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Entstehung und Beziehungen zur
zeitgenéssischen Satire und Kritik
von
Dr. phil. Karl Konig.
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Inhalt.
Einleitung
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Literarische Werturteile innerhalb der
Satire
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Literatur.
The Works of Lord Byron
Poetry, herausgeg. von E. H. Coleridge (““W“)
Letters and Journals hrg. von R. E. Prothero (“‘LJ.‘‘)
The Works of Lord Byron, with his Letters and Jour-
mais and-his. Life; by Th. Moore. |-14): Bande.
London 1832.
Byrons Werke, herausgeg. von Friedrich Brie. (Bibl. Inst.)
Recollections of the Life of Lord Byron from the year
HoeontOr, the , end of ~18144""+by, (R=) C:— Dallas,
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Weiser. Popes Einflu&8 auf Byrons Jugenddichtungen.
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S. Levy. Byrons Verhaltnis zu Pope. Anglia IL.
C. M. Fuess. Lord Byron as a satirist in Verse. New-
York 1912 bekam ich erst zu Gesicht, nachdem
meine Arbeit in den Hauptziigen vollendet war.
In einigen Punkten konnte ich noch Stellung zu
zu ihm nehmen.
Die abschliefende Byron-Ausgabe von Coleridge und
Prothero brachte der Byronforschung eine Reihe neuer
Aufgaben, von denen man bisher nichts geahnt hatte.
Schon bei den Jugendwerken tauchten Probleme auf:
man wies darauf hin, daf’ ein betrachtliches Stiick der
English Bards schon vor dem Erscheinen der aufreizenden
Kritik geschrieben worden war, dafs ahnliche Stoffe
schon zuvor die zeitgendssischen Autoren beschaftigt
hatten. So erhob sich die Frage nach dem Entstehen
und den Zielen der Satire, sowie nach ihren Vorbildern,
eine Frage, deren Beantwortung die vorliegende Arbeit
dienen soll.
Sie zerfallt in eine Darstellung der aufseren Ent-
stehungsgeschichte, eine Quellenuntersuchung nach Form
und Inhalt und schlief§lich eine zusammenfassende Be-
trachtung der inneren Entwicklung, der Zusammenhange
zwischen Schopfer und Geschaffenem. Ihnen nach-
zugehen ist in diesem Falle besonders reizvoll, da wir
ein Jugendwerk der garendsten Zeit vor uns haben, in
dem alle Entwicklungsmoéglichkeiten nach oben drangen,
reizvoll auch, da Jahre vergingen, bis das Werk in seiner
entgiltigen Form festgelegt war, so dafS jede geistige
Bewegungsrichtung innerhalb dieser Zeit an ihren Spuren
erkannt und fixiert werden kann.
Nur unter dem Gesichtswinkel dieser innern Ent-
wicklung sollen jene Elemente betrachtet werden, die,
zu des Dichters ureigenstem Wesen gehoérend, in sein
Werk eingebettet sind und in ihrer Gesamtheit die
Eigenart seiner dichterischen Personlichkeit bestimmen.
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Sie vollstandig aufzuspiiren und zu entratseln, dazu
bediirfte es vor allem einer Analyse seiner spateren,
reifen Werke; an dieser Stelle seien nur die von der
zufalligen Ausdrucksform unabhangigen Grundaxiome
kurz skizziert.
Byrons Wesensart entspricht auf dem weitem Felde
des Komischen am besten die Satire. In ihr ist er ein
Meister geworden, zu ihr drangte ihn natiirliche Veran-
lagung, ein scharfes Auge fiir die Schwachen anderer,
spriihender Witz und Temperament, wenn es galt, sie
kiinstlerisch zu verwerten, leicht entziindbare Sensibilitat,
flammender Oppositionsgeist in der Jugend, im reifen
Mannesalter bittere Verachtung alles Herkémmlichen,
vor allem jedes scheinheiligen Cant. Gerecht abzuwagen,
die Daseinsberechtigung ihm nicht liegender Anschauungen
und Gewohnheiten anzuerkennen, davon halt ihn die
iiberragende Macht seiner im Grund naiv-egoistischen
Personlichkeit ab, die fiir ihn zum _ unterschiedslosen
Mafistab aller Dinge wird.
Ein Aristokrat vom reinsten Wasser, nicht nur
seiner dufseren Stellung nach, sondern auch in Weltauf-
fassung und Handeln, fallt es ihm leichter, eine Sache
abzutun, als ihrem innersten Wesen verstandnisvoll nach-
zuspuren. So kommt es, dafs freier, giitiger Humor in
seinen Werken so selten, eigentlich gar nicht zu finden
ist, dafS’ wir uns bei ihm nie von Herzen gemiitlich und
wohl fiihlen, wie etwa bei Gottfried Keller. Dazu fehlt
ihm die Gabe des echten Humoristen, all-umfassende,
all-verstehende Liebe zu allen, selbst den _ scheinbar
weniger berechtigten Erscheinungsformen des Lebens,
dazu fehlt ihm vor allem eine geklarte, im Feuer des
Leidens gehartete Weltanschauung, die in der Zwie-
spaltigkeit seines Wesens —- Weltschmerz und gliihende
Lebensbejahung — keine feste Gestalt gewinnnen wollte,
es bei seiner Jugend auch noch nicht konnte.
— 7 ———
So wird er je nach Umstanden zum_ strafenden
Richter oder mokanten Spotter, der mit Uberlegenheit die
Disharmonien des Lebens ablehnt und geifselt, wo der Hu-
morist mit giitigem Lacheln Gegensatze verséhnen wiirde.
Viel trug zu dieser Geistesrichtung der Byron an-
geborene und zeitig kultivierte Hang zum Pessimismus
und Melancholie bei, der durch die triiben Erfahrungen
der Kinderzeit nur noch gesteigert wurde.
Die Vorbedingung des Satirikers, gute Beobach-
tungsgabe, war ihm von Natur aus eigen; seine an-
dauernden Fehden mit seiner Mutter, die friihe schranken-
lose Bewegungsfreiheit seiner Lebensfiihrung taten ihr
iibriges, ihn mit all den menschlichen Torheiten, die er
in der Satire an den Pranger stellt, aus Anschauung
bekannt zu machen.
Frihzeitig treten Spuren dieser satirischen Ader
auf. Wenn man Moore glauben darf, so besteht sein
erstes dichterisches Stammeln aus einigen verachtlichen
Versen iiber den Aberglauben einer alten Dame, und
in dem bunten Durcheinander der ersten Gedichtsamm-
lungen kehren von Zeit zu Zeit rein satirische Gedichte
oder satirisch gehaltene Abschnitte wieder. Betrachtet
man die Werke dieser Gattung gesondert, so tritt der-
selbe eigentiimliche Mangel an Einheitlichkeit zu Tage,
der den Sammlungen schon anhaftet. Gedichte im
ernsten Ton iiberzeugter Entriistung wechseln mit
solchen voll launischer Spéttereien (W. I. p. 56: Granta.
A Medley, p. 36: To a Lady etc. p. 47: To Eliza); oder
tandelnder Frivolitaten (W. I. p. 63: To The Sighing
Strephon), die streng geregelten Verse nach dem,Muster
Popes mit freien Versmassen der verschiedensten Spiel-
arten (4hebige Reimpaare W. I. p. 36, 4zeilige Anapaste
p. 47, 4hebige Vierzeiler mit ttberschlagenem Reim p. 56,
daktylische Verse p. 63), sorgfaltige Reime mit ge-
brochenen oder ungewohnlichen.
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So interessant die freie, heitere Stilart als Vorlaufer
des Don Juan und Beppo sein mag, fiir die English Bards
ist nur der andere Zweig, die klassische Satire, betrach-
tenswert.
Die Motive zu den einzelnen Werken dieser Gruppe
sind verschiedenartig. Eine taktloses Impromtu auf den
Tod Pitts reifst ihn zu einem entriisteten Protest hin
(W.I. p. 34: On the death of Mr. Fox. Oct. 1806), ein ander-
mal gibt der Charakter eines Freundes zu einem satiri-
schen Portraét Anlafs, oder aber seine Oppositionslust
diktiert ihm eine mifvergnigte Noérgelei der Zustande
in Cambridge in die Feder (p. 128: Damoetas; p. 28:
Thoughts Suggested By a College Examination. Cambr.
1806). Die wichtigsten Gedichte jedoch entstanden als
Reaktion seiner pers6nlichen Gereiztheit infolge von
Ungerechtigkeiten gegen sich odere andere. Gleich das
erste satirische Gedicht gehért zu dieser Gruppe. Byrons
geliebter vaterlicher Freund Dr. Drury hatte sich von
der Stelle des headmasters von Harrow zuriickgezogen.
Sein Sohn, dessen Bewerbung um die vaterliche Stelle
von Byron eifrig unterstiitzt worden war, wurde nicht
gewahlt, sondern ein Dr. Butler. Byrons Enttauschung
und Zorn auf den vermeintlichen Eindringling entlud
sich in einigen ungerechtfertigten Beschuldigungen gegen
diesen im Pope’schen Stil. (p. 16: On a Change of
Masters at a Great Public School. July 1805). Die
Wirkung dieser Erregung war nachhaltig, denn in einem
andern Gedicht, den Childish Recollections (p. 84), einer
Riickerinnerung an seine Schulfreunde, kehrt er in einigen
Strophen zum selben Thema zuriick. Spater fand eine
Versohnung statt, und Byron bereute die raschen Ausfialle.
Im Dezember 1806 entstanden zwei unver6ffent-
liche Erwiederungen (p. 213: To a Knot of Ungener-
ous Critics; p. 217: Soliloquy of a Bard in the Country)
auf eine abfallige Kritik, die einige Damen Southwells
——— 9 —
gegen die ,,Fugitive Pieces“ geaufsert hatten. Das erste
der beiden Gedichte, in vierhebigen Reimpaaren ge-
schrieben, beginnt mit einer allegorischen Beschreibung
des Siegs der Wahrheit tiber die Verlaumdung, wendet
sich in scharfem Angriff gegen die 4ltliche Fiihrerin der
heartless crew und schliefSt in selbstbewuftem Trotz
gegen die Machtlosigkeit ihres Urteils seinem Genius
gegeniiber. Das zweite der Zwillingsgedichte bewegt
sich inhaltlich auf ahnlicher Bahn, an Stelle der einen
Reprasentantin treten vier Personen — ein Landedel-
fmanmenem) Pfarrer, ein Arzt’ und’ eine Dame — deren
Bewegegriinde, seine Gedichte zu verurteilen, zergliedert
werden. Formell weist dies Gedicht deutlich auf
die English Bards hin: der Ton ist entschiedener
als im ersten Falle, der Angriff persoénlicher geworden.
Der Form nach schliefit sich Byron, wie schon zuvor
auf pp. 16, 34, 28, 128, eng.an Pope an, er hat ihn gut
studiert, mit ziemlicher Gelaufigkeit handhabt er schon
das heroic couplet, die Antithesen und _ pathetischen
Wiederholungen.
Wenn diese Versuche auch bei weitem nicht an
das Temperament und den treffenden Witz der English
Bards heranreichen, so sind sie doch ein deutliches
Zeugnis, daf’ Byron nicht unvorbereitet an eine Satire
grofien Stils herantrat, daf’ er im Gegenteil noch fiir
weitergehendere Moglichkeiten als die rein klassische
Satire Voriibungen geleistet hat. Daf er erst sie heraus-
griff und so auf einem Umweg zu der ihm einzig pas-
senden Ausdrucksform des Don Juan kam, dies ist dem
tiberragenden Einfluf$ seines verehrten Vorbildes Pope
und der zahlreichen zeitgendssischen Modesatiriker, nicht
aber einer gefiihlsmassigen Auswahl zuzuschreiben.
If
Byron hatte in der ersten Halfte des Jahres 1807
in Southwell die harmlosen Vergniigungen eines echten
Kleinstadtidylls durchgekostet. Im Juni kekrte er nach
Cambridge zuriick, doch nur fiir kurze Zeit, im Juli
schon schlug er seinen Wohnsitz in London auf. Es
war fir Byron die Zeit seiner ersten dichterischen
Erfolge. Die ,,Poems on Various Occasions“ waren im
Januar, die ,,Hours of Idleness“ im Juni und Juli 1807
erschienen und von allen Seiten hatte man sich pflicht-
schuldigst bemiiht, die poetischen Verdienste des jungen
Lord in’s hellste Licht zu riicken. Einige Zeitschriften
brachten giinstige Recensionen, seine Freunde, sowie
,men of high reputation in the Sciences, particularly
Lord Woodhouselee and.Henry Mackenzie“ (LJ. I. p. 125),
sprachen ihre Anerkennung aus, er hatte die Aufmerk-
samkeit seiner schottischen Verwandten auf sich gezogen,
man hatte ihn sogar gebeten ,,to gratify the public with
some new work at no very distant period“ (LJ. I. p. 142).
Eine gute und fiir die Folgezeit fruchtbaré sete
haben diese Lobeserhebungen fiir Byron, er wird sich
mit grofsem Stolz seines dichterischen Kéonnens bewufst,
grofe Entwiirfe tauchen aus dem unbestimmten Gewoge
seiner Phantasie auf. Dem poetischen Stoff, der nach
Gestaltung drangt, geniigen die kleinen Gedichte nicht
mehr, er will in umfassendere Formen gegossen werden.
Die aufsere Umgebung war solch brennendem Taten-
drang giinstig, die Musestunden der Londoner Zeit
liefSen ihm neben den iiblichen Zerstreuungen doch noch
Zeit ubrig, seiner reichen dichterischen Inspiration nach-
zugeben, sowie die nétigen Vorarbeiten in Ruhe zu vol-
lenden. ‘Town is empty-consequently I can scribble
at leisure, as occupations are less numerous‘ (LJ. I. p. 140),
schreibt er am 2. August 1807.
Bald treten in seinen Briefen die Anzeichen dieser
Tatigkeit auf, zunachst als ein Tasten nach neuem pas-
sendem Material, dann aber allmahlich festere Gestalt
gewinnend. ,,By the way“, so heif$t es am 2. August
in einem Briefe an seine Freundin, Elizabeth Pigot, ,,I
have written at my intervals of leasure, after two in the
morning, 380 lines in blank verse, of Bosworth Field. . .“;
und einige Tage spater: ,,1 mean to collect all the Erse
traditions, poems etc. etc., and translate, or expand the
subject to fill a volume, which may appear under the
denomination of ,.[he Highland harp“ or some title
equally picturesque. Of Bosworth Field, one book is
finished, another just begun, it will be a work of three
or four years and most probably never conclude. What
would you say to some stanzas on Mount Hecla?, they
would be written at least with fire“.
Gleichzeitig finden wir in diesen Briefen ver-
steckte Andeutungen auf den Plan einer Satire. Byron
hatte seinem Vormund, Lord Carlisle, einen Band seiner
Gedichte geschickt, in der Erwartung, auch von dieser
Seite als aufsteigende Dichtergréfe gelobt zu werden.
Nun war Lord Carlisle zu dieser Zeit zufallig krank
und sandte als Antwort nur einige ermutigende Zeilen,
ohne das Werk jedoch zu lesen. Diese anscheinende
Geringschatzung erbitterte Byron in solchem Mafse, dafS er
in einem der oben erwahnten Briefe droht: ,,If he (Car-
lisle) ,,is in the least insolent, I shall enrol him with Butler
and the other worthies. . .““ Um die Bedeutung dieser
Worte zu verstehen, erinnere man sich an die in der
Einleitung besprochenen satirischen Zeilen tiber Butler,
die Drohung gegen Carlisle weist daher unzweifelhaft
auf die Absicht, durch eine neue Satire neue Abrechnung
zu halten, ein Gedanke, der zum Uberflu® in? dem
Postscript nochmals ausgesprochen wird: ,,Perhaps the
Earl ,,bears no brother near the throne“, if so; I will
make his sceptre totter in his hand“ '). Beleidigter Ehr-
geiz und Neid ist also, nach Byrons sehr selbstbewufter
Deutung, die Triebfeder, die. Carlisle den dichterischen
Genius seines Miindels nicht beachten la8t; er will ihn
aber aus seiner literarischen Stellung, ,,his throne“, ver-
drangen; das Mittel hierzu war seit Pope nicht mehr
zweifelhaft: die Satire.
Diese Bereitwilligkeit, den Weg der Satire zu be-
treten, ist nur erklarlich, wenn man schon einen Plan,
oder gar einen Entwurf einer solchen annimmt, denn
Byron hatte keinen Grund, sich tber seinen Vormund
zu beklagen, die Mifsstimmung, die ihm von seiner eifer-
suichtigen Mutter eingepflanzt worden war, hatte sich im
Laufe der Jahre gelegt. (LJ. 1. p. 52; p. 55; spee{5umone):
Am 26. Oktober ist die Satire soweit angewachsen,
dafS er aus Cambridge, wohin er inzwischen tibergesiedelt
war, an MifS Pigott schreiben kann: ,,[ have written 214
pages of a novel — one poem of 380 lines, to be published
(without my name) in a few weeks, with notes, — 560
lines of Bosworth Field, and 250 lines of another poem
in rhyme, besides half a. dozen smaller pieces) ihe
poem to be published is a Satire”.
Der genaue Beginn last sich nicht feststellen; wirde
man Byrons Notiz auf dem Manuskript ,, This poem was
begun in October 1807, and at different intervals com-
posed from that period till September, 1808, when it
was completed at Newstead Abbey. — B(yron), 1808" als
genaue Zeitangabe ansehen, so ware das ganze Stiick
in raschem Tempo im Laufe eines Monats niederge-
schrieben worden.
*) Das Zitat ist noch in weiterer Hinsicht interessant. Ein
Teil stammt namlich aus Popes Prologue to the Satires. (Works.
III p. 256), ist also wieder ein neuer Hinweis auf Byrons Be-
schaftigung mit Pope.
Wahrend des Winters machte die Satire nur geringe
Fortschritte, denn in dem noch erhaltenen Foliomanus-
kript, das bis Februar 1808 vollendet worden war, ist sie
auf 370 Zeilen (einschlieSlich 10 hinzugefiigter Zeilen)
reduziert worden. Byrons Arbeit scheint demnach darin
bestanden zu haben, die alten Teile nachzupriifen und
passendes auszuschalten. Dazu wiirde die Tatsache
stimmen, dafi die erhaltenen Blatter nicht fortlaufend
nummeriert sind.
Der Grund zu dieser Unterbrechung liegt in seiner
intensiven Beschaftigung auf andern Gebieten. Er las in
dieser Zeit sehr viel und kostete die Reize aller Zerstreu-
ungen, die er sich in Cambridge verschaffen konnte, da er
mit der Absicht dorthin gegangen war, ,,to be uncom-
monly gay“ (LJ. I. p. 136). Vor allem aber schlofs er eine
Reihe neuer Preundschaften, die ihn voll in Anspruch
nahmen, so mit Hobhouse, Scrope Davies, Skinner .Mat-
thews und William Bankes. Allen Zeugnissen nach um-
fate der kleine Kreis, der sich so bildete, eine Reihe
geistvoller Képfe, die voller Ubermut tiber alle Tiefen
des Lebens hinwegsetzten, deren frischer Spottlust die
ganze Welt als Zielscheibe dienen mufite. (LJ. I. p. 150 ff.
LJ. IL. p.29). Eine gute Ubung mégen die ,,wars of words“,
in denen die ausgelassenen Geister sich massen, fiir den
jungen Byron gewesen sein, und manch witziger Einfall
dieser Zeit mag in spateren Werken seine charakteri-
stische Pragung gefunden haben’), freilich von unmittel-
barer Wirkung auf seine Satire waren sie, wie wir sahen,
nicht. Dazu waren seine Gedanken zu sehr von den
Vorbereitungen zur entgiiltigen Redaktion seiner Gedicht-
sammlung “Poems original and translated" in Anspruch
genommen’).
1) Ahnlich, wie er einen Witz von Scrope Davies in den
Beppo tibernahm. LJ. V. p. 423. *) vergl. LJ. I. 148.
Das Resultat dieser 5 Monate ware demnach fol-
gendes: Byron verfafte einen gréfseren Teil seiner Satire
in verhaltnismafig kurzer Zeit — im Oktober 1807 —
dann legte er sie wahrend des ganzen Winters beiseite.
Aufere Griinde sind dafiir verantwortlich.
Im Februar 1808 trat jenes Ereignis ein, welches
lange Zeit als einzige Entstehungsursache der English
Bards angesehen wurde: Byron erhielt die Recension
seiner ,,Hours of Idleness“ in der Edinburgh Review zu
Gesicht. Schon friher waren neben den lobenden auch
tadelnde Kritiken erschienen, ohne aber anscheinend
einen tieferen Eindruck auf Byron zu hinterlassen, mit
Ausnahme des einen, schon besprochenen Falles, wo die
Riige, die ihm von pers6nlich bekannten Philistern South-
wells zu teil wurde, eine bissige Entgegnung hervorrief.
Als er von dem ,,Satirist"’ angegriffen worden war, hatte
er sich mit dem Gedanken getrostet, ,,it keeps up con-
troversy, and prevents it being forgotten. Besides, the
first men of all ages have had their share, nor do the
humblest escape; — so I bear it like a philosopher“. (LJ.
I. 147). Selbst einige pers6nliche Anrempelungen lief er
ruhig durchgehen; mit den Lastern, die ihm vor-
geworfen wurden, _ ,,licentiousness‘‘ und _,,infidelity”
hatte er in seinen Briefen von jeher kokettiert, so daf
ein Vergleich mit dem _ beriichtigten ,,wicked Lord
Lyttleton“ seiner Eitelkeit nur schmeicheln mufte. (LJ.
[eset 7O) src)
Auf eine wundere Stelle trafen dagegen die Hiebe
der Edinburgh Review, obgleich er sie nicht ahnungs-
los empfing: ,,1 am of so much impartance that a most
violent attack is preparing for me in the next number
of the Edinburgh Review. This I had from the
authority of a friend who has seen the proof and
manuscript of the critique.“ (LJ. I. p. 183). Im selben
Trostgrund wie friither sucht er seine innere Unruhe zu
verbergen: ,,It is, however, something to be noticed, as
they profess to pass judgment only on works requiring
the public attention... It is nothing to be abused
when Southey, Moore, Lauderdale, Strangford, and Payne
Iamaiige share the same fate.“ (LJ. Il p. 185). Dies
schrieb er noch am 26. Februar 1808 an seinen Freund
John Beecher; am selben, oder aber am folgenden Tag
muf$ er dann die Kritik gelesen haben, die nach der
damals tiblichen Weise anonym erschien.
Vom literarischen Standpunkt muf$ man nun zu-
geben, dafS der Kritiker, Lord Brougham, im Rechte war,
wenn er mit den Jugendgedichten scharf ins Gericht
ging, denn nur auf wenigen Seiten ringt sich Byron zu
wirklich originellem, selbst erlebtem Gehalt empor; die
Ausfalle auf seine Abkunft und seine Minderjahrigkeit
waren iiberdies von ihm selbst provoziert worden, da
er diese beiden Eigenschaften etwas zu_ selbstbewuft
pratenzids in den Vordergrund geriickt hatte. Was aber
Byron — und dies mit Recht — tédlich verletzen mufste,
war die lachelnde Uberlegenheit, mit der er abgetan —
wurde. Seine Schiileriibungen wurden nicht einmal mehr
einer ,,furious Philippic’’ wert gehalten, sondern als
Erzeugnisse eines unreifen Knaben der Lacherlichkeit
preisgegeben, das schlimmste Schicksal, das den von
Natur aus empfindlichen und durch die jiingsten Erfolge
verwohnten Charakter Byrons treffen konnte.
Darum mufte, wie ich glaube, der erste Eindruck
fiir sein dichterisches Selbstbewuftsein niederschmetternd
sein, genau so, wie er in echter Verzweiflung an seinen
besten Freund, Hobhouse, am 27. Februar schreibt: ,,As
an author, I am cut to atoms by the E-Review; it is
just out, and has completely demolished my little fabric
of fame. This is rather scurvy treatment for a Whig
Review; but poetry and politics are different things, and
— lo
I am no adept in either. I therefore sibmaman
silence"). (LJ. 1.183).
a seinen spiteren Au®erungen iiber die Wirkung
der Kritik pflegt er den Verlauf in etwas anderem Lichte
darzustellen. Meist riihmt er sich, so in seinem Tage-
buch (LJ. II. p. 330, Tagebuch vom 22. November 1813)
und Medwin gegeniiber (Medwin p. 171), er sei nach der
Lektiire in fiirchterliche Wut geraten, habe gut gegessen,
drei Flaschen Rotwein getrunken und nicht eher geruht,
bis er seinen Gefiihlen in den English Bards Luft gemacht
habe. Auch Moore erzahlt unter dem Einfluf ahnlicher
Berichte, ein Freund, der Byron um diese Zeit besuchte,
habe aus der trotzigen Wildheit seiner Blicke geschlossen,
er habe eine Forderung erhalten. (Vol. I. p. 207).
Alle derartigen Variationen verlieren an Wahrschein-
lichkeit, wenn sie mit dem natiirlichen und impulsiven
Brief an Hobhouse verglichen werden. Es scheint mir,
dafS Byron, beschamt iiber die niederschmetternde
Wirkung der Review, einen Geisteszustand hierher ver-
legt, zu dem er sich erst spater aufraffte. Erst unter
den Trostspriichen der Freunde und Bekannten hob
sich sein zu Boden liegendes Selbstbewuftsein soweit,
daf§ er an eine Entgegnung denken konnte. Ermun-
terungen wurden ihm in reichem Masse zu Teil. So
erzahlt er am 28. Marz 1808 in einem Briefe an Beecher,
die ,,literati‘ hatten ihn auf die Unzulanglichkeit der
Kritik hingewiesen und Pratt habe ihm sogar als Trost
eine ,,rhyming epistle* geschrieben”. , For my own part,
these ,,paper bullets of the brain“ have only taught me
to stand fire“ schreibt er jetzt wesentlich mutiger als
fruher, (Jal. 186).
Auf alle Falle tritt das klar hervor, dafS es voreilig
ware, irgend welche Schliisse auf eine sofortige Arbeit
*) Ahnlich lautet seine Riickerinnerung beim Tode von
Keats: ,,It knocked me down, but I got up again (LJ. V. Nr. 884).
an der Satire zu ziehen, sicher ist nur, dafs er in der
Folgezeit zur Satire hinzufiigte. Die Zeit ist nicht zu be-
stimmen, selbst die Anzahl der Zeilen ist ungewif,
Moores Angabe (vol. I. p. 208) ,,after the first twenty
lines, he felt considerably better -
keinerlei Anspruch auf Genauigkeit.
Den Hauptanstof$, als Antwort auf die Kritik Sturm
gegen die ganze Zeitschrift zu laufen, lieferte ihm das
praktische Vorbild eines Altersgenossen. Nach einem
zweimonatlichen Aufenthalt in London war namlich Byron
im Mai nach Cambridge zuriickgekehrt, um am Oster-
turnus teilzunehmen und hatte sich eng an Hodgson an-
geschlossen, den ihm von dem gemeinsamen Freund Drury
her bekannten Hofmeister von King’s College. Dieser
Verkehr, der fiir den nachsten Verlauf der Satire bedeut-
sam werden sollte, wurde bis 1816 durch Besuche oder
durch Briefwechsel aufrechterhalten ').
So verschieden die beiden jungen Leute ihrer gei-
stigen Veranlagung und ihrer Lebensauffassung nach
waren ”), so boten doch ihre literarischen Ansichten genug
Bertthrungspunkte. Beide waren eifrige Verehrer der
Schule Popes und Drydens; ihre Erstlingswerke hatten
zudem genau dasselbe Schicksal zu erleiden gehabt, auch
Hodgsons ,,Translation of Juvenal hatte im Marz 1808
die scharfe Zensur der Edinburgh Review passieren
miissen, in derselben Nummer, in der Giffords Ausgabe
von Massinger hergenommen wurde. Uber all diese Be-
manglungen erbittert, setzte Hodgson sich ans Werk
und schrieb gegen die Kritiker, besonders aber gegen
die Edinburgh Reviewers die Satire: ,,A Gentle Alter-
") Hodgson p. 95 ff. *) Hodgson fitihlte sich, ahnlich
wie spater Dallas, zu Byrons Seelenretter berufen, als er ihn
auf den Abwegen des religidsen Skepticimus sah, doch betrach-
tete Byron seine Bemiihungen nur von der humoristischen Seite
aus und stachelte sie durch Mystifikationen noch mehr an.
macht natiirlich
= Is ——
ative prepared for the Reviewers‘‘'). Der Einfluf dieses
praktischen Beispiels auf Byron ist nicht hoch genug
einzuschatzen, denn hier wurde seinen neu erwachten
Ehrgeiz in nachster Umgebung ein Weg zu frischer Be-
taitigung gewiesen, der zu gleicher Zeit Gelegenheit zur
Rache an seinen Feinden bot.
Von den innern, spater zu behandelnden Ahnlich-
keiten der beiden Satiren noch ganz abgesehen, finden
wir in den Briefen sichere Hinweise auf einen Gedanken-
austausch iiber dieses Thema, sodafi die Vermutung
von Hodgsons Sohn: ,,Much must have passed between
them, and manyfold must have been the notes which
they compared . .“‘ (p.97 vol. L.) ihre Bestatigung findet.
Am 18. November 1808 schreibt Byron an Hodgson:
,ls your information of Jefferie’s proposal to Southey
well authenticated? if so, pray favour both with a few
couplets in your satire. [ should be too happy to think
Gifford had troubled‘‘ (eine Zeile des Manuskripts ist
herausgeschnitten) ,,could discover if he really wrote the
exposé in your possession“. (LJ. Ill. p. 171). Darauf-
hin machte Hodgson Byron auf die falsche Sehreibung
von Jeffreys Namen aufmerksam, denn in einem Brief,
der vom 27. November datiert ist, hei®t es: ,,You dis-
comfort me with the intelligence of the real orthodoxy
of the Arch-fiend’s name, but alas! it must stand with
me at present; if ever I have an oppertunity Of correc-
ting, I shall liken him to Geoffrey of Monmouth, a noted
liar in his way, and perhaps a more correct prototype
than the Carnifex of James II“. (LJ. L p»2zonegilen
werde im Weiteren auf diese beiden Stellen noch zuriick-
zukommen haben.
Am 4. Juli 1808 wurde Byron von der Universitat
Cambridge der Titel eines M. A. zugesprochen, die Uni-
*) Abgedruckt auf Seite 56 ff. von Hodgsons ,,Lady Jane
Grey; with Miscellaneous Poems“. London 1809.
versitatszeit hatte fiir ihn, ohne dafS er sich je besonders
um das Studium bekiimmert hatte, ihren AbschlufS ge-
funden. In den folgenden Monaten scheint er, soweit
man aus den sparlichen Briefen und den schon zahl-
reicheren Legenden schlieff{en kann, in London und
Brighton ein ziigelloses Leben gefiihrt zu haben (LJ. I.
p. 203; Moore vol. I pp. 211—213), bis er sich im
September nach Newstead Abbey zuriickzog. Dort
erwarteten ihn Gutsherrenpflichten, die Gebaulichkeiten
waren in verwahrlostem Zustand und mufsten erst not-
diirftig ausgebessert werden.
Kein Wunder, dafs unter diesen Umstanden die
Satire geringe Fortschritte machte. Vom Februar bis
Oktober fiigte er zu dem urspriinglichen, auf Folio-
blatter geschriebenen Kern nur einen Anfang und ein
Ende hinzu, zusammen 90 Zeilen auf Quartblattern.
Dieses sparliche Wachstum hat schon Moores Aufmerk-
samkeit erregt (vol. I p. 226). Nach seiner Auslegung
maf Byron der Ver6ffentlichung solch grofen Wert bei,
dafS er seine Krafte bis zum Frihjahr aufsparen wollte.
Wahrscheinlicher ist es jedoch, dafi’ Byron, wie schon
frilher, die Satire tuber anderen Beschaftigungen liegen
liefS und die Arbeit daran auf den einsamen Winter in
Newstead verschob.
Im Oktober 1808 wurden die Manuskripte auf
Quartblattern von Ridge in Newark, Byrons friiherem
Verleger, gedruckt. Byrons Absicht war nicht eine
Ver6ffentlichung, er wollte das bisherige Material nur in
ubersichtlicher Form zusammenstellen, um gegebenesfalls
leicht Interpolationen vornehmen zu k6énnen. Darum
wurde wahrscheinlich nur ein Exemplar gedruckt, das
spater in die Hande von Dallas kam und noch erhalten
ist. Der gesammte Stoff, der sich auf 560 Zeilen belief,
erhielt den Titel ,,British Bards, a Satire’’. Die ersten
16 Seiten enthalten 284 Zeilen und zwar — nach der
spateren entgiiltigen Ausgabe — Zeilen 103—437 mit Aus-
nahme von Zeilen 115/116, 129—142, 319 —326, die
alle spateren Datums sind. Die Seiten 17 und 18 sind
ausgerissen, die letzten 4 Zeilen von Seite 16 ausradiert.
Die beseitigten Abschnitte enthielten den Urtext der
Angriffe auf Jeffrey, in denen er infolge eines Irrtums
in der Schreibweise mit Jeffreys, einem beriichtigten
Richter der Zeit Jakobs verglichen wurde. Wie wir
sahen, lenkte Hodgson Byrons Aufmerksamkeit auf den
Irrtum und dieser ersetzte den urspriinglichen Text durch
ganzlich neuen Stoff. Statt des friiheren direkten Ver-
gleichs steht jetzt nur die vorsichtige Anspielung: ,,Once
in name, England could boast a judge almost the
same‘. Die neuen Abschnitte wurden auf Druck-
bogen an Stelle der Seiten 17 und 18 eingeschoben.
Sie umfassen Z. 438 —527 und machen 84 Zeilen aus. Die
Seiten 19—29 der ,,British Bards“ enthalten in der Haupt-
sache Z. 560—1010 der ,,English Bards** mit den haupt-
sachlichen Ausnahmen von Z. 618—716, 726—740,
765—798, 819—880, 949—960; da die letzte Zeile ,,520°
nummeriert ist, so miissen wir nach Abzug von Seiten
I—16 und 19—29 fiir die urspriingliche Version der
Stellen gegen Jeffrey etwa 36 Zeilen in Anspruch nehmen.
Und nun zum Kernpunktder Untersuchung. Welches
sind die 380 Zeilen des ersten Entwurfs vom Herbst
1807? Herr Coleridge’), der das Manuskript einer
nochmaligen genauen Durchsicht unterzog, gab mir den
Bescheid, daf§ sich nach aufS$eren Gesichtspunkten die
einzelnen Abschnitte des Manuskripts nicht mehr datieren
lassen. So weit wir also dringen kénnen, sind wir auf
Konjekturen angewiesen, allerdings auf solche durch-
sichtiger und iiberzeugender Art.
‘) Ihm, sowie Herrn John Murray, durch dessen liebens-
wirdige Vermittlung die erneute Priifung stattfand, sei an dieser
Stelle mein Dank ausgesprochen.
Sehen wir von den _ herausgeschnittenen Partien
gegen Jeffrey ab, so bleiben noch 484 Zeilen, von denen
Anfang und SchlufS die 1808 angefiigt wurden, sowie
die weiteren Angriffe auf die Edinburgh Reviewers ab-
zuziehen sind. Wie mir Herr Coleridge berichtete, ist
dieser Schluf$-Zeile 963—1010 der E.B. Ihnen wiirde
ein ahnlich langer Anfang von Z. 103-128 entsprechen,
beides zusammen rund 70 Zeilen. Mit ihnen waren von
der Gesammtsumme abzuziehen Zeilen 418—438, die
ihrem Inhalt nach erst nach dem Erscheinen der Recen-
sion in der Edinburgh Review gedichtet wurden. Als
Grumestock blicben somit noch 410 Zeilen:
Es sind dies die zusammenhangenden Zeilen 143—360
(Scott, Southey, Wordsworth, Coleridge, Lewis, Moore,
Strangford, Hayley, Pratt, Bowles, 560—617 (Drama),
707—725 (Della Crusca), 741—764 (Della Crusca), 799—
818 (Campbell, Rogers, Cowper, Burns); das meiste
von den Zeilen 891—948 (Darwin, Ubersicht iiber die
bisherigen Opfer).
Wahrend der Vorbereitung auf die Drucklegung
steuerte Hobhouse, der sich zu jener Zeit in Newstead
zu Besuch befand, auch seinerseits einige Couplets bel.
Byron erzahlt folgende Einzelheiten (LJ. V. p. 539):
Whilst I was writing that publication, in 1807 and 1808,
Mr. Hobhouse was desirous, that I should express our
mutual opinion of Pope, and of Mr. B’s *) edition of
his works. As I had completed my outline, and felt
lazy, | requested that he would do so. He did it. His
fourteen lines are in the first edition... .““ (Siehe W. I.
p. 327). Die Episode ist fiir Byron bezeichnend. Er
beschrankt seine Tatigkeit an seinen Werken auf die
dichterische Produktion; sobald er seine Verse auf dem
Papiere stehen sieht, tberlaf$t er sie ihrem Schicksal.
Die Anordnung im Einzelnen, kurz, die gesamten Redak-
) Bowles.
——— Pp) =
tionsgeschafte sind ihm lastig und er tbergibt sie mit
Freuden hilfsbereiten Freunden. So war es, wie wir
sehen werden, bei der Vorbereitung auf die erste Auf-
lage, wir werden nicht fehl gehen, wenn wir hier auf
dasselbe Verfahren schlief$en und Hobhouse das Verdienst
um die aufSere Form und Anordnung der ,,British Bards“
zuschreiben.
Kurze Zeit nach dem Druck der , British Bards“,
am 2. November 1808, trifft Byron wieder mit Mary Cha-
worth zusammen. Aus dem Wirbel der in ihm wiih-
lenden Leidenschaften ringen sich einige wahr empfun-
dene Gedichte los, weit ist er von der berechnenden
Objektivitat des Satirikers entfernt. Die erste Erregung
verrauscht, eine tiefe Melancholie bleibt in ihm haften.
Davies is not here“, so klagt er am 27. November,
, but Hobhouse hunts as usual and your humble servant‘
drags at each remove a lengthened chain“. (LJ. I. p. 202).
Endlich geht auch Hobhouse und Byron bleibt in seiner
einsamen Verbitterung allein zuriick. Sein Pessimismus
nimmt eine Wendung zur Misantropie. ,,I am living
here alone“, schreibt er am 30. November (LJ. I. p. 203),
,,which suits my inclinations better than society of any
kind“. Oder am 1. Dezember (LJ.I. p. 204): “I live here
much in my own manner, that is, alone for I could
not bear the company of my best friend, above a month;
there is such a sameness in mankind upon the whole,
and they grow so much more disgusting every day,
that ... I should live here all my life, in unvaried
solitude“.
Diese weltverachtende Gemiitsverfassung war fiir
den Fortschritt der Satire giinstig. All die Bitterkeit
seines Erlebens konnte sich hier erschépfen, das wach-
sende Gelingen seines Werkes mufite ihm den Glauben
an sich selbst zuriickbringen. Nach einem Zwischenraum
von einem Jahr wird die Satire zum erstenmal wieder
in den Briefen erwahnt. So in der schon behandelten Kor-
respondenz mit Hodgson und weiterhin seiner Schwester
und Hobhouse gegeniiber. Am 14. Dezember verkindet
er stolz: ,,f am a mighty scribbler; I flatter myself, I
have made some improvement in Newstead . .“ (LJ. L
205); weiter am 16. Januar 1809 (LJ. I. p. 167'): ,,I still
intend publishing the Bards, but I have altered a good
deal of the ,,Body of the Book“, added and interpolated,
with some excisions; your lines still stand, and in all
there will appear 624 lines“. Fiir eine dieser Einfiig-
ungen nur kénnen wir das ungefahre Datum angeben:
Die Anderung des Textes gegen Jeffrey mu nach dem
bekannten Brief an Hodgson, also nach dem 27. November
erfolgt sein.
Um der Feier seiner Miindigerklarung in Newstead
aus dem Wege zu gehen, kehrte Byron, am 19. Januar
vermutlich, in Begleitung seiner Satire nach London
zuruck. Am folgenden Tag schon erhielt der Schrift-
steller Dallas, der mit Byron durch Heirat verwandt war,
eine Einladung auf den 22. Januar, nicht ohne bestimmte
Absicht: die hohe Bewunderung fiir Byrons Genius, mit
der sich Dallas Jahr’'s zuvor bei diesem eingefiihrt hatte,
war die Ursache, daf§ er zum Leiter der Drucklegung
der English Bards ausersehen worden war; auf Verstandnis
) Ich stelle den Brief absichtlich um ein Jahr zuriick, ob-
gleich er von Byron mit folgendem Datum versehen: ,,New-
stead Abbey, Notts, January 16, 1808‘ und von Prothero dem-
gemafs cingerciht worden ist, denn bei genauer Untersuchung
ergibt sich, dafs Byron in der Datierung ein Irrtum unterlaufen
ist, keine Unwahrscheinlichkeit beim Beginn eines neuen Jahres.
Einmal war aber Newstead Abbey im Januar 1808 noch von
dem Pachter Lord Grey de Ruthen bewohnt, bei dem sich
Byron nie zu Besuch befand, andererscits fanden die im Brief
erzihlten Festlichkeiten genau ein Jahr spater, bei Gelegenheit
seines Miindigwerdens, statt. Byrons gewohnlicher Geburtstag
wurde nie in diesem Mafstab gefeiert,
und Hilfe glaubte Byron bei dieser Gesinnung sicher
rechnen zu diirfen. Tatsachlich eilte denn auch Dallas
am verabredeten Tage zu dem jungen Dichter. Im Ver-
lauf der Unterredung lenkte Byron das Gesprach auf seinen
friiheren Vormund Carlisle und die Edinburgh Review und
schliefilich enthiillte er die Existenz einer Satire uber sie.
Auf seinen Wunsch nahm Dallas das Manuskript zur Lek-
tiire mit sich nach Hause. Bald war er ebenso entziickt
iiber die Satire, wie friiher iber die Gedichte. Er schrieb
dies Byron, die Antwort war die Bitte, die anonyme Ver-
Offentlichung des Werkes zu beaufsichtigen. Dallas wil-
ligte gerne ein, die Erfahrungen, die er durch die Aus-
gabe seiner eigenen Schriften — einige Romane und Uber-
setzungen — erworben hatte, Byron zur Verfiigungzustellen.
Dallas nahm seine Aufgabe sehr ernst. In seiner
Antwort, am 24. Februar, schlug er schon einige Ander-
ungen vor. Gleich der Titel erregte sein Miffallen, er
erinnerte ihn infolge einer merkwiirdigen Association an
die Unterwerfung von Wales durch Eduard I. Er schlug
daher eine zweifelhafte Verbesserung ,,The Parish Poor
of Parnassus“ vor, deren Vorzug angeblich darin bestehen
sollte, Gelegenheit zu einer Anmerkung iiber die Buch-
handler zu geben, ein hochgeschatzter Vorteil in jener
anmerkungsfreudigen Zeit.
Ein anderer Vorschlag von seiten von Dallas, die Bitte,
ein lobendes Verspaar iiber Carlisle zu andern, kam By-
rons Absichten halbwegs entgegen, obgleich die Motive
der beiden verschieden waren: Dallas hielt die Anony-
mitat der Satire fiir gefahrdet, Byron wollte seinen
Rachegefiihlen Geniige leisten. Die Beziehungen zwischen
Carlisle und,Byron waren durch des letzteren Empfind-
lichkeit schon 1807 gestért gewesen, anscheinend jedoch
nur fir kurze Zeit, denn Byron hatte die ,,Poems Original
and Translated“ seinem Vormund, gewidmet und _ in
seine ,,British Bards‘ das oben erwadhnte Verspaar ein-
gefiigt. (Dallas p. 27). Ein Umschwung fand statt, als
Byron die Verantwortlichkeit an der verzdgerten Lie-
ferung einiger wichtiger Dokumente auf Carlisle schob.
(Naheres bei Galt p. 56). Als der letztere es gar wagte,
die Einftthrung seines Miindels ins Parlament abzulehnen,
brach Byrons Arger in hellen Flammen aus und _ er
ersetzte das lobende Verspar durch 4 tadelnde Zeilen
(Zeilen 723). Weitere Hinzufiigungen tiber denselben
Gegenstand wurden in der Folgezeit gemacht’), die Aus-
falle wurden so heftig, daf’ auf Verlangen von Dallas
6 Zeilen ausgelassen wurden. (Z. 722, Anm. 2).
Andere Vorschlage betreffen Kleinigkeiten, so z. B.
die Verbesserung eines ungenauen Reimes, (Z. 889, 890)
oder nachlassiger Ausdriicke (Z. 472: Half Tweed com-
Deaceenise waves’... ., Z: 966", 1o0o2');, die Ein-
fihrung von Crabbe (Z. 849—858), von Otway und Con-
greve (Z. 115/116) als Kontrast zu der negativen Kritik
des modernen Dramas. Byron fiihrte die meisten dieser
Anregungen aus. Auf Dallas Rat geht wahrscheinlich
auch die Unterdriickung des Abschnitts tiber Pratt
(W.I. p 322 Anm. 2) sowie der ersten, etwas zu derben
Version des Angriffs auf Lambe zuriick. (Z. 516! und
Anm. 3).
In einigen andern Fallen weigerte sich Byron jedoch
hartnackig, nachzugeben. So lehnte er Dallas Fassung
des Titels ab und ersetzte ihn durch einen neuen: ,,The
English Bards and Scotch Reviewers‘. (LJ. I. p. 112).
Auferdem behielt er die Fassung und Anmerkung zur
,kilted goddess‘‘*) trotz wiederholter Vorstellungen bei:
,,My note of notes, my solitary pun, must not be given
") Zeilen 733—737 am 12. Februar, Zeilen 736—740, Z. 722
nim. am 19. Februar. Siehe LJ. I. Nr. 113 und 115.
*) Zeile 526 und Anm.
= 26
up"), schreibt er am 7. Februar. (Cid spfons)eund
verstarkt tberdies die Stelle durch eine Anmerkung.
Ohne Anregung durch Dallas fiigte er folgende Ab-
schnitte hinzu: Z. 319326, (Graham); 618 — 637 (Oper);
819—84x (Gifford, White); 881—890 (Anthologie); Teile
von Z. 911—948 (Scott). Z. 961-972 und Z. 981—984
sind betrachtlich geandert. Der urspriingliche Plan, ein
,, Argument ”)‘‘ vorauszuschicken, wurde zu Gunsten eines
kurzen Vorworts fallen gelassen. Im Ganzen wurden
110 Zeilen hinzugefiigt, die Dallas jeweils zu den Blattern
der ,,British Bards“ hinzuheftete. (Dallas pp. 19/20) %).
Die Wahl eines Verlegers war mit Schwierigkeiten
verbunden, da die Herausgeber der Werke von Dallas
die Ver6ffentlichung mit Riicksicht auf die Sticheleien
gegen Southey ablehnten. Wie peinlich diese Weigerung
fir Byron war, laf§t sich aus seinem Verbot schlieSen,
die Verd6ffentlichung des ,,Childe Harold‘‘ dieser Firma
anzubieten. Bis 1822 hielt dieser Eindruck an, noch
damals geriet er in Arger iiber diese Zuriicksetzung: ,,As
for booksellers“ intrigues, and booksellers demons, they
are not worth a thought: — I tell you that the
two most successul things ever written by me, viz., the
English Bards and Childe Harold, were refused by one
half ,,the trade“ and reluctantly received by the other.
P.S.I tell you that ,,English Bards“ and the first and
second cantos of ,,Childe Harold“ were refused by half
the craft, and even crafts, in London, although no de-
mand was made’. (LJ. VI. Nr. 1046).
SchlieBlich wurde ein Verleger in der Person von
James Cawthorn, 24. Cockspur Street gefunden. Dallas
*) Prothero bezieht (LJ. I. p. 213, Anm.) falschlich diese
Briefstelle auf Z. 1016, die erst in der 2. Ausgabe auftauchen.
*) Abgedruckt bei Dallas p. 46.
*) Nach allem war die Satire auf 696 Zeilen angeschwollen.
gibt folgende Einzelheiten des Kontrakts: ,,He is to be
at. all the expense and risk, and to account for half
the profits, for which he is to have an edition of a
thousand copies . . . I have also promised him that he
shall have the publishing of future editions, if the author
chooses to continue it; but I told him that I could not
dispose of the copyright (p. 41). Eine Anderung
scheint eingetreten zu sein, da der Verleger, wie Dallas
mehrmals ausdriicklich versichert, den ganzen Gewinn
gugeteilt erhielt. (Dallas pp. 41, 242, 278).
Am 6. Februar schon hatte Dallas die Druckbogen
Byron vorlegen wollen, doch verzégerte sich der Beginn
des Drucks bis zum 9. Februar. Die Ver6ffentlichung
fand Mitte Marz statt; am 13. Marz, dem Tag von Byrons
Eintritt ins Parlament, waren die letzten Blatter der
Satire in der Presse, 5 Tage spater war Byron schon
in der Lage, seinem Freund Harness ein Exemplar der
Satire zu tibersenden.
Der Erfolg war durchschlagend, schon am 17. April
konnte Dallas die frohe Botschaft nach Newstead Abbey
verkiinden, dafs die Auflage beinahe erschdpft sei:
,,cawthorn tells me, it is universally well spoken of, not
only among his own customers, but generally at all the
booksellers’.“ Von allen Seiten her ertonte Beifall; det
gute Pratt, der wenig ahnte, welchem Schicksal er mit
knapper Not entgangen, trug die Satire cinem Kreis ent-
zickter Zuhorer vor, auch Gifford, welchem man _ ein
Exemplar iibersandt hatte, sowie der ,,Antijacobin™ und
das ,,Gentleman’s Magazine‘ 4uferten ihre Bewunderung.
Die Edinburgh Review nahm keinerlei Notiz von der
Ver6ffentlichung bis zum Erscheinen der vierten Auflage.
Eine scharfe Erwiederung war urspriinglich von der
Quarterly Review vorbereitet, wurde jedoch auf Giffords
Einspruch unterdriickt. (Hodgson Vol. I. 115). Die
Anonymitat war iibrigens bald durchschaut worden, man
‘
= 28 —
verlangte schon die Biicher unter des Autors Namen,
was Byron nur erwiinscht sein konnte, da er nur solange
die Anonymitaét gewahrt wissen wollte, bis das Schicksal
der Satire entschieden war. ,,My satire must be kept
secret for a month‘, hatte er seiner Mutter im Marz
eingescharft, ,,after that you may say what you please
on the subject’. (LJ. 1. p. 217).
Der schnelle Verkauf der Satire veranlafste Byron,
von Newstead Abbey, wo er seit der Drucklegung ge-
weilt hatte, nach London zuriickzueilen. Sofort nach
seiner Ankunft, am 25. April, schickte er zu seinem
literarischen Gehilfen Dallas, um den Plan einer zweiten
Auflage zu besprechen und ohne Aufschub machte er
sich daran, den jetzigen Text zu erweitern, genau in
derselben Art und Weise, wie im Februar und Marz.
Dallas berichtet hieriiber: ,,1 saw him constantly and in a
fortnight found the poem completely metamorphosed,
and augmented nearly four hundred lines, but retaining
the whole of the first impression. . . He allowed to
take home with me his manuscripts as he wrote them".
(p. 58).
Im Ganzen ist es jedoch ungewifs, ob die ganze
Masse der hinzugefiigten Stellen innerhalb 14 Tagen ent-
standen ist oder ob Byron einen Teil von Newstead
mitbrachte. Sie belaufen sich auf 370 Zeilen Verse’),
ein Nachwort und _ Erweiterungen’ des __ bisherigen
Vorworts. Die neue Auflage sollte dieses Mal unter
Byrons Namen ver6ffentlicht werden: ,,The thing was
known to be mine, and I could not have escaped my
enemies in not owning it, besides it was more manly
not to deny it.“ (Medwin p. 173). Riickte aber Byron
mit offenem Visier vor, so mufSte er aber auch den
gesamten Inhalt als sein geistiges Eigentum in Anspruch
') Diese sind W.I. p. XV. und W. VII. p. 307 aufgezahlt.
nehmen und Hobhousens Verse durch eigene ersetzen’).
Dies geschah, die naheren Umstande wurden in dem er-
weiterten Vorwort dargelegt. Alle diese Vorbereitungen
wurden in der gréfsten Eile erledigt, denn Byron wiinschte
die letzten Druckbogen vor seiner Abreise nach dem
Orient noch zu sehen. Die Verdéffentlichung wartete er
jedoch nicht ab, am 2. Juli segelte er in Falmouth nach
Lissabon ab, nachdem er seine Satire Hodgson anem-
pfohlen hatte: ,,Look to my satire at Cawthorn’s, Cocks-
pur Street. (LJ. I. p. 230). Dallas erhielt denselben Auf-
trag, wie er erzahlt: ,,He wished to hear from me par-
ticularly on the subject of the satire and promised to
inform me how to direct to him when he could so
with certainty“
Lange Zeit blieb Byron ohne Nachricht. Am
3. Mai 1810 erkundigte er sich bei Drury (LJ I. p. 267):
, Where the devil is the second edition of my satire,
with additions? and my name on the title-page ? and more
lines tagged to the end with a new exordium and what
not, hot from my anvil before I cleared the channel?“
(Ahnlich LJ. I. p. 271). Erst Ende Juni scheint er
naheres erfahren zu haben, denn am _ 28. Juni 1810
schreibt er an seine Mutter: ,,[ am glad to hear of the
progress of the English Bards, etc. Of course, you
observed I have made great additions to the edition".
‘) Ein merkwirdiger Irrtum unterlauft Dallas in Bezug auf
die Autorschaft dieser Stelle. Er schreibt die Fassung der
ersten Auflage Byron zu und behauptet, die Anderung sei durch
eine Anspielung auf Popes Mifigestalt hervorgerufen worden.
Meiner Meinung nach begeht Dallas das Versehen absichtlich,
denn er mufs Byrons Angaben im Vorwort gelesen haben. Jeden-
falls beneidete er in seiner Eingebildetheit Hobhouse um das
Privilegium, einige Zeilen zu den English Bards beigetragen zu
haben, ein Privilegium, das ihm verweigert worden war, da
Byron sein eigenes Anerbieten, einige Verse beizusteuern, ab-
gelehnt hatte (Dallas p. 24).
Die Ver6ftentlichung war inzwischen schon langst
erfolgt (im Oktob. 1809) Die 1050 Zeilen waren unter dem
friheren Titel erschienen, mit dem einzigen Zusatz: ,,Se-
cond edition with considerable additions and alterations‘.
Der Erfolg blieb der Satire treu, die Nachfrage
war so rege, daf’ eine neue Auflage bald nétig wurde.
Cawthorn, dem die Rechte spaterer Auflagen tibergeben
worden waren, ver6ffentlichte eine dritte Ausgabe — in
Wirklichkeit ein Abdruck der zweiten — gegen Ende
Marz oder Anfang Juni'). Byron erhielt von beiden
Auflagen — der 2. und 3. — zusammen Nachricht ?). Am
23. Juni 1809 schreibt er aus Konstantinopel: ,,I heard
the other day, that my satire was in a third edition;
that is but a poor progress but Cawthorn published too
many copies in the first’. (LJ. VI. p. 451 und LJ.I. p. 285).
Eine vierte Auflage erschien im selben Jahr (1810),
wieder ein Abdruck der zweiten*). Trotz aller gegen-
teiligen Behauptungen ist es sicher, dafs die Aus-
gabe rechtmafig war; Byron selbst ist dafiir Zeuge,
denn in einem Brief vom 28. Juni 1811 spielt er auf sie
an: ,,My Satire, it seems, is in the fourth edition, a
success rather above the middling run“ . . . (LJ. I. p. 314).
Dallas antwortet darauf: You will find your satire not
forgotten by the public, it is going fast through its fourth
edition and I can not call that a middling run‘. (Dallas
p. 102). Beide, Byron und Dallas, kénnen nicht den
zweiten Abdruck der vierten Ausgabe im Auge haben‘),
') Das ungefahre Datum lat sich aus einer Anzeige der
, British Circulating Library’ bestimmen, die mit den Werken
zusammen gebunden ist.
*) Mit einiger Wahrscheinlichkeit laft sich behaupten, daf
Hodgson der Ubermittler war.
*) Wegen einiger geringfiigiger Abweichungen vergleiche
» the Library“ p. 24.
*) Auf diese zwei Ausgaben derselben Auflage weist Red-
grave in ,,The Library“ p. 23 hin.
da dieser einige Anderungen enthilt, die aller Wahr-
scheinlichkeit nach erst bei Byrons Riickkehr vorge-
nommen wurden: Zwei Zeilen (759/760) wurden hinzu-
gefligt, zwei andere dafiir verworfen (Z. 761—764).
Den ersten Hinweis auf eine fiinfte Auflage finden
wir in einem Brief an Byron vom 22. August I81I1.
Cawthorn macht folgenden Vorschlag: ,,Would it not
be better to print a small edition“ (der Hints from Ho-
race) ,,separate and afterwards print the two satires
together? ... If a small edition of ,,Horace“ for the
first‘ (Worte sind verwischt) ,,that, and in all probabi
lity the E. Bards” will want reprinting about March-
next, when both could be done together“. (LJ. IL
p.23 124 Anm.). Gegen das Ende des Jahres 1811 oder
zu Beginn von 1812 wurden die Vorbereitungen dazu
aufgenommen. (Eines der Exemplare, das zur Interpo-
lation benutzt wurde, tragt die Inschriften: ,,Byron
Beoegretoir Nd, AY“ und .,,B. J%.20: 1812“). Das
genaue Datum kann nicht ermittelt werden, doch ist
sicher, daf$ er seinen Aufenthalt in Newstead Abbey
dazu beniitzte, die vierte Auflage von 1811 mehrmals
durchzuarbeiten, zu verbessern und durch neuen Stoff
zu erweitern. Zwei solcher Exemplare, die die Spuren
seiner Arbeit zeigen, sind erhalten. Das erste, im Besitz
von Herrn Murray, enthalt nur 9 Anderungen, das
zweite, anscheinend auf eine spatere Revision zuriick-
gehend, schon 20. Byron schickte es im Oktober 1815
an Leigh Hunt mit folgender Bemerkung: ,,The present
copy contains some manuscript corrections previous to
an edition which was printed, but not published, and, in
short, all that is in the suppressed edition, the fifth,
except twenty lines in addition, for which there was not
fmm, the copy. before me... ° (LJ. lL Nr. 553). Die
Abanderungen bestehen meist in stilistischen Verbesser-
ungen, auferdem wurden die Angriffspunkte von Z 587,
984, 1034 geandert, Z. 97—102, 528—530esmuEden
angefiigt, die schiefe Darstellung von Moores Duell in
einer Anmerkung berichtigt und das Vorwort weg-
gelassen.
All diese vorbereitenden Arbeiten waren getan, das
Gedicht war schon gedruckt und zur Ausgabe gerichtet,
als plétzlich, im Marz 1812, Byron Cawthorn den Auf-
trag gab, die gesamte Auflage zu verbrennen und zu
unterdriicken. Nur wenige Exemplare entgingen diesem
Schicksal, wie eine Anmerkung von Dallas in einem
solchen zeigt: ,, [his is one of the few copies preserved
of the suppressed edition, which would have been the
5th. No title page was printed, the one prefixed was
taken from the preceding edition. Ein anderes ist be-
zeichnet: ,,Lord Byron has two copies of this work,
R. C. Dallas has likewise two copies and Mr. Hunt one”.
Byrons Vorgehen scheint auf den ersten Blick eine
grofe Harte gegen Cawthorn zu enthalten, es verliert
viel davon, wenn man bedenkt, dafS alle Kosten von
Byron ersetzt wurden und Cawthorn den beérachtlichen
Verdienst der vorhergehenden Auflagen allein einge-
heimst hatte. Trotzdem wendete Cawthorn den Trick
an, Exemplare der neuen Ausgabe mit dem Titelblatt
der 4. Auflage zu versehen und zu verkaufen, ein unge-
setzlicher Kniff zweifellos, da Byron alle Rechte zuriick-
behalten hatte.
Die Griinde, die zur Zerst6érung der English Bards
fiihrten, sind in Byrons neuer Stellung innerhalb der
Londoner Gesellschaft begriindet. In demselben Masse,
in dem die Beziehungen zu ihr enger wurden, mufsten
sich die Konflikte, die aus seinen uniiberlegten Anrempe-
lungen erwuchsen, immer zahlreicher werden. Schon
auf seiner Heimreise, an Bord des Schiffes, der “Volage
Frigate, als die bunten Eindriicke der letzten Monate
zu verblassen begannen, als neue Prospekte vor seinem
Geist auftauchten, wurde er sich der schiefen Stellung
bewuft, in die ihn seine Satire in London gebracht hatte.
»At this period’, schreibt er an Dallas vom Schiffe aus,
when I can think and act more coolly, I regret that
I have written it, though I shall probably find it for-
gotten by all except those whom it has offended.‘
(LJ. I. p. 314). Doch wurden Reflexionen dieser Art
uber den Vorbereitungen zur Ausgabe des ,,Childe Harold“
vergessen, eine Reminiscenz tont nur wider, als ihm die
Satire bei der Wahl des Titels des ,,Childe Harold“ in
die Quere kommt: ,,You must be aware that my pla-
guy satire will bring the north and south Grub Streets
down upon the Pilgrimage...“ (An Dallas LJ. 1.
Pp. 335):
Diese Befiirchtungen sollten sich bald bewahrheiten,
in noch schlimmerem Masse sogar, als Byron geahnt
hatte. Moore hatte namlich auf die vielen falschen
Geriichte anlaéflich seines Duells mit Jeffrey eine Be-
richtigung ver6ffentlicht (im Jahre 1806). Als nun Byron,
ohne im Geringsten davon Notiz zu nehmen, sich iiber
,Little’s leadless pistol‘ lustig machte, erblickte Moore
hierin die Absicht ,,to give the lie to his statement‘ und
schrieb ihm dies in einem schroffen Brief, der jedoch
von Hodgson unterschlagen wurde, in der richtigen Er-
kenntnis, daf} er zu einer Forderung fthren wiirde. Ein
zweiter, etwas vorsichtigerer Brief legte den Grund zu
einem Briefwechsel und, unter der Vermittlung von
Rogers, zu dem spateren engen Freundschaftsverhaltnis.
Ein anderer, ahnlicher Streitfall, den Byrons Hiebe
auf die Argyle-Sale im Gefolge hatten, wurde zwar auch
friedlich beigelegt (die beste und ausfiihrlichste Auskunft
findet sich bei Moore: vol. II p. 139); doch muften
die Entschuldigungen und Widerrufe friitherer Behaup-
tungen das Bewufstsein seiner Ungerechtigkeiten in ihm
wachrufen und ihn gegen die gesamte Satire ein-
nehmen '); der entgiiltige Anlaf’, sie zu verwerfen, war das
giitige Entgegenkommen, mit dem ihn Lord und Lady
Holland trotz seiner beleidigenden Beschuldigungen em-
pfingen. Byrons eigener Bericht hieriiber lautct folgender-
massen: ,,When I came home from the East, among other
new acquaintances and friends, politics and the stand of the
Nottingham rioters — (of which county I am a landholder,
and Lord Holland Recorder of the town) — led me by
the good office of Mr. Rogers, into the society of Lord
Holland, who, with Lady Holland, was particularly kind
to me; about March, 1812°), this introduction took place,
when I made my first speech on the Frame Bill*), in
the same debate in which Lord Holland spoke. Soon
after this, I was correcting the fifth edition of E. B. for the
press, when Rogers represented to me that he knew,
Lord and Lady Holland would not be sorry if I sup-
pressed any farther publication of that Poem; and |
immediately acquiesced, and with great pleasure, for I
had attacked them upon a fancied and false provocation,
with many others; and neither was, nor am, sorry to
have done what I could to stifle that ferocious rhapsody.
This was subsequent to my acquaintance with Lord
Holland and was neither expressed nor understood, as
a condition of that acquaintance. Rogers told me, he
thought I ought to suppress it; I thought so too, and did
it as far as I could, and that’s all“. (L). dil pae27)
Medwin stellt den Fall anders dar, meiner Ansicht
nach sehr zu Unrecht (Medwin p. 173). Wie er be-
hauptet, habe Byron auf jede weitere Ver6ffentlichung
*) ,, The Courier‘ fafte 1814 in einer Reihe unverschamter
Artikel all die Punkte zusammen, wo sich ein Widerspruch
zwischen Satire und spateren AufSerungen bemerkbar machte.
LJ. Il. p. 465 ff.
*) In Wirklichkeit war es Ende Februar.
*) Am 27. Februar 1812.
— 35 ——
der Satire verzichtet, weil er nicht Jeffrey, sondern einen
gewifsen Rechtsanwalt (Brougham wahrscheinlich) fiir den
wirklichen Verfasser der vergangnisvollen Kritik gehalten
habe. Aber abgesehen davon, daf} Byrons Feindschaft
gegen Brougham auf dessen Rolle bei seiner Ehescheidung
zuriickging, also in keinem Verdacht der obenerwahnten
Art ihren Grund hatte, steht Medwins Ansicht nicht nur
ganz allein da, es stehen ihr sogar zahlreiche Auferungen
Byrons gegensatzlich entgegen. (LJ. IL p. 322; LJ. Ill.
peers |. LVS p, 177; Lj. V. ‘p. 538); Sie ist also
auf einen Irrtum zuriickzufiihren.
Das Interesse an der Satire lief$ trotz der Unter-
driickung nicht nach. Schon 1814 héren wir von einem
unrechtmafSigen Nachdruck in Irland (LJ. Hl. p. 131,
vom 2. September 1814). Auf ihn bezieht sich die
Stelle in seinem Aufsatz tiber Bowles (LJ. V. p. 538):
,,When I left England, in April, 1816, ... almost my
last act, I believe, was to sign a power of attorney, to
yourself’ (Murray) ,,to prevent or suppress any at-
tempts (of which several had been made) at a _ re-
publication”. Selbst Cawthorn fuhr nach Byrons Ab-
reise fort, neue Ausgaben zu ver6ffentlichen, aber schliefS-
lich gelang es Murray diesen Versuchen zu_steuern,
wahrscheinlich mit der Hilfe eines richterlichen Spruches
des ,,Court of Chancery“, der am to. Mai 1816 ,,granted
an injunction to restrain the printing or publishing of
Lord Byron’s Poem entitled ,,English Bards and Scotch
Reviewers, a Satire“ or any part thereof. Byron dankte im
August 1816: ,,[ have been very glad to hear you are well
and welldoing, and that you stopped Master Cawthorne
in his foolish attempts to republish E. B. and S. R“.
Gey p: 436 und Lj. IV. p. 177):
Infolge dieser vielen Raubausgaben ist die Frage
nach der Echtheit der verschiedenen Exemplare sehr
verwickelt. Das Problem wurde 1877 in den_,,Notes
as Gos
and Queries‘‘ angeschnitten und spaterhin im ,, Athenaeum“
weiter untersucht. Eine Reihe von unechten Exem-
plaren) wurde aufgefunden, kenntlich teilweise am
Datum der Wasserzeichen des Papiers, teilweise auch
an Druckfehlern oder Unterschieden in den Typen.
Byrons Anteilnahme an der Satire erlosch mit ihrer
Zuriickziehung aus der Offentlichkeit. Von diesem Zeit-
punkt an beschaftigt er sich nur noch zweimal mit ihr:
1813 veranlaft ihn eine Kritik tiber einige Zeilen gegen
die Edinburgh Review, diese zu andern; (Z. 428—437.
Vergl. LJ. Il. p. 218); 1816 widerruft er voll aufrichtiger
Selbstkritik die meisten seiner Beschuldigungen in einer
Reihe strenger Anmerkungen’”) wie ,,Unjust“, oder ,,Too
ferocious — this is mere insanity“ etc. _Ausgenommen
hiervon ist nur der Angriff auf Bowles, den er sogar
1821 noch als berechtigt anerkennt. (LJ. V. p. 539).
In Byrons weiterem Leben spielen die ,,English Bards“
keine Rolle mehr; er erwahnt sie hodchstens, wenn er
seine frithere Torheit, sie zu verfassen, beklagen will;
nicht einmal die Nachricht von einer amerikanischen
Ausgabe vermag ihn zu mehr als einer fliichtigen Be-
*) Nur zwei Exemplare einer unechten ersten Ausgabe
sind erhalten. Sie waren jedenfalls fiir Biicherliebhaber oder
besondere Bewunderer Byrons bestimmt, denn nach dem Er-
scheinen der zweiten, erweiterten Auflage war im Publikum
keine Nachfrage nach der ersten mehr vorhanden. Von einer
unechten 2. Ausgabe findet sich keines, von Raubdrucken der
beiden vierten Auflagen nur sparliche Exemplare. Beispiele
von unrechtmafigen Nachdrucken der 3. Auflage sind haufiger.
Von besonders eingehendem Interesse zeugen 3 mit Illu-
strationen aus andern Biichern versehene Exemplare der
4. Ausgabe, aus den Jahren 1819 und 1820 stammend, Eine
andere vierte Ausgabe ist mit einer List of names, mentioned
in the ,,English Bards“ ausgestattet und enthalt auf eingehef-
teten Blattern die Zusatze der 5. Auflage.
*) Moore gibt eine Aufzaihlung vol. I. p. 244—247. Die
Randglossen stehen in Murray’s Exemplar der 4. Auflage.
friedigung hinzureifSen. So hat dieser Erstling unter der
Zahl seiner gréferen Dichtungen das traurige Schicksal,
allein aus der Sammlung seiner Werke ausgeschlossen zu
sein: ,,With regard to a future edition you may print all,
or any thing, except ,,English Bards“ to the republi-
cation of which at no time will I consent.‘ !)
ITA.
Wie bei den meisten Jugendwerken, so ist auch
bei den ,,English Bards“ der dichterische Gehalt in tiber-
kommene Formen gegossen, und wir werden den Dichter
Byron darum nicht geringer schatzen, weil er die Ge-
walten, die ihn zur dichterischen Produktion trieben,
nicht uferlos einherschiefsen lief, bis sie ihr eigenes Bett
gegraben hatten. Wie andere, noch begnadetere Kiinst-
ler als er, suchte er bei grofen Vorbildern bewidhrte,
feste Normen fiir seinen Stil, unter deren Schutz er
sicher und vor gefahrlichen Abwegen geschiitzt in Ruhe
seine Fahigkeiten entwickeln konnte.
Und wen konnte er besser zum Schutzpatron seiner
ersten grofseren Satire machen, als gerade Pope, das poe-
tische Orakel eines Jahrhunderts, der zu Byrons Zeit
fir den englischen Satiriker schlechthin gehalten wurde,
zu dessen Eigenart er sich iiberdies pers6nlich hin-
gezogen fiihlte. Von friih hatte er ihm als seinem Vor-
bild nachgestrebt, aufmerksamen Auges und mit reichem
Erfolg, wie wir in den ersten Gedichtsammlungen fest-
stellen kénnen. Dort schon wufte er die 4uf$eren Formen
mit vielversprechender Geschicklichkeit zu handhaben.
Als dann die umfangreichen ,,British Bards“ all sein
dichterisches K6nnen beanspruchten, lief ein sorgfaltiges
Studium Popes nebenher. Im Friihjahr 1808 arbeitete
er Ruffheads ,,Life of Pope“ durch und versah es mit
259794
Randglossen, *) im folgenden Herbst und Winter suchte
er, wie Moore berichtet,”) durch die sorgfaltige Lektiire
der Werke Popes seine stilistische Gewandtheit zu
steigern. Von grofsem Vorteil hierfiir war die objek-
tive Geschlossenheit des ,,heroic couplet“, dessen aus-
gepragter Stil dem Individuum wenig Spielraum laSt und
daher der Nachahmung die giinstigsten Bedingungen
bietet.
Kein Wunder, dafS sich die ,,English Bards im
strengsten Pope’schen Rahmen prasentieren, ohne jeden
bemerkenswerten Unterschied: Das ,,heroic couplet™ halt
sich innerhalb des Normalschemas, die Casur ist inner-
halb derselben Grenzen wie bei Pope beweglich und
beliebig mannlich oder weiblich. Taktumstellungen sind
am Anfang einer Zeile verhaltnismafig haufig — auf
1070 Verse zahlte ich etwa 140, wovon ein grofer Teil
durch rhetorische Stilmittel bedingt ist. Das einzelne
Couplet ist in sich abgeschlossen, nur 2mal lauft ein
Verspaar ins andere tiber (Z. 24/25 u. 1. Version yon
972). Enger ist schon die Beziehung zwischen den bet-
den Zwillingszeilen, etwa 105 mal findet sich hier En-
jambement, wobei jedoch meistens ein gewisses Anhalten
im Rythmus und Klang das Ende der Zeile markiert,
so dafS die Entscheidung immer willkiirlich bleiben wird.
Das, was Popes Vers von dem Drydens unterscheidet,
die sparliche Verwendung von sechstaktigen Versen und
von ,, Triplets“, charakterisiert auch Byron, die letzteren
gebraucht er zweimal (Z.684—687 u. Z. 417—420), die
ersteren sogar nur einmal. (Z. 417).
Weiser *) will tiberdies noch eine Ahnlichkeit im Peri-
odenbau Popes und Byrons feststellen. Nach ihm be-
enden beide eine Periode nach 8 Versen — ein Beispiel
1) Naheres bei Hodgson pp. 97—100.
*) Moore vol. I. p. 226.
*) Anglia. Band I. p. 268.
hierfiir waren Z. 833—-840 — oder versehen sie mit
einer Casur nach dem sechsten Vers. Auch soll eine
gewisse Sorglosigkeit im Gebrauch unreiner Reime auf
das Vorbild Popes zuriickgehen, doch ist die letztere
Behauptung mindestens mit Vorsicht aufzufassen. Echt
klassisch ist dagegen die ausschlieflich mannliche Reim-
endung.
Dies waren die nachweisbaren Resultate einer griind-
lichen Beschaftigung mit Pope: eine echt klassische
Struktur, ohne Willkiir, streng innerhalb der vorbildlichen
Bahnen. Daneben treten eine Menge anderer, weniger
bestimmbarer Ahnlichkeiten: Reminiscenzen an Schlag-
worte Popes, wie ,,gray goose quill", ,,neglected genius"
etc. oder an bekannte Redewendungen, — ,,to break on
the wheel‘, ,,to kiss the rod“’) u.a.m. Das gesamte
rhetorische Riistzeug von Ausrufen und Fragen, die in
die monotone Regelmafiigkeit Leben bringen und auf
neue Personen und Stoffe iiberleiten sollen, kehrt in
ausgiebiger Fille wieder, zusammen mit den altbekannten
Personifikationen wie ,,folly, dullness, vice“ etc. Die
unbekiimmerte Art, neue Personen einzufiihren, wie wir
Seeaeeenin 291s: ,,Let: Southey sing .. ..." finden,
ist bei Pope massenhaft vertreten, ebenso die plotzliche
Unterbrechung der Satire durch Fragen und daraus sich
entspinnend, ein schlagfertiger Dialog; bei Byron z. B.
Z.97—103. Ein Beispiel nur bei Pope: (Works III
P- 473):
,»L never named; the town’s inquiring yet.
The poisoning dame—F. you mean—P. I don’t—F. you do.
P. See, now I keep the secret, and not you!
The bribing statesman—F. Hold, too high you go.
P. The bribed elector—F. There you stoop too low.‘
") Ich méchte hier bei weitem keine Aufzahlung geben;
die Beispiele sind beliebig herausgegriffen und lassen sich
ebenso beliebig vermehren.
In einem Punkt bleibt Byron hinter seinem Vor-
bild zuriick, in der Haufigkeit der scharf pointierten und
in ihrer Knappheit symetrisch aufgebauten Antithesen.
Der Grund hierzu liegt m. E. in der anschaulichen An-
griffsweise Byrons, der nie allgemeine Typen hinstellt,
sich tiberhaupt nicht auf ausgekliigelte Analyse einlaf&t,
sondern seine Anschuldigungen mit allem erdenkbaren
Stoff, Citaten, Anspielungen auf Biichertitel usw. illu-
striert und von einer abstrakten Sphare fernhalt.
Eine Komplikation weist jedoch das Verhaltnis auf.
Es ist namlich bei vorkommenden Ahnlichkeiten unmég-
lich, im Einzelnen zu entscheiden, was aus Byrons Pope-
studien entflofs und was er aus zweiter Hand iibernahm.
Zwischen Pope und Byron lag eine lange Tradition, der
letztere war nicht ungestraft der Sohn ciner satirenreichen
Zeit, die gréfstenteils vom reichen Erbe Popes zehrte. Eine
lange Reihe von Pope’schen Sentenzen war nationales Ge-
meingut, ein grofser Teil der formellen Mittel stehendes
Requisit der spateren Satiriker geworden. Und Byron, dem
bei seinem ungeheuren Lesetrieb auf Schritt und Tritt
derartige Reminiscenzen begegneten, mufte mit der Zeit
mit dem gesamten Material nur zu vertraut werden.
Im Folgenden wird es daher unumganglich ndotig
sein, auf die Byron vorangehenden Satiriker Riicksicht
zu nehmen,; zur besseren Orientierung seien in einigen
Strichen die literarhistorischen Zusammenhiange skizziert.
Die klassischen Satiriker Englands hatten es mit
Juvenal als ihre hohe Aufgabe betrachtet, die Narrheit
und Dummheit ihrer Zeitgenossen zu geifseln, die vor
dem Gesetz versteckten oder straflosen Laster ans Tages-
licht zu ziehen und mit leidenschaftlichem Fifer zu
brandmarken. Nicht aus Freude an der Zerstérung
wurde niedergerissen, sondern zum Zweck der Verbesse-
rung der verderbten Sitten. Darum hatten die alten
Satiriker zugleich die Befugnis, Musterbilder zur Nach-
ahmung vorzuhalten, die Satire also zu positiven Zwecken
zu benutzen.
Dieses alttestamentalische Prophetenamt begann mit
der Zeit innerhalb der Satire zu zermtirben — zusammen
mit der Satire selbst. Schon Popes wirkliche Motive
hatten ihm nicht immer entsprochen, wenn er auch der
Theorie nach alle pers6nlichen Rachegedanken von sich
abwalzte. Noch mehr zeigt sich der Verfall bei Chur-
chill, jenem ungliicklichen Auslaufer des ,,Goldenen
Zeitalters der Satire‘‘, der mit der ,,Rosciad“ (1761) und
der Apology. Addressed to the Critical Reviewers“
vielversprechend begann und nach einem ausschweifen-
den Leben als Pamphletist und literarischer Totschlager
endete. Persdnliche und_ politische Feindseligkeiten,
Freude an der vernichtenden Wirkung der Schmahungen
hatten jetzt die Stelle der alten Ideale eingenommen und
beherrschten die Satire, zusammen mit dem ledernen
Dilettantismus, der nach Pope den Markt mit zahl-
reichen Nachahmungen beschickt hatte ‘).
Besonders die Politik griff begierig nach der Satire
als Mittel, den Gegner lacherlich und damit unschadlich
zu machen. Aus der Flut der politischen Streitschriften
mit ihren Klatschereien, die in ihrer Unbedeutendheit
langst der Vergessenheit verfallen sind, ragt nur eine,
in ihrer Art originelle und durch trockenen Humor und
sprithenden Witz ausgezeichnete Satirensammlung hervor,
die ,,Rolliad*. In der zweiten Halfte von 1784 gaben
einige witzige Kopfe aus dem Lager der Whigs: Tickell,
George Ellis, Fitzpatrick etc. ein parodistisches Kommen-
tar eines fingierten Heldenepos heraus’*), das geschickte
*) Dies schon dem Tifel nach! Vor mir liegt eine Samm-
lung mit folgenden Satiren: ,,The Causidicade“; ,, The Triumvi-
rade“; ,,The Porcupinade’; ,, [he Processionade‘‘; The Pisco-
pade“; ,, The Scandalizade“; ,,The Pasquinade“! Gedruckt sind
sie 1760.
*) Criticism on the Rolliad‘’ in ,,The Morning Herald“.
/
Hiebe auf Mitglieder der Torypartei enthielt; 1785 bot
die Erledigung der Stelle des ,,poeta laureatus’’ den-
selben Autoren willkommene Gelegenheit, eine Reihe
bekannter Pers6nlichkeiten durch fingierte Oden um
diese Wiirde konkurrieren zu lassen '). Besondere Sorgfalt
wurde natiirlich dem tatsachlichen Nachfolger, Thomas
Warton, zugewendet, nicht etwa wegen seiner literari-
schen Fahigkeiten, sondern infolge seiner Stellung als
dichterischer Vertreter der royalistischen Torypartei.
Neben gelegentlichen Sticheleien gab ihn eine groteske
Beschreibung seiner Wahl besonders nachhaltig der
Lacherlichkeit preis ’).
Die Fortsetzungen der Satiren®) fallen gegen die
beiden ersten Sammlungen durch einen Mangel an geist-
reichem Witz ab, hatten fiir Byron auch kein Interesse,
da er sich in seiner Jugend mit politischen Fragen nicht
beschaftigte. Wichtig bleibt fiir unsern Zweck die Gruppe
der ,,Rolliad‘’ nur durch die Atmosphare von Lacher-
lichkeit, mit der infolge ihrer Anrempelungen die Wirde
des Hofdichteramts umgeben wurde. Wie friiher zur
Zeit Colley Cibbers wurde es tiblich, den armen Besitzer
des amtlich anerkannten Genius herzunehmen, wo immer
sich eine Gelegenheit bot.
Neben der ,,Rolliad“‘ half an der Befestigung dieses
Vorurteils John Wolcot*) mit, der ,answurst~ auf
dem Markt der Literatur, wie Oliver Elton ihn einmal
nennt. Wo immer es angeht, fallt auch er uber den
‘) Probationary Odes for the Laureatship.“
*) Probationary Odes“, p. 187-291.
8) Dies sind ,,Political Eclogues“ und die ,,Miscellanies*.
1795 erschien eine gesammelte Ausgabe aller Gedichte; eine
4. Auflage ,,revised, corrected and enlarged by the original
authors‘ wurde schon 1796 herausgegeben.
*. Ausgaben seiner Werke erschienen unter dem Pseudo-
nym Peter Pindar: 1788, 1792, 1794, 1796 (4 vols.) 1801, 1809;
1812. Byron bringt 1813 ein Zitat aus den ,,[nstructions to a
Laureat' (EJ: If” p..225:)
jeweiligen ungliicklichen Hofdichter her’), denn von
ihm aus kann er mit Leichtigkeit auf sein Lieblings-
thema, die Schwachen des K6nigs, tiberspringen, wo er
denn auch tatsaichlich mit unerschdpflichem Spott seine
besten Karikaturen zu geben weif.
Byron schliefit sich getreulich diesem allgemeinen
Vorurteil?) an, Pye wird von ihm nur im Ton tiefster
Verachtung erwahnt; noch deutlicher wird diese Anti-
pathie in seinen spateren Streitigkeiten mit Southey,
Wahrend sich so auf der einen Seite die politische
und sociale Satire in den Schmahschriften Wolcots zu
erschopfen schien, erhielt sie neues Leben im Lager der
Tories, unter der Wirkung der Verbrechen der franzoési-
schen Revolution. Als Abwehr gegen den drohenden
revolutionadaren Geist, als Denunziation all der Tendenzen,
die in irgend einer Weise die tiberlieferten Zustande zu
unterwuhlen drohten, entstanden eine Reihe entriisteter
Proteste. Die Satire blieb nicht mehr auf die Politik
beschrankt, da die bekampften Ideen auf alle Gebiete
ihren EinflufS auszuiiben begannen; einer der bekannte-
sten Satiriker dieser Gruppe, Mathias, nannte sein
Werk sogar ,,Pursuits of Literature’), durch die Wahl
*) Ausfithrliche Angriffe auf Warton sind enthalten in:
Proemium to ,,Ode upon Ode‘ (vol. I, p. 387—389); ferner in
,lnstructions to a celebrated Laureat‘ (vol. I, p. 471 ff.) und
Brother Peter to Brother Tom“ (vol. I, p. 499). Gegen Pye
gehen: ,,The royal Tour“ (vol. Ill, p. 317), sowie zahlreiche
kleinere Stellen (vol. II, p. 451, 461, 469; vol. III, p. 379; vol. IV,
Pastore vol. Vi. p) 118,311)
*\ In der zeitgendssischen Satire ,,Epics of the Ton“ geht
u. a. eine Stelle gegen Warton (p. 36, Z. 320 ff.), eine andere
(p. 70, Z. 769 u. Anm.) gegen Pye.
*) Die 4 Dialoge erschienen nacheinander 1794, 1796, 1796,
1797; die Gesamtausgabe ,,revised and corrected with many ad-
ditions.“ Die 5. Auflage wurde 1798, die 11. 1801 ver6ffentlicht.
Byrons Kenntnis der Satire wird bezeugt durch einen Hinweis
vom August 1811: ,,The satire is notoriously . . the worst writ-
ten of it’s kind .. It’s sole merit lies in the notes, which are
des Titels die literarische Sphare des Inhalts kennzeich-
nend. Die Satire besteht aus 4 ,,Dialogues‘‘, denen Pro-
saessays uber die verschiedensten Gegenstinde voraus-
gehen, so z. B. iiber franzdsische Philosophie, die Zu-
lassung katholischer Priester, den Wert und die Motive
der Satire. Auch er trachtet danach, Retter der 6ffent-
lichen Moral, Zufriedenheit und Sicherheit zu werden.
Was die Satire rein auf erlich von Ahnlichen Produk-
tionen unterscheidet, sind die unverhaltnismafig langen
Anmerkungen, die mit allem méglichen pedantischen
Wissen vollgepfropft sind und die Lektiire ungenieSbar
machen, anstatt den Verstext zu verstarken. Sie waren
notig, um den Leser mit den meist unbekannten Opfern
bekannt zu machen und die Unmenge der Anspielungen
zu erlautern.
Weit entfernt von dieser pedantischen Didaxis sind
die buntfarbigen ,,jeux d’esprit“, die im ,,Anti-Jacobin ’)
or weekly Examiner’ vom 20. November 1797 bis zum
g. Juli 1798 — wahrend einer Parlamentssitzung — er-
schienen. Alle Register der Satire werden hier gegen
indisputably excellent.‘ (LJ. Il, p.14). Medwin berichtet zweimal
eine Erwahnung der ,,Pursuits“, p. 249 u. 233. Dort heift es:
,,.Lewis was not a very successful writer. His ,,Monk“ was abu-
sed furiously by Mathias in his ,,pursuits of literature’ and he
was forced to suppress it.“
") Die Poesie wurde gesammelt und separat 1801 ver6ffent-
licht. Noch im selben Jahr war eine 4. Auflage nétig. Byron
spielt mehrmals auf den Anti-Jacobin an, so LJ. Il, p. 223
Yesterday I dined in company with Staél, the ,,Epicene“,
whose politics are sadly changed“, Dazu vergl. ,,New Morality“
Z. 293—30¥. Oder LJ. Il, p. 4, note 2: ,,The best gimme vyou
can do for the Tutor you speak of will be to send him to the
U-Niversity of Géttingen‘‘ = der Pointe aus Rogeros Gesang in
den ,,Rovers‘. Zu der Briefstelle LJ. Il, p. 75.
,, What news, what news? Queen Orraca,
What news of scribblers five?
S—, W—, C—, L—d, and L—e*
vergl. ,,New Morality“, Z. 336. Siehe auch LJ. I, p. 112 vom
12. Januar 1807.
die revolutionaren Strémungen in Philosophie, Kunst und
Politik, kurz im gesamten Geistesleben der Zeit gezogen,
von den geistreichen, heute noch lesenswerten Parodien
auf Darwin, Southey und das importierte deutsche Drama
bis zur ernsthaft-ziirnenden klassischen Art der ,.New
Morality“. Die Hauptmitarbeiter waren der von der ,,Rol-
liad“ her bekannte politische Convertit G. Ellis, dann
Canning, Hookham Frere etc., selbst Pitt soll, den ,,Notes
and Queries“ nach, daran beteiligt gewesen sein. Die
Leitung des poetischen Teils unterlag Canning, die des
prosaischen hatte der beriihmteste Satiriker der da-
maligen Zeit, Gifford, in der Hand.
Gifford war einer der letzten Satiriker, die den
Geist der r6mischen Satire auf englische Verhaltnisse
direkt tibertrugen und Paraphrasen jener mit modernem
Stoff erfiillten. So ahmt er, der Juvenaliibersetzer, in der
einen seiner beiden Satiren, der ,,Baviad‘‘ (1794) Persius,
in der andern, der ,,Maeviad" (1795), Horaz nach’).
Der Feind, gegen den er in voller Wehr loszieht, ist
eine kleine Schar mondaner Amateurpoeten, in denen
Gifford eine Gefahr fiir das literarische Leben erblickt
und die er als 6ffentlicher Censor fiir immer unschadlich
macht. Keine persénlichen Griinde bewegen auch ihn,
in aufrichtigem Zorn denunziert er die als franzdsisch
verdachtigte siifliche Sentimentalitaét, ,,to correct the
growing depravity of the public taste“. (Einleitung zur
") Die zwei Satiren wurden 1797 zusammen gedruckt, eine
8. Auflage ist 1811 datiert. Die Zeugnisse von Byrons Bewunde-
rung fiir Gifford sind so zahlreich, daf$ wir getrost eine ein-
gehende Kenntnis seiner Werke annehmen dirfen. Die Unter-
wirfigkeit Gifford gegeniiber erreicht ihren H6éhepunkt im
Jahre 1813: ,,Any suggestion of yours, even were it conveyed
in the less tender shape of the text of the Baviad, or a Monck
Mason note in Massinger, would have been obeyed.‘ (LJ. II, p. 221.
Das Citat W. I, p. 304 ist demnach nicht korrekt). Noch 1820
nennt er ihn ,,the last of the wholesome satirists‘‘!
Baviad.) Strikt halt er sich innerhalb der Grenzen der
Literatur, ohne bemerkenswerte Hinweise auf politische,
philosophische oder sociale Tendenzen — darin ein Vor-
ginger der sich auf rein literarischer Basis aufbauenden
, British Bards‘, wobei allerdings Byrons natiirliche Abnei-
eung gegen Politik und Philosophie mit anzuschlagen ist.
Von geringer Bedeutung fiir Byron sind die zu
gleicher Zeit erschienenen anonymen ,,Children of
Apollo”. (1794).
Einige Jahre hindurch verstummte die Verssatire,
um ploétzlich im Jahre 1806, als auch Byron von der
allgemeinen Mode ergriffen wurde, in neuer Fille, wenn
auch nicht immer in neuer Kraft, wieder aufzuleben.
In rascher Reihenfolge erschienen politische Satiren, wie
All the Talents (1807), ,,All the Blocks: (307);
,»Epics of the Ton“ von Lady Hamilton, eine Samm-
lung satirischer Portrats, wortn Klatschereien aus den
Kreisen der Aristokratie und des Parlaments mit grofsem
Behagen in Versen und ausgiebigen Prosaanmerkungen
breitgetreten werden und schlieSlich (1808) die anonyme
»simpliciad.“ Im selben Jahr begann auch Moore,
mit seinen Satiren auf dem Plan zu erscheinen.
Schon aus dieser Skizze geht hervor, daf’ Byron
mit einem groften Teil seiner Vorganger einen Zug
mindestens gemeinsam hat, die hohe Auffassung vom
Amt des Satirikers. Am Ende der ,,British Bards“ stehen
die Zeilen (Z. 993/94):
Zeal for her (Englands) honour bade me here engage
The host of idiots that infest her age ;“
mit denselben Gedanken, die Gifford in der Einleitung
zur Baviad in Prosa wiedergab, die in Versen schon oft
zuvor geaufert worden waren, besonders eindringlich im
Eingang der ,,New Morality“.
Ganz natiirlich, daf§ all diese Censoren auf die sie
umgebende Welt mit Verachtung herabsahen. Bekannt
sind Pope’s ,,degen’rate days‘; in der Baviad (Z. 222),
in den Pursuits of Literature (Dial. IV, p. XXX) hallen
dieselben Klagen wieder, die Byron Z. 103 ff. u. 185 ff.
anstimmt. Wie Gifford (Baviad Z. 216), so seufzt auch
Byron nach einem Idealzustand, der in friiheren Zeiten
seine Inkorporation gefunden (Z. 103 ff., 189 ff. u. a. m.).
Andrerseits erkennen die Satiriker mit freudigem
Stolze die Wirkung ihrer Waffen auf diese verderbte
Zeit an. Churchills ,, Apology“ enthielt die Stelle (Z. 324):
»Her shape is often varied, but her aim,
To prop the cause of virtue, still the same.
In praise of Mercy let the guilty bawl;
When Vice and Folly for correction call,
Silence the mark of weakness justly bears“ etc.
Ahnlich in seinem ,,The Candidate“ (Z. 155 ff.):
Great was her force, and mighty were her rhymes,
I’ve read of men, beyond man’s daring brave,
Who yet have trembled at the strokes she gave;‘ etc.
,succeeding villains sought her as a friend,
And, if not really mended, feigned to mend.‘
Mathias widmet dem Thema einen langeren Exkurs im
Vorwort zum Dial. IV, p. XXVIII"): ,,Satire ... has
*) Zwei andere sstilistische Eigentiimlichkeiten von ge-
ringerer Bedeutung teilt Byron mit Mathias. Ich denke_ hier
vor allem an Vergleiche, die dem spezifisch englischen Sport,
der Hetzjagd, entnommen sind. Bis zum Uberdruf variirt
namentlich Mathias dieses Motiv. In der zweiten Halfte des
ersten Dialogs werden die Kommentatoren Shakespeares fort-
wahrend als _ ,,black-letter dogs’ angeredet, Stevens wird als
», Whipper-in‘’ denunziert (Dialog I, Z. 236) und Johnson mit
einem ,,huntsman“ verglichen. (Dial. I, Z. 235, note ,,r“‘). Wir
mogen bei derartigen Vergleichen an Z. 44; 437 ff.; 534; 1045
der English Bards denken, namentlich an Z. 534:
Holland, with Henry Petty at his back,
The whipper-in and huntsman of the pack.‘
Mathias kennt, wie Byron, Vorwirfe gegen die teuren ,,wire-
wove, hot press’d books‘ (Dial. I, Z. 165, D. IV, Z. 604) deren
aufere Ausstattung dem inneren Wert nicht entspricht. Siehe
»English Bards“, Z. 128.
==. yee
peculiar force. Vice is not unfrequently repressed, and
folly and presumptuous ignorance and conceit sometimes
yield or vanish at the first attack, and like the fabled
spirits before the spell of the enchanter ,,Prima vel voce
Canentis Concedunt, Carmenque Timent Audire Secun-
dum; (vergl. auch Dialog I u. II). Ahnlich Byron in
poetischer Form (Z. 27 ff.):
,,When Vice triumphant holds her sov’reign sway,
Obey’d by all who nought beside obey.“ ...
,E’en then the boldest start from public sneers,
Afraid of Shame, unknown to other fears,
More darkly sin, by Satire kept in awe,
And shrink from Ridicule, though not from Law.“
Der auferen Form nach verzichtet Byron auf den
antiken Dialog zwischen Satiriker und Freund, nur an
einer Stelle, ich habe auf sie bei der Behandlung Popes
schon hingewiesen, schiebt sich diese Satirenform ver-
kappt fiir einige Verse ein, ebenso wie einige kurze
Paraphrasen Juvenals in Zeilen 1, 87, 93. Dies sind
jedoch nur voriibergehende Launen des Augenblicks, an
einen Plan, die English Bards als Paraphrase Juvenals
zu beginnen, wie Fuess p. 70 meint, ist natiirlich nicht
zu denken, da all diese Stellen erst in der zweiten Auf-
lage eingefiigt wurden.
Ein fester Grundriss scheint auf den ersten Blick
nicht vorhanden zu sein, infolge der vielen Einschieb-
ungen gewahrt die Satire das Bild einer fabellosen An-
haufung beschreibender Einzelausfalle. Doch lést sich
bei genauer Aufmerksamkeit ein Rahmenwerk los, das
Byron bei Vorgangern in genauester Ausfiihrung getroffen
und in loser Form als Einkleidung verwendet hat. Als
treibendes Moment, um die Personen reihenweise vor-
fubren zu k6nnen, wird namlich bei den Satirikern des
18. Jahrh. gewohnlich unter Verwendung von allerhand alle-
gorischem Beiwerk irgend ein Gericht insceniert, bei dem
die Opfer hintereinander vorbeiziehen und dem Verfasser
die Mithe der Uberleitung von einem Thema zum andern
sparen. Als Beispiel médchte ich die Rosciad heraus-
greifen, wo Johnson und Shakespeare den Wettstreit
unter den Schauspielern als Richter zu entscheiden haben.
Zu einer derartigen eingehenden Fabel versteht sich
Byron im Interesse eines flotten Tempos nicht, er be-
eniigt sich mit einem Gerippe von kurzen Andeutungen,
die alle jedoch auf eine derartige zu Grunde liegende Hand-
lung deuten. Es sind Z. 143, 165, 205, 506, 560, 799 etc.
Die von Popes Zeit her tiblichen erganzenden Fufs-
noten bringen Erklarungen von Anspielungen oder aber
auch neues satirisches Material, ohne je zum Umfang
der Exkurse von Mathias oder der Bliitenlesen Giffords
anzuschwellen. (Langere Citate treten nur in den Anm.
AiiewAr 240, 250, 351 auf.)
Auch in der allgemeinen Tonart, auf die die Eng-
lish Bards eingestellt sind, erkennt man deutlich die
Einwirkung der zeitgendssischen Literatur. Maflosigkeit
und Mangel an taktvoller Distanz hat man Mathias und
Gifford schon oft vorgeworfen, sie zeigen sich hie und
da bei Byron, besonders in dem witzlosen Geifern Clarke
gegeniiber. Eine kiinstlich hochgeschraubte Entristung,
die weit von der harmonisch ausgeglichenen Leichtigkeit
Cannings und Freres entfernt ist, zeitigt auch bei ihm
gelegentliche Stilfehler, im allgemeinen halt er sich
jedoch, dank seiner Scheu vor allem Unfeinen, von der-
artigen groben Geschmacksverirrungen frei. Ein ge-
wisses gliickliches Ma von draufgangerischem Tempe-
rament und Pers6énlichkeit nur bleibt bei ihm zuriick,
gerade in der richtigen Quantitét, um seine Satire von
langweiliger Didaxis freizuhalten.
Doch spielte neben dem Vorbild von Satirikern wie
Gifford eine neu auftretende Macht eine Rolle, deren
Einflu& jetzt schon ihren Schatten vorauszuwerfen beginnt.
Es sind dies die ,,Reviews“ jener Zeit mit ihren Rezen-
sionen neu erschienener Biicher. Wie spater des Naheren
zu behandeln sein wird, hatte hier ein unabhangiger Kritiker-
stand das Wort, der seine Uberzeugung freimiitig aus-
sprechen konnte und tatsachlich aussprach. Nur mufte
dem Publikum zuliebe die Art und Weise unterhaltend
oder gar amiisant sein. Der bequemste und billigste Weg
hierzu war die satirische Ausbeutung der Schwachen des
Opfers, die nur in die richtige Beleuchtung gertickt und mit
witzigem Spott glossiert zu werden brauchten. Auf eine
gerechte Verteilung von Lob und Tadel kam es dabei
nicht immer an, der geistreichen Ausdrucksform zuliebe,
die eben einmal in tadelndem Spott leichter zu erzielen
ist als im Lob, wurden die Aufmunterungen im allge-
meinen nur sehr sparlich zugemessen. So kam ein aufserst
aggressiver Stil zustande, der vor nichts zuriickschreckte
und dem Gegner in der allerpersénlichsten Weise zu Leib
riickte. Durch zahlreiche Anspielungen und Zitate
wurde dabei eine gewisse Anschaulichkeit erzielt.
Nun ist zwar klar, daf fiir Byrons flott voran-
eilendes Tempo, fiir die frische Persdnlichkeit in erster
Linie natiirliche Veranlagung verantwortlich gemacht
werden mut’, doch darf bei der grof$en Beachtung, die
er den Zeitschriften schenkte, der aufere AnstofS§ von
dieser Seite her nicht unterschatzt werden.
Bei einer Gruppe von derartigen Maflosigkeiten des
Stils, bei dem wilden Ansturm gegen die Kritiker, ver-
teilt sich die Schuld auf eine Reihe von Vorgangern,
von den jeder sich in derselben Weise wie Byron ver-
siindigt hat. Diese Angriffe gegen die Kritiker waren
namlich mit der Zeit innerhalb der Satirenliteratur zu
einem Sonderzweig ausgewachsen, da jeder, der mit
diesen Gegnern einen Strauf$ auszufechten hatte, zu den-
selben Verteidigungsmitteln griff. So schrieb Churchill
seine ,,Apology. Addressed to the Critical Reviewers",
Wolcot die ,,Epistle to the Reviewers“ (1778) und
Byrons Jugendfreund Hodgson, wie wir bei friiherer Ge-
legenheit sahen ,,A gentle Alterative Prepared for the
Reviewers“. Eine kurze Inhaltsangabe mége dieser letzten,
fiir die ,,English Bards“ besonders wichtigen Satire zur
Einfiihrung dienen.
Der aufSere Aufbau basiert, im Unterschied zu den
entsprechenden Stellen bei Byron, auf einer Fabel. Als
Praludium gibt Hodgson die Griinde an, die ihn zur
Abfassung der Satire trieben. Nicht wie die anderen
Dichter konnte er es dulden, von den _ ,,border plun-
derers‘* — mit derartigen und noch viel scharferen Aus-
driicken werden die Edinburgh Reviewers bedacht — vor
ihren Gerichtshof geschleppt zu werden, belachelt von
dem gefiihllosen modernen Zeitalter. Mit einer pl6étz-
lichen Wendung werden wir mitten in eine Sitzung der
Missetater versetzt, wie sie gerade die Griindung der
Edinburgh Review beschliessen und in ihren Reden
in naiver Dummbheit die egoistischen, wahren Griinde
und Praktiken ihrer Publikation~ verraten. Gleichsam
um die dabei abfallenden wiitenden Ausfalle gegen Schott-
land wieder gut zu machen, schiebt Hodgson einen
lobenden Passus tiber Schottland und seine Dichter ein,
um in unvermitteltem Ubergang auf das alte Thema
einige Falle naher zu kritisieren, in denen die Ungerech-
tigkeit der feindlichen Review besonders klar zu Tage
tritt. Es folgt die allegorische Beschreibung der Geburt
und des Zerfalls der Kritik, wie die Wahrheit sie ver-
lassen und ‘Malice“ statt ihrer das Scepter ergriffen;
den Schluf§ bildet eine Revue der britischen Kritiker,
die in den meisten Punkten ihren schottischen Kollegen
nichts nachgeben.
Nicht verwunderlich, wenn durch die 6ftere Wieder-
kehr desselben Stoffgebiets die Waffen abgenutzt wurden
und dieselben Motive — bestenfalls in modernisierter
Form — ihre Anwendung finden. Die Leitmotive, um
die sich alle anderen Vorwirfe gruppieren, sind die
Klagen iiber die Bestechlichkeit der Rezensenten und
ihre unmenschliche Grausamkeit. Als Beispiel mége
eine Auswahl folgen!
Churchill in ,, The Candidate“ (Z. 59/60):
Though, other rules unknown, one rule they hold,
To deal out so much praise for so much gold.‘
Wolcot gibt in seiner ,,Epistle“’ vor, um die Gunst der
Kritiker zu flehen und gewinnt so von vornherein einen
wirksamen Hintergrund, da die Servilitat des Dichters den
Mangel an Urteilsfahigkeit beim Publikum und die hoch-
miitige Unverschamtheit der Kritiker scharf kontrastiert.
Er entschuldigt sich scheinbar:
»l never hinted that with half a crown
Books have been sent you by the scribbling tribe;
Which fee hath purchas’d pages of renown: —
No for I knew ye’d spurn the paltry bribe“ etc.
Einmal wird er noch deutlicher:
»A beef-steak, with a pot or two of Beer,
Might save a little volume from damnation.“
Bei Hodgson und Byron nimmt neben allgemeinen
Anklagen dieser Art (z. B. Hodgs. p. 75, ferner in der
Einleitung; Byron Z. 519) das Thema eine ganz spezielle
Farbung an. Hodgson hatte Byron die Episode erzahlt
oder geschrieben, auf die Murray in seinen Memoiren
p. 37 eingeht, wie Scott (bei Hodgson und Byron Jeffrey)
das friihere Opfer der Edinburgh Review, Southey, zur
Mitarbeiterschaft an ihr eingeladen und 10 Guineas
Honorar fiir einen Druckbogen versprochen habe. Southey
habe jedoch abgelehnt. Diese Taxe greift zunachst
Hodgson auf, dann Byron’), und beide verwerten sie, Hodg-
son etwas ausfiihrlicher (p. 67; vergl. auch Anm. ,,m“)
) Die Briefstelle, in der Byron an Hodgson tiber diese
Episode schreibt, ist auf p. 18 dieser Abhandlung abgedruckt.
»When some new victim on the board is laid,
And for Jong tort’ring you are better paid —
Oh! when that victim’s bitter smile ye meet,
How will ye curse your poor ten pounds a sheet.
Byron, Z.. 70:
lo Jeffrey go, be silent and discreet,
His pay is just ten sterling pounds per sheet“.
Sind die Rezensenten nicht von Geld beeinflu&t, so
urteilen sie nach der 6ffentlichen Meinung oder nach
sonstigen dufserlichen Griinden, keinesfalls jedoch nach
dem wirklichen Wert. Verlaumdung und arrogantes
Verurteilen ohne Kenntnis des Kritisierten, dies sind
die Mittel, mit denen sie arbeiten.
So Churchill in der Apologie (Z. 43 ff.):
» lo Hamilton’s the ready lies repair —
Ne’er was lie made which was not welcome there. —
Quick-circulating slanders mirth afford;
And reputation bleeds in every word“.
liner, he Candidate (Z. 56ff.):
»lhough by whim, envy, or resentment led,
They damn those authors whom they never read“.
Wolcot (p. 8):
»Nor do you hastily on books decide;
But first at ev’ry coffee-house inquire,
How in its favour runs the public tide“ etc.
Hodgson (p. 60 note ,,e“):
»» . the sentence is passed upon the criminal
without hearing counsel on either side; nay,
often without even reading his indictment.
This may be Scotch law.. .“
Seite 64 la®t er die Kritiker sprechen:
» lake we their titles only, and condemn
All that we fancy may be found in them;
While many a page displays our nobler wit,
And shews the author how he should have writ.“
Ferner S. 66:
ve black, calumnious censors of the times,
Who shed around Detraction’s pois’nous juice . .
a
Byron’ Z. 71:
»Fear not to lie, ’t will seem a sharper hit;
Shrink not from blasphemy, ’t will pass for wit;
Care not for feeling—pass your proper jest. .“
Die allerstarksten Ausdriicke schleudern alle aus-
nahmslos gegen die Kritiker, wenn es gilt, ihre unver-
sohnliche Grausamkeit zu brandmarken. Besonders
Wolcot kann sich nicht genug tun in Bildern voll
ungeheuerlicher Ubertreibungen und Geschmacklosig-
keiten. Was er hierin leistet, zeigen Vergleiche wie der,
wo er die Rezensenten von dem geschlachteten Autoren
essen aft, ,,like carrion Crows upon a poor dead horse“
(Epistle). Mit allerhand Mordwerkzeugen kommen sie
nach ihm in ihren Dachkammern’) zusammen, um die
ungliicklichen Autoren zu ermorden und abzuschlachten,
in ihrer Review liegen die Glieder erschlagener Dichter
wie die Fliegen in einem Spinnennetz. Daneben Chur-
chill in Z. 59 der Apology:
, safe from detection, seize the unwary prey,
And stab, like bravoes, all who come that way“.
Auch Hodgson spricht p. 56 von ,,midnight assas-
sination™.
Zu diesen stillosen Ubertreibungen paft vorziiglich
Inhalt und Ton der Zeilen 430—437 der E. B.
,A coward Brood, which mangle as the prey,
By hellish instinct, all that cross their way;
Aged or young, the living or the dead,
No mercy find—these harpies must be fed“ etc,
Was die Rezensionen tatsachlich gehafig erscheinen
lies, die Anonymitat, hinter der sich die Verfasser ver-
steckten, t6nt aus allen Satiren als Anklage wider, meist
in der Spielart, daf’ den Kritikern lichtscheues Wesen
vorgeworfen wird.
”) Wir sehen, Jeffreys ,,patrimonial garret“ in Z. 482 der
E. B., wie ,,the reviewer in his garret‘“ bei Hodgson p. 60 note
»e haben ihre Vorganger.
——— 5 5 ae
Churchill (Apology 57):
,,Conscious of guilt, and fearful of the light,
They lurk enshrouded in the vale of night ;“
Ze1os nd. 124:
Founded on arts which shun the face of day,
By the same arts they still maintain their sway . .“
,All men and things they know, themselves unknow,
And publish every name-except their own.‘
Wolcot (Epistle): Sie vermeiden das Auge der
Offentlichkeit und ,,Hide in lurking-holes a world of
merit.‘
» Yet oft your cautious modesties I see
When from your bow’r with bats ye wing the dark;
And Sundays, when no catchpoles prowl for prey,
Dining with good Duke Humphry in the Park . .“
Byron (428 ff.):
or ever startled by the mingled howl
Of Northern Wolves, that still in darkness prowl.“
Leider haben sie den Erfolg, diese _,,self-elected
monarchs’) (Churchill Ap. Z. 83), dafS ihre Macht un-
beschrankt ist und alles sich vor ihnen beugen mufs:
Churchill (Ap. 94):
Who shall dispute what the Reviewers say?
Their word’s sufficient; and to ask a reason,
In such a state as theirs, is downright treason."
Hodgson (p. 58):
Let all be silent, who on silence rest
Th'inglorious safety of a coward’s breast,
And, with dissembled agony, pretend
To view their sneering censor as a friend.“
Byron (Z. 74 u. 85/86):
,And stand a Critic, hated yet caressed.“
.To these, when Authors bend in humble awe,
And hail their voice as truth, their word as Law.“
1) Hodgson p. 57: ,,Self-raised Arbiters of sense and wit";
Byron Z. 62: ,,self-constituted judge of poesy", Z. 84: , combined
usurpers on the throne of taste",
Neben diesen Ziigen, die die English Bards mit der
Gruppe der Kritikersatiren in nahe Verwandtschaft bringen,
tritt, wie aus den bisherigen Ausfiihrungen hervorge-
gangen sein wird, eine starke Ubereinstimmung zwischen
den Jugendsatiren der beiden Freunde Byron und Hodg-
son’). Der allgemeinen Anlage nach sind die beiden
Satiren grundverschieden. Das einzige Ziel bei Hodg-
son, die Rache an den Edinburgh Reviewers, ist bei
Byron nur eine Episode im Rahmen einer umfas-
senden Abrechnung, doch ist immerhin die Angriffs-
richtung dieselbe*) und in den Einzelheiten drangen sich
die gemeinsamen Berithrungspunkte. So lassen sich in
Erganzung zu den bisherigen gemeinsamen Beschuldi-
gungen folgende Gleichungen aufstellen:
Hodgson (Einleit. u. p. 69 tib. d. Kritiker): ,, Their great
faults are garbled quotations, imperfect representation“ etc.:
,But when ye see your failing stock in trade,
When hoarded jokes, and essays ready made
Supply no more the quarterly demand“ .., .
Byron Z. 64 ff.:
,»A man must serve his time to every trade
Save Censure — Critics are all ready made.
Take hackneyed jokes from Miller, got by rote,
With just enough of learning to misquote... .“
Die 6fteren Schmahungen gegen Schottland bei
Hodgson (p. 58 u. 62) und Byron (Z. 502 u. 1066) ent-
sprechen sich genauestens: Hodgson:
,,What! shall the blood of England, tame and cold,
Forget its glorious energies of old,
And, mock’d by Scottish impotence, restrain
The bursting torrent of its high disdain ?
’) Brie weist in der Einleitung zu seiner Ausgabe auf die
Ubereinstimmung zwischen ,,Childe Harold und Hodgsons Epos
yor Edbat,oa Pale’ hin. (Bd: I), p: 3623)
*) Im Jahre 1807 war tiberdies, wie Oliver Elton p. 393
ausfihrt, ein Angriff auf Jeffrey erschienen: ,,Advice to a young
Reviewer with a Specimen of the Art“ By Edward Copleston.
(siehe Copleston: Memoirs p. 289 ff.).
Still shall we fall an unresisting prey >?
And dragg’d by border plunderers away ....
“
Byron:
For long as Albions heedless sons submit,
Or Scottish taste decides an English wit,
So long shall last thy unmolested reign, .
the gauntlet cast at once
To Scotch marauder, and to Southern dunce.‘
Hodgsons ,,leading dogs in the pack“ (Einl.), ,,each
mongrel of your pack“ (p. 66), entsprechen zahlreichen
ahnlichen Stellen bei Byron.
Eine sachliche Ubernahme konnte schon friiher fest-
gestellt werden, die Einladung Southeys zur Mitarbeiter-
schaft an der ,,Edinburgh Review", eine weitere bildet der
gemeinsame Irrtum, die Rezension von Payne Knight's
Principles of Taste’ Henry Hallam zuzuerteilen, wahrend
sie in Wirklichkeit von John Allen verfaf$t worden war.
Hodgson p. 68:
,»And scholars blush’d at H—s baffled art..... ‘
,And when he frownd on Kn—’s erroneous Greek,
Bade him in Pindar’s page that error seek.“
(Dazu die sachliche Erklarung in Anmerkung ,,n‘).
yson 7. 513:
»And classic Hallam, much renown’d for Greek ;“
mit der Anmerkung: ,,Mr. Hallam reviewed Payne
Knights ,,Taste, and was exceedingly severe on some
Greek verses therein. It was not discovered that the
lines were Pindar’s till the press rendered it impossible
to cancel the critique.
Als letzte Ahnlichkeit sei beider sehnsiichtiger Ruf
nach Gifford angefiihrt. (Hodgson p. 73 = Byron Z. 819).
Soviel ist nach allem klar, daf§$ ein enges Verhaltnis
besteht, dafs beide gegenseitig tiber ihre Satiren Meinungen
und Stoff austauschten. Direkte Hinweise finden sich in den -
Satiren selbst wenige. Einmal nur erwahnt Byron Pillans
(Z.515)', der fiir den Verfasser der Rezension von Hodg-
sons Juvenaliibersetzung gehalten wurde. Noch schwieriger
liegt der Fall in dem ,,Gentle Alterative | wo) nus
dunkle Anspielungen auf eine kommende grofse Ab-
rechnung ausgesprochen werden, von denen man nicht
sicher weif$, ob sie auf Byron gemiinzt sind: ,,. . . the
solemn mockery of their trade is indeed no secret to
many; it is a little developed in this volume; and, per-
haps, they may be more fully detected hereafter, with
their fellow impostors of sundry kinds and denomi-
nations .. . They may enjoy a share, should they sur-
vive long: enough, in some comprehensive sentence.”
(Einleitung p. vili) oder: ,,This page is sacred to the
Critics; but Quacks of every description, Commentators,
Book-hunters, &c. &c. may find a place in some future
Dunciad ;“‘ (p. 56, note ,,a‘‘). Einmal wird auf die Kritik
der Gedichte Byrons in der Edinb. Rev. hingewiesen
(p. 67, note ,,1‘‘): ,See also the Review of Lord byron
Poems. Is this the manner in which early ability is to
be received and encouraged ?
Merkwiirdig ist, das méchte ich noch hinzufiigen,
daf§ ein Teil der Anklageschrift Byrons im Keime schon in
ahnlichen Gedichten gegen die Kritiker in den ,,Hours of
Idleness“‘ vorhanden ist, allerdings nicht in der scharf
geschliffenen Form wie spater. Jedenfalls lag Byron der
gesamte Gedankenkreis von Anbeginn nicht fern, als
seine Rachegeliiste ihn zu den Waffen riefen.
Als Schlufergebnis der Untersuchung stehen wir
vor der Tatsache, dafS Byron durch den groften Teil
der Satire mit traditionellen aufseren Formen arbeitet.
') Nach einer anderen Modglichkeit bezieht sich_,,His
friend“ auf Benjamin Drury, der zu jener Zeit ebenfalls ,,assi-
stant master“ in Eton war und zu Hodgson’s Juvenaliibertragung
die Ubersetzung einer Satire beigesteuert hatte. (H. p. 60, note ,,c“.)
Nicht einmal auf jenem Gebiet, wo bisher scheinbar
seine Hauptbedeutung ruhte, in der Satire gegen die
Kritiker, ist er originell. Fir das Grundgerippe ist
Pope verantwortlich, die Mehrzahl der Einzelmotive lafst
sich auf die Satirenliteratur vor Byron zuriickfthren.
ITB.
Schon Goethes literarisches Feingefitihl hatte bei
Byron einen Mangel an dsthetisch-kritischem Urteil aus-
zusetzen: ,,Lord Byron ist nur grof’, wenn er dichtet,
sobald er reflektiert, ist er ein Kind“ aufSert er Ecker-
mann gegeniiber; ') und dieser Vorwurf ist im Lauf der
Literaturgeschichte immer wieder in mehr oder weniger
schroffer Form laut geworden. Man denke nur an
Swinburnes Urteil in den ,,Essays und Studies‘‘*): ,,His
critical faculty was ,,zero or even a frightful minus
quantity“, his judgment never worth the expense of a
thought or word‘.. Ahnlich auch Saintsbury: _,,Suffice
it to say, that to take him seriously as a critic is im-
possible.‘ *)
In der Tat gibt Byrons eigentiimliche Stellung seinen
Werken gegeniiber, wenn es gilt, ihren literarischen
Wert abzuschatzen, wie auch die zahlreichen Wider-
spriiche und Wandlungen seiner kritischen Ansichten
begriindeten Anlass, an der iiberzeugten Festigkeit
seiner Meinungen vu zweifeln. Gewiss, er hangt mit
zahem insularem Konservatismus an den Axiomen
des Pseudoklassicismus und lehnt alle dichterischen
Produkte ab, die in der geringsten Weise dagegen ver-
stofen, aber innerhalb dieser grofSen Richtlinien gestattet
er augenblicklichen Launen, Sympathien und Antipathien
die gré®te Bewegungsfreiheit. Auch raumt er in Ein-
Be Hesse, p. 107, Donner hat die Bedeutung dieses Aus-
spruches p. 37 klargelegt.
ep 25K 8) History of criticism“, p 281, vol. Il.
= 60 —
zelfallen dem Urteil von Freunden oder Autoritaten,
auf deren Geschmack er sich seiner Meinung nach ver-
lassen kann, betrachtlichen Einfluf8 ein. Moore spricht
einmal ') von ,,the deference. . . . which he was inclined
to pay to the opinions of those with whom he associated. .“‘,
aus seinen Briefen méchte ich hier eine Episode an-
fiihren, die mir ftir diese Eigenart besonders charakte-
ristisch zu sein scheint: In einem Briefe an Harness *)
erzahlt er einmal, der Verleger Cawthorn habe sein
Urteil ber einen Roman der D’ Arblay verlangt und
fahrt fort: ,,He wants me to read the M.S., which I
shall do with pleasure; but I should be very cautious
in venturing an opinion on her whose ,,Cecilia‘‘ Dr Johnson
superintended. If he lends it to me, I shall put it in
the hands of Rogers and Moore, who are truly men of
taste.“
Zeigt der reife Byron eine solche Abhangigkeit,
so diirfen wie bei dem jugendlich unreifen Verfasser
der ,,English Bards“ noch viel weniger originelle kritische
Ideen erwarten, und eine Untersuchung, in wie weit er
selbstandig vorging oder fremde Gedanken tbernahm,
ist daher nur zu sehr berechtigt.
Es ist wahrscheinlich, das Byron den grofsten Teil
der in den ,,English Bards“ erwahnten Biicher gelesen
hatte, bevor er die Satire schrieb. Im November 1807
hatte er namlich, wie Moore berichtet, eine Liste all
der Biicher zusammengestellt, die seine Lektiire vor
dem 15. Jahre bildeten: ,,All the British Classics as be-
fore detailed, with most of the living poets, Scott, Southey
etc.“ Die Werke Moores und Strangfords kannte er
ebenfalls, wie wir nach des ersteren Zeugnis*®) und den
Jugendgedichten wissen, *) dasselbe gilt auch fiir Mont-
gomery, dem er ein Gedicht gewidmet hatte. °)
') Life vol. II..p.17, 18. *) LJ. Tep.81. 4) Life volinpaime:
*) W. I pi 2zoz.. *) Weiltsp:. 107.
==) (SI =
Diese Liste liefSe sich aus Zitaten in den ,,English
Bards“ noch erweitern, wenn nicht die Sorglosigkeit,
mit der sich Byron das Material zu dieser Satire ver-
schaffte, zu grofter Vorsicht mahnen wiirde. Derartige
Hinweise k6nnen namlich, wie wir spater sehen werden,
unter Umgehung des Originals aus anderen Satiren oder
aus Rezensionen tibernommen worden sein. Mit welcher
Flichtigkeit Byron hier arbeitete, zeigt seine Unsicher-
heit in der Behandlung des beriihmten Duells zwischen
Jeffrey und Moore. Das eine Mal’) spricht er von ,,Little’s
leadless pistol‘, an anderer Stelle”) von,,Jeffrey’s harmless
pistol. Auf Genauigkeit der Einzelheiten kam es ihm
also gar nicht an, wenn es galt, eine besondere kraftige
Wirkung zu erzielen. Moores Darstellung des wirklichen
Verlaufs des Duells hatte er tiberhaupt nicht gelesen,
wie er 1811 an Moore schreibt: ,,At the time of your
meeting with Mr. Jeffrey, I had recently entered college,
and remember to have heard and read a number of
squibs on that occasion; and from the recollection of
these I derived all my knowledge on the subject, with-
out the slightest idea of ,,giving the lie“ to an address
which I never beheld‘ ’).
Dech selbst wenn wir die giinstige Voraussetzung
machen, Byron habe die in Frage kommenden Biicher
aus eigener Lektiire gekannt, so ist nach dem im Anfang
des Kapitels Gesagten die Wahrscheinlichkeit sehr gering,
daf§ er auf dem Gebiet der Kritik selbstandig vorging, im
Gegenteil, man kann getrost die im Wesen Byrons be-
griindete Vermutung aufstellen, daf§ er sich auch hier von
literarischen Ratgebern die zum Angriff dankbaren Stellen
weisen lief, und das um so mehr, da er bei dieser
Riesenlektiire unmdéglich zu einem ruhigen Abwagen
der innern Werte gekommen sein kann.
Es Be Le 466: 2) PB; Ziia47: ) Ds Jel: ip: 62;
as Got
Byron lebte in einer Zeit, in der solche professio-
nelle Ratgeber, die Rezensenten der ,,Periodical Reviews‘
einen bedeutenden Einfluf$ auf das literarische Leben
austibten. Anonyme literarische Aufsatze hatten schon
in den Zeitschriften Steeles und Addisons Aufnahme
gefunden, aber erst nach der Griindung der Monthly
Review (1749) und der Critical Review (1756) wurde
dem grossen Publikum durch einen Stab berufsmafiger
Rezensenten eine kritische Ubersicht tiber die geistigen
Erzeugnisse vermittelt. Dieses vielgeschmahte und im
Lauf des Jahrhunderts vom Parteigeist durchseuchte
Kritikertum begann im ersten Viertel des 19. Jahrhun-
derts zu stolzer Unabhangigkeit emporzusteigen.
Nicht nur seine finanzielle Lage besserte sich ') auch
auf geistigem Gebiet trat eine erhdhte Selbstandigkeit
ein. Die Fesseln des klassischen Regelsystems begannen
sich zu lockern, die persdnlichen, originellen Ansichten
gewannen an Wert und verschafften der Kritikerkaste
erhéhtes Ansehen und gréfSere Bewegungsfreiheit. Die
Aufgabe der Kritik bestand ihrer Ansicht nach weniger
aus einem verstandnisvollen Finfiihlen in ein Werk, als viel-
mehr aus der Abwehr aller schadlichen Einfliisse. Sie bean-
spruchte gleichsam das Amt eines 6ffentlichen Gewissens,
im Grunde aus dem selben Geiste heraus, der von jeher
in der Satire leitend war oder doch vorgeschiitzt wurde.
NaturgemafS musste diese Auffassung vom Kritikerberuf,
neben all den friiher erwahnten Griinden, dazu beitragen,
dem Stil jene aggressiv-pers6nliche Note zu geben, die
dem Satiriker den Anschluf§ nur zu sehr erleichterte.
Die wichtigste Rolle innerhalb der Gattung der
Reviews spielte jenes Organ, dem Byron spater selbst
zum Opfer fallen sollte, die 1802 gegriindete Edinburgh
') Vergleiche die von Hodgson und Byron aufigegtilicne
Taxe von 1o Guineas fiir einen Druckbogen.
Review.') Ihre Mitarbeiter waren allgemein als arbitri
elegantiarum anerkannt und wegen ihres diktatorischen
Draufgangertums gefiirchtet. Kein Wunder, daf} Byron
im Bediirfnisfalle sie als héchste Instanz in literarischen
Fragen betrachtete. Ihre allgemeine literarische Rich-
tung, die zu seinem Vertrauen die Briicke schlagen
mufte, lat sich am besten aus den Ansichten des be-
deutendsten ihrer Beitrager festlegen; es ist dies der
seinerzeit ebenso beriihmte wie spater vergessene Richter
Francis Jeffrey.
Jeffrey, wie die ganze Edinburgh Review, gehérte
jener literarischen Richtung an, die Courthope unter
dem Namen_ ,,Neo-Whiggism‘ zusammenfaft. Die
Whigs, die im Zeitalter des Klassicismus die treuesten
Anhanger seiner Unfehlbarkeitsdoktrin gestellt hatten,
waren durch die literarische Entwicklung gezwungen
worden, mit dem Zeitgeist Kompromisse zu schliefsen.
Wie es schon Pope mit den Regeln vereinbaren konnte,
Spenser und Ben Jonson zu verehren, so hatte man
spater gefalligen Neuheiten, wie Percy und Ossian, Zu-
gestandnisse machen miissen.
Auf diese Weise gelangten allmahlich durch kleine
Inkonsequenzen hindurch die Whigs zu einer gewissen
Mittelstellung des asthetischen Urteils: Auf klassizisti-
scher Basis aufbauend, gestattete man im einzelnen eine
ziemlich grofse pers6nliche Urteilsfreiheit, sofern sich
nur kein grober Verstof§ gegen ,,sense und taste’ nach-
weisen lief’.
1) Um einen Begriff von dem Einflufi der Edinburgh Re-
view zu erhalten, lese man die Bedenken, die Murray (Memoi-
ren p. 34 ff und 46) bei der Griindung des Konkurrenzblattes
vorbringt. Die hohe gesellschaftliche Stellung, die die Mitar-
beiter der Edinburgh Review besonders in Holland House ein-
nahmen, kann dem stark entwickelten Standesbewusstsein By-
rons nur entgegengekommen sein.
a Gas
Auch Jeffrey findet in der Dichtkunst allgemein
eiiltige Normen und Vorbilder, die sich im Laufe der
Zeit bewahrt haben: ,,Poetry has this much, at least,
in common with religion, that its standards were fixed
long ago, by certain inspired writers, whose authority
it is no longer lawful to call in question“. ') Diese Ide-
ale sind natiirlich die des Klassicismus. Pope ist der
vollendete Meister des Stils: Seine ,,vigilance and labour,
. gave energy and direction to his pointed and
fine propriety.““*) An Dryden zieht ihn die Kraft, ,,the
flow and exuberance of language“ an. Und doch mit
einem Bedenken, das beweist, dafS sein Lob kein
bedingungsloses Nachlaufen ist: ,,Much of Dryden’s
exuberance proceeds from a want of scrupulous accu-
racy“. °)
Noch mehr, seine offen ausgesprochene Vorliebe
fiir die Elisabethaner lat sogar darauf schliefSen, dafS er
seine Kritik nicht in streng klassizistischer Weise ausiibte.
Byrons Ideale sind in den ,,English Bards genau
dieselben. Immer wieder verweist er auf Pope als sein
grofes Vorbild; auch Dryden erhalt seinen Anteil am
Lob, mit derselben Einschrankung jedoch wie bei Jeff-
rey: Zeile 100 nennt ihn Byron ,,careless Dryden”, in Zeile
114 nahert er sich Jeffrey's Ansicht noch mehr:
Sr Ghee monet The tide of song,
In stream less smooth, indeed, yet doubly strong.“
Zu diesen beiden Dichtern gesellt sich Zeile 187
Milton, Z. 723 Roscommon und Sheffield. Wir sehen
aus diesen kleinen Ziigen, wie die Geistesrichtung des
jungen Dichters im allgemeinen auf die E. R. eingestellt
ist, ein Hinderungsgrund, sich im Einzelnen nach ihr
zu richten, bestand demnach fiir ihn nicht. Daf’ er sie
1) EO RT p63, .*) EB. Re 60,5 seb PR AY gam
genau kannte, steht aufer allem Zweifel, dafiir biirgt
ihre literarische Bedeutung sowie die zahlreichen Er-
wahnungen in der Satire.
Jeffreys Vorgehen wird besonders schonungslos, wo
immer er eine Geschmacklosigkeit wittert. ,,Absurd and
nonsensical“ zu sein galt bei ihm als das schwerste Ver-
brechen. Kein Wunder, dafS seine scharfsten Angriffe
die ihm unverstandlichen Principien der ,,Seeschule‘
trafen, jene ,,most formidable conspiracy against sound
judgment in matters poetical.“ ') An mehreren Stellen
hat er seine principielle Ansicht tiber sie ausgesprochen,
so in einer Rezension des ,,Thalaba‘‘ und ,,Madoc“. ?)
Sie alle sind ihm infolge ihrer Stellung zu den alther-
gebrachten Vorbildern von vornherein anriichig, denn
eine Sekte von Eigenbrédlern, ,,dissenters from the
established systems in poetry and criticism“ nennt er
sie*), mufs sich schon ihrer Problemstellung nach auf
schiefer Bahn bewegen. In dhnlicher Weise bezeichnet
auch Byron Wordsworth als ,,That mild apostate of
poetic rule.‘‘*) —
Andrerseits sind sie nicht einmal fahig, etwas der
Idee oder Form nach Originelles an die Stelle der
,old models“ zu setzen. Rousseau, Kotzebue, Schiller
Cowper etc. sind ihre Lehrmeister geworden oder, wie
es spater heifst; ,, They have preferred furnishing them-
selves from vulgar ballads and plebeian nurseries, °) der-
selbe Vorwurf, der in Zeile 917 der ,,English Bards‘‘liegt :
, Let simple Wordsworth chime his childish verse,
And brother Coleridge lull the babe at nurse“,
sowie in ,,ballad monger Southey“ der Zeile 202.
Diesen Unterlassungssiinden stehen nach Jeffrey eine
Menge grundsatzlicher Verderbtheiten zur Seite. Zunachst
ete ike W64, 3) *E. R. i:63 ff:-und Vil. iit +4) ERT. 63:
sezelle 236. °)°E. R. Xt. 218,
ae GG)
als deutlichstes Merkmal eine ,,affection of great simpli-
city and familiarity ot language“ ') oder ,,perverted taste
for simplicity?) Vergleiche hierzu Byrons Zeile 237
und 917: ,,simple Wordsworth“, sowie Zeile 905:
Whose verse, of all but childish prattle void...
und Zeile 257 tiber Coleridge
Though themes of innocence amuse him best...“ —
Diese ihre Einfachheit ist verwerflich, denn sie ist
nicht natiirlich, sondern beschrankt sich in Wirklich-
keit auf den Gebrauch roher und nachlassiger Ausdricke,
die aus der Poesie verbannt gehdrten. In langeren
Ausfiihrungen *) wird die Frage erértert, in wie weit
das Gemeine in der Kunst zulassig sei, mit dem Er-
gebnis, dafs die Kunst, die Bewunderung und Entzticken
hervorrufen solle, ihre ,,models‘’ aus der Sphare des
Gewohnlichen nicht nehmen diirfe. Die Muse der La-
kists habe daher einen vulgiéren Charakter. — Byron
bringt in Zeile 903 ,,vulgar Wordsworth" — Auch
sonst erregt der Stil Jeffreys Mi®fallen, oft sei die
Sprache in geheimnisvolle Schleier gehillt, dann wieder
sei sie von ,,unusual harshness and asperity.“*) Zu all
dem sto®&t den Politiker der scheinbar revolutionar-ein-
seitige Untergrund der Ideen der Lakists ab, ,,the sple-
netic and idle discontent with the existing institutions
of society®) . .“
Deutlicher noch wird die Anlehnung in Einzelheiten,
wo iiberdies die Zufalle gemeinsamer Anschauungen
ausgeschaltet sind.
In der erwihnten Gruppe nimmt bei beiden Kritt-
kern Southey den breitesten Raum ein. Soweit nun
Byrons Ausfalle literarische Werturteile enthalten, sind
sie alle in den schon erwahnten ausfiihrlichen Rezen-
\ER.1L 64, *)E.R.1 67, —*) E.R. L 6sae
R. 1570; }) ERE 7a.
sionen vorweg genommen. Wo er einen von seinem
Vorbild unabhangigen Stoff aufgreift, wie in den
Hieben gegen das Epos Joan of Arc,’) giebt er anstatt
der literarischen Eigenheiten den Stoff selbst in ziem-
lich farbloser Weise der Verachtung preis. Bei der
Behandlung des ,,Thalaba‘ ist die Bemerkung zu Zeile
oom, ehalaba .. . is written in open defiance of pre-
cedent and poetry“ zweifelsohne nur ein Nachklang zu
der schon besprochenen Eroérterung Jeffreys tiber die
Stellung der Lakists zum Klassicismus; als Quelle fiir
die Anspielungen auf den Inhalt *) mag die ausfiihrliche,
durch Beispiele gestiitzte Inhaltsangabe gedient haben.
Leiler 207:
since startled metre fled before thy face“
liegt ein Abschnitt Jeffreys tiber die Verskunst Southeys
zu Grunde, die nach ihm nur ein ,,jjumble of all the
measures known in English poetry without rhyme and
without any sort of regularity in their arrangement" ist. *)
Den Stoff bezeichnet dieser als ,,most wild and extravagant
fictions‘, die zur Belustigung von Kindern geeignet sind,
die Fabel sei unklar, schwer verstandlich und zudem
voller Widerspriiche, deren einige angefiihrt werden. *)
Dazu vergleiche bei Byron Zeilen 212 und 220:
»Arabia’s monstrous, wild, and wond’rous son ;“
Illustrious conqueror of common sense!“
Ahnlich gestalten sich die Verhaltnisse beim Madoc,
der in der Edinburgh Review dieselbe ausfiihrliche Be-
handlung erfahrt, so daf&$ auch hier keine andere Quelle
fiir Byrons Information notig ist. Zeile 223:
»lells us strange tales, as other travellers do,
More old than Mandeville’s, and not so true“
beziehen sich auf einen Vorwurf Jeffreys, Southey habe,
neben anderen Unwahrscheinlichkeiten, einem wallisischen
1) Zeilen 205—10. *) Zeile 213—14. °) E. R.I 72.
“) E. R. I. 74—76.
Hauptling alle Entdeckungen und Abenteuer der 300
Jahre spater auftauchenden Spanier zugeschrieben:
Almost all the incidents of the 214 part of the volume
are borrowed from the adventures of Columbus and
Cortes with minute fidelity‘’.’) Der beste Beweis, dafs
Byron beim Schreiben der British Bards die Review zur
Hand oder doch mindestens gut im Gedachtnis hatte,
ist die wé6rtliche Heriibernahme einer Stelle daraus.
Im Anschluss an Zeile 225 zitiert er anscheinend einen
Satz aus dem Vorwort zu Madoc: ,,Madoc disdains the
degraded title of Epic.‘ In Wirklichkeit lautet die
Stelle dort*) etwas anders: ,,[t assumes not the degra-
ded title of Epic’, findet sich dagegen wéortlich in der
Edinburgh Review. Jeffrey fahrt nach seiner Inhalts-
angabe fort: ,,Such, with the exception of a few episodes,
is the story of Madoc, a poem in two parts, and thirty-
five sections, which disdains the‘ degraded title of
Epic‘, and pretends not to be constructed according
to the rules of Aristotle.’) Byron hatte sich die Stelle
jedenfalls so gut gemerkt, dafs er sie falschlich anstatt
des richtigen Textes als Citat einsetzte. Die Uberein-
stimmung der Anmerkung zu Zeile 222 mit einer ahn-
lichen Bemerkung Jeffreys: ,,Thus the poem comes
forth’ in two parts‘, one being entitled ,,Madoc in
Wales‘, and the other ,,Madoc in Atztlan“,*) kann zu-
fallig sein und la8t keinen Schluf. zu.
Immerhin schatzt Jeffrey Southey als das befahigtste
Mitglied der ganzen Gruppe, wdahrend er dagegen
Wordsworth als ihren eigentlichen Vertreter, dem
ganzen Ton nach sogar als den Vertreter ihrer absur-
) E. R. ViL.12;. *) E.R. VIE.o, *) ER. VIL 5). Sieieiee:
tical Works of Robert Southey. Complete in one volume
London 1847, page 313.
desten Seite betrachtet. Byron dussert sehr deutlich
dieselbe Meinung in Zeile 235 und 9go4:')
,,Next comes the dull disciple of thy school‘ —
, Lhe meanest object of the lowly group’ —
Einmal geht Jeffrey auf eine Einzelheit ein: ,,That
poet who . . beautifully warns his studious friend of
the risk he ran of ,,growing double‘‘*), ein Zug, der piinkt-
lich in den Zeilen 239 und 240 wiederkehrt:
,,Who warns his friend‘‘ to shake off toil and trouble;
»And quit his books, for fear of growing double.“
Eine im Oktober 1807 erscheinende Rezension der
Poems in two volumes“ findet im Gegensatz zu friiher
kein Echo bei Byron, dieser verwertet ausschlieflich
Stoffe der ,,Lyrical Ballads“. Diese Unterlassung ist
seiner bisherigen Praxis gegeniiber um so merkwiirdiger,
als die ,,Poems‘ eine Reihe dankbarer Vorwiirfe liefern,
die zudem in der Rezension mundgerecht vorgelegt
werden. Er scheint also vor diesem Termin die An-
griffe auf dic Lakists abgeschlossen zu haben, was, wie
friiher schon angedeutet*), auch aus aufseren Griinden
anzunehmen ist. Ein Anlafi, die ,,Edinburgh Review"
nicht weiter zu benutzen, lag zu dieser Zeit nicht vor.
Coleridge spielt in den 12 ersten Banden der
Zeitschrift keine bedeutende Rolle, nur einmal wird er
erwahnt und da mit Lambe zusammengekoppelt: Jeffrey
behauptet, es sei moglich, nach dem Studium der Vor-
bilder der Seeschule ein Gedicht zu verfertigen ,,as cor-
rectly versified as Thalaba, to deal out sentiment and
") Daf das objektive Urteil Byrons anders lautete, sieht
man aus seiner Kritik der ,,Poems in den ,,Monthly Literary
Recreations for July 1807“ (L. J. I. p. 341 abgedruckt). In ge-
rechtem und zutreffendem Abwagen beleuchtet er hier auch
die guten Seiten Wordsworths und bezeugt vor allem eine
Achtung, die der Satire abgeht.
fieteks, 1768.. *) Siche Seite 21:
description, with all the sweetness of Lambe, and all
the magnificence of Coleridge!“ Fiir die Einzelheiten
dieser Ausfalle in den ,,English Bards‘ diirfen wir also
die Edinburgh Review nicht verantwortlich machen.
Eine bevorzugte Stellung abseits von der tbrigen
Romantik nimmt bei Jeffrey’) Walter Scott ein, bet
dessen Bewertung neben der ehrlichen literarischen Uber-
zeugung die Mitarbeiterschaft an derselben Review in
die Wagschale gefallen sein mag. Er ist fiir ihn das
Genie, das, fiir die héchsten Aufgaben bestimmt, seine
Kraft an nichtswiirdige Stoffe verschwendet. Er zweifelt
am ,,interest or dignity of the subject‘, bedauert, ,,that
the feuds of Border chieftains . . have monopolised as
much poetry as might have served to immortalise the
whole baronage of the empire”). Ahnlich auch weiter-
hin: ,,Mr. Scott must either sacrifice his border pre-
*\" oder ,,the locality
of the subject is likely to obstruct its popularity . .*)",
alles Gedanken, die in den Zeilen 911—912 und 931 ff.
der Byron’schen Satire eine poetische Umformung erfuhren:
judices or offend all his readers . .
And thou, too, Scott! resign to minstrels rude
The wilder Slogan of a Border feud;“
,But Thou, with powers that mock the aid of praise
Should’st leave to humbler Bards ignoble lays“ etc.
Im Einzelnen geben jedoch die Angriffe Jeffreys
und Byrons denen auf die Lakists nichts nach. Beide
riigen den Plan der Fabel, so Byron in der Anmerkung
zu Zeile 153: ,,Never was any plan so incongruous and
absurd . . .“‘, Jeffrey in langeren, durch mehrere Bei-
spiele veranschaulichten Ausfiihrungen *), aus denen ich
’) In der Recension des ,,Lay of the Last Minstrel‘ (E.R-
VI. 1ff.). Die Besprechung des ,,Marmion‘‘ erschien erst im
April 1808, fiir die ,,British Bards“ also zu spat, die der ,,Min-
strelsy* aus anderer Feder in vol. 1 kommt fiir unsere Zwecke
nicht in Betracht.
) E.R. VL 2. *) ib. 18), ~*):ab.-20.5 *) ab-s3 andes
fal
nur einige Satze vorbringen will: ,,. . . he was less so-
licitous to deliver a regular narrative. The conception
of the fable is exceedingly defective.“ ,,The story has
but little pretension to the praise of a regular and cohe-
rent narrative‘'). Vor allem stéren Jeffrey, der schon
friiher den Geisterapparat des ,,Thalaba“ als Harleki-
nade aufgefafst hatte, die Zaubereien innerhalb des Epos,
besonders der ,,goblin page .. . the capital deformity
of the poem‘ *) In der Inhaltsangabe ist ihm besonders
das beriihmte ,,lost, lost, lost‘‘, sowie das ,,prattlement
of the river and mountain spirits“ °) mifliebig. Vergl.
hierzu die fir den Abdruck zu umfangreiche Anmerkung
zu Zeilen 153 u. 155 der E.B. Trotz der Ubereinstimmung
der Grundgedanken und einiger Einzelheiten scheint doch
Byron die Review nicht ausschlieSlich beniitzt zu haben,
zum mindesten hatte er das Epos selbst gelesen.
Wenn Jeffrey aus dem Horazischen: ,,Et prodesse
volunt, et delectare poetae“ auch den ersten Teil ge-
strichen hatte: ,,[he end of poetry we take it, is to
please“, so wollte er doch jede Dichtung auf feste mo-
ralische Grundlagen gestellt wissen und zog mit dem
schwersten Geschiitz zu Felde, wo immer er eine Un-
moral aufzusptiren glaubte, am meisten da, wo sie unter
einschmeichelnder Form in unverfanglicher Weise dar-
geboten wurde. Als Hauptvertreter dieser Richtung galt
ihm Moore und so setzte er sich in einer Rezension
der ,,Epistles, Odes and other poems‘‘*) endgiiltig mit
ihm und seinem System auseinander. Moore _besitzt
zwar ,,a singular sweetness and melody of versification™,
*) Es ist also unnétig, die zugehGrige Stelle der ,,English
Bards‘ auf die Satire ,,All the Talents“ zuriickzufiihren, wie es
Fuess p. 60 versucht.
Sebo Ravin tS. 6°) ib. 3. *) H.R. VOL 456i, Kine kaatik
der ,,Odes of Anacreon“ in vol. 2 lautet in ahnlichem Sinue.
Ihr Verfasser ist nicht Jeffrey.
ist aber im Grunde ,,the most licentious of modern ver-
sifiers, and the most poetical of those who, in our times,
have devoted their talents to the propagation of im-
morality’, 402—
Besonders gefahrlich ist diese Art und Weise, Un-
moral in das Publikum zu bringen, fiir die Frauen.
Gerade an diesem einen Gesichtspunkt hackt sich Jeffrey
fest, beleuchtet ihn von allen Seiten, erértert die Griinde
und Folgen und kehrt immer wieder zur eindringlichen
Mahnung zuriick, die Frauen vor Moores Dichtung zu
schiitzen. Kein Wunder, daf’ auch Byron, der weder
nach Lebensanschauung noch nach Lebensfiihrung zum
Sittenrichter geeignet war, diese wiederholte Warnung
fiir seine Satire wenigstens beherzigte und seinen Lieb-
lingsdichter '), den er friiher fleifig nachgeahmt hatte,
als 6ftentliche Gefahr fiir die Sitten brandmarkte, mit
derselben Nuance sogar wie Jeffrey:
,, Who in soft guise, surrounded by a choir
Of virgins melting, not to Vesta’s fire,
With sparkling eyes, and cheek by passion flushed
Strikes his wild lyre, whilst listening dames are hushed?
‘Tis Little! young Catullus of his day,
As sweet, but as immoral, in his Lay!“
Derselbe Vorgang bei der Beurteilung Strangfords,
ebenfalls eines seiner Lieblingsdichter! Die Waffen
liefert hier ein Aufsatz in vol. VI der Review tber die
,,Poems from the Portuguese of Luis de Camoens‘‘, wo
Strangfords Ubersetzungstatigkeit unter die Lupe ge-
nommen wird. Weder Idee noch Stil des Originals, so
filhrt der Kritiker aus, sind annahernd getreu wieder-
gegeben. Pedantische Anmerkungen bei Gelegenheit
geringfigiger Abweichungen tauschen eine Genauigkeit
vor, die nirgends vorhanden ist. Doch liegt in dieser Un-
*) Vergl. Dawson, p. 43; Fuhrmann, p. 35, LJ. I, Nr. 94,
322 u. 804.
genauigkeit Methode, denn Strangford versiift geflissent-
lich charakteristische Ausdriicke, die, wie er sagt ,,not
very graceful“ sind, ein Gesichtspunkt, der eines Tand-
lers, aber keines Dichters wiirdig ist. So sind die Ge-
danken ,,tricked out in all the tinsel and frippery of
the modern poet's effeminate vocabulary . .') Strang-
ford ,,has warmed him (—Camoens) up with stimulating
spices, and tricked him out in the meretricious: orna-
ments of Mr. Little's school . .““ Noch beschamendere
Vorwiirfe, als den der einfachen Umdichtung in’s Las-
zive folgen, Strangford hat aus derselben Tendenz her-
aus ganze Stellen interpoliert und dann ruhig tiber seine
Einfigungen Anmerkungen geschrieben oder aber er
hat 3—4 Zeilen des Originals auf 1—2 Seiten Uber-
setzung auseinandergezogen. Dies waren die Haupt-
gedanken der etwa I0 Seiten starken Kritik. Wie eine
poetische Version nehmen sich Byrons Ausfiihrungen
daneben aus:
»For thee, translator of the tinsel song,
To whom such glittering ornaments belong, .
Whose plaintive strain each love-sick miss admires,
And o’er harmonious fustian half expires,
Learn, if thou canst, to yield thine author’s sense,
Nor vend thy sonnets on a fals2 pretence.
Thinkst thou to gain thy verse a higher place,
By dressing Camoéns in a suit of lace?
Mend, Strangford! mend thy morals and thy taste.
Be warm, but pure; be amorous, but be chaste:
Cease to deceive; thy pilfered harp restore,
Nor teach the Lusian Bard to copy Moore.‘
(295—308 u, 321/22).
Note: ,,It is also to be remarked, that the things given to the
public as poems of Camoéns are no more to be found in the
original Portuguese, than in the song of Solomon.“
Doch geht die Ubereinstimmung noch weiter! Der
Rezensent hat Strangfords Ansicht tiber die Liebe analy-
ME AB. WI: 48:
siert und die Hoffnung geaufsert, er werde mit der Zeit
noch seine Ansicht andern. ,,If not, woe to our fair
countrywomen; for he possesses already, as he informs
us, what he considers as the principal offensive weapons
for carrying on his warfare-locks of auburn, and eyes
of blue; and he ventures to hope, upon the strength
of those indications, that he is of an amourous dispo-
sition.’ Es folgt das genaue Citat einer Anmerkung
Strangfords, im wesentlichen eine prezidse Analyse des
erwahnten Schoénheitsideals, eben der ,,locks of auburn
and eyes of blue‘, die den Ubersetzer eingestandener-
mafsen selbst zieren und als letzter Trumpf: ,,.. . the
canzon, as well as the note in question, appear to have
been written for the express purpose of conveying to
the world the very interesting particulars which they
contain with regard to the noble author; there not being
to be found in the original . . . any mention whatever
of blue eyes . . .'). Byron bringt diese amiisante Epi-
sode in folgenden Versen:
,Hibernian Strangford! with thine eyes of blue,
And boasted locks of red and auburn hue . . .‘*?)
(207298).
Eine noch starkere Anlehnung, die beinahe an lite-
rarische Pliinderung grenzt, liegt beim Ansturm auf
Bowles ,,Spirit of Discovery’ vor, der im VL Band
der Review, p. 313 ff., und in Zeilen 327360 der Satire
abgeurteilt wird. Gleich die Anfange sind identisch.
Die Edinburgh Review: ,Some Years ago, Mr.
Bowles presented the public with a collection of sonnets
and short poems. The reception, it met with was not
yy RS Vileega.
2) Da die Anspielung fiir einen Leser, der mit den Tat-
sachen nicht vertraut ist, unklar sein wirde, verweist Byron
in der Anmerkung auf das Original und was fiir uns hdéchster
Wichtigkeit: ,to the last page of the Edinburgh Re-
view of Strangyford’s Camoéns .
D
unfavourable, especially by that tribe of gentle readers
to whom every running stream recalls the memory of
joys that are past, and every rustling leaf gives sad anti-
cipation of coming sorrow“'). Byron:
»And shows, still whimpeting thro’ threescore of years,
The maudlin prince of mournful sonneteers.
And art thou not their prince, harmonious Bowles!
Thou first, great oracle of tender souls?
Whether thou sing’st with equal ease and grief,
The fall of empires, or a yellow leaf.’‘ *)
Leider hat sich Bowles, so fahrt der Kritiker fort, von
seinem Ehrgeiz iiber die seinem Talent gesetzten
Schranken hinaus verlocken lassen: ,,No longer satisfied
with the humble praise of a sonneteer, he now aspires,
in a louder and loftier strain“, to join the Miltons and
Cowpers of his country.“ Dieser Gedanke wurde zu
Helen 349—352 der E. B:
,»Now to soft themes thou scornest to confine
The lofty numbers of a harp like thine;
Awake a louder and a loftier strain,
Such as none heard before, or will again!“
verarbeitet. Der—Rest der Stelle, Zeile 353—360:
, Where all discoveries jumbled from the flood,
Since first the leaky ark reposed in mud,
By more or less, are sung in every book,
From Captain Noah down to Captain Cook“.
ist geradezu dunkel ohne den dazugeh6érigen Prosa-
text der Rezension. Dort wird die Stoffwahl in scharfem
Tone geriigt. Sie muf te miflingen, da Bowles auf der
Suche nach einem verbindenden Grundgedanken fiir die
verschiedenen Gesange seines Epos in einem grundver-
fehlten Werk Clarkes, der ,,History of Navigation", das
folgende absurde Prinzip gefunden und auch angewendet
hatte, ,,that Noah’s ark is the foundation of our ideas
of navigation and the true prototype of all vessels that
plough the deep, from the cock-boat up to the seventy-
Deiekk, Vin sng: *) Zeilen 330—334.
four’). Das wichtigste und untriiglichste Glied in der
Kette der Einzelbeweise bildet ein aus dem Schlufstiick
dieses Aufsatzes in die ,,English Bards“ hiniibergeschliipfter
Irrtum. Nach der oben angefiihrten Riige wird die Sinn-
losigkeit des Gedankens, die Arche zum _ verbindenden
Prinzip eines langen Gedichts zu machen, an einigen
praktischen Beispielen erlautert, worauf der Kritiker
weiterfahrt: ,,Not only the series of events is taken
from the history, but the very episodes introduced to
relieve the languor of the poem, are derived from the
same source. The story of two unfortunate lovers,
Robert 4 Machin and Anna d’Arfet, the longest and
most laboured of his episodes, is a proof of this‘‘*).
Ein Citat aus dieser Episode wird spater gegeben:
pteens, ened Le) S) Saeke ASS
stole on the listning silence; never yet
here heard: They trembled even as if the Power
that made the world, ec
amid the garden walk'd“.
Lazu die ironische Bemerkung: ,,The reader will not
fail to remark the poet’s accuracy in fixing the date
when the woods of Madeira first re-echoed to the sound
of a human kiss.“‘*) All das nahm Byron getreulich
hiniiber, sogar mit EinschlufS des Citats. Seine Glosse
dazu lautet: ,,That is, the woods of Madeira trembled to
a kiss; very much astonished, as well they might be,
at such a phenomenon“ *); seine Verse:
pat p een a cet Pra ln ta pausing on the road,
The Bard sighs forth a gentle episode,
And gravely tells — attend, each beauteaus Miss!
When first Madeira trembled to a kiss 3“
mit der Anmerkung: ,,The episode above alluded to is
the story of ,,Robert 4 Machin“ and ,,Anna d’Arfet”,
\ E. R.. Vi, p. 316.1 | *) ab: 7p: 318. ~ *) ib apaagemn
*) Anmerkung zu Zeile 351.
a pair of constant lovers, who performed the kiss above
mentioned, that startled the woods of Madeira.‘
So evident diese Entlehnung ist, sie wiirde doch
nicht tiber das Niveau der andern hervorragen ohne ein
interessantes Nachspiel. Als namlich Byron 1812 mit
Bowles zusammen bei Rogers eingeladen war, machte
ihn jener an der Hand des Epos darauf aufmerksam,
dafS§ die obige Stelle falsch aufgefafst worden sei, daf
die Satire den bespéttelten Sinn iiberhaupt erst hinein-
getragen habe’). Inzwischen war die Satire unterdriickt
worden, doch findet sich unter den Randglossen, die
Byron 1816 in ein Exemplar der ,,English Bards‘
kritzelte, folgender Passus: ,, Mis-quoted and misunderstood
by me; but not intentionally. It was not the ,,woods“,
but the people in them who trembled — why, Heaven
only knows — unless they were overheard making this
prodigious smack.“ -B., 1816. Als dann spater die
Episode und damit auch Byron in den Streit um Pope
gezerrt worden war, zogerte er nicht, 6offentlich Genug-
tuung zu leisten und, was fiir uns das wichtigste, das
Zustandekommen des Irrtums darzulegen. Er schreibt
in dem beriihmten Brief ,,On Bowles’s Strictures‘‘ an
Murray :*) ,,He was right, and I was wrong .. . for I ought
to have looked twice before I wrote that which involved
an inaccuracy capable of giving pain. The fact was,
that, although I had certainly before read ,,The Spirit of
Discovery“, | took the quotation from the Review.
But the mistake was mine, and not the review’s, which
quoted the passage correctly enough, I believe’. Wir
sind in der Lage, die in der Erinnerung etwas ver-
schobene Darstellung zu berichtigen: Nicht Byron ist
der Urheber des Irrtums, er fand ihn vielmehr schon
") Siehe Disraelis Citat LJ. V. p. 523.
*) LJ. V. p. 537/538.
in der ,,Review“ vor. Welche Kritik oder Zeitschrift
gemeint ist, kann nach den vorausgehenden Untersuch-
ungen nicht mehr zweifelhaft sein, dieser Einzelfall ist
damit typisch fiir eine Reihe anderer Entlehnungen.
Die spatere Einfiigung tiber Bowles von Zeile 361
bis 384 steht in keiner Beziehung zur Edinburgh Review.
Neben diesen GréfSen der Literaturgeschichte lait
sich eine Liste von Rezensionen kleinerer Dichter auf-
stellen, die nicht weniger stark auf die ,,English Bards“
abgefarbt haben. Ich fithre sie im folgenden in chrono-
logischer Reihenfolge vor.
In Band I wird Pratt’s -,,BreadiortithesPenr:
lacherlich gemacht (p 108). Ein absurder Inhalt in un-
poetischer Form erzahlt, auf dieses Grundmotiv baut
sich die ganze Abhandlung auf, sie ist im selben ver-
achtlichen Ton gehalten, der Byrons Angriff (Z. 319, note 2)
durchzieht; dem Inhalt nach bleibt Byron selbstandig ’).
Band II bringt eine Reihe von bekannten Gestalten der
, English Bards‘: Mo ore (Odes of Anacreon auf p. 462 ff.),
den in der zeitgendssischen Kritik und Satire scharf her-
genommenen Hayley ”), — er wird spater im Zusammen-
hang behandelt werden — und Darwin’). Obgleich
der letzte Aufsatz von ,,meretricious ornament“ etc.
spricht, scheint er mir doch neben der geistreichen Pa-
rodie im Anti-Jacobin von verschwindendem Einfluf.
Sotheby wird von Jeffrey. in Band IV als Uber-
setzer der Oberon und der Georgics mit ungewohnlich
hoher Anerkennung bedacht*) und auf 4hnlich hohe
Stufe gestellt, wie bei Byron, der ihn mit Gifford und
Macneil unter die wirklich begnadeten Dichter reiht.
(Zeile 818).
= Gegen Pratt richtet sich auch Giffords Kritik (Maeviad 295.)
*) Life of Cowper, auf p. 64 ff.
*) ,, Temple of Nature“, p. 491, s. auch E. R. IV. 230, 296.
*) Seine Kritik des ,,Saul“ in Band X. verlauft in der-
selben Richtung, p. 210.
Nicht ganz so giinstig, bei der schroffen Taktik
der Review aber immerhin noch ermutigend lautet das
Urteil tiber Richards ,,Poems‘ (in der selben Nummer
p. 337): Wenn er auch nicht unter die grofen Dichter
zahlt, so ist er doch an die Spitze der ,,writers of the
second order“ zu stellen, seine Gedichte sind Erzeug-
nisse ,,of an elegant and cultivated mind.“ Ein Gedicht
des zweiten Bandes wird besonders hervorgehoben: ,, The
Aboriginal Britons is the work with which we have
been longest acquainted and which we’ are still most
@ispesea to admire. It is... .
Unzweifelhaft hatte Byron nur diese Partie der Kritik
und nicht die Originalgedichte im Gediachtnis, als er
die etwas mageren Zeilen 989—990:
ims
(folgt eine Analyse).
Where Richards wakes a genuine poet’s fires,
And modern Britons justly praise their Sires“
schrieb und in der zugehérigen Anmerkung ausschlief%-
lich auf das durch die Review vermittelte Gedicht hinweist :
»Lhe Aboriginal Britons, a most excellent poem, by Richards.“
In der Januarnummer 1805 (Band V. p. 437) kommt
Graham in der Kritik des ,,Sabbath“ schlecht weg:
Er siindigt durch plumpe Form, Mangel an Geschmack,
Phantasie und vor allem an Originalitét. Blair und
Cowper, wie die meisten englischen Dichter tiberhaupt,
sind von ihm gepliindert. In einem Falle versucht der
Kritiker (Jeffrey) sogar, ihn eines literarischen Diebstahls
an einem Manuscript zu tiberfiihren. Eine ahnliche An-
klage wird in den ,,English Bards“ Zeile 319 ff. gegen
ihn geschleudert :
,And boldly pilfers from the Pentateuch ;
And, undisturbed by conscientious qualms,
Perverts the Prophets, and purloins the Psalms.“
,,Coxcomb Gells') ,,fopography of Troy“ wird
‘) ,English Bards“. Zeile 1034 u. Anmerk.
' a 80 rama
in Band VI. p. 287 eine Menge von Fliichtigkeiten und
Unwahrscheinlichkeiten nachgewiesen, eben dort allt
auch eine Reisebeschreibung von _ ,,luckless Carn c)
einer vernichtenden Kritik anheim, was sich in Band
X. p. 271 bei Gelegenheit seiner ,,Tour through Hol-
land“ wiederholt.
Im selben Band*) steht eine Rezension von Ha y-
leys ,,Triumph of Music‘, worin wieder handgreif-
liche Ahnlichkeiten mit Byron zu Tage treten. Hayley
ist nach der Kritik von einer ,,decided and_ invincible
mediocrity‘; es gibt kaum eine Stelle bei ihm, ,,which
may not be reduced, by a few slight transpositions, to
sober sensible prose . .“‘ In einem Punkt nur ist er
auf der Héhe, in seinen Anmerkungen! ,,The notes
display a liberal and cultivated mind and contain a
most amusing fund of literary information . . etc.“
Genau ebenso in Byrons Anmerkung zu Zeile 318:
As he is rather an elegant writer of notes and bio-
graphy, let us recommend Pope’s advice to Wycherley
to Mr. H.’s consideration, viz., ,,to convert poetry into
prose‘, which may be easily done by taking away the
final syllable of each couplet.“
Die Review fahrt fort: ,,Even in his earlier works,
when the vigour of his fancy was unimpaired, there is
a continual tameness of conception, and monotony of
versification, that show he was not born for the higher
flights of poetry.“ Vergleiche dazu Zeilen 313—314:
His style in youth or age is still the same,
For ever feeble and for ever tame.“
Zeilen 307—-— 34 6:
»Of ,,Music’s Triumphs“, all who read may swear
That luckless Music never triumph’d there.“
variiren eine Bemerkung der Rezension: ,,There is no
*) English Bards‘. Zeile 1026 u. Anmerk.
*) p. 56,
= SI —
Triumph of music, except over the ennui of idleness.‘
(p. 58.) ’)
In Band VIII") erfahrt Shee in einer Besprechung
der ,,Rhymes on Art“ dieselbe Wertschatzung als Dich-
ter, wie in den ,,English Bards“, Zeilen 859—866.
wiitere is a force, a richness, and a spirit about his
Compositions ..... places him in a station, both as
a prose writer and as a poet, which very few authors
have been able to attain by a first publication.“
Auf dieselbe Stufe werden Smyths_ ,,English
Lyrics“ (vol. VIL p. 154) gestellt, nur fehlt hier jede
Wirkung auf Byron. Dieser zieht in jugendlich-frohli-
chem Oppositionsgeist gegen die preisgekronten Cam-
bridger Dichter los und 1laft sich daher von keinem
lobenden Artikel beeinflussen. (Zeile 966 I. Lesart).
Band IX endlich liefert Material fir Zeilen 881 ff.
und 510, durch 2 Aufsatze tiber die ,,Translation from
tiem Greek Anthology auf. p. 319 und. Herberts
, Miscellaneous Poetry‘‘ auf p. 211. Interessant ist dies-
mal die Methode, nach der Byron die erste Rezension
fiir seine Zwecke durchstébert. Er beriicksichtigt nam-
lich nur den Schluf und den Anfang, das Mittelstiick,
eine streng wissenschaftliche Untersuchung, hat er wahr-
scheinlich als zu fachmannisch-langweilig tiberschlagen.
Der einleitende Abschnitt redet von den schon tiber-
setzten Schatzen der grichischen Literatur und _leitet
*) Hayley war von jeher eine beliebte Zielscheibe ftir den
Spott der Satiriker, sein Name ist Gemeingut aller gréferer
Satiren, so der Rolliad (pp. 131, 375), Peter Pindars (vol. II. 245, 258,
260, 267, 276, 287, 333, vol. III. p. 398). Auffallend, doch wohl
sicher zufallig ist ein Vergleich, den Wolcot und Byron gemein-
sam haben. Wolcot (vol. II p. 299):
» The Silkworm Hayley spins me heaps of verse.“ Byron(231):
Whether he spin poor couplets into plays“. Mathias (D. I. Z. 80.
note, D. Ill Z. 214).“
= Veen? B33
panies 82 =
folgendermaffen auf das zu_kritisierende Werk tber:
,but we do not hesitate to say, that much still remai-
ned well worth the labour of translating, and capable
of forming a most desirable accession to our national
libraries.““ Dies gab Byron den Anfangsakkord :
And you, associate Bards! who snatched to light
Those gems too long withheld from modern sight ;“
Die beiden Schlusstiicke decken sich wieder: der
Rezensent hat den angefiigten originellen Gedichten be-
trachtlichen Wert zugesprochen: Sie beweisen, ,,that
when the author has acquired that perfect facility of
expression which habit never fails to confer where a ta-
lent for poetical composition really exists, his powers
will be equal to higher efforts than a translation from
a Greek Anthologie.“ Byrons Version lautet (Z. 887):
Now let those minds, that nobly could transfuse
The glorious Spirit of the Grecian Muse,
Translation’s servile work at length disown
Ant quit Achaia’s Muse to court your own.“
Zieht man in Betracht, daf’ der Raum zwischen den
beiden geborgten Motiven von einigen aufs Allgemeine
gehenden lobenden Zeilen ausgefiillt wird, so wird man
auch hier wieder mit Sicherheit die Review und nicht das
Originalwerk als Quelle fiir die Information ansehen k6nnen.
Dasselbe lat sich fiir die Anspielung auf Herbert:
»Herbert shall wield Thor’s hammer . .‘
Anmerkung: ,,Mr. Herbert is a translator of Icelandic and
other poetry. One of the principal pieces is a Song on the
Recovery of Thor’s Hammer etc.‘
behanpten. Ahnlich wie friiher bei Richards halt sich
Byron an das Gedicht, das in der Rezension aus irgend
einem Grund besondere Beachtung erfahrt, in diesem
Falle der Song of Thrym, welcher in der ,,Edinburgh
Review als Beispiel der besonders geriihmten ,,Select
Icelandic Poetry“ vollstaéndig abgedruckt und wegen der
guten Ubersetzung hervorgehoben wird. Die von Byron
in der Anmerkung citierten Verse bilden hiervon den
Schluss, so dafS nicht einmal fiir sie das Original als
Vorlage angenommen werden muf.
Von Rezensionen, die Byron zwar keine Anregung
gaben, die er aber zur Illustration seiner spateren Aus-
fiihrungen iiber die ,,Edinburgh Reviewers“ verwendete,
mochte ich folgende anfihren:
Band VII tiber Payne Knight: ,,Principles of taste‘‘;")
Band IX iiber Beresford: ,,Miseries of Human Life‘‘;?)
Lord Holland: ,,Ssome Account of the Life and Wri-
tings of Lope Felix de Vega Carpio‘‘;*) Montgomery:
5, Lhe Wanderer of Switzerland and other Poems‘. *)
Fassen wir riickschauend die Einzeluntersuchungen
zusammen, so ergibt sich folgendes Resultat: Es finden
sich auffallend starke und umfangreiche Ahnlichkeiten
zwischen der ,,Edinburgh Review‘ und den _ ,,English
Bards“, die sich nachweisbar deutlich als Anleihen kenn-
zeichnen, einigemale sogar lediglich als metrische Ver-
sion des Prosatexts der Review zu bezeichnen sind. In
zwei Fallen verweist Byron selbst auf die Zeitschrift als
Quelle. Ein weiterer, negativer Beweis dafiir, dafS die
Ubereinstimmung nicht auf einem zufalligen Parallelismus
der gegenseitigen literarischen Ansichten beruht, liegt
in dem plotzlichen Versagen jedwedes Kontakts von einem
bestimmiten Zeitpunkt an — der Julinummer 1807
etwa, — obgleich die Stoffgebiete in gleicher Weise wie
friher Beriihrungspunkte nahe gelegt hatten. Die Be-
nutzung der Review wird also zu der Zeit eingestellt, aus
*) E. B. Zeile 513 Anm.
*) E. B. Zeile 516 Anm.
*) BE. B. Zeile 551 Anm.
*) E. B. Zeile 425 Anm.; Zeile 509 Anm. wird auf die Kritik
von Gells ,, Topography“ hingewiesen, Zeile 524 auf Broughams
bertichtigten politischen Artikel tiber Cevallos.
der wir die ersten Nachrichten von der Satire erhalten,
ist demnach unter die Vorarbeiten zu rechnen. Dazu
stimmt die Tatsache, dal’ die tbernommenen Stellen
mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen ') ausschlieflich
in den British Bards stehen und dort den Inhalt des im
Oktober fertiggestellten Kerns ausmachen. Fur diese
Partie ist die ,,Edinburgh Review“ als hauptsachliche
Materiallieferantin anzusehen, besonders in den ersten
200 Zeilen sind wenige Gedanken, die nicht als ihr
Niederschlag zu gelten haben.
Das Zustandekommen des ersten Teils der Satire
wird demnach so zu deuten sein, daf’ der junge Byron,
dem als Ziel eine Satire auf zeitgendssische Dichter vor-
schwebte, die verschiedenen Bande der Review hervor-
holte und nach dankbaren Stoffen fiir sein Werk durch-
suchte. Solche fand er, da die einzelnen Artikel nach Form
und Inhalt wertvolle Winke fir eine Satire gaben und
durch ausgedehnte Citate und Inhaltsangaben nach jeder
Seite hin orientierten.
Nach dieser Periode vernachlassigt Byron, wie wir
sahen, die Satire tiber andern Interessen, und als die
Arbeit daran wieder einsetzt, erleben wir das seltsame
Schauspiel, dafS§ er mit gréftem Hat} gegen die Partei
zu Felde zieht, deren Schiedsspriiche er bisher restlos
unterschrieben und ruhig in der Satire belassen hatte.
So richtet er mit seinen vernichtenden Ausfallen gegen
die Reviewers im Grunde die Waffen auch gegen sich
selbst und einen grofsen Teil seines Werkes.
In diesem Zusammenhang méchte ich auf ein Prob-
lem naher eingehen, auf das durch die Edinburgh Re-
*) Die Zcilen tber die Anthologie (881 ff.) und Graham
(319 ff.) wurden erst zu den ,,British Bards“ hinzugefiigt, kénnen
aber sehr wohl zu einem friiheren Zeitpunkt entstanden sein.
In der I. Ausgabe erst stehen einige Verse tiber Shee und Gell,
die aber keine wichtige Entlehnung aufweisen. (859 u. 1034.)
view ebenfalls neues Licht fallt; ich denke an die Bezieh-
‘ungen zwischen den,,English Bards“ und der 1808 anonym
erschienenen ,,Simpliciad“. Seit Coleridges Anregung
in der Einleitung zu den ,,English Bards“*) wurde es
iiblich, der Simpliciad einen immer grofer werdenden
Einflu® auf Byron zuzuerkennen, ohne daf’ man diesen
jedoch je naher untersucht hatte.
Die Satire, ironischerweise Wordsworth, Southey und
Coleridge zugeeignet, will angeblich als Gegenstiick zu
den alten Poetiken, die ihre Regeln aus den Werken der
klassischen Dichter abstrahierten, eine Ars Poetica fiir
die moderne Zeit aufstellen, indem sie Stoffe, Ideen und
formelle Eigenheiten der sog. Anti-Classisal School —
der Seeschule — vorfiihrt. In der Praxis werden
natiirlich, der satirischen Absicht gemafs, alle Ergebnisse
in’s Negativ-Kritisierende umgebogen. Der Plan ist der
Form nach als Paraphrase der Horazischen Ars Poetica
gedacht, ihrer Taktik nach charakterisiert sich die Satire
durch die ungewohnlich grofse Zahl der zwischen die all-
gemeinen Sentenzen eingeflochtenen Anspielungen; oft
setzen sich sogar ganze Seiten aus derartigen Illustrationen
zusammen. Auf diese Weise wird die Satire zu einer
Materialsammlung grofen Stils, die denkbar beste Ge-
legenheit fiir einen um Stoff verlegenen Satiriker.
Scheinbar hat sich Byron diese nicht entgehen
lassen. Schon bei den Grundakkorden, auf denen sich
die Simpliciad aufbaut, tauchen Erinnerungen an Byron~’
sche couplets in uns auf. Oft gehérte Klagen tber
Degraded genius“ und _,,perverted taste‘?) der See-
schule wechseln ab mit Anklagen iiber kindisch-affek-
tierte, unnatiirliche Einfachheit *) auf der einen, wber-
DawWVeel;. ps 294:
*) Vgl. Simpliciad Zeile 69—71, und besonders Einleitung.
%) Zeilen 90, 124, 154, 159, 353. Besonders beliebt sini
Vergleiche mit der Kinderstube. Zeilen 119, 127, 161.
a OG ge
triebene, krankhafte Phantasie auf der anderen Seite.
(Z. 91, 93, 129, 159). Die Stoffe sind nach der Satire
,poor and paltry“ (Z. 214, 217/218), die Ideen schlechte
Auslesen aus schlechten Vorbildern (Z. 223 ff., bes. 234),
die Diktion vulgar (Z. 239 ff., 248), das Metrum ein wahl-
loses Nebeneinander aller méglichen Dichtungsformen
(Z. 267 ff.). Auch die gelegentlichen Seitenhiebe treffen
bekannte Gestalten: Den irrenden Genius Scott, Z. 35:
,ocott pours the Jatest Minstrel’s lay along;
Yet oft, the tale by quaint intrusions crost,
Sense, fancy, feeling shrink from ,,lost, lost, lost‘,
die beiden Vertreter der unmoralischen Dichtung, Strang-
ford und Moore, Z. 46:
,And Camoens mourns, that Strangford sweet and gay
Blurs with unhallow’d spot his modest lay.“
Zeile 48:
»,O! if the poet with immodest stain
The heav’nly gift of poesy profane,
In fair array the wanton harlot deck,
And wake the blush on Virtue’s maiden cheek,
Spare not thy satire’s holy rage to pour,
And let its beenest vengeance light on Moore.“
Riihmend hervorgehoben werden von bekannten Per-
sonlichkeiten Sotheby und Gifford, Zeile 45:
»While Virgil smiles to see himself so fine
In graceful Sotheby’s embellish’d line.“
Zeile 64:
Gifford, the dread of every sniveliing fool,
That loves and rhimes by Della Cruscan rule.“
Also scheinbar die schénste Ubereinstimmung — so
lange man die Entstehungszeit der verschiedenen Teile der
»Engl. B.“ aufer Acht lat’). Bedenkt man aber, dafS die
1) Bei Fuess eine Unterlassungssiinde, die sich durch das
ganze Buch durchzieht. Ich habe darauf seinerzeit in einer
Rezension in der ,,Literarischen Rundschau‘ hingewiesen
1. Marz 1913). Er gehért zu den Hauptvertretern der zu Beginn
entsprechenden Partien bei Byron schon im Oktober 1807,
also ein halbes Jahr etwa vor dem Erscheinen der Sim-
pliciad, schriftlich festgelegt worden waren, so wird man
es schlechterdings fiir ausgeschlossen halten miissen,
daf’ Byron irgend etwas Prinzipielles aus ihr bezogen
hat, das um so mehr, da wir die sichere Quelle dieser
Abschnitte jetzt kennen: die Edinburgh Review! Auf-
fallig bleibt dic Ahnlichkeit immerhin, nur hat sich die
Problemstellung etwas verschoben, statt der ,,English
Bards“ tritt das Vorbild, die Edinburgh Review, ein.
Wie die Faden zwischen beiden — Simpliciad und Re-
view — verlaufen, diese Frage sei hier offen gelassen.
Aber k6énnte Byron nicht Einzelheiten aus der Sim-
pliciad verwendet haben, um vor dem Druck der ,,British
Bards“ (1808) seine eigenen, in gleicher Richtung ver-
laufenden Ausfiithrungen zu vervollstandigen? Selbst dies
scheint mir nicht wahrscheinlich. Einmal ist das, was
nach Abzug des nachweislich aus der Edinburgh Review
stammenden Stoffs an Vergleichspunkten iibrig bleibt,
sehr diirftig"). Hatte Byron die auferordentlich reich-
haltigen und dankbaren Motive auf sich wirken lassen,
so waren die Folgen, dafiir sprechen die Prazedenzfialle,
in viel eklatanterer Form zu Tage getreten. Ein anderes
Moment tritt hinzu. Byron arbeitete zu der Zeit, in der
er diese Einschiebungen hatte vornehmen miissen, an
der Gestaltung seiner Anklageschrift gegen die Kritiker.
Von dieser Gedankenrichtung wurde sein Fihlen derart
des Kapitels erwahnten Theorie von der Verwandtschaft beider
Satiren, geht jedoch auf Einzelvergleiche nicht ein, hatte auch
wahrscheinlich die Satire nicht zur Hand, sonst hatte er weit
mehr Ahnlichkeiten — von seinem Standpunkt aus — ent-
decken miissen.
*) Es sind nur die Anspielungen auf Coleridges ,,Lines to
a young ass“: Simpliciad Z. 201—212, ,,English Bards“ Z. 261
bis 264; ferner, unmittelbar vorangehend, solche auf Words-
worths ,Idiot boy“. E.B.: Z. 247—254, .Simpl.+ Z. 295—305.
= gee
beherrscht, daf$ er mit den friiheren Anklagen abge-
schlossen hatte und hochstens stilistische Verbesserungen
ausfiihrte, es sei denn, dafi ein aufS$erer Druck ihn mit
Gewalt zu andern notigte.
Die Simpliciad hat mithin jeden Anspruch auf Ein-
flu& auf Byron verloren, interessant bleibt sie nur noch
als Erzeugnis einer den English Bards parallelen, viel-
leicht mit ihr in der Edinburgh Review convergierenden
Geistesrichtung.
Auch aufSerhalb der Edinburgh Review erfuhren die
angefiihrten Personlichkeiten eine schlechte Behandlung.
Southey klagt 1810: ,,Every apprentice in satire and
scandal for the last dozen years has tried his hands upon
me“. Nicht zu Unrecht. Dazu vergleiche man Lady
Hamilton. (Epics of the Ton p. 9. Z +3034 0und
Anmerk.):
» Then still might Southey sing his crazy Joan,
Or feign a Welshman o’er the Atlantic flown,
Or tell of Thalaba the wond’ rous matter,
Or with clown Wordsworth, chatter, chatter, chatter.“
In der Anmerkung erhalt besonders ,,The affecting
tale of Goody Blake and Harry Gill“ ein ausgiebiges
Ma von Spott. Seite 120. Z. 14, Anm. wird der
Anfang des Madoc ironischerweise als Probe eines
grofsen Genies abgedruckt.
Mathias D. IV. Z. 358 note ,,p\', spricht von {ja six
weeks epic or a Joan of Arc“. Ahnlich Byron Z. 202; 915.
Dazu betrachte man vor allem aber die glanzenden Pa-
rodien des Anti Jacobin, auf die Byron innerhalb der
English Bards Z. 234 u. Anm. hinweist.
Besonders bekannt wurde durch den Anti Jacobin
eine Gruppe, Coleridge, Lamb und Lloyd. Auf
sie hatte die Edinburgh-Review angespielt, in der ,,New-
Morality hatte sich schon zuvor der beriihmt gewordene
Vers gefunden (Z. 334—337):
And ye five other wandering Bards, that move
In sweet accord of harmony and love,
C-dge and S-th-y, L-d, and L-be and Co.
Tune all your mystic harps to praise Lepaux.“
In Byron klang diese Zusammenstellung nach, als
er die friiher zitierte Briefstelle schrieb; an sie dachte
er zweifellos bei Z. 905/906:
,,Whose verse, of all but childish prattle void
Seem blessed harmony to Lamb and Lloyd“.
Anm. ,,Messrs. Lamb and Lloyd, the most ignoble follo-
wers of Southey and Co.‘ *)
Das weitaus bekannteste Opfer des Anti Jacobin
war jedoch der Dichter-Naturforscher Erasmus Dar-
win, der Verfasser der ,,Loves of the Plants“ (1789),
Economy of Vegetation’ (1792), ,,Zoonomia‘’ (1794),
dessen iibertriebener Gebrauch von Personifikationen
eine Parodie ,,The Loves of the Triangles“ *) késtlich
dadurch persiffliert, dafS sie seinen Stil auf Gegen-
stande der Geometrie anwendet. Schon einige Jahre zuvor
hatte Mathias (D. I. Z. 83n) gegen die ,,Distortion of
sentiment’ gewettert, doch brachte erst der Anti Jaco-
bin jene vernichtende Wirkung hervor, die Byron in
einem Brief an Disraeli (LJ. IV. p. 485) schildert: ,, Then
came Darwin, who was put down by a single poem in
the Antijacobin.“
Er selbst hilft wacker in den traditionell gewordenen
Anklagen mit, nachdem Darwin literarisch langst ab-
getan ist *) doch sieht er in seiner Dichtung einen Vorzug
*) Wie Oliver Elton p. 424 berichtet, wurden die Angriffe
gegen ,,Coleridge, Southey, Lloyd and Lamb“ in der ,,Anti-
jacobin Review fortgesetzt.
*) In No. XXIII, XXIV, XXVI.
*) Vergl. die Rezension des Temple of Nature in Vol. IL,
p. 491 der Ed. Rev., wo mit Darwin als absterbender Grofse
gerechnet wird. Gegen Darwin schreibt Wolcot vol. V. p. 361:
, the scenery is its sole recommendation“ (Z. g02 Anm.),
genau wie auch Mathias (D. I. Z. 83 note) zugibt, daf
,,.Dr. Darwin is certainly a man of great fancy”.
,,All the Talents“ und Mathias (D. IV. Pref.) ziehen,
ahnlich wie wir dies bei der Edinburgh-Review und
Byron schon feststellen konnten, Moores Moral in
Frage. Die Satire ,,Epics of the: Ton) zahitizaeden
Erfordernissen, die eine hohe Dame an ein Gedicht
stellt, dafS es
Like Tommy M—e had scratch’d the itching throng,
And tickled matrons with a spicy song“ (p. 247, Z. 1613/14).
Der meistgehafSte Romantiker war begreiflicherweise
Lewis, der Vertreter der ,,school of termom i jenes
wildesten Schéflings am Baume der Romantik. In ihm
verkérperten sich all die Verdachtigungsgriinde, die der
nuchterne Rationalismus in den reinen Phantasiegebilden
zu finden glaubte. In dem ,,Epics of the Ton“ heif&t
es bei einem Anruf'an die Muse (p. 6,2. 23):
yOr, sinning deeper, like repentant Punk
Call’d gloating females to abhor the Monk“.
Besonders Mathias wendet sich gegen ihn. Seine strenge
Kritik richtet sich gegen die Unsittlichkeit und die Blas-
phemien, die im ,,Monk“ enthalten sein sollen. Der-
artige Vergehen gehdren seiner Meinung nach bestraft,
besonders deshalb, weil das Werk mit dem vollen Titel
des Verfassers und seiner Bezeichnung als M. P. versehen
ist. ,,Who does not know, that he is a Member of
Parliament? He has told us all so himself. (D.IV. p.
Ii—VI). Was hier in Prosa gesagt wird, wiederholt
340). Byron hat die
Behandlung etwas modernisiert, er behalt zwar den
sich spaéter in Versen (Z. 316
»How Dr. Darwin won a name,
By glittering, tinsel, epitheted Rhyme!"
Dazu Mathias (D. I. Z. 83n) _,,glittring words“ Byron (Z. gor)
tinsel“ und ,,false glare“.
Vorwurf wegen der Hervorhebung seines Ranges bei,
richtet sich im iibrigen gegen die spaiteren Werke, die
»lales of Wonder“, ,,Tales of Terror (265—282) und
me@ewcastle Spectre.“ (919).
Zur selben Gruppe werden allgemein die neu ein-
eingefiihrten deutschen Dramen von _ Kotzebue,
Schiller und Goethe gezahlt, von denen besonders die
des ersteren groffen Erfolg hatten. So weist Mathias
(D. IV. Z. 73) jeden Einflu® von dieser Seite entriistet
zurtick :
»No German nonsense sways my English heart,
Unus’d at ghosts and rattling bones to start;
und der Anti Jacobin verdéffentlicht eine Parodie ,,The
Rovers‘, auf die Gifford in seiner bekannten Ubersicht
iiber das zeitgenéssische Drama ') als wirksamsten Gegner
angeblicher deutscher Verderbtheiten verweist. Byron
spricht zwar nur einmal von der ,,mummery of the
German schools (Z. 582), doch bot die genannte Aus-
einandersetzung ein gutes Vorbild fiir einen ahnlichen
Passus in den English Bards. In den Einzelheiten
weichen die Behandlungsweisen von einander ab. Gifford
schreibt eine allgemeine Abhandlung, wahrend Byron,
wie gewohnlich, auf ganz besondere Falle anspielt.
Trotzdem zeigen sich einigemale engere Berihrungs-
punkte.
Bei beiden wird R. B. Sheridans Ubersetzung
von Kotzebues ,,Pizarro*)‘‘ (= Die Spanier in Peru) als
seiner unwiirdig beklagt; Gifford spricht mit beabsich-
tigter Ironie von ,,the translation from Kotzebue so ma-
liciously attributed to Sheridan“ (Einleitung zur Maeviad),
Byron bittet ihn (Z. 580—585), diese Arbeit tibersetzenden
Narren zu tiberlassen und zu seiner gewohnten Schaffens-
weise zuriickzukehren. Uber Sheridan finden sich weiter-
‘) In der Einleitung zur Maeviad 1801.
*) Aufgefihrt in Drury Lane im Jahre 1799.
hin Abschnitte bei Mathias (D. I. Z.28 note ,,e; D. III.
Z. 160) und ausfiihrlicher bei Lady Hamilton (p. 195,
Ze 716) 720)e
»At length, deserting genius, se him job
a German tragedy to please the mob‘;
Siche. auch Anm. zu Z. 723.
Gifford wie Byron heben als Beispiele ftir den
Niedergang des Dramas Miles Andrews und Rey-
nolds heraus; und zwar erscheint Byrons gedrangtes
Verspaar Z. 717/718:
', oie Clans
Miles Andrews still his strength in couplets try,
And live in prologues, though his dramas die“
als die aus einer langen Anmerkung der Baviad heraus-
destillierte Essenz. Dort wird der ,,paragraph-monger™
Andrews wegen seiner Prologe, die Vorbilder aller Dra-
menschreiber von O’Keefe bis Della Crusca, aufs Korn
genommen. Die Berechtigung eines Teils des Tadels
wird durch ein praktisches Beispiel, den Prolog zu
,,-orenzo“, illustriert. (Bav. Z. 10). Andere Anspielungen
werfen ein Licht auf Giffords Geringschatzung seiner
Dramen (Maeviad Anm. zur Einl. und Z. 102) wie seiner
, doggrels‘‘ (Bav. 292).
In derselben Weise scheint Byron den Inhalt zweier
Stellen aus der Maeviad und Baviad in ein Verspaar
zusammengezogen haben: (Z. 568 der E.-B.)
,, While Reynolds vents his“ damnes! ,,poohs! and ,,zounds"!
And common-place and common sense confounds‘
ist gleich Baviad Z. 134/136 und Anmerkungen.
,,Reynold’s flippant trash“ .... ,,Wonderful is the
profundity of the Bathos? I thought, that O’Keefe had
reached the bottom of it, but, as Uncle Bowling says,
{ thought a d-n’d lie: for Holcroft, Reynolds and Morton
ce
have sunk beneath him....
»--.. eternal repetition of some contemptible vul-
Samy, such as ,,.hat’s your sort, ,,Hey damne!“
,,What’s to pay“, ,,keep moving“ etc. ’)
Unter den gleichen Verhiltnissen arbeiten endlich
beide, als sie sich fiir Popes Charakter in die Schanze
werfen und die Anklager zuriickweisen. Gifford wendet
sich gegen Weston, der im ,,Gentleman’s Magazine“
einige Verdachtigungen Popes ver6ffentlicht hatte, Byron
gegen Bowles, der in seiner Popeausgabe ahnlich vor-
gegangen war. Nach beiden Satirikern ist Neid der
Beweggrund, bei beiden werden die Angeklagten mit den
Helden der Dunciad verglichen.
Wofiir Gifford vor allem verantwortlich ist, das
sind nattirlich all die Hinweise auf die ,,Della Crusca*
Schule, die, obgleich schon langst vernichtet, dennoch
zu den iiberkommenen Angriffspunkten gehért. Die ,,Bell"
wmosae Matikda , laura Maria“, ,,Hafiz’’ und ,,Merry™
(Z. 759—764 der E. B.) sind die Hauptopfer der Satiren
Giffords; in einem Falle verwendet Byron ein berithmt
gewordenes Epitheton aus der Baviad: Bav. 21: snivel-
ling Jerningham — Engl. Bards Z. 762: Matilda snivels
vee— simpliciad Z. 64: ;,Gifford, the dread of every
snivelling fool“; in einem andern (Engl. B. 761") spielt
er auf eine Anmerkung an, in der Gifford absichtlich
eine Nachtigall, den Vorwurf eines Gedichts Merrys,
mit einer Eule verwechselt. (Bav. Z. 284, Anm.)
Anstatt nun iber die mundtot gemachten Anhanger
der Della Crusca Schule nochmals herzufallen, ist es
auch tblich — ein Motiv, das sich durch verschiedene
Satiren hindurchzieht —- Gifford die Schuldige Hoch-
achtung dadurch zu zollen, daf} man seine Hilfe in dem
") Vergl. auch ,,Children of Apollo p. 9:
,But in his diction Reynolds grossly errs;
For whether the love hero smiles or mourns,
’Tis oh! and ah! and ah! and oh! by turns.“
gegenwartigen Kampfe anruft oder sein Schweigen be-
klagt. So spricht z. B. Mathias mit hohem Lob von
ihm ,,who has taken some pleasant trouble off my hands.”
(D. LZ. 20 note ,,d“; und weiterhin’ D. I Z3 267597:
Z. 295; D.IV. Z.92). Die Autoren der ,,New Morality“
rufen die beriihmten Satiriker des Tags auf, in die
Schlachtreihe einzutreten gegen den Zerfall der Gesell-
schaft. Gifford steht an der vordersten Stelle. Die
Verfasser erinnern ihn an das Motto, das er der Baviad
vorangestellt habe: ,,Nunc in ovilia, mox in reluctantes
dracones* und fahren fort:
»Ah! where is now that promise? why so long
sleep the keen shafts of satire and of song?
Oh! come, with Taste, and Virtue at thy side.. .“
‘Nochmals wenden sie sich spater an den ersehnten
Mitkampfer :
Awake! for shame! or e’er the nobler sense
Sink in the oblivious pool of indolence.“
Die beiden Freunde Hodgson und Byron kopieren
fleiBig dieses Motiv. Der erstere (p. 73):
»Oh! for that voice, whose cadence loud and strong
Drove Della-Crusca from the field of song —
And, with a force that guiltier fools should feel,
Rack’d a vain butterfly on Satire’s wheel.
Why-why-but hold! in dignified disdain
The silent bard beholds this ranc’rous train.“
Byron gibt widerholt seiner Verehrung Ausdruck,
Z. 94, 702, 743, 829 und besonders 819:
,Why slumbers Gifford?“ once was asked in vain,
Why slumbers Gifford? let us ask again... ."
Anm.: ,,Mr. Gifford promised publicly that the Baviad and
Maeviad should not be his last original works: let him remem-
ber, ,Mox in reluctantes dracones."
Es bleiben noch einige Einzelfalle zu erwahnen, in
denen sich mehr oder weniger deutlich Faden von den
Engl. Bards zu anderen Satiren hiniiberspinnen. So
hatte Byron in seiner wenig verwandtschaftlichen Au®erung
upeewsemen Vormund Carlisle (Engl. B.; Z. 725 ff.),
Vorganger in Wolcot und Matthias.
In den ,,fales of the Hoy“ (Vol. IV. p. 409; ersch.
1798) beschaftigt sich Wolcot mit einem Gedicht Lord
-Salisburys und fahrt weiter: ,,O Lord! there’s a deal
of genius among the quality now; much improved of
late: could not read nor write formerly, I've been told;
now they write verse and prose like mad. And then
there’s my Lord Carlisle can tip ye a hundred rhymes
in half an hour: but my Lady does not like his verses;
for he scrawls the chairs and tables over ... .“ Der
Ausdruck ,,The paralytic puling of Carlisle‘. (Z. 726 der
E. B.) mag durch die ahnliche Klangwirkung von Mathias
Z. 236, D. IL: “While lyric Carlisle purrs o’er love trans-
ferred“ hervorgerufen worden sein. Jedenfalls trug diese
Geringschatzung der dichterischen Fahigkeiten seiner
Lordschaft dazu bei, Byrons Vorgehen anzuregen und
zu erleichtern.
Einige Berithrungspunkte mit den ,,Epics of the
Ton“ sind im Lauf der Untersuchung schon gestreift
worden (Southey—Wordsworth p. 88, Lewis p. 90,
Moore p. 90, Warton und Pye p. 43, R. B. Sheridan
p. 92). Ihre Zahl la®t sich noch weiterhin erhdhen. Dies
ist um so merkwiirdiger, als diese Satire das literarische
Gebiet nur gelegentlich in ihren Kreis zieht. Sie greift
einzelne Persénlichkeiten der hohen Gesellschaft heraus,
widmet jeder in einem ,,female book“ und einem ,,male
book“ ein eigenes Kapitel mit einer eingehenden Cha-
rakteristik und allen Histérchen, die iiber diese Person
oder ihren Kreis aufzutreiben waren. Kommen einmal
literarische Verhaltnisse zur Sprache, so sind es allbe-
kannte Tatsachen, die der damaligen Satire gelaufig
waren, also von Byron nicht direkt ttbernommen zu sein
brauchen. Immerhin ist die Kenntnis der Satire ftir
— 96 eae,
Byron anzunehmen, da sie sich besonders an Leute
seines Standes richtete.
Die restierenden Parallelen sind:
Scott (Z. 37/33):
,»Good-natured Scott rehearse in well-paid Lays
The marv'lous chiefs and elves of other days ;“
Anm.:,,Scott, by producing before us the lays of our ancient
minstrels, and himself bringing up the rear, enjoys large prices
of copy-rights, and a couple of good offices... .“
(Vergl. Byron Z. 171 ff.).
Von Henry Petty wird Z. 134 ff. geplaudert:
»Or still at H-ll-d House to smirk and dine,
And charm my lady by your looks so fine;
Accept her box to snuff the country air,
And waste your many hours of leisure there; “
(Dazu Byron Z. 540—545).
Thomas Sheridan (Byron Z. 573 Anm.) erhalt
in den Epics einen ganzen Paragraphen (Z. 1491 ff.) zu-
geeignet, der jedoch seine literarischen Arbeiten nicht
berticksichtigt.
Maurice (Z. 1605/06):
»Or warm’d, like M-r-ce, by Musem fire,
From Ganges drag’d a hurdy-gurdy lyre; .. .“
(Vergl. Byron Z. 411 ff.).
Bloomfield (Z. 1653):
Anm.: An Englishman is tempted to say, ,,Had Burns
lived in England, he would have experienced a different fate.“
The patronage which Bloomfield has received would seem to
justify this sentiment: but I must repress my proud patriotic
feelings, when I recollect the fate of Otway and Chatterton.”
(Vergl. Byron Z. 774 Anm.).
Mit den Satiren Moores findet sich kein ernstlicher
Zusammenhang, trotzdem auf den ersten Blick eine
aufere Ahnlichkeit zwischen dem ,,Sceptic‘‘ (1809) und
der Einfiigung der zweiten Ausgabe der E. B. von
Z. 129 —134, sowie die Identitat eines Bildes (siehe Fuess
p. 74) fiir scheinbare Beziehungen zu sprechen scheinen.
Von keiner Bedeutung ist es ferner, wenn Cum-
berland (Engl. Bards Z. 578) und Bland Burgess
(Engl. Bards Z. 225 note) bei Mathias (D. IV. Z. 599
und D II Z. 68) Erwahnung finden.
Nicht um irgendwelche Einwirkungen festzustellen,
sondern nur um zwei typische Vertreter des damaligen
mittelmafigen Geschmacks vorzufiihren, méchte ich auf
zwei Zeitschriften zu sprechen kommen, die vorziiglichen
Aufschlu8 geben tiber die unter den zeitgendssischen
jugendlichen Geistern herrschende Gedankenrichtung.
Es sind dies zwei Schiilerzeitschriften, ,,.The Micro-
cosm“') und eine Nachahmung, ,, The Miniature’).
Die erstere, selbst wieder ein Nachkémmling des
»,Latler“ und ,,Guardian‘‘, wurde von einem Kreis von
Schilern Etons gegriindet, unter denen sich vielver-
sprechende Namen wie Canning und Frere finden. Sie
enthalt hauptsachlich Essays tiber die verschiedensten
Themen, tber Geschichte, Philosophie, Literatur, oder
iiber Stoffe aus dem tiaglichen Leben. Sie sind meist
mit Bezug auf den ,,microcosm“ Etons geschrieben, doch
enthalten sie eine Menge geistreicher Einfalle, die der Zeit-
schrift eine betrachtliche Verbreitung verschafften. (Es
wurden 6 Auflagen veranstaltet, die 3. ist 1790 datiert).
Ein Essay*) besonders zeigt eine verbliiffende
Ahnlichkeit mit Byrons Lieblingsidee von der Verging-
lichkeit aller Erscheinungsformen, die in der Ge-
schichte zu Tage tritt. Smith, der Verfasser des Essays,
weist auf den Mechanismus in der Geschichte hin. So
wie die antike Welt zugrunde ging, wird auch England
einmal in der Zukunft die Beute irgend eines asiatischen
Stammes werden. Ausfihrlich malt er dieses England
aus, wie es unter dem Joch der Sklaverei dahinschmach-
tet. Sein friiherer Glanz ist verschwunden, nur das An-
*) Eine Sammlung erschien 1787.
*) Erschien 1805. aNOn Vi
— 9 —
denken an seine grof—en Manner ist noch erhalten ge-
blieben. Die Platze, wo Milton, Newton und Bacon
lebten, werden dann mit Verehrung aufgesucht werden.
,.May not reflection have a sigh, when she beholds the
vestiges of this nursery of Genius, where so many
Patriots, Philosophers and Poets .. . first caught that
generous enthusiamsm for solid glory, which proved the
source of such renown to themselves and their coun-
try. . .“‘ Das Schicksal Griechenlands ist Gegenstand
eines Gedichts Cannings, das dem Aufsatz beigegeben ist.
Canning preist das alte Hellas als das Mutterland der
Kriegskunst, Poesie, Philosophie etc.
, This was thy state! but oh! how chang’d thy fame,
And all thy glories fading into shame . .“
, Now moss-grown ruins strew the ravished plain. . .“
Byron Z. 1003:
But Rome decayed and Athens strewed the plain“.
Seine Freiheit ist jetzt dahin, die Ttirken haben
die freien S6hne Griechenlands geknechtet.
Dies sind genau dieselben Gedanken, oft bis in
alle Einzelheiten, die Byrons Auffassung von der Auf-
gabe des Satirikers einen eigenartigen Stempel auf-
driicken. (Z.991—1010). Er will nicht nur fir die
Reinheit der jetzigen Verhaltnisse Sorge tragen, sondern
auch dafiir, daf§ der Ruhm Englands, der letzten Endes
doch allein tbrig bleiben wird, von keinem niedrigen
Kritzler einen Flecken erhalt. Darum wendet er sich
auch an Scott:
»Be known, perchance, when Albion is no more,
And tell the tale of what she was before;
To future times her faded name recall
And save her glory, though his country fall.‘
(Z. 945—948.)
No. XI, die parodistische Interpretation eines Kinder-
reimes, ,, he Heroic Poem of the Knave of the Hearts",
ist gegen die Liebhaber der alten ,,minstrelsy‘‘ gerichtet.
Die Autoren und Freunde dieses verachtlichen Zweigs
der Dichtkunst werden als ,,Ballad-mongers“’ denunziert,
wie Southey Z. 202 der E. B.
Der Inhalt von No. XXVI, die Verspottung des
sentimentalen Romans, hatte zu Byrons Zeit die Aktu-
alitat verloren, andere literarische Themen No. XXXI,
XXXV sind in zu allgemeiner Fassung gestellt.
Die andere Zeitschrift, ,, The Miniature“ ist der
Anlage nach mit dem ,,Microcosm“ identisch, ohne ihn
jedoch an literarischem Wert zu erreichen.
c
No. II enthalt eine Besprechung der ,,novels and
romances’ mit satirischen Seitenhieben gegen den roman-
tischen Apparat der Geister, Kobolde, Verschwérer
etc. unter Verwendung 4hnlicher Anklagen, wie sie Byron
in Z. 265 —282; 919/920 aufwirft.
In No. HI, einer Beschreibung des Zustands der
modernen Poesie, sucht der Verfasser auch die charakte-
ristischen Ziige der vorangehenden Perioden zu zeichnen.
Mit breiten Strichen wird besonders die Zeit der Della
Crusca Schule bedacht. Der Hauptlieferant des Mate-
rials ist, wie bei derartigen Gelegenheiten tblich, Gifford,
einmal wird ein Zitat der Baviad sogar wortlich tiber-
nommes, ,,Miniature’ p. 88 = Bav. Z. 39 note. Der
Bericht schlieft: ,,This species of poetry was at length
rejected, principally owing to the insupportable satire of
the Baviad, though we may still observe a ,,Hafiz“ or a
Helen“ now and then lingering in the daily papers.“
Vergl. dazu E. B. Z. 759/760 note! Heutzutage tiber-
wiege eine Methode dichterischen Schaffens, die den
Titel ,,Hobgoblin and bespectred age“ rechtfertige.
Das Drama sei in demselben Zustand des Zerfalls.
,,Lhe same muse which inspired a Shakespeare or a
Congreve, would hardly acknowledge any of our modern
productions.“ Eine ausfithrliche Abrechnung mit dem
se 100° =
Drama enthalt No. XXVI. Mangel an korrektem Bau,
Unmoral, Unwahrscheinlichkeit des Spiels — derartige
Vorwiirfe werden wie bei Gifford und Byron auch hier
erhoben. ,,But to prove how determined the fashio-
nable world is, to admire every thing unnatural, ... .
the universal applause daily given to the admirable
entertainments of of Harlequins and magicians, is suf- ~
ficiently powerful. ,,Buffonery and pantomime“ seien
leider die fiihrenden Zweige der dramatischen Kompo-
sition geworden. Ahnliche Ansichten leiteten Byron,
als er verachtlich von ,,Italy’s buffoons” schrieb oder die
Geschmacklosigkeiten der Pantomimen durch einige Bei-
spiele illustrierte.
Wir sehen, daf§ Byron sich ruhig dem breiten Strom
der allgemeinen Anschauungen anvertraute, dafs es ferner-
hin nichts Ungewéhnliches war, wenn er sich in seinem
jugendlichen Dichterbewufitsein fiir die Aufgabe befahigt
hielt, der gesamten zeitgenéssischen Literatur das Urteil
zu sprechen.
Um auch hier wieder das Fazit aus dem Inhalt des
ganzen Kapitels zu ziehen: Als originelle literarische
Kritik sind die Urteile der English Bards nicht anzusehen,
sie sind getreue Abbilder der landlaufigen literarischen
Meinung, die in den Zeitschriften und Satiren ihren Aus-
druck fand. Sehr oft la&t sich die genaue Quelle fest-
stellen, bei weitem jedoch nicht. iiberall, da die grofse
Zahl der Satiren und satirisch gehaltenen Artikel eine
fortwahrende Wiederholung der Stoffe bedingte.
Und nun zu einem Problem, das jetzt beinahe ein
Jahrhundert in der Byronliteratur spuckt: War Byron
ein Plagiator? Fir den einen speciellen Fall, der uns
hier beschaftigt, nur soviel: Byron war in seinem dich-
terischen Schaffen nie ein grofser Erfinder; seine Be-
deutung liegt nicht in der Originalitat seiner Schaftens-
weise, dies tritt immer klarer hervor, je mehr sich die
= Woh ==
Forschung mit seinem Lebenswerk beschaftigt. Stellen
wir ihn nun dazu in das erste Stadium dichterischer
Produktivitat! Mit ungeheurem Bildungsdrang reifst er
alles, was sich von der damaligen Geschmacksrichtung
an Erwerbenswertem bot, in seinen Kreis, naiv und ohne
sich auf fremde Kosten bereichern zu wollen, verarbeitet
es in sich zu seinem Eigentum, vermischt es mit seinem
eigensten Gut und stellt es als Werk eines neuen Gusses
vor uns hin, als Einheit, deren Bestandteile zwar noch
teilweise durchschimmern, die als Gesamtschépfung aber
den Stempel seiner Pers6nlichkeit tragt. Und daf sie
ihn tragt, daf’ es kein plumpes Briisten mit fremdem
Gut war, das zeigt der Beifall der Zeitgenossen, die das
Plagiat erkannt hatten.
Die Elemente seiner eigenen Schépfung sind nicht
greifbar, nicht klar zu bestimmen; sicher liegen sie jedoch
in dem Temperament, in dem er dahinrast, durch schlag-
fertigen Witz fesselnd und durch immer neue Wendungen
iiberraschend.
Einen Nachteil hatte die Ubernahme fremder lite-
rarischer Urteile fiir ihn, er ftihlte sich pl6étzlich in Kon-
flikte gezogen um einer Reihe von Ungerechtigkeiten
willen, die in seiner inneren Uberzeugung gar nicht be-
griindet waren. Er fihlte es selbst, dafS er in der Satire
mit fremden Mafsstab gemessen, darum galt sie ihm
nicht mehr als Kind seiner Muse, darum, neben den
aufSeren Griinden, die rigorose Verwerfung.
Auf keinen Fall ist das stolze Wort berechtigt, das
er in selbstbewuftem Trotz seinen Gegnern entgegen-
schleudert :
: 11 pursue
The self-same road, but make my own review:
Not seek great Jeffrey's, yet, like him, will be
Self-constituted judge of poesy."
Il.
Im letzten Kapitel soll den Linien nachgeforscht
werden, die der verwickelte Lauf der aufSeren Entsteh-
ung im Innern der Satire eingegraben hat; sie ihrerseits
sollen riickschliefSend als Fiihrer dienen zu etwaigen
Wandlungen in des Schépfers Stellung gegentiber dem
Stoff und den allgemeinen Problemen der kiinstlerischen
Produktion. Fir reichen Aufschluf biirgt uns die lange
Zeitspanne, die den Beginn von der Vollendung trennt,
fiir ihn biirgt die jugendlich-schaumende Dichterseele,
deren impulsiver Ausdruck, fern von abgerundeter Har-
monie, in vielartigen Ansitzen jede Regung wider-
spiegelt.
Der erste Entwurf der ,,British Bards“ ist von aus-
schlieBlich literarischem Charakter und in seinen Zielen,
von der persdnlichen Lebhaftigkeit der Kampfweise
Byrons abgesehen, objektiv und klar. Gegenstande jen-
seits der Grenze der Literatur werden nicht einmal von
fernher beriihrt, politische und philosophische Themata
sind streng ausgeschlossen. Die Griinde wurden schon
aufgezahlt, einmal der Einflu8 von Byrons verehrtem
Meister Gifford, dann aber, was vielleicht noch wichtiger
ist, Mangel an Interesse an diesen Gebieten. Dem In-
halt nach stellt sich das Ganze als poetische, teilweise
modernisierende Bearbeitung von Stoffen dar, die zuvor
in der Edinburgh Review eine erschépfende und durch-
aus ahnliche Behandlung gefunden hatten. (Wordsworth
Z. 235—254; 903; 917. Coleridge Z. 255264; 918. Sou-
they Z.127; 202—234. Bowles Z.327— 336. ScottZ.153—184;
g11. Moore und Strangford Z. 283-308; 128—287;
343; 021. Pratt’ Z. 319 Anm. Sotheby Z.)éie;saamey
Z. 308—318).
Was nicht aus dieser Quelle flief&t, ist wblicher Be-
stand der zeitgendssischen Satire: Lewis Z. 265—282;
148; 919. Die Della Crusca Schule Z. 707—722; 741
‘bis 764’).
Und doch wird man bei allem Mangel an Originali-
tat Byron einen bestimmten literarischen Standpunkt
nicht absprechen k6nnen. Sein Angriff richtet sich im
allgemeinen gegen die Romantiker, auf der anderen
Seite besingt er das goldene Zeitalter, als ,,Pope’s pure
strain’ und Dryden die Welt entziickten. Die modernen
Dichter, die im Verlauf der ,,British Bards“ riihmend
erwahnt werden, sind meist Schiiler der Pseudo-Klassiker:
Rogers Z.803; Gifford Z.818; Cowper Z.810; Hodgson Z.968;
Richards Z. 989.”) Es waren dies die hausbackenen An-
sichten der Durchschnittskritik, die angstlich am_alt-
ererbten Gut hielt und alles, was die Romantik an fremd-
artiger und ungewohnter Originalitit brachte, mit Mi6-
trauen und Abscheu von sich fern hielt. Byron warf
sich dieser klassizistischen Niichternheit nicht wahllos in
die Arme, er war ihr seiner ganzen Erziehung nach ent-
gegengefiihrt worden und hatte in ihr aus Gewohnung
die alleinseligmachende Doktrin fiir dichterisches Schaffen
verehren gelernt. Nicht umsonst hatte er die klassische
Bildung von Harrow und Cambridge aufgenommen —
Nachahmungen und Ubersetzungen der Klassiker tauchen
unter seinen Werken frithzeitig auf -—, nicht umsonst
war er von einem Freundeskreis umgeben, der seinem
literarischen Glaubensbekenntnis nach zur Schule Drydens
und Popes hinneigte. (Uber seine persénliche Vorliebe fiir
Pope habe ich friither schon gesprochen). So kommt auch
Byron dazu, alle Tendenzen, die von diesem Wege ab-
irren, abzulehnen, die der ,,school of terror“, sowie
1) Es bleiben nur die Cambridger Dichter Smyth u. Hoyle
9661, Cottle, Pye, Ogilvy, J. B. Burgess u. Cumberland, Mrs.
Cowley und Sir R. Blackmore, in der zeitgendssischen Satire
bekannte Namen, werden Z. 225 Anm., erwahnt.
*) Fiir Montgomery hatte Byron eine persénliche Vorliebe,
wie sein Gedicht an ihn beweist. W. I. p. 107.
jene, die in dem Vorwort der ,,Lyrical Ballads“ ihren
Niederschlag gefunden hatten.
Das Drama nimmt einen verhaltnismafig geringen
Raum ein, ein Mangel, den er spater in den ,,Hints
from Horace“ nachzuholen suchte. Von einer bestimm-
ten literarischen Richtung kann man bei dieser Kritik
nicht reden, da es fiir einen Mann von Geschmack nur
einen Standpunkt geben konnte, der denn auch in der
zeitgendssischen Satire fleifig betont wurde: Abwehr des
damaligen Bihnendramas und seiner Surrogate, die alle
auf der denkbar tiefsten Stufe standen. Als gute Dra-
matiker lobt Byron Shakespeare, Otway, Massinger, unter
den neueren Cumberland, in dessen ,,Wheel of for-
tune“ er selbst einmal agiert hatte und Colman, dessen
Verse er noch der Lady Blessington gegeniiber her-
vorhebt.
Der Anlaf, aus dem heraus seine literarische Revue
entstand, ist kein persdnlicher. Wie die grofsen Vor-
ganger auf dem Gebiete der Satire wollte der hoffnungs-
frohe junge Dichter gegen den scheinbaren Wust des
Unsinns und der Verderbtheit in der modernen Literatur
losziehen. Es war kein ,,odd freak of francy“, wie Fuess
p.63 meint, sich als Wachter der Sittlichkeit aufzuspielen,
sondern eine konsequente Durchfithrung der alten Ideale
vom Satirikeramt, die er bei seinen besten Vorgangern
vorgezeichnet fand. Kein dufSerliches Posieren veran-
late ihn, der in seinem praktischen Leben nichts weniger
als ein moralischer Rigorist war, seine bisherigen Lieb-
lingsdichter Moore und Strangford in gefliefSentlich ver-
zerrtem Bilde als Sittenverderber zu verhdhnen, er
wurde hier lediglich der Aufgabe gerecht, die er sich
zu Beginn gestellt hatte. Auferst bequem und vielleicht
bei der ganzen Problemstellung mitbestimmend war es
fiir ihn, daf& er die Waffen zu dieser Verurteilung schon
geschliffen vorfand: nicht sein eigenes Urteil spricht aus
seinem Spott gegen Wordsworth, Moore und Strangford,
sondern das der Edinburgh Review!
Einen Vorteil hat der enge Anschlu& an die Zeit-
schrift, er sichert ihm das richtige Augenmaf§ fiir die
Bedeutung seiner Opfer. Es ist eine eigenartige Tat-
sache, dafS dieser erste Entwurf sich ausschliefSlich mit
spateren literarischen Gréfien beschaftigt, ganz im Gegen-
satz zu Gifford und Mathias, doch gebiihrt das Lob, mit
geschicktem Scharfblick die richtigen Stoffe heraus-
gegriffen zu haben, nicht Byron, sondern seiner Quelle,
Jeffrey und der Edinburgh Review.
Die Arbeitsweise besteht mehr aus einem Schaffen
aus dem Verstand heraus, als aus einem Gestalten in-
folge eines Impulses oder Affektes. Das Studium Popes
begleitet die Anfange, das Studium der Reviews und
Satiren liefert die Vorwirfe. Mit der Absicht, eine
grofe Satire nach fremden Muster zu verfassen, hatte
er sich an die Arbeit gemacht, nicht weil ein inneres
Wizhlen ihn trieb, sich den Stoff von der Seele weg zu
schreiben. Darum das langsame, von vielen Pausen
unterbrochene Vorwéartsschreiten.
Dieser allgemeine Charakter bleibt der Satire, selbst
nachdem die Katastrophe tiber Byron hereingebrochen
ist. Noch spielen die ,,Edinburgh Reviewers keine
grofse Rolle; Byron scheint vor allem die Absicht gehegt
zu haben, den urspriinglichen Plan zu vollenden, denn
erst wird dem eigentlichen Kern ein Anfang und Schluf
zugefiigt, bevor der Sturmangriff gegen die Kritiker beginnt.
Erst im Oktober, nach dem Druck der _ ,,British
Bards, nimmt die Entwicklung, wahrscheinlich unter
dem Einfluf’ Hodgsons, eine neue schaife Wendung.
Eine véllig verainderte Atmosphare umgibt uns jetzt.
Wo friiher die objektive Spottlust lachend ihre Uber-
legenheit fiihlen lief, saufsen mit schneidender Schiarfe,
bittere, mafSlose Anklagen nieder. Die Motive sind rein
— 106 —
persénlich geworden, ausschlieSlich gefiihrt von dem
Wunsch nach Rache an den hochmitigen Feinden. Byron
selbst scheint spater diese Tendenzen mifsbilligt zu haben.
Am 22. Okt. 1815 heift es an Leigh Hunt (LJ. Nr. 554):
My motive for writing this poem was, I fear not so
fair as you are willing to believe it;') I was angry and
determined to be witty, and, fighting in a crowd, dealt
about my blows against all alike, without distinction or
discernement.““ Der Abschnitt gegen Jeffrey wird er-
weitert, auferdem greift er der Reihe nach die be-
deutendsten Mitarbeiter der Edinburgh Review an: ,,Sid-
ney Smith (Z. 511); Herbert (Z. 510); Hallam (Z. 513, 548):
Pillans (Z. 515); Lambe (Z. 516); Brougham (Z. 523). Die
direkte Veranlassung, gerade diese Namen einzufihren,
boten Byron mifiliebige Artikel in der Edingburgh Review.
so z. B. tiber Payne Knight, angeblich von Hallam, tbe
Pedro Cavallos von Brougham, tiber Hodgsons Juvenal-
iibersetzung von Pillans, Beresfords ,,Miseries“ von Lambe
iiber Montgomery, Lord Holland und Herbert.
Einen Anteil an den Feindseligkeiten erhalt auch
, Holland House“, der soziale Mittelpunkt des Kreises
der Beitrager der Edinburgh Review, und, wie er glaubt
der Ausgangspunkt der Rezension seiner Gedichte (vgl
LJ U, p. 322). Die Lust an der Hetzjagd fiihrt ihn uber
den Rahmen der Edinburgh Review hinaus in den Aus-
fallen gegen Clarke (Z. 973. u. Anm.), den Mitarbeiter
des ,,Satirist“‘, wo einige Artikel gegen Byron erschiener
waren. (Januar-Juni-August.) ”)
Wir sehen die eigenartige Tatsache, daf§ sein Zorn
anstatt sich abzukiihlen, in immer helleren Flammen aus:
bricht. Immer weiter stachelt er seine Entriistung durcl
') In Leigh Hunts Briefwechsel ist kein Brief erhalter
vom April 1814 bis zum 30. Oktober 1815.
*) Das Manuscript ist erst in der 2. Ausgabe gedruckt worden
obgleich es mit den ,,British Bards“ zusammengebunden war.
seine eigenen Angriffe an, neue Einfalle flieRen ihm von
Seiten seines Freundes Hodgson zu, tiberschiissiges Mate-
rial gibt er ihm vielleicht ab, auf alle Falle herrscht
gegenseitiger Austausch.
Noch bewegt er sich ganzlich in traditionellen
Bahnen, die Einschiebungen vertreten eine besondere,
weit verbreitete Satirengattung — einmal nur gelingt
ihm ein grofser, origineller Wurf, die groteske Aus-
schmiickung des Zweikampfs zwischen Jeffrey und
Moore, doch stiirmt ein gewaltiges MafS von Pers6énlich-
keit durch diese Zeilen. Alles, was an Leidenschaft,
Trotz und Oppositionslust in ihm ruhte, erhalt unge-
zugelten Lauf. Schon zeigt sich die Tendenz, die seinem
gesamten Schaffen anhaftet, seine Werke zum Gefaf
seines ganzen Erlebens, seiner Gefiihle und Leidenschaften
zu machen. Deutlich wird diese Neigung in den Zusatzen,
die kurz vor dem Druck der 1. Ausgabe angefiigt wur-
den: Wie schon friiher erwahnt, ist die Kritik der Werke
Carlisles von seinem personlichen Arger tiber den Verfasser
durchsetzt und bestimmt.') Noch mehr! Eines Abends
wird sein Empfinden durch eine Vorstellung in der Oper
abgestofien, unmittelbar darnach oder am folgenden friihen
Morgen schreibt er seinen Angriff auf die Unmoral dieser
Institution, einige Stunden spater liegt das Manuscript
schon in den Handen von Dallas. Ein Bekannter, Falk-
land, ist im Duell gefallen. Die tiefe Erregung Byrons
uber dieses plétzliche tragische Ende findet ihren Reflex
in einigen Zeilen wahrend des Druckes der 1. Auflage. *)
*) Es ist offensichtlich, daf’ die Geringschiatzung Carlisles
in personlichen Differenzen ihren Ursprung hattc, trotz Byrons
Versuchs, das Gegenteil zu beweisen. (Z. 927 Anm.)
*) Siehe Dallas p. 48; Coleridges Angaben sind hier nicht
klar: W. L, p. 350 I gibt er die Lesart der ,,first“ edition und
W. IL, p. XV. und W. VIL, p. 307 stellt er. Z. 638—706 unter
die Zusaitze der 2. Ausgabe.
— 108 —
Jetzt ist sein Werk \nicht mehr Produkt des Ver-
standes, sondern der Inspiration des Augenblicks; die
langsame Entwicklung der ,,British Bards“ hat einem
gespannten Ausdruckstrieb Platz gemacht. ',,Print soon,
or I shall overflow with more rhyme”, so schreibt er
am 16. Februar 1809 (LJ. I. p. 214). Und mihelos fliegen
ihm die Einfalle zu, mithelos finden sie ihre Gestaltung.
Dallas bemerkt (p. 38) zu der Duellscene: ,,The whole
passage was published as it was first composed indeed,
as it seems to have been the inspiring object of the
Satire, so these lines were most fluently written and
required least correction afterwards. Der Vorteil dieser
Arbeitsweise gegeniiber der fritheren liegt in der Emanzi-
pation seines Urteils von seinen verschiedenen Quellen,
in dem engen Verhiltnisse, das der Dichter zu dem ihn
umgebenden Leben gewinnt. Er verlaft zwar den Thron
des unbeteiligten Richters, tauscht aber dafiir Originalitat,
Leben und Aktualitat des Stoffes ein. Die grofse Gefahr
dabei, der Byron auch zum Opfer fallt, ist die Wechsel-
barkeit der Entscheidungen. Jetzt stiitzt ihn nicht mehr
die feste Geschmacksrichtung der Edinburgh Review,
sein Gefiihl allein diktiert sein Urteil, wie Moore einmal
sagt. Einige Beispicle mogen wieder zur Illustration
dienen: Der Wechsel in seiner Stellung Carlisle gegen-
iiber ist schon gestreift worden, ahnlich schwankend ist
seine Haltung den Cambridger Dichtern gegentber.
Smyth, der mit Hoyle unter die ,,press-soiling poets"
gezahlt worden war, erhalt plétzlich einen Ehrenplatz
neben Hodgson, und Hoare, der Preistrager des Jahres
1807, tritt an seine Stelle. Eine Version der zweiten
Ausgabe sei um der Verwandtschaft willen hier voraus-
genommen: Gell war urspriinglich mit dem Beinamen
,,coxcomb* bedacht worden; wahrend des Drucks jedoch
machte Byron seine Bekanntschaft und verwandelte den
urspriinglichen Tadel in Lob, indem er ihn als , classic
Gell“ anredete. Die dritte Wandlung in ,,rapid Gell‘
erfolgte in der fiinften Ausgabe, nachdem Byron die
Ungenauigkeit der ,,Topography of Troy‘: persénlich
wahrgenommen hatte.
Weitere Einfiigungen handeln von Crabbe (Z. 849) und
Graham (Z. 318—326) — beide auf Veranlassung von
Dallas —, von den Mitarbeitern der ,,Translation chiefly
from the Greek Anthology“ (Z. 581—590) — Hodgson
zuliebe — und schlieflich von White (Z. 831), dessen
Werke und Biographie 1808 von Southey herausgegeben
worden waren, also ein aktuelles Thema boten.
Und trotzdem hat die Satire, rein auferlich betrach-
tet, den urspriinglichen Charakter beibehalten Obgleich
Byrons Motive im Grund vollstandig gewechselt haben,
so verrat er sich doch niemals, im Gegenteil, er bemiiht
sich, die alten, objektiven Ziele aufrecht zu erhalten,
indem er vorgibt, als Vertreter der gesamten literarischen
Welt gegen die Praktiken der Kritiker Protest zu _ er-
heben. (So z. B. Z. 927 Anm.) Andere persdnliche
Erfahrungen, denen er Ausdruck verleiht, werden gleich-
falls mit seiner Mission als Satiriker in Zusammenhang
gebracht.
All das, was so versteckt sein Wesen trieb, tritt,
wenn auch unwillkirlich, klar und offen ans Tageslicht
in den Einfiigungen der zweiten Ausgabe. Jetzt erst
schalt sich der Lyriker aus seiner Hiille heraus, jetzt
erst tragt er restlos alle Gefiihle, alle Ereignisse seines
Lebens, die ihn bewegen, in seine Satire hinein. Von
der Titelseite, die seinen Namen trigt, bis zum prahleri-
schen Ton des Nachworts stellt er sein Ich als wichtig-
stes Objekt in den Vordergrund. Ganz im Gegensatz
zu den tibrigen Satirikern spielt er unaufhdérlich auf Be-
sonderheiten seines Lebens an: Seine Kindheit (Nach-
wort), die Wechselfalle seiner literarischen Laufbahn
(Z. 20; 47—%52), seine zukiinftige Reise (Z. 1017 — 1023 ;
==) WoO. ==
Nachwort), er riihmt sich seines Mutes, das gefahrliche
Amt eines Satirikers zu ergreifen (Z. 1067; 1036) und be-
dauert den Mangel an ritterlichem Geist bei seinen
Opfern, die ihm noch keine Forderung geschickt haben
(Nachwort). Dieselben Themen, die bisher seinen Ge-
dichten und Briefen eigen waren, tauchen jetzt an dieser
Stelle auf: Anspielungen auf sein ausschweifendes Leben
(Z. 693—700), seinen melancholischen Gemiitszustand
(Z.1053—1059). Die Stelle tiber die Verganglichkeit aller
Staatengebilde wird erweitert (Z. 949—960) und neue
allgemeine Reflexionen werden hinzugefiigt. (Z. 7—26;
Z. 27—36; 63—82 etc.)
Die Grenzen der rein literarischen Satire, die schon
mit dem Angriff auf die ,, Argyle-Institution™ tiberschritten
worden waren, werden nun ganzlich auf§er Acht gelassen.
Byron bespricht moderne Erfindungen (Z. 13I—134); er
greift auf das Gebiet der Politik (Z. 1011—1016) und der
Kunstkritik tiber. Von den neu eingefiihrten Pers6n-
lichkeiten sind einige interessant durch die Aktualitat
ihrer Werke, so waren Valentias ,, Voyages and Travels“
(Z. 10231), Shees ,,Elements of art“ (Z. 859) und Wrights
,,Horae Jonicae“ (Z. 867) alle 1809 ver6ffentlicht worden. ’)
Die Zusatze der-vierten und fiinften Anflage sind
unbedeutend; in der vierten Auflage sucht Byron seine
Hiebe gegen die Della Crusca Schule zu _ rechtfertigen
(Z. 759/760), in der fiinften berichtigt er seine Angaben
iiber das Duell zwischen Moore und Jeffrey; der Kreis
der Cambridger Dichter hat einen erneuten Wechsel zu
erleiden. (Smyth wird ausgelassen, ein Hieb auf Hewson
hinzugefiigt.) Die Stellen gegen Jeffrey und Pye werden
erweitert und Kemble schlieSlich durch Siddons ersetzt
*) Von andern Dichtern werden in dieser Auflage neu
erwahnt: Cottle (Z. 385—410); Maurice (Z. 411—417) ,, The cobbler
poets’ (Z. 765—788, 798).
=e ALE
— wir sehen, Anderungen, die keinerlei Urnwalzung im
Charakter der Satire verursachen.
Die allgemeine Entwicklung zum Subjektivismus
hin findet auch ihren Ausdruck in der Form. Nicht
als ob Diktion und Metrum allmahlich freier wiirden, —
dazu stand er zu sehr im Banne Popes — wohl aber
spiegelt die Komposition die Veranderung der Bewegungs-
richtung wieder. Noch die ,,British Bards“ sind zweifel-
los nach einem bestimmten Schema aufgebaut: Die
Satire setzt ein mit der Beschreibung des Kontrastes
zwischen der idealen Zeit Popes und Drydens und der
modernen Literatur, deren Zerfall durch eine Reihe von
Beispielen beleuchtet wird. In langsamer Folge 1aft
Byron die ganze Schar der mifliebigen Dichter an
unserm Auge vorbeiziehen, jede Gestalt halt er an, um
uns tiber die Persénlichkeit Aufschluf} zu geben und
fiigt tiber ihre dichterischen Eigenschaften erklarende, satir-
ische Glossen hinzu. Den Reigen er6ffnet Scott, auf ihn folgt
die Seeschule, Moore, Strangford, Pratt, Bowles, Mont-
gomery und sein Richter Jeffrey, die Dramenschreiber,
am Ende des Zugs drangen sich ,,the smaller fry“ der
unbedeutenden Dichter. Doch nicht nur Negatives will
die Kritik leisten, von diesen angeblichen Nachtseiten
der Literatur wendet sie sich zu deren berufensten Ver-
tretern, Campbell, Rogers, Cowper etc. Diese Gruppe
im allgemeinen und Scott im besonderen wird vor den
schadlichen Einfliissen der geschmahten Poeten gewarnt,
und nach kurzem Seitenhieb auf die Cambridger Dichter
schlieSt die Satire mit einer allgemeinen Betrachtung
tiber die Ziele des ganzen Unternehmens.
Trotz Byrons Bemiihungen, die Zusatze in der rich-’
tigen Reihenfoge einzugliedern, ist dieses Schema zu-
letzt unfahig, die bunte Vielheit des zusammengezwangten
Stoffes zu halten; in ungeregeltem Strome reifit schliefs-
lich der Inhalt jeden Plan zusammen. Angriffe auf
— 12 —
Dichter wechseln mit der Behandlung sozialer Probleme,
allgemeine Betrachtungen mit persdnlichen Anrempel-
ungen — kurz, es bietet sich dasselbe Bild, wie bei der
stofflichen Untersuchung der Einfiigungen, seine Indivi-
dualitat durchbricht auch hier die Schranken, die er
sich von Anfang freiwillig auferlegt und die er teilweise
durchgefiihrt hatte.
Diese impulsiven Grenziiberschreitungen weben
Faden hintiber zu seinen spatern Werken und gestatten
es, die English Bards in den Zusammenhang einzustellen:
Im Childe Harold treffen wir denselben Ausbruch seiner
Pers6nlichkeit, dieselbe diistere Melancholie, verbunden
mit demselben affektierten Rouétum; andere Ziige weisen
voraus auf die spateren sozialen Satiren, so kénnte z. B.
die Stelle tiber die Argyle-Saéle ebenso gut ihren Platz
in ,, [he Waltz’ haben; Keime zu dem ,,Curse of Mi-
nerva’ schlummern in den Versen gegen Elgin.
Es ist also, wie wir sahen, fiir die Satire der fiinften
Auflage der Tadel berechtigt, dafS’ kein durchgehender
Plan dem Ganzen eine straffe Fihrung gibt. Fur den
scheinbaren Wirrwar entschadigt uns dagegen Wichtigeres,
was bis jetzt in unhistorischer Auffassungsweise, der sich
auch Fuess schuldig macht, tibersehen wurde, namlich Ein-
sicht in die Fortschritte der Satire, wie in Byrons dichteri-
sches Leben tiberhaupt. Dies sind die Gesichtspunkte, die
die Entwicklungsgeschichte der ,;English Bards“ zu einem
interessanten Dokument stempeln, die ihnen fiir uns
literarischen Wert verleihen. Der Angriff gegen die Edin-
burgh Reviewers hat bei weitem nicht die Bedeutung, die
man ihm bisher anwies — der gr6fte Teil ist aus tiber-
kommenen Motiven zusammengesetzt und kann gar nicht
als spontaner Ausdruck seiner Stimmung zur Zeit der
Katastrophe gelten, da er erst 9 Monate nach der Pro-
vokation seine Vollendung erreichte. Er wird jedoch
wichtig als der erste Schritt weg vom _ klassisch-objek-
=i
tiven Geist in einer Richtung, die schlieSlich in jenem
reinen Subjektivismus endet, der Byron in seinen spateren
Werken zum Vertreter der ,,romantic self-expression
macht, wie Arthur Symons sich einmal ausdriickt.
‘Derselbe Kampf tobt hier instinktiv innerhalb des
Rahmens eines einzelnen Werkes, der spiter zu einer
bewufSten Zwiespaltigkeit in Byrons literarischem Urteil
und Schaffen fiihrte, der Kampf zwischen seinem Intel-
lekt, der ihn auf die Seite des Klassicismus fiihrte und
seiner dichterischen Begabung, deren ganzes Wesen ro-
mantisch war. Noch zeigt sich dieser Konflikt nicht an
der Oberfliche, noch sind die feindlichen Elemente in
die Einheit eines Kunstwerks zusammen gebannt und
nur dem Suchenden erkennbar; aber immerhin sind
die Gegensatze vorhanden, die letzten Endes zu jenem
tragischen Bekenntnis fiihren, in dem Byron, seiner theo-
retischen Verstandeserkenntnis folgend, sein gesamtes
dichterisches Iebenswerk und das des gréften Teils
seiner Zeitgenossen ins Nichts zuriickst6ft, nur weil es
schmahlich von der durch die Uberlieferung geheiligten
klassischen Lehre abweicht. (Brief an Disraeli: W. VII,
p. 486—489):
»1 would rather see all I have written lining the
same trunk in which [| actually read the eleventh book
of a modern epic poem at Malta in 1811, than sacrifice
what I firmly believe in as the Christianity of English
poetry, the poetry of Pope”.
Herrn
Professor Dr. Friedrich Brie, der die
Anregung zur vorliegenden Abhandlung gab und mich
wahrend der Ausarbeitung mit seinem Rat unterstiitzte,
sage ich an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank.
Thies? S:
nN
DNNNNNNN
Berichtigung.
3, Z. 4 von unten: Conversations of Lord Byron.
. 4, Z..9) von oben Epics of the Pon:
. 4, Z. 6 von oben: leisure.
13, Z. 16 von oben: Freundschaften.
17, Z. 3 von unten: Skepticismus.
18, Z. 10 von unten: opportunity.
50, Z. 7 von unten: denen.
55, Z. 7 von oben: unknown.
. 67, Z. 5 von unten: Zeilen 223 ff.
. 69, Z. 16 von unten: Museum.
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