wiederholter
und junger Schichten Storungen fällt. Supan.
308. Häbler, Dio Nord und Westküste Jlispaniens. (Progr.
d. Kgl. Gymn., Leipzig 1886.)
Mit grnfsem Fl cif sc unterwirft der Verfasser di« unsäglich abweichenden
Angaben der alteu Geographen Uber Gestalt und Ausdehnung von Hispanien
einer vergleichenden Kritik. Von den verloren gegangenen Berichten de«
Uimileo aasgehend, bespricht er nacheinander Hecntaeu«, Kratorthenes,
dessen Angaben wohl auf Pytheas fufsen, Hipporch, Potybiu«, dessen geo-
graphische Begabung stark in Zweifel gesogen wird, Artemidor, Posidonius,
Strabo, Ptolemaeus, Pomponiua Melo, Plinins, Varro. Bl ist sicher wissen-
schaftlich interessant, die allmähliche Klärung der Ansichten der alten
Geographen über die Gerillt und Ausdehnung der Oikumcne und ihrer
einzelnen Teile zu verfolgen, doch ist bei der traurigen handschriftlichen
Überlieferung der meisten Zahlenangaben und dem Fehlen der den meisten
Schriftstellern sicherlich einst vorliegenden Originalkarten ein Erzielen von
sichern ltosultaten von vornherein fast ausgeschlossen und die Freude,
ganz Falsche* durch eine glückliche Konjektur in etwas weniger Falsches
aich verwandeln zu aehen, eine sehr mäfeige. Wichtige Fragen, i. B. nach
der Iaige de« Ncrionvorgebirges und des Artabrerhsfens , die Häbler nach
der Ria von Conto* versetzt, «ind auch hier noch nicht zweifellos eut-
m
74
Litteraturbericht Nr. 309 — 311.
rtbi«den. Kino rnrnaM* ron Namen spotten noch ihrer Fixiria&g ebenso*
•ehr wie der richtigen Schreibart« und man kann wohl behaupten, daf»,
wenn nicht zur peinlichsten Beachtung der modernen Topographie noch
zufällig glückliche Funde sich gesellen , wir in zahllosen Fallen bei geo-
graphischen Angaben der Alten ober eine mehr oder weniger wahrschein-
liche Vermutung nicht hiuaiukommen werden. Zum Schiufa verweist der
Verfasser noch auf die Bedeutung gewisser mittelalterlicher Karten, ron
deren einer, der Fiaaner Weltkarte aus dem 14. Jahrhundert, er das Spa-
nien betreffende Stuck auf beiliegendem Blatte in halber Originalgröße
skizziert wiedergibt. Möglich ist ea ja, dafs, wenn alles vorhandene Material
dieser Art, das sicherlich noch reichlich aufgefunden werdeu wird
(denn nichts versteckt sich auf Bibliotheken leichter uud wird öfter über-
sehen, als eine einzelne Karte), einmal zn asm men fassend bearbeitet sein
wird, auch einiges für die Erklärung der alten Geographen dabei »Wällt.
Allzuviel wird es nicht sein. Bia jetzt wenigstens ist ein direkter Zu-
sammenhang der mittelalterlichen Karten mit denen des Altertums noch
nicht erwieaen, und wenn schon die Alten in der verkehrten Schreibart
fremdländischer Namen aus Hochmut gegen alle« Barbarische das Menschen-
mögliche Icutctcn, so werden aie darin vom Mittelalter aus rnwissenschaft-
lichkeit womöglich noch übertroffen. Möge von dem sorgfältigen Ver-
fasser noch manche dankbarere Aufgabe gelöst werden. tmn Kampm.
Asien.
309. Die Reise S. M. Kanonenboot „Albatross*4 ira Roten
Meere , in den ostindisebeu und chinesischen Ge-
wÜ8sern in d. J. 1884 — 85. Pola 1885.
Der Zweck der Reise war in erster Linie «in maritim-instruktiver, in
zweiter Linie eia handelspolitischer. Der beschreibende Teil enthüll »öfter
navigatorischen Bemerkungen auch Schilderungen der Städte Aden, Bombay,
Hongkong und Tschifu. Der zweite Teil beschäftigt sich haupUichlich
mit der Frage, auf welche Weise der österreichisch- ungurische Handel in
Biid- und Ostasien mehr Boden gewinnen könne, und zu diesem Zwecke
werden die Handels Verhältnisse von Dschidda, Bombay, Colombo, Batavia
und Schanghai ausführlich erörtert. Von allgemeinem) Interesse* ist die
Bemerkung, dafs der Verkehr zwischen Europa uud Indo-China sich zwar
noch an einige wenige Zentra (Bombay, Calcutta. Singaporo, Batavia, Hong-
kong, Schanghai) bindet, dafs aber bereits das Bestreben unverkennbar zu
Tage tritt, auch Plätze zweiten Ranges in den unmittelbaren Verkehr
hineinzuiirhen. Supan.
310. Wiselius, Do Opium iu Neilerlandsch- en in Britsck-
Indiü. 's Gravonhage, Xijlioffj 188G.
So intereuant der Inhalt dieses Huches im allgemeinen ist, würde
dies jedoch noch keine Veranlassung sein, dasselbe sn dieser Stelle zu er*
wähnen, wenn dasselbe nicht auch einen für den Kthnognphen wichtigen
l'unkt berührte. Dem Opiumgebraueh wird im allgemeinen ein so tief
greifender Einflufa auf das Leben der orientalischen Völkerschaften zuge-
tchricben, dafs ein neuer Beitrag zu dieser Frage (über welche allerdings
oehou viel geechrieben ist) aus der Pedet des Verfassers, der dieselbe nicht
nur durch jahrelangen Aufenthalt in Holländisch- Indien gründlich kennen
gelernt, sondern sieh auch auf seinen lteiwn im südlichen und südwest-
lichen Asien eingehend mit derselben bekannt gemacht hat, auch in weiten
Kreisen Interesse erregen wird.
Die Verteidiger des Opiumgebrauches gehen gewöhnlich davon aus,
dafs durch denselben der Staatskasse ein ungeheurer Vorteil erwächst, in
Britisch-lndicn sowohl als in Indonesien etwa V, der ganzen Staatseinkünfte.
Trotz dieser ziemlichen Cbereinstimmang wird, wie beläufig erwähnt sein
möge, dieser Vorteil in ganz vsrsehiedener Weise erzielt. In Britisch-
Indien ist es der Verkauf des im Lande gezogenen und zubereiteten Pro-
duktes. in Niederländisch- Indien der Verkauf der importierten Ware, welcher
dem Staat eine so reiche Einnahme abwirfl. Der Verfasser stellt sieh nicht
auf den eben angedeuteten Standpunkt. Sein Gedtnkengang, soweit er
hierher gehört, ist etwa folgender. Dafs der Opiumgebraueh zugenommen
hat, ist durchaus nicht erwiesen, da uns alle Mittel fehlen, denselben des
ausgedehnten Schmuggels wegen (für Holländisch- Indien) mit einiger Ge-
nauigkeit fcstaustellen. Ebensowenig läfst sich jetzt oder auch in der
Vergangenheit hinsichtlich dos Wohlstände« ein irgendwie nennenswerter
Unterschied zwischen solchen Distrikten, wo der Opiumverkauf erlaubt und
solchen, wo er verboten ist, narbweiten. Thataäcblieh ist der Opinra-
gcbranch weder in körperlicher noch in ökonomischer Beziehung so schäd-
lich wie häufig angenommen wird; die schrecklichen Beispiele, von denen
man erzählt, können ja wahr sein, aber sie bilden nicht die Regel. Im
allgemeinen kann man (mit Ausnahme gewisser Gegenden) tnnehmrn, dafs
sowohl in Britisch- wie in Holländisch -Indien etwa 10— SO Prozent der
Mtnnor dem Opiumgebraueh fröhnen. Der tägliche Verbrauch kann in
Holländisch - Indien annähernd auf eine halbe Mato (100 Mata — 1 Tael,
16 Tscl — 1260 Gramm, 126000 Gramm = 1 Pilcol) geschätzt werden,
was eioen Wert von 16—20 Pfennigen repräsentiert. Wenn der Opium in
so kleiner Quantität gebraucht wird, kann man ihn nur ala Gennfzmittel
betrachten, welches dem Bewohner heifser Länder, der sieh im allgemeinen
drj Alkohols enthält, wohl zu gönnen ist. In Bzitiach-Indien ist der
Verbrauch allerdings giöfser.
Im allgemeinen können wir une mit dem hier Gesagten ganz gut
vereinigen, doch iat unsrer Ansicht nach das Verfahren der Regierung,
welche dieser — fassen wir ex nur vom finanziellen Standpunkt aus —
Qeldvergendung Vorschub leistet, noch keineswegs gerechtfertigt; eine
jährliche Ausgabe von etwa 3 Mark und mehr per Kopf, zu welcher
die Regierung die Anregung gibt, scheint uns doch vom wirtschaftlichen
Gesichtspunkt aus nnrenintworttirli. Xttrytr.
311. Hüll, The Survey of Western Palestino. Published
for the Cormu. of tho Palest. Explor. Fund. London,
1886. Mit 3 Karten und vielen Profilen.
Die geologischen Haiiptresultate der Forschungsreise von Hüll worden
bereits im Litteratur - Bericht ron 1886, Nr. 211, mitgeteilt. Ans vor-
liegendem wissenschaftlichen Bericht haben wir aber noch einige wichtige
Ergänzungen naehzutragen.
Es wurde schon im frühem Heferat darauf aufmerksam gemocht, dafs
die FntlaDdspeiivde mit der Miocän begann, und dafs in diese Zeit auch
die grofsen Dislokationen fallen. Die wichtigste unter den letztem ist dio
Jordan-Arnbali-Spalte, die, wie ebenfalls schon erwähnt, am Ostabhang d«
gtofsen Thaies liegt. Mit diesem Bruch war nicht nur eine Senkung des
westlichen Tafellandes verbunden, sondern auch beträchtliche Schichten.
Störungen in der Nähe der Brnchlinie, die sich entweder in sekundären
Verwerfungen oder in Faltung und Cberkippung Hufnern. Entfernt man
sich von der Hiuptapalte, so nehmen die Schichten wieder ihre söhlige
Lagernng an, die sie mit einigen untergeordneten Ausnahmen bis nach
Afrika einerseits, bis nach Arabien anderseits beibehatten. Die Bildung
des Jordanthale* fuhrt der Verfasser nicht auf einen plötzlichen Binsturz,
sondern anf allmähliche Faltung durch eine in äquatorialer Richtung
Mitlieh wirkende Kraft zurück. Die Falten sind flach, daher die Schichten
auf grofse Strecken horizontal erscheinen; an den schwächsten Stellen
erfolgten Einbrüche, ln der Richtung von 0 nach VV unterscheidet der
Verfasser:
Synklinale: Jordanthal, Bruch.
Antiklinale: Zentrales Tafelland von Palästina.
Synklinale: Plateau Et Tih.
Antiklinale: Isthmus und Golf von Suw.
Synklinale: Arabisch« Wüstenplatte in Ägypten.
Antiklinale: Niltbal, Bruch.
Suess erklärte auf Grund der Angaben von Frnos, der von tTepjien-
förmigen parallelen Verwerfungen an der Ostabdachung dos jüdischen Pla-
teaus spricht, dos Jordtn- Arabah-Thal für eine Grabensenkung. Mulls
Profile stimmen dagegen mehr mit jenen Lartets überein, insofern sie
nämlich am westlichen Gehänge keine Verwerfungen zeigen. Wohl thut
di» aber die Karte an zwei Stellen des Wadi el Arnbsh, aber an der
markantesten, am Golf von Akabnh ist der Treppenabfall nicht, wie man
erwartet, nach O, sondern nach W gerichtet. Hnll scheint, obwohl er
sich nirgends klar darüber auaspricht , die Jordonfurche als den an eitzet
Brnchlinie ungleichmäßig abgesunkenen Boden einer Synklinale zu be-
trachten. Aber auch diese Auffassung begegnet erheblichen Schwierig-
keiten, namentlich stimmt damit die vielfach beobachtete horizontale
Sehichtenlagcrung am Westgehänge d» Thaies nicht überein.
Der ersten Entstehung nach betrachtet der Verfasser das Tote Meer
und den Tiberiowce als Relikteuseen , und die Fische des Jordan ira An-
■chlufs an die Theorie von Solls« als die den veränderten Lebensbe-
dinguogen ongejinfstcn Abkömmlinge der Faun« des KocänraMne.
Auf die mioeüne Fcitlzndxperir.de folgte die dem obersten Plioein and
der Olszialzrit entsprechende Pluvtalperiode, in der dos Land etwa 70 m
tief unter sein jetziges Niveau «ank. Eine Karte stellt die Verteilung von
Wasser and Land in dieser Zeit dar. Im Wadi »1 Arabah sind jung*
Meeresabsätze bis 29° 45' N nsehgewiesen ; ebenso auf den Strandlläehen
nördlich und südlich vom Berg Karmel und im Nilthal. Die Karte zeigt
uns, daß Asien und Afrika damals durch einen Meerexarm getrennt waren,
und dafs das Meer nicht nur das ganze ägyptische Deltaland bedeckte,
sondern anch in Form ein» schmalen Golfes in das Nilthal emdrang.
(Die Erklärung der Differenzen der Faunen des Koten und Mittelmeere«
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Litteraturbericht Nr. 312 — 316.
im Litt.-Ber. 1886, Nr. 212.) Im Jordanthal zeigt di« K«rte einen grofsen
See, der eich von 30° 32' S (soweit reichen die eiten Ablagerungen den
Salzsees) bis sum Tiberiaseee ausdehnte, und dessen Spiegel etwa 400 m
Uber dem jotzigcn lug. Zu dieser Zeit wer du Wenter noch tüf« genug, um
Molluakenleben xu gestatten; bei einem Stunde von 180 m Über seinem
gegenwärtigen Niveau (Djebel l’sdura, der Selxberg , Rest einer alten Aua-
füllongs-Terrasse) war er aber bereit« mit Salx gesättigt. Alte Salxabl.igo-
rungen worden auch auf der Sinai-Halbinsel und Wadi el Arabah in der
Nähe der Wasserscheide naehgewicsen. Noch jetzt eaialiert hier ein rische«
Becken (et Tahä), du im Winter ein See ist. Die allmähliche Itegen-
abnahme führt der Verfaascr einerseits auf koimiiche Crsacheu, anderseits
auf Entwaldung zurück.
Von den beiden geologischen Karten nmfafst die erste in 1 : 1960000
Palästina, die Sinaihalbinael and du nordöstliche Ägypten; die andre, in
1 : 380000, du Wadi el Arabah bis sum Südende des Toten Meeres.
Beide setchnen sieh durch Gbcrsichtliebkcit and sauberes Kolorit atu.
Suprs.
312. Noetling, Über das Alter der Lavaströme im Dscho-
lön. (Neues Jabrb. f. Mineralogie &c. 1886, Bd. I,
S. 254.)
Die LATiströra« de« Dsehol&n und des mit dfottm Valkangebiet in
unuulerbroelieDem Zusammenhang stehenden Haurun (Ottjordaulond) aiud
tertiär, rum Teil aber auch diluvial oder (rar altalluvial. Supan.
313. Diener, Ein Beitrag zur Geographie von Mittel-Syrien.
(Mitteil. Geogr. Ges., Wien 1886, Bd. XXIX, S. 1,
87 und 156. Mit 1 Karte in 1:500000.)
314. , Das Gebirgssystera des Libanon. (Verb. Ges.
f. Erdkunde, Berlin 1886, Bd. XOT, 8. 64.)
315. , Die Struktur des Jordan-QnellgebietoB. (Sitz.-
Ber., Wiou. Akad. d. Wiss., Math.-naturwisB. Kl., 1885,
Bd. XCII, Abteil. I, S. 633, mit 2 Tafeln.)
In der ersten Höfte des Jahr« 1885 unternahm der Verfasser eine
geologische Forschungsreise nach Syrien, wobei er den Libanon und Antiliba-
non wiederholt durchquerte, und auch die östlich davon gelegene Wüsten*
landachnft auf der Tour Damaskus - Palmyra — Hora* kennen lernte. Da er
über die tektonischen Verhältnisse diese« ebenso interessanten aU wenig
bekannten Gebiete« ein grüDerea Werk in Aussicht stellt, so können wir
uns jetzt kurz fassen.
Im 8 der taurischen Faltungszone breitet sich ein Gebiet ans, in dem
Brüche und treppenförtnige Verwerfungen die Yorherracbendc Störungsform
sind. Der Libanon und Antilibanon sind Horste, durchschnitten von NNO
bis NO streichenden Längsbrüchen , entlang welchen der Libanon in ziem*
lieh regelmäfxigcn Stufen zum Moore absinkt. Die Bekda ist, wie das Jor-
danthal nach der Auffassung vou Suees (s. Litter.-Ber. Nr. 311) eine Graben-
senkung; zwischen beide schiebt sich ein stehengobliebenw Gcbirgwtück,
die bis zu OtlO rn hohe Hügelkette Dahar Litäni (das Quellgebiet des Jor-
dans) ein; es iat bezeichnend, dafs diese tektonisch begründete IVtn-
nungssteUc sich dort befindet, wo die Bruchlinieu aus dem meridionalen
Streichen (in Palästina) in das nordöstliche (in Syrien) üborgehen. Der
Hermen Dt ein breites, kuppelförraiges Gewölbe, der übrige Antilibanon ist,
wie der Libanon, ein Staffel förmig gebrochener l*1ateaurucken. Im Osten
treten die Htorungslinicm fächerförmig auseinander, und damit lüat sich
auch das Gebirgnsystera in einzelne, strahlenförmig angeordnete Gebirgsketten
auf. In drei Stufen, die ebenso Tielen Verwerfungen entsprechen, fällt der
Antilibanon zur Kbone von Damaskus ab. Die beiden untern entwickeln
sich zu den nach NO ziehenden antiklinal gebauten Höhenzügen Djebel
Kor hi und Djebel Wosttni. Zu diesen gesellt sich im 0 noch eine dritte :
Djebel euch Scherki, der unter verschiedenen Nomen bis über Palmyra hin-
aus zieht und allein die nördlich vorgelagerte Tafelraaase Djebel e*ch Schu-
raerijeh erreicht, während Libanon und Antilibanon von derselben im Kin-
»tuntfeld von lloms (Wasserscheide nur 510 m hoch, wichtigstes Eingang»*
thor nach Syrien) und in der Barallniederung Nähr el Kebir abbrechen.
Die Querthäier des Libanon stehen in keinen genetischem Beziehungen
zur Tektonik ; auch das Durchbruchsthal des Leontes erweist aich als ech-
te« Erooiomqirodukt.
Aufser Basalt beteiligen sich vor allem die Glieder der Kreideformation
an dem Aufbau det» Iibanonxystcms. Interessant Ut folgender Vergleich der
sedimentären Gesteine in den 1‘ntersuchungsgebieten vou Hüll und Diener ;
besonders auffallend iat das Fehlen des Anija- Kalksteins, der im Libanon bis
400 m Mächtigkeit erreicht, in den südlichen Gegenden, wo der nubische
75
Libanon nach Diener.
Sandstein entweder dem Karbon, oder direkt der kristallinischen Unterlage
auflagert.
Südlich«*« Palästina u. Sinai-
Halbtnsel nach Holl.
Archäische Formation Granit, GneiG» und kristalli-
nische Schiefer.
I Wüiten Kimlatein und Kon-
Unteres Karbon . . j gloroerat.
| Kalkstein.
Brauner und weifser Jura —
Kreide .
| Kubischer Sandstein.
Kreide-Kalkstein .
KotiLn
(Von Fraas nach gewiesen.)
Ariija- Kalkstein.
Trigouien-Sandateiu.
) Libanon-Kalkstein.
| Feuerstein-Kalkstein.
Nummuliten-Kalkstein.
I Nuromuliten-Kalkstein.
' * * | Philistaischer Sandstein. —
Sehr beachtenswert sind die Bemerkungen über die angeblichen Glazial-
eneheinungen im Libanongebirge. Nicht blofs die Beobachtungen von Gir-
ard und Burton erweisen sich als hinfällig , auch Fran* Henuonmoränen
sind nur Donudationaresto alter Schutthalden, und selbst die Hügel des
Kadbchahtbalea, die den Zedernbain tragen, können nur als „wahrscheinlieh-
glazialen Ursprung» bezeichnet werden , da gekritzte und geschrammte Ge-
schiebe so gut wie ganz fehlen. Wenn also auch der Arz-Libnän, der Kul-
minationspunkt des Libanon (bis 3066 m hoch) in der Eiszeit Gletscher
trug, so waren es doch nur wonig entwickelte Kiratrörac, die in ca 2000 m
Seehöhe endeten. Auch jetzt tragen hier die höchsten Gipfel noch ewigen
Schnee, and an geschützten Stellen liegen kleine, aber echte Pirnfelder mit
Moriineti. AD Sclmeelinie im Libanon wird die Hohe von 3050 — 3100 m
angenommen.
Dattelpalmen, Bananen, Sykoraoren und die Baumwollstaude verbreiten
sich am Wcstnbbang des Libanon bis zu einer Seehöhe von 150 — 200 m.
Darüber folgt die Kulturregion der Olive, der Poigc und de« Maulbeerbaums
(daneben auch Wein und Tabak). Die Waldbestände »ind fast ganz ver-
nichtet; die Baumgrenze liegt in 1000—2000 m Höhe. Darüber folgt dio
Kegion der Juniperusbüsehe und Tragacanthus-Strüucher. In Höben von
4QO — 1800 m liegen dio »Stein wüsten" mit charakteristischen Karrenbil-
dungen, die Übergänge zum Dolinentypus zeigen. Während der Libanon
auch auf »einer Ostsaito noch hohes und dichtes Buschwerk zeigt. Dt der
Antilibanon ganz kahl, und Geretenfeldcr (bD 11)00 m hoch) bilden die
einzige Abwechselung, ltcineberichte aus dem 16. Jahrhundert lasten ihn
aber noch als dicht bewaldet erscheinen, und der Verfasser ist der Ansicht,
dafs eine Aufforstung auch jetzt keiuen klimatDchen Hindernissen begegnen
würde.
•Zum Schluss« »ei noch erwähnt der auf offizielle handschriftliche
Quellen aich stützenden Notizen topographisch-politischen Inhalts über das
Gouvernement Djebel Libnän (in Nr. 313). Dio Zahl der maronitDchen
Christen beträgt jetzt cu 200 — 250000; die der Drusen ist infolge Aus-
wanderung in stetiger Abnahme begriffen. £ujra».
316. Koskul, v., „Der Naphtha -Berg1“. (Iswestya Kaukas.
Sektion d. K. Hubs. Googr. Ges., Bd. VIII, S. 244.)
Dm .Naphths-Ilorg" liegt e» 30 Weist »tätlich von der transkaspischen
Eisenbahnstation Bala-Isehim und an 76 Werst östlich ton der Iruel
Tschelekenj; er besteht atu einem schlanimsprudcltragenden Uauptkcgel,
einem Atrium und einem Zirkus und umfahrt ein Areal von ca 4 Werst im
Längen- und 3 Werst im Querdurehmesser (Erhebung nicht angegeben).
Der Hauptkegel aus jüngerm tertiären Gestein besitzt eine antiklinale
Schiehtenlugc ; naphthatragend iat lockerer Sandstein (Molasse) ; die Ober-
fläche des Kegels ist mit Kies und Flugsand bedeckt. Das Vorkommen
von Oxokerit ist wohl kaum ein bedeutendes. Der Naphthaertrag scheint
hingegen ein reicher zu sein: das erste Bohrloch. 1882 von Konschin an-
gesetzt, hat drei naphtbatragonde Schichten durchdrungen und liefert
ca 400 Pnd per 'lüg. Das Vorhandensein von Naphtha an diesem Ort ist
von griifster Bedeutung für die transkaspische Bahn; die Kohlenlager der
Halbinsel Mangytchlek sind nicht anbuulohnend; die Donoskisehe Kohle
kommt hier sehr teuer su stehen; das Bakunaphtha wird nunmehr über
10 Jahre in unsinniger und «ahrhaft bedrohlicher Weise ausgebeutet (in
den letzten 10 Jahren Ut der Naphthagewinn auf der Apeeheronsehen
Halbinsel van 600000 Pnd bU auf 70000000 l*ud gestiegen). Die Ge-
winnung von Brennmaterial an Ort und Stelle sichert die Existenz der
transkaspischen Bahn ; allerdings ist hier die Gewinnung von Naphtha für
den angedeuteten Zweck eine Sache der Zukunft. Es sei noch bemerkt,
dafs der Verfasser trotz der Mangelhaftigkeit dea Materials in der Streichung
der Hnheniüge .Naphtha-Berg", Bnja-Dag, Kleiner Balehan und Kjurren-Dag
ein ähnliche« Verhältnis vermutet, wie cs für die Schlammsprudel zwischen
76
Litteraturbericht Nr. 317 — 322.
der Halbinsel Apscheron and der Mündung der Kura und den Inseln Du-
wenyj , Bull», Olinjanoj , Loaj, Sewinoj, Obliwnoj und l’ogoijelaj» Plita beeteht.
PHri.
317. Die deutschen Kolonisten in Transkaukasien. (Hubs.
Revue, 1886, Bd. XV, S. 108.)
Die deutschen Kolonisten in den Kreisen Tiflis, Bortscholin und Ilis*
sawotpol stammen aus Württemberg und waren in den Jahren 1817 und 1848
eingewandert. Ihr wirtschaftlicher Zustand wird als ein durchaus berrio-
digender geschildert. Folgende Zahlen beziehen »ich na( das Jahr 1884.
Landbesitz
J>e«*Jatln.
Hofland.
Javon
•V
1
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0
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Aek«rb»u-Ko)onien:
Alexandersdorf . • .
163G
0.4
0.»
28,9
35.«
34.«
365
Minenfeld ....
1842
0,4
4,0
02,7
—
2.«
300
Hetendorf ....
711
0,5
2,5
88.7
—
8.4
135
Fnudenthtl ....
304
0,4
3,4
96,3
—
—
82
Weinbau-Kolonien:
Klis&beththal . . .
4480
n.t
3,*
33.«
18,7
44.4
1043
Katharinenfcld . . .
4200
1,0
4.4
41,0
IS, 4
41,1
1006
Haimendorf ....
8446
0,4
3.3
30.1
—
57,1
1268
Anncnfeld ....
Viehzucht-Kolonie:
4272
0,3
1»*
21.4
7»'
»•0,4
356
Aleunderohilf . . .
2126
0,4
0,9
7,5
22,5
69,1
286
Summe
27 607
-
-
-
-
— 4031
Supan.
318. Jadrinzew, Verminderung de» Wassorstaudo» in der
Aralokaspisohen Niederung im Gebiete von Westsibi-
rien. (Iswestija K. Kuss. Googr. Ges. 1886, S. 53.)
Ein Vergleich der Karten dar Obj-Irtysch- Niederung aus verschiedenen
Zeiträumen bestätigt in Überraschender Weise die Klagen der lokalen Be-
völkerung über das Verschwinden dor Seen. Verfasser hat aus der Heiho
der Karten des Seegebiete« Tschany, Abyschkan und Ssuroy die Jahre 1786,
1813 — 24, 1850—60, 1880 auserlesen und in schematicher Zeichnung
auf einem höchst instruktiven Kaxtenbüde vereinigt. Der Effekt ist eia um so
entscheidenderer, als ea sich hier um die kurze Spanne von kaum 100 Jahren
handelt, abo um einen, geologisch gesprochen, verschwindend geringen Zeit-
raum. Abgesehen von der bedeutenden Ucduktion des Tschony und Abysch-
kan, sohen wir, dafs der See Ssumy - TVhebakh , der im Längendurchrnesser
seine 100 Werst betragen haben mochte, gegenwärtig auf einige acht
kleine und verstreute Seen von 6 — 0 Werst im Ltfngendurchmesser reduziert
ist ; auch diese aber sind im Schwinden begriffen. Der See Tachany, welcher
seine Zuflüsse von Ost erhält, reduziert eich namentlich im Weiten io der
Richtung von SW nach NO. — In Ergänzung seiner Cntersuehungen Über
das Tschony- Gebiet verweist der Verfasser darauf, dafs ähnliche Induktionen
in der gesamten Seeregion Weataibiriens vor sieh gehen. Im Westen von
Tsehany sind bis 1860 allein im Bezirk I&cbim 300 Seen verschwunden;
das gleiche Phänomen hat Jadrinzew in der Kubischen Buraba beobachtet,
abo im Norden von Tachany; in Süd und Ost beziehen sich die Be-
obachtungen auf die Kulundinscbeu und Burlinschen Seen &c. Der
Verfasser schliefst seino Skizze, welche wir wohl als erstes Glied einer
fortlaufenden Reihe von Mitteilungen betrachten dürfen, mit dem Hinweis
auf die Verbreitung dos in Rede steh enden Phänomens in der Aralokaspi-
schen Niederung uud hebt die wuaeiuchaftliche Bedeutung hervor, welche
dom Studium desselben zukommt. Zu bemerken ist noch, dafs der Ver-
fasser mit richtigem Tu kt sein Hauptaugenmerk stets der Gruppierung der
8ecn und ihrer ehemaligen Verbindung xu wendet. Prfri.
319. Griesbach, Afgh&n and Per&iun fiold notes. (Records
Geol. S. Indian, 1886, Rd. XIX, S. 48.)
Aut dietem vorlaute» Bericht ist als Ergänzung zum Litter.-ßer.
Nr. 108 nur weniges zu erwähnen, da jedenfalls seiner Zeit eine zusammen-
hängende Darstellung mit Karte folgeu wird. Die Gebirge des nördlichen
Afghanistan und angrenzenden Chorassan .«ehernen allerdings einen sehr
regelmäßigen Faltenbau zu besitzen, werden aber auch von Brucblinten
mit »ehr bedeutenden Verwerfungen durchzogen. Die breiten, trogförmigen
ThÜler zwischen den Antiklinulkcttcn sind mit tertiären und nachtertiären
Ablagerungen auagefüllt. Karbonitcbe und ältere paläozoische Gesteine
treten verhältnismäßig selten zu Tage, am volbtändigaten im Profil durch
die Binalut- Kette. Die Hauptmasse der Gebirge besteht aber aus den
Schichten des „pfianxenführenden Systems" und der Kreideformation. I>aa
pllanzenführeiide System, eine littorale Facies, enthält abwechselnd Sand-
und Kalksteine von permischem, triassischein und jurassischem Alter bis
zum Tilhon und Melapbyre und Felsitporpbyre. Die Kreide erscheint vor-
wiegend in kalkiger Ausbildung; gleichaltrig sind Syenit- Granite und
basal tue he Gesteine. Supan.
320. Petri , Sibirien als Kolonie. (Mitteil, ostsehweiz. geogr.-
kommerz. Ges. 1886. Sep.- Abdr.)
Die rufiEsifrchen Kolonisten, 4,9 Mill. an Zahl, denen 4,5 Mül. Eingeborne
gegenüberstchen, bestehen — abgesehen von den Deportierten — au« zwei
Elementen : einem abenteuernden , da« die plaulose und raubmäfaige Aus-
beute des sibirischen Reichtums an Pelztieren und Gold bozweckt, und
einem seßhaften und ackerbauenden, dos zieh aus der russischen Bauern-
schaft entwickelt hat, uod dem unzweifelhaft die Zukunft gehört. Wcst-
sibirien lieferte im J. 1879 21,4 Millionen hl Getreide, das bereite den
ersten Rang unter den sibirischen Exportartikeln erobert hat. Die an-
baufähigen Ländereien werden in Westsdbinen auf 0,7 Millionen qkm
(32,4 Prozent de» Gesomtareaß) und in Ostsibirien auf 1,7 Millionen qkm
geschätzt. Das Waldaroai ist io den Gouvernements Tomsk und Tobolsk
612 000, und in Sscraipalatinsk und Akmolinsk 19 O00 qkra groß. Der
Viehstand ist besonders in der südlichen Steppe von Weitsibirien ein sehr
bedeutender. Die großen Ströme bieten die Möglichkeit bequemer Kanal-
verbindung, und damit der Herstellung einer Wasserstraße in ost- westlicher
Richtung. Der sibirische Kolonist (Ssibiijak) hat unter dem Einfluß der
geänderten Lebeimerhült niste und der eingeboroeu Bevölkerung seinen
ursprünglichen Charakter sehr geändert, und es bildet sich in Sibirien ein
eigner Volkstypus aus, der sich zum russischen in Ihulicher Weise ver-
hält, wie der Yankeetypus zum angelsächsischen. Praktischer Sinn und
Energie zeichnen den Sibirier aus und sichern ihm die Zukunft , wenn
auch der gegenwärtige wirtschaftlich© Zustand Besorgnisse einllößt. Eine
Hcbnng desselben wird aber nicht durch eine Erschließung von Absatz-
gebieten für sibirisch© Produkte, etwa durch Anlage einer I*aeifichahn ber-
boigeführt, sondern nur durch Beseitigung des auf dem Lande lastenden
administrativen Drucke«. Supan.
321. Velain, Notes geologiques sur la Siberie orientales,
d'aprüa les obsorvutious faites par M. Martin. (Bull.
Soc. geol. de France, 1885/86, Bd. XIV, S. 132.)
Da Martin seino geologischen Beobachtungen noch nicht veröffentlicht
hat, so miiaseu wir uns vorläufig mit kurzen Notizen begnügen, die Velain
seiner petrographischen Abhandlung voraunchickt. Am Baikals«© finden wir
gefaltete kriitalliniseh© Schiefer, dio von Granit und Granulit durchsetzt
sind. Granulit bildet auch die Wasserscheide gegen den Amur hin. Dann
folgt bei Tschita roter Sandatein mit Quarxporphyr (wahrscheinlich Penn)
uml gegen NerUchinsk hin das Steinkohlengebiet mit zahlreichen und ver-
achiedeuartigen Eruptivgesteinen. An der Vereinigung der Sehilka und des
Argun erscheint wieder der graue Gneiß, der den Amur bis zu seinor
Nordbiogung begleitet; kurz vor derselben durchbricht der Strom in seinem
engen Detileö eiu ausgedehntes Granitroosvir. Nun wandte sich Martin
durch das grofs© Synklinalthal des l-suri zum Chan könne , der nirgends
tiefer ist aß 10m, aber ebenso, wie er an Tiefe verliert, an Umfang ge-
winnt (über 3000 qkm). Gneiß bildet auch hier die Bodenuntcrlage.
Eruptivgesteine sind im ganzen Amur gebiet ‘•ehr zahlreich. Supan.
322. Stejneger , Result» of ornithological Exploration» in
tho Commander Island» and Kamtschatka. (Rull.
U. St. National Museum, Nr. 29, Washington 1885.)
Der größto Teil dos Bande* ist der Benchreibung der in Kamtschatka
und auf den östlich davon gelegenen Commander - Inseln gesammelten
Vogeßpczies gewidmet. Von den Commander - Vögeln gehören nur II nicht
zur Kamtschatka -Fauna: von diesen sind 5 amerikanisch (3 nur gelegent-
liche Besucher), 3 nautisch uud 3 endemi«ch. Von den 176 Kamtschatka-
Vogelspezxcs sind
44 ostasiatisch
39 zirkumpolar
37 puläoarktisch
. 28 |»»rifi»ch
)9 Spezies gehören den
krten, dio sich in den
10 endemisch
9 sibirisch
8 amerikanisch.
Wasservögeln an. Die Abwesenheit zahlreicher
benachbarten Gebieten finden, ist nicht an«
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Litteraturbericht Nr. 323—327.
77
klimatischen Ursachen tu erklären, sondern erfordert die Annahme, dafs Kam-
tschatka noch in vorhältnismafsig junger Vergangenheit eine Insel war.
Die übliche kartographische Darstellung, die das Gebirge der Halbinsel
über diese hinaus in den Festlandsrampf fortsetxt, ist unrichtig; an der
engen Ansatutelle erstreckt sich vielmehr nach Kennan das Flachland von
der Ost- bis sur Westküste, Unterstützt wird die Annahme einer spätere
Angliederung auch durch Beweise für eine gegenwärtig sieh noch voll-
aiehende negative Kivcauverindcrung der Beringinsel. Supern.
323. Eggermont , Le Japon. Histoire et religion. Mit
1 Karte. Paris, Delagrave, 1885,
Der erste Altschnitt bespricht die religiösen Zuvtinde de« Laude«.
Kapitel I gibt einen kurzen Auslug aus dor im Kojiki niedergelegten
Udtterlcgcmle, welche die Grundlage des Shinto - Dienstes bildet und nach
welcher der erste Mikado, Jimmu Tenno, der Urenkel eines Knkels der
Sonnengott in Amateraau ist. Trutz des offiziellen Charakters der Shinlo-
Keligion spielt der Buddhismus eine bedeutende Bolle, da er 1875 noch
über 208 000 Ordenageistliche beider Geschlechter verfügte.
Der Versuch, die Geschichte Japans auf lud Seiten in kl.-8u zusam-
menzudrängen , mufste notwendig Schwierigkeiten begegnen und bat eine
ungleichförmige Rehandlnng des Gegenstandes zur Folge gehabt. Die Zeit
vor der Kotdeckung Japans durch 1‘into (1543) ist stark auf Kosten der
letzten Jahrhunderte liemrzagt, sogar Episoden, wie derjenigen von Tokiwa,
der Mutter Voehitaunes, ist ein Platz eingerkumt. Im Schlobkapitel, wel-
ches die seit der Eröffnung Japans vorgegangenen Umwälzungen schildert,
wird angegeben, die Pensionen der daimio und samurai beliefen sich
aul jährlich 108 Millionen Mark, — rin Irrtum, der dahin zu berichtigen
ist, dafs diese Pensionen seit der Konvertierung in Uentenbriefe (1870) nur
etwa 54- Millionen Mark betragen. — Deutschen Lesern, welche sich
über den von Herrn Kggermont behandelten Gegenstand unterrichten wol-
len, sei Beins lichtvolle Bebilderung (Japan I, 8. 243 — 443) auf das an-
gelegentlichste empfohlen. — Die .neue" Karte, welche dem Büchlein bei-
gegeben ist, verdient diese Beseichnung insofern, als sie einzelne Teile
Japans, sowie namentlich Korea in neuer, uugearohuter Pomi darstellt.
OoffecAc.
324. Seikei Sekiya, New System of Earthquake Observa-
tious in Japan. (Nature 1886, Bd. XXXIII, S. 603.)
Die Krdbcbenbeobachtungen werden jetat an der meteorologiachen
Station in Tokio mittels Pendels für die horizontale und der Seismographen
von Milne, Graf und Ewing für die vertikale Bewegungskomponente an-
gestellt. Ähnlicher Instrumente bedient sich die Universität in Tokio, die
von Zeit zu Zeit detaiUierte Berichte über interessante Beben veröffent-
licht. Die bestimmten Grüben sind z. B. für das Tokioer Beben vom
28- Dezember 1885;
Grofste halbe Amplitude der horizontalen Bewegung (a,) 1,8 mm
Ganze Dauer der grofsten horizontalen Bewegung (T,) l,e*
Richtung der grübten horizontalen Bewegung . . E — W
Oröfatc halbe Amplitude der vertikalen Bewegung (aj) 0.» mm
Ganze Dauer derselben (Ta) o.s*
Daraus ergibt sieh die Mizimaigeschwindigkeit der Erdbebenwelle
(V
2*a\
Y)
und ihre MaximalbMchieuoigung
beide in mra
per Sekunde.
Die Vertikalbewegung int immer kleiner aU die horizontale, und die
Mtxima und Minima derselben treten nicht gleichzeitig ein. Die Zahl der
japanischen Erdbeben im J. 1886 war 482; daron waren 235 lokal, d. b.
sie betrafen kein grofseres Gebiet als 100 Q.-infl. (= 259 qkm): das
grüfste Erdbebengebiet umfaue 89 900 qkm. Die meisten Beben kamen
▼or in Jeaeo und der pazifischen Seite des nördlichen und mittler ri Nippon.
Supan.
325. Balz, Zur Ethnographie Japans. (Korr.-Blatt Ges. f.
Anthropologie &c. Brauuschwuig 1885. Bd. XVI,
S. 140.)
Im wesentlichen eine Wiederholung des Artikels, Uber welchen schon
im Litt-Ber. 1885, Nr. 446, referiert wurde. Nur wird die Gegensätz-
lichkeit des feinem und des niederu Typus hier noch mehr betont. Ob-
wohl aber der Verfasser bemerkt, dofs gemeinsame Eigenschaften auf einen
gemeinsamen Ursprung hinweiten, lafst er doch wenige Zeilen später die
feinen Japaner aus dem Kuphrat-Tigris-Land, und die Japaner ron niederm
Tfpus in späterer Zeit aus der Gegend von Tonking oder »sonst ans
Hinterindien** eingewandert sein. Die Möglichkeit, Japaner mongolischer
Peterm&nna Geogr. Mitteilungen. 1886, Ütt.-Bericht.
und solche malaiischer Abstammung zu unterscheiden , leugnet er ganz,
weil malaiische und mongolische Schädel und Beckon überhaupt keine
l'nlerscbicde zeigen. Supan.
326. Brauns , Die Bewohner des japanischen Inaulreiches.
(Jahresber. Ver. f. Geogr. u. Statistik, Frankfurt
a. M. 1885, S. 1.)
Der Verfasser wendet eich (fegen die, noch vielfach verbreitete An-
sicht, def* die Ainu* einet die japanischen Inseln bewohnt hüben. Den
Beweis dafür findet er (wächst in der gänzlichen Verschiedenheit der prä-
historischen Überreste bei Tokio, deren kulturelle Chenktcriüge durch
ganz Japan hindurch, auch im nördlichen Nippon sich gleich bleiben, uud
jenen auf der Insel Jc.nu. Allerdings zeigen letalere aber wieder wesent-
liche Unterschiede zwischen ehemaliger und jetziger Kultur (gänzlich ver-
schiedene Bauert, die 'lüpferkunat verloren gegangen), aber trotzdem be-
trachtet der Verfasser euch die Träger der vorgeschichtlichen Kultur all
Amo* und schreibt die Umwandlung den Einflüssen de« mildern Klimas
zu. Ferner erklärt der Verfasser, dafs Ainosnamen in Japan nicht Vor-
kommen, wohl aber jajianuche auf Jesso, und endlich, dafs auch im nörd-
lichen Nippon keine Annäherung an den AiDoetypus zu beobachten sei
(vgl. dagegen Litt.-Bcr. 1886, Nr. 44G), uud dafs dort auch keine Misch-
formen vorküracn, wie im südlichen Jesso. Die Tsugarustralse wäre dem-
nach die ursprüngliche Greose zweier körperlich . sprachlich und in bezug
auf den Charakter grundverschiedener Völker. Die Japaner sind nach der
Ansicht des Verfassers die Abkömmlinge der Koreaner mit „mongolischem1-
Typus, mit denen sie körperlich Sbereinstiramen, und sind von S über die
damals noch landfeale Koreastnfse eingewandert : die Aiuos sind die Ab-
kömmlinge der Koreaner mit „kaukasischem1' Typus, die ehemals weiter
nördlich gewohnt haben sollen (besonders wird auf den Charakterzug der
übergnslsen Friedensliebe hingewinen), und sind über Sachalin eingewandert.
(Vgl. Litt.-Ber. Nr. 338.) Supan.
327. Fesca, Die landwirtschaftlichen Verhältnisse Japans
mit besonderer Berücksichtigung der Provinz Kai.
(Mitteil. Deutsohe Gesellsoh. f. Natur- u. Völkerkunde
Ostasions, 1886 Bd. IV, 8. 163.)
Die Icuidwirtschaft wird durch uatürliehe und wirtschaftliche Fakto-
ren bedingt. Die letztem entziehen sich grüfstentetlz der geographischen
Betrachtung: es sei daher hier nur in Kürze erwähnt, dafs die Steuerlast
in Japan faat ausschliefslich auf dem Grundbesitz ruht, dafs der Zinxfub
ein sehr hoher ist, uud dafs, weuigstens im mittlera Teil der Hauptinsel,
die Verpachtung häufiger zu sein feheint als die Selbstbewirtsehaftung.
Halb geographischer Natur iat jener wirtachaftlicbo Faktor, welchan man in
Kürz« als Entfernung vom Markte bezeichnen kann, und worunter man
das Verhiltnia der Transportkosten zum Verkaufspreise zu verstehen hat.
Er ist direkt abhängig von der Anzahl, Mannigfaltigkeit und Güte der
Verkehrswege, die in Japan noch viel zu wünschen übrig lassen. Es er-
klärt sich daraus, dafs hier die Ez- und Iutensität der Landwirtschaft
von der Küste noch dem Innern zu rasch abnimmt, und dafs nar der
Anbau von wertvollem Handelsgewschsen uud die darau sieh knüpfende
Hausindustrie im Binnenland mit Erfolg betrieben werden kann.
Nachstehende Tabelle gibt die Flächen der einzelnen wirtschaftlichen
Formationen in Prozenten der Gesamtfläche für das Jahr 1882, Unter
Hora versteht man unkultiviert«, aber kulturfähiges Land , meist magere
Weide uml meist nnr zur Aufforstung geeignet. Ein Teil desselben dürfte
in den Ausweisen bereits in die Rubrik Wald einbezogen sein.
iteisl&ud
Ackerland
Theeplantagen
Maulbeerplantagen .
LandwirlscliaflstUche
Wald .
Ödland (Hora)
Salzgärten an den Küsten
Baugründe 4c. , .
Japan
überhaupt
23,8 %
15,4
0,4
1,0
Provinz
Kai
17,4 %
23,6
0,01
6,9
40.«
47,81
49,4
38.«
6,8
9,8
0,«
—
3,14
3,7
Die landwirtschaftliche Bevölkerung betrug im Jahre 1876 in ganz
Japan 44 und in der Kaiprovin« 56,4 l’roz. der Geamtbevölkemng. Pro
Kopf der erstem entfallen io ganzen Reich nur 25 und in der K&iprovinz
31 a landwirtschaftlich benutzte Fläche. Die Löhne sind verhältnis-
milbig höher als in Deutschland, daher auch die aozitlen Gegensätze noch
n
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78
Litteraturbericht Nr. 328 — 332.
nicht schroff. Von ücm Ackerland werden ca 42 ITn«. mit Gerate, 16 mit
Sojabohnen, 15 mit Weilen, 14 mit Uine, 5 mit Buchweiaen, 4 mit Bataten
und nicht ganz 1 Proz. mit U&ia bebaut. Der Ertrug der Felder iat durch-
scbnittlich um die Hälfte geringer »U in Deutectand, und der Reingewinn
pro Kupf der landwirtaduftlicben Bevölkerung beträgt' nur 4 Yen =
14 Mark. Die Cerealien reichen eben dir den einbeimiachen Bedarf aaa,
und eine Steigerung der Produktion derselben dürfte im gegenwärtigen
Obcrganguztsdium ebensowenig rentabel nein, wie eine eolcbe der Bauproduk-
tion. Ober die letztere besitzen wir »ehr genaue und vollständige Auf-
zeichnungen, welche bis in da« 10- Jahrhundert zurückreichen, und aus
denen ee sich ergibt, dafs eich seit der Regierung des Kaizen Sencho
(923 — 30) das Reiureal um 136, die KeUpradnklion aber um 64 Proz.
vermehrt hat. Ka erklärt eich dies daraus, dafi sich die Reiskultur auf
immer weniger geeignete Landstriche ausdehnte. Alz Ziel, dem die japa-
nische Landwirtschaft zunächst zuzustreben hat, bezeichnet der Verfasser
eine Erweiterung der Kultur der HandeUgewächs* , besonders des Theos
und des Maulbeerbaumes.
Die Nahrang der Japaner ist bekanntlich fast auaschliefslich eine
vegetabilische. Sie besteht durchschnittlich aus 33 l*roz. Reis, 27 Proz.
Gerste und Weizen, 13,* Proz. Hirse und andern Kbmerfrttchten , 6 Proz.
Bataten und Gemüsen, 0,ns Proz. Obst und 0,04 Proz. Seepflanzen (Algen).
Nor an der Küste werdon Fische und andre Seetiere in gröfsern Mengen
verzehrt. Die Viehzucht ist infolgedessen seit alters her unbedeutend ; es
weiden fast nur Pferde nnd Kinder gehalten , und diese dienen nur als
Last- und Zugtiere. Auf 1000 Bewohner entfielen 1877 35 Pferde und
33 Kinder, und 1879 41 Pferde und 29 Rinder. 1880 zählte man
1 609 293 Pferde und 1 124 564 Rinder. Die Versuche in der Schaf-
zucht schlugen des feuchten Klimas wegen fahl. Auch die vielfachen An-
strengungen, die Viehzucht überhaupt zu heben, blieben infolge ungeeig-
neter Mafsregelu (Errichtung von Weidewirtschaften, Einfuhr fremder Ros-
sen) reaultatlos. Trotzdem darf man davon nicht oblassen, schon dm Dün-
gen wegen: aber vorent dürfte ein Reingewinn höchstens in der Nähe 1
europäischer Orte zu erzielen sein. Supa».
328. Gottsohe, Land und Leute in Korea. (Verh. Ges. f.
Erdkunde. Berlin 188(5. Bd. XIII, 8. 245. Mit
1 Karte in 1 : 4 Milt.)
Da wir es hier nur mit einer vorläufigen Mitteilung zu thun haben,
so beschränken wir um nur auf die Hervorhebung einiger besonders wich-
tiger Punkte. Granit, Gneifs und kriatallinieche Schiefer, vielfach von
altem Eruptivgesteinen durchbrochen, setzen hauptsächlich den Boden
Koreas zusammen. Der mittlere Teil wird von ausgedehnten Doleritdecken
eingenommen. Thitige Vulkane fehlen, und auch von Erdbeben wird
nichts berichtet. Der tertiäre Küstensaum iat nur noch in wenigen Bruch-
stücken vorhanden; dies nnd der Mangel an Strandlinien deuten auf eine
positive Niveauvorürderung hin. Löfs und Glazialoblagerungen fehlen. Von
Metallen kommt nur Eisen in reichlich» Menge vor. Die wichtigsten
FRlsee sind Amnokgang im N und Noktonggong im 8, 280, bzw. 230 km
aufwlrts schiffbar. Häfen gibt es nur wenige; an der Westküste iat der
Gezeitenunterachied beträchtlich und nimmt nach N tu. Beobachtungen
im J. 1884 geben ein Bild von den charakteristischen WKrroeunterschie-
den an der Ost- und Westküste:
Westküste
Oatküete
Chain ulpho
\V\'l nun
Fasan
N. Br. .
. . 37'* 29’
39° 10’
35° $'
Januar
. - — 4,4°
- I,s°
Ansaat
. . 25,4
21,4
23,7°
Jahr . .
. . 9,4
10,5
IM
Maximum
. . 31,7
31,7
31.2
Minimum .
. . —16,7
— 10,0 — 6,7
Dar Sommer
bringt sehr beträchtliche Regenmengen ;
der ostasiatischo
Monsuncharaktcr scheint auch hier deutlich ausgeprägt. Die prächtigen
Wälder von einst sind mit wenigen Aasnahmen vernichtet. Die organische
Welt stimmt im allgemeinen mit der Japans überein, aeigt aber doch auch
einige bemerkenswerte Unterschiede, aum Teil durch das kältere Klima be-
dingt. An Nutzpllanzcn enthält Korea 60. Die Bewohner zeigen am
meisten Ähnlichkeit mit den Nordchinesen, aber die Sprache, zur tatari-
schen Familie gehörig, ist grundverschieden von der chinesischen. Mehr-
fache Einwanderungen haben den einheitlichen Volkscharakter etwas ver-
wischt , aber trotzdem machen die Koreaner einen gleichmütigen Ein-
druck. und es sind nicht greisere Unterschiede bemerkbar, als überall zwi-
schen den besitzenden und arbeitenden Klaaien (vgl. Litt. -Ber. Nr. 326).
Die Geaaratberülkerung wird auf 12 Millionen, jene der Hauptstadt Söul
(1861) auf 220000 geschätzt. Slipon.
329. Rousset, A travers la Chine. 2. Aufl. Paris, Hachette
4 Co., 1886.
Der Verfasser, der die Ursache de» geringen Einflusses Frankreichs
aufacrbilb Europas in der Teiloahmlosigkcit seiner Landsleute für fremde
Völker erblickt, schildert die Städte und die Sitten und Anschauungen
der Uhioasen , die er in Fatschou, Schanghai und llankow und auf seiner
Reise von da über Siang-jang und dem als militärische und kommerzielle
Einbruchstation wichtigen Singon nach Lutachou-fa kennen gelernt hatte.
SupM.
330. Macgowan, Note on Earthquakes in China. (Na-
ture 1886, Bd. XXXIV, S. 17.)
Die Nachrichten von Erdbeben mehren rieh in den chinesischen An-
nalen, besonders Mit der Periode der Han - Dynastie. Pottdom ist kaum
minder erdbebenreich, wie Japan, obwohl gegen würtig dort die vulkanische
Tbltigkeit eine sehr geringe ist (drei Solfataren bei Kelnng, ein aktiver
Vulkan im S wird nur in einem chinesischen Geschichtswerk genannt).
Hainen bat dagegen verhältnisroSfrig wenig Beben. Die insularen Erschüt-
terungen machen sieh selten an den Küsten von China und An rum be-
merkbar; wohl wird aber tonst die chinesische Küste häufig von solchen
heirogesucht, aber nur in harmloser Weise. Die Haupt - Erdbebenregion
Chinas sind die westlichen Prnrinxen, dann aber auch die Nord- und Zen-
tralprovinzen (häutige Spaltenbildungen im Lila als Folgeerscheinungen) ; von
da erstreckt rieh die seismische Zone über Turkestan, das mit auffallender
RegelmSfrigkeit vier bis fünf Erdbeben im Jahre hat, bis zu den Ufern
des Kaspbee*. Korea ist fast ganr erdbebenfrei; ebenso nimmt die seismi-
sche Kraft nach S ab, in Südchina und noch mehr in Hinterindien. Eine
deutliche jahreszeitliche Periode lüfst sich in den chinesischen Erdbeben
nicht bemerken, doch scheint auch hier die kalte Jahreszeit die beben-
reichere ZU sein. Supern.
331. Hosie, Trade Routes to Western China. (Journ. China*
Branch R. Asiat. Soc. for 1884, Bd. XIX, S. 103.)
Der Hauptverkehrsverrnittler Dach dem westlichen China, worunter
hier die Provinzen Szeteehuan, Kweitschow und Yünnan verstanden wer-
den, ist der Jangtse -kiang, Ein regelmüfriger Daropferrerkehr hat rieh
jetzt auch auf dem Flufmtück Haukow — Itschang etabliert; zur Zeit dos
Sommemonsuns könnten Dampfer auch aufwärts bis Sai fahren. l>ss mitt-
lere und nördliche Szetschuan steht reit dieser Hauptverkehrsader mittels
der FIüjcic Kialing, To und Min in bequemer Verbindung. Nach S, nach
Kweitschow, geht die eine Hauptroute von Haukow aus, und benutzt den
bis Tichinyüen schiffbaren Yüen; dann erreicht der Cberlandweg in sieben
Tagen die Hauptstadt Kweiyang. Die Fortsetzung nach Yünnan-fu ist zeit-
raubend nnd beschwerlich und daher ohne Bedeutung. Von geringerer
Wichtigkeit sind die nun nach W folgenden Routen am Wu (die nur einen be-
deutenderen Handel thalabwirts vermitteln), die Cberlandroute von Tschung-
king nach Tschitschiang- Urin und die ltoute am TscbiUchni. Eine Haupt-
strafse ist dagegen wieder jene, welche von Lutschou, dem grofseo Salz-
depot, ausgeht, und nach Yungkiog und der blühenden Handelsstadt Pi-
tschich führt; von da führt eine ausgezeichnete Strafse nach Yünnan-fu.
Von Yünnan-fu ist Lutschou auf diesem Wege in 22 Tagen zu erreichen,
während die umgekehrte Iteise wegen der auf die Thalfahrt beschränkten
Schiffbarkeit des Yungling langer dauert. Die übrigen Straften nach
Yünnan gehen von Sui-fu aua: a) noch S über Lanyalan nach Yünnan-fu
(sehr beschwerlich); oder b) zuerst nach NW bis Ya-tachou-fu und dann
nach 8 über Ningyuen-fu und Huili-Uchu nach Yünnan-fu, oder von Ning-
yuen-fu über Yünpei-fu nach Tali-fu (letztere Route wird sis sehr ungünstig
bezeichnet). Die nicht vom JangUe-kiang ausgehender. Houten nach Yünnan
sind: 1) Bamo am Irawaddi nach Tali-fu (ca 24 Tage, Handelsumsatz
ca Va Will. £.); 2) vom Koten Fluft aus (von Hanoi nach Laokai 30 bis
40 Tage, von Lookai nach Manhao 10 bi* 12 'rage, Handelsumsatz 1870
3,2 Mül. Frank); 3) vom Sikiang aus; Schiffahrt bis P£*£ im westlichen
Kwacgsi, und von da Cberlandweg nach Yüonsn-fa. Der Verfasser ist der
Ansicht, dafs die HandeUatrafsen vom Jangtse - kiang nach dem nördlichen
Yünnan stets dominieren werden, und dafs dieser Handel einer aufser-
ordentliehen Entwickelung fähig ist, wenn ent einmal der obere Jangtse-
strom der DaropfsehifTahrt geöffnet ist. Supon.
332. Kleinwäohter , Researches into tbe Geology of For-
mosa. (Journ. North -China Branch R. Asiat. Soc.
f. 1883, Bd. XVm, S. 37, mit 1 Karte.)
Das Gobiet, über welches sich die Untersuchungen des Verfassen
erstrecken, liegt südlich vom 23. Parallel und zerfällt geologisch iu drei
Abteilungen.
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Litteraturbericbt Nr. 333 — 336.
79
Der nördliche Teil, von '*3' Br. bi» zur Breite von Kamehteh (oder
Izunbay - Ineel) iat im 0 Gebirge, im IV alluviale Ebene. Das Gebirge,
welches in dem vom Verfasser besuchten Kueilci-Berg 2760 m Höhe er-
reicht, besteht in seiner höchsten Zentrelraam« aus kristalliniscben Schie-
fern, die von Eruptivgesteinen (Porphyr) durchbrochen sind, während die,
die Zentralinasse im NW, W und SW begleitenden Gebirgszüge aus Sctaiefor-
gesteinen von wahrscheinlich siluriscbem Alter zusunraengeietzt sind. Aus
der Küstenzone der Ebene erhoben sich einige isoliorte tldhenzüge, meist
(ebenso wie die Lambay - Insel) aus Kalkstein bestehend; der Apeshill wird
seiner Hauptmasse nach dem Jura zugewiesen. Eino Ausnahme macht nur
der aus verschiedenfarbigen TuflUgen anlgebaute Chihshan (bekannt auch
unter dem Namen Ananasberg), dessen letzte Eruption nach chinesischen Quel-
len im J. 1722 stattfand. Der Landzuwachs der Ebene ist ziemlich be-
deutend ; Kuahia, vor IAO Jahren an der Küste erbaut, liegt jetzt 1600 m
landeinwärts.
Der mittlere , schmale Teil bis zur Breite von Langchiso ist ein Sand-
steingebirge. Die Quarzite halt der Verfasser für silurisch, die andern
Schichten fllr devonisch und karbonisch, ohne palsontologiscbc Beweise
beizubringen.
Der südlichste Teil ist eine angegliederte Kornitoninsel. Zwei Kalk-
gebirge, von denen das östliche bis zu 600 m ansteigt und sich plateau-
artig ausbreitet, erheben sich an den Küsten und umscbliefscn einen Al-
luvialstreifcn. der mit der Kualiang-Bai endet. Es ruufs darauf aufmerksam
gemacht werden, dafs auf der rohen Kartenskizze ein Teil des südlichen
Gebirges als vulkanisch koloriert ist , wie auch der Pängachan im K , was
jedenfalls nur auf einem Irrtum in der Zeichnung beruht. Supon.
333. Dodd, A glimpso at thu mauuors aud cuatoms of
the Hill Tribea of North Formosa. (Journ. K. Asiatic
Soc. Straits Brauch 1885, 8. 69.)
Die meisten Männer sind unter 1676 mm, di« Hautfarbe der dunkel-
sten ist nicht so gebräunt wie die vieler Spanier, Sudfranzosen oder Italiener,
das Haar schwarz und schlicht, die Augenbrauen schwarz und voll, aber
nicht überhängend, Backen-, Knebel- und Schnurrbart meist fehlend, die
schwarzen Augen nicht wie bei den Chineseu schräg gestellt, die Lippen
nicht so dick, die Nase nicht so tisch wie bei den Malaien, der Kopf
meist schmal und rund, das Geeicht nicht besonders breit oder voll. In
ihrem gsnzen Typus erinnert nichts an die Chinesen, ihre natürlichen
Feinde, vieles aber an die Malaien. Stirn und Kinn werden mit horizon-
talen Linien tättnwiert. ln den weit durchbohrten Ohrläppchen tragen aio
Bambusstücke , und die alten Männer und jungen Krieger Halsbänder von
den Zähnen des Wildschweins oder andrer Tiere. Sit sind bewaffnet mit
Pfeil und Bogen und dem laläo, dem Langen aus China importierten Met-
ier. Tabak wächst wild in vielen Teilen und wird geraucht von jung nnd
alt aus Bambuspfeifen. Die Kleidung der in der Nähe des chinesischen
Territoriums auf den niedero Hügeln lebenden „Wilden* bildet der lokua,
gleichsam eine sus vier geraden Zeugatreifen zusammengcniihto Art Mantel,
welcher an der Seile Öffnungen für die Arme frei lifst. In den Sommer-
monaten gehen Männer und Kinder häufig nackt. Longkawt.
Werken, mit deren Inhalt derjenige, welcher den südöstlichen Teil von
Asien oder den malaiischen Archipel zum Gegenstand seiner Studien erwählt
hat, sich notwendigerweise schon des historischen Interesses wegen bekannt
machen mnfa.
So ist x. B. der achon erwähnte Bericht des Mr. Jesse hinsichtlich
der Schritte, die er gethsn, nm Handels- und Freundschaftsverhältnisse
mit den Eingebornen suzuknüpfen, von höchstem Interesse. Es wäre ge-
wils in wünschen, dafs die Streits Brauch der lloyal Asiatic Society auf
dem eingeschlagenen Wege fortfahren und noch oft uns mit ähnlichen
Sammlungen erfreuen möge: Material ist noch genug vorhanden.
äfclrpvr.
335. Brien, Apercu sur ls province de Battambaug. (Couhiu-
chine freue. Excureions 1885, Bd. X, S. 341 ; 1886,
Bd. XI, 8. 5.)
Die ca 10 000 qkm grofsc siamesische Provinz Battambaug kann im
allgemeinen als das Becken des Song Ko bezeichnet werden. Die block-
beaäcten Kalkgebirge im W und S sind noch wenig bekannt; sie enthalten
zahlreiche Höhlen, und dio darin angehäuften Gnanolager dürften einst
eine kommerzielle Bedeutung erlangen. Mit Aumahme der Ebene zwi-
schen dem Heuptort Battambang und Mongkolborey und der unmittelbaren
Nähe der Ortschaften ist das ganze Land mit dichten Wäldern bedeckt,
die jedes Jabr von absichtlich angelegten Bränden heimgesucht werden.
Das Klima izt, wie sieh aus ein paar Monate dauernden Beobachtungen
ergibt, beträchtlich exzessiver alz in Satgun. Die Bevölkerung wird auf
lOä 200 geschätzt; davon sind 80 000 Csrnbodscher (20 000 sprechen auch
xiaraetiseh), 6000 Annamilen, 6000 Laosier, 6000 Chinesen und 3000 Bir-
maner; der liest ist siamesisch und malaiisch. Das Christentum bat nur
io der Hauptstadt, wo eine Kirche aus der Parlugieeenieit besteht (es
300 Chrieten) und in zwei unbedeutenden Dörfern festen Pufs gefafst.
Das Haupterzeugnis des Ackerbaus ist Reis, der auch unter den Aos-
fnhrgegenstiinden den ersten Rang pinnimmt. In zweiter Linie sind die
in den höher gelegenen Teilen gedeihenden Kardamomen zu nennen. Die
Kaffeeknltur könnte eine grofee Zukunft haben, wie überhaupt der Boden
in reichlicherer Weise ausgebeutet werden könnte, wenn nur genügende
Arbeitskräfte vorhanden wärm. Im Grotten See wird in der Trockenzeit
(Ende Februar bis Anfsng Juni) ergiebiger Fischfang getrieben: eingesalzene
Fische bilden den zweiten Hanptausfnhrartikel , und von xwoi Fischarten
wird auch Thran gewonnen. Unter den J&gdtieren sind Hirsche und Büffel
die wichtigsten. Anch die Bienenzucht und die Waehttuzfuhr sind von
einiger Bedeutung. Der Minendiztrikt von Payrinb, der 3- bis 4000 Ar-
beiter beschäftigt, bietet Saphire, Rubine, Topase und Smaragde; die erst-
genannten sind am häutigsten, aber von geringer Güte. Unter den Manu-
fakturerzengnissen, die inegesamt nur eine lokale Bedeutung heben, stehen
die Oewebe obenan. Der Handel leidet unter annemitisebera und chinesi-
schem Firatenunweten auf dem Grofsen See. Die Hanpteusfnhrartikei wor-
den schon genannt; unter den Gegenständen der Einfuhr sind Salz, Baum-
wollwaren (besonders aus Bombay), Seide aus China Ae. am hervor-
ragendsten. .Supern.
334. Miacollaneoua Papers relating to Indo-China. Reprin-
ted for the Streits Brauch of the Royal Asiatic So-
ciety. 2 Bde. London, Triibner & Co., 1886.
Im ganzen werden dem Leser durch Dr. Bost, den Bibliothekar der
Indian Oflice, 39 ältere Arbeiten nnd atz 10. einige Bemerkungen de«
Generals Tremenheere als Nachtrag zu verschiedenen frühem Aufsitzen
vorgelegt. Dieselben, in sehr ungleichem Umfing — der erste Band ent-
hält 34, der zweite nur C Arbeiten — , beschäftigen sieh räumlich nicht
nur mit Indo-Cbina, sondern behandeln auch einen grofsen Teil der indi-
schen Inselwelt; der Zeit nach umfassen sie eine lange Periode; mehr als
hundert Jahre sind verflossen, seit Mr. Jcssc am 20. Juli 1776 seinen
Bericht Uber Borneo proper an den Rat der Direktoren schrieb (aus Dal-
rvmples Oriental Kcpertory); dem Inhalt nach werden die verschiedensten
Gegenstände behandelt; Geograph isehe», Naturwissenschaftliche». Linguisti-
sches, Ethnographische», Paläographisches hat einen Platz gefunden.
Ira ersten Augenblick mag manches als veraltet erscheinen , so t. B.
sind die „Traces of the Hindu Lenguage and Literatuie extant araong the
Malaya* by Mr. W. Marsden* (aus Asiatic Researches, Vol. IV) doch wohl
nicht mehr ganz zeitgemäfa, und auch die Reihe von naturwissenschaft-
lichen Aufsätzen, welche den Kaum des zweiten Teiles beinahe vollständig
einnehmen, dürfte wohl hier nnd da nicht mehr ganz zutreffen. Jeden-
falls aber ersetzen diese Miseellaneous Papers, die bei genügender Teilnahme
fortgeaetrt werden »allen, eine schwer zugängliche Reihe von verschiedenen
336. Wheatley, Furtber Notes on the Rainfall of Singa-
pore. (Journ. Straita Brauch R. Asiat. Soc. 1885,
Nr. 15, 8. 61.)
Mitgctcilt werden alle Monats- und Jahressummen für die Periode
1869 — 84. Die Extreme in der ziemlich regclmäfsig verlaufenden Knrre
der Jahresmengen sind : ,
Jahr
1870 1872
18
•5 1877 1879
1883
ram
3130 1910
2386 1483 2950
1782
Die Extreme in der Zahl der Regentage waren 209
(1870) und
119
(1877), Die
läjthrigen Mittelwert« sind folgende:
Regen-
ltcgon-
Menge
Tage
Menge
Tago
mm
mtn
Dezember
17
Juni ....
. 173
13
Jannur . .
... 200
14
Juli ... .
12
Februar . .
13
August . . .
u
März . . .
13
September . .
. 184
13
April . . .
13
Oktober . . .
. 218
15
Mai . . .
13
Norember . .
. 257
18
Jabr 2344 mm
und 167 Tage.
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80 Litteraturbericht Nr. 337—341.
337. Montero y Vidal, E) Archipiolago Filipino y las Ialan
Marian »s, Carolinas y Palaos su historia, geografia
y ostadistica. Madrid, Tello, 1886.
Verfasser beklagt io der Vorrede, dal* die Teichen and greisen Besitz-
tümer , welche Spanien in Asien besitzt, nicht nur der groben Majorität
selbst der gebildeten Spanier, sondern such den reit der Verwaltung dieser
Kolonien beauftragten Beamten fu*t völlig unbekannt sind, und bezeichnet
es als ein« Hauptaufgabe »eines Werkes , das Interesse der spanischen Kapi-
talisten, Kaufteute, Auswanderer «Vc. auf die Reichtüener und die Bedeu-
tung der schonen Philippinen zu lenken, wo dieselben reit grobem Ge-
winne für »ich selbst and für das Mutterland ihre Thütigkeit entfalten
könnten. Das Werk ist nach eignen Erfahrungen und Studien des Autors
auf den Philippinen mit Benutzung einer zahlreichen Litteratur verfallt
und klar und übersichtlich geschrieben.
Die verschiedenen Kapitel behandeln: 1) Historischer Rückblick, 2) Geo-
graphie und Statistik der Philippinen. 8) Meteorologie. 4) Mineralien,
6) Flora, 6) Fauna, 7) Bevölkerung, 8) I-andwirtaehaft , 0) Industrie,
10} Handel. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich speziell reit den
Handels- und Verkebrsverhaltniasen und geben eine Cbersicht der admini-
strativen Einteilung der Philippinen and eine speziellere Beschreibung der
gröfsero Inseln derselben. Die letzten Kapitel sind den Marianen-, Chro-
linen- und Palaos- Inseln und dem deutsch-spanischen Konflikte gewidmet,
letztem bespricht der Autor in einer zwar weniger heftigen Weise, als cs
*. B. tod der Geograph »eben Gmellschaft in Madrid geschehen ist , aber
auch er gibt seinem Unraute über den Versuch Deutschlands resp. des
Reichskanzlers, sich der Carolinen zu bemächtigen, in stellenweise sehr ge-
reiztem Tone Ausdruck. Es wäre zu wünschen, dafs sich wenigstens die
Männer der Wissenschaft in Spanien endlich über diese Angelegenheit be-
ruhigten, da in Deutschland von unabhängigen und unterrichteten Leuten
die Thatauche, dafa die Carolinen &c. Ton den Spaniern entdeckt worden
sind und nach fast allen unsem Lehrbüchern, Karten Are. stets zu Spanien
gehört hoben, nie beetritten worden ist. Wir hätten deshalb erwartet, dafs
die Schlufswortc des Werke» (S. 409) etwas versöhnlicher gewesen wären.
H. iXJakowiky.
338. Metzger, Europäische Kolonisation in Holländisch-
Ostindion. (Rev. colon. internst. 1886, Bd. II, S. 60.
89 n. 203.)
Der V.rfawr halt den rielUrh brasprochroen l*l«n «in,r g.ackloi-
senen europäischem, speziell holländischen Kolonisation auf Sumatra und
Neuguinea für unausführbar. Zunächst würde das Material hierzu fehlen:
die Scheu vor Indien ist allgemein verbreitet und auch dadurch gerecht-
fertigt, dnfs selbst unter normalen Verbaltniaien die Sterblichkeit der Kin-
gtwanderten gröfser ist, als der in Indion Gehörnen. Ei wird darauf hinge-
wieaen, dafs die Malaria auch hochgelegenen Gegenden nicht fremd ist.
Noch schwieriger ist ober die Anpassung an die veränderten Lebeusbedin*
gungen und das Aufgeben der gewohnten Lebensweise, besonders in ge-
sfhlotdnen Kolonien. Möglich wäre überhaupt nur Ansiedelung auf einzel-
nen isolierten Inseln, wo einheimische Arbeitskräfte vorhanden sind, aber
nicht so -zahlreich, um gefährlich zu werden. Die Kosten der Kolonisation
sind enorme, besonders da der Kolonist in den Tropen nicht Pionierarbeit
verrichten kann , sondern den Aufenthalt in der neuen Heimat vorbereitet
flndeu raub. Feldarbeit in den Tropen ist für den Europäer unmöglich ; der
Kolonist ist nur als „Herr- Bauer** mit einheimischen Arbeitskräften denk-
bar, und als solcher kann er nur bcsteheu , wenn er für »«eine Produkte
Absatz findet. Je gTöfoer aber solche Kolonien sind, desto schwerer findet
sich eine entsprechende Zahl von Konsumenten. S\*pan.
339. Tiele, De opkomst van bet Nederlandsch Gezag in
Oost Indio. Eerste deel. 's Gravenbage, Nyhoff, 1886.
Dieser Band, der erste einer Serie, welche Beiträge aus dem to ge-
nannten alten Kolonularchiv zur Geschichte der Besitzungen außerhalb
Javas bringen »oll, wird durch eiue sehr wertvolle Einleitung von der Hand
eine» Autor», der durch »eine Arbeiten auf diesem Felde sich einen wohl-
begründeten Ruf erworben bat, eröffnet. Durch dieselbe werden manche
charakteristische Lichter auf ein» Zeit geworfen, welche wohl erst dann
vollständig aufgoklirt werden kann, wenn die Regierung aich zu einer Ver-
öffentlichung aus den im Haag und zu Batavia deponierten Archiven in
grofsem Mafatab entschliefst, w wohl noch lange Zeit zu den frommen
Wünschen gehören wird. Solche partielle Veröffentlichungen wie die vor-
liegende, »ei die Hand, welche die Auswahl getroffen, noch «o beru-
fen fUr die Aufgabe, mögen eine Annäherung sein; die ganze volle Wahr-
heit vermögen nur die Originale in ihrer Gesamtheit zu bieten. Trotzdem
aber wird jeder, der sich mit der Geschichte de» malaiischen Archipels
beschäftigt, da» hisr GflbottM mit Freuden btgTÜfsen. Jfrrsgvr.
340. Pleyte, Jets ovor mnomouisebo eu audoro teekenen
bij de Volkeu vau den Oost Indischen Archipel.
(Bijdragen tot de Taal-, Land- eu Volkenknnde von
Noderlandsch-Indie, Bd. XXXV, S. 127.)
Der Verfasser behandelt in ähnlicher Woks wie R. Andree iu seinen
«Ethnographische Parallelen und Vergleiche' dies gethan, und im Anschluß
an die« Buch, die ihm aus dem malaiischen Archipel bekannt gewordenen
Zeichen, schliefst aber die Merke am Körper aus, was er dadurch begrün-
det, dafs die übrigen als Ursprung der Schrift zu betrachten sind, was ja
bei den zuletzt erwähnten Merken nicht der Fall ist. Diesem Plane ge-
rnäfs bespricht er zunächst die Kuotenschrift , die man bei den Papuas,
auf Timor, anf Celebes , auf Sumntrn, allerdings in veraebiedeuer Wetse
gebraucht, antriflt. Auch das Kerbholz und der einfache Botenstab wer-
den angewendet, letzterer besonders zur Beglaubigung de« Boten 'Sumatra,
Borneo). Ein eigentümlicher Gebrauch findet sich bei den Kubus1). Der
Stammeshäuptling, welcher ein auxtchlieftlichcs Recht hat, sich diese» Mit-
tels. da» die den Kubus unbekannte Schrift ire Verkehr ersetzen »oll, zu
bedienen, schneidet nämlich ein Merk auf ein kleines Stückchen Bambus,
welches Übrigens in verschiedener Weise, je nach der Bedeutung der Sache,
deren Mitteilung cs vermitteln soll, eingekerbt wird. In ähnlicher Weise
werden auf Borneo Ihippen und Pfeile geschnitzt; bei dem Gebrauch der
erstem folgt mündliche Erläuterung durch den Boten ; durch Porm und
Gröfse, durch Kinschneidung und Farbe der Pfeile wird die Zahl und Aus-
rüstung der Mannschaft und die Weise der Kriegführung verabredet. Auch
die Kombination verschiedener Gegenstände, welche symbolische Bedeutung
haben, kommt, wie schoo Valentijn berichtet, vor. Ein ähnlicher Gebrauch
findet sich ebenfalls bei Moka&sarcn und Bugincsen, namentlich aber ist er
bei deu Battis häufig, wo besonders die Gewohnheit herrscht, einem deT
auf Bambus geschriebenen Briefe durch Beifügung einiger zur Erläuterung aa-
gehingter Gegenstände mehr Nachdruck zu geben; besonders bei Absage-
briefen ist es sehr gebräuchlich, durch entsprechend« Symbole mit Mord
und Brand zu drohen.
Die eigentliche Zeichenschrift (vgl. A. B. Meyer» Bilderschriften Are.)
kommt in Menado und auch auf Neuguinea vor. Was letztere Insel be-
trifft, so kann man den einzelnen Zeichen keine bestimmte Bedeutung bei-
legen; ein und dasselbe Ereignis kann in verschiedener Weins dargeitellt
werden, und eigentlich rauf* erst der Verstand durch Kombination der
Zeichen diejenige Bedeutung zu enträtseln suchen , welche die richtige ist.
Der Verfasser hat ein Feld betreten, welche«, soviel wir wissen, was
dsn malaiischen Archipel betrifft, noch wenig bearbeitet ist und noch Ge-
legenheit zu reichlicher Nachlese bietet.
341. Riedel, De sluik- on kroesharige Rassen tusschenSelebes
en Papua, ’s Gravenhago, Nijhoff, 1886.
In 14 Kapiteln behandelt der den Lesern dieser Blätter wohlbe-
kannte Herr J. G. F. Riedel ebensoviel Inselgruppen mit ihrer Bevölkerung.
Das gante Gebiet, welche» wir mit ihm besuchen, wird durch Timor und
die Timoraee, Neuguinea, Halrnaheira und die Sulaimeln begrenzt, von
welch letztem die Grenzlinie etwas südlich weiter läuft ; die eben genannten
Jnselu sind ausgeschlossen. Im ganzen behandelt das Buch also dasselbe
Gebiet, über welches in dieser Zeitschrift 1881, S. 113, eine kurz» Mit-
teilung gemacht wurde, und gibt, um dies gleich hier anxuschliefseu, auch
die dort xugeaagte verbesserte Orthographie der geographischen Namen.
Als I'robc der Schreibweise, gleichzeitig als Obersicht der vom Verfasser ange-
nommenen Einteilung, lassen wir hier die fberschriften der Kapitel folgen.
Buru — Ambon und Uliasa. — Serang oder Nusaina. — Scranglso- und
Gorong- Archipel. — Watubeia- Inseln. — Kcei- oder Ewaabu- Inseln. —
Aaru- Inseln. — Tanembar- und Timorlao- Insoln. — Die Luang - Sermzta-
G rappe. — Babar- Archipel. — Die Inseln Leti, Moa und Lakor. — Die
Inseln Kciaar oder Maküar. — Die Insel Kctar oder Wetnr. — Die In-
sclu Rotnang, Dama, Teun, Nila oder Lina und Serua. Der den verschie-
denen Gruppen gewidmete Raum ist durchaus nicht gleich; während ein
Kapitel 9 Seiten enthält, finden wir ein andres von 59 Seiten; die Be-
handlung des Stoffe« ist jedoch insofern ziemlich gleichreif-og , als jedes
Kapitel eigentlich eine Monographie der betreffenden Gruppe gibt und
diese verschiedenen Abhandlungen, ohne innerlich verbunden zu sein, auf*
j einander folgen.
Ina allgemeinen erhalten wir in jeder derselben eine geographische
l) Mulden Sumatra, reizen en ouderzoekingen de Sumatra Expeditie
< uitgerust door het Aardnjkakundig • GenooUchap beachreveu door de leden
i der expeditie, onder torxieht van Professor P. J. Veth.
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Litteraturbericht Nr. 342 — 343.
81
Skizze der luwd xesp. der Gruppe; daran schliefsen «ich Mitteiiunzen üb«T
die Abstammung , die Geschichte and die Überlieferung der Eiugebornen,
ihre Eigenschaften, Gebräuche, Religion und Aberglaube, Wohnplltz# ; die
Arbeit von Männern und Fmuen, soziale und geschlechtliche Verhältni«e,
Krankheit, Tod, Begräbnis und was damit verbunden ist, endlich Spie) und
Tanz und zum Schlafs Kosmologie oder Koaraognorie. Data der Inhalt
hochinteressant ist, bedarf wohl keiner Versicherung; der Verfasser spricht
beinahe nur aus eigner Erfahrung und scheint, mit Ausnahme einiger Ge*
schichtaschrtiber , aufser der eignen nur der Ansicht seiner eingchornea
Gewährsmänner eine Stelle einzuriiumen , so dafs, wenn jemand allein aus
dem Kiedelschen Werke Belehrung über jene« Gebiet schöpfen wollte , er
Gefahr laufen würde, sich in mancher Hinsicht etwas einseitig zu unter*
richten. Cm nur ein Beispiel anxufuhren, spricht Riedel über die weifse
(Mestizen-) Bevölkerung von Kiegar ziemlich in derselben Weise, wie die
Leser dieser Blätter sie bereits aus Jahrgang 1882, 8. 384, kennen; viel-
leicht hätte aber gerade in unsrer Zeit der kolonialen Begeisterung die
Ansicht l)r. C. L. van der Burgs Erwähnung verdient, der da« Fortbo-
stehen dieser Nachkömmlinge von Europäern auf amerikanische Walfisch-
fahrer xuiückfübren will.
Die Anordnung dieses Stoffes wirkt etwas ermüdend; die Unterschiede
zwischen den verschiedenen Gruppen sind zum Teil nicht so bedeutend,
dafs manches sich nicht wiederholen müfste. Dies scheint auch der Ver-
fasser gefUhlt zu haben , denn manche Sachen werden nur bei der einen
oder der andern Gruppe erwähnt; ich nenne beispielsweise nur Lataisrnus
und Hypnotismus, die doch vermutlich in den Molukken ebenso verbreitet
sind, wie dies im ganzen Archipel der Fall ist.
Die Illustrationen (44 Tafeln) sind zum Teil sehr schön; intrrewant
ist die Mitteilung, dals sie teil weise durch einen jungen Eingrbornen ge-
zeichnet sind, welcher die Schule zu Ambon mit Erfolg besucht hatte;
hier und da ist wohl etwas zu viel gegeben, und so freundlich die leb-
haften Farben dem Leser entgcgenleuchten , ist es doch wohl ein gewisser
Luxus, wenn auf demselben Blatt dieselben Gitji-Gitji (Flaggen) in ganz
gleicher Form und genau denselben Farben vier- oder fünfmal Vorkommen.
Die Kartenskizzen sind durch Herrn Riedel auf Keinen Reisen, teilweise
unter Benutzung der Mitteilungen intelligenter Eingebomer , xummmenge-
Btcllt, wahrscheinlich werden sie noch lauge für manche dieser Inseln das
beste Material darstellen. Jedenfalls liegt hier eine sehr bedeutende Arbeit
vor, der wir viele Lwer wünschen. J fef/gcr.
342. Posewitz, Die Zinninseln im Indischen Ozean. II.
Das Zinnerzvorkommen und die Zinngewinnung in
Bangka. (Jahrb. Ungar. Gool. Anstalt 1886, Bd. VIII,
8. 57, mit 1 Karte). Vgt. Utu-Bor. 1885, Kr. *52.
Das Zinnerz kommt auf Bangka teils auf primärer, teils auf sekundärer
Lagerstätte vor. Letztere wird allein ausgebeutet, und es ist die Frage, oh sich
nach ihrer Erschöpfung die Ausbeutung der primären lagerst itten lohnen würde.
Ursprünglich findet sich das Zinnerz in Klüften und Spalten, oder Butzen
und Nester bildend im Granit und dessen quarotischen Nebengesteinen,
oder als Imprägnation im Granit, oder vielleicht auch in Gängen.
Die sekundären I«agcTxtättcn oder die Zinnseifen befinden sich entweder
im Thal oder auf hoher gelegenem Terrain. Die letxtern — Be rgz Um-
lage r oder K u 1 i t* M inen — sind örtlich entstandenes Vcnritterangvpro-
dukt. Die Mächtigkeit derselben schwankt von einigen Dezimetern bis 3 — 4 m ;
da« liegende bildet angehendes zersetztes Gestein, meist Granit, in dessen
Vertiefungen die reichsten Zinnlager Vorkommen. Die Thalzinnlager
oder Kollo ng -Minen sind angeschwcmrot. Das Hangende besteht aus
Humus, Thonlagen und Sand ; dann folgt ohne scharfe Grenze das Erzlager
(ilutrx- und Zinnerxkornchen) , und endlieh als Liegende* das anstehende
Gestein. Das Erzlager erreicht gewöhnlich eine Mächtigkeit von 30 — 60 cm ;
es tritt selten in der ganzen Thalbreite auf, sondern erscheint — seiner
Entstehung durch Anschwemmung entsprechend — bald da, bald dort, ist
auch sehr variabel in seinem Krxreichtum und ist selten mehr als 10 km lang.
Am erzreichsten sind der nördliche Granitzug, die Mittelgebirge, der Mangkol
und das rieh ihm anschliefsende Luddi*Gebirgc und das südliche Granittuaarir
vonToboali. Die folgendeTabelle zeigt die Verteilung auf die einzeluenDistrikto :
jährlich«* Ausbeute Zahl der Arbeiter 1882:
iD«=- 1000 k,. «‘»»'•“'I»«'" SIR.». I-Tlv...
IlUlriklc. 183* — 6*. 1881—8«. mlaen. rainfn.
Muntnk (wit 1888) ... 25 20 — — —
Djrtn» 380 360 15 *93 102
Blinjo 1070 827 12 907 *91
SuDgei Liat 662 950 30 1528 305
Mwamnig 760 630 12 937 20*
Koid-Bangka . . . . 2897 2792 69 3865 1102
I
t
Distrikte.
Pangkal - Piuang . .
Suogfi Slan . . .
jährliche Ausbeute
in t — 1000 kg.
1836 — 84. 1881-8«.
. 708 732
. 412 389
Zahl der
8taat«minen
1882.
20
8
Atbeiter
Blaalt-
mlnen.
1035
642
1882:
Privat-
mitten.
105
112
M ittrl-Uangka .
.
. 1120
1121
28
1677
217
Koba
86
3
131
65
Tuboali
227
9
33G
61
Süd-Bau gka . .
. 420
31*3
12
*67
126
Bangka, Summe .
.
. 4*87
4226
109
6009
1*46
Supon.
343. Neumann, Het Pane-en Bila Stroomgebiud op bet oi-
land Sumatra. (Tijdscbrift AardrijkskuudigGoiiootschap
Tweed« Serie II , weer uitgebreide urtikeleu 1885.)
I)er Verfasser hat sich vorgenommen, eine Studie über Land und Volk
der Rata zu liefern, welche nach uud nach durch die niederländische Geo-
graphische Gesellschaft verütfentlicht werden soll. Der erste uns vorlie-
gende Teil gibt auf 133 Seiten eine abgeschlossene geographische Beschrei-
bung des Pane- und Bila- Stromgebietes mit zugehöriger Karte im Mafs-
stab von 1 : 200000, welche annähernd den Raum von 99° 6' — 100° 20'
ö. L. v. Gr., und von Uw 52'— 21* 48' N. Br. umfafst ; die Grenzen der
eignen Aufnahme des Verfassers sind etwa die Meridiane von 99 15* und
100° 5', und die Breitenkreise von 0° 62' und 2° 16'. Der nördliche
lauf d« Pane und Bila ist nach andern Aufnahmen eingetragen, der Reet
der Karte weif» gelassen ; etwa 20 Skizzen geben uns Urorimc der wich-
tigem Hcrggroppen, wie sie von gcwiweu Punkten her erblickt werden.
Die Aufnahme dieser Karte uud die Bearbeitung derselben hat Herrn Neu-
mann etwa 6 Jahre Arbeit gekostet, wobei berücksichtigt werden mufs, dafs
er sich die praktische Fertigkeit im Aufachmen erst durch eigne Übung zu
erwerben hatte. Im owten Kapitol seiner Arbeit berichtet er ausführlich
Uber das von ihm bei der Messung eingeschlagene Verfahren. Hieraus er-
gibt sich, und der Verfasser erkennt dies auch selbst an, dafs die Arbeit
auf absolute Genauigkeit mir wenig Anspruch erheben kann, schon weil ihr
kein trigonometrisches Netz zu Gründe lag; zum Toil nur konnten einige
Ortsbestimmungen Junghuhua als feste l’uukte benutzt werden, die ober
(besonders weil nach unsrer eignen Erfahrung auf Java, so vorzüglich auch,
wenn man die gebrauchten Mittel uud die verfügbare Zeit berücksichtigt,
die Details bei Junghuhn dargeatellt sind, doch der Zusammenhang zu
wünschen übrig läfst) auch mit Rücksicht auf die gebrauchten Instrumente
diesem Zweck nur unvollkommen dienen konnten. Jedenfalls aber haben
wir ca mit einer fleißigen Arbeit zu thuo, die eine weitere Annäherung an
die genaue Darstellung eine« Gebietes bildet, in welches Franz Junghuhn
uns zuerst einigerraafseo eiugefUhrt hat.
Eine Vergleichung der Karte Neumanns mit derjenigen, welche der
genannte Gelehrte (die Battalätider auf SumatTt) gibt, und dem Atlas von
J. W. Stemfoort und J. J. ton Siethoff zeigt ziemlich bedeutende Unter-
schiede, die sich allerdings zum grofsen Teil nur mit der Kart« in der
Hand erläutern lassen. (Beiläufig bemerkt kommt in der die Arbeit von
Neumann begleitenden Karte die Bedeutung des südlichen Zuflusses des
Pane, des Baromun, nicht vollständig zur Geltung.) Bila liegt im mitt-
lern Lauf gegen 10' östlicher, als im Atlas von Niederländisch -Indien
angegeben ist, der untere lauf von Pane ist 6* , die Mündung ebenfalls gegen
10 ' in derselben Richtung icrschoben.
In dem Text wird zunächst die Ausführung der Vermessung besprochen,
darauf die Grenzen, die politische Einteilung, wie sowohl Kingeborae als
Europäer sie trelTen, Berg und Thal. Flüsse, Seen, Moräste, Dörfer und Ver-
bindungswege behandelt. Hieran schliefsen sich Mitteilungen über die Geo-
logie des lindes und höchst interessante und ausführliche Bemerkungen
über das Klima, die Pflanzen und Tierwelt; der Umstand, dafs so bedeu-
tende Unterschiede in der Art und den Erzeugnissen des besprochenen Lan-
des zu verzeichnen aiud , macht es »ehr schwer, eine Übersicht Über den
wirklich reichen Inhalt in wenige Worte xussmmengefafct zu gelten ; wir
müssen uns begnügen, einzelne* herauszugreifen, wobei wir jedoch nieht
sicher sind, immer das Richtige getroffen zu haben.
Bei der Flutsbeechreibung wird eine eigentümliche Erscheinung, die
Cena oder Cenft der Kingebomen, erwähnt, die Flutwelle, welche einigen
Flüssen der Ostküste tod Sumatra eigentümlich ist (Neumann teilt mit, dafs
ric, soweit ihm bekannt, außerdem nur noch auf dem Putih- oder Kokan-
und dem Kamporflufs vorkommt) und m die Mündungen eiotritt, worauf sie
mit einer Schnelligkeit von 6 — C Meilen ihren Weg bis Labuan Batu ver-
folgt. Von weitem schon hört man sie ankommen, und der Flufs steigt
sofort uro einige Pufs; das ganze Bett erscheint der Dünung des Meeres gleich.
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82
Litteraturbericht Nr. 344 — 348.
Dm Klima ut zum Toil so, wie nun es kaum in Niederländisch- Indien
erwarten sollte; Nächte von 14 — 15° R., Tage von 29 — 31° K. sind an
einzelnen Stellen und xu gewi»ter Jahrexzeit nicht selten. Auch in diesem
Gebiete lassen sich teilweise regelmäfaige Monsuns erkennen.
Bei der Beschreibung des iltanxenreirhcs teilt der Verfasser das Ganze
in fünf Gruppen : die dichten Wilder, welche sich vom Meer bis rum Pufa
der Berge ausbreiten, die Fläche von 1'adang Bolak, die fruchtbare Steppe
von Alu Baruraun, die Berggegcnden und di« Hochfläche von Garoga; die
Beschreibung dieser Gruppen ist — mag sie auch den Botaniker nicht ganz
befriedigen — unsrer Ansicht nach sehr gut geglückt und charakteristisch.
Ktwas kurzer wird dss Tierreich behandelt; namentlich bei den uiedero
Klassen beschränkt sich Neumann beinaho ausschliefalich auf eino Aufzäh-
lung der einheimischen Namen. Wir haben hier mit einer sehr tüchtigen
Arbeit Bekanntschaft gemacht, die, welche Veranlassung zu Bemerkungen
sic dem speziellen Fachmann von seinem Standpunkt aus auch geben mag,
doch hohes Lob verdient. Kinmnl lernen wir ein uns neue» Gebiet kennen,
dessen Charakter sehr von dem, was wir im allgemeinen von einem Tropen-
lande .erwarten, abweicht, und die uns gegebene Schilderung ist gut, in
einzelnen Zügen selbst Überraschend plastisch ; dann aber ist dieser Aufsatz
die Arbeit ein«« Mannes, der jahrelang seine dem indischen Beamten karg
bemessenen Mufaeatuuden der BewchreibuDg seiner nähern Umgebung wid-
mete. Möchte die« Beispiel Nachahmung finden und möchte die Regierung
solches Streben in jeder Hinsicht unterstützen. Derartige Monographien
müssen das Material liefern, wenn unsre Kenntnis Indonesiens noch jemals
eingehende Fortschritte machen soll. Mitiyrr.
344. Fennema , Obor rezent« LavaBtröme auf Java. (Neues
Jahrb. f. Mineralogie &c. 1886, Bd. I, S. 87.)
Die Ansicht de« Verfassers von der Wichtigkeit seiner Nachrichten
bedarf einer kleinen Berichtigung. Allerding« sag t Janghuhn (Deutsche Aus-
gabe, Bd. II, S. 800) ausdrücklich, dafs die javanischen Vulkane, seitdem
Menschen die Insel bewohnen, nnr mehr lockere Auswürflinge liefern, aber
er vergab, dafs er selbst an ein paar Stellen von historischen Lavaergiissem
gesprochen bst (z. B. S. 211. 324, wo von echten Lavastrumen des Merapi
bei der Bruption im Jahre 1846 berichtet wird, oder S. 598). Auf S. 841
erwähnt Junghuhn den Lavastrom des Vulkans auf Ternate vom Jahre 1840,
der bis an das Gestade Hofe Die Meinung Fenneroas, dafs «an den Vul-
kanen de« indischen Archipels rezente Laraströme bis jetzt nieht nachge-
wiesen seien*, ist also unrichtig; nichtsdestoweniger sind aber seine Nach-
richten von LavacrgÜssen am Semeru im Jahre 1885 und am Laxnongan
in den Jahren 1849, 69, 77 and 83 dankenswert, da solcho Ereignisse auf
Java immerhin «eiten sind. Interessant ist auch, dafs diese beiden, nur
48 km voneinander entfernten und fast immer thitigen Vulkane ganz ver-
schiedene Laren liefern : Semeru anderitische und Lamongan basaltische.
Supan.
345. Mailet, The Volcanoes of Barren Island and Nar-
condam. (Mom. Gool. Survey of India 1885, Bd. XXI,
4. Teil, mit 3 Karten in 1 : 253 500.)
Die beiden genannten Inselvulkane, östlieh von den Andamanen, liegen
in der Fortsetzung der Sunda-Linie, deren Abschlufs der Verfasser in den
Schlaimwprudeln von Arakan (die aber nach Blanford in gar keinem Zu-
sammenhang mit Vulkanismus stehen) erblickt. Im allgemeinen betrachtet
er vulkanische Ausbrüche als ein Ergebnis örtlicher Steigerung der Erd-
wärme.
Barren Island (8 qkm) besteht au» einem, nur an einer Stelle im
W geöffneten Ezploaionskrater, in dessen Mitte sich der jüngere Aachenkegel
erbebt. Der äufsero Ringwall, der an ein paar Stellen durch Erosion zwei-
geteilt ist, hat seine höchste Erhebung im SO (353 m), und sehe geringste
Höhe (193 m) im NW, was der Verfasser einer Senkung des nordwestlichen
Teile« zosehreibt. Die äufeere Böschung hat ca 25* ; aie ist dicht bewaldet,
und es ist nicht anzunehroen, dafs diese Vegetation ganz jungen Datums ist.
Der Körper de» Ezploaionakraters besteht vorwiegend aus alter doleritischer
Lava; die lockern Auswurfsprodukte sind an der Seeseite meist denudiert;
die höchsten Teile de* Ringwalle» sind mit rezenter Asche u. dgl. bedeckt.
Die Depression zwischen dem äufsem Ringwall und dem Innern Kegel hat
im 0 eine Seehöho von ca 100, im W aber nur eine eolehe von ca 30 m.
Din Ansicht, dafs sie vor nicht langer Zeit noch unter dem Meere lag
— eine Ansicht, die rieh noch in Lehrbüchern findet — , beruht offenbar nur
auf optischer Täuschung; Beweise für Hebung, die Lyell annahm, finden
rieh nirgends. Der vegetationslose innere Kegel hat eine Seehühe von
309 m und ist sehr regelmäfrig aufgebaut. Seine mit schwarzer Asche be-
deckten und unter einem Winkel von ca 32° ansteigenden Gehänge sind
vegetationslos. Der Gipfel ist oval, und der gegenwärtige Krater liegt im
östlichen Teil der seichten Vertiefung. Die rezenten Lavaströme traten an
drei Stellen des Abhanges hervor: im 0, N und 8; die beiden letztem
ergossen rieh durch die westliche Öffnung in das Meer. In ihrer minera-
logischen Zusammensetzung unterscheiden sie sich von den alten Laven nicht;
ihre gänzliche Vegetalionslosigkeit zeigt, dsfs sie wahrscheinlich erst dem
letzten Jahrhundert angeboren. Die letzte Eruption fand 1857 und 1858
statt; jetzt befindet sich der Vulkan im »olfataren Zustand. Heils* Quellen
sind zahlreich, und ihre Schwefelablagerangen vielleicht verwendbar.
Die oval nach NNO rieh erstreckende Insel Narcondam (7 qkm) ist
wesentlich anders gestaltet. Der höchste Gipfel steigt 710 m über die 8««
an ; die Abhänge sind durch eine grobe Anzahl von Thilern in ein Gewirr
von Borg- und Hügelkotten aufgelöst und mit Ausnahme einiger steilen
Kiistenpartieu dicht bewaldet. Ein Krater ist nicht vorhanden; die drei
Erhebungen, aus denen der höchste Gipfel besteht, sind vielleicht die letzten
Reste eine« solchen. Die Lava, neben der rieh nur noch vulkanische Kon-
glomerate am Aufbau beteiligen, ist ein Hornblende- Aodeait. Der Verfasser
betrachtet Narcondam als einen alten homogeneu Vulkan ; dafs er noch in
historischer Zeit thätig war, ist ein Irrtum, der mit der Erklärung des
Namens (Naraka-Kundam = Höllenpfubl) zusammenhingt. Supan.
346. Ceuteuary Review of the Aßiatic 8ociety of Bengal.
Published by the Socioty. Calcutta 1885.
Am 15. Januar 1784 gründeten auf Anregung des Sir William Jone«
30 Männer, die Elite der europäischen Gesellschaft in (falcutta, die Asia-
tin Society*, deren jetziger Name (zum Unterschied von der 1829 gegrün-
deten gleichnamigen Gesellschaft in Luudou) erst seit 1843 allgemein in
Gebrauch kam und erat 1851 auch von der Gesellschaft angenommen wurde.
Da» vorliegende Werk enthält: 1) eine Geschichte des Vereins, 2) eine
Geschichte der wissenschaftlichen Thätigkcit desselben auf dem Gebiete der
Archäologie, Münzenkunde, Geschichte, Sprachwissenschaft und Utteratur-
geschieht*, der mathematischen und physikalischen Disziplinen (darunter
auch der Meteorologie), dor Geologie, Zoologie, Botanik, Geographie, Ethno-
logie und Chemie. Ist schon dieser Teil ebenso wichtig als interessant , so
gestaltet sich der 3. Teil, die Verzeichnisse sämtlicher von der Gesellschaft
veröffentlichten Werke und Aufsätze, von denen da« eine alphabetisch, das
andre noch Fachern geordnet ist, za einem unentbehrlichen Hilfsmittel für
alle, welche rieh mit der Geschichte, Sprache und Naturkunde von Britisch-
indien beschäftigen wollen. Supan.
347. King , Sketch of the ProgreBa of Qeological work in
the Chhattisgarh Division of the Central Provinces.
(Records Geol. Survoy of India 1885, Bd. XVIH,
S. 169, mit 1 Karte in 1:1014 000.)
Vergleicht man Kings Karte de« Mahanadi- Beckens oberhalb Sambalpur
mit jener von Ball iro 10. Band der .Records", so nimmt man sofort ein«
bedeutenden Fortschritt wahr. Derselbe besteht hauptsächlich in der karto-
graphischen Ausscheidung der beiden Glieder des Vindhra- Systems und
in der Darstellung der Verbreitung der Chilpi- Schichten. Das Vindhya-
System nimmt da» ganze Mahanadi-Bechen ein: die Ebene besteht aus flach*
gelagerten Kalksteinen (und Schiefern), die gröfetenteils von einer alluvialen
Hülle bedeckt sind ; der Gebirgzrand im Nt 0 und S besteht dagegen so«
einer Schichtengrappe, deren Hauptbestandteil Sandstein ist. Die Zweite.-
lang des untern Vindhya-Systems dieses Gebiet«» und der Nachweis, dsfs
die (Uaipur-) Kalksteingrappe jünger ist als die (Chandarpar-) Sandstein-
gruppe, ist das Hauptergebnis. Dagegen liefs sich die geogno«ti»che Stellung
der rbtlpi-Schichteo, welche den Bergrand des Beckeus im W bilden, noch
nicht mit «Sicherheit ermitteln ; es wird angenommen, dafs rio ebenfalls tum
untern Vindhra gehören und älter sind als der Chandarpur • Sandstein.
Slipon.
348. Hughes, Southern Coal -Fields of the Rewah Gond-
wana Basin. (Mem. Geol. Survey of India, Bd. XXI,
3. Teil, 1885. Mit 1 geol. Karte in 1:253 500.)
Das untersuchte Gebiet, ein hügeliges Plateau, gehört dem nördlichsten
Teil des Dekanhochlande« an und liegt zwischen 23° und 23‘ 35' N und
80° 45' und 82° 55' 0. Die Formationsfolge bt folgende:
I. Da» unterste Glied bilden die metamorphisebeu Gesteine,
welche am Südrand und insular im W und 0 zu Tage treten.
II. Bijüwar- Sandstein, nur am Ostrand de* Untersucbungsfeides an-
getroffen.
III. Du Gondwana-System:
I. Die Ta lc hi r- Gropp« bildet in grofser Ausdehnung im südlichen
Teil der Osthalfte die Oberfläche. Stets lagert sie unmittelbar auf raets-
morphischem Gestein und besitzt «ine Mächtigkeit von 90— 120 m.
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Litteraturbericht Nr. 349—356.
83
2. Die kohlenführende Baräkar* - Gruppe, an welch«! auch die
Schichten mit der Kabarbäri-Flota gezählt werden, welche die Verfasser des
Meuuel bekanntlich mit dem TMchir vereinigten. Hin gelblich-grauer Sand-
stein int dos Hauptgeitein dieeer Gruppe, und miige hingewieten werden auf
die Abbildungen der Riesentöpfe und de« Kirwahi-Wasserfalles im Hestho-
thale. welche in diesem Sandxteingebiet Vorkommen. Die Lagerung ist in
der Kegel eine schwach gegen den nördlichen Quadranten geneigte: im 0
wurde aber auch beträchtliche Verwerfung mit sekundären Schichtrastö-
rungen konstatiert.
Das gräfite Gebiet, wo die B&rükars-Grnppe die Obertläche bildet, dehnt
sich östlich vom Schagptir aus und wird danach als da« Schkgpiir- Kohlen-
feld (4 110 qkm) bezeichnet. Westlich daron liegen die beiden Irbilla-Koh-
lenfelder (36 qkm), das Konir- (23 qkm) und das Omiri-Kohlengcbiet (I6qkm) ;
östlich liegen die Kohlenfelder Kürasia (124 qkm), Korfigarh (16 qkm) und
Ihilmili (lt)6 qkm). Die Kohle ist ron ausgeseichncter Güte, meist nur
10 — 40 m unter der Oberfläche gelegen und stellenweise bis zu 6 m mächtig
(die Zwischenlager) abgerechnet). Der Kohlenreichtum ist ein enormer.
3. luter de® Namen Obere Baräkars-Gruppe werden alle Schich-
ten (vorherrschend ist ein grober Sandstein) zusammengefafst , welche zwi-
schen der kohlenflibrenden und der Laroeta-Gruppe liegen. Sie nehmen den
ganzen Norden des untersuchten Gebietes ein.
IV. ln Betreff der jiingern Formationsglieder : Lame ta- Gruppe und
Trapp wird nichts bemerkenswertes Neuen berichtet. supan.
349. Middle miss, Ileport on t-he Bengal Earthquake of
July 14,h 1885. (Records Geol. Survey of India,
1885, Bd. XVIII, S. 200.)
Der Er«chüttcrungibezirk, ca 596 700 qkm grofs, hatte eine elliptische i
Gestalt mit nordöstlicher Längsachse : die Hauptzerstorung lag NNO von Cal-
cutta und hatte eine verhiltnismUfsig geringe Ausdehnung. Aus der Fäll-
richtung umgesliirzter Fabrikschlote zu Serajanj und der Richtung der
Sjmlten in den Gebäuden zu .Sherpur, Jamslpur und Mairucruiug (womit
nur die Beobachtungen in Muktigarchia nicht Übereinstirnmen), lag das Epi-
zentrum in 23“ S9 ' 20* K und 90“ 6' 30' 0. Die Städte Sherpur, Bogra
und Nattorc, wo das Erdbeben heiliger wütete als anderswo, gehören einem
Kreisbogen on, dessen Mittelpunkt nahezu mit dem Epizentrum zusammen-
fäilt. Aber nur in der nördlichen Partie dieaer Kreisfläche war das Beben
besonders stark, und der Verfasser sucht die l'rsaehc dieser lokalen Be-
schränkung dann, daß hier die AUuvialflächc durch Höhenzüge im W und
0 beträchtlich lusaromengeschn&rt wird, und daher wahrscheinlich der feate
Felsgrund in geringerer Tiefe liegt als weiter südlich. Die Tiefe des Zen-
trums wird nach dem Radius des Kreises gröfster Erschütterung (74 mil.,
Tiefe = J^2 r1 = 104 mil. oder 167 km) und nach dem Kmergenzwinkel be-
rechnet. Letztere Methode liefert offenbar ein besseres Resultat (60 — 51 mil.) ; |
und wenn mau ca 10 Pro*. für die ltefraktion der Erdbebcnwcllc bei dem
Übergang aus dem festen l’ntergrund in die los« Alturialdecke in Abzug bringt,
so erhält man als wahrscheinliche Tiefe des Zentrums 45 mil. — 72,4 km.
Als Geschwindigkeit der Welle pro Sekunde ergibt sieb 1430 m, doch ist
diese« Resultat wegen mangelhafter Zeitangaben höchst zweifelhaft.
SufOH.
350. Jones, Report on the Kashmir Earthquake of May SO*
1885. (Records Geol. Snrvey of India 1885,
Bd. XVIIl, 8. 221, mit 2 Karten.)
Dieses Erdbeben, bei dem, hauptsächlich infolge unzweckmäßiger Bau-
art der Häuser 3000 Menschen das I.eben verloren, ging von der Alluvial-
ebene von Kaschmir aus, die von vielen Oeologen als ein Einsturzbceken
betrachtet wird. Nach Mallcticlier Methode wird die Richtung der Erd-
bcbenwellc für mehrere Orte festgestellt : die einzelnen Linien vereinigen
sich aber nicht in einem einzigen Punkte (Epizentrum), sondern die Schnitt-
punkte fallen io eine elliptische Fläche, in dessen Mitte Jarapur, 19km
westlich von Srinagar, liegt. Diese „me«o seismische“ Fläche, wo die Zer-
störung eine fast vollständige war, hat eine westöstliche Achse von 16 und
eine nordsüdliehe von 10 km Länge und ist 122 qkm grofs. Die Tiefe des
Zentrums wird nach dem Bmerganiwmke! zu Srinagar zu 7,smil. == 12,1 km
berechnet. Innerhalb der ersten isoaeismischco Linie (im Sinne Mallets)
liegt eine Fläche von 1300, innerhalb der zweiten eine solche von 7800 qkm;
die dritte überschritt einerseits das grofse Lingsthal des Indus im N und
drang anderseits bis in das nördlichste PemDcbab vor. Supan.
351. Freshfield, Notes on Colonel Tsnner’s Report. (Proc.
R. Geogr. Soc. 1885, Bd. VII, S. 753, b. auch Al-
pine Journ. 1886, Bd. XII, S. 448.)
352. Walker, Notes on Mont Everest. (Proc. R. Geogr.
Soc. 1886, Bd. Vm, S. 88.)
353. Fre8hfield, Further Notes on Mont Everest. (Eben-
das., S. 176.)
354. Waiker, A Last Note on Mont Everest. (Ebendas.,
S. 257.)
An Pteshficlds Bemerkung in Nr. 351 , dafs man dis einheimisehco
geographischen Namen nicht durch willkürliche Ncuschöpfungen verdrängen
solle, entzündete sich ein langwieriger und in dar Hauptsache resultatloacr
Streit darüber, ob der Natne „Mt. Everest“ oder der indische „Gaurisankar*
vorzuziehen sei. Wolkof behauptet, dafs der Berggipfel, den man 1856
nach Sir George Everest tauft«, gar keinen einheimischen Namen hatte;
dafs die Bezeichnung „Devudhunga“, die llodgton als die einheimische ao-
gab, nicht zweifellos der höchsten nntet den gemessenen Bergspitzen der
Erde sngshöre; und dafs Hermann v. Schlsgintweit, der den Namen „Oau-
risankar* in die Litteralur ciuführtc, den Makalü für den Mt. Everest und
den Sihsur für den Makels gehalten liabe. Die Ausführungen Freshfinlds
in Nr. 853 haben zwar die letztere Ansicht einigermafaen erschüttert, aber
doch nicht jeden Zweifel über die Möglichkeit einer Verwechselung zer-
streut, so dafs mau dem Rate Walkers, den Namen Mt. Everest bis zur
Austragung diese« Streite« allein zu gebrauchen, wohl beistimmen kann.
355. Atlas von Afrika, 50 kolorierte Karten auf 18 Tafeln,
mit einem geographisch - statistischen Text. Wien,
Pest und Leipzig, Hartleben, 1886.
Dieser anonym erschienene kleine Atlas bietet für den billigen Preis
tod 3 M. in sauber ausgeführtcu Karten und Test manchem ein willkom-
menen Orienticrnngsmittcl, besonders in den dem Schwciger-Lercbenfeldsehen
Buch entnommenen pbyaischon Cberaichtskärtchen. Auch die Spezialklrt-
clten einzelner Gebiete sind gewiß manchem willkommen, nur läßt die Aus-
wahl hier und da zu wünschen übrig. So erscheint z. B. die (französische)
Ogowe- Mündung in bedeutend grüßerra Mafiatab, als die Benitzungen der
D«utscb-Ostafrikanischcn Gesellschaft, obgleich in dem Prospekt die deut-
schen Kolonien besonders hervorgehoben wurden. Das Kspland ist nur iu
dem vollkommeu ungenügenden Mafsstah von 1 : 20 OOO 000 vertreten. Die
Hilfe eine» kundigen Kartographen Bebeint bei Zusammenstellung de« Werk-
cbens gefehlt zu haben, sonst würden kleine lrrtümer in der Angabe der
Mafsvtäbc wie 53 anstatt 56 Millionen der überaiehtakärtchen, oder 12 an-
statt 12J Millionen der Tafel 12 wohl vermieden worden sein. Zur Be-
nutzung bei eingehender geographischer Lektüre, s. B. Reisebeschreibungen,
ist der Atlas jedenfalls nicht ausreichend, sowohl wegen de« Mangel, an
Reiserouten, als auch wegen des kleinen Mafsatabw der meisten Karten. Die
ausgiebige Benutzung von Karten desselben Mafsstabes hätte es wohl gerecht-
fertigt erscheinen lassen , wenn dem Test einige Quellenangaben beigefügt
worden wären, auch ist es dem Herausgeber nicht immer gelangen, die
Kärtchen auf den treuesten Stand der Kenntnis tu bringen.
H. HaUnicht.
356. Johnston, The Commercial Prospect of tropical Africa,
(Journ. Manchester Geogr. Soc. 1885, Bd. I, S. 179.)
Ein guter Überblick Uber die natürlichen Hilfsquellen, die wichtigsten
Handelsstraßen und Handelsemponen Afrikas, und aß solcher sohr empfeh-
lenswert für alle, die sich über diesen Gegenstand rasch orientieren wollen.
Der Verfasser bekennt sich xu optimistischen Anschauungen, und diene
sind insofern beachtenswert, als er das westliche, wie das östliche Äqua-
torialafrika kennen gelernt hat. Besonders darauf möge aufmerksam ge-
macht werden, daß er eine Verminderung des Blfenbeinreichtums in naher
Zukunft nicht für möglich hält. Neu ist der Versuch einer ethnographi-
schen .Statistik.
Semiten (Araber und Abessinier) .... 9 Mill.
Berber 3 „
Nubier 2 >
Galla« und Somali 9 „
Fulah 10 „
Europäer 3 „
Mischbevölkeruug 4 .
Eigentliche Neger 80 „
Bantu, Massai, Hottentotten und Buschmänner . 80 T
Summe 200 Mill.
Supan.
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84
Litteraturbericht Nr. 357—364.
357. Princ« Ibrahim - Hilmy, Tlie Literature of Egypt and
the Soudan from the earliost times to the year 1885
inclusive. I. Bd. A — L, London, Trübner & Co., 1886.
Die Zeit der Verbannung verwendet der Sohn des Rx-Kedive zu einer
uru lassenden bibliographischen Arbeit, von woteber der erste Band in prächtiger
Ausstattung vor wenigen Monaten erschienen ut. Dieselbe enthalt nicht
blof* die gedruckten Werke, Aufsätze und Karten, sondern auch dio alten
Papyrus, Manuskripte. Entwürfe kc., welche sich auf die Geschichte,
Ethnographie und Naturkunde von Ägypten und Sudan beziehen, in alpha-
betischer Reihenfolge. Diese Anordnung beschrankt natürlich den Ge-
brauch; wir erhalten hier eine» Zettelkatalog der kryptologischen Biblio-
thek, aber keinen Fachkatalog. Absolute Vollständigkeit ist zwar nicht
erzielt worden, wie Eben in seiner Anzeige in der Münchener Allg. Ztg.
nachwies; aber nichtsdestoweniger ist das Werk ein ebenso wichtiges
Hilfsbuch für alle, welche sich mit dem Nilgcbiot beschäftigen, wie ein
chrendos Zeugnis Tür die wissenschaftliche Bildung und die patriotische
Gesinnung de» prinzlichen Verfassers.
358. Schweinfurth, Sur uuu ancienne digue en pierre aux
onvirona de Hclouan. (Bull. Institut egypt. 1885, mit
2 Karton. Sop.-Abdr.)
Die Reste des alten Dammes linde» sich mit Uuiueu eiucr alten Nie-
derlassung im Wadi Gerraui, welches südlich von Ileluan vom östlichen
llateau her in das Nilthal mündet. Dieser aus Quadersteinen erbaute
Damm, dem ebenso wie den genannten Ruinen ein hohes Alter zuzuerken-
nen ist, diente einerseits dazu, um das Nilthal von zeitweilig im Winter <
eintretenden Wildftuten des Wadi Gerraui zu schützen, anderseits um die
Arbeiten in den oberluüb des ll.inimrs befindlichen alten Alabosterbrüchen
mit dem nötigen Wasser zu versorgen. In der Nähe des Austrittes des
Wadi Gemui entdeckte man die Reste einer alten Strafte, die in ihrer
Verlängerung direkt zu den Pyramiden von Gizeh hin führt. Supa*.
359. Schweinfurth, Sur la decouverte d’uno fauue paleo-
zoique dans le gres d’Egypte. (Bull. Institut Egypt.
1885, Sep.-Abdr.)
In erfreulicher Weise mehren sich die palznntologUchen Beweis«' dafür,
dafs der sogenannte „Nubifrche Sandstein*4 mehreren geologischen Niveaus
angehört. Hüll (t. Iitt.-Ber. 1885, Nr. 211) hatte die Entdeckung Bauer-
manns, dals der „Wiwtensandstein*4 des Wadi Naab (SinaThalbinsel) einem
Kalkstein mit unterkarbonUchcn Pctrefxkten unterlagcre, durch ncua Fundo
bestätigt; und nun entdeckte Schweinfurth auch im Sandstein des ägypti-
schen Wadi Araba, das unter 29” N. Br. in den Golf von Suez mündet,
eine unzweifelhaft devonische Fauna. Der Sandstein dieses Thaies ist
also mit Ausnahme der obersten Schichten, dio unmerkbar in echt kreta-
zeischea Temin übergehen , nach Hüll« Terminologie Wüstenmndstein ;
gleichzeitig wird aber dadurch auch die Ansicht Ilulls (West. Palostine, 8. Litt.-
Kcr. 1886, Nr. 311), der auf Grund der Lagerungsrorhältnittf den Wüstensand-
stein des Wadi Nash für unterkarbonisrh erklärte, berichtigt. Supan.
360. Schweinfurth , Reise iu das Depressionsgebiet im
Umkreise des Fajurn. (Ztschr. Gesellsch. f. Erdkunde,
Berlin 1886, Bd. XXI, 8. 96.)
Zu den Spuren pliocaner Meercobcdeckung dos Niltlulc* bei Kairo
(8. Litt. -Ber. 1886, Nr. 211) gesellen sich nun noch zwei andre Fund-
stellen pliocäner Meexcstiere : die eine im S der Pyramiden von Gizeh. die
andre bei Ssedment (ea S0° 10 * Br.). Die lliihe von 60 — 70 m stimmt
mit jener von Kairo überein. Im Fajrtim sind solche Spuren noch nicht
entdeckt worden. Die untorsuchten geologischen Profile im Fayümer Becken
geben ein ununterbrochene* System vom obersten Kocin bis zum Miocün,
und ergänzen somit die Koiro-Pioflle, die durch Denudation gelitten haben.
Die Schichten fallen nach NW. Das alte Ufer des Hirket-el- Qerün (bis
zur griechisch • römischen Zeit) liegt 40 ra über dem See (also in Meer er-
höhe). Seit den letzten 10 Jahren, namentlich seit dem Eingehen der
ZuckcmthrkuUnr am Südufer, steigt der Seespiegel wieder jShrlich um
3 cm. In der Oase von lUj.in wurden keine Siitswasforabtagerungen ge-
funden. Supan.
361. Möllinger, Referat über dio Thätigkoit der Soeiete
d’Etudas du Nil. (Geogr. Nachrichten, Basel 1886,
Sep.-Abdr.)
Die genannte Getcllschift beantragte bei der iigyptischeu Regierung
die Errichtung eines groben Stauwerkes bis Dscbcbcl ScUclch unterhalb
Assuan, und die Anlage eine* natürlichen Bassins oberhalb diese« Stau«
werke*, bei Kum Orobo*, welches zweimal im Jahre gefüllt werden toll,
und zwar vor der Überschwemmung, um dieselbe je nach dem gering«
oder starken Steigen in dem betreffenden Jahr zu regulieren, und dann ro
den Monaten November bis Januar, um in der Zoit tiefsten Wautrstaude*
(Mai und Juni) das Wasserquantum des Nil zu verdoppeln. Durch die
Anlage eines solchen Stauwerkes würde aber nicht nur Ägypten vor Hanget«
j ähren bewahrt bleiben, sondern es würden auch die Stromschnellen von
Assuan das ganze Jahr hindurch schiffbar werden, und es würde endlich
die Anlage eines BcwässerungskanaU oberhalb der Barragc zwischen dem
Nil und dem libyschen Plateau ermöglicht werden. Fraglich wird die
Ausführung dieses grofaartigen Projekten durch den Kostenpunkt (100 Md«
lionon Frank) und durch einige technische Schwierigkeiten. Supan.
362. Hansen , Alg^rie et Tunisie. Mafast&b 1 : 1 800 000.
Comitl Orauais du Congros d’Algor, 1885.
Die Karte macht durch das blaue Flufsnetz, da» braun gestrichelte
Terrain, die deutliche Schrift und dos Kolorit der Meereaticfeu einen
freundlichen, säubern Eindruck. Die schiefe Beleuchtung kommt der Dar«
Stellung der südlichen Randgebirge des Plateaus sehr zu statten; da tie
aber einseitig durchgefuhrt worden ist, kommen bei den nördlichen Rand«
gebirgen die schroffen Abfälle nach der Küste zu nicht zur Geltung, die
Abhänge nach dem Innern treten viel mehr vor und der Eindruck do
Plateaus wird dadurch sehr beeinträchtigt. Die Karte enthalt riele liohru-
zahlen; diejenigen in dor Schott- Depression, welche deutlicher sichtbar sein
müffttc, entbehren des Minuszeichens. Eine Erklärung dor angewandten
Zeichen und der häu6g gebrauchten arabischen uud berbemcheu Worte
wäre am Platze gewesen. Algerien ist sorgfältig und nach guten Quellet)
gezeichnet. Die Benutzung der bisher erschienenen Blätter der Karte von
Algerien in 1:50 000 hätto nur wenige auffallende Verbesserungen erge-
ben. Auf derselben wird im J. 1884 der Lac Fetzaiu noch angegeben,
nach Hansen wurde er 1880 trockengelegt. Die Darstellung von Tune-
sien Ut veraltet; din jetzt bis auf die vier südlichsten Blätter vollendete
Karte de» Depot de la üuerre in l : 200 000 hätte als Grundlage benutzt
werden müssen. Dio Hisenbahnstrecken von Oran bis Ain-Temoucbcnt,
von Sidi - bei - Abbe* bis Ras el-Ma, rou Mciiervillc bu Palostro und von
Arzew bis St-Uloud sind in Betrieb. Domon*.
363. Leroy-Beaulieu, L’Aigiärie ot la culture de la vigne.
(L’Economiate 1886, Bd. 1, 8. 661.)
Von d«n vier lUiuptkulturen Algiers, tlcr Viehzucht, «er Onngva-
kultur, den Korkeichen and dem Weinbau, ist letiterer allem eine; raschen
Zunahme fähig , und ihm , sowie den Eisenbahnen verdankt die Kolonie
den groben Aufschwung in den letztoD Jahren. Folgende Zahlen teigen
dies am besten :
167» isst
Weingärten, ha 17 737 65 708
Zahl der Eigentümer . . . G 946 33 804
Wein, hl 348 OOO 890 9l>0
Trotzdem ist die Wcineinfuhr noch gtdfser als die Ausfuhr. 1884
betrug die
Einfuhr .... 157 458 hl, Wert: 7 454 000 Frank
Ausfuhr .... 149 886 . „ 2 906 (HK)
Derzeit hangt die Zukunft Algiers lediglich ilaron ab, ob dio J’bji-
loaera. die »ich in der Umgebung von Tlemeen und Sidi-bel-Abhcs gezeigt
hat, Fortschritte macht oder nicht.
Tunis hat erst ca 2000 ha Weinlaod. Summ.
364. Regenmenge in Uran, 1865 — 85. (Bull, de Geogr. et
d’Archeologie. Oran 1886. Bd. IX. 8. 27.)
Die am Militurspital gemessenen Itogenmengen werden hier für alle
Monate der 21jährigen Periode raitgeteilt, und dies versetzt uns in di»
Luge, den Mittelwerten (Kolonne a) noch zwei andere Ilerechnungen anru-
fügen, die — wie ich schon im Ulter. -Ber. Kr. 132 betonte — für den
klimatischen Charakter, besonders gewisser (legenden fa-t mehr Wert haben,
als die mittlcrn Regenmengen. Unter Kegenarmut »erstehe ieh eine mo-
natliche Itegenmenge von weniger als 20 mm : die Bezeichnung Regenlosig-
keit beschranke ich aber auf diejeuigen Monate, wo gar kein mefsbarcr
Niederschlag ziel.
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Litteraturbericht Nr. 365 — 368.
85
Mittler«
Regenmenge
mm
(»)
Dezember . ... 81*
Januar 53
Februar .... 41
März 64
April 49
Mai 37
Juni .... 7
Juli 1*
AugUVt 1
September ... 16
Oktober .... 47
November .... 49
abrschclniichkcit der
Summe
Regen*
snnu:
Regen-
loitjfkei?
ron b 4- c
(b)
(0
<•»
0.14
—
0,14*
0.29
—
0,19
0.19
—
0,1*
0.14
—
0,14*
0.44
0,05
0.«
0.»*
—
0.38
0,71
0.19
0.40
0.«
o,w
1,00*
0,4*
0,67
1.00
O.M
0.74
0,77
0,19
0,05
0.*4
0.»
0,05
0.84
Die mittlere jährliche Menge ist 446 mm;
betrug 638, (tu Minimum (1867) 246 mm.
das Mnzimura (1870)
Supan.
365. Stutfield, El Maghreb : 1200 mile«’ rido through Ma-
rocco. London, Sumpson Low & Co., 1886.
Der Verfasser kennt aus eigner Anschauung einerseits du ganze
Küstenland von Tanger bis Mogailor, anderseits einen beträchtlichen Teil
dea Binnenlandes bis Fes und Marokko; eine recht dürftige Kartenskizze
gibt seine Reiserouten (1882- -85) an. Kr gehört zu jener groben Schar
von Reisenden, für die der Bewohner des fremden Landet fast dm aus*
schliofslichen Gegenstand de« Interesses bildet; die Geographie im strengem
Sinne wird durch sein Buch nicht wesentlich gefördert. Sein Zweck ist,
naehzuweisen. dal» Marokko ein rou der Natur außerordentlich gesegnetes
Land ist, daß sich aber in einem erbärmlichen Zustand befindet, aus
dem es nur durch eine britische Annexion geriueu werden könne. Dos
Klima ist gesünder und das knltnrfähige Land großer als in Algier. Alle
Cerealien gedeihen hier, aber der Ertrag reicht jetzt nicht einmal mehr
für den einheimischen Bedarf aus; Baumwolle wird kaum mehr gewonnen,
mit der Weiukultur ist es schlecht bestellt und noch mehr mit der Kul-
tur von vegetabilischen Ocnnfsmittelo und sonstigen Nutzpflanzen. Mine-
ralische Hilfsquellen sind reichlich vorhanden, aber nicht erforscht. Die
Bevölkerung lut seit der Zeit des Leo Africanus abgenommeu, wie die
vielen Städteruinen und Wüsteneien zeigen. Die ausgezeichnete tiefe
Wasserstraße des Sebu, in dem die Flut 50 km weit landeinwärts dringt,
bleibt unbenutzt. Die Angaben Über den Handel sind unrichtig oder ver-
altet; er beträgt nicht 20, sondern 30 Millionen Mark, und nicht Eng-
land, sondern Frankreich steht unter den Yerkehrsländem obenan. Den
Hauptinhalt bilden Schilderungen der Städte und der Bewohner. Zwi-
schen Berbern und Arabern findet der Verfasser keine wesentlichen Unter-
schiede; die blonde Varietät hält er noch für vandalischeu Ursprungs. In
bezug auf die statistischen Notizen s. Nr. 367. Für den gegenwärtigen
Zustand macht er die schlechte Hegieniug verantwortlich. Beachtenswert
aind seine Bemerkungen über den Unfug, den Einheimische, besonders
Juden mit dem konsularischen Schutz treiben, und der nach seiner An-
sicht nur durch Errichtung eines internationalen Konsulsrtribunals beseitigt
werden kann. Den Engländern wird die Besitzergreifung Marokko« em-
pfohlen, einmal als Kornkammer, dann zur Sicherung der Gibraltarstrufse.
Gibraltar, das weder als Hafen noch als Kohlendepot genüge, müsse durch
Ceuta ersetzt werden. Supan.
366. De Campou, Un Empire qui croulo. Le Maroc con-
tomporuio. Paris, Plou, Xourrit & Co., 1886.
In der Ansicht, dal. der gegenwärtig« Zustand in Marokko auf die
Dauer unhaltbar ist, stimmt de Camixru mit Stutfield überein, setne
Schrift macht aber nicht Propaganda für eine Annexion. Sie beateht aus
einer Itcihe kleiner Aufaätae, die selbst in ihrer Aneinanderreihung ein
System vermissen lassen , aber unsre Kenntnis des Landes mehr fordern,
als das Buch von Stutfield. Den tiefen Stand der Bodenkultur im Ver-
gleich :u ehemals erklärt der Verfasser einerseits durch den schweren
Steuerdruck, der eine Ausdehnung derselben, seihet auf ausgezeichnetem
Terrain, verhindert, und anderseits durch den völligen Mangel an Dünger.
Fast regelraitäig tritt alle acht Jahre eine Hungersnot ein. Charakteristi-
sche Züge sind die Argarwälder awischen Mogador und Marokko und
zwischen Mogador und Agtdir, welche — da jeder Baum 10 1 öl lie-
fert — eine hoho wirUehaftliche Bedeutung erringen könnten; ferner die
ca 50 km breite Makrone des Litoralgebietes, wo iu der trocknen Zeit
die künstliche Bewässerung reichlich durch Tau ersetzt wird, und endlich
die Hannapflanzungen iu Tafilet und im Gebiet der Zaires. Die Folgen
der Entwaldung, die auch jetzt noch auf allen Punkten fortschrcitct, zeigen
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1886, Utt.-Bo rieht.
lieh im Verschwinden von Quellen und im Wildbachcharakter der Flüsse
zur Hochwasserzeit. Der Hydrographie iat ein eigne« Kapitel gewidmet,
dem beaonders mehrfache Messungen des Wasseratandes, der Breite und
Tiefe der Flüsse Wert verleihen. Die drei bedeutendsten Flüsso, der Mu-
luja, Sebu und Um er Uebiah führen im Winter durchschnittlich 4000
und im Sommer 100 cbm io der Sekunde in das Meer ab. Die Bedeu-
tung dei Sebu als Wasserstrafae wird auch hier betont: er wüte bis Sok
el Haid das ganze Jahr und im Winter bis Fes schiffbar und ira Ober-
lauf riöfsbtr. Den Schlufs bilden das Itinorar von Fcs narh l'dsehda,
des gmr.en Verkehrsweges nach Algier, der nur in der Westbälfte auf eine
Strecke von 120 km wawerreieber und daher auch dichter bevölkert ist;
und endlich Beschreibungen der Küstenorte mit statistischen Angaben
(s. Nr. 367). Suj»n.
367. Erckmann, Le Maroc moderne. Paris, Challamel
aine, 1885.
Was dieses Buch vor den beiden eben genannten auszeichnet , ist die
systematische Bebilderung det gegenwärtigen staatlichen , wirtschaftlichen
und religiösen Verhältnisse ; besonders dürfte das ausführliche Kapitel über
die Armee in allen Kreisen, die mit begehrlichen Blicken nach Marokko
hinUbenchieleD , Anklang finden. Eine saubere Karte in 1 : 1^ Million
«cigt die Reiserouten des Verfassers in den Jahren 1877 — 83; auch Pläne
von Fes, Marokko, Agadir und Tarudant sind beigegeben.
Es erübrigt nur noch, der statistischen Angaben zu gedenken, welche
sich in den Werken von Erckmann, de Campou und Stutfield linden. Nach-
stehende Tabelle zeigt, wie wenig Sicheres wir über die Seelensahl der
Städte «rissen. Bezüglich Marokkos gibt Stutfield an, dafs die Bevölke-
rung ln gewöhnlicher Zeit etwa 60000 betrage, dafs sie aber auf mehr
als 100 000 «teige, wenn der Sultan mit seinem etwa 40 000 Köpfe räh-
lenden Gefolge hier Hof halte. Dies erklärt zum Teil wohl auch die ko-
lossalen Differenzen in den Angaben über die Bevölkerung von Fes. Die
Geoamtbevölkerung dea Reiches schätzt Stutfield auf 6, Erckmann auf 8 Milt.
Krckmann
de Campou
StatOeM
Tanger . .
15- bis 20 000
uooo
—
El Araucli .
8- bis 10 000
5 000
—
Mrhdlia . .
—
400
—
Sela . . .1
Rabat . . . J
30- bis 40 000
6 000
12 000
30 OOO
Dar el Beida
10- bi* 15 000
6 000
5 000
Aaemmur . .
10 000
—
—
Masagan . .
15- bis 20 000
5000
—
Sali . . .
9- bi» 10000
8 000
—
Mogador . .
12- bis 15 000
UOOO
15 000
Fes . . .
60 000
1O0- bi* 150 000
Mekines . .
20 OCK)
—
unter 50 000
Marokko . .
55 000
—
60- bi* 100000
Tarudant . .
6- bin 7 000
—
—
.Vupan.
368. van Leyk, Die uordafrikanischen Handels- und Kara-
wanenstrafson. (Export, Berlin 1885, Bd. VH, S. 659.
767. 779. 816. 831. 861. 877. 893; Bd. VIH, 1886,
S. 114. 129.)
Die nordafrikanischen Straf sen lassen sieh in drei Kategorien teilen:
1) die vom Mittelmccr nach dem Sudan , 2) die lokalen Strafseu zwischen
den einzelnen Handelsplätzen, 3) die in östlicher Richtung verlaufende
Strafse der grofsen Piigerkarawane nach Mokka. Der Verfasser behandelt
in aciner Artikelreihe nur die Stratsen der ersten und zweiten Kategorie,
und von denen der ersten in ihrem ganzen Verlauf nur jene, welche nach
WodaV, Bornu und den Hausustuten führen.
Die wichtigeten nördlichen Ausgangxpunktc sind Kairo (Strafso über
die Siwah- Oasen nach Audschila und Murxuk), Bengasi, von wo aus die
direkt# Route nach WudaT führt: Tripoli, das jetzt ia hohem Grade den
sudanesischen Karawanenhandel beherrscht, seit die französische Herrschaft
in Algier und jetzt auch in Tunis den Sklavenhandel einerseits nach Tri-
poli, anderseits nach Marokko gedrängt hat; Gäbe«, Tunis, die algerischen
Hafenplätze, Rone, der eigentliche Eiporthafen von Constantinc und mit
«richtiger KoraUenßschcrei; Philipperille, der Importhafen von Constan-
tino; Algier und Oran, das die Bedeutung von Tlemsen ganz in den
Hintergrund gedrängt hat. Von deq marokkanischen Mittclmeerhäfen kommt
nur Tetuan in Betracht; weitaus wichtiger sind aber die atlantischen:
Tanger mit tiefem und stets zugänglichem Hzfen; Rabat, die Perle der
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86
Litteraturbericht Nr. 369—371.
marokkanischen Küstcustädte, dem eine große Zukunft bcvnrstoht, wenn
einmal Marokko das Verbot der Getreideausfuhr aufliebt, ein Verbot, das
allein für Maugan nicht besteht; ferner Safi, der »eichte und wenig ge-
schützte Hafen der Hauptstadt Marokko, und endlich Mogador, der Haupt-
markt für den sudanesischen Straußfvderhandel.
Die biutienländiachen Endpunkte sind Wadat, Bornu, die Haus**-
Staaten und die NigerlÜndcr, vor allem Timbuk tu.
Cberblickt man die Strafienxuge auf einer Karte, so fällt einem sofort
das dichte Netz nördlich rom 25. Parallel auf. Hier haben sich eine
Reihe von Handelsplätzen entwickelt, die ihre Bedeutung teils ihrer iand-
wirtschaftlichen und industriellen Thiitigkrit, teils ihrer I*ge am Kreuzung»*
punkte viel besuchter Straften verdanken. Audschila; ferner Murauk,
Ghit und Ghadamr-t, die drei Mittelpunkte des Handels nach dem mitt*
lern Sudan; Wargla, das durch eine Eisenbahn mit Constantine verbunden
werden soll; Suf mit ausgedehntem Wollhandel; das ebenso fruchtbare, als
in Weberei tüchtige Biskra; Laghunt (oder El Aghuat), wo die Boden*
kultur rati«Deller betrieben wird, als an irgend einem andern Wüstcoort; die
wichtigen TransitbandeDplütze Ain Saiah und lamentit; Tarudant im Silz,
der einzige Industricort der marokkanischen Sahara 4c. Der jährliche
Warenumsatz von ühit wird auf 20» von Ain Saiah ebenfalls auf 20, von
Mursuk auf 15 und von Ghadames auf 12 Millionen Frank veranschlagt.
Smjmn.
369. De Crozals, Lu commerce du sei du Snlmra au Sou-
dun. (Revue du Geogr., Paris 1886, Bd. IX, S. 241 i
und 326.)
Eine der wichtigsten Naturgabcu der nordafrikaniichen Wüste ist be-
kanntlich das Salz, das einen ausgedehnten Exporthandel nach dem Sudan
unterhalt. In der weltlichen Sahara wird in der zweiten Hulfte des 15. Jahr-
hundert» Tegazza als wichtiges Salzwerk genannt, and Barth identifiziert
damit das bereits im 11. Jahrhnudert erwähnte Tatental. Im 11. Jahr-
hundert wurden auch die Malzminen von Tauteck und im 10* Jahrhundert
die von Aulil ausgebeutet. Im Jahre 1590, ob Tegazzu aus unbekannten
Ursachen verschwindet, tritt das Stcinmlzlogcr von Tandem (nach Barth |
70 milra S von Tegazza) die Erbschaft von Tegaxxa an uud hat bis zum
heutigen Tag den ersten Hang in der westlichen Sahara, wo außerdem noch
die Salzpfanne von Idvrhil (Hauptinarkt 'IW hu) ausgebeutet wird, behauptet.
Die mittlere Sultan liefert neben Kochsalz auch Natron. Von geringer Güte
ist das Natron feld von Air. Wichtig sind dagegen die Salzraincn von Aroad*
gbör, die einen Jahrhunderte alten Handel unterhalten. Aus den Natron*
aeen in Fessan wird Tripoli versorgt ; stark salzhaltigen Boden findet man
auch in der Hofra, und auch die Kufra* Oasen besitzen Salzseen, denen i
aber nur eine lokale Bedoutung xukorarat. Was Tandem für den Westen
i«t, ist Bilroa, dessen Salzhandel in den Händen der Tuareg» liegt, für
die mittlere und Östliche Sahara. Weiter nach O finden wir Salz in der
Oase Uudu in ßorku und Natron zwischen den Oasen RHrbo* und Wun.
Noch woit«?r östlich liegen die geschätzten SalxDg<r von Demi und Fodi-
Integiding, deren Handel nach Wadzf Billia vermittelt. Für Darfor sind
die Salzbrunnen Bir el Attron und Bir el Malha von gröberer Bedeutung;
letzteres liefert auch Ägypten schönet Natron.
Ganz salzlos ist auch der Sudan nicht. Salzlachen finden sich im Thal
von Fogha in der Provinz Kubbi, und Natron im nördlichen Bomu bei Neu*
Bunc, Magadjiri und Gadabnni. Ein Natronsee liegt auch in Kauern zwi-
schen Galo und Mao, aber er liefert nur eine geringe Ausbeute. In Bu-
manda am Rennt* (Ausfuhr nach Adamaua), in Miltu in Bagirmi, in Lagone
und östlich vom Tsadaee wird Sali aus der Asche gewisser Pflanzen gewonnen.
Einer ähnlichen Industrie begegnen wir im östlichen Sudan, die zur Zeit
Kotechy* besonders in der Umgebung des Djebel Araich-Kol (14° B., west-
lich vom Weiften Nil) blühte und auch für einen beträchtlichen Eiport
arbeitete. Im Altertum wurden auch dio Salzlager in der Nähe von Schcndi
(Mcroe) ausgebeotet. Suport.
370. Christ, Eine Erlihlingsfnhrt nach den Canarisohen
Inseln. Basel, Georg, 1886.
In höchst anziehender Weise schildert der bekannte schweizerische
Püinzengeograph Land and taute der Uauarcn, namentlich aber die Püan- j
icnwelt, und unterstützt seine Erzählung durch eine Heihe gut autgefuhrter
Abbildungen nach eignen Skizzen ; kurze Teito bezeichnen jeden henorra-
genden Gegenstand ouf den Bildern — ein sehr nachahmenswertes Beispiel.
Die Phoncrogamenflora der Omaren zählt (nach Webb und Berthclot, 1842)
977 Arten; davon sind 386 eingewandcTte oder «ungefiihrte Unkräuter, 269
nur canarßch und 332 atlantisch (gemeinsam mit Azoren und Madeira).
Die Herkunft der Mitteiraeerelemexite »ö der endemischen Flora (Holunder,
Arabis, Fcatuca) UCst »ich weder durch eine Laudverbindung mit Afrika, 1
wo dies« Formen fehlen, noch durch Strömungen, noch durch Winde er-
klären; daß aber Beziehungen mit dem Mittelmeer bestanden, zeigt auch
die niedere Tierwelt. Das Klima hat diese nordischen Elemente zu perrn-
nietenden, baumartigen Gewächsen mit groben Blättern und Blüten um ge-
staltet. Andre einheimische Pflanzen weisen auf Süd- und Ostafrika, auf
die Antillen, Amerika 4c. hm. Mit der europäischen MiocünÜora hat die
canarischc nur wenig gemein. Ganz im Gegensatz zu den andern Inselfloren
finden sich hier gerade die charakteristischen Geschlechter durch zahlreiche
Artenrrihen vertreten. Größtenteils im Anschluß an Webb und Berthelot
unterscheidet der Verfasser folgende Hegionen ; l) Kegiou unter den Wolken,
bis ca 700 m Höhe, afrikanische Strand* und StcppcnHanxeo , die meisten
endemischen Strnucher , Succulenten und der Drago ; Hegion der Kultur-
ptlunzm, die der Bewässerung bedürfen; 2) Wolktnregion, 700 — 1600 m
(untere Grenze des Winterschnees), Kegion des atlantischen Lorbcerhainm
(eine Trennung in Wald* und Buschrnginn ist aber nicht statthaft. Hoch-
wald in den Tbllcrn, Buschwald auf den offnen Holden); Getreide, Kartoffel
und Lupinen bis 1100 m; 3) Region über den Wolken, 1600 — 2800 m,
BU 2000 m reicht doT Waldgürtel der canarischen Fohre, die zwischen den
zentralamerikiuibchen dreinadeligen Kiefernarten und der mediterranen See*
stTanduföhie vermittelt (im obem Tertiär auch in Südeuropa}, und dann folgt
die Hegion der Ketania-fk&tände.
Das kurze Kapitel über das Klima enthält die Temperatu rmesmngen
von Honegger in Puerto de Orotava (1872 — 76), die allerdings schon iss
Buch Ton Morcet (1883) mitgcteilt wurden. Jahr 20,15°, Januar 16,7*,
April 18,6V, Juli 23,6° (August 243°), Oktober 21,4**.
Von dem Charakter der Bewohner weifs der Verfasser nicht genug
Rühmenswertes zu erzählen. Er ist der Ansicht, dufs die Urbevölkerung
besonders auf Palma, Gomert und Hieno noch ziemlich rein erhalten ist,
und dafs nur der Adel vorwiegend spanischer Abstammung ist. l)ic jetzigen
wirtschaftlichen Zustände sind ziemlich trauriger Natur: Zwiebel und Kar-
toffel, die in kleinen Barken mit lateinischem Segel nach Cuba und Puerto
Rico verschifft werden, sind die einzigen Ausfuhrartikel. Noch immer h<»lft
man auf eine neue Bliiteperiode der Koehenillenzueht, und venÄumt e>, an
Stelle der KaktuskuHurcn einträgliche Wein- und Maulbcerpflonzuugen zu
setzen. Supan.
371. Körper, Mission agricole et zoot-echnique dans lo Sou-
dan Occidental, 1884 — 85. Paris, Cballamel aine, 1886.
Boden und Klima machon die französischen Besitzungen am obern Se-
negal und Niger zn einem außerordentlich fruchtbaren Luid. Der Boden
ist in den hohem Partien sandig-tonig und mit starkem Humusgehalt , in
den übrigen Teilen aber tonig-sandig. Der Mangel an Kalkgehalt erklärt
es, dafs die Aubauversuche mit Weizen und Gerste mißglückt sind. Das
Klima wird durch eine scharfe Einteilung des Jahres in eine trockne und
eine Regenzeit (Juli bis November) charakterisiert. Zwei Driltel des Lande*
können noch kultiviert werden; das übrige Drittel ist teils schon bebaut,
teils wird es, wenn auch wahrscheinlich mit Unrecht, als steril angesehen.
Unsicherheit und die Faulheit der Kingebomen bindern hauptsächlich die
Entwickelung des Ackerbaues; der erstere (‘bei stand ist durch die Okku-
pation gTÖfstcnteils behoben, und in der Th&t bat sich die Fläche des be-
bauten Landes um die Hälfte vermehrt. Am obern Senegal wird im Juni
und Juli gesäet und im September oder Oktober geerntet; es liefse sich
aber noch eine zweite Ernte im Januar oder Februar (Aussaat iro Oktober)
erzielen. Dos einzige Ackergerät der Kingebomen ist eine Art Hac-ke mit
kurzem Stiel; ein andrer CboUtand ist die ungenügende Aufbewahrung der
Ernte.
Die wichtigsten Ackcrbauprndukto sind Reis, der fast überall, besonders
aber ln der inundierten Thalebene d« obem Niger angebaut wird, Mais io
zwei Arten (der gelbe dient für dio Menschen, der weifse für die Tiere
alz Nahrung) und Erdnüsse. Von den Hondelsptianzen gebührt der erste
Hang dem Tabak, der jetzt noch eine untergeordnete Rolle spielt; die zweit«
der Baumwolle, die im wilden Zustand, wie kultiviert vorkommt. AD Rein-
gewinn pro Hektar wird berechnet fUr Tabak 1515, Reis 400, Banrowolle
300, Mais 160, Erdnüsse 135 Frank. Die Garteokultur Dt am obere Niger
mehr entwickelt als am obem Senegal; Versuche lehrten, dafs alle euro-
päischen Gemüsearten hier gedeihen.
Aufser dem Ackerbau beruht die Zukunft der Kolonio auf der Riodvieb-
uod Schafzucht ; namentlich dürfte die Woll Produktion sehr wichtig werden.
Die Hauptfrage, die hier zu loten Dt, Dt die Futteibearhaffung. Die Tiere
sind nur auf die Weide angewiesen, welche (mit Ausnahme des feuchtem
obem Nigerthaies) gegen Ende der Trockenzeit keine Nahrang mehr bietet.
Abhilfe konnte durch künstliche Bewässerung getroffen werden: schneller
fuhrt zum Ziele die Anlage von Silo» (unterirdische Korngiuben) zur Auf-
bewahrung von Mai» und dem Stroh der Erdnüsse; für den Transport wird
die Maultierzucht mit Hilfe von Guinea -Zuchteaeln empfohlen. Endlich
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Litteraturbericht Nr. 372 — 378.
87
fordert der Verfasser im Interest« der Kolonie dir Anlage vor. Ackerbau-
Stationen und die Eröffnung von Handelswegen nach Nioxo und Timbo.
$UJKM.
372. Bois, Senegal et Sondan. Paris, Challamel atne, 1886.
Die erete Hilft« der Schrift des frühem Betriebschef* der Eisenbahn
Dakar — St. Louis ist eine hDtortehe Darstellung der öffentlichen Arbeiten in
der Senegalkolonie : der Militäratationeo, Strafsen- und Brückenbauten, Eisen-
bahnen und Telegraphen, Brunnenbohrungen und der Hafenanlage von Dakar.
An der Eisenbahn Dakar — St. Ixmis, welche die reichste Ackerbauzone durch-
•chneidet , haben sich Tinos, Tiruuane und M'Pnl bereits zu wichtigen Han-
delszentren entwickelt. In der zweiten Hälfte werden die Bahnprojekte nach
dem Sudan und koloniale ZukunflspUoe besprochen. Der Bahn Kayes — Baut-
mako, die nach abwärts bis Mafu, bis wohin dor Senegal das ganze Jahr
befahrbar i st, verlängert werden raubte, um aber auch dann noch unter den
Kämpfen mit den Puts zu leiden, wird das Projekt Thies — Fatik — Koolak —
Baiumako entgegengoidoUt. Durch die Buhn nach Ktudak würden die reichen
Länder Sine und Salum ungleich besser erschlossen werden, als jetzt durch
die geführdete Schiffahrt auf dem Salum. Die Verlängerung nach Uonnnako
führt zwar durch die ungastlichen Länder der Niunti und Woti, deren Wert
sich aber unter dem starken französischen Schutz heben dürfte. Das fran-
zösische Kolonialreich der Zukunft denkt sich der VerÜMMT östlich bis zum
Tsadsec und südlich bis zum Beuuü und parallel von Bu&saug ausgedehnt.
Supatu
373. Binger, Essai sur la langue Bambara. Paris, Mai-
sonncuve freras & Ledere, 1886.
Auf eine kurze ethnographische Einleitung, die von einem Kärtchen
der Verbreitung der Mandingo und Falbe begleitet wird, folgen eine Grammatik,
eine Sammlung von Redensarten und ein Wörterbuch der Baiubamspracbe,
wie sie in Kaarta und Bcledugu gesprochen wird. $ujxim.
374. Chaper, Kapport sur unu mission scientifiquo dans
le territoire d’Assinie. (Ardi. Missions scientif. 1885,
Bd. XII, S. 1, mit 1 Kart« in 1:400000.)
375. , Note sur la Geologie de la possession fran^aise
d’Assinie. (Bull. Soc. geol. de France, 1885/86,
Bd. XIV, S. 105.)
376. , Constatation de l’existence du terrain glaciaire
dans l’Afriquo equatoriale. (Comptes rendus Aoad.
d. Sc. 1886, Bd. CIT, S. 126.)
Der Strand der Oberguinca-Küste wird gebildet von feinem Quarziond,
der unter Beihilfe der nach 0 laufenden Kiistenstronmng angehauft ist.
Kur stellenweise Dt die Küste felsig. Das Kap Palmas besteht aus Amphi-
bolit-Diorit mit einer horizontalen Einlagerung von Quarz und einem eisen-
haltigen Gestein, und die Vorsprünge zwischen Axim und dem Kap St. Paul
aus Granit. Die Klippen an der Küste von Drcwin bestehen im Liegenden
ans einem weiten Gestein und iu Hangenden aus uahexu horizontal ge-
lagerten roten Schichten (Sandstein ?). Bei Assini Dt die Brandung schwächer
und die Wassertiefe bedeutender, als bei Grofs-Baasom, und etwa 9 Monate
des Jahres können Dampfboote in die fischreicho Lagune einlau/en. Die
wahrscheinlich ältesten Gesteine des Untergrund» wurden nur in den Strom-
schnellen bei Aboipo beobachtet; cs sind roetamorphische sandsteioartigo
Schiefer mit Hornblende und Epidot, welche in eine Falte eines epidot-
reichen Granulit* cingeprefst erscheinen. Sonst finden sich als Untergrund
nur stark zersetzte blätterige Schiefer and Glimmeraehiefer mit mächtigen
Quarzaderc. Die jüngem Bildungen, dio man m den Fluteinschnitten beob-
achten kann, aind a) im Liegenden horizontal geschichteter Thon ohne Ge-
rolle, und darüber b) eine homogene Lehmma»« mit regellos zerstreuten
eckigen Kieselgeechieben von den verschiedensten Dimensionen, die Cluper
ihrer Beschaffenheit wegen für glazialen Ursprungs erkürt. (Es sei hierzu
noch bemerkt, dafs die Felsen bei Aboisso wohl durch das Wasser geglättet
sind, aber keino GleDehcrspuren zeigen.) Lehm erscheint somit alz die vor-
herrschende Bodenart; nur der Strand, einige Partien der Laguneuebene
und die Flufsbette bestehen aus Quaraand, der ebenso, wie dor Geschiebe-
ühm goldhaltig Dt. Sie werden auch von den Negern ausgebeutet, sind
ober für europäische Begriffe wertlos.
Die Bewohner zeigen sich schon der oberflächlichen Beobachtung als
eine Miwhrasse. Sie stehen unter einem absolut regierenden König. Die
Sklaven sind teils gekauft, teils Kriegsgefangene. Die Ehe wird ohne Zere-
monien und nur auf Zeit geschlossen, doch scheint die Frau einigen Kinlinfs
zu besitzen. Der Verfasser behauptet zwar, die Eingebornen hätten keine
Religion, aber er spricht von Fetischen und vom Glauben an böse Geister.
Das Volk ist sehr reinlich; Seife Dt ein wichtiger Einfuhrartikel. Die Nah-
rung besteht fast atuwhlie blich aus Bananrr. ; Piment spielt nicht nur als
Gewürz, sondern auch als Arznei eine grote Rolle ; freilich erweDt rie rieh
machtlos gegen die weitverbreitete Syphilis. Geld ist unbekannt. Die Haupt-
anafuhrartikel sind Palmöl und -kerne. Goldstaub und etwas Elfenbein. Kaut-
schuk dürfte in Znkunft von Bedeutung werden. — Ziemlich reichhaltig
sind die zoologischen und botanischen Notizen. Die Elefanten streichen
manchmal bD in die Nahe der Lagune. Dir Flufspferde der Lagune sind
wahrscheinlich schon ausgestorben. Die Zahl der gesammelten Pflanzen-
arten beträgt 08; davon sind 31—37 Farne. Supan.
377. Pechuel-Loesche, Zur Geologio dos westlichen Kongo-
gebiotes. (Deutsche Kuudschau f. Geogr. u. Statistik,
188G, Bd. VIII, S. 289, mit 1 Karte in 1 : 3 Mül.)
Die Karte stellt die geographische Beschaffenheit dw Küstenstriches
von 3U 25' bis 7° 45' S. und die unmittelbare Umgebung des Kongo bis
Stanley Pool hinauf dar. Das Gebiet zerfällt io zwei Hauptteile: l) dos
KIDtenvoriaud, ein flachwelligc* Hügelland von ca 100 m mittlerer Höbe,
aufgebout aus dichtem Latent in sekundärer Laserung. Au einigen Stellen
südlich dem Kongo stehen auch dichte Kolke ou, und östlich von Muserra
erhebt sich an* dem Latent ein Granitstock ; 2) das Randgebirge, welches vom
Kongo durchbrochen wird, besteht aus zwei tektonisch verschiedenen Teilen.
Vom FetDchfelscn unterhalb Roma bD lazngila reicht die Zone der kristalli-
nischen Schiefer (vorherrschend Glimmer- und Homblendeschiofer). Der
Fall bei Isangila wird durch einen mächtigen DiabasrifT verursacht. Dann
folgt bb Kalubu die Zone der kalkreichen Tonschiefer und der Grauwacke,
die eben«o wie die kristallinischen Schiefer gefaltet sind und nach SW ein-
fallen. Oberhalb Kalubu beginnt die Zoue des horizontal gelagerten roten
Sandsteines. Die erste und zweite Zone wurde ebenso südlich bei Bentbe
und nördlieh am Kuilu wieder gefunden. Das ganze Rand gebt rgr wird von
Latent (in ursprünglicher JAgcrnng) bedeckt. Supu*.
378. Pechuel-Loesche, Die Vegetation am Kongo bis zum
Stanley Pool. (Ausland 1886, Bd. LIX, S. 381 und
403.)
ltw <l*in Inter*«*, welche« der Kongo für «ich in Anspruch nimmt,
beginnen die Fragmente «einer Flora und Kulturen «ich tu mehren. Im vorigen
Jahre brachten die „Happort* prtliminaires* de* internationalen Kongress«
für Botanik und llortikultur tu Antwerpen (S. 377) einen Bericht Uber die
Vegetation »m Kongo von Baiun» bi» tum Stanley Pool ton Monkemeyer,
der mit Spezialanftrag «1« Agronom von der Association internationale du
Congo dorthin gesendet war; wir linden darin eine kurte Lanrivhafts-Schil-
derung de* Flufslhales und Aufzählung der wichtigsten Pllanzen. — Eine
ricl umfassendere Schilderung, wolchc ton dem Flufathaln selbst weit hin-
Ubergreilt tu den Plateau« und BergUindem des Innern, hat jetzt Dr. Pechuel-
Loesrho geliefert, der durch seine ptlantengoogruphischen Arbeiten in dem
Loango-Hspeditioniwerke dazu berufen war. Wie die Eingebornen dort nur
Urasfloron {Kampinen) und Wald unteracheiden — vgl.-Geogr. Jahrbnch für
1884, S. 183 — , »o gibt es auch hier im Bereich einer ausgeprägten Trocken-
seit nur Grasland, da, wo Grundfeurhtigkcit in Thslem und Senkungen
der Vegetation Uber die Trockcnaeit hinweghilft, Galerie Wälder, und
nur im Gebiet« steter Niederschläge eehte ltogcnwiilder. letztere sind
im Kongogebiete «eiten, nur als Buschwidder an einigen Stellen des Ge-
birges vertreten, wo sie in Form von Waldkappen wenige Gipfel der höchsten
Bergzüge schmucken (s. S. 4080- Mit „Savanne“ bezeichnet Verfasser hier
dos Cbergangsglied zwischen Steppe und Wald, waldbedeckte* , aber durch
grobe Grastlüehen unterbrochene* Gelände von paikaitigem Aussehen; da-
gegen bezeichnet rr die Grasfluren kurzweg als „Steppen“, obwohl hohe
Gräser überall in ihnen zerstreut sind ; allerdings wild ihr Aussehen als das
von offnen, die Aussicht nicht auf enge Känme beschränkenden Land-
schaften charakterisiert, ja os linden sich stellenweise sogar vegetationslose
Stellen; aber dennoch sieht Referent nicht ein, warum Verfasser hier von
dem bezeichnenden Ausdruck der „Kampinen* abgewichen ist, auroal buschige
Holzpllanzen zerstreut oder gesellig die Grasduren durchsetzen.
Alle hervorragenden Pflanzenarten dieser Formationen werden anfgo-
zälilt und in ihrer Verbreitungsweiae geschildert.
Von Einzelbemeikungan ist der Hinweis für die Reisenden wichtig,
dafs mehr Mühe auf die Schilderungen in der natürlichen Vegetationsan-
ordnung der Formationen zu verwenden »ei als auf vereinzelte meteoro-
logische Beobachtungen, um den Kulturwert eines Gebiete« rasch zu be-
urteilen. Ferner dio Andeutung, dafs in den Kola-Nüssen und dem Neger -
kiffte von Cassia occidentilia Genufsmittel enthalten sind, die vialleicht
auch über das tropische Afrika hinaus Verwendung verdienen. Drude.
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88 Litteraturbericht Nr. 379—384.
379. Zintgraff, Kurpermussungen von Negern am Kongo.
(Verh. Berlin. Oes. f. Anthropologie &c. 1886, S. 27.)
Mit Auinohroe von Felkin hat noch niemand *o eingehende, cyitema-
tische und umfangreiche Korpermewungen iro tropischen Afrika angestellt
als Zintgraff. Wir können uns hier nnr auf einige allgemeine Resultate
beKhranken, wobei wir uns auf Welkere Einteilung stütxen.
M'Bonu . . .
Dollcho-
ccpbal.
G
Meio-
ccphal.
5
Mlttlorvr Mittler» Körper-
Breltrnladcx. hiihc.
75.S 1644 mm
8. Salvador . .
5
—
70,7
1664 .
Loango ....
1
t
—
— m
Kabinda . . .
2
—
—
— w
Kru-KiUte . . .
2
2
78.0
1703 „
Lu man) i , . .
—
1
—
H
Unterer Kougo
1
—
—
380. Diu Reise
S. M.
Korvette
„Frundsberg“
Supan.
im Koteu
Meer und
nn der Ostküste Afrikas ,
1884 — 85.
Pola 1885.
Die Hauptaufgabe war die Untersuchung der HandeUvcrhaltnuse. In
dieser Beziehung unterscheidet steh das Kote Meer mit seinem schon lange
erschlossenen Handel , der wesentlich in den Bereich der Levante fällt,
gänzlich von Ostafrika, wo alles erst im Werden begriffen ist. Am Koten
Meere ist der erste Importhafen noch immer Djidde, während ihm im Ex-
port Suakin und Massauu den lUng abgelaufeu haben. Noch werden in
Djidde jährlich etwa 60uo Sklaven aus Kordofan und dem Innern Afrikas,
meist Kinder bis zu 12 Jahren durch arabische Schrouggelschiffe (Sambuks)
cingeführt. Der Sklavenliandcl blüht auch noch in Suakin nnd Mocam-
bique. An der ostafrikaaischen Küste wurden Mombasa , das gänzlich
verödet ist, aber wegen günstiger Lage bedeutend werden könnte, Sansibar,
Mocambique (ein Hauptmittel gegen die gänzliche Stagnation dieses Orte«
wäre dessen Verlegung an dio Festlandsküsto), ferner (otnoro, Johanna-Insel,
Mjyottc, Mojanga, das durch dm französische Invasiou sehr gelitten hat,
aber der natürliche Hofen der Hauptstadt von Madagaskar ist, Bossi-B4
und Mähe besucht, über die Handelsartikel und auch sonstige interessante
Verhältnisse, wie Bodenbau, Industrie und Bevölkerung wurden sorgfältige
Aufzeichnungen gemacht. Von Bevölkerungsaugalmn linden sieh folgende:
Hodcidah (Arabien) 25- bis 30 000 (41 Europäer, meist Griechen), Suakin
5000, Mussaua 3- bis 4U00 (62 Europäer, meist Griechen), Mombasa 6000,
Bagamoyo 10* bis 12 000« Mocambique 8000 (180 bis 200 Europäer),
Mroni (Insel Comoro) 8000« Mojanga (Madagaskar) 2000 Kinwohncr.
Supati.
381. Aubry, Happort sur 1« Cboa et les pavs Oallas.
(Archiv. Missions scient. 1885, Bd. XII, S. 407.)
382. , Observations geologiques sur les pays Dana-
kils, Somalis, le lloyaurae du Cboa et les pays Gal-
las. (Bull. Soc. G<$ol. de France 1885 — 86, Bd. XXV,
S. 201 , mit 2 geolog. Karten u. mehreren Profilen.)
383. Douvilie, Examen des fossiles rappories du Choa par
M. Aubry. (Ebend. S. 223.)
Die Beobachtungen Auhrys auf seiner Forechungsreiae von Obock nach
dem *udalic*sini*cheu Hochland in den Jahren 1883 — 85 ergänzen in er-
wünschter Weise jene von Blanford in Nordabcwimen (1868), so daf* wir
jetzt sogen können, dafs wir den geologischen Bau Abeasiuiens in »einen
Grundlagen keimen.
Die tektonische Hauptlinie dieses Gebietes ist die grofse Verwerfung,
welche den Steilabfall des abessinischen Hochlandes gegen das Danakil-
plateau bildet, und die — wie dio Beobachtung bei Farrc in der Nähe
von Ankober zeigt — mit beträchtlichen Schichtenstörungen in Verbindung
steht. DourilU vermutet, dafs diese Bnichlinie sich einerseits bis Mombas
fortsetzt, anderseits mit den Grabenversenkungeu des Boten Meeres, des
Jordanthaies und Cölesvriens zuiamraenhängt. Auch die Verteilung der jun-
gen Vulkanberge Abessiniens ist an meridionale Bruchlinicn gebunden.
Die Grundlage des abeminischen Hochlandes bilden kristallinische
Schiefer, welche ira ganzen Sudan bis zum Lande der Niam-Niara herr-
schen and auch in Nordabeminicn an der OberflScheugestaltuug teilnehmen,
während sie in Schoa und im Gallasiand nicht zu Tage treten. Auf den-
selben ruht das (paliontologisch nachgewiesene) mesozoische System, wel-
ches am Nord- und Westrande, sowie durch die Erosion in den tief eingo-
achnittencn Thälcrn des Blauen Nil und seiner Nebenflüsse Dschatnma und
Muger, und des Gibbi erschlossen ist. Dasselbe besteht in zufsteigemler
Linie : a) aus Sandsteinen in Verbindung mit Dolomit und Gips, «t-
sprechend Blanford« Sandstein von Adigrat (Trias, vielleicht auch noch
Lias); b) aus jurassischen Kalksteinen, teils kristallinischer, teils mergelig-
sandiger Beschaffenheit und gleichalterig mit dem Antalo- Kalkstein in Nord-
abexsinien. Sie gehören den Etagen Bajocian, Bathonian (unterer und
mittlerer Dogger) und Corallian nach Aubry oder Astartien nach Dourülä
an. Wie die TViawandsteine und die vulkanische Decke sind auch sie
horizontal gelagert; da sie aber bei Antalo in Nordtbeasinira in 2600 n
und in Schoa aehou in I80i> m Seehöhe erscheinen, so haben sie in
Wirklichkeit eine kleine südliche Neigung von ea 0° 7'. Auf diesen Sedi-
mentgesteinen lagert sich, die obersten Partien des abessinischen liochlis-
des bildend, die vulkanische Decke, welche der Magdala- Gruppe Blacfonb
entspricht, wahrend die Asehangui-Gruppe (mit geneigter Schichtenstellung)
in Südabessinien fohlt. Diese Decke besteht von unten noch oben a) m
Konglomeraten und Tuffen, b) aus Khyolithen, Obsidian und Trachytec,
und c) aus Änderten, Labradoriten und Basalten, und wird als gleichalterig
mit dem Dekan-Trapp bezeichnet. Am Blaueo Nil (1200 m Seehöhe) ist
die Mächtigkeit der drei Hauptglieder folgende: Trias 5UU m, Jura 700 ra,
vulkanische Gesteine 300 m (an andern Stellen 5- bis 900 m).
Bin vollständiges geohvgischcf Profil des Gebietes östlich von der
abessinischen Bruehlinie erhielt Aubry am Assalsee (170 m unter dem
Meeresopicgel). Das Gebirge daselbst besteht aus basaltisch - trochytiaehec
Massengesteinen und Schlackenanhäufungen in horizontaler oder geneigter
Lagerung, in welche sandig - mergolige Tuffe mit jungpliocänen Süf*was»er-
Konehylicn eingeschaltet sind, und welche auf ältern pliodtuen Tuffen und
Süfs- oder Brackwasserablagerungen ruhen. Der offenbar im Austrocknen
begriffene Armüjmw ist ringsum von einem Gipsrand und im W außerdem
noch von einer SalzabUgernng begreozt. Die jnngplioeänen Tnfle setxea
nur das Danakilplatcau (ca 800 m hoch) bis Schoa zusammen. Hier er-
scheint das Pliocän in einem mehrere hundert Meter tiefem Niveau, als
| die Trias in Südabcninieti.
Eine negative Nivcauvertindcrung in quartärer Zeit lwzrugen dio Ko-
rellenfelsterrassen bei Obock, welche rezente Fossilien enthalten. Die erste
Terrasse hat eine Seehöhe von 15 — 25 m; 250 m landeinwärts steigt
die zweite Terrasse, die «ich 25 km landeinwärts bis zum vulkanischer.
Gebirge erstreckt, 40—50 m über dem Meeresspiegel nn. Der spalten-
reiche Korallenfels wird von Löfs überlagert und ruht auf einer gelblichen
Thonschicht, welche die artesischen Brunnen speist. Suyin.
384. Johnston, The Kilitnu-Njuro Expedition. Mit 6 Kar-
ten und zahlreichen Abbildungen. London, Kegan,
Trench & Co., 1886. — Autorisierte deutsche Aus-
gabe von W. v. Freeden. Leipzig, Brockhaus, 1886.
Um ui höher die Flat der KeUebericbte anschwillt , am so empfeh-
lenswerter ist es, euch «ritterlich die wisseruchiftlicheu Ergebnisse von der
Hciseschilderung tu trennen, wie die« Johnston getban hat: ein Beispiel,
wetehe« freilich nur diejenigen nachahmen können, die Uber etwas mehr
als über Abenteuer and dürftige ethnologische Beobachtungen tu berichten
haben.
Seine Hauptaufmeiksamkoit hat der Verfasser der Vegetation, der Tier-
welt nnd den Menschen angewandt. Die wenigen Qesteinsproben , die er
rom Kilima-Ndarharo raitgebracht , wurden meist als Andesite orkannt.
Von «einen Thermometrrablesuugen teilt er die Maxima und Minima mit:
nabe Max. Min.
m
Ebenen zwischen der Küste und
dem Kilinia-Ndseharo ... — 32.S'' —
Taweta — 32, , IW®
Kilima-Xdscharo, Moschi . . . 1501) 26, T 12.)
„ höhere Stationou 3U50— 3350 18,1 — 1.7
In Mosclii am Südabhang de« Gebirges, wo er von Juni bis September
verweilte, ergaben «ich folgende Mittelwerte : G- 14,4°, mittag* 21, 7C»
8P IW“. Zwei Hegenzeiten, die «in« im nordhemisphSrischeu Spltherbst,
die andre im Frühjahr, lassen sich sowohl au der Küste, wie im Binnen-
land erkennen, aber dort gibt cs nur eine eigentliche Trockenzeit (Jnni
bis September). Im Ndscharo- Gebirge regnet es in allen Jahreszeiten.
Der höchste Gipfel, Kibo (5760 ®), trägt immer Schnee, aber dessen uo*
toro Grenze Ixt fortwährenden Schwankungen unterworfen, so dafs nur.
von einer eigentlichen Schneelinie nicht wohl sprechen kann. Der zweite
Gipfel, Kimawentl (4950 m), hüllt »ich nur vorübergehend nach Kegen in
Schnee, und gelegentlich auch der im SW gelegene Berg Mern. An den
westlichen Abhängen sind die Schnccmassen bedeutender and reichen tiefer
herab als auf den östlichen.
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Litteraturbcricht Nr. 385—388.
89
Der Vf getationscharakter schliefet sich eng au die Uegenrerteilung an:
die Küste und die Gebirge Waidland, die trockne™ Ebenen (Sjika) halb
wüste Savannen und nur in den Flußthüleru mit Wald bedeckt. Die un-
teni Abhänge des Kilima-Ndxcharo mit ihrem saftigen Grün erinnern an die
südwestlichen Gegenden von England. Auf die echt tropische Region folgt
nach oben die Region der Wilder von Bnumfarnrn (bi* 2400 m), Drachen-
bäumen und Mimoson ; dann die gemäßigte Region mit Heidegewucbsen, Hunds-
zungen. Vergißmeinnicht, Veilchen, Butterblumen, Karnen (bU 4000m) &c.
Über 4.500 m Hohe findet man nur noch Arteiuirien, Heiden und Stroh-
blumen. die endlich der allcinherrechcndcn Flöchte weichen. Die Flora
der hbhoro Regionen bat ebensoviel Verwandtschaft mit der südafrikanischen,
wie mit der abcssinischco ; intere*«ant ist die Beobachtung, wie Pflanzen der
hohem Regionen nach abwärts uud tropische Gewächse nach aufwärts Vor-
dringen. und sieh dabei den veränderten klimatischen Verhältnissen anpassrn.
Von den 485 Arten, die Oliver und Baker bearbeitet haben, kommen nur
80 in 3000m Höhn und darüber, und nur 13 in mehr ala 4000 m Hohe vor.
Zwei Arten, mouotypßchen Familien ungehörig, sind ganz neu (die L#gu-
ruinöse Hormolutu* Johnstoni, und die Composito Axtephani« africana), eine
Art (Anisotes parrifolius) ist auch neu, gehört aber einer in Arabien und
auf Soeotra einheimischen Gattung an ; endlich ist die Existenz der Fa-
milie Valeriana im tropischen Afrika hier zum erstenmal nachgo wiesen. Auch
die zoologischen Sammlungen, die ebenfalls von Spezialisten bearbeitet wur-
den, sind ziemlich reichhaltig; neu sind 3 — 4 Arten von Schmetterlingen,
6 Insekten, 3 oder 4 Vögel und l Varietät der Affenart ColobtLI guereza.
Die Leopardeu kommen bis 2450 ui, die Schmetterlinge bis 2500 — 2800m,
die Elefanten bis 40<H)m, die Kudu-Antilope bis 4300m Höhe vor, und
dieselbe Höheogreuxe haben auch die Bienen und Wespen. Sehr bemer-
kenswert ist die fast gänzliche Abwesenheit giftiger Schlangen und schäd-
licher Insekten.
Die Waldgcbietc werden vor. einer ackerbautreibenden, die Njika von eiuer
b&lbnomadischen HirtenbevÖlkerong bewohnt. Die erstere gehört vorzugs-
weise den Bantu*, die letztere den MosxAi* an. Doch sind von den letztem
die uuter dem Namen Wakuaß bekannten bereits rutn Ackerbau Ubergo-
gangen, und zu einer solchen Veränderung der ]«cl>encwci*e werden sieh
auch die andern Massais, hauptsächlich gezwungen durch die Viehseuche
und durch die Unmöglichkeit die Haubxügc weiter uuszudehnen, bald be-
quemen müssen. Die Bantu werden als ein im hohen Grade kulturfähigea
Volk bezeichnet. Ein merkwürdiger Obcnest früherer Völkerverbreituug ixt
die ganz isolierte Schilukbevölkerung von Kavirondn (östlich vom Ukerewe) ;
ebenso isoliert und unerforscht sind die Wumbugu westlich und nordwest-
lich von Usamb&n. Überbleibsel einer alten Bevölkerung sind auch die
unter den Maxjuis und Gallas zerstreuten Helntenstämtne, die sich körper-
lich und sprachlich von ilireu Herren unterscheiden, aber auch der Sprache
der letztem sich bodionen. Zwei Kärtchen stellen die Verbreitung der
Massai- und Bantusprachen dar: letztere weicht von der Karte in Ratzels
, Völkerkunde • nur östlich vom Ukerewe etwas uh. Zu den Maxsaisprachcn,
als deren nächste Verwandte der Verfasser die Dinka- und Schiluk-Dialekte
und die Gallaxprachc erklärt, zählt er (nach Lcpsius) auch den Buri- und,
im Widerspruch zu Emin-Bei, den Latula- Dialekt. Die Einwanderung
der Bantus nach Südafrika und ihre Zersplitterung in einzelne Sliinmie er-
folgte nach seiner Ansicht erst vor 2000—2500 Jahren: er schliefst dies
daraus, dofs der Ausdruck für Hausbuhn, dessen Domestizierung verhält-
nismäßig jungen Datums ist, ullen Bantu - Dialekten gemeinsam ist. Die
Vergleichung der letztem belehrte ihn auch, daß der ursprüngliche Wohn-
sitz der Banlu das Waldland des westlichen Zenlrulafrika* war. Die ruit-
gctciltcn Vokabulare zeichnen sich durch Reichhaltigkeit aus.
Das Schlußkspitel Uber die kommerzielle Bedeutung des äquatorialen
Ostafrikas erregt besonder« deshalb unser Interesse, weil die«* Gebiet von
der «Mtufrikanivriion Gesellschaft beansprucht wird. Es genügt hier aber
die Bemerkung, dafs der Verfasser diesem Lande eine glanzende Zukunft in
Aussicht stellt. Sujtan.
385. O'Neill, The aucient civilisation traile, and commerce
of eastern Africa. (Scottisk Geogr. Mag. 1880, Bd. II,
S. 92.)
Der obige AufaaU, in da» Geuatid eines unterbauenden Vöttings ge-
kleidet und daher nur gelegentlich mit kurzen Quellenangaben besonders
aus der Bibel versehen, sucht die Aufmerksamkeit der Engländer auf die
nach dem Verfasser unerschöpflichen Goldfelder im Gebiete der Amuduma,
Maxchona, Manica und Batoka südlich vom Zambese zu lenken, wo aufser-
dein höchst eigenartige Ruinen von höchstem Alter auch den Altertums-
forscher durch das noch ungelöste Rätsel ihres Ursprungs Anziehen. Ob,
wie Manch (Peterm. Mitt., Erginzungsheft Nr. 37) meint, Ophir in jenen
Gegenden zu suchen *ci, will O’N. unerörtert lu*»eu, aber er versucht,
PeUrmaims Geogr. Mitteilungen. 1880, Litt. -Bericht.
indem er uns mit dem Autor des Periplus nmrU Hrythrac: eine Reise ton
Ägypten bis nach Kap Prasum mache» läßt (welches er nach 15° 30'
S. Br. in die Gegend von Mozambique verlegt), wahrscheinlich zu midien,
daß seit unvordenklicher Zeit der Goldreichtutn der genannten Gegenden
durch Vermittelung der Araber nach dem Norden abgcllossen sei. Die
Araber hatten nach ihm die Küftonfabrt von Adulis bis Kap Prasum. dem
am Roten Meere gelegenen Hafen von Nordäthiopien und Azuma ausschließ-
lich in Händen, während im Norden die Ägypter den Verkehr vermittelten,
und eine andre Handelsstraße ging quer durch Arabien nach Gerrha am
Persßchen Meerbusen. Es dürft« sich hiergegen nichts ein wenden lassen.
Zweifelhaft ist aber, ob sich Äthiopien, wie Ö'N. meint, bi* 16° 30’ S. Br.
erstreckte; unsicher bleiben dis Bestimmungen von Rbapta uud Prasum,
denen aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht abxusprcchen bl, und
unerklärt vor allen Dingen dio Urheberschaft jener wunderbaren Ruinen-
felder bei Zirubabyc und Manica, die, rnit Mauch in eine Beziehung zum
»aloroonßchcn Tempolbau zu setzen, der Verfasser wohl rnit Recht ein nur
zu gegründetes Bedenken getragen hat. tun A'anipcn.
386. Tripp, South Africa, its physical Configuration and
Rainfall. (Scott. Geogr. Mag*. 1886, Bd. II, S. 257.)
Dem Aufsatz sind zwei klar gezeichnete Karten der Kapkolonie bei-
gegeben, von denen die oiue die Uöhenstufen unter 2000 2000 — 4000 P-
und über 400U P., die andre die ltcgcnrertcilung (unter 5, 5 — 10. 10 — 20,
20— 30 und über 30") darstellt. Der Text enthält meist nur Bekanntes,
und nur eine Stelle möge hervorgehoben werden. Der Hegen ist zwar im
Kapland, und besonders in den mittler» Gegenden, vorwieeeud Gewitter-
regen; aber daß dies nicht immer der Fall ist, zeigen die Beobachtungen
des Verfassers in King William’« Town 1880 — 83; unter 1 (= 13 tum)
pro Tag hatten 242 Tage (Summe 708 mm, Durchschnitt pro Tug 3 mm),
V*— i" hatten 28 Tago (Summe 505 mm, Durchschnitt 18 rutn), und 1"
und darüber halten 13 Tage (Summe 505 mm, Durchschnitt 30 mm). Dio
griißto Regenmenge innerhalb 24 Stunden betrug 52 mm. Super..
387. Baron, Noten on the Geology of tko Interior of
Madagaskar. (Antananarivo Annuai 1885, Nr. IX,
S. 59, mit 1 Kartenskizze.)
388. , Notes on the Volcanic Phonomcua of Central
Madagaskar. (Nature, 1886, Bd. XXXI II, S. 415.)
Das zentrale Hochland von Madagaskar, etwa von Moranunga im G
bis über den Itaxr-See im W. und von Autougodrahoja im N bU zur
äußersten SiidgTcnzc von Brtsileo, besteht vorwiegend aus Gneiß, der ebenso,
wie das Gebirge, in der Richtung der Längsachse der Insel streicht, und
nur im N der Hauptstadt lokal eine wc*tö*tlicho Streichrichtung oinschlägt.
Bis zu Tiefen von 50 m uud darüber ist er in Laterit umgewandelt. Neben
dem Gneiß kommen untergeordnet vor: a) kristallinische Schiefer (Glimmer-,
Thon-, Hornblende und Chloritschiefer), Quarzite. Graphit uudkrisulliniselier
Kalkstein; b) Granit, und zwar einerseits eruptiver Granit, der x. B. das
Yorabohitni-Gcbirge nördlich von Antananarivo zusammcnxelxt ; anderseits meta-
morphiacher, durch allmähliche Übergänge mit dem Gneiß verbundener Gra-
nit; endlich e) basaltische Gesteine in der Form von Gängen, Plateaus,
Lavnstrnmen und Kegeln.
Vulkankegel kommen in Madagaskar mehrfach vor, aber nur die beiden
Gruppen in der Nähe der Hauptstadt sind besser erforscht. Die größte
Gruppe liegt im Distrikt von Mandridrano westlich vom Itasy-See; sie er-
streckt sich etwa 30 km lang von N nach S und 5 ^6^ km von W noch
0, und besteht aus einer großeu Zahl selbständiger Aschenkogel, deren
höchster der Käsige sein dürft« (263m übcT der Ebene; Seehöhe also
1796 m, Böschung 40°, der Krater 74 ra tief eingesenkt). Stets ist der
Kraterrand im NW -Quadranten höher, als nn den andern Seiten, was sich
aus der Einwirkung de« SO-Pawate* erklärt. Aus den, an eiuer Beite ge-
borstenen Kratern orgossen sich schwarze, kompakte Lavaströmo (Basalt).
Die gute Erhaltung der Aschenkegel und die geringe Verwitterung der
Lava spricht für das jugendliche Alter dieser Berge, wenn auch historische
Nachrichten ron Eruptionen fehlen. Neben deu Aschenkegeln finden sich
auch einige homogene Kegel aus hellem Gestein (Trachyt), unter denen der
Ingolofoßjr der höchste ßl (203 m relative, 1603 m absolute Höhe, Bö-
schung 50°)* Bodensenkungen sind geschichtlich beglaubigt; die Seen und
Sümpfe (der größte der letztem, Ifanja, ßt 400 m tief eingeaenkt) dürften
zum Teil solchen Einstürzen ihre Entstehung verdanken ; der Itasy-See ist
aber ein durch vulkanische Ergüsse abgediramler Thaßec. Der zweite, klei-
nere Vulkandistrikt, der wahrscheinlich keine Tracbytkcgol besitzt, liegt
südlirh von» erstem, bei ßrtafo. 40 — 60 km nördlich von Antananarivo
befindet sieh eine Gruppe von kleinen roaarenähnlichen Ringwällen oder
P
90
Littcraturbericht Nr. 389—390.
Kxplosionskratern, die nur ehr** Schlacken und Lapilli enthalten. Warme
Quellen sind in Zentral-MAilagaskar häutig; einige derselben setzen Kalk-
odex Kieseltuffe ab.
Die grofsern Ebenen de» mittlere Madagaskar sind als ausgefüllte Seo-
becken zu betrachten. Die grüfste derselben, die von Ankny, besteht aus
einem Komplex von Sonden, Thoncn und Biaenstein mit Bilanzen resten ; in
der Ebene von Antairobe wurden kürzlich von Hildebr.uidt Reste des jetzt
in Madagaskar nicht mehr lebenden Hippopotumus in halbfosailem Zustand
gefunden.
Nutzbare Mineralien sind Gold (ziemlich häufig), Eisen (besonders in
groben Mengen Magneteisenstein), Schwefel, Salpeter, Graphit, Pyrit Ärc.
Supan.
389. Staniland Wake, The raco elementa of the pooples of
Madagascar. (Antananarivo Annual Nr. IX, 1885,
S. 1.)
Der Verfasser wendet sieh gegen einige Aufstellungen iiher die auf
Madagaskar vertretenen Hassenelemenle, welche der norwegischo Missionar
Dahle in derselben Zeitschrift (Jahrgang 1883) veröffentlicht hatte. Nach
Dahle erfolgte die erste Besiedelung der Insel seitens ostafrikanischer
Stimme, unter welche er die Wasimbox (Vozimba) rechnet; später folgten
mehrfache Einwanderungen malaiischer luselstamme, welche die Küsten in
Besitz nahmen und sieh mit den Vorgefundenen Negern vermischten ; du#
Innere, insbesondere die Landschaft Inn'-rina. erst nur von geringzähligen
Watimbax bewohnt, fiel zuletzt den gleichfalls über den Indischen Ozean
aus Nordost gekommenen Iioras zu, vor denen die Wasunbaa sich gen
Westen zurückzogen.
Wake bezweifelt die ufrikunitche Herkunft der Wasimbax, obwohl sie
doch das pluralische Volkinameii-Frlfix der Bantus fuhren, und ihr Volks-
name sogar unter den Östlichen BanluvOlkem des benachbarten Festlandes
wiederkehrt. Er gibt xu, daU sic bei ihrem wolligen Haar, ihrer dunklen
Hautfarbe und platten Nuse den Sakataven naht* verwandt erscheinen, dafs
ihre Sprache auch im Wortschatz Übereinstimmung mit den Hantusprachen
des Festlandes aufweUt; jedoch möchte er letztere Thatoarho auf Übertra-
gung . durch wechselseitigen Verkehr xuriiekführen und hält os vielmehr
für wahrscheinlicher, dafs die Wasinibas Negrito», also Einwanderer aus
dem fernen überseeischen Nord osten statt aus Westen sind. Den Beweis
dafür vermixten wir jedoch.
Die Hova« (mit „olivenfarbigrr" Haut und schlichtem Haar) erklärt
auch Wake für spätere Ankömmlinge auf Madagaskar, nur dafs sie die
allerspätestei; gewesen wären, sei nicht sicher. Unwahrscheinlich dünke
Dahles Behauptung einer Einwanderung der Hovnx von der Westküste
ins Innere der Insel, wo ihuen die seit alters mit ihnen verfeindeten
dunkelfarbigen Voibenohncr den Zutritt gewehrt haben würden ; die Über-
lieferung der Hovas selbst weist auf die SUdostküste als den Ausgaugsort
ihres erobernden Eindringens in das Hochland des Innern ; schon Sibrco
raachto darauf aufmerksam, dafs die Hora» als Spuren ihres Wanderzuges
ton der Ostseite Madagaskars her die Überbleibsel ihrer eigentümlichen
Kiaemchmeliöfcn hier hintcrlassen haben.
Die hcllerfurbigcu Bevolkerungselemente Madagaskars überhaupt will
der Verfasser nicht als malaiisch anerkennen; er erklärt es sogar für eine
noch offene Frage, ob die Hovas wirklich den Malaien ähneln. \V. ▼. Hum-
boldts gewichtigen Nachweis, dafs die durch die Hovas fast über ganz
Madagaskar verbreitete Sprache eine echt malaiische ist, mufs er zwar an-
erkennen, indessen er stützt sich auf den Salz, dafs die Sprache nicht go-
nüge, um dio Herkunft, die ursprünglichen Vcrwandtachaftsbeziehungen
eines Volkes klarzulegeu. Er kommt (wie schon früher) aus xitlcnkuud-
liehen Gründen anf die Hypothese siamesischer Beziehungen zu Madagaskar,
ja er rechnet die Malaguasen geradezu zu den „mongoloYdcn Völkern von
!mln.('hinau, auf deutsch zu den hintcrindiachon Mongolen, und führt ihre
raalnihehe Spruche darauf zurück, dafs sie denselben Einflüssen ausgesetzt
gewesen seien, unter welchen auch die Malaien eine andre Sprache als die
ihrer „mongoloiden (soll heifsen: mongolischen) Vorfahren“ anoahmen.
Dem papuanischen oder melunrs:»ch«n Element rüumt der Verfasser
xchlicfslich rino so grofsc Bedeutung für Madagaskar ein, dafs er Codring-
ton» Ansicht zuneigt, das Volk von Madagaskar und das von Fiji seien
sowohl anthropologüch nU sprachlich so eng untereinander verknüpft wie
verschiedene Zweige eines und desselben Stammes, abgesehen von den
Hovas, die er als „wahrscheinlich arabische“ Zuzügler betrachtet.
Offenbar liegen hier unvereinbare Widersprüche vor: ist Mdlagassiseh
eino popuanische Sprache, so kann es nicht zugleich eine malaiische sein,
und deichen die Muingxwn den höchst dolichokephalcn Fiji- Insulanern,
so stammen sie nicht von den bmchykephtU*» Mongolen Hintcrindiens.
Wohl mangelt es noch sehr au auskömmlichen anthropologischen Messun-
gen der typisch so verschiedenartigen Volksstämme der grofaen .fcstland-
haflcn“ Insel, aber nicht» ist wahrscheinlicher, als dafs die kraushaarigen,
dunklem Madagassen festländisch-afrikanischen, die schlicbihaangen, hellem
dagegen asiatischen Ursprung» sind, und dafs es zwischen beiden mannig-
faltige Mischungen von recht verschiedenerlei Typua geben wird.
Kirthhoff.
390. Jorgensen, Notes on the tribes of Madagascar. (Anta-
nanarivo Annual, Nr. IX, 1885, S. 51.)
Zuerst werden einige madagassische Völkernamen besprochen. Die
meisten beziehen »ich auf den Wohnsitz des betreffenden Volksvtamme»
(z. B. Tanäla = Waldbewohner, Antaihänaka = Volk am Sec, Antanki-
rana = Yolk der Klippen, Antannsy = Inselvolk, eigentlich Anwohner einer
Küste mit vielen vorgelagerten Eilanden, nosy) oder auf seine Beschäftigung,
z. ß. Taisäka (von mis&ka, Wortwurzel sika = mit der Haud fangen) = eia
Stamm , der kleine FUche u. dg!, mit der Hand fängt. Andre Namen
gehen auf Berühmung geschichtlicher Thaten ; so heifst das grofse längs der
Ostküste wohnende Volk der Bftsimiaäraka .die sich nicht trennende
Schar“ , das Volk im Süden von Imerina Bötsilto .die unüberwindliche
Schar“. l>cr weit durch Nord- und Westmadagnskar verbreitet« Stammea-
verhand führt den Naroeu Säkalira, was man gewöhnlich übersetzt „lango
(Idva) Katzen (suka)“ , in welchem Falle es wohl eine Schelterwiderung sei-
tens der Hovas wäre, welche von den Sakataven den drastischen Scheit-
na men Acoböal&robo (tmho* = llund, limbo = Eber , Wildschwein) ange-
hängt bekommen haben; jedoch behaupten dio Sakalavcn, sic hiofatn „Be-
wohner der breiten, langen Ebenen“, von snkauy = Breite, lavanr =r Länge.
Das Wort Hova bedcnlctc früher nur eine bestimmte Bevölkerangsklssse in
der Landscltaft Imerina (noch heute nennt der Sklave in Antananarivo sei-
nen Herrn soinen „llova“); erst die Europäer stifteten diesem Worte die
umfasse tide ethnUche Bedeutung.
Übergebend zur Kosvcnfrage bekennt sich der Verfasser zu der so gut
wie allgemein verbreiteten Ansicht einer teils festländisch - afrikanischen,
teils malaiischen Herkunft des malugassischcn Volkes, läfst aber unentschie-
den, ob die Zuwanderung von der einen oder andern Ausgangsstclle früher
erfolgte, findet es vielmehr natürlicher anzunehruen, dafs afrikanische und
malaiische Stämme durch lange Jahrhunderte hindurch in einzelnen Haufen
nach und nach anlumun, also nicht das letzte Boot mit Negern erst ge-
landet wäre, ehe die erste Malaien- Frau* naht«. Annehmbarer als di« ge-
wöhnlich« Annahme, es »eien die afrikanischen Ansiedler Madagaskars erst
durch die nachgekommenen Malaien über di« Küsten hinaus in» Lande*-
innere gedrängt worden, dünkt auch des Verfassers Meinung, dafs die Wa-
sirabas, wahrscheinlich die frühesten Einwanderer, aus eignem Antriebe über
Madagaskars Küste ins gesündere zentrale Hochland oiogedrungen seien.
Die Hotus und ßetsilco* selbst behaupten (und Gräberfunde bekräftigen es),
dafs die Wasirobas die jetzt von jenen oiD genommenen innern Landesteile
inne hatten ; gegenwärtig bewohnt nur noch eiu kleiner, offenbar westwärts
verscheuchter Best der Wasinibas eine tandschaft mitten im Sakalaven-
lunde, redet die Sprache der Sakaluveu und ist förmlich eingereiht unter
die übrigen Sakalnvenstämme. Der Verfasser meint unverständticherweive,
dieses Schicksal liefse sich eher erklären, wenn man di« Wasimto* nicht
für ursprüngliche Fcstland-Afrikanor, sondern für „ursprüngliche MahigAvtcn"
hielte. Sehr wohl können doch die Wosimbas die frühere, die Sakaluvcn
dio spitcro Welle gewesen sein, di« über den Mocambique - Kanal an Mada-
gaskars Strand schlug; di« frühere Welle pflanzte sich naturgomiifs weiter
ostwärts fort.
Vercinignngen von Stämmen, wie dir der Sakalavcn, ßetsilco», Bet-
aimiaarakav, sind lose Aggregate, die Grenzen zwischen denselben oft sehr
unbestimmt, so dafs manch« Ortschaft von dem einen wie ton dem andern
Volk bewohnt wird, Stimme desselben Volks (zumal der Sakalavcn) unter-
einander Krieg führen, während sie mit denen de» andern in Frieden leben.
Das afrikanische Element war offenbar das An Zahl überlegene : es gab dem
Mulaga.-txenvolk wesentlich seinen Typus, da» obsiegende malaiische tct-
breitote dagegen seine Sprach« und Gesittung. Nur dio Besiegung der
Wosimbas kliugt noch heute al» eine kriegerisch vollzogen« nach; sonst
scheint mehr die natürliche Überlegenheit ihrer Kultur die Mtilnicn zu Herren
über die Neger gemacht zu haben , weshalb auch beide Elemente gegen-
wärtig wenig scharf mehr voneinander geschieden sind. Typus uud Mund-
art deckt sich nicht: Hovas und Betsileos sohen überein aus, reden aber
verschieden« Mundarten; die Sakalavcn sind kaflcebmuu , reden indessen
rnalniibcho Mundarten ao gut wie heller« Inxolstlmmc. Dio Hovas zeichnen
sich zwar im ganzen vor allen übrigen Malogasseu durch lichte Hautfarbe
aus, doch sicht man unter ihnen recht oft dunkothiiutige. ln der Haupt-
stadt Antananarivo findet man alle möglichen Hautschattierungen vertreten,
Hovas von voller Negerschwärvc neben solchen, deren Wangenrot durch
die durchscheinende, schwach pigmentierte Haut vchimmort.
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Litteraturbericht Nr. 391—392.
91
Di« grobe phraiognomitche Verschiedenheit unter ii«n cinrelnen Völ-
kern Madagaskar* möchte der Verfasser auf Herkunft nur der Hovas au*
dem Malaien - Archipel, andrer aus Polynesien «urllekfUhren. PolynMisehe
Zuwanderung üit jedoch nicht erweisbar, und schon die malaiischen Insula-
nervblker Südoetaaieos sind untereinander verschieden genug, so dafs wir
darum uns nicht genötigt sehen, das nmdagamischo Malaienelement mit dem
Verfasser als ein „raalafo-polynesisches- zu bezeichnen. Kirthkof.
Australien und Polynesien.
391. Codrington, The melnnosian languages. Oxford, Cla-
rendon Press, 1885.
I)or V erfahr r hatte io der Missionsschule auf der Insel Norfolk von
Zeit zu Zeit Zöglinge Tod den papuanUchen Inseln im Südasten von Neu*
guinca, auf welche er den Begriff Melanesien beschränkt sehen will. Haupt-
sachlich von diesen Zöglingen (welche glücklicherweise außer ihrer Mutter-
spräche alle der Motasprache von der Binksgnippe mehr oder woniger
mächtig waren, so dafs vermittelst di«er die wechselseitige Verständigung
bewerkstelligt werden konnte) sammelte er den Stoff zu seinem nrichlualti-
gen Werke, welch« dio grundlegende Arbeit unsres Hans Conon v. der
Gabelcntx Über die melanesischen Sprachen, die sich naturgemäß nur auf
achriftlich« QuollcnraateriAl zu stützen vermochte, beträchtlich weiter führt.
Die Sprachwissenschaft erhält hier ein ausgeführtes System der ver-
gleichenden Grammatik und Phonologie der melan«isclten Sprachen über-
haupt in dem soeben bezeichneten Orenzumfang (Bismarck - Archipel bis
Nrucaledonien und Fiji), sodann Einzeldarstellungen zahlreicher Insulaner-
sprachen von den Salomonen, der Santa Cruz-, Torres-, Banksgruppe, den
Neuen Hebriden und dem Loyalitäts-Archipel, endlich von Kotuma im Nor-
den von Fiji, während die Fijispraoheu selbst, als schon anderweitig von
englischen Missionaren fleißig behandelt, von dieser Sonderdarstellung aus-
geschlossen worden.
Ohne den rein linguistischen Teil dw Werk« hier einer Besprechung
unterziehen zu können, seien doch die ethnologisch bedeutsamen Schluß-
folgerungen kurz zusammengestellt, zu welchen der Verfasser geführt wurde.
Sie gipfeln in der gründlichen Erhärtung der bereits von v. der
Gabelentz gefundenen Thatsachc, dafs die Melanesier sprachlich den Ma-
laien und Polynesiern eng verbunden erscheinen. Die Verwandtschaft ist
eine viel zu allgemeine und innige, nicht nur Vokabulare, sondern auch
phonetische und grammatische, als dafs man an gelegentliche Entleh-
nung denken könnte. Trotz aller ihrer bunten Mannigfoligkeit , zumal
im Wortschatz, welche die melancsisebcn Idiome (und, dürfen wir hinzu-
«etsen, die mikronesischen) in so scharfen Gegensatz bringt zur Einheit-
lichkeit des eigentlich nur in Mundarten gesonderten polynesiscbon Insol-
laumt, zeigt uns der Verfasser deutliche Verwandtschaftsxüge unter den-
selben, welche sie zu einer geschlossenen Sprachcnßmilic stempeln; diese
melaneslschr Fsmilie aber stellt er vottenschaftlieh zur Seite der malaiisch
polyuesitchen. Ein großes Problem ist demnach nun sicher bezeugt: die
braune und die dunkler gefärbte (wenn auch keineswegs tinten schwarze)
Rasse der Inselwelt von Malakka bis zur Osterinsel und zur Neusceland-
gruppe einerseits, Madagaskar anderseits, diese zwei anthropologisch deutlich
voneinander geschiedenen Rassen — reden Sprachen, welche auf einen und
denselben Untamm zurückweiaen. Dos ist ein ganz einzig dastehender Fall.
Eine Vielzahl von Wörtern gebt durch jene ozeanischen Oden hindurch,
Inselvölker miteinander verknüpfend , dio sich kaum jemals berührt haben
können. Gerade der Bedeutungswandel, der dabei mitunter über ein und
daasclbe Wort gekommen ist, IHfst auf uralten Qcmcinschatx an Worten
xurückschließen , der bei allmählichem Auseinanderweichen der Insulaner
verachiodene Umprägung erfuhr. So bedeutet ln Polynesien rangi oder ein
davon nur dialektisch unterschiedenes Wort den Himmel; auf San Criato-
val (in der Salomonsgroppe) ist rani mit der nimlichcn Bedeutung erhalten
geblieben; auf Mota lautet das Wort lau und bedeutet Wind; auf den
Fijia braucht man cagi (dhangi) für Wind und Luftkreis im allgemeinen.
In dem lehrreichen Verzeichnis von 70 Wörtern, verfolgt durch 40 raelane*
suche Sprachen, auf S. 39— -52, welch« der Verfasser mit dem aus dem
Malaien* Archipel von Wallace heimgebrachteu ähnlichen Verzeichnis ver-
gleicht* finden wir ferner schlagende Beweise sprachlicher Urverwandtschaft
zwischen Braunen und Schwarzen sowohl in fortlaufenden VerwwndtschafU-
reihen als in Diaspora- Erscheinungen, welche aus der heutigen VÖlkcrTer-
toilung unrrklärbar wären. Die Kokosnuß z. B. heißt niu, nihu oder ni
durch Polynesien, Mikronesien, Melanesien, den Malaien- Archipel bis nach
Madagaskar (mit nur unbedeutenden Örtlichen Unterbrechungen): ähnlich
Torhült «*§ sich mit dem Wort für Feuer, obwohl dasselbe lautlich viel
chamgileonhafter au ft ritt (als api, all. ahi, efl, yaf, yap A'c.): lautlich be-
ständiger wieder ist das Wort für Fisch (ikan, ika und iwa im Malaiischen
und Jaranischen, ika auf Neuseeland, iek auf den .Marschall- Inseln , iek,
ie, io, ian im Melanesischen, ij«*o im Mafoor Neuguineas), — auf einmal
aber springt in der Banksgruppe das Wort mab, masi, mes auf (teils allein
für Piscb, teils für Pisch und Vogel gebraucht), und seltsam genug begeg-
net offenbar derselbe Piaclmame als mesia in Kojara auf Neuguinea, als
masik im Inuem von Borneo! Letzteres liegt von don Banks-Inseln so weit
ab wie Lappland vom Tsadacr, und die Bewohner von Zentrmlbornoo sind keine
Seefahrer. Uralte Völkerapaltung spricht also aus solchen Resterhaltungen
eines Wortes in nie unmittelbar untereinander verbunden gewesenen Landen.
Schlagend sind vor allem die vom Verfasser dargelegten Ähnlichkeiten des
malaiischen und melanesischen Sprachstammes in Redeteilen wie Fürwör-
tern, Präpositionen , Zahlwörtern, dem ganzen innere Bau der Sprache.
Doch entzieht sich das auch nur beispielsweise r Aushebung an dieser Stelle.
Erwähnt sei nur die Fülle von Zohlenausdrürkcn, die Dichtigkeit, Haufen
von Beutnen oder Kokoanüsien bis tausend und nach Mehrfachen von Tau-
send abzuzihlon, was wieder die Melanesier den Malaien samt den Poly-
nesiern zugesellt, sie hingegen streng scheidet von den an Zahlenausdrücken
äußerst armen Australiern. Dabei deuten die Numeralsystemc der Mela-
nesier sämtlich auf das primitive Abzählen an Fingern und Zehen: sie
sind quinär (nach den fünf Fingern einer Hand, daher lima, d. h. Hand,
auch häufig das Zahlwort für ß; auf Fiji seltsamerweise liga = Hand
neben lima = fünf) oder dezimal (nach beiden Händen) oder vigeaimal
(nach Händen und Füßen). Hundert heißt in der Eroraangu-Sprachc kon-
sequent im Pünferaystcm narolim - Barolim, d. h. (2 X ß) X <2 X f>)» von
naro-lira (wörtlich: zwei fünf)* in der vigesiroal zählenden Ncngone-
Sprache der Loyalitäten**! n aber ae dongo re ngome, d. h. fünf Minner
(fünfmal die je zwanzig Finger «amt Zehen). Auch hübsche Oberginge
begegnen vom quinären zum dezimalen Zählen, so auf Mota:
1 tuwalc
2 nirua
3 nitol
4 nivat
ß tavelima
G larcatea
7 lavcarua
8 laveatol
9 laveavut
10 sanural.
Daß « hier ein selbständig« Wort für die Zahl 14» gibt, lat schon ganz
im dezimalen Sinne, aber trotzdem nennt man 6 «eins an der andern
Seite" (lavea bedeutet „anderseits4*, an der zweiten Hand, tos ist ein andrer
Ausdruck für „eins"), 7 „zwei an der andern Seite- (nirua also wohl =
„zwei an der orsten Hand") u. s. f.
Zur Lehre von der Sprachorhaltung, bzw. Sprachübertragung bei wechsel-
seitiger Berührung verschiedener Völker mit oder ohne sichtliche Spuren von
Blutmischung bringt dieses Werk gleichfalls schätzbar* Beiträge. Die in der
Regel nicht über zwei oder drei hinausgebeode Zahlenbezeichnung der Austra-
lier hat aich trotz ihrer Schwerfälligkeit offenbar durch den Verkehr über die
Torrcsstraße hinüber Tom Kap York her eingebürgert bei den Papua* von
Erub, vom Flystrom und von Tauan, woselbst man ausschließlich zählt «ins,
zwei , zwei - ein* , zwei - zwei. Samoaniacbca und noch mehr tongani-
sches Polynesierblut ist seit langer Zeit eingedrungen gerade in die höhern
Ständo der Fiji- Insulaner; dennoch, versichert unser Verfasser, ist die
Sprache letzterer rein roelanesüch. Kleinere Scharen von Polynesiern (an-
scheinend lauter Touganer) sind heimisch geworden auch auf wwtlichern
Eilanden Xiolanesiens: von Uea bei Neucaiedonien bis Ontong - Dschawa
nordöstlich von den Salomonen; sie haben auf so einsamen und wahr-
scheinlich von ihnen unbewohnt Vorgefundenen Inseln wie Ttcopia (südöst-
lich von der Santa Cruz -Gruppe) oder Renneil und Bellona (weit westlich
Ton derselben Gruppe) Sprache, Au»chen und Sitte bewahrt, dagegen findet
sich auf dem Dreihüget- Inselchen des Neuhebriden -Archipels in der Mitte
ein Bezirk Mae, dessen Bewohner tonganUehc Sprache, auch polrnwi»che
Kultgebräuche verbinden mit völlig demselben pspnaabehen (melanesischen)
Aussehen, wie es die in unmittelbarer Nähe (in Seaake, dem Ostbezirk des
nämlichen Eilands) hausenden und rein melancsisch redenden, von alters
her papuamaeben Nachbarn aufweison, — von letztem holten sich jene
die Weiber, und diese mußten tongauisch sprochcn wie ihre Kinder.
Kirekhoff.
392. Hager, Kaiser Wilhelms-Land und der Biemarck- Archi-
pel. Mit 1 Karte. Leipzig, Greasner & Schramm,
ohne Jahreszahl.
Zur Orientierung über di« jetzige KenntnU ron d«r westlichen Süds« ist
diene für du gröbere Publikum be»tin>mte Schritt wohl geeignet , «u an-
dern Zwecken »ber nicht braucht)«, da « versäumt wurde, di« (Quellen
eufiuführcn. lleraelbe Manuel macht sich bei den Illustrationen — grofsten-
teils alten Bekannten — bemerkbar. Der (iberblick über die Entdeckungs-
gcochichte Neuguineas ist trotx der Kürac aiemlieh erschöpfend. Die hurte
ist eine lteproduktion der Aufnahme von Finsch und Dallmann an der
P*
92
Litteraturbericht Nr. 393—404.
Norükiute tod Neuguinea, welche 1885 in den Nachrichten für Kaiser
Wilhelms- Land veröffentlicht wurde. }{. WiVAmanw.
393. Hectop, New Zealand Geol. Survey Department.
Catalogue and Guide to the Geological Exhibits.
Wellington 1886.
394. Haast, On the Geological Survey of the Southern
Alps of New Zealand. (Transactions and Proc. New
Zealand Institute 1884, Bd. XVII, S. 332.)
395. Hector, Note ou Geological structure of the Canter-
bury Mountains. (Ebendas. S. 337.)
Die unter Nr. 393 genannt« Schrift enthalt eine geologische Cber-
tiebts karte Ton Neuseeland und einen kurzen, Ton Tielen Profilen untl
paläontnlogieehen Abbildungen begleiteten Abrif» der geologischen Zusam-
mensetzung dic,ee Landen. Vergleicht men diese neue Karte mit jener
Tom Jahre 1873. »o fällt einem «ofort die veränderte Auffassung des Baue»
der mittlern und nördlichen SUdalpen auf. Hector hatte im J. 1873 die
breite östliche Abdachung auf Grund der rnteraurhungen von Haast als
paläozoisch koloriert ; jetzt erscheint innerhalb dieser Zone ein breiter
und langer Streifen mesozoischer Bildungen. Die Streitfrage ist zunächst
eine rein paläontologische : Haast nimmt (in Kr. 394) noch immer »eine
Auffassung in Schutz, während Hector dieselbe als unhaltbar zn erweisen
sucht (Kr. 395). Aber dies« Frage hat doch auch KinBufs auf die Tek-
tonik der Südalpen. Haast betrachtete dieselben ul» eine grohir Antikli-
nale, deren Weatlliigel in da« Meer gesunken ist ; nach der jetzigen Dar-
stellung des Geologischen Amte» ist aber der Ostubhang der SUdalpen eine
mächtige mesozoische Synklinale. Aufscrdem zeigen die Profile eine Auf-
einanderfolge vieler steiler und stehender Palten in Vcrtilndung mit Ver-
werfungen. Slipon.
396. Crawford, On Change» in the Hataitai Valley. (Trans*
actions and Proc. New Zealand Jnst. 1884, Bd. XVII,
S. 342.)
Das Hataitai -Thal (Kordinsel, Port Kiehobun) liegt his zu 4 m über
dem Meeresspiegel und ist ausgcfiilU mit Kies und Sand, welch letzterer
viele rezente Meereskoneliyüen enthält: ein Beweis für eine negative Niveau-
Veränderung an der nördlichen Cook-Strafse. Supun.
397. Park, The Ascent of Mount Franklin. (Transactions
and Proc. New Zealand Iust. 1884, Bd. XVII, S. 350.)
Dem Mt. Franklin, dem höchsten Punkt des Sjcucer* und St. Arrmud-
Gebirge» (42“ S.) wird auf den Karten 11)000 Puls gegeben: nach Parka
Aneroid - Messung beträgt die Höhe aber nur 7850 Fahr (2393 m). Die
Sehneelinie liegt in 0500 Fufs oder ca 20OU m Hohe. Glazialmuränen
wurden mehrfach gefunden. Der Berg besteht aus Chloritschiefern und
Quarziten und einer diskordant daruuf lagernden, wahrscheinlich karboni-
sehen Gruppe von Schiefem ,Ve. Die Waimu-Schlucht ist ein ausgezeich-
neter Canon mit steilen, ca 1070 m hohen Thalwänden. Supan.
398. Die Maori -Bevölkerung in Neuseeland. (Ztschr. Ges.
f. Erdkunde, Berlin 1886, Bd. XXI, S. 83.)
Koch dem Zensus von 1881 betrug die Maori - Bevölkerung onf der
Kotdinse! 41 fiOl, auf der Siidinsel 2öt!l und auf den Chatham-Inncln 125,
zusammen mit den gefangenen ltebellen 44 097. Nach offizieller Angabe
ist aber diese Zahl beträchtlich zu hoch gegriffen, und werden die Maoris
auf höchstens 30 000 geschätzt. Der auffallend geringe Prozentsatz der
weiblichen Maoris unter 15 Jahren iäfst auf keine starke Vermehrung
»chliefsen. Der jetzige Maori ist körperlich und geistig degeneriert; er
hat die eigne Kultur vergessen, aber von der europäischen nur dio Laster,
besonders die Trunksucht angenommen. Aufserdem wirken auch stark die
importiertet! ansteckenden Krankheiten. Aus den christlichen Klemmten
haben sie neue Keligumen gebildet. Die Unabhängigkeit des Manrikönigs
anf der Kordinsel ist auf die Dauer nicht haltbar, und mit dem Kindnngeu
der Angelsachsen in das geschlossene Maorigebiet wird der Vernichtung«-
prozeCf sich hier ebenso rasch ahspielen, wie au andern Orten unter briti-
scher Herrschaft. Dafs sich die Engländer dabei keiner Gcwaltmafsrcgeln
bedienen, wie der anonyme Verfasser annimrat, ist eine durch die Ge-
schichte genugsam widerlegte FabeL Supon.
399. Alexander, The Crntcrs of Mokuaweowoo, on Mauna
Loa. (Nature 1886, Bd. XXXIV, 8. 232.)
Der Verfasser gibt hier die l'.ejultate einiger Exkursionen im Herbst 1885.
Der Mokuaweowe» ist nicht ein einfacher Krater oder ein System von
4 bis 5 Kratern , deren Bandwälle zerstört sind , und die auf dies« Weise
zu einer Vertiefung verschmolzen. Dieser Krater ist 5800 m lang, bis
zu 2700 m breit und bis 240 m tief; dis Fläche hat 980 ha. Die Lara-
ergraue kommen aus Spalten der höchsten Teile des Bandes , während man
erwarten sollte, ilafs sie aus den tiefsten Teilen des Kraters oder aus dem
3000 m liefern Kiluueu ausbreeheu würden. Der Verfasser erklärt dies
damit, dafs die loira um so hoher ansteige, je enger die Kanäle siud;
eine unterirdische Verbindung zwischen Kilauea und Mauna Iam sei daher
nicht ausgeschlossen. Die An-Form der Laven (s. Litt.-Bcr. Kr. 14t'.) führt
er auf äufsere Hindernisse zurück, welche den ruhigen Lavaltuf» unter-
brachen; er erklärt daraus die Thataacheo , dafs die Aa-Lava stets höher
ist als die benachbarte Pahoehoe - Lava , und dafs die älteni fatroergüise
stets dieselbe Form haben, wie die darauf liegenden jüngern. Supnn.
Nord- und Zontralamerika.
400. Kiepert, H. , Phyikalitsclie uud politische Wandkarten
von Nordamerika. 1:8000000. 3. Aufl. Berlin,
Reimer, D. 1886.
Diese Korten sind durch ihre taubere und klare Darstellungswetse der
Bodenhesehulfcnheit schon lange vorteilhaft bekannt, wenn auch der Mab-
stab für den Schulgebrauch vielleicht etwas zu klein ist. Man muh aber
bedauern, dafs bei der Eiuxeicbuuug verschiedener ptlanzcngoographischcr
Polargrenzen neuere Quellen nicht zu liato gezogen wurden. So ist z. B.
die Maislinie ganz unrichtig. Die Maiskultur verbreitet sieb jetzt bis über
die NordgTcnzc Washingtons hinaus, über das ganze Unlunibialhal und das
obere Missourigebiet bis nach Nordmanitoba, über die Südufer des Obern
Sees, und auch in Maine viel weiter, als die Karte ergibt. Die Piliuen-
gronze stimmt im W mit der von Drude angegebenen gar nicht überein.
Auch die Baumlinie weicht wesentlich von jener Sargcnts ab. Es möge
endlich noch bemerkt werden, dafs auf der politischen Karte die Grenie
zwischen Oregon und Washington fehlt. £upun.
401. Horsford, John Cabot's Laudfall in 1479 and the
Site of Norumbuga. Cambridge, Wilson & S., 1886.
Der Yerfatier dieser mit Karten und Abbildungen reich
Schrift kommt zu folgenden Schlüssen: 1) Cabot erblickte da» Land zuerst
bei Kap Ann (Ctbot* Kap Breton) und nahm du Land iu ltasiu bei Sdem
(alter indischer Nwm* Xnuiukeu# oder Xuhumbcuk, daraus Cabot* Nnrum-
bega) in 42” 32* X. Br. Kr betrat somit da» amerikanische Festland
früher als l'ulunsbu». 2) Die Stadt und das Fort Xorambc^a oder Nora»*
beipio von Kapitan Ingram , und AlUfontt und der Ort Agency Thevet’s
lag am Charles Kiver zwischen Kiverside uud Waltlura in 42* 21* X.
Supstn.
402. Chaume, Terre-ueuve et los Terre-nouviennes. Paris,
I’lon, Nourrit & Co., 1886.
Eine angenehme Lektüre für eine miifsige Stunde , aber sonst ohne
alle Bedeutung. Einiges Interesse Böfst höchstens die Unterredung mit
dem Kolonialoekretir übet dos französische Fischerrecht cm. Supern.
403. Macomb, Tables of Goographical Positious, Azimutks
and Distancog Ac. Washington 1885.
Diese wichtige Publikation gibt die Endresultate der geographischen
Landesuntersuchung der Staaten und Territorien westlich vom 100- Meridian
in nachstehender lleihenfolge: 1) die astronomischen Stationen, Basislinien
und die Positionen der Bergspitzen, Niederlassungen und Militärstationen;
2) die Azimute und Distanzen von den ersten Triangulationsstatiunen:
3) die barometrischen Höhenmessungen der Militürslaturaen , Berggipfel,
Niederlassungen, Sceu, Quellen Öre., und Gebirgspässen, ca 2400 an der
Kohl; 4) dio Itinerare der wichtigsten Honten. Supoi*.
404. Finley, Tornado 8tudius for 1884. Washington,
Signal Office, 1885.
Diese Abhandlung eothäU 2 Karten der geographischen Verteilung
der Tornados in den Vereinigten Staaten, und 72 Witterungskarten für
18 Tornadotage, von denen je 3 die Luftdruck-, Temperatur- und Wind-
verteilung für die Stunden 7 a. 3 p uud 11 p und je eine den Gang des
barometrischen Minimums und die Verbreitung der Tornado« darstelit. Alle
Karten werden von autführliehen Tabellen begleitet. Tornado« treten im
südlichen oder südöstlichen Oktsnten der Bsrometerdepressionen, und süd-
lich und östlich von den Zonen bedeutender Gegensätze in bezug auf Tem-
peratur und Taupunkt auf, iu denen sich die kalten nördlichen und die
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Litteraturbericht Nr. 405—410.
93
nntn südlichen Winde berühren. In der Mehrzahl de; Falle hatte die
Achte der Baroraetcrdepresaion eine nördliche bis nordöstliche Richtung.
Aua den Gesagten ergibt sich, data vorwiegend die südlichen Staaten von
den Tornados heimgeeucht werden: Georgia 881ml, Südcarolina 22mal,
Alabama lSmal. Die folgende Tabelle gibt die Zahl der Tornado« (a) and
der Tornadotage (b):
a
*> i
a
b
a
b
a
b
Januar
—
— ! April .
. 21
7
Juli . . 31
15
Oktober .
1
1
Februar
45
2 | Mai .
. 8
6
August . 8
7
November
1
1
Mürz
30
8 i Juni .
. 5
&
September 7
4
Dezember
6
8
Jahr 1884 : 1*2 Tornados an 68 Tagen.
Am hantigsten sind die Tornados zwischen 4 und j>tb p. m. Die
Tomadowolke hat eine trichterförmige Gatalt, ihre Wirbelbewegung er-
folgt meist gegen den l'hrseiger, und ihre Fortbewegung meist gegen NO.
Ober einige andre interessante Momente gibt folgende Zusammenstellung
Auferhlufs :
Max.
Min.
Mittel
Dnrchmeaser des Tomadofelde», m
1G10
20
316
lain^c de* Torondowegen, km . •
210
8
58
Fonbeweguog*-Ge»cbwiudigkeit der
Tomadowolke, km pro Stunde .
130
24
68
Dauer des Tornados an einem Orte
in Sek
1*0
.Ein Augen-
45
blick“
Welche zerstörende Kraft den Tornados innewohnt, zeigen folgende
Zahlen : an den 16 wichtigsten Tomadotagen wurden durch den Wirbel
über 1000 Menschen gelotet, nahezu 4000 verwundet, und der Gesamt-
schndcn betrag über 1.3 Mül. Dollar. Supau.
405. Reyer, Kupfer in den Vereinigten Staaten. (Österr.
Ztöchr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1880, Bd. XXXIV,
Sep.-Abdr.)
Ans Obern See wurde roher Bergbau auf Kupfer schon vor der Ent-
deckung Amerikas betrieben. Seit 1843 wurde derselbe von den Weiften
in Angriff genommen, und in den &Uor Jahren erlebte er die erste Blüte-
Periode. Bis Ende 1882 produzierten die Werke Calumet- Hecla 158 000«
Quincy 32 000, 7 Bergwerke durchschnittlich 15 000 und CO Werke
durchschnittlich 1000 met. Tons; das ganze Kupfergebiet am Obern See
aber 357 000 met Tons. Die Gange und Lager sind hier an paläozoische
Melaphyre und Konglomerate gebunden. Bis zu Ende der 7uer Jahre deckte
dieses Kupfcrgebict fast die ganze Produktion drr Union, seitdem ist os
aber von Arizona (Cop per Mountain, Clifton District; die Vorkommnisse
halten «ich hier an deu Kontakt von Porphyr und Sedimenten) und Mon-
tana (wichtigster Distrikt Butte) überflügelt worden. In der Weltproduktinn
sind die Vereinigten Staaten rasch an die erste Stelle gerückt:
1880
1882
1884
Cirofn-Tons ii 101C kg
Vereinigte Staaten
25 060
41000
64 000
Chili
42 000
41 600
Spanien und Portugal
34 000
37 000
43 700
Deutschland . . .
10 800
13 200
14 800
Australien ....
9 700
8 900
13 000
Supern.
Davis , Eartkquakos in
New England.
(Appalachi
1886, Bd. IV, S. 190.)
Auf Grund des Erdbebenkatalogs von Bockwood wird die geographi-
sche Verbreitung d« Beben in Neu -England in den Jahren 1872 — 84
kartographisch dargestellt; doch ist diese Skizze, wie der Verfasser be-
merkt , wegen der l'ngen&uigkeit und Unvollstind igkeit der Quellen nur
eine mangelhafte. Indes scheint dos südöstliche New Hampshire und das
angrenzende Massachusetts der Hauptherd der neuengli^hm Erdbewegung
zu sein. Dieses Gebiet war auch der Schauplatz des Bebens vom 17. Ja-
nuar 1886, das sich Uber ca 500C* ijkrn verbreitete, und dessen Zentrum
etwas nördlich von Nashua lag. Eino zwoitc Kartenskizze stellt auf Grand
eingehender Erkundigung den Umfang dieses seismischen Gebietes dar.
.Smjmn.
407. Lecleroq , La Terro des Merveilles. Mit 2 Karten.
Paris, Huchette & Co., 1886.
Das Buch, «in« erweitert« Ausgabe des sehor. im Utter.-Bei. Nr. 157
angezcigten Artikels, hat den Zweck, da» friuiz&SMChe Publikum mit den
Henliehkeiten des Nationalpark« bekannt iu machen. Sehr lehrreich sind
die beigegebenon Illustrationen, und besonders dankenswert ist das am
Schluls angefügte vollständige Verzeichnis der amerikanischen Schriften über
du Geysirgebiet. supon.
408. Gilbert, Tho Indikation of Scientific Method by
Example, with an Illustration from the Quaternary
Geology of Utah. (Amer. Jonrn. of Sc. 1886, Bd. XXXI,
8. 284, mit Taf. 8.)
Die Strondlinien des ehemaligen Bonnerille-Sees (dessen Rest der
Grofrc S»1 zwo ist) liegen bekanntlich nicht in einer horizontalen Linie,
w&i auf Bodenbewcguug nach Austrocknung des Seea hinweist. K* werden
in obigem Aufsatz die drei Hypothesen besprochen, welche die Bodoo-
bewegung als eine Folge der Seeaustrocknung selbst erklären wollen, ohne
dafs der Verfasser zu einem positiven Resultat gelangt. Der Umstand aber,
dafs die höchste Erhebung der Stnndlinie in der Mitte des alten See«
liegt, ISfst ihn der hydrostatischen Theorie sich znncigcn, welche die Er-
hebung des Bodens der Entfernung des Wasserdruckes zusebreibt.
Supern.
409. Dutton, Crator Lako, Oregon, a proposed National
Reservation. (Scionce 1886, Bd. VII, S. 179.)
Der durch «eine ultramarinblaue Farbe ausgezeichnete Krotcraee im
Kaakadengebirge ist 12 km lang und 8 km breit, und somit eins der
gröfsten Phänomene dieser Art. Steile Iarafelsen umgeben den See,
2*1) — 600 m über denselben ansteigend. Nur einige Quellen münden in
denselben; ein Austlnfs ist nicht sichtbar, aber ein solcher mufs unter-
irdisch vorhanden »ein, da die Verdunstung hier geringer ist als der Nie-
derschlag. In der Nähe de» SW- Ende», etwa 800 m vom Wer, erhebt
sieh an» dem Wasser ein Aschenkegel. Die Aufsenseite der felsigen See-
umrahmung bietet alle charakteristischen Eigentümlichkeiten eines abge-
stutzten vulkanischen Berga mit liadialthälern. Ring» um denselben ist der
Boden mit andesitisch.n Bimssteinen und Tuffen bedeckt. Ob diese ge-
waltige Kratervertiefung („Caldera“ nach Duttons Terminologie, s. Utt.-Ber.
Nr. 140) auf dieselbe Weis* entstand wie auf den Sandwich -Inseln, oder
durch Explosion, läfst der Verfasser unentschieden. .lupan.
410. Reyer, Zwei Profile durch die Sierra Nevada. (Neues
Jahrb. f. Mineralogie de., IV. Beil.-Band, 1886, S. 291 ;
mit 2 Kartenskizzen.)
Dio l'rolilo, welche hier beschrieben werden, veranschaulichen uns die
Gegensätze im Bau der 9udliehen (l'roßl Mariposa-Mono) und nördlichen
Nevada (Profil Nevada City-lteno). Im südlichen Profi! folgen in der Rich-
tung von W nach O folgende Hauptronen aufeinander : 1) ln der Zone der
Vorhügel bodecken ungefaltoto, ober wahrscheinlich durch Brüche dislo-
zierte Trachvt-Tulfe und Inr» batike den steil aufgerichteten weichen PhylliL
2) Die Schiefer- und Dioritzone. Die bald weichem, bald hartem Schie-
fer, weich« im Streichen der Dioritzüge von Feldspat - Sandsteinen vertre-
ten werden, sind steil aufgerirhtet und fallen nach O (also gegen die zen-
trale Granitmasse L ln der Nähe von Mariposu fand King darin Jura-
foasitieu. Grötsere und kleinere DioritmaMon durchsetzen die Schiefrrione ;
hei Maripnsa, wo Diorit mit dem Zenlralgranit Zusammentritt! , weist der
Verfasser nach, dal» ersterer älter iat. Aufser Diorit unterbrechen auch
Mnrmnrlsger die Schieferzone. 3) Die Oranitxune der Huchsiena. 4) Die
östliche Zone mit paläozoischen Quarziten (und Schiefem). An Stell« der
Faltung, die am Westabhang herrscht, treten hier längs- und Querbrüche
mit Stufensenkuttgen. Die Senkungsfelder sind mit Granit aiugelüllt, der
hier älter ist als, der ebenfalls verkommende Diorit. Daran sehiiefst »ich
endlich 5) da» Senkungilcld de» Monosee». Die Senkungen im 0 hntien
erst den Gegensatz von Gebirge und Flachland geschaffen. Für ihre Fort-
dancr sprechen die durch Verwerfung stufenförmig verschobenen Gletschcr-
schtilfe und dio häufigen Erdbeben (vgl. dazu Litt. -Ber. 1885, Nr. 74).
1m S des Monosee» befindet sieh eine Reihe von Bimsstoinvulknnen mit
Obsidianstrünieu, und iru N erhebt »ich dio tufitosa, homogene Andoitmosse
von Bodio.
Die nördlidie Sierta unterscheidet »ich von der südlichen hauptsäch-
lich in zwei Funkten. Die Andcsite treten in das Hochgebirge ein und
überdecken mit ihren Tuffen und Strömen, wenn auch ohne festen Zuxitn-
menhang auf gröfseto Strecken die Granit- uud Schiefetzouo. Dio tturia-
I tilen Goldablagerungen (tertiär bi* diluvial) sind in der südlichen Sierra
unt>edeutcnd ; ihre Mächtigkeit wuchst in der rnittlem Sierra bedeutend
(50 — ioo m), und sie kommen fast in der ganzen Sierra vor, werden aber
teilweise von Investruinen überlagert, dio weiter im N Goldschntt und
Grundgebirge iiberkieiden. Die mittlere Sierra ist also am wichtigsten.
An die geologische Schilderung der Sierra knüpft der Verfuser Be-
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94
Litteraturbericht Nr. 411 — 416.
merkungen ron allgemeiner Bedeutung. Er verwirft die Injektions-
und Intrusion» -Theorie und erkürt im (iegensati tu dieser die Massen-
«rgüaae für älter, als die ältesten konkordant angcla&erten Sedimente; im
Laufe der Zeit schwoll die Etuptivmssse infolge intrusirer Nachschübe
immer höher an and schob die Sedimentdecke bei Seite, indem sie die-
selbe sogleich faltete. Diese Theorie ist wesentlich in swei Punkten neu :
1) in der Altersbestimmung der Eruption, und 2) in der Annahme einer
langen , durch Formationen hindurch fortgesetzten Dauer eine» Magma-
ergumes, während welches Infolge beständiger Wärmezufuhr die ganze Masse
als plastisch bleibend gedacht srird. Der zweite, tektonische Teil der
Theorie greift dagegen auf die älter« Ansicht ron der aktiren Beteiligung
der Eruptirgesteine an der Gebirgsbildung zurück.
In der Tertiärzeit hatte die Sierra bekanntlich Längsthäler , während
jetzt fast austchliefslich Querthaler rorkomraen. Daran anknüpfend spricht
der Verfasser den allgemeinen Satz aus: „Io jungen Gebirgen prädominie-
ren Längstliäter (wegen des Wechsels harter und weicher Gesteinszonen in
der Streichrichtung), in alt erodierten Gebirgen kommen die Üuerthiler
zur Hcrnchaft; die letztem sind also in der Kegel die jüngern Bildungen“.
Supan.
411. St. John, Hayti or the Black Ropublic. London,
Smith, Eider & Co., 1884. — Französische Ausgabe
von West, Paris, Pion, 1886.
Die fr*nzoti»ehe Aufgabe gibt uru Ycrunlxvmn^ , autnabrmweiae auf
ein alleres Werk zuriiekzukoraraen. Der Verfasser war 12 Jahre (seit 1863)
Ministcrrmidcnt und Generalkonsul in Haiti« und seine Schilderungen ver-
dienen schon aus diesem Grande alle Beachtung. Den Hauptinhalt bilden
die Ueachichte der Republik vor und nach dem Unabhängigkeitskrieg, die
Bevölkerung, Religion und Erziehung, staatliche Hinrichtungen, Sprache,
Iitteratur und Volkswirtschaft. Die VoUuuhl hat sich »eit 1825 wahr-
scheinlich verdoppelt. Trotzdem ist das Land noch dünn bevölkert, nach
den Auslagen von Eingcbornen wegen der durch Vernachlässigung erzeug-
ten grofsen Kindersterblichkeit. Die reinnlicho Bevölkerung verhüt sich
zur weiblichen wie 2:3. •/„ sind Neger » 1 10 Mulatten. Die letztem
sind höher bewnlagt, aber moralisch verkommen; der Satz: .sie liamcn
ihre Väter und verachten ihre Mütter* ist ein trefflicher Amdruck für
ihre Zwitterstellang. Der Neger füll, wenn er nicht in beständigem Kon-
takt mit dom Weiften sieb befindet, in seine frühere Unkultur zurück.
Dafür spricht unter andern» die grofse Ausdehnung des geheimen Yaudoax-
oder Schlangonkultus, dor unter den untern Volksklassen aufserordentlich
stark verbreitet und auch heute noch mit Kannibalismus (Kinderopfer „Zie-
gen ohne Hörner4*) befleckt ist. In allen Laodesteilen findet man die klei-
nen Tempel der Vaudoux („Humforts*), deren Wände mit Bildern Mariens
und andrer Heiligen geschmückt sind. Dor Rinflufs der katholischen Geist-
lichkeit auf die unteru Volksklassen ist daher gering, aber ebenso auch auf
die obem, unter denen die harmlose, aber von der Kirche verpönte Frei-
maurerei stark verbreitet ist. Die Regierung ist noch immer nach der
Regel des berüchtigten Dessalines „Plumez la poule, mais prenez garde
qu'clle ne crie* eingerichtet. Das Französische ist die Staats- und Schrift-
sprache, die Sprache des gewöhnlichen Lebens ist das Kreolische, ein ver-
derbtes Franiütüch in afrikanischer Form. Der Ackerbau ist stark ver-
nachlässigt, obwohl alle natürlichen Bedingungen dafür vorhanden sind.
Zur Zeit der franxöiitebcn Herrschaft war Zuckerrohr das Hauptprodukt,
jetzt sind es Kampeseheholz und Kaffee. Der Koflcebaum wächst in allen
Gebirgen wild, von 150—2100 ra .Seehöhe. Aufgeldern werden noch Kakao,
Tabak, Zuckerrohr und Baumwolle gepflanzt. -Supan.
412. Deloncle, La Martinique. (Bull. Soc. Bretonno de
G^ogr. 1886, Bd. V, S. 1.)
Im J. 1625 kam Martinique in Besitz einer französischen Handelsgesell-
schaft, und mit kurzen Unterbrechungen (englische Herrschaft 1759—6$
und 1794—1814) blieb es von da ab französisch. Tabak bildete hier,
wie auf den Autillen überhaupt, die Hauptkultur; ent nach dem Aufstand
deT Kolonisten (1647 — 50) führte Duporquet dos Zuckerrohr, und ira J. 1727
Declicu den Kaffee ein, und damit begann eine neue wirtechaftliche Periode.
Der Anbau des Zuckerrohrs beschränkt sich aber nur auf die warme Re-
gion; die Bergregion bleibt den europäischen Getreidearten Vorbehalten.
Die Bevölkerung setzt sich aus drei Elementen zusammen : die Weifseu
(10 000), Nachkommen der französischen Einwanderer ira 18. Jahrhundert,
die Neger und Mulatten (l 3 1 000), von denen die erstem wenig kulturfähig
und seit Aufhebung der Sklaverei faul srad, während letztere mit steter
Unterstützung der Weifsen eine zivilisatorische Rolle spielen könnten ; —
endlich die eingewanderten Indianer und Chinesen (27 000). Neben Gel-
bem Fieber suchen auch Cyklonen häufig die Insel heim; Erdbeben schei-
nen aber selten. Hauptstadt ist Fort-de-France (12 00u Einwohner), Handels-
metropole aber St. Pierre (17 000 Einwohner). Die Eisenbahnen haben
eine Gesamtlänge von 194 km. Die Zuckerkrise hat auch Martinique
schwer betroffen; eine neue Bedeutung wird dieee Kolonie durch den
Panama!; anal erhalten. Supan.
Südamerika.
413. Bruyker, Le VrSnezuele. (Ball. Soo. R. de Geogr.
d’Anvora 1886, Bd. X, 8. 302.)
Seit 14 Jahren hat Venezuela, unter der Regierung von Guxratn
Blanco, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Staatseinnahmen
wurden fast verdreifacht, die uufsere Staatsschuld fiel von 276 auf 68 Mil-
lionen Frank. Obligatorischer und unentgeltlicher Elementarunterricht hoben
die verkommene Bevölkerung, die zum grüfxten Teil au* Mestizen und
Quarteronen (Mischlinge von Weifseu und Mestizen) besteht , auf einen
hohem Grad geistiger und sittlicher Bildung. Die materielle Kultur
schreitet aber verbältnismafsig langsam fort. Von der Ackerbauzone
(350000 qkm) ist erst V« kultiviert. Die zweite Zone ist die der Llanos
(ca 400 000 qkm), die dritte die der Urwälder am Orinoko und aüdlich
davon, ln der Ackerbauzone unterscheidet man wieder drei Regionen :
1) die heifse Region bis 600 oder 800 m Seehöbe, die Region der Pal-
men und Bananen; 2) die gemüfsigte Region, 800 — 2000 m Höhe, oder
die Regiou der Fnrnbäume oder Orchideen, wo sich Kulturen der heifseo
und gernäfsigten Zone vermischen (Zuckerrohr und Banane gehen bis 2000 m
Höhe); 3) die kühle Region, über 2000 m Höhe, die Region der Wachs-
palme und Andakartotfel, wo man europäische Getreidearten uud Kartoffel
pflanzt. Zu den für die Weltwirtschaft wichtigsten Bodencrzeugm***n ge-
hören der Kakao (25 000 ha, ca 8 Mill, kg Ertrag, davon 7 Mill. aus-
geführt), Kaffee (140 000 ha, ca 55 Mill. kg Ertrag, davon 49 Mill. aus-
geführt), ltohrzueker (77 Mill. kg, Ausfuhr 700 000 kg Zucker und 170 hl
Rum) und endlich Tabak (60O0OO kg Ausfuhr). Der Viehstand ist ein
sehr bedeutender: 300 000 Pferde, 248 O00 Maultiere, 658 000 Esel,
976 500 Schweine, 3~ Mill. Schafe und Ziegen. Die beiden Ackerbau-
kolonirn Guaman und Bolivar gedeihen gut. Wie gesund die höbern
Regionen sind, beweist die geringe SterblichkeitszifTer (1:58); im letz-
ten Jahre zählte mau 199 Individuen mit mehr als 100, und 115 mit
120 — 125 Jahren. Unter den Montanschätzen ist Gold (in Venrzuelisch-
Guyanti) am wichtigsten, doch ist der Bergbau noch wenig entwickelt.
Von den Häfen sind Puerto Cabello und La Guaira am wichtigsten; io
zweiter Line kommen Maracaibo und Carüpano. Suytn.
414. Sievers, Über Schneevorhiiltuiase in dor Cordillere
Yeuozuelas. (Jahresbor. Geogr. Ges. München 1886,
10. Heft, S. 54.)
Aul der Sierra Nevada d« Merida wird di« Hohe der Schneelinie
mit 4100 m angegeben (nach Cnduii nahm man bisher 4550 m nn). Der
ire NO Merida» gelogene Pan de Aiurar ist schneefrei, obwohl er ca
4400 m hoch ist. Sttyjn.
415. Stübel , Skizzen aus Ecuador, dem VI. Deutschen
Geographentag gewidmet. Berlin, Asher & Co., 1886.
Die.« reich and elegant ausgestattet« Schrift bildet« den illustrierten
Katalog au den heim VI. Deutschen OeographenUg ausgestellten Original-
gemildert, welche auf der Kipedition ron Rein and Stübel nach Columbien
und Ecuador ron dem Maler Kabel Troja au» Uuito angefertigt warden.
Was diese Gemälde besondere ausieichnet, ist einerseits ihr wissenachaft-
licber Charakter — da» geologische Moment ist für die Aufnahme grdfaerer
Londachlftabilder stets allein mafsgebend gewesen — , anderseits ihre Natur-
treue, die dadurch eraielt wurde , dafs die Bilder stete an Ort and Stelle
gemacht wurden. I'm so dankbarer luüsMn wir ca anerkennen, dafs diese
Bilder jetzt durch Federzeichnungen dem Publikum allgemein ruglnglich
gemacht wurden. Jedem Bildchen iat ein kurier erläuternder Text beige-
geben; sehr wcrtroU sind auch die Höhenangaben, wenn dieselben auch
noch nicht als definitiv angesehen werden können. Der am Schiufa der
Vorrede autgnprochene Gedanke der Begründung ein« Geographischen
Museums iat im höchsten Grade beachtenswert. Supam.
416. Bresson, Bolivia. Sept anuoos d’explorations , de
voyagea et de sejoura dans l'Amdrique Australe.
Mit zahlreichen Karten, Ansichten und Bildern. Paris,
Challamel aine, 1886.
Wenn die ehaurioiatiach« Anlage des Verfassers in dem imp.oant aus-
gestatteten Werke weniger durchbliekte, und die Dantellungeo der Zustände
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Litteraturbericht Nr. 417 — 420. 95
südtmfrikanischer Iöindcr nicht in grellen Tcndcnxfarbcn louchtctcn, so
könnte der Leser wohl glauben, eine ernsthaft verfafst« Reisebescbreibung
ror sich zu haben. Wohl hätte Bresson in «einer Eigenschaft als Inge-
nieur während seines langjährigen Aufenthalts in Südamerika — er be-
reiste einen grafsen Teil ßnlivias, des Amaxonengehicts , die Landenge Ton
Panama &c. — Gelegenheit genug gehabt, viel Wissenswertes Über jene
ko wenig gekannten Gegenden anfxuxeichncn , und sein Werk hätte xu
einer der wichtigsten Quollen über jene Gegenden gestaltet werden kön-
nen; er bat es jedoch vorgezogen, »eine xura Teil ganz richtigen und
wertvollen Beobachtungen mit einer starken Dosis von Mythe und Dich-
tung xu verquicken. Der Geograph findet nur spärliche Brosamen in die-
sem Werke, trotzdem der Verfasser seine eignen topographischen Arbeiten,
an deren Brauchbarkeit die beigegebenen Karten ernste Zweifel aufkommen
lassen, überall in den Vordergrund zu stellen sucht. So kann die unrich-
tige Karte der Atacama- Wüste (S. 312—313) jetzt nur noch verwirrend
wirken, wo seit mehr dem» einem Dezennium richtigere Darstellungen der
Gegend existieren Hs wird dem Leser zugemutot, die längst als Erfin-
dung erkannte Wienersche Besteigung des Illimani zu glauben u. dgl. mehr.
Auch scheint es dem Verfasser gänzlich unbekannt zu »ein, dafs während des
letzten pacifischen Krieges die Koute Rosario— Tucumao — Salta — Tupisa —
Potoai— Sucre der wichtigste, ja fast der einzige Handelsweg für Bolivia
war ; sie würde sonst wohl nicht auf der Karte der Handelswege (S. 263 — 264)
fohlen.
Vergeblich sucht der Verfasser dem Panamakanal - Unternehmen durch
eine aufsemt optimistisch gefärbte Darstellung desselben «inen Liebesdienst
zu erweisen — das Buch ist Herrn v. Lettseps gewidmet, und er selbst
hat eine Vorrede dazu geschrieben; — die jüngsten Vorgänge in Paris reden
eine zu deutliche Sprache, als dafs das Publikum sich noch durch der-
artige Übertreibungen fangen liefse.
Für unsre Nachbarn jenseits der Vogesen besitzt da» Buch eine be-
sondere Bedeutung, insofern ihnen dir traurige Wahrheit mit klaren Wor-
ten vorgebalton wird, dafs sie in Südamerika, speziell in Bolivia, gegen
die Deutschen nicht aufzukommen vermögen, sic überhaupt alle Ursache
haben, sich der Kolonisation energischer als bisher zu widmen, wenn ihr
Kinflufs im Auslände nicht auf ein ganz tiefes Niveau hcmbgcdrückt wer-
den soll.
Da» eine Lob müssen wir dem Buche immerhin spenden : cs ist unter-
haltend geschrieben. Zahlreiche, meist nach Photographien ang<*fertigte
Bilden beleben den Text und regen den I**cr an. Doch vergesse man
nicht, dafs der Titel eine« bekannten Goetheschen Werke» kein uii]ussend«s
Motto für das Werk abgegeben haben würde. Sfrlitui.irm.
417. Dio Keise S. M. Korvette „Aurora“ naoh Brasilien
und don La Plata- Staaten, 1884 — 85. Pola 1885.
Auch iliei« Expedition hätte, wie die in Lilt.-Uer. Nr. 309 u. 380 er*
wüli nteu, dio Aufgabe, kommoniello Studien bchuls Anknüpfung ran Han-
dels‘Beziehungen mit Österreich - Ungarn xu machen. Von tallgnmeinrrm In*
tere&se sind nur einige Bemerkungen ; so der Hinweis nuf die beachtenswerte
Stellang, die sich die Deutschen in den btasiliunischen Seeplätzen erwor-
ben haben, und auf den steigenden Kinflufs der Italiener im La i’lal.i-üebiet,
wobei noch besonders darauf aufmerksam gemacht wird, dafs die Italiener
ihre Nationalität außerordentlich sähe festhalten. Neu ist, dafs trotz
strengen Verbotet noch immer SkUten naeh Brasilien eingeführt worden.
Der Stab der Korvette besuchte auch La l'lata , die ueue bei Kiueuada ge-
legene Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, xu der erst am 19. Dezem-
ber 1882 der Grundstein gelegt wurde, und die jetzt schon 26 000 Ein-
wohner zählt. Supun.
418. Dent, A Year in Brazil. Mit 2 Karton. London,
Kegan, Trench & Co., 1886.
Dero Reisebericht sind einige ztuammentssoende Darstellungen über die
Provinz Mini» Geraes und Fernando de Noronha, über die religiöien uud
politischen Vcrhiiltniwe Bjwliciu {das Kapitel über die Sklaverei Ut le-
senswert), and eudlich naturwissenschaftliche Bemerkungen angefügt. Die
letztem beschränken sich al>er meist uur auf leisten gesammelter Tiere
und Bilanzen, abgerissene meteorologiache Beobachtungen, seitenlange Aus-
züge aus dem Werk tod Liais (Paris 1872) und allgemeine antidsrwini-
stische Auseinandersetzungen, die einen »ehr beschränkten kirchlichen Stand-
punkt verraten. Nicht neu, aber doch beachtenswert sind die Beobachtungen
über die säkulare Verwitterung der Gneifsfonmtion, die stellen weil« bi» zu
eiuer Tiefe von mehr als 270 m Torgedrungen ist, und über dio gewaltige
Hrosionskraft der Wildbäche. In Eisenbzhneiuschnitten sah der Verfasser
den Gneifs zu einer völlig plastischen Thonmasse verwandelt, dio aber noch
alle Details des tektonischen Aufbaues treu bewahrt hat. Härtere Schichten
bewirken allein einige Abwechselung im Land schaft »bild. Sup*n.
419. v. d. Steinen, Durch Zentralbrasiiien. Leipzig, Brock-
haue, 1886.
über die Schingü- Expedition von Claufi und v. d. Steinen sind die
Leser der .Mi Heilungen* schon durch die Originalberichte von Dt. Clsufs
(S. 129 u. 162) unterrichtet. Aus dem reich ausgestatteten Kcisewerk
v. d. Steinen» seien noch die wichtigsten ethnologischen Ergebnisse in
Kürze nochgetrogen.
Der Schingü dielst durch eiu von den verschiedensten Völkerschaften
bewohntes Land. Im Qucllgcbict des Schingü und Tapsjos wohnen die
zahmen und wilden Bakairi, deren Sprache sich als ein alter, Tom Tupi
gänzlich verschiedener Karibcndiolekt erwies. Diese epochemachende Ent-
deckung führte zu einer völligen Umgestaltung unsrer bisherigen, haupt-
sächlich auf dio Autorität v. Martius' sich stützendes Anschauungen Über
die VerwandtschaftsverhältnUae uud Wanderungen der Stämme der N'ord-
hilfte von Südamerika, v. Martius* Guck- oder Coco -Theorie, die alle
Stämme, welche den Vaterbruder mit Guck, Cuccuh oder Coco bezeichnen, zu
einer Gruppe zusnmmcnfaCrt, wird als unhaltbar nachgewiesen, v. d. Steinen
baut seine Theorie zwar ebenfalls auf rein linguistischer Grundlage auf
— und er erklärt die« auch als dio dorzeit einzig mögliche Methode — ,
aber »eine Basis ist eine viel breitere. AU die wichtigsten, weil konstan-
testen Sprachclcmento bei don festländischen Stämmen (aber auch nur bei
diesen) bezeichnet er die Benennungen der Körperteile (aufserdem noch
lür Sonne, Mond, Feuer); und er unterscheidet nun kognate Stämme,
welche in bezug auf die wichtigsten Worte Übereinstimmung zeigen , und
affine Stamme, dio nur in Wörtern von untergeordnetem Wert** Über-
einslirome». Der Irrtum von Martius bestand darin, dafs er in scino
Guck- Gruppe kognate und affine Stämme zusamroenfafste.
v. d. Steinen unterscheidet im uördüchen Südamerika fünf kognate
Gruppen, deren Verbreitung er auch kartographisch dargestellt hat. Es
muf» aber hinzugefllgt werden, daf» einige Stimme noch uuberhulb seines
System* stehen.
Im N finden wir zunächst die Nu- Volk er (so genannt nach dem
Präfix nu-), welche «ich über das obere Orinoko- und Amnxonasgebiet ver-
breiten, aber vereinzelt auch uoch auf dem xcntralbrasilianwchen Plateau,
da» wahrscheinlich ihre ursprüngliche Heimat ist, wohnen (Parecis am
obern Tepojos, Kustenon am obern Schingü und Guano» unter 20° Br.); —
und die ihnen untergeordneten Aruak, welche bis zum 17. Jahrhundert
die Küsten Guyanas, Venezuela und die Kleinen Antillen besetzt hatten.
Die Herrschaft der No- uud Aruak im N kennzeichnet die erste geschicht-
liche Periode, während die zweite dnreh die Machtentfaltung der Ka-
riben, mit der xura Teil gleichzeitig dos Vordringen der TupUtäxnmo nach
dem N stattfand, eingeleitet wird. Die Kariben bewohnen (aufser den
Kleinen Antillen) in kompakter Mas*«, aber in zahlreiche Stämme zersplit-
tert, das Hochland von Guyana, wo sich nur im Zentrum noch ein paar
versprengte Stämme der Nu-Gruppc (Wapisiana und Atorai) erhalten haben.
Isolierte Kariben sind die Carijona am Yapura in den Andes, die erat in
historischer Zeit hierher gekommen sind, die Palmcllax im obom Madeira-
gebiet, ebenfalls ein Wandenrolk, und endlich die Bakairi. Auch da»
Pimenteira im r*tbmilianiftchcn Binnenland Ut wahrscheinlich ein verderb-
ter Karibendialekt. Als Urheimat der Kariben wird da» Land südlich vom
Amar.onus angenommen; die Bakairi wären demnach ein zurückgebliebener
Stamm. Daf» die Trennungen vor 1600 {>• Uhr. »ich vollzogen, beweisen
die Bezeichnungen für Banane, die erst von den Konquistadoren eingeführt
wurde. Nördlich vom Amazonas herrscht im O da» Wort paratam, im W
banala (daneben kommt auch paruru vor), südlich vom Amazonas nennt
man die Banane pacoba. Die wilden Bakairi kennen die Banane gar nicht ;
die zahmen haben dafür das portugiesische Wort bsnana. Dio Volker des
brasilianischen Binnenlandes Östlich vom Schingü (mit Ausnahme der Piinen-
teirn und der nicht klassifizierten Kiriri und Snbuja) fafst v. d. Steinen
unter dem Namen Tapuya-Gruppe zusammen; sie urofafst Martins’
Oto- und Gnyntnen- Gruppen und dio Botocuden. Ziemlich bedeutende
Unterschiede veranlagen ihn aber, hier wieder Unterabteilungen zu unter-
scheiden. I)io fünfte Gruppe bilden dio Tupi der brasilianischen Küste,
zu deuen aber auch mehrere Stämme im Binnenland zwischen dein Schingü
und Topsjo», und einige Reste am Ostfuf* der Andes gehören. Eine Klä-
rung der noch vielfach dunkeln Tupifrage ist erst von der Zukunft xu er-
warten; von gröfstem Einflüsse darauf dürfte eine Untersuchung der Sprachen
aru rechten Quellami de« Schingü, am Kulis^u werden. .S^jian.
420. Bianconi, Carlos commorciales. Sor. VI, Xr. 1:
Uruguay. Paris, Impr. Cbaix, 1885.
Der Text enthält für uns nichts wesentlich Neues; ja manche Zahlen
(2. B. Bornlkerung, Schiffsverkehr) sind älter, als die Angaben des letzten
Gothaer Holkslenders. Einiges Interesse bietet dagegen die Karte, welche
%
Litteraturbericht Nr. 4 '21 — 423.
u. a. aorgfaltig die über da« ganze Land zentreuten Kstancix« (Viehzucht-
Etablissements) and Salad^ros (Anstalten zum Abbäuten de« Viehes und
Fleischeimalzen) angibt. Da« ganze Lind erscheint fast aU ein einziger
Weideplatz, nur ein verhültuismlfsig schmaler Streifen im südlichen Küsten-
land ist kultiviert , vorwiegend mit Getreide, Mais und Haifa. Suyan.
421. Hariot, Rapport sur uno missiou scioutifique outro-
prigo (laug leg rvgiong Magellaniqueg , 1883. (Arcli.
Misgions sciont. Paria 1885, Bd. XII, S. 413.)
Aufser einer speziellen Pfianrenbesehretbuug enthält der Bericht noch
einige allgemeine Bemerkungen. Die Wälder dw Feuerland - AichipoU be-
stehen nur aus fünf Arten: Drimy* Winteri, den «immergrünen Buchen
P. antarctica (bis 300 m Hoho auf der Hennito- Insel) und P. obliqu«, der
immergrünen Buche F. betuloidas, welche die littoralen Waldungen be-
herrscht, und endlich aus eingeztreuten Liboccdrus tetragona. Enorrao
Feuchtigkeit , welche die Bäume verfaulen Ufat, und Stürme schaffen im
Wald ein chaotisches Durcheinander. Über der Grenzo des zusammenhän-
genden Walde« nimmt das Pflanzenlebcn rasch ab; auf der Hcrmite- Insel
findet man in 500 m Hohe nur mehr 11, und in 550 m Hohe nur mohr
4 Blutenpflanzen. Die Schneegrenze wird in 1000 m Hohe (nicht etwas
tiefer «chon.1) «reicht. Die grofso Feuchtigkeit Lfst schon in 1‘unta Are-
na« keine Frucht mehr zur Keife gelangen , uud mit Ausnahme von Kohl-
rübe und Gartenkresse geben die Küchengcwich*c nur «eiten guten Samen;
die englische Mission&statiou Cschuvia ruufs jährlich neueu Samen aus
Kuropa beziehen, über dio Qeottil der Feucrinnd- Flora und ihre Bezie-
hungen zu den der übrigen antarktwehen Imieln spricht «ich der Verfasser
nur flüchtig au«. Kr nimmt einen kontinentalen Zusammenhang mit
Tristan d’Acunha und den Kerguelen, anderseits über auch einen eolcheu
zwischen Feuerland und dem Festland von Amerika un. Nupan.
422. Garson, On tko Inhabitants of Tierra del Fnogo.
(Jouru. Antkropul. Iust. 1885, Bd. XV, S. 141.)
Von den vier, einst ton Capt. Fitxroy untrrschiodcr.cn Stämmen:
dem Yacana • Kunny (jetzt genannt Onaa), Tekeenica (jetzt Yahgans), Alik-
boolip (j«t*t Alaculoofs) und dem Pacheray , scheint der dritte »einen kör-
perlichen Merkmalen uud seiner Lebensweise zufolge sich nahe au den
zweiten auzuschliofccn. Der Verfasser gibt die Abbildung eine« männlichen
Schädels de» Y ah gau -Stamme» en face uud von der Seite. Ob die Peche-
rayt als ein besonderer Stamm zu betrachten sind , rauf» künftigen For-
schungen Vorbehalten bleiben. Nach ltev. Bridges Schätzung im South
Amer. Mission. Magazine, Oktober 1884 , besteht der Yahgan -Stamm au»
ca 1000 Seelen (273 Männer, 314 Frauen, 413 Kinder), die Onaa aus 500,
die Alaculoofs und ihre Verwandten aus vielleicht 1500. B» betrögt die
durchschnittliche Grobe der Yahgan-Manner 1612 mm, ihrer Frauen 1650»
i der Alaculoofs 1612 und 1516 mro. Die genauem Mafee für Schädel uni
andre Körperteile befinden «ich auf 2 Tafeln und am Schlnfs der Ab-
handlang. Langkavti.
Polarländer.
423. Dio österreichische Polarstation Jan Mayen. Beob-
achtungsergehnisse, herausgeg. v. d. Kais. Akad. d.
Wiss., T. Bd. Mit 4 Karten &c.t Wien 1886.
Der V. lld. enthält:
a) einen Vorbericht von B. v. Wolilgemutb.
b) Astronomie, bearbeitet von K. v. G*id el- Basso. Die Potitioa
der Sternwarte ergab sich zu 70° W' 48" N und 8° 28' 8" W. Gr.
«) Aufnahme und Beschreibung der Insel von A. v. Bobrik, mit
einer Karte der Insel in 1 : 100 000 und einer l.’mgebungskarte der Bcob-
achtungsstation Wücxek - Thal in 1:25 000- Die Iiuel (371,8 «ikm) er-
streckt sich in SW — XO-Kichtung und iu einer Lange von 53,1 km vorn
8üdwc«tkap (70* 49,*' X, 9° 1,4' W) /.um Nordostkap (71° 9,7' X,
7* 57,7' W) und besteht aus einer kleinern Gcbirgsmasse im SW (Kluabeth-
spitze 813 m hoch) und einer grüfsern im NW (Bcoronborg 2545 m hoch),
die durch einen schmalen, im SO rou einer Lagune begleiteten niedem
Gebirgnisthmus (tiefster Gipfel Nimmaycrherg 204 m hoch) verbunden sind.
ParaMtii-cho Kraterbildüfigen sind »ehr häufig. Ein Vergleich der heutigen
Küstengestaltung mit der holländischen Beschreibung au« dem Jahre 1650
ergibt bedeutende Veränderungen, welche sich im allgemeinen als Land-
Zuwachs durch Sandanliiiufungen erweisen. Die bedeutendsten derselben
i «ind dio Landvcrüstigung der Kioriusel und die Entstehung der SUd-
lagune. die wahrscheinlich mit den von Scorcuby im Jahre 1818 beobach-
teten Eruptionen zuaaminenhiinKt. Auch einige Gletscher, wie der SÜd-
gletscher und ein paar der Ostseite de» Beercuberge» worden in der alten
Beschreibung nicht erwähnt. Beachtenswert ist, dafs die östlichen Glet-
scher keine Seitemnoräueu besitzen, wohl aber ausgebildctc Gmndmorincn,
die xur Erweiterung der Küatc beitragen. Andre Gletscher haben <>ber-
fliichonmoräueD. Merkwürdigerweise zeigte der grof»e Südgictscher während
243 Tagen keine wie immer geartete Bewegung; hei dem westlicheu Glet-
scher betrag das Vorrücken in 24 h; Wevprecht- Gletscher (Mai und Juli)
3 m, Kjerulf- Gletscher am Bande (Juli) 19 cm, Svend - Foyo- Gletscher im
Eisfall (Juli) 6} ro.
d) Meteorologie von Sobiecxky. Die wichtigsten Ke«nltate sind in
folgender Tabelle zusammengrstcllt ;
I.aft-
dntrk
700-}*
m
Temperatur der
miii.i Absolut«
*mel Extrem«
Obe rfl iichen -Temperatur
k°ft. des Secwassers.
8'p»- •">«<•> Extremo 8p*-
kuog kuutf
Salz-
gehalt
Z - 5 3
?Ss£
c aÜ B
= 5 *• =
£i_
fl ” V
3 2*
— 3,
Niederschlag
mm Tage
Sicht-
bare»
Polar-
Hebt.
Tage
Mittlrer
Wind-
gcichtvin-
digkrit
1 Meter
per 8ek.
Vor*
licrr-
„ h.’Oitfl
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Aug.
1882
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1.3°
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89,3
480
240
133
7,9
SH
Die Extreme de» Luftdruckes waren 782 und 720,6 mm, ein Beweis
für die Greuzstellung Jau Mayens zwischen den grönländischen Anticyklo-
nen- und dem nordatlantuchcn Dcpressionsgcbiet. Die tägliche Periode
zeigt da» Hauptminimuni um 5*, da« Hauptiiuximum mittags, ein sekun-
däre« Minimum um 5P und ein sekundäres Minimum um 91* ; die mittlere
Tagesschwankung betragt abor nur 0,1 mro. Der höchste Thcrroometer-
stand trat im Jahresmittel um 1P, der niedrigste um 3* und 5* ein: die
einzelnen Monate zeigen aber grof«c, offenbar auf Winde zurückzuführende
Anomalien. Das 24«tündigv Maximum der Niederschläge war 2S mm; die
Zahl der heitern Tage betrag nur 7. Sturrutagr gab es 54, davon 10 Itn
Fcbraur. Die vorherrschende Windrichtung war ziemlich konstant SK,
und die Winde aus N, NE, K und SK überwogen jene au» den entgegen-
gesetzten Himmelsrichtungen. Bemerkenswert ist die durch di« insulare [«age
bedingte bedeutend'* Windstärke; das mittlere Maximum (9,3 ru) eutfrltt
auf den K-, das mittlere Minimum (4.6 m) auf den W-Wind. Die östlichen
Winde «ind die wärmsten, die nördlichen die kältesten. Angefügt irt noch
eine DiskuMion der holländischen Beobachtungen 1633 34, ferner die Be-
obachtungen auf See im Juli 1882.
e) Temperatur and spezifisches Gewicht de» Seewax»ers, von J. Lukseh
und J. Wolf. „Der Hauptwert de« vorliegenden Materials” — bemerken
die Verfasser — „ist in der Ausdehnung der Untersuchung auf alle Jahres-
zeiten und in der zum grofsen Teil« durchgeführten stTongen Einhaltung
der Periodizität bei den Ablesungen zu suchen“. Einige der wichtigsten
Kmultat« »ind in obige Tabelle eingefiigt worden. Der mittlere Salzgehalt
der obersten, nicht unter 1 3 m reichenden Meeresschicht bei Jan Maye«
dürlte 3,47 bi« 3,4a Proz. Entsprechend dem sp*xifi«chon Gewicht Ton l.ofM
%
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Litteraturbericht Nr. 424—425.
1*7
Az» 1,0940 bei 17,6° C.) betreiben heben, lra Juni und Juli 1883 nuhm
der Salzgehalt bie mindestens 200 m Tiefe ununterbrochen tu, in den Mo-
naten Dezember, Januar, April und Mai trat aber ein Maximum in ca 5 m
Titfe auf, eingeschlossen von den Minima in 0 m und in 10 — 30 m Tiefe.
Wahrscheinlich ist aber auch im Zeitraum Dezember bis Mai die Wosier-
sehiebt von 30 bis ca 200 m Tiefe aalxreieher gewesen, als die darauf lie-
gende Schicht.
0 ChemDehe U ntersuchungen der Seewnserproben von Kliemetschek
und Snbieczky.
g) Ebbe- und Flutbeobachtungen von A. v. Bbbrik. Bisher wurden
im arktischen Teil des Ostgrünländischon Meeres nur von der zweiten deut-
schen Folareipedition regelrechte Beobachtungen augestellt, und um so
dankbarer mufs der hier gebotene Beitrag entgegengenommon werden, be-
sonders da störende Eüidiisae auf die reine ozeanische Flutwelle bei Jan
Mayen nicht bemerkbar sind. Supoa.
424. .Report of the international Polar Expedition to Point
Barrow, Alaska. Washington 1885.
Inhalt: a) Erzählender Teil Ton llay, der von der Station aus im
Jahre 1882 eine Reise nach SO zum Nackay Inlet, und 1883 eine solche
nach S zum Mcado-Flufs unternahm. Eine Kartenskizze stellt die topo-
graphischen Ergebnis» dar. b) Eine ethnographische Skizze der Emge-
bnmen von l’oint Barrow, von Ray. Die Kingebomen sind ein kräftiger,
gesunder und auch moralisch gut beanlagtcr Menschenschlag mit braunen
Augen und schwarzen, straffen Maaren, schmalen und schön gestalteten Händen
und Ftlfsen. Die mittlere Manneshöke betragt 1G16, die mitttere Weiber-
höhe 1318 mm. Ruinen alter Dörfer und Winterhutten zeigen an, dab diese
Gegenden schon seit langer Zeit bewohnt sind. In kurzer Zeit dürfte die
Bevölkerung aber ausgestorben sein ; ein Vergleich mit deD Angaben Dr. Simp-
sons aus dem Jahre 1864 zeigt überall Abnahme der Bevölkerung, und
im Dorf Uglanmie kamen während des zweijährigen Aufenthaltes der Ex-
pedition nur zwei Geburten neben 18 Todesfällen vor. Ein kleines Voka-
bular ist beigegeben, c) Systematische Beschreibung der zoologischen Samm-
lungen von Murdoch uud der botanischen Sammlung von Asa Gray,
d) Die zweite Hälfte des reich ausgestatteten Bandes bilden die meteoro-
logischen, magnetischen und Gezeiten-Beobachtungen. Die wichtigsten Re-
sultate der Landbeobachtungen (18. Oktober 1881 bis 27. August 1883)
sind, in metrische Mafse übertragen, in folgender Tabelle zusammen-
gestellt.
Beobachtungen
au fglaamie, c*
71° 23'
N, 156°
40' W.
Mittlere
Vor-
berr*
sehender
Wind«)
Luft-
druck *)
T00 4*
mm
Temperatur der Luft
\t Abiolute
Mm#l Extreme
Oberflüchentemperatur d. Meeres.
>"lwl Bxt'rcmc
Keimt Ire
Feuch-
tigkeit
Nieder-
»chlmg
tum
Wind-
getchurln*
digkeit
m pro Sek.
Zahl der
Polmr-
ileliter
November
1881
69,3
—17,8°
— 0,9“
—33,3“
—
—
—
81.4
18,6
8,0
NE
23
Dezember
M
68,4
—27,8
—11,4
—47,0*
—
—
—
73, e*
11,3
3,8
NE
27
Januar
1882
67,3
—26,4
— 0,5
—43,1
—1,»°
• — 1,70#
—2,3“*
82.9
11,3
7,4
K. W
27
Februar
m
65,0
—30,6*
— 19,1*
-46,9
—1,8
— 1,8
—1,8
78,8
1,0*
5,3
SW
28
März
63t*
— 20,3
— 6,1
—34.«
— 1,8
—1,6
—1.8
82,8
13,0
7,9
W, SE, E
27
April
N
61,5
—20,2
0.»
—Sogs
—1.7
—1,2
-1,8
82,3
9.»
4P»
SE. W
14
Mai
64,0
— 6,5
2,9
—18,7
— 1,7
— 1,6
— 1,7
82.7
11,9
6,2
NE
—
Juni
68,9
1,4
11.»
18.«
— 4,9
— 0,7
0,6
— 1,7
86,3
15,5
4,0
NE
—
Juli
_
57 to
6,3
— 2.7
8.0
9,7
—0,7
+ 1.9
83,5
35,3
4,8
E. SW
—
August
M
57,2
3.2
14.»
— 3,0
5,8
9,5
86,5
37.1
6,8
E, NE
—
September
n
57,2
— 0,3
10,7
— 6.9
0,7
3,1
—1.9
88.1
27,9
6,9
B
9
Oktober
M
59,4
—13,0
4,3
—29,0
— 1.8
0,0
—2,9
85,9
26,7
6.3
NE, E
15
November
n
67,«
—21,7
— M
—37,5
— 1,7
— 1,8
— M
84,1
8.«
8-5
E
26
Dezember
65,0
—27,8
— 13,3
—41,1
—1,8
—1,4
— 1,7
87,1
6,1
3.8*
E, WE
30
Januar
1883
61,1
—27,2
— 10,9
—41,0
—
—
—
85,1
3.«
6,2
E, W, N
29
Februar
rr
67 .s
—21,8
— 4,9
— 36.»
—
—
—
80,1
25,9
5,8
W
25
März
n
02.7
—26,3
— 3,9
—46,3
— -
—
—
76,5
3,6
5,3
E
27
April
n
02,7
—19,8
— 8,9
— 33,9
—
—
—
78,9
14,0
3.8
W. E
8
Mai
m
69,0
— 4,9
3.9
—25.«
—
—
—
85,3
7.»
5.8
NE, E. W
—
Juni
n
60,»
0,2
10.5
— 7,7
—
—
—
87,5
7.»
5,4
NE, E
—
Juli
i»
50.0
2,3
11,0
- 2.«
—
—
—
87,7
00.7
26,4
5,4
NB, E
—
August 3)
»
56,1*
2,7
15,0
— 5.3
—
—
—
42,2
6.7
B
—
Jahr
1882.
59, S
—12,9
18,4
—46,9
—0,4
9,7
—2,3
84,1
203,5
9,0
NB, E
176
*) Seehöhe des Barometers 5 m. Die Barometerstände sind nicht auf das Meeresnivenu reduziert. *) Nur 27 Tage. *) Nach der achtteiligen Skala.
Supan.
425. Vogel, Über die Schnee- und Gletaoherverhältuisao
auf Südgeorgien. (Jahresbericht der Geographischen
Gesellschaft in München für 1885, S. 78.)
Die ersten genauem Beobachtungen über antarktische Gletscher in
höhom Breiten. Dieselben wurden auf und nahe der Station der lloyal-Bai
in 54° 31' 8. Br. und 30“ 5' W. L. vom 16. September 1882 bis ».Sep-
tember 1883 angestellt Bei einer mittlcm Temperatur von -j-l,4° (wärm-
ster Monat: Februar, -{-5,4, kältester: Juni, — 2,9, tiefste beobachtete Tem-
peratur — 12,3, höchste t- 1 7 ,8), ointr mittlcm relativen Feuchtigkeit von
74 Pros, und einer Niedcrschlugasumme von 1007 mm, welche dos ganze
Jahr über meist in Form von Sebnee fiel, sind die Bedingungen der Schnee-
ansammlung und Oletscherliildung sehr günstig. Die Schneedecke des Win-
tern. welche 1 m Tiefe erreicht, schmilzt sn der Nordseite der Insel im
Frühjahr auf dem Vorlande und den niedrigem Bergen fast vollständig weg,
und wo das Schmelzwasser abflieben kann und llnmus liegt entwickelt sich
bis zu 80 m Höhe das Tnsaokgras in üppiger Fülle. Die Angabe Cooks,
dafs Südgeorgien auch im Sommer unter Eit und Schnee begraben sei, er-
klärt sich Dr. Vogel dadurch, dafs Cook die Insel gesehen habe, als eben
ein Soramersehnee gefallen war, der im allgemeinen rasch wieder wegsehmilzt.
Als Föhnwinde treten auf dor von NW nsch SK sich erstreckenden Insel
die Winde au» W und SW nicht selten auf uud erktäreu wohl die That- .
«ache, dafs im September 1882 der Wintcrechncc noch nahezn metertief
Petermanua Geogr. Mitteilungen. 1880, I.itt.-Be rieht.
lag, während im September 1883 die l'mgebung der Station nahezu schnee-
frei war. Im Auguvl 1883 war Föhn häufig gewesen. Die Schneegrenze
ist als bis ans Meer herabrtichcnd za bezeichnen, wenn man erwägt, dafs
selbst an der der Mittagxsonne ausgesetzten Bergscite der Schnee in einzelnen
Jahren das ganze Jahr hindurch liegen bleibt. Allein cs werden Berge
von mehr als 700 m grüfstenteils, besonders auf dem Gipfel schneefrei, wo-
bei allerdings aufser der Sommerwärme auch Stürme, die den Schnee weg-
fegen, in Wirksamkeit treten. Da nun daneben auf der nicht über 050 m
hoheu Doppelspitze ein richtiger Gletscher zweiter Ordnung vorkommt, und
auf dem ltofsglctscher die Piralinie in 360 m liegt, so macht Dr. Vogel
den Vorschlag, die Schneegrenze anf 550m anzusetzen. Wir glauben in-
dessen, dafs auch diese Zahl nur eine lokale Bedeutung beanspruchen kann,
weil aus so beschränkten und so wenig zahlreichen Beobachtungen kein für
die gnnxe Insel gültiger Wert abzuleiten ist. Die 2000 m hohen Gipfel
sind fast beständig mit einer vom Winde aufgewirbelten Schneewolke ver-
hüllt, und nächtige donnernde Lauinen stürzen von den steilem Hängen
zu Thal. Aber die gröfste Menge des Schnees Hiebt als Thal- und Hänge-
glotaeher den tiefem Teilen zu. Leider ist von diesen Gletschern nur der
nach Hob benannte einigennafsen genau untersucht worden.
Derselbe setzt sieb aus mehreren Strömen zusammen. Von der Pafshöbe,
welche die Scheide nach der stark vergletscherten Südseite bietet, bis zu
der Stirne des Gletschers sind es 13 km. Die Stirne taucht 4,5 km breit
in das GO m tiefe Wasser der Royal -Bai mit 100 m hohem senkrechten
4
»8
Litteraturbericht Nr. 42G— 427.
Abfall. Dip Hauptmasse des Schmelxwassers fließt wohl direkt ins Meer,
nur auf der linken Seite, wo die Stirne auf einem Sandstrand aufruht,
mündet ein kloiner GloUchcrbach. Das mittlere Drittel de« ganzen Glet-
scher» ist ca 600 m weit ein Gewirr von unzugänglichen Eispyramiden.
Dr. Vogel vermutet, dmfs hier derselbe über eine Stufe unter den Meeres-
spiegel horabrückt. Die Masse steigt dann plötzlich und bekommt den
gewöhnlichen Zusammenhang. Im allgemeinen ist der Habitus des Rofs-
gletschors in bezug auf Spalten und Moränen dem der unsrigen ähnlich.
Mittelmorir.cn ragen wenig über die Oberfläche hervor. Uletschertischähn-
liche Bildungen sah Dr. Vogel nur einmal und schreibt deren Seltenheit
der infolge fast ununterbrochener Bewölkung geringen direkten Schmelz-
wirkung der Sonnenstrahlen zu. Auch wurden grüfaere Schmelzbache nicht
beobachtet ; vielleicht, d&fs das Eis dieses Gletschers von besonder« greiser
Porosität ist. Das UlcUcherkorn schien von normaler Grobe zu sein, die
Farbenerscheinuugeu in den Spalten glichen denen alpiner Glnt«chcr. Der
Gletscher ging in der einjährigen Beobachtuugszeit um 1 100 m zurück, und
alte Moränen in gletscherfreien Thiilern zeigen, dafs einst die Vergletsche-
rung ausgedehnter war als heute. Die Messung der Geschwindigkeit des
Kofsgletschers ergab eine mittlere tägliche Bewegung von 0,35 m. Jahreszeit-
liche Verschiedenheiten der Bewegung, die in den einzelnen Beobachtungen
angedeutet sind, konnten nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
l'n gern ein häufig wurde das Abbrechen mächtiger Stücke der Kisstirne
beobachtet, die mit donnerähnlichem Getöse in da» Wasser herabfielen und
oftmals den griifsten Teil der Oberfläche der Bucht mit Treibciastücken er-
füllten. Ks entstanden dabei Wellen, die beinahe im stände waren, das
1,5km davon vor Anker liegende Boot der Station umzuwerfen, l'nmittel-
bar nach dem Sturze sah man an der Bruchstelle eine Art von Wasserfall
herabtiiefaen, ob von Wasser odcrKisstanb konnte nicht entschieden werden.
Von der Station und Umgegend aus sah nun am meisten Eisberge Ende
April. Von einer 70 m hohen Anhöhe wurden am 24. April deren 30 ge-
fühlt, die zum Teil von sehr beträchtlichen Dimensionen waren. Am 28. Mai
sah nun einen, dessen Hohe auf 200 m geschätzt ward, und mehrere ver-
irrten »ich auch in die Bucht ; die Gestalt der Mehrzahl von ihnen war die
für die antarktischen Eisberge charakteristische tafelförmige. Von S. M. 8.
„Moltke“ aus sah man in 62 j° 8. Br. und 42^# W. L. einen Eisberg Ton
1200 m Länge, 1000 m Breite und 36 m Höhe. Niemals sah man Stein-
oder SchuUm&iScu oder Schmclxbirhe auf den Eisbergen. Leider konnte
zur Entscheidung dor Frage, ob diese Eisberge mehr aus Gletscher- oder
Salzwaaserei» bestehen, nichts beigetrogen werden. Raltd.
Ozoano.
426. Krümmel, Der Ozean. Leipzig und Prag, Frey tag«
Terapsky, 1886. (Das Wissen der Gegenwart, 52. Bd.)
In klarer, einfacher Weise, die nur selten mehr AnkUnge an den
Peschelschen Stil zeigt, werden die Ergebnisse der modernen ozeanogro-
phischen Untersuchungen dem gebildeten Publikum vcrgclegt. Der auf
diesem Gebiete boebgearhteto Name dos Verfassers macht die Bemerkung
überflüssig, dafs sein Buch den neuesten Standpunkt der Wissenschaft re-
präsentiert, wenn wir auch z. B. in dom kurzen Kapitel über das Meeres-
niveau den Namen Helmert ungern vemiifat haben. Im morphologischen
Teil steht der Verfasser ganz uuf eignem Boden; wesentlich Neues findet
»ich hier nicht, nur werden die Mittelmcerc in inter- und intrakontinen-
tale geschieden , und die mittlere Tiefe des Japanischen Meeres wird auf
1600 m reduziert. Nicht ganz einverstanden kann man mit der Ansicht
sein . dafa die Tiefen Über 3000 m „sehr alt*4 seien. „Alt“ ist in der
Geologie ein »ehr relativer Begriff. Dafa der Atlantische Ozean in der
Jurazeit nicht existierte, hat Neumayr gezeigt (*. Litt.-Bcr. Nr. 202). Die
Erklärung de* kalten Küsten wassers an den Westseiten der Kontinente zwi-
schen 30 und 10° Br. und auch der gelegentlich an der Obrrguinea-Kü«to
wie im Golf von Panama zu beobachtenden niedern Küstenteniperaturen
durch Anfsteigen des kalten Tiefenwa&scrs, welch« das vom Passat nach VV
getriebene Oberllächenwawer ersetzen »oll, ist unsere« Wissens neu und
jedenfalls sehr beachtenswert , wie da* Kapitel über die Meeresströmungen
Oberhaupt. Supan.
427. William Ferrel, Soa-lovel and Ocean-cunrents. (Science
1886, Bd. VII, Nr. 160, S. 187.)
Ferrel setzt die mit Davis über die Ursachen der Moeresitrörac
begonnene Diskussion fort, indem er die von ihm »eit 30 Jahren behaup-
tete Abhängigkeit der Strorao von den Temperaturunterschieden de» Wassers
verficht, während Davis die Windtheorie vertritt. Narb Zoppritz' be-
kannter Rechnung sind 230 Jahre erfortierlicb, um in einer Tiefe von 100®
unter der Oberfläche erst die halbe Stromgeschwindigkeit der letztem zu
I
erzeugen. Ferrel setzt nun die gTÖfate mm Wind erzeugte Oberflächen-
geschwindigkeit im offnen Ozean zu 10 Seemeilen (mite*) im Tage, und
glaubt den Geszrateffekt der Windwirkung auf die ganze Wassersäule gleich-
setzen zu dürfen dem Bewegungsmoment einer Oberflächeuschicht von 100 m
Dicke und 10 Seemeilen täglicher Stärke. Dem gegenüber berechnet ct
au» den Bestimmungen der Cballenger-Eipedition eine Überhöhung der äqua-
torialen Wavmrsäule gegenüber der polaren um 6,1 ftet — 1,5 m, indem ct
nur die Temperaturen zu Grunde legt, vom Salzgehalt absieht. Es wird
vielleicht nicht uninteremant sein, dafa Zoppritz selbst diesen Drucküber-
schufa am Äquator gegenüber dem Polarkreis mit Zugrundelegung der von
Bachanan gegebenen wahren spezifischen Gewichte
über der Niveau-
fläche von 2000 m Tiefe auf nicht woniger als 6 m berechnet hat. Die
Dichte der polaren Säule wurde nach den Bestimmungen der Norweger tu
1,028 gesetzt, die Dichte in der Kalmcnzone von 2000 m abwärts ebenfalls
zu l,0fet angenommen, aber von da an uach der Oberfläche bis zu l.Ott
kontinuierlich abnehmend gedacht, was ein Mittel von 1,025 ergibt, darau»
danu 2000 (1,02h — l,o») = 6m gefuuden. Gleichzeitig aber hat Zbpprits
auf die Versuche Dubunts ( HydraulujXif. Parin JAK) , Vol. I , p. 64)
hiugewiesen, welche schon für ein Gefälle von 1 : 500000 keinen mefabaren
Strom mehr ergaben, während bei einem Abstande vom Äquator turo Polar-
kreis von 7400 km ein Gefalle von 1 zu 1200000 herauskommt. Ferrol
«einerseits »etxt da» Gefalle, welches an der Oberfläche &,1 ftet auf 5000
milc* (Seemeilen ?) beträgt, in allen Schichten bi« zum Boden in 2500 Faden
Tiefe durchschnittlich zu l : 18G0U0O0. So weit liefae aich gegen Ferrels
Rechnung nicht» cinwendcn. Wenn er aber nun, ohne die DctAils oder
sonst ein«? Motivierung beizubringen, die au» diesem ganz verschwindenden
Gefälle sich ergebende Stromgeschwindigkeit in 4 Tagen bis zu 10 See-
meilen täglich wachsen läfat, uud zwar für die ganze Wa«errna.wo von 2500
Faden Tiefe, so wird man doch Bedenken trogen, die»«» Resultat ohne wei-
tere» als richtig auzuuehmen, auch wenn eine so eminente Autorität wie
Ferrel, einer der Begründer dor dynamischen Meteorologie, dahinter steht.
Es scheint dem Berichterstatter, als wenn Ferrel aas dem vorhandenen
kleinen Gradienten eine stetig beschleunigte Bewegung ableitet, wäh-
rend doch von einer solchen im gegebenen Fälle nicht die Rede sein kann,
sondern bei dem konstanten Unterschied der Dichten in der Kalmen- und
Folarzone nur an eine „stationäre*, d. b. von der Zeit unabhän-
gige Bewegung ge«lacht wer len darf. Eine Deutung des Weges, auf dem
Ferrel tu dem obigen Resultate gelangte, scheint dadurch nnr erschwert
zu werden, dafa Ferrel sich zum Vergleiche auf die Gezeiten bezieht, wo
doch selten ein grofseres Gefälle als von 15 fett auf 6000 tni/en gegeben
»ei, und dies« doch den ganzen Ozean bis zum Grunde in ti Stunden
nach de^ einen, in andern 6 Stunden nach der andern Richtung zu ver-
schieben vermöchte: die Gezeitenströme, welche das Flutpbänorocn beglei-
ten, können nicht lediglich als Ausgleich eine» vorhandenen Niveauunter-
schiedes gelten, sondern sind doch nur der Ausdruck einer im Wasser
sieh vollziehenden Wellenbewegung. — Es wäre also sehr wünschens-
wert, wenu W. Ferrel seine auf die Wirksamkeit der Dichte- Unterschiede
bezüglichen analytischen Untersuchungen baldigst in extenso der Öffent-
lichkeit vorigen wollte. — Der Unterzeichnete i»t keineswegs etwa der
Ansicht, dafa Dichte- Unterschiede im offnen Meer als Stromursnche ganz
zu verwerfen seien; noch den neuen Untersuchungen von Mohn (Peter-
manns Mitteilungen, Ergknxungsbeft Nr. 70) wird das niemand mehr
behaupten. Ks handelt »ich nur uro daj Mafa, welches dieser Ursache
gegenüber den sonst wirksamen andern Kräften zukoromt, und da rauf*
durchaus da» auch Ton Zöppritz Gesagte wiederholt werden: „Der Dichte-
Ausgleich findet tbatsächlich statt, er gebt nur *o langwara Ton statten,
dafs »eine Stromgeschwindigkeit im Ozean unmefabar ist, und wird durch
die übrigen Bewegungen der Oberflichomchichten de» Meere* völlig ver-
deckt, namentlich aber durch die grofaen meridionalen Meeresströmungen
vielfach gefördert“. Ein Mehrere* wird über die« ganze Problem ia der
von Zöppritz begonnenen, vom Unterzeichneten fortgesetzten Bearbeitung
eines zweiten Teil» xu BoguslawskU Ozeanographie gesagt weiden. — Die
von Ferrel dann weiter der Erdrotation zugeschriebcno Anhäufung warnen
Wassers in der $orpa»*o*eo lifat »ich unmittelbar auf Windwirkung xuriiek-
führeu. Ob die hohen Temperaturen im Verein mit dem hohen Salzgehalt
diese» Meeresteils eine „Dichtigkeifatlarke' (im Sinne Mohns) ergeben, welche
der „WiudtÜebe* parallel oder entgegengesetzt ist, wird einer besondern
Berechnung bedürfen; ob Buchanun» Tabellen schon dazu ausreichendes
Material gewähren, scheint freilich nicht sicher. Die Einwirkung der Erd-
rotation auf die langsame!! Meeresströme scheint Ferrel ebenfalls zu über-
schätzen: im Luftmeer zeigen Windstärken von 1 — 2 m pro Sekunde keine
solche Einwirkung, die äquatorialen Meeresströrae aber haben höchsten« nur
1 Seemeile stündlich, also 0,51 m in der Sekunde, und nur der Golf-trora
dürfte lieh durchschnittlich auf 1 m erheben , so longo et die Länge der
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Litteraturbericht Nr. 428 — 434.
99
Bermudas nicht überschreitet. Das Ulst der ablenkenden Kraft der Erd-
rotation, Tollend« in diesen niedrigen Breiten (ron deren & Unu4 sie ja
abhängig ist), wenig Wirkung zukoumien. AVunmW.
428. Hamberg , Beiträge zur Chemie des Meorwaeser*.
(Journ. f. prakt. Chemie, 1866, Bd. XXXI11, S. 140
u. 433.)
Dir Mrrrwproben, welche diesen Untersuchungen zu Grunde liegen,
stammen ton Nordenskiblds Expedition nach Grönland , 1883 , her. Zu-
nächst wurde dos Verhältnis von Schwefelsäure und Chlor bestimmt, und
dadurch die Dichtigkeit der Ansicht von der gleichmäßigen chemischen
Zusammensetzung des Mrenrawers bestätigt. Anderseits zeigt sich aber,
wie schon Petteraon atinahtt) , ein Eintlufs der Eisbildung auf den Gehalt
an Schwefelsäure und Chlor, deren mittlere Verhältniszahl ^ 1 '
(K^)
am grüßten war in dem zwischen dem Treibeis gewonnenen Oberflächen-
w&sser. Der Stickstolfgebalt ist nicht blofs von der Temperatur, sondern
auch von dem Salzgehalt abhängig; dadurch wird Tornöes bekannte Schluß-
folgerung, daß dos Tiefenwassor des norwegischen Eismeerbecken.« und der
Färöer- Kinne atlantischen Ursprungs »ei, cimgermafsen problematisch. Die
im Meerwaster gebundene Kohlensäure ist abhängig von der Temperatur
und außerordentlich veränderlich ; die Untersuchung mitgebrachter Wasser-
proben ist daher trotz aller Vorsichtsmaßregeln nutzlos. Supa*.
429. North Atlantic Occan, U. S. Hydrographie Office.
2 grofse Blätter. Washington 1886.
430. North Atluutic Ocean. 4 Blätter. Ebendas. 1884
und 1885.
Erstgenannte Karte, rou 31° — 60° und von lv 0 bis 81° 4ü' W
reichend, enthält außer der in Isogonen für das Jahr 1885 ausgedrückten
Mißweisung als Übersichtskarte verhältnismäßig wenige, sber um so deut-
licher gestochene Namen, und neben den Sonden oberhalb der 100- Faden-
linie nicht viele Zahlen für die Tiefste. Desto mehr bietet da» nach*
benannte von 0° bis 04° N and 0 bis 97* W begrenzte Werk von
beiden. Durch Abstufung der Uröfse nach ihrer Bedeutung und in kls*
rem Stich bleiben die Kamen bei grofser Anzahl doch sehr deutlich, und
nur gelegentlich kommen sie fsst in» Gedränge mit dicht stehenden Tiefen-
zahlen. Auch diese Karte zeigt die Limen gleicher Mißweisung und auf
deT Neufundland* Bank Grenzen des Treibeise» zu verschiedenen Monatm.
Angaben Über Stromrichtung kommen nur einzeln vor, z. B. in den westindi-
schen Gewiß**™, dem Schsuplitxe mehrjähriger Untersuchungen der nord-
amenkanischen Flotte, die sich hier zugleich in den dichter stehenden Tiefen-
messungen offenbaren. Hier sind di« Lotungen des „Albatros«** bis zum
Jahre 1884 in den wichtigem Zahlen vertreten, wo für alle Sonden der
Kaum nicht ausgereicht haben würde, lro Ksraibischeo Meere ergaben
diese Messungen nahe einer auf der englischen Seekarte Nr. <02 (von 1882)
„Tribüne* genannten, aber auch als im J. 1878 nicht bemerkt bezeichneten
Untiefe eine Tiefe von 3762 m und fast an Stelle der Arcona - Brecher, suf
der eben genannten Karte aß „Ancona-Breakers* früherer Karten bezeichnet,
5062 m Seetiefe. Auch die Albatros»* Bank OSO von Jamaica zeigt sich, wenn
such ohne Namen, in ihrer geringsten Tiefe von 31 m. Dagegen steht WSW
der Betrau das- Ime In 5 Meilen von einer Messung des Al bst tom zu 5087 rn
noch die l’craevcranu Shoai. Auch Meinungen jene« Schiffe» im Gebiet
des Golfstroms N von 30w N Iwii sich vermissen. Während die Lo-
tungen ora Farads? * Hügel vom Jahre 1879 der Hauptsache nach berück-
sichtigt erscheinen, haben die Meaiuugcn de« „Triton* vom Jahre 1882
auf dem Wvville Thomson- Kücken keine Vertretung gefunden. Dies wird
jedoch kaum als Mange! an einem Werke gelten, da» nicht gerade eine
Tiefenkarte, vielmehr zunächst für die Schiffahrt bestimmt ist, fUr die Un-
tiefen wichtiger als Ticßeerneiuangen sin*!. Btrykaui.
431. Kasparek , Studien über die physikalischen Verhält-
nisse des Schwarzen und Azowisehen Meere». (Mitteil,
aus d. Gebiete des Seewesen» 1886, Bd. XIV, S. 327.)
Verfasser gibt den Anfang seiner Auszüge, bxw. Bearbeitungen der im
Lauf« des letzten Dezennium* in der Petersburger Mannexeitvehrift „Morakoi
Sbornik" erschienenen wichtigen Abhandlungen über die bydrogrsphiwheo
Verhältnisse obiger zwei Meere nebst einer Tabelle der Temperatur und
Dichtebeitimmungen des Wassers und zwei Karten (de» Schwarzen Meere«,
der Straße ron Kertach). Da« spezifische Gewicht des Srewav*ers :tn
Schwarzen Meere ist vergleichsweise tu jenem andrer Gebiete des Itnmani-
sehen Meeres ein außerordentlich niedrige*, da* Wasser also stark aus-
gesüßt. Die für die Hochsee gewonnenen Ziffern des spezifischen Gewichts
überschreiten nicht l,oi«s, entsprechend einem Salzgehalt von 1,10 Prozent;
für dos Azowische Meer betragen die gefundenen Werte l,oo»s, was «men
Salzgehalt ron l,a* Prozent ergibt. Für die SeewasoeTdicht# in der Straß«
Ton Kertach geben 22 Ablesungen als Minimum 1,0091, aß Maximum l.Olft.
Im südlichen und mitUern Teile des Asowisthen Meeres schwanken die
Werte zwischen l,oö*S und l,**»i; erst im Golf von Taganrog stößt man
auf bedeutend geringere Salinität. Höchst regelmäßig erscheint die Ver-
teilung des spezifischen Gewichts läng» der kaukasischen Küste, wo sieh
die Beträge ähnlich wie längs der Knm zwischen 1,014 t and 1,0143 be-
wegen und den geringen Einfluß der kleinen Süßwasserxuttüue bezeugen.
AowgfocW.
432. Lo Princo Albert de Monaco, Sur le Gulf-Stream.
Paris, Gauthiora- Villars, 1886.
Der gesellschaftlichen Stellung des Verfassers ist cs wahrscheinlich
zuzuschreiben, daß sich die Keklsme schon vor einem Jahr* seiner angeb-
lich epochemachenden Entdeckungen bemächtigt hat. Der offizielle Bericht
befriedigt leider nicht die gespannten Erwartungen, welche die Keklame
hervorgerufen hat, und zu welchen auch die weitschweifige und anspruchs-
voll auftretende Schrift »elbst Veranlassung gibt. Die Thatsschr ist ein-
fach folgende: Im Sommer 1885 jetzt»* die „Hironüelle" NW von den
Azoren 179 flottierende Gegenstände, wie hohle Kapferkugeln , Fißchen
Ton Eichenholz uud Flaschen aas. Noch 51 bß 183 Tagen wurden 11
davon suf den Azoren sufgeßngen, welche zwischen 42" 12' und 43" 21 ' N.
und zwischen 31® 53' und 32° 19' W. Gr. ausgeaetzt worden waren.
Sie sind also in nahezu südöstlicher Richtung geschwommen, während die
bisheriger. Karten die Umbiegung der DordatUutischcn Verbindungsströme
etwas weiter nach 0 verlegen. Das ist aber auch das einzige neue Mo-
ment , und auch diese Entdeckung ist nicht Uber allen Zweifel erhaben,
da Meeresströmungen zeitweucn Ablenkungen ausgsaetzt sind. Zu weit-
tragenden Schlüssen (daß der Golßtrom den 40- Parallel nicht über-
| schreite, und dafa di« aus SW kommende Strömung an den europäischen
Küsten nur eine Olterri sehen tritt sei) berechtigen jene Fla«chenpoetcn nicht.
I Zum Teil sind diese Schlüsse auch geradezu falsch und stehen im Wider-
spruch mit der Temperaturverteilung besonders der tiefem Schichten, wel-
cher der Verfasser und sein w:t«en»ehattlicher Berater leider gor keine
Aufmerksamkeit geschenkt hoben, obwohl gerade *ic den Haupl»chlü«sel
zu onsrer Kenntnis von der ozeanischen Wauervernetsung liefert. Es ist
i auch sehr zu bedauern, daß die Krümmeßche Terminologie (Florida- , An*
I tillen- , Golßtrüraung) nicht allgemein durch gedrungen ist; sie könnte
manche Verwechselungen und Irrtümer beseitigen. Supan.
433. TicfseemuasutiKOu des C. S. S. „Albatross “t Comm.
Tannor, im Nordatlantischcn Ozean, 23. Februar bis
6. Mai 1886. (Notice to Marinen», Washington 1886,
Nr. 24, S. 204.)
Im ganzen 181 Messungen zwischen 23" 34' und 32® 40' N und
I zwischen 74® 35' und 80" 6* W; eine kleine Serie entfällt suf die
Straße zwischen Florida und Cuba. Wir heben daraus nur ein paar Zah-
len herror, welche die Karte im Srgelhandburh de» Atlantischen Ozeans,
herausgegeben voo der Deutschen Seewarte, wesentlich korrigieren.
1. 28"
43' J
!. 76"
27 *
W, 2845 Fad.,
52t »3
S. 28
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8
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45
2255
4124
7. 25
43
76
59
2222
4U64
Nr. 1 — 3 zeigen beträchtliche Vertiefungen, die kart'» graphisch noch
nicht dargratellt «ad. Die übngen Nummern zeigen Abiturs* de« Bodens
Idee Bahamo-ArrbtpcU; die Iwibathen dringen »ich hier eben»» dicht anein-
ander, wie auch an andern Stellen in N der westindischen Inselwelt.
Supam.
434. Tiefenmessungen tlo« U. S. 8. „Enterprise“, Comm.
A. 8. Barker, im Atlantischen Ozean, 11. Januar
bi» 10. Marz 1886. (Notice to Mariner* , Washing-
ton 1886, Nr. 13, S. 97.)
DuMibe Schiff . ii.ro vir bereit* .in« S.tk mfhtt.er Urussftn im
Sbdprtcifivlmi Onvn rrrdatikra (., I.itt.-lUr. Nr. 196), bat wir» Ts.f.o-
brrvthunf auch im AlUntnelrea Otna auf d*t Fahrt >.m Uonltrtdeo r.irh
den B.rb.d>>e« und i..a St. Thomu ntch New York fort,e«*Ut. Km* dar
q*
100
Litteraturbericht Nr. 435 — 438.
wichtigsten Änderungen, welche die von der Deutschen See warte heraus-
gegebenen TtcfcnkArtcn dadurch exleiden, ist eine beträchtliche Versehie-
bong der Westgrenze des Brasilianischen Beckens (Isobathe von 5000 na)
gegen die südanacrikiurischc Küste zu. Ebenso wichtig ist die Entdeckung
einer Sandbank von weniger als 1000 Faden Tiefe südlich von 30° 8
und zwischen 35u 42' und 33° 52' W. Hier drängen sich die Messungen
dichter aneinander, von denen wir aber io nachstehender Tabelle nur die
End* und Kulminationspunkte aufgmommen haben. Beachtenswert ist end-
lich auch die Mewung im X von Puerto Rico, die auf eiue ziemliche Aus-
dehnung der Senke von mehr als 80U0 na Tiefe hinwoUt.
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F.dcn
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Supen
435.
Mil
,
Physical Exploration
of the
firth
of CI
S
(Scott. Geogr. Mag. 1880, Bd. II, S. 347.)
436. Murray, The phy»ical and biological Condition» of
the Seas and Eatuaries about North Britain. (Ebend.
S. 354.)
Nr. 435 ist vorläufiger Bericht Uber die Untersuchungen der .Medusa“
im April d. J. Der Firth of Clyde ist durch eine Bodenschwelle von 37 — 46 m
Tiefe zwischen Mull of Uantire und Girvan vom Nordkoual getrennt; ein
Seitarm dieser Barriere crstrockt sich bis zur Insel Amn. Jeder Loch ist
gleichfalls durch eiue Untiefe in der Nähe seines Ausgang» individuali-
siert. Von oiner Tiefe von 18 — 27 cm bis zum Boden blieb sich die
Temperatur Überall gleich oder variierte um weniger als 0,1° C. Im Nord-
kanal betrug sie 5,6°, im Firth of Clyde, östlich von Arron, 5,1°, ira
Dunoon - Becken (('uiubrae bis Loch Long) 6«*°. In dem abgeschlossenen
Locbbeckcn schwankte sic zwischen 5,? und 5,4°.
Murray teilt gleichzeitige Metaungen im Loch Fyne und Loch Lomond
(Süfs wassersee) mit. !m Miirz war die Xem|>eTatur von der Oberfläche bis
zum Boden gleich: im Loch Fyne 5,!*, im Loch Luraoud 3,9W; Ende
August war dort die Bodenternperatur auf 8,9° gestiegen, während sie hier
noch 3,9° betrug. Die gröbere Jahreumplitude dns Loch Fyne ist eine
Folge der Wasscrraischung durch die Tidenbewegung und de* Hernbsinkens
des erwärmten Salzwassert.
Die marine Lebeweit Ut au der Ostküste bedeutend artenarmer als an
der Westküste, wohl aber individuenreicher. Die atlantische Einwanderung
in nachglazialer Zeit ging um die Xordkiute von Schottland herum. An
der Ostküstc leben einige arktische Relikten, die *u der Westküste nur als
glaziale Fossile bekannt sind; hier hat also die atlantische Fauna die ark-
tische ganz verdrängt. Supan.
437. Verbeek, Over de Tijdsbepaling der grootste Ex-
ploeie van Krakatau op 27 Augustus 1883. (Ver-
siegen en Modedeelingen K. Akad. van Wetenschappon,
Abt. Natuurkunde, UI. Reihe, I. Teil 1885 , S. 45.)
Die Erdbebeuwelleo ,
welche vom Krakatau
Ausgingen, gaben Ver-
anla**une zu einer Berechnung der mittlern Tiefe des zentralen Teiles des
Indischen Ozeans.
Erdbebenwelle
Mittlere Gcschwlndlgk.
Mittlere Tiefe
Krakatau —
Meter pro Sek.
m
ltodngucz . .
202,9
4208
Mauritius . .
194,(1
3885
Port Eliiubet .
. 201,3
4142
Die mittlere Tiefe beträgt also rund 4000 ro, was mit der in der
äquatorialen Zone verlaufenden Lotungsliuie von U. S. S. Knlerpriso (*. Pctcr-
manns Mittei). 1884, S. HG) gut übereinstirarot und die Darstellung
Krümmels bestätigt. Die Erdbebenwelle Krakatoa — Ceylon ergab nur 2- bis
2500 ro Tiefe: Zahlen, die nicht ganz zuverlässig erscheinen. Supan .
Allgemeines,
438. Marinelli, G., La terra. Trattato popolare di geografia
universale. Vol. I. Bologna, Mailand, Neapel, Turin,
P. Vaflardi, 1883—1886.
Aus Italien ist sicher noch kein so umfassend« Werk über Geographie
zu uns gelangt, wie die vorliegende Encyklopädie, welche Prof. Marinelli
in Padua im Verein mit einer Anzahl von Facbgenossen herausgibt. Die-
selbe erscheint in Heften, und es ist einstweilen der erste Band zum Ab-
schlüsse gelangt, welcher seinem Inhalto nach ungefähr dem entspricht,
was wir in Deutschland als „allgemeine Erdkunde“ bezeichnen. Mit bild-
lichen Darstellungen , mathematischen Figuren , Kartenskiszen ist dieser
erste Teil verschwenderisch ausgestattet; wir zählen in ihm nicht weniger
als 29 Tafeln und 493 Zeichnungen im Texte, die allerdings nicht von
der gleichen Güte der Ausführung sind. Obwohl populär geschrieben und
nicht für engere Getehrtcnkrcisc berechnet, wird doch auch den Wünschen
dieser letztem durch zahlreiche und, soweit wir im einzelnen prüfen konn-
ten, auch vollständige und zuverlässige Littcraturnngaben ausgiebig Rech-
nung getragen. Wir geben im folgenden eiue Gberaicht über die einzelnen
Bestandteile des Werkes.
I. Das erste Buch behandelt die Stelluog der Erde ira Kosmos, hält
sich aber dabei keineswegs au die im engern Sinne mathematisch -geogra-
phischen Fragen, sondern greift über di«e weit hinaus und kann als ein
LebrbegrifT der populären Astrouomie überhaupt angesehen werden. Wir
lassen dahingestellt, ob die vom Bearbeiter dieses Kapitels, von Herrn Mari-
nelli selbst , dem Gegenstände gegebene Ausdehnung vom rein geographi-
schen Standpunkte aus zu billigen ist (vgl. Wagners methodologischen Be-
richt in drasen „Jahrbuch“ , X. Baud, S. 569), «schlich ist die Darstellung
jedenfalls eine gut geordnete und korrekte tu nennen. Manche Punkte
siud mit grofser Ausführlichkeit behandelt, so z. B. die Frage, weshalb die
Sonne nahe am Horizonte oft einen so ganz andern Anblick gewährt als in
gröftern Hohen. Ein Gleich« gilt für die Meteorbahnen und die physi-
sche Konstitution dieser kleinen Himmelskörper. Dagegen hätten wir den
Gegensatz zwischen den durch die Parullaze und durch die Lichtabirrung
bedingten Verschiebungen eines weit entfernten Objekts goro etwas weniger
schematisch zum Ausdruck gebracht gesehen.
If. Als Autor de» xweiten Buchs, welch« der Erde und ihrem Monde
gewidmet ist, stellt sich wiederum der Herausgeber selbst dar. Die neue-
sten Forschungen über Gestalt und Grüfte unxr« Planeten sind sorgfältig
berücksichtigt, und « sind die bezüglichen Prägen in jeder Hinsicht »o weit
erörtert, aU es sieh ohne Hinzuziehung eines mathematischen Apparat« ir-
gend machen liefe. Auch Ebbe und Flut finden hier bereit» ihren Plitz,
was insofern gerechtfertigt erscheint , sls in den Gezeiten allerdings die
Wechselwirkung zwischen dem Haupt- und Nebenplaneten am kräftigsten
zieh auxxpricht. Auläfslich der Möglichkeit, dal» auch eine Tidonbewegung
der nicht völlig »tonen Erdkruste «gelassen werden müfste, hätten neben
den nicht immer streng wissenschaftlichen Spekulationen von ürablowitz
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Litteraturbericht Nr. 439—442,
101
wohl auch die Untersuchungen der englischen Geophysiker Uber solche
„Dilferentialtiden*’ Erwähnung verdient.
III. Auch die xwoi ersten Kapitel der physischen Geographie stam-
men aus Marinellis Peder; sie bringen eine generelle Charakteristik der
ObertÜohenbeechaffenheit unsrer Krde, ohne vorerst die kausalen Berichun-
gon anders als nur im Voriibcrgchen zu streifen. Mit grober Umsicht ent-
ledigt sich der Verfasser meiner Pflicht, indem er, wie von ihm nicht andern
zu erwarten war, auf die orographischcn Begriffs- und Mafstiestimmungen
groben Flcif* verwendet. Obwohl wir in dom Studium dessen, was seit
Francis Bacon unter dem Namen „airoilitudinos phvsicae in configuratione
mundi** läuft, nicht Tiel mehr als «ins geistreiche Spielerei erblicken, *o
billigen wir es doch vollkommen, dafs auch von diesen Bestrebungen, die
Besonderheiten der KrdknnHguration a priori zu konstruieren, Akt genom-
men und dabei manches iu Deutschland wenig bekannten Versuches dieser
Art gedacht wird. — Das von Schnee und KU handelnde dritte Kapitel
bat den bekannten Geologen Stoppani zum Verfasser, der anhangsweise
auch über die Eisverbältnixse der Polarzonen sich verbreitet. Der glazial-
physikalische Teil genügt allen Ansprüchen, wogegen freilich der glazial-
geologische sehr zu kurz gekommen Ut. Die Namen Heim und Penek
werden in dem ganzen Abschnitte nicht genannt, und es wird deshalb in
diesem bei einer zu erhoffenden zweiten Auflage ziemlich viel nachzu-
bessern sein. — Die Hydrographio, das vierte Kapitol erfüllend, hat in Mari-
nclli einen hiugebeuden Darsteller gefunden; auch dem Sachkenner wird
hicT manche ihm noch neue und wissenswert erscheinende Thatszche be-
gegnen. — Nunmehr beginnt im fünften, aus zwei Abteilungen bestehen-
den Kapitel G. Mercalli seine eingehende Schilderung der vulkanischen
und seismischen Erscheinungen, zu deren besserm Verständnis vielfach auf
die Geschicke des mit derartigen Vorkommnissen nur allzu reich bedachten
Vaterlandes hingewieeeu wird. Hübmend hervorzuheben Ut die gründliche
und durch zahlreiche Illustrationen gestützte Detailbeachreihung der nord»
amerikanUchcn Gejsir- Gebiete. Die Theorie der Erdbeben nimmt zu aus-
achliefslich auf die iltem Hypothesen, zu wenig auf die vom Magma ab- )
sehenden Anschauungen nouorer Geologen (Mailet, Suess, Keusch) Rück-
sicht. — Eben Mercalli knüpft an die Erdbebcnlehrc im sechsten Kapitel
auch eine übersieht über die schwachen Bewegungen der Erdrinde, zu
welchen er die Landhebuugen und b&ndseukungen rechnet. — Dagegen ist
das siebente* geognostischc Kapitel wieder von Stoppani horgestellt, der in
sehr ansprechender Form und mit steter Anlehnung an paUontologische
PorsehungscrgchnU&c den Sehichtenaufbau der Erdrinde darlegt. Man kann
darüber streiten, ob die deskriptive Geognosie auch wirklich ein Teil der
Geographie sei ; innerhalb der weiten Grenzen , welche Marinelli seinem
Arbeitspläne gesteckt bat, konnte sie gewifs nicht entbehrt werdeu, und so
wie sie ist, bildet sie eine Zierde des Werkes.
IV. In der Moeretkonde sehen wir wieder den unermüdlichen Heraus-
geber auf dem Platze erscheinen; hinzugezogen wird auch jener wichtige
Teil der Krdphysik, für welchen der Referent die Bezeichnung „Dynamische
Wechselbeziehungen zwischen Meer und FestlandsküsteM vorzuschlagen sich
erlaubt hat, so dafs also insondorhoit auch von dor eiosiven Tbätigkeit der
Meereswoge hier schon die Rede ist. Dafs die Gezeiten nochmals bespro-
chen werden, erscheint als ein kleiner Fehler in der Anlage dev Ganzen.
Von Interesse aber sind die dynamischen Betrachtungen, durch welche die
Möglichkeit des Zustandekommens unbewegter Käumo im Innern von Wirbel-
bewegungen verständlich gemacht werden soll.
V. In die Meteorologie haben sich mit Marinelli seine beiden Kol-
legen G. Roberto und E. Millosevich in der Weiso geteilt, dafs erstem
mehr die allgemeinen Lehren von der Zusammensetzung unsrer Lufthülle,
von den Meteoren im weitesten Sinne dieses Wortes und vom Luftdruck
vnrtrügt, während Roberto die Begriiuduug der dynamisch -meteorologischen
Gesetze und Milloccvieh die Klimatologie auf sich genommen haben. Für
die letztere hat natürlich Hanns weltbekanntes Handbuch zur taitschnur
gedient. Auch die Lehre vom Erdmagnetismus erscheint als Bestandteil
der Atmosphirologie ; sie ist jedoch gar zu kurz und, wenn der Ausdruck
gestattet ist, apiefsbürgerlich gehalten. Ihr Verfasser, Agoxtini, hat sich mit
13 Seiten begnügt, was doch in einem so stattlichen Baude allzu wenig
besagen will. Doch »oll nicht in Abrede gestellt werden, dafs das unum-
gänglich Notwendige ganz gut gegeben ist.
Zwei Anbüuge beschlichen den Band. Einsichtig und gewandt macht
zunächst Millosnrieh seine Leser mit den geodätischen Operationen bekannt,
deren man zur Lösung des Fuudaiueutalproblems der mathematischen Geo-
graphin bedarf. An zweiter Steilo gibt Turazxa einen Überblick über die
wichtigsten Methoden der Kartenprojektion, der sich durch eiueu wahren
Reichtum an geschichtlichen Nachweisungen auxzcichnot.
Alles in allem macht das Marinellische Werk seinem Herausgeber,
dessen treuen Mitarbeitern und der Yerlogshandlnng alle Ehre. Wir bitten
nur die Anfrage zu stollon, ob es denn nicht möglich wäre, die Menge der 5
in den Eigennamen (Autoren und Buchtitel) gar zu häufig vorkommeuden
Druckfehler in der Fortsetzung der verdienstvollen Unternehmung auf ein
bescheideneres Mafs herabzudrücken? s. Gunthar,
439. Blink, Onzo aurdc, Handbock der nntuurkundige Aard-
rijkskunde. Mit 150 Kupfern und 20 Karton iu be-
gouderm Atlas. Groningen, Nourdlioff & Smit, 1885.
Es kann nicht geleugnet werden, dafs es für diejenigen Niederländer,
welche « vorziehen, die physische Erdkunde in ihrer Muttersprache zu
studiereu, sehr nötig war, dafs ein neues Handbuch erschion. Wie grofac
Verdienste r. B. das bisher meist gebräuchliche Werk von Krecke auch
hatto, als es vor ungefähr zehn Jahren erschien, so gibt es doch fast kein
Kapitel , das nicht veraltet wäre. Es versteht sich , dqfs der Verfasser
andre Handbücher, welche auf diosem Gebiete schon einen wnhlbcgründeten
Ruf habe», zu Rate gezogen hat Man glaube aber nicht , dafs er dabei
sklavisch verfahren sei, vielmehr bietet er sowohl in bezug auf Anordnung
und Methode, a»wie auch in bezug auf Inhalt manche* Neue. So z. B.
in der Erklärung der Tidenbewegung. Die bisher gültige Theorie hult er
für ungenügend , weil Sonne und Mond wohl an der ihnen zugewandten,
aber nicht an dor entgegengesetzten Seite der Krde Flut erzeugen können,
und er führt in seiner Erklärung neben der Anziehungskraft der Himmels-
körper die tangentiale Bewegung infolge der Fortbewegung der Erde im
Raume als Hauptfaktor ein. Die Verspätung der Flut erklärt er für eine
Folge der Rotation. Auch im Kapitel über die Meeresströmungen ent-
wickelt er manebon neuen Gesichtspunkt ; in der Erklärung der Ober-
flächenformen schliefst er sich Suesa an.
Am Schlofft widmet er in dankenxwerter Weise einige Seiten den geo-
graphischen Einflüssen auf die Entwickelung deT Menschheit, dagegen hätte
das ethnographische Kapitel wcggcliuxen werden können, einerseits weil
es nicht iu ein Handbuch der physischen Erdkunde gehört, anderseits weil
der Verfasser auf dioxem Gebiete weniger bewandert ist. Auch die Be-
handlung der Pflanzen- und Tiergeographie kann uns wenig gefallen. Es
scheint uns überdies, dafs der Verfasser diejenigen Probleme, welche ihn per-
sönlich sehr interessieren, viel zu umständlich behsndelt hat auf Kosten
andrer, welche in Wirklichkeit ebenso oder noch mehr interessant sind,
ein Fehler, der in Handbüchern nicht genug vermieden werden kann.
Auch die Quellenangaben sind dürftig. Dagegen mufft dem Verfasser der
Dank ausgesprochen worden für die Klarheit der Darstellung, und ist ira
allgemeinen sein Werk warm zu empfehlen. Andritstm.
440. Wildermann , Jahrbuch der Naturwissenschaften.
I. Jahrgang 1885/86. Freiburg i. B., Herder, 1886.
441. v. Hellwald, Die weite Welt. Ein geogr. Jahrbuch.
Berlin, Spemann, 1886.
Wilderroznnft Jahrbuch ist nach dem Muster von L'Annge scientiftque
eingerichtet; es bringt von Fachmännern geschriebene Artikel aus dem gan-
zen Gebiete der Naturwissenschaften cinschlie Glich der Länder- und Völker-
kunde. Es kommt dabei natürlich zunächst auf die Auswahl des Wich-
tigsten an , und in dieser Beziehung läfxt der I. Band noch manches zu
wünschen übrig. So ist z. B. nirgends auf dio neuesten Suraasehen Ar-
beiten eingegangen, die Frage nach den Niveau Veränderungen ist nicht be-
rührt, ebensowenig die Korallenriff - Frage &c. Streng roufs auch Quellen-
angabe, resp. Angabe der sekundären Quellen gefordert werden.
v. Hellwalds Werk kündigt sich als ein geographische* Jahrbuch an;
richtiger wäre der Titel: Jahresbericht über Entdeckungsreisen, denn sonst
findet man nur einige zufällige Notizen, wie Geologie von Afghanistan,
Fauna des Baikalsee* u. dgl. Bilder dürfen natürlich nicht fehlen, und
auf die Aaswahl kommt cm dabei ja nicht viel an! v. Hellwald versteht
bekanntlich gut und uuterhaltend zu erzählen, und dieses Talent wird
auch seinem Jahrbuch in der Luienwelt Freunde erwerben. Wünschens-
wert wäre aber eine systematische, d. h. geographisch geordnete Anord-
nung der Berichte. Supan.
442. Thomson & Murray, Report on the scientific Reanlto
of the Voyago of H. M. S. „Challenger“. Narrativo,
Vol. I: Narrativo of thu Cruise. London 1885.
Diener Band enthält nicht nur eine detaillierte Schilderung der Reise
und der hydrographischen Arbeiten d« „Challenger* , sondern auch über-
sichtliche Darstellungen der übrigen wissenschaftlichen Resultate aus der
Feder der betreffenden Fachmänner, wodurch dieser umfangreiche Band den
Charakter ein« in sich abgwchlowenen Ganzen erhält. Beigegeben sind
m
Litteraturbericbt Nr. 443.
eine grofse Tiefenkarte der Ozeane, die aber, obwohl auch spatere Lotun-
gen benutzt wurden, doch nicht einen ganz befriedigenden Kindruck macht
(mau vergleiche damit nur die roo der Deutschen Seewarte herausgegeben©
Tiefenkarte des KordatUntbchen Ozeans, wahrend die Darstellung des i’aei ■
fischen Ozeans der phantasievoUern Petermanns vorxuziehen sein dürfte);
ferner Kurskarten im grofsern Mafia lub, Karten der besuchten Iuseln, Dia-
gramme zur Darstellung der Tiofeoverhältoisse und vertikalen Temperatur-
Verteilung des Meeres, die sehon bekannte Karte Ton Buchaotn (Verteilung
der Dichtigkeit de« Obertiächcnwasaers), zahlreiche und prächtig ausgeführto
I^mdschalUphotographien und zum Teil kolorierte ethnographische Abbil-
dungen.
Da ein groCeer Teil des Inhalte dem wissenschaftlichen Publikum be-
reite bekannt ist, so begnüge ich mich hier, auf einige der wichtigsten
Punkte aufmerksam zu inacbeu.
Den roten' Tiefsoethou (wie die „rote Erde" von Herrouda) hielt
Tbomaou für organischen Ursprungs. Eine genaue Analyse der Foramini-
feren-, llctcxopoden- und Pleropodcmsehalen zeigte aber nicht die geringste
Spur von Thonerde, und auch in den Korallen&keletten wurde bisher keine
entdeckt. Murray ist datier der Ansicht, dafs der Tiefseethon durch Zer-
setzung des stellenweise massenhaft auf dem Meere schwimmenden Bims-
steines entsteht. Cher den Kuro Schi wo linden wir die Bemerkung,
dafs derselbe zur Zeit des NO- Monsuns von einer kalten aus dem Japani-
schen und Gelben Meer kommenden uud nach S fiiefsendeu Strömung nach
0 gedrängt wird uud dann wenig entwickelt ist , während boi SW-Monxun
die kalte Strömung aufhört und der Kuro Schiwo danu durch eine Ober-
flüchendrift verstärkt wird. Sobr eingehend ist das Kapitel über das ant-
arktische Eismeer. Dos kalte Tiefen waaier des tropischen Ozeans
stammt wahrscheinlich von der Oberfläche zwischen 40 und 55° S; anf
die aus den warmem Gegenden kommende Enatzatromung ist wahrschein-
lich die warme Schicht zurückzuführen, die man unter 65° S in 300 Faden
(~ ca 600 m) Tiefe fand. Dafs die von Rom entdeckte antarktische Eis-
mauer nahe an der iAndgrenxe liegt, wird aus dem Verhältnis ihrer Hohe
(45—60 m) zur Meerestiefe (475 m) geschlossen; nach dem bekannten
Gesetze, d. h. wenn 00 Prozent von der Grsaratmschligkcit der KUhorge
unterseeisch sind, mufs jene Eismauer nuf dem Meeresboden festiitzen. Der
Durchmesser der Eisberge betrug gewöhnlich Vs Seemeile (470 — 930 tn),
der längste hatto 3 Seemeilen (4,6 km): die Hohe betrug durchschnittlich
cs 60 m, der höchste hatte 72 m. Die Tafelform war weitaus die vor-
herrschende, alle flachen Berge batten zahlreiche OborlUchenspalten. Sie
sind sämtlich geschichtet und bestehen aus wechselnden Lagen weiften
und blauen Eises. Nach unten zu werden die Schichten dünner und sind l
horizontal, während die nbern, die keinen Druck erleiden, leicht gebogen
sind. Die Mcereiwhollcn hatten nur 9 — Iß m Durchmesser. Einjähriges |
Meereis war ca 90 cra dick, altes dagegen 2— m. Sehr zahlreiche Eia-
berge traf man östlich von 92° 0; ihro Abwesenheit zwischen 70 und
80u 0 deutet darauf hin, dafs hier kein Polarland sich befindet.
Wichtig sind die Schilderungen einiger ozeanischer Inseln. Der at-
lantische 8 t. Pa ul -Fels ist 20 m huch und besteht aus Olivtufelz, der
wahrscheinlich , aber nicht zweifellos vulkanischen l’rapnwgx ist. Der
Gipfel des basaltischen Fernando Norouha erreicht eine Seehöhe von
300 m; die Kcgenzcit währt hier von Jonuur bis Juli. Die Höhlen an
Steilküsten der Nachtigallen -Insel deuten auf eine negative Niveau Verände-
rung, während die beiden andern Inseln der Tristan da Cunha-
Gruppe keine derartigen Anzeichen enthalten. Das Fundament der ca 1300 m
hohen Marion-Insel bildet alte Iavo, über die rezente vulkanische Go-
bilde (gut erhaltene Aacheukegel und Krater) sich ausbreiten. Den ersten
zerstreuten Schneedecken begegnet man schon in 2400 m Höhe; dio
VegetationagTenze liegt io ca 600 m Hohe. Ausführlich ist die Schilde-
rung der Kerguelen. Sie sind die Spitzen eines untergetauchten Pla-
teaus, denen Südende wahrscheinlich die Heard- Insel bildet. Sie bestehen
aux horizontalen Ha«altlagcn , die stellenweise fossiles Holz enthalten und
von Phonolitgkngcn durchsetzt werden. Die über die Hochfläche sich er-
hebenden Gipfel sind Erosiousreste. An der Westseite befindet sich noch
ein thitiger Vulkan. Die NW- Winde herrschen in ollen Jahreszeiten vor;
die auf der Windseite gelegenen Höhen (ca 1070 m hoch) sind immer mit
Schnee und Eis bedeckt, die leewärts gelegenen (Uber 1000 tu hoch) olier
im Sommer davon freu Mittlerer Luftdruck wahrscheinlich 754 mm mit ;
Schwankung zwischen 770 und 721 miu; als mittlere Snmmertemperatur
wird ca 7°, als mittlere Wintnrtomperatur ca 2* angenommen. Von eini-
gen Orten werden detaillierte klimatologische Mittelwerte mitgeteilt; drei
davon teile ich unten mit (jene von Punta Arena« nur, weil sie so auffal-
lend von den achtjährigen Temperaturmitteln in Harms Klimatologie, S. 664,
abweichen); uufserdem finden sich auch noch Tabellen für Hongkong
(1861—74), Honolulu (1837 — 1338 und 1869 — 72) und für Manila
(1866—71).
Missionshaus zu Nukalofa auf Tongatabu. Beobachter * ~
Baker 1872-74. 1 3
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Mai
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32,1
10,1
8,3
208
9
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Juni
62,5
21,7
38,5
10,0
9,7
206
9
3,:
Juli
60,7
20,7
32,7
10,1
10.2
42*
3*
3,9
Aor.
61,7
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28.7
10,7
8.«
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Sept.
61,7
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28,7
10,7
8.«
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Okt.
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182
5
6,1
Not.
60,5
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Jahr
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10,0
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1971 2)
97
5,6
Häufigkeit der Winde (lüge).
S
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B
8E 8
8W W
NW
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Dezember bis Februar .
23
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13
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ö
0
Mürz bis Mui ....
18
24
21
9 8
2 4
7
0
Juni bis August . . .
11
12
18
17 20
2 3
5
4
September bis November
11
20
85
11 8
2 0
2
2
Amboin o.
4 Jahre (ahne genau« Zeitangabe).
Trockne* Therm.
Kegen
Trockne» Therm.
Kegen
Max. Min.
mm Tago
Max.
Min.
nun Tage
I>C7-
31,3° 23,4°
234
14
Juni
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23, 4P
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Jan.
80,4 23,7
171
13
Juli
28,«
23,4
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Fcbr.
30,9 22, h
108
10
Aur.
28,9
22,6
618
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Mira
31,1 23,7
229
18
Sept.
29.«
22.7
566
19
April
31,1 23,7
184
13
Okt.
31,1
23,2
246
16
Mai
29,7 23, &
450
20
Not.
31,4
23,5
299
10
Jahr: Tecup.-Maz. 30,2°, Min. 23,4“, Kegenmenge 4870 mm, Regentage 197.
Punta
Ar enax,
nahezu 10 Jahre.
Dezember
11,*°
März
. 8,»”
Juni . , 1,9”
September
5,#”
Januar .
12,7
April
. 6,7
Juli. . . 1,9
Oktober .
8,5
Februar
12,4
Mai.
. 4,7
Augiut . . 3,0
November
10,4
Jahr 7,4°. Supan.
443. Blink, H. , Bernhard Varenius, de grondlegger der
wotonschappolijko goographie. (Tijdschrift Aardrijks-
kundig Genootschap, 2° Serie, ITL Meer uitgebreide
artikelon, 1886.)
Die Aufgabe, welche sich der Verfasser gestellt hat, besteht darin,
•einen Laudsleutnn die Bedeutung, welche der in Holland beinahe unbe-
kannte Varenius fUr die Geographie besitzt, deutlich zu machen und eine
Übersicht über den Lebenslauf desselben zu geben. Letzteres geschieht
im Anschluf» an Dr. Breusing (Peterraanns Mitteilungen 1880) und Gtih-
rauer (Joachim Jungiua und ©ein Zeitalter 1850), oraleres selbständig auf
Grund des Werkes von Varenius; die Geographia Generalis war sein
Schwonengpaang ; der Yerfiunr starb in demselben Jahre, in welchem die-
selbe erschien; Über sein Ende weifs man nichts, und der Ort, wo seine
Asche ruht, izt unbekannt.
Aus der Beurteilung, die der Vttfaner gibt, wäre folgendes hervonu-
heben. Dio Schule der holländischen Geographen und Kartographen bl auf
Varenius nicht ohne Kinflufs geblieben; vom geographischen Standpunkt
aus kann er den Unterschied zwischen G. comparativa und G. respectiva,
wie ihn V. erklärt, nicht ganz fassen, glaubt aber diesen Begriffen nicht
die Bedeutung beiroejuen zu können, welche sie für uns haben. Das Auf-
treten dieser .vergleichenden Geographie*', welche sich hauptsächlich mit
der Schiffahrt und der Ortsbestimmung beschäftigt, sucht or dadurch zu
erklären, dtf» V. den Geixt, welcher in Holland lebte, zu gut orkannt
hatte, als dafs er zieh nicht bewufst gewesen wäre, einen wieviel grobem
Beifall sein Buch durch diese Beigabe finden müsse. Dagegen aber ist er
der Ansicht, dafs V. durch die Methode, welche soinc allgemeine Geogra-
t) Keduxiert auf 0° und das Meeresnivtau.
2) = 77, mT, nach den Munataummen aber nur 76,59** — 1946 mm.
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Litteraturbericht Nr. 444 — 450. 103
phie dnrchdringt, d»i t'rhebcr der heutigen Tergleichenden lieogruphio ue-
worden ixt. Die auxpjhrliclie UenprechuDg der von V. angeregten Fragen,
»o «io der Weise, wie er eie behandelt hat, können wir hier übergehen.
iltitgtr.
444. Blink, De Geographie als Wetenachap. (Vragen des
Tijds 1886, Sep.-Abdr.)
Den Niederlanden wird der Ruhm gewahrt, die üeburtsaitätte der geo-
graphischen Wissenschaft zu «ein (Vartniu*, Struyck und Lulofs als Schrift-
atelier , die beiden letztem im 18* Jahrhundert, der Amsterdamer Bürger-
meiner Witsen als Förderer geographisch« Entdeckungen), während ron
Deutschland die „Renaissance' ausging. Die Entwickelung der Wissenschaft
wurde aber hier durch die Nachfolger Kitters in cinn falsche Richtung ge-
bracht. In bezug auf den Inhalt und Begriff der Geographie schliefst sich
der Verfawr ▼. Richthofen an. Das Objekt ist die Erdoberfläche , ein-
achlieblich der Atmosphäre; die GeogTaphie ist daher eine reiu naturhisto-
rischo Disziplin, die sieh nur methodisch in eino Erd- und eine Länder-
kunde (allgemeine und spezielle Geographie) teilt. Mit der Meteorologie
ist bekanntlich die. Auseinandersetzung Uber die Grenzen leicht, schwieriger
dagegen mit der Geologie, und über diesen heiklen Punkt geht der Ver-
fasser auch auffallend rasch hinweg. Die Lehre von der Bewegung der
Sonue, Erde und des Mondes (» Astronomisch o Geographie“) betrachtet er
als eine Hilfswissenschaft. Die organische Welt kommt nur iu den zwei
Richtungen in Betracht : sofern »io die Physiognomie einer Landschaft be-
dingt und sofern sie von der Erdoberfläche als einem aktiven Element be-
cintlusft wird. In allen diesen Kragen ist aber der Geograph von der
Botanik, Zoologie und den Wissenschaften vom Menschen abhängig; sein
eigentliches Uutersuchungafcld, auf dem er selbständig arbeiten kann, ist
Morphologie der Erdoberfläche , Hydrographie, Klimatologie. Die .politi-
sche Geographie“ ist ein Teil der Völkerkunde, die nur in der Schule mit
der Erdkunde vereinigt werden darf. Supan.
445. Reiter, Der Entwickelungsgnng der Wissenschaften
von der Erde. Freiburg i. B., Wagner, 1886.
In seiner Antrittsvorlesung unterwirft der Verfasser alle bisherigen
Bestrebungen zum Aufbau einer geographischen Wissenschaft einer, wio or
selbst sagt, „herben“ und .«abfälligen“ Kritik. Dieselbe trifft auch die
Geophysik im Sinne von Zoppritz’ und Marthcs Choroaophie, weil sich die
Abgrenzung der 2 to{wi nicht naeh einem einheitlichen Prinzip Tollliehen
lasse. Der Verfasser sieht sich einer Reihe ron Spezialwiwenschafteu gegen-
über, und ist in Verlegenheit, welche er als eigentliche Geographie be-
zeichnen soll. Wenn er meint, das sei eino reine Formwche, so ist dos
doch wohl nur eine Umgehung, nicht eine Lösung der Frage. Sein Schoroa,
welches er schon a. a. 0. aufgcstcllt hat, bietet in der That nichts we-
sentlich Neues, wenn man von der Namengebung abeieht; es möge nur
bemerkt werden, dafs er die Erdkunde als „Geologie im weitesten Sinne
de« Wortes“ bezeichnet , was zwar sprachlich, aber nicht historisch richtig
ist uml zur Klarstellung der Sachlage nichts beiträgt. Doch thäte man
dem Vertaner Unrecht, wenn mau meinte, er hätte nichts Positive.« ge-
bracht. Seiner Ansicht nach ist die „Geographie der Völker und Staaten“
oder dio „Anthropogeograpbie“ die eigentliche Geographie — wenn er
auch, wie schon bemerkt, meint, dafs jeder andre Teil seiner .Geologie“
auch auf dioien Namen Anspruch machen könne — , und diese Geographie
unterscheidet sich von der lAndcrkundc dadurch , dafs «io dio Beschrei-
bung der Örtlichkeit (Boden bau, Klima fte.) ausschlicf.it. Das sei Aufgabe
der andern Teile der „Geologie“ , von denen jeder wieder in einen allge-
meinen und speziellen Teil zerfällt. .s’upan.
446. Holzels Geographische Charakterbilder. 10. (Schlafs-)
Lieferung. Wien 1886.
Die letzte Lieferung bringt eine Ansicht von der irischen Basaltküste
(oinc Partio de* „Riesendamme«“), eino Ansicht aus der Puszta Hortobdgy
bei Debrvozin und ein Bild des Colorado -Canon*. Dir Sammlung von
SO Färbend ruckblätt«n, welche cinigo der wichtigsten erd physikalischen
Begriffe erläutern sollen, liegt nun abgeschlossen vor uns, und wir stehen
nicht an, dicuclbc als rin höchst verdienstvolle.«, ja für den geographischen
Unterricht geradezu epochemachendem Werk zu bezeichnen. Es bezieht
eich dieses Urteil auf alle Punkte : auf dio Auswahl , auf die Darstellung
und auf den Text, wenn im einzelnen auch manch«« zu tadeln ist. Nur
eine Frage drängte sich mir immer wieder auf: sind die Bttdor für den
Schulgehrauch auch giofs genug? Die Verlagshandlung beabsichtigt übri-
gens, reduzierte Abdrücke ais Handexemplare für die Schüler herzustellen ;
natürlich kann nur ein «ehr niedriger Preis dieses Unternehmen fördern.
Supern.
447. B08, Platen voor Aanachouwelijk onderwijs in Aar-
drijkskunde. I. Teil. Groningen, Wolters, 1886.
.Siobcn Farbeudruckbilder und zwei Karten von niederländischen Küxten-
uud Biimengogendon , beiläufig von derselben Grüfte wio llüisels Charakter-
bilder und sehr sauber aujgefUhrt. Zum Unterschied ron den letztem
haben sie nicht blofs den Zweck, Rodonformcn Torzufuhren, sondern auch
die Abhängigkeit der menschlichen Arbeit von den geographischen Bedin-
gungen zu vordeutlichen, und der Tezt weist besonder* darauf hin. Alle
Bilder sind belebt, überall sehen wir Menschen in der der betreffenden
Gegend eigentümlichen Tlutigkcit. Ob die folgenden Teile tich auch auf
die Niederlande beschränken werden, ersieht man aus den Begleitworten
nicht; die vorliegenden Bilder sind wohl ausschliefslieh für niederländische
. Schulen bestimmt. Supan.
448. Bliss, Clasaificd Index to the Maps in the K. Geogr.
Soc. Publications. 1830 — 83. (Windsor, Biograph.
Contr. Nr. 17, Cambridge M.hsb. 1886.)
Dero Verzeichnis der in Petormanns Mitteilungen enthaltenen Karten
(a. Mitteilungen 1884, S. 278) Ufst der Verfasser nun eine ebenso dan-
, kenswerte, wohlgeordneto Zusammenstellung der in den Procecdings , ira
Journal und in den Supplementarv Papers der Londoner Geogr. Gesell-
schaft, sowie in „Ocean Highways“ nnd im „Geographica! Magazine“ ent-
| haltcnen Karten folgen. Es sind im ganzen 902 Nummern ; davon kommen
auf Darstellungen der ganzen Erde 13, auf Europa 50 (Balkanhalbinitl 32),
Asien 342, Afrika 241, Australien 57, Nordamerika G5, Südamerika 87,
Polarrcgionen 70, Ozeane und Inseln 47, Physikalische Karten 70. Bei-
gegeben ist auch eiu alphabetisches Verzeichnis. Supon.
449. Heims, Unter der Kriogsflagge des Deutschen Reichs.
II. Reihe. Leipzig, Hirt & S., 1886.
Dan Skizzen von der Weltreise S. M. S. „Elisabeth“ (1884) läfst nun
der Maritiepfarrer Heims eine zweite Serie: „Bilder und Skizzen von der
Keiso S. M. Kreuzer* Korvette »Nymphe4 nach Amerika, 1884 — 85“, folgen.
Auch hier begegnen wir wieder einer Reihe allerliebster Genrebilder und
stellenweise feinen Bemerkungen über I,and und Leute: alles ohne Auf-
dringlichkeit, als ob es sich um Entdeckungen handelte, und überall von
wackorm Streben zeugend, das objektiv Geschaute auch objektiv wieder-
zugeben. Man kann cs dem Verfasser auch nicht verübeln, dafs manchmal
«ein kirchlicher Standpuukt etwas mehr in den Vordergrund tritt.
Supan.
450. Stieltjes, Quelques remarques sur la Variation do la
densifo danß Tinteriour do la torro. (Vorsl. on Medod.
der K. Ak. van Wetenscbapen. Amsterdam 1885.
Abteil. Natuurkunde, III. Reihe, I. Toil, S. 272.)
Die empirische Grundlage all« Spekulationen über dio Verteilung der
Dichtigkeit im Innern der Erde wird im wesentlichen durch drei Zahlen
gebildet; es sind di« die durchschnittliche Dichtigkeit and« Erdoberfläche
(d), die mittlere Dichtigkeit der ganzen Erde (£) und dos aus astrono-
mischen Beobachtungen erschlossene Verhältnis dor HaupttrüghciUmoraente
des KnLsphiiroid.«, von denen dos grofscre (C) auf die Rotationsachse, dos klei-
nere (A) auf ciuen Durchmesser des Äquator« bezogen ist. Zur Hestiro-
ranng der in jedem Punkte herrschenden Dichtigkeit sind diese Daten
indessen unzureichend, seihst wenn man die nicht wohl zu umgehende An-
nahme macht, dafs die Erde aus homogeuen ellipsoidiichen Schichten be-
steht, dafs also die Dichtigkeit in gleicher Tiefe unter der Oberfläche überall
nahezu die gleiche ist. Der Verfasser untersucht nun die Frage, ob mau
nicht wenigstens für jede Tiefe zwei Grenzwerte der Dichtigkeit ermitteln
kann. Auch dies i«t nur auf Grund gewisser Hypothesen möglich; os zeigt
sich jedoch, dafs schon sehr allgemeine Annahmen zu hinreichend bestimm-
ten Resultaten führen. Die vom Verfasser angewandte Methode stützt «ich
auf einen allgemeinen von ihm bewiesenen Satz, der sich so ausapreehen
läfst: Vergleicht man irgend zwei Gesetze der Dichtigkeitsünderung , die
beide zu denselben Werten von ^ und C:A führen, so kann mau min-
destens drei Schichten ira Innern der Eide angeben, in denen abwechselnd
das eine und das andre Verteiluugsgesetz grö Caere Werte ergibt. Für zwei
Fälle führt der Verfasser die Untersuchung vollständig durch. Zuerst setzt
er nur voraus, dufs die Dichtigkeit von der Oberfläche bis zum Mittelpunkt
fortwährend sunimmt; dazu fügt er alsdann dio weitere Hypothese, daf«
diese Zunahme immer geringer wird, je näher man dem Mittelpunkt kommt.
Die im zweiten Falle erhaltenen Formeln benutzt er zu einer numerischen
Berechnung unter Zugrundelegung der Weite d = 2,4; & = 5,56: C:A
= 1,00324266. Für den Erdmittelpunkt «geben sich z. B. die Grenz-
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104
Litteraturbericht Nr. 451 — 456.
werte 11,00 und 7,00 für einen in der Ticfo de« halben Erdradius gelegenen
Punkt die bedeutend näher aneinander liegenden 7,8« und 7,oo. Deo Schluß
der Abhandlung bildet eine Diaktusinn der von Legendre und Lipschitz auf-
gestellten Formeln. .s-Arwuir.
451. Penck, Das Verhältnis dos Land- und Wasseraroals
auf dor Erdoberfläche. (Mittoü. Googr. Ges. Wien,
1886, Bd. XXIX, 8. 193.)
Als Vcrhältniszahl zwischen Land« und Wasserareal gilt jetzt die von Wag-
ner gefundene 1 : 2,78. Dabei werden aber irrtümlich die unbekannten Polar-
räum« zum Wuoer&real geschlagen ; beschränkt nun sich auf die bekannte
Erdoberfläche, so erhält man den Quotient 1 : 2,69. Auch dieser ist noch
in seiner ersten Dezimale unsicher: 1) wegen mangelhafter Küstenvennes-
aungeu, 2) wegen der Unsicherheit in bezug auf die Dimensionen des Erd-
körpers, und 3) weil die Erdoberfläche kein reines Sphäroid ist, die plani-
metrischen Messungen sich aber auf ein solches beziehen. Wie wichtig aber ,
eine richtige Verhältniszahl wäre, geht aus folgenden Erwägungen hervor.
Aus Lapparent» Angaben (*. Litter.-BeT. Nr. 201) leitet der VerfttMt fol-
gende Zahlen ab :
über 2000
m
1,3 l’roxcnt
der
Erdrinde.
1000 — 2000
„
4,2
„
0—1000
*
20.«
Meeresspiegel
*
*
-
0—1000
rn
5,9 Prozent
der
Erdrinde.
1000—2000
„
4,«
m
„
2000—3000
w
7s«
*
m
m
3000—4000
„
10,4
*
4000—6000
„
15,&
„
„
m
5000—6000
M
21,4
„
„
„
6000— 7000
7,4
„
H
„
unt.r 7000
„
1,5
„
m
„
Die Maxima des Areals falle» also auf die Stufen 0 — 1000 m über und
5- bis 6000 m unter dem Moerrcnivcau (zusammen 42 Pro», der Erdrinde).
Daraus schliefst der Verfasser — was übrigens schon jede gut« Tiefenkarte
lehrt — , dafs Festland masten und Mceresriame nicht allmählich ineinander
übergehen, sondern ziemlich scharf voneinander getrennt sind. Sie sind
also „in der Struktur des Erdballs vorgozeichneto Areale”. Steigt der
Meeresspiegel um 1000 m, so wird die Landfläcbe um 60 Proz. (nicht 8,
wie auf S. 202 steht) verkleinert; fällt jener um lOOOra, so wird diese
nur um 30 Proz. vergröbert. Es kaun also leichter das Meer auf Kosten
des Landes, als dieses auf Kosten des Meeres wachsen. Die Geologie lehrt,
dafs in der That Truusgreatious- und Festlaudsperioden miteinander wech-
selten. und dafs die letztem meist den Schluß geologischer Zeiträume bil-
den. Die Veränderungen des Meeresniveaus denkt sich der Verfasser dabei
durch Hebungen und Senkungen der Landpfeiler und Erhöhungen und Ver-
tiefungen des Meeresboden* entstanden (die bekannte Kontroverse !). Das
Verhältnis von Wasser und Land ist kein konstantes, und das gegenwärtige
Gleichgewicht beider Massen ein zufälliges. In Feetlandspenoden entfaltet
sich das organische l*cben, weil die Räume gröfser sind; iu Tmugreaaioo».
periodeu findet Zusarumendrängung auf einen kleinem Raum statt : infolge-
dessen heftiger Kampf ums Dasein und Untergang schwächerer Formen.
Supam.
452. Toula, Das Wandern und Schwanken der Meere.
(Deutsche Revue 1886, 8. 173 und 311.)
Der Vertaner gibt einen Oberblick über die verschiedenen Theorien
zur Erklärung der geologischen und rezenten Verschiebungen der Strand-
linie. Er gelangt zum Schlüsse, dafs Schwankungen des Meeresniveaus vor-
wiegend seien, dafs man aber auch „tektonische Niveau verändern ngeaM der
Kontinente nicht leugnen dürfe. Wenn er aber noch daran festhält, dafs
die Niveauunterschiede des MeeraupiegeU (nach den Schwcremesxuugen auf
ozeanischen Inseln) einen Betrag von 1300 m erreichen, so ist zu bemerken,
dafs diwes Resultat seit don Ausführungen von Helmert, den der Verfasser
kennt und auch citiext, doch nicht mehr als ganz gesichert betrachtet wer-
den darf. Sujmh.
453. de Lapparent, Le Niveau <lo la Mer. (Bull. Soc.
gdolog. de France 1885/86, Bd. XTV, S. 368.)
454. I» tho Ocean Surface depressed? (Science 1886,
Bd. Vn, 8. 419.)
Lapparent macht in Nr. 453 seine Landsleute mit der in Frankreich
noch w«*nig gewürdigten !*hre von den Abweichungen der Meeresoberfläche
von der Gestalt eines Rotationsellipsoids infolge der Anziehungskraft der
Kontinentalmasten bekannt. Er hat diese Lehre vollinhaltlich angenommen,
auch mit der Anwendung derselben auf die Eiszeit (Penck), und spricht die
Vermutung aus, dafs iu den Mittelmecr-Gegenden die Lavu- Ergüsse eiuec
ähnlichen, wenn auch bedeutend geringem EinHufs auf da* Mrcreenivrau
ausüben, wie einst das diluviale BinneneLs der hohem Breiten. Leider kennt
er das Werk von Helmert nicht, das in dieser heiklen Frage nicht umgangen
worden darf. Die erste Hälfte seines Vortrages ist eine Polemik gegen die
Hypothese von Fayc, der bekanntlich behauptet, dals der Untergrund der
Ozeane dichter sei, als die Kontinente, weil dort die Abkühlung im Kontakt
mit dem kalten Ticfoeewaatcr rascher fortgeschritten sei und die Erdkruste
sich mehr verdickt habe. Lapparent hält dein entgegen, dafs dann auch in
Ostsibincn die Erdkruetc dicker und dichter sein roüfste , was aber durch
dus Pendel nicht angozeigt wird, und dafs überhaupt die geringe Würree-
leitungsfthigkeit der Gesteine einen Eintlufs der Temperatur an der Außen-
seito der Erdkruste auf jene an der Innenseite nicht gestatte. Kr beruft
sich besonders auf liohrvcrzuchc in Sibirien, die lehrten, dafs hier die
Krdw&rme dreimal rascher zunimmt als anderswo, d. h., dafs die niedrige
Jahrestemperatur nur in die obersten Schichten eindringt. Er wiederholt
seine Argumentation auszugsweise auch in Nr. 454 , der eine Entgegnung
von Fave folgt. Ohne steh auf die sibirischen Yerhültxuxie einzulameu,
hält dieser seine Hypothese aufrecht, gibt derselben aber eine etwas andre
Grundlage. Ausgehend von der I.chrc einer allmählichen Abkühlung des
Erdkerns behauptet er, dafs dieser Prozeß sich rascher im marinen Teil der
Erdoberfläche vollziehen könne, weil hier das Warner die Stelle einer mäch-
tigen (icstcinmcbicbt vortrete und diotes oin guter Wärmeleiter »ei , wozu
außerdem »och komme, dafs kaltes Wasser unter dem hohen Drucke iu den
Meeresboden eind ringen müsse. Diese Beweisführung ist nicht ganz stich-
haltig; denn zugegebeu, dafs die Abkühlung des Erdkerns unter dem Wasser
rascher und intensiver ist, so müßte »ich hier die Erdkruste mehr ver-
dicken, und damit die Abkühlung immer mehr verlangsamen, bi» endlich
em Gleichgewicht mit der Abkühlung unter den Kontincntflichon «ich b er-
stellte. Keineswegs ist aber mit dem obigen Argument bewiesen, dafs die
ozeanische Erdkruste dicker (und daher dichter) ist, als die kontinentale.
Supatu
455. Le Conte, ()n tho Permanence of Continenta and
Oceau-Baains. (Geolog. Mag. 1886, Dec. III, Bd. LU,
S. 97.)
Der Verfasser bekennt sich zur Lehre von der Permanenz der Fest-
länder und Meere, aber mit Einschränkung. Nimmt ruau an, dafs die ar-
chäischen Gesteine in ganz Amerika und Europa den Untergrund bilden
(und ferner, dafs sie »odimentüron Ursprung» sind, was der Verfaseor für
die ganze archäische Gruppe aß selbstverständlich roraussetzt) , so waren
damal« ganz Amerika und Europa Meeresboden, und das Festland, das die
Sedimente liefert , nahm wahrscheinlich die Stelle des heutigen nordatlau-
tischcn Ozean» oin. Am Ende der archäischen Zeit wurde ganz Amerika
(und Europa) Lund; als Beweis dafür fuhrt der Vertaner an, dafs die pa-
läozoischen Schichten überall diskordant auf erodierter archäischer Unterlage
ruhen. Diese kontinentale Zwischenpcriode nennt er „Lost InterTal“, weil
wir aus derselben keine Sedimente haben. Solche „Lost Intervals* wieder-
holen sich auch »pater, aber nur lokal. Bei Beginn der paläozoischen l'e*
riode tauchte Nordamerika wieder unter, mit Ausnahme einiger Partien,
beuouder* im N (s. Dana» Geologv, Fig. 206 auf S. 149, die in Wahrheit
die Verteilung von Wasser und land in der Primordial-, nicht iu der ar-
chäischen Zeit darstellt), und von diesem kanadischen Kern aus wisch»
allmählich der nordameriksnischfl Kontinent, wenn auch nicht stetig. Die
Permanenz der Festländer und Meere datiert also nach I.« Conte (der leider
Neumayrs Arbeit, ülter.-Ber. Nr. 202, noch nicht kannte) erst »eit dem
Ende der archäischen Zeit. Supan.
456. Girard, Recherohes sur l'instabilitc des contioents et
du niveau des raers. Paris, Loroux, 1886.
Das erste Kapitel handelt von dem Relief der Erdoberfläche, wobei
auf Daubrtee Lithoklasen mehr Gewicht gelegt wird, als die«» geometrischen
Konstruktionen meiner Ansicht nach zukommt. Eine gute Kritik der w»ge-
uaunteu Hebung»- und Senkuogsb« weise liefert das zweite Kapitel ; d«T Ver-
fasser geht sogar so weit, die Aufeinanderfolge mehrerer Strandlinien ledig*
lieh der Brandungswelle r uzuschreiben, er erklärt die AuafUUung des alte»
Golfe« von Poitou ausschließlich durch Anschwemmung ; er verhält sieb
auch skeptisch gegen Flutmarken (au Steilküsten) , die jetzt nicht mehr
vom Wasser berührt werden, weil ira Hintergründe der Buchten oder an
Flußmündungen die Bewegungen des Wasser» vielfachem Wechsel unter-
worfen sind; er betont endlich, dafs Wälder und Bauten lediglich durch
Litteraturbericht Nr. 457 — 462.
105
VferantcrirMchuns und Ab^leitunn unter den Seejpie*el geUiiRen können. i
Men erwartet, im dritten Kapitel, «eichet too den Cnregelradltigkeiten de«
Meercsniresus handelt, «ine Uiakuaion der Theorien rnn Schmidt, Sueta u. a.
zu finden ; allein der Verfaxter scheint dieselben nicht su kennen. Einen
kleinen Emts bietet hierfür die Zusammenstellung einiger wenig bekannter
Beobachtungen über den Zusammenhang der Tiden des Mittelmeeres mit der
tkglichen Luftdruckperiode und der Nireaurrtinderungen der kanadischen
Seen mit den Perioden der Sonnenlleckeu. Solche, wenn auch unrolltUn-
dige Zusammenstellungen geben auch dem fünften und sechsten Kapitel
Wert: mikroseismiache Bewegungen, gegenwärtige Niroaurerinderungcn in-
nerhalb der Kontinente, z. U. in Frankreich und in Böhmen, Veränderun-
gen infolge ron Erdbeben, bei deren Besprechung allerdings etwas mehr
Kritik am Platze wäre ; periodische Veränderungen infolge der Temperatur-
Wechsel Sic. Den Küstenterinderungen der Niederlande und Skandinavien»
werden zwei Kapitel gewidmet, an denen manches auszusetzen ist. Am Schiufa
werden die verschiedenen Theorien besprochen: Lagercriinderung der Erd-
achse, Senkung unter dem Druck von lnndei* und Hebung nach Entfer-
nung des letztem, Einflufs der BarumeterTeründerungen auf das Niveau des
Festlandes. Man erstaunt, die Hauptfrage: wird die Verteilung von Wasser
und Land durch Bewegungen des Festen oder d«s Flüssigen verändert, nicht
einmal berührt su finden. Su pan.
457. Geikie, J., Mountains : their Origin, Growth and Decay.
(Scottish Geogr. Mag. 1886, Bd. II, S. 145.)
Der Verfasser unterscheidet drei Hauptarten: 1) Auffchüttungsgebirgo
(Mountains of Accnmulation), wozu er zwei sehr verschiedene Gebirgsbil-
dungen zählt , nämlich die Vulkano und die aus einem horizontal geschich-
teten Plateau hcrauxgeschnittenen Tafelgebirge. 2) Brhebungsgebirge (M. of
Elevation), identisch mit den jnngon Faltengebirgen. 3) Denudation*gcbirgo
(M. of Circumdenudation) , alte Faltengebirge f welche ihre Gestalt durch
lange dauernde Denudation gänzlich verändert haben, und deren jetzige
Gestalt lediglich durch den Charakter der Gesteine und die Art ihrer An-
ordnung bedingt ist. lTntor Denudation versteht hier der Verfasser nur
Erosion und Verwitterung; von Abrasion spricht er nirgends. Bei lauge
andauernder ObertUchenzerstörnDg mästen in der Kegel die Synklinalen in
Erhebungen und die Antiklinalen in Vertiefungen umgewandelt werden.
Supern.
458. Löwl, Spalt«» und Vulkane. (Jahrb. Geol. Reicbs-
anstalt, Wien 1886, Bd. XXXVI, S. 315.)
Seiner ersten, au eiuen speziellen Fall anknüpfeuden Streitschrift gegen
die allgemein verbreitete Ansicht von der Passivität der Ytilkanergüsrc und
dem Aufsteigen de« Magmas iu pr «existierenden Spalten (s. Litter.-Ber. 1885»
Nr. 372) liifst der Verfasser nun eine zweite, allgemein gehaltene folgen.
Er gibt zu, dafs die Ausbrüche an solche Erdräurue gebunden sind, die
entweder selbst eine Vorwcrfung erlitten haben oder doch an Senkungsfcldcr
grenzen, aber er beistreitet die Richtigkeit der daraus gezogenen Schlußfol-
gerung, dafs sie an Bruchlinien gebunden seien. Vielmehr hat das Magma
sich selbst seinen Weg gebahnt, und nur die regelmäßigen blattförmigen
Lavugüuge sind Ausfüllung vorher bestandener Spalten. Als positive Be-
weise dafür führt er an: das gewaltsame, mit Erdbeben verbundene Em-
pordringen des Magmas, die Auswiirfo losgerissener Fragmente des Unter-
grundes, die Beobachtungen Dutten» auf dem Coloradoplatcau, die von deu
Anhänge» der herrschenden Anschauung in unrichtiger Weise gedeutet wor-
den seien , dir Formen der durchgreifenden Lagerung und der intrusiven
Einschaltung. Gegen die Annahme von Spalten, in denen das Magma eropor-
atieg, und die bis zum Vulkanherd reichen, spricht nach der Ansicht des
Verfassers der große Abstand der einzelnen Kruptionspunkte voneinander,
der zickzackförmige Verlauf der Yulkanreihtu und ihr »tollenwcUc« An*
schwellen in der Breiteudirucosion (bisherige Annahme sich kreuzender Spal-
ten), vor allem aber (noch Heim) die Lehre von der durch don Gebirgsdrack
bewirkten Plastizität der Gesteine der Tiofenregion. Daher könne — wie
Heim schon erklärte — der Gehalt der Lava an gesättigten Lösungen nicht
vom Meere stammen (dafür spricht, wie auch schon ron andern hervorge-
hoben wurde, einerseits das Fehlen von Vulkanen an tischen Küttcnrttndern,
anderseits der mehrere 100 km große Abstand t listiger Vulkane vom
Meer), aondem entweder aus der Tiefe selbst, oder zum Teil auch von
Grund wasscr in der Nähe des Vulkans. Keineswegs ist aber die Dampf-
ausschciduDg die Ursache der Eruption, sondern ein seknndiirer, bei vielen
Ausbrüchen fehlender Vorgang. Aus der Gebundenheit der Vulkane an
Bruchgebictc und ihrem roihenförmigen Auftreten schließt der Verfasser, daß
die letzte Ursache der Ausbrüche irn örtlich gesteigerten Druck der Erd-
kruste zu suchen sei, aber ohne die Ursache solcher Druckunterschiede an-
geben zu können. Supan.
Petermanns üeogT. Mitteilungen. 1886, Litt. -Bericht.
459. Fuchs, C. W. C., Statistik der Erdbeben 1865 — 1885.
(Sitz.-Bor. Akad. d. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl.,
1886, Bd. XCII, Abt. I, S. 215.)
Seit 1865 sammelte der Verfasser alle ihm zugänglichen Nachrichten
über Erdbeben uud veröffentlichte sie im Mineralogischen Jahrbuch, später
io Tschermaks Mineralogischen Mitteilungen. Die vorliegende Schrift repro-
duziert diese Jahresberichte mit mehrfachen Erweiterungen; die Anordnung
ist einerseits eine geographische, anderseits — innerhalb der Lander — eine
chronologische. Ira ganzen sind nahezu 8000 Beben verzeichnet ; die mikro-
seismischen Bewegungen sind streng ausgeschieden. 29 Erschütterungen
werden ab gewaltige Katastrophen besonders benorgeboben, ebenso wird
versucht, für einzelne Gegenden Erdbebenperioden festzustetlcn. Statistische
Übersichten hat der Verfasser venuiedeu, und auch mit Recht. Seine Statistik
reicht hierzu nicht aus, man müßte sich höchstens mit der Verzeichnung von
Krdbebentagen begnügen ; aber wie verschieden sind diese Einheiten in bezog
auf die lleftigkoit and Ausdehnung des seismischen Phänomens!
Supam.
460. Lallemand, Sur l’origiuo probable Job tremblemcnta
de terre. (Comptes rondus 1886, I, S. 715.)
Der Verfasser gibt zunächst eine kurze Darstellung von Lowtbian Green*
Tetraedertheorie; die Ecken (Himalaja, Alpen, Fcbengebirge) und Kanten
des Tetraoders, sowie die äquatoriale Mittelmeerdopression sind ihm als
minder widerstandsfähige Zonen Hauptgebiete für Erdbeben , diese letzte»,
eben 01 wie die Vulkane, nur sekundäre Erscheinungen gegenüber der von
Tag zu Tag mit der Abkübluug fortschreitenden Qestaltainderung der Erde.
Der „durch eine Störung des Gleichgewichte« an einem gegebenen Punkte
zur gegebenen Zeit bewirkte Stoß** wird sich nach allen Richtungen fort-
pflanxrn, aber seine Hnuptwirkungrn längs der priexistierenden Dislokation*-
iinien hervorbringen. Die Erschütterungen mit kurzer Kcliwingungsdauer
sollen sich rasch über ein beschränktes Gebiet als zerstörende Erdbeben
verbreiten, die langsamen Schwingungen dagegen mit wechselnder Geschwin-
digkeit und Intensität auf weite Strecken (als mikroscUmische Bewegungen ?).
Als Veranlassung der „GleichgewicliUditörung* wird eine Gezeitenbewe-
gung des Rnlinnera angenommen. So scheint der Vsrfauor mehr der Perroy-
Falbschen Hypothese zuzuneigen als der gegenwärtig wohl von der Mehrzahl
der Forscher geteilten Ansicht, nach weicher die meisten größere Erdbeben
als tektonische aufzufesacn sind. Bohrba<h.
461. Meunier, Sur )a theoriu des tremblements de terre.
(Comptes rendus 1886, I, S. 934.)
Der Verfasser wiederholt seine schon früher aufgcsteUte Erdbebentheorie,
{ nach welcher dieselben dadurch entstehen, dafs mit Feuchtigkeit durch-
tränktc Gcrteinsmawen längs Spalten sich loslösen uud *0 plötzlich in tiefer
liegende Zonen der Erdrinde geraten, bei deren höherer Temperatur das
Wasser nicht mehr flüssig bleiben kann, sondern durch seine plötzliche Ver-
dampfung den Erdstoß veranlaßt. Daß in jüngere Gebirgen Erdbeben in
besonderer Häufigkeit auftreten, erklärt aich Meuuier dadurch, dafs bei der
unter denselben stattfindenden Neigung der ('hthonisotbermen gegen die
Horizontale die betreffenden Masseu auch ohuo Vertikalvcrvchiebung plötzlich
die notige Erhitzung erfahren können. Da er Anhänger dor Hypothese von
U. Faye ist, findet für ihn dasselbe Verhältnis in deu Küstenregionen der
Ozeane statt. Die Mehrheit dor Stof» bei den meisten Erdbeben, sowie
das so oft beobachtete Fortschreiten des Erdbebenherdes würden sich durch
succcasive Ablösung einzelner Blöcke längs einer Spalte erklären. Schließ-
lich wird der Rolle gedacht, welche die Wasaerdäropfe hei vulkanischen Aus-
brüchen zu spielen pflegen; letztere sind für Meunior einfach Kpiphänoracne
der Erdbeben.
Mug man der ganzen Hypothese gegenüboratchen wie man will, so sind
doch die Teile derselben, welche sich auf llorizontalvenchiebungen beziehen,
wohl kaum annehmbar, wenn man berücksichtigt, wie gering die betreffen-
den Neigungen der Chthoniaothennen gegen die Horizontale schon in einiger-
maßen beträchtlicher Tiefe worden, welche außerordentliche Gröfse daher
die plötzlichen Dislokationen erreichen müßten, um überhaupt in Betracht
kommende Tcmpcraturändorungcn zu bewirken. E.-hrlsich.
462. Davison, O» the Occurence of undiBturbed Spots iu
Eurthquukeshaken Areas. (Geolog. Mag. 1886, Dec. III,
Bd. III, S. 157.)
Der Verfasser sucht nochiuweisen, daß unter der Voraussetzung einer
homogenen und gleichmäfsig elastischen Erdkruste bei einem durch Sinken
eine* Teiles der Kruste entstandenen Erdbeben die unmittelbare Nachbar-
schaft der Bruchtinie in Ruhe verbleiben müsse. A und B seien zwei
Schollen, durch eine Yenrerfuogsspolte getrennt; B sinkt plötzlich. Die
r
106
Litteraturbericht Nr. 463—467.
an der Spalte gelegenen Partikclchon von A werden durch Reibung nach
abwärts bewegt, die von B nach aufwärts (wohl nur relativ, d. h. cs tritt
eine Hemmung der Bewegung nach abwärt» ein): die Etdbebeuwelleu be-
finden sich in beiden Schollen in entgegengesetzten Phn&en, und ihre Intor-
fereux wird an der Bruchlinie Ruhe erzeugen. In Wirklichkeit trifft die
oben genannte Voraussetzung nicht zu, daher auch die Folge nur zum Teil.
Der Verfasser beruft sich aiicr auf das schottische Erdbeben vom 28. No-
vember 1880 (untersucht von Stevenson), dtwn Epizentrum in der Nähe
der Schottland von Interne«« nach SW durchachueidenden Bruchliuie lag, und
wobei in der That mehrere Orte entlang dieser länic und in der nächsten
Nähe des Epizentrums ruhig verblieben.
Im allgemeinen kann man DavUona Beweisführung nicht zutreffend
nennen. Es ist ein wuoder Funkt seiner Theorie, daf* die Interferenz an
der Stelle cintreten soll, von der die Wellenbewegung nusgeht. Aber olles
zugegeben, so kann von relativer Ruhe doch nur an der mathemati-
schen Bruchlinie die Rede sein, und es ist sehr roifslich, solche auf ein*
gebildeten Voraussetzungen beruhende Theorien auf thatvdchliche Verhält-
nis*« anzuwenden, wenn es auch scheinbar bequem ist, di« Nichtüberein-
stimmung mit der Erfahrung den komplizierten natürlichen Bedingungen iu
di« Schuhe zu schieben. Supan.
463. Sacco, Des pheuoraOnes altimdtriques observes dans
l'interieur des continout*. (Bull. Soc. geolog. de Franco
1885/86, Bd. XIV, S. 128.)
Man ist in den letzten Jahren wiederhott auf Hühenverinderungen im
Innern des Festlaoden, welche sich meist durch Veränderungen der Aua-
sichtsweite dokumentieren,- aufmerksam gemacht worden, und inan ist ge-
neigt, darin Beweise fUr eine fortschreitende Dislokation zu erblickon. Wio
sehr es aber not thut, in jedem einzelnen Falle eingehende Ixikalunterauchun-
gen vorzunehmen, um nicht zu voreiligen und falschen Schlüssen zu ge-
langen, weist der Verformt au einem Beispiele nach. Die ca 1 km von-
einander entfernten Bergdörfer Montalto Koero und Montcu Rocro nordwest-
lich von Alba (Provinz Cunoo, Piemont) wurden in den letzten 30 Jahren
immer mehr einander sichtbar. Dio sic trennende pliocunr Erhebung be-
steht von unten nach oben aus Mergel, dann wechselnden Mergel und
Sonden. und endlich Sandeu, die Iris# nach NW goneigt sind, und ist von
tiefen Schlachten durchschnitten. Sie verändert allmählich ihre Form und
Höhe lediglich durch Gleitungen und Rutschungen besonders in Zeiten
andauernder Niederschläge, und die scheinbare Niveau Veränderung der ge-
nannten Dörfer ist in der That nur anf einen lokalen Denudationsprvnefs
zurückzufilhreu. Supan.
464. Gilbert , *The topographic festeres of lake shoros.
(Papers accompanyiug the animal Report, U. S. Gool.
Survey for 1883 — 84. Washington 1885.)
Diese mit prächtigen Allbildungen geschmückte Schrift des berühmten
Verfasser« bringt di« Resultate eigner Beobachtungen an den Uftm dor
grofsen amerikanischen Seen und an den Resten der ausgetrockneten Was-
serbecken de® Great Darin. Litteratur wurde nur wenig zu Rate gezogen.
ZunHchst winl die Tliltigkeit der Wellen an den Geraden der Binnenseen
besprochen. 1>«t Verfasser findet dieselbe nur der Gröfse, nicht dem Wesen
nach verschieden von der an den Meeresküsten beobachteten. Deo Gezei-
ten spricht er dahor einen zerstörenden Einfluß ab. Die littorale Emsion
geschieht durch den Ansturm der Welten, und zwar allein durch die Hilfe
d«s im Warner enthaltenen Detritus. Das zerstörte Material wird von dem
nach jeder Brandungswelle erfolgenden Rückzug (undertow) des Wassers
hinjhgetrugen. So entstehen die UfoTklippen mit horizontaler Basis und
daran sich schließender Terrasse. Wenn die vorherrschenden Winde und
Wellen schief zum Ufer gerichtet rind, so wird ein Strom parallel der
Küste erzeugt. Dieser transportiert das erodierte Material dem Ufer ent-
lang. Auf dem Wege bildet dasselbe «len Strand, dessen Profil jedesmal
dem Gleichgewichte zwischen der Kraft der Wogen und des Rückzuges
(undertow) entspricht und im allgemeinen zunächst dem Ixmdo konvex ist,
um dann in konkaver Krümmung in den Seeboden übenruerben. Bei Bie-
gungen des Ufer» löst sich der Strom vom Lande ab, cl«mo der Strand;
denn auf dor Grenze zwischen dem bewegten Strom- und dem ruhigen
Baiwasser tindot dort Ablagerung des traaspoxlierlen Materiale« stau , wel-
ches eine ebenhahndammähnlichn Barre aufbaut, dio unter verschiedenen
Bedingungen dio üwtalt einer Spitze, eines Hakens, Riegels oder Fastoos
annebmeu kann. Durch die«! stets länger werdenden Dämme werden
schließlich Ligunen abgeschlossen. Verschieden von diesen Barren sind
dio SceterraMcn, welche entstehen, wo der Küatenstrorn sich verbreitert
und verlangsamt und so seinen Detritus anf eine breitere Fische nlederfal-
len läßt, ««der die *m Endo dreieckiger Buchten sich ansetien, in welch«
der Wind hincinweht. Die Terrassen sind zwar im einzelnen vielfach ge-
rippt, im grofsen aber doch ebenftärhig. So sondern sich die Seeofer in
Strecken der Erosion, des Transportes und der Ablagerung. Alle drei Iba-
tigkeiteu haben das Bestreben, die Kilstenlinie zu vercinfachcii. Bemer-
kenswert erscheint unter dm fernem Ausführungen (Über die Bedeutung
der Flüsse und des Eises für die Seeufer, über Senkung und Hebung) be-
sonders der Aufbau der Scetormsscn bei allmählichem Steigen des See-
Spiegels. In diesem Falle wächst nämlich die Tcrrasso nicht glmchmäfsig
nach oben, sondern erfährt einen rythmischen Zuwachs, wodurch sie ein«
Treppcnfoim nnnimmt. Schließlich werden übersichtlich die Merkmale an-
geführt , durch welch« »ch die durch Seen erzeugten Klippen , Terrassen
und Kücken von ähnlichen, aber anders entstandenen Gebilden unterschei-
den — - ein für die Diagnostik erloschener Seen höchst wertvoller Abschnitt.
Pkilippj/on.
465. Pechuel-Loesche, Flachküsten, Meeresströmungen und
Brandung. (Globus 1886, Bd. L, S. 39 u. 55.)
Der Verfasser sucht nochxu weisen , dafs die Meeresströmungen an der
Strandvergröfserung sich nicht beteiligen können. Die Lago vieler Bänke«
Nehrungen und 1/mdzuugcn stimmt mit dcT Richtung der Strömungen
nicht überein. Die Geringfügigkeit der landbildenden Kraft der letztem
hat verschiedene Ursachen; zunächst ihr wechselnder Verlauf — • der Ver-
fasser führt aus eigner Erfahrung an, dafs die Guinea - Strömung , die ge-
wöhnlich zwischen den Baien von Yuraba und Ixtango ihr Endo findet,
häufig noch über die Kongo- MUudung hinnusreicht — , dünn ihre durch
kein Gefällt* und keine Reibung an festen Grenzen gestört« ruhige und meist
langsame Fortbewegung, ferner die experimentell fcrtge>tellte Thatsuche, dafs
SinkslufTc im Solz- und Brackwasser rascher zu Boden fallen als im Süßw&s-
ser; endlich die Entfernung der Strömungen von den Flachküsten, so dafs
nur mehr die feinsten Sedimente, die sich am Aufbau von Neuland nicht
beteiligen, in ihren Bereich gelangen. Die Umgestaltung der Flachküste ist
iu erster Linie ein Produkt der Brandung, die aufbaut, wenn nie gleich-
mäßig wirkt, und xerstört, wenn sie in Stärke und Richtung beträchtlich
wechselt. Der Verfusser ist auch geneigt, manche Rätsel in der Verbrei-
tung der Deltas dadurch zu erklären. Supan.
466. Waagen, Notes on aorao Palnoozoic fossils rocenfcly col-
lected by Dr. JT. Warth in the Olivo group of the Salt-
Range. (Records Geol. S. India 1886, Bd. XIX, S. 22.)
467. Oldham, Memoraudum on the Correlation of the Indian
aud Australian coal bearing beds. (Ebendas. S. 29.)
An den Fund von mehreren Uonularia-Arten in dem Geschiebekonglo-
morat der (nach der Gerteinsfarbe benannten) Olivengruppc der östlichen
Salt Range knüpft Waagen einige Folgerungen von allgemeiner Bedeutung.
Es wird durch jene Fosrilienfuude bewiesen, dafs die bisher ganz der
Kreide zugczxhlte Qlivcngruppe aus zwei Etagen besteht, einer wahr-
scheinlich oberkretazeischcii und einer karbonischcn , welch« ihrem ganxen
Charakter entsprechend schon früher als unter dein Eintlufs von Eis ge-
bildet aufgefaßt wurde. Im westlichen Salt Range entspricht diesem karbo-
nischcn Geschiebekonglomerat der „Fleckcnsindsteiu" (.Speckled samlstoue").
Auf dor vurderindischen Halbinsel ist die unterst« Stuf« des Gondwana-Sy rtems,
dos Talrhir, ebenfalls nach der Auffassung der indischen Geologen giaxialcn
Ursprungs. Für seine Altersbestimmung sind vor allem dio Untersuchungen der
australischen Koblcnformation duich Oldham entscheidend geworden, der
dos Talchir in das gleiche Niveau versetzt, wie die ebenfalls durch glaziale
Drift gebildeten Bacchus Marsh -Schichten von Victoria und die marinen
Karbonschichten von Neusüdwulcs (Waagen hält zwar wegen gemeinsamen
PtUnzenvorkommnissen in den Karbonschichten Australiens und im Talchir
und wegen des Vorkommens von Uonulurien in den erstem den Talchir
auch für karbonbeh, die Bacchus-Maish-Sehichten aber für permisch). In
Südafrika dürften die gleichfalls geschtcbcfiihrenden Kcca - Schichten als
gleichalterig zu betrachten seiti, und wir gelangen somit — die Richtig-
keit der Ansicht, dafs die genannten Schichten unter dem Einfluß von
Eis entstanden seien, vorausgesetzt — zur Annahme einer kanoni-
schen Glazialzeit auf dem grofsen Südkontinent, der Australien,
Vorderindien bis zum Salt Range aud Südafrika unifafste.
Die geologische Stellung der einzelnen Stufen des Gondwana - Systems
ist nach Waagen folgende:
Cuteh und Jabulpur Jura.
RAjmabiil und Mahiidev» |
Fauchet . . j
Daniüdn Perm.
Talchir Kartton.
Supan.
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Litteraturbericht Nr. 468—473.
107
468. Oldham, Probablo Chauges of Latitude. (Geolog,
Mag. 1886, Deo. III, Vol. m, 8. 300.)
Der Verfasser weixt darauf hin, daft Indien wiederholt« Eiszeiten hatte
(vgl. Litt.-Ber. Nr. 466 und 467). In Gegenden, welche jetzt 27° vom
Äquator entfernt liegen, »liegen üleUeher bi* zum Meeresniveau herab.
Zur Erklärung dieses Phänomen* reichen jene Hypothesen, welche mau
inf den Wechsel der arktischen Klimate (Groll, Wallac«) mwandte, nicht
aus. Oldham denkt »ich (mit Fisher) den Krdköxpcr aus drei Teilen b«-
stehend, einem festen Kern und einer festen Kinde, welche durch eine
fiUsxige oder halbfiüssige Zwischenlage getrennt sind, und gibt der Erd*
kruste die Fähigkeit, selbständige Bewegungen in toto auf der Zwischen*
läge suszufuhren, ao dafs einmal die polaren Gegenden am Äquator und
die äquatorialen an den Polen liegen können. Die Lehre von der Perrua-
neuz der Kontinente lieft« sich damit vereinigen, aber der Verfasser hält
jene überhaupt nicht dir begründet und sucht den einstigen Zusammenhang
Südafrika* mit Indien geologisch nachzuweisen. Als positive Zeugnisse für
soino (wohl sehr kühne) Hypothese führt er die beobachteten Breiteuäude-
mögen (s. Litt.-Ber. 1885. Nr. 244) und die Thatxtfhc an, dafs die Pyra-
miden von Gizeb, trotzdem sie in der Orientierung der Seiten bis auf 30“
miteinander übcrcrastiraraen , doch insgesamt über 5' von dem wahren
Meridian nach W abweichen, was dor Verfasser durch eine Verschiebung
des Meridian* selbst »eit dem Pyramidenbau erklärt. Sujxm.
469. Penck, La Periode glaciaire dane lo« Pyreiieos. Ubers,
von Braemer. (Bull. Soc. d'bist. nat. Toulouse 1885,
Bd. XIX, S. 107.)
Die franrösiiehe Ausgabe der schon im Litt.-Ber. von 1885. Nr. 41,
besprochenen Abhandlung enthält (auf S. 162 f.) «inen wesentlich neuen
Psxsus. Der Verfasser kommt rum Schlafs, dafs die Eiszeit ein über dio
frsnzo Erde verbreitetes Phänomen war, and sacht an der Hand einer
tabellarischen Zusammenstellung nachzuweisen , dafs damals überall dio
Schoeegtenu ca 1000 ra (die Angaben schwanken zwischen 500 und
1300 m) tiefer lag als heutiutage. Svpam.
470. Blaas, Ein Beitrag zu den paeudoglazialen Erschei-
nungen. (Verb. Geolog. Reicbsanstalt , Wien 1886,
S. 155.)
Nicht alle gekritzten Gesteine sind, wie schon Penck und Böhm
nachgewiesen, glazialen Ursprungs. Blaa* fügt den schon bekannten Fällen
noch einen neuen hinzu: gekntzte Geschiebe und Gesteiusfragmeiite , die
durch Irwinen hcrgcstellt wunlen. Sie unterscheiden sich von den glazia-
len durch den Parallel ixraus der Schrammen, die außerdem meist nur auf
einer Soite Vorkommen. Supern.
471. Geistbeck, Dio Eisverbältnisse dor Isar und ihrer
Nebenflüsse. (Jabrosbor. Gcogr. Ges. München 1886,
Heft X, 8. 1.)
Nach der Beanlagung zur Eisbildung teilt der Verfasser die Fl (Lue
in 1) Plaue ohne Eisbildung iufolge starken Gefälles (Alpenbäche) oder
chemischer Beimengungen (Moorgcwiüscr) oder klimatischer Verhältnisse,
2) Flüsse mit blofter Troibeftbildung, 3) Flüsse mit teilweiser Kisbedeckung,
und 4) Flüsse mit totaler Kisbodeckung. Supan.
472. Schwalbe, Ober Eishöhlen und Eislöcher. (Festschrift
dos Dorothoenstädtor Realgymnasiums, Berlin 1886.)
Alle hierher gehörigeu Phänomene lauen sich in drei Haupt- und
sechs Untergruppen bringen: 1. Eishöhlen, und zwar a) die eigentlichen
Eishöhlen nebst den einführenden Stollen und Eisbruunen, und b) die Eia-
dolinen, d. h. weite, oben nffno Höhlen mit steil abfallenden Wänden und
bis zu 80m tief; 2. Eislöcher, a) Eisleiten, d. h. Eisbildungen in
ofYnen Spalten und zerklüftetem Gestein, und b) EisgtröU, d. h. Eisbil-
dungen im Geröll mit mehr oder weniger groben Hohl räumen : 3. abnorm
niedrige Bodentemper sturen, a) Ventarolon und Windlöcher, d. h.
Gesteinöffaungen, die im Sommer eisig kalte Luft aus&trömen, und h) Kalt-
böden. In den beiden letztem Fällen findet keine Eisbildung statt. Von
der liauptgruppe l. zählt der Verfasser 100 (mit den gefiornon Brunnen
129), von 2. 25 und von 3. 35 Vorkommnisse auf. Sie gehören alle der
geroEfsigten Zone der Alten und Neuen Welt an.
Eingehender beschäftigt sich dann der Verfasser mit den Eishöhlen.
In Lage, GrÖfsc und Gestalt herrscht die gröftte Mannigfaltigkeit; ein wich-
tiger gemeinsamer Charakterzug scheint die Bodensenkung unmittelbar hinter
dem Eingang zu sein. Die üesteimart ist gleichgültig, nur rauft dieselbe
einen gewissen Grad von Porosität besitzen. Aus der Höhenlage läfst sich
schliefsen, dafs die Lufttemperatur am Eingang über 0° im Jahresmittel,
ober unter 0° im Winter (Jauuar) liegt. Eine gröbere Menge sommer-
licher Niederschläge vermindert die Eisbildung, die vorzugsweise durch die
Schnccachmclze int Frühjahr bedingt wird. Das Material liefern ausschliefs-
lich die Sickeiwasser. Den Boden bedeckt eino, oft mehrere Meter dicke
Eiskruste (daher eine albeitige und gleichmäftige Betropfung des Bodens
voraoszQsctzen) , demnächst ist die Eisbildung an den SeitenwäDden am
mächtigsten, ( her die physikalischen Verhältnisse innerhalb der Eishöhlen
sind verhältnisniifsig nur spärliche Beobachtungen angestellt worden. Die
mittlere Jahrestemperatur der Luft scheint unter 0U, die sommerliche über
0° zu liegen; die jährliche Schwankung ist sehr gering. Uber die Ge-
j sleinsteroperatur ist nichts Sicheres bekannt ; die Temperatur der Sieker-
wiiser beträgt nach Schwalbe 0 — 1°* Korber fand ($. Litter.-Ber. 1 885,
Nr. 415). Wichtig ist, dafs die Luft nahezu oder ganz mit Feuchtigkeit
gesättigt, und dafs kein Luftzug vorhanden ist (wodurch sich die Eis-
höhlen von den Eislöchern unterscheiden). Die alte Theorie, welche die Eis-
bildung durch kalte Luftströmo und Verdunstung erkürt, ist daher unhalt-
bar. Viele Anhänger zählt jetzt die Kaltlufltheor.e, die von Deluc (1822)
herstammt und das Eis durch die Wioterkälte sich bilden und durch lokale,
abkühlcndc Ursache auch wahrend des Sommer» sich rrlultrn läfst (s. Peter-
manns Mitteil. 1883, S. 16). Der Verfasser findet auch diesem Erklärungs-
versuch unzureichend und setzt dafür die Sickertheorie, welche die dau-
ernde Kältequelle im Gestein selbst sucht und im Sickerwaiucr findet, dos
auch im Sommer eine niedrige Temperatur besitzt. Er stützt sich dabei
auf den Nachweis von Jungk, dafs Wasser von weniger als 4° Wärme beim
Durchsickern ubgekühlt wird und sogar Überkältung erfährt. Supan.
473. van Bebber, Handbuch der ausübenden Wittoruugs-
kuude. II. Teil. Gegenwärtiger Zustand dor Wetter-
prognose. Stuttgart, Enke, 1886. (I. Teil, «. Litt.-Ber.
1885, Nr. 252.)
Dm zweite Kapitel dos vorliegenden Schluftbandex, welches die Grund-
lagen der ausübenden Witterungskunde behandelt, hat fUr den Geographen,
nicht minder wio für den praktischen Meteorologen Wert und Bedeutung.
Ex gilt dies namentlich von der Darstellung der erklonischcn und anti-
cyklonischen Luftbowogungrn, die sowohl oino geschichtliche Entwickelung
der Lehre gibt, als auch ein« Fülle eigner Untersuchungen enthält. Es Ut
von Interesse, zu sehen, wie dio Vorstellung von eiuer allgemeinen Luft-
xirkulation, der gegenüber unsre Cyklonen nur nebensächliche Erscheinungen
der untersten Luftschichten sind, immer mehr Raum gewinnt und auch
praktische Bedeutung erhält (vgl. Litter.-Ber., Nr. 16). Man hat rechne-
risch die Druckverteilung in den obern Luftschichten festgostellt und spricht
auf Grund derselben von einem Ahllufx der Luft von der Äquatorialzone
nach den Polen, welche sie in Form zweier gewaltiger Cyklonen in wext-
östlicher Richtung umkreist. Aber diese Theorie trat etwas Nebelhaftes,
so lange der dem Äquatorialstrom entsprechende Polarstrom nicht gefunden
ist. Man muft sich auf die Beobachtung beschranken, dafs die f'irruswolken
von W nach 0 ziehen, und dafs dieselbe Richtung in der Kegel auch von
den ektopischen Cyklonen eingeochUgen wird ; was darüber hinausgeht, ist
Hypothese, aber als Zeugnis von dem Streben nach der Erkenntnis profter
und einfacher Gesetze höcht beachtenswert. Mit Perrel nimmt auch van
Bebber an, dafs die Cyklonen von der fundamentalen Luftströmung fort ge-
tragen werden ; die in jenen aufsteigende warme Luft wird von der allgemei-
nen Strömung nach 0 fortgeriwn, infolgedessen der Luftdruck vor der Depres-
sion abnehmen rauft. Nicht dicNelbe Luftmasse ist es, die in rotierender
Bewegung nach 0 fortschreitet, sondern dio Wirbelbewegung überträgt sich
auf immer neue Luftmassen. Die borometnschen Maxims entstehen durch
das Herabsinken der allgemeinen obern Luftströmung (schon 1881 sprach
ich dies aus und erklärte die Anticyklonen für das Primäre und die Cyklo-
nen für dns Sekundäre).
Die Cyklonen, als da» aktive Witterungselement, erregen natürlich das
prüfst© Interasso, und die darauf bezüglichen Abschnitte des Buches sind
besonders empfehlenswert. Durch die Feststellung ihrer gewöhnlichen Zug-
strafteu in Europa hat sich der Verfasser schon früher eiu hohes Verdienst
erworben; er zeigt nun. wie gerade auf diesen Straften dio Bedingungen
einer gröfaern Tiefe und Intensität und eines raschem Fortschreitens gege-
ben sind. Anormale oder erratische Bohnen liefsen sich 1876 — 84 in 76
Fällen konstatieren: nach NW 26, N 17, S 14, W 10, SW 9. Mit we-
nigen Ausnahmen liefsen sieh diese Fälle durch die jeweilige Temperatur-
und Druckverteilung erklären. $upan.
Litteraturbericht Nr. 474—478.
108
474. Augustin, Über die jährliche Periode der Richtung
des WindeB. (Sitz.- Rer. Rohm. Ges. d. Wiss. Prag
1886. Separ.-Abdr.)
l)ie WindrrrteiluDZ au einem bestimmten Orte lli fit «ich mcli zwei
Seite« betrachte« : nach den vorherrschenden Windrichtungen innerhalb be-
stimmter Zeiteinheiten (Monate oder Jahreszeiten), oder nach den Hiiufig-
keiUmaxiraa, «eiche jede Windrichtung in einer bestimmten Zeiteinheit
erreicht. Indem der Verfaasor die lotztere Methode befolgt, findet er, dafs
die Häufigkeitsmaxiraa mit den Jahreszeiten in regolroärsiger Abwechselung
um den Horizont eine« Orte« kerumwandero, und der Wind im Laufe ein«
Jahren somit eine vollständige Umdrehung macht. Die Haupt re sul täte sind
in schematischer Darstellung folgende:
Hs erreichen die HäufigkeiUioaiirua die Winde aus folgenden Quadranten :
HllaDikugel. 8-Halbkuge).
Winter . .
. . SK
Westküsten :
NE
Sommer. .
SW
Winter . .
. . NW
Ostkliften:
SW
Sommer . .
. . SK
NE
Winter . .
Nordküsten:
SE
Sommer . .
. . NE
NW
Winter . . ,
SüdkiUten:
NW
Sommer . .
SE.
An den West- und SUdkUsteu beider Halbkugeln erfolgt die Wind-
drehung vom Winter zum Sommer nach links (gegen den Uhrzeiger), an
den Ost- und Nordküsten aber nach rechts.
Der Verfasser untersucht auch die monatliche Wind Verteilung fiir Prag
und Berliu, die zwei Maxim* fiir die östlichen und westlichen Winde zeigt ;
die Zusammenfassung nach Jahreszeiten verdeckt eben manche Eigentüm-
lichkeiten der jährlichen Periode. In Berlin uud Prag führt der Wind eine
doppelte Drehung aus uud zwar bei nördlicher Deklination der Souue nach
links und bei südlicher nach rechts. Nwpon.
475. Hericht der Direktion der Seewarte über die Cyklone |
im Golf von Aden, 1. — 3. Juni 1885. (Anna), der
Hydrogr. u. marit, Met. 1886, Rd. XIV, S. 185 u.
229, init 1 Karte.)
476. Clouö, L'ouragan do juin 1885, dang )e golfo d’Adeu.
(Rev. marit. ot coloniale, 1886, Rd. LXXX1X, S. 69,
mit 1 Karte.)
Diner Orkan, dem wnlinelieinlieh auch der deutsche Kriegsdampfer
„Augusta" tum Opfer fiel, hat nicht blofs wegen seiner Zerstörungen eine
traurige Berühmtheit erlaugt, sondern ist uueh deshalb wichtig, weil er
Hegenden duichiog, die als urknnfrei oder wenigstens orluinurm gelten (Aden,
Arabisches Meer). Cykloneu treten hier bei dem Übergang des NE- in
den SW-Monsun ein. und nuch obiger Fall bestätigt diese Kegel. Vor Be-
ginn des Orkan» war eine Zone uiedem Luftdruckes in ca IS" B. rorlian-
dtn. Das Sturmientrom bewegte »ich nördlich »sin Socotra in westlicher
Richtung ewischen IS und 13" Br., und tog endlich nördlich von Obock
vorbei; nach dem Eintritt in Afrika schlug es eine WSW -Richtung ein.
Der Durchmesser des eigentlichen Orkanfeldes betrug höchstens 100 See-
meilen; er lerkiiretc sich — und dies iat neben der Richtung das zweite
außergewöhnliche Moment — mit dem Fortachreiten nach W : bei Sokntra
ea 150. bei Obock nur 50 Seemeilen. Die Längsachse war anfangs nach
NW geriehtot, nach dem Eintritt in den Golf von Aden aber nach W.
Supait.
477. Taifun-Rahn vou Ostasien nach Europa. (Attnal. f.
Hydrogr. und marit. Met. 1886, Rd. XIY, 8. 222.)
Die Crklone wird ruertt östlich von den Philippinen am 27. Septbr. i
1882 erwähnt; sie zog hierauf übor die Altiuten 2ur Küste von Oregon
(10. Oktober), überschritt da» Felscngebirge, tog hierauf über die Hud-
aonsbai- Linder und Labrador zum Kap Karewell, erreichte, mit einer aas
S kommenden Depression vereinigt, am 24. Oktober England uud im 27.
Oktober Frankreich, und löste sich endlich in der Ostsee auf. Eine so
laugt Dauer uud eine so lange Babu über Ozeane, llncbgebirge und Kon-
tinente ist wohl noch bei keiner Depression naebgewiesen worden.
Supern.
478. Holdinghausen, Die Sonno als Ursache der Schwan-
kungen des Erdmagnetismus und der Polarlichter.
(Ann.Hydr. und marit. Meteor. 1886, Rd. XIV, S. 137.)
Die vorstehend genannte Abhandlung zerfällt in eine Theorie der
elektrischen Strömungen auf der Sonne und in die Untersuchung de« Ein-
flusses, den diese auf den magnetischen Zustand der Erde haben müssen.
Der Verfasser denkt sich die Sonne aus mehreion, nach ihrem spe-
zifische« Gewicht geordneten Schichten bestehend. Eine mittlere, die Elektri-
zität nicht leitende (metalloide) Schicht zirkuliert zwischen beiden Polen, —
auf der innern Seite von Nord nach Süd , auf der äußern von Süd nach
Nord. Die Existenz einer solchen Strömung wird durch die Betrachtung
der an den Sonnenfiecken nachweisbaren meridionalen Bewegung wahr-
scheinlich gemacht und durch kalorische und elektrolytische Vorgänge zu
erklären gesucht. Unterhalb der zirkulierenden Schicht befindet sich ein
schwererer metallischer Kern, oberhalb eine hauptsächlich aus permanenten
G&scu bestehende Hülle. Der erster* ist negativ, di« letzter* positiv elek-
trisch. Beide wirken auf die strömende Schicht influcnzicrend, so dafs die
innere Seite derselben positiv, die iiuOiere negativ wird. An den Polen,
vro die untere Strömung in die obere, oder diese in jene übergeht, findet
auch ein Übergang des innem elektrischen Zustandes in den andern statt.
Diesen Übergang denkt sich der Verfasser dadurch vermittelt , dafs die
vorhandene Elektrizität der strömenden Schicht nn den Polen durch die
poaitive Gashülle hioduxchbricht und in die äußerste, am besteu leitende
Sphäre eindringt, ln letzterer entsteht infolgedessen ein konilanter, auf
allen Meridianen vou Süden nach Norden gerichteter Strom. Die Stärke
denselben wird im Laufe der Zeit etwas variieren, wenn di* zirkulierende
Schicht nicht vollkommen homogen ist. Aus den von Carrington ermit-
telten Zahlen schliefst der Verfasser, dafs eine volle Umwälzung jener
Schicht 11 Jahre betragen mag, ein Umstand, der gestattet, die Periode
der magnetischen Erscheinungen mit der Ton ihm entwickelten Theorie io
Einklang xu bringen. Nebenbei wird die grofsere Winkelgeschwindigkeit
der dem Äquator benachbarten Teile der Sonnenoberiliiche aU eine elektro-
dynamische Wirkung des Sonnenstroms erklärt.
Dieser elektrische Strom wirkt nun einerseits direkt auf eine an der
Erdoberfläche befindliche Nadel, anderseits indirekt, indem er in der rotie-
renden Krdo Induktionsström« hervorruft. Auch durch schnelle Änderungen
seiner Intensität müssen Ströme in der Erde induziert werden; auf diese
führt der Verflixter die Störungen der erdmagnctbchen Element*' zurück.
Die luduktiousatröme sind teils meridional, teils verlaufen sie in der Dich-
tung der Breitenkreise. Letztere, welche hauptsächlich auf die Intensität
des Erdmagnetismus verändernd einwirken, ISfft der Verfasser außer acht ;
die erstem im Verein mit der direkten Wirkung de* Sonnen atroma benutzt
er, um die tagliehou Variationen der Deklination und Inklination zu er-
klären. Es zeigt sich, dafs wenigstens die charakteristischen Züge der
beobachteten Erscheinungen durch die entwickelt* Theorie erklärt werdeo
können. Allerdings liegt den Betrachtungen des Verfassers die stillschwei-
gende Voraussetzung zu Grunde, dafs die direkte Einwirkung des Sonnen-
atron)* und diejenige der von ihm induzierten Ström* nahezu von gleicher
Groß« seien, so dafs das Verhältnis ihrer Summe und ihrer Differenz
merklich von der Einheit abweicht. Im Anschlufs an diese Bemerkung
möchte der ltefercnt noch darauf binweisen, dafs zu einer scharfem Be-
gründung «1er vorgetragenen Theorie ein Eingehen auf die quantitativen
Verhältnis*« unerlässlich ist. Hauptsächlich deshalb, weil mehrere Kräfte
auf die Magnetnadel wirken, ist os durchaus nötig, dafs man deren Gröfaen-
verkiiltuis in Betracht zieht; ohne dieses zu thun, Ut man nicht im Stande,
auch nur den qualitativen Charakter der remitierenden Erscheinungen
theoretisch abzuleiten. Nebenbei bemerkt, kounte der Deferent, der seit
längerer Zeit mit einer ähnlichen Untersuchung auf mathematischer Grund-
lage beschäftigt ist, bisher nicht dazu gelangen, die magnetischen Variation»-
erschcinungen in allen ihren Einzelheiten auf einen elektrischen Sonnen-
strom zurückzuführen. Besondere Schwierigkeiten* bereitet di* Erklärung
der jährlichen Periode de« Phänomen».
Endlich ist noch die Frage aufzuwerfen, ob di* Intensität des Sonnon-
stroros hinreichend sei, um die beobachteten Wirkungen hervorzurufen. Es
ist nämlich der Umstand übersehen, dafs die von der zirkulierenden Schicht
transportierte Elektrizität eine Femwirkung ausübt, welch* diejenige der
ausschließlich betrachteten üufseru Strömung fast vollständig aufhebt. Die-
ter Umstand scheint dem Deferenten die Zuräckfiihruug der erdmagnetuchen
Variationen auf Sonnenströro*, die auf allen Meridianen in gleicher
Dichtung verlaufen, ziemlich problematisch zu machen. ScAmU/.
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Litteraturbericht Nr. 479—481
109
479. Palacky, Verbreitung der Vügel auf der Erde. Wien,
Walliebauser, 1885.
Zehn Jahre »iud vergangen, seit uns Wallace mit seiner .Geogra-
phischen Verbreitung der Tiere* Ixwchenkt hat. Viele« neue Material Ut
seitdem berbeigeschaift , mancher Irrtum des Forschers wartet auf Berich-
tigung, nicht wenig Abschnitte des bedeutenden Werkes erheischen eine
Neubearbeitung. Materielle Rücksichten haben wohl den Verleger von einer
Neuauflage absehen latseu. Um so dankbarer müssen wir Herrn Palackr
»ein, wenn er aus dem Bom seines umfassenden Wissens schöpfend und
über die Kenntnis aller einschlägigen Littcrutur gebietend sich der grofaeu
Mühe unterzieht, uns die RnsulUit« seiner kritischen Forschungen mono-
graphisch zu übermitteln, wobei wir allerdings nicht umhin künoen, unterm
lebhaftesten Bedauern Ausdruck zu geben, dafs sein Verleger ihm eine gur
tu grofse Beschränkung auferlegt hat. Es liegt uns zunächst die Vorbrei-
tung der Vögel vor. Was der Verfasster von dem ersten Teile seiner Arbeit
sagt, dafs sie ein t'rwald von Daten sei, möchten wir auf das ganze Werk
ausdebueu. Deshalb wird und rnufs wohl ein Zoolog mit dankbarem Eifer
an das Studium der Monographie gehen , der Geograph wird grob* Mühe
haben, sich durch den Urwald einen Wad tu bühnen, t'ud doch kamt man
nicht umhin, sich mit dem Inhalt der .Schrift bekannt zu machen, da sie
für das betreffende Fach der physischen Erdkunde als grundlegendes Werk
tu betrachten ist.
Nach einer kurzen Einleitung, welche eine Koiho fundamentaler Sätze
über die Ursachen der heutigen Verbreitung der Vögel in gedrängter Form
bietet, behandelt der erste Teil die geographische Ornithologie, in
welcher Verfasser, Gray 8 Handlist folgend, sämtliche Vogelfamilien und -sippen
mit ihrer Verbreitung aufz&hlt, wie Wallaro Bd. II. Der zweite Teil be-
schäftigt sich mit der zoologischen Geographie — wohl richtiger
ornithologischen Geographie. Es werden nur vier Hegionen angenommen :
1) Amerika, 2) paliüuktischc Region, 3) äthiopische Hegion, 4) Australasien.
Wallaces nearktbche Hegion kommt in Wegfall, du ihre Vogel weit innig
mit der neotropischen übercinstimmt und die Unterschiede, welche nur den
zehnten Teil der Ornb aogehen, nicht grober sind als die Differenten zwi-
schen Aus? ruhen. Polynesien und China. Zwölf von Wallace für die neurk-
tische Region aufgozäblto typische Formen sind nicht charakteristisch. Bei
der Bildung von Subregionen ist maßgebend, dafs der mcridionale Zug der
Gobirgc und die breiten Tiefländer Nordamerikas ein Vordringen südlicher
Formen bis in hohe Breiten gestatten; mithin füllt der arktischen Subregion
nur das Gebiet um den amerikanischen Kältepol tu, und die Ton Wallace
angegebene Südgrenze dieser Subregion wäre weiter nördlich tu legen. Ferner
bilden die Kockv Mountains und der ganze Westen nur «ine Subregion,
deren Unterschiede ron der östlichen nicht in den Gattungen, sondern nur
in den Arten liegen. Wallaces , Kalifornien* rauf* fallen, da die von ihm
für diese Subregion als charakteristisch boxeichneten Vögel mit Ausnahme
eines Monotyps von weiterer Verbreitung sind oder auch sich gar nicht
im Gebiet befinden. Zentru.amerika steht in «einer Vogelwclt den Tropen
weit naher und ist deshalb von Mexiko 2u trennen, dessen tierra tempUda ,
und fria den Übergang mit dem Norden vermittelt.
Auch in Südamerika lassen sich Wallaces Subregionen nicht festhaiton.
Verfasser stellt auf: 1} nördliche Anden, 2) Maranon, 3) Östbrafflien. 4) süd-
liche Anden, 5) Pampa«, 6) antarktische Subregion. Auf den nördlichen
Anden ßndet sieh dis Maximum der Trochiliden und Tanagriden ; jede neotro-
pbche Familie hat hier eigne Spezi«.«, von denen 500 endemisch sind. Di*
Maranongobiet verdankt seine Besonderheiten den ausgedehnten Urwäldern,
welchen andine Formen ebensogut wie die nördlichen Wanderer fehlen.
Ostbnuilieo rühmt sich zwar keiner ihm lasfchliefslich angehörenden Fa-
milie, es ist aber durch das Maximum der Forxnicuriiden, Tyruuniden, Cotra-
giden, Uracciden und Tinaniiden hinreichend charakterisiert. Für die Sud-
anden ist der grobe Formenreichtum d*r Ostseite gegenüber der Armut der
Westseite bezeichnend. Die Pumpu* sind von den südlichen Anden wegen
der nördlichen Wanderer tu trennen, und die Selbständigkeit der antark-
tischen Subregion ixt schon tot» Milne- Edwards und Sevcrzow hinlänglich
begründet.
Die paläarktiacbe Hegion ist fast nur durch negative Merkmale
boxtimmt. AD Sammelplatz von Vertretern au* den übrigen drei Hegionen
nimmt ffe einen universellen Charakter an, der sie, abgesehen von ihrer
Ähnlichkeit im Norden mit Amerika, eigentlich zu einer Dependcnx der
paläotropischen Hegionen heruhdrUeken nlftte. Streng arktisch sind Thi-
myrlind, Spitzbergen, Nowujn Srmlja, Franz Josef • Land , Island und Grön-
land, welches wegen der amerikanischen Wanderer »ich in den I^indvögeln
der Kegiou I nähert, aber durch sein« pulöarktbchen Wawervöget zwei Drittel
Majorität für den Anschliffs an die Hegion II gewinnt. Die Färöer, Nord-
»ibirien und Nordrubltnd bilden den Übergang tum Waldgebiet der Alten
Welt, der Heimat der Pariden und Tctruoniden. Für das Mittelmecrgcbiet
Petennauua Geogr. Mitteilungon. 1886, Litt.-Bcricht.
sind die Gallineu, ferner die Alaudiuen und besonders die Lusciniden be-
zeichnend, welche sowohl an Zahl dor Spezies, als auch der Individuen
gegen Mitteleuropa beträchtlich wachsen. Von Makaronesien stellt der Ver-
fasser merkwürdigerweise die Kapverden tu Afrika, obwohl sie nach dor
Ornb entschieden paläarktisch sind (s. auch Wallace). Japan ist paläark-
tisch, nicht weil die Mehrzahl seiner Genera, wohl aber seiner Spezies dies
verlangt. Berberei, Sahara, Nubien und Sind müssen als Ubergangsgebiete
aufgefafst werden, während Arabiens Stellung nach dem Stunde un*rer Kenntnis
noch zweifelhaft bt. E* bleiben also die Wallaccschon Subregionen, welche
allerdings nicht immer glücklich charakterisiert sind, mit Ausnahme der
•Mandschurei" ; denn in den Tiefländern und ira Sommer herrschen tio-
pbehe Formen vor, im Winter und im Hochlande nordische, wie sich
ja hier auch Barabuscn und Ilhododendren begegnen. Die von Wallucc
gezogene Grenze zwischen der mandschurischen Subregion und der orien-
talischen Region i»t als Tollständig willkürlich 2u verwerfen, wir müssen
vielmehr Ostaffen als Ubergangsgebiet betrachten.
Die äthiopisch« Hegion zeigt wohl keine grofsen Differenzen in
ihren Familien und Gattungen. So sind die zwei für Ostafrika eigentüm-
lichen Genera, welche Wallace angibt, Halncniccp* und Hypocolius, auch noch
anderweit zu finden, und von 12 Gattungen, die Wallace ula endemisch in
Südafrika angibt, heimaten sieben auch im Westen, und drei sind als Gattun-
gen zweifelhaft. Der wxwexreicheTo Westen ist vor allem durch seinen Reich-
tum an kleinen Sängern ausgezeichnet , aber der Süden ixt nach lloltthx
Sammlungen nicht mehr als Subregion zu haiton. So lange unsre Kenntnis
der ufrikaniwhon Tierwelt noch so unzureichend Ut wie heute, ehe nicht
wissenschaftlich geschulte Forscher an Ort und Stello eingehende Studien
und Beobachtungen besonders auch über die Wanderungen gemacht haben,
wird cino Gliederung in Subregionen nur eine willkürliche sein können.
Australasien umfafst die orientalische und australische Region
Wallace«, da ihre Ornb in den wesentlichen Charakteren übercinxtimmt und
nur in der pacitbehen Inselwelt ärmer wird. Die Subregionen sind: 1) Vor-
derindien und Coylon, 2) SUdchiua, der östliche Himalaja und Hinterindien
ohne Malakka, 3) Malakka. Suzida-Inxcln und Philippinen, 4) Popuaffcn mit
Queensland, 5) der Hext von Australien, G) Neuseeland, 7) Polynesien. Nach
Kiwes wild Ceylon, welches noch nicht einmal ein endemische» Genus habe,
mit Vorderindien wieder vereinigt, abweichend von Wallace. Subregion 2
und 3 stimmen mit den Waltaceschen überein. Die neuen Untersuchungen
von Ranisay uud Meyer-Salvation, nach denen der nordöstliche Teil von Auxtra-
lieu 160 VogeDpezics mit Neuguinea gemein hat, vorlangen eine Verbindung
von Queensland mit Papua. Australien bt aufser durch seine bekannten
Spezialitäten durch «eine Armut an Gallinen und Raubvögeln und durch das
Fehlen der Geier, Steinschmätzer, Bachstelzen, Spechte und Hornvögel, •wegen
Mungel au grofsen Obstlxiuroen und der Bast zerstörenden Inwkten**, merk-
würdig. Neuseeland ist arm an Vogelspczi«, von denen dio Hälfte eigen-
tümlich, aber keine einzige Familie bt auf die Inseln beschränkt, ln Poly-
nesien haben die Wawcrrögtl vor den Lnndvögeln das Übergewicht. Obwohl
Sclater deu pucitbchen In »ein den Namen Ornithogea .wegen de»
Mangel» an Säugetieren“ gegeben hat, wir Verfasser will?
WVyft*.
480. Andree, Ethnographische Karten. (Mitteil. Vor. f.
Erdkundo. Leipzig 1885. Sop.-Abdr.)
Ein Katalog ron 170 ethnographischen Karten, meist begleitet von
wertvollen kritischen Bemerkungen oder allgemeinen historisch-ethnographi-
schen Auseinandersetzungen. lleigegeben sind zwei neue ethnographische
Karten des Verfassers: Graubünden und Bretagne, die durch Klarheit und
«mbere Ausführung »ich auazeichxien. Supan. .
481. Dallas, On the Priinary Division» and Geographical
Distribution ol* Mankind. (Journ. Anthrop. Inst. 1886,
Bd. XV, S. 304.)
Der verdiente Kurator de» Albert Memorial Museum, Harter, meint aus
geographischen *und anthropologischen Gründen nicht mehr als drei Haupt-
gruppen nnnohmen zu dürfen: die Leucochroi, vertreten durch die Eu-
ropäer, die Mesochroi, vertreten durch Mongolen und amerikanische In-
dianer, und die Acthoch roi, vertreten durch Neger und Australier. Zu
diesen letzten gehören aufseidem noch di« Berber mit den Libyern und
Nubiern, gewiss« Stämme in Arabien, Dekkan und lliuterindien, die Bewohner
der Audam&nen, Philippinen, des Östlichen Teil» des Malaiischen Archipel»;
Ausläufer von ihnen gehen bis Neuguinea, Fidschi und Tasmanien. Würdo
im Osten »ich der Meeresboden um 100 Faden, im Roten Meer und bei
Ostafriku um noch nicht 1000 Faden heben, so würden wir ein« Länder-
masse erhalten, und die Acthochrobche Gruppe im Norden begrenzt »ein
durch da» Mittel- uud Schwarze Meer, den Kaukasus und Himalaja. Von
S
110
Litteraturbericht Nr. 482 — 487.
Säugern leben in diesem Teil der Alten Welt die kotnrhinen Allen, Loopar-
den, Civcttcn, Ichneumon», Kdcntats und Rhinocemten.
Die Leucochroische 0 nippe umfafst ganz Europa mit Ausnahme einiger
Teile im Norden, in Ungarn nnd in Entstand; sic findet sich iro Kaukasus,
Armenien, Persien, Afghanistan, Kaschmir, Hindu>tan, Kattiwar, Hindu Kusch,
am Amur, auf den japanischen und kurilischen Inseln nnd im Süden Kam«
tschatka*. Von Sängern hausen in diesem Teile besonders die Wolfe, Lutra,
Ovis, Maulwurfe, Murmeltiere.
Zur Mcsochroischen Gnippe gehören alle mongolischen und amerika-
nischen Völkerschaften, die Eskimos und wahrscheinlich auch die Basken.
Aus der Klause der Siiugctiero repräsentieren diesen Teil der Erde da« foe-
«ilo Rhinoceras und dos Pferd. Langkxnvl.
482. Schneider, Die Naturvölker. 2. Teil. Paderborn und
Münster, F. Scböningh, 1886. (Vgl. Litt. -Der. Nr. 228.)
In dieser zweiten Ilrilfto »eines Werke» beschäftigt «ich der Verfasser
mit der Widerlegung der vermeintlich tierischen Züge in der Körpcrbil-
düng, der geistigen Beanlagung und den Sittcnzustünden der Naturvölker.
Sein dogmatischer Standpunkt, von welchem aus ihm die Völker-
entwickelung im streng biblischen, nicht im Darwinschen Sinne erscheint,
tritt in diesem Teile weniger störend hervor als im früher erschienenen
ersten , obwohl er überall als das eigentliche Leitmotiv dor l’ntcrsuchung
erkennbar bleibt. Nur im Schlufskapitcl , welches der Widerlegung ur-
sprünglicher „ Gemein ich aft.se die* der Menschheit gewidmet ist, spielt da«
Dogma wieder eine starke Rolle; es führt zu dem nicht genügend gestütz-
ten Endergebnis, die bei den Naturvölkern bestehenden BhererhaltnUse
bestätigten „nicht die Entwickelungxthcoric, sondern die Lebre vom Rück-
schritte oder Sündenfalle“.
Gründlich und woblthuend sachlich wird auf der Grundlage eine«
umfassenden (und abermals im cinsclnon korrekt citiorton) Quellenmiterial«
der, wenn auch nicht neuo, Nachweis erbracht, dafs es nirgends auf Erden
tierische oder tierisch lebende Menschenhorden , auch nirgends religions-
lose Volkastäiwne gibt; insbesondere werden die Australier und Tasmanier,
die Buschmänner und die Neger ausführlich besprochen, uro zu zeigen, wio
voll und ganz diceolboo menschliche Würde wie menschliche Begabung mit
den andern Kassen unsres Geschlechts teilen, bzw. geteilt haben, und wio
unh&rrohcrzig de« öftem europäische Nationen »ich hcrabwilrdigeuder Ver-
gewaltigung gegen dieselben schuldig gemacht haben.
ln dem die Körpormnrkraal« behandelnden Kapitel solito neben dem
Hinweis auf die fabulceen Berichte von Reisenden über „geschwänzte Völ-
ker' nicht verschwiegen sein, dafs die Ausbildung echter Schwanzwirbel
doch thataichlich nnd bei sehr verschiedenen Völkern vorkomiut, selbst in
Europa (bei Griechen , Albanesen , Deutschen). Das vor einigen Jahren in
Deutschland gezeigte Haarmüdchen „Krao* war keine Negerin (S. 20),
sondern stammte aus dem Innern von Hinterindien, war übrigen« ein klassi-
scher Beweis *ogar hoher intellektueller Begabung, durch Erziehung ge-
förderter untadolhofter Sittlichkeit neben entschieden an AtTcnnatur erin-
nernden Merkmalen des Körpers (echten Backcntaschcn , völliger — und
nicht wie bei der Pastrana und ähnlichen pathologischen Fällen mit Zahnrer-
küramerung verbundener — Behaarung). Die auf 9. 48 nach dem Wciabach-
»chon Katalog Tora Jahre I8C7 gegebene übereebau der Körpergröfse ver-
schiedener Völker steht nicht mehr auf der Höhe der Zeit; insbesondere
darf di« Xlittclgröfse der Eskimos nicht unter diejenige der Buschmänner
gestellt werden.
Hut der Verfasser sein Werk auch anscheinend auf don weitem Leser-
kreis der Gebildeten überhaupt berechnet, so leistet dasselbe doch auch
dem Fachmann gute Dienxte in seiner flnifxigen und wohlgcsichteton Samm-
lung dos Tbatsacbenstott’s. Ein ausführliche« Sachregister macht es in die-
ser Beziehung als Nachschlagebucb gut geeignet. Kirchhv/f.
483. Petri, Unser Verhältnis zu den Völkern niederer
Kultur. (Globus 188G, Bd. XLIX, S. 279 u. 298.)
484. Kulischer, Der Dualismus der Ethik bei den primi-
tiven Völkern. (Ztschr. f. Ethnol. 1886,' Bd. XVII,
S. 205.)
Die »«genannten „Naturvölker“ unterscheiden «ich von den „Kultur-
völkern* durch eine einseitigo Entwickelung physischer Fähigkeiten; dafs
dieselbe aber die geistige Entwickelung nicht ganz auuchlicfst , beweist,
dafs bei keinem Volk die Pflege dor schönon Künste ganz fehlt. Dafs die
fälschlich sogenannten „Wilden“ im Prinzip nicht al« kulturunfthig betrach-
tet wurdeu dürfen and dafs sic unter günstigen Umständen (und
darauf kommt o« hauptsächlich ao) in der That Kultur angenommen haben,
zeigt Petri an der Hand der Geschichte, und seine Auseinandersetzungen
aind sehr loacnswert, da noch iinmor eine grofse Zahl vou Schriftstellern
die entgegengesetzte Meinung predigt. Beachtenswert ist namentlich die
Polemik gegen jene, die den „Wilden“ die sittliche Befähigung ab*
sprechen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf Kuliwhow Aufsatz hin*
weisen. Auf den primitiven Kulturstufen und auch noch spater machen
sich zwoi diametral entgegengesetzte Sitten»? »tem« geltend. „Das erste
schreibt Milde, Güte, Solidarität, Liebe und Frieden vor, das andre Mord,
Kaub, Hafs, Feindschaft. Da« cino gilt für die Zugehörigen der Gemein-
schaft, das andre gegen die Fremden.“ Unter diesem Gesichtspunkte ist
die Moral dor niedem Kulturvölker zu betrachten, es lösen sich dann zahl-
lote Widersprüche in den Berichten de« Reisenden, und es zeigt sich, dafs
die meisten „Wilden“ nicht schlechter sind als unsre Vorfahren. Ich
glaube aber, dafs jener Dualismus auch hei uns noch nicht überwunden
ist, nur der Begriff der „Gemeinschaft* hat sich erweitert, wenn auch
nicht hoi allen Mentchcn in gleicher Weise. An Stcllo «Im Stammes tritt
die „Nation“ ; zeitweise wird die»e ethnographische Gemeinschaft auch von
konfessionellen oder sozialen ahgslöst, und in den sozialen Bewegungen
der Jetztzeit tritt jener Dualismus sogar mit der ganzen ursprünglichen Ro-
heit hervor. Es mogo aber betont werden , dafs auch jene , welch« die
Grenzen zwischen Kultur- und Naturvölkern möglichst scharf gezogen wis-
sen wollen, diesen Dualismus noch nicht ganz überwunden haben.
Supan.
485. De Rosny, Los Religious de 1'extrOme Orient. Paris
1886.
Kurze Charakteristik der vier Hauptreligionen des Ostens: Sinto, Lehre
des Kongfutse, TUolebre (von welcher der Verfatser aber das rein philo-
sophische System des I-Aotxe unterscheidet) und Buddhismus. Supan.
486. Semler, Die tropische Agrikultur. I. Bd., 1. Hälfte.
Wismar, Iiinstorff, 1886.
487. v. Hammerstein, Der tropische Landbau. Berlin,
Parcy, 1886.
Erst ein paar Jahr« sind vergangen, »eit die Deutschen tropische
Kolonien erworben haben, und schon besitzen wir zwei auf Wissenschaft
und Erfahrung gegründete Lehrbücher über den Plantogonbau ; ein Beweis,
wie ernst die Deutschen ihre neuen Aufgaben uehmen.
SomicT» Werk nennt aich ein Handbuch für Pflanzer und Kauf-
leute; es ist aber auch dem Geographen zum Studium angelegentlichst zu
empfehlon. Die erste Abteilung handelt von den allgemeinen Kulturarbei-
ten. AU erato Bedingung dw Gedeihens einer Ansiedelung wird mit Recht
die leichte Angliederuug an den Weltverkehr bezeichnet; die Kolonisation
mufs daher von der Küste landeinwärts fortfchreilen und hier wieder
hauptsächlich entlang den WaxserstraCsen , die selbst dort die vornehmste
Beachtung verdienen, wo eine Bahn vorhanden ist, besonders da seit Er-
findung der amerikanischen Darapfbootc auch Büche von mindestens 60 cm
Tiofc und 360 cm Breite ab Strafsen benutzt werden können. Sodann
kommen als Faktoren in Frage da» Klima, die physikalischen und chemi-
schen Eigenschaften der Bodenart, dos Auftreten «ier Schädlinge und der
Umfaug ihrer Zerstörungen, die politischen Verhältnis»« des Iuinde«, die
Zoll- mul Steuergesetze, das Verhalten der Eingebornen gegenüber den
Kolonisten &c. Der Verfasser begleitet dann den Ansiedler durch alle
Stadien seiner Kulturarbeit Er belehrt ihu zunächst Uber den Häuserbau
— Papiorhäuscr wären, fall« sie sich bewähren, ein wahrer Segen für die
Tropen, »oust werden al« Material die grofsen Lohmstcinn („Adobe“), wie
sie in Mexiko und Zentralaraorika gebräuchlich sind, empfohlen — « über
den Wegebau, der sogleich in Angntf zu nehmen ist, und über die Urbar-
machung d« Bodens. Ausführlich verbreitet er sich über dio Hilfsmittel ;
als Grundsatz der tropischen und subtropUchon Agrikultur , der bisher lei-
der so wenig befolgt wird , ist zu betrachten möglichst weitgehende Er-
setzung dor menschlichen Arbeitskraft durch tierische und mechanisch#
Hilfskräfte. In den Tr«>pen, wenigstens unter I2(H> m Seehöhe, sollte der
Weif»« niemals anstrengende Arbeiten im Freien ausüben, und auch in den
hnlbtropischen Gegenden ist »eine körperliche Arbeit möglichst zu be-
schränken. Ein gmfscr Cbolstand ist die niedrige Stufe dor tropischen
Viehzucht , dem alloin durch Stallfutterung in der Trockenzeit abxuhclfen
ist. Ausführlich werden dann zwei unerlifsürhe Kulturarboitou behandelt :
di« künstliche Bewässerung und die Entwässerung, wodurch einerseits neuer
Kulturboden gewonnen, audereoit» der Gesundheitszustand verbewert wird.
Die entsuropfende Kraft der Eukalypten - Pflanzungen i*t bedeutend über-
schätzt worden. Der letzte Abschnitt der allgemeinen Abteilung handelt
von dem Kampf gegon dio schädlichen Tioro und Pflanzen. Nun noch
grofeorcr Bedeutung für den Geographen ist die zweite Abteilung, welche
die Spcxialkulluren (in vorliegendem Bande Katfe«. Kakao, KoUn linse und
Guarana) bespricht , denu «ie enthalt möglichst vollständige Aufzeichnungen
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Litteraturbericht Nr. 488—493.
111
über die Lebentbedingungen der Kulturpflanzen, ihre gcograpische Verbrei-
tung und die Produktionsslatistik, und gestaltet »ich somit zu einer Samm-
lung höchst wertvoller Monographien, die aber leider der Angaben der
Quellen entbehren. Bei einem *o umfangreichen und möglichst erschöpfen-
den Handbuch ist dieser Mangel empfindlich. Nach Abschluß des ganzen
Werkes werden wir nochmals auf dasselbe zurückkommen.
v. H ammnrstnins Werkchen ist ein kurzer Leitfaden, welcher spe-
ziell die deutschen Kolonien im Auge hat. Er befürwortet das portugiesi-
sche System der Negerarbeit, aber „in deutscher, humaner Weise*. Be-
sonderes Gewicht legt er auf eine klare Sachführung, deren Mangel er
hauptsächlich die Mißerfolge der Plantngenwirt&chaft zuschreibt. Der spe-
zielle mit Abbildungen der Pflanzen versehene Teil beschränkt sieh nur
auf die echten tropischen K ult urgo wüchse , Ton denen aber nur Kaffeo,
Kakao, Cinchonen und Kautschuk eingehender behandelt werden. Als
Nachscblagebuch kann auch v. Hammersteins Werkchen dem Geographen
gute Dienste leisten. , Supan.
488. Zoppi & Torrioelli, Light artificiali dell’ Algeria,
Julia Fnincia e del Holgin con 24 fig. intercalate nel
tosto c con uu At lunte a parte di 19 tavole e una
carte geologica doll' Algeria. (Annali di Agricoltura
1886.)
Dio italienische It^icnin; beabsichtigt besonders im Süden die Küjten-
ebenen und Tbnlmüudungen durch großartige Be- und EntwiUserungsbauton
aus fteberaushauchendcn Sümpfen in Garten zu verwandeln, wie 69 die
spanischen Vegas sind, und läßt deshalb die entsprechenden Anlagen in
auderu Ländern studieren. Der vorliegende reich ausgestattete Band ent-
halt Beschreibung und Flioe der wichtigsten Barrageanlagen in Algerien,
Südß&nkreich und Belgien. Aus Algerien werden vorgoflihrt die Wehran-
lage am tfed Flaraix, welche einen Teil der fruchtbaren Metidscha bewässert,
dio berühmte Barrage der Habra, die beiden Anlagen am Sig, der verun-
glückte Versuch am Peil Muley Maguo bei Arxrw-le-port, die Bzrrageu von
tVlat und Djidionia bei Oran, die am l'ed Murad bei Marengo am West-
rand der Metidscha, und da* große Scheliifwchr bei Orl<fansville. Die Bauten
in Frankreich werden kürzer behandelt: besprochen werden das Becken von
Flourens, das St. Etienne mit Trinkwasser versieht, die ähnlichen kleinern
Bauten am Pa»-du-Hiot, hei St. Chamond, Tcroav, Cotatay, an der Tuche
bei Hoanne, das große Klärbassin von St. Cristophe an der Wasserleitung
von der Durance nach Marseiile, das verschlammte Becken von Zola, das
vor der Anlage des Verdun-Kanals Aix mit Trink waxser versorgte, der Damm
von Douzey bei Epinal, die verschiedenen Speisebecken des Kanals von Bur-
gund und des Kunuls zwischen Marne und SaAne. In Belgien hat der künst-
liche See von Gileppe bei Vertiert die Aufmerksamkeit der Italiener auf
sich gezogen. Ein besondere.« Studium haben sie natürlich deu in neuerer
Zeit mehrfach vorgekommonen Darumbrüchen gewidmet ; die Ursachen der-
selben werden eingehend erörtert , den erzielten Resultaten uud besonders
der Rentabilität hatte etwas mehr Beachtung geschenkt werden können.
KoMl.
489. Übersichtskarte der internationalen Telegraphen-Ver-
bindungen mit einor Übersicht der Zeitunterschiede
zwischen wichtigem Orton des Weltverkehrs. Berlin
1886.
Unter diesem Titel ist in dem Tclegraphcnbetriebs-Büreau des Reichs-
postamt* in Berlin eine Weltkarte in Meicators Projektion bearbeitet, wclcho
mit der angehefteten Tabelle, beide in Buchform gefaltet, eine so klare
Übersicht über den gegenwärtigen Stand des telegraphischen Weltverkehre
gewahrt, daß sie von jedem sich dafür Interessierenden augenblicklich ver-
standen wird. Ihre häutig« Benutzung im Staats- und HaiidcUinteressc dürft«
dalier auch unzweifelhaft sein. Die Karte, 47:84cm, scheidet zunächst
in zwei Farbentönen „die dem internationalen Tclcgnrphenvertrag beige-
tictenen Staaten" von den „demselben nicht beigetretenen Staaten“. Wäh-
rend alle Land • Telegraphenlinien mit schwarzen Strichen vermerkt sind, aus
welchen nur die große indo-ouropäuehe Leitung durch breitere Fassung sich
bcmerklich macht, sind die unterseeischen Kabel noch 26 verschiedenen
Gesellschaften farbig ungelegt und in einer Zeichenerklärung am untern
Hand nach ihrer Zugehörigkeit erklärt. Diesen im Betrieb befindlichen
Kabel stehen noch „die in Aussicht genommenen unterseeischen Telegraphen-
linien", dies« aber unkoloriert, zur Seite, während die einfach rote „Linie
de* DotunwweehseU*' das sonnt durch nicht* gestörte Kartonbild abschließt.
Dadurch wirkt die zwischen einzelnen Stollen des Erdballs auf* höchste
gesteigerte Ausbreitung des internationalen Telegmphennctxo* für den weniger
Eingeweihten so überraschend, während wieder ganze Erdteile, in Inner-
asien und Afrika desselben entbehren. Die zugehörige Tabelle gibt die ge-
bräuchliche „Ortszeit“ von 65 der wichtigsten Orto in allen Wclttcilon, so
zwar, daß der Zeitunterschied zwischen jeder dieser Stationen in Stunden
uud Minuten, und ob früher odcT später, ohne weitere* abgelesen werden
kann. rcsrl.
490. Rambaud, La Franco coloniale. Paris, Colin & Cie,
1886.
Das Eigentümliche dieses Werkes besteht darin, daß jede Kolonie von
einem Augenzeugen geschildert wird; es beruht also auf einem ähnlichen
Prinzip, wie Mager« Atlas colonial (a. I.itter.-ßcr. Nr. 236). Jeder Artikel
bespricht die Cioschichte, die geographischen, ethnographischen, politischen
und wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Kolonie. Die Kärtchen
find ziemlich schematisch gezeichnet und leiden unter dem Umstand, daß
dio Grenzen der französischen Herrschaft nicht farbig eingezeichnet sind.
Den Schluß bildet ein überblick über die Kolonien und der Nachweis der
Nützlichkeit derselben für das Muttorland. Dio Zahlen für das Areal und
die Bevölkerung sind zum Teil ganz unzuverlässig. Sn wird z. B. das Areal
von Senegal (ohne die Schutzländer) mit 3000(10 und von den Besitzungen
in Guinea auf 960 000 qkm angegeben, während dos neueste Jahrbuch der
Pariser Sternwarte dafür 30000 und 370 200 qkm enthält. Tongkin erhält
12 Millionen Bewohner statt der bisherigen 6 oder 9, ohne eine nähere
Angabe über die Herkunft dieser hohen Zahl. Quiana hatte nach offizieller
Angabe im Jahro 1883 26 157 Bewohner, Rimbaud gibt ihm 128 000
(vielleicht ein Druckfehler r). Diese Beispiele werden genügen.
Supan.
491. Joret, Jean-Baptiste Ta vernier. Paris, Pion, Nourrit
& Cie, 1886.
Auf Grand eingehender Quellenstudien und zum Teil neuen Materials
„ gibt uns der Verfasser ein leben voll« Gemälde von dem ebensoviel ge-
schmähten als überschätzten französischen Reisenden, der, im Jahro 1605
in Paris geboren, in dcu Jahren 1630—33, 1638—43, 1643 — 49, 1651 — 55,
1657 — 62 und 1664 — 68, sechs Reisen nach der Türkei, Syrien, Arme-
nien, Persien, Vorderindien und Java unternahm, gelegentlich Ruch in d»
Kapland verschlagen wurde und diese Reisen in einem großen Werke auch
beschrieben hat. Ebenso verfaßte er nach Schilderungen seine* Bruder*
Daniel einen Bericht über Tongkin. Wenn er auch vor allem Kaufmann
war, und wenn auch seine Schilderungen manchmal verworren und unklar
sind, so rechtfertigen sie doch nicht den Vorwurf der Ignoranz und Leicht-
gläubigkeit. Im Jahre 1684 trat er — nicht als hugenottischer Flücht-
ling — in Beziehungen zum Großen Kurfürsten, der den Rat de* Vielge-
reisten für seine weittragenden überseeischen Handclsplüne benntxen wollte.
Di« Darstellung Friedlinders (Munatsber. Verh. d. Ge», f. Erdkunde in Berlin
1850, S. 89) wird in diesem Punkte mehrfach berichtigt. Auch «U* Dunkel,
welche* die letzte Zeit Tavermers bisher verhüllte, lichtet Joret ; die stets
angezweifolte Nachricht von dem Tode Tavernier* in Moakau ira Jahre 1689
wird nun als wahrheitsgetreu nachgewiesen. Supan.
Europa.
492. Penck, Thalbildung in den Alpen. (Mitteil. D. u.
ö. Alpou-Verein 1885, S. 83.)
In diesem, uns sehr spät zugekommtnen Aufsatz wendet sich der Ver-
faßter gegen die Theorie Löwls von dem höhern Alter der großen Längs-
thiler der Alpen (s. Petormann* Mittoil. 1882, S. 405) und dom jungem
Alter der Durrhhruchthaler, di« von außen nach inneu sich vergrößerten.
Einen derartigen Prozeß, ein „Anzapfen“ eines Flußgebiete* durch ein
andres, leugnet Penck im gedachten Fallo und weist auf das hohe Alter
alpiner Qucrthälcr hin. Vorschiebungen der Wasserscheiden konnten nur
durch ZuschUtlung alter Thallüufc in der Glazialzeit oder durch Niveau-
veränderung de* Lande* in den Randzonen stattflnden. Neben einer Thal-
bildung durch Erosion nonnt der Verfasser auch ein« solche durch Dona-
dation, dio durch ungleiche Widerstandsfähigkeit der in langgestreckten
Zonen aufeinander folgenden Gesteine bedingt ist. Supan.
493. Heim und Penck, Aus dem Gebiet doa alten Isar-
glotschers und doe alten Linthgletschers. (Zeitschrift
Deutsch. Geol. Ges. 1886, Rd.XXXVITI, S. 161.)
Die Verfasser, Vertreter Ton entgef.-engesetiten Anrichten über den Ur-
sprang der großen Alpcnseen, haben sich zu gemeinsamen Untersuchungen
auf ihren speziellen Beobachtuugsgebieten vereinigt, um in ganz objektiver
Weis« die Klärung der Streitfrage zu fördern. Das wichtigste positive Re-
sultat ist der Nachweis der grofsen Verschiedenheit in deT Ausbildung der
oberbayrischen und schweizerischen Quartärablageraugen: im bayrischen Secn-
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112
Litteraturbericht Nr. 494 — 498.
gebiet lagern Uber deru Obermiocän (Plins) und unter den Moränen regelmäßige
Echottarablagerungcn (diluviale Nagelfluh und unterer Glazialschottcr), dio
im Gebiet des Züricher See« so unregelmäßig und in so geringer Entwiche*
lang Vorkommen, daß sic sich nicht mit Sicherheit als Reste einer einst
zusammenhängenden Decke erklären lassen. Die Moränen sind in Bayern
Grundmoränen, während diese in der Schweiz gegenüber den Obcrrooränen
eine untergeordnete Rolle spielen. Die geringe Entwickelung der Schotter
schließt die Möglichkeit einer exakten Altersbestimmung des Züricher Soce
aus, und Ponck erkennt an, daß die Dislokationen, welche das alte Seethal
betrafen (die Molxvto liegt nicht horizontal, sondern bildet eine Hache Mulde
zwischen Alpen und Jur»), mit der Seebildung in ursächlichem Zusammen-
hang stehen, wenn er auch eine Wiederaiuhühlung des verschütteten Beckens
durch Gletscher für wahrscheinlich hält. Dagegen gibt Heim als wahrschein-
lich zu, daß die bayrischen Seen dadurch entstanden, daß die Glctacher
die mit unterm Glezialschottor zugeschütteten Thäler wieder aushöhlten,
wobei sie auch den im Liegenden sich befindlichen weiche» Flinz beträcht-
lich aiuticflcn. Den Stoffel- und Riogsee betrachten beido Verfasser als
reexkawerte Dislokatiomtbecken. — Wie mau aus dem Gesagten ersieht, hat
Heim seine Zugeständnisse (vgl. Litter.-Bcr. 188.r», Nr. 174) ein wenig er-
weitert, und ist Penck auf den Standpunkt Mortilleta zurückgekehrt.
Swpon.
494. Rzehak , Dio Glazialablngerungon im europäischen
Rußland uud um Nordabhang der Karpathen. (Aus-
land 1886, Bd. LIX, S. 301 u. 331.)
I>em Berichte über die Glsxialforechung schliefst der Verfasser einige
Hypothesen zur Erklärung auffälliger Thutsachen an. Die Karpathen nimmt
er als vollständig vergletschert un und erklärt die Abwesenheit von Glotscher-
spuren außerhalb der Hohen Tatra und der Cxeroagora durch die Beschaffen-
heit des Gesteins und die Anwesenheit vorglazialen Bcrglchn». Dio Seo-
höho der Krratica um Nordrand der Karpathen, 400 in, also 200 m höher 4
als die Seehöhe von Russisch- Polen, erklärt er durch eine postglnzinlc
Hebung der Karpathen. Zur Deutung mehrerer Vorkommnisse hält er eine
Kombination der Glazial- und Trifttheorie für zweckmäßig. Supan.
495. Auszug aus den Nivellements dor Trigonometrischen
Abteilung der Landesaufnahme, Heft 1 — 5. Berlin,
Mittler & Sohu, 1886.
Das mit der Ausführung vorliegender Arbeit beauftragte „Büreau des
Zentraldirektoriums der Vermessungen" bat dua zu bearbeitende Lönderge*
biet, also das Deutsche Reich mit Ausnahme der Südstaaten Bayern, Würt-
temberg und Baden und des Königreichs Sachsen in sechs Bezirke einge-
teilt, von welchen nur noch die auf lieft 6 entfallenden Provinzen Ost- und
Wcstproußcn im Rückstand sind, wahrend Elsaß-Lothringen und die Bay-
rische Pfalz gleich im ersten Heft erscheinen. Die in handlichem Format
bergc*tclltcn Auszüge aus don Publikationen der preufsischcn Landesauf-
nahme betreffs der Höhenbestimmungen haben den Zweck, die gewonnenen
Resultate der Allgemeinheit zugänglicher zu machen, da es keinem Zweifel
unterliegt, dafs z. B. bei Font- und Flurvorraer«*ungcn, bei Eisenbahn- und
Straßenbauten , sowie bei sonstigen technischen Anlagen dadurch den Be-
hörden, Gemeinden und lMvaten oft mühsame und ko&tspiolige Vorarbeiten
erspart werden. Jede» einzelne Heft bringt, gewissermaßen als Einleitung:
1) „Vorbemerkungen“, 2) eine Auseinandersetzung „Cbcr dos Absolute des
Längenmaße», welches den llöhtnmoMungon der Trigonometrischen Abteilung
der Landesaufnahme zu Grunde hegt“, und 3) eine ..Zusammenstellung von
MittclwawcThöhcn der Ost- und Nordsee, do8 Kanals, des Atlantischen Oze-
ans und des Mittelländischen Meeres*. Dann erst folgt 4) das „Verzeichnis
der Bolzenhöhen", zu welchen wir das Folgende bemerken. Die mit Hilfe
einer in jedem lieft befindlichen Cbentichtskarto leicht zu verfolgenden
„Hauptnivcllcments*, welche sich fast auaichliefalich nur auf Chausseen
bewegen, geben für jeden Festpunkt die Höhe über Normolnull bis zu 1 mm
genau. Aus don ..Vorbemerkungen" entnehmen wir hierzu, daß die regel-
mäßigen Festpunkte an diesen Linien in Grundpfeilern mit seitlich einge-
lassenem cUemeu Bolzen bestehen. Der höchste Punkt des Bolzenkopfes
ist der Festpunkt. Die normale Entfernung der Festpunkte ist 2 km. Der
Platz, auf welchem der Granitpfeilcr steht, ist in einer besondern Kolumne
des Verzeichnisses toj>ogiuphisch beschrieben und der Regel nach auf dem
Körper der Chausseen, in dor Nähe eines Nuraraeretcius, einige Dezimeter
vom innern Grabenrande entfernt. Jeder Bolzen ist mit einer oingeschla-
genen Nummer und zwar mit derjenigen, durch welche er in dem Verzeichnis
aufgeführt ist, versehen. Diesem „Hauptnivcllcmrnt“ folgt dos „Signal-
nivellemcnt" mit ß) einem „Verzeichnis der Höhen der trigonometrischen
Punkte". Für die Auffindung der „Union des Hauptnivcllcmenß“ and „der-
jenigen Linien, an denen die durch Sigoalnivelteraent bestimmten trigonome-
trischen Punkte gelegen sind", dienen unter 6) und 7) zwei „C bereichten",
während 8) ein „Alphabetisches Verzeichnis der Knotenpunkte und derje-
nigeu wichtigem Ortschaften, welche durch die HauptnivellcmenUlinicn be-
rührt werden", und 9) ein .. Alphabetisches Verzeichnis sämtlicher durch
Signalnivellement bestimmten trigonometrischen Punkto", jedes Heft ab-
»chlicßcn. Das bei der trigonometrischen Abteilung angewandte Verfahren
uud die Über jeden Zweifel erhabene Genauigkeit der benutzten Instrumente,
insbesondere die von der kaiserlichen Norraalaichungs-Kummiwiou in Berlin
verifizierten Nivellicrlatten geben den gewonnenen llöhenxahlcn die denkbar
größto Sicherheit, und in dieser unantastbaren Genauigkeit liegt der Wert
dieser Publikationen. ropri.
496. Assmann , Dor Einflufe der Gebirge auf das Klima
von Mitteldeutschland. Mit 10 Profilen uud 7 Kärt-
chen. Stuttgart, Engelhorn, 1886. (Forschungen zur
deutschen Landes* und Volkskunde, Bd. I, Hoft 6.)
Diese Schrift kann geradezu als Muster einer lokalklimatologUchen
Studie bezeichnet werden. Der Eiullufs der Gebirge auf sämtliche Kliraa-
faktoren ist noch niemals in so cingehondcr Weise betrachtet worden als
hier. Da* Hauptergebnis von allgemeiner Wichtigkeit ist dio Erkenntnis
des bedeutenden klimatischen Gegensatzes zwischen der Wind* und l^ccseite
von Gebirgen, die, wie der Harz und TMringerwald , senkrecht von den
herrschenden Luftströmungen getroffen werden. An diesem Gegensätze neh-
met! auch noch die benachbarten Niederungen teil. An der NO- oder N-
Seitc beider Gebirge liegen lokale Gebiete niedem Luftdruckes, die sich
hauptsächlich daraus erklären, daß bei dem im allgemeinen nach N gerich-
teten Gradienten nördlich rorbeixiehende Depressionen die Luft an den Nord-
seiten der Gebirge rascher in Bewegung setzen, als an den Südseiten. Die
mitteldeutschen Gebirge sind nicht genug hoch, um die allgemeine Luft-
zirkulation zu beeinflussen ; Winde aus dem südwestlichen Quadranten herr-
schen auch hier, wie im Tiefland vor, aber die zweithäufigsten Winde zeigen
»ich abhängig von lokalen Verhältnissen, ebenso wie die Windstärke und
die Verteilung der Kalmen. Thal- und Bergwinde sind auch in Mittel-
deutschland eine regelmäßige Erscheinung, die sich auch auf die benach-
barten Niederungen ausdehnt; ebenso ist der Föhn weder dem Thüringcr-
wald noch dem Harz fremd, wenn auch seine Intensität wegen der geringen
Höhe der Gebirge keinen alpinen Charakter aunimrot. Das mitteldeutsche
Bergland liegt im allgemeinen zwischen den Jahrcsisothermen von 9 und 10°,
Mitteltemperaturen über 9,6* kommen nur iu den im Windschatten gelege-
nen Niederungen vor. Die Mazima sind auf der Leeseite höher, und die
Minima niedriger als auf der Windseite; die Gebirge von oben genannter
Kategorie machen also du Klima dor Leeseiten kontinentaler. Tempe-
raturumkehr findet unter den bekannten Bedingungen auch in Mitteldeutsch-
land statt (z. B. im Dezember 1879)* Die Indiern Wintortemperaturcu an
der Südsoite der Gobirgo sind eine Folge der Lage, jonr an der NonLoito
direkte und indirekte Wirkungen des Föhn (heiterer Himmel, weniger Schnee
und weniger Verdunstung). Im Sommer verwischen sich dio Gegensätze von
Nord- und Südscito etwas. Jrn Windschatten treten abgeschlossene Gebiete
von verhältnismäßig geringer Bewölkung auf. Die Kondensation de» Wasser-
dampfes erfolgt auf der Windjeite schon in einer gewissen Entfernung vom
Gebirge, aber cs scheinen hier die Niederschläge, wenn auch stürkor, so
doch seltener zu sein, während sie auf der Leeseite häufiger, aber schwächer
sind. Als klimatische Bezirke von Mitteldeutschland werden bezeichnet:
die Mulde des westlichen Harxrorlaudes, dio des nördlichen H&rzvorlandos,
dio Hraunaehwcigcr Niederung, dio Börde, (las Thünngcr Becken (kontinen-
talstes Gebiet) und das Werrathal. Su pan.
497. Haushalter, l)io Grenze zwischen dem oberdeutschen
und dem niederdeutschen Sprachgebiete östlich der
Elbe. Mit 2 Karten. Halle a. S., Tausch & Grosso,
1886.
Wwentlich* B«richti(jung der Karte ron Andrer im 1'hyjukolUch - Sta-
tiatischen Atlas de» Deutschen Reichs (Tafel 10), indem das Spreegebiet von
Spandau aufwärts, das Odergebiet oberhalb KUstrin und dro Land südlich
von der Netze zum oberdeutschen Sprachgebiet gezogen wird. Eine Sprachen-
karte der Provinz Brandenburg um das Jahr 1450 zeigt, wie wesentlich »eit
dieser Zeit, hauptsächlich unter dem Einflüsse dor Regierung, das Nieder-
deutsche hier an Boden verloren bat. £ujttn.
498. Jastrow, Dio Volkszahl deutscher Städte am Ende
des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit. Berlin,
Gaortner, 1886.
Bewegung uud Verteilung der Bevölkerung sind ein wichtiges antbropo-
gcographischcs Moment, welches aber ebenso entschieden, wie die wirt-
Litteraturbericht Nr. 499 — 503.
11»
vehaftiichen Verhältnisse dor historischen Vertiefung bedarf. J&atrows Werk,
die erat« zuxammcnhiJisende Darstellung der historisch-statistischen Studien
über die Einwohnerzahl der deutschen Städte in alter Zeit, verdient daher
die eingehende Beachtung aller derjenigen, welche sich mit deutscher Lau-
deskunde beschäftigen. Dor Verfasser fafst die Zeit von 1350 — 1618, d. h. ton
der Zeit des „Schwanen Todes“ bis iura Beginn des Drcüsigjährigen Krieges
vom statistischen Standpunkt als eine einheitliche Periode auf, „als eine
Zeit beständigen Wachstums, welch« nur geringo Unterbrechungen und höch-
stens auletxt ein gewisses Stagnieren zeigt1*. Die Quellen siud 1) Volks-
zählungen xura Zweck der Verproviantierung belagerter Stftdto (Nürnberg,
Stuttgart) und Ucborollcn über allgemeine Personalsteuern (s. unten Rostock,
Danxiger KeehUstadt) : 2) Aufnahme über einseine Teile der Bevölkerung;
3) Anschrcibnngnn, besonders die Tauf-, Trau- und Beerdiguugsbücher. Die
Kirchenbücher gehen bis io das 16. Jahrhundert zurück. Dio sub 2 und 3
genannten Quellen dienen als Grundlage für Berechnungen. Die Resultate
wirklicher Zählungen sind mit einem • bezeichnet; alle Zahlen sind abge-
rundet.
Danxig, KeehUstadt, 1416 8 500*
„ Anf. 16. Jahrh. . 50 000
Rostock, 1378, Minimum . 10 800
* 1410, » . 13 900
„ 1594/95 „ . 14 900*
Hamburg, Ende 14. Jahrh. 20 000(0
„ 1529 . . . 12 000 (?)
„ Ende 1 6. Jahrh. 20 000 (?)
Prenxlao, Anf. 17. „ 6- bis 7 000
Ruppin, „ ,, .6- bis 7 000
Stendal, „ „ „ . 8 000
Brandenburg, Anf. 17-Jhrh. 10 000
Spandau, Auf. 17. Jhrh. 4- bis 5 000
Berlin — Kölln, Anf. 17. Jrh. 14 000
Frankfurt a/O. „ „ , 10 000
Leipzig, Auf. 17. Jahrh. . 15 000
Ein genaues Studium des statistischen Qucllonroatcrials der Mark Bran-
denburg am Aufaug des 17. Jahrhunderts ergibt folgende Gröfseneintoilung
der mit vollem Stndtrccht begabten Gemeinden, die für ganz Deutschland
Gültigkeit xu haben scheint: 1) bis zu 1200—1500 Einwohner („Städtloin“);
2) von 1200—1500 bis 4-bia5O0O Einwohner; 3) die Hauptstädte mit mehr
als 4- bis 5000 Einwohner , die aber weit übertroffeu werden 4) ron den
grofsen Handelsstädten. In Brandenburg zählt der Verfasser zur ersten Ka-
tegorie 42, zur zweiten 26, zur dritten 7 Städte. Supan.
499. Wahnschaffe, Dio löfsartigen Bildungen am Rande
des norddeutschen Flachlandes. (Ztsobr. Deutsch.
Geolog. Gesollsch. 1886, Bd. XXXVUI, S. 353.)
Die Lüfftthcorie des Verfassers wurde schon im Litter.-Ber. Nr. 254
kurz srwabnt; im oben genannten Aufsatz finden wir neben historischen Er-
örterungen eine ausführlichere Begründung der Theorie. Der Verfasser
denkt «ich im Norden des iÄifsgobicto« den Slauwall des Binnen™*«; dio
Schmelzwässcr desselben vereinigen sich mit den vom Mittelgebirge herab-
kommenden Flüssen zu einer nach W strömenden Iloehitut, welche in
geschütztem Buchten den Lofa ohlagerte. Als Beispiel ungeschichteter
Flufaabwtze führt er den Schlick de» alten Elbethal« an, und das Vor-
herrschen der Laodschnccken im Lofa erklärt er mit dem Hinweis auf deu
HocbflutecbUmm des Mains vom 19. Februar 1876, der ebenfalls infolge
Abschwemmung fast nur Landschncckcn enthielt. Ist aber die Vorstellung
ron Hochfluten mit der Voraussetzung einer konstanten Strorageschwindig-
keit, welche zur Erklärung der ungcuchichteten Lagerung notwendig ixt,
verträglich ? Supern.
500. Berendt, Die bisherigen Aufschlüsse des märkisch-
pommerschen Tortiärs. Berlin 1886. (Abhandl. zur
geol. Spezialkarte von Preusfen &c., Bd. VII, Heft 2.)
Im Gegensatz zur Provinz Sachsen und zum Harzrand, wo die Braun-
kohlenformation unter dem Snptarienthon auftntt, lagert xie in der ganzen
Mark Brandenburg, in Mecklenburg und Pommern über dem oberoligoeänen
Meeressandc. Die Reihenfolge von oben nach unten hin ist folgende:
7. Alluvium und Diluvium.
6. Braunkohlen formatton, in der Lausitz durch den Fl&scheuthon in
2wei Abteilungen getrennt.
Meilsen, 1480 . . . . 2 000
Dresden, 15. Jahrh. . . 4 900
Freiborg i/S., 1599 . . 12 200
* » 1622 . . 10 000
Breslau, Anf. 17. Jahrh. . 30 000
Nürnberg, 1449 . . - 20 000*
. Anf. 17. Jahrh. 50 000
Frankfurt a M., 1387 . 10 000
n 1440, nicht ganz 9 000
Mainz, 15. Jahrh.. 5- bis 6 000
Strafsburg, zwischen 1473
und 1477 . 20 700* *)
„ Anf. 17. Jahrh. 30 000
Basel, 15- Jahrh., nicht über 15 000
Tübingen, 1598 ... 4 500
Stuttgart, „ ... 8 000
5. Obcr-Qligocän, feine Quarz- bis Gliramnrsandc.
4. Mittel-Oligoeän, Stettiner Sand.
3. „ Septaricnthon.
2. Unter-Oligocün, Glaukonitsande.
1. Alter« Gebirge.
Marin.
Sehr wichtig für den Bau des nordo*td*ut*chrn Flachland«, das eine
grofsc Tertiärmulde bildet, sind die beiden Profile auf S. 49. Man ersieht
daraus, dafs die Aufbiegung in der nördlichen Seeplattc schon im Tertiär
Torgezeichnet war. Supvn.
501. Berendt & Dames, Geognostische Beschreibung der
Umgegend von Berlin. Mit 1 geolog. Übersichtskarte
in 1:100 000. Berlin 1885. (Abhandl. zur geolog.
Spezialkarte von Preufsen &c., Bd. VIII, Heft 1.)
Die Umgebung von Berlin, namentlich der südliche Teil deraelbeu, ist
ein durch breite nnd zum Teil tote Thalrinnen zerstückeltes Diluvialplatcau.
Die drei grossen, von 0 nach W ziehondon altalluvialen Läugstbiiler de«
nordöstlichen Deutschlands : dos Glogau — Baruther, Warschau— Berliner und
Thorn — Kbercwalder Thal (a. Ztachr. Deutsch. Geolog. GesolUch. 1879,
Tafel 1) bestimmen zunächst die Oberflächengestaltung. Einerseits der
Umstand, dafs sich diese drei Thiler unterhalb Berlin vereinigen, um mit
der Elbe nach N zu ziehen, anderseits die Einengung jler miltlem, ver-
sumpften Thalnicdcrung bei Berlin sind dio natürlichen Uauptraoracnto
der geographischen Lage dieser Stadt, die ursprünglich wohl eine Fähr-
stcllc war. Neben diesen Längxthüleru ciud nach SSW — S ziehende Thal-
hnnen, welche dio Schmelzwasser des diluvialen Biuneneiaes aufuahraen,
die wichtigsten Momente der Terraingwtaltung , die sich aber nur durch
dio Annahme erklären läfst, dafs das Baruther Läogsthal das älteste ist
und gleichalterig mit der Entstehung der meridionalen Kinnen. Mit dem
Zurückweichen des nordischen Rinncncises verlegte «ich auch der Längs-
strom etappenweise nach N; Stellen der einst nach S sich abdachrndon
Meridionalthäler wurden nun von noch N ziehenden Flüssen eingenommen,
während die Durchbrüche bei Potsdam, Friederadorf und den Müggelsbcrgcn
grofse Thnlstreckcn wamorlox machten. Die allmähliche Umgestaltung der
hydrographischen Verhältnisse wurde also maßgebend für die Tcrrninbil-
düng. Die H oben Verhältnisse sind wechselnd, und die Bezeichnung Ebene
ist daher nicht passend. Zwei nach NNO streichende Krhebungwtreifen sind
bemerkbar, und die Haupthöheupunkte liegen im allgemeinen um Rand der
alten Meridionalthälor. Dio Seen sind eng an dio TTialbildung geknüpft.
Die Th&ler sind mit Alluvionen erfüllt (Jung -Alluvium in der
Sohle der heutigen Flufsläufo, Alt - Alluvium in den hohem Teilen der
alten Thiler), die Plateaus sind diluvial. Die Oberfläche bildet meist
ober« Diluvium (G«chiebemergel und -sand); das untere Diluvium tritt
in den Thäiern zu Tage, oder bildet auch die Oberfläche d» Plateaus und
wird in den meisten Fällen als cino lokale Anschwellung dor untern Sand-
ablagerung aufgefafst. Tertiär tritt nur an zwei Stellen , Muschelkalk nur
bei Rüdersdorf au die Oberfläche. Letzter« ist bekanntlich jene klassische
Stelle, wo die Glazialtheone deu ersten Sieg Uber die DriAtheorio erfocht.
Supan.
502. Beifsel, Der Aachener Sattel und die aus demselben
verbrechenden Thermalquellen. Aachen, J, A. Meyer,
1886.
Wir heben aus diesem, auf jahrelangen eingehenden Untersuchungen
gegründeten Werko nur einen Punkt von sUgomeinorm Interes«* hervor.
Du* schematische Profil in Crednera Geologie (S. 454) stellt den Bau der
merkwürdigen Aachener AbrasionxpUtt« alx einfache Faltung dar. Die
Beobachtungen Beifsel* ergaben dagegen, dafs der Aachener Sattel eigent-
lich aus zwei sekundären Antiklinalen besteht, und dafs die zwischen den
devonischen Kalkzügeu von Burtscheid und Aacheu auftretenden Gesteine
ober-, nicht unterdovoniseh sind und eine Synklinale bilden. Mit dem
Aachener Sattel, der von SW nach NO streicht, verbindet sich außerdem
noch cino senkrecht darauf stehende Qucraufwölbung. Die beiden Aufsen-
seiten d» Sattels sind nicht symmetrisch auagebildet; auf der Norüseite
fehlt der Kohlenknlk, und die Aachener Falte ixt hier läng* einer nach S
einfalleudeu Spalte Uber das Karbongebirge überschoben. Auch die Kohlen-
rauldo südlich von Burtechcid ist nicht einfach gebaut, sondern besteht
aus einer Reihe sekundärer Anti- und Synklinalen. Sujhm.
503. Carthaus, Mitteilungen über di© Triusformation im
nordöstlichen Westfalen und in einigen angrenzenden
Gebieten. (Verh. Phys.-Mediz. Ges. Würzburg 1886,
Bd. XIX. Mit 2 Profilen. Sep.-Abdr.)
I) Als Minimum nach Atueehlufc aller Zugewanderten 16 500.
114
Litteraturbericht Nr. 504—509.
Dora Triasgebiet zwischen der Weser einerseits und der Egge und
den angrenzenden Teilen de* Teutoburger'-tVald« anderseits ist bisher noch
wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden*, und sind daher die vorwiegend
stratigraphischen Untersuchungen des Verfassers sehr beachtenswert. Uns
interessieren hauptsächlich die Bemerkungen über die Tektonik, welcho
freilich durch die Beigabe einer Übersichtskarte »der eine* da* ganze Ge-
biet darstellenden Profil« wesentlich gewonnen hatten. Verwerfungen bo-
dingeu vorzugsweise die geologische Beschaffenheit des Gebiet«: zunächst
jene große Bruchlinio der Hggc and des Tbitoburger Walde«, wo die
Kreideschichten des MUosterbeckens plötzlich ihr Ende finden. Östlich
davon ist die mesozoische Periode nur durch Trias und Jura vertreten.
Dos älteste, hier zu Tage tretende Fonnationsglied , der Huntauidsteio,
findet sich aber nur an den Kündern dieses Trinsbcckcns und entlang von
Vorwcrfungslinien : im 0 an dem in seinem Verlaufe tektonisch bedingten
Weserthal, und im W entlang einer parallel mit dor Hnuptbruchliuie der
Egge laufenden Verwerfangslinie. Neben Brüchen finden sich auch Fal-
tungen; so bildet z. B. die Egge im Altenbeckcncr Tunnel (Profil 2) eine
einfache Antiklinale, Ton der abor nur die Westhälfte von Kreidcschichten
überlagert wird. Diese Störungen traten zu verschiedenen Zeiten ein uud
beeinflussen namentlich die Verbreitung und Ausbildungsweise der Tria*-
schirhteu. Suj> mm.
504. Leioher, Orometrie dos Harzgebirges. Halle a. S.,
Tausch & Grosse, 1886.
Für Mawcngobirge , wie der Harz, ist die Sonklareche Methode nicht
anwendbar. Lcipoldts Methode leidet nach der Ansicht des Verfassers an
cinor falschen Aufladung d« Begriffs der Höhenstufe, worunter letzterer
den Teil des Gebirges zwischen den durch zwei aufeinanderfolgende Iso-
hypsen bestimmten horizontalen Flächen versteht. Als Grundlage der Be-
rechnung diente die Uöbenschichteukarte der prcufsixnhcn Geologischen
Landcsanstult in 1 : 100 000. Im N und W deckt sich die geologische
Gronze nahexu mit der Isohypse von 800 Par. P.; als Oxtgrcnzc wurde
die Grenz« des Grauwackengcbirg«, als SüdgTonze die des Zechsteins an-
genommen. FIKcbo 24*18 qkm, größte Länge 95 km, größte Breite 34 km;
mittlere Höhe des Nordrondcs 258 m, des Süllrandes 2*1C m. Die Haupt-
Tcsultato der Höhenberechnung sind folgeude:
Hochfläche von Klausthal, mittlere Ma«euerhcbung . 585 m
Brockenfeld „ „ .817
(Brockon 1141)
Acker und Bruchhcrgo, mittlere Kammhühe, . . . 774
Plateau d« Unterharzes, mittlere Massenerhebung. . 390
M. Höhe (d. 1». mittl. Musscncrh.) d. ganzen Harzes . 442
Kubikinhalt bis zum Meeseiniveau 1091 ebkm
Thälcr.
Lingo Höhe in ra Jjm). u, Mittl.
km
Urtpr.
Ende
111
Gefalle
rds.it» (von W nach O)
Innerste
32,2
601
208
386
0°
43
Ocker
10,3
838
210
409
1
52
Radau
838
246
497
o
54
Ecker
885
251
600
2
<0
Ilse
10,4
042
264
622
8
43
Holzemme ....
11,1
861
237
473
3
14
Bode (mit d. Kalten B.)
57,5
868
179
403
0
42
Seiko ......
38,0
608
180
312
U
29
Wipper
43.«
459
172
269
0
23
1 soite (von 0 nach W)
Thyra
546
178
306
1*
3
Zarge
20,6
620
217
332
1
7
Wieda
15,»
593
245
351
1
16
Oder
829
236
433
1
1
Sieber
23,1
885
243
443
1
86
SSse
16,0
745
215
373
1
48
Dio Abdachung von der Brockengegend nach W und 0 kommt auch
in den Thalhöhen deutlich zum Ausdruck; ebenso beachtenswert ist dor
Gogcnxalz des Gefälles auf der Nord- und Südseite. Zum Scblufs noch
ein Wunsch: die Anfügung von 2, 3 und noch mehr Dezimalen möge bei
derartigen Arbeiten künftighin unterlassen werden. Es wird dadurch nicht
nur die Cberaichtlichhoit gewinnen, sondern auch der Schein einer Exakt-
heit vermieden werden, die geradezu unmöglich ist. £i«jx>n.
505. Reuss, Karte des nordwestlichen Harzes in 1:40 000.
Goslar, Koch, 1886.
In dem ansehnlichen Format von 50:77 cm uud iu deutlicher litho-
graphischer Ausführung, herrorgegangen aus der renommierten Anstalt von
Wagner & Debes in Leipzig, macht das am östlichen K&ud genau bis an
das Brockenhaus reichende Blatt zunächst den Eindruck dos Zuverlässigen.
Und wenn wir unter dem Titel lesen, daß dasselbe „unter Benutzung der
Kevier- und Generalstabskarten nach eignen Messungen von dom Verfasser
boarbeitet wurde, dor städtischer Oberförster ist*, so haben wir keine Ur-
sache, an dem Vorhandensein und der Kichtigkeit mancher ganz neuer
Wege und Wegebeneonungen, sowie andrer Neuerungen zu zweifeln. Dos
sehr vollständige Wegenetz und die Schrift sind schwarz gehalten, Flüsse
und Teiche blau, während das Terrain durch braune Höhenkurven in 20 m
Vertikalobstund ausgedrückt ist, dem noch Ttele eingedruckte Hühenxahleu
beistehen. Hätte sich der Verfasser dazu entschließen könuon, diese Höhen-
kurven durch eine feine Schummerung zu unterstützen, wenn auch nur an
den steilorn Stellen, so würde das Gante mehr Körper bekommen haben
und dadurch anschaulicher geworden sein. Vielleicht, dafs er sich bei
einer gowif* bald nötig werdenden Neuauflage noch dazu entschließt.
Vogel.
506. Liebe & Zimmermann, Die jungem Eruptivgebilde
im Siidwesten Ostthiiringens. (Jabrb. preufs. Geolog.
Landesanstnlt f. 1885, S. 178.)
Qqpn das Ende der Kulraseit vollzog sieb die FaltOübilduug Ostthü-
ringen*; von der Keuporzoit ab, stellenweise aber noch früher, begann die
Denudation*- und Thalbildungsperiode. Jünger als das altere Kohlen-
gebirgo sind die meist als Gänge vorkommenden Granite, I*araproplmc,
Melapbyre und quarzführenden Porphyre, welche den südwestlichen Teil
Ostthüringens im Gegensatz zu dem übrigen auszeiehnen. Supun.
507. Venediger, Das Unstrutthal uud seine geschichtliche
Bedoutung. Halle a. S. 1886.
Die Bedeutung des Unstrutthaies im frühem Mittelalter erklärt der
Verfasser durch die Lago nn der Grenz« d« Slawenland« (Saale) und die
durch den wcstcutlirheu Lauf der Unstrut und Helme vermittelte Verbin-
dung mit dem sächsischen Kcrnland. Supart.
508. Kinkelin, Zur Geologie der untern Wetterau und des
untern Mainthaies. (Jahrb. Nass. Ver. f. Nat. 1886,
Bd. XXXIX, S. 55.)
Das untere Mainthol und die untere Wetterau sind die nördliche Fort-
setzung der oberrheinischen Grabensenkung. Die sio westlich und Östlich,
am Taunus und an der Huheu Straße, begrenzenden Bruchlinieu verlaufen
nach NNO. Das Scnkungafcld wird durch Uuerbrüche, die über äufserlich
nur durch da* Anstößen ungleicher geologischer Horizonte iu der Thal-
ebene kenntlich werden, in Schollen geteilt, die ungleichförmig zur Tiefe
sanken, und zwar um so tiefer, je näher sie dorn Kheintbal liegen. Vgl.
dazu Utt.-Ber. Nr. 262 uud 263. Supan.
509. Platz, Geologische Skizze des Grofshorzogtums Ba-
den. Mit 1 geolog. Karte iu 1:40000. Karlsruhe,
Biolofeld, 1886.
An dor geologischen Zusammensetzung des Landes nahmen teil : Gneiß
und der eng damit verbundene eruptive Granit, Devon, Karbon und Perm,
die Trio», der Jura, vom Tertiär Oligocün uud Miocäu (Koriin nur ou
einer Stelle nachgewiesen) uud endlich das Diluvium. Bei der Besprechung
aller einzelnen Bestandteil« wird auch ihr« Einflusses auf die Oberflächen-
gestaltung gedacht, ein Umstand, der die Schrift besonders für geographi-
sche Zweck« wertvoll macht. In der Eutwickelungsgeschichte dos in Rede
stehendeu Gebiet« lassen sich nach dor Darstellung von Platz raehreic
Perioden unterscheiden : 1) die paläozoische Pe»tland*j»eiiode des kristallini-
schen Gebiete*, Ablagerungen nur an den Rändern, Eruptionen von Granit
und Porphyr. 2) die mesozoische Meeresperiode, in welcher aber der Ver-
fasser doch nicht d&s ganze Grundgebirge untergetaucht sein läßt. Am
Krfde der Buntsandsteinperiode erste Anlage d« Kheiuthales und Abtren-
nung des Odenwald« vorn Schwarzwald durch Senkung d« Zwischen-
stückes. Allmähliche Hebung seit Beginn der Jurazeit. 3) Festlands periode
in der Kreide- und altera TeitiärzeiL 4) Oligocinc und miocone Süfs-
und MocrwaascrabUgcrangen in den Randgebieten, Eruptionen ton Basalten
und Fhonolithen, besonders an zwei Stellen: im Höhgau und iro Kaiser-
stuhl. 5) Dislokationen am Schluß der Tertiärzeit: Absiuken einzelner
Schollen am Aufsenrand, und zwar um so tiefer, je größer die Entfernung
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Litteraturbericht Nr. 510—518.
Toro Schwarxwald ist , wobei aber die einfache muldenförmige Anordnung
nicht gestört wird, wahrend am Innenrande (rheinische Seite) die mesozoi-
schen und tertiären Schichten in einzelnen Stücken ohne Zusammenhang
und regelmäßige Anordnung au* dem Senkung»fcld aufragen. 6) Herstel-
lung de* jetzigen Huf* netze* in der Diluvialzeit.
Die Karto ist teila nach den offiziellen, teils nach eignen Aufnahmen
des Verfassers entworfen nnd wird von zahlreichen Profilen begleitet.
Supan.
510. Gruber, Moorkolonien in Bayern. (Jnhresber. Geogr. !
Ge«. München 1885, Heft X, S. 8.)
Geschichte der Moorkolonien an der Donau (letztes Dezennium des
vorigen und Anfang dieses Jahrhundert»), Rosenheim (Anfang unsres Jahr-
hundert») und bei Preising (Kolonie Hallbergmoos, 1S28). Alle diese Kolo-
nien zeigen wenig erfreuliche Verhältnisse. Supan.
511. Bayberger, Der Inudurchbruch von Schärding bis
Passau. Tnaug.-Dis«. Kempten 1886.
Etwa von Gara, wo der Inn eine östliche Richtung einschligt, Hief*t
er entlang einer geologischen Grcnilinie: im N naogeno Konglomerate mit
streng östlichem Gefälle, im S die glazialen Ablagerungen (Nagelfluh, un-
terer Glaxialschottcr , Moräne) mit nördlicher Abdachung. Das engo, in
Granit und (inrifs des böhmischen Massivs eingeschnittene Durchbruchsthal
zwischen Schärding und Passau ist ein Erosiowprodukt „intcrglozialcn**
Alters (nach Penck priigUxial). Ehe der Durchbruch vollendet war, stauten
aich die Gewässer oberhalb demselben seeartig auf; daraus erklärt der Ver-
fasser die beträchtliche Drcito des Thaies und dia regelmäßige Geradlinigkeit
der nördlichen und südlichen Hochterraase (letztere nnr von Nebenflüssen
durchschnitten). Supan.
512. Ratzel, über die Sclinee Verhältnisse in den bayri-
schen Kalkalpen. (Jahresber. Geogr. Ges. München
1885, Heft X, S. 24.)
Dimc, lirtichitiick einer grofwm, nnreräffentlichten Arbeit behandelt
zunächst die Obertticheuforraeu de» Schnee*, die Verschiedenheiten deT
Aufhäufung, die Rippelungen durch den Wind, da» ungleichmäßige Zu&am-
mensinken in den Tauperiixleu ; ferner die Schichtung des Schnees, die in
erster Linie durch da* Tauen erzeugt wird, während aufeinanderfolgende
und durch Tauperioden getrennte Schneefalle und Dichtigkeitsunterschiede
nur sekundär wirksam sind; ferner die Dichtigkeit des Schnees und dio
Methoden der Bestimmung derselben; endlich dio Wirkung des Sehne«
auf das Schuttmaterial, das er in moriinenartiger Weise umlagert.
Supan.
513. Loso Blatter aus Abazia. Wien, Hölze), 1886.
Reizende Federzeichnungen von künstlerischem Werte, begleitet von
kurzen Schilderungen, die allerdings dem Geographen keine Ausbeute ge-
währen, aber all poetische Stimmungsbilder, als Ausdruck reinster Natur-
freude und edler Gesinnung des hohen Verfassers (Erzherzog Ludwig Sal-
vator) stets ein dankbares Publikum finden werden. Supan.
514. Jahrbuch de» Ungarischen Karpathen- Vereins. XHL
Jahrgang, Iglo, 1886.
Die Mehrzahl der Aufditze (über die Hohe Tatra, das Liptauer und
da» Vihorlat- Gebirge, „da*, einer Spalte entquollen, durch unterirdisches
Feuer gehoben wurde“ (!!], und die Pojäna-Ruszka und dereu Eisenwerke)
dienen vorwiegend nur touristischem Interesse ; man kann sie in Kürze als
ausführliche Räderker- Artikel bezeichnen. Staub setzt »eine Untersuchun-
gen über dio Zeitpunkte der Vegetation»- Entwickeluug in Obeningam fort,
Steiner gibt eine Analyse der Mineralquellen bei Winjchensdorf in der
Zips, G reisiger berichtet über da» einstige und gegenwärtige Vorkom-
men deT Himhfamilu* in der Tatra, und Kolbenhcycr gibt eino Zusam-
menstellung der von ihm im Mongtdorfcr Thal gemachten trigonometrischen
Messungen mit kritischen Bemerkungen Über die kartographischen Darstel-
lungen der Tiitruspitze (2557 m hoch) und ihrer UrogobuDg. All« Lob
verdienen die artistischen Beilagen. Supan.
515. Gesell, Geologische Verhältnisse des Salzbergbau-
GohieteB von Soovar. (Jahrb. Ung. Geolog. Anstalt
1886, Bd. VIT, S. 195, mit 4 Tafeln.)
An der Innenseite de» karpathischen Waldgebirge* zieht sich vou der
Marmaro* bis Eperies eine, den Mcditerrmnschichten angchörigo Steinsalz- i
Zone, welche teil» durch charakterwtische Gesteine, teil» durch Salzquellen
markiert ist. An dem nordwestlichen Ende liegt dos Solxwerk von Soövär ,
115
bei Kperie«, dessen Salzbrunnen schon im 13. Jahrhundert erwähnt wird,
und wo der Steinsalzbergbau im 15. Jahrhundert von deutschen Bergleuten
eröffnet wurde. Die Grube wurde 1752 ertränkt, und der Steinsalzbergbau
nun aufgelatsen, während der Sudbetrieb noch weiter fortgesetzt wurde.
Der Sulxatock, welcher von einer mächtigen Tegelschicht umhüllt wird und
in einer Tiefe von 113 — 132 m erreicht wurde, füllt eino Mulde dea
Karpatbensandsteius au», au» deren Mitte ein mächtiger Trachytstock auf-
steigt. Dio ca 200 tn tiefen Schichte erreichten nirgend» da» Liegende,
und es ist zu erwarten, dafs io größerer Teufe und in gröfserer Entfernung
von dem wahrscheinlich jungem tTachytischeo Durchbruch gröbere Salz-
korper sich erschlichen lassen werden. Supan.
516. Egli, Die Schweiz. Leipzig -Prag, Froytag-Tempsky,
1886. (Das Wissen der Gegonwart, Bd. 53.)
Rin verläßlicher, mit guten Abbildungen versehener Führer für all«
Schweizer Touri»ten, welche »ich nicht bloß mit dom Radeckcr begnügen,
sondern Land und Leute in ihren Hauptzügen kennen lernen wollen. Wir
werden über all«* mögliche unterrichtet, sogar über da» Militär, dagegen
bleiben weniger interessante Dinge, wio Bau de» Gebirge«, Entwickelungs-
geschichte df* Boden* u. dgl. selbstverständlich uuerürtert. Supan.
517. Forel , Sur l'inclinaison des couches isothermes daus
los eaux profondes du lac Ldman. (Comptes reudus
Ao. Sc. 1885, 8. 712.)
618. f La tomperature dos eaux profondes du lac
Leman. (Ebendas. 1886, S. 47.)
TnmperaturmoMnngcn, welche Ford im Juli 1885 bei Chillon und bei
Yvoire ausflihrte, gaben ihm das Uberroachende Resultat, dafs das Wasser
de» See.» in 30* *60 m Tiefe an letzterm Orte ca 2° kälter war, aU bei
gleicher Tiefo in der Nähe der Khoncmündung; weitere Messungen bei
Evitn und Morg« sowie in der Mitte des Se« ergaben mittlere Tempera-
turen , welche keinen Zweifel darüber liehen , daß raun es hier nicht mit
einer lokalen Erscheinung (wie »ie etwa durch kalte Quellen veranlaßt
»ein könnte) au thun hat, sondern dafs in der That die isothermen Schich-
ten d« See» gegen die Horizontale geneigt sind, sich mit zunehmender
Entfernung ton der Klion ernünd ung heben. Forel erklärt diese höchst iu-
tereeennto Erscheinung in folgender Wein: Do* Wasser der Rhone sinkt
in dem de* Ser* abwärts bis in die Schicht, welcho mit ihm gleiches spezi-
fische* Gewicht besitzt, um .»ich hier „cn nippe horizontale, entre deux eatux“
auaxubreiten. Nun »ei aber das Wasser d« Glct<clicr*trom« , woil mit
Detritus beladen, schwerer als gleich warmes klar« Wasser des See», und
daraus erkläre »ich sein Uerabsinken bi* in größere Tiefe, als ihm allein
»einer Temperatur nach zukomraen würde. Forel berechnet die Detritus-
rnengo, welche dieselbe Dichtigkeitsänderung hervorbringen soll, wie eine
Abkühlung um 2°, auf 100 Gramm pro cbm. Von der im Atlantischen
Ozean beobachteten Senkung der lnothermentläcken gegen die Pule unter-
scheidet sich die hier besprochene Erscheinung nach Forel dadurch, dafs
man für dm Genfer See stabile Gleichgewichtszustände annehmen mufft,
was für den Ozean nicht zulässig ist. Schließlich webt der Verfasser
darauf hm, dafs, wenn seine Ausführungen zutreffend »eien, man in der
Temperaturmewung ein Mittel habe, xu konstatieren, ob das Wasser in der
liefe ein« Sees Detritus als Trübung führe oder nicht.
Nur ein Punkt de» jedenfalls sehr interessanten Erklärungsversuche«
scheint näherer Prüfung zu bedürfen, ob man nämlich wirklich annehmen
darf, daß eine Flüs&igkeit durch mechanische Trübung spezi-
fisch schwerer werden könne, eine Vorstellung, diu aich mit den Be-
griffen der Hydrodynamik zunächst nicht recht in Einklang bringon läßt;
man müßte sonst die Teilchen so klein annehmen, daß sie Grüßen von
gleicher Ordnung mit deu Molekülen de* Wasser* würden. Salbst wenn
man die festen Teilchen noch so klein annimmt (nach Forel sollen sie
Wocheu, ja Monate schweben bleiben), so wäre d«>ch cr*t experimentell zu
prüfen, wie weit die Analogie zwischen einer solchen getrübten HUssigkeit
und einer Salzlösung geht.
Wie alle frühem Beobachtungen, ergab auch eine Reiho durch don
Verfasser mit Hilfe ein« Tiefseethermometer* von Negretti -Zambra wäh-
rend der Jahre 1879—86 ausgeführter, sehr genauer Messungen, daß auch
io den größten Tiefen d« Genfer Sees die Temperatur stet» über 4°
bleibt. Diwelbe sank in dem kalten Winter 1879/80 von 5,7 auf 4,6,
um dann bis 1885 (5,6) jährlich ca i),?° zu steigeu, worauf dor strenge
Winter 1885/8G wieder eine Abkühlung auf 5,3* bringt.
Ixtatere ist »tets durch Konvektionsströmungen leicht zu erklären;
dio Erwarmung könnte direkt bewirkt werden 1) durch Leitung von seiten
der erwärmten Luft; 2) durch Sonnenstrahlung; 3) durch Umwandlung
dar Wellen in Wurme, drei mechanische Wirkungen, welche ganz auf
116
Litteraturbericht Nr. 519.
die überföchcn-ichichteo beschränkt sind; auch 4) das von Ford (siehe
Kr. 517) vorausgesetzte üntersinkcn trüben warmen Rhonewassers unter
das klare kältere Wasser des Sees marht sich höchstens bis zu 70 in
Tiefe boracrklich; 5) die Wärmeabtrabe des Detritus; 6) die Wirkung der
innern Krdwirme; 7) die durch Atmung der Tiere und sonst organische
Vorgänge frei werdende Warme sind ohne Fehler su vernachlässigen , da
sie nur äufseret minimale Beträge erreichen.
So bleibt nur eino indirekte Ürsacho, die mechanische Mi-
schung der verschiedenen Wasserschichteu durch den
Wind, welche ihre Wirkung in beliebige Tiefen erstrecken kann. Als Be-
weis dienen zwei Temperaturreihen vom 10. Marx und 10. Mai 188G; zwi-
schen beide Zeitpunkte füllen die heftigen Nordwinde des 0. und io, April
und des 2. und 0* Mai (die Oberflächenteraperuiur hatte vor den letztem,
gegen Kn de April, 14u betragen).
Ticfo
0 ni
20
40
80
100
UO
180
300
16. März 6.1
6.9
6,3
6»s
5,3
—
—
5.»
IO- Mai
8,9
8.«
7,7
5,7
6.»
5,3
5,3
—
Die gleiche Erklärung findet natürlich auf andre Soen Anwendung,
Porel will sie auch auf die abgeschlossenen Mittelmeero übertragen wiaseu.
RohrkicÄ.
519. Voisin-Bey, Die Seehäfen Frankreichs. Deutsche auto-
risierte Ausgabe nebst Anmerkungen von G. Franzius.
Mit 12 Tafeln. Leipzig, Engelmann, 1886.
Vorliegendes Werk ist die Übersetzung eines vom französischen Mini-
sterium der öffentlichen Arbeiten heraiugegebenon Werkes, «las unter dem
Titel: ,,/.£< Travaux Public* de la France , Zorne IV: lt$ Port» de
JJerf Paris 1883 44 1 in zwei Bänden Hochfolio erschienen ist und seiner
Kostspieligkeit wegen nicht allzu weite Verbreitung gefunden haben wird.
Dor Übersetzer verzichtet auf Wiedorgabe der den ganzen zweiten Band des
Originals füllenden photographischen Ansichten französischer Häfen, zum
Ersatz dafür ist die Zahl der Hafenpläne nach andern (auch offiziellen fran-
zösischen) Publikationen vermehrt. Ferner hat der Übersetzer in oinor Anzahl
Anmerkungen Nachträge zu dein Original geliefert oder abweichende Ansichten
entwickelt. Dem Berichterstatter fohlt cs an Sachkenntnis, um die tech-
nischen Dctuiß des Werkes beurteilen zu können, dagegen findet derselbe,
dafs es doch eine große Zahl von höchst interessanten Beobachtungen über
die Vorgänge an den Küsten enthält, soweit sie von der Einwirkung der
Wellen und der Moercsströmo abhängig sind, wenn es auch in dieser Be-
ziehung gegenüber dem bekannten großartigen Buche G. Hage na oder der
Monographie Kellers über die Sandkästen nicht allzuviel Neues bietet.
Der Stoff wird in zwei Abschnitten behandelt, einem historischen und |
einem tcchnUchcn. Der erster« gibt einen kurzen geschichtlichen überblick
über die maritime Machtstellung Frankreichs und seiner Häfen vom Alter-
tum an bis in urmo Tage, danebon auch dio Beziehungen zu andern see-
fahrenden Völkern beachteud. Soweit ich nuchkomme, finde ich in dieser
Übersicht nichts geradezu Unvorüßlich« , wenn auch manches Fragliche.
Der Hauptwert de« Buchte liegt irn zweiten Abschnitt, „H&fenbauten". Auch
hier wird mit einigen geschichtlichen Bemerkungen begonnen, welche sich
auf den Hafenbau im Altertum beziehen und von zahlreichen Siluations-
plänon untorsttitxt dio maritimen Bauwerke in Sidon, Tyrus, Cartbugo, Pi-
räus, Alexandria, Ostia, (.'entum Cellae (Civita Vecchio) und Antiura schil-
dern. Hier sind besonders ausführlich die bekannten und noch heute wirk-
samen Preschen behandelt , welche die Tihermündung alz ungeeignet zur
Anlage künstlicher Häfen erscheinen liefsen und zu den Enatzbsuten in
Antium und Ücntutu Üellac führten. Alsdann folgen technische Erörterungen
über die Erfordernis» der Beeden und Häfen, das bei Hafenbauten ver-
wendbare Material, die Ausführung von Molen, Dämmen und andern Schutz-
Vorrichtungen. Aus der Fülle des hier gebotenen Stoffes scheint folgendes
von allgemeiner geographischem Intcrcaso zu sein.
Zunächst die Definition : der Begriff „Hafen*' erscheint in zweierlei Bedeu-
tung, einer weitem und einer engem. Die weitere Bedeutung versteht darunter
„eine“ (mehr oder weniger abgeschlossene, setzen wir hinzu) Fläche, welche
dos Meer: im Ozean bei jeder Flut, im Mittelmcer jederzeit ausfüllt, wo
die Schiffo geschützt vor Sturm erbaut und ausgebewsert , beladen und ge-
lascht werden können“. In der engern Bedeutung tritt das Wort „Hafen“
in Gegensatz zur „Heede“. Der „Hafen“ begreift alsdann nur diejenigen
. durch Kunstbauten alter Art besondere adaptierten Töilo des ganzen Hafens,
in welchen die Schiffe tatsächlich in der Zeit, wo sic gebaut, uusgebessert,
beladen oder gelöscht werden, sich befinden, also in den an den ozeanischen
Küsten meist durch Schleusen abgeschlossenen Hafenbauin*. Die Keede
dagegen ist jedor vor diesem nafen gelegener Teil des Meeres, auf wel-
chem die Schiffe den günstigen Moment zur Einfahrt erwarten oder sich in
Sicherheit zur Ausfahrt vorbcTcitcn können, wie ja das deutsche Wort
„Heede" mit „bereit* denselben Stamm hat. Es gibt viele „Häfen",
welche nur „Reeden" sind, die also der Kunstbauten zum Festlegen der
Schiffe während des Löschens und Laden* entbehren; dagegen gibt ca kaum
einen Hafen ebne Heede, und wo keino natürliche Einbuchtung der Küste
eine solche herstellt, kann sie durch geeignet angelegte Molen, also künst-
lich, geschaffen werden. Bei Flüssen nennt man den von künstlichen Hafen-
bauteu frei gelassenen Teil die „Heede* (zl B. in Hamburg die südliche
Hälfte der Nonler-Klbe, während die andre Hälfte durch Pfähle zum Fest-
machen der Schiffe, sogenannte Duc d’Albcn, die in mehreren Reihen parallel
dem lifer angebracht sind, den „Hafen“ bildet, überdies Air Dampfer noch
besondere Hafenbassins auagegraben sind). Die Kccdcn werden in „offne“
und „geschützte“, eingcteilt, eretcre meist gegen den Seegang durch lang-
gestreckte Bänke oder Riffe genügend geschützt, während die andern in
Einbuchtungen des Landes liegen. — Kino besondere morphologische Klassi-
fikation der Hafen, wie sie der Berichterstatter versuchte, wird nicht gegeben,
nur auf den Gegensatz zwischen gebirgigen, stark gegliederten (oder wört-
lieber „dislozierten“, dUloquits) hafenreichen Küsten und hafenannen Flach-
und Sandkästen hingewiejcti, endlich ebenso kurz dargolegt, dafs Flußmün-
dungen zur Anlage von Hiifcn günstig seien. Dagegen ist eine hieran ge-
knüpfte Bemerkung nicht als allgemein gültig anznerkennen : „Häfen an
Plufsmündungen fehlen dagegen an Binnenmeeren allgemein, namentlich im
Mittelmeer, dort fehlt z. B. ein Hafen an der Mündung der Rhone. Der
große Unterschied, wolcheT bei der Anlegung eines Hafens an Flufsraün-
dungeu zwischen den Fiüsseu des Ozeans und denen des Mittelmceres be-
steht, liegt darin, daß dio Flußmündungen im Ozean Buchteu bilden (Yoisin
font (fol/e), im Mittelraeer dagegen Vorsprünge (font saillie). Dies
kommt daher, weil an don Flußmündungen des Ozeans die bei Ebbe durch
das Oberwasser (tes eaux du puys) unterstützten wechselnden Tidcstriv-
mungen hinreichen, um immer eino gewisse Wassertiefe auf den vor den
Mündungen liegenden Barren zu erhalten, wahrend im Mittelmeer dio
•Strömung des Fiumes allein nicht hinreicht, um die einerseits vom Ober-
wasser zugeführten, anderseits vom Meere zuriiekgeworfeoen frtjeJec*) Sink-
stoffe fortzufiihren, so dafs sich Ablagerungen bilden, die unaufhörlich wachsen
und dieDeltAS erzeugen." Hier ist die (trotz der paar Ausnahmen Sulina,
Damiettc, Rosette) im romanischen Mittclmeer allgemein gültige Kegel, daß
die Hafeuorte dio Flußmündungen meiden, unnötig mit dem Problem dor
Deltabildung vermengt, uueh die Regel selbst zu allgemein gefaßt, denn in
jedem Mittel- oder Binnenmeer gibt es doch einige Flußhäfen, die Flüsse
müssen nur groß genug sein.
Die Kunsthäfen worden in zwei Klassen geteilt: 1) solche, die durch
Wellenbrecher geschützt oder geschulten werden und 2) in solche, deren
Einfahrtskonal durch zwei (parallele oder nur schwach konvergierend«) Lcit-
dlrarae gebildet wird. Hier findet Yoitin Gelegenheit das Verhalten der
„waodomden Geschiebe“ an den Küsten im allgemeinen und in der NHhe
von vorgeschobenen Molen im Ixunndcrn systematisch zu untersuchen; die
Kteultato sind mit deneD bei Keller identisch, nur die Zahl der Beispiele
eine sehr viel beträchtlichere. Bei diesem Phänomen kommt es nicht so-
wohl auf die Richtung der vorherrschenden Winde an, welche den „Küsten-
strom“ erzeugen, als besonders uuf die Richtung der stürmischen oder über-
haupt stärksten Winde, welchen dio Küste aufgesetzt ist. Auch hier findet
das von ! lagen ausführlich geschilderte Schicksal des Hafens von Cette be-
sondere Beachtung. So langn nur dio xwei vom Lande ausgehenden einen
Vorhafen mit breiter Einfahrt abgrenzenden Molen vorhandeu waren , sah
man die von Osten her an der Küste entlang sich schiebenden Wandersande
nur in der Osthai fte des Vorhafens sich uhlagcrn und hatte nur jährlich
etwa 45000 cbm hinwegzubaggern, um die Einfahrt gehörig tief zu halten.
Dos geschah regelmäßig irn vorigen Jahrhundert bis zur Revolution. Als-
dann unterblieb dos Baggern, der liafcu versandete an dor Einfahrt zu-
sehends, die während der Kaiser/eit voTgenommeuen Ausbaggerungen waren
unzureichend, so daß 1814 die Einfuhrt nur eine größte Tiefe von 6,4 m
hatte, statt 8—9 m wie 100 Jahr« vorher. Da die Einfahrt nach Südosten,
der Richtung der Stürme, völlig offen lag, verlängerte man die Ostmole und
baute parallel der Küste in See einen frei liegenden lange« Wellenbrecher.
Das batte aber nur zur Folge, daß in dem nun ruhiger gemachten Wasser
dio Ablagerungen um so schneller fortschritten , und gegenwärtig lediglich
durch mühsames Baggern die Kinfahrteu Uber 7 m nusgetieft worden können,
während ihre TSefo am Ende jedes Winters kaum 6,9 — 6,3 m beträgt und
ein einziger Sturm sie um 1 m zu verringern im stände ist. Die Küsten-
slrömung bei Cette ist noch eine westliche, gleichzeitig erzeugnn aber die
Südosßtümie an der Küste von Roussillon, welche von S nach N verläuft
einen nördlichen und nordöstlichen Strom, der unfern der Mündung des
Hfrault-Fluaste mit dem andern Strom Zusammentreffen muß. Was dann ge-
schieht, und ob der K fisten roreprung von Agde hiermit zusammenhängt odor
nicht, hat Voisin leider nicht angedeutet.
Eine intcrennnte Kategorie von Häfen der zweiten Art bilden diejenigen.
Litteratorbericht Nr. 520 — 530.
117
deren Einfahrt durch landeinwärts gtltgeot natürliche Wasserhosen* rein-
gespült wird, indeiu die Flut das Berken füllt, der Ebbestrom es entleert
und dabei zwischen den Lcitdiiinrorn gröbere Wasaertiefen herstellt und
konserviert. Auch im Miltelmeergebiet fehlt es nicht an einem Beispiel:
der Hafen von Malamocco, an einer der Öffnungen, welche die Nehrung
vor den Lagunen Venedigs durchbrechen. Schon in der Glanzperiode Ve-
nedigs ging düs Bestreiken dahin, eine Verminderung der Flache und Tiefe
dieser Lagune, welcher Voisin 52000 ba Areal gibt, zu hindern, indem
alle einktrömenden Flüsse aufgefangen und seitlich dem Adriatischen Meere
zugofuhrt wurden. Trotzdem ist eine Verdachung der Lagune nicht aus-
gebliebeo, so dafs sich eine Art Watt an der Landseite derselben gebildet
bat, das bei Niedrigwasser trocken fallt, und dem man den Namen der
N toten Lagune", ira Gegensatz. zur „lebendigen Lagune", der stets unter
Wasser bleibenden Fliehe, gegeben hat. Nach der im Jahre 1870 been-
deten Anlage zweier Leitdämme bei Malamocco hat sich nun nicht nur die
Kraft der Gezeitenströme verstärkt (der Ebbestrom hat bei SpriDg-Ge-zeit
1,7 m, hei Tauber-Gexeit 0,5 — 0,6 m pro Sek.), sondern die Tiefen de* durch
diesen Kanal von Malamocco entwässerten Teils der Lagune, der ein Areal
Ton 15000ha hat, sind seitdem stetig gewachsen, so dafs auch benach-
barte Lagunenstücke durch die foitach reitende Bodenerosion diesem Thor
zur Entwässerung zufallen, ln der Fahrrinne selbst sind statt 5 m, nun-
mehr 9 m Wassorticfo. l)a indes auch an dieser Küste die Wanderwndc,
die von Norden herkoniraen, nicht fehlen, so wird sich, wie schon der gegen-
wärtige Poilungsplon zeigt, diese günstige Tiefe durch Ablagerung der um
die Nordraole herurowandernden Geschiebe schwerlich auf die Dauer halten.
Doch ist in abaohbarcr Zeit eine Verlängerung der Dämme nicht notwendig.
Was Voisin über die Einwirkung der Wellen auf die liafeniUmme sagt,
ist gegenüber den Untersuchungen von Thomas Stevenson nicht exakt genug.
Zura Schlüsse folgen statistische Tabellen über den Hafenverkehr und oino
kurze Erläuterung der zahlreichen nafenplnnc.
Das Buch ist klar und auch dem Nichttechniker überall verständlich
geschrieben und ebenso übersetzt ; nur einige „berechtigte Eigentümlichkeiten"
des Franzosen hatte der Deutsche vielleicht vermeiden können. Bo die Be-
zeichnung des Pariser Friedens von 1814 als einen „uureligen Vertrag (um
Convention (ifratfrcutcj*, oder die Behauptung, dafs Karatschi „am Indus"
liegt. A'rüMittW.
520. Vemon-Harcourt, The River Soine. (Miuutoe of Proc.
Inst, Civil Engineers. London 1886, Bd. LXXXlV,
2. Teil. Mit 4 Tafeln. Sep.-Abdr.)
Vom Seine-Becken bestehen 3,\ aus durchlässigen, ca Va au* undurch-
lässigen flachen und tyg au* undurchlässigen geneigten Schichten. Nur
die letztem haben einen bedeutenden Htnflufs auf die Abflufsmemren, und
nur das obere Yonne-Becken und dio obere Marne tragen einen Torrenten-
charakter. Der Abfluß -Koeffizient (d. h. die abfliefsende Wasrermcngc,
dividiert durch die Kcgcnmengc des ganzen Beckens) beträgt für Paris im
Winter 0»4J, im Sommer 0,17; obwohl im Sommer die Jtegenmcnge eine
gröbere ist, fuhrt doch die Seine infolge der größere Verdunstung und
der Trockenheit des Bodens fast um dio Hilft« weniger Wasser ab als im
Winter. Der Abflofs-Koeffizienl ist also fUr einen und denselben Boden
wechselnd, und ebenso wechselt er unter sonst gleichen Bedingungen mit
den Bodenarten (t. B. Granit von Morvan 0,44 im Sommor, 0,9* im Win-
ter, 0,7& im Jahresmittel ; Tertiärschichten des Kurebeckens im Mittel (M4,
Sande von Fontaincblreu nahezu 0).' Auf den Wasserstand in Paris halten
daher die obere Yonne und Marne den gröfaten Eiullufs. Hochfluten sind
aber in Paris selten, weil sie meist nur durch ein ZuKunmonwirkcn mehre-
rer Ursachen entstehen; in dem Zeitraum 1732 — 1883 stieg (nach Lerooioo)
das Wasjcr nur 31 mal 5 — 6 m, 1 3 mul G — 7 in und nur 2mal über 7 m
über den Nullpunkt des Pegels von Tou melle. Der Schiffahrt hinder-
lich sind die groben und wechselnden Serpentinen (die Länge des Flufs-
laufes ist zwischen Montereau und Paris l,4mal, zwischen Paris und Boucn
2,lmal und zwischen Kauen und der Mündung l,?raal gTöfser, als die di-
rekten Distanzen d«T genannten Orte), das geringe Gefälle (Montereau —
Paris 229, Paris— St. Aubin 106 mm pro km), und das unregelmäßig«
Bett. Im untern Seineltecken begannen die systematischen Flußk«»rrektio-
nen 1804. 1838 — 66 wurden zwischen Paris und St. Aubtn 7 Wehr-
dämme und Schleusen errichtet, zu denen später noch ein paar hinzu-
gefügt wurden, und wodurch Schiffen von 250 — 500 Tons, bei Hoch-
wasser auch solchen von 800 Tons, der Zugang erüffnot wurde, und der
Handel eine beträchtliche Steigerung erfuhr. Nach Vollendung aller Wasser-
werke wird die untere Seine für Schiffe too 1000 Tons befahrbar »ein.
Dagegen hat der Plan, einen Schiffahrtskanal mit Flutbewegung bis Poissy
zu leiten, wenig Aussicht auf Realisierung. Im obem Seinebcckcn begann
die Anlage der Wohrdimme 1860-
Petermanns Geogr. Mitteilungen. 1886, LitL-Bericht
Im Äxtuarium ist die Strecke ltoucn — La Mailleraye von genügender
Tiefe; dann aber beginnt die »eichte Flufwtrecke mit wechselndem Laufe.
Bei Azirr und Villcquior betrag die Tiefe zur Flutxcit nur 3 m , so dafs
nur Schiffe von 100 — 200 Tons passieren konnten, und man wenigstens
4 Tago braucht, um ron Havre nach Koucn zu gelangen. 1848 begann
der Bau der groben, aus Kollkalksteinen errichteten Walle von 38 km
Länge am linken und 49 km Länge am rechten Ufer, welche den Schiff-
fahrtsknnal zwischen La Mailleraye und Berville cintchliofsen. Das Fluß-
bett bat »ich beträchtlich vertieft, Schiffe von 2000 Tons können den Strom
befahren; Heuen bat als Hafenplatz einen mächtigen Aufschwung genom-
men, und ca 10 000 ha l’ferlaud wurden gewonnen. Die Verlängerung
der Wille flußabwärts ist noch eine grobe ZukuofUarbeil ; Lavoinnes Pro-
jekt ist in dieser Beziehung das wichtigste. Supan.
521. Choffat, Excursion a la cbaine de l’Euthe. (Bull.
Soc. geol. de France 1885, Bd. XIII, S. 683.)
522. Girardot, Excursion a Chatelneuf. (Ebendas. S. 688.)
523. Bertrand, Excursion ontro Morez et Saint-Claude.
(Ebendas. S. 785.)
524. Bourgeat, Excursion au Pontet et ii Montepile.
(Ebendas. S. 808.)
Aus der großen Anzahl von Berichten über die Exkursionen , welche
im Sommer 1886 im französischen Jura unternommen wurden und vorwie-
gend stratigraphischen l'ntersuchungen und der Peststellung der Facies-
greozen gewidmet waren, heben wir nur die oben angeführten hervor,
welche durch gute Profile auch wichtigere tektonische Verhältnis«« illustrie-
ren. Choffat gibt eine Reihe intcremntcr Profile aus dem Plattenjura
(Dep. Jura), welche mächtige Verwerfungen zum Teil in Verbindung mit
vertikaler Schichtenstellung einzelner Schollen zeigen. Das Profil von
Girardot ist einer Gegend entnommen, wo der Faltenjura in die wenig ge-
neigte Lagerung des Plattenjura übergeht. Nr. 523 und 524 beschäftigen
sich mit einigen besonders abnormen Faltungserscheinungen. Supa*.
525. Martei, Le Causse uoir et Montpellier -le- Vieux.
(Extr. Annuaire du Club Alp. frans- Bd. XI, 1885.
Mit 1 Karte in 1:10 000.)
526. — , l’roraenade et recherches dans les Cevennes.
(Extr. Club alp. fran;., section de la Lozere, 1885.)
527. , La rdgion des Causses. (Soc. de Topogr. 1886.)
528. , Sur les massos pittoresques de rochers dont
rensemble a re^u lo nora de Montpellier - le -Vioux.
(Compt. rend. Acad. de Sc. 26. Juli 1886.)
529. et de Launay, L’homme palüolithique et la
poterie paldolitliiquo. (Extr. Bull. Soc. d’Anthropol.
1885.)
Die io ihren LogerungsrerhältoiweD wenig gestörten Kalkplatean» der
obem Tungebiete«, dio «(»genannten C.uuee, eind roieh an pittoresken
Schönheiten, welche insgesamt ein Werk der Erosion eind (»gl. Litt.- Der.
1885, Nr. 27). Die« eilt nsmentlieh »nn dem mittlere, dem Cuuase noir,
«wischen den Schlachten der Jonte nnd Dourhie. Im Thal der Ictitern
hat die Brosion den Hateauabfall in tahllose Einsclmawn aufgel<»»t, welche
Hainen reenachlieher Bauwerke auffallend gleichen und daher den Namen
de» alten Montpellier erhalten haben. Besonders Iwachtenawert sind die
Karte und die Abbildungen in Nr. 525. Nr. 520 enthält auch eine Schilde-
rung der basaltischen Montagnee d’Aubrac. In der Nabriga«- Höhle, cben-
falta im Dep. Loxere, fanden Märtel und de I-flunay 1884 in ursprüng-
licher, ron Tropfsleingebilden geichiilxteo Lagerung menschliche Knochen
und Artefakte (Scherben) im Verein mit Resten Tom Höhlenbären.
Supan.
530. Velain , Sur la presenco (Tune rangee de blocs erra-
tiqueg echoues aur la cöte do Normandie. (Compt.
rond. Ac. Sc. 1886, I, S. 1586.)
Der Verfasser hat an der Ostkürte de« Grand -Camp nördlich von
Carentau auf einer nur bei tiefster Ebbe entblöfrten Terrasse de» Strande*
einige ««ranzig Blöcke tun 1 — 2,4 m Durchmesser gefunden, welche, au»
Granit rerschiedener Varietäten, Amphibolit und einer roten Arkoae (1 Block)
bestehend, offenbar erratischen Uraprunga sind (die Klippen der Kiiaten
t
/■
118
Litteraturbericht Nr. 531 — 538.
bestehen aus jurassischen Kalken). Es ist Banois gelangen, die fraglichen
Gesteine mit solchen zu identifizieren, welche in der Betmgne and beson-
der* im Cotentin anstehend Vorkommen, während Gcikic drei derselben
übereinstimmend mit Blöcken des Geschiebelehroa von SeUy-BtU an der
gegenüberliegenden englischen Küvto fand. Verfasser nimmt auf Grund
dieeer Beobachtungen an, dafs in der Glazialzeit das Gebiet des Cotentin
bei größerer Erhebung über den Meeresspiegel ein Ausstnzhlungsgebict für
Gletscher gewesen »ei, zerschnitten durch Fjorde, welche nach erfolgter
Senkung des Landes mit Sedimenten ausgefüllt wurden. /frArWA.
531. Kano, Los populations Bretonnes. Paris, Pion,
Nourrit & Co., 1886.
Nachdem der Verfasser flüchtig die geographischen Gegensätze von
Küste und Binnenland, Plateau und Thal berührt hat, schildert er ein-
gehend die verschiedene!! Be volkerungskl aasen der Bretogue, aber leider
ohne auf die lokalen Besonderheiten cinzugehcn, so dafs seine Bilder des
bretoniseben Kleinbürgers, Bauer». Fabrikarbeiters, Priesters so ziemlich
auf dir.se Volkstypen in ganz Frankreich und zum Teil auch bei uns passen.
Auch die Kapitel, welche die Fortachritte der geistigen Bildung und de»
materiellen Wohlstände« behandeln, erregen mehr das Interesse des Staats-
mannes, als das des Geographen. Supan.
532. Booth, Occupations of tbe People of the United
Kingdom 1 BO 1 — 1881. (Journ. Statist. Soc. 1886,
Bd. XLIX, S. 314.)
Au» der umfangreichen Arbeit entnehmen wir nachfolgende Tabelle
über, die Bcrufsstatidtik der britischen Inseln »eit 1841. in welchem Jahre
sie zum ervtcnmal systematisch durrhgrfuhrt wurde. Die Zahlen sind Pro-
zente der selbständigen, d. h. »ich selbst erhalteudeu Bevölkerung.
E
n g 1 a n
d u u d
Wale.
Schott!*
n d
I r ) * n
d
1841
1831
1861
1871
1881
1841
1851
1861
1871
1881
1841
1851
1861
1871
1881
Ackerbau . . . .
19,4
20,9
18,o
14.2
11.»
23,4
22,7
20,1
17,2
14,2
50,9
46.4
42,9
40.7
4M
Fischfang . . . .
0,2
0,3
0.»
0,2
0,3
i,a
1.»
1,7
1.8
1.»
0,2
0.4
0,3
0,4
0,5
Bergbau
3 ,2
4.0
4,&
4,5
4,8
2,4
4,0
4,5
5,1
5,0
0,2
0,4
0.4
0,3
0.4
B»u«r«vtn . . . .
5.4
3,3
5,8
6,3
6,8
5,4
5,2
5.9
6.3
6,7
2,0
2,0
2,4
2,2
2.4
Industrie . . . .
27,1
32,7
33,0
31.«
30,7
31.«
36.S
35,0
34.7
33,8
27, J
22,8
20,7
19, S
16,1)
Verkehr
2,2
4.1
4,*
4,p
5.«
2,3
3,0
4,1
4,9
5,2
0,»
1,4
1.8
2.1
2,2
Handel
0,1
7,1
7,8
7,8
4,4
5,8
6,5
7,1
7,3
2,0
3,4
4,1
4,0
4,h
In produkt. Dienst .
5,4
4,5
4,0
6,0
G,7
4,3
3,8
3,9
4.»
6,2
1,2
2.3
7,3
7.3
6,7
Unproduktiv . . .
31. 7
21,0
22,8
24.»
25,8
25,0
17,1
18,3
18.9
19,5
15,1
18,7
19.9
22,7
25,9
Summe der selbstiiuö.
Bevölkerung . .
UM)
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
Sttpd».
533. Hicks , Evidonco of Man and pleistoceue Animais in
North Wale» prior to glucial Deposits. (Naturo 1886,
Bd. XXXIV, S. 216.)
Der Fund von Uvanen-, Kentior- und Hhinozerois-Arten im Verein mit
einem künstlich bearbeiteten Feuerstein in der Hohle von Treraeischion,
welche durch Wasser umgelagert und dann von marinen Sanden und dem
darauf folgenden obern Geschiebelehm bedeckt wurden, zeigt dio Anwesen-
heit de« Menschen und plcUtocäncr Tiere in einem Teil von Nordwales
vor der grölten mittelglazialen Senkung. 5i*pan.
534. Bartholomew, Tourist'» Map of Scotlaud. 1 : 126 732.
Edinburgh, A. & Ch. Black, 1866.
Vier neue Karten von den durch ihre Naturschönheiter, berühmten
Inseln an der Westküste Schottland« , und zwar Nr. 2-4 : Outer Hebridcs
(N. u. S. l’ist u. Barn 25: Mull, Staffo, Jona dcc., 26: Islay, Jura,
CoUmsay &c. und 27: Arasaig District, Hum, Eigg &c. , deren vorausgo-
gangeoe Sektionen bereits in den Geogr. Mitt. 1885, S. 316, auf da»
günstigste beurteilt wurden, zeigen inhaltlich und aufserlich den englischen
Geschmack. Sie sind unter Vermeidung jeder Schraffur und Schummerung
nach llöbenschichten und im Wegenett koloriert, während das Meer blau
erscheint. Dadurch ist bei den manchmal von zahllosen Seen und Ein-
buchtungen bedeckten Stellen und bei der Iteicbbaltigkeit der Nomenklatur
eine Deutlichkeit und Lesbarkeit erzielt worden, die sich sonst nicht hätte
erzielen lassen. s Yog d.
535. Cadell, Tbe Dumbartonshiro Highlands. (Scott Geogr.
Mag. 1886, Bd. II, S. 337, mit l Karte.)
Der Verfasser stellt die Hypothese auf, dafs die Wasserscheide des
Forth, welche jetzt im 0 des Loch Lomond liegt, einst beträchtlich weitcT
nach W, auf das den Loch Fyne im 0 begleitende Gebirge gerückt war.
Er schliefst dies aus dem Umstand, dafs die Thäler zwischen der alten
und neuen Wasserscheide in deT Fortsetzung der Thälcr des heutigen Forth-
Systems liegen (die Karte stellt diese Verhältnisse und das alte Forthsystero
dar). Die Herstellung der heutigen Wasaerverteilung , welche er in prä-
glaziale Zeit versetzt, ist nach «einer Ansicht ebenfalls ein Werk der Denu-
dation; auf welche Weise sie aber zustande kam, wird leider nicht mit
genügender Klarheit auseinandergesetzt. Supan.
536. Hepite», Annalo» de rinstitut metdorologique de Rou-
manie. I. Bd. Bukarest 1886.
Di« rumänische Meteorologische Zentralanstalt wurde im Jahre 1884
in Bukarest unter der Leitung von Stefan C. Hepitcs gegründet. Anfner
Bukarest wurden noch meteorologische Stationen eingerichtet in Uiurgtwo,
Galats , C(in»touce . Turnu • Severin , Balota , Striharetz , Slatina , Craiova,
Pancesci- Drugomircsci, Koman und Jassy; der erste Jahresbericht enthält
aber nur die Beobachtungen an der Zentralstation. Besonders aufmerksam
möge auf die Einleitung gemacht werden, welche «ine Geschichte der bis-
herigen Untersuchungen Uber das Klima Rumäniens und eine darauf be-
zügliche Bibliographie enthalt. Mit der Einrichtung des rumänischen Be-
obachtungsnetiea wird eine empfindliche Lücke autgcfUllt; sind doch unsre
Kenntnisse vom Kontinentalklima SO-Europ*s noch außerordentlich mangel-
haft. Supan.
637. Oberhummer, Zur Geographie von Griechenland.
(Jahresber. Geogr. Ges. München 1885, lieft X, S. 1 15.)
Mitteilungen über die italische Binnenebene und den trichooUehen
See, in dessen östlichem Teil der Verfasser Tiefen bis zu 67 ra rnafs — die
ganze atolische Biunenebene war wahrscheinlich ein grofser Binnensee mit
Ausrtufs durch dio Kliwura — ; ferner über den Kiriusoe im nordöst-
lichen Akarnanien, welcher der Darstellung der französischen Karte nicht
mehr entspricht; über die Verschiedenheit dcT echten Liguna von Miseolungi
und des bis 60 m tiefen Sees von Actoliko ; und endlich Uber den See von
Janina, dessen 'Hefe wahrscheinlich 11 tn nicht überschreitet, und der
— wie Ablagerungen rou Kalkschlarnra mit Süfswasserroollusken zeigen —
noch in rezenter Zeit das ganze Thalbecken erfüllte. Die Seehöht von
Dodona wird annähernd mit 662 m angegeben. Supm.
538. Partsch , Bericht über die wissenschaftlichen Ergeb-
nisse seiner Reisen auf den Inseln des Ionischen
Meerep. (Sit&.-Ber. Akad. d. Wis». Berlin 1886,
Bd. XXXVI, S. 615.)
AU seine Hauptaufgabe bezeichnet der Verfasser die Berichtigung und
Vervollständigung der topographischen und hypsometrischen Kenntnis. Am
vollständigsten wurde dieselbe auf Korfu ' gelöst , wo außerdem auch noch
wichtige geognostische Entdeckungen (Nachweis der Lias, eines Tertiär-
gebietes im NW ist.) gemacht wurden. Wir gehen nicht näher darauf ein,
weil der Verfasser die Leser der N Mitteilungen*4 durch einen ausführlichen
Originalbericht mit Karte erfreuen wird. Die Gebirge von Kephalonia be-
stehen aus oberer Kreide formation (Hippuriten und Kudistenkalk) and wer-
den durch zwei grofse, mit Tertiirbildungen erfüllte Tbuler in drei Züge
geteilt. In diese Tliilor drang das Meer ein, und zwar im westlichen
von S und im östlichen von N , wodurch llhaka ganz von Kephalonia ab-
getrennt wurde. Das inzwischen liegende, 1000—1600 m hohe Gebirge
schied irn Altertum die Insel Kephalonia in zwei selbständige Gebiet«.
Ober die Lage nnd Ausdehnung der antiken Siedelungen und Befestigungen
wurden eingthendo Untersuchungen angestellt. Supan.
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Litteraturbericht Nr. 539—544.
119
539. Gambino, Grande Cartu murale della Sicilia, fiaica,
politica, storica o commerciale. Palermo 1886.
Es sind 6 Blätter im MafciUb von 1:200 000, welche zufararacn-
gwetzt eine Wandfläche von beinahe 2) qm einnehmeu, da jedes Blatt
1,3 m hoch und 1*8 m breit oder lang ist. Bin dem grofeon Mafsstab
entsprechender Reichtum der Angaben, namentlich in bezug auf den Ver-
kehr, würde kaum irgendwo einen Zweifel uufkommen lassen, wenn die
Terraindarstellung nicht umgekehrt nur ganz grobe Umrisse zeigte, welche
ein näheres 'Eingehen nicht vertragen. Nur aus der Entfernung gesehen,
kommt das Terrain einigermafsen xur Geltung, obgleich auch hier in der
Anwendung der schrägen Beleuchtungsmethnde sich oft der Standpunkt des
Laien vcTriit. So boschrankt sich das physikalische Bild auf die brauno,
vielfach undeutliche Terrainschummorung mit Zuhilfenahme einzelner Hohen*
zahlen, während die Thilcr und die Ebenen ein muttes Grün zeigen. Da*
gegen sind woder die Flüsse dahin unterschieden, ob sie „beständig- oder
nur „nach Regen* Wasser führen — ein uuf Sicilien und in ganz Unter-
Italien lange noch nicht genügend erforschtes Moment — , noch ist das
Bild des angrenzenden Meeresbodens xur Darstellung gebracht, während
doch wenige Niveaulinien in blauer Abtönung genügt haben würden, den
Zusammenhang mit den vorliegenden Inselgruppen &c. wirksam zur Au*
achauong zu bringen. Die politische Einteilung zeigt die Provinzen und
die Bezirke mittels rot eingedruckter Grenzen , wie denn auch die Haupt-
städte derselben, wo der Sitz der Verwaltungsbehörden ist, rot überdruckt
sind. Das Eisenbahnnetz ist sehr vollständig und, wie es scheint, nach
genauen Tracers eingetragen; wir unterscheiden Eisenbahnen in Betrieb,
im Bau und projektiert«. Ebenso sind zweierlei Fahrwego und aufserdom
noch ein Netz vou lteitwegou (mulattiere) unterschieden , wie denn das
ganze Gepräge der Kurte auf die' Blätter der Viooooo'^^H^Bibskarto
hinweist. Als Zugabe erscheinen die Linien der Küsteuschiffahrt mit den
Kilometcrlnngcn. Von besouderra Wert sind die historischen Daten, indem
die Namen aus antiker Zeit zum Unterschied von der sonst schwarzen
Schrift rot eingedruckt sind. YogH.
540. Walther & Schirlitz, Studien zur Geologio <1ob Golfes
vou Neapel. (Zeitschr. Deutsch, Geolog. Ges. 1886,
Bd. XXX Vm, S. 295.)
Die auffallendste Erscheinung ist die senkrecht zu den A|»enninen ste-
hende Streichrichtung des Gebirge« der Halbinsel von Sorrent, welches aus
wohlgeschicbteten Kalkbänken aufgebaut ist. Die erste Dislokation trat in
der Tertiärzeit ein, sie bestand in Brüchen und Senkungen im Sinno des
apenninischen Systems : Scnknngegcbiet zwischen Nocera und Salerno (in
dtttseu Verlängerung der Vesuv liegt), Gebiet von Sorrent und Mas» lub-
rens«, Bocca piccola, mittlerer Teil von Capri, welche Insel die geologischo
Fortsetzung des Sorrcntogebirges ist. In dm gesunkenen Steilem wurde
diskordant auf dem Apenninonkalk Macigno abgelagert, der nach Fossile n-
funden oligoeän ist (bisher für eoeän gehalten). Die nacboligoc&ne Dislo-
kation, wobei einigo jener gesunkenen Schollen wiedor über das Mocresnivcau
gelangten, bestand dagegen in Brüchen senkrecht xura Apenmnensystem ;
die Monte Massici und dus Sommtogcbirge sind die stabeogobiiebenen
Grenxhorato dos neapolitanischen Senkungsfeldes , das sich von dem syn-
klinal abfallenden Sorreotohontt ganz allmählich nach N bis 300 m ver-
tieft, während nach S der Sorrontohorst in zwei antiklinalen Brüchen schroff
zu den beträchtlichem Tiefen des Golfs von Salomo abfällt. Diese Dislo-
katioasperiode scheint bis in die Gegenwart anzudauera (alte Strendlinien
auf Capri bis 200 m Höhe.) An den Kreuzungastellen dor altem, apenni-
nisehen, und jüogera, tyrrhenischen, Sprünge entwickelten sich Vulkane. Nach
einer eingehenden Untersuchung der charakteristischen Eigentümlichkeiten
der Trocken-, Wasser- und SedimenttuUe gelangen die Verfasser zum Schlosse,
dafs die ältesten Vulkane des neapolitanischen Senkuugsfelde«, welche keine
Lara ergosseo, submarin waren, und dafs die Eruption der gelben Tuffe noch
fortdauerte, als die der blauen Tuffo bereits ihr Ende erreicht hatte. Durch
die Brandung wurden zahlreiche Tulfkegel, teilweise (z. B. Nisita, Kap Miseno)
oder gänzlich zerstört (*. B. Secca d’Ischia, die Seccen dee Golfe von Neapel).
Um die chemische Einwirkung des Meerwaatera auf die Gesteine festzu-
stellen, wurden eingehende Untersuchungen über den Luft-, Kohlensäure*
und Salzgehalt des Golfwassers an gestellt. Sujxi*.
541. Palagi, Dolla Moteorologia in generale, et in parti-
colare del clima di S. Marino. S. Marino 1886.
Beobachtungsdauer 1878, 1879 und Man 1882 bis Februar 1883.
Mittelwert« für B (= Barometerstand 700 mm -f-, in den beiden ersten
Jahren mit einem Aneioid gemessen) und T (= Temperatur , Mittel der
Extreme) :
B.
T.
B.
T.
B.
T.
B.
T.
Dubi.
2.9
3.4°
März
4,4
6,1®
Juni
6,S
18, o“
Scptbr.
4,7
17,1°
Januar
4,6
2.»
April
3.»
8,7
Juli
4.9
20,7
Oktbr.
3.0
13,4
Februar
4.9
5,1
Mai
5.»
IM
Augu»t
5.1
31,,
Norbr.
1,4
6,8
Mittlerer Luftdruck 701/2 mm, woraus sich eine Seehöhe von ca 630 in
ergibt. Mittlere Temperatur 11,7°, absolut« Extrem« —3,7° und 31,4°.
Supan.
542. Polloncra , Molluscbi fos9ili post-pliocenici del Con-
torno di Torino. [Aub Memor. R. Acad. Torino (2),
XXXVirr. 40, 34 pp., mit 1 Tafel.]
Die Erforschung der quaternären Mollaskenfaunen in den di« Alpen
umgebenden Ländern hat neuerdings für die Lehre von der Eiszeit erheb-
liche Bcdcutnng gewonnen, besonders durch die Arbeiten von Locard über
die Poatpliocänfauna des Kbönethal«*. Die Untersuchung der Quaternär*
founa von Piemont hat nun Polloncra rorgenoromen ; sie ergibt cino nahezu
vollständige Übereinstimmung mit der heutigen Fauna der piemontesiseben
Alpen, insbesondere durch das Vorherrschen der CI ausi li en- Untergattung
Charpentieria, und einen scharfen Unterschied von der heutigen Hügel-
und Bbenenfauna, der besouders im Fehlen d« heut« so gemeinen Cy-
eloitomn elogans hervortritt. Also auch hier, wie im Rhönethal , ein
Niedersteigen der alpinen Fauna iu die Ebene zur Quaternärxeit. KcMt.
543. Barbey , Florao Sardoae Compendium. (Cataloguo
raisonnu dos vegetaux obsorvus dans l'ilo do Sardaigne.
Avoc 2 BupplemoniB.) 4°, mit 7 Tafelu. Lausanne
1885.
Es wird uns ein ausführlicher Katalog aller in Sardinien beobachteten
Blüten- und Sporenpflanzen geboten ; demzufolge besteht unter Hinzurech-
nung der in den beiden Nachträgen enthaltenen Entdeckungen die Blüten-
pflanzenflora aus fast 1800 Arten, von denen 47 streng endemisch (zur
Hälft« an nur wenigen oder an einem einzigen Standort bisher beobachtet),
und 38 nur mit Corsic« als uächslor gleichartiger Inselflora gemeinsam sind.
Zur Belebung der langen Register vou Namen und Standorten dient
ein Kciscjoumal von Schweinfurth, welches derselbe auf einer vom 17. März
bis 17. April dos Jahre« 1858 veranstalteten botanischen Expedition durch
Sardinien führte. Es gibt die Eindrücke wieder, welche der botanisierend*
Mittolouropier hoi seinem ersten Eintritt in die mediterrane Frühlingswelt
empfindet, malt die Zusammensetzung der Vegetation, ohne jedoch jemals
in analytische Einzelheiten einxudringen, und gibt ein anmutige« Bild dor
damaligen sardini&ehco Reisezostände. Für die Pflanze ngoographie wäre es
freilich einer solchen wissenschaftlichen Abhandlung entsprechender gewesen,
wenn die Vegetationsformationen in ihrer Zusammensetzung und Entwicke-
lung klargelegt, oder wenn auch nur die hohen Gebirgsstöcko der Insel
nach Regionen analysiert wären; aber an letztem führte die Reisolinio
Schwoiufurtha leider vorbei. Wo der Reisende im Südteil dor Insel bei
Sanluri in den etwa 500 m hoch ansteigenden , kalkgcröllreichon Hügeln
sein« Notizen entwarf, gehen sie sogleich Über das allgemeinste Interesse
hinaus; er schildert die Zusammensetzung der Vegetation aus meterhohen
Büschen von Euphorbia dendroidea, die über l}m hohen Grainueu von
Ampelodesmo« , die Cyclamen- Vegetation in den Felsspaltnn, die Ocbüsehe
von der im westlichen Teilo der Mittelraeerländer weit verbreiteten Papilio-
nacee Anagyiia foettda Äc. — Am Me«re bei Porto Torrts fand sieh Chn-
macrops humilis zusammen mit dom so charakteristischen Arfodill (Aspho-
delus microcarpns), stundenweit dicht« Gestrüpp« bildend. Drude.
544. Penck, Einteilung und mittlere Kammhöhe dor Pyre-
näen. (Jahresber. Geogr. Ges., München 1885, Heft X,
8. 58.)
Dio Vereinigung von Pyrenäen und kan tab risch ein Gebirgo zu einem
Pyrenäensystem ist weder geognostiseh (verschiedene Faltungsrichtung der
paläozoischen Schiefer) noch geographisch (crxtCTo Scheidegebirge zwischen
Tiefländern, letzteres Randgebirge eine« Mafeivs) begründet. Die Pyrenäen
selbst bestehen aber wiedor aus drei «ebr verschieden gearteten Teilen:
1) Westpyrenden von S. Sebastian (westlich davon das Kreidegebirge) bis zum
Pio des Bsealicra oder Iratitbal, wo der Zusammensein afs der nördlichen
und südlichen Kreidezone über den Kamm dos Gebirges hinweg auch eino
geognostiseh« Abgrenzung bildet ; 2) die Mittel- oder Hochpyrenäen bis zum
Col de la Pore he ; 3) die Ostpyreiucn. Dio östlichen und westlichen Teüe
unterscheiden sieh vom mittlere durch veränderte Streichrichtung und Mittel-
gebirgweharakter , daher sie weder klimatisch , noch ethnographisch, noch
politisch die Rolle eine« Scheidegebirges spielen, welche den Hochpyrenäen
allein zukommt. Di« Ansicht, dafe die letztere (durch das Thal von Aron)
120
Litteraturbericht Nr. 545 — 548.
io zwei Ketten «ich spalten, ist durch Schräders Untersuchungen hinfällig
geworden. Die höchsten Gipfel folgen genau der Wasserscheide , und das
Südgehänge ron Arao ist bedeutend höher als das nördliche. Behufs Bostirn-
mung der rnittlem Komrohöhe wird die Sonklarsche Methode wesentlich
verändert, indem auch der Abstand ron Gipfel und Tab in die Rechnung
cingcfübrt wird. So erhält man als Kammhöbc der lloehpyrenäen 2488 m.
An Stelle der rnittlem Pafshohe setzt Penck die mittler« Hohe der nieder-
sten Pisse in den Stammthiilem (1887 m), und die Differenz derselben und
der rnittlem Hohe der dazwischen gelegenen höchsten Gipfel (hier 2860 rn)
nennt er die mittlere, tiefste Schaltung (hier 873 m), welche er als den
richtigen Ausdruck für die Durchgängigkeit eines Gebirge« betmehtet. Die
lloehpyrenäen lauen sich nicht mit den Alpen überhaupt, sondern nur mit
den Tauern vergleichen. Die erstem sind niederer und tiefer eingeschnitten
als letztere; aber jene biden 8/ö, diese nur wenig Uber V4 der Gwamt-
entreckuug des Gebirges, daher die Pyrcnäon mauerartiger und weniger
gangbar erscheinen, als die Alpen. Supun.
545. Schräder, Pyren^es centrales. Paris, Hachette & Cie,
1886.
ln dem Gcogr. Monatsbericht des Jahrgangs 1884 dieser liUitter, 8.71,
begrüfsten wir die erste Sektion diwer secb »blätterigen Karte der spanitchcn
/entralpyrenien mit „freudigster Gvuugtbuungu, und nannten sie sogar ein
„kartographisches Ereignis". Die daran sich knüpfende Beurteilung konnte
schon damals konstatieren, dafs „eine auch nur oberllächliche Betrachtung
sofort wesentliche Verschiedenheiten von unsrer bisherigen Kenntnis und
Vorstellung die*** Teiles der Pyrenäen beraustreten lief» &c". Inzwischen
ist im vorigen Jahre eine zweit« Sektion erschienen und gegenwärtig ist es
Sektion 3. „das Thal von Aran mit den umgebenden Höben**,
bei desseu Vergleichung mit altern Karten sich unser zuerst ausgesprochenes
Urteil über die Bedeutung dieser hochvcrdicnstlir.hcn Arbeit vollauf bestätigt. j
Das Thal von Aran, am Ursprung der Garonne und auf der frauzosischtn
Abdachung der Pyrenäen liegend, gehört bekanntlich noch zu Spanien und
ist aus diesen» Grund in der französischen Generalstabskarte nicht enthalten.
Wir bemerken nuu sofort, dafs sich südlich dieses Thaies, eingekeilt in zwei
fast parallel verlaufende Bergketten, mehrere bedeutende Seen belinden, von
denen der größte eine Längenausdehnung von Über 2 km hat, und von dereu
Vorhandensein bis heute nicht« bekannt gewesen ist. Tod doch ist gleich
westlich derselben ein Haupldurchgang nach Spanien hinein, Port de Bios
in Höhe von 2370 ra, vorhanden. Südlich und westlich von dieser Gegend,
alio in dem unter dem Namen Maladotta bekannten Höhenzug sehen wir
noch verschiedene Ketten bi« zu 3000 n» Erhebung , welche ebenfalls in
•iicvcT Verbindung bisher unlxkannt waren und noch auf keiner Karte ver-
zeichnet gewesen sind. Wenn man ferner hört, dats eine bestimmte Region
örtlich von Salardu, von der bisher angenommen wurde, dofs ihre Gewässer
dem Mittelländischen Meer tributpflichtig seien, dieselben vielmehr mittel«
de« Rio Mulo in die Garonue und durch diese in den Atlantischen Ozean
entsendet, wodurch sich ein ganz andrer Verlauf der Wasserscheide zwischen
beiden Meeren au Port de Berel ergibt, so werden diese Beispiele allein
genügen , um die außerordentliche Wichtigkeit dieser unter den Auspizien
d« französischen Alpenklubs mit Unterstützung des Unterrichtsministeriums
entstandenen neuen Aufnahme zu kennzeichnen. Au« einem Vortrag, wel-
chen Herr Sehrader in einer Sitzung der Geogr. Gesellschaft zu Inaris über
die Konstruktion seiuer Karte hielt, erfahren wir ferner, dafs derselbe nach
einer neuen Methode und mit eiuem neuen Instrument arbeitet, welche cs
ermöglichten, daf« die Fehlergrenze twischeu der französischen Höheuauf-
nähme, welche ihm uls Ausgangspunkt diente, und derjenigen der «panischen
Geodäten, welche ihm erst später übermittelt wurde, auf dio ganze Breite
der Xcntmlkettn der Pyrenäen nur eine Ditrcrcnz von 1 tu ergab. Angesicht«
so ausgezeichneter Leistungen erinnern wir nur ungern daran, dafs ein Kilo-
mctermsf»Ub in 1:100000 am Rand der Karte zur Beurteilung der Eut-
fernnngon nicht vorgCMon werden durfte. Vielmehr geben wir dom bereit«
vor 2 Jahren ausgesprochenen Wunsch erneuten Ausdruck, dafs es dem
unermüdlichen Pyxcninnforschcr gelingen möge, da« vorzügliche Werk dem
baldigen Ende zuzuftihrcu, damit endlich einmal die falschen Darstellungen
der .«panischen Abdachung der Zcntralpyronüen auf deu Landkarten und in
Atlanten verschwinden. Yogtl.
546. Barrois & Offpet, Sur la structure stratigrapbique
do la chnine betique. (Compt. rend. Ac. 8c. 1886,
I, S. 1341.)
Nachdem die Verfasser bereits früher in deu ersten Berichten der von
der frauzömchen Regierung 1885 zur Untersuchung dra süiUpanitchcn Erd-
htbcngebiflte* autgesaudteu Expedition eine Mitteiluug über die in der spe-
ziell von ihnen uutcrsuchten Gegend um Velez Malaga auftrctendcu Forma-
tionen (Archäische Schichten, Cambrium, Trio.«) gebracht haben, veröffent-
lichen dieselben nunmehr ihre Beobachtungen über die Tektonik dieser und
der benachbarten Gebiete.
Das von Westen nach Osten streichende Faltensrstem , welchem die
gwamte butische Gebirgskette ihren Ursprung verdankt, erscheint durch ein
System von meridionml verlaufenden Querverwcrfungen in einzelne Sierra«
zerstückelt. Geht man von Westen nach Osten, so beobachtet man zunächst
in der Sierra de Honda zwei untereinander parallele Antiklinalen der archä-
ischen Schichten, etwa N 60° 0 streichend die nördliche auf Yunquera
gerichtet, die südliche in der Sierra de Mijas sich fortsetzend, da« Thal des
Guadalhorcc bezeichnet eine ernte in der Richtung Alora Malaga verlaufcndo
Verwcrfungsip<e. Jeuaeit derselben finden wir in der Sierra Tejeda die
Strcichrichtung N 4uv W, welche zwischen Vclc* Malaga und Tonoz nach
scharfer Umbiegung wieder westöstlich wird. Der zweite Querbruch verläuft
in der Richtung von Zafarraya nach Motril und Ut mit ciucr bedeutenden
Vcrtikalvcrschiobung verbunden, durch welche dio oben» Glimmerschiefer <1«
hcrabgesuukenen örtlichen Flügel« in ein Niveau mit den kristallinen Schich-
ten der Sierra Almijarn gerückt werden. Dio Hauptßltc der Sierra Nevada,
in welcher überall die kristallinen Schichten (Gneifs und Dolomit) de«
Westens durch die Schiefer verdeckt «ind, zeigt die Richtuug N 70° 0.
Östlich von der Sierra Nevada auf der Linie durch Kap Gats und Guadix,
welche zugleich die Verlängerung des Tertiärbecken« von Guadix darstellt,
neuer Wechsel der Strcichrichtung in N 60° 0.
Die einzelnen, durch besondere Lokalbezeichnungen voneinander unter-
schiedenen Glieder der Gesamtkette sind demnach, obwohl der Oberllüehen-
charukter derselben ein durchaus gleichförmiger Ut, tiefer begründet; es
sind nicht zufällige Krosiooslinicn. welche die Grenzen bezeichnen, sondern
jene Brüche, welche in der triaiaiichcn Epoche die grofso Gobirgsfaltc io
einzelne gegeneinander gestaute Abschnitte zerstückten und die durch die ter-
tillreu und posttertiären Denudationen nur noch schärfer markiert wurden.
Verlängert man die drei untereinander parallelen N 60" W gerichte-
ten Quenpalteu, so trifft die von Malaga die vulkanische Insel Alboran,
die von Guadix da* vulkanische Massiv ron Kap Gata, während die tod
Motril in der Gegend vou Zaff&rreya das Epizentrum de« letzten Erdbebens
bezeichnet. Letztere« entspricht genau dem Scheitel der gebrochenen Anti-
klinale, welche die Schichten der Sierra Tejeda mit denen der Sierra
Nevadn bilden.
Diese drei Linien scheinen prädestiniert dazu, dafs eich alle Gleich-
gewichtsstörungen der Gcbirgsmassen in di«cn Regionen längs denselben
zum Ausdruck bringen. Die Vorfaaser vorgleichon die Berge von Velez
Malaga einem gespannten Bogen, dessen Enden sich einerseits auf das
Massiv der Sierra do Honda, anderseits auf das der Sierra Nevada stützen.
Itohrbdch.
547. Lcvy & Bergeron, Sur los roohoa Eruptives et les
terrnins stratifies de la serrania do Honda. (Compt.
rend. Ac. Sc. 1886, I, S. 640.)
548. f Sur les roches cristallopliylliacros ot archä-
cuues do l’Audalusio occidentale. (Ebendas. S. 709.)
Als ältestes Glied der archäischen Schichteureihe tritt in der Ser-
rania de Honda Kordieritgneiß längs der Küste zwischen Benolmadcu und
Marbella, sowie zwischen ]»tan und Mumla auf, in den oborn Partien
wechsellagernd mit Amphiboliten und Dolomiten, letztere teils in dickon i
Bänken, teiU in außerordentlich mächtigen Massen, stcllenweUe reich an *
accessorUchcn Mineralien. Die hierauf den» Alter nach folgenden kristalli-
nen Schiefer »ind als Andaluait- und Turraalinglimmcr*chiefer insbesondere
in der Sierra Nevada verbreitet , aber auch in der Serrania de Honda ver-
treten, z. B. zwischen Benalmadena uud Fuengirola bei Kerja mit Einlage-
rungon von Kklogit und kristallinem Kalkstein. Jüngere dunkle Glimmer-
schiefer herrschen vor vou Tolox bi» nördlich von Yuuque» und bilden
einen schmalen Streifen an der Küste zwischen Benalmadena und Fuengi-
rola, woraus di« Verfasser den Schluß ziehen, daß die archaischen Schichten-
komplexe Andalusiens eine große Autikliuale darstellen. Die jüngste Abtei-
lung dtT archäischen Schichten, vertreten durch Sericit- und Chloritschiefer,
zeigt eine bedeutende Entwickelung von Mnloga über Alora hinzu« gegen
Chorro sowie gegen Colmenar, zum Teil zweifellos klastische Bestandteile
enthaltend.
Uutcres Perm, vertreten durch rote Sandsteine und Konglomerate,
findet sich in einxelnen Partien sowohl an der Küste, z. B. bei MaUga,
als auch im Innere, so dafs dies« Formation im Süden von Spanien oine
größere Ausdehnung besessen zu haben scheint, als man ihr bisher zu-
Hchrieb. Dieselbe wird von der Trias diskordant überlagert. Das Pliocän
besitzt bei San Pedro d’Alcantara, abweichend ron den litoralen Ablagerungen
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Litteraturbericht Nr. 549 — 555.
121
di«*» Alten, bei MaUga eine enbtehioilen marine, eohr reicho und inter-
eeAonto Fauna.
Was die Eruptivgestein* der Serrania de Honda betrifft, eo «nd die*
gelben vertreten durch Oliriogeateine , Granit , Diorit und Diabas. Die
alterten unter ihnen, Lherxolitite und durch Gberg&nge mit diesen verbun-
dene Noritc, besitzen, vrie die aus beiden durch Zersetzung herrorgegange*
neu Serpentine eine bedeutende Verbreitung in der SerTania de Honda so-
wohl als gröbere Masten wie als kleine Gänge in den archäischen Schiefern.
Der turmalinfUhrcnde Granit durchsetzt den Ser|>entin an einer Stelle und
seheint somit jungem Altem als dieser.
Zahlreiche Gänge von Diorit, im allgemeinen in der Richtung von SW
nach KO verlaufend, durchbrechen die archäischen Schiefer hei Bcnaimn-
dena und Malaga.
Die Diabase, zum Teil mit Olivin, stellenweise mandelsteinartig aus*
gebildet, durchbrechen zwischen Gobante* und Archklona die Trias, bei
Montillana auch den Lias. tfcArWA.
Asien.
549. v. Luschan , Dio Waiidorvölker Kleinasiens. (Verh.
Goß. f. Anthropologie &c., Berlin 1886, S. 167.)
Der Begriff Nomade rouf* in Kleinasien schärfer gefafst werden als
anderswo, weil unter der mohammedanischen Bevölkerung die Sitte sehr
allgemein verbreitet ist, im Sommer höher gelegeue Ortschaften aufzu-
suchen, so dafs man zwischen Sommer- (Jaillah) und Winterdorf (Kischiah)
unterscheidet. Wirkliche Nomadenvölker sind dagegen die Jü rücken,
welche in Zelten aus Ziegen wolle wohnen, vorwiegend mit Viehzucht, An-
fertigung von Teppichen, Matten u. dgl. sich beschäftigen und ihrem ana-
tomischen Bau nach den Zigeunern a?hr nahe stehen; ferner die Taeh-
tadschya, Gebirgsbewohner und Holzarbeiter, und im Gegensatz zu den
JÜriickcn nur äubcrlich dem Islam angehörig; endlich die Kurden,
wirkliche oder Halb- Nomaden de* östlichen Klcinosiens. Körpermessungen
ergaben, dafs die Tschtadschr* and einzelne Irkische Gebirgebauen» und
Derebeji (angesehene Grundherren) Nachkommen der Torgriechieehcn Be»
völkerung sind, deren Typus mit dem armenischen ubereinstimrat.
Supan.
550. Dio Strafsouaulagon in der Asiatischen Türkei. (Ztschr.
Go», f. Erdkunde, Berlin 1886, Bd. XXI, S. 165,
mit 1 Karte in 1:4 Mill.)
Die Karte unterscheidet : Eisenbahnen (mit Ausnahme der Strecke
Menina- Tarsus nur in) westlichsten Teil Ton Kleinuien), vor 188» und
bis Kode 1885 ausgebaute Chausseen, und endlich im Hau befindliche
oder projektierte Chausseen. Die Grundlage bildet eine im türkiachon
Arbeitsministcrium hergestellte Straßenkarte. Der Text weist besonders
auf die auffallende That«achc hin, dafs der fruchtbare westliche Teil Klein-
nsiena weniger durch Strufsenanlageu begünstigt erscheint, als der mitllere
und östliche, und daß in westöstlicher Richtung die Halbinsel durchzie-
hende Chausseen gänzlich fehlen. Kupon.
551. Noetling, Meine Reite im Ostjordanlande und in Sy-
rien im Sommer 1885. (Zeitschr. Deutsch. Palästina-
Ver. 1886, Bd. IX.)
Die Resultate sind: eingehende Erforschung des geologischen Anf-
baues des Dschötän, das Jnravorkomracn am Hermon, Untersuchung und
geologische Aufnahme des ganzen nördlichen ’Adschlün, Untersuchung der
fossilienreichen Fundorte bei Aböh und der altberühmtcn Fiscbscbiefer bei
Sobil ‘Alma und ILikel , Entdeckung einer neuen Lokalität für die inter-
essante Fauna der obem Kreide.
Einzelheiten: die Untersuchung der Jesrecl - Ebene ergab, dafs ein«
ehemalige Verbindung des Miltelmceres mit der Jordanspaltc auf diesem
Wege nicht atattgefunden hat; bei Samaeh am Tiberiaaaeo findet sich eine
Konchylionfauna mit vorherrschender Melanopsis sp. , desgleichen im tiefen
Flufseinachnitt des ilieromai; zwei gewaltige Laraströme ergossen sieh hier
einst ins Jnrdanthal, Auffindung einer alluvialen (diluvialen:) Geröllschicht
mit gleicher Faune, überlagert vom jüngsten Lavastrom. Eine Karte gibt
die Routen Noetling«. /.anglawi.
552. Sprenger, Babylonien. Heidelberg, Winter 1886.
Die wUserocbaftliche Bedeutung dieser Schrift besteht in dem genauen
NzchweU der Ertrafpfihigkeit Babylonien* in frühem Zeiten. Iin Ver-
gleich zu Ägypten empfingt Babylonien etwa* mehr Niederarblügo, aber
Kuphrnt und Tigris treten seltener au* uivi führen weniger Schlamm. Die
Fläche des AUuvulland« wird auf 245 000 qkm geschützt; seine Krtrags-
l’etermamis Geogr. Mitteilungen. Iftfcc. Litt. -Bericht.
i
fihigkeit beruht bekanntlich aunrhliefclich auf der künstlichen Bewäh-
rung. Die Geschichte und Konstruktion der Kanäle, welche zwischen
Anbar und Bagdad begannen, wird eingehend behandelt. Unterhalb Baby-
lon* dofi der Euphrat weiter weltlich und der Tigris weiter Östlich als
jetzt; die Ablenkung de* letztem, die noch im 7. Jahrhundert n. Chr.
bestand, wurde aber wahrscheinlich durch Menschenhand bewirkt. Zur Zeit
Maxudi* (um 944) fand aber schon die Vereinigung bei Kama statt. Unter
der Regierung Chonow I. (531 — 579) scheint das fand am blühendsten
gewesen zu »ein; die bebaute Fläche war 223 000 qkm grofi. Im 10. Jahr-
hundert war sie schon auf 160 000 qkm reduziert, und die Sümpfe hatten
»ich bedeutend erweitert. Schlechte Verwaltung und die stetigen räuberi-
schen Beduineneinfille hatten das Lund schon vor der Osmanenherrschuft
ruiniert. Jetzt sind nicht mehr als 10 000 qkm behaut. Nur cino kom-
pakte Ansiedelung von Kolonixten, die »ich selbst zu schützen vermögen,
kann Rettung bringen. 120 000 qkm können der Kultur gewonnen wer-
den; Wetzen würde die Hauptfrucht sein. Nach den Verhältnissen des
indischen Distriktes Mirnth berechnet, kann der Ertrag pro ha auf 25
Doppelzentner, d. h. 160—200 Mark brutto, berechnet werden. Europäer
können nach der Ansicht des Verfassten überall wohnen, mit Ausnahme
der Sümpfe und des eigentlichen Deltas ; doch wäre im südlichen Teil
l'lantagenwirtschaft zu treiben. Die Kolonisation von Assyrien und Meso-
potamien rnüfsto vorangchen; die Lobpreisung de* Klima* dieses zura
♦oramerheifseaten Gebiet der Alten Welt gehörigen Landes scheint mir aber
nicht ganz zutreffend. Im allgemeinen betrachtet der Verfasser das Eu-
phrat- und Tigrisland und Syrien Östlich vom Libanon als das wichtigste
Kolonisationxfcld der Zukunft. Supan.
553. Götz, \V., Dio vorderasiatische Reichspoststrafso der
persischen Grofsköuigo. (Jahresber. Geogr. Ges., Mün-
chen 1886, Heft X, S. 90.)
Oboe uus in Detail« cinlassen zu können, »ei hier nur erwähnt , daß
— wie dia beigogebene Kartenskizze zeigt — Götze.. Route stellenweise
sehr beträchtlich von dem bisher angenommenen Straßenrcriauf abwoicht.
Er gelangt zum Schlüsse, daß diejenigen Grundsätze, nach welchen alle
spätem Hauptverkehrswege angelegt wurden, auch für die porsischo Reich*-
■traße maßgebend waren, deren Verlauf durch die Terrainbilduog , die
klimatischen VerhittnUae und die wirtschaftliche Bedeutung der durchzoge-
nen Gegenden bedingt war. In Kürze bespricht der Verfasser auch die
Methode der Messung, und erwähnt dabei einet kleinen, von ihm erfunde-
nen Meßrädchens. Supan.
554. Radde, Roisett an der persisch-russischen Grenze Ta-
lysch und seine Bewohner. Mit Abbildungen und
einer Karte in 1:840 000. Leipzig, Brockhaus, 1886.
555. Die Fauna und Flora des Büdwostlichon Kaspi-
Gebietes. Izeipzig, Brockhaus, 1886.
Das vorliegende Werk (Nr. 554) faßt alle Erfahrungen zusammen,
welche der hochverdiente Tilliser Gelehrte auf seir>en wiederholten Reuen
im Taly*ehgeh)et gesammelt hat. Die wichtigsten geographischen Resul-
tate. soweit sie sieh auf Talysch »elbot beziehen , hat der Verfasser bereit,
seihst den Lesern vorliegender Zeitschrift (1885, S. 254) mitgeteilt, und
ea sind denselben nur noch einige Notizen hiniuxufügen. Das Werk ent-
hält auch Berichte über einige Gegenden de« Kaukasus — die blühenden
Kupfer- und Kobaltwerkc der Gebrüder Siemens in Kedabeg im Kleinen
Kaukasus und die gesunde and fruchtbare, aber häufig von Erdbeben heim-
geeuchte Gegend von Schemacha im Großen Kaukasus — und übor die
Muganatcppc , deren Vegetationstypen, die Achilleagcbiet«, die damit wech-
selnden Mohnsteppen und die Wennutstoppe an einer Stelle anschaulich
geschildert werden. Der letztgenannte Typus vermittelt überall den Ober-
gang vou den llalophylenllichen zu den nutzbaren Gras- und Kräuterlluren,
zu denen sieh hier uml da auf gutem Boden ausgezeichnete Kleewieeen ge-
sellen. straboa Angaben über die Fruchtbarkeit der Araicaebeuc erweisen
sch über aß Fabel. Der Ka.piaee verliert an seinem Weatnfer stetig an
Terrain ; das Akuschadelta ist in den letzten 33 Jahren 3 — 4 km weit
vorgerürkt. und nördlich vom Kura beträgt der Landsuwachs 11 — 13 km.
Die Talyseher TWebcno irt dem See abgemngen , wie die wiederholten
Funde kaspUcher Muscheln bezeugen; und die Bas« der Sari-Intel — als
Mecrcogeburt ohne vierfüßige Raubtiere — wird von .aufgeworfenen Kar-
dien“ gebildet, die auch jetzt noch zur stetigen Vergrößerung der Insel
beitrageu. Sehl anziehend ist die Schilderung des Sawalan - Gebirge« , wo
die reiche untere Kulturzone bi« 2300 m Hoho ieicl>l- Die Robo kommt
bis 1370 m Höhe vor; der Wolf streift noch bis 3060 m Höhe. Ardebil
treibt lebhaften Rosinonhandel nach Rußland. Lehrreich sind auch dio
U
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Litteraturln rieht Nr. 556 — 558.
Berichte aber die KulturTersuche in Talvscb. Fremdartige Kulturen sind
teils aus klimatischen Gründen, teils wegen Mangel» an geeigneten Arbeits-
kräften xu Grunde gegangen. Bas UbarakterDtDctie der Tolyscher Flora
und Fauna ist die Mischung südlicher Formen mit den vorwiegenden
kaukasischen. Für die Tierwelt sind Tiger, Aibhirach und Zebu charak-
teristische Beispiele. Auch die menschlichen Bewohner weisen zum Teit
auf Süd- oder Südost- Asieo; wenigstens besteht ein deutlicher anthropo-
logischer Unterschied zwischen den Bewohnern des Tieflandes und jenen
de« Gebirge*. Dio Verschiedenheit der Lebensweise ist geographisch be-
dingt; die Tttlyacher des Tieflandes find Waldleute und leben getrenut, die
Gebirgsbewohner aber in gcKhloiwencn Dörfern. Heia Dt bei erstem die
Hauptnahrung. Den Anhang bildet eino Schilderung de« vor etwa 300
Jahren cingcw änderten Nomadenvolkes der Scliahscwcnxcn (in Sawalao)
nach einem Manuskripte des Grcnxkommissan» Oberst Ogranowitsch.
Nr. 555 ist ein »rstematbche* , teils von Rodde, teils von andern
Spezialisten besorgtes Verzeichnis sämtlicher bisher bekannt gewordener
Tiere uud TAauzen des südwestlichen Kaspigebietes. &u{ki*.
556. Venukoff. Du deBSuchemont dos lacs dans l’Aaie cen-
trale. (Rot. do Gdogr. Paris 1886, Bd. X, S. 81.)
Die Steppen im N und NO des Kespiiees haben Mlbst in der kunen
Periode 1850—75 ihr Aussehen wesentlich verändert, die Sandflächen
haben an Ausdehnung gewonnen, mehrere kleine Seen sind verschwunden,
die Vegetation i*t spärlicher geworden. Der See Atochi-kul, 320 qkm
groß, Ut zwUchcn 1859 und 1873 ausgetrocknet. Dasselbe Schicksal
traf die beiden Golfe d« Aralsees: Barsut. der noch 1741 existierte, war
1846— 1847 eine SandtUchc von 2230 qkm Flüche; uud der 2800 qkm
grofse Aibughir Ut twUcheu 1850 und 1874 ganzlieh verschwunden.
Auch ira Gebiet des Bai ka*c h -See.« und seiner östlichen, nun getrennten
Fortsetzungen schreitet der Auttrocknungsproxefs stetig fort, und dasselbe
gilt von Wwßibirien («. Utt.-Ber. Nr. 318), von Arabien und Iran. Der
Harnuruee erscheint noch auf einer Korto de« Jahres 1857 (von Weiland)
als ein einheitliches Becken von wenigsten* 70 km Ijingc und ea 9000 qkm
Flüche; schon 1871 Irland er aber aus zwei getrennten Becken, deren
Areal $00 qkm nicht überschreitet. Als einzige* Mittel gegen diesen fort-
schreitenden Austrocknungsproxcfo, der das südöstliche Rußland schon er-
reicht hat, rroplichlt der Verfasser die Vergröberung de* KuspDcc* durch
Verbindung demselben mit dem Schwarzen Meer und durch Ableitung des
Don zur Wolga. Supvn.
557. Heyfelder, Dio Transkaspi - Bahn und der Wog nach
Indien. (Kuss. Revue 1886, Bd. XV, S. 168.)
Die Atrcklinio wurde nicht gewählt, weit Txrbikisctiljft eine offene
flache Rhede ist. Kraßnowodsk Dt zwar ein ausgezeichneter Hafen, aber
dio Bahn hätte auf dieser Linie einen Gobiigsrüeken durchbrechen müssen und
daher nicht *o rasch hcrg*stc!lt werden können, als es die militärischen
Rücksichten verlangten. Daher wurde Michailowsk gewählt, obwohl auch
hier der Zugang von der Secseite mit Schwierigkeiten verknüpft Dt. Die-
sem Cbelstand wurde aber dadurch abgcholfcn , difi man die kospisebt
Kopfstation 13 kru weiter westlich, nuf dio Insel Usun-Bzda verlegte.
Am ungünstigsten sind dio Verhältnisse auf der westlichsten Strecke bis
Kysyl -nrwat : Wassermangel und unbewohntes und unproduktives Land.
Zur Sicherung der Bahn wurden Kolonien angelegt, die aber unter sanitären
Kalamitäten leiden. Von großer Wichtigkeit sind die Naphthoquellen
bei Michailowsk und auf Usuo-Kada, welche sowohl Bclouchtungs- uD
HekungsmaterUl liefern. Die Bahn Dt jetzt bis Dusthok (ca 37° io* N
nnd 59* 50' E, 640 km vom Kaspisee) fortgeführt; dio Linio Msnr —
Tschardsehui am Amu Dt im Bau begriffen. Dio Balm wird nach Bucham
fortgesetzt und soll dann S.imttrkand uod Taschkent erreichen ; gerade die
letzte Strecke wird die kulturell wichtigste und die einträglichste «ein.
Snjmm.
558. Jadrinzew, Sibirien. Nach d. Rubb. bearb. u. ver-
vollständigt von Petri. Jena, Costenoble, 1886.
Bei unsrer lückenhaften Kenntnis der russischen Fachliteratur ist da*
Unternehmen Pelris, um mit dem Werke Jadrinzew*, wohl d« tiefsten
Kenner* der kulturgeographbehen , «poziell wirtschaftlichen Verhältnisse
seines sibirischen Heimatlandes, vertraut zu rauchen, betende!» dankenswert.
Schon im Litt. -Her. Nr. 320 wurde darauf aufmerksam gemacht, daß der
oibüiseho Kolonist sich auch körperlich verändert habe, und wir gelangen
nun zur Cbcrzcugung, dafs diese Veränderung hauptsächlich dor Vermischung
mit den Kmgcborncu zuzuschreibrn ist, und dafs trockenes Klima und
Nahrung höchstens als untergeordnete Faktoren in itge wirkt haben könnon.
Der helle großrussische Typus verwandelt sich in einen bräunlichen; außer-
dem wird in den Grenzgebieten, besonders im nördlichen, auch der Wuchs
kleiner, und die physische Kraft und dio Fruchtbarkeit vermindern sich.
Es ist besonders beachtenswert , daß auf die Kolonisten turn Teil auch
körperliche Fähigkeiten der Kingebomcn, z. B. das scharfe Auge der Tun-
gusen , übergegangen sind. Der weiche , zur Nachahmung geneigte ru«*i-
eche Volkscharakter lief* die ohnehin rohen KolonDten auch kulturell auf
die Stufe der Kingebomen hcrabxinkcn, und nur dcT beständige Zufluß
aus dem Westen hindert die völlige Verwilderung. Trotzdem steht aber
im großen und ganzen der freie sibirische Bauer höher, als der noch in
Leibeigenschaft aufgewaebseno russische Bauer.
Die Eingebornen wurden in den ersten Zeiten der Eroberung massen-
haft vernichtet; später bewirkten Epidemien, Hungersnot und völlige Ver-
armung infolge sinnloser Wildvernichtung uud Verminderung der Kcntier-
lterdcn, sowie der sklavischen Abhängigkeit der Eingebornen von wucheri-
schen Kaufleuten eine beständige Abnahme der ursprünglichen Bevölkerung.
Nur die Burjaten, Kalmyken und Kirgisen sollen nicht an Zahl zurückge-
gangen sein, aber auch hier hat dio Not schon Eingang gefunden. Unter der
schlechten Verwaltung und drückenden Besteuerung leiden natürlich auch
die Eingebornen , während anderseits der Staat wenig zu ihrer geistigen
und sittlichen Hebung beigetragen hat. Die christlichen Missionare konn-
ten im S nicht mit den weitaus rührigen mohammedanischen und budd-
histischen konkurrieren, und die Ostjoken ur.d Woguten sind auch jetzt nur
noch scheinbar Christen. Dio griechischen Missionare waren überdies selbst
sittlich nicht immor ihrer Aufgabe gewachsen. Der Schulzwang und der
Gebrauch der russischen UntcrrichUwprarhc haben dem Eingobornen den
.Schulbesuch verleidet.
Die Einwanderung freier KolonDten Dt eine stetige, wenn sie auch
in einzelnen Perioden (x. B. 1847 — 1855) be«ondcr» anschwoll. Die Ansie-
delung hielt sich meist an die Flußläufe und die Hauptstraßen : zwischen
diesen Streifen ist Wildnis. Besonders aufgesucht werden jetzt dxs Altai-
gebiet, Ssemirjetsehiruk (Ili-Balchasch- Gebiet) und der Bezirk Minussin«k,
die Kornkammer des Gouvernements Jcnisscisk. Für die kulturelle Ent-
wickelung de* Landes ist die Freiheit der Auswanderung eino Grundbe-
dingung, ebenso aber auch die Einschränkung oder Aufhebung der Depor-
tation. Be» der minimalen Vermehrung und großen Sterblichkeit der De-
portierten tragen diese zur Bevölkerung de* Lande« nicht« bei. Freiwillig
oder durch die Umstünde gezwungen setzen sie ihr Yagnbundcntcbon fort,
eine beständige Gefahr für die Sicherheit des Lebens und Eigentums. Die
Zahl der Verbrechen nimmt in Sibirien zu, ur.d sie werden raebt von
Dejiortierten an (geführt.
Für eine intensive Ausbeutung der reichen Naturschätze Dt die Be-
völkerung viel xu wenig zahlreich. Auf allen Gebieten, ira AckeThut»,
Bergbau und in der Jagd herrscht lediglich Kaub Wirtschaft. Daher Ab-
nahme der ProduktionskniU, anderseits aber auch wegen Mangels an Ab-
satz ein Überfluß an Erzeugnissen , ao daß das Getreide jetzt vielfach zur
Schnapdirennerei verwendet wird. An diesem Überfluß nehmen aber ver-
hältnismäßig wenige Anteil ; Reichtum uud Armut stoben sich unvermit-
telt gegenüber, und der Arme sank zum Sklaven des Reichen herab, da
er durch die bcstcchlicho Verwaltung nicht geschützt wurde. Der Handel
besteht im Austausch der Natur- gegen Tudustricprodukt* : die ersten» sind
außerordentlich billig, die letztem abnorm teuer, da die Konkurrenz fehlt,
und der Handel Monopol einiger Kauflcato ist, dio daher auch die Ver-
besserung und Ausbreitung des Koniinunikatioruuetzes mit scheelen Blicken
betrachten.
Das letzt« Kapitel, .Dio Erschließung Sibiriens1*, stammt ausschließ-
lich von Petri her. Von den Küsten Dt die des Japanischen Meeres um
wichtigsten, einerseits wegen ihrer Beschaffenheit selbst, anderseits wegen
ihrer Igige und der — allerdings noch nicht erschlossenen • — Produktions-
fahigkeit ihres Hinterlandes. Ein Hindernis sind nur die HDvorhältnissc ;
selbst der pzciflsche Haupthafeu Wladiwostok ist 1 bis Monate zuge-
froren. Auch die Zugänglichkeit der nördlichen Küste glaubt der Ver-
fasser nicht ganx in Abrede «teilen zu dürfen. Im W haben wir die
Ssibirjakowache Route über den nördlichen Ural (Petschora— Sehtschugor—
üb) uml die Eisenbahn Perm — Tjnmen, zu der »ich noch die Route Sn-
mara — Ufo — Slatoust — Tjumeu gesellen wird. An der «üdlichen Gebirgs-
grenxe wird das dsungarischo Völkerthor von Bedeutung worden; der Han-
del mit Uhina bewegt »ich auf mehreien Routen: Tschuj- Route (Bi bk—
Kohdo), Duchtarrninskaja , Kracht*, Maimxtschin Are. Die Landwege im
Innern von Sibirien sind schlecht und unsicher. Die Schiffahrt auf den
großen Strömen begann erat in den 20er bis 30er Jahren; Dampfer sind
»cit 1843 eingeführt. Aus den genauen Angaben geht hervor, daß dio
Flüsse 5} bi» 6 Monate zugefroren sind; der Amur veraeicht außerdem im
Sommer bei Regcnmangol. über dio Verkchrsvorhältnissn vgl. auch Litt.-
Ber. 1885, Nr. 43, 50 und 441. Zum Schluß möge auch auf die aus-
führlichen statistischen Tabellen verwiesen werden. Supan.
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Litteraturbericht Nr. 559 — 564.
559. Sibirskij Sbornik (Sibirischer Sarnmelband). Wissen-
schaftlich -litterarische Beilage zur „Wostotschnoje
Obosrenijou. St. Petersburg 1886. Bd. I (russisch).
Der erste Hand der mit diesem Jahrgang periodisch in mehreren Küm-
mern erscheinenden „Sboroiki" kann nicht nur alt ein wertvolles Quellen-
werk für da« Studium Sibirien«, sondern gleichseitig auch als niu er-
freuliche« Symptom für den rüstigen Fortschritt de« Landes gellen: die
erste periodische wissenschaftlich -littcrarischo Revue i*t für eine junge
Kolonie ein bemerkenswert«« Kreignis. Der vorliegende Band enthalt nebst
einigen Literarischen Beiträgen von streng lokalem Gepräge und der Über-
setzung von eiuigen Kapiteln aus Summier« „Un «state in Siberia**, sowie
einer Studie über die auf den Eroberer Sibiriens, Jermak Timofcjew, be-
züglichen Volkslieder, einen wertvollen Beitrag zur KoloniaaUonsgoscbichte
Sibiriens von Jadrinxew: „Die Sckticrcrgemeindcn an der chinesischen
Grenze“. Der Verfasser beschreibt die von ihm persönlich besuchten An-
siedelungen im Altaj - Gebiete , welche vorzeiten gegen den Willen der
russischen Regierung hart an. ja sogar jenseits der chinesischen Grenze
von flüchtigen Sektierern begründet wurden. Eine selbständige Kolonisation
der Kachbargebiete (ein typisches Vorgehen für den russischen Kolonisten!)
findet noch heutzutage statt: der See Marko- Kul befand sich bereit« vor
sechs Jahren de facto, wenn auch nicht de jure, in Händen der Kolo-
nisten. Der Ausgang der freien Kolonien ist «teta der gleiche : die Annexion
des Gebiete« durch die russische Regierung und somit auch der Ver-
lust der Unabhängigkeit oder der ursprünglich gewährten Privilegien
für die Kolonisten (die „Kamenschtschiki* an der Buchtnrma galten bis
1878 für _Inon>dzy~ = Kingebnrno und wnren vom Militärdienst befreit),
überaus charakteristisch tritt in den Schilderungen Jadrinzews die bemer-
kenswerte Begabung der Russen zur Koloniaatiomarbeit hervor.
Von kolonialgeschichtlichera Intorewo ist ferner ein Aufsatz Micbnj-
low« über die Leibeigenschaft in Sibirien, welche «ich in extremer Weise
in der bis 182G ausgeübten Versklavung der Eingebornen manifestiert bat,
im allgemeinen aber von entschieden geringerer Bedeutung war als im
Mutterland«; sio hat sich hauptsächlich nur auf dio zu den Ländereien der
Klöster und Bergwerke gehörenden Bauern erstreckt. Bemerkenswert ixt
ferner eine kleine Arbeit über das Koue Kalifornien am Amur («ich«
„Gcngr. Mitt.“ 1885, S. 29 u. 181), deren Verfasser daa Geschick hatte, einige
Zeit als Präsident der Goldwäacher-Republik zu fungioren. Der Band ent-
hält »chlicfftlich zahlreiche Referate, sowie eine Bibliographie der neuesten
Werke über Russisch- Asien. Die nächsten Bände versprechen ein roichca
ethnographische!« Material. Sehr zu empfehlen wäre eine eingehendere Be-
rücksichtigung der Naturkunde Sibiriens. An Mitarbeitern auf die«om Ge-
biete wird cs der Zeitschrift nicht fehlen. Ptiri.
560. v. Tillo, Magnetische Horizontal -Intensität in Nord-
sibirien. (Rep. f. Meteor. St. Petersburg 1886. Bd.X,
Nr. 7, mit Karte.)
Der Verfasser hat c« unternommen, auf Grund der magnetischen Be-
obachtungen der „Vega“- uud russischen „Lena“-Kxpeditioo, «owio älterer
Beobachtungen, die grofse Lücke auf der von der Deutschen See wart« für
die Epoche 1880,0 herausgegeboneu Karte gleicher magnetischer Horizontal-
intensität (Aitnal. f. llydrogr. u. mar. Meteor. 1880) auxzufiillcn und such
die dort ganz ausgezogenen Kurven, soweit sie Sibirien betreffen, teilweise
zu berichtigen (so im Gebiet dos Beringsmceros, wo dio Linien nach S
verschoben werden). Die mittlere jährliche Änderung ist so gering, dafs
an den Beobachtungen, von denen die älteste aus dem Jahre 1818 stammt,
mit Rücksicht auf den Matostab der Karte eine Korrektion für die Sikulzr-
Ändcrung nicht anzubringen war. £mp<im.
501. Macalister, Description of a skull from an Ancient
Burying Place in Kamtschatka. (Journ. Autkropo).
luBtit. 1886.)
über den Kasiencharaktcr der Bewohner des nordöstlichen Asiens sind
wir bisher noch wenig genau unterrichtet. Auf Kamtschatka wohnen drei
Stämme: Im Korden gegen 7000 brachyccphalo Tschuktschen mit ovalem
Gesiebt, in der Mitte Koriaken, im Süden die von ihren Nachbarn völlig
verschiedenen eigentlichen Karotacbadalcn oder bewer Helmen. Der auf-
gefundene Schädel «lammt von einer erwachsenen Frau, dessen genauere
Mafse der Verfasser mittcilt. Langiund.
562. Gottscho, Geologische Skizzo von Korea. (Sitz.-Ber*
Akad. d. Wiss. Berlin 1886. Bd. XXXVI, Sep.-Abdr.»
mit 1 geolog. Kart« in 1 : 4 MUL)
563. Roth, Beiträgo zur Petrographie von Korea. (Ebendas.,
Sep.-Abdr.)
Der grüble Teil de« Luide« besteht au« gefalteten kristallini-
schen Schiefern, welche sowohl da« wasae scheidende, bis ST'" Br.
parallel uud nahe der Ostkiute, dann aber nach $W ziehonde Hauptgebirge
und Hm den laogen Westabfall einnehmende niedere und vielfach zerschnit-
tene Bcrgland xusaromensetzen. Besonders beachtenswert ist, «Li die un-
tere Gneito-Gliroroewchiefer-Gruppe mit unbedeutenden lokalen Ai iah men
von KO nach SW, dio obere l’hyllitgTuppe aber von KKW nAh SSO
oder von KW nach SO streicht. (Ahnlicho Verhältnisse beobachtete r. lticht-
hofen auf Schantung.) An der chinesischen Grenze zwischen 40J- und
41° Br. lagern auf der kristallinischen Unterlage ca mb rische Sandsteine,
Mergelschiefer und Kalksteine, die auch sonst noch kleinere Becken erfül-
len. Von gröberer Bedeutung sind auch die paläozoischen, vielleicht
kar tonischen Mergel und Konglomerate, welche das Hache, vom Kok-
tonggang mit sanftem Gefälle durchströmte Hügelland der SO-Provinz bil-
den. Der Kaktonggaug besitzt unter allen koreanischen Flüssen , die eia
rasches Gefalle und einen unentwickelten Unterlauf haben, ein ousge-
dehnte«, fruchtbare« Delta. An ein paar Stellen der Ost- und Westküste
kommen, lokal boschrankt, jüngere kohlenführende Schichten vor, die
möglicherweise tertiär sind. Die Eruptivgesteine, die eine ziemlich
grofse Rolle spielen, lassen sich in zwoi Hauptgruppen scheiden: die äl-
tere umtobt Granite, Porphyre, Diorite, Diabase und Gabbro; die jüngere
besteht aus deckoobildondom Basalt bzw. Dolcrit. Supan.
564. Milne, The Volcanoes of Japan. (Transact. seismol.
Soc. of Japan, Bd. IX, II. Teil, 1886. Mit 1 Karte
und mehreren Skizzen.)
Dtx Verfasser unterscheidet drei Vulkanzonen: l) Die nördliche, die
Kurilen und Juso umfassend, in der Richtung von KO nach SW. Die
Kurilen sind durchaus vulkanischen Ursprungs, ohne Sedimcntürgesteinc,
und auch die erloschenen Vulkanberge sind gut erhalten. Der V erfasser
halt sie daher für jünger, als die Vulkane von Kamtschatka und Japan,
Iturup und Kunaschir aber für die ältesten der Reihe. Die erstgeuauute
Insel zeigt eine ausgeprägte Strandtorm*** in 40 m Hoho. Dafs Lara-
strome nicht Vorkommen, ist unrichtig, wenn anders die Angabe bezüglich
Chirirakotan (S. 109) auf Wahrheit beruht. 2. Dio mittlere Zone um-
fatot den grü toten Teil von Kipon (Uooshiu) und die senkrecht darauf
stehende (KKW— SSO) Oshima • Gruppe (die sogenannten 7 Inseln südlich
von Tokio); vgl. dazu Litt. -Her. 1885, Kr. 810. Die Fortsetzung der
Oshima-Liuie sieht der Verfasser in den Mariannen. 3. Die südliche Zone ;
die SaUuma- Linie, die Kiusbiu durchschneidet, bringt der Verfasser in
Verbindung mit der Philippinischen Vulkuulinie. Die Höhen der Vulkan-
berge sind sehr verschieden; auf den Kurilen schwanken sie meist zwi-
schen G00 und 1500 m ; die nördliche Insel erreicht aber eine Höhe
von 2160 und dio südlichste eine solche von 2250 m. Auf Jeso liegen
die Höhen zwischen 600 und 2300 m. Auf Xipon ist dio niedrigste An-
gabe 980 m, und mehr als 3000 ro erreichen drei Vulkane, darunter der
bekannte Fuji-yoroi, dessen Messungen sorgfältig zusamracngestellt werden.
Dio Extreme sind 4321 und 3265 m ; eine barometrische Messung des
Verfassers im August 1884 ergab 3880 m, und der Mittelwert aller Mes-
sungen betragt 3780 bis 3795 m; dio entere Zahl nimmt Milne als die
relativ richtigste an. Auf Kiushiu ist der Aso-san, 1500 m, der höchste Vul-
kan. Auf die theoretischen Erörterungen übor die Form der Vulkanbergc
(vgl. Litt. - Ber. Kr. 205) wollen wir nicht näher eingehen. Eine Periode
besonders heftiger Thiitigkeit war dio Zoit von 1780 bis 1800; ein Teil
d« Berges Isen wurde zerstört, wobei viele Tauseude von Menschen um-
kamen; mehrere Inseln in der SaUuma -See entstanden; der Sakurojima
warf so viel Bimsstein aus, dato das Meer bis zu einer Entfernung von
35 km damit bedeckt wurdo, und der Asama stiefs Steinblöcke von 12
bis 30 m Durchmesser aus und ergofs einen Lavastrom von 68 km Länge.
Bemerkenswert ist, dafs sieh mehrere eidbebenfreie Gegenden in der Nach-
barschaft thätiger Vulkane befinden. Auf die jahreszeitliche Verteilung der
Eruptionen (Winter, hier vom Dezember bis Februar gerechnet, 48, Früh-
ling 39, Sommer 32, Herbst 34), die der Verfasser stark betont, ist nicht
viel Gewicht zu legen, einmal wegen der geringen Differenz zwischen dom
Winter- und Sommerhulbjahr (80 und 73) und anderseits wegen der
gmtoen Zahl von Eruptionen (80), für welche keine Zeitangaben vor-
l :eg<m, und die vielleicht alle theoretischen Erörterungen über den Haufen
werfen.
Der Hauptinhalt der Schrift ist eine qucllenmätoigr Geschichte der
wichtigen! Vulkane. Einige Resultate sind in nachfolgender Taltelle nieder-
gelegt worden.
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124 Litteraturbericht Nr. 565—569.
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Slipon.
*) Ober 50 Kegel, wovon ca IS thätig. — 2) Die Tabelle auf S. 175 des Original* fafst einige Eruptionen zusammen und zählt nur 11, daher für
die ganze Zcntmlzonn G3 und als Endsumme 233. — *) Die Karte uud die Tabellen geben für die zentrale und südliche Zo»o nur 24 , in Summa also
nur 5t thülige Vulkane an, was aber mit den Details der Tabelle nicht übereinstimrat.
5*35. Jourdy, Not© complementaire sur la Geologie de
l’Est du Tonkin. (Bull. Soc. geol. de Franco 1880,
Bd. XIV, S. 445.) (Vgl. Litt.-Ber. Nr. 122.)
Beschreibung dreier Profile: 1) Die steilen Anhöhen nördlich von
^lanoi (Garn bi* zum Fort der 7 Pagoden) bo*tehcn atu (luarnandstcin
(und zum Teil Arkose), der im WNW nach NW fällt, in der Mitte fast
vertikal steht und im OSO nach SO fällt, »omit eine ßTofto Antiklinale
damtellt. 2) Au* dem lMtuland von Hzt-Phong erheben sich zwei aus
Sandstein und gctchiohtctein Karhonknlk begehende Bcrggrupp«» , Ton
denen die südliche den Namen „Elefaritenberge" trügt. Nach 0 begrenzt
da* Delta ein Hohciixug, der aus östlich falleuden Schiefern, dann Sand*
deinen und endlich Arkoie zusammengesetzt ist. 3) Die wegen ihrer
Kohlen wichtige Bai ton Hone -Guy (im N der Along.Bai) bildet eine
DoppelmnMe, in deren Mitte die Antiklinale der Insel Unne-Üay skufoteigt.
Die Unterlage besteht um dem im N und S zu Tage tretenden Kohlen-
kalkslein : darauf lagert die Arkoje (identisch mit jenen in den beiden
frühem Profilen), in welchen die infraliasiische I*tlanxen führenden Schie-
fer mit den Kohlenflözen eingelagert sind. SMjmn.
566. Gouin, Lea Rivii*rea «lu Tonkin. (Rev. niarit. ot col.
1886, Bd. XC, S. 5.)
Bei Hanoi marht sicii der Kinfluf* der Gezeiten nur noch durch
Stauung bei Niedrigwusser geltend. Der Wamerstand differiert hier um
0 — 8 in zwischon August bis September und Dezember bi* Januar. Der
Strom lut hier bei Hochwasser einen echten Torrenlciicharakter, daher
Veränderungen des Klufslaufcs, mächtige Ablagerungen, wechselnde Tiefeu-
verhiUtnisse bei allmählicher Erhöhung de* Bett**, die auch eine Erhöhung
und Verstärkung der Dämme nötig marht. Die Iktmpfschifffahrt ist ober-
halb Hanoi wahrscheinlich unmöglich, und der Handel wird sieh hier
leichter Dschunken bedienen müssen. Die Pliicho des Deltas wird auf
12SOO qkm, und dosten Bevölkerung auf 7 Millionen geschätzt, was eine
Dichtigkeit von über 500 pro qkm ergeben würde. Die Mündungastcllen
sind für die Schilfihrt noch wenig geeignet ; auch ist der gänzliche Mangel
von .Schutzvorrichtungen für die Schiffe auf der langen Strecke von Turon
bis Haiphong «ehr empfindlich, besonders in der Zeit der Taifun«. Ala
Khcgdiafen ist die Along-Bai ausgezeichnet; der wichtigste Kuchcrhafcn,
wo im Winter Tauaende von chinesischen Dschunken sich rorsarumelu, ist
Usch». Als Handelshäfen genügen weder Haiphong noch das beträchtlich
dichtere Guang*y4n; nur die Ticfenverhaltniss* von Hongay in der Bai von
Jialong würde» den modernen Anforderungen entsprechen. Supa».
567. Bureau&Franchet, Premier apor$u do la Vegetation du
Tonkin nidridional. (C. rend. Ac. Sc. 1886, I, S.927.)
Es werden 857 Pllaoxcnspezie.s aus den Ebenen und modern Gebirgen
südwestlich vom Songkadelta mich Familien gruppiert. Die dortige Flora
erscheint danach wesentlich verschieden von der des nordöstlichen Tonkin,
soweit dieselbe bekannt ixt.
Während dort dio Gramineen die grüble Zahl von Spexic« besitzen,
kommt im SW den Leguminosen (7.? Prozent) die erste Stelle zu; e* fol-
gen (’yperocecn, Compotiten, Hubiacecn, Kuphorbuccen mit je 40 und mehr
Arten, di« Gramineen erst an siebenter Stelle. Neun Familien des NO
fehleu im SW , der dafür 37 andre allein vertreten zeigt , darunter eine
Anzahl spezifisch tropischer. überhaupt zeigt die Flora d« südwestlichen
Tonkin grofse Ähnlichkeit mit der indischen; die Einführung von Gutta-
perchftbäumen würde daher nach Ansicht der Verfasser hier eher Aussicht
auf Erfolg bieten, als in der Gegend von Haiphong. Sohrlach.
568. Blanchard , Aporyu touclmnt la fauuo do Tonkiu.
(Compt. rend. Ac. Sc. 1886, I, S. 791.)
Der Verfasser teilt die allgemeinen Resultate mit, welche dio l'nter-
Buchung einer gröbern Sammluog von Insekten aus Tonkin, gesammelt
durch einen Arzt der Fremdenlegion daselbst, Lwguc, ergehen hat. Die
Arten gruppieren »ich in zwei Abteilungen : einerseits solche , welche im
indochinesischen Gebiet überhaupt eine grobe Verbreitung besitzen, und
anderseits neue Arten , vielleicht den untersuchten Gegenden eigentümlich,
aber jedenfalls andern Spezies au« dem genannten Gebiet sehr nahestehend.
Unter den 90 Arten von Schmetterlingen (meist Papilionidcn und Nyrnpba-
liden) befindet sich überhaupt keine neue. Dio Käfer, von denen 567 Spe-
zies verbogen, sind vorzugsweise durch ptlnnxenfre wende Formen (Chrysome-
lideu, Curculioniden, Cerambyeiden) vertreten, doch fehlen, entsprechend
dem Mangel an sehr groben Uiiumou, dio besonders grubeo Arten; auch
die Sc-arabehlen sind recht verbreitet, wogegen di« Hauhkäfer, insbesondere
dio Uarabidcn, mehr zurücktroten. Im allgemeinen bestätigen die Unter*
Buchungen eine gewisse Einförmigkeit der Insektonfauna des indochinesischen
Kü*tengebicto*; eino weitere Einteilung desselben wird erat möglich »ein,
wenn ein reicheres Material aus dem Innern, besonders uus den Gebirgen
Toriicgt. Bohrbach.
5G9. Rollet de l'lsle, Tonkin ot dana lea mors de Chine.
Paria, Pion, Nourrit & Co., 1886.
TagebuchbUtter ein*« Marine- Ingenieurs, der über die Küste nicht
hinautkum, und hauptsächlich den kriegerischen Ereignissen im letzten
Litteraturbericht Nr. 570—577. 125
Jabio gewidmet. Mehr Gewicht scheiut der Verfasser auf die zahllosen,
im Huch verstreuten Skizzen zu logen. Mit einem scharfen Blick für dos
Komische begabt, zeichnet er die Menscheu im Stile des „Journal umuiunt“,
und wird damit, beiondora mit den kolorierten Bildchen, grofson und
kleiueu Kindern sicherlich viel Vergnügen bereiten. leider sind auch
seine landschaftlichen Skizzen meist Karikaturen. Supan.
570. Bulletin do la Soc. des utudes indocliinoisoa. Annue
1885. Saigon 1886.
Ti ran t beschreibt dio wohlriechenden Hölzer von Cochinehina, von
denen er 7 Arten oder Varietäten aufzäblt; Viaud empfiehlt die Ptlauzen-
gattung Sansericre (4 Arten in Pochinchina) zur Textil- Industrie; und
Tran-Nguyen-Hauh schildert die iu Cochinehina, Airaro und China
gebräuchliche BorcitungswcUe einer Art K&io aus Bohnen. Supan.
571. Bodens, Rapport Bur la Situation econoniiquo du
Cambodgo. (Cochiucbiuo frau«;. Saigon 1886. Bd. XI,
S. 161.)
572. Campion, Los lies et los cötos fran^aiscs du golfo
de Siam. (Ebendas. S. 173.)
Kaum dor 100. Ted du kultivierbaren Bodens ist wirklich bebaut,
Kino Besserung ist auch nicht zu erwarten, so lange die Bevölkerung, wie
bisher, stationär bleibt. Die Ansiedelung der Abnamiten gelang nicht, da
sie sich nicht mit den Kingcbornnn vermischen, wie z. B. die Chinesen.
Hnuptcrxcugnioc sind Kcis, dio Fische des Grofson Seos und KUcn.
Baumwolle, Indigo, Tabak und Muulheerbuum würden im fruchtbaren Al-
luvialland do* Mekong ausgezeichnet gedeihen. Zu beachten ist nament-
lich, dafs Frankreich noch keine Indigokolonic besitzt.
Die hohen, mit reichem Grün geschmückten Fclsoninscln de» Golfs
von Siam, die submarinen Ausläufer der Klcfantnnkctte, sind unbewohnt,
werden aber von den Fischern während des NO- Monsuns vielfach besucht.
Supan .
573. Bryce, Burma. (Proc. R. Geogr. Soc. 1886, Bd. VT1I,
S. 481. Mit 1 Karte.)
Durrh die Anuexton von Oherbiriua wurde <!*•> britische Kolonialreich
um ca 360 000 qkm vermehrt. Das Dcltaland des Irawidi, der bis Bhamo,
also auf eine Strecke von 1400 km, mit Dampfern befahren werden kann,
ist bekanntlich einer der gröfsten Krixproüuxentcn der Erde, weun auch nur
l/7 des kultivierbaren Bodens bebaut ist. Die obern Irnnadithälcr, im
Windschatten des SW-Monsuns gelegen, sind zwar vcrliultuumüßig regen-
arm, werden aber durch regelmäßige Fluküberschwemmungen befruchtet,
und liefern RcU, Baumwolle, Weizen &C. Auch das vom Verfasser be-
suchte Kyendwin - Flußgebiet enthält nicht blofa im Haupt-, sondern auch
iu den Nebeutbiilern große und fruclitbare Khenen. Dos Kubothol dürfte
die reichste Gegend von Oberbirma sein. Die Bevölkerung von ganz Birma
wird auf Millionen geschützt; davon kommt etwa die Hälfte auf die
Birmanen, einschließlich der Arakaner. Sie bewohnen vorzüglich die alte
britische Provinz; nur den südlichen Teil von Pegu bewohnen zum Teil
oder ausschließlich die Tading oder Mon, welche rieb aber meist nur kör-
perlich, aber nicht in bezug auf Religion, Charakter und Gewohnheiten
von den Birmanen unterscheiden. In den Thallandschafton des obern Ira-
wadi dürften die athletisch gebauten Schon die Mehrzahl der Bevölkerung
bilden. Ihnen körperlich verwandt sind die ebenfalls buddhistischen Yaus
des untern Kyendwingcbietc*, dio abrr einen birmanischen Dialekt sprechen.
Das üebirgo bewohnen noch unziulirierto, nicht buddhistische Stämme: im S
die Karen, die nach Ansicht des Verfasser* aus SW-China stammen, im W
bis ea 24j° Br. dio Khyen, und im O und NO die Kakhyen. Supan.
574. Dru , La peniusido malaiso. (Bull. 8oc. acad. indo-
chinoise. Paris 1883—85. II. Ser., Bd. II, S. 152,
mit 5 Karten.)
Besprechung de* Projekts eine* Durchstichs des Isthmus von Kroli»
wodurch der Weg von Calcutta mich Hongkong um 03 Stunden, üct von
Ceylon nach Hongknug um 60 Stunden abgekürzt wordon soll. Unter
I0£° N. wird der Isthmus von zwei Flüssen durchströmt: der westliche
(Krolj) mündet in den Paktscham, dessen Tiefe noch 26 km von seiner
Mündung *j m beträgt und sich aufwärts auf 1.8—2 m verringert; der
östliche (Tachomphaun) ergießt sich in den Golf von Siam. Der höchste
Punkt des Isthmus wird auf 30 m geschützt. Dct Kanal, dessen Verlauf,
wie den der projektierten Bisenbahn die Karten teigen, dürfte eine Lange
von 101» km bositzen (al*o beträchtlich länger als der Panaroakanal) ; das
auszuhebende Matena] wird auf 30 — 38 Millionen cbm und die Kosten
werden auf 80 — 100 Millionen Frank geschützt. Supan.
575. Plant, Notes on the Philippines. (.Journ. Manchester
Geogr. Soc. 1886, Bd. n, S. 19.)
Der Verfasser gibt einen summarischen Abriß der Eotdeckungsgeschichte,
Länder- und Völkerkunde des Philippinon-Archipels, um sich dann etwas ein-
gehender mit der Insel Kegros, seinem Stationsort, su beschäftigen. Letztere
Abteilung »einer Schrift bietet auch manches Nenn und Interessante, so über
den Vulkan MtUspinu (von dem Verfasser Ca ul «an, tL h. the Grand
Old Man, genannt, während andre Quellen ihn Canloon, D’ Almoute in
seinem Croquis der Comandancia Escalante Canlaou heißen). Scino
Höhe wird auf 2497 m berechnet. Was dio ethnographischen Notizen
anbelangt, so sind jene über die wilden Stämme des Binnenland» sehr
dankenswert, da gerade über diese so gut wie nichts bekannt ist. Sehen
wir von den Kingcwandcrten — den Spauiern und Chiuesen — sowie deren
Mischlingen ab, so «ctxt sich die Bevölkerung der !n<cl au* Malaien (im
weitem Sinne de* Wortes) und Negritos zusammen. Letztere rind, obwohl
sie ein*4, ihrer Häufigkeit wegen die Spanier veranlaßt haben, diese Insel
lala de los N eg ros zu nennen, jetzt nur noch iu geringer Anzahl vor-
handen. Die Malaien zerfallen in dio christlichen, halbzü vibrierten V isnyas
der Küslenluudschaften und die heidnischen Stämme des Innern, welche der
Verfasser, einem gpani*chcn Mißbrauch« folgend, unter dem Namen Ygor-
rotea xustmmenfaßt, obwohl der Name Carolanoa näher gelegen wäre.
Diese Heiden erinnern in ihren Charaktcrxügcn sehr an einzelne Borgst im me
der Insel Mindanao. Blutrache ßt die Veranlassung zu steten Morden und
Fehden. Dio Annahme, dafs die im Inocm wohnenden Heiden mit den
Vifayas stammverwandt bxw. Abkömmlinge von diesen wären (sogenannt*
Kcmontudos), ist durch die Angaben Plant.* hinfällig geworden: jene
Heiden bilden einen Stamm oder Zweig der philippinischen Malaien für
sich. Der nationalen Vorliebe für Kuilersport danken wir eine Beschreibung
der dort briiuchlichen Schilßgattuugen. Die Kapitel über Vegetation und
Tierrcirh sind die »rh wachsten, darüber rind wir aus deutschen, englischen
und spanischen Werken sehr gut unterrichtet, nicht einmal die wissenschaft-
lichen Namen der angeführten Pflanzen und Tiere werden genannt, das Vor-
, zeichni* selbst ist lückenhaft; ebenso dürftig und zum Teil unrichtig sind
die Bemerkungen über die Sprüchen der Philippinen.
Von den zwoi boigegebonen Karten ist dio eine eine Kopie dos betreffen-
den Blattes von Stieler» Handatlas (mit Wiedergabe der unrichtigen Loge von
Puerto l'rinccxa), dio andre eine Spezialkarte der Insel Xegrox kompiliert
aus der Karte von Moutexo y Gay und der iu l'etermanns Mitteilungen 1885,
Tiifcl 7, publizierton Karto dor Comandancia Kvralunto von Almontc.
Blumentritt .
576. Wilken, Het tollon bij nachten bij do volkun van
hot maleisch-polynusischo rus. (Bijdragou tot do Taal-,
Land- en Volkenkunde van Nedorl.-Indiü 1886, V° roeks,
I, S. 378.)
Die Anfälle, welche der Vertaget »ich gestellt, wird, wie es scheint,
durch folgenden, am Schlafs de» Auftutxe* verkommenden Satz ausgeslrüekt :
„Wir sehen, wie allgemein das Zahlen nach Nächten bei den Völkern der
malaiisch- pol ynwischen Kasse ist. Die» Verfuhren Ul ihnen eigentümlich
und nicht ven den Arabern entlehnt; ein ausführlicher Ke» eis des (jesagten
ist überflüssig, denn die Sache erklärt »ich von seihst durch den Oebranch
des Mondes als Zeitmesser." Mit der Bemerkung, dafs der Mond bei Natur-
völkern eine bedeutende ltolle für die Zeitbestimmung spielt, fängt der Auf-
satz auch an; unsre germanischen Voreltern, Gallier, die alten Indier, die
Amber, verschiedene malaiisch -polyncsisehe Stämme, liefern die Beispiele,
die, wie man es hei dem Verfasser gewöhnt ist, durch ssblreicho Citate be-
lebt sind. Die beiden „Bataksehen Brandbriefe“, die nugehängt sind, stehen
mit dem Inhalt des Aufsatzes nur insofern in Verbindung, als auch in den-
selben von vier „Nächten“ gesprochen wird. tut iger.
577. Tiete, I)e Europäers in dun maleischon Archipel.
81' gcdeelto 1611 — 1618. (Bijdragcn tot do Tnal-,
Land- en Volkenkunde van Nederl. Indie 1886,
V" recke, I, S. 259.)
' freies Arbeit über die Geschichte der Europäer im ruslsiisehen Archi-
pel wird weit Uber die Grenzen Hollands hinaus hochgeschätzt ; cs bedarf daher
hier keiner Beurteilung derselben, und es genügt, den Inhalt des vorliegen-
den Abschnittes liier anznzeigeu. Derselbo beginnt mit der Ankunft Pieter
Botbs, des ersten Gencralgouvemeurs , in Bantam und besehreibt aeine
weitere Heise nach den Molukken. Im zweiten Kapitel sehen wir znm
Verdrufs der Holländer wieder einige Engländer in verschiedenen Teilen
des Archipels snftreten : die Eroberung der Ports anf Tidoro und auf Solor
bildet den Schluff. Das dritte Kapitel gibt zunärlut eiue Übersicht der
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126
Litteraturbericht Nr. 578 — 583.
Sachlage auf Java; Reynst nimmt die Stelle Boths ein, besucht Ambon, 1
kehrt aber wieder nach Jara mriick, wo die Engländer ihm Sorge berei-
ten; mit seinem Tode schliefst das Kapitel. Das nächste Kapitel beschäf-
tigt sich ausschließlich mit molukkischen Xuständen, während das fünfte
uns noch Atjeh und Malakka führt; dasselbe schliefst mit dem Tode des
Juan de Silva und dor Rückkehr der Flotte nach Manila ab. Nachdem
in den beiden nächsten Kapiteln wieder ausschließlich Angelegenheiten der
Molukken (bis 1618) besprochen sind, gibt das Schlußkapitel eiue allge-
meine Übersicht der Sachlage und der Vorgänge auf Java und bereitet
UD8 so auf die wichtigen Ereignisse, die wir, hoffentlich bald, im nächsten i
Abschnitt kenuen lernen werden, vor. Mtitfftr.
578. Cotteau, Voyage aux Voloans de Java. (A.nuuairo
CI. alp. frang., Bd. XII, 1885. [Sep.-Abdr.])
Kurze touristisch« Notizen über einige Vulkane. Hervorbeben wollen wir
die Messungen der Kulturgrenxe : Tankubnn-Prau IGUOm, Merapi 1800 ra,
Bromo ca 2300 m, Dörfer noch in 2200 m Höhe. — Dio Holzschnitte
sind nach Photographien aiwgefuhrt , nur passierte dabei eine kleine Ver-
wechselung zwischen den Vulkantu Salak uud Merapi. Supan.
579. Poensen, Brieven over den Islatn uit de ßinueulandon
van Java. Leiden, J. Krill, 1886.
Der Verfaaser, dem wir so viele wichtige Mitteilungen übor den Ja-
ranen und namentlich Uber das Geistesleben desselben verdanken, veröffent-
licht hier eiue Reihe von (zuerst in einer indischen Zeitung erschienenen,
von Professor Veth durcbgcschcnen und in Kuchfunn herau»gegebcnen) Briefen
über die Form und da* Vorkommen des Islam auf Java. Charakteristisch
wird der Inhalt bezeichnet durch den Titel, welcheu dieselben bei ihrem
ersten Erscheinen in Indien tragen, sic hießen du: „Briefe eines Deta-
mauncs“ (das letzte Wort mit Dorfbewohner wiederzugeben). Sie sind wirk-
lich in einfacher Form geschrieben und bestimmt, ohne gelehrten Apparat
eine Darstellung des Islam zu geben, wie er sich auf Java faktisch gestaltet
hat. Diesen Zweck erfüllt das Buch, trotz ciuzeluer Irrtümer, die der
Herausgeber übrigens in der Vorrede erörtert hat, vollkommen; eine Studie
Uber oder ein tiefer*» Eingehen auf deu Islam im allgemeinen lag nicht im
Plan des Verfassen!. Für denjenigen, welcher sich mit dem Ringehornen
von Java bekannt zu machen wünscht, verdient di*» kleine Buch die
wärmste Empfehlung. Xldigtr.
580. Neumann , Het Pane en ßila Stroomgebied op bet
eiland Sumatra. (Tijdschrift Aardrijkekundig Gonoot-
schap, Serie II und III, raeer uitgebreide artikelen
1886.) [Vgl. Litt.-Ber. Nr. 343.J
Der zweite Teil der Abhandlung beschäftigt eich mit der Geschichte
der Batahs, die beigegebono Karte zeigt die verschiedenen Stammgebiete.
Eine allgemeine Geschichte des Stammes bildet dio Einleitung, hierauf
folgt eine Übersicht der ältesten Geschichte de« Stromgebietes uud der
Wauderungen der verschiedenen Stimme. Wiowohl hei einem einzelnen
Stamme sogar schriftliche Überlieferungen angetrotfen werden, ist e« doch
nicht roiiglich, das Chaos zu entwirren , in welchem die ältere Geschichte
versinkt. Anders gestaltet sich die Sache seit dem Anfang diese» Jahrhun-
derte etwa, seitdem die Batahs von den Padric« unterdrückt wurden; darauf
folgt die Geschichte der ersteu Niederlassung der Holländer in ihrem Ge-
bicto und dio weitem Vorgänge bis zum Jahre 1879 bilden den Schlufs
des Ganzen.
Hier und da wäre wohl etwas mehr Übersichtlichkeit zu wüuscheo; es
ist manchmal schwer, aus den vielen roitgcteiltcn Angaben immer diejenigen
hernuszufinden, auf welche der Autor »eiue Ansichten begründet hat. Daß
die ältere Geschichte vollständig im Dunkel lag und auch jetzt noch liegt,
kunn ihm natürlich nicht zum Vorwurf gemacht werden, wohl aber rechnen
wir cs ihm xum Verdienst an, dafs ct wiederholt auf MiCsvcrstandnisso, dio
sich «ingeschlichen haben, aufmerksam gemacht hat.
Als eine Mutmaßung stellt er hin, dafs die Batalxs mit andern Stäm-
men Sumatras von Malakka gekommen seien, er widerspricht der Ansicht,
welche ihren Stammbaum von Menangkarbau ableiten will. In älterer Zeit
streckte sich ihr Gobiot bis nach Malakka aus, im 13. Jahrhundert um-
faßte daHclbo das Land von Dolok Pasoman und vom Uuellengebiet des
Kampur im Süden bis zum Gebiet von Atjeh im Norden, da ouch die Oajo«
zu ihnen gehören. Heutzutage dehnt sieh dasselbe aus: längs der West-
küste bis Natal und Ajar Bangis, im Norden bis zu dem Fluß von Singkcl
und denen von tangkat und Doli, auf der Ostküste Ton dor Mündung der
Pane bi« zur Mündung der lledagci und im Südeu bis nach Ajar Bangis,
Tjubad&k, Klein - Mandholing, der Abteilung Hau und Sott.
Im dritten Teil liefert Neumann in zwei Büchern Beitrag« zur Kennt-
nis der Ethnologie der Batahs, und zwar bespricht er im ersteu Ruche die
Bevölkerung iro allgemeinen und im zweiten Buche die gottesdienstlichen
Vorstellungen der heidnischen Batahs. Begreiflicherweise können wir hier
nur ninzclno Punkte des reichen Inhalts berühren.
Dor Autor spricht mit Bestimmtheit von einem batabschen, von den»
malaiischen verschiedenem Typus der aber immer mehr verschwindet. Die
guten und bösen Charaktereigenschaften werdon hervorgehobon , und das
Urteil, wie meistens das derjenigen Personen, welche sogenannte Naturvölker
näher kennen gelernt, ist im allgemeinen ein günstiges; namentlich sucht
Herr Naumann — und unsrer Ansicht nach mit großen» Recht — hervor-
zuheben , daß man nicht das in Europa oder vielmehr in irgend einem
speziellen Lande des HrdtoiU herrschende Moralgesetz als Maßstab der
Beurteilung unlegen darf. Auffallend sind die vielen Ausdrücke zur Be-
zeichnung der verschiedenen Entwiekclungsstufen d« Kindes (lti), wäh-
rend für da« höhere Alter nur drei vorbimleu sind. Der Zustand der
batahschen Frau wird ausführlich erörtert, und hieran schließen rieb
weitere Bemerkungen über die Lubus, die schon im vorigen Abschnitt er-
wähnt wurden. Weiter folgen noch Mitteilungen übor die Wohnungen,
den Hausrat, die Nahrung, die Kleidung, Waffen, Spiele und Vergnügungen.
Hervorheben möchten wir den Bericht über dai (dieser Umstand ist wohl
nur wenig bekannt) häufige Vorkommen von Kröpfen bei den Batahs dor
Berggegeuden ; über die Ursache dieser Erscheinung ist nichts Sicheres be-
kannt, kalkhaltige« Wasser, die Uerglufl, eine gewis«« Melonenart werden
hierfür verantwortlich gemacht ; andre suchen die Ursache in den schweren
Lasten, welche die Batahs von Jugend an auf dem Kopfe tragon. Häufig
fangen die Kröpfe schon bei Kindern von 4 — 5 Jahren an sich zu bilden,
bei Erwachsenen erreichen sie manchmal eine sehr ansehnliche Größe,
Neumann erzählt von einem Manne, dem er bis zur Brustwarze reichte.
Das zweite Ruch ist, trotzdem Uber denselben Gegenstand schon eine
Arbeit (des l)r. B. Hagen in Tijdschr. Ind. T. L. en V. XX VIII) vorliegt,
oder vielmehr gerade mit Rücksicht auf das Bestehen derselben, sehr wich-
tig; Neumann weicht von Hagen vielfach ab, wie er ausdrücklich hervor-
hebt und beweist, wenn es noch nötig seiu sollte auß neue, daß es sehr
wünschenswert ist, die Anrichten verschiedener Berichterstatter über den-
selben Gegenstand zu Rate zu ziehen.
581. Hunter, The Indian Empire. Sec. Ed. London, Trüb-
nor & Ko., 1886.
Die zweite Auflage dieses vorzüglichen, zuerst im 4. Band vom üazcttcer
of India (1881) erschienenen historisch-geogiaphischen Werkes ist nament-
lich in den geschichtlichen, kulturhistorischen und wirtschaftlichen Kapiteln
bedeutend erweitert (um mehr als 200 Seiten) und hat fast durchaus die
neuern Publikationen zu Rate gezogen. Namentlich wird die sorgtältige
Verarbeitung der Ergebnisse de« Zensus von 1881, wobei nur ein etwas
tieferes Eingehen in die Details wünsch entwert gewesen wäre, dor zwei-
ten Auflage diese« unentbehrlichen Handbuches dio größte Verbreitung
sichorn. Supan.
582. Foote, Notes on tho Geology of parte of Bollary and
Anantapur Districts. (Hoc. Gool. S. of India 1886,
Bd. XIX, S. 97, mit 1 Karto.)
l)aa genannte Gebiet liegt unter ca 15 — IG*' N und 75 — 78° 0. I)i«
Unterlage und auch den gTüßtcn Teil der Oberflächo bildet Granitgnciß.
ln einigen nordwestlich streichenden Bändern lagert darauf muldenförmig,
aber unkonform die Dharwar-Sdiiefcrgrupp«, welche sicher nur ein Rest
einer weitverbreiteten Ablagerung, uud deren Faltung und Denudation älter
ist, als dio KaludgUchichten, die das Handbuch von Modlicott und Blanford
zu den obem submetamorphi&ehen oder Übergaogs-Geeteinen rechnet. An den
Rändern tritt die Yindhyan»Form«tinn und der Dekan-Trapp auf. Die Tuff*
agglomcrate von Wadjra Knrur, so ähnlich dem diamantonfübrendon Gestein
von Kimherlej, enthalten keine Diamanten. .S’upon.
583. King, Geological Sketch of tho Vizagapntaro District,
Madras. (Roc. Geol. S. India 1866, Bd. XIX,
S. 143.)
Ausläufer der OstghiU streichen hier in nordöstlicher Richtung bis au
die Küste heran und geben derselben im Gegensatz zur Übrigen Ostküste
ein ganz eigentümliche« Gepräge. Sie bestehen uu.« verschiedenartigem Gneiß:
in iaolierten Massen tritt auch kristallinischer Kalkstein zu Tage, der neben
andern Hahlen such die xicmiu'h umfangreiche Borragrottc enthält. Sonst
kommet) nur noch postpliocäne Ablagerungen vor, nnter denen der rote Sand
der Waluir-Uiigcl ein besonderes wenn auch uur lokale« Interesse in An-
spruch nimmt. Supan.
Littcraturbcricht Nr. 584—593. 127
584. Oldham, Prospects of find ine; coal in Western Ray-
putann. (Rec. üeol. S. India 1886, Bd. XIX, S. 122.)
585. , Preliminary Note on tho Geology of northern
Josalmer. (Ebendas., S. 157, mit. 1 Karte.)
Die indische Wüste ist noch sehr wem? durchforscht, daher sind die
Angaben de« Verfasser», wenn auch skizzenhaft, doppelt beachtenswert. Kr
unterscheidet in der Richtung von 0 nach W drei geographische Zonen:
am Fufs des Arawali- Gebirge» eino Aiiurialebene mit zerstreuten, steilen
und felsigen Erhebungen ; dann ein welliges Land mit ausgedehnten Knt-
blöfsuogen der GcsteinsuntciUgc, ondlich die Gebirgsoase von Dschesalraer,
bestehend tos zahlreichen parallelen Höhenzügen, die durch sanft geneigte
Ebenen getrennt werden. Nur zum Teil fallen diese drei geographischen
Zonen mit ebenso vielen geognostischen Zonen zusammen. Diese sind,
ebenfalls von 0 nach W: 1) Isolierte Anhöhen der Alluvialebene , welche
aus steil uufgeriehteten ölten Übergangs- oder submcUraorphUchen Gesteinen
bestehen, wie das Arawalt-Gebirge; 2) dio bis Kap und Pokaran reichende
Zone tluchgclogertcr Sand- und Kalksteine der Viudhya- Formation, und end-
lich 3) die Zone mesozoischer und tertiärer Ablagerungen, mit welchen der
Verfasser sich speziell beschäftigt. Am Ostrande derselben li«^t eine Ge-
schicbeablagorung glazialen Ursprungs mit Fragmenten von Vicdhya-Kalkstcin
und offenbar identisch mit dem Gestein, das Blanford 1876 bei Fokaran
fand; dann folgt westwärts eine Ueihe von Sandsteinon mit sanftem Fall
nach WNW. Im Dschcsalrocr-Gebiot folgen dio Gesteine ihrem Alter nach bei-
läufig Ton S nach N : Ldthi-Sandsteiii, Dschesalmer Kalkstein (wahrschein-
lich mittlerer Jura), ßedesir- und Parihar-Sandrtoine (Oberer Jura?), die
schon bekannte Kctsrhri -Ammonitenzone (hier Aburgruppc genannt), end-
lich Nummulitenwhiehten.
Dünen kommen überall vor, besonders zwischen Nagore und PbalodL
Während in der Breite von Dschcxalmer die felsige Unterlage häutig zu
Tage tritt, verschwindet sic in der Breite von Bikaner unter der Band- und
Alluviuldeckc. Die sandlosen Distrikte könnten noch der Ansicht des Ver-
fassers wenigstens in regenreichem Jahren bebaut werden. Brunnen sind
selten, und es wird ein Fall angeführt, wo auch iu 160 :u Tirfo kein Wiuser
gefunden wurde. 5upu».
58G. La Touche, Geology of tho Upper Dohing basin.
(Rec. Geol. 8. of Jüdin 1886, Bd. XIX, S. 111,
mit 1 Karte.)
Der Dehing (Dihing) int eiu Zutlufs des Brahmaputra im obom AOam.
Da.* ihn im S. begleitende Gebirge besteht auaschlieMich aus »teil aulge-
riehteten Gesteinen des obem Tertiärs und von subhiroaUiischcm Typus;
im nördlichen Gebirge folgt auf das Tcrtiiirgehäuge Gneifs, weicher die
hohem Partien und die Kiirnme zusaranieusctzt. Das Dihingthal ist nus-
gezrirhnot durch diluviale Ausfüllungstemissen , und die erneute Erurtoiu-
tbütigkeit des Flume» schreibt der Verfasser einer Senkung des Krehnui-
putra-ThalPS xu. Supan.
587. Oldham, Note on tbe Olive Group of tho Salt-rungo.
(Rec. Gool. S. India 1886, Bd. XIX, S. 127.)
Der Verfasser bestreitet die im Iitter.-Bcr. Nr. 466 mitgeteilte Auf-
fassung N\ sagen», indem er danruthun sucht, dafs die paläozoischen Fossile
der Olircngruppo sich auf sekundärer I.uger*tätto befinden und daher für
die Altersbestimmung untauglich sind. Die Olivengruppe ist eino einheit-
liche Gruppe, welche innig verbunden ist mit Schichten von anerkannt nu«
mulitüchem Alter, und wahrscheinlich gleich alt ist mit den infranumu-
litischcn Glazialschichten von Ltdok. Supan.
Afrika.
588. Dawson , Tho goologicnl Rolations of RocIcb front
AsBounn and its Neighbourhood. (Gool. Mag. 1886,
Dec. UI, Bd. UI, S. 101.)
589. Bonney , Tho Structure of tho Rocks of Assouan.
(Ebendas., S. 103.)
Es werden unterschieden eine ältere (lamcnlinischc) Gneifsgruppe mit
Streichen zwischen NNW— ONO und steilem Schichtenfall, und einejüngero,
dem Norian und Iluronian entsprechend horizontal gelagerte Scrio von Por-
phyren und Graniten , welche auf der Biggeh-Inael gefunden wurde, über
iu der .Arabischen Wüste noch besser entwickelt oder erhalten ist.
Supatu
590. Ardagh, Tho Red Sea Petroleum Deposits. (Proc.
R. Geogr. Soc. 1886, Bd. VIII, S. 502.)
Dft9 Voikoron>en von Steinöl an der Westküste des Roten Meeres war
schon den Alten bekannt. Bei Dschebel Zeit unter 27° 51 * N lagert an
der Porphyrmasse gegen 0 hin ein Kalkstein mit marinen Muschelschalen,
Fucoiden und kleinen Korallen an, welcher 180 — 240 m über dio See sich
erhebt, worauf dio rezente litorale Korallenbitdung folgt. Ein Bohrloch im
Strand, 45 — 90 m vom Meer, füllt sich, sobald man den Seeapiegel erreicht,
mit Solxwwwer, welches von einer PetToleumschicht bedeckt ist. Der Ver-
fasser vermutet, dafs das öl schon in sehr geringer Tiefe erreichbar ist,
um) dafs es von organischer Ablagerung innerhalb des Kalksteines herstamrot,
deren Zersetzung durch dio vom eruptiven Porphyr auagestrahlte Hitze
bewirkt wurde. Bohrungen auf dor Dscheimah- Halbinsel (ca 27° 40' N)
ergaben 1886 ebenfalls günstigo Resultate. Der Verfasser glaubt dem Ägyp-
tischen Steinöl eine grofse Zukunft versprechen zu dürfen, namentlich als
Heizmaterial für Dampfschiffe und Eisenbahnen. Sup.m.
591. Schweinfurth, Alto Baurosto und hioroglyphische In«
Schriften im Uadi Ghsüs. (Abhnndl. Ak. d. Wiss.
Berlin 1885. Mit 2 Tafeln. Soji.-Abdr.)
Vidi üusüs ol-foqäui, unter 26° 36' lir. in das Kot« Meer mündend,
i»t neben dem lradi Hamamat die einzige Stelle der üslltehcn Wüste, die
Hieroglyphen aufweist. Dor Verkehr war im griechisch-römischen Zeitalter
ein ungleich regerer, als heutzutage; ca 1 km vom Meere entfernt zog der
Küste entlang eine Kürocrstrafsc, deren Reste besonders unter 20i° Br. gut
erhalten sind. Die beigegebene Karte in 1 : 200 000 verzeichnet such dio
rezenten, bis zu 80 m hohen Koniilenritic, die jetzt stellenweise 7 krn von
der Küste entfernt sind. Supan.
592. Rolland, Sur hi gcologic do 1» Tunisio centrale, du
Kef aKairouan. (Compt. rend. Ac. Sc. 1886, 1, S. 1345.)
In dem zentralen Tunis herrschen durchweg Schichten senonbehen Alter»
vor, mit zahlreichen Wcchsellagerungcti von Mergeln und Kalken mit Ino-
ccraracn, in den obem Schichten mit Hctorocerus polyplorum Rocrn. Das
im ganzen ca 300 in mächtige, vielfach gefaltete Senon wird stellenweise
durch mächtige Ablagerungen von Kalksteiue» überlagert, welche ganz von
Nummuliten erfüllt sind. Dieselben scheinen zusammen mit den aus Algier
bekanut gewordenen eine besondere Fauna zu bilden, welche durch eino
Reihe eigentümlicher Arten, sowohl von der der nördlichen MiltclmeorUnder,
als auch von der arabisch -ägyptischen verschieden ist. Während in der
Hamid» c! Kessere untere» und mittlere» Kocün , in der Kalua el Harrath
nur das untere vertroten ist, finden sich im Dyr el Kef auch dio oben»
eoeäuen Schichten und »ogar ein Stück MiocÜn mit Ostrea craasiwimu.
Noch unter den untern Nummulitcnkalkon wurden coeänc Phosphorite
von ziemlich grofser Verbreitung nach Ost und West gefunden, im Orten
fehlen die untern Nummulitenkalkrtrinn , dagegen werden die Phosphorite
hier zunächst durch eine mächtige Schichteureiho von Sandsteinen und
gipsführenden Mergeln überlagert.
Bei Kef, am Djebel Znfran und Dj. Lorbens finden »ich Siifswasser-
bildungcu, welche dem oberu Miocän oder dem Pliocun angehöreu.
Rohrlach.
593. Lataste, Cataloguo provisoire des Muramifcrea apela*
giques sauvagos do Barbario [Algdrio, Tuuisio, Maroc].
(Extrait dos Actos Soc. Lina. Bordeaux, Vol. 39,
S. 129.)
Der Autor reduziert, indem er 20 Arten von Loche in die Synonymie
verweist, die Artcnxahl der wildlebenden nordafrikanischeu Laudniugetiere
von 1)8, die ich (Zoo). Garten, Juni 1886) aufgeführt, auf 83, von denen
aber vier fort sicher (Ursus Crowtheri, Alactaga arundinis, Bos
atlanticu» und Oryx leucoryx), xwei weitere (Polis catus und
Putorius putorius) seht wahrscheinlich zu streichen sind. Von den
übrigbleibenden 77 Arteu kommen 34 auch in Europa vor, also J/7.
Löwen wir aber dio wondomden Fledermäuse (17), dio kosmopolitischen
Mäuse und Ratteu (4), und die Überall hin verschleppten kleinen Insekten-
fresser (4) aus dem Spiele, »o bleiben nur 9 Arten beiden Ufern gemein-
sam, und davon sind noch die beiden Hirsche als wahrscheinlich angcsiedelt
und der Alle und das Ichneumon als vermutlich in Andalusien verwildert
abzuziehen. Als gemeinsame Arten bleiben somit nur noch die Gcnotta
(die, weil den Mauren früher die Hauskatze ersetzend, auch durch Men-
schenhand nach Europa gebracht »ein könnte), der Gartenschläfer (Klioxuys
quercinua), Stachelschwein, Kaninchen und Wildschwein; die Fischotter
ist eine eigne Art, dos Vorkommen der Wildkatze erscheint sehr zweifelhaft.
128
Litteraturbericht Nr. 504 — GOU.
Aus der geosrapbbehen Verbreitung der Säugetiere 12bt sich eoruit ein
Luidxu&iinmenhang zwischen Europa und Nordafrika seit dem Beginn der
gegenwärtigen Epoche nicht nachweisen. Ebensowenig eine frühere Weg-
8amkeit der Sahara, denn aufeer den Raubtieren, die auch durch das Nil-
thal eingewandert sein können, wären höchstens Ctenodactylua Gun di
und Macroseelides Kozeti als afrikanische Anklänge zu deuten.
KvMt.
594. Rinn, Nos frontioros Sahariennes. Mit 1 Karte in
1 : 5 Mill. Alger, Jourdau, 1886. (Paris, Challamel ainü.)
Mit der Botschaft Grevys vom 6. Dezember 1880 begann eine neue
Aora in der Verwaltung Algiers, insofern als man nun mit staunenswerter
Energie daran ging, im S der Kolonio eine festere Stellung zu gewinnen:
eine Tbat, der eine gröbere Ausdehnung der Haifakultur auf den Hoch-
plateaus unmittelbar folgte. In 8 Monaten wurden die neue, 1 16 ktn lange
Bahnstrecke nach Mescheria hergeulellt, GhardaVa wurde init Algier telegra-
phisch verbunden, Afn Safra wurde militärisch besetzt. Wenn man aber
an dem Grundsatz festhält, dafs Frankreich die Aufgabe habe, alle franzö-
sischen und einheimischen Ansiedelungen zu schützen, so genügen jene
M&fsregeln nicht, denn die französische Kolonisation ist (im N von Wargla)
bereits in die Sahara hinabgestiegen. Aueh darf dieser Schutz nicht mehr,
wie bisher, sich auf diplomatische Mittel (ein grofser Teil de* Buches beschäf-
tigt sich mit der Geschichte der französischen Politik in diesen Grenzge-
bieten) beschranken, sondern er mufs durch militärische Maßregeln und
durch die Anlage von Eisenbahnen, welche die vorgeschobenen Posten an
den tabarischcn Verkehrslinien mit dem Kulturland (Teil) verbinden, be-
festigt werden. Im 0 ist allerdings die ausgezeichnete Organisation der Suf-
Konfödcrntinn eine genügende Grcnzdeckuug; im mittlem Teil ist aber die
militärische Besetzung dos wichtigen strategischen Punktes llassi-Infilet not-
wendig. Eisenbahnen nach Wargla und Ghardaia (oder besser nach Metlili)
würden vorläufig genügen. Ira Westen hat sich zwar AVn Safra als Militär-
posten ausgezeichnet bewährt, aber eine Eisenbahnverbindung mit Mescheria
ist nötig zu seiner Kräftigung. Auch hier rät der Verfasser zu einem Vor-
stofs nach dem S, wobei er besonders die Besitzergreifung von Igli ins Auge
faCst. Es würde dieso Mabregel auf keinen Widerstand von seiten Marokko«
stofsen, da im Vertrag von 1845 ira 8 von lach und Figig keine Grenze
festgesetzt wurde.
Die beigegebeoe Karte stellt dio Küsten- und Tellzone (Zone der in-
tensiven Kolonisation), die Hochplateaus (Zone der „industriellen und Vieh-
zucht-Kolonisation*), die Sahara (Zone der „artesischen* Kolonisation), die
Sandwüsten und das Tuareg-Hochland in verschiedenen Farben dar ; ferner
dio „diplomatischen oder unbestrittenen* Grenzen Algiers, wobei besonders
hervorzuheben ist, dafs (im Gegeuaatz zur allgemein Üblichen Dantelluug
der Karten) im W im Vertrag von 1845 die Grenze nur zwischen dem
Meer und dem Teniet Sawy, also nur im Teil genau filiert wurde.
Ä’Mpan.
595. Bruneau, Carte du Sud Oranais. 1 : 400 000. DroBsco
au burcau topographique de la division d’Oran. Paris
1884.
Die vorliegend« Ausgabe der im Döpöt de la guerre 1855 geieichne-
ten, zuletzt 1883 unter Colonel Perriers Direktion mit bedeutenden Nach-
trägen herausgegebene Karte (vgl. GeogT. Mitteil. 1883, S. 4C4) erinnert
nur noeh durch gleichen Titel und Mafsstab an ihre Vorgängerinnen. Auf
vier Blatt verteilt , reicht sie jetzt im N , O und 8 etwas weiter und ist
durchweg neu bearbeitet. Als hervorragende Quellen werden erwähnt : die
auf General Thomawius Befehl autgeführten Koutenaufnahmen, dio Arbeiten
der Kapitäne Joum*e und de Cast ries und Leutnant Gangloffs, sowie die
vom Kapitän Bruneau selbst vermessenen 8000 km Weges. Von den meisten
wichtigen Punkten sind durch diesen Länge and Breite astronomisch be-
stimmt worden. Die von ihm und Kapitän Journle barometrisch gemesse-
nen Höhen sind zahlreich eingetragen und bedeuten allein schon einen grofsen
Gewinn gegen die letzte Ausgabe, welche keine Höhenzahlen enthielt. Die
auffallendsten Veränderungen weist der Chott cch - Chergui , welcher jetst
viel gTöfser erscheint, und das Gebiet K davon bis Saida und Tiaret auf.
Auch der Chott el-Gharbi und der Oued el-Qhorbi zeigen besonders deut-
lich, wie wesentlich diese Karte unsre Kenntnis der algerischeu Topographie
bereichort. Die Tclegmphcnlinien fehlen auf dieser Ausgabe, übrigens auch
die Gradzahlen. Die Darstellung de* Terrains in brauner Schummerung und
mit schiefer Beleuchtung ist sehr anschaulich. Domann.
596. Merle, La Poche de la monio sur la cote occidentale
d’Afriquo. (Rev. de Geogr., Paris 1886, Bd. X,
S. 87.)
Hinweis auf die reichen Fischereigründe an der NW-K fiste von Afrika
zwischen Kap Ghir und der Gambia- Mündung, welche jetzt nur von den
Kanariern ausgcbcutet werden. Es findet sich hier aber nicht der echte
Kabljau, sondern andre, wenn auch nicht minder wertvolle Arten aus der
Familie der Schellfische. Smjxin.
597. Merensky, Wie erzieht man am besten den Neger
zur Plantagenarbeit? Koriin, Walther & Apolaut, 1886.
Afrika ist noch iu dünn bevölkert, als dafs der Neger viel <u arbeiten
brauchte. Es handelt sieh also um die Frage, wie er trotzdem zur Pl&u-
tagenarbeit im Dienste des weifsen Kolonisten xu bewegen sei. Die Skla-
verei aueh in der mildesten Form würde nicht zu diesem Ziele führen, da
der Neger sich stets — wie die Geschichte von Transvaal lehrt — - dem
Arbeitszwang zu entziehen weifs, und ebensowenig die Weckung von Be-
dürfnissen. Der Verfasser stellt nun ein auf Erfahrung begründetes und
sauber ausgearbeitctc* System auf, auf welche Weise Kolonien einzuriebten
seien. Er unteracheidet innerhalb derselben drei Rechtsgruppeii : 1) Die
Gebiote der freien, nur unter dem Protektorate der Kolonialregicrung ste-
henden Häuptlinge, au* welchen Arbeiter nur mit Genehmigung der Häupt-
linge zu entnehmen sind. 2) Lokationen, d. h. Landstriche, in welchen Ein-
gebomo wohnen, die der Kolonialregierung ganz unterworfen sind, und wo
die Häuptlinge nur noch als Unterbeamto fungieren. Zwang darf höchstens
bei Landotarbciien ausgeübt werden, bei Privatarbciten aber nur indirekt
durch Besteuerung (am geeignetsten die Besteuerung der Hütten), welche
den Neger zur Lohnarbeit nötigt. Da die Weiber die eigentliche Arbeit*-
klaase sind, so ist der Polygamie durch eino Hciratsstouer entgegenzuarbeiten,
wodurch die Männer zu regerer Tbätigkeit gezwungen würden. 3) Hörige,
welche auf dem Eigentum der Weifsen leben, und die gleichsam den Grund-
stock der Arbeiter bilden. Der Ausdruck ist eigentlich nicht ganz richtig,
da sie nicht als an der Scholle gebunden gedacht werden. Solche „Hörige*
werden sich immer finden, vorausgesetzt, dafs sio den wirksamsten Schutz
finden und für ihr Wohlsein nach ihrer Art gesorgt ist. Der Verfasser
spricht zum Schlufs dio Überzeugung aut, dafs nur (1a* Christentum im «tando
sei, die Verhältnisse in Afrika dauernd zu bessern, und dafs man nicht vor
der Frage stehe, ob die Neger Christen werden oder Heiden bleiben sollen,
sondern vor der, ob sie Christen oder Mohammedaner werden sollen.
Supern.
598. Wills, The cultivable Area of the Egyptian Sudan.
(Scott. Geogr. Mag. 1886, Bd. II, S. 411.)
Der Verfasser glaubt die Darstellung des Kulturlandes in Ägyptiscb-
Sudan auf UabenirhU Karte vnn Afrika berichtigen zu müssen. Die Nnrd-
grente des tropischen Regens verlauft von Kawa über Kamlin nach Filik,
und toweit dehnt »ich auch mit Ausnahme des tungenartig twischen dem
Weifsen und Blauen Nil vorgestreckten Wüsten striche» reicher Alluvüilboden
aus. Man hielt ihn Tür öde, weil ihn die Roisenden nur in der Trocken-
zeit durchstreiften. Dagegen enthalte das Gebiet »wischen Kassala und der
Küste nur kleine und serstreutc Kulturllichcn. Supern.
599. Last, Polyglott* africana orientalis. London 1886.
Eine Sammlung von 250 Warten und Redensarten in 48 Sprachen
und Dialekten des südöstlichen tropischen Afrikas (etwa zwischen 1 ” N und
16" S, und östlich von 28" O), worauf noch ein weniger avatematisclies
Würtervemiehnis in 19 andern Sprachen desselben Gebietes folgt. Mit
Ausnahme des Massai, Kwafi und Kamba, das der Verfasser zu den Ku-
bischen Sprachen rechnet, und des Sakalava, das er seltsamerweise für ma-
laiisch hält, amd es nur Bantusprachen. .Vujsass.
600. Nipperdey, The Industrial Products and food-stuffs
of the Congo. (Scott. Googr. Mag. 1886, Bd. II,
S. 482.)
Die beiden einzigen l’fltnscnprodukle des untern Kongo von industriel-
ler Bedeutung sind l’almöl und Erdnüsse. Nahrungsptlinscn sind Maniok,
Mais, der indische Bohnenstrauch, Batate und Vamswurtel und mehrere
Küehengcwiielue. Von den Früchten eind am wichtigaten die Banane und
die allgemein verbreiteten raeionenähnlichen Früchte der Carica Papaya.
Von den Genufspflanven iet der Tabak am bedeutendsten, aber auch der
indische Ilanf erwähnenswert. Supan.
Druck der Engolliarit.Reyherschcn llofbuchdnickercl ln Gotba.
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DK A. PETERMANNS
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MITTEILUNGEN
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AUS
JUSTUS PEETSES’ GEO&EAPHISCIEE AESTAIT.
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HERAUSGEGEBEN von
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PROF. Da A. SUPAN.
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v. ■
32. BAND, 1886.
XII.
INHALT:
Ml«
Titel und Inhalt «um Jahrgang XXXII.
Alphabetisches Register zu den Monatsberichten.
Druckfehler und Berichtigungen.
Die Erforschung des Ulanga- Flusses. Von Joachim
Graf Pfeil
Vorläufiger Bericht Ober die Expedition zur Auf-
findung Dr. Junkers. Von Dr. G. A. Fischer f . 563
Die letzte Hungersnot in Indien und ihr Einfiufs auf
die Bewegung der Bevölkerung, nach den offiziellen
Zensusberichten dargestellt von Dr. Emil Jung
(Schiufa) ass
Cbronologlacho Zaaaxnmanfttrllunjc lnill»rb*r HnogtranotJaUre
373
Geographischer Monatsbericht
Europa
uropa 373
Aaian
373
Afrika 373
Litteratnrnotizen.
Amerika
PolargebitU ....
Oc«ko«
Beilage: Littcraturbericht
Tll.l unO tnli.lt.
Alpb.tMtl.ctiM Autorcorcßl.ler.
Aalan ......
Afrika
i
■- ; : \ i - ' -* • ~ vr. '
* v
Salta
37«
376
376
543-W?
KARTEN
unter Krdaktlon von B. IIABSRXBTEIÜS
Tafel 18. Originalkarte von Joachim Graf Pfeils Reifen
in Ostafrika, Oktobor 1886 bis Februar 1886. MaTfiBtab
1:1760000.
Tafel 19. Vorläufige Skizze von Dr. G. A. Fischers dritter
Reise im Äquatorialen Ostafrika, 8. August 1886 bis
14. Jnni 1886. Mafsstab 1 : 4000000.
GOTHA: JUSTUS PERTHES.
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QfrtchioMua wo 30. Novtobor IHM.
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Nr. 5. Eisverbreitung, vou Dr. II. Bergbaus.
Nr. 29. Juli-Isothermen, von Dr. J. Hann.
Nr. 53. Verbreitung der Säugetiere II , von Dr.
W. Marshall.
Fünfte Lieferung.
Nr. 23. Nord- und Ostsee, von Dr. II. Berghaus.
Nr. 35. Witterungs- Anomalien in Europa, von Dr.
J. Hann.
Nr. 54. Verbreitung der Vögel I, vou Dr. A. Reichenow
und Dr. G. Hartlaub.
Sechste Lieferung.
Nr. 36. Wetterkarten und Zugstrafsen, von Dr.J. Hann.
Nr. 45. Areale ausgewählter Ordnungen des Pflanzen-
reichs, vou Dr. 0. Drude.
Nr. 55. Verbreitungder Vögel II, von Dr.A. Reichenow
und Dr. G. Hartlaub.
Der Physikalische Atlas erscheint in 25 Lieferungen (jede mit 3 Karten) ä 3 Mark.
Alle 6 bis 8 Wochen erscheint eine Lieferung.
Verlag von Justus Perthes in Gotha.
Soeben erschienen :
Gothaische Genealogisch - Diplomatisch - Statistische
Tasehenbüeher 1887.
Almanach de Gotha.
Annuaire {fenettlog,i<iue, et statisti<iue.
Parait depuis 1763 chaque annee au rnois de Decembre.
Prix rel. 6 Mark 80 Pf.
Gothaischer Genealogischer Hofkalender
nebst diploraatiseh - statistis(*hcin .Tiilii'l>uc*li.
Erscheint seit 1763 alljährlich im Dezember,
Preis geb. 6 Mark 8o Pf.
Der Hofkalender wird auch ohne den astronomischen Kalender ausgegeben unter dem Titel :
„Gothaisehes Genealogisches Taschenbuch“.
Bezüglich der statistischen Angaben sei hier speziell darauf aufmerksam gemacht, dafs der Almanach
besser als irgend eine andere Publikation den Bedürfnissen derer entspricht, welche möglichst neue Daten über
Areal, Bevölkerung, Bewegung der Bevölkerung, Finanzen, Armee, Handel und Verkehrsmittel der verschiedenen
Länder der Erde suchen. Die oft gehörte Frage, wo solche Nachweise neu und übersichtlich zusammengestellt
sind, läfst sich nur durch Hinweis auf den Almanach beantworten, dessen statistischer Inhalt noch vielfach
unbekannt geblieben, weil viele meinen, in dem Buche sei nur die Genealogie der regierenden und andrer hoch-
aristokratischen Familien nebst don Personalien der obern Behörden und der diplomatischen Körperschaften zu
finden. Durch die Gunst der Ministerien, der Statistischen Büreaus und durch zahlreiche wichtige Verbindungen
sieht sich aber der Almanach in der Lage, jährlich die neuesten statistischen Ermittelungen über die erwähnten
Gegenstände, oft noch vor deren Veröffentlichung, in knapp zusammengefafsten Übersichten zu bringen, und
wenn er dabei hier und da mit vorläufigen Angaben sich begnügen mufs, so ersetzt die Neuheit reichlich die
bisweilen erst nach Jahren mögliche definitive Feststellung der Zahlen.
Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser.
Erscheint seit- 1825 alljährlich im Dezember.
Preis geb. 8 Mark.
Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser.
Erscheint seit 1848 alljährlich im Dezember.
Preis geb. 8 Mark.
Verlag von Justus Perthes in Gotha.
A. Su pan.
Archiv für Wirtschaftsgeographie.
I. Nordamerika, 1880—1885.
Mit 2 Karten. Geb. Preis 5 Mark.
(Ergdnsungfthoft Kr. 8*1 zu „Potorninnns Mitteilungen
Neuer Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung ln Stuttgart.
Surinam.
Sein Land, seine Natur, Bevölkerung und seine Kulturver-
hältnisse mit Bezug auf Kolonisation.
Ton
August Kuppler,
frrtlj.TOui boUUmltxclK-u Kolooialbeatnten.
^Ilt l'Iobtaolmittoxi und ein«*r Kurte
OkUv. IV. u. 384 Seiten. M. 5.—.
Druck der Engelhard Reybcrechcn Hofbacb<1ruck*r«| in Gotha.
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