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Ißxmtthm Hmbcrsiirr.
Blau Memorial Collection
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DIESES BUCH WURDE GE-
DRUCKT BEI POESCHEL
& TREPTE IN LEIPZIG
RICHARD SCHAUKAL
»M
AUSGEWÄHLTE GEDICHTE
ERSCHIENEN IM INSEL-VERLAG
IM JAHRE 1904
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I. Abteilung
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MEINER MAMA
549750
Von jedem Glück den Schimmer
erschufst zu Glanze Du
MÄRZ
F rühling wie bist du überall
du Fremdling mit den blassen Wangen
mit Schritten ohne Widerhall
in süsser Traurigkeit gegangen.
Dein Atem liegt noch in der Luft*
viel scheue Knospen zittern bang
und ein berauschend weicher Duft
schwebt tälerein und wegentlang.
Mir will die Brust vor Quai und Angst
die liederreiche Brust verzagen:
du bangst in Sehnen und verlangst
nach ihm und kannst es ihm nicht sagen.
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MAI
B ist du endlich gekommen
rosenfingriger Mai?
Töne deiner Schalmei
sind in Lüften geschwommen.
Leise sind an den Bäumen
in einer seligen Nacht
aus ihren zagenden Träumen
weisse Blüten erwacht.
Hoch vom Himmel hernieder
spannt sich leuchtendes Blau
und im glänzenden Tau
funkeln die Gräser wieder.
Unter den Küssen der Winde
schauernd gleitet der Bach*
stärker schon rauschen der Linde
Wimpel über dem Dach.
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KUCKUCK
S ie hat den Kuckuck gefragt:
Kuckuck wie lang noch?
Dreimal rief er und schwieg.
Sie harrte bang noch —
Still war der Wald* ins Tal
sah sie befangen.
Über die Sonne sind
Wolken gegangen. . .
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VOM KASERNFENSTER
D er Himmel ist rot* die Luft ist schwer*
länger werden die Schatten*
über die Ährenwogen her
gleitet schwüles Ermatten.
Vom Kirchturm in die Ferne
wandert der Stundenschlag*
noch zögern die stillen Sterne:
noch wacht der müde Tag.
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KLEINE FRAU
D eine Augen in Tränen kleine Frau
sind wie der Enzian im Tau.
Deine Augen wenn sie lachen und blitzen
sind sonnenfunkelnde Berberitzen.
Dein Mund wenn er Alltagsdinge erzählt
ist ein Rothengst der im Geschirr sich quält.
Dein Mund wenn er küsst und von Liebe
spricht
ist ein reimetrunkenes Lenzgedicht.
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AN DEN MOND
TT Rieder über den Dächern
VV steht der Mond und wacht-
giesst wie aus Silberbechern
kühles Licht in die Nacht.
Sahst unsre glücklichen Stunden
spiegeltest hell dich im See-
hast mich wiedergefunden
einsam in meinem Weh.
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SOMMERGLÜGK
I m roten Mohn zur Mittagszeit
wenn durch die schwüle Stille
wie aus dem Traum die Grille
und fern im Sumpfe die Unke schreit
wenn sich die gelben schweren
reifetrunkenen Ähren
im leisen Winde wiegen
lang auf dem Rücken liegen
den Blick ins blaue Flimmern
schlankragende Schlösser zimmern
dem Atem der Erde lauschen
dem Takte des heissen Lebens
und selig sich berauschen
sehnend und immer vergebens . . .
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MITTAGSSTILLE
H ohe steife Stauden stehen
in der heissen Luft der Mittagsstille*
die Gedanken gehen
wie auf Schleicherzehen
zu dem Hafen meiner Träumerzille.
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NIXE IM WASSERFALL
S chäumender Gischt
über Steinen zerstäubender Fall
übermütig frohlockend
stürzest du dich
kopfüber aus dem gähnenden Schlunde*
streckst hundertfältig
zuckende Arme
rings an moosigen Felsen empor.
Im tollen Sprunge
reizt es dich
staunende Ranken
mitzureissen zum Abgrund.
Dann dehnst du dich schlank
wohlgefällig nach oben blickend
auf den silbernen Leib
unter dem wasserwallenden Haupte
die glänzenden Arme gefaltet.
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TRAURIGE MÄR
I ch gab mein Herz einem blonden Kind.
Sie nahms und lachte.
Ich wusste nicht wie die Kinder sind*
ich freute mich und dachte:
„nun legt sie’s zärtlich in den Schrein
und wird es wahren.“
Sie aber warfs in den Tag hinein:
der Stundenwagen fuhr polternd drein*
da ward es überfahren.
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M ögen mich die Alten schelten
die mit Mauern sich verwahrt
meine Jugend lebt in Zelten
denn sie liebt die rasche Fahrt.
DRAGONER
S chläfrig aus wogenden Nebeln
über Wiesen dämmert der Tag . . -
Klirren von Reitersäbeln*
manchmal an Sporen ein Schlag.
Klappern von müden Hufen
auf hartem holprigem Weg.
Beine wie Träume träg.
Fernher Unkenrufen . . .
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WAGENRENNEN
D eine Rosse dir zu lenken
wähl nicht fremde Zügelführer
wag den höchsten Preis zu denken*
höre nicht auf Zweifelschürer!
Wirst im scharfen Winde -wehen
hinter deinen schnellen Pferden
vollen Fusses trotzig stehen
sicher Sieger noch zu werden.
Kann dich mit Erobrerhufen
dein Gespann ans Ziel nicht tragen
solls dich stürzend vor den Stufen
deiner Wünsche doch erschlagen!
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DAMALS
A ls die Linden am Wege blühten
und fern die Kuppen der Berge glühten
und leise Luft
von den Höhen her
um die Wangen mir schmeichelte*
alles in Morgenduft
wie in Schleiern lag
zärtlich erschauernd vor dem Tag:
damals . . !
O ihr rotblühenden Hecken der Träume
wie sind meine Augen müd von Tränen
wenn ich erwache vor Sehnen
vor Sehnen . . .
H
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DIE JUNGE SEHNSUCHT
junge Sehnsucht die von einem
Heerzug träumt
dem kampfbereiten Kiel an den die Meer-
flut schäumt
der ungeduldig an der Kette zerrend sich
im Hafen wiegt
dem schlanken Mast an den sich eine
Scharlachflagge schmiegt!
O Sehnsucht die in Qualen sich auf licht-
gemiednem Lager windet
einst kommt der Tag der dich verhungert
und verdurstet findet!
AN DIE NACHT
K omm gütige Nacht und hülle
in deinen Mantel mich*
die müden Augen fülle
mit schwerem Schlafe* sprich
ins Ohr voll Muttergüte
die Worte tiefer Ruh*
decke mit Blatt und Blüte
des Traums mein Sehnen zu*
lass mich die Pforten offen
finden wie einst zum Glück*
gib mir mein Kinderhoffen
und Kraft zum Tag zurück!
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DER WEIHER
F orschend über meinen Weiher
beug ich oft mein Antlitz nieder
wie aus einem schwarzen Schleier
taucht es ängstlich fragend wieder.
Und wenn kräuselnd seinen glatten
Spiegel ihn ein Hauch durchgleitet
seh ich wie ein grosser Schatten
über meine Züge schreitet.
SOMMERNÄCHTE
O Glück der lauen Sommernächte
wenn der Jasmin sein weisses Lied
singt
und alle Hecken leuchten von grünen
Lichtem.
Still!
wie der Bach rinnt
rinnt
gurgelt
rinnt
plätschernd rinnt.
Und der Mond steht darüber
silberklar hell friedlich*
warmschwarze Dächerzacken*
und der Himmel weicher blauer Sammet. . .
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WEISE-WERDEN
E inmal kommt es über Nacht
wie ein Wind aus Norden*
und erschrocken aufgewacht
bist du weise worden.
Aber müd ist deine Hand
übers Haar geglitten:
was dir diese Nacht entschwand
hast du einst erstritten.
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DIE MUSCHEL
I n der Muschel schlummert ein Sang
von Atlantis der wunderbaren
Insel die lang vor Jahren
von den Harfentönen des Glückes klang.
Streif sie nicht achtlos im Gehen*
hebe sie scheu an dein Ohr:
was deine Jugend an süssen Wünschen verlor
hörst du klagen aus ihrem Wehen.
20
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DAS KORNFELD
M eine Gedanken
sind ein Kornfeld im Wind
sie rauschen so und schwanken
weil sie hoch gewachsen sind.
AUGUST
MEINER LOTTE
ber Wald und Wiesen
liegt der Mondenschein*
zögert an den Fliesen
in das Haus herein.
Gurgelnd über Kieseln
dunkel rauscht der Bach*
nur ein leises Rieseln
hält die Blätter wach.
Grüne Funken flimmern
im verhüllten Strauch
und die Flügel schimmern
meiner Seele auch.
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D ie Zeit der kleinen Lieder
verging-
die Zeit da mir der Flieder
voll Tau und Sonne hing. . .
23
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STERNE
chwarz und schwer schweigt rings der
Wald-
oben stehn die Sterne*
stehen still und glitzern kalt
nieder durch die Ferne.
Und in mir wird Ruh und Glück*
alles ist verglommen.
Bringts der Tag auch stets zurück:
Sterne müssen kommen.
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RITT INS LEBEN
G eharnischt reit ich von euch: ver-
schliesset hinter mir die Tore*
der Morgen kündet seine rote Wiederkehr.
Blickt mir nach von weithin schauender
Empore*
erste Sonnenpfeile treffen meine blanke
Wehr.
An dem Hügel der das Tal verbirgt zurück
darf ich noch einmal wenden mein gehelmtes
Haupt*
von der alten Linde brech ich mir ein
weisserblühtes Stück:
die Heimat lässt mich los ! ich hätt es nie
geglaubt.
•25
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W irf die welken Worte weg
die dich täuschen-
dem Herz lass eine Fackel sein-
gegen Stürme recke sie hoch:
vertrau deinem starken Herzen!
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DER BRAUT
M it weissen Schuhen weissen Schleifen
Myrthen in den weichen Haaren
gehst du gegen alle Gefahren
die nach uns greifen.
Und unterm Schleier wirst du schauen
mit bangem Blick auf hohe weisse Kerzen*
mühsam mit heftig kämpfenden Brauen
scheuchst du die Tränen nach deinem
Herzen.
2 7
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DU
W ie aus tiefen Wäldern bist du
wo keine schweren Menschen gehen*
wie in der Waldquelle
seh ich mich rein und wahr in dir.
Ich bin ein heisser unzufriedener Mensch
mit einem herrischen Kinderherzen.
Tau liegt auf meinen Haaren aus den
Nächten der Sehnsucht*
meine Hände zittern nach Glück.
Und meine Seele kann fliegen
hoch über den Tagen:
ich seh ihr nach und staune
lächle und weine.
Manchmal aber bin ich wie ein König . . .
Und alles ist dein*
dein ward es ohne Schenken*
du kamst und es war dein*
ich bin so sicher dein zu sein mit allem.
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CAPRI
W eisse leuchtende Säulen- Rebenranken
schmiegen sich zärtlich um ihre
schlanken
schweigenden Leiber* purpurn brennende
Nelken*
jäh aufduftende Rosen, die nächtens welken.
Bunt im Schatten kühler Laubengänge
blüht der Ginster* meergetränkte Winde
nahen flatternd: hörst du nicht Gesänge?
leise lockende und traurig linde?
Sind es drunten im glitzernden Schaume
im Sonnenjubel der hüpfenden Mittags wellen
nicht die brandungbeherrschenden süssen
und hellen
dunkel und muscheltief aus raunendem
Traume
klagenden ewig betörenden flatternd
bebenden
schimmernd sich wiegenden schwalben-
schwebenden
seltsam silbernen Stimmen — Menschen-
sehnen
armer Unsterblichen künden sie — der
Sirenen?
29
U ber deine Augenlider
zärtlich sacht
strich mit weichem Flaumgefieder
der Wundervogel der Nacht.
Seine grossen grünen Schwingen
sind von Träumen schwer.
Horch: er will singen
von Palmenwäldern und seltnen süssen
Dingen*
weit weit kommt er her. . .
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<*
SOMMERABEND
L autlos tanzt ein Mückenschwarm
wirbelnd in der Sonnenschräge*
kommt ein Lied im Lindenduft
Sonntagabend bang und träge
durch die laue weiche Luft
leise her aus den Alleen
wo die jungen Mädchen gehn
Arm in Arm . . .
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MORGEN
U nd aus der tiefen dunkeln Nacht
beladen schwer mit Schweigen
bin ich im grossen Licht erwacht:
verwunden Traum und Schwüle*
die grünen Blätter schwanken
in klarer Morgenkühle
und tau -beseligt neigen
die Rosen sich und danken*
die Welt steht hell in Gnaden.
Nun Herz tu ab dein Bangen:
sieh rings auf allen Pfaden
bist du beglückt empfangen.
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FELDERGANG
U ber braunen samenvollen
ungefügen Ackerschollen
breiten sich wie Linnenstreifen
Abendstrahlen* Werden Reifen
atmet einen starken Duft*
ferne Wälder dunkeln schon*
Sonnenscheiden füllt die Luft
tief mit einem goldnen Ton.
33
r
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DEIN
I ch bin nun ganz dein eigen und noch mehr:
mit deines jungen Lebens Last beladen*
der Schatten deiner Seele schon ist schwer
wenn Tränen deine lieben Augen baden.
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O stille Seele in der sich die Höhen
spiegeln !
o klare Seele mit allen Wundern der Tiefe!
In meiner Seele ist dumpfes Brodeln
hoher Wellenschlag und wechselnde Wasser
viele Farben und immer neue Quellen
heisse heimliche Quellen und jähe böse
Strudel.
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DAS GLÜCK
W anderer du stehst und sinnst:
leise wehend kams gegangen
tät dein Haar wie Schleier fangen*
aber eh aus deinem bangen
zitternd ahnenden Verlangen
du mit heissen Kinderwangen
stammelnd einen Wunsch beginnst:
flüchtig und mit Flügelschritten
flatternd ist es fortgeglitten
und von deinen hohen Träumen
hängt nur zitternd in den Bäumen
windbewegtes Duftgespinst.
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MEINER FRAU
ein Bild aus frühem Tagen
das ich so lange trug:
ich kann mich nicht genug
nach seinen Zügen fragen.
Du bist mir so vertraut
dass die Vergangenheiten
sich dicht wie Schleier breiten
um eine Perserbraut.
Nur denken darf ich mich
in jene fernen Stunden -
da ich Geliebte dich
noch als mein Ziel empfunden.
Nun bist du schon so sehr
mit meinem Tag vereinigt:
wie Wanderschaft gepeinigt
begreift mein Glück nicht mehr.
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LEISE KOMMT DIE NACHT
U nd mit einem stillen Schauem
ist der müde Tag verstummt*
leise kommt die Nacht vermummt
durch den Wald wo Käuze kauern.
%
Von den Dächern fallen Schatten
dunkeln tief und wachsen drohend*
plötzlich hebt sich von den Matten
voll der Mond fast blutiglohend.
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DAS LIED VON DER ZEIT
D ie hellen und schwarzen Lose
leg leise dem Leben zu Fuss*
freu dich der gelben Rose
freu dich der Herbstzeitlose*
wahre dir Klang ira Gruss.
Jauchze deine Fanfare
über die Wälder weit*
lieb deine lodernden Jahre:
einmal die schlichteren Haare
kränzt dir die schweigende Zeit.
39
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RITTERLICHER SPRUCH
H öherm Walten stumm geneigt
Feinden frank die Färb gezeigt*
hehres Ziel im Fernen.
Halt mir offen Aug und Herz
Herr mein Gott und lass von Schmerz
wie von Lust mich lernen!
40
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MEINEM KLEINEN JOHANN WOLF-
GANG
G eh mit dem siegenden Willen
Kind in den weichenden Tag*
sei wie der Lerchenschlag:
bald zirpen Gedankengrillen.
4 *
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SCHATTENSPIEL
M einem Buben zeigt ich heut
an der Wand den Schatten*
und er stand und sah erfreut
auf den blassen glatten
der bald gierig sich gefüllt
mit dem Blut der Glieder
und in tiefes Schwarz gehüllt
höher wuchs und wieder
hinter seinem Fusse schlich
als er sich entfernte:
schwarze Kunst die lächelnd ich
Kind wie du erlernte.
Leben ist ein Schattenspiel*
lernst es einst begreifen
wenn sie auf der Fahrt zum Ziel
täuschend dich Umschweifen*
42
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V iele Dinge ohne Sinn
schatten auf mein Tagdurchschreiten
nicht wie Schatten die begleiten
weil ich in der Sonne bin.
Eine enge Strasse hin
geh ich in dem Tal der Zeiten:
Wände drücken Wände breiten
grosse Schatten ohne Sinn.
43
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ERNTETAG
H och steht die Sonne überm Emtetag*
bald rauscht durch dichte Saaten
Sensenschnitt*
manch eine blaue Blume mag
vom Stengel gleiten* sie zertritt
ein Schritt . . .
44
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L eise hat nun milde Nacht gerührt
an Gesträuch und Baum mit weicher
Hand*
lautlos hat an seinem Leuchteband
sie den vollen Mond herabgeführt.
Wo der Steig im Dunkelsten verliert
seinen Zug und in den Schatten sinkt
grünlich blitzend über Büschen schwingt
seinen leichten Leib ein Wurm und winkt
wo der Steig im Dunkeln sich verliert . .
45
.r'
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W as der Tag in trägen Händen
bringt an kargen Wanderspenden
an die Stunde zu verschwenden
wag ich und den Wunsch zu senden
einen Pfeil ins Ätherblau.
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ZUR CIGARETTE.
W ie auf den leichten Wellen blauen
Rauches
dein Geist sich neue Träume spielend fand
siehst du vielleicht im Duft des innern
Hauches
beseligter das ferne Feenland
in einer Stunde die dir nicht verschlossen
die glanzerfüllt aus tiefem Brunnen steigt:
mit Silber ist dein banger Wunsch umflossen
dem sich der Gott in stummer Gnade neigt.
47
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N acht aus müden Händen
lässt den Mantel gleiten*
hörst die Stunden schreiten
mit schleifenden Flügelenden.
Die Gedanken ballen
sich zu schweren Massen
die mit wildem Hassen
jäh dich überfallen.
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STRANDFELSEN
R egenschleier flattern weit
von den schroffen Felsenwänden*
ängstlich mit erstarrten Händen
hält die Einsamkeit ihr Kleid.
49
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DER ENGEL
D en Engel der einst unerkannt
in Blumen sich zu dir gefunden
ihn ruft die zögerndste der Stunden
zurück ins dunkle Kinderland.
Schon will es purpurn drüben tagen*
im Dämmer harrt dein weiter Weg:
einmal an seine Brust noch leg
vorm Scheiden deinen Kopf in stummen
Fragen.
5 °
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MONDNACHT
N ebel schieiert schimmernd auf den
Wiesen weit.
Mondbezaubert stille Silberflügel breitet Ein-
samkeit.
Weiden überm Flusse der leis rauschend
wallt
geistern schattend auf den Teppich ihre
Missgestalt.
• Tiefste grüne Dunkelheit umhängt
weich den ragenden Wald’ der Höhensaum
hebt sich schwarz und scharf vom blauen
Raum
wo der Herr unendliche Gedanken denkt.
5i
/
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EKSTASE
W enn Fülle dich des innern Lebens
mit Flügelrauschen überdrang
wenn du der Pulse, bangen Bebens,
stürmenden flackernden Überschwang
in deinen Schritten deinen Worten
geschwellt von taumelndem Entzücken
empfandest als ein dröhnend Singen:
dann standest wieder an den Pforten
bleich noch vor Hast, in die zu dringen
daraus Entstammten mag verzweifelt glücken.
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DER TOD
U ber dem starrenden bleiern spiegelnden
Tümpel des Tages voll dumpfer Not
schweb ich mit rauschenden starken Flügeln
glänzender Worte zu dir o Tod.
Deine Wunder um uns ergossen
harren in hoher heiliger Nacht
bis eine Seele die Siegel erschlossen
glühend ein reicheres Leben erwacht.
53
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MITTAG
A nkerwunsch auf hoher See*
Wind und Wellen schlafen:
alte Heimat fern im Schnee,
war ich schon im Hafen!
Sonnenschein* in blaue Flut
taucht der Segelschatten.
Träumst du von der Zeit mein Blut
da wir Ziele hatten?
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EINEM TÄUFLING
D er du heut in die Gemeinde
altererbter milder Sitten
trittst und Jenem der gelitten
und gefleht für seine Feinde
Dich geweiht, sei dir gegeben
was den Einen hat erhoben
den die tausend Chöre loben:
Demut Liebe Widerstreben.
Mut im Streit für Recht und Klarheit
Liebe die verstehend mildert
und vor Ihm den keiner schildert
Demut: denn ER ist die Wahrheit.
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MYSTERIUM
N acht verhängt mit schwarzen Schleiern
lösendes Ermatten schon*
wie aus wundertiefen Weihern
baut sich ihr krystallner Thron.
Ihre milden Hände hält sie
stumm* ihr silbernes Gesicht
leuchtet* scheue Süchte schwellt sie
trunken von verhaltnem Licht.
HERBSTABEND
M üde geht der Tag zur Neige.
Nebelgraues Abenddämmern
hüllt in Schleier Feld und Wiesen.
Durch die frierend kahlen Zweige
rascheln welke Blätter. Fern
wie aus Stadt und Land verwiesen
irrt ein dumpfes Glockenhämmern*
einsam glänzt ein kalter Stern.
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LEBEN
U nd wieder ist es Schlafenszeit:
ein grauer Tag zerrann*
und morgen legst du Müh und Kleid
gehorsam wieder an.
Und wenn du manchen Morgen so
dich in den Tag gefügt
kaum traurig aber selten froh —
sagt Gott wohl: es genügt.
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DAS GROSSE SCHIFF
en schweren Anker hat das grosse
versenkt auf hoher Flut und liegt und wacht
mit schwarzen Augen horchend in die
und ihm zu Seiten wartet stumm das Riff.
Und morgen wenn die rote Sonne kaum
am Himmel steht und buhlend Winde werben
wird es sich rühren aus dem dumpfen Traum
und — an das Riff getrieben scheiternd
Schiff
Nacht —
sterben.
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WINTER
D urch trauriges Eis
schleppt seine braunen Wasser träge
der schmale Fluss* glatt spiegeln die Wege*
alle Dächer sind weiss.
Dichter dumpfer Nebel senkt
sich lastend auf verschneite Wälder*
Krähen krächzen über starre Felder.
Die weite Welt ist rings verhängt.
60
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DER WANDERSTAB
E in ernster Engel trat vor mich und schrieb
mit meinem Wanderstab in flüchtigen
Sand
ein Wort das leise leuchtete und schwand
die stille Silbe: lieb!
Und als ich weiter wandernd abendmüd
und Rast erheischend strebte wo ein Stein
sich kantig hob an einem Sturz allein —
da war das Ende meines Stabs erglüht.
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Z u den Zielen seiner Träume
ach wer kann die Brücken schlagen !
Fehlt die Axt nicht, mangeln Bäume:
müde wird der Mut zu wagen.
62
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G lücklich wer in ruhigen Händen
seines Lebens Schale hält
dass kein Tropfen zu Boden fällt.
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U nd sind ja doch die Dinge dieser Welt
ganz angetan uns leidlich zu ver-
gnügen :
mit einem zarten Schleier so zu lügen
dass es uns Lächelnden gefällt.
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DIE SONNE
G reise versöhnt sie*
an der Dinge scharfe Kanten ge-
wöhnt sie*
mit Strahlen blendet mit Strahlen krönt sie.
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VORFRÜHLINGSNÄCHTE
N un sind die Winde wild und froh
und rütteln an den Mauern’
erwachst du packt dich immer so
das alte Frühlingsschauern
dass du dich aus den Kissen rückst
und lauschest voll Bedrängnis*
dich über deine Seele bückst
wie einer im Gefängnis.
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SCHNEPFENSTRICH
S tamm an Stamm wächst schwärzer
schon
in den bleiern bleichen
Himmel. Unkenklageton
schwillt aus braunen Teichen.
Leis und tief im Auenried
schauern müde Winde*
schläfrig streicht ein Schlummerlied
durchs Gezweig der Linde.
Nun verstummen nah und fern
alle Vogelstimmen.
Tau fällt rings* den ersten Stern
seh ich still erglimmen.
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HEIMKEHR
as willst du Pilgrim an der Kloster
aus der dein Fuss dich einst zurFerne trug?
Hast du des tollen Tandes schon genug*
erpochst du Einlass an dem Gnadenorte?
„Wohl ging ich sehnend einem Ziele nach
und bin den Weg durch Dorn und Qual
als mir auf einmal eure Glocken klangen
im Hag wo ich die Abschiedsrose brach.“
pforte
gegangen
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MEINER MUTTER
W ir sind im Leben nun schon lang
nicht mehr auf gleichen Wegen.
Doch schlägt das Herz im gleichen Takt
und was der Tag uns aufgepackt
wir hieltens uns entgegen
und weinten froh und lachten bang.
Das macht: es hat der liebe Gott
uns aus demselben weichen
und dennoch festen Holz gefügt
und sah uns nach und war vergnügt
und seinen Bogen streichen
tat er an uns in gutem Spott
und sprach zu seinen Engeln: seht
das gibt doch einen feinen Ton*
nun wollen wir sie trennen*
ob sie sich auch erkennen.
Und sind es manche Jahre schon
dass jedes tapfer weiter geht.
Doch langt der grosse Bogen her
und will brav musizieren
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und hat kaum einen Strich getan
da fängt es fern zu klingen an:
das kann sich nicht verlieren!
Er aber lacht und freut sich sehr.
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DIR
N och hat es viele Möglichkeiten-
dies unser Leben ist so reich!
Lass uns vertrauend weiterschreiten
in hoher Sonne Strahlengleiten:
was kommen mag wir tragen gleich.
Und unsrer Liebe gutes Zeichen
ist über unsern Pfad gestellt-
das leuchtende darf nicht erbleichen:
das Herrlichste was wir erreichen
liegt doch im Kreise unsrer Welt.
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W as ist mein Leben als ein faden-
scheinig Stück
im dunkel flutenden Mantel der Ewigkeit!
Ich nahms mir nicht ich geb es nicht
zurück*
nur im Flattern ist Glück*
in tausend Jahren ist wieder meine Zeit.
Und ein Zittern rinnt durch den Mantel hin
in dem ich ein zuckendes Gestern bin.
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II. Abteilung
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MEINER FANNY
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Und so gehen wir vereint:
gehen gute schlimme Wege
schreiten über Sturzbachstege
da durch Wolken und Geheg
immer wieder Sonne scheint.
PERSEPOLIS
I m blauen Mondlicht
baden weisse
hohe breitausladende Treppen*
Säulenschatten steigen
über die marmornen Stufen*
leise
auf weichen Tatzen
schleichen Löwen
lüstern suchend
über die Stiegen.
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DER WÄCHTER
W o vorm Altarschrein das Silbergitter
in den Weihrauch seine Lanzen sticht
steht im Schuppenkleid ein bleicher Ritter
dem das Haar ein Kranz aus Mohn durch-
flicht.
Seine schmalen weissen Hände halten
über schwarzem Schwertkreuz sich ver-
schränkt*
tiefe Schnitte sind die Lippenfalten
und sein Blick ist fern und traumverhängt.
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SEHNSUCHT DES KNAPPEN
O ritt ich schon im Waffenkleide aus
meine süsse Frau mir zu erringen!
Muss meine Sehnsucht niederzwingen
verliege mich und kann nicht in den Tag
hinaus.
Nur einem Zettel will ich es vertrauen
wie einzig sie in meiner Seele lebt:
mit goldnen Fäden ist es eingewebt
in all mein Tun das Bild von meiner lieben
Frauen.
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EIN SCHLOSS
E in Schloss in Rosenwildnis fast ver-
steckt*
In lauen Wogen
schwimmt über dem Bassin das Schilf be-
deckt
der Atem junger Blüten. Dicht umzogen
von Büschen drin verschlafne Vögel kauern
ist der gebahnte Kies. Die Wipfel schauern
da leises Mondesahnen sie besiegt.
Im Rosenglührot träumt die Marmortreppe . . .
Und eine lange weisse Seidenschleppe
schleift langsam durch den gelben Sand.
Schlank schreitet eine Frau* die blasse
Hand
ruht müd an keuscher Hüfte* tief im
Nacken
zu schwer für Mädchenschultern schmiegt
goldblond wie Weizen sich ihr Haar
an spinnwebfeine alte Ahnenspitzen
vom Halse gleitend in gesternten Zacken.
So geht sie still vorbei an Rasensitzen*
an jenes Sandsteingottes Pfeilgefahr
des Bogenspanners .... Tief im Weiher
badet der Mond sein gold und rotes Vliess.
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Schon sinken rings die bleichen Abend-
schleier •
der Duft der Rosen hebt sich schmachtend •
. . . da . . . der Kies
knirscht leise unter ihrem Atlasschuh
der plötzlich zögert* wie erstarrt
als eine Schlange bauscht die Schleppe sich :
hoch vom Altane kalt und feierlich
sieht ihr der Tod verschränkten Armes zu.
SeinSchatten wächst. So steht er still und
harrt . . .
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DER SCHWARZE RITTER
E in schwarzer Ritter Herrin hält
im Burghof mit verhüllter Miene*
so wahr ich deiner Gnade diene:
er hat nicht Wesen dieser Welt.
Sein Helm trägt eine glatte Schiene
sein Harnisch ist von schwarzem Stahl
sein Ross hat Augen wie Rubine
sein Wink durchfuhr mich wie ein Strahl.
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CHRONICA
S abbioneta kam von fernen Fahrten
zu seiner Gattin die mit kühlen zarten
Verbrecherhänden ihm Willkommen bot.
Er sah in ihre grossen ahnungbangen
verbuhlten Augen — und im schwarzen
langen
Samtmantel neben ihr stand schon der
Tod.
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DER BRAVO
B is zum Spiegel dürft ihr gehen*
stützet euch auf meinen Arm:
möget euch noch einmal sehen
vom blonden Haar bis zu den rosa Zehen
weiss wie ihr seid und warm.
Dann aber schöne Frau
beachtet meine Geberde*
schliesst die Augen kornblumenblau:
ich treff euch ins Herz genau
und leg euch achtsam auf die Erde.
«5
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DER ZWERG
M ich trug meine Mutter ohne Dank:
sie trug mich von einem Grafen.
Sie konnte schlecht nur schlafen
und sang*
viele trübe Lieder sang sie in der Nacht’
und einmal war ich wimmernd aufgewacht.
Meine Brust ist schwach
mein Rücken hoch
mein Haar ist wirr und rot’
als Kind schon ach
wohl weiss ichs noch
sprang ich verschreckt und steif
vor Damen durch den Reif’
o war ich endlich tot!
86
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NOTRE-DAME
K avaliere bleich und mit schmalen Ge-
lenken
den Degenkorb von der Kräusel-Manchette
zierlich bedeckt* sie denken
an eine Frau in weissem Spitzenbette*
sie haben Schach gespielt Hengste geprobt*
sie singen: Grosser Gott dich lobt
die gläubige Gemeinde*
vernichte unsre Feinde!
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LA DUCHESSE DE
A uf dem weichen Rasen
bei dem Marmorbecken
wo weisse Nymphen braune Tritonen die
auf Muscheln blasen
ihrer süssen Leiber sicher lüstern lächelnd
necken
will ich meine seidenen Gewänder fallen
lassen und nackt vor allen
meinen Kavalieren tanzen.
Mach mir eine Musik zu dem Ganzen
weich und kitzelnd wie feine Frauenhaare
eine wiegende wogende wunderbare
Musik von Harfen und Geigen,
Zum Schluss will ich mich dreimal ver-
neigen
einen schneeweissenjungenHengstbesteigen
in die Hände klatschen und galoppieren
und laut lachen wie sie sich echauffieren
nach einem halsbeengenden Schweigen.
Morgen aber wenn ihre Blicke mich küssen
werden sie alle Verse auf meine Brüste
machen müssen.
88
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HULDIGUNG DES CHEVALIER DE . . .
AN DIE DUCHESSE DE...
W ie volle weisse Frühlingsblüten
rund und mit rosigen zarten Spitzen
sind deine jungen Brüste Geliebte.
Über dem schmalen geschmeidigen Leibe
stehen sie hoch und reifen schwellend
wie Granaten am biegsamen Stamme.
Du beugst dich und sie senken sich ruhig*
du kniest und über die weichen Arme
gleiten sie mit den rosa Schnäbeln.
Du stehst und wirfst mit erhobenem Kinne
dein widerwilliges Haar in den Nacken:
stolz und fordernd heben sie sich und
starren.
Birgst du die drängenden in Spitzen und
Seiden
steigen sie wie in Nebelschleiern
weisse Kuppeln stiller Bergestempel
ungebändigt unter scheuen Hüllen.
89
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WALDFEST
E in roter schwerer Baldachin
schwankt über goldenen Lanzen hin
und sinkt mit Silberquasten tief
zum weichen Rasen zwischen Stämmen
uralter Buchen* klagend rief
hier sonst der Kuckuck und ein scheues Reh
trat ängstlich spähend aus dem Blätter-
dunkel.
Heut rauschen Seiden glänzt Pokalgefunkel
smaragdner Samt wetteifert mit dem Schnee
des Hermelins* verwegne Wandrer hemmen
die blanken Hellebarden stummer Knechte.
Glatter Damast verhüllt die braunen Moose
und an den Riesenwurzeln lehnen Degen
mit zierlichem durchbrochnem Korb. Ge-
schürzte lose
Gedanken hüpfen lachend auf den Wegen
gewundenen Gesprächs : durchküsste Nächte
belauschte Bäder Kammerkätzchenbeichten*
und kühne Wünsche schwingen sich im
leichten
Reigen der halbentblössten heissen Worte . .
Die Fürstin lächelt* eine schmale Pforte
in ihrem liebewarmen Herzen steht
90
schon offen dem der den Moment erspäht
und sich mit einem leisen Katzensprung
hineinstiehlt braun und schlank und jung.
9i
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PORTRÄT DES MARQUIS DE ... .
H alte mir einer von euch Laßen mein
Pferd
hole mir einer von euch Lumpen mein
Schwert:
ich liess es bei einer Dame liegen.
Lass einer von euch Schurken einen Falken
fliegen:
ich will ihm nachsehen und mich ins Blau
verlieren*
störe mich keiner von euch Tieren!
92
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DAS LIEBLINGSROSS
itz auf mein Pferd auf* probe seinen
die Wandelbahn im Park das Schloss ent-
lang*
lass aus gelindem Trab es langsam galop-
pieren*
es hat die Glieder so in seiner Macht
dass du wenn es beginnt zu lancadieren
dich freuen wirst an seiner Muskeln Pracht.
Sieh es gibt acht:
das Tier weiss wohl dass ich es nun be-
rede.
Sieh wie es stolz und glücklich lacht*
ich ritt das Ross zu mancher Jagd zu
mancher Fehde.
Gang
93
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DER GESANDTE
A ls der Gesandte schied ging meine
Königin
— sie barg es hinterm Fächer doch ich
sahs —
Tränen verwindend zur Fontäne hin*
das Kleid zu schürzen in dem feuchten Gras
die übereifrige vergass.
Er aber braun und schlank voll edler Art
hat jeden Blick in seiner Macht bewahrt
hat ehrerbietig sich verneigt und schritt
dem Gitter zu und nahm in seinem Auge
mit
das leise Zucken ihrer schmalen Schultern . .
94
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PORTRÄT EINES SPANISCHEN IN-
FANTEN VON DIEGO VELASQUEZ
M it blutgemiedener langer schmaler
Hand
feinen Fingern die den Duft der weissen
Rosen fühlen
manchmal mager und müd in warmen
Damenhaaren wühlen
halt ich einen zierlich-kalten Degenkorb
umspannt.
Meine Blicke gleiten kraftlos von der glatten
silbergrauen Wand.
Von rieselnden leisen Gebeten sind meine
Lippen schlaff und bleich.
Ein scharfer Dolchschnitt ist mein ver-
achtender Mund.
Ich streichle manchmal einen hohen schlan-
ken Hund
manchmal bin ich mit hässlichen Zwergen
weich :
ich beschenke sie reich —
und peitsche sie wieder wund.
Mit dichten Schleiern schütz ich mich vor
dem Morgenrot:
die Sonne hat Pfeile. Pfeile wirken den Tod.
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ALTE SCHLÖSSER ....
A lte Schlösser lieb ich mit gemeisseltem
Wappen überm Portale
dunkeln Bildern gewaltiger Ahnen im dü-
stern Saale
alte Schlösser die von zackiger Höh in
bewaldete Tale
aus zerbröckelnden Bogenfenstern schauen*
Efeu rankt sich darüber: wildzerraufte
Brauen . . .
Still der Burghof wo auf breiten Quadern
die Schritte verhallen
im verwachsenen Parke fallen
herbstliche Blätter: Mächtige Stiegen
träumen
noch vom gleitenden Schmiegen
seidner Gewänder
deren Duft sie bewahrten
rauschenden festlichen Fahrten
in Märchen- und Maskenländer ....
In den Kronen ergrauender Bäume
nisten grosse Vögel und fliegen
schwarz und schwer
um steile Türme hin und her ....
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ROCOCO
S chwere silbergraue Portieren*
weisse Göttergestalten mit grossen leeren
Augen* verschlafne Consolenuhren*
possierliche Porzellanfiguren
auf Marmortischen mit goldenen Beinen*
schwarze Katzen aus grünen Steinen
lüstern blinzelnd auf hohen Kaminen*,
weiche Causeusen hinter Gardinen*
geblümte vergoldete Garnituren*
und ein Spinett und die exquise
Gavotte lehnt noch aufgeschlagen*
die leicht vergilbten Seiten tragen
am Rande rechts unten einer Marquise
zierlich gewölbte Nagelspuren
die damals hochgemiedert hier
sass und spielte mit sanft gebogenen
feinen Brauen mit grossen verlognen
blauen Augen mit puderbestaubten
Locken vor Herrn die ans Irdische glaubten
und an den Hurihimmel auf Erden*
die mit Spitzenmanchetten und halben
Gebärden
in einer sublimen schmalen Manier
ihr Kräuseljabot aus den Westen zogen
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und schlanke Rohre träumend bogen
mit Silberknäufen und Freiherrnkronen*
die mit dem Parfüm der Sonnenzonen
ihre heimlichen zärtlichen Aventüren
feuchteten und mit gewandten Allüren
den alten Gott in die Grube legten
über die sie sich schmächtig und höflich
bewegten
in kleinen Schritten mit scherzenden
Worten . . .
Wer öffnet mir die verriegelten Pforten
zu dieser Welt der blassen Nüancen
der Madrigale und Medisancen?
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GOYA
I ch habe die lange schwüle Nacht
bei einer jungen Dame verbracht:
sie liegt nun und träumt mit offenen Lippen
von meinem Nacken . .
Jetzt werd ich malen. Wollt ihr euch packen?
Steht nicht herum und gafft so ledern!
Sonst zerr ich euch an euren Agraffenfedern
oder kitzle diese dünnen Waden
mit meinem Degen. Ich bin von Gottes-
gnaden*
ein Grande bin ich im offenen Hemd*
ich liebe das Licht das die Welt über-
schwemmt*
ich liebe ein Pferd
das bäumend sich gegen den Zügel wehrt*
den Juden lieb ich den keiner bekehrt!
Dem König lass ich sagen* er solle
klopfen wenn er mich stören wolle.
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MÜSSET
I ch liege mit der Cigarette
bis an den Morgen — o das böse
Licht! —
müd ohne Schlaf im Seidenbette
der liebenswürdigen Ninette
und kräusle den Rauch zu einem Gedicht.
Was hast du mit meinem Leben getan!
wenn ich dich betrachte dumme Kleine
deine marmornen runden Beine
fang ich fast zu weinen an
um die ewig verlorene Eine.
Ninette du hast verdünntes bleiches
schnellrieselndes Blut* mein Kopf ist schwer :
wo nehm ich den Mut für heute her?
Sänk ich doch in dein faltenreiches
Morgengewand gehüllt ins Meer!
*
ioo
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PIERROT PENDU
U nd ich sah dich nachts an der Laterne :
bleich und traurig hingst du Pierrot*
trübe schimmerten die späten Sterne
als der Mond dein alter Freund entfloh.
Da im Gassendunkel deine Züge
schmerzlich schienen und gedankenbang
sann ich über deines Lebens Lüge
armer Narr am selbstgeknüpften Strang.
Ach ich hab dich doch nicht abgeschnitten
rührte leise nur an deine Hand . . .
Husch* ein Schatten war hinweggeglitten
der verstohlen mir im Rücken stand.
ioi
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ZWEI STUNDEN
S ein Vater war ihm immer fremd*
seine Mutter nähte ihr Totenhemd*
die Schwester aber ging tanzen.
Und eine Stunde stand vor ihm
schlank leicht und licht wie die Cherubim :
und er schnürte den Wanderranzen . . .
Als er wiederkam war der Vater tot
die Augen der Mutter tränenrot
und seine Schwester verraten.
Und eine Stunde stand vor ihm
hoch blass und still wie die Seraphim
und ihre Blicke baten.
Da hat er seinen Stab genommen . . .
und ist nie mehr heimgekommen.
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BÖSE GROSSE VÖGEL
U nd kamen grosse Vögel durch dieNacht
mit krummen und verachtend starken
Schnäbeln-
sie haben alles Leben schnöd betrachtet
mit klugen bösen kalten grauen Augen
und sind in Nebel-Ferne dann geflogen
mit weithinschattenden und stummen
Flügeln.
TOD UND LIEBE
Z ur Pforte des Glückes trat auf leisen
Sandalen
im weissen wallenden Kleide der Tod*
mit dürren Fingern bog er das Rankenrot
des Weinlaubs weg* da war dem hohen
fahlen
Gaste wehrend ein schmächtiger Knabe
genaht
der wangenerhitzte nackte Page der Liebe*
lächelnd fragte der Wanderer: Glaubst du
mir bliebe
sonst kein anderer als dein rosenbestreuter
Pfad?
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DER LETZTE
D ie Nacht steigt über die Berge
und schattet in mein Verliess-
tiefatmend schläft mein Scherge
den man mich richten hiess.
Herr Jesus in deine guten
Hände empfehl ich mich
drin meine Väter ruhten
fromm tapfer und königlich.
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DER FIEDLER
E in Spielmann auf seiner Geige strich*
das klang so rot so königlich*
sein hartes Kinn lag auf der Fiedel.
Ein Knabe ging und stand und blieb*
und jeder Strich war ein Sensenhieb —
andern wars nur ein Strassenliedel.
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HERODIAS
H erodias erschien: zwei Panther gingen
gelassen züngelnd schmiegsam ihr zu
Seiten*
bei ihrer schmalen Leiber weichem Gleiten
klirrten die Ketten aus gefeilten Ringen.
Ein Zwerg begann sogleich mit frechen
Fratzen
des Geifermaules rings im Kreis zu höhnen
lüsterne Blicke unter glatten Glatzen
die grüssend sich geneigt den Cymbeltönen.
Zwölf nackte Mädchen unter steilen Brüsten
goldene Gürtel* ohne Haar und Fehle-
die Arme hoch gekreuzt vor Kinn und Kehle
erschauerten vor Wünschen die sie küssten.
Herodias ein spältiges gerafftes
silberdurchwirktes grünes Florgewand
um breite Hüften grüsste mit der Hand-
kein Leben rann durch ihr genusser-
schlafftes
schneebleiches Antlitz mit gefärbten Lidern*
ihr matter Leib hob sich bei jedem
Schritte
und furchtbar funkelte in Nabelmitte
der riesige Rubin vor ihren Gliedern.
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DER DICHTER (CINQUECENTO)
E rwach du meine liebliche Vertraute
geliebte kleine braune kluge Frau*
und nun ich dir in klare Augen schau
hör lächelnd was ich selig dir verlaute.
Ich habe heute nacht ein blondes Weib
in Lippen wie von einem Dolch gerissen
auf ihrem Bette bleich vor Lust gebissen
vermählt mit ihrem wundervollen Leib.
Ich habe sie geschlürft wie eine Perle*
ein Glück genossen wie ein Lautenlied
im Boot* von Dante Zeilen* als ich schied
war Frühlingsduft umher wie einer Erle.
Ich steh geschmeidigt wie nach einem Bad*
ihr Griechenkörper aber reift mir Verse
so kostbar wie dein Schmuck* wie deine
Ferse
beschwingt und farbig wie ein Pfauenrad.
Mein Märchenreich ist nicht von dieser Welt
der ekel nüchternen Alltäglichkeit:
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die Dichtung ist mein purpurrotes Kleid*
der Sternenhimmel ist mein Königszelt*
Ich bin von perikleischem Geblüt*
kein wüstenbleicher kranker Nazarener:
schönheitberauscht als letzter der Athener
lieb ich was nur berückend strahlt und sprüht.
Ein prunkender Brokat* ein Berberhengst*
ein funkelnder Pokal* dunkle Falernerglut*
ein Dolch smaragdenkalt getaucht in Blut*
du wenn du nackt im Panterfell dich
schenkst!
no
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DIE PFORTE DES TODES
I n schwarzem Eisen hält am Tor
das bleiche Haupt vom Helm gekrönt
der Engel Wacht* und also tönt
die starke Stimme: Tretet vor!
Hoch ragt das Gitter* schwarz und still
die Wipfel drinnen höher noch.
„So sind aus Qual am Ziel wir doch
wir die die Sonne nicht mehr will*
lass ein die Wandermüden!“ Blank
verweisend hemmt sein Schwert* das Haupt
schüttelt er weigernd. „Nicht bestaubt
ist euer Haar von weitem Gang*
in euem Augen brütet Hass*
verdrossne Gier keucht drin und glüht.
Dies aber ist die Weisung: müd
und milde lächelnd ins Gelass
trete der Mensch* so ist mein Amt.
Zurück ins Leben! Kämpft und harrt!“
Sein Helmbusch steigt* sein Blick erstarrt
und das gezückte Schwert erflammt.
in
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DAS BILD DER JUNO
A ls er das Volk mit Palmen und Drom-
meten
die weissen Kinder mit bekränzten Haaren
•«
geführt von Ältesten sah nähertreten
und hinter diesen immer neue Scharen
hat er das Werk mit einem Hieb zer-
schlagen*
und also trat er vor die scheue Menge:
Ichhab dieGöttin tief im Wunsch getragen*
doch meine Kraft reicht nicht an ihre Strenge.
Genügte euch mein Werk* es könnte nimmer
die laute Scham im Busen mir ersticken:
von ihrem Glanz kaum einen blinden
Schimmer
begnadet sie mich Schwachen zu erblicken.
Ich will euch Krüge zieren leicht mit
Kränzen
und euren Toten schlanke Urnen richten
und Schalen formen Opfer zu kredenzen:
doch freveln nicht an göttlichen Gesichten!
1 12
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INHALTSVERZEICHNIS
I
ERSTE ABTEILUNG
März (1901)
Mai (1900)
2
Kuckuck (1894)
3
Vom Kaserafenster (1895)
4
Kleine Frau (1896)
5
An den Mond (1896)
6
Sommerglück (1896)
7
Mittagsstille (1896)
8
Nixe im Wasserfall (1891)
9
Traurige Mär (1897)
10
Mögen mich die Alten schelten (1896) 11
Dragoner (1896)
12
Wagenrennen (1897/1904)
13
Damals (1898)
H
Die iunge Sehnsucht (1897)
15
An die Nacht (1897/98)
16
Der Weiher (1896/1904)
17
Sommernächte (1898)
18
Weise-Werden (1898)
19
Die Muschel (1897)
20
Das Kornfeld (1898)
21
August (1898/1904)
22
Die Zeit der kleinen Lieder (1897)
23
Sterne (1898)
24
Ritt ins Leben (1899)
25
Wirf die welken Worte weg (1899)
26
Der Braut (1899)
27
28
Du (1899)
Capri (1899/1903)
29
Über deine Augenlider (1900)
30
Sommerabend (1904)
3 1
Morgen (1900/03)
32
Feldergang (1899)
33
Dein (1900)
34
O stille Seele (1900)
35
Das Glück (1900/1903)
36
Meiner Frau (1901)
37
Leise kommt die Nacht (1900)
38
Das Lied von der Zeit (1900)
39
Ritterlicher Spruch (1897/1904)
40
Meinem kleinen Johann Wolfgang
(1899/04)
4i
Schattenspiel (1901/1904)
42
Viele Dinge ohne Sinn (1901)
43
Erntetag (1904)
44
Leise hat nun milde Nacht (1902)
45
WasderTagin trägenHänden(i902/o4)
46
Zur Cigarette (1902)
47
Nacht aus müden Händen (1904)
48
Strandfelsen (1900)
49
Der Engel (1902)
5o
Mondnacht (1902)
5i
Ekstase (1902)
52
Der Tod (1902)
53
Mittag (1901/1904)
54
Einem Täufling (1902)
SS
Mysterium (1902)
56
Herbstabend (1899)
57
Leben (1904)
5 «
Das grosse Schiff (1901)
59
Winter (1899/1900)
60
Der Wanderstab (1904)
61
Zu den Zielen seiner Träume (1897)
62
Glücklich wer in ruhigen Händen (1897)
63
Und sind ja doch die Dinge dieser Welt (1900)
64
Die Sonne (1898)
65
Vorfriihlingsnächte (1904)
66
Schnepfenstrich (1901/1904)
67
Heimkehr (1900)
68
Meiner Mutter (1903)
69
Dir (1904)
7 i
Was ist mein Leben (1903)
72
Und so gehen wir vereint (1900)
Persepolis (1895)
Der Wächter (1897)
Sehnsucht des Knappen (1899)
Ein Schloss (1894/1903)
Der schwarze Ritter (1900)
Chronica (1896)
Der Bravo (1900)
Der Zwerg (1902/1903)
Notre-Dame (1902)
La duchesse de . . . (1900)
Huldigung des Chevalier de . . . (1899)
116
2Z
7 »
79
80
81
13
84
15
86
12
88
89
Digltlzed by Google
Waldfest (1896)
90
Porträt des Marquis de . . . (1899/1900) 92
Das Lieblingsross (1900)
93
Der Gesandte (1900)
94
Porträt eines spanischen Infanten (1899) 95
Alte Schlösser (1899/03)
96
Rococo (1896)
97
Goya (1899/1900)
99
Müsset (1899)
100
Pierrot pendu (1900)
IOI
Zwei Stunden (1896)
102
Böse grosse Vögel (1900)
103
Tod und Liebe (1896)
104
Der Letzte (1902)
103
Der Fiedler (1896)
106
Herodias (1901)
107
Der Dichter (1896/1902)
109
Die Pforte des Todes (1896/1903)
1 1 1
Das Bild der Juno (1901)
112
Die im Inhaltsverzeichnis gesperrt gedruck-
ten 27 Gedichte sind, im Einzelnen mehrfach ver-
ändert, mit Genehmigung des Verlegers, Her-
mann Seemann Nachfolger in Berlin, dem
1 902 erschienenen Bande „DasBuch derTage
und Träume, 2. verbesserte und vermehrte Aus-
gabe der »Tage und Träume* (1899), mit Buch-
schmuck von Heinrich Vogeler-Worpswede und
dem Bilde des Autors“, sowie das Gedicht „Mai“
dem ebendort 1902 verlegten Bande , ; Pier rot
und Colo mb ine oder das Lied von der Ehe.
Ein Reigen Verse. Mit Buchschmuck von Heinrich
V ogeler - W orps wede“ entnommen.
118
Digitized by Google
I» «'#•