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Full text of "Centralblatt Für Bakteriologie, Parasitenkunde Und Infektionskrankheiten. 1. Abt. ORIGINALE. Band 91.1924"

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APR 10 1967 
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CENTRALBLATT 

fflr 

Bakteriologie, Parasitenkunde 
und Infektionskrankheiten 

In Verbindung mit 

Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. R. Pfeiffer 

Geh. Obermed.-Rat in Jena Geh. Reg.-Rat in Konigsberg Geh. Med.-Rat in Breslau 

herausgegeben von 

Prof. Dr. O. Uhlworm, President Dr. A. Weber 

Oeh. Reg.-Rat in Bamberg in Dresden 

und 

Prof. Dr. E. Gildemeister, 

Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W. 

Erste Abteilung. 91. Band 

Medizinisch-hygienische Bakteriologie 
und tierische Parasitenkunde 

Originate 

Mit 70 Abbildungen im Text und 4 Tafeln 



Jena 

Verlag von Gustav Fischer 
1924 


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SW. 0 >5 

C EL 

V.f t 

Centralbl. I. Bakt etc. I. AbL Origins I e. fid. SI. Heft 1. 

Ausgegeben am 29. September 1923. 


Nachdruok verboten. 

Ueber den Bacillus inconstans. 

Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Zuchtungstemperatur fur 
die Entwicklung der GeiBeln und des antigenen Apparates. 

[Aus der bakteriologisch-hygienischen Abteilung des Hygienischen 
Universitatsinstituts in Frankfurt a. M.] 

Von H. Braun und P. LBwenstein. 

Die Identifizierung der Ruhrbakterien mit Hilfe kultureller Ver- 
fahren ist nicht immer so leicht, wie es nach manchen Verbffentlichungen 
und nach den Beschreibungen einzelner Lehrbiicher zu sein scheint. 
Bescbaftigt man sich eingehend mit dem kulturellen Verhalten der Stuhl- 
bakterien, so zeigt es sich, daft es saprophytische Mikroorganismen gibt, 
die nur bei eingehender Priifung der kulturellen Eigenschaften von 
Ruhrbakterien differenziert werden konnen. Zu solchen Keimen gehbrt 
auch der Bacillus inconstans. 

Auf diese Tatsache haben wir in einigen Arbeiten hingewiesen 
[Braun 1 ), Braun und Lie ft 2 ), Li eft 8 ), M. Ornstein 4 )]. 

In der Veroffentlichung unseres Mitarbeiters M. Ornstein „Ueber 
die Bakteriologie des Schmitz-Bazillus“ 4 ) wurden bereits die kultu¬ 
rellen Eigenschaften des Bacillus inconstans beschrieben und auf 
die Schwierigkeiten der Differentialdiagnose zwischen diesem und anderen 
Bakterien aufmerksam gemacht. Diese Moglichkeit der Verwechslung 
des Bacillus inconstans mit anderen Bakterien ist der eine 
Grund, weshalb wir hier iiber dieses Bakterium ausfflhrlicher berichten 
mochten. Er erregte aber auch aus dem Grunde unser Interesse, weil 
er in mehreren kulturellen Eigenschaften, die fiir die Identifizierung 
der Mikroorganismen als wesentlich betrachtet werden, Schwankungen 
aufweist. Es schien uns wichtig zu sein, zu untersuchen, inwieweit 
solche Schwankungen eines und desselben Stammes von hufteren 
Bedingungen abhangig sind. Auch das immunisatorische Verhalten schien 
uns von Interesse zu sein. In der Arbeit von M. Ornstein wurde 
bereits darauf hingewiesen, daft in serologischer Hinsicht die verschie- 
denen St&mme des Bacillus inconstans ungleich sind, und wir 
stellten uns nun die Aufgabe, zu untersuchen, ob die kulturellen Schwan¬ 
kungen mit serologischen Verauderungen verbunden sind. Zun&chst 
mogen die kulturellen Eigenschaften des Bacillus inconstans be¬ 
schrieben werden: 

Zu den Versuchen verwendeten wir 4 St&mme von Bacillus in¬ 
constans, die aus Stiihlen geztichtet worden sind. Die Bezeichnung 
der St&mme war: V, IX, X, A. 

1) Ztachr. f. klin. Med. Bd. 91 

2) Ztschr. f. Hyg. Bd. 88. 1919. 

3) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 83. 

4) Ztschr. f. Hyg. Bd. 91. 1920. 

Krite Abt. Orig. Bd. 91. Heft 1. 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Es handelte sich durchweg um Bakterien, die gramnegativ waren, 
auf gewohnlichem Agar iippig wuchsen, die Bouillon diffus triibten, auf 
Loeffler-Serum keine Farbstoffbildung und keine Erweichung zeigten, 
Lackmusmolke zunachst schwach roteten, spater blauten, in Milchzucker- 
hoher Schicht aerob und anaerob wuchsen, ohne Gas zu bilden, auf 
Mannit- und Maltose-Lackmusagar keine Saure bildeten, Gelatine nicht 
verfliissigten. 

Was das Verhalten in Traubenzucker-hoher-Schicht und 
auf Saccharose-Lackmusagar betrifft, so zeigte jeder der unter- 
suchten Stamme ein unbestandiges Verhalten. Auch in bezug auf 
Beweglichkeit und Indolbildung waren sie unbestandig. Die 
Traubenzucker-hohe-Schicht war nach 24-stiind. Bebrutung bei 37 0 durcli- 
gewachsen und meist unvergoren; manchmal trat nach 24 Std. Gas- 
bilduug ein, meistens erst nach mehrtagiger Bebrutung. Die Gasblasen 
waren sehr sparlich. Es handelte sich entweder um wandstandige 
Gasblasen oder um vereinzelte Spalten in der Agarsaule; selten war 
die Gasbildung eine reichlichere. Oefters blieb sie ganz aus. 

Was das Wachstum auf schriigem Saccharose-Lackmusagar betrifft, 
so ware folgendes zu vermerken: Der Nahrboden blieb die ersten 3 bis 
5 Tage der Bebrutung unverandert blau, dann traten Tochterkolonien 
auf, die in ihrer Umgebung den Nahrboden schmutzig-griinlich oder 
rotlich verfiirbten. Gelegentlich trat eine diffuse RotfSrbung des- Sac- 
charose-Nahrbodens ohne Tochterkoloniebildung oder auch eine diffuse 
schmutzig-griinliche Verfarbung auf. 

Was die Indolbildung anlangt, so haben die Stamme IX und X 
nach 24-stiind. Bebrutung in der Trypsinbouillon (M. Neisser und 
Frieber) mit Ehrlichs Reagens Indolbildung gezeigt. Bei Stamm A 
und V felilte das Indol in 24-stiind. Kulturen gelegentlich. 

Was die Beweglichkeit betrifft, so wurden die Stamme V, IX, A 
bei der Untersuchung 24-stiind. Agar- und Bouillonkulturen, bei 37 0 
geziichtet, stets unbeweglich gefunden, bei Stamm X wurde sehr 
selten unter diesen Bedingungen Beweglichkeit einzelner Individuen 
festgestellt. 

Es soil nun im folgenden dariiber berichtet werden, ob diese un- 
bestandigen Eigenschaften des Bacillus inconstans durch auGere 
Bedingungen beeinfluGbar sind und ob sie in irgend einem Zusainmen- 
hang miteinander stehen. 

Wir wollen zunachst jede der unbestandigen Eigenschaften fiir sich 
untersuchen und beginnen mit der wechselnden Fahigkeit des Bacillus 
inconstans, Saccharose unter Saurebildung zu spalten. 

Die SaccharosevcrgHrung. 

Bereits in der Arbeit von Orn stein wurde mitgeteilt, daG der 
Bacillus inconstans auf einem E n d o-Nahrboden, der statt Milcli- 
zucker Saccharose enthait, zweierlei Kolonien bildet: 1) dunkelrote, 
metallglanzende Kolonien und 2) rosarote bis blaBrote, in deneu nach 
einiger Zeit dunkelrote Tochterkolonien auftreten. Impt't man von diesen 
beideriei Kolonien ab und legt Saccharose-E n d o - Plattensatze an, so 
entwickeln sich aus den rot w T achsenden Kolonien nur rot wachsende, 
aus den blaGrosaroten entstehen wiederum zweierlei: dunkelrote und 
rosarote Kolonien. 


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Braun u. Lowenetein, Ueber den Bacillus inconstane. 


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Wir haben die Versuche wieder aufgenommen und konnen die frtiher 
gemachten Angaben mit unseren St&mmen bestatigen. Zu bemerken 
ware, daB die Rotf&rbung der diffus dunkelroten Kolonien nicht immer 
nach 24 Std. vorhanden ist, sondern manchmal erst nach mebrtagiger 
Bebriitung auftritt; auch die Tochterkolonien der blaBrosaroten Kolonien 
treten nach verschieden langer Zeit und in verschiedener Zahl auf. Sie 
sind des Oefteren zunachst farblos, und erst spater nehmen sie eine 
dunkelrote Farbung an. Die blaBrosaroten Kolonien bestehen aus Keimen 
von mangelhafter Begabung zur SaccharosevergSrung', die roten Toch¬ 
terkolonien und die dunkelroten Kolonien dagegen aus Keimen, die Sac¬ 
charose unter Saurebildung zersetzen konnen. 

Wir haben langere Zeit hindurch zahlreiche hintereinander gelegte 
Saccharoseplattensatze von den roten Kolonien gemacht, um zu sehen, 
ob ein Ruckschlag in farblose eintritt, haben aber eine solche Feststel- 
lung nie machen konnen: die roten Kolonien bildeten stets ihresgleichen. 
Das Verhaitnis der farblosen zu den roten Kolonien in Plattensatzen, 
die von blaBrosaroten herrfihrten, war ein verschiedenes; manchmal 
flberwogen die roten, ein anderes Mai die farblosen. Der Bacillus 
inconstans verhait sich also auf dem Saccharose-Endo-N&hrboden 
ahnlich wie das Bacterium coli mu ta bile NeiBer-Massini l 2 ), *) auf 
Milchzucker-E n d o - N&hrboden. 

Wir wollen jetzt kurz darOber berichten, ob diese beiden Abarten, 
die rotwachsende und die farblose auch in anderer Hinsicht Unterschiede 
aufweisen. Um uns in folgendem kurzer ausdrucken zu kSnnen, wollen 
wir fQr die Saccharose vergarende Abart die Bezeichnung roter Stamm, 
far die nichtvergarende weiBer Stamm, gebrauchen. 

Was zun&chst die TraubenzuckervergSrung betrifft, so haben sich 
die beiden Abkommlinge von ihrem Ursprungsstamm nicht unter- 
schieden. Sie zeigten in bezug auf die Gasbildung aus Traubenzucker 
groBe UnbestSndigkeit, indem sie einmal kein Gas gebildet hatten, ein 
anderes Mai Gasbildung zeigten. In ihrem Verhalten auf N&hragar, in 
Trypsinbouillon (Indolbildung), Loeffler-Serum, Lackmusmolke, Man- 
nit- und Maltose-Lackmusagar waren sie untereinander gleich und ver- 
hielten sich genau so, wie es oben beim Ursprungsstamm beschrieben 
worden ist. 

Nach dem bis jetzt Mitgeteilten besteht demnach der Unterschied 
nur in der schnelleren, bzw. langsameren Oder auch ganz fehlenden 
Spaltung der Saccharose. 

Weiterhin untersuchten wir, ob sich die beiden VarietSten immuni- 
satorisch unterschieden. ♦ 

Es standen uns Immunsera zur Verfflgung, die wir von Kaninchen 
gewonnen hatten, welche entweder mit dem Ursprungsstamm oder mit 
dem roten Stamme vorbehandelt waren. Zur Immunisierung verwen- 
deten wir Aufschwemmungen von 24-stiind. Agarkulturen, mit Kochsalz- 
losung abgeschwemmt und mit Aether abgetotet. 

Das Ergebnis solcher Agglutinationsversuche war, daB von dem 
Immunserum des Ursprungsstammes, wie auch von dem Immunserum 
des roten Stammes sowohl der Ursprungsstamm wie seine beiden Ab- 
kSmmlinge gleich hoch und intensiv beeintluBt wurden; geringe Unter¬ 
schiede waren zwar gelegentlich vorhanden, gingen aber nicht iiber die 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Rd. 38. 1906. 

2) Arch. f. Hyg. Bd. 61. 1907. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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Fehlergrenzen der Methodik hinaus. Auf die Wiedergabe der Versuche 
soli aus Raummangel verzichtet werden. 

Urn sicher zu sein, daB die Deutung der Ergebnisse der Agglu- 
tinationsversuche richtig war, und daB es in agglutinatorischer Hinsicht 
zwischen dem Ursprungsstamme und seinen Abkommlingen Unterscbiede 
nicht gibt, haben wir Absorptionsversuche nach Castellani ausgefuhrt, 
indem wir Immunsera vom Ursprungsstamme bzw. vom roten Stamme 
sowohl mit dem roten wie mit dem weifien Stamme erschopften und die 
so behandelten Immunsera auf ihre Agglutinationsfahigkeit priiften. Es 
zeigte sich, daB man mit dem roten wie auch mit dem weiBen Stamme 
sowohl das Immunserum des Ursprungsstammes wie auch das des 
roten Stammes vollstandig seiner Agglutinine gegen alle Abarten be- 
rauben kann. 

Zur Anstellung der Agglutinationsversuche und auch zur Absorp¬ 
tion der Sera bedienten wir uns 24-stiind. Agarkulturen, die bei 37° 
geziichtet waren. Das erwahnen wir aus dem Grunde, weil — wie wir 
sp&ter sehen werden — fur die Ausbildung der Agglutinogene des 
Bacillus incon stans die Ziichtungstemperatur von Bedeutung ist,. 

Aus den besprochenen Versuchen geht also hervor, daB sich der 
Saccharose vergarende und der nichtvergarende Stamm des Bacillus 
inconstans in ihrem agglutinatorischen Verhalten nicht unter- 
scheiden. 


Die Traubenzuckervcrganing. 

Die Launenhaftigkeit der Traubenzuckervergarung des Bacillus 
inconstans fordert dazu auf, zu priifen, ob hier ahnliche Verhaltuisse 
obwalten wie bei der Saccharosevergarung. 

In den bereits friiher von Braun mit Ornstein ausgefiihrten 
Versuchen gelang es nicht, gasbildende und nichtgasbildende Varietaten 
voneinander zu trennen. Wir versuchten es von neuem. Wir stellten 
uns Fuchsinsulfitnahrboden mit Traubenzuckerzusatz (Traubenzucker- 
Endo-Nahrboden) her und priiften die Stamme V, IX, X, A auf ihr 
Verhalten auf diesen. Wir hofften, daB es uns gelingen wurde, die 
Traubenzucker schnell vergarenden, gasbildenden Bakterien von denen 
dazu weniger begabten zu trennen. Auf diesem Traubenzucker-E n d o- 
Niihrboden wuchs von den gepriiften St&mmen eine lteinkultur von 
gleichartigen, in den ersten 24 Std. meist farblosen, nach 4 X Std. kar- 
moisinroten Kolonien. Verschiedene Intensitiitsgrade in der Rotfarbung, 
die auf eii\e differente Fahigkeit, Traubenzucker zu spalten, zuriickzu- 
fiihren waren, konnten nicht festgestellt werden. Alle Individuen der 
Kultur des Bacillus inconstans sind demnach gleichmaBig befahigt, 
Traubenzucker unter Siiurebildung zu zerlegen, nur einzelne spalten 
aber bis zur Gasbildung. Auch durch fortgesetzte Abimpfung von 
Einzelkolonien aus Traubenzucker hohen-Schichten in der Nahe von Gas- 
blasen gelang es nicht, Kulturen zu gewinnen, die regelmaBig Trauben¬ 
zucker unter Gasbildung zu zersetzen veimochten. Diese Begabung 
der einzelnen Bakterienindividuen, Gas zu bilden, wird demnach nicht 
gleichmaBig auf die Nachkommen vererbt, wie die Fahigkeit, Saccharose 
zu spalten, sondern ist stets nur einzelnen Keimen eigen. 

Wie wir weiter unten zeigen werden, ist fiir die Ausbildung der 
GeiBeln beim Bacillus inconstans die niedrige Temperatur beson- 
ders giinstig. Es lag daher nahe, zu untersuchen, ob nicht auch die 



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Braun u. Lowenstein, Ueber den Bacillus inconstans. 


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Vergarung yon Traubenzucker bei 22° besser vor sich geht. Wir haben 
deshalb die Gasbildung der St&mme V, IX, X, A in hoher Schicht bei 
37° und bei 22° vergleichend untersucht, aber bei 22° dieselbe Unbe- 
standigkeit feststellen konnen, wie wir sie bei37°kennen gelernt haben. 
Auch durch fortgesetzte Zfichtung in traubenzuckerhaltigen Nahrboden 
ist es uns nicht gelungen, einen Stamm zu gewinnen, der regelmaBig 
Gas aus Traubenzucker gebildet hatte. 


Die Indolbildung. 

Bereits in der Mitteilung von Ornstein haben wir darauf auf- 
merksam gemacht, daB sich in bezug auf die Indolbildung der Bacillus 
inconstans verschieden verhalt, indem er einmal eine starke, ein 
anderes Mai nur eine angedeutete Indolbildung zeigt. E. Kiirschner 1 ) 
hat auf Veranlassung von Herrn Geheimrat NeiBer die Indolbildung 
des Bacillus inconstans neben anderen Bakterienarten untersucht 
und festgestellt, daB das schwankende Verhalten in bezug auf Indol¬ 
bildung darauf zuriickzufiihren ist, daB der Bacillus inconstans 
zwar aus Tryptophan Indol abspaltet, aber auch das Indol verwertet. 
Deshalb ist die Indolreaktion in jungen Kulturen positiv, nach langerer 
Bebriitung negativ. 

Wir haben an 4 Stkmmen des Bacillus inconstans diese Er- 
fahrungen bestatigen konnen. Impft man einen tryptophanhaltigen N2.hr- 
boden, z. B. Trypsinbouillon [N e i B e r - F r i e b e rj 2 ), mit dem Bacillus 
inconstans und prilft nach 18—24-stiind. Wachstum auf Indolbildung 
mit Ehrlichs Reagens, so fallt die Reaktion in der Regel positiv aus. 
Dagegen ist nach 3—5-tag. Wachstum das Indol verschwunden. Die 
Unbestandigkeit des Indolnachweises beim Bacillus inconstans be- 
ruht also nicht auf einer wechselnd starken Fahigkeit, Indol abzu- 
spalten, — jeder Stamm ist dazu befahigt —, der Bacillus incon¬ 
stans zersetzt aber das gebildete Indol wieder. 

Erganzend moge noch erw2hnt werden, daB ein Unterschied in der 
Indolbildung zwischen den saccharosevergarenden und nichtvergarenden 
Stammen nicht feststellbar war. 


Die Beweglichkcit. 

Besonders bemerkenswert war fur uns die Beobachtung, die wir 
sehr selten gemacht haben, daB vereinzelte Individuen mancher Incon¬ 
stans-Kulturen des Stammes X, bei 37° geziichtet, eine Beweglichkeit 
aufwiesen, wBhrend derselbe und die anderen Stamme IX, V und A in 
der Regel bei sorgfBltiger Untersuchung unbeweglich waren. Die den 
beweglichen Kulturen des Stammes X folgenden Passagen waren wieder 
unbeweglich. Solches Verhalten ist bei einzelnen Bakterienarten be- 
schrieben und die spBrlichen Angaben in der Literatur finden sich in 
der sorgfBltigen Arbeit von J. L. Burckhardt 3 ) zusammengestellt. 

Unter welchen Bedingungen wird der Bacillus inconstans be- 
weglich? Da wir aus Versuchen an Proteus-Bazillen und an Typhus- 


1) [Inaug.-Dissert.] Tierarztl. Hochachule. Berlin 1921. 

2) Hanab. d. mikrobiol. Techuik (K raus- Uhlen huth) 1923. 8. 1245. 

3) Arch. f. Hyg. Bd. 82. 1914. 


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6 Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

bazillen wissen, daB die Geifielbildung im besonderen MaBe von Ernah- 
rungsverhfiltnissen abhangig ist [Braun und Schaeffer 1 ) Braun 2 ) 
und Feiler 3 )] priiften wir zunachst, ob durch Verbesserung des Nahr- 
bodens eine regelm&Bige Beweglichkeit erzielbar ware. Wir zuchteten 
deshalb zunachst unsere Incon s t an s-Stfimme in Passagen in ge- 
wbhnlicher Nahrbouillon, in Trypsiubouillon, auf Nahragar und auf 
Loeffler-Serum und bebriiteteu bei 37°. Auf keiueni dieser Nahr¬ 
boden konnte Beweglichkeit regelmaBig erzielt werden. Wir batten 
zwar gelegentlich den Eiudruck, als ob im Kondenswasser des Loeff- 
ler-Serums hSufiger bewegliche Bazillen anzutreffen waren als auf den 
anderen Nahrboden, aber fortgesetzte Ziichtungen in Loeffler-Serum- 
kondenswasser zeigten, daB dem nicht so ist. Unter diesen Verhalt- 
nissen wurden nur ausnahmsweise bei Priifung sehr zahlreicher 
Kulturen bewegliche Bakterien festgestellt. 

Wir gingen deshalb dazu uber, zu versuchen, ob nicht bei Aende- 
rung der Ziichtungstemperatur die Bakterien beweglich werden. Ueber- 
raschenderweise stellte es sich heraus, daB die In con s t an s- St&mme 
— mit einer Ausnahme — dann Beweglichkeit gezeigt haben, wenn sie 
im Brutschrank von 22° oder bei Zim m er tern per atu r gezuchtet 
wurden. Die Beobachtung, daB die Beweglichkeit bei Zuchtung bei 
niedrigerer Temperatur vorhanden, bei hoherer Temperatur dagegen 
fehlen kann, wurde schon vor langerer Zeit an einem nicht naher de- 
finierten typhus&hnlichem Bakterium von L. Giinther 4 ) und seiuem 
Mitarbeiter Mironescu 5 ) beschrieben. Auch Kossel und Over¬ 
beck 6 ) berichten gleiches von 3 Stammen von Pseudotuberkelbazillen. 

Sowohl in Bouillon, wie auf Nahragar, Loeffler-Serum und Trypsin- 
bouillon waren von den 4 gepriiften I n co n s ta u s - Stammen 3, bei 22° 
gezuchtet, regelmaBig mehr oder weniger beweglich, wahreud sie, gleich- 
zeitig auf denselben Nahrboden bei 37° kultiviert, unbeweglich waren. 
Ein In con stans- Stamm (Stamm V) blieb auch bei 22° unbeweglich. 

Zunachst wurde untersucht, ob es sich bei der Zuchtung bei 37 0 
um einen GeiBelverlust oder urn eine Liihmung der Beweglichkeit haudelt. 
Zettno w-Farbungen haben gezeigt, daB die I n co n s ta n s- Stamme 
bei Zuchtung bei 22° kurze, nicht sehr zahlreiche GeiBeln besitzen. 
wiihrend sie bei Zuchtung bei 37° entweder geiBellos sind oder nur 
ganz vereinzelte GeiBeln tragen. 

Wir dachten daran, daB vielleicht die Unbestandigkeiten der Sac¬ 
charose- und TraubenzuckergSrung und Indolbildung mit der Aenderung 
der Ziichtungstemperatur ebenfalls schwinden konnten und priiften des¬ 
halb diese Funktionen bei Ziichtung bei 22°. Doch blieben die ernah- 
rungsphysiologischen Unbestandigkeiten unter diesen Bedingungen be¬ 
st e h e n. 


Serologisches Yerhalten. 

Es schien uns von Interesse zu sein, zu untersuchen, wie sich die 
begeiBelten und die unbegeiBelten Bakterien in serologischer Hinsicht 


1) Berlin, klin. Wochenschr. 1919. Nr. 18. 

2) Ztschr. f. allg. Physiol. Bd. 19. 1920. 

3) Ztschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 29. 1920. 

4) Gunther, L., Lehrbuch d. Bakteriologie. 

5) Hyg. Rundsch. 1899. S. 961. 

6) Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. Bd. 18. 


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Braun u. Lowenetein, Ueber den Bacillus inconstans. 


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verhalten. Durch die oben schon erwahnten Untersuchungen an Typhus- 
und Proteus-Bazillen wurde gezeigt, daB sich das Ektoplasma der 
Bakterien vom Endoplasma in antigener Hinsicht unterscheidet. Es 
mag an einem Beispiele diese Tatsache kurz erortert werden: die zwei 
Typen der Fleckfieber-Proteus-Bazillen (Weil und Felix), die X 2- 
und die X 19-Bazillen, werden, wenn sie geiBelhaltig sind, sowohl von 
X2- wie von X 19-Immunserum agglutiniert. Ganz anders verhalten 
sie sich aber, wenn sie geiBellos werden, z. B. durch Ziichtung auf nahr- 
stoffarraen N&hrboden |Braun und Schaeffer 1 )]. Dann wird jeder 
Stamm nur von seinem homologen, nicht dagegen vom heterologen Im- 
munserum agglutiniert. Gleichzeitig mit dem Verlust der GeiBeln gehen 
also auch bestimmte Agglutinogene und zwar diejenigen, welche X 2- 
und X 19-Bazillen gemeinsam haben, verloren, und es war naheliegend, 
anzunehmen, daB sich die verloren gegangenen Antigene im ektoplas- 
matischen GeiBelapparat befinden. Allerdings war noch die Moglichkeit 
vorhanden, daB es sich nur um eine Parallelerscheinung handelt, indem 
bei der Unterern&hrung auBer den GeiBeln auch andere, nicht im Ekto¬ 
plasma befindliche Bestandteile des Endoplasmas verloren gehen. Es 
fehlte also der direkte Nachweis, daB der Verlust bestimmter Agglutino¬ 
gene ursachlich mit dem Verlust der GeiBeln verknupft ist. 

Da der Bacillus inconstans bei Temperaturen von 37° auf den 
gewShnlichen, nahrstoffreichen Nahrboden iippig sich vermehrt, 
unbeweglich und geiBellos oder sehr geiBelarm ist, bei 22° da¬ 
gegen geiBelhaltig ist, pruften wir das serologische Verhalten dieser 
beiden Formen. 

Wir stellten uns entsprechende Immunsera von Kaninchen her. Als 
Beispiel mogen die Ergebnisse zweier Versuche besprochen werden. Ein 
Iminunserum, hergestellt mit bei 37° geziichteten Bakterien agglutinierte 
die bei 22° und bei 37° geziichteten Kulturen ungefahr gleich hoch. 
Geringe quantitative Differenzen waren zwar vorhanden, sie lagen aber 
innerhalb der Fehlergrenzen. Anders verhielt sich ein Immunserum, 
das mit bei 22° geziichteten Bakterien gewonnen war. Dasselbe agglu¬ 
tinierte die 22°-Bakterien deutlich intensiver und des Oefteren in star- 
keren Verdunnungen als die bei 37° geziichteten. Besonders deutlich 
trat der Unterschied in Erscheinung, wenn man den Agglutinationsvor- 
gang nicht, wie iiblich, bei 37°, sondern bei 22° oder bei Zimmer- 
temperatur ablaufen lieB. DaB es sich bei diesem Ergebnis nicht um 
eine leichtere Agglutinierbarkeit der bei 22° gegenuber den bei 37 0 ge¬ 
ziichteten Bakterien handelte, zeigte der in folgender Tabelle als Bei¬ 
spiel wiedergegebene Castellanische Absorptionsversuch. 

Tabelle I. 

Versuchsanordnung. 

Zehn 24-stiind. Agarkulturen vom Stamme IX, bei 37° gezuchtet, werden mit 
physiol. Kochsalzlosung abgeschwemmt und zwar zusammen in 10 ccm. 1 ccm ent- 
nalt also die Bakterien einer Kultur. Je 3 ccm dieser Aufschwemmung werden in spitze 
Centrifugenglaser gebracht und '/« Std. lang zentrifugiert. Die gewonnenen Sedimente 
werden zur Erschopfung des Immunserums benutzt. 5 ccm der Verdunuung 1:50 in 
physiol. Kochsalzlftsung eines Immunserums, das gewonnen war von Kaninchen durch 
Injektion von mit Aether abgetoteten, bei 22° geziichteten Bakterien des Stammes IX, 
wurden zunachst auf das eine Sediment gegossen, die Bakterien darin verteilt, 2 Std. 
im Brutschrank stehen gelassen, nachher zentrifugiert. Diese Prozedur wurde dann 
noch 2mal mit den zwei anderen Sedimenten wiederholt. 5 ccm derselben Verdiinnung 


1) 1. c. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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dee Immunserums in physiol. Kochsalzlosung wurden bei Brutechranktemperatur und 
Zimmertemperatur genau so lange stehen gelassen, wie das erschopfte Serum, wurden 
aber nicbt mit Bakterien behandelt. Diese beiden Verdiinnungen, die mit Bakterien 
vorbehandelte und die unvorbehandelte wurden nun im Agglutinationsversucb gegen- 
iiber dem Stamme IX, geziichtet bei 37® und bei 22°, ausgewertet. Das Ergebnis war 
folgendes: 


Agglutination mit erscbopftem Serum: 

a)gepruftmitdem b)gepriiftmitdem 

Stamme IX, Stamme IX, 

Serumverdiinnung geziichtet bei 22°, geziichtet bei 37°, 

nach 2 Std. nach 24 Std. nach 2 Std. nach 24 Std. 


1:100 

(+) 

+ 

0 

1:200 

(+) 

+ 

0 

1:400 

1+) 

8. + 

0 

1:800 

? 

( + ) 

0 

1: 1600 

? 

s.(+) 

0 

Kochsalzkontrolle 

0 

0 

0 


0 

0 

0 

0 

0 

0 


Agglutinationsversuch mit unvorbehandeltem Serum: 

a) gepriift mit Stamm IX, b) gepruft mit Stamm IX, 
Serumverdunnung geziichtet bei 22°, geziichtet bei 37°, 

nach 3 Std. nach 24 Std. nach 2 Std. nach 24 Std. 


1:100 

+ + + 

+ + + 

+ 

1:200 

+ + + 

+ ++ 

+ 

1:400 

+ + + 

+ + + 

s. + 

1:800 

+ 

+ 

(+) 

1:1600 

(+) 

+ 

(+) 

Kochsalzkontrolle 

0 

0 

0 


+ + 
+ + 
+ 
+ 

8. + 
0 


Erklarung der Abkiirzungen: + + + vollstandige Klarung, sehr starke Agglu¬ 
tination, + + starke Agglutination, + mit bloQem Auge sichtbare Agglutination, s.+ 
schwache Agglutination, (+) mit der Lupe sichtbare Agglutination, s. ( + ) mit der Lupe 
sichtbare schwache Agglutination, ? fragliche Agglutination, 0 keine Agglutination. 


Aus diesem Experiment ergibt sich, daB ein Immunserum, herge- 
stellt mit bei 22° gezuchteten Bakterien, wenn es mit bei 37° kulti- 
vierten Bakterien erschopft wird, seine Agglutinine fur diese vollstandig 
verliert, wahrend fur die bei 22° gewachsenen Mikroorganismen be- 
sondere spezifische Antikorper zuruckbleiben. 

Daraus geht hervor, daB bei dem Bacillus inconstans mit dem 
GeiBelverlust ein Agglutinogenverlust verkniipft ist. 

Diese Versuche mit dem bei 37° auf nahrstoffreichen Nahrboden 
tippig und schnell wachsendem Bacillus inconstans sprechen un- 
serer Ansicht nach dafiir, daB es sich bei dem GeiBelverlust und Agglu¬ 
tinogenverlust nicht nur um einen bloBen Parallelismus handelt, son- 
dern daB zwischen beiden ein ursachlicher Zusammenhang besteht. Mit 
anderen Worten: wir mussen annehmen, daB der ektoplasmatische 
Geifielapparat der beweglichen Bakterien biochemisch 
anders gebaut ist als das Endoplasm a. Da sich die I mm u- 
nitatsvorgange in hervorragender Weise an der Ober- 
flache der Bakterien abspielen, muB man diesen Tatsachen 
bei der Untersuchung derlmmunitat gegen geiBeltragende 
Mikroorganismen Rechnung tragen. 

Abkiingigkeit der Beweglichkelt der Coll - und Paracoli-Bazillen 
von der Ziichtungstcinperatur. 

Man hat bis jetzt bei der Prufung der Beweglichkeit und bei der 
Untersuchung des Rezeptorenapparates der Bakterien der Ziichtungs- 


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Braun u. Lowenstein, Ueber den Bacillus inconstans. 9 

temperatur keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir mochten 
hier kurz iiber entsprechende Erfahrungen an Coli- und Paracoli- 
Bazillen berichten. 

Bekannt ist das schwankende Verhalten der Beweglichkeit der Coli- 
und Paracoli-Bazillen. Wir haben deshalb eine Anzahl von Stam- 
raen dieser Bakterienarten bei verschiedener Ziichtungstemperatur auf 
Beweglichkeit gepriift. In der Tat stellte es sich heraus, daB es auch 
bei diesen Bakterienarten Stamme gibt, deren 24-stflnd. bei Zimmer- 
temperatur oder bei 22° gezQchtete Kulturen begeiBelt sind und leb- 
hafte Beweglichkeit aufweisen, wahrend die bei 37 0 gezflchteten Kulturen 
unbeweglich oder nur sehr vereinzelt beweglich sind. 

Bei Coli- und Paracoli-Bazillen kommen aber im Gegensatz zu 
Inconstans-Bakterien Stamme vor, die zwar bei 22° beweglich, bei 
37° unbeweglich sind, wo aber auch die 37°-Kulturen begeiBelt sind. 
Es handelt sich also bei der Unbeweglichkeit solcher Stamme um eine 
Lahmung der Beweglichkeit, nicht um eine GeiBellosigkeit 
bei Zflchtung bei 37°. Dementsprechend waren, wie uns orientierende 
Versuche zeigten, wesentliche antigene Differenzen solcher bei 22° und 
37° gezflchteten Coli- bzw. Paracoli-Bazillen nicht nachweisbar. 
Erwahnt sei, daB Schmitz- Bazillen oder Shiga -Kruse - oder Colitis- 
bazillen (Braun und Liess) nie Beweglichkeit bei 22°-Zflchtung zeigten. 

Serologisches Verlialtcn verschiedener Inconstans-Stflnime. 

In der von Ornstein veroffentlichten Arbeit ist bereits mitgeteilt 
worden, daB sich die verschiedenen I n con stan s-Stamme in serologi- 
scher Hinsicht different verhalten: Immunsera, die hergestellt waren von 
Kaninchen durch Einspritzung von mit Aether abgetoteten 24 stflnd. 
Agarkulturen, bei 37° bebrfltet, agglutiuierten meist nur den homologen 
Stamm, die anderen Stamme gar nicht oder nur sehr schwach. Zu den 
Agglutinationsversuchen wurden von Orn stein bei 37° gezfichtete 
Kulturen benutzt. Da wir nun festgestellt haben, daB bei dieser Tem¬ 
peratur die Ektoplasmaentwicklung eine mangelhafte ist, und daB damit 
ein Verlust von Agglutinogenen verbunden ist, waren neuerliche sero- 
logische Prflfungen notwendig. Ware es doch denkbar, daB hier ahnliche 
Verhaitnisse wie bei P r oteus-Bakterien vorliegen konnten, daB nflm- 
lich das Endoplasma der verschiedenen Stamme different, das Ektoplasma 
dagegen biochemisch gleichartig sein konnte. Die Versuche ergaben 
folgendes: ein Immunserum, das hergestellt war mit Hilfe von bei 22° 
gezflchteten Kulturen, agglutinierte seinen homologen Stamm, wenn er 
bei 22° gezflchtet war, in hoherer Verdflnnung, als wenn er bei 37° 
wuch3. In der Intensitat der Agglutination zeigte sich besonders eine 
deutliche Differenz. Die 22°-Kulturen wurden in den starken Serum- 
konzentrationen kraftiger agglutiniert als die 37 °-Kulturen. Die Flocken 
der 22°-Kulturen sind groB, wahrend die der 37°-Kulturen fein sind. 
Ganz analoges Verhalten zeigte auch ein Immunserum, das hergestellt 
war mit bei 37° gezflchteten Inconstans-Stammen. Auch hier waren 
die 22°-Kulturen besser ausflockbar als die bei 37° gezflchteten. Was 
nun die Frage der serologischen Beziehungan der verschiedenen In- 
con stans-Stamme zueinander betrifft, so hat es sich gezeigt. daB sich 
die bei 22° gezflchteten zueinander nicht anders als die bei 37° kulti- 
vierten Inconstans-Stamme verhielten. Es war also nicht nur das 
Endoplasma, sondern auch das Ektoplasma der verschiedenen unter- 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 1. 


suchten St&mme serologisch different. Wie bei Coli-, Proteus-, 
Colitis- und Paratyphusbazillen sehen wir auch hier innerhalb derselben 
Art weitgehende serologische Verschiedenheiten. Bei monatelanger Fort- 
ziichtung konnten wir in serologischer Hinsicht schwankendes Verhalten 
nicht feststellen; die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stammen 
blieben dauernd bestehen. Ein Versuch iiber das serologische Verhalten 
m5ge in folgender Tab. II mitgeteilt werden. 


Tabelle II. 

Immunserum, gewonnen von Kaninchen mit durch Aether abgetdteten 22°-Kul- 
turen des Stammes IX, wurde gepruft gegen 22°- und 37 # -Kulturen der Stamme IX 
und X, V und A. 


Immun¬ 
serum ver- 
diinnung 

Stamm IX 22°. 
Ergebnis nach 
24 Std. 

Stamm IX 37°. 
Ergebnis nach 
24 Std. 

Stamm X 22° resp. 
Stamm A oder V. 
Ergebnis nach 

24 Std. 

Stamm X 37" resp. 
Stamm A Oder V. 
Ergebnis nach 

24 Std. 

1: 100 

+ + + 

+ + + 

0 

0 

1: 200 

+ + + 

+ + + 

0 

0 

1: 400 

+ + + 

+ + + 

0 

0 

1: 800 

+ + + 

+ + 

0 

0 

1: 1600 

+ + + 

+ 

0 

0 

1: 3200 

+ + + 

8. + 

0 

0 

1: 6400 

+ 

( + ) 

0 

0 

1:12 800 

( + ) 

0 

0 

0 

1:25 600 

8. ( + ) 

0 

0 

0 

1:51 200 

0 

0 

0 

0 

Kontrolle 

0 

0 

0 

0 


Zusammenfassung. 

Ueberblicken wir die Ergebnisse der Priifungen der unbest&ndigen 
Eigenschaften des Bacillus inconstans, der schwankenden Saccha¬ 
rose- und Traubenzuckervergarung, der Indolbildung und der Beweg- 
lichkeit, so sehen wir, daB die Unbestandigkeiten nicht auf eine Ursache 
zuriickzufiihren sind. 

Von auBeren Bedingungen abh&ngig ist die Entwicklung des ekto- 
plasmatischen GeiBelapparates und hiermit die Beweglichkeit und das 
Vorhandensein oder Fehlen bestiramter Antigene. Nur bei niedriger 
Ziichtungstemperatur sind die GeiBeln und bestimmte Antigene vor- 
handen, sie fehlen dagegen Oder sind betrachtlich reduziert bei der 
iiblichen Ziichtung bei 37 °. 

Das Vermogen, Saccharose zu vergaren, besitzen die eiuzelnen In- 
dividuen einer Population in verschieden hohera MaBe. Die Tuchtigsten 
unter ihnen vererben ihre Begabung dauernd auf ihre Abkommlinge. 
In bezug auf die Saccharosevergarung verhalt sich der Bacillus in¬ 
constans ahnlich wie das Coli in utabile NeiBer-Massini dem Milch- 
zucker gegeniiber. 

Die Eigenschaft, Traubenzucker unter Saurebildung zu spalten, 
haben alle Individuen einer Kultur. Aber nur einzelnen gelingt es, aus 
Traubenzucker Gas zu bilden. Es gelingt nicht, Kulturen reinzuziichten, 


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Braun u. Lowenstein, Ueber den Bacillus inconstaus. 


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deren Keime alle regelm&Big Traubenzucker unter Gasbildung zu zer- 
setzen vermflchten. Hier bleibt also die Begabung, Traubenzucker unter 
Gasbildung zu zersetzen, auf einzelne Individuen einer Kultur be- 
schrflnkt und wird nicht auf alle Nachkommen vererbt. 

Das Schwanken der Indolbildung ist nur ein scheinbares. Alle 
St&mme sind befflhigt, aus Tryptophan Indol abzuspalten. Nur muB 
man rechtzeitig die Prfifung auf Indol vornehmen, da es von den Bak- 
terien verwertet und zersetzt wird (Kiirschner). Es bestehen also 
nur Schwankungen beim Indolnachweis, nicht in seiner Bildung. 

Die immunisatorischen Differenzen der verschiedenen Inconst an s- 
StSmme untereinander haben mit den beschriebenen morphologischen 
und ernahrungsphysiologischen Schwankungen nichts zu tun. Wie bei 
Paratyphus-, Proteus-, Colitisbazillen sehen wir auch hier eine sero- 
logische Mannigfaltigkeit innerhalb derselben Art. Es kflnnen vermut- 
lich geringfugige Variationen der biochemischen Struktur der Antigene 
der einzelnen StSrame dieser Bakterienarten bei der Immunisierung be- 
tr&chtlich differente Antikflrper bedingen. Die grundlegenden Unter- 
suchungen Lan dsteiners 1 ) an methylierten, acylierten usw. tierischen 
EiweiBkorpern bediirfen dringend einer Erweiterung auf bakterielle 
Antigene. Die chemischen Aenderungen werden auch hier wesentliche 
immunisatorische Differenzen zur Folge haben. 

Zum SchluB mflchten wir nochmals auf die Bedeutung der niedrigen 
Zfichtungstemperatur fflr die Entwicklung des Ektoplasmas beim 
Bacillus inconstans und fflr die damit verknflpfte Entstehung be- 
sonderer Antigene aufmerksam machen. Vielleicht spielt die Zflcbtungs- 
temperatur auch bei anderen Bakterienarten in dieser Hinsicht eine Rolle. 
Die Immunit&tsreaktionen kflnnen, wie wir bei der Agglutination des 
Bacillus inconstans zeigten, durch die Zflchtungstemperatur und 
durch die mit ihr verbundene verschiedenartige Ausbildung des anti- 
genen Apparates beeinfluBt werden. 

1) Zeitschr. f. Immunitataforsch. Orig. Bd. 26. 1917. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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Nachdru.dk verboten. 

Ueber das d’Herellesche Phanomen. 

III. Mlitteilung. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamts.J 
Von Prof. Dr. E. Glldemeister und Dr. Kurt Herzberg. 

In Fortsetzung unserer Untersuchungen liber das d’Herellesche 
Phanomen haben wir weitere Versuche zur naheren Erkundung der Ent- 
stehungs- und Wirkungsweise der iibertragbaren Bakteriolysine ausge- 
fiihrt, iiber die wir nachstehend berichten. 

I. 

Die Weiterimpfung von Flatterformen im Oberfliichenausstrich er- 
gibt bekanntlich neben einer wechselnden Zahl von normalen Ivolonie- 
forinen wiederum zahlreiche Flatterformen der verschiedensten Art, wie 
sie von Gildemeister eingehend beschrieben worden siud. Legt man 
nun von einer Flatterform eine Schiittelagarkultur an, so sind Flatter¬ 
formen nur an der Oberflache des Agars zu beobachten, wahrend die 
in der Tiefe des Agars gelegenen Kolonien durchgangig keinerlei Ab- 
weichung von der normalen Linsenform erkennen lassen. Diese Beob- 
achtung legte den Gedanken nahe, hier eine Hemmung des lytischen 
Agens durch Sauerstoffentziehung zu vermuten, und veranlalite uns, 
Versuche iiber die Bedeutung des Sauerstoifs fiir die Wirkung der iiber- 
tragbaren Bakteriolysine anzustellen. 

Da Ruhrbakterien unter SauerstoffabschluB gar keine Oder nur eine 
kiimmerliche Entwicklung zeigen, wahlten wir zu diesen Versuchen eiu 
Coli-Lysin mit einem Titer 10 -5 und seinen homologen Coli-Stamm. 
(Mit Titer 10 -6 bezeichnen wir ein Lysin, das in 0,05 ccm einer Ver- 
diinnung 1:100000 weniger als 10 aktive Teilchen enthiilt. Beziiglich 
unserer Technik der Auswertung des Lysins sei auf Abschnitt VI ver- 
wiesen.) 

Die Sauerstoffentziehung geschah in derselben Weise, wie sie von 
Herzberg in seinen Versuchen iiber die Beziehung des Sauerstoifs 
zur oligodynamischen Metallwirkung angegeben worden ist. Es wurden 
also in der iiblichen Art gegossene Agarplatten mittels des Pyrogallol- 
Kalilaugeverfahrens innerhalb von 24—48 Std. zunachst vom Sauerstoff 
befreit und alsdann in Stickstoffatmosphare entweder mit C ol i- Flatter¬ 
formen oder mit normalen Col i-Bazillen bespatelt, auf die das ent- 
sprechende Lysin aufgetropft wurde. In beiden Fallen kam es zu Bildern. 
welche den bei Sauerstoffgegenwart angesetzten Kontrollen entsprachen. 
Die Lysinwirkung wurde in keiner Weise durch die Sauerstoffentziehung 
beeinffuBt. 

Es ist also durch unsere Versuche die Unabhangigkeit der Wirkung 
der iibertragbaren Bakteriolysine vom Sauerstoffpartialdruck erwiesen. — 



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Gildemeister u. Herzberg, Ueber das d’Herel 1 esche Pbanomen. 13 


Die von uns eingangs erw&hnte Beobachtung, daB in Agarschflttelkul- 
turen von Flatterformen nur an der Oberflache des Agars Flatterformen 
entstehen, nicht jedoch in der Tiefe, beruht somit nicht auf Sauerstoff- 
arinut, sondern, wie inzwischen von Do err und Berger dargetan 
worden ist, auf einer Kolloidschutzwirkung des Agars, die verhindert, 
daB eingesSte Keime trotz Vorhandenseins von Lysinen zu Flatterformen 
verstummelt werden. 


II. 

Uebertragbare Bakteriolysine lassen sich, wie wir aus den Unter- 
suchungen von Bail, Gratia, Gildemeister, Otto, Winkler 
und Munter, Jotten und Seiffert u. a. wissen, auch spontan aus 
Bakterienkulturen gewinnen. Otto und seine Mitarbeiter, die sich rait 
dieser Frage sehr eingehend beschkftigt haben, erzielten Spontanlysine 
aus alten Bouillonkulturen durch wiederholte Beimpfung, Bebrtitung und 
Filtration derselben Fliissigkeit. Bei Anwendung der gleichen Technik 
gewannen sie auch aus 2 j un gen Coli-Bouillonkulturen Spontanlysine, 
wobei bemerkenswert war, daB diese Lysine zunachst oder ausschlieB- 
lich gegen heterologe Kulturen (Ruhr- und Typhusbazjllen) wirksam 
waren. 

Nachdem wir uns durch umfangreiche Versuche iiberzeugt hatten, 
daB in alten Kulturen zwar gelegentlich, indes keineswegs regelmaBig 
Spontanlysine nachweisbar sind, wandten wir unser Augenmerk jungen 
Kulturen zu. Wir gingen hierbei von der Erwiigung aus, daB die Ver- 
mehrung von Lysinen nur in Gegenwart von jungen, voll lebensfahigen 
Bakterien beobachtet worden ist, und daB ohne aktive Mitwirkung der 
Bakterien nach den bisherigen Feststellungen eine Bildung von Lysinen 
nicht stattfindet. Vielleicht waren die jungen Bakterien auch zur Bildung 
von Spontanlysinen besonders geeignet. 

Die Ausftihrung unserer Versuche gestaltete sich folgendermaBen: 
Wir verwendeten nur Kulturen, die bereits 6 und mehr Jahre in unserer 
Sammlung sich befinden. Von ihnen wurden Bouillonkulturen angelegt, 
die nach 16-sttind. Bebrutung durch Berkefeld- oder Seitz-Filter 
filtriert wurden. Das Filtrat wurde nach dem Vorgange von Otto und 
seineu Mitarbeitern nicht nur an homologen Stiiinmen, sondern auch an 
anderen Vertretern der Typhus-, Ruhr-, Coli-Gruppe im Auftropfver- 
fahren gepruft. Diese Versuche wurden an jedem Stamme 2—3 Wochen 
lang tSglich wiederholt, so daB also innerhalb dieser Zeit tiiglich das 
Filtrat einer 16-sttind. Bouillonkultur zur Untersuchung auf lytische 
Fahigkeiten gelangte. Die Weiterimpfung der Kulturen erfolgte stets 
von der zur Filtration gelangenden Bouillonkultur nur in frische Bouillon, 
also nicht in das Filtrat. Die umfangreiche Verwendung von artfremden 
St&mmen zum Lysinuachweis hat sich als durchaus notwendig erwiesen, 
da es fast zur Regel gehorte, daB die Spontanlysine ini Aufange ihres 
Auftretens meist nur gegen heterologe und erst spater auch gegen 
homologe St&mme gerichtet waren. 

Wir untersuchten in der angegebenen Weise auf das Vorkommen 
von spontan entstandenen Lysinen 9 Coli - und 3 Ruhr-Shiga-StSmme; 
als Priifungskulturen wShlten wir bei jeder Untersuchung 5 Shiga- 
Kruse-, 3 Flexner-, 3 Y-, 3 Typhus-, 3 Paratyphus B und 2 Coli- 
Stamme, also im ganzen 20 Kulturen. Es gelang uns, in 5 verschiedenen 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 1. 


Kulturen Lysine nachzuweisen x ), 1 2 ), und zwar lmal im Filtrat der 1., 
3mal im Filtrat der 2. und lmal im Filtrat der 6. Bouillonprobe. In 
alien Fallen handelte es sich um Coli-Kulturen. Das einmal in der 
Kultur nachgewiesene Lysin blieb auch in unseren Versuchen keines- 
wegs dauernd oder fur langere Zeit in der Kultur nachweisbar; es ver- 
schwand vielmehr nach einigen Bouillonpassagen oder war bereits in der 
n&chsten Passage nicht mehr nachweisbar, um ebenso unvermutet plotz- 
lich wieder aufzutreten oder ganz fortzubleiben. Von den 5 Lysiii 
nachweisbar bildenden C o 1 i - St&mmen griffen 4 zunachst Shiga- 
Kruse-Bazillen an, und zwar nicht die gleichen Stamme. Flexner-, 
Y-, Typhus, Paratyphus B-Bazillen blieben in diesen Versuchen unbe- 
einfluBt. 

Bei 4 Coli- und 3 Shiga-Kruse-Kulturen gelang uns der Nach- 
weis von Spontanlysinen nicht. Wenn es uns somit beijungen Kulturen 
ebensowenig wie Otto und seinen Mitarbeitern gelungen ist, mit 
Regelm&Bigkeit Spontanlysine nachzuweisen, so geht indes aus diesen 
Untersuchungen zweifelsohne hervor, daB die Zahl der nachweisbar Lysin 
bildenden Kulturen um so groBer sein wird, je groBer die Ausdauer des 
Untersuchers ist, und je mehr Priifungskulturen zu den Versuchen her- 
angezogen werden. Wir neigen zu der Annahme, daB wahrscheinlich 
jede Kultur der Typhus-Ruhr-Coli-Gruppe befahigt ist, spontan Lysin 
zu bilden. 

Bei diesen Versuchen stieBen wir in einem Falle auf ein Coli- 
Filtrat, das im Auftropfverfahren im Kulturrasen Defekte verursachte, 
die den durch echte Lysine erzeugten auBerlich glichen. Es gelang 
jedoch, weder Flatterformen herauszuziichten, nocli eine Vermehrung der 
hemraenden Substanzen in der Bouillonkultur festzustellen. In den 
Filtraten der in den nachsten Tagen gepriiften Bouillonkulturen des- 
selben Coli-Stammes zeigte sich dieselbe Erscheinung. Es lag hier 
wahrscheinlich eine Form wachstumshemmender Stotfe vor, wie sie unter 
anderem von Hajos und Kiinmelstiel in anderer Weise nachge- 
wiesen worden sind. Bemerkenswert ist, daB die Bouillonausgangskultur 
dieses Stammes nach 8-tag. Brutschrankaufenthalt keine wachstums- 
hemmenden Erscheinungen hervorrief. 

Das spontane Auftreten von iibertragbaren Bakteriolysinen in Kul¬ 
turen ist von verschiedenen Autoren (Seiffert, J otten) in Verbindung 
mit autolytischen Prozessen gebracht worden. Die Erorterung, ob die 
Eingruppierung des d’Herelleschen Phanomens in das Gebiet der 
Autolyse gerechtfertigt ist, mochten wir noch zuriickstellen. Hier sei 
nur darauf hingewiesen, daB der Begriff der exogenen und endogenen 
Autolyse, den Seiffert vorschlagt, nicht mit der Autolysevorstellung 
E. Salkowskis in Einklang zu bringen ist. Die Autodigestion, wie 
sie Salkowski zuerst nannte, ist eine Wirkung in tr azellularer Fer- 
mente, also stets ein endogener ProzeB, der mithin durch die Bezeich- 
nung endogen oder exogen entweder iiberbestimmt wird oder eine 
contradictio in adjecto erfahrt. Diese Auffassung wird dadurch nicht 


1) Hier traten die Lysine also durchgiingig in nur einmal filtrierten Kultur- 
fliissigkeiten auf. In den Versuchen von Otto, M unter und Winkler waren stets 
eine Reihe von Filtrationen, auch bei den 24-stiind. Kulturfliissigkeiten, erforderlich, 
bevor spontane Lysinbildung nachweisbar war. 

2) Das gelegentliche Auftreten von Lysinen in Kulturen nach Zusatz von Salzen, 
z. B. LiCl 2 (Kuhn), braucht daher nicht auf das Lithium zuruckgefiihrt zu werden. 


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Gildemeister u. Herzberg, Ueber daa d’Herelleache Phanomen. 15 


beeinfluBt, daB die Autolyse durch mancherlei Eingriffe (ph, Temperatur, 
Dialyse), also „exogene“ Faktoren, in ihrem Ablauf weitgehend variiert 
werden kann. 


III. 

Die Angabe von Putter und Vallen fiber die Umwandlung ge- 
wohnlicher Bouillon in eine solche mit lytischen Eigenschaften durch 
eiufache Filtration wurde an einer Reihe de Haenscher Membranfilter 
geprfift (Porenweite 0,65 /u, zum Teil Lieferung Marz 1923.) Es wurden 
sowohl im Dampftopf nach der Vorschrift von Eichhoff sterilisierte 
als auch unsterilisierte, aus der desinfizierenden Grotanlfisung entnom- 
mene und durch wiederholte, 48 Std. dauernde Spfilung in sterilem Aqu. 
dest. gewfisserte Membranen verwendet. Im letzteren Falle war der 
Metallapparat allein sterilisiert und die Membran nachtraglich mittels 
steriler Instrumente eingeffigt worden. Filtriert wurden Peptonwasser, 
Fleischbrfihe, Standardnfihrbouillon nach Kuczynski, Martin-Bouil¬ 
lon, Organ- (Milz-)Autolysate. Als Testkulturen dienten 18 verschiedene 
Stfimme der Typhus-Ruhr-Coli-Gruppe. 20 Membranfilter ergaben in 
keinem Falle den von Putter und Vallen beschriebenen Effekt. Im 
Einklang mit Borchardt kommen wir zu einer Verneinung der Mog- 
lichkeit, auf rein filtrativem Wege aus gewohnlichen N&hrflfissigkeiten 
lytische Agentien zu produzieren. Inzwischen haben Putter und 
Vallen raitgeteilt, daB ihre Ergebnisse auf Versuchsfehlern beruhen. 

IV. 

Die Angabe von Putter und Vallen wurde aber ffir uns weiter- 
hin zum AnlaB, das Verhalten der Lysine im Filtrationsapparat bei der 
Sterilisierung zu untersuchen. Denn die Angaben der genannten Au- 
toren als richtig vorausgesetzt, hatte einer nicht kleinen Anzahl, mit 
Hilfe von Filtriervorrichtungen fiber das d’Herel 1 esche Phanomen 
ausgeffihrter Arbeiten, insbesondere auch unseren unter II mitge- 
teilten Versuchen, der Vorwurf der Verunreinigung der Filtrate durch 
frfiher filtrierte Lysate gemacht werden mfissen, da die Resultate von 
Putter und Vallen die Kochbestfindigkeit der Lysine involvieren. 
Zur Sicherstellung dieser Verhfiltnisse wurden folgende Versuche aus- 
gefflhrt. 

Durch eine ungebrauchte Berkefeld-Kerze wurden 6mal hinter- 
einander 50 ccm Bouillon (stets dieselbe Flfissigkeit) durchgeschickt und 
von jedem Filtrat 1 ccm zum Auftropfversuch zurfickbehalten. Dann 
Rflckspfilung der Kerze, Sterilisierung ffir 1 Std. im Dampftopf. Darauf 
wird durch dieselbe Kerze 3mal 20 ccm unverdfinntes Lysat (Y Ruhr 
bzw. Coli, Titer 10 -5 ) filtriert, erneut rficklaufig gespfilt und 1 Std. im 
Dampftopf sterilisiert; sodann werden 7 verschiedene Bouillonproben, 
je 20 ccm, hintereinander durchgeschickt. In jedem Falle wiesen nur 
die Lysinfiltrate lytische Substanzen auf, nie die Vor- oder Nachfiltrate 
mit reiner Bouillon. Dies finderte sich auch nicht, wenn die RUckspulung 
unterblieb. (Nachfiltration in diesen Versuchen mit 160 ccm Bouillon 
in 8 Fraktionen.) 

Auch die von Seiffert gemachte Angabe, daB durch Hitze (1 Std. 
Aufenthalt im Dampftopf) unwirksam gemachte Lysine durch Filtration 
reaktiviert werden konnen, haben wir, da sie im Widerspruch zu un- 


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16 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

seren bisherigen Beobachtungen steht, einer eingehenden Nachpriifung 
unterzogen. 

100 ccm y-Ruhrlysat, Titer 10 -6 , werden IV 4 Std. im Dampftopf 
gedampft. Der Plattentropfversuch l&Bt danach keine Lysine mehr er- 
kennen. Sodann werden die 100 ccm des durch Hitze zerstorten Lysins 
in Mengen von je 25 ccm durch 4 verschiedene Berkefeld-Iverzen 
(2 gebrauchte und 2 neue) je 8 mal hintereinander filtriert; von jedem 
Filtrat wird 1 ccm zum Plattentropfversuch zuriickbehalten. Dieselbe 
Methodik wird mit 4 anderen Berkefeld-Kerzen (3 neue, 1 gebrauchte) 
an einem Coli-Lysat (Titer 10 -6 ) angewendet. W&hrend in den Ver- 
suchen von Seiffert meist die Filtrate 4—6 wieder starke lytische 
Wirkung erlangt hatten, liefien in unseren Versuchen samtliche Platten- 
tropfversuche ein vollig negatives Resultat erkennen. Wir haben an 
14 verschiedenen, gebrauchten und ungebrauchten Kerzen in iiber 100, 
meist 6 — 8 mal aufeinander folgenden Filtrationen die von Seiffert 
alsdann beobachtete Reaktivierung hitzezerstorten Lysins nicht bestatigen 
konnen. 


V. 

Der Satz, daB eine Vermehrung der lytischen Substanzen nur daun 
moglich ist, wenn eine Bakterienvermehrung stattfindet, gehort mit zu 
den Grundanschauungen iiber das d’Herellesche Phanomen. Mehrere 
Griinde veranlaBten uns, diese Auffassung einer erneuten Priifung zu 
unterziehen, iiber deren Ergebnisse wir berichten wollen, obwohl unsere 
Versuche zu einem definitiven Abschlusse noch nicht gelangt sind. 

Die von anderen Autoren zur Klarung dieser Frage angewendete 
Methodik, die in Studien an den in toto abgetoteten oder nicht in der 
Vermehrung befindlichen Bakterien bestand, ist nicht erschopfend genug, 
um ein so abschlieBendes Urteil zu fallen. Es fehlen bisher z. B. noch 
Studien am ZellpreBsaft; hier rntiBte, wenn iiberhaupt, zuerst die Mog- 
lichkeit gegeben sein, auf eine Vermehrung lytischer Substanzen in Ab- 
wesenheit von Bakterien nur durch aktivierenden Lysinzusatz zu fahnden. 
Aus den Arbeiten vonTurro und von Kuttner, die neuerdings durch 
Borchardt erweitert worden sind, geht ferner hervor, daB moglicher- 
weise ein Ferment tryptischer Natur als Auslosungstaktor des d’Herelle- 
schen Ph&nomens wirkt. Nach der Mitteilung von Borchardt (Lysis 
durch das aktivierte Trypsin, nicht durch das Trypsinogen) laBt der 
Nachweis lytischer Substanzen im Reagenzglase allein ohne Lysin- oder 
Fermentzusatz die Aktivierung einer bis dahin unwirksamen Vorstufe 
im Bakterium diskutabel erscheinen, ein Vorgang, den schon Kabe- 
shima durch die Annahme eines Profermentes der Erklarung zugang- 
licher zu tnachen suchte. Nimmt man vor der Entstehung des aktiven 
Lysins aber eine Vorstufe im Bakterium an, so ist daran zu denken, 
daB eine Bildung aktiver lytischer Substanzen auch auBerhalb der Bak- 
terienzelle eintreten kann, analog der Aktivierung von Trypsinogen durch 
Enterokinase oder durch aktiviertes Trypsin 1 ), die Ledebt und Dele- 
zenne sogar serienweise gelungen ist. 

Wenn sich nun in einer Bouillonkultur in kiirzester Zeit eine Ver¬ 
mehrung zugesetzter Lysine nachweisen laBt, so muB das betreffende 


1) Die Moglichkeit dieses Vorganges wird allerdings von anderer Seite (Bayliss 
und Starling) abgelehnt. 


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Gildemeis ter u. Herzberg, Ueber da8 d’Herellesche Phanomen. 17 


Bakteriura zu einem bestimmten Zeitpunkte eine hierfflr geeignete Sub- 
stanz gebildet haben. 1st ihr Wirksamwerden nicht an die Struktur der 
Zelle geknflpft, so kann ihre Isolierung nur eine Frage der Methodik 
sein. 

Von diesen Gedanken ausgehend, unternahmen wir es, analog den 
Versuchen an der Hefezelle durch E. Buchner, H. Buchner und 
M. Hahn, den Bakterienzellsaft zu isolieren und durch Zusatz geringer 
Lysinmengen die Anregung zur Lysinaktivierung zu versuchen. Wir 
kainen nach einer Reihe von Vorversuchen zu folgender Anordnung: 
Die zur Gewinnung von Bakterienprotoplasma bzw. Bakterienzellsaft 
nfitige Kultur (B. coli) wurde in 16-stfind. Bebrutung von 20 grofien 
Drigalski-Schalen erhalten. Der Kulturrasen wurde mit einem Platin- 
spatel trocken abgekratzt, nach dem Vorgange von M. Hahn und 
Cathcart sowie MaaBen in 10 ccm Azeton gebracht und nach gutem 
Aufschwemmen abzentrifugiert. Die Azetontrocknung wurde 2—3mal 
wiederholt. Dann wurden die Bakterien im sterilen Achatmorser mit 
frisch ausgegliihtem, feinstem Quarzsand in ganz kleinen Portionen 
(etwa gleiche Volumteile) kraftig verrieben, bis im mikroskopischen 
Bilde intakte Bakterien nur noch ganz vereinzelt nachweisbar waren. 
Die Mehrzahl war strukturell vernichtet, durch das ganze Bild zogen 
sich EiweiBniederschlage. In einigen Versuchen gaben wir dann, analog 
dem Vorgehen von Buchner und M. Hahn, Kieselgur hinzu. in an- 
deren die entsprechende Menge Quarzsand, um Adsorption etwa in Frei- 
heit gesetzter Fermente durch Kieselgur zu vermeiden. Das Gewicht 
des Bakterienquarzsandgemisches betrug etwa 8 g. Die pulverartige 
Masse kam in einen StahlpreBzylinder mit zylindrischer Bohrung, dem 
jedoch. entgegengesetzt den Apparaturen von Buchner und Wolff- 
Eisner, der AbfluB fehlte. Die Zusainmenpressung erfolgte mittels 
eines Stahlstempels in der hydraulischen Presse. Wir gingen in unseren 
Versuchen bis zu Drucken von 4000 AtmosphSren, d. h. weit hinaus 
fiber die KrSfte, die Buchner und Hahn zur Isolierung der Zymase 
benotigten (500 Atm.), da das gleichzeitig mit der Kompression abge- 
nommene Diagramm ergab. daB das Maximum der Zusammendrfiekbar- 
keit des PreBkuchens erst bei etwa 3000 AtmosphSren erreicht war. 
Der Druckanstieg wurde zum Ausgleich etwaiger Temperaturerhohungen 
— die, wie bemerkt sei, nie merklich waren — langsam geleitet. 
4000 AtmosphSren waren nach 20 Min. erreicht und wurden 5 Min. auf 
dem Stempel belassen. Das zusanunengepreBte, tablettenartige Bak- 
terienquarzsandgemisch zeigte keinerlei Feuchtigkeit; die ausgetretene 
Zellflfissigkeit war von dem staubartigen Pulver aufgesaugt. 

Die Auswaschung erfolgte mit verschiedenen Medien wahrend 1 j. 2 bis 
1 Std. im Drehschuttelapparat (0,85 - proz. Kochsalzlosung, Bouillon 
Ph 7,6, m/15 Phosphatpuffer voin Ph = 5,0; 6,0; 7,0; 8,0); an sie scbloB 
sich die Filtration durch de Haensche Membranen (0,65 //) oder die Aus- 
schleuderung in der elektrischen Zentrifuge (3000 Touren, 20 Min.) an. 
Die so gewonnenen BakterienpreBsafte wurden mit einer Lysinmenge 
versetzt, deren Inhalt an aktiven Teilchen genau bekannt war, und 
darauf in verschiedenen Intervallen, bis zu 48 Std., Proben zur 
Untersuchung auf Vermehrung der Lysine entnommen. In einigen 
Versuchen wurde nach 4-stiind. Einwirken des Lysins auf die PreB- 
s&fte 0,1 ccm vom PreBsaft mit dem Ph 5,0 in 0,9 ccm Pufferlfisung 
mit dem ph 7,2 fibertragen und diese Losung nach 2-stfind. Bebrtitung 
geprfift. 

Erttc Abt. Orig. Bd. 91. Heft 1. 2 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 91. Heft 1. 


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Unsere PreBsaftversuche sind bisber negativ verlaufen. Es ist uns 
nicht gelungen, durch die Zertriiinmerung der Bakterien mit nachfolgen- 
der Anwendung hoher Drucke im Bakterienzellsaft eine Lysinverraehrung 
in Abwesenheit lebender Bakterien zu erreichen. Wir halten jedoch 
diese Versuche noch nicht fur abgeschlossen, da die Methodik noch 
mancherlei Mangel aufweist (fehlende Variation des Alters der verwen- 
deten Kultur, elektrostatische Einfliisse bei den Auswaschungen usw.). 
Ehe nicht auch diese Faktoren in weiteren Untersuchungen beriicksichtigt 
worden sind, konnen wir bei deni augenblicklichen Stande unserer Zell- 
preBsaftuntersuchungen noch keine endgiiltige Aussage darflber machen, 
ob zur Lysinerzeugung eine Bakterienvermehrung notwendig ist oder 
nicht. 


VI. 

Fur die genaue Auszahlung der Lysinteilclien bewahrte sich folgeude 
deni Ottoschen Auftropfverfahren und der von Seiffert angegebenen 
Methode nachgebildete Technik, die den Gehalt eines Lysins an wirk- 
samen Teilchen quantitativ zu bestiinmen erlaubt. 

In gewohnlichen, 100 Teilstriche aufweisenden 1 ccm-Pipetten wird 
von der auf Lysine quantitativ zu untersuchenden und entsprechend 
verdiinnten Bouillon bis zu einem Grenzstrich aufgesogen. Es empfiehlt 
sich, Verdiinnungen zu w&hlen, die weniger als 100 Teilchen in 0,05 ccm 
enthalten. Vor dem Auslauf ist darauf zu achten, daB sich am AusfluB 
keine Luftblasen befinden. Um die auBen an der Pipette herabgelaufene 
Fliissigkeit zu entfernen, wird die Spitze an der sterilen Deckelinnen- 
seite der Petri-Schale abgestrichen, sodann 0,05 ccra als Tropfen etwas 
entfernt vom Rande auf die frisch mit Bakterien bespatelte Agarflache 
gesetzt, worauf man die letzte nicht mehr spontan abtropfende Flussig- 
keit durch Beriihren des auf dem Agar befindlichen Tropfens zum Ab- 
reiBen bringt. Leichtes Neigen der Platte, ohne daB der Tropfen die 
gegeniiberliegende Glaskante erreicht. Notwendig ist, daB die Tropfen- 
spur spatestens nach 20 Min. eingezogen ist, weil sonst durch Ab- 
schwemmung von Bakterien und Vereinigung mit Lysinen uniibersehbare 
Vermehrungen auftreten. Es kommt dann an umschriebenen Stellen zu 
volliger Zerstorung des Rasens (d’Herelles Agglutinationen?), wahrend 
andere Teile in der Tropfenspur ununterbrochenes Wacbstuui zeigen. 
Eine richtig behandelte Platte laBt eine durchaus gleichmaBig verteilte 
Lochbildung erkennen. Man erreicht dies durch etwa 1 —2-stiind. Trocknen 
der frisch gegossenen Agarplatten auf Chlorcalciumschalen nach Rhein. 
Die Auszahlung der Locher nahmen wir im Lichtkegel eiuer Falken- 
thal-Lampe vor; in dem Lichtkegel der Lampe sind auch kleinste 
Locher leicht zahlbar. 

Wir mochten diese Methode zur Bestimmung der absoluten Teilchen- 
zahl neben der Anwendung derjenigen von A pp el m an s und W er t he- 
mann empfehlen, da es einerseits Lysine gibt, die im Bouillonversuch 
bei Brutschranktemperatur keine Losung verursachen, wahrend sie bei 
Zimmertemperatur einen Titer von 10~ G und mehr — nach Appelmans 
und W e r the m an n gemessen — erreichen, andererseits solche, die erst 
nach 48 Std. auflosend wirken. Sie konnen bei Nichtbeachtung der 
Temperatur- und Zeiteinfliisse dem Nachweis entgehen. Das Verfahren 
von Appelmans und Werthemann gibt mehr einen. Funktiouswert 
des Lysins, das unsere einen rein zahlenmaBigen an. 


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Gildemeister u. Herzberg, Ueber das d’Herellesche Phanomen. 19 


Zusammenfassung. 

1) Die fibertragbaren Bakterienlysine sind in ihrer Wirkung vom 
Sauerstoffpartialdruck unabhUngig. 

2) Es lassen sich bereits in 16-stiind., nur lmal filtrierten Bouillon- 
kulturen, die vordem nicht lytisch wirkten, Lysine nachweisen. 

3) Eine regelmaBige Erzeugung lytischer Substanzen aus Norraal- 
kulturen durch tagliche Ueberimpfung und Filtration ist bisher nicht 
geglflckt. Die M5glichkeit des regelmSBigen Nachweises von Spontan- 
lysinen bei jedem Stamme der Typhus-Ruhr-Coli-Gruppe wird fiir 
wahrscheinlich gehalten, vorausgesetzt, daB eine groBe Zahl von Test- 
stSmmen Verwendung findet. 

4) Die Umwandlung gewohnlicher N&hrfltissigkeiten verschiedener 
Zusammensetzung in solche mit lytischen Eigenschaften allein durch 
Filtration (Putter und Valien) oder die Reaktivierung von hitze- 
inaktivierten Lysinen durch Berkefeld - Filtration (Seiffert) ist uns 
nicht gelungen. 1-stiind. Sterilisierung der lysinhaltigen Kerzen im 
Dampftopf reichte in unseren Versuchen zur Vernichtung der lytischen 
Substanzen aus. 

5) Aus BakterienzellpreBsaft, gewonnen durch Zerreiben von Bak- 
terien mit Quarzsand und nachfolgende Anwendung von Drucken von 
4000 Atmospharen, laBt sich — vorliiufig wenigstens — keine Zellsub- 
stanz gewinnen, die durch Lysine aktiviert, d. h. zur Produktion lytischer 
Substanzen angeregt werden konnte. 

6) Es wird eine einfache, die Anzahl der lytischen Eiuzelteilchen 
feststellende Zahlmethode beschrieben, die auf deni von Otto und seinen 
Mitarbeitern angegebenen Tropfversuch beruht. 


Liter atuxverz eichni s. 

Bay liss u. Starling, Journ. of Physiol. Vol. 28, 30, 32. — Borchardt, Klin. 
Wocheuschr. 1923. S. 295 u. 791. — Buchner, E., Buchner, H., u. Hahn, M., 
Die Zymasegarung. 1903. — Delezenne u. Ledebt, Conipt. rend. Acad. d. sc. T. 175. 
1922. p. 779. — Doerr, R., u. Berger, Ztschr. f. Hyg. Bd. 97. 1922. S. 422. — 
Gildemeister, E., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 89. 1922. S. 18ti. — Hahn, 
M., u. Cathcart, Munch, med. Wocheuschr. 1902. S. 490. — Herzberg, Kurt, 
Centralbl. f. Bakt. Abt.. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 113. — KaOeshima, Compt. rend. 
Soc. de Biol. Tom. 83. 1920. p. 219. — Kimmelstiel, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 89. 1922. S. 113. — Kuhn, Ph., ebenda. Bd. 89. 1922. S. 199. — Kuttner, 
Proc. Soc. Biol. Vol. 18. 1920. p. 158. a. 222. - - Maalien, Arb. a. d. Kais. Gesund- 
heitsamt. Bd. 21. S. 378. — Otto, Munter u. Winkler, Ztschr. f. Hyg. Bd. 96. 
1922. S. 118. — Putter u. Vallen, Klin. Wochenschr. 1923. S. 339 u. 1072. — Sal- 
kowski, E., Ztschr. f. klin. Med. Bd. 17. Suppl. 77. — Ders., Praktikum d. physiol. 
Chem. 4. Aufl. 1912. — Seiffert, W., Ztschr. f. Hyg. Bd. 98. 1922. S. 482. — 
Ders., Med. Klin. Bd. 19. 1923. S. 833. — Turro, Compt. rend. Soc. de Biol. 
Tom 84. 1921. p. 60 , 290 , 375 , 435. — Werthemann, Arch. f. Hyg. Bd. 91. 
1922. — Wolff-Eisner, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 38. 1906. S. 385. — 
Haj6s, ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. S. 6S3. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Nachdruck verboten. 

Beitrag zur Kenntnis der Wunddiphtherie. 

[Aus dem Bakteriologischen Laboratorium des Stadt. Krankenhauses 
Moabit (Direktor: Prof. Lydia R abino witsch-Kempner).] 

Von Dr. Leonardo Radice, 

Asaiatent der 1. Chirurgiachen Klinik nnd des Unfallkrankenhauses in Neapel. 

Brunner war der erate, der nach der Entdeckung dea Diphtheriebazillus 6eiu 
Vorkommeu auch in Wunden festgestellt hat. Bei der Unterauchung von 100 granu- 
lierenden Wunden fand er 1892 3mal echte Diphtheriebazillen. 1899 wurden daun von 
Thorn, Sudek und Paw low ski Keime aua Wunden isoliert und ala Di.-iihnliche 
Bazillen bezeichnet. Fast 10 Jahre apiiter finden wir die Frage von Zullig, Deutsch- 
lander und daun im aclben Jahre aystematiach von Anschutz und Kiakalt in Kiel 
und von Weinert und Nieter in Mngdeburg bearbeitet. Die hohe Zahl der be- 
sonders aua Magdeburg berichteten Di-Befunde veranlaSte nunmehr zahlreiche Autoren, 
auch ihr Material einer genauen Priifuug zu unterziehen. So haben Laewen und 
Reinhard in 57 Proz. der Fiille, Hock in 13,7, Donges und Ehlfeldt in 22, 
Hoffmann in 15 Proz. positive Resultate zu verzeichnen. Balhorn fand in 6,52 Proz. 
aeiner Kraukenhaus- und in 8 Proz. der ambulanten Fiille. Rode in 5 Proz. echte 
Di. und in 15 Di.-ahuliche Bazillen; Adami in 0,65, Venturelli konnte bei 1629 
bakteriologischen Untersuchungen an Kriegsverwundeten nur einige Male Bazillen, die 
der Di. Gruppe gehorten, nachweisen. Kehl iat ea gelungen in 60 Fallen Pseudo-Di.- 
Bazillen zu iaoheren, nicmala aber echte Di. Harms berichtet. iiber 8 Fiille von Wund¬ 
diphtherie, die er im Laufe eines Jahres beobachten konnte. AuBer der Verachlim- 
meruug der Wunden hat Harms auch cine Verachlechterung des Allgeimeinzuatandea 
festatellen konnen. Leider vermisaen wir in den von Harms angofiihrten Fallen einen 
genauen bakteriologischen Behind. Diphtheromorphe Bazillen fand N i n n i bei 2 chirur- 
gischen Fallen nicht nur im Eiter, sondern auch im Blut. Wieting, Lichtenstein, 
Meyer, Spieth, die in den letzten 2 Jahren ihre Arbeiten veroffentlicht haben, er- 
hielten ahnliche Ergebnisae. Endlich berichtet Landau in einer erst vor kurzem er- 
schienenen Arbeit iiber positive Di.-Befunde in 31 von 170 der von ihm untersuchten 
Fiille (— 18,2 Proz.). 

Wie aus diesen kurzen Angaben zu ersehen iat, gelang es aiimtlichen Autoren Di. 
in den Wunden nachzuweisen, jedoch achwankt die Zahl der positiven Befunde (Wei¬ 
nert 58 Proz., Adami 0,65 Proz.). Wir unterlassen es, hier auf die Ursache der sich 
widersprechenden Befunde einzugehen, da diese Frage bereits dea Niiheren in den 
Arbeiten von Weinert, Dorn, Lubinaki, Landau sowie in der Arbeit meines 
Mitarbeiters GroSman n beaprochen wird. Betonen raochten wir nur, dall die von 
den eiuzelnen Beobachtern vorgenommetie Klassifizierung der gefundenen Keime kein 
einheitliches Bild bietet. 

Wahrend einige Autoren nach den klinischen und bakteriologischen Beobaehtungen 
behaupten, dab die in den Wunden gefundenen Bazillen zu der Klasse der echten Di.- 
Bazillen gehoren, haben andere geglaubt, eine scharfe Unterscheidung zwischen echten 
und Di.-ahnlichen Bazillen machen zu miiasen. 

Lubinaki hat zuerst eine systematische Priifung der von Wund-Di.-Fiilleu ge- 
wonnenen Kulturen unternommen. Er isolierte 59 Reinkulturen von Patienten mit 
granulierenden Wunden und fand, daB es sich 18mal um echle Di.- und 41mal urn Di.- 
iihnliche Bazillen handelte, die er als Para-Di.-Bazillen bezeichnete. 

In morphologiacher Beziehung beschreibt Lubinaki die Bazillen ala etwas kiirzer 
und plumper als echte Di. und mit runden Enden. Die Bazillen aiud grampositiv, 
meist die Neiaserschen Korperehen aufweiaend. Sie sind unbeweglich, pallisaden- 
formig und v-formig angeordnet, ohne Kettenbildung, nur liegen zuweilen 2 zusaminen. 
Die Para-Di.-Bazillen vergaren im Gegensatz zur echten Di. Saccharose und sind atets 
avirulent fiir Meerschweinchen.' 

Rohde spricht diesen Bazillen jede Beziehung zu den Di.-Bazillen ab, schlagt 
fiir sie die Bezeichnung Dermophilua vor, da er aie fiir identisch mit den auf der 
Haut und im Schleim gefundenen Stiibchen halt. Er unterscheidet 3 Typen: kurze, 
lunge Formen und Xerose-Bazillen. 


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Rad ice, Beitrag zur Kenntnis der Wunddiphtherie. 


21 


Um die Beziehungen der echten Di.- zu den Di.-Shnlichen Stabchen 
zu studieren, habe ich auf Anregung vonFrauProf.Rabinowitsch- 
Kempner, der ich fflr ihre Leituug zu Dank verpflichtet bin, es unter- 
nommen, eine Anzahl Stamme einer genauen Prufung zu unterwerfen. 

Die Kulturen wurden aus verschiedensten VVunden der chirurgischen 
Abteilung des Krankenhauses (Dir. Geh. Rat Borchardt) gewonuen. 
Ueber das Verhalten der verschiedenen Wunden wird mein Mitarbeiter 
Grofimann an anderer Stelle berichten, ich fflr meinen Teil mflchte 
mich nur auf die bakteriologischen Untersuchungen beschranken. 

Im ganzen wurden 400 Wunden untersucht, ein Teil tnehrmals in 
regelmaBigen Abstanden, so dab flber G50 Wundabstriche geprflft wurden. 
Die Ausgangskulturen wurden auf Loeffler-Serum angelegt, 24 bis 
48 Std. im Brutschrank gehalten, sodann morphologisch und kulturell 
weiter geprflft. Von diesen Stammen zeigten 20 die Eigenschaften der 
echten Di.-Bazillen. 

In 45 Wunden wurden Pseudo-Di.-Bazillen nachgewiesen, in 80 
andere, zur Di.-Gruppe gehflrende Stabchen, die wir gleich hier schon 
als die von Lu bin ski als Para-Di.-Bazillen gekennzeichneten Stabchen 
bezeichnen mochten. In 11 Wunden endlich haben wir sowohl Pseudo- 
als Para-Di.-Bazillen gefunden. 

Es war uns technisch unmoglich, sflmtliche gewonnene Stflmme 
gleich eingehend zu studieren, wir haben vielmehr aus der Ffllle unseres 
Materials 14 echte und 20 Di.-fihnliche Stamme herausgegriffen und diese 
dem eingehendsten Studium unterworfen. Die morphologischen Eigen¬ 
schaften wurden an ungefarbten (hflngenden Tropfen-Tuschepraparaten) 
und gefarbten (Grain-, Neisser-jPraparaten studiert. Zur Zflchtung 
bedienten wir uns der verschiedensten Niihrboden: Loeffl er-Serum, 
Agar, Bouillon, fltissige Nflhrboden (nach Lubinski) mit Maltose, Lavu- 
lose, Saccharose, Laktose, Dextrose, Galaktose und endlich Agar mit 
10 Proz. Natriumoleicum (nach Engering). Die pathogenen Eigen¬ 
schaften wurden an Meerschweinchen sowohl durch subkutane (Bouillon- 
kulturen oder Aufschweinmungen von Loelfler-Serum) wie durch 
intrakutane Impfung geprflft. 

Wir mochten gleich hier hervorheben, dab wir die (zuerst von 
Romer empfohlene) Intrakutanimpfung, besonders in der Form wie sie 
letzthin von den amerikanischen Autoren Car oil h Bull und McKee 
empfohlen wird, als sehr geeignet fflr die Versuche befunden haben. 
Man kann an jedem Meerschweinchen 4—6 Stamme prflfen. 

In Fallen, wo die Gewinnung von Reinkulturen durch Mischinfektion 
erschwert oder eine rasche Diaguosestellung erwiinscht ist, empfiehlt es 
sich, die Intrakutanimpfung nach dem Vorschlag von Force und Beattie 
selbst mit den Mischkulturen anzustellen. Von uns vorgenommene ver- 
gleichende Untersuchungen haben recht gute Resultate ergeben. 

In den meisten der von mir untersuchten Di-ahnlichen Kulturen 
handelte es sich um Stabchen, die pallisadenformig angeordnet, ofter 
auch in Gruppen oder zu 2 oder V-, L-, Y-formig gelagert waren. In 
einem einzigen Fall sah ich die so h&ufig beschriebene Lagerung gleich 
chinesischen Buchstaben. Die isolierten Stabchen waren sflmtlich un- 
beweglich, grampositiv und wiesen in ihrem Inneren meist Babes- 
Ernstsche Korperchen auf, die in ihrer GrflBe variabel waren. 

Die Bouillon erschien nach 24 Std. klar mit einem dflnnen Ilflutchen 
an der Oberflfiche, spflrlichem Bodensatz, der nach 48 Std. mehr oder 
weniger reichlich, schleimig oder fadenformig wurde. Auf Loeffler- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Serum zeigten alle von uns isolierten Kulturen eine iippige Entwick- 
lung schon nach 24 Std. Im Gegensatz aber zu den echten Di.-Bazillen 
war der weiBe Belag dichter, feuchter und weicher. 

Auf Agar mit 10-proz. Natriumoleicum blieb bei den echten Di.- 
Stammen das Wachstum vbllig aus, selbst wenn die Kulturen auch 
langere Zeit sich im Brutschrank befanden. Dagegen zeigten die Di.- 
ahnlichen Stamme eine charakteristische Entwicklung; nach 24 Std. 
kleine, punktformige Kolonie, deren Durchmesser %—■2 mm war. Die 
Kolonien sind blaB und zahlreich im tieferen Teil des Nahrbodens. 
Nach 48 Std. zeigen sich die punktformigen Kolonien stecknadelkopf- 
groB, oft zusammenflieBend, weiB, feucht erscheinend; sie bedecken die 
ganze Oberflache des Agars. Die vollkommene Entwicklung ist nach 
48—72 Std. erreicht. 

Nicht weniger wertvoll erwies sich ferner die Priifung der Stamme 
in den zuckerhaltigen, fliissigen NahrbSden. Wahrend unsere echten Di.- 
St&mme sowohl beim Zusatz von Saccharose und Galaktose nie eine 
Saurebildung zeigten (bei Maltose, Lkvulose und Dextrose war das Ver- 
halten inkonstant), zeigten unsere Di.-Bhnlichen Stamme stets eine starke 
Sduerung in Saccharose und ein schwankendes Verhalten in den anderen 
gepriiften Zuckernahrboden. 

Das Verhalten der SSurebildung gegeniiber entsprach der Entwick¬ 
lung der Stamme auf Natriumoleicum-Agar. Dem Ausbleiben der Saure¬ 
bildung in Saccharosenahrboden ging parallel das Fehlen des YVachs- 
tums auf Natriumoleicum-Agar, wahrend bei atypischen Fallen sowohl 
die Saurebildung in Saccharose wie das Wachstum auf Natriumoleicum- 
Agar positiv war. Der Natriumoleicum-Nahrboden hat uns bei der Dif- 
ferenzierung der Stamme besonders wertvolle Dienste geleistet. 

Wahrend die echten Di.-Stamme bei subkutaner Verimpfung an 
Meerschweinchen stets virulent waren und die charakteristischen Ver- 
anderungen hervorrieten, verursachten die Di.-ahnlichen Stabchen nur 
ein kleines Oedem an der Impfstelle, welches nach weiteren 24 Std. 
verschwunden war, eine leichte Drusenentziindung zuriicklassend. 

Die Intrakutanimpfung rief nur eine leichte Rotung der Haut mit 
linsengroBer Schwellung hervor. Nach 48 Std. war die Reaktion vor- 
uber, es stellte sich der normale Zustand wieder ein, nur an der Impf¬ 
stelle sah man oft noch ein reiskorngroBes, hartes Infiltrat, das nach 
einigen Tagen vollig resorbiert wurde. 

Die echten Di.-Stamme zeigten auch bei der Intrakutanimpfung 
einen charakteristischen Befund an der Impfstelle: Rotung und Schwel¬ 
lung nach 24 Std., Abschuppen der Epidermis nach 48 Std., kreisformige 
Nekrose nach 2—3 Tagen. 

Wie bereits an anderer Stelle berichtet wurde, haben wir, urn das 
Wesen der Diphtherieinfektion der Wunden und eine event. Umwand- 
lung der Diphtheriebazillen zu studieren, gemeinsam mit GroBmann 
Wunden mit echten Di. und Di.-ahnlichen geimpft. Wir haben dann 
zuerst taglich und dann in Abstanden die Stamme immer wieder heraus- 
gezuchtet und einer genauen Priifung unterworfen. Wir haben dabei 
gefunden, daB in manchen Fallen die echten Di. ganz allmahlich ihre 
charakteristischen Eingenschaften eingebiiBt und die der Paradiphtherie- 
Stabchen acquiriert haben. Gerade bei diesen Passagekulturen hat uns 
der Agar mit 10 Proz. Natriumoleicum besonders gute Dienste ge¬ 
leistet. Hatten wir z. B. raehrere Generationen uebeneinander, so 
konnten wir das Fehlen jeglicher Entwicklung in der 1. Generation, das 


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Radice, Beitrag zur Kenntnia der Wunddiphtherie. 


23 


fippige Wachstum z. B. der 6. Generation (nach Aufenthalt der echten 
Di. von 30 Tagen in der Wunde) und dazwischen alle Abstufungen ver- 
folgen. Entsprechend dem Wachstum auf Natriumoleicum-Agar war auch 
das Verhalten in den flussigen NahrbSden mit Zusatz von Saccharose, 
Maltose und L&vulose, das Ergebnis der Meerschweinchenimpfung und 
das morphologische Verhalten der Bazillen. 

Wir haben die allm&hlicbe Umwandlung der echten Di.-Bazillen nicht 
nur in den von uns geimpften Wunden feststelleu konnen, sondern hatten 
Gelegenheit, auch bei der Untersuchung spontan infizierter Wunden 
dieses Phanomen genauer in 2 Fallen zu studieren (eine Umwandlung 
von Para-Di. in echte Di. dagegen konnten wir nicht feststellen). 

Womit es zusammenhangt, daB in der einen Wunde die echten Di. 
a Is sole he weiter nachweisbar sind, bis ihre Zahl immer kleiner wird 
und sie, von anderen Keimen verdrangt, eines Tages verschwinden, in 
der anderen Wunde dagegen eine allmahliche Umwandlung sich genau 
verfolgen laBt, mtissen wir dahingestellt sein lassen. 

Von dem einen Fall (Dan.) haben wir in der Zeitspanne von 
26 Tagen (nach dieser Zeit wurde der Patient als geheilt entlassen) 
viele Stamme gewonnen und 5 Stichproben genau geprtift. 


Datum 

Maltose 

Lavulose 

Saccha¬ 

rose 

Laktose 

Dextrose 



Tierversuch 

subkut. 

Probe 

intrakut. 

Probe 

7. Febr. 1913 

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Im 2. Falle wiesen die nach 10 Tagen aus der Wunde gewonnenen 
Stamme nicht mehr die Eigenschaften der echten, sondern der Para- 
Di.-Bazillen auf 1 ). 

Fassen wir die von uns gemachten Beobachtungen zusammen, so 
ergibt sich, daB das morphologische Verhalten, die Anwesenheit der 
Babes-Ernst-K6mchen, die Entwicklung in Bouillon, auf Loeffler- 
Serum, keine durchaus zuveriassigen Mittel fiir die Differentialdiagnose 
von Di. oder Di.-ahnlichen Stabchen bietet. Auch die Versauerung der 
Saccharose versagt haufig, weil sie einerseits auch in den Di.-Kulturen 
vorhanden sein kann (Rohde), andererseits auch zuweilen bei den Di.- 
ahnlichen fehlt (bei unseren Stammen 3mal). 

Selbst die pathogenen Eigenschaften sind kein sicheres Kriterium, 
denn es gibt bekanntlich virulente und nicht virulente Di.-Stamme 
(Neisser), und es wurden von zahlreichen Autoren Bazillen beschrieben, 
die in bezug auf Morphologie und kulturelle Eigenschaften mit dem 
Loeffler-Bazillus identisch sind, jedoch immer als harmlose Sapro- 
phyten sich erwiesen. Um den richtigen Charakter der Di.-ahnlichen 
Stabchen und ihre Beziehungen zu den echten Di. zu kennzeichnen, 
wflrden wir, gleich Lu bin ski, vorschlagen, sie Para-Di.-Bazillen zu 
nennen. 


1) Ein auBfiihrlicher Bericht dieser Untersuchungen wird in den „Annali Ital. di 
Chirurg. Napoli 11 veroffentlicht werden. 


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24 


Ueutralbl. f. Bakt. etc. f. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 1. 


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Rohde glaubt, wie schon gesagt, daB sie eine andere Bezeichnung 
erhalten muBten, weil er sie als vollkommen harmlos in den Wunden 
befunden hat und weil er sie fiir identisch mit den Keinien erklart, die 
zuweilen als harmlose Schmarotzer auf der Haut nachweisbar sind. 

Allein, auch die echten Di. konnen unter Umstanden Schmarotzer 
der Haut sein. Fast alle Autoren haben beobachtet, dab der positive 
Befund der echten Di.-Bazillen nicht immer einera ungunstigen Krank- 
heitsverlauf entsprach. 

Auch unsere oben angefiihrten Untersuchungen haben gezeigt, daB 
wir haufig die in Wunden verimpften echten Di.-Bazillen als harmlose 
Saprophyten bezeichnen muBten, die zuweilen die Heilung der Wunde 
noch begiinstigt haben. Dieses gegenseitige Verhalten der echten Di. 
und der Para-Di.-Stdbchen miissen wir als eine nahe Verwandtschaft 
bezeichnen. 

Auch altere Autoren und neuerdings Landau haben auf die nalien 
verwandtschaftlichen Beziehungen der Di. und Di.-ahnlichen Bazillen 
hingewiesen. Auf die groBe Variabilitat der Di. und Pseudo-Di.-Bazillen 
haben bereits seit Jahren viele Autoren ihre Aufmerksamkeit gelenkt. 
Roux und Yersin machten bereits einen wenig virulenten Stamm 
virulent, indent sie ihn mit Streptokokken verbanden; Hewlett und 
Knight sowie Salter machten Pseudo-Di. virulent durch Vegelpassage, 
Landerdorff hat 1921 die Ergebnisse von Roux und Yersin be- 
statigt. Meader konnte spontane Veranderungen des Di.-Bazillus in 
Kulturen beobachteu. Cor ham ist der Meinung, daB Veranderungen 
moglich sind. Sie hangen von dem Immunitatsgrad der geimpften Tiere 
ab. Lubarsch beobachtete eine Umwandlung von Di.-Bazillen und 
Pseudo-Di.-Bazillen. Bernard und Paneth konnten den allmahlichen 
Uebergang von echten Di.-Bazillen in Pseudo-Di. feststellen. Jacobs- 
thal ziichtete durch eine besondere Methode aus Leichenblut Di.- 
Stamme verschiedener Virulenz. Er behauptet, die Umwandlung dieser 
Bazillen beginne im Organisinus der Menschen. Baerthleiu hat Um- 
wandlungen durch Zuchtung auf den verschiedenen Nahrboden fest¬ 
stellen konnen. 

Bezugnehmend auf unsere eigenen oben beschriebenen Versuche 
sowie auf die Ergebnisse der Untersuchungen anderer Autoren, mochten 
wir zwei scharf voneinander durch ihre biologischen Eigenschaften zu 
unterscheidenden Typen aufstellen: Den echten Di.-Bazillus und den 
Para-Di. Zwischen diesen beiden befinden sich verschiedene Uebergange. 

Es erscheint uns daher nicht ausgeschlossen, daB die Para-Di.- 
Bazillen, welche so haufig in den Wunden zu tinden sind, von echten 
Di. abstammen. 

Man konnte annehmen, daB sie als echte Di.-Bazillen in die Wunden 
geraten und dort mehr oder weniger rasch Umwandlungen unterworfen 
sind. So zeigen sie sich dem Beobachter haufig bereits nach der voll- 
zogenen Umwandlung - 

Wir wollen uns nicht auf Betrachtungen einlassen, warunt in einigen 
Fallen die Umwandlungen mit iiberraschender Schnelligkeit vor sich 
gehen, in anderen sehr langsain, wie wir es beobachten konnten. endlich 
in einer Anzahl von Fallen die Bazillen ihren Charakter unverandert 
beibehalten. Die Umwandlung wird wohl vom verschiedenen Grade 
der Empfindlichkeit oder von der naturlichen Immunitat fiir Di. ab- 
hangig sein. 



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Hage, Erfolge mit Blutkulturen beim Typhus durch liingere Bebriitung. 25 


Zusammenfassung. 

Fassen wir die Resultate unserer UntersuchuDgen noch einmal kurz 
zusammen, so ergibt sich: in den Wunden kommen sowohl echte Di. 
wie Di.-ahnliche StSbchen vor. Fiir die letzteren ist die Bezeichnung 
Para-Di. am geeignetsten. — Die spontan in den Wunden auftretenden 
Para-Di.-Bazillen konnen umgewandelte Di. sein. — Eine Umwandlung 
von Para-Di. in echte Di. konnte nie beobachtet werden. 


Literatnr. 

Adami, zitiert nach Landau.— Anschutz u. KiSkalt, Miinch. med. Wochen- 
schrift. 1919. S. 33. — Balhorn, Beitr. z. klin. Chir. 1921. S. 222. — Baerthlein, 
Verhandl. d. Mikrobiol. Gesellsch. (Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. 1913.) — Bernhard 
u. Paneth, ebenda. — Bull and Me Kee, The amer. Journ. of Hyg., Vol. 3. 
1923. Nr. 2. — Deutschlander, Ztschr. f. Chir. Bd. 115. 1912. — Dorn, Bonn, 
Ztschr. f. arztl. Fortbild. 1922. S. 326. — Donges u. Elfeldt, Dtsch. med. Wochen- 
schrift. 1919. S. 545, u. Bruns Beitr. z. klin. Chir. Bd. 3. 1923. S. 562. — Etige¬ 
ring , Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1922. S. 120. — Force and Beattie, 
The amer. Journ. of Hyg. 1922. p. 490. — Gorham, Journ. of Med. Res. Vol. 6. 1921. 
p. 201. — Harms, Miinch. med. Wochenschr. 1920. 8.513.— Hewlett and Knight, 
Trans, of Jenner Inst. Prev. Med. 1897. — Hock, Berl. klin. Wochenschr. 1919. S. 614. 

— Hoffmann, Dtsch. Ztschr. f. Chir. 1920. 8. 321. — Jacobson, ebenda. 1919. 
S. 124. — Jacobstal, zitiert nach Paneth. — Kchl, zitiert nach Landau. — 
Landau, Klin. Wochenschr. 1923. 8. 595, u. Arch. f. Chir. 1923. S. 716. — Lander- 
dorff, Ztschr. f. Infekt. der Haustiere. 1921. 8. 151. — Lawen u. Reinhard. 
Miinch. med. Wochenschr. 1919. S. 924. — Lichtenstein, Centralbl. f. Chir. 1921. 
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lnfektionskrankheiten“. — Lubinski, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. 1920. 
H. 2. — Meader, Journ. Inf. Dis. Bd. 25. 1919. p. 145. — Meyer, Ztschr. f. Hyg. 
1921. 8. 172. — Nieter, Miinch. med. Wochenschr. 1912. S. 239. — Ninni, La Ri- 
forma media. 1923. Nr. 8. — Paneth, Ztschr. f. klin. Med. 1922. — Powell, The 
amer. Journ. of Hyg. 1923. p. 107. — Rohde, Bruns Beitr. 1921. S. 132. — Roux 
et Yersin, Ann. de l’Inst. Past. T. 4. 1890. p. 7. — Salter, Trans, of Jenner Inst. 
Vol.2. 1899. p. 113. — 8chmid, Miinch. mea. Wochenschr. 1919. S. 70. — Schugt, 
ebenda. 1923. 8. 598. — Spieth, ebenda. 1921. S. 1146. — Sudek, Thorn, Paw- 
lowski, zitiert nach Lubinski. — Venturelli, Schoenfeld, Tin., Zara, 1920. 

— Weinert, Miinch. med. Wochenschr. 1918. Nr. 51, u. 1919. Nr. 9 u. 51. — Wie- 
ting, ebenda. 1919. Nr. 1. u. Centralbl. f. Chir. 1921. 8.1150. — Zullig, Brnns 
Beitr. Bd. 82. 1913. H. 3. 


Nachdruck verboten. 

Erfolge mit Blutkulturen beim Typhus durch langere 

Bebriitung. 

[Aus der Bakteriologischen Untersuchungsanstalt fiir die Typhus- 
bekampfung in Mitteldeutschland beim Hygieuischen Institut der Uni- 

versit&t Jena.J 

Von Dr. Hagc. 

Beim Typhus hat sich die Gallebouillonkultur als die beste Methode 
zum Bazillennachweis aus dem Blute erwiesen, besonders, wenn sie in 
den ersten Krankheitswochen zur Anwendung kommt und eine groliere 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Menge Blut in Gallebouillonrohrchen aufgefangeu wird. In der Praxis 
werden diese beiden Bedingungen aber nicht immer erfiillt, haufig wird 
das Blut den Untersuchuugsanstalten erst ill der 2. Oder 3. Krankheits- 
woche oder gar noch spater eingeschickt und nicht in groBerer Menge 
ungeronnen in Gallebouillon, sondern als kleiner oder kleinster Blut- 
kuchen oder in einem Tupfer aufgefangen. Natiirlich konneri dann die 
Untersuchungsergebnisse nicht ganz so giinstig sein. Mit geringen Blut- 
mengen muB sich die Untersuchungsanstalt aber abfinden und solange 
versuchen, aus dem eingegangenen Materiale das Bestmbgliche heraus- 
zuholen, bis die Kenntnis von der zweckmaBigsten Einseudung von 
Untersuchungsmaterial Allgemeingut der Aerzte geworden ist. Ira Kriege 
wurde nun die Beobachtung gemacht, daB bei Schutzgeimpften, die einen 
Typhus bekamen, die Blutkultur versagte, oder erst nach langerer Be¬ 
briitung als 2—3 Tage, die friiher als ausreichend angesehen wurden, 
ein Wachstum der Typhusbazillen zeigte. Es wurde angenommen, daB 
die durch "die Schutzimpfung hervorgerufenen Immunkorper erst von 
den Typhusbazillen iiberwunden werden miifiten und hierin die Ursache 
dieser Verzogerung zu suchen sei. Ob diese Ansicht vollig zu Recht 
besteht, erscheint zweifelhaft, zuraal die Ergebnisse bei Geimpften und 
Ungeimpften nicht iiberall gleichmaBig sind, Ledingham 1 ) hat z. B. 
gefunden, daB bei Schutzgeimpften und nicht Geimpften kein Unterschied 
hinsichtlich des Grades und der Dauer der Bakteri£mie vorhanden ist 
und Blutkulturen also in beiden Fallen gleich gute Ergebnisse ver- 
sprechen. Die Erfahrungen bakteriologischer Untersuchungsamter 
sprachen dafiir, daB durch eine langere Bebriitung der Blutkuchen auch 
bei Ungeimpften bessere Ergebnisse zu erzielen waren. — In dem Unter- 
suchungsamt Cuxhaven wurde von mir schon die Gallebouillon etwa 
8 Tage bebriitet, und das Gleiche war in dem Bakteriologischen Institut 
Jena (nach mundlicher Mitteilung von Geheimrat Abel) und vielleicht 
auch anderwdrts der Fall. Eine noch langere Zeit fortgesetzte Be¬ 
briitung von Blutkuchen oder Bluttupfern ist an einer Reihe von Ty- 
phusfallen, bei denen keine Schutzimpfung vorhergegangen war (nur in 
einem Falle eine Typhuserkrankung 6 Jahre zuvor), ausgefiihrt und hat 
folgendes Ergebnis gezeitigt. 

In der nachstehenden Tabelle sind nur positive Zuchtungen aufge- 
fiihrt und vermerkt, nach wievielstiindiger bzw. -tagiger Bebriitung die 
Bazillen nachgewiesen wurden. 

Wir sehen, daB in der 1. Ivrankheitswoche die Ziichtung der Typhus¬ 
bazillen vorwiegend schon nach 24-stiind. Bebriitung gelungen ist, aber 
auch noch eine Anzalil positiver Ergebnisse erst nach 48-stiind. oder 
langerer Bebriitung erzielt ist, sogar noch nach 15 und 18 Tagen (langer 
als 20 Tage ist die Bebriitung nicht fortgesetzt). Deutlicher wird der 
Unterschied in der 2. Krankheitswoche sowohl zugunsten der 48-stiind. 
als auch der langeren Bebriitung, die in einem Falle wieder erst am 
18. Tage erfolgreich war. In der 3. Krankheitswoche fiihrt fast in der 
Halfte der Falle erst die langere Bebriitung zum Ziele. Fiir die 4. Krank¬ 
heitswoche ist die Zahl der Falle zu klein, um Schliisse aus ihr ziehen 
zu kbnnen. 

Das gleiche Verfahren der lange fortgesetzten Bebriitung ist fiir 
eine Anzahl Blutproben angewendet, die schon in Galle aufgefangen 
eingeschickt wurden. Hierbei zeigte sich, daB die langere Bebriitung 


1) Lancet. 1921; rf. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 74. S. 41. 


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Hage, Erfolge mit Blutkulturen beim Typhus durch langere Bebriitung. 27 


Zahl dor 
Falle 

Krankheits¬ 

woche 

24-stiind. 

Bebriitung 

Bluttupfer oder Blutkuchen 

48-stiind. Bebriitung fiber 

Bebriitung langere Zeit 

23 

I 

15 

3 

5 3 Tage 1 





9 „ 

1 





10 „ 

1 





1-1 „ 

1 





18 * 

1 

32 

11 

16 

8 

8 8 „ 

2 





9 it 

1 





10 „ 

2 





14 „ 

2 





18 „ 

1 

23 

III 

8 

5 

10 5 „ 

1 





* V 

1 





10 , 

7 





12 „ 

1 

9 

IV 

4 

4 

1 13 „ 

1 


keinen Vorteil bot. Von 14 Fallen der 1. Krankheitswoche waren nach 
24 Std. 9. nach 48 Std. 4 und nach 3 Tagen noch 1 Kultur positiv. 
Von 13 Fallen der 2. Krankheitswoche waren nach 24 Std. 11, nach 
48 Std. 2 positiv, in einem weiteren Falle dieser Krankheitswoche war 
das Blut im Natriumcitrat aufgefangen und wurde in Gallebouillon nach 
24 Std. positiv. In der 3, und 4. Krankheitswoche wurden 2 Falle nach 
24 Std. und 1 Fall nach 48 Std. positiv. 

Von Paratyphus B-Kranken sind Blutproben nur von 7 Fallen der 
1. Krankheitswoche untersucht, von denen 5 Falle schon nach 24-stiind. 
Bebriitung, 1 Fall nach 48-stiind., und 1 Fall nach 8-tag. Bebriitung 
positiv wurde. Fiir die weiteren Krankheitswochen liegt nur noch 
1 Fall der 2. Krankheitswoche vor, der nach 24-stiind. Bebriitung po¬ 
sitiv war. 

In einer Anzahl der Falle lielien sich niehrfache Blutuntersuchungen 
bei demselben Kranken vornehmen. Bei 5 Kranken waren die Blut- 
kuchen negativ, bei erneuter Blutentnahme nach 2, 3, 4, und 2mal 
5 Tagen dagegen positiv. In 2 Fallen war die Ziichtung aus dem Blut- 
kuchen negativ, eine 5 Tage spater eingeschickte Blutprobe in Galle¬ 
bouillon dagegen positiv. In 1 Falle wurden sowohl aus dem Blutkuchen 
als auch aus dem gleichzeitig in Gallebouillon aufgefangenen Blute nach 
24-stiind. Bebriitung Typhusbazillen geziichtet, dagegen in einem weiteren 
Falle aus dem Blutkuchen erst nach 5-tag. Bebriitung, wahrend das 
gleichzeitig in Gallebouillon eingeschickte Blut schon nach 24-stiind. Be¬ 
briitung Typhusbazillen aufwies. 

Die Erklarung fflr die Verzogerung und erst nach langerer Zeit 
noch erfolgreichen Zfichtung der Typhusbazillen aus dem ungeronnenen 
Blute oder dem Blutkuchen ist wohl hauptsachlich in den angewendetan 
Mengenverhaitnissen zu suchen. Kir stein 1 ) hat lmal die Blutkuchen 
gewogen und dabei gefunden, daB die Aussicht des Typhusbazillenbe- 
fundes mit der Schwere bzw. Gr5Be des Blutkuchens nicht unerheblich 
wachst. Daneben mag die EinschlieBung und dadurch verzogerte Aus- 
keimung der Bazillen aus den geronnenen Blutkuchen noch eine Rolle 
spielen, wie auch die besseren, von Kir stein mit der Verdauung der 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 59. 


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28 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

Blutkuchen (lurch Trypsin gewonnenen Ergebnisse zeigen. (Hier sind 
keine Versuche mit der Verdauung der Blutkuchen angestellt, weil dazu 
ebenfalls groBere Blutmengen (1—2 ccm) notwendig sind.) Die Bak- 
terizidie des Blutkuchens kommt uur insoferu in Betracht, als durch sie 
jedenfalls nur an den dein Serum zuganglichen Stellen die Typhusbazillen 
abgetotet werden, im Inneren des Tupfers Oder Blutkuchens dagegen 
nicht. Jedenfalls ist aus den erzielten Ergebnissen zu entnehmen, daB 
das Auffangen des Blutes in Gallebouillon (oder in Galle und nachtrhg- 
lichem Zusatz von Bouillon) die beste Methode zur schnellen Ziichtung 
der Typhusbazillen ist, daB aber auch aus Bluttupfern und Blutkuchen, 
bei denen hiiufig nur sehr geriuge Mengen zur Untersuchung gelangen, 
noch in einer groBen Anzahl von Fallen, auch wenn keine Schutzimpfung 
vorhergegangen ist, besonders in der 2. und 3. Krankheitswoche, noch 
Typhusbazillen geziichtet werden konnen, wenn die Bebriitung iiber 
lSngere Zeit als 2—3 Tage fortgesetzt wird. 

Vielleicht liegt hierin die Erklarung dafiir, daB K us ter 1 ) fand, 
scheinbar seien die sogenannten Bluttupferrohrchen fur die kulturelle 
Weiterverarbeitung nicht zu verwendeu. 

Weiter wurde der Frage Beachtung geschenkt, ob die Hohe des 
Agglutinationstiters bei den zu den Bluttupfern oder Blutkuchen ge- 
horigen Seren einen Anhalt fiir die Aussichten der Ziichtung abgeben 
konnte, indem angenommen werden muBte, daB bei negativem oder in 
geringem MaBe positiven Widal als Ausdruck der erst beginnenden 
Typhuserkrankung eine groBere Anzahl Blutproben positiv und bei 
hoherem Agglutinationstiter, also langer bestehendem Typhus, das Urn- 
gekehrte der Fall sein miiBte. Die nachstehende Uebtrsicht gibt iiber 
die vorgenommenen Agglutinationen und die entsprechendim Ziichtungen 
AufschluB: 


Widal 

Zuchtung nach 
24 Std. 

Zuchtung nach 
48 Std. 

Ziichtung nach 
langerer Zeit', 

negativ 

7 

3 

5 \ 

1 : 50 

6 

_ 

2 V 

1 : 100 

4 

2 

4 V 

1 :200 

18 

5 

5 

1: 300 

1 

_ 

_ 1 

1 :400 

11 

6 

% 

5 „ 

1 :800 

1 

_ 


1 :1000 

— 

— 

1 t 

1 :1600 

— 

1 

_ ( 


\ 

Wir sehen, daB den negativen oder schwach positiven Seren durch- 
aus keine groBere Zahl der positiven Ziichtungen entspricht, als deuen 
mit einem hohereu Agglutinationstiter, aus der Hohe des Widals sind 
daher keine Voraussagen fiir eine eventuelle Ziichtung der Typh is- 
bazillen zu treffen. 

1) Hyg. Eundsch. 1908. 


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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutes beim Typhus exanth. 29 


Nachdruck verbolen. 

Ueber die Bakterien des Blutes beim Typhus exanthematicus. 

[Aus der Abteilung fur Epidemiologie des Instituts fur experimeu telle 
Medizin in Petersburg (Leiter: Prof. Dr. D. Zabolotuy).] 

Von Dr. K. (Sluchow und Z. Rosenbaum. 

1868 stellte Hallier (1) die ersten experimentellen Untersuchungen uber den 
Typhus exanth. an, die jedoch an strenger Oenauigkeit zu wiinschen iibrig liefien. 
15 Jahre daraui veroffentlichte Mott seine Forschungeu darfiber und 1888 taten 
Moreau und Cochez desgleichen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte liiBt sich eine An- 
haufung der Literatur fiber diese Frage beobachten. — In der Forsehung nach dem 
Kraukheitserreger entdeckte man im Blut, Uriu, in Exkrementen und auderen Organen 
verschiedene Bakterien und Protozoen. Unsere Arbeit ist jedoch nicht den Protozoen, 
sondern ausschliedlich den Bakterien gewidmet, und /.war nur vom serologischen Stand- 
pnnkt aus. — Die bakteriellen Befunde beim Typhus exanth. lassen sieh in 2 Gruppcn 
einteilen: Mikrokokken und Bazillen, resp. Diplobaziilen (aufier der Rickettsia Pro- 
wazeki). — Bis zur letzten Zeit gait es in der Bakteriologie als Regel, dad der Er- 
regerder betreffenden Krankheit unter anderem die Fahigkeit haben soil, sowohl mit dem 
8erum desselben Kranken, von dem er entnommen war, zu agglutinieren als auch mit 
den Sera von Kranken, die an der betreffenden Krankheit gelitten hatten. Von diesem 
Standpunkte ausgehend, betrachteten viele Autoren gewisse, Flecktyphuskranken ent- 
nommene Bakterien als Krankheitserreger und die Literatur ziihlt bereits mehrere Ar- 
beiten auf, die solehe „Pseudoerreger“ verschiedenster Form beschreiben (vom klein6ten 
Micrococcus bis zum Htfibchen), und zwar mit verschiedenen Agglutiuationstitcrn 
und auf verschiedenen Nahrboden kultiviert. Schon diese Mannigtaltigkeit liiBt die 
Richtigkeit der „Funde“ bezweifeln. Den hochsten Agglutinationstiter zeigt der 1915 
entdeckte Proteus X 19, dessen Titer sich mitunter der Zahl 1:100U00 niihert und 
sie sogar ubersteigt. — Unter den bakteriologischen Befunden beim Typhus exanth. 
sind die Bazillen von Rabinowitzsch, Kfirth, Beresneff (2), von fciawateeft u. 
Locho w (3), Nedrigailoff (4), die Mikrokokken von Le vaschof f (5), Mats chi usky , 
Goldenstein (6) und Czernel (7), sowie das anaerobe Stabchen von Plotz 
und Olitzky (8) zu erwiihncn. Samtliche aufgezahlten Bakterienstamme warden 
mit den Seris der Flecktyphuskranken in der Potenz von 1:40—1:2000 und hoher 
agglutiniert. Diese morphologisch oft ganz verschiedenen Htamme, die unter ungleicheu 
Bedingungen gewonnen waren, besafien alle die Fahigkeit, mit dem 8erum der Fleck¬ 
typhuskranken zu agglutinieren. Czernel halt alie diese scheinbar verschiedenen 
Bakterien fur polymorphe Formen eines Erregers. Jedoch ist dies sehr zweifelhaft, 
und zwar uni so mehr, als diese verschiedenen Stamme sich nicht nur durch ihre Form, 
sondern auch durch ihr Verbiiltnis zur Gram- Farbung, zum anaeroben Wachstum, 
den verschiedenen Nahrboden usw. unterscheiden. Im Laufe dieser Arbeit wird die 
Haltlosigkeit der Ansicht v. Czernel noch bewicsen werden. Nach Fri ed berger (9) 
ist der Typhus exanth. ein Sammelbegriff. Er versteht darunter von verschiedensten 
Ursachen hervorgerufene Erkrankungen und ist der Ansicht, dad in jetiem einzelnen 
Krankheitsfalle ein besonderer Erreger zu finden sei, was so paradox ist, dad eine Er- 
widerung fiberflfissig erscheint. Jedenfalls mufl angenommen werden, dad die von den 
verschiedenen Autoren entdeckten Bakterien nicht zu ein und derseibcn Klasse gehOren, 
obwohl ihnen gewisse gemeinsame Eigenschaften zukommen, wic z. B. die Agglutination 
mit den Seris der Flecktyphuskranken. 

In der Mitteilung von Prof. D. Zabolotny und Dr. A. Beloussoff fiber ihre 
gemeinschaftlichen Forschungeu in Galizien 1914—15 heidt es unter anderem: „E» 
lassen sich bei der Blutaussaat oft Mikroorganismen entdecken, die eine komplizicrte 
Infektion verursachen und die Entstehung von spezifischen Antikorper im Blut der be¬ 
treffenden Kranken hervorrufen konnen.“ 


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30 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 91. Heft 1. 


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Seit tier zweiten H&lfte des Jahres 1918 haben wir auf Aufforderung 
von Prof. D. Zabolotny zahlreiche Blutuntersuchungen bei 
Flecktyphuskranken angestellt und mikroskopisch einzelne Ge- 
webestiickchen der an dieser Krankheit gestorbenen Individuen unter- 
sucht. Die vorliegenden Mitteilungen stellen nur einen Teil der 
Gesamtarbeit dar. Das Untersuchungsmaterial stammt aus den Petro- 
pawlowsky- und Botkinsky-Krankenhausern, vor allem aber dem 
255. Stadtlazarett in Petersburg. Die klinische Diagnose war vorher 
festgestellt. Wir untersuchten nur Kranke, die untrugliche Kennzeichen 
des Flecktyphus zeigten. Das Blut wurde zwischen dem 3.—22. Krank- 
heitstage (durchschnittlich am 7.— 9. Tage) mittels steriler Rekordspritze 
aus der Cubitalvene genommen. Ein Teil desselben wurde auf ver- 
schiedene Nahrboden ausgesat, der Rest zur Koagulierung gebracht 
oder zentrifugiert und das Serum zur W ei 1 - Felix- Reaktion verwendet 
(s. Mitt. a. d. Konferenz iib. d. Typhus exanth. am 16. Febr. 1920). 

Das Blut wurde zuerst auf gew. Bouillon, Aszites und physiol. 
NaCl-Losung ausgesat. Sp&ter wurden die Nahrboden modifiziert, z. B. 
Bouillon + Aszites im Verhaltnis von 3 :1 oder 3:2, und zur Bouillon 
wurden kleine Mengen von Lezithin und Natrium phosphatum zugefiigt. 
AuBerdem benutzten wirhalbkoagulierteBlutsera(nach Schereschewsky) 
und Pferdeblutsera, denen Vs Salzlosung beigemischt war; auch Gallen- 
bouillon wurde gebraucht. 

Die anaerobe Aussaat nach Plotz wurde folgendermaBen dosiert: 
2 Proz. Agar, Aszites oder Bouillon und 2 Proz. Zuckergehalt, 

1 Proz. S&uregehalt. 


Tabelle 1. 


Die Ergebnisse der Blutaussaat der Fleck ty ph u sk ran ken. 


Zahl der 
Kranken, mit 
deren Blut 
die Aussaat 
gemaeht 
wurde 

Prozentzahl 
der positiven 
Resultate 
in bezug zur 
Gesamtzahl 
dcr Kranken 

Ge¬ 

samt¬ 

zahl 

der 

Aus¬ 

saaten 

Der bakterielle Behind 

Prozent¬ 
zahl der 
posi¬ 
tiven 
Aus¬ 
saaten 

Prozent¬ 
zahl der 
negativeri 
Aus¬ 
saaten 

Mifl- 

lungene 

(verun- 

reinigtel 

Becken 

Stiib- 

chen 

Sumrne 

194 

64 Proz. 

642 

68 

22 

90 

14 Proz. 84 Proz. 

i 1 

2 Proz. 
(13 Falle) 


Was die fliissigen Nahrboden anbetrifft (Bouillon, Aszites, physiolog. Salz- 
losung), so wurden sie in gewbhnlichen Reagenzgliisclien a 10—12 ccra verteilt. Jedem 
Rohrchen wurde alsdann etwa 1 ccm Blut (oft weniger) zugesetzt. Spiiter nahnien wir 
Erleniueyer- Kolbchen von 60—80ccm lnhalt, dem 1—5 ccm Blut hinzugefiigt wurden. 
Die fiir aerobes Wachstum bestimmten fliissigen und halbfesten Nahrboden wurden 
mit aller Vorsicht am Krankenbett besiit, bei 37° C in den Brutschrank gebracht 
und nach Ablauf von 1—3 Tagen wurden die Ergebnisse notiert. — Die Aussaaten 
nach Plotz erfolgten im Laboratorium, wohin das Blut in Erlenmeyer-Kolbcn ge¬ 
bracht wurde. Letztere waren mit Glaskiigeichen versehen, mit denen das Blut vor 
der Aussaat defibriniert wurde, oder es wurde in die Kolben eine geringe Meuge von 
zitronensaurem Natrium hinzugefiigt. — Die anaerobe Aussaat (nach Plotz) erfolgt 
folgendermaBen: es wurde in 15 ccm groBe Reagenzglaschen 2-proz. Zuckeragar von 
0,9—1,1 Sauregehalt verteilt. Darauf wurde das Medium erwarmt und wieder bis 40° 
bis i45° erkalten gelassen, worauf ca. 5 ccm Aszites zugegossen wurden, der keine 
Galle entbalten sollte, und sorgfaltig auf seine aerobe und anaerobe Sterilitat gepriift 
worden war. Nun wurden mit einer sterilen Pipette 2—5 ccm Blut hinzugefiigt, der 
besiite Agar schnell erkaltet und mit gewohnlichem Agar iiberschichtet, der die Aussaat 
vor eventuellem Eindringen der Luft schiitzen sollte. Die Bebrutung geschah, wie 



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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutes beim Typhus exanth. 31 


gewohnlich, bei 36 °—37° C und die Beobachtungen erfolgten im Laufe von 20—25 Tagcn. 
Aussaaten mit bloBem Blut der Kranken wurden unter Hinzufiigung von Hirudin (urn 
Koagulieren zu vermeiden) gemaeht. Das Hirudin bezog ich im trockenen und nicht 
sterilem Zustande, weshalb ieh gcnoiigt war, es in physiol, balzlosung aufzulosen und 
letztere durch eine Chamberland-Kerze zu filtneren. Eine kleine Menge des be- 
treffenden Filtrates wurde nun in die Erlenmeyer-Kolben gebracht, in denen das 
Blut ausgesat weiden sollte. Das mit Hirudin verseliene Blut (in Mengen von 5—12 ccm), 
welches wirklich nicht koagulierte, wurde, wie gewohnlich, in den Bruischrank gebracht 
und beobachtet. Aussaaten mit Hinzufiigung von zitronensaurera Natrum erfolgten in 
derselben Art und Weise wie beim Gerudin. — Die Aussaaten auf Gallenbouillon im 
Verhaltnis von 3:1 wurden in Erlenmeyer-Kolben mit 35—40 ccm des Mediums, 
und 3—4 ccm Blut gemaeht. Parallel den Aussaaten wurde das Blut stets im Ultra- 
mikroskop untersucht. 

Im ganzen wurde das Blut von 202 Kranken untersucht und 
bei manchen wurden die Blutproben wiederholt. Wie erw£hnt, wurden 
nur typische Kranke untersucht, bei denen Ausschlag und hohes Fieber 
deutlich ausgesprochen waren, und die keine anderen Entziindungs- 
erscheinungen an sich trugen, worauf besonders geachtet wurde, weil 
man beim Komplizieren der Infektion, z. B. mit Pneumonic, im Blute 
ofters groBe Mengen von Kokken und anderen Bakterien findet. Die 
Beobachtung der Aussaaten auf tiiissigen und halbfesten Medien erfolgte 
vom 1. Tage an. Sobald sich die geringste Veranderung oder Triibung 
des Mediums zeigte, wurden mikroskopische Praparate mit Doppelfar- 
bung (Gram und Fuchsin oder Methylenblau) angefertigt. 

Wurden im Praparate Bakterien im Laufe der ersten 24 Std. ent- 
deckt, so vermutete man Keimung, weshalb der Fall besonders sorg- 
faltig kontrolliert wurde. Im groBen ganzen fanden sich nur einzelne 
Verunreinigungen. Tabelle 1 faBt alle Funde und Keimungen zu- 
sammen. In 46 Proz. aller Fdlle (nach Tab. 1) wurden im Blute der 
Flecktyphuskranken die verschiedensten Bakterien entdeckt. Nahezu 
dasselbe Prozentverhiiltnis zeigten auch die Untersuchungen von Ro¬ 
senberg (10) 32 Proz. — Ich isolierte im ganzen 11 St&mme, die 
von Leris der Typhuskranken agglutiniert wurden, und 6 Stamme, die 
sich nicht agglutinieren liefien. Auf fliissigen und halbfesten Medien 
(wie Bouillon, Bouillon-Aszites und Bouillon + Lezithin -f- phosphorsaures 
Natrium, halbkoagulierte Blutsera mit und ohne Salzlosung) zeigte sich 
Wachstum der Bazillen meistenteils bereits am 3.-4. Tage. Gewohnlich 
trfibte sich die Aussaat in den ersten Tagen etwas, um spSter sich 
wieder aufzuklSren (Falle mit Mikrokokken), oder die Triibung nahm 
zu (bei Stabchenwachstum). KlSrte sich die Triibung am 3.—4. Tage 
auf, so muBte die Kultur sofort iiberimpft werden; denn, wo dies nicht 
geschah, war am 7.—10. Tage die Ueberimpfung nicht mehr moglich, 
da die Bakterien eingingen. 

Ich stellte wiederholt folgende Experimente an: angenommen, daB 
Reagenzglaschen A und B gleich iippiges Wachstum einer morphologisch 
durchaus ahnlichen Bakterienrasse zeigten, klart sich nach Verlauf von 
3—4 Tagen das Medium auf. Die Kultur aus A wird auf festen N&hr- 
boden iiberimpft, nicht aber die aus B. Nach 4, 5, 6 Tagen werden 
Kontrollirnpfungen und mikroskopische Untersuchungen gemaeht. In 
den ersten 5—7 Tagen sind Ueberimpfungen aus B noch moglich. spiiter 
nicht tnehr und die mikroskopischen Praparate zeigten iramer eine ge- 
ringere Anzahl von Bakterien. Am Ernie der 2. Woche war bereits 
keine Spur von Bakterien mehr zu finden. Dagegen blieben die Kul- 
turen in den Reagenzrbhrchen, in denen die Triibung crescendo zunahm, 
weit liinger am Leben. 



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32 


Centralbl. t. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 1. 


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Die Ueberiinpfung vom flussigen Medium wurde anfangs auf ge- 
wbhnlichen Agar gemacht, bis ich sah, daB mehrere Bakterien sich auf 
diesem Nahrboden nicht kultivieren lassen. Nun sate ich parallel auf 
Blut- und Aszitesagar halbkoaguliertes Blutserum und nach Loeffler, 
wodurch es mir gelang, noch einige Stamme zu isolieren. 

Was das anaerobe Wachstum nach Plotz anbetrifft, so beobachtete 
ich nach Verlauf der ersten 5—6 Tage Koloniewuchs, 2 cm hoch iiber 
dem Niveau des Agars. Jedoch entwickelten sich bei dieser Methode 
von 20 Aussaaten nur 2 zu regelrechten Kolonien. Im 1. Falle iso- 
lierte ich ein Stabchen. Die Kolonie, der er entnommen wurde, sah 
der von Plotz beschriebenen sehr ahnlich; das Stabchen selbst ging 
in der 2. Generation zugrunde. 

Im 2. Falle zeigten sich am 8. Tage in einer Tiefe von 4 cm von 
den Reagenzglaschenwanden iuteressante, entschalteu Buchweizenkornern 
ahnliche Kolonien mit opaker Farbung und dreiseitigen Konturen. Der 
Querschnitt glich einem dreiseitigen Prisma Oder einem Stern. Der 
Blutagar war 2—3 mm in der Umgebung der Kolonie stark verandert, 
aufgeklart und das Blutpigment total verschwunden. Im Wachstum und 
der Veranderung der Medien glichen auch diese Kolonien den von 
Plotz beschriebenen. 

Das Reagenzrohrchen wurde abgebrochen, und, urn die Kolonien 
zu erhalten, wurden aerobe und anaerobe Ueberimpfungen auf gewohn- 
lichem-, Blut- und Zuckeragar gemacht (letzteres nach Omeljan sky). 
AuBerdem wurden verschieden gefarbte mikroskopische Praparate ange- 
fertigt. Es zeigte sich dabei, daB die zierlichen, „buchweizenkornigen u 
Kolonien aus ziemlich groBen Kokken bestanden, die unter aeroben und 
anaeroben Bedingungen ein weiBliches Hautchen entwickelten, gram- 
negativ waren und mit den Seris der Flecktypbuskranken nicht agglu- 
tiniert wurden. 

Mit einer Platinose der unverdiinnten Kultur wurde eine weiBe 
Versuchsmaus ins Cavu/n peritonei infiziert. Nach Ablauf von 14 Tagen 
war das Tier noch wohlauf und gesund und reagierte iiberhaupt sehr 
wenig auf diese Injektion. Ich bin absichtlich naher auf das Isolieren 
der Stamme nach Plotz eingegangen, weil es im Laufe meiner Arbeit 
noch erwahnt werden wird. 

Das Blut war, wie erwahnt, 202 Kranken entnommen worden, bei 
8 wurde keine Aussaat gemacht. Anfangs wurde auf je 3 Nahrboden 
ausgesat und im ganzen wurden 642 Aussaaten auf den verschiedenen 
Medien gemacht. Tabelle Nr. 2 zeigt uns die Ergebnisse. 


• Tabelle Nr. 2. 

Die Zahl der Aussaaten auf verschiedenen Nahrboden. 


Gesamtzahl der 
Kranken, deren 
Blut versiit 
wurde 

As- 

zites 

Bouillon| 
(Bouillon -f 
Lezithin und 
ahnl.) 

Physiol. 

Salz- 

losung 

Gi- 

rudin 

Zitronen- 

saures 

Natrium 

Biut-: 
serum 

Nach 

Plotz 

Ge¬ 

samtzahl 

194 Kr. 

194 

194 

194 

21 

11 

8 

20 

642 


Die 17 isolierten Bakte/ienstamme wurden nun auf ihre Agglu- 
tinabilitat mit den Seren der Typhuskranken gepriift (positiv zeigten 
sich 11 Stamme) und, falls der betreffende Stamm nicht unter 1 :40—50 
reagierte, wurden mit ihm weitere Untersuchungen angestellt (auf ver- 


Gocgle 


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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutes beim Typhus exanth. 33 


schiedenen Medien und auch an Versuchstieren). Aus Mangel an Tieren 
wurde nur an weiBen Mausen experimentiert und zwar, in sehr be- 
scheidenem MaBstabe. Erwiesen sich einzelne Bakterienstamme bei der 
Priifung auf verschiedenen NShrbdden als identisch, so wurden die 
SchluBuntersuchungen nur mit einem Vertreter der identischen Stamme 
ausgefiihrt (ausgenommen Nr. 171, 173 und 174). Die Zusammen- 
fassung aller Ergebnisse der Isolation und Agglutination der einzelnen 
Bakterien zeigt Tab. 3, in der auch die verschiedenen Reaktionen 
des Tierorganismus auf die Injektion der einzelnen Stiunme eingezeichnet 
sind. Sie zeigt, daB auBer Nr. 171, 173, 174, die einer Bakterienrasse 
angehoren, die iibrigen Funde sich morphologisch, wie auch in ihrem 
Wachstum auf den Medien, besonders auf verschiedenen Zuckern, festen 
und flfissigen (Barsikoff)-Substanzen, grundverschieden verhielten. 

Diese Tabelle beweist am besten die Unrichtigkeit der Ansichten 
von Czernel. Die von mir aus dem Blute der Typhuskranken iso- 
lierten Bakterien, deren U-StSmme die Serumreaktion gaben, wurden 
mehrmals auf ihre Agglutinabilit&t geprilft, und zwar wurde jeder ein¬ 
zelne Bakterienstamm mit 3—7 Seris von verschiedenen Kranken agglu- 
tiniert und gab best&ndig positives Resultat in verschiedenen Verdun- 
nungen. Tabelle Nr. 4 zeigt die Ergebnisse meiner Untersuchungen, 
wobei die hochsten Verdiinnungen angegeben sind. Die betrefl'enden 
Bakterienstamme wurden ebenfalls mit den Seren anderer (nicht Typhus- 
kranker) auf ihre Agglutinabilitat geprflft, und zwar mit den Seris von 
3 Dysenterikern, Tuberkulosen, gesunder Menschen wie auch mit denen 
von toten, an Hirngeschwulsten gestorbenen Menschen (im ganzen mit 
5—6 verschiedenen Seris). Sftmtliche gezilchteten Bakterienstamme 
reagierten negativ auf alle diese fremden Sera, mit Ausnahme von 
Nr. 187, die mit einem Dysenterieserum agglutinierte (1:20). (Siehe 
Tabelle Nr. 4, S. 38.) 

Meine 11 Bakterienstamme lieBen sich mit den Typhusseris in einem 
Titer von 1:40—1:2000 agglutinieren; die Moglichkeit eines hoheren 
Titers ist nicht auszuschlieBen, da groBere Verdiinnungen nicht gemacht 
worden sind. Morphologisch sind die einzelnen Stamme (auBer den 3 
erwahnten Nummern) so verschieden, daB ihre Zugehbrigkeit zu ein und 
derselben Rasse, trotz Czernel, unmoglich ist. 

Auf Grund der vielfaltigen Untersuchungen auf den verschiedensten Nahrboden 
und des Verhaltens zu den Versuchstieren (Mause) kann es sich (wie Tab. 3 zeigt) 
bei Nr. 17 nur um den Streptococcus liquefaciens ilei handeln, der zuerst von 
Macfadven, Nencky und Sieber beschrieben worden ist, die ihn im Safte einer 
Dunndarmfistel beim Menschen entdeckten; er wurdeabererstspater von Jakowsky (11) 
genau beschrieben (Arch. f. biol. VVissensch. Bd. 1. 1892. H. 3. S. 574). Bei Nr. 127 
handelt es sich um den Bac. liquefac. ilei, der von denselben Autoren wie Nr. 17 
beschrieben worden ist; Nr. 127, ist Hausers Proteus 19 x (12), Nr. 171 ein Stab 
chen, das dem v. Rabinowitsch beschriebenen Tvpus ahnlich ist (14). Nr. 173 
und 174 sind mit Nr. 171 vfillig identisch. Die Diagnose von Nr. 187 konnte wegen 
Mangels an Literatur nicht festgestellt werden. Nr. 189 ist ein dem Rabinowitschscnen 
Bazilius ahnliches Stabchen, wahrend Nr. 198 keinem der bisher bekannten Stabchen 
ahnelt. Nr. 199 ist der Diplococcus albus in testinorum, der zuerst von 
Jakowsky beschrieben worden ist (Arch. f. biol. Wissensch. 1892. S. 5(52), Nr. 202 ist 
dem Paratyphus B sehr ahnlich, doch steht die Diagnose noch nicht fest. 

Die kulturellen Merkmale eines Teiles dieser Bakterienstamme, wie 
Nr. 17, 127, 127 x , 199, beweisen, daB es sich unbedingt um Darm- 
bewohner handeln muB, die als solche bereits beschrieben waren. Ein 
anderer Teil der isolierten Stamme gehort dem Rabinowitschschen 
Bazillentypus an und wurde von Prof. Korschun (14) als pseudo- 

Erste Abt. Orig. Bd. 91. Heft 1. 3 


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34 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Nr. 


17 


127 


127, 


171 


I 173 


Form und 
Grofie. 


Bewegung. 

Gramfarbung 

Wachstum 
anf gewohn- 
lichemAgar. 


Wachstum 
auf Glyze- 
rinagar. 


Wachstum 
auf Zucker- 
agar (Stich- 
impfung). 


Wachstum 
auf der 
Bouillon. 


Bouillon + 
Lezithin + 
phosphor- 
saures Na¬ 
trium. 

Auf Kartof- 

feln. 


Auf der 
Milch. 


Auf der Ge¬ 
latine. 


Kleiner Kokkus 0,5 
bis 0,7 ft. Ginzeln 
oder in kettenarti- 
gen Verbanden 


+ 

Ein gutes. Ent- 
wickelt ein fettig- 
glanzendes Haut- 
chen, das in alten 
Kulturen matt] 
wird und sich 
krem farbt. 

Ueppiges Wachstum 
gelb - rotlicher 
Farbe. 


Entwickelt eine Entwickelt ein 


Kurzstabchen. L.0,8 Kleines polymorph. KleinesKurz- 


bis 1,0, 
bis 0,6. 


Br. 0,5 


Lcbhafte Eigenbe- 
wegung. 

Gutes. Entwickelt 
ein feines, glan- 
zendes Hautchen, 
das mit der Zeit 
gelblich wird. 


Feiner, weifilicher 
kaum bemerk- 
barer Ueberzug. 


Stabchen. L. 
bis 1,5, Br. 
bis 0,8. 

+ 


i,0: 

0,5: 


stabeheD. 

L. 0,8 -1,2, 

Br. 0,6—0,7. 


weifllich-gelbliche 
Rosette Ifings des 
Stiches und an der 
Oberflache. Keine 
Gasentwicklung. 


Allgemeine Trii- 
bung. Nieder- 
schlag am Gefafi- 
boden. 


Allgemeine Tru¬ 
bung. Klebriger 
Niederschlag am 
Gefiifiboden. 


Ueppiges, fettigglan- 
zendes VVachs- 
tum. 


Gerinnung am Ende 
der 3. Woche. 
Durchsichtiges 
Serum. 

Langsame Verflus- 
siguug. 


scharfkonturier- 
tes, gelblich-weiB- 
liches Hautchen 
lungs des Stiches 
und an der Ober¬ 
flache. Keine Gas- 
produktion. 

Allgemeine Trii- 
bung. Weifier 
N iederschlag. 


Keine Trubung. 
Flockenartiger 
Niederschlag. 


Ein iippiges, dickes, 
glanzendes Haut¬ 
chen. 


Keine Gerinnung. 


Verfliissigt die Ge 
latinepfieaberihre] 
Durchsichtigkeit 
dabei nicht ver- 
liert. Nach 3 Mon. 
eine geringe Triib. 


+ 


Wie 171 VVi 


+ 

Ueberzieht rasch die Sehr sparliches. Kaum sich 
ganze Agarober- Fadenbeliige, chagrin 1 
und scharfkonturiert. 
wickelt auf dem Blutagar 
weifilichen, milchartigen U 
zug. 


tlAche mit einem 
wetfien, mittel- 
starken Anflug. 


Mittelstarker, glan- 
zend - weifler 
Ueberzug. 


Sparliches Wachstum. Su 
weise treffen sich kon 
weililiche Punktkolonien. 


Entwickelt sich 
gleichmaCig sptir- ( 
lich, wie an der 
Oberflache, so : 
auch in der Tiefe. 
Das Medium wird 
durch Gas zer- 


l^angs des Stiches ein unbe 


tendes Wachstum. 
produktion. 


Keine 


Starke Trubung. 
Niederschlag. 


Allgemeine Trii- 
bung. 


jKeine Tru¬ 
bung. Flok- 
kenartiger 
Nieder¬ 
schlag. 


Kein Wachstun 
noch Triibun; 


Keine Trubung. 


Keine Milchgerinuung. 


Ein sehr iippiges. 1 Kein Wachstum. 

Ueberzieht diel 
Karloff,d von alien 
Seiten u. schwarzt 
sie darunter. 

Gerinnungam3.Tag. 

Durchsichtiges, 
flussiges Serum. 

Kompakter Nie¬ 
derschlag. 

Raschegleichmiiflige| Keine Verflussigung. Sparlic 
Verflussigungvon Wachstum in der Tiefe i 
der Oberflache an- kleinen Punktkolonien. T 

gefangen. j bung der Gelatine. 


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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutes beim Typhus exanth. 35 


3. 


173 187 

189 

198 

199 

202 

le 171 rzstabchen. L.0,s| 
■is 1,5, Br. 0,3 : 
•is 0,5. 

Polymorphes Stab- 
ehen. L. 0,8—1,2, 
Br. 0,6-0,7. 

Kurzstabchen. L. 1,3 
bis 2,0, Br. 0,4 
bis 0,6. 

MittelgroBer Coccus 
Gr. 0,6-0,8. 

Kleines Kurzstab¬ 
chen. 


— 

Unbe< 

ieutende Eigenbewej 

?ung. 

+ + 
form gutes. Ueber- 
clscucht mit gleich- 
lunrr naBigem, weiBem, 
Binaraittelstarkem, 
lanrselanzendem An- 
flug der Ober¬ 
flache. 

+ 

Kein Wachstum. 
Entwickelt auf 
dem Blutagar ein 
feines, mattes 
Hautchen. 

+ 

Ein gutes. Aeltere 
Kulturen produ- 
zieren ein rosiges 
Pigment. 

+ 

Wftchst anf. nicht. 
Spater entwickelt 
sich ein weiBfarb., 
mittelstarker An- 
flug. 

+ 

Wachst anf. nicht. 
Spater entwickelt 
sich ein durch¬ 
sichtiges , feines 
Hautchen. 

nit. nfangs sparliches 
ich t Wachstum. Spa- 
jloaia ter entwickelt sich 
prachtiger, mit 
weiBem, fettig 

glanzend. Belag. 

Sehr sparl. Wachs¬ 
tum. Mit diinner 
Schicht umgibt es 
den Strich. 

Sparliches Wachs¬ 
tum. 

Ueppig. Wachstum 
von rotl. Farbe. 

Sparliches Wachs¬ 
tum. 

•in dnbedeut. Wachs- 
Ees turn langs des 
Stiches in Form 
eines gelblichen 
Knopfes. Keine 
Gasproduktion. 

Unbedeut. Wachs¬ 
tum langs des 
Stiches und an 
der Oberflache in 
Form eines klei- 
nen, hellen Tropf- 
chens. 

Unbedeut. Wachs¬ 
tum langs des 
Stiches und an 
der Oberflache in 
Form eines gelb- 
lich-rotlich.Steck- 
nadelkopfes. 

Entwick. ein weifies, 
konvexes Haut¬ 
chen langs des 
Stiches und an 
seiner Oberflache. 

Oberflachlich. (toils 
in die Tiefe ein- 
dringend.) Wachs¬ 
tum in Form eines 
gelblich. Knopfes. 

•£n ewirktanfangseine 
•j:c allgem. Trubung, 
die sich spater auf- 
klart. WeiBer, 

flockenartiger 

N iederschlag. 

Keine Trubung. 
Sparlich. Nieuer- 
schlag. 

Keine Trubung. 
Niederschlag. 

Starke, gleichmaB. 
Trubung. 

Leichte Trubung. 
Schleimig.Nieaer- 
schlag. 


KeineTriibung. Ein 
Hautchen an der 
Oberflache. 




Entwick. ein dickes, 
ungleiches, creme- 
farbenes Haut- 
chen. 

Sparliches Wachs¬ 
tum. Ueberzieht 
die Kartoffel mit 
feinem, glanzen- 
dem Ueberzug. 

Wachst zieml. gut. 
Kupferrote, scharf 
konturierte Kolo- 
nienrander. 

Ueppiges Wachs¬ 
tum mit feinem, 
weiBen Hautchen. 

Gutes Wachstum, 
griinlicher Farbe. 

Keine Milchgerinnung. 

Gerinnt am 3. Tag. 
Durchsichtiges 
Serum. 

Keine Gerinnung. 

c /erfliissigt die Ge¬ 
latine. 

Keine Verflussig. 
Diffuses Wachs¬ 
tum mit kleinen 
Kolonien. Tru- 
bung.der Gelatine. 

Keine Verflussig. 
Kleine Punktko- 
lonien an d. Ober¬ 
flache. Trubt die 
Gelatine nicht. 

Wie 171—174. 

Verflussigt die Gela¬ 
tine. 


3* 


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36 


Oentralbl. f. Baku etc. I. Abt. Origiuale. Bd. 91. Heft 1. 


Nr. 


Auf deru 
Agarmed. 
von Dri- 
galsky. 


Auf dem 
Agarmed. 
v.Oldekop. 

Milch- 
zucker 


17 


127, 


127 


171 


173 


174 


Mittelstarkes, ober- Mittelstarkes, ober 
flaehl. Wachstum flachlichesWachs 
v. weifi-blaulicher 
Farbe. Das Me¬ 
dium ist etwas ge- 
rotet. 


turn weiC - blau- 
licher Farbe. Das 
Medium ist unver- 
andert. 


Traubeu 

zucker 

Man nit 


| £ 

.sm 
Q 

Agglutinations- 
titrum m. d.Scra 
d. Flecktyphus 
kranken. 

Aussaat auf 
den Petri- 
Schalen. 


Farbt es ins Ka- 
nariengelb. 

Rotet und ent- 
stellt es. 

Kntstellt schwach 
das Medium 

Entstellt schwach 
das Medium 

1 : 200 . 


Makroskopisch: 
runde, fettiggliin- 
zende, gelbliche, 
glatt konturierte 
Kolonien. 


Ueppiges, oberflach- 
liches Wachstum. 
Das Medium ist 
stark entstelll 
(schmutzig - gran) 
Gasentwicklung. 


Sehr sparliches Wachstum. 


I 

Greift es nicht an. Farbt es ins Pikrin-| Farbt es leicht ins Gelbliche. 
gclb 


Greift es nicht an. 

Greift es nicht an. 

Greift es nicht an. 
1:400. | 1 :200. I 1: 200. 


Leichte Rotung. 
1:800. 


Entstellt das Me¬ 
dium. 

1 : 2000 . 


Makros k opisch: M akros kopisch: Wachsen sehr sparlich auf ge- 
mittelgroSe, gelb- Ausgedehnte, wohnliehem Agarmedium. 

liche Kolonien. weiCliche Streifen 


Die Kleineren sind 
weiClich. 


Kolonienent- 
wicklung 
auf dem Me-I 
dium von 
Dr i gal sky. 


Mikroskopisch:jMikroskopisch: 
runde,kornigeKo-! Kleinkormge Ko¬ 
lonien mitglattein lonien mit un- 
Rande. gleichem helleren 

Rand. 

I 

Nach 2 Tagen roten Naeh 4 Tagen *ind 
sich die Kolonien die Kolonien lila 
unter d. Medium gefarbt. Das Me- 
(saurer Geruch dium bleibt 
von den Kolo- verandert- 
nien). 


un- 


Kolonienent- |Nach 4 Tagen wer- Wie 17. 
wieklung den die Kolonien 
auf dem Me- blutrot. 
dium von 
Endo. 


Wachst sehr sparlich. 


Verhalten zu Totet die Maus nach 
den weiCen 24 Std. (Hyper- 
Versuchs- iimie der inueren 
mausen. Organe). 

Diagnose. Streptococcus 
liquefac. ilei 
(Jakowsky). 

Nitroso - In- Keine Produktion. 
dol. 


Anaerobes 

Wachstum. 


Wachst wie aerob. 


Totet die Maus am 
5. Tage. 


B a c. liquefac. 
ilei. 


Produziert es. 

Wachst, entwickelt 
aberkein Pigment. 


iiberziehen die 
gauze Agarober- 
flache. 

Mikroskopisch: 

Kleine, fastdurch- 
sichtige Kolonien, 
iihneln gestampf- 
tem Glas. Glatter 
Rand. 

Vom 1.—4. Tagej 
durchsichtiges 
Wachstum liings! 
der ganzen Ober- 
fliiche d. GefaCes. 

Der Agar bleibt 
unverandert. 

Nach 4 Tagen wer- 
den die Kolonieni 
blutrot nut him-| 
beerfarbigem An¬ 
ting. 

Totet die Maus bin- 
nen 24 Std. Die 
Kultur lieC sich 
ans dem Blutcj 
isolieren. 

Proteus vulg. Baz. von Rabin ow i tsch. 

19 X (Hansen). 

Keine Produktion. , Keine Produktion von Nitroeo- 
Indol. 


Wachst sehr sparlich. 


Totet die Maus nach 8 Tagen. 


Wachst wie aerob. 


Wachst 
besser als 
aerob. 


Wachst besser als 
aerob. 


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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutes beim Typhus exanth. 37 


187 

189 

198 

199 

202 

Unbedeutende Ent- 
wicklung an der 
Oberfl. in Form 
ein. violettblauen 
Knopfes. 

Sehr sparl. Wachs- 
tum. 

Oberflachliche Ent- 
wicklung in Form 
eines fettig glan- 
zenden, lilafarbig. 
Hautchens, dar- 
uuterdas Medium 
sich rotet. 

W ei filich-rfltliches 
Hautch. Rotung 
' des Mediums. 

Gutes Wachstum. 
Entwickelt ein 
dickes, lilafarbig. 
Hautchen. 

Farbt es fast bis 
zum Eanarien- 

gelb. 

Wie 187. 

Filrbt es ins Gelbl. 
An der Oberflache 
ein Hautchen. 



Greift es 

nicht an. 

' Entstellt das Me¬ 
dium. 

Leichte Rotung. 

Entstellt das Me¬ 
dium. 

Entstellt das Medium. 

Greift es nicht an. 

Entstellt das Me¬ 
dium. 

Leichte Rotung. Entstellt das Medium. 

Greift es nicht an. 

Leichte Rotung. 

1:40. 

) 1 : 60. 

1:2000. 

1:400. 

1:200. 

Makroskopisch: 
homogene Eolo- 
nien mit glattem 
Rand. 

Makroskopisch: 
sehr kleine, weifi- 
liche Eolonien, die 
streifenartig zu- 
sammenfliefien. 

Makroskopisch: 
weifiliche Eolo¬ 
nien v.stellenweise 
leicht gelblicher 
Farbe. 

Makroskopisch: 
weifie, runde, kon¬ 
vexe, glatt kon¬ 
turierte Eolonien. 

Makroskopisch: 
farblose Eolonien, 
von denen sich an 
d. Agaroberflache. 
Streifen ziehen 

Mikroskopisch: 
sindsiek6rn.,farb- 
los, mit ungleich. 
Rand. ,Bei uirekt. 
Licht erscheinen 
sie violett. 

Mikroskopisch: 
kleine Eolonien in 
Form von ge- 
stampftem Gas, 
formlos u. durch- 
sichtig. 

Mikroskopisch: 
runde, konvexe, 
homogene, glatt 
konturierte Eolo¬ 
nien. Die iilteren 
sind gelblich. 

Mikroskopisch: 
kleinkornige, mit 
dunklem Zentrum 
und hellem Rand. 

Mikroskopisch: 
durchsicht., kon¬ 
vexe, runde, glatt 
konturierte Eolo¬ 
nien. 

Weifiliche Eolonien, 
an Oehlfarbe er- 
innernd. Das Me¬ 
dium bleibt un- 
verandert. 

Sehr schwaches 
Wachst. Weifie 
Punktkolon. Das 
Medium bleibt nn- 
verrindert. 

Zarte, bliiuliche Ko- 
lonien. Das Me¬ 
dium farbt sich 
etwas insRotliche. 

Weifie Eolonien. 
Der Agar ist ge- 
rotet. 

Nach 4 Tagen bleibt 
der Agar unver- 
andert. 

Nach 4 Tagen roten 
sich die Eolonien 

, 

Nach 4 Tagen wer- 
den die Eojonien 
etwas rosig. 

Diirftiges Wachs- 
turn. Die Eolo¬ 
nien farben sich 
leicht insRotliche. 

Nach 4 Tagen roten 
sich die Eolonien. 

Nach 4 Tagen roten 
sich die grofieren 
Eolonien. 

Totet die Maus am 
3. Tag. 

Tptet die Maus am 
5. Tag. 

Totet die Maus am 
3. Tag. 

Die Maus krepierte 
nach l‘/ 4 Tag., 
aber aus anderem 
Grunde. 

Totet, die Maus am 
2. Tag. 


Niihert sich dem 
Bazillus v. Rabi- 
n o w i t s c h. 

— 

Diplococcus a 1 - 
bus intesti- 
num (Jakowsky). 

— 


Keine Produktion von Nitroso-lndol. 


Wachst besser als aerob. 


Wachst 

anaerob. 


diirftiger Wachst wie aerob. 


Wachst nicht. 


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38 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Tabelle Nr. 4. 

Ergebnisse der Agglutinabilitiit der Bakterienstiimme. 


Stamm Nr. 

Anzahl der Unter- 
suchungen mit den 
Typhussera 

Anzahl der Unter- 
suchungen mit 
fremden Sera 

Titer der 
Typhussera 

Titer fremder 
Sera 

17 

6 

4 

1 :100—1 :2000 

_ 

127 

7 

4 

1 :800 

_ 

127, 

6 

4 

1 :1000-1:2000 


171 

7 

4 

1:200 

_ 

173 

5 

3 

1:400 

_ 

174 

3 

3 

1:200 

_ 

187 

3 

3 

1:40 

1:20 

189 

4 

3 

1:60 

_ 

198 

4 . , 

3 

1:2000 

_ 

199 

4 

3 

1:400 

— 

202 

4 

3 

1 :200 

— 


diphthcritische Hoffmann-Bazillen beschrieben. Einer der 3 Stamme, 
deren Feststellung ich vorlaufig offen lieB, und zwar Nr. 202, sieht dem 
ParatyphusB sehr ahnlich, doch wurde leider die AgglutinationsreaktioD 
mit dem Paratypbus nicht gemacht, so daB eine sichere Diagnoszierung 
unmoglich war. 

Die ubrigen diagnostizierten, aus dem Blute Flecktyphuskranker ge- 
wonnenen Bakterienstamme lassen sich in 2 Hauptgruppen einteilen: 
1) pseudodiphtheriellen-Typus und 2) Darmbewohner. Wie die 
Auswanderung der Bakterien aus depi Darm ins Blut vor sich geht, 
wird noch naher erdrtert werden. 

Was dagegen die Bazillen des Rabinowitsch-Typus anbetrifft, 
so ist ihr Eindringen in den Blutkreislauf durch die von Korschun 
gestellte Diagnose entschieden und erklart sich dadurch, daB beim Fleck- 
typhus die Mandeln oft stark hyperamiert erscheinen und so fur Bak¬ 
terien sehr zuganglich sind. Allerdings betrachtet Rabinowitsch 
seinen Bazillus als den Flecktyphuserreger und nimmt eine andere Art 
des Eindringens ins Blut an. 

Die noch nicht diagnostizierten Nrn. 187 und 198 stammen hochst- 
wahrscheinlich von “Wildkeimen 11 , die zufallig in den Darm gelangt 
waren. Leider konnte ich mit der vorhandenen Literatur diese Stamme 
nicht sicher diagnostizieren. 

Wie konnen nun aber die bakteriellen Darmbewohner in den Blut¬ 
kreislauf der Kranken und sogar die Fahigkeit erlangen. sich mit den 
Blutseris der betretfenden Kranken, wie mit dem der Genesendcn zu 
agglutinieren? 

Diese bakterielle Uebersiedlung aus dem Darme ins Blut ist bereits 
ziemlich gut an Kindern und ganz leidlich an Tieren erforscht worden. 
Sie geht wahrscheinlich iihnlich bei Erwachsenen vor sich. 

VVurtz (16) sah bei langsam zum Tode fiihrenden Arsenikvergiftungen bei Hunden 
Darmbakterien in einigen Fallen noch wahrend des Lebens ins Blut und Exsudate aue 
Pleura und Peritoneum eindringen. Aehnliches konstatierte auch Bouchard an gt,- 
frorenen Kaninchen. Wurtz raachte dabei die Beobachtung, dafl beim raschen Todcs- 
eintritt (starker Giftdosis) das Blut und die Exsudate steril blieben, je liinger dagegen 
das Tier agouierte, desto mehr Bakterien enthielt es. Er hiilt die Stockungserschei- 
nungen im Darm fur die Ursache dieses Eindringens. Dasselbe behauptet auch Bon- 
neken (17), der bei Hunden kiinstliche Hernien hervorrief und daran seine Beobach- 
tungen anstellte. Nach seiner Ausicht geniigt dazu eine venose Stockung, eine sere 


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Gluehow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutee beim Typhus exanth. 39 

Imbibition der Darmwand. Maklezow (18) echliefit sich dieser Ansicht an, und 
Lewin (19) und Rosner behaupten sogar, dafi dazu eine Koprostase ohne jegliche ana- 
tomische Veranderungen geniigt. Nach Klimenko (20) ist die Darmwand eines ge- 
sunden Tieres fur Bakterien undurchdringbar, wird es aber bei irgendeiner Erkrankung. 

Bei hungernden Tieren ist die Resistenz gegen die per os eingefuhrten Bakterien 
eine geringere. In diesen Fallen beobachtete Ficker (21) eine VergroBerung der Mes- 
enterialdriisen. Ferner ist Hunger init Uebermiidung eine auBerst gunstige Kombi- 
nation fur das Eindringen der Darmbakterien ins Blut. Calmette, Vansternberghe 
und Gryees (22) gelang es durch Einfuhruug einer virulenten Pneumokokkenbouillon- 
kultur mittels einer Sonde in den Magen der Meerschweinchen und Kaninchen eine 
experimentelle Pneumonic hervorzurufen. Diese 3 Autoren meinten, daB die ein- 
gefiihrten Pneumokokken die Schleimhaut des Darmes durchdringen, in die Blut- und 
LymphgefaBe gelangen und mittels der Blutzirkulation passiv in die Lungen gebracht 
werden. 

Aus dem Angefiihrtcn geht deutlich hervor, daB venose Stockungen, serose Imbi- 
bitionen oder anaere Erkraukungen die Bakterienauswanderung durcn die Darmwand 
begunstigen. Der Flecktyphus ist an und fur sich eine so schwerj Erkrankung, daB 
sich bei lhm die Darmflora tm ganzen K6rper verbreitet und in T.iutgefaBen zu finden 
ist, deren Wande dabei stark entstellt erscheinen, wie bereits Fraen kel, Dawidowsky 
u. a. bewiesen haben. Die verschiedenen Darmteile werden (nach Moro, 23) bei 
Kindern von verschiedenen Bakterienarten bewohnt. Im Dunndarm z. B. pravaliert 
das Bact. colli commune und Bac. lact. aerogenes, im Coecum und Dickdarm 
(lagegen der Bac. bifid us. 

Nach Tissier (23) finden sich in den oberen Darmabteilungen sauerstoffempfind- 
liche Baterienarten, die schwaehe Fermente produzieren; in den unteren aber obliga- 
torische, stark fennentativ wirkende Anaerobier. Nencky (23) bestatigte diese An- 
gaben durch Experiments an Hunden und Menscheu, indem er den Darmgehalt unter- 
suchte, der aus einer durch Hernie bedingten Fistel hervortrat. 

Die Darmflora verbreitet sich demnach in einer gewissen Gesetzmafligkeit. Aber 
nuBer den konstanten Bakterien finden sich im Darme noch sogenannte „wilde“ Formen 
(nach Sterny u. Kohlbrugge (24), die mil der Nahrung und 60 gar mit den ver¬ 
schiedenen geographischen Breitegraden in Zusammenhang zu stehen scheincn. 

Nach Tissier (25) wird die Darmfie r a der Bauglinge von der Nahrung beein- 
fluBt und verandert, Lembke (26) konstatiert dasselbe bei Hunden. Gewohnlich hat 
die bakterielie Darmflora ihren Ursprung in Speise und Trank, denen sich einige Bak¬ 
terien der Mundhohle und der Luft zugesellen, wobei die Tonsillen keine geringe Rolle 
spielen. Scheibner (27) behauptet sogar, daB bei Darintuberkuloseinlektiouen die 
Grundursache in den Tonsillen liegt. Dieser Ansicht sind auch v. Friedmann, Beck¬ 
mann, Grober (27) u. a. 

Nach Ziklinsky und Bruini (28) ist die Darmflora der Bewohner der ver¬ 
schiedenen Erdgegenden nicht identisch, und zwar gibt es hier so viele Modifikationen 
als Gegenden. 

Folglich ist ein Teil der Darmflora best&ndig und entwickelt sich 
stets planmaBig in dem Darmtraktus. Ein anderer Teil variiert aber 
und ist dabei von Speise, Trank und territorialen Bedingungen ab- 
hSngig. Die Blutflora der Flecktyphuskranken ist gewissermaBen eine 
Abspiegelung eines Teiles ihrer Darmflora. MSglicherweise iiben daher 
die Tonsillen einen gewissen EinfluB aus. Auch die Lange der Krank- 
heitsperiode muB in Betracht gezogen werden. Je liinger das Leiden 
dauert, desto mehr Moglichkeiten bieten sich den Bakterien, in den Blut- 
kreislauf zu gelangen. Unsere systematischen Blutuntersuchungen zeigten, 
daB die Darmflora, resp. ihr Abbild, die Blutflora bei Flecktyphuskranken, 
von der Nahrung, Lebensweise und Krankheitsperiode abhangig ist. Naher 
mf die Krankheitsperiode einzugehen, erflbrigt sich, da diesbeziigliche 
Jntersuchungen von Rosenberg und Barykin (29, 30) vorliegen. Da- 
egen liBt sich der EinfluB von Nahrung und Lebensweise an unseren 
iTanken parallel mit den Blutuutersuchungen beobachten. 

Es waren namlich meist Petersburger Frauen und Soldaten der roten 
Armee, an denen wir unsere Beobachtungen machten. Der EinfluB der 
Nahrung zeigt sich beim Vergleich von einheimischen Petersburgern und 
'n.aus der Provinz kommenden Soldaten. Aus dem Blute der Peters- 


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40 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originale. Bd. 91. Heft 1. 


burger (die die Sovietsky-Portion genossen) sind meist Kokken und 
Kokkobazillen isoliert, aus dem der Provinzialen dagegen meist Stabchen. 
Besonders charakteristisch envies sich die Untersuchung des Blutes von 
Baschkiren, die aus Baschkirien direkt angekommen waren, unterwegs 
erkrankten und von der Eisenbahn ins Lazarett gebracht worden waren. 
Das Blut wurde ihnen gleichzeitig mit den anderen Krankeu entnoinmen. 
Bei den Ankommlingen wurden Stabchen. bei den iibrigen aber andere 
Bakterienformen isoliert, was ausschlieBlich von den Ernahrungsbedin- 
gungen der Baschkiren abhangen diirfte, die natiirlich bessere Host ge¬ 
nossen als die halbhungernden Petersburger. Dafiir sprachen auch meine 
oben angefiihrten Aussaaten nach Plotz. Von 20 nach den Original- 
anweisungen gemachten Aussaaten lieB sich nur in einem Falle ein 
Stabchen isolieren, das dem Plotz schen ahnlich sah, wahrend im 2. Falle 
saprophyte Kokken aus dem Darme in Betracht kamen. 

Die geringe Anzahl der Stabchenbefunde kann durch die sparliche 
Kost der Petersburger erklart werden, welche das Eindringen der Kokken- 
formen mehr als das der Stabchen in den Blutkreislauf verursachten. 
was auch durch andere Forscher bewiesen ist. Tab. 1 zeigt, daB aus 
90 Befunden (von 642 Aussaaten) von 194 Kranken 68 Kokkentormen 
und 22 Stabchen isoliert worden sind, d. h. daB der letzteren 3mal 
weniger war. Die Zahl der abgemagerton Kranken war auch ungefahr 
3mal groBer als die der WohlgenShrten. 

Diese groBe Verschiedenheit der Befunde bei klinisch fast gleichen 
Kranken erklart sich nur durch den Halbhunger, den die Petersburger 
im Moment der Blutentnahme und 1 / i —1 Jahr vorher gelitten hatten. 
Dazu kamen dann noch allerhand unpassende GenuBmittel, verschiedene 
Surrogate (Ersatz), die infolge ihrer Ungewohntheit den menschlichen 
Darm stark reizten und unter der Bedingung der Allgemeinerkrankung 
das Eindringen der Darmbewohner ins Blut erleichterten. 

In den unteren Darmabteilungen befinden sich nach Tissier und 
Moro meist anaerobe, in den oberen fakultativ-anaerobe Bakterien- 
arten, was zweifellos auch eine bedeutende Rolle beim Eindringen der 
verschiedenen Arten der Darmflora ins Blut der Flecktyphuskranken 
spielt. Erschlafft z. B. unter EinfluB der groben Nahrungsmittel ein 
gewisser Darmteil eher, so ist dies ein giinstiges Moment fur die Aus- 
wanderung einer Bakterienflora ins Blut. 

Auf die 2. Frage, „wie es moglich ist, daB obligate Saprophyten sich 
mit den Typhuskrankensera agglutinieren lassen“, kann mit den Worten 
von W. Jakowleff (31) geantwortet werden: „die Einwirkung des un- 
bekannten Flecktyphuserregers auf Zellen und Safte des menschlichen 
Korpers erregt im letzteren eine Produktion solcher Antikorper, die eine 
Reaktion bei all den Bakterien hervorzurufen fahig sind, die eine ent- 
sprechenden Rezeptor besitzen. Der rezeptorische Apparat kann aber, 
infolge der veriinderten Korpersafte in gewissen Schranken sich andern 
und die Entstehung neuer Bakterienarten beeinflussen, die mit anderen 
Eigenschaften ausgeriistet sind, als die ihnen einverleibt worden waren. 
Es findet dabei eine sogenannte ..Mutation 14 statt. — Die Entstehung 
der neuen Rezeptoren kann nach „Salus tt sogar auBerhalb des Korpers 
erfolgen. Impft man Typhusstabchen in eine Bouillon und das mit den 
Typhusseren nicht agglutinable Bact. coli comm, und laBt die Kultur 
einige Tage lang wachsen und iiberimpft dann auf Agar, so erzielt man 
damit, daB die C o 1 i - Kolonien vom Agar sich mit den Typhusseren 
agglutinieren lassen. Und umgekehrt laBt sich die Agglutinabilitat der 


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Gluchow u. Rosenbaum, Bakterien des Blutea beim Typhus exanth. 41 


Bakterien verringern, ja sogar dadurch vernichten, dad raan mit den 
Seris ihre Rezeptoren zerstort [Krestownikoff (32)]. Schwieriger 
laBt sich die Frage beantworten, wie lange die Saprophyten die Agglu- 
tinabilitat mit den Typhusseren behalten. Proteus 19x bewahrt diese 
F&higkeit jetzt das 5. Jahr, andere von mir isolierte Bakterienst&mme 
das 2. Vielleicht ubt der Nahrboden einen besonderen EinfluB auf die 
Konservierung der neuen Rezeptoren aus, denn aus ihm und den be- 
nachbarten Rassen schopfen die betreffenden Stamme neue Eigenschaften 
und verlieren sie wieder unter anderen Verhaltnissen. 

SchluBfolgen. 

1) Bei der Aussaat des Blutes klinisch ausgewahlter Flecktyphus- 
kranker, die sich in der Krankheitsperiode vom 7.—9. Tage befanden, 
lassen sich in 45 Proz. aller Faile mannigfaltige Bakterienstamme iso- 
lieren. — 2) Die Mehrzahl der Befunde bestand aus Stammen, die vor- 
mals als Darmbewohner beschrieben worden waren. — 3) 75 Proz. der 
isolierten Bakterien waren Kokken, 25 Proz. Stabchen. — 4) Die Mehr¬ 
zahl der Kranken bestand aus hungernden Petersburgern und kaum einem 
Viertel aus zugereisten Provinzialen, die unter giinstigeren Lebensbe- 
dingungen gewesen waren. — 5) Der reichliche Befund von Darmkokken 
laBt sich wahrscheinlich daraus erkiaren, daB der allgemeine Halbhunger 
und die Ueberlastung des Darmes mit allerhand Ersatznahrprodukten 
zu dessen Reizung fiihrte und das Eindringen der bakterielleu Darmflora 
ins Blut begiinstigte. — 6) Ausgeschlossen ist es nicht, daB Tonsillen 
dabei eine Rolle spielen. 


Literatur. 

1) Hallier, Moreau u. Cochez, zitiert nach Rabinowitsch, Vom Erreger 
des Typh. exanth. (Samml. v. Melnik. Rasved.) — 2| Beresneff, A., Von den Bakterien 
beim Typh. exanth. (Wratschebnaja Gazeta. 1918. Nr. 11—12.) — 3) Sawatjeff u. 
Lochow, Russky Wratsch. 1916. Nr. 48. — 4) Nedrigailoff, W., Protokoll d. 
Versammlung d. Aerzte d. Westfront vom 14.—28. Mai 1916. — 5) Levaschoff, 8., 
Arch. f. biol. Wissensch. Bd. 4. 1896. Heft 14; Wratsch. 1892. Nr. 11 bis 17. 1893. 
Nr. 35—38; 1894. Nr. 2 u. 3.) 6) Goldenstein, Gentralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 78. H. 2., zit. n. Beresneff.) — 7) Czernel, Wien. Klin. 1916. Nr. 35. 
— 8) Plotz u. Olitzky, zit. nach B. Ebert, Nachricht d. Kommissar d. Geeund- 
heitsbesch. S. K. S. Nr. 3 u. 4. 1919. — 9) Friedberger, zit. nach J ako wleff, W., 
Handbuch fur Flecktyphus. Petersburg 1920. — 10) Rosenberg, N., Arb. u. Kon- 
ferenz d. Versamml. fiber d. Typh. exanth. Petersburg 1920. — 11) Jakowsky, Arch, 
f. biol. Wissensch. Bd. 1. 1892. 8. 574. — 12) Serkowskv, Handb. d. Bakterien- 
diagnose. Charkow 1898. — 13) Rabinowitsch, M., Vom Erreger d. Typh. exanth. 
(Samml. Mein. Rasv.) — 14) Korschun, Wratschebnoje Delo. 1919. Nr. 14 u. 15.— 

15) Tzitzkin, A., Der Darm vom bakter. Standpunkt betrachtet. Moskau 1907. — 

16) VVurtz, zit. nach Tzitzkin, 8. 54. — 17) Bonneken, wie oben. 8. 66. — 
18) Maklezoff, N., Zur Frage der Perforation der Darmwand durch Bakterien bei 
der Undurcbgangigkeit d. Darmes. (Wratsch. 1897. Nr. 10.) — 19) Posner, S.,u. Lewin, 
A., Ueber kryptogenetische Entzfindungen namentlich der Harnorgane. (Berlin, klin. 
Wochenschr. 1894. 8. 742.) — 20) Klimenko, W., zit. nach Tzitzkin. — 21) Fick er, 
zit. nach Tzitzkin. — 22 1 Calmette, Vansteenberghe und Grises, wie 
oben. 8. 97. — 23) Moreau, Tissier u. Nencky, zit. n. Tzitzkin, Der bak- 
teriologische Befund der 8peiserdhre. Moskau 1907. S. 27 u. 28. — 24) Stern u. 
Kohlbrugge, zit. nach Tzitzkin, S. 32. — 25) Juugano, M. u. Distaso, A., Die 
Anaerobien. St. Petersburg 1912. — 26) Lembke, Weiterer Beitrag z. Bakterien flora 
d. Darmes. (Arch. f. Hyg. Bd. 29 1897. 8. 304. — 27) Scheibner, Friedmann 
u. a., zit. nach Tzitzkin. 8. 120 u. 121. — 28) Ziklinsky u. Bruini, wie oben. 


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42 


CentralbL L Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 1. 


— 29) Rosenberg, N., Samml. d. Konferenz iiber d. Typh. exanth. Petersburg 1920. 

— 30) Barykin, Sammlung. (Typh. exanth. und sein Erreger.) Rostow 1920. — 
31) Jakowleff, W., Med. Wissensch. Petersburg 1919. Nr. 1. — 32) Krestowni- 
koff, A., Arbeiten d. Konferenz fiber d. Typh. exanth. Petersburg 1920. — 33) Kolle- 
Wassermann, Pathogene Mikroorgauisinen. — 34) Macfadyen, A., Nencki u. 
Sieber, N., Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 1891. 8. 311. — 35) Mazuschita, 
Bakteriol. Diagnostik. — 3t>) Mac6, E., Trait4 pratique de Bactdr. Paris 1901. — 
37) Gunther, Handb. d. Bakt. Saratow 1910. — 38) Zabolotny, D., Beobachtungen 
fiber d. Typh. exanth. Vorl. Mitt, in d. biol. Versammlung zu Petersburg am 14. April 
1915. (Russky Wratsch. 1916. Nr. 18.) — 39) Sammlung der Arbeiten fiber den Fleck- 
typhus. Odessa 1920/21. H. 1 u. 2. — 40) Sterling-Okoniewsky, Dur Wysyp- 
kowy. 1919. — 41) de Rocha-Lima, H., Die Aetiologie des Fleckfiebers. (Ergebn. 
d. a’llgem. Path. u. path. Anatomie. Bd. 19. 1919.) [Zusammenfassende Uebersicht von 
649 Arbeiten.] 


Nachdruck verboten. 

Ueber das Vorkommen der verschiedenen Pneumokokken- 

typen 

[Aus dem Hygienischen Institut Diisseldorf.J 
Von Prof. Dr. Bttrgers und Dr. H. Hcrz. 

Die von Neufeld und Haendel begonnene, von amerikanischen 
Autoren erweiterte Typeneinteilung steht zurzeit im Vordergrunde der 
Pneumokokkenforschung. Auf die Literatur, besonders die Arbeiten von 
Schieinann, Seitz und Hintze, Dochez und Avery, Lyall, 
M. Clough soli hier niclit eingegangen werden. Immerhin glauben 
diese Autoren mehr Oder weniger, die bei Pneunioniefiillen und ihrer 
Umgebung, andererseits bei Gesunden gefundenen Pneumokokken ver¬ 
schiedenen Typen zuweisen zu miissen, wenn man auch gerade bei 
Pneumonie aile Typen in verschiedener prozentualer Beteiligung finden 
kann. Die Typen 1—4 werden als feststehende Varietaten betrachtet. 
Man glaubt also, dem Problem: 1st die Pneumonie eine exogene Oder 
endogene Infektion? niiher gekommen zu sein. DaB hier besondere Ver- 
haltnisse vorliegen, hat Kruse schon seit vielen Jahren betont. Durch 
die Arbeit von Yoshioka wurde nun bekannt, daB doch zwischen den 
einzelnen Typen eine gewisse Rezeptorengemeinscliaft bestehen iniisse. Da 
die mit der Entstehung der Pneumonie zusammenhangenden Fragen nur 
durch groBe, an verschiedenen Orten durchgefiihrte Untersuchungen 
geklart werden konnen, da weiter der begriindete Verdacht besteht, daB 
die Verhaltnisse geographisch verschieden liegen, hat Frl. Dr. H. Herz 
am hiesigen Institut 100 Pneumokokkenstamme der verschiedensten Her- 
kunft niiher untersucht; iiber die Ergebnisse soil hier summarisch be- 
richtet werden: In der ersten Zeit wurde mit Seren gearbeitet, welche 
wir der Liebenswurdigkeit von Geheimrat Neufeld verdanken. Da 
derselbe Autor uns auch mit einzelnen Typen infizierte Miiuseorgane 
zur Verfugung stellte, waren wir in der Lage, uns selbst Kaninchensera 
herzustellen. Die Berliner Sera agglutinierten bei uns (mikroskopische 
Agglutination) Ser. I Typ. I 1:80, Ser. II, Typ. II 1:80, Ser. Ill, 


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Burgers u. Here, Vorkommen der verschiedenen Pneumokokkentypen. 43 


Typ. Ill 1: 160. Wir gaben den Kaninchen in Abstand von je 8 Tagen 
Oder mehr steigende Dosen von 1 / i —4 Oesen bei 56 0 abgetSteter Pneumo- 
kokkenkultur. Das Resultat zeigt folgende Tabelle: 


Zeit 


Titerhohe 1 



Typ. I 

Ty P . II 

Typ. Ill 

Serum 

I 

100 

160 

40 


II 

40 

320 

20 


III 

40 

80 

80 


I 

40 

320 

320 


II 

160 

320 

20 


III 

0 

40 

160 


I 

320 

80 

0 


II 

SO 

320 

20 


III 

0 

40 

320 


I 

160 

0 

20 


II 

20 

320 

0 


III 

0 

0 

220 


I 

320 

40 

0 


II 

0 

320 

40 

„ 

III 

0 

80 

• 160 


Nach 3 Impfungen 

Nach der 4. Impfung 
(4 Oesen) 

Nach der 5. Impfung 
(4 Oesen \ 

Prufg. ders. Serumprobe 
nach 2 Woch. Lage- 
rung im Eisschrank 

6. Impfung 10 Wochen 
nach der 5. Priifung 
6 Tage spater 


Das Resultat ist also eine Bestatigung der Befunde von Yoshioka: 
Uebergreifen der Sera, teilweiser Verlust dieser Eigenschaft nach La- 
gerung. 

Der Berliner Stamm Typ. I zeigte zeitweise mit unserem Serum 
keine Agglutination. Nach Tierpassage (Maus) gewann er seine voile 
Agglutinabilitat wieder. Es wurden nur solche Stamme untersucht, 
welche typische Form und Wachstum zeigten, sowie in 10-proz. tau- 
rocholsaurem Natrium (Neufeld) aufgelost wurden. Auf atypisches 
Verhalten anderer Stamme soil hier nicht eingegangen werden. Die 
untersuchten Stamme hatten folgende Herkunft: 30 Stamme von Pneu- 
monie, darunter 10 Masernpneumonien, 8 Grippepneumonien, 19 Stamme 
aus Fallen von Bronchitis (Sputa), 5 Stamme von Pleuritis, 4 von Me¬ 
ningitis, 2 Stamme von Sepsis, 1 Stamm von Gelenkpunktat, 6 Stamme 
von Keuchhusten, 2 von Meerschweinchenpneumonie, 31 Stamme aus 
Rachenabstrichen von gesunden Menschen. 

Die Typenverteilung insgesamt stellt sich folgendermafien dar: 

Typ. I in 25 Proz. aller Falle, Typ. II in 47 Proz. alier Falle, Typ. Ill in 21 Proz. 
aller Falle, Typ. IV in 7 Proz. aller Falle, 

wobei als Typ. IV diejenigen Stamme aufgefuhrt sind, welche mit Se¬ 
rum I—III nicht agglutinierten. (Ob das ganz korrekt ist, soil hier 
nicht naher untersucht werden.) Im einzelnen fand sich folgende Ver- 
teilung. 


Bei Pneumonien: Typ. 

if »» n 

n »• ii 

n ii ii 


I in 23 Proz., bei Gesunden Typ. 

H II ^ II II II II 

TIT 97 

XiX ,, 4/1 ,, )j » 

IV „ 3 ., „ 


I in 21 Proz. 
II „ 55 „ 

HI „ 24 „ 

IV „ 0 „ 


Bei Bronchitis: Typ. 

II II II 

II II II 

II II II 


I in 32 Proz. 
II „ 53 „ 


IV ,. 10 


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44 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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Bei 5 Stammen aus pleuritischem Exsudat war 
Typ. I lmal 

„ II 2 „ 

„ HI 1 „ 

,, IV 1 „ vertreten. 


Die Stamme aus 4 Fallen von Meningitis waren Typ. II 2mal, I'yp. Ill 2mal 

„ „ „ 2 „ „ Sepsis waren Typ. 1 2mal 

„ „ „ 2 „ „ Tierpneumonie waren Typ. II lmal, Typ. IV lmal 

„ „ „ 1 Fall „ Gelenkpunktat waren Typ. II lmal. 


Die Umgebungsuntersuchungen hatten folgendes Eesultat: 

1. Fall Pneumonie Typ. II, bei 2 Personen aus der Umgebuug Typ. II lmal. 
Typ. Ill lmal. 

2. Fall Pneumonie Typ. II, bei 2 Personen aus der Umgebung Typ. II lmal, 
Typ. Ill lmal. 

3. Fall Pleuritis Typ. Ill bei 4 Personen aus der Umgebung Typ. I lmal, 
Typ. II 3mal. 

4. Fall Meningitis Typ. II bei 6 Personen aus der Umgebung Typ. 1 lmal, 
Typ. II 4mal, Typ. Ill lmal. 

5. Bei einer gesunden Familie (5 Personen) fanden sich Typ. I 3mal, Typ. II 
2mal. 

6. Bei einer gesunden Familie (3 Personen) fanden sich Typ. II lmal, Typ. Ill 
2mal. 

7. Bei einer gesunden Familie (4 Personen) fanden sich Typ. II lmal, Typ. Ill 
3mal. 


Mitagglutination durch heterologe Sera zeigten 27 von 100 Stammen. 
Doch erreichte die Agglutination in heterologen Seren selten hohe VVerte. 
Mehrfache Priifung derselben Stamme vor und nach langerer Zuchtung 
ergab nur geringe Schwankungen in der Titerhohe. Durch Komple- 
mentbindung, welche in verschiedenster Modifikation ausgefuhrt wurde, 
lielS sich wohl Typ. Ill von den beiden anderen, nicht sicher aber Typ. I 
von II trennen. 

Bemerkenswert ist, daB manche Stamme nach der ersten Rein- 
ztichtung iiberhaupt nicht agglutiniert werden, nach langerer Fortziich- 
tung aber deutlich spezifische Agglutination aufweisen. Auf diese 
Fehlerquelle muB also geachtet werden. Virulenzprufungen 
samtlicher Stamme am Tier waren uns aus auBeren Grunden nicht 
moglich. 

Wenn man solch kleinen Versuchsreihen, wie den oben mitgeteilten 
(100 Stamme) uberhaupt einen Wert beimessen darf, so kann mit aller 
Vorsicht nur gesagt werden: Eine RegelmaBigkeit des Vor- 
kommens bestimmter Typen bei Kranken und Gesunden, 
namentlich aber in der Umgebung von Kranken konnte 
bei uns nicht beobachtet werden. Es bedarf also — wenn iiber- 
haupt das Problem der Infektion mit Pneumokokken auf diesem Wege 
zu losen ist — noch umfangreicher, an vielen Orten Deutschlands aus- 
zufiihrender Untersuchungen, und es ist absolut verfriiht, von einer 
Kl&rung der Pneumoniefrage zu sprechen. 



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Donges, Streptokokkenfunde u. -ziichtung aus deni Blute Masernkranker. 45 


Nachdruck verboten. 

Ueber Streptokokkenfunde und Streptokokkenztichtung 
aus dem Blute von Masernkranken. 

Vorlaufige Mitteilung. 

Von Oberstabsarzt Dr. Donges, Rostock i. Mecklenburg. 

Mit 3 Abbildungen irn Text. 

Der Nahrboden, mit dem die Untersuchungen angestellt wurden, 
ist schon seit iiber 10 Jalire bei der Erforschung der Maul- und Klauen- 
seuche im Mecklenburgischen Landes-Tierseuchenamt zu Rostock mit dem 
Erfolge angewendet worden, daB mit ihm der Erreger der Maul- und 
Klauenseuche allem Anschein nach geziichtet wird, ohne daB es aller- 
dings bisher gelungen ist, ihn im Filter festzuhalten Oder ihn im mikro- 
skopischen Praparat (Dunkelfeld) erkennen zu konnen. Der Erreger 
der Maul- und Klauenseuche vermehrt sich in diesem Nahrboden, nach- 
dem er mit dem Inhalt der Aphthenblaschen beimpft ist, was an der 
auftretenden Trflbung, unter sicherem AusschluB jeglicher Sekundar- 
infektion zu erkennen ist; ferner besitzt der Nahrboden, mit dem Inhalt 
der Aphthenblaschen beimpft, bei der Komplementbindungsreaktion 
antigene EigenscHaften. 

Dieser Nahrboden ist in seiner Zusammensetzung in der Berliner 
Tierarztl. Wochenschr. 1913. Nr. 6. S. 97: Kurze Mitteilung iiber die 
im Landesgesundheitsamt zu Rostock ausgefuhrten Untersuchungen iiber 
die Maul- und Klauenseuche von Prof. Dr. Ludwig Peiffer ver- 
offentlicht. 

Dieser Nahrboden, den ich nach dem Namen seines Herstellers, des 
Herrn Oberpraparators Grugel am Landes-Tierseuchenamt, „dieGru- 
gelsche Mucinbouillon“ nennen will, setzt sich im wesentlichen zusammen 
aus: Bouillon, Muzin und 10 Proz. Serumzusatz (Rinder- oder Pferde- 
serum); statt Fleisch werden zur Herstellung der Bouillon Zunge, 
Lippen, Zahnfleisch und Speicheldriisen von Rindern genommen; der 
Nahrboden muB stark alkalische Reaktion haben. Bei der Zusammen¬ 
setzung dieses Nahrbodens ging Herr Grugel von dein Gedankengange 
aus, daB die Teile der Mundhohle und der Klauen, an denen die Aphtheu- 
blaschen bei der Maul- und Klauenseuche auftreten, der Lieblingssitz 
des Erregers der Maul- und Klauenseuche sein miisse. Er verarbeitete 
daher die lymphatischen, mucinreichen Stellen der Mundhohle in den 
Nahrboden hinein. Der Nahrboden hat im Laufe der Jalire verschie- 
dene unwesentliche Abanderungen erfahren. im wesentlichen hat er sich 
in seiner Zusammensetzung nicht verandert. 

Durch die Liebenswiirdigkeit des Direktors des Landes-Tierseuchen- 
amts, Herrn Prof. Reinhardt, wurde mir auf Anregung des Herrn 
Grugel vor etwa V 2 Jahre gelegentlich eines Besuches im Landes-Tier¬ 
seuchenamt dieser Nahrboden, „die Grugelsche Mucinbouillon“, zur 


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46 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

Verfiigung gestellt fiir raeine UDtersuchungen und fiir Vetsuche iiber 
in der Humanmedizin bisher unbekannte Erreger von Infektionskrank- 
heiten wie Scharlach, Masern, Gelenkrheumatisraus usw.; Herr Prof. 
Reinhardt beauftragte Herrn Oberpraparator Grugel, mir den Nahr- 
boden in ausreichender Menge herzustellen und abzugeben; dieser Nahr- 
boden hatte sich bei veterinarmedizinischen Untersuchungen als ausge- 
zeichnet fiir sehr empfindliche Krankheitserreger bewahrt. 

Beiden Herrn fiihle ich mich hierfiir zu ganz besonderem Danke 
verpflichtet und ich mochte ihnen an dieser Stelle meinen verbindlichsten 
und aufrichtigsten Dank aussprechen. 

Bei der im Marz d. J. herrschenden Masernepidemie habe ich „die 
Grugelsche Mucinbouillon 14 zur Anwendung gebracht. 

Ich ging dabei 
von folgenden Ueber- 
Iegungen aus: Bei 
einer exanthemati- 
schen Erkrankung wie 
die Masern muB — 
wenn es sich flber- 
haupt um einen Mikro- 
organismus als Er¬ 
reger handelt, den 
wir ziichten und mi- 
kroskopisch sehen 
kdnnen, oder, allge¬ 
mein gesagt, den man 
mit unserem bakterio- 
logischen Riistzeuge 
fassen kann — der 
Erreger zu einer ge- 
wissen Zeit allgemein 
im Blute sich finden, 
da bei den Masern 
das Exanthem iiberall 
am K6rper auftritt; 
demgem&B muB man 
an jeder Stelle des Blut- 
gef&Bsystems, einerlei 
ob ich an der Finger- 
beere oder am Ohrl&ppchen Blut entnehme, selbstverstSndlich zu einer 
gewissen Zeit im Verlaufe der Erkrankung, den Erreger antreffen. Ohne 
darauf einzugehen (das soli dahingestellt bleiben), ob das Exanthem der 
Masern vom Erreger selbst (nach Analogic mit anderen Infektionskrank- 
heiten, z. B. Typhus) oder von seinen Toxinen erzeugt wird, muBte nach 
dem allgemein verbreiteten Exanthem der Erreger in ziemlicher Masse 
im Blute kreisend angenommen werden, so daB auch kleine Blutungen 
geniigen miiBten, ihn zu fassen. 

Gliicklicherweise gelang es beim ersten zur Untersuchung gewahlten 
Masernfall mit 2 Blutstropfen aus dem OhrlSppchen (nach griindlicher 
Desinfektion der Entnahmestelle), durch Beimpfen der Grugelschen 
Mucinbouillon und Anreicherung in dieser nach 48-stund. Aufenthalt im 
Brutschranke bei 37°, im mikroskopischen Pr&parat, das aus der be- 
impften und bebriiteten Grugel schen Mucinbouillon hergestellt wurde. 



Fig. l. 


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Donges, Streptokokkenfunde u. -zfichtung aus dem Blute Masernkranker. 47 



den Befund von auBergewohnlich langen Streptokokkenketten in Rein- 
kultur zu erhalten. Am nfichsten Tage wurde bei 2 weiteren Masern- 
ffillen, die ich in 
meine militarfirzt- 
liche Behandlung be- 
kam, ebenfalls Blut 
entnommen (2 Bluts- 
tropfen aus der Fin- 
gerbeere), und nach 
24- bzw. 48 - stflnd. 

Bebrfitung der be- 
impften Grugel- 
schen Mucinbouillon 
wurden wiederum, 
neben Sekundarver- 
unreinigungen, die 
langen Streptokok¬ 
kenketten gefunden. 

Durch diesen 
gleichartigen Befund 
ermutigt wurden die 
Untersuchungen 
fortgesetzt und ich 
verfuge bis jetzt fiber 
21 Masernfaile, fiber 
die ich nachstehend 
in aller Kfirze eine 

vorlfiufige Mitteilung * ,g- 2- 

machen will. 


Die Untersuch¬ 
ungen erstrecken 
sich auf 21 Masern- 
falle(21 Pat.); davon 
wurden die Strepto- 
kokken gezfichtetaus 
dem Blute in 15 Fal¬ 
len, aus den Haut- 
schfippchen in 4 Fal¬ 
len, aus dem Man- 
delabstrich in 1 Falle. 

In 3 Fallen ge- 
lang die Zfichtung 
nicht; es waren 3 
Geschwister, bei 
denen sowohl die 1. 
Blutabnahme bei 2 
Kindern, wie die 2. 
Blutabnahme bei 
alien 3 Kindern 
nicht zur Zfichtung 
der Streptokokken 
ffihrte. 



Fig. 3 


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48 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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Ob die Entnahraestelle des Blutes nicht geniigend desinfiziert war 
— die Grugelsche Mucinbouillon war nach 24 Std. bei 37° stark ge- 
triibt infolge Wachstums allerhand Haut- und Luftmikroorganismen —, 
so daB die Streptokokken durch die iibrigen mitwachseDden und sie 
iiberwuchernden Sekundarmikroorganismen nicht zur Weiterentwicklung 
Gelegenheit hatten oder durch die Stoffwechselprodukte dieser Sekundar¬ 
mikroorganismen abgetotet wurden, mag dahingestellt bleiben. Vielleicht 
war zu wenig Blut entnommen, vielleicht im unrichtigen Moment, d. h. 
zu friih, vielleicht waren es abortive F£lle. 

Vielleicht spielt auch die Tatsache eine entscheidende Rolle, daB 
versehentlich — aus hier nicht zu erorternden Griinden — bei der 
1. Blutentnahme iiber 4 Std., bei der 2. Blutentnahme fast 20 Std. ver- 
gingen, ehe nach der Blutabnahme die beimpften Nahrbodenkolbchen in den 
Brutschrank kamen, so daB die Abkiihlung von hemmendem oder sogar 
totendem EinfluB auf die zunSchst noch an die Bluttemperatur gewohnten 
Streptokokken war. Die Falle scheiden leider aus, sie weisen aber an- 
dererseits auf die Notwendigkeit hin, das Entnahmefeld moglichst griind- 
lich zu desinfizieren und die beimpften N&hrboden moglichst bald in den 
Brutschrank zu stellen. 

Die gefundenen Streptokokken zeigen die typische Diplokokkenform, 
wie sie in alien Lehrbiichern beschrieben ist. Diese Diplokokken liegen 
in Kettenform wie lange „Fahrradketten u angeordnet. 

Im mikroskopischen Praparat (aus der beimpften Grugelschen 
Mucinbouillon) finden sich Ketten von iiber 200 Diplokokken, die man 
durch mehrere Gesichtsfelder verfolgen kann; oft liegen sie in Zopfen 
nebeneinander, versclilungen, in Schleifen verknauelt; niemals findet sich 
Knickung innerhalb des Diplokokkus, immer zwischen 2 Diplokokken. 
Die mikroskopischen Bilder gleichen den in den Speziallehrbiichern und 
Veroffentlichungen beschriebenen For men des Streptococcus lou- 
gissimus und Streptococcus conglomeratus. 

Die Streptokokken sind unbeweglich, bilden keine Sporen, farben 
sich mit den iiblichen Farben (Methylenblau, Fuchsin usw.); sie sind 
grampositiv. 

Gleichzeitig mit der Beimpfung der Grugelschen Mucinbouillon 
erfolgte eine solche in Traubenzuckerbouillon. Diese Beimpfung war 
aber erst erfolgreich, wenn mehrere Tage seit dem Exanthemausbruch 
vergangen waren, durchschnittlich am 5.—6. Tage nach dem Exanthem- 
ausbruch; am 1. oder am 2. Tage nach dem Exanthemausbruch gelang 
mit 1—2 Blutstropfen die Ziichtung in Traubenzuckerbouillon in keinem 
meiner Falle. 

Ob es gelingt, mit groBeren Blutmengen als 1—2 Blutstropfen auch 
in der Traubenzuckerbouillon in den ersten Tagen nach dem Exanthem- 
ausbruch zur Ziichtung und Anreicherung der Streptokokken zu kommen, 
dariiber miissen weitere Untersuchungen Aufklarung geben. 

In der Grugelschen Mucinbouillon gelang bei der 1. Blutentnahme 
in den ersten Tagen des Masernexanthems mit der verschwindend kleinen 
Blutmenge von 1—2 Blutstropfen die Ziichtung der Streptokokken in 
alien 15 Fallen. 

Wenn wir uns vorstellen, daB in der Blutmenge von 1—2 Bluts¬ 
tropfen vielleicht nur 1 Diplokokkenglied oder sogar nur 1 Kokkus (vom 
Diplokokkus) bei der Entnahme in die Grugelsche Mucinbouillon 
kommt, so stellt die Grugelsche Mucinbouillon den elektivsten Nahr- 
boden fur Streptokokkenziichtung dar, der bisher bekannt ist. 


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Donges, Streptokokkenfunde u. -zuchtung aus dem Blute Masernkrankcr. 49 


Die Zuchtung der Streptokokken gelingt nach der Anreicherung in 
der Grugelschen Mucinbouillon (I. Generation) in der II. Generation 
auf Loeffler-Serum, Glyzerinagar, Drigalski-Agar ohne Kristall- 
violettzusatz, Traubenzuckerbouillon usw. 

Die Reinkulturen sind allerkleinste, winzige, transparente, blaulich- 
graue Tropfchen oder Bruchteile eines Tropfchens, ohne jede Kornung 
oder Trubung; sie sind oft nur schwer zu erkennen; am besten findet 
man sie z. B. auf Glyzerinagar beirn schrag auffallenden Lichte am 
Rande des Pilzrasens. 

Bereits in der II. Generation in Traubenzuckerbouillon tlberimpft, 
sind die Ketten kiirzer, auf festem Nahrboden infolge der mechanischen 
Wachstumsbehinderung noch kiirzer, wie dies erfahrungsgemaB bei den 
Streptokokken allgemein der Fall ist. Das Wachstum auf Loeffler- 
Serum ist ebenfalls sehr zart. 

Die Priifung in Lackmusmolke und Milch auf SMurebildung zeigte 
ganz geringe Rotung und keine Gerinnung, auf Frankelschem Nahr¬ 
boden (— Drigalski-)- Nutrose —) ganz geringe Rotung, auf Opto- 
chinnahrboden deutliches Wachstum. 

Die Priifung auf Scho 11m ii 11 er schem Blutagar ergab in alien 
Fallen Hamolyse in verschiedenen Graden, sowohl bei den Reinkulturen 
aus dem Blute wie aus den Schiippchen; nicht dagegen war Hamolyse 
zu beobachten bei der Reinkultur, die aus den aus dem Mandelab- 
strich eines Masernpatienten gewonnenen Streptokokken hergestellt war 
(nur 1 Fall). 

Meist war starke Hamolyse zu beobachten; auch in der V. und 
VI. Generation iiberimpfte Reinkulturen zeigten noch nach 4 Wochen 
teilweise stark ausgesprochene Hamolyse, teilweise schwache Hamolyse, 
teilweise GrUnfarbung (Viridans). 

Die Resistenz der Streptokokken ist wie diejenige der iibrigen 
Streptokokken; in einem Falle erhielt sich eine Reinkultur uber 4 Wochen, 
in anderen Fallen gin gen die Kulturen nach 14 Tagen oder 3 Wochen 
ein; am besten (iberimpft man alle 6—8 Tage auf neuen Nahrboden. 

Ueber alle iibrigen Fragen (geeigneter Blutentnahmetag, Prophylaxe 
mit den aus den Reinkulturen hergestellten mono- und polyvalenten 
Vakzinen, therapeutische MaBnahmen, Tierversuche usw. usw.) kann ich 
zurzeit noch nicht berichten, da die Untersuchungen und Versuche noch 
nicht abgeschlossen sind und noch weitere Untersuchungen notig sind. 

Ich beabsichtige, in einer groBeren, demnachst erscheinenden Ver- 
offentlichung teilweise auf diese Punkte einzugehen, teilweise erst nach 
AbschluB weiterer Untersuchungen. 

Die Antwort auf die Frage, ist dieser beschriebene Streptokokkus 
als Erreger der Masern anzusehen oder ist er ein Begleitmikroorganis- 
mus, mochte ich die 3 Forderungen Kochs als Unterlage geben: Als 
Erreger einer Krankheit kommt ein Mikroorganismus in Frage 1) wenn 
er in alien Fallen gefunden wird, 2) wenn er in Reinkultur geztichtet 
wird, 3) wenn mit dem Erreger in Reinkultur dieselbe Krankheit im 
Tierversuch erzeugt werden kann. 

Die beiden ersten Forderungen konnen als erfiillt angesehen werden, 
soweit eine verhaitnismaBig kleine Untersucliungszahl beweiskraftig ist. 

Bei der 3. Forderung sind wir, ebenso wie z. B. bei der Lues und 
der Diphtherie, solange wir keine Menschenversuche wagen konnen oder 
zur VerfOgung haben, auf Tierversuche angewiesen. Es ist aber der 
Tierversuch nur mit allergroBter Vorsicht als Beweis anzusehen. Es 

Erst* Abt. On*. Bd. 91. Heft 1. 4 


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50 Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

fragt sich, ob die Tiere iiberhaupt fiir Masern empfanglich sind, fiir eine 
exanthematische Krankheit, die auf der „nackten u Haut zum Ausdruck 
kommt; unsere Laboratoriumstiere brauchen sich in it ihrer behaarten 
Oberhaut hierfur gar nicht zu eignen, auch die Affen nicht. 

Bei der Diphtherie erzeugen wir im Tierversuch niemals Hals- und 
Rachenerscheinungen; bei der Lues ist es sehr fraglich, ob Menschen- 
lues auf Tiere iibertragbar ist; bei der Tuberkulose liegen die Ver- 
hSltnisse wesentlich anders, als Tiertuberkulose vorkommt und der 
Typus bovinus vielleicht nur eine Abart des Typus huinanus ist. 

Alle Tierversuche geben nur Auskunft, ob das betreffende Virus 
fiir das betreffende Tier pathogen ist; auch experiinentelle Ueber- 
tragungen auf Menschen sind nicht absolut beweisend; bei der natiir- 
lichen Infektion spielt noch eine ganze Reihe anderer Faktoren mit; es 
fragt sich, ob wir bei unserer Unkenutnis iiber das Virulenzproblem 
experimentelle Menschenversuche mit Streptokokken uberhaupt wagen 
diirfen. 

Vielleicht laBt sich eine Art Antwort auf die Forderung Kochs 
geben, wenn es gelingt, mit der Masernstreptokokkenvakzine prophy- 
laktisch Oder therapeutisch einen deutlichen giinstigen EinfluB auf die 
Masernerkrankungen zu gewinnen. Sollten die Streptokokken nur Be- 
gleitmikroorganismen sein, so iniissen sie als regelmafiige Mischinfek- 
tionserreger gelten. 

ErfahruugsgemaB beeinflussen die Streptokokken als die gefiirch- 
tetsten Mischinfektionserreger, z. B. bei Diphtherie, Tetanus, Tuber¬ 
kulose usw., wesentlich das Krankheitsbild und den Verlauf, indem sie 
Gewebsschadiguugen veranlassen, die das Wachstum der anderen bei 
dem ProzeB beteiligten Infektionserreger begiinstigen; auch ist eine 
Virulenzerhohung der Infektionserreger durch die Streptokokken mog- 
lich oder die Intensit&t der Verniehrung und der Giftbildung der Strepto¬ 
kokken kann durch die direkte und indirekte Wirksamkeit der eigent- 
lichen Infektionserreger gesteigert werden. 

Durch die Streptokokken kann eine nicht unwesentliche Verschlim- 
merung des Krankheitsprozesses bedingt werden, indem sie selbst 
Schadigungen herbeifiihren oder die Gefahr der Sepsis inachen; ihre 
Gifte addieren sich zu denen der eigentlichen Krankheitserreger. 

Von diesen Gesichtspunkten aus muB den Masernstreptokokken die 
groBte Beachtung geschenkt und der Kampf gegen dieselben aufge- 
nommen werden. 

Nach meinen Untersuchungen bin ich geneigt, in den von mir 
untersuchten Masernfallen den im Blute und Schiippchen gefundeuen 
Streptokokkus in Stiologische Beziehung zu den Masernerkrankungen zu 
bringen und ihn als ursachlichen Krankheitserreger fiir die Masern an- 
zusehen. 

(Nach einem am 17. Mai 1923 in der Naturforschenden und Medi- 
zinischen Gesellschaft zu Rostock gehaltenen Vortrage.) 

Abgeschlossen am 25. April 1923. 


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MutusBis, Eine BI as tom y ces - Art einer Hautaffektion. 


51 


Nachdruck verboten. 

Eine Blastomyces-Art aus einer Hautaffektion. 

Von Dr. Constantin Mutussls, 

Lei ter dee bakteriologischen Laboratoriums des Spitals Evangelismus in Athen. 

Im November 1919 wurde von einer auf der chirurgischen Abteilung 
liegenden Patientin aus einer Hautaffektion eine Blastomyces-Art 
isoliert. Die Krankengeschichte, die auch seinerzeit von Dr. Kotsono- 
pulos in der Athener Gesellschaft der Aerzte mitgeteilt wurde, ist 
folgende: 

30-jahr. Frau aus einem Dorfe in der Nahe von Athen, verheiratet, im Hause 
tatig. Aufler einer Mastitis nach der Geburt des 1. Kindes war Pat. immer gesund. 
Keine hereditare Belastung. Vor 2 Jahren bemerkte sie an der Dorsalflache des JHand- 
wurzelgelenkes der rechten Hand einen haselnuflgroflen Knoten, der, anfangs derb, 
allmahlich weich wurde und keine Druckschmerzhaftigkeit zeigte. Diese Geschwulst 
brach spontan auf; es eutleerte sich eine Fliissigkeit und es blieb eine kleine Ulzeration 
zuriick, die nach Curettement durch einen Arzt nach 2 Mon. heilte. Seit Juni 1919 
bemerkte Pat. auf der Dorsalflache der rechten Hand und an der Unterseite des Vorder- 
armes eine inehr Oder minder starke diffuse Rotting der Haut und an verschiedenen 
Stellen Knbtchcn, die von selbst aufgingen. Einige heilten zu, wahrend andere bestehen 
blieben und auch neue wieder aufschossen. 

Bei der Aufnahme in die chirurgische Abteilung (Leiter: Dr. Kotsonopulos) 
konnte folgender Befund erhoben werden: Auf der Dorsalflache des unteren Drittels 
des Vorderarms und der Hand bemerkte man mehrere Exulzerationen und einige Kn5t- 
chen in diffuser Ausbreitung von Linsen- bis zu Funfkronenstiickgrofie. Die Haut war 
verdickt und zeigte Narben. Die Bewegungen im Handgelenk etwas behindert, die- 
jeuigen der Finger frei. Aufler diesen Veranderungen fiihlte sich die Frau ganz wohl. 
Wassermannsche Reaktion negativ. 

Die durch Punktion gewonnene Fliissigkeit eines Knotchens war seros-hamor- 
rhagisch und zeigte reichlich Leukozyten. Die mikroskopische Untersuchung dieser 
Fliissigkeit in gefarbten Praparaten liefi aufler roten und weiflen Blutkbrperchen stellen- 
weise auch einige runde und elliptische Gebilde erkennen, die sich scharf von der Um- 
gebung abgrenzten, nach Gram farbbar waren und manchmal in weiflen Blutkorperchen 
laeen. Die Kultur dieser Fliissigkeit auf zuckerhaltigen Nahrboden zeigte bei einer 
6Tage dauernden Bebrutung bei 22° weifle, runde Kolonien, die in den nachsten Tagen 
uppiger wurden, vom Nahrboden sich abhoben, ganz weifllich erschienen. Unter Lupen- 
vergroflerung beobachtete man, dafl die Kolonien mehr kornig usd von der Peripherie 
nicht scharf abgegrenzt waren. 

Die mikroskopische Untersuchung von Praparaten, die aus diesen 
Kolonien hergestellt wurden, ergab rundliche und elliptische Zellen, da- 
neben auch solche, die mehr wurstformig aussahen und mehr oder 
minder starke Neigung zu Fadenbildung zeigten. Diese Zellen wiesen 
eine charakteristische Sprossung auf, und man bemerkte, daB von einer 
Zelle oft mehrere abgingen, ahnlich dem Vorgange bei Hefezellen. 

Aus diesen Untersuchungen ging hervor, daB es sich um eine Haut- 
blastomykose handelte, verursacht durch eine Hefeart, analog den voa 
Buschke, Kartulisu. a. beschriebenen. Nach der Ansicht von de 
Beurmann und Gougerot kbnnen mehrere Hautaffektionen, die 
frfiher als durch Blastomyces hervorgerufen angesehen wurden, auch 
in die Gruppe der Sporotrichosen eingereiht werden. Das Sporo- 

4* 


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52 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


trichon zeigt nach diesen Autoren im Tierkorper, wenn es pathogen 
auftritt, die elliptische Form eines Hefepilzes, die inanchmal bei kiiust- 
licher Kultur beibehalten wird. Diese, auf jeden Fall seltene Erscheinung 
wurde von diesen Autoren als „Pleomorphisme blastomycbte, levure u 
(Les sporotrichoses, p. 133—136) bezeichnet. Ich dachte daher damals, 
dafi es sich in deni vorliegenden Falle moglicherweise urn einen solchen 
Pleomorphismus des Sporotrichon-Pilzes handeln konne. Zufolge 
dieser Vermutung verabreichte Dr. Kotsonopulos der Pat. groBere 
Dosen von Jodkali (2—3 g taglich), welche Medikation innerhalb 6 Tagen 
eine bedeutende Besserung des Krankheitszustandes herbeifiihrte, so daB 
2 Wochen nach Beginn der Behandlung die Pat. nach Hause entlassen 
werden konnte, mit der Weisung, bis zu ihrer vollstandigen Heiluug Jod 
weiter zu nehnien. Subkutane Injektion der Hefe fiihrte bei einer Maus 
nach 4 Tagen zu lokaler Knotchenbildung, die sich unter Ivrustenbildung 
ruckbildete. 

Dieser Hefepilz wurde durch 3 l / t Jahre weiter kultiviert. Wahrend 
dieser ganzen Zeit hat er seine ursprungliche Form beibehalten, er ge- 
deiht bei Zimmertemperatur, und zwar zeigt er bei 25° auf zuckerhal- 
tigem Nahrboden schou nach 48 Std. iippiges Wachstum. Auf dem 
Nahrmedium erscheint auf der Oberflache ein weiBer, schleimiger Belag, 
der sich mittels Oese ieiclit abheben laBt. In mehr als 2 Wochen alten 
Kulturen bemerkt man besouders zwischen Rand des Nahrbodens und 
Glas, wenn man die Kultur unter schwacher VergroBerung betrachtet, 
daB von den Kolonien an fangs kiirzere Faden ausgehen, die bei alteren 
Kulturen die Form von Myzelien annehmen. Es ist nach dem Vor- 
stehenden nicht wahrscheinlich, daB es sich um eine Sporotrichou- 
Varietat handeln kanu, da die ursprungliche Form der Kulturen nicht 
in die des Sporotrichon Qbergeht, sondern die Blastomyces-Form 
streng beibehalten wird. Herr Prof. Gougerot, dem eine Kultur nach 
Paris zur Begutachtung geschickt wurde, auBerte sich dahin, daB bis 
jetzt keine Varietat des Sporotrichon bekannt ist, die in den Kulturen 
imrner streng die B 1 as t omy ce s - Form zeigt. Der von Gougerot 
beschriebene, oben angefiihrte Pleomorphismus von Sporotrichon 
muB eigentlich nach mehreren Ueberimpfungen in die Ursprungsform 
ubergehen. Weiter meinte Prof. Gougerot in seiner Antwort, daB es 
iiiteressant ware, diese Hefefonn genauer zu bestimmen. 

In der letzten Zeit wurde die Kultur von Herrn Prof. Pribram 
und mir in der biochemischen Abteilung des Wiener serotherapeutischen 
Institutes untersucht. Wir konnten folgende Befunde erheben: 

Makroskopisch zeigte die Kultur dasselbe, schon oben beschriebene 
Aussehen. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Trockenpraparate 
aus den jungen Kulturen zeigten sich weniger rundliche und mehr ellip¬ 
tische, daneben manche wurstformige oder langgestreckte Zellen, die zu 
langen Faden anwachsen, ohne aber ein eclites, verzweigtes Myzel zu 
bilden. Gelatine wird verfliissigt. 

Zum Nachweis von Sporen fertigten wir eine Gipsblockkultur an, 
von der wahrend 20 Tagen jeden 2. Tag ein nach Moller gefarbtes 
Praparat gemacht wurde. Auf die gleiche Weise wurden auch Prdparate 
von alteren, versiegelten Kulturen hergestellt. Es lieBen sich niemals 
Sporen nachweisen. In den nach Moller tingierten Praparaten haben 
wir in den Zellen siiurefeste Gebilde gefunden, die ungleiche Grofle und 
verschiedene Form zeigten und von denen manchmal mehrere, ver- 
schieden groBe in einer Zelle sich erkennen lieBen. In fliissigen Medien 



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Mutussis, Eine Blastomyces-Art einer Hautaffektion. 


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hatte die Kultur mehr die Form eines SproBpilzes. Die histologische 
Untersuchung ergab auBer den nach Heidenhain farbbaren Zellkernen 
die bereits erwahnten s&urefesten Einschliisse, die sich nach der Methode 
von Zikes (Methylenblauf&rbung nach Formalinfixierung) farbten, also 
als Volutin anzusprechen sind. Es sei hier erwahnt, daB die Kultur 
unbedingt 24 Std. lang in Formalin fixiert werden muB. — Nach Henne- 
berg mussen Volutinkorperchen sich bei 80 auflosen. Dies war auch 
der Fall, wenn die Erwarmung im Wasserbade 1 Std. lang fortgesetzt 
worden war. 

Zur Untersuchung des Garungsvermogens dieses Mikroorganismus 
haben wir die Methode von Lindner angewendet. Wir benfltzten dazu 
11 verschiedene Kohlehydrate, und zwar Mannit, Galaktose, Laktose, 
Dulzit, Maltose, Raffinose, Dextrose, Dextrin, Saccharose, Starke und 
Lavulose, die wir auf sterile, hohle Objekttrager brachten, und fugten 
noch eine Bouillon hinzu, die aus 100 Teilen Bouillon und 8 Teilen 
einer 1-proz. Kongorotlosung bestand. Auf jedem Objekttrager wurde 
nach Beschickung mit dem Kohlehydrat und der Indikator-Bouillonlosung 
mit dem Hefepilz geimpft, das Ganze mit einem Deckgiaschen zugedeckt 
und mit Paraffin umrandet. Wir stellten aber auch Kontrollversuche 
mit dem Kohlehydrat und der Indikator-Bouillon einerseits und der 
Indikator - Bouillon und dem Hefepilz andererseits an. Trotz dfterer 
Wiederholung des Versuches und Beobachtung durch mehrere Tage 
konnten wir bei keinem der verwendeten Kohlehydrate Sfiure- oder Gas- 
bildung beobachten. 

Aus dem Vorstehenden geht hervor, daB der Hefepilz morphologisch 
mehr der Monilia-Gruppe Plauts angehort. Nach Differenzierung, 
die auf Grund der Befunde von Sasakawa vorgenommen wurde, kann 
aber dieser Hefepilz biologisch in die Monilia-Gruppe nicht eingereiht 
werden, weil alle hierher gehorigen Pilze s&mtlich Hexosen, Saccharose 
und Raffinose verg&ren. Wegen des vollstkndigen Mangels kohlehydrat- 
vergarender Fermente ware unser Hefepilz in die 3. Kategorie der von 
Sasakawa angegebenen Gruppierung einzureihen, welche er wegen 
ihrer Uebereinstimmung mit den Torulae der Garungsphysiologen 
(Klocker) als „tor ulaartig“ bezeichnet hat. Wir haben es hier mit 
einem myzelbildenden SproBpilz zu tun, welchen wir jedenfalls mit dem 
Namen Blastomyces (pXdonj = SproB, (j.6xt]? = Pilz) bezeichnen 
konnen, da damit das morphologisch Charakteristische ausgedriickt wird. 
Gougerot will die zu Fadenbildung befiihigten SproBpilze alsZymo- 
nema ansprechen (Cbfj.7] = Hefe, vvjp.a = Faden); unter dieser Be- 
zeichnung kann man aber nur SproBpilze verstehen, die neben der 
Fahigkeit zu Fadenbildung auch gleichzeitig die zura Vergaren ver- 
schiedener Kohlehydrate zeigen, ganz khnlich der Monilia-Gruppe 
P1 a u ts. 


Literatur. 

1) Bloch, Die allgemein-pathologische Bedeutung der Dermatoiuykosen. (Sainml. 
zwangl. AbhandL, herausgeg. von Jadaanohn. Bd. 2.) — 2) Buschke, Die Sprofipilze. 
(Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wassermann. Bd. 5. 1913.) — Ders. 
u. Harry, Beitrag zur Frage der Sporulationsfahigkeit parasitischer und pathogener 
Hefen. (Dermat. Wochenschr. Bd. 76. Nr. 17.) — 3) Gougerot, Die Bporotrichosen. 

i Handb. d. pathog. Mikroorg. von Kolle u. Wasserniann. Bd. f). 1913. S. 211.) — 
)ers., Les Exascoses (Sonderabdruck). — Ders. et de Beurmann, Les Sporotri¬ 
choses. — 4) Henneberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 45. 1916. — 5) Lindner, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft I. 


P., Mikroskopische Betriebskontrolle i. d. Garungsgewerben. 3. Aufl. Berlin 1901. — 
6) Plaut, Die Hyphenpilze oder Eurayceten. (Handb. d. pathog. Mikroorg. v. Kolle 
u. Wassermann. Bd. 5. 1913.) — 7) Riceke, Die Dermatomykosen. Uebersichte- 
referat. (Schmidts Jahrb. d. gesamt. Med. Bd. 329. 1919.) — 8) Sanfelice, Ueber 
die pathogene Wirkung d. Sprodpilze. (Centralbl. f. Bakt. Bd. 17. 1895.) — Ders., 
Die pathogene Wirkung der Blastomyzeten. (Ztschr. f. Hyg. Bd. 12, 21, 2d u. 29.1 — 
9) Sasakawa, Zur Systematik pathogener und parasitischer Hefen. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922.) — 10) Zettuow, Ztschr. f. Hyg. Bd. 90. S. 183. 


Nachdruck verboten. 

Bradsot or Braxy. 

[From the Rowett Research Institute, Aberdeen.] 

By J. P. Me Gowan, M. A., M. D., B. Sc. 

Designation. 

It is agreed practically by everyone that the disease Bradsot, as 
it occurs in Iceland, Norway, etc., and Braxy, as it occurs in Scotland, 
are identical. Accordingly, in this article, the two terms will be used 
as interchangeable. The names imply an acutely fatal illness. 

Distribution. 

The disease occurs chiefly in the hilly and mountainous districts 
along the Western seaboard of Northern Europe, including thus the 
West of Ireland, part of England, Scotland, the Faroe Islands, the West 
of Norway, and Iceland. Cases are said to have been recognised also 
in Northern Germany (Jensen, 1), in Saxony [Miessner (2), Raebi- 
ger (3)], in Pomerania, West Prussia, Silesia and Posen (Miessner, 2). 
There is also mention in the reports of the Prussian Board of Agri¬ 
culture of the disease having been observed in various parts of Germany. 
Gilruth (4 and 5) has found what he believes to be the disease in 
New Zealand and Tasmania, while Dodd (6) and Dakin (7) describe 
what may be the same condition in different parts of Australia. 

Occurrence In Britain. 

The literature dealing with the disease in Britain, as well as the 
circumstances of its occurrence, have been fully treated of elsewhere 
(McGowan, 8), and it is, therefore, unnecessary to deal at length with 
it here. A short summary of the more important points may, however, 
be given. Discussions in lay journals have taken place regarding the 
disease for more than a century, conducted chiefly by laymen, such as 
shepherds. The disease occurs mainly in the hilly country, although 
cases also occur in low ground arable districts, especially when the sheep 
are feeding on turnips in the winter time. It prevails mostly towards 
the end of the year, in October, November, and December, but it also 
occurs, in lesser degree, at all times of the year. The excess occur¬ 
rence in the hilly districts towards the end of the year is however so 
great that farmers are in the habit of sending away their susceptible 


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McGowan, Bradsot or Braxy. 


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sheep from such districts to pasture on low ground, near sea level. 
This is a routine method of dealing with the disease. 

It occurs chiefly in sheep about eight months old, and these the 
fattest and best thriving in the flock. It is not, however, limited to 
sheep of this age. The most common predisposing cause of the disease 
is the eating by the sheep of frozen, succulent food (especially when it 
is covered with hoar frost), whether this be rank grass or turnip leaves, 
when sheep are folded on to a fresh lot of turnips on a frosty morning. 
This is not the sole predisposing cause, but those generally recognised 
aie of a similar nature, namely, the exposure of the sheep to extremes 
of temperature within a very short interval of time. For this reason 
the disease occurs most frequently in changeable weather, and is not so 
likely to occur when the weather remains steadily of one type. 

As regards the symptoms exhibited by the sheep, these are not 
pathognomonic of the disease: very often the sheep is never seen to be 
ailing, and is simply found dead. This occurs especially in the very 
acute cases, and particularly in the hilly districts where the sheep are 
seen at infrequent intervals. Sheep with the disease may, however, 
linger on alive for hours, and sometimes for a few days. The symptoms 
exhibited then are those of a septicaemia with high fever, sometimes 
with lung complications, meteorism, and evidence of great pain. 

As to the post mortem findings in the disease, the records have 
mostly been made by laymen unaccustomed to differentiate post mortem 
from ante mortem changes. Hence there is great confusion. James 
Hogg, the Ettrick Shepherd (1807), and Wm. Hogg (1828), drew 
attention to the occurrence, in a large number of cases, of plum coloured 
spots in the wall of the fourth stomach. But they recognised that this 
lesion did not occur in every case. The disease was first investigated 
professionally by Hamilton, in the course of a Departmental inquiry 
which began in 1900 (11). Hamilton’s work was based on that of 
Nielsen and Jensen, and discussion of it will therefore be delayed 
until their views are dealt with. It will be sufficient for the moment 
to say that Hamilton did not recognise the important part that putre¬ 
faction, which takes place with great rapidity in the sheep, especially if 
it is fat and in good condition, plays in covering up the essential nature 
of the disease. 

The method of prevention of the disease by the removal of the 
sheep to low ground pasture during the season of prevalence has al¬ 
ready been alluded to. Another method used is what is called the 
“Pig dung” treatment. Here the sheep are kept in their home pastures, 
and the treatment consists in administering by the mouth to the sheep, 
prior to the Braxy season, pig dung (the pigs having been fed in a 
special way, with cabbage leaves, etc.), mixed up with milk and strained, 
a certain amount of the liquid being given to each sheep. This pro¬ 
cedure is recognised by all to produce good effects in regard to less¬ 
ening the death rate from Braxy, but it has the disadvantage that it 
greatly reduces the condition and growth of the sheep by making them 
ill. Many farmers, on this account, hesitate to use it, and prefer to 
lose two or three sheep per score from Braxy, and to have the survivors 
in good condition, rather than have the whole twenty alive, and, at the 
end of the season, in the poor condition to which this treatment gives rise. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


Occurrence in Iceland, Norway, etc. 

The history of the disease in Iceland, Norway, etc. is mainly 
available through Jensen’s writiugs and the Braxy Committee’s report 
(loc. cit.). The subject would appear to have been discussed on numerous 
occasions in Icelandic literature since the middle of the 18th century. 
But, as these writings contain little of really scientific interest, and as 
they have been abstracted by the authorities just quoted, they may be 
passed over with mere mention. In 1888, however, Ivar Nielsen 
(vide Jensen) the Norwegian, described a bacillus, an anaerobe, found 
by him in the carcasses of sheep dead of Braxy, which he alleged to 
be the cause of the disease. It is interesting to note in this connection 
that, at this time,- Nielsen had also described a “Black-leg-like” an¬ 
aerobic organism, as the cause of a gaseous emphysema in whales 
(Heller, 12). This condition was produced in these animals by the 
whale fishers using harpoons which had been purposely dipped in 
putrefying material. Nielsen observed the haemorrhagic lesions in 
the fourth stomach (already noted by Hogg), and considered the disease 
to be an inflammatory condition of the fourth stomach. He accordingly 
designated it “Gastromycosis ovis”. Nielsen’s alleged causal organism 
was an anaerobic, motile, spore-bearer, which he states he found at 
times only in the haemorrhagic infiltration in the fourth stomach, and 
at other times throughout the other lesions of the body. Jensen (loc. 
cit.) later confirmed Nielsen’s findings. His material was derived 
from cases in Iceland, the Faroes, Norway, Sweden, and Mecklenburg. 
The findings of Nielsen and Jensen have, however, been criticised 
by several German investigators. Thus Miessner (loc. cit.) in dealing 
with the subject, states that Jensen did not obtain his material for 
investigation from fresh cases of the disease. The material used was 
old, dried material, or material which had been preserved in some other 
way, and which had been sent to him thus from Iceland, the Faroe 
Islands, etc. He states that Jensen obtained his first pure culture of 
the organism he stated to be causal of the disease from the stomach 
of a sheep which had been preserved for eight weeks in spirit, and that 
Jensen, owing to the fact that Braxy does not occur in Denmark, had 
never himself seen a case of the disease occurring naturally: hence, he 
avers, Jensen based his theory on results obtained from material which 
had every possibility of being contaminated at the post mortem from 
the intestinal contents of the animal, and afterwards from various foreign 
matters with which it would come in contact in its journey to the in¬ 
vestigator. 

Jensen in his latest article (13) replies to these criticisms and 
states that, while it is true that he did cultivate the bacillus from a 
spirit preserved stomach, his chief material for the cultivation of his 
organism and the preparation of his vaccine, was derived from the 
juice of an organ which had been dried on a cover-glass, and trans¬ 
mitted to him thus. Miessner’s criticism would, however, apply 
equally to this material. It would appear also that, even at the time 
of writing this article, Jensen had not yet seen a live or fresh case 
of Braxy, because he makes no mention of having done so. The work 
recorded in this paper deals with the histological examination of stomachs 
taken from Braxy cases killed in Iceland, preserved in formalin and 
forwarded to him. From his microscopical studies of these tissues, 
Jensen appears to draw the same deduction as before, that the con- 


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McGowan, Bradsot or Braxy. 


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dition in the stomach of these “fresh” cases is an inflammatory one, 
caused by the bacillus which he finds present in the sections. This is 
in answer to some of Miessner’s criticisms. But such an inter¬ 
pretation is contrary to the view of Hamilton (loc. cit., who held 
similar views regarding the causal organism), for Hamilton states 
that the lesions in the stomach of Braxy cases are simply of the nature 
of haemorrhages, and show no signs of inflammation. Jensen indeed 
recognises the presence ot the haemorrhages, but bases his idea of the 
inflammatory nature of the condition on the presence of a “barrier” of 
leucocytes beneath the mucosa, attracted thereto by the presence of the 
bacteria which he alleges to be causal. Quite another explanation, and 
one more in keeping with the facts, is possible however. 

If one considers a haemorrhage, the presence of which is admitted 
by Jensen to be the essential lesion, as Hamilton states, such a 
haemorrhage may, by its size, or by its interference with the continuity 
of its own vessel, or by pressing on other blood vessels, interfere with 
the nutrition of the mucosa immediately overlying it, or at parts more 
distant. The vitality of such parts of the mucosa will be greatly re¬ 
duced, and such devitalised tissues will be digested by the gastric juice. 
This combination, interruption of blood-supply and digestion, will then 
constitute these necrotic infarcts, and as they occur on a surface liable 
to contamination with all sorts of bacteria, putrefactive and otherwise, 
they will rapidly be invaded, like dead material elsewhere, by these 
bacteria. The process of absorption of such infarcts will attract 
leucocytes to the line of demarcation between living and dead tissue, 
giving rise to the barriers of leucocytes spoken of by Jensen. It will 
thus be seen that, on this line of argument, the leucocytes are not at¬ 
tracted by the bacteria, but that both are attracted by the dead or dying 
tissue, a condition of matters of universal occurrence in similar patho¬ 
logical processes. 

In this paper, Jensen, still replying to Miessner, claims as 
support for the causal relationship of his organism to Braxy, the results 
obtained in Iceland from the prophylactic injection of a vaccine pre¬ 
pared from it. Thus of 287,055 sheep inoculated with his vaccine, and 
its modifications, the loss from the inoculation itself was 1,05 %, while 
there died later from Braxy 0,97 % of the inoculated animals, making 
altogether 2,02 %■ Among 43,773 uninoculated control auimals there 
died altogether 4,97 %• The difference shown here between the results 
obtained in the inoculated and uninoculated may be admitted, but this 
by no means implies, as Jensen would argue, that the organism from 
which the vaccine was prepared was the causal organism of Braxy. It 
will be seen, for instance, that 1,05 °/o of the inoculated animals died 
as the direct result of the inoculation. It is therefore a fairly safe de¬ 
duction that, if this number died directly from the inoculation, the in¬ 
oculation would make a large percentage of the remainder ill in varying 
degrees. Now it has already been mentioned (vide supra), that dosing 
the sheep with pig’s dung, which surely cannot be suggested to contain 
the causal organism of Braxy, is very efficient in the prevention of 
Braxy, and that its method of operation is by making the animals ill, 
thus preventing them from feeding so greedily. There is here no specific 
relation between the causal organism of Braxy and the material used 
for its prevention. 

Jensen admits that he has never produced Braxy by the feeding 


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Centralbl. f. tiakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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or inoculation of his alleged causal organism, and states specifically that 
the artificial disease produced by the injection of his bacillus does not 
resemble the natural disease but is similar to Quarter ill. 

Titze and Weichel (14) have also subjected Nielsen’s and 
Jensen’s views to criticism. They worked with the alleged causal 
organism, which had been supplied to them by Jensen, and came 
finally to the conclusion after extensive experimentation, that the Braxy 
bacillus could not be considered to be the cause of the disease, and 
that it was an anaerobic saprophyte which produced putrefaction in un¬ 
opened carcasses. Hamilton’s work was criticised at the same time, 
in a similar sense, so that nothing further need be said regarding it. 
Complete agreement was expressed by me (McGowan, 1915, 8) in a 
previous article, with the criticisms of Miessner, and Titze and 
Weichel, and stress was laid especially on the importance of avoiding, 
by every means possible, a confusion of the issues through putrefactive 
phenomena. The necessity, in crucial experiments, of seeing the dis¬ 
eased sheep when alive, was pointed out, and of obtaining the material 
for investigation immediately on the death of the animal. The results 
of these investigations will be described below. 

In 1922 an article on the subject of Braxy was published by 
Gaiger (15). This writer would appear to claim that he was the first 
to appreciate the difficulties introduced into an investigation of this 
disease by putrefaction, and to act accordingly. This claim does not 
require more than mere mention. He would appear also to claim that 
he was the first to establish Braxy as a clinical entity and to show that 
it was, in reality, a condition of inflammation of the fourth stomach. 
It may be recalled however that Nielsen in 1888 had called the disease 
Gastiomycosis ovis, from a similar conception of its nature. Apart from 
this too, an examination of the circumstances on which Gaiger bases 
his claim to consider the disease in this manner will show that in three, 
at least, of the twenty cases from which the generalisation is made, the 
record of its presence is extremely doubtful even if the term lesion is 
allowed in the very elastic sense which Gaiger affects. The question 
of whether this lesion, when it does occur, is an inflammatory one, has 
already been dealt with. Gaiger’s technique for the isolation of his 
organism from the lesion in the wall of the fourth stomach, with which 
he supplants the methods of J en s en and H a m i 1 to n, can be appraised 
by those interested. It does not merit further discussion here, because, 
with a show of hyper-exactitude, it repeats in essence all the faults of 
these earlier workers. 

Gaiger was unable to produce Braxy in sheep by the feeding or 
inoculation of his organism. He uses a preparation from the organism 
obtained by him as a means of prevention of the disease. This need 
not be further discussed, in view of what has already been said in con¬ 
nection with Jensen’s preparation. Finally, Gaiger, while admitting 
his organism to be the same as Jensen’s, would appear, by implication 
if not by actual statemeut, to claim precedence to Jensen in the 
matter of discovery regarding the disease, or, alternatively, to have 
placed Jensen’s position on a logical basis. This is a point which, 
however, does not concern us here, beyond mentioning it, in-as-much 
as neither has produced any evidence that he has isolated the causal 
organism of the disease. 



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McGowan, Bradsot or Braxy. 


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Experimental Work. 

In 1915 (loc. cit.) an account of an investigation into this disease 
was published by the writer. An outbreak had occurred in a flock of 
500 lambs during the latter part of August and the whole of September. 
These lambs were feeding on rich clover aftermath, at a time and in a 
place where there were sharp night frosts. Out of this flock forty died, 
and a post mortem was done on one of them under ideal conditions, 
for it died just as it was being lifted on to the post mortem table. 
Observations had been made on it during life, the post mortem was 
done in the laboratory of a large institution, and the fact of its dying 
spontaneously did away with any necessity of introducing complications 
by killing it by bleeding, or otherwise. (Thus the culture obtained 
from the heart blood in this case, being taken directly from the heart 
with a sterile pipette, without the animal having been previously bled, 
could not have been contaminated.) The post mortem was performed 
immediately after death. The animal was found to be very fat, and 
haemorrhages were present in all the muscles of the body, in all the 
serous membranes, on the surface of the heart and in the wall of the 
fourth stomach. There was blood-stained effusion into the pericardial 
sac. Acute congestion of the lungs was present. The spleen was not 
enlarged, but contained haemorrhages. The kidneys, even so soon after 
death, were in a very soft condition. There was no gas present in the 
tissues, and no smell. Smears from various organs showed the absence 
of anything of the nature of large bacilli. From the lungs especially, 
but also from the heart-blood, there was obtained in pure culture, 
without contamination, the Bacillus bipolar is septicus ovium. 
This organism gave all the typical reactions of its kind, and on injection 
into rabbits reproduced exactly the condition found in the original sheep. 
It was also inoculated subcutaneously into the groin of three sheep, one 
of which died in eight hours, another in about fifteen hours, and the 
third in less than forty-eight hours. The temperature was raised in 
all, subsequent to injection, in one case being over 107° F. There was 
no reaction at the point of inoculation. Haemorrhages, iarge and small, 
were present throughout the body, in the body muscles and on the sur¬ 
face of the heart. The two lobes of the lung were solid, so great was 
the haemorrhage that had taken place into them, and the animal showed 
bleeding from the nostrils. The wall of the fourth stomach showed 
numerous haemorrhagic spots, some of large size, which, seen from the 
outside, were of a plum colour. The intestines showed marked inflam¬ 
mation with numerous haemorrhagic spots, and an inflammatory exudate 
on the surface of the mucosa. There was no evidence of diarrhoea. 
The pericardial sac, the pleura, the peritoneal cavity, were distended 
with blood-stained fluid. The spleen was not enlarged. 

Such were the findings when the animal was examined immediately 
on death. Where, however, the animal had lain for a few hours after 
death, there were the following additional appearances. The body was 
greatly distended, the abdomen like a drum, and the legs sticking out 
“one at each corner”. Blood stained froth was coming from the nostrils, 
together with regurgitated food, and gas was escaping from the anus. 
The various organs of the body, especially the liver, were emphysematous. 
The kidneys were diffluent, and “ran” through the fingers. The rumen 
was filled with frothing grass, and was blown up tight with gas. Its 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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lining came off in large flakes. When the abdomen, and more especially 
the apartments of the stomach were opened, a very foetid odour was 
given off. The body, as a whole, was very red in colour, on account of 
stagnation of the blood, and the soaking of the tissues with the haemo¬ 
globin from the lysed corpuscles. 

Such appearances as these last described are those by which Braxy 
is usually recognised. Yet they are all the result of putrefaction, and 
are entirely absent if the animal is examined immediately after death. 
It goes without saying, moreover, that they have nothing to do with the 
condition from which the animal died. 

Associated with these latter changes could be found by microscopical 
examination, in every part of the body, even the most distant, large 
anaerobic organisms belonging to the group which Nielsen and others 
have held to be the cause of the disease. It should also be noted in 
passing, again, that these organisms were not present at all in the fluids 
of sheep which had died of the natural or the experimental disease, and 
which were examined immediately on death. 

Microscopic examination of sections of the red patches on the stomach 
wall showed them to be simple effusions of blood, containing large rod¬ 
shaped putrefactive bacteria, thus negativing the idea that the condition 
of the stomach wall is an inflammatory one. 

In addition to the cases here described in detail, the Bacillus bi- 
polaris septicus ovium was obtained in pure culture from the lungs 
and heart-blood of eight other cases of Braxy from various districts in Scot¬ 
land. Some of these cases occurred among sheep feeding on turnips 
and grass on the low grounds, while others were obtained from sheep 
pasturing in hilly districts. 

From these observations it would appear that Braxy corresponds to 
the peracute form of Haemorrhagic septicaemia. The lesions in the 
stomach which Nielsen, Jensen and Gaiger held to be characteristic 
of the disease, would therefore be haemorrhages (as observation shows 
them to be), which occur in various places in this disease, and from 
which the disease takes its name. These haemorrhages are, however, 
not constant as to the site in which they occur, and they do not occur 
in all cases of Haemorrhagic septicaemia. The same remark applies also 
to Braxy. 

It may be mentioned that Raebiger (loc. cit.) stated that he had 
difficulty in judging of the efficacy of Jensen’s vaccine against Braxy 
in Saxony, because of the existence there of another disease with exactly 
similar clinical symptoms and post mortem appearances, namely 
Haemorrhagic septicaemia. It is significant also that while, in Germany, 
the articles in the literature on Haemorrhagic septicaemia in the sheep 
are numerous, and those on Braxy few in number, in Britain and the 
Scandinavian countries the position is exactly reversed. It is hardly 
likely that such a wide-spread disease as Haemorrhagic septicaemia in 
the sheep should show such a selective distribution. Further, the occur¬ 
rence in Scotland of the less acute forms of this disease have been ob¬ 
served and recorded by me personally, e. g. the pneumonic and nervous 
forms as they occur in Louping ill (16). The very chronic form of the 
disease was also found, where the sheep is emaciated and cachectic, and 
where the Bacillus bipolaris septicus was obtained in pure, un¬ 
contaminated cultures from the chronic pneumonic conditions in the 
lungs. 



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McGowan, Bradsot or Braxy. 


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Observations made on the clinical symptoms and epidemiology of 
the disease during this investigation, confirmed the statements already 
made in the beginning of this paper. From the natural history of its 
occurrence there can be little reasonable doubt that in Scotland the term 
Braxy includes practically only one definite disease. This aspect of the 
question has been discussed more fully in connection with an allied 
disease in Hares in Scotland (McGowan, 17). On the Continent 
however, there would seem to be doubts on this point. Miessner 
(loc. cit.) examined preparations by Sonnenberg, who thought that 
some cases of the disease might be piroplasmosis. Miessner could 
not substantiate Sonnen berg’s view. But he, along with Titze 
and Weichel, thinks that the term Braxy, as used in Germany, may 
include several diseases whose real nature is obscured by the putre¬ 
factive changes occurring. 

Factors giving rise to the disease. 

The relationship of the Bacillus bipolaris septicus to the 
disease having been dealt with, there remains to be discussed the exact 
method by which the disease comes about, and the possible explanation 
of the epidemiological facts in terms of this conception. In the first 
place it is well known that the Bacillus bipolaris septicus oc¬ 
curs in the respiratory passages of a large percentage of normal sheep, 
much in the same way as the Pneumococcus occurs in human beings. 
Again, Braxy is known not to be an infectious disease. When cases occur 
in groups these cases are not related to one another except in that they 
are brought about by some common secondary factor acting on the 
several individuals at one time. Further, Braxy in the great majority 
of cases in Scotland, follows the consumption by the sheep of succulent, 
juicy food, when it is covered by hoar frost. This procedure causes a 
shock to the system and lowers the vitality, which enables the Bacil¬ 
lus bipolaris septicus to fasten on, much in the same way as the 
Pneumococcus causes Pneumonia in human beings. 

Thus the optimum conditions for an outbreak of the disease would 
be the concomitance of sheep eager to feed, the occurrence of hoar 
frost, and the presence of succulent food. Now, it has already been 
stated that the sheep most liable to the disease are the fat, growing 
and thriving young sheep, and their thriving state may be taken as 
cause and consequence of their good appetites. They are greedy feeders. 
Further, for reasons which need not be gone into fully here, as they 
are discussed elsewhere (McGowan, 18), hilly districts are par ex¬ 
cellence, on account of the altitude, the clearness of the atmosphere, 
and the associated valleys, situations for the formation of hoar frost, 
and in these hilly districts themselves, hoar frost formation takes place 
to the greatest extent at the bottom of the valleys, where there is com¬ 
parative stillness, and where the water courses and marshes are. At 
the bottom of the valleys too, owing to the greater depth and fertility 
of the soil and the presence of the water courses, the vegetation is 
much superior and ranker. It will therefore be seen that, at the bottom 
of the valleys in hilly districts, there is an optimum combination of the 
factors necessary for the production of Braxy. 

It has already been stated that the time of year for the maximum 
occurrence of Braxy is during the months of October, November and 
December. Those are the months of heaviest rainfall on the Western 


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Oeutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1 


shores of Northern Europe. But the rainfall, per se, is not the factor 
here involved. It however indicates the presence of a high percentage 
of moisture in the atmosphere, and the consequent ready formation of 
hoar frost when temperature of the air falls. The prevailing wind on 
the Western shores ot Europe at this time of year is the South-West 
wind, which is notoriously a moisture-bearing wind. 

At this time of the year also the weather is very changeable. Often 
there is sunshine or rain during the day, changing over to frost at 
night. As has already been mentioned Braxy is known to be a disease 
of changeable weather. It is not nearly so prevalent when the weather 
is of a fixed type over long periods. 

These considerations then appear to explain the distribution of 
Braxy with its maximum incidence along the hilly and mountainous 
districts of the Western seaboard of Northern Europe, and during the 
later part of the year. Braxy would appear to be in the main a disease 
of topography and geographical situation. 

It must not be thought, however, that Braxy is always caused by 
the eating of frosted food. Exposure to extremes of temperature within 
a short period of time, or excessive chilling will also bring it about. 
In this connection it may be mentioned that Nielsen found that the 
great predisposing cause of Braxy in Norway was the shearing of the 
sheep for the second time in the Autumn, and turning them out at once 
to the pastures. Hilly districts are again the places where this chilling 
comes about most readily. Such a topography even in an island, changes 
the oceanic type of climate to the continental in this sense that there 
is a great variation between day and night temperature. Under these 
conditions the milder and more chronic forms of Haemorrhagic septic¬ 
aemia, such as Louping ill etc. would appear to occur however in 
preference to the hyperacute form, Braxy. 

Where Braxy occurs on low ground farms, in the flat areas, this is 
usually the result, as already mentioned, of folding the sheep on growing 
turnips with their leaves intact, on a frosty morning. They eat greedily 
the frozen, juicy leaves, with the result that Braxy ensues. 

In closing this section, it would be well again to emphasise the fact 
that the routine method of dealing with the disease is to remove the 
susceptible sheep from their home pastures to the flat arable pasture 
land on the low grounds. Here the conditions are more equable, there 
is less swing in temperature between day and night, and the other con¬ 
ditions described as predisposing to Braxy in the hills, depending on 
the topography, are little in evidence. 

Prophylactic measures. 

No opportunity has been available for the testing of a vaccine pre¬ 
pared from the Bacillus bipolaris septicus as a prophylactic 
against Braxy. Hence there is nothing to record under this heading. 
It should be noted however that an intelligent use of measures devised 
to meet the secondary and predisposing factors, can meet with, and has 
met with a very considerable success. In the uplands this takes the 
form of keeping the sheep up on the hill-tops during the night, and not 
allowing them down into the valleys until the frost has disappeared 
from the grass; and, in the low grounds, where the sheep are more 
under control, in preventing their access at any time to succulent food 
when it is covered with hoar frost. 


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Becker, Zur Nomenklatur der Pferdebandwurmer. 


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Conclusions. 

1) The disease Bradsot or Braxy is the hyperacute form of Haemor¬ 
rhagic septicaemia, and is caused by the Bacillus bipolaris septi- 
cus. — 2) An explanation of its geographical distribution is given, and 
the importance of secondary factors in bringing it about is emphasised. 


References. 

l) Jensen, Kolle u. Was Berm an ns Handbuch. Bradsot. Bd. 6. 19 3. — 
2) Miessner, Mitt. d. Kais. Wilhelm-Inst. !. Landwirtsch. in Bromberg. Bd. 1. 1909. 
S. 217. — 3) Raebiger, Ber. iib. d. Tiitigk. d. Bakteriol. Inst. d. Landwirt. f. d. Prov. 
Sachsen 1911—1912. — 4) Gilruth, Proe. Austr. Assoc. Dev. of Science. Vol. 13. 
1911. p. 567. — 5) Ders., The Vet. Journ. Vol. 66. 1910. p. 254 and 35b. — 6) Dodd, 
Joum. Compar. Path, and Ther. Vol. 31. 1918. p. 1. — 7) Dakin, Scott. Journ. of 
Agricult. Vol. 111. 1920. p.275. — 8) McGowan, Transact. Highland and Agricult. 
Soc. of Scotland. 1915. — 9) Hogg, James, Shepherds Guide 1807 and Transact. 
High, and Agricult. Soc. Scotland. 1807. — 10) Hogg, William, Transact. High, 
and Agricult. Soc. Scotland. 1828—29. — 11) Hamilton, Board of Agricult, and 
Fisher. Braxy Committ. Report. Part II. London 1906, and Transact. High and Agric. 
Soc. Scotland. 1902. — 12) Heller, Journ. Infect. Die. Vol. 27. 1920. p. 443. — 
13) Jensen, Zeitschr. f. Infektionskr. d. Haustiere. Bd. 17. 1915. — 14) Titze u. 
Weichel, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. 36. 1910. — 15) Gaiger, Journ. 
Compar. Path and Ther. Vol. 35. 1922. — 16) Me Go wan, The Veter. Joilrn. Vol. 79. 
1923. p. 141. — 17) Ders., Scott. Journ. of Agricult. Vol. 4. 1921. — 18) Ders., 
Transact. High, and Agricult. Soc. 1920. p. 56. 


Nachdruck verboten. 

Zur Nomenklatur der Pferdebandwurmer (Anoplo- 

cephalidae). 

Von Dr. Rudolf Becker in Uelzen (Hannover). 

Im Laufe der Zeit hat die wissenschaftliche Benennung der Pferde- 
bandwflrmer, insbesondere der beiden groBeren Arten, einen mannigfachen 
Wechsel erfahren. Die natiirliche Folge hiervon war das Auftreten 
zahlreicher Synonyme, von denen sich ein Teil bis in die neueste 
Zeit hinein unver&ndert in den Lehr- und Handbiichern der Pathologie, 
pathologischen Anatomie, Parasitologie und Zoologie erhalten hat. Einer- 
seits versteifte man sich vielfach auf den alten Gattungsnamen Taenia, 
obwohl die vergleichende Anatomie die Sonderstellung dieser Parasiten- 
gruppe im System der Cestoden ldngst klargestellt hat, wonach sich 
diese in ihren anatomischen Merkmalen von den echten T&niiden min- 
destens ebenso sehr unterscheiden, wie ihre entsprechenden Wirtstiere 
voneinander verschieden sind, also mit Recht Anspruch auf einen be- 
sonderen Gattungsnamen haben. Andererseits wurden immer wieder 
von den einzelnen Autoren je nach den benutzten Quellen verschie¬ 
den e Artnamen fflr die ndmlichen Arten angewandt, so daB sich 
sp&tere Bearbeiter dieses Gebietes jedesmal vor eine schwierige Ent- 
scheidung gestellt sahen und gelegentlich ihrer Unsicherheit in der ge- 
w&hlten Benennung durch BeifUgung mehrerer Synonyme Ausdruck 
gaben. 


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Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 


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Solche Zustande konnten einem stetigen Fortschreiten in der Kenntnis 
dieser Parasiten nur hinderlich sein, und tatsachlich sind infolge dessen 
mehrfache Verwechselungen sowie irrtumliche und mifibrauchliche 
Anwendungen der einzelnen Artnamen vorgekommen Noch heute macht 
sich das Fehlen einer einheitlicheu Nomenklatur in systemati- 
scker wie praktischer Hinsicht unangenekm beraerkbar und steht zu 
beffirchten, daB eine init dem Wiederaufbliihen parasitologischer Forschung 
vielleicht schon in Kiirze zu erwartende Herausgabe neuer Werke die 
alten Namen nach Belieben weiterpflegen wird, wenngleieh die richtigen 
Bezeichnungen zoologisch feststehen und nunmehr zu allgemeinem Ge- 
brauch gelangen miissen. Der Unistand, daB nicht fiberall die Moglich- 
keit besteht, an Hand der Literatur ein sicheres Urteil fiber die korrek- 
teste und zugleich historisch alteste Nomenklatur zu gewinnen, moge 
die folgende geschichtliche Betrachtung rechtfertigen. 

Die beiden groBeren Bandwurmarten des Pferdes wurden 
schon ziemlich frfih bekannt, jedoch anfangs als Formen einer einzigen 
Art — Taenia equi — beschrieben. Der erste Beobachter, 0. F. 
Mflller (1780), fand im Mageu eines Pferdes eine Anzahl von Band- 
wfirmern, von deneu er 1 Exemplar von 10 Zoll Lange wegen seiner 
GroBe besonders erwahnt. 1 Jalir darauf hat Pallas (1781) ebenfalls 
im Magen* von Pferden Bandwfirmer von 2 verschiedeneu GroBen ange- 
troffen. Hiervon gibt er unter dem Namen Taenia equina eine aus- 
ffihrlichere Beschreibung: „Die meisten sind zwischen 1 und 3 Zoll lang, 
nach hinten zu lanzettformig zugespitzt, doch stumpf, vorn hingegen 
etwas breiter und stumpf abgerundet.“ Nur wenige Tiere waren 5 und 
6, ein einziges fiber 10 Zoll lang und hinten breit abgeschnitten. Sie 
batten da, wo der Kopf ansitzt, auf jeder Seite zwei ziemlich betracht- 
liche Fleischwarzen, wovon Pallas bei den groBen keine Spur wahr- 
nehmen konnte. Auch aus einer beigeftigten Abbildung geht deutlich 
hervor, daB ihm beide Arten vorgelegen haben. Die Benennung Taenia 
equina wird im gleichen Sinne von Chabert und von Goeze (1782) 
fibernommen. Letzterer hebt das blattartige Aussehen der Glieder be¬ 
sonders hervor und, indem er sie mit den Ftihlerblattchen eines Mai- 
kafers vergleicht, ffigt er dem Namen die Erlauterung „pcrfoliata“ 
hinzu. Auch diesem Autor haben, nach seiner Beschreibung zu schlieBen, 
einige Bandwfirmer „ohne Fleischlappen am Kopfe“ und einige „Strecken 
ohne Kopfenden, deren Glieder nicht so blattrig aufeinander lagen“ vor¬ 
gelegen. Erst Abildgaard (1789) ffihrt die scharfe Trennuug beider 
Arten durch, welche er Taenia magna und Taenia quadrilobata 
nannte. Zeder (1800) gibt eine sorgfaltige Beschreibung der Arten 
und findert die Namen in Alyselminthus plicatus und A. lo- 
batus, spater (1803) in Halysis plicatus und H. lobatus 
ab. Um dieselbe Zeit hat Gmelin (?1800) in der von ihm heraus- 
gegebenen 13. Auflage von Linnes System a Naturae, sich an 
Abildgaard haltend, beide Bandwurmarten getrennt als Taenia 
magna und Taenia quadrilobata aufgeffihrt, aber zu den bewaff- 
neten Tfinien gezahlt, einige Seiten weiter nennt er dann in der Gruppe 
der hakenlosen Tanien eine Taenia equina als besondere 3. Art von 
Pferdebandwtirmern, wobei er offenbar auf Pallas zurtickgeht. Ru- 
dolphi (1808—1810, 1819) hat die Arten als Taenia plicata und 
Taenia perfoliata fibernommen und mit lateinischen Artdiagnosen 
versehen. 

Einen systematisch wichtigen Schritt hat dann E. Blanchard (1848) 



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Becker, Zur Nomenklatur der Pferdebandwurmer. 


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getaD, als er ffir die hakenlosen Bandwfirmer des Pferdes und Hasen 
die neue Gattung Anoploccpliala aufstellte und von der Gattung Tae¬ 
nia abtrennte, nachdem schon Bremser (1824) die „Taeniae inermes“ 
den „Taeniae armatae“ gegenfibergestellt hatte. Blanchard legt dabei 
vor alleni Gewicht auf die Hakenlosigkeit des Scolex, die charakteristi- 
sche Kfirze der Glieder nebst ihren anatomischen Folgen sowie auf den 
„birnformigen Apparat“ der Eier. 

Leider blieb diese Trennung in der Folgezeit von den Autoren 
gfinzlich unbeachtet, welche durchweg an der von Rudolphi ange- 
gebenen Nomenklatur festhielten. Sogar Kahane (1880) gebraucht in 
seiner Spezialarbeit noch die Bezeichnung Taenia perfoliata Goeze, 
obwohl Blanchard als Typus seiner neueu Gattung gerade Anoplo- 
cephala perfoliata [Goeze] 1 ) gewahlt hatte. Fttr die grofite Art 
hat erst Ball! (1908) den korrekten Artnamen Anoploccpliala mngna 
[Abildgaard] *) festgelegt, nachdem schon frfiher unabhfingig voneinander 
einerseits R. Blanchard (1891) den Gattungsnamen, andererseits 
Scheibel (1895) den Artnamen berichtigt hatten. 

Die Benennung der dritten Art hat nicht die vielen Wandlungen 
durchgemacht, doch sind auch hier Irrttimer entstanden. Sie wurde 
wegen ihrer geringen GroBe und ihrer relativen Seltenheit in West- 
europa erst viel spSter aufgefunden. Gurlt (1831) beschreibt sie zu- 
erst als Taenia mamillana Mehlis. Unter gleichem Namen folgt die 
ausfuhrliche anatomische Untersuchung durch F. Zschokke (1888). 
Sodann reiht sie R. Blanchard (1891) in die Gattung Anoploce- 
phala ein, zu welcher er sowie Stiles (1897) noch eine Anzahl anderer 
Arten hinzuffigen. Was Dujardin (1845) als Taenia perfoliata 
beschreibt, ist ganz bestimmt nicht diese Art, sondern Anoploccpliala 
niauiillaiia (Mehlis) gewesen, die er noch nicht dem Namen nach kannte. 
Das geht aus seinen Worten wie Abbildungen deutlich hervor. Eine 
verhangnisvolle Folge hat diese Verwechselung insofern gehabt, als bald 
darauf einige franzosische Forscher (Davaine, Baillet u. a.) die 
wirkliche Anoplocephala perfoliata neu auffanden und erst be¬ 
richtigt werden muBten. 

Auf einen weiteren Irrtum mcichte ich kurz hinweisen. v. Lin stow 
z&hlt in seinem „Kompendium der Helminthologie 11 (1878) als Pferde- 
parasiten noch 2 weitere Bandwurmarten, Taenia pediculata und 
Taenia strangulata, ohne Autoren- bzw. Literaturangaben auf. Es 
ist anzunehmen, daB hiermit die beiden eigenttimlichen Formvarictsiten 
genieint sind, in denen Anoplocephala perfoliata gelegentlich 
vorkommt. Welche Bildungsursachen diesen morphologischen Ab- 
weichungen von der „Nornialforin u zugrunde liegen, konnte bislang nicht 
ermittelt werden, neue Arten sind es jedeufalls nicht. 

Die Systematik unterscheidet im ganzen nur 8 Cestodenarten des 
Pferdes, ffir welche Railliet und Stiles zweeks leichter Orientierung 
folgenden Bestimmungsschlfissel aufgestellt haben: 


1. a) Kopf roit hinteren Lappen, 2—3 mm breit; Strobila 8 bis 

25 cm lang, 3—15 mm breit.A. perfoliata 

b) Kopt ohne Anhangslappen.2. 

2. a) Kopf, 4—6mm breit; Strobila9—80cm lang, 5—20 mm breit A. magna 
b) Kopf weniger als 1 mm breit; Strobila 6—30 nun lang, -1 bis 

6mm breit.A. mamillana 


1) Die Autorennamen sind in Klnmmcrn zu setzen, weil nur die Artbezeichnung 
von ihnen herriihrt. 

Kr.tr Abt. Orig. Bd. 91. Heft 1. 


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Anhangsweise sei erw&hnt, daB der Name Taenia magnavon 
Murie (1870) auf einen Bandwurm des indischen Rhinoceros ubertragen 
wurde, dessen Identitat mit der von Peters (1856) gefundenen Taenia 
gigantea Pet. aus dem afrikanischen Rhinoceros spSter (1871) von 
letzterem selbst konstatiert wurde. Er nannte sie nunraehr Plagio- 
taenia (1891 P lagotae nia) gigantea Pet. Weiterhin hatGarrow 
(1877) eine scheinbar etwas abweichende TSnie des Rhinoceros sundaicus 
(Java) als identisch mit ebengenannter Art angesprochen. R. Blan¬ 
chard (1891) hat sie mit zur Gattung Anoplocephala gestellt und 
Mac Callums sowie Deiner (1912) haben fast gleichzeitig ausffihr- 
lichere, etwas differierende Schilderungen der Anatomie geliefert. Nur 
mufite der korrekte Name dann nicht Anoplocephala latissima 
Deiner, sondern Anoplocephala gigantea (Peters) lauten. Ein genauer 
Vergleich mit A. magna ergibt weitgehende Uebereinstimmungen im 
Bau, vielleicht lSGt sich gar die Identitat beider Arten nachweisen. 

Zur Gattung Anoplocephala rechnet R. Blanchard auch An¬ 
oplocephala zebrae (Rudolphi), doch ist diese wahrscheinlich mit 
A. perfoliata identisch. Die Beschreibung von Collin (1891) ist 
nur unvollstSndig, da seine haupts&chlichsten Unterscheidungsmerkmale 
— dreieckige Form der 4 Kopflappen mit starker Querfaltenbildung so¬ 
wie eine gedrangtere Anordnung der Glieder — sich unschwer durch 
st&rkere individuelle Muskelkontraktionen erkl&ren lassen. Andererseits 
hat bereits Sander (1779) einen sehr breiten gezShnelten Bandwurm 
aus dem Zebra gekannt, den Goeze fur verwandt mit den Pferde- 
bandwiirmern halt (nach Batsch 1786), es ist offenbar ein Exemplar 
von A. magna gewesen. 

1911 hat Mello einen kleinen Bandwurm des Fasanen als An¬ 
oplocephala minima Mello neu beschrieben, jedoch erheben sich 
berechtigte Zweifel gegen dessen Zugehorigkeit zur Gattung Anoplo¬ 
cephala, vor allem weil die Genitaloffnungen nicht an ein und dem- 
selben Gliedrande liegen, sondern regelmafiig abwechselnd links und 
rechts. 

Die ausfuhrliche Charakteristik der Gattung Anoplo¬ 
cephala E. Blanchard lautet nach Braun (1894—1900) folgender- 
maBen: 

„Glieder erheblich breiter als lang; Genitalien einfach, Genitalpori etets an dem- 
s el ben Gliedrande; Hoden und Keimstock im Mittelfeld, era tore auf der dem Porus- 
rand entgegengesetzten, let/.terer auf der Porusseite; Uterus eine quergelagerte Rohre 
mit flascnenformigen Anhangen; Cirrus nnd Vagina kreuzen die Markstrange (= Haupt- 
liingsnerven) und die Langsstamme der Exkretionsorgane. Eier mit wohlentwickeltem, 
birnformigem Apparat.“ 

R. Blanchard hat diese Gattung zusammen mit einer Anzahl ver- 
wandter Tanien, zum Teil als neue Gattungen (Bertia, Moniezia), 
in der selbstSndigen Subfamilie der Anoplocephalinae unter- 
gebracht, welcher Rai 11 iet (1893) Andrya, Ctenotaenia (spSter 
Cittotaenia genannt), Stilesia und Thysanosoma einreihte. 
Endlich hat Perrier (1897) noch Amabilia und Plagiotaenia 
hineingenommen, von denen letztere durch R. Blanchard zur Gattung 
Anoplocephala gestellt wurde. Braun zahlt im ganzen 8 Gattungen 
zur Unterfamilie der Anoplocephalinae R. Blanchard: An¬ 
oplocephala, Andrya, Bertia, Cittotaenia, Linstowia, Mo- 
niezia, Stilesia, Thysanosoma. In neuester Zeit sind noch einige 


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Becker, Zur Nomcnklatur der Pferdebandwiirmer. 67 

weitere hinzugekoinmen. Als Merkmale werden von Braun auf- 
gezahlt: 

„Kopf meist kugelig, seltener gestreckt, unbewaffnet; Saugnapfe verhaltnismaSig 
groS; Hals fehlt; Glieder kurz und breit; Genitalien einfach oder doppelt; Genitalpori 
randstandig; Uterus quergelagert und rohrenforroig oder netzformig; Eier gewolmlich 
mit birnformigem Apparat; Entwicklung unbekanut; in Saugetieren (Affen, Wieder- 
kauer, PeriBsoaaclyla und Beutler) vorkoiumend.“ 

In jfingster Zeit verlieh die Systematik (Braun-Fuhrmann, nach 
Claus-Grobben (Lehrb. d. Zool. 9. Aufl. 1916) dieser Cestoden- 
gruppe, welche von Rail lie t (1885) als Anoplotaeniae bezeichnet 
wurde, innerhalb der 5. Tribus Cyclophyllidea, den Rang einer selb- 
standigen Familie Anoploccphalidae neben der Familie Taeniidae, 
von der sie sich wesentlich unterscheidet. Diese MaBnahme ist ent- 
schieden als ein wichtiger Fortschritt zu betrachten, jedoch weiter ver- 
mag ich dera neuen System nicht zu folgen. Seinerzeit hat L. Cohn 
(1899) aus seinen Untersuchungen fiber das Zentralnervensystem der 
Cestoden Grfinde ffir das primfire Fehlen der Skolexhaken bei Ano- 
plocephaliden und damit zugleich ffir ihr phyletisch hohes Alter 
hergeleitet. In diesem Sinne hat man nunmehr diese Familie in un- 
raittelbarer N3he offenkundig primitiver Familien (Mesocestoididae, 
Fimbriariidae) gestellt, wahrend die Taniiden am Ende der Eut- 
wicklungsreihe stehen. Meine eigenen Untersuchungen (1921) haben mich 
dazu geffihrt, ein sekundares Fehlen der Haken anzunehmen, wahrend 
solche bei den Stammformen noch vorhanden gewesen sein mflssen. 
Auch sonst zeigt der feinere Bau der Pferdebandwiirmer nirgends be- 
sonders primitive Verhfiltnisse, welche auf ein verhfiltnismfiBig hohes 
Entwicklungsalter schlieBen lieBen. Eher wird man zur Annahme einer 
ausgesprochenen Einseitigkeit in der Ausbildung der Organe 
geleitet, vor allem die Kfirze und Breite der Proglottiden, die einseitige 
Lage der Genitaloffnungen und die Querlagerung des Uterus bekunden 
dies. Damit erhielten die Anoplocephaliden ihren Platz im System noch 
h in ter den Taniiden, eine Stellung, welche derjenigen ihrer Wirtstiere 
Ungulaten bzw. Carnivoren entspricht. Ein Parallelismus in der 
Stammesgeschichte der Parasiten und ihrer Wirte ist hier unverkennbar. 

Literatur. 

Balfl, H., Ueber die Entwicklung der Geschlechtsgange bei Cestoden usw. 
(Ztschr. wise. Zool. Bd. 91. 1908. 8. 266—296.) — Becker, R., Beitrage zur Kenntnis 
aes Nervensystems der Pferdebandwurmer usw. (Zool. Jahrb. Bd. 43. Anat. 1921. 
8. 171—218.) — Braun, M., Cestodes. (Bronns Klass. u. Ordn. des Tierreichs. Bd. 4. 
1894—1900 (altere LiteraturJ.) — Cohn, L., Untersuchungen fiber das zenlrale Nerven- 
system der Cestoden. (Zool. Jahrb. Bd. 12. Anat. 1899. S. 89—160.) — Deiner, E., 
Anatomie der Anoplocephala latissima nov. spec. (Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. 19. 
1912. 8. 347 —372.) — Fiebiger, J., Die tierischen Parasiten der Haus- und Nutztiere. 
2. Aufl. 1923.) — Gurlt, F. E., Lehrb. der patholog. Anat. d. Haus - Saugetiere. 
Bd. 1, 1831—1832. — MacCallum, G. A., and W. G., On the structure of Taenia 
gigantea (Peters). (Zool. Jahrb. Bd. 32. Syst. 1912. S. 379—388.) — Mello, U., 
Anoplocephala minima n. sp. del Fagiano. (Monit. Zool. Ital. Anno 23. 1911. 
8. 124—130 [Ref. Zool. Jahresber. Neapel. 1912. S. 46].) 


5* 


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Nachdruck verboten. 

Ueber „erzwungene“ Antagonisten. 

[Laboratorium des Ukra'inischen Roten Kreuzes.J 

I. Mitteilung. 

Von Dr. Ignaz Schiller, Odessa. 

In einer Arbeit „Sur les produits des microbes en association", die 
1914 in dieser Zeitschrift erschien x ) uud im Laboratorium von Prof. 
Metschnikoff ausgefiihrt worden ist, berichteten wir iiber den Ant- 
agonismus eines azidophilen Bazillus verschiedenen Kokken gegeuiiber. 

Dieser Bazillus sebeidet in Gegenwart von Kokken, und zwar speziell 
von Streptokokken, eine bakterizide Substanz aus, deren VVirkung sich 
ebenso in gewohnlicher Nahrbouillon wie in Bouillon mit Kohlehydraten 
zeigt, so dall die Vernichtung der Kokken nicht auf die schadliche Wir- 
kung des Siiuregehaltes des Milieus zuruckzuftihren ist. Diese Art von 
Antagonismus bezeiebnen wir als natiirlichen, d. h. als solchen, der un- 
abhangig von der Versuchsperson zutage tritt. 

Dagegen nennen wir als erzwungenen Antagonismus diejenige Er- 
scheinung, bei welcher 2 Bakterien, die fur gewohnlich ganz gut zu- 
sammengedeihen, unter solche kiinstliche Bedingungen gestellt werden, 
dall zwischen ihnen ein Existenzkampf entstehet und die eine der andereu 
zum Opfer fallt. 

Hier beschaftigen wir uns ausschlielSlich mit dieser Art von Ant¬ 
agonismus, und zwar mit derjenigen, die zu einer Verdauung von 
lebenden Bakterien fiihrt. 

Das Studium der erzwungenen Antagonisten ist, wie wir darlegen 
werden, von grolSem biologischen und moglicherweise auch von prak- 
tischem Interesse, weil die erzwungenen Antagonisten die Fiihigkeit be- 
sitzen, bakteriolytische Substanzen gegen pathogene Bakterien zu sezer- 
nieren. Dabei ist es vollstandig gleich, ob der aktive Antagonist ein 
Saprophyt Oder Parasit ist. 

Die erzwungene Verdauung einer lebenden Bakterie durch die andere 
kann nur erreicht werden, wenu wir die biologischen Verhaltnisse beider 
genau kennen und sie in der Weise ausnUtzen, datS bei vollst&ndiger 
Passivitat (erzwungener) der einen die grolSte Aktivitat der anderen ge- 
wahrt wird. 

Unsere vorliegenden Versuche beziehen sich nur auf die gramposi- 
tiven Bakterien und auf das verschiedene Verhalten der Bakterienarten 
den EiweiBmolekiilen gegeuiiber. Wir gingen dabei vou folgenden Er- 
waguugen aus: Haben wir in einem stickstoflfreien Milieu 2 Bakterien. 
von denen die eine proteolytische, die andere aber nur peptolytische 
Eigenschaften aufweist, so wird die 1. bei der Suche nach Nahrung ihr 
proteolytisches Vermogen ausniitzen und die 2. zur Auflosung bringen. 
Durch Versuche wurden diese Voraussetzungen vollstandig bestktigt. 

Es ist nicht schwer, solche Bedingungen zu schaffen; geniigt es 
doch, 2 Bakterienarten, die die eben erwahnten Eigenschaften besitzen, 
in destilliertem Wasser zusammenzubringen. , In solchem Milieu (wir 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 73. 1914. 


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Schiller, Ueber B crzwungene“ Antagonisten. 


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prflften eine groBe Reihe von Bakterien) kann man die grampositiven 
proteolytischen Bakterien dazu zwingen, die grampositiven peptolytischen 
Bakterien lebendig zu verdauen, wodurch sie zu erzwungenen Ant¬ 
agonisten werden. Selbstverst&ndlich gelingt der Versuch uie, wenn das 
Milieu stickstoffhaltige Substanzen enthalt, weil in diesem Falle die 
beiden Bakterien vortrefflich zusaminen gedeihen. 

Es wurden von uns folgende Bakterien (proteolytische) in „er- 
zwungene Antagonisten verwandelt: B. mesentericus fuscus, 
B. subtilis, B. anthracis, eine ganze Reihe von Sarcinen, ein 
weiBer, aus der Luft isolierter Kokkus und verschiedene Staphylokokken- 
arten. Als Bakterien, die zur Verdauung (lebendig) gebracht wurden, 
verwandten wir eine ganze Reihe von pathogeuen Streptokokken, den 
B. bulgaricus, B. acidophilus (Moro II) und den Strepto¬ 
coccus lacticus. 

Versu.ch Nr. 1. Eine 24 stiind. Ascites-Agarkultur wird nach 2maligem Ab- 
waschen im de.-til 1. YVasser (urn alle fremden, stickstoffhaltigen Substanzen zu ent- 
ferncn) in einem Kolben, der 100 ccm destill. YVasser enthiilt, gebracht und daun eine 
Oese rait B. mesentericus fuscus zugefiigt und der Kolben 24 Std. in den Brut- 
schrank bei 37° O gestellt. Am niichsten Tage hat sich auf der Oberflache des destill. 
Wassers ein Schleier gebildet, der aus Bazillen und Sporen von B. mesentericus 
besteht und vollstandig denjenigen gleicht, die sich in gewohnlicher Bouillon bilden. 
In der Tiefe des Kolben findet sich eine groBe Zahl von Bazillen und dazwischen 
Streptokokken, die haufenweise daliegen und fest an die Bazillen geschmiegt sind. Die 
meisten derselben sind nach Gram nicht mehr farbbar und nach 3-tagigeui Verweilen 
im Brutschranke bei 37° C sind die Streptokokken nicht mehr nachweisbar. Zu be- 
roerken ist noch, daB die Autolyse einer ganzen Kultur von Streptokokken im destill. 
Wasser bei 37° gewohnlich nach 30 — 40 Tagen vor sich geht. Am 4. Tage der 
Kolben nur eine reme Kultur von B. mesentericus fuscus enthalt. Bei bfterer 
Wiederholung dieses Versuches konnten wir festatellen, daB manchmal eine vollstiindige 
und rascbe Verdauung der lebenden Streptokokken durch die friihzeitige Sporenbildung 
der Bazillen verhindert wird. Dieser Erscheinung kann man aber lcicht vorbeugen, 
denn es geniigt, zum destill. Wasser, in welchem sich die beiden Bakterien befinden, 
3—5 Tropfen einer 1-proz. Peptonlosung, oder noch besser, die gleiche Quantitat Bouillon 
hinzufiigen. Die Sporenbildung hort dann sofort auf und es tritt eine rasche Ver- 
mehrung des B. mesentericus ein und vollstandiges Verschwinden der Streptokokken. 
Setzt man wiederholt Pepton und Bouillon hinzu, so geht die Verdauung der Strepto¬ 
kokken in noch rascherem Tempo vor sich. Die winzige Quantitat der hinzugefiigten 
Bouillon oder des Peptone wirkt ansporneud auf den B. mesentericus, ist aber un- 
geniigend, um den Widerstand des Streptokokken zu begiinstigen. (Bei Gegenwart von 
stickstoffhaltieen Substanzen gedeihen aber die beiden Bakterien friedlich zusammen.) 

Eine ganze Reihe von Versuchen hat uns iiberzeugt, daB der Bouillon eine starke 
stimulierende Wirkuug bei der Verdauung lebender Bakterien zukommt. 

Die Beobachtung von Gaucher und Faure-Geors 1 ), daB B. sub¬ 
tilis, der aus Bouillon in Milch geimpft wird, letzten rascher zur Ge- 
rinnung bringt, als wenn er vom Agar stammt, ist vielleicht auch da- 
mit zu erklaren, daB die extraktiven Substanzen der Bouillon, die mit 
den Bakterien in die Milch gelangen, die rasche Vermehrung der Bazillen 
fordern. 

Den Mechanismus der Verdauung der lebenden Streptokokken durch den Bacillus 
mesentericus stellen wir uns so vor, daB letzterer in das Milieu, in welchem die 
Verdauung stattfindet, eine bestimmte Quantitat bakteriolytischer Substanz ausscheidet 
welche bei Beriihrung mit dem Streptococcus denselben zur Auflosung bringt. Die 
Quantitat der ausgeschiedenen Substanz muB der Quantitat der im Milieu vorhandenen 
Streptokokken entsnrechen und moglicherweise muB sugar ein UeberschuB dieser Sub¬ 
stanzen ausgeschieaen werden. Diese bakteriolytische Substanz miiBte dann nach der 
Befreiung der Fliissigkeit von den Bakterien nachgewiesen werden konnen, wie dies uns 
in der Tat gelungen ist. 

Versuch No. 2. Eine 24-stund. Streptokokkenkultur wird in 100 ccm destill. 
Waasers aufgeschwemmt und, die Aufschweminung mit B. mesentericus (einige 

1) Compt. rend. Soc. Biol. Paris. T. 23. 1914. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 1. 


Oesen) geimpft. Nach 4-stiind. Verweilen im Brutschrank war die ganze Streptokokken- 
kultur verdaut, worauf das Milieu von Bakterien durch langeres Zentrifugieren frei ge- 
tnacht wurde und wir eine durchsichtige, gelbliche Fliissigkeit erhielten, die auf An- 
wesenheit bakteriolytischer Ferraente gepriift wurde. In these Fliissigkeit, brachten wir 
‘/so einer 24stund. Streptokokkenkultur und liefien im Brutschrank '/, btd. stehen, worauf 
wir die Veranderungen, die die Streptokokken erlitten hatien, untersuchten: Der groBte 
Teil derselben Streptokokken farbte sich nicht mehr nach Gram; die Kokken waren 
meistens nicht mehr kettenformig, sondern in Haufen gelagert und zusammengeballt. 
Einige von ihnen waren in wiDzige Kornchen zerfallen, andere aber dermaSen gequollen, 
dafi sie 3mal so groB wie die normalen Kokken waren. 

Je linger die Streptokokken in Beriihrung mit der bakteriolytischen Substanz 
waren, desto groBer war der Auflosungsgrad derselben (s. unlenstehende Tabelle, nach 
welcher die Wirkung der bakteriolytischen Substanz auf Grund wiederholter Zahiungen 
nach der iibliehen Methode, auf Petri-Schalen mit Ascitesagar, zusammeugeetellt 
worden ist.) 


Dauer der Beriihrung der Streptokokken Zahl der Streptokokkenkolonien 
mit der bakteriolytischen Substanz in 10 Oesen 


0 St. 

i/ 

/ 2 »» 

1 „ 

2 „ 

3 „ 

4 „ 

Es handelt sich dabei um Mittelzahlen, die aus 52 Versuchen zu- 
sammengestellt sind. Eine l&ngere Beruhrung der Streptokokken mit 
der bakteriolytischen Substanz wurde aus folgenden Griinden vermieden: 
Das Abzentrifugieren des Milieus mit den darin enthaltenen Bazillen 
fiihrte selten zur vollstandigen Entfernung aller Bakterien; immer blieben 
noch einzelne Sporen oder Bazillen, die mikroskopisch nicht nachweisbar 
waren, jedoch beim lSngeren Verbleiben im Brutschrank aufkeimten und 
sich sehr rasch vermehrten. Nach 24-stiind. Verbleiben bei 37 0 C war 
die Zahl der Bakterien so verschwindend klein (im ganzen Pr&parate 
1 oder 2 Bakterien), dad die Bakteriolyse der Streptokokken nicht auf eine 
Verdauung durch die Bakterien zuruckgefiihrt werden kann. Nach 4 Std. 
geht die Vermehrung der Bazillen rasch vor sich und die Verdauung 
der Streptokokken erfolgt durch die von diesen Bazillen ausgeschiedene 
bakteriolytische Substanz. Nur in vereinzelten Fallen, wenn es tins ge- 
lang, nach langem Zentrifugieren die Bakterien vollstandig zu entfernen, 
verblieb der Streptokokkus in der verdauenden Fliissigkeit 6 Std., wo¬ 
rauf wir beim Ueberimpfen auf Ascitesagar keine Streptokokkenkolonien 
mehr bekommen konnten. Von Interesse ist noch, dad die Fermente, 
die im Laufe eines proteolytischen Prozesses in der Gelatine oder in der 
Milch vom B. mesentericus gebildet werden, die lebenden Strepto¬ 
kokken weder auflosen, noch sonst irgendwie schadigen. Die beiden 
Bakterien gedeihen vortrefflich in diesem N&hrboden zusammen. 

Beim Evaporieren der bakteriolytisch wirkenden Fliissigkeit im 
Brutschrank erhielten wir eine braunlichgelbe Masse, welche alle ihre 
bakteriolytischen Eigenschaften beibehielt. 

Bei Priifung einer 6 Monate alten, ausgetrokneten bakteriolytischen 
Substanz auf ihre Fahigkeit, die Streptokokken aufzulosen, ergab sich, 
dad diese nach dieser Zeit nicht vermindert worden war. 

Die vom B. mesentericus ausgeschiedene bakteriolytische Sub¬ 
stanz ist thermolabil und wird beim Erhitzen auf 56°—57° C ( 8 /i Std.) 
zerstort. 


478 

176 

112 

78 

64 

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Schiller, Ueber „erzwungene“ Antagonisten. 


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Interessant ist ferner, daB diese ausgetrocknete, pulverisierte Sub- 
stanz (auch unevaporiert), wenn sie in Bouillon mit Ascites oder in 
Blutserum von Menschen gebracht wird, ihre bakteriziden und bakterio 
logischen Eigenschaften den Streptokokken gegeniiber behalt. Dabei 
beobachteten wir noch, daB die nach vielen Stunden (s. S. 70) auf- 
keimenden Mesen tericus-Sporen nicht zur Bildung von gewohnlichen 
Stabchen fiihrten, sondern zu langen, gewundenen Faden wachsen. 

Versuch Nr. 2 beweist, daB die bakteriolytische Substanz die vom 
erzwungenen Antagonisten ausgeschieden wird, die Streptokokken, wenn 
sie eine bestiinmte Zeit auf sie eingewirkt hat, auflost. Es schien uns 
nun von WichtigBeit, festzustellen: 1) ob diese bakteriolytische Substanz 
nur auf die in Frage koinmenden Streptokokken einwirkt, oder auch 
Streptokokken anderer Herkunft und andere Bakterienarten auflost, 2) ob 
die Zerfallsprodukte der Streptokokken keine toxische Wirkung auf den 
tierischen Organismus ausiiben, und 3) ob es nicht moglich ist, die 
Streptokokken durch Sensibilisieren mit der bakteriolytischen Substanz 
das betreffende Tier unschadlich zu machen. 

Was die 1. Frage anbetrifft, so konnten wir nachweisen, daB die 
bakteriolytische Substanz alle Streptokokken, und zwar sowohl die patho- 
genen wie auch die nicht pathogenen auflost. Auch der Pneumo¬ 
coccus wird leicht aufgelfist, dagegen Staphylokokken und Bazillen 
(eine ganze Reihe von grampositiven Stabchen) nicht beeintrachtigt 
werden. 

Zur L8sung der 2. Frage (ob die Zerfallprodukte des Streptokokken 
nicht toxisch fiir den tierischen Organismus seien), haben wir einer 
weiBen Maus die evaporierte (und spater in destill. Wasser aufgeloste) 
bakteriolytische Substanz unter die Haut eingespritzt; sie blieb wahrend 
wochenlanger Beobachtungszeit vollstandig munter. 

Was schliefilich die 3. Frage (ob es nicht mSglich ware den Strepto¬ 
coccus zu sensibilisieren) anbetrifft, so konnen wir folgendes berichten: 
Viooo einer 24-stiind. Streptokokken-Agarkultur *) wurde in 2 ccm unserer 
bakteriolytischen Substanz aufgeschwemmt. Letztere wurde in der Weise 
gewonnen, daB, nachdem 2 Streptokokkenkulturen im destill. Wasser durch 
den B. raesentericus vollstandig verdaut worden waren, die Fliissig- 
keit von Bakterien befreit und spater evaporiert wird, danach der trockene 
Ueberrest in 2 ccm destill. Wassers aufgelost wurde. Die Streptokokken 
blieben 3 / i Std. in Berflhrung mit der bakteriolytischen Substanz. Wurden 
jetzt die Streptokokken zusainmen mit der bakteriolytischen Substanz 
einer weiBen Maus unter die Haut eingespritzt, so blieb sie wahrend 
der ganzen Beobachtungszeit vollstandig gesund und munter (mehrere 
Wochen). Dagegen ging die Kontrollmaus, die dieselbe Quantitat von 
Streptokokken (in physiol. Kochsalzlosung aufgeschwemmt) bekommen 
hatte, nach 48 Std. ein. 

Zusammenfassung der Resultate. 

1) Im Gegensatz zu den natiirlichen Antagonisten zeigen die er¬ 
zwungenen Antagonisten (die grampositiven) ihre Eigenschaften nur 
unter den von der Versuchsperson gewahlten Bedingungen. — 2) Fiir 
alle von uns untersuchten Bakterienarten ist es moglich, solche Be¬ 
ll Viooo einer 24-stiind. Agarkultur unseres Streptokokken tfitet die Maus in 
48 Std. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 1. 

.. 

din gun gen zu schaffen, daB sie zu erzwuDgenen Antagonisten der ge- 
wohnlichen pathogenen Bakterien werden. — 3) Der Bacillus mes- 
entericus (eine gram positive, proteolytische Bakterie), falls er sich 
gemeinschaftlich mit dem Streptococcus (einer grampositiven, pepto- 
lytischen Bakterie) in einem jeder Nahrung entbehrenden Milieu be- 
findet, wird zum Antagonisten des letzteren und scheidet eine bakterio- 
lytische Substanz aus. — 4) Die Verdauung der lebenden Bakterien 
durch die erzwungenen Antagonisten geschieht in derselben Weise, wie 
die Verdauung durch Bakterien der unloslichen EiweiBsubstanzen, d. h. 
durch Ausscheidung einer proteolytischen Substanz. — 5) Die Quantitat 
dieser ausgeschiedenen Substanz entsprieht der Zahl, der sich im Milieu 
befindlichen Bakterien. Diese bakteriolytische Substanz wirkt auch auBer- 
halb der Bakterien (nach Abzentrifugieren)^— 6) Die bakteriolytische 
Substanz verliert beim Evaporieren und Austrocknen nichts von ihrer 
auflosenden "Kraft. — 7) Die bakteriolytische Substanz ist nicht streng 
spezifisch. — 8) Streptokokken, die eine s / 4 Std. in Beriihrung mit der 
bakteriolytischen Substanz waren und die sp&ter unter die Haut einer 
weiBen Mans (letale Dose) eingespritzt wurden, verursachten dem Tiere 
keinen Schaden. 


Nachdrtick verboten. 

Ueber die Brauchbarkeit der Flockungsreaktion fiir die 
Auswertung antitoxiscber Sera (insbesondere des 
Diphtherieantitoxins). 

|Aus dem Institut fur experimentelle Therapie „Emil von Behring u 

(Direktor: Prof. Dold).] 

Von W. Scholz. 

Zum sicheren Nachweis der Toxine und Antitoxine bedurften wir 
bis vor kurzem stets des Tier vers uch s (einige wenige „Reagenzglas- 
gifte u ausgenommen). W. Georgi (1), der sich in eingehenden Unter- 
suchungen mit dem Problem beschaftigt hat, die Wirkung der antitoxi- 
schen Heilsera direkt im Reagenzglase zur Darstellung zu bringen, sagt 
wohl mit Recht, daB die Weichhardtsche Epiphaninreaktion, die von 
Armand-Delille beobachtete positive Komplementbindung sowie 
Agglutinationsversuche mit antitoxischen Seren (Bruno, Lu bow ski, 
Schfirmann und Son n tag u. a.) einen einigermaBen regelmSBigen 
Nachweis einer spezifischen Antikorperwirkung bei den antitoxischen 
Heilseris bisher nicht gestatteten. Dagegen bedeuten W. Georgis 
eigene Versuche, durch Zusatz cholesterinierter Organextrakte zu einer 
bestimmten Toxin-Antitoxinmenge, die Antikorperfunktion des Diphtherie- 
serums als Flockung im Reagenzglase sichtbar zu machen, einen sehr 
beachtenswerten Fortschritt. Wie nahe W. Georgi dem durch neuere 
Forscher erreichten Ziele eines sicheren Nachweises antitoxischen Di- 
phtherieserums sowie einer praktisch brauchbaren Auswertung desselbeB 


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Scholz, Brauchbark. d. Flockungsreakt. fiir die Auswertung antitox. Sera. 73 


in vitro war, wird jeder erkennen, der die Angaben Georgis mit den 
hier folgeuden Zahlen vergleicht. DaB tatsSchlich bei der Mischung von 
Diphtherietoxin mit Antitoxin im Reagenzglase eine sichtbare Prazipi- 
tation auftritt, wenn man nur die optimalen Mengen von Toxin und 
Antitoxin zusammenbringt, und dafi diese Flockungsreaktion auch zur 
Auswertung des Serums oder Toxins geeignet sein kann, hat G. Ramon 
(2) gezeigt, und diese Angaben sind von Nicolle, C6sari und De¬ 
bains (3) zum Teil mit modifizierter Technik bestatigt worden. 

Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dold babe ich eine Nachpriifung 
der Ramonschen Angaben und eine Untersuchung uber die prak- 
tische Brauchbarkeit der Methode an dem reichhaltigen Material 
der Behring-Werke vorgenommen. 

In einer Reihe orientierender Vorversuche, die zum Teil nach der 
ursprunglichen Ramonschen Methode, zum Teil nach den Angaben von 
Nicolle, C6sar und Debains ausgefuhrt wurden, zeigte sich zu- 
n&chst die wichtige Tatsache, daB die auftretende Reaktion (oft nur eine 
Starke Trubung, keine Flockung) mit groBer Sicherheit als spezifisch 
angesehen werden kann, d. h. daB Diphtherietoxin nur mit Seren von 
mit Diphtherie behandelten Pferden reagierte, nicht dagegen mit Normal- 
serum, Tetanus-Streptokokken- oder Dysenterieserum. Da Ramon seine 
Untersuchungen auch auf Tetanus ausgedehnt hat, wurden auch von 
mir Vorversuche mit Tetanustoxinen und Antiseren angestellt, die im 
Prinzip dasselbe ergaben wie bei Diphtherie, doch habe ich meine 
weiteren Untersuchungen der besseren Erschopfung dieses Themas 
wegen zunSchst auf Diphtherietoxin und Antitoxin beschrankt. 

Was die beiden verschiedenen Methoden der Sichtbarmachung der 
Reaktion anbetrifft (Ramon: durch die Flockung, Nicolle, Cesari 
und Debains: durch die Bildung eines Prazipitationsringes im Serum 
beim Ueberschichten von Serum uber eine erstarrte Gelatine-Toxinlosung), 
so lieferte die einfachere Ramonsche Methode bessere Resultate, da 
bei der 2. Methode Schwierigkeiten in der Sterilhaltung der Gelatine- 
Toxinlbsung sich ergaben. Da auch sonst kein Vorteil in dieser Me¬ 
thode erblickt werden konnte, wurde des Weiteren nur mit direkten 
Toxin-Antitoxinmischungen gearbeitet. 

Bei einer naheren Betrachtung der Ramonschen Versuchstechnik 
ergab sich, daB die sparlichen Angaben Ramons einer Er- 
weiterung und Prazisierung bedurften, um ein praktisch 
brauchbares Verfahren zu bekommen. Nach Ramon nehme 
man eine Reihe von Rohrchen mit je 20 ccm (die 100-fache Menge, die 
W. Georgi zu seinen Versuchen verwandte!) eines beliebigen Diphtherie- 
toxins und setze Serum in fallenden Mengen zu. Bei Zimmertemperatur 
oder besser bei 37° C soli, wenn es sich um Diphtherieantitoxin handelt, 
nach kiirzerer oder lSngerer Zeit (einige Minuten bis mehrere Stunden) 
TrQbung und Flockung auftreten. Wichtig sei es, dasjenige RShrchen 
zu bestimmen, in dem die Flockung zuerst auftritt (precipitd indicateur), 
denn die Serummenge, bei deren Zusatz sich die 1. Flockung zeige, stelie 
in Beziehung zum Antitoxintiter des untersuchten Serums. Den fallen¬ 
den Serummengen 

von 4 ccm entsprechen 50 Antitoxineinheiten 

„ 2 „ „ 100 

» t „ „ 200 „ 

„ 0,5 „ „ 400 

„ 0,25 „ ,. 800 

Die zwischen diesen Zahlen liegenden Werte ergeben sich von selbst. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 


I A.bt» Originate. Bd. 91. Heft 1. 


r j ,a ninVitheriesera verschiedener Wertigkeit nach 

Es warden von mir'AO Dipbthenes ba , d daB zwar mit jedem 

dieser Vorschnft geprflft.\Dabei ° it o,5-proz. Karbolzusatz 

„beliebigen“ Diphtherietori^Boi^onfillw^rt^ P x ccm) positiye 

und einetn Giftwert von a » d B aber die fl Indikations- 

Flockungsreaktionen zu erzieton ™ toxischen „Test“giftes bei dem- 
flockung bei Anwendung ernes a nzeigte, als bei schwiche- 

selben Serum relativ wemger Antitomj^ eiu e {o lgender Versuch gelten: 
rein „ lest u toxin. Als Beispiel hierfl^LTS , n39 dessen Auswer- 

Zur Prufung gelaugt das Serum vonW^ haUen . A ls Testgift dient 
tung nn Tierversuch 600 AE in 1 ccm erge^ 1 * 51 ^ 


1) D. G. Nr. 318 (in 1 ccm = ca. 4 Gifteinheit 

2 ) D. G. Nr. 319 (in 1 ccm = ca. ti GifteinheitenJ 
5. Juni 1923 3 S0 p. m. 


?) 


L). G. 318 

20 ccm 

20 ccm 

20 ccm 

fallende Serum- 
meugeu Pfd. 1139 

0,5 ccm 

0,43 ccm 

0,37 ccm 

enUprcchend 

400 AE 

500 AE 

GOO AE 

4 00 p. m. 

— 

— 

Triibung? 

5°* p. m. 

— 


Triibung 

Triibung 

6 15 p. m. 

— 

Triibung 


2<T 


0,31 ccm 

700 AE 

Triibung 
Triibung! 
f 1 o c k t 



20 ccm 


! 0,25 ccm 


800 AE 


iibung? 
TiKubnng.' 

Trl 


L). G. 319 

20 ccm 

20 ccm 

20 ccm 

20 ccm 

20 J| 

fallende Serum- 
mengen Pfd. 1139 

0,5 ccm 

0,43 ccm 

0,37 ccm 

0,31 ccm 

0,25 1 

entsprechend 

400 AE 

500 AE 

GOO AE 

700 AE 

1 ®00 | 

4 U0 p. m. 

5 00 p. m. 

6 1S p. m. 

Triibung 
Triibung! 
f 1 oc k t 

Triibung? 

Triibung 

Triibung 

_ 

Training? 

Triibung 

? 



Dieses Ergebnis spricht fur eiu Auftreten der Flockung bei eil 
bestimniten Absattigung des Toxins und fiir eine Verwertbarkeit der 1\1 
tliode zur Antitoxinmessung, allerdiugs unter der Voraussetzun' 
d a II man d a s s e 1 b e T e s 11 o x i n b e i b e h a 11. 

Ich babe daraufhin 4 verschiedene Toxine (Di.-Gift Behring-Wer) 
Nr. 312 = ca. 2-facli; Di.-Gift Nr. 318 - ca. 4 fach; Di.-Gift 319 = cp 
6-fach und Di.-Gift 326 konzentr. = ca. 30-facli) untersucht und uj 
melireren Grunden Di.-Gift Nr. 319 fiir alle folgenden Ve 
suclie gewissennaBen als Testgift ausgew&hlt. (Diphtheril 
gift Nr. 319 ist ein selir hellgelbes, klares Bouillonfiltrat mit 0,5-proj 
Karbolzusatz, das vor jetzt ca. 6 Mon gevvouneu und bei intrakutarn 
Prufung am Meerschweinchen als 6-fach normal gefunden wurde. D; 
Praparat wird jetzt von den Beh r i n g-Werken fiir die Titrierung d<i 
Diplitheriesera in vitro aufbewahrt.) Ein solches ,,Test u gift hat gegef 
liber den bisherigen den Vorteil, daB das Flockungsvermogen (pouvp 
floculant) nach Ramons neuesten Untersuchungen (4) viel konstante 
ja fast unveriinderlich ist, gegeniiber deni bekanntlich stets schwindende 
direkten und indirekten Giftwert alternder Bouillongifte. 

Fiir den Fall, daB die Flockungsmethode ernstlich als brauchbarr 
Austitrierungsverfahren in Frage kommen sollte, entstand nun die praf 
tisch niclit gleichgiiltige Frage, ob die von Ramon geriihmte bedeu 


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Scholz, Brauchbark. d. Flockungsreakt. fflr die Auswertung antitox. Sera. 75 


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tende Verbilligung der Antitoxinaustitrierungen nach der Flockungs- 
methode infolge Ersparuis von Versuchstieren (die Vereinfachung der 
Technik und der schnelle Erhalt des Resultates sei als Vorteil geru 
zugegeben) fiir die heutigen Verh&ltnisse in Deutschland zutritFt. Wenn 
man bedenkt, daB man fiir eine einzige Serumpriifung 100 ccm eines 
hochwertigen Toxins verbraucht, wahrend man nach der Romerscheu 
Intrakutanmethode 6 Prflfungen an einem Meerschweinchen ausfiihren 
kann, so wird es klar, daB der Kostenunterschied bei Anwendung des 
urspriinglichen Ramonschen Verfahrens kein allzugroBer sein dflrfte. 
Ich habe deshalb, obwokl Ramon angibt, daB bei geringerer 
Toxinmenge die Resultate an Zuverl&ssigkeit verlieren, 
versucht, mit dem 10. Teil der vorgeschriebenen Menge, also mit 2,0 ccm 
(in je einem ca. 5 ccm fassenden Prazipitationsrohrchen!) auszukommen. 
Aus mehr als 50 vorgenommenen Vergleichsuntersuchungen ergab sich 
dann auch, daB bei entsprechenden Serumverdiinnungen, 
bei Verwendung von 2 ccm unseres Toxins Nr. 319 eine 
Genauigkeit erreicht werden konnte, die den Resultaten 
der Ramonschen Methode gleichkommt. 

Was nun die fallenden Serummengen aubetrifft, die nach Ramons 
Angaben zu den einzelnen Giftrohrchen zuzusetzen sind, so vermisse 
ich die Angabe eines einheitlichen Volumens, in das diese Serummengen 
gebracht werden sollen. Es schien mir moglicherweise eine Fehlerquelle 
darin zu liegen, verschiedene Volumina (beispielsweise Volumina 
von 4,0 ccm und 0,25 ccm) zu je 20 ccm Toxin zuzusetzen. Diese 
Fehlerquelle konnte sich besonders stark bemerkbar machen, wenn man 
auf Zwisclienwerte prflfen will, z. B. auf 450 oder gar auf 475 AE. Aus 
diesem Grunde habe ich durch Zugabe von 0,85-proz. Kochsalzlosung 
als Verdiinnungsfliissigkeit in meinen Versuchen das Volumen des zu- 
zusetzenden Serums stets einheitlich (uud zwar = 0,5ccm) gemacht. 

Bei einer groBeren Reihe von Versuchen mit diesen Quantitaten 
fand ich dann, daB die Prufungsmenge von 2,0 ccm unseres Toxins 
Nr. 319 eine Indikationsflockung mit der Seruminenge von etwa 0,23 ccm 
(Ramon rechnet 2,0 ccm auf 20 ccm seines „beliebigen a Toxins) bei 
einem 100-fachen, und dementsprechend mit einer Menge von 0,058 ccm 
(0,5 ccm nach Ramon) bei einem 400-fachen Serum lieferte. Da wir 
fflr die Flockungsenergie (pouvoir floculant) des Diphtherietoxins noch 
keine MaBzahlen besitzen |nach Ramon (4) besteht uur wflhrend der 
ersten 8 Tage des kulturellen Wachstums ein Parallelism us zwischen 
Flockungsenergie und direktem Giftwert], so lflBt sich heute ein allge- 

mein gflltiges, fflr die Flockuug optimales Verhflltnis von ~ A n |i^oxin ~ n0C ^ 

nicht genau angeben. Ein Annflherungswert ist in meinein empirisch 
erhaltenen Flockungsoptimum von 


ca. 12 G.E. ( ; 
23,3 AE( 


2 ccm D. G. 319 
ca. 6-fach 


0,0582 ccm D. fi.S\ 
400-fach ) 


gegeben. 


Unter Berflcksichtigung dieser Zahlenwerte habe ich mir fflr meine 
Serumverdflnnungen folgendes Schema (S. 76) ausgearbeitet: 

Die folgenden Mengen.sind so berechnet, daB daraus weitere Verdfln- 
nungen fflr die Zwisclienwerte (z. B. fflr 250-fach) durch Mischung von 
je 1 ccm des vorhergehenden Flflschehens (200-fach) mit 1 ccm des 
folgenden (300-fach) hergestellt werden konnen. Zu noch engerer Ein- 


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76 


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Flaschchen I 


2,61 

ccm 

■) 

Serum 

+ 

3,0 

ccm 

NaCl 

100-fach 

9 

11 

= 

2,0 

• 

von FI. I 

+ 

2,0 

n 

■ 

200 

H 

9 

III 

= 

1,0 

9 

9 

. I 

+ 

2,0 

9 

9 

300 

9 

9 

IV 

= 

2,0 

9 

9 

. II 

+ 

2,0 

9 

9 

400 

9 

9 

V 


1,0 

9 

9 

. I 

+ 

4,0 

9 

9 

500 

9 

9 

VI 

= 

2,0 

9 

9 

, HI 

+ 

2,0 

9 

9 

600 

■ 

9 

VII 

= 

1,0 

9 

9 

. 1 

+ 

6.0 

9 

9 

700 

9 

9 

VIII 

= 

2,0 

9 

9 

, iv 

+ 

2,0 

9 

9 

800 

.. 


grenzung, z. B. fur 275-facb, wird 0,5 can FI. 250-fach mit 0,5 ccm 
FI. Ill gemischt. 

Nach diesem Schema lassen sich alle praktisch wichtigen Verdun- 
nungeu leicht herstellen; die Priifungsmengen fiir unter 100 fache sowie 
fiber 800-fache Sera kanu man durch Berechnuug nach den obigen An- 
gaben unschwer finden. Hat man gar keinen Anhaltspunkt fur den 
Antitoxingehalt eines zu prufenden Serums, so wird man zunachst auf die 
obigen Grundwerte prfifen und man kann dann nach dem Ausfall dieser 
Priifung die Grenzen beispielsweise so ziehen, daft man ein vermutlich 
400 faches Serum auf die Werte 350, 375, 400, 425 und 450-fach pruft. 

Ich gebe als Beispiel bier den Priifungsverlauf von einem 500-fachen 
Diphtherieserum der Behringwerke mit 0.5 Proz. Karbolgehalt (Ballon 
285, Probe vom 14. Juni 1923), das im Institut f. exp. Therapie in 
Frankfurt a. M. staatlich anerkannt wurde: 

1) werden die zur Herstellung der Serumverdiinnungen dienende 
Flaschchen (bzw. gewohnliche Reagenzrohrchen, ca. 10 ccm fassend) mit 
0,85-proz. Kochsalzlosung und den entsprechenden Serummengen in fol- 
gender Weise beschickt: 


I 

= 2,61 

ccm 

Serum 

+ 

3,0 

ccm 

NaCl 

100 fach 

II 

= 2,0 


FI. 

1 

+ 

2,0 


tt 

200 „ 

III 

= 1,0 

tt 

tt 

I 

+ 

2,0 

11 

It 

300 „ 

IV 

= 2 

tt 

tt 

II 

+ 

2,0 

t> 

It 

400 „ 

450 

= 1 

tt 

tt 

IV 

+ 

1,0 

tt 

von FI. V 

450 „ 

475 

= 0,5 

tt 

•1 

450 

+ 

0,5 

tt 

von FI. V 

475 „ 

V 

= 1 

i» 

M 

I 

+ 

4 

tt 

NaCl 

500 „ 

525 

= 0.5 


tt 

V 

+ 

0,5 

tt 

von FI. 550 

525 „ 

550 

- 1 

tt 

tt 

V 

+ 

1 

tt 

von FI. VI 

550 ,, 

VI 

= 2 


tt 

III 

+ 

2 

tt 

NaCl 

600 „ 


(Die Menge von 2,61 ccm der klaren Serumprobe wird mit einer 
1 ccm-Pipette in Flaschchen I eingefiillt und nach gutem Durchmischen 
die weiteren Flaschchen (mit derselben Pipette) mit den angegebenen 
Serumverdiinnungen versehen); 

2) werden in 5 Prazipitationsrohrchen (ca. 5 ccm fassend) je 2 can 
Di-Gift 319 gegeben; 

3) werden aus den Flaschchen 450, 475, V, 525 und 550 je 0,5 ccm 
der betrelfenden Verdiinnung in eins der mit Gift beschickten Rohrchen 
gefullt. Die Rohrchen werden gut umgeschiittelt und in einen Brut- 
schrank von 37 0 gebracht. 

Nach 20 Min. sind bereits alle Rohrchen getriibt und nach 4 V 2 Std. 
beginnt, wie das Protokoll zeigt, das mittlere Rohrchen (500-fach) zu flocken : 


1) Diese Zahl ist, wie aus dem Obigen bereits hervorgeht, empirisch gefunden 
worden. Sie erffillt die Bedingung, iu 0,5 ccm der Verdunnung in Flaschchen I 
0,23 ccm Serum (vgl. oben) zu enthalten. 

fin 5,01 ccm Verdunnung 2,01 ccm Serum 

' 0,5 „ „ 2,61X5.5 AO ,, c , 

" ’ ” ” ———!_ = 0,23 ccm Serum 

5,61 J 

Ferner geniigt sie der prnktisehen Notwendigkeit, mindestens 5 ccm in FI. I zur Ver- 
fiigung zu haben. 


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Scholz, Bruuchbark. d. Flock ungsreakt. fiir die Auswertung antitox. Sera. 77 


4. Juli 1923. 10 00 a. in. 


Ballon 285(500-fach) 
Probe vorn 14. Juni 
Dosis 2,61 ccm 

450 

475 

500 

525 

550 

10 20 a.m. 

+ 

+ 1 

+ 1! 

+ ! 

+ 

2' 10 p.m. 

4- 1 

+ n 

f lock t 

+ !! 

+ ! 

2 S0 p.m. 

+ 1! 

geflockt 

geflockt 

geflockt 

+ N 


Erst nachdem eine solche Prazisierung durch eine groBe Zahl von 
Vorversuchen einraal erreicht war, konnte eine systematised Vergleichung 
der Ergebnisse des Flockungsverfahrens mit denen des Tierversuchs an- 
gestellt werden. Von nun an wurden samtliche Serumproben, die zur 
laufenden Kontrolle bei der Serumgewiunung in den Behringwerken ira 
Tierversuch ausgewertet wurden, ira Flockungsversuch von mir nach- 
gepriift. In mehr als 50vergleichendenProbenwurdedabei 
nichtnurnieeine Differenz von raehrals lOProz. gefunden, 
sondern die Werte der weitaus meisten Sera konnten 
als praktisch iibereinstim mend bezeichnet werden. 

Was die praktische Verwertbarkeit der Methode, ausgenominen die 
Genauigkeit der erhaltenen Resultate im Vergleich zu denen des Tier¬ 
versuchs anbetrifft (es ist ja wohl a priori eine offene Frage, ob der 
Tierversuch oder die Flockungsprobe das sichere Titratiousverfahren 
ist) so habe ich ira Laufe meiner Untersuchungen noch einige Beobach- 
tungen gemacht, die ich kurz mitteilen will, ohne auf ihre Erklaruugs- 
rabglichkeiten hier eingehen zu konnen. So zeigte sich z. B., daB 
frische Sera bei der gleichen Methodik (37° im Brutschrank) in 
kflrzerer Zeit (1—3 Std.) Flockung erzeugten als Sltere. Ein 2 Mon. 
altes Serum iiockte beispielsweise erst nach 16 Stunden. Vielleicht zeigen 
sich ahnliche Unterschiede beim Vergleich von frischem und altera Toxin. 

Ob auch der Zusatz von 0,5 proz. Karbolsaure, den eine Anzahl 
der untersuchten Sera aufwiesen, einen EinfluB auf den zeitlichen Eintritt 
der Flockung hatte, darauf habe ich nicht besonders geachtet. DaB 
KarbolsSurezusatz die Reaktion als solche nicht beeintrachtigt, haben 
wiederholte Versuche gezeigt. Praktisch wichtig ist es natiirlich auch, 
den Zeitpunkt, zu dem 'die Flockung auftritt, ungefahr zu kennen, um 
nicht gerade die erste Flockung zu iibersehen. (Kontrolle von 5 zu 
5 Min. ist zur Zeit der vermutlichen 1. Flockung erforderlich). Wie 
schon erwShnt, gaben bei meinera Toxin 319 einige Tage alte Sera nach 
1—4 Std., altere nach 4—20 Std. die ersten Flockungen. 

Wenn man nun, unter Berilcksichtigung aller oben erwiihnten 
Untersuchungsergebnisse ein Urteil fiber die Verwendbarkeitder Flockungs- 
reaktion fUr die Auswertung des Diphtherieantitoxins abgeben will, so 
kann man einmal sagen, daB eine solche Auswertung durchaus mbglich 
ist. Von Renaux (5), der bereits fiber eine Nachpriifung der Methode 
berichtet hat, werden Differenzen von 3—4 Proz. gegeniiber den Re- 
sultateu des Tierversuchs angegeben, was mit den hier gewonnenen Re- 
sultaten gut tibereinstimrat, und S. Schmidt (6) berichtet ebenfalls 
fiber gute Bewahrung der Methode in bezug auf die Genauigkeit der 
Resultate. Ueberdies mfichte ich aber bei Anwendung der oben beschrie- 
benen Technik der Flockungsreaktion auch einen erheblichen prak- 
tischen Wert fiir die laufende Kontrolle bei der fabrikm&Bigen Serum- 
gewinnung, zusprechen. So wurde wiederholt beobachtet, daB das 
Prfifungsergebnis der Flockungsmethode, das gegeniiber dem Tierversuch 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Onginale. Bd. 91. Heft 1. 


hbhere Werte ergeben hatte, bei einer Wiederholung des Tierversuchs 
sich als richtig erwies. Infolge der Einschrankung des Toxinverbrauchs 
auf den 10. Teil der urspriinglichen Meuge dflrfte auch die Frage, ob 
der Tierversuch Oder die Flockungsmethode das billigere Verfahren dar- 
stellt, zugunsten der Flockungsmethode gelost sein. 

Ganz abgesehen von dieser praktischen Seite der Sache ist die Be- 
st&tigung eines lange vermuteten Phknomens durch das Experiment als 
wissenschaftlicher Erfolg zu buchen. Das Auftreten einer Flockung bei 
der Einwirkung von Toxin auf Antitoxin gestattet uns, nun auch diese 
Reaktion, wie viele andere Antigen-Antikorperwirkungen, als kolloid- 
chemischen Vorgang aufzufassen. Das bedeutet sicherlich einen Schritt 
vorwarts in der Erkenntnis biologischen Geschehens, einen Wegstein 
zur unitarischen Auffassung der Antigen-Antikorperreaktionen. 

Zusammenfassung. 

1) Die von Ramon angegebene Flockungsmethode zur Auswertung 
von Diphtherie-Antitoxin liefert Ergebnisse, die mit denen des Tierver¬ 
suchs ziemlich gut iibereinstimmen, allerdings nur unter der Voraus- 
setzung, daB man nicht mit einem nbeliebigeu 1,1 Toxin, sondern mit 
einem bestimmten „Test“-Toxin arbeitet. 

2) Wegen des groBen Toxinverbrauches bedeutet das Ramonsche 
Verfahren in seiner bisherigen Form keine wesentliche Verbilligung. 

3) Man kann aber auch, trotz Ramons gegenteiliger Meinung, mit 
geringeren Toxinmengen auskommen (statt mit 20 ccm mit 2 ccm Toxin) 
Auf solche Weise gestaltet sich das Flockungsverfahren billiger als der 
Tierversuch. 

4) Mit Hilfe einer abgefinderten Technik (Herstellung von Serum- 
verdiinnungen, Einschrankung der Menge des Priifungstoxins auf 2 ccm, 
Verwendung eines bestimmten Toxins, namlich D.G. 319 Behring - 
werke, dessen Flockungsoptimum bei entsprechender Mischung mit dem 
Priifungsserum genau ermittelt wurde) wurden mehr als 50 verglei- 
chende Priifungen vorgenommen. Es ergab sich dabei gegeniiber dem 
Tierversuch nie eine Differenz von mehr als 10 Proz.; bei weitaus den 
meisten Seren konnten beide Werte als praktisch ubereinstimmend be- 
zeichnet werden. 

Iiiteratnrverzeichnis. 

1) Georgi, W., Med. Klin. 1920. Nr. 41. — 2) Ramon. G., Compt. rend. Soc. 
Biol. 1922. p. 711. — 3) Nicolle, C<$sari et Debains, Ann.de l’Institut Pasteur. 1922. 
p. 596. — 4) Ramon, G., Compt. rend. Hoc. Biol. 2. Juni 1923. — 5) Renaux, E., 
Ibid. 9. Juni 1923. — Schmidt, S., Ibid. Bd. 88. Nr. 2. 


Nachdruck verboten. 

Zur Farbung der Tuberkelbazillen nacb Konrich. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Heidelberg 
(Direktor: Geheimrat Prof. H. Kossel).] 

Von K. Laubenheimer. 

An Stelle der zum Nachweis von Tuberkelbazillen meist angewandten 
Methode nach Ziehl-Neelsen empfahl Konrich (1) als EntfSrbungs- 


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Laubenheimor, Farbung der Tuberkelbazillen nach Konrieh. 


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mittel eine 10-proz. LSsung von Natriumsulfit und Nachf&rben mit ge- 
sattigtem wasserigen Malachitgrfin 50+ 100 Wasser. Natriumsulfit redu- 
ziert das zur Farbung der Praparate benutzte Fuchsin zu der farblosen 
Leukobase (Prinzip des Endo-Nahrbodens), l&Bt aber auch bei langer 
Einwirkung das Fuchsin, das einmal von den Tuberkelbazillen auf- 
genommen ist, unberuhrt. Die Bazillen erscheinen also nach der Ent- 
farbung der Praparate mit Natriumsulfit leuchtend rot und heben sich 
von dem mit der Kontrastfarbe Malachitgrfin gefarbten Umgebung gut 
ab. S ch u 11 e-Ti g ges (2) erhielt bei Gegenfarbung mit wfisseriger kon- 
zentrierter Pikrinsaure noch bessere Kontraste. 

Der Vorteil der Konrichschen Methode vor den Verfahren, die 
Alkohol als Entfarbungsmittel benutzen, besteht in einer wesentlichen 
Verbilligung, was fiir Untersuchungsstellen, die viele Praparate zu ver- 
arbeiten haben, heutzutage bei dem sehr hohen Preis des Alkohols von 
Bedeutung ist. Fiir Schnittpraparate eignet sich das Natriumsulfit zur Ent- 
farbung besser als Mineralsauren, da es die Gewebsstruktur nicht angreift. 

Das Verfahren wird von den meisten Nachuntersuchern recht giinstig 
beurteilt [Spreitzer (3), Bernblum (4), Bender (5), Mazza und Nino 
(6), deMestral (7), SchloBberger (8), Geschke (9)]. Bernblum, 
Mazza u. Nino sowie Konrieh (10) berichten sogar, daB sich nach Kon- 
rich mehr Tuberkelbazillen nachweisen lassen als nach Ziehl-Neelsen. 
Auch ich habe bei vergleichenden Untersuchungen gute Ergebnisse er- 
halten. Nach SchloBberger kann die Sulfitentfarbung auch zur Dif- 
ferenzierung von echten Warmbliiter-Tuberkelbazillen und den iibrigen 
saurefesten Bakterien einschlieBlich der Friedmannschen Schildkroten- 
tuberkelbazillen benutzt werden, da diese ganze Gruppe spatestens nach 
Vj—2 Std. entfarbt wird, wahrend die echten Tuberkelbazillen auch nach 
24-stiind. Behandlung mit Sulfit die Farbe noch behalten. Soweit sich 
aus der Literatur ersehen laBt, stehen nur Gat6, Papacostas und 
Lacoste (11) sowie von Bergen (12) der Methode ablehnend gegen- 
iiber. Erstere Autoren finden den Farbton der Tuberkelbazillen in PrS- 
paraten nach Konrieh unrein. Nach von Bergen dauert die Ent- 
farbung zu lange. Gute Ergebnisse bekam auch dieser Autor, wenn er 
die Priparate zuerst mit Sulfitlosung behandelte und dann mit 60-proz. 
Alkohol weiter entfarbte. Durch das Einschieben von Alkohol geht aber 
gerade der Hauptvorteil der Konrichschen Methode wieder verloren. 
Fur histologische Praparate halt auch von Bergen die Methode fiir 
sehr geeignet. Trotzdem erachtet er die Ffirbung nach Ziehl-Neelsen 
ffir besser, einzig und allein aber aus dem Grunde, weil das Natrium¬ 
sulfit zu unbest&ndig und die EntfSrbung damit zu unzuverlfissig sei. 

Diese geringe Haltbarkeit des Natriumsulfits und seiner Losungen 
ist in der Tat ein schwerwiegender Nachteil des Konrichschen Ver- 
fahrens. Das Entf&rbungsvermfigen der Losung IfiBt schon 2—3 Tage 
nach ihrer Herstellung merklich nach und erlischt nach weitereu wenigen 
Tagen ganz. Wenn die Bereitung einer frischen Losung auch keine 
Schwierigkeiten macht, so ist doch diese Unbestandigkeit der Losung 
der allgemeineren Einffihrung der Methode hinderlich. Vielleicht sind 
daher einige Winke nicht unwillkommen, wie das Reduktionsvermogen 
der SulfitlQsung verlfingert werden kann. 

Das im Handel befindliche Natriumsulfit (Na 2 S0 8 + 7 H 2 0) ist von 
sehr unterschiedlicher Beschaffenheit und chemisch nicht rein. Pliiufig 
ist es mit kohlensauren Alkalien mehr Oder weniger verunreinigt. Auch 
wenn das Salz als „neutral“ bezeichnet wird, reagiert es meist alkalisch. 


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In alkalischer Losung verdirbt es aber besonders leicht. Man prtife 
daher stets die Reaktion der Losung und stelle sie, wenn notig, mit 
einigen Tropfen Schwefelsaure auf den Lackmusneutralpunkt ein. Das 
kristallisierte Salz soli wasserhelle Kristalle darstellen, die keine Spur 
von Verwitterung zeigen diirfen. Ansehen kann man es deni Praparat 
aber nie, ob es brauchbar ist, oder ob die Oxydation zu Natriumsulfat 
(Na 2 S0 4 -j- 10Hj,0) schon eingesetzt hat, oder wie weit diese vorgeschritten 
ist. Natriunisulfat besitzt aber keinerlei reduzierende Eigenschaften. 
Beim Einkauf wende man sich daher nur an zuverlassige Firmen, um 
ein moglichst reines Produkt zu bekommen. Audi dieses „reine u Natrium- 
sulfit hat durchschnittlich nur 90 Proz. Reingehalt. DaB das Salz ebenso 
wie seine Losungen nur in gut verschlossenen GefBfien aufbewahrt 
werden darf, versteht sich nach dem Gesagten wohl von selbst. AuBer 
dem kristallisierten Salz kommt nocli ein wasserfreies Produkt in 
den Handel als Natriumsulfit siccum, das weit bestandiger ist. Es 
ist doppelt so stark als das krystallisierte Sulfit, und man braucht daher 
nur die Halfte des letzteren. 

Ein weiterer Kunstgriff, die Losung haltbarer zu machen, besteht 
darin, daB man eine ganz geringe Menge Hydrochinon (Entwickler- 
substanz in der Photographie) hinzufiigt, und zwar genugen 0,5 g Hydro¬ 
chinon auf 1000 ccm Sulfitlosung, um eine wochenlange Haltbarkeit zu 
erzielen. Natiirlich wird man (lurch guten AbschluB der GefaBe stets 
dafiir sorgen, daB der Sauerstoff der Luft nicht unnotig Zutritt erhalt. 

Literatur. 

1) Dtsch. tried. Wochenschr. 1920. 8. 741. — 2) Ebenda. 1920. S. 1225. — 3) Cen¬ 
tralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 86. 1921. S. 458. — 4) Ebenda. Orig. Bd. 87. 1921. 
8. 23. — 5) Ebende. Orig. Bd. 86. 1921. 8. 561. — 6) La prensa mdd. Argen¬ 
tina. 1921; Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 72. 1921. 8. 545. — 7) Schweiz, 
med. Wochenschr. 1921. S. 873. — 8) Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. Bd. 50. 1922. — 
9) Ztschr. f. Tuberkul. Bd. 36. 1922. S. 351. — 10) Dtsch. med. Wochenschr. 1923. 
8. 852. — 11) Compt. rend. Soc. de Biol. T. 84. 1921. p. 405; Ref. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Ref. Bd. 72. S. 544. — 12) a) Rev. mdd. de la Suisse romand. T. 42. 1922. 
Nr. 7; Ref. Centralbl. f. d. ges. Hyg. Bd. 3. 1923. S. 42. — b) Centralbl. f. Bakt 
Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. S. 598. 


Inhalt, 


Becker, Rudolf, Zur Nomenklatur der 
Pferdebandwiirmer (Anoplocepha- 
lidae), S. 63. 

Brauu, H., u. Lbwenstein, P., Ueber den 
Bacillus inconstans. Zugleich ein 
Beitrag zur Bedeutung der Ziichtungs- 
tempeiatur fur die Entwicklung cler 
GeiUeln und des antigencn Apparates, 

S. 1. 

Burgers u. Herz, H, Ueber das Vor- 
komnien der verschiedenen Pneumo- 
kokkentypen, S. 42. 

Donges, Ueber Streptokokkenfunde und 
Streptokokkenziichtung aus dem Blute 
von Masernkrnnken. Vorlaufige Mit- 
teilung. Mit 3 Abbildungen im Text, 
8. 45. 

Gildemeister, B., u. Herzberg, Kurt, 

Ueber das d’H erellesche Phiinomen. 
III. Mitteilung, 8. 12. 


Gluchow, K., u. Rosenbaum, Z., Ueber 
die Bakterien des Blutes beim Typhus 
exanthematicus, S. 29. 

Hage, Erfolge mit Blutkulturen beim Ty¬ 
phus durch langere Bebriitung, 8. 25. 
Laubenheimer , K. , Zur Farbung der 
Tuberkelbazillen nach Konrich, 
8. 78. 

Me Gowan, J. P. , Bradsot or Braxv, 

S. 54. 

Mutussis, Constantin, Eine B1 a s t o m y- 

ces- Art aus einer Hautaffektion, 8. 51. 
Radice, Leonardo, Beitrag zur Kenntnis 
der Wunddiphtherie, 8. 20. 

Schiller,' Ignaz, Ueber „erzwungene‘ 
Antagonisten. I. Mitteilung, S. 68. 
Scholz, W., Ueber die Brauchbnrkeit der 
Flockungsreaktion fiir die Auswertung 
antitoxischer 8era (insbesondere des Di- 
phtherieantitoxins), S. 72. 


Frommannsche Buchdructerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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Centralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originate. Bd. 91. Heft 2. 

Aasgegeben am 31. Oktober 1923. 


Nachdruck verboten. 

Ueber einen Fall von Streptotlirixpyamie. 

[Aus dem I. Pathol.-anat. Institut der k. ungar. ^Pazmany Peter“- 
Universit&t Budapest (Direktor: Prof. Koloman Buday).| 

Vou Dr. Johann Batisweiler. 

Die Faden- und die Schimmelpilze bilden nach der Einteilung von Petruschky 
die Gruppe der Hyphomyceten; bei ersteren unterscheidet er die Streptot hrix - und 
die Actinomyces-Arten. Eine andcre Einteilung der Hyphomyceten gibt Vereb^ly 
auf Grund der Feststellung, dafl die Fadenpilze im Organtsmus unter gleichen Kultur- 
formen die gleichen klinischen Bilder verursachen. Auf Grund dieses Verhaltens sind 
die Hyphomykosen in 4 Gruppen zu ordnen, je nachdem die Fadenpilze im Organismus 
in Form von Kolonien, Drusen, Faden oder Zellen vorkommen. Zur 1. Gruppe ge- 
horen die Dermatomykosen, die Otomykosis, die Mucomykosis und die Pneumomykosis. 
Zur 2. Gruppe, den drusigen Hyphomykosen, gehoren Aktinomykosis und das Myce¬ 
toma pedis. Die fiidigen Hyphomykosen bilden die 3. und kleinste, am wenigsten be- 
kannte Gruppe der Streptotrichosen, und zur 4. Gruppe, den zelligen Hypho¬ 
mykosen, gehort die Sporotrichosis und die Blastomykosis. 

Die Streptothrix-Arten kommen in der Natur in vielerlei Abarten ubiquitar 
vor: in der Luft, in unreinem Trinkwasser, in den Mauern feuchter Wohnungen, auf 
Blattern, Kriichten etc. Trotz ihres uberaus haufigen Vorkommens werden sie nur 
selteu zu Krankheitserregern im menschlichen oder tierischen Organismus. Die Strepto- 
tricheen sind also fakultativ pathogene Keime und erfordern zu ihrer Festsetzung im 
Organismus besonders gunstige Bedingungen. Die Veranderungen, welche sie ver¬ 
ursachen, sind groCtentells unbedeutend und nur selten gefahrlicher Natur. 

Die Krankheitsbilder, die sich im Anschlufi an eine solche Infektion 
entwickeln, sind meistens sehr schwer als Streptotrichosen zu diagnosti- 
zieren, da die klinischen Erscheinungen und die objektiv nachweisbaren 
Yer&nderungen meistens im Rahmen jener klinischen Bilder verlaufen, 
welche wir bei chronischen Infektionskrankheiten, besonders im Gefolge 
von Tuberkulose und anderer langwierigen Eiterungen zu sehen ge- 
wohnt sind. Bei schleppendem Verlaufe werden sie also leicht mit diesen 
verwechselt, bei stiirmischem Verlaufe der Streptotrichosen lenkt eben 
der rasche Verlauf der Krankheit die Aufmerksamkeit des Klinikers in 
eine andere Richtung. Hierin liegt der Grund, daB die Klarstellung der 
auslosenden Ursache zumeist erst durch die bakteriologische Unter- 
suchung des chirurgischen oder Sektionsmateriales erfolgt. So geschah 
es auch im vorliegenden Falle, da sich wiihrend der klinischen Be- 
obachtung keinerlei Umstand ergab, welcher zu einer eingehenderen 
Analyse der Aetiologie der Pneumonie AnlaB gegeben hatte. Es be- 
standen namlich auBer dieser bei dem Kranken auch Tabes dorsalis, 
Aneurysma aortae und ein inkompensierter Herzfehler, welche die Schwere 
des Krankheitsbildes genugend zu erklaren schienen. Um so iiber- 
raschender war das Ergebnis der Sektion, der histologischen und der 
bakteriologischen Untersuchung, welche als den Erreger der todlich ver- 
laufenen Pneumonie und Pyamie einen bei uns in Ungarn noch nicht 
publizierten Fadenpilz nachwies. 

Ente Abt. Orig. Bd. 91. Heft 2. 6 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 2. 


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Aus der Krankengeschichte will ich folgendes kurz hervorheben: 

Der 53-jahr. Kranke wurde am 2. Sept. 1921 auf die I. Med. Klinik (Direktor: 
Prof. Rudolf Balint) aufgenommen. Mit 17 Jahren akquirierte er eine Lues, welche 
mit Schmierkuren behandelt wurde. Mit 25 Jahren litt er mehrere Monate hindurch 
an Gelenkrheumatisrous. Mit 38 Jahren wurde sein linkes Auge wegen Glaukoms en- 
ukleiert. Mit 45 Jahren lag er wegen Nierenentziindung 3 Mon. zu Bette. Mit 49 Jahren 
trat Glaukom am rechten Auge auf, und trotz der Iridektomie erblindete er auch auf 
diesem Auge. Die vorliegende Krankheit begann vor 2 Mon. mit Anfallen von sehr 
grofier Schwache, seit 2 Wochen ist er besonders bei Bewegung sehr kurzatmig und 
nachts plagen ihn gehaufte dvspnoische Anfalle. Seit 5 Tagen entleert er bei taglich 
4—5maliger Miktion kaum einige Kubikzentimeter Urin, und seit dieser Zeit sind beide 
Fiifie geschwollen. 

Bei der objektiven Untersuchung findet sich Oedem an beiden unteren Glied- 
rnaBen, am Scrotum, Penis und unter der Bauchhaut. Die Atmung ist dyspnoisch bei 
Zuriickbleiben der rechten Brusthalfte; Herzdampfung nach alien Richtungen erweitert, 
Herztone durnpf, II. Aortenton akzentuiert. Puls 104. Ueber beiden Lungen tympa- 
nitischer Perkussionsschall. uber beiden Unterlappen grofl- und kleinblasige Rassel- 
ijerausche. Im Abdomen Ascites; im Harn EiweiB und Eiter in geringer Menge, im 
Zentrifugat Leukozyten, Erythrozyten, hyaline und kornige Zvlinder. Wassermann- 
sche Reaktion stark positiv. Patellarreflex auch mit dem Jendras sikschen Kunst- 
eriff uicht auslosbar. Im Unterlappen der rechten Lunge zeigte die Rontgendurch- 
leuchtung Infiltrationsherde, am Arcus aortae war ein Aneurysma nachweisbar. Der 
Blutdruck war anfangs 230/180 mm, in der 5. Woche sank er auf 167/100 mm, wahrend 
der Carel-Kur und der antiluetischen Behandlung bekam der Kranke eine Pneumonie 
am rechten Oberlappen; die anfangs subfebrile Temperatur nahm septischen Charakter 
an; im Auswurf fanden sich keine Tuberkelbazillen. Wahrend der Kraftezustand standig 
abnahm und das Sensoriura des Kranken getriibt war, traten 4 Tage vor dem Tode, 
welcher am 50. Tage des Aufenthaltes in der Klinik erfolgte, stecknadelkopfgroBe 
AbszeBchen in der Haut auf. Klinische Diagnose: Tabes dorsalis. Myo- 
degeneratio cordis. Pneumonia 1. d. 

Am 24. Okt. fand die Sektion statt. Aus dem Protokoll wiire folgendes hervor- 
zuheben: Auf der Haut der Schenkel und Unterschenkel finden sich reichlich linsen- 
groBe Blutungen, in deren Mitte miliare, weiBlich-gelbe Knotchen sitzen. Im Abdomen 
kein Ascites. Auf dem Ileum finden sich in Gruppen beisammenstehende, weiBlich- 
graue Knotchen von Stecknadel- bis HirsekorngroBe, welche ohne entziindliche Reaktion 
in der Serosa sitzen. Die Pleurablatter der rechten Brusthalfte sind in ihrer ganzen 
Ausdehnung verwachsen. Das Herz ist in jeder Richtung vergroBert, wiegt 700 g. 
In der linken Kammer sitzt in der Nahe der Herzspitze ein weiBlich-gelber, nbrinOser 
Thrombus, der in seinem Inneren eitrige Erweichung zeigt. An der Stelle, an welcher 
er der Wand des Ventrikels anhaftet, ist die sonst 2 cm dicke Muskulatur desselben 
auf 4—5 mm verdiinnt. In beiden Herzhalften finden sich die erwiihnten stecknadel- 
kopfgroBen, gelblichen Knotchen, besonders in der rechten Herzkammer unter der Ab- 
gangsstelle der Art. pulmonalis, wo sie zu einem bohnengroBen Infiltrat konfluieren, 
von deren Schnittflacne eine dickeitrige Masse abziehbar ist. Sonst finden sich in der 
Herzmuskulatur zahlreiche Narben. Klappen ohne Abweichung. Aortenbogen mittel- 
maflig erweitert, mit unebener Intima, welche narbige Einziehungen und mit Thromben 
bedeckte atheromatose Stellen zeigt. Die narbige Verdickung der Wand ist besonders 
am Arcus aortae ausgepragt, die atheromatose Einschmelzung im Bereich der Aorta ab- 
dominalis. Die Koronararterien eng, lassen hyaline Verdickungen erkennen. 

Der Oberlappen der rechten Lunge kollabiert nicnt, seine Pleura ist ver- 
dickt und schwartig. Auf der Mitte der Schnittflache erscheint eine Kaverne von der 
GroBe eines kleinen Apfels, deren zerrissene Wand von dem umgebenden Gewebe schwer 
abzugrenzen ist. Sie enthalt dicken, sahnigen Eiter. Ebensolcne erbsen- bis haselnuS- 
groBe Eiterherde finden sich in dem umgebenden Gewebe und horen, sich allmahlich 
verkleinernd, an der Grenze der Pleura auf. Das iibrig gebliebene Lungengewebe ist 
dicht infiltriert, luftleer. Der rechte Unterlappen ist kleiner als normal, luftleer, von 
der Konsistenz diohten Muskelgewebes. Die Schleimhaut des rechten groBen Bronchus 
ist geschwollen und mit dickem, kriimelig-eitrigem, gelblich-weiBen Beiage bedeckt.. 
Aus den kleinen Bronchien ist dicker Eiter auszudriicken. Die linke Lunge kolla¬ 
biert, zeigt bei Betastung knotige Verdickungen, deren GroBe zwischen der einer Bohne, 
und eines Hirsekornes schwankt und von deren Schnittflache eine gelblich-eitrige Masse 
abziehbar ist. Das zwischenliegende Lungengewebe ohne Befund. In der Lungenspitze 
zwischen Narbenstrangen kiisige Tuberkel. l)as peritracheale Bindegewebe narbig ver- 
dickt und von Lymphdriisen durchsetzt, welche teilweise verkast, teilweise vereitert 
sind. Milz vergroflert, schlaff, Schnittflache dunkelrot, Pulpa hervorquellend, unter der 
Kapsel hirsekorngroBe, gelblich-weiBe Knotchen. Die Nieren sind uber mittelgroB, die 


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Batisweiler, Ueber einen Fall von Streptothrixpyamie. 


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Kapnel iat leicht abziehbar und zeigen auf der Oberflache veratreut und in Gruppen 
angeordnet derbe, kalottenformig erhabene, weifilich-gelbe Knotchen, welche stellenweise 
von einem hamorrhagischen Hot umgeben sind. Auf der Schnitttlache finden sie sich 
am eh eaten in der Rindensubstanz, auf Druck entleeren sie sparlich gelben Eiter. Im 
ubrigen ist die Substanz der Niere livid, die Zeichnung etwas verschwommen, die der 
Pyramiden desgleichen. Die Hinterstrange des Riicken m arkes sind im Riickeu- 
und Lumbalteue grau und durchscheinend. Sonst finden sich keinerlei pathologische 
Veranderungen. Diagnose: Bronchopneumonia cat. confl. partim abscedens et necro- 
tisans lobi superioris pulm. d. et bronchopneumonia disseminata pulm. sin. Bronchitis 
diphtherica et peribronchitis phlegm. 1. d. Lymphadenitis supp. peribronchialis. Abscessus 
permulti myocardii, renum, lienis, peritonei et cutis. Pyaemia. Splenitis acuta hyperpl. 
Degeneratio adiposa striata myocardii et pareuchvmatosa renum. Degeneratio grisea 
funiculorum post, medullae spinalis. Aortitis syphilitica et atheromatosis mai. grad, 
cum ectasia arcus aortae. Arteriosclerosis arteriarum periphericarum et coronarium 
cordis. Aneurysma ventriculi cordis sinistri et thrombosis parietalis ibidem. 

Das eigenartige, der Tuberkulose ahnliche Bild der 
py&mischenMetastasen imAnschluB an die schweren Ver¬ 
anderungen der Lunge lieB die Frage nach derNatur des 
K rankheitserr eger s auftauchen. Schon die makroskopi- 
sche Betrachtung wies darauf hin, daB die Quelle der 
Pyamie in den Veranderungen der Lunge zu suchen sei. 
Es wurde daher der Eiter der Lunge, des Herzens und der Nieren an 
Stricbprilparaten eingehend untersucht. Die einfache Ffirbemethode hatte 
kein Resultat, wohl aber ergab sich ein solches bei Anwendung der 
Gramschen Methode, welche in den eitrigen Sekreten Pilzfadeu 
zeigte. Es waren dies gleichmaBig dtinne, nach Gram sich gut farbende, 
segmentierte, lange FBden, welche wellenformigen Verlauf zeigen, sich 
vielfach verzweigen und stellenweise an den End&sten kolbige Ver- 
dickungen aufweisen. Diese Gebilde stehen bezuglich der 
Morphologie und FBrbbarkeit dem Actinomyces nahe und 
unterscheiden sich von diesem nur dadurch, daB sie nicht in Drusen 
angeordnet sind und an ihren Enden echte Sporen, Konidien, tragen, 
welche sich ebenso farben wie der Faden. Zum Zweck der Isolierung 
und des genaueren Studiums des Pilzes wurden Ziichtungsversuche auf 
verschiedensten Nahrboden und unter verschiedensten Bedingungen vor- 
genommen, da nicht auszuschlieBen war, daB es sich urn einen eigen- 
artigen Stamm von Actinomyces handeln konne, dessen Zuchtung 
bekanntlich oft nur nach vielen Bemuhungen gelingt. Doch ergab sich 
bereits nach 24 Std. Bebriitung auf s&mtichen Nahrboden ein iiber- 
raschendes Resultat: auf dem Agar hatten sich bei aerober 
Zuchtung stecknadelkopfgroBe, schneeweiBe Kolonien mit gezahntem Rand 
entwickelt, welche am Nahrboden fest anhafteten; die aus ihnen ent- 
nommenen PrSparate entsprachen in allem den Praparaten aus dem 
genuinen Eiter. Die Kolonien zeigten ein langsam fortschreitendes 
Wachstum, konfluierten miteinander, doch blieben die einzelnen Bestand- 
teile des so entstandenen Rasens erkennbar. Auf der Oberflache der 
Bouillon entwickelte sich eine dichtweiBe Kahmhaut. Die Bouillon 
selbst blieb rein und mit der Zeit setzte sich an ihrem Boden ein weiBer, 
watteShnlicher Satz ab. Auf der Kartoffel wuchsen weiBe Kolonien, 
welche nach langerer Zeit gelb wurden. Auf eiweiB- und glyzerin- 
haltigem NSrboden (Agar, Bouillon) wuchsen Kolonien, welche an- 
fangs weiB waren, spater lichtgelb und orangerot wurden und nach mehr- 
wochigem Wachstum den Kulturen des Aktinomyces ahnelten. Auf 
der Oberflache des Traubenzuckeragars und im Stich wuchs der 
Stamm gut, bildete jedoch kein Gas. Gelatine wurde verflQssigt, auf 

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Lacknmsn&hrboden bewirkt er keine Reaktionsanderung. Als charakte- 
ristisches Merkmal ergab sich der penetrante Schimmelgeruch 
der Kulturen. Im mikroskopischen Praparate finden sich bei Unter- 
suchung von frischen Kulturen uberwiegend Pilzfaden. Mit dem fort- 
schreitenden Alter nahmen diese an Zahl ab und zeigten sich von kleinen, 
bazillenahnlichen Gebilden iiberdeckt, welche bei nkherer Untersuchung 
GroBenunterschiede aufwiesen, stellenweise ellipsoide Form zeigten und 
die Gramsche Farbung intensiv zuruckhielten. Sie sind als Fragmen- 
tationsformen, bzw. als Sporen anzusprechen. 

Die histologische Untersuchung bestatigte ebenfalls die 
Richtigkeit des Obduktions- und bakteriologischen Befundes. Aus den 
verschiedenen Organen angefertigte Schnitte wurden mit H&matoxylin- 
Eosin nach van Gieson, Weigert, Ziehl-Neelsen und Gram 
gef&rbt. 

Die Schnitte aus dem Oberlappen der rechten Lunge zeigten 
das Bild der kruposen Pneumonie: die Alveolen sind mit Leukozyteu 
und Fibrin erfiillt und enthalten, entsprechend der chronischen Blut- 
stauung, in groBer Zahl Epithelien mit Pigmentkornchen. In der Ka- 
verne des rechten Oberlappens ist das Lungengewebe teils nekrotisiert, 
teils in eitriger Einschmelzung. Am Rand der nekrotischen Bezirke 
lindet sich vielfach Karyorhexis, daneben auch vielkornige Riesenzellen 
in einer Anordnung, welche an Tuberkel erinnert. In den nach Gram 
gef&rbten Schnitten sind im Bereich der fibrinosen Ent- 
ziindung iiberhaupt keine Bakterien auffindbar, jedoch 
im Innern der Abszesse, besonders an deren Wandteilen. 
finden sich zwischen den Leukozyten Streptrothrixfaden 
in groBer Zahl, welche in morphologischer und fSrberi- 
scher Hinsicht in allem den im Eiter nachgewiese ne n 
Faden entsprechen. Aehnliche Bilder findet man in den Schnitten 
der kleinen Herde in der linken Lunge. Die Schleimhaut des rechten 
groBen Bronchus zeigt oberflachliche Nekrose, die BlutgefaBe der 
Submucosa sind stark erweitert, hyperamisch, das Bindegewebe zeigt 
dichte Leukozyteninfiltration und reichlich Pilzfaden. Das Bindegewebe 
des Herzmuskels ist vermehrt und zeigt stellenweise hyaline De¬ 
generation. In den kleinen Abszessen des rechten Ventrikels und im 
Zentrum eines eitrig erweichten Thrombus wurden die Faden ebenfalls 
nachgewiesen, ebenso in den kleinen, sparlicben Abszessen der Milz 
und in denen der Niere, deren Parenchym in triiber Schwellung ist. 
Die Glomeruli zeigen keine Veranderung. 

Die Tierpathogenitat wurde an Kaninchen, Mausen und Meer- 
schweinchen gepriift. Die beiden ersteren wurden mit Vio res P- Vioo cent 
einer frischen Bouillonkultur subkutan geimpft. An der Injektionsstelle 
entstand je ein kleiner AbszeB, welcher lokalisiert blieb, offensichtlich 
infolge der geringen Menge und der langsamen Resorption des Infektions- 
materials. Ein Meer s ch w ei n ch en wurde mit Vio cem Bouillonkultur 
intrakardial geimpft und verendete am 4. Tage nach der Impfung unter 
Krampfen und groBem Krafteverfall. Bei der Obduktion fanden 
sich Veranderun gen, die an miliareTuberkulose erinnern. 
Das Herz war sozusagen durchwachsen von mohnkorngroBen, gelblicb- 
weiBen Knotchen, welche sich in geringer Zahl an der parietalen und 
viszeralen Flache der Pleura und des Peritoneums, in der Leber und 
Milz, in groBer Zahl in den Nieren und Nebennieren, Bauchmuskeln 
und in der Hirnrinde fanden. Die Knotchen sind an alien Fundorten 



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Batisweiler, Ueber einen Fall von Streptothrixpvamie. 


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gleich groB, gelblich-weiB, ziemlich dicht, und ergaben auf alien Nahr- 
bSden denselben Fadenpilz, welcher der beschriebenen Streptothrix 
vollst&ndig entspricht. Ihr histologischer Aufbau entsprach einem Pseudo- 
tuberkel: im Zentrum Nekrose, an der Grenze dieser Epitheloidzellen 
mit wechselnd groBen, teils geschrumpften, teils zerfallenen Kernen; als 
3. Schicht folgen Leukozyten, welche gegen das normale Gewebe einen 
deutlichen Demarkationswall bilden. In saratlichen Schnitten fand sich 
bei Gram-Farbung dieselbe Streptothrix. 

Es gelang also, als Erreger der Pyamie eine Strepto- 
thrixart zu isolieren, welche am ehesten Verwandtschaft 
mit einem von Scheele und Petruschky beschriebenen und 
Streptothrix gedanensis benannten Stamm zeigt, wie sich 
aus der folgenden vergleichenden Tabelle ergibt: 


Streptothrix gedanensis: 



Scheele und Petruschky 

Batisweiler 

Mikroskopisches 

Anssehen: 

Lange, zarte Faden mit echten 
Verzweigungen im Gewebe, 
stark gelockt, in den Kulturen 
meist sanft gebogen. In alte- 
ren Kulturen teilweise Quellung 
der Faden, Zerfall in Stabchen- 
fragmente, Bildung von Koni- 
dienketten. 

Desgl. 

Biologie: 

Wachst langsam und spiirlich, 
am besten bei Bruttemperatur. 
Unbeweglich. Schimmelgeruch. 

Desgl. Aerob. 

Gelatine: 

Kreideweifie, sarametartige, 
trockene, sternchenformige bis 
halbkugelige Kolonien. Lang- 
same Erweichung. 

Spiirliches Wachstum. Langsame 
Erweichungi 

Agar: 

Weifie, sternfbrmige, trockene 
Kolonien, die fest am Nahr- 
boden haften. Stark. Schimmel¬ 
geruch. 

Desgl. 

Bouillon: 

Auf der Oberfliiche kleine, weifie ' 
Schuppchen mit trockener, sam- 
metartiger Oberflache. Boden- 
sgtz: geformte, durchscheinen- 
de Kugeln. 

Desgl. Bodensatz watteahnlich. 

Kartoffel: 

Geringe Vergrofierung des aus- 
gesiiten Materiales. 

Der Belag wird allmahlich gelb 

Serumagar: 


Weifie, bald gelbe Kolonien, wel¬ 
che mit der Zeit konfluieren. 
Schimmelgeruch. 

Glyzerinagar: 


Weifier Belag, welcher mit der 
Zeit eine gelbe Kruste bildet, 
am Rand derselben weifie 
Zone. Schimmelgeruch. 

Glyzerinbouillon: 


Auf der Oberflache koufluierende, 
runzelige, gelbe Membran; 
am Boaen faden formiger Satz. 

Tierpathogen i - 
tat: 

Im Kaninchen eubkutane Abs- 
zes^e. 

Im Kaninchen, Maus: subkutane 
Abszesse. Im Meerschweinchen: 
pseudotuberkuloseahnliche Py- 



amie. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Es ergibt sich nicht nur iu der Natur des Krankheitserregers in 
beiden Fallen eine Aehnlichkeit, sondern auch ira Verlaufe der Falle, 
indem es sich bei dem Kranken von Scheele und Petr uschky eben- 
falls um ein chronisches Lungenleiden handelte, im Verlauf dessen sub- 
kutane Abszesse entstanden, deren Untersuchung bereits am Lebenden 
die Diagnose der Streptotrichosis aufzustellen erlaubte, welche auch 
durch die Sektion bestatigt wurde. In der einen Lunge fand sich aus- 
gebreitete Nekrose mit Eiterung; die abgestorbenen Teile waren unter 
Hinterlassung von Kavernen mit zerkliifteter Wand abgestoBen worden. 
Der EiterungsprozeB hatte nach Mediastinum, Pleura iibergegriffen und 
zuletzt zur Bildung subkutaner Eiterherde gefiihrt, aus denen der Nach- 
weis des Pilzes gelungen war. 

Ebenso vermochten Sabrazfes und Rivifere die Diagnose der Strepto¬ 
trichosis am Lebenden aus der Untersuchung des Sputums und des Eiter6 der 
Abszesse aufzustellen. Sie fanden Faden, welche dem Actinomyces glichen, aber 
keine Drusen bildeten. Im Tierversuch ergab sich ein positives Resultat nur unter 
Hinzufiigung von Milchsaure, worauf ein als Pseudotuoerkulose zu bezeichnendes 
Krankheitsbild entstand. Im Falle Lohleins entwickelten sich kurze Zeit vor dem 
Tode eine Pneumonie und Hautabszesse. Bei der Sektion fand sich eitrige Meningitis, 
Abszesse im Gehirn, in den Brust- und Bauchmuskeln, Perikarditis und Abszesse im 
Herzmuskel, bronchopneumonische Abszesse und Pleuritis und im Oesophagus, in der 
Schilddriise, der Darmwand, der Leber sowie iu der Niere mehrfache Abszesse. Der 
geziichtete Fadenpilz zeigte in vieler Hinsicht Aehnlichkeit mit der Streptothrix 
gedanensis. Desgleichen fand Silberschmidt in der Lunge und in der Haut 
Abszesse, aus denen die Streptothrix gedanensis isoliert werden konnte. Im 
Falle Fraenkels wurden Eiterherde in den Lungen und Nieren nachgewiesen; die 
Streptothrix gedanensis liefi sich aus diesen und aus dem Blute der HirngefiiBe 
kultivieren. Die Versuchstiere starben unter dem Bilde einer Pyamie, welche der 
miliaren Tuberkulose ahnlich war. Engelhardt und Lohlein fanden ebenfalls in 
den Lungen neben einer konfiuierenden Bronchopneumonie vielfache Abszesse, des- 
gleichen im Herzen und in der Milz. Aufierdem waren in der Leber gangranose Herde 
und Blutungen und* im Gehirn Abszesse nachzuweisen. Aus alien diesen Veranderungen 
wurde derselbe Stamm gezuchtet. Bei einer Pyamie von langsamem Verlauf fanden 
Conti und Boni im Gehirn, in der Milz und Leber miliare Abszesse im Gcfolge einer 
Streptothrix-lnfektion. Van Loghem berichtet fiber einen Fall von puerperaler 
Pyamie, welche unter dem Bilde der Tuberkulose und Aktinomykose verlief. Aus den 
Eiterherden der Haut wurde eine Streptothrix gezuchtet, welche bei Kaninchen zu 
chronischen Abszessen im Unterhautgewebe und zur Eutstehung von pseudotuberkulose- 
ahnlichen Bildungen in den parenchymatosen Organen fiihrte. 

Diese, in der mir zur Verfugung stehenden reichhaltigen Literatur 
sparlich auffindbaren Falle sollen nicht nur zeigen, wie selten die Falle 
von Pyamie infolge von Streptothrix-lnfektion beim Menschen vor- 
kommen, obgleich diese eben infolge ihrer Raritat eingehend untersucht 
und stets veroffentlicht werden, sondern auch eine Uebersicht iiber die 
Entstehung der Py&mie geben. Die 8 aus der Literatur gesammelten und 
der vorliegende 9. beweisen zweifelsohne, daG eine Streptothrix- 
lnfektion zu allgemeiner Sepsis und zu todlicher Erkrankung fiihren 
kann. Der Ausgangspunkt dieser Erkrankung wird am haufigsten in 
den Bronchien und im Lungengewebe gefunden, wohin dieser Keim 
durch die Luftwege gelangt: In den 9 Fallen ging die Pyamie 7mal von 
der Erkrankung der Lunge aus. Ihr Verlauf kann akut und chronisch 
sein, meist entstehen ira Verlauf der Eiterung und des Gewebszerfalles 
Metastasen im Gehirn und in den iibrigen parenchymatosen Organen. 
Besouders haufig kommeu erstere Metastasen auf Grund von Bronchi- 


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Stutzer, Zur Frage der Faulnisbakterien im Darm. 


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ektasien vor, welche die PrSdilektionsstellen der Streptothrix sind, 
in denen dieser Pilz auch oft als Saprophyt nachgewiesen wird. 

Eine Pr&disposition zu schwereren Erkrankungen und Py&mie finden 
wir bei geschwBchten Individuen, woffir auch der hier berichtete Fall 
ein Beispiel ist. 

Die Diagnose kann durch die Untersuchung des Sputums und 
etwaiger Eiterkerde auf dem Wege der Gram-Farbung und der Kultur 
ohne Schwierigkeiten gestellt werden, da dieser Pilz zum Wachstum 
keiuen besonders praparierten Nahrboden benotigt und auch bei Zimmer- 
temperatur gedeiht. 

Die richtige Diagnose ist auch fur die Therapie von Wichtigkeit, 
da einerseits dieser Pilz auf Jod reagiert und andererseits die durch 
ihn verursachten Erkrankungen auch durch Behandlung mit Strep to- 
trichin, welches ahnlich wie das Tuberkulin hergestellt wird, zu heilen 
sind (Petruschky). 


Literatur. 

1) Petruschky, Die pathogenen Trichomyzeten und Triehobakterien. (Kolle- 
Wasserinann. Bd. 5. 1913.) — 2) Engelhardt u. Lohlein, Deutsch. Arch. f. klin. 
Med. Bd. 75. — 3) Fraenkel, (Jentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 55. — 4) Hunte¬ 
rn iiller, Zieglers Beitr. Bd. 69. — 5) Van Loghem, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 40. — 6) Lohlein, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 63. — 7) Vereb41y, Die Bedeutung 
der Fadenpilze in der Pathologie. (Orvosi Hetilap. 1914. Ungarisch.) 


Nachdruck verboien. 

Zur Frage liber die Faulnisbakterien im Darm. 

[Aus dem Bakteriologischen Institut der Universit&t zu Woronesh.] 

Von Prof. M. J. Stutzer. 

Bakterien, welche die Fahigkeit besitzen, Eiweifl zu zerlegen, sind 
immer im Darme vorhanden. Diejenigen aeroben Faulnisbakterien, die 
im Darme eines gesunden Menschen vorkomraen, bilden eine verhaltnis- 
maBig kleine Gruppe, die aus B. subtilis, B. mesentericus vulg., 
B. proteus vulg., B. faecalis alcaligenes, B. fluorescens 
putridus Fliigge, B. pyocyaneus und B. Zopfii besteht. Aber 
aufier diesen Mikroorganismen erscheinen bei pathologischen Prozessen 
im Darm, die von Schleimhautstorungen begleitet werden, neue Bakterien, 
welche eine stark ausgesprochene proteolytische Fahigkeit haben. Das 
Auftreten dieser steht mit dem veranderten Bestande des Darminhaltes 
im Zusammenhange, je nach dem Zudrang von Blut, von Zellelementen 
der Schleimhaut und von Eiter. Die scharfsten pathologischen Ver- 
anderungen in der Schleimhaut kommen bei Cholera und Dysenterie vor, 
auBerdem bei Unterleibstyphus und paratyphosen Infektionen, die sich 
im Darme lokalisieren, folglich findet man Faulnisbakterien gerade bei 
diesen Erkrankungen im Darme in allergroBter Menge vor. 

Bei der Untersuchung der aeroben Darmtlora bei den angefiihrten In- 
fektionserkrankungen hat Prof. Baerthlein im Laboratorium des Kriegs- 


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Stutzer, Zur Frage der Faulniebakterien im Darm. 


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peptonagar; Lackmusmolke wird blau. Tiefe Schichten des Nahrbodens 
werden farblos und Reduktionserscheinungen machen sich in alien fliis- 
sigen Lackmusn&hrboden bemerkbar. In Barsiekow-Nahrboden mit 
Glukose, Laktose und Mannit entfarben sich die tiefen Schichten des 
Nahrbodens. Der Gesamtcharakter dieser VerSnderungen der Boden 
ist aber ein und derselbe. Doch ist bemerkenswert, daB im Barsiekow- 
Nahrboden mit Glukose die obere Schicht der Losung stark getriibt, bei 
der mit Laktose aber weniger trfibe, der mit Mannit aber schwach ge¬ 
triibt ist. Gasentwicklung in Glukose, Laktose und im Mannit erfolgt 
nicht. 

Milch gerinnt nicht, peptonisiert sich aber schnell und kl&rt sich 
ab. Der AbklarungsprozeB der Milch ist in 48—72 Std. abgeschlossen. 
Auf der Oberflache des Nahrbodens bleibt nacli dem AbschluB des 
Peptonisationsprozesses eine diinne, leicht zerbrechliche Fettschicht, 
welche beim Schutteln des Rohrchens in groBe Klumpen zerfallt. 

Geronnenes Blutserum verdiinnt sich schnell. In den ersten 
24 Std. bildet sich lings dem Striche auf der Oberflache des Nahr¬ 
bodens eine tiefe Rinne. In den zweiten 24 Std. verdiinnt sich alles 
Serum, setzt sich als trube, gelbliche Flussigkeit ab und nach einigen 
Tagen auch die Bakterien, wogegen sich das Serum von neuem zu 
einer gallertartigen, durchsichtigen Masse verdichtet. 

Im A ch aim-Nahrboden zerfailt das EiweiB in eine breiige Masse, 
wird in 3 Oder 4mal 24 Std. durchsichtig, zerbrechlich, um dann beim 
Schutteln in kleine Stuckchen zu zerfallen, die sich teilweise auflosen. 
Dieser AuflosungsprozeB des EiweiBes erfolgt in den oberen Schichten 
des Nahrbodens, wahrend auf dem Boden des Rohrchens das EiweiB 
lange Zeit unverandert bleibt. 

Auf Grund der angefiihrten Eigenschaften ist anzunehmen, daB das 
Bacterium faecale aromaticum zu der Gruppe der Fiulnis- 
mikroorganismen gehbrt, welche die Fahigkeit besitzen, EiweiB 
zu zerlegen. Das proteolytische Ferment, welches durch das B. faec. 
aromaticum gebildet wird, besitzt eine betrachtliche Kraft, infolge 
deren die Peptonisationsprozesse sehr schnell vor sich gehen. 

Das Bacterium faec. aromaticum ist nicht identisch mit den 
B. chromaromaticus von Gallier (2), welcher ein bewegliches 
Stabchen darstellt, das auf Gelatine in hellgriinen, auf Agar in weiB- 
lichen Kolonien wachst. 

Ffir Versuchstiereist das B. faec. aromaticum nicht pathogen, 
wie Einspritzungen von x /a—1 Oese in die Haut, sowie intraperitoneal 
und intravenos bei Mausen, Meerschweinchen und Kaninchen, erwiesen 
haben. Zweifellos kommt auch beim Menschen das B. faec. aromati¬ 
cum im Darme saprophytisch mit metatrophem Ern&hrungscharakter vor. 

Zum Beweise der Einheit aller Kulturen des B. faecale aro¬ 
maticum wurde ein Kaninchen durch 3malige intravenose Einspritzuug 
einer dieser Kulturen immunisiert. Dosen von 1—5 Oesen der Kulturen, 
welche durch 1-stiind. Erhitzung bis 60° abgetotet worden waren, ver- 
tragen Kaninchen ohne bemerkbare Reaktion. Der Filter des Serums 
betrug 1:1600. Alle iibrigen Kulturen des B. faecale aromaticum 
wurden von diesem Serum bis zur Titergrenze agglutiuiert 

Streicht man das B. faecale aromaticum, vermischt mit irgend- 
einem Darmmikroorganismus (B. coli com., B. typhi abdominal., 
Vibr. cholera) auf Agar aus, so zeigt sich am Striche ein dichtes 
Wachstum, in welchem es fast unmoglich ist, das Vorhandensein von 


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Kolonien zweier Typen festzustellen. Die F&higkeit des B. faecale 
aromaticum, sich bei der Entwicklung rait verschiedenen Mikroorga- 
nismen zu vermischen, erklart die verhalinismSBig groBe Schwierigkeit, 
reine Kulturen dieses Stfibchens zu erhalten. Man muB daher die Aus- 
saat auf die Agarplatten wiederholen, um Kulturen desselben ohne Zu- 
satz von fremden Bakterien zu erhalten. 

Literatnr. 

1) Stutzer, M., Arch. f. kliD. u. experim. Med. 1922. Nr. 4—6. [Russisch.] 
2) Migula, System der Bakterien. Bd. 2. 


Nachdruck verbolen. 

Ueber aktive Immunisierung mit „gekupferten <l Spiro- 
chatenkulturen bei der Weilscben Krankbeit. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung (serologisches Laboratorium) des 

Reichsgesundheitsamtes.J 

Von H. Beger. 

Experimentelle Untersuchungen fiber Immunisierung gegen die 
Spirochaten der Weilscben Krankheit sind schon von verschiedenen 
Seiten unternommen worden. 

In Deutschland waren Uhlenhuth und Fromme (1) die ersten Autoren, die 
sich eingehonder mit dieser Frage beschaftigten; sie fanden, dafi 3 Meerschweinchen, 
die 3mal in woehentliehen Abstanden je 1 ccm einer dureh Zusatz von 0,5-proz. Kar- 
bolsaure abgetdteten Kultur intraperitoneal erhalten hatten, bei der Nachimpfung mit 
virulentem Leberbrei immun waren. Von weiteren 4 Meerschweinchen, die je 2mal 
Bubkutan alte, abgestorbenei?) Kulturen erhalten hatten, blieben bei der spateren Nach¬ 
impfung 2 gesund, wahrend 2 typisch erkrankten und starben. Die beiden Tiere, bei 
denen die Immunisierung nicht gelungen war, hatten lmal 1 ccm, und das 2. Ma! 2 ccm 
Kultur erhalten. Mit Virusblut, das durch Antrockneu bei Zimniertemperatur in Petri- 
Schalen seine Infektiositiit vollig verloren hatte, gelang eine aktive Immunisierung auch 
durch 6nmlige Vorbehandlung nicht. Zu ahnlichen Ergebnissen fiihrten Versuche mit 
angetrocknetem, spirochatenhaltigem Lebermaterial. Da auch Tiere, die durch physi- 
kalische (z. B. Hitze etc.) oder chemische Mittel abgetdtetes Virusmaterial erhalten 
hatten, haufig erkrankten, schien es den Autoren, dafi eine aktive Immunisierung mit 
vollig abgetotetem Material gar nicht oder mindestens nicht regelmafiig gelingt. Nach- 
demUngermanu (2) die Ziichtung der W e i 1 - Spirochaten in Kulturen gelungen war, 
haben Uhlenhuth und Fromme (3) mit grofien Mengen Kulturfliissigkeit, soge- 
nannten B Wasserkulturen“, Kaninchen zweeks Gewinnung eines hochwertigen Immun- 
serums vorbehandelt; doch schien es ihnen nach den Versuchen, dafi „das frisch vom 
Meerschweinchen genommene, hochvirulente Organmaterial sich besser fiir die Erzielung 
hochwertiger Immunsera eignet 1 *. Nach den Beobaehtungen von Uhlenhuth und 
Fromme war also eine zuverliissige Immunitat der Versuchstiere nur bei der Immu¬ 
nisierung mit lebendem Material festzustellen, wahrend die mit totem Material vor- 
behandelten Tiere bei der Nachimpfung nur dann immun waren, wenn die Abtbtung 
mit Vorsicht erfolgt war. Bei einer sehr vorsichtigen Abtotung der Spirochaten bleibt 
aber die Moglichkeit offen, dafi ein Teil der Erreger nur abgeschwiicht war, so dafi es 
sich um eine Immunisierung mit abgeschwachtem lebenden Virus gehaudelt hat. 
Reiter (4) stellte fest, dafi man mit 1 ccm einer 4—5-wochigen lebenden Kultur Tiere 
(Meerschweinchen?) ohne sichtbare Erkrankung gegen eine spatere absolut todlicha 
Dosis schiitzen, dagegeu mit einer 8-tagigen abgetdteten (wie?) Kultur keine Immunitat 
erzielen kann. Die jnpanischen Autoren Inada, Ido, Kaneko, Hoki, Ito, VVani 
und Okuda (5) verwandten zur Immunisierung von Meerschweinchen lebende Rein- 
kulturen, die mit 0,5 proz. Karbolsaure versetzt wurden, und konnten nach 3maliger 
Injektion von relativ grofien Dosen (2—3 ccm Impfstoff) Immunitat erzielen. Sie 
brachten diese Methode auch bei Menschen zur Anwendung, wobei sie mit mehreren 



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Beger, Aktive Immunisierung mit „gekupferten“ Spirochatenkulturen usw. 91 


steigenden Dosen teilweise eine Immunitat erreichten. Ido, Hoki, Ito und VVani 
(6) verwandten zur Immunisierung karbolisierte (0,5 proz.) Reinkulturen sowie ebenso 
karbolisierte Leberemulsion, die nachtraglich 1 Woche ira Eisschrank aufbewahrt waren, 
mit Erfolg, ohne indes im Blute der immunisierten Tiere Antikorper nachweisen zu 
konnen. l)ie Tiere erhielteu mehrrnals grofie Dosen, die bisweilen sehr toxisch waren, 
was die Autoren auf Karbolsaurewirkung beziehen. Nach den Untersuchungen von 
Uaendel, Ungermann und Jaenisch (7) lafit sich nicht nur mit lebenden, ab- 
geschwachten Spirochaten, sondern aucb durch Vorbehandlung mit abgetdtetem Kultur- 
material bei Meerschweinchen ein deutlicher Impfschutz erzielen. Allerdings war zur 
immuniBierung mit abgetoteten Spirochaten eine mehrmalige Impfung oder die Ver- 
wendung verhaltnismaflig grofier Kulturmengen notwendig, wahrend die mit kleinen 
Dosen abgetoteter Kultur vorbehandelten Tiere bei der Nachimpfung erkrankten und 
der Infektion erlagen. Beispielsweise war ein mit 3 ccm ('/, Std. auf 60° erwarmter) 
Kultur geimpftes Meerschweinchen volligj geschiitzt, wahrend ein 2. mit 0,5 ccm behan- 
deltes leicht, und ein 3. mit 0,25 ccm immunisierte6 schwer erkrankte. Auch bei der 
Herstellung hochwertiger Immunsera fiir Zwecke der passiven Immunisierung an Ka- 
ninchen zeigte es sich, daS man mit lebenden avirulenten und abgetoteten virulenten 
Kulturen nicht so hochwertige Immunsera erzielen konnte als mit lebendem, hoch- 
virulenten Material. Einen senr wirksamen Impfstoff konnten Ito und Matsuzaki 1 ) 
(8) dadurch herstellen, daB sie virulente Weil-Kulturen an 3 aufeinander folgenden 
Tagen l /» Std. bei 60° C erhitzten; mit einer lmaligen subkutanen Injektion des bei 
intravenoser Anwendung allerdings stark toxischen Impfstoffes vermochten die Autoren 
einen sicheren Impfschutz bei den Versuchstieren zu erzielen und konnten im Serum 
das Auftreten der Immunkorper durch den Pfeif ferschen Versuch nachweisen. Auch 
ein pulverisierter Impfstoff aus getrockneten Blutgelatinekulturen, der sich ihnen lOmal 
starker als der fliissige erwies, zeigte gute schiitzende Eigenschaften bei den Versuchs¬ 
tieren. In Araerika hat Noguchi (9) ausgedehnte Untersuchungen an Meerschwein¬ 
chen mit einetn Impfstoff ausgefiihrt, den er dadurch gewann, daB er lebende Weil- 
Kulturen mit 0,4 Proz. Phenol versetzte, dann scharf zentrifugierte und das gesammelte 
Sediment 1 Woche unter Toluol aulbewahrte; dann wurde es kulturell auf Spirochaten- 
wachstum jgepruft und verwendet. 3 subkutane Injektionen von 0,5 ccm eines solchen 
Impfstoffes in Zwischenraumen von 5 Tagen bewirkten einen mindestens 8 Wochen 
dauernden Impfschutz. Bei Verwendung von 0,05 ccm war auch hier der Schutz sehon 
weniger sicher. Sehr giinstige Erfolge erzielten Noguchi und Pareja (10) bei Gelb- 
fieber mit Impfstoffen aus Reinkulturen von Leptospira icteroides, die sie durch 
Erhitzen bei 60° C im Wasserbade wahrend 15 Min. herstellten und ohne Phenolzusatz 
verwendeten. In diesem Impfstoff war die Leibessubstanz der Spirochaten mikro- 
skopisch nicht mehr deutlich erkennbar. Die Meerschweinchen wurden mit lmaligen 
Gaben von 0,1, 0,3 und 1,0 ccm dieses Impfstoffes subkutan eing&spritzt und dann 
nach 2 Wochen perkutan infiziert. Die mit 0,1 ccm vorbehandelten Tiere waren nur 
teilweise, die ubrigen dagegen samllich geschiitzt. Die mit solchen Impfstoffen an 
eiuer grofleren Anzahl von Soldaten (iiber 300) vorgenommenen Schutzimpfungen 
zeitigten recht giinstige Ergebnisse, sobald geniigende Impfstoffmengen angewandt 
wurden. Die anfanglichen Erfolge konnten durch eine erhebhche Einengung des Impf- 
stoffes spater von Noguchi (11) noch verbessert werden. Dieser konzentrierte Iropf- 
stoff enthalt etwa 2 Milliardeu Keime in 1 ccm, schiitzt aber trotzdem anscheinend 
nur bei 2maliger Impfung sicher. 

Aus alien diesen Arbeiten geht mithin hervor, dafi die Verwendung lebender avi- 
rulenter Kulturen zur Immunisierung praktisch nicht geniigend zuverlassig ist und an¬ 
scheinend nur dann einen sicheren Schutz bewirkt, wenn die Impfstoffspirochaten nicht 
vollig avirulent waren, sondern eine abgeschwachte Infektion setzten. Dazu kommt, 
dafi man die Virulenz der Kulturen nicht in der Hand hat. Wenn im allgemeinen 
auch die Virulenz von Spirochateukulturen mit der Anzahl der Passagen mehr und 
mehr abnimmt, so kommen doch andererseits nach aller Erfahrung auch Riickschlage 
spaterer Passagen in die urepriingliche Pathogenitat vor, deren ursachliche Bedingungen 
nicht klar sind. 

Els bleibt also fiir aktive Immunisierungen in der Praxis in erster Linie die Ver¬ 
wendung abgetoteten Materials iibrig, und dabei kommt es anscheinend ebenso auf eine 
maximale Virulenz des verwendeten Kulturmaterials als auf eine schonende, aber sichero 
Art der AbtOtung an. Es ist meines Erachtens mindestens sehr zweifelhaft, ob die */»- 
stund. Erwarmung auf 55—60“ C eine derartig schonende und dabei geniigend sichere 
Art der Abtotung darstellt. 

Fur praktische Zwecke miissen solche durch Erwiirmen abgeiotete Impfstoffe 
-chliefllich doch noch mit einem Konservierungsmittel versetzt werden, um eine nach- 


1) Zitiert nach Noguchi, Journ. of exp. Med. Vol. 28. 1918. p. 561. 


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tragliche bakterielle Verunreinigung zu vermeiden. Fiir bakterielle Impfstoffe benutzt 
man bekanntlich Karbolsaure m ‘/ 3 -p r °z. Konzentration, eine Verdunnung, die nach 
den vorliegenden Erfahrungen auch zur Abtotung der Bpirochiiten ausreieht, so dafi 
man, wie es von verechiedenen Seiten geschehen ist, auf die vorherige Abtotung durch 
Erwarmen verzichten kaun. 

Ob die Karbolsaure mit ihren eiweLSfallenden und toxischen Eigenschafteu ein 
ideales Mittel fur diese Zwecke ist, erscheint allerdings auch fraglich, und wenn auch 
die antigenen Eigenschaften eines bakteriellen Impfstoffes durch den Zusatz von 0,5- 
proz. Karbolsaure anscheinend nicht merklich beeintrachtigt werden, so ist dies bei den 
schon gegenuber der Trocknung und Erwarmung so empfindlichen Spirochaten doch 
wesentlicn unwahrscheinlicher. 

Angeregt durch die Untersuchungen von Laubenheiraer (12) fiber 
die Abtdtung von bakteriellen Impfstoffen durch oligodynamische Me- 
tallwirkung, habe ich auf Veranlassung von Herrn Oberregierungsrat Dr. 
Manteufel einige Versuche mit „gekupferten“ Impfstoffen gemacht, 
fiber die im folgenden kurz berichtet werden soil. Laubenheimer 
hebt als Vorzfige solcher durch oligodynamische Metallwirkung sterili- 
sierter bakterieller Impfstoffe hervor, dafi ihre Giftigkeit bei gut erhal- 
tener immunisatorischer Wirkung wesentlich herabgesetzt ist. Von der 
Richtigkeit dieser Entgiftung habe ich mich selbst unter anderem auch 
bei der Herstellung von Paratyphus A-Impfstoff zur Gewinnung von 
hochwertigem Immunserum, dessen Herstellung bekanntlich bei Ver- 
wendung von 60° C-Bakterien ziemliche Schwierigkeiten macht, selbst 
fiberzeugt. Als weiteren Vorzug, der ffir die Verwendung solcher „ge- 
kupferter“ Impfstoffe spricht, mochte ich auf Grund eigener Erfahrungen 
(13) bei der Konservierung von prazipitierenden Antiseren noch an- 
ffihren, daB sie auch nach der Entfernung der Kupferbeilage gegen 
spfitere bakterielle Verunreinigungen — abgesehen von Schimmel- und 
sporenhaltigen Spaltpilzen — stark geschfitzt sind. 

Da nach den Untersuchungen von Herzberg (14) die oligodyna¬ 
mische Wirkung auf Sauerstoffwirkung beruht, bei der den Metallionen 
nur eine vermittelnde Tfitigkeit zukommt, so kann man sich vorstellen, 
daB auf diesem Wege auch bei so empfindlichen Mikroorganismen, wie 
sie die Spirochaten darstellen, eine schonende, aber wirksame Abtotung, 
ohne Schadigung der antigenen Eigenschaften stattfindet. 

In mehrere W eil-Kulturrohrchen [10-proz. Kaninchenserumwasser 
nach Manteufel (15)], die aus dem Blute eines an typischer Weil- 
scher Krankheit eingegangenen Meerschweinchens angelegt und gut an- 
gegangen waren, wurde metallisches Kupferblech (sog. Schablonenblech) 
in der Weise versenkt, daB es von der KulturflUssigkeit vollkommen 
bedeckt war. Vor dem Einbringen des Kupfers, sowie nach 5, 10, 20. 
30 und 60 Min. und weiterhin in Abstanden von 1 Std. wurden aus 
diesen mit Kupfer beschickten Rohrchen Praparate angefertigt, sowie 
gleichzeitig weitere Kulturrohrchen mit verdfinntem Kaninchenserum be- 
impft. Die Kulturrohrchen wurden in der von uns gefibten Weise auf 
dem Brutschrank gehalten. 

Bei der Betrachtung der Pr&parate im Dunkelfeld zeigte sich hier- 
bei, daB nach 2 Std. die vorher gut beweglichen Weil- Spirochaten sich 
erheblich langsamer fortbewegten. Nach weiteren 3 Std. lieBen sich nur 
noch bei vereinzelten Spirochaten Bewegungeu feststellen, wfihrend die 
meisten unbeweglich und starr geworden waren. 6—7 Std. nach dem 
Beginn der Kupfereinwirkung war bei alien Spirochaten keine Bewegung 
mehr wahrnehmbar. Die aus den mit Kupfer beschickten Rohrchen 
angelegten Kulturen bestfitigten diese Befunde insofern, als alle nach 
4—5 Std. dauernder Kupferbehandlung angelegten Kulturrohrchen steril 



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Nr. 687 5.12.22. 2,0gekupferteWeil- 5.1.23. 2,0 stark spirochaten- Einigeleblose 
Spirochatenkultur i. p. haltiger Leberemulsion i. p. Spirochaten 

14. 12. 22. Dgl. i.p. 


Beger, Aktive Immunisierung mit ,,gekupferten“ Spirochaten kulturen usw. 93 


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CentralbL f. Bakt etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2 


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blieben, wahrend sich in alien vorher angelegten Kulturrohrchen mehr 
oder weniger zahlreiche Spirochaten mit guter Beweglichkeit feststellen 
lieBen. 

Die durch Kupfereinwirkung unbeweglich gewordenen Weil-Spiro- 
chaten lieBen bei der Betrachtung im Dunkelfeld keine offensichtliche 
Schadigung ihrer Zellstruktur wahrnehmen. Vergleichsweise bei 56° C 
im Wasserbade 1 Std. lang erhitzte Weil-Kulturen zeigten bei weitem 
deutlichere Veranderungeu. Die Spirochaten waren bier meist nicht 
mehr in toto erhalten, sondern in mehr oder weniger groBe Triimmer- 
stflcke zerfallen. Dort, wo sich noch genauere Konturen feststellen 
lieBen, war die Leibessubstanz in kbrnchenartige Gebilde aufgefasert. 
War bei den mit Kupfer behandelten Spirochaten im allgemeinen mehr 
eine Schrumpfung des Spirochatenleibes feststellbar, so boten die er- 
hitzten Spirochaten im Gegensatz hierzu eher das Bild der Quellung dar. 

Zum Zwecke der Immunisierung wurden zunachst 2 Meerschwein- 
cheu mit 3 intraperitonealen Injektionen von je 2 ccm auf die beschrie- 
bene Weise 24 Std. lang 1 ) mit Kupfer behandelter virulenter Weil- 
Spirochatenkultur in Abstanden von 8 Tagen vorbehandelt. Taglich 
mittels Glaskapillare vorgenommene Bauchpunktionen ergaben im Peri- 
tonealexsudat eine geringe Vermehrung des Leukozytengehaltes, jedoch 
keine Spirochaten. 15 Tage nach der letzten Injektion wurden die beiden 
Versuchstiere sowie ein unbehandeltes gesundes Meerschweinchen als 
Kontrolltier mit je 2 ccm stark spirochatenhaltigeu Leberbreies eines 
am gleichen Tage an typischer Weilscher Ivrankheit eingegangenen 
Meerschweinchens intraperitoneal gespritzt. Wahrend bei beiden Ver- 
suchstieren am nachsten Tage nur ganz vereinzelte, leblose, in den 
folgenden Tagen niemals lebende oder tote Spirochaten im Peritoneal- 
exsudat nachweisbar waren, zeigte das Kontrolltier von Anfang an eine 
Vermehrung der W eil - Spirochaten in seiner Bauchhohle und erlag 
nach 6 Tagen der Infektion. 

Nachdem hierdurch erwiesen war, daB durch Vorbehandlung mit 
„gekupferten“ Spirochaten sich aktive Immunitat hervorrufen laBt, wur¬ 
den in der nachsten Versuchsreihe 2 Meferschweinchen mit nur 2 In¬ 
jektionen in gleicher Weise hergestellten Kupferimpfstoffes vorbehandelt 
und nach 14 Tagen mit spirochateuhaltiger Lcberemulsion eines frisch 
verendeten Meerschweinchens mit typischem Weil-Sektionsbefund nach- 
gespritzt. Auch in diesem Falle blieben die Versuchstiere vor der In¬ 
fektion mit virulentem Weil-Material geschutzt, wahrend das Kontroll¬ 
tier erkrankte und einging. Die 3. Versuchsreihe, bei der eine lmalige 
intraperitoneale Injektion von 2,0 ccm Kupferimpfstoff verabfolgt worden 
war, ergab das gleiche Ergebnis: Schutz der vorbehandelten Versuchs¬ 
tiere, Tod des Kontrolltieres. Auch mit 1,0 ccm Kupferimpfstoff, der 
Haifte der in der 3. Versuchsreihe injizierten Menge, gelang die aktive 
Immunisierung in gleicher Weise bei den vorbehandelten Versuchstieren, 
ohne daB sich bei der Infektion mikroskopisch eine Infektion abortiver 
Natur nachweisen lieB. Infolge der hohen Kosten fiir Versuchstiere 
konnten die Untersuchungen nicht auf die Mbglichkeit einer weiteren 
Herabsetzung der Impfdosis ausgedehnt werden (s. Tabelle). 

Wie aus den Versuchen hervorgeht, gelingt es mit Hilfe „ge- 
kupferter“ W ei 1 - Spirochatenkulturen , Meerschweinchen experimentell 

1) Die Kupferbehandlung wurde 24 Std. lang vorgenommen, uni mit mehrfacher 
Sicherheit alle Spirochaten in den Kulturrohrchen abzutdten. 



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Zuelzer u. Oba, Beitrag zur Kenntnis saprophytischer Spirochaten. 


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mittels einmaliger Vorbehandlung sicher vor einer tfidlichen Weil- 
Infektion zu schfltzen. Die Erfolge sind also mindestens ebenso gut, 
wenn nicht besser als bei der Verwendung von Impfstoffen, die durch 
Erwfirmen oder Trocknen und durch Karbolzusatz abgetotet worden 
sind. Ich mochte meinen, daB sie dem Ideal eines moglichst sicher 
abgetfiteten und ungiftigen Impfstoffes bei schonend erhaltenen antigenen 
Eigenschaften wesentlich naher kommen. Ueber die Haltbarkeit solcher 
„gekupferter“ Spirochatenimpfstoffe mfissen noch Erfahrungen gesammelt 
werden. 

Die aktive Immunisierung dflrfte zwar bei der Weilschen Krank- 
beit nur in Ausuahmefailen praktische Bedeutung gewinnen, dagegen 
ist sie beispielsweise bei der Gelbfieberbekampfung, wie die Arbeiten 
von Noguchi zeigen, von entschiedener Wichtigkeit. Auch fflr Ver- 
suche zu einer aktiven Immunisierung gegen andere endemische wie 
epidemische Spirochatenkrankheiten (Frambfisie, Syphilis) sind diese 
Untersuchungen unter Umstanden von Belang. Ich selbst habe mich 
inzwischen mit der Herstellung von „gekupferten u Rekurrensimpfstoffen 
beschaftigt und werde fiber die Ergebnisse spater berichten. 


Quellenang'aben. 

1) Uhlenhuth u. Frornme, Ztschr. f. Iinmunitatsforsch. Bd. 25. 1916. 8. 317 
bis 438. — 2) Ungermann, Berlin, klin. Wochenschr. 1916. 8. 408 - 409; Hyg. 
Rundsch. 1917. S. 107 u. 108. — 3) Uhlenhuth u. Fromme, Ztschr. f. I*m- 
munitatsforsch. Bd. 28. 1919. 8. 1—118. — 4) Reiter, Dtsch. med. Wochenschr. 1916. 
8. 12t£J—1284.— 5) Inada, Ido, Kaneko, Hoki, Ito, Wani u. Okuda, Kita- 
sato, Arch, of exp. Med. Tokyo. Vol. 1. 1917. p. 53—152; Korrespondenzbl. f. Schweiz 
Aerzte. 1916. 8. 993. — 6) Ido, Hoki, Ito u. Wani, Journ. of exp. Med. Vol. 24. 
1916. p. 471—483. — 7) Haendel, Ungermann u. Jaenisch, Arb. a. d. Kais. 
Gesundheitsamt. Bd. 51. 1918. 8. 42—113. — 8) Ito u. Matsuzaki, Journ. Chiba med. 
College. 1916. Nr. 83 u. 84. — 9) Noguchi, Journ. of exp. Med. Vol. 28. 1918. p. 561 
bis 570. — 10) Ders. u. Pareja, Journ. Ainer. med. Assoc. Vol. 76. 1921. p. 96—99. 
— 11) Ders., ibid. Vol. 77. 1921. p. 181—185. — 12) Laubenheimer, Ztschr. f. 
Hyg. Bd. 92. S. 78-114. — 13) Beger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1922. 
8. 210-213. — 14) Herzberg, ebenda. Bd. 90. 1923. S. 113-126. — 15) Man- 
teufel, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. S. 461—463. 


Nachdrtick verboten. 

Beitrag zur Kenntnis saprophytischer Spirochaten. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes.J 
Von Dr. Margarete Zuelzer und Dr. Shlro Oba (Nagoya, Japan). 

Mit 1 Tafel. 

Ueber die Verbreitung saprophytisch lebender Spirochaten im freien 
Wasser wurde in frfiheren Arbeiten berichtet, und dabei auf die mor- 
phologische Uebereinstimmung einiger dieser harmlosen Spirochaten mit 
verschiedenen gefahrlichen Krankheitserregern, wie z. B. mit dem Er- 
reger der Syphilis, der Weilschen Krankheit, des Rfickfallfiebers, der 
Geflfigelspirochfitose hingewiesen. Neuerdings wurde die Reihe dieser 
im Wasser lebenden, mit pathogenen Organismen morphologisch fiber- 
einstimmenden Spirochaten erweitert, indem sich Gelegenheit bot, im 
Grundschlamm der Schussen, eines Moorwasser ffihrenden Flusses, welcher 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


bei Langenargen in den Bodensee miindet, Spirocb&ten zu beobachten, 
deren GroBe, Lichtbrechung, Windungsart und Weite, Farbbarkeit, kurz 
alle morphologischen Merkmale, vollstandig mit Spirochaeta hebdo- 
madis, dem Erreger des Siebentagefiebers, ubereinstimmten. Spir. 
icterogenes und Spir. hebdomadis sind morphologisch uicht voll¬ 
standig identisch. Spir. hebdomadis ist, wie wir feststellen konnten, 
starker lichtbrechend, dicker und Veiter, lockerer gewunden als Spir. 
icterogenes. (N&heres s. auch Zuelzer. Die Spirochaten in Tro- 
wiegch Hdb. d. path. Protozoen. III. p. 1759.) 

Ebenso wie freilebende Saprophyten und pathogene Parasiten 
morphologisch ubereinstimmen, ist dies auch bei parasitaren Saprophyten 
der Fall. Beobachtungen an Mundspirochaten des Menschen zeigten, 
daB mit diesen morphologisch Qbereinstimmende Spirochaten sowohl im 
Wasser als auch im Kaninchendarm und Meerschweinchenblinddarm 
nicht selten zu finden sind. Es wurden im normalen menschlichen 
Munde Spir. buccalis inaequalis beobachtet, welche im Aussehen, 
in der Bewegung und Farbbarkeit mit solchen aus den Darmen der 
obengenannten Tiere ubereinstimmen. Ferner finden sich im mensch¬ 
lichen Munde Spirochaten, welche durch ihre regelmaBigen Primar- und 
durch ihre ebenfalls ziemlich regelmaBigen Sekundarwindungen gekenn- 
zeichnet sind. Letztere bleiben, was bei Sekundarwindungen nicht haufig 
der Fall ist, bei den Bewegungen fast unverandert erhalten. Ebensolche 
Spirochaten sind im Meerschweinchenblinddarm zum Teil in groBen 
Mengen anzutreffen. Auch die im menschlichen Munde sehr haufig und 
weit verbreitete Spir. dentium, und zwar deren feinere Art, welche als 
Spir. denticola von der eigentlichen Spir. dentium unterschiedeii 
wird, ist im Blinddarm von Meerschweinchen morphologisch, farberiscb 
und in der Bewegung mit dieser Form vollstandig iibereinstimmend, 
haufig anzutreffen. 

Spir. denticola ist in Windungsweite ihrer Primarspiralen, in Zartheit und 
gedrechseltem Aussehen pallida-artig, und wird deshalb auch vielfach als Treponema 
denticola bezeichnet. — Dieser Mifcroorganismus zeigt haufig, anstatt der iiblichen 
pallida - spirochatenartigen Bewegung, welche eine gleichmafiige schraubenformige 
Drehbewegung der feinen Windungen des SpirochatenTeibes uni die Langsachse des 
Korpers ist, ganz typische icterogenes-artige Beweguhgen. Bei letzterer Bewegungs- 
art biegt die Spirochate an beiden Enden etwa '/ t —'L ihres Korpers um und diese Enden 
schlagen oder rotieren selbstandig und iiberaus beweglich (Kleiderbiigelform). Die 
Spirochaten bewegen sichdann dadurchganz in derArt, wiediesSpir. 
icterogenes zu tun pflegt. Diese Bewegungsart tritt besonders bei Uebertragung 
von Spir. denticola in andere Medien, z. B. in Kulturen, in Erscheinung, kann aber 
gelegentlich bei frisch aus dem Mund entnommenem Material beobachtet werden. Eine 
Dreiteilung des in regelmaBigen, steilen Primarspiralen gewundenen Korpers in ein gerades 
langeres Mittelteii und in kiirzere uragebogene, lebhaft eigenbewegliche Enden ist jedoch 
nicht konstant, nicht pratorroiert, sondern kommt nur bei der Bewegung zustande, ist 
also nicht stabil, und daher z. B. auf gefarbten, fixierten Praparaten, im Gegensatz zu 
Spir. icterogenes selbst, nicht nachweisbar. Auf gefarbten Praparaten erscheinen 
die betreffenden Spirochaten vielraehr durchaus pa 11 ida-ahnlieh. Ira Leben ist die 
icterogenes-artig sich bewegende Spir. denticola leicht mit Spir. trimero- 
donta syn. Leptospira tr i inerodon ta, zu verwechseln und sind lebhaft beweg- 
liche Exemplare der beiden Spezies mit Sicherheit nur auseinanderzuhalten, wenn 
beide Formen gemeinsam im gleichen Material vorhanden sind, was nur gelegentlich 
der Fall ist. Es zeigt sich dann, daB die Primiirwindungen von Spir. denticola 
etwas loser und tiefer, die von Spir. trimerodonta enger und steiler sind und ein- 
ander beriihren; immerhin sind beide Formen einander so iihnlich, daB hier ein neues 
Beispiel vorliegt, daB es wohl kaum moglich sein diirfte, eine sichere Entscheidung zu 
treffen, ob Spir. denticola als Treponema oder als Leptospira zu bezeichnen 
ware. Demnach ist es nicht nur einfacher, sondern auch richtiger, 
die Genera Treponema und Leptospira als dem Genus Spirochaeta 
zugehorig bei aiesera zu belassen. 


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Zuelzer u. Oba, Beitrag zur Kenntnis sapropbytischer Spirochaten. 


97 


Im Munde und auf den Genitalien gesunder Menschen sind eben- 
falls Spirochaten nachgewiesen, welche morphologisch vollstandig rait 
Spir. icterogenes, dem Erreger der Weilschen Krankheit, fiber- 
einstimmen. Da morphologische Uebereinstimmungen allein aber nicht 
ausreichen, die Identitat der betreffenden Mikroorganismen zu beweiseD, 
sind von uns Untersuchungen begonnen, um die biologischen Verwandt- 
schaftsbeziehungen der im Munde lebenden icterogenes-artigen Spiro¬ 
chaten (Leptospira trimerodonta Hoffmann) mit dem Erreger der 
Weilschen Krankheit zu prtifen. Vielleicht ergeben sich ahnliche Be- 
ziehungen dieser auf menschlichen Schleimhauten lebenden harmlosen 
Spirochaten zu der pathogenen Spir. icterogenes, wie Uhlenhuth 
und Zuelzer in friiheren Untersuchungen solche zwischen den frei im 
Wasser lebenden Spir. icterogenes und pathogenen Spir. ictero¬ 
genes haben nachweisen konnen, welche durch Mutation oder Adaption 
die Fahigkeit erwerben, sich vom harmlosen Saprophyten zu hochpatho- 
genen Parasiten zu entwickeln. 

Die im Wasser freilebenden Spirochaten sind stark-mesosaprobe 
Organismen; sie leben in organisch leicht verunreinigtem Wasser, wo 
bei der Zersetzung der Proteinkorper neben Ammoniak, Nitriten und 
Nitraten reichlich Schwefelwasserstoff entsteht, Verbaltnisse, wie sie 
beispielsweise in den tieferen Schichten des organischen Filzes auf den 
Koksstiicken in den Fflllkorpern biologischer Kiaranlagen oder an den 
Oeffnungen selten benutzter Hahne und Schiauche von Wasserleitungen 
vorhanden sind. 

Die saprophytischen Spirochaten fin den diesen Verbaltnissen ahnliche, 
ihnen zusagende Lebensbedingungen offenbar in der Mundhohle, auf den 
Schleimhauten der Genitalien, im Darm, in sich zersetzenden Massen des 
Inhalts karioser Zahne, auf nekrotischem Gewebe usw., wo denn auch, 
wie zu erwarten ist, iiberall mehr oder weniger reichlich immer wieder 
die gleichen Saprophyten vom Refringens-, Buccalis-, Ictero¬ 
genes-, Pallida-, Recurrens- usw. Typus zu finden sind. 

Aus dieser nachgewiesenen Ubiquitat der saprophytischen Spiro¬ 
chaten zieht neuerdings Neumann Schliisse, deren Voraussetzungen 
nicht dem festen Boden der beobachteten Tatsachen entstammen, sondern 
auf Spekulation zu basieren scheinen. Deshalb soli auf die Neumann- 
schen Arbeiten hier kurz eingegangen werden. 

Neumann will in zwei Fallen eine spontane Entstehung der Ka- 
ninchengenitalspirochatose beobachtet haben, und vertritt die Meinung, 
daB die angeblich gesunden, einzeln gehaltenen Tiere, welche die typischen 
Erscheinungen dieser Krankheit bei reichem Spirochatenbefund zeigten, 
durch frei im Dung oder Stallmist lebende, pallida-artige saprophytische 
Spirochaten infiziert worden sein miiBten. Ueber die Vorgeschichte beider 
Tiere liegen keine eigenen Beobachtungen des Autors vor. Da von 
Genitalspirochatose-kranken Kaninchen festgestellt ist, daB auch bei an- 
scheinend gesunden Tieren nach Skarifikation der Genitalien haufig Re- 
zidive auftreten, ist bei der Beurteilung eines anscheinend spontanen 
Auftretens dieser Krankheit doppelte Vorsicht geboten. In den beiden 
angefuhrten Fallen ist es jedenfalls nicht bewiesen, daB es sich um eine 
frische Infektion und nicht vielmehr um ein Rezidiv handelt. W o r m s 
berichtet, daB er nach Beimpfung eines Kaninchens mit Spir. dentium 
vom Zahnhals eines nicht luetischen Mannes typische Erscheinungen der 
Genitalspirochatose bei den betreffenden Tieren beobachtet habe. Man 
wird Worms, der viel vorsichtigere Schliisse zieht als Neumann, 

Ertte Abt. Orig. Bd. 91. - Belt 2. < 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91 Heft 2. 


wohl beipflichten, daB ein so vereinzelter Fall kein zwingender Beweis 
fur die Pathogenit&t von Spir. dentium ist, und daraus mit Sicherheit 
nicht der SchluB gezogen werden kann, daB etwa die Zahnspirochaten 
tats&chlich die betreffenden pathologischen VerSnderungen erzeugt haben. 

Was nun das Virulentwerden von saprophytischen Spirochaten be- 
trifft, so weist Neumann ausfuhrlich auf Zuelzers friihere Befunde 
freilebender Spirochaten sowohl des pallida- als auch anderer patho- 
gener Typen im Wasser hin, und sagt in Uebereinstimmung mit Lersey: 
„Falls wirklich von menschlicher Syphilis unabhangige Spirochaten vom 
pallida-Typ beim Kaninchen auftreten, so miiBte man auf die sapro¬ 
phytischen Wasserspirochaten Zuelzers zuruckgreifen, und das wiirde 
zu der Anschauung zwingen, daB der Uebergang derartiger Spirochaten 
vom saprophytischen zum parasitdren Dasein relativ oft und daher leicht 
erfolgt. u 

In friiheren Arbeiten wurde betont (Zuelzer), daB morpho- 
logische Uebereinstimmungen allein natiirlich niemals ausreichen, die 
Identitat von Mikroorganismen zu beweisen; erst der Nachweis auch 
biologischer Uebereinstimmung ist ausschlaggebend, besonders weil ja 
einerseits Spir. pallida ebenso wie auch die anderen Spirochaten 
nicht nur einen starren Erscheinungstyp darstellen, sondern sich, zum 
Teil hervorgerufen durch Adaptionen das Nahrmedium, durch eine auBer- 
ordentliche morphologische Variabilitat mit Bildung aller erdenklichen 
Uebergange, auszeichnen. Andererseits ist z. B., gerade vom Erreger 
der Genitalspirochatose des Kaninchens, von Spir. pallida var. cuni- 
culi, bekannt, daB diese Spirochate morphologisch zwar dem Erreger 
der menschlichen Syphilis sehr ahnlich ist. sich aber von dieser Spiro¬ 
chate durch ihre biologischen Eigenschaften, die Art der durch sie 
verursachten pathologisch - anatomischen VerSnderungen sowie durch 
die meist oberflachlich bleibenden klinischen Erscheinungen und nach 
Kolle auch ihrem Verhalten gegen chemotherapeutische Mittel von 
Spirochaeta pallida scharf abtrennen laBt. 

Bei der Priifung der Identitat der avirulenten Spir. icterogenes 
aus dem Wasser mit dem hochpathogenen Menschenstamm wurden ex- 
perimentell die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen diesen mor¬ 
phologisch tibereinstimmenden Spirochaten gepriift und der Nachweis 
gefiihrt, daB die verschiedenen Wasserstamme untereinander, trotz mor- 
phologischer Uebereinstimmung, nicht unerhebliche Unterschiede auf- 
weisen, welche serologisch nachzuweisen sind. Je nach dem Medium, 
d. h. den Ernahrungsbedingungen, in denen sich die Stamme befinden, 
konnen sie auch morphologisch wohl schon nach Tagen variieren, und 
diese Veranderungen sind konstant, d. h. die Spirochaten sind in der 
Maus am zartesten, werden in Eselserum am langsten usw. Dagegen 
ist es nicht, wie Neumann angibt, gelungen, auch biologisch in wenigen 
Tagen die betreffenden Spirochaten durch Serumzusatz zu betracht- 
lichen Variationen zu bringen; im Gegenteil! Bei den Versuchen, die 
im Wasser frei lebenden Organismen von ihrem Leben im Wasser an 
tierisches EiweiB, Serumnahrbdden, zu gewohnen und beim Studium, 
welcheu EinfluB das tierische EiweiB auf diese Spirochaten habe, zeigte 
es sich, daB erst nach etwa U /4 Jahren ein Stamm fur Meerschweinchen. 
pathogen geworden war; die anderen 5 beobachteten Stamme, welche 
kurzer in Serumkulturen gehalten worden waren, waren bis dahin noch 
nicht pathogen; auch zeigten sie untereinander weitgehcnde Unterschiede, 
wobei die Dauer der Gewohnung an das tierische Eiw r eiB eine Rolle 


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Zuelzer u. Oba, Beitrag zur Kenntnis saprophytischer Spirochaten. 


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spielt. Einer der Stfirame war nach 8-wochentlicher GewShnung an 
tierisches Eiweifi durch die Sera, welche von an Kaninchenserum ge- 
wdhnten Spirochaten gewonnen worden waren, wie auch durch Serum 
des pathogenen Menschenstammes noch fast gar nicht beeinflufibar; erst 
nach einem s / 4 -jahr. Leben im Serum Iieferten 2 Wasserstamme ein vor 
der Weilschen Krankheit schutzendes Serum, und 3 andere Stamme 
Iieferten auch nach dieser Zeit nicht nur kein schtitzendes Serum, son- 
dern waren Qberhaupt nur in starken Serumkonzentrationen zu beein- 
flussen. Nach diesen Versuchen ist zwar der EinfluB des Mediums auf 
die biologischen Eigenschaften eines Mikroorganismus unverkennbar, es 
sollte aber nicht unterschatzt werden, dafi eine solche Gewdhnung und 
Anpassung nicht, wie Neumann annimmt, „in wenigen Tagen, viel- 
leicht auch nur Stunden“ vor sich geht. Zum Mindesten ist das bisher 
noch nicht bewiesen. Wohl alle Spirochaten neigen zur Rassenbildung. 
Jedoch gehen Mutationen der Spirochaten, wie die positiven Beobach- 
tungen gezeigt haben, jedenfalls nicht so schnell und keinesfalls so haufig 
vor sich, dafi Neumann berechtigt ware, die oben erwahnten Falle der 
Genitalspirochatose, mangels sicherer Kenntnis, wie und wo die betref- 
fende Infektion erfolgt ist, durch Virulentwerden freilebender Spiro¬ 
chaten zu erkiaren. — Die Art der Entstehungswege spirochaten- 
haltiger Veranderungen ist vielfach noch unklar. Wahrscheinlich gehort 
dazu das Zusammentreffen zweier Bedingungen: namlich nicht nur das 
Vorhandensein einer anpassungsfahigen Spirochatenrasse, sondern auch 
daB diese in einen, in einem bestimmten Zustande wohl von herabgesetzter 
Widerstandskraft sich befindenden Organismus eindringt. DaB dieser 
Vorgang zwar moglich ist, jedoch keinesfalls immer sehr leicht und ein- 
fach vor sich geht, haben die ausgedehnten Versuche mit den sehr va- 
riablen Icteroge nes-Stammen gezeigt. 

Neumann dagegen glaubt, daB nicht nur alle moglichen Spiro¬ 
chaten aus der AuBenwelt in Warmbliiter einzuwandern vermogen, son¬ 
dern daB sie dort auch sofort spezifische Erscheinungen hervorbringen 
konnen. Zur Stfltzung seiner Annahme berichtet er, daB er ^Spirochaten 
vom Pallida-Typus in frisch gesetzten „banalen Wunden a an den 
Genitalien der Kaninchen, welche kiinstlich offen gehalten wurden u , ge- 
funden habe, und schlieBt daraus, daB frei in der AuBenwelt, offenbar 
pathogene Spirochaten des Pallida-Types leben, welche sich im Kanin¬ 
chen ansiedeln konnen. Neumann glaubt, daB bei der oben erwahnten 
Infektion die betreffenden Organismus aus dem Stallmist eingewandert 
seien. — Das ist mdglich; ebenso gut ist es aber auch moglich, daB 
dieselben aus dem Darminhalt des Tieres selbst stammen; vielleicht 
auch aus der normalen Vagina. Es handelt sich dabei aber nicht um 
an sich pathogene Organismen, sondern um Saprophvten, deren ziemlich 
regelmaBiges und reichliches Vorkommen, wie oben angefuhrt wurde, 
ja in sich zersetzenden Se- und Exkreten bekannt ist. Spezifische 
Wirkungen auf die Gewebe und eine spezifische Pathogenitat kommt 
diesen Saprophyten indessen ohne Weiteres nicht zu. 

Ebensowenig ist die Neumannsche Annahme berechtigt, wenn 
nach Verimpfung auf Kaninchen von Blut, Sperma und Milch kranker 
nnd angeblich gesunder Menschen, in welchen mikroskopisch keine 
Spirochaten nachweisbar waren, spirochatenreiche Impfeffekte bei diesen 
Tieren erzeugt werden konnten, wie dies Uhlenhuth und Mulzer 
gezeigt hatten, daraus zu schlieBen, daB die in den Versuchstieren nach- 
gewiesenen Spirochaten sich spontan aus der AuBenwelt in den Wunden 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


angesiedelt hatten. Vielmehr diirfte der SchluB berechtigt sein, daB in 
dem Impfmaterial Spirochaten vorhanden waren, aber in so spkrlicher 
Anzahl, daB der direkte mikroskopische Nachweis nur aus technischen 
Grunden nicht gelingt. In solchen Fallen ist das Experiment, durch 
Verimpfung auf Versuchstiere die eingebrachten sparlichen Spirochaten 
anzureichern, das Gegebene. 

Die Befunde von Uhlenhuth und Mulzer u. A. werden durch 
die Einwande von Neumann in keiner Weise erschuttert, denn diese 
Versuche erbringen tatsachlich den Nachweis, daB die schweren syphi- 
litischen Erscheinungen, die nach Beimpfung von Blut, Milch, Sperma 
etc. bei den Kaninchen auftraten, auf die Anwesenheit von Spir. pal¬ 
lida im Impfmaterial zuriickzufiihren sind. 

In derselben Weise wird z. B. bei Weilscher Krankheit der Spiro- 
chatennachweis gefiihrt. In den ersten Tagen der menschlichen Er- 
krankung zirkulieren die Spirochaten im peripheren Blute; sie sind jedoch 
dort direkt mikroskopisch kaum nachweisbar, wohl aber gelingt dies 
durch Verimpfung des peripheren Blutes auf Meerschweinchen. Es ware 
hier doch gewiB ebenfalls nicht berechtigt, zu behaupten, die Meer¬ 
schweinchen hatten sich aus der AuBenwelt mit den sehr weit ver- 
breiteten saprophytischen Spir. icterogenes infiziert, statt den logi- 
schen SchluB zu ziehen, daB in dem verimpften Blute Spirochaten 
vorhanden gewesen sein miifiten, welche sich im Versuchstiere ange- 
reichert haben. Auch ist dabei in Betracht zu ziehen, daB sowohl diese 
Befunde, als die oben mit Blut, Milch und Sperma mit Spirochaeta 
pallida gemachten, in einem hohen Prozentsatze regelmaBig erreicht 
werden und die pathogene Natur der Spirochaten durch deren biologisches 
Verhalten bei Weiterimpfungen erbracht worden ist, w&hrend bei den 
Neumannschen Befunden nur das Vorkommen morphologisch iiber- 
einstimmender Spirochaten vorliegt. 

Die Annahme Neumanns, daB in den von ihm mitgeteilten Fallen 
pathogene Spirochaten von auBen in die Wunden eingewandert seien, 
ist daher, auf Grund der von ihm vorgebrachten Beobachtungen, keines- 
wegs sichergestellt; der Beweis, daB es sich urn pathogene Mikroorga- 
nismen gehandelt hat, fehlt. Es besteht hier ein erheblicher Gegensatz 
zu den von Uhlenhuth und Zuelzer und von Zuelzer mitgeteilten 
Befunden, bei denen durch lange systematische Untersuchungen sowie 
durch genaue serologische und biologische Experimente die Identitat des 
ursprunglich saprophytisch avirulenten Wasserstammes mit dem patho- 
genen parasitaren Menschenstamm sichergestellt werden konnte. 


Literatur. 

Neumann, Franz, Klin. Wochenschr. Jahrg. 2. Nr. 6. — Ders., Centralbl. f. 
Bakt. Bd. 90. 1923. H. 2. — Uhlenhuth u. Mulzer, Arb. a. d. Reichsgesundheitsa. 
Bd. 33. 1910. — Ders. u. Zuelzer, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. 1921. 
Beih. S. 1441. — Dies., Klin. Wochenschr. 1922. Nr. 43. S. 2124. - Worms, W., 
Klin. Wochenschr. Jahrg. 2. 1923. S. 836. — Zuelzer, Margarete, Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 85. 1921. S. 154. — Dies., ebenda. Bd. 89. 1922. Heft 1/3. 

Tafelerkl&rung'. 

Fig. 1. Spirochaeta hebdomadis Menschenstamm aus Serumwasserkultur 
Osmiumdampf Uierasa. Vergr. ca. 2350. 

Fig. 2. Spirochaeta hebdomadis Menschenstamm aus Serumwasserkultur 
Osmiumdampf Oiemsa. Vergr. ca. 2350. 

Fig. 3. Spirochaeta pseudohebdomadis aus Wasser (Schussenschlamm) 
Osmiumdampf Oiemsa. Vergr. 2350. 


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K> 


Centralblatt fiir Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 91. 

, Zuelzer u. Oba, Saprophytische SpirochSten. 




Zuelzer phot. 


Lichtdruck von J. B. Obernetter, Munchen. 

Vcrlag von Gustav Fischer in Jena. 


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Seki, Ueber einen eigenartigen Ruhrerreger. 


101 


Fig. 4. Spirochaeta pseudohebdomadis aus Wasser (Schussenschlamml 
Osmiumdampf Giemsa. Vergr. 2350. 

Fig. 5. Spirochaeta buccalis inaequalis und Spirochaeta denticola 
au9 menschlichem Munde. Osmiumdampf Giemsa. Vergr. 2350. Original. 

Fig. 6. Denticola-artige Spirochaeta aus dem Blinddarm des Meerschweinchens. 
Osmiumdampf Giemsa. Vergr. 2350. Original. 

Fig. 7. Spirochaeta mit regelmafiigen Primar- und ziemlich regelmafiigen Sekun- 
darwindungen aus dem menschlichen Munde. Osmiumdampf Giemsa. Vergr. 2350. 
Original. 

Fig. 8. Spirochaeta mit regclmaSigen Primar- und ziemlich regelmafligen Sekuu- 
darwindungen aus dem Blinddarm des Meerschweinchens. Osmiumdampf Loef fler. 
Vergr. 2350. 

Fig. 9. Spirochaeta aus dem Meerschweinchendarm mit flachen Primar- und 
tiefen Sekundarwindungen. Osmiumdampf Loef fler. Vergr. 2350. Original. 

Fig. 10. Spirochaeta mit flachen Primar- und tiefen Sekundarwindungen aus dem 
Wasser (Fischteich Blankenburg). Osmiumdampf Loef fler. Vergr. 2350. 

Fig. 11. Recurrons-artige Spirochaeta aus dem Meerschweinchenblinddarm. 
Osmiumdampf Loeffler. Vergr. 2350. 

Fig. 12. Recurrons-artige Spirochaeta aus dem Wasser (Fischteich Blaukeu- 
burg). Osmiumdampf Loeffler. Vergr. 2350. 

Fig. 13. Pallida-artige Spirochaeta aus dem Meerschweinchenblinddarm. Os- 
miumdampf Loeffler. Vergr. 2350. 

Fig. 14. Pallida-artige Spirochaeta aus dem Wasser (Absatzbecken Werden). 
Osmiumdampf Giemsa. Vergr. 2350. 


Nachdruok verboten. 

Ueber einen eigenartigen Ruhrerreger. 

Von Dr. med. Tadaliide Seki aus Osaka (Japan). 

Gelegentlich meines Aufenthaltes in Deutschland habe ich erfahreu, 
daB atypische Ruhrbazillen und selbst Bakterien, die im Gegensatz zu 
den echten Ruhrbazillen aus Traubenzucker Gas bilden, als Erreger von 
Dysenterie beschrieben worden sind. Das veranlaBt niich, eine Unter- 
suchung ganz kurz mitzuteilen, die ich 1913 in Japan ausgeftihrt habe, 
und in der ich gleichfalls einen eigenartigen, von dem gewOhnlichen 
Dysenteriestamm abweichenden Bakterienstamm als Erreger einer kleinen 
Ruhrepidemie gefunden habe. 

Es handelte sich urn 12 Kranke, die im Oktober 1913 ins st&dtische 
Krankenhaus Wakajama mit den typischen Erscheinungen der Ruhr ein- 
geliefert wurden. 6 waren sehr schwer erkrankt (darunter 3 TodesfSlle), 
von den iibrigen waren 3 mittelschwer und 3 leicht erkrankt; sie genasen 
samtlich. Aus den Ausleerungen dieser Kranken wurde in 7 Fallen 
der gleich zu beschreibende Bazillus isoliert, wahrend er in den andereu 
5 Fallen nicht nachgewiesen wurde. In keinem der untersuchten Stuhl- 
gange fanden sich Dysenteriebazillen anderer Art, Oder sonstige Erreger 
von Darmkrankheiten. DaB der Stamm ursachlich mit der Erkrankung 
in Zusammenhang stand, ergab sich aus der Serumreaktion der Patienten. 
die, soweit sie untersucht werden konnten, durchgehends eine Agglutination 
mit ihm aufwiesen in einer Hohe bis zu 1: 60, wahrend keiner der anderen 
Dysenteriestamme agglutiniert wurde. 

Es handelt sich um ein lebhaft bewegliches Stabchen, das kulturell 
Paratyphus B-Bazillen sehr nahesteht, insbesondere in seinem Verhalten 
in Lackmusmolke, den Barsiekowschen Nahrboden, in Traubenzucker- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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agar, auf E n do-Platte usw. ihnen vollig gleicht. In Bouillon und Pepton- 
wasser bildet es jedoch Indol. Der Stamm erwies sich als hochgradig 
pathogen fur Meerschweinchen, Kaninchen und Mfiuse bei parenteraler 
Einverleibung. Bei Kaninchen wurden bei etwas protrahiertem Verlauf 
Durchfaile beobachtet. Aus Blut oder Fazes der gestorbenen Tiere konnte 
der Keim wieder isoliert werden. Verfiltterung an weiBe Mause fiihrte 
nicht zur Erkrankung. Fiir Tauben ist die Pathogenitat bedeutend ge- 
ringer (intramuskulare Injektion). Agglutinatorisch verhalt sich der 
Stamm durchaus eigenartig. Er wird von anderen Seris kaum beeinfluBt. 
Sein eigenes Serum agglutiniert ihn stark, gibt dagegen mit anderen 
Bakterien der Dysenteriegruppe nur unbedeutende Gruppenreaktion. 
Mit Filtraten von Bouillonkulturen lafit sich eine spezifische Pr&zipitation 
und Komplementbindungsreaktion erzielen. Auch die Bestimmung des 
osponischen Index zeigte spezifische Steigerung im Immunserum. 


Nachdrtick verboten. 

Zur Serodiagnostik des Echinokokkus. 

Von Dr. Marcus Rabinowitsch, Charkow, 

Professor der Bakteriologie an der Medizinischen Hochschule zu Charkow. 

Die frfihzeitige zuverlassige Diagnose des Echinokokkus ist von 
grbBter Bedeutung, weil 1) beim Fortschreiten des Krankheitsprozesses 
das betreffende Organ immer mehr zerstort, der Erfolg des chirurgischen 
Eingritfes und dadurch die Prognose verschlimmert, 2) durch die friih- 
zeitige Diagnose und den sofortigen chirurgischen Eingriff die Moglich- 
keit der Perforation in die benachbarten Organe und des Berstens der 
Echinokokkusblase und die dadurch bedingten schweren Komplikationen 
Oder die Dissimination des Parasiten, die ich auch zu beobachten Gelegen- 
heit hatte, verhindert werden. 

Wie haufig der Echinokokkus die beuachbarten Organe perforieren 
und bersten kann, ist aus der iilteren, auf vielen Hunderten von Fallen 
fuBenden Statistik von M a d e 1 u n g, Davain und Neisser ersichtlich. 

Madelung berichtet, daB von 154 Fallon von Echinokokkus der Bauchhdhle in 
39 (25 Proz.) das Bersten des Parasiten konstatiert wurde. Nach Davain ist von 
81 geborstenen Echinokokken in 32 Fallen (40 Proz.) eine Perforation in die Lungen, 
in 10 (12 Proz.) in die Bauchhohle, in 21 (25 Proz.) in den Magen-Darmtraktus beob¬ 
achtet worden. Nach Neissers, auf 986 Falle sich beziehenden Statistik kommt Per¬ 
foration in die Lungen in 43 Proz., in den Magen-Darmtraktus in 26 Proz., in die 
Bauchhohle in 18 Proz. der Falle vor. 

AuBerdem sind Perforationeu in die Gallengange, in den Herzbeutel, in die groBen 
Blutgefafie (V. porta und V. hepatica), in die Harnwege wie auch gleichzeitig in 2 
verschiedene Organe beobachtet worden. 

In neuester Zeit hat Magnus sen unter 214 von ihm beobachteten Echinokokken- 
kranken in ca. 20 Proz. der Falle Perforationen verzeichnet. 

Es ist deshalb das Bestreben zahlreicher Autoren begreiflich, die 
verschiedenen diagnostischen Methoden zur Diagnose des Echinokokkus 
zu verwerten: 

Schon 1899 hat Sabrazbs seine Aufmerksamkeit auf den Blutbefund gelenkt 
und eine Vermehrung der eosinophilen Leukozyten bei Echinokokkuskranken 
konstatieren konnen. Seine Beobachtung wurde kurz darauf von einer gauzen Reihe 


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Kabinowitsch, Zur Serodiagnostik des Echinokokkus. 


103 


von Autorcn bestatigt und bat allgemeines Aufsehen erregt, und zwar um so mehr, 
ala die Zabl der eosinophilen Leukozyten, die bei verschiedenen Echinokokkuskranken 
wahrgenommen wurden, zwischen 10 und 68 Proz. sich bewegte. 

Betnerkem wert ist auch die Tatsache, dafi die Zahl der eosinophilen Leukozyten 
beim Echinokokkuakranken, wie Welsh und Barling, Weinberg und Leger, 
Wagner und viele andere nachweisen konnten, nach dcm Bersten der Echinokokkus- 
blase stark ateigt, so z. B. im Falle Wagners von 3,5 auf 64 Proz. Bald zeigten 
aber weitere Untereuchungen. daLS die Eosinophilic nicht konstant beim Echinokokkus- 
kranken vorkommt und in vielen Fallen ganz fehlen kann. 

Weiter wurde der diagnostisehe Wert der Eosinophilic fur die Featstellung einer 
Echinokokkuserkrankung dadurch beeintrachligt, dafi auch bei einer groBen Reihe ander- 
weitiger Krankheiten eine Vermehrung der eosinophilen Leukozyten konstatiert wurde. 
Eine Vermehrung derselben wurde, von Asthma bronchialis abgesehen, bei mit Trichinen, 
Bandwurmern, Ascariden, Trichocephalus dispar und Oxyuris vermicularis 
Infizierten nachgewiesen. Auch bei Filaria-, Malaria- und Dysenteriekranken (Amoben- 
dysenterie), wie auch bei Scharlach- und anderen Infektionskraukheiten, bei verschie¬ 
denen Neubildungen und einer ganzen Reihe von Hauterkrankungen ist die Eosinophilie 
ein sehr haufiger lief und. Die Eosinophilie wird ferner bei Frauen wahrend der Menstru- 
ationen, der Schwangerschaft und des Stillens sowie bei Kindern auch ohne nachweis- 
bare Ursachen beobachtet, so daB man daraus schlieBen ruuB, dad dem Vorhandenaein 
oder Fehlen derselben ein besonders zuveriiissiger diagnostischer Wert fur den Echino¬ 
kokkus nicht beigemessen werden kann. 

Ausdriicklich ist aber hervorzuhebcn, dad das Vorkommen der Eosinophilie beim 
Kranken doch den Verdacht auf Echinokokkus wecken und zur Anwendung ander- 
weitiger diagnostischer Hilfsmiltel Veranlassung geben mud, da dieselbe, wenn auch, 
wie weiter unten nachgewiesen wird, zwar keine koustante, aber doch eine ziemlich 
haufige Begleiterscheinung des Echinokokkus darstellt. 

Dasselbe gilt auch fur die Prazipitation, die zuerst von Fleig und Lis bo n n 
zur Diagnose des Echinokokkus beim Menschen angewendet worden ist, zu sagen. 

Wahrend Welsh und Chapman, Martin, Boutemps u. a. ermutigende 
Ergebnisse mit der Prazipitation erhalten habcn, konnten Apathy und Lorenz, 
Bettencourt, Puutoni, Weinberg, Putzu, Israel u. v. a. der Prazipitation 
keinen besonderen Wert fur die Diagnose des Echinokokkus beimessen. 

Langer, Puntoni u. a. beobachteten positive Prazipitation im Serum von Band- 
wurmtragern mit Echinokokkenantigen. Die meisten Autoren heben aber ausdriicklich 
hervor, aad ein und dasselbe Serum mit verschiedenen Antigenen voneinander ganz 
abweichende Ergebnisse liefern kann, und Welsh, Chapman und Storey haben 
vorgeschlagen, die Prazipitation mit mehreren Antigenen am besten mit solchen, die 
vorher mit Seris von Ecninokokkenkranken gepriift worden sind, anzustcllen. 

Weniger Beachtung, weil nicht zuverlassig, fand die antitryptische Reaktion 
von Weinberg und die Meiostagminreaktion vou Ascoli. 

Die groflte Aufmerksamkeit der Forscher erweckte, weil am zuverlassigsten, die 
zuerat von Ghedini angewandte und nachher hauptsachlich von Weinberg und 
seinen Mitarbeitern in die Praxis eingefiihrte Komplementbindungsreaktion. 

Ein Blick in die reiche, auf die Komplementbindungsreaktion beim Echino¬ 
coccus sich beziehende Literatur fiihrt zur Ueberzeugung, dad die meisten Autoren 
in der Mehrzahl der Falle mit dieser Reaktion ganz zuverlassige Ergebnisse erhalten 
haben, und daU die falschen Resultate auf mangelhafte Technik oder auf die Art der 
benutzten Antigene zuriickgefiihrt werden miissen. 

Wie bei der Wasserman nschen Reaktion, muB auch bei jeder Komplement- 
bindungsreaktion das Komplement, von dem hauptsachlich das Ergebnis des Versuches 
abhangt, jedesmal vor dem Versuche genau austitriert und in entsprechender Menge 
zum Versuche benutzt werden. Immer muB die Titration des Komplementes per se 
mit der entsprechenden Menge des hamolytischen Systems, dann auch mit den benutz- 
baren Antigenen, und endlich mit den entsprechenden Seris austitriert werden, weil die 
Komplemente beim Zusammenwirken mit den Seris in ihrer Wirksamkeit verstarkt oder 
abgeschwacht werden, und deshalb zum Versuch in entsprechend kleineren oder groBeren 
Mengen benutzt werden mussen. 

Beim Studium der mitgeteilten Untersuchungen fiber die Komplementbindung der 
Sera von Echinokokkuskranken kann man sich aber davon iiberzeugen, dafl in den 
meisten derselben eine konstante Komplementmcnge, meist 0,1 ccm, von einigen Autoren 
0,05 ccm, benutzt worden ist. Bedenkt man aber, da6 von einigen Komplementen 
0,01 ccm ausreicht, so findet die grode Zahl der negativen Falle bei einigen Autoren 
ihre teilweise Erklarung in der benutzten groflen Menge des Komplementes. 

Aus denselben Erwagungen mussen samtliche Moaifikationen der Versuchstechnik, 
bei denen das Normalkomplement, der Normnlambozeptor oder gleichzeitig beido, in 


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104 


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sehr wechselnder Menge im Serum vorhandene Komponenten benutzt werden, ganz weg- 
gelassen werden. 

Die Unzuverlassigkeit dieser Modifikationen beweisen am besten die Versuche 
Weinbergs (Annal. Pasteur. 1909. p. 424). Dieser verdienstvolle Forscher, der sich 
am meisten mit der Serodiagnostik des Echinokokkus beschiiftigt hat, schlug eine 
schnelle und eine langsame Methode vor, mit denen zuerst der hamolytische Index des 
Serums bestimmt und nachher der Versuch mit frischem Serum ohne Komplement und 
ohne Ambozeptor bzw. mit inaktiviertem Serum ohne Ambozeptor angestellt wird. Der 
Zweck dieser Methodik war, das normal in jedem Serum vorhandene Komplement und 
den Ambozeptor auszuschalten und dadurch die Reaktion empfindlicher zu machen. 

Dali aber diese Voraussetzung Weinbergs nicht zutreffend war, ergibt seine 
folgende Aeufierung: „Es gibt in der Tat frische Sera mit hohem Index, aber arm an 
Alexin . . .“ „Nach unserer Statistik kann beim Erwarmen auf 56° der Verlust an 
Ambozeptoren 80 Proz. erreichen 11 (1. c. p. 438—39). 

Gibt aber der „lndex“ keine Vorstellung von der Menge des im Serum vorhan- 
denen Komplements, so kann auf eine derartige Methodik nicht die Komplementbinduugs- 
reaktion begriindet werden. Gehen weiter durch die Inaktivierung nach Weinbergs 
eigener Statistik bis 80 Proz. des Ambozeptors vom Serum verloren, so mufi vorlaufig 
ausschliefilich die originelle Methodik von Bordet-Gengou als die zuverlassigste be- 
trachtet werden. 

Wie undeutlich die Ergebnisse der Weinbergschen Versuche sind, folgt schon 
daraus, dafi beinahe der ganze, 1(3 Seiten grade zitierte Aufsatz der Deutung dieser Er¬ 
gebnisse gewidmet ist, urn endlich zum Schlusse zu kommen, dafl weder die schnelle 
noch die langsame Methode zuverlassig ist. 

Was endlich die Antigene anbelangt, die von verschiedenen Autoren beim Komplement* 
bindungsversuche zur Diagnose des Echinococcus benutzt wurden, so waren diese 
ihrer Herkunft und Bereitungsart nach so verschieden, daS unzweifelhaft darin eine 
neue, sehr wichtige Fehlerquelle zu suchen ist. 

Den ersten Angaben von Ghedini entsprechend, haben die meisten Autoren die 
Hydatidenflussigkeit als Antigen benutzt. Wahrend aber Weinberg, Putzu, Eck¬ 
stein, Abrikosow u. a. darauf hingewiesen haben, dad diese Fliissigkeit vom Menschen 
auch mit normalen Seris Komplemeutbindung gibt, was die vom Schafe nicht tat, haben 
Braunstein, Kreuter, Durand, Barsony und Egan u. a. dem nicht beipflichten 
konnen. Kreuter fand auch bei der Hydatidenfliissigkeit vom Schafe Versager. Da- 
gegen haben Vas, Barsony und Egan, Abrikosow, Silber und Chmelnizky 
u. a. mit gutem Resultat Hydatidenfliissigkeit vom Rinde benutzt. Wahrend aber Vas 
seine Ergebnisse bei Verwendung von sensibilisierten Rinderblutkorperchen erhalten hat, 
haben die anderen Autoren Hammelblutkorperchen bei ihren Versuchen benutzt. 

Putzu bekam mit der Hydatidenfliissigkeit vom Rinde auch positive Reaktion 
bei Echinococcus-freien Individuen. Kitzler erreichte mit der Hydatidenfliissig- 
keit vom Schweine keine Komplementbindung, wogegen Griitz mit diesem Antigen gute 
Resultate erhielt. 

Aulter der Hydatidenflussigkeit sind ver*chiedenartige Extrakte aus derselben wie 
auch aus der Cystenwand des Echinococcus vom Menschen und verschiedenen 
Tieren als Antigen benutzt worden. Weinberg hat die Hydatidenflussigkeit im Exsik- 
kator verdampft und die aus dem trockenen Riickstande hergestellte Losung in destil- 
liertem Wasser mit gutem Erfolge als Antigen benutzt. Parvu extrahierte die Hyda¬ 
tidenfliissigkeit mit Alkohol (1:5), dampfte den Extrakt bei 60° ab und loste den 
Riickstand in Koehsalzlosung. Dieses alkohol-wiisserige Antigen erwies sich als spe- 
zifisch. Kreuter hat aus der Hydatidenfliissigkeit im Vnkuurn einen honigartigen 
Riickstand gewonnen, denselben mit Alkohol extrahiert und mit diesem alkoholischen 
Extrakt gute Ergebnisse erzielt. Israel bekam solche mit dem alkoholischen Extrakt 
aus dem wiisserigen Riickstande der Zystenwand. Kreuter erhielt auch durch Auszug 
mit Alkohol aus der tierischeu Zy6tenwand ein brauchbares Antigen, wahrend die 
wiisserigen Extrakte sich als unwirksam erwiesen; dagegen haben Hahn und Henius 
die wiisserigen Extrakte als brauchbar festgestellt. Stenza und Jianu haben einen 
ather-wiisserigen Extrakt aus der Hydatidenflussigkeit bzw. aus der Zystenwand, 
Falcoiano den iitherischen Auszug mit gutem Erfolg benutzt. 

Nachpriifung der alkoholischen Extrakte ergab aber in den Versuchen von Vas, 
Bauer, Busson, Israel und mehreren anderen, dafi diese auch mit normalen, lue- 
tischen und leprosen Seris Komplementbindung geben, was auch Kreuter zugegeben 
hat, der aber aaranf hinweist, dad diese Fehlerquelle durch Benutzung kleiner Antigen- 
mengen vermiedeu werden kann. 

Endlich ist noch zu erwahnen, dad Kurt Meyer mit alkoholischem Extrakt aus 
Bandwiirmern und Serum von Echinococcus-Kranken, wie auch mit Hydatideu- 
flussigkeit, wiisserigen und alkoholischen Extrakteu aus der Echinokokkuszvstenwand 


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Rabinowitsch, Zur Serodiagnostik des Echinokokkus. 


105 


and mit Seren von Taenia-Tragern in 3 von 10 Fallen die Komplementbindungs- 
reaktion erhalten hat, die er „Gruppenreaktion“ nannte. Die Beobachtungen Meyers 
wurden von Hahn, Barsony und Egan, Kreuter in emigen Fallen bestatigt, wo- 

f egen Sonntag, Thomsen und Magnussen keine „Gruppenreaktion“ nachweisen 
onnten. 

Diese widersprechenden Angaben sind, wie die sorgfaltigen Untersuchungen von 
Thomsen und Magnussen, Dei denen eine genaue Titration des Kompiementes den 
Versuchen vorausgeschickt wurde, lehren, auf mangelhafte Technik zuriickzufiihren. 

Eine derartige Titration des Komplementes war um so mehr notwendig, als die 
erwahnten Autoren bei den „Gruppenreaktionen“ grofie Mengen (0,3—0,6 ccm) von ver- 
schiedenartigen, groStenteils alkoholischen Antigenen benutzt haben, die, wie Vas, 
Bauer, Israel u. a. nachgewiesen haben, unspezifische Komplementbinaung geben. 
Aus den Mitteilungen dieser Autoren ist auch zu entnehmen, dafl sie aufler der 
„Gruppenreaktion“ auch unspezifische Reaktionen mit Noimalseris (Kreuter), Lues- 
seris (Hahn, Barsony und Egan), und in Fallen von Ikterus, Pankreatitis, Arterio- 
sklerosis (Barsony und Egan) erhalten haben. 

Zieht man endlich in Betracht, dafl einige Autoren mit „aktiven u , die anderen 
mit „inaktivierten“ Seris gearbeitet haben, und dafl Alkohol per se in Mengen von 
03—0,5 ccm schadigend die Komplementwirkung beeinfluflt. so wird es klar, dafl die 
angefiihrten widersprechenden Angaben hauptsachlich auf aie Verschiedenheit der an- 
gewandten Technik zuriickzufiihren ist. 

Die Berechtigung dieser ErwSgungen erwiesen die an der Hand 
eigener, mit den Seris von 57, nachtr&glich operierten, Fallen 
ausgefuhrten Untersuchungen. 

Diese systematischen Untersuchungen begann ich erst, als es mir 
gelungen war, ein sehr empfindliches spezifisches Antigen herzustellen, 
denn die zahlreichen vorausgegangenen Untersuchungen hatten gelehrt, 
tlaB die Hydatidenflflssigkeiten vom Menschen, Schaf, Rind und Schwein 
nicht nur je nach ihrer Herkunft, sondern auch je nach dem Falle in 
ihren antigenen Eigenschaften verschieden sind, und selbst ein und 
dieselbe Fliissigkeit mit den verschiedenen Krankenseren verschieden 
reagierte. 

Bevor ich zur Schilderung der Ergebnisse dieser Untersuchungen 
iibergehe, will ich die benutzte Technik, auf die es ja hauptsachlich 
ankommt, genau schildern: 

Antigen. Als solches wurde der wiisserige Auszug aus der Echinokokkuszysten- 
wand und Zystenfliissigkeit benutzt. Eine bei der Operation steril entnommene, mit 
klarer Fliissigkeit gefiillte, grofle Echinokokkusblase wurde in einem sterilen Glasbecher 
nach dem Laboratorium gebracht. Aus der Blase wurde die Fliissigkeit in 2 Erlen- 
meyersche Kolben aufgefangen und in dieselben die mit steriler Schere zerkleinerte 
Zystenwand gebracht. Der Fliissigkeit wurde dann soviel steriler 0,8o-proz. Kochsalz- 
losung zugefiigt, bis die Zystenwandstuckchen von der Fliissigkeit ganz bedeckt waren, 
worauf endlich 0,5 Proz. der Fliissigkeitsmenge Phenol hinzugesetzt wurde. Die Kolben 
wurden ca. 2 Mon. im Eisschrank, dann 2 Tage bei Zimmertemp. und endlich 7 Tage 
im Thermostat bei 37° C gelassen und dann aus letzterem die Kolben in den elelr- 
trischen Schiittelapparat gebracht, 3mal 24 Std. in demselben geschiittelt und dann 
durch Flieflpapier filtriert. Bei der Titration dieses Antigens haben 0,05 ccm das 
Komplement per se und mit Normalserum teilweise, mit Luessorum stark gebunden. 
0,04 ccm band nur mit Luesserum teilweise das Komplement und nur in der Menge 
von 0,03 wurde weiler mit Normal- noch mit Luesserum, sondern nur mit Echiuo- 
kokkenserum das Komplement gebunden, weshalb es zum Versueh in Mengen von 0,03, 
0,02 und 0,01 benutzt wurde. 

Von 3 anderen, spater in iihnlicher Weise hergestellten Antigenen aus durch 
Operation erhaltenen Echinokokkenzysten des Menschen war nur 1 brauchbar, wahrend 
die ubrigen 2 mit den Seris von Echinokokkuskranken keine spezifische Komplement- 
bindung gegeben haben. 

\Vorauf diese Unterschiede in den antigenen Eigenschaften der Extrakte aus den 
Echinokokkenzysten zuriickzufiihren sind, konnte ich nicht entscheiden. Die Antigene 
haben bei Aufbewahrung im Eisschrank im Laufe von 5 Jahren ihre Wirksamkeit 
erhalten. 

Krankenserum wurde in aktivem und inaktiviertem (30 Min. bei 55° erwarmtenl 
Zustande in Mengen von 0,1, 0,05 und 0,02 ccm (auf 2,5 der Gesamtmenge) zum Versueh 


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106 


Tabelle 1. 


c 

z 

9 

a 

9 

«*-• 

Alter der 
Kranken 

hedini- 
einberg- 
leReaktion 
it aktivem 
Serum 

Ghedin i- 
VVein berg- 
scheReaktion 
mit inaktiv. 
Serum 

N aeser- 
an n sche 
Reaktion 

Eosinoph. 

Leukozyt. 

Befund bei der Operation 

►3 

Jahre 


- c 

Proz. 


i 

7 

+ +*) 

4 - 

_ 

7 

Echinococcus hepatis 

2 

19 

4 - 

4 - 4 - 

— 

4 

„ renis 

3 

51 

— 

4 - 

— 

11 

* hepatis et omenti majoris 

4 

42 

+ 

4 - 

— 

3 


5 

35 

+ 

4 - 4 - 

— 

10 


6 

51 

4 - 4 - 

4 - 

— 

1 


7 

9 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

4 


8 

40 

4 - 4 - 

4 - 

— 

3 


9 

30 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

9 


10 

13 

+ 

4 - 

— 

14 


11 

25 

4 - 4 - 

4 - 

— 

5 


12 

27 

+ 

4 - 


1 


13 

23 

+ + 

4 - 


2 

„ pulmonis 

14 

31 

+ + 

— 

— 

2 

hepatis 

15 

37 

+ 

4- 

— 

6 


16 

23 

+ + 

4 - 4 - 

— 

4 


17 

44 

+ + 

4 - 

— 

10 

„ „ et cerebri (+) 

18 

25 

+ + 

4 - 4 - 

— 

15 

„ „ et abdominis dissiminat. 

19 

3o 

4 - 

4 - 4 - 

— 

3 


20 

33 

+ + 

+ + 

— 

3 


21 

28 

4 - 

4 - 4 - 

— 

8 


22 

36 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

3 

„ L. 

23 

45 

+ + 

© 


26 


24 

25 

+ 

4 - 

_ 

1 


25 

40 

4 - 4 - 

+4* 

— 

2 


26 

27 

4 - 4 - 

+ 4 - 

4 - 

3 

,, ,, et lues 

27 

55 

4 - 4 - 

+ + 

— 

4 


28 

31 

+ 

4 - 4 - 

— 

6 


29 

34 

+ 

4 - 

— 

1 

„ pulmonis 

30 

27 

4* + 

4 - 4 - 

_ 

12 

„ subdiaphragmatis 

31 

3! 

+ + 

4 - 4 - 

— 

4 

hepatis 

32 

41 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

52 


33 

55 

+ + 

4 - 

— 

2 


34 

21 

+ 

4 - 

— 

28 

,, lienis 

35 

40 

4 - 4 - 

4 - 


3 


36 

37 

+ 4 - 

© 

— 

1 


37 

27 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

3 


38 

29 

4 - 

4 - 

— 

10 


39 

23 

4 - 4 - 

4 - 4 - 

— 

1 


40 

43 

— 

— 

— 

7 

Carcinoma hepatis 

41 

45 

© 

— 

— 

3 


42 

60 


— 

— 

15- 


43 

39 

© 

— 

— 

6 


44 

49 

4 - 

— 

© 

6 

„ „ et ventriculi 

45 

32 

— 

— 


5 

Abscessus hepatis 

46 

31 

— 

— 

— 

2 

Cystadenoma renis 

47 

29 

— 

— 

— 

7 

Abscessus lienis 

4S 

35 

— 

— 

— 

5 

Cavernoma hepatis 

49 

42 

— 

— 


12 

Tumor lienis 

50 

32 


— 


9 

Peritonitis tuberculosa 

51 

29 


— 

— 

5 

GroBe Stauungsleber 

52 

24 

— 

— 

— 

23 

Hypernephroma 

53 

32 

— 

— 

— 

5 

Abscessus hepatis 

54 

52 

— 

— 

— 

4 

Carcinoma hepatis 

55 

35 

— 

— 

— 

2,5 

Abscessus hepatis 

56 

20 

— 

— 

— 

6 

Sarcoma fuso-cellul. teleangiectat. retroperiton. 

57 

21 

— 

— 

— 

? 

Abscessus hepatis 


1) +4- = stark positiv (komplette Bindung); + — positiv (starke Bindung und 
grofier Niederschlag); 0 = schwach positiv (schwache Bindung und kleiner Nieder- 
schlag); — — negativ (komplette Lyse). 



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Rabinowitsch, Zur Serodiagnoetik <les Echinokokkus. 


107 


benutzt. Das Serum wurde jedesmal dureh Abpipettieren aus dem gerounenen Blute 
erhalten, das dem Krauken iu iiblicher Weise aus der Armvene entnommen, HO Min. 
im Thermostat uud 1 Std. im Eisschranke gelassen wurde. 

Das Komplement wurde vordem Versuche durch Herzpunktion Meerschweinchen 
entnommen und das Blut */« Std. im Thermostat bei 37° C und bis zum Versuche 
ca. 2 Std. im Eisschrank gelassen. Das Komplement wurde jedesmal per se, mit dem 
Antigen und endlich mit den entsprechenden Seris titriert und zum Versuche in der 
Titermenge + 0,003 ccm benutzt. 

Ham m el blutkorperchen wurden durch Punktion der V. jugularis dem Tiere 
1 Tag vor dem Versuche entnommeu und nach Verteilung des defibrinierten Blutes 
auf Zentrifugenglaschen im Eisschranke gelassen. Vor dem Versuche wurden sie 3mal 
mit 0,9-proz. Kochsalzlosung gewaschen. Blutkorperchen, die beim Waschen wiederholt 
die Kochsalzlosung farbten, wurden als unbrauchbar betrachtet. 

Als Ambozeptor wurde derjenige benutzt, der den verwendeten Blutkorperchen 
entsprach, d. h. vom Kaninchen, das mit den Blutkorperchen vom entsprechenden 
Hammel geimpft worden war, stammte. Zum Versuche verwendete ich die 3fache 
Titerdosis. Nur Ambozeptoren mit einem Titer nicht unter 1:2000 wurden benutzt. 

Der Versuch wurde nach vorausgegangenen Vorpriifungen mit fallenden Mengen 
Krankenserums uud Antigens angestellt und war jedesmal von Kontrollen mit Nornml- 
utid Luesserum begleitet; stand ein gepriiftes Echinokokkusserum zur Verfiigung, so 
wurde auch dieses zur Kontrolle benutzt. 

Jeder der 5 Komponenten wurde bis 0,5 ccm mit 0,9-proz. Kochsalzlosung erganzt. 
Zur Fixierung des Komplementes wurden die Versuchsrohrchen 1 Std. und nach Zusatz 
des sensibilisierten hamolytischen Systems noch 1 Std. im Thermostat bei 37° C gelassen, 
dann wurde protokolliert, bis zum nachsten Morgen im Eisschrank gelassen und wieder 
protokolliert. 

In der geschilderten Weise wurden im Laufe von 8 Jahren die Blut- 
sera von 57 Kranken, bei denen die klinische, haufig auch die rontgeno- 
skopische Untersuchung auf Anwesenheit eines Echinococcus hin- 
gewiesen hatte, untersucht. Aufierdem ist in 56 von diesen Fallen zur 
Feststellung der Zahl der eosinophilen Zellen das Blut morphologisch 
untersucht. Mit samtlichen Sera wurde auch die Wassermannsche 
Reaktion angestellt. 

Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen, die in Tab. 1 zusammen- 
gestellt sind, ist zu entnehmen, daB 18 der untersuchten 57 Kranken- 
sera im Komplementbindungsversuche mit den von mir hergestellten 
Echinokokkusantigenen im inaktivierten Zustande negativ reagiert haben. 
Bei der Operation wurde auch in keinein dieser Falle ein Echino¬ 
coccus gefunden. In deu iibrigen 37 Fallen, in denen der Komplement- 
bindungsversuch iibereinstimmend mit aktivem und inaktivem Serum, 
in 1 Falle, in dem nur mit aktivem, und in 1 Falle, in dem nur mit 
inaktiviertem Serum ein positives oder stark positives Resultat erhalten 
wurde, ist bei der Operation ein Echinococcus konstatiert und soinit 
die serologische Diagnose bestatigt worden. 

Bemerkenswert ist aber die Tatsache, daB in 2 Fallen von Leber- 
karzinom die Komplementbindungsreaktion mit den aktiven Seris 
schwach positiv, und in 1 Falle sogar positiv, mit den inakti¬ 
vierten Seren dagegen in samtlichen Fallen negativ ausgefallen ist. 

Was die parallelen Untersuchungen mit aktivem und inaktiviertem 
Serum bei den Echinokokkusfallen anbelangt, so haben unter 39 Echino¬ 
coccus-Fallen 9 Sera in aktivem Zustande und 5 in inaktiviertem 
starker Komplement gebunden; in 1 Falle hat das Serum, wie oben 
erwahnt, tiberhaupt nur in aktivem und in 1 Falle nur in inaktiviertem 
Zustande das Komplement gebunden. 

Die letzterwahnten Ergebnisse der Untersuchungen weisen darauf 
hin, daB es zweckmaBig ist, die Versuche gleichzeitig mit frischem 
aktiven und inaktivierten Serum anzustellen. 


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108 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 
Tabelle 2. 


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Welche Falle sind 
untersucht worden ? 

L Zahl der 
untersuchten 
Falle 

Mehr als 

5 Proz. von 
eosinophilen 
Leukozyten 

Mit 

aktivem 
Serum 
positive 
Gnedini- 
Weinberg- 
sche Reaktion 

Mit 

inaktiviertem 
Serum 
positive 
Ghedini- 
Weinberg- 
sche Reaktion 

Positive 

W asser- 
m a n n sche 
Reaktion 

Echinokokkusfalle 

39 

15 

38 

38 

0 

Krebs der Leber u. 
des Magens 

6 

4 

. 

3 

0 

1 

Abszesse der Leber 
und Milz 

5 

2 

0 

0 

o 

Verschiedene Tu- 
moren der inne- 
ren Organ e 

4 

4 

0 

0 

0 

Oystische Verande- 
rungen der Leber, 
Niere und Milz 

3 

0 

0 

0 

0 

Wurmertrager 

18 

11 

0 

0 

0 

Luetiker mit stark 
posit. Wasser¬ 
mann scher Re¬ 
aktion 

68 

5 

2 

2 

6 S 

Leprose 

6 

1 

2 

2 

2 

j 

Ctesunde 

32 

0 

0 

0 

o 


Was die Ergebnisse der Wassermannschen Reaktion anbelangt, 
so hat von den 57 untersuchten Fallen das Serum des Falles mit stark 
ausgebreitetem Karzinom der Leber und des Magens, das auch positive 
Ghedini -Weinbergsche Reaktion gegeben hat, eine schwach positive 
Reaktion ergeben. Der 2. Fall mit positiver Wassermannscher Re¬ 
aktion hat luetische Infektion zugestanden. 

Da einige Autoren sich gegen die Spezifit&t der Ghedini-Wein- 
bergschen Reaktion fur den Echinococcus ausgesprochen, und dar- 
auf hingewiesen haben, daB das Blutserum von Wurmtragern (Mayer, 
Hahn u. a.), von Sypbilitikern und Leprosen (Israel, Vas, Bayer), 
bei tuberkuloser Peritonitis (Paisseau und Tissier), Kystadenoma 
hepatis (Schultz) positive Ghedini-Weinbergsche Reaktion geben, 
babe ich zahlreiche Versuche mit den Seris vom gesunden Menschen, 
wie auch von Luetikern, Leprosen, Wurmtragern (mit Taenia solium, 
T. saginata, T. nana, Oxyuris vermicularis und Ascaris 
lumbricoides) angestellt (Tab. II). 

Diese in Tab. II zusammengestellten Versuche zeigen, daB kein 
einziges der untersuchten 32 Normalsera und der 18 Sera von Wurm¬ 
tragern weder die Ghedini-Weinberg sche noch die Wassermann- 
sche Reaktion gegeben haben. 

Von den 68 untersuchten Luetikerseris mit stark positiver Wasser¬ 
mannscher Reaktion haben 2 positive Ghed i n i-Weinb er gsche Re¬ 
aktion ergeben, doch ist hervorzuheben, daB diese Sera, wenn auch 
schwach, per se Komplement gebunden haben. 

Dasselbe ist auch bei den leprosen Seris festgestellt worden: von 
den 6 untersuchten Fallen haben 2 sowohl mit dem Echinokokkusantigen 



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Rabinowitsch, Zur Serodiagnostik des Echinokokkus. 109 


wie auch mit dem luetischen Antigen und selbst per se das Komplement 
gebunden. 

Zieht man aber in Betracht, daB, wie meine Beobachtungen gelehrt 
haben (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 72. 1913) selbst normale 
Sera nach l&ngerem Stehen im Eisschranke derart verandert werden, 
daB sie regelmaBig positive und stark positive Wassermannsche Re- 
aktion liefern, so wird daraus zu schlieBen sein, daB die vereinzelten 
Falle, in denen bei Abwesenheit des Echinokokkus positive Ghedini - 
Wein berg sche Reaktion beobachtet wurde, entweder auf die oben 
angegebene*mangelhafte Technik oder auf eine Veranderung der be- 
treffenden Sera zurfickzufiihren sind; diese Falle konnen aus diesen 
Grunden nicht gegen die Spezifitat der Ghedini-Weinbergschen 
Reaktion sprechen. 

Im Gegenteil glaube ich auf Grund der Tatsache, daB in samtlichen 
39 Echinokokkusfailen die Reaktion positiv und in den flbrigen 142 Fallen 
nur 2 Lues- und 2 Leprasera mit dem Echinokokkus- und Luesantigen 
wie auch per se das Komplement gebunden haben, Werbizky bei- 
pflichten zu mussen, der behauptet, daB der Haufigkeit nach dieses 
Symptom (die Ghedini-Wein berg sche Reaktion) unzweifelhaft der 
1. Platz zukommt. 

DaB es bei der Ghedini-Weinbergschen Reaktion sich um keine 
„Gruppenreaktion“ im Sinne Mayers handelt, haben meine Unter- 
suchungen in Uebereinstimmung mit denjenigen von Thomson und 
Magnussen sowie von Sonntag bewiesen. 

Tabelle 3. 


Laufende Nr. 

1. 

2 Wochen 
nach der 
Operation 

2. 

4 Wochen 
nach der 
Operation 

3. 

2 Mon. 
nach der 
Operation 

4. 

3 bzw. 

5 Mon. 
nach der 
Operation 

Bemerkungen iiber die klinischeii 
Erscheinungen 

1 

+ + 

+ + 

+ + 

-(++) 

Kurz vor der 3. Untersuehung sind Stiicke 
der Echinokokkusblase aus der Wunde 
nbgesondert worden. Bei der letzten 
Untersuehung — 3 Monate nach der 
Operation — war die Reaktion nur mit 
aktivem Sierum positiv. 

2 

+ 4- 

+ + 

+ + 

— 

Die 3. Untersuehung ist einige Tage nach 
Abgang d. Blasenreste ausgefuhrt worden. 

3 

+ 


— 


3 Wochen nach d. Operation sind Reste d. 
Echinokokkusblase abgesondert worden. 

4 

+ 


• 

• 

Noch wahrend der Blutentnahme zur 
2. Untersuchiing war eine eiternde Wunde 
vorhanden. 

5 




■ 

Bei der Operation ist eine einkammerige 
Echinokokkusblase vollstandig entfernt 
worden. 

6 

++ 

+ 

• 


Die 2. Untersuehung ist 3 Tage nach Ab- 
sonderung von BlasenresterT ausgefuhrt 
worden. 

7 

+ 

+ 

• 


Im Eiter, der aus der Wunnde abgeson¬ 
dert wird, sind mikroskopisch Stiickchen 
der Blasenwand nachgewiesen worden. 

8 



• 

* 

Bei der Operation ist eine kindskopfgrolle 
Echinokokkusblase entfernt worden. 
Operationswunde geheilt. 


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110 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Schultz bzw. Pais- 
seau und Tixier war in meinen Fallen von cystischer Veranderung 
der Leber und anderen Organen, wie auch bei der tuberkulosen Peri¬ 
tonitis die Ghedini-Weinbergschen Reaktion negativ. 

Was die Intensitat der Reaktion anbelangt, so war sie in der Mehr- 
zahl der Faile stark positiv und nur in einem Teile derselben konnte 
eine komplette Komplementbindung mit der groBten Titerdosis des 
Antigens konstatiert werden, in welchen Fallen die Reaktion als positiv 
angegeben worden ist. 

Irgendeine Beziehung zwischen Intensitat cler Reaktion, Lokali- 
sation des Echinococcus, seiner GroBe und seinem Bau konnte nicht 
festgestellt werden. 

Ebenso wie Thomsen und Magnussen, Lejar, Parvu und 
Cai 114 konnte ich konstatieren, daB die Vereiterung des Echino¬ 
coccus keinen EinfluB auf die Reaktion des Serums des betreffenden 
Kranken ausiibt. 

Trotz positiver Ghedini-Weinbergscher Reaktion ist es selbst 
mit stark positiven Echinokokkenseris bei Anwendung von verschiedenen 
luetischen Antigenen bei vorausgegangener genauer Titration samtlicher 
zum Versuch benutzter Komponenten, kein einziges Mai gelungen, Kom¬ 
plementbindung zu erzielen. 

In 8 der untersuchten 39 Faile hatte ich Gelegenheit, die Ghe¬ 
dini-Weinbergsche Reaktion wiederholt — bis 4mal — nach der 
Operation zu untersuchen (s. Tab. III). 

Aus den Ergebnissen dieser wiederholten Untersuchungen ist zu 
entnehmen, daB bei vollstandiger Entfernung der Echinokokkenblase bei 
der Operation die positive Ghedini-Weinbergsche Reaktion schon 
im Verlaufe von 2 Wochen nach der Operation negativ wird. Wenn 
aber die Reaktion l&nger als 2 Wochen nach der Operation positiv bleibt, 
so spricht das dafiir, daB entweder nicht samtliche Echinokokken ent- 
fernt worden sind, oder, was bei Vereiterung der Blase h&ufig der Fall 
ist, noch Reste der Blase im Korper vorhanden sind. Von den unter¬ 
suchten Echinokokkusfallen ist 1 Fall vor 6 Jahren schon wegen Echino¬ 
coccus operiert worden. 

Endlich sind noch die Ergebnisse der morphologischen Blutunter- 
suchungen, bei denen die Zahl der eosinophilen Zellen bestimmt wurde, 
zu erwahnen: Mehr als 5 Proz. eosinophiler Zellen wurde konstatiert: 
1) in 15 von 39 Echinokokkusfallen, 2) in 4 von 6 Karzinomfallen, 
3) in s&mtlichen 4 Fallen mit Tumoren der inneren Organe, 4) in 1 von 
6 Leprafallen. 5) in 5 von 68 Luesfallen, 6) bei 11 von 18 Wurm- 
tragern. 

Aus diesen Zahlen ist wohl zu entnehmen, daB, wenn auch der 
Eosinophilie kein diagnostischer Wert fur den Echinococcus beige- 
messen werden kann, sie doch bei dieser Krankheit so haufig vorkommt, 
daB bei Fehlen von Wiirmern und Trichinen sie doch den Verdacht auf 
Echinococcus erwecken und Veranlassung zu anderweitigen Unter¬ 
suchungen und besonders zur Anstellung der Ghedini-Weinberg- 
schen Reaktion geben muB. 

Zusammenfassung. 

1) Von den untersuchten 57 Fallen, bei denen klinisch ein Echino¬ 
coccus diagnostiziert wurde, hat der in der angegebenen Weise aus- 



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Kabinowitsch, Zur Serodiagnostik des Echinokokkus. 


Ill 


gefflhrte Korapleraentbindungsversuch in sflmtlichen 39 Fallen, in denen 
bei der Operation ein Echinococcus festgestellt wurde, ein positives 
Resultat ergeben. — 2) Bei den Parallelversuchen mit aktivem und in- 
aktiviertem Serum waren die Resultate in 59 Proz. der Falle flberein- 
stimmend, in 23,1 Proz. — mit dem aktiven, in 12,8 Proz. — mit dem 
inaktivierten Serum starker ausgebildet und in 5,1 Proz. der Falle aus- 
schlieBlich mit dem aktiven bzw. mit dem inaktivierten Serum positiv. 
— 3) Von den untersuchten 142 anderweitigen, von Echinokokkus freien 
Fallen haben nur die aktiven Sera von 3 an Leberkrebs Leidenden, 
2 Luessera mit stark positiver W a s s e r m a n n scher Reaktion, die auch 
per se Komplement gebunden haben, wie auch 2 Leprasera, die eben- 
falls per se Komplement gebunden haben, positives Resultat ergeben. — 
4) Die Wassermannsche Reaktion war in saratlichen Echinokokkus- 
failen, abgesehen von einem gleichzeitig an Lues Leidenden, negativ; 
von den flbrigen 142 Fallen war sie, von den Luesfailen abgesehen, in 
1 Krebsfalle schwach positiv und in 2 Leprafflllen positiv. — 5) Nach 
der Operation wiederholt ausgefflhrte Versuche haben ergeben, daB bei 
vollsttndiger Entfernung skmtlicher Echinokokkusblasen die Ghedini- 
Weinbergsche Reaktion im Laufe von 2 Wochen negativ wird; so- 
lange aber Blasen oder Reste derselben im Korper vorhanden sind, 
bleibt die Reaktion positiv. — 6) Eosinophilie wurde in 38,5 Proz. der 
Echinokokkusf&lle, in 66,6 Proz. der Krebsfalle, in samtlichen Fallen 
mit Turaoren der inneren Organe, in 61,1 Proz. von Wurmtragern, in 
7,4 Proz. der Luesfaile und in 16,7 Proz. der Leprafalle konstatiert. — 
7) Aus alien diesen Tatsachen folgt, dafi die mit zuverlassigem Antigen 
richtig ausgefflhrte Ghedini - W ein berg sche Reaktion eine ganz 
spezifische und zuverlassige Reaktion zur Diagnose des Echino¬ 
coccus ist 1 ). 


Literatur. 

Madelung, Beitr. Mecklenburger Aerzte z. Lehre von Echinococcus-Krank- 
heiten. 1855. — Da vain, Traits des entozoaires et de maladie verm. Paris 1860. Bull. 
Soc. de Biol. 1861.— NeiSer, Die Echinokokkuskrankheiten. 1877. — Magnussen, 
Arch. f. klin. Chir. Bd. 100. 1910. — Sabrazfcs, Gaz. hebdom. Soc. med. de Bor¬ 
deaux. 1909. — Wagner, Russky Wratsch. 1908; Centralbl. f. inn. Med. 1908. — 
Fleig et Lisbonne, Compt. rend. Soc. Biol. 1907. — Welsh and Shapman, 
lancet. 1908. — Bontemps, Munchen. med. Wochenschr. 1913. 8. 721. — Puatoni, 
Poliklinico. 1910. — Putzu, Centralbl. f. £akt. Abt. I. Orig. Bd. 54. 1911. — Israel, 
Ztschr. f. Hyg. Bd. 66. 1911. — Welsh, Chapman and Storey, Lancet. 1909. — 
Weinberg et Laroche, Compt. rend. Soc. Biol. 1909. — Ascoli, Munchen. med. 
Wochenschr. 1910. Nr. 2 . — Weinberg et Parvu, Compt. rend. Soc. Biol. 1908. 
p. 798. — Eckenstein, Lancet. 1910. — Abrikosow, Medicinsk. Obosren. 1913. p. 609. 

— Lejars. Semaine m6d. 1911. Nr. 12. — Weinberg, Ann. l’lnst. Past. 1909; 
Compt. rend. Soc. Biol. 1910. p. 410. — Graetz, Ztschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 6. 
8 . 627. — Braunstein, Wien. klin. Wochenschr. 1910. — Barsony u. Egan, 
Ztschr. f. klin. Med. Bd. 76. 1912. — Henius, Dtsch. med. Wochenschr. 1911. Nr. 26. 

— Vas, Wien. med. Wochenschr. 1911. Nr. 4. — Parvu, Compt. rend. Soc. Biol. 


1) Die ausfuhrlichen, sehr lehrreichen Krankheitsgeschichten, die ich der Raum- 
eraparnis wegen nicht beibringen kann, sind mir von den Herren Dr. Rose, Prof. Dr. 
Istomin (+), Dr. Dobromyslow, Dr. Taft und Dr. Sergijewsky, denen ich zu 
Danke verpflichtet bin, iiberlassen worden. 


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112 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 2. 


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T. 66. 1909. — Jiauu, Wien. klin. Wochenschr. 1912. Nr. 42.— Kreuter, Munchen. 
med. Wochenschr. 1909. Nr. 36; Ergebn. d. Chir. 1912. S. 133. — Meyer, Kurt, 
Berlin, klin. Wochenschr. 1910. Nr. 28. — Falcaiano, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Ref. 1913. S. 138. — Bauer, Munchen. med. Wochenschr. 1911. Nr. 20. — Busson. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 60. 1911. — Hahn, Munchen. med. Wochenschr. 
1912. Nr. 25. — Thomsen u. Magnussen, Berl. klin. Wochenschr. 1912. Nr. 25. 
— Sonntag, Beitr. z. klin. Chir. Ba. 82. 1912. — Silber u. Chmelnizky, Char- 
kower med. Journ. Bd. 16. 1913.— Werbitzkv, Zur Symptomatology und Diagnose 
de6 einzelligen Leberechinococcus. 1917. (Russisch.) — Sten za, Wien. klin. Wochenschr. 
1909. S. 1489. 


Nachdruck yerbolen. 

Ueber vergleichende intrakutane und intravenose Sensi- 
bilisierung des Menschen mit Kaninchenserum. 

[Aus der Universitats-Kinderklinik Leipzig (Direktor: Prof. 

Dr. Bessau).] 

Von Dr. Otto KOkler, Assistenzart, und Georg Heilmanii, Medizinal- 

praktikant. 

Die Bedeutung der Funktionen der Haut ftir den gesamten inneren 
Organismus bei den exanthematischen Infektionskrankheiten ist von alters 
her ebenso bekannt wie die Heilwirkung von Hautreizen aller Art auf 
Krankheitsprozesse in den inneren Organen. Bei den exanthematischen 
Erkrankungen scheint die Immunkdrperbildung urn so besser zu sein, 
je intensiver der Ausschlag auf der Haut auftritt. 

Degkwitz empfiehlt deshalb gerade die Kinder als geeignete Masernrekon- 
valeszentenserumspender, die einen etarken Ausschlag hatten. Wichtij* fiir den Zu- 
sammenhang der Haut und der inneren Organe erscheint ferner die Erfahrung, dafi 
bei ausgedehnten Erkrankungen der Haut an tertiiirer Syphilis und Lupus vulgaris 
die inneren Organe oft freibleiben. Tabiker und Paralytiker haben im Fruhstadiuni 
ibrer Syphilis hiiufig nur an geringen Hauterscheinungen gelitten, und die Prognose 
der angeborenen Lues ist giiustiger, wenu in erster Linie die Haut an den Krankheits- 
erscheinungen teilninnnt. 

Diese und noch eine Reihe anderer Betraehtungen fuhrten Hoffmann zu dem 
Ergebnis, da(3 die Haut nicht nur die Aufgabe babe, den Organirmus nach aufien vor 
Schadigungen zu sehiitzen, sondern auch einen nach innen gerichteten aktiven Schutz 
ausiibe. Er bezeichnet diese Hautfunktion als „Esophylaxie“ und spricht den von der 
Haut gebildeten Schutz- und Heilstoffen eine weeentliche Rolle im Kampfe gegen die 
Parasiten und ihre Oifte zu. Die Heilwirkung allgerneiner Lichtbader (Honensonne) 
glaubt Hoffmann am einfachsten als eine Heilwirkung durch die Haut zu erklaren, 
als Folge einer inneren Sekretion der Epithelien der Epidermis; denn die kurzwelligeu 
wirksamen Lichtstrahlen werden zum groSten Teil von den alleroberflachlichsten Haut- 
schichten absorbiert und konnen somit kaum einen unmittelbaren EinfluC auf tiefer 
gelegene Organe oder Gewebe nehmen. 

Neben Hoffmann war es Bruno Bloch, der auf Grund gleicher und noch 
anderer klinischer Beobachtungen der Haut eine bisher noch nicht geniigend gewiirdigte 
wichtige Funktion zum Schutz des Organismus zuschreibt. 

Experimented ist die Frage nach der Funktion der Haut von Fellner und 
E. F. Muller bearbeitet worden. Die Ergebnisse von Fellner wurden unter erwei- 
terten und exakten Versuchsbedingungen (quantitativ) an der Leipziger Universitats- 
Kinderklinik mit negativem Erfolge nachgepriift. An anderer Stelle wird hieriiber aus- 
fiihrlich berichtet werden. Muller konnte bei chronischer und snbakuter Gonorrhoe 
durch intrakutane Einverleibung unspezifischer Stoffe (Aolan) Erscheinungen auslosen 
— Vermehrung des Austlusses wenige Stunden nach der Injektion — die bei eubku- 
taner oder intratnuskuliirer Einspritzung erst durch die 50—100-fache Menge zu er- 
reichen waren. Auf Grund dieser Fernwirkung spricht Muller von der Wichtigkeit 



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Kohler u. Heilmann, Vergl. intrakutane u. intravenose Sensibilisicrung. H3 


der Haut fur den Ablauf biologischer Vorgange im Organismus. Nachuntersuchungen 
bestatigen seine Angaben nicht. 

Ueberzeugende Beweise fiir die aktiv schiitzende Funktiou der Haut konnten also 
bisher noch nieht erbracht werden, aber es legen doch gerade die oben ausgefiihrten 
klinischen Beobachtungen, die Hoffmann zur Hypothese der Esophylaxie fuhrten, 
die Vermutung nahe, dafl vielleicht die menBchliche Haut ein sehr guter Antikorper- 
bildner sei. Allerdings ist der Zusammenhang zwischen Exanthenibildung und Allge- 
raeinschutz vieldeutig; konnte doch sehr wohl eine st.arke Exanthembildung nicht die 
Ureache des Schutzes, sondern seine Folge sein, d. h. die Folge einer starken Anti- 
korperbildung, wobei iiber den Ort derselben a priori nichts ausgesagt werden konnte. 
Ob die Haut selbst Statte der An tikdrper bildung ist oder sein kann, wurde bisher ex- 
perimentell nicht untersucht. Eine derartige Annahme wiirde unseren bisherigen An- 
schauangen iiber die Bildungsstatten der Antikorper widersprechen. Es sei darum hier 
zuerst ein Ueberblick iiber die wichtigsten experimentellen Feststellungen iiber die 
Statten der Antikorperbildung gegeben. 

Die Schule von Metschnikoff, die sich zuerst mit den Fragen fiber Auti- 
korper beschaftigte, nahm hypothctischerweise die Leukozyten des Blutes als Anti- 
kdrperbildner an. 

Durch das Experiment versuchten zuerst R. Pfeiffer und Marx, die Frage 
each den Bildungsstatten bakteriolytischer Antikorper zu klaren, indem sie von 
der Beobachtung ausgingen, dafl das Blut eines Kaninchens nach lmaliger subkutaner 
oder intravenoser Injektion einer abgetoteten Cholerakultur innerhalb weniger Tage 
eine starke Veranderung erfahrt. Sie hoflten, dafi bei der rapiden Neubildung spezi- 
fischer Antikorper deren Produktion rascher erfolge als ihre Abgabe an das Blut. Es 
muflte demnach zu gewissen Zeiten ein Plus von Antikorpern gegenuber dem Blute in 
den Zelikomplexen, die die Antikorper bildeten, nachzuweisen sein. So untersuchten 
sie zuerst die nach Annahme Metschn ikoffs als Antik&rperbildner in Frage kom- 
menden Leukozyten, sowohl aus dem Blute, wie aus steril erzeugtem Pleuraexsudat, 
ohne jemals ein Mehr an Antikorpern durch den Pfeifferschen Versuch nachweisen 
zu konnen. Weiter untersuchten sie verschiedene Organextrakte immunisierter, getotetcr 
Tiere auf ihren Antikorpergehalt, indem sie dabei annahmen, dafl, wenn ein Organ bei 
dem prozentual nur geringen Blutgehalt desselben nur ebenso oder gar starker wirksam 
als das Blut gefunden wiirde, es ein Beweis ware, dafl dieses Organparenchym anti- 
kdrperbildende Funktionen hatte. Es zeigte sich einwandfrei, dafl die Milz in bis 8mal 
starkerer, das Knochenmark und die Lymphdriisen in gleicher Menge Schutzstoffe be- 
saflen wie das Blut. Samtliche anderen untersuchten Organe besaflen weniger Schutz¬ 
stoffe. Es kamen also die blutbildenden Organe als Bildungsstatten bakteriolytischer 
Antikorper in Betracht. Zu iibereinstimmenden Resultaten kam Wassermann bei 

S leichen Versuchen mit Typhusbazillen. Angeregt durch die Resultate von Romer, 
er mit Abrin eine lokale Immunitat des Conjunctivalgewebes gegen dieses erbielt, 
ferner durch den Versuch von v. Dungern, der nach Injektion eines Krabbenserums 
in die vordere Augenkammer eines Kaninchens fand, dafl spater das Kammcrwasser 
dieses Auges das Antigen prazipitierte, bearbeiteten Wassermann und Citron die 
Frage der Antikorperbildungsstiitten mit geanderter Methodik aufs neue. Sie bezwei- 
felten namlich die von Pfeiffer und Marx auf Grund ihrer Versuche aufgestellte 
Behauptung, dafl die blutbildenden Organe die alleinigen Bildungsstatten der Anti- 
korper seien. Da bei subkutaner oder intravenoser Injektion des Antigens das Blut 
ana damit auch die blutbildenden Organe zuerst mit ihm in Beruhrung kamen, miiflten 
dieee auch in erster Linie die Antikorperbildung iibernehmen. Diese Begrenztheit der 
Versuchsbedingung wollten sie ausschalten und nachweisen, dafl jedes mit Antigen zu¬ 
erst in Beriihrung kommende Organ die Antikbrperbildung uberniihme. Deshalb be- 
nutzten sie die intrapleurale oder intraperitoneale Vorbehandlung, und zwar mit abge- 
tdteter Typhuskultur. War dann der Antikorpergehalt der Pleura bzw. Peritonealzellen 
hbher als das Blut, so schien der Beweis erbracht, dafl diese selbstandige Antikorper- 
bildner waren, wobei ein negatives Ergebnis keine Beweiskraft gehabt hatte, da der 
Versuch bei individuell mehr oder weniger schneller Resorption des Antigens durch 
die serosen Haute negativ ausfallen konnte. Sie kamen aut Grund der Versuche zu 
dem Resultat: „Immerhin ist, diese Ausnahme abgerechnet, die Tatsache des hohen 
Antikdrpergehaltes der Pleura- und Peritonealzellen so hiiufig aufgetreten, dafl die Mog- 
lichkeit, dafi sie Antikorper bilden, klar hervorgeht.“ Somit konnen ihrer Auffassung 
nach nicht ein bestimmtes Organgewebe, sondern die verschiedensten Zellen je nach 
Gelegenheit Antikorper bilden. Diese, von Wassermann und Citron festgestellte 
„lokale Immunitat der Gewebe“ priifte Paetsch im R. Pfeifferschen Laboratorium 
mit der gleichen Versnchsanordnung nach verschiedenen Seiten hin genau durch; nur 
wahlte er zur Bestimmung des Antikdrpertiters anstatt des nicht einwandfreien bak- 
teriziden Reagenzglasversuches ausschliefllich den zuverlassig arbeitenden Pfeiffer- 
Ersts Abt. Orig. Gd. 91. Heft 2. 8 


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114 


Centralb). f. Bakt. etc. I. Abt. OriginaJe. Bd. 91. Heft 2. 


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schen Versuch, den jene Autoren nur in einer kleincn Minderzahl ihrer Experimente 
benutzt batten. Er konnte deren Annahme nicht bestatigen, da er niemals, weder in 
Pleura- und Peritonealgewebe, noch in ihren Exeudaten, binen vermehrten Antikorper- 
gehalt gegeniiber deni Blute nachweisen konnte. Die Auffassung, dafi eine lokale Ent- 
stehung der bakteriolytischen Immunstoffe moglich sei, findet in seinen Versuchen 
keine Stiitze. 

Der Frage nach den Bildungsstatten speziell anaphylaktischer Antikorper 
versuchte zuerst Braun naherzutreten. Er wollte nach der Versuchsanordnung von 
Pfeiffer und Marx anaphvlaktisehe Reaktionskorper gegen Pferdeserum in den 
Organen der Versuchstiere nachweisen. Anaphvlaktisehe Meerschweinchen wurden ver- 
blutet, die Organe ausgespult und verarbeitet. Das Gehirn wurde oft frisch, die iibrigen 
Organe nach Trocknung in Kochsalzldsung aufgeschwemmt und Meerschweinchen intra- 
peritoneal injiziert, die nach 48 Std. reinjiziert wurden. Er konnte uie anaphvlaktisehe 
Erscheinungen beobachten nach Injektion von Leber, Niere, Herz, Milz und Gehim 
anaphylaktischer Meerschweinchen. Weiterhin untersuchten Doerr und Moldovan, 
ob die Exsudatleukozvten und die Ervthrozyten als anaphvlaktisehe Antikorperbildner 
in Frage kamen, da neben anderen Autoren Krauss und Schiffmann das Blut als 
Bildungsstiitte spezifischer prazipitierender Substanzen betrachteten. Anf Grund ihrer 
Versuche kamen die Erythrozyten als Antikorperbildner bestimmt nicht in Betracht, 
wahrend sie die Rolle der Leukozyten mangels zureichender Versuche noch ungeklart 
lassen muBten. Dagegen stellten Wassermann und Leuchs in iihnlicher Versuchs¬ 
anordnung fest, daB in Analogie zur bakteriolytischen Antikbrperbildung der ana- 
phylaktische Antikorper iiu Knochenmark gebildet werden muB. You Tieren, die rait 
Pferde- und Rinderserum sensibilisiert waren, wurden samtliche Organe, darunter auch 
das Knochenmark, Meerschweinchen intraperitoneal injiziert, wobei nur lm Knochen¬ 
mark das Vorhandensein anaphylaktischer Antikorper durch passive Uebertragung 
nachgewiesen werden konnte. Uni die Wirkung von Antikorpern, die in dem im 
Knochenmark sensibilisierter Tiere noch vorhandenen Serum enthalten waren, auszu- 
schalten, wurde das Knochenmark peinlich ausgewaschen. Darauf wurden mit Knochen¬ 
mark einerseits und dem die Serumreste enthaltenden Waschwasser andererseits Meer¬ 
schweinchen passiv priipariert. Bei darauf folgender Injektion des entsprechenden Antigens 
erwies sich das Knochenmark stets als antikorperhaltig, das Waschwasser aber niemals. 
Es wurde damit einwandfrei das Vorhandensein der Antikorper im Knochenmarksgewebe 
nachgewiesen. Die schon erwiihnten Versuche von v. Dungern fiber Prazipitinbildung in 
der vorderen Augenkammer, sowie die Annahme einer lokalen Immunitat der Gewebe 
durch Wassermann u. Citron veranlaBten Friedbergeru. Girgolaff zu der Un- 
tersuchung, ob bei intravenoser Vorbehandlung noch andere Organe als die blutbildenden 
bei der Bildung sowohl anaphylaktischer wie bakteriolvtischer Antikorper in Frage kamen. 
Sie implantierten verschiedene blutleer gemachte Organe sensibilisierter Kaninchen und 
Meerschweinchen in die Bauchhohle von Meerschweinchen, die nach reaktionsloser Ein- 
heilung dieser Organstucke mit dem entsprechenden Antigen injiziert wurden. Es fand 
sich, daB alle Meerschweinchen mit implantierten Organen anaphylaktisch reagierten. 
wobei es auffiel, daB Milzstficke starkere Antikiirperproduktion aufwiesen als Nieren- 
stiicke. Entfernte man die beim Meerschweinchen gut eingeheilten Organe wieder und 
injizierte dann das Antigen, so trat auch da in alien Fallen eine anaphylaktische Reaktion 
auf. Weiterhin versuenten auch Busson und Kirschbaum, nach der Versuchs¬ 
anordnung von Pfeiffer und Marx die wahrscheinliche Bildungsstiitte anaphylaktischer 
Antikorper festzustellen. Organe anaphylaktischer Kaninchen und Meerschweinchen 
wurden zerrieben und extrahiert und damit Meerschweinchen intraperitoneal vorbehandelt, 
die intravenos reinjiziert wurden. Kontrollversuche, die mit dem Blute getoteter Tiere 
angestellt wurden, hatten positive Resultate, wahrend, auBer bei Milztieren, keinerlei an¬ 
aphylaktische Erscheinungen auftrateu. Aber auch die Milztiere zeigten nur geringe Er¬ 
scheinungen. Beide Autoren schlossen, daB die vollkommen negativen Resultate dafiir 
sprechen, daB die Bildungsstiitte anaphylaktischer Antikorper nicht in den Organen 
selbst, sondern in der Blutbahn (GefiiBwand) gesucht werden konnte, ganz analog den 
fur die Prazipitinbildungsstatten geltenden Beobachtungen von Krauss und Scniff- 
mann. Gegeniiber diesen Anschauungen hielten einige franzosische Autoren das 
Zentralnervensystem fiir die Stiitte der Antikorperbildung. Richet erhielt namlich 
wiederholt passive Anaphvlaxie mit dem Gehirn von Hunden, die gegen Krepitin iiber- 
empfindlich waren, auch wenn das Serum frei von Antikorpern war. Er verlegt daher 
die Entstehung der letzteren in das Zentralnervensystem. Neben noch anderen 
Autoren glauben auch Abel o us und Bardiner, daB der als anaphylaktischer 
Antikorper bezeichnete Stoff durch Degeneration und Autolvse der Hirnsubstanz ent- 
steht, welche durch die 1. Antigeninjektion ausgelost werden. Normale Kaninchen 
reagierten namlich wie iiberempfindliche, wenn man ihnen vorher Extrakte aus 
normaler. autolysierter Hirnsubstanz intravenos injiziert hatte, wahrend sich Auszuge 


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Kohler u. Heilmaun, Vergl. intrakutane u. intravenose Sensibilisierung. H5 

aus nicht autolysiertem Gehirn, aus autolysierten Muskeln oder Leber ale unwirksam 
erwiesen. Die von Doerr und Moldevan und Wassermann und Leuchs ge- 
rnachte Annahme, c\afi die anaphylaktischen Antikorper in Analogic zu derPfeiffer- 
und Marxschen Feststellung iiber die Bildungsstiitte bakteriolytischer Antikorper in 
den blutbildenden Organen produziert. werden, konnte dann spater noch auf ver- 
schiedenen Wegen bestatigt werden: V. Heinrich bestrahlte mit Pferdeserum vor- 
behandelte Meerschweinchen mit Rdntgenstrahlen. IJnter gewissen Bedingungen waren 
diese Tiere gegen eine intravenose Reinjektion des Antigens weniger empfindlich als 
nicht bestrahlte Kontrolltiere oder zeigten gar keine anaphylaktische Reaktion. Weniger 
deutlich auBerte sich der Einflufi der Bestrahlung, wenn man sie erst 8 oder gar 
14 Tage nach der praparierenden Injektion vornahm. Kurz vor der Reinjektion hatte 
sie gar keine Wirkung. Daraus geht hervor, daS an der Abschwachung oder Ver- 
hinderung des Schocks nicht eine Hchadigung des Komplements oder eine 8torung der 
Reaktion zwischen Antigen und Antikorper Schuld tragen kann. Die Priifung mit 
Hilfe des passiv anaphylaktischen Versuchs ergab, dafi das Serum von Meerschweinchen, 
die unmittelbar nach aer Sensibilisierung bestrahlt waren, nach Verlauf von 3 Wochen 
keine Antikorper enthielt, im Gegensatz zu dem Serum von Kontrollen. Nun weiS 
man, daS die Rdntgenstrahlen einerseits die lymphatischen Organe schwer schadigen 
und dafi sie andererseits auch die Produktion anderer Eiweifiantikorper (Prazipitine 
und Agglutinine) beeintriichtigen. Es scheint also der SchluB gerechtfertigt, daU die 
Abschwachung der Anaphvlaxie durch Rontgenstrahlen darauf zuriickzufuhren ist, 
dafi die Entstehung der anaphylaktischen Antikorper eine Behinderung erfahrt, die als 
Folge der gesetzten Veranderungen in den lymphatischen Organen anzusehen ist. Es 
ist nicht unmoglich, dafi der in erster Linie geschadigte lymphatische Apparat die ihm 
normalerweise zukommende Antikorperbildung nicht raehr ubernehmen kann. Fel- 
lander und Kling praparierten Kaninchen durch zweimalige intravenose Injektion 
von Hammelserum oder roher Kuhmilch und konnten spater durch gewaschene Exsudat- 
leukozyten der Tiere normale Meerschweinchen passiv anaphylaktisch machen. Von 
den blutfreien Organen der Kaninchen besafi nur das Knochenmark, nicht aber Milz, 
Leber, Nebenniere oder Gehirn ein passives Prapariervermogen. Sie stellten ferner als 
wichtig fest, dafi abgetotete Organzellen sensibilisierter Kaninchen und Meerschweinchen 
das Antigen noch enthalten. Die Versuche von Friedberger und Girgolaff, 
welche durch Implantation der verschiedensten Organe uberempfindlicher Tiere in die 
Bauchhohle normaler eine Anaphvlaxie erzielten, die erst 10 Tage nach der Operation 
auftrat, miissen demnach nicht notwendig so gedeutet werden, dafi die transplantierten 
Gewebe an ihrem neuen Standort Antikorper sezernieren und das Versuchstier passiv 
sensibilisieren, sondern es kann moglicherweise da6 im reaktionslos eingeheilten, aber ab- 
gestorbenen Organe enthaltene Antigen das Versuchstier zur aktiven Antikorperbildung 
angeregt haben. Fur die Entstehung anaphylaktischer Antikorper in den blutbildenden 
Organen spricht endlich ein neuerer Versuch von Przygode, nach dem Milzgewebe von 
Kaninchen, welches in einer Plasmakultur der Einwirkung von Pferdeserum ausgesetzt 
wird, in vitro ein spezifisches Prazipitin produziert. Das gleiche Resultat wurde er- 
halten, wenn man einem Kaninchen intravenos Pferdeserum einspritzte und die nach 
24 Std. entnommene Milz in Plasma kultivierte. 

Wenn wir die P’rage nach der Bildung der Antikorper 
kurz zusammenfassen, kSnnen wir feststellen, daB, w&hrend die 
Annahme der Bildungsstatten bakteriolytischer AntikOrper in den blut¬ 
bildenden Organen durch die Arbeit von Paetsch hinreichend ge- 
sichert erscheint, die Akten iiber die Frage nach den Bildungsstatten 
anaphylaktischer Antikorper hingegen noch nicht geschlossen sind. Noch 
immer ist nicht vollig geklart, ob die blutbildenden Organe allein ana- 
phylaktische Antikorper zu bilden vermogen, oder ob auch, je nach dem 
Einverleibungsort des Antigens, andere Organe oder Gewebe teilweise 
oder ausschlieBlich diese Funktion ubernehmen konnen. Kamen die blut¬ 
bildenden Organe allein fiir die Antikorperbildung in Betracht, so ware 
bei intravenoser Sensibilisierung mit so geringen Antigendosen, dafi 
sie der unteren Schwelle der Wirksamkeit naheliegen, eine starkere 
anaphylaktisierende Wirkung zu erwarten als bei jeder anderen Art der 
Sensibilisierung. Bessau war es nun bei seinen Ueberempfindlichkeits- 
studien am Menschen von jeher aufgefallen, mit wie kleinen Serumdosen 
sich bei intrakutaner Darreichung eine spezifische Ueberempfindlichkeit 

8 * 


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116 Uentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 

beim Menschen erzielen laBt. Diese Beobachtung erweckte Zweifel, ob 
hier die Antikorperbildung wirklich allein oder vorwiegend in den blut- 
bildenden Organen erfolgt oder ob nicht die Haut selbst Trager dieser 
Funktion ist bzw. sein kann. Um diese Frage zu entscheiden, haben 
wir auf Anregung von Herrn Prof. Bessau Versuche angestellt, bei 
denen die Wirkungen einerseits intrakutaner, und andererseits intra- 
venoser Sensibilisierung mit kleinsten, eben noch wirksamen Antigen- 
dosen miteinander verglichen wurden. 

Die Untersuchung wurde mit Hilfe des aktiv-anaphylaktischen Ver- 
suchs am Menschen mit einer Methodik durchgefiihrt, bei der wir 
glauben, alle Fehlerquellen ausgeschlossen zu haben. 

Es wurden Kinder mit einer einmaligen Injektion verschieden hoher 
Serumdosen entweder intrakutan oder intravenos vorbehandelt und am 
9. Tage samtlich mit 0,1 ccm desselben unverdiinnten Serums intra¬ 
kutan auf ihren anapbylaktischen Zustand gepriift. 

Die Versuche wurden im ganzen auf 65 Kinder der Klink im Alter 
von 1—14 Jahren und im Gewicht von 9—35 kg ausgedehnt. Von 
diesen Kindern waren: 

17 wegen tuberkuloser Erkrankungen, 16 wegen akuter Infektions- 
krankheiten, 8 wegen Erkrankungen des Nervensystems, 7 wegen Er¬ 
krankungen der Urogenitalorgane, 5 wegen Erkrankungen der Lunge 
nicht tuberkuloser Art, 4 wegen Idiotie, 3 wegen Hauterkrankungen, 
2 wegen Lues congenita, je 1 wegen Herzerkrankung, Rachitis, Unter- 
ern&hrung in klinischer Behandlung. Samtliche Kinder befanden sich 
im Rekonvaleszenzstadium, zeigten keine febrilen Temperaturen und 
waren in gleichm&Big zunehmend gutem Allgemeinzustande. 

Die Verwendung von Kaninchenserum als anaphylaktischein Antigen 
gab die GewiBheit, daB: 

1) die Kinder parenteral nicht schon fruher mit dieser Serumart 
vorbehandelt waren, — 2) eine Sensibilisierung auf euteralem Wege 
dabei viel weniger wahrscheiulich war, als bei Verwendung von Rinder-, 
Hammel- oder auch Pferdeserum, — 3) die Kinder in Hinsicht auf 
sp&tere serumtherapeutische MaBnahmen nicht gefahrdet wurden. 

Das Kaninchenserum gelangte inaktiviert zur Verwendung. 

Die Gegeuuberstellung der Wirkung intrakutaner und intravenoser. 
sensibilisierender Seruminjektionen verlangte exakte Technik beider In- 
jektionsarten. Zu diesem Zwecke wurde eine vollig neue 1 ccm-Re- 
kordspritze mit noch vollig ungebrauchten Kaniilen nur zu diesen In- 
jektionen verwandt. Die intrakutane Injektion muBte die Sicherheit 
geben, daB die ganze Dosis Antigen streng intrakutan deponiert wurde. 
Eine solche intrakutan ausgefiihrte Injektion von 0,1 ccm Serum oder 
dessen Verdiinnung zeigt eine derbe, weiBe, deutlich erhabene Quaddel 
von etwa 8—10 min Durchmesser. Bei der intravenosen Injektion hin- 
gegen durfte keine Spur Serum mit der Haut in Beriihrung kommen : 
mit einer physiologische Kochsalzlosung enthaltenden Rekordspritze 
wurde die Haut durchstochen, die Vene punktiert und eine geringe 
Menge Kochsalzlosung injiziert. Die Kaniile wurde in der Vene be- 
lassen und mit der einen Hand fixiert, w&hrend die Kochsalzspritze 
nunmehr mit einer serumgefiillten vertauscht und das Serum intravenos 
injiziert wurde. Nun wurde die Serumspritze wieder gegen die Koch¬ 
salzspritze vertauscht, der Rest Kochsalzlosung injiziert und jetzt erst 
die Kaniile entfernt. Um hierbei moglichst prazis dosieren zu konnen, 


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Kohler u. Heilmann, Vergl. intrakutane u. intravenose Sensibilisierung. J 17 


wurde die der intrakutanen Injektion von 0,1 ccm entsprechende Dosis 
als 1 ccm einer 10-fachen Verdfinnung intravenos gegeben. 

Die bei den Kindern hervorgerufene anaphylaktische Lokalreaktion 
wurde dauernd kontrolliert, alle 24 Std. gemessen und nach dem von 
Pirquet angegebenen Schema aufgeschrieben, wobei die Ausdehnung 
der Reaktion in zwei aufeinander senkrechten Durchmessern in Milli- 
metern gemessen und deren Mittel als Zahl notiert wurde. Die StSrke 
der Infiltration wurde durch Zeichen fiber dieser, die der Rfitung unter 
dieser verzeicbnet, und zwar bedeutet: 

fehlend, — schwach, — deutlich, — stark. 


Es wurden 
Kindern 


zunfichst 6 Gruppen zu je 3 oder 4 verschiedenaltrigen 


mit 0,3 ccmj uuver d(i nn i en Kaniuchenserums I 

1, 


0,1 

0.1 

0,1 

0,1 


1 

1 : 100 
1 :1000 
1:10 000 J 


verdiinnten Kaninchenserums I 


Tabelle I (Kaninchenserum I). 


Intrakutane Vorbehandlung 


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0,001 

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27, 

11 

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11 

0,00001 

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3 

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Th 

17,1 

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1. Injektion 


2. Injektion 


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0,1 22 15- 

fl 55 3T 25 — 

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12 14- 

!0,1 j 30 47 55 27 — 

„ I 15 24 - 

.1-15- 

-| , 116 15- 

20 22 IO „ W W) 40 — 
- ,31 35 - 


0,1 


Intravenftse Vorbehandlung 


1. Injektion 


2. Injektion 


0.1 


-;o,i 


— 17- 


W 14 
M 57 4 
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H 

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| 0,1 


8 13 16 - 


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118 


Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


intrakutan vorbehandelt und, wie oben angegeben, intrakutan reinjiziert. 
Hierbei ergab sich 0,001 ccm Kaninchenserum I als die geringste Dosis 
mit deutlich sensibilisierender Wirkung. Intrakutan injiziert vermochten 
also bereits sehr kleine Antigendosen eine voile anaphylaktisierende 
Wirkung hervorzurufen, wie sie starker selbst durch wesentlich grdBere 
Antigendosen nicht mehr ausgelost werden kann. 

Den 3, mit den Dosen 0,3, 0,1 und 0,01 ccm Kaninchenserum I 
intrakutan vorbehandelten Gruppen wurden drei ebenso intravends vor- 
behandelte und wie oben intrakutan reinjizierte Gruppen von je 4 Kin- 
dern gegenubergestellt. Es umfaBte auch hier jede Gruppe altere und 
jiingere Kinder, so dafi bei der Gegenuberstellung intravends und intra¬ 
kutan vorbehandelter Kinder stets etwa gleichaltrige verglichen wurden. 
Die Ergebnisse der intrakutanen Vorbehandlung einerseits und der intra- 
venosen andererseits zeigt Tab. I (S. 117). 

Urn die in diesem Versuche gewonnenen Resultate, die fur eine 
besondere Rolle der menschlichen Haut als sensibilisierenden Organs 
sprechen, noch sicherer zu erh&rten und etwa im Spiele gewesene Zu- 
falle auszuschlieBen, wurde ein zweiter Versuch in analoger Weise mit 
einem Kaninchenserum II als Antigen durchgefiihrt. Als hochste zu 
vergleichende Dosis wurde hier 0,2 ccm statt 0,3 ccm Antigen gegeben. 
Gegeniiber der im ersten Versuche ermittelten geringsten, intrakutan 
noch deutlich wirksamen Dosis von 0,001 ccm Antigen wurde die gleiche 


Tabelle II (Kaninchenserum II). 


Intrakutane Vorbehandlung 


Intravenose Vorbehandlung 




1 . Injektion 


2. Injektion 



1. Injektion \ 


2 . Injektion 


z 

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0,2 

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0,1 

20 27 27 30 — 

B 

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0,2 

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JJ 

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Kohler u. Heilmann, Vergl. intrakutane u. intravenose Sensibilisierung. JJ9 


Antigendosis auch intravenos injiziert, um auch die sensibilisierende 
Wirkung kleinster intravenoser Antigendosen vergleichen zu konnen. 
Das hierbei verwandte Kaninchenserum II schien eine etwas stSrkere, 
anaphylaktisierende Wirkung zu besitzen, als das Kaninchenserum I. 
Die Ergebnisse dieses 2. Versuches zeigt Tab. II (S. 118). 

Vergleicht man nun nach beiden Versuchen in Tab. I und II die 
anaphylaktischen Reaktionen nach intrakutaner und intravendser Vor- 
behandlung, «o gelangt man zu der Ueberzeugung, daB bei intrakutaner 
Einverleibung des Antigens die Produktion von Antikdrpern mindestens 
in gleichem, wenn nicht stdrkerem MaBe auftritt, als bei intravenoser 
Injektion. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, daB moglicherweise 
der menschlichen Haut bei der Bildung von Antikorpern eine ganz be- 
sondere Rolle zukommt. 

Die aufgetretenen anaphylaktischen Reaktionen hatten im einzelnen 
folgenden Charakter: Eine allgemeine Reaktion in Gestalt von Beeiu- 
flussung der Korpertemperatur, Serumexanthem oder sonstigen Symptomen 
der Serumkrankheit konnte bei den verwandten Antigendosen in keinem 
Falle beobachtet werden. Es traten vielmehr immer nur lokale Reak¬ 
tionen auf. Diese boten deutlich den Typ der intrakutanen Reaktion 
auf Serum: Es fand sich zuerst eine inehr oder weniger deutlich um- 
schriebene Rotung, die die Grenzen der begleitenden, verschiedengradigen 
Infiltration nicht uberschritt. Mit zunehmender Ausbreitung der Re¬ 
aktion an den folgenden Tagen zeigte sich bald, besonders bei den 
st&rkeren Reaktionen, daB das Maximum der Entziindung in der Peri¬ 
pherie der Reaktion sitzt, w&hrend die Mitte bereits leicht abzublassen 
beginnt. Blieb die Reaktion langer deutlich, so bildete sich das be- 
kannte Kranzphanomen (Bessau) aus: Reaktionsloses, helles Zentrum, 
in der Peripherie von zum Teil voneinander getrennten, zum Teil kon- 
fluierenden, gerbteten Reaktionsherden umgeben. 

Die erste vorbehandelnde Injektion verlief in der Regel reaktionslos. 
So bei alien Fallen intravenoser Vorbehandlung, wahrend bei 2 von 37 
intrakutan vorbehandelten Kindern eine lokale Erstreaktion auftrat. 
Gerade diese beiden Kinder (Madchen im Alter von 10V 4 und 7 3 / 4 Jahren, 
beide vasomotorisch leicht erregbar) boten aber auch, wie erwartet, bei 
der Reinjektion Reaktionen, die die aller ubrigen Kinder an Ausbreitung 
und Intensitat weit tibertrafen. 

Der in diesen Versuchen angestellte Vergleich intrakutaner und 
intravenbser Sensibilisierung mit Kaninchenserum zeigt also, daB auf 
einen sehr geringen intrakutanen Reiz hin die Haut in gleichem, wenn 
nicht sogar in hoherem Grade empfindlich wird als bei gleichhoher intra¬ 
venoser Applikation des Reizstoffes. So l&Bt sich vermuten, daB tat- 
sachlich die Haut als Antikorperbildner, wenn auch wohl keineswegs 
ausschlieBlich in Frage kommt. Zu bedenken bleibt allerdings, daB 
bei unserer Versuchsanordnung die Haut mit dem Antigen in jener 
Konzentration, wie wir sie jeweils zur Injektion verwandten, d. h. relativ 
konzeutriert, in Beruhrung kam, w&hrend bei der intravenosen Appli¬ 
kation das injizierte Antigen erst nach der Verdiinnung durch Blut und 
SSfte des Organismus mit Organen und Geweben in Beziehung treten 
konnte; die Bedingung fiir eine Antikorperbildung in der Haut war also 
in gewisser Hinsicht giinstiger. Die Frage, wie weit die Konzentration 
des Antigens bei der intrakutanen Sensibilisierung von Bedeutung fiir 
die Antikbrperbildung ist, soil in einer weiteren Arbeit uutersucht 
werden. 


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120 


(Jentralbl. f. fiakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Schliefilich ware es vielleicht nicht vSllig undenkbar, daB auch bei 
intrakutaner Sensibilisierung die Antikfirperbildung vornehmlich in den 
blutbildenden Organen statthat, daB aber vielleicht infolge des Antigen- 
reizes in der Haut die gebildeten Antikbrper in starkerer Menge als 
sonst in der Haut versammelt werden, um dort mit dera Antigen ab- 
zu reagieren. Auch diese Frage bedarf weiterer Untersuchung. 

Zusammenfassung. 

Bei vergleichender intrakutaner und intravenbser Sensibilisierung 
des Menschen mit kleinen und kleinsten Serumdosen ergibt sich, daB 
eine Ueberempfindlichkeit der Haut mindestens mit den gleichen Serum¬ 
dosen bei intrakutaner wie bei intravenoser Darreichung erzielt wird, 
ja daB nach intrakutaner Sensibilisierung eine durchschnittlich stkrkere 
Ueberempfindlichkeit der Haut hervortritt, als bei intravenoser. 

Literatur. 

1) Abelous u. Bardier, zit. nach Doerr, Anaphylaxie und Allergie. (Kolle- 
Wassermann Hdb. d. Mikroorg. 2. Aufl. Bd. 2. 8. 1018.) —2) Bessau, 1) Verhdl. 
d. 29. Vers. d. Ges. f Kinderheilkde. Munster 1912. S. 250; 2) Jahrb. f. Khd. Bd. 81. 
S. 532. — 3) Bloch, Bruno, 8toffwechsel- u. Immunitatsprobleme in der Dermato- 
logie. (Schweizer Korrespondenzbl. 1917. Nr. 39.) — 4) Braun, Munch, med. Wochen- 
schrift. 1909. Nr. 37. — 5) Busson u. Kirschbaum. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 65. 1912. S. 507. — 6) Doerr u. Moldovan. Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 5. 
1910. Nr. 2 u. 3. — 7) v. Dungern, Die Antikorper. Jena 1903. — 8) Fellander 
u. Kling, Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 15. 1912. S. 409. — 9) Fellner, Ueber Haut- 
immunitat und Tuberkulose. (Sammlg. klin. Vortr. Leipzig J. B. Barth 1919. S. 779/780.) 
— 10) Friedberger u. Girgolaff, Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 9. 1911. Nr. 4. — 
11) v. Heinrich, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 70. 1913. 8. 421.— 12) Hoff¬ 
mann, Dtsch. med. Wochenschr. 1919. 8. 1233. — 13) Krauss u. Schiffmann, 
Wien. klin. Wochenschr- 1905. — 14) Muller, E. F., Ueber Reizempfindlichkeit der 
Haut. (Berlin, klin. Wochenschr. 1919. S. 34; Die Haut als immunisierende? Organ. 
(Munchen. med. Wochenschr. 1921. S. 29.) — 15) Paetsch, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 60. 1911. S. 255. — 16) Pfeiffer u. Marx, Ztschr. f. Hyg. Bd. 27. 1898. 
8 . 273. — 17) Przygode, Wien. klin. Wochenschr. 1914. Nr. 8. — 18) Richet, siehe 
Nr. 1. — 19) Romer, v. Grafes Arch. f. Ophth. Bd. 52. 1901. 8. 72. — 20) Wasser- 
mann, Berlin, klin. Wochenschr. 1898. S. 209. — 21) Ders. u. Citron, Ztschr. f. 
Hyg. Bd. 50. 1905. 8. 351. — 22) Ders. u. Leuchs, 4. Tagung d. fr. Vereinig. f. 
Mikrobiol. S. 74. Berlin 1910. 


Nachdruck verbolen. 

Parasitologische Untersucliungen und Beitrage 
zur parasitologischen Technik. 

[Aus dem Hygienisch-parasitologischen Iustitut der Universitat Lausanne.] 

Von B. Galli-Valerio. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 

a) Geographische Verbreitung einiger Parasiten. 

1) Herpetomonas luciliae Strick von Lucilia caesar, 
Lausanne. — 2) Distoma endolobum Duj. von Salamandra macu¬ 
losa, Evouettes, 500 m, Wallis. — 3) Hymenolepis serpentulus 
Schr. von Garrulus glandarius, Annex, Waadt. — 4) H. pistil- 
lum Duj. von Sorex alpinus, Plans s. Bex, 1100 m, Waadt. — 


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Galli-Valerio, Parasitologische Untereuchungen usw. 


121 


5) H. angulata Rud. von Merula nigra Cully, Waadt. — 6) Da- 
vainea tetragona Mol. Huhn. Lausanne. — 7) Choanotaenia in- 
fundibuliformis Goeze. Idem. — 8) Taenia crassicollis Rud. 
von Katze, Orbe. — 9) Ascaris ensicaudata Zed. von Mer. nigra 
Cully. — 10) Ascaris laevis Leidy von Arctomis marmota Val. 
de Bagnes, 2400m, Wallis. — 11) Ascaris spiralis Rud. von Syr- 
nium a 1 uco, Rov6r6az, Lausanne. — 12) Oxysoma brevicaudatum 
Zed. von Sal. maculosa, Evouettes. — 13) Trichoc ephalusde- 
pressiussculus von Vulpes vulgaris, Truche, 1733 m, Wallis. 

— l4)Trichosoma obtusum Rud. von Syrn. aluco, Rov6r6az. — 
15)Trichos. collare Linst. Huhn, Lausanne. Unter dem Darmepi- 
thelium fixiert, hatte er kleine Blutung, Entzflndung mit vielen Bak- 
terien und wahrscheinlich den Tod hervorgerufen. — 16) Uncinaria 
trigonocephala Rud.? von Vulpes vulgaris Truche, Mol6son, 
2000 ra, Freiburg, Catogne. 2000 m, Wallis. Eier in den Stiihleu. — 
17) Unc. cernua Crep. von ?Cervus capreolus, Arpille, 1500 m, 
Wallis. Eier in den Stuhlen. — 18) Strongylus minutus Duj. von 
Mus sylvaticus, Tinifere, 800 m, Waadt. — 19) Microfilaria sp. 
Im Blute von Garr. glandularius, Annex. — 20)Spiroptera 
corvi, Linstow. Idem. — 21) Dermanyssus gallinae De Geer. 
Junge Hilhnchen, Lausanne. Die Tiere waren stark infiziert, speziell 
unter den Fliigeln, und sind wahrscheinlich daran zugrunde gegangen. 

— 22) Ixodes rici n u s L. von Vieh, Rhoneebene, Bellinzona. In 
diesen Zonen sehr wahrscheinlich Uebertr&ger der Rinderpiroplasmiasis. 

— 23)Hypoderma bovis De Geer, an Vieh, Jungenthal, 2345 m, 
Turtmannthal, 1800 m, Vernazthal, 1274 m (Wallis), G6rinethal, 1200 m, 
Waadt. — 24) Melophagus ovinusL., Schafe, Lausanne. — 25) Ty- 
phlopsylla octactenus Kol. von Fledermaus Sp. Lausanne. — 
27) Docophorus cursor N. von Syrn. aluco, Rov6r6az. — 28) Tri- 
chodectes climax Nitz., Ziege, Lausanne. 

b) Untersuchungen liber Phytoparaslten. 

1) Kriterien f(lr die Aufstellung einer neuen Mykose. 
Schon 1917 habe ich bemerkt 1 ), daB man bei der Beschreibung neuer 
Mykosen bei Menschen und Tieren sehr vorsichtig seiu muB. Im Eiter 
einer Fistel am Kniegelenke eines Kindes fanden sich sehr kleine, 
schwarze Granula von 375 — 390 //. Es handelte sich urn Oosporen, die 
•nit gelben Sporen von 9 X 6 ft ganz gefiillt sind und sich in Kulturen 
nicht entwickelten. Ein Meerschweinchen, dem Eiter eingespritzt wurde, 
ging an Tuberkulose zugrunde. Es handelte sich also bei den Oosporen 
urn eine zufallige Infektion der Fistel. 

2) Hansenia apiculata Lindner bei Scatophaga stereo- 
faria. Der Darm einer Sc. stercoraria, die ich an der Oeffnung 
der H6hle eines Murmeltieres (Pas de Cordaz, 2136 m, Waadt) fand, 
w ar ganz verstopft mit den zitronenformigen Zellen eines Saccharo- 
myces, den ich fur H. apiculatus halte. Dieser Saccharomycet wurde 
schon bei SchildlSusen und Nonnenraupen als Parasit gefunden *). 

3) Aspergillosis beim Papagei. Dr. Murisier war so 
freundlich, mir einen Psittacus erythacus zu schicken, der am 
27. Juni 1923 in Nyon zugrunde gegangen war. Die Luftslicke waren 
®it kasigem Exsudat gefiillt, das unter dem Mikroskop sehr viele Faden, 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 80. 1917. S. 207. 

2) Kohl, Die Hefepilze. Leipzig 1908. S. 275. 


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\ 


122 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 

Sporen und Hyphen zeigte vom Aussehen eines Aspergillus. In 
Kulturen entwickelte sich Asp. fumigatus. Da diese Art ffir Menschen 
sehr pathogen ist, ist es fraglich, ob infizierte Papageien nicht geffihr- 
lich sind. 


c) Untersuehungcn iiber Zooparasiten. 

1) Didymophyes leuckarti Marshall? Bei 1 von 3 Apho- 

dius obscurus, die ich an der Oeffnung der Hohle eines Murmel- 
tieres (Pas de Cordaz) gesammelt habe, fand ich im Darme ein einziges 
Exemplar einer Gregarine der Gattung Didymophyes mit folgenden 
Merkmalen: Protoplasma hellgelb, fein granuliert. Kein bemerkbarer 
Epimerit. Protomerit ovoid, mit abgerundetem vorderen Ende von 
60 X 20 //. Deutomerit mit dem hinteren Ende etwas verjiingt, von 
300 X 150 2 Kerne im vorderen und hinteren Teile. Wahrscheinlich 

ist diese Gregarine identisch mit D. leuckarti von Aphodius pro- 
dromus und A. nitidulus. 

2) Nosema graphosomae n. sp. Bei einem Graphosoma 
italicum vom Vallee de l’Hongrin (120 m, Waadt) habe ich sehr viele 
Nosema im Darme gefunden. Die Sporen waren eiformig mit einem 
etwas verjfingten Ende von 4—5 X 1,5 /'• Mit Giemsa gefSrbt, be- 
merkte man eine Vakuole an dem abgerundeten Ende und einen Kern. 
Sie fanden sich in Haufchen und Rosetten. 

3) Einiges fiber Eimeria stiedai Lind. Einige neue Ex- 
perimente 1 ) Meerschweinchen mit E. stiedai zu infizieren, sfnd resultat- 
los geblieben. Urn zu sehen, ob Fliegen diese Coccidien fibertragen 
konnen, habe ich einen Brei von Kaninchenleber, die sehr viele Coc¬ 
cidien enthielt, unter eine Glasglocke mit Fliegen gesetzt und nach 
6 Tagen die Fliegen untersucht. Im Darme, aber speziell auf dem 
Korper (Kopf und Beine) habe ich sehr viele sporulierte Coccidien ge¬ 
funden. 

4) Eimeria rupicaprae n. sp. In Losung von Capella ru- 
picapra (Col de Louvie, 2800 m, Wallis) fand ich zahlreiche Coccidien: 
Ookysten eiformig, von 21 X 16,5 //, mit einem etwas abgerundeten 
Ende, wahrend das andere abgeplattet war mit sehr deutlicher Mikro- 
pyle. Protoplasmatischer Inhalt wie eine Ivugel von 12 //, dem ab- 
geplatteten Pole sehr nahe. In Wasser gesetzt, haben diese Coccidien 
4 Sporen von 6 X 3 ft mit je 2 Sporozoiten gegeben. 

5) Untersuchungen fiber Trypanosominae. Eine wei Be Ratte, 
die ich am 14. Jan. 1921 mit Herpetomonas melophagi unter der 
Haut eingespritzt hatte, ist am 29. Mfirz 1922 zugrunde gegangen. An 
der Injektionsstelle keine Verletzungen und keine Parasiten. Milz sehr 
vergroBert, mit vielen Lei shm an ia-Formen. Eine weiBe Ratte, die 
mit einem Breie von dieser Milz eingespritzt war. zeigte nach 1 Jahre, 
als sie getfitet wurde, keine Verletzungen und keine Parasiten. 

Einen neuen Herd 2 ) von Leptomonas davidi Laf. bei Eu¬ 
phorbia gerardiana habe ich zwischen Riddes und Iserables (800 m, 
Wallis) gefunden. Von 6 untersuchten Pflanzen waren 3 infiziert und 
von diesen eine mit sehr vielen Leptomonas. Alle waren stark spiral- 
formig und die infizierten Pflanzen wiesen getrocknete Zweige und Blatter 
auf. Auf den Pflanzen bemerkte ich sehr viele Stenocephalus 
agilis. Von 6 untersuchten Insekten hatte ein im Darme Formen 

irCentralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 56. 1922. S. 345. 

2) Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 56. 1922. S. 34. 


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Galli-Valerio, Parasitologische Untersuchungen usw. 


123 


multipler Reproduktion und in den Speicheldriisen sehr kleine Formen 
mit sehr wenig gefarbtem Pretoplasma und kommaformigem Kern. Diese 





Fig. 1. 

Untersuchung spricht immer mehr fflr die Auffassung von Frantja 1 ), 
daB St. agilis ZwischentrSger von L. davidi ist. 



Fig. 3. 

Fig. 2. 

6) Ueber einigeDarmparasiten von Arctomis mar mot a. 
Her Darm eines Murmeltieres von den Halden Sex Percia, 2000 m, 

1) Ann. de l’Inst. Pasteur 1920. p. 432. 



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124 


CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Waadt, war ganz verstopft mit Ascaris laevis Leidy und Cteno- 
taenia marmotae Froelich (Fig. 1). Die Weibchen von A. laevis 
waren 14 cm lang, 4—47 2 mm breit, mit etwas zugespitzten Enden, 
die Mannchen 8 — 8Y 2 cm X' 2—2 1 /* mm, mit etwas zugespitztem vor- 
deren Ende, das hintere zugespitzt, hakenfOrmig gebogen. Eier elliptisch, 
mit sehr dicker, durchsichtiger Schale mit einem in Buckeln vorsprin- 
genden Belage, griin-gelblich gef&rbt, 75 X 45 /.i . Keine Furchung des 
Protoplasmas. Die Eier von Ct. marmotae waren 48 n lang und 
39 /a breit mit sehr deutlichem, birnformigen Apparat von 24 X 15 /< 
und Embryo von 12/i. Diese Eier haben sich, in Wasser gesetzt, noch 
jetzt, nach 7 Monaten, sehr gut konserviert. Neben diesen Wiirmern 
fanden sich im Darme auch sehr spSrliche Coccidien. Die Ookysten 
waren eiformig, mit zwei etwas abgerundeten Enden. Mikropyle sehr 
deutlich, von 51 X 42 //. Protoplasma wie eine Kugel, 33 ju, in der 
Mitte der Schale. In Wasser haben diese Coccidien 4 Sporen mit je 
2 Sporozoiten gegeben. Ich schlage fur dieses Coccidium den Namen 
Einicria marmotae vor. 

7) Widerstandsfahigkeit der Eier von Dibothriocephalus latus 
gegen Frost. Am 1. Nov. 1922 habe ich Menschenffizes, die sehr viele 
Eier von D. latus enthielten, in Wasser und dann auf das Fenster ge¬ 
setzt. Das Wasser war ganz zugefroren, aufgetaut und dann nochmals 
gefroren. Am 29. Jan. 1923 wurde das gefrorene Material ins Labora- 
torium bei 17°—18° gesetzt, wo sich die Eier sehr gut entwickelt und 
lebende Embryonen gegeben haben. 

8) Infektion mit Demodex folliculorum var. caprae. 
Bei einer Ziege, die von Saanen stammte, bemerkte ich am Halse einen 
wahren Rosenkranz von Knfltchen von Erbsen- bis HaselnuBgroBe (Fig. 2). 
Diese Knotchen hatten in der Mitte einen schwarzen Punkt, aus dem 
sich durch Zusammendriicken etwas Talg entleerte. Unter dem Mikro- 
skop fand sich eine unzShlige Menge von D. folliculorum und ihren 
Eiern (Fig. 3). Die Demodex waren sehr lichtbrechend mit sehr 
deutliehen Epimeren, 223 X 60 /u, die Eier elliptisch, mit feiner, durch¬ 
sichtiger Schale und granuliertem Protoplasma, von 75 X 45 /.i. Die 
ungeheure Menge von Demodex hatte die Ausfiihrungsg&nge der 
Talgdriisen verstopft und sie zu starker Entwicklung gebracht. Der 
Besitzer der Ziege hatte an eine Tuberkulose gedacht. 

d) Untcrsuchiingen tiber Tiergeseliwiilste. 

1922—23 hatte ich Gelegenheit, einige F&lle von Geschwiilsten bei 
Hiihnern zu sehen. In 1 Fall hatte man es mit einem Carcinom, in 3 
anderen mit Sarkom zu tun. Alles waren multiple, knotchenartige Ge- 
schwiilste von Erbsen-, HaselnuB- und WalnufigroBe, speziell am Eier- 
stock. Darm und der Peritonealserosa. In 1 Fall habe ich nur einen 
Hiihnerkopf bekommen und daran eine sarkomatose Geschwulst von 
UebernuBgroBe an dem rechten Kehllappen lokalisiert gefunden. Leider 
konnte ich keine Experimente machen, urn festzustellen, ob man es mit 
filtrierbarem Virus von einem Sarkom zu tun hatte. 

e) Parasitologlsche Teehnik. 

Untersuchung von Eiern und Coccidien in Fazes. Die 
Teehnik von Ftilleborn erwies sich als sehr einfach, praktisch und 
sicher: Ein Teil der Fazes wurde mit 20 Teilen einer Losung von 35,7 g 
Kochsalz und 100 g Wasser in einen E r 1 e n m ey er - Kolben gebracht, 



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Huntemuller, Ein neues Verfahren zur Anaerobenzucht. 


125 


gut gemischt und dann 5 Min. bis s / 4 Std. stehengelassen. Mit einer Pipette 
wurde das oberflachliche Wasser entnommen und unter dem Mikroskop 
untersucht. Auch mit dieser Methode habe ich sehr gute Resultate er- 
zielt bei der Untersuchung von Coccidien und Eiern von Ascaris und 
Uncinaria. In 1 Falle, wo die direkte Untersuchung nur 1 Ei zeigte 
an je 7—8 PrSparaten, wurde mit dieser Methode ein Ei in jedem 
Praparat gefunden. 


Nachdruck I'erboten. 

Ein neues Verfahren znr Anaerobenzucht. 


I Aus dem Hygienischen Institut der Universitiit GieBen (Direktor: 
Prof. Dr. E. G otschlich).| 


Von Prof. Dr. 0. HuntemUller. 


Mit 5 Abbildungen im Text. 


Die bisherigen Verfahren zur Ziichtung von Anaeroben sind wenig 
ideal, was schon daraus hervorgeht, dafi immer neue Ztichtungsmethoden 
auftauchen. Im folgenden inochte ich nun ein Verfahren angeben, 
das die frflheren Mangel beseitigt und sich, wie ich hoffe, infolge 
seiner Einfachheit und Billigkeit, denn diese ist in der heutigen Zeit 
besonders zu beriicksichtigen, in der bakteriologischen Praxis einburgern 
wird. Es beruht auf der Kombination der Verdrangung des Sauer- 
stoffes durch ein anderes Gas und der Zflchtung im luftverdiinnten 
Raume. 

Zu diesem Zwecke wird eine beimpfte Petri-Schale ( P) in einen 
Apparat (Fig. 1) eingespannt, der dazu dient, die Schale auf eine Glas- 
platte (G) vermittels eines Gummiringes, wie er beim Weckschen Ein- 
kochverfahren Verwendung findet, luftdicht anzupressen. Man muB 
darauf achten, daB die Petri-Schale am Rande gut plan geschliffen 
und nicht ausgesprungen ist, weil sonst kein luftdichter AbschluB ent- 
steht. Nbtigenfalls lassen sich kleine Unebenheiten durch Plastilin be- 
seitigen. Die Schale wird durch kleine Federu soweit von der Glasplatte 
abgehoben, daB Luft ab- und zustromen kann. Der Apparat wird dar¬ 
auf in eine luftdicht schlieBeude Vakuumglocke gebracht; die Bedienung 
des Apparates von auBen wird dadurch ermoglicht, daB die Antriebwelle 
(A) luftdicht aus der Glocke herausgefuhrt ist. Jetzt wird die Luft aus 
der Glocke bis etwa zu einem Unterdruck von 500-600 mm Queck- 
silber durch eine Wasserstrahlpumpe abgesogen, was durch ein einge- 
schaltetes Manometer leicht festzustellen ist, und durch Einleiten von 
Wasserstoff, Stickstoff Oder Leuchtgas ersetzt. Durch mehrfaches Ab- 
saugen- und Zustromenlassen (Zweiwegehahn) des Gases wird der Sauer- 
stoff aus der Glocke entfernt. 

Der Sauerstoffgehalt in der Glasglocke laBt sich leicht berechnen. 
Die atmosph&rische Luft enthalt etwa 21 Proz. 0; verdiinnen wir sie 
bei einem AuBendruck von 750 mm in der Glasglocke urn 600 mm, also 


ura 


600 4 
750 5’ 


) 21 

so bleibt noch . der Luft zuriick und darin -=- = 4,2 Proz. 
5 5 


Sauerstoff. Wird jetzt Wasserstoff zugeleitet und darauf nochmals um 


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Central bl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 2. 


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4 2 

600 mm Quecksilberdruck evakuiert, so erhalten wir =0,84Proz. 0 

D 

usf. Es l&Bt sich also jede gewunschte Sauerstoffverdiinnung herstellen. 

Bei einem Unterdruck von etwa 250 mm Quecksilber — nicht zu 
hoch, da sonst die Petri-Schale platzt — wird alsdann die Schale ver- 
mittels der Schraubenwelle fest auf Gummiring und Glasplatte angeprefit. 
Man mufi kraftige Schalen verwenden, da die jetzt in den Handel ge- 



Fig. 3. 

brachten den Druck haufig nicht aushalten. LaBt man namlich wieder 
Druck in die Glocke eintreten, so bleibt die Petri-Schale vermoge 
des atmospharischen Druckes fest geschlossen und kann aus der Glas- 
glocke in den Brutschrank und unter das Mikroskop gebracht werden, 
ohne daB Sauerstoff hineingelangen kann. 

Soil die P e t r i - Schale, nachdem die Anaeroben gewachsen sind, 
geoffnet werden, so liiBt man, wie beim Weckglase, durch Anziehen 
des Gummiringes Luft eintreten. 



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Huntemiiller, Ein neues Verfahren zur Anaerobenzucht. 


127 


Diese Anordnung gilt, wenn es sich um eine einzelne Platte handelt. 
Man kann aber auch mit mehreren Platten gleichzeitig in dieser Weise 
verfahren. In diesem Falle benutzt man, je nach Bedarf, mehrere der- 
artige Apparate, die durch Aufeinanderstellen zu einem einzigen ver- 
einigt werden (s. Fig. 3). Es ist alsdann ratsam, den Druck durch eine 
Schraubenwelle ( A ) auszuiiben, die ihr Gewinde in einem Biigel ( b) hat, 
der an den Fuhrungsst&nder (f) in der gewfinschten Hohe festgeschraubt 
werden kann. Die einzelnen Teilapparate sind in senkrechter Richtung 
verschieblich und werden durch Federn (Fig. 4) auseinandergehalten. 
Ihre seitliche Abweichung wird durch eine Fiihrungsnute ( M) gehindert 
(Fig. 5). 

Die Petri-Schalen werden mit Klammern befestigt, die sich, je 
nach der GroBe der Schalen, die etwas variiert, einstellen lassen. 

Bei Verwendung mehrerer Platten wird die in Fig. 1 abgebildete 
Glasglocke auf eine oben plan geschliffene Glasschale aufgesetzt, die der 
Zahl der verwendeten Teilapparate entsprechend groB sein muB. Die 
Abdichtung geschieht, wie iiblich, mit Talg. Der weitere Vorgang ist 
der gleiche wie oben beschrieben. 

In ahnlicher Weise kann man auch bei der Zflchtung im Reagenz- 
glase verfahren (s. Fig. 2). Man verwendet hierzu ReagenzglSser mit 
ubergreifendem Glas {D), ahnlich wie sic u. a. von For net angegeben 
sind. Das Glas ist eingeschliffen und tragt einen Ansatz mit einer 
kugeligen Erweiterung zur Aufnahme von Watte. Die Abdichtung wird 
an der Beruhrungsflache der beideu Glaser durch Fett, an dem Ansatz- 
rohr durch einen mit Klemme (K) versehenen Gummischlauch erreicht. 

Das beimpfte Rohrchen wird zur Herstellung von anaeroben Ver- 
haitnissen zun&chst inittels Gummischlauches mit einem Zweiwegehahn 
verbunden, der einerseits mit einer Wasserstrahlpumpe, andereresits 
mit einem Kippschen Apparat etc. in Verbindung steht. Auch in diesem 
Falle muB man erst evakuieren und dann das Gas einleiten und darauf 
noch einige Male absaugen und Gas zustrdmen lassen, bis der Sauer- 
stoff so gut wie vollstandig entfernt ist. Alsdann wird das R6hrchen 
durch die Klemme verschlossen und kann in den Brutschrank gebracht 
werden. 

Mehrere derartigerReagenzglaskulturen lassen sich auch wieder gleich¬ 
zeitig auf diese Weise behandeln, wenn man sie nebeneinander an einen 
Zweiwegehahn anschaltet. 

Man kann auch im Notfall ohne diese Apparate auskommen, wenn 
man, wie ich zuerst bei meinen Versuchen vorging, einen Stab luftdicht, 
aber beweglich durch den Gummistopfen einer Saugglocke durchfuhrt 
und daran die Petri-Schale mittels Plastilin befestigt. Durch Druck 
von oben kann alsdann die Petri-Schale auf die Unterlage (Glasplatte 
mit Gummiring) angepreBt werden. Auch bei der Reagenzglaskultur 
kann man die Glashaube durch einen Gummistopfen ersetzen, durch den 
ein Glasrohr luftdicht durchgefiihrt ist. Bei haufigerem Gebrauch werden 
sich aber die oben beschriebenen Apparate bezahlt machen. Zu beziehen 
durch die Apparatebau-A.-G. GieBen, Schiffenbergerweg. 

Die Vorzuge des neuen Verfahrens sind Einfachheit und Billigkeit; 
es gestattet ein vdllig steriles und sauberes Arbeiten und die jeder- 
zeitige Beobachtung der Kulturen unter dem Mikroskop. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Nachdruck verboten. 

Ueber eine verbesserte Optik der Ausflockungsreaktionen 
und dieTecbnik der serologischenReaktionen im allgemeinen. 

[Aus dem Hygienisch-bakteriologischen Institut der Universitat Amsterdam 
(Direktor: Prof. Dr. R. H. Saltet).] 

Von Fraulein M. van Riemsdijk. Assistentin. 

Mit 26 Abbildungen im Text. 

Nur statige Uebung ermoglicht es. feine Ausflockungen bis an die 
Titergrenze zu verfolgen, und wir alle wissen, daB didjenigen, welche 
grofie Affinitat zur Farbe und zum Kontrast besitzen, derartige Re- 
aktionen besonders genau ablesen konnen, und daB selbstverstandlich 
individuelle Unterschiede bei der Beobachtung vorkommen. 

Die fur diese Reaktionen gebrauchten Rohren bestehen aus diinn em 
Glas, denn um die Flocken gut sehen zu konnen, muB die Durchsichtig- 
keit des Glases so groB wie moglich sein, weswegen auf dunne Glas- 
wand in erster Linie Wert zu legen ist. Der Boden der Rohren ist 
entweder rund oder trichterformig und der „Besatz“ bei den 
letzten Rohren besser zu sehen. 

Durch die Mikromethode von Wright, bei der inan seine Rohre 
selbst anfertigt, wird die Glaswand etwas dicker gewahlt ( s / 4 —1 mm). Eine 
optische Erkl&rung hierfur habe ich in dem Buche Wrights nicht 
finden konnen, glaube aber, daB die Empfehlung nur des leichteren Be- 
arbeitens in der Blasflamme durch Ungeiibte und der geringeren Zer- 
brechlichkeit wegen erfolgt ist. 

Von welcher besonderen Wichtigkeit die richtige Dicke der 
Glaswand fur die genaue Beobachtung der feinen Flocken ist, zeigen 
die folgenden Versuche: 

Fig. 1 zeigt das diinnwandige Rohr A ( 1 / 2 mm Wanddicke) und 
daneben ein d i c k wandiges Rohr B (l 1 ^ mm Wanddicke), beide 
auf einen kleinen GlasfuB montiert. An den gleichen Stellen wurde 
mittels Kanadabalsam ganz gleich groBes und rundes Schrot an- 
geklebt. Bei genauer Beobachtung zeigen sich die Kiigelchen bei A 
etwas mehr abgeplattet, als diejenigen bei B\ das hintere Kugelchen 
von B ist etwas groBer geworden als bei A. Man sieht genau die 
dickere Glaswand von B, bei der schrag angeklebten Kugel, wo der An- 
satz wohl 3mal weiter von der Kugel selbst entfernt zu sein scheint 
als bei derjenigen von A (Fig. 1, 2). 

Ohne etwas an den Rohren zu andern, wurde jetzt physiol. NaCl- 
Losung mittels Pipette bis auf gleiche Hohe eingegossen. Fig. 2 spricht 
sehr zugunsten von Rohr B‘, wo die Schragkugel wohl 2mal grbBer ge¬ 
worden ist als die von A‘. Bei sehr genauer Beobachtung (Abmessen) 
zeigt sich aber, daB die Schragkiigelchen von A‘ ein wenig kleiner 
als diejenigen von A geworden sind, was bei den winzigen Flocken einen 
ziemlich groBen Riickgang bedeutet. — Die Kugel der Hinterwand des 
Rohres A‘ hat dieselbe GroBe wie die von B‘\ die groBere WassersSule 
nimmt hier den Platz der dicken Glaswand von B‘ ein. Diese Ver- 
groBerung findet sich aber bei dem Rohr A ' nur in transversaler 



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van Riemsdijk, Eine verbesserte Optik der Ausflockungsreaktionen. 129 


Richtung, bei dem Rohr B‘ aber auchin sagittaler, wodurch sich 
die Kugel ira Lumen des Rohres viel mehr hervorwolbt, also in sagit¬ 
taler Richtung sehr vergrollert ist. 



Fig. 3. 


Leider ist auf der photographischen Platte die viel groBere „Farb- 
echtheit“ dor 5-Bohren nicht genfigend hervorgetreten: Wahrend die 
ursprflnglich schwarzen Kiigelchen in den yl-Rohren nach Zusatz der 
FlQssigkeit grau und unscharf konturiert waren, sahen die .B'-Kugelchen 
leuchtend schwarz und scharf umrissen aus. Genau so verhielt es sich 

Krfttc Abt. Ori(f. Bd. 91 . Heft 2. 9 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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mit den Agglutinationsproben, wo Rohr A‘ nebelige, grauliche, Rohr B 
grbBere, leuchtend weifie und scharf konturierte Flocken zeigten. 

Da es hier leider nicht moglich war, den Ausflockungsversuch im 
Anfang der Reaktion (feiner Flocken regen) zu photographieren, habe 
ich mich mit einer Photographic nach 24 Std. begniigen mussen, wo 
die Flocken sich etwas mehr am Boden abgesetzt hatten (Fig. 3). 

Fig. 3 gibt davon ein schoues Beispiel, das auch wieder zugunsten 
der I?'-R6hren spricht. Sie zeigt in alten Rohren eine Agglutinations- 
reaktion von Typhusserum 1:10000 + Fickers Diagnostikum. Das 
kleinste B -Rohr dient zur Kontrolle; in ihm sind die Bazillen auf den 
Boden gesunken. Fig. 2 gibt also im .B'-Rohr ein vergr oBertes, 
kugeliges, in die Breite gezogenes Bild infolge der Dicke der Glas- 
wand, A dagegen sieht abgeplattet aus. 

Prof. Dr. P. Zeemann, Professor der Physik an der Universitat, 
hatte die groBe Liebenswiirdigkeit, mir die optische Eigenart des 
i?-Rohres zu erklaren: Dieses wirkt wie eine Zylinderlinse, wo- 
durch ein astigmatisches Bild entsteht mit VerlSngerung im horizon- 
talen Meridian. 

Diese optische Merkwiirdigkeit nachzuahmen, ist mir auf ganz ein- 
fache Weise gelungen. Legt man einen Kreuzer in eine Petri-Schale 
und gieBt darauf Wasser und sieht von oben herab auf den Kreuzer, 
so erscheint das Geldstiick rund und von normaler GroBe. Blickt man 
5 cm aber durch den aufstehenden Rand 

der Schale und das Wasser hin, 
so erscheint der Kreuzer ver- 
groBert und in die Breite gezogen. 
Legt man aber den Kreuzer so 
hin, daB er ± 1 cm vom Schalen- 
rand entfernt ist, und blickt man 
F| S- 4 - wieder durch den aufstehenden 

Rand und das Wasser hin, so erscheint das Geldstiick jetzt gerade gegen 
den Rand der Schale zu. Die Wassersiiule nimmt hier den Platz der 
dicken Glaswand des Rohres B ein. 

Mit diesen Z?-R6hren habe ich viele Widal-Versuche unternommen. 
Es tritt nicht nur das erste Zeichen der Austlockung in den i? Rohren 
viel friiher ein, sondern man bekommt auch schon ablaufende Skalen, 
zwar auch bei schwachen Reaktionen. Die Flocken erscheinen so ver- 
groBert, daB die Titergrenze genau und scharf zu treffen ist und ich 
diese Rohren deswegen wirklich empfehlen kann. 

Sie werden jetzt auf folgende Weise hergestellt: Benutzt werden 
Biegerohren von Thuringer Glas von mintlestens iy 2 min Wanddicke 
und einem D urchin esser von 10 mm (Fig. 4). 

Fig. 4 gibt eine genaue schematische Zeichnung des B-Rohres, das 
da, wo das Glas massiv ist, schwarz gemacht ist. Das Rohr wird aus 
einem Stuck Glas gemacht und so ausgezogen, daB das Rohr tricliter- 
formig wird und auch der „GlasfuB“ entsteht. Letzterer ist iy 2 cm 
lang und hat einen Durchmesser von 5y 2 mm. — Das Wesentliche dieser 
Rohren liegt also in: 1) der Dicke der Glaswand, welche fiir die 
VergroBerung der Flocken sorgt, 2) dem „GlasfuB“, der optisch von 
groBer Wichtigkeit ist, weil die sonst sehr hinderliche Brechung des 
Lichtes, welche immer entsteht, wo das Gl^s gebogen ist, durch ihn fast 
ganz verschwindet. — Fig. 3 zeigt diese starke Lichtbrechung bei den 
^.-Rohren, wahrend sie bei den B- Rohren aufgehoben ist; entfernt man 
den GlasfuB, so tritt sie bei den Z/-Rohren auch wieder hervor. 



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van Riemsdij k, Eine verbesserte Optik der Ausflockungsreaktionen. 131 


Die groBe „Farbechtheit u dieser RQhren und das Wegfallen dieses 
hinderlichen Lichtreflexes ermoglichen die Benutzung weniger triiber 
Suspensionen. Das Fickersche Diagnostikum kann deswegen sebr 
gut lraal mit physiol. NaCl-L6sung verdunnt werden. 

Das Aufstellen der R5hren wurde anfangs durch den „GlasfuB“ er- 
schwert, und ich bin daher glflcklich, diese Schwierigkeit ganz uberwunden 
und damit noch eine bedeutende Verbesserung der optischen Aufstellung 
erreicht zu haben, indem ich die Rdhren in Gestelle aus Naturkork 
(keine komprimierte Korke) stellte. Zu diesein Zwecke laBt man sich 
Korkbretter von 22 cm Lange, 6 cm Breite und 2 cm Dicke schneiden, in 
deren OberflSchenmitte runde Locher von geringerem Durchmesser 
als der GlasfuB 2 cm vom Rande gebohrt werden in einem Zwischenraum 
von 1 cm zwischen 2 Locher. Man erhalt 1 cm tiefe Locher. Die 
wahrend des Bohrens nicht herauskommenden Korkstiicke muB man 
mittels einer Pinzette herausziehen. An der Hinterwand des Korkbretts 
wird dann mit kleinen Nageln ein dunnes Holzbrett von 4 cm H5he 
angebracht, das also 2 cm besteckt und auf die 2 Vorderecken werden 
2 kurze dicke Glasstabe mit Knopf in ein zu kleines Loch geklemmt, 
welche als Griff dienen (siehe Fig. 21). 

Die LScher (von innen), die dahinter liegende Korkoberflache 
und das Holzbrett werden mittels „Schulwandtafelfarbstoff‘ l matt 
schwarz angestrichen, wahrend der vor den Lochern liegende Teil mit 
„Ripolin“ gianzend weiB (einige Male) gestrichen wird, so daB man 
auf dem „weiBen u Teile mit Tinte leicht schreiben und das Schreiben 
wieder bequem abwaschen kann (Notizen). 

Da der Kork wenig nachgibt, dehnen sich die Lflcher wenig aus 
und die RShren werden recht festgehalten, und zwar auch nach langerem 
Aufenthalt bei hSheren Temperaturen. 

Durch den Kontrast von WeiB-Schwarz bekommt man eine so 
gQnstige optische Aufstellung, daB dadurch die Versuche sehr an Deut- 
lichkeit und Scharfe gewinnen. 

Diese S-Rohren lassen sich leicht herstellen und sind wenig zer- 
brechlich sowie sehr bequem zu reinigen; man kann sie dabei auch im 
Korkgestell lassen und sie so unter dem Wasserstrahl spulen 
(Pasteursche Pipette an einem Schlauch an dem Wasserhahn) und 
laBt das ganze umgekehrt auf Filtrierpapier trocknen. 

Diese R6hren sind nicht nur an ihrem Platze, wo fl Ausflockungen“ 
beobachtet werden sollen, sondern auch der Farbechtheit wegen auch 
da, wo die feinsten Farbennuancen studiert werden sollen. 

Im ersten Falle werden die Rohren in den weiB-schwarzen Kork 
gestellt, bei durchfallendem Lichte beobachtet, fiir Farbreaktionen 
aber in ganz weifien Korkgestellen und bei auffallendem Lichte. 


Das jetzt flbliche Bestreben, mit den kleinst moglichen Fliissig- 
keitsmengen bei serologischen Reaktionen zu arbeiten, hat auch seine 
Nachteile, und es kann dabei zu einer falschen Sparsamkeit kommen: 
Die kleinste Gesamtfltissigkeitsmenge pro Rohrchen darf nicht niedriger 
werden als V 4 ccm, wovon Vio Teil Serum ist, also V 10 ccm, ein ganz kleiner 
Serumtropfen, welcher bequem nacli der Wright schen Methode dem Finger 
Oder Ohrl&ppchen entnommen werden kann. — 1917 ist von mir eine 
neue serologische Pipette hergestellt worden, welche man sich selbst 
leicht anfertigen kann und welche das Arbeiten mit kleinereu und groBeren 
Fliissigkeitsmengen ermoglicht, ohne damit die Berechnung zu andern. 

9* 


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132 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


Die Pipette ist im Laufe der Jahre ein wenig modifiziert worden, 
weswegen ich sie hier naher beschreiben will: Ich habe dieses neue 
Instrument hergestellt, weil die ^throttled Pipet u von Wright grofie 
technische Schwierigkeiten bietet und die „Tropfpipette“ ungenau ist, 
weil die TropfengrSBe sich &ndert nach: 

1) der verschiedenen Viskosit&t der Fliissigkeiten, 2) dem schnellen 
Oder langsatnen AusflieBen der Tropfen, 3) dem verschiedenen Stande, 
in dem die Pipette wahrend des Tropfens gehalten wird, 4) die Pipette 
voll oder fast leer ist (groBere Oder kleinere Fliissigkeitss&ule, welche 
einen stSrkeren oder schwacheren Druck ausiibt), und 5) ein Gummi- 
schlauch zum Auspressen der Flussigkeit angewendet wird, wodurch 

c—r-yr-r-Y t y y t ° _ i (o) ) «— ' czd 


Fig. 5. 

ein leichtes Auspressen von Luft zugleich mit der 
Flussigkeit ermoglicht wird. 

Ich personlich mochte noch die Unannehmlichkeit 

Fig. 6. hervorheben, mit der das permanente Zahlen bei der 

Tropfmethode verbunden ist. 

Bei den in Fabriken hergestellten Pipetten, bei denen 1 ccm in 
10 oder 100 Teile geteilt ist, muB man die Berechnung der Verdiinnungen 
immer andern, wenn man einmal mit ziemlich viel, einmal mit sehr 
wenig Flussigkeit arbeitet, weil man sich immer nach einem bestimmten 
Voluinen zu richten hat, namlich den Kubikzentimetern. Ich bin der 
Ueberzeugung, daB diese neue Pipette nur die Vorteile der Wright- 
schen hat (Selbstanfertigen, Arbeiten mit Volumeinheiten), ohne aber 
die Nachteile derselben zu besitzen. In kurzen Zligen mochte ich daher 
hier die Anfertiguug und den Gebrauch der Pipette schildern (Fig. 5). 

Art des Glases: Biegerohren von 4—5 mm Diameter; Wanddicke 
1 mm. Anferiisicu der Pipette: 1) Die Pipette ist 15 ccm lang (Ab- 
brechen vom Glasrohr); 2) beide Miindungen werden mit Watte ver- 
schlossen und die eine Mtindung wird genau auf folgende Weise ge- 
schliffen: auf eine dreikantige Feile wird* etwas Oel gebracht, die Pipette 
auf den Tisch gelegt und mit der Feile der Miindung entlang gestrichen, 
bis sie schon gerade und glatt geworden ist; 3) mit feinem Toilette- 
Bimsstein (eigentlich einer Art Sand stein) (Fig. 6) wird die Pipette dann 
„matt“ gemacht, indem man damit der ganzen Pipette entlang streicht, 
bis sie vollstSndig matt geworden ist, worauf die Miindung nochmals 
nachge&tzt wird, wozu man die Pipette mit der Miindung vertikal auf 
dem Stein rund dreht. 

Die Kalibrierung: 4) Die Pipette wird jetzt in 10 Teile von 1 cm 
Entfernung graduiert, wozu ein MaBstab der Pipette entlang gelegt wird. 
Dabei ist darauf zu achten, daB der erste Strich des MaBstabes genau 
dem Rande der Miindung entspricht, worauf auf jedes Zentimeter mit 
Bleistift ein deutlicher Strich gesetzt wird, bis man 10 von diesen Teilen 
hat (der Bleistift bleibt in Wasser und Alkohol). Die Teile sind bei 
der Kiirze des Glasrohres vollkommen gleich. Kontrolle durch Hinauf- 
gleiten eines Teilchens Wasser. 

Die Unterteile: 5) Ein 4V 2 cm langes Stuck guten elastischen 
„Saugschlauches“ (dickwandig) wird um das Pipettenende geklemmt (es 
muB genau schlieBen); 6) das 5 l / a cm lange „Mundstiick“ wird von 



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van Riemsdijk, Eine verbesaerte Optik der Auaflockungareaktionen. 133 

« 

demselben Rohr hergestellt und die Miindung auf dieselbe Weise 
isiehe 2—3) sauber und glatt gemacht. In das Ende des Mundstiickes 
wird ein kleiner, diinner Wattebausch eingeschoben; 7) jetzt werden 
die 3 Pipettenteile ineinander geschoben (Serumpipette); 8) aus einem 
kleinen MaBglas (3 Oder 5 ccm), bei dem die Kubikzentimeter in Zehntel 
geteilt sind, werden mittels der Pipette genau 5 /i 0 ccm herausgenommen, 
die Pipette „vertikal u gehalten und da, wo die Fliissigkeit authbrt, ein 
deutlicher Strich mit Bleistift gemacht. Da diese die immer gebrauchte 
Flussigkeitsmenge (2mal) zur Losung des festen Serums ist, braucht 
man dafur keine besondere Pipette mehr (Fig. 7). 

Pipette fiir die „lebendige“ Bazillensuspension (Sus- 
pensionspipette). Arbeitet man mit „lebendigen“ Bazillen (Typhus usw.), 


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r-y y r.?..rn J) 

_/-^ 


Fig. 7. Serumpipette. 


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aa 





Fig. 8. Suspensionspipette. 

I 1 1 i I I I I I I l g )-1 


Fig. 9. 

wobei vorher die Pipette energisch desinfiziert werden muB, so empfiehlt 
es sich, eine 2. Pipette herzustellen, welche viel weniger kalibriert zu 
sein braucht, aber etwas langer ist. 

Von demselben Rohr kann man sich mehrere von diesen Pipetten 
herstellen, wenn man mit verschiedenen „lebendigen u Suspensionen zu- 
gleich zu arbeiten hat, oder man desintiziert die Pipette zwischen 2 Re- 
aktionen; 9) von demselben Glasrohr werden 20 cm abgenommen; 
10) die Miindung wie bei 2 und 3 behandelt; 11) Kalibrierung nur bei 
1 und 10 (nur an diesen Stellen wird „inatt u gemacht); 12) die Pipette 
ist vor dem Gebrauch entweder in Kautschuk und Mundstiick von „Serum- 
pipette u zuklemmen, oder selber von diesem Apparat zu versehen. 

Beide Pipetten werden oline Kautschuk und Mund- 
stflck in einem Rohr mit 96-proz. Alkohol (gut verschlossen) 
aufbewahrt, urn sie gleitend zu halten (Fig. 8). 

Elnige Ratschliige fiir den (Jebrauch der graduicrtcn sero- 
logisehcn Pipette: die Pipette wird aus dem 96 proz. Alkohol ge- 
nommen, wonach das AusspQlcn mid Reinigen der Pipette erfolgt: 

I. Man halt die Pipette in der linken Hand und zieht mit der 
rechten den Gummi vom Mundstiick ab (Fig. 9); II. man halt die 
Pipette vertikal unter den Wasserstrahl und das auBerste Ende der- 
selben in die Miindung des Hahnes, laBt das Wasser dann tiichtig durch- 
laufen und setzt das Gummimundstiick in derselben Weise wieder auf 
die Pipette; III. man entfernt das zuriickgebliebene Wasser (lurch Blasen 
und die allerletztcn Fliissigkeitsteile durch energisches Schiitteln (Aus- 
schlagen) und laBt die Pipette jedesmal vertikal auf Filtrierpapier ab- 
tropfeln, worauf sie von auBen nnt Filtrierpapier abgerieben wird. 

Das Abhebcrn und Hcrauflaufcn von dt*n Pipcttentellcheu: 


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IV. man halt das Agglutinationsrohrchen schrag in der linken Hand; 

V. bringt die Pipette in die Fliissigkeit und hebt, indem man das 



Fig. 10. Fig- 11. 


Rohrchen ein wenig raehr horizontal richtet, die gewfinschte Quantitat 
in die Pipette, worauf die Pipette von oben mit dem Zeigefinger ab- 
geschlossen wird (Fig. 11). 


i 



Fig. 12. 

Lauft zu viel Fliissigkeit hinein, so zieht man die Pipette etwas in 
die Hohe, wobei darauf zu achten ist, daB das auBerste Ende mit der 



Fig. 13. Fig. 14. 


Wand des Rohrchens in Kontakt kommt; die Fliissigkeit lauft auf diese 
Weise wieder lieraus. Ist wenig Fliissigkeit im Rohrchen, so bringt 
man die Pipette erst in die Fliissigkeit und zieht sie l&ngs der Wand 
des Rohrchens nach auBen bis nahe an die Miindung des Rohrchens, 
worauf man sozusagen die Fliissigkeit in die Pipette gieBt. Die aller- 
letzten Tropfen werden herausgebracht durch Aussaugen vom Mundstuck 
aus (Fig. 13). 

VI. Wende jetzt die ganze Pipette um (das Mundstuck nach unten), 
nehme den Zeigefinger weg und lasse das Teilchen zirka 1—2 Teilchen 
weiter herauflaufen, worauf oben wieder mit dem Zeigefinger abge- 
schlossen wird (Fig. 14). 

Auf diese Weise kann man auch verschiedene Teilchen nacheinander 
einhebern, und zwar jedesmal 1 Teilchen entweder mit einem Teilchen 



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oder mehr Luft dazwischen (Fig. 15), oder die Teilchen werden an- 
einanderschlieBend eingehebert (Fig. 16), welch letzterem ich den 
Vorzug gebe. 

fl )=p 

Fig. 15. Fig. 16. 

Erfolgt das Hinauflaufen schwer, so hat dies zwei Griinde: 1) ent- 
weder ist der Wattepfropfen im Mundstiick viel zu steif, oder 2) die 
Pipette von innen nicht genugend geschmiert, so daB sich ein Wider- 
stand im KaDal (Fett, NaCl-Kristalle. Sandsteinabschabsel) usw. findet. 
Hierauf muB die Pipette mit verdunntem Alkohol und nachher tiichtig mit 
Wasser durchgespult werden, worauf man etwas gewohnliche Bouillon 
durchlaufen und jedesmal einige Teilchne in die Pipette bin- und hergleiten 
liiBt, bis diese schnell und bequem durch das Pipettelumen gehen. 

Kleben an der Wand kleine Kristalle, so bew&hrt es sich ausge- 
zeichnet, mit einer stahlernen Stricknadel hin und her durch das Pi- 
pettenlumen zu reiben und danach zu spfllen. 

Bevor man mit der eigentlichen Reaktion anfangt, 
iiberzeuge man sich erst davon, ob die Wasserteilchen 
leicht und schnell im Lumen auf- und niedergleiten. 

Das Abhcbern der Salzsolution: VII. Fflr das Abhebern von 
groBeren Flflssigkeitsquantitaten tauche man die Pipette in das Rohr 
(halte dieses schr&g), nehme den Zeigefinger von oben ab und lasse jetzt 
die gewiinschte Quantitat einlaufen; je mehr Flussigkeit, desto tiefer 
inuB die Pipette in die Salzsolution getaucht werden. Durch Senken des 
Rohres kann die Flussigkeit bequem in das Rohr hineinlaufen (Fig. 17). 

Bei dem Her- 
ausnehmen der Pi¬ 
pette lasse man diese 
dem Rande der 
Rohrchenmundung 
entlang gleiten, um 
die Flflssigkeits- 
tropfen aufzusau- 
gen, welche von 
auBen an der Pi¬ 
pette h&ngen geblieben sind. Reibe die Pipette dann von auBen mit 
Filtrierpapier ab. Fur VII. kann man auch sehr gut die Agglutinations- 
stiilpe von Mtiller gebrauchen. 

Das Herauslaufen der abgesonderten Plpettentellcbeii: VIII. Man 
bringt die von oben mit dem Finger abgeschlossene Pipette bis zum 
Boden des schrag in der Hand gehaltenen Agglutinationsrohrchens, worauf 
die Fliissigkeit ablauft, und ziehe jetzt ein wenig zuriick, damit immer 
ein wenig Kontakt mit der auslaufenden Flussigkeit besteht, die dann von 
der Pipette abgehebert wird. Das letzte Tropfchen, ein ’/ 2 Teilchen, der 
Kapillaritat der Pipette entsprechend, muB ausgeblasen werden (Fig. 18). 

Man kann aber auch die Rohrchen im Gestelle stehen lassen, die 
Pipette in das Rohrchen bringen, die Mundung schrag gegen die Rohr- 
chenwand halten und die Teilchen auf diese WeiseabHieBen lassen (Fig. 19). 

Immer ist es empfehlenswert, stets etwas mehr (z. B. 1 Teilchen) 
Fliissigkeit in die Pipette zu hebern, als unbedingt notig ist, da auf diese 
Weise die Kapillaritat der Pipette keine Schwierigkeiten macht. 




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136 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 

Es bleibt auf diese Weise zwar etwas Fliissigkeit an der Glaswand 
hangen, diese wird aber von der Bazillensuspension abgespfilt, so daB 
kein Fehler gemacht wird. 

Das Aasblascn: IX. MuB man doch die letzten Flussigkeitstropfen 
aus der Pipette blasen, so braucht man nicht das Mundstuck in den 
Mund zu nehmen, sondern es geniigt, dagegen zu blasen. 

Das Abhebern und Auslaufcn 
der 9 Teilchen der Bazillcnsus- 
pension : X. Die Bazillensuspension 
wird wegen der Infektionsgefahr in 
der Mullerschen Tulpe ange- 


Fig. 18. Fig. 19. 

fertigt, welche fur diese Pipette ein wenig anders gebaut werden muB; 
Lilnge und Diameter gibt die Figur genau an. — Eine Korkscheibe 
im obigen Teile. welche sich von selbst dem Glase anschmiegt, wird an- 
gebracht, urn die Pipette beim Herausnehmen dariiber reiben zu lassen, 
zum Auffangen der Fliissigkeit, welche von auBen an der Pipette hangen 
geblieben ist. 

Diese Tulpe hat den groBen Vorteil, daB man die Dicke der Sus¬ 
pension genau beurteilen kann, weil der Diameter des diinnen Endes 
und der des serologischen Rohres iibereinstimmen. 

Das Anfertigen der Suspension in diesem Rohre verlangt auch 
noch eine niihere Beschreibung. Das Rohr wird mit physiologischer 
NaCl-Losung bis an die Grenze des diinnen und dicken Rohres ge- 
fiillt; an dieser Stelle wird die Ivultur verrieben und danach die NaCl- 
Losung eingegossen, bis ungefahr zur Korkscheibe (Fig. 20). — Wegen 
des engen Lumens des Rohrs ist es schwer, die Bazillen homogen zu 
suspendieren. Man nimmt dazu einen dfinnen Glasstab, fahrt damit hin 
und her durch die Suspension, worauf sie sofort schon homogen wird. 
Der Glasstab wird dann in ein Rohr mit Desinfizieutien gebracht. — 
Das Fickersche Diagnostikum wird zum Gebrauch, nachdem es gut 
geschiittelt wird, in die Tulpe hineingegossen. 

Das Desinfiziercn uiul Sterllisleren der Plpetten: Die Pipetten 
konnen, wenn notwendig, im Dampfsterilisator desinfiziert werden, ohne 
daB die Graduierung abgeht. — Das Desinfizieren der „Suspensions- 
pipette“ kann am besten mit einer verdiinnten Kreolinlosung vorge- 
nominen werden, wobei man die Pipette in einein Rohr mit diesem Des- 
infizienz stehen laBt. Den Rand des Kautschuks kann man dabei auf 
dem des Rohres ruhen lassen. Kreolin liiBt sich namlich sehr bequem 
mit dem Wasserstrahl aus der Pipette ausspulen, was mit Sublimat viel 
schwieriger ist. Hat man es mit verschiedenen Agglutinationsproben 
zu gleicher Zeit zu tun, so muB die „Susj)ensionspipette i ‘ zwischen zwei 
Ileaktiouen desinfiziert werden. Schnell und bequem erreicht man das, 




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van Riemsdijk, Eine verbesserte Optik der Ausflockungsreaktionen. 137 


indem man die Pipette in ein Rohr mit heiBem Glyzerin taucht, das 
durch kleine Flamme (Siedepunkt 290°) erw&rmt wird. Die Pipette 
braucht hier wegen der hohen Temperatur nur kurz zu verweilen, um 
die Bakterien sicher 9 cm 

abzutoten, wonach 
sie unter dem Was- 
serstrahl abgespfllt 
wird. Fflr die „Se- 
rumpipette“ gentlgt 

tfichtiges Spfllen Diam.: 20 mm Diam.: 9 mm 

unter dem Wasser- Fig. 20. 

strahl. 

Die Serumverdiinnungen fflr die Agglutinations- 
reaktion. Mit der oben beschriebenen serologischen Pipette kann man 
die Verdflnnungen des Serums leicht vornehmen: Das Prinzip der Ver- 
dflnnungen ist folgendes: In jedes Rohrchen kommt 1 Pipettenteilchen 
(Volumeinheit) der diesbezflglichen Serumverdflnnung und 9 Teilchen 
Bazillensuspension. Jedes Serumteilchen der Suspension wird also 10X 
verdflnnt; man muB daher die Verdflnnungen. welche man herstellen will, 
durch 10 teilen, um zu wissen, wieviel das Serum verdflnnt werden soli. 

Beispiel vonTotalverdfinnung 1:100. Das Serum muB hier 
verdflnnt werden 100:10 = 10 X (1 Teilchen Serum + 9 Teilchen physio- 
logischer NaCl-L6sung). 

Die Skala der Totalverdflnnungen und die der Serumverdflnnungen 
ist also: 


Total- 

verdiinn ungen i 

1:50-1:100 

1:250-1: 500j 

1:1000 

1: 2500—1: 5000 

1 :10000—1:20000 

Serum- 

verdiinnungen 

1:5-1:10 

1: 25—1: 50 

1:100 

1: 250-1:500 

1 :1000—1: 2000 


Aus diesen Serumverdflnnungen stellt man sich „Stammverdfln- 
nungen“ her, womit die Ubrigen Serumverdflnnungen ausgefflhrt werden. 

Das empfohlene „Korkgestell“ fflr die neuen Agglutinationsrohren 
bietet Gelegenheit, die Totalverdflnnungen unter jedes Rohrchen auf 
dem Korkbrette aufzuzeichnen (Fig. 21). 



/H «U l»l tfl, iTt XTL »Tl I»L «»1 



Fig. 21. 

Fflr die „Stammverdflnnungen u des Serums fertigt man sich ein 
anderes Korkgestell an von 22 cm Lange und 3 cm Breite, das ganz 
-weiB“ gefflrbt, und wo jede Stammverdunnung der zugehflrigen Total- 
verdflnnung gegenflbergestellt ist. Auf diese Weise orientiert man sich 
am schnellsten. Die Locher dieses Korkgestells mflssen so gemacht sein. 
dad die Rflhren leicht daraus zu entnehmen sind. 




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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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Das Anfertigen der „Staminverdtinnungen“: Arbeitet man mit 
„Trocken u -Serum, so ist zur Losung so viel Fliissigkeit zuzufiihren, daB 
sofort eine lOfache Verdiinnung entsteht. Das Serum hat beim Trocknen 
lOmal sein Gewicht an Wasser verloren; um 
es also wieder auf normale Starke zu bringen, 
muB man lOmal soviel Fliissigkeit hinzufiigen, 
also: 10 mg Trockensubstanz + 1 / 10 ccm phy- 
siologischer NaCl-Losung. Eine lOfache Ver¬ 
diinnung macht also: 10 mg Trockanserum 
+ 10 /io ccm (1 ccm) physiologischer NaCl-Lo- 
sung; mittels der serologisclien Pipette also 
2mal - ’/io ccm. 

Arbeitet man sofort mit „fliissigem“ Se- 

m.i- iii' if ) na 

Fig. 22. 

rum, so macht man die lOfache Verdiinnung mit 1 Teilchen Serum + 
9 Teilchen NaCl-Losung. 

Beispiel von Starnm ver diin nu n g 1:10: 

1) Spiile die serologisclien Pipetten wie unter I, II, III. 

2) Lasse einige Serumteilchen darauf gleiten (V). (Fig. 22.) 

3) Davon 1 Teilchen in das Rohrchen 1:10 auslaufen lassen (Fig. 23) 
und blase das Uebrige in das urspriinglichen Rohrchen zuriick. 

4) Spiile die Pipette rein (I, II, III). 

5) Fiige 9 Teilchen der physiologischen NaCl-Losung hinzu (VII). 
und hebere dazu 10 Teilchen in die Pipette und lasse bis Teilchen 1 
auslaufen. 

6) Spiile endlich die Pipette und mache die weiteren Verdiinnungen 
auf dieselbe Weise, wie untenstehendes Schema genau angibt: 

Stammverdunnungen (Fig. 24). 




Fig. 24. „Stamm“verdunnungcn. 


Sind die „Stammverdiinnungen“ angefertigt, so macht man von 
diesen aus die „Totalverdiinnungen u durch je 1 Oder 2 Teilchen der 
diesbeziiglichen Staminverdiinnung, die man in das Rohrchen der Total- 
verdiinnung bringt, wie folgendes Schema zeigt: 

TotalverdQnnungen (Fig. 25). 

Die Pipette muB immer gut ausgespiilt werden, wenn von einer 
neuen Staminverdiinnung genommen werden soli. Da, wo aus einer 



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van Riemsdijk, Eine verbesserte Optik der Ausflockungsreaktionen. 139 


Stammverdiinnung 2 Totalverdfinnungen gemacht werden (1:50—1:100, 
1:250—1:500, 1:2500—1:5000, 1:10000—1:20000), wird die gesamte 
Quantitat fur beide Totalverdunnungen zugleich in die Pipette ge- 
hebert, wobei man immer noch 1 oder 2 Teilchen mehr nimmt, wegen 
der Kapillaritat der Pipette, um das Ausblasen zu vermeiden. 




Fig. 25. „Total“verd iinnungen. 


Danach fiigt man in jedes Rohrchen 9 Teile der Bazillensuspension 
mit der „Suspensionspipette“ hinzu aus der „Miillerschen Tulpe a (X). 

Der Vorteil dieser Pipetten liegt im Arbeiten mit „Volumeinheiten u , 
wodurch die Berechnung der Verdflnnungen immer dieselbe bleibt. 


ll.i-i. i. . r.j.i,i.j.r i !!■ iYij i' i'T iiiiTiiiitiiii? IP : -. - - '---Zj 


Fig. 26. 

Will man mit noch weniger Fliissigkeit arbeiten, so kann man 
natfirlich jedes Pipettenteilchen kleiner machen und statt auf 1 cm Ab- 
stand auf 0,5 cm die Graduierung machen. Auch kann man das Lumen 
der Pipette enger wdhlen, so z. B. 3 mm Diameter, doch ist dabei zu 
bedenken, daB hier die „Kapillarit&t u auch eine groBere wird. 

Fiir die Reaktion von Wassermann, von Meinicke und 
Sachs-Georgi maclie ich die Pipette 20 cm lang; Diameter 4 oder 
5 mm. graduiert in 35 Teile von 1 / 2 cm Abstand; bis Teilchen 20, 
zwar jedes Teilchen noch unterhalbiert. wie untenstehende Zeichnung 
angibt (Fig. 26). 

Die Figuren S. 11—28 stnmmen aus: M. van Riemsdijk, llactereriologische- 
serologische ISIethoden en Reeepten. Amsterdam (Swets u. Zeitlinger). 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Onginale. Bd. 91. Heft 2. 


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Nachdru-ck verboten. 

Ueber ein neues Farbungsverfahren der Tuberkelbazillen 

im Sputum 1 ). 

[Aus der Poliklinik fflr innere Krankheiten des Staatlichen klinischen 
Instituts fur arztliche Fortbildung zu St. Petersburg (dirigierender Arzt: 

Prof. J. Lowzky).] 

Von Dr. W. P. Semenow, I. Assistenzarzt. 

Das anscheinende Fehlen der Tuberkelbazillen in einem sie bestimmt 
enthaltenden Sputum liegt besonders darin, dal! bei init Tbcbazillen be- 
hafteten Kranken auBer „stark saurefesten u Bazillen noch „schwach saure- 
feste“ vorkommen, welche, leicht durch Saure entfarbt, anscheinend eine 
schwache Verwandtschaft dem Fuchsin gegeniiber aufweisen, weswegen 
in solchem Auswurfe diese „schwach saurefesten“ Bakterien bei der 
Bearbeitung nacli der Methode von Ziehl-Neelsen nicht gefunden 
werden. Man muB sich daher einer Farbe bedienen, die eine Verwandt¬ 
schaft zu den Tbcbazillen aufweist, und sogar zu den Formen, die „schwach 
s&urefest u der einen Oder anderen Saure gegeniiber sind. 

In dieser Richtung hin arbeitend und hauptsachlich, weil zeitweise 
in unserem Laboratorium grofiter Mangel an Fuchsin herrschte, da 
dieses auf dem Markte fehlte, w&hlte ich w&hrend der Nachprfifung eine 
ganze Reihe von Verfahren, und zwar hauptsMchlich solche, die in den 
letzten Jahren in der deutschen medizinischen Literatur beschrieben 
worden sind, z. B. die Methoden von Schaedel, Marx, Kronberger, 
Weiss etc., Dahlia, die dem Tbcbazillus gegeniiber eine groBere Ver- 
wandschaft aufweist als Anilin oder andere Anilinfarben, die zu eben 
denselben Zwecken empfohlen werden. 

Bekanntlich gehbrt Dahlia zu den basischen Anilinfarben und wird 
beim Erwarmen von Rosanilin mit Jodmethylviolett erhalten; sie ist auch 
bekannt unter dem Namen Violett, Jodviolett, Trimethylmethan, Primula, 
chlorwasserstoffsaures Salz des Triathylrosanilin — C 20 H 18 (C 2 H 6 ) 3 N s O. 
Dahlia ist gut Idsbar sowohl in Wasser wie auch in Alkohol. 

Ihre 1-proz. w&sserigen Losungen farben beim Erwarmen bis zura 
Sieden, im Gegensatz zum Fuchsin, die Kochschen Bazillen in Strich- 
praparaten sehr intensiv, und es entsteht keine Entfarbung nach Behand- 
lung mit verschiedenen Sauren, wahrend man bisher annahm, daB Tbc¬ 
bazillen mit einfachen Wasserlosungen der Anilinfarben nicht gef&rbt 
werden konnen. 

Die wasserigen Losungen der Farben konnen rasch untauglich werden 
und die Tbcbazillen sind (nach Ehrlich) von einer festen und schwer 
durchdringbaren Membran umgeben und farben sich intensiver, wenn 
die Starke der Farbung der anzuwendenden Farbe durch Beifugung 
irgendeiner Beize gesteigert wird. Man bedient sich daher zum Farben 
der Alkohollosungen der Dahlia unter Hinzufugung von Karbolwasser. 

Ich muB noch bemerken, daB verschiedene Konzentrationen der 
letzteren nicht ohne EinfluB sind auf die Dauerhaftigkcit und Widerstands- 
fiihigkeit des Fiirbemittels. 

1) Nach Vortrag, gehalten am 2. Juni 1922 im Mikrobiologischen Verein beau 
Lehrstuhl fiir Bakteriologie des Staatlichen klinischen Instituts fiir arztliche Fortbildung 
zu St. Petersburg. 


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Semenow, Neuea Farbungsverfahren der Tuberkelbazillen ioi Sputum. 141 


Bald muBte man aber die allgemein als Beizungsmittel angewaudte 
5-proz. KarbolsSure aufgeben, da sich bei der Arbeit herausstellte, daB 
die Farbe schon am nachsten Tage ausfallt und unbrauchbar wird. 

Unter allmahlicher Verminderung der Konzentration blieb ich daher 
bei der 2-proz. Karbolsdurelosung, durch die die Farbe fiir lange Zeit 
dauerhaft und tauglich zu F&rbungsarbeiten wurde. Die Kochschen 
Bazillen nahmen hierbei eine ebenso ausgeprdgte violette Farbung an, 
wie bei Dahlia, die mit 5-proz. Karbolsaurelosung hergestellt war. 

Zum Entfarben des mit Dahlia aul Aufstrichprdparaten gefarbten 
Sputums, der alkohol- und saurefesten Pseudotbcbazillen, der zufallig 
in das Sputum hineingeratenen Bazillen des Geschlechtstraktes (Smegma- 
bazillus) und der nicht saurefesten Mikroorganismen, sowie von allerlei 
Arten von Formelementen des Auswurfes wandte ich eine Alkohollosung 
der Schwefelsaure an. 

Ohne Ergdnzungsfarbung kann man auskornmen, da bei der inikro- 
skopischen Untersuchung des gefarbten Aufstrichpr&parates des Aus¬ 
wurfes mit Zuhilfenahme der Oelimmersion die charakteristischen Tbc- 
bazillen mit Dahlia vorzuglich gefarbt werden, als Relief auf dem farb- 
losen Hintergrunde des Praparates hervortretend. 

Will man aber einen gefarbten Hintergrund erhalten, was sehr wichtig 
fur den Anfanger ist und fur die raschere Festlegung des Objektives 
iiber dem Praparat, so muB er stark kontrastieren gegenuber den violett 
gefarbten Tbcbazillen. 

Ich habe eine ganze Reihe von Farbemitteln gepriift, um einen 
solclien kontrastierenden Hintergrund zu erhalten, und habe anfangs 
Alizarin und Eosin angewandt, ging dann aber zum Aurantium iiber, 
einer sauren Anilinfarbe, dem Ammoniumsalz des Hexanitrodiphenyl- 
amin — N[C 6 H 2 (N0 2 ) s ] 2 NH 4 , welches ein besseres mikroskopisches Bild 
der mit Alkohollosung der Schwefelsaure entfarbten Mikroorganismen 
und Formelemente des Praparates zeigte. 

Der Gang der Untersuchung ist folgender: 

Auf das Praparat, das lege artis angefertigt, getrocknet und 3mal 
durch eine nicht leuchtende Spiritusflamme gefuhrt ist, werden 8 bis 
10 Tropfen einer 1-proz. wasserigen Losung von Dahlia oder Karbol- 
dahlia (letztere aus einer Mischung von 10 ccm einer 10-proz. filtrierten 
Losung von Dahlia und 100 ccm 2-proz. Karbolsaure, die mit destilliertem 
Wasser bereitet ist) aufgebracht, die bis zum Sieden aufgewarmt wird. 
Nach Abkflhlung wird die Farbe abgegossen, das Praparat mit Wasser 
abgespult, in 10-proz. Alkohollosung der Schwefelsaure entfarbt bis zum 
volligen Schwinden der violetten Farbung bei durchdringendem Licht, 
dann von neuem mit Wasser abgespult und erganzungsweise mit V 2 'P roz - 
filtrierter Aurantialosung 10 Sek. gefarbt, dann abgesptilt mit Wasser 
und getrocknet zwischen 2 Filtrierpapierblattern. 

Bei solcher Bearbeitung erscheint der Hintergrund des Praparates 
goldig gefarbt, die einzelnen, paarigen, gehauften oder zerstreuten Koch¬ 
schen Bazillen treten intensiv violett gefarbt reliefartig hervor, w&hrend 
die Formelemente und alle anderen Mikroorganismen ins Goldene spie- 
lende Farbung zeigen, und man nicht selten auch leukozytare Phago- 
zytose der Tbcbazillen antrifft. 

Der Gegensatz zwischen den letzteren und dem Hintergrunde tritt 
deutlich hervor: Die Kochschen Bazillen fallen stark ins Auge und 
sowohl ihre charakteristische Kornung wie auch die Muchschen Kornchen, 
die schwarzbiaulich gefarbt sind, wie auch die Umrisse treten deutlich 


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142 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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hervor. Bei meinen Untersuchungen stellte ich dann Vergleiche meiner 
Methode mit dem klassischen Verfahren von Ziehl-Neelsen und 
anderen an, wobei sich herausstellte, daB in den Fallen, in denen nach 
dem Ziehlschen Verfahren in vielen Gesichtsfeldern 1—2 Tbcbazillen 
gefunden wurden (13 Untersuchungen), im Aufstrichpraparat aus dem- 
selben Sputum und Stuck, das mit Dahlia gefarbt war, die Kochschen 
Bazillen in groBer Menge festgestellt werden konnten, da sie leichter 
sichtbar waren. 

Weiter verglich ich meine Methode mit den Verfahren von Spengler, 
Kronberger und Marx. Sobald ich erschopfend fiber groBeres Material 
verffige, werde ich darfiber ausffihrlich berichten. Vorlaufig aber kann 
ich nur darauf hinweisen, daB bei parallelen Farbungen von Ausstrich- 
praparaten des Sputums mit Kochschen Bazillen (29 Untersuchungen), 
die angefertigt waren aus einformigen nach der Methode von Biedert- 
Afanassieff homogenisiertem Material mit Karboldahlia und nach 
Spengler und Ziehl-Neelsen (die beiden letztgenannten gelten 
augenblicklich als die besten), bei ersterer in alien Fallen eine weit 
groBere Anzahl von Tbcbazillen gefarbt war. 

Im Durchschnitt kamen auf 10 sich im Gesichtsfelde befindenden 
Kochschen Bazillen, die bei der Farbung der Aufstrichpraparate mit 
Karboldahlia gefunden wurden, in den nach Spengler geffirbten Pra- 
paraten 6, in den nach Ziehl gefarbten aber 4. Der Zahlung wurden 
jedesmal 30 Gesichtsfelder eines jeden Praparates unterworfen. 

Nach meinem Verfahren, das sich durch seine Einfachheit derTechnik, 
Schnelligkeit des Farbens, Deutlichkeit des mikroskopischen Bildes und 
einem starken Kontrast zwischen dem goldigen Hintergrunde und den 
violett gefarbten Tbcbazillen auszeichnet, wird ein solches Prfiparat im 
Laufe von 3—4 Min. hergestellt. 

Die Hauptvorzfige meines Verfahrens sind: 

1) Bei der Farbung der Aufstrichpraparate des Sputums mit Dahlia, 
die aus homogenisiertem Material hergestellt wurden, ist die Anzahl der 
Kochschen Bazillen lVsnml groBer, als bei dem Verfahren von Spengler, 
und 2 l /,mal groBer, als nach der Methode von Ziehl (10:6:4). 

2) In den mit Dahlia gefarbten Praparaten laBt sich neben den 
typischen Tbcbazillen auch eine Kornung erkennen, die als schwarzblaue 
Punkte auftritt, an die Muchschen Korner erinnernd, die bei Farbung 
mit Dahlia in 3—4 Min. erhalten werden kann, beim Verfahren nach 
Much aber erst in 24—48 Std. 

3) In einigen Fallen, in denen die Farbung nach Ziehl-Neelsen 
ein negatives Resultat gibt, entdeckt man mit Dahlia das Vorhandensein 
von Tbcbazillen. 

Alle die angeffihrten Vorzfige scheinen abzuhangen von der groBeren 
Verwandtschaft der Dahlia, dank dem Vorhandensein von Jod, den Tbc¬ 
bazillen gegeniiber, die intensiver in ihrer 1-proz. Wasserlosung gefarbt 
werden als mit Fuchsin, das in derselben Wasserlosungskonzentration den- 
selben Krankheitserregern gegeniiber indifferent bleibt. Deshalb werden 
in den Prfiparaten nicht nur „stark sfiurefeste 11 Bazillen entdeckt (die 
sich bei Farbung mit Fuchsin nicht entfarben), sondern auch „schwach 
saurefeste u sowie auch die Muchschen Kornchen (bei Farbung mit 
Fuchsin entffirbt durch Saurewirkung). 

Bei der Farbung der Ausstrichpraparate nach dem von mir an- 
gegebenen Verfahren aus Teilen der Reinkultur des B. tuberculosis 
hu m., gezfichtet auf Glyzerinagar, farbten sich die letzteren ausgesprochen 



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Semenow, Neues Farbungsverfahren der Tuberkelbazillen im Sputum. 143 


violett mit den ihnen zukommenden, oben beschriebenen charakte- 
ristischen Eigenschaften. 

Die anderen Reinkulturen anderer Arten saurefester Pseudotbcbazillen, 
wie z. B. der Smegmabazillus und Bazillus von Rabinowitsch, sowie 
auch Reinkulturen nieht saurefester Bazillen, wie z. B. der Bac. ozae- 
nae und Bac. cholerae gallinarum, entfarben sich alle, mit Aus- 
nahme des Bacillus von Rabinowitsch, in 10-proz. Schwefelsaure mit 
70-proz. Alkohol, bei weiterer Bearbeitung nicht. Nach derselben Methode 
farbten sie sich nur mit der Erganzungsfarbe, d. h. sie nahmen die gol- 
dige Farbe der Amantia an. 


Nachdruck verboten. 

Sedimentierflasche zur Aufbewahmng von prazipitierenden 
Seren bzw. anderen klaren Fltissigkeiten. 

Von Prof. Dr. W. Pfeiler, Jena. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Prazipitierende Sera bzw. Extrakte fiir Prazipitationszwecke miissen 
absolut klar sein. Bekanntlich geben geringste Trubungen in prazipi¬ 
tierenden Seren bzw. Extrakten Veranlassung zur Ringbildung Oder zu 
Ausfailungen [vgl. Pfeiler (1), S. 80if.]. 

Die Aufbewahrung von Extrakten bzw. Seren geschieht im all- 
gemeinen in Uhlenhuthschen Rohrchen, kleinen Reagenzglasern Oder 
Ampullen, die in Trinkglasern, meist schrkg gelagert, gehalten werden. 
Beim Herausnehmen kommt es haufig zum Aufwirbeln von Eiweifi- oder 
anderen Niederschlagen, so daB die Flussigkeiten vor Be- 
nutzung zentrifugiert werden miissen; oder man laBt sie 
wochenlang bis zur vollstandigen Klarung liegen. 

Um dem abzuhelfen, sind Holzblocke konstruiert wor- 
den, in denen die Aufbewahrungsgef&Be stehend gehalten 
werden. Oder es sind kleine Phiolen gefertigt worden, die 
an einem oder beiden Enden spitz zulaufen. In diesen Ka- 
pillaren sammelt sich der die Triibung verursachende feine 
Niederschlag. Andere Phiolen haben unten eine Ver- 
jiingung und eine sich daran anschlieBende kugelformige 
Erweiterung zur Sammlung von Niederschlagen. 

Alle diese Konstruktionen sind behelfsmaBig und haben 
ihre Mangel, z. B. den, daB man bei engeren Phiolen nicht mit gewbhn- 
lichen Pipetten arbeiten kann. Es miissen fiir die Entnahme von Serum 
Kapillarpipetten benutzt werden. Wer viel mit derartigen Fliissigkeiten zu 
arbeiten hat und geniigend geschickt ist, weiB auch bei Benutzung ge- 
wbhnlicher Flaschen ein Aufwirbeln des Bodensatzes zu verhindern, der 
sich regelmaBig einstellt [vgl. Pfeiler (1), S. 81 ff.]. 

Um die erwahnten Mangel zu beseitigen, gleichzeitig aber groBere 
Mengen von Serum aufbewahren zu konnen — die Phiolen enthalten 
meist nur 1 ccm Serum — habe ich neuerdings ein Sedimentierflaschchen 
konstruiert, das ein Fassungsvermbgen von 5 ccm hat. Das Fiaschchen 
stellt, wie die nebenstehende Abbildung zeigt, eine Flasche ohne Boden 
dar, in deren Hals, umhiillt vom Mantel der Flasche, ein Einsatz ein- 
geschmolzen ist, der sich, ahnlich wie bei den bekannten Zederuholz- 
flaschchen, bis auf den gedachteu Boden erstreckt. Die Wande des gerade 


a 

Vpipette 

§ 


A 


K 




'/mat. GrOBe 
Fig. 1. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 2. 


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nach unten verlaufenden Einsatzes sind glatt, sie brechen etwa l j t cm 
vor dem Bogen leicht abgeschrfigt nach inneu ab und enden in einer 
halbkugligen Vertiefung. In diese Vertiefung sedimentieren alle Aus- 
fiillungen aus Extrakten, Seren usw. hinein. Sie bilden dort einen mehr 
oder weniger festen, infolge der Konstruktion des Einsatzrohrchens nicht 
aufschfittelbaren Belag. 

Beim Pipettieren, das mit gewohnlichen 1 ccra. Pipetten vor sich 
gehen kann, kann ein Aufwirbeln niemals eintreten, da die Pipette am 
unteren Ende des Einsatzes fiber der Kalotte einen festen Halt findet. 
Das gelegentliche Abrutschen der Pipette bei Benutzung gewobnlicher 
Flaschen, das zum Aufwirbeln des Bodensatzes hfiufig Veranlassung gibt, 
wird auf diese Weise vermieden. 

Die Flaschen *) stelien zufolge ihrer Konstruktion (oflener gestauchter 
Rand) fest auf. Sie konnen in kleinen Kastchen zu mehreren zusammen- 
stehend (Menschen-, Pferde-, Rinder-, Schaf-, AntieiweiBsera, prfizipitieren- 
des Milzbrand-, Pestserum, korrespondierender Extrakt usw.) aufbewahrt 
werden. Sie sind leicht zu reinigen und sterilisierbar, konnen mit 
Gummi- oder gewohnlichen Korkstopfen verschlossen werden. Sie sind 
lieferbar in braun und weiB. 


Literatur. 

1) Pfeiler, Die Erkennung der bakteriellen Infektionskrankheiten mittels der 
Prazipilationsmethode. Berlin (Richard Schoetz) 1918. 


1) Alleinige Herstellerin ist die Firma Wernicke und Wagner in Jena. 

Berichtigung. 

In der Arbeit von Waldmann und Trautwein „Die Maul- undKlauen- 
seucheimmunitat nach kiinstlicher unh spontaner Infektion aowie 
nach simultaner Impfung“ in Bd. 90. Heft 6 dieser Zeitschrift findet sich ein 
sinnentstellender Fehler. In Tabelle 4, S. 453 muC es heifien statt ^Primaraphthen*- 
,Ohne Reaktion* und statt „Generalisierte Aphthen“ „Primaraphthen“. 

Corrigendum. 

In Abt. I. Bd. 90. 1923. S. 501, Zeile 3 von unten rnufl es heifien anstatt „die 
kleine Sporen bilden“: die keine Sporen bilden. 


Inhalt. 


Batisweiler, Johann, Ueber einen Fall 
von Streptothrixpyamie, 8. 81. 

Beger, H., Ueber aktive Irumunisierung 
mit ,,gekupferten“ Spirochiitenkulturen 
bei der Weilschen Krankheit, S. 90. 

G&lli-Valerio, B., Parasitologische Unter- 
suchungen und Beitrage zur parasito- 
logischen Technik. Mil 3 Abbildungen 
im Text, S. 120. 

Blnntemiiller, O., Eiu neues Verfahren 
zur Anaerobenzucht. Mit 5 Abbildungen 
im Text, S. 125. 

Kfihler, Otto, u. Heilmann, Georg, Ueber 
vergleichende intrakutane und intra- 
venose Hensibilisierung des Menschen mit 
Kaninchenserum, S. 112. 

Pfeiler, W., Sedimenlierflasche zur Auf- 
bewahrung von priizipitierenden Seren 


bzw. anderen klaren Fliissigkeiten. Mit 
1 Abbildung im Text, S, 143. 

Rabinowitsch, Marcus , Zur Serodia- 
gnostik des Echinokokkus, S. 102. 

Seki, Tadahide, Ueber einen eigenartigen 
Ruhrerreger, S. 101. 

Semenow, W. F., Ueber ein neues Far- 
bungsverfahren der Tuberkelbazillen im 
Sputum, S. 140. 

Stutzer, M. J., Zur B'rage fiber die Faul- 
nisbakterien im Darm, S. 87. 

van Riemsdijk, M., Ueber eine verbesserte 
Optik der Ausflockungsreaktionen und 
die Technik der serologischen Reaktionen 
im allgemeinen. Mit 26 Abbildungen 
im Text, S. 128. 

Zuelzer, Margarete, u. Oba, Shiro, Bei- 
trag zur Kenutnis saprophytischer Spiro- 
chiiten. Mit 1 Tafel, S. 95. 


Frommannsctie Buchdrucaerei (Hermann Foble) in Jena. 



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Centralbl. f. Bakl etc. I. Abt Originsle. Bd. SI. Heft 3|4. 

Aasgegeben am 14. Januar 1924. 


1 Nachdruck verboten. 

Der Rezeptorenapparat der in Asciteskultur geziichteten 

Typhusbazillen. 

[Aus dem Hygieneinstitut der Universitht Breslau (Direktor: Gebeimer 
Medizinalrat Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Prof. Dr. Carl Pransnitz und Dr. Max Preuss. 

Nach Untersuchungen von Ranque, Senez und Fiessinger 1 ) 
wird bei manchen Bakterien durch die Ziichtung in Ascitesbouilion der 
antigene Charakter tiefgreifend verandert: Durch Immunisierung mit 
solchem „ Ascites-Stamm u soli man Sera erhalten, die sowobl mit der 
Ausgangskultur und einer auf gewOhnlicher Bouillon gewachsenen Kul- 
tur der gleichen Bakterienart, wie auch — und das war das Ueber- 
raschende — mit auf Ascitesbouilion geziichteten ganz andersartigen 
Bakterien reagierten (Komplementbindung, Opsoninreaktion). Danach 
mQBte es scheinen, als ob unter dem Einflusse der Ziichtung in ascites- 
haltigen Nahrboden in den antigenen Kern auBer dem Bakterienplasma 
noch ein Anteil dieser Ascitesfliissigkeit uberginge. 

Es lag zunachst nahe, die Erscheinung so zu deuten, daB bei der 
Immunisierung gleichzeitig mit den Bakterien auch Ascites injiziert wird, 
und daB daher im behandelten Kaninchen neben den Bakterienantikorpern 
auch MenscheneiweiBprazipitine gebildet wiirden; es ist klar, daB unter 
dieser Annahme auch Ascitestyphusbazillen mit einem gegen Ascites- 
staphylokokken gewonnenen Kaninchenserum Komplementbindung geben 
konnten, infolge einer Prazipitation des an den Staphylokokken haftenden 
Ascites durch das Immunserum. 

Die Frage nach der Abschleifung des spezifischen antigenen Cha- 
rakters von einem Bakterium durch diese Ziichtung in Ascitesbouilion 
kann daher durch die vorliegende Veroffentlichung nicht als geklart an- 
gesprochen werden. Es wurde daher von uns versucht, das Problem 
weiter zu klSren. Wir haben uns aber zunachst auf die Teilfrage be- 
schrankt, inwieweit die Ziichtung in Ascitesnhhrboden die Agglutinier- 
barkeit der Typhusbazillen beeinfluBt. 

Vcrsuchscrgcbnlsse. 

Die Sera der verwendeten Kaninchen waren vor der Behandlung 
frei von Typhusagglutininen. Die benutzten Typhuskulturen waren „Ty. l a , 
ein seit Jahren im Institut fortgeziichteter, zur Bestimmung der Gruber- 
Widalschen Reaktion regelmSBig verwendeter, gut agglutinierender 
Stamm, und ein frisch isolierter Stamm, „Ty. 2 14 . Die zur Immuni¬ 
sierung der Tiere verwendeten Typhusstamme wurden vor Beginn der 
Versuche 12 Tage lang auf Ascitesagar, bzw. Ascitesbouilion unter tkg- 
licher Ueberimpfung fortgezilchtet. Zur Immunisierung dienten: 

1) Compt. rend, de Biol. T. 81. 1918. p. 392, 531; Ref. diese Ztschr. Ref. Bd. 70. 
1920. 8. 231. 

Erse Abt. Orig. Bd. 91. Deft 3/4. 10 


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146 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Impfstoff 1 (Abschwemmung einer 24 - stiind. Ascitesagarkultur in 0,8-proz. 
NaCl), 

Impfstoff II (24-stiid. Ascitesbouillonkultur), 

Impfstoff III (Impfstoff II zentrifugiert, Sediment in 0,8-proz. NaCl-Ldsung 4mal 
auf der Zentrifuge gewaschen, bis das Wasehwasser keine Sulfosalizylsaurereaktion 
mehr gab). 

Die Impfstofte wurden durch 1-stiind. Erhitzung auf 60° abgetotet. 
Mit Impfstoff I wurde Kan. 1 und 2, mit Impfstoff II Kan. 3 und 4, 
mit Impfstoff III Kan. 5 und 6 behandelt, und zwar wurde jedem von 
ihnen am 24. Nov.: 0,1, am 29. Nov.: 0,25, am 6. Dez.: 1,0 ccm intra- 
venos eingespritzt; Blutentnahme am 16. Dez. 

Die so gewonnenen Sera zeigten eine deutliche und typische Agglu¬ 
tination sowohl von Typhusbazillen aus gewohnlichen Nahrboden, wie 
von Ascitestyphusbazillen. Dagegen wurde ein Uebergreifen auf andere, 
lSngere Zeit in Ascitesn&hrboden geziichtete Bakterien nicht festgestellt 
(Paratyphus A, Streptokokken und Staphylokokken). 

Die Wirkung der Sera gegenuber den auf gewohnlichem Agar ge- 
ziichteten Typhusbazillen erreichte annahernd die iiblichen Titerwerte 
(Tabelle, Versuch 1). 

Die Agglutination der Aseitesagarkulturen zeigte bei der Halfte 
der Sera bereits deutlich hohere Agglutinationstiter (Tabelle, Versuch 2). 

Wesentlich bessere Ergebnisse zeigte die Agglutination der As- 
citesbouillonkulturen durch die gleichen Sera. Besonders aus- 
gepragt war die Titererhohung samtlicher Sera gegen „Ty. 1“, aber 
auch gegen „Ty. 2 W zeigten 4 von 6 Seren eine sehr deutliche Titer¬ 
erhohung (Tabelle, Versuch 3). 

Grundsatzlich hat sich demnach ergeben: Durch Einspritzung 
vonAscitestyphuskulturen gewonnene Immunsera agglu- 
tinieren die homologen (Ascites)kulturen erheblich starker 
als die auf gewohnlichem Nahrboden gewachsenen Ty¬ 
phusbazillen. 

Zur Erkl&rung dieser auffallendeu Beobachtung scheinen 2 Moglich- 
keiten vorzuliegen: 1) Bei der Immunisierung mit Ascitestyphuskulturen 
konnen gleichzeitig und unabhangig voneinander AscitesprS- 
zipitine und Typhusagglutinine entstehen, die sich in ihrer 
Auswirkung gegenseitig unterstiitzen wurden; 2) es war aber auch 
denkbar, daB — entsprechend der Annahme von Ranque und seinen 
Mitarbeitern — die Ziichtung auf Ascitesnahrboden zu einer qualita- 
tiven Abanderung im Rezeptorenapparat der Typhus¬ 
bazillen gefuhrt hatte. 

Urn die erste Moglichkeit zu erforschen, hatte schon die Immuni¬ 
sierung mit dem Impfstoff III gedient, bei dem, wie oben beschrieben. 
die in Ascitesbouillon gewachsenen Typhusbazillen durch griindliches 
Waschen auf der Zentrifuge von auBerlich anhaftendem Menschen- 
eiweiB moglichst gereinigt worden waren. Ein ausgesprocheuer Erfolg 
dieser Maftnahme war nicht zu erkennen: die Sera der mit den ver- 
schiedenen Impfstoffen behandelten Kaninchen wiesen untereinander 
keine gleichmalligen, eindeutigen Unterschiede auf (vgl. Tabelle). 

Zur weiteren Klarung der Frage wurde a) eine auf gewohnlichem 
Agar gewachsene Typhuskultur in Ascites aufgeschwemmt und 1 Std. 
damit geschiittelt, um eine auBerliche Impragnierung der Bakterien mit 
dem MenscheneiweiB zu bewirken; b) ferner wurde eine seit langem in 
Ascites geziichtete Typhuskultur in gewohnliche Nahrbouillon 2 Passagen 
hintereinander iibergeimpft. Beide Reihen wurden gegen die 6 Immun- 



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Prausnitz u. Pre uss, Rezeptorenapp. d. i. Asciteskult. gezuchtet Typhusbaz. 147 


sera gepruft, a) Versuch 4, b) Versuch 5, Tabelle. Der mit „Ty. 1“ 
angesetzte Versuch mifilang, vyeil die Kultur aus nicht erklarten Griinden 
zu dieser Zeit spoutan agglutinierte. Der mit „Ty. 2“ angesetzte Ver¬ 
such verlief jedoch eindeutig und zeigte folgendes Ergebnis: a) Nach 
1-stund. Schiitteln in Ascites verhalten sich gewohnliche Typhusbazillen 
im allgemeinen nicht anders wie vor dem Schiitteln; sie zeigen dagegen 
nicht eine so hohe Agglutinierbarkeit wie die Ascitestyphuskulturen. 
b) Dagegen bleiben die Ascitestyphuskulturen auch nach 2maliger Ueber- 
itnpfung in gewohnlicher Bouillon anniihernd so hoch agglutinierbar wie 
vor der Ueberimpfung. 

Die immerhin nicht restlose Eindeutigkeit der bisher aufgefiihrten 
Ergebnisse lieB an die Moglichkeit denken, daB die mit Ascitestyphus- 
bouillon gespritzten Kaninchen aufier den Antikorpern gegen Typhus¬ 
bazillen auch solche gegen MenscheneiweiB gebildet hatten. In der Tat 
waren Menscheuprazipitine reichlich vorhanden in den Seren von Kan. 3. 
und 4 (vorbehandelt mit As'citesbouillon-Typhusbazillen), spkrlich in dem 
Serum von Kan. 5 (vorbehandelt mit dem gewaschenen, also menschen- 
eiweiBarmen Sediment von Ascitesbouillon-Typhuskulturen). Die iibrigen 
Sera entliielten keine nachweisbaren Mengen von Menschenprazipitin. 
Urn die storende Wirkung auch kleinster, optisch nicht mehr nachweis- 
barer Menschenprazipitinmengen auszuschlieBen, wurden s&mtliche Sera 
mit Ascites versetzt, 24 Std. im Eisschrank bei Zimmertemperatur stehen 
gelassen und 45 Min. bei 3000 T. zeutrifugiert. Die iiberstehende 
Flussigkeit wurde nochmal in gleicher Weise mit Ascites digeriert und 
zentrifugiert. Trotzdem aus den Seris der groBte Teil ihrer Menschen- 
eiweiBprazipitine entfernt sein muBte, zeigten sie immerhin r'elativ hohe 
agglutinatorische Wirksamkeit gegen Ascitesbouillon-Typhusbazillen und 
Ascitesagar-Typhusbazillen (Versuch 6 und 7, Tabelle). 

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich eine gewisse Sonderstellung 
im antigenen Verhalten der auf asciteshaltigen N&hrboden gezuchteten 
Typhusbazillen; die durch Immunisierung mit ihnen gewonnenen Anti- 
korper wirken intensiver auf die Ascites-Typhusbazillen als auf die in 
gewohnlichen N&hrboden geziichteten Typhusbazillen. Den Beweis, daB 
durch die Ztichtung in Ascitesnahrboden der Rezeptorenapparat der 
Typhusbazillen grundlegend abgeSndert wurde, ergibt endlich der Ca- 
stellanische Absorptionsversuch. Serum von Kaninchen 4 
wird a) mit einem dauernd auf Agar geztichteten Ty. 2, b) mit einem 
auf Ascitesagar gezuchteten Ty. 2 wiederholt abgeskttigt, bis die betref- 
fenden Kulturen nicht mehr agglutiniert werden: nach Absattigung mit 
der Asciteskultur agglutiniert das Serum noch die auf gewohnlichem 
N&hrboden gewachsenen Kulturen, und umgekehrt: 


Serum Kaninchen 4 
abgeaattigt mit 
Ascitesagarkultur 
Agarkultur 


Titergrenze der Agglutination von 
Agarkultur Ascitesagarkultur 

1:12 000 0 

0 1:2500 


Hieraus folgt also, daB im Serum der mit Asciteskulturen vorbe- 
handelten Tiere zwei verschiedene Antikorper vorhanden sind, solche fQr 
die gewohnlichen und solche fur die Ascites-Typhusbazillen; daraus er¬ 
gibt sich weiterhin der SchluB, daB durch die Ztichtung auf As- 
citesnahrbbden der Rezeptorenapparat der Typhusbazillen 
eine tiefgreifenie Aenderung erfahren hat. 

10 * 



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Uentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Tabelle. 


Reziproke Titerwerte der Sera, die gewonnen waren durch Immu- 

nisierung mit: 



Agglutination von 


Impfstoff I 
(Ascitesagar) 1 

Impfstoff II 
(Ascites¬ 
bouillon) 

Impfstoff III 
(impfst. II, ge- 
waschen) 




Kan. 1 

Kan. 2 

Kan. 3 

1 

Kan. 4 

|Kan. 5 

Kan. 6 

Versuch I 

Agarkultur 

Ty. 1 
Ty. 2 

I 

30000 
30 000, 

4 000 
40oq 

60 000 
60000 

4 000 
15 00U 

15 000 
80C0 

4000 

4U0O 

„ II 

Ascitesagar 

Ty. 1 
Ty. 2 

30000 
15 000 

150rq 

30000 

60 000 
60 000 

30000 
30 000 

8000 

15000 

60000 
30 000 

„ III 

Ascitesbouillon 

Ty. 1 
Ty. 2 

240000 240000] 
15 000 24000^ 

240 000 240000 
30 000 120000 

240000 

60000 

240000 
60 000 

„ iv 

Agarkultur, 1 Std. 
mit Ascites ge- 
schiittelt 

Ty. 2 

15 000' 

30000 

15 0C0 

15 000 

15 000 

15 000 

„ V 

Ascitesbouill., 2mal 
in gewohnl.Bouill 
umgeimpft 

Ty. 2 

960000 

960000 

, 

60 COO 

240 000 

30 000 

30 000 

., VI 

Ascitesbouillon 

Ty. 1 

240 000 

60000120 000 

120000 

8 COO 

8000 

Sera 2mal mit 
Ascites vorbe- 
handelt 


Ty. 2 

j 120 000 

; 60 0001 30 000 

30 006 

8000 

15 000 

Versuch VII 

Ascitesagar 

Ty. 1 

240000 

;i20000s00 000 

120000 

120000 

120 000 

Gleiche Sera, 
wie in Vers. VI 

Ty. 2 

6000 

b0„0 

4000 

30000 

|; 300OU 

15 000 


Zusammenfassung. 

1) Durch langerdauernde Ziichtung auf asciteshaltigen Nahrboden 
wird der Rezeptorenapparat der Typhusbazillen verandert. Die Sera 
von Kaninchen, die gegen solche Ascitesbazillen immunisiert wurden, 
agglutinieren diese Bazillen in hoherer Verdunnung als Typhusbazillen 
von ascitesfreien Nahrboden. 

2) Durch den Castellanischen Absorptionsversuch konnen in 
solchen Seren 2 Arten von Agglutininen nebeneinander nachgewiesen 
werden, eines fur die gewohnlichen Typhusbazillen und ein zweites fur 
die Ascitestyphusbazillen. 



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i 



Meifiner, Ueber Bakteriopbagen gegen Choleravibrionen. 


149 


Nachdruck verboten. 

Ueber Bakteriopbagen gegen Choleravibrionen. 

[Aus dem Hygiene-Institut der Universit&t Greifswald (stellv. Direktor: 

Prof. Dr. C. Prausuitz).] 

Von Dr. Gertrud McIBncr, Assistentin am Institut. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Wahrend man gegen eine groBe Zahl von Bakterienarten Bakterio¬ 
pbagen gewonnen hat, ist dies bisher bei Vibrionen, abgesehen von einer 
gelegentlichen Angabe d’Herelles 1 ) (Stuhlfiltrat) undJottens 2 ) (aus 
alter Cholerabouillonkultur) noch nicht einwandfrei gelungen. Das ist 
urn so auifallender, als die Vibrionen wie wenige Bakterien im Pfeiffer- 
sclien Phanomen so leicht aufldsbar sind. Nun ist es aus den Versuchen 
von Bordet und Ciuca 3 ) u. a. bekannt, daB man nach Einspritzung 
von B. coli-Aufschwemmungen in die MeerschweinchenbauchhShle spe- 
zifische Coli-Bakteriophagen im Exsudat nachweisen kann. Hieran 
anknflpfend habe ich auf Anregung von Herrn Professor Prausnitz 
mich bemOht, bei dem mit Choleravibrionen angestellten Pfeifferschen 
Versuch aus dem Exsudat spezifische Cholerabakteriophagen zu ge- 
winnen. 

Zu diesem Zweck wurden Meerschweinchen mit verschieden groBen 
Dosen von Cholera- oder El Torvibrionen-Aufscbwemmungen in Bouillon 
und wechselnden Mengen eines hochwertigen Choleraimmunserums intra- 
peritoneal gespritzt; nach verschiedenen Zeiten wurde das Exsudat ent- 
nommen und in eine mit Cholera- bzw. El Torvibrionen beimpfte Bouillon 
tibertragen: nach 24 Stunden Bebriltung bei 37° wurde die Bouillon 
filtriert; von den Filtraten wurden weitere Passagen nach der typischen 
d’Herelleschen Technik angelegt, gleichzeitig wurden sie im Agar- 
plattenversuch auf bakteriophage Wirkung untersucht. Es erwies sich 
als zweckmaBig, den Meerschweinchen eine reichliche Vibrionendosis, 
aber nur so wenig Immunserum intraperitoneal zu injizieren, daB gerade 
noch eine langsame, nach 1 oder mehreren Stunden abgeschlossene 
Bakteriolyse erfolgte. Bei dieser Technik gelang es fast regelm&Big, 
Vibrionenbakteriophagen zu gewinnen. 

Den 1. Erfolg erzielte ich bei einem Tier, das mit einem Gemisch 
virulenter El Tor- und kaum virulenter Choleravibrionen gespritzt wurde, 
in der Annahme, daB moglicherweise eine gegenseitige Einwirkung der 
beiden Vibrionenarten filr das Zustandekommen des d’Herelleschen 
PhUnomens Bedeutung habeu konnte. In den weiteren Versuchen wurden 
jedoch mit gleich gflnstigem Ergebnis Reinkulturen von der virulenten 
El Torkultur oder der kaum virulenten Cholerakultur Nr. 74 ver- 


1) d’Herelle, Der Bakteriophage und seine Bedeutung fflr die Iraraunitiit. 
Deutach von Pfreimbter, yell u. Pistorius. Braunschweig 1922. S. 79. 

2) Klin. Wochenschr. 1922. S. 2181. 

3) Compt. Rend. Soc. Biol. T. 83. 1920. p. 1293. 



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150 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


wendet. Das Immunserum stammte aus dem Reichsgesundheitsamt und 
hatte einen agglutinierenden Titer 1: 50 000, einen bakteriolytischen Titer 
von etwas fiber 1 mg. 

M.S.G. 44, 190 g, erhiilt am 30. Juli 23 */ 2 Oese El Tor + 1 / i Oese Cholera 74 
+ 1 mg Choleraimmunserum i.p. Nach 2 Std. uur noch Granula im Exsudat, daher 
‘/ 4 Oese El Tor + '/ 4 Oese Cholera 74 nachgespritzt. Nach weiteren 3 Std. noch einige 
bewegliche Vibrionen vorhanden. Jetzt Entnahme des Peritonealexsudata: zu diesem 
Zweck werden 5 ccm Bouillon i.p. eingespritzt und nach leichter Bauchmassage so fort 
wieder aus der Bauchhohle herausgesogen (Tier bleibt am Leben). V T on dieser Exsudat - 
bouillon je 1,5 ccm in je 10 ccm Bouillon, die bis zu leichtester Opaleszenz mit Cholera 74 
bzw. El Tor beimpft war, ubertragen. Keine Klarung. Filtration der beiden Rohrchen 
und Beimpfung neuer Rohrchen mit Cholera 74 bzw. El Tor und je 15 Tropfen der 
betreffenden Filtrate. Von der zweiten Passage an laBt 6ich in der Bouillon ein Bak- 
teriophage gegen El Tor- und Choleravibrionen nachweisen, der auf der Agarplatte 
jedoch zuniichst nur gegen El Tor wirksam ist. — 24 Std. spater nochmalige Entnahme 
des Exsudats: aus diesem laflt sich nach gleicher Technik ein Bakteriophage gewinnen, 
der sowohl in der Bouillon wie auf der Platte gegen beide Vibrionenstamme gut 
wirksam ist. 

M.S.G. 42 , 200 g, erhali am 4. Aug. 23 eine Oese Choleravibrionen 74+1 mg 
Choleraimmunserum i.p. Nach 5 Std. einzelne bewegliche Vibrionen, nach 24 Sta. 
keine Vibrionen; jetzt Entnahme des Exsudats und Uebertragung in Cholerabouillon. 
Von der zweiten Passage an bakteriophage Wirkung des Filtrate (Klarung der Cholera- 
bouillon, Aufhellung der El Tor-Agarplatte). Ebenso wird nach 48 Std. Exsudat ent- 
nommen, das bereits im ersten Filtrat deutlich wirksam ist. 

M.S.G. 3, 370 g, erhalt am 4. Aug. 23 eine Oese El Tor + 1 mg Immunserum i.p. 
Nach 5 Std. wenige bewegliche Vibrionen. Nach 24 Std. Exsudatentnahme und Ueber¬ 
tragung in El Tor-Bouillon. Von der 3. Passage an Aufhellung der Bouillon, in der 
7. Passage auch auf Agar zahlreiche gut ausgebildete Locher. 

Es ist bisher nicht gelungen, Bakteriophagen von hoher Wirk¬ 
sam keit gegen die Vibrionen zu gewinnen. In der Bouillon rufeu 
sie meist nur vollige Klarung in den unteren 2 /s Oder s / t des Rohrchens 
hervor, dariiber befindet sich eine leicht triibe Zone, die gegen die klare 
untere ziemlich scharf abgesetzt ist, das Obertiachenhautchen fehlt ge- 
wohnlich, wahrend die Kontrollrbhrchen gleichmaBige starke Triibung 
und kraftiges Oberflachenhautchen zeigen. In Beptonwasser verhalten 
sich die Vibrionenbakteriophagen entsprechend. Zur Ausfiihrung der 
Passagen wurden jeweils 10 Tropfen Filtrat auf 10 ccm Bouillon uber¬ 
tragen, da bei geringeren Mengen eine Wirkung zuweilen ausblieb. Bei 
Fortfiihrung der Passagen wird eine gewisse Zunahme der Wirksatnkeit 
erzielt, die bis zu vollstandiger Klarung der Bouillon fiihren kann. Der 
hochste Lysinexponent, den ich beobachtete, war 10 4 . Bis jetzt kounten 
35 Passagen hintereinander angelegt werden, ohne daC eine Abschwachung 
der Wirksamkeit beobachtet ware. 

Was die Darstellung der Bakteriophagen auf der Agarplatte an- 
langt, so maclite sie zuerst Schwierigkeiten, da die Lochbildung sehr un- 
regelmaCig auftrat. Erst bei Verweudung eines optimalen Agars (Fleisch- 
wasser austatt Plazentawasser), auf dem ein uppiger Rasen wuchs, traten 
die Locher regelmadig auf. — Die beigegebene Abbildung zeigt solche 
Locher, die zum Unterscbied vom bekannten Bilde der glatten, kreis- 
ruiulen Locher bei Typhus-, Ruhr- und C o 1 i-Bakteriophagen ein sehr 
eigenartiges Aussehen aufweisen: der Rand ist nicht kreisrund, sondern 
vielfach eingebuchtet, und im Zentrum erheben sich zahlreiche Sekund5r- 
knopfe, so daft das Loch keine typische „tache vierge u ist, sondern ein 
wabenartiges Bild bietet. — Eigenartig ist es, dal! gut ausgebildete 
Locher in der Ilegel nur auf der El Torplatte, nicht auf der Cholera- 
platte beobachtet wurden, obgleich ein groller Teil der Bakteriophagen 
in Cholerabouillon fortgepflanzt wurde. Ilierffir fehlt zunachst die Er- 


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Meiflner, Ueber Bakteriophagen gegen Choleraviljrioncn. 


151 


klarung. Im allgeraeinen konnten wir wenigstens eine Andeutung von 
Ibdividuenspezifit&t beobachten, wie sie ja auch bei den Ruhrbakterio- 
pbagen vorkommt: Der durch Tierimpfung rait El Tor -f- Cholera 74 
gewonnene Bakteriophage wirkte auf beide St&mme kr&ftig, der durch 
El Torimpfung gewonnene vorwiegend auf El Tor und schw&cher auf • 
Cholera 74, umgekehrt verhielt sich der durch Impfung mit Cholera 74 
gewonnene Bakteriophage. 

In den Bouillonrohrchen erreicht die Klarung meist ihr Maximum 
nach 12—15 Stunden, nach 17 Std. tritt Sekundartriibung im oberen 
Teil und zuweilen beginnende Hautchenbildung auf. Nach 24 Std. ist 
oft makroskopisch kaum noch ein Unterschied gegenflber der Kontrolle 
nachweisbar. Die kulturelle Priifung ergab das auffallend friihzeitige 
Auftreten von sehr zahlreichen lysoresistenten Keimen; dadurch 
wird die Ablesung in Bouillon wesentlich erschwert, oft sogar unmoglich 
gemacht, da haufig jede Klarung 
fehlt, wahrend auf der Platte, wo die 
normalen Vibrionen durch die lyso¬ 
resistenten nicht so rasch iiberwuchert 
werden, Bakteriophagenwirkung 
durch Lochbildung nachweisbar ist. 

Bei der Fortzuchtung der Bak¬ 
teriophagen, die bisher noch nicht 
gelungen war und auch mir anf&ng- 
lich groBe Schwierigkeiten machte, 
spielt die Reaktion des Nahr- 
bodens eine groBe Rolle. Eine Al- 
kalitat von 7,3 ph erschien mir am 
geeignetsten, wahrend schon bei ge- 
ringerer Alkaleszenz (z. B. p H = 7,1) 
eine erhebliche Abschwachung oder 
sogar vollige Unwirksamkeit des Bak¬ 
teriophagen festzustellen ist. Erst 
seit ich sorgfaitig alkalisierte Nabr- 
boden verwende, habe ich gleich- 
maBige Resultate erhalten. 

In diesen beiden Punkten ist 
wohl einer der Hauptgrunde fur die negativen Ergebnisse aller fruheren 
Forscher (mit Ausnahme des einmaligen Zufallsresultates von d’He- 
relle) zu suchen. 

Da man nach Doerr und Zdan sky 1 ) schwache Bakteriophagen- 
wirkungen am besten im Verdunnungsversuch bei stundenweiser Ab¬ 
lesung erkennt, wurde folgender Versuch (S. 152) angesetzt, der gleich- 
zeitig zur Titerbestimmung diente. 

Gleichzeitig wurden nach dem Verfahren von Pfreimbter, Sell, 
und Pistorius 2 ) sofort nach dem Ansetzen des Versuches sowie nach 
3, 6 und 9 Std. mit je 1 Tropfen aus jedem Rohrchen Platten aus- 
gespatelt und bebrutet mit folgendem Ergebnis: 

Plntten s> o fort ausgespatelt: 1:10, 1:100, 1: 1000, 1 : 10 000 und Kontrolle 
uberall gleichmaSiges Wachatum. 

Nach 3 Std. ausgespatelt: 1:10 groBe Liicher, zum Teil konfluierend. 

1:100 zahlreiche groBe, iaolierte Locher mit Sekundiirkolonien. 



Fig. 1. Cholerabaktcriophagen auf 
Agarplatte (Locher mit zahlreichen Se- 
kundiirkolouien). 8mal vergroBert. 


1) Ztschr. f. Hyg. Bd. 100. 1923. S. 79. 

2) Munch, med. Wo. 1922. S. 495. 


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152 


Oentralbl. f. Bakt. etc. L Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Bakteriophage G 3, Filtrat 7, in fallenden Potenzen von 10 verdiinnt. 



1 

2 

3 

4 

Kontrolle 


10- 1 

10-* 

10- 5 

10-* 

Nach 3 Std. 

fast klar 

fast klar 

etwas triiber 
als 2 

etwas triiber 
als 3 

trube 

tt ^ 

dgl. 

etwas triiber 
als 1 

dgl. 

triiber als 3 

dicke Triibung, 
Hautchen 

ii ^ „ 


dgl. 

V 

triiber als 3, 
zartes Haut- 
chen 

dgl. 

„ 21 „ 

triibe, Haut¬ 
chen 

triibe, Hfiut- 
chen 

triibe, Haut- 
chen 

triibe, Haut- 
chen 

etwas starkere 
Triibung, Hautchen 


1:1000 vereinzelte grofie Locher. 

1:10000 und Kontrolle: keine Locher. 

Nach 6 Std. aueges patel t: 1: 10 steril. 

1:100 ganz sparliche feine Kolonien. 

1:1000 feine Kolonien, zum Teil konfluierend. 

1:10000 und Kontrolle: gleichmafiiger Kasen. 

Nach 9 Std. ausgespatelt: 1:10, 1:100, 1:1000 steril. 1: 10 000 und Kon¬ 
trolle: gleichmafiiger Rasen. 

Flatterformen wurden nicht beobachtet. 

Auch in bezug auf die Hitzebest&ndigkeit zeigt der Cholera- 
bakteriophage ein von den meisten anderen abweichendes Verhalten: er 
ist schon gegen viel geringere Temperaturen sehr empfindlich. V 2 Std. 
bei 50° schwacht seine Wirkung erheblich ab; 7, Std. bei 65° hebt sie 
schon vollst&ndig auf, so dafi es auch nicht durch Zusatz von 1,5 ccm 
Filtrat zu 10 ccm frisch mit Vibrionen beimpfter Bouillon gelingt, ihn 
wieder zu aktivieren. Im Gegensatz zu den bei Ruhr gewonnenen Er- 
gebnissen von Otto, Munter und Winkler 1 ) hat gleichzeitiges Fil- 
trieren keinen deutlichen EinfluB auf die Wirksamkeit des Bakteriophagen. 


Protoko 11. 



• 

0,1 ccm Filtrat 
ausgespatelt mit El Tor- 
Aufschwemmung 

1 Tropfen Filtrat 
auf mit El Tor besate 
Platte getropft 

1) Filtration 

teilweise, konfluierende, 
dichtstehende Locher 

Schwamm 

2) V, 

Std. 40 °, Filtration 

dgl. 

dgl. 

3) l U 

„ 45°, 

sehr viel diehte, isolierte 
Locher 

1) 

4) V, 

5) V, 

50°, 

155 lecher 

lockerer Schwamm 

„ 56°, 

350 

viel isolierte Locher 

6> V, 

56°, „ 

71 „ 

dgl. 

7) 7, 

„ 60°, 

— 

12 Locher 

8) 7, 

„ 60°, „ 

3 ., 

20 „ 

9) Vs 

„ 65 °, 



10) V, 

ii 65 °, „ 

— 

— 


Eine Temperatur von 37° dagegen beeinfluBt auch bei 2 Tage langer 
Einwirkung die Wirksamkeit des Cholerabakteriophagen nicht wesentlich. 

Fiir die Auffassung iiber die Natur des Bakteriophagen wfire es 
von grundlegender Bedeutung gewesen, nachzuweisen, daB — im Sinne 
der Versuche von Bordet und Ciuca 2 ) — durch den Zerfall der 

1) Otto, Munter u. Winkler, Zt.schr. f. Hyg. Bd. 96. 1922. S. 118. 

2) a. a. O. 



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Meifiner, Ueber Bakteriophageu gegen Choleravibrionen. 


153 


Bakterien in der Meerschweinchenbauchhohle eine fermentative Lyse der 
Bakterien in Gang kommt, die dann von einer Generation der Bakterien 
zur anderen fortfiihrbar ware. Bekanntlich hat d’Herelle 1 2 ) in seiner 
Kritik dieser Versuche auf die Moglichkeit hingewiesen, daB schon im 
uormalen Meerschweinchen Bakteriophagen vorhanden waren und daB 
diese durch den Reiz der intraperitonealen Bakterieninjektion in der 
Bauchhohle angereichert werden kdnnten. Allerdings stehen den ver- 
einzelten Beobachtungen d’Herelles ein Reihe negativer, z. B. von 
Gratia*), Otto, Munter und Winkler 3 ) gegeniiber. Ich habe 
daher unbehandelten Meerschweinchen intraperitoneal 5 ccm Bouillon 
eingespritzt und (1) sofort sowie (2) nach 24 Std. das Exsudat ent- 
noinmen; dann wurde 0,005 ccm Choleraimmunserum in 0,5 ccm physiol. 
Kochsalzlosung eingespritzt und (3) nach weiteren 24 Std. wieder Ex¬ 
sudat entnommen. Nun wurden 2 Oesen Choleravibrionen rait 0,001 ccm 
Choleraimmunserum zusammen eingespritzt und (4) 12 Std. danach den 
(inzwischen gestorbenen) Tieren Exsudat entnommen. Die einzelnen 
Exsudate wurden in Vibrionenbouillon tibertragen und nach 24 Std. Be- 
briitung bei 37 0 durch sterile Berkefeld-Kerzen filtriert. Bei 3 von 
4 Tieren erwies sich bereits das Filtrat des 1. oder 2. Ex¬ 
sudat e s als bakteriophag wirksam, bei dem 4. Tier waren 
dagegen alle 4 Exsudate unwirksam: mit anderen Worten, 
es hat sich ganz im Sinne der d’Herelleschen Auffassung 
gezeigt, daB die Meerschweinchen normalerweise Bak¬ 
teriophagen enthalten konnen, und daB nur aus solchen 
Tieren nach der hier angewandten Technik Cholera- 
bakteriophagen zu erzielen sind. 

Entsprechend den Tierversuchen beniUhte ich mich auch, im bak- 
teriolytischen Reagenzglasversuch durch die Einwirkung von Ambozeptor 
und Kompleroent auf Choleravibrionen Bakteriophagen zu gewinnen. Es 
trat dabei zwar ab und zu leichte Aufhellung der Bouillon ein, in einem 
Falle wurden auch einzelne Locher auf der Platte beobachtet, aber eine 
Fortziichtung des lytischen Prinzips ist hierbei noch nicht gelungen. 
Zur Erklarung wird man im AnschluB an die kurz zuvor berichteten 
Ergebnisse annehmen diirfen, daB auch das vom Esel stammende Immun- 
serum Oder das Meerschweinchenkomplement geringe Mengen von Bak¬ 
teriophagen enthalten hat, die aber zur Fortziichtung nicht ausreichten. 
Die Versuche werden fortgesetzt. 

DaB die beschriebenen Versuche als Bakteriophagenwirkung zu deuten 
sind, diirfte durch die Fortfiihrbarkeit des Phanomens der typischen 
Kiarung der Bouillon und der Bildung steriler Locher auf der Agarplatte 
erwiesen sein. Da die Vibrionenbakteriophagen gegeniiber dem Nahr- 
boden sehr empfindlich sind, und da sich sehr schnell lysoresistenle 
Keime bilden, macht ihre Fortziichtung und auch ihre Darstellung — 
besonders in flilssigen Medien — hiiufig Schwierigkeiten 4 ). 

1) Compt. rend. Soc. Biol. T. 86. 1922. p. 464. 

2) Compt. rend. Soc. de Biol. T. 86. 1921. p. 276. 

3) a. a. O. 

4) In einer Veroffentlichung aus letzter Zeit (Compt. rend. Soc. Biol. T. 88. 1923. 
p. 723) berichtet d’Heretle, daB er im Stuhlfdtrat Cholerakranker eine Substanz ge- 
funden habe, die zwar Choleravibrionen auflfist, aber auf der Agarplatte keine 
„Taches vi erges“ hervorruft und nicht inSerie fortziichtbarist. Seiner 
Auffassung, daB es sich hier nicht um Bakteriophagen, sondern um eine fermentartige 
Substanz gehandelt haben muB, wird man nur bedingt zustimmen konnen: Nach meinen 
Rrfahrungen ware es ebensowohl denkbar, daB auch diesen Befunden d’ Herelles die 


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154 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


Von besonderem Interesse erscheint die Feststellung, dafi bei der 
spezifischen Bakteriolyse des Pfeifferschen Versuches Gebilde oder 
Stoffe vora Bakteriophagencharakter auftreten, die anscheinend von vorn- 
herein im Meerschweinchen vorhanden sind und durch den Pfeiffer¬ 
schen Versuch nur angereichert werden. 

Zusammenfassung. 

Nach intraperitonealer Impfung von Meerschweinchen mit einer tod- 
lichen Menge von Cholerakultur und geringen Mengen Choleraimmun- 
serums (inkompletter Pfeifferscher Versuch) wurden aus dem Exsudat 
Bakteriophagen gegen Choleravibrionen gewonnen, die in vielfachen 
Passagen Klarung der Bouillon und Lochbildung auf der Agarplatte 
hervorriefen. Auch ira normalen Meerschweinchen sind Cholerabakterio- 
phagen nachgewiesen worden. 


Nachdruck verboten. 

Die Aminosauren in ihrer Beziehung znr Pigmentbildung 
des Bacillus pyocyaneus. 

[Aus dem Institut fur allgemeine Pathologie der K. Universitat Modena 
(Italien), (Vorstand Prof. E. Centanni).] 

Von Dr. Jos<5 Carra, Assistent. 

Gessard (1) wies bereits darauf bin, dafi der Pyocyaneus drei 
Pigmentarten erzeugt: ein blaugriines, das in Chloroform loslich ist, ein 
griinliches, das in Chloroform und Alkohol unloslich, dagegen in Wasser 
loslich ist, und ein rotbraunes, das anfanglich nicht genau gekennzeichnet 
werden konnte. 

Das weitere Studium dieser Pigmente hat ergeben, besonders dank Bolands (2) 
Untersuchnngen, daS es sich nur uni 2 Pigmente handelt, da das dritte ein Zersetzungs- 
produkt des ersten ist. Es sind demnach 2 Pigmente festgestellt: das Pyocyanin mit 
seiner Ableitung, der Pyoxanthase, und das Fluorescein. 

1) Das Pyocyanin gewinnt man aus Kulturen mit Chloroform [Fordos (3)]; 
es kristallisiert in iangen, blauen Nadeln. Die Chloroformlosung, die mit Baure be- 
handelt wird, besonders mit Salzsiiure, nimmt eine rot-violette Farbung an und wird 
wieder blau, sobald sie alkalisch gemacht wird; die reduzierenden Substanzen ver- 
wandeln sie in ein weifigelbliehes Produkt (Leukobase). Die Losungen in Chloroform 
werden mit der Zeit zuerst griin und daun gelb (Pyoxanthase). Aus den Chloroform- 
losungen lost die Saure 1 :S nur das Pyocyanin, w ah rend Schwefelsaure 1:3 auch das 
Fluorescein lost. 

Beziiglich des Pyocyanin nimmt man an, dafl es von den Bakterien als Leuko¬ 
base gebildet wird und seme typische Farbe erst an der Luft annimmt, da bekanntlich 
die Anaerobenkulturen farblos sind. 

Chemisch untersucht hat diese Substanz Ledderhose (4), der sie 
in Form von Pikrat isolierte und als aromatische Verbindung aus der 
Kategorie des Anthrazen kennzeichnete mit der Grundformel CuHuN.0. 

Wirkung eines allerdings sehr schwachen Bakteriophagen zugrunde lage; auch von 
meinen Cholerabakteriophagen ist namlich eine Anzabl nicht iiber die ersten Gene- 
rationen fortzuchtbar gewesen; das war besonders zu Anfang meiner Yersuche haufig 
der P'all und scheint sich durch Unzuliiuglichkeiten meiner damals geiibten Methodik 
zu erklaren. 


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Carra, Die Aminosauren in ihrer BeziehuDg zur Pigmentbildung usw. 155 


Wird diese SubstaDz verschiedene Male in groBeren Dosen Meerschwein- 
chen und Kaninchen eingespritzt, so bringt sie gar keine Wirkung her- 
vor, woraus zu schlieBen ist, daB sie nicht Ursache der pathogenen 
Wirkung des Reims ist [Legros (5)]. 

2) Pyoxanthase. Aus dem Umstande, daB durch die reduzierenden 
Substanzen das Pyocyanin weiBgelblich wird, und daB beim Altern das- 
selbe sich mehr und mehr vermindert, wfihrend das gelbliche Pigment 
immer mehr zunimmt, hat Boland geschlossen, daB es sich lediglich 
um eine Ableitung des Pyocyanin handelt, was in der Folge von anderen 
Autoren bestatigt wurde; diese Substanz wurde dann Pyoxanthase ge- 
nannt. In Chloroformlosungen an der atmospharischen Luft geht diese 
Umwandlung langsam vor sich; sie erfolgt dagegen schnell, wenn sie 
der Sonne ausgesetzt ist, weil im Chloroform Chlor frei wird, das in 
diesem Falle das Agens der Umwandlung ist. 

3) Das Fluorescein verursacht die grfine Fluoreszenz, ist in 
Wasser loslich, jedoch nicht in Alkohol und Chloroform; es ist keine 
Eigentiimlichkeit des Pyocyaneus, sondern wird auch von verschie- 
denen anderen Bakterien und vornehmlich von dem Fluorescens 
liquefaciens erzeugt. 

Bei der Untersuchung fiber die Entstehung und Art des Pigments 
benutzt man 1) die gewohnlichen Kulturmedien, 2) die synthetischen 
Nahrbfiden. 

Gewohnllche Ntthrbdden. 

Auf den gewohnlichen Nahrboden wurden folgende Ergebnisse erzielt: 

1) Was die stickstofthaltigen Substanzen anbelangt, so erhfilt man 
bei Benfitzung des reinen Peptons und der Gelatine als Kulturmittel 
nur Pyocyanin, doch tritt andererseits auch die fluoreszierende Substanz 
zutage, wenn das Medium aus EiweiB und Fleischbrfihe bestand [Ges- 
sard, Boland und Gazzetti (6)]. 

2) Zum Stpdium der ternfiren Zusammensetzungen wurden ver¬ 
schiedene Zuckerarten probiert, und dabei wurde gefunden, daB einige 
derselben die Pyocyaninbildung nicht zulassen, und zwar teils wegen des 
UebermaBes an Saure, teils aus anderen chemischen Ursachen. Was 
das Glyzerin betrifft, so ergab sich, daB es nicht nur die Bildung von 
Pyocyanin nicht befordert, wie Gessard annahm, sondern dieselbe eher 
verhindert (Boland). 

3) Das Vorhandensein der Luft hat sich als notig erwiesen, weil 
im luftleeren Raume kein Pigment gebildet wird und darin wahrschein- 
lich nur eine Leukobase entsteht. 

4) Bezfiglich der Temperatur ergab sich, daB die ftir die Pigment¬ 
bildung in den verschiedenen Chromogenen einschlieBlich des Pyocyanin 
gfinstigste Temperatur niedriger ist als die, welche das Waehstum am 
besten ffirdert [Sulima (7)], und in der Tat entsteht die Farbe weniger 
schnell im Thermostaten als nachher an der atmospharischen Luft. 

5) Das Vorhandensein farbloser Rassen wurde festgestellt und ihre 
Umwandlung in den Kulturen und an Tieren studiert [Verderame (8)]. 

6) Bezfiglich der Assoziation mit anderen Bakterien haben Mfih- 
sam und Schimmelbusch (9) gefunden, daB der Pyocyaneus zu- 
sammen mit dem Streptococcus und dem Anthraxbacillus kein 
Pigment bildet. 

7) Durch das Serum immunisierter Tiere wird die Farbbildung ver¬ 
hindert [Georghiewski (10j]. 


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Synthctischc NShrbJJdcn. 

Die Versuche mit diesen wurden begonnen, nachdem Uschinski 
diese Mittel beschrieben hatte. Kuntze (11), der Versuche mit Ab- 
anderung der U schin ski-Fliissigkeit anstellte, erhielt beim Bacillus 
prodigiosus mit Asparagin eine bessere Farbe als mit Laktat und 
Weinsteinsaure yon Ammonium, und sowohl Ammoniumnitrat wie auch 
Harnstoff gaben keine Farbbildung; fur Asparagin und Ammoniumlaktat 
miissen jedoch zwei Bedingungen gegeben sein: Vorhandensein von Glu- 
kose und Magnesiumschwefelsaure. Nosske (12) hat die Magnesium- 
schwefelsSure als solche Oder in Form anderer Verbindungen jedes der 
beiden Elemente fur den Pyocyaneus als unentbehrlich erkannt. 
Kuntze bestatigte das und konstatiert, daB Magnesium nicht durch 
Karbonat von Kalzium, Strontium, Barium, Lithium, Sodium und Kalium 
ersetzt werden kann. Aubel (13) fand, daB Schwefel nicht durch Selen 
ersetzt werden kann, ebensowenig wie Arsenik an die Stelle von Phos¬ 
phor treten konnte, Oder Kalzium, Strontium und Vanadium das Mag¬ 
nesium ersetzen konnen, wogegen Kalium durch Iridium oder Casium 
•ersetzt werden kann. Notig ist das Vorhandensein von Phosphor, be- 
sonders in Form von Natriuinphosphat [Gessard, Thumm, Jordan, 
Seixas Palma (14)]. 

Untersuchungen iiber den Austausch von Indol und Tryptophan 
haben Herzfeld und Klinger (15) angestellt, die zu folgenden 
Schlussen gelangten: Die indolpositiven Bazillen, wieColi, Cholera, 
Pyocyaneus haben die Fahigkeit, das Tryptophan zu zersetzen; diese 
Zersetzung bewirken aber auch die indolnegativen, wie Typhi, Para¬ 
typhi und Diphtheriae, die jedoch das Indol auch konsumieren. Un- 
fahig zu dieser Verwertung des Indols sind die indolpositiven im eigent- 
lichen Sinne und auch verschiedene indolnegative. Der Verbrauch an 
Tryptophan ist geringer, wenn der Nahrboden „andere Bausteine“ (auf- 
bauende Elemente = Aminosauren) enthalt, wie das im Nahrboden mit 
Pepton der Fall ist. Die stark proteolytischen Keime, wie Coli- 
Bazillus, Proteus und Pyocyaneus, losen ihrerseits das Tryptophan 
von den Proteinen, so daB eine Zunahme der ursprunglich hinzugefiigten 
Tryptophanmenge konstatiert werden kann; der Staphylococcus ver- 
ursacht nur eiu geringes Anwachsen, wahrend andere, wie Typhus und 
Paratyphus, immer eine Vermiuderung bewirken (der Verbrauch uber- 
steigt deshalb die Produktion). 

Aubel hat am eingehendsten den EinfluB der synthetischen Mittel 
auf das Wachstum und die Farbe des Pyocyaneus studiert. Er hat 
einen Nahrboden aus 5 g Asparagin, 1 g Magnesiumschwefelsaure, 2 g 
Monokaliuniphosphat und 1000 g Wasser hergestellt und untersucht, 
welche Veranderungen sich ergaben, sobald die Elemente variiert und 
andere eingefiihrt wurden. 

Beziiglich der Entwicklung hat er dabei folgendes festgestellt: 

1) Ersetzt man das Asparagin durch einige Aminosauren, so ist das Ergebnis 
ebenfalls giinstig bei Asparticsaure, Alanin und Glutaminsaure; als weniger gunstig er- 
■weisen sich Cystin und Tyrosin, wahrend man bei Glykokol und Leuzin gar keine 
Entwicklung beobachtet. — 2) Ersetzt man sie durch die Amine (Mono-, Di-, Tri- 
inethylamin, Mouoathylnmin, Propylamin) und durth die Amide (Acetamid, Propinamid 
und Harnstoff), so ergibt sich, daB sie nicht fahig sind, biauchbaren Btickstoff zu 
liefern; Harnstoff belordert die Entwicklung etwas, wenn man Zucker beifiigt. — 
3) Ersatz durch die Ammoniakverbindungen ergibt, daB Ammoniumsukzinat una Ana- 
moniumzitrat fiir sich allein geniigen; selzt man Zucker hinzu, so erweisen sich alle 
ammoniakbaltigen Baize der organischen Bauren wie: Formiat, Azetat, Laktat, Tarlarat, 
Butyrat, apfelsaures Salz und einige der unorganischen schwefel- und chlorsauren Salze 


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Oarra, Die Aminosauren in ihrer BeziehuDg zur Pigmentbildung uew. 157 


als ausreichend. — 4) Bei Einfiihrung ternarer Verbindungen wnrde beobachtet, dafi 
ein stickstoffhaltiges Element, wie das Glykokoll, das in obigem Nahrboden nicht assimi- 
lierbar ist, assimiliert werden kann, sobald Zucker vorhanden ist. Wenn eine Amino- 
saure nicbt als Stickstoffquelle dienen kann, so kann sie ebensowenig als Kohlenstoff- 
quelle beniitzt werden. Durch Hinzufiigung von Glyzerin zum Asparagin wird die 
Aesimilation dee Stickstoffs beschleunigt. 

Beziiglieh der BiJdung des Pyocyanin hatAubel festgeetellt: 1) Die Aminosauren 
Alanin, Tyrosin, Glutaminsaure lassen Pigmentbildung zu, aber nicht das Glykokoll. 
Von den beiden Arten der Asparticsaure, der linken und der inaktiven, liefert nur die 
linke Pigment, nicbt aber die inaktive; hierbei ist jedoch zu bemerken, daB aus dem 
eich zersetzenden Asparagin eine inaktive Saure entsleht. — 2) Die ammoniakhaltigen 
Salze geben Pigment mit dem groSten Teil der organischen Sauren (Zitrate, Laktate); 
Formiat liefert kein Pigment; bei Ammoniumechwefelsaure und Ammoniumcbloriir 
ist die Pigmentbildung unbestandig; mit den Nitraten erhalt man nur das griine, 
fluoreezierende Pigment. — 3) Die Sauren und Alkohol,verhindern die Pigmentbildung 
nicbt, wenn ihre Dosie nicht die Grenze erreicht, bei welcher Entwicklung nicht mehr 
zugelassen wird. Hinzufiigung von Glukose stort die Bildung des Pvocyanins, doch 
ist dies nicht der Saure zuzuschreiben, weil sie unter der hierlur erforderlichen Grenze 
bleibt. Auch Saccharose und Mannit (15 Proz.) verhindern die Pigmentbildung, wenn 
sie auch kerne Sauren erzeugen. 


Expcrimentellcr Teil. 

In einer Reihe von Untersuchungen, die ich fiber die Verwertung 
der Aminosfiuren seitens der Bakterien vorgenommen habe, um deren 
Biologie zu illustrieren und dieselben eventuell als diagnostisches Kul- 
turmittel zu benfitzen, konnte ich bei meinen Experimenten am Pyo- 
cyaneus Beobachtungen machen, welche unsere Kenntnisse fiber die 
Vorbedingungen der Pigmentbildung vertiefen. 

Als Kulturmittel benutzte ich die Uschinskische Flfissigkeit, in 
welcher ich als Stickstoffquelle an Stclle des Asparagins und des Am- 
moniumlaktats folgende Aminosauren setzte: Alanin, Glykokoll, Leuzin, 
Tyrosin, Tryptophan (Merck und Kahlbaum), im Verhaltnis von 
0,44 Proz., die dem Asparagin selbst entspricht. 

Bei der Untersuchung der Wirkungen auf die Vermehrungsfahigkeit 
und die Farbbildung wurden folgende Resultate erhalten: 


'Asparagin 

Alanin Glykokoll 

| Leuzin 

Tyrosin 

Tryptophan 

Entwicklung 
i l. YVoche 

|j i?" ” 

>» 

+ 

blau + 

.» + + 
griin + 
gelb 

+ + ++ 
blau + + + 

» + + + + 
» + + 
gelb, etwas 
griin lich 

+ + + 
blau -f 

11 + + + 

blaugriin + + 
gelb, etwas 
griin lich 

+ + 

keinPigm. 

If If 

v n 

n * 

| 

+ + + + + I 

blau + 

B + + + | 

„ + + 
gelb 

++++++ 
kein Pigm. 

n n 

n n 

If V 


Die Tabelle zeigt zunachst, d a B die Pigmentbildung mit der 
Ueppigkeit des Wachstums nicht Schritt halt; beim Trypto¬ 
phan z. B. erfolgt trotz fippigsten Wachstums nie Farbproduktion, und 
auch beim Leuzin, bei dem die Entwicklung weniger intensiv ist, kann 
man keine Spur von Farbe feststellen. 

Unter den Substanzen, die sich fiir die Pigmentbildung eignen, steht 
an 1. Stelle das Alanin, welches Pigment in grfiBter Menge 
liefert, und bei dem die Farbe am dauerndstenist; Tyrosin 
und Glykokoll geben im Anfang eine weniger kraflige Entwicklung. die 
sparer aber zunimmt, ohne jedoch die des Alauins zu erreichen. Was 
die Umwandlung des Pyocyanins in Pyoxanthase betriflt, so dauert diese 
am langsten beim Alanin und ist erst nach 8 Wochen beendet; ein Urn- 


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stand, der sicher seine Begriindung in dem Ueberflusse findet, mit dem 
die Muttersubstanz produziert worden ist. 

In einem entsprechenden Zeitraume vollzieht das Glykokoll dieselbe 
Umwandlung, aber die griine Farbe erscheint darin ein wenig frflher, 
bereits in der 5. Woche. Im Asparagin und Glykokoll ist das Pigment 
geringer, und seine vollkommene Umwandlung in Pyoxanthase erfolgt 
schneller. 

Mittels Chloroforms habe ich aus der Alaninkulturdas Pyocyanin ge- 
wonnen, und durch die Behandlung der Chloroformlosiing mit SalzsSure 
erhielt ich die typische Umwandlung in Granatrot. Im w£sserigen Teil 
blieb das gelbe Pigment aufgelost; es ist auch vorhanden, wenn die 
blaue FSrbung sehr intensiv ist, und wird von dieser verdeckt. Es 
bilden sich also bei den von mir angewandten Kulturmitteln beide Arten 
von Pigment. 


Chcmlsche Bcschaffenheit. 

Das Alaninmolekiil erscheint am geeignetsten fiir die Bildung des 
Pyozyaninmolekiils, dann kommen der Reilie nach Tyrosin, Glykokoll und 
Asparagin. Die Annahme, daB jede Aminosaure, die Alanin enthSlt, das 
fur die Pigmentbildung geeignetste Mittel darstellt, scheint durch das 
Tyrosin bestatigt zu werden, denn, wie vermutet, wird yon diesem das 
Alanin, welches einen Teil seines Molekfils bildet, verwertet: 

OH 


ch 3 

1 

HC ^CH 

1 !i 

HC CH 

C 

\ 

HC C-C-CH, 

1 |] i 

CH-NH, 

| 

\/ 

c 

1 1 

HC C CH CH-NH, 

COOH 

1 

CH, 

| 

C N 7 COOH 

H H 

Alanin 

CH-NH, 

1 

j 

Tryptophan 


COOH 

•Tyrosin 



Im Gegensatz dazu steht jedoch das Verhalten des Tryptophans, 
welches, obwohl es eine Seitenkette Alanin enthalt, durchaus kein Pig¬ 
ment liefert. Hier liegt der Gedanke nahe, daB entweder das Alanin 
durch die besondere Verbindung mit dem Benzol-Pyrrolring nicht zer- 
setzt und als solches verbraucht werden kann, oder aber es wird zer- 
setzt, und der Rest des Molekiils, also das Indol, verhindert das Er- 
scheinen der Farbe. Aus diesem Grunde habe ich folgendes Experiment 
gemacht: 

In 3 Serien von Untersuchungen mit U schi n ski scher Flussigkeit 
habe ich als ausschlieBliche Stickstoffquelle eingefiihrt in die 1. Indol, 
in die 2. Alanin und in die 3. Indol und Alanin, die beiden letzten im 
beiderseitigen Verhaltnis zum Molekulargewicht, in dem sie im Trypto¬ 
phan enthalten sind. Ich habe nun beobachtet, daB im Indol nicht allein 



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Lauda, Histopathologic der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. 159 

keine Farbbildung, sondern dafi auch die Entwicklung ganz unbedeutend 
ist, und daB in der Verbindung Alanin-Indol die Vermehrung viel sp&r- 
licher ist, als im Alanin allein. 

Es ist deshalb anzunehmen, daB vom Pyocyaneus das Trypto¬ 
phan als solches verwertet wird, denn wenn dessen Spaltung erfolgte, 
wurde nicht die gerade in dieser Aminosaure auBerordentlich flppige 
Entwicklung eintreten. Daraus ist zu folgern, daB in dieser Zusammen- 
setzung von Alanin (Tryptophan) die Farbbildung ausbleibt, weil das 
Alanin nicht als solches verwertet wird. 

Die Annahme Ledderhoses, das Pigment des Pyocyaneus 
gehore zur aromatischen Reihe, wird nicht durch die Beobachtung be- 
statigt, daB seine grofite Entwicklung durch das Alanin erfolgt, wahrend 
es sptLrlicher ist ira Tyrosin, welches parallel mit dem Glykokoll geht, 
und im Tryptophan iiberhaupt fehlt: Tyrosin und Tryptophan, in denen 
die hauptsSchlichen zyklischen Kerne des Proteinmolekiils enthalten sind. 
Andererseits kann man auch nicht annehmen, daB 2 Molekflle des Ala- 
nins sich vereinigen, um den Benzolring zu bilden, weil ein solcher 
Vorgang mit dem Leuzin leichter ware, welches dagegen durchaus kein 
Pigment entwickelt. 

Diese Frage ist jedenfalls durch direkte chemische Analyse zu losen, 
da die Mbglichkeit nicht auszuschlieBen ist, daB die zyklischen Kerne 
ihre Bildung besonderen Reaktionen verdanken. 

Literatur. 

1) Gessard, Maladie pyocyanique. [Th&se ] 1882. Paris 1889. — 2) Boland, 
Leber Pyocyanin, den blauen Farbstoff des Bacillus pyocyaneus. (Gentralbl. f. 
Bakt. Abt. 1. Bd. 25. 1899.) — 3) Fordos, Compt. rend. Acad. Sc. Paris. 1860. — 
4) Ledderhose, Ueber den blauen Eiter. (Dtsch. Ztschr. f. Chirurg. Bd. 28. 1888; 
Gentralbl. f. Bakt. Bd. 3. 1888. S. 581.) — 5) Legros, Sem. m&i. 1900. Nr. 46. — 
6) Gazzetti, Gentralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 60. 1911. S. 5N8. — 7) Sulima, 
ebenda. Bd. 48. S. 320. — 8) Verderame, ebendd. Bd. 58. 1911. 8 . 302. — 9) 
MOhsam und Sc h i m mel b u sch, Arch. f. Chir. Bd. 46. — 10) Gheorghiewsk i, 
Ann. de l’Inst. Past. T. 13. 1899. p. 298. — 11) Kuutze, W., Ein Beitrag zur Kennt- 
uis der Bedingungen der Farbstolfbildung des Bacillus prodigiosus. (Ztschr. 
f. Hyg. Bd. 34. 1900. S. 169. — 12) Ndsske, H., Ueber die Bedingungen der Farb- 
stoffbildung des Bacillus pyocyaneus. (Beitr. z. klin. Chir. Bd. 18. 1897.) — 13) 
Aubel, Action du pyocyanique sur l’asparagine. (Compt. rend. Ac. d. Sc. Paris. 
T. 173. 1921. p. 179; Kecherches biochimiques sur la nutrition du B. pyocyanique. 
Caen et Paris (Lanier) 1921.)— 14) Seixas, Palma, Die Farbstoffe des Pvocyaneus- 
bacillns. (Gentralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 43. 1907. S. 417.) — 15) iderzfeld 
u. Klinger, Quantitative Untersuchungen iiber den Indol- und Tryptophanumsatz 
der Baktenen. (Ebenda. Bd. 76. 1915. S. 1.) 


Nachdruck verboten. 

Zur Histopathologie der herpetischen Meningoencephalitis 

des Kaninchens. 

[Aus tier II. med. Universitatsklinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. 

Dr. N. Ortner).] 

Von Dr. Ernst Landa. 

Mil 2 Tafeln. 

Luger und ich haben anlSBlich unserer experimentellen Studieu 
fiber Herpes in einigen Fallen alle Organe der unter Allgeineinerschei- 
nungen zugrunde gegangenen Kaninchen histologisch untersucht und 


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hatten dabei negative Oder nicht verwertbare Resultate, wie wir seinerzeit 
mitgeteilt haben. Dies stand mit den Publikationen anderer Autoren 
(Berger, Doeri* und Berger, da Fa no, Jakob, Levaditi, 
Harvier und Nicolau, Salmann, Z dan sky) in Widerspruch, die 
anscheinend nach herpetischer Infektion regelmaBig encepbalitische Ver- 
Snderungen im Zentralnervensystem nachweisen konnten, wenigstens 
erwfihnen sie keine negativen Befunde. Ich habe daher das noch von 
den gemeinsam mit Luger durchgeffihrten Untersuchungen stammende 
Material, welches durch einige Versuche ergfinzt wurde, einer eingehen- 
den Untersuchung unterzogen. Ueber das Resultat derselben soil hier 
berichtet werden. 

Unter den mit Herpes infizierten Tieren fanden sich solche, welche 
mit Herpes febrilis Oder mit Herpes genitalis geimpft waren. Diese 
sollen gesondert besprochen werden. 

Was die Technik der Untersuchung anlangt, so wurde Gehirn und Riickemuark 
in moglichst frischem Zustande in Formalin, M u 1 ler-Formol oder in Alkohol fixiert. 
in Paraffin eingebeitet und in 2—4 p dicke Schnitte zerlegt. Diese wurden mit Ham- 
alaun-Eosin und Giemsa-Farbstoff und zwecks Studiums der spater zu besprechenden 
Zell- und Kemveriinderungen gegebeneufalls nach Nissl, Biondi, Mann in der 
Lentzschen Modifikation und mit H eiden hai n - EisenhSmatoxylin gefiirbt. 

Es gelangten die Gehirne von 18 Kaninchen, welche mit Herpes 
febrilis-Virus geimpft waren, zur Untersuchung. 13 von diesen waren 
unter sicher beobachteten schweren Allgemeinerscheinungen zugrunde 
gegangen, die restlichen 5 mit fraglichen Erscheinungen; diese sollen 
anhangsweise erwfihnt werden. 

Unter den 13 Tieren mit sichereu Allgemeinerscheinungen boten 
nur 5 histologisch schwere encephalitische Veranderungen, bei 6 konnten 
nur sehr geringgradige Veranderungen, bei 2 fast keine nachgewiesen 
werden. Auf die Beziehungen von Inkubation, Dauer und Art der All¬ 
gemeinerscheinungen zum histologischen Befunde wird spater einge- 
gaugen. 

Die histologischen Verfinderungen bei den 5 genannten Tieren be- 
standen in Folgendem: 

Es fanden sich regelmaBig perivaskulare Infiltrate. Deren Lokali- 
sation im Gehirn ist eine verschiedene; im allgemeinen handelt es sich 
um herdformig in einem kleinen GefaBbezirk angeordnete Infiltrate, die 
bald im GroBhirn, bald im Hirnstamm, bald im Mittelhirn oder ver- 
langerten Mark ihren Sitz haben und die nur seltener — bei den unter- 
suchten Fallen nur lmal — gleichmaBig fiber das ganze Gehirn verteilt 
sind. Im allgemeinen kann man sagen, daB die perivaskularen Infiltrate 
in reichlicherer Anzahl an der Hirnoberfiache und zwar meist am dich- 
testen an der Hirnbasis gefunden werden, insbesondere um kleine 
RindengefaBe, die sich von den weichen Hirnhauten in der Rinde ein- 
senken, wenn dort gleichzeitig eine Meningitis besteht. Ob hierbei die 
Meningitis oder die perivaskularen Infiltrate der von den Meningen ab- 
gehenden GefaBe das Primare ist, laBt sich nicht gut entscheideni In 
der Umgebung der entzfindlich veranderten Meningen fanden sich die 
perivaskularen Infiltrate also in reichlicherer Zahl; sie konnten aber 
auch in solchen Hirnabschnitten, z. B. im Hirnstamm, nachgewiesen 
werden, wo ein Zusammenhang mit den Meningen auszuschlieBen ist. 
Die Infiltrate sind von verschiedener Miiehtigkeit, bald handelt es sich 
nur um wenige Zellen, welche dem GefaB anliegen, bald um einen dicliteu 
Mantel von mehreren Zellagen. Die Infiltrate setzen sich zumeist aus 



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Lauda, Histopathologic der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. J(JJ 


lymphozytaren Zellen, Plasmazellen und grbBeren protoplasmareichen 
Zellen mit groBem runden leicht gebuchteten Kern zusammen. Es 
konnte gelegentlich eine lymphozytare Zelle in der GefaBwand selbst, 
einmal eine Teilungsfigur einer Iufiltratzelle nachgewiesen werden, Be- 
funde, welche mit der heute meist vertretenen Anschauung in Einklang 
stehen, daB die lymphozytaren Infiltratzellen zum Teil emigrierte Lympho- 
zyten, zum Teil histogene lymphozytare Zellen, zum Teil an Ort und 
Stelle sich durch Zellteilung vermehrende Elemente darstellen. Im 
flbrigen fand aber die Frage nacli dem Wesen und der Herkunft der 
Infiltratzellen in dieser Arbeit keine eingebende Wtirdigung. Die Zellen 
mit den gebuchteten Kernen konnen leukozytenfihnlich sein; eclite Leuko- 
zyten wurden in den Infiltraten nur selten angetroffen. 

AuBer den perivaskuliiren Infiltraten fanden sich auch Infiltrate im 
Parenchym. DaB diese tatsSchlich keinen Zusammenhang mit den Ge- 
fSBen haben, beweisen Serienschnitte. Sie fanden sich in geringer An- 
zahl, in geringerer als man bei Durchmusterung eines PrSparales oft 
anzunehmen geneigt ware; denn perivaskuiare Infiltrate, die eben nur 
tangential getroffen sind, konnen den Eindruck von parenchymatbsen 
Infiltraten hervorrufen. Eine bestimmte Lokalisation oder eine Pradi- 
lektionsstelle konnten fflr diese Infiltrate nicht gefunden werden, auch 
sie setzen sich aus den fruher beschriebenen Zellen zusammen. 

In 4 von den 5 in Rede stehenden Fallen fand sich eine Meningitis. 
Nur in einem dieser Faile war die Infiltration der Meningen eine diffuse. 
Die Lokalisation der herdformigen Meningitis scheint, wie oben ange- 
deutet, haufig von der Lokalisation der encephalitischen Rindeninfiltrate 
abhangig zu sein, ist aber auch manchmal selbstandig. Sie er- 
reichten in den untersuchten Fallen nur an vereinzelten Stellcn hohere 
Grade. Es handelt sich regelmaBig urn eine lymphozytare Infiltration, 
vereinzelte Leukozyten fanden sich inmitten der lymphozytaren Zellen 
nnr einmal. 

Besonderes Interesse habe ich Ganglien- und Gliazellenverande- 
rungen zugewendet, die ich in einem der 5 Faile zu beobachten Ge- 
legenheit hatte und die ich gemeinsam mit Luger bereits seinerzeit 1 ) 
mitgeteilt habe. Wir haben darauf hingewiesen, daB die Veranderung 
am Kern im Mittelpunkt dieser pathologischen Zellveranderungen liegt, 
daB es sich um die gleiche Kernveianderung handelt, wie sie Lipschtitz 
und Luger und ich nach Impfung der Kaninchenkornea mit Herpes 
febrilis in den Ilornhautepithelzellen beschrieben haben. Ich kbnnte hin- 
sichtlich der Beschreibung der Veranderung auf unsere seinerzeitigen 
Publikationen hinweisen. Da sich jedoch sclion deshalb kleine Diffe- 
renzen ergeben, weil es sich hier um Glia- und Ganglienzellen, dort um 
Kornealepithelzellen handelt und da ferner das genaue Studium der 
Glia- und Ganglienzellen doch einiges Neue aufgedeckt hat, was fur die 
Auffassung der Kernveranderung nicht ohne Belang scheint, und weil 
endlich das Verhalten des Nucleolus hier genauer studiert werden konnte, 
will ich diese Veranderungen nochmals schildern. 

Eine allgeineine Blahung der Zelle, an der Kern und Plasma gleich- 
maBig teilnehmen, leitet die Veranderung ein. Die Ganglienzelle zeigt 
gleichzeitig Chromolyse, die Nissl-Struktur ist erst verwischt, geht 
dann verloren; ob diese Tigrolyse mehr an der Peripheiie oder rnchr 
zentral beginnt, konnte ich nicht unterscheiden. An eiuigen Stellen, 


1) Sitzungsber. d. Ges. f. Inn. Med. u. Kindcrheilk. v. 14. Dez. 1922. 
£r*«r Abt. Ong. Bd 91. Ileft 3.4. 11 


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insbesondere dort, wo sich Ganglienzelle an Ganglienzelle reiht, z. B. 
im Ammonshorn, kann man beobachten, wie sich die Zellen infolge 
ihrer Blahung und ihrer Tendenz, eine kugelige Gestalt anzunehmen, 
aus ihrem gegenseitigen Kontakt losen und in Durcheinander geraten. 
ein Bild, das dem vergleichbar ist, wie es Unna bei der ballonicrenden 
Degeneration gezeigt hat. An der Blahung des Kerns nimmt haufig 
auch der Nucleolus Anteil, er verliert hierbei haufig seine rundliche Ge¬ 
stalt, er erscheint verzogen, wurstartig, meist homogen, seltener fein 
vakuolisiert. Er liegt normalerweise im Zentrum des Kerns, mit zu- 
nehmender Degeneration riickt er an die Peripherie. In diesem ersten 
Stadium der Zellveranderung ist die Verteilung des Chromatins im Kern 
noch eine gleichmallige. 

Gleichzeitig mit zunehmender Homogenisierung des Protoplasmas 
kommt es nun zu der erwahnten Veranderung im Kern. Dieser zeigt 
nicht mehr die normale netzige Struktur des Basichromatins, sondern 
die Maschen desselben erscheinen vielmehr stellenweise weiter und lassen 
zwischen sich ein oder mehrere oxyphile Partikel erkennen, welche mit 
fortschreitender Veranderung groBer werden und zusammenflieBen konnen. 
Man kann alle Stadien beobachten: Mehrere kleine oxychromatische Ge- 
bilde in dem sonst noch ziemlich intakten Kern oder 2-3 groBere oxy¬ 
chromatische Schollen, die durch einige Basichromatinstrange vonein- 
ander getrennt sind, endlich groBe Massen, die das Basichromatin 
scheinbar vollstandig verdrangt haben. Dieser zentrale Kerninhalt fQllt 
den Kern meist vollstandig aus, ist jedoch manchmal, insbesondere in 
leicht geschrumpften Partien, von diesem etwas retrahiert, ein freier Hof 
trennt ihn dann von der Kernmembrau, alles Befunde, die wir auch 
seinerzeit in der Kornea erheben konnten. Aber auch in sehr gat 
fixierten Partien kann man ahuliche Bilder beobachten. Luger und 
ich haben bei der Beschreibung dieser Kern veranderung im Korneal- 
epithel schon darauf hingewiesen, daB diese Retraktion der zentralen 
Masse von der Ivernmembran in vivo vorkonnnen kann und nicht un- 
bedingt von der mangelhaften Fixation abhangig ist, da wir sie in ab- 
geschabtem Kornealepithel im Nativpraparat zur Ansicht bringen konnten. 
Diese zentralen Kernmassen sind homogen, manchmal leicht krumelig. 
Gelegentlich war sie in den Ganglienzellen auch fein gleichformig gra- 
nuliert. Ich konnte Bilder beobachten, die den Abbildungen der Ele- 
mentarkorperchen von Lipschiitz bei Beschreibung der gleichen Kern- 
veranderungen beim H. zoster sehr ahnlich waren, doch konnte ich auch 
bei H ei d e n ha in - Farbung niemals den Eindruck gewinnen, daB es 
sich hier um kleine abgeschlossene selbstandige Korperchen handeln 
wiirde, die Eleinentarkorperchen entsprechen konnten. Die haufigste 
der beobachteten Kernveranderungen war die, bei der der Kern von 
einer homogenen Masse vollstandig ausgefullt war. Diese Form der 
Kernveranderung erweckt keineswegs den Eindruck, daB man es in den 
zentralen Gebilden im Kern mit einern scharf konturierten, selbstandigen 
und in sich abgeschlossenen lvorper zu tun hat; es scheint sich bei 
diesen Gebilden vielmehr um eine plastische Masse zu handeln, die die 
basichromatinfreien Kernteile, eventuell das ganze Kerninnere ausfQllt. 
Jene Zackenbildungen, mit denen diese Zentralmasse mit der Kern- 
membran zusanunenhangen kann, wie es Luger und ich im Korneal¬ 
epithel beschrieben haben, kamen hier, wahrscheinlich wegen der besseren 
Fixation, nicht zur Beobachtung. Es soil aber nicht geleugnet werden, 
daB auch hier scharf umschriebene groBere und kleinere Gebilde im 



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Lauda, Histopathologie der herpet. Meningoencephalitis des Kanincheus. 163 


Kern, wenn auch seltener, gesehen wurden. Die Dichte des Kern- 
binnenkorpers ist eine sehr verschiedene; seltener handelt es sich nur 
am eine sich oxychromatisch ffirbende wolkige TrQbung des Kerninneren, 
meist urn eine kompakte Masse. Das Basichromatin des Kerns rfickt 
an die Kernperipherie. Bei entsprecbender Einstellung mit der Mikro- 
meterschraube kann man haufig die mit Basichromatinschollen dicht 
besetzte Kernmembran zur Ansicht gelangen lassen. Es handelt sich 
also um eine karyorrhektische Umwandlung des Kerns. Das Basichro¬ 
matin ist in dem Stadium, wo das Kerninnere von der oxychromatischen 
Kernbinnenmasse erfiillt ist, entweder uber die ganze Kernmembran 
gleichmaBig verteilt oder aber stellenweise an dieser in dichteren Klfirnp- 
chen, welche in das Innere des Kerns leicht vorspringen, gelagert. Die 
Kernmembran erscheint durch diese Anlagerungen verdickt und erweist 
sich manchmal, wie auch im Kornealepithel, leicht zerknittert. Es 
scheint, dafi die Gesamtmasse an Basichromatin im Kern in den End- 
stadien dieser Zellveranderungen reduziert ist, und man muB wohl an- 
nehmen, daB dies darauf zurfickzuffihren ist, daB sich das Basichromatin 
zum Teil farberisch umstellt und mit dem oxychromatischen Binnen¬ 
korper verschmilzt. 

Die Blahung, gelegentliche Vakuolisierung und Deformierung des 
Nucleolus wurde frfiher schon erwahnt, auch des Umstandes wurde 
schon gedacht, daB das Kernkfirperchen gegen die Peripherie des Kerns 
rfickt. Man findet es dann hier und da der Kernmembran dicht an- 
gelagert, wobei es die oxychromatische Binnenmasse eindellen kann. 
In vielen Ganglienzellen, die diese beschriebene Kernveranderung im 
vorgeschrittenen Stadium zeigen, wurde der Nucleolus vermiBt, es dfirfte 
dies darauf zurfickzuffihren sein, daB vielleicht auch der Nucleolus sich 
am Aufbau des Kernbinnenkorpers beteiligt, daB der degenerierte Nu¬ 
cleolus in der oxychromatischen Masse des Kerns untergeht. Es mufi 
schlieBlich betont werden, daB im Kern Gebilde gefunden werden konnen, 
bei denen, besonders in Hamalaun-EosinprSparaten, die Entscheidung, 
ob es sich um geblahte Nukleolen oder um kleine oxychromatische Binnen- 
massen im obigen Sinne handelt, sehr schwer oder sogar unmoglich 
sein kann. 

Was das farberische Verhalten der oxychromatischen Substanz an- 
langt, so verhfilt es sich in den Ganglien- und Gliazellen ebenso, wie 
ich es mit Luger in der Kaninchenkornea beschrieben habe. Bei 
Hamalaun-Eosinfarbung ist der Binnenkorper rot. die Kernmembran mit 
dem Basichromatin schwarzblau. Bei Giemsa-Farbung ist der Binnen¬ 
korper rot, das Basichromatin blau; hier hfingt die Ffirbung des Binnen- 
korpers wohl wesentlich von der Differenzierung ab. Es gelingt — 
entsprechend dem amphophilen Verhalten aller Zellbestandteile — auch 
den Binnenkorper trotz seiner relativen Affinitat zum Rot des Gienisa- 
Farbstoffes blau anzufflrben; immer bleibt aber ein deutlicher Unter- 
schied zum Tiefblau des Basichromatins. BeiBiondi- und bei Man n- 
scher Farbung ergibt sich eine schone Kontrastfarbung, indem sich das 
Oxychromatin rot, das Basichromatin grfin, bzw. blau farbt. Bei 
Heidenhain - Eisenhamatoxylinfarbung erscheint der Binnenkfirper 
grauschwarz, lichter als Nucleolus und Basichromatin. Die Nissl- 
Farbung bringt die Kernveranderung wohl auch deutlich zur Ansicht; 
da sich mit ihr jedoch keine Kontrastfarbung ergibt, ist die Verfinde- 
rung nicht so in die Augen springend. Gelegentlich farbt sich bei 
Nissl-Farbung der Binnenkorper leicht rotviolett. 

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Je schwerer die Zelle verandert ist, um so rnehr schwindet das an 
der Kernmembran angesammelte Basichromatin. Erst erkennt man an 
Stelle der Kernmembran nur mehr einen zarten Streifen, der stellen- 
weise mit dunkeln Chromatinpartikeln besetzt ist, dann schwindet der 
Streif und die Grenze des Kerns ist nur mehr durch einige Chromatin- 
schollen angedeutet, endlich verschwinden auch diese und das Proto¬ 
plasma der Zelle, das iibrigens schon alle Charaktere des Ganglienzell- 
protoplasmas verloren hat, vermischt sich mit dem nun nicht mehr scharf 
abgrenzbaren oxychromatischen Kernrest. Meistens ist in diesem Sta¬ 
dium die Zellgrenze nicht mehr scharf, wozu auch die spater noch zu 
besprechende gliose Reaktion das Ihre beitragt. SchlieBlich geht die 
ganze Zelle in einer leichten, krumeligen, sich leicht oxyphil f&rbenden 
Detritusmasse auf. 

Die beschriebene Zellveranderung war am reichlichsten in den 
Ganglien- und Gliazellen des Hippocampus und in der Rinde des Gyrus 
hippocampi zu finden. Im Hippocampus waren in manchen Schnitten 
alle Zellen von der Veranderung ergriffen, meist alle im gleichen Sta¬ 
dium. Sie wurde aber auch in den Stammganglien angetroffen, wobei 
es den Anschein hatte, dati immer eine groBere oder kleinere Gruppe 
von Zellen lokalisiert erkraukt ware, wahrend andere Bezirke von der 
Degeneration frei waren. In den Stammganglien waren die degene- 
rierenden Zellen in der nachsten Umgebung des Ependyms des 3. Ven- 
trikels am reichlichsten zu finden; die Ependymzellen selbst waren 
intakt. Auch in den Rinden, Ganglien- und Gliazellen knapp oberhalb 
des Balkens zeigten die Zellen die eigenartige Erkrankung, wahrend die 
ubrigen Rindenbezirke der Hirnkonvexitat sie vermissen lieBen. Ganz 
vereinzelt wurden sie auch im Ammonshorn angetroffen, in einem kleinen 
Bezirk, der durch die Blahung und das Auseinanderrticken der Zellen 
durch das Zugrundegehen der Ganglienzellen an zirkumskripter Stelle 
schon bei schwacher VergroBerung auffiel. Lokalisatorische Beziehungen 
zwischen diesen eigentiimlichen Ganglienzellveranderungen und den In- 
filtraten konnten nicht nachgewiesen werden. Es liegt daher der Ge- 
danke nahe, diese Zelldegeneration nicht als Teilsymptom oder als 
Folgeerscheinung der Entziindung aufzufassen, sondern ihr einen selb- 
standigen Charakter beizulegen, wie ja auch Alzheimer bei der Para¬ 
lyse und Creutzfeld bei der Encephalitis den regressiven Verande- 
rungen eine von der Entziindung unabhangige Rolle zuerkennen. Bei 
der experimentellen herpetischen Encephalitis hat Jakob auf die Un- 
abhangigkeit des Auftretens von schweren Parenchymdegenerationen von 
den Infiltrationserscheinungen aufmerksam gemacht. 

Neben der beschriebenen Zelldegeneration, die, wie gesagt, nur in 
einem der 5 in Rede stehenden Falle zu finden war — auf den gleichen 
Befund bei Impfung mit Herpes genitalis konime ich noch zu sprechen 
— konnte ich auch gelegentlich Schrumpfung von Ganglienzellen be- 
obachten, wobei insbesondere der Kern dichter wird, ohne aber in seinem 
Aufbau eine wesentliche Veranderung zu erfahren. Der Kern nimmt, 
entsprechend der Schrumpfung des Zelleibes, oft Dreieckform an. Er 
iiberfarbt sich mit basischem Farbstotf. SchlieBlich gehen Zellen unter 
Vertiussigung neuronophagisch zugrunde, worauf ich ebenfalls weiter 
unten zuriickkomme. 

Die Reaktion der Glia war in alien 5 Fallen eine starke. Vielfach 
kam eine Wucherung der Trabantzellen zur Beobachtung, ein Vorgang, 
der nur durch sein reichliches Vorkommen als pathologisch angesehen 



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Lauda, Histopathologie der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. ]65 

■werden konnte. Die Kontur der Ganglienzelle ist hierbei nicht durch- 
brochen, es handelt sich in diesera Falle um eine gliOse „Umklamme- 
rung u . Haufig jedoch konnte auch echte „Neuronophagie“ beobachtet 
werden; die Zellgrenze der Ganglienzelle ist bier infolge der Degene¬ 
ration der Zelle durchbrochen, und es waren eine groCere oder geringere 
Anzahl von Gliazellen in den Zelleib eingedrungen, bzw. es hatten sich 
Gliazellen an die Stelle des Ganglienzellprotoplasmas gesetzt. An 
manchen Stellen erinDert nur ein Herd von Gliazellen daran, daB hier 
eine Ganglienzelle zugrunde gegangen war. Gelegentlich wurden unter 
tliesen wuchernden Gliazellen Formen angetroffen, welche vielleicht 
amoboide Formen angenommen hatten. In dem Falle mit der groBen 
Zahl degenerierender Zellen fanden sich Nisslsche Stabchenzellen in 
groBerer Menge. Neben diesen progressiven Veranderungen der Glia¬ 
zellen fanden sich auch regressive: Schrumpfung, Kernwandhyperchro- 
matose, Fragmentierung, Pyknose. 

In einem der 5 Falle, mit den schweren encephalitischen Verande¬ 
rungen fanden sich stellenweise Leukozyten in grOBerer Anzahl, am 
reichlichsten in der Umgebung der schwer veranderten Zellen der 
Ganglienzellschicht des Hippocampus. Hier lagen sie auch gelegentlich 
zu dichten kleinen Haufen abszeBartig beisammen, ein Befnnd, den auch 
Levaditi, Harvier und Nicolau bei der Kaninchenencephalitis nach 
Verimpfung menschlicher Encephalitis lethargica erheben konnten GZone 
elective 14 dieser Autoren). In der Umgebung dieser kleinen AbszeB- 
chen fanden sich auch vereinzelt Leukozyten in der meningealen Infil¬ 
tration. 

SchlieBlich fanden sich noch dreimal kleine frische Blutungen zum 
Teil frei im Parenchym, zum Teil perivaskuiar ohne bestimmte Lokalisation. 

Ich komme nun zur Beschreibung des histologiscben Befundes der 
Gehirne der 8 Kaninchen, welche auch unter sicher beobachteten Allge- 
meinerscheinungen zugrunde gegangen waren und bei denen nur ganz 
geringgradige oder gar keine anatomischen Veranderungen nachweisbar 
waren. Diese Gehirne wurden zum Teil in alien ihren Abschnitten in 
einer groBen Anzahl von Schnitten untersucht, zum Teil konnten wohl 
einige Partien nicht untersucht werden, da sie zur Weiterfiibrung der 
Passage verwendet worden waren. Imraerhin wurde jedoch meistens 
wenigstens die Halfte des Gehirns nach sagittaler Durchschneidung des- 
selben histologisch untersucht. 

Nur in einem dieser Gehirne fanden sich im Hirnstamm kleine 
lymphozytSre perivaskulare Infiltrate um kleine GefaBe, meist nur aus 
wenigen Zellen bestehend, in anderen fehlten diese ebenso wie Infiltrate 
im Parenchym. In 2 Gehirnen konnte das eine Mai eine leichte Ge- 
faBwandzellwucherung — Wohlwill hat, soweit die kurze Notiz ein 
Urteil erlaubt, ahnliche Bilder gesehen, — das andere Mai eine leichte 
perivaskulare Gliawucherung bei sonst fehlender perivaskularer Infil¬ 
tration nachgewiesen werden. In 6 Gehirnen wurden Blutungen ge- 
funden. Ihre Lokalisation war eine wechselnde; sie lagen teils frei im 
Parenchym, teils perivaskuiar; eine groBere Ausdehnung erreichten sie 
nie. Eine Gliawucherung konnte nur in geringem AusmaBe nachge¬ 
wiesen werden; gelegentlich fand sich Neuronophagie. Zellschrumpfungen 
konnten ziemlich regelmaBig, Zelldegeneration mit Auftreten von oxy- 
chromatischen Binnenkbrpern niemals beobachtet werden. Das Ependym 
zeigte auch hier keine Veranderung, die Meningen erwiesen sich nirgends 
als infiltriert. 


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In 2 Gehirnen konnten fast keine Veranderungen nachgewiesen 
werden; das eine zeigte eine leichte Hyperamie ohne Blutungen, ohne 
Infiltrat, vielleicht eine geringgradige Ganglienzelldegeneration, das an- 
dere vielleicht eine schwacke Gliawucherung bei sonst normalem histo- 
logischen Befunde. 

ZusamuieDfassend laBt sich also sagen, dad die histologische Unter- 
suchung der Gehirne von 13 Tieren, welche unter sicher beobackteten 
Allgemeinerscheinungen nacli Herpes febrilis-Impfung zugrunde gegangen 
waren, sehr verschiedenartige und verschieden Starke Veranderungen 
aufgedeckt hat. Nur 5 Tiere boten das typische Bild der Encephalitis 
mit Infiltraten um die GefaBe und im Parenchym, mit Meningitis, 
Ganglienzelldegeneration und Gliawucherung, die ubrigen zeigten zum 
Teil geringgradige Veranderungen, die wohl mit Sicherheit nicht als 
encephalitische gedeutet werden konnen (Blutungen usw.), zum Teil fast 
keine Veranderungen. 

Untersucht man nun an der Hand der Protokolle, ob sich irgend- 
welche Beziehungen zwischen dem Auftreten echter entziindlicher Ver¬ 
anderungen im Gehirn und der Art der Impfung, ob sie korneal, sub¬ 
dural, Oder intravenos, ob sie mit Bl£scheninhalt oder mit Passagevirus 
durchgefiihrt wurden, der Inkubationszeit, der Art der Allgemein¬ 
erscheinungen und ihrer Dauer aufdecken lassen, so konnten derartige 
Zusammenhange in den untersuchten Fallen nicht gefunden werden. 

Alle 5 Tiere, bei denen die histologische Untersuchung des Ge- 
hirnes schwere encephalitische Veranderungen gezeigt batten, waren wohl 
mit einem Originalstamm mit Bliischeninhalt geimpft, und zwar 3 kor¬ 
neal, 1 intravenos und 1 korneal und intravenos. Man konnte daraus 
den SchluB ziehen, daB das Auftreten von starken meningoencephaliti- 
schen Veranderungen davon abhangt, ob mit einem Original- oder mit 
einem Passagestamm geimpft wird. Es ist dem aber entgegenzuhalten, 
daB unter den 8 Tieren, die auch unter sicheren Allgemeinerscheinungen 
zugrunde gegangen waren und bei denen die histologische Untersuchung 
des Gehirnes nur ganz geringgradige oder iiberhaupt keine Verande¬ 
rungen hat nachweison konnen, sich 2 Tiere fanden, die auch mit einem 
Originalstamm geimpft waren. DaB die Veranderungen von der Ver- 
wendung eines Original- oder Passagestammes unabhangig sind, ergaben 
auch die spater zu besprechenden Untersuchungen des Herpes genitalis. 
Die Inkubation bis zu dem Auftreten encephalitischer Veranderungen 
war in den untersuchten Fallen ebenfalls ohne Belang: Die 5 Tiere mit 
den sicheren Veranderungen im Gehirn erkrankten nach eiuer Inkubation 
von 9, 2, 9, 13, 14, 15 Tagen, die ohne Veranderungen nach 3, 4, 5, 7, 
9, 10 und 11 Tagen. Die Dauer der Allgemeinerscheinungen schwankte 
sowohl bei den Tieren mit, wie bei denen ohne histologischen Befund 
zwischen einigen Stunden und einigen Tagen, eine Abhangigkeit der 
encephalitischen Veranderungen von der Ivrankheitsdauer laBt sich also 
ebenso nicht feststellen. Auch die Art der klinischen Erscheinungen 
der erkrankten Tiere, ob diese mehr dem Typus des paroxysmalen An- 
falles oder dem Typ der protrahierten Attacken (Luger, Lauda und 
Silberstern) entsprachen, war ebenfalls ohne Bedeutung. 

Die Untersuchung von 5 weiteren Gehirnen verdient noch eine eigene Besprechung. 
Ein Tier, welches mit einem sicher virulenten Gehirnpassagestamm intravenos geimpft 
war. wurde, ohne daB es Krankheitszeichen gezeigt hatte, beim Fiittern durch die zufallende 
Stalltiir 15 Tage nach der Infektion durch Zufall getbtet. Die genaue histologische Unter¬ 
suchung des ganzen Gehirns ergab keinerlei Veranderungen. 2 Tiere, welche wahrend 
des Bestandes einer herpetischen Keratitis am 2. und am 9. Tage derselben interkurrent 



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Lauda, Histopathologie der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. jgj 


eingingen, zeigten im Gehirn histologisch einen normalen Befund. 1 Herpes febrilis- 
immuntier schlieBlich, welches mit einem Korneapassagestamm intravenos geimpft war, 
nach 6 VVochen unter l‘/ s Tage anhalienden Allgemeinerscheinungen erkrankte und un- 
gefahr 1 Jahr nach der lmpfung interkurrent ad exitum kam, zcigte histologisch keine 
encephalitischen Veranderungen. Ein anderes Immuntier, welches seinerzeit auf einem 
Auge mit H. febrilis mit positivem Erfolge korneal geimpft war, w’elches sieh spater 
auf beiden Augen gegen cine wiederholte Eeinfektion mit H. genitalis refraktar erwies 
und an Allgemeinerscheinungen nicht erkrankt war, verendete nach ungefahr 1 Jahre 
akut unter nicht beobachteten Erscheinungen. Die histologische Unlersuchung des 
Gehirnes deckte eine diffuse leukozytare Infiltration der Meningen, zahlreiehe parenehy- 
matose, perivaskuliire Leukozyteninfilirate im ganzen Gehirii und mehrere groBere 
leukozytare Rindenabszesse, die gegen die Meningen zu durchgebrochen waren, auf. 
Die friiher beschriebenen eigentiindichen Kernveranderungen konnten in diesem Gehirn 
nicht gefunden werden. Es diirfte sieh in diesem Fallc um eine interkurrente, nicht 
herpetische, akute leukozytare Meningoencephalitis gehandelt haben. 

Die histologische Untersuchung des Gehirns der Tiere, welche mit 
Herpes genitalis geimpft waren, hatte folgendes Ergebnis: 1 Tier, 
welches nach intravenoser Injektion eines virulenten Gehirnpassagestam- 
mes nach 11 Tagen unter typischen Erscheinungen, und 1 Tier, welches 
nach positiver kornealer Passageinfektion nach 14 Tagen unter nicht mit 
Sicherheit beobachteten Allgemeinerscheinungen zugrunde gegangen war, 
zeigten histologisch positive Befunde. 1 Tier, welches nach intravenoser 
Injektion von Blascheninhalt nach 3 Tagen unter nicht charakteristischen 
Erscheinungen zugrunde gegangen war, zeigte histologisch im Zentral- 
nervensystem einen normalen Befund. 

Der Befund der beiden positiven Gehirne wich von den bei den 
Febrilistieren erhobenen nicht ab; es fanden sieh die gleichen perivas- 
kularen und parenchymatosen Infiltrate, in einem Falle Neuronophagie, 
in einem Falle reichliche Wucherung der Trabantzellen, in einem Falle 
die monozytare Meningitis, welche in den anderen fehlte. 

Bei dem Tiere, welches 14 Tage nach der kornealen Infektion unter 
fraglichen Allgemeinerscheinungen zugrunde gegangen war, wurden auch 
jene eigentfim lichen Kernveranderungen der Ganglien- und Gliazellen 
beobachtet, wie ich sie friiher beim H. febrilis eingehend geschildert 
habe. Auch hier fand sieh am reichlichsten jenes Stadium, bei der der 
Kern von der oxychromatischen Masse diffus ausgefullt ist. Die Zahl 
der so veranderten Zellen war auch hier viel geringer als wie bei dem 
fruher beschriebenen Falle, und die genannte ZellverSnderung fand sieh 
fast ausschlieBlich im Ammonshorn. Auch in diesem Falle waren leuko¬ 
zytare Infiltrate (pseudoeosinophile Zellen) ziemlich reichlich, speziell in 
der Umgebung der Zellen mit der oxychromatischen Kerndegeneration. 
Die leukozytare Infiltration erreichte hier stellenweise sehr hohe Grade, 
es bildeten sieh hier und da kleinste Abszesse, welche im Zentrum eine 
krfimelig nekrotische Masse einschlossen 1 ). 

2 Tiere also, von denen eines unter sicheren, das andere unter 
nicht sicheren Allgemeinerscheinungen zugrunde gegangen waren, zeigten 
im Gehirn encephalitische Veranderungen. Der gleiche histologische 
Befund konnte nun aber auch bei 2 Tieren erhoben werden, die nach 
positiver kornealer Infektion mit H. genitalis bei genauer Beobachtung 
ohne typische herpetische Allgemeinerscheinungen unter laugsam zu- 
nehmender Schwfiche nach 18, bzw. 45 Tagen verendeten. In einem 


1) Irgendwie geartete aaurefef>te kleinste Gebilde, wie sie Doerr und Zdansky 
▼or kurzem in granuloraartigen Bildungen in Schnitten von herpelischer Encephalitis 
beschrieben haben, konnten in diesen Herdcn nicht gefunden werden. 


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Centr&lbl. f. B&kt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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der beiden Falle bestand wohl im AnschluB an die herpetische Keratitis 
eine Panophthalmie, und man konnte sich vorstellen, daB entweder der 
entziindliche ProzeB vom Auge fiber die Orbita in das SchSdelinnere 
vordraug Oder daB von der Panophtalmie eine Sepsis ausging, welcbe 
aucb zu encephalitischen Veranderungen fuhrte. Die Tatsache jedoch, 
daB sich gerade in diesera Falle nur im Hirnstamm und im verlfingerten 
Mark die Infiltrate fanden, daB keiue Meningitis bestand, und daB es 
sich nicht um leukozytfire, sondern um monozytare Infiltrate handelte, 
sprach gegen beide Annahmen. Es handelte sich in diesen beiden Fallen 
also anscheinend um einen fihnlichen Befund, wie ihn die schwedischen 
Autoren Kling, Davide und Lilienquist nach Iiripfung mit ihrem 
Encephalitisstamm erheben konnten ; sie berichteten fiber Tiere, die unter 
zuuehmender Schwache langsam zugrunde gingen und bei denen sich 
histologisch encephalitische Veranderungen fanden. 

Zusammenhange zwischen dem Auftreten der histologischen Ver¬ 
anderungen im Gehirn der an der H. genitalis-Infektion zugrunde ge- 
gangeneu Tieren und der Art der Impfung, Inkubation, Dauer der 
Krankheitserscheinungen usw. konnten hier ebenso wenig beobachtet 
werden wie in den Febrilisgehirnen, mit einer Ausnahme: Das Tier, 
welches nach 45 Tagen zugrunde ging, zeigte nur im Mittelhirn und im 
verlangerten Mark perivaskulare Infiltrate, eine Meningitis fehlte. Auf 
die etwaige Bedeutung dieses Befundes komme ich zurfick. Es sei 
schlieBlich hervorgehoben, daB eins von den positiven Gehirnen von 
einem Tiere stainmte, welches mit einem Hirnpassagevirus intravenos 
geimpft war. 

Das Rfickenmark wurde in wenigen Fallen histologisch untersucht. 
Gelegentlich fanden sich bei gleichzeitig positiven Befunden im Gehirn 
auch hier entziindliche Veranderungen gleicher Art. 

Die Untersuchung der Gehirne von 8 Tieren, bei denen mit dem 
verschiedensten herpesverdachtigen Material und auf die verschiedenste 
Weise der Versuch gemacht worden war, eine Herpesinfektion hervor- 
zurufen, bei denen aber dieser Versuch allem Anscheine nach miBlang, 
— die Tiere zeigten keinerlei herpesverdiichtige Reaktion — hatten stets 
ein negatives Resultat. Diese Untersuchungen konnen ffir die vor- 
liegende Arbeit insofern als Kontrollen dienen, als mit ihnen gezeigt 
wird, daB das von mir verwendete Tiermaterial anscheinend mit der 
von Oliver beschriebenen, nicht spezifischen chronischen Encephalitis, 
die ohne Allgeineinerscheinungen einhergeht, nicht verseucht war, daB 
also positive encephalitische Veranderungen mit groBter Wahrscheinlich- 
keit auf die herpetische Infektion zurfickzufuhren sind. 

Die histologische Untersuchung des Zentralnervensystems von Tieren, 
welche einerseits nach II. febrilis und andererseits nach H. genitalis- 
Infektion unter Allgemeinerscheinungen zugrunde gegangen waren, ergab, 
wie frfiher ausgefuhrt, keine Ditferenzen, eine Tatsache, die mit der von 
Luger und mir und eiuer Reihe von Autoren (Baum, Fontana, 
Blanc und Cerminopetros, Do err u. a.) vertretenen Auffassung 
der Identitat des Febrilis- und Genitalisvirus in Einklang steht. DaB 
in beiden Fallen in einem kleinen Prozentsatze der Falle trotz sicher 
bestandener Allgemeinerscheinungen negative histologische Befunde er- 
hoben wurden, erklart einerseits die eingangs hervorgehobene Tatsache, 
daB Luger und ich bei unseren ersten Untersuchungen im Gehirne 
herpeskranker Tiere keine histologischen Veranderungen fanden, und ist 
aber andererseits auffallend, da bis jetzt Aehnliches noch von keinem 



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Lauda, Histopathologic der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. ]69 


Untersucher mitgeteilt wurde. Meine Befunde stehen aber auch insofern 
im Widerspruch zu den Angaben mancher Autoren (Da Fano, Zdansky, 
Le Ffcvre de Arric u. a.), als sie keine Abhangigkeit der Schwere 
und der Art der histologischen Veranderungen von der Virulenz des 
verimpften Stammes, von der Inkubation, von der Dauer der Allgemein- 
erscheinungen usw. aufdecken konnten. Esistjedoch zu beriicksichtigen, 
daB die Inkubation in meinen Fallen durchschnittlich nur 10 Tage be- 
trug, daB also meine Falle durchweg zu den akuten Formen gerechnet 
werden kSnnen. Der eine Fall mit einer langeren Inkubation (45 Tage) 
zeigte nur perivaskulare Infiltrate im Mittelhirn und verlangerten Mark 
und es fehlte eine Meningitis. Dies wurde mit dem Befund von Nico- 
lau und Poincloux (ibereinstimmen, welche in akuten Fallen, zu 
welchen sie die Falle recbnen, die in 10—19 Tagen zum Tode fiihrten, 
eine diffuse Meningitis mit mononuklearen Leukozyten, entzfindliche 
Infiltration des Gehirnparenchyms und Neuronophagien der elektiven 
Zone, in chronischen Fallen eine mehr lokalisierte Meningitis und peri¬ 
vaskulare Infiltrate im Mittelhirn, ohne akute encephalitische Veranderung 
und ohne Neuronophagie der elektiven Zone fanden. Doch land ich 
auch in akuten Fallen nicht immer die diffuse Meningitis und die oben 
angegebenen Veranderungen. Levaditi, Harvier und Nicolau 
glaubten feststellen zu konnen — wohl boi der Untersuchung von Ka- 
ninchengehirnen nach Impfung mit Encephalitis lethargica, es soil 
sich der histologische Befund dieser Gehirne mit denen nach Impfung 
mit H. febrilis decken (Zdansky u. a.), — daB die Infiltratzellen sowohl 
der Meningen wie der Infiltrate im Gehirn je nach der Inkubation aus 
polynuklearen oder aus monozytaren Zellen zusammengesetzt sein sollen. 
Bei einer Inkubation von 2—3 Tagen fanden sie Polynukleare, bei langerer 
Inkubation Monozyten. Diesen Befund kann ich nun nicht bestatigen. 
Denn ich fand auch bei einer Inkubation von 2 und 3 Tagen mono- 
zytare Infiltration. 

Wenn Kling, Davide und Lilienquist gegen die Identitats- 
theorie von Doerr und Vochting hinsichtlich des Herpes- und Ence- 
phalitisvirus auch auf Grund histologischer Unterschiede Einwande er- 
heben, so entbehren wenigstens diese Griinde nach den vorliegenden 
histologischen Untersuchungen der Stichhaltigkeit, wie ja auch schon von 
anderer Seite (Da Fano, Schnabel, Zdansky) u. a. hervorgehoben 
wurde. Denn auch nach herpetischer Allgemeininfektion kann man 
schwere, leichte und fehlende encephalitische Veranderungen finden, 
solche mit und ohne Neuronophagie mit fehlender oder vorhandener 
leukozytarer Infiltration, mit und ohne schwerer Ganglienzellerkrankung, 
mit vorwiegender Lokalisation im GroBhirn oder z. B. im Mittelhirn, mit 
groBeren oder kleineren Blutungen. Und wenn die schwedischen Au¬ 
toren meinen, das Encephalitisvirus von Herpesvirus auch deshalb ab- 
trennen zu konnen, weil die Tiere nach Impfung mit ihrem Encephalitis- 
stamm haufig nur unter Schwache ohne akute klinische Erscheinungen 
langsam zugrunde gehen, so stehen dem die beiden frilher angeffihrten 
Falle gegentiber, bei denen 2 Kaninchen nach Infektion mit H. genitalis 
auch ohne schwere klinische Erscheinungen nur unter Schwache eingingen 
and histologisch deutlich encephalitische Veranderungen zeigten. Im 
Uebrigen aber mSchte ich an dieser Stelle zu den Befunden und An- 
schauungen der schwedischen Autoren nicht Stellung nehmen x ). 

1) Es sei diesbeziiglich auf eine gerneinsnm mit Luger verfafite, in der Ztschr. 
t d. ges. exp. Med. im Druck befindliche Arbeit verwiesen. 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Welche Bedeutung die friiher ausfiihrlich beschriebenen Zell- bzw. 
Kernveranderungen der Ganglien- und Gliazellen mit Auftreten oxy- 
chromatischer Massen im Zentrum des Kernes fur die Identitatstheorie 
von Doerr und V o c h ti n g haben, darauf komine ich spater zu sprechen. 
Ich mochte vorher noch einmal kurz die von Luger und mir vertretene 
Auffassung iiber das Wesen dieser Verauderungen darlegen und ver- 
weise hinsichtlich der Details dieser Fragen auf unsere friiheren Publi- 
kationen. Wie bekannt, haben Lipschiitz und Luger und ich diese 
Kernveranderungen vor ungefahr 2 Jahren in der mit Herpes febrilis ge- 
impften Kaninchenhornhaut beschrieben. Wfihrend Lipschiitz in diesen 
oxychromatischen Binnemnassen „Einschliisse u im Sinne der Chlamydo- 
zoenlehre erblickt, stellten Luger und ich diese Ver&nderungen mit 
der von Heidenhain beschriebenen Chromatolyse in Parallele und 
faBten die Vertinderung als einen degenerativen, destruktiven ProzeB des 
Kernes auf, wobei das Oxychromatin im Zentrum des Kernes zu liegen 
kommt, wfihrend das Basichromatin an die Kernperipherie ruckt. MaB- 
gebend fiir die Annahme eines Degenerationsprozesses waren uns das mor- 
phologische Bild als solches und die Tatsache, daB an dem degenerativen 
Prozesse die ganze Zelle beteitigt ist, maBgebend fiir die Ablehnung der 
EinschluBnatur der Gebilde das Fehlen jeglichen Beweises fiir den intra- 
nuklearen Sitz des Virus, das Fehlen von Elementarkorperchen und die 
Tatsache, daB die Kernveranderung in keiner Weise spezifisch ist; denn 
sie lindet sich, abgesehen von ihrem Vorkommen in der Haut des Men- 
schen bei den Herpesarten (febrilis, genitalis, zoster) auch bei den Vari- 
cellen, der Variola, der Karpfenpocke, dem Epitheliom der Barben und 
wahrscheinlich auch beim Erythema multiforme 1 ). Wir bezeichnen die 
Kernveranderungen als fur die Impfung der Kaninchen- und Meer- 
schweinchenkornea mit H. febrilis, genitalis, corneae charakteristisch, da 
wir sie in der Kornea bei einer groBen Zalil von Kontrollimpfungen mit 
verschiedenstem Material vermiBten. Der 2mal erhobene Befund der 
gleichen Kernveranderung im Gehirn des herpesinfiziertes Tieres be- 
starkte uns aus folgenden Grtinden in unserer Auffassung: Die allge- 
meine Schiidigung der ganzen Zelle ist hier vielleicht noch deutlicher 
zu beobachten als in der Kornea (Schwellung der Zelle, Verlust des 
Tigroid, Quellung und Wandstellung des Nucleolus, Wucherung der 
Trabantzellen, „Neuronophagie il usvv.), der Endausgang der Veranderung, 
der Untergang des oxychromatischen Korpers im Zelldetritus der zu- 
grunde gehenden Zelle kann hier genauer studiert werden, wobei auch 
wieder keinerlei Anhaltspunkte fur den Sitz des Virus in der Zelle, 
speziell im Kern, gewonnen werden konnten. DaB die oben angefiihrte, 
manchmal auch gleichmSBige, feine Granulierung des Kernbinnenkorpers 
nichts mit Elementarkorperchen zu tun hat, liabe ich oben schon aus- 
einandergesetzt. 

Uns scliien die bisher noch nicht besehriebene Ganglienzellveraude- 
rung deshall) von Wichtigkeit, weil sie vielleicht die experimeutelle 
Encephalitis nach Ilerpesimpfung als herpetische charakterisiert. Wir 
waren aber keineswegs erstaunt, wenn in nachster Zeit bei genauer 
Danachachtung die gleichen Kernveranderungen auch bei anderen ence- 
phalitischen I’rozessen gefunden wiirden; denn wir stellten die Ver- 
finderungen ja nur als charakteristisch, keineswegs als spezifisch hin. 


1) Hinsichtlich des Vorkommens dieser Kernveranderungen sei auf unsere friiheren 
Puhlikationen verwiesen. 



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Lauda, Histopathologic der herpet. Meningoencephalitis des Kanincheus. 171 


Der Befund der gleichen Ver&nderung bei anderen Prozessen wiirde uns 
in unserer Ansicht, daft es sich nicht um „Einschltisse u handelt, nur 
noch mehr vergewissern. Die beschriebene Ganglien- und Gliazellver- 
anderung ist fiir die Herpesimpfung nicht pathognostisch, ebensowenig 
wie etwa die homogenisierende Erkrankung der P u r kin j eschen Zellen 
fiir eine bestimmte Erkrankung pathognostisch ware (Spielmayer). 
Daft bis nun diese eigentQmlichen Kernveranderungen in den Ganglien- 
zellen nicht bekannt sind, erklart sich vielleicht damit, daft die zellpatho- 
logicshen Veranderungen des Zentralnervensystems meist an der Hand 
von N i s s 1 - PrSparaten studiert werden und gerade diese Farbung die 
oxychromatische Komponente des Kerns weniger hervortreten laftt. 

FQr die Identitatstheorie des Herpes und Encephalitisvirus ist nun 
der Befund unserer Meinung nach deshalb von Bedeutung, weil Leva- 
diti und seine Mitarbeiter bei der Beschreibung der Kaninchenence- 
phalitis nach Impfung der Tiere mit Encephalitis lethargica neben den 
von ihnen beschriebenen „neurocorpuscules encdphalitiques“ die gleichen 
Kernveranderungen beschrieben und abbildeten. Der Befund von an- 
scheinend seltenen, vielleicht charakteristischen Kernveranderungen nach 
Impfung mit beiden Virusarten kann als Stiitze fur die Identitat her- 
angezogen werden. 

Ich mochte darauf hinweisen, daft Da Fano bei der Beschreibung 
der herpetischen Meningoencephalitis, wohl der ausfiihrlichsten, die bis 
jetzt erschienen ist, die gleichen Ganglienzellverdnderungen abbildet, 
ohne sie naher zu beschreiben. Er sagt nur an einer Stelle, daft die 
Nervenzellen einem rapiden Degenerations- und Destruktionsprozeft an- 
heimfallen, wobei das Cytoplasma vakuolisiert und die chromatische 
Substanz sich auflflst. Es erscheint mir nach den Abbildungen, die der 
Autor seinen Arbeiten beigibt, aufter Zweifel, daft er die gleichen Kern¬ 
veranderungen gesehen hat. Im iibrigen stimmen meine Befunde mit 
den seinen in den wesentlichen Punkten iiberein, auf die Unterschiede 
habe ich fruher gelegentlich hingewiesen. 

Es soil nun noch kurz zu den von Levaditi und seinen Mit- 
arbeitern beschriebenen „neurocorpuscules enc6phalitiques a und zu den 
..minute bodies 11 von Da Fano, die erstere als Einschliisse bei der 
tierexperimentellen Encephalitis lethargica, letzterer bei der herpetischen 
Kaninchenencephalitis und der Encephalitis lethargica des Menschen be¬ 
schrieben haben, Stellung genommen werden. Ich glaube aucli in meinem 
Praparate von herpetischer Encephalitis beide Arten von Gebilden ge¬ 
sehen zu haben, mochte ihnen aber den „Einschluftcharakter“ ab- 
sprechen. 

In Schnitten, in denen eine grofte Anzahl von Ganglienzellen die 
oxychromatische Kerndegeneratiou zeigten, konnte ich namlich gelegent¬ 
lich bei Biondi- und insbesondere bei Mannscher Farbung Stadien 
beobachten, bei denen das Basichromatin sclion an die Kern])eripherie 
geruckt war, bei denen sich im Zentrurn des Kerns kleine, sich rot- 
farbende Korperchen in verschieden grofter Anzahl fanden. In an¬ 
deren Kernen waren diese Kornchen zu grofteren, oft unregelmaftigen 
KSrnern, diese in anderen wiederum zu noch grofteren Gebilden zu- 
satnmengeschlossen, Bilder, welche zu jenen Stadien hiniiberfuhren, bei 
denen schlieftlich der ganze Kern von der fruher beschriebenen oxy- 
chromatischen Masse ausgefiillt ist (s. Fig. 4). Daft die Menge der oxy- 
chromatischen Masse in den einzelnen Kernen wechselt, habe ich fruher 
schon erwahnt. Die Stadien nun, bei denen nur sehr kleine, vereinzelte. 


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172 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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nach Mann und Biondi sich rot ffirbende Korperchen im Zentrum 
des Kerns zu tinden sind, entsprechen vollkommen den Abbildungen der 
neurocorpuscules encdphaltiques von Levaditi und seinen Mitarbeitern. 
Ich halte daher die von ihm beschriebenen Gebilde fur Oxychromatin 
eines in oxychromatischer Degeneration befindlichen Kernes und kann 
daher auch in diesen Gebildeu Einschliisse im Sinne der Chlamydozoen- 
lehre nicht erblicken. 

Da Fano unterscheidet 3 Arten von granularen Bildungen. 

1) intranukleSre Partikel, die er als Teilchen des geschadigten Kern- 
chromatins auffaBt, die basophil sind, sonst aber groBe Aehnlichkeit 
mit den neurocorpuscules enc^phalitiques Lev ad it is und seiner Mit- 
arbeiter zeigen. 

2) Verhaltnism&Big groBe extra- und intranuklefire Formationen; 
sie stammen von der progressiven Fragmentation der Kerne der ver- 
schiedensten Elemente, vornehmlich der polynukleSren Leukozyten ab, 
und es ist sehr wahrscheinlich, daB sie mit dem Virus in irgendeiner 
Beziehung stehen. 

3) Sehr kleine, bald extra- bald intrazellulSr gelegene oxyphile Ge¬ 
bilde, „minute bodies 14 . Sie stellen entweder die letzten Produkte des 
Zerfalls des Zelldetritus oder das Virus selbst dar. Die gleichen Ge¬ 
bilde finden sich auch in Ausstrichen von Herpesblaseninhalt. 

Ich glaube in meinen Schnitten alle diese Gebilde auch beobachtet 
zu haben, mQchte aber glauben, daB die Einteilung dieser granularen 
Gebilde in die drei genannten Gruppen nicht berechtigt ist. Meiner 
Meinung nach handelt es sich — wie auch Da Fano annimmt — urn 
Chromatinreste verschiedenster GroBenordnung, die von zerfallenden 
Zellen herruhren. DaB sie bald oxy- bald basophil sind, mag auf die 
frfiher erwfibnte Amphophilie und auf das Vorhandensein zweier Chro- 
matine (Oxychromatin, Basichromatin) zurfickgefflhrt werden. DaB wir 
in den kleinsten Partikeln das Virus selbst zu suchen batten, dafflr 
scheint mir kein Beweis vorzuliegen. Was die „minute bodies 44 in den 
Herpesblasenausstrichen anlangt, so meint Da Fano, daB kein Zweifel 
bestehen kann, daB es sich urn identische Bildungen handle, wie sie 
schon Lowenstein in den Herpesblasenausstrichen gesehen hat. Luger 
und ich haben schon in frfiheren Arbeiten darauf hingewiesen, daB wir 
zahlreiche Herpesblasenausstriche auf die von Lowenstein beschrie¬ 
benen Elementarkfirperchen-Shnlichen Gebilde untersucht haben, daB wir 
anscheinend gleicbe Gebilde gesehen haben, daB diese Befunde aber zu 
wenig charakteristisch und zu wenig regelmSBig waren, um ihnen eine 
besondere Bedeutung zuerkennen zu konnen. Wir sahen fihnliche Bilder 
auch in Abstrichen von nicht-herpetischen Affektionen. 

Da die von Ottolenghi, D’Antona undTonietti gefundenen 
Encephalitiseinschliisse auch bei normalen Individuen gefunden wurden, 
die von Volpino und Desderi als spezifische Einschliisse auch keine 
ADerkennurig fanden, die von Luksch und Herzog gefundenen Ge¬ 
bilde als identisch erkannt und von Luksch in alteren pigmentierten 
Ganglienzellen auch in Normalgehirnen gefunden werden konnten, so 
muB man, wenu man nach den obigen Darlegungen auch den Ein- 
schliissen von Lipschfitz, von Levaditi und seinen Mitarbeitern 
und von Da Fano die Spezifitat abspricht, zusammenfassend fiber alle 
bis jetzt bei Herpes und Encephalitis gefundenen r Einschlfissen u sapeD, 
daB sie, was ihre EinschluBnatur anlangt, einer Kritik nicht standhalten. 
Es sei hier nebenbei erwahnt, daB auch die von Joest bei der Borna- 



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Lauda, Histopathologic der herpet. Meningoencephalitis des Kaninchens. 173 


schen Encephalitis der Pferde beschriebenen intranukleSren Einschlflsse 
von Luksch als mit seinen, spater auch in Normalgehirnen gefundenen 
„Einschliissen u identisch befunden wurden. 

Bedenkt man schlieBlich, dafi die gleiche monozytare Meningitis, die 
perivaskularen und parenchymatosen Infiltrate und Gliawucherung wie 
bei der experimentellen Encephalitis nach Impfung mit Herpes Oder mit 
Encephalitis lethargica auch beim Fleckfieber, der Wut, der Schlalkrank- 
heit, der Bornaschen Encephalitis der Pferde, der Poliomyelitis, bei 
bakteriellen Erkrankungen usw., went^ auch in zum Teil geringerem 
Grade gefunden wurden, so ergibt sich — Zdansky hat dies schon 
hervorgehoben — daB dem morphologischen Befunde der herpetischen 
und encephalitischen Veranderungen im Zentralnervensystem eine Spezi- 
fitat in keinem Punkte zugesprochen werden kann. Ob die friiher ein- 
gehend beschriebene Kernveranderung fiir die herpetische Encephalitis 
tatsachlich als charakteristisch aufzufassen ist, wird sich erst sagen 
lassen, wenn eingehende Untersuchungen an einem groBen Material vor- 
liegen werden. 


SchluBs&tze. 

1) Die histologische Uutersuchung der Gehirne von 13 nach Herpes 
febrilis Impfung unter Allgemeinerscheinungen zugrunde gegangenen 
Tieren ergab nur in 5 Fallen deutliche encephalitische Veranderungen; 
in 6 Fallen waren sie gering, in 2 Fallen fehlten sie fast vollstandig. 

2) Von 5 mit Herpes genitalis geimpften Tieren zeigten 4 deutliche, 
eines nur ganz geringe histologische Veranderungen im Geliirn. 

3) Die histologischen Befunde der Gehirne von Kaninchen nach H. 
febrilis- und genitalis-Impfung sind prinzipiell die gleichen. 

4) Eine Abhangigkeit der Schwere der encephalitischen Verande¬ 
rungen von Inkubation und klinischen Symptomen, die die Tiere boten, 
konnte nicht nachgewiesen werden. 

5) 2 Tiere, welche nach Genitalisimpfung ohne Allgemeinerschei¬ 
nungen, nur unter Schwache langsam verendeten, zeigten histologisch 
deutliche encephalitische Veranderungen. Die Trennung des Herpes- und 
Encephalitisvirus auf Grund der histologischen Befunde erscheint nicht 
gerechtfertigt. 

6) Sowohl nach Herpes febrilis wie nach Genitalisimpfung konnte 
gelegentlich in encephalitischen Gehirnen an Ganglien- und Gliazellen 
die gleiche Kernveranderung gefunden werden, wie sie Lipschiitz und 
Luger und Lauda in der Kaninchenkornea nach Impfung mit Herpes 
beschrieben haben. Es wird an der Deutung derselben als Produkt einer 
oxychromatischen Degeneration des Kerns festgehalten, und es werden 
neue Stfltzen fUr diese Anschauung gegeben. 

7) Der Umstand, daB Levaditi und seine Mitarbeiter analoge Kern- 
veranderungen nach Impfung mit Encephalitis lethargica beschrieben 
haben, ist mit Rficksicht auf die Hypothese der Einheitlichkeit des 
Herpes- und Encephalitisvirus von besonderem Interesse. 

8) Der Befund von Gebilden im Kern, wie sie Levaditi und seine 


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Mitarbeiter als „neurocorpuscules enc6phalitiques“ ini Kaninchengehirn 
nach Impfung mit Encephalitis lethargica beschreiben, wird anch in 
Herpesgehirnen erhoben. Eine EinschluBnatur kann diesen Gebilden 
nicht zuerkannt werden; es handelt sich uin ein Stadium der oxychro- 
matischen Degeneration des Kernes. Die neurocorpuscules encepha- 
litiques sind ebensowenig wie die „minute bodies 11 von Da Fano als 
fur die Herpes-Encephalitisinfektion spezifisch anzusehen. 

• 

Nach AbschluB dieser Arbeit erhielt ich von Zdansky den Sepa- 
ratabdruck seiner Arbeit „Zur pathologischen Anatomie der durch das 
Herpes - Encephalitisvirus erzeugten Kaninchenencephalitis“ (Frankfurt. 
Ztschr. f. Pathol. Bd. 29. 1923.) Es war mir bis dahin nur das kurze 
Referat seines Vortrages in der pathologischen Abteilung der Hundert- 
jahrfeier deutscher Naturforscher und Aerzte, Leipzig 1922, zugSnglich. 

Die strenge Einteiluug des Ablaufes der Kaninchenencephalitis in 
drei wohlcharakterisierte Stadien, Initial-, exsudativ-leukozytares, proli- 
feratives Stadium, konnte ich bei meinen Untersuchungen nicht fest- 
stellen. Dali ich eine Abhiingigkeit der Art des histologischen Prozesses 
von der Ivrankheitsdauer und dem Ablauf der Erkrankung ebenfalls 
nicht beobachtete, habe ich schon friiher auseinandergesetzt. Auffallend 
erscheint mir, daB auch Zdansky anscheinend nur ausnahmsweise einen 
negativen histologischen Befund erheben konnte. Er findet Hyper&mie 
allein nur ganz im Beginn der Erkrankung. 

Besonderes Interesse verdient die Tatsache, daB Zdansky an¬ 
scheinend die gleichen Kernveranderungen im Gehirn von Tieren nach- 
gewiesen hat, welche nach Infektion mit menschlicher Encephalitis epi- 
demica zugrunde gegangen waren. Er charakterisiert diese Kernver- 
anderung mit „Auftreten eines oder mehrerer strukturloser tropfiger 
Gebilde im Kerninnern meist in der Umgebung des Kernkorperchens. 
welche in groBeren Tropfen und unregelmaBig geformten Gebilden zu- 
sammenflieBen, urn schlieBlich den ganzen Kern mit einer wachsig aus- 
sehenden Masse zu erfiillen. Diese vollkommen homogenen Kerndegene- 
rationsprodukte farben sich leicht mit basischen und sauren Farbstotfen. 
Sie driicken bei ihrer Volumzunahme das kornige Chromatin der Kern- 
membran an, bis dieses vollkommen verschwindet.“ Zdansky halt 
diese Kernveriinderung fur analog mit dem von Luger und mir im 
Kornealepithel bei der Keratitis hepatica gefundenen und schlieBt sich 
unserer Auffassung derselben insofern an, als er meint, daB diese Bil- 
dungen fiir den herpetischen Infekt nicht als spezifisch anzusehen sind. 
Seine Meinung, daB dem pathologisch anatomischen ProzeB der experi- 
mentellen Kaninchenencephalitis iiberhaupt eine Spezifitat nicht zuge- 
sprochen werden kann, deckt sich vollauf mit meiner friiher dargetanen 
Auffassung. 

Erkl&rung der Tafelabbildnngen. 

Fig. 1. Herpetische Kaninchenencephalitis. Perivaskuliire Infiltrate. Die infil- 
trierte GefaBwand links oben langsgetroffen. 

Fig. 2. Herpetische Kaninchenencephalitis. Gyrus hippocampi. Fast samtliche 
Ganglienzellen zeigen die oxychroinati-che Kerndegeneration (s. Fig. 3). 

Fig. 3 a, b, d. Degenerierende Ganglienzellkerne bei starker VergroBerung. Die 
oxychromatische Binnenmasse hat sich in a von der Kernmembran etwas retrahiert, in 
b fiillt sie den ganzen Kern aus; in d sind noeh Basichromatinreste zu sehen; c Glia- 
zellkern mit analoger Veriindening: e Ganglienzelle des Ammonshorn, Verlust des Ti- 
groids, beginnende oxychromatische Kernveriinderung. 



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Aristowsky u. Holtzer, Zur Morphologic der Spir. Obermeieri. 175 


Fig. 4. GaDglien- und Gliazellkerne in verschiedenen Phaeen der oxychromatischen 
Degeneration bei Alannscher Farbung. In einigen Kernen (Mitte links) erscheint das 
Oxychromatin in Form von roten, kleinen Gebilden, welche den neurocorpuscules enc6- 
phalitiques von Levaditi und seinen Mitarbeitern entsprechen. 

Literatur. 

Alzheimer, zit. nach Spielmayer. — Baum, Dermat. Wochenschr. 70. I92U. 
S. 105. — Berger, Wien. klin. Wochenschr. 1922. Nr. 41. — Blanc, Compt. rend. 
l’Acad. d. Sc. 14. III. 1921. — Blanc et Caminopetros, Compt. rend. Soc. d. Biol. 
9. IV., 13. IV., 14. V. 1921. — Creutzfeld, zit. nach Spielmayer. — Doerr u. 
Berger, Schweiz, med. Wochenschr. 1922. Nr. 35. — Ders. u. Schnabel, Ztschr. 
f. Hyg. Bd. 94. 1921. — Ders. u. Vochting, Rev. gdn. d’ophth. T. 34. 1920. p. 409. 

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zog, zit. nach Luksch. — Jakob, Disk. Vortr. Paschen Klin. Wochenschr. I. 
Nr. 13. S. 656. u. Nr. 17. 1876. — Joest u. Degen, Ztschr. f. Infektionskrankh. d. 
Haustiere. 9. 1911. u. 6. 1909. — Kling, Ws. Arch. f. inn. Med. 6. 1923. S. 101. — 
Kling, Davide, Lilienquist, Cbl. f. d. ges. Hyg. 1922. S. 346; Ref. aus Compt. 
rend. d. 1. Soc. d. Biol. T. 87. 1922. Nr. 21, p. 75; T. 87. 1922. Nr. 21, p. 77; T. 87. 
1922. Nr. 21. p. 79; T. 87. 1922. Nr. 25. p.486; T. 87. 1922. Nr. 27. p. 771; T. 85. Nr. 37. 
p. 1182. — Lauda, W. kl. Wr. 1923. Nr. 13. — Levaditi, Harvier u. N icolau, 
Ann. 1’Inst. Past. T. 36. 1922. p. 75. — Lipschiitz, Wien. med. VVoch. 1921. Nr. 5; 
ebenda. 1920. Nr. 38. S. 836; Arch. f. Derm. u. Syph. 136. 1922. H. 3. — Luger u. 
Lauda, Wien. klin. Wochenschr. 1921. Nr. 12 u. 21; Zbl. f. ges. exp. Med. Bd. 34. 
1921. S. 289; Ztschr. f. Hyg. Bd. 94. 1921. 2/3; Kl. W. I. Nr. 32 u. II. Nr. 19. — 
Dies. u. Silberstern, Ztschr. f. Hyg. Bd. 92. 2,3. — Luksch, Ziegl. Beitr. Bd. 71. 
S. 201. — Mittasch, zit. nach Luksch. — Nicolau u. Poincloux, ref. Kongr.- 
Zbl. 13. Nov. 1922. S. 70. — Oliver, Journ. of Dis. Vol. 30. 1922.— Ottolenghi, 
D’Antona e Tonietti, Policlin. 1920. Nr. 39. p. 1075. — Salmann, Sitzuugsber. 
d. Ophthal. Ges. v. 14. Marz. 1921. — Schnabel, Disk. z. Vortrag Zdans ky, Hun- 
dertjahrfeier d. d. Naturf. u. Aerzte. Leipzig 1922. — Spielmayer, Histopathologie 
d. Zentralnervensystems. Berlin 1922. — Vegni, Rif. med. 1922. p. 270.— Volpino 
u. Desderi. — Wohlwill, Kl. W. I. S. 656. — Zdansky, Hundertjahrfeier d. 
deutsch. Naturf. u. Aerzte. Leipzig 1922; Ref. Klin. W. 1922. S. 2306. 


Nachdruck verboten. 

Bemerkungen zur Morphologie der Spirochaeta Ober¬ 
meieri 1 ). 

[Aus dem Bakteriologischen Institut der Universitat zu Kasan (Direktor 

Prof. W. Aristowsky).] 

Von Prof. W. Aristowsky und Assistenten R. Hiiltzer. 

Mit 1 Tafel. 

Mit der in den letzten Jahren gemachten Entdeckung einer ganzen 
Reihe neuer, fur den Menschen pathogener Spirochaten (Spir. ictero- 
genes, Erreger der Weilschen Krankheit, Leptospira icteroides, 
Erreger des gelben Fiebers, Spir. hebtomadis, Erreger des 7-Tage- 
Fiebers, Spir. poly sclerotica, Erreger der Sclerosis multiplex u. a.) 


1) Vortrag, gehalten auf dem VII. Allrussischen Kongrefi der Bakteriologen und 
Epidemiologen vom 22.—28. Mai 1923 in Moskau. 


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gewinnen die Spirochaten sehr an Bedeutung. Obgleich die 1. fur den 
Menschen pathogene Spirochate, das Spir. Obermeieri, von Ober- 
nieier schon 1868 gefunden und der Name „Spirochaeta“ schon von 
Ehrenberg 183b aufgestellt worden ist, sind doch noch viele die 
Spirochaten betretfende Fragen jetzt noch ungelost. So z. B. die tiber 
die Stellung der Spirochaten im System der Mikroorganismen und die 
Geschichte ihrer Entwickluug. Die Ursache hiervon ist auf das Fehlen 
einer sicheren Methode zur Zuchtung der Spirochaten zurflckzuffihren. 

Erst mit dent in den letzten Jahren erfolgten weiteren Ausbau 
unserer Kenntnisse der Spirochaten wurden auch diesbezfiglich groBe 
Fortschritte gemacht, so daB wir jetzt fast alle pathogenen Spirochaten 
in vitro zfichten kfinnen, und zwar nicht nur in halbstarren, sondern 
auch auf flfissigen Nahrboden, was sehr wichtig ist, weil sich dadurch 
die Moglichkeit bot, die Beobachtungen fiber die Spirochaten in viel 
groBerer Breite vorzunehmen, als dies in der Zeit der Fall war, wo 
die pathogenen Spirochaten nur in den Sfiften und Geweben des kranken 
Organismus beobachtet werden konnten. 

In vorliegender Mitteilung wollen wir unsere Beobachtungen fiber 
die Morphologie der Spirochaeta Obermeieri mitteilen, die wir 
bei der Zfichtung dieser Spirochaten machen konnten, mit der von Prof. 
Aristowsky angegebenen Methode. 

Diese Originalinethode ist ausffihrlich im „Kasansch. Medicin. Journal 11 
1921, Nr. 1, und 1922, Nr. 3, beschrieben worden und soli hier kurz 
mitgeteilt werden: Ffir die Zuchtung und Erhaltung des Spirochfiten- 
stammes in vitro im Laboratorium benutzen wir 2 Nahrboden, deren erster 
aus 8 ccm physiol. Kochsalzlosung, 4 ccm frischen Pferdeserums (von 
jungen Pferden) und einem Stuckchen Blutgerinnsel aus Pferde- oder 
Menschenblut besteht. Ebenso wird der Nahrboden Nr. 2 hergestellt, 
nur wird das Blutgerinnsel durch ein Stfickchen hart gekochten Hfihner- 
eiweiBes ersetzt. Bei der Anlegung der Kultur aus dem Blute kranker 
Menschen werden mit 1—3Tropfen des Blutes oder Serums des Kranken 
beide Nahrboden beimpft, worauf Wachstum entweder auf beiden oder 
auf einem derselben erfolgt. Um weitere Generationen zu erhalten, 
werden Ueberimpfungen vont Nahrboden Nr. 1 auf den Nahrboden Nr. 2 
und Nr. 1 gemacht, vom Nahrboden Nr. 2 aber nur auf Nahrboden Nr. 1, 
und zwar mfissen diese Ueberimpfungen nach 48 und 72 Std., in seltenen 
Fallen auch nach 96 Std. vorgenommen werden. Die boimpften Rohr- 
chen werden mit Wattepfropfen verstopft (AufgieBen von ParaftinSl ist 
fiberfliissig) und in den Brutschrank bei 35° C gestellt. Das Maximum 
des NVachstums zeigt sich am 2., 3. oder erst 4. Tage. In der Regel 
treten schon am 5. Tage in der Kultur Riickbildungserscheinungen auf. 

Mit dieser Methode hat man die Spirochfitenkultur in vitro in einer 
unendlichen Zahl von Generationen erhalten. Unsere Beobachtungen 
wurden an Material gemacht, das wir bei der Zuchtung eines Stammes 
der Spirochaeta Obermeieri in vitro erhalten haben, den wir un- 
mittelbar aus dem Krankenblute im Februar 1922 ausgeschieden hatten, 
und der im Laboratorium bis jetzt im Rohrchen schon 200 Generationen 
geliefert hat. 

Beim Studium der Morphologie der Spirochaten in Reinkultur ffillt 
sehr bald die Veriinderlichkeit und Mannigfaltigkeit der Formen bei den- 
selben auf, die abhiingig von einer ganzen Reihe von Bedingungen sind, 
weswegen die Bedeutung bestfindiger Gattungsmerkmale mancher mor- 
phologischer Eigenschaften der Spirochaten verneint werden muB, weil 



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Arietoweky u. Holtzer, Zur Morphologie der fcjpir. Obermeieri. J 77 

es sich um Uebergangseigenschaften handelt, die von ZQchtungsbedin- 
gungen, dein Alter der Kultur oder unbekannten Bedingungen abhflngen, 
die aber jedenfalls auBerhalb der Spirochaten selbst liegen. 

Vor allem failt bei der Zfichtung der Spirochaeta Obermeieri 
nach unserer Methode sehr die Langenveranderlichkeit der Spirochaten 
auf, die teils vom Nahrboden, teils von dem Alter der Kultur abhangen. 
Leicht konnen aus 2 Kulturen desselben Stammes bei einer oft neben 
Spirochaten mittlerer Lange auch Exemplare, die sich iiber das ganze 
Gesichtsfeld des Mikroskopes ziehen und 50 oder sogar mehr Windungen 
haben, sich findeu, wahrend die andere Kultur aus dicht nebeneinander 
liegenden echten Zwergformen mit nur 3—4 Windungen besteht. Nach 
unseren Beobachtungen wachsen lange Formen moistens auf dem Nahr¬ 
boden Nr. 2 (mit einem Stflckchen hart gekochten HiihnereiweiBes), be- 
sonders wenn man nacheinander einige aufeinanderfolgende Ueber- 
impfungen auf diesem Nahrboden ohne Abwechselung mit dem Nahr¬ 
boden Nr. 1 macht Weil die Spirocbaten, wie erwahnt, bei diesem 
Verfahren langsam degenerieren und die Kultur eingeht, wurde grflBerer 
Wert auf Bildung langer Formen in den Kulturen als auf die Entartung 
wegen ungflnstiger Wachstumsbedingungen gelegt Erwahnt sei noch, 
daB die Ueberimpfungen von Kulturen mit sehr langen Formen auf 
frische Nahrboden, selbst bei Wechsel der Nahrboden, meist negativen 
Erfolg haben. 

Auf den EinfluB des Nahrbodens auf die Gr5Be der Spirochaten hat 
schon Zuelzer hingewiesen. Bei der Zflchtung der Spirochaeta 
icterogenes auf Kaniuchenserum besteht diese aus 12—15 Windungen, 
wird sie aber auf Eselserum gezogen, so weist sie bis zu 120 —150 und 
mehr Windungen auf. 

Kleine Formen der Spirochaten kann man in einzelnen Exemplaren 
in jeder Kultur finden, doch bekommt man unter gewissen Bedingungen 
Kulturen, die aus Spirochaten mit 3—5 Windungen bestehen, so z. B. 
auf einem Nahrboden mit Blutgerinnsel (After), desgleichen auf solc’nem 
mit einem Stflckchen HuhnereiweiB (seltener), aber in der Regel, nachdem 
die Rflhrchen 3 oder 4—5 Tage im Brutschranke gestanden haben, d. h. in 
alten Kulturen, die gewflhnlich Rfickbildungsmerkmale aufweisen. In an 
kleinen Formen reichen Kulturen finden sich vorwiegend bewegliche 
Exemplare von Spirochaten im Zustande lysischen Zerfalles, und cndlich 
eigentflmliche Formen, die wir als „Spirochatenschatten“ bezeichnen, 
d. h. Bildungen mit undeutlichen Konturen, aus feinsten Granulis be- 
stehend, die aber von Geflbten sich leicht als Spirochaten feststellen 
lassen. Ueberimpfungen aus solchen Kulturen auf frische Nahrbflden 
bleiben oft erfolglos, d. h. weitere Generationen gelingen nicht, oder 
man bekommt bei Ueberimpfung eine neue Generation von Spirochaten, 
die aber schon nach 24 Std. anstatt kleiner Formen von gewflhnlicher 
mittlerer (nach unserer Meinung normaler) GrflBe sind. Wir konnen 
die Ansicht anderer Autoren nicht teilen, welche die kleinen Formen 
der Spirochaten als junge lebensfahige, unter besonders guten Bedin¬ 
gungen auftretende Spirochaten betrachten (Zuelzer, Mosch- 
kowsky), als ob es sich um Bakterien handelte. Wir halten diese 
vielmehr fflr nicht mehr lebensfahige Formen, die bald zugrunde gehen. 
Sie scheinen anfzutreten, wenn sich in flflssigen Nahrbflden StofTwechsel- 
produkte der Spirochaten ansammeln, die ungflnstig auf ihre Entwick- 
lung einwirken. Es entstehen also ebenso Riesenformen wie auch die 
kleinen Formen der Spirochaten unter ungflnstigen Bedingungen, nor- 

tnte Abt. Orig. Bd. 91 Heft 3 4. 12 


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178 Oentralbl. t Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

male Spirochaten sind nur diejenigen mittlerer GroBe mit 10—12 Win- 
dungen, wie sie gewohnlich im Blute kranker Menscben vorkommen 
Kulturen, die sekr *viele solcher Formen enthalten, sind daher am ge- 
eignetsten zur Erzielung weiterer Generationen durch Ueberimpfungen 
auf frische Nahrboden. Zu lange Formen teilen sich nicht so, wie dies 
in der Regel unter normalen Bedingungen der Fall ist, und zeigen Merk- 
male, die deutlich auf verzogerte Teilung hindeuten. Man sieht bei 
Beobacbtungen solcher lebender Formen bei Dunkelfeldbeleuchtung, wie 
diese langen Spirochaten bei ihren Bewegungen sich unter geradem Oder 
sogar stumpfem Winkel umbiegen, und zwar immer an bestimmten Punkten, 
den Stellen zukflnftiger Teilung. Die Zahl dieser Punkte entspricht der 
Teilung zwar nicht bei 2, wohl aber bei 4—5 oder mehr Exemplaren. 
und bei weiteren Beobachtungen dieser Spirochaten sieht man deutlich. 
daB an diesen Stellen feine, kaum sichtbare, protoplasmatische Geruste 
(Brucken) entstehen, aus denen sich von einer schlieBlich langen Spiro- 
chate ein neues Einzelwesen won mittlerer GroBe abtrennt. 

Die Spirochaten teilen sich in den Kulturen nicht nur in 2, sondern 
auch in 3 — 5 und mehr Teile, wie Zuelzer angibt, und zwar nicht nur 
die Recurrensspirochaten, sondern auch Spirochaeta gallinarum, 
icterogenes und Spir. pallida. Bei der Spirochaeta pallida 
ist dies deswegen wichtig, weil als eines der charakteristischen Merk- 
male der Treponema die obligate Teilung in 2 Halften von Hart¬ 
mann und Schilling angegeben wird. Es kann sich also die Zwei- 
teilung der Spirochaten im tierischen Organismus unter dem Eintiusse 
des Nahrbodens andern, und die Spirochaten konnen sich in 3—5 Teile 
teilen. Daher kann dieses Merkmal wie auch die Lange der Spirochaten 
und Zahl der Windungen nur relativen Charakters sein. 

Involutionsformen sind Spirochaten, welche die Windungen entweder 
in ihrer ganzen Lange, Oder nur in bestimmten Teilen des KOrpers ver- 
loren haben. Zuweilen finden sich Spirochaten im Stadium der Quer- 
teilung, d. h. 2 Spirochaten, von denen die eine gewundene, die andere 
aber ganz frei von Windungen ist, sind durch protoplasmatisches Gerfist 
verbunden. 

Bei der Rfickbildung der Kultur kann man leicht Erscheinungen 
lysischen Zerfalles sehen, wie z. B. die oben genannten Spirochaten- 
schatten, auBerdem finden sich in solchen Kulturen in der Mehrzahl 
gut erhaltene Formen, doch ohne Beweglichkeit. 

Auf manchen solcher Spirochaten finden sich besondere Gebilde in 
Form kleiner Ringe (bei Dunkelfeldbeleuchtung) im Zentrum der Spiro- 
chate, oder der Lange nach an der Seite. Sie erscheinen in nach 
Giemsa gefarbten Praparaten als intensiv violette, runde Kornchen. 
AuBer diesen Formen findet man in alten Kulturen alierhand Ueber- 
gangsformen von den soeben erwahnten unbeweglichen Spirochaten bis 
zum sogenannten Spirochatenschatten. 

Schon in unserer 1. Arbeit fiber die Zfichtung der Spirochaeta 
Obermeieri hatten wir auf die in alten Kulturen von Zeit zu Zeit 
auftretende Konglomeration der Spirochaten (sogen. sternartige Figuren 
der Spirochaten) hingewiesen. Vorher aber traten in unseren Kulturen 
paarweise langs der Achse vereinigte Spirochaten auf, dicht aneinander 
liegend, die sich scheinbar umwindend, verwickelnd un# oft an manchen 
Stellen sich gegenseitig an den Enden oder in der Mitte berfihrend, sich 
dann bald voneinander trennend, bald wieder vereinigend. Solche Figuren 
gaben einigen Forschern Veranlassung. von einer Lfingsteilung der Spiro- 



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Ariatowsky u. Holtzer, Zur Morphologic der Spir. Obermeieri. 179 


chSten zu sprechen (Prowazek, Schaudinn, Skokalski), andere 
Autoren aber betrachteten sie als Kopulationserscheinungen (Lbwen- 
thal, Perrin, Krzystallowicz, Siedlecki). 

Diese ErklArung halten wir iiir sehr gezwungen und mfichten diese 
Erscheinung eher als einzelnen Fall der SpirochAtenkonglomeration be- 
trachten, die schlieBlich zur Bildung von KnAueln von 10 und mehr ge- 
sonderten Exemplaren fillirt. Diese ZusammenbAulung der SpirochAten 
fiadet sich bekanntlich am Ende des Antalls beim Recurrenstyphus ini Blute 
der Kranken und wird gewohnlich als SpirochAtenagglutination behandelt, 
die durch Vermehrung des Gehaltes an spezifischen InimunkOrpern und 
Agglutininen hervorgerufen wird. Ohne diese Tatsache leugnen zu 
wollen, glauben wir docb, daB man bei der Deutung derselben sehr 
vorsichtig sein muB, da moglicherweise SpirochAtenkonglomeration ohne 
irgendwelchen Anteil der Agglutinine, z. B. bei der Spirochfitenziichtung, 
vorkommt. — GegenvsArtig kbnnen wir leider, da nicht genflgeude Beob- 
achtungen vorliegen, die Ursachen der Konglomerate in den Kulturen 
und des Auftretens der zahlreichen sternformigen Figuren nicht eiklAren. 
Lange Erfahrungen in der SpirochAtenziichtung nach unserer Original- 
methode lassen aber keinen Zweifel bezuglich des periodischen Auf¬ 
tretens dieser Erscheinung in einer ganzen Reihe von Generationen. 
Ferner ist zu bemerken, daB Kulturen, die reich an sternibrmigen Figuren 
sind, in jedem Falle lebensfahig sind und leicht weitere Generationen 
geben; sie kbnnen daher nicht als degenerierte und absterbende Kul¬ 
turen betrachtet werden. 

Ein wichtiges morphologisches Rlerknial bei der SpirochAtenklassi- 
fikation nach Hartmann-Schilling ist der Charakter der PrimAr- 
windungen und ihr Verhalten bei der Bewegung der SpirochAte. Fiir 
dieSpirochaeta pallida wAre das Hauptkennzeichen die gedrechselte 
Gestalt infolge pr&formierter Unbeweglichkeit (Starrheit) der plasma- 
tischen Spiralen, die nach Zuelzer in Kulturen der SyphilisspirochAten, 
aber nicht bestAndig, auftritt. In Kulturen linden sich Bilder, in denen 
der Syphiliserreger mehr dem Typus von der RecurrensspirochAte als 
dem der Spirochaeta pallida gleicht. Aber auch bei den Recurrens- 
spirochAten ist nicht inimer der Charakter der Windungen bestAndig, 
wobei der EinfluB des NAhrbodens von auBerordentlicher Bedeutung ist. 
So haben die RecurrensspirocbAten im Organismus der Maus nach 
Zuelzer lockere uud uDregelmABige Windungen, die sich bei ver- 
schiedenen Bewegungen der SpirochAte Andern, wogegen dieselben Spiro- 
chAten in flussigen SerumnAhrboden zusammengedrAngte, regelmABige 
Windungen haben, die sich bei den verschiedensten Bewegungen der 
SpirochAte nicht Andern. 

In unseren Kulturen der Spirochaeta Obermeieri zeigte sich 
aber ein durchaus anderes Verhalten, denn neben der erwAhnten kanien 
auch andere Formen vor, und zwar beide Formen gleichzeitig in der¬ 
selben Kultur unter Dominieren der einen oder anderen Form, doch 
waren SpirochAten mit regelmABigen Windungen am hAufigsten. Zu 
bemerken ist noch, daB einzelne lebende SpirochAten mit unregelmaBigen 
Windungen auBerdem viel beweglicher als andere waren und sich zu- 
weilen schnell in einen Klumpen zusammendrehten, sich nach kurzer 
Ruhe wieder schnell in die LAnge streckten, um sich nach einiger Zeit 
abermals in kleine Klumpen umzuwandeln, in denen ein ungefibtes 
Auge die SpirochAte nur schwer erkennen kann. In dieser Zeit nehmen 
die SpirochAten oft die als Einrollung beschriebene Gestalt an, welche 

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Uentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4.j 


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von verschiedeneu Autoren verschieden erklfirt wird: Prowazek sowie 
Mayer halten solche Spirochaten fur Ruhefonnen, van der Borne 
fur junge, Levaditi fur degenerierte, Marzinowsky fur standhafte 
Formen der Parasiten, welche sich im kranken Organismus wahrend 
derApyrexie erhalten und aus welchen beim Beginne des Anfalles vege¬ 
tative Formen entstehen. 

Unbestreitbare Beweise ffir oder gegen diese Ansichten haben wir 
nicht. Nur beziiglich der Ansicht von van der Borne, welcher die 
betreffenden Formen fur junge Individuen halt, konnen wir angeben, 
daB nach unseren Beobachtungen Einrollungsformen gewfihnlich in reifen 
oder sogar alten Kulturen erscheinen, und zwar meistens am Ende der 
normalen Kulturentwicklung, was nicht im Widerspruch zu den An¬ 
sichten von Prowazek, Mayer, Marzinowsky und Levaditi 
steht. Mit unseren an solchen Einrollungsformen reichen Kulturen 
machten wir Versuche uber die Potenz der Lebensfahigkeit dieser 
Formen, die aber keine bestimmten Erfolge hatten. Sie systematisch 
zu wiederholen, hatten wir leider keine Gelegenheit, da an Einrollungs¬ 
formen reiche Kulturen sehr selten sind. Unter 200 Generationen des 
Laboratoriumsstammes der Spirochaeta Obermeieri kamen in der 
Zeit von ca. 1V 2 Jahren solche Kulturen nur 3- oder 4mal vor. Ueber- 
imfungen aus an Einrollungsformen reichen Kulturen auf frischen Nfihr- 
boden gaben in einigen Fallen ein positives, in anderen negatives 
Resultat. In den ersteren Fallen hatten die neuen Generationen der 
Spirochaten gewohnliches Aussehen. Einrollungsformen konnten wir 
aber dort schon 24 Std. nach Ueberimpfung nicht vorfinden. 

Eine ganze Reihe anderer Bildungen auBer den Einrollungsformen 
wird von einigen Autoren als besonderes Stadium der Spirochfitenentwick- 
lung betrachtet, so z. B. der kornige Zerfall, welcher von Zopf, War¬ 
ming, Leishman, Balfour, Fantham, Hindle, Balfour und 
0’Far ell sowie Hoffmann beschrieben wird bei freilebenden Spiro¬ 
chaten wie auch pathogenen in Kulturen und im Blute von Kranken 
und in Organen infizierter Tiere (Zecken). In unseren Kulturen be- 
inerkten wir mehrmals kleine, stark lichtbrechende Granula. Unsere 
Versuche, durch Zfichtung die Moglichkeit des Wachsens von Spiro¬ 
chaten aus diesen Granulis zu beweisen, waren erfolglos, was auch mit 
deu Angaben in der Literatur ubereinstimmt. Nur Noguchi berichtet 
fiber diesbezfigliche gelungene Versuche mit der Kultur der von ihm 
entdeckten Spirochfite des gelben Fiebers: In Kulturen, die 6 Wochen 
gestanden hatten, verschwanden alle Spirochaten, und statt ihrer waren 
zahlreiche, stark lichtbrechende Ivorner sichtbar, doch blieb die Virulenz 
in solchen Kulturen nach Beobachtungen Nogouchis erhalten. 

Unsere Beobachtungen beziiglich der Morphologie der Spiro¬ 
chaeta Obermeieri zeigen, daB eine ganze Reihe morphologischer 
Eigentfimlichkeiten zuweilen verschiedene widersprechende Erklfirungen 
zulaBt, so z. B. die sich verwickelnden Spirochaten, die sternartigen 
Figuren, Einrollungsformen, der kornige Zerfall. Obgleich wir gegen- 
wartig auf eine ganze Reihe von Fragen keine Antwort geben konnen, 
lassen doch unsere Untersuchungen die Moglichkeit zu, einige Urteile 
zu bilden, wenn auch in der Art einer mehr oder weniger wahr- 
scheinlichen Voraussetzung, so z. B. bei den Beobachtungen, welche auf 
ein bestimmtes periodisches Verhalten bei der Spirochatenzflchtung hin- 
weisen. 



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Verlag von Gustav Fischer in Jena 








Aristolwsky u. Holtzer, Zur Morphologie tier Kpir. Oberraeieri. Jgl 


Als charakteristisch bei unserer ZQchtungsinethode ist der Wechsel 
der KShrboden zu nennen, wodurch man eine unendliche Zahl von 
Generationen erh&lt, sowie ferner der Reicbtum einzelner Generationen 
an Spirochaten und die Leichtigkeit, sich auch hier von dem periodiscben 
Wesen der Erscheinungen zu iiberzeugen. In der Regel erstreckt sich 
das reicbliche VVachstum der Spirochaten auf unseren Nahrbbden auf 
mehrere Generationen, worauf in den folgenden Generationen ein scharfes 
Nachiassen des YVachstums eintritt. Wir finden dann in den Kulturen 
nur 3—5 Spirochaten im Gesichtsfeld, statt 30 —40 in den vorher- 
gehenden Generationen. Diese Periode des geringen Wachstums ist 
nicht auf Degeneration oder Absterben zuruckzufiihren, denn wir konnten 
beweisen, daB es sich dabei um eine temporare Erscheinung handelt, 
da nach einigen Generationen sich wieder so reiche Kulturen wie friiher 
bilden. Ferner zeigten die morphologischen Besonderheiten der Spiro¬ 
chaten in den Kulturen, daB Spirochaten mit bestimmten morpho¬ 
logischen Merkmalen darin auch periodisch erscheinen, und zwar unab- 
hangig von den Zuchtungsbedingungen, so z. B. die verwickelten Spiro¬ 
chaten, die sternartigen Figuren und endlich die Einrollungsformen. 

Bei der Ziichtung der Spirochaeta Obermeieri nach unserer 
Methode zeigt sich also eine ganze Reihe von Erscheinungen, was wohl 
mit den biologischen Eigenschaften der Spirochaten selbst in Ver- 
bindung steht, und wahrscheinlich in direkter Beziehung zu der Ent- 
wicklungsgeschichte der Spirochaten steht. Deshalb schlieBen wir uns 
gern der Ansicht derjenigen Autoren an, die in dem periodischen Wechsel 
der Anfalle und der Ayprexie bei Typhus recurrens nicht nur die Ab- 
spiegelung eines Wankens im Iminunitatszustande sehen, sondern glauben, 
daB dieser Wechsel der Spirochatengenerationen im Zusammenhang mit 
dem Entwicklungszyklus steht. 

/ 

Erklarungen der Tafelabbildungen. 

1. Praparatausstrich aus reifer Kultur, gefarbt nach Giemsa, mikroskopiert im 
Dunkelfeld. Objektiv Leitz Nr. 6. Ok. 4. Spirochaten mit unregelmiiBigen Wiudungen 
and Spirochaten agglomeration. — 2. Piaparatausstrich aus reifer Kultur, gefarbt nach 
Giemsa, miaroskopiert im Dunkelfeld. Objektiv und Ok. dieselbeu. Spirochaten mit 
regelmaBigen und unregelniafiigen Windungen. — 3. Praparatausstrich aus alter Kultur. 
geiarbt nach Giemsa, mikroskopicrt im Dunkelfeld. Objektiv und Ok. dieselben. 
Spirochaten mit regelmahigen und unregelmaBigen Windungen, verschicdener Lange 
und Degenerationsformen. — 4. Spirochaten in lebendem Zustand aus reifer Kultur im 
Dunkelfeld. Objektiv und Ok. dieselben. Spirochaten mit regelmafiigen und unregel- 
maBigen Windungen. Spirochatenagglomeration. — 5. Spirochaten aus 4 Tage alter 
Kultur auf Nahrboden mit Blutgerinnsel. Die Kultur besteht fast ausnahmslos aus 
kleinstcn Formen. Dabei kommen auch Degenerationsformen mit Kingen vor. — 
ti. Spirochaten mit unregelmaBigen Windungen aus alter Kultur in verschiedenen Mo- 
menten der Bewegung. a, b und c allmahliche Bildung der Einrollungsformen. 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Nachdruck verboten. 

Untersuchungen liber Amoben. 

|Aus deni Hygienischen und Bakteriologischen Institut zu Jena (Direktor: 

Prof. Dr. Abel).] 

Erster Teil. 

Von Dr. med. Z. Nesmclow, 

Privatdozentin am Medizinischen Institut zu Charkow (Ukraine). 

Obgleich die Literatur fiber die AmSbenfrage in den letzteu Jahr- 
zehnten und besonders nach dem Kriege sehr reich geworden ist, be- 
sitzen wir doch bis jetzt keine sicheren Kenntnisse liber die morpho- 
logischen und biologischen Eigenschaften von vielen dieser Protozoen. 
Das pathogene Material ist auf diesem Gebiete nicht leicht und iiberall 
zu haben, und die Versuche damit stofien auf manche technischen 
Schwierigkeiten. Die Untersuchungen fiber die apathogenen Amoben 
vom medizinischen Standpunkte aus sind nicht zahlreich. Mit den 
apathogenen Amoben beschaftigen sich meistenteils nur Zoologen, die 
sich der Protistenkunde gewidmet haben. Eigentlich mfilUen aber auch 
die Mediziner diesem Gegenstande mehr Anteil schenken, da man bei 
solchem Studium Gesichtspunkte bekommt, die zur Aufklarung der 
Biologie der pathogenen Amoben wertvolle Ilinweise geben konnen. 

Ich bin daher der Anregung des Herrn Prof. Dr. Abel, einen 
Aufenthalt in seinem Institute zu Untersuchungen fiber medizinisch 
wichtige Verhaitnisse banaler, nicht-pathogener Ambben zu benutzen, 
gern gefolgt und berichte im folgenden iiber meine ersten Ergebnisse; 
eine Fortsetzung meiner Studien behalte ich mir vor. 

Als Material fiir meine Versuche benutzte ich vor allem einige 
Amobenkulturen, die von Prof. Dr. Abel schon vor langerer Zeit aus 
verschiedenen Materialien herangeziichtet waren (4 Stamme). Aufierdem 
hatte ich zur Verfiigung noch Stamme, die ich selbst aus dem Stallmist 
und aus dem Darmschleim von Meerschweinchen und Kaninchen be- 
kommen habe. Ueber ihre morphologischen Eigentiimlichkeiten ist in 
aller Kfirze folgendes zu sagen: 

Alle Protozoen, die als Versuchsmaterial gedient haben, gehorten 
nach der Klassifikation von Doflein zur Ordnung Amoebina, zur 
Familie Amoebidae und zur Gattung Li max. In keinen auGerlichen 
Verhaltnissen bildeten sie GeiBeln. Ueber die einzelnen Stamme ist 
folgendes zu sagen: 

Nr. 1, bezeichnet 4 AB, geziichtet aus Krfurter Klaranlagenschlamm 1922. Grofie 
Amobe, gegen 100 p, Zysten gegen 25 p, Ekto- und Entoplasma, diinnfliissig, bildet 
breite Pseudopodien, Ektoplasmaschicht ziemlich breit. Der Kern etwas oval, Binnen- 
kern deutlich. In der Norm eine groBe kontraktile Vakuole und 2—3 kleinere. Im 
abgekugelten oder enzyetierten Zustande vielkernig. Bewegungen sehr lebbaft. Wachs- 
tuin auf Bakterienra-ien profus und rasch. 

Nr. 2, bezeichnet Trichter, aus derselben Quelle wie Nr. 1, i L Jahr ppater heran- 
gezuchtet (1922). Der 4 AB sehr ahnlich, doch etwas kleiner. NVachstum auf ent- 
sprechendeu Nahrboden etwas langsamer. 

Nr. 3, bezeichnet Greiz. Aus einem Wasser aus der istadt Greiz (1922). Mittel- 
groBe Amobe, gegen 50 p. Protoplasma scbeint weniger fliis.-ig. Pchicht von Ekto- 
plasma scbmaler als bei Nr. 1. Wachstum uppig, doch etwas langsamer. Weniger 
lebbaft in ihren Bewegungen. 


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Nesmelow, Untereuchungen iiber Amoben. 


183 


Nr. 4, bezeichnet I, 1922, geziichtet aus Material wie Nr. 1. Kleine Amobe, gegen 
30 p; Zywten gegen 10 jjl. Wachstuin auf kiin si lichen Boden verhallui»maflig iangeam. 
Pneudopodien breit, Bewegungen ziemlich lebbaft, einkernig. 

Nr. 5, bezeichnet Stallainobe, aus dem tstullmi.«t, April 1923 geziichtet. GroSe 
Amobe, gegen 80 u; Pseudopoilien oft faeherartig, Protoplasma etwaa zaher als bei 
Nr. 1. Scbicht von Ektoplasma ziemlich breit, dcr Kern deutlich, liegt gewobnlich 
etwas exzentrisch, Waehstum auf Nahrboden bedeutend langsamer als Nr. 1. In ab- 
gekugelten Forrnen vielkernig. 

Nr. 6, bezeichnet 4-Darniamdbe. Aus dem Darmscbleim von einem Meerschweinchen, 
April 1923 geziichtet. GroBe 00—80 u. Jn den ersten zwei Generationen bildete die 
Amobe Vorsprunge in verschiedenen Kichtungen auf einmal, gab oft Himbeerformen 
and 1—2 aebr lange und diinne Pscudopodien (doch keine GeiBeln). Kern deutlich, 
eine grofie kontraktile Vakuole und daneben 3—5 viel kleinere. Protoplasma diinn- 
flussig. Waehstum auf Nahrboden ziemlich langsam. In abgekugelten Forrnen und 
Zysten vielkernig. 

Zum Kultivieren der erwahnten Stamme erwiesen sich alle Nahr¬ 
boden passend, auf welchen Bakterien wachsen. Besonders dauerhafte 
and sch6n bewegliche Forrnen gewahrte meistenteils die Gelatine. Beim 
Austrocknen bildeten sie schnell Zysten, die eine lange Lebensdauer be- 
saBen. Alte Kulturen vom Juni—September 1922 gaben im Mai 1923, 
wo die meisten von ihnen auf Aear vollstandig ausgetrocknet schienen, 
bei Ueberimpfung auf frischen Nahrboden schon in 24 Std. liberal! ein 
positives Resultat. 

Zur Verdrangung der geinischten Bakterienliora, in der man die 
Amoben bei der Ziichtung zuerst erhait, durch eine bestimmte Bak- 
terienart wurden Kulturen von verschiedenen Wasserbakterien, sowie 
von Typhus-, Coli-, Cholera-, Dysenterie-, Diphtheriebakterien lebendig 
oder abgetotet angewandt. Am besten wuchsen die AmOben auf Coli 
und Typhus, aber auch nicht schlecht auf Wasserbakterien. Pathogene 
Bakterien wurden also von den Amoben mit gleicher Bereitwilligkeit 
wie Saprophyten gefressen und ihre Toxine sind anscheinend fur diese 
Protozoen unschadlich. 

Was die Temperatur anbetrifft, so waren sie dagegen ziemlich 
gleichgQltig und ertrugen den dauernden Aufenthalt im Brutschranke 
ebenso wie Zimmertemperatur. 

Um Kulturen der AmOben mit nur einer Bakterienart zu erzielen, 
wurde meistenteils die Methode von Mouton angewandt, die auch 
v. Schuckmann empfiehlt. Es wird dabei auf einer Agar-, Heuagar-, 
Con r a d i - D r i ga 1 s k i - Platte u. dgl. m. die fur die Zflchtung be¬ 
stimmte Bakterienart in radiaren Ausstrichen ausgesat (am besten nur 
in 4 Strichen, also kreuzartig) und in die Mitte der Platte das Amoben- 
material aufgebracht. Nach 24—48 Std. war gewOhnlich auf der Platten- 
mitte schon ein matter Hauch zu sehen, der sich allmahlich in kon- 
zentrischen Wellen ausdehnte. Er zeigte die Vermehrung von Amoben 
an, die nun entlang den Kulturstrichen der ausgesaten Bakterien zur 
Peripherie hin vordrangen und dabei die Bakterien verzehrten, so daB 
deren Kulturstriche zuletzt wie ausradiert erschienen. An der Peripherie 
waren dann meist nur vegetative Forrnen, in der Mitte immer zahl- 
reichere Zysten zu finden. 

Um sich von dem Vorhandensein der Amoben zu flberzeugen, ge- 
nflgte es, die Platten unter dem Mikroskop mit einer starken Trocken- 
linse ohne Deckglas zu untersuchen, wobei man die Forrnen der Amdben 
80wohl wie auch die Bakterien ganz deutlich auf dem Nahrboden zu 
sehen bekam. 

Es ist das ein Untersuchungsverfahren, das den Vorzug hat, das 
Material in situ studieren zu kdnnen und das die Herstellung von Ob- 


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Centr&lbl. f. B&kt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 3/4. 


jekttr&gerpr&paraten ersparen kann. Herr Prof. Abel, der es mir 
enipfalil, braucht es seit langer Zeit auch zur Untersuchung von Bak- 
terienkolonien in Platten. Nur muB der Nahrboden dazu dfinn und 
durchsichtig, und die Kolonien dflrfen nicht zu dick sein. 

Das Beimischen von einigen Farbstoffen (Malachitgrfin, Pyronin, 
Neutralrot, Lackmus, Karmin u. dgl. ni.) in Losung Oder Kornchen zum 
Nahrboden hat keine besonderen Vorteile gegeben: Die studierten 
Amobenstamme farbten sich dabei sehr schwach und auch nicht immer, 
verzehrten die farbigen Substanzen ungern und gaben sie sehr schnell 
wieder ab. 

Bei dein Verfahren nach Mo u ton wachsen die Aindben in Bak- 
terienreinkulturen hinein und lassen sich so, befreit von den Bakterien. 
von denen sie sich anfangs nahrten, mit einer bestimmten Art von Bak¬ 
terien zusanimen vom Rande her weiter verimpfen. Es gelingt mit 
1— 3maliger Benutzung einer Platte nach Mouton in der Tat, Kulturen 
der Amoben mit nur einer Bakterienart zu gewinnen. 

Ein anderes Verfahren, das die Trennung der Amoben von den sie 
begleitenden Bakterien und die Ziichtung mit einer bestimmten Bak¬ 
terienart zusanimen ermoglichen soil, ist von Frosch 1897 angegeben 
worden. 

Frosch hat aus verschiedenen Bakteriengemischen Amoben isolieren 
kdnnen, indem er altere, zystenhaltige Amobenkulturen mit einer 20- 
proz. Losung von wasserfreier Soda iibergoB. Nach 72 Std. waren nur 
noch die Zysten lebendig; bei Ueberimpfung auf eine Bakterienreinkultur 
erhielt Frosch dann eine Kultur der Amoben nur mit dieser Bakterien¬ 
art zusammen. 

Meine Versuche in dieser Richtung haben andere Resultate gegeben. 
Ich benutzte fiir diese 4 Amobenstamme: 4 AB, Trichter, Greiz und I 
sowohl in alten (von 1922) wie auch in ganz frischen (4-tagigen) Kulturen 
in Rohrchen und auf Platten. Das Material wurde mit Sodalosung fiber- 
gossen, die bei 20 Proz. Soda so stark war, daB die Kristalle sogar im 
Brutschranke nicht ganz aufgelost waren und in dem Kolben sichtbares 
Sediment bildeten. Die Aufschwemmungen von Kulturen in Soda wurden 
fur 72, 80—120 Std. steben gelassen, darauf mikroskopiert und auf 
frische Nahrbdden (meist auf abgetotetem Coli - und Typhusrasen) uber- 
geimpft. In einer anderen Reihe von Versuchen wurde die Sodalosung 
vorsichtig vom Sediment abgegossen. dem letzteren physiologische Koch- 
salzlosung oder destilliertes Wasser zugefiigt und noch weiter bis zu 
24 Std. stehen gelassen. Erst nach dieser Frist wurde das Sediment 
ubergesdt. 

Die Ergebnisse von alien diesen Versuchen (liber 40) sind beinahe 
gleich: In alien Fallen, wo sporenhaltige Bakterien den Amoben bei- 
gemischt waren, Oder F1 uoreseen s- Bazillen, was so oft bei den aus 
Wasser, Boden und Mist gezuchteten Amoben der Fall ist, konnte man 
init Sodalosung die Amobenzysten nicht rein bekommen; entweder waren 
sie auch zugrunde gegangen, Oder aber es gediehen an ihrer Seite auch 
Sporeubildner und F1 u o r e s ce n s- Stabchen. Dabei konnte man be- 
merken, daB manchmal Zysten (ebenso wie Sporen) spater schoue Kul¬ 
turen geben konnten, nachdem sie iiber 3 Tage im Sediment iunig mit 
Sodakristallen gemischt bei Zimmertemperatur gestanden batten. 

Wie man aus diesen Versuchen sieht, sind einige Bakterienarten 
ebenso widerstandsfahig (was Sodalosung anbetrifl't) wie die Amoben¬ 
zysten; diese Methode scheint also nur da anwendbar zu sein, wo zu- 


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Nesmelow, Unterauchungen liber Amoben. 


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falligerweise weniger resistente Bakterien oder vielleicht dauerhaftere 
Zysten vorhanden sind. 

Ich stellte weiterhin Proben mit Antiforminlosungen an, die ja be- 
kanntermaBen nichtsaurefeste Bakterien schnell abtoten. Dazu verwandte 
ich 3 AmobenstBmme, 4 AB, Trichter und Greiz, die ich in 10—15—20- 
proz. Antiforminl5sungen 10—25 Std. bei Zimmertemperatur stehen lieB, 
worauf ich das Sediment mikroskopierte und auf versehiedene Bakterien- 
rasenboden uberimpfte. Die Ergebnisse dieser 2. Versuchsreihe sind 
der 1. eigentlich gleichdeutig: sporenhaltige Arten und chemisch re¬ 
sistente Bakterien werden auf diese Weise nicht verdrSngt, ohne daB 
die Amobenzysten auch geschadigt werden. 

Die NachprQfung der von Amster angegebenen Methode der 
Amobenisolierung mit Anwendung von einem Kataphoreseapparat konnte 
ich leider nicht machen, da mir die notige Apparatur nicht zug&ng- 
lich war. 

Viel mehr Schwierigkeiten als bei der ZGchtung von Amoben mit 
einer bestimmten Bakterienart findet man dann, wenn man die GewiB- 
heit haben will, daB die geziichteten Amoben auch tatsachlich nur einer 
Art angehQren. Man kann sich Sicherheit dann nach meinen ver- 
schiedentlichen Versuchen nur in der Weise verschaffen, daB man das 
Einzellverfahren anwendet. 

Man konnte eigentlich denken, daB gerade fflr die Amfiben, die im 
Vergleich mit Bakterien so groB sind, die Anwendung der Kinzellmethode 
besooders leicht ware. In der Praxis aber ist es anders. Vor allem 
scheinen die Tiere an dem Objekttrager ziemlich fest zu haften, und 
die Flussigkeit, die in die Kapillare stromt, lSBt sie oft unbeweglich am 
Boden liegen oder aber hebt sie sie nicht bis zur Oeffnung der Kapillare 
eropor. Das Ankleben der Amoben an ein zugeschmolzenes, abgestumpftes 
KapillarrShrchenende (Arndt) konnte ich nicht erzielen. Das Tier 
weicht gewohnlich dem Instrument aus und wird dann nicht aufgefangen. 

Ich habe schlieBlich mit vieler Uebung und Geduld durch Abfischen 
mit der Kapillare noch die besten Ergebnisse erzielt. Die aufgefangene 
Amobe wurde dann zunSchst in einem Agartropfchen auf dem Deck- 
glSschen gezQchtet (Mikrokultur Walker) und dann wurden von da 
aus weitere Kulturen angelegt. ZweckmABig miissen fur die Mikrokultur 
auch Bakterien mit in das Agartropfchen gebracht werden, doch ist das 
nicht immer unbedingt notig, weil an den Amoben Bakterien haften, 
sich in dem Nahrbodentropfchen noch frflher als die iibertragenen Amoben 
vermehren und ihnen zur Nahrung dienen. 

Zum Studium der morphologischen und biologischen Eigenschaften 
der Amoben wurden groBtenteils Priiparate zwischen DeckglBschen und 
ObjekttrSger, mit Vaseline umrandet, oder hangende Tropfen aus frischem, 
nngefarbtem Material augewandt, die stunden- und tagelang mikroskopiert 
wurden. 

Wenn man z. B. ein Tropfchen physiologischer KochsalzlSsung mit 
4 AB-Amobe auf Wasserbakterien systematisch tagelang beobachtete, 
konnte man folgendes bemerken: In den ersten 5—6 Tagen zeigten die 
lebendigen vegetativen Formen keine besonderen Abweichungen von der 
Norm; ein Teil der vorhandenen Tiere enzystierte sich allmahlich 
in dieser Periode; andere Amoben bewahrten ihre Form, GroBe und 
den Typus von Pseudopodien, obgleich ihre Bewegungen im ganzen all¬ 
mahlich trSger schienen. Von dem 7.—8. Tago an waren gewohnlich 
schon sehr viele Zysten zu sehen, und die vegetativen Formen wurden 


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186 


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viel kleiner an Wuchs, wobei dieser Umfangsverlust haupts&chlich deni 
Ektoplasnia gait. Der ganze Zellkorper bekam eine reiclie, mehr oder 
weniger grobere und stark lichtbrechende Kornelung. Aber die Beweg- 
lichkeit von einzelnen Amoben, obvvohl sie schon klein und grauuliert 
erschienen, war noch am 11. Tage nachweisbar. 

Zwischen den Gruppen von zahlreichen Zysten konnte man vom 
7.—9. Tage an das Auftreten von Streifen und Klumpen bemerken, die 
aus getrennten Oder zusammenflieBenden Kornchen bestanden. In einigen 
Praparaten war deutlich zu sehen, dad diese Klumpchen an der Stelle 
von Amoben entstanden, die hier vorlier lagen und nach und nach ihre 
Zellkonturen verloren, wobei das Ektoplasnia zuletzt ganz durchsichtig 
wurde und seine Umrisse verlor. Als Uebergangsform zur Zyste (V) 
konnte man auch groBe, kugelartige Zellen sehen mit deutliehen Vakuolen. 
Kern und Kernchen, wobei oft die Hauptvakuole den groBten Teil der 
Zelle bildete. 

Am Ende der 2. Woche des Versuches blieben gewShnlich im Pra- 
parate nur Zysten und die oben erwahnten korneligen Bildungen. Die 
Ueberimpfung (nach 15—20 Tagen) des Tropfeninhaltes auf frischen 
Nahrboden gab in der Regel nach 24 Std. eine iippige Amobenkultur. 

Urn das VVesen der Kliimpchen niiher kennen zu lernen, versuchte 
ich, nach dem Einzellverfahren auch Mikrokulturen aus diesen einzelnen 
Klumpchen zu bekommen. 2mal ist es mir gelungen, diese Bildungen 
aufzufangen und auf Coli-Aussaat zu iibertragen, indem ich, soweit 
ich mit der starken VergroBerung es verfolgen konnte, keine anderen 
Elemente aus der Fliissigkeit mitgeschleppt hatte. Diese Impfungen 
gaben ein positives Resultat. Vielleicht ware es moglich, daB hier noch 
lebensfahige Teile der Amoben trotz der Degenerationsvorgange vor- 
handen waren. 

Besonders wichtig schienen mir Versuche iiber das Verhalten meiner 
Amoben gegenuber Korpersaften des Warmbliiters und im tierischen 
Korper iiberhaupt. 

Eine 1. Versuchsreihe nach dieser Richtung sollte die Einwirkung 
von menschlichem Serum auf die Amoben in vitro studieren. Es wurden 
dazu Serumproben von der W as se r m an n - Station verwandt und in 
Tropfchen Serums die Amoben aus Kulturen iibertragen. Die Tropfen 
wurden bei Zimmertemperatur gelassen und wiederum stunden- und 
tagelang untersucht. 

Unmittelbar nach dem Einbringen von Amoben in den Serum- 
tropfen (zwischen + oder — W asser m an n - Seren ist kein deutlicher 
Uuterschied vorhanden) merkt man ein Zusammenkleben der Amoben 
untereinander und mit Zysten, wenn solche im Pr£parate sind; aber schon 
nach 2—3 Std. wird diese Erscheinuug schwacher, man sieht wieder mehr 
einzelne Exemplare, und die Beweglichkeit wird deutlicher. Nach 5 bis 
6 Std. werden die Bewegungen dann wieder schlaffer und beschrankter. 
verschwinden aber nicht, so daB man noch nach 5 Tagen einige Tiere 
kriechen sieht. Nach 3 Tagen war in den meisten Amoben eine gliinzende 
Kornelung zu sehen, auch die Zysten kamen mir mehr „granuliert u vor: 
dabei wurde die Zahl von groBen ruhenden Kugelforinen (s. oben) bedeutend 
hoher. Das Ektoplasma wurde immer durchsichtiger; in einzelnen Zellen 
war der Uebergang zu den Kliimpchen (s. oben) recht schon ausgeprSgt. 
Der groBte Teil von vegetativen Formen scheint in diese Klumpchen 
liberzugehen, andere enzystieren sich. Die Vakuolen wmrden vom l.Tage 
an bedeutend groBer und zahlreicher in einzelnen Zellen. Ihre rosige 



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Neamelow, Unterauchungen iiber Amoben. 


187 


Farbe gewann auch an Intensitiit. Manchmal bekamen sie eine ovale 
oder unregelmSBigc Form und tlossen zur Peripherie und manchmal in 
die Fseudopodien hinein. Nach 7 Tagen der Untersuchung konnte man 
wieder eine Andeutung von Neigung zum Zusammenkleben in einigen 
hangenden Tropfen nachweisen. Nach 18 Tagen Beobachtung bei Zimmer- 
temperatur, wo nur noch Zysten und Kliimpchen da waren, wurden die 
Tropfchen auf Agarrohrehen ubergeimpft und in alien Versuchen dann 
zahlreiche vegetative Formen und splirliche Zysten nach 24 Std. ge- 
funden. 

Da hier die verhaltnismaBig schwache Wirkung der Menschensera 
auf Amoben vielleicht durch die niedrige Temperatur (10—12° im 
Zimmer) zu erklaren war, wurden in einer 2. Yersuchsreihe dieselben 
Sera mit gleichen Amoben beimpft und im Brutschranke gehalten. Nach 
24 Std. konnte man in keinem Rohrchen vegetative Formen nachweisen 
und nur sparliche, durchsichtiger gewordene Zysten auffinden. Die Ueber- 
tragung des Sedimentes nach 48 Std. auf einen frischen Boden ergab 
jedoch am nachsten Tage die Anweseuheit von lebhaften, normal aus- 
sehenden Amoben. 

Etwas andere Erscheinungen ergaben sich, als AmobenstSmme, die 
schon einmal durch menschliches Serum passiert waren, zum 2. Mai 
mit solchem Serum in Beriihrung gebracht wurden, und ebenso, als ein 
Stamm einer Darmambbe aus dem Meerschweinchen in menschliches 
Serum ubertragen wurde. 

Die Bewegungen der einzelnen Amoben wurden vom ersten Augen- 
blicke an deutlich schw&cher, und in den ersten Stunden war schon die 
Kornelung vorhanden. Das Zusammenkleben war starker und dauerte 
langer. Die Zahl der sich enzystierenden Tiere schien nach 4 Std. ge- 
wachsen zu sein, auch wurden die Z\sten von Anfang an mehr durch- 
sicbtig und homogen als gewbhnlich. In einzelnen Zellen traten Vakuolen 
als riesig groBe Bildungen hervor, oft erschien der Rest der Zelle nur 
als ein schmaler Streifen um dieselben. Die AnhSufungen von Kliimpchen 
waren auch schon in den ersten Stunden zu sehen, und in manchen 
Zellen wurde bald das Ektoplasma zu einem glasartigen Bandchen mit 
unregelm&Bigen Konturen. Viellach lagen Ambben auf den Zysten in 
Form eines Halbmondes Oder Fortsetzung derselben. Nach 5 Std. waren 
die noch ambbenformig aussehenden Zellen sehr klein geworden. 

Wenn dieselben Sera mit den gleichen Amoben versetzt 24—48 Std. 
im Brutschrank gehalten wurden, fanden sich nur homogene einzelne 
Zysten; die Aussaat des Sedimentes aber auf Agar ergab nach 24 Std. 
reichliche vegetative, morphologisch normale, wenn auch etwas kleinere 
Amobenformen. Die Kulturen der Ambben 4 AB und Stall, die also 
2mal unter der Wirkung der menschlichen Sera gestanden batten, 
lieferten darauf bis jetzt 3 Generationen und sind ihren morphologischen 
Eigenschaften nach gar nicht von ihrer Urkultur zu unterscheiden. 

FaBt man diese Seraversuche zusammen, so muB man annehmen, 
daB Menschensera auf unsere nicht an den Tierkbrper gewbhnten Ambben- 
st&mme, falls uberhaupt eine Wirkung, so doch nur eine schwache aus- 
Qben. Wenn auch in diesem Medium die Erscheinungen des Zerfalles 
und Enzystierens etwas schneller verlaufen als in der physiologischen 
Kochsalzlbsung, so kann man doch nicht von ausgepragten aggluti- 
nierenden, prazipitierenden, lytischen, ambboziden Eigenschaften des 
Serums sprechen, weder bei Zimmer- noch bei Kbrpertemperatur. Wo, 
wie geschildert, stiirkere Einwirkungen sich zu zeigen schienen, w&ren 


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sie vielleicht dadurch zu deuten, daB besondere StSmme von Amoben 
vorlagen: 4 All und Stallambbe, die schon einmal eine Serurapassage 
durcbgemacht hatten, und eine Darmamobe — moglicherweise in dem 
Tierkorper abgeschwacht, aus dem sie gezQchtet war. Aber auch in 
diesen Fallen war die YYirkung der Sera nicht auffallend stark, und die 
Ueberimpfung erwies recht lebensfahige Amobenzysten. Es bleibt noch 
hinzuzufiigen, daB beim Vorhandensein von Leukozyten in den Seris 
keine Spur von aktiver oder passiver Phagozytose bei der Amobe nach- 
zuweisen war. 

Eine fernere Reihe von Versuchen hatte zum Ziel, das Verhalten 
der Amoben im lebenden Tierkorper und dessen Reaktion gegenuber 
den Amoben zu studieren. Zu diesem Zwecke wurden Amobenkulturen 
mit bestimmten Bakterien geztichtet, in die Bauchholile von Meer- 
schweinchen und in die Blutbahn oder Subcutis von Kanincben ein- 
gespritzt. Bei den Meerschweinchen wurden nach dem Pfeiffer- 
Issaeffschen Verfahren mittels Glaskapillaren von Zeit zu Zeit Proben 
des Bauchhohleninhaltes entnommen, mikroskopisch und in Kulturen 
untersucht. Durch Wiederholung der Injektion sollte eine Immunisierung 
der Tiere sowohl gegen die benutzten Amoben wie Bakterien herbei- 
gefuhrt werden, wobei zugleich die Moglichkeit einer Priifung sich bot, 
ob der Bauchhohleninhalt bei wiederholten Injektionen, mit zunehmender 
Immunisierung des Tieres also, starkere Einwirkung auf die Amoben 
erkennen lieBe. Bei den Meerschweinchen sowohl wie bei den Kaninchen 
sollte auBerdem noch nach Ausfiihrung mehrerer Injektionen mit stei- 
genden Dosen die Wirkung des Biutserums hinsichtlich etwaiger Amobo- 
lyse, Agglutination, Komplementbindung und Phagozytose gegenuber den 
zur Vorbehandlung benutzten und anderen Amobenstammen gepruft 
werden — Verhiiltnisse, iiber die von Coca, besonders aber seitens 
v. Schuckmanns bereits Untersuchungen vorliegen. 

Die ersten an Meerschweinchen gemachten Versuche wurden in der 
Weise ausgefiihrt, daB den Tieren Aufschweinmungen von Amobenkul¬ 
turen auf Platten in physiol. Kochsalzlosung in die Bauchholile einge- 
spritzt wurden. Nach einer Zwischenzeit von 5—7 Tagen wurden die 
Injektionen mit erhohten Dosen wiederholt. Die beiden ersten so be- 
handelten Tiere gingen im AnschluB an eine Injektion aus vollstem 
Wohlsein plotzlich zugrunde. Daher wurde bei 2 weiteren Tieren die 
Vorsicht gebraucht, zunachst eine Injektion mit den Bakterien, mit 
denen die Amoben zusammen wuchsen, vorauszuschicken, urn, falls diese 
Bakterien irgendwie pathogen wirken konnten (es waren im iibrigen 
harmlose Wasserbakterien), das Tier zuniichst gegen sie zu immunisieren. 
Aber auch diese Tiere starben nach einigen Injektionen. Bei der Sek- 
tion fund sich nur in einem Tiere ein zahes, eitriges Exsudat in der 
Bauchhohle mit dicken Bel&gen auf den Bauchorganen. Bei einem 
2 . Tiere war der flussige Inhalt der Bauchholile eigentlich nicht ver- 
melirt, aber leicht hamorrhagisch. Bei den beiden letzten Tieren war 
die Bauchholile bis auf leichte schleimige Belage auf der Leber und der 
Milz ganz normal. Verletzungen in den Bauchorganen wurden nicht 
nachgewiesen, auch keine Schwellung der Lymphdriisen, dagegen Stau- 
ungserscheinungen in den Organen der Bauchholile. 

Bei 3 der 4 Tiere wurden Amoben nicht nur aus dem Exsudat 
herausgeziichtet, sondern auch aus den Geweben der Organe in der 
Bauchholile, und zwar je 2mal aus der Leber und Milz und lmal aus 
der linken Nebenniere. SelbstversLiinllich war vorher die Oberflache 



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Nee me low, UutereuchuDgen liber Amobeu. 


189 


dieser Organe grundlich verschorft wordeD, um sicher zu sein, dad nicht 
etwa mit dem Organgewebe auch Bauchhbhleninhalt zur Aussaat ge- 
langte. Bei dem 4. Tiere wurde weder aus dem Bauchhbhleninhalt noch 
aus den Organen eine Amobenkultur gewonnen. 

Nach dem Tode der Tiere wurde von 2 der Meerschweinchen noch 
Blut aus dem Herzen genommen, das Serum daraus gewonnen und der 
Komplementbindungsversuch mit ihm gegeniiber dem zur Impfung ver- 
wendeten Amobenstamme ausgefuhrt. In einem dieser Falle fand sich 
keine Spur von Komplementbindung, im anderen eine geringe Andeu- 
tung, so dad also nach dieser Richtung hin Ergebnisse nicht erzielt 
wurden. 

Nach jeder Injektion in die Bauchhohle der Meerschweinchen wurden 
sofort und dann in Absthnden von 15 Min. und spAter stundenweise 
Proben des Bauchhohleninhalts mit der Kapillare herausgeholt und im 
hangenden Tropfen untersucht. Diese Versuche ergaben, dad im Laufe 
der Stunden nach der Injektion die Amoben spiirlicher und weniger be- 
weglich wurden. Wenn allmahlich die Leukozytose in der Bauchhohle 
zunahm, war es nicht immer leicht, die sich abkugelnden Amoben von 
den Leukozyten und Endothelien zu unterscheiden. Die Ergebnisse 
waren die gleichen, unabhangig davon, ob die Untersuchungen nach der 
1. oder nach einer spateren Injektion vorgenommen wurden. Weder 
Agglutination noch Amobozidie noch Phagozytose waren mit Sicherheit 
nachzuweisen, so dad also auch in dieser Hinsicht kein positiver Erfolg 
durch die Injektion herbeizufiihren war. 

Von den Versuchskaninchen starben die beiden ersten, die je einen 
mit Col i-Bakterien zusammen geziichteten Ambbenstamm (4 AB und 
Stallamobe) in Aufschwemmung intravenos in eine Ohrvene erhalten 
hatten, nach etwa 16—24 Std. Die Sektion ergab neben einer alten 
Coccidiose nur Stauungserscheinungen in den inneren Organen. Inter- 
essant war es, dad es bei diesen Tieren gelang, aus der Milz und Leber 
die Amoben zu ziichten. Es geht daraus hervor, dad die sicher nicht 
pathogenen Amobenarten mindestens fur eine liingere Reihe von Stunden 
sich im Kreislauf oder den inneren Organen des Kaninchens haben 
lebendig erhalten kbnnen. Ob sie in vegetativer oder in Zystenform 
iiberlebt haben, l&dt sich nicht entscheiden, weil die zur Injektion ver- 
wendete Kultur die Amoben in beiden Formen enthalten hatte. Im 
Herzblute konnten keine Amoben und deren Zysten nachgewiesen werden. 

2 weitere Kaninchen wurden zun&chst mit harmlosen Wasserbak- 
terien intravenos geimpft und erhielten sodann in Zwischenraumen von 
6—7 Tagen subkutan eine Aufschwemmung je einer mit denselben 
Wasserbakterien gezflchteten Ambbenart (Amobe 4 AB und Stallamobe). 
Einige Tage nach der 3. Amobeninjektion wurde einem Tiere Blut ent- 
zogen und im Komplementbindungsversuch gepriift. 

Die folgende Tabelle zeigt das Ergebnis der Komplementbindungs- 
versuche mit dem Serum von Kaninchen 3 (Tab. I, S. 190). 

Es zeigt sich in diesem Versuche, dad das Serum des Tieres kom- 
plementbindeude Wirkung nur in Beriihrung mit demjenigen Amoben- 
stamm ergibt, der zur Vorbehandlung des Tieres gedient hat, wahrend 
es anderen Amobenstammen gegenuber sich unwirksam erweist. Um 
jede Mitwirkung von Bakterien auszuschalten, die ja bei der Vorbehand¬ 
lung mit den Ambben zusammen eingespritzt werden muGten, wurden, 
wie der Versuch zeigt, zu den Priifungen auf Komplementbindungsver- 
mbgen die Ambben mit anderen Bakterien zusammen gezOchtet, als sie 


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190 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3 4. 


Tabelle I. 


Nr. der 
Rohrchen 

.Serumart 

Dosis 

Kom- 

ple- 

ment 

Antigen (0,2) 

Ergebnisse 
des Ver- 
suches 

1 

3-Kaninch.-„Stallam.- 

Serum 

0,05 

0,1 

Stallam. -f Coli 

+ + + *4- 

2 

dgl. 

0,03 


dgl. 

++++ 

3 

0,01 


++++ 

4 


0,05 



— 

5 


0.O5 


C o 1 i b a c t. 

— 

6 


0,05 


2 Darmam. -f Coli 

— 

l 

II 

0,03 


dgl. 

— 

8 


0,01 



— 

9 

Kaninchen-Normalserum 

0,05 


Stallam. + Coli 

— 

10 

dgl. 

0,05 


4 Darmam. + Coli 

— 

11 

Menschen-N ormal serum 

0,03 


Stalbim. -f Coli 

— 

12 

dgl. 

0,05 

t| 

4 Darmam. + Coli 

— 


zu den Injektionen verwandt worden waren (hier Coli, dort Wasser- 
bakterien). Damit sind also die Ergebnisse nur auf die Einwirkung der 
Anioben selbst zu beziehen (Tab. II). 


Tabelle II. 


Nr. der 
Rohrchen 


Serumart 


Kora- 

Dosis pie- ; Antigen (0,2) 
iuent i 


Ergebnisse 
des Ver- 
suches 


1 4 Kanim-h. 4 AB Am.-Ser. 0,05 


2 dgl. 0,03 

3 ., 0,01 

4 „ 0.05 

5 ,, 0,05 

0 0,05 

7 „ O.Oi 

8 Kaninehen-Normnlserum 0,05 

9 dpi. 0.05 

10 Menschcn-N'ortnalsernm ! 0.05 

11 dgl. 0,05 

12 - — 


0,1 

4 AB Am + Col i 

+ + + + 

»> 

dgl. 

+ + + + 


ft 

+ + + + 

J) 

C o 1 i b act. 

_ 


4 Darmam. + Coli 

+ + 4* 

»> 

Stallam. -f Col i 

4- + 


4 AB Am. + Co 1 i 

— 

It 

C o 1 i b a c t. 

— 

It 

4 AB Am. + Col i 

— 

♦ T 

Colibact. 

— 


Das Serum von Kaninchen 4 lieferte andere Ergebnisse trotz gleicher 
Technik, denn hier zeigte sich eine Hamolyse-hemmende Wirkung, also 
Komplementbindung, nicht bloB gegeuiiber demjenigen Amobenstamme. 
der zur Vorbehandlung gedient liatte (4 AB), sondern auch gegeniiber 
den beiden anderen, im Versuch benutzten Ambbenstammeu. Was die 
Beeinflussung der beiden nicht zur Immunisierung dienenden Amoben 
durch das Serum iu diesem Falle anbelangt, so wiirde man nach den 
heute iiblichen Auffassungen dazu neigen miissen, eine Verwandtschaft 
zwischen den 3 gleichartig reagierenden Amobenarten anzunehmen. Es 
wild aber nbtig sein, zur Klarung dieser Verhaltnisse noch weitere Ver- 
suche auszufuhren. 

Als den beiden Kaninchen nach 8 Wochen noch einmal Blut ent- 
nommen wurde, ergab das Serum bis auf unwesentliche, kleine Diffe- 
renzen dieselben Ergebnisse. Nach 8 Wochen war beim Kaninchen 3 
die komplementbindende Wirkung stark gesunken, so daB nur noch bei 
Verwendung von 0,5 ccm Serum eine Ilemmung der Hamolyse gegen- 



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Silber, Ueber die Herkunft der X-Proteen usw. 


191 


iiber Stallamobe + Bacterium coli in Starke von -f—|- zu bemerkeu 
war. Bei Kaninehen 4 war die komplementbindende Kraft noch unge- 
schwScht nach 8 Wochen gegen Amobe 4 AB, d. h. also die zur Impfung 
benutzte Amobe + Coli, zeigte sich aber auch noch gegeniiber der 
I)arm- und der Stallamobe -f Coli, wenn auch in schwScherer Weise 

Eine Agglutination habe ich mit dem Serum der Kaninehen 3 und 
4 nicht in Qberzeugender Weise beobachten konnen. Normales Kanin- 
cheuserum zeigte mikroskopisch im hangenden Tropfen dasselbe Bild, 
wie das Serum der immunisierten Tiere: die Amoben legen sich zu- 
sammen, sobald man sie in das Serum bringt; nach einiger Zeit kriechen 
sie wieder auseinander. 

Auch lytische Wirkungen auf die Amoben lieBen sich in dem Serum 
der immunisierten wie dem normalen Kaninehen nicht erkennen. 

Die beschrankte Zeit meines Aufenthaltes in Jena zwang mich leider, 
tneine Untersuchungen hiermit zundchst abzubrechen; ich beabsichtige 
sie aber spater in meiner heimischen Arbeitsstatte fortzusetzen. 

Erwahnen mbchte ich nur noch, daB es mir gelang, wiederholt aus 
dem Darminhalt von Meerschweinchen und Kaninehen Amobenstamme 
zu zOchten, und zwar bei 5 von 12 Meerschweinchen und einem von 
3 Kaninehen. Es wird besonders interessant sein, diese an das Leben 
im Tierkorper in gewisser Weise schon gewdhuten Stamme in ihrem 
Verhalten bei parenteraler Injektion zu studieren. 

Literatur. 

1) A mster, Centralbl. {. Bekt. Abt. I. Orig. Bd. 89. Beih. — 2) Arndt, Arch, 
f. Schilfs- u. Tropenbyg. Bd. 25. — 3) Ders., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd 88. 
— 4) Coca, Ztschr. f. Immunitatsf. T. I. Bd. 12. — 5) Frosch, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. 1. Bd. 21. — 6) Mouton, Ann. I’Inst. Past. T. 16. lo02. — 7) v. Schuck- 
maun, Arb. a. d. Reichsgesundheitsamt. Bd. 52. 1920. 


flachdruck verboten. 

Ueber die Herkunft der X-Proteen und ihr Zusammenhang 
mit der Weil-Felixschen Reaktion. 

(Aus dem Wissenschaftlichen Mikrobiologischen Institut in Moskau 
(Direktor: Prof. W. Bari kin).] 

Von Dr. L. Silber, Assistenten des Instituts. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

In unserer Arbeit (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. II. 7/8) 
liaben wir nachgewiesen, daB ein gewohnlicher P r o t eu s - Stamm (Bac. 
prot. vulg. Hauser), der wahrend einer gewissen Zeit in einem Kollo- 
'linmsackchen in der Bauchhohle eines mit Flecktyphus infizierten Meer- 
•schweinchens gezflchtet war, die Fahigkeit erwirbt, (lurch Serum von 
Flecktyphuskranken sogar in starken Verdflnnungen agglutiniert zu 
^erden. Die Versuche wurden, wie folgt, angestellt: die Proteus- 
hazillenemulsion wurde in einem Kollodiumsackchen in die Bauchhohle 
eines Meerschweinchens eingefiihrt, das vor einigen Tagen mit Fleck- 
typhus infiziert worden war. Nachdem die Temperatur des Versuchs- 


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192 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


tieres zu sinken begann, wurde das Sackchen herausgenommen, die 
Bazillenemulsion auf neutralen Agar ausgesSt und die eihaltene Kultur 
mit verschiedenen Seris auf Agglutination gepriift. In alien Fallen, wo 
das Meerschweinchen an Flecktyphus erkrankte, und wo das Kollodium- 
s&ckchen gut funktionierte, anderten sich die serologischen Eigenscbalten 
des Proteus-Stammes vollstandig. Aus eiuem durch Flecktyphusserum 
nicht agglutinierenden Stanime entstand jetzt ein hoch agglutinierender, 
jedoch blieben alle seine kulturellen Eigenschaften unverandert. Doch 
erwies sich diese serologische Modifikation als wenig stabil: schon nach 
1—2—3 Wochen batten wir wieder den Ausgangsstamm vor uns; die 
F&higkeit, durch Flecktyphusserum agglutiniert zu werden, ging verloren. 
Wir hielten es fur wahrscbeinlich, daB die Zeitdauer, w&hrend welcher 
der Proteus-Stamm dem EinHusse des Flecktyphusvirus ausgesetzt war, 
fur seine Agglutinabilitat maBgebend sei. Unter dieser Voraussetzung 
wurde ein Proteus-Stamm, der schon einmal solch eine Kollodium- 
sackchenpassage durchgemacht, jedoch seine Agglutinabilitat bereits ver¬ 
loren hatte, einer 2. Passage (ebenfalls im Kollodiumsackchen) unter- 
worfen. Nach der 1. Passage, die im Februar 1922 durchgefilhrt wurde, 
wurde der Proteus gegen ein Flecktyphusserum gepriift, welches 
Proteus X19 1: 1GOO agglutinierte. Es zeigte sich, daB unser Stamm 
nur bei einer Verdiinnung bis 1:400 agglutiniert wurde; nach 2 Wochen 
verlor er seine Agglutinabilitat vollstandig. Im Marz desselben Jahres 
wurde dieser Stamm zum 2. Male einer Passage unterworfen. Diesmal 
waren die serologischen Veranderungen des Stammes ausgepragter und 
stabiler geworden. Von einem Flecktyphusserum vom Titer 1:1600 
(gegen Proteus X19) wurde unser Stamm gleichfalls bis zur Ver- 
dunnung 1: 1600 agglutiniert. Bis Ende Mai zeigten nach ofteren Ueber- 
impfungen wiederholte Priifungen mit verschiedenen Flecktyphusseris 
keine Abnahme der Agglutinabilitat. Das Serum eines Flecktyphus- 
kranken, das mittels unseres Stammes erschopft war, agglutinierte nun 
den Proteus X19 nicht mehr und umgekehrt konnte ein mit X19 
erschSpftes Serum nicht mehr unseren Stamm agglutinieren. 

Diese Ergebnisse schienen uns zu dem Schlusse zu berechtigen, 
daB es gelungen sei, auf rein experimentellem Wege einen Proteus 
vu 1 garis-Stamm in X 19 tiberzufuhren. Die bereits beinahe ein ganzes 
Jahr dauernde Beobachtung unseres 2mal passierten Stammes (wir 
nennen ihn X v) hat gezeigt, daB wir Recht hatten. 

Von Anfang Juni bis fast Ende Juli wurde der Stamm Xv nicht 


Tabelle I. 


Das Agglutinationsresultat durch Flccktyphussera im August 1922. 


Verdiinnung 

Flecktyphusserum C 

Flecktyphusserum D 

Flecktyphusserum E 

X 19 | 

X vj 

P r. v u 1 e 

| X1U | 

Xv I 

Pr. v u 1 g. 

X 19 

Xv | 

Pr. vulg. 

1 :100 

+ + + 

! + + + 


+ + + ' 

+++ 

_ 

+ + + 

+ + + 

— 

1:200 

+ + + 

+ + + 

* - 

+ + + 

+++ 

— 

+ + + 

+ + + 

— 

1:400 


+ + + 


+ +•+; 

+ + 

— 

+ + + 

+ + + 

— 

1:800 

•f + -f 

+ + 

— 

+ 4- + 1 

± 

— 

+ + + 

+ + + 

— 

1:1600 

+++ 

+ -t- 

— 

+ 

— 

— 

+ + + 

+ + + 

— 

[: 3200 

+ + 


_ 

— 

— 

— 

+ + 

- 1 ) 

— 

1 :0400 



— 

— 

— 

— 

± 

— 

— 

K. 

— 


— 

— 

— 

— 

_ 

— 

I - 


]) Maximatiter 1 : 2000 +. 


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Silber, Ueber die Herkunft der X-Proteen usw. 


193 


iibersfit und bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Diese Bedinpungen 
welche filr das Auftreten gewisser Modifikationen, zuweilen auch sero- 
logischer (Baerthlein, Weil, Felix) gfinstig sind, beeinfluBten ge- 
wissermaBen auch unseren Stamm. Wie aus Tab. I ersichtlich ist, biifite 
der Stamm Xv seine Agglutinabilitfit etwas ein und wurde jetzt vom 
Flecktyphusserum etwas schwacher agglutiniert, als der zum Vergleich 
dienende Stamm X19. 

Im weiteren Verlaufe unserer BeobachtuDg wurde die Agglutina¬ 
bilitfit des Stammes Xv fast jede VVoche geprfift. Wir zfiehteten den 
Stamm in 2 Serien, deren eine wurde alle 2—3 Tage iibergeimpft, die 
andere dagegen nur alle 2—3 Wochen. In keiner der beiden Serien 
konnten wir eine weitere Verminderung der Agglutinabilitfit bemerken, 
obwohl der oft Gbergeimpfte Stamm bereits fiber 100 Generationen 
durchgemacht hat. Der Stamm Xv wird zurzeit (Juni 1923) durch 
Flecktyphusserum ebenso stark agglutiniert, wie dies Tab. I anzeigt 1 ). 

Wir tibergehen hier die Protokolle aller diesbezfiglicfcen Versuche, 
da sie beinahe identisch mit den in Tab. I dargestellten sind. Es hat 
sonst unser Stamm Xv, der 2mal durch an Flecktyphus kranke Meer- 
schweinchen passiert hat, wahrend eines ganzen Jahres die Ffihigkeit 
behalten, von Flecktyphusserum agglutiniert zu werden. Diese Ffihig¬ 
keit ist bei unserem Stamme nur etwas schwficher, als bei dem zu unserer 
Verffigung stehenden Stamme X19. Bekanntlich variiert die Agglu- 
tinabilitfit verschiedener Xl9-Stamme nicht unbedeutend (Zechno- 
vizer), und es ist daher leicht mfiglich, daB gewisse X19 Stfimme 
unseren Stamm Xv an Agglutinabilitfit nicht fibertreffen, ja sogar noch 
hinter ihm stehen. 

Zur Untersuchung der antigenen Eigenschaften des Stammes Xv 
haben wir mehrere Kaninchen mit den Stammen X19, Xv und Prot. 
vulg. immunisiert, und zwar mit lebendigen Kulturen, angefangen von 
'/no einer Kultur; bei jeder nfichsten Injektion wurde die Dosis ver- 
doppelt. Es wurden 2 Methoden der Immunisierung versucht: Bei der 


Tabclle 2. 


Verdunnung 

Berum X v 

Berutn X19 

Berum Prot. vulg. 

P r. v u 1 g. 

Xv 

x io 

Pr.vn 1 er.j Xv 

X 19 

P r. v u 1 g 

Xv 

X 19 

1:10 

+ + 

+ + + 

+ + + 

+ + ! + + + 

+ + + 

+ + + 

++ 

+ + 

1:25 

+ 

+ + + 

+ + + 

- ! + + + 

+ + + 

+ + + 

++ 

+ + 

1:50 

± 

+ + + 

+++ 

— + + + 

+ + + 

4" + 4- 

++ 

+ + 

1:100 

— 

+ + + 

+++ 

— + + + 

+ + + 

+++ 

+ 

— 

1:200 

— 

+ + + 

+++ 

+ + + 

+ + + 

+++ 

— 

— 

1:400 

— 

+ + + 

+ + + 

— + + 

+ + 

+ 4-4- 


— 

1:800 

— 

+ + + 

++ + 

— + 

4- + 

+++ 

— 

— 

1:lbOO 

• 

+ + + 

+++ 

. 

± 

+++ 



1:3200 

• 

+ + + 

+ + 

. ( - 

— 

+++ 



1:6400 

. 

+ + 

+ 


— 

+++ 



1:12 800 

. 

+ 



, 

+++’i 



1:25 600 


— 

— 

• 1 


— 



K. 

— 

— 

— 

- 1 - 

— 

— 

— 

— 


1) Man kann nur eine Besonderbeit der Agglutination dieses Stammes durch das 
Fleckfieberserum notieren: bei den stiirksten Verdiinnungen wurde manchma! eine vollige 
Senkung der Emulsion und eine Klarung der Fliissigkeit beobachtet. Bei Aufriihrung 
ernes solchen Rohrchens aber konnte man entweder keine Agglutination odcr nur mittels 
einer Lupe sehr kleine Flocken sehen. Dasselbe beobachtete Ivaschinzew bei einer 
X 19-Kultur. 

2) Maximatiter 1:20000 +. 

Kntc Abt. Orig. Bd. 91 . Heft 3/4. 13 


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194 


(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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langsamen Methode machten wir 4 iutravenbse Injektionen mit Inter- 
vallen von 5—10 Tagen (je nach Temperatur und Gewicht des Tieres): 
bei der schnellen Immunisierung wiederholten wir die Injektionen der 
Reihe nach L ) 3 Tage. Es wurden nur intravenose Injektionen ange- 
wandt, da bei subkutanen stets starke Nekrosen entstanden. Zur Ira- 
munisierung wurden vorzugsweise nicht albinotische, sondern dunkel- 
behaarte Kaninchen gewahlt (Barikin und Sdrodowsky). 

Die Priifung der erhaltenen Immunsera ergab vorstehende Resultate 
(s. Tab. 2, S. 193). 

Wie aus der obigen Tabelle ersichtlich, verhalten sich die Stamme 
Xv und X19 gegenuber alien Seren fast identisch. Man kann jedoch 
bemerken, daC Serum Prot. vulg. den Stamm Xv etwas starker 
agglutiniert, als den Stamm X19. Damit steht iu vollem Einklang, dal! 
umgekehrt das Serum Xv den Prot. vulg.-Stamm starker agglutiniert. 
als das Serum X19. Offenbar hat der Stamm Xv mehr gemeinschaft- 
liche antigene Gruppen mit dem Prot. vulg., als der Stamm X19. 
Serum X19 agglutiniert am stiirksten den Stamm X 19 und Serum Xv 
den Stamm Xv. 

Dieselben kleinen Unterschiede konnten auch beim Erschbpfungs- 
versuche beobachtet werden. 


Tabelle 3. 


Verdiinnung 

Serum X 19, er- 
schdpft dureh 
den X19 

Serum X19, er- 
schopft (lurch 
den X v 

Serum X v, er- 
schopft durch 
den X v 

Serum X v, er- 
Kchopft durch 
den X 19 


X 19 X v 

X19 | 

Xv 

X 19 

X v 

X 19 

X v 

1 : 10 

1 : 25 

1 : 50 

1 : 100 

- 1 - 

+ + + 
4* 4 

_ 

_ 

_ 1 
| 

INI 


+ + 

4 

1 :20'I 

K. 

— 

~ — 

— 

— 

1 

— 



Seratiter vor der Erschopfung sind iu Tab. 2 angefiihrt worden. 


Wir sehen, dal! die Bakterien des Stammes X 19 nicht alle Agglu- 
tinine aus dem Serum Xv entziehen, ebenso verhalten sich die Bakterien 
Xv gegen das Serum X19. Diese kleinen serologischen Unterschiede 
scheinen in Widerspruch zu den Resultaten zu stehen, die im Er- 
sehopfungsversuche, an der ersten Generation des Stammes Xv im Marz 
1922 angestellt war. Dort entzog der Stamm Xv alle Agglutinine 
gegen X19 und umgekehrt. Der Versuch wurde wiederholt, und zwar 
2mal, im September 1922 und im Januar 1923: 

Wir ersehen aus der Tabelle, dal! in beiden Fallen das Resultat 
nicht mit dem im Marz erhaltenen iibereinstimmt. Obgleich der Stamm 
Xv das Flecktyphusserum bedeutend erschbpfte (von 1:3200 — 1:200), 
konnte er doch nicht alle darin enthaltene X 19-Agglutinine absorbieren. 
Es zeigte sich also auch bier eine gewisse Aenderung der serologischen 
Eigcnschaften, die im Stamme Xv wiihrend der 2monatlichen Auf- 
bewahrung unter ungiinstigen Bedingungen eingetreten ist. Jedenfalls 

1) Wir gebon entschieden der langsamen Methode den Vorzug; da die von Zech- 
nowizer empfohleue schnelle oft den Tod der Versuchstiere verursacht und minder- 
wertige Sfera gibt. 



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Silber, Ueber die Herkunft der X-Proteen usw. 


195 


Tabelle 4i 


Stpiember 1922 



Januar 1923 





. 1 

Fleektyphus- 

Flecktyphus- 


. 1 

Flecktyph.- 

Flecktyphus¬ 
serum N, er- 


r lecktyphus- 

serum C, er- 

serum 0, er- 

Flecktyphus- 

serum N, 


serum C 

sctiopfi durch 

schopfldurcb 

serum N 

erschopft 

schopft durch 




den X19 

den X v 



durch d. X 19 

den 

X v 

Verdiinnung. 

X 19 

Xv 

| X 19 

X v 

| X 19 | X v 

| X 19 


X 19 

Xv 

| X 19 

Xv 

1:10 

1 


- I 

_ 

+ + + - 

. 

. 

_ 1 

_ ' 

+ + + 

_ 

1:25 

• 


— 

— 

+ + - 


. 

— 

— 

+ 4- 

— 

1:50 

. 

. 


— 

+ + - 



_ 1 


++ 

— 

1:100 

+ + -FI 

+ + + 


— 

+ + — 

+ + + 

+ + + 

— 


++ 


1:200 

+ + + ! 

+ +F 

— 

— 

i + — 

+ + + 

+ + + 

— 

— 

+ 

— 

1:400 

-F + + 

+ + + 

. - 

— 

- - 

+ + + 

+ + + 


— 

— 

| - 

1:800 

+ + + 

-f “h 

. 


. 

+ + + i 

+ + 

. 

. 

— 


1:1600 

+ + + 

+ + 



— 

+ + + ; 

+ + 





1:3200 

1 + + 

— 




++ 

— 





1:6400 

K 

— 

— 

— 

— 

- - 


— 

- 1 

— 

— 

— 


zeigen (lie Resultate der Versuche im September und Januar ganz 
zweifellos, dad die serologischeu Eigenschaften des Stammes Xv stabil 
sind, wie dies iibrigeus auch aus alleu iibrigen Versuchen zu ersehen 
war. Die Tatsache, dad der Stamm Xv in hohem Made die Agglutinine 
gegeu X 19 erschopft, kann nur so gedeutet werden, dad diese beiden 
Stamme im Flecktyphusserum (lurch dieselben Agglutinine agglutiniert 
werden, und dad demnach der Stamm X v zum Typus X 19 gehort. 

Urn die serologische Untersuchung unseres Stammes durchzufiihren, 
blieb uns nun noch ubrig, seine O-Formen zu bekommen. Bekanntlich 
haben Weil und Felix solche aus alten Agarkultureu isoliert 1 ). Wir 
haben in den letzten 2 Jahren oft versucht, solche O-Formen aus unseren 
Stammen zu isolieren. Bei Ueberimpfung alter sowohl wie auch 24-stund. 
Kulturen auf angetrocknetem Agar erhielten wir bisweilen Kulturen, 
welche einzeln liegende, nicht schw&rmende Kolonien bildeten, aber meist 
schon bei der niichsten Ueberimpfung ein diffuses Wachstum zeigten; 
zuweilen blieb die Eigenschaft, isolierte Kolonien zu ,bilden. wahrend 
einiger, doch nie mehr als 5 — G Generationeu bestehen. Ofl'enbar ist 
flies eine individuelle Eigenschaft, die bei verschiedenen Stammen ver- 
schieden stark ausgepragt ist. 

Wegen dieser Miderfolge wandten wir uns der von Braun und 
Schaffer 2 ) vorgeschlagenen Methodik zu: Nacli den Angaben dieser 
Autoren sind die Proteus - Kulturen. die auf Karbolagar (zu je 100 ccm 
gewohnlichen Agars 2 ccm 5-proz. Karbolsaure) gezuchtet waren. voll- 
standig mit den 0 Formen von Weil und Felix identisch 3 ). Die 
Literaturangaben charakterisieren die O-Formen der Proteus X-Stamme 
ganz iibereinstimmend folgendermafien: morphologisch sind es unbeweg- 
bche, isolierte Kolonien bildende Bakterien, serologiscli bilden sie keine 
gemeinsamen antigenen Gruppen mit dem Prot. v u 1 g. und den anderen 

1) UebrigeDs hat schon viel friiher M etsch ni k of f solche Forraon beim Proteus 

oeobaehlet. 

2) Diese Autoren waren auch nicht imstande ,,natiirliche‘' O-Formen zu erziehen. 

3) Felix und Mitzenmaeher bestreiten dies, doch kann man sich, wenn man 
'hre Arbeit und die Arbeiten von Braun und Salomon. Braun und Schaeffer, 
and Seifert zusammenstellt, uberzengen, daB mebrmals auf Karbolagar iibergesate 
Flecktyphus - Proteus - Stamrae wirklich mit den O-Formen identisch sind. 

13* 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


Typen der X-Proteen, zeichnen sich aber durch hohe Agglutinabilitat 
aus. Es agglutiDiert deshalb das Serum eines mitO-Xl9 immuuisierten 
Kaninchens nur X 19, nicht aber X2 und Prot. vulg. Anderseits wird 
ein durch 0-X2 erzeugtes Infektionsserum nicht X 19 und Prot. vulg. 
agglutinieren. Diese Methode erlaubt daher eine scharfe und genaue 
Ditferenzierung verschiedener Typen der X-Proteen. 

Wir benutzten unseren Stamm fur weitere Versuche erst nach 
10 Ueberimpfungen auf Karbolagar. Die Untersuchung im hangenden 
Tropfen zeigle, daB die Bakterien unbeweglich wareu; sie wurden dann 
gegen Flecktyphusserum gepruft. 


Tabelle 5. 


Flecktyphusr-erura C 

Flecktyphusserum ' 

F 

Ver- 

j Genohnl. 

Karbol. 

' Genohnl. 

Karbol 

(Genohnl. 

| Karbol. 

Genohnl. 

Karbol. 

diinnungen 

X 19 

X 19 

Xv 

I I 

Xv 

X 19 

X 19 

X v 

Xv 

1:100 

+ + + 

|+ + + 

1 + + + 1 

+ + + 

+ + + 

+ f + 

+ + + 

+ + + 

1:200 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

1:400 

+ + + 

+ + + 

+ + + - 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

1:800 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+ 4“ 4" 

+ + + 

+ + + 

± 

+ + 

1:1000 

+ + + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

+ 4* 

+ + + 

— 

+ 

1:3200 

4- + 

+ + + 


+ 


+ + + 

— 

— 

1:6400 


+ + + 


— 


+ + 

— 

— 

1 : 12 800 

_ 

+ 

— 

— 


— 

— 

— 

1 :25 600 

— 


— 

— 


_ 


— 


! — 

— 

— 

— 


— 


— 


Es steigern demnach sowohl Xv wie auch X19 beim ZOchten auf 
Karbolagar ihre Agglutinabilitat; beim X 19 ist diese Steigerung mehr 
ausgesprochen als bei Xv. 

Ein mit lebendiger Kultur des Karbol-X v-Stammes immunisiertes 
Kaninchen und das so erzeugte Infektionsserum wurden gegeniiber ver- 
schiedenen St&mmen auf seine Agglutinationsvermogen gepruft. Die 
Resultate zeigt Tabelle 6: 


Tabelle 6. 


Verd iinn ungen 

Gewohnl. 

Xv 

1 

Karbol. 
Xv j 

1: 10 

. | 

| 

1:25 

. 


1:50 

. 


1 : 100 

+ + + 

+ + + 

1:200 

+++ ; 

+ + + 

1 :400 

+++ 

+ + + 

1 :800 

+++ 

+ + + 

1: 1600 

+ + 

+ + + 

1 - 3200 

+ 

+ + 

1: 6400 

— 

+ + 

1:10000 

— 

+ 

1: 12 800 

_ 


1 :25 600 

— 

_ 

K. 

— 

— 


Genohnl. 

Karbol. 

Gewohnl. 

Karbol. 

X 19 

X19 

Prot. vulg. 

Prot.vulg. 


. 

— 

± 

+ + + 

+ + + 

_ 

— 

+ + + 

+ + + 

— 

— 

+ + + 

+ + + 

• 


+ + 

+ + + 

. 

. 

+ 

+ + + 



± 

+ + 



— 

+ + 



— 

+ + 



— 

+ 




Man sieht, daB das Karbolstamm-X v-Serura nicht mehr den Prot. 
vulg. agglutiniert, wolil aber, und dazu in hohem MaBe, den Stamm X 19. 


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Silber Ueber die Horkunft der X-Proteen uew. 


197 


Dadurch ist die qualitative Identitat der Stamme X19 und Xv bewiesen. 
Jedoch treten auch hier gewisso quantitative Unterschiede auf. Be- 
merkenswert ist, daB der Karbol Xl9-Stainm starker durch das Karbol- 
Xv-Serum agglutiniert wird, als der zur Iminunisierung benutzte Stamm, 
wahrend das durch Injektionen von einem gewohnlichen Xv-Stamme 
gewonnene Infektionsserum den Xv-Stamm starker agglutiniert, als den 
X19. Es hangt dies wahrscheinltch davon ab, daB, wie aus Tab. V er- 
sichtlich ist, der Karbol X 19-Stamm uberhaupt leichter agglutiniert 
wird, als der Karbol Xv-Stamm. 

Darnit hielten wir die serologische Untersuchung unseres Stammes 
fur beendigt. Aus den angefuhrten Tabellen ist zu ersehen, daB wir mit 
vollem Rechte behaupten konnen, daB unser Stamm Xv in sero- 
logischer Beziehung ein X 19-Stamm ist. Die sich fast in jeder 
Tabelle zwischen Xv und X19 zeigenden Unterschiede, die wir stets 
sorgfaltig notierten, sind nicht groBer als diejenigen, welche zwischen 
verschiedenen X19-Stammen vorkommen (Zechnowizer). Iiatten wir 
nnseren Xv-Stamm nicht mit 1, sondern mit mehreren X19-Stammen 
verglichen, so konnten wir, aller Wahrscheinlichkeit nach, einen X 19- 
Stamm treffen, der sich ganz analog dem Xv-Stamme verhalt. All 
diese Unterschiede sind nur quantitativer, aber nicht qualitativer Art. 
Gewisse V'eranderungen der Eigenschaften des Xv-Stammes, die wahrend 
seiner Aufbewahrung ohne Ueberimpfung stattgefunden haben, haben 
ihr Analogon in der bereits beschriebenen Verminderung der Agglu- 
tinabilitfit (Grfitz u. a.), und sogar in dem Verschwinden, das zuweilen 
bei X 19, sogar unabhangig von ungiinstigen (sauren) Nahrbfiden, auf- 
tritt (Mfihlens u. Stojanoff, Zechnowizer). Auch Weil hat 
gewisse serologische Modifikationen beschrieben, die in den X 19-Ivulturen 
auftreteu, wenn diese lSngere Zeit nicht fibergesfit werden. 

Durch unsere Y 7 ersuche wird ganz endgiiltig die F'rage fiber die 
Herkunft der Flecktyphusproteen entschieden. Es ist somit auf experi- 
menteliem Wege die Vermutung verschiedener Autoren bestatigt worden, 
daB X 19-Proteen nichts anderes seien, als gewohnliche Prot. v u 1 g., 
die nach Y’erletzungen der BlutgefaBe aus dem Darminhalt in die Blut- 
bahn eingedrungen sind und hier, unter dem EinduB des Flecktyphus- 
virus ihre serologischen Eigenschaften verfindert haben. 

Bevor wir zur theoretischen Erwfigung der Resultate unsferer Ver- 
snche fibergehen, mflssen wir nocli zwei wichtige Fragen beantworten: 
1) ob jeder Proteus v u 1 gar i s - Stamm in einen X19 umgewandelt 
werden kann, und 2) woher die Proteen des X2-Typus stammen. 

Die Y r ersuche, durch Zuchtung auf Flecktyphusblut die serologischen 
Eigenschaften der Prot. vulg. zu verandern (Oettinger, Papa- 
roarku, Grfitz) zeigten, daB eine solche Y^eranderung nicht bei jedem 
Stamme gelingt. So konnte Grfitz aus 20 Stammen nur bei 8 eine 
Agglutinabilitat erzeugen, und auch von diesen 8 Stammen erweisen 
nur 3 eine einigermaBen hohe Agglutinabilitat; bei den tibrigen 5 lag 
sie zwischen 1 :40 und 1:100. Deswegen zfichteten wir, bevor 
wirzu den Vers lichen an Tieren ubergingen, unseren Prot. 
v u l g. auf Flecktyphusblut, um sic her zu sein, daB der 
Stamm fiberhaupt zu serologischen Aenderungen ffihigist. 

Bekanntlich konnten alle Flecktyphusproteen Indol bilden und Mal¬ 
tose und Saccharose spalten. Dagegen kann man zwischen den Prot. 
vu 1 g. Stamme treffen, die diese Ffihigkeiten nicht besitzen (van Lo- 
?hem, Schaeffer. Yotten, Wolf). Dies spricht auch daffir, daB 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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nicht jeder Prot. vulg.-Stamm in einen X19 iibergehen kann, denu 
bei eineni solchen Uebergang andern sich die kulturellen Eigenschaften 
nicht. Zum einwandfreien Beweise stellten wir noch 2 Vcrsuche an, 
indem wir 2 Proteus-StSmine nahmen, von denen einer aus faulendem 
Fleisch isoliert war, der andere aus den Fazes eines gesunden Mensehen. 
und lieBen sie, ganz analog wie im Hauptversuche, in Kollodiumsackchen 
durch flecktyphuskranke Meerschweinchen passieren. DaB letztere wirk- 
lich am Flecktyphus erkranken, wurde naclitrSglich durch pathologisch- 
anatomische Untersuchung des Ilirnes bestatigt, und die DurchlSssigkeit 
der Kollodiumsackchen mittels Melhylenblau und Fuchsin kontrolliert. 
Obwohl die Meerschweinchen tatsachlich am Flecktyphus erkrankten und 
die Kollodiumsackchen in genau derselben Weise lunktionierten, wie im 
ersten Versuch, hatte der eine von den 2 passierten P r o t. v u 1 g.-Stammen 
seine serologischen Eigenschaften gar nicht verSndert und der 2. war 
zwar in der 1. Generation durch Flecktyphusserum vom Titer 1:6400 
bei sehr geringen Verdiinnungen (bis 1:50) agglutiniert, verlor aber 
auch diese aufierst geringe AgglutinabilitSt schon in der nachsten 
Generation. 

Es wild also nicht jeder Prot. vulg.-Stamm durch den Einflull 
des Flecktyphusvirus verSndert. Das Scliicksal eines in die Blutbahn 
von Flecktyphuskranken eingedrungenen Prot. vulg. hiingt nicht nur 
von der Dauer seines Aufenthaltes doit und von der Starke des Virus, 
sondern hauptsSchlich von den individuellen Eigenschaften des Stammes 
selbst ab. 

Die Ergebnisse unserer Experimente stehen in vollem Einklang 
damit, was man haufig unfehlbar am Krankenbette beobachten kann. 
Aus den Arbeiten Schiirers und Wolffs sehen wir, daB nicht 
jeder Prot. vulg. in einen X 19 verwandelt werden kann; es 
haben namlich diese Autoren aus dem Klute der Flecktyphuskranken 
gewohnliche Prot. vulg. isoliert. Auch Gergely hat solche Proteen 
aus dem flecktyphuskranken Organistnus isoliert. Schon in ihren ersten 
Arbeiten (Wien. klin. Wochenschr. 1917 u. 1918) geben Weil und Felix 
an, daB sie zuweilen bei Flecktyphuskranken solche Proteus-Stamme 
isolierten, die zwar zuerst durch das entspiechende Serum agglutiniert 
wurden, diese Eigeuschaft aber bald verlieren. Solche Stamme gleichen 
also unseren Prot. v u 1 g.-Stammen, die wir Dual durch die Fleck- 
typhusmeerschweinchen passieren lieBen. Es ist demnach fiir die Um- 
wandlung der Prot. vulg. in X 19 die Starke des Flecktyphusvirus und 
die Zeitdauer, w&hrend welcher das Virus auf die Bakterien eingewirkt 
hat, von groBer Bedeutung, und dadurch wird auch einer der bisher 
dunklen Punkte der Weil-Felixschen Reaktion erklart, nSmlich die 
auBerordentliche Seltenheit der Auffindung des X 19. Es kommen namlich 
durchaus nicht immer die Prot. vulg. in die Blutbahn. Aber auch 
wenn dieses geschehen ist. kounen die eingedrungenen Proteen zu eineni 
Stamme gehoren, welcher nicht fiihig ist, in X19 iiberzugehen; und 
endlich, wenn der Stamm auch wirklich veranderungsfahig ist, so wird 
er doch nicht immer verandert. Die gleichzeitige Anwesenheit aller 
dieser zur Umwandlung notwendigen Bedingungen ist naturlich nur 
selten, deswegen auch die X 19 Proteen so selten aufgefunden *) werden. 

1) Es sind von einigen Autoren (Dienes, Hamburger und Bauch, Finger 
und Kollert, Wolff) Falle beschrieben worden, wo X19 aus Material isoliert wurde. 
welches in keiner Beziehung zum Flecktyphus stand. Abgesehen davon, dalS diese 
X 19-Proteen ungeniigend serologisch untersucht wurden, ist es auch leicht moglicn, 



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Silber, Ueber die Herkunft der X Proteen usw. 


199 


Die Frage nach der Herkunft der X 2-Proteen ist in letzterer Zeit 
durch die Arbeiten von Weil und Felix bedeutend geklSrt worden. 
Weil bat nainlich gezeigt, dad es moglich ist, in einer X. 19-Kultur, die 
aus einer einzigen Bakterienzelle aufgewachsen ist, solche Kolonien auf- 
zufinden, welclie sich serologisch vom Augangsstanune untersclieiden, 
und die zu diesem Stamme genau in demselben Verhaltnis stehen, wie 
X2 zu X19. Diese Ergebnisse wurden voll von' Felix bestStigt. Es 
ist somit leicht mfiglich, dad X2 einen Varianten des X19-Typus dar- 
stellt. Solange es aber nicht gelungen ist, aus einem X 19 einen Stamm 
zu bekommen, der dem X2 vollstfindig gleich ist, kann man die Frage 
nicht als gelost betrachten. In unserer ersten Arbeit fiber das Wesen der 
W eil-Fel ixschen Reaktion haben wir noch auf eine andere Moglich- 
keit hingewiesen, namlicb dad ein Prot. vulg.-Stamm in einen X19 
abergeheu konue. Es wfirde dies in erster Linie von den serologischen 
Eigeuschaften des ursprfinglichen Stammes abhangen. Die Verscbieden- 
heit dieser Eigenschaften ist bei den Prot. vulg. so grod, dad nicht 
nur altere Autoren (Klieneberger, Berdnikoff, Gorowitz), 
sondern auch Forscher der letzten Jahre (z. B. Schaeffer) keine 
Grundlagen lfir eine serologische SyStematik der Prot. vulg. geben 
kfinnen. Bei einer so groden serologischen Varietat ist es ganz ver- 
standlich, dad ein und daselbe Agens — das Flecktyphusvirus — den 
einen Prot. vulg. in X19 umwandelt und einen anderen in X2. Wir 
haben schon darauf aufmerksam gemacht, von wie groder Bedeutung 
die individuellen Eigenschaften eines Prot. v u 1 g. - Stammes lfir die 
Moglichkeit, ihn in einen X19 zu verwandeln, sind. Aus all diesen 
Ueberlegungen ergibt sich, dad die Frage nach der Herkunft des X2 
keine aktuelle und selbstdndige Bedeutung haben kann. 

Zu welcher Art der Variabilitat ist der Uebergang von Prot. vulg. 
in einen X19 zu rechnen? Bei dem jetzigen Stande der Lehre fiber 
die Variabilitat der Bakterien, wo drei entgegengesetzte Theorien herr- 
schen (Lehmann, Toennissen, van Loghem), ist es besser, diese 
Frage unbeantwortet zu lassen, und zwar urn so mehr, als nach Schmitz 
die AgglutinabilitSt eine phanotypische Eigenschaft ist und somit keine 
grode Bedeutung ffir die Genetik hat. Wir mochten hier jedoch auf 
2 Momente aufmerksam machen: 1) dad wir es bei der Umwandlung 

des Prot. vulg. in X19 mit dem Auftreten einer sich vererbenden 
Eigenschaft zu tun haben, und 2) dad die Veranderung des Prot. vulg. 
nur in einer bestimmten Richtung vor sich geht, also einen gewisser- 
maBen orthogenetischen Charakter aufweist. Letzteres ist daraus er- 
sichtlich, dad alle Versuche, serologische Modifikationen des Prot. vulg. 
unter dem Einflusse eines anderen Virus auder dem Flecktyphus voll- 
standig midlungen sind. Wir kultivierten wochen- und monatelang die 
Prot. vulg. auf festen und flfissigen Nahrboden zusammen mit Cholera- 
und Dysenteriebazillen. lieden sie in Kollodiumsackchen in einer Cho- 

dafi die Autoren Stamme vor sich hatten, welche einst doeh in einem flecktypbus- 
kranken Organismus peweilt haben. Es ist niimlich die Eigenschaft durch Fleckiypbus- 
serum agglutiniert zu werden, gar nicht so labd, wie man gewobnlich annimmt. Wir 
batten X19 viele Male in pnysiologischer Kochsalzlosung durchpewaschen, durch 
Kaninehen passieren lassen und wochenlang auf faulem Fleisch geziichtet, ohne daS 
der btamm seine Agglutinabilitiit einbiifite. Sollte ein solcher in einen gesunden 
Organisnius eindringen, so wiirde er das Auftreten eines X 19 vortauschen. AuBerdem 
Qnierseheidet sich sogar ein X-Stamm, der die Eigenschaft, durch Flccktyphussera 
ayglutiniert zu werden, verloren hatte, in serologischer Hinsicht von einem Prot. vulg. 
I^echnowizer). 


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200 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 

lera- resp. Dysenteriebouillonkultur wachsen usw., nie aber wurden die 
Proteen (lurch Cholera- und Dysenterieserum agglutiniert: 

Zusararaenfassend, kann man sagen: 1) Die Flecktyphusproteen 
(wenigstens X19) sind nichts anderes, als durch Flecktyphus veranderte 
Proteus vulgaris. — 2) Die Individuality einesProt. vulg.-Stam- 
mes, welcher dem Einflusse von Flecktyphusvirus ausgesetzt ist, ist von 
ausschlaggebender Bedeutung fur den Charakter der entstehenden Ver- 
anderung; es hangt davon 1) iiberhaupt die Moglichkeit einer VerSnde- 
rung ab und 2) (falls eine Veranderung moglich ist), ob ein X 19 oder 
X2 entsteht. — 3) Von groBer Bedeutung sind ferner: die Starke des 
Virus, die Dauer seiner Einwirkung auf den Prot. vulg. und gewisse 
giinstige Bedingungen. Je nach diesen Umstanden sind die in Prot. 
vulg. erzeugten VerSnderungen mehr oder weniger tiefgreifend; ent- 
weder verschwinden sie bald, oder die neuen serologischen Eigenschaften 
werden durch Vererbung von einer Generation zur anderen dauernd 
ubertragen. 


II. 

Nachdem die Frage iiber das Entstehen der X 19 aus den vulgaren 
Proteen als vollstftndig aufgeklart anzusehen ist, bleibt kein Zweifel, 
daB die VV eil- Felixsche Reaktion zu den Paragglutinationserschei- 
nungen gehort. Der einzige Einwand, den man gegen diese Annahme 
gewohnlich macht, namlich daB die Stamme, welche, Paragglutination 
aufweisen, in der Regel bald diese serologische Eigenschaft verlieren 
und wieder in den gewohnlichen Ausgangsstamm iibergehen, scheint auf 
eiuem MiBverstandnis zu beruhen. Nie hat Kuhn behauptet, wie dies 
Sachs- M flcke und Flatzek annehmen, daB die leichte Verganglichkeit 
und Labilitat ein charakteristisches Kennzeichen der Paragglutination 
sei. Kuhn 1 ) hielt es selbst fur moglich, solche Stamme zu finden, 
welche ihre Paragglutinabilitat lange Zeit behalten. Er zitiert die Arbeit 
von Di thorn und Neumark, bei denen ein durch Typhusserum 
paragglutinierter Coli-Stamm wahrend 3 Jahre seine Agglutinabilitat 
nicht verloren hatte. — Vorlaufig fehlen eingehende Untersuchungen 
iiber paragglutinable Stamme; weswegen es uns zurzeit unmoglich ist, 
zu entscheiden, ob der Mechanismus der Paragglutination bei verschie- 
denen Iufektiouen der gleiche sei 2 ). Vielleicht wiirde er sich als ver- 

1) Vgl. Fragen der Paragglutination. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 80. 
S. 107 ) 

2) Wir mochten hicr auf einige fiir die Weil - Felixsche Reaktion und fur 
andere Fiille von Parasrglutination charakteristi^che Eigentiimlichkeiten aufmerksam 
maehen. 8o wiesen z. B. Kuhn und Salus auf die Bedeutung der Individualiiat dcs 
Ausgangsstnmmes bin, wotiir aueh die so oft vorkoinmenden MiBerfolge bei den Ver- 
suehen, experimentell einen paragglutinablen 8tamm zu erzeugen (Sal us, Busson, 
Markoff) sprechen. Der aiiderordentlich hohe Titer der Wei 1 - Fe 1 ixschen Reaktion 
hat seine Analogic darin, daB paragglutinable Stamme oft von einem 8erum in bohere 
Verdunnung agglutiniert werden, ais die Bakterien. welehe zur Erzeugung dieses Serums 
gedient haben (Kuhn, M eg gendorfer). DaB die W e i I - Fe I i x sche Reaktion nicht 
bei Tieren mit experimenlelleni Flecktyphus auflritt, hat endlich nuch eine Analogie in 
den Erecheinungen der Paragglutination. So hat Kuhn beobachtet, daB ein Uoli- 
Stanim durch das Aniidyoenterieserunj eiues Kaninchens agglutiniert wurde, nicht aber 
durch em gleiches Serum voui Esel, obwohl letzteres einen recht hohen Titer (1:50(XXI) 



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schieden erweisen. Jedenfalls scheinen uns die Hypothesen, welche die 
Paragglutination durch Neuauftreten heterologer antigener Gruppen 
(Kuhn) oder durch deren Adsorption (Paltauf) zu erklaren versuchen, 
wenig wahrscheinlich. Es werden naralich zuweilen die paragglutinierten 
Stamme bei groBerer Verdiinnung agglutinabler als die Stamme, welche 
zur Immunisierung gedient haben (Meggendorfer, Kuhn und 
Woithe). Nun ist wohl kaum anzunehmen, daB z. B. bei den Coli- 
Bazillen mehr dem Bac. dysent. entsprechende agglutinogene Gruppen 
neuentstehen oder adsorbiert werden kdnnen, als sie der Bac. dys- 
enteriae selbst besitzt. Die auBerordenthche Hdlie des Titers bei 
der W eil-Felixschen Reaktion im Vergleich zu anderen Infektionen legt 
die Vermutung nahe, daB hier ganz besondere Beziehungen zwischen 
den Komponenten der Reaktion bestehen (vgl. Epstein). 

Als Anhanger der physikalisch chemischeu Theorie der Innnunitats- 
reaktionen bemuhten wir uns auch, die W eil-Felixsche Reaktion von 
diesem Standpunkte aus zu erklaren. Es wurde bereits 1919 von Ep¬ 
stein gezeigt, daB das Serum Flecktyphuskranker eine ganze Reihe 
physikalisch-chemischer Eigentumlichkeiten aufweist. VVird solch ein 
Serum der Dialyse unterworfen, so fallt das wasserunldsliche Globulin 
bei hSherer Konzentration spontan aus. Die Menge dieses labilen Glo¬ 
bulins im Serum erreicht ihr Maximum kurz vor dem Temperaturabfall, 
also in dem Moment, wo der Titer der X 19-Agglutination am hochsten 
steht. Wie die Versuche in it Ammoniumsulfatlallung gezeigt haben, sind 
die Gesamtglobuline leichter ausfiillbar, als die Albumine. Da die An- 
reicherung der Globuline eine Dispersitatsverminderung des kolloidalen 
Serums verursacht, konnen wir die Menge der Globuline als MaB des 
Dispersitatsgrades des Serums betrachten. Dieser Dispersitatsgrad hat 
in verschiedenen Stadien der Krankheit eine verschiedene GroBe. Dem- 
gemaB verSndert sich auch der Gehalt des Serums an Globulin: in nor- 
malem Serum ist das VerhSltnis von Albumin-Globulin (EiweiBquotient) 
groBer als 1, im Flecktyphusserum dagegen zwischen 0,46—0,8. Wenn 
wir also auf Grund dieser Angaben von Epstein normales und Fleck¬ 
typhusserum vergleichen, so konnen wir sagen, daB das letztere ein 
EiweiBkolloid von geringerem Dispersitatsgrade, also weniger stabil ist. 
Es ist deswegen zu erwarten, daB Flecktyphusserum durch solche Ein- 
griffe ausgefailt werden kann, welche auf normales Serum keine Wirkung 
ausfiben. Dies lafit sich auch in Wirklichkcit bestatigen. So geben viele 
Flecktyphussera die Weltmannsche Reaktion (Ausflockung bei Ver- 
dtlnnung mit destilliertem Wasser) und auch die Wa-R. Nach Epstein 
fallen diese Reaktionen besonders oft positiv in den Fallen aus, wo auch 
der Titer der Weil-Felix schen Reaktion hoch ist, also wenn die 
physikalisch-chemischen VerSnderungen des Serums am meisten ausge- 
sprochen sind. Durch die leichtere Ausfallbarkeit des Flecktyphusserums 
laBt sich auch seine merkwiirdige TStipkeit, zahlreiche Bakterien zu ag- 
glutinieren, welche in gar keiner Beziehung zum Flecktyphus stehen, so 
z. B. die zahlreichen, als Flecktypbuserreger angesehenen Mikroben, 
ferner die B. typhi abdom., Bac. pyocyaneus usw. erklaren. Die 
Arbeit von Egoroff (aus der Klinik des Prof. Dr. Pletneff, Moskau) 
bestatigt die Angaben Epsteins. Es erwies sich nSmlich, daB die 
Blutgerinnungskurve beinahe analog der Agglutinationskurve des X 19 

den Dysenleriebazilien eepeniiber besafi. Gieszczy kiewicz fand, daB parapglutinable 
Ooli-c>tanime dureh PferdedysenterieininninBeruni ganz anders agglutiuiert wurden, als 
durch das entsprechende Kaninchenserum. 


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(Jentralbl. f. Bakt. etc. i. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3 4. 


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verlfiuft. Nun ist ja bekanntlich die Blutgerinnung ein fermentativer 
ProzeB, der im wesentlichen vom physikahschchemischen Zustande der 
Ingredienten und des Mediums abhangt (man kann dies sclion daraus 
ersehen, daB die Blutgerinnung durch Zusatz von Eiweifi, grfiBere Mengen 
Wassers, sowobl wie durch kleine Quantitaten Alkalien resp. schwache 
Sauren gehemmt wird). Es gewinnen somit fur uns die Resultate kli- 
nischer Ur.tersuchungen eine ganz erhebliche Bedeutung. — Stellen wir 
uns nun die Krage, wodurch sich eine Suspension der X 19-Bazillen von 
einer solchen des Prot. vulg. unterscheidet, so finden wir nur den 
einen Unterschied, daB die 1. durch Flecktyphusserum agglutiniert wird, 
die letztere dagegen nicht 1 ). Schon die allgemein bekannte Bedeutung 
der physikalisch-chemischen Eigenschaften der zur Agglutination ge- 
brauchten Bakteriensuspensionen laBt uns einen Unterschied im physi¬ 
kalisch-chemischen Zustande der 2 obenerwfihnten Suspensionen ver- 
muten. Es gibt aber auch Tatsachen, die direkt auf die Bedeutung der 
physikalisch-chemischen Momente bei der Agglutination der Proteen 
durch Flecktyphusserum hinweisen. So hat Sc hapseneff gezeigt, daB 
bei Zusatz verschiedener Chemikalien (Aether, Chloroform, Formalin 
usw.) zu einer X 19-Suspension die elektrische Ladung der einzelnen 
Bakterien sich verandert, wodurch die Agglutination stark beeintiuBt 
wird. Die elektrische Ladung verandert sich auch beim Erwarmen der 
Suspension bis zu 55—(50°, was bekanntlich auch eine groBe Herab- 
setzung der Agglutinabilitat zur Folge hat. Aus der Arbeit Gilde- 
meisters erfahren wir, daB beim Erwarmen der X 19 (nnd auch Prot. 
vulg.) die Oberflaehenspanuung sich verandert, was mittels der Traube- 
schen Stalagmometermethode gezeigt werden kann. Aus der hohen Ag¬ 
glutinabilitat der Karbol-O-Formen des X 19 laBt sich endlich schlieBen, 
daB der Dispersitiitsgrad der Bakterienmasse fiir die Agglutination von 
Bedeutung ist. Es unterscheiden sich die O-Formen von den gewohn- 
lichen durch die Abwesenheit der GeiBeln, wodurch das Volum jeder 
einzelnen Bakterie kaum vermindert wird; seine Oberflache dagegen 
ganz bedeutend. Es ist somit die Oberflache der dispersen Phase, die 
in physiologischer Kochsalzlosung suspendierten Bakterien — stark ver¬ 
mindert, der Dispersitatsgrad ist also auch herabgesetzt. — Zgsammen- 
fassend, konnen wir sagen, daB eine X 19-Suspension andere physikalisch- 
chemische Eigenschaften besitzt, als eine Suspension vulgSrer Proteen. 
Die erstere ist — wir wiederholen das fiber Flecktyphusserum Gesagte, 
— ein wenig stabiles Kolloid, welches beim Zusainmentreffen mit einem 
anderen kolloiden System, dem Flecktyphusserum, ausffillt, wogegen die 
weniger labile Prot. v u lg. - Suspension unter diesen Umstanden nicht 
ausfallt 2 ). 

Die groBere Labilitat der X 19-Suspension laBt sich nicht nur durch 
die Einwirkung von Flecktyphusserum demonstrieren. Aus den Unter- 
suchungen von Braun und Salomon und Schaffer wissen wir, daB 
auch normales Menschenserum in geringer Verdfinnung (1:5—1:10) 

1) Zuweilen agglutiniert Flecktyphiisserum bei sehr geringer Verdfinnung anch 
den Prot. vuler, (Braun und Salomon, Zechnowizer u. a.), jedoch natiirl' cl1 
nicht jedca Flecktyphusserum und nicht jedcn Prot. vulg.-Stamm. 

2) Dieser Unterschied des X 19 von I'rot. vulg., den wir hier als eine Verande- 
rung physikalisch-chemischer Rigenschaficn registricren, ist gewifl nur der Ausdrucr 
vieler, vielleicht recht komplizierter biologischer Prozesse, die sich unter dem Einfluw 6 
des Flecktyphusvirus im Prot. vulg abspiclen und die unserer unmittelbaren Beot 1 ' 
achtung unzuganglich sind. 



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203 


beinahe immer X19 agglutiniert, nicht aber den Prot. vulg. Gilde- 
meister beobachtete, daB beim Erwarmen einer X 19-Suspension bis 
zu 120° ohne jeglichen Zusatz irgendwelcher Ingredientien eine spontane 
Agglutination eintrat. 

Wir gelangen somit zu der Ueberzeugung, daB das Flecktyphusvirus 
auf beide uns interessierenden kolloidalen Systeme. das Serum des Er- 
krankten und den Prot. vulgaris, in gleicher Weise einwirkt, indem 
es ihre physikalisch-chemische Beschaffenheit verandert: es entstehen 
zwei labile kolloidale Systeme, die wir als „Flecktyphusserum u und 
,Xl9“ bezeicbnen. Diese Erscheinung kann nicht einen zufSlligen Cha- 
rakter haben, sie bedingt das Auftrcten der Wei 1-Felixschen Reak- 
tion mit alien ihr zukommenden Eigenttimlichkeiten. 

Schematisch l&Bt sich das folgendermaBen darstellen (Fig. 1). 



Die Entstehung der Ingredientien der W ei 1-Felixschen Reaktion 
geschieht nach diesem Schema nur im menschlichen llecktyphuskranken 
Organismus. Es ist leicht zu ersehen, daB, falls der obere Teil unseres 
Schemas ausbleibt, die Reaktion nicht zustande kommen kann. Solch 
einen Fall haben wir bei dem experimentellen Flecktyphus beim Meer- 
schweinchen. 

Zahlreiche Untersuchungen verschiedener Autoren haben gezeigt, 
daB bei flecktyphuskranken Meerschweinchen die W.-F.-Reaktion stets 
negativ ausfallt *). Andererseits haben unsere Versuche gezeigt, daB im 
Organismus des Meerschweinchens ein Uebergang des Prot. vulg. in 
X19 moglich ist. Es bildet sich also hier ein Ingredient der Weil- 
Felixschen Reaktion, wahrend die entsprechenden Veranderungen des 
Serums nicht eintreten; somit kann auch nicht die Weil- Felixsche 
Reaktion zustande kommen. Dieselben Verhaltnisse beobachten wir auch 
bei zahlreichen Versuchen, andere Tiere, (Pferde, Schafe, Hunde 

1) Nur Oettinger fand sie positiv, jedoch ist kaum anzunebmen, daB seine 
Meerschweinchen iiberhaupt an Flecktyphus erkranktcn, da er sie mit bis 55° erwarmtem 
Virus infizicrt, dieseTemperatur aber das Virus bereits in 15 Min. abtotet (Anderson 
“nd Goldberger). 


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Centralbl. f. Bat. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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und Ziegen) mit Flecktyphusvirus zu infizieren, resp. zu immunisieren 
(Kraus u. de la Barrera, Russ u. Kirschner). Wahrschein- 
lich treteu auch hier die entsprechenden Veranderungen des physikaliseh- 
chemisclien Zustandes des Serums nicht ein; dies kann davon abh&ngen, 
daB der Organismus der obengenannten Tiere ganz anders als der 
menschliche gegen Flecktyphusgift reagiert. 

Bis jetzt ist nur 1 Tierspezies bekannt, welche nach Infektion mitteis 
des Virus von flecktyphuskranken Meerschweinehen eine positive W.-F.- 
Reaktion gibt — die Kaninchen (Weil u. Felix, Fried berger, 
Weil u. Gruschka). Es tritt aber bei ihnen die W.-F.-Reaktiou 
nicht in alien Fallen auf (Doerr u. Pick, Kraus u. de la Barrera), 
deswegen kann diese Methode nicht als ein zuverlassiges Mittel zum 
Nachweis einer Flecktyphuserkrankuug der Meerschweinehen dieneu. 
Nach unserein Schema kbnnen wir annehmen. daB in den Fallen, wo 
bei Kaninchen die W.-F.-Reaktion positiv ausfallt, das Flecktyphusvirus 
eine physikalisch chetnische Ver&nderung des Serums hervorgerufen hat 1 ), 
was das Zustandekommen der Reaktion moglich macht. 

DemgemaB konnen wir uns soldier Ingredientien der W.-F.-Reaktion 
bedienen. die im Organismus verschiedener Tiere entstanden sind, z.B.: 

Stamm Xv und menschliches Flecklypusserum 

(im Meerschweinehen entstanden) 

oder 

Stamm X19 und Flecktyphusserum vom Kaninchen 

(im menschlichen Organismus entstanden) 

In den beiden Fallen haben wir eine positive Weil-Felixscbe 
Reaktion. Nehmen wir aber einen nicht durch Flecktyphus veranderteu 
Ingredienten, Pferde-, Meerschweinehen-, Hundeserum etc., oder den 
Prot. vulg., so bekommen wir ein negatives Resultat. 

So stellen wir uns den Mechanismus der W.-F.-Reaktion vor. Wir 
sehen vollstandig ein, daB eine solche Auffassung hypothetisch ist. Jedoch 
erklart uns diese Hypothese eine ganze Reilie bisher unverstandlicher Tat- 
sachen und gibt die Moglichkeit zu weiteren experimentellen Nachpriifungen. 
Ein eingehendes Studiuin der physikalisch-chemischen Eigenschaften der 
Sera von flecktyphuskranken Tieren sowie eine vergleichende Unter- 
suchung der Suspensionen von X 19 und Prot. vulg. vom Standpunkte 
ihrer Stabilitat als kolloide Systeme, ein Stadium, welches fur uns zurzeit 
unzuganglich ist, werden unsere Auffassung der W.-F.-Reaktion be- 
statigen, oder, falls sie unrichtig ist, zu einer anderen Auffassung fuhren s ). 


1) Um uns vorzustellen, ob der Prot. vulg. auch im Organismus flecktyphus- 
kranker Kaninchen in X19 iibergeht, infizierten wir 2 Kaninchen durch je 5 ccni 
Flecktyphusblut und fiihrten ihnen Kollodiumsackchen mit Prot. vulg. in die Bauch- 
hbhle ein. Die Kaninchen geben weder Tempcraluranstieg noch die VV.-F.-Reaktion 
(sogar bei Serumverdiinnung 1:10). Mach 2 Wochen wurden die Prot. vulg. aus 
den Sackchen auf Agar iibergesiit. Die Kulturen zeigten keine Veranderung ihrer 
serologischen Eigenschaftcn. Man kann jedoch diese Versuche nicht fur beweisend 
halten, da wir keine Anhaltspunkte haben, sicher zu sein, dafi die Kaninchen tatsachlieh 
erkrankten. 

2) Anm. bei der Korrektur. In der letzten Zeit gelang es uns in gemeinsebaft- 
licher Arbeit mit Prof. W. Barikin und Dr. Friese zu beweisen: 1) daB Flecktyphus- 
sera bei Hinzutiigung von kolloidal. Gold, welches keinen EinfluB auf Sera der gesunden 
und an anderen Infektionen kranken Menschen ansiibt, ausfallen; 2) daf3 die Aggln - 
tination der Bakterien durch kolloidal. Eisen, X 19 durch eine kleinere M nge von 
kolloidal. Eisen, als Prot. vulg. agglutiniert wird. Diese Ergebnisse, die unsere Theorie 
auf experimentellem Wege bestatigen, werden in nachster Zeit in Druck erscheiner. 



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Luger u. Lauda, '/ait Aetiologie des Herpes zoster. 


205 


Ich mdchte an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer, Prof. 
\V. Bari kin, raeinen aufrichtigsten Dank aussprechen fiir seine wert- 
vollen Ratschlage und Hilfe wahrend meiner Arbeit. 


Literatur. 

1) Barikin u. Sdrodowsky, Wratschebnoe delo. 1919. Nr. 22.— 2)Bus8on, 
Centralbl. f Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 73. 1919. H. 4/5. — 3. Bhemer, Arch. f. Hyg. 
Bd. 89. 1920. H. 7/8. — 4) Ditchorn u. Neumark, Ceotraibl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 67. 1913. — 5) Egoroff, Sypnoi typh. Pletneff. 4. AufL Moskau. S. 85. — 
6) Finger u. Kollert, Wien. klin. Wochenschr. 1918. Nr. 10. — 7) Flatzek, 
Dtsch. med. Wochenschr. 1917. Nr. 7. — 8) Felix, Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 35. 
1922. H. 1/2. — 9) Felix u. Mitzenmacher, Wien. klin. Wochenschr. 1918. Nr. 36. — 
10) Gergely, Ebenda. 1917. Nr. 40. — 11) Gieszczykiewicz, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 78. 1916. H. 2. — 12) Gildemeister, Ebenda. Abt I. Orig. 
Bd. 83. 1919. — 13) Hamburger u. Bauch, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. 
S. 1227. — 14) I wasch i n zcf f, Nautschnaja mediz. 1919. Nr. 4—5. — 15) Kliene- 
berger, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 58. 1908. S. 84. — 16) Kuhn, Uentralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 80. 1918. — 17) Lehman, Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 77. 1916. 
H. 4. — 18) van Loghem, Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. H. 4. — 19) Mar¬ 
koff, Ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 78. H. 6. — 20) Megendorfer, Ebenda. Abt. I. 
Orig. Bd. 80. 1918. H. 6. — 21) M etschn ikoff, zit. nach Utschenie o mikro- 
organismach. Zlatogorowa. Bd. 3. 1916. — 22) Paltauf, Kolle u. Wassermann, 
Handb. d. pathog. Mikr. 2. Aufl. Bd. 2. — 23) Schmitz, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 83. 1919. H. 3. — 24) Sachs u. Muke, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. 
Nr. 7. — 25) Sal us, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 80. 1918. H. 4. — 
26) Seiffert, Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 30. 1920. H. 5/6. — 27) Tonnissen, 
Biolog. Centralbl. Bd. 35. 1915; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 5. — 
28) Weil, Wien. klin. Wochenschr. 1920. Nr. 3; Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 36. 
1922. H. 1/2. — 29) Weil u. Felix, Wien. klin. Wochenschr. 1920. S. 423. — 
30) Weil u. Gruschka, Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 33. 1921. H. 3. — Wolf, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. l!)22. H. 1/3. — 32) Zechnowizer, 
Sbornick statei po mikrobiologii. Charkow. 1922. p. 1. — 33) Schapscheff, Ibid. 
8. 214. — Siehe auch das Literaturverzeichnis in der Arbeit Silbers Ceutralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1922. H. 7/8. 


Nachdrttck verboten. 

Zur Aetiologie des Herpes zoster. 

Ein Beitrag zum Herpes- und Encephalitisproblem. 

[Aus der II. med. Univ.-Klinik in Wien (Vorstand Hofrat Prof. Dr. 

N. Ortner).J 

Von A. Luger und E. Lauda. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

Im folgenden soli kurz fiber Untersuchungen berichtet werden, die 
von einem, wie uns scheint, prinzipiell wichtigen Falle ausgehen J ). 

Patientin M. VV. der psychiatrischen Univ.-Klinik in Wien (Vorstand 
Hofrat Prof. Wagner-Jauregg), 45 J. alt. 

Auszugausder Anamnese: Krankbeitsbeginn am 1. Marz 1923, 14 Tage vor 
der Aufnahme in die Klinik, unter heftigen, in ihrer Lokalisation wechselnden, bohrenden 
Schmerzen. Sie traten zuerst in der rechten Bauchseite und im Riirken, in das Gcsafi 
ausstrahlend, auf, wenige Tage spatcr waren sie in der linken Bauchseite, bald darauf 

1) Herrn Privatdozenten Dr. Schilder, Assistenten der psych. Universitatsklinik 
>n Wien sind wir fiir die Ueberlassung von Material und Kraukengeschichte zu beson- 
'ierem Danke verpflichtet. 


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in der rechten, noch spa ter in der linken unteren Extremitat lokalisiert. Seit Begin i 
der Erkrankung bestehen Zu« kungen in den Muskeln dee Bauches und der Beine, ESeit 
einigen Tagcn Ameisenlaufen nn rechten FuB. Leichte Temperaiursteigerungen bis 37,6*. 

A uezug aus dera Nervenstatus: Pupillenreaktion, Conjunctival-, Corneal 
und Rachenrellexe normal. Hirnnerven o. B. Keine Doppelbildcr, kein Nysiagmus. 
Keine Nackensteifigkeit. Ini Bereich der Baucbmuskulaiur gelegentlich blilzartige 
Zuckungen, die auch durch Reiben und Drucken der Bauchwand ausgeldet werdei 
konnen. Im Bereich der unteren Extremitaten geringgradige Hernbsetzung der grobeu 
motorischen Krafr. Fast konstante Zuckungen im Bereich der UnterscbenkelmuskU’ 
lalur und in der Oberschenkelrouskulatur beidereeite, feinschlagiger Tremor im Bereich 
der Finger. Bauchteckenrellex r. > I. (rechter unterer nicht auslosbar). P.S R. r. =l.< 
kein Klonus, kein Oppenheim. A.S.R. r. = 1. <, Babinskv negativ, Kernigeches 1’ha 
□omen beiderseits positiv. Starke Hy[>eralgesie im Bereich beider Unterschenkel (1. >r.i 
im Bereich der FiiBe ,,pamBtiges“ Getiihl, wie Ameisenlaufen. Vermehrter Harndrang 
bei geringen Einzelportionen. Obstipation. Ganz leicht paretisch. Iiarnbefund norma! 

Auszug aus dem Decursus morbi: Subtebrile Temperaturen. Am 22.Man 
traten in der rechten Glutaalgegend an zwei Stellen Herpes zoster Blaschen in Gruppeo 
auf. Die Muskelzuckungen schwanden ungefahr am 1. April 1923. Die Schmerzen 
hielten noch lange Zeit an. Der Zustand besserte sich langsam. Patientin wurde aai 
31. Juli 1923 in gutem Zustande entlassen. 




Der Inhalt der am Tage vorher aufgetretenen Zosterblasen wurde 
am 23. JlSrz auf die vorher mit 4%'g er KokainlOsung anSsthesierte 

Cornea ties Kaninchens53 durch 
Skarifikation mittels einer mit 
Blascheninhalt beschickten Lan- 
zette flbertragen. Nach 24 Std. 
hatte sich eine eitrige Conjunc¬ 
tivitis, welche zum Verkleben 
der Lider fiihrte, entwickelt. 
Die Impfstriche der Cornea 
waren leicht erhaben, weiBlich 
infiltriert, die ganze Cornea dif- 
fus leicht getriibt. Nach 48 Std. 
batten die Entzfindungserscheinungen bedeutend zugenommen. Im Be- 
reiche der Impfstriche waren tlache Substanzverluste zu sehen, die eine 
dendritische.Verzweigung eben erkennen lieBen. Diese eigenartige Kon- 
figuration der Hornbautdefekte trat deutlicher zutage, als nach Enuklea- 
tion des einen Auges der Bulbus zwecks Fixation in Sublimat-Eisessig 
getaucht wurde (Figur 1). 

Nach 72 Std. hatte die Keratoconjunctivitis am anderen Auge einen 
noch hoheren Grade erreieht. Es wurde von dieser Cornea abgeimpft 
und mit dem so gewonnenen Material ein neues Tier, K. 53a, geimpft 
Am rechten Auge wurde die Cornea unter den gleichen Bedingungen wie 
K. 53 skarifiziert, am linken wurde ohne Skarifikation Conjunctivalsekret 
in den Conjunctivalsack eingebracht. Hierauf wurde das Tier K. 53 
getStet, der Bulbus enukleiert und in Sublimat-Eisessig fixiert. Auch 
hier war die dendritische Anlage der Substanzverluste in charakteristi- 
scher Weise entwickelt (Figur 2). 

Histologie der Cornea. Die Cornea des uach 48 Std. enukleierten Auges zeigtf 
Epitheldeb-kte, die bereits weit iiber den Bereich der Impfstriche hinausgingen. In 
der Umgebung der Impfstriche war das Stratum proprium corneae mit psfudocosino- 
philen Leukozyten dicht infiltriert. Im Impfspalt selbst lagen noch vielfach zum Teil 
adhiirente, zum Teil frei liegende degenerierte Epilhelzellen. Diese sowohl als auch die in 
der weileren Umgebung der Impfstriche noch an normaler Stellc hegenden Epilhelzellen 
zeigten schwerste degenerative Veranderungcn: Oedematose Quellung der Zellen, U nna» 
ballonierende Degeneration, Rieeenzellbildung, z. T. ebenfnlls in ballonierender Degene¬ 
ration. SehlicBlich zcigteu vide Epiihelzellkerne, sowohl solcher Zellen mit ballo- 
nicrender Degeneration als auch anderer jene Kerndegenerntionsform, die wir seinerzeit 
als ox vchromatische K ernd egen era t io n bezeichnet baben. Dieselbe entspricht 



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Luger u. Lauda, Zur Aetiologie des Heroes zoster. 


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der zuerst von Kopitowsky in der Zosterblase beschriebenen, spater von Lipschutz 
in der Blase und in der Impfkeratilis beim Herpts zoster studierlen Veranderung, 
deren Voikommen beim Herpes simplex Lipschutz und Luger und Lauda be- 
schrieben haben. 

Das Auge mit der 72stiindigen Keratitis bot histologisch ein prinzipiell gleiches 
Bild, nur war das Epithel bis auf wenige Reste verloren gegangen, das Blralum pro- 
prium corneae in alien Bchichten von pseudoeosinophrlen Leukozyten dicht iniilinert. 
Auch hier zeigten die noch erbaltenen Epilhelzellen, ebenso wie fixe Hornhautkorper- 
chen z. T. oxychromatische Kerndegeneration. 

Am rechlen Auge des Passagetieres K. 53 a entwickelte sich nach 24 Std. das ty- 
pische Bild der herpetischen Keratoconjunctivitis, am linkeu Auge war die Cornea diffus 
getrubt, die Conjunctiva leicht entziiudlich injiziert und etwas eitrig belegt. In den 
nachsten Tagen nahm die Augcnaflektion beiderseits an lntensitat stark zu, doch ver- 
lielen die Erschcinuugen am linken Auge weuiger stiiimisch wie am rechten. Am 8. Tage 
zeigte das Tier allgemein nervose Bymptome; es schien eine leichte recbtsseitige Henii- 
parese zu haben, und fiel auf die rechte Beite. Fluchtversuche. An dicsem Tage wurde 
vom rechten Auge aus eine corneale Passage auf K. 52 angelegt. K. 53a wurde am 
nachsten Morgen tot aufgefunden. Beim Eintauchen des enukleierten Bulbus der linken, 
also conjunctival geimpiten Beite in die Fixaiionsllustigkeit zeigte dieser einen charak- 
teristisch verzweigien Bubstanzverlust der Cornea, wahrend die rechte Cornea einen 
gToBen, nicht charakteristischen Defekt aufwies. 

Histologischer Refund von Cornea und Gehirn (K. 53a). Cornea: Das Epithel 
ist zum groUten Teil verloren gegangen. Vereinzelte der noch erbaltenen, schwer ge- 
schadigten Zellen zeigen oxychroniatische Kerndegeneration. Btralum proprium ditlus 
leukozylar infiltriert. Der Refund deckt sich im wesentlichen mit dem bei K. 53 friiher 
beschriebenen. 

Gehirn: Es findet sich eine diffuse Meningitis, welche an der Hirnbasis die 
grofite Machtigkeit erreicht. Die Zellen, welche die Meningen infiltrieren, sind zum 
grofleren Teil monozytare Elemente, zum kleineren Leukozyten. Diese linden sich toils 
zwischen den Mononuklearen einzeln verslreut, toils aber auch in inselformigen, fast 
nur aus Leukozyten bestehenden Ansammlungen, welche den Eiudruck kleinster miliarer 
Abszesse machen. Im Bereich dieser Leukozytenansammlungen greift die leukozyiare 
Infiltration auch auf die auQerste Randzoue des Gehirns selbst liber. Die Meningitis 
findet sich auch an der Himkonvexiiat und zwischen den Windungen, besonders in 
der Bylvischen Furche. Die MeningealgefaBe sind stark hyperamisch. Im Gehirn 
selbst finden sich zahlreiche perivaskul&re Inliltrate. Die Infiltratzellen sind hier fast 
aussehlieSlich monozytare Elemente, nur ganz vereinzelt finden sich Leukozyten. Die 
perivaskularen Infiltrate finden sich im ganzen Gehirn, in Rinde und Mark, am 
reichiichsten aber im Gyrus hippocampi, wo alle von der Pia in das Hirnparenchym 
ziehenden Gefiifie von eiuem dichten Zellmantel umgeben sind. Parenchymatose, mit 
den GcfaBen anscheinend nicht in Zusammenbang stehende monozytare Infiltrate linden 
sich nur in geringerer Anzahl. Vereinzelt finden sich auch im Hippocampus aus Leuko¬ 
zyten sich zusammensetzeude miliare Abszesse, kleinere als in der Hirnrinde. Auch 
im Hirnstamm und im verliingerten Mark waren monozytare Infiltrate nachzuweisen. 
Das Kleinhirn ist frei. Die Ganglien und Gliazellen zeigen vielfach, insbesondere 
wieder im Gyrus hippocampi, jene eigentiimliche Kerndegeneration, die wir im Gehirn 
der Kan nchen bei der herpetischen Encephalitis ausliihrlich besprochen und seinerzeit 
als oxychromatische Degeneration bezcicnnet haben. Diese Degeneration ist chnrak- 
terisiert durch Randstellung des Basichromatins, Verdickung der Kernmembran, Auf- 
treten von einer oder mehreren sich oxyphil sich farbenden Rinnenmasscn im Kern. 
Diese Massen geben die seinerzeit von uus geschildertcn Farbenreaktionen. (Wir haben 
oben schon darauf hingewiesen, dafl wir die gleiche Kerndegeneration in den Epitbel- 
zellen der geimpften Cornea haben nachweisen konnen.) Wie wir in einer fruheren 
Publikation gezeigt haben, entsprechen die Vorstufen dieser vollentwickelten Degene- 
rationsform, bei welchen sich im Kern kleinere und groBere Kliimpchen oxyphiler 
Bubstanz finden, den neurocorpuscules enc^pbalitiques, wie sie Levaditi, Harvier, 
und Nicolau bei der experimenlellen Encephalitis epidemica beschrieben baben. Diese 
Gebilde haben wir auch hier gefunden. Ebenso konnten wir in diesen Praparaten die 
.minute bodies* von da Fa no nachweisen, die wir ja auch seinerzeit an den Herpes- 

C 'nen studiert und als Kernzerlallsprodukte der verschiedensten Zellen aufgefuBt 
n. 

Von diesem Tiere K. 53a wurden neben der oben erwahnlen Cornealpassage auf 
K. 52 mit dem Gehirnbrei 2 wcitere Passagcn angelegt, einerseits corneal mit Impfung 
beider Augcn auf K. 40, andererseits subdural auf K. 93. 

Das in der Cornealpnssage geimpfte K. 52 ergab ein positives Impfresultat an der 
Cornea. Das Tier ging, ohne Erscheinungcn zu zeigen, nach 11 Tagen ein. Die hislo- 


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logische Unter.'Uchung des Gehirns ergab einen positiven, dem fruher ausfiihrlieh ge- 
schilderten analogen Befuiid. Unter den Infillratzellen iiberwogen auch hier die morio- 
zylaren Elemente iiber die Leukozyten. 

Das subdural geimpfte Tier K. 93 ging nach 5 Tagen, ohne Erscheinungen zu 
zeigen, cin. Die histologische Untersuchung des Gehirns ergab ebenfalls ein im obigen 
Sinne positives Resultat. 

Das zweite init dem Gehirnbrei am 23. Juli 1922 corneal geimpfte Tier K. 40 zeigte 
auf beiden geimpften Augcn nach 48 Std. einen typischen herpetischen Iinpfeffekt. 
Dieser bcgann 8 Tage nach der Impfung, nachdem er sich voll eutwickelt hatte, unter 
Einwachsen von GcfaBen vom Limbus her, abzuklingcn, um mit Hinterlassung einer 
dichien Triibung abzuheilcn. Am 4. Tage der cornealen Infcktion war von diesem Tier 
eine weitcre corneale Passage auf K. 0 angelegt worden. Auch hier wurden auf beiden 
Augen positive Kesullate erzielt. Ein Auge dieses Tieres wurde am 3. Tage enukleiert, 
das Tier am 4. Tage getotet. Beide Bulbi wurden in Zenkerseher Lbsung fixiert. 
Die histologische Untersuchung der Cornea ergab ein positives Resultat, auch hier 
fanden sich reichlich Epithelzellen mit oxychromatischer Degeneration der Kerne. 

Fassen wir das Ergebnis der Ueberimpfungen des Zosterbl&schen- 
inhaltes auf das Kaninchen zusammen, so konnen wir kurz sagen, dali 
es gelungen ist, eine schwere dendritische Keratitis mit eitriger Con¬ 
junctivitis nach einer kurzen Inkubation von 24 Std. zu erzielen, welche 
sich in 3 weiteren Kaninchenpassagen fortfiihren lied. Bei einem der 
korneal geimpften Tiere entwickelten sich nach 10 Tagen schwere ner- 
vose Allgetneinerscheinungen, denen das Tier erlag, und das Gehirn des 
Tieres gab histologisch den Befund einer schweren Meningoencepha¬ 
litis. Ein mit dem Gehirn des corneal geimpften Tieres subdural infi- 
ziertes Kaninchen ging nach 5 Tagen ebenfalls mit positivem histo- 
logischen Befund am Zentralnervensystem ein. 

Es ist sornit wohl berechtigt, in dieser Passagereihe von einem leben- 
den Virus zu sprechen, das sich far die Hornhaut und fur das Gehirn des 
Kaninchens pathogen erwies. Dieser Befund ist ein hochst auffalliger 
und steht im schroifen Gegensatz zu unseren seinerzeit mitgeteilten ex- 
perimentellen Beobachtungen, sowie zur iiberwiegenden Mehrzahl der von 
anderen Autoren mitgeteilten diesbeztiglichen Versuche (Baum, Fon¬ 
tana, Lipschiitz, Luger und Lauda, Mariani, Morelli, Teis¬ 
sier, Gastinel und Reilly, Truffi u. a.). Wir selbst haben in einer 
friiheren Mitteilung berichtet, dad wir in 7 Fallen von Herpes zoster eine 
corneale Impfung mit Zosterblaseninbalt auf je ein Kaninchen und lmal 
aut ein Meerschweinchen mit negativem Erfolg versucht haben. In keinem 
Falle konnte eine irgendwie charakteristische makroskopische Reaktion 
nachgewiesen werden; in seltenen Fallen wurden wohl kleinste, nicht cha¬ 
rakteristische Triibungen, lmal auch eine leichte Conjunctivitis, beobachtet. 
ohne dad diese Befunde iiber das hinausgegangen w&ren, was auch bei 
sterilen Kontrollimpfungen der Cornea geiegentlich zu sehen ist. Es ist 
auch damals ausdrucklich betont worden, dad — und auch gerade darin 
liegt ein Gegensatz zu dem hier mitgeteilten Fall — nach Behandlung des 
Bulbus nach der von uns angegebenen Weise mit Zen ker scher Losung 
oder im Huckel-Pau 1 schen Versuch keine umschriebenen Triibungen 
Oder Substanzverluste nachgewiesen werden konnten. Allgemeinerschei- 
nungen konnten von uns mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden; ein 
Tier soli, ohne dad wir Gelegenheit hatten, es personlich zu beobachten, 
unter leichten Kriinipfen und Schreien plotzlich ad exitum gekommen 
sein. Wir sind damals zu der Schludfolgerung gekommen, dad die Ver- 
itnpfung von Herpes zoster-Blaseninhalt auf die Kaninchencornea im 
Gegensatz zum Herpes simplex (tebrilis, genitalis, corneae) keine charak¬ 
teristische makroskopische Reaktion, keine eitrige Conjunctivitis hervor- 
ruft. Eine fliichtige Durchsicht unserer heute mitgeteilten Protokolle 



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Luger u. Lauda, Zur Aetiologie des Herpes zoster. 


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beweist das oben Gesagte, daB hier ein vollkommen verschiedenes Ver- 
halten zutage tritt. Andererseits ist ohne weiteres die auffallende 
Uebereinstiinmung hinsichtlich der makro- und mikroskopischen cornealen 
Reaktion, der allgemeinen klinischen Erscheinungen und der Tierpassagen 
mit den voin Herpes simplex her bekannten Erscheinungen unverkenn- 
bar. Auch der histologische Befund sowohl der geimpften Cornea a!s 
auch des Gehirns des corneal und subdural infizierten Tieres ergab einen 
Befund, der sich mit dem der herpetischen Impfkeratitis, bzw. herpeti- 
schen Encephalitis vollkommen deckt. Wir mochten in dieser Hinsicht, 
namentlich was den cornealen Befund anlangt, besonderen Wert auf die 
regelmaBig in zahlreichen Epithel- und Bindegewebszellkernen in der 
Umgebung der Impfstriche auftretende oxychromatische Degeneration 
legen. Seinerzeit haben wir ausdrucklich betont, daB wenigstens in un- 
seren Versuchen nach Verimpfung von Herpes zoster-Blaseninhalt, im 
Oegensatz zur Impfung mit Herpes simplex, eine oxychromatische De¬ 
generation der Epithelzellkerne nicht nachweisbar ist. Auf die Details 
der sonstigen histologischen Befunde mochten wir hier nicht nilher ein- 
gehen; sie wurden ja fiir den Herpes febrilis vonGriiter, Lipschiitz, 
Lowenstein, Luger und Lauda sowie Stocker seinerzeit ausfiihr- 
lich beschrieben. 

Ein den oben beschriebenen Versuchsprotokollen analoges voll- 
wertiges Versuchsresultat bei Ueberimpfungen des Herpes zoster auf 
das Kaninchenauge liegt in der Literatur bisher nicht vor. Nur einige 
wenige Falle mussen diskutiert werden, bei welchen die MQglichkeit 
nicht ausgeschlossen werden kann, da(5 es sich viclleicht um Aehnliches 
handelt, d. h. dad ein lebendes Virus iiberhaupt und vielleicht ein solches 
von gleicher Art wie in unserem Fall Obertragen wurde, wenn auch 
ein strikter Beweis aus den diesbeziiglichen Arbeiten dafiir nicht ent- 
nommeu werden kann. 

Hier waren an erster Stelle die Versuche von M ariani hervorzuheben. Mariani 
hat wohl in dec moisten Versuchen, die die Uebertragung des Herpes zoster auf das 
Kaninchen zum Ziele batten, ein vollkommen negatives ltcsultat zu verzeichnen gchubt. 
Ein Fall von Pannphihalmie kommt fur unsere Frage wohl nicht in Bctracht, wohl 
aber ein zweiter Fall, in welehem es ihin gelang, bcim Tiere eine in der Passage weiter 
iibertragbare Keratitis durch Verimpfung von Zosterblaseninhalt hervorzurufen, welche, 
soviel wir aus den uns im Referat zuganglichen Arbeiten eutnehmen konnen, niakro- 
and mikroskopisch groBe Aehnlichkeit mit der durch Herpes simplex erzeugteu Kerato¬ 
conjunctivitis zeigte. Nervose tSymptome konnte Mariani nicht beobachten. Er liiBl 
die Frage offen, ob die von ihm durch Zostermaterial am Kaninchen hervorgerufene 
Keratitis mit der herpetischen linpfkeraiilis idenlisch ist. 

Keratoconjunctivitis und Allgcmeinerscheinungen wurden von Truffi in einer 
von 3 Versuchsreihen beobachtet. Nach Verimpfung von Zosterblascheninbalt auf die 
Cornea konnte auch dieser den Ablauf einer leichten Keratoconjunctivitis beobachten, 
welche nach 7 Tagen abheilte. Am 22. Tage nach der Inokiilation traten bei diesem 
Ticre Allgemeinerscheinungen in Form von Drehungeu urn die Liingsachse, fcnliviuiou 
and Lichtstarre der Pupille auf. 10 Tage spiiter wurde das Tier getbtet, und die histo¬ 
logische Untersuehung des Zentralnervensysteins ergab eine Hyperamie der Meningen 
and vereinzelte lymphozytare Infiltrate um die GefiiBe der Pia. Auch dieser Autor 
richt keinen weilgehenden SchluB aus seiner vereinzelten Beobachtung, sondern ver- 
weist nur auf die Aehnlichkeit der Befunde mit dcuen, wie sie aus der Herpes febrilis- 
Literatur bekannt sind. 

Die Falle von Lipschiitz, der als erster den Gedanken ausgesprochen hat, dafi 
hei Herpes zoster ein auf die Kaninchcncornea iibertragbares lebendes Virus vor- 
lies;t, miissen au»fiihrlichcr besprochen werden. Es gelang ihm, unier 7 Fallen auf 
der mit Zosterblascheninhnlt geimpften Cornea 3mal ein einwandfrei positives nnd lmal 
ein schwach positives Resultal zu erzielen. In den jiositiven Fallen war die Cornea 
nach 24 citd. rcaktionslos; nach 48 Std. war eine germggradige Conjunctivitis aulge- 
Vretcn und an einer umschriebenen 8telle der Imptliuie entwickelte sich eine ziemlich. 

Krste Abt. Orig. Bd. 91. Heft 3/4. 14 


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scharf abgegrenzte, grau-weiBliche Keratitis unter dem Bilde einer vorragenden, rnnd- 
lichen, eitrig getriibten Blascheneffloreszenz, die, sich selbst iiberlasseu, in den nachsteu 
Tagen kein weiteres Fortschreiten zeigte, auch nicht nach Platzcn der Blaschendteke, 
die vielmehr rasch in Heilung iiberging. Histologisch fand er in den Cornealschnitten 
eine odematose Durchtrankung der Hornhaut, Leukozyteninfiltrationen, durch Abheben 
dea Corneaepilhels von den darunter liegenden fckhichten entstandene miliare Blaschea 
degenerative Verauderungen an den Epithelzellen, unter diesen nur eelten ballonierende 
Degeneration. Der Aulor hebt hervor, dafi ira Vergleich mit den stiirmischen Erschei- 
nungen nach der Impfung mit H. febrilis und genitalis die Reaktion bei Zoaterimpfung 
viel weniger deutlich erscheint. Wenn wir uns fragen, ob dieae Befunde wirklich die 
Existenz eines lebenden Virus beweisen, so ist diese Frage unserer Meinung nach zu 
verncinen. Das von Lipschiitz hauptsachlich gebrauchte Argument, das Auftreten 
der von ihm als Einschliisse aufgefaBten Kernveranderungen der Epithelzellen, die wir 
spater als oxychromalische Kerndegeneration betraehtet haben, beweist an sich die ge- 
lungene Uebertragung nicht, urn so mehr, als Tierpassagen anacheinend nicht vorgenomnien 
wurden. Nur auf Grund eines von vornherein nicht berechtigten Analogieschlusses mit 
dem Herpesvirus kann die Auffassung eine gewisse Stiitze erhalten. 

Fassen wir die hier referierten Arbeiten zusammen, so sind die 
Befunde dieser Autoren in einigen Punkten selir wohl mit unserem 
Falle vergleichbar. Da wir ja hier ini Gegensatz zu friiheren Unter- 
suchungen sogar reichlich oxychromatische Kernveranderungen gefunden 
haben, schlagt dieser Umstand eine Briicke zu den Beobachtungen von 
Lipschiitz. Die Schilderung der aufgetretenen Keratitiden der ver- 
schiedenen Autoren scheint, soweit es sich beurteilen lailt, vom Typus 
der herpetischen Keratilis nicht allzu weit entfernt zu sein, wenn auch 
zweifellos, wie ini Falle Lipschiitz, Unterschiede in der Art des kli- 
nischen Verlaufs und der Art der Infiltrate zu finden sind. Die von 
Truffi beobachteten Allgenieinerscheinungen und der in einem Falle 
wenigstens angedeutete positive histologische Befund im Zentralnerven- 
systeni fiigen sich gleichfalls bis zu einem gewissen Grade in den 
Rahmen unserer Beobachtungen. Leider ist ein sicherer Vergleich un¬ 
seres Falles mit denen der Literatur nicht moglich, da bei letzteren 
wichtige Versuchsanordnungen ausstandig sind. Die Moglichkeit laBt sich 
nicht ausschlieBen, daB alien diesen Uebertragungsversuchen ein gleiches 
Virus zugrunde gelegen hat. 

Ist die Aehnlichkeit der Versuchsergebnisse dieser Autoren mit 
denen bei Herpes febrilis nur eine fiiichtige, so decken sich die Bilder 
in unserem Falle vollkommen. Die Identitat unseres im Zosterblaschen- 
inhalt nachgewiesenen Virus mit dem Herpes simplex-Virus wird aber 
noch durch den gekreuzten Immunitatsversuch einwandfrei bewiesen. 
der im folgenden geschildert werden soil. 

ImmnnitiitsTcrsuch. 

K. 40, welches, wie aus der vorhergehenden Darstellung ersichtlich 
ist, an beiden Augen eine Keratoconjunctivitis nach Impfung mit Zoster- 
blaseninhalt durchgemacht hatte, wurde zu Immunversuchen verwendet. 

Am 14. Mai 1923, also 40 Tage nach der 1. Impfung, wurde es mit unserem Ence- 
phalilisstamm Wien beiderseits corneal geimpft. Gleichzeitig wurde der EncephalitLs- 
stamm zur Kontrolle auf 5 Tiere iibertragen. Zwei dieser Tiere waren bisher in keiner 
Weise vorbehandelt (K. 69 und 35), die 3 weiteren Kontrollen (K. 44, 02, 1028) bereits 
in verschiedener Weise geimpft worden. Und zwar handelte es sich bei K. 44 am 
eine 27 Tage zuriiekliegende, subdurule, erfolglose Impfung mit einem Encephalitisstamm 
anderer Frovenienz, bei K. 02 urn ein Herpes febrilis-Immuntipr (intravenose Impfung 
von Herpes febrilis-Blaschenausschwemmung vor ungefahr 7 Mon.), beim 3. Tier um 
ein Kaninchen, welches erst mit H. feb. mit positivem Erfolg corneal geimpft worden 
war und schon bei cornealer Nachimpfung mit H. genitalis gegen diesen I m muni tat 
gezeigt hatte (Intervall von der 1. febrilis-Impfung bis zur Encephalitisimpfung un- 
gefiihr 14 Monate). 



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Luger u. Lauda, Zur Aetiologie des Herpes zoster. 


21L 


Der Eneephalitisstamm (Wien), welcher zur Impfung dieser 5 Tiere in diesem 
Versuche verwendet wurde, wurde von uus aus dem Liquor eines Encephalitiekranken 
gezuehtet; er hatte bereits eine vielfache Tierpassage durehgemacht, war durch 5 sub- 
durale Passagen (Kaninchen bzw. Meerschweiuchen) gelaufen und wurde dann noch in 
weiteren 3 1'assagen corneal am Kaninchen weitergofiihrt. Die Impfung selbst wurde 
von dem dritten dieser Cornealpas6ageticre, K. 27, durchgetuhrt, bei dem sich eine 
schwere herpetiforme Keratitis entwickelt hatte 1 ). 


Da ein Teil dieser Versuche von andereu Gesichtspunkten aus in 
der friiher erwahnten Arbeit ausfiihrlich geschildert ist, soli von der 
Wiedergabe genauer Versuchsprotokolle abgesehen und betont werden, 
daB sich der Stamm Wieu mit dem Herpes simplex-Virus identisch er- 
wies. Folgende Zusammenstellung zeigt die Resultate der Iinpfungen: 


K. 35 u. K. 64: K. 44: K. 02: K. 1028: 

Reine Kontroll- reines Kontroll- Febrilis-Im- (ienitalis- 
tiere. tier, mil Enc. m. munticr. Immuutier. 

neg. Erfolg vorbeh. 

Herpetische Keratoconjunctivitis. Deutlich schwachere neg. 

Keaktion als die 
Koutrollticre. 


K. 40: 
Zoster- 
Immuntier. 


neg. 


Dieser Versuch zeigt, daB das mit dem „Zostervirus“ unseres Falles 
vorbehandelte Tier nach dem Ueberslehen der cornealen Infektion eine 
einwandfreie Immunitat gegeniiber einer Reinfektion mit einem Ence- 
phalitisstamm akquiriert, sich also mit dem Herpes simplex (febrilis, 
bzw. genitalis) intizierten Tieren immunologisch analog verhSlt. Die 
Kontrollen zeigten eine einwandfreie Reaktion, auch das mit einem Ence- 
pbalitisstamm vorbehandelte Tier K. 44 kann als vollwertige Kontrolle 
angesehen werden, da die 1. Impfung erfolglos blieb, und viele an der 
oben zitierten Stelle niedergelegten Reobachtungen zeigen, daB derartige 
negative Impfversuche das Verhalten des Tieres bei Revakzination in 
der Regel nicht beeinflussen. 

Das gleiche Tier K. 40, welches also schon Immunitat gegen einen 
Eneephalitisstamm gezeigt hatte, wurde nach 7 Tagen mit dem Bltischen- 
inhalt eines Herpes febrilis-Stamm L nachgeimpft. 

Dieser Herpes febrilis-Btanim hatte bereits eine Knninchen-Cornealpassage durch- 
gemacht und wurde nun von der schwer erkrankten Cornea des Kauinchens K. 60 am 
4. Tage dps Be.-tehens der Keratitis auf das in Rede stehende Immuutier K. 40 iiber- 
tragen. Als Kontrolle diente ein nicht vorbehandeltes Tier (K. 27). Wahrend der 
Herpes febrilis-Btamm am Auge des Kontrolltieres aufging, blieb das Auge des Imrnun- 
tieres K. 40 glatt, es enlwiekelte sich rur eine leichte zentrale Keratitis ohne Conjunc¬ 
tivitis (Austrocknen nach Kokaiuisierung), deren unspezifischer Charakter durch einen 
negativen cornealen Ucbertragungsversuch auf K. 03 sichcrgestellt wurde. 

Der Versuch lehrt also, daB das primiir mit Zosterblascheninhalt 
mit positivem Erfolg geimpfte und sp&ter gegen ein Encephalitisvirus 
refraktiire Tier sich auch gegen eine Nachimpfung mit Herpes febrilis 
als immun erwies. Mit Riicksicht auf das kurze Intervall zwischen den 
beiden Itnpfungen und vor allem mit Riicksicht auf die Tatsache, daB 
n ach Impfung mit dem Eneephalitisstamm keine Erscheinungen aufge- 
treten waren, kann mit Sicherheit angenommen werden, daB auch fur den 
negativen Ausfall der Febrilisnachimpfung die primar iiberstandene In¬ 
fektion mit unserem „Zostervirus u ursfichlich herangezogen werden muB. 

Das Resultat unserer Untersuchungen beweist die 
Identitat des in unserem Fa lie aus dem Zosterblaschen 
(?ezuchteten Virus mit dem des Herpes simplex. 


p, D Hinsichtlich der ausfiihrlichen Darstellung dieser Versuche sei auf unsere in 
> mck befindliche Arbeit hingewieseu (Ztschr. f. d. ges. exp. Med.). 


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Centralbl. i Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Ohne auf unseren speziellen Fall zunachst eingehen zu wollen, soil 
erst allgemein die Frage erortert werden, welche BedeutUDg ein ge- 
lungener Nacliweis des Herpesvirus in der Zosterblase haben kann, und 
welche Erklarungsmoglichkeiten nach dem bisherigen noch mangelhaften 
Stande der Kenntnisse iiber das Wesen des Herpes simplex und des 
Herpes zoster in Betracht kommen. 

Wenn wir uns daran erinnern, daB die meisten Autoren, die sich 
mit dem Herpes Simplex-Problem beschaftigt haben, der Annahtne zu- 
neigen, daB wir es bei dem Herpeserreger mit einem ubiquitaren Virus 
der Haut bzw. der Schleimhaut zu tun haben, dann muB naturgemaB 
die Frage erbrtert werden, ob cs sich vielleicht nicht um einen Zufalls- 
befund handeln konnte in dem Sinne, daB ein gerade in dem Falle vor- 
handenes Herpesvirus und nicht etwa das hypothetische Zostervirus auf 
<las Tier iibertragen wurde. Hierzu ist allerdings zu bemerken, daB 
ausgedehnte Versuchsreihen iiber ein ubiquitares Vorkommen des Herpes 
simplex auf der Haut nicht vorliegen. Nur vereinzelte Untersuchungen 
wurden bisher in dieser Richtung angestellt. Insbesondere wissen wir 
nichts iiber die Verteilung des eventuell saprophytar vegetierenden Virus 
an den verschiedenen KOrperstellen. Ein anderes wichtiges Argument 
gegen die Annahme eines solchen erblicken wir darin, daB die ungemein 
zahlreichen Kontrollversuche, die von uns und den verschiedensten Autoren, 
in letzter Zeit wieder von Frieden wald, bei den verschiedensten Ilautaffek- 
tionen durchgefiihrt wurden, stets ein negatives Resultat gaben. Weitere 
Untersuchungen in dieser Richtung miissen abgewartet werden. Gegen- 
wartig erscheint uns die obige Erkliirungsmoglichkeit nicht wahrscheinlich. 

Das Gleiche gilt fur die theoretisch vorliegende Moglichkeit, daB 
etwa deshalb einmal ein Herpes simplex-Virus aus der Zosterblase ge- 
zuchtet werden kann, weil es sich um einen Menschen handclt, in dessen 
Organismus Herpesvirus kreist, ohne zu lokalen oder allgemeinen 
Krankheitserscheinungen zu fiihren. Man konnte sich in diesem Falle 
vorstellen, daB das Herpesvirus auf dern Glut- oder Lymphwege eben 
auch in die Zosterblase gelangt und sich deshalb im Cornealversuche 
manifestiert. Eine solche Annahme hatte vorliiufig nur hypothetischen 
Charakter, da eine experimentelle Stutze hierfiir nicht vorliegt. Etwas 
anders liegt die Fragestellung, wenn neben dem Herpes zoster gleich- 
zeitig an einer anderen Stelle des Korpers Herpes simplex Effloreszenzcn 
nachzuweisen sind. DaB mit einem solchen Vorkommnis gereclmet 
werden muB, dafiir spricht, abgesehen von allemeinen klinisehen Erfah- 
rungen, ein von uns seinerzeit ausfiihrlich mitgeteilter Versuch, bei 
welchem nicht nur klinisch, sonderu auch experimented die Differen- 
zierung zwischen den beiden Arteu der Eltioreszenzen durchgefuhrt 
werden konnte. Wenn es in diesem Falle zu einer Propagation des 
Herpes febrilis-Virus in den Organismus kommt, so besteht naturgem&B 
die Moglichkeit, daB dieses Virus auch in die Zosterblasen gelangt 
DaB man aber tatsachlich mit einem Auftreten des Herpes im ganzen 
menschlichen Organismus bei bestehendem Herpes simplex rechnen niuB- 
wissen wir aus positiven Befunden in Lumbalpunktaten von Bastai 
und Rouillard bei Herpes genitalis. Wir miissen um so mehr daraul 
gefaBt sein, irgendwo im Organismus dasllerpes febrilis-Virus anzu- 
tretfen, wenn ein Herpes febrilis im Rahmen jenes klinisehen Symptonien- 
bildes auftritt, welches als Febris herpetica bezeichnet wird. Auch bier 
liegen positive Befunde bisher nicht vor, eigene Untersuchungen 
dieser Richtung haben vorliiufig fehlgeschlagen. 



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Luger u. Lauda, Zur Aetiologie des Herpes z° 8 t e r. 


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Die hier herangezogenen Hypothesen sind somit, wie wir glauben r 
nicht imstande, unseren Befund zu erklaren. DaB trotzdem, allerdings 
in einem anderen Sinne, ein kausaler Zusammenhang zwischen Herpes¬ 
virus und Zoster angenoramen werden kann, soil im Folgenden gezeigt 
werden. 

Was die Genese des Herpes zoster betrifft, so scheint, wie das 
eingehende Studium der Literatur zeigt, von der Mchrzahl der Autoren 
als erwiesen angenommen zu sein, daB Beziebungen zwiscben dein Auf- 
treten von Zosterelfloreszenzen und pathologischen Veranderungen in 
den Spinalganglien bzw. den Ganglien der Hirnnerven bestehen 
(Blaschko, Frohlich und Grosser, Head und Campbell, 
Marburg u. a.). Mauche Autoren (Curshman und Eisenlohr, 
Du bier und W obi will u. a.) treten dafur ein, daB ein prim&rer 
KrankheitsprozeB im peripberen Nerven, insbesondere im Interkostal- 
nerveif, sowie Herde im Riickenmark an sich oder durch Vermittlung 
der Ganglien des betreffenden Segmentes zur Zostereruption fiihren 
k8nnen. AuBerdem ist es bekannt, daB eine primSre Erkrankung des 
Ganglions sich auf das Riickenmark fortsetzen kann (Claude und 
Schaffer, Head und Campbell, Hunt, Zumbusch u. a.). 

Erinnert man sich an die zweifellos bestehende Neigung des Herpes¬ 
virus, sich im Zentralnervensystem anzusiedeln, so drfingt sich der Ge- 
danke auf, daB unter Umstanden eine besondere Lokalisation des Virus 
im Bereiche des Nervensystems, also z. B. im Spinalganglion, peripberen 
Nerv oder aber im Zentralnervensystem selbst, sekundar, also ganz analog 
der herrschenden Vorstellung von der Entstehung des Herpes zoster, 
vielleicht auf dem VVege des von Kreibich angenommenen Reflex- 
vorganges, zur Eruption fiihrt. Es wiirde sich also in einem solchen 
Falle urn eine Herpesneuritis eines Interkostalnerven, um eine herpe- 
tische Entziindung des Spinalganglions oder um eine mehr oder wenigcr 
nmschriebene herpetische Myelitis handeln. Es sei in diesem Zusammen- 
hang an die interessanten Befunde von Salmann und Friedenwald 
erinnert, welche schwere Veranderungen in den Ganglien, insbesondere 
im Ganglion Gasseri, gefunden haben. DaB umschriebene Myelitiden 
and andererseits auch Opticusneuritis (Marinescu und Dragenescu) 
auf herpetischer Grundlage vorkommen, hatten wir selbst beini Tiere 
au beobachten Gelegenheit. 

Wenn wir somit auf Grund dieser Uebcrlegungen einerseits zu 
dem SchluB gekommen sind, daB eine Ansiedlung des Herpesvirus im 
Zentralnervensystem zur Zosterelfioreszenz fiihren kann, so will es uns 
scheinen, daB das Auftreten eines Herpes zoster in unserem oben aus- 
fuhrlich beschriebenen Fall leicht seine Erklarung findet. Die Patientin, 
um die es sich handelte, litt an einer akuten epidemischen Encephalitis. 
Wenn auch die Aetiologie dieser Erkrankung noch nicht vollsUindig 
geklart ist — eine Frage, mit der sich eine unserer in Druck befind- 
lichen Arbeiten ausfuhrlich beschaftigt — so steht doch andererseits 
fest, daB von einer groBeren Anzahl von Autoren aus dem Gehirn oder 
Lumbalpunktaten von Encephalitiskranken das Herpesvirus gezflchtet 
w «rde, und daB die Moglichkeit besteht, daB wenigstens einem Teil der 
Falle von Encephalitis das Herpes simplex-Virus ursachlich zugrunde 
Kegt. 

Die Encephalitis epidemica ist eine Encephalomyelomeningitis. Die 
Erkrankung kann sich im Gehirn, im Riickenmark und in den Meningen 
lokalisieren. Nach dem oben Gesagteu nun konnte eine derartige Mye- 


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litis einen Herpes zoster hervorrufen, und zwar einen Herpes zoster auf 
herpetischer Grundlage, wenn es sich um eine herpetische Encephalitis 
gehandelt hat. 

Wenn somit die Erklarung des Auftretens eines Herpes zoster bei 
Encephalitis epidemica keine groBen Schwierigkeiten bietet, so ist es 
nicht leicht, eine sichere Erklarung daftir zu geben, wie das Herpes¬ 
virus in die Zostereffloreszenz gelangt. Man konnte sich vorstellen, daB 
das Virus vom erkrankten Riickenmarksegment oder dem erkrankten 
Spinalganglion entlang dem Nerven zur Haut wandert, eine VorstelhiDg, 
die dutch die Angaben einer Reihe von Autoren (Gaviati, Grin- 
golo, Marinescu und Dragenescu u. a.) gestiitzt wird, die als 
Erklarung fur das Auftreten der Encephalitis im Tierversuch nach In- 
okulation des Herpesvirus in die Cornea ein Wandern des Virus langs 
des Opticus angenommen haben. Eine Propagation des Virus entlang 
dem Nerven wird auch durch die gelungenen Ueberimpfungen des Herpes 
simplex und der Encephalitis in den peripheren Nerven nahegelegt, ein 
Versuch, den wir selber bestatigen konnen. 

Es liegt ferner die Erklarungsmoglichkeit vor, daB es in einem Falie 
von herpetischer Myelitis oder Encephalitis mit entzGndlichen Verande- 
rungen im Zentralnervensystem bzw. in den Zentralganglien und konse- 
kutivem Zoster zu einer Ausschwemmung des Virus in den ganzen 
Organismus aus dem Blut- oder Lymphwege gekommen ist, und daB 
auf diesem Wege das Virus in die Zosterblase gelangt. Unter diesen 
beiden Moglichkeiten wiirden wir der ersteren den Vorzug geben. 

Will man den herpetischen Charakter der Encephalitis nicht zu- 
geben — und er ist auch in unserem vorliegenden Falle nicht erwiesen. 
da wir leider keine Gelegenheit hatten, das Lumbalpunktat des Falles 
zu untersuchen — dann mull auf jene Moglichkeiten verwiesen werden. 
die oben diskutiert sind. 

Der mitgeteilte Immunversuch, in dem eine Immunitat gegen eine 
eorneale Impfung mit unserem Stamme Wien nach vorangegangener 
Impfung mit dem Virus, welches wir aus der Zosterblase gezuchtet 
haben, stellt nichts anderes als eine Best&tigung unserer Annahme dar. 
daB dieses beim Zoster geziichtete Virus tatsachlich ein Herpesvirus war. 
Die Wiederholung des Versuches mit Herpes simplex bringt nach all 
dem, was wir in der oben zitierten ausfiihrlichen Arbeit liber die Be- 
ziehungen des Herpes febrilis zur Encephalitis besprochen haben, nur 
eine weitere Bestatigung. 

Wenn es sich zeigt, daB alle Encephalitis-Zosteren herpetisch re- 
agieren, so kann man hierin ein Argument fur die Behauptung erblicken. 
daB der Encephalitis epidemica das Herpesvirus zugrunde liegt. D 
diesem Sinne ware es wiinschenswert, daB alle Zosteren bei Encephalitis 
auf ihren herpetischen Charakter gepriift wiirden 1 ). Eine gleichzeitige 
Untersuchung des Lumbalpunktates, der Mundschleimhaut, kurz, aller 
aller Fundorte des Herpesvirus uberhaupt, miiBte mit vorgenommen 
werden. 

Abgesehen von dem Interesse, welches der mitgeteilte Fall, wie wir 
glauben, fiir die Frage des Zoster und vielleicht auch fGr die Frage 
des Encephalitisvirus besitzt, ist er auch geeignet, auf das Herpesproblem 
ein gewisses Licht zu werfen. Schon in der iilteren Literatur (Ger- 

1) Ein derartiger Versuch liegt vor. Morel, Tapie und Laborde hatte be' 
der Verimpfung eines Zoster bei Encephalitis ein negatives Resultat (Bull. rued. 1923. 
p. 402). 



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Luger u. Lauda, Zur Aetiologie den Herpes zoster. 


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hardt) sind Beziehungeu zwischen der Ausbreitung der Nerven, nament- 
lich deren feinster Ausl&ufer und der Herpeseffloreszenz, gesucht worden, 
welche ja durch die mitunter dem Nerven folgende Anordnung der Bl&s- 
chen nahegelegt wurde. Auch beziiglich der herpetischen Keratitis des 
Menschen liegen Befunde von Gilbert vor, die in diesem Sinne sprechen, 
wenn auch in diesem Punkte sowie hinsichtlich der herpetischen linpf- 
keratitis des Kaninchens keine voile Uebereinstimmung unter den Autoren 
besteht (L 6 w e n s t e i n). Die Lowenstein schen Versuche haben 
Luger seinerzeit veranlaBt, die Annahme einer eventuellen latenten 
neuritischen VerSnderung als nicht zwingend abzulehnen. Nach dem 
gegenwSrtigen Stande der Untersuchungen wfirden wir aber dieser An¬ 
nahme zuneigen, woboi das Schwergewicht auf die herpetische Infektion 
der Endverzweigungen gelegt werden miiBte, so daB die Annahme einer 
Reaktivierung des spezifischen herpetischen Prozesses nach Vakzine- 
injektionen verschiedener Art weiter Geltung behalt. Versuche, viel- 
leicht auf histologischem Wege eine Klarung herbeizufuhren, sind im 
Gange. 

Es miiBte schlieBlich daran gedacht werden, ob nicht vielleicht der 
anscheinend obligate Dermotropismus des Herpesvirus nur ein schein- 
barer ist. Es ware denkbar, daB es sich auch hier, ahnlich, wie wir es ja 
fur den Herpes zoster diskutiert haben, in Wirklichkeit urn eine Herpes- 
neuritis im Bereiche der feinsten Verzweigungen der Nerven handelt. 
Man darf auch nicht vergessen, daB nur die klinische Form des Herpes 
febrilis durch diesen anscheinenden Dermotropismus gekennzeichnet ist, 
daB aber nach den bisherigen Untersuchungen keineswegs gesagt werden 
kann, daB das Virus als solches eine derartige Neigung bes&Be, in der 
Haut oder Schleimhaut der Versuchstiere Oder des Menschen sich an- 
zusiedeln und einen lokalen ProzeB hervorzurufen. Die AffiniUit zum 
Cornealepithel besteht ja wohl in hohem MaBe, aber hier werden wohl 
noch weitere Untersuchungen zeigen miissen, ob nicht vielleicht doch 
die Nervenstammchen in der Cornea als Eintrittspforten in Betracht 
kommen. Die bestehende Neurotropie ist ja allgemein anerkannt und 
besonders von Levaditi hervorgehoben worden, der allerdings so weit 
geht, 2 Tjpen des Virus, ein epithelio- und ein neurotropes, zu unter- 
sckeiden, eine Auffassung, der wir uns nicht angeschlossen haben. 

Machen wir uns die Vorstellung zu eigen, daB es sich beim Herpes 
um eine primare nervbse Lokalisation des Herpesvirus handelt, dann 
ware die Herpesblase selbst nur als Ausdruck dieser primaren nervosen 
Erkrankung anzusprechen. Die klinisch festgelegten Unterschiede in der 
Art der Elfloreszenzen und im Verlaufe bei Herpes simplex und bei 
Herpes zoster kbnnten ja dann durch die Lokalisation des in diesem 
Falle gleichen Virus in verschiedenen Abschnitten des Nervensystcms, 
Kflckenmark, Ganglien, peripherer Nerv, Endverzweigungen ihre Er- 
klilrung finden. 

Diese Ueberlegung hat natiirlich nur fiir jene Fiille Geltung, welche 
w >r, wenn der Ausdruck gestattet ist, als herpetische Zosteren bezeichnen 
wflrden. Denn es ist ja, wenn unsere Ueberlegung richtig ist, wohl an- 
zunehmen, daB ein Herpesvirus unter Umstfinden einen Herpes zoster 
e rzeugen kann; es soil aber keineswegs gesagt sein, daB wir fOr den 
Herpes zoster einheitlich das Herpesvirus verantwortlich machen wollen. 
Man niQBte sich vielinehr vorstellen, daB es Zosteren gleicher Erschei- 
“ungsform, aber verschiedenster Genese gibt, eine Annahme, wofiir die 
beziehungen zwischen Herpes zoster und Varizellen ein Beispiel geben, 


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eine Annahmc, die sich ja mit den Anschauungen vieler Autoren deck! 
(Barabas, Mayerhofer, Pignot). 

Unseren Ausfulirungen entsprechend, glauben wir, daB vom §tio- 
logischen Gesiclitspuukte aus folgende Einteilung der Zosteren gegeben 
ist, wobei wir uns des hypothetischen Charakters dieses Schemas bewuBt 
sind, aber doch meinen, daB dasselbe heuristischen Wert besitzt: 

1) Symptomatischer Herpes zoster. In dieser Gruppe wSren 
alle jene Fiille zusammenzufassen. bei welchen, wie schon der Name 
sagt, die Krankheit des betreffenden Segmentes (Riickenmarkssegment. 
Spinalganglion, periplierer Nerv) das Symptom der Grundkraukheit dar- 
stellt. Bei dieser Form des Zosters konnen wir 2 Untergruppen unter- 
scheiden: 

a) Symptom atischer Zoster auf infektioser Grund- 
lage (z. B. Varicellen, Febris herpetica. Encephalitis), wo es sich um 
eine sekunddre Lokalisation des betreffenden Virus im entsprechenden 
Anted des Nervensystems handelt. 

b) Sym ptomatischer Zoster auf nichtinfektioser Grund- 
lage (z. B Blutungen im Bereirhe des entsprechenden Segmentes, im 
Gefolge anderer Erkrankungen, Tumormetastasen, eventuelie sekundare 
Degenerationen und nicht spezifische infiltrative Prozesse im Nerven- 
system, Kotnpression eines Segmentanteiles, Intoxikationen, wie Arsen, 
vielleicht auch nur funktionelle Reizungszustande des Nervensystems, 
reflektorische Vorgange). Bei dieser Gruppe muB aber ausdrOcklich 
hervorgehoben werden, daB es keineswegs ausgeschlossen, nach klinischen 
und cxperimentellen Erfahrungen sogar wahrscheinlich ist, daB es sich 
hier wenigstens in vielen Fallen um eine Aktivierung eines latenten 
Virus handcln kdnnte. 

2) Idiopathischer Herpes zoster. Hierher waren die Falle 
zu rechnen, bei welchen das entsprechende Segment primar und aus- 
schlieBlich affiziert erscheint, wobei wohl die Moglichkeit einer sekun- 
dSren Generalisation im Falle des belebten Virus in ErwSgung zu ziehen 
ist. Hierher wiirden u. a., abgesehen von Fallen traumatischen Zosters, 
z. B. bei isolierter Blutung im Spinalganglion, die Falle gehoren, bei 
welchen das supponierte, bisher nicht erwiesene spezifische Zostervirus. 
Oder aber irgendein anderer Krankheitserreger, z. B. der des Herpes 
febrilis, der Varicellen u. a., sich primar und isoliert an irgendeinem 
Abschnitte des betreffenden Segmentes lokalisieren. 

Die Einteilung der Zosteren von klinischen Gesichtspunkten aus 
in solche mit bzw. ohne Allgemeinerscheinungen (Fieber, Drflsen- 
schwellungen) durfte sich mit der versuchlen iitiologischen Klassifizierung 
nicht vollstandig decken. Es ist klar, daB sowohl Falle der Gruppe 2 
als auch solche der Gruppe la mit analogen klinischen Erscheinungen 
einhergehen konnen. Aufgabe weiterer klinisclier und experimenteller 
Untersuchungen, die uns weiter beschaftigen sollen, wird es sein, die 
beidcn Gesichtspunkte in Einklang zu bringen. um das Ratsel des 
Herpes zoster einer Losung naherzubringen. 

Literatnr. 

Arnstein, W., Arch. f. inn. Med. Bd. 4. 1922. — Barn has, Centralbl. f. Kinder- 
heilkunde. B<i. 56. H. 4/5. — Baum, Derm. W. 70. 1920. — Blaschko, Mrazek, 
Handt>. d. Hnutkrankb. S. 677. — Curschmann u. Eisenlohr, Disch. Arch, f- 
kl. Med. Bd. 34. 18S4. S. 405. — Claude und Schaffer, ref. Arch. f. Derm. 112. 
1912. ts. 98. — Du bier, Virch. Arch. Bd. 96. 1884. S. 195. — Da Fano, Journ. 
of Bath, and Bact. Vol. 36. 1923; Journ. Phys. Vol. 54. 22./1. 1921; Brit. Med. Journ. 



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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Blut gesaugt haben. Auf Grund bestiramter Eigentiimlichkeiten Mt 
sich die Rickettsia Prowazeki von anderen ahnlichen Formen, die 
zuweilen in normalen Lausen gefunden werden, z. B. Rickettsia pe- 
diculi, unterscheiden, besonders dadurch, daB sich die R. Prowa¬ 
zeki innerhalb der Epithelzellen des Magendarmkanals der Laus findet. 
ferner spielen farberische Eigentiimlichkeiten bei der Differentialdiagnose 
eine Rolle. Mittels Lausen, die Rickettsia Prowazeki enthalten, 
konnen bei Meerschweinchen ahnliche Krankheitsbilder hervorgerufen 
werden wie mit anderem, von fleckfieberkranken Tieren und Menschen 
stammendem Material. Die Beobachtungen und Angaben Rocha-Limas 
wurden im Laufe der Jahre von Toepfer, Otto und Dietrich, 
Wolbach und mehreren anderen Autoren bestStigt, auf deren An¬ 
gaben bin man so viel sagen kann, daB die Rickettsia Prowazeki 
in enger Beziehung zu der Aetiologie des Fleckfiebers steht. Immerhin 
war es nicht moglich, bisher mit Sicherheit die R. Prowazeki als 
Erreger der Kfankheit anzusprechen. Der Grund liegt 1) darin, daB es 
bisher noch nicht gelang, die R. Prowazeki in den Geweben Oder 
Flussigkeiten von Kranken sowie Versuchstieren histologisch nachzn- 
weisen, 2) war man bisher hinsichtlich des Verhaltens der Weil-Fe 1 ix- 
schen Reaktion zu der R. Prowazeki noch im unklaren. Die mannig- 
fachen Gebilde, die Prowazek, Zettnow und Otto, Bessau, 
Kuczynski und Jaff6, Wolbach und Tood u. a. im Menschen- 
material gefunden haben, konnen nicht ohne weiteres als R. Prowazeki 
angesprochen werden. Die Lause, die den Kranken oder den Fleck- 
fiebertieren angesetzt wurden, gestatten in einem hohen Prozentsatz der 
Falle in ihnen den Nachweis der R. Prowazeki. Wenn R. Prowa¬ 
zeki in ihrer charakteristischen Gestalt durch das Blut in die Laos 
eingefiihrt ware, so miiBte wenigstens ein einziges Exemplar der R. 
Prowazeki in dem von der Laus urspriinglich aufgenommenen Blute 
sich befinden. Nach Si kora betragt die Blutmenge, die eine Laus bei 
einmaligem Saugen aufnimmt, etwa 0,3 mg. Demnach miiBten mebrere 
hundert Rickettsien in einem Ausstrichpraparate von Fleckfieberblut 
gefunden werden. Ich selbst habe mit moglichster Sorgfalt etwa 30 Falle 
von Flecktiebermeerschweinchen, ferner mehrere Falle von menschlichem 
Fleckfieber, die ich der Giite von Herrn Prof. Rocha-Lima verdanke, 
hinsichtlich des Vorhandenseins von R. Prowazeki in Blutpraparaten 
untersucht. Ich habe keinerlei Rickettsien gefunden, nur in einem ein- 
zigen Falle fand ich in einer weiBen Blutzelle ein Gebilde, das einem 
der Prowazekschen Leukozyteneinschlusse ahnelte. Ich habe zu dieser 
Zeit mich damit beschaftigt, zu untersuchen, ob das Bauchhohlenexsudat 
von Fleckfiebermeerschweinchen, das man 5—6 Std. nach der Injektion 
einer sterilen Bouillon in die BauchhShle erhalten kann, fleckfiebervirus- 
haltig ist, und konnte bestatigen, daB es genau so wie das Blut 
und und Gehirn Virus enthalt. Ich habe dabei gleichzeitig Aus¬ 
strichpraparate des Bauchhohlenexsudats angefertigt, konnte aber in ihnen 
ebensowenig wie im Blute Rickettsien-ahnliche Gebilde nachweisen. 

Es war naheliegend, daran zu denken, daB es sich bei R. Prowa¬ 
zeki urn eine Zyklusform des Erregers im Liiusekorper handelte, oder 
daB nur Degenerationsprodukte der Magendarmepithelien infolge der 
Einwirkungen des unbekannten Fleckfiebererregers vorlagen. Auch die 
Ziichtung der R. Prowazeki, die bisher einwandfrei noch nicht ge- 
lungen ist, ware zu fordern. N oiler weist darauf hin, daB R. melo- 
phagi (Noller) und R. pediculi (Sikora) geziichtet werden konnten, 



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Abe, Zur Frage der Fleckfieberatiologie. 


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und halt dies fiir einen Gegenbeweis gegen die Annahme eines blofien 
Degenerationsproduktes. Immerhin ist es nicht mfiglich, mit Sicherheit 
eine nahe Verwandtschaft von R. Prowazeki und den iibrigen Rickett- 
sien zu beweisen. Ich babe mich unter Mitwirkung von Frl. Sikora 
bemiiht, nach ihren Vorschriften R. pediculi und R. melophagi zu 
zuchten, es ist mir jedoch nie gelungen. Die Schwierigkeit, bzw. die 
Unmoglichkeit der Zuchtung von R. melophagi und R. pediculi 
tragt naturgemaB dazu bei, den Nollerschen Beweis noch mehr zu 
entkrSften. Dennoch stehe auch ich personlich auf dem Standpunkte, 
daB es sich bei R. Prowazeki nicht urn ein Degenerationsprodukt 
handelt, und zwar aus Griinden, die ich aus den Beziehungen zwischen 
R. Prowazeki und Weil-Felixscher Reaktioh ableiten konnte. 

Otto und Dietrich haben in einer Laus, die am 4. Tage nach 
dem Ansetzen getbtet wurde, lange, fadige Formen gesehen, in einer 
anderen Laus, die 9 Tage lang an demselben Kranken gesogen hatte, 
fanden sie bipolare und ovale Formen. Sie vermuten einen Uebergang 
der 2. Form aus der 1. Sie haben R. Prowazeki als eine Entwick- 
longsform eines anderen Mikroorganismus angesprochen. Was die Natur 
der R. Prowazeki anbelangt, so schreiben sie: ... zwar kein Proto- 
zoon, aber auch kein gewohnlicher Spaltpilz u . Epstein halt R. Prowa¬ 
zeki fur ein Protozoon- bzw. Chlamydozoon-ahnliches Gebilde. 

Ich habe in den Lausen, die 7—18 Tage lang nach lmaligem Saugen 
an Fleckfiebermeerschweinchen von Frl. Sikora mit ihrem eigenen 
Blute gefiittert wurden, beinahe stets nur kurze Bipolar- bzw. Stabchen- 
formen beobachtet, aber niemals lange Fadenformen. Dabei machte ich 
eine interessante Feststellung: Bei den kiinstlichen Infektionsversuchen 
zeigte R. Prowazeki, der mit dem Rickettsienmaterial in den Magen 
geimpften L&use die gewohnliche kurze Form, bei 2 Lausen dagegen, 
die in dasColom gespritzt worden waren, fanden sich beinahe 
ausschlieBlich etwa 2—4-fach ltingere, ausgezogene Bipolarformen und 
Faden. 

Es ist bis jetzt noch nicht sicher festgestellt, in welcher Gestalt die 
R. Prowazeki im Korper des kranken Menschen und des Tieres vor- 
kommt. Klarheit vermochten auch die neueren Versuche von Schnabel 
nicht zu bringen, dem es gelang, durch Injektionen von Fleckfieberblut 
und Gehirn in die Lause bei ihnen R. Prowazeki zu erzeugen. 

In demselben Jahre, in dem durch Rocha-Lima die allgemeine 
Aufmerksamkeit auf die in den Fleckfieberlfiusen befindlichen Rickettsien 
gelenkt wurde, erwarben sich Weil und Felix durch die Heraus- 
zuehtung des Bazillus X 19 in anderer Richtung groBes Verdienst um 
die Erforschung des Fleckfiebers. Nach kurzer Zeit allerdings wurde 
von zahlreichen Autoren (Dietrich, Starkenstein, Kolle und 
SchloBberger, Weil u. a.) darauf hingewiesen, daB es sich bei X 19 
nicht um den Erreger des Fleckfiebers handeln konnte. Dennoch erregte 
X 19 dadurch, daB er durch Fleckfieberkrankenserum bis zu 100 Proz. 
agglutiniert wird und dadurch ein hochst wichtiges diagnostisches Hilfs- 
mittel darstellt, die groBte Aufmerksamkeit (Sucek, Felix, Jakobitz, 
Epstein und Morawitz, Konig und Bruns u. a.). Durch den 
Umstand, daB in der Art der Agglutination zwischen Krankenserum und 
dem Serum von mit X 19 immunisierten Kaninchen Unterschiede in der 
Form der Agglutination und der Hitzebest&udigkeit der Antikorper sich 
feststellen lieBen, wurde die Frage zu einem Spezialthema der Serologie. 

Ueber das Wesen der X 19-Agglutination durch das Serum von 


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Fleckfieberkranken wurden verschiedene Theorien aufgestellt. Zunachst 
entstand die Paragglutinationstheorie, vertreten hauptsSchlich von Diet- 
rich, Otto, Otto und Dietrich, Starkenstein, Oettinger, 
Kuhn, Loewenhardt u. a. Nach Wolff wird der gewohnliche Pro¬ 
teus vulgaris durch die Symbiose mit dem Fleckfiebererreger in 
seiner inneren Struktur verandert, indem er den Biotypus im Sinne 
Oettingers bildet, wodurch er dann gegen Fleckfieberserum reagiert. 
Gestiitzt wurde diese Ansicht, weil man bei Fleckfieber nicht nur den 
Stamm XI9, sondern auch den gewohnlichen Proteus findet. Gegen 
<liese Paragglutinationstheorie wird von Weil und Felix, Hamburger 
und Bauch, Felix, Friedberger, Schiff, Schiff und Nar torff 
mngewendet, daB 1) X19 auch bei anderen Kranken und sogar gesunden 
Menschen gefunden wird, und 2) die Agglutinabilitat von X 19 durch 
Fleckfieberserum bei weiteren Ueberimpfungen auf kQnstliche NShrbSden 
gar nicht beeinflufit wird. Nach diesen Autoren ist X 19 als selbstan- 
diger Bakterienstamm anzusehen und ist nicht der durch den Fleck¬ 
fiebererreger in seinen Eigenschaften ver&nderte gewohnliche Protens. 
Alle Versuche, die ausgefiihrt wurden, um die vermuteten Eigenschafts- 
veranderungen des X19 durch den hypothetischen Fleckfiebererreger 
kfinstlich zu erzielen, waren vergeblich (Braun, Braun und Sal¬ 
mon, Braun und Schaeffer, Sal us u. a.). 

Die 2. Theorie nimmt eine Polyagglutination an (Rocha-Lima, 
Violle u. a.). Diese Ansicht stfitzt sich darauf, daB das Serum von 
Fleckfieberkranken nicht nur X 19, sondern zuweilen auch andere Bak¬ 
terien, wie beispielsweise Typhus-, Ruhr-, Coli-, gewohnliche Pro¬ 
teus-Bakterien gleichzeitig agglutiniert. Die Richtigkeit dieser Theorie 
ist durch die ausfiihrlichen Versuche von Weil, Felix u. a. sehr in 
Frage gestellt. 

Weiterhin kommt die physikalisch-chemische Theorie, die annimmt. 
daB der hypothetische Flecktyphuserreger das Krankenserum physi- 
kalisch-chemisch so verandert, daB es X 19 agglutiniert (Weltmann, 
Elias, Mautner, Epstein, Epstein und Morawitz u. a.). Nach 
Weil und Felix ist diese Theorie haltlos, da die Reaktion nach ihnen 
von den spezifischen Bakterien verursacht wird und das Auftreten und 
Verschwinden der Agglutinine streng den Gesetzen der spezifischen 
Antikorper folgen. Andere Autoren (H am burger und Bauch, Della 
Vida) haben durch ihre Versuche die verschiedenen spezifischen Cha- 
raktere des X 19-Agglutinins nachgewiesen. Das Agglutinin haftet gerade 
so wie die anderen Antikorper bei Fallung des Serums durch Ammonium- 
sulfat am Pseudoglobulinteil, ferner wird es durch Bariumsulfat adsor- 
biert. Heutzutage wird allgemein die Spezifitat der Reaktion und des 
X 19-Bazillus angenommen. 

Zuletzt kommt die Mischinfektionstheorie (Kolle und Schloss- 
berger, Wilson u. a.). Gegen diese Theorie wendet Friedberger 
ein, daB es merkwiirdig sei, daB eine Mischinfektion mit X 19 nur beim 
Fleckfieber vorkomme, bei anderen Krankheiten jedoch nicht, obgleich 
X 19 als harmloser Bewohner des menschlichen Korpers aufgefaBt wer- 
den muB. 

Dabei ist zu beriicksichtigen, daB auch bei anderen Krankheiten 
und bei Gesunden die Weil-Felix sche Reaktion positiv ausfallen kann. 
Es erhebt sich die Frage, ob es sich beim Fleckfieber allein um eine 
Mischinfektion handeln kann. da im Gegensatz zu anderen Krankheiten 
beim Fleckfieber die Weil-Felix sche Reaktion bis zu 100 Proz. positiv 



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Abe, Zur Frage der Fleckfieberiitiologie. 


221 


ausf&llt. Man muB sich fragen, ob es unbedingt notig ist r 
daB der Bazillus X19 beim Fleckfieber in den Blutkreis- 
lauf gelangt, um eine positive Reaktion zu erzeugen. 

Nachdem es Weil und Felix gelungen war, aus den Stammen 
X19 und X2 die 0- und die H Form zu trennen, trat die Forschung 
iiber die Beziehungen der Weil-Felixschen Reaktion und dem Stamm 
X19 in ein neues Stadium ein. Es lieB sich feststellen, dafi OX-Ka- 
ninchenserum den Stamm OX kleinkornig, dagegen den Stamm HX 
feinflockig agglutiniert, ganz entsprechend wie es beim Krankenserum 
der Fall ist. 

Ferner gelang es Weil und Felix, dadurch Agglutinine gegen OX 
zu erzeugen, daB sie Kaninchen mit Meerschweinchenvirusgehirn immu- 
nisierten, danach stellten Weil und Gruschka dieselben Versuche mit 
Kaninchenvirusgehirn an; auch Kraus und de la Barrera konnten 
bestatigen, daB das Serum von Kaninchen, die mit Fleckfiebergehirn 
immunisiert warden, Pr&zipitine gegen OX-Extrakt hat. 

Die eigentiimlichen Beziehungen des OX zum Fleckfieber versuchte 
Friedberger dadurch klarzustellen, daB er Bindungsversuche mit OX 
raachte und, auf sie gestiitzt, den Stamm als echten Fleckfiebererreger 
erklfirte. Seit dieser Zeit waren dieser Autor und seine Schuler fort- 
gesetzt bemtiht, diese Behauptung durch weitere Versuche und Erkla- 
rungen zu stfitzen. Friedberger und Schiff wollen, im Gegensatz 
zu alien anderen Forschern, eine Immunit&t der Meerschweinchen gegen 
OX durch Vorbehandlung der Tiere mit Fleckfieberpassagevirus erzielt 
haben. Ferner bewies Friedberger, daB Krankenserum und OX- 
Kaninchenimmunserum-Agglutinin dieselben Eigenschaften Hitze gegen- 
uber haben. Friedberger und Schroder ferner wollen im Gehirn 
der Meerschweinchen, die zuvor mit OX behandelt waren, dieselben 
anatomischen Verdnderungen wie im Fleckfiebergehirn gefunden haben. 
Dadurch, daB sie bestatigten, daB Krankenserum, OX-Kaniuchenimmun- 
serum und Meerschweinchenvirus-Kaninchenimmunserum vbllig uberein- 
stimmende Eigenschaften gegen X 19 haben, versuchten auchBflchner 
und Zorn die Behauptung Friedbergers zu stiitzen. Trotz aller 
dieser Versuche und Beobachtungen bleibt die Tatsache unver&ndert 
bestehen, daB man durch Infektion mit X 19 kein fleckfieberartiges 
Krankheitsbild bei Menschen und Tieren erzeugen kann. 

Wir sind oben bereits auf die schwierige Frage der Beziehungen 
zwischen Fleckfieber, Rickettsia Prowazeki und OX eingegangen. 
Ueber die Beziehungen der Rickettsia Prowazeki zum Fleckfieber 
gaben Rocha-Lima und Epstein ausfiihrliche Darlegungen. DaB 
Fleckfiebervirus im Kaninchenkorper spezifische Antikbrper gegen OX 
erzeugt, daB Fleckfiebervirus-Kaninchenserum, Krankenserum und OX- 
Kaninchenserum bei der Weil-Felixschen Reaktion die gleichen Eigen¬ 
schaften gegenuber Hitze zeigen, daB ferner die Agglutinationsprodukte 
denselben Flockungstypus zeigen, haben, wie oben bereits erortert. 
Weil und Gruschka, Friedberger, Buchner und Zorn u. a. 

bestfitigt. 

Ueber die Beziehungen der R. Prowazeki zu der Weil-Felix- 
schen Reaktion bzw. dem Proteus OX sind bisher sehr wenig Versuche 
ausgeffihrt. Dienes will aus der Fleckfieberlaus X 19 geziichtet haben. 

Was die Bakterien, die Kuczynski auf seinen besonderen Ndhr- 
bfiden geziichtet hat, anbelangt, so schreibt er in Virch. Arch. Bd. 242. 
1923. H. 3, daB sie gezuchtete Rickettsia Prowazeki seien und 


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222 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

kulturell, formal wie serologisch dem Proteus X19 sehr nahe stehen. 
Seine Behauptung, daB es sich wirklich um R. Prowazeki handele, 
scheint in der Hauptsache darauf zu beruhen, daB seine Bakterien den 
von Wolbach u. a. in Lfiusen beobachteten kapselhaltig scheinenden 
Fadenformen der Rickettsien ahneln (S. 373—377, 392). Mit der Tech- 
nik, die ich personlich bei Herrn Prof. Kuczynski in der Charitd zu 
lernen Gelegenheit hatte, ist es mir selbst nach mehrmaliger Wieder- 
holung nicht gelungen, auf seinen Nahrboden, fur deren freundliche 
Ueberlassung ich ihm besonders dankbar bin, wederaus Fleckfieber- 
meerschweinchengehirn noch aus Rickettsienlausen die 
R. Prowazeki herauszuziichten. Zu meinem groBen Bedauern ist 
es mir nicht gelungen, von Prof. Kuczynski Kulturen seiner Bakterien 
zu erhalten, um damit entscheidende Lauseexperimente anstellen zu 
konnen. Mein e gesamte Erfahrun g bestarkt mich in der Ver- 
mutung, daB bei den Ziichtungserfolgen von Kuczynski 
es sich nicht um Rickettsia Prowazeki handelte. 

Ueber mit R. Prowazeki angestellte serologische Untersuchungen 
findet sich wenig in der Literatur. Otto und Dietrich injizierten 
Kaninchen intravenos 1—4 rickettsienhaltige Fleckfieberlause mit einem 
Intervall von 3—5 Tagen. 10 Tage nach der letzten Injektion wurde 
das Kaninchen entblutet; es fand sich, daB das Serum bis zu einer Ver- 
diinnung 1:200 R. Prowazeki, aber nicht die auch in den Lausen 
befindlichen Kokken agglutinieren konnte. Das Serum von Kaninchen, 
die mit X 19, Plotzschen Bazillen, Fiirthschen Bazillen immunisiert 
waren, agglutinierten niemals die Rickettsien; hingegen zeigt sich eine 
deutliche Agglutination der R. Prowazeki durch das Serum von 
Fleckfieberkranken. 

In der Literatur finden sich bisher fiber das Verhalten des Anti- 
rickettsienkaninchenserums zu OX kaum irgendwelche Angaben. Otto 
und Dietrich geben in ihrer Tabelle bei 1:50 die Angabe +; sie 
iiuBern sich jedoch nicht uber den Befund. Zu der Zeit, als Otto und 
Dietrich ihren Versuch anstellten, hatten Weil und Felix die Tren- 
nung in OX und HX noch nicht vorgenommen. Der alte gemischte 
Stamm von X 19 besteht aber nach Weil und Felix hauptsachlich aus 
HX. Infolgedessen sagt der Versuch von Otto und Dietrich so gut 
wie nichts fiber das Verhalten des Rickettsienimmunserums gegen den 
Proteus OX aus. 

Ich selbst aber babe mich gerade damit beschaftigt, die Beziehungen 
zwischen R. Prowazeki und Weil-Felix seller Reaktion festzustellen. 
um Hinweise auf die Erregernatur der R. Prowazeki zu erhalten. 
Zu diesem Zwecke liabe ich folgenden Versuch ausgefiihrt: 

Versuchsanordnung: Immunisierung des Kaninchens mit R. Pro¬ 
wazeki: Man sterilisiert die Laus, in deren Kotansstrich reichlicb 
Rickettsien nachgewiesen sind, durch Einbringen in folgende Losungen: 
30-proz. Alkohol mit 1-proz. Sublimat (ca. 5 Min.) — 30-proz. Alkohol 
(1 Min.) — Lugolsche Losung (1—2 Min.), — 30-proz. Alkohol (1 Min.), 
— 2-proz. Natriumthiosulfatlosung (1 Min.) — 2maliges Wfissern in 
sterilem Wasser. Danach Trocknen der Laus auf sterilem Losch- 
papier (dabei fangt die Laus wieder an zu kriechen). Danach wird der 
Leibesinhalt der Laus mit kleinen Impfnadeln herausgezogen, zwischen 
2 Objekttragern verrieben und schlieBlich mit etwa 3 ccm Kochsalzlosung 
emulgiert. Die so hergestellte Emulsion wird einem Kaninchen in die 
Ohrvene injiziert. Fur eine 1-malige Injektion benutzte ich, da mir nur 


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Abe, Zur Frage der Fleckfieberatiologie. 


223 


eine beschrfinkte Anzahl rickettsienhaltiger Lause zur Verfiigung stand, 
stets nur 1 Laus. 12 Tage nach der 3. und letzten Injektion — sie 
wurden mit 5-tag. Intervallen ausgefiihrt — wurde das Kaninchen ent- 
blutet. 

Deni Kaninchen wurden etwa 2 Mon. vorher 2mal je 1 normales Meerschwein- 
chengehirn intraperitoneal injiziert, um das Verhalten des Forssmanschen Antikorpers 
gegen OX festzustellen. Ergebnis siehe folgende Tabelle. 


Tabelle I. 



Verdiinnung 

! 5 

10 

20 

30 

40|60| 80 

120 

160 

240 

| Kont. 

inaktive Sera 
(56*CBO Min.) 

Hamo- 

lvse 

3-proz. Hammel¬ 
blut 1 ccm 
Komplement 

0,1 ccm 

komplett 

komplett 

komplett 

komplett 

komplett 

komplett 

*3 

-*-» 

S 

o 

komplett 

komplett 

stark 

gar nicht 


, Agglu¬ 
tination 

l 

OX 

HX 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

_ 

— 

aktive 

Sera 

Agglu¬ 

tination 

OX 

HX 

z 

— 

z 

Iz 

_ 


| 


_ 

_ 


Wie aus dieser Tabelle zu erseheu ist, erhalt das Serum des zuvor mit normaiem 
Meerschweinchengehirn immunisierten Kauinchens den Forssmanschen Antikorper, 
d. h. ein heterogenes Hamolysin gegen Hammelblut, dagegen enthalt es keine Agglu- 
tinine fiir OX oder HX weder im aktiven noch im inaktiven Zustande. Demnach 
hat der Weil-Felixsche Antikorper mit dem Forssmanschen garnichts 
zu tun. 

Als Kontrolle wurden Antinorinallause-Kaninchenserura und das 
Serum von Frl. Sikora aus dem Tropeninstitut benutzt. Frl. Si kora 
machte vor 2 Jahren eine Fleckfiebererkrankung durch, nachdem sie 
sich bei der Arbeit mit Fleckfieberlfiusen infiziert hatte. Sie hat sich 
danach nicht mehr mit Arbeiten fiber Fleckfieber beschaftigt. Bei meinen 
jetzigen Versuchen lieB sie tfiglich 2mal die Lfiuse an sich saugen. Ihr 
Agglutinationstiter vor Beginn ihrer Lauseffitterung (am 11. Juni 1923) 
war gegen OX 1:120, gegen HX dagegen 0. 

Tabelle II. 


OX-Agglutination. 


1 

Verdiinnung 

5 10 

20 

30 40 

60 

80 120 

160 

240 

Kont. 

*erum 

uaer- 

bitzt 

Rickettsienserum 
Sikora - Serum 
Lauseserum 

+ + + ! + + + 
+ + ; + + + 

+ + 

+ + + 

+ + 

+ + + 

+ 

+ + 

+ 

+ + 

+ ± 
j+ + 

+ 

± 

— 


Aus der Tab. II ist zu entnehmen: unerhitztes Antirickettsien- 
haninchenserum agglutiniert den lebenden Bazillus OX bis zu einer 
'erdunnung von 1:80-1:120. Das Serum von Frl. Sikora 1:160 
bis 1; 240. Antinormallause-Kaninchenserum agglutiniert OX fiberhaupt 
nic “t* Die deutliche Steigerung des Agglutinationstiters 
^j f0ra ma 8 auf die Fleckfieber lauseffitterung 
ein. Es erscheint hochst wahrscheinlich, daB 
beim Blutsaugen aus den Lausen in den Korper 


ucKzutfihren s 
der Fleckfiebererreger 
l,| )ergeht. 


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224 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

Tabelle III. 


HX-Agglutination (Bazillen unerhitzt). 



Verdunnung 

5 

10 

20 

30 

40 

60 

80] 

120 

160 

I 240 

Kont. 

Serum 

uner¬ 

hitzt 

Rickettsienserum 

Sikora-Serum 

Lauseserum 

(±) 

t±) 

(±) 

(±) 

j 

(±) 

(±) 

(±) 

(dt) 

— 

- , 

(±) 

— 

— 


: “ 

1 


Keines der beiden Sera agglutinierte den Bazillus HX. Sogar die 
feine Flockung, die beim Krankenserum und OX-Iramunserura beobachtet 
wird, liefi sich nicht mit Sicherheit feststellen, vielleicht liegt die Ur- 
sache in dem niedrigen Titer beider Sera. 


Tabelle IV. 

OX-Agglutination (Bazillen unerhitzt). 



Verdiinnung 

5 10 1 

20 

30 40 

60 

80 1201160 

240 

Kont. 

Serum 

56° 

1 Std. 

Rickettsienserum 

Sikora-Serum 

Lauseserum 

+ ' + 

+ ( + 

± 

1 ± u 
± . ± 


|r| z j E 

— 

_ 


Tab. IV zeigt, daB bei dem Erhitzen des Serums auf 56° C w&hreiui 
1 Std. der groBte Teil der Agglutinine gegen OX der beiden ersten Sera 
zerstbrt wurde. Es ist also das im Antirickettsien-Kaninchenserum vor- 
handene Agglutinin gegen OX gerade so thermolabil wie das von Frl. 
S i k o r a. 


Tabelle V. 

OX-Agglutination (Bazillen 56° C 30 Min.). 



Verdunnung 

5 1 

10 

20 | 30 

40 

60 

80, 

120 

160 |240| Kont. 

Serum 

uner¬ 

hitzt 

Rickettsienserum 
Si kora-Serum 
Lauseserum 

' + + 

+ + + 
+ + 

+ + 

+ + + 

1 + + 

__ 

! + 
+ 

+ 

+ 

-H-H 1 

_I 

i — - 


Tab. V zeigt, daB die 30 Min. lang auf 56° C erhitzten Bazillen 
bei der Agglutination mit dem 1. und 2. Serum nicht so deutlich be- 
einfluBt sind. 


Tabelle VI. 

OX-Agglutination (Bazillen 100° C 10 Min.) 



Verdunnung 

5 10 i 

20 1 

30 | 40 | 

60 

80 

120 

160 

240 

Kont. 

Serum 

uner¬ 

hitzt 

' Rickettsienserum 
Sikora-Serum 
Lauseserum 

+ ± 

+ ± 

db 

Z ’ Z 

| 

J _ i 

z 

1 


— 

— 


Aus der Tab. VI geht hervor, daB die Agglutinabilit&t des Pro¬ 
teus OX durch Antirickettsien-Kaninchenserum und dem Serum von 
Frl. Sikora durch 10 Min. dauerndes Erhitzen auf 100° C erheblicb 
herabgesetzt wird. 

Die soeben erwahnten Versuche lassen erkenuen, daB sich das durch 
rickettsienhaltige LSuse erzeugte Kaninchenimmunserum gegen OX im 
Sinne der Weil-Felixschen Reaktion gerade so verhiilt wie das Serum 
von Frl. Sikora. 



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Abe, Zur Frage der Fleckfieberatiologie. 


225 


Zu meinem Bedauern standen mir keine Fleckfieberkranke zur Ver- 
fiigung, deshalb konnte ich nicht eine Nachpriifung mit Krankenserura 
vornehmen. Immerhin erscheint es mir hochst wabrscheinlich, daB man 
daB Serum von Frl. Si kora als Krankenserum ansehen kann. Wenn 
auch eine positive Weil-Felixsche Reaktion mebrmals bei Kranken 
ohne Fleckfieber und sogar bei Gesunden festgestellt wurde — mag sie 
auch vielleicht durch Norraalagglutinine, die man noch nicht von den 
Immunagglutininen mit Sicherheit unterscheiden kann, bewirkt werden, — 
so Qbersteigt in diesen Fallen der Titer nicht 1:50. Frl. Sikora er- 
krankte, wie oben bereits erw&hnt, vor 2 Jahren an Fleckfieber, ihr 
Agglutinationstiter betrug vor dem Versuch schon 1:120. Er stieg 
auBerdem innerhalb der 2 Mon., wahrend sie die Fleckfieberiause an 
sich ffltterte, auf 1:160—1:240. Ihr Serum zeigt gegen OX ganz das 
entsprechende Verhalten wie das der Kranken. 

Der Antikorper gegen OX im Serum von Frl. Sikora ist demnach 
von der gleichen Natur wie der im Krankenserum. 

Demnach ist das agglutinatorische Verhalten des Antirickettsienlause- 
Kaninchenserums gegen OX das gleiche wie das des Krankenserums. 

Es erhebt sich dann die weitere Frage, auf welchem Bestandteil 
(lie Rickettsieniause dieser Antikorper im Antirickettsieniause-Kaninchen- 
chenserum zu beziehen ist. Etwa auf Bestandteile des Lausekorpers? 
Kontrollserum, das durch normale Lause im Kaninchen erzeugt wurde, 
ergab ein negatives Resultat. Vielleicht ist der Antikbrper zu beziehen 
auf die hypothetischen unbekannten Erreger, die nach Giaubiger immer 
mit den Rickettsien zusammen gefunden werden? — sie mflssen freilich 
immer an die Rickettsien gebunden sein, weil rickettsienfreie Lause, auch 
wenn sie einmal an Fleckfieberkrankenblut gesaugthaben, nichtinfektiossind. 

Bei der Verbindung des hypothetischen Fleckfiebererregers mit den 
Rickettsien sind zwei MOglichkeiten denkbar. Nimmt man an, daB die 
Rickettsia Prowazeki durch einen durch den Erreger ausgeflbten 
Reiz erst in den Epithelzellen des Magendarmkanals der Lause entsteht. 
so ware sie ein Zellprodukt. Dagegen spricht ihr Aussehen, ihre Farb- 
barkeit, ferner auch ihre Widerstandsfahigkeit gegen Kalilauge, Essig- 
siure, Saponin u. a. Durch alle diese Eigenschaften charakterisiert sie 
sich als Mikroorganismus. Nimmt man aber an, daB der hypothetische 
Erreger ausschlieBlich nur in Verbindung mit den rickettsienfdrmigen 
Gebilden vorkommt, nie allein, so kann man, da der hypothetische Er¬ 
reger unsichtbar ist, bis auf weiteres ruhig die Rickettsia Prowa¬ 
zeki als Erreger anerkennen. Zeigt sich doch in der Wissenschaft, daB 
man berechtigt ist, auch ganz neuartige Dinge anzunehmen, insofern 
widersprechende Tatsachen nicht vorliegen. 

Von dem eben erorterten Standpunkte aus zogere ich 
nicht, anzunehmen, daB Rickettsia Prowazeki durch die 
Immunisierungdes Kaninchens mit den Rickettsienl&usen 
Agglutinin gegen OX erzeugte. 

Folglich hatRickettsiaProwazeki gemeinsame Rezep- 
toren mit dem Proteus OX. 

Werfen wir nochmals einen Blick auf das Wesen der Weil-Felix- 
schen Reaktion. Es steht fest, daB die Weil-Felixsche Reaktion bei 
Fleckfieberkranken in beinahe 100 Proz. positiv ausfiillt, bei anderen 
Kranken oder Gesunden in viel geringerem Prozentsatze. Nimmt man 
als Ursache dieser Erscheinung eine Mischinfektion an, so muBte der 
Proteus X19 aus Fleckfieberkranken stets in einem hbheren Prozent- 

Erjte Abt. Ong. Bd. 91. Heft 3,L 15 


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226 


Centralbl. f. Bakt. etc I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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satze der Fdlle als aus gesunden Personen oder anderen Kranken ge- 
zuchtet werden kdnnen. Dagegen spricht, daB Hamburger und Bauch 
in 30 Fallen von Fleckfieber kein einziges Mai aus dem Blute X 19 
ziichten konnten. Felix stellte in Kleinasien bei 215 Fleckfieberfallen 
419mal Blutuntersuchungen an. auch ihm gelang es nicht, dabei X 19 
zu ziichten. Als Grund nimmt Felix eine bakterizide Kraft des Blutes 
an. Zu dieser Ansicht paBt die Tatsache nicht, daB der P r o teus X19 
andererseits von mehreren Autoren aus dem Blute von anderen Kranken 
oder Gesunden geziichtet wurde. 

Ferner, wenn es sich wirklich um Mischinfektionen von X 19 han- 
delte, so muBte auBerlich die Krankenserumagglutination mit der X 19- 
Immunserumagglutination iibereinstimmen. Der Typus der Flockung ist 
aber ganz verschieden; das Serum von Fleckfieberkranken agglutiniert fein, 
X 19-Immunserum dagegen grobflockig. Auch verhalten sich die Rezep- 
toren und das Agglutinin bei beiden Reaktionen verschieden gegen Hitze. 

DaB ferner das Krankheitsbild der X 19-Infektion beim Menschen 
ganz verschieden ist von dem des Fleckfiebers, kann man aus dem 
Selbstversuch von Bauch deutlich erkennen (Hamburger und Bauch, 
Dtsch. med. Wochenschr. 1917). 

Diese oben erwdhnten 3 Tatsachen sprechen geniigend gegen die 
Annahme der Erregernatur des Proteus Xl9 beim Fleckfieber und 
gegen die Mischinfektionstheorie. 

Nach der Angabe von Hamburger und Bauch hat der Erreger 
des Fleckfiebers zufallig mit dem Proteus X19 gemeinsame Rezep- 
toren. DaB die Weil-Felixsche Reaktion bei Fleckfieber¬ 
kranken in 100 Proz. positiv ausfallt, obgleich es nur 
selten gelingt, X19 herauszuziichten, beruht darauf, daB 
R. Prowazeki und Proteus OX gemeinsame Rezeptoren haben. 

Was die positive Weil-Felixsche Reaktion mit niedrigem Titer 
angeht, die zuweilen auch bei Nichtfieckfieberkranken beobachtet wird, 
so kann man das Ph&nomen mit der Normalagglutination vergleichen, 
wie sie bei verschiedenen Darmbakterien beobachtet wird. 

Ueber die Gestalt bzw. Vorstufe der R. Prowazeki im Kranken- 
korper wird die zuktinftige Forschung Klarheit schaffen miissen. 

Frl. Si kora bin ich fur die Bereitwilligkeit zu den Versuchen und 
ihre Unterstiitzung zu groBem Danke verpflichtet. 

Zusammenfassung. 

1) Das Bauchhohlenexsudat, das vom Fleckfiebermeerschweinchen 
wahrend des Fieberstsdiums 5—6 Std. nach der Injektion seriler Bouillon 
gewonnen ist, enthalt Virus genau wie das Blut und Gehirn. 

2) Bei 2 Lausen, die kiinstlich mit dem Rickettsienmaterial in das 
Colom gespritzt worden waren, fanden sich 9 Tage nach der Behand- 
lung fast ausschlieBlich etwa 2—4-fach langere, gegeneinander gezogene 
Bipolarformen uud Faden. 

3) Auf den K uczynski schen Nahrboden laBt sich die Rickettsia 
Prowazeki nicht ziichten, weder aus Fleckfiebermeerschweinchengehirn 
noch aus Rickettsienlausen. 

4) Die Weil-Felixsche Reaktion hat mit dem For ss man schen 
Antikorper gar nichts zu tun. 

5) Beim Blutsaugen der Fleckfieberliiuse geht Virus von der Laus 



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Abe, Zur Frage der Fleckfieberatiologie. 


227 


in den Korper des Wirtes iiber, was bei der Lausefutterung, die von 
Frl. Si kora durchgefiihrt wurde, durch die Titersteigerung ihres Se¬ 
rums im Sinne der Weil-Felixschen Reaktion best&tigt worden ist. 

6) Rickettsia Prowazeki laBt beim Kaninchen Agglutinine 
gegen OX erzeugen. Also kaben Rickettsia Prowazeki und OX 
gemeinsame Rezeptoren. Diese Tatsache, gemeinsam mit den anderen 
Eigenschaften der Rickettsia Prowazeki, macht keine Schwierig- 
keit, anzunehmen, daS die Weil-Felixsche Reaktion beim Fleckfieber 
anf Rickettsia Prowazeki beruht. 

* Iaiteraturverieicbnis. 

1) Bessau, Berlin, klin. Wochenschr. 1919. S. 289. — 2) Braun, ebenda. 1919. 
Nr. 2. — 3) Ders., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 1918. — 4) Braun und 
Salomon, Dtsch. med. Wochenschr. 1918. Nr. 3. — 5) Braun u. Schaeffer, Berl. 
klin. Wochenschr. 1919. Nr. 18. — 6) Buchner u. Zorn, Ztschr. f. Immunitatsforsch. 
Bd. 33. 1922. S. 115. — 7) Della Vida. Ann. de 1’lnst. Past. T. 29. 1919. p.847.— 
S) Diener, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. S. 461. — 9) Dietrich, ebenda. 1916. 
S. 1570. — 10) Elias, Wien. klin. Wochenschr. 1918. Nr. 11. — 11) Epstein, Wien, 
med. Wochenschr. 1918. Nr. 36. — 12) Ders., Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 
1922. S. 553. — 13) Epstein u. Morawitz, Wien. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 13. 

— 14) Felix, Ztschr. f. Immunitatsforsch. Orig. Bd. 26. 1917. S. 602. — 15) Ders., 
Wien. klin. Wochenschr. 1918. Nr. 11. — 16) Friedberger, Dtsch. med. Wochen- 
schrift. 1919. Nr. 1. — 17) Ders., ebenda. 1919. Nr. 42—44. — Friedberger u. 
Schiff, Berl. klin. Wochenschr. 1921. S. 293. — 19) Ders. u. Schroder, Ztschr. f. 
Immunitatsforsch. Orig. Bd. 31. 1921. S. 386. — 20) Hamburger u. Bauch, Dtsch. 
med. Wochenschr. 1917. S. 1130 u. 1227. — 21) Jacobitz, Munch, med. Wochenschr. 
1917. S. 1576. — 22) Kolle u. Schlossberger, Med. Klin. 1917. S. 263. - 23) Konig 
u. Bruns, Veroffentl. a. d. Geb. d. Med.-Verw. Bd. 8. 1918. 8.277. — 24) Kraus u. 
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15 ; 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


. . v Nachdruck verboten. 

Ueber das d’Herellesche Phanomen 

IV. Mitteilung. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung (Bakteriologisches Laboratorium) 

des Reichsgesundheitsamts.J 

Von Prof. Dr. E. Gildemeister und Dr. Kurt Herzberg, 

I. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dafi das Stadium der d' H e r e 11 e - 
Lysine eine wesentliche Erleichterung erfahren wfirde, wenn es gelange r 
sie rein darzustellen. Inwieweit dies erreichbar ist, hangt in erster 
Linie von der Natur der Lysine ab. Besteheu sie aus einer Substanz, 
die nur locker an das BakterieneiweiB gebunden ist, so mfifite ihre 
Reindarstellung moglich sein; sind sie dagegen Substanzen, die mit 
dem BakterieneiweiB eng verkuppelt sind, Oder bestehen sie aus zer- 
fallenem BakterieneiweiB, so wird ihre Darstellung nur mit diesem 
stattfinden konnen. In letzterem Falle wiirde es also geniigen, die 
Bestandteile des Nahrmediums, in dem die Lysine zur Vermehrung ge- 
bracht wurden, zu entfernen. 

Wenn wir von den Versuchen absehen, die Olsen und Yasaki 
kurzlich fiber die Flfichtigkeit der d’Here lie-Lysine mitgeteilt haben, 
und die letzten Endes eine Reindarstellung der Lysine bedeuten wfirden *), 
so haben die bisher in dieser Richtung geffihrten, allerdings, so weit 
wir ubersehen konnen, spfirlichen Versuche noch kein befriedigendes Er- 
gebnis gezeitigt. Kabeshima ist es gelungen, die Lysine aus ihrem 
Medium mittels Azeton oder Aetheralkohol auszufallen und dadurch eine 
Konzentrierung der Lysine zu erreichen. Mit den Lysinen werden aber 
bei diesem Vorgange gleichzeitig groBe Mengen organischer Substanzen 
des Nahrmediums ausgelallt, so daB man stets komplexe NiederschlSge 
erhalt. de Necker hat nachgewiesen, daB Lysine durch kolloidale 
Metalle wie Cu, Ag, Rh, Se, J adsorbiert werden. Ganz besonders ge- 
eignet erwies sich ffir derartige Adsorptionsversuche das Aluminium- 
hydroxyd, das nicht nur die Lysine adsorbierte, sondern auch die adsor- 
bierten Lysine wieder frei gab, wenn sie in ein Medium gebracht wurden, 
in dem sich das Aluminiumhydroxyd auflost. Mit diesen Versuchen 
wollte de Necker zeigen, daB die Lysine durch den Adsorptionsvor- 
gang nicht geschadigt werden und daB sie ahnlichen Gesetzen gehorchen 
wie Fermentlosungen. Eine Reinigung beabsichtigte er nicht. Da auBer- 
dem bei der Befreiung der Lysine aus dem Adsorbat durch Essigsaure- 
zusatz auch das Adsorbens in Losung geht, wird durch dieses Verfahren 
ein Vorteil in der von uns angestrebten Richtung nicht erzielt. 

Unsere Versuche an BakterienpreBsaft, fiber die wir in der letzten 
Mitteilung (dieses Centralbl. Abt. I. Orig. Bd. 91. 1923. S. 13) be¬ 


ll Wir haben iuzwisehen nachgewiesen (Klin. Wochenschr. i. E.), dafi die Lysine 
nicht destillierbar sind und nicht den (Jharakter fliichtiger Substanzen haben, die De¬ 
stination als Methode der Reindarstellung von Lysinen also nicht in Frage kommt. 


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Gildemeister u. Herzberg, Ueber das d’Herellesche Phanomen. 229 

richtet haben, waren mit in der Absicht unternommen worden, Lysin- 
studien in einem fibersichtlicheren Medium vorzunehmen, als es eine 
Bakterienbouillonkultur darstellt. Da diese Untersuchungen aus fiuBereu 
Grflnden vortibergehend unterbrochen werden muBten, haben wir in- 
zwischen auf andere Weise versucht, dem Ziele, die d’Herelle-Lysine 
aus dem System Bouillon-Bakterien-Lysin zu isolieren, n&her zu kommen. 

Zu diesem Zwecke benutzten wir die Fahigkeit des lockeren Kiesel- 
gurs, Lysine zu adsorbieren, auf die schon von W. Seiffert hinge- 
wiesen worden ist. Als zweckm&Big erwies es sich bei unseren Ver- 
suchen, mit Bouillonverdiinnungen zu arbeiten. Werden 10 ccm einer 
lysinhaltigen und im Verh&ltnis 1:100 verdiinnten Bouillon mit 0,2 g 
geglflhtem Kieselgur versetzt und im Erlenmeyer-Kolben ungef&hr 
3 Min. krfiftig geschtittelt, so geniigt diese Zeit, um das Lysin an 
den Kieselgur zu adsorbieren. Bemerkt sei, dafi die Adsorption bei 
saurer Reaktion besonders ausgepragt ist. Wird die Kieselgur-Lysin - 
bouillon zentrifugiert, so lafit sich nachweisen, dad die Lysine aus 
der iiberstehenden Fliissigkeit vfillig Oder nahezu vollig verschwunden 
sind. Man kann alsdann auch den lysinbeladenen Kieselgur mehrfach 
waschen, ohne daB erhebliche Mengen des adsorbierten Lysins wieder 
frei gegeben werden. Setzt man jedoch zu dem Adsorbat etwa 10 ccm 
n/25—n/100 Ammoniak, schflttelt im Kolbchen ungefahr 10 Min. und 
zentrifugiert, dann enthait die Fliissigkeit wieder annahernd die gleiche 
Lysinmenge wie das Ausgangsmedium, d. h. durch den Zusatz des Am- 
moniakwassers sind die Lysine aus dem Kieselgur wieder in Freiheit 
gesetzt worden. Wir haben nunmehr die Lysine in einem leicht am- 
moniakalischen, mit Bouillon- und Bakterienbestandteilen wesentlich 
weniger durchsetzten Medium als in der AusgangsflQssigkeit. Die Rein- 
heit der Lysinlosung lfifit sich noch weiter steigern, indem man durch 
geringes Ansfiuern mit verdiinnter Essigsaure bis zu einem ph von etwa 
6,0 das Lysin erneut an frischen Kieselgur adsorbiert und hierauf wieder 
raittels Ammoniak auswascht. Ein gewisser Verlust an Lysinteilchen ist 
hierbei allerdings nicht zu vermeiden. 

Aus den Arbeiten von R. Willstatter, MemmenundE. Wald- 
schmidt-Leitz wissen wir, daB es durch wechselnde Auswahl von 
Adsorbentien und Medien gelingt, Pankreaslipase von einer bisher nicht 
gekannten Reinheit darzustellen. Diese schonen Erfolge der genannten 
Autoren ermutigen uns, unsere Versuche fortzusetzen, urn die d’He- 
relle-Lysine durch Adsorption und Auswaschung von anhaftenden, 
nicht zugehorigen Bestandteilen noch mehr als bisher zu befreien und 
auf diese Weise ihren Reinheitsgrad weiter zu erhShen. 

II. 

Unsere eingehenden Untersuchungen fiber das spontane Auftreten 
von Lysinen in Bakterienkulturen hatten gezeigt, dafi die hierbei zu be- 
obachtenden Lysinmengen zuweilen sehr gering sind. Diese Beobach- 
tung legte den Gedanken nahe, daB vielleicht in manchen Kulturen 
Spontanlysine zwar vorhanden sind, aber in einer so geringen Menge, 
daB sie bei der Filtration durch Berkefeld-Filter im Filter zurfick- 
gehalten werden. Wir hielten es deshalb ffir angezeigt, systematische 
Untersuchungen in der Richtung anzustellen, ob bei der Zurfickhaltung 
von Lysinen in Berkefeld-Kerzen GesetzmfiBigkeiten zu ermitteln 
sind. Die bekannten Unzulanglichkeiten unserer Filtrierapparate forderu 


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immer wieder dazu auf, die Schwkchen fiir jedeu Einzelfall nach Mog- 
lichkeit klar zu legen. 

Es warden 14 kleine Berk'efeld-Kerzen (h = 6 cm, r = 1,5 cm) 
in inekrfachen Filtrationen mit je 2 Lysinen (einem Y-Ruhrlysin und 
oinem C oli-Lysin) gepriift. Die Lysine gelangten einmal verdunnt, das 
andere Mai unverdiinnt zur Filtration; die Feststellung des Verlustes 
an lytischen Teilchen durck den FiltrationsprozeB geschah nach der von 
uns beschriebenen Methode (dieses Centralbl. Abt. I. Orig. Bd. 91. 1923. 
S. 13.) in einer verbesserten Form, fiber die weiter unten das Nahere 
gesagt ist. Die Lysine hatten, mit dieser Technik geraessen, einen Titer 
von 10~ 5 (nach Appel mans und Werthemann von 10 -7 ). Fil- 
triert wurden stets 20 ccm Lysinbouillon vom ph 7,5 bei einem Vakuum 
von ca. 580 mm. Die Durchlaufzeit betrug etwa 5 Min., bei ofter ge- 
brauchten Kerzen bis zu 15 Min. Die Ileikenfolge wurde so gewahlt, dad 
zuerst das mit Bouillon verdiiunte Lysin und dann, nachdem Rfickspfilung 
und Sterilisierung der Kerze erfolgt war, das unverdiinnte Lysin hin- 
durchgeschickt wurde. Das konzentrierte Lysin wurde nach der Fil¬ 
tration entsprechend verdunnt wie das verdiinnte vorher; beide Filtrate 
gelangten im Plattentropfversuch auf die Anzahl der lytischen Einzel- 
teilchen zur Untersuchung. Samtliche Kerzen waren fur Bact. coliun- 
durchlassig. Das Ergebnis gestaltete sich folgendermaBen. 

Der Grad der Durchlassigkeit einer B erkefeld-Kerze fiir d'He- 
relle-Lysine ist in erster Linie abhfingig von der Anzahl der Filtra¬ 
tionen, die mit der Kerze bereits vorgenommen worden sind. In den 
ersten Filtrationen passieren die Lysine die Kerze meist gut, wfihrend 
sie spfiter sehr erheblich an Teilchenzahl einbUBen. 

Beiapiel: Eine verdunnte Lyainlosung, die in 0,05 ccm 13 Teilchen enthalt, wird 
durch eine alte und eine neue Kerze filtriert. Im Filtrat der alten Kerze werden nnr 
1, in dem der neuen 12 Teilchen in 0,05 ccm wieder gefunden. Um den Gesamtver- 
luat pro 0.05 ccm gegeniiber der Kontrolle zu erhalten, sind die Zahlen mit 10* zu 
multiplizieren. 

Ursfichlich steht hier das mechanische Moment der Ver- 
stopfung im Vordergrunde entsprechend dem Resultat, das P. Schmidt 
bei der Filtration norinaler Bakterienkulturen erheben konnte. Die Kon- 
zentration des Lysins spielt dagegen bei sonst gleich gehaltenen inneren 
und auBeren Bedingungen eine geringere Rolle. Konzentrierte Lo- 
sungen verlieren, durch alte Kerzen geschickt, bis zu 3 / 4 und mehr 
des Gesamtgehaltes an Lysinen, wahrend andererseits verdunnte Lysine, 
durch neue Kerzen filtriert, nur wenig, zuweilen iiberhaupt nicht ver- 
andert werden. 

Beiapiel: EiDe neue Kerze halt aus einer verdiinnten Lyainlosung von 60 Teil¬ 
chen 2, eine alte Kerze aus einer konzentrierten Lysinlosung, die nach entaprechender 
Verdiinnung in der Kontrolle 65 Teilchen in 0,05 ccm aufweiat, dagegen 60 Teilchen 
zuriick. 

Dementsprechend konnen aber auch verdunnte Lysine in sehr hiiufig 
gebrauchten Kerzen alle Lysinteilchen zuriicklassen. 

Beispiel: Ein durch eine alte Kerze geschicktea verdiinntes Lysin, das in 
0,05 ccm 30 Teilchen hatte, war nach der Filtration lysinfrei. 

DaB aber auch konzentrierte Lysinlosungen durch die Kerzenfiltra- 
tion vollig lysinfrei werden konnen, ist bereits durch C. Prausnitz 
dargetan worden. 

Durch die starke zahlenmaBige Abschwachung von Lysinen in alten 
Kerzen konnen andererseits schwfichere, die Lysinzahl ebenfalls ver- 
ringernde Einfiusse verdeckt werden. Sie sind daher an wenig benutzten, 



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Gildemeister u. Herzberg, Ueber das d’Herellesche Phanomen. 231 


nach Moglichkeit an neuen Kerzen aufzusuchen. Zu diesen lysinver- 
ringernden Einfliissen gehort die Adsorption. Sie steht, absolut ge- 
messen, der mechanischen Zuriickhaltung an IntensitSt durchaus nach, 
in sehr verbliiffender Unterschiedlichkeit zu der starken Adsorptions- 
fahigkeit des lockeren, gegliihten Kieselgurs gegenuber Lysinen. So 
ergab sich bei einigen neuen Kerzen, dem Adsorptionsgesetz entsprechend, 
dafi von derselben Kerze aus verdunnten Lysinen relativ mehr Teilchen 
zuruckgehalten wurden als aus konzentrierten, obwohl die Filtration des 
konzentrierten Lysins der des verdunnten nachfolgte, das mechanisch- 
verstopfende Moment bei der Filtration des konzentrierten Lysins also 
sicher groBer war. 

Beispiel: Verdiinntes Lysin ergab vor der Filtration in 0,05 ccm 21 Teilchen, 
nach der Filtration durch eine neue Kerze 4 Teilchen; konzentriertes Lysin lieferte 
nach Filtration durch die gleiche Kerze 15 Teilchen. 

Im Falle rein mechanischer Einflflsse hatten im letzteren Falle, also 
im konzentriert filtrierten Lysin, nur 4 Oder weniger Teilchen nach- 
weisbar sein diirfen. Bei zwei anderen Kerzen war das Verhaltnis derart, 
daB das konzentrierte Lysin mit 50-60 Proz. Verlust durch das Filter 
ging, wahrend die verdiinnt filtrierten Lysine 75—90 Proz. verloren 
hatten. Prozentual kann also die adsorptive Wirkung die mechanisch 
versperrende ilbertreffen, sie erreicht indes, auf die Anzahl der Einzel- 
teilchen berechnet, nie die GroBe, die die Werte fur die Verstopfung 
annehmen konnen. Es sei bemerkt, daB diese Adsorptionen nur bei 
unserem Coli-Lysin, nicht bei dem Y-Ruhrlysin beobachtet wurden. Dies 
anderte sich auch nicht, als BerkefeId-Kerzen mit bedeutend groBerer 
Oberfldche (h = 10cm, r = 2,5cm) zur Anwendung kamen. Erst nach 
Aenderung der Wasserstoffzah 1 konnte auch das Y-Lysin 
zur Adsorption gebracht werden. 

Beispiel: Durch dieselbe Kerze wurden unter konstanten auBeren Bedingungen 
drei Fraktionen derselben Lysinverdiinnung (10— 4 eines Lysins vom Plattentiter 10—'') 
filtriert. Als VerdiinnuDgslliiSsigkeit diente diesmal Aqua redest., dem vorher die zur 
Erzielung der angegebenen Aziditat bzw. Alkalitat notwendige Menge von CH s COOH 
Oder NH, in */i -Normallosung zugesetzt worden war. Zwischen den einzelnen Fil- 
trationen erfolgte Riickt-pulung und Sterilisierung der Kerze. Die erste Verdiinuung 
war n/200 essigsauer, die zweite n/50 ammoniakalisch'), die dritte etwa neutral (frisch 
ausgekochtes Aqua redest.). Die Fliissigkeiten enthielten vor der Filtration in je 
0,05 ccm 27 Teilchen, im ammoniakalischen Filtrat 26 Teilchen und im neutralen 
24 Teilchen. 

Fur das Coli-Lysin ergab sich unter den gleichen Bedingungen an 2 Kerzen fol- 
gendes: Die Fliissigkeit enthielt vor der Filtration in 0,05 ccm beide Male 170 Teilchen, 
in dem espigsauren Filtrat beide Male 0 Teilchen, in dem ammoniakalischen Filtrat 
130—150 bzw, 55 Teilchen und in dem neutralen 80—90 bzw. 8 Teilchen. Nachfiltriertes 
(nicht adsorbierbares) Y-Lysin passierte ohue Verlust. Die Kerzen diirften also bei der 
dritten Filtration keine geringere Durchgangigkeit gehabt haben als bei der ereten, was 
auch angenommen werden konnte, da das durchgeschickte Medium sehr kolloidarm 
war, die Schnelligkeit der Verstopfung aber dem Gehalt an suspendierten Teilchen 
proportional ist. 

Ein weiterer Faktor, der die Passage der Lysin teilchen durch die 
Kerze bestimmt, ist durch das Lysin selbst gegeben. Das Y-Ruhr-Lysin 
ging bedeutend leichter durch die Berkefeld-Kerze als das Coli- 
Lysin, was zum Teil auf Unterschiede in der GroBe der Lysinteilchen 
zuruckzufuhren ist. 

Beispiel: Y- und Coli-Lysin werden so verdiinnt, daB sie in 0,05 ccm 
30 Teilchen enthalten. Versuche an 3 Berkefeld-Kerzeu. Die Coli-Lysiufiltrate 

1) In den genannten Konzentrationen wurden die Lysine bei der hier benotigten 
Versuchsdauer nicht geschadigt. 


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enthalten 8 bzw. 3 und 12 Teilchen, die Y-Lysinfiltrate in derselben Kerzenreihenfolye 
16 bzw. 12 und 26 Teilchen in 0,05 ccm. 

Die Zuriickhaltung des Coli-Lysins ist also — an derselben Kerze 
unraittelbar nacheinander gemessen — doppelt bis 4-fach so groB als 
die des Y-Lysins. Dafi hierfiir nicht allein die Adsorption verantwort- 
lich gemacht werden kann, geht aus Filtrationsversuchen mit Seitz- 
Filtern hervor, die das Coli-Lysin nicht adsorptiv fesseln und es doch 
in geringerem Grade als das Y-Lysin passieren lassen. 

Zusaramenfassend kann somit gesagt werden, daB jede Berkefeld- 
Kerze als ein Typ fiir sich zu betrachten ist. Die Durchgangigkeit von 
d’Her elle-Lysinen durch Berkefeld-Filter bei konstantera Druck 
und konstantem Medium hangt ab 

1) von der Anzahl der Filtrationen, die mit der betreffenden Kerze 
vorgenommen worden sind; 

2) von der Fahigkeit des Lysins, adsorbiert zu werden oder nicht; 

3) von der GroBe der Lysinteilchen; 

4) von der Wasserstoffzahl bei sonst gleichem Gelialt an organischen 
Bestandteilen und Salzen. 

Praktisch ergibt sich hieraus, daB man mit dem geringsten Verlust 
an Lysinen bei der Berkefeld-Filtration rechnen kann, wenn 

a) mit einer neuen Kerze, 

b) in ammoniakalischem Medium (n/25—n/100 NH S ) filtriert wird. 

Unberucksichtigt haben wir die Frage gelassen, wie bei Einhaltung 

dieser zwei optimalen Bedingungen ein Wechsel des Filtrationsdruckes 
und der Konzentration des Mediums an organischen Bestandteilen die 
Lysinfiltration beeinfluBt. Von praktischer Bedeutung ist bei der Lysin- 
filtration auch nur der erste Faktor, da wohl mit einigermaBen gleich- 
artiger Beschaffenheit unserer Kulturfliissigkeiten gerechnet werden darf. 

Es wurde das Gebiet der Filtrationen nicht verlassen, ohne zahlen- 
maBige Grundlagen auch fiir Seitz-Filter zu suchen. Die aufieren 
und inneren Bedingungen waren die gleichen wie bei der Berkefeld- 
Filtration. Zu jeder Filtration wurden neue Filterscheiben verwendet, 
da auf Grund von Bakterienfiltrationen angenomraen werden muB, daB 
bftere Erhitzung der Filterscheiben eine Vermehrung der Durchlkssig- 
keit bewirken kann. Im Vergleich zu neuen Berkefeld-Kerzen lieBen 
Seitz-Filter erheblich weniger Lysine durch. WShrend die Zuriickhaltung 
in neuen Berkefeld-Kerzen beim Coli-Lysin bis zu 50 Proz., beim 
Y-Lysin meist 10 Proz. betragen hatte, hielten Seitz-Filter vom Coli- 
Lysin bis zu 90 und 100 Proz., vom Y-Lysin durchschnittlich 50—60 Proz. 
zuriick. 

Beispiel: Coli- und Y-Lysin werden konzentriert filtriert. Nach enteprechender 
Verdiinnung enthalt die unfiltrierte Kontrolle in 0,05 ccm zwischen 65 und 70 Teilchen, 
wiihrend das filtrierte Coli-Lysin nur 7, das filtrierte Y-Ruhrlysin 27 Teilchen auf- 
weisen. 

Es war bei diesen Versuchen gleichgiiltig, ob die Lysine konzentriert 
oder verdiinnt filtriert wurden. In jedem Falle war die Anzahl der 
Lysinteilchen nach der Filtration (und der entsprechenden Verdiinnung 
des konzentriert filtrierten Lysins) die gleiclie. 

Beispiel: Verdiinnt und konzentriert filtriertes Coli-Lysin haben im Filtrat 
9 bzw. 8, entsprechend filtriertes Y-Ruhrlysin 27 bzw. 30 Teichen in 0,05 ccm. Un¬ 
filtrierte Kontrollen zwischen 65 und 70. 



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Gildemeister u. Herzberg, Ueber das d’Herellesche Phanomen. 233 

Die Seitz-Filtration ergibt somit Uebereinstmmungen und Diffe- 
renzen mit der Ber kefeld-Filtration. Die Uebereinstinmiung besteht 
darin, daB auch beim Soitz-Filter iiir die Zurucklialtung des Y-Ruhr- 
lysins adsorptive Vorgange nicht in Frage kommen. Die Differenzen 
sind nicht nur zahlenm&Big, sondern auch artverscbieden. Entgegen- 
gesetzt zur B e r k e f e I d - Filtration laBt sich beim Seitz-Filter 
auch fur das Colilysin keine GesetzmSdigkeit erkennen, die fur Adsorp¬ 
tion sprache. Sowohl fiir das Y - Ruhrlysin wie fiir das Colilysin 
kommen bei der Durchlaufsbehinderung nur meclianische Eintiusse in 
Frage. Die quantitativ verschiedene Beeinflussung des Y-Ruhrlysins und 
des Colilysins durch die Filtration im Seitz-Filter gestattet dalier den 
ScliluB, daB die TeilchengroBe des Y Rulirlysins geringer ist als die des 
Colilysins, was aus den Berkefeld-Filtrationen nicht mit der gleichcn 
Sicherheit abgeleitet wenlen konnte. Praktisch ergibt sich daraus die 
Moglichkeit, fiir solche Filter, die nicht adsorptiv aut Lysin wirken, die 
Lysine als bequeme Indikatoren der Filterdichte fflr den Bereich unter- 
halb der Bakteriendurchlassigkeit anzuwenden. Mit de Uaenschen 
Membranen haben wir bislier nur orientierende Versuchsreihen angestellt; 
da sie uneinheitliche Resultate ergaben, konnen aus ihnen noch keine 
SchluBfolgerungen gezogen werden. 

III. 

Die Bestimmung der lytischen Einzelteilchen in den Filtrationen des 
vorhergehenden Abschnittes erfolgte durchg&ngig nach der von uns be- 
schriebenen Methode. Sie hat sich, verbessert durch zwei kleine Modi- 
fikationen, als durchaus zuverlassig erwiesen. Die Fehlermogliclikeiten 
sind nunmehr auBerst klein; die Werte einer Titration differieren nur 
um wenige Teilchen. Es ergaben sich z. B. fiir drei Lysine in jo 0,05 ccm 
der Verdiinnung 10~ 5 folgeude Zahlen von Lysintcilchen: Lysin A weist 
in sechs 0,05 ccm-Tropfenspuren 13, 10, 10, 14, 13, 11 Loclier, Lysin B 
in vier Spuren 52, 57, 55, 62 Loclier, und Lysin C 26, 25, 24, 29, 
26 Locher in fflnf Tropfenspuren auf. Oder: 0.5 ccm und 0.25 ccm 
eines konzentrierten Lysins werden auf die Verdiinnungen 10 -4 und 
10- R gebracht. 

Die 0,5 ccin-Losung enthalt in 10~ 4 112, in 10 -5 13 Teilchen, 
d 0,25 * „ 10- 4 59, „ 10-* 6 

Da man nicht nur, wie bei der Methode von Appel mans und 
Wert h email n, Unterschiede in Zehnerpotenzen erhfilt, sondern in einer 
bestinimten ZehnerverdOnnung die Auszahlung auf lytische Einzelteilchen 
vornimmt, so konnen auch Unterschiede von 15—20 Proz. festgestellt 
werden. Feine Unterschiede in dem Gehalt an Lysin, wie sie z. B. in 
unseren Adsorptionsversuchen auftraten, wfirden nicht aufgefuuden 
werden konnen, wenn man auf die Plattentropfinethode verzichtete. Die 
Bestimmung der lytischen Einzelteilchen wird von uns jetzt 
in folgender Weise vorgenomnien. 

A n m. Es erscheint zweckniafiig, beim Suchen nach Lyainppuren, wie pie bei 8pontan- 
jyoinen in Bataerienkiilluren zu linden sind, die Seitz-1 'dtiation anszut-challin. Hei 
bpon'anlysinen ist auch die Berkefeld-Filtration nicht immer rataam. Vorieilhaft 
srschiint uns fiir diesen Zweck die Anwendung der elektrischrn Zeutriluge. Auf diese 
Weise gelang es kiirzlich, boi eineni sich bis dahin vdllig lysinIrci zeigenden und auch 
Ur. Unserer Mitteilung noch so gekennzeichnetcn Coh-Maitinie in einer 16-stOnd. 
“ouillunkultur Lysine nachzuweLen, wiibrciid das Berkefeld-Filtrat lysinfrei war. 


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Von einem Lysin mit unbekanntem Titer werden 0,05 ccm in einen 
Er len m eyer-Kolben pipettiert und mit 49,5 ccm Verdiinnungsmedium 
(Bouillon, Aqua dest.) versetzt. Nach vorsichtigetn Durchinischen werden 
hieraus 0,5 cent entnoinmen, in einen zweiten E rl en m eyer- Kolben 
gegeben und wieder auf 50 ccm verdunnt. Diese Konzentration — 10 -4 — 
lalit sich in manchen Fallen bereits auszahlen; zweckmaBig verdunnt man 
die Losung aber noch auf 10 -5 und 10 _e . Von den Konzentrationen 
10 -4 bis 10 -6 wird je eine Platte nach der in unserer III. Mitteilung 
angegebenen und genau einzuhaltenden Methode (Plattentrocknung!) mit 
Tropfenspuren angelegt. Die Verdunnung, die sich gut auszahlen laBt 
(am besten etwa 20—50 Teilchen pro 0,05 ccm, je nach dent Durchmesser 
der leeren Flecke), gelangt am nSchsten Tage zur genauen Teilchen- 
bestimmung. Kennt man den Grenzwert, so ist dieser Vorversuch un¬ 
notig. Es wird dann das Lysin bis zur gewilnschten Konzentration in 
Erlen m eyer-Kolbchen verdunnt und in 9 Tropfenspuren zu je 0,05 ccm, 
drei auf jeder Platte, aus einer hundertteiligen 1 ccm-Pipette ausgewertet. 
Der Titer wird wie bisher auf 0,05 ccm berechnet (als MaBeinheit der 
Tropfenspur). Die Titration in 9 Tropfenspuren bietet einen geniigend 
groBen Sicherheitsfaktor fur eine Durchschnittszahl, die Verdunnung im 
Erl enm eyer - Kolben ist der in ReagenzglSsern (Gefahr der Beriihrung 
der Giaswand durch die Pipetten mit dem konzentrierteren Lysin) vor- 
zuziehen. 

Aus der letzten Mitteilung von Doerr und Z dan sky iiber Titra- 
tionen geht hervor, daB sie der Bouillonverddnnung den Vorzug geben. 
Wir stimmeu mit ihnen darin iiberein, daB der Bouillon- und der Platten- 
versuch nebeneinander angewendet werden sollen, da die genannten 
Autoren nachgewiesen haben, daB in hohen Verdiinnungen der Bouillon- 
versuch noch Lysis ergibt, wahrend im Plattentropfversuch keine leeren 
Flecke auftreten. Eine Ueberlegenheit der Bouillonmethode kann dar- 
aus allerdings nicht abgeleitet werden, da bei Austropfen der gleichen 
Fliissigkeitsmenge, die im Bouillonversuch zur Anwendung kam, im 
Plattenversuch Lysinmengen der selben GroBenordnung erhalten w r er- 
den. Man wird jedoch aus Sparsamkeitsriicksichten in diesen Fallen 
auf den Plattenversuch verzichten. Handelt es sich aber darum, Unter- 
schiede aufzudecken, die kleiner sind als Zehnerpotenzen, dann kann 
dies nur mit der oben geschilderten Technik erreicht werden, falls man 
fiir die Bouillonverdiinnungsmethode nicht andere Verdunnungsreihen 
anwendet. 

Die Umrechnung des Plattentiters in den Bouillontiter ist einfach. 
Man multipliziere mit 10 2 , wenn in der Gleichung 

x = L mal 0,18 

x kleiner als 1, mit 10 3 , wenn x gr5Ber als 1 ist. 

L = der Anzahl der Einzelteilchen in derjenigen Konzentration, die 
in 0,05 ccm weniger als 10 Teilchen enthalt. z. B. Plattentiter 10 - *. 
3 Teilchen in 0,05, dann ist 

x = 3 mal 0,18, 

da x kleiner als 1, ist der Bouillontiter = 10~ 7 ; Oder, Plattentiter 10 -4 . 
7 Teilchen in 0,05 ccm, dann ist 

x = 7 mal 0,18, 

da x groBer als 1, ist der Bouillontiter = 10 -ti . Nur bei YVerten dicht 
um 1 konuen Ditferenzeu mit der Rechnuug urn ein Rohrchen auftreten. 



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Reichert, Untersuchungen iiber das d’Herellesche Phanomen. 


235 


Zusaramenfassung, 

Die Untersuchungen haben sich auf Adsorption, Filtration und 
Titration von d’Herelle-Lysinen erstreckt. 

1) Es ist gelungen, Lysine durch Adsorption an Kieselgur und nach- 
folgende Auswaschung mit Ammoniak aus ihrem Kulturmedium zu iso- 
lieren. 

2) Filtrationsstudien anBerkefeld -Herzenergaben, daB dieDurch- 
gSngigkeit fiir Lysine bei konstantem Filtrationsdruck und konstantem 
Gehalt des Mediums an organischen Stoffen und Salzen abh&ngt 

a) von dein Alter der Kerze, 

b) von dem Grad der Adsorbierbarkeit des Lysins, 

c) von der Wasserstoffzahl des Mediums, 

d) von der GroBe der Lysinteilchen. 

3) Durch die ifiechanisch-versperrende Wirkung entstehen groBere 
Lysinverluste als durch Adsorption. 

4) Durch Erhohung der Wasserstoff-Ionenkonzentration konnen in 
sonst gut durchlassigen Herzen Lysine vollig zurQckgehalten, durch Er¬ 
hohung der Hydroxyl-Ionenkonzentration schlecht passierende Lysine 
gut filtrierbar werden. 

5) Die beste Titrationsausbeute wird bei Verwendung neuer Herzen 
und Alkalisierung des Mediums erzielt. 

6) Seitz-Filter lieBen weniger Lysine durch als Berkefeld- 
Kerzen; sie wirkten nur mechanisch-sperrend, nicht adsorbierend. 

7) Es werden Beschreibung und Belege ftir die von uns ausge- 
arbeitete Titrationsmethode auf lytische Einzelteilchen, 
mit welcher die vorgenannten Befunde erhoben worden sind, mitgeteilt. 

Literaturverzeichnis. 

Doerr u. Zdansky, Ztschr. f. Hyg. Bd. 100. 1923. S. 79. — Gildemeister, 
K. u. Herzberg, Kurt, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Grig. Bd. 91. 1923. S. 13. — 
Kaheshima, C. s. Soc. de Biol. I. 83. 1920. p. 219 et 471. — de Necker, Ibid. 
T. 87. 1922. p. 1247. — Olsen u. Yasaki, Klin. Wochensohr. 1923. S. 1879. — 
Prausnitz, C., Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 89. 1922. — Kchmidt, P., 
Ztschr. f. Hyg. u. Inf. Bd. 65. 1910. S. 423. — Seiffert, \V., Med Kl. 1923. S. 835. 
— Willstatter, R., Memraen u. VVaidschmid t- Leitz , E., Ztschr. f. Physiol. 
Bd. 125. 1923. 


Nachdruck verboten. 

Untersuchungen iiber das d’Herellesche Phanomen. 

I Aus dem Bakteriologischen Institut zu Jena (Leiter: Prof. Dr. Abel).] 

Von Dr. Fr. Reichert, Assistenten des Instituts. 

Ueber das von d’Herelle zuerst beschriebene Phanomen eines 
fortzflchtbaren ultravisiblen Agens, das die Auflosung von Bakterien be- 
wirkt, ist schon eine umfangreiche Literatur entstanden. Trotz der vielen 
Potersuchungen besteht aber erst iiber wenige Eigentiimlichkeiten dieses 


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seltsamen Korpcrs unter den Autoren Uebereinstimmung. Als fest- 
stehend kann heute augesehen werden seine Gewinnbarkeit aus Stuhl 
von Mensch und Tier, seine Filtricrbarkeit durch bakteriendicbte Filter, 
seine Fahigkeit, empfindliche Bakterien aufzuloseu Oder im VVachstum 
zu liindern, und seine ultravisible GroGe. Alle anderen Eigensehaften 
dieses Gebildes kann man, soweit dariiber bisher berichtet wurde, als 
noch der Diskussion unterworfen bezeichnen; wenigstens ist hier eine 
Uebereinstimmung der Meinungen noch nicht zu verzeichnen. Ich zahle 
als hierher gehorig die wechselnde Empfiudlichkeit des Agens gegen 
Temperatureinfliisse, die Wirkuug von Chemikalien auf dasselbe, seine 
Adsorbierbarkeit an Tierkohle und andere Adsorbentien, seine Fahigkeit. 
als Antigen zu wirken, seine Unempfindiichkeit gegen Eintrocknung und 
anderes mehr. Dies alles harrt noch der Nachpriifung und Erweiterung. 
Hinsichtlich der wichtigsten Fragen aber d. h. hinsichtlich des Ur- 
sprungs des Virus, seiner Wesensart und seiuer Wirkungsweise gehen 
die Meinungen noch vollkommen auseinander. 

Diesen mithin noch recht schwankenden Boden, auf dem unsere 
Kenntnisse iiber das d’H erellesche Phanomen ruhen, weiter zu be- 
festigen und durch Ermittiung neuer Tatsachen unsere Einblicke in diesen 
erstaunlichen Vorgang zu vertiefen, machten wir uns zur Aufgabe. Wir 
glaubten, hier nicht anders vorgehen zu konnen, als daG wir das Pha¬ 
nomen von Grund auf studierten, die eigenen Erfahrungen mit denen 
andcrer verglichen und dann das, was wir bestatigen konnten oder 
neu fanden, kritisch zusammenzufassen. 

Unsere erste Aufgabe war DaturgemaG die Gewinnung eines Virus. 
Gestutzt auf die zahlreichen Angaben der Literatur (d’H erelle, Otto 
u. a.) wurden Stuhle von Menschen, die vor einiger Zeit eine Ruhr 
uberstandcn batten — Kranke oder Rekonvaleszenten standen uns nicht 
zur Verfiigung — stark mit Bouillon verdiinnt, in diesem Zustande 
24 Std. bei 37° aufbewahrt und schlieGlich die iiberstehende Fliissigkeit 
durch Berkefeld-Filter filtriert. Nach zahlreichen Fehlschlhgen ge- 
lang auf diese Art die Gewinnung eines Filtrates, das eine diinne Bouil- 
lonaufschwemmung eines K r u se - Stammes (R. I) aufzuhellen imstande 
war. Mit diesem Lysat, Fla VII genannt, liihrten wir die ersten Ver- 
suche aus, bei denen es uns darauf ankam, die einzelneu Stadien des 
Losungsvorganges zu untersuchen. Zu diesem Zwecke bedienten wir 
uns einer von Pfreimbter angegebenen Methodik, bei welcher die mit 
einer kleinen Menge Lysat versetzte diinne Bouillonemulsion wiederholt 
in Abstanden von einigen Stunden auf Agarplatten abgeimpft wird. 
Der Tropfen Emulsion wurde von uns auf der angefeuchteten Platte 
mit dem Glasspatel sorgfiiltig verteilt und die OberHache der letzteren 
dann im Fau st-Heim schen Apparat getrocknet. Die Abimpfung ge- 
schah stets vor Zusatz des Virus, dann sogleich danach, und ferner nach 
3, 6, 8 und 24 Std. 1 ) 

Der Ausfall der zahlreichen, auf diese Weise angestellten Versuche 
war ein sich mit weitgehender Uebereinstimmung wiederholender. Die 
sofort nach dem Lysatzusatz beimpfte Platte zeigte meist keinen Unter- 
scliicd von einer solchen, die durch Abimpfung vor der Virusbeimengung 
(Kontrolle) gewonnen wurde. Beide waren meist mit einem dichten 
Bakterienraseu bewachsen. Nach 3-stiind. Aufenthalt des Gemisches im 
Brutschrauk aber fandeu sich mehr oder weniger groGe, unregelmaGig 

1) Diesen Versuch nennen wir „periodischen Versuch". 



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Reichert, Un tors uchun gen iiber das d’ Herellesche Phanomen. 


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gestaltete, sterile Felder auf den Platten. Bei der Auftragung des Impf- 
materials ctwa auf das Zentrum derselben erstreckten sich die bakterien- 
freien Areale stets auch auf die mittleren Partien der Agartlache. Die 
bewachsenen Stellen dagegeu wiesen neben kreisrunden Kolouien von 
anscheinend normalem Aussehen zahlreiche Wuchslormen auf, die scharfe 
Einkerbungen besaBen, Oder halbmondformige Gestalt zeigten, oder sogar 
ein ganz bizarres Aussehen etwa wie eine Pscudopodien ausstreckende 
Amobe oder wie ein unregelmaBig gestalteter Stern darboten, Manch- 
mal fanden sich diese seltsamen Formen auch als ganz vereinzelte 
Exemplare mitten in einer sonst sterilen Fl&che. Meist aber erschienen 
sie in der Grenzschicht zwischen sterilen Partien und bewachsenen Fel- 
dern. Diese eigenartigen Gebilde waren zweifellos die zuerst von Gilde- 
meister beschriebenen Flatterformen, die von ilirn und anderen Autoren 
bald nach Bekanntwerden des d ’ H e r el leschen Phanomens mit diesem in 
Verbindung gebracht wurden. — In selteneren Fallen trat ein anderes 
Bild auf. Es entstanden keine sterilen Stellen, sondern nur unregelmaBig 
geformte Partien mit feinem, hauchformig entwickeltem Rasen zwischen 
solchen Gebieten, die normalen, kraitigen Bakterieuwuchs zeigten. — 
Eine 3. Erscheinungsform der Bakterienrasenbildung auf den Platten nach 
Abimpfung in der 3. Std., die wir als die selteuste Art bezeichnen 
miissen, war das Auftreten oft kaum stecknadelkopfgroBer Ldcher in 
inehr weniger dichten Abstanden, so daB der Rasen wie fein punktiert 
aussah. Wir fiihren das seltene Auftreten des gelocherten Rasens im 
Vergleich mit den beiden anderen eben gonannten Formen daraut zurtick, 
daB das Virus beim Koritakt mit dem Agar von diesem schnell adsor- 
biert wird, wodurch seine gleichinaBige Verteilung verhindert wird. Nur 
in wenigen Fallen gelingt eine gute Ausbreitung mit dem Spatel, so daB 
dann der durchlocherte Rasen entsteht. 

Dieses Bild wird von d’Herelle als das typische beschricben. Er 
leitet daraus weitgehende Schlusse ab, indem er argumentiert, daBjedes 
Loch einer Viruskolonie entspreche, und daB mau aus der Zahl der Locher 
die Zahl der Viruskeime bestimmen kfinne. Er will auf diese Art regel- 
maBigdie Starke seiner Lysate feststellen. Wir haben dagegcn einzuwenden, 
daB 1) das fl Lochbild a auBerordentlich selten ist, so daB man nie mit 
seinem Entstehen rechnen kann und auBerdem, daB keinerlei Beweis 
dafur vorliegt, daB soldi ein kleines Loch nun wirklich jeweils nur einer 
Viruseinheit entsprieht. Es kbnnen dort ebensogut nur eine Einheit und 
in einem anderen, dessen GroBe vom ersten in gar nicht feststellbarer 
Weise abweicht, mehrere vorhanden sein. Wir konnen daher der An- 
wendung der genannten Methode als MeBverfahren fiir die Zahl der 
Viruseiuheiten nicht zustimmen, ganz besonders dann nicht, wenn damit 
nicht nur eine ungefahre Schatzung sondern eine genaue zahlenmSBige 
Feststellung vorgenommen werden soli. — Nach 6 Std. Brutschrankauf- 
enthalt des Bakterienemulsionslysatgemisches blieb die Platte nach der Be- 
itnpfung meist vollkommen stenl oder zeigte nur ganz vereinzelte Ko- 
lonien teils von normalem Aussehen (Normalformen) teils Flatterformen. 
Nach 8 Std. setzte meistens schon eine Vermehrung der Kolonienzahl 
e in. Die Art der Wuchsformen bestand von jetzt an aber stets nur 
noch in Normalformen. — Nach Ablauf von 21 Std. war nach Abimpfung 
stets wieder ein dichter Rasen auf der Platte zu gewinnen. Die Bouillon- 
emulsion wechselte wahrend der ganzen Priifungszeit ihre Trubung der- 
art , daB sie sich nach 5 — 6 Std. ziemlich plotzlich aufhellte, um dann 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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bei zunehmender Triibung am nachsten Tage das Aussehen einer dicht 
bewachsenen Bouillonkultur zu zeigen. 

Diese Befunde lassen sich so zusammenfassen: Nach 2—3-stiind. 
Wirkung des Lysates nimmt die Zahl der vermehrungsfahigen Keime 
ab, wahrend die aus den seheinbar unversehrten Bakterien eutstekenden 
Kolouien sich teils als Normalformeu teils als Flatterformen prasen- 
tieren. Nach etwa 6—8 Std. tritt bei starker, ziemlich plotzlicher Auf- 
hellung der Bouillon eine scheinbare Sterilitat ein, der kraftiges Wachs- 
tum der wenigen iiberlebenden Bakterien folgt. Die nach dem Stadium 
der scheinbaren Sterilitat auftretenden Kolonienformen sind stets Nor- 
malformen. — Durch Filtration der wiederbewachsenen Bouillon lieC 
sich das Virus von neuern isolieren und zeigte die gleichen Eigenschaften. 
(Unter Virus verstehen wir ein das d’Herellesche Agens enthaltendes 
Filtrat. Meist ist es eine Bouillon, welche durch Filtration einer Bak- 
terienbouillonkultur, in der eine Lysis ablief, gewonnen wurde. Wir 
werden als Synonyme mit Virus auch die Bezeichnungen Filtrat und 
Lysat anwenden.) — Spater untersuchten wir mit der gleichen Versuchs- 
anordnung ein gegen Coli hochwirksames Lysat (U. 15. 9.) und er- 
hielten dabei dieselben Ergebuisse, wie eben beschrieben. 

Dieser merkwurdige Vorgang umschlieCt mithin zwei eng mitein- 
ander verbundeue aber deutlich treuubare Teilvorgange. Einmal beob- 
achten wir ein Absinken und Wiederansteigen der Zahl der veriueb- 
rungsfakigen Keime verbunden mit einer Aufhellung der Bouillon, und 
dann das Auftreten verschiedener Formen von Kolonien derart, daB 
beim Absinken der vermehrungsfahigen Keim'zahl normale und Flatter- 
foriuen hervorbrechen, beim Ansteigen aber lediglich Normalformen. 

Es gait daher zunachst, den komplizierteren dieser beiden Teilvor¬ 
gange d. h. die Bildung der verschiedenen Kolonienformen naher zu 
erforschen. Bei der zweifellosen Bedingtheit der Entstehung dieses 
Wechsels der Wuchsformen dutch die Wirkung und durch die Vermeh- 
rung des Virus stellten wir uns folgende Fragen: 1) Welche Kolouien- 
fonnen trageu das Virus? 2) Welche Kolonienformen sind frei von 
Virus? 3) Welche Wuchsformen sind resistent gegen den EintluB des 
Virus? Eine Resistenz muftte mindestens bei einigen Keiinen vorliegen 
und damit auch wahrscheiulich bei den aus ihuen hervorbrechenden 
Kolonien, weil sonst ein Neubewachsen nach scheinbarer Sterilitat nicht 
moglich ware. 

Am verdachtigsten auf enge Beziehungen zum Virus schienen die 
Flatterformen. Ihr Gehalt an wirksamem Agens wurde derart gepruft, 
dah sie auf Bouillon verimpft wurden. Als Resultat davon konnte teil- 
weise ein volliges lvlarbleibeu der Bouillon teilweise eine dichte Triibung 
derselben infolge reichen Bakterienwachstums festgestellt werden. Ob 
das eine oder andere eintrat, war uie vorauszusehen. Beide Bouillon- 
arten — bewachsene und unbewachsene — enthielten aber in alien 
Fallen V T irus, wodurch man sich durch Filtration leicht iiberzeugen 
konnte. 

Die Probe zur Feststellung auf Virusgehalt wurde entsprechend 
den Angaben von d’llerelle so ausgefiihrt, dalf auf eine uiit dem 
empfindlichen Stamme aufs GleichmaBigste besate Platte 1 ) an 3 ver- 


1) Wir vertcilten stets einen Tropfen einer diinnen Kochsalzlosungsemulsion 
betreffendcn Stammes mit dem Glasspalel auf der angefeuchteten Agarplatte aufs G^ 
naueste und trockneten die Platte dann ini Faust-Heimschen Apparat. 



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Reichert, UntersuchuDgen fiber das d’HereJlesche Phanomen. 


239 


schiedenen Stellen je 1 Oese des Filtrates aufgetupft wurde. GroBe 
sterile Felder entsprechend dein Verlauf des Tropfens oder kleinere 
Aussparungen ini Bakterienrasen oder hauchformiges Wachstum des- 
selben dokumentierten dann die Wirksamkeit des Lysates (wir nennen 
dies Verfahren Plattenverfahren). Die eben besprochenen Resultate lehren 
aber niclit nur, daB die Flatterformen in alien Fallen Virusstrager sind, 
sie zeigen auch, daB diese Wuchsformen 2 Arten von Keinien entbalten, 
namlich resistente und empfindliche. DaB ein groBer Teil der verinipften 
Bakterien empfindlich war, beweist das Sterilbleiben eines Teiles der 
Bouillonrohrchen, wfihrend die Resistenz des anderen Teiles der Keime 
aus ihrem Wachstum bei Gegeuwart des Virus hervorgeht. 

Die Beschaftigung mit diesen eigenartigen Kolonien, wie wir sie in 
den Flatterformen vor uns haben, drangte die Frage nach ihrer Ent- 
stehungsweise auf. Hier schien folgende Beobachtung einen Finger- 
zeig zu geben: Impft man eine Flatterforra auf eine Agarplatte derart, 
daB man das Material zun&chst auf das Zentrum der Platte auftrkgt, 
nm es dann mit der Oese nach der Peripherie zu verteilen, so entsteht 
stets folgendes Bild: Die zentralen Partien der Platte bleiben unbe- 
wachsen, dann beobachtet man eine mittlere Zone mit wenigen Flatter- 
formen, wahrend die Randpartien der Agarfliiche mehr oder weniger 
dicht mit Flatterformen uud Normalformen besetzt sind. Die Starke 
des Bakterienwachstums verhklt sich also genau umgekehrt wie die 
Dichte der Aussaat, die zweifellos iu den mittleren Plattenteilen groBer 
ist als in der Gegend des Randes. Was besagt diese TatsacheV Be- 
rucksichtigen wir, daB mit der Dichte der Bakterienaussaat wahrschein- 
lich die Dichte der Lysataussaat annahernd parallel geht, da sie beide 
durch denselben mechanischen Vorgang von derselben Stelle aus durch 
das Streichen mit der Platinose verteilt werden, so miissen auch die 
Lysatteilchen auf den zentralen Plattenpartien am dichtesten liegen und 
ebenso zwischen ilinen die Bakterien. Diese Anhiiufung des Lysates 
aber ist es, die das Auskeimen der Bakterien selbst bei gleichzeitig 
dichter Lagerung verhindert. Je mehr wir uns nun dem Raude der 
Platte nahern, desto diinner wird die Aussaat beider Komponenten und 
desto weiter liegen sie voneinander entfernt. Die Bakterien konnen 
mithin zunachst unbehindert auskeimen und die Kolonien bilden. Diese 
stoBen wahrscheinlich aber bald an Virusteilchen an und vermogen sich 
dann an dieser Stelle nicht weiter zu vermehren. Es entsteht eine Eiu- 
kerbung am Rande der Kolonie. Je otter nun solche Beriihrungen einer 
Kolonie mit Lysatteilchen erfolgen, desto vielgestaltiger wird ibre Form; 
es entsteht die typisehe Flatterfonn. Damit wird auch ersichtlich, wie 
so die Flatterform stets Virustrfiger ist. — Gestiitzt wird diese Ansicht 
durch die schon vorher erwiilinte Beobachtung, daB die Flatterformen 
*m periodischen Versuche nach Pfreimbter ausschlieBlich auf den 
sonst unbewachsenen Stellen der Platte oder in den Grenzgebieten 
zwischen steriler P'liiche und normalem Bakterienrasen auftreten. Hier 
wie dort fQhren die raumlichen Bezieliungen der Bakterien zum Virus 
wit Anwachsen des Keimes zur Kolonie zu einer Beriihrung, die 
zwischen den noch nicht vermehrten Keimen und dem Virus vorher 
woglicherweise nicht statthatte. Oder, grenzt ein dichter Bakterienrasen 
a n eine durch Viruswirkung sterile Tlattenpartie, so ist die Grenze 
eutweder vollkommen scliarf, oder der Rasen greift in vielgestaltigen 
Sprossen, Zapfen und Zacken gegen den keimfreien Bezirk vor, so daB 
er wie der Rand einer riesigen Flatterform aussieht. Der Rasen wkchst 


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(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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naturgemiiB an alien den Stellen vor, wo kein Virus liegt, und bleibt 
dort zuriick, wo er das Agens beruhrt. — Eine analoge Auffassung 
fiber den Ursprung der Flatterformen auBert Seiffert. Er halt damit 
die Flatterforni fur das sicherste Zeicheu fur das Vorhandensein eines 
d’flerelleschen Virus. Dieser SchluBforderung konnen wir unsaber 
auf Grund einiger raerkwiirdiger Befunde nur mit Vorbehalt anschlieBen. 
Wir sahen niimlich mehrere Male Agarplatten, auf welche Stuhlproben 
aufgestrichen waren, die typische Flatterfornien von Typbus Oder Coli, 
einmal sogar in selir groBer Zahl, aufwiesen. Trotzdem war es nicht 
moglich, aus diesen Flatterfornien oder aus den betreifenden Stuhlproben 
ein irgendwie wirksaraes Lysat zu gewinnen. Wir mochten daher an- 
nehmen, daB die Flatterformen auch nocli durch andere Ursachen, als 
durch ein d’Herel lesches Virus entstehen konnen, oder daB es den 
Flatterformen iilinliche Kolonien gibt, die wir aber heute morpbologisch 
von den echten, beim d’Herelle-Phanomen auftretenden Flatterformen 
noch nicht zu trennen imstande sind. 

Nach der Feststellung der Flatterfornien als obligater Virustrager 
war es nicht wahrscheinlich, daB die gleichzeitig mit llinen sich bildende 
Normalforin d. h. die Normalformen, die vor dein Stadium der schein- 
baren Sterilitat wachsen, auch virushaltig sind. Eine in dieser Richtung 
angestellte Probe aber notigte dazu, diese Annahme aufzugeben. Ueber- 
tragt man namlich eine derartige Normalforin auf eine Agarplatte und 
verteilt das Impfinaterial sorgtaltig mit deni Spatel, wobei es etwa in 
soldier Diclite ausgestrichen wird, daB ein dichter Itasen aufgehen niiiBte, 
so bleibt die Platte in den meisteu Fallen vollkommen steril, und in 
einigen anderen Fallen entstehen wenige sehr kleine Kolonien. Dement- 
sprechend bleibt ein mit einer solchen Normalforin besch cktes Bouillon- 
rbhrchen klar und keimfrei. Wird eine nach der 1. Beimpfung unbe- 
wachsen gebliebene Agarplatte erneut mit dem empfindlichen Stamm 
beschickt, so bleibt sie entweder winder steril, oder es entstehen wenige 
unscheinbare Kolonien. Daraus ergibt sich mit Notwendigkeit, daB die 
Normalformen der 1. Phase des periodischen Versuches iin hohen MaBe 
mit Virus behaftet sind, und daB sie scheinbar nur wenige resistente 
Keime enthalten. — Wir stelien bier vor dem iiberraschcnden Ergebnis, 
daB einmal die Gegenwart des Virus zu keinerlei Aenderung der Wuchs- 
form geliihrt hat (Normalforin der 1. Phase), wahrend das Agens ein 
anderes Mai d. h. bei der Flatterform die Ursache zum bizarrsten Wachs- 
turn wird. Es muB also ein fundamental Untersclued in der Beziehung 
zwischen Bakterium und Virus im einen und anderen Fall vorliegen. 
Wir mochten uns den Vorgang bei der Entstehung der virushaltigen 
Norinalform in folgeuder Weise verstdndlich machen: Ein Bakterium ist 
schon virusbehaftet ausgesdt, docli ist sein Virusgehalt nicht so groll, 
daB seine Teilung und damit seine Vermehrung aufgehoben ist. Die 
Auskeimung des Stabchens und mit ihr die Kolonienbildung setzt ein. 
wahrend sich gleichzeitig das Virus vermehrt. Das Wachstumstempo 
der Bakterien ist aber anfangs groBer als das des Virus, so daB stets 
virusfreie Individuen in ausreichender Zahl zur weiteren Vermehrung 
vorhanden sind. Sobald sich die Kolonie aber ihrer normalen Grbfie 
naliert, nimmt die Vermehrungsgeschwindigkeit der Keime allmahlich ab, 
derm ein plotzliches ruckweises Stillstehen ties Bakterienwachstums koinmt 
sicher nicht in Betracht. Das Virus aber entwickelt sich progressir 
starker, so daB seine absolute und relative Menge, verglichen mit d er 
Bakterienzahl am SchluB der ganzen Entwicklung, erheblich groBer ist 



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Reichert, Untersuchungen liber das d ’ Her el 1 esche Phauomen. 241 

als beim Beginn derselben. Der Endzustand eines solchen Vorganges 
kann nun eine auBerlich vollkommen nonnale, aber im starksten MaBe 
mit Virus durchsetzte Kolonie sein, d. h. die Nornialiorm der 1. Phase 
des periodischen Versuches, wie wir sie immer beobachten. — Der Unter- 
schied der virushaltigen Normalform und der Flatierform liegt also darin, 
daB die Normalform von einem mit wirksamem Agens beladenen Keim 
ausgeht, wahrend die Flatterform von einem viruslreien Bakterium ab- 
stammt, dessen Nachkommen erst beim Anwachsen zur Kolonie mit einem 
wirksamen Bestandteil des Lysates in Beriihrung kommen. 

Wir kommen jetzt zur Besprechung der Normalform, welche nach 
der scheinbar sterilen Phase aultritt. Schon die Tatsache, daB sich diese 
Kolonienart nach starkster Entwicklung des Agens und nach Vernichtung 
aller iibrigen Keime herausbildet, beweist ihre Festigkeit gegen das Virus. 
Der Beweis laBt sich aber auch leicht durch ein anderes Experiment 
erbringen oder erharten. Stellt man mit einer Kultur, die von einer 
nach dem sterilen Stadium gewachsenen Normalform abstammt, einen 
periodischen Versuch an, so zeigt sich die vollige Wirkungslosigkeit des 
Virus dieser Bakterienart gegeniiber. Es entsteht bei alien Abimpfungen 
ein in jeder Richtung normaler kr&ftiger Bakterienrasen. Auch durch 
einen Plattenversuch kann man leicht die Unwirksamkeit des Virus diesen 
Keimen gegeniiber erweisen. Hier sieht man trotz Verwendung unver- 
dfinnten Lysates nie auch nur die geringsten Defekte im Rasen. Die 
Virusfestigkeit haftet aber nicht nur der 1. Generation an. Sie scheint 
unbegrenzt vererbbar zu sein. Denn Stamme, welche mehr als 20mal 
uberimpft waren, zeigten sie im gleichen MaBe wie die Ausgangskolonie. 
Der Umstand aber, daB beim periodischen Versuch die sogenanute sterile 
Phase auftritt ein Zustand, bei welchem eine Platinbse Bouillon, deren 
Aussaat vorher einen dichten Bakterienrasen zur Folge hatte, oft nicht 
raehr als 1 wachstumsfahigen Keim enthalt, zeigt uns deutlich, in wie 
geringer Zahl sich die resistenten Bakterien in dem gesamten, anfangs 
der Viruswirkung ausgesetzten Material befanden. — Nach diesen Er- 
fahrungen blieb nur noch zu erwSgen, ob diese resistente Form virus- 
behaftet ist oder nicht. Zur Beantwortung dieser Frage wurde Material 
eines resistenten Stammes auf Bouillon verimpft, die stark angewachsene 
Kultur filtriert und das Filtrat im Plattenversuch gegen die empfind- 
liche Form angesetzt. Dieser Versuch ergab die ganzliche Unwirksam¬ 
keit dieses Lysates und damit das Freisein der resistenten Form von 
Virus. 

Auf Grund dieser experimentellen Feststellungen konnen wir die 
drei vorerst gestellten Fragen nach den Beziehungen des Virus zu den 
einzelnen Kolonienformen, welche beim periodischen Versuch auftreten, 
also beautworten: 1) Die Flatterformen und die Normalformen, welche 
vor dem Stadium der scheinbaren Sterilitat auftreten, sind virusbehaftet. 
2) Die Formen, welche nach dem Stadium der scheinbaren Keimfreiheit 
sichtbar werden, sind Normalformen; sie sind resistent und virusfrei. 

Die bisher besprocheneu Versuche wiesen aber noch auf die M5g- 
lichkeit weiterer Erkenntnisse, die sich in wesentlich anderer Richtung 
bewegen als die bis jetzt dargelegten. Wir sahen die Vermehrung des 
Virus auf lebenden Bakterien, einen Vorgang, der anscheinend zur Zer- 
storung der Stabchen fiihrte, wie uns die Aufhellung der bewachsenen 
Bouillon und die Sterilitat der mit solcher gekliirten Bouillon beimpften 
Agarplatte lehrten. Wir sahen aber auch Kolonienformen, Normalformen 
und Flatterformen, die mit Virus behaftet waren, die zweifellos auch aus 
Enrte Abt. Orig. Bd. 91. Heft 8,4. 16 


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242 Centralbl. f. B&kt. etc. L Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

frisch gewachsenen Bakterien bestanden, die aber niemals aufgelost 
wurden, sondern unverandert auf der Agarplatte ruhten gleichgiiltig, 
ob diese bei Zimmertemperatur oder Brutschranktemperatur stauden. 
Hier lag ein Widerspruch vor. Warum seben wir das eine Mai Losung 
und das andere Mai nichts davon? Was unterschied die Bouillon- 
emulsion, welche stets gelost wurde und die Kolonien auf der Platte, 
welche stets unversehrt blieben? Offenbar konnte der Unterschied beider 
Kulturen nur darin liegen, daB in der Bouillonemulsion eine krSflige Ver- 
mehrung der frisch eingesaten Bakterien sich vollzog, wdhrend wir es 
auf der Platte mit zwar lebenden, aber doch ruhenden Keimen in aus- 
gewachsenen Kolonien zu tun hatten. Fiir den Vermehrungsvorgang 
und die Wirkung des Virus schien also die Vermehrung der Bakterien 
wesentlich und nbtig zu sein. Wir prdften diese Frage durch folgende 
Versuchsanordnung: Mit dem unverdunnten Ljsat Fla VII wurde 
in einer Menge von 5 ccm eine 12-sttind. Kultur des empfindlichen 
Kruse-Stammes R. I abgeschwemmt. Diese sehr dichte Emulsion kam 
30 Min. in den Brutschrauk und wurde dann 15 Min. lang scharf zentri- 
fugiert, wonach das uberstehende Lysat abgegossen wurde. Die Be- 
riihrung zwischen Bakterien und Virus betrug also 45 Min. Die ab- 
zentnfugierten Keime wurden dann mit physiol. NaCI Losung versetzt 
und wieder abzeutrifugiert. Von dem Zentrifugat kam nunmehr ein 
kleiner Teil einmal iu eine Bouillonmenge von 10 ccm, eine andere 
gleichgroBe Bakterienmenge wurde in 10 ccm physiol. NaCl-Losung ver- 
bracht. Von beiden Emulsionen wurde dann sogleich, ferner nach 1, 5 
und 7 Std. je eine Platinose auf eine Platte D r i ga 1 s k i - Agar abge- 
impft und sorgf&ltig mit dem Spatel verteilt. Die Abimpfung aus dem 
Bouillonrohrchen zeigte jetzt genau das gleiche Verhalten, wie wir es 
beim periodischen Versuch zu sehen gewohnt sind, d. b. fortlaufende 
Abnahme der Kolonienzahl bei gleichzeitiger Bildung von Flatterformen. 
dann scheinbare Sterilitat und anschlieBend Vermehrung der Keime. Die 
Abimpfungen aus der Kochsalzlosung-Bakterienemulsion aber ergab bei 
alien Abimpfungen ein ganzlich anderes Ergebnis, d. h. alle Platlen 
zeigten den gleichen iippigen Bakterienrasen, ohne daB darin auch nur 
irgendeine anormale P'orm sichtbar geworden ware. Der Unterschied 
beider Versuchsergebnisse ist in die Augen springend. — Wir habeu 
starke Wirkung iu Bouillon und Wirkungslosigkeit in NaCl-Losung. Das 
Versuchsinaterial d. h. die virusbeladenen Bakterien, ist beidesmal das 
gleiche; verschieden ist nur ihre Lebenstatigkeit in Bouillon und ihre 
Ruhe in Kochsalzlosung. Der Beweis, daB zur Vermehrung und Wir¬ 
kung des Virus nicht nur lebende, sondern lebende und in Fortpflanzung 
begriffene Bakterien erforderlich sind, schien uns hiermit erbracht. — 
Es blieb nun noch zu priifen, ob es die keimenden Bakterien selbst sind, 
welche das Nahrungsobjekt des Virus bilden, oder ob die Stoffwechsel- 
produkte der sich vermehrenden Bazillen, wobei die scheinbare AuflSsung 
der Bakterien nur ein sekunddrer Vorgang ist, zur Vermehrung des Virus 
allein geniigen. Zur Entscheidung dieser Frage wurde zundchst einesogen. 
Stoffwechselbouillon hergestellt, d. h. eine Bouillon, auf der 48 Std. lang 
der empfindliche Kruse-Stamm R. 1 gewachsen war, wurde filtriert. 
Zu 10 ccm dieses Filtrates kam 0,5 ccm Lysat Fla VII. Ein 2. Rohr- 
chen dieser Stoffwechselbouillon wurde auBer mit 0,5 ccm Lysat Fla VII 
noch mit durch mehrmaliges Erhitzcn auf 60° abgetoteten Keimen des 
Kruse-Stammes R. 1 versetzt. Die hier verwandte abgetotete Ruhr- 
kultur wurde vor Benutzung sorgfaltig auf Sterilitat gepriift. Nach 24 



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Reichert, Uctereuchungen liber das d’Herellesche Phanomen. 


243 


und 48 Std. Brutschrankaufenthalt erfolgte die Priifung beider Proben 
im Plattenversuch. Beide erwiesen sich dabei als vollkommen wirkungs- 
los. — Es genfigen also zur Vermehrung des Virus weder die Stoff- 
wechselprodukte des enipfindlichen Stamnies allein noch diese Produkte 
bei Anwesenheit toter Keime der lysiblen Kultur. — Wir zieben aus 
diesen Ergebnissen den SchluB, daB das Angriffs- und Vermehrungs- 
objekt des Virus lediglich die in Teilung begriffenen Bakterien sind, 
w&hrend auf den lebenden, aber ruhenden Bazillen keine Virusvermeh- 
rung stattfinden kann. Eine Virusvermehrung auf toten Keimen koinmt 
gar nicht in Betracht. — Nach Beendigung dieser Versuche fanden wir 
in der Literatur fiber den gleichen Punkt eine Angabe von Bail. Er 
stellt fest, daB nur die in Vermehrung befindliche Bakterienleibessubstanz 
durch ein d’H er el 1 e-Virus gelost wird. Seine Befunde decken sich 
also mit den unsrigen. 

Wir sprachen iin Vorhergehenden wiederholt von der Aufhellung 
der Bakterienemulsion durch ein d’Herelle-Lysat und mit Bezug auf 
diese Aufhellung von einer Auflosung der Bakterien als Ursache des 
Klarwerdeus. Bei dieser Darstellung schlossen wir uns der Deutung 
dieses Phanomens von d’Herelle und von den meisten anderen Autoren 
an, welche fiber diesen Vorgang gearbeitet hatten. — Die Beobachtung 
jedoch, daB eine durch Fla VII fast vollkommen geklSrte Bouillon- 
kultur von Kruse-Ruhr noch sehr zahlreiche unversehrte Keime auf- 
wies, veranlaBte uns, die Aufhellung als Folge einer vollkommenen 
Lbsung der Keime in Frage zu stellen. Wir hielten es nach dieser 
Feststellung fur notig, das Verschwinden der Bakterien in der sich 
kliirenden Bouillon einer Priifung zu unterziehen. Hierbei schien es 
nns nicht ausreichend, daB wir nur eine qualitative Probe ausiiihrten, 
durch die wir lediglich den Nachweis des Vorhandenseins Oder des 
Fehlens von Keimen in einer durch Viruswirkung aufgehellten Bouillon 
erbrachten. Es schien uns vielmehr erforderlich, zahlenmaBig genau die 
erwartete Veranderung der Bakterienzahl festzulegen. Die Voraus- 
setzung fQr dieses Unterfangen war der Besitz eines gut arbeitenden 
Zahlungsverfahrens fur Bakterien. Wir muBten aber bald einsehen, daB 
die beiden besten bekannten Methoden, d. h. das Kochsche Verfahren 
des PlattengieBens mit folgender Zahlung der Kolonien und die des 
Ausstreichens der Bakterien zusammen mit Erythrozyten zur Feststellung 
des relativen Mengenverhaltnisses beider Gebilde sich als ungeeignet er¬ 
wiesen. Das Platteverfahren war ungangbar, da es sich ja um die 
Feststellung mehr weniger geschadigter oder abgetoteter Keime handelte, 
und bei der Erprobung des 2. Verfahrens zeigte es sich, daB die roten 
Blutkorperchen unter der Wirkung des Farbungsvorganges sich teilweise 
vom Objekttrager losten, so daB an ein auch nur annahermles Konstant- 
bleiben ihrer Zahl bei den verschiedenen Ausstrichen nicht zu denken 
war. Das Haften der Erythrozyten lieB sich auch durch Beimengung 
von Blutserum zum Untersuchungsmaterial nicht verbessern. Wir halten 
daher diese Methode fur sehr wenig zweckmSBig. — Aus diesem Grunde 
sahen wir uns zundchst vor die Aufgabe gestellt, ein brauchbares Z5h- 
lungsverfahren auszuarbeiten. Nach liingerem Experimentieren — die 
zahlreichen Fehlschlage sollen unerwahnt bleiben — erwies sich nach- 
stehende Methode als brauchbar: Wir benutzten anstatt der, wie eben 
auseinandergesetzt. nicht verwendbaren Erythrozyten als MaBstab zur 
Feststellung der Menge der zu priifenden Bakterien eine 2. Bakterien- 
art. Die erheblichste Schwierigkeit, die sich der Ausfiihrung dieses Ver- 

16 * 


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244 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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fahrens in den Weg stellte, war einmal die kaum erreichbare vollkommen 
gleichmSBige V'erteilung der beiden Keimarten auf dem Objekttrager, 
und 2. die ganzlich verschiedene Farbung beider Arten, welche jede 
Verwechslung der als MaGstab dienenden Sorte und der zu zahlenden 
Sorte mit Sicherheit ausschloB. Besonders die Vermeidung jeder Haufen- 
bildung einer Keimart Oder auch nur die Gruppierung zu dichteren 
Arealen, die von diinner besetzlen unterbrochen wurden, lieB sich bei 
Verwendung eines ObjekttrSgerausstriches auch bei groBter Sorgfalt 
nicht erreichen. Solche UnregelinSBigkeiten stellten sich als Folge der 
Verdunstungsstrbmungen beim Eintrocknen stets ein. Eine gleichsam 
ideale Anordnung unter Vermeidung jeder Anhaufung war nur im fius- 
sigen Medium bei der Bedeckung eines Bakterienemulsionstropfens mit 
einem Deckglfischen erreichbar. Wir gingen deshalb endgultig folgender- 
maBen vor: Es erfolgte zunachst die Praparation der Vergleichsbakterien, 
zu denen wir eiuen Gasbrandbazillus Typ Fraenkel verwandten, auf 
folgende Art: 

1. Fraenkel-Kultur 12 Std. alt, mit Aqua dest. abgespult. 2. Dazu 
Karbolgentianaviolett aa frisch filtriert. 3. Aufkochen fiber der Flamme 
1—2 Min. 4. Abkiihlen und Abzentrifugieren. 5. AbgieBen der fiber- 
stehenden Flussigkeit und Autfiillen von Lugolscher Losung. 6. Er- 
warmen 5 Min. im kochenden Wasserbad. 7. Abzentrifugieren und Ab¬ 
gieBen der Lugolschen Losung. 8. Auffiillen von phys. NaCl-Losung 
und Abzentrifugieren. 9. AbgieBen der NaCl-Losung und Auflullen von 
dunnem Karbolwasser, so daB eine dichte Bakterienemulsion entsteht 
10. 15 Min. Schiitteln mit Glasperlen. 11. Filtrieren durch Glaswolie. 

Wir haben somit ein G r am - Verfahren an einer Bakterienemulsion 
ausgefiihrt. Die Fraen kelschen StSbchen erscheinen nach der FfirbuDg 
tief blaurot und geben an das Karbolwasser fast gar keine Farbe ab. 
Durch das Schiitteln mit Glasperlen wurden Klumpenbildungen zerstort 
und durch das Filtrieren durch Glaswolie etwa noch bestehende Hauf- 
chen zuriickgehalt’en. 

Zu einer bestimmten Menge dieser Standardbakterienemulsion (etwa 
3 Tropfen) kam nun eine bestimmte Menge der zu prufenden Bakterien¬ 
emulsion (etwa 6 Tropfen). Von diesem Gemisch wurden etwa 2 Normal- 
•osen auf einen gut gereinigten Objekttrager getupft. Der ObjekttrSger 
wurde jetzt umgedreht, so daB der Tropfen nach unten hing. Dann 
bertihrte man mit dem Tropfen ein bereit gelegtes, gut geputztes Deck- 
gliischen (18X18 mm). Die Flussigkeit verteilt sich jetzt sofort in 
einein feinsten kapillaren Spalt meist ohne Bildung von Luftblasen (beim 
Auftreten von-Luftblasen ist das Praparat ungeeignet) zwischen Objekt¬ 
trager und Deckglas. Die Verdunstung aus dieser kapillaren Kamera 
wird durch UmschlieBung der Bander mit etwa 20 proz. Gelatine ver- 
hindert. Hierzu taucht man einen Glasstab in den durch ErwSrmen 
flussigen Leim und streicht in einer Entfernung von 1—2 mm vom Deck- 
glasrand parallel mit ihm den Leimtropfen aus. Die Gelatine verbreitet 
sich jetzt iiber den Deckglasrand und spannt sich nach dem Eintrocknen 
(1—2 Std.) als feine Membran fiber die Seitenwande dieser Mikrokamera. 
Das fertige Praparat wird jetzt im Dunkelfeld betrachtet. Hier er¬ 
scheinen die gefarbten Keime der Standardlosung tief burgunderrot, 
wahrend die ungefarbten Bakterien hell aufleuchten. Die Mikroben be- 
wegen sich nicht von der Stelle, sie sind vollkommen gleichmSBig fiber 
4as ganze Praparat verteilt, eine Klumpenbildung ist auBerst selten. — 
Wir haben hiermit also unsere Forderungen d. h. genaue Unterscheid- 


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Reichert, Untersuchungen iiber das d'Herellesche Phanoinen. 


245 


barkeit beider Bakterienarten und vollkommen homogene Ausbreitung 
uber das Gesichtsfeld, ohne daB die Moglichkeit eiDer zablenmSBigen 
Verringerung der einen Oder anderen Art durch den FSrbungsprozefl 
besteht, erreicht. — Bei der Auszahlung bestimmt man nun in einer 
mOglichst groBen Anzalil von Gesicbtsfeldern die Zahl der roten (d. h. 
der geUirbten Testbakterien) und der weiBen (d. h. der ungefarbten, 
zahlenm&Big zu bestimmenden) Keime, und erreclinet dann den Durch- 
schnitt. Bleibt das numerische Verhaltnis beider Arten ungeandert, so 
ist auch die Zalil der zu prufenden Bakterien die gleiche geblieben. 
Andernfalls ergibt sich aus einer relativen Verminderung oder Ver- 
raehrung der weiBen, verglichen mit den roten, eine dementsprechende 
absolute Vermehrung oder Verminderung der zu priifenden Keime. 

Fflr unsere Zwecke wurde diese Methode in nachstehender VVeise 
angewandt: zu 2 ccm Lysat Fla VII kamen 2 Tropfen einer sehr dichten 
Kochsalzemulsion des empfindlichen K ruse-Stammes. Mit dieser Ly¬ 
satemulsion wurde ein periodischer Versuch angestellt und gleichzeitig 
bei jeder Abimpfung eine Ausz&hlung der Ruhrbakterien vorgenommen. 
Das Ergebnis zeigt nachstehende Tabelle I. 


Tabelle I. 


Zeit der Abimpfung 
nach Zusatz des Viru»| 

Wachstum auf der Platte 
(Platte 18 cm Durchmesser) 

Ergpbnis der 
Zahlung 

Kontrolle vor Zusatz 
des Virus 

dichter Bakterienrasen 

1/1.26 

2 Std. 

Zentruni steril. Randpwtien mit 
sparlich stehenden N.- und Fl.- 
Formen bewachsen 

i = 1/I ’ 37 

6 , 

etwa 250 Fl.-Formen 

' = 1/1.28 

w 

8 n 

steril 

v= 1 / 1 ' 7 

24 , 

steril 

! -L = i/i,- 

w 


r = rote Bakterien der Standardbaktericnemulsion, w = Ruhrbakterien. 


Wir sehen, daB sich das zahlenmSBige Verhaltnis der weiBen und 
tier roten Keime praktisch wahrend des ganzen Versuches nicht andert, 
woraus ein weitgehendes Konstantbleiben der Menge der Ruhrkeime 
hervorgeht. Trotzdem ist nach etwa 8 Std. Viruswiikung Sterilitat ein- 
getreten und gleichzeitig eine fast vollkommene Authellung der vorher 
stark getriibten Lysatemulsion zu beobachten. Dieses Ergebnis ist von 
prinzipieller Bedeutung, denn es zeigt uns, daB die Auflosung der Keime 
kein notwendiger Vorgang fur die Wirkung und Vermehrung des Virus 
ist sondern offenbar nur ein sekundarer. Dieser Versuch 18Bt uns aber 
auch eine sehr merkwtirdige optische Erscheinung wahrnehmen, denn 
die anfanglich trtibe Lysatemulsion, deren Triibung (lurch die Bakterien- 
leiber verursacht war, hellt sich auf, ohne daB die Keime verschwinden. 
Die Licbtstrahlen konnen in diesem Stadium also fast ungehindert pas- 
sieren, sie werden nicht mehr absorbiert, reHektiert oder zerstreut (ge- 
beugt). Die Bakterien entziehen sich damit der makroskopischen VVafir- 
nehmung. Trotzdem sind im Dunkelfelde und auch im Ilellfelde, wie 


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246 


Oentralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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uns dementsprechende Untersuchungen zeigten, diese durch Lysatwirkung 
beeinfluBten Bakterien genau so gut erkennbar wie unbehandelte. Wir 
vermogen ffir diese hfichst eigenartige optische Erscheinung keine aus- 
reichende Erklfirung zu geben und wollen uns von anfechtbaren Hypo- 
thesen fernhalten. So viel aber last sich wohl sagen, daB der Vorgang 
den Eindruck erweckt, als wiirden die Keime ausgelaugt, so daB ihre 
Transparenz zunimmt. — Als wir den eben geschilderten Versuch noch 
mit einem anderen Virus (U 15. 9), das groBe Wirksamkeit gegen einen 
Coli-Stamm (Coli 717) besitzt, wiederholten, konnten wir nach an- 
fanglicher morphologischer Unversehrtheit der Bakterien ein ziemlich 
plotzliches spurloses Verschwinden derselben feststellen. Diese Auf- 
lfisung fiel zeitlich mit der Aufhellung der Lysatemulsion und der Ste- 
rilitat der beimpften Flatten zusammen. Hier spielt sich zweifellos eine 
vollkommene Lysis ab. Dieser Vorgang ist aber, wie uns die 1. Beob- 
achtung lehrt, kein bei alien Lysaten eintretender. Wir mfissen ihn 
daher wohl, wie wir schon oben erwahnten, als einen fur die Wirkung 
des Virus und die Vermehrung des d’Herelleschen Agens nicht un- 
bedingt notwendigen bezeichnen. 

Wenn uns auch alle die bisher beschriebenen Beobachtungen und 
die daraus abgeleiteten Erkenntnisse und Regeln einen gewissen Ein- 
blick in die Wechselbeziehungen des Virus und der Bakterien erfiffnen, 
so sind sie doch nicht dazu angetan, ein entscheidendes Urteil fiber die 
Herkunft des Agens und damit fiber seine Wesensart zu ermoglichen. 
Wenn aber irgendeine Erfahrungstatsache geeignet sein dfirlte, zur 
Aufhellung der Natur dieses ratselhaften Korpers beizutragen, so mufi 
es die Kenntnis seiner Herkunft sein. Nach der von d’Herelle vor- 
getragenen Ansicht handelt es sich bei unserem Virus um einen ziem¬ 
lich ubiquitar vorkommenden Parasiten aller moglichen Bakterienarten. 
Er soil sich auBer ini Stulil von Mensch und Tier auch in Sflmpfen, 
FluB- und Meerwasser befinden. Diese Auffassung des Virus als eines 
Parasiten der Bakterien steht die Meinung von Otto und ganz beson- 
ders die von Jot ten gegenfiber, welche behaupten, das Virus sei aus 
den Bakterien gewinnbar nicht im Sinne eines den Keimen anhaftenden, 
von ihnen isolierbaren Freindkorpers, sondern als eine vom Bakterien- 
leibe abstammende ferment- Oder lysinfihnliche Substanz. Jotten will 
dementsprechend das Virus aus zahlreichen alten Bakterienkulturen ge- 
wonnen haben und spricht auf Grund seiner Deutung von der Autolyse 
der Bakterien. Diese Ilypothese von Jotten hat nun im Falle ibrer 
Richtigkeit prinzipielle Bedeutung, insofern sie die Mfiglichkeit des 
parasitaren Characters des Virus d. h. die Moglichkeit daB wir es mit 
einem auf Kosten der lebenden Bakterien sich vermehrenden Organis- 
mus zu tun haben, ausschlieBt, wahrend sie demgegenfiber die Ferment- 
natur des Agens d. h. seine Unbelebtheit als gesichert erweisen wflrde. 
Wir sehen, daB hier die Frage nach dem Ursprunge des Virus mit der 
Frage nach dem Wesen unseres LTntersuchungsobjektes zusammenfillt- 
Es schien uns daher ein unerlaBliches Erfordernis, die von Jotten 
vertretene Ansicht durch entsprechende Experimente nachzuprflfen. 

Jotten beschreibt 3 Verfahren, die er zur Gewinnung seiner Lysate 
aus den Bakterienleibern verwandte, und die er ffir beweisend fur die 
Autolysatnatur resp. Lysinnatur des Virus halt. Erstens hielt er sehr 
dichte Bouillonabschwemmungen von Bakterien 8—24 Tage im Brut- 
schrank, filtrierte dann und erwSrmte das Filtrat V 2 Std. auf 56 • 
Zweitens versetzte er solche Bakterienabschwemmungen, nachdem sie 



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Reichert, Untersuchungen uber das d’Hereliesche Phanomen. 


247 


1 Std. auf 56° erhitzt waren, mit Trypsin (0,1 Proz.) und gewann dann 
schon nach 3 Tagen Brutschrankaufenthalt die Lysate auf die gleiche, 
wie eben beschriebene Weise. Drittens nennt er einen Fall, bei dem 
eine Pseudodysenteriekultur 1 Std. auf 80° erwSrmt wurde und nach 
Behandlung mit 1-proz. Trypsin bei gleichzeitigem 7-tSg. Brutschrank¬ 
aufenthalt ein schwach wirksatnes Virus ergab, das nach einigen Passagen 
fiber den empfindlichen Bakterienstamm starker wurde. 

Wir wollen nun zunachst unsere diesbezflglichen Beobachtungen 
beschreiben und dann auf die Angaben JSttens zurOckkommen. — 
Wir veriinpften 11 verschiedene BakterienstSinme, einige davon mehrere 
Male, auf Bouillon und lieBen diese Kulturen 26—360 Tage ira Brut- 
schrank stehen. Diese Bouillonkulturen wurden dann filtriert (durch 
Berkefeld-Filter) und die Filtrate im Plattenversuch stets gegen den 
Eigenstamm und auBerdem gegen eine Kruse-Ruhr (R I), Typhus- 
stamm, Paratyphus B-Stamm, Fleischvergifterstamm Breslau, Y Ruhr- 
stamm, Flexner-Ruhrstamm und Coli-Stamm 717 auf Wirksamkeit 
mehrmals geprflft. Eine Tabelle gibt flber die Art des Stammes, die 

Tabelle II. 


. . j __ Zeit der Emulsion 

Art des Stammes ^ Brutschrank 

Im Plattenversuch gepriift 
gegen Stamme 

Ergebnis 

Nr. 1 

95 Tage 

K Ruhr, Ty, Para Ty B, Fleisch- 

iiberall neg. 

Kruse-Ruhr 

vergifter, Y-Kuhr, Flexner- 

Nr. 2 

1 

Ruhr, Coli 717 


F1 e x n e r - Ruhr 

42 und 88 Tage 

ebenso 

dgl. 

Nr. 3 
Y-Ruhr 

45 Tage 

ebenso 

' 

yi 

Nr. 4 

46 „ 

ebenso 

it 

Typhus Nr. 1 




Nr. 5 

28 „ 

ebenso 

ty 

Paracoli 631 




Nr. 6 

49 „ 

ebenso, dazu Typhus 863 

yi 

Typhus 863 




Nr. 7 

Coli 348 

54 „ 

ebenso, dazu Coli 843 

y» 

Nr. 8 

Coli D. 

366 „ 

ebenso, dazu Coli D. 

yi 

Nr. 9 

76 „ 

ebenso 

wirksam ge¬ 

Coli 717 



gen K- Ruhr, 


1 


Ty, Fleiseh- 
vergifter, Y- 




Ruhr 

Nr. 10 

Coli 717 

26 „ 

| 

ebenso 

1 

iiberall neg. 

Nr. 11 

Coli 717 

48 „ 

ebenso 

•> 

Nr. 12 

31 „ 

ebenso, dazu Coli 82 weiG und 


Coli 82 weiG 


rot 

» 

Nr. 13 

31 „ 

ebenso, dazu Coli 82 weiG und 

wirksam ge¬ 

Coli 82 rot 

1 

1 

1 rot 

gen 82 rot, 
Ty, Fleisch- 


vergifier 



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248 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

Dauer seines Aufenthaltes im Brutschrank und die lytischen Fahigkeiten 
des gewonneneu Filtrates Auskunft (Tab. II). 

Wir sehen, daB der Flexner-Ruhrstamm 2mal und der Coli- 
Stamm 717 3mal angesetzt und gepruft wurden. 

Die Tabelle ergibt weiter, daB wir unter den 11 Stammen 2 positive 
Resultate hatten, d. h. daB wir 2mal wirksame Lysate gewannen. Das 
ist bei Coli 717 uud bei Coli 82 rot der Fall. Diese beiden Stamme 
aber zeigen vom Augenblick ihrer Kultivierung aus dem eingesandten 
Material an Besonderheiten, die wir genau erortern nnissen. 

Coli 717 stammt aus einem Urin, der uns am 7. Sept. 1922 zur 
Untersuchung auf Bakterien eingesandt wurde. Die Drigalski-Agar- 
platte, auf welche er ausgestrichen wurde, zeigte nack 16 Std. Brut- 
schrankaufenthalt eine groBere Anzahl von C o 1 i - Kolonien, die sich teils 
als typische Flatterformen erwiesen, teils normal aussahen. Die Flatter- 
formen wurden auf einige Bouillonrohrchen verimpft, welche sich ini 
Brutschranke triibten und deren Inhalt dann filtriert wurde. Das Filtrat 
(U. 15 9 genannt) zeigte im Plattenversuch sehr starke W’irksamkeit 
gegen Coli 717 und sehr schwache gegen den Kruse-Ruhrstamm R 1 
und gegen Fleischvergifter Breslau. Fortgesetzte Passagen auf Coli 717 
anderten an der Wirksamkeit des Virus nichts. Eine der auf der 
D rigal ski- Agarplatte, welche mit dem eingesandten Urin beschickt 
war, entstandenen Normalformen wurde auf Bouillon verimpft und 
blieb so 76 Tage im Brutschranke (Nr. 9 der Tab. II). Das am 76. Tage 
gewonuene Filtrat (717 f genannt), zeigte im Plattenversuch starke Wirk¬ 
samkeit gegen Typhusbakterien, K r u s e-Ruhrbakterien, Y-Ruhrbakterien 
und Fleischvergifterbakterien Breslau, aber niemals trotz immer er- 
neuter Versuche gegen den Eigenstamm Coli 717! — Nachdem eine 
von der Ausgangsplatte gewonnene Normalform, die wir als Coli 717 
bezeichnen, 10- resp. 20mal iiberimpft war, wurden auch Bouillonkul- 
turen von ihr in den Brutschrank gestellt und nach 26 resp. 48 Tageu 
tiltriert (Nr. 10 und 11 der Tab. II). Die Filtrate dieser Kulturen 
blieben gegen alle Stamme, gegen die sie erprobt wurden, vollkommen 
wirkungslos. 

Wir haben bier also einen Stamm vor uns (Coli 717) v der bei Ge- 
winnung aus der Korperflg|sigkeit Flatter- und Normalformen bildet. 
Die Flatterformen erweisen sich als mit Virus behaftet. Eine alte 
Bouillonkultur derjenigen Normalform, welche der 1. Generation des 
dem Korper entnommenen Bakterienstammes angehort, zeigt sich eben- 
falls virushaltig. Dies Virus aber unterscheidet sich von dem aus der 
Flatterform gewonnenen dadurch, daB es gegen den Eigenstamm un- 
wirksain erscheint, wahrend das aus der Flatterform geziichtete Virus 
gegen Coli 717 hochste Wirksamkeit besitzt. Wir werden auf diesen 
Puukt spater noch genauer eingehen. Die mit spateren Generationen 
der Normalform dieses C o 1 i - Stammes angesetzten Kulturen aber er¬ 
weisen sich als virusfrei. Die Tatsache nun, daB lediglich die aus der 
1. Generation stammende, aus einem Virus - beladenen Urin hervor- 
gegangene Normalform befahigt war, ein Virus abzugeben, wahrend die 
spateren Generationen, die in keine Beriihrung mit virushaltigem Material 
mehr gekommen waren, kein wirksames Lysat mehr lieferten, ist nur so 
zu deuten, daB die Normalform der 1. Generation virusbehaftet war und 
lediglich dieses Virus nach seiner Vermehrung aus der Bouillon ge - 
wonnen wurde. Die spateren, aus virusfreier Umgebung stammenden 
Kulturen aber waren virusfrei und vermochten daher auch kein wirk- 



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Reichert, Untersuchungen iiber das d’Herellesche Phanomeu. 


249 


sames Agens an die Bouillon abzugeben. DaB hier eine Entstehung 
durch Autolyse in Betracht kommt, laBt sich wohl nicht behaupten, denn 
warum sollte lediglich die Normalform der 1. Generation der Autolyse 
•verfallen und die sp&teren Generationen unter vollstandig gleichen Be- 
dingungen nicht mehr dazu befahigt sein? 

Bei dem Coli-Stamm 82 rot liegen die Verh&ltnisse ganz ahnlich. 
Die Vorgeschichte des hier gewonnenen Lysates ist folgende: Eine zur 
Untersuchung auf Typhusbakterien eingesandte Stuhlprobe ergab nach 
dem Ausstreichen auf E n d o - Agar zahlreiche Coli- Flatterformen. AuBer 
diesen Flatterformen fanden sich noch 2 Co 1 i-Normalformenarten, die 
sich dadurch unterschieden, daB die einen stark gerotet waren, also offen- 
bar reichlich S&ure gebildet hatten, w&hrend die andere Dur eine schwache 
Rotung aufwies (Coli weiB). Wir glaubten daher, 2 verschiedene Coli- 
Stamme, die sich durch ihr S&urebildungsverm6gen unterschieden, vor 
uns zu haben. Die Flatterformen schienen alle dem guten Sdurebildner 
(82 rot genannt) anzugehoren. Von den Flatterformen wurden 5 auf 
5 Bouillonrohrchen verimpft. Davon blieben 4 steril und eine trQbte 
sich. Alle 5 wurden zusammengegossen und die Bouillonkulturen fil- 
triert. Das so gewonnene Filtrat zeigte, im Plattenversuch gepriift, nach- 
stehende Wirksamkeit: 


T a b e 11 e. 


Coli 82 
rot 

Coli 82 
wcifi 

Kruse- 

Ruhr 

Typhus 

Pnra- 
tvphua B 

Fleisch- 

vergifler 

Y-Ruhr 

F1 e x n e r - 
Ruhr 

+ + + + 

+ + + 

— 

!++++ 

— 

! ++ 

+ + + 

— 


Das Wichtigste ist seine starke Wirkung gegen Coli rot und seine 
deutlichschwachere gegen Coli weiB. — Die Normalformen beider Coli- 
Arten wurden weitergeziichtet und die 2. Generation auf Bouillon, die 
31 Tage im Brutschrank blieb und dann filtriert wurde, verimpft (Nr. 12 
und 13 der Tabelle Nr. 2). Das Filtrat des Stammes 82 weiB erwies 
sich als unwirksam, w£hrend das von 82 rot folgende Eigenschaften 
zeigte: 

Tabelle III. 


Coli 

82 rot 

Coli 1 Kruse- 
82 weiB Ruhr 

Typhus 

Fleisch- 

vergifter 

F' 1 e x n e r - 
Ruhr 

G-Ruhr 

+ + + + 

l 

± 

± 

— 

— 


Wir sehen hier wieder, daB die aus einem virusbeladenen Medium 
stammende Normalform von 82 rot, eines Stammes, der gegen das im 
Stuhl betindliche Virus besonders empfindlich ist, in 2. Generation zur 
Gewinnung eines wirksamen Lysates geeignet ist. Die Normalform von 
82 weiB aber, eines Stammes, der weniger empfindlich gegen das Virus 
der Stuhlprobe ist, laBt kein wirksames Lysat mehr abtiltrieren. Der 
Vorgang ist auch hier klar. Die Normalform von rot ist in 2. Gene¬ 
ration ihrer groBen Empfindlichkeit gegen das vorhandene Virus wegen 
noch virusbeladen. Sie gibt dem Agens Gelegenheit zur Vermehrung 
und gestattet seine Wiedergewinnung aus der Bouillonkultur. Die Nor¬ 
malform von weiB aber ist erheblich weniger empfindlich gegen das 
Virus des Stuhles und daher auch fruher d. h. schon in 2. Generation 
virusfrei. Somit kann aus ihrer Bouillonkultur auch kein wirksames 


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Agens mehr gewonnen werden. Weist dieser Vorgang auch nur im 
geringsten auf eine Autolyse durch ein von den Bakterien abstammendes 
Autolysin hin? 

Wir fassen zusammeu: Bei II Stammen gelang es uns, aus alten 
Bouillonkulturen 2mal wirksame Lysate zu gewinnen, wahrend es 9mal 
nicht moglich war. Die beiden Siamme, bei denen ein Virus erschien, 
kanien unmittelbar aus virusbeladener Umgebung. Bei den anderen 
9 Stammen, die schon viele Generationen auf virusfreiem Nahrboden 
gewachsen waren, fand sich kein wirksames Lysat. 

Was spricht nun dafiir, den wirksamen Korper der d’Herelle schen 
Filtrate fQr ein Autolysin zu erklaren? Wir glauben, daB aus den mit- 
geteilten Versuchen nichts dafiir, aber sehr Gewichtiges dagegen spricht. 
Es ist namlich in keiner Weise verstandlich, warum sich ein Autotysin 
nicht stets bilden sollte, sofern die Bedingungen, unter denen die Bil- 
dung des so benannten Korpers mehrfach beobachtet wurde, vorliegen. 
Warum bleibt die Produktion dieses Fermentes nur ganz wenigen 
Stammen vorbehalten? Wodurch unterscheiden sich diese wenigen zur 
„Autolyse“ befahigten Stamme von den anderen, die dazu nicht geeignet 
sind? Es scheint uns, daB auf diese Fragen die Anhanger der J611en- 
schen Theorie wohl kaum eine befriedigende Antwort geben konnen. 
Sodann wird die Autolysintheorie durch die Tatsache widerlegt, daB ein 
wirksames Lysat nur bei den Stammen entstand, die zweifellos kurz 
vorher vor ihrer Verarbeitung mit einera Virus in Beriihrung waren. 
wahrend die aus virusfreier Umgebung stammenden kein Lysat ergaben. 
Endlich zeigte das von der Normalform des Co li-Stammes 717 gewon- 
nene Filtrat keinerlei Wirksamkeit gegen den Stamm, von dem es ge¬ 
wonnen war. Es miiBte hier also ein Autolysin vorliegen, das den Or- 
ganismus, der es angeblich produzierte, gar nicht zu lysieren vermochte. 
Dies scheint uns doch allzu unbegreiflich zu sein. 

Nach Feststellung dieser Tatsachen kommen wir auf die vorher ge- 
nannten Versuche Jottens zuriick. DaB es Jotten nach einer 8- bis 
24tagigen Brutschrankbehandlung bei einer Anzahl von Stammen mog¬ 
lich war, wirksame Filtrate zu gewinnen, beweist jetzt nichts mehr fur 
die Natur dieser Lysate als autolytische Fermente. Die Kulturen, bei 
denen Jotten das Experiment gelang, waren lediglich Mischkulturen 
im Sinne d’Herelles. Unter Mischkulturen versteht d’Herelle solche 
virusbehafteten Stamme, bei denen sich die Angriffsstoffe des Agens 
und die Abwehrstoffe der Bakterien das Gleichgewicht halten, so daB 
eine Vermehrung des Virus eintritt, ohne daB dadurch eine Vernichtung 
der Bakterien erfolgt. Es hat nun die Annahme, daB sich unter alten 
und frischen Stammen nicht selten solche Mischkulturen befinden. ohne 
daB das Vorhandensein des Virus erkannt wird, nichts Befremdliches: 
denn die Gegenwart des Virus wird erst manifest, sobald wir es durch 
Filtration von den Bakterien trennen. Und das hat Jotten lediglich 
bei seinen Versuchen getan. Die 2. Versuchsanordnung, bei der Jotten 
seine Kulturen vor der Brutschrankbehandlung 1 Std. auf 56° erwarmte 
und dann mit Trypsin versetzte, beweist in keiner Weise die vorherige 
Vernichtung eines den Keimen event, anhaftenden Virus und damit die 
Entstehung des spater hervortretenden Agens aus der Bakteriensubstanz. 
Wir wissen, daB die d’Herelle schen Filtrate Temperaturen bis 75 0 ver- 
tragen (Otto), ohne abzusterben. Auch der eine Fall einer Pseudo- 
dysenterie, die vor ihrem Brutschrankaufenthalt 1 Std. auf 80° erwarnit 
wurde, hat keine groBe Beweiskraft, denn unsere Ivenntnisse liber das 


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251 


iFHerellesche Agens sind bei weitem noch nicht so weit gediehen, 
daB wir mit Sicherheit behaupten konnten, daB jeder Bakteriophage 
durch Erwarmen auf 80° abgetotet wird. Ferner zeigt die Tatsache. 
daB das auf die genannte Art gewonnene Filtrat anfangs sehr schwach 
war, wahrend es nach einigen normalen Passagen erbeblich an VVirk- 
sarakeit gewann. daB es aus einem Medium stammte, welches ihm in 
keiner Weise zusagte und eine Vermehrung wohl kaum ermoglichte. Wie 
soil aber eine Versuchsanordnung die Entstehung dieses Kbrpers aus 
dem Bakterienleib herbeifuhren oder begunstigen. wenn sie sich un- 
gunstig fUr die Existenzanspriiche dieses Kbrpers erweist? Jotten 
hatte seinen Dysenteriestamm, bevor er ihn der Behandlung mit Warme 
und Trypsin aussetzte, genauestens priifen miissen, ob er frei von Virus 
ist. Erst dann, wenn der genannte Stamm vor der geschilderten Pro- 
zedur frei von Virus war, hinterher aber virushaltig, erst dann hatte 
dieser Versuch Beweiskraft gewonnen. Jetzt aber scheint uns die Deu- 
tung, daB hier ein dem betr. Stamm anhaftender Bakteriophage die ge- 
schilderte Prozedur unter erheblicher Schadigung iiberstand, viel uber- 
zeugender. — SchlieBlich will Jotten seine Theorie noch dadurch 
stfltzen, daB es ihm gelang, die Lysate auf Bakterienemulsionen, die mit 
einer Temperatur von 56 0 vorbehandelt und dadurch angeblich abge- 
tStet waren, weiter zu ziichten. Wie lange diese Erwarmung der Bak- 
terien auf 56° erfolgte, sagt Jbtten nicht. Er sagt auch nichts von 
einer SterilitatsprUfung dieser abgetoteten Emulsionen vor ihrem Ge- 
brauch zur Bakteriophagenziichtung. Folglich erscheint es uns nicht 
nur moglich, sondern sogar wahrscheinlich, daB die abgetoteten Emul¬ 
sionen von Jotten einzelne lebende Keime enthielten, welche sich in 
den dichten Bakterienaufschwemmungen vermehrten (vgl. Ficker) und 
die dann dem Virus zur Nahrung dienten. — Wir verweisen hier auch 
auf die Angaben von Kuttner und Kabelick, die beide benchten, 
daB abgetotete Kulturen nicht gelost werden. ■ 

Doch ist bei der Beurteilung der Ansicht Jottens noch weiteres 
zu beachten. Nach ihm muB der Bakteriophage (Autolysin) unterschieds- 
los tote und lebende Bakterien auflosen und sich auf ihnen vermehren 
konnen, denn das Wachstum auf toten Bakterien hebt Jotten aus- 
drficklich hervor. Die Vermehrung auf lebenden setzt er wohl als selbst- 
verstandlich voraus. Sie liiBt sich wohl auch nicht bestreiten, da der 
Vermehrungsvorgang des Virus in der Norm hauptsSchlich in den ersten 
6—8 Std. auf ganz jungen Kulturen erfolgt (d’Herelle hebt immer 
wieder die bessere Eignung junger Keime als die alter hervor), wo sich 
wohl kaum abgestorbene Exemplare in irgendwie nennenswerter Anzahl 
linden. Solch ein Ferment oder Bakteriolysin aber miiBte jede Kultur 
empfindlicher Bakterien, gleichgiiltig ob sie aus lebenden oder toten Keimen 
besteht, auflosen. Diese unerliiBliche Forderung steht jedoch im st&rksten 
Widerspruch mit der von uns schon friiher hervorgehobenen Tatsache, 
daB virusbeladene aber ruhende Kolonien niemals vom Bakteriophagen 
angegriffen werden. Sie widerspricht auch der Tatsache, daB sich ein 
Lysattropfen in einem dichten Bakterienrasen niemals weiter ausbreitet, 
als bis dorthin, wohin er nach dem Auftropfen verlief. W T are er ein 
sich vermehrendes Lysin, so miiBte er sich, da er mit den RSndern 
allenthalben an die von ihm losbaren Korper anstoBt und sich dabei 
vermehrt, fortgesetzt weiter verbreiten. Das kommt aber, wie gesagt, 
nie vor. 


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Wir kommen also auf Grund unserer eigenen Versuche und auf 
Grund einer kritischen BetrachtuDg der Experimente Jottens zu dem 
SchluB,daB die Deutung des d ’Here 1 leschenPhhnomensals autolytischen 
Vorgang strikt abzulehnen ist. Wir miissen vielmehr der Ansicht, daB 
•der Bakteriophage lediglich ein Ferment Oder ein fermentahnliches Ge- 
bilde Oder ein in der Bakterienzelle praformierter oder ein bei ihreru 
Untergang entsteliendes Zerfallsprodukt sei, mit aller Entschiedenheit 
ontgegentreten. Es liegt kein von der toten oder lebenden Bakterien¬ 
zelle herstamniender Stoff vor sondern ein Fremdkorper, der auf die 
Mikroben einwirkt. — Diese Erkenntnis setzt die Tatsache der Ver- 
mehrungsfahigkeit des Virus, die von niemand bestritten wird, bei gleich- 
zeitiger Beriicksichtigung seiner korpuskularen Gestalt — die Grunde 
hierfiir werden im nachstehenden Abschnitt dargelegt werden — in ein 
besonderes Licht. Sie zwingt uns zu dem SchluB, daB das Agens im- 
stande sein mufi, Bestandteile der Bakterienzelle oder des Nahrbodens 
oder beider in korpereigene Substauz umzuwandeln. Denn nur aus 
einem der beiden genannten Substrate oder aus beiden kann das Material 
ffir die neu entstehenden Virusmengen stammen. Der Bakteriophage 
ist also der Assimilation fahig. Wurde jedoch fortgesetzt nur Ansatz 
korpereigener Substanz ohne Abbau derselben oder ohne Abbau von 
lediglich zu Kraftleistungen aufgenommenen Stoffen stattfinden, so ware 
os unverstandlich, woher der Bakteriophage die Energie zur Zerstorung 
der Bakterienzelle — sei dies nun eine mechauische oder fermentative 
Leistung — nehmen sollte. Hierzu muB das Virus vielmehr hochwertige 
Korpersubstanz oder Reservestoffe abbauen und ausscheiden. Auch 
mflBte bei fortgesetzter Anlagerung von Substanz ohne Abgang davon 
die GroBe des Bakteriophagen etwa wie die eines Kristalles dauernd 
zunehmen, so daB er bald mikroskopisch sichtbare Dimensionen erreicht 
haben wurde. Denn daB ein unaulhorlicher gleichzcitiger Zerfali die 
GroBenzuuahme durch Ansatz wieder auflieben sollte, wiirde eine voll- 
kommene Ausnahme im physikaliscen Geschehen bedeuten. Weder ein 
wachsender Kristall zerfallt fortgesetzt, noch zerl'allen kolloidale Teil- 
chen, die durch Ausflockung d. h. ZusammenflieBen mehrerer an GroBe 
zunahmen, solange nicht die physikalisch-chemische Zusammensetzung 
des umgebenden Mediums grundlegend geandert wird. Das Virus muB 
also auch dissimilieren. Das bedeutet aber, daB der Bakteriophage eines 
Stoffwechselvorganges fahig ist. Wir legen auf diese Fest- 
stellung besonderen Wert, da sie zur abschlieBenden Beurteilung der 
Wesensart des Agens von weittragender Bedeutung ist. Bevor wir jedoch 
zu endgiiltigen Schlussen in dieser Richtung schreiten, sind noch weitere 
Untersuchungen erforderlich. 

Das Lysat 717 f (gewonnen nach 76-tagigem Brutschrankaufenthalt 
•des Coli 717), welches uns schon einmal wichtige Dienste geleistet 
hatte, erwies sich zur Eroffnung noch anderer Erkenntnisse als ge- 
eignet. Das genannte Filtrat wurde in 6 verschiedenen Rohrchen, 
von denen jedes eine Menge von 10 ccm enthielt, 2 Mon. lang auf- 
bewahrt. Dann wurde jede Lysatabfullung erneut auf Wirksamkeit 
gegen Coli 717, Typhusbakterien, Fleischvergifterbakterien, Para- 
typhus B-Bakterien, Y- und Flexner-Ruhrbakterien geprflft. Diese 
Untersuchung ergab das nicht erwartete, in nachstehender Tab. IV 
niedergelegte Ergebnis. 



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Reichert, Untersuchungen fiber das d’Herellesche Phanomen. 


253 


Tabelle IV. 


Coli 

717 

Kruse- 

Ruhr 

Ty¬ 

phus 

Para- 
typhus B 

Fleisch- 

vergilter 

Y- 

Ruhr 

Flex- 
ii er-Ruhr 

Nr. des 
Lysat- 
rohrchens 

Tag der 
Unter- 
suchung 

_ 

+ 

1 

+ 


|_ 

+ 


2 

1 8. Dez. 1922 

— 

+ 

db 

_ 

— 

— 


3 

18. Dez. 1922 

— 

+ 

— 

— 

| - 

+ 


4 

18. Dez. 1922 

— 

+ 

+ 

— 

+ 

_ 


5 

19. Dez. 1922 

— 

+ 

— 

— 

+ 

— 


6 

20. Dez. 1922 

— 

4- 

+ 

— 

+ 

— 

— 

7 | 

21. Dez. 1922 


Man erkennt aus dieser Tabelle, daB die einzelnen Abffillungen des 
Filtrates an den einzelnen Tagen verschiedene VVirkungsbreite besitzen, 
d. h. daB sie gegen mehrere oder wenigere der geprflften Stfimme 
lytische Fahigkeiten aufweisen. Dieser Ausfall ist mit der Tatsache, daB 
alle RShrchen das gleiche Lysat enthalten, scliwer vereinbar. Es er- 
weckt den Eindruck, als batten sich die einzelnen Abfullungen in ihrer 
Zusammensetzung geiindert. Das klingt aber auch nicht wahrscheinlich. 
Daher muB noch eine andere Mfiglichkeit ins Auge gefaBt werden. 
Nehmen wir an, daB das Virus in den einzelnen RQhrchen unverfindert 
geblieben ist, und daB der Grund fur den verschiedenen Ausfall an den 
einzelnen Tagen in einem Wechsel der Empfindlichkeit der Stfimme zu 
suchen ist, von denen ja jedesmal neue Generationen zum Versuch ver- 
wandt wurden, so mtiBte bei der Prfifung von Typhusbakterien, Fleiscb- 
vergifterbakterien, Y-Ruhrbakterien am gleichen Tage mit alien 
Lysaten bei alien Proben durchweg ein positiver oder negativer Ausfall 
eintreten, je nachdem die geprufte Generation des betreffenden Stammes 
am Versuchstage empfindlich war oder nicht. Ergibt sich bei dieser 
Versuchsanordnung jedoch, daB die einzelnen Lysate wiederum den ge- 
nannten StSmmen gegenfiber in gleicher Weise, wie in der Tab. IV mit- 
geteilt, teils VVirksamkeit teils keine besitzen, so mfissen wir annehmen, 
daB die einzelnen Abffillungen in ihrer Zusammensetzung verschieden 
geworden sind, wahrend die Stfimme keinen Wechsel der Empfindlichkeit 
besitzen. Beobachten wir jedoch als 3. denkbaren Ausfall des in Aus- 
sicht genommenen Versuches eine wieder gfinzlich neue Wirkungsbreite 
der einzelnen Lysate .derart, daB sie weder durchgangig positiv oder 
negativ bei Typhusbakterien, Fleischvergifterbakterien und Y-Ruhrbak- 
terien oder gleichsinnig mit den Ausffillen der Tab. IV reagieren, SO' 
ist nur nachstehende Erklarung moglich: Die Filtrate der einzehien 
Rohrchen enthalten korpuskulare Elemente, welche die wirksamen Be- 
standteile sind. Der verschiedene, vollkommen regellose Ausfall bei 
den einzelnen Prufungen kann einmal dadurch herbeigefuhrt werden, 
daB man bei geringer Anzahl der Viruskorperchen das eine Mai mit 
der Platinfise einige derselben erfaBt und das andere Mai nicht. Oder 
die Verhfiltnisse liegen so, daB zwar sehr zahlreiche kleinste Virustrager 
vorhanden sind, so daB sich in jedem Tropfen eine erhebliche Anzahl 
derselben befindet; doch sind diese Korperchen untereinander verschieden 
in ihrer spezifischen Wirksamkeit. In diesem Falle wfirde bei negativem 
Ausfalle des Versuches diejenige Art, welche gegen den betreffenden 
Stamm wirksam ist, in dem Lysattropfen gefehlt haben. — Betrachten 
wir nun nach diesen Ueberlegungen die Tabelle, welche fiber den Aus- 


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fall der genannten Versuchsanordnung, d. h. Priifung aller Lysat- 
abfiillungen gegen denselben Stand am gleichen Tage Auskunft gibt 
(Tab. V). 


Tabelle V. 


2 

3 4 

I 1 

5 6 

i 1 

.... Nr. des 

7 Geprufter Lyratrihr- 

!5tamm ; chens 

4-4- 
+ + + 

+ 4 + 

1 

— 4-4- 

4-4-4- — 

4-4-4- — 

± 4-4- 

± 4-4-4- 

— 4- 4- 4- 4- 

4-4-4-4- Typhus 

4-4-4- Fleischvergifter 
— Kruse- Ruhr 

4-4-4-4- Y-Ruhr 


Es zeigt sich liier ein ganzlich neues Bild, das mit dem der Tab. IV 
keine Aehnlichkeit aufweist. Auch kann von einem gleichsinnigen Ver- 
halten der Stamme von Typhus, Fleischvergifter und Y-Ruhr gegen alle 
Lysate am gleichen Tage keine Rede sein. Besonders auffallend ist das 
vollige Versagen der K ruse- Ruhr in alien Fallen, wahrend die Tab. IV 
ihre jedesmalige Losung zeigt. Der Versuch ist mithin so ausgefallen. 
daB nur die beiden zuletzt genannten Moglichkeiten, welche das Vor- 
handensein von korpuskularen Elementen fordern, als Deutung in Be- 
tracht kommen. Welche von beiden aber zutrifft, d. h. ob wenige gieich- 
artige oder zahlreiche verschiedene Korperchen vorliegen, muB im Augen- 
blick noch offen gelassen werden. Wir konnen uns jedoch bei deni 
volligen Versagen der Kruse-Ruhr in alien Fallen, wie es Tab. V 
zeigt, und der standigen Wirksamkeit der Lysate gegen diesen Stamm, 
wie die Tab. IV angibt, des Eindruckes nicht erwehren, daB auch eine 
gewisse verschiedene Empfindlichkeit der einzelnen Generationen der- 
selben Kultur beim Ausfall mitspricht. 

Als vorlaufiges Ergebnis konnen wir jedenfalls folgendes feststellen: 
Die wirksamen Bestandteile der Lysate sind korpuskulare Elemente, die 
entweder gleichartig Oder ungleichartig untereinander sind. Wir nennen 
sie Lysateinheiten. Diese Deutung stimmt auch mit der Auffassung 
anderer Untersucher (d ’ Here lie, Seiffert, Prausnitz), welche alle 
die korpuskulare Form des Virus annehmen, uberein. 

Ueber die feinere Struktur solcher Lysateinheiten geben uns andere 
Versuche und Ueberlegungen Auskunft. Es wurde von alien bisher von 
uns genannten Filtraten berichtet, daB sie nicht nur gegen einen Stamm 
sondern gegen mehrere lytische Fahigkeiten besitzen. Diese Beobacb- 
tung stimmt mit denen aller anderen Experimentatoren uberein. Es 
fragt sich nun, ob ein Virus bei der fortgesetzten Ziichtung auf einem 
bestimmten empfindlichen Stamme (Zuchtstamm) seine Wirksamkeit auch 
gegen die anderen Stamme (Nebenstamme) behalt oder einbiiBt. Sollte 
es seine Affinitat auch gegen die Nebenstamme bewahren, so kommen 
als Erklarung dieser Tatsache zwei Moglichkeiten in Betracht. Einmal 
konnten auf dem Zuchtstamme gegen diesen unwirksame Lysateinheiten 
in saprophytischer Art mitwuchern. Solche sich saprophytisch verhal- 
tenden Einheiten konnten gegen die Nebenstamme parasitische, d. b. 
lytische Fahigkeiten besitzen. Diese Moglichkeit ist aber wohl auszu- 
schlieBen, denn weder andere Beobachter. noch wir, haben je gesehen. 
daB Lysate auf Stammen, denen gegeniiber sie keinerlei schadigende 
Wirkung besaBen, sich fortziichten lieBen. Es bleibt zum Verstandnis 
der Erhaltung der Wirksamkeit auch gegen die Nebenstamme also nur 


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Reichert, Untersuchungen fiber das d’Herellesche Phanomen. 255 

die Deutung, daB jede Lysateinheit Virulenzen gegen raehrere oder alle 
Stamme besitzt, welche ilberhaupt ilas betreffende Filtrat anzugreifen 
vermag. Wir mdchten solche funktionellen Einheiten einer Lysateinheit, 
welche sich gegen einen bestimmten Stamm in spezifischer Weise richtet, 
Virulenzeinheit nennen. 

Ein Versuch wird uns nun zunachst zeigen, daB bei Fortzflchtung 
eines Virus auf einem bestimmten Stamm seine Virulenz auch gegen die 
anderen erhalten bleiben kann, aber niclit erhalten bleiben muB. Der 
Versuch wurde mit dem Virus 717 f ausgefflhrt. Dieses war vorher in 
3 Passagen auf Coli 717 (Lysat 717 f C), einem Typhusstamm (Lysat 
717 f Ty) und einer Y-Ruhr (Lysat 717 f Y) fortgeztichtet worden. Wo- 
durch die lytischen Fahigkeiten dieses Filtrates gegen Coli 717, welche 
diesem Lysat anfanglich bekanntlich fehlten, erweckt werden konnten. 
soil spater dargelegt werden. Folgende Tab. VI gibt flber den Ausfall 
des Versuches Auskunft. 


Tabelle VI. 


Coli 717 

Typhus 

Y-Ruhr 

Lysat 

— 

+ + + + 

+ + + + 

717 f Ty 

— 

+ + + + 

-f- 4- + 4- 

717 f Y 

+ + + + 

— 

— 

7171 C 


Die Tabelle lehrt, daB die auf Typhusbakterien und Y-Ruhrbakterien 
fortgezuchteten Lysate auch gegen den einen Nebenstamm wirksam ge- 
blieben sind, d. h. daB die vermuteten Virulenzeinheiten vorhanden sein 
mfissen. Wir konnen jedoch aus der Tatsache, daB die auf Typhusbak¬ 
terien und Y-Ruhrbakterien geztichteten Filtrate C o 1 i-Bazillen nicht 
zu losen vermogen, wahrend das auf Coli-Bazillen fortgezllchtete Lysat 
keine lytischen Fahigkeiten gegen die beiden Nebenstamme mehr besitzt, 
noch weiteres folgern. Es erweckt dieses Verhalten namlich den Ein- 
druck, als konnten gewisse Virulenzeinheiten nicht gleichzeitig an einer 
Lysateinheit erhalten bleiben, als verdrange unter Umstanden die eine 
die andere, als lage hier ein gewisser Antagonismus der Virulenzein¬ 
heiten vor. 

Nach dieser Erkenntnis vermogen wir das Bild unserer Lysatein- 
heiten zu vervollstandigen, indem wir den korpuskularen Elementen der 
d’Herelleschen Filtrate eine Anzahl spezifischer Funktionen gegen 
bestimmte Stamme zuerkennen, «welche wir als getrennte Fahigkeiten 
des KOrperchens auffassen miissen. Symbolisch lieBe sich eine solche 
Lysateinheit mithin als ein irgendwie geforintes Gebilde mit verschie- 
denen Armen darstellen. Jeder Arm entspricht einer Virulenzeinheit 
gegen eine bestimmte Bakterienart oder einen bestimmten Bakterien- 
stainm. 



Lysateinheit mit 5 Arinen (Virulenzeinheiten). 


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Ziehen wir jetzt noch die Ergebnisse einiger Versnche mit Lysat 82 
heran, so lassen sich noch weitere Schliisse ableiten, welche 
unsere Kenntnisse vom Aufbau der Lysateinheiten weiter ausbauen. 
Dieses Virus wurde in 4 Passagen liber den Coli-Stamm 82 rot fort- 
gefuhrt und dann im Plattenversuch wiederholt gegen Coli 82 rot, 
Coli 82 weiB, Typhusbazillen, Fleischvergifterbazillen und Y-Ruhrbazillen 
gepriift. Das Resultat ist folgendes. 


Tabelle VII. 


Coli b2 
rot 

Coli 82 
weifi 

Typhus 

Fleisch- 

vergifter 

Y-Ruhr 

Tag der 
Unteisuchung 

+ + + + 
+ + + + 

— 

+ + + 

! + 

+ + + + 
+ + + + 

_ 

+ + 

+ 

2. Marz 

5. Marz 

7. Marz 


Wir sehen hier, daB die Wirkung gegen den Zuchtstaram stets ein- 
tritt, wahrend die Losung der Nebenstamme wechselnd ist. Daraus 
folgt, daB das Filtrat entweder 2 Arten von Lysateinheiten enthalt, und 
zwar 1) solche, welche lediglich gegen den Zuchtstamm wirken, also nur 
einen Arm haben, und 2) solche, welche gegen Zucht- und Nebenstamme 
virulent sind. Diese wiirden mehrere Arme (Virulenzeinheiten) besitzen. 
Dann w&re die Zahl der Virulenzeinheiten gegen den Zuchtstamm in 
jeder Raumeinheit des Lysates stets groBer als die Zahl der gegen die 
Nebenstamme gerichteten. Hieraus konnte sich die konstante Wirksam- 
keit gegen den Zuchtstamm ergeben. Oder der Grund fttr die unter- 
schiedliche lytische Kraft gegen Zucht- und Nebenstamme ist der, daB 
die Virulenzeinheit jeder Lysateinheit, welche sich gegen den Zucht¬ 
stamm richtet, viel starker ist oder in mehr Exemplaren an der Lysat¬ 
einheit vorhanden ist als die gegen die Nebenstamme gerichteten. Damit 
wflrde schon eine viel geringere Zahl von Lysateinheiten genugen, um 
eine nachweisbare Losung des Zuchtstammes zu ermoglichen, als sie fur 
die Nebenstamme notig ist. Die letztere MOglichkeit scheint uns die 
richtige. Denn gabe es Lysateinheiten mit nur einer Virulenzeinheit. 
dann miiBte irgendwann einmal ein nur gegen einen Rakterienstamm 
wirksames, d. h. streng spezifisches d’Her el le sches Filtrat beobachtet 
worden sein. Das haben aber weder andere noch wir je gesehen. 

Einige Worte daiiiber sind nun noch erforderlich, ob der differente 
Ausfall der Lysatprufungen, wie er in # Tabelle 4 und 5 niedergelegt ist, 
auf eine geringe Zahl der Lysateinheiten im Filtrat 717, oder auf ihre 
Verschiedenheit bei groBer Zahl zuriickzufiihren ist. Die Virulenzeinheit 
gegen den Zuchtstamm (Coli 717) fehlte ja diesem Filtrat bekanntlicb. 
Es kann also nur noch Lysateinheiten, die mit Virulenzeinheiten gegen 
die Nebenstamme ausgestattet waren, enthalten haben. DaB diese Lysat¬ 
einheiten hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Virulenzeinheiten noch 
Verschiedenheiten untereinander aufweisen sollten, daiiir besitzen wir 
keinen Anhaltspunkt. Man ist also berechtigt anzunehmen, daB das 
Filtrat 717 f nur unter sich gleichartige und gleichwertige Lysateinheiten 
enthalt. Wenn ein solches Filtrat nun einmal den zu priifenden Stamm 
lost, ein anderes Mai aber nicht, so kann das nur daran liegen, daB wir 
einmal in den mit der Platinose gefaBten Lysattropfen eine geniigende 
Anzahl von Lysateinheiten initergrifl'en haben, ein anderes Mai aber 
nicht. 



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Reichert, Untereuchungen iiber das d’Herelleache Phanomen. 


257 


Ich fasse also zusammen: Die wirksamen Bestandteile der d’He- 
relleschen Filtrate sind korpuskulare Elemente (Lysateinheiten). Diese 
besitzen lytische Krafte wahrscheinlich in Form einer Produktionsfahig- 
keit verschiedener Fermente mit spezifiscber Wirkung gegen bestimmte 
Bakterienarten Oder Stamme. Wir nennen diese funktionellen Einheiten 
Virulenzeinheiten. Bei der Fortzuchtung eines Lysates auf ein und dem- 
selben Stamm (Zuchtstamm) wird die Virulenzeinheit gegen diesen Stamm 
besonders kr&ftig (hypertrophisch), oder sie tritt in mehreren Exemplaren 
an der Lysateinheit auf. Die Virulenzeinheiten gegen die anderen los- 
baren Stamme aber (Nebenstamme) bleiben schwacher, sie atrophieren. 
Diese Verhaitnisse lassen sich bildlich so veranschaulichen, daB wir der 
Lysateinheit einen langen und mehrere kurze Arme, oder zahlreiche 
Arme solcher Art, welche als gegen den Zuchtstamm gerichtet anzu- 
sehen sind, bei nur je einem, der gegen je einen Nebenstamm wirkt, an- 
zeichnen. Das Bild wflrde also so 


2—5 kurze Arme gegen 
Nebeustamme 


oder so: 



1 langer Arm 
“ gegen Zucht- 
Hiamm 


L—3 Arme gegen Zucht¬ 
stamm 


4 — 6 Arme gegen Neben- 
siamme 


aussehen. 

Es ist jetzt noch eine Aufkiarung darflber notig, wie es kam, daB 
das stets als unwirksam gegen Coli 717 befundene Lysat 717 f VVirk- 
samkeit gegen seinen Eigenstamm gewann. Es wurde folgender Ver- 
such ausgefiihrt: Zu je einer Bouillonemulsion von Coli 717 und Y Ruhr- 
bazillen (10 ccm) wurden vom Lysat 717 f 0,5 ccm hinzugefiigt und 
damit ein periodischer Versuch angestellt. Hierbei ergaben alle von 
der Coli - Bouillonkultur vorgenommenen Abimpfungen vollkommeneWir- 
kungslosigkeit des Virus, wahrend die sofort nach dem Lysatzusatz von 
der Y-Ruhrbouillonkultur vo*rgenommene Aussaat auf eine Agarplatte 
eine etwa pfennigstiickgroBe sterile Stelle aufwies. Alle anderen Proben 
des Rbhrchens mit Ruhrbazillen zeigten aber auch dichten, unversehrten 
Rasen. Nach 24 Std. Brutschrankaufenthalt wurden die beiden dicht be- 
wachsenen Bouillonkulturen tiltriert und im Plattenversuch gegen 
Coli 717, Kr u se - Ruhrbazillen, Typhusbazillen, Fleischvergifterbazillen, 
Paratyphus B - Bazillen, F1 exn er- Ruhrbazillen und Y Ruhrbazillen 
geprflft. Das Filtrat des mit C o 1 i - Bazillen beschickten Rohrchens war 
in alien Fallen wirkungslos; das Filtrat des mit Y r -Ruhrbazillen be- 
impften Rohrchens aber zeigte starke lytische Fahigkeiten gegen Coli 717, 

Knt« Abt. Orig. Bd. 91. Heft 8/4. 17 


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258 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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jedocb auBerdem gegen keinen anderen Stamm auch gegen Y-Ruhr- 
bazillen nicht! Das war ein ganz iiberraschendes Ergebnis! Die L5- 
sungsfahigkeit gegen Coli 717, die dem Lysat bisher feblte, flackerte 
plotzlich empor. Wir nannten dieses neue Filtrat 717 f C. Mit ihm 
wurden erneute Bouillonpassagen iiber Y-Ruhrbazillen angestellt. Eine 
Wirkung Oder Vermehrung trat aber nicht mehr ein. Das neue Filtrat 
hatte mithin seine lytischen Fahigkeiten den Y-Ruhrbazillen gegeniiber, 
trotzdem diese als Zuchtstamm benutzt wurden, vollkommen verloren. 
Auch die Losungskraft gegen Kruse-Ruhrbazillen, Typhusbazillen und 
Fleischvergifterbazillen, die ja das Ausgangslysat 717 f besaB, blieb aus. 
Diese Yirulenzeinheiten schienen also mit dem Emporbrechen der neuen 
Virulenzeinheit gegen Coli 717 erloschen zu sein. 

Im AnschluB daran wurde das Lysat 717 f in nachstehender Weise 
weiter untersucht. Ein zunftchst nochmals angestellter Plattenversuch 
mit ihm ergab nachstehendes Resultat: 


Tabelle VIII. 


Poli 717 Xruse- 

° 011 111 Ruhr 

Typhus 

Para- 

typhus 

Fleisch- 

vergifter 

Y-Ruhr 

| 

Flexner- 

Ruhr 

— — 

+ + + + j 

— 

+ 4- 

+++ 

— 


Die mit Typhusbazillen, Y-Ruhrbazillen und Coli 717 beschickten 
Platten wurden mit etwa 25 cctn Bouillon abgespiilt und die Bouillon- 
emulsion dann filtriert. Vom Filtrat wurden je 1 cent auf eine Petri- 
Schale mit D r i gal s k i - Agar mit dem Spatel ausgestrichen, die Ober- 
flache der Platte im Faust-Heimschen Apparat getrocknet und dann 
darauf der entsprechende Stamm ausgesat. (Wir nennen das Filtrat 
von der mit Typhusbazillen bewachsenen Platte 717 f Ty, das von der 
mit Y-Ruhrbazillen bewachsenen Platte 717 fY und das von der mit 
Coli 717 bewachsenen Platte 717 ff). 


Tabelle IX. 


717 f Ty 

717 fY 717 ff 

Filtrat 

Typhus 

Y Ruhr Poli 717 

Stamru 

+ + + + 

H 1 1 b | 

Wirkung 


AuBerdem wurde noch 1 ccm Lysat 717 f auf eine ebensolche Platte 
ausgespatelt und mit Coli 717 beimpft. Diese Platte lieB wiederum 
keinerlei Wirkung des Lysates erkennen. Hierdurch tritt erneut die ab¬ 
solute Wirkungslosigkeit von Lysat 717 f gegen Coli 717 hervor. Ander- 
seits zeigt die zuletzt eingefugte Tabelle IX, daB die Fortzuchtung dieses 
Lysates auf Typhusbazillen und Y-Ruhrbazillen leicht gelingt. — Das 
Lysat 717 f C, ferner Lysat 717 f Ty und 717 f Y wurden nun noch acht- 
mal vermittels der geschilderten Versuchsanordnung, d. h. auf der Platte 
fortgeziichtet und dann zu dem in Tabelle VI beschriebenen Experiment 
verwandt. f 

Dieser vorhin geschilderte Versuch, durch welchen das Lysat 717 t 
plotzlich lytische Fiihigkeit gegen Coli 717 erhielt, fiihrt uns das plo^- 
liche Ilcrvorbrechen einer bis dahin fehlenden (latenten) Eigenschait 
einer Lysateinheit bei gleichzeitigem Verschwinden vorher bestehender 



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Reichert, Untersuchungen iiber das d'Herellesche Phanomen. 259 

vor Augen, Eine Erklarung lS.Bt sich fiir diese erstaunliche Erscheinung 
zurzeit noch nicht geben. Wir konnen nur die Tatsache registrieren, 
daB eine bis dahin vorhandene Virulenzeinheit bei Einwirkung auf den 
hoinologen Stamm plotzlich verschwindet und ebenso die Virulenz- 
einheiten gegen die Nebenstamme, wahrend daffir ebenso plotzlich eine 
neue hervorbricht. Es scheint so, als sei die neue Einheit latent ge- 
wesen, als sei ihr Aktivwerden durch die bestehenden verhindert ge- 
wesen. Wollen wir diesen Vorgang dem Verst&ndnis naherbringen, 
so konnte man sagen, daB die Virulenzeinheit gegen Y-Ruhrbazillen 
durch Gegenstoffe resistenter Keime des Ruhrstammes unterdrflckt 
wurde, und daB an Stelle der geiahmten die bisher latente Einheit 
gegen Coli 717 entsprang, die dann auch die anderen Virulenzein- 
heiten iiberwucherte. 

Es bleibt uns jetzt noch die Aufgabe, fur die scheinbar paradoxe 
Erscheinung, daB wir aus der Bouillonkultur der Normalform von Coli 717 
seinerzeit ein gegen den Eigenstamm unwirksames Lysat (717 f) ge- 
wannen, eine Deutung zu finden. Das der Normalform bei der Einsaat 
in die Bouillon anhaftende Virus muB anfangs selbstredend gegen Coli 717 
wirksam gevvesen sein, sonst hatte es sich auf diesem Stamm nicht ver- 
mehren konnen. Fiir eine betrachtliche Vermehrung spricht aber der 
offenbar starke Virusgehalt des Filtrates 717 f. Der Vorgang spielte sich 
mutmaBlich so ab, daB das hauptsachlich gegen Coli 717 und nebenher 
gegen Typhusbazillen, Y Ruhrbazillen usw. wirksarae Agens sich zun&chst 
auf Kosten von Coli 717 vermehrte. Die nicht der Vernichtung an- 
heimfallenden Coli-Keime (die resistenten) produzierten reichlich gegen 
das Virus gerichtete Gegenkorper. Diese vermochten es zwar nicht ab- 
zutSten, doch zerstorten sie seine gegen Coli 717 gerichteten Virulenz- 
einheiten, so daB das sp&ter gewonnene Filtrat wohl gegen die Neben¬ 
stamme aber nicht mehr gegen den Zuchtstamm lytische Fahigkeiten 
besaB. Bei einer Passage iiber Y Ruhrbazillen brach dann, wie im 
vorigen Absatz geschildert. aus den wahrscheinlich gleichen wie jetzt 
genannten Griinden die verloren gegangene, aber noch latente Virulenz¬ 
einheit gegen Coli 717 wieder hervor. Wir werden solch Wieder- 
auftreten scheinbar fehlender (durch chemische Mittel gelahmter) Virulenz- 
einheiten spater noch kennen lernen. — Es sei hier betont, daB durch 
diese Ausfiihrungen das friiher gegen J8ttens Auffassung vorgebrachte 
Argument, daB Lysat 717 f ein Autolysin gewesen sein mOBte, das den 
Stamm, von dem es gewonnen war, nicht zu losen vermochte, nicht be- 
rflhrt wird. Denn solch ein Verlorengehen und Wiedererscheinen 
von lytischen Fahigkeiten ist selbstredend bei einem Ferment oder 
Lysin nicht moglich. Daher ist der vorgebrachte Gedankengang 
auch auf ein Ferment Oder Lysin gar nicht anwendbar. Der Vor¬ 
gang bleibt vielmehr bei Anwendung der Autolysintheorie vollkommen 
unerklarlich. 

Unsere Beweisfuhrung, welche das Vorhandensein der Virulenzein- 
heiten ergab, war ein Indizienbeweis Oder eine Folgerung, welche sich 
durch AusschlieBung aller anderen Moglichkeiteu ergab. Bei der Wichtig- 
keit der aufgestellten Behauptung schien es uns aber nbtig, noch weitere 
Beweismomente fur ihre Richtigkeit zu erbringen. Der Weg, der fQr 
diese Aufgabe beschreitbar zu sein versprach, war der, zu versuchen, 
die einzelnen hypothetischen Virulenzeinheiten getrennt voneinander 
auszuschalten. Gelang es, die eine oder andere lytische Fahigkeit des 
Filtrates zu unterdriicken, wahrend die anderen teilweise oder alle er- 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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halten blieben oder alle auszuschalten bei Erbaltung nur einer, so war 
damit die isolierte und isolierbare Existeuzform der lytischen Krafte, 
welche sich gegen die verschiedenen Bakterienarten ricliteten, erwiesen. 
Da es zu erwarten war, daB solche Trennung nur durch fein abge- 
stimmte und abstimmbare Reize ausgefiihrt werden konnte, so muliten 
wir solche SchSdigungen wahlen, welche quantitativ, qualitativ und zeit- 
lich in genauester VVeise dosiert werden konnten. Zu diesem Verfahren 
schienen uns SSuren und Alkalien geeignet. Sie konnten nach Art und 
Starke verandert werden, und ebenso war ihre Wirkungszeit genau ab- 
grenzbar, insofern durch Neutralisation ihr EinfluB fast augenblicklich 
unterbrochen werden konnte. 

Die angewandte Versuchsanordnung war folgende: Es wurde zu- 
nachst eine groBere Menge (400 ccm) des Virus 82 f hergestellt, das 
4mal fiber Coli 82 rot passiert war. Der Zweck dieser Massenher- 
stellung war der, alle Versuche mit dem gleicben Lysat derselben Pas¬ 
sage ausffihren zu konnen, denn nur so konnten wir brauchbare Ver- 
gleichsergebnisse erwarten. Zu je 1 ccm dieses Filtrates kamen dann 
jeweils die Sfiuren oder Alkalien. Die Mischung wurde in den Brut- 
schrank gestellt und dann nach verschiedenen Zeiten neutralisiert. Zur 
Neutralisation der Sauren wurde in alien Fallen 33 proz. Kalilauge ver- 
wandt. Die Probe auf Wirksamkeit der so vorbehandelten Filtrate 
wurde jedesmal durch einen Plattenversuch gegen Coli 82 rot, Ty- 
phusbazillen, Fleischvergifterbazillen und Y-Ruhrbazillen durchgeffihrt. 

Die ersten Versuche wurden mit Schwefelsaure angestellt. Die 
Tab. X gibt fiber den Ausfall Auskunft. 


Ta b e 11 e X. 


Coli 82 rot 

Typhus 

Fleisch- 

vergiiter 

Y-Ruhr 

1 

Zeit der 
Saurewirbung 

— 

_ 


+ + + + 

10 Min. 

— 

— 


+ + + + 

2 Std. 

— 


— 

+ + + + 

6 „ 

— 


— 

+ + + + 

8 „ 

— 

— 

— 

+ + 

lb ■ 

— 

— 

— 

+ 

24 „ 


Schwefelsaure 25-pro/.. Da von 3 Tropfen zu je 1,— ccm Lysat. 


Das Ergebnis ist hier ein ganz eindeutiges. Es gelang, alle lyti¬ 
schen Krafte des Filtrates mit Ausnahme der gegen Y-Ruhrbazillen 
gerichteten auszuschalten. Es sei hinzugefiigt, daB die lytische Einheit 
gegen Y-Ruhrbazillen sogar einen Zusatz von 1,6 ccm 11 2 S0 4 25 proz. 
zu einem Kubikzentimeter Lysat bei 16 Std. Wirkungsdauer ertrfigt. 
ohne zu verschwinden. 

Wir untersuchten nunmehr den EinfluB der Kalilauge. 


Tabe 11 e XI. 


Coli 82 rot 


Y-Ruhr 

Starke der 
Lauge 

_ 

— — 

+ + + + 

1 Tropfen 

3 , 


Kalilauge 33 - proz. Davon 1 oder 3 Tropfen in 1,— ccm Lysat. Wirkungszeit 
t> Std. 



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261 


Auch hier erweist sich die Virulenzeinheit gegen Y-Ruhrbazillen als 
die resistenteste. 

Diese Ergebnisse setzen etwas in Erstaunen, da mit einem gewissen 
Recht zu erwarten war, daB die gegen den Zuchtstamm gerichteten 
Krafte die widerstandsfahigsten sein wfirden. Auch gab die gleichsinnige 
Wirkung der Schwefelsaure und der Kalilauge zu der Vermutung AnlaB, 
daB das bei der Neutralisation entstehende Kaliumsulfat der wirksame 
Bestandteil des Versuches war. Hatten doch die Rohrchen mit den 
Lysaten nach der Neutralisation noch jeweils 1 ' 2 —1 Std. gestanden, be- 
vor sie auf die Platten aufgetropft wurden. Um diese Mogliehkeit aus- 
zuschlieBen, stellten wir uns durch Vermischen von Schwefelsaure und 
Kalilauge Kaliumsulfat her und setzten davon zu je 1 ccm Lysat so viel 
zu, bis ein Bodensatz entstand. Diese Mischung blieb 2 '/* und 6V2 Std. 
im Brutschrank und wurde dann im Plattenversuch gepruft. I’olgende 
Tab. XII zeigt den Ausfall. 


Tabelle XII. 


C 0 1 i 82 rot 

Typhus 

Fleisch- 

vergifter 

Y-Ruhr 

Wirkungszeit 

± 

+ + + 

± 

+ 4" + 

+ + + 

+ + + 

+ 

± 

2*/ s Sid. 

67, . 


Zusatz von Kaliumsulfat im Ueberschufi zu je 1,— ccm Lysat. 

Wir bemerken, daB die Wirkung dieses Salzes sehr gering ist und 
ganzlich anders als die der SBure Oder der Lauge. Die vorher fest- 
gestellten Ergebnisse waren also zweifellos die Folgen des Eintiusses 
der Schwefelsaure und der Kalilauge. 

Ein weiterer gleichsinniger Versuch wurde mit Essigsaure angestellt 
und ergab im wesentlichen den gleichen Ausfall wie der mit Schwefel¬ 
saure (Tab. XIII). 


Tabelle XIII. 


Coli 82 rot 

Typhus j Fleischvergifter 

Y-Ruhr 

Mcnge der Saurc 

Wirkungszeit 

+ + + + 

1 II 1 

1 1 1 1 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

3 Tropfen 

6 

3 „ 

1 6 „ 

3 'i Std. 

37 , „ 

7 

7 „ 


Essigsaure 25-proz. Davon zu 1,— ccm Lysat 3 oder 0 Tropfen. 


Es war uns nunmehr viel daran gelegen, auch eine andere Viru¬ 
lenzeinheit als die gegen Y-Ruhrbazillen gerichtete zu erhalten bei Aus- 


Tabelle XIV. 


Coli 82 rot 

Typhus 

Fleischvergifter 1 Y-Ruhr 

|Menge der Saure 

| Wirkungszeit 

+ + + + 

_ 

— 1 + + + + 

2 Tropfen 

3 Std. 

+ + + + 

— 

- - 

2 „ 

7 

+ + 

— 

- - 

2 „ 

157, .. 

— 

— 

— 1 — 

O 

247. 


Salpetersaure 2,— Proz. Davon je 2 Tropfen zugesetzt zu 1,— ccm Lysat. 


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262 


Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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schaltung der iibrigen. Dies glQckte uns mit SalpetersSure und Salz- 
s&ure (Tab. XIV und XV). 



Tab 

elle XV. 


Coli 82 rot j Typhus 

Fleischvergitier 

Y Ruhr M« nge der Saure 

Wirkungszeit 

+ + + + 

_ 

— 4 Tropfen 

1 2 ‘/. Std. 

- - 

— 

1 6 „ 

1 2 V, „ 


Salzsaure 2,6 Proz. Davou 4 oder 5 Tropfen zu 1,— ccm Lysat hinzugefiigt. 


Diese Tabellen zeigen die Ausloschung aller lytischen Krafte des 
Filtrates bei einer bestimmten Ronzentration und Dauer der Einwirkung 
der hier verwandten S&uren abgesehen von der gegen den Zuchtstamm 
Coli 82 rot gerichteten Virulenzeinheit. 

Wir konnen hiermit unsere vorliin gestellte Aufgabe der Schadigung 
einzelner Funktionen des Virus uuabhtingig voneinander und der darait 
einhergehenden Isolierung der nicht betroffenen als gelost ansehen. 
Dadurch ist von neuem der Beweis erbracht, daB diese Krafte als ge- 
trennte und trennbare Funktionseinheiten vorbanden sind und insofern 
mit Recht als solche von uns bezeichnet werden. 

Es blieb jetzt noch zu erwSgen, ob diese chemischen Schadigungen 
eine dauernde d. h. vererbbare Verstilmmelung der Lysateinheiten zur 
Folge hatten, oder ob sie nur das der Saurewirkung ausgesetzte Indi- 
viduum erfafiten. Zur Entscheidung dieser Frage stellten wir noch 
einmal einen Versuch mit SchwefelsSure 25-proz. an (Tab. XVI). 


Tabelle XVI. 


Coli 82 rot 

Typhus 

Fleischvergifter 

Y-Ruhr 

Menge der Saure 

— 

— 

1 

+ + + + 

0,4 ccin H a S0 4 25 Proz. 

— 

— 

_ 

+ + + + 

0,6 ,, » 25 j) 


— 

- • 

+ + + + 

1,6 „ 25 „ 


Schwefelsaure 25 Proz. Davon zu je 1,— ccm Lysat 0,4—0,6—1,6 ccm. 


Die mit Y-Ruhr bewachsenen Platten, auf denen allein eine Ver- 
mehrung und Wirkung des Virus eingetreten war, wurde mit Bouillon 
abgespiilt. Die filtrierte Emulsion wurde dann gegen alle 4 Stamme 
auf Wirksamkeit untersucht (Tab. XVII). 


Tabelle XVII. 


Coli 82 rot 

Typhus 

Fleischvergifter 

[ __ | 

Y-Ruhr 

I 

+ + + +- 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 

+ + + + 


Fillrat von Rubrplatten mi* 
Saure- Lysat 


0,4 ccm 
0,6 „ 
1,6 „ 



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263 


Dieser Versuch ergibt wieder voile lytisehe Kraft des angewandten 
Filtrates gegen alle emptindlichen Stamme. Das durch Saure geschSdigte 
Ausgangslysat 82 f, welches sofort nach der SSurewirkung unwirksam 
gegen Coli-Bazillen, Typhusbazillen und Fleischvergifterbazillen war, 
hat mithin nach einer Passage iiber Y-Ruhr d. h. den einzigen Stamm, # 
den es noch anzugreifen vermochte, seine samtlicheu lytischen Fahig- 
keiten wiedergewonnen. Die Lysateinheiten wurden also durch die Saure 
gleichsam nur phanotypisch aber nicht genotypisch geschadigt. Denn 
die der verstiimmelten Generation folgenden Geueratiouen zeigen wieder 
alle Eigenschaften der friiheren unbeschadigten. 

Diese Erkenntnis ist ein neues starkes Beweismoment fQr unsere 
schon friiher dargelegte Auffassung, daB die Wirkungsbreite der d’He- 
relleschen Filtrate nicht auf einer Mischung verschiedener Bakterio- 
phagenarten, welche sich jeweils gegen einen bestimmten (homologen) 
Bakterienstamm richten, beruht, sondern auf der Polyvalenz der unter 
sich gleichen Einheiten. Denn wSren durch die Saurewirkung bestimmte 
Arten der Lysateinheiten abgetotet, oder so schwer geschadigt worden, 
daB sie dem homologen Bakterienstamm nichts mehr anzuhaben ver- 
mochten, so konnten sie sich in einer Passage fiber einen heterologen 
Stamm (Y-Ruhrbazillen) erst recht nicht vermehren. Und wenn sie sich 
auch nicht vermehrten, so konnten sie durch die vorgenommene Prozedur 
auch keine Wirksamkeit wieder erhalten haben. Sie erscheinen trotzdem, 
wie dargelegt, nach der Passage in alter Kraft alle wieder. Dieses 
Wiederauftreten der unterdrOckten Funktionen ist vielmehr nur so 
deutbar, daB eine Virusart, die der Trager aller lytischen Krafte ist, 
partiell geschadigt wurde. Die gesetzte Schadigung betraf aber nur das 
direkt betroffene Individuum, bei dessen Vermehrung wieder vollwertige 
Exemplare auftraten. 

Wir mochten es nunmehr wagen, auf Grund der in alien diesen 
Untersuchungen festgestellten Eigenschaften des d’Herelleschen Virus 
zu einem einigermaBen abschlieBenden Urteil iiber das Wesen unseres 
Untersuchungsobjektes zu gelangen. Die erkannten Eigenschaften der 
Lysate oder ihrer wirksamen Bestandteile sind folgende: Das Agens ist 
durch bakteriendichte Filter filtrierbar, es ist ultravisibel, es vermehrt 
sich, bei der Vermehrung zerstort es die empfindlichen Bakterien ganz 
oder teilweise (wahrscheinlich durch Fermente), es ist korpuskular, die 
korpuskuiaren Elemente sind polyvalent, durch chemische Mittel kann 
man die Polyvalenz der Lysateinheiten teilweise aufheben, es besitzt 
einen Stoffwechsel. 

Die entscheidende Frage, vor die wir uns nun zunachst gestellt 
sehen, ist die nach der Belebtheit oder Unbelebtheit des Virus; es ist 
die Klarung, ob wir ein Ferment, das sich zu vermehren vermag, oder 
ein belebtes Gebilde vor uns haben. Die verschiedenen, sich wider- 
sprechenden Beantwortungen, welche hier vorliegen, deuten auf die 
Schwierigkeiten, die der Losung des Problems entgegenstehen. Die 
Schwierigkeiten beginnen beim ersten Schritt der kritischen Abwkgung 
der Merkmale des Agens in der genannten Richtung. Wir sollen fest- 
stellen, ob es belebt sei oder nicht, und besitzen doch keine eindeutige 
oder allgemein anerkannte Definition des Lebendigen oder des Lebens. 

Es lafit sich nur sagen, daB als die wesentlichsten Eigenschaften des 
Lebendigen im Gegensatz zu den Merkmalen der unorganischcn oder 
toten Naturgebilde eines Teiles die Konstanz der Form bei dauerndem 


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264 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

Wechsel des Stoffes (Schopenhauer) und andererseits das Zweck- 
maBige des Aufbaues und die funktionelle Harmonie der Teile im Dienste 
des Ganzen angesehen wird. Ranke schreibt in diesem Sinne, das 
allgemeinste Merkmal des Lebens sei das ZweckinaBige alter sich am 
lebenden Organismus vollziehenden Vorgange, ihre Zielstrebigkeit, ihre 
Ganzheitsbeziehung. 

Wir sehen sofort, daB wir mit diesem MaBstabe an unser Objekt 
nicht herankommen. Um ihn anlegen zu konnen, miiBten wir erheblich 
groBere Einzelkenntnisse iiber unseren Untersuchungsgegenstand be- 
sitzen. Es kann daher die Frage zundchst nur so formuliert werden: 
Woher koinmt es, daB die Unterscheidung eines Fermentes von der 
lebenden Substanz in diesem Falle solche Schwierigkeiten bereitet? Der 
Grund dafiir ist einmal der, daB die Anhdnger der Fermenttheorie 1 ) 
(Otto, Seiffert, Jotten u. a.) behaupten, daB dieses Ferment beim 
Wirkungsvorgange auf die eine oder andere Weise neu entstiinde. 
Seiffert z. B. schreibt: „Von voruherein sind die Bakterien befahigt, 
Fermente zu produzieren, die zur eigenen Aullosung fiihren (vergl. die 
Untersuchungen Kruses an alternden Stammen). Normalerweise bleibt 
jedoch in der jungen Kultur die Auflosung aus. Sie tritt erst dann 
in Erscheinung, wenn entsprechende Fermente den Bakterien von auBen 
her zugefiihrt werden. u Wir haben nun aber einwandfrei gezeigt, daB 
diese angeblichen von den Bakterien produzierten Fermente auch in den 
al teste n Kulturen nie manifest werden, sondern daB die Filtrate dieser 
Kulturen nur dann lytische Eigenschaften besitzen, wenn die eingesSten 
Bakterien aus einem virushaltigen Milieu stainmen, d. h. wenn sie von 
auBen mit Virus beladen wurden. Bei Anwendung von Seifferts 
Auslegung auf diese Tatsache miiBte es sich hier um ein in den Bak¬ 
terien entstehendes Ferment handeln, das von selbst nie in Aktion tritt, 
sondern nur dann, wenn man ein gleiches oder ahnliches zu den Bak¬ 
terien hinzufflgt. Wir sehen nun aber nicht ein, waruin man von einer 
Substanz, die sich nur dann nachweisen laBt (augenscheinlich deshalb, 
weil sie nur dann vorhanden ist), wenn man sie zu einer zweiten hin- 
zufiigt, annehmen soil, daB sie in diesem 2. Ivorper auch schon vor- 
her enthalten gevvesen sei oder aus ihm entstiinde. Diese Annahme 
ist ebenso •Qberfliissig wie unbeweisbar und unbewiesen. Abgesehen 
davon, scheint uns die Theorie von Seiffert noch einen anderen Fehler 
zu enthalten. Der Autor erklart, daB die Bakterien durch ein in ihnen 
entstehendes Ferment aufgelost wurden. Diese Autolyse trate nicht 
spontan ein, sondern miisse durch den Zusatz eines d ’ H er elleschen 
Lysates ausgelost werden (exogene Autolyse). Es erhebt sich nun die 
Frage: Wie soil dann erstmalig eine solche exogene Autolyse bei 
irgendeiner Bakterienart in Gang gekommen sein, als noch kein d’He- 
rellesches Lysat vorhanden war, welches durch diese erstmalige Auto¬ 
lyse erst entstehen muBte? Soil diese erste exogene Autolyse auf 
andere Art bewirkt worden sein als alle spateren, die sich dann in un- 
endlicher Folge daran anschlossen? — Aehnlich aber noch unbestimnd er 
auBert sich Otto. Er sagt, daB durch irgendeine Sch&digung beim 
Wachstum von Bakterien Rezeptoren abgesprengt wurden, welche sich 


II Nnch dieser Ansehauung ist das d ’ H ere llesche Virus kein belebter Org*' 
nisnniB, wie der Entdecker annimrut, sondern ein von den Bakterien produziert®* 
Ferment, 



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Reichert, Unteisuchungen Qber das d’Herellesche Phanomen. 


265 


an andere Nahrung aufnehmende Keime anlagem und dadurch den 
AnstoB zur Autolyse der letztgenannten geben. Bei naherer Betrachtung 
dieser Darstellung vermiBt man jede iiberzeugende Aulklarung iiber 
nachstehende Punkte: Welcher Art sollten diese Schadigungen sein, die 
Rezeptoren abzusprengen vermogen? Wie kommt es, dal! sich diese 
Rezeptoren an andere Bakterien und gerade an solche, welche bei der 
Nahrungsaufnahme befindlich sind, anlagem? Was berechtigt dazu zu 
behaupten, dal! Rezeptoren eine Autolyse auslosen konuen? Abgesehen 
yon der Uugeklartheit der genannten Fragen, zeichnet sich diese Theorie 
durch die Menge der Ililfshypothesen aus. — Bail vertritt unit seiner 
Splittertheorie eine sich von den Anschauungen der iibrigen Forscher 
abhebende Meinung. Er lehrt, daB die Bakterien bei der Losung in 
feinste lebensf&hige Splitter zerfallen, welche ihrerseits wiederum emp- 
findliche Bekterienarten in ebensolch kleinste Teilchen aufzulosen ver¬ 
mogen. Diese Theorie lSBt sich zurzeit experimentell weder beweisen 
noch widerlegen. Man kann sie wohl als einen KompromiB zwischen 
der Fermenttheorie und der Bakteriophagentheorie von d’Herelle 
bezeichnen. Denn die lebensfahigen Splitter, welche den Bakterien 
Stoffe entziehen, ahneln doch sehr den belebten Bakteriophagen. lhre 
Abstammung von den Bakterien aber macht der Fermenttheorie Kon- 
zessionen. 

Des weiteren wird die Entscheidung — ob belebt oder unbelebt — 
deshalb so schwer, weil das Ferment das haufigste und allgemeinste 
Instrument ist, dessen sich die morphologische Lebenseinheit d. h. die 
Zeile, bedient, sei es um auf ihre Umgebung sei es um im eigenen 
Korper zu wirken, und weil wir Fermente anders denn als Zellprodukte 
nicht kennen (Katalysatoren kann man wohl mit Fermenten vergleichen, 
doch sind sie offenbar nicht dasselbe). Studieren wir also die Funk- 
tionen der Zeile und charakterisieren wir sie dann durch ihre Funk- 
tionen, so werden wir als eins ihrer hervorstechendsten Merkmale immer 
die Produktion von Fermenten und dann die Leistungen dieser Fermente 
nennen miissen. Damit wird uns ein Vorgang, der uns als ein fermen- 
tativer erscheint, einmal zum Wahrzeichen des Vorhandenseins eines 
Fermentes und dann mittelbar zum Zeugen fiir den Produzenten dieses 
Fermentes, d. h. eine Zeile. 

MuBten wir nun die Abstammung des d 1 H er el 1 eschen Virus aus 
der Bakterienzelle im Sinne der Ferment- oder Autolysintheorie ab- 
lehnen, so sind wir genotigt, da auch wir die mehr oder weuiger weit- 
gehende Zerstorung der Bakterien durch das Virus auf eine Ferment- 
wirkung zuruckfiihren, einen anderen Organismus als Produzenten dieses 
Fermentes anzunehmen. Der direkte optische Nachweis eines solchen 
Organismus in den Lysaten ist aber bisher nicht gelungen Das beweist 
nichts gegen seine Existenz. Wir haben es wahrscheinlich mit einem 
Korper, dessen GroBe unterhalb des Auflosungsvermogens unserer op- 
tischen Instrumente liegt, zu tun. 

Jetzt lieBe sich nur noch einwenden, daB das d’H erellesche 
Virus ein Ferment sei, das weder von den Bakterien noch von einem 
ultravisiblen Organismus herrQhrt, das vielmehr dem infizierten 
Metazoenkorper entstammt, aus dem wir auch die Bakterien kulti- 
vierten. Dann wiirden wir also kein autolytisches Ferment mehr 
vor uns haben, sondern ein von einem anderen Organismus abstam- 
mendes, das sich auf dem Substrat, welches es lost, bei der Losung 


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266 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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vermehrt. Dieser Vorgang ware zura raindesten ein sehr erstaunliches 
Novum. 

Aber zeigt nicht das d’Herellesche Filtrat Leistungen, die ein 
Ferment ohne die Gegenwart eines lebenden Organismus als seines Prodn- 
zenten gar nicht zu vollziehen vermag? Wir erinnern uns unserer 
fruheren Feststellung, daB das Virus eines Stoffwechsels fahig sein mufi. 
Dieser ProzeB ist nun in einem solchen MaBe charakteristisch fur den 
Lebensvorgang d. h. fur die lebendige Zelle, daB ihn die Physiologen 
bei der Aufzahlung der Fahigkeiten des lebenden Protoplasmas stets 
an den Anfang stellen (Landois,Tigerstedt, Schenk und Giirber). 
— Als weiteres Charakteristikum der lebenden Substanz nennt Doflein 
ihre Fortpflanzung und ihr bescbranktes Wachstum. Auch diese beiden 
Eigenschaften weist das d’Herellesche Virus auf. Ueber seine Ver- 
mehrung besteht ja bekanntlich kein Zweifel mehr. DaB ferner auch 
bestimmte AusmaBe von den korpuskularen Grundelementen der Lysate 
nicht iiberschritten werden, dafiir spricht die nirgends angefochtene Tat- 
sache ihrer ultravisiblen GroBe. Nur d'Herelle will in den Bakterien 
kurz vor ihrer Auflosung durch das Virus feinste Granula gesehen 
haben, welche er fflr den Bakteriophagen zu halten geneigt ist. Im 
Falle der Richtigkeit dieser Beobachtung und des ZutrefTens ibrer Deu- 
tung hatten wir es hier nur mit einem bestimmten Stadium in der 
Bakteriophagenentwicklung zu tun, wahrend das Virus in alien anderen 
Phasen seiner Existenz nicht in (len Bereich des mikroskopisch Wahr- 
nehmbaren gelangt. 

Diese drei Fahigkeiten: Stoffwechsel, Vermehrung und beschrSnktes 
Wachstum sind starkste Argumente fur die Belebtheit des Virus. Gibt 
es demgegeniiber irgendwelche Tatsachen, welche gegen die Natur des 
d’Herelleschen Agens als eines lebenden Substrates sprechen? Unter 
den in der Literatur genannten finden wir keine und auch unter den 
von uns beobachteten nicht. Wir halten es daher auf Grund der bisher 
erlorschten Eigenschaften des d’Herelleschen Agens fur recht wahr- 
scheinlich, daB das Virus als belebt anzusehen ist. Es ist mutmaBlich 
ein ultravisibler Organismus, der auf Bakterien parasitiert und sie wahr- 
scheinlich durch Fermente mehr oder weniger weitgehend zerstSrt. Eine 
endgultige Entscheidung muB aber weiterer experimenteller For- 
schung vorbehalten bleiben. 


Ergebnisse. 

1) Bei wiederholter Abimpfung auf Agarplatten aus einer Bouillon- 
bakterienemulsion, der ein d’H erellesches Virus hinzugefiigt ist, und 
die aus lysosensiblen Bakterien besteht, entstehen in typischer Folge 
wechselnde Ivolonienformen bei gleichzeitigem Ab- und Anstieg der Zahl 
der Ivolonien. — 2) Wahrend der Abnahme der Kolonienzahl bei der 
unter 1) genannten Versuchsanordnung bilden sich Normal- und Flatter- 
formen (bis etwa 6 Std. nach Viruszusatz). Beim Anstieg der Kolonien¬ 
zahl nach scheinbarer Sterilitat entstehen nur Normalformen. — 3) Die 
Flatter- und Normalformen, welche wahrend der Abnahme der Kolonien¬ 
zahl bei der unter 1) genannten Versuchsanordnung auftreten, sind Virus- 



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Reichert, Untersuchungeu iiber das d ’ Here llesche PhanomeD. 


267 


beladen; die Normalforinen, welche beim Anstieg der Kolonienzahl er- 
scheinen, sind resistent und virusfrei. — 4) Die virusbeladenen Normal- 
formen nehmen ihren Ausgang von einem virusbehafteten Keim. Die 
Flatterformen entspringen von einem virusfreien Bakterium. Die von 
diesem Keim abstammende Kolonie stSBt bei ihrer Ausbreitung auf 
Virusteilchen und erhait dadurch die Einkerbungen. — 5) Das Virus 
vermag sich nur auf lebenden, in Teilung begriffenen Bakterien zu ver- 
mehren. Auf ruhenden Oder toten Keimen oder Stoffwechselprodukten 
der Bakterien findet keine Virusvermebrung statt. — 6) Manche Virus- 
arten losen die Bakterien nicbt auf. Sie laugen sie gleichsam nur aus. 
Bei diesem Vorgang findet, obgleich keinerlei Abnahme der Keimzahl 
eintritt, eine starke Aufhellung der Bakterienemulsion statt. — 7) Be- 
schreibung eines neuen Zablverfahrens fiir Bakterien. — 8) Die Ge- 
winnung des Virus gelingt (abgesehen von virushaltigen Substanzen) 
nur aus solchen Bakterienkulturen, welche aus virushaltiger Umgebung 
stammen, d. h. welche virusbeladen sind. Die Ansicht von J6tten, 
daB das d’Herellesche Agens aus alten virusfreien Kulturen ge- 
wonnen werden kSnne, und daB es ein Ferment oder Lysin sei, das von 
den Bakterien abstammt, ist abzulehnen. — 9) Das Virus ist ein Fremd- 
korper, welcher sich auf Kosten der Bakterien oder Bakterien und des 
N&hrbodens vermehrt. — 10) Dieser Fremdkdrper muB eines Stoff- 
wechsels ffihig sein. — 11) Die wirksamen Bestandteile der d’Herelle- 
schen Filtrate sind korpuskuldrer Art. — 12) Diese Ivorperchen (Lysat- 
einheiten) besitzen lytische Fahigkeiten gegen eine Mehrzahl von 
Bakterienstammen. Die lytischen Eigenschaften gegen die einzelnen 
Bakterienarten sind getrennte und trennbare Qualitaten der Lysat- 
einheiten. (Wir nennen sie Virulenzeinheiten.) — 13) Wir kOnnen uns 
symbolisch den Bakteriophagen als ein kfirperliches Gebilde, mit einer 
Anzahl von Armen (Virulenzeinheiten), welche die einzelnen lytischen 
Krafte bezeichnen, ausgestattet, vorstellen. Die Virulenzeinheiten, welche 
sich gegen den zur Passage benutzten Stamm richten, sind starker aus- 
gebildet als die, welche gegen die andern angreifbaren Stamme wirken. 
— 14) Die einzelnen Arme (Virulenzeinheiten) des Virus lassen sich 
einzeln, getrennt voneinander durch Chemikalien lahmen. — 15) Lange 
latent gebliebene Virulenzeinheiten konnen plQtzlich hervorbrechen. 
Dafflr konnen andere bis dahin aktive verschwinden. Es scheint ein 
gewisser Antagonismus der Virulenzeinheiten zu bestehen. — 16) In 
spateren Generationen treten die durch Chemikalien geiahmten Virulenz¬ 
einheiten wieder hervor. — 17) Das Virus ist auf Grund aller bisher 
mit Sicherheit beobachteten Eigenschaften mit Wahrscheinlichkeit als 
belebtes Gebilde zu bezeichnen, welches durch Fermente empfindliche 
Bakterien ganz oder teihveise zerstort. Eine endgiiltige Entscheidung 
muB aber weiterer Forschung vorbehalten bleiben. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Liter atury erzeiclmis. 

1) Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. Jena 1916. — 2) Ficker, Ztschr. 
f. Hyg. Bd. 29. 18)8. S. 1. — 3) Gildemeister, Berl. Kim. Wo. 19.12. S. 1355. — 
4) d'Herelle, Der Bakteriophage. Uebersrtzt von Pfreimbter, Sell, Pistorius. 
Braunschweig (Vieweg & Bohn) 1922. — 5) Jiitten, Klin. Wo. Jhrg. 1. Nr. 44. — 
6) Landois, Lehrbuch d. Physiologie des Menschen. 1905. — 7) Otto. Ztschr. f. Hyg. 
Bd. 96. Heft 1. S. 118. — 8) Prausn itz, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 89. 1923. 
Beih. S. 187. — 9) Pfreimbter, Munch, med. Wo. 1922. S. 495. — 10) Schenk u. 
Uiirber, Leitf. d. Physiologie d. Menschen. 1909. — 11) Schopenhauer, Die Welt 
als Wille und Vorstellung. Ergiinzungen z. 2. Buch, Kapit. 23. — 12) Seiffert, 
Ztschr. f. Hyg. Bd. 98. S. 482; Aled. Klin. 1922. S. 997-1093-1121. — 13) Tiger- 
stedt, Lehrbuch d. Physiologie des Menschen. 1909. — 14) Otto, Ztschr. f. arzd. 
Mittlg. 1923. S. 253. — 15) Bail, Wien. klin. Wo. 1922. S. 367; 1920. S. 237.- 
16) Kuttner, Proc. exper. Biol. a. Med. New York 1920—21. p. 18. — 17) Kabelik, 
Biologicke Listy. 1922. Nr. 3—4. 


Nachdruck verboten. 

Beitrage zur Frage der Wirkung des Harnstoffes auf 

Bakterien. 

|Aus dem Institut far Experimentelle Therapie „Emil von Behring', 
Marburg (Lahn) (Direktor: Prof. Dr. Dold).] 

Von II. Dold. 

(Herrn Prof. Dr. P. v. Baum gar ten zu seinein 75. Geburtstage ge- 

widmet.J 

Die Wirkung des Harnstoffes auf Bakterien scheint bisher nur wenig untersucht 
worden zu sein. Capaldi und Proskauer *) stellten test, daB das B. coli auf Nahr¬ 
boden, die Asparagm, Sukzinamid, Tyrosin, Kreatin, Glykokoll und Harnstoff ais Stick- 
stoffquelle enthielten, gut gedteh, auf Harnstoff allein gezuchtet jedoch nach 48 8td. 
uur eine schwche Entwicklung aufwies. Bruno Kisch 2 ) studierte die Frage, ob udiI 
inwieweit der Harnstoff als Stickstoffquelle fiir Mikroorganismen verwendet werden 
konne und W. James Wilson 3 ) priitte das morphologische Verhalten der Bakterien 
auf harnstoffhaltigen Nahrboden, wobei er das Auftreten von Involutionsformen auf 
derartigen Medien feststellte. Von Carl Lange wurde gelegentlich*) die Bemerkung 
gemacht, daB wir „im Harnstoff ein exquisit lyotropes Mittel besitzen, das sanitliche 
Bazillen inkl. Tuberkelbazillen ohne Aulhebnng des antigenen Charakters auflose". 
Diese Angaben sind von Carl Bauer nameutlich beziiglich der Tuberkelbazillen nach- 
gepruft, jedoch nicht bestiiiigt worden. Bauer wusch tuberki lbazillenbaliiges Sputum 
so lange, bis die alkalische Reaktion vollstandig geschwunden war, fullte sodann das 
so bebandelte Sputum in Rohrchen ab, versetzte es in steigender Menge bis zu 10 Proz. 
mit Harnstoff und beobachtete 4 Tage lang. Eine Autlosung der Tuberkelbazillen 
konnte hierbei nicht gesehen werden. AuBerdem untersuchte er B. typhi, B. para¬ 
typhi A und B, B. coli, B. dysenteriae Flexner uud Shiga-Kruse, Streptokokken, 
Staphylococcus pyog. aur. und Sarcina lutea. Die Nahrboden (Agarplatten) 
bekamen emen Zusatz von 2 — 5 Proz. Harnstoff. Am widerstandsfahigst.en zeigte smu 
B. paratyphi B, der noch bei 4-proz. Harnstoffzusatz ein, wenn auch sparlichee- 

1) Zit. nach Bruno Kisch. 

2) Kisch, Bruno, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919. H. 1. 

3) James, Wilson W., Journ. Pathol, and Bact. Vol. 11. Nr. 6. 

4) Lange, C., Serodiaguose und Blutchemismus. Klin. Woch. 1922. S. 21/22- 



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DoLd, Beitrage zur Frage der Wirkung des Harnstoffes auf Bakterien. 269 


Wachstum zeigte, wahrend die iibrigen Bakterien bei diesem und noeh geringerem 
Harn.xtoffzusatz teils nicht mehr wuchsen, teils nicht mehr iibermiplbar waren. Bei 
5-proz. Harnstoffzugabe trat bei keinem der genannten Bakterien mehr ein Wachstum 
auf. Wurde der Harnstoff zu voll entwickelten Kulturen Oder Bakterienaufschwem- 
mungen hinzugefiigt, so wurden die Bakterien nicht aufgelost, wiewohl sie nach iangerer 
Zeit ihre Lebensfahigkeit einbuSten. 

Die vorliegenden Untersuchungen befassen sich zunfichst mit der 
Frage des Verhaltens der verschiedenen Bakterienarten gegeuiiber kon- 
zentrierten Losungen von Harnstoff. 

Das Verhalten folgender Bakterienarten wurde untersucht: Staph, 
pyog. aur., alb us und citreus; Streptococcus; Pneumo¬ 
coccus; Gonococcus; Meningococcus; B. prodigiosum; 
B. influenzae; B. pyocyanus; B. typhi; B. paratyphi A 
und B; B. Gartner; B. alkaligenes, Mausetyphusbazillus, Ratten- 
typhusbazillus; B. dysenteriae Y; B. dysenteriae Flexner und 
Shiga-Kruse; B. coli; B. diphtheriae, Vibrio cholerae; Pro¬ 
teus vulgaris; B. Friedlander; B. pyosepticus; Schweine- 
rotlaufbazillus; Monilia Candida; B. subtilis; B. mycoides; 
B. mesentericus; B. anthracis (die letzten 4 Arten im Stadium 
der Sporulation). 

Technik: Eine Oese der zu untersuchenden Bakteriennrt wurde in 1 cem 
physiologischer KochsalzlSsung aufgeschwemint (am Boden des Rohrchens unter 
Vermeidung einer Zerstreuung des Materials an die Glaswand). Die Robrohen 
wurden sodnnn in einem Wasserbad von 37° gebracht, worauf Harnstoff in 8ub- 
stanz bis zur battigung oder riebtiger bis zur Uebersiiitigung eingetragen wurde, 60 
dnS also am Boden der Fliissigkeit stets noeh etwas ungelo-ter Harnstoff vorhauden 
war. Nach Verlauf einer */i Std. wurde aus dem Inhalt der Rohrchen rasch je eine 
Oese auf ein Aganohrchen iibertragen. indem die Oese, um die Konzentrnlion des 
Harnstoffes wieder herabzusetzen, in das Kondenswa^ser eingetaucht und dann samt 
dem Kondenswasser auf der Agaroberflache ausgestrichen wurde. 

Das Ergebnis, das nach 3mal 24 Std. abgelesen wurde, war: Mit 
Ausnahme der untersuchten sporentragenden Bakterien¬ 
arten (B. subtilis, mycoides, mesentericus, anthracis) 
waren samtliche Bakterienarten durch den 1 / 2 - stQndig en 
Aufenthalt 1 ) in der konzentrierten HarnstofflSsun g ab- 
getotet. 

Hierauf untersuchten wir die Wirkung von 50 proz. bzw. 25-proz. 
gesSttigten Harnstoffldsungen, wobei wir etwas anders verfuhren: 

Die Herstellung der 50- bzw. 25-proz. Konzentration des Harnstoffes erfolgte 
hier in Bouillon, indem ein Teil einer mit Harnstoff gesaltigten Bouillonlosung mit 
I Teil bozw. 3 Teilen gewohnltcher Bouillon vermischt wurde. Diese 50 bzw. 25 Proz. 
Harnstoff enthaltenden Bouillonrobrchen wurden hierauf mit der zu untersuchenden 
Bakierienart reichltch betmpfl; nach 24 stiindigem Aufenthalt im Brut-chrank wurde 
eine IJeberimpfung auf Agar vorgenommen, und nach weiteren 3mal 24 8td. festgestellt, 
ob Wachstum eingetreten war oder nicht. 

Die in 50-proz. Harnstoffbouillon eingesaten und 
24 Std. bei 37° darin gehaltenen Bakterienarten waren 
wiederum mit Ausnahme der untersuchten SporentrSger 
(B. subtilis, mycoides, mesentericus und anthracis) s&mt- 
lich abgetStet, bzw. entwicklungsunfahig geworden. 

Etwas anders war das Ergebnis bei den in 25 proz. Harnstoffbouillon 
eingesaten Bakterien: auBer den wiederholt erwahnten Sporentragern, 

1) Vermutlich geniigt ein noeh kiirzerer Aufenthalt. Diese Frage wurde zunachnl 
nicht weiter verfolgt. 


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270 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 3/4. 

die selbstverst&ndlich auch diese Harnstoffkonzentration iiberstanden, 
erwiesen sich auch die untersuchten Staphylokokkenartcn und der unter- 
suchte Streptococcus unter den oben genannten Versuchsbeding- 
ungen noch als lebeus- und entwicklungsfahig. Alle anderen Bakterien- 
arten waren dagegen abgetotet. 

Das unterschiedliche Verhalten des untersuchten Streptokokkus und 
Pneumokokkus, von denen der erstere harnstoffresistent war, letzterer 
dagegen nicht, veranlaBte uns noch genauer zu priifen, ob dieses unter¬ 
schiedliche Verhalten eine Re gel bilde Oder nicht. Zu diesem Zwecke 
wurden 24 Streptokokken- und 19 Pneumokokkenstamme beziiglich ihres 
Verhaltens gegeniiber 10-, 20-, und 25-proz. Harnstoffbouillon in der oben 
angegebenen VVeise untersucht. Das Ergebnis war: 10-proz. Ilarnstoff- 
bouillon iiberlebten von 19 Pneumokokkenstammen 16, von 24 Strepto- 
kokkenstammen 23. 

20-proz. Harnstoffbouillon uberlebten von 19 Pneumokokkenst5m- 
men 3, von 24 Streptokokkenstammen 13(1). 25-proz. Harnstoffbouillon 
vermochten von 19 Pneumokokkenstammen 1, von 24 Streptokokken¬ 
stammen 9 zu tiberleben. 

Man sieht daraus, daB die Streptokokkenstamme zwar meist 
eine groBere Widerstandsfahigkeit gegenuber Harnstoff 
zeigen alsdiePneumokokken, daB diese Eigenschaftje- 
doch nicht so regelm&fiig auftritt, daB sie praktisch ver- 
wertet werden kann. 

Eine besondere Anmerkung verdient noch das Verhalten der Cho- 
leravibrionen im konzentrierten Harnstoff: 

Die Vibrionen werden namlich in eine gallertige Masse umge- 
wandelt. Eine ahnliche, wenn auch nicht so ausgesprochene Erschei- 
nung beobachtete ich beim B. prodigiosum im Harnstoff. 

Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuch ungen ist 
demnach die groBe Harnstoffresistenz der Bakterien- 
sporen, die so weit geht, daB monatelanger Aufenthalt 
der Sporen in konzentrierter Harnstolflosung bei Z i m - 
mertemperatur sie nicht abzutoten verm a g. Daraus ergibt sich 
die Mdglichkeit eines neuen Verfahrens zur Isolierung 
von Bakteriensporen aus Bakteriengemischen, uber das 
spater noch berichtet werden soil. 

Was die morphologischen VerSnderungen anlangt, welche die 
Bakterien unter dem Eintlusse des Harnstoffs erleiden, so kbnnen wir 
das von W. James Wilson festgestellte Auftreten von InvolutioDS- 
formen bestdtigen. Die eingangs erwahnte Bemerkung von Karl Lange. 
daB Harnstoff samtliche Bazillen inkl. Tuberkelbazillen aullose, ist, wie 
wir in Uebereinstimmung mit Karl Bauer feststellen, in dieser allge- 
meinen Form nicht richtig. Wie wir schon gezeigt haben, werden z. B. 
Bakteriensporen nicht abgetotet und also auch nicht aufgelost, und, wi e 
wir schon vorweg betnerken mochten, sind auch die Tuberkelbazillen 
und verwandte Arten in sehr hohem Grade sogar in konzentrierten 
Harnstofflosungen resistent. 

Wenn man in eine gutgewachsene flussige Bakterienkultur z. B. m 
eine Typhusbouillonkultur Harnstoff bis zur Sattigung eintrSgt, so be- 
obachtet man eine starke Aulhellung ‘). Die mikroskopische Unter- 


1) Auf dipse Erscheinung wurden wir durch Herrn Prof. Stooltzner- Halle * ut ' 
merkeam gemacht. 



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Dold, Beitrage zur Frage der Wirkung des Hamstoffes auf Bakterien. 271 


suchung ergibt dann 1) daB ein betrachtlicher Teil der Bakterien mehr 
Oder weniger vollstSndig aufgelfist worden ist; 2) daB ein anderer Teil 
sich in gequolleneni, pathologisch verandertem Zustande befindet und 
3) daB aber immer noch ein Teil der Bakterien morphologisch unver- 
andert erscheint. Die zu beobachtende Aufhellung brauclit nicht not- 
wendig lediglich durch eine Auflosung eines groBen Teiles der Bakterien 
bedingt zu sein; sie kann auch zum Teil darauf beruhen, daB die Bak- 
terienmembranen etwa infolge Quellung eine Aenderung ihres Licht- 
brechungsvermogens erfahren, wodurch andere optische VerhSltnisse ge- 
schaffen werden. 

Unsere weiteren UDtersuchungen betrafen die Frage des Ver- 
haltens der Tuberkelbazillen gegenOber Harnstoff. Karl 
Bauer hat Tuberkelbazillen mit Harnstoff in steigender Konzentration, 
jedoch nur bis zu 10 Proz. versetzt und nach 4 Tagen ein unverandertes 
morphologisches und farberisches Verhalten festgestelit. 

Ich babe stfirkere Konzentrationen von Harnstoff, namlich 25-, 50- 
und 100-proz., auf Tuberkelbazillen in Reinkultur sowie auf Tb-haltiges 
Sputum einwirken lassen und gesehen, daB selbst beiVerwendung 
von konzentriertem Harnstoff von einer Aufldsung der 
Tuberkelbazillen oder auch nur von einer deutlichen 
Aenderung ihres farberischen Verhaltens keine Rede 
sein kann. 

Die schleimlSsende Wirkung des Harnstoffes hat zur Folge, daB das 
Sputum beim Verreiben mit Harnstoff 2 ) seine schleimige Eigenschaft 
verliert. Es entsteht eine weiBliche Paste, die sich in Wasser gleich- 
maBig verteilt und zentrifugierbar ist Damit ist also ein neues 
Verfahren gegeben, Sputum zu losen und ausschlcude- 
rungsfahig zu machen, woriiber spSter noch genauere Mitteilungen 
geniacht werden sollen. 

Es hat den Anschein, daB alle Bakterienarten, welche eine biologische 
Verwandtschaft mit den Tuberkelbazillen besilzen, also die S&urefesten 
und wohl auch die Act in oinyces- Arten, sich dem Harnstoff gegentiber 
mehr oder weniger ahnlich verhalten werden. 

Auch das Verhalten der Schimmelpilze gegenilber konzentrierten 
Harnstoftlosungen wurden untersucht. Es ergab sich, daB Schimmelpilze 
(Pen icilliu m - Arten) zwar einen 20—30 Min. langen Aul’enthalt in 
konzentrierter Harnstoff losung bei 37 0 C aushielten, nach 8 /^ stundigem 
Aufenthalt aber abgetotet waren; bei 45° C geniigten 40 Min., bei 
50° C 20 Min. und bei 56° 15 Min., urn die Schimmelsporen abzutoten. 

In einer besonderen Vcrsuchsreihe wurde auch das Verhalten von 
Trichophytiepilzen gegenuber konzentriertem Harnstoff untersucht 
(5 Trichophyton-Stanrme, 1 Mikrosporon und 1 A chorion), 
indem aus den gut gewachsenen Kulturrasen Stiickchen herausgenommen 
nnd 30 Min. lang bei 37° C in gesattigter HarnstofflSsung gehalten 
wurden. Darauf wurden die Stfickclien der Harnstoff losung entnommen, 
kurz in steriler physiologischer Kocbsalzlosung gewaschen und auf neue 
Nahrboden iibertragen. Es ergab sich, daB von den 5 Trichophyton- 
Stammen 3 wachstumsfahig geblieben waren, wahrend 2, ebenso der 
Mikrosporon- und A chorion-Stamm, durch den Vj-stilndigen Auf- 
enthalt in konzentrierter Ilarnstofflosung abgetotet worden waren. 

„ . 2) Verreiben dee Sputume mit Salzen, z. B. mit Natriumchlorid, hat eine ahn- 
hche Wirkung. 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 3/4. 


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Zusammenfassung. 

1) Samtliche untersuchten Bakterienarten — mit Ausnahme der 
sporentragenden Bazillen (B. subtilis, mycoides, mesentericns 
und anthracis) und der Tuberkelbazilleu — wurden durch Vastfindigen 
Aufenthalt in 100 proz. bis 50 proz. Harnstofflosung bei 37° C abgetotet. 

Die sporentragenden Bazillen, richtiger die Sporen dieser Bazillen, 
hielten sicli bei Zimraertemperatur monatelang in konzentrierter Harn¬ 
stofflosung lebend. 

Eine bedeutende, wenn auch geringere Widerstandsfiihigkeit gegen- 
iiber Harnstoff besitzen auch die Trickophytiepilze und die Schimmel- 
pilzsporen. 

2) Die groBe Resistenz der Bakteriensporen gegeniiber der Ein- 
wirkung konzentrierter Harnstofflosung gibt die Moglichkeit eines neueD 
Verfahrens zur Isolierung von Bakteriensporen aus Bakteriengemischen, 
woriiber sp&ter berichtet werden soil. 

3) Durch Verreiben des Sputums mit konzentriertem Harnstoff 1 ) 
(Harnstoff crist.) entsteht eine Paste, welche wasserloslich und dann 
ausschleuderungsfahig ist. Da die Tuberkelbazillen harnstoffresistent 
sind, ergibt sich die Moglichkeit eines neuen Verfahrens der Homo- 
genisierung und Ausschleuderung tuberkelbazillenhaltigen Sputums. 

4) Die Verwandten des Tuberkelbazillus scheinen eine ahnliche, je- 
doch graduell verschiedene Harnstoffresistenz zu besitzen wie die Tu¬ 
berkelbazillen selbst. 

]) Verreiben mit Salzen, z. B. mit Natriumchlorid purissimum, wandelt das Spu¬ 
tum ebenfalls in eine wasserlbsliche und ausschleuderbare Paste urn. 


Inlialt. 


Abe, T„ Zur Frage der Fleckfieberiitio- 
logie, fj. 217. 

Aristowsky, W., u. Holtzer, R., Berner- 
kungen zur Morphologie der Spiro- | 
chaeta Obermeieri. Mit 1 Tafel, 

S. 175. 

Carra, Jose, Die Aminosanren in ihrer 
Beziehung zur Pigraentbildung des Ba- j 
cilluR pyocyaneus, S. 154. 

Dold, H., Beitrage zur Frage der Wirkung 
des Harnstofles auf Bakterien, S. 2b8. 

Gildemeister, E., u. Herzberg, Kurt, 
Ueber das d' H erel 1 esche Pbanomen. 
IV. Mitteilung, S. 228. 

Lauda, Ernst, Zur Histopathologie der 
herpelischeu Meningoencephalitis des 
Kaninchcns. Mit 2 lafeln, S. 159. 

Luger, A., u. Lauda, E„ Zur Aetiologie 


des Herpes zoster. Ein Beitrag ztim 
Herpes- und Encephalitisproblem. Mit 
2 Abbildungen im Text, fc>. 205. 

MeiBner, Gertrud, Ueber Bakteriophatrw 
gegen Choleravibrionen. Mit 1 Abbil- 
dung im Text, S. 149. 

Nesmelow, Z., Untersuchungen fiber 
Atuoben. Erster Teil, S. 182. 

Prausnits, Carl, u. Preuss, Max, Pe r 
Kezeptorenapparat der in Asciteskaltur 
geziichteten Typhusbazillen, S. 145. 

Reicbert, Fr., Untersuchungen fiber dv 
d ’ H erellescbe I’hanomen, S. 235. 

Silber, L., Ueber die Herkunft der X- 
Proteen und ihr Zusammenhang pit der 
Weil- Felix schen Reaktion. Mit 1 Ab- 
bildung im Text, S. 191. 


Frommannsctae buchdrucirerei (Hermann Pohle) in Jena. 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Gentralbl. f. Bakt etc. I. AbL Originals. Bd. 91. Heft 5. 

Ausgegeben am 15. Februar 1924. 


Nachdruck verboten. 

Ueber Glukosidspaltung durch Bakterien der Coli-Gruppe. 

[Au's dem Staatl. Serotherpeutischen Institnt in Wien (biochem. Abteil.) 
und der Mikrobiologischen Sammlung in Wien.] 

Von Mag. pharm. A. Weintraub. 

Ueber die Spaltung von Glnkosiden durch Bakterien wurde in der 
Literatur wiederholt berichtet, und zwar sind es bisher fast ausschlieBlich 
Darmbakterien, deren glukosidspaltende Wirkung untersucht worden ist. 

Van der Leek 1 ) erwahnt einen Coli-Stamm, welcher Indikan, Amygdalin und 
Aeekulin zu spalten vermochte; Qounermann 2 3 * ) hat die Wirkung einiger Darmbak¬ 
terien, darunter auch eines Col i-Stammes, auf Glukoside untersucht, wobei sich zeigte, 
'iafi das von ihm untersuchte, als 6. coli commune bezeichnete Bakterium keines 
der Glukoside (Arbutin, Amygdalin, Sapotoxin), auch keines der Alkaloide (Atropin, 
Kokain, Morphin) zu spalten vermochte. Systematische Untersuchungen in dieser 
Richtung finden sich nur bei Twort 8 ) und Castellani 1 ). Tworts Untersuchungen 
werden snater noch eine ausfuhrliche Besprechung erfahren, weil sie durch die hier 
vorliegende Arbeit eine wesentliche Erganzung und, soweit die gleichen Stamme zur 
Untersuchung kamen, eine Bestatigung in alien Details erfuhren; die von Castellan i 
-ollen ebenfalls beriicksichtigt werden, insoweit sie mit den vorliegenden in Zusammen- 
hang stehen. 

Die Aufgabe dieser Arbeit war, eine grofie Anzahl von Bakterien 
der Coli-Gruppe, welche alle in Bezug auf ihre kohlehydratspaltende 
Wirkung eingehend in einer Arbeit von B. L. Monias 5 ) untersucht 
worden waren, auf ihre glukosidspaltende Wirkung zu priifen. Es wurden 
die derzeit erreichbaren Glukoside: a- und |3-Methylglukosid, Amygdalin, 
Arbutin und Salizin geprtift. Gerade die beiden erstgenannten sind 
meines Wissens bisher noch nie in diesem Zusammenhange untersucht 
worden, und es schien von groBem Interesse, ihre Spaltbarkeit durch 
Bakterien nebeneinander zu untersuchen. Die Untersuchungsmethode 
war die von Halle und Pribram 6 ) fur Bakterien ausgearbeitete 
Lindnersche Methode 7 ) der Untersuchung im hohlen ObjekttrBger, 
welche in der zitierten Arbeit von Monias 5 ) in alien Details so aus- 
fflhrlich mitgeteilt wurde, daB eine Wiederholung hier nicht notig er- 
scheint. Monias fand bei der Untersuchung von 80 Reinkulturen der 
Coli-Gruppe, unter Bestatigung einiger Angaben friiherer, besonders 
amerikanischer, Autoren (Jackson), daB die hierher gehorigen Bakterien 
sich in folgender Weise einteilen lassen (vgl. das Schema): 


1) Van der Leek, Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 17. 1906. S. 366, 480, 647. 

2) Gonnermann, Apothekerztg. Bd. 21. 1906. S. 976, 988, 998. 

3) Twort, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 40. 1907. S. 508. 

41 Castellani, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 65. 1912. S. 262. 

5) Monias, Pharmaz. Monatsh. 1921. 8. 1. 

6 ) Halle u. Pribram, Wien. klin. Wochenachr. 1916. 

7) Lindner, Mikroskopische Betriebskontrolle in den Garungsgewerben. 3. Aufl. 
Berlin 1921. 

Erttc Abt. Orig. Bd. 91. Heft 5. 18 


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URBANA-CHAMPAIGN 



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274 Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 

Uebersichtsschema. Ordnung: B. coli 


Milcbgerinnung 
Gasbildung aus Laktose 


I. Hauptgruppe 
(B. indolicum) 

11. Hauptgruppe 
(B. anindolicum Lembke) 


Indolbildung 


Keine Indolbildung 


Kreatininbildung 


Keine Kreatininbildung 

A 

i _ B J 

C 

D | 

A | B | C | D 

Gas- 

Kein Gas 

Kein Gas 

Kein Gas 

Wie bei der Gruppe I 

bildung 

aus Sac- 

aus Dulcit 

aus Sac- 


aus alien 

charose 

(B. aero- 

charose, 


Kohle- 

u. Raffi- 

genes 

Raffinose 


hydraten 

nose 

Jackson) 

u. Dulcit 


(B. com- 

(B. com- 


(B. acidi 


munior 

mu ne 


lactici 

j 

Jack on) 

Jackson) 


Jackson) 



B. anaerogenes (Lembke) 


Keine Gasbildung aus Kohlehydraten 


1 

2 

3 

4 

Indol -f 

Indol — 

Indol -f 

[indol — 

Kreatinin + 

Kreatinin — 

Kreatinin -f 

! Kreatinin — 

Milchkoagulation + 

Milchkoagulation + 

Milchkoagulation 

— | Milchkoagulation — 

B'. coli 

B. enteritidis 


_ B. enteritidis (B. paratyphi B). _ 

Keine Milchgerinnung 
Keine Kreatiniubildung 

I. Indolbildung II. Keine Indolbildung 

Kreatininbindung j Keine Kreatiniubildung 

A~| B ~D A T~B~ |~C"| D 

Wie bei B. coli Wie bei B. coli 


Tabelle der Glukosidspaltung. 


Kultur 

Autor 

Fundort 

a-Methyl- 

glukosid 

/f-Methyl- 
glukosid j 

Amygda- 

lin 

Arbutin 

c 

N 

£ 



I _i 

8-1 

G.| 

S. G. 

S.G 

s. 

G. 

_S. G. 

Hauptgruppe I, Unterabteilung A) ,,B. communior Jackson", 
Gasbildung aus alien Kohlehydraten. 

' + ++ 

B. communior 
A. 

Winslow 

New York 


+ + 

± + + 

-1- 

: - 

+ + 

B. coli 

Poliak 

Wien 


- , 

+ ! + + 



— 


B. com m unior 
rubrum 

Winslow 

New York 

_ 

_ 1 

- + 

1 


— 

— 

' 

B. co 1 i A Typ. 3 

Woll 

Stockholm 

_ 1 


- ■ + + 

i I 

j _ 

— 


B. coli p po¬ 
lar e 

Lehmann 

Wurzburg 


— 

- + + 

| 


1 - 


B. acrogenes 
Kruse 

M aschek 

Prag 


+ + 

± + + 

1 

T 

+ 

+ + 

-r +■*■ 

B. coli „A“ 

Schniirer 

Wien 

| - 

- : 

+ + + 

1 — 1 —■ 

' - 

— 

. j.4* 

B. aerogenes 
Schon 

i Kornauth 


1 - 1 

S + ! 

i 

+ I + + 

1—1 — 

| - 

•+ 

+ + r 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN * 


Salizin 



Weintraub, Glukosidspaltung durch Bakterien der Coli-Gruppe. 275 





>3 
■3 8 

•58 

Amygda- 

lin 

a 

iff 

S3 

*3 

Kultur 

Autor 

Fundort 

£ £ 

Ol JS 

S.3 

Xi 

43 

3 




S. | G. 

| S. 1 G. 

8. G. 

j 8. 1 G. 

S. G. 


Hauptgruppe I, Unterabteilung B) „B. commune Jackson 1 ', 
keine Gasbildung aus Raffinose. 


B. coli a. Emen- 
tbaler Kase 

Lehmann 

Wurzburg 


— 

+ 

+ + 

— 

— 

— 

— 


3. coli „B“ 

Typ. 15 

Woll 

Stockholm 


1 


+ 

1 

— 

— 

— 

— 


B. coli Nr. 361 

Seruminstitut 

Wien 

— 

- 1 

+ 

+ + 

| - 

— 

— 

— 

— 

B. coli „B“ 

Typ. 7 

Woll 

Stockholm 


- | 


+ j 

-1 

± 

— 

— 


i. coli Flexner 

Wagner 

Miinehen 

— 

— 

— 

+ 

— 

— 


! — ! 



± 


1. coli Nr. 3 
5. coli Nr. 13 
5. coli Typ. 4 
5. coli „A“ 

Typ. 2 
1. coli aus 
Niere 

1. coli „A“ 

Typ. 16 
I. coli „B‘' 

Typ. 8 

I- coli „atyp.“ 

1S59 

lcoli,septic- 
aemiae 
gallinarum 
t. coli mobi le 
„Messea“ 
t. cloacae 


Hauptgruppe I, Unterabteilung C) „B. aeroj 
keine Gasbildung aus Dulcit 




Kulka 

Woll 

11 

Lublin 

Wien 

Stockholm 

ti 

INI 

INI 

II 1 1 

+ + 
+ + 
+ + 
+ 

II 1 1 

_ 

— 

+ + 

INI 

S 61 d n e r 

Wien 


± 


+ + 

— 

— 

— 

— 

— 

Woll 

Stockholm 

— 


— 

+ 

— 

- 

— 

— 

— 

It 

a 

— 

+ + 

_ 

+ + 

— 

— 

— 


— 

Ja ffee 

Wien 

— 


+ 

+ 

— 

— 

— 


— 

Zeiss 

Giefien 


— 

+ 

+ + 

+ 

± 

— 

— 

— 

Loewv 

Bozen 

— 

— 

+ 

+ + 


— 

— 

— 


Jordan 

Massachusetts 

_ 

+ + 

+ + 

4“ 4” 

+ 

— 

+ 

+ + 

+ + 


+ + 


lauptgruppe I, Unterabteilung D) ,,B. acidi lactici Jackson 11 , keine Gas¬ 
bildung aus Saccharose, Dulcit und Raffinose. 


■ coli b B“ 

Woll 

Stockholm 

_ 

_ 

+ 

+ + 

Typ. 14 






• coli haem. 

Kraus 

Wien 

dt 

db 

+ 

+ 

Nr. 16 







. coli 

Miefi n er 

Hannover 

— 

— 

+ 

+ + 

• coli aus Harn 

Porges 

ostlicher Kriegs- 
schauplatz 
Wien 

— 

+ 

+ 

+ + 

•col i haem. II 

Kraus 

_ 

+ 

_ 

+ 

• coli aus Niere 

Eigen feld 

Wien 

— 


+ 

+ + 

• coli verum 

Smyth 

Philadelphia 

— 

— 

+ 

+ + 

• coli Nr. 2 

Kulka 

Lublin 

— 

— 

+ + 

— 

•acidilactici 

H llPnnn 

Miefiner 

Hannover 

— 

— 

+ 

+ + 

u UCUUtJ 

• coli _B U 

Woll 

Stockholm 


_ 

+ 

+ + 

Typ. 6 






• coli 

Lederer 

Wien 

— 

— 

+ 

+ + 

• coli B Kind“ 

Kraus 

Wien 

— 

— 

+ 

4- + 



18* 



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276 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


Kultur 

Autor 

Fundort 

■3 8 

© M 

S s 

a m 

^"2 
■3 8 

-m 

Amygda- 

.2 

Arbutin 

c 

K 

*2 

X 




s. 1 

G. | 

s. | 

G.J 


G. 

8 . | 

G.| 

S. | G 

„B. coli“ Hauptgruppe 11. B. anindol 
gerinnung + Gasbild 

icum Indol-, Kreatinin- 
ung und Laktose. 

, Milch- 

B. coli aus Teig 

Lehmann 

Wurzburg 

— 

+ | 

+ + 

+ + | 

-1 

— 


+ 

- "" 

B. coli simile 

Twort 

London 

— 


+ 

+ + 

— 

— 


i - | 

— 

Histidinspalter 


Prag 




+ 






B. coli aus Ham 

Rotk y 

— 

— 

— 

— 

— 

- ' 

| 


bei Fleckfieber 











B. coli muta- 

Neifler 

Frankfurt a. M. 


— 

+ 

+ + 

- : 

j - 

’ + 

+ 

+ +• 

bile Massini 












B. pseudocoli 

Woll 

Stockholm 

— 

— 

+ 

++ 

— 

1 

i — 

— 

- “ 

B.lactisaero- 

Escherich 

Wien 

+ 

+ + 

+ 

++ 

— 


+ 

+ + 

■f 

genes 

B. coli pheno- 
logenes 

B. coli 1031915 

Rh ei n 

Posen 

— 

— 

+ 

+ 

- 

L 



— - 

Arzt 

Krakau 

— 


+ 

+ 

— 

— 


— 

— - 

B. coli 106 1915 

n 

n 

— 


+ 


— 

— 

| - 

+ 

— 


„B. anaerogenes 
B. coli Camem- 
bert 

B.anaero- 
gen es 

B. coscaroba 
B. candiense 
B. madapense 
B. lunavense 
B. levans 2 
B. lev an 6 1 
Wolffin 

B. talavense 
1911 


Lembke. Aus keinem Kohlehydrat Gaebildung. 


Lehmann 

Winslow 

Castellani 

n 

v 

Lehmann 

n 

Castellani 


Wurzburg l 



++i 


—1 

— 

— 

— 

New York 

— 


+ + : 

— 

— 

— 

— 

— 


+ + 


+ + 

— 

— 

— 

+ 


Colombo, Ceylon 

— 


— 

— 

— 

— 

i — 

— 


— 

— 

+ + 

— 

— 


— 

— 


— 

— 

+ 

— 

— 

— 

+ 


Wurzburg 

— 

— 

+ 

i — 

+ 

— 

+ 

— 

n 

- ' 

— 

+ 

+ 

—' 

— 

— 


Colombo. Cevlon 

i 

— 

— 


— 

— 

— 

+ + 

— 


+ + 


+ + - 


+ +, ' 


Hauptgruppe 1. B. enteritidis, Milchgerinnung Laktose: keine Saure uc 
Gasbildung. Indol-Kreatininbildung. 


B.colisimilel 

Graef 

Kiel 

— 


+ 

— 

— 

— 

+ 

— 

+ 

B. coli Nr. 346 

Seruniinstitut 

Wien 

— 


+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 

B. colombense 

Castellani 

Colombo, Ceylon 

— 

— 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

1 

„Garvin“ 

B. pseudo- 

n 

— 

— 

- ! 

+ + 

— 

— 

— 

— 


„ 

a s i a t i c u m 












B. gi u m ai 

B. t an galense 

i 

V 

n 

V 

V 

— 

— 

+ 

— 


— 

+ + 

— 

+ + 


Hauptgruppe II. B. enteritidis, Milchgerinnung Laktose: keine Saure Ui 
Gasbildung. Indol-Kreatini nb i 1 d u n g. 


B. paratyphi 
„Brzak“ 1915 

. J a f f e e 

Wien 

— 

— 

4- 4- 

1 

++ 

— 

— 

+ 

+ 

{ 

B. icteroides 
Sanarelli 

Winslow 

New-York 

— 


+ 

++ 






B. colombae 
„Wild“ 

Castellani 

Colombo, Ceylon 

— 

- : 

+ 

++ 

-l 



' i 

1 

B. levans 
„Schwarzbrot“ 

Lehmann 

Wurzburg 


+ 4~ 

+ 

++ 

~ 





B. coli com¬ 
mune 1811 

n 

Wien 



+ 






1 ' 

S. Siiurebildung, G. Gasbildung, + positiv, 

— negativ, + + stark positiv, 



positiv. 


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Weintraub, Glukosidspaltung durch Bakterien der Coli-Gruppe. 277 


Hauptgruppe I (B. coli), mit Milehgerinnung, Indolbildung, Kreatininbildung, 
Gaabildung aus Laktose; Untergruppe A): („B. communior Jackson 14 ) Vergarung 
aller Kohlehydrate unter GasbiJdung. Untergruppe B): („B. commune Jackson") 
Gaabildung aus alien Kohlehydraten, mit Ausnahme von Saccharose und Raffinoee. 
Untereruppe C): („B. aerogenes Jackson 14 ) Gasbilduag aus alien Kohlehydraten mit 
Ausnahme von Dulcit. Untergruppe D): („B. acidi lactici Jackson 14 ) Gaabildung 
aus alien Kohlehydraten, mit Ausnahme von Dulcit, Saccharose und Raffinose. — 
Hauptgruppe II („B. anindolicum Lembke 11 ): Milehgerinnung und Laktoaevergiirung, 
aber keine Indolbildung und keine Kreatininbildung. — 

Weitere Gruppen, welche nicht mehr als B. coli bezeichnet werden kfinnen: 
.,B. anaerogenes Lembke 11 : Aus keinem Kohlehydrat wird Gas gebildet, und endlich 
Uebergang zur Gruppe B. enteritidis, d. h. solchen, welche Milch nicht zur Gerinnung 
bringen und aus Laktose kein Gas und keine Saure bilden, wieder mit 2 Untergruppen, 
I) mit Indol- und Kreatininbildung, II) ohne Indol- und Kreatininbildung. 

Die beigefiigte Tabelle zeigt die Zugehorigkeit der hier untersuchten 
Kulturen und gleichzeitig das Resultat der Untersuchungen. 

Gleich auf den ersten Blick ist zu sehen, daB eines der untersuchten 
Glukoside, das (AMethylglukosid, von alien Bakterien der Coli-Gruppe 
gespalten wird, was um so auffallender erscheint, als aus der vorliegenden 
Literatur hervorgeht, daB gerade dieses Glukosid von Hefen beispiels- 
weise -- im Gegensatz zu a-Glukosid — nicht gespalten wird (Lindner). 
Von den auch in der Arbeit von Monias nicht mehr als zur Coli- 
Gruppe gehorig bezeichneten Bakterien der Gruppe B. anaerogenes 
Lembke, deren Vertreter aus keinem Kohlehydrat Gas zu bilden ver- 
mflgen, kflnnen alle, mit Ausnahme von zweien, Saure aus /?-Methyl- 
glukosid abspalten. Diese beiden, welchen dieses Vermogen fehlt, B. can- 
diense und talavense, beide von C as tell an i gezflchtet, sind auch 
sonst die fermentativ so ziemlich am schwfichsten wirkenden dieser 
Gruppe. Noch ein drittes, ebenfalls von Castellani gezflchtetes Bak- 
terium, B. tangalense, welches der En ter it is-Gruppe (keine Laktose- 
spaltung, kein milchgerinnendes Ferment) angehflrt, ist ebenfalls unfahig. 
P-Glnkosid zu zerlegen. Diese beiden Bakterien, talavense und tanga¬ 
lense Castellani, spalten jedoch Arbutin und Salicin, w&hrend B. can- 
diense auch fiir diese beiden Glukoside kein Ferment besitzt. — Ganz 
im Gegensatz zur leichten Spaltbarkeit des /?-Methylglukosids durch die 
Bakterien der Coli-Gruppe steht die auBerordentlich viel seltener vor- 
kommende Angreifbarkeit des a-Methylglukosids, fiir welches nur ein- 
zelne Vertreter Fermente zu besitzen scheinen. In der sonst mit auBer¬ 
ordentlich kr&ftig wirkenden fermentativen Eigenschaften fiir alle Kohle¬ 
hydrate ausgestatteten Gruppe I A) (B. communior Jackson) komrnt 
die Fahigkeit, a-Methylglukosid zu spalten, 3 Vertretern zu, B. com¬ 
munior A (Winslow) und 2 als B. aerogenes bezeichneten, alle 3 
auch durch Spaltungsvermogen fiir Arbutin und Salicin ausgezeichnet, 
einer auch fflr Amygdalin. In der Gruppe B. commune Jackson, 
welcher das Spaltvermogen fiir Saccharose und Raffinose fehlt, war 
keiner der untersuchten Stamme zur Spaltung von a-Methylenglykosid 
befahigt, in der folgenden, B. aerogenes Jackson, welcher das Spalt- 
vermbgen fflr Dulzit fehlt, ist das B. cloacae Jordan durch den beson- 
deren Fermentreichtum fflr Glukoside gekennzeichnet; e» spaltet neben 
P- und a-Methylglukosid auch alle anderen Glukoside, welche untersucht 
wurden (Arbutin, Salizin bis zur Gasbildung, Amygdalin unter S&ure- 
bildung). Von den iibrigen Stammen dieser Gruppe wird a-Methyl¬ 
glukosid noch von 2 Stammen (B. coli B, Typus 8 Woll und B. coli 
aus Niere, Sflldner) fennentiert. Iu der nachsten Gruppe (B. acidi 
lactici Jackson), welcher die Fermente fiir Saccharose, Raffinose und 


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278 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

Dulzit fehlen, finden wir wieder einen energischen Glukosidspalter 
(B. coli aus Harn, Porges), welcher neben a- und /?-Glukosid auch 
Salizin und Arbutin, nicht aber Amygdalin spaltet, ferner 2 weitere 
StSmme (B. coli haem. Nr. 2 und No. 16, Kraus) — alte Laboratoriums- 
stamme, welche seinerzeit durch das Vermfigen, Blut zu hfimolysieren, 
ausgezeicbnet waren — welche ebenfalls a-Methylglukosid spalten. In 
der Gruppe, welcher die Ffihigkeit, aus Kohlehydraten Gas zu bilden, 
abgeht, kfinnen wir natiirlich hochstens eine SSurebildung aus Glukosiden 
erwarten. Wir finden auch in dieser Gruppe einen Vertreter, welcher 
beide Methylglukoside, Arbutin und Salizin, zu spalten vermag (B. cos- 
coroba Castellani). Unter den zur Enteritis-Gruppe (keine Milch- 
gerinnung, keine Laktosespaltung) gehfirigen StSmmen ist nur B. levans 
durch die Fahigkeit, beide Glukoside zu spalten, gekennzeichnet. 

Ueber das Spaltungsvermdgen der untersuchten Bakterien fur die 
iibrigen Glukoside konnen wir uns kfirzer fassen. In alien Gruppen 
finden sieh einzelne Vertreter, welche Arbutin und Salizin spalten, meist 
beide, doch durchaus nicht immer. Es lfiBt sich kaum sagen, daB das 
eine Oder das andere dieser beiden Glukoside h&ufiger gespalten wird 
als das andere. Wesentlich seltener scheint dagegen das Spaltungs- 
verrafigen fur Amygdalin in der Coli-Gruppe vorzukommen. Auch 
wenn es gespalten wird, ist oft die Spaltung eine zogernde, und geht 
nur ausnahmsweise bis zur Gasbildung. Ob das mit der dabei ent- 
stehenden, auf das Wachstum der Bakterien hemmend wirkenden hypo- 
thetischen Blaus&ureentwicklung J ) zusammenhangt, laBt sich nur ver- 
muten. Auch bei den anderen Glukosiden, welche in giftige Spal- 
tungsprodukte zerlegt werden (aus Arbutin entsteht Hydrochinon, aus 
Salizin SalizylsSure), muB man daran denken, daB durch diese Spalt- 
produkte wachstumshemmende Einfliisse die Fermentbildung beein- 
trachtigen. 

Ein Vergleich der hier mitgeteilten Resultate mit den bisher in 
der Literatur vorliegenden erscheint urn so notwendiger, als nur die 
wiederholte Bearbeitung verschiedener Mikroorganismen und wohl auch 
ein und desselben Mikroorganismus durch verschiedene Autoren und 
zu verschiedenen Zeiten AufschluB fiber die wahren fermentativen Eigen- 
schaften geben konnen. So ist beispielsweise die alte Angabe von 
Inghilleri 2 ), daB B. coli commune Amygdalin spalte, B. typhi 
hingegen nicht, in dieser allgemeinen Form, wie bereits aus einer fast 
gleichzeitig erschienenen Arbeit von Fermi und Montesano 8 ) hervor- 
ging, nicht aufrecht zu erhalten. Es gibt eben, wie aus der eben er- 
wahnten Arbeit der beiden Italiener, sowie aus der von Twort 4 ) und 
aus der vorliegenden Untersuchung hervorgeht, Amygdalin spaltende und 
Amygdalin nicht spaltende Coli-Stamme, letztere sogar in fiberwiegender 
Mehrzahl. Gonnermann 5 ), welcher ein B. coli in Hfinden hatte, das 
weder Arbutin noch Amygdalin zu spalten vermochte, nimmt trotzdem, 
ebenso wie G6rard 6 ), an, daB Amygdalin im Darm stets durch B. coli 
gespalten werde, womit die Giftigkeit dieses Praparates ffir den Menschen 
zu erklaren sei. 2 Arbeiten, jene von Castellani 7 ) und von Twort 4 ), 

1) Die allerdings nicht nachgewiesen ist. 

2) Inghilleri, Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1895. S. 821. 

3) Fermi u. Montesano, Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. 1895. S. 723. 

4) Twort, 1. c. 

5) Gonnermann, PfUigers Arch. Bd. 113. 1906. S. 168. 

6 ) Gdrard, Journ. de Phann. et de Chim. Ser. II. T. 3. 1896. p. 233. 

7) Castellani, 1. c. 


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Weintraub, Glukosidspaltung durch Bakterien der Coli-Gruppe. 279 


beschaftigen sich zum Teil mit einzelnen der von mir untersuchten 
Stamme, und verwendeten zum Teil die gleichen Glukoside; nur die 
beiden Methylglukoside sind in diesem Zusammenhange bisher noch 
niemals gepriift worden. Mit den Resultaten von Twort stimmen die 
oben angefiihrten vollkommen flberein. Ein B. lactis aerogenes 
(Stamm Me Conkey), welches er priifte, vermochte, ebenso wie das hier 
untersuchte B. aerogenes Kruse (Maschek) Arbutin, Salizin und 
Amygdalin zu spalten; das hier untersuchte B. lactis aerogenes 
Escherich spaltete wohl Arbutin und Salizin, nicht aber Amygdalin; 
ebenso verhielt sich das von mir untersuchte B. aerogenes SchOn 
(Kornauth). Das von mir untersuchte B. cloacae Jordan wurde 
sowohl von Cast ell ani wie von Twort untersucht. Nach meinen 
Untersuchungen und jenen von Twort wird Arbutin, Amygdalin und 
Salizin fermentiert, Castellani fand kein Spaltvermogen fOr Salizin; 
ein von mir untersuchter Stamm B. acidi lactici (MieBner, Hannover) 
zeigt fiir Arbutin, Salizin und Amygdalin kein Spaltvermogen, Twort 
hatte einen ebenfalls als B. acidi lactici bezeichneten Stamm (von 
McConkey) in Hflnden, welcher Arbutin und Salizin zu spalten ver¬ 
mochte, nicht aber Amygdalin, und Castellani untersuchte einen 
analog bezeichneten Stamm, dessen Herkunft nicht angegeben wird, 
welcher Salizin nicht spaltete (die anderen Glukoside wurden von diesem 
Autor nicht untersucht). Das von Castellani und mir untersuchte 
B. coscoroba (der Stamm der Sammlung stammt von Winslow, 
New York, der von Castellani untersuchte trflgt keine genauere Be- 
zeichnung). Das von mir und von Castellani untersuchte B. can- 
diense (bei letzterera als B. kandiensis bezeichnet) ist identisch, da 
die Kultur aus der Sammlung von Castellani herrfihrt. Die Resultate 
stimmen tiberein; weder der eine noch der andere Stamm vermochten 
Salizin oder Amygdalin zu spalten. Das Gleiche gilt von den ebenfalls 
identischen Stammen B. madapense Castellani. Dagegen zeigt der 
ebenfalls von uns beiden untersuchte Stamm B. lunavense Castellani 
bei mir Saurebildung aus Amygdalin, bei Castellani nicht; Salizin 
wird aucli bei mir nicht angegriffen. B. talavense Castellani spaltet 
weder bei Castellani noch bei mir Amygdalin, dagegen sowohl bei 
seiner wie bei meiner Untersuchung Salizin, und zwar in beiden Unter¬ 
suchungen nur unter Saure-, nicht unter Gasbildung. Die verschiedenen 
als B. levans (aus Teig gewonnenen) bezeichneten Stamme verhalten 
sich untereinander verschieden: einej^ stimmt mit dem von Castellani 
untersuchten gut flberein. B. pseudoasiaticum spaltete bei Cas¬ 
tellani Salizin bis zur Gasbildung, Amygdalin nicht, in meiner Unter¬ 
suchung weder Salizin noch Amygdalin; vielleicht ist dieser Kultur die 
salizinspaltende Fahigkeit verloren gegangen. Das Gleiche bezflglich 
der Spaltung von Salizin gilt von der Kultur B. giumai, die sich 
auch bezflglich Amygdalin gleich verhielt. B. tangalense spaltet bei 
Castellani und in meinen Versuchen Salizin bis zur Saurebildung, 
Amygdalin weder bei ihm noch bei mir. B. icteroides Sanarelli, 
welche Kultur in meinen Versuchen Salizin bis zur Gasbildung spaltet, 
Amygdalin nicht, vermag bei Castellani weder das eine noch das 
Glykosid zu zerlegen. 

Zusammenfassung. 

Die Untersuchung einer groBen Anzahl von Bakterien der Coli- 
Gruppe auf ihre Fahigkeit, Glukoside zu zerlegen, ergab, daB samtliche 


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280 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

zur Coli-Gruppe gehorigen Bakterien, mit Ausnahme von 2, welche 
auch sonst auBerordentlich fermentarm sind, /7-Methylklukosid zu spalten 
vermSgen. Diese Tatsache ist insofern auffallend, als Hefen im all- 
gemeinen (es spalten nur wenige Methylglukoside) ^-Methylglukosid gar 
nicht Oder nur schwach, a-Methylglukosid hingegen leichter spalten. Die 
ubrigen untersuchten Glukoside wurden von einigen Vertretern der ver- 
schiedenen Gruppen gespalten, von anderen nicht, ohne einer strengen 
Regel zu folgen. Es konnte mit Hilfe der angewendeten Methode aller- 
dings nicht entschieden werden, ob es sich hier um Fehlen des Fer- 
raentes handelt, Oder ob nicht die durch Spaltung der Glukoside ent- 
stehenden Produkte wenigstens in einigen Fallen wachstumshindernd 
wirken. — Vergleiche mit den Resultaten der Untersuchungen anderer 
Autoren, die zum Teil dieselben Bakterien in Handen batten, zeigen. 
daB im allgemeinen die fermentative Glukosidspaltung eine konstante 
Eigenschaft ist, d. h., einmal vorhanden, nicht verloren geht. In ein- 
zelnen Fallen sind allerdings Differenzen in den Resultaten zu verzeichnen; 
da diese jedoch nicht immer darin bestehen, daB bei spateren Unter¬ 
suchungen weniger Fermente zur Beobachtung kommen, sondern zuweilen 
auch von friiheren Untersuchern nicht beobachtete Spaltungen von 
Glykosiden in spateren Untersuchungen gelegentlich festgestellt werden 
konnten, diirften diese Differenzen wohl eher auf anderen Ursachen be- 
ruhen (andere Untersuchungsmethode, Verwendung anderer, vielleicht 
nicht analytisch gleichartiger Glykoside, Verwendung anderer Nahrboden, 
deren EinfluB noch besonders zu untersuchen ware). 

Fur die gfltige Erlaubnis, vorliegende Untersuchungen mit den Hilfs- 
mitteln des serotherapeutischen Institutes und den Kulturen der mikro- 
biologischen Sammlung in Wien ausfuhren zu dtirfen, bitte ich den In- 
stitutsvorstand, Herrn Hofrat Prof. P alt auf und insbesondere meinen 
unvergeBlichen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Ernst Pribram, der mir den 
Weg zur wissenschaftlichen Arbeit gewiesen hat, meinen herzlichsten 
Dank entgegennehmen zu wollen. 


Nachdruclc verboten. 

Endo-Nahrboden bei der Pestdiagnose. 

[Aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg (Direktor: Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. R. 0. Neumann).] 

Von Prof. Dr. Ulster. 

Nachdem wahrend der Kriegszeit der Schiffsverkehr im Hamburger 
Hafen ganzlich geruht hatte, belebte er sich nach Friedensschlufi all- 
raahlich wieder, und wurde sogar zeitweilig reger, als vor dem Kriege. 
Damit kamen wieder Schiffe aus pestverseuchten Gegenden nach Ham- 



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K is ter, E n d o - Nahrboden bei der Pestdiagnoae. 


281 


burg mit ihren unerwtinschten Passagieren, den Pestratten. Das 1. Schiff, 
auf welchem Pestratten nachgewiesen werden konnten, kam Mitte August 
1920 nach Hamburg. Auf diesem aus Buenos Aires kommenden, mit 
Getreide beladenen Segler, „Prince George“, fanden sich im ganzen 
348 Ratten, von denen 2 mit Pestbakterien behaftet waren. Das 2. Schiff 
mit Pestratten kam Ende Juli 1922 ebenfalls aus Buenos Aires nach 
Hamburg. Es war der mit Getreide und Sttickgut beladene Dampfer 
_Legie“. Auf diesem Dampfer fanden sich nur 39 Ratten und 1 Maus, 
und nur 1 Ratte hatte Pestbakterien. Das n&chste Schiff mit Pestratten 
war der mit Sack- und Stflckgut beladene Dampfer „Arola Mendi u , 
welcher Ende November 1922 aus Buenos Aires nach Hamburg kam. 
Der Dampfer hatte 478 Ratten an Bord, von denen 50 Pestbakterien 
aufwiesen. Bei diesem Falle gestaltete sich die Diagnose, wie schon in 
frflheren Jahren manchmal, insofern schwierig, als die pestverdachtigen 
Ratten sich bereits in einem hochgradigen Zustand der Fflulnis befanden, 
und zwar war es hier der Proteus vulgaris, der sich bei alien 
zuert eingelieferten Ratten in s&mtlichen Organen der Tiere fand. Da- 
durch war es g&nzlich ausgeschlossen, auf den fflr die Pestdiagnose 
gebrauchlichen N&hrboden Reinkulturen von Pestbakterien zu erhalten, 
trotzdem im mikroskopischen Bilde typische, polgefarbte Stabchen bei 
weitem in der Ueberzahl, und nur anscheinend ganz wenige FSulnis- 
bakterien vorhanden waren. In alien Kulturen, auch in den von den 
Bubonen angelegten, hatten schon nach weniger als 18 Std. die Proteus- 
Bakterien die ganzen Platten mit einem gleichmaBigen, hauchartigen, 
kaum mit bloBem Auge zu erkennenden Belag iiberzogen, so daB die 
Kolonien der Pestbakterien nicht zu erkennen waren, oder, wenn es 
mikroskopiscb moglich war, doch durch Abimpfung eine Reinkultur, die 
ja zum AbschluB der Diagnose erforderlich ist, nicht erzielt werden 
konnte. Auch in den Organen der mit dem Ausgangsmaterial geimpften 
Tiere, selbst der kutan geimpften Meerschweinchen, waren immer noch 
Proteus-Bakterien zugegen, die, wenn sie auch mikroskopisch im 
Farbepraparat ganz zurficktraten, in den Kulturen alles iiberwucherten. 
Unter diesen Umstanden hat uns nun der Endo-Nahrboden, der fflr 
Typhus-, Paratyphus- und auch fflr Cholerauntersuchungen in unserem 
Institut stets mit bestem Erfolge angewandt wird, gute Dienste geleistet. 
Der Proteus vulgaris wird im Wachstum, was schon seit l&ngerem 
bekannt ist, auf der Endo-Platte derartig gehemmt, daB er nicht, wie 
auf anderen Nahrboden, die ganze Platte hauchartig flberzieht, sondern 
unregelmaBige, aber uinschriebene Kolonien bildet. Es gelingt bei reich- 
licher Verdflnnung und Ausspatelung mit einem Glasspatel leicht, iso- 
lierte Pestkolonien zu erhalten; selbst bei dichter Aussaat entwickeln 
sich manchmal, umrankt von den nunmehr nach Art des Proteus 
Zenkeri oder der O-Form des Proteus wachsenden Proteus-Aus- 
•aufern, isoliert stehende Pestkolonien. Nur ist es ratsam, sich vor der 
Abimpfung bei schwacher VergrflBerung von der hinreichenden Iso- 
lierung zu flberzeugen. Die Gelatineplatte, welche auch fflr die Aus¬ 
saat fauligen Pestmaterials empfohlen worden ist, fuhrt bei Anwesen- 
heit von Proteus hier nicht zum Ziele, da die ganzen Platten zu 
schnell verflflssigt werden; abgesehen davon, daB die Gelatineplatte, 
hei niederer Temperatur aufbewahrt, fflr die praktische Diagnose ein 
zu spates Ergebnis liefern wflrde. Die Vorbedingung fflr die Ver- 
wendung des Endo-N&hrbodens ist allerdings, daB er richtig herge- 
stellt wird. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Wenn sich dieser N&hrboden noch nicht so allgemeiner Anerkennung 
erfreut, wie er es wohl verdient, so liegt das zum guten Teil daran, 
daC er in seinem Fuchsin-Natriumsulfitzusatz nicht richtig abgestimmt 
wird. Es genfigt nicht, den Endo-N&hrboden genau nach der von 
Endo angegebenen Vorschrift herzustellen, sondern es muB jedesmal 
fur das Nahrbodenquantum die gerade gflnstige Menge Fuchsin und 
Natriumsulfit festgestellt und durch Priifungsplatten die Brauchbarkeit 
des Nflhrbodens nachgewiesen werden. Dieses gilt auch fflr die Unter- 
suchung auf die verschiedenen Darminfektionserreger. Ein guter Endo- 
nahrboden ist neben den anderen vorgeschriebenen auch fflr Cholera- 
vibrionen vorzflglich geeignet. Die Vibrionen wachsen auf ihm flppig 
und mit einer burgunderroten Farbe, die sie leicht von den metallisch 
glanzenden Coli-Bakterien oder kleineren rotlichen Kokkenkolonien 
unterscheiden lafit. Fflr die Pestdiagnose kann der Nahrboden aber, 
wie schon gesagt, noch besonders bei fauligem Material empfohlen 
werden. Wie Prfifungen einer grflBeren Reihe, aus fauligem Fleisch und 
anderem fauligen Material gezflchteter Proteus-Stamme ergaben, wird 
die schnelle Ausbreitung der Kultnr auf dem Endo-NShrboden fast 
stets mehr oder weniger weitgehend gehemmt. Die Pestbakterieu sind 
auch auf dem Endo-NShrboden gut als solche zu erkennen. Sie wachsen 
auf ihm rotlich, im flbrigen aber in denselben Formen, wie auf Fleisch- 
wasseragar, auf welchem sie ja bekanntlich in 2 Typen auftreten, ent- 
weder, und zwar nach unseren Erfahrungen am haufigsten, in Form 
sehr zarter, heller, im Zentrum wenig granulierter und mit einem feinen, 
durchscheinenden Saum ringsum umgebener Kolonien, oder seltener in 
Form etwas massigerer, im Zentrum gelblicher, starker granulierter 
Kolonien, die den feinen Rand nur zum Teil und andeutungsweise er¬ 
kennen lassen. 


Nachdruck verboten. 

A Study of Yeasts from Sore Throats. 

| From the Department of Bacteriology, University of Illinois, Urbana.J 

By Fred W. Tanner and Gail M. Dack. 

The yeasts and yeast-like fungi are becoming better understood as 
etiologic agents in disease. One does not have to go back very far nor 
search very long in the literature to find statements that they are rela¬ 
tively unimportant, at least, of much less significance than the bacteria. 
This is undoubtedly due to the slight emphasis given these micro¬ 
organisms in text-books and in courses in microbiology. Castellani 
has suggested that these fungi receive the same intensive analysis in 
relation to disease that the bacteria have received for half a century. 
This would, perhaps, reveal and emphasize their etiological importance. 
Recently, however, the literature on these organisms seems to be be¬ 
coming more and more voluminous. 


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Tanner and Dack, A Study of Yeacts from Sore Throats. 


285 


Historical. 

The pathogenic yeasts and yeast-like fungi have received little study since the 
early days of experimental medicine. The cells of these organisms were larger than 
the bacteria and were consequently seen with greater ease. Claude Bernard is said 
to have rejected yeasts into dogs. Intravenous injections, in some instances, caused 
death. Neumayer (1) carried out investigations to determine whether yeasts which 
were present in foods and beverages, and which were used in the preparation of these 
products, could cause disease when taken into the alimentary tract. Neumayer re¬ 
ported that they were harmless and that they soon died out. It seems to be true, 
then, that we are dealing with a group of fungi part of which are pathogenic and part 
of which are non-pathogenic. This is certainly true for the molds and tne bacteria. 

Troissier and Achalme (2) isolated a yeast from sore throats to which they 
gave the name Saccharomyces anginae. It grew abundantly in ordinary media, 
ile Stocklin (B) found yeasts in 37 of 500 diphtheria examinations. The characte¬ 
ristics of these fungi indicated that they were apparently thrush organisms. In several 
cases deStbcklin found these fungi along with Corynebacteriumdiphtheriae. 
He believed that the presence of tne yeast increased the virulence of the Coryne- 
bacterium diphtheriae, and that there was probably a symbiotic relation. 
Qrasset (4) found a yeast much like the thrush fungus in an abscess in the mouth. 
This organism produced lesions and abscesses from which it was cultured. Fouler- 
ton (5) isolated a yeast from several cases of pharyngitis. It was associated with 
Cory nebacterium diphtheriae in one case. Foulerton could not say whether 
the yeast was the etiologic agent in the pharyngitis or whether it was merely a casual 
contaminant. Its pronounced pathogenic properties determined by animal inoculations, 
however, suggest that it may have been the cause of the symptoms in the cases studied. 
Foulerton named this yeast Saccharomyces tumefaciens albus. There was 
never any tendency to form a mycelium, feporulation was not observed, reproduction 
taking place solely by budding. These characteristics would indicate that the name 
was ill-founded. It probably belonged to Cryptococcus group of Vuillemin. 
Pathogenic properties were exhibited tor tame mice, rabbits, and to a lesser degTee for 
guinea pigs. Wilson (6) has stated that of the various types of sore throat one may 
be due to yeasts. Attention was directed to a number of cases which were studied. 
Over a period of 18 months, yeast-like organisms were found to be present in 136 cases 
of respiratory infections which were reported by the physician to be accompanied by 
a membrane in the throat and which were negative for diphtheria. In some cases 
streptococci and staphylococci were present. 12 of the cases were studied personally 
by Wilson who described the clinical symptoms as follows: 

“These cases presented a clinical history of onset with chill, somewhat rapid rise 
in temperature, running in two children to l05°, malaise and considerable prostration. 
The tonsils were congested, swollen and they very rapidly developed a thin, grayish 
white membrane. In most cases this membrane extended forward from the tonsils over 
the anterior faucial pillars and in some cases upward involving the uvula and soft 
palate. In one instance, the membrane extended completely around on both sides of 
the tongue. The membrane is somewhat completely removed though with much more 
difficulty than in thrush. The underlying surface does not bleed as a rule, though 
occasionally bleeding points are observed, especially over the tonsils. The color has 
not been observed to be yellowish, but pearly white or grayish white. There is con¬ 
siderable cervical adenitis. The membrane does not yield readily to local treatment 
with silver nitrate, iodin, lactic acid, carbolic acid or formalin. Antitoxin in four 
thousand unit doses up to sixteen, twenty and twenty-four thousand units has been 
used on four of these cases without any effect on the membrane. Two cases reported 
to the laboratory in which no other organisms of apparent clinical significance were 
obtained in any of several cultures therefrom have proven fatal 11 . 

Hickey (7) reported the presence of many yeasts in a case of sore throat. The 
tonsils were covered with a heavy membrane in which no other pathogenic bacteria 
were found. Steinhaus (8) found a yeast in a child suffering from scarlet fever. 
He named this fungus Saccharomyces membranogenes. On the 5th day the 
child developed croup with a fetid odor. On the 21st day dypsnea developed and 
tracheotomy was performed. After operation, the child coughed' up a tenaceous mass 
after which breathing became easier. One thousand units diphtheria antitoxin were 
given, but the patient died the next day. Cultures on Loefflers blood serum showed 
glistening, round, light yellow-tinged colonies in 16 hours. These proved to be a yeast. 
Injections into guinea pigs, mice and rabbits showed it to be pathogenic. At autopsy 
characteristic miliary tubercles and sections revealed the yeast fungus in all of the 


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284 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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organs and in the blood vessels and nerves. The yeast fermented glucose. The pres¬ 
ence of yeast-like fungi on swabs submitted for diphtheria examinations was reported 
by Heidsieck (9). Out of 300 such specimens, 13 contained yeasts. Breed (10) 
found yeasts from various pathologic conditions including lung infections. They were 
also present in the membrane on a tonsil. That they were the causal organisms in 
some of the throat infections seems to be indicated by the fact that improvement in 
three cases followed the disappearance of the organisms. Autogenous ”bacterins“ pre¬ 
pared from these yeasts seemed to cause improvement. The serum of two patients 
pave positive agglutination reactions for the yeast cells. Grover (il) carried out an 
investigation using yeasts isolated from diphtheria specimens. His attention seems to 
have been drawn to these organisms by the frequency with which they were found on 
the swabs. Guinea pig inoculations were followed by glandular enlargement in all 
cases except four. One caused the death of the guinea pig in three weeks. No other 
pathologic changes than glandular enlargement could be found. Another culture caused 
the formation of an abscess of one of the cervical glands, the pus from which gave a 
pure culture of the yeast which was injected. In another series of tests scarifications 
were made on the inside of the cheek of guinea pigs after which, in many cases, false 
membranes were formed. Grover reported, although no data were apparently pre¬ 
sented in his paper to support it, that yeasts are present in a certain percentage of all 
normal throats, and may become etiologically significant at certain times. A yeast was 
isolated by Guilliermond and Peju (12) from a benign angina. It was present in 
the membrane and was named Debaromyces Kloekeri. Both isogamy and hetero¬ 
gam y were observed and it was classed with Debaromyces since asci resulted from 
copulation. According to Greenbaum and Klauder (13) the skin is covered with 
yeasts. They found four types of yeasts in the interdigital spaces. Three of these 
were classed with Saccharomyces and one with Cryptococcus following the 
scheme of Castellani and Chalmers in their Manual of Tropical Medicine, 3rd. 
edition. The 3 Saccharomy ces gave negative results on animal inoculation. The 
Cryptococcus, however, gave evidence of pathogenicity on inoculation into guinea 
pigs. 4 days after inoculation a tender mass was palpable at the site of inoculation. 
Necropsy showed pathologic changes, with pus formation from which a pure culture 
of yeasts was isolated. Increasing doses of this yeast caused death preceded by a severe 
peritonitis. A lesion was also produced by rubbing some of the yeast into an inter- 
digital space of a patient. Greenbaum and Klauder found yeast like fungi com¬ 
monly on the skin. Numerous other reports of pathogenic yeasts are presented in the 
literature. 


Experimental, 

The cultures used in this investigation were isolated from throat 
swabs submitted to the East State Branch Laboratory of the Illinois 
Department of Public Health for examination for the presence of Co- 
rynebacterium diphtheriae. Several of the cultures were received 
from Doctor T. G. Hull of the Main Laboratory at Springfield whose 
interest is appreciated. The cultures with the lower numbers were 
isolated first and were maintained in the laboratory until a sufficient 
number had been accumulated for observations. The yeasts were usually 
first observed in the smears prepared from the blood serum cultures. 
When they were noticed on these preparations, they were isolated in 
pure culture by the usual manipulations. After a time, it was found 
that, when the yeasts were present if the blood serum cultures were 
allowed to stand at room temperature for three or four days, the typical 
growth of yeasts appeared. If these fungi were present, they usually 
appeared as thick white creamy patches or layers on the blood serum. 
The anamneses were sought in several cases but it was impossible to 
secure them. 

Media: The media used were those commonly found in a bacterio¬ 
logy laboratory along with certain special media for the yeasts. Giant 
colonies were grown on lactic acid dextrose agar. This investigation 
was primarily concerned with the behavior of these fungi in the animal 
organism but a few cultural studies were made to be certain that they 


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Tanner and Dack, A Study of Yeasts from Sore Throats. 


285 


did not belong to the fermenting or industrial yeasts. Malt agar and 
liquid media were also prepared after the formula of Stiritz as follows: 
15 grams of agar were added to 400 c. c. of malt drink (’’near beer“) 
and 600 c. c. of distilled water. This was heated and held at boiling to 
dissolve the agar. It was then tubed and sterilized. Just previous to 
pouring into plates, after melting and cooling, 100 c. c. were acidified 
by 4 c. c. of a 5 per cent solution of lactic acid which had been pre¬ 
viously sterilized. Toward the end of this investigation it was found 
that malt sugar syrup and malt extract manufactured by the Puri Tan 
Malt Extract Company of Chicago, when diluted with a sufficient amount 
of water, gave a good medium for growing yeasts. 

Growth on solid media: Vegetation on the solid media used, such 
as dextrose agar, lactic acid dextrose agar, malt agar, etc., was not 
especially significant. The growth was abundant in each case and of an 
opaque white color. It was raised and glistening. Giant colonies were 
grown on lactic acid dextrose agar at room temperature for 30 days. 
Vigorous growth was secured on carrot slants as suggested by Rees. 
The cells from this medium showed a greater tendency to mycelial 
formations than from certaiff of the other media. Plain and dextrose 
gelatin were used to determine gelatin liquefaction. One series of tubes 
was inoculated by stabbing and another by placing a drop or two of 
a wort culture on the surface. The dextrose gelatin was used since 
it was feared that plain gelatin might not allow vigorous enough growth 
to show liquefaction. It was found that growth and liquefaction were 
much more vigorous when the carbohydrate was present. These series 
of tubes were incubated at 20® C for one month. All of the strains 
liquefied gelatin. On the plain gelatin it was rather slight but when 
dextrose was present, it was abundant. 

Growth in liquid media: Beer wort prepared as described was 
sterilized in 100 c. c. portions in Erleumeyer flasks. This was in¬ 
oculated and incubated at room temperature for several days until 
growth was apparent. Most of the cultures grew with a heavy sediment 
and evident ring formation. The ring which was formed in certain of 
the cultures often broke up easily and fell to the bottom of the flask 
when disturbed. Cultures 20 and 27 formed a thin veil over the surface 
of the medium which tended to climb the walls of the container. 

Tubes of sterile skimmed milk were also used since this medium 
has served a useful purpose in differentiating the yeasts. Observations 
were made after 22 days incubation at room temperature. The milk in 
each culture tube was divided and a portion tested with litmus and the 
other portion with brom cresol purple. All cultures were alkaline with 
the exception of Nos. 16, 20, 24, 27, and the controls which were 
neutral. 

Castellani (14) isolated 22 strains of En d omyces affecting man 
in the tropics none of which had any action on the constituents of milk, 
or gelatin. These strains isolated from sore throats in Illinois behave 
very much like those isolated by Castellani in the tropics. Another 
series of these fungi isolated from throats in London had similar cha¬ 
racteristics. 

Shape of cells: Microscopic observations were made on material 
from carrot slants, the sediment in beer wort cultures and the veil or 
scum on the surface of these cultures. The size and shape of the cells 
did not appear to be especially significant. The shapes varied from 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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spherical, oval cells to elongated sausage-shaped cells. The size ex¬ 
hibited considerable variation depending on the medium from which 
they were taken. Special attention was given to mycelial formation. 
These structures seemed to be most readily formed in the liquid cul¬ 
tures. In some cases the filaments tended to become quite complex. 

Fineman (15) has reported an interesting experiment in this con¬ 
nection. She showed that by depressing the surface tension of a medium 
(Linossier’s medium) with castor oil soap, Oidium albicans tended 
to take on the typical yeast-like growth and forms of cells while in the 
same medium with the normal surface tension, there was a greater 
tendency to vegetate in the mycelial formation. This may offer an ex¬ 
planation for the contradictory statements about the thrush fungi in the 
literature and suggests the necessity of giving considerable attention to 
the media used in all microbiological work. 

Sporulation: To determine this function examinations were made 
on cells from carrot slants, Gorodkowas agar medium, gypsum blocks 
and old dried up dextrose agar slant cultures. Several different me¬ 
thods were used in the examination of these cells for the presence of 
ascospores. 

The importance of this function in classification made it seem ne¬ 
cessary to use as many methods as possible. The data on this test 
seem to indicate that ascospores were not formed in the cells which 
were examined. Culture 24 formed ascospores on all of the media from 
which cells were examined. The fermenting abilities of this yeast, its 
lack of pathogenic properties and the formation of ascospores seems to 
indicate that this species was one of the common industrial varieties 
which must have been a chance contaminant in the throat from which 
it was taken. It was left in the series of cultures which was studied 
since it acted as a sort of check on the other yeasts which are distinctly 
different in characteristics. 

Hansen’s (16) alcohol test gave some evidence of the formation 
of resistent bodies. These data may lend support to the observations 
of Linossier and Roux (17) who reported in old cultures ofEndo- 
myces albicans the production of resistant forms comparable to 
chlamydospores. Vuillemin (18) has also described bodies in these 
fungi which are resistant. No true ascospores, however, could be found 
in the cells of the pathogenic varieties used. 

Fermentation reactions: Fermentation tests were carried out with 
common carbohydrates in plain tubes and in Durham fermentation tubes. 
Three series were carried through in order to check as closely as possible 
the formation of acid and gas. One series of tubes was prepared with 
sterile peptone broth and sterile sugar solutions sterilized separately in 
order that no hydrolysis of polysaccharides would take place if they 
were sterilized together in the same tube, as has been suggested by 
Mudge (19) and Hasseltine. Another series of Durham fermen¬ 
tation tubes prepared as above containing brom-thymoi-blue, as suggested 
by Baker, was used. A third series of Durham fermentation tubes 
without the indicator was employed. The medium in these tubes was 
divided into two portions which were tested with brom-thymol blue and 
litmus. The slightest change in the reaction w r as recorded. Fineman 
also carried out fermentation reactions using Andrade’s indicator. The 
data from the fermentation reactions are given in Table I. 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Tanner and Dack, A Study of Yeasts from Sore Throats. 


287 


Table I. 

Fermentation reactions. 


Cul¬ 

ture 

Nr. 

Dex¬ 

trin 

Dex¬ 

trose 

Galac¬ 

tose 

Inulin 

Lac¬ 

tose 

Levu¬ 

lose 

Mal¬ 

tose 

Man¬ 

nite 

Raffi- 

nose 

Saccha¬ 

rose 

Xy¬ 

lose 

2 

+ 

+ G 

+ 

± 

4- 

4-G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

a 

+ 

+ G 

4- 


+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

4 


+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

5 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ 

+ 

-1- 

+ 

4- 

6 

4- 

+ G 

+ 


+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

4- 

+ 

7 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

4- 

-I- 

+ 

+ 

+ 

8 

+ 

+ G 

+ G 

± 

4- 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

9 

+ 

+ G 

■+■ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ • 

+ 

+ 

+ 

14 

+ 

+ G 

+ G 

± 

4- 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

15 

+ 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

16 

+ 

4- G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

20 

+ 

+ G 

4- 

± 

4- 

+ G 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

21 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

22 

+ 

+ G 

4- 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

23 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

4* 

+ 

+ 

4* 

+ 

24 

+ 

4-G 

+ G 

± 

4- 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ G 

+ 

25 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

26 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 

27 

+ 

4- G 

4- 


+ 

4- G 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

28 

+ 

+ G 

+ 

± 

+ 

+ G 

+ G 

+ 

+ 

+ 

+ 


G = Gas production Clark’s indicators used, -f = Acid, — = Alkaline. 


As is true with many of the groups of bacteria, sugar fermentation 
reactions have served a useful purpose in separating related forms of 
yeast-like fungi. Castellani (14) who has given much study to this 
group of fungi employed milk, gelatin, and carbohydrate fermentations 
for studying the strains which he isolated. Castellani reported a 
variation in the fermentation of mannite. Acid and gas were found in 
dextrose, levulose, and maltose. These results were secured with a 
series of strains isolated in the tropics and also another series isolated 
in London, in an attempt to see whether the two series showed any 
differences. Fineman’s (15) strains also fermented dextrose, levulose 
and maltose with the formation of acid and gas; a few strains formed 
acid or gas in other sugars. The fermenting reactions of the strains 
used in this investigation and isolated from throats in Illinois, gave 
results which differ somewhat from those reported by Castellani and 
Fine man. Their differences, however, are felt to be due to the use 
of different indicators. Bearing these differences of technic in mind, 
no outstanding conflictions exist between the papers referred to. 

Temperature relations: Tubes of dextrose agar slants and dextrose 
broth were inoculated and placed in incubators at the following tem¬ 
peratures; 4°, 16°, 45°, and 55° C. The results of these tests are 
shown in Table II. All of these strains grew well between 16° and 
45° C. No growth was secured at 55° C. The organisms were appar¬ 
ently destroyed at this temperature since transfers from these cultures 
gave no growth, when subsequently incubated at 37° C. None of the 
cultures grew at 4° C but when the culture tubes were subsequently 
placed at 37 0 C good growth occured. This would indicate that 4°C 
was not a lethal temperature as was 55° C. 


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UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 







288 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Table II. 

Effect of temperature upon budding. 


Cul¬ 

© 

o 

16° C 


45 

0 C 

55° C 

ture 

Dextrose 

Dextrose broth 

Dextrose 

i Dextrose 

Dextrose 

Dextrose 

No. 

Agar slant 

Agar slant 

brothi 

Agar slant 

Agar slant 

2 

None of the 

Ring scant + + + 

+ + + 

' + 

+ 

None of the 

3 

cultures 

+ + + 

+ + + 

++ 

+ + 

cultures 

4 

grew ( 1 

Ring abundant + + + 

— 

++ 

+ + + 

grew 

5 

idem 

Ring scant + + + 

— 

— 

— 

idem 

e 

17 

Ring scant + + + 

+ + + 

++ 

+ + + 

77 

7 

17 

Ring scant + + + 

+ + + 

++ 

+ + + 

77 

8 

77 

Ring scant + + + 

+ + + 

+++ 

+ + + 

77 

9 

71 

+ + + 

+ + + 

++ 

+ + + 

77 

14 

77 

+ + + 

+ + + 

++ 

— 

77 

15 

* 

Ring scant + + + 

+ + + 

++ 

— 

77 

16 

77 

Ring scant + + -f 

+ + + 

+++ 

— 

77 

20 

77 

— 

— 

+++ 

— 

V 

21 

| 

a 

Ring abundant + + + 

+ + + 

++ 

— 

77 

22 

77 

Ring scant +-f+ 

+ + + ! 

++ 

+ + + 

77 

23 

77 

Ring abundant + + + 

+ + + 

+++ 

+ + + 

77 

24 

77 

+ + + 

— 


— 

77 

25 

71 

Ring scant + + + 

+ + + 

+ 

— 

77 

26 

77 

Ring abundant + + -f 

- ! 

++ 

+ + + 

77 

27 

77 

Pellicleand Ring-y + + 

+ + + , 

Pellicle 
+ + + 

+ + + 

77 

28 

77 

Ring + + + 

+ + + 

+ + + j 

+ + + | 

77 


— = No growth, -f- = Scant growth, ++ = Moderate growth, + + + Abundant 

growth. 


Pathogenicity studies: The pathogenic properties of the yeasts are 
being better understood. This phase of the investigation was the one 
which prompted this work — to determine whether these yeast cells 
which are so frequently encountered on diphtheria specimens possessed 
any pathogenic properties when introduced into the animal organism. 
S kchiwan (20) studied this question by injections ofSaccharomyces 
subcutaneous tumefaciens into the peritoneal cavity and into the 
blood stream. After introduction into the peritoneal cavity the action 
of the leucocytes was followed. At intervals of from 5 minutes to 36 
hours after injection, portions of the peritoneal fluid were withdrawn 
for study. These were studied culturally and microscopically. Imme¬ 
diately after the injection of the yeasts the leucocytes seemed to disappear 
during the period of active phagocytosis. They soon began to appear 
again. Ingestion of yeast cells by the leucocytes continued for two or 
three days. At the beginning the yeasts were shown to be viable cul¬ 
turally but viable cells gradually decreased in numbers. Cultures were 
also injected into the marginal vein of a rabbits ear. Organs in rabbits 
so treated with the pathogenic yeast and which were killed 10, 20 and 
40 hours after injection, showed the presence of living yeast cells. 
Saccharomyces pastorianus, a non-pathogenic variety, was killed 
more rapidly than the pathogenic yeast, Saccharomyces subcuta- 
neus tumefaciens. The destruction of both types of yeast seemed 
to be by phagocytosis. This did not exclude the possibility of destruc¬ 
tion by the body fluids. This possibility was studied by placing capillary 
tubes of the yeast into the body cavities of guinea pigs. The leucocytes 


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UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Culture 

number 


Tanner and Dack, A Study of Yeasts from Sore Throats. 289 


Table III. 

Results of inoculations into guinea pigs. 


Type of inoculation 


Subcutaneous 


A large lesion surrounded 
by an extended inflam- 
med area was formed. 
Alter 15 days a raised 
area was formed which 
was very sensitive. The| 
guinea pig recovered 
slowly. 


3. 


5. 


6 . 


An inflammed area with 
swelling and tenderness 
appeared about the site 
of injection. A small 
raised lesion was appa¬ 
rent at the end of thej 
experiment. (15 days.) 
The animal recovered. 


A lesion resulted at the 
site of inoculation and 
a slight inflammation 
was noticed. The animal 
recovered. 

Inflammation was caused 
over a large area on the 
abdomen and a small 
lesion was formed at the 
site of inoculation. The 
animal recovered. 

A lesion with a more ex¬ 
tended inflammed area 
was observed at the site 
of inoculation. As time 
progressed this became 
smaller and smaller. The 
animal recovered. 


A large inflammed area 
was formed about a sup¬ 
purative lesion at the site 
of injection. The animal 
recovered. 


Intravenous 


Intraperitoneal 


The animal died within 24 
hours. The blood culturel 
from the heart was negative 
while those from the kid¬ 
neys and liver were posi-; 
tive. 


Theanimaldiedin 15hours. 
After 14 hours, very pro¬ 
nounced symptoms in¬ 
volving muscular weak¬ 
ness appeared and mu¬ 
cous excretions came 

__J from the nose. There 

were also symptoms of irregular and difficult breathing. 
On autopsy general septicemic conditions were notea. 
The stomach and intestines were distended. Cultures 
from the heart’s blood, kidneys, brain and liver showed 
the presence of yeasts. 


The animal remained nor¬ 
mal. 


The animal died within 24 
hours. The autopsy indi¬ 
cated that the nostrils see¬ 
med to be filled with mucus. 

The intestines and stomach 
were distended and the lungs 
were hemorrhagic. The other 
internal organs appeared nor¬ 
mal. Yeasts were isolated 
from the lungs, liver, heart 
blood and brain. 

The animal died within 24ll'he animal remained nor- 
hours after inoculation. No' mal and from the autopsy 
autopsy was made. made at the end of 30 

days,normal appearances 
of the organs were noted. 

|The animal remained normallThe animal remained nor¬ 
and recovered. mal. 


The animal died in 24 hours. The animal remained nor- 


Krite Abt. Orig. Bd. 91. 


Cultural studies from the 
heart’s blood, kidneys and 
liver were positive. Cultures 
from the lungs were positive 
and a culture from the brain 
showed that organ to be 
heavily seeded withtheyeast. 
The lungs were hemorrhagic 
and the lobes of the liver 
blackened. 

The animal died within 48 
hours. Upon autopsy the 
lungs proved to be badly 
congested and hemorrhagic. 
The other organs appeared 
normal. Cultures from the 
brain, spleen, kidneys and 
liver were strongly positive 
while a culture from the 
lungs was negative, 

Heft o. 


mal. 


The animal remained nor¬ 
mal. 


19 


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UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 




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290 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


s x> 
* e 
3 a 

o g 


Subcutaneous 


Type of inoculation 
Intravenous 


lntraperitoneal 


8 . 


14. 


formed. At the site of 
inoculation an open le¬ 
sion was formed which 
persisted for a long time. 
The animal recovered. 


9. 


30 days after inoculation 
showed the internal or¬ 
gans to be normal. 


A large inflamraed area|The animal died in 24 hours. The animal remained nor- 
which was tender was! Cultures from the heart’s mal. An autopsy made 

blood and lungs were nega¬ 
tive white cultures from the 
liver, kidneysand spleen were 

positive. A culture from the_ 

brain was strongly positive. Before death there were 
secretions from the nostrils and mouth; after death the 
internal organs appeared normal. 

A large open lesion was) The animal died in 24 hours.(The animal remained nor- 
formed at the site of in-| Cultures from the liver, kid mal. 

nevs and heart’s blood were! 


oculation about which 
there was an extended 
inflammed area. This 
lesion slowly decreased 
in size. The animal re¬ 
covered. 

jA medium sized lesion was 
formed about which there 
was an extended area of 
inflammation. The lesion 
ruptured, discharged and 
heated. The animal re¬ 
covered. 


15. 


16. 


20 . 


21 . 


positive and a culture from the brain was strongly 
positive. Before death there was labored breathing 
and a paralysis of the muscles. Autopsy showed the 
lungs to be hemorrhagic while the other organs ap¬ 
peared normal. 

jThe animal died in 24 hours. The animal remained nor- 
Labored and jerky breathing mal. 

were noted and also a para-__ _ 

lysis of the muscles. Cultures from the heart’s blood 
were positive and a brain culture was heavily seeded. 
Upon autopsy the lungs seemed to be hemorrhagic 
while the other organs appeared quite normal. 


A small lesion was formed The animal died in 48 hours; The animal remained nor¬ 
at the site of inoculation.I no autopsy was made. ; mal. Thirty days after 
The animal recovered. ; inoculation the autopsy 

showed no abnormalities. 

No lesion or inflammed The animal remained normal. The animal remained nor- 
area resulted. The ani- mal. 

mal remained normal. 

|No lesion was formed and The animal remained normal. The animal remained nor- 
the animal presented a mal. Thirty days after 

continued normal ap- inoculation the autopsy 

pearance. showed no abnormalities. 


i A lesion was formed at the The animal died in 4 days. Be- 
site of inoculation about fore death generalized para- 


which there was a very 
extended area of inflam¬ 
mation. It ruptured, 
discharged and healed. 


The animal remained nor¬ 
mal. 


lysis appeared and the ani-|_ 

mal seemed to be completely exhausted. A culture from 
the kidneys was positive white those from the heart’s 
blood, liver and lungs were negative. A culture from 
the brain was strongly positive. From the autopsy the 
internal organs appeared to be normal. 


22. jA persistent lesion was 
formed at the site of 
inoculation. A scar was 
noticed at the end of 
i the period of observation 
and it had not entirely 
healed. The animal re¬ 
covered. 


The animal died in 24 hours. 
The autopsy showed the 
lungs to be quite hemor¬ 
rhagic. The heart’s blood 
contained a few yeast cells 
but the brain seemed to be] 
thicklv seeded with them. 


The animal died 34 days 
after injection. Cultures 
from the brain were po¬ 
sitive. From the autopsy 
the lungs appeared hem¬ 
orrhagic. The intestines 
and stomach were greatly 
distended and a false 
membrane seemed to fuse 
parts of the liver to the 
stomach and the stomach 
to the peritoneum. 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAI6N 



Tanner and Dack, A Study of Yeasts from Sore Throats. 


291 













292 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


Digitized by 


were said to have been kept out by a feeble chemotaxis. These tubes 
were practically free from leucocytes and gave good growth by Skchiwan. 
The possibility that the blood serum was germicidal was also studied. 
Yeast cells in collodion sacs were exposed to any lytic agents that might 
be present in the peritoneal cavity. These sacs were removed from one 
to three days and always gave good growth. Phagocytosis, then, seems 
to best explain the destruction of yeasts introduced under experimental 
conditions into the animal body. Fouler ton’s (5) work has confirmed 
this. He was able to find in some cases as many as three yeast cells 
in a leucocyte. 

The pathogenicity studies were made with guinea pigs, white mice 
and rabbits. All of these animals were in apparent good health at the 
beginning of the experiment. In an attempt to “tune up“ the cultures, 
they were propagated for 24 hours on fresh rabbits blood dextrose agar 
slants. The growth was luxuriant in all cases. This was scraped oft 
and taken up in a sterile physiological sodium chloride solution just 
before injection into the animals. In this manner a rather heavy in¬ 
jection of cells was given. All animals were kept under continuous ob¬ 
servation for 30 days. 

Experiment on guinea pigs: Three types of inoculations were made 
into guinea pigs. Suspensions of the yeasts from dextrose blood agar 
slants were injected intraperitoneally, subcutaneously, and intravenously. 
White guinea pigs were used with the subcutaneous injections since it 
was easier to follow the changes which took place around the site of 
injection. After these injections the guinea pigs were examined carefully 
and frequently. The subcutaneous injections were followed by a raised 
area which became very tender. In several cases the skin broke allow¬ 
ing the lesion to drain. Often slow recovery took place. Specimens 
from these lesions always showed large numbers of living yeast cells. 

The intravenous injections into guinea pigs were made after the 
procedure of Roth. One c. c. portions of the cultures in physiological 
sodium chloride solution were given. These had been previously grown 
on dextrose, blood agar slants. The results of the experiments with 
guinea pigs are given in Table III (p. 289). 

The results of inoculations in guinea pigs indicate that the patho¬ 
genic yeasts must be introduced into the blood in large numbers to 
accomplish serious results. Subcutaneous and intraperitoneal injections 
into guinea pigs hardly ever resulted in the death of the animals. While 
with most of the subcutaneous injections of yeasts, a large swelling oc¬ 
curred, a different train of symptoms resulted from intravenous injections. 
In most cases the guinea pigs died within twenty four hours, it being 
possible to isolate living yeast cells from most of the internal organs. 
It may be especially significant that they were always isolated from the 
brain when they could not be isolated from other internal organs. When 
they were isolated from the other internal organs, they were always 
isolated in greater numbers from the brain. 

Experiments on rabbits: Intravenous injections only were made 
into rabbits. The suspensions were prepared in the same manner as 
outlined above. These injections indicated again the effect of intro¬ 
ducing the yeasts directly into the blood stream. In many of the cases 
the animal died quickly. Others remained normal. The results of these 
experiments are shown in Table IV. 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Tanner and Dack, A Study of Yeasts from Sore Throats. 


293 


Table IV 

Results of intravenous injections into rabbits. 


Culture 

Number 


Remarks 


2 


3 


4 


5 

<5 

7 

8 


9 

15 

16 
20 
21 

22 

23 


24 

25 

26 


27 

28 


The rabbit died within 24 hours after inoculation. The intestines were 
distended with gas while the lungs were congested and hemorrhagic. Cultures 
from the heart’s blood were negative while those from the brain were 
strongly positive for yeasts. 

The rabbit died within 24 hours after inoculation. Autopsy revealed a 
hemorrhagic conditions of the lungs. The stomach and intestines were 
distended with gas. Yeasts were obtained in cultures from the heart’s 
blood, brain, liver, kidneys and lungs. 

The rabbit died within three days after inoculation. The kidneys were covered 
with white patches from which living yeasts cells were secured by culture. 
Yeast cells were also secured from the brain, hearts blood, spleen and lungs. 

The rabbit remained normal for over 30 days. 

The rabbit died within 24 hours after inoculation. Autopsy revealed a 

hemorrhagic condition of the lungs with pronounced dilatation. The spleen 
had taken on a darkened color. Yeast cells were demonstrated in the 
brain, lungs, and blood. The brain seemed to be especially heavily seeded. 

The animal died in 24 hours. The lungs were hemorrhagic. The liver and 
spleen were livid. Cultures from the heart’s blood were negative; cultures 
from the brain positive. 

The rabbit died within three days after inoculation. Before death the animal 
was very restless and exhibited a loss of muscular coordination. At autopsy 
stomach was found to be slightly dilated. The other organs appeared to 
be normal. Cultures from the heart’s blood, liver, and lungs were negative 
for yeasts while those from the brain and kidneys were decidedly positive. 

The rabbit died within 48 hours after inoculation. At autopsy the lungs were 
found to be extremely hemorrhagic. Cultures from the heart’s blood were 
negative while those from the brain were positive. 

The rabbit died within 24 hours after inoculation. At autopsy the intestines 
were found to be distended with gas. The lungs were decidedly hemor¬ 
rhagic. Yeasts were demonstrated in the brain and heart’s blood by cultures. 

The animal remained normal for 30 days. 

The animal remained normal for 30 days. 

The rabbit died within 24 hours after inoculation. The lungs were congested 
but the other organs appeared to be normal. Cultures revealed the presence 
of yeast cells in the heart’s blood and brain. 

The rabbit died within 24 hours after inoculation. The spleen was livid and 
the lungs were slightly congested. Cultures from the brain, liver, spleen, 
kidneys and lungs were positive. 

The animal died within 24 hours after inoculation. Dark red spots were 
noticed on the lungs. The lobes of the liver were darkened in color. Yeasts 
were demonstrated in the liver and brain. 

The rabbit remained normal for over 30 days. 

The rabbit died within 24 hours. The lungs were slightly congested. Cultures 
from the pericardial fluid, kidneys, liver, heart’s blood and brain were positive. 

The rabbit died in three days. The stomach was distended and the liver, 
spleen and kidneys were livid. The lungs were hemorrhagic. Cultures from 
the brain, liver and kidneys were positive. 

The animal remained normal for over 30 days. 

The rabbit died in 24 hours after inoculation. The liver was slightly darkened. 
The lungs were congested. Yeasts were demonstrated by cultures in the 
liver, lungs, brain and kidneys. 


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Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 





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294 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

Experiments on white mice: Intraperitoneal injections only were 
made into mice. This set of data also indicates the pathogenicity of 
these fungi. Yeast cells were found in the various organs of the body. 
The results of these experiments are shown in Table V. 


Table V. 

Results of intraperitoneal injections of yeasts into white mice. 


Culture 

number 

2 

3 

| 

4 

5 

6 

7 

8 
9 

14 

15 

16 

20 

21 

22 

23 


Remarks 


The animal died within 24 hours after inoculation. The brain was removed 
for sectioning. Presence of yeasts cells were thus shown. 

The animal died within three days after inoculation. Part of the spinal cord 
was rubbed over an agar slant. Yeast cells developed. Sections of the brain 
revealed the presence of yeast cells. 

Animal died in 4 days. Cultures from the brain were positive. 

Animal died in 48 hours. Cultures from the brain positive. 

Animal died after 22 days. The internal organs seemed normal except a 
darkening of the liver. The spleen was also darkened. Cultures from the 
brain and spleen were negative while those from the lungs were strongly 
positive. 

The animal died within 48 hours after inoculation. Cultures from the brain 
were negative. 

Animal died in 24 hours. Cultures were not made. 

The mouse died in 4 days after inoculation. An inflammed area was noticed 
about the anus. The internal structures were covered with white patches. 
All of these white patches as well as the lungs and brain contained yeasts. 

The animal died within 24 hours after inoculation. Yeasts wertfdemonstrated 
in sections of the brain. 

The animal died 11 days after inoculation. A few white patches were seen 
on the liver. On large white raised patch covered the spleen. There were 
pronounced lesions on the heart ana kidneys also. White patches existed 
also on the mesenteries, liver and intestines. Cultures from these patches 
were positive for yeasts in cultures. 

The animal died 8 days after inoculation. Many white patches were present 
on the liver. A few were scattered on the intestines and mesenteries. One 
patch existed on the right kidney. The other organs appeared to be normal. 
Cultures from the brain and the white patches were positive for yeasts. 

The animal died 4 days after inoculation. Gas formation had distended the 
stomach and intestines. A few white patches were noticed on the mesenteries 
while the other organs appeared to be normal. Cultures from the heart, 
kidneys, lungs, and spleen were positive. A culture from the spinal cord 
was negative. 

The animal died seven days after inoculation. Before death the animal was 
extremely emaciated and exhibited labored breathing. At autopsy the peri¬ 
toneum was found to be covered with white patches. Much thicker patches 
were found on the liver, spleen, mesenteries, stomach and heart. Cultures 
for yeasts were positive from the heart, liver, spleen, and lungs. Cultures 
from the spinal cord were negative. 

The animal died within 24 hours after inoculation. Cultures from the brain 
revealed the presence of yeasts. 

The animal died 27 days after inoculation. Patches were found on the peri¬ 
toneum, mesenteries, intestines, liver, spleen and stomach. The spleen was 
almost completely covered by a large white coating. The liver exhibited 



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296 


Culture 

number 


24 

25 


Remarks 


Cultures 

Cultures 


only a few of these patches. The heart and lungs were free, 
from these patches were strongly positive for living yeast cells, 
from the brain and heart were positive. 

The animal remained normal for 30 days after which time observations were 
stopped. 

The animal died 10 days after inoculation. Fecal material had collected about 
the anus. Raised, firm white patches existed on the peritoneum, mesenteries, 
spleen, kidneys, liver and intestines. The organs of the peritoneal cavity 


26 


all seemed to be covered. The testicles also were covered. Cultures from 
the brain were positive. 

The animal died 7 days after inoculation. At autopsy white nodules were 
found on the peritoneum, mesenteries, liver, heart, spleen and kidneys. They 
also existed in greater numbers on the pericardium and intestines. Cultures 
from the lungs, brain, kidneys and liver were positive. 


27 Animal remained normal for 30 days when observations were stopped. 

28 The animal died 10 days after inoculation. Masses of white raised areas were 

seen on the peritoneum. Few were seen on the liver. Lesions existed on 
the heart, mesenteries, spleen, and kidneys. Cultures from the lungs and 
the raised patches on the peritoneum were positive for yeasts. 


Are the ordinary industrial fermenting yeasts pathogenic? This 
phase of the question has also been studied by former investigators. 
Neumayer (1) carried out experiments to determine whether the 
yeasts in foods and beverages could produce undesirable resulte when 
introduced into the alimentary tract. He reported that the yeasts were 
resistant to the digestive juices and that they might pass through the 
intestinal tube of man and animals without losing their fermenting pro¬ 
perties. Inconvenience only followed the ingestion of yeasts and this 
was due to fermentation of the carbohydrates which were taken with 
the yeasts. Injections of small doses of such yeasts were never found 
to be dangerous and they seemed to be quickly destroyed. Anderson (21) 
in 1917 seems to have confirmed the work of Neumayer. Non-patho- 
genic yeasts when fed in large masses, resisted the digestive juices and 
appeared in the feces. The sprue organism, according to Anderson, 
was retained for a longer time in the intestinal tract. Emig (22) in 
1916 also sought to determine the pathogenicity of yeasts in nature. 
About 850 sources were examined for yeasts. Only twelve strains were 
found which would grow on blood serum. Six of these were Torulae. 
Saccharomyces cerevisiae was isolated from a cake of com¬ 
pressed yeast. Rabbits and guinea pigs were injected with cultures of 
these yeasts. In no case did death follow the injection of the yeasts. 
In several cases white spots were found on the liver. These, however, 
gave no growth when transferred to culture media. The death of the 
animals, which did succumb, was attributed to coccidia. Raum (23) in 
1891 at a much earlier date used Saccharomyces pastorianus 
and Saccharomyces cerevisiae in similar investigations. When 
massive doses of the yeasts were given death often resulted, being pre¬ 
ceded by a lower temperature and collapse after intravenous injections. 
Rabinowitch (24) injected a number of yeasts into animals and re¬ 
ported only a few to be pathogenic when injected in large doses. Most 


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296 Central bl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 

of them were pathogenic for mice. None were pathogenic for guinea 
pigs. Rabinowitch believed that yeasts could cause infection in the 
blood stream. A similar investigation has been reported by G i 1 k i n e t (25). 
Injections ofSaccharomyces cerevisiae were given rabbits intra¬ 
venously. They were then killed after 6, 24 and 72 hours. By me¬ 
ans of cultural studies, the yeasts weTe isolated from the organs of 
the rabbit killed after six hours. It could not be detected in the other 
rabbits. Foulerton (5) reported data on this question. He used the 
following pure cultures of common yeasts: Saccharomyces cere¬ 
visiae, Saccharomyces pastorianus (three varieties), Saccha¬ 
romyces ellipsoideus, Saccharomyces albus, Saccharo¬ 
myces albus liquefaciens, Saccharomyces anomalus, Sac¬ 
charomyces albicans and a species of red yeast. In contrast 
with these nonpathogenic yeasts a culture of a yeast which had been 
isolated from the mucosa of the throat in several cases of pharyngitis, 
was also used. Foulerton presented in detail the results with each 
culture and each experimental animal. One is impressed with the 
number of infections and pathological changes caused by the injections 
of yeasts which are ordinarily considered nonpathogenic. In many in¬ 
stances tumors were formed at the site of injection; death often oc¬ 
curred in periods ranging from 48 hours to fifty days. Foulerton’s 
work with the culture from sore throat has been discussed above. 
Turro (26) and his colleagues studied the injections of yeast on the 
course of experimental septicemia in rabbits. The yeast cells were said 
to be phagocytized and disappeared quite quickly. It was claimed that 
the yeast cells decreased the virulence of staphylococci and strepto¬ 
cocci in such experimental infections. For such far-reaching, conclusions, 
however, the data seem a little inadequate. The injected yeasts, how¬ 
ever, seemed to cause no untoward symptoms. 

In our investigations several different so-called nonpathogenic yeasts 
were used to serve as checks against the supposedly pathogenic varieties 
from the throat swabs. One variety was isolated from milk. When 
this was injected into a rabbit intravenously, no symptoms of illness 
were observed. The animal remained well for a long time. Stock 
cultures of brewers’ yeast, Saccharomyces ellipsoideus, Myco- 
derma monosa, yeast from vinegar, Torula datilla, and Myco- 
derma lactis were prepared for injection in exactly the same manner 
as outlined above for the throat yeasts. When these were injected into 
rabbits intravenously, no symptoms resulted. The animals remained 
normal in every respect. These data are not in accord with the con¬ 
clusions of Foulerton. Another nonpathogenic variety was isolated 
from a cake of Fleischman’s compressed yeast and injected intra- 
peritonealy into a white mouse and intraperitoneally into a guinea pig. 
These animals remained well for 30 days. The same results were 
secured with the above yeasts with intravenous injections into guinea 
pigs. A subcutaneous injection of 400000000 cells of the yeast isolated 
from the compressed yeast cake was given to a guinea pig. A very 
small lesion appeared at the site of injection but it soon healed. 

Agglutination reactions: Several investigators have stated that serum 
reactions may be used for separating and identifying the yeast-like fungi 
and diagnosing cases of such infection. Widal (27) and his colleagues 
studied the agglutination reactions of the etiologic agents in certain 
closely related fungus diseases. Agglutination reactions were said to 


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297 


be specific. Sporotrichum Beurmanni, the Actinomycetes, 
and the thrush fungus were said to belong to the same group, as far 
as the serum reactions were concerned. Roget (28), also reported a 
specificity of agglutination reactions for the yeast-like fungi. Lichten¬ 
stein (29) made use of the agglutination reactions for identifying pure 
cultures of yeasts. By means of agglutination reactions with serums 
prepared in rabbits, he was able to distinguish several kinds of Sac- 
charomyces, to distinguish between top and bottom yeasts, and to 
distinguish the Torulae from the Saccharomycetes. In a more 
recent report on his experiments along this line, he extended his work 
to the algae and the flagellates. With immune rabbit serums, he was 
able to establish a fairly accurate grouping of various algae (Chlorella 
protothecoides, Prototococcales, and Stichococcus) and 
the flagellates (Euglena gracilis, Astasia ocellata and Poly- 
tom a). Lichtenstein used Euglena with and without chlorophyll 
but could establish no specific immune reactions on this basis. He con¬ 
cluded therefore that only the true protoplasmic or nuclear substances 
were concerned in cell specificity. As stated above Breed reported that 
the serums of two patients gave positive agglutinating reactions with 
the etiologic agent in the infection. Fineman (15) reported the pre¬ 
paration of agglutinating serums with fungi of this group. The antigens 
were prepared by taking the growth from agar slants and heating the 
cells at 55° C. for 1 hour. 2 c. c. of these suspensions were injected 
into rabbits at 3 day intervals for four times. One week after the last 
injection blood serum was prepared for agglutination reactions the dilu¬ 
tions being 1 — 10, 1—20, and 1—50. Fineman did not find agglu¬ 
tinating reactions to be of value either for identification or diagnostic 
purposes, thus, differing from the conclusions of Lichtenstein. 
Stoddard and Cutler (30) also tested the agglutinating reactions of 
the serums from animals receiving injections of pathogenic Torulae. 
Dilutions of serums of 1—20, 1—100, and 1—5000 were made. Negative 
results were secured. They then prepared lower dilutions than those 
mentioned above but these also gave no agglutination. 

In this investigation cultures No. 2 and 6 were selected for serological 
study because they were so virulent. These cultures were transferred 
to rabbit blood agar and after growth took place the cells were taken 
up in sterile physiological sodium chloride solution. A drop of tricresol 
was added and the suspension heated to 55° C. These served as the 
antigens with which to immunize the rabbits. This antigen was injected 
intravenously in 1 c. c. quantities 2 days apart. At least four in¬ 
jections were given and the animals were bled about 6 days after the 
last injection. Both microscopic and macroscopic agglutination tests were 
used. The microscopic agglutination tests, however, proved to be un¬ 
satisfactory. Dilutions of 1—50, 1—100, 1—200, 1—400,1 -800, 1—1C00, 
and 1—2000 were made. All of these dilutions with the exception of 
the 1—2000 gave positive agglutination reactions. The controls were 
negative. The cultures used in these agglutination reactions were young 
(24 hours old or less) and were grown on dextrose agar; the cells were 
taken up in sterile physiological sodium chloride solution in the usual 
manner. The macroscopic tests were incubated at 37,5° over night. 
While our data on the agglutination reaction is too meager to allow 
extended conclusions we feel that further study should be given this 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


reaction; it might be found to have value in identification of these 
closely related fungi and be serviceable in diagnosis. 

Tests on phagocytosis: A large guinea pig was selected for an 
experiment to determine the possibility of injected yeast cells being de¬ 
stroyed by phagocytosis. A heavy suspension of the cells of this yeast 
was injected intravenously and intraperitoneally. Samples of the blood 
and peritoneal fluid were collected every four hours for a day and smeared 
on slides for staining with Wright’s stain. At the end of 4 hours 
phagocytosis was well under way. The yeast cells could be seen within 
the leucocytes. Schattenfroh (30) reported that yeast cells which 
were introduced into experimental animals were ingested by the leuco¬ 
cytes and destroyed. Our short experiment convinced us of the truth 
of this assertion which may be found repeatedly in the literature on 
these organisms. 

Systematic relationships: With one exception the fungi which were 
used in this study have the salient characteristics in common. They did 
not form ascospores, liquified gelatin readily and fermented maltose, 
dextrose and levulose. These have been the characteristics most useful 
in separating these closely related fungi. 

Robin in 1853 named the thrush fungus Oidium albicans a Dame which was 
indeed ill-founded and which has been almost universally dropped by investigations in 
this field. The oidia are characterized by aerial hyphae and other characteristics Dot 
common among the thrush fungi. In 1870, Reess gave the thrush fungus the name 
Saccharomyces albicans because he thought that he saw ascospores. After pure 
cultures were available and more accurate methods of working had been perfected, 
ascospores became conspicuous by their absence. This would certainly exclude the 
parasite from Saccharomycetes since ascospore formation is the first prerequisite 
for inclusion in this genus. 

V u i 11 e r m i n in 1898 confirmed the presence of ascospores and incorporated 
it with Endomycetes. It had been previously placed with Monilia by Hansen. 
Vuillemin placed it in Endomycetes and not with Saccharomyces because 
it formed ascospores produced a mycelium and formed asci in mycelial cells and not 
in the yeast cells. Saccharomyces forms no mycelium and forms asci in yeast 
cells. Vuillermin’s work has been confirmed byDaiercwa in 1899 but since then 
ascospores have not been observed by any of those who have worked with the group. 
It is quite probable that Vuillemin had another parasitic fungus. This is partly 
indicated by the fermenting abilities of the fungus with which he worked and its lack 
of ability to liquefy gelatin. The strains which F i n emans tudied did not liquefy gelatin. 

The absence of ascospores in the fungi reported in this investigation 
even after a number of different methods had been used to demonstrate 
their presence together with the fermentation reactions and gelatin 
liquefying properties causes us to believe that the thrush parasite which 
we have studied should be referred to the Mon ilia as suggested by 
Reess, Hansen, Zopf, Craik and others. An algebraic sum of the 
characteristics of these strains and the various possible genera leads us 
to this genus. 

It is possible that what Castellani has observed for these fungi found in 
tropical infections, may hold for those found in the temperate climates. He has stated 
that the thrush fungi include very likely different species and that they may even 
belong to different genera. When in Europe in 1913 the study of a series of cultures 
collected in London ted him to the same conclusions. Castcllani pointed out the 
error of using only morphological characters for study and suggested that the physio¬ 
logical characters be included and given more attention. Castellani concluded that 
the thrush fungi of the temperate zone were made up of a heterogeneous group of 
microorganisms. Fin email in a recent investigation in America referred them to the 
Oidia on account of the formation of Chlamvdospores and not ascospores. If Ca¬ 
st eflanis hypothesis is not correct, it is still possible that there are different varieties 
of the same species which would cause difficulties in classification on account of inter- 
grading characters. 


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Conclusions. 

1) Twenty two strains of yeast like fungi collected from throat 
swabs were studied culturally and morphologically. They possessed 
characteristics which probably classes them with the thrush fungi. Since 
ascospores were not found they are probably Endomyces or Monilia. 

2) Inoculation experiments using white mice, guinea pigs, and 
rabbits indicated that all but one strain possessed pathogenic properties 
for the animals used. Subcutaneous injections into guinea pigs were 
least harmful. The intraperitoneal injections into the same animals were 
also practically harmless. The intravenous injections into these animals 
were decidedly harmful. In the case of the rabbits death followed in 
a short time. Intraperitoneal injections into white mice were also 
harmful, terminating fatally. 

3) Non-pathogenic yeasts prepared for injection in the same manner 
as the pathogenic varieties and injected into animals caused no symptoms 
of illness. With one exception they seemed to be harmless. These 
animals remained in normal condition for 30 days. 

4) Agglutinins were formed in rabbits in the preliminary experi¬ 
ments carried out. This problem merits further investigation. 

5) Yeasts when introduced into susceptible animals are probably 
destroyed by phagocytosis. 

6) The presence of yeast cells on swabs from sore throats should 
be reported to the physician. In this manner the symptoms of the disease 
in the absence of other bacteria, for instance, Corynebacterium 
diphtheriae may be explained and proper treatment given. 

7) No new species were named. 


literature. 

1) Arch. f. Hyg. Bd. 12. 1891. S. 1—60. — 2) Arch, de med. et anat. path. T. 5. 
1893. p. 29—37. — 3) Ibid. T. 11. 1899. p. 1. — 4) Ibid. T. 5. 1893. — 5) Journ. Path, 
and Bact. Vol. 6. 1899. p. 37—63. — 6) St. Paul, Med. Journ. Vol. 6. 1904 p. 649. — 
7) Colorado Med. Journ. Vol. 6. 1900. p. 485. — 8; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 43. 1906-1907. p. 49—69. — 9) Ibid. Abt. II. Bd. 54. 1910. p. 108. — 10) Arch, 
int. Med. T. 10. 1912. p. 108—121. — 11) Journ. Inf. Dis. Vol. 19. 1916. p.89—96.— 
12) Compt. rend. Soc. Biol. T. 82. 1919. p. 1343. — 13) Arch. Dermatol and Syph. 
Vol. 5. 1922. p. 332—334. — 14) Arch, de parasit. Vol. 16. 1913—1914. p. 184—186; 
Annals. Inst. Past. T. 30. 1916. p. 149—154. — 15) Journ. Inf. Dis. Vol. 28. 1921. 
p. 185—200. — 16) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 45. 1908. p. 466—488. — 
17) Arch, de med. experim. et d’anat. path. T. 1. 1890. p. 62. — 18) Bull. Soc. myol. 
de France. T. 27. 1911. p. 137. — 19) Journ. Bact. 1916. Vol. 2. p. 403—416; Hassel- 
tine. Pub. Health Rents. Vol. 32. 1917. 1879 — 1887; It is interesting to note that 
Wolfe (Brit. Journ. Exp. Path. Vol. 2. 1901. p. 266—275) has not confirmed this 
in every respect. — 20) Ann. de l’Inst. Past. T. 13. 1899. p. 770—777. — 21) Journ. 
Inf. Dis. Vol. 21. 1917. p. 341—386. — 22) Ann. Miss. Bot. Garden. Vol. 3. 1916. 
p. 243 -307. — 23) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. 1891. S. 1-50. — 24) Ibid. Bd. 21. 
1896. p. 11. — 25) Arch, de mdd. exp£r. 1897. p. 88—901. — 26) Centralbl. f. 
Bakt. Abt. V. Orig. Bd. 34. 1903. S. 22—28. — 27) Ann. l’Inst. Past. T. 24. 1910. p. 1. — 
28) Bull. med. Vol. 12. 1896. 652. — 29) Sitzungsber. Preuss. Akad. Wiss. 1922. 
S. 127—134; Arch. Physiol. 1914. p. 525—532. — 30) Monograph. Rockefeller Instit. 
No. 6. 1916. — 31) Arch. f. Hvg. Bd. 37. S. 234-236. — 32) Brit. Med. Journ. 1913. 
Vol. 2. p. 1460; Lancet. 1913. Vol. 2. p. 44. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Nachdruck verboten. 

Weitere Anwendungen des Entfarbungsvermogens der 
chinesischen Tuscbe in der bakteriologischen Technik 1 ). 

[Aus deni Hvgienischen Institut der Konigl. Universitat Turin 
(Direktor: Prof. L. Pagliani).] 

Von Dr. Giuseppe Mirone. 

In einer friiheren Verotfentlichung stellten Graziadeiund Mirone 
fest, daB die zuvor mit den gewohnlichen basischen Anilinfarben ge- 
farbten Keime, wenn sie dann mit reiner oder verdiinnter chinesischer 
Tusche behandelt werden, augenblicklich entfarbt werden und mit voll- 
standig farblosem Leibe auf dunklem Grunde erscheinen, wie wenn der 
Mikroorganismus nach dem einfachen Burrischen Verfahren behandelt 
worden ware. 

Bei weiterer Prufung und Anwendung der Methode auf versckie- 
dene Mikroorganismen wurde nachgewieseu, daB, wenn chinesische Tusche 
auf bereits nach Ziehl gefarbten, sporenhaltigen Keimpraparaten aus- 
gestrichen wird, der Bazillenleib sich rasch entfarbt, wahrend die Sporen 
rot gefarbt bleiben. Mit diesem Verfahren werden recht iiberzeugende 
dreifarbige Praparate erhalten. 

Gestutzt auf obigen Befund, namlich die ausgebliebene Entfarbung 
der saure- und alkoholfesten Sporen, dehnte ich die Methode auf die 
Gruppe der saure-alkoholfesten Keime, Tuberkel- und Pseudotuberkel- 
bazillen aus. 

Die Untersuchungen wurden ausgefuhrt an Stammen von Tuberkel- 
bazillen, Smegmabazillen, Butterbazillen und Streptotricheen aus dem 
Maiiander serotherapeutischen Institut. 

Die angewendete Technik war folgende: eine ganz kleine Menge 
Kulturbelag wird auf zweckmaBig gereinigten Objekttragern ausgestrichen; 
die Ausstreichung des Materials ist ein sehr heikles Moment, und von 
ihr hangen die guten Erfolge ab, die ich spater darlegen werde. Ich 
betone diese Einzelheit um so mehr, als die Schwierigkeit bekannt ist, 
mit der eine Emulsion des Kulturbelages des Tuberkelbazillus und der 
Pseudotuberkelbazillen erhalten wird. Es ist zweckmaBig, Praparate von 
sehr jungen Kulturbelagen herzustellen, wenige Tage beim Tuberkel¬ 
bazillus, 24 Std. bei den anderen Iveimen Auf diese Weise kann man 
leichte Keimemulsionen und Praparate mit seltenen Bazillengruppierungen 
erhalten. Das an der Flamme fixierte Praparat wird warm nach Ziehl 
gefarbt, abgespiilt und mit FlieBpapier oder an der Flamme getrocknet; 
in letzterem Falle muB man erkalten lassen. Darauf laBt man auf einen 
Teil des Objekttragers einen mittelgroBen Tropfen chinesischer Tusche 
fallen und streicht ihn mit einem Glasstabchen in ziemlich diinner und 
gleichmaBiger Schicht auf dem Objekttrager aus. Um gute Praparate 
zu erhalten, muB man langsam ausstreichen und sanft auf den Objekt¬ 
trager driicken. Die verwendete Tusche war Marke Gunther Wagner. 

Der warm nach Ziehl gefarbte und darauf mit Tusche behandelte 
Tuberkelbazillus entfarbt sich nicht; auf dem schwarzen Grunde des 

1) Ins Deutsche ubertragen von Dr. Carl Muth in Heldenbergen (Oberhessen 



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M iroue, Entfarbungsvermogen der chines. Tusche in der bakt. Technik. 301 


Praparates sticht deutlich der rot gefarbte Bazillus hervor. Dies tritt 
bei den Keimen von ganz jungen, 8—10 Tage alten Kulturen wie auch 
bei alten Knlturen ein. Die Tuberkelbazillen im Sputum, im Urin ver- 
halten sich auf dieselbe Weise. Auch in den zuvor nach dem Ziehl- 
Neelsenschen Verfahren gefarbten PrSparaten widerstehen die Tu¬ 
berkelbazillen der Entfarbung durch chinesische Tusche. 

Der Smegmabazillus und der Butterbazillus sowohl aus jungen wie 
aus alten Kulturen entf&rben sich dagegen, wenn sie demselben Ver¬ 
fahren unterzogen werden. Damit aber die Entfarbung der Keime gut 
erfolge, muB das Untersuchungsmaterial gleichmaBig ausgestrichen sein, 
da, wenn Keimgruppierungen vorliegen, die Entfarbung nur teilweise 
erfolgt. 

Bemerkenswert ist auch die Entfarbung der Streptotricheen, die 
sich jedoch an dem angeschwollenen Ende der Keulenformen nicht ent- 
farben, wo einige intensiv und gleichmaBig gefarbte Punkte verbleiben, 
die durch ihre Morphologie an die Spore erinnern. 

Die Gruppe der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen sodann 
verhait sich wie die Pseudotuberkelbazillen und die Streptotricheen 
wodurch ihre Verwandtschaft weiter bekraftigt wird. Bei alten Kulturen 
weisen die in der Warme mit basischem Fuchsin gefarbten und darauf 
mit chinesischer Tusche behandelten Keime in den Keulenformen eine 
gefarbte Stelle auf, die die Empfindung eines sporenahnlichen Bildes 
gibt. Jedoch ist nach meiner Ansicht dieses Bild, das der Entfarbung 
widerstanden hat, nicht so scharf, daB man denken konnte, es sei etwas 
Organisiertes; vielmehr zeigt es Niiancen, was annehmen lieBe, daB die 
Keulenformen der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen der ge- 
nannten kolbigen Anschwellung entsprechend eine Art Rille haben, in 
der die Farbe sich reichlich ablagert und dann nur schwer durch chi¬ 
nesische Tusche entzogen wird. 

Es wird also mit chinesischer Tusche die Entfarbung der bereits 
nach Ziehl gefarbten Pseudotuberkelbazillen erhalten, wahrend sich der 
Tuberkelbazillus nicht entfarbt. Dieses Verhalten laBt vermuten, daB 
der Mikroorganismus mit einer an Lipoidstoffen reichen Membran aus- 
gerflstet ist, so daB er der Farbung durch Anilinfarben eine erhebliche 
Schwierigkeit entgegensetzt, aber, einmal gefarbt. die Farbe schwierig 
abgibt. 

Es ist nicht die Aufgabe vorliegender Mitteilung, in Erdrterungen 
dariiber einzutreten, welchem der Bestandteile der chinesischen Tusche 
hauptsachlich die entfarbende Wirkung zukomme. GewiB ist ein groBer 
Wert der absorbierenden und entfarbenden Eigenschaft der kleinsten 
Kohleteilchen beizumessen, die die chinesische Tusche bilden. Die Er- 
scheinung tritt mit alien Tuschen ein, die sich im Handel befinden, so¬ 
wohl mit der Tusche, die man durch Auflosung der aus China kom- 
menden Originaltafelchen in VVasser erhalt, wie auch bei Verwendung 
des einfach in Wasser verdiinnten Schwarz der Tintenfische. 

Was endlich zu beachten ist, ist die bedeutende Schnelligkeit, mit 
der sie ihre Wirkung entfaltet, und somit die augenblickliche Eutfar- 
bung, eine Erscheinung, die nicht verglichen werden kann mit der 
Wirkung der Alkohole und der Saurelosungen, die langsamer wirken. 

Juli 1923. 


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Centralbl. f. JBakt. etc. 1. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 5. 


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Nachdruck verboten. 

Zur Biologie von Dictyostelium mucoroides Bre£ 

[Aus dem Protozoenlaboratorium des Reichsgesundheitsamtes 
(Leiter: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. A. Schuberg).] 

Von Dr. W. t. Schnckmann, 

Regierungsrat im Reichsgesundheitsamt. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Dictyostelium mucoroides 1 ), ein amobenartiger, in melir als 
einer Hinsicht interessanter Organismus, der 1869 von Brefeld(l) 
auf Tierkot gefunden wurde, ist vor allem durch die Bildung sporangien- 
artiger Fruchtkorper ausgezeichnet. Er wird deshalb, mit einigen ihm 
nahe verwaudten Gattungen (Polysphondylium, Acrasis, Guttu- 
lina, Guttulinopsis, Coenonia und Sappinia) zur Unterord- 
nung der Acrasieae vereinigt, der Protozoenordnung der Mycetozoen 
oder Myxomyceten zugerechnet, haufig jedoch als Pseudomyxo- 
mycet bezeichnet, well er sich von den typischen Mycetozoen durch 
das Fehlen eines begeiBelten Schwarmstadiums und durch gewisse Ab- 
weichungen bei der Sporangienbildung (s. u.) unterscheidet. D. m. wurde 
bisher von Brefeld (1, 2), van Tieghem (15), Grimm (3), Nad- 
son (5), Olive (8), Potts (10), Pinoy (9) und Skupienski (14) 
genauer untersucht und neuerdings von Oehler (7) zusammen mit 
Nahrungsbakterien aut 1-proz. Wasseragar ohne NShrstoffzusatz ge- 
ziichtet. Dank der Liebenswiirdigkeit des Herrn Sanitatsrat Dr. Oehler- 
Frankfurt a. M. erhielt ich durch Vermittlung von Herrn Geheimrat 
Haendel im Juni 1922 eine der von Oehler auf der 9. Tagung der 
„Deutschen Vereinigung fur Mikrobiologie u in Wurzburg demonstrierten 
D. m.-Kulturen. Von ihr ausgehend ziichtete ich D. m. unter Beigabe 
verschiedener Nahrungsbakterien auf Amobenagar weiter und gewann 
so „gemischte Reinkulturen“ fMouton (4)1 von D. m., mit denen ich, 
in der gleichen Weise wie friiher mit anderen Kulturamoben [v. Schuck- 
mann (11, 12, 13)], Kaninchen immuuisieren konnte. Die Ergebnisse 
dieser zurzeit noch nicht ganz abgeschlossenen serologischen Unter- 
suchungen sollen spater veroffentlicht werden. Im Laufe dieser Unter- 
suchungen konnte ich jedoch auch einige Beobachtungen fiber die 
Biologie von D. m. machen, die ich im folgenden kurz schildern will. 

Wie bei alien Mycetozoen, kann man auch bei D. m. ein Vege¬ 
tations- und eiuFruktifikationsstadium unterscheiden. WSh- 
rend des ersteren hat D. m. das typische Aussehen und die Ernahrungs- 
und Fortbewegungsart der Amoben; es vermehrt sich unter gunstigen 
Lebensbedingungen meist stark durch Zweiteilung. In gut wachsenden 
Agarkulturen liegen die D. m.-Amoben wahrend des vegetativen Stadiums 
in groBen Mengen, aber unregelmaBig verteilt dicht beieinander, ohne 
jedoch in engere Beziehungen zueinander zu treten. Erst wenn die 
Lebensbedingungen sich ungiinstiger gestalten, wobei wohl der durch Auf’ 
zehren der Nahrungsbakterien verursachte Nahrungsmangel eine gewisse 

1) Im Text der Arbeit als D. m. bezeichnet. 



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v. Sehuckmann, Biologie von Dictyo6telium mucoroides Bref. 303 


Rolle spielen dtlrfte, tritt eine Aenderung in dem Verlialten der Amoben 
zueinander und damit der Beginn des Fruktifikationsstadiums ein: Die 
Yorher unregelm&Big verteilten Ambben ordnen sich, nachdem sie alle 
in ihrem Protoplasma vorhandenen Fremdkorper (Bakterien, Detritus etc.) 
ausgestoBen und eine langgestreckte Form angenommen haben, in scharf- 
begrenzten, wurzelartig verzweigten „Ziigen u an, von denen jeweils 
mehrere sich in einem „Zentrum“ vereinigen. Innerhalb dieser Ziige 
liegen die Ambben dicht aneinander gedr&ngt, ohne jedoch mitein- 
ander zu verschmelzen; man bezeichnet deshalb diese Gebilde, im 
Gegensatz zu den durch Verschmelzung der Ambben entstehenden 
echten Plasmodien der typischen Mycetozoen, als „Pseudoplasmo¬ 
di en“ [Zopf (17)]. Das Pseudoplasmodium von D. m. hat, ebenfalls 
im Gegensatz zu den echten Plasmodien, „keine Vorwartsbewegung des 
Ganzen vermittelst Pseudopodien und auch keine rhythmische Zirku- 
lation seines Protoplasmas, und es findet wahrscheinlich in diesem Sta¬ 
dium keine Ernahrung statt; es scheint lediglich ein notwendiger Vor- 
laufer der Sporenbildung“ [Potts (10)]. Durch Zusammenstromen der 
Amoben bilden sich in den Zentren der Pseudoplasmodien mehr oder 
weniger grofie Ansammlungen von Amoben, und aus ihnen erhebt sich 
im weiteren Verlaufe der Pseudosporangienbildung durch fortdauerndes 
Zusammenstrbmen der in den Pseudoplasmodien vereinigten Amoben 
je ein Zapfen, der allm&hlich zu einem aus umgewandelten Amoben 
bestehenden, mit einer festen Hulle versehenen Stiel wird. Die an der 
Stielbildung nicht beteiligten Amoben sammeln sich schlieBlich am distalen 
Ende des Stieles zu einem kugeligen Kopfchen an und wandeln sich in 
Sporen um. Der so entstandene Fruchtkorper von D. m. wird, weil 
er sich von echten Sporangien in mancher Hinsicht, z. B. durch das 
Fehlen einer besonderen Hulle, unterscheidet, als Pseudosporangium 
bezeichnet. Die Dauer eines Entwicklungszyklus von D. m. betrbgt 
durchschnittlich 2—5 Tage [Nadson (5), Potts (10), Oehler (7)]. 

Nach Angaben von Potts (10) und Oehler (7) soil die Bildung 
von Pseudoplasmodien bei D. m. durch Nahrungsmangel ausgelost 
werden. Potts konnte in seinen D. m.-Kulturen die Bildung von 
Pseudoplasmodien 3 1 / 2 Monate lang dadurch verhindern, daB er die 
Amoben jeden 2. oder 3. Tag auf neue, mit Bakterien bewachsene 
Platten iiberimpfte, so daB den Amoben dauernd Nahrung in reichem 
MaBe zur Verfiigung stand; lieB er jedoch die Kulturen 4—5 Tage alt 
werden, so trat regelmSBig Pseudosporangienbildung ein. 

Bei meinen Untersuchungen benutzte ich als Nahrboden fur D. m. 
in der Regel sogenannten Amobenagar nach der von v. Wasielewski 
und Kuhn (16) gegebenen Vorschrift; als Nahrungsbakterien dienten 
mir Bac. coli und ein aus der mir iiberlassenen Oehlerschen Ori- 
ginalkultur stammendes gramnegatives St&bchen, das im folgenden als 
„Bac. Oehler u bezeichnet werden soli, sowie ein aus Pferdekot rein 
gezuchtetes, ebenfalls gramnegatives St&bchen. Die Ziichtung von D. m. 
erfolgte anfangs ausschlieBlich nach dem von Mouton (4) fur die 
Ziichtung von Amoben angegebenen Verfahren: auf die Mitte der in 
Form von 8 radiaren Stricken mit Nahrungsbakterien beimpften Agar- 
platten wurde, nachdem sie 24 Std. bei 37° C bebriitet worden waren, 
etwas D. m.-Material (Amoben oder Sporen) in einen Tropfen Wasser 
°der physiologischer Kochsalzlosung libertragen. Bei Zimmertempera ur 
vermehrten sich die Amoben bald selir reichlich und wuchsen langs der 
Bakterienradien, die sie dabei vollstiindig aufzehrten, bis zum Platten- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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rand, den sie in der Regel nach 4—5 Tagen erreichten; die zwischen 
den Bakterienradien gelegenen Teile der Agarplatte blieben stets frei 
von Amoben. Auch die Pseudosporangienbildung erfolgte ausschlieBlich 
innerhalb der Radien, und die Amobenziige verliefen dabei stets in der 
Langsrichtung der Radien. Auf Platten, auf denen das D. m.-Wachstum 
den Plattenrand erreicht hatte, waren im ganzen Verlatlfe der Radien 
stets zahlreiche Pseudosporangien vorhanden. Wurden die Platten nicht 
mit radiaren Bakterienstrichen beimpft, sondern mit einer Aufschwem- 
mung der Nahrungsbakterien in sterilem Leitungswasser fibergossen, so 
daB sie nach 24-stiind. Bebrfltung ganz mit einer Bakterienschicht be- 
deckt waren, so breiteten sich die D. m.-Amoben von der im Zentrum 
der Platte gelegenen Impfstelle in einer kreisrunden Schicht fiber die 
Agarplatte aus und erreichten bei Zimmertemperatur ebenfalls nach 
4—5-tag. Wachstum den Plattenrand. 

Eine mit einer einheitlichen Bakterienschicht vorbeimpfte Platte hat 
etwa am 3. Tage nach Beimpfung mit D. m. in der Regel folgendes 

Aussehen (vgl. Fig. 1): Im Zentrum 
der Platte, innerhalb des durch Ver- 
reiben des D. m.-Materials entstan- 
denen Impffleckens, und in dessen 
naherer Umgebung finden sich zahl¬ 
reiche fertig ausgebildete Pseudo¬ 
sporangien. Nach auBen hin folgt 
dann eine Zone, in der sich die 
Amoben zu den charakteristischen, 
wurzelartig verzweigten Zfigen an- 
geordnet haben, die samtlich in der 
Richtung vom Plattenrand zur Plat- 
tenmitte verlaufen und nahe dent 
Rand der Pseudosporangienzone in 
je einer die Grundlage ffir die eigent- 
liche Pseudosporangienbildung dar- 
stellenden Amobenanhfiufung enden. 
Die Pseudoplasmodien sind also ge- 
wissermaBen einseitig ausgebildet. 
denn die Amobenziige umgeben die 
„Zentren“ nicht strahlenformig auf 
alien Seiten, sondern mtinden nur von 
der dem Plattenrand zugewendeten 
Seite in die „Zentren“ ein; das Vorkommen solcher einseitig ausge- 
bildeten Pseuodoplasmodien bei D. m. wird auch schon von Olive (8) 
erwahnt. Im Laufe des weiteren Wachstums der Kultur verl&ngern 
sich die Amobenziige allmahlich immer mehr dadurch, daB die in der 
iiuBersten Zone dichtgedrangt liegenden Amoben sich, vielleicht in- 
folge des durch Aufzehren der Nahrungsbakterien eintretenden Nah- 
rungsmangels, ebenfalls zu Zfigen anordnen, die sich als immer weitere 
Verzweigungen an die bereits vorhandenen Zfige anschlieBen. 1st 
schlieBlich in einer derartigen Kultur das D. m.-Wachstum bis zum 
Plattenrand vorgedrungen, und haben die Amoben die Nahrungsbakterien 
fast vollig vertilgt, so erstrecken sich die Amobenziige haufig vom Platten¬ 
rand bis zu dem in der Mitte der Platte gelegenen Impffleck. 

Die zu Zfigen angeordneten Amoben werden mit der Zeit zum 
weitaus grbBten Teil zur Bildung der Pseudosporangien verbraucht, auf 



Fig. 1. 3 Tage alte D. m.-Kultur. 
In der Mitte der Impffleck mit fertig 
ausgebildeten Pseudosporangien. Nacn 
aufien folgt dann die Zone aer Pseudo¬ 
plasmodien und auf diese der aus ein- 
zeln liegenden Amoben bestehende Ring. 



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v. .Kchuck niann, Biologie von Dictyostelium mucoroides Bref. 305 


der Agarplatte sind aber trotzdem noch iSngere Zeit gewissermaBen die 
.,Spuren“ der Ziige erkennbar. In einer etwa 8—10 Tage alten Platten- 
kultur, die „freie“, d. h. nicht zur Pseudosporangienbildung verbrauchte 
Amoben nur noch in verh&ltnismafiig geringer Anzahl enthalt, finden 
sich die moisten und in der Regel auch grfiBten Pseudosporangien nahe 
der Plattenmitte, im Impffleck und in dessen nfiherer Umgebung. Nach 
Beimpfung der Platten mit reichlichem D. m.-Material treten auBer- 
dem wahrend der ersten Tage nach der Beimpfung im Impffleck zahl- 
reiche auffallend kleine Pseudosporangien auf. 

Die die Sporen enthaltenden Kopfchen der Pseudosporangien sind 
in der Regel von z&hflussiger Konsistenz, so daB man sie mit Hilfe 
eines feinen Glasfadens ohne Schwierigkeit von dem Stiel abheben und 
wieder auf den Stiel aufsetzen kann. Ich konnte jedoch feststellen, daB 
ein solches zunachst zfihflfissiges Kopfchen, wenn es unter der binoku- 
laren Lupe eine Zeit lang bei geoffneter Kulturschale beobachtet wurde, 
haufig binnen wenigen Minuten eine festere Konsistenz annahm, so daB 
man mit einem Glasfaden nicht mehr hindurchstechen und es abheben 
konnte. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Konsistenzgraden 
der Pseudosporangienkopfchen besteht darin, daB die Oberflfiche der 
zahflfissigen Kopfchen stark spiegelt, wahrend die Kopfchen von festerer 
Konsistenz eine r stumpfe“ Oberflfiche haben. Betrachtet man ein „fest u 
gewordenes Pseudosporangienkopfchen einige Zeit, nachdem man die 
Kulturschale wieder mit einem Deckel bedeckt hat, von neuem, so wird 
man in der Regel sehen, daB daB Kopfchen seine urspriingliche zfih- 
flflssige Konsistenz wieder angenommen hat. Dieser Wechsel zwischen 
zahflQssiger und „fester“ Konsistenz bei einem und demselben Kopfchen 
laBt sich durch Oeffnen bzw. Schliefien der Kulturplatte meist beliebig 
oft wiederholen. 

Wie bereits oben (S. 303) erwahnt, sind die Untersucher von D. m. 
meist der Ansicht, daB der erste AnstoB zur Pseudospor¬ 
angienbildung bei D. m. durch den Eintritt von Nahrungs¬ 
mangel gegeben wird. Auch meine Beobachtungen fiber die Bil¬ 
dung der Pseudoplasmodien dfirften wohl daffir sprechen, daB dem 
Nahrungsmangel ffir die Auslosung der Pseudosporangienbildung eine 
gewisse Bedeutung zukommt, denn Pseudoplasmodien als Vorlaufer der 
Pseudosporangienbildung traten in meiuen Kulturen stets nur an solchen 
Stellen der Agarplatten auf, an denen die Nahrungsbakterien von den 
Amoben ganz oder doch zum groBeren Teil aufgezehrt waren. 

DaB jedoch Nahrungsmangel allein nicht immer genfigt, um die 
Pseudosporangienbildung auszulosen, geht aus der von mir gemachten 
Beobachtung hervor, daB trotz eintretenden Nahrungsmangels 
unter Umstanden dieBildung von Pseudosporangien auch 
dauernd unterbleiben kann: Ich zfichtete, wie schon erwahnt, 
D. m. vom Juni 1922 an sowohl mit „Bac. Oehler“ als auch mit 
Bac. coli, und erzielte, indem ich die Kulturen durchschnittlich alle 
8 Tage weiterimpfte, stets reichliche Pseudosporangienbildung. Ende 
•Juli 1922 horte jedoch die Bildung von Pseudosporangien bei der mit 
rBac. Oehler 14 fortgezfichteten Kulturreihe ziemlich plotzlich auf, 
?hne daB in der Art und Haufigkeit der Weiterimpfung der Kulturen 
lr gendwelche Aenderung eingetreten war. Es kam in diesen Kulturen 
zwar regelmaBig zur Bildung von Pseudoplasmodien, die Ausbildung 
von Pseudosporangien unterblieb jedoch seitdem vollstfindig und dauernd. 
Tr otzdem aber hat sich dieser mit „Bac. Oehler“ geffitterte D.m.-Stamm 
Erste Abt. Orig. Bd. 91 . Heft 5. • 20 


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306 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

bis heute in gewohnter Weise fortzflchten lassen, ohne daB jemals wieder. 
auch in mehrere Wochen alten Kulturen, Pseudosporangien gebildet worden 
wflren. 

Ein ganz Shnliches Schicksal hatte im November 1922 die mit Bac. 
coli gezflchtete Kulturreihe: Auch hier hflrte die Bildung von Pseudo¬ 
sporangien auf, w&hrend das Wachstum der Kulturen normal blieb 
und Pseudo plasm odien an den von Nahrungsbakterien entbloBten 
Stellen der Agarplatten regelmaBig gebildet wurden, und auch diese 
Kulturreihe lieB sich bei dauerndem, vollst&ndigem Ausbleiben der Pseudo- 
sporangienbildung bis jetzt fortzflchten. 

Ueber die Ursache fflr dieses AufhSren der Pseudosporangienbilduug 
habe ich bisher Genaueres noch nicht ermitteln konnen. Verschiedene 
Versuche, die beiden D. m.-Kulturreihen wieder zur Bildung von Pseudo¬ 
sporangien zu veranlassen, schlugen zunachst fehl: Ausgehend von dem 
Gedanken, daB bei manchen Protozoenarten die Encystierung erst nach 
Ablauf einer bestimmten grflBeren Anzahl von Generationen eintritt. 
wurde versucht, die Zahl der auf meinen Kulturplatten aufeinander- 
folgenden D. m.-Generationen dadurch zu erhohen, daB die Platten, noch 
ehe die Nahrungsbakterien von den Amoben vollstandig vertilgt waren. 
mehrmals von neuem mit einer Bakterienaufschwemmung beschickt 
wurden; diese „Nachffltteruugen tt der Amoben blieben jedoch ohne den 
erhofften Erfolg, d. h. es erfolgte nach wie vor keine Pseudosporangien- 
bildung. Auch durch einen Wechsel in der Nahrung — den Kulturen 
wurde an Stelle von „Bac. Oehler u und Bac. coli ein aus Pferdekot 
isoliertes Stabchen als Nahrungsbakterium beigegeben — konnte eine 
Pseudosporangienbilduug nicht erzielt werden. Ebensowenig Erfolg hatte 
der Zusatz ernes aus Pferdekot hergestellten wasserigen Extraktes zu 
dem Amobenagar: Die D. m.-Amoben wuchsen auf diesem Pferdekot- 
agar, der nach der von Noller (6) gegebenen Vorschrift hergestellt 
war, in der gleichen Weise wie auf Amobenagar ohne Pferdekotextrakt. 
und bildeten auch Pseudoplasmodien, aber keine Pseudosporangien. 

SchlieBlich gelang es jedoch auf folgende Weise, den nicht mehr 
Pseudosporangien bildenden D. m.-Stamm wieder zur Pseudosporangien- 
bildung zu veranlassen: Eine Petri-Schale wurde mit frisch abgelegtem. 
nicht sterilisiertem Pferdekot beschickt, und dieser dann mit einer 
Aufschwemmung des nicht Pseudosporangien bildenden D. m.-Stammes 
in sterilem Leitungswasser flbergossen. Am 6. Tage nach der Beimpfung 
fanden sich auf dem Pferdekot neben zahlreichen Schimmelpilzen Gebilde, 
die ihrem Aussehen nach fflr Pseudosporangien von D. m. gehalten 
wurden. Die Ueberimpfung auf Amobenagar ergab, daB es sich in der 
Tat urn D. m. handelte, denn auf den Agarplatten fanden sich 5 Tage 
nach ihrer Beimpfung auBer Amoben zahlreiche typische Pseudospor¬ 
angien von D. m. Der so nach einer Passage flber Pferdekot wieder 
Pseudosporangien bildende Amobenstamm (Diet. Pfk. I) wurde sodaun 
auf Amobenagar unter Beigabe von Bac. coli und einem aus Pferdekot 
geziichteten Stabchen weiter gezuchtet, und bildete etwa 4 Monate lane 
regelmaBig zahlreiche normale Pseudosporangien. 

Da bei dem soeben geschilderten Versuch nichtsterilisierter Pferde¬ 
kot zur Verwendung gelangte, so bestand die Moglichkeit, daB dieser 
Pferdekot schon vor seiner Beimpfung mit D. m. Amoben oder Sporen 
von D. m. enthielt, daB also der von mir unter der Bezeichnung Diet. Pfk-1 
fortgeziichtete Stamm nicht die Fortsetzung des 0 eh 1 erschen Original- 
stammes, sondern ein neu aus Pferdekot geziichteter D. m.-Stamm war. 


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v. Schuckmann, Biologie von DictyoBtelium mucoroides Bref. 307 

Bei einem zweiten gleichartigen Versuch wurde deshalb der zur Ver- 
wendung kommende Pferdekot vor seiner Beimpfung mit dem nicht 
mehr Pseudosporangien bildenden Oehlerschen Original-D. m.-Stamm 
in stromendem Dampf sterilisiert, wodurch nicht nur, wie ein Versuch 
ergab, alle im Pferdekot etwa vorhandenen D. m.-Stadien abgetotet 
warden, sondern auch das Wachstum von Schimmelpilzen unterbunden 
wurde. Um dem D. m. die notigen Nahrungsbakterien zu bieten, wurde 
der sterilisierte Pferdekot auBer mit einer D. m.-Aufschwemmung auch 
mit einer Aufschwemmung des aus Pferdekot geziichteten Stabchens 
ubergossen. 7 Tage nach Beimpfung des Pferdekots mit D. m.-Am5ben 
waren Pseudosporangien auf ihm noch nicht zu entdecken. Als ich 
jedoch die Versuchsschalen nach Verlauf von weiteren S l / 2 Wochen 
wieder besichtigte, fanden sich in einer mit D. m. beimpften Schale 
zahlreiche typische D. m.-Pseudosporangien auf dem Pferdekot, wahrend 
die nur mit sterilem Wasser flbergossenen Kontrollschalen keine D. m.- 
Amoben oder -Pseudosporangien enthielten. Durch Uebertragung einiger 
der auf Pferdekot gewachsenen Pseudosporangien auf Agarplatten, die 
mit Bakterienradien vorbeimpft waren, wurde wiederum ein in jeder 
Beziehung normaler D. m.-Stamm (Diet. Pfk. II) erhalten, der dauernd 
reichlich Pseudosporangien bildete. Dieser auf sterilisiertem Pferde¬ 
kot gewachsene Stamm kann nur als die Fortsetzung des vor der Ueber¬ 
tragung auf Pferdekot nicht mehr Pseudosporangien bildenden Oehler¬ 
schen Originalstammes angesehen werden. 

Es ist also gelungen, bei einem seit langererZeit auf 
Amobenagar fortgezuchteten D. m.-Stamm, der aus bis- 
her unbekannter Ursache vollstandig aufgehort hatte, 
Pseudosporangien zu bilden, dadurch, daB er auf sterili¬ 
siert e n Pferdekot ubertragen wurde, die Bildung von 
Pseudosporangien erneut wieder hervorzurufen, und zwar 
so, daB der vom Pferdekot auf Amobenagar zurOckubertragene und auf 
diesem fortgeziichtete Stamm (Diet. Pfk. II) auch weiterhin regelmfiBig 
Pseudosporangien in groBer Zahl und normaler GroBe bildete und sie 
auch jetzt noch — 2 Mon. nach seiner Riickubertragung vom Pferdekot 
auf Amobenagar — bildet. 

Der oben erwahnte D. m.-Stamm (Diet. Pfk. I) dagegeu, dessen 
Uebertragung vom Pferdekot auf Amobenagar jetzt (Ende September 
1923) bereits 5 Mon. zuriickliegt, und der nach dieser Uebertragung 
zunSchst etwa 4 Mon. lang ebenfalls in durchaus normaler Weise 
Pseudosporangien bildete, laBt jetzt deutliche Anzeichen fur ein aber- 
maliges Nachlassen bzw. vblliges Erlbschen der Pseudosporangienbildung 
erkennen: der Stamm wird seit l&ngerer Zeit auBer auf Flatten, auf 
welche die Nahrungsbakterien (Bac. coli) in Form von Radien ver- 
impft sind, regelmaBig auch auf Platten gezflchtet, deren ganze Flache 
mit einer Schicht von Bakterien uberwachsen ist. Seit etwa einem 
Monat ist nun auf den mit Bakterienradien vorbeimpften Platten ein 
deutlicher Ruckgang zwar nicht der Zahl, wohl aber der GroBe der 
Pseudosporangien eingetreten. Auf den von einer z u s a m in e n h an g e n- 
den Bakterienschicht bedeckten Platten begann die GroBe und Zahl 
der vom D. m.-Stamm Diet. Pfk. I gebildeten Pseudosporangien eben¬ 
falls vor etwa 4—5 Wochen stark abzunehmen. Seit einiger Zeit hat 
auf diesen Platten nicht nur die Pseudosporangien-, sondern auch die 
Pseudoplasmodienbildung fast vollstandig aufgehort. Die Platten sind, 
wenn das D. m.-W T achstum den Plattenrand erreicht hat, von einer 

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dichten Schicht von D. m.-Amoben bedeckt, die in alteren Kulturen 
noch hier und da vereinzelte, kleine Pseudoplasmodien bilden, meist 
jedoch allmahlich an Zahl abnehmen und schlieBlich vollig verschwinden, 
ohne Sporen gebildet oder sich auch nur zu Ziigen angeordnet zu haben. 
Mit diesem schon zum 2. Male nicht mehr regelmaBig normale Pseudo- 
sporangien bildenden D. m.-Stamm (Diet. Pfk. I) wurde nun in der 
gleichen Weise wie oben (S. 307) beschrieben, sterilisierter Pferde¬ 
kot unter Beigabe von Nahrungsbakterien beimpft. Bis zum 9. Tage 
nach der Beimpfung waren auf dem Pferdekot nur D. m.-Amoben uach- 
weisbar, am 10. Tage aber fanden sich in mehreren Schalen auf dem 
Pferdekot Pseudosporangien von D. m. Von diesen wurden einige auf 
eine mit Coli-Bakterien vorbeimpfte Agarplatte fibertragen (Diet. 
Pfk. Ill) und 4 Tage spater war D. m. auf dieser Platte von der Mitte 
aus halbwegs bis zum Plattenrand vorgedrungen und hatte bereits zahl- 
reiche Pseudosporangien von normaler GroBe gebildet. 

Wie das Ergebnis dieses Versuches zeigt, kann also auch ein 
D. m.-Stamm, welcher bereits einmal aufgehort hatte. 
Pseudosporangien zu bilden und durch Passage fiber 
Pferdekot wieder zur Bildung von Pseudosporangien ge- 
bracht worden war, nach einiger Zeit (4 Mon.) jedoch die 
Bildung von Pseudosporangien, ja sogar von Pseudoplas¬ 
modien abermals fast vollstandig eingestellt hatte, durch 
erneute Passage fiber Pferdekot die Fahigkeit zur Bil¬ 
dung normaler Pseudosporangien wieder erlangen. 

Ebensowenig wie ich die Ursache fur das Aufhoren der Pseudo- 
sporangienbildung von D. m. in meinen Agarplattenkulturen bisher 
habe feststellen konnen, konnte ich bis jetzt ausfindig machen, worauf 
es beruht, daB ein nicht mehr Pseudosporangien bildender 
D. m.-Stamm nach einer Passage fiber Pferdekot sofort 
auch auf Agar wieder Pseudosporangien bildet. Obwohl 
auch ich, ebenso wie frfihere Untersucher von D. m. [Potts (10), 
Oehler (7)] bei meinen Versuchen mit D. m. den Eindruck gewonnen 
habe, daB Nahrungsmangel bei der Auslosung der Pseudosporangien- 
bildung von D. m. eine gewisse Rolle spielt. so dfirfte aus den obeo 
dargestellten Ergebnissen meiner Versuche doch wohl hervorgehen, daB 
Nahrungsmangel allein nicht immer imstande ist, die 
Bildung von Pseudosporangien auszulosen, sondern daB 
auch noch andere, bisher nicht bekan nte Faktoren ffir die 
Auslosung der Pseudosporangienbildung in Frage kom- 
men. Welcher Art diese Faktoren sind, werden weitere Untersuchungen 
ergeben mfissen 1 ). 


Litoratur. 

1) Brefeld, O., Die ty ostelium mucoroides, ein neuer Organtemus aus der 
Verwandtschaft der Myxomyzeten. (Abhdl. Senckenb. Naturf. Ges. Frankfurt a. M. 
Bd. 7. 1869. S. 85.). — 2) Ders., Polysphondylium violaceum und Dictyo- 
stelium mucoroides nebst Bemerkungen zur Systematik der Schleimpilze. (UnleR 
a. d. Gesamtgeb. d. Mykol H. 6. J884.) — 3) Grimm, M., Ueber den Bau und die 
Entwicklungsgeschichte von Dictyosteli um mucoroides Bref. (Script. Bot. Hort. 


1) Anm. bei der Korrektur. Wie meine seither angestellten Versuche ergeben 
haben, scheint die Beschaffenheit der Oberfltiche des Nahreubstrats, auf welchem 
D. m. gezuchtet wird, einen gewissen EinfluB auf die Bildung der Pseudosporangien 
auszuiiben. 


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1 


[Simon, Die Haufigkeit der Lamblieninfektion im Rheinlande. 309 

Univ. Imp. Petersburg. Vol. 4. 1895. p. 279.) — 4) Mouton, Recherches sur la di¬ 
gestion chez les amibes et sur la diastase intracellulaire. (Ann. Inst. Past. T. lb. 1902.) 

— 5) N adson, G. A., Des cultures du Dictyostelium m ucoroides Bref. et des 
cultures pures des Amibes en gdndral. (Script. Bot. Hort. Univ. Imp. Petersburg. 
Vol. 15. 1899. p. 153.) — 6)Noller, W., Die wichtigsten parasitischen Protozoen des 
Menschen und der Tiere. Teil I. Berlin {Rich. Schoetz) 1922. — 7) Oehler, R., 
Dictyostelium mucoroides Bref. (Oentralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Orig. Bd. 89. 
1923. 8. 155.) — 8) Olive, E. W., Monograph of the Acrasieae. (Proc. Boston. Soc. Nat. 
Hist. Vol. 30, 1902. p. 451.) — 9) Pinoy, E., R61e de Bact4ries dans le d^veloppement 
de certains Myxomyc6tes. (Ann. Inst. Past. T. 21. 1907. p. 622 u. 686.)— 10) PottB, 
G., Zur Physiologie des Dictyostelium mucoroides. (Flora. Bd. 91. 1902. 8.281.) 

— ll)8chuckman n, W. v., Serologische Untersuchungen an Kulturamoben. (Berl. 
klin. Wochenschr. Jhrg. 57. 1920. S. 545.) — 12) Ders., Untersuchungen fiber das 
serologische Verhalten verschiedener Amobenstamme. (Arb a. d. Reichsgesundheitsamt. 
Bd. 52. 1920. S. 133.) — 13) Ders., Ueber den Einflufi spezifischer Sera auf die Fla- 
gellatenstadien von Kulturamoben. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. 1920. 
S. 304.) — 14) Skupienski, F. X., Sur la sexuality chez une espfcce de Myxomy- 
c&te Acrasi6e, Dictyostelium mucoroides. (Compt. rend. Acad. Sc. Paris. T. 167. 
1918. p. 960.) — 15) van Tieghem, M. Ph., Sur quelques Myxomycfctes i plasmode 
aggr^gd. (Bull. Soc. Bot. France. T. 27. 1880. p. 317.) — 16) Wasielewski, Th. v., 
u. Kuhn, A., Untersuchungen fiber Bau und Teilung des Amobenkernes. (Zool. Jahrb. 
Abt. f. Anat. etc. Bd. 38. 1914.) — 17) Zopf, W., Die Pilztiere oder Schleimpilze. 
Breslau 1885. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Haufigkeit der Lamblieninfektion im Rheinlande. 

| Aus dem Institut ffir Hygiene und Bakteriologie der Universitfit Bonn 
(stellvertretender Direktor: Privatdozent Dr. F. W.'Bach).] 

Von M. Simon, Medizinalpraktikant. 

Von Bach und Kiefer (1) ist in einer vor kurzem erschienenen 
Arbeit liber die Verbreitung parasitischer Darmprotozoenarten des 
Menschen innerhalb Deutschlands darauf hingewiesen worden, daB im 
Gegensatz zum Auslande fur Deutschland erst sehr wenige Unter¬ 
suchungen aus den letzten Jahren vorliegen, die sich mit der Haufigkeit 
des Vorkommens von Darmprotozoen beschfiftigen. In Fortsetzung der 
1922 von Bach und Kiefer begonnenen Untersuchungen habe ich im 
Sommer 1923 weiterhin in Bonn Erhebungen in dieser Richtung ange- 
stellt, und zwar, mich auf ein Teilgebiet beschrankend, Untersuchungen 
fiber die Haufigkeit der Infektion mit Lamblia intesti¬ 
nal is ausgefQhrt. Soweit es mir moglich war, habe ich gleichzeitig 
yersucht, Unterlagen fiber die klinische Bedeutung der Lamblien¬ 
infektion zu sammeln. 

Das Material zu meinen Untersuchungen erhielt ich aus den hiesigen 
Universitatskliniken, von einigen Kinderfirzten der Stadt, dem stfidtischen 
Tageserbolungsheime sowie von Personen meines Bekanntenkreises. 
Diese Stuhlproben stammten mit wenigen Ausnahmen von Personen aus 
dem Rheinlande, im allgemeinen von Bonner Einwohnern. Meistens 
handelte es sich um darmgesunde Personen, nur bei wenigen lagen zur 
Zeit der Untersuchung selbst Darmstorungen vor. 


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310 


Centralbl. f. Bakt etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Die Btuhlproben babe ich im allgemeinen nur einmal untersuchen konnen, steu 
aber habe ich mehrere Praparate desselben btuhles durchgemustert. Es ist daher mog- 
lich, dafi einige Lamblieninfektionen unerkannt geblieben sind, da Unterbrechangen in 
der Zystenausscheidung vorkommen konnen. Meine LJntersuchungaergebnisse konnen 
daher vorsichtigerweise nur als Mindeatzahlen gewertet werden, wenn auch vorauaicht- 
lich der Fehler nicht groB aein wird. 

Im ganzen habe ich 137 Personen untersucht, von diesen waren 
87 mannlichen, 50 weiblichen Geschlechts, 106 Personen waren junger 
als 15 Jahre, 31 Personen alter als 15 Jahre. Jugendliche, d. h. Per¬ 
sonen unter 15 Jahren, sind somit in meinen Untersuchnngen in 
77,4 Proz. an der Gesamtzahl beteiligt. Eine allgemeine Uebersicht 
liber die von mir festgestellte Haufigkeit der Lamblieninfektion gibt 
Tab. I. 


Gesehlecht 

mannlich 

weiblich 


Tabelle I. 

Zahl der untersuchten mit Lamblien 
Personen infiziert 

86 18 = 20,9 Proz. 

51 14 =27,5 „ 

137 32 = 23,4 Proz. 


Insgesamt fanden sich also in 137 Stfihlen 32mal Lamblien = 
23,4 Proz., das weibliche Gesehlecht war starker als das mannliche an 
der Infektion beteiligt. 

Ffihre ich eine Trennung der untersuchten Personen nach dem Alter 
durch, indera,ich eine Grenze zwischen Jugendlichen und Erwachsenen 
mit 15 Jahren ziehe, so ergibt sich: 


Tabelle 11. 


Zahl der untersuchten Personen 
31 Erwachsene f Manner 26 
(iiber 15 Jahre) \ Frauen 5 

106 Jugendlichef Enaben 60 
(unter 15 Jahre)\ Madchen 46 


mit Lamblien infiziert 


3 = 11,5 Proz. 


9,7 Proz.J 


15 = 25,0 „ 
14 = 30,4 „ 


| =27,4 


V 


Aus dieser Zusammenstellung geht deutlich hervor, daB Jugendliche 
bei weitem haufiger als Erwachsene infiziert sind und unter den Jugend¬ 
lichen wiederum Madchen starker als Knaben. Diese Verhaitnisse werden 
in den folgenden Tabellen noch klarer zutage treten. 

Den frtihesten Fall einer Infektion konnte ich bei einem 9 Mon. 
alten Knaben ermitteln (unter 10 Kindern im Alter von 0—1 Jahre). 
bei 8 Kindern im Alter von 1—2 Jahren fand ich 2 F&lle (Madchen), 
bei 4 Kindern im Alter von 2—3 Jahren 1 Fall (Knabe). Soviel ich 
sehe, ist fiber eine Infektion im 1. Lebensjahre noch nicht berichtet 
worden, Matthews und Smith (2), die 548 Kinder bis zu 12 Jahren 
untersuchten, fanden die frfihesten Infektionen im Alter von 1—2 Jahren. 

Diesen Zusammenstellungen ffige ich eine Statistik von Bach und 
Kiefer aus dem Jahre 1922 und zwar ebenfalls aus Bonn an, in der 
sich Unterlagen fiber die Hfiufigkeit der Infektion mit Lamblia in- 
testinalis linden. Wenn ich diese Untersuchungen, die hauptsachlich 
Erwachsene betreffen, mit meinen Untersuchungen, die sich vorwiegend 
auf Jugendliche beziehen, in einer Tabelle vereinige, da die untersuchten 
Personen aus derselben Gegend, also aus dem Rheinlande stammen, so 
konnen beide Untersuchungsreihen ungefahr ein Bild von der Haufigkeit 


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Simon, Die Haufigkeit der Lamblieninfektion im Rheinlande. 


311 


■ties Vorkommens von Lamblien innerhalb der hiesigen BevOlkerung 
geben; denn meine Untersuchungen, allein genommen, wiirden ein nicht 
ganz richtiges Bild des Lamblienvorkomniens geben konnen, da Jugend- 
liche hSufiger Lamblien beherbergen als Erwachsene. 

Ich mufi zum Zwecke der Vereinigung beider Statistiken allerdinga eine Kor- 
rektur der Zahlen anbringen, weil in den Zusammenstellungen von Bach und Kiefer 
wie von mir 4 gleicbe Personen (2 Manner und 2 Knaben mit positiver lnfektion) mit- 
^ezahlt sind. Bach und Kiefer untersuchten 201 Personen und fanden Lamblien in 
o,8 Proz. (llmal) bei 161 Personen mannlichen und in 7,5 Proz. (3mal) bei 40 Per¬ 
sonen weiblichen Geschlechts. Ziehe ich die erwahnten 4 Fade von der Gesamtzahl 
der Falle von Bach und Kiefer ab, so bleiben 197 Personen (157 mSnnliche, 
40 weibliche) mit 10 Lamblienfallen. 

Die vereinigte Uebersicht ergibt: 


Tabelle III. 


Geschlecht 

Zahl der untersuchten Personen 

mit Lamblien infizi 



f 157 (B. und K.) 

7 = 4,6 Proz. 

mannlich 


86 (Simon) 

18 = 20,9 n 



| 243 

25 = 10,2 Proz. 



1 40 (B. und K.) 

3= 7,5 Proz. 

weiblich 


I 51 (Simon) 

_14 = 27,8 „ 



1 91 

17 = 18,7 Proz. 

gesamt 


334 

42 = 12,6 Proz. 


Eine Trennung nach dem Alter kann ich auch bei diesem Materiale 
in der frilheren Weise durchfflhren. Nach den mir zur Verffigung ge- 
stellten Unterlagen sind in den von Bach und Kiefer untersuchten 
201 Personen 14 Jugendliche (bis 15 Jahre) einbegriffen, 8 Knaben und 
8 Madchen mit je 2 positiven Lamblienbefunden, 187 Personen sind 
demnach Erwachsene (153 Manner und 34 Frauen), bei denen lOmal 
Lamblien gefunden wurden (9mal bei Mannern und lmal bei Frauen). 
Unter den von mir untersuchten Frauen linden sich 106 Jugendliche 
(60 Knaben und 46 Madchen) und 31 Erwachsene (26 Manner und 
5 Frauen). Vereinige ich beide Untersuchungsreihen unter Berdcksich- 
tigung der erwahnten Korrekturen (4 positive Infektionen bei 2 Mannern 


Tabelle IV. 


Geschlecht 


Zahl der unter¬ 
suchten Personen 


mit Lamblien infiziert 


118 Jugend¬ 
liche 


216 Erwach¬ 
sene 



| 6 (B. und K.) 

— 


Knaben 

1 60 (Simon) 

15 



| 66 

15 = 

22,7 Proz. 


I 6 (B. und K.) 

2 


Mad¬ 

1 46 (Simon) 

14 


chen 

1 52 

16 = 

30,8 Proz. 


(151 (B. und K.) 

7 


Miinner 

1 26 (Simon) 

3 



| 177 

10 = 

5,6 Proz. 


( 34 (B. und K.) 

1 


Frauen 

1 5 (Si mou) 

— 



| ~39 

1 = 

2,6 Proz. 


= 26,3 Proz. 


= 5,1 Proz. 


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312 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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und 2 Knaben, die in beiden Reihen erscheinen), so ergibt sich, dab 
von 334 Personen der rheinischen Bevdlkerung 12,6 Proz. mit Lamblien 
infiziert gefunden wurden, und zwar (siehe Tab. IV, S. 311). 

Diese Zusammenstellung veranschaulicht in noch deutlicherer und 
einwandfreierer Weise als fruher die Tatsache, daR Jugendliche bei 
weitera starker an der Infektion beteiligt sind als Erwachsene. 

Aus anderen Teilen Deutschlands liegen aus den letzten 
Jahren erst wenige Untersuchungen vor, die ein Bild von der Haufig- 
keit des Lamblienvorkommens bei uns geben konnen. Fischer (3) 
land 1919 bei der Untersuchung von 120 Personen der medizinischen 
Klinik in Gottingen 2,5 Proz., Hage (4) 1922 bei 400 verschiedenen 
Personen aus Thuringen 3,5 Proz., Westphal und Georgi (6) 1923 
bei 100 Personen der medizinischen Klinik in Frankfurt a. M. 2 Proz. 
Lamblieninfektionen. Die Infektion mit Lamblien hatte nach diesen 
Angaben innerhalb Deutschlands im allgemeinen keine groEe Verbreitung. 
Nur Untersuchungen von Hage (5) bei 96 Personen in Cuxhaven, Wil- 
helmshaven und Kiel (Marineangehorige) weisen hohere Zahlen auf: 
10,4 Proz. Diese Untersuchungen an einem besonders ausgewShlten 
Menschenmaterial (Personen mit ehemaliger Amobenruhr oder solche, 
die langere Zeit in Gegenden mit endemischer Amobenruhr gelebt batten) 
k6nnen aber mit den meinen nicht direkt in Vergleich gesetzt werden. 
Meine Untersuchungen in Verbindung mit denen von Bach und Kiefer 
mit einem Prozentsatz von 12,6 Proz. Lamblieninfektionen zeigen dem- 
nach eine in den letzten Jahren bisher fur Deutschland noch nicht an- 
gegebene Haufigkeit des Lamblienvorkommens. 

Von besonderem Interesse ist, dali gerade aus Bonn von Hetzer (7) Angaben aus 
der Vorfcriegszeit iiber Lamblieninfektionen vorliegen. Hetzer fand 1914 bei 427 ver¬ 
schiedenen Personen in Bonn nur in 2,58 Proz. Lamblien. Der Unterschied zwischen 
diesen Untersuchungen und denen aus den letzten Jahren ist recht auffallend. Ob die 
erhohte Infektion mit der Kriegs- oder Nachkriegszeit, mit der gesunkenen Hygiene 
oder den Ernahrungsverhaltnissen in Beziehung steht, ist ohne weiteres nicht zu sagen. 

In fruheren Jahren sind dagegen bereits hohere Infektionszahlen 
gefunden worden. So geben aus dem Jahre 1893 Moritz und Holzl 
(8) an, in Deutschland 54,5 Proz. ihrer Falle mit Lamblien infiziert ge- 
funden*zu haben. Es handelte sich hierbei um Untersuchungen, die aD 
Personen vorgenoramen wurden, die an Tuberkulose verstorben waren. 
DaB bei Lamblieninfektionen hautig Tuberkulose zu verzeichnen ist, 
scheint nicht ganz zufallig zu sein. Ich finde diese Angaben durch 
meine Untersuchungen bestatigt; denn 2 / 3 der von mir untersuchten in- 
fizierten Personen waren tuberkulos belastet, soweit ich das durch Nach- 
frage feststellen konnte. Eine wirkliche Darmtuberkulose lag aber in 
keinem Falle vor. Zum Beispiel waren von 70 jugendlichen, wegen 
Skrofulose oder sonstiger Tuberkulose im stadtischen Tageserholungs- 
heim befindlichen Personen allein 20 = 28,6 Proz. mit Lamblien infiziert, 
wahrend von meinen ubrigen 67 Untersuchungen nur 12 Infektionsfalle 
= 18 Proz. vorlagen. 

Von auslandischen Autoren sind aus Europa, abgesehen von 
meinen Zahlen, in den letzten Jahren vielfach weit hbhere Werte als 
die vorhergenannten Zahlen deutscher Untersucher angegeben worden. 
Zum Teil sind aber diese Befunde aus europaischen Gegenden durch 
besondere Umstande bedingt; denn es handelt sich vielfach um Kriegs- 
teilnehmer aus sudlichen Kriegsschauplatzen mit vorausgegangener Ruhr 
oder sonstigen Darmerkrankungen. Die Ansiedlung der Flagellaten ist 


G(X)gle 


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Simon, Die Haufigkeit der Lamblieninfektion im Rheinlande. 


313 


bei diesen Personen, die ja vielfach unter den unhygienischsten Beding- 
ungen lebten, zweifellos begflnstigt worden. 

So fanden Kennedy und Rosewarne (9) 1916 von 136 Soldaten aus Gallipoli 
9 Proz., Jepps (zit. nach 1) 1916 von 426 Soldaten 19 Proz., Fanthani (10)') 1916 
von 1291 Soldaten ebendaher 16,73 Proz. infiziert, Ben thani (zit. nach 1) beobachtete 
1920 bei 2U0 Soldaten aus Malta 14.8 Proz., Matthews und Smith bei 4060 Sol¬ 
daten aus Frankreich 16,4 Proz., Sangiorgi (zit. nach 1) 1918 bei 2000 Soldaten aus 
Albanien 2,4 Proz. Lamblieninfektionen. Weiterhin berichtet Dobell (zit. nach 1) 
1916 fiber 19,5 Proz. Infektionen bei 200 Insassen des Walton Hospitales. 

Fiir einen Vergleich mit meinen Zahlen erscheinen besonders die 
von Matthews und Smith (2) 1918 fflr Personen der englischen 
Zivilbevolkerung wertvoll. Die beiden Untersucher fanden bei 450 Per¬ 
sonen, die England nicht verlassen hatten, 6 Proz., bei 1098 Rekruten 
7 Proz., bei 207 Geisteskranken 3,4 Proz., bei 548 Kindern unter 
12 Jahren dagegen 14,1 Proz. mit Lamblien infiziert. Kinder sind auch 
nach diesen Untersuchungen sehr viel starker befallen als Erwachsene. 
Diese ja verschiedentlich schon friiher festgestellte Tatsache erffihrt auch 
durch auBereuropaische Untersuchungen eine Bestatigung, Young (zit. 
nach 1) gibt z. B. an, 1922 bei 249 Schulkind-ern in Amazonas in 14 Proz., 
bei 251 Soldaten nur in 8 Proz. Lamblien angetroffen zu haben. 

Den von mir festgestellten Lamblienfailen bin ich nun, soweit es 
mir moglich war, etwas naber nachgegangen, um zu erfahren, ob und 
in welcher Weise in der Vorgeschichte der betreffenden Per¬ 
sonen etwas fur die Infektion Wesentliches zu linden sei. Von den 
von mir beobachteten 32 Fallen konnte ich bei 30 Angaben erhalten, 
fiber die im folgenden der Raumersparnis halber eine gedr&ngte Ueber- 
sicht gegeben werden soil. 

1) In 10 Fallen (= Vs) ergab die Vorgeschichte nichts, was als 
AeuBerung der Lamblieninfektion h&tte angesprochen werden konnen, 
Storungeu seitens des Darmkanales wurden nicht angegeben. 7 Per¬ 
sonen (Jugendliche) befamen sich wegen Skrofulose im st&dtischen 
Tageserholungsheime, die iibrigen 3 waren gesunde Erwachsene. 

2) Bei den iibrigen 20 Fallen lieBen sich dagegen in der Vorge¬ 
schichte Darmstorungen feststellen, einen Fall von Lamblienruhr habe 
ich aber bei keinem der Infizierten gefunden. 

a) Bei 9 Personen lagen die angegebenen Darmstorungen schon langere 
Zeit zurtick, die kiirzesten Fristen waren je lmal 2, 3 und 6 Mon., sonst handelte 
es sich um Jahre. Bei 4 Personen waren Durchfalle langere Zeit beobachtet worden, 
■5onst nur fiir kurze Zeit. Abgesehen von einem gcsunden Erwachsenen waren 8 von 
diesen 9 Personen Jugendliche im Alter von 8—14 Jahren, die sich wegen Skrofulose 
im Tageserholungsheim befanden. 

b) Bei den iibrigen 11 Personen (JugendliChen) waren Darmstorungen, zeit- 
weilig auftretende Durchfalle, dagegen in der letzten Zeit ofter beobachtet worden. 
4 dieser Kinder befanden sich ebenfalls wegen Skrofulose im Tageserholungsheim, bei 
einem 5. war die Pirquetreaktion positiv, von den iibrigen 6 Kindern konnte ich in 
dieser Hinsicht keine naheren Angaben erhalten, die Mehrzahl war ala schwiichlich zu 
bezeichnen. Bei 1 Miidchen von 3'/, Jahren, das ich ofter zu beobachten Uelegenheit 
hatta, traten mehrmals stark blutig-schleimige Stiihle anf. Zur Zeit dieser Anfalle ver- 
schwanden aber die friiher vorhanden gewesenen Lamblien und erschienen erst spater 
wieder nach Abklingen der ruhrartigen Erscheinungen. Dieser Fall war eigentlich der 

1) Die Angabe von Rodenwaldt (11) im Handbuch der pathogenen Protozoen 
kief. 8. S. 1117, daB Fan t ham bei 1291 Personen 471 mal (ca. 37 Proz.) Lamblien 
gefunden habe, bedarf eincr Richtigstellung. Es handelte sich bei diesen Untersuch- 
ungen um mehrfache Stubluntersuchungen; im ganzen waren von diesen 1291 Personen 
nur 216 (= 16,7 Proz.) mit Lamblien infiziert. 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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einzige mit schwereren Darmstorungen, eine Ursache der Enteritis konnte nicht ge- 
funden werden. In auffiillig stark stinkenden Stuhlen, die aber frei von Blutbei- 
mengungen waren, fanden si eh ferner Lamblien bei einem 9 Mon. alten Knaben. Da- 
Auftreten ruhrartiger Krankheitserscheinungen wurde mir sonst nicht angegeben. 

Ein Urteil darfiber zu fallen, ob die angegebenen Darmstorungen 
mit der Larablieninfektion in direktem Zusammenhange standen, ist 
nicht mOglich, im allgemeinen dflrften die Lamblien wohl kaum furjene 
Erscheinungen verantwortlich zu machen sein und nur die Rolle von 
harmlosen Parasiten spielen. Darmstorungen vorflbergehender Art sind 
ja bei Kindern nichts Ungewohnliches. Zum Zwecke einer Gegenprobe 
habe ich daher bei einer Anzahl Kinder des Tageserholungsbeimes, die 
nicht mit Lamblien infiziert waren, nach dem Vorkommen von Darra- 
storungen gefragt und gefunden, daB 16 von 37 Kindern ahnliche An- 
gaben wie die Infizierten machten, d. h. zeitweilig Durchfaile gehabt 
hatten. 


Zusammenfassung. 

Stuhluntersuchungen von 137 Personen in Bonn ergaben in 23,4 Proz. 
eine Infektion mit Lamblia intestinalis. 77,4 Proz. der unter- 
suchten Personen waren Jugendliche unter 15 Jahren, bei denen sich in 
27,4 Proz. Lamblien fanden. Der friiheste Fall einer Infektion fand 
sich bei einem 9 Mon. alten Kinde. 

Unter Berucksichtigung von Untersuchungen, die von Bach und 
Kiefer aus der gleichen Gegend vorliegen und vorwiegend Erwachsene 
betreffen, ergibt sich, daB bei 334 Personen der rheinischen Bevolkerung 
(216 Erwachsene und 118 Jugendliche) in 12,6 Proz. eine Lamblien- 
infektion festgestellt werden konnte. Jugendliche sind bedeutend hau- 
figer infiziert als Erwachsene, bei diesen fanden sich nur in 5,1 Proz. 
Lamblien, bei jenen dagegen in 26,3 Proz. 

Die Lamblieninfektion verlief in einem Drittel der von mir fest- 
gestellten F&lle (10 von 30) symptomlos. Bei den tibrigen zwei Dritteln 
wurden zwar Darmstorungen auf Befragen angegeben, diese Darra- 
storungen waren aber entweder meist leichterer Art oder lagen schon 
lSDgere Zeit zuruck, ein Zusammenhang mit der Lamblieninfektion lieB 
sich nicht beweisen. Ein Fall von Lamblienruhr wurde nicht beob- 
achtet. VerhSltnismafiig haufig fand sich eine Infektion bei tuberkulos 
belasteten Personen. 

Literatur. 

1) Bach u. Kiefer, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 27. 1923. S. 14ft. — 
2) Matthews u. Smith, Parasitology. Vol. 12 u. 13. — 3) Fischer, Berlin, klin. 
Wochenschr. 1920. S. 7. — 4) Hage, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. 
S. 107. — 5) Ders., Arch. f. Schilfs- u. Tropenhyg. Bd. 27. 1923. S. 93. —6) West- 

& hal u. (ieorgi, Munch, med. Wochenschr. 1923. S. 1080. — 7) Hetzer, Ztechr. f- 
yg. Bd. 77. 1914. S. 304. — 8) Moritz u. Holzl, Munch, med. Wochenschr. 1893. 
9) Kennedy u. Rosewarne, Lancet. 1916. p. 1163. — 10) Fan tham , ibid. 1916. 
p. 1165. — 11) Roden wa Id t, Handb. d. pathog. Protozoen. 1921. Lief. 8. 



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Schmidt. Eine durch Leberegel bedingte Seuche beim Meerschweinchen. 315 


Nachdruck verboten. 

Ueber eine durch Leberegel bedingte Sencbe beim Meer¬ 
schweinchen. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Freiburg i. Br. 

(Direktor: Prof. P. Uhlenhuth.)] 

Von Dr. Ludwig Schmidt, Assistent am Institut. 

Unter dem Meerschweinchenbestand des Hygienischen-Instituts trat 
im Friibjahr dieses Jahres ein Massensterben auf, das auf die Infektion 
rait dem Leberegel Fasciola hepatica (friiher „Distomum hepati- 
cum“) zuruckgefuhrt werden konnte. 

Bei Schafen eine ganz gewbhnliche Erscheinung, ist dieser Parasit 
bisher nur selten bei Meerschweinchen gefunden worden. 

Sohns (1) beschreibt Distomatose bei freilebenden Meerschweinchen auf Java. 
Bei der Sektion beobachtete er Hohlenbildungen in der Muskulatur mit derber Wand 
und dunkelbrauner Fliissigkeit, sowie Fasciolen als Inhalt; auch Lungen und Riicken- 
markshaute waren affiziert, jedoch soli die Leber nur geringe Veranderungen aufge- 
wiesen haben. Zu Bcginn der Krankheit war zwar Hepatitis sowie Autlagerung junger 
Fasciolen von 1—3 mm Lange vorhanden; in spateren Stadien wurden Veranaerungen 
der Leber aber fast stets vermiflt. 

Bei den 12 im Hygienischen Institut beobachteten Fallen wiesen die 
Tiere zu Lebzeiten ein uncharakteristiscbes Krankheitsbild mit Abge- 
schlagenheit, FreBunlust, Abmagerung und in einzelnen Fallen Auf- 
treibung des Bauches auf. Entsprechend ergab die Sektion bei einzelnen 
Tieren kleinere oder groBere Mengen von Ascitesflflssigkeit (spezifisches 
Gewicht 1011), die in einem Fall i / 5 des Kbrpergewichts ausmachte. 
Durchgehend wies aber die Leber, im Gegensatz zu den Beobachtungen 
von Sohns, die Hauptveranderungen auf. Sie war meist vergroBert 
und mit den Nachbarorganen verwachsen; bei der Loslosung entleerte 
sich aus einzelnen, dadurch eroffneten Hohlen schmutziggelbe FKlssig- 
keit, untermischt mit brockeligen Massen. Besonders schwere VerSnde- 
rungen wiesen die Gallengange auf; ihr Lumen war aufgetrieben, ihre 
Wamlung stark verdickt; sie enthielten regelmaBig Leberegel, 1—5 an 
der Zahl, die durchsclmittlich 25 mm lang und 10 mm breit waren, also 
etwas kleiner, als man sie beim Schaf findet. Nur in einem Falle wurden 
Leberegel vermiBt; die mikroskopische Durchmusterung der brdckeligen 
Schmiere aus einer Hohle der Leber zeigte jedoch die charakteristischen 
Leberegeleier; offenbar waren die Leberegel selbst aufgelost worden und 
nur die cbitingepanzerten Eier hatten der Auflosung standgehalten. 
Mikroskopisch ‘) fand sich, ahnlich wie bei Distomatose anderer Tiere 
und des Menschen, das Bild der Cholangitis und Pericholangitis mit 
Lebercirrhose: das periportale Bindegewebe war stark gewuchert, die 

1) Den histologischen Befund verdanke ich Herrn Privatdoz. Dr. Anders vom 
“alhologischen Institut. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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azinose Zeichnung weitgehend aufgehoben. Innerhalb des gewucherten 
Bindegewebes war das Lebergewebe hochgradig atrophiert. Im erhaltenen 
Lebergewebe fand sich Stauung, sowie Verfettung der Leberzellen. Die 
GallengSnge waren reparatorisch stark gewuchert, einzelne erschienen 
erweitert. 

Bei 7 von den 12 zur Untersuchung gelangten Tieren waren die 
beschriebenen, auf die Leberegeiinfektion zuzuckzufuhrenden Verande- 
rungen als Todesursache anzusprechen; bei den iibrigen Tieren war 
auBer Distomatose noch ausgebreitete Pseudotuberkulose vorhanden. 
Eines der leberegelkranken Tiere wurde in der Agone entblutet. In 
dem Serum lieBen sich PrSzipitine gegen LeberegeleiweiB nicht nach- 
weisen; im Komplementbindungsversuch trat jedoch komplette Hem- 
mung ein: 


Inaktiviertes Serum von 

WaBriger Extrakt 
aus 

Fasciola hepatica 

Frisches 

Meersch wei n chen - 
serum als Kom- 
plement 

Physiologische 

NaCl-Losung 

r& 

w e 5 U 

OJ o £ 

£ fc 

O £ 

an 5 o 

!bs n > 

Ergebnis 

leberegel- 

kranken 

Meer¬ 

schweinchen 

gesunden 

Meer¬ 

schweinchen 

0,3 


0,2 

0,05 

0,95 

1,0 

komplette Hemmung 

0,3 


0,3 

0,05 

0,85 

1,0 

dgl. 

0,3 


0,4 

0.05 

0,75 

1,0 

dgl. 


0,3 

0,2 

0.05 

0,95 

1,0 

fast komplette Losung 


0,3 

0,3 

0,05 

0,85 

1,0 

dgl. 


0,3 

0,4 

0,05 

0,75 

1,0 

dgl. 

0,3 



0,05 

1,15 

1,0 

komplette Losung 


0,3 

. 

0,05 

1,15 

1,0 

dgl. 


. 

0,4 

0,05 

1,05 

1,0 

fast komplette Losung 


Wurde der Leberegelextrakt durch eineu Wasser m an nschen Ex- 
trakt aus syphilitischer Leber ersetzt, so erfolgte nur eine Spur Hemmung. 

Friihere Versuche (2), die bei Distomatose des Menschen und der 
Scbafe Komplementbindung feststellten, werden hierdurch auch fur Meer- 
schweinchen bestatigt. 

Ueber das Zustandekommen der Infektion ist folgendes zu sagen: 

GemaB dem bekannten Generationswechsel entwickelt sich das mit dem Rinder- 
oder Schafkot entleerte Leberegelei im Wasser von Tumpeln und Pfiitzen zum Mira- 
cidium. Dieses befallt die Wasserschnecke Limnaeus truncatulus, wird in ihr 
zur tjporozyste, verlafit sie wieder als Cercarie und enzystiert sich schlieBlich am Graf- 
halm. Bei der von Sohns beobachteteu Distomatose der wildlebenden Meerschweinchen 
auf Java erfolgte die Infektion durch Fressen von Gras, an dem Cercarien enzystiert 
waren. 

Schon vor 30 Jahren gelang es Lutz (3) im Laboratoriumsversuch, Meer¬ 
schweinchen durch Verfiitterung von enzystierten Cercarien mit Fasciola hepatica 
zu infizieren. Spontaninfektion bei Stallmeer-chweinchen ist dagegen unseres Wissenf 
bisher noch nicht beschrieben: offenbar sterben die gewifi oft am Gras enzystierten 
Cercarien durch den Trocknungsprozefi beim Heumachen ab. 

In unserem Falle diirfte die Infektion wohl auf folgende Weise zu 
erklaren sein: 6 Monate vor dem beschriebenen Meerschweinchensterben 
waren die Tiere mehrere Male mit Gras gefiittert worden, das im Garteu 
des Instituts geschnitten war. RegelmaBig weideten dort Schafe, die 
zur Gewinnung von Hammelblutkorperchen zur Wassermannschen 
Reaktion gehalten werden. Die mikroskopisc.he Untersuchung des Scbaf- 
kotes ergab nun Leberegeleier, und mit aller Wahrscheinlichkeit sind 


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Manteufel u. Tomioka. Beuutzung v. Fleisch an Stelle v. Serum usw. 317 


die aus ihnen ausgeschliipften Miracidien von Wasserschnecken aus dem 
kleinen Teich des Institutsgartens aufgenomraen worden. Damit waren 
alle Vorbedingungen zur Weiterentwicklung der Leberegelzwischenformen 
und damit zur Infektion der Meerschweinchen, die mit dem Grase des 
Gartens gefuttert wurden, gegeben. Da in hygienischen Instituten und 
bakteriologischen Untersuchungsamtern haufig Schafe und Meer¬ 
schweinchen gleichzeitig gehalten werden, diirfte nicht ganz selten die 
Gefahr einer Distomatose fur die Meerschweinchen bestehen. Bei den 
Schafen bleibt diese Erkrankung meist unbemerkt, den Meerschweinchen 
dagegen kann sie verhangnisvoll werden. 

Zusammenfassung. 

Leberegelerkrankung der Meerschweinchen war bisher nur bei frei- 
lebenden und bei kunstlich infizierten Tieren beobachtet. Ein seuchen- 
artiges Auftreten des Leberegels (Fasciola hepatica) bei Meer¬ 
schweinchen im Stall wird beschrieben und auf Distomatose von Schafen 
zurflckgefflhrt. Auf die Gefahren, die aus gleichzeitiger Zucht von 
Schafen und Meerschweinchen entstehen kbnnen, wird hingewiesen. 

Literatur. 

1) Sohna, I. Ch. F., Dtech. tierarztl. Wochenachr. 1910. S. 130. — 2) Ser¬ 
vants, Compt. rend. Soc. de Biol. T. 84. 1921. p. 699; referiert im Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Ref. Bd. 72. 1921. 8. 245. — 3) Lutz. A., ebenda Bd. 13. 1893. 8. 320. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Benutzung von Fleisch an Stelle von Serum als 
Antigen bei der Herstellung von prazipitierenden Anti- 
seren fur die biologiscbe Nahrungsmitteluntersuchung. 

|Aus der bakteriologischen Abteilung (Serologisches Laboratorium) des 

Reichsgesundheitsamts.] 

Von P. Manteufel und Y. Tomioka. 

Die prazipitierenden Antisera fur die Praxis der biologischeu Fleisch- 
untersuchung werden gewohnlich nicht mit Fleischantigen, sondern mit 
Seruinantigen hergestellt. Da das zur biologischen Untersuchung 
kommende Fleisch und die daraus hergestellteu Fleischwareu gewbhnlich 
auch Blut enthalten, erweisen sich die mit Serum als Antigen herge- 
stellten Antisera in der Regel ftir den Zweck auch brauchbar. Trotzdem 
kann es keinem Zweifel unterliegen, daB derartige Antisera ungeachtet 
hoher Titerwerte gegeniiber dem homologen Serum oder Blut bei der 
Prfifung mit dem entsprechenden Muskelfleisch manchmal auffallend 
schlecht reagieren, in einzelnen Fallen unter Umstanden auch ganz ver- 
sa gen. Deshalb hat W. A. Schmidt (1) schon 1908 auf Grund von 
Vergleichsuntersuchungen dieNotwendigkeit betont, diese prazipitierenden 
Antisera fQr die Nahrungsmitteluntersuchung mit Muskelfleisch als 


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Centr&Ibl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Antigen herzustellen. Da ihm die bis dahin veroffentlichten Immuni- 
sierungsverfahren von No tel (2) und Rupp in (3) mit unfiltrierten 
FleischpreBsaften unbefriedigende Ergebnisse, d. h. zu groBe Tierver- 
luste ergaben, versuchte er es mit Berkefeld-Filtraten aus solchen 
PreBsaften und glaubte damit alle Schwierigkeiten beseitigt zu haben. 
Das ist aber nach den Erfahrungen ini Reichsgesundheitsamt leider nicht 
der Fall, und man kann wobl im allgemeinen sagen, daB sich die 
Schmidtsche Forderung, obzwar sie durchaus begrflndet ist, bisher in 
der Praxis nicht durchgesetzt hat. 

Man weiB jetzt, daB die Tierverluste bei der Immunisierung mit 
FleischpreBsaften nicht durch bakterielle Verunreinigung des Injektions- 
materials bedingt sind, wie es W. A. Schmidt annahm, sondern durch 
die primare Organgiftigkeit artfremden EiweiBes. Wenngleich diese 
nach den Untersuchungen von Dold (4) zu einem groBen Teil durch 
die Berkefeld-Kerzenfiltration aus den Organsaften entfernt werden 
kann, bleibt doch nicht zu verkennen, daB die wiederholte Einspritzung 
solcher Filtrate immerhin zu starken Abmagerungen und Gesundheits- 
storungen der Versuchstiere fuhrt, die nicht nur Verluste, sondern auch 
schlechte Antikbrperlieferung verursachen. Dazu kommt, daB auch steril 
aufbewahrte P’leischsaftpraparate schlecht haltbar sind, sondern nach 
gewisser Zeit ausfallen, so daB man das gleiche Antigen nicht langere 
Zeit hintereinander benutzen kann, sondern ofter erneuern muB; das ist 
bei sterilem Blutserum nicht notig und laBt die Benutzung des Fleisch- 
antigens bei der Immunisierung deshalb als umstandlich und teuer er- 
scheinen. 

Wenn also die Beobachtung, daB Fleischantisera fur 
die biologische Nahrungsmitteluntersuchung geeigneter 
sind alsSerumantisera, nach den Erfahrungen im Reichs¬ 
gesundheitsamt als richtig und beachtenswert bezeichnet 
werden kann, so muB doch andererseits gesagt werden. 
daB sich das von VV. A. Schmidt dafur empfohlene Ver- 
fahren der Immunisierung mit filtriertera Fleischwasser 
fur den tSglichen Gebrauch nicht als praktisch erwiesen 
hat. In erster Linie wird in der gegenwartigen Zeit der hohen Kosten 
fur Kaninchen der nicht unerhebliche Verlust an Tieren und die geringe 
Ausbeute an hochwertigen Immunseren als abtr&glich empfunden, in 
zweiter Linie die schlechte Haltbarkeit der Fleischwasserfiltrate, die 
ebenfalls Mehrkosten bedingt. Dazu kommt schliefilich noch ein dritter 
Umstand, der durch die Forssmansche Entdeckung (5) der sogenannten 
„heterogenetischen“ Hamolysine in die Erscheinung getreten ist. Diese 
das SpezifitStsgesetz in gewissem Sinne durchbrechenden Hamolysine 
entstehen bekanntlich gerade bei der Immunisierung mit Organzellen 
oder -Saften. Fried berger und seine Mitarbeiter Collier und 
Jarre (6) haben bekanntlich die Vermutung ausgesprochen, daB in 
ahnlicher Weise, wie durch die Immunisierung mit Organzellen nach 
den Befunden von Forssman „unspezifische“ (heterogenetische) Hamo¬ 
lysine entstehen, auch unspezifische Prazipitine gebildet werden, die den 
spezifischen Wert solcher Organantisera natiirlich in Frage stellen wiirden. 
Manteufel und Beger (7) haben zwar bei Immunisierung von Ka¬ 
ninchen mit Pferdenierenzellen, die zu einem Auftreten von hetero- 
genetisehen Schafhamolysinen fuhrte, keine heterogenetischen Prazipitine 
fur SchafeiweiB entstehen sehen und halten die Verinutung von Fried- 
berger und seinen Mitarbeitern auch aus anderen GrUnden nicht fur 


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Manteufel u. Tomioka, Benutzung v. Fleisch an Stelle ▼. Serum usw. 319 


zutreffend, aber es hat sich doch beim langeren Arbeiten mit Fleisch- 
antisereu der Eindruck ergeben, daB sie in groBerem Umfange als die 
Serumantisera mit dem EiweiB nicht verwandter Tiere, allerdings ohne 
Bevorzugung von SchafeiweiB, heterologe Triibungen verursachen. Solche 
heterologen Triibungen konnen aber, auch wenn sie nicht das in Greifs- 
wald beobachtete erhebliche AusmaB bis zur Hflhe des homologen Titers 
und naehr erreichen, unter den heutigen Verhfiltnissen ein empfindlicher 
Uebelstand sein, weil sie einen Teil der far die praktische Verwendung 
hergestellten Antisera zur Verwendung in der Praxis unbrauchbar 
machen (nach der Zusammenstellung bei Manteufel undBeger etwa 
13 Proz.). Wenn also, wie nach den Erfahrungen anzu- 
nehmen ist, die Verwendung von Fleischauszfigen bei der 
Herstellung von Antiseren eine verstfirkte Neigung zur 
Bildung fiber greifender Pr&zipitine zur Folge hat, so 
ware das ein weiterer Umstand, der gegen die Ver¬ 
wendung von Fleischwasser an Stelle von Blutserum 
sprechen wfirde. 

Nun haben die Untersuchungen von Weil und Felix (8) uber 
den Doppeltypus der Agglutinogene der bereits von frflheren Autoren (9) 
geauBerten Ansicht einer ahnlichen Unterschiedlichkeit der prfizipitogenen 
Rezeptoren neue Nahrung gegeben, und man hat neuerdings den Ver- 
such gemacht, die Nebenrezeptoren des nativen Prazipitogens unwirksam 
zu machen, urn auf diese Weise die Spezifitat der EiweiBantisera zu er- 
hohen. Fuji war a (10) hat beispielsweise, ohne auf diesen Gedanken- 
gang Bezug zu nehmen, festgestellt, daB man durch Verwendung von 
kochkoaguliertem Serum als Antigen hochwertigere und spezifischere 
Antisera gegen Menschenblut gewinnen konnte als mit nativem Menschen- 
serum. Unter den 10 in seiner Zusammenstellung aufgefuhrten Menschen- 
antiseren befinden sich sogar 3, die bei einera homologen Titer von 
1:10000 bis 1:50000 auf das verwandte Affenserum in der Verdflnnung 
1:10 ganz ohne Wirkung, also auBerordentlich artspezifisch sind. In 
ahnlicher Weise hat man bekanntlich (Weil-Felix-Mitzenmacher) 
auch durch Immunisierung mit gekochten Proteusbazillen eine 
spezifischere Einstellung des Antiserums auf die kochbestandigen Re¬ 
zeptoren der 0 Form dieses Bazillus erzielt. 

DaB die PrSzipitogene des Blutserums eine erhebliche Resistenz 
gegen Erwfirmen besitzen, war bereits durch umfangreiche Unter¬ 
suchungen von W. A. Schmidt (16) festgestellt, doch muBte man aus 
diesen Untersuchungen schlieBen, daB ein mit fiber 70° erhitztem Serura- 
eiweiB bergestelltes prfizipitierendes Antiserum natives Serumantigen 
nur mehr wenig oder gar nicht ausflocken wflrde. Fujiwara bemerkt 
in dieser Beziehung dagegen nur, daB bei der Reaktion seiner Antisera 
mit Nativserum das Volumen des Prfizipitates geringer sei als bei Ver¬ 
wendung der mit Nativserum erzeugten Antisera, doch fiele der Re- 
aktionsring sehr scharf und deutlich aus. Auf Grund von Erfahrungen, 
die Beger im Reichsgesundheitsamt mit der Methode von Fujiwara 
gemacht hat (die Arbeit erscheint in dieser Zeitschr.), ist dazu ergfinzend 
zu bemerken: Die nach der Uhlenhuthschen Anweisung gemachten 
Reaktionen treten bei den mit kochkoaguliertem SerumeiweiB erzeugten 
Antiseren nicht so massiv auf wie bei einem hochwertigen Antiserum, das 
mit NativeiweiB gewonnen ist, sondern die Ringbildung ist mehr strich- 
formig und manchmal wie mit der Feder gezeichnet, aber deshalb nicht 
minder deutlich. Auch ein etwas zogerndes Eintreten der Ringbildung, die 


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Oentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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eine VerlBngerung der Beobachtungszeit von 10 auf 30 Min. ratsam er- 
scheinen laBt, ist fiir diese Antisera charakteristisch. Als sicher ist 
jedenfalls aus diesen Nachpr iifungen zu entnehmen, daB 
man mitkochkoaguliertera SeruraeiweiB hochwirksame Pra- 
zipitine gegen Nativantigen erhalten kann, die auf hete- 
rologes EiweiB fast gar nicht iibergreifen. Auch wenn eine 
h&ufige Behandlung der Tiere voraufgegangen war, wie sie nach 
unseren Erfahrungen bei der Verwendung von Nativantigen besonders 
zum Entstehen iibergreifender Antisera Veranlassung gibt, bleibt die 
Spezifitat der Antisera erhalten. Eine grundsatzliche Ver¬ 
wendung dieses Antigens in der Praxis scheint leider. 
soweit sich aus der immerhin geringen Zahl von Versuchen 
schlieBen laBt, dadurch bescbr&nktzu sein, daB die intra- 
venose Einspritzung mit dem Fujiwara-Antigen meistens 
eine alsbaldige Thrombosierung und Verstopfung der 
Venen imGefolge hat und die intraperitoneale haufig nur 
zur Erzielung geringwertiger Antisera fflhrt, die sich 
zur Abgabe fiir die praktische Verwendung weniger gut 
eignen. Es ware aber denkbar und zu erstreben, daB sich die er- 
wahnten praktischen Mangel des kochkoagulierten Antigens in Zukunft 
beseitigen lassen. 

Durch die Untersuchungen von Sordelli, Fischer, Wernicke 
und Pico (11) ist bekannt, daB die Organrezeptoren, die nach Forss- 
man zur Bildung der „heterogenetischen“ Ambozeptoren Veranlassung 
geben, durch Alkohol aus dem OrganeiweiB ausgezogen werden konnen 
und sich darin losen. Es muB sich also uin alkohollosliche Stoffe ohne 
Proteincharakter handeln, und so lag daher der Gedanke nahe, das 
EiweiBprSzipitinogen durch Alkoholextraktion von derartigen Bei- 
mengungen zu befreien, die vielleicht die Ursache fiir die Entstehung 
„iibergreifender“ Antisera sein konnten. Das konnten Lipoide Oder 
ahnliche Stoffe sein, wie sie von Friedberger und Lasnitzki (12) 
sowie neuerdings von E. K. Wolff (13) als Ursache storender Mit- 
reaktionen beim spezifischen Antigen-Antikorpernachweis angesehen 
werden. Die beiden ebengenannten Autoren haben diese Reagine durch 
Aetherextraktion aus dem Antigen entfernt. Nach den Versuchen von 
Dold und Ogata (15) kann man zudem mit der Moglichkeit rechnen. 
daB mit Lipoidlosungsmitteln behandelte Organextrakte an Giftigkeit 
verlieren. Wir haben aus anderen Griinden versucht, durch Verwendung 
von Alkoholprazipitaten aus Fleischausziigen spezifische und gleichzeitig 
haltbare EiweiBantigene darzustellen. Aus verschiedenen Ueberlegungen 
sind wir beziiglich der Technik dann auf ein Verfahren abgekommen, 
das Tsukasaki (14) 1920 veroffentlicht hat. Der Autor suchte nach 
einer Methode, um aus Leichenblut ein haltbares Antigen fiir die Her- 
stellung prazipitierender Antisera zu gewinnen, und empfiehlt folgenden 
Weg: Das Leichenblut wird mit physiologischer Kochsalzlosung auf die 
3- bis 4fache Menge aufgefiillt und ausgelaugt. Die durch Absitzen 
oder Zentrifugieren geklarte Fliissigkeit wird mit Alkohol versetzt, bis 
die Proteine ausflocken, und dann durch Papier filtriert. Der Filter- 
riickstand wird dann noch 3—4mal mit Alkohol ausgezogen und schlieB- 
lich im Exsikkator getrocknet. Die getrocknete Masse wird zu einem 
„Serumpulver“ (eigentlich Blutpulver) verrieben und zwecks Einspritzung 
jedesmal in der Menge von etwa 0,05 g mit 4—5 ccm Kochsalzlosung 
zu einer feinen Aufschwemmung verrieben. 


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Manteufel u. Tomioka, Benutzung v. Fleisch an Stelle^v.'Serum usw. 321 

Wir benutzten diesel Verfahren in der Weise, daB wir mit destil- 
liertem Wasser, dem nach W. A. Schmidt je Liter 5 mg Magnesium- 
oxyd zur Neutralisierung der Fleischmilchsaure zugesetzt war, aus ge- 
hacktem Fleisch wasserige Ausziige herstellten, diese von der Fleisch- 
masse abfiltrierten und dann durch Zusatz von Alkohol ausfallten. Fiir 
je 100 ccm Fleischwasser braucht man dabei etwa 50 ccm 96-proz. 
Alkohol. Der durch Alkohol erzeugte Niederschlag wurde dann ge- 
trocknet und in der von Tsukasaki angegebenen Weise zu Pulver 
verarbeitet, das im Bedarfsfalle mit isotonischer Salzlosung zu einer 
feinen Aufschwemmung verrieben wurde. Diese Verreibung kann Kanin- 
chen bei einiger Vorsicht intravenos verabfolgt werden — in diesem 
Falle gaben wir 0,02 g von dem Pulver in etwa 5 ccm isotonischer 
Kochsalzlfisung — man kann aber auch intraperitoneal spritzen und dann 
groBere Dosen (0,05 g) nehmen. 

In Bestatigung der Angaben vonTsukasaki gelang es, 
durch etwa 5—lOmalige Einspritzungen inZeitabstanden 
von 2 — 3 Tagen hochwertige Antisera zu erhalten, und 
zwar haben in unseren Fallen diese Alkoholprazipitate haufiger ein 
hochwertiges Immunserum geliefert als die zum Vergleich mit koch- 
koaguliertem EiweiBpulver immunisierten Kaninchen. 

In bezug auf die Wirksamkeit des Antigens scheint 
also die Verwendung von Alkoholprazipitaten fiir die 
Praxis ergiebiger zu sein als die von Kochprazipita ten. 
Bezuglich der Spezifitat sind die der Alkoholfailung und Extraktion 
unterworfenen Antigene den kochkoagulierten mindestens nicht unter- 
legen. Was die Haltbarkeit des Antigens anlangt, so haben wir daruber 
noch keine eigenen Erfahrungen, indes hat Tsukasaki ein Antigen 
mindestens 1 Jahr lang unverandert wirksam gefunden. 

Als besonders eindrucksvoll bezuglich der spezifischen Eigenschaften 
des Alkoholprazipitatantigens sei hier ein Versuch erwahnt, bei dem 
3 Kaninchen lOmal hintereinander mit Hirschfleischantigen (Fleisch- 
pulver) gespritzt wurden. Alle 3 Tiere lieferten ein hochwertiges 
Antiserum fiir HirscheiweiB (Fleisch und Serum) ohne irgendwelche 
nennenswerte heterologe Nebenwirkung, abgesehen von den Verwandt- 
schaftsreaktionen, auf die wir noch zuriickkommen werden. Wir mussen 
nach unseren Erfahrungen annehmen, daB bei einer so haufigen Vor- 
behandlung mit Nativantigen Antisera von der gleichen Wertigkeit sicher 
mindestens zum Teil heterologe Trflbungen in storender Hohe gezeigt 
haben wiirden. 

Nach den Angaben von Tsukasaki bestand die Moglichkeit, daB 
die mit Alkohol-EiweiBprazipitat hergestellten Antisera sich auch hin- 
sichtlich der Verwandtschaftsreaktionen spezifischer verhalten wiirden 
als die mit nativem EiweiBantigen erzeugten. Von den in seiner Arbeit 
genannten 10 Menschenantiseren, die mit „Blutpulver“ hergestellt waren, 
reagierte namlich eines auch mit der lOfachen Verdunnung von Affen- 
serum gar nicht, 8 griffen bei einem homologen Titer von 1:10 000 bis 
1:50000 auf AlTenserum nur bis zur lOOOfachen Verdunnung iiber, und 
Q or eines, das sich im ganzen wesentlich unspezifischer verhielt, indem 
e s auch mit der lOOOfachen Verdiinnung von Rinder-, Pferde- und 
Hundeserum prazipitierte, griff bei einem homologen Titer von 1 :100 000 
auf AlTenserum bis zur 20000fachen Verdiinnung iiber. 

Unsere eigenen Erfahrungen in dieser Beziehung erstrecken sich 
vorlaufig nur auf 3 Rindfleisch- und 3 Hirschfleischantisera. Die 3 Rind- 

E «te Abt. Orig. Bd. 91. Kelt 5. 21 


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322 Centralbl. t. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

fleischantisera hatten einen homologen Titer von 1:10000 und reagierten 
mit der lOOfachen Verdfinnung von Hammelserum und Ziegenserum 
gar nicht. Mit der etwa 300fachen Fleischauszugsverdflnnung dieser 
3 Tierarten, wie im praktischen Versuch nach Uhlenhuth angesetzt, 
reagierten sie nur mit dem Rindfleischantigen, nicht aber mit dem ver- 
wandten Schaf- und Ziegenfleischantigen, d. h. sie erraoglichten auch 
trotz der nahen Verwandtschaft dieser 3 Tierarten eine absolut spezifische 
Diagnose auf Rindfleischantigen. Die 3 Hirschfleischantisera reagierten 
dagegen mit Rinder-, Ziegen-, Hammel- und Rehserum ziemiich stark und 
lieBen, auch mit der etwa 300fachen Fleischauszugsverdiinnung dieser 
5 Tierarten angesetzt, keine eindeutige Diagnose auf Hirschfleisch zu. 

Die Ergebnisse mit den 3 Rindfleisch- und 3 Hirschfleischantiseren 
sind also in dieser Hinsicht nicht gleichsinnig ausgefallen, und es diirften 
zunfichst weitere Erfahrungen abzuwarten sein, die fiber die Leistungs- 
fahigkeit dieses Alkoholprfizipitatantigens bezfiglich der Verwandtschafts- 
differenz AufschluB geben. 

Zusammenfassung. 

1) Es empfiehlt sich, in Bestatigung der Angaben von W. A. Sch rnidt. 
als Antigen bei der Herstellung von prfizipitierenden Antiseren ffir die 
Fleischuntersuchung nicht Blutserum, sondern Fleischauszug zu benutzen. 

2) Fleischantisera reagiereu im Prazipitationsversuch gewdhnlich 
auch mit den entsprechenden Blutseren in ausreicheudem Grade, wfihrend 
Blutantisera oder Serumantisera mit den entsprechenden Fleischauszugen 
nicht selten schlecht reagieren. 

3) WfiBrige, nach den Angaben von W. A. Schmidt durch Steril- 
filtration gewonnene Fleischauszuge haben den Nachteil, daB sie oft spontan 
ausflocken und deshalb nicht lange in der ursprfinglichen Beschaffenheit 
haltbar sind. Ferner werden sie bei ofteren Einspritzungen von den 
Kaninchen schlecht vertragen, indem sie meist chronische Gesundlieits- 
storungen verursachen, die zu Gewichtsverlust und Beeintrachtigung 
der Antikorperproduktion ffihren. SchlieBlich neigen die mit nativem 
Fleischsaft hergestellten Antisera anscheinend auch mehr zur Bildung 
heterologer Trtibungen als die mit nativem Serum hergestellten. Diese 
Nachteile mogen auch der Grund sein, weshalb sich die Forderung von 
W. A. Schmidt, Antisera zur biologischen Nahrungsmitteluntersuchung 
nicht mit Serum, sondern mit Fleisch herzustellen, in der Praxis der 
Nahrungsmitteluntersuchung bisher nicht durchgesetzt hat 

4) An Stelle des waBrigen Fleischauszuges wird ein mit Alkohol 
gefallter und mit Alkohol gewaschener Niederschlag aus Fleischwasser 
empfohlen, der in getrocknetem Zustande aufbewahrt werden kann und 
zwecks Einspritzung mit isotonischer Kochsalzlosung zu einer feinen 
Aufschwemmung verrieben wird. 

5) Dieses Antigen hat erstens den Vorzug der Haltbarkeit bei der 
Aufbewahrung und erzeugt zweitens nach den vorliegenden Erfahrungen 
Antisera, die weniger Neigung zu unspezifischen Nebenprazipitationen 



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Lange u. Kersteu, Weitere Untereuchungen iiber „Bayer 205\ 


323 


zeigen als die mit Nativserum oder Nativfleischauszug hergestellten 
Antisera. 

6) In bezug auf Wirksamkeit scheinen die mit AlkoholprSzipitaten 
hergestellten EiweiBantisera auch den nach der Methode von Fuji war a 
mit kochkoaguliertem EiweiB als Antigen gewonnenen fiberlegen zu sein. 

7) Die Spezifitat dieser Antisera beziiglich der Verwandtschafts- 
reaktionen bedarf weiterer Untersuchung. 

Quellenangaben. 

1) Schmidt, W. A., Untersuchungen iiber die Erzeugung hochwertiger Muskel- 
eiweiB-Antisera fiir die Fleischdifferenzierung. (Biochem. Ztschr. Bd. 5. 1907. S. 492.) 

— la) Ders., Studien iiber Prazipitinreaktion und erhitzte EiweiSstoffe. (Ebenda. Bd. 14. 
1908. S. 294). — lb) Ders., Ueber ein Prazipitin, welches es ermoglicht, auch gekochtes 
(unidsliches) Eiweifi zu difterenzieren. (Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 13. 1912. S. 166.) — 
2) No tel, Ueber ein Verfahren zum Nachweis von Pferdefleisch. (Ztschr. f. Hyg. 
Bd. 39. 1902. S. 373.) — 3) Ruppin, E., Zum Nachweis von Pferdefleisch. (Ztschr. 
f. Untersuch. d. Nahrungs- u. Genufimitt. Bd. 5. 1902. p. 356.) — 4) Dold, H., Ueber 
die Giftigkeit von wafirigen Organextrakten usw. (Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 10. 
1911. S. 53.) — 5) Forssman, J., Die Herstellung hochwertiger spezifischer Schaf- 
hamolysine ohne Verwendung von Schafblut. (Biochem. Ztschr. Bd. 37. 1911. S. 78.) 

— 6a) F riedberger, E., u. Collier, A., Ueber heterogenetische Antisera und Anti- 
korper. VII. Heterogenetische Fische Prazipitine. (Ztschr. f. Immf. Bd. 28. 1919. S. 237.) 

— 6b) Friedberger u. Jarre. (Ebenda. Bd. 30. 1920.8.11.) — 7)Manteufel, P., 
u. Beger, H., Uutersuchungen iiber unspezifische Reaktionen bei prazipitierenden 
Antiseren. (Ebenda. Bd. 33. 1921. 8. 348.) — 8) Weil. E., u. Felix, A., Ueber den 
Doppeltypus der Rezeptoren in der Typhus-Paratyphus-Gruppe. (Ebenda. Bd. 29. 1920. 
8. 24.) — 9) Fornet, W., u. Muller, M., Praktische und theoretische Prazipitin- 
untersuchungen. (Ztschr. f. Hyg. Bd. 66. 1910. 8.215.) — 10) Fujiwara, K., Koch- 
koapuliertes Serum als Prazipitinogen. (Ztschr. f. d. ges. gerichtl. Med. Eld. 1. 1922. 
S. 562.) — 11) Sordelli, A. H. Fischer, Wernicke et Pico, Stir les anticorps 
hdt£rogen6tiques. (Compt. rend. 8oc. Biol. T. 84. 1921. p. 178.) — 12) Fried- 
berger, E., u. Lasnitzki, A., Untersuchungen iiber die Natur des heterogenetischen 
Prazipitins. (Klin. Woch. 1922. Nr. 32. 8. 1607.) — 13) Wolff, E. K., Die biologische 
Differenzierung des OrganeiweiSes. (Ebenda. 1923. Nr. 28. S. 1304.) — 14) Tsuka- 
saki, R., On the alcoholprecipitate of serum as antigen. (Tohoku Journ. exp. Med. 
Vol. 3. 1922. p. 653. — 15) Dold, H., u. Ogata, 8., VVeitere Beitrage zur Kenntnis 
der wafirigen Organextraktgifte. (Ztschr. f. Immunitatsf. Bd. 16. 1913. 8. 475.) 


Nachdruck %-erboten. 

Weitere Untersuchungen iiber „Bayer 205“. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes. 
(Direktor: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. L. Haendel.)] 

Von L. Lange (Berlin) und H. E. Kersten (Munster). 

Haendel und Jotten (1) haben sckon in der 1. Arbeit fiber 
„Bayer 205“ von der auBerordentlich gfinstigen Wirkung des Prfiparates 
auch auf die Erreger der Schlafkrankheit Mitteilung gemacht und 
dabei auf Untersuchungen von uns fiber die Beeinflussung der experi- 
mentellen Infektion mit Gam biense-Trypanosomen hingewiesen. 

Da unsere Versuche zu einer vollen Bestfitigung der Angaben von 
Haendel und Jotten wie auch der Untersuchungen von Mayer und 
Zeiss (2) und Mayer (3) u..a. gefflhrt haben und inzwischen neben 
einigen Einzelbeobachtungen auch die Berichte von Kleine und 

21 * 


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324 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Fischer (4) fiber die Anwendung des Mittels beim Menschen vorliegen. 
soli hier von einer ausffihrlichen Wiedergabe unserer Versuchsreihen 
abgesehen und nur fiber einzelne Beobachtungen berichtet werden. 

Giftigkeit. Zunachst sei hier die Frage der Giftigkeit des Mittels 
nochmals kurz erortert, veil hierfiber die Angaben der Autoren etwas 
abweichen und weil wir bei unseren Versuchen Gelegenheit hatten, auch 
altere, zum Teil fiber 40 Monate lang aufbewahrte, fertige Losungeu 
des Mittels zu verwenden. 

Wahrend Haendel und Jotten 18—20 mg als toxische Dosis 
ffir Mause angeben, in Ausnahmefallen einzelne ihrer Versuchsmause 
sogar 30 mg vertrugen, liegt nach Mayer und Zeiss die toxische 
Dosis ffir diese Tiere bei 10 mg, nach Miessner und Berger (5) bei 
10—15 mg. 

Das Prfiparat wurde von uns in der Regel in steriler 0,85-proz. 
Kochsalzlosung in Konzentrationen von 10 oder 20 Proz. aufgelost und 
mit oder ohne Aufkochen verschieden lange Zeit aufbewahrt. Die end- 
gfiltig einzuspritzenden Verdfinnungen wurden meist kurz vor der An¬ 
wendung hergestellt, wahrend in einigen Versuchen auch filtere Stamm- 
losungen verwendet wurden. Vorweg sei bemerkt, daB wir hinsichtlich 
der Wirksamkeit des Mittels niemals einen Unterschied feststellen konnten. 
sei es daB die Losungen ganz frisch aus dem Pulver bereitet wurden. 
sei es daB sie durch Verdflnnnng alterer oder selbst Jahre alter Stamm- 
losungen gewonnen waren. 

Die eingespritzten Mengen waren stets auf 20 g Lebendgewicht- 
Maus berechnet. Da wir in der fiberwiegenden Mehrzahl der Falle 1 mg 
auf 20 g Maus gaben und unter unseren Tieren viele waren, die urn 
15 g herum schwer waren, ja ausnahmsweise auch ganz junge Tiere 
mit 9—10 g herangezogen werden muBten, schwankten die von uns ein¬ 
gespritzten Mengen, absolut genommen. zwischen 0,45 und 1 mg = 0,45 
und 1,0 ccm einer Losung 1:1000. 

Meist wurde das Mittel intraperitoneal gegeben, haufig aber auch sub- 
kutan; ein Unterschied in der Wirkung trat auch hierbei nicht zutage. 

Aus einer Zusammenstellung gesunder, nur hinsichtlich der Gift- 
wirkung geprfifter Tiere, auf deren Wiedergabe in Tabellenform ver- 
zichtet werden muB, ergibt sich, daB von ganz frischen und bis zu 
4 Tage alten Lfisungen des Praparates, auf 20 g Maus berechnet. 
20 mg in der Mehrzahl der Falle vertragen wurden; nur 2 Tiere sind 
eingegangen. Eine Maus vertrug sogar noch 25 mg auf 20 g Korper- 
gewicht berechnet. Berficksichtigt man die absoluten Werte der 
gegebenen Dosen, so ist 1 Maus von 15 g auf 15 mg nach 2V 2 Std. 
gestorben — 1 andere mit gleicher Dosis gespritzte fiberlebte —; von 
4 je 18 g schweren, mit 18 mg gespritzten Tieren starb nur 1, nach 
13 Std., von 2 je 17 g schweren, mit 21,5 mg gespritzten Mausen uber- 
lebte die eine, die andere ging ein. Alle Tiere, die mehr als 22,5 mg er- 
hielten, starben infolge der Einspritzung. 

Die Tiere, bei denen eine l l / 2 Monate alte Losung verwendet 
wurde, vertrugen bis zu 20 mg relativ; da das schwerste Tier 17,5 mg 
wog, also 17,5 mg absolut. 

Bei jahrelangem Stehen der Losung scheint nun eine Er- 
hohung der Giftigkeit einzutreten. Wir hatten Gelegenheit, eine 
Losung zu prfifen, die vor 41 Monaten angesetzt worden war. Sie war 
von Jotten so hergestellt, daB in 100 ccm NaCl 100 g „Bayer 205* 


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Lange u. Kersten, Weitere Untersuchungen fiber „Bayer 205“. 


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gelost wurden. Die Losung war vor Licht geschiltzt in einer mit Glas- 
stOpsel verschlossenen Flasche aufbewahrt worden. 

Zur Zeit ihrer Verwendung hatte sie nach der Bestimmung durch 
Herrn Reg.-Rat Wedemann einen Gehalt von 62,17 Proz. Von dieser 
Losung vertrug 1 Tier (Ms 16) 26,8 mg relativ, also, da das Tier 22 g 
wog, absolut 29,5 mg, demnach eine Dosis, die fast identisch war mit 
der bei den Versuchen von Haendel und Jotten beobachteten Aus- 
nahmsdosis von 30 mg. Allerdings hatte dieses Tier das Mittel in kon- 
zentrierter, 24,8-proz. Losung eingespritzt erhalten. Es handelt sich 
aber auch hier nur urn eine einzelne Ausnahme, da sonst diese alte 
Losung schon bei 17,5 mg relativ totete, w&hrend, wie erwahnt, von der 
frischen Losung im allgemeinen 20 mg relativ vertragen wurden. 

Da die Ms 16 mit 22 g Korpergewicht verhaltnismaBig schwer war, 
haben wir dnsere Zusammenstellung auch auf den EinfluB des Ge- 
wichtes der Tiere auf die Toleranz hin gepruft. 

Feste Beziehungen zwischen Tiergewicht und Toleranz lieBen sich 
dabei jedoch nicht erkennen. 

Auf Grund der erwahnten Beobachtung an Ms 16, deren Parallel- 
tier die gleiche Menge, aber in lOfacher Verdttnnung erhalten hatte, ver- 
muteten wir, der so groBe Unterschied in der Toleranz der beiden Tiere 
hange damit zusammen, daB die uberlebende Maus das Mittel in kon- 
zentrierter Losung erhalten hatte, da hierdurch die Schnelligkeit der 
Resorption herabgesetzt und eine Art Depotwirkung eingetreten sein 
konnte. 

Vergleichsversuche nach dieser Richtung ergaben, daB wohl manch- 
mal die mit konzentrierter Losung gespritzten Tiere eine starkere Tole¬ 
ranz zeigten als die mit verdiinnter Losung injizierten. Diese Erschei- 
nung trat aber nicht regelm&Big auf. Es handelt sich also bei der ver- 
schiedenen Toleranz der Tiere offenbar um individuelle Versehiedenheiten. 

ZusammengefaBt ergeben unsere Versuche hinsichtlich der 
Toxizitat des Mittels, dafi die Dosis toxica um 18—20 mg herum 
liegt. Einzelne Tiere, und zwar nicht nur die schwersten (z. B. Ms 27 
mit 17 g) vertrugen ausnahmsweise auch 25 und 26,8 mg rel. = 21,5 
und 29,5 mg absolut. Sehr alte Losungen weisen eine nur geringe Er- 
hohung ihrer Giftigkeit auf. 

Heilwirkung. Bezuglich unserer Beobachtungen uber die Heil- 
wirkung des Mittels sei erwahnt, daB wir mit einer einzigen Ausnahme 
(Ms 96), auf die wir noch zu sprechen kommen werden, regelm&Big bei 
alien Tieren das dauernde Verschwinden der Trypanosomen, wenn auch 
ofters erst nach mehr als 24 Std. beobachtet haben. Nach 36 Std. war 
das Blut stets trypanosomenfrei. Nur ein Tier zeigte hiervon eine Ab- 
weichung, indem sich noch am 12. Tage sein Blut schwach trypano- 
somenhaltig erwies. Auf nochmalige Gabe von 0,25 mg ip. verschwanden 
die Trypanosomen, um 4 Tage spfiter wieder aufzutreten. Nach erneuter 
Gabe von 0,5 mg war auch dieses Tier dauernd geheilt. 

Da wir die Behandlung in der Regel erst vornahmeu, wenn die In¬ 
fection auf dem Hohepunkt war und das Schwanzblut von Trypanosomen 
wimmelte, sahen wir inehrfach Mause trotz des Verschwindens der Para- 
siten nach wenigen Tagen eingehen. Gleich den anderen Autoren fassen 
wir dies als die Folge der Ueberschwemmung mit giftigen Zerfalls- 
produkten und Leibesbestandteilen der Erreger auf. Zum Teil werden 
aber auch die zurzeit auBerordentlich erschwerten Futterungsverhaltnisse 
auf die Widerstandskraft der Tiere schadigend eingewirkt haben. 


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Von den iiberlebenden Tieren konnten wir aber viele bis zu 
10 Monate und langer unter standiger Kontrolle halten, die sich stets 
frei von Trypanosomen erwiesen. 

Aehnlich wie Haendel undJotten istes auch uns aufgefallen, 
daB die Dourine-Trypanosomen, die wir ebenso wie auch Nagana zum 
Vergleiche mit heranzogen, bei ihrem Zerfall mit noch groBerer Hfiufig- 
keit tbdlich wirkten, also noch giftiger waren, als unsere beiden Gam- 
biense-St&mme. 

Bei den Heilversuchen wurde das Mittel in der Mehrzahl der Falle 
in Losung 1 :1000 in NaCl intraperitoneal, in weniger Fallen subkutan 
verabfolgt. Ein besonderer EinfluB des Ortes der Einspritzung trat 
dabei nicht zutage. 

Die eingespritzten Mengen betrugen relativ 0,2, 0,25, 0,5, 1,0 mg. 

Bei der verschiedenen GroBe der Mause waren die absoluten 
Mengen sehr wechselnd; sie gingen ohne EinbuBe an Heilwirkung bis 
aut 0,09 mg herab. 

Nur in der ersten Zeit unserer Versuche hatten wir, wenn am 
nachsten Tage noch Trypanosomen im Schwanzblut gefunden wurden, 
die Einspritzung meist mit der gleichen Dosis wiederholt. Bald jedoch 
iiberzeugten wir uns, daB eine einmalige Einspritzung geniigte. Die am 
nachsten Morgen noch aufgefundenen Trypanosomen erwiesen sich, auch 
wenn sie an Form und Beweglichkeit keine Veranderung zeigten, bei 
Blutverimpfung auf frische Mause ausnahmslos als nicht mehr virulent. 
Diese Beobachtung diirfte nicht allein darauf beruhen, daB das verimpfte 
infizierte Blut gleichzeitig 205 enthielt, sondern auf der bereits einge- 
tretenen unmittelbaren Schadigung der Trypanosomen, da Reagenzglas- 
versuche gezeigt haben, daB auch gewaschene Trypanosomen, welche der 
Wirkung von „2u5“ ausgesetzt waren, avirulent waren (Haendel u. 
J6tten). Meist war eine direkte Schadigung der Erreger auch schon 
daran zu erkennen, daB die Bewegung der in behandelten MSusen nach 
24 Std. noch angetroffenen Trypanosomen sehr trage waren, die Parasiten 
klebrig erschienen und beim Vorbeischwimmen aneinander hafteten, urn 
sich nach kfirzerer oder langerer Zeit wieder voneinander zu 16sen. Ihre 
Zahl war gegeniiber dem Vortage meist vermindert. Doch beobachteten 
wir — allerdings bei einer Naganamaus — daB am iibernachsten Tage 
nach der Einspritzung von 1 mg (bzw. 0,8 mg bei 16 g Mans) das 
Schwanzblut noch ebenso von Parasiten wimmelte, wie vor der Behand- 
lung. Auf eine 2. Gabe von 0,8 mg ip. war am n&cbsten Tage das 
Blut parasitenfrei, die Maus ging aber nach weiteren 4 Tagen ein (Tryp.- 
Bef. bis zum Tode negativ). 

Infolge dieser Schadigung der Trypanosomen war es uns auch nicht 
gelungen, „205“-feste St&mme zu erhalten. 

Der schon erwShnte einzige Fehlschlag hinsichtlich der Heilwirkung 
(Ms 96) betrifft folgenden Fall: 

Eine Maus 80 war am 28. 6. zusammen mit 5 anderen Mausen von Ms 44 
(Tr. + + + +) ip. infiziert worden. Nachdem der Parasitenbefund am 5. Tage n. d. I. 
= +(+). am 7. 0, am 8. +, am 9. und 10. je + + + gewesen war, wurden am 11. Tage 
nur mehr ++ erhoben (am 12. sogar nur mehr (+); von da un erneuter Anstieg bis 
zum 17. Tage (dann Behandlung und Heilung). Am 12. Tage nach der Infektion 
Weiterimpfung auf Ms 90. Da bei dieser Maus nach 6 Tagen, am 15. 7., das Schwanz¬ 
blut noch frei war, wurde sie mit dem stark tryp-haltigen Blut einer der Parallel- 
mause zu Ms 80, Me 78 nachgeimpft. Am nachsten Tage war der Befund bereits +(+)■ 
An diesem Tage, 1(5. 7., wurde nun Ms 96 geimpft. 5 Tage spater, am 21. 7, bei eineni 
Befunde von + + +, erhielt die Maus (12 g schwer) 0,6 mg ,,205“) in frisch bereiteter 
Losung 1:1000 ip. eingespritzt. Bereits am nachsten Morgen Bef. 0; das Schwanzblut 


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Lange u. Kersten, Weitere Untersuchungen fiber .Bayer 205“. 327 

blieb im Lanfe der nachsten 14 Tage bei Gmaliger Uutersuchung frei von Tr. bis zum 
2. 8. Die nachste am 6. 8. vorgenommene Untersuchung ergab Tr. +! 

Eine weitere Beobachtung war unglficklicherweise mcht moglich, da das Tier am 

8. 8. von 2 der mit ihm im gleichen Glase untergebrachten Mause getotet worden war. 

Bei einem groBen Teil unserer Heilversuche konnten wir, wie er- 
wahnt, zum Vergleiche ganz alte Losungen mitheranziehen und so auch 
Erfahrungen fiber die Wirksamkeit des PrSparates in solch alten, schon 
jahrelang aufbewahrten Verdflnnungen gewinnen. Hierbei ergab sich, 
daB das Prfiparat auch unter diesen Bedinguugeu mindestens die gleiche 
Wirksamkeit ausfibte wie bei Verwendung in frisch hergesteliter Lfisung. 
Eine wesentlich geringere wirksame Minimaldosis der alten Losungen 
lieB sich dabei allerdings nicht feststellen, doch hatten wir den Ein- 
druck, daB in der Schnelligkeit der Wirkung auf die Trypanosomen und 
in der Raschheit des Verschwindens der Parasiten die alten Losungen 
den frischen sogar etwas fiberlegen erschienen. 

Jedenfalls hat sich in unseren Versuchen eine auBer- 
ordentlich lange Haltbarkeit des Mittels in seinen L6- 
sungen erwiesen, so daB auch ffir die Praxis die Verwendung sehr 
alter Lfisungen durchaus moglich ist. 

Schutzwirkung. Aus unseren Beobachtungen bei den Unter¬ 
suchungen fiber die Schutzwirkung bei rein prophylaktischen Schutz- 
versuchen mochten wir besonders hervorheben, daB wir selbst an Tieren, 
welche nur 1 mg rel. ip. erhalten hatten, eine sicher bis zum 47. Tage 
reichende Schutzwirkung beobachten konnten, und zwar auch in solchen 
Fallen, in denen eine 2malige Nachimpfung mit Trypanosomen, nach 28 
und nach weiteren 19 Tagen stattgefunden hatte. 

Versuche, ob derartig vorbehandelte und ergebnislos nachgeimpfte 
Tiere durch diese Vorbehandlung eine langer dauernde Immunitfit er- 
worben hatten, ffihrten zu einem negativen Ergebnis, da solche Tiere 
bei einer weiteren nach 185 Tagen vorgenommenen Nachimpfung keinen 
Schutz mehr aufwiesen. 

Auch bei den von uns mit dem Mittel geheilten MSusen war 
eine langer dauernde Immunitat nicht festzustellen. Allerdings zeigten 
Tiere, die an 2 aufeinanderfolgenden Tagen durch je 1 mg rel. ip. ge- 
heilt worden waren, 114 und 117 Tage nach der Heilung im Vergleich 
mit Kontrolltieren immer noch eine gewisse Resistenz, wenn auch keinen 
vollen Schutz. Wfihrend die Kontrollen in diesen Versuchen bereits am 

9. Tage der Infektion erlagen, waren die geheilten Tiere am 17. Tage 
noch frei von Trypanosomen und gingen erst am 23. Tage an der In¬ 
fektion zugrunde. 

Nach 143 und 171 Tagen war auch eine solche Resistenzerhfihung 
nicht mehr festzustellen und jeglicher Schutz vollstfindig abgeklungen, 
indem die Infektion nach der Nachimpfung genau wie bei den Kon¬ 
trollen verlief. 

Eines nfiheren Eingehens bedarf ferner eine Beobachtung, die wir bei 
Ms 103 erhoben haben. Das Tier, das zunfichst nicht behandelt worden 
war, zeigte am 7. und 10. Tage nach der Erstinfektion im Blute nur 
spirliche Trypanosomen. Vom 11. bis 124. Tage war dann, obwohl keine 
Behandlung stattgefunden hatte, das Blut stfindig frei. Dann traten 
plfitzlich wieder reichliche Trypanosomen auf, die auf 1 mg ip. am 
125. Tage rasch abnahmen, so daB das Blut vom 126. bis zum 204. Tage 
wieder vollkommen frei war. An diesem Tage, = 79 Tage nach der 
Heilung, wurde die Maus nachinfiziert. In ihrem Blute waren bei fort- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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laufender Kontrolle nach der Nachimpfung niemals Trypanosomen fest- 
zustellen. Auch eine unmittelbar vor und eine am 6. Tage nach der 
Nachimpfung abgeimpfte Maus blieb stets frei von Trypanosomen. 

DaB aber Ms 103 infolge der Nachimpfung dennocb, wenn auch nur 
voriibergehend, latent infiziert war, ging daraus hervor, daB eine 
am 13. Tage mit ihrem Blute gespritzte Maus bereits 2 Tage sp&ter 
im Blute Trypanosomen aufwies und nach 26 Tagen der Infektion erlag. 
Spatere Nachimpfungen waren erfolglos. 

Wir haben also hier den wichtigen Fall einer voriibergehenden 
latenten, nur durch MSuseabimpfung feststellbaren In¬ 
fektion im AnschluB an eine 79 Tage nach der Heilung erfolgte Nach¬ 
impfung vor uns. 

Bei gleichzeitiger Infektion (ip.) und Behandlung (sk.) gaben 
Dosen bis herab zu 0,02 mg rel. vdlligen Schutz. Da die mit 0.02 mg 
rel. geschiitzte Maus nur 12 g wog, hatte sie eine absolute Menge von 
nur 0,012 mg erhalten, was noch unter der von Mayer und Zeifi an- 
gegebenen Mindestheildosis von 0,03 mg abs. steht. 

Eine Ms 132, die bei 18 g Gewicht eine Mischung von gleichen 
Teilen trypanosomenhaltigen Blutes und der Verdunnung des Mittels 
1:10000, nach 1 minutenlangem Kontakt, ip. erhalten hatte (absolute 
Dosis des miteingespritzten Mittels war 0,45 mg), und stets frei von 
Trypanosomen geblieben war, wies bei einer Nachinfektion nach 178 Tagen 
keinen Schutz mehr auf. 


Anhangsweise sei erwahnt, daB wir das Mittel auch an einer groBeren 
Zahl von M&usen im Heilversuch gepriift haben, die mit Tr. rho- 
de.siense infiziert waren. Auch hierbei bewahrte es sich in Dosen 
von 1 mg ip. oder sk. ausnahmslos. Dagegen hatten wir in Uberein- 
stimmung mit Haendel und Joetten und anderen Autoren, sowohl 
bei mit Tr. Lewisi behafteten Ratten als bei mit Schyzotrypanum 
Cruzi infizierten Meerschweinchen und Mausen auch in den st&rksten 
Konzentrationen und trotz wiederholter Anwendung keinerlei Erfolg zu 
verzeichnen. 1st dieses Versagen bei Sch. Cruzi durch die intrazellulare 
Lagerung der Parasiten einigermaBen erklarlich, so kann eine derartige 
Erklarung ffir die nur in der freien Blutbahn anzutreffenden Ratten- 
trypanosomen nicht herangezogen werden. Eine interessante Parallele 
hierzu sind die Feststellungen von Kleine und Fischer, wonach 
„205 Bayer“ auch gegen Tr. vivax bei Rindern und gegeniiber Tr. 
caprae vollig versagte. Es scheint, als ob die Pathogenitfit erst den 
Stoffwechsel oder die Ad- und Absorptionsverhaltnisse der Tr. derart 
gestaltete, daB sie fur das Mittel besonders empfanglich werden. 

Auch Kleine und Fischer beschaftigen sich in ihrem neuesten 
Bericht mit der Frage, warum verschiedene Tr.-Arten an sich und die 
gleichen Tr. in verschiedenen Tieren durch Bayer 205 verschieden be- 
einfluBt werden. Sie stellen den Satz' auf, daB am leichtesten gerade 
die Tiere zu heilen sind, die der natiirlichen Infektion nicht aus- 
gesetzt sind. Nach der Vorstellung dieser Forscher bildet die regel- 
in§Big in der Natur infizierte Tiergattung infolge der ererbten Ge- 
wfihnung der Trypanosomen den geeignetsten Nahrboden fur die Para¬ 
siten, und in diesem gunstigsten Medium sei deren Wachstum am 
schwersten durch Medikamente zu verhiiten. 

Beobachtungen mit ,,optimalen N&hrboden“ bei Desinfektionsver- 
suchen lassen diesen Gedankengang an sich als richtig erscheinen. Nach 


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Lange u. Kersten, Weitere Untersuchungen iiber „Bayer 205“. 


329 


unserer Ansicht liegen aber hier die Dinge doch wohl etwas anders. 
Ein fflr eine bestimmte Tierart hochvirulenter Erreger findet gerade in 
dieser seinen optimalen Nahrboden. Nur in ihr kann er sich un- 
gehindert vermehren und das befallene Tier toten. Anders liegen die 
Verhaitnisse aber in den Fallen, wo es sich um Infektion mit Erregern 
geringer Virulenz handelt, die mehr chronische Erkrankungen Oder 
aber flberhaupt keine Krankheitserscheinungen hervorzurufen mogen. 
Aus (nicht veroffentlichten) Untersuchungen, die der eine von uns (L.) 
an zahlreichen Paratyphus A-Fallen angestellt hat, geht eindriicklichst 
hervor, daB nicht nur der Erreger den befallenen Korper beeinfluBt, 
sondern daB ebenso der Korper auf den Erreger einwirkt, ihn in seinem 
biologischen Verhalten (Vergarungskraft, EiweiBzersetzung, Agglutinabili- 
tat) beeinfluBt, moditiziert. Wie bei einem reversiblen chemischen Vor- 
gang stellt sich eine Art Gleichgewicht. man konnte sagen: biolo- 
gisches Gleichgewicht 41 her. Gerade bei solchen Infektionen nun, 
die wie bei Lewisi der Ratten, Tr. caprae in der Ziege und Tr. 
bovis im Rind zu chronischen, klinisch fast vollig unbemerkbar ver- 
laufenden Erkrankungen — wenn man derartige Zustande flberhaupt 
noch als Erkrankung bezeichnen will — muB ein solches Gleichgewicht 
zwischen Schadigungskraft der Erreger und Widerstandskraft des be¬ 
fallenen Organismus vorhanden sein. 

Schrankenlose Wucherung und Verraehrung des Erregers, wie sie 
auf einem „optimalen Nahrboden 44 eintreten mflBte, wfirde den ProzeB 
bald zu einem fflr das Tier oder den Menschen todlichen Ende fflhren. 
Wir konnen also Kleine und Fischer darin nicht beipflichten, daB 
in den von ihnen herangezogenen Fallen die Trypanosomen einen opti¬ 
malen Nahrboden finden, mflchten vielmehr eher das Gegenteil annehmen. 
Gerade wie, um nur eines der vielen sich darbietenden Beispiele zu 
nennen, bei der Tuberkulose der chronische Verlauf eben ein Anzeichen 
daffir ist, das der Nahrboden durch die ererbten oder durch klinisch 
latent gebliebene Fruh-(Erst)-Infektionen erworbenen Antikflrper oder 
die Reizbereitschaft kein optimaler mehr ist. 

Wir behalteu uns vor, auf diese Gedankengange, die wohl theoretisch 
wie praktisch nicht ohne Bedeutung sind, an anderer Stelle im Zu- 
sammenhang ausfflhrlicher einzugehen. 

Ein schrankenlos sich vermehrender vollvirulenter Erreger reiBt in 
seinem gesteigerten, auBerst aktiven Stoffwechsel alles aus seiner Um- 
welt an sich, was ihm sozusagen in den Weg kommt, wahrend ab- 
geschwflchte Keime sich darin mehr trage, „inert 44 verhalten. 

Eine Stfltze fflr diese Ansicht, soweit sie den vollvirulenten Erreger 
betrifft, sehen wir in der schon von Haendel und Jotten festgestellten 
Tatsache, daB sich in Mauseblut befindliche Trypanosomen bei nur 
kurzem Kontakt mit Bayer 205 mit dem Mittel beladen, es trotz sofort 
angeschlossener Waschung nicht mehr abgeben und so, obwohl sie dann 
wieder auf einen optimalen Nahrboden, namlich in eine frische Mans, 
verimpft werden, jegliche weitere Verinehrungskraft und Virulenz ver- 
loren haben. 

Diese experimentelle Beobachtung scheint uns durcbgreifend gegen 
die Annahmen von Kleine und Fischer zu sprechen, wahrend sie 
roit unserem eben gebrachten Erkiarungsversuch gut flbereinstimmen 
dflrfte. 

Zura Schlusse sei noch kurz auf eine Beobachtung hingewiesen, 
die uns bemerkenswert erscheint. Als wir im Frflhjahr 1922 einige 


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330 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 

Versuchsreihen unserer vor lingerer Zeit geheilten Tiere einer Nach- 
infektion mit dera Garabiensestamm „F“ unterwarfen, trat bei diesen 
Mfiusen, soweit sie nicht noch einen Schutz besafien, also vor raehr als 
3—4 Monaten behandelt worden waren, in wenigen Tagen eine geradezu 
massenhafte Vermehrung der Trypanosomen in der Blutbahn auf, so 
daB man annehmen muBte, der Tod wfirde in kfirzester Zeit eintreten. 
Die Tiere gingen jedoch nicht ein, sondern die Infektion bildete sich 
im allgemeinen im Verlauf von 1 bis langstens 3 Tagen spontan wieder 
vollig zuriick. Bei einzelnen Tieren war das Blut schon nach Ablauf 
von 24 Std. nach dem hochgradigen Befund ganz frei. Bei anderen 
Tieren wurden die Hfiufchen erst allmihlich kleiner, nach 2 Tagen 
wurden nur mehr 2—3 Tryp. im ganzen Priparat gefunden, die dann 
am nichsten Tage verschwanden. Man hfitte zunachst daran denken 
konnen, diese Erscheinung habe mit der frfiheren Vorbehandlung im 
Zusammenhange gestanden. Dies war jedoch nicht der Fall, denn die 
Kontrollen zeigten das ganz gleiche Verhalten. 

Von hier ab war die Virulenz unseres Stammes wesentlich beein- 
trachtigt, denn bis zu dieser Beobachtung waren bei unseren Versuchen 
alle nicht behandelten Tiere mit einer Sicherheit von 100 Proz. ein- 
gegangen, wenn bei ihnen einmal eine derartige Blutfiberschwemmung 
mit Trypanosomen aufgetreten war, und ein spontaner Rfickgang war 
in einem derartigen Stadium der Infektion niemals festzustellen. Eine 
Virulenzsteigerung des aus diesen Versuchen gewonnenen Stammes 
gelang trotz zahlreichen sich fiber viele Monate erstreckenden Passagen 
durch Mause, auch durch Ratten und Meerschweinchen, nicht mehr. 

Wir konnen fur diese plfitzlich aufgetretene Verfinderung der Virulenz 
keine Erklarung geben. Ein etwaiger Zusammenhang nach der Richtung, 
daB diese Erscheinung darauf zurfickzuffihren ware, daB die reinfizierten 
Mause frfiher mit ,,205“ geheilt worden waren. ist nicht anzunehmen, 
da, wie erwfihnt, der Stamm auch in ganz unbehandelten Kontrollen ein 
vfillig fibereinstimmendes Verhalten zeigte. 

Literatur. 

1) Berlin, klin. Wochenschr. 1920. S. 821. — 2) Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 
Bd. 24. 1920. S. 257. — 3) Dtach. med. Wochenschr. 1922. S. 1335. — 4) Dtsch. med. 
Wochenschrift 1922. S. 1693 u. ebenda 1923. Nr. 32. — 5) Dtsch. tierarztl. Wochenschr. 
1922. S. 1114. 


Nachdruck verbolen. 

Beitrage zur Anaerobentechnik. 

[Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut ffir experimentelle Therapie 
(Direktor Geheimrat v. Wassermann).] 

Von Ernst Kadisch. 

Mit 4 Abbildungen im Text. 

Wfihrend noch im Gange befindlicher Untersuchungen fiber anaerobe 
Keime wich ich von den bisher fiblichen Methoden teilweise ab — in- 
folge haufiger MiBerfolge mit den fiblichen Methoden. 

Um zu beurteilen, welche von den bisherigen Techniken der An- 
aerobenzfichtung die besten sind, muB man sich vergegenwfirtigen, welche 
am meisten angewandt werden. Die anaeroben Kulturverfahren gliedern 


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Kadisch, Beitrage zur An&erobentechnik. 


331 


sich je nach dem Zwecke in folgende Gruppen: 1) zur Vermehrung der 
Keirae angelegte Kulturen; 2) zur Isolierung der Keime; 3) zur Identi- 
fizierung angelegte Kulturen; 4) solche zu biologischen Studien und 
sonstigen Spezialzwecken (Gasraessung u. dgl.) angelegte Kulturen. 

Die am meisten verwandten Verfahren sind: 1) Die Organnahrbbden 
nach v. Hi b bier und Tar ozzi (1 -i- 2); 2) das Hochschichtverdunnungs- 
verfahren (Schiittelkultur); 3) Verfahren 2 und Oberflachenkulturen spe- 
ziell auf Traubenzucker-Blutagarplatten nach ZeiBler (3 + 4); 4) Spe- 
zialmethoden. Verbesserungen sind nur dahingehend angebracht, daB 
man fflr Verfahren 1 eine Methode hat, welche wenigstens bezflglich 
des Sauerstoffs auf die Organn&hrboden verzichten kann, und diese nur 
unter dem Gesichtspunkte des Nkhrmittelangebotes benotigt (wichtig fflr 
alle biologischen Untersuchungen). Ftir Verfahren 2 w&re eine Ver- 
besserung dahingehend zu wiinschen, daB es ausgebaut wtirde, um mit 
ihm, dem beliebtesten, d. h. einfachsten Verfahren, mbglichst viele andere 
Aufgaben zu Ibsen, eventuell auch die, die bisher nur mit Verfahren 3 
mbglich sind. In andere Worte gefaBt, wfiren die technischen Aufgaben 
folgende: a) eine Reagenzrohrmethode fur fiilssige N&hrboden mit 
sicherem LuftabscbluB, die es gestattet, auch ohne Organzusktze an¬ 
aerobe Keime bequem zu zflchten; b) ein Hochschichtverfahren, das 
mbglichst die Notwendigkeit der Oberfl&chenzflchtung einschrknkt. 

Beide Verfahren mQGten tunlichst bequem und besonders w&hrend 
der Arbeit im Laboratorium mit einem Minimum von Handgriffen zu 
handhaben sein. 

Ad a. Die Methoden der Evakuierung, Sauerstoffabsorption, Ver- 
drangung durch indifferente Gase usw. scheiden aus, da sie technisch 
nicht einfach genug sind. Es bleibt also nur eine Ueberschichtungs- 
methode iibrig. Zur Ueberschichtung wurden bisher verwandt: Paraffin, 
Oel, Paraffinbl, Vaseline, Agar. Die nocli in grbBerem Umfange 
verwandten Ueberschichtungsmittel sind: Paraffinol, Vaseline und Agar. 
Unter diesen failt die Wahl auf den Agar, denn das Paraffinbl ist 
selbst fdr den GeUbten eine Unsauberkeiten mit sich bringende 
FlOssigkeit. Schon bei der Herstellung hangender Tropfen stQrt es; 
will man jedoch Ausstriche zur Farbung machen, so ist es schwierig, 
die benutzte Kapillarpipette von Paraffin zu befreien. Schon eine Spur 
auf dem Objekttrager ist mit einem guten PrSparate nicht zu verein- 
baren. Auch vorheriges Abpipettieren des Paraffins genflgt nicht zur 
volligen Beseitigung dieses Uebelstandes, abgesehen davon, daB dadurch 
das Verfahren kompliziert wird. Gegen das Paraffinbl spricht auBerdein 
der hohe Beschaffungspreis. Zum grofiten Teil l&Bt es sich zwar wieder- 
gewinnen, bedarf dann aber grundlicher Sterilisation und Prflfung auf 
Keimfreiheit. Die blige Beschaffenheit erschwert die Reinigung jedes 
mit ihm in Beriihrung gewesenen Gegenstandes. Vornehmlich jedoch 
spricht gegen das Paraffinbl der unvollkommene VerschluB, den es ab- 
gibt. Stfller (4) hat nachgewiesen, daB in der Grenzschicht zwischen 
Oel und Glas ein Durchdringen des Sauerstoffes der Luft stattfindet, 
auch hat er auf den Sauerstofftransport durch das Oel selbst hinge- 
wiesen, welcher durch suspendierte Tropfen und Luft stattfinden kann. 
Es ist auBerdem nicht zu verkennen, daB in jedem fiQssigen Medium 
Stromungen durch die verschiedensten EinflQsse mechanischen und 
thermischen Ursprungs stattfinden. Mbgen dieselben in dem viskosen 
Medium auch goring sein, so sind sie in einem erstarrten doch nicht 
v orhanden. Hier ist der einzige Weg durch den Agar durch Diffusion 


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332 


Ceutralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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moglich. Durch entsprechende Hohe der Agarschicht liiBt sich, wie die 
Erfahrung zeigt, der diffundierende O auf Null beschriinken. Einen MaB- 
stab bildet die oberste Wachstumsgrenze im Hochschichtverfahren. Mit 
Sauerstoffindikatoren, Methylenblau, Diaminophenol u. dgl. (5) kann man 
das Eindringen in Nahrboden verschiedener Zusammensetzung verfolgen. 
Auch wir fanden in einigen Kontrollversuchen die Ansicht von Ghon 
uud Sachs (11) bestatigt, daB Agar dem Paraffin iiberlegen ist. Agar 
und Gelatine mit Agar zu uberschichten, hat keine Schwierigkeiten; 
anders ist es jedoch, wenn es sich darum handelt, Flussigkeiten zu 
uberschichten. Der spezifisch schwerere Agar sinkt nach unten. Diese 
Schwierigkeit behoben obige Autoren und Rivas (6), indem sie den be- 
saten Nahrboden in einer Kfiltemischung erstarren lieBen und im ge- 
frorenen Zustande fiberschichteten. Streng macht auf die Nachteile der 
Methode aufmerksam. Er halt eine Beimpfung der gefrorenen Bouillon 
f(ir ratsamer, damit eine eventuelle schadliche Einwirkung der Kalte 
zeitlich auf ein Minimum beschrankt wird. Gegen das fitters zu be- 
obachtende nachtragliche Untersinken des Agarstopfens regt er die Be- 
nutzung der eingeschnfirten Rohre nach Rivas an, der sie zur Paraffin- 
fiberschichtung benutzt hatte und durch entsprechende Fullung die 
Berfihrungsschicht in die verengte Reagenzrohrstelle legte, wodurch bei 
Verkleinerung der Berfihrungsflache ein besserer AbschluB erzielt wird. 

Ich erreichte auf folgendem Wege bequemer das gleiche Ziel: 
Taillenrfihrchen (Fig. 1) werden bis dicht oberhalb der Verengerung mit 
der Nahrflfissigkeit geliillt und, mit Watte oder Zellstoffpfroplen ver- 
sehen, sterilisiert. Sie sind so vorratig haltbar. Nachdem sie mittels 
Kapillarpipette oder Oese beimpft sind, kann man sie mit etwas Hand- 
fertigkeit mit Agar iiberschichten. Jedoch empfiehlt es sich, den Agar 
nicht zu heiB aufzugieBen, damit die Abkflhlung, die er durch die 
Mischung mit der fiber der Einschnfirung stehenden Fliissigkeit erffihrt. 
genfigt, um seine Viskositfit betrachtlich zu erhfihen. Aus demselben 
Grunde gibt man zunachst nur wenig Agar und erst nach einigen Se- 
kunden den Rest dazu. Den ffir die Ueberschichtung zu benutzenden 
Agar entnimmt man dem Wasserbade von 42°. Nach erfolgter Fertig- 
stellung nimmt ein Kaltwasserbad die Rohre auf. Mit Vorteil IfiBt sich 
in vielen Fallen zur Ueberschichtung Diaminophenolagar verwenden, der 
sofort auf den ersten Blick erkennen lafit, wie weit der Sauerstoff vor- 
gedrungen ist. Bei der scheinbaren Launenhaftigkeit, die einigen An- 
aerobiern eigen, ist es angebracht, bei jedem Rohre zu wissen, ob etwa 
das Eindringen von 0 als Grund des MiBerfolges anzusprechen ist. 

Gute Dienste erweisen die Rohre zur Messung der in einem Kultur- 
rfihrchen gebildeten Gasmenge. Bei Gelatinekulturen in hoher Schicht 
ist diese Aufgabe schon durch die Ueberschichtung mit Agar gelfist. 
Das gebildete Gas sammelt sich unter letzterem an und je nach seiner 
MeDge treibt es den Agar einem Stempel gleich mehr oder weniger in 
die Hohe. Arbeitet man also mit gleich weiten Reagenzrohren usw., so 
gibt die Hohe der Gasschicht ffir vergleichende Untersuchungen den 
MaBstab an. Diese Methode ist einfach und verlfiBlich. 

Bei Agarkulturen in hoher Schicht gestattet die Zerrissenheit der 
Agarsfiule Rfickschlfisse auf die gebildete Gasmenge. Man muB jedoch 
die obere Grenze des Agars vor der Bebrutung markieren, um nachher 
die Differenz feststellen zu kfinnen. Eine Ueberschichtung der Agar- 
siiule mit unbesatem Agar ist nicht unbedingt erforderlich, da die An- 
aerobier in der obersten Schicht nicht zur Entwicklung gelangen, wo- 



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Kadi sell, Beitriige zur Anaerobentechnik. 


333 


durch ein ZerreiCen der letzteren durch Gasbildung nicht stattfindet, 
mithin auch keine Gefahr fur ein Entweichen der gebildeten Gase besteht. 

Bei fliissigen Kulturmedien lagen die Verh&ltnisse bedeutend 
schwieriger. Fur den speziellen Zweck der Gasmessung sind verschiedene 
Spezialapparate, z. B. von Epstein (7), konstruiert. Bei Verwendung 
der oben angegebenen Methode ist gleichzeitig eine Messung der ge¬ 
bildeten Gase moglich, wozu am besten Rohre mit einem Fassungs- 
vermogen von 10 ccm geeignet sind 1 ). Diese sind zur Gasmessung den 
an Einfachheit am nfichsten stehenden Garungsrfihrchen uberlegen, die 
folgende Nachteile haben: 1) Fur empfindliche Anaerobier diffundiert 
durch den offenen Schenkel zu viel Sauerstoff; 2) ist eine exakte 
Messung der gebildeten Gasmenge nicht moglich, da ein Teil der Gase 
durch den offenen Schenkel sich der Messung entzieht. Dieser Teil ist 
variabel, da mit der zunehmenden Menge von Gas im geschlossenen 
Schenkel mehr Nahrmedium in den offenen tritt, also auch mehr Gas- 
blasen in den offenen Schenkel steigen und entweichen. Nicht nur die 
absolute Menge der Gasbildung l&Bt sich nicht bestimmen, sondern auch 
fur vergleichende Versuche ergibt die Ueberlegung, •daB die Verhfiltnis- 
zahlen, welche man erhalt, ihrer GroBe nach nicht stimmen. Die Gfirungs- 
rohrehen sind nur zuverlassig, wenn man ein Plus Oder Minus von Gas¬ 
bildung vergleichend feststellen will. Fur genaue Messung wire naturlich 
auch die Ueberschichtungsmethode nicht ohne weiteres geeignet. Fur 
den Fall, daB makroskopisch keine Gasbildung sichtbar ist, und man 
vermutet, daB der Grund darin liegt, daB die Menge der gebildeten Gase 
nicht den SSttigungsgehalt des Nahrmediums erreicht hat, kann man 
das Gas durch Evakuierung unter dem Agarstempel sammeln. (Langsam 
evakuieren, langes Reagenzglas benutzen und vor der Ueberschichtung 
alle absorbierten Gase durch Kochen oder Evakuierung entfernen.) Hat 
man unter ein und demselben Rezipienten evakuiert, so kann man die 
Ablesungen verwerten. 

Schon bei den Garungsrohrehen werden ihre Vorteile durch un- 
bequeme und zeitraubende Reinigungsmoglichkeit ausgeglichen, was auch 
bei den Taillenrohrchen der Fall ist. In diesem Umstande ist fiber - 
haupt der Nachteil des neuen Verfahrens zu erblicken. Es ist daher 
wohl angebracht, darauf hinzuweisen, daB sich auf folgendem Wege die 
Rohrchen spielend leicht reinigen lassen: An eine Saugflasche mit 
doppelt durchbohrtem Korke wird an das lange rechtwinkelig gebogene 
Rohr mittels Gummischlauchs eine Kapillarpipette angeschlossen, wahrend 
an das entsprechende kurzschenkelige Rohr die Wasserstrahlpumpe an¬ 
geschlossen wird. Um die Reinigung jedoch nach alten Grundsatzen 
ansffihren zu konnen, kann man die lichte Weite der Verengerung groBer 
w&hlen, und durch eine Glasperle oder Kugel verschlieBen. Diese andert 
die Handhabung des Rohres nicht, da sie bei der Beimpfung ausweicht 
und von selbst wieder auf die Oeffnung rollt. Bei dieser VerschluBform, 
die auch die Zirkulation von Fliissigkeiten sehr erschwert, kann in 
manchen Fallen auch die Agaruberschichtung fortfallen. Dann ffillt man 
das Rohr von Anfang an einige Zentimeter fiber die Glasperle reichend 
voll. Da mit dem GroBerwerden des Verengerungsdurchmessers auch 
die GroBe der Berfihrungsrandzone wachst, wird sicher ein besseres 
Eindringen der Luft gestattet, als bei dem engen Durchmesser. In 
praktischer Beziehung ist hierin jedoch kein Nachteil zu erblicken. 


1) Bei F. & M. Lautensehliiger-Berlin erhaltlich. 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Fig. 1 zeigt ein Kugelrohr im Querschnitt. Denkt man sich die 
Kugel weg und die Taille etwas enger, so hat man das Bild des ge- 
wShnlichen, leicht zu iiberschichtenden Rohres. Wie die Ueberschichtung 
ohne Kugel zu bewerkstelligen ist, wurde bereits ausgefUhrt. Jedoch 
bedarf das Rohr mit Kugel noch einiger spezieller Anwendungs- resp. 
Herstelluugsregeln: 

Das Kugeltaillenrohr kann auf zwei Arten benutzt werden. 


1. Ohne Agaruberechichtnng: Eb gelangt dann, wenn auch nicht immer eine 
Btorende Menge, so doch Sauerstoff in die Tiefe. Die Menge des O ist abhangig von 
der GroBe der Grenzzone, steigt also mit der GroBe der TaillenSffnung. Beimpfung 
und Abimpfung des Rohres laBt sich immer leicht bewerkstelligen, wenn man, woraut 
bereits hingewiesen, das Rohr neigt. Eine Messung einer ev. gebildeten Gasmenge ist 
nicht mbglich. 

2. Mit Agariiberschichtung: Es gelangt kein O in die Tiefe. Gasmessung ist 
moglich. — Jedoch ist die Perle nicht durch Neigen von der Oeffnung zu entfernen. 
Dies gelingt^aber durch die Kapillarpipette oder die Platinnadel, wenn man richtig 
konstruierte Rohre verwendet. Richtig konstruiert, sind die Rohre, bei denen der 

• Bltiser nicht eine lang ausgezogene, sondern eine wenigstens im oberen 

Teile bauchige Einschniirung geschaffen hat. Den EinfluB dieser ver- 
schiedenen Blasart demonstrieren die Fig. 2 u. 3. Fig. 2 stellt die me- 
chanischen Verhaltnisse beim Abimpfen aus einem langgezogenen Rohre 
dar. CD ist die Auflageebene der Kugel, welche die Kugel innerhalb der 
Papierebene in A und B schneidet. TB ist die Tangente an die Glaswand 




Fig. 1. 



in dem Punkte, wo die eingefuhrte Pipette dieselbe beriihren moge. Richtung und Kraft 
der eingefiihrten Pipette sind durch den Pfeil TB dargestellt, welcher die Kugel im 
Punkte des kleinen Pfeiles beriihrt. Die auf die Kugel unter diesen Voraussetzungen 
resultierenden Krafte sind ihrer Richtung nach durch den Pfeil BR bestimmt, welcher 
aus der Konstruktion des Krafteparallelogramms hergeleitet wird. Man sieht, dafi ini 
Falle der Fig. 2 durch die Steilbeit der Glaswand die Resultierende zwischen den 
Autlagepunkten A und B hindurchgeht, wahrend sie in Fig. 3 an denselben vorbei 
geht. Bei einfacher StoBbewegung der Pipette wird als im Fall der Fig. 2 die Kugel 
immer fester auf die Unterlage gepreBt., wahrend sie im Fall der Fig. 3 nach der Seite 
abgleiten muB. Bei richtig geformten Rohren kann man also die Pipette so einfiihren, 
als ob iiberhaupt eine Kugel nicht vorhanden ist. — Des weiteren sei darauf hin¬ 
gewiesen, daB die Glaskugel oder Perle nur so groB gewahlt werden darf, daB die 
Pipette neben derselben durch die Enge vorbeigefiihrt werden kann. 

Wenn auf die zuletzt erorterten Konstruktionsverhaltnisse Rucksicht genommen 
worden ist, so hindert die Glaskugel auch bei der Agariiberschichtung nicht. Ueber 
die Sauerstoffverteilung ergaben Orientierungsversuche mit den Rohrchen das Bild der 
folgenden Tabelle (S. 335). 

Die Farbenskala des Indikators geht vom hellsten durchsichtigen Rosa bis zu 
undurchsichtigcin Schwarzbraun. Hierbei werden der Reihenfolge nach erst mehr 
zinnoberrote Tone durchlaufen, dann burgunder- und purpurfarbene; diese gewinnen 
an Deckkraft bis zur Undurehsichtigkeit, wobei gleichzeitig ein braunschwarzer Farbeti- 
ton immer mehr in den Vordergrund riickt. 



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335 


Indikator: Diarainophenol [Amidol 1 )] 0,1 Proz. in Aq. dest. 
Ableaung: Nach 24 Std. 


Weite der 
Enge 
in mm i 

ohne Perle 

mit Perle 

gefiillt bis 

zur Enge 

1 cm fiber 
Enge 

fiberschic 
1 cm 
Agar 

:htet mit 
2 cm 
| Agar 

zur 

Perle 

1 cm 
fiber 
Perle 

fiberschichtet mit 
1 cm 1 2 cm 
Agar | Agar 

ca. 1 mm 
ca. 2 mm 
ca. 3—4 mm 

rot 

dunkelrot 

dklbraun. 

undurchs. 

rot -g £ c 

dklrot. S s 
dkl.- J|| 

braun :3 « 

Sp. rosa 
dgl. 

” 

Sp. rosa 
dgl. 

ft 

hellrot 

tt + 
„++ 

rosarot 

tt + 

.. + 

Spur rosa 
dgl. 

>» 


Ad b. Zu dieser Forderung ware zurzeit zu bemerken, daB die 
Aussichten fQr ein erfolgreiches Arbeiten in dieser Richtung nicht sehr 
groB einzuschfitzen sind. Es ist eine wenig hervorgehobene, aber dennoch 
nicht zu vergessende Tatsache, daB die Oberflfichenkolonien einen be- 
deutend groBeren Formenreichtum aufweisen als die Tiefenkolonien. 
Dies bedingt eine leichtere Differenzierungsmoglichkeit bei Oberflachen- 
wachstum. Jedoch stehen bei Versagen der Kolonieform als Unter- 
scheidungsmerkmal noch biologische Mfiglichkeiten zur Verffigung, wobei 
man an Analoga der bunten Reihe bei Typhus und Ruhr denken kann. 
Andererseits ist nicht zu vergessen, daB alle Oberflfichenzflchtungen in 
direktem Gegensatz zu den ini Korper vorhandenen Bedingungen stehen. 
Hier gedeiht der Keim in einem mehr oder minder kolloidalen-viskosen 
Medium; dort gedeiht er in einer Grenzschicht zwischen einem solchen 
und einem Gase. Also physikalisch vSllig different. Nirgends im Kfirper 
wird dem Mikroorganismus freie Atmosphfire angeboten, stets bei der 
afiroben Oberflachenkultur. Wenn also die Diflferenzierung auch leichter 
durch die Oberflachenkultur zu erreichen ist, so stellt sie doch bio- 
logisch den Keim in eine sehr artifizielle Umgebung. Wie hier vielleicht 
vorwfirts zu kommen ist, habe ich in meiner Arbeit fiber Sauerstoff- 
indikatored bereits angedeutet. 

AuBer dieseu biologischen Punkten ist zu bedenken, daB in tech- 
nischer Hinsicht die Isolierung der Keime und die Gewinnung von 
Einzelkolonien mittels der Oberflfichenkulturmethoden an der Schwierig- 
keit der Dichthaltung des ZfichtungsgeffiBes gegen die umgebende Luft 
krankt. Selbst bei Losung dieser Aufgabe — uns gelang es weder mit 
dem Botkinschen noch mit dem MaaBenscben Apparate — in 100Proz. 
eine vfillige Dichtung zu erzielen — erfordert das Pyrogallod betrficht- 
liche Ausgaben. Die von Wilson G. Smellie angegebene Methode 
erfordert betrachtliches Anlagekapital, da Platin als Katalysator er- 
forderlich ist. 

Besser in bezug auf die technische Seite, daher wohl auch am 
meisten angewandt, ist die Kultur in Agarhochschichtrohren und Iso¬ 
lierung durch Anlage von Verdflnnungsrohrchen. Ihr Nachteil besteht 
darin, daB schon beim Vorhandensein weniger Kolonien die Abimpfung 
Schwierigkeiten machen kann. Ferner kommt es leicht vor, daB in dem 
PreBwasser zwischen Hals und Agar eine Kolonie durchgebrochen ist. 
W T ie man nun auch den Agarzylinder aus dem Rohre entferne, sei es 
durch Sprengung des Glases oder durch Herausgleitenlassen, wahrend 
man den unteren Teil erhitzt, so werden imrner die Keime im PreB- 


1) Erhaltlich bei Grubier, Leipzig. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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wasser iiber die ganze Oberflache des Zylinders verschleppt und kfinnen 
das Gewinnen einer Reinkultur vereiteln. Aus diesen und anderen 
Grfinden gingen wir von der Form des Reagenzglases ab und ver- 
groBerten die eine Dimension auf Kosten der andern. Analoge Rich- 
tungen verfolgteD Streng (8), Kamen (9), van Senus (10) u. a. 
Wir gingen daher zur Ziichtung in Spalten zwischen 2 Glasscheiben 
iiber, und versuchten die Vorteile dienstbar zu machen, die Spalte ver- 
schiedener Dicke bieten. Zunachst ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, 
daB man durch die Formveranderung den Abstand der Keirne vonein- 
ander vergroBert und dadurch event, erst die Moglichkeit schafft, ab- 
impfen zu konnen; z. B. angenommen, man hat in einem Hochschicht- 
rohre eine Verdiinnung vor sich, in welcher 125 Keirne im Kubikzenti- 
meter sein mogen. Dieselben wiirden dann den durchschnittlichen Ab¬ 
stand von 2 mm haben. Dieser Abstand wiirde nach der Bebrfitung 
ein Rohr ergeben, von welchem es nicht moglich sein wiirde, rein ab- 
zuimpfen. Wenn man jedoch diesen besaten Agar mit 125 Keimen im 
Kubikzentimeter, also mit 1 Keim in je 8 cmm, zwischen 2 Glasplatten 
ausgieBt, deren Abstand (z. B. durch Deckglfiser) 0,2 mm ist, so wiirden 
diese 8 ccm eine Glasflache von 40 qmm bedecken, mithin wfire der 
Abstand ca. 6,5 mm. Da nun aber die ganze Schicht nur 0.2 mm dick 
ist, so befinden sich praktisch keine Kolonien in dieser Dimension neben- 
einander. Daher resultiert, daB man schon bei einer solchen Yer- 
diinnung zu einer Reinkulturabimpfung gelangen kann. Zwar haftet 
der dfinnen Schicht auch die Notwendigkeit an, daB eine groBe Anzahl 
von Kolonien in die Grenzschicht durchbricht. Da jedoch die Glas¬ 
platten senkrecht voneinander entfernt werden konnen, tindet keine der- 
artige Verschleppung der Keirne statt, wie wenn der Agarzylinder aus 
dem Rohre herausgleitet. Die Spaltkulturen lassen sich sehr bequem 
und genau unter der Lupe und unter dem Mikroskope betrachten. Die 
Kulturmedien erscheinen in dieser Dicke fast vollig klar, und selbst 
glasige Kolonien heben sich sehr gut ab. Man sieht bei schwacher 
VergroBerung bereits deutlich, welche Kolonien bis in den 1 Grenzspalt 
vorgedrungen sind, und kann sich auch nach dem Abheben der Deck- 
platte grob fiber die Ausdehnung orientieren, in welcher die Keirne event, 
verstreut worden sind. Die bequeme und genaue BetrachtungsmSglich- 
keit gestattet auch schon nach kfirzerer Bebrtitungszeit ein Abimpfen. 
Mit dieser Zeitersparnis verbindet man. daB. je frfiher man abimpft. 
urn so kleiner also die Kolonien noch sind, um so weniger Kolonien in 
den Grenzspalt durchgebrochen sein werden. DaB sich die Methode 
gut zu demonstrativen Zwecken und zum Studium der hamolytischen 
Eigenschaften der Erreger eignet, sei hier noch erwahnt. 

Sobald sich die Spaltdicke Bruchteilen von Millimetern nahert, be- 
ginnen sich die mechanischen Verhaltnisse ffir das Wachstum der Bazillen 
derart zu andern, daB die Kolonieform betrachtlich beeinfluBt werden 
kann. Wir fanden z. B. bei dem Frfin kel schen Bazillus ein volliges 
Abweichen von der glattrandigen Form. Es bildeten sich ausgefaserte. 
mit Fortsatzen versehene Kolonien. Auch Kolonien, welche die Grenz- 
spalten nicht erreicht hatten, wichen in dieser Art ab. Diese Kolonien 
sind noch allseitig von Agar umgeben. Die Erkliirung daffir, daB sie 
doch verandert wachsen, ist vielleicht darin zu suchen, daB der Gleich- 
gewichtszustand zwischen den Kohasions- und Adhfisionskraften die 
Agarbeschafl'enheit verandert hat. Bei einem Spalt kapillarer Dimension 
haben wir es praktisch aber nur mit solchen Randzonen mit veranderter 



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Agarbeschaffenheit zu tun. Vielleicht gibt es Keime, welche auf anderen 
Wegen nur schwer voneinander zu unterscheiden sind, welche aber im 
Kapillarspalt ihre Differenzen deutlich zu erkennen geben. 

Geht man mit der Spaltdicke nicht unter 2 mm herunter, so haben 
wir immer dieselbe Kolonieform beobachten konnen wie in den Hoch- 
schichtr8hrchen. Die Platte, die in dankenswerter Weise von der Firma 
LautenschlSger sorgf&ltig hergestellt wird, zeigt die Fig. 4. Die 
Dimensionen des Spaltes sind ca. 3:50:100 mm. Es sind flache, flaschen- 
formige Gebilde, deren eine H&lfte als Deckel ausgebildet ist. Eine 
Klammer halt eventuell den Deckel fest. Der oben befindliche Tubus 
wird mit Watte ausgestopft und in dieser Aufmachung werden die 
L Platten steril vorratig gehalten. Die Gefafie werden beschickt, indem 
man nach Entfernung des Stopfens unter ublichen Kautelen den be- 
saten Agar eingieBt. Darauf flberschichtet man mit unbesatem Agar. 
Die Ueberschichtung ist fur gewohnlich nicht erforderlich, da die Luft 
in dem engen Spalt noch schlechter zirkulieren kann, als in einem 
Reagenzrohre. Das Wachstum der Anaerobier beginnt eher dichter 
unter der Oberflache. Will man jedoch Keimzahlungen vornehmen, so 
flberschichtet man reich- 
lich, urn alle Keime zur 
Entwicklung gelangen 
zu lassen. Auch bei 
dieser Platte kann man 
mit verschiedenen Ver- 
dunnungen arbeiten. 

Sind die Verdflnnungen 
zu dicht geraten, so ist 
es empfehlenswert, nach 
kurzer Bebrfltungszeit 
t zu zahlen. Man braucht 
nicht alle Kolonien 
durchzuzahlen, sondern wird sich mit einem Ausschnitt begntigen und 
uberhaupt mflglichst analog vorgehen wie bei den Oberflachenkulturen 
der Aerobier. Hat man zur Zahlung oder Abimpfung eine Platte, 
welche sehr sparlich besat ist, so kann man sich das Durchmustern 
unter der Lupe oder dem Mikroskop erheblich erleichtern, wenn 
man dem Agar 0,1 Proz. indigsulfosaures Natron zusetzt, welches 
in der Umgebung der Kolonien reduziert wird und den Blick sofort 
auf die Kolonien lenkt. Die Abimpfung von der Platte haben 
wir folgendermaBen gehandhabt: Die Deckplatte wird ziehend ab- 
gehoben, nachdem die abzuimpfenden Kolonien beiderseitig mit Fett- 
stift markiert sind. Mit einer Kapillare von ca. 2 mm lichter Weite 
wird senkrecht auf die Kolonie zugestochen, so daB sie groBtenteils in 
dem damit ausgestochenen Agarzylinder sich befindet. Die Kolonie ge- 
nau zentral zu fassen, empfehlen wir nicht, da wir einmal beobachtet 
haben, daB wir sie allseitig von Agar umgeben gefaBt hatten. LieBen 
wir nun den kleinen Agarzylinder in ein Hirnbreirohr, so hatten wir 
erst nach einigen Tagen ein Wachstum konstatieren konnen, da zuerst 
die Kolonie in dem Agarzylinder so weit an Umfang zunehmen muBte, 
daB sie in den Hirnbrei vordrang. Es ist also ratsam, die Kolonie gleich 
beim Anstechen zu verletzen, da ein sp&teres Zerdriicken des kleinen 
Zylinders schwierig ist. Den kleinen Agarzylinder kann man in die 
Kapillare hinaufsaugen, unter der Lupe die in ihm befindliche Kolonie 
Emte Abt. Orig. Bd. 91. Heft 5. 22 



Fig. 4. 




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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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noch genau auf ihre Identit&t mit der gewollten prflfen, kann sie sofort 
iiberimpfen, kann auch durch beiderseitiges Abschmelzen der Kapillare 
sich die Einzelkolonie aufheben. Sowie uns die Platten in grSBerer 
Anzahl zur Verfugung stehen, werden wir dieselben verschiedenen anderen 
Verfahren bei unseren Versuchen parallel laufen lassen. 

Auch diese Platten beschickten wir mit Indikatorenagar. Es zeigt 
sich dann, daB die Luft von der freien Fl&che ebenso in die Tiefe diffun- 
diert wie bei dem gewohnlichen Hochschichtverfahren. In den kapillaren 
Spalt dringt der Agar nur einige Millimeter ein; der Rest des Spaltes 
wird dann zura Teil noch von Kondenzwasser angeffillt. In dem Spalt 
zeigt der Indikator, daB der Luftsauerstoff nur wenige Millimeter ein- 
dringt und die eigentliche Platte uberhaupt nicht erreicht. 

Zusammenfassung. 

1) Der Agariiberschichtung wird gegenuber anderen Ueberschichtungs- 
mitteln der Vorzug gegeben, und es wird eine Methode angegeben, mit 
welcher die Ueberschichtung flussiger Medien gelingt. Taillenrohre mit 
enger Oeffnung gestatten die Ueberschichtung ohne weiteres, bei grSBerer 
Oeffnung werden zum Abschlusse Glasperlen Oder Kugeln benutzt 1 ). 

2) Durch ZOchtung der Anaerobier in den naher beschriebeneD 
spaltfbrmigen GefSBen laBt sich ein Teil der Bequemlichkeiten des 
Hochschichtverfahrens mit einigen Vorteilen der Oberfl&chenkultur ver- 
einigen. 

Literatur. 

1) Tarozzi, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. S. 619. — 2) Zeifiler, Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 86. S. 552. — 3) Derselbe, Dtsch. med. Wochenschr. 1917. 8. 1507; ebenda 
1918. S. 942. — 4) Stuler, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 37. S. 299. — 5) Kadiach. 
ebenda Bd. 90. S. 462. — 6) Rivas, ebenda Bd. 32. S. 831. — 7) Epstein, ebenda 
Bd. 24. S. 266. — 8) Streng, ebenda Bd. 34. S. 598. — 9) Kamen, ebenda Bd. 35. 
S. 560. — 10) v. Benue, ebenda Bd. 12. S. 144. — 11) Ghon u. Sachs, ebenda 
Bd. 32. S. 403. 


Nachdruck verboten. 

Zur Technik der Anaerobenzuchtung. I. 

Verwertung des Pyrogallol-Vakuumprinzips fur Einzelplatten- 

kulturen. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Rostock (Direktor: 

Prof. Dr. v. Wasielewski).] 

Von Stabsarzt Dr. Brekenfcld, kdt. zum Institut. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Gelegentlich der Priifung des von der „Fabrik fiir Metallwaren 1 * in 
Schwarzenberg Sa. zur Verfugung gestellten Saxonia-Schnellkonservie- 
rungsapparates auf seine Brauchbarkeit entstand die Frage, ob sich dieser 
Apparat filr die Anaerobenzuchtung verwerten lasse. Der Saxoniaapparat 

1) Nfich Fertigstellung der Arbeit erfahre ich durch das Sammelreferat von Knorr 
(Zeitschr. f. d. ges Hyg. 1923. S. 83), daB ein Teil des Absatzes uber Taillenrohre, so* 
weit er sich au£ die Verwendung von Glaskugelu bezieht, bereits von Hall (Journ. o' 
infect, dis. Vol. 29. p. 317) angeregt ist. 



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Brekcnfeld, Zur Technik der Anaerobenziichtuug. I. 


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ist eine am Tische zu befestigende Saugpumpe, an welche ein Druck- 
schlauch geschraubt ist, der in ein flaches Metallstflck (Saugdflse) miindet. 
Zam Evakuieren eines Weckglases legt man zwischen Deckel und Gef&B 
2 Gummiringe, ffihrt zwischen diese hindurch die SaugdGse und pumpt, 
bis das ZurGckschlagen des Kolbens ein gewisses Vakuum anzeigt. 

Die Versuche mit dieser Handsaugpurape ergaben bei l&ngerem Ge- 
brauch, daB durch Undichtigkeit des Stempels und Konstruktionsnachteile 
ein fur Anaerobenziichtung ausreichendes Vakuum nicht erzielt werden 
konnte. Versuche, die Saxoniasaugpumpe durch die Wasserstrahlpumpe 
zu ersetzen unter Beibehaltung des Druckschlauches mit SaugdQse und 
des Prinzipes der 2 Gummiringe zeitigten ein besseres Ergebnis. Filr 
die Anaerobenziichtung erwies sich folgende Versuchsanordnung als 
zweckmaBig: 

Zum AusgieBen des N&hrbodens wird eine Glasschale von 7 1 /* cm 
DurJimesser, 3 cm Hohe und etwa 3 mm GlasstGrke benutzt. Es ge- 
nflgen 10 ccm NShrboden fflr diese Schale. Nach Beimpfung mit dem 
Untersuchungsraaterial und Anfetten des Glasrandes durch Aufsetzen auf 
eine mit gelbem Vaselin bestrichene Glasplatte wird diese Schale umge- 
kehrt auf 2 gleiche, genau aufeinander liegende Gummiringe (nach Week; 
innerer Durchmesser ca. 6 cm, fiuBerer, groBter ca. 8 72 cm) gesetzt, die 
ihrerseits einer runden Glasscheibe von ca. 9 cm Durchmesser und minde- 
steos 3 mm Dicke so aufliegen, daB die breiteste Stelle der Gummiringe 
bequem zum Anfassen (beim Oeffnen) iiber die Glasscheibe hinausragt. 
In der Mitte der Glasscheibe, befindet sich ein Glassch&lchen von 3 7* 
bis 4 cm Durchm. und 1—1 ‘/ 2 cm Hohe mit etwa 0,1 g Pyrogallol, das 
mit einer diinnen Watteschicht bedeckt ist (s. Fig. 1). 


Nahrboden 


/——---- 7 N 

\ 

^Glasschale 

A 

\ 

f f 

Pyro- 
| | gallol - 


Watte 



J -ir- —‘— a 

Gummiringe 

Fig. 1. 

Glasscheibe 


Diese Watte verzogert zunachst die Vereinigung von Pyrogallol und 
Kalilauge und verhindert spaterhin beim Oeffnen der Schale ein Be- 
spritzen des N&hrbodens mit alkalischer Pyrogallolldsung. Kurz vor 
dem Evakuieren werden auf die Watte 1—2 ccm 20 proz. Kalilauge ge- 
traufelt, die sich allmahlich mit dem untenliegenden Pyrogallol verbindet. 
Zum Zwecke des Evakuierens wird der etwa 30 cm lange Saxonia- 
schlauch nach Einschaltung einer Wulffschen- oder gewohnlichen 
Waschflasche und eines Vakuummeters mit der Wasserstrahlpumpe ver- 
bundeu und die auBerst flache Saxoniasaugduse so zwischen die 2 Gummi¬ 
ringe an deren breitester Stelle geschoben, daB sie soeben im Inneren 
hervorsieht und beim Evakuieren mbglichst am flachesten Ende von 
dem Glasrande der Kulturschale zwischen oberem und unterem Gummi- 
ring festgedruckt wird (s. Fig. 1). PreBt man die Kulturschale 1 Sek. 
w&hrend des ersten Ansaugens fest auf die Unterlage, so haftet sie als- 
dann infolge des bereits eingetretenen Vakuums von selbst. In wenigen 
Sekunden kann man so im Kulturschalchen ein Vakuum von erheblicher 

22 * 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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GroBe erhalten; es geniigt im allgemeinen ein solches von 50—150 min. 
Steigerung des Vakuums unter 50 mm begflnstigt Loslosung der Nahr- 
bodenschicht, worauf auch ZeiBler in Bd. 2 Hdb. der mikrobiol. Technik 
Krauss-Uhlenhuth hingewiesen hat. Zeigt das Vakuummeter die er- 
wunschte Luftleere an, so driickt man oberhalb der Duse krfiftig auf die 
Kulturschale und zieht seitwarts hebelnd die Dflse schnell heraus 1 ). 

Die mit dieser Methode gesammelten Erfahrungen sind noch zu 
gering, um ein endgultiges Urteil zuzulassen. Das gute Wachstum aui 
Traubenzucker-Blutagarplatten von frischen Stammen Putrif. verru- 
cos. und Botulinus, bezogen von ZeiBler-Altona, sowie von einem 
Putrif. verrucos., geziichtet aus faulen Anschovis, ermutigen aber. 
die Versuche fortzusetzen. 

Gegeniiber dem kombinierten Pyrogallol-Vakuumverfahren im Ex- 
sikkator liegen die Vorteile dieser Einzelplattenmethode einmal in der 
Ersparnis an Pyrogallol, Kalilauge und Platz im Brutschrank, dann aber 
aber auch in der MSglichkeit, jede Einzelplatte auf das Wachstum von 
Kolonien hin prfifen zu konnen, ohne auf den SauerstoffabschluB ver- 
zichten zu miissen, ahnlich wie bei den Lentzschen und Kiisterschen 
Schalen. Bei diesen ist jedoch die Herstellung einer Luftverdfinnung 
neben der Entfernung des Sauerstoffes durch alkalisches Pyrogallol nicht 
moglich. Ferner ist die Gummiabdichtung sauberer, zuverlfissiger und 
auf die Dauer billiger als die mit den verschiedenen Fettarten oder mit 
Plastilin. Da das Vorbereiten, Beimpfen und Evakuieren wenig Zeit in 
Anspruch nimmt, ist ein Herstellen auch von Plattenserien mit deni 
oben angegebenen Verfahren kaum zeitraubender als das Arbeiten mit 
einem Exsikkator. 

Wegen der Vorteile gegeniiber den bisher gebriiuchlichen Methoden 
ware es erwiinscht, wenn das Verfahren in groBerem Umfange auch in 
anderen Laboratorien auf seine Brauchbarkeit gepriift werden wfirde. 


Nachdrudc verboten. 

Zur Technik der Anaerobenziichtung. II. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitat Rostock (Direktor: 

Prof. Dr. v. Wasielewski).] 

Von Otto Kirchncr. 

Fur die vollige oder annfihende Entfernung freien Luftsauerstoffs 
sind zahlreiche Verfahren angegeben, die kiirzlich von ZeiBler im Ka- 
pitel fiber Anaerobenziichtung im „Handbuch der mikrobiologischen 
Technik u von KrauB und Uhlenhuth, Bd. 2. 1923 zusammengestellt 
wurden. Unter diesen hat sich das von Emmerling zuerst im Prinzip 
angegebene und von ZeiBler bei seinen Untersuchungen zur Herstel¬ 
lung anaerober Verhaltnisse angewandte Pyrogallol-Vakuumverfahren 
als besonders brauchbar bewiihrt. Nach Luftverdfinnung durch Aus- 
pumpen eines Exsikkators, in welchem die Kulturschalen und -rohrcben 
untergebracht sind, wird der Rest des Luftsauerstoffs durch Pyrogallol- 
Kalilauge absorbiert; durch das vorangehende Evakuieren auf 20—10 mm 

1) Dafl das Vakuum sich beim Herausziehen der Diise und in der Folge nicht 
iindert, kann durch ein kleines, von Kirchner im selben Heft beschriebenes, selbst 
angelertigtes Vakuummeter leicht nachgepriift werden. 


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Kirchner, Zur Technik der Anacrobenziichtung. II. 


:J4i 


Hg wird der Pyrogallolverbrauch auBerordentlich herabgesetzt und die 
restlose Beseitigung des Sauerstoffs beschleunigt. 

Bei Untersuchungen fiber Anaerobiose, die mit Untersttitzung der 
Rockefeller-Stiftung im Gange sind, wurde zunachst die von 
Zeifiler angewandte Apparatur verwendet. Die allgemeine Einffihrung 
dieser Apparate wird jedoch erschwert durch die GrfiBe des mit kuppel- 
fSrmigem Aufsatz versehenen Exsikkators und die bisherige Art der 
Abdichtung durch Fettwachsgeraische. Um den Abschlufi auch bei Brut- 
wfirme dauernd luftdicht zu erhalten, muB eine ganz bestimmte Kon- 
sistenz des Fettwachsgemisches, der Brutschranktemperatur entsprechend, 
iunegehalten werden; andererseits erhartet ein dieser Anforderung ent- 
sprechendes Fettwachsgemisch bei Zimmertemperatur rasch so weit, daB 
die Anlegung des Abschlusses Mfihe macht. Als geeignet empfahl 
A. Meyer 1905 ein Gemisch von Karnaubawachs mit Lanolin, ZeiBler 
neuerdings ein Gemisch von Rindertalg, gelber Vaseline und Toluol zu 
gleichen Teilen, das im Brutschrank aufzubewahren ist. Es ergeben sich 
in jedem Fall bei der Fettwachsabdichtung fur den Ungefibten mannig- 
fache Schwierigkeiten, und auch bei ganz sorgsamer Ausffihrung der 
umstandlichen Manipulationen ist es nicht sicher zu vermeiden, daB der 
VerschluB, sobald der Exsikkator in den Brutschrank gebracht ist, an 
irgendeiner Stelle nachgibt und Luft eindringen laBt. 

Leichter geliugt eine Abdichtung durch Gummiringe, die sich als 
unbedingt zuverlfissig, sauber und rasch herstellbar bewfihrt hat. Die 
Anregung zu dem Versuch einer Gummiabdichtung gab ein anaerobes 
Plattenverfahren mit Gummiabschlufi, fiber welches Herr Stabsarzt 
Brekenfeld im gleichen Heft berichtet hat. Zur Abdichtung des 
Exsikkators bedurfte der GummiabschluB jedoch einer Abfinderung bzw. 
ErgSnzung. Wahrend die Plattenrander durch den Luftdruck genflgend 
tief in die Gummiringe gepreBt werden, geben Gummiringe, fiir sich 
allein zwischen die plangeschlitfenen Flfichen eines Exsikkators gelegt. 
keinen luftdichten Abschlufi; bringt man aber, um die fehlende Kante 
zu ersetzen, zwischen die ca. 1V 2 cm breiten, den Schliffflfichen des 
Exsikkators entsprechenden Gummiringe einen doppelten Ring aus 
elastischem, am besten nicht rostenden Draht von 1,2 mm Dicke, so 
wird dieser Ring mit zunehmender Luftverdiinnung durch den auBeren 
Luftdruck immer mehr in den Gummi eingepreBt und eine zuverlassige, 
vom Temperaturwechsel unabhangige doppelte lineare Abdichtung er- 
zielt. Diese Gummiabdichtung bedeutet auch eine Vereinfachung in- 
sofern, als die Schliffflfichen des Exsikkators nicht so genau aufeinander 
zu passen brauchen, wie es bei der Fettwachsabdichtung notig ist. 

Die Notwendigkeit, den vorhandenen Brutschrankraum moglichst 
auszunutzen, liefi uns von dem von ZeiBler verwandten MaaBen- 
schen Exsikkator wegen seiner GrfiBe absehen. Dieser ist einerseits 
bei seiner Hohe von 53 cm nur in besonders hohen Brutschrfinken 
fiberhaupt unterzubringen; andererseits ist seine lichte Weite von 16 cm 
zu klein, um darin mehr als eine Saule — 12 Stfick — von Petri- 
Schalen unterzubringen; auch kleinere Schalen von 7 cm Durchmesser. 
die ffir viele experimentelle Zwecke ausreichen, finden nur in einer Sfiule 
darin Platz. 4 MaaBensche Exsikkatoren mit hfichstens 50 Platten 
beanspruchen also einen ganzen Brutschrank von mindestens 55 cm 
lichter Hfihe, 42 cm Breite und 42 cm Tiefe ffir sich. Sehr viel raum- 
sparender sind zylindrische Exsikkatoren mit flachem. mit Tubus ver- 
sehenem Deckel und einer lichten Weite von ca. 18 cm, die erlaubt. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 5. 


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3 Sfiulen von Platten von 7 cm Durchmesser im ExsikkatorgefaB unter- 
zubringen oder aber zylindrische VakuumgefaBe nach A. Meyer (Ctbl. 
f. Bakt. Abt. II Bd. 16. S. 386) von ca. 15 cm lichter Weite, in welchen 
eine S&ule von Platten, also 5—6, Platz linden. Diese Anordnung nutzt 
den Raum moglichst aus. Der Wegfall des groBen Glockenraumes, 
iiberhaupt die Reduzierung des toten Raumes bietet zudem den weiteren 
Vorteil, daB das Auspumpen mit der Wasserstrahlpumpe statt 30 Min. 
nur 10—15 Min. beansprucht. Die von uns augenblicklich verwandten 
ExsikkatorengefS.Be haben — ohne Deckel — eine Hohe von 20 cm. 
so daB wir im selben Brutschrank, der mit 4 MaaBenschen Exsikkatoren, 
insgesamt 50 Platten, voll besetzt ist, 8 Exsikkatoren mit ca. 120 kleinen 
Platten von 7 cm Durchmesser unterbringen konnten. 

Der Verzicht auf die Glocke des MaaBenschen Exsikkators machte 
eine anderweitige Unterbringung der Pyrogallol-Kalilauge notwendig. 
Wir gehen so vor, daB wir auf den Boden des ExsikkatoigefaBes eine 
3—4 cm hohe Glasschale bringen, deren Durchmesser 8—12 cm be- 
tragt, je nach der Weite des Exsikkators. Diese Schale dient zur Aul- 
nahme von 30—80 ccm 50 proz. Kalilauge; Papptellerchen von ent- 
sprechender GroBe enthalten 2—5 g Pyrogallol, und werden auf die 
Kalilauge gesetzt. Es vergeht zirka 1 /. 2 bis Stunde, bis die Kalilauge 
das Papptellerchen so weit angegriffen hat, daB Pyrogallol und Kalilauge 
in Beriihrung kommen und die Sauerstoffabsorption einsetzt. Diese An¬ 
ordnung ist ebenso zuverlassig wie die in der Glocke des MaaBenschen 
Exsikkators und hat dieser gegeniiber den Vorteil der Handlichkeit 
voraus. Die Kalilaugenschale steht unter einem wenig hoheren DreifuB; 
auf diesen kommt das Gestell mit den Kulturschalen bzw. ein Draht- 
korb mit den Kulturrohrchen. Zum Schutz der Nahrboden gegen Aus- 
trocknung werden auf den Boden des Exsikkatorgef&fies zirka 75 ccm 
Wasser gebracht, in dem die Kalilaugenschale steht. AuBerdem wird 
bei Platten der DreifuB zunachst mit einer Lage angefeuchteten Zell- 
stoffs bedeckt, da auf diese Weise erfahrungsgemaB die untersten Platten 
vor starkerer Austrocknung geschiitzt werden, der sie sonst ausgesetzt 
sind. 

Zur Kontrolle, ob der AbschluB wahrend der Dauer des Versuche? 
vollkommen luftdicht bleibt, lassen wir ein auf einfache Weise her- 
zustellendes Manometerrohrchen mitgehen: man zieht eine Glaskapillare 
von 10 cm Lange und zirka l mm lichter Weite aus, bringt eine Queck- 
silbersaule von 2 — 3 mm Lange hinein und schmilzt das eine Ende so 
zu, daB von dem Quecksilber eine 2—3 mm lange Luftsaule abgeschlossen 
wird. Die Kapillare wird dann auf einem gewohnlichen Holzspatel, den 
man mit Millimeterteilung versehen hat, so befestigt, daB das zu- 
geschmolzene Ende als unteres auf den Nullpunkt kommt. Das Aichen 
geschieht am besten so, daB man die fertigen Manometerrohrchen 
numeriert in einen kleinen Exsikkator bringt, zusammen mit einem 
gebrauchlichen Quecksilbermanometer, evakuiert und auf einer Tabelle 
eintrSgt, welcher Stand bei den einzelnen Rohrchen den am Quecksilber¬ 
manometer abgelesenen Drucken von 80, 75, 70 usw. bis zu 20 mm 
entspricht. Die Ausschlage sind fflr die in Betracht kommenden niedrigen 
Drucke groB, so daB die Manometer fur ihren Zweck vollkommen 
geniigen. 

Die Vorteile dieser Versuchsanordnung erblicke ich in den folgenden 
Punkten: 

1) Die Abdichtung mit Gummiringen ist sauber und rascb her- 



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Giemsa, Zur Praxis der G i e m a a - Farbung. 


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zustellen, von der Temperatur unabhSngig, und unbedingt zuverlfissig; 
diese Zuverlassigkeit ist durch ein eingeschlossenes Manometer kon- 
trolliert, das beliebig lange seinen Stand unverandert behalt. Deni steht 
bei der Fettwachsabdichtung gegenfiber das unsaubere Arbeiten, die 
UmstSndlichkeit der Herstellung und der Anlegung des Verschlusses; 
trotzdem ein gewisses MaB von Unzuveriassigkeit, die Gefahr, daB der 
VerschluB nachtrfiglich undicht und damit die Wiederholung der ganzen 
Arbeit notwendig wird. AuBerdem ist auch die Materialersparnis zu 
berflcksichtigen. — 2) Der verfiigbare Brutschrankraum wird besser aus- 
genutzt als bei Verwendung des MaaBenschen Exsikkators. — 3) Die 
Anordnung von Pyrogallol-Kalilauge ist einfacher und handlicher, be- 
sonders auch die Reinigung nach beendetem Gebrauch. 

Zum SchluB sei es mir gestattet, dem HilfsausschuB der Rockefeller- 
Stiftung far die Unterstiitzung, welche die Ausfuhrung der Arbeiten er- 
mdglicht, meinen ergebensten Dank zu sagen. 


v . Nachdruck verbolen. 

Zur Praxis der Giemsa-Farbung. 

[Aus dfem Institut fOr Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg 
(Leiter: Obermedizinalrat Prof. Dr. Nocht).] 

Von Prof. G. Giemsa. 

Verschiedentlich hat man die Wahrnehmung gemacht, daB die von 
mir angegebene F&rbemethode zur Erzeugung des Romanowsky- 
Effektes nicht immer zum Ziele fiihrt. Auch manche in der Literatur 
erschienenen Abbildungen von G i e m s a - PrSparaten weiseu bl&uliche. 
an Stelle leuchtend rotvioletter Kernfarbungen auf und lassen somit er- 
kennen, daB die ihnen zugrunde liegenden PrSparate atypisch gefSrbt 
sind. Solche Bilder sind geeignet, bei Uneingeweihten ganz lalsche 
Vorstellungen von dem Aussehen eines Romanowsky-Bildes zu er- 
wecken, und es dQrfte daher fur alle, welche diese F&rbemethode anzu- 
wenden gedenken, mit ihr aber noch nicht hinreichend vertraut sind. 
von Interesse sein, wenn einmal auf die Fehler, die am haufigsten zu 
MiBerfolgen fflhren, n&her eingegangen wird. 

Erfabrungsgem&B kommen folgende beide in erster Linie in Be- 
tracht: Entweder besitzt das destillierte Wasser, welches zur Bereitung 
ties gebrauchsfertigen Gemisches dient, keine hinreichende NeutralitSt. 
Oder die Farbstammlbsung (Giemsa-Lbsung) ist unsachgemaB zube- 
reitet worden. 

Es wurde schon friiher darauf hingewiesen, daB die „urspriingliche“ 
AffinitSt der verschiedenen Zellen und ihrer Bestandteile zu den in der 
Lbsung befindlichen amphochromen neutralen Farbsalzen nur in einem 
absolutneutralenMediura voll zurGeltung kommen kann. 
und daB mit Aufhebung dieser Neutralit&t auch das Elektionsvermbgen 
der Zellgebilde gestbrt werden muB. 

Ganz besonders schadlich wirkt die Anwesenheit selbst geringster 
Mengen freier SSure. Sie hat unfehlbar eine Verschiebung der 
Farbung zum Nachteil der azurophilen, d. h. derjenigen Elemente zur 
Folge, welche, wie die sogenannte Chromatinsubstanz (Zellkerne), die 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale, Bd. 91. Heft 5. 


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„typische u Rotreaktion geben soli, das Hauptcharakteristikum der Ro¬ 
man o w sky-FSrbung. Die Kerne erscheinen dann schwach blfiulich 
Oder gar nicht gefarbt und die ursprfinglich gegenuber den amphochromen 
Farbstoffen ziemlich indifferenten, offenbar neutralen Elemente (z. B. die 
roten Blutkfirperchen), die normalerweise Farbstoflf kaum annehmen. 
werden ausgesprochen eosinophil. So kommt es, daB in solchen Fallen 
beispielsweise ein Blutausstrich infolge Beladung der zahlreichen Erythro- 
zyten mit Eosin bereits makroskopisch stark rotstichig erscheint, wfihrend 
er sich bei gut gelungener Farbung als ein zarter, rotlich-violetter Hauch 
prasentiert. 

Weist das Farbgemisch freies oder kohlensaures Alkali auf. 
so verscbiebt sich die Farbung zum Nachteile der eosinophilen Zell- 
bestandteile. Die des Chromatins fallt dann zwar ganz besonders 
intensiv aus, die Gesamtfarbung leidet aber darunter, daB die in¬ 
differenten Elemente, darunter auch die strukturlosen serosen Substanzen. 
nunmehr groBere Mengen der blauen, basischen Farbstoffkomponente 
aufnehmen, wodurch die Differenzierung nachteilig beeinfluBt wird. Bei 
einem Blutausstrich sind in solchen Fallen die bei gut gelungener 
Farbung mikroskopisch blaBrosa erscheinenden Erythrozyten blau ge¬ 
farbt, und das ebenso tingierte Protoplasma der in ihnen befindlichen 
Parasiten, z. B. der Malariaparasiten, Piroplasmen, hebt sich vom Unter- 
grunde kaum noch ab. Schon makroskopisch verrat sich ein • solches 
Praparat durch sein intensiv blauviolettes Aussehen ! )- 

Die Verwendung eines neutralen Wassers 2 ) ist somit eine der aller- 
wichtigsten Vorbedingungen fur das Erzielen eines guten Romanowsky- 
Bildes, und insbesondere ist die Anwesenheit. der geringsten Menge freier 
Sfiure peinlichst zu vermeiden, weil diese das MiBlingen der wichtigen 
ChromatinfSrbung unfehlbar zur Folge haben muB. 

Eine Saure, die nun bei weitem am haufigsten als Schadling in 
Frage kommt, ist die K oh lens Sure, die sich in dem zum Verdfinnen 
der Farblosung dienenden Wasser befindet. Die destillierten Wfisser 
der Laboratorien weisen namlich durchweg ziemlich erhebliche MeDgen 
dieser Saure auf. Sie stammt zum groBten Teil aus den Rohwassern 
und geht beim DestillierprozeB in das Destillat fiber, so daB gewohn- 
liches, ja selbst mehrfach destilliertes Wasser in farberischem Sinne stets 
als „sauer u zu bezeichnen ist. Man kann nun die freie Saure, wie frfiher 
empfohlen wurde, durch Zusatz geringer Mengen selir verdfinnter Natron- 

1) Aucli Praparate, welche sehr lange Zeit dem EinfluB feuchter atmospharischer 
Luft ausgesetzt gewesen eind, zeigen in der Regel, wenn sie nachher — selbst in neu- 
traler Farbflotte — gefarbt werden, das gleiche Aussehen, was offenbar auf eine 
Alkaliabgabe zerset/.ten Glases an dem Ausstrich zuriickzufiihren ist. Durch Auf- 
bewahren der frischen Praparate in gut abgedichteten Gefaflen fiber Chlorkalzium 
l^CaCI.,) kann diesem Uebelstand auf Jahre hinaus vorgebeugt werden. Ist er jedoch 
erst einmal eingetreten, so liiBt sich der Schaden durch nichts mehr reparieren. 

2) Wenn es behufs besonderer Hervorhebung einzelner schwerer farbbaren Gebiluf 
trotzdem in einzelnen Fallen (z. B. der Maurerschen Flecken oder der Halbmondkapseln 
bei Malaria pernieiosa. derSchuffner-Tfipfelung bei Malaria tertiana, der Spirochaeta 
pallida usw.) erwfinscht sein sollte, schwach alkalische Losung zu verwenden, so fu? 1 
man dem Wasser vor Hinzumischen des Farbstoffes am besten Bpuren von Kaliuni- 
oder Natriumhydroxyd hinzu (1—2 Tropfen einer 1-prom. Losung auf 20 ccm Wasser . 
In der Regel kann man diese Gebilde jedoch auch, und zwar besser differenziert, zur Dar- 
stellung bringen, wenn man in absolut neutraler Ixisung farbt. Genfigt die FarF 
intensitat nicht, so liiBt sie sich ohne Benachteiligung der Kontrastwirkung dadurri 
verstiirken. daB man das Farbgemisch, nachdem es 30 Minuten eingewirkt hat, durch 
Neigen de6 Objekttragers entfernt, frisch bereitetes Gemisch darauf gieBt und e' nc 
weitere halbe Stunde farbt. 



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Giemsa, Zur Praxis der Giemsa-Farbung. 


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bzw. Kalilauge neutralisieren. In noch bequemerer Weise laBt sie sich 
jedoch durch Auskochen entfernen. Zur Herstellung eines genugend 
groBen Vorrates solchen „ Neutral wassers“ benutzt man zweckmaBiger- 
weise einen Stehkolben aus Jenaer Glas von 1—2 1 Inhalt, der zu 2 /s 
mit destilliertem Wasser geflillt und auf dem Drahtnetz erhitzt wird. 
Nach 5—10 Minuten langem lebhaften Sieden laBt man abkiihlen und 
verschlieBt das GefaB mit einem gut anliegenden Gummistopfen. 

Von der Entstluerung, die das GefaB durch den KochprozeB er- 
fahrt, kann man sich sehr leicht auf folgende Weise uberzeugen: Man 
lost einige Kornchen moglichst farblosen H&matoxylins in etwa 5 ccm 
Alkohol, fflllt darauf je ein Reagenzglas zu Vs mit un- bzw. frisch ab- 
gekochtem Wasser und mischt zu jeder Probe einige Tropfen der HSma- 
toxylinlosung hinzu. Erstere Probe bleibt langere Zeit unverandert, 
wahrend sich letztere innerhalb weniger Minuten ausgesprochen rot ver- 
fSrbt 1 ). Durch diese einfach auszufiihrende Reaktion laBt sich auch 
leicht feststellen, ob der Wasservorrat nach langerer Aufbewahrung noch 
brauchbar ist oder nicht. 

Auch auf eine andere wichtige Fehlerquelle sei hingewiesen. Die 
amphochromen festen Farbstoffe, die in der methylalkoholisch-glyzerinigen 
L5sung enthalten sind, 16sen sich in Wasser ungemein schwer. Beim 
Vermischen der Farblosung mit Wasser entsteht daher eine sehr stark 
ubersattigte Ldsung, und es ist ein ganz nattirlicher Vorgang, daB der 
Farbstolf nach einiger Zeit ausfailt. Da die Flussigkeit nach Eintreten 
dieser Ausflockung ihre Farbkraft nahezu verloren hat und nur noch 
differenzierend wirkt, ist es im Interesse des Erzielens einer moglichst 
krfiftigen Tinktion erforderlich, alles zu vermeiden, was die Ausfallung 
beschleunigt. 

Hierfiir kommen in Betracht: 

1) Unnotig langes Mischen bei Herstellung der waBrigeu Verdunnung. 

2) Herstellung zu groBer Mengen dieser Mischung auf einmal. 

3) Benutzung zu enger Zylinder, welche das Mischen erschweren. (Man gieBe nie 
mehr als 20 ccm Wasser, und zwar in einen MeBzylinder von mindestens 3,5 cm 
Durchmeeser, traufle aus einer Tropfflasche die Farblosung schnell hinzu, bewirke 
durch 5—Smaliges schnelles Umschwenken eine homogene Durchmischung und gieBe 
die Flussigkeit „unverzuglich“ auf die „vorher“ bereitgestellten alkohol- oder methyl- 
alkoholgeharteten Praparate.) 

4) Verwendung von Glaszylindern, in denen sich noch Reste alter Mischung mit 
Farbstoffniederschlagen befinden. (Durch Ausspiilen der Zylinder bald nach Gebrauch 
mit Wasser bleiben diese stets ohne weiteres verwendungsbereit.) 

5) Verwendung von Wasser, das Mineralsalze, namentlich Chlornatrium oder 
Chlormagnesium enthalt (Brunnen- oder Leitungswasser) 1 ). 

Die hohe Empfindlichkeit der FSrbung gegeu Verunreinigungen er- 
wlhnter Art bringt es naturgemSB mit sich, daB auch an die Rein- 
heit der zur Bereitung der Farblosung nStigen LSsungs- 
mittel hohe Anforderun gen zu stellen sind 3 )- 

Gar h&ufig genflgen diesen die im Handel befindlichen Marken 
nicht. Es ist ferner darauf zu achten, daB diese Produkte hochst 


1) Der gleichen Probe bedient man sich vorteilhaft, wenn man mit den erwahnten 
Chemikalien neutralisiert. 

2) Rohwasser, welche Gegenden mit Urgestein (Granit, Gneis) entstammen, sind 
in der Regel ziemlich salzarm und konnen sicn unter Umstanden nach Aufkochen sehr 
wohl zur Farbung eignen, ebenso sauber aufgefangenes, abgekochtes Regenwasser (an 
manchen Orten steht dest. Wasser nicht immer zur Verfiigung!). 

3) Genau nach meinen Angaben hergeslellte, geprufte Farblosung und Azurfarb- 
stoffe Bind bei Dr. Karl Hollborn, Leipzig, Kronprinzstr. 71, erhaltlich. 


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konzentriert sind, denn schon ein verhfiltnismaBig geringer Wasser- 
gehalt setzt die Lfisungsffihigkeit fflr die FarbstoflFe sehr erheblich herab 
und fQhrt zu Losungen von ungeniigender Farbkraft. So hat es sich 
gezeigt, daB das Glyzerin des deutschen Arzneibuches vom spezifischen 
Gewicht 1,235 bis 1,225 mit einem Wassergehalt von 11—14 Proz. wenig 
brauchbar ist. Weit geeigneter ist ein Glyzerin vom spezifischen Ge¬ 
wicht 1,26 mit einem Wassergehalt von nur 1,5 Proz. Ist man nicht 
im Besitze von Losungsmitteln dieser Beschaffenheit, so wird man gut 
tun, mit fertig bezogener Losung zu arbeiten. 

Man achte ferner darauf, daB die Losung stets in gut abgedichteten 
GefaBen aufbewahrt wird. Andernfalls verdunstet der leichtflfichtige 
Methylalkohol; gleichzeitig nehmen die sehr hygroskopischen Flfissigkeiten 
Wasser aus der Luft auf, Vorgange, welche eine Abscheidung festen Farb- 
stoffes und schlieBliches Unbrauchbarwerden der Losung zur Folge haben. 

Zur weiteren Orientierung fiber diese FSrbemethode, fiber deren 
Variationsmoglichkeit sowie fiber die Theorie des Ffirbeprozesses disne 
nachstehende Literatur. 


Literatur. 

Giemsa. G., Vereinfachung und Vervollkommnung meiner Methylenazur- 
Methylenblau-Eosin-Farbemethode usw. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 37. 1904. 
S. 308.) — Beftrag zur Farbung der Spirochaeta pallida. (Dtsch. mod. Wochenschr. 
1907. Nr. 17.) — Ueber die Farbung von Schnitten. (Ebenda 1910. Nr. 12.) — Ueber 
die Farbung von Feuchtpraparaten und Schnitten. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orie. 
Bd. 54. 1910. S. 489. — Das Wesen der Giemsa-Farbung. (Ebenda Orig. Bd. 89. 
1922. S. 99.) — Unna, P. G., Das Wesen der Giemsa-Farbung. (Ebenda Orig. 
Bd. 88. 1922. S. 159.) 


Nachdnick verbolev. 

Ueber den Wert der Uarungsprobe bei 46° (Eijkman) 
und der Indolreaktion zur Begutachtung von Wasser- 

proben. 

[Aus dem Hygienisch-bakteriologischen Institut des Hauptgesundheits- 

amtes der Stadt Berlin.] 

Von Dr. Fritz r. Gutfeld, 

Wissenschaftliches Mitglied.J 

Die gebraucblichste Probe zur Untersuchung von Wasserproben auf 
fakale Verunreinigung war bisher die von Eijkman (1) angegebene 
Prtifung der Traubenzuckervergarung bei 46°. Ihre Anwendung „be- 
ruht auf der empirischen Tatsache, daB in Warmblflterfazes regelm&Big 
thermotolerante Gfirungsorganismen vorkommen, und daB diese in ein- 
wandfreiem Wasser zu fehlen pflegen“ (2). Die Empfindlichkeit be- 
zeichnet Eij km an als eine recht zufriedenstellende; entgegengesetzte 
Befunde „dfirften auf fehlerhafter Versuchsanordnuug beruhen* 4 (2)- 
Darunter versteht Eijkman eine zu hohe Brutschranktemperatur oder 
beim Sterilisieren zu stark erhitzte Nfihrlosung. Beiden EinwSudeu 
haben wir in unseren Untersuchungen Rechnung getragen; die Brut- 
schrankteraperatur sowie Nahrlosung 1 ) wurden jedesmal durch Ansetzeu 

1) Ueber unsere Untersuchungen geeigneter Nahrlcjsungen soil gesondert bencbtei 
werden. 



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v. Gutfeld, Der Wert der Garungsprobe bei 46° (Eijkman) usw. 347 


einer Probe mit einem echten, bei 46° vergarenden Coli-Stamm kon- 
trolliert. 

Vor einiger Zeit hat nun Gersbach (3) eine Methode verfiffent- 
licht, bei der die zu untersuchenden Wasserproben in eine Trypsin- 
bouillon (nach Frieber) eingebracht werden. Die nach 24 und 48 Std. 
vorgenommene Indolreaktion lafit fakale Verunreinigungen erkennen. 
Nach Gersbachs Befunden kommen praktisch (im Wasser) hierfiir 
nur Coli- und Paracoli-Bazillen in Betracht. Im Gegensatz hierzu 
wurden allerdings von Horowitz (4) sowie Sal us und Hirn (5) 
positive Indolreaktionen erzielt mit Wasserproben, die sicher frei von 
fakaler Verunreinigung waren. Eine Nachprflfung der Gersbachschen 
Angaben erschien daher notwendig; wir haben deshalb die Eijkman- 
sche Garprobe sowie die Indolpriifung gleichzeitig angesetzt. 

Die Prufung mit beiden Methoden versprach auBerdem, die Aus- 
beute an positiven Resultaten zu vermehren, da ja zwei verschiedene, 
voneinander unabhangige Eigenschaften der Keime als Indikatoren be- 
nutzt werden. 

Die Technik, deren wir uns bei unseren im Juli 1922 begonnenen 
Versuchen bedienten, war folgende: Jede Wasserprobe wurde sofort 
nach Ankunft im Laboratorium in 6 RShrchen verteilt, davon dienten 
2 der E ij k m a n-Probe, die fibrigen 4 dem Nachweis der Indolreaktion. 
Entsprechend der hQheren Empfindlichkeit der Indolprobe, haben wir 
fur diese Reaktion geringere Wassermengen benutzt, als ffir die Gar- 
probe. Es erhielten: 

Rohrchen 1 1 ccm Wasser + Eijkm an-Losung 1 ), Gesamtvolumen 8 can 
„ 2 1 Tropfen Wasser + „ „ 8 ccm 

„ 3 2 „ „ in Trypsinbouillon 

4 2 

>» ^ u tt tt It )t 

» 1 n » >1 >» 

n 6 1 »i 11 11 11 

Dazu jedesmal folgende Kontrollen: 

Rohrchen 7 unbeimpfte Eijkman- Losung (Sterilitatspriifung) 

„ 8 „ Trypsinbouillon „ 

9 mit echtem Coli beimpfte Eijkman-Losung 
„ 10 „ „ „ „ Trypsinbouillon 

Die zum Vergaren bestimmten Gemische wurden in kleine V-ffjrmige 
selbst angefertigte Rbhrchen mit einem offenen und einem geschlossenen 
Schenkel eingeftlllt und sofort in den 46°-Schrank verbracht. Die Ab- 
lesung des Garversuchs fand nach 24 und 48 Std. statt. In den meisten 
Fallen war die Traubenzuckervergarung bereits nach 24 Std. eingetreten, 
doch vergoren einige Proben erst nach 48-stfind. Aufenthalt bei 46°; 
eine 2. Ablesung ist deshalb erforderlich, wenn nach 24 Std. noch keine 
Garung eingetreten ist. Die zur Indolreaktion benutzten RQhrchen 
wurden ebenfalls nach 24 und 48 Std. gepruft (durch Hinzufiigen einiger 
Tropfen einer L6sung von para-Dimethylamidobenzaldehyd in salzsaurem 
Alkohol). Dabei wurden nach 24 Std. die Rohrchen Nr. 3 und 5, nach 
48 Std. Nr. 4 und 6 benutzt. Die Indolreaktion war meist bereits nach 
24 Std. Brutschrankaufenthalt positiv; in einigen Fallen wurde sie aber 
erst nach 48 Std. positiv, in einigen weiteren Fallen war sie nach 24 Std. 
positiv, nach 48 Std. negativ. Auch die Indolprfifung muB daher nach 

1) Die Eij kman-Losung wurde mit sterilem destillierten Wasser so verdiinnt, 

nach Zufugung der zu untersuchenden Wasserprobe die vorgeschriebene Konzen- 
tration (1 Proz. Traubenzucker, 1 Proz. Witte-Pepton, 0,5 Proz. NaCl) resultierte. 


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348 


Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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24 und 48 Std. vorgenommen werden. Eine schwache Oder undeutliche 
Indolreaktion laBt sich durch ErwSrmen des Rohrchens gut sichtbar 
machen; beim Erkalten blaBt die Farbe wieder ab, um beim Erwarmen 
yon neuem deutlich hervorzutreten. Im Ganzen haben wir 102 Proben 
mit beiden Methoden parallel untersucht, hiervon ergaben: 


Tabelle I. 


Eijkman pos. 1 
Indol pos. 

Eijkman pos. 
Indol neg. 

Eijkman neg. 
Indol pos. 

Eijkman neg. 
Indol neg. 

29 

o ! 

40 

33 


Hiervon wurden 55 Proben genauer untersucht. Die daraus auf 
Platten geziichteten Keime wurden auf folgende Spezialn8hrb8den ge- 
bracht: Lackmusmolke, Barsiekow-Traubenzuckerlfjsung, Barsiekow- 
Milchzuckerlosung, Traubenzuckeragar, Neutralrotagar, Gelatine. Ferner 
wurde bei diesen Keimen ihr GarungsvermSgen bei 46° (Eijkman- 
Losung), Indolbildung, Beweglichkeit und Verhalten der Gram-F&rbung 
gegenuber gepriifb 

Bevor wir unsere Ergebnisse mitteilen, miissen folgende Fragen be- 
antwortet werden: 

1) Welche Keime sind als Indikator fur fakale Verunreinigungen zu 
bezeichnen? — 2) 1st der Coli-Nachweis ein sicheres Kriterium der 
fakalen Verunreinigung? — 3) Welche Eigenschaften muB ein Keim 
haben, um als Coli identifiziert zu werden? 

Jede der 3 Fragen wird von verschiedenen Untersuchern in ver- 
schiedener Weise beantwortet. Wir mbchten unseren Standpunkt fol- 
gendermaBen prazisieren: 

1) Als fakale Verunreinigung kommt praktisch nur Bact. coli in 
Betracht. Etwa ins Wasser gelangte pathogene Darmbakterien sind 
naturgemaB auch „fakale Verunreinigung 14 , spielen aber nicht die Rolle 
eines Indikators, auf die es hier ankommt. 

2) Wir halten das Vorhandensein von Bact. coli fur den sicheren 
Beweis fakaler Verunreinigung. Allerdings brauchen die Keime nicht 
immer aus dem menschlichen Darm zu stammen. 

3) Die Ansprflche, die verschiedene Autoren an die Eigenschaften 
des Bact. coli stellen, sind recht verschieden. Wir haben folgende 
Mindestforderung als notwendig erachtet: 

G r a m negative, bewegliche, sporenfreie Stabchen, welche Gelatine 
nicht verflussigen, Milchzucker und Traubenzucker unter Gas- und S&ure- 
bildung zersetzen (Prtifung in Traubenzuckeragar, Drigalski - Agar, 
Barsiekow-Milchzucker und Traubenzuckerlosungen). Indolbildung 


Tabelle II. 


A us fall der beiden Proben 



1 

a 

b | 

C 

d 

| 

e 

f 

g 

h 

Eijkman 

+ 

+ 

_ 

_ 

Eijkman 

+ 

+ 

— 

_ 

Indol 

+ 

— 

+ 

— 

Indol 

+ 

— 

+ 

— 

Zuchtung ergab 

20 

0 

14 

0 

[Zuchtung ergab 

2 

0 

11 

8 


34 


Nicht-Coli 


21 


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v. Gutfeld, Der Wert der Garungeprobe bei 46° (Eijkman) ubw. 349 


halten wir nicht fiir obligat, obgleich wir sie bei unseren sSmtlichen 
Stammen feststellen konnten. 

Wir haben die von uns isolierten Keime nach den angegebenen 
Merkmalen eingeteilt in Coli und Nicht-Coli. Unsere Befunde zeigt 
Tab. II. 

Vollige Uebereinstimmung beider Proben konnten wir demnach 
30mal feststellen (Stabe a, d, e, h). Bei gleichzeitigem negativen Er- 
gebnis beider Reaktionen enthielt das Wasser niemals Coli, wahrend 
es sich in 2 Fallen (Stab e) mit positivem Ausfall um Nicht-Coli 
handelte. 

Aus diesen beiden Wasserproben wurden Keime isoliert, die Gela¬ 
tine verfliissigten, sonst aber alle oben angefuhrten C 0 1 i - Merkmale in 
typischer Weise zeigten. 

Die 14 FSlle (Stab c), in denen die Indolprobe positiv, Eijkman 
negativ bei Anwesenheit von Coli-Bazillen waren, beweisen, daB die 
Indolprobe empfindlicher ist, als die Eij km an-Probe, da offenbar die 
Zuckervergfirung bei 46° eine hdhere Anforderung ftir den Coli-Ba- 
zillus darstellt, als die Indolbildung bei 37 # . Dali die Thermotoleranz, 
oder vielmehr die Garfahigkeit fur Glukose bei 46° eine schwankende 
Eigenschaft des B. coli ist, geht aus unseren folgenden Befunden her- 
vor: Aus 13 *) Wasserproben, die beim Ansetzen zunachst negativen 
Eijkman und positive Indolreaktion gaben, isolierten wir Coli-Stamme, 
deren Garfahigkeit bei 46° nach mehrfachen Ueberimpfungen geprQft 
wurde. Die erhaltenen Reinkulturen erlangten 9mal diese Eigenschaft, 
4mal nicht. 

Die Indolprobe war llmal positiv in Fallen, in denen Coli-Keime 
nicht nachgewiesen werden konnten (Stab g); Eijkman war hier ne¬ 
gativ. Gerade diese Falle diirften zur Entscheidung iiber den Wert der 
Indolprobe als Zeichen der fakalen Verunreinigung von Bedeutung sein. 
Die daraus geziichteten Stamme verfliissigten sSmtlich Gelatine, wurden 
daher als Nicht-Coli von uns bezeichnet. 2 dieser Stamme vergoren 
nach einigen Passagen die Eijkman-Losung bei 46°, einige lieBen 
auch bei 37 0 Traubenzuckeragar unvergoren. Im h&ngenden Tropfen 
zeigten sich alle 11 Stamme als bewegliche Stabchen. Barsiekow- 
Traubenzuckerlosung wurde von alien angegriffen (Rotung und Failung). 

Die Indolprobe gab also hier falsche Resultate nach der positiven 
Seite hin. 


Zusammenfassung. 

Die Untersuchung von Wasserproben nach der Eijkmanschen und 
der Indolpriifungsmethode hat folgendes ergeben: 

1) Absolute Beweiskraft hat nur der gleichzeitige negative Ausfall 
beider Proben: in solchen Fallen ist eine fakale Verunreinigung auszu- 
schlieBen. — 2) Positiver Ausfall beider Proben macht fakale Verun¬ 
reinigung sehr wahrscheinlich. — 3) Die Indolprobe ist empfindlicher 
als die Garprobe bei 46°, gibt aber haufiger positive Befunde bei Ab- 
wesenheit von Coli-Bazillen. — 4) Zur sicheren Beurteilung ist auch 

1) Bei einer Probe wurde diese Priifung nicht ausgefiihrt. 


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350 


(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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bei positivem Ausfall einer oder beider Proben die Isolierung and bak- 
teriologische Identifizierung der Keime vorzunehmen. 

Iiitaratur. 

1) Eijkman, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 37. — 2) Ders., ebend». 
Abt. XL Bd. 39. — 3) Gersbach, ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 88. — 4) Horowitr, 
ebeDda. Abt. II. Bd. 38. — 5) Sal us u. Hirn, ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 90. 


Nachdruck verbolen. 

Ein neues Verfahren zur Isolierung von Bakteriensporen 
aus Bakteriengemischen. 

[Aus dem Institut fiir experimentelle Therapie „Emil v. Behring' 

Marburg a. L.] 

Von H. Bold. 

Um aus Bakteriengemischen, die sich aus sporenhaltigen and nicht- 
sporenhaltigen Bakterienarten zusammensetzen, die Bakteriensporen zu 
isolieren und damit die Reinziichtung der betreffenden Arten zu er- 
leichtern, kamen bisher 2 Verfahren in Anwendung: 

1) Das Hitzeverfahren: das betreffende Baktcriengemisch wurde (wenn notig, in 
physiol. Kochsalzlosung aufgescbwemmt) im Wasserbaae 5 Min. bis 1 Std. auf 70 bi- 
85° erwarmt. — 2) Das Antiforniinverfahren (Uhlenhuth und Xylander): hierbei 
werden die Bakteriengemische mit Antiforminlosungen eine bestimmte Zeitlang versetzt. 
wobei das nichtsporenhaltige Material zugrunde geht bzw. aufgelost wird, wahrend die 
Bakteriensporen der Einwirkung des Aniiformins widerstehen. Die Angaben fiber die 
jeweils notwendige und geeignetste Antiforminkonzentration und fiber die notwendige 
und geeignetste Einwirkungszeit schwanken betrachtlich. Nach U hlenhuth vertragec 
z. B. Milzbrandsporen eine 7-stfind. Einwirkung von 10-proz. Antiforminlosung, wah- 
rend nach Kade die genannte Antiforminkonzentration Milzbrandsporen schon in etws 
4 Std. abtfitet, und nach Tuchler eine 24 stfind. Einwirkung einer 2'/,—5-proz. Anti- 
torminlosung noch nicht genfigt, um Milzbrandsporen abzutoten 1 ). 

Wie aus dem Obigen ersichthch, schwanken auch bei dem Erhitzungsverfahrer. 
die Angaben fiber die notwendigen und geeignetsten Hitzegrade sowie fiber die not¬ 
wendige und geeignetste Hitzeeinwi rkungsdauer betrachtlich. 

Das hier mitzuteilende neue Verfahren zur Isolierung von Bakterien¬ 
sporen aus Bakteriengemischen beruht auf der friiher von mir mitge- 
teilten Beobachtung 2 ), daB Bakteriensporen gegeniiber der Einwirkung 
konzentrierter Harnstofflosungen eine ausnehmend groBe Widerstands- 
kraft besitzen, die nur noch von Tuberkelbazillen (und deren Verwandten' 
annaherungsweise erreicht wird. 

Das Verfahren gestaltet sicli sehr einfach: Man schwemmt, wenn 
notig, das zu untersuchende Material etwa in 0,5 oder 1 ccm Flflssigkeit 
(physiol. Kochsalzlosung) auf, bringt die Aufschwemmung in ein Wasser- 
bad von 37°, trSgt Harnstoff bis zur Sattigung ein (es soli am Boden 
noch etwas unaufgeloster Harnstoff vorhanden sein) und laBt 5—10 Min. 

1) Nach Klimraer, Technik u. Methodik d. Bakteriologie. Berhn (Jul. Springen 
1023. S. 200. 

2) S. die kurz zuvor in dieser Zeitschrift. erschienene Arbeit: H. Dold, Beitrsee 
zur Frage der Wirkung des Harnstoffs auf Bakterien. 



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Saphir, Berichtigung usw. 


351 


im Wasserbad stehen. Hierauf impft man in der gewdhnlichen Weise auf 
ein Schrfigagarrohrchen ab und erh&lt, falls in dem Gemisch Sporen 
vorhanden waren, die sporentragenden Bakterien isoliert von den fibrigen, 
nicht sporentragenden Arten. 

In den moisten Fallen geniigt ein 5 Min. langer Aufenthalt im 
Wasserbade bei 37°. Im Brutschranke von 37° ist in der Regel eine 
V,-stand., bei Zimmertemperatur (18—20° C) eine 2—4-stund. Ein- 
wirknng des Harnstolfs nOtig, um die nicht-sporenhaltigen Begleitbak- 
terien abzutSten. 

Die bisherigen Untersuchungen haben die praktische Brauchbarkeit 
des Verfahrens erwiesen, worOber in einer eingehenderen Mitteilung 
noch bericht'et werden wird. 

Zusammenfassung. 

Versetzt man eine Aufschwemmung eines Bakteriengemisches, das 
sich ans sporenhaltigen und nichtsporenhaltigen Bakterienarten zusam- 
mensetzt, bis zur Sattigung mit Harnstoff, und l&Bt man das Gemisch 
5—10 Min. im Wasserbade bei 37° oder 1 / 2 Std. im Brutschrank (37°) 
oder 2—4 Std. bei Zimmertemperatur stehen, so erhait man nach Ver- 
impfung des Materials auf Agar lediglich ein Wachstum von sporen¬ 
haltigen Bakterienarten. Das Verfahren eignet sich demnach zur Iso- 
lierung von Sporen (z. B. Milzbrandsporen) aus Bakteriengemischen. 


Nachdruck verboten. 

Berichtigung einer von M. Knorr im Zentralblatt fur Hygiene und 
deren ttrenzgebiete Bd. 4. 1923. Heft 2 gemachten Bemerkung iiber 
ein von mir in diescm Blatte angegebenes neucs anaerobes Blatten- 

verfahren. 

Von Dr. Otto 8aphir, 

dzt. Hanna Research Fellow, Western Reserve Universitat, Department of Pathology, 
Cleveland, Ohio, U.S.A., Vorstand Prof. Dr. Howard T. Karsner. 

M. Knorr hat in seiner oben zitierten Arbeit fiber „Ergebnisse 
neuerer Arbeiten fiber krankheitserregende Anaerobier“, und zwar im 
I. Teil, betreffend die anaerobe Zfichtung S. 81, folgende mich tangie- 
rende Bemerkung gemacht: 

„Saphir hat anscheinend in Unkenntnis dieses Verfahrens neuer- 
dings ein fast gleiches angegeben und es auch fiir gut befunden“. Da- 
zu will ich nun folgendes bemerken: 

1) war mir das von M. Knorr angegebene Verfahren keineswegs 
unbekannt. (DaB ich nicht alle Arbeiten, anaerobe Kulturmethoden 
betreffend, anfuhren konnte, sondern nur die, die mir am wichtigsten 
erschienen, geht aus der fiberall bekannten Aufforderung hervor, mit 
Literaturangaben, den Zeitverhaltnissen entsprechend, mSglichst sparsam 
zu sein.) — 2) habe ich sein Verfahren durchaus nicht fiir richtig be- 
funden, da ich mich sonst nicht veranlaBt gesehen hatte, ein anderes zu 
publizieren. — Im folgenden moge es mir erlaubt sein, kurz auf die 
Unterschiede beider Verfahren einzugehen: 


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352 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 5. 


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Nach der von Knorr 1 ) angegebenen Methode wird allerdings 
keine eigene Apparatur verwendet; doch werden gewisse Rauminhalts- 
unterschiede beider Platten gefordert, die bei gleich groBem Umfange 
derselben in einem kleineren Laboratorium doch nicht immer vorhanden 
sind. Ferner wird ausdrucklich darauf hingewiesen, daB man sich — 
so wie bei den anderen bisher angegebenen Verfahren 2 ) — sehr mit 
dem PlattenverschluB beeilen muB; „man preBt sofort Platte I anf 
Platte II U ; denn trotzdem Knorr nach Treadwell mitteilt, daB von 
dem verwendeten Absorptionsgemenge genugsam Sauerstoff absorbiert 
werden kann, kann doch bei etwas langsamerem Arbeiten viel mehr 0 
der Luft nachdringen, so daB die ganzeM ethode hinfailig wird. 

Die Vorteile der von mir verwendeten Arbeitsmethode gehen aus 
meiner Arbeit in diesem Centralblatt Bd. 90. 1923. Heft 3 ohne 
weiteres hervor. Kurz wiederholen mbchte ich nur 2 Punkte, im Gegen- 
satze zur Arbeit Knorrs: 1) Man braucht nur 2 Schalen gleichen Um- 
fanges, wobei Raumunterschiede derselben gar keine Rolle spielen — 
was aus Punkt 2 hervorgeht — (wenn man nur 2 Plattenpaare hat, so 
geniigen 2 obere oder 2 untere Petri-Schalen) — und 2) man kann 
sich genugend Zeit lassen, die beschickte Platte auf die das Absorptions¬ 
gemenge enthaltende zu stellen, da der AbsorptionsprozeB durch eine 
sehr einfache Modifikation, und das ist das Wesentlichste meines Ver- 
fahrens, erst etwa 1 / i Std. nach Fixierung beider Platten und dann erst 
ganz allmahlich einsetzt. 

Die von mir beschriebene Methode ist daher mindestens eine Ver- 
besserung, welche besondere Vorteile zeigt, aller bisher angegebenen. 
einschliefilich des Knorrschen Verfahrens. 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. Heft 3/4. 

2) Siehe Literatur meiner Arbeit. S. 1. 


Inhalt. 


Brekenfeld, Zur Technik der Anaerolien- ] 
ziichtung. I. Verwertunsr des Pyrogallol- | 
Vakuumprinzips fur Einzelplattenkul- I 
turen. Mit 1 Abbildung im Text, S. 338. 

Bold, H., Ein neues Verfahren zur Iso- 
lienmg von Bakteriensporen aus Bak- 
teriengemischen, 8. 350. 

Giemsa, G., Zur Praxis der Giemsa- 
Farbung, S. 343. 

Gutfeld, Fritz v., Ueber den Wert der 
Garungsprobe bei 46° (Eijkman) und 
der Indolreaktion zur Begutachtung von 
Wasserproben, 8. 346. 

Kadisch, Ernst, Beitrage zur Anaeroben- 
technik. Mit 4 Abbildungen im Text, 
S. 330. 

Xirchner, Otto, Zur Technik der An- 
aerobenziichtung. II, 8. 340. 

Xister, E n d o - Nahrboden bei der Pest- 
diagnose, S. 280. 

Lange, L., und Xersten, H. E., Weitere 
Untersuchungen iiber „Bayer205“, 8.323. 

Manteufel, P., und Tomioka, Y., Ueber 
die Benutzung von Fleisch an 8telle von 
8erum als Antigen bei der Herstellung 
von prazipitierenden Antiseren fur die 


biologische Nahrungsmitteluntersuchung. 

S. 317. 

Mirone, Giuseppe, Weitere Anwendungen 
des Entfarbungsvermogens der chinesi- 
schen Tusche in der bakteriologisch*® 
Technik, S. 300. 

Saphir, Otto, Berichtigung einer vod 
M. Knorr im Centralblatt fur Hygiw 
und deren Grenzgebiete Bd. 4. 1S*23. 
Heft 2 gemachten Bemerkung fiber ein 
von mir in diesem Blatte angegebems 
neues anaerobes Plattenverfahren, S. 35k 

Schmidt, Ludwig, Ueber eine durch 
Leberegel bedingte Seuche beim Meer- 
schweinchen, 8. 3L5. 

Schuckmann, W. v., Zur Biologie von 
Dictyostelium mucoroides Bret 
Mit 1 Abbildung im Text, S. 302. 

S imon, M. , Ueber die Haufigtek del 
Laniblieninfektion im Rheinlande, S. 3W 

Tanner, Fred W., and Back, Gail ® > 
A 8tudy of Yeasts from 8ore Tiiroat'- 
S. 282. 

Weintraub, A., Ueber Glukosidspaltung 
durch Bakterien der C o 1 i - GrnpF^' 


Froramannsche HuchdrucKerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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Centralbl. f. Bakl etc. I. AbL Originale. Bd. 91. Heft fi. 

Ausgegeben am 25. M&rz 1924. 


Nachdruck verboten. 

Ueber das Wesen der Bakterienkapseln. 

Von Prof. Dr. S. Plasaj, Tier&rztliche Hochschule Zagreb (Jugoslavien). 

Ueber das Wesen der sog. Kapseln der Bakterien bestehen haupt- 
s&chlich 3 Meinungen: die Mehrzahl der Autoren betrachtet die Kapseln 
als hullenartige Bestandteile des Bakterienkorpers; einige Autoren aber 
betraehten sie als hullenartige Kunstprodukte (z. B. W listen berg), 
und nur sehr wenige (Fischer, v. Baumgarten, Enderle) be- 
schreiben die Erscheinung als ringformig, nicht hflllenartig. Die Re- 
sultate meiner Untersuchungen iiber das Wesen der Kapseln, die ich mit 
Stammen mehrerer sog. Kapselbakterien (B. pneumoniae Friedlander, 
B. capsulatus mucosus, Streptococcus lanceolatus) und 
B. anthracis ausgefiihrt habe, sprechen auch gegen die Annahme, daB 
in Praparaten einiger Bakterien jene wenig oder nicht gef&rbten, um 
die Bakterienkorper wahrnehmbaren, von einem gut gefarbteu Saum 
(auBere Sc^icht) abgegrenzten Hofe etwas Hiillenartiges und in der Form, 
in welcher es gewohnlich beobachtet wird, schon in der Kultur des 
Bakteriums Praexistierendes ist, und zwar aus folgenden Griinden: 

a) Es gibt PrSparate, in welchen die Kapseln, obwohl sie von einem 
breiten Saum von ihrer &uBeren Schicht, von der man behauptet, dafi 
sie zur Kapsel gehort, abgegrenzt sind, fast gar nicht gefSrbt sind und 
der Bakterienkorper innerhalb dieser Saume mit klar abgegrenzten 
Randern sichtbar ist. Sollte diese auBere Schicht den Bestandteil einer 
Bakterienkapsel darstellen, so iniiBte sie als Hiille den BakterienkQrper 
mehr oder weniger verdecken bzw. unsichtbar machen, was aber auch 
bei noch so breiten und starken fcuBeren SSumen nicht der Fall ist. 
Klar zeigte sich, daB es sich um keine Hiillen handelt, namentlich in 
jenen Fallen, wo die Zelle in einem glashellen, aber von einem sehr 
dicken Saum umgebenen Hofe liegt. — b) Die Kapsel ohne ihre auBere 
Schicht, also die Gegend zwischen Bakterienkorper und Kapselsaum, er- 
scheint oft auch nach denjenigen Manipulationen hell, bei welchen sonst 
jede (schleimartige oder ahnliche) organische Substanz wenigstens etwas 
Darstellungsstoff aufnimmt (sie bleibt zuweilen hell, z. B. bei Ver- 
wendung des Versilberungsverfahrens zur GeiBeldarstellung nach Zett- 
now). Wir haben also auch fur den Fall, daB die auBere Schicht als 
nicht der eigentlichen Kapsel zugehorig angesehen wird, keinen Grund, 
anzunehmen, daB sich um den Bakterienkorper herum in Form einer 
Hiille eine schwer farbbare Substanz befindet, denn es ist nicht einzu- 
sehen, warum diese Substanz manchmal bei st&rkster Farbung ungef&rbt 
bleibt. — c) Man sieht in einigen Praparaten H6fe, in denen Bakterien 
ganz oder teilweise fehlen (Milzbrand). Handelte es sich um Hullen, 
so kbnnten die Bakterien nicht aus den fixierten Hiillen ausschliipfen, 
bzw. falls das Ausschliipfen intra vitam geschehen ware, konnten die 
Konturen der leeren und demnach noch nachgiebigeren Hiillen nicht so 
Em* Abt. orig. Bd. 9i. Heft 6. 23 


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354 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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gut in ihrer Form erhalten bleiben. — d) An den ira h&ngenden Tropfen 
oder iiberhaupt an den in einer Fliissigkeit suspendierten, gef&rbten 
oder ungefarbten und scharf eingestellten Bakterien sieht man keine 
Kapseln. 

Diese Grflnde sprachen also daffir, dafl das, was wir in trockenen 
Pr&paraten um die Bakterienkorper herura sehen, nur ringformig, 
nicht aber spharisch, d. i. hullenartig, die Bakterienkorper um- 
gibt, und daB es nicht in tier Form, in welcher es in Trockenpraparaten 
zur Ansicht kommt, in der Kultur des Bakteriums praexistiert, sondern 
wahrend der Anfertigung des Praparates entsteht. 

Im Sinne Fischers erkiart v. Baum gar ten 1 ) die Entstehung 
dieser Erscheinung, die man allgemein als Kapsel bezeichnet, auf folgende 
Weise: „Die Einbettungsfliissigkeit, die in sehr diinner Schicht auf deni 
Deckglas ausgebreitet wird, trocknet friiher ein als die wasserreichen 
Bazillen, die bei der Eintrocknung etwas zusammenschrumpfen, am 
starksten, wenn das letzte Wasser verdunstet und der EiweiBuberzug 
bereits angetrocknet ist. Um den Bazillus entsteht somit ein Ring, 
der im gefarbten Praparat den gefarbten Bazillus als ein heller Hof 
umgibt. Dieser setzt sich gegen den mitgefarbten EiweiBuberzug scharf 
ab und tauscht so eine Kapsel vor. Zum Beweise hierfflr farbt v. Banin- 
gar ten Bazillen aus Agarkultur, die in Wasser am Deckglas angetrocket 
sind, und findet keine Kapseln; werden dagegen Bazillen aus derselben 
Kultur in einer Gewebsflussigkeit eines gesunden Tieres ausgetrocknet 
und gefarbt, so tritt wieder Kapselbildung ein“ 2 ). 

Fur diese Auffassung spricht auch das Ergebnis der Untei^uchungen 
von Enderle 3 ), der die hellen, in der Regel nicht gefarbten, nacb 
auBen meist durch eine feine, gefarbte Linie begrenzten Hofe, die er in 
den Trockenpraparaten der Bazillen um diese (gleichviel, ob sie auf 
Bouillon, Agar, Blutserum oder im lebenden Tierkorper gewachsen waren) 
gesehen hat, fur nichts anderes halten kann, als fiir durch Schrumpfung 
der Bazillen bedingte Liicken im Ausstrich. 

Diese Erklarungen, mit Annahme einer Retraktion des Bakterien- 
korpers, scheinen insofern ganz unrichtig zu sein, als sie unserer Kenntnis 
von der GroBe der in Betracht kommenden Bakterien in lebendigem 
Zustande widersprechen. Denkt man sich namlich die Kapselhofe als 
durch Retraktion des Bakterienleibes wahrend des Trocknens entstanden, 
so miiBten wir z. B. ein lebendes, nicht retrahieites, in einer Fliissigkeit 
suspendiertes (und eventuell gefarbtes) B. pneumoniae beinahe 3mal 
so dick sehen, als im gefarbten trockenen Praparate, was aber nicht der 
Fall ist. 

Ich mbchte nun versuchen, das Wesen der Erscheinung durch eine 
andere, von der von Fischer, v. Baumgarten und Enderle an- 
gegebenen verschiedene, mit den bakteriologischen Tatsachen nicht im 
Widerspruch stehende Annahme zu erkliiren: W T ir konnen einen Vorgang 
demonstrieren, der die „Kapsel-, Schleimhiillen- und Scheinhullenbildung" 
der Bakterien schon imitiert: In einer weiBen Schale verriihrt man z. B. 
mit Wasser etwas zerstaubte Ivohle, in der man zugleich grbBere, etwa 
mohnsamengroBe Kohlepartikelchen gelassen hat, und gieBt das Wasser 

1) Zitiert nach Wiistenberg (Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 43. S. 1>- 

2) Trotz der oben genannten Erklarung steht v. Baumgarten auf dem Stanu- 

punkte, daB dan Vorkommen einer wirklichen Kapselbildung nicht bezweifelt werden 
kann. Zitiert nach Wiistenberg, 1. c. . 

3) Arbeiten aus dem path.-anat. Institut Tubingen (v. Baumgarten). Bd. 8. & !• 



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Plasaj, Ueber das Weaen der Bakterienkapseln. 


355 


ab. Es erscheinen dann oft im Rtickstande auf dem Boden um die 
groBeren Partikelchen herum kreisformige, den Bildern der eine Kapsel 
zeigenden Bakterien gleich aussehende Figuren, die mehr oder weniger 
hellen Hofe und Saume. Die nahen, sich berfihrenden Partikelchen 
werden von einem gemeinsamen Hofe umgeben (Zoogloeaform). 

Meiner Ansicht nach sind die sog. Kapseln bei den Bakterien durch 
homologe Krfifte bedingt, durch die sich im beschriebenen Falle die 
kleineren Partikelchen um die groBeren in einem bestimmten Abstande 
anordnen, d. i., die Ursache der Entstehung der Hofbildung liegt wahr- 
scheinlich in der Aenderung des Kouzentrationsverhaltnisses zwischen der 
Bakterien oberflache und ihrer Umgebung, wobei die winzigen, in der 
Regel von den Bakterien abstammenden und in ihrer Umgebung sich 
befindenden Partikelchen (Schleimpartikelchen, zerfallene GeiBelsubstanz) 
in der Suspensionsflfissigkeit durch die OberflachenspannungskrSfte um 
die Bakterien angeordnet werden. Durch diese Annahme fiber das Wesen 
der Kapseln (der Hofe) wfirde manches verstandlicher werden, nament- 
lich in bezug darauf, daft die Farbung der Kapseln nicht immer gelingt. 
Sie gelingt nfimlich nur dann, wenn die Saume um die Bakterien sich 
uberhaupt gebildet haben und durch eine genfigende Menge von Par¬ 
tikelchen dick genug ausgefallen sind. Sie gelingt leichter bei von der 
Oberflache viel Schleim absondemden Bakterien, als bei anderen, bei 
denen dies nicht der Fall ist; leichter ferner beim Ausstreichen eines 
die Bakterien enthaltenden Gewebssaftes Oder beim Ausstreichen der 
Kultur in Tusche, Kollargol (Hamm) 1 ), GlyzerineiweiBlosung (Boni) 2 ) 
u. dgl., als beim Ausstreichen in Wasser. Aus dieser Deutung des 
Wesens der Kapseln (Hofe), deren Bildung nur durch die Faktoren vor 
der Austrocknung des Praparates bedingt zu sein scheint, ergibt sich, 
daB die Methodik zur Darstellung der Kapseln einer prinzipiellen Aende¬ 
rung der Richtung bezfiglich des Suchens eines besseren Darstellungs- 
verfahrens bedarf. Aktuell sind nicht Untersuchungen fiber die ffirbe- 
rischen Manipulationen nacli der Austrocknung des Praparates, die schon 
in groBer Zahl veroffentlicht worden sind, sondern jene fiber das Wesen 
der Faktoren, die vor der Austrocknung die Hofbildung bestimmen. 

Zusammenfassung. 

Die sog. Bakterienkapseln sind Artefakte, und zwar keine htillen- 
artigen, sondern ringformigen, die in der Kultur des Bakteriums 
nicht praexistieren, sondern erst beim Ausstreichen der Bakterien vor 
(bzw. wfihrend) der Austrocknung der die Bakterien enthaltenden 
Flflssigkeit entstehen. Die Ursache der Entstehung dieser Kunstpro- 
dukte liegt nicht, wie Fischer und Enderle angeuommen haben, in 
der Zusammenziehung der Bakterienkorper wahrend ihrer Austrocknung, 
sondern es erscheint wahrscheiulich, daB die Bildung dieser Bakterien- 
ringe in der Wirkung der Oberflachenspannungskrafte liegt. 

1) A. Hamm, Centralbl. f. Bakt.. Abt. I. Orig. Bd. 43. S. 287. 

2) J. Boni, ebenda Bd. 28. 8. 705. 


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Nachdruck verboten. 

Kasuistische Beitrage zur Bakteriologie der Aerogenes- 

Gruppe. 

[Aus der veterinarbakteriologischen Untersuchungsstelle bei der Pro- 
sektur in Troppau, tschechosl. Rep.] 

Von Dr. E. Janusclike, Staatsveterinar. 

Mit 4 Abbildungen im Text. 

Von der engeren Fried lan der-Gruppe unterscheiden sich nach Strong die 
Aerogenes-Bakterien dadurch, daB sie nicht nur Trauben- und Rohrzucker, sondern 
auch Milchzucker unter Saurebildung zersetzen und auf kunstlichen Nahrboden keine 
Kapseln bilden, von den eigentlichen C o li-Bakterien durch die Schleimproduktion und 
durch das Fehlen der Eigenbewegung. Indessen wird dieses letztere Merkmal auch be- 
stritten. 

Auch sonst decken sich die Literal urangaben iiber die charakteristischen Merk- 
male der Aerogenes-Bakterien in mehrfacher Hinsicht nicht. Kruse gibt an, daB 
sie gleiche Eigenschaften haben wie die Coli, nur unbeweglich sind und in schleimigen 
Kolonien wachsen. Nach C. O. Jensen sind sie beweglich und zeichnen sich vor 
Coli durch weitaus starkeres Garungsvermogen aus. Ebenso beschreiben Hopffe 
nnd Hartmann ein lebhaft bewegliches Kapselbakterium. Wilde lafit die Beweg- 
lichkeit als Unterscheidungsmerkmal nicht gelten. Abel und Hallwachs bezeichnen 
als Unterscheidungsmerkmal der Aerogenes- und anderer Kapselbakterien von den 
Coli-Bazillen das Fehlen der Indolbildung. Auch nach Leh m an n - N eumann 
bildet das Bact. aerogenes lactis kein Indol; es unterscheidet sich im iibrigen nach 
diesen Autoren durch die gramnegative Fiirbung von dem grampositiven Bact. lactis 
aerogenes = Bac. acidi lactis = Streptococcus acidi lactici. Es gibt 
femer nach denselben Autoren gelatineverflussigende. coli-ahnliche Formen, welche 
gramfest sind und Gestank erregen. Das echte Bact. aerogenes wachst in Gelatine 
ohne Verfliissigung in sogen. Nagelformkultur. Die biologischen Eigenschaften der 
Aerogen es-Gruppe seien iibrigens variabel, weshalb uber Zusammengehorigkeit und 
Klassinkation der Arten verschiedene Auffassung herrsche. M i e finer spricht von 
eiuem Diplobacterium capsulatum, das er bei der Fohlenlahme isolierte und 
das in die Gruppe der Aerogeues-Bazillen gehort, in wefcher es sich durch Doppei- 
lagerung innerhalb der Schleimkapsel auszeichnet. 

Als charakteristisch fiir die echten Aerogenes-Bakterien gilt also 
die gramnegative Farbung, die Schleimproduktion, das biochemisch den 
Coli-Bazillen gleiche Verhalten und das Fehlen der Indolbildung und 
der Gelatineverfliissigung. 

Von 4 unzweifelhaften Acrogenes-Stiimmen, je 1 von inir aus einem Falle von 
Fohlenseptikamie (zusammen mit Bac. pyocyaneus und Bact. coli B) undausden 
Organen eines mit zahlreichen Exemplaren von Trichocephalus crenatus und 
Strongvlus paradoxus behaftetcn und eingegangenen Ferkels isolierter und je ' 
aus Uterinsekret vou menschlicher Puerpernlsepsis und aus Wasser in der Prosektur 
des Krankenhauses geziichteter und mir vom Prosektor Herrn Doz. Dr. Materna 
iiberlassener Stamm zeigte der Fohlen-, Menschen- und Ferkelstamm einige Abweichungeti 
von einzelnen Literaturangaben, wahrend der Wasserstamm normale Verhaltnisse auf- 
wies und zur Kontrolle diente. Ein 5. Stamm, ein aus dem vorerwahnten Ferkel i«o- 
liertes Bact. fluorescens liquefaciens, zeigte vorubergehende und endlichein6. 
von einem Falle intestinaler bazilliirer Schweinepest stammender und mir von Herrn 
Tierarzt Dr. Werner in Graz iiberlassener Milchzucker-labiler inagglutinabler Sui- 
pestifer dauerndes Schleimbildungsvermogen. 

A. ACrogenesstamme. 

1. Wasserstamm. 

Morphologie: Gramnegative (Loefflersches Karbolmethylviolett), coliahnjiclw 
ovate Kurzstabchen, zahlreiche Doppelkeulenformen, welche an den eingeschniir ,en 



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Januschke, Kasuist. Beitrage zur Bakteriologie der Aerogenes-Gruppe. 357 

Enden zusammenhangen. Kapselbildung ist im Gram-Bild nur bei eingeschalteter 
Blende angedeutet, bei Oltscher Farbung ohne weiteres deutlich. Im h&ngenden 
Tropfen von einer Gafinersehen Metachromgelbwasserblauplatte schwache Molekular- 
bewegung. Innerhalb einer deutlich Bichtbaren Kapsel liegen uberwiegend: Diplo- 
bact. capsulatum (Miefin er)-Formen (siehe Fig. 1). Daneben sieht man kokken- 
ahnliche (Fig. 2) und bipolar strukturierte Gestalten (Bild 3), wobei die Polgegenden 
beim Auf- und Niederschrauben der Mikrometerschraube als helle, glanzende Kugeln 
erecheinen. Endlich gibt es noch Formen, die den Doppelkeulenbilaern im Gram- 
Ausstrich entsprechen und die offenbar das Uebergangsstadium zwischen dem bipolar 
strukturierten und den Diploformen, also wahrscheinlich eine Zellteilungsphase, dar- 
stellen (Fig. 4). 



Fig. 1.2 3 4 

Kultnr: Auf Agar und Gelatine — auf letzterer im Stich in Nagelkopfform und 
ohne Verfliissigung — iippig, auf Gafin er - uud Conradi- Drigalski-Platte schleimig 
und im Durchschnitt halbkugelig mit blauer bzw. schwach roter Verfarbung des Nahr- 
bodens. Nach langerem Wachstum auf der Drigalski-Platte erscheint die Kultur 
milchig getriibt, schliefilich als formlos zerfliefiendes Wolkengebilde; auf der Gafiner- 
Platte zeigt sich innerhalb der farblosen Schleimglasurhulle eine Zeichnung spiralig- 
konzentrischer oder streifiger Schichten, die von Blaugriin bis Hellgelb und Weifigrau 
wechseln. 

Biochcmie: Mannit, Traubenzucker, Milchzucker (entsprechend dem Yerhalten auf 
der Gafiner- und Drigalski-Platte), Rohrzucker und Malzzucker werden ver- 
goren (Ilotfarbung und Gerinnung der LackrausnutroselOsung). Gasbildung in 
Traubenzuckerbouillon l 1 /, ccm im Garrohrchen, in Milchzuckerbouillon ganzliche An- 
fullung und Auftrieb des Garrohrchens nach 24 Std. Rotbergerscher Neutralrot- 
agar gelb entfarbt und stark zerkluftet. Indolbildung in 5—lOtagiger Hottinger- 
Peptonbouillonkultur nach Ehrlich negativ, nach Kitasato-Salkowski positiv 
(nach Frieber handelt es sich hierbei allerdings um eine Indolessigsaure-, nicht um 
eine Indolreaktion), nach Morelli negativ. 

2. Fohlenstamm. 

Morphologie: Bipolar gefarbtes, ovales, in alteren Kulturen manch- 
mal geblahtes und mit Vakuolen versehenes, relativ groBes und plumpes 
Kurzstabchen mit gramfesten Kornchen im Bazillenleib aus Kultur und 
Tierkorper. Hangender Tropfen: Aus den schleiinigen Kulturen 
von der GaBner-Platte angelegt, erscheint der Keim absolut unbeweg- 
lich, nicht einmal in Molekularbewegung, oft zu zweien hintereinander 
gelagert; aus gewohnlicher Agarkultur erscheinen die meist siugularen 
Stabchen kiirzer und weniger plump, fast kokkenartig und in lebhafter 
Molekularbewegung. Im abgeblendeten Gesichtsfeld ist deutlich die 
Kapsel der einzelnen Gebilde zu sehen. Stets sind innerhalb einer 
Kapselhiille bipolar gefiirbte Einzelgestalten, Doppelkeulenformen, Diplo- 
oder selbst Triplobazillen zu unterscheiden. Die Zelleiber sind ent¬ 
sprechend den im Ausstrich grampositiv gef&rbten Anteilen stark struk- 
turiert. Die Polenden erscheinen beim Auf- und Abdrehen als starker 
lichtbrechende Gebilde. Die Einzel-, die bipolarstrukturierten, sodann 
die Doppelkeulenformen und endlich die 2- und 3gliedrigen Bazillen- 
verbande innerhalb der Schleimkapsel scheinen auch hier Stufen einer 
Entwicklungsreihe zu sein. 

Kultnr: Auf Agar ziemlieh iippig mit leicht iiblem Geruch. Gafiner-Platte: 
schleimige Kolonien mit Blau-, D r i ga 1 s ki - Platte: mit Rotfiirbung. Nach 2—4 Tagen 
entstehen auf der Gafiner-Platte machtige schleimige. graublaue Kugeln, innerhalb 
welcher sich der radiar gestreift hellgriine Kulturrasen befindet, und die schliefilich auf 
die Innenseite des Deckels der umgesturzten Petri-Schale herabfliefien. Hottinger- 
Peptonbouillon: anfanglich gleichrniifiige Triibung unter einer leichten Kahmhaut, nach 


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einigen Tagen Aufklarung und Bildung eines grobflockigen Bodensatzes. Gelatine- 
stich ohne Verfliissigung in Nagelkopfform. 

Biochemle: Lackmusnutroselosung mit Mannit-, Trauben-, Milch-, Rohr- und 
Malzzuckerzusatz nach 24 Std. gerotet und geronnen. Lackmusmolke gerotet, Neutral- 
rotagar gelb und zerkluftet. Gas bildung in Milchzuckerbouillon reichlicher als in 
Traubenzuckerbouillon. Indolprobe nacn Ehrlich und Kitasato-Salkowski 
negativ, nach Morelli spurweise positiv (?). 

Pathogenitiit: VVeiSe Mause sterben in 12 Std., Meerschweinchen in 36 Std. nach 
intraperitonealer Impfung mit Bruchteilen einer Oese Kultur (Septik&mie, hamorrhagische 
Peritonitis und Urethritis). 

Das eigenartige Verhalten gegeniiber der Gram-Farbung verdiente 
besondere Priifung. Das Gesichtsfeld zeigt nebeneinander grampositive, 
gramnegative und Stabchen, deren sonst gramnegative Substanz grara- 
positiv granuliert und strukturiert ist. Besonders bei Ausstrichen von 
der Gassner-Platte sieht man die schon erwahnten Keulen-, Blah- 
und Vakuolenbildungen in flugel- Oder hofartigen, unscharf gerandeten 
und schwach fuchsinrot tingierten Schleiinhullen. Von gewohnlicher 
Agarkultur ausgestrichen, farbt sich gleichfalls ein Teil der Stabchen 
grampositiv, ein anderer gramnegativ; Blahformen, Vakuolen und Hof- 
bildung fehlen meist. Gelegentlich sind Faden zu beobachten. Das 
gleiche Bild zeigen Ausstriche aus Bouillonkulturen. 

Der durch dieses bunte Bild nahegelegte Verdacht einer Verunreinigung wurde 
durch weitgehende Verdiinnungskulturen una Tierimpfung ausgeschlossen. Das Farb- 
bild blieb gleich. Bei Parallelfarbung echter gramnegativer und selbst der aL- 
Gram ± geltenden Iiauschbrand- und Oedembakterien waren diese stets entfarbt. 
Endlich wurde die zur Gram-Farbung verwendete Loefflersche Karbolmethyl- 
violettlosung durch Parallelfarbungen mit Anilinwassergentianaviolettlosung 
kontrolliert; mit dieser zeigte sich nun das vorliegende Aerogenes-Bak- 
terium rein gramnegativ gefarbt. Eine prinzipielle Aenderung dieses be- 
schriebenen Verhaltens konnte durch eine verschieden lange Einwirkung der Chemi- 
kalien nieht erzielt werden. Da das Loefflersche Methylviolett und das Gentiana- 
violett als Pararosaniline in ihrer Wirkung gleichwertig sind, und der als Beize dieneude 
Karbol- und Methylenblauzusatz das Farbeergebnis der echten Gram-Negativen nicht 
beeintrachtigte, miissen besondere Verhiiltnisse im Protoplasma des Stammes dessen 
eigentumliche Zwischenstellung verursachen. 

Membrandurchlassige Bakterien farben sich nach Eisenberg gramn^ativ. 
membranundurchlassige positiv; die positive Farbung kommt nach Dana bei ent- 
sprechender Beschaffenheit des Zellleibs dnrch eine festc Bindung von Gewebe Pararo- 
auilin -f Jod zustande. Hottinger nimmt an, dafi diese Bindung in den Nukleo- 
protoidkornchen im Zelleib stets eintritt und je nach deren charakteristischer Ver- 
teiluug durch die Lichtbrechung entweder ein grampositives oder -negatives Bild eot- 
steht. Diesen Ansichten stimmt Kruse im wesentlichen zu, und halt es fiir erwagen?- 
wert, ob manche grampositive Bakterien gewisse Entwicklungtstadien haben, in denen 
sie, analog dem nicht saurefesten Stadium des Tbc-Bazillus (Much), nicht grandest 
sind; au'cn absterbende Individuen sind leichter entfarbbar. Junge Individuen dee 
Bac. pyocvaneus farben sich nach Gotsch lich grampositiv und auBerdem soil 
die Gram-Farbung durch Fett, EiweiS, Starkekleister gefordert, durch Sauren, Al- 
kalien und Verdauungsfermente gehindert werden. 

Fiir den Ausfall der Gram-Farbung werden also hauptsachlich 
Hiille und Struktur des Zelleibes verantwortlich gemacht. Diese 
Eigenschaften sind in der Regel konstant, scheinen aber bei manchen 
Arten labil und durch das Alter der Bazillenindividuen und das Medium 
beeinfluBbar zu sein. Solche Arten werden gewohnlich als gram-± 
angegeben. Aber auch innerhalb der sonst konstant grampositiven oder 
-negativen Gruppen wird es gewisse Abstufungen zwischen den 2 gegen- 
satzlichen Polen geben, die unter dem EinfluB entartender VorgSnge 
rascher oder schwerfiilliger die Neigung bekunden, von ihrem sonst kon- 
stanten Verhalten abzuweichen. Diese Abweichungen sind ebenso wie 
die scheinbar plotzlichen und grundlosen Veranderungen von konstanten 


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Januschke, Kasuist. Beitrage zur Bakteriologie der A erogenes-Gruppe. 359 


Rassen als Variationen (nicht erbliche Modifikation und relativ erbliche 
Alternation im Sinne Toenissens) zu bezeichnen. 

Die Frage, ob die Aerogenes-Bakterien als gramlabil im er- 
orterten Sinn zu gelten haben, ist nach den Literaturangaben und auf 
Grund eigener Priifung anderer St&mme zu verneinen. Auch der vor- 
liegende Stamm kann nicht als gramlabil im obigen Sinne gelten, da 
gewisse Anteile des innerhalb der Kapsel liegenden Protoplasmas die 
Gram-F&rbung bei Verwendung der Loefflerschen Farblosung auch 
uach ausgedehnter Entfarbung beibehielten. Diese Eigenschaft dQrfte 
sich lediglich durch eine Ueberemptindlichkeit gegen die als Beize wir- 
kenden Zusatzchemikalien erklSren lassen. Vielleicht kommt auch die 
zweifellos primitive genetische Stufe der Aerogenes-Bakterien und 
eine damit zusammenhangende, unter gelegentlichen Einflhssen manifest 
werdende Neigung zu Variationen hier in Frage. Um diese Variations- 
fahigkeit zu priifen, wurde der Fohlenstamm in 30 Generationen durch 
tagliche Abimpfung parallel auf Gassner - und Agarplatten fortgeziichtet. 
Hierdurch hat sich sein Verhalten gegeniiber der Gram-F&rbung nicht 
verandert; die zusammenhangende Substanz war teilweise grampositiv 
strukturiert oder in toto gefarbt. Dagegen hat einerseits die Schleim- 
produktionsfahigkeit im Laufe der Weiterzuchtnng auf der Agarplatte 
zugenommen, andererseits wurde die interessante Beobachtung gemacht, 
d a B wahrend der Fortziichtung auf der GaBnerplatte die 
Milchzuckerspaltungsfahigkeit des Stammes abgenommen 
hatte, so daB stellenweise die Blauf&rbung nicht nur aus- 
blieb, sondern an deren Stelle ausgespr ochen e Gelb- 
farbung auftrat. 

Wilde hat bei der Aerogen es - Gruppe eine nach dem Nahrboden veranderliche 
und schlieBlich bestandig werdende Abanderung in der Schleimbildung beobachtet, 
wobei mit der Abnahme der Schleimproduktion eine morphologische Formveriinderung 
der ursprunglich kugeligen und dicken Stabchen zu kleinereu und schlanken Formen 
einherging, die schfieBlich den Coli-Bazillen durchaus glichen. Liitje hat Be- 
obachtungen iiber Mutationen von Paratyphus B und Aerogenes-Bakterien hinsicht- 
lich der Gasbildung aus Milchzucker publiziert, die nach langerer Ziichtung auf zucker- 
freien Nahrboden an Energie deutlich einbiiflte. Diesen zwei Literaturangaben stehen 
meine eigenen Beobachtungen direkt entgegen: in den eigenen Versuchen wurde nicht 
eine Abnahme, sondern eine Zunahme der Schleimbildungsfahigkeit durch liingere Fort- 
zuchtung und weiter eine Abnahme der Milchzuckeraktivitat nicht bei Fortziichtung 
auf zuckerfreien, sondern bei ausschliefilicher Ziichtung auf der milchzuckerhaltigcn 
GaSner-Platte wahrgenommen. Dies miissen keine Widerspriiche sein; auf die In- 
aktivitatsatrophie folgt zeitlich die Uebungshypertrophie und endlich wieder die Er- 
schopfung8atrophie; zeitlich differente Beobachtungsbedingungen konnen diese Wider- 
spriiche in den biologischen Eigenschaften erklaren. Nach Th. Gruber Bchliefilich 
entspricht einer Zunahme des Vermogens der Sauregiirung eine Abnahme des Schleim- 
bildungivermogens. Dies findet, wenn auch im umgekehrten Sinne und gesondert fur 
jeden Kulturstamm, eine Bestatigung in rneinen Versuchen. Leider fehlt, da mir diese 
Literaturstelle erst nach AbschluB der Untersuchungen bekannt wurde, die gekreuzte 
Prufung d&s Agarstammes auf der GaBner-Platte und des GaBner-Stammes auf 
Agar. 

• 

3. Men schen stamm. 

Morpkologle: Im Objektglas Ausstrich wfe Coli; im hangenden Tropfen aus 
frischer Agarkultur lebhafte Molekularbewegung der nicht oder unaeutlich bekapselten, 
bipolarstrukturierten oder in Diploformen aneinanderhangenden Stabchen; aus schlei- 
uiiger GaBner-Kultur absolute Unbeweglichkeit. Die Bakterien sind kleiner als die 
des Fohlenstammes. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Knltur: Auf der GaBner-Platte in 1. Generation schleimig und 
halbkugelig, bei Weiterimpfung flach, fast trocken, weinblattartig. GeU- 
tine wird langsam verfliissigt. 

Biochemle: Entspricht vollig dem Bacterium coli A. Gas- 
bildung in Traubenzuckerbouillon starker als im Milchzucker. Indol- 
probe nach Ehrlich stark positiv. (Nach Morelli negativ.) 

Auch dieser Stamm wurde parallel auf Agar- und GaBner-Platten 
in 30 Generationen fortgezuchtet; eine Abanderung seiner biologischen 
Eigenschaften oder ein Ruckschlag auf die schleimige Wuchsform wurde 
hierdurch nicht erzielt, nur die Einzelstabchen erschienen etwas plumper. 
Wurde jedoch der Stamm nach AbschluB der Passagen einige Wochen 
auf Agar gehalten und hierauf neuerlich auf der GaBner-Platte ge- 
priift, so zeigte er plotzlich aufs neue die Fahigkeit, rings um die dunkel- 
grime, fast trockene Kultur einen saftigen, schmalen, taubengrauen Wall 
vorzuschieben und aus diesem, basteiartig vorspringend, an einzelnen 
Stellen des Kulturrasens graublaue schleimige Halbkugeln zu bilden. 
welche bei Zimmertemperatur in einigen Tagen ineinander iiberflossen 
und eine zusammenh&ngende Schleimmasse bildeten. In der Folgezeit 
traten oft trockene und schleimige Stellen in der Kultur nebeneinander 
auf und auch bei Abimpfungen sowohl von den schleimigen als auch 
von den trockenen Stellen ergab sich immer das gemischte Bild. Die 
Eigenschaften der G r am - Entfarbung, der Gelatineverfliissigung und 
der Indolproduktion waren unverandert. 

Wahrend der Teilverlust der Zuckeraktivitat des Fohlenstammes und vielleicht 
auch die kleine morphologische Veranderung des Menschenstamrues wohl als nicht erb- 
liche Modifikation aufzufassen sind, kann der plotzliche und kunftig bewahrte Wieder- 
erwerb der in der 2. Kulturgeneration verlorenen Schleimbildungsfahigkeit des Menscheii- 
stammes als progressive Alterationserscheinung im Sinne Toennissens gelten. Inter- 
essant ist beim letzteren Falle, dsfl die in Toennissens Sinne retrogressive Alteratione- 
form der fehlenden Galaktanproduktion nicht aus alter Kultur, sondern schon bei der 
2. Generation gewonnen wurde. Die zur Bestimmung des Variationstvps notigen zahl- 
reichen Tierversuche lagen nicht im Rahnien dieser Arbeit. 

4. Fe r kelstam m. 

Morphologic: Gramnegative, plumpe, kurze Stabchen mit deutlicher bipolarer oder 
segmentierter Farbung oder in Diplostellung. Den Hauptteil des Zelleibes nimmt eine 
ungefiirbte oder ganz schwach tingierte Strukturbildung ein; mehrfach ist einseitige 
Polfarbung mit Vakuolenbildung zu beobachten, Doppelkeulenformen, wie beim Fohlen- 
und Wasserstamra, sind nicht vorhanden. Hiingender Tropfen: deutliche Mole- 
kularbewegung, bekapselte, plumpe Kurzstiibchen meist in Diplo-, manchmal auch in 
Triplostellung, bipolare oder segmentierte Struktur. 

Kultur: Auf Agar iippig, im Gelatinestich Nagelform ohne Verflussigung. Ant 
der GaBner- und der C o nr ad i - Dr i gal s ki - Platte niederer, fast trockener Kultur- 
rasen und stark schleimige Wallbildung. Nach weiterer Ziichtung erschien die Kultur- 
raupe und der gelappte Vorhof von einer im Durchschnitte halbkugeligen Schleimhiille 
iiberzogen. Also auch hier zunehmende Schleimproduktion nach lin¬ 
gerer kiinstlicher Ziichtung. 

Biochemle: Verhalten in der bunten Reihe wie Bact. coli. Gas bildung: in 
Traubenzuckerbouillon nach 24 Std. I 1 /* ecm, in Milchzuckerbouillon das ganze tiar- 
rohrchen erfiillend. 

I n d o 1 probe nach Ehrlich schwach, aber deutlich positiv. 

B. liuiiiherungsstaniine. 

6. Atypischer Suipestifer. 

Morphologie: Gramnegative Stabchen, 7 a —'/. so groB wie der Fohlen-Aero- 
genes-Stamm, diplokokkenfbrmig oder bipolar gefarbt, einzelne schwach strukturierte, 
liingere Stabchen, in alterer Kultur auch kurze und lnnge Fiiden. M ethylen b 1 au- 


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Januschke, Kasuist. Beitrage zur Bakteriologie der A erogenes-Gruppe. 361 


farbung lafit Schleimhiille erkeunen. Hangender Tropfen: Behr kleine und 
kurze bipolar oder segmentiert strukturierte oder in Diplostellung befindliche Stabchen 
mil angedeuteter Aureole in schwacher Molekularbewegung. 

Kultur: Agar: iippig schleimiges Wachstum, Gelatine: ebenso 
ohne Verfliissigung; Can tan i- Agar: starke Wallbildung. Drigalski- 
und GaBner-Agar: starke Wallbildung mit nachfolgender oder von 
vornherein einsetzender starker Schleimumhflllung der Kultur- 
raupe. 

Biochemie: Hetsch und Barsiekow I in 24 Std., Malzzuckerlackmusnutrose- 
losung in 48 Std. geronnen, Barsiekow II nach 5 Tagen schwach gerotet, nach 
2—3 Wochen milchig getriibt, Rohrzucker unverandert, Lackmuslftsung gerfltet. Gas- 
bildung: in Traubenzuckerbouillon Spur, in Milchzuckerbouillon 0. Neutralrotagar 
gelblich aufgehellt, Indol nach Ehrlich negativ. Entsprechend dem Barsiekow II, 
zeigt die G a finer-Kultur neben der an Stellen dichten Wachstums blauen Farbung 
stellenwei.se gelbe Aufhellung. Bei Abimpfung von den hellgelben Stellen und weit- 
gehender Verdunnung des Kulturmaterials entsteht immer wieder das gleiche gemischte 
Farbphanomen. Innerhalb der glasig durchsichtigen Schleimbildung liegt die eigent- 
liche hell bis blaugriine Kultur mit glaserbiirstenartiger Zeichnung oder es liegen die 
hellgrunen Kolonien napfartig in einem dicken, glasig durchscheinenden Wall eingebettet. 

In dei Tiermedizin scheinen relativ haufig miichzuckerlabile Arten der Coli- 
Typhusgruppe pathogen zu wirken; sie wurden gelegentlich und wenig iiberzeugend als 
C o 1 i - Paratyphus bczeichnet. Der vorstehend Deschriebene Stamm ist weder durch 
Paratyphus B-, noch durch Suipestif er-Serum agglutinabel, gehort aber nach seinem 
epidemiologischen und biochemischen Verhalten zweifellos zu den Angehorigen der 
Suipestifer - Kunzendorfgruppe. 


6. Atypisches Bact. fluorescens liquefaciens. 

Morpbologie: Gramnegative solid oder strukturiert gefarbte Kurz- 
stabchen. Hangender Tropfen: von Gafin er- Platte verschiedeu 
lange, vollig unbewegliche Stabchen, bipolar oder segmentiert oder 
aus 2—3 kokkenahnlichen Gebilden innerhalb einer deutlichen 
Schleimhiille znsammengesetzt. 

Kultur: Agar uppig. Gafiner-Platte: in 1. Generation dauernd 
gelb aufhellendes, schleimig halbkugeliges Wachstum mit hell- 
grungelben, flocken- und streifenformigen Verdichtungen im Kultur- 
rasen und glasheller Schleimperipherie. Bei weiteren Generations- 
folgen verlor sich die Schleimbildungsfahigkeit vollig, 
wahrend gleichzeitig nunmehr eine allmahlich zunehmende Biau- 
ung der Gafiner-Platte zu beobachten war. Im Gelatinestich 
tritt vom 4. Tage an langsame Verfliissigung auf. 

Biochemie: H etsch - Losung 1 Woche unverandert, hierauf mififarbig weifi-gelb- 
blau. Barsiekow I nach 4 Tagen geronnen, Barsiekow II, Rohr- und Malzzucker- 
losung nach 4—6 Tagen geblaut, starke Kahmhaut. Neutralrotagar unverandert. Indol- 
probe nach Ehrlich negativ. 

Der bereits von Th. Gruber beobachtete Zusammenhang zwischen 
dem Verlust des Schleimbildungsvermogens und dem gleichzeitigen Er- 
werb von Milchsaurereaktivitat ist hier offenkundig. Diese neuen Eigen- 
schaften blieben auch bei Weiterziichtung konstant. 

Zusammenfassung. 

Von 4 gepriiften Aerogenes.-Stammen zeigte 1 Wasserstamm 
normale Verhaitnisse: gramnegativ, bekapselt, schleimbildend, 
nicht Gelatine verfliissigend, biochemisch den Coli- 
bakterien gleich, aber kein Indol bildend. 1 Fohlen- 
stamm war teilweise gramfest, 1 Menschenstamm verfliissigte 
Gelatine und bildete, ebenso wie 1 Ferkelstamm, Indol. Ein 


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atypischer Suipestifer und ein Bact. fluorescens liquefaciens 
naherten sich der Aerogenes-Gruppe durch ausgesprochene Schleim- 
hiille in der Kultur. 

Die morphologischen Verhfiltnisse lassen meist eine Entwick- 
lungsreihe von den bekapselten, kokkenfihnlichen Einzelkeimen fiber die 
bipolar strukturierten und segmentierten Formen zu den Doppelkeulen- 
bildern und endlich zu ausgesprochenen Diplo- und Triploverbanden 
erkennen. Der Fohlenstamm besafi auffallend groBe Individuen und 
zeigte gelegentlich, ebenso wie der Ferkelstamm, Vakuolen- und Blah- 
formen. 

Die Beweglichkeit der Aero genes- Bakterien im hfingenden 
Tropfen ist von der Schleimbildung der Ausgangskultur abhangig; von 
stark schleimigen Kulturen abgeimpft, erscheinen sie absolut unbeweg- 
lich, sonst in Molekularbewegung. 

Das Schleimbildungsvermogen tritt besonders bei Zimmer- 
temperatur, weniger stark im Brutofen, wo die Flfissigkeit rasch ver- 
dunstet, auf, und kann im Laufe der ktinstlichen Weiterimpfung zu- 
nehmen (Fohlen- und Ferkelstamm), es kann aber auch unmittelbar 
nach der Isolierung aus dem Tierkorper verloren gehen, um nach wochen- 
langer Umzfichtung wieder zu erscheinen (Menschenstamm), oder uber- 
haupt dauernd in Verlust geraten (Bact. fluorescens liquefaciens). 

Gleichzeitig mit der Zunahme der Schleimbildungsffihigkeit kann 
die Milchzuckeraktivitfit abnehmen (Fohlenstamm) oder umge- 
kehrt mit der Abnahme der Schleimbildungsfahigkeit zunehmen (Bact. 
fluorescens liquefaciens). 

Gemeinsam ist den 4 Aerogenes-Stfimmen lediglich die nicbt 
stets prompt auftretende Schleimbildung in der Kultur, die nicht 
immer deutliche Kapsel im geffirbten Ausstich und hfingenden Tropfen 
und die regelmfiBig dem Bac. coli gleiche Aktivitfit in der 
bunten Reihe. 

Es gibt also neben den typischen Stfimmen auch grampositive, 
die nicht Gelatine verflfissigen, ferner gramnegative, Gelatine ver- 
flfissigende und Indol produzierende Stfimme und endlich An- 
nfiherungsstamme, die ganz anderen Gruppen angehoren und sich ledig- 
Xich durch ihre Schleimbildung in Kulturen der Friedlfinder- 
Aerogenes-Gruppe anschlieBen. 

Bei alien 6 Stfimmen war in schleimigen Kulturen, wenn auch nicht 
immer deutlich, durch Besichtigung des hfingenden Tropfens und des 
geffirbten Ausstriches, entgegen der Angabe Strongs, Aureolenbildung 
nachweisbar. 


Literatur. 

Abel, Bakteriol. Taschenbuch. — Abel u. Hallwachs, in Kolle-Wasser- 
niann, Handb. d. path. Mikroorg. Bd. d. 1912. — Eisenberg, in Weicha r, ‘ l . s 
Krgebu. d. Immun.-horschung. Bd. 1. 1914. — Frieben, Centralbl. f. Bakt. Abt. I- 


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Ginsburg u. Schuwalow, Serodiagnostik der aktiven Tuberkulose usw. 363 


Orig. Bd. 87. 1921. — Heim, Lehrb. d. Bakt. 1918. — Hopffe u. Hartmann. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. —C. O. Jensen, in Kolle-Wasser - 
mann, Bd. 5. — Kruse, Aligem. Mikrobiologie. 1910. — Kruse, in Friedberger- 
Pfeiffer, Lehrb. d. Mikrobiol. Bd. 2. — Lehmann-Neumann, Bakt. Diagnostik. 
Bd. 2. — Lutje, Dtsche tierarztl. Wochenschr. 1923. Nr. 19. — MieBner, Opper- 
mann u. Liitje, Die GeiBeln der Pferdezucht. Hannover 1922. — Neider, in 
Friedberger-Pfeiffer, Mikrobiologie Bd. 2. — Toennissen, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 86. H. 5. 


Nachdruck verboten. 

Serodiagnostik der aktiven Tuberkulose mittels Komple- 
mentbindung mit den Antigenen Besredkas sowie von 

Negre und Boquet 1 ). 

[Aus dem Zentrallaboratorium des Hauptmilitarsanitatsamtes der 
R.S.F.S.R. zu Moskau (Direktor: Dr. A. P. Saweljew).] 

Von Dr. A. N. Ginsburg und W. Th. Schuwalow. 

Wir mochten hier Qber unsere Resultate der Serodiagnose der 
Tuberkulose mittels der Komplementbindungsreaktion berichten. Die 
dieser Frage gewidmeten neuen Arbeiten von Rabin o wit sch-Kemp- 
ner, Nfegre und Boquet, Urbain und Fried, Besredka, 
Ichok, Fritz v. Gutfeld und Edith Weigert, Wassermann 
u. a. diirfen wir als bekannt voraussetzen. 

Anfangs Januar 1923 haben wir unsere Arbeit mit dem Besredka- 
schen Antigen (fliissige Tbc-Kultur auf Besredkaschem Eidotterboden) 
und mit dem Antigen von Negre und Boquet (Methylextrakt) be- 
gonnen. Von groBer Wichtigkeit bei der Bereitung des Antigens von 
Besredka ist die Herstellung des NShrbodens, auf dem der Tuberkel- 
bazillus sehr gut und schnell wkchst. Unsere 4-tag. Antigene waren 
nicht gut, weil sich unsere Tbc-Stamme in so kurzer Zeit nicht geniigend 
entwickeln konnten, dagegen waren unsere 8-tag. Antigene sehr spe- 
zifisch, weswegen wir sie bei der ganzen Arbeit benutzten. Um das 
wertvolle Methylextrakt nach Negre und Boquet zu erhalten, ist 
strerig darauf zu achten, daB der Methylalkohol rein von Azeton und 
99° stark ist. Von diesen, von uns hergestellten Antigenen wurden 
alsdann zunachst die sogenannten „alleinhernmenden a Dosen fiir das 
hamolytische System bei der Komplementbindung bestimmt, wobei wir 
genau wie bei der Serodiagnostik tier Syphilis verfuhren. Sie betrugen 
fiir das Besredka-Antigen 1 ccm und fiir den Methylalkoholextrakt 
0,5 ccm bei Verwendung der sogenannten 1 / 2 Dosen. Folgende Tabellen 
veranschaulichen einen solchen Versuch. 

Zu dem Hauptversuche wurde dann die Ilalfte dieser, kaum eine 
LQsung gestattenden Dosis verwendet. 

Dann wurde das Verhalten der Antigene aus vielen Tbc- und nor- 
malen Seren gepriift, wobei die Antigen in ihren Titerdosen und die 
Sera in den Dosen von 0,2 ccm, wie es Besredka rat, gebraucht wurden. 

1) Nach Vortrag, gehalten auf dem 2. Allrussisehen TuberkulosekongreB in Moskau, 
den 30. Mai 1923. 


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Tabelle 1. 

Bestimmuag der Eigenhemmung’des Besredka-Antigens, Kompl. 1:20 

— ‘/, Dosen. 


Antigen 

Besredka 

NaCl 

Kompl. 

1:20 

Nach 1 Std. das sensi- 
bil. hamol. Syst. 

Res ul tat 

0,05 

0,95 

0,5 

1 ccm 

_ 

0,1 

0,9 

0,5 

1 ,, 

— 

0,2 

0,8 

0,5 

1 ,, 

— 

0,4 

0,6 

0,5 

1 ,, 

— 

0,6 

0,4 

0,5 

1 ,, 

+ 

0,8 

0,2 

0,5 

1 ,, 

+ + 

1,0 

— 

0,5 

1 „ 

+ + + + 


Tabelle 2. 

Bestimmung der Eigenhemmung des Antigens Nfegre und Boquet 
Kompl. 1:20 — */j Dosen. 


Antigen 

N. und B. 

NaCl 

Kompl. 

1:20 

Nach 1 Std. das sensi- 
bil. hamol. Syst. 

Resultat 

0,025 

0,975 

0,5 

1 ccm 

_ 

0,05 

0,95 

0,5 

1 * 

— 

0,1 

0,9 

0,5 

1 „ 

— 

0,2 

0,8 

0,5 

1 * 

± 

0,4 

0,6 

0,5 

1 , 

+ + 

0,5 

0,5 

0,5 

1 „ 

+ + + + 


Nachdem die Antigene erprobt waren, gingen wir zur Reaktion in 
grofiem MaBstabe fiber. Die tuberkulosen Seren wurden aus der Tuber- 
kuloseabteilung der 3. Moskauer University, aus den Moskauer Hospi- 
talern, aus Kliniken und Ambulanzen bezogen. Eine groBe Anzahl der 
Seris, die von Wassermann-Reaktionen zurtickgeblieben waren, wur¬ 
den zur Prfifung der Reaktionen von Besredka und Nfegre und Bo¬ 
quet verwendet, urn den Prozentsatz der Luesserahemmung zu be- 
stimmen. Immer wurden alle auf Tbc zu analysierenden Sera parallel 
nach Wasserraann untersucht. 

Die erste Zeit haben wir alle unsere Versuche nach der Calmette- 
schen Technik, wie dies Besredka auch macht, durchgeffihrt; derUm- 
stand aber, daB zu einer Reaktion mindestens 3,5 ccm Sera (8—10 ccm 
Blut) erforderlich waren, erschwerte die Arbeit sehr und machte sie fast 
unmoglich. Dem Rate des Direktors des Laboratoriums, des Herrn Dr. 
Saweljew, folgend, versuchten wir, die Technik der Reaktion so zu 
modifizieren, daB die Seruramenge vermindert wurde, ohne die Spezifitat 
der Reaktion zu storen. 

Wir haben 92 Tbc-Sera parallel nach der Calmetteschen und 
Wassermann-NeiBer-Bruckschen Technik erprobt und gleiche 
Resultate bekommen. Wir arbeiteten mit 1 / 2 Dosen, nahinen aber fur 
jedes Probierrohrchen 0,2 ccm des inaktivierten Serums. Das Kom- 
plement werteten wir im Vorversuch aus, und seine Arbeitsdose ver- 
wendeten wir im eigentlichen Hauptversuch, indem wir 2 Antigene 
(Besredka und Nbgre und Boquet) gebrauchen. Auf diesem 
Wege sparen wir sowohl Reaktionsingredientien wie auch Zeit, wie nach- 
folgende Tabelle beweisen soil. 

Unsere Antigene geben gleiche Resultate; sie arbeiten ganz iden- 
tisch sogar in Fallen mit H—|- und -f. 



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Oinsburg u. Schuwalow, Serodiagnostik der aktiven Tuberkulose ubw. 365 



Tabelle 3. 


Serum 1 Serum 2 i Bemerkungen 


Kontrolle des Ser. inaktiv. 

Serums Kompl. 

NaCl 

Kontrolle Ser. inaktiv. 
nach WaR. WaR.-Antigen 
Kompl. 

NaCl 

AntigenBes- Ser. inaktiv. 
redka Besredka-Antigen 
Kompl. 

NaCl 

Antig.Nbgre Ser. inaktiv. 
u. Boquet N. und B.-Antigen 
Kompl. 

NaCl 


0,2 | 0,2 
Arbeitsdose 
bis 1,5 ccm 

0,1 I 0,1 

Titerdose 
Arbeitsdose 
bis 1 5 ccm 

0,2 I o,: 

Titerdose 


Titerdose 
Arbeitsdose 
bis 1,5 ccm 

0,2 ! 0,2 

Titerdose 
Arbeitsdose 
bis 1,5 ccm 


Nach 1 Std. 
bei 37 °, in 
jedes Rijhr- 
chen kommt 
1 ccm des 
sensibil. ha- 
molytischen 
systems 


Die Untersuchungen umfassen 445 Sera, von denen nur die ersten 
92 nach der Calmette schen und parallel nach der von uns gebrauchten 
Technik angestellt worden waren und flbereinstimmende Resultate ge- 
zeigt hatten. Mit alien folgenden Seris aber arbeiteten wir nach der in 
Tab. 3 beschriebenen Technik. Unsere Resultate sind in Tab. 4 nieder- 
gelegt. 

Tabelle 4. 


j Die lnitialtuberkulose ohnej 
Tbc-Bazillen im Sputum! 

IPeribronchialdrusen Tbc 
(Rontgen) 

Kliniscb. Diagn. Tbc (ver- 
schied. Stadien und ver- 
schied. Prognosen) Tbc- 
Bazillen im Sputum 

Sera von Patienten, die 
friiher an aktiver Tbc 
litten, jetzt (2—4 Jahre) 
sich gesund fiihlen 

Chirurgische Tbc (Coxi¬ 
tis) 

Augen-Tbc (Uveitis, Kera¬ 
titis) 

Sera von jungen Bauern, 
die nie tbckrank waren 

Andere Krankheiten, Tbc 
ausgeschlossen 


4 -1- 

2 + 


nega- 

im 

% + 

7o — 

Be- 

3 + 

1 + 


tiv 

ganzen 

merkungen 








Die 3. Rubrik 

16 

6 

2 

5 

29 

' 76 

17,3 

±ist nicht in 
der Prozent- 

16 

4 

1 

2 

23 

90 

0,9 

ausrechn.in- 

begriffen 

174 

72 

6 

14 

266 

92,5 

5,2 


2 

10 

2 

38 

52 

23 

73 


4 

2 

— 

— 

6 

\ 

• 


2 

2 

— 

— 

4 

- 

• 


1 


— 

59 

60 

1,6 | 

98,4 


— 

l 1 ) 

— 

4 

5 


, 



Die WaR.-positiven Luessera haben bei uns mit dem Besredka- 
Antigen viel mehr positive Ausf&lle der Reaktion als bei Besredka 
selbst gegeben, sind aber nicht in dieser kleinen Statistik angezeigt. 


1) Diphtherie. 


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Aus der Tabelle ersieht man, daB die Serodiagnostik der aktiven Tu- 
berkulose mittels Komplementbindungsreaktion mit den Antigenen von 
Besredka und N&gre und Boquet ganz zuverl&ssige und wertvolle 
Resultate gibt und zur Diagnostik der aktiven Tbc aller Arten und 
Stadien verwendbar sein kann. 

Diese von uns hergestellten Antigene wurden auch in der Moskauer 
Klinik von Prof. Dr. Kontschalowsky geprtift, wo Assistenzarzt Dr. 
E. Kost die Reaktion anstellte, und mit den Resultaten, die ganz mit 
der klinischen Diagnose iibereinstimmten, sehr zufrieden war. 

Die Prflfung der Sera nach Wassermann — Vorschlag, den 
Fritz v. Gutfeld und Edith Weigert machen — haben wir von 
Anfang unserer Arbeit als unentbehrlich vorgenommen. Die 2. Kon- 
trolle dieser Autoren — unbeimpfter Beredkaschen Nahrboden als 
Antigen, mit dem sie selten, aber doch, nicht spezifische Hemmungen 
mit den Tbc-Sera erhielten, haben wir mit 100 Seris am Anfange un¬ 
serer Arbeit vorgenommen — aber immer H&molyse bekommen. Trotz- 
dem wir in den letzten Tagen diese Hemmung erneut prfiften, blieben 
die Resultate wie die vorigen. 

Die kleine Zahl unserer Erfahrungen gibt uns eigentlich kein Recht. 
kategorische Folgerungen zu ziehen. Aber da unsere Ergebnisse denen 
der auslandischen Autoren analog sind, schlieBen wir uns den Zusam- 
menfassungen Besredkas und N6gre und Boquet an. 

SchlieBlich erlauben wir uns, dem hochverehrten Herrn Dr. Sawel- 
jew, Direktor des Laboratoriums, fur seine wertvollen Anleitungen un- 
seren aufrichtigsten Dank auszusprechen. 

Literatur. 

Rabinowitsch-Kempner, L., Dtsch. med. Wochenschr. 1922. Nr. 2. — JG' 
ere et Bouquet, Ann. de l’lnst. Pasteur. T. 35. 1921. — Urbain et Fried, ibid. 
T. 35. 1921. — Gutfeld v., Fritz, u. Weigert, Edith, Centralbl. f. Bakt. Abt 1 
Orig. Bd. 90. 1923. H. 3. — Besredka, Ann. de l’lnst. Pasteur. T. 35. 1921-7 
Uglow-Woenn, Med. Joum. 1915. H. 242. [russ.]. — Ichok, Ztschr. d. Tbc. Bd.3*. 
1922. H. 1. — Belanowski, Immunitat ii. Tuberkulose. Moskau 1922. Gosisda! 
russ.] — Wassermann, Dtsch. med. Wochenschr. 1923. Nr. 9. 


Nachdruck verboten. 

Aendert sich der Paratyphus A-Bazillus durch Tierpassage': 

Beitrage zur Theorie der Agglutination. 

A us dem Institut fur Allgemeine Pathologie und Therapie der Universiat 
in Szeged, Ungarn (Vorstand: Prof. v. Lote).] 

Von A. r. Jeney, Assistenten am Institut. 

In einer (1) meiner friiheren Arbeiten habe ich auf Grund meiner 
Erfahrungen, sowie jener von Galambor (2) die Frage aufgeworfen. 
ob nicht der Bacillus paratyph i A den Typus humar.us der Paratyphi" 
gruppe vorstellt, ferner ob nicht die Paratyphusarten im engeren Sinne. 
welche wegen ihrer Form, Farbbarkeit und VVirkungsweise zu der GrupF 
des B. septicaemiae haem, zu rechnen waren, bloB eine huma D1 ‘ 
sierte Form der letztgenannten Bakteriengruppe vorstellen? 



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v.’Jeney, Aendert sich der Paratyphus A-Bazillus durch Tierpassage? 367 


Beim Durehsehen der Paratyphusliteratur der letzteren Zeit findet man allgemein 
die Ansicht vertreten, daB der Paratyphus A nur durch Kontakt von einem Menschen 
auf den anderen iibertragen werde und meist im Bilde des Typhus abdominaiis ablauft 
(Stintzing (3), Silbiger (4), Sluka und Strisower (5), Lehmann (6)]. Para- 
typhuu A-Bazillen wurden in der AuBenwelt so gut wie niemals gefunden [Schwein- 
burg (7)]. Von Tieren stammende Paratyphus A-Bazillen konnen bei vollstandig 
gleichem kulturellen Verhalten sich gegen lmmunserum, welches mit menschlichen Para¬ 
typhus A-Bazillen herge8tellt wurde, vollstandig refraktar verhalten (Uckermark (8)]. 
Derselbe Autor sagt: ,Die Frage, inwieweit echte Paratyphus A-Bazillen bei Tieren 
vorkommen, bedarf noch der Klarung.“ Wagner und Emmerich (9) haben an Ka- 
ninchen und Meerschweinchen Experimente mit B. paratyphi A vorgenommen und 
waren nur einmal imstande, an einem Kaninchen eine chronische Cholecystitis und 
Cholelithiasis hervorzurufen. Mit B. Paratyphus B hingegen konnten sie in der Mehr- 
zahl der Falle an ihren Tieren eine der menschlichen Fleischvergiftung ahnliche Er- 
krankung erzeugen. Schmitz und Kirschner (10) vermochten niemals Paratyphus A- 
Starnme mittels Typhus-, Paratyphus B oder Gartner-lmmunserum zu agglutinieren. 
Das Serum von an Paratyphus A-Leidenden zeigte sehr hohe Agglutination (1: 40000). 
Zu einem ahnlichen Resultate war auch ich gekommen (1). Nach den Untersuchungen 
Uckermarks agglutinierten Paratyphus A-Bazillen nur bei 1:100—200 mit Seris von 
Typhus, Paratyphus B, Coli und Faecalis alcaligenes. Die Eigenschaften des 
Paratyphus B werden von den meisten Autoren als sehr labil bezeichnet, wogegen 
Typhus und Paratyphus A mehr Stabilitat zeigen. Nach Burow ist der Bacillus Para¬ 
typhus A vielmehr ein proteinophiles Bakterium, als B. paratyphi B oder Coli. Seine 
Enzvmwirkung ist auch deshalb geringer, als bei den anderen oeiden. 

Der B. paratyphi A unterscheidet sich also nicht nur dadurch von den anderen 
Paratyphussorten, daB er keine Saprophyteneigenschaften zeigt, sondern auch dadurch, 
daB er im praktischen Sinne fiir Tiere nicht pathogen ist, sich von einem Menschen 
auf den anderen durch Kontakt verbreitet, sein Rezeptorenapparat selbstandig ist, ferner 
dadurch, daB er mit anderen Paratyphusgruppen, sowohl was seine agglutinogene Wir- 
kung, als auch sein Agglutininbindungsvermogen anbelangt, nur wenig verwandt ist. 

Wir miissen uns daher fragen, ist der Paratyphus A-Bazillus nicht eine selb- 
standige Bakterienart ? 

Lehmann (39), welcher in Vorderindien, Holland.-Indien und Nordafrika bei 
fiebernden Kranken sehr oft Paratyphus A-Bazillen nachweisen konnte, teilt mit, daB 
das Ueberstehen von Typhus oder Paratyphus B nicht gegen Paratyphus A immuni- 
siert. Er fordert daher, daB gegen Paratyphus A eigene Schutzimpfungen vorzu- 
nehmen seien, und will fiir diese Sondergruppe einen neuen Namen gepragt wisaen. 

Courmont und Chat tot (15) schreiben: Aus dem Blute eines gegen Typhus 
geimpften und fieberhaft erkrankten Soldaten konnten Paratyphus B-Bazillen kultiviert 
werden. Nach 1 Monate erkrankte er neuerdings, wobei im Blute Paratyphus A-Bazillen 
zu finden waren. Das Ueberstehen von Paratyphus B immunisierte also nicht gegen 
Paratyphus A. Aus dieser Mitteilung ist noch zu entnehmen, daB Paratyphus B- und 
A-Agglutinine nebeneinander voneinander unabhangig entstehen und wieder verschwinden 
konnen. Die Mitteilung von Brad lev (23) diirfte wohl nicht imstande sein, diese be- 
weisenden Daten zu entkraften. Bradley war namlich mittels biochemischer Reaktion 
nicht imstande, Paratyphus B-Bazillen von Paratyphus A-Bazillen zu trennen, und zwar 
wegen des Auftretens von Uebergangsformen. 

Daraus folgt, daB man die Sonderstellung des Paratyphus A-Bazillus anerkennen 
uiuB. und zwar nicht nur in Anbetracht obiger Erscheinungen, sondern auch wegen 
seiner pathogenen Wirkur.g auf den Menschen. Ist es aber recht, den B. Paratyphus A 
eben wegen dieser seiner Eigenschaften als eigene Art anzusehen, welche auch einen 
eigenen Namen verdient? 1st die Sonderstellung mit der abweichenden serologischen 
\V irkung, mit der sich auf gewisse Tierarten beschrankenden Pathogenitat geniigend 
begriindet? Geht es an, daB ein Bakterium aus obigen Griinden von anderen Bakterien, 
welche der Form und dem kulturellen Verhalten nach mit ihm im grofien und ganzen 
iibereinstimmen, abgetrennt wird? Lehmann (40) erklart auf Grund der Arbeiten 
zahlreicher Forscher auf dem Gebiete der Mutationstheorie (de VrieB, NeiBer, 
Massini, Eisenberg, Johannsen, Benecke, Bernhardt, Jollos, Csernel, 
Toenniessen (17), Grote, Baer thl ein (19,20), Bey erinck (25), Schm i tz, Rev is, 
Plates, Baur, Burri, Webber), daB Bakterien unter gewissen Bedingungen Eigen¬ 
schaften annehmen konnen, welche ihnen fruher abgingen, und welche sie dauernd, 
auch Jahre hindurch, beibehalten und auf ihre Nachkommen uberpflanzen konnen. 

DaB eine Aenderung der Lebensverhaltnisse — wenigstens bei Protozoen — auch 
eine Formveranderung zur Folge haben kann, zeigte uns Werbitzki (35) an dem 
Beispiel, daB bei pvroninfest gewordenen Trypanosomen der Blepharoblast verschwinden 
kann. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Bernhardt und Ornstein (31) fanden tiefgreifende Aenderungen bei gewiesen 
Bakterienstammen, so daft weder morphologisch nocb biologisch ein Zusammenhang 
mit dem Bakterium des Ausgangsstammes nachzuweisen war und somit ein neuer Typus 
entstanden zu sein schien. Diese Forscher halten daher das Entstehen neuer Arten 
fiir m&glich. Klein (32) hingegen sieht in dem Zustandekommen von neuen Eigen - 
schaften blofi einen Atavismus. Nach Baerthlein (20) unterscheiden sich die unter 
verschiedenen Einwirkungen entstandenen Varianten: 1) durch die Form der einzelneo 
Bakterienindividuen, 2) durch das Aussehen der alleinstehenden, unbeeinfluBt sich ent- 
wickelnden Kolonien, 3) durch das kulturelle und serologische Verhalten der von den 
einzelnen Varianten abstammenden Stamme. Derselbe Autor sagt ferner, daft Mutations- 
erscheinungen nicht nur in der Auftenwelt, auf kiinstlichen Nahrboden, sondern auch 
im Tierkorper vor sich gehen und nicht nur besagte Eigenschaften, sondern auch die 
Virulenz aer Bakterien mit anderen Eigenschaften zusammen Oder unabhangig von 
diesem der Variabilitat und den Gesetzeu der Vererbung unterworfen sind. 

Wie grofi die Veranderungen sein konnen, welche ein Bakterium beim Durch- 
wandern durch den Organimus erfiihrt, dariiber berichtet G. Mayer (33): Wahrend 
einer au6 einer Fischvergiftung ausgehenden Paratyphusepidemie bemerkte er namlich. 
daft die aus dem Erbrochenen geziichteten Paratyphusbazillen nicht agglutinabel waren, 
sondern nur die aus dem Stunle kultivierten, welche mit dem Organismus schon in 
Wechselbeziehung gewesen waren; diese aber konnten mit sehr stark verdiinntem Im- 
munserum agglutiniert werden. Mayer nimmt an, daft diese Paratyphusstamme fur 
den Menschen gefahrlicher sind als die vom Schwein, von der Maus usw. stammenden, 
durch Tierpassage abgeschwachten Paratyphusstamme. (Es ist anzunehmen, daft das 
von diesem Forscher verwendete Agglutinationsserum mit von Menschen stammenden 
Paratvphusstammen erzeugt worden war.) 

Die umformende Wirkung des lebenden Organismus auf Bakterien wurde mittels 
exakter Experimente von Schmitt (27) untersucht, welcher auf Grund der Beobaeh- 
tungen von Sobernheim und Seligmann die Umwandlung des B. paratyphi B 
(Flugge) in B. enteritidis Gartner nachzuweisen beabsichtigte. Er imruunisierte 
5 saugende Kalber mit einem lebenden Fliigge-Stamm. Am 2.—3. Tage von der 
Stelle der Impfung geziichteten Fliigge-Stiimme agglutinierten so wie ein Gartn er- 
Stamm. Je langer der Stamm im Organismus verweilte, desto weniger wurde er vom 
hochwertigen Flugge-Serum agglutiniert. Solange aus dem Blute geziichtete Paasage- 
stamme eine Flugge-Agglutination zeigten, waren auch die Agglutinine des Serums 
Flugge-Agglutinme. Mit einem Fliigge-Passagestamm, welcher Gartner-Agglu¬ 
tinine band, konnte Schmitt mit langerer Immunisierung ein Kalberimmunseruin er- 
zeugen, welches Gartner-Agglutinine enthielt. Er war imstande. mit einem Fliigge- 
Stamm Serum zu erzeugen, welches sowohl Flugge- als auch Gartn er-Stamme 
agglutinierte. Von den inzwischen geziichteten Passagestammen waren schon die ersten 
wie wirkliche Gartner-Stamme agglutinabel, d. h. zuerst anderte sich das Agglutinin- 
bindungsvermogen der Bakterien und dann erst ihre agglutinogene Wirkung. 

Daft Bakterien im lebenden Gewebe unter starker Variationsreizwirkung stehen 
konnen, ist auch daraus ersichtlich, daft frisch aus dem Organismus geziichtete Bakterien- 
kolonien eine Verschiedenheit der Formen schon auf der ersten Platte zeigen, wie wir 
sie sonst erst bei alten Kulturen zu sehen gewohnt sind [Gildemeis ter (16)J. Es ist 
dies verstandlich, wenn man bedenkt, daft im Organismus nicht nur die Stoffwechsel- 
produkte der Bakterien, welche ja bei kiinstlicher Ziichtung den groftten Reiz zur Ent- 
wicklung von Variationen bilden, zur Geltung kommen, sondern auch der Biochemismus 
des Organismus mit all seinen verschiedenen Abwehrkorpern. Da nun dieser Biochemis¬ 
mus bei verschiedenen Tiergattungen ganz verschieden ist, ist auch der Variationsreiz 
bei verschiedenen Tiergattungen ein anderer. 

Daft die stark verbreiteten und sehr labilen Paratyphusarten starke Variationen 
aufweisen, ist aber nach alledem leicht verstandlich. [Siehe von der einschlagigen Lite- 
ratur: Fiirst (12), Danysz (11), van Loghem (13), Tsokalotor (36), Baerth¬ 
lein (37), Bahr (14), G i 1 d em eis ter (16), Schmitz (18), Reiner-Muller (21), 
Baerthlein (28), llocek (38), Haendel (24), Schmitt (27). 

Wenn wir nach alledem untersuchen wollen, wie sich der mit einem selbstandigen 
Rezeptorenapparat versehene proteinophile und humanophile, nicht saprophyte Para- 
typhus A-Bazillus verhalt, welchen morphologischen und serologischen Veranderungen 
er ausgesetzt ist, wie sich seine Virulenz andert, wenn er eine Tierart zu wiederholtem 
Mate passiert, wenn wir wissen wollen, wie wir ihn am raschesten seines „A“-Charakters 
eventuell berauben konnten, so miissen wir uns fragen, welche Tierart wir zu unseren 
Untersuchungen zu wiihlen haben ? 

Wenn wir an das in meiner friiheren Arbeit gesteckte Ziel denken, so miissen 
wir uns sagen, daft eine Tierart zu wiihlen ist, fiir welche Paratyphus B pathogen ist. 
Ein solches Tier ist die graue Hausmaus. Rubinstein (34) konnte zwar bloft junge 


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v. Jeney, Aendert eich der Paratyphus A-Bazillus durch Tierpassage? 369 

Mause per os mit Paratyphus B-Bazilleu infizieren. Ea iat aber zu erwahnen, daB 
Momose (22) den Mausetyphusbazillua votu B. paratyphi B nur mit der Castel¬ 
lan ischen Methode unteracheiden konnte. Ebenao war N is hi no (26) nicht imatande, 
den Mauaetyphuabazillua von dem Danyaz und Mereachowakyachen Bazillua 
mittela biologiacher Reaktion, Agglutination oder mit der Absorptionamethode zu unter- 
scheiden. Den Mauaetyphuabazillua konnte er hingegen vom Paratyphus B-Bazillua 
mittela der Absorption unteracheiden. 

Wenn auch die Maus in dieser Beziehung Vorteile bietet, so er- 
fordert andererseits die bei der Maus vorkommende Paratyphus B-In- 
fektion besondere Vorsicht. Es wurde auch deshalb schon gefordert, 
den Darmtraktus der Maus vor den Experimenten auf Paratyphusbazillen 
zu untersuchen. Doch kann auch bei negativem Resultat spater dennoch 
eine neue Infektion hinzutreten. AuBerdem wurde eine derartige Unter- 
suchung der Maus die Gefangenschaft der Maus wesentlich ver&nderu, 
welche dieses unruhige Tier schwer vertragen wurde. Es kbnnte dann 
vielleicht, wie bei flbermfldeten Rindern, eben durch eine Verlfingerung 
der Gefangenschaft eine Spontaninfektion auftreten. Ich hielt es daher 
fflr zweckm&Big, Tiere fflr die Experimente zu benutzen, welche kurz 
vorher (einige Stunden bis 1 Tag) gefangen waren. Bei unseren Ver- 
suchen wurde dem Organismus Paratyphus A-Kultur in solch groBen 
Mengen einverleibt, wie sie nach den Vorversuchen innerhalb 24 Std. 
das Tier unbedingt toten muBten. Auf diese Weise war der Zusammen- 
hang zwischen der Injektion und dem Tode des Tieres evident. Zur 
Herstellung des Immunserums wurde ein „Klonstamm“ einer einwand- 
freien Paratyphus A-Kultur benutzt. Die Injektionen wurden an der 
Schwanzwurzel vorgenommen mit vorsichtiger Vermeidung der Anal- 
gegend. Unsere Tiere starben nach 8—24 Std. Diese Zeit scheint fur 
das Zustandekommen der Wechselbeziehung zwischen Tier und Mikro- 
organismus etwas gering, doch w&hlte ich lidber diesen Fehler, als mich 
der Gefahr einer Spontaninfektion raehr auszusetzen; ferner war an- 
zunehmen, daB sich auf diese Weise die Veranderungen langsam ent- 
wickelten. Wenn der Tod nach 24 Std. nicht eingetreten war, wurden 
die Tiere mittels Chloroform getotet und nach ihrem Tode unter ent- 
sprechenden Kautelen seziert. Nachdem das Herz im ganzen in eine 
Gallerohre gelegt worden war, wurde aus dieser nach 8—12 Std. eine 
Kultur auf Schragagar angelegt. Unsere Kultur hat sich immer als 
einwandfreie Reinkultur erwiesen. Nach der Probeagglutination wurden 
die Passagest£mme in absteigenden Mengen auf MSuse weitergeimpft. 
Zur Identifizierung des gezfichteten Stammes verwendete ich zweierlei 
Paratyphus A-Immunsera: einmal ein homologes Immunserum (Institut 
„Pdpai“), ferner ein mit dem „Klonstamm u hergestelltes isologes Ka- 
ninchenserum („Klonserum“). Verdiinnungen nahe der Titergrenze. 
Gleichzeitige Untersuchung auf Agglutination mit Typhus- und Para¬ 
typhus B-Serum. Ablesen nach 2 und 24 Std. 

Es laBt sich nachweisen, daB der 1. Passagestamm eine anfangs nur 
schwer und erst nach einer Nahrbodenpassage gut agglutinable Variante 
darstellt. Die StSmme Nr. IX—XV sind ganz inagglutinabel und bleiben 
dies auch bei unverandertem biologischen Verhalten 7 Generationen hin- 
durch, mit Ausnahme von Stamm Nr. IX, welcher nach der 2. Nahr¬ 
bodenpassage spontan agglutinabel wird und 5 Generationen hindurch 
bleibt. Ein ahnliches Verhalten fand Verziir (29) an einem Typhus- 
bazillus aus dem Stuhle ejnes Bazillentragers. Nun interessiert uns 
aber mehr, wie sich das Agglutinationsvermogen des Ausgangsstammes 
im Verlauf der Tierpassagen dem isologen wie dem homologen Serum 

Ente Abt. Orig. Bd. 91. Heft 6. 24 


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gegeniiber verminderte. Das Erhaltenbleiben der „reinen Linie“ wurde 
wahrend der Experimente gleichzeitig kontrolliert (Plattenziichtung), 
Untersuchung gefarbter und ungefarbter Praparate, zahlreiche biologische 
Versuche). Dabei wurden wesentliche Form- und GroBendifferenzen der 
Individuen der verschiedenen StSmme nicht beobachtet, nur bei den 
Stammen Nr. XI und XV zeigten sich biologische Gradunterschiede. 
Auch bei rigoroser Beurteilung der angefiihrten Ergebnisse ist zu sagen, 
daB die 8malige Wiederholung der beschriebenen Versuchsordnung ge- 
nugte, um die Agglutinabilitat eines normalen Paratyphus A-Stammes 
(Nr. I) einem stammgleichen Serum gegeniiber auf 1 j i zu reduzieren. 
Die besagten 8 St&mme bilden eine „reine Linie 44 . Eine Spontaninfektion 
mit Paratyphus B-Bazillus kam nicht zustande. Der Paratyphus B-Titer 
war neben dem Paratyphus A-Titer sehr niedrig. Das Agglutinin- 
bindungsvermogen des Paratyphus A-Stammes schwand nur nach und 
nach aus dem Rezeptorenapparate des untersuchten Stammes. Das 
Steigen des Paratyphus B-Titers whhrend der Tierpassage war zu wenig 
auffallend, um im Sinne unserer Annahme verwertet werden zu konnen. 
Stamm Nr. IX hatten wir, nachdem er sich nach dem 1. Tierpassage- 
versuch als inagglutinabel erwiesen hatte, in einem neueren Versuch 
aus dem Stamm Nr. VIII hergestellt. Sowohl dieser als auch die 
nachsten 6 Passagestamme blieben inagglutinabel, behielten aber ihre 
morphologischen und kulturellen Eigenschaften. Die Inagglutinabilitat 
trat also urplotzlich auf und blieb Generationen hindurch bestehen. 

Es trat auch bei einem 2. Stamme (Nr. IX) die Inagglutinabilitat 
nach gleicher Versuchsanordnung plbtzlich, schon nach der 1. Tier 
passage, auf. Das Merkwiirdigste aber war, daB die Inagglutinabilitat 
nur dem isologen Serum gegeniiber bestand, wahrend mit einem homo- 
logen Serum auch der X. Passagestamm, wenn auch in bedeutend ab- 
geschw&chtem MaBe, agglutinabel war. 

Bei einer 3. Versuchsreihe mit dem Stamm Nr. VII sank die Ag- 
glutinabilitat derselben sowohl dem isologen wie dem homologen Serum 
gegeniiber parallel stufenweise ab. Das Aufrechterhalten der „reinen 
Linie 44 wurde sowohl bei dieser wie bei der 2. Versuchsreihe durch 
kulturelle Untersuchungen gesichert. 

Ist es nun moglich, daB von alien Eigenschaften gerade die als 
artspezifische gekannte Agglutination die groBten Veranderungen erfahrt' 

Schon van Loghem (13) hat darauf aufmerksam gemacht, daB die 
Veranderlichkeit der biochemischen Reaktionen nur teilweise mit der 
Variabilit&t des Rezeptorenapparates parallel einhergeht. DaB sich nun 
dieser durch das Fortleben von Bakterien im tierischen Organismus in 
erster Linie verandert, erscheint schon deshalb glaubwiirdig, weil der 
Ausbau des Rezeptorenapparates von jedem Bakterium in jedem tierischen 
Korper nach eigentiimlichem Biochemismus bewerkstelligt wird. Fried- 
berger (42, 43) und Mores chi (43) machten uns zuerst darauf auf- 
merksam, daB bei Immunisierungsversuchen mit einer und derselben 
Bakterienart an verschiedenen Tieren im Rezeptorenapparat des ver- 
wendeten Stammes betrachtliche Veranderungen auftreten kbnnen (siehe 
ferner die Arbeiten von Danysz(ll), Mayer (33) und Schmitt (27). 
Nach den Untersuchungen Schmitts ist es auch verstdndlich, daB nach 
verhaltnismaBig wenigen Experimenten und nach einer nur kurz dauernden 
Wechselwirkung zwischen Bakterium und Organismus dennoch so wesent¬ 
liche Veranderungen zu verzeichnen sind und gerade in betreff der Ag- 



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t. Jeney, Aendert sich der Paratyphus A-Bazillus durch Tierpassage? 371 

glutination, welche als eine der wichtigsten Reaktionen angesehen werden 
muB, was die Identifizierung eines Bakteriums anlangt. 

Man muB sich daher fragen, ob denn die Agglutination wirklich 
eine arteigene Eigenschaft ist und in welchem Sinne? 

Manteufel, Zschncke und Beger (30) berichten tiber Ag¬ 
glutinations- und kulturelle Untersuchungen, welche sie an B. para¬ 
typhi B, B. enteritidis GSrtner, Hogcholerabazillen vorgenommen 
haben, und gelangen zu dem Schlusse, daB man mittels serologischer 
Reaktion nicht bestimmen kann, ob ein Hogcholerabazillus von mensch- 
licher Oder tierischer Herkunft ist. Schmitt (27) geht in seiner schon 
erwahnten Arbeit noch weiter und erkennt, im Gegensatz zu Sobern- 
heim und Seligmann, die Agglutination ftir Paratyphus B-Bazillus 
und B. enteritidis Gartner nicht als spezifische Arteigenschaft an, 
uur dann, wenn auch andere serologische Untersuchungen und das mor- 
phologische und biochemische Verhalten charakteristisch sind. 

Auf Grund der oben mitgeteilten Versuchsergebnisse darf man als 
erwiesen annehmen, daB der Rezeptorenapparat des B. paratyphi A 
bei Mtiuseversuchen in retrogradem Sinne variierbar ist. Dafl gleich- 
zeitig fur die Paratyphus B-Agglutinine eine progressive Variation ent- 
stehen kann, ware mtiglich, doch hat sich dies in den Versuchen nicht 
nachweisen lassen, oder kam infolge des Auftretens der Inagglutinabilitat 
nicht zum Ausdruck. Weiter gelangt man zum Schlusse, daB das Aus- 
scheiden eines Bakteriums aus dem Rahmen einer Bakterienart nur auf 
Grund veranderter serologischer Reaktion, wenn die morphologischen 
und biologischen Eigenschaften sonst gleich geblieben sind, nicht be- 
griindet ist. Der Rezeptorenapparat der Bakterien ist das Produkt der 
Wechselwirkung des lebenden Organismus und der Bakterien. Er kann 
nach wiederholtem Wechsel des Wirtes sich in entsprechender Zeit in 
progressivem oder regressivem Sinne verandern. So z. B. wird der 
B. paratyphi B im Organismus des Rindes in den B. enteritidis 
Gartner umgewandelt (Schmitt), der Mausetyphusbazillus in der Ratte 
geht in ein ftir Ratten pathogenes Bakterium fiber (Danysz). Wfihrend 
Bitter (41) die steigernde Wirkung der Tierpassage auf die Aggluti¬ 
nation beschreibt, zeigen meine Versuche eine regressive Verfinderung. 
Bitter sagt auch, daB im allgemeinen Stamme mit hohem Agglutinations- 
titer groBere Pathogenitat besitzen. Nach meinen Versuchen wfire an- 
zunehmen, daB im allgemeinen die Stfimme in einem empfanglichen 
Organismus durch den Variationsreiz im progressivem Sinne beein- 
liufit werden, ein unempfanglicher Organismus dagegen verandert die 
Ureigenschaften des Bakteriums im regressiven Sinne. Die Inaggluti¬ 
nabilitat und Spontanagglutinabilitfit konnen wahrend der Tierpassagen 
als Mutationserscheinungen plfitzlich auftreten. 

Zusammenfassend lafit sich also sagen, daB der Bazillus Paratyphus A, 
trotz seines selbstandigen serologischen Verhaltens und seiner ausschlieB- 
lichen Pathogenitat ftir Menschen, nicht der Vertreter einer eigenen Art 
ist, sondern nach alien Zeichen nur eine durch den Variationsreiz des 
menschlichen Organismus zustande gekommene Paratyphusvariante dar- 
stellt. Die Agglutination ist nun in dem Sinne arteigen, daB in dem 
Rezeptorenapparat jene agglutininbindenden Faktoren vorherrschen, welche 
unter der Wirkung des Chemismus des am haufigsten ergriffenen Wirtes 
entstanden sind. Ein Bakterium kann abwechselnd verschiedene tierische 

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Organismen angreifen; die Folge davon ist, daB in seinem Rezeptoren- 
apparat sich verschiedene „Engramme u bilden. Dieser Vorgang wfirde 
dann das Zustandekoramen der Gruppenagglutination erkiaren. 

LiteraturverzeichniB. 

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tapantalasoi. 1917. — 3) Stintzing, Ztschr. f. ami. Fortbild. 1919. S. 153. — 4) Sil- 
biger, Wien. med. Wochenschr. 1919. S. 1570. — 5) Sluka u. Strisower, Munch, 
med. Wochenschr. 1917. S. 278.— 6) Lehmann, ebenda 1916. S. 97.— 7) Sch Wein¬ 
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Ztschr. f. Fleisch u. Milchhyg. Jg. 24. 1914. S. 145, 180, 203. — 19) Baerthlein, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 71. 1913. S. 1. — 20) Ders., Arb. a. d. Kaiser!. 
Gesundheitsamt. Bd. 40. 1912. S. 433. — 21) Muller Reiner, Miinchen. med. 
Wochenschr. 1909, u. 5.Tagung d. Mikrobiolog. in Dresden 1911.— 22)Momose, Ztschr. 
f. Militararzte. Tokio 1912. Nr. 35. — 23) Bradley, II. Report of the G. B. of Micro¬ 
biol. 1912. Legislativ Assembly, New South Wales. — 24) Haendel, Congress d. Roy. 
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— 26) Nishino, Ztschr. f. Hyg. Bd. 69. 1911. S. 92. — 27) Schmitt, Ztschr. f. 
Immunitatsforseh., Krankh. u. Hyg. d. Haust. Bd. 9. 1911. S. 188. — 28) Baerthlein, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. S. 6. — 29) Verzar, ebenda Bd. 80. S. 161. 

— 30) Manteufel, Zschucke u. Beger. ebenda Bd. 86. 8. 214. — 31) Bern¬ 
hardt u. Ornstein, Berl. klin. Wochenschr. 1913. S. 16. — 32) Klein, Ztschr. f. 
Hyg. Bd. 73. 1912. S. 87. — 33) Mayer, Georg, Journ. of State Med. Vol. 21. 1913. 
p. 98. — 34) Rubinstein, Compt. rend. Soc. Biol. I. T. 80. 1917. p. 32. — 35) Wer- 
bitzki, Fol. Serolog. Vol. 7. 7 (zit. nach Kol le-Wasserman n). — 36) Tsaka- 
lator, Schweiz, med. Wochenschr. 1921. S. 250. — 37) Baerthlein, Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. S. 6. — 38) Rocek, Arch. f. Hyg. Bd. 86. H. 4—5. — 
39) Lehmann, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 78. 1916. S. 49. — 40) Ders., 
ebenda. Bd. 77. S. 4. — 41) Bitter, ebenda. Bd. 88. S. 435. — 42) Friedberger, 
Festschr. f. Salkowski. 1904. — 43) Friedberger u. Moreschi, Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. 


Nachdruck verboten. 

Statistische Betrachtungen zur Grippepandemie in 
Breslau 1918—22. 

lAus dem Hygienischen Institut der Universitat Breslau (Direktor: 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Dr. Herbert Lubinskt, Abteilungsleiter am Institut 

Mit 4 Kurven im Text. 

Die statistische Bearbeitung der letzten Grippepandemie ist bisher 
nur fiir das Gesamtgebiet des Deutschen Reiches und seiner Einzel- 
staaten in groBen Ziigen und auch das nur fiir einen Teil der pandemh 
schen Zeit veroffentlicht. Es ist klar, daB bei den zur VerfOg uD o 
stehenden Unterlagen die Resultate nicht die wiinschenswerte Genauig- 
keit haben konnen. Eingehendere Untersuchungen erstrecken sich. so* 



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Lu bin ski, Stat. Betrachtungen zur Grippepandemie in Breslau 1918—22. 373 

weit sie iiberhaupt vorliegen, nur auf die 1. Epidemiewelle oder sogar 
nur einen Teil derselben. 

Im Rahraen einer groBeren Arbeit flber Epidemiologie und Bakterio- 
logie der Influenza habe ich die letzte Pandemie in Breslau vom sta- 
tistischen Standpunkt aus zu erfassen versucht, und halte die gefundenen 
Resultate fiir interessant genug, um sie einer groBeren Oeffentlichkeit 
zu unterbreiten, besonders da ich der Ueberzeugung bin, daB nur die 
genaue Bearbeitung kleiner Bezirke, bei denen man das Urmaterial einer 
eingehenden Prilfung unterziehen kann, uns ein klares, statistisches Bild 
geben kann, das vom epidemiologischen und sozial-hygienischen Stand- 
punkte aus von groBtem Interesse sein muB. 

Aus auBeren Grfinden kann die Verflffentlichung vorliegender Arbeit, 
die bereits im Marz v. J. abgeschlossen war, erst jetzt erfolgen. 

Aufgabe der Statistik ist es, EmpfindungsmSBiges, Subjektives durch 
objektive Zahlen zu ersetzen, und so wird es dem Wesen der Statistik nicht 
gerecht, wenn man Zahlen werte, die einer sicheren Grundlage entbehren, 
fiir diese Zwecke verwenden will. Aus diesem Grunde kann man von der 
statistischen Forschung keine absoluten, richtigen Angaben flber die Mor- 
biditat der Influenza erwarten. Diesbezflgliche, die Gesamtbevolkerung 
betreffende Zahlen sind iiberhaupt nicht zu beschaffen, da eine Melde- 
pflicht der Erkrankung nicht bestand und eine jetzt veranstaltete Um- 
frage bei den Aerzten nicht nur keine Aussicht auf Beantwortung hat, 
sondern auch nur ein unvollstandiges Bild ergeben wflrde, weil eine 
sehr groBe Anzahl leichterer Faile iiberhaupt nicht in arztliche Behand- 
lung getreten ist. Ein Beweis fiir die Fehlerhaftigkeit derartiger Er- 
mittelungen bietet die Arbeit von Federschmidt, der fiir NSrnberg, 
wo eine Anzeigepflicht eingefflhrt war, auf Grund der eingegangenen 
Meldungen eine Gesamtmorbiditat von 6,7 Proz. der Bevfllkerung im 
Jahre 1918 errechnet hat, eine Zahl, die sicher nicht der Wirklichkeit 
entspricht. Eine zuveriassige Morbiditatsstatistik stammt nur von 
Erlendsohn, der auf Island, also einem sehr kleinen, abgeschlossenen 
Gebiete, feststelleu konnte, daB von der 14 000 Personen betragenden 
Bevolkerung 11—12 000, d. h. 80—86 Proz., im Laufe von 4 Monaten 
an Influenza erkrankt sind. Diese Zahl dflrfte wohl dem Eindruck ent- 
sprechen, den alle von der Verbreitung der Erkrankung haben. 

Unzuiassig erscheint es auch, bezflglich der Verbreitung der Seuche 
Befunde zu verallgemeinern, die bei Truppenverbanden, Krankenkassen 
und in Krankenhausern erhoben worden sind. Die beim MilitSr ge- 
machten Erfahruugen haben zwar den Vorzug, eine bestimmte Menschen- 
menge zu umfassen, die, unter standiger flrztlicher Aufsicht stehend, alle 
Erkrankungsfaile zur Kenntnis des Beobachters brachte; es handelte sicli 
aber um Leute, die fast samtlich in einem fiir die Erkrankung besonders 
pradisponierten Alter standen und auBerdem, wie die Beobachtung von 
Pelz und Kayser-Petersen gezeigt haben, durch die sehr enge 
und unhygienische Unterbringung unter Verhaltnissen lebten, die der 
Verbreitung der Krankheit besonders kraftigen Vorschub leisteten. 

Angaben von Krankenkassen konnen einen Anspruch auf Voll- 
standigkeit nicht erheben, weil einerseits ein groBer Teil der Erkran- 
kungen iiberhaupt nicht zu ihrer Kenntnis gelangt ist, andererseits, 
nachdem die Vokabel „Grippe“ in den Sprachschatz der Mediziner wieder 
Aufnahme gefunden hatte, vieles unter diesem Namen figurierte, was 
sicher nicht dorthin gehort. Ilinzu kommt, daB die Alterszusammen- 
setzung der Kassenmitglieder nicht der der Bevfllkeruug entspricht und 


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Angaben uber den Altersaufbau nicbt vorhanden sind, so daB auch da- 
durch bei Verallgemeinerungen schwerwiegende Fehlschliisse erfolgen 
mfissen. 

Die UnmSglichkeit, die Erkrankungsziffer richtig zu ermitteln, be- 
weisen alle Zahlen, die auf diesen Grundlagen veroffentlicht worden sind. 
Die von Lemke fur den Regierungsbezirk Oppeln mit 383 800 ange- 
gebene Erkrankungsziffer, die 17 Proz. der Bevolkerung entspricht, 
diirfte ebensowenig der Wirklichkeit auch nur nahe kommen, wie die 
von Konig, der im Regierungsbezirk Arnsberg eine Morbiditat von 
17,66 Proz. errechnet hat. Wenn Prein die Morbiditat unter den 
Krankenkassenmitgliedern von Schwerin mit 18,7 Proz. und Lowen- 
hardt die der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu Breslau mit gar nur 
7 Proz. angibt, so steht das mit alien subjektiven Eindrucken in so 
krassem Widerspruch, daB nur die oben genannten Fehlerquellen eine 
Erklarung dafiir geben konnen. 

Wenn trotzdem jemand aus solchen, eine derartig geringe Beteili- 
gung der Bevolkerung ergebenden Zahlen den SchluB ableitet, daB die 
Influenza also nicht eine so grofie Verbreitung gehabt habe, so ist das 
nur als ein ganz grober Irrtum anzusehen. 

Ich personlich neige der Ansicht zu, daB, wenn man auch die aller- 
leichtesten Formen der Grippe in Betracht zieht, die Morbiditat mit 
nahezu 100 Proz. anzusetzen sein diirfte. Mit diesem hohen Prozent- 
satz steht ja die Grippe nicht vereinzelt da; ich erinnere nur an die 
Ausbreitung der Pocken, die so groB war, daB man die Erkrankung fur 
einen physiologischen Vorgang gehalten hat. 

Erscheint es also aussichtslos, der Wahrheit entsprechend Morbi- 
ditatszahlen zu gewinnen, so liegen die Verhaltnisse bedeutend gunstiger 
bei den Untersuchungen uber die Mortality. Hier stehen uns die An¬ 
gaben der Aerzte auf den amtlichen Sterbefallmeldungen zur Verfugung, 
und wenn auch Fehlerquellen, von denen noch zu sprechen sein wird. 
in Rechnung gesetzt werden miissen, so sind diese doch nicht annahernd 
so groB, daB die gefundenen Werte als in der Luft schwebend anzu¬ 
sehen sind. So hat denn auch eine groBere Anzahl von Bearbeitern die 
Mortalitat der Grippe untersucht. Abzulehnen sind von vornherein die- 
jenigen Befunde, die sich auf Krankenhauser beschranken, da dort 
naturlich hauptsachlich diejenigen Falle eingeliefert worden sind, die als 
fast sichere Todeskandidaten zu gelten batten und den Prozentsatz der 
Sterbefalle stark in die Hohe trieben (Reiche, Groner, Jaksch- 
Wartenhorst). Brauchbare Zahlen durften nur in den schon er- 
wahnten Arbeiten von Konig und Lemke enthalten sein. 

Fur meine Untersuchungen wurde mir* in liebenswiirdigster Weise 
das notwendige Material vom Statistischen Amt der Stadt Breslau zur 
Verfugung gestellt. Fur die mir zuteil gewordene Unterstiitzung bin 
ich sowohl Herrn Direktor Ergang wie auch Herrn Stadtsekretar 
Gletzer zu groBtem Danke verpflichtet. 

Ich habe bereits darauf hingewiesen, daB man auch den absoluten 
Werten der Mortalitatsstatistik der Grippe mit einer gewissen Vorsicbt 
gegeniibertreten muB. Fehlerquellen sind auch hier nicht zu vermeiden. 
Wurde man sich bei der Berechnung nur auf die Falle beschranken, 
die den Vermerk ^Grippe 11 oder „Influenza“ tragen, so wurde man 
sicher eine sehr grofie Zahl von Grippetodesfallen auBer Betracht lassen. 
Teils durch falsche Diagnose, teils durch ungenaue Ausstellung der 
Totenscheine ist vielfach als Todesursache nur die den todlichen Ab- 


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iiRRAMA.r^aMDAirtKi — 



Lubinski, Stat. Betrachtungen zur Grippepandemie in Breslau 1918—22. 375 


schluB herbeifflhrende Lungenentziindung angegeben worden, eine Be- 
obachtung, die besonders hBufig in den ersten Monaten der Pandemie 
zn machen ist. Auf der anderen Seite aber ist mit der Diagnose auch 
MiBbrauch getrieben worden, indem die verschiedenartigsten Krank- 
heiten, bei denen im Endstadium irgendwelche katarrhalischen Er- 
scheinnngen hinzugetreten sind, als durch Grippe kompliziert angesehen 
warden. Als besonders eklatantes Beispiel mochte ich bier die Auf- 
zeichnungen anfUhren, die ich auf dem Totenschein eines 70jahr. Mannes 
gegen Ende der 2. Epidemiewelle gefunden habe: 

Grundkrankheit: hochgradige Arteriosklerose. 

Begleitkrankheit: Rheumatismus und Grippe. 

Unmittelbare Todesursache: Herzschwache. 

Ob es sich hier wirklich um einen Fall echter Grippe gehandelt hat, ist 
natiirlich bei der statistiscben Verarbeitung nicht mehr festzustellen. 
Die weitaus meisten Meldungen aber lassen klar und deutlich die Influenza 
bzw. die sekundare Pneumonie als Todesursache erkennen. Und so ist 



Kurve 1. Grippemortalitat in Breslau vom Juni 1918 bis Dezember 1922. 


anzuneBmen, daB Faile, wie der eben geschilderte, nur selten sind, so 
daB sie bei groBerem Material nicht sehr ins Gewicht fallen. 

Wie bereits erwahnt, verbirgt sich eine groBe Zahl von Grippe- 
todesfallen unter der Rubrik Lungenentziindung. Es geht dies deutlich 
daraus hervor, daB gleichzeitig mit dem Einsetzen der Grippe ein sprung- 
haftes Ansteigen der Pneumonie zu beobachten ist. Wahrend von 
1910—1917 im Jahresdurchschnitt 800 Personen in Breslau an Pneu¬ 
monie zugrunde gingen, steigt diese Zahl 1918 auf 1351 an, um, wie 
man bei der Betrachtung der einzelnen Monate noch genauer beobachten 
kann, mit dem Abklingen der Grippe auf die normale Zahl wieder 
zuruckzugehen. Aus den Durchschnittszahlen der in den genannten 
Jahren an Pneumonie Verstorbenen konnte ohne Schwierigkeit der Ueber- 
schuB ermittelt werdeu, der der Grippe zuzurechnen ist. Die dadurch 
erhaltenen Zahlenwerte sind als die der Wirklichkeit entsprechenden 
von mir beriicksichtigt. 

Fast gleichzeitig mit der Ausbreitung im ubrigen Deutschland 
gegen Ende des Monats Juni 1918 hielt die Influenza auch in Breslau 


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Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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ihren Einzug. Ueber den Seuchenablauf gibt uns die Kurve 1 AufschlnB. 
die die gesamten Grippetodesfalle in zeitlicher Anordnung umfaBt. 

Deutlich zeichnen sich 3 durch langere seuchenfreie Zwischenraume 
voneinander getrennte Epidemiewellen ab. Der eigentliche Beginn der Seuche 
ist in den Juni zu verlegen. Erst im folgenden Monat aber kommt es zu 
einer aufffilligen Hfiufung von Todesf&llen an Grippe, die jedoch im Au¬ 
gust und September wieder auf ein Minimum zuriickgehen. Der Oktober 
bringt dann erst den Ausbruch der eigentlichen Katastrophe mit der 
riesenhaften Steigerung der Sterbeziflfer auf 1003, eine Zahl, die in keinem 
der folgenden Monate mehr erreicht wird und fiber ein Viertel aller in 
Breslau beobachteten Grippetodesfalle darstellt. In jfihem Absturz auf 
etwa ein Drittel der Hochstziffer halt sich dann die Zahl der Todesopfer 
die 3 folgenden Monate hindurch auf ansehnlicher Hohe, um von Februar 
1919 ab allmahlich zu verklingen. Im Juni ist die Seuche als erloschen 
anzusehen. Wie nach den Erfahrungen der frfiheren Epidemien zu er- 
warten stand, setzte wenige Monate spater ein neuer Seuchenschub ein, 
der, Januar 1920 beginnend, bereits im folgenden Monat seinen Hohe- 
punkt mit 703 Todesfailen erreichte und in rascherem Abklingen als 
das 1. Mai bereits im April sein Ende fand. Von geringeren Schwank- 
ungen abgesehen, verlaufen die nfichsten Monate ruhig: die kleine Steige¬ 
rung in den Wintermonaten 1921 dfirfte weniger als Grippe aufzufassen 
sein, sondern eher als eine durch die starke Kaite und den Kohlen- 
mangel bedingte Erhohung der Pneumonien, zumal es sich vorwiegend 
um Personen im Alter von fiber 50 Jahren handelt. Erst gegen Ende 
des Jahres 1921 macht sich wieder eine stfirkere Zunahme der Influenza- 
todesffille bemerkbar, die jedoch nicht das AusmaB der vorhergehenden 
Wellen erreicht und im April plotzlich abbricht, sich auch durch diesen 
plotzlichen Abbruch von ihren Vorgfingern unterscheidend. Der zeit- 
liche Ablauf der Pandemie ist also in Breslau ganz ahnlich dem in 
anderen Teilen des Deutschen Reiches beobachteten. 

Im ganzen sind in der Zeit von Juli 1918 bis Dezember 1922 in 
Breslau 3723 Personen an Grippe gestorben. Die durchschnittliche Be- 
volkerungszahl betrug nach der Fortschreibung in diesen Jahren 528 657 
Personen. Auf 10 000 Lebende sind demnach 70,42 Todesfalle an Grippe 
zu beklagen; die Mortalitat ffir die ganze Pandemie betragt also unge- 
fahr s / 4 Proz. der Bevolkerung. 

Die Sterbeziffern der einzelnen Seuchenschiibe sind folgende: 

1. Seuchenschub (Juli 1918 bis Juni 1919): 2142 = 42,6 auf 10000 Lebende, 

2. Seuchenschub (Jan. 1920 bis April 1920): 900=10,7 „ 10000 „ 

3. Seuchenschub (Dez. 1921 bis April 1922): 423= 7,7 „ 10000 „ 

Die weitaus groBte Zahl der Todesfalle ist demnach gleich bei dem 
ersten Einbruch der Seuche zu verzeichnen. Die Mortalitfit hat dann 
im Verlaufe der Pandemie abgenommen, wahrscheinlich infolge einer 
Erhohung der Immunitat der Bevolkerung und einer Virulenzminderung 
der Erreger. Ob auch in der Letalitat ein Ruckgang zu verzeichnen ist. 
laBt sich bei dem Mangel an verlaBlichen Morbiditatszahlen nicht ziffern- 
maBig feststellen. Soweit man den subjektiven Eindrficken trauen dart, 
mochte ich die Frage bejahen. 

Um die von rair ermittelten Zahlen mit den anderweit gefundcnen 
vergleichen zu konnen, ist es erforderlich, sie nicht nach einzelnen 
Seuchenschtiben, sondern rein zeitlich nach Kalenderjahren zu ordnen. 
Es wurden von den einzelnen Beobachtern ffir 1918 die in der Tab. I 
angegebeneu Werte ermittelt. 


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Lu bin ski, Stat. Betrachtungen zur Grippepandemie in Breslau 1918—22. 377 


Tabelle I. 

Beobachtungsgebiet 

1. Breslau (Stadt) 

2. Oppeln (Regierungsbezirk) 

3. Arnsberg (Regierungsbezirk) 

4. Preulien 

5. Deutsches Reich 

Die Zahlen fiir PreuBen und das Deutsche Reich sind nach Angaben 
in den Veroffentlichungen des Reichsgesundheitsamtes von mir berechnet 
worden. Auch hier ist der UeberschuB der Pneumonien gegeniiber dem 
Durchschnitt der letzten 10 Jahre der Grippe zuaddiert worden. Es 
ergibt sich also fiir die genannten Beobachtungsgebiete eine ziemliche 
Uebereinstimmung in der Mortalit&t. Nur der Regierungsbezirk Oppeln 
fallt aus deni Rahmen mit einer doppelt so hohen Mortalit&tsziffer her- 
aus. Die hohe Zahl, die von Leinke festgestellt worden ist, dUrfte 
aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf einer st&rkeren Wirkungs- 
kraft der Seuche beruhen, was an sich bei den ungiinstigen hygienischen 
Verh&ltnissen Oberschlesiens nicht wunder nehmen wiirde. Haben doch 
auch andere Seuchen dort eine im Verhkltnis zuin iibrigen Deutschen 
Reiche besonders giinstige Verbreitung gefunden (Genickstarre 1905, 
Ruhr und Pocken wShrend des Krieges). Die Erklarung diirfte vielmehr 
darin zu suchen sein, daB L. samtliche Pneumonien dem Konto der 
Grippe zugeschrieben, es aber unterlassen hat, den auch unter normalen 
Verhaltnissen sehr betr&chtlichen Prozentsatz der durch Pneumonien 
bedingten Todesfalle in Abzug zu bringen. 

Erscheinen diese Zahlen schon schrecklich genug, so verblassen sie 
gegeniiber den Ziffern, die aus tropischen Gegenden mitgeteilt worden 
sind. So sollen auf Madagaskar bei der 1. Einschleppung im Jahre 1919 
3,4 Proz. der Bevolkerung, auf dem Archipel von Tahiti und den Isle 
sous les Ventes sogar 16,4 Proz. der Seuche zum Opfer gefallen sein. 
Die Gesamtverluste der Menschheit werden auf ca. 20 Mill, gesch&tzt, 
von denen 3 / 4 auf Ostasien entfallen. 

Im Vergleich zu diesen Riesenzahlen kommen einem die durch die 
Pandemie von 1890 If. bewirkten Verluste direkt unscheinbar vor. Die 
Sterblichkeitsziffer an Influenza betrug in Breslau fiir die fast 4 Jahre 
wiitende Seuche insgesamt 8,2 auf 10 000 Lebende; und selbst wenn 
wir, von der Annahrae ausgehend, daB ein Teil der InfluenzafSlle sich 
unter anderen Diagnosen verbirgt, deren zahlenmUBige Ermittelung in- 
folge mangelnder statistischer Unterlagen nicht moglich ist, selbst 
wenn wir diese Zahlen verdoppeln, so koinmt gegeniiber der 75,0 auf 
10000 Lebende betragenden Sterblichkeitsziffer der letzten Pandemie 
immer noch eine Verfunffachung heraus. Und doch bezeichnete Leich- 
tenstern die Epidemie seiner Zeit als die bedeutendste, die je ge- 
wesen, was wohl mit grbBerem Recht jetzt von der letzten behauptet 
werden kann. 

Meine weiteren Untersuchungen beschaftigten sich mit der Frage, 
welche Faktoren auf die Sterblichkeit einen besonderen EinfluB ausge- 
iibt haben. Vornehmlich handelte es sich um die Einwirkung von Alter 
und Geschlecht. Es ist natiirlich nicht gleichgiiltig, ob arbeitskraftige 
und fortpflanzungsfahige Menschen dahingerafft werden Oder fiir die 
Volkswirtschaft und Volkswohlfahrt nur weniger bedeutungsvolle Greise. 
Die einzige Moglichkeit, hieriiber ein richtiges Bild zu bekommen, ist 


Zahl der Todesfalle auf je 
10000 Lebende 
35,2 
75,0 
35,6 
38,9 
37,0 


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die Berechnung der Todesf&lle auf die vorhandenen Lebenden des gleichen 
Alters. Eine Kurve, die die Verteilung des Alters auf die Gesamtheit 
der Todesfaile darstellt, muB zu falschen Schlflssen ffihren, da die hoheren 
Altersstufen infolge natiirlichen Abganges einen geringeren Bestand auf- 
weisen und dementsprechend natflrlich auch nur einen geringeren Pro- 
zentsatz an Todesopfern stellen konnen. 

Der Berechnung stellten sich besondere Schwierigkeiten dadurch 
entgegen, daB infolge der Kriegsverhaltnisse der Altersaufbau der Be- 
vfllkerung in seiner normalen Entwicklung gestflrt war. Auf der einen 
Seite fehlen die Manner, die im Felde standen, auf der anderen ist der 
wahrend des Krieges eingetretene starke Geburtenriickgang zu berflck- 
sichtigen, dem 8 / i Jahr nach Kriegsende ein plotzliches Emporschnellen 
der Geburtsziffern gegeniibersteht. Fur die Berechnung der einzelnen 
Altersklassen flber 5 Jahren wurden die Durchschnittszahlen der Be- 
volkerung nach der Fortschreibung in den zur Beobachtung stehenden 
Monaten verwendet. Als Verteilungsschliissel dienten die Ergebnisse 
der letzten Volkszahlung von 1919. 

Diese Methode aber ist fflr die ersten Jahresklassen von 0—5 nicht 
brauchbar, da, wie bereits erwahnt, in der in Frage kommenden Zeit 
die Schwankungen der Geburtenziffer sehr betrachtlich waren. Der nach 
Kriegsbeginn einsetzende stetige Geburtenriickgang mit seiner Vermin- 
derung der Geburten bis auf die Hfllfte der Vorkriegszeit wurde urn 
die Mitte des Jahres 1919 plotzlich unterbrochen und schlagartig hob 
sich die Zalil der Geburten wieder auf Vorkriegshobe. Dadurch wurde 
naturlich der Altersaufbau der Jahrgange 0—5 vollkommen aus seiner 
normalen Entwicklung geworfen. 

Um verlaBliche Angaben iiber die Zahl der vorhandenen Lebenden 
dieser Jahrgange zu erhalten, wurde von der Geburtenziffer des ent- 
sprechenden Jahres die Zahl der in den folgenden Jahren im entsprechen- 
den Alter Gestorbenen in Abzug gebracht. Wenn z. B. im Jahre 1917 
7420 Geburten zu verzeichnen sind, so waren, da in diesein Zeitraume 
1264 Kinder im Alter von 0—l Jahr starben, im Jahre 1918 noch 6156 
im Alter von 1—2 Jahren vorhanden. Auf diese Art und Weise wurden 
die notwendigen Zahlen sowolil fur die Jahre der Pandemie wie auch 
fiir den Zeitraum von 1910—1913 ermittelt, die fflr die Berechnung der 
den Infiuenzatodesfallen zuzufflgenden Pneumonieflberschflsse benotigt 
wurden. Ich bin mir wohl bewuBt, daB die auf diese Weise gefundenen 
Werte nicht absolut genau sind, da z. B. die durcli Wanderungen her- 
vorgerufenen Aenderungen nicht berticksichtigt sind: eine grflBere Ge- 
nauigkeit aber ist, wie ich glaube, fur den vorliegenden Zweck nicht 
notig. 

Der auf diese Weise ermittelte Bevolkerungsaufbau findet sich in 
den folgenden Tabellen, die mir von allgemein bevolkerungsstatistischem 
Interesse zu sein scheinen. Fiihren uns doch diese Zahlen eindringlich 
vor Augen, wie hoch die Verluste sind, die wir durch den Geburten- 
rflckgang wahrend des Krieges erlitten haben. 


Tabelle II. 


Zahl der wahrend der Zeit von 1910 — 1913 im Alter von 0—5 Jahren Stehenden. 


standen im Alter von 
11 ?’ 11 11 
11 »» >) 11 


lm Jahre 1910 
0 — 1 Jahren 13 937 

1— 2 „ 11398 

2— 5 „ 32 663 


1911 1912 1913 

13 969 13 961 14166 

11 320 11078 11 682 

32 701 33163 32 519 



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Lubinski, Stat Betrachtungen zur Grippepandemie in Breslau 1918—22. 379 


Tabelle III. 

Zahl der wahrend der Zeit von 1918—1922 im Alter von 0—ft Jahren Stehenden. 

Im Jahre 1918 1919 1920 1921 1922 

standen im Alter von 0—l Jahren 7 491 11222 13 943 12 968 11404 

„ „ „ „ 1—2 „ 6156 6 257 9 672 11 759 10 714 

„ „ „ „ 2-5 „ 18 304 21880 18152 20908 25 911 

Fflr die Ermittelung der den Influenzatodesf&llen hinzuzurechnenden 
Pneumonien stellte ich zunachst den Durchschnitt der Pneumonietodes- 
falle fest in den Monaten Januar bis Juni und Juli bis Dezember der 
Jahre 1910—13 berechnet auf je 1000 Lebende des gleichen Alters. Die 
Teilung in 2 Jahreshalften erwies sich als notwendig, weil die Mortalitat 
an Pneumonie innerhalb des Jahres groBen Schwankungen unterworfen 
und in der 1. Halfte des Jahres bedeutend h8her ist als in der 2.; weil 
nun die groBte Zahl der Influenzafehldiagnosen, die sich unter der An- 
gabe Pneumonie verbergen, in den ersten Monaten der Pandemie erfolgt 
ist, treten diese faischlicherweise als Pneumonien angegebenen Sterbe- 
falle deutlicher hervor, als wenn der Durchschnitt des ganzen Jahres in 
Betracht gezogen worden ware. Die Unterschiede zwischen den Ver- 
gleichsjahren und der Zeit der ersten Grippewelle gehen aus den nach- 
stehenden Angaben hervor. 


Tabelle IV. 


Gemeidete Todesfalle an Pneumonie berechnet auf je 1000 Lebende der betreffenden 
Altersklasse. 


Beobach- In den Monat. Juli—Dez. 
tungsjahr Alter 0—1 1—2 2—5J. 

1910—13 7,5 2,4 0,4 

1918 15,6 10,6 3,2 


Beobach- In den Monat. Jan.—Juni 
tungsjahr Alter 0—1 1—2 2—5J. 

1910-13 11,3 5.0 0,8 

1919 16,7 >) 13,5 1,0 


Es betrug demnach der UeberschuB der Pneumonien gegeniiber dem 
Durchschnitt der Vergleichsjahre 

Im Alter von 0—1 1—2 2-“-5 Jahren 

In den Monaten Juli — Dezember 1918 8,1 8,2 2,7 auf je 1000 Lebende berechnet 

„ ., „ Januar — Juni 1919 5,4 8,4 0,3 „ „ 1000 „ „ 


Die Steigerung der angeblich durch Pneumonien hervorgerufenen 
Todesfalle ist also in den beiden Halften des 1. Seuchenzuges recht 
verschieden. Prozentual ausgedruckt macht sie in den ersten 6 Mon. 
fur die einzelnen Altersklassen 100 bzw. 400 bzw. 800 Prozent aus, 
wahrend die entsprechenden Zahlen fur die 2. Halfte 50, 150 und 0 be- 
tragen. Diese Steigerungen sind so betrachtlich und auffallend, daB sie 
nur mit dem Auftreten der Grippe zu erklaren sind. Fur die gesamte 
erste Seuchenperiode ergibt sich demnach ein der Grippe zuzurechnender 
UeberschuB an Pneumonien von 6,8, im 1., 8,3 im 2. und 1,5 im 3.—5. 
Lebensjahre. 

An Influenzatodesfailen sind in der Zeit von Juli 1918 bis Juni 1919 
gemeldet, wieder berechnet auf je 1000 Lebende des gleichen Alters 


Im Alter von 0—1 
8,4 

dem siud hinzuzufiigen als PneumonieiiberschuB 6,8 
so daB also die Gesamtsterblichkeit an Grippe 15,2 


1—2 2—5 Jahren 

5,7 0,8 

8,3 1,5 

14,0 2,3 betragt. 


1) Fflr diesen Zeitraum wurde die Zahl der im Alter von 0—1 Jahr Stehenden 
gleich der im Jahre 1918 gesetzt, da die Steigerung der Geburtenziffer erst in der 
zweiten Jahreshalfte einsetzte. 


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Die Tatsache, daB mehr Meldungen mit der Diagnose Pneumonie 
vorliegen, die als Influenza anzusehen sind, als Influenzadiagnosen ge- 
stellt sind, mochte ich zum geringen Teil nur auf falsche Diagnose zu- 
rflckfiihren. Zum groBeren Teil tragt wohl die ungenaue Ausfullung der 
Sterbekarten die Schuld. 

Die Berechnungen fiir den 2. und 3. Seuchenzug gestalteten sich 
bedeutend einfacher, da ein UeberschuB an Pneumonien gegeniiber den 
Vergleichsjahren nur noch in so geringem MaBe festzustellen war, dad 
er innerhalb der normalen Schwankungsbreiten liegend nicht mehr in 
Rechnung gesetzt wurde. 

Die Sterblichkeitsziffern fiir diese beiden Seuchenschube stellt die 
folgende Tab. V dar. 


l’abelle V. 

Es atarben in der Altersklasse 0—1 1—2 

wahrend des 1. Seuchenzuges 3,6 2,8 

„ „ 2. „ 4,6 1,6 


2_5 

1,0 1 auf je 1000 Le- 
0,3 / bende berechnet 


Die Verteilung der Todesfalle auf die einzelnen Altersklassen der 
gesamten Bevolkerung geht aus der beifolgenden Kurve 2 hervor. 

Wir sehen zunachst, 
daB die 1. Pandemiewelle 
gegeniiber den folgenden 
in alien Altersstufen die 
meisten Opfer gefordert 
hat. Ganz besonders 
kraB tritt diese Tatsache 
bei den Sauglingen und 
1 Jahr alten Kindern her¬ 
vor, bei denen mehr To¬ 
desfalle als bei alien an- 
deren Jahrgangen zu 
verzeichnen sind. Diese 
Tatsache steht in direk- 
tem Gegensatz zu der 
von Stolte gerade fur 
die 1. Seuchenperiode ge- 
auBerten Anschauung: 
„Je jlinger das Kind, urn 
so weniger empf&nglich 
scheine es fiir die Grippe 
zu sein, um so seltener 
erkrankt es und um so 

leichter sei der Verlauf.“ Aehnlich auBern sich auch Bossert und 
Leichtentritt, die die Mortalitatsziffer der Influenzapneumonie im 
Kindesalter als nicht hoch bezeichnen. Fiir die ersten beiden Lebens- 
jahre triflft diese Ansicht wohl nicht zu. Eine Erklarung hierfur diirfte 
wohl darin zu suchen sein, daB diese Anschauungen mehr auf subjek- 
tiven Eindriicken als auf statistischen Unterlagen beruhen. 

Andere Beobachter haben auf diese holie Beteiligung der kleinsten 
Kinder bereits hingewiesen (Niemann und Foth, Hamburger und 
Balint, Meyer, Jamin und Stettner). Allerdings ist gegen das 
von diesen Autoren beigebrachte Material der Einwand zu erheben, dad 
es auf zu kleinen Zahlen beruht, und daB es teilweise aus Beobachtungen 



Kurve 2. Grippemortalitat berechnet auf je 1000 
Lebende des betreffenden Alters, getrennt nach einzelnen 
Seuchenziigen. 


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Lubinski, Stat. Betrachtungen zur Grippepandemie in Breslau 1918—22. 381 


in der Klinik gewonnen ist, wo naturlich nur schwere Falle Aufnahme 
gefanden haben oder wo es sich bei Hausendemien um Kinder handelt, 
die an und fur sich gesundheitlich bereits schwer geschadigt waren. 
Nur so ist es zu erkl&ren, daB z. B. Jamin und Stettner eine Le- 
talit&t von 28,6 Proz. fanden. Ihr Beobachtungsmaterial bestand aus 
7 Fallen, von denen 2 todlich verliefen. Eine derartige Vernachiassigung 
des Gesetzes der groBen Zahlen muB naturlich zu falschen Ergebnissen 
ffihren. DaB sie trotzdem zu einer richtigen Auffassung fiber die Be- 
teiligung der Sauglinge an der Grippemortalitfit gekommen sind, dfirfte 
daher eher auf die Richtigkeit ihrer subjektiven Eindrficke zurfickzu- 
ffihren sein. 


Im 3. Lebensjahre sinkt dann die Mortalitatskurve in steilem Ab- 
fall. Die nfichste Gruppe, die schwere Verluste zu beklagen hat, ist die 
Altersstufe von 20—35 Jahren, eine Tatsache, die im Einklang steht 
mit alien subjektiven Eindrficken und das besondere Charakteristikum 
der letzten Pandemie ist. Wir finden dann ein o-zo *.o - 60 . eo jahre. 

Zuruckgehen der Sterblichkeit in den Jahren 
von 35—50. Darfiber hinaus macht sich wieder |Hic 

ein starkes Ansteigen der Kurve noch weit fiber • 
das des mittleren Lebensalters hinausgehend 1890-9^. 
bemerkbar, wenn auch die H8he der ersten 


Lebensjahre nicht ganz erreicht wird. Diese 
relative starke Beteiligung des hohen und h6ch- 
sten Alters an der Sterblichkeit der 1. Pande- 
miewelle ist, wie ich glaube, bislang noch nicht 
voll gewiirdigt worden. 

Der 2. Seuchenzug weist ein ahnliches Bild 
in verkleinertem MaBstabe auf. Hervorzuheben 
ist nur die im Verhaltnis groBe Verminderug 
der Todesfalle im Alter von 1—2 Jahren. 

Ganz anders sieht die Kurve des 3. Seuchen- 
zuges aus. Wir haben hier fast gar keine Be¬ 
teiligung der Altersklassen von 2—60 Jahren. 
Nur was darunter und darfiber hinaus ist, hat 
diesem Wiederauftlammen der Grippe Tribut 



Kurve 3. Grippemor- 
talitat bercchnet auf je 
10 000 Lebende der betref- 
fenden Altersklassen. 


zollen mfissen. 


Die Unterschiede im Verhalten der einzelnen Jahresklassen bei den 


verschiedenen Seuchenschfiben der letzten Pandemie erklaren sich un- 


gezwungen durch die Immunisierung, welche aus der allmahlichen Durch- 
seuchung des ganzen Volkes zustande gekommen ist. Die Jungsten 
sind natfirlich von dieser nur wenig betroffen worden; das Zurtickgehen 
der Sterblichkeit dieser Altersklassen beim 2. und 3. Seuchenzuge gegen- 
uber dem 1. ist wohl auf die Virulenzminderung der Erreger und auf 
eine Schutzwirkung der von der Mutter auf das Kind tibertragenen 
Immunstoffe zurfickzufuhren. Die alten Leute aber verhalten. sich ja 
bekanntlich der aktiven Immunisierung gegenfiber refraktar. 

Die hervorgehobene relativ starke Beteiligung des hohen und hochsten 
Alters wfihrend der gesamten Pandemie kann natfirlich nicht darfiber 
hinwegtauschen, daB die Mehrzahl der Opfer von den ftir die Gesamt- 
heit wertvollsten Jahrgangen gefordert worden ist. 

In dieser Beziehung unterscheidet sich die letzte Pandemie grund- 
legend von der in den 90er Jahren. Ein genaues Bild hiervon gewinnt 
®an bei der Betrachtung der Kurve 3, die deutlich erkennen laBt, daB 



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382 


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hende dee betreffenden Alters und Geschlechte. 


h-5 -to -15 -U -15 -50 -55 -W -W -50 -60 -70 -80 uBO Jahre 


damals nur das hohe Alter von der Influenza gefahrdet war und daB 
die Seuche fflr das jugendlich kraftige Alter keine groBe Gefahr bedeutete. 

Eine weitere Frage, die 
nur durch statistische Unter- 
suchungen ihre Beantwortung 
flnden kann, ist die nach der 
Beteiligung der Geschlechter. 
Selbstverstandlich miissen ent- 
sprechend der groBeren Zahl 
der vorhandenen weiblichen 
Individuen auch absolut vom 
weiblichen Geschlecht mehr 
TodesfSlle zu verzeichnen sein. 
Die Prozentberechnung aber, 
wie sie in der Kurve 4 a—c 
zum Ausdruck kommt, zeigt 
uns, daB eine Bevorzugung 
eines Geschlechtes nicht statt- 
gefunden hat. Die Kurven 
verlaufen fast gleich. Nur 
beim 1. Seuchenzuge fallt der 
Riickgang in der Sterblich- 
keitsziflfer bei den M&nnern 
im Alter von 20—30 Jahren 
gegeniiber dem weiblichen 
Geschlechte auf. Es dfirfte 
diese Erscheinung damit zu 
erklaren sein, daB gerade die 
kraftigsten und gesiindesten 
Vertreter dieses Alters, die, 
wie wir wissen, besonders 
gefahrdet waren, zur Zeit von 
Breslau abwesend im Felde 
gestanden haben. Wir sehen 
beim 2. und 3. Seuchenzuge 
einen solchen Unterschied 
nicht mehr. Die Differenzen 
zwischen den Geschlechtern 
im hohen Alter fiber 70 be- 
ruhen auf Zufalligkeiten, da 
von diesen Jahresklassen na- 
tiirlicherweise nur noch wenig 
Individuen vorhanden sind. 
Infolgedessen ist ein einziges 
Todesfall in der Lage, das 
ProzentverhSltnis ganz be- 
trachtlich zu verschieben. 

Ich habe weiter versucht, 
zu ermitteln, ob Beruf, p 0 ' 
ziale Stellung, ungiinstige 
Wohnungsverhaltnisse eiDen 
besonderen EinfluB auf die 
Sterblichkeitsziffer aus 



Kurve 4 b. Mortalitat an Grippe wahrend 
des 2. Seuchenzuges Jan.-April 1920 nach Alter 
und Geschlecht, berechnet auf je 1000 Lebende 
des betreffenden Alters und Geschlechte. 

(l-yiy 'yiytL-XL-iL-HO-W-50 -*^-70 -80 u 80 Jahre 


. monnlioh. 
wiiblidt. 



Kurve 4c. Mortalitat an Grippe wahrend 
des B. Seuchenzuges Dez.-April 1922 nach Alter 
und Geschlecht, berechnet auf je 1000 Lebende 
des betreffenden Alters und Geschlechts. 


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Anigstein u. Milinska, Unters. fiber die Gelbeucht bakt. Ursprungs. 383 


haben und bin zu einem vollig negativen Resultat gekommen. Alle Stande 
und Schichten des Volkes haben in gleicher Weise der todbringenden 
Influenza ihr Opfer zollen mussen. 

Veraeichmis der benutiten Literatur. 

1) Bossert u. Leichtentritt, Dtsche med. Wochenschr. 1919. 8. 176. — 
2) Erlendsohn, ref. each Hyg. Rundsch. 1920. S. 426. — 3) Federschmidt, 
Munch, med. Wochenschr. 1919. Nr. 13. — 4) Hamburger u. Balint, Med. Klin. 

1920. 8. 1319. — 5) Jacksch-Wartenhorst, ebenda. 1920. Nr. 21. —6) Jamio u. 
Stettner, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 91. 1920. — 7) Kayser-Petersen, Munch, 
med. Wochenschr. 1919. Nr. 25. — 8) Konig, Veroffentl. a. d. Geb. d. Med.-Verw. 
Bd. 10. 1920. — 9) Lemke, ebenda. — 10) Levinthal, Ergebn. d. allg. Pathol, usw. 
Jg. 19. — 11) Loewenhardt, Cbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 81. — 12) Mollers, 
Spez. Pathol, u. Ther. inn. Krankh. (K raus - Br ugs ch). — 13) Meyer, Klin. 
Wochenschr. 1922. S. 737. — 14) Niemann u. Foth, Dtsche med. Wochenschr. 1919. 
S. 741. — 15) Pelz, ebenda. 1918. Nr. 40. — 16) Prein, Ztschr. f. Hyg. Bd. 90. 1920. 
— 17) Reiche, Med. Klin. 1920. S. 1225. — 18) Stolte, Berl. klin. Wochenschr. 

1921. Nr. 6. — 19) Veroffentl. d. Reichsgesundheitsamts. 1922. 


• Nachdruck verboten. 

Untersuchungen iiber die Gelbsucht bakteriellen Ursprungs. 

[Aus dem Staatlichen Hygieneinstitut in Warschau (Direktor: 

Dr. L. Rajchman).] 

Von Dr. med. et phil. Ludwik Anigstein und Z. Milin’ska, 

Assistenten des Institute. 

Seit Herbst 1921 bis Ende 1922 haben wir 93 Gelbsuchtfalle, die 
in verschiedenen Orten Polens vorgekommen sind, in Stiologischer sowie 
klinischer Richtung untersucht. Unter dieser Gesamtzahl waren 67 Er- 
krankungen als sogenannter „Icterus catarrhalis“ diagnostiziert. Die 
grOBte Zahl wurde von uns im Herbst 1921 in der Stadt R6wne (Pol- 
nisch-Wolhynien) beobachtet, wo die Epidemie ca. 250 Erkrankungen 
umfaBte, auBerdem sporadisch auftretende Icterusfalle in den Kranken- 
hausern von Warschau und seiner Umgebung. 

Es soil hier hervorgehoben werden, daB der klinische Verlauf der 
sporadischen sowie der epidemisch auftretenden Erkrankungen iden- 
tisch war. 

Die Krankheit beginnt meistens mit Magen- und Darmstorungen 
(Durchfall Oder Verstopfung), Fieber, Uebelsein, manchmal Erbrechen. 
Diese Erscheinungen sind stets von Druckgefuhl in der Magengegend 
begleitet, einem filr dieses Krankheitsbild charakteristischen Symptom. 

Schon im friihen Stadium der Erkrankung, meistens am 3. oder 
4. Tage, kommt eine allgemeine Gelbsucht zum Vorschein, die bis zu 
3 oder 4 Wochen lang anhalt. Leber und Milz sind meistens vergrbBert 
und schmerzhaft. Die Schwellung der Leber war bei manchen Patienten 
sogar nach mehreren Wochen noch feststellbar, nachdem andere Er- 
scheinungen schon verschwunden waren. Diese Tatsache, welche von 
anderen Autoren (Brugsch, Schiirer, Beyreis) auch beobachtet 
wurde, weist darauf hin, daB die Schwellung der Leber nicht nur auf 
einer Stauung der Galle beruht, sondern daB im Lebergewebe tiefere 
VerSnderungen stattfinden, so daB die Ausheilung des Organs lfingere 


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384 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 

Zeit benotigt. Unter den (im allgemeinen milden) Icteruserkrankungen 
in Wolhynien sind 3 Todesfalle vorgekommen, welche samtlich schwangere 
Frauen betrafen, bei denen diese Krankheit gewohnlich in schwerer 
Form verlauft (Can tacuz h n e 1918). AuBerdem kamen noch 5 Todes¬ 
falle unter den 93 Erkrankungen vor. 

Das Blutbild dieser klinisch vom sogenannten ^Icterus catarrhalis" 
nicht zu unterscheidenden Krankheit ist durch eine relative Lympho- 
zytose 50—75 Proz. sowie eine Eosinophilie 5—15 Proz. gekennzeichnet, 
Erscheinungen, die schon von Brugsch und Schurer (1919) bei 
diesem Krankheitsbilde beobachtet wurden. 

Im allgemeinen deckt sich das klinische Bild vollkommen mit den 
Beschreibungen von Saraillh6 und Clunet (1916) an den Dardanelles 
von Cantacuzfene (1918), sowie von Brugsch und Schurer (1919) 
in Rumdnien. 

Da einige schwere F&lle in R6wne klinisch mit der Weilscheu 
Krankheit Aehnlichkeit hatten, so wurde die mikrobiologische Unter- 
suchung zunachst in dieser Richtung vorgenommen, jedoch mit nega- 
tivem Resultat. 

Weitere Untersuchungen beruhten auf Agglutinationsproben der 
Sera der Kranken mit einer Reihe von Typhus- und Paratyphusstammen. 
Ein jedes Serum wurde mit je 17 Stammen gepruft. In der vielgestal- 
tigen Gruppe der Paratyphusbazillen wurden vor allem. diejenigen 
Stamme in Betracht gezogen, welche in serologischer Hinsicht von den 
iiblichen Paratyphus A und Paratyphus B (Schottmiiller) abweichen. 
Zur speziellen Berucksichtigung solcher „at.ypischen a Stamme haben uns 
besonders Untersuchungen derjenigen Autoren AnlaB gegeben, die 
wahrend der Icterusepidemien der letzten Jahre verschiedene Bazillen 
gezflchtet haben, welche in biocheinischer Hinsicht der Paratyphusgruppe 
entsprachen, jedoch von den Immunsera A und B nicht agglutiniert 
wurden |Saraillh6 und Clunet (1916), Cantacuzfene (1918), Fru- 
goni, Gardenghi, Ancona (1916)]. 

AuBer Ty, Paraty A, Paraty B und B. enteritidis Gartner wurden 
zur Gr u ber-W idal- Reaktion noch folgende Paratyphusstainme be- 
nutzt: 3 Stamme Paraty C (Hirszfeld), sowie Bakterien aus der Aer- 
trycke-Gruppe: G, Reading, Hogcholera, East-Africa, Mutton, Witts 
blood, Witts urine, Stanley, Newport, Binns 1 )- 

Es stellte sich heraus, daB von diesen Stammen B. Aertrycke 
Stanley in 56 von 67 Fallen, d. h. in 80 Proz., positive Agglutination 
ergab. D ies e A gglu tin a tion m i t S tan ley wurde bei sporadi- 
schem „Icterus catarrhalis“ wie auch bei epidemischen 
Fallen in gleicher Weise beobachtet. Manche Krankensera 
agglutinierten den Stanley-Stamm noch in einer Verdunnung von 1:6400. 
Kontrollversuche mit 85 „normalen“ Sera ergaben nur in 3 Fallen eine 
positive Agglutination (bis 1:400) mit Stan ley-Bazillen. 

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daB Bazillen der Aer- 
trycke-Gruppe, besonders a her dem Stamme Stanley nahe- 
stehende, eineRolle in der Aetiologie der von uns unter- 
suchten Icteruserkrankungen spielen. Weitere bakterio- 
logische Untersuchungen haben diese Vermutung bestatigt. Aus dem 
Blute von 3 Schwerkranken mit ausgepragtem Icterus gelang es uns, 
3 Stamme von Bazillen zu zuchten, von denen 2 biochemisch vollkommen 

1) Die Stiimme der A er try eke-Gruppe wurden uns dank der Liebenswiirdigkeit 
des Herrn Dr. Schiitze vom Lister-Institute (London) zur Verfiigung gestelit. 


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Anigstein u. Milinska, Unters. iiber die Gelbsucht bakt. Ursprungs. 385 


dem Paratyphus B entsprachen, jedoch serologiscb zur Gruppe Para- 
typhus C 1 ) (Hirszfeld) gehoren. Der 3. Stamm ist serologisch mit 
dem Aertrycke Stanley nahe verwandt. 

Stamm Nr. 14 wurde am 3. Tage dor Krankheit aus dem Blute einer Riick- 
wanderin aus Rutland (Woronesch) geziichtet. Leber und Milz waren am Tage der 
Blutkultur stark geschwollen und schmerzhaft, ein starker Icterus war vorhanden. 
Fieber 39,5°. Die Blutkultur ergab stark bewegliche, gramnegative Bazillen, deren bio- 
chemische Eigenschaften der Paratyphus B-Gruppe entsprachen, die sich dagegen sero- 
logisch wie Paratyphus C verhielten. Dieselben Bazillen wurden gleichzeitig aus dem 
Harn dieser Pat. in Reinkultur gewonnen. Der Stamm Nr. 14 (R6wne) wird von 
Iinmunserum Paratyphus C (Hirszfeld) und Anti-Witts-Serum bis zur Titergrenze 
agglutiniert. Mit Hilfe der Absorptionsversuche konnten wir ihn mit dem Stamme 
Witts (Andrewes 1919) identifizieren. 

Der niichste Stamm Nr. 88 (Kowel) ist ebenfalls von einem Gelbsuchtkranken, 
der aus RuGland (Wolgagebiet) kam, aus dem Blute am 12. Krankheitstage geziichtet 
worden. 

Die lebhaft beweglichen, gramnegativen Bazillen sind in biochemischer Hinsicht 
ebenfalls Paratyphus B, werden jedoch von den Immunsera der Paratyphus C-Gruppe 
(Paraty C, Hirszfeld, Stamm Nr. 14, Witts), agglutiniert. Die serologischen Eigen¬ 
schaften des Stammes 88 konnten mit Hilfe der Absorptionsversuche nur schwer ana- 
lyaiert werden; er besitzt gemeinsame Rezeptoren mit dem reinen Paratyphus C (Hirsz¬ 
feld), sowie auch mit Witts und unserem Stamm 14 (R6wne). 

Der 3. Stamm Nr. 465 wurde aus dem Blute einer Gelbsuchtkranken, die einer 
Familie angehorte, in der sich 7 Falle einer schweren, akuten Krankheit ereigneten, 
von denen 2 tddlich verliefen. Unter samtlichen Kranken dieser Hausepidemie ent- 
wickelten sich nur bei diesem Madchen intensive Gelbsucht, Schwellung der Leber und 
der Milz, sowie subkutane Hamorrhagien. — Die beweglichen, gramnegativen Bazillen, 
welche am 8. Krankheitstage aus dem Blute geziichtet wurden, besitzen biochemische 
Figenschaften des B. Eberthi, werden aber aufier vom Anti-Typhusserum auch vom 
Immunserum Aertrycke Stanley bis zu seiner Titergrenze stark agglutiniert. Ab¬ 
sorptionsversuche haben eine nahe serologische Verwaudtschaft zum Stamme Stanley 
bewiesen. 

Die beschriebenen Stamme: Nr. 14 (Rdwne), Nr. 88 (Kowel), so¬ 
wie Nr. 465 haben sich ffir Laboratoriumstiere als pathogen erwiesen. 
Kaninchen, denen die Bazillen intravenos injiziert wurden (ViO Oese) 
starben innerhalb von 3 Tagen. Die histologische Untersuchung der 
Leber zeigte eine Vakuolisation und degenerative Verfinderungen (triibe 
Schwellung) der Parenchymzellen. Stellenweise konnte man zerstreute 
nekrotische Herde im Leberparenchym, das mit lymphoiden Zellen in- 
filtriert war, nachweisen. Die feineren Gallenwege waren vom Binde- 
gewebe umwuchert und ihre Wandungen mit Rundzellen infiltriert 
(Pericholangitis). Ganz analoge VerSnderungen haben wir in der Leber 
einer Frau, welche unter Erscheinungen einer schweren Gelbsucht zu- 
grunde ging, festgestellt. Es ist anzunehmen, daB die Schadigung der 
Leberzellen direkt durch die im Blute kreisenden Bazillen in diesen 
Fallen hervorgerufen wird. 

AuBer diesen Stfimmen wurden aus dem Harn Icteruskranker 
4 StSmme von Bazillen geziichtet, deren biochemische Eigenschaften 
ziemlich wechselnd sind: Nr. 20, 21 (Nowakowski) 23, 24. Ihre 
serologischen Eigenschaften sind deswegen schwer zu ermitteln, da 
diese Bazillen iiberhaupt sehr leicht agglutinieren, auch mit normalen 
Sera. Wir konnten nur feststellen, daB die Stamme Nr. 20 und 21 
(Nowakowski, Rowne), vom Paratyphus A-Serum am starksten bis 
zur Titergrenze agglutiniert werden, wahrend die Stamme Nr. 23 und 
24 besonders von Paratyphusserum sich agglutinieren Iassen. Aber 
auch diese Eigenschaften waren wahrend Lingerer Weiterziichtung un- 
bestandig. 

1) Naheres iiber deu Stamm siehe spater. 
trite Abt. Orig. Bd. 91. lleft 6. 25 


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Centralbl. f. Bakt. etc. i. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Von den hier kurz beschriebenen St&mmen lieBen sich am klarsten 
Nr. 14 (Rowne) und 88 (Kowel) analysieren und in die Gruppe der 
Paratyphus C-Bazillen einreihen. Dieser Typus wurde zunachst von 
Hirszfefd (1916) in Macedonien, spater (1918) von Me. Adam in 
Mesopotamien aus menschlichen Erkrankungen isoliert und mit dem 
Namen Paratyphus C von diesen Forschern unabhangig bezeichnet. Es 
soil dabei besonders hervorgehoben werden, daB diese Bazillen mit den- 
jenigen, welche Uhlenhuth (1918) im Darme gesunder Schweine und 
Menschen fand, und fur die er damals die Bezeichnung Paratyphus C 
einfiihrte, nichts Gemeinsames haben. Die groBe Vielgestaltigkeit im 
serologischen und biochemischen Sinne, die stets wachsende Anzahl 
der Paratyphusstamme. speziell derjenigen, welche wahrend des Welt- 
krieges gefunden wurden, hat eine Systematik und Ordnung erfordert, 
was zum Teil auch erfullt wurde. Die Stamme von Hirszfeld und 
Me. Adam sind von Tenbroeck (1918, 1920) mit den Hogcholera- 
bazillen identifiziert worden. Zu derselben Gruppe Paraty C hat Schfitze 
(1920) einige Stamme zugerechnet, welche in Mesopotamien und Afrika 
isoliert wurden. sowie den Stamm Witts (Andre wes und Neave 
1919). 

Die Untersuchungen von Hirszfeld und Seydel (1921) haben 
bewiesen, daB Stamme, welche in Wolhynien und Albanien von Weil 
und Saxl (1917), sowie von Neukirch (1915) in Mesopotamien ge- 
ziichtet wurden und von den Autoren mit dem B. suipestifer Yol- 
dagsen identifiziert sind, dem Paratyphus C entsprechen. Die Unter¬ 
suchungen von Hirszfeld und Seydel (1921) haben zur Orientierung 
in der bis jetzt ziemlich ungeordneten Paratyphusgruppe beigetragen 
und gleichzeitig die serologische Selbstandigkeit der Paraty C-Gruppe be- 
statigt. Die Gruppe Aertrycke kann als Uebergang zwischen Para¬ 
typhus B und Paratyphus C betrachtet werden; sie ist nicht einheitlieb 
und besteht sowohl aus Stammen, die durcli Paratyphus B-Immunsera 
agglutiniert werden, wie: Binns, Stanley, M u t to n und N e w port, 
als auch aus solchen, die dem Paratyphus C entsprechen, wie Witts. 

Wir ersehen aus diesen Tatsachen, daB unsere bakteriologischen 
Befunde (Stamme 14 und 88) durch die agglutinierenden Eigenschaften 
der Icterussera eine Bestatigung erfahren, so daB wir behaupten konnen. 
daB in den von uns untersuchten Icteruserkrankungen Paratyphusbazillen, 
welche gemeinsaine Rezeptoreu mit der Gruppe Aertrycke einerseits 
(Stanley), sowie mit dem Paratyphus C (Plirszfeld) andererseits 
haben, eine atiologische Rolle spielen. 

Die Unkenntnis der neueren Arbeiten, hervorgerufen durch Schwierig- 
keiten in der Literaturbeschafi'ung, verschuldet die Einfiihrung von neuen 
Typen und Bezeichnungen fur bereits beschriebene Erreger, wodurch 
eine Verwirrung entstehen kann. Wir mbchten daher zu den Arbeiten 
von Iwaschenzow, Kulesza und Rapaport (1922) Stellung 
nehmen. Diese Autoren haben aus Komplikationen des Ruckfallfiebers 
Paratyphusstamme gezuchtet, welche durch die iiblichen Paratyphus A- 
und Paratyphus B-Immunsera nicht agglutiniert werden und als Para¬ 
typhus N, N I und N II bezeichnet wurden. — Es war naturlich sehr 
wichtig und interessant, festzustellen, ob eine serologische Verwandt- 
schaft dieser Stamme mit den schon bekannten existiert, und ob ihre 
Selbstandigkeit sich aufrecht erhalten liifit. Dieser Versuch ist vor 
kurzem von Sutterlin (1923) gemacht worden, der die Gelegenheit 
hatte, die ..Paratyphus N“-Bazillen sowohl mit den verschiedenen al ? 



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Anigstein u. Milinska, Unters. iiber die Gelbsucht bakt. Ursprungs. 387 


identisch mit Paratyphus C anzusehenden Stammen (Glasser, Voldagsen, 
Erzindjan-Neukirch), sowie auch mit den von uns geziichteten zu ver- 
gleichen. 

Wir miissen bemerken, daB Siitterlin nur einen unserer aus dem 
Blute isolierten Stamm (Nr. 14) besafi, da die anderen 2: 88 und 465 
erst sp&ter (1922) im Laufe der damals noch nicht abgeschlossenen 
Arbeit gezflchtet wurden. Die anderen 5 Stflmme (aus dem Harn Ikte- 
rischer), welche gleichfalls durch die Liebenswiirdigkeit von Herrn Prof. 
Miihlens nach RuBland gelangten, haben sich im Laufe unserer wei- 
teren Untersuchungen als nicht typisch fur die Paratyphusgruppe her- 
ausgestellt, womit wir mit Siitterlin iibereinstimmen. 

Die agglutinatorischen Eigenschaften der 6 russischen Stamme und 
des uuseren Nr. 14 (Rdwne) haben, wie die Tabelle von Siitterlin 
veranschaulicht, ergeben, daB sie sflmtlich (mit Ausnahme von Nr. 2) 
durch das N-Krankenserum stark agglutiniert werden. AuBerdem wer- 
den auch 4 von den russischen Stflmmen von Glasser-, Voldagsen- 
und Erzindjan-Neukirch-Immunsera stark agglutiniert, so daB sie ohne 
Zweifel in diejenige Gruppe der Paratyphusbazillen hineinpassen, welche, 
wie wir oben schon betonten, dem Paratyphus B von Weil, Saxl, 
bzw. dem Paraty C (Hirszfeld) gleichzusetzen ist. Es ist deswegen 
wohl flberflflssig, sie mit einem neuen Namen zu bezeichnen; man soil 
sie als Paratyphus C bezeichnen, wie englische Autoren nach dem Yor- 
schlage von Hirszfeld und Me. Adam schon langst tun. 

Wie von uns durch Agglutinations- und Absorptionsproben be- 
wiesen wurde, gehoren unsere Stamme (14 und 88) ebenfalls zu dem 
Typus Paratyphus C. 

Die Arbeit von Siitterlin bedarf jedoch noch einer Berichtigung. 
1) Ist unsere vorlaufige Mitteilung: „Untersuchungen iiber die para- 
typhbse Gelbsucht 14 , Warschau 1921 (polnisch), vom Verf. unrichtig als 
^Untersuchungen iiber das paratyphose Gelbfieber 14 iibersetzt worden; 

— 2) handelt es sich bei unseren Untersuchungen durchaus nicht urn 
Recurrenskomplikationen, wie Siitterlin angibt. Im Gegenteil sind 
unsere Stamme aus primaren Erkrankungen mit Gelbsucht gezflchtet 
worden, was pathogenetisch von Bedeutung sein diirfte. 

Literatur. 

1) Anigstein, L., u. Milinska, Z., Badania nad zottaezka paratyfusowa. 
[Untersuchungen iiber die paratyphose Gelbsucht. Vorlauf. Mitteil.] (Frzeglad Epi- 
demiolog. I. 1921. p. 636. (Polu.). — 2) Dies., Badania nad zoltaczkami pochodzenia 
bakteryfnego. [Untersuchungen fiber die Gelbsucht bakteriellen Ursprungs.l (Medycyna 
doswiadczalna i spoleczna. 1. 1923. p. 32—78. [Poln.] — 3) Arzt, L., Ueber eine Epi- 
dmie von Icterus infectiosus in Sfid-Mazedonien u. Albanien. (Wien. klin. Wochenschr. 
Nr. 30. 1917. S. 189.) — 4)Beyreis, O., Icterusepidemie. (Mfinch. med. Wochenschr. 
69. 1922. Nr. 28.) — 5) Brugsch u. Schfirer, Ueber gutartige epidemische Gelb¬ 
sucht. (Berl. klin. Wochenschr. 56. 1919. 8. 189.) — 6) Cantacuzfene, J., Snr une 
6pidemie d’icthre observ^e en Roumanie pendant la campagne de 1917. (Presse m6d. 
1918. p. 541.) — 7)Frugoni, Gardenghi, Ancona, Studi su 1’ittcro epideniico ca- 
strense. (Sperimentale. 70. 1916. p. 587.) — 8) Gamier, M., et Reilly, J., Le role 
'•es bacilles du groupe typhique dans l’^tiologie de l’ictfere infectieux primitif. (Rev. 
de M6d. 1920. Nr. 3.) — 9) Hirszfeld, L., A new germ of paratyphoid. (Lancet. 
!919. I. p. 296.) — 10) Hirszfeld, L., u. Seydel, J., Z bakterjologji durrtw rzeko- 
uiych. [Aus d. Bakteriologie des Paratyphus.] (Przeglad Epidemiolog. I. 1921. p. 532.) 

— 11) 1 waschenzoff, H. A., Wozwratnyj tif. i N-paratifobacilloz. [Das Rfickfall- 
iieber und die N-Paratyphu»bazillose.] (Veroff. d. VI. allruss. Kongress. d. Bakteriol. 
U- Epidemiol, in Moskau. III. 1922. p. 18.) [Russisch.J — 12) Lewy, F. H., u. Schiff, 
r., Ueber menschliche Infektionen mit einem Bazillus der Paratyphusgruppe vom Ty- 
pus Suipestifer. (Arch. iSchiffs- u. Tropenhvg. Bd. 23. 1920. 8.46.) — 13) Mfin- 

25* 


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Centralbl. t. B&kt. etc. I. Abt. Originate Bd. 91. Heft 6. 


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lens, P., Mitteilungen vora VI. russischen Bakteriologen und EpidemiologenbongreB. 
(Ebenda. Bd. 26. 1922. S. 250.) — 14) Sarraillh6, A., et Clunet, I., La „jauDi*8e 
des camps' 1 et l’6pid6mie de paratyphoide des Dardanelles. (Bull, et mem. Soc. med. 
Hop. de Paris. 1916.) — 15) Schiitze, H., The paratyphoid B group. (The Lancet. 
I. 1920. p. 93.) — 16) Siitterlin, Th., Vergleichende Untersuchungen an russischen 
Paratyphusstammen. (Centralbl. f. Bakt. Al)t. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 419.) — 
17) Tenbroeck, Paratyphoid bacilli in Hogcholera. (Journ. exp. Med. Vol. 28. 1918. 
S. 59.) 


Nachdruclc verboten. 

Erfahrungen mit Meinicke-Extrakten zur Serodiagnostik 

der Lues. 

[Aus der inneren Abteilung des Marienhospitals Hagen i. W. 

(Leitender Arzt: Dr. Ritter).J 

Von Dr. Helmuth Hartenfels. 

Die Meinicke-Reaktion hat eine schnelle, wandlungsreiche Ent- 
wicklung hinter sich. Die zweizeitige Meinicke-Reaktion machte 
der „Dritten Modifikation“ in einzeitiger Ausfuhrung Platz, und 
kaum begann sie sich einzuburgern, da griff Meinicke den Dold- 
schen Gedanken (1), die der Flockung vorhergehende Triibung abzu- 
lesen, auf und gab besondere Extrakte heraus, die er durch Chole- 
stearinzusatz nach Sachsschem Vorgange und Versetzen mit Tolubalsara 
starker verdiinnungsfahig macbte. Meinickes weitere Versuche er- 
gaben bald, daB das „bekanntlich immer zu Unspezifitaten neigende 
Cholestearin“ wegen der sowieso grSBeren Reaktionskraft seiner alkohol. 
Aetherrestextrakte aus Pferdeherzen iiberfliissig sei, und er veroffent- 
lichte (2) seine Erfahrungen mit 2 cholesterinfreien Extrakten verschie- 
denen relativen Gehaltes an Lipoiden und Tolubalsam, mit denen er fur 
die Seren verschiedener Reaktionsbereitschaft in der Mehrzahl aller 
Falle optimaleMengenverhaltnisse zwischeu spezifisch reagierenden Serum- 
korpern und Extraktlipoiden zu erreichen strebte. Die Methodik der 
friiheren Triibungsreaktion blieb unangetastet fiir diese cholesterinfreien 
Extrakte und bestand in Zusatz von 1 ccm einer Extraktverdiinnung mit 
2-proz. NaCl-Losung im Verhaltnis 1:10 zu 0,4 ccm inaktivierten Serums, 
linaliger Ablesung nach 1-stiind. Brutschrankaufenthalt. In einem Nach- 
trage zu vorstehender Arbeit, der zusammen mit dieser den Extrakten 
als Gebrauchsanweisung beigegeben wird, gibt Meinicke fiir aktive 
Seren eine Sondervorschrift. Die Brutschrankmethode — einst Gegen- 
stand einer Prioritatspolemik zwischen Sachs (3) und Meinicke (4) 
ist in dieser Sondervorschrift verlasscn und Meinicke schreibt bei 
Verwendung von nur 0,2 ccm Serum und 3-proz. NaCl-Losung den 
Aufenthalt des Systems bei Zimmertemperatur vor. 

Wir stehen nicht an, zu erklaren, daB nach unserer Ansicht Meinicke 
sich dadurch eines Vorzuges seiner Methodik begibt, den er selbst noch 
vor kurzem (Dtsch. med. Wochenschr. 1922. Nr. 24) lebhaft betonte. 
Unsere eigenen Untersuchuugen, iiber die wir spater ausfiihrlich be- 
richten werden, haben uns die ZweckmaBigkeit der ursprunglichen 
Methodik M.s gelehrt. Es muB uns durchaus gefahrlich erscheinen, die 
Brutsehranktemperatur durch so hohe Steigerung der Fallungsbereitschaft 



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Hartenfels, Erfahr. mit Meinicke- Ex trakten zur Serodiagnost. d. Lues. 389 


von Flockungssystemen zu ersetzen, wie M. das neuerdings tut (vgl. 
Meinicke, Zeitschr. f. Immunitatsf. Bd. 27, 28, 29). 

Wir, die wir aus spater zu erorternden Grunden prinzipiell mit 
aktiven Seren bei Brutschranktemperatur und 2—2,4-proz. NaCI-Losung 
mit Erfolg arbeiteten (also nach der urspriinglichen Methodik), sehen 
weiterhin in der unspezifischen Globulinf&llung eine Gefahr, die uns 
durch die Bequemlichkeit der Brutschrankersparnis nicht geniigend kom- 
pensiert erscheint. Fiir ein Heruntergehen mit der Serummenge sprachen 
jedoch auch unsere Versuche. Pipettiert man n&mlich ein zur Klarheit 
ausgeflocktes Serum ab und arbeitet mit ihm wie mit dem urspriing¬ 
lichen Serum, so erreicht man fast immer eine erneute Reaktion des 
Systems, die nach Ablauf, Starke, Aussehen der Flocken und Verhalten 
des Flockungszustandes auf Temperaturerhohung spezifisch zu sein 
scheint. Aus der Unmoglichkeit, diesen Versuch mit demselben Serum 
ein zweites Mai anzustellen und der Unmoglichkeit, ein ausgeflocktes 
System in analogem Vorgange durch Zusatz positiven Serums zu er- 
neuter Reaktion zu bringen, schlossen wir auf vblligen oder nahezu 
volligen Verbrauch der Extraktlipoide und Ueberschufi an spezifischen 
Serumkorpern in den meisten Systemen. Auch wir hatten darum vor- 
geschlagen, mit der Serummenge herunter oder der Extraktmenge herauf 
zu gehen, um moglichst eine totale Bindung aller reaktionsfahigen Ele- 
mente zu erreichen. 

Auf Grund dieser Ueberlegungen muBte uns der Vorschlag Hohns (5), 
bei 0,4 ccm Serum mit 0,25 ccm Extraktverdiinnung im Lupenflockungs- 
stadium, also mit einem 8-fachen SerumuberschuB gegenuber Meinicke, 
zu arbeiten, in seiner ZweckmaBigkeit zweifelhaft erscheinen. Ent- 
sprechende Versuche bestatigten das. Es gelang niemals, auch nur an- 
nahernd die Promptheit und Deutlichkeit der Original-M.T.R. nach der 
Modifikation Hohns zu erreichen. 

Wie bereits friiher erwahnt, sind unsere M e i n i c k e - Reaktionen 
samtlich mit aktiven Seren angestellt, sowohl unter Verwendung der 
cholesterinierten wie der cholesterinfreien Extrakte, mit denen zu arbeiten 
wir, dank der Liebenswiirdigkeit Dr. Meinickes, lange vor ihrer 
Herausgabe Gelegenheit hatten. 

Die Griinde waren folgende: Gleich bei Aufnahme der Versuche 
mit der M.T.R. beobachteten wir bei einem Teil der Seren, die wir als 
absolut einwandfrei negative, bei 55 0 C inaktivierte Testseren mitlaufen 
lieBen, unmittelbar nach dem Vermischen mit der Extraktverdiinnung 
eine Triibung, die bei einem Teil der Seren im Brutschrank innerhalb 
10 Min. bis IV 2 Std. wieder schwand, in der Mehrzahl der Faile jedoch 
bestehen blieb und nach 16 Std. ausgeflockt war. Die Flockung erwies 
sich als thermoreversibel. Als trotz saubersten, methodikgetreuesten 
Arbeitens diese Erscheinung immer wieder auftrat, suchten wir ihre 
Quelle zunachst in der Entnahmezeit des Serums. Aber es zeigte sich, 
daB Nflcbternserum und ein Serum der gleichen Person 3 Std. nach 
der Aufnahme von 300 g gebratenen Schweinehirns (62,6 Proz. Lipoide 
in der Trockensubstanz, v. No or den) zwar recht verschieden aussahen, 
aber gleichartig negativ bei aktiver, gleichartig unspezifisch positiv bei 
inaktiver Verwendung reagierten. Alles wies nunmehr auf den In- 
aktivierungsvorgang als Fehlerquelle hin. 

In groBen Serien angestellte Untersuchungen ergaben zunUchst, daB 
inaktive Seren ganz allgemein starker und schneller reagieren als aktive, 
des weiteren aber ergab sich, daB die maximale Temperaturgrenze fiir 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 6. 


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das Inaktivieren bei Triihungssystemen zwischen 53 und 55° C liegt. 
Alle Seren, die zwischen 50 und 53° C „inaktiviert“ waren, ergaben ein 
Verhalten, das vfillig dem der aktiven Seren glich; bei ‘/rstfind. In¬ 
aktivieren zwischen 55 und 56° C erhielten wir einige, zwischen 56 und 
57 °C vielfache, zwischen 57 und 57,5° C fast stets unspezifische TrObungs- 
reaktionen. Interessant war uns, feststellen zu konnen, daB sich bei 
einigen Seren die Einwirkung einer Temperatur von 55° auf 10 Min., 
bei anderen die Einwirkung von 56° auf 5 Min. bereits als schadigend 
im obigen Sinne erwies. Jenseits 57,5° C sahen wir die Hautigkeit un- 
spezifischer Reaktionen, zugleich aber auch die Reaktionsbereitschaft der 
Seren rasch abnehmen. 

Die auffallige Tatsache, daB Meinicke niemals vor uns einen ahnlichen Befund 
erhob, erklart sich aus der Quelle seines Serummaterials, das er als Reste von Seren, 
die fur die WaR. inaktiviert wurden, vom Hagener Bakteriologischen Institute erhielt. 
Nach unseren Erkundigungen wird dort bei 53—55 °C inaktiviert. Seine eigenen Seren 
inaktivierte Meinicke (Dtsch. med. Wochenschr. 1923. Nr. 2) bei 50° C, einer Teni- 
peratur, die, jedenfalls fiir die M.T.R., ohne EinfluB auf Starke und Schnelligkeit des 
Reaktionsablaufs ist, mithin wohl kaum Inaktivieren bedeutet. 

Eine einwandfreie theoretische Erklarung fiir unsere Befunde ist 
schwer anzugeben. Bei der Schwierigkeit, zu bestiminen, welche cherni- 
schen Korper, welche Abbau- oder Aufbaustufen sich im Momente der 
Blutentnahme im Kreislauf befinden, durfte die Moglichkeit nicht ohne 
weiteres von der Hand zu weisen sein, daB es sich bei solchen Unspezifi- 
taten um die Reaktion thermolabiler Serumkorper handelt, vielleicht 
einer koagulablen N-Verbindung oder eines ungesattigten Phosphatids, 
die bei Temperaturen zwischen 55 und 58° C serumlosliche Verbindungen 
oder Strukturfragmente bilden, und durch das Hinzutreten von Extrakt- 
lipoiden in den thermoreversiblen Gel-Zustand flbergehen. Vielleicht 
ist auch die Verstarkung der Reaktion durch das Inaktivieren auf die 
Mitwirkung eines warmever&nderten Korpers bei der Flockung zuruck- 
zufflhren. Auf die Moglichkeit einer Reaktion des Serumcholestearins in 
freier und veresterter Form, dessen Mengenverhfiltnis durch Nabrung 
und alle moglichen anderen Umstande beeinflufit wird (6), mSchten wir 
hinweisen. 

Auf Grund unserer Befunde lehnen wir das Arbeiten mit inakti- 
vierten Seren fiir die M.T.R. als iiberfliissig und gefahrlich ab, weil ein 
zeitweiliges Ueberschreiteu der zulassigen Hochsttemperatur nur in 
wenigen Laboratorien sicher auszuschlieBen ist, zumal bei der Kost- 
spieligkeit solcher Apparaturen, und da wir ein „Inaktivieren u bei 50° C 
nur als ,,symbolische Handlung“ fiir die M.T.R. anzusehen vermogen' 
Die schwachere Reaktion aktiver Seren wurde dadurch kompensiert, daB 
wir dem System statt 1 Std. bis zu 3 Std. Zeit zur Bindung gaben. 
wie wir uns uberhaupt mit dem r Schnellverfahren‘‘ Meinickes (Dtsch. 
med. Wochenschr. 1923. Nr. 19) nicht haben befreunden konnen. 

Auf diese Weise sind die serodiagnostischen Resultate gewonnen, 
uber die weiter unten berichtet ist. In seiner jiingsten Arbeit (7), d* e 
infolge Verzogerungen in der schriftlichen Niederlegung unserer Befunde 
vor dieser Veroffentlichung erschien, hat Meinicke bereits die Kon- 
sequenzen aus unseren, ihm iniindlich mitgeteilten Ergebnissen gezogen. 
inilem er fiir seine Trtibungsreaktion nach unserem Vorgangeaid 
das Inaktivieren als auf eine tiberfliissige Fehlerquelle verzichtet. 

Mit Epstein und Paul (8) mfissen wir das von Klostermann 
und Weis bach (9) behauptete Vorhandensein eines komplexen Eiw e ^' 
korpers in den Meinicke-Extrakten und die Bedeutung eines solchen 



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Hartenfels, Erfahr. mit Meinicke-Extrakteu zur Serodiagnost. d. Lues. 391 

Korpers fflr den Flockungsvorgang und seine Vorstufen leugnen, da es 
auch uns nicht gelang, denselben in dem Abdunstungsrflckstand von 
100 ccm Extrakt mit der Biuret-, Moli- und Sulfosalicyls&ure-Probe nach- 
zuweisen. Bei der M.T.R. wird 1 ccm einer 10-fachen Verdflnnung des 
Extraktes zur Anwendung gebracht, und Klostermann und Weis- 
bach glauben, daB bei dieser Reaktion die EiweiBspuren als Flocken- 
bildner in Frage kommen, die in 1 ccm einer 10-fachen Extraktverdfln- 
nung sein konnten, wenn im Rfickstand von 100 ccm des unverdflnnten 
Extraktes EiweiB nicht in Spuren nachweisbar ist. 

Allerdings mochten wir an die wesentliche Beteiligung eines Serum- 
eiweiBkorpers beim Flockungsvorgang glauben, im Gegensatz zu Lieb, 
Niederhoff und Epstein und Paul (8), bei dem wir auch die vor- 
genannten Autoren zitiert finden. Jedenfalls mochten wir darauf hin¬ 
ge wiesen haben, daB wir — anders als Meinicke (10) einen auff&lligen 
Parallelismus zwischen dem Verhalten der M.T.R. und der einfachen 
chemischen Globulinfallung bei Temperaturerhflhung fanden. Fflr die 
einfache chemische Globulinfallung haben Sachs, Teruuchi und Alt¬ 
man n (11) gezeigt, daB Temperaturerhohung mit Hemmung einhergeht. 
Uns fiel es auf, daB das Ueberschreiten einer Temperatur von 37,5° C 
bei der Bebrtttung nicht nur nicht die Gefahr einer unspezifischen Re¬ 
aktion mit sich brachte — wie Meinicke fand (10), sondern daB im 
Gegenteil jenseits 37—38° C der Reaktionsablauf gehemmt war und eine 
bereits eingetretene, einwandfrei spezifische Reaktion sich sogar aus dem 
Zustande beginnender Schwebeflockung durch Temperaturen zwischen 
38,5—42° C riickwarts bis zu vfllligem Wiederklarwerden des Systems 
entwickeln lieB. Wir verzichten darauf, uns in diese noch ungeklflrten 
Fragen zu verlieren. 

Wenige Worte noch zur Frage der Kontrollen: Wir sind mit Dold 
(12), Reining und Wester-Ebbinghaus (13) u. a. der Ansicht, 
daB selbst der Geflbte zuf Kontrollen nicht absolut verzichten sollte. 
Uns sind — allerdings nur selten — Trflbungen vorgekommen, die nach 
17s Std. im Brutschrank wieder verschwunden waren, hflufiger aber, durch 
ungeschickt gewahlte Entnahmezeit, chylos getrflbte Seren, die trotz der 
starken Deckkraft der Meinicke-Extrakte uns ohne Kontrollen bei 
schwacher Reaktion in arge Verlegenheit brachten. Wir halfen uns mit 
der Doldschen Formolkontrolle (14), die Reining und Western- 
Ebbinghaus fflr die M.T.R. unwesentlich abflnderten. Fflr die vollig 
klaren Seren jedoch verzichteten wir auf Kontrollen, es sei denn durch 
bekannte Seren, da allerdings der Unterschied zwischen klar und getrflbt 
fur solche Seren ohne weiteres evident ist. Als flberaus zweckmflBig 
hat sich uns das von Meinicke empfohlene Arbeiten mit 2 Extrakten 
verschiedenen relativen Lipoid- und Balsaragehaltes erwiesen. Die Wir- 
kungsbreite der Meinicke-Extrakte wird in der Tat dadurch groBer. 
Bei den 8- und 16-fachen Verdflnnungen des Originalextraktes, die 
Meinicke in den Handel bringt und empfiehlt, haben wir Unspeziii- 
taten nie beobachtet, und wir glauben sogar, die von uns geflbte Methodik, 
zun&chst erstmalig nach 3 Std., dann die Rohrchen mit dem schwachen 
Extrakte am nachsten Morgen zur Kontrolle als Flockungsreaktion ab- 
zulesen, mit ruhigem Gewissen empfehlen zu konnen. Allerdings nur 
als Bestatigung, nie als alleinigeu Befund. 

Wir geben zum Schlusse in Kflrze unsere mit aktiven Seren, nach 
3-stflnd. Bebrfltung bei 0,4 ccm Serum und 2—2,4-proz. NaCl-Losung 
mit cholesterinfreien Meinicke-Extrakten gewonnenen Resultate wieder. 


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Wir haben unsere vorstehenden Erfahrungen, gewonnen an rund 
4000 Serumproben, bei bisber 604 Fallen angewandt, und zwar bei 
Luesverdacht zur Sicherung der Diagnose, bei klinisch und serologisch 
einwandfreier Lues zur Priifung des Heilerfolges und bei akut fieber- 
haften Erkrankungen zur Aufdeckung von Unspezifit&ten: 

1) 256 Falle mit manifester Lues ergaben Uebereinstimmung der M.T.R. mit der WaR. 

in samtlichen Fallen. 

2) 192 Falle wurden mit unklarer Diagnose eingeliefert und durch die M.T.R. als Lues 

eruiert. Uebereinstimmung mit Kontroll-WaR. 189. 

Von den 3 nicht iibereinstimmenden Fallen war der eine nicht aufzuklaren. 
die beiden anderen eprachen durch die prompte Wirkung kleiner Salvarsan- 
mengen fur eine Ueberlegenheit der M.T.R. 

3) 156 Falle mit nicht luetischen Erkrankungen wurden auf unspezifische Reaktion der 

M.T.R. untersucht. Darunter war: 

40mal akute und chronische Go., 

28 „ schwere, doppelseitige Lungenphthise, 

24 „ funkt. Nervenleiden, 

8 „ Seren, die zu therap. Injektion dienen sollten, 
je 6 ,, Jschias und Arteriosklerose, 

,, 5 „ Pneumonie und Ulcus molle, 

„ 4 „ Scharlach und Typhus, 

„ 3 „ Schrumpfniere, Nephritis und Erysipel, 

„ 2 „ Uramie, CO.-Vergiftung, Leberca, Aneurysma, pern. Anamie. 

9 „ Lenta — Sepsis, Myxodem und unklare Diagnose. 

Bei samtlichen Fallen der letzten Reihe war die M.T.R. einwandfrei 
negativ und entsprach damit vollig dem klinischen Bilde und dem Ver- 
laufe. Eine Kontrolle durch die WaR., die fiir einige der angefilhrten 
Erkrankungen von groBem Interesse gewesen ware, unterblieb aus Spar- 
samkeitsrucksichten. Ein Fall von Go., der -fH—|- M.T.R. zeigte, bei 
negativem Wassermann, rechtfertigte nach 3 Wochen durch das Auf- 
treten eines Exanthems und n&ssender Papeln den M.T.R.-Befund. 

Besondere Erwahnung verdient noch der Befund, daB wir bei unseren 
28 Fallen schwerster Tuberkulose den von Lydia Rabinowitsch- 
Kempner (15) fiir die S.G.R. erhobenen Befund einer nach 2 Std. 
auftretenden fliichtigen Flockung fiir die M.T.R. in keinem Falle be- 
statigen konnten. Ein immerhin merkwurdiger Befund, daRuscher (16) 
neuerdings iiber Falle von unspezifischer Flockung bei Tuberkulose auch 
fiir M ein icke- Extrakte berichtete. 

Unser Priifungsbefund deckt sich mit den von Klein (17) und 
For tig (18) fiir die M.T.R. nach urspriinglicher Technik veroffeutlichten 
guten Ergebnissen. Trolz unserer Erfolge mit der M.T.R. erscheint uns 
die Einleitung einer antiluetischen Kur lediglich auf Grund eines posi- 
tiven Ausfalls der M.T.R. gewagt und nicht ohne Bedenken; dagegen 
halten wir die Anstellung der WaR. bei uegativem Ausfall der M.T.R. 
fiir nicht erforderlich, da uns die Triibungsreaktion im allgemeinen 
seh&rfer anzuzeigen scheint als die Komplementbindung. 

Trotz des kleinen Materials stehen wir nicht an, die M.T.R. als 
durchaus brauchbar zur Serodiagnostik der Syphilis, auch im kleinen 
Laboratorium, zu empfehlen. 

Zusammenfassung. 

1) Als maxi male Inaktivierungstemperaturfur die M.T.R. 
wird 55° C, als minimale 53° angegeben. — 2) Die inaktive 
Arbeitsmethode wird fiir die M.T.R. als iiberfliissig und 
gefiihrlick abgelehnt. — 3) Anwendung von Zimmertemperatur. 



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Isabolinsky u. Gitowitsch, Die Sachs-Georgi-Syphilisreaktion. 393 


allzu hohe Steigerung des NaCl-Titers im Flockungsmedium erscheint 
unzweckm&Big. — 4) Unspezifische Ausschlfige bei anderen Erkrankungen 
wurdes nicht beobachtet, die von anderer Seite berichteten Beobachtungen 
bei Tuberkulose konnten nicht best&tigt werden.— 5) Vor kontroll- 
losem Ablesen nach 1 Std. wird wegen hin und wieder auftretender 
flfichtiger Trubungen gewarnt. Kontrolle des M.T.R.-Befundes bei posi- 
tivem Ausfall wird dringend empfohlen; bei negativem Resultat erscheint 
sie fiberflfissig. — 5) Es wird fiber gute Ergebnisse nach der ursprfing- 
lichen Methodik bei Verwendung aktiver Seren berichtet. 

Iiiteratur. 

1) Med. Klin. 1921. Nr. 31. — 2) Dtsch. med. Wochenschr. 1923. Nr. 2. — 3) Ebenda. 
1922. Nr. 27. — 4) Ebenda. 1922. Nr. 34. — 5) Munch, med. Wochenschr. 1922. Nr. 51. — 
6) Grofi, 0., Klin. Wochenschr. Jg. 2. Nr. 5. — 7) Dtsch. med. Wochenschr. 1923. 
Nr. 19. — 8) Ebenda. 1922. Nr. 49. — 9) Ebenda. 1922. Nr. 4. — 10) Ztschr. f. Im- 
munitatsf. Bd. 28. 1919. S. 280. — 11) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 42. Beih. 
1908. S. 174. — Biochem. Ztschr. Bd. 78. 1916. S. 46. — 12) Dtsch. med. Wochenschr. 
1922. Nr. 24. — 13) Ebenda. 1922. Nr. 46. — 14) Dtsch. med. Wochenschr. 1922. Nr. 8. 

- 15) Ebenda 1922. S. 381. — 16) Ebenda. 1923. Nr. 9. — 17) Ebenda. 1923. Nr. 8. 

— 18) Ebenda. 1923. Nr. 6. 


Nachdruck verboten. 

Ueber die Sachs-Georgi-Syphilisreaktion. 

[Aus dem Bakteriologischen Institut zu Smolensk.] 

Von M. Isabolinsky und W. Gitowitsch. 

Die Bestrebungen vieler Forscher, die komplizierte Methodik der Syphilisserum- 
reaktion nach Wassermann zu vereinfachen und sie der praktischen Anwendung 
zuganglicher zu machen, haben seit der Veroffentlichung dieser Reaktion (lurch 
Wassermann und seine Mitarbeiter nicht aufgehort. Bekanntlich wurde zunachst 
versucht, den kiinsthchen Ambozeptor und das kfinstliche Komplement durch den 
natiiriichen im Blute des Meuschen und Tieres vorhandenen Ambozeptor und das 
natiirliche Komplement zu ersetzen. Diese Versuche hatten aber keinen Erfolg, da sie 
eincn verschiedenen EinfluB auf die Genauigkeit und Richiigkeit der Reaktionsresultate 
ausubten. Es begannen dann die theoretischen Grundlagen der Reaktion in dem Sinne 
der strengen Spezifitat des Antikorpers und Antigens zu schwanken, und im Einklang 
hiermit entstand eine neue Lehre fiber das Wesen der Reaktion, die das Wesen der 
Reaktion vom chemisch-biologischen Standpunkte aus betrachtet. Auf Grund einer 

f anzen Reihe von Untersuchungen kam man zu dem Schlusse, daB an der Reaktion 
eine EiweiBsubstanzcn, sondern Lipoidkorper teilnehmen. Dieser Umstand hat einer - 
seits Veranlassung gegeben, verschiedene kfinstliche und natiirliche lipoidhaltige Stoffe 
als Antigen zu verwenden, und andererseits Versuche angercgt, die Reaktion durch 
eine einfahe Prazipitationsreaktion zu ersetzen. 

Einer von uns (M. Isabolinsky) hat sich bereits im Jahre 1909 in einer 
speziellen Arbeit, die in der Zeitschr. f. Immunitatsf. erschienen ist, fiber den Wert 
des Ersatzes des syphilitischen Antigens bei der WaR. durch verschiedene kfinstliche 
Antigene geaufiert. Erwahnt sei, dafl der Gedanke, die WaR. durch eine Prazipitations¬ 
reaktion zu ersetzen, zuerst von For n et und S c h e r e s c h e w s k y ausgesprochen wurde. 
Dieser Gedanke hat aber in einer ganzen Reihe von Kontrolluntersuchungen keine Be- 
statigung gefunden. Eine groSere Bedeutung in der Syphilisdiagnostik gewann die Pra- 
zipitationsmethode mittels Lecithin nach Porges und Meier, ferner die Prazipitation 
nuttels glykokollsauerera Natrium nach Elias, Neibauer, Porges und Salmon. 
Endlich haben Noguchi, Nonneund Apelteine Prazipitationsreaktion mit Cerebro- 
spinalflfissigkeit bei syphilitischen Erkrankungen des Zentralnervensystems vorgeschlagen, 
zu welchen Zwecken sie Buttersaure mit schwefelsaurem Natron oder Ammonium be- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


nutzten. Alle diese Modifikationen und Vereinfachungen erwieeen sich jedoch nicht 
streng spezifisch und erfahren deswegen keine praktische Anwendung. Man ist als- 
dann wieder zur urspriinglichen Methodik der Serodiagnose zurfickgekehrt, wie sie von 
Wassermann vorgeschlagen war, und die sich als viel mehr spezifisch im Sinne der 
praktischen Anwendung erwiesen hat. Es folgte nun eine Periode des Stillstands, die 
mit der Aufklarung iiber das Wesen der Wassermannschen Reaktion und mit dem 
Studium der biologischen Prozesse, die im menschlichen Orgamsmus unter der Wirkung 
dee syphitischen Virus sich abspielen, sich beschiiftigte. 

Die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der Kolloidchemie und 
ihre Anwendung zur Erklarung der verschiedenen physikalisch-chemischen Prozesse, 
die sich im Organismus abspielen, hat von neuem einen AnstoB zur Erklarung des 
Wesens der Sypnilisdiagnostik gegeben; gleichzeitig wurde auch dieFrage, Prazipitations- 
methoden zum Ersatz der komplizierten und miihsamen Wassermann schen Reaktion 
heranzuziehen, erneut in Angriff genommen. Besondere Anregung hierzu gab auch der 
Umstand, daB in der Nachkriegsperiode die Reaktionsingredientien im Preise sehr 
stiegen und schwerer erhaltlich waren. Heute verfugen wir bereits fiber eine ganze 
Reihe neuer Reaktionen fur die Svphilisdiagnose, die auf dem Prazipitationsprinzip 
beruhen. Die groSte Aufmerksamkeit beanspruchen zweifellos die Reaktionen Dach 
Sachs-Georgi und nach Meinicke. Die meisten Forscher sind der Ansicht, <la6 
der Mechanismus der WaR. mit dem bei der Reaktion nach Sachs-Georgi identisch 
ist; wie dort, bo auch hier haben wir es mit einer Veranderung des Kolloidaizustandes 
der Syphilit.ikersera zu tun, wobei dieselben eine Einwirkung der Extraktlipoide er- 
leiden. Als Resultat solcher Einwirkung kommt eine Veranderung der „Dispersion“ 
der Serumglobulme zustande, welche bis zu gewissen Grenzen unsichtbar und Ur- 
sache der Komplementbiudung ist; dann wird die Veranderung der „Dispersion“ als 
Flockenbildung sichtbar. Es ist also der Unterschied zwischen diesen Reaktionen ein 
rein quantitativer, nicht aber qualitativer; die Komplemeutbindungsreaktion ist das 
Resultat der Veranderung des Serumkolloidzustandes im fruheren Stadium des Pro- 
zesses, welche im weiteren in die Form der Ausflockungsreaktion iibergeht. Inwieweit 
nun diese theoretische Erklarung dee Mechanismus der Wassermann- und Sachs- 
Georgi-Reaktion iiberzeugend ist. ist schwer zu sagen, jedenfalls ist diese Er¬ 
klarung von groBem Interesse, und wir werden weitere experimentelle Untersuchungen 
zu ihrer Bestatigung erwarten. Was die praktische Anwendung der Reaktion nach 
Sachs-Georgi bei der Syphilisdiagnostik anbelangt, so liegen bereits eine ganze 
Reihe von Nachuntersuchungen vor. Obwohl die Mehizahl der Autoren beim Ver- 
gleich beider Reaktionen die Sachs-Georgi-Reaktion in 70—90 Proz. aller Syphilis- 
falle spezifisch fanden, so empfehlen doch alle, diese Reaktion nicht ohne "gleich- 
zeitige Anwendung der WaR. anzustellen. Der Umstand, daB Mitteilungen erschienen. 
die auf die Unspezifitat der Ausflockung bei der Sachs-Georgi-Reaktion hinwiesen, 
zwingt dazu, neben dieser Reaktion stets die WaR. auszufiihren. So bekamen Blumen- 
thal, Schontel, Robitschek positive Resultate bei Krebs, Tuberkulose und 
Fiebernden. Baumgartel. Gaethgens und andere erzielten positive Resultate bei 
Ulcus molle. Um unspezifische Ausflockungen zu vermeiden, empfehlen Sachs und 
Georgi, die Versuche im Thermostat wahrend 24 Stunden aufzubewahren, was wesent- 
lich die Zahl der unspezifischen Ausflockungen erniedrigt. Tatsachlich bestatigen die 
nachfolgenden Arbeiten in dieser Rich tun g den Vorschlag der Autoren, schlieBen aber die 
Moglichkeit unspezifischer Flockenbildungen auch bei Aufbewahrung wahrend 48 Stunden 
im Thermostat nicht aus. Trotz der zahlreichen Literatur, die fiber die Reaktion nach 
Sachs-Georgi eischienen ist, ist es sehi schwer dartiber zu entscheiden, ob die 
Reaktion der WaR. gleichwertig ist, und ob sie bei der Syphilisserumdiagnose fiber- 
haupt brauchbar ist. Es wira keine definitive Meinung fiber diese Reaktion au?- 
gesprochen, da die Aufmerksamkeit der Forscher durch eine analoge Reaktion, die 
Meinicke vorgesehlagen, und die viel mehr Anhanger als die Reaktion nach Sachs- 
Georgi gefunden hat, abgelenkt worden ist. 

Wir haben 250 Sera nach Sachs-Georgi und gleichzeitig nach 
Wassermann untersucht. Die Hauptaufmerksamkeit haben wir der 
Zubereitung des fur die Reaktion notwendigen Rindherz (Ochs) ge- 
schenkt. Bei dieser Zubereitung folgten wir den Angaben der Autoren 
der Reaktion selbst und anderen Angaben zu dieser Frage von A. Ernii- 
loff, A. Notidze, M. Neschzodimenko und Ssistak, endlich 
der vor kurzem erschienenen Arbeit von P. S. F. Vermast aus dem 
Laboratorium von Prof. Saltet in Amsterdam, die ausschlieBlich der 
Zubereitung des cholesterinisierten Extraktes gewidmet ist. 


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Isabolinsky u. Gitowitsch, Die Sachs-Georgi-Syphilisreaktion. 395 


Es ist notwendig zu bemerken, daB die Vorbereitung eines fur die 
Reaktion brauchbaren Extraktes eine schwierige Aufgabe ist und viel 
Aufmerksamkeit und groBe technische Erfahrungen verlangt. Nach einer 
ganzen Reihe von raiBlungenen Versuchen bekamen wir endlich ein Ex¬ 
trakt, dessen beste Dosis sich bei der Prflfung an 20 Seren (nach 
Wassermann 10 positive und 10 negative) aus der dritteh Serie der 
Alkoholverdiinnung beim Hinzufiigen 1-proz. Cholesterinlosung ergab. 

Zum Versuch nahmen wir 0,5 ccm des 6fach mit physiol. NaCl- 
Losung verdiinnten Extraktes, zu dem wir 1 ccm des Priifungsserums, 
das w&hrend 15 Minuten bei 56° inaktiviert war, hinzufugten. Die 
Versuche blieben wahreud 24 Stunden bei 37° im Thermostat, dann 
wurden die Resultate notiert, zur Kontrolle wurden gleichzeitig Serum 
ohne Extrakt und Extrakt ohne Serum untersucht. Die WaR. wurde streng 
nach der urspriinglichen Methode angestellt. Unter 250 untersuchten Fallen 
bekamen wir in 172 (= 70Proz.) einen vollkommenen Parallelismus zwischen 
der WaR. und Sachs-Georgi - Reaktion. Aus der uns zur Hand 
stehenden Literatur sehen wir, daB der Prozentsatz der bei beiden Re- 
aktionen iibereinstimmenden Resultate bei uns etwas niedriger ist als 
bei anderen Autoren, bei denen er zwischen 77 und 98 Proz. schwankt. 

In 17 Fallen ergab uns die WaR. ein positives Resultat, wahrend 
die Sachs-Georgi -Reaktion negativ ausfiel. In 12 von diesen 17 Fallen 
war die klinische Luesdiagnose mit Sicherheit zu stellen, in 5 Fallen 
war sie zweifelhaft. In 26 Fallen gab die WaR. ein negatives, Sachs- 
Georgi aber ein positives Resultat. In 7 von diesen 26 Fallen war 
die klinische Diagnose unklar, in den iibrigen 19 Fallen handelte es 
sich um behandelte Syphilisfalle. Wir sehen daraus, daB die Sachs- 
G e o r g i - Reaktion um etwa 3,5 Proz. empfindlicher als die WaR. ist. 
Unter unseren 250 Seren waren 29 sicher tuberkulose ohne jeglichen 
Verdacht auf Syphilis; 23 von diesen erwiesen sich nach Sachs- 
Georgi positiv, was 70 Proz. ausmacht. Eine analoge Prozentzahl 
positiver Resultate bei Tuberkulosis bekamen Wolf, Blumenthal 
und andere Autoren. AuBerdem erhielten wir ein positives Resultat 
nach Sachs-Georgi in einem Fall von Krebs der Speiserohre, in 
zwei Fallen von Ulcus ventriculi, in zwei Fallen von Ulcus molle und 
in einem Sarkomfall, die W r aR. erwies sich in den letzten 35 Fallen 
absolut negativ. Diese Faile beweisen, daB die Reaktion nach Sachs- 
Georgi nicht streng spezifisch fiir Syphilis ist; ganz richtig ist daher 
der Vorschlag von Wassermann, die Resultate der Reaktion sehr 
vorsichtig zu bewerten, da Sera, die sehr reich an EiweiB, Fermenten 
und Salzen sind, leicht unspezifischen Flockenausfall verursachen konnen. 

AufGrund unsererUntersuchungen konnen wirfolgendeSchliisseziehen: 

1) Die Sachs - Georgi - Reaktion ergab nur in 70 Proz. der 
Faile Uebereinstimmung mit der WaR. 

2) Die Sachs-Georgi-Reaktion erwies sich etwas empfindlicher 
als die WaR. (auf 3,5 Proz.) in Fallen von behandelter Syphilis. 

3) Der hohe Prozentsatz an positiven Resultate der Sachs-Georgi- 
Reaktion bei Tuberkulose und anderen Erkrankungen vermindert wesent- 
lich ihre Spezifitat fiir Syphilis. 

4) Im besten Faile kann die Sachs- Georgi-Reaktion nur als 
Ergfinzung in einigen Fallen zur WaR. dienen. 

5) Der WaR. muB die dominierende Rolle bei der Syphilisdiagnostik 
angehoren. 


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Nachdruok verboten. 

. Ueber die Sterilitat des Virus fixe. 

[Aus dem Bakteriologischen Institut zu Smolensk.] 

Von M. Isabol insky. 

1921 berichtete Kiihne in der Zeitschrift fur Hygiene und In- 
fektionskrankheiten aus der Pasteurschen Abteilung des Kochschen 
Instituts zu Berlin fiber die Sterilitat des Kaninchenriickenmarkes, das 
bei der Wutschutzimpfung zur Anwendung gelangt. 

Diese Versucke stellte Kiihne am frischen, getrockneten und gly- 
zerinisierten Riickenmark an und fand, daB frisches Riickenmark in 
83,3 Proz., getrocknetes in 80 Proz. und glyzerinisiertes in 68,7 Proz. 
durch Begleitbakterien verunreinigt war. Bei dieser Priifung auf Steri¬ 
litat konnte er verschiedene Stabchen, Sarzine und in seltenen Fallen 
Streptokokken nachweisen. Die Herkunft dieser Bakterien erklart K fihne 
ausschlieBlich durch ihr Eindringen aus dem Verdauungskanal der Ka- 
ninchen wahrend der Agonie. Diese Begleitbakterien konnen zu kleinen 
Rotungen und Infiltraten, zuweilen aber auch zu tiefen Abszefibildungen 
an der Impfstelle ffihren. Im Gegensatz zu Kiihne verneint Lubinski 
aus der Pasteur schen Abteilung des Hygienischen Instituts zu Breslau 
die Moglichkeit der Bakterieninvasion aus dem Darmkanal in das Rficken- 
mark; er sieht die Ursache dieses hohen Prozentsatzes der Verunreini- 
gung, wie ihn Kuhne feststellte, in der Unvollkommenheit der techni- 
schen Methoden der Verarbeitung des Riickenmarkes. Bei Beachtung 
aller notwendigen aseptischen Kautelen kann der Prozentsatz der Ver- 
unreinigung bis zu einem Minimum, nach seinen Beobachtungen bis 
20 Proz., herabgesetzt werden. 

Ich selbst habe bereits seit vielen Jahren systematische Kontroll- 
untersuchungen des Rfickenmarkes der Kaninchen, die mit dem Virus 
fixe geimpft waren, auf Sterilitat unternommen. Um den Impfstoff aus 
dem Riickenmark zu bekommen, werden die Kaninchen im Agoniestadium, 
bei ausgesprochenem Bilde der paralytischen Form der Wut, getfitet, was 
gewohnlich am 7. Tage nach der Impfung des Virus fixe unter die 
Dura mater geschieht. 

Das nach Ochhida frisch entnommene Riickenmark wird mit alien 
aseptischen Kautelen auf Bouillon und Agar geimpft. 1—2 Tage spater 
wird aus dem getrockneten Mark eine zweite Kontrollimpfung auf Bouillon 
und Agar gebracht. Nur bei absoluter Sterilitat beider Kontrollunter- 
suchungen wird das Mark zur Bereitung des Impfstoffes verwendet. 
Meine Beobachtungen, die ein groBeres Material umfassen, zeigen, daB 
bei Gebrauch der oben beschriebenen Methodik das Riickenmark in 
92 Proz. steril bleibt; was die fibrigen 8 Proz. betrifft, so fand ich Ver- 
unreinigungen mit Mischbakterien, hauptsfichlich Staphylokokken, und 
sehr selten mit Streptokokken. Selbstverstandlich wurde solches Mark 
als Impfstoff nicht verwendet. Diese Verunreinigung entsteht nur als 
Folge von iiuBeren Bedingungen, hangt aber nicht von Vorg&ngen, die 
im Kaninchenorganismus sich abspielen, ab. Ich habe eine ganze Reihe 
von Blutuntersuchungen bei einer groBen Kaninchenzahl unternommen 
und konnte in keinem Falle Bakterien nachweisen. Eine andere Ka- 


Go gle 


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Isabolinsky, Ueber die Sterilitat dee Virus fixe. 


397 


ninchenserie wurde nach dem Tode (an paralytischer Wut) obduziert; 
alsdann wurde das Riickenmark kulturell in verschiedenen Perioden nach 
dem Tode untersucht. Diese Untersuchungen gaben weniger giinstige 
Resultate als die Blutuntersuchungen, und zwar waren sie abhangig von 
der Zeit, die zwischen Tod und Obduktion verstrichen war. Je langer 
diese Periode war, desto eher war eine Verunreinigung des Markes mit 
Mischbakterien eingetreten, hauptsfichlich mit Staphylokokken und Bact. 
coli. Das Vorhandensein der letzteren beweist, daB in einigen Fallen 
ihr Eindringen aus dem Darmkanal moglich ist; es kommen aber auch 
andere Momente noch in Frage, was weiterem Studium unterliegt. In 
dieser Versuchsserie ist der Prozentsatz der Verunreinigung 15—20 Proz., 
fast 2—3mal groBer als in der vorangehenden Versuchsserie. Man muB 
bemerken, daB das Trocknen fiber Kalilauge keinen EinfluB auf das 
Wachstum der Mischbakterien hat und ihre Virulenz nicht vermindert, 
was den Beobachtungen Kfihnes widerspricht. Was das Passagevirus 
(Medulla oblongata der Kaninchen) anbetrifft, so konserviere ich es ge- 
wfihnlich in Glyzerin. Bei der Entnahme der Medulla oblongata be- 
stehen viel mehr Moglichkeiten zur Verunreinigung mit Nebenbakterien, 
als beim Herausschieben des Rfickenmarkes. Die Beimpfung verschiedener 
Nfihrboden mit dem verlangerten Mark gab mir einen viel hoheren 
Prozentsatz von Verunreinigungen mit Nebenbakterien (35—40 Proz.). 
Die Kaninchenimpfung mit diesem Passagevirus wirkt jedoch in keinem 
Falle auf das Wutkrankheitsbild, und andererseits kann das bei diesem 
Kaninchen entnommene Riickenmark sich ganz steril erweisen, wenn nur 
das Kaninchen wfihrend der Agonie getotet war. 

Wenn dagegen das Riickenmark solcher Kaninchen einige Stunden 
nach dem Tode entnommen wurde, so erwies es sich als verunreinigt 
und zur Impfstoffbereitung unbrauchbar. Meiner Meinung nach haben 
wir es hier nicht mit einem Eindringen von Bakterien aus dem Darm¬ 
kanal zu tun, sondern es besteht vielmehr die Moglichkeit eines Bakte- 
rienfibergangs aus dem infizierten verlfingerten Marke, was im toten 
Kaninchenorganismus geschehen kann. Bekanntlich wird das Rflcken- 
mark verschiedener Trocknung zur Bereitung des Impfstoffes sehr sorg- 
faltig in sterilisierten GefaBen in physiologischer Kochsalzlfisung unter 
Beachtung aller Kautelen in steriler Kammer, wo jede Moglichkeit zu 
auBerer Verunreinigung ausgeschlossen ist, zerrieben. Die von mir 
unternommenen Nahrbodenimpfungen der auf diese Weise bereiteten 
Emulsion aus sicher sterilem Riickenmarke gaben negative Resultate. 
Nur sehr selten konnte man ein nnbedeutendes Auswachsen von sapro- 
phytischen Bakterien, die keine schfidliche Wirkung auf die Behandelten 
ausfiben, bemerken. Auf Grund von Kfihnes Beobachtungen, daB das 
trockene Riickenmark in 70 Proz. durch Nebenbakterien verunreinigt 
wird, konnte man eine groBe Zahl von Infiltraten und Abszeflbildungen 
an der Impfstelle erwarten. Derartige Erscheinungen sind aber sehr 
selten zu beobachten; sie sind eher durch auBere Verunreinigung bei 
Bereitung der Emulsion ohne sorgfaltige VorsichtsmaBregeln oder bei 
den Impfungen selbst (beim Menschen und Kaninchen) zu erklaren. 
Kfihne gibt an, daB, seitdem die zur Injektion gebrauchlichen Kanfilen 
vor den Injektionen sterilisiert wurden, die Zahl der Abszesse bedeutend 
geringer war. Wenn aber das Impfmaterial auf diese oder jene Weise 
infiziert wird, so kann auch die Kaniilensterilisation die AbszeBbildung 
nicht verhiiten. Alle MaBregeln, die dazu dienen, ein steriles Impf¬ 
material zu bekommen, sind eng miteinander verbunden. Selbstver- 


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398 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 

standlich kann trotz Beachtung aller notigen MaBregeln ausnahmsweise 
eine Verunreinigung des Riickenmarkes mit pathogenen Mikroorganismen, 
wie Staphylo- und sogar Streptokokken, zustande kommen, was zu 
AbszeBbildungen fiihren kann. 

Auf Grund meiner Beobachtungen komme ich zu folgenden Schlussen: 

1) Die rechtzeitige Herausnahme des Riickenmarkes von in Agonie 
getoteten Kaninchen gibt einen unbedeutenden Prozentsatz von bakte- 
riellen Verunreinigungen (nach meinen Beobachtungen in 8 Proz. der 
Falle gegenuber 83,3 Proz. bei Ktihne und 20 Proz. bei Lubinski). 

2) Bei der Herausnahme des Riickenmarkes von an Wut verendeten 
Kaninchen ist die Moglichkeit der Verunreinigung um so groBer, je mehr 
Zeit zwischen dem Tode und der Autopsie verflossen ist. 

3) Das verl&ngerte Mark, das als Passage dient, gibt einen groBeren 
Prozentsatz (30—40 Proz.) von bakteriellen Verunreinigungen, die ihre 
Ursache in auBeren Bedingungen bei der Entnahme haben. In einigen 
Fallen findet ein Uebergang der Bakterien aus dem verlangerten auf das 
Ruckenmark im Kaninchenorganismus per continuitatem statt. 

4) Die Verunreinigung des Riickenmarkes ist hauptsachlich SuBerer 
Natur und hangt von der ungeniigenden Beachtung aseptischer Kautelen 
bei der Entnahme und Verarbeitung ab. Das Eindringen von Bakterien 
aus dem Darmkanal ist moglich, aber wenig wahrscheinlich; zur KlaruDg 
dieser Frage miissen noch weitere Untersuchungen angestellt werden. 


Narhdruck verboten. 

Untersuchungen liber die Mundoscillarien des Menschen. 

[Aus dem Hygien. Institut der Univers. Koln (Prof. Dr. Reiner Muller).] 
Von Dr. med. dent. Berta Feilinger. 

Die bisherigen Mitteilungen iiber die zuerst 1906 von Reiner 
Muller gesehenen und 1911 von ihm als „Scheibenbakterien u veroffent- 
lichten Mundoscillarien sind von Helmuth Simons 1922 zusammen- 
gestellt worden, der auch Abbildungen bringt. Giinther Schmid 
benannte 1922 die von mir nachstehend niiher untersuchte, nichtgrune 
Spaltalge: Simon sie 11a Miilleri. 

Meine im Sommer 1923 angestellten Untersuchungen betreffen be- 
sonders die Hiiufigkeit und die Orte ihres Vorkommens; die Frage. 
warum sie bei der Mehrzahl der Menschen dauernd vorkommen, bei 
anderen aber ebenso regelmaBig fehlen ; ihre Vermehrungsart, Beweglich- 
keit und Farbbarkeit. 

HHiifigkeit. Nach den Angaben von Reiner Muller wurde bei 
alien I’ersonen der Morgenspeichel, sogleich nach dem Erwachen in 
keimfreien Glaschen gesammelt, moglichst frisch untersucht. Tagsiiber 
ist der Keimgehalt des Mundes allzu selir den Zufdlligkeiten der Nahrung, 
der Getriinke oder des Rauchens ausgesetzt. Untersucht wurden 33 Er- 



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Fellinger, Untersuchungen iiber die Mundoscillarien dee Menschen. 399 


wachsene, 18 = 54 Proz. hatten Oscillarien. Ferner einmal 24 Madchen 
der Oberklasse einer Volksschule (13—14 Jahre alt); 17 = 71 Proz. 
hatten sie. 

Die Erwachsenen wurden alle raehrmals, einige davon sogar dutzende- 
mal untersucht. Dabei ergab sich, daB einmal festgestelltes Fehlen 
Oder Vorhandensein von Mundoscillarien sich fast ausnahmslos wieder- 
holte; ja, daB in den gefarbten Speichelausstrichen sogar die Anzahl 
der Oscillarien bei den einzelnen Personen eine gewisse Regelm&Bigkeit 
zeigte. Demnach sind wohl gewisse Menschen dauemd Oscillarientrager 
— mehr als die Haifte der von mir Untersuchten —, andere dauernd 
oscillarienfrei. 

SItz. Kejne Oscillarien fand ich im Lungenauswurf von 
10 Tuberkulosekranken. Sodann untersuchte ich 50 Zahne oder Wurzeln 
mit Karies, Pulpitis und Periodontitis; teils entnahm ich im Munde der 
Patienten mit dem Exkavator von dem Inhalte kranker Zahne, teils 
untersuchte ich ausgezogene, vor Austrocknung geschiitzte Zahne, wobei 
ebenfalls der Exkavator zur Entnahme diente. Bei alien 50 Zahnen 
fand ich keine Oscillarien, selbst dann nicht, wenn im Speichel der- 
selben Person viele Oscillarien vorhanden waren. 

In einer ausheilenden Zahnextraktionswunde hat Reiner 
Mailer einmal viele Oscillarien gefunden. Ich habe nur eine solche 
Zahnalveole untersuchen konnen; diese war oscillarienfrei, aber auch 
der Speichel dieser Person. 

Bei 6 Oscillarientragern aus 5 Familien, also mit verschiedener Er¬ 
nahrung, untersuchte ich Abstriche des Belages von Zunge, Wange, 
Gaumen, Zahnen und Zahnzwischenraumen. Auf Zunge, Wange, vor 
allem aber auf dem Gaumen fanden sich die Oscillarien am haufigsten; 
in Gaumenpraparaten manchmal in kolonienartigen Haufen freiliegend, 
wahrend sie sonst gern auf Epithelzellen liegen. Ich m5chte deshalb 
annehmen, daB die Oscillarien sich hauptsachlich am Gaumen vermehren, 
• vielleicht wegen des guten Luftzutritts, und von dort in die Obrige 
Mundhohle gelangen. 

Lebensbedingungen. Die Ernahrung oder sonstige Lebensweise 
der untersuchten erwachsenen Personen ergibt keine Anhaltspunkte. 
Dies zeigt die Uebersicht von 8 Familien mit 29 Personen: 

1) Valer (Nichtrancher) und 1 Tochter + , Mutter und 2 TSchter frei. 2) Eine 
Tochter -f, Mutter und 2 Tdchter frei. 3) Vater (starker Raucher) +, Mutter und 
2 Tochter frei. 4) Vater, Sohn (beide Starke Raucher) und Tochter +. 5) Vater (Nicht- 
raucher) +, Mutter frei. 6) Vater (Raucher), Sohn und 1 Tochter +, 1 Tochter frei. 
7) 2 Tochter +, 1 Tochter frei. 8) Vater, Sohn (beide Raucher) und Tochter +, 
Mutter frei. 

Es ergab sich, daB Ernahrung, Geschlecht, Alter, Rauchen, Mund- 
pflege oder Zustand des Gebisses die Oscillarien anscheinend nicht be- 
einflussen. 

Bei einigen Oscillarientragern fand ich besonders viele Oscillarien 
zu einer Zeit, wo sie angaben, wegen Schnupfens mit offenem Munde 
geschlafen zu haben; aber oscillarienfreie Personen hatten trotz solchen 
Schlafens mit offeneni Munde keine Oscillarien; also auch dieser Luft- 
zutritt ist allein nicht bestimmend. 

Die Reaktion des Morgenspeichels prufte ich teils durch 
Titrieren mit Natronlauge, Phenolphtalein als Indikator, teils durch Be- 
stimmung der Wasserstoffionenkonzentration mit dem Komparator von 
L. Mich a el is. 


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Erste Vereuchsreihe: 2 Personen ohne Oecillarien : ph = 6,9 und 7,0; 4 Per- 
sonen mit Oscillarien: 3 ph = 7,4, eine 7,6. Die oscillarienfreien Speichelproben waren 
also schwach sauer, die oscillarienhaitigen alkalisch. 

Zweite Versuchsreihe: 10 Speichelproben, davon 5 oscillarienhaltige. Je 
0,2 ccm Speichel + 3 Tropfen Phenolphthalein. Von Zehntel-Normalnatronlauge er- 
zeugten die Rotfarbung bei den oscillarienfreien Proben erst 5 oder 6 Tropfen; bei den 
oscillarienhaitigen geniigte 1 Tropfen. 

Dritte Versuchsreihe: 24 Schulkinder, davon 17 Oscillarientrager. Je 4 ccm 
Morgenspeichel mit 1 Tropfen Phenolphtalein. Bei den 17 Oscillarienhaitigen geniigten 
1 —2 Tropfen Zehntel Lauge zur Rotfarbung, bei den 7 anderen waren 6 Tropfen er- 
forderlich. Im Komparator ergab sich fur die 17 oscillarienhaitigen ph = 7,2 bis 7,4, 
bei den 7 anderen 6,9 bis 7,0. 

Nach diesen flbereinstimmenden Ergebnissen gedeihen die Mund- 
oscillarien in saurem Speichel also wohl nicht. Dementsprechend fand ich 
auch den Inhalt von kariosen Zahnen, der selbst bei Oscillarientrdgern 
stets frei von Oscillarien war, schwach sauer oder neutral, aber nicht 
alkalisch. AuBerdem wird im Inhalt holder Zahne wohl auch der Sauer- 
stoffmangel das Gedeihen von Oscillarien verhindern. 

Inwieweit die alkalische Reaktion auch fur die Blinddarmoscillarien 
des Meerschweinchens (Oscillospira Guiellermondi) wichtig ist, 
sei eingehenderen Untersuchungen uberlassen; ein von mir geprufter 
Blinddarminhalt reagierte ausgesprochen sauer, aber ich fand auch keine 
derartigen Oscillarien darin. 

Verinehrungsweise. Ich stellte Oscillarien im hangenden Speichel- i 
tropfen bei starker VergrOBerung ein und beobachtete stundenlang unter 
Benutzung eines Mikroskop-Briitschrankes bei 30°—35°. — Meistens 
sah ich nach ungefahr 1 Std. die erste Teilung. Hierbei teilte sich die 
Oscillarie entweder genau in der Mitte, oder aber es trennte sich nur 
etwa ein Drittel oder Viertel an einem Ende ab. Die abgetrennten 
Teile wuchsen wieder heran und teilten sich wiederum. Bei der Tren- 
nung kam es gelegentlich zu einer Winkelstellung der Teilstiicke. — 
Meine Versuche, Kulturen der Mundoscillarien zu erhalten, waren er- 
folglos; ich versuchte Blutagar, Loeffler-Serum, Endo-Agar, pepton-* 
freien Sputumagar, Ndhrbouillon mit EiweiBstiickchen; ferner Nahrsalz- 
losungen bei Tageslicht und Zimmerwarme. 

Bewegllchkeit. Bei der Beobachtung im hangenden Speicheltropfchen 
bei 30°—35°, wobei zur Vermeidung von Fliissigkeitsstromungen be- 
sonders sorgfaltig auf vollige Abdichtung des Objekttrager-Hohlschliffes 
geachtet wurde, sah ich fast iminer Ortsveranderungen der Oscillarien. 

Ich habe diese auch in Zeichnungen festgelegt, muB aber wegen der 
bekannten Druckschwierigkeiten auf Veroffentlichung verzichten. Um 
Tauschungen zu entgehen, wahlte ich zu diesen Beobachtungen solche 
Oscillarien, deren Lage dadurch markiert war, daB sie auf 1 oder zwischen 
2 Epithelzeilen lagen. Auf Epithelzellen liegende Oscillarien glitten 
meist allmahlich herunter und gelangten auch wohl zu Nachbarzellen. 

So ergab sich fast alle % Std. ein ganz verandertes Lagebild, wozu 
dann nocli die sclion erwahnten Teilungsvorgange kamen. Ebensowenig 
wie Reiner Muller ist mir eine Darstellung von Bewegungsorganen 
gelungen, auch nicht bei Dunkelfeldbeleuchtung oder in Tusche- oder 
Opalblau-Ausstrichen. Auch die freilebenden griinen Oscillarien zeigen 
ja keine GeiBeln, haben aber trotzdem eine pendelnde Bewegung, von 
der sie ja ihren Namen haben. Der segmentierte Bau der Oscillarien, 
der ja in dieser Hinsicht etwas an quergestreifte Muskelfasern erinnert. 
wird vielleiclit durch einseitige Kontraktionen eine ganz langsame gleitende 
Ortsveriinderung, wie ich sie beobachtet habe, ermoglichen. 



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Nishiura, Immunisierung gegen Rauschbrand mit Kulturfiltrateu. 401 


FSrbung, insbesondere der Kornchen. Zum einfachsten NachweiS 
der Oscillarien hat sich auch mir Loefflers Methylenblau-Farbung 
(1 Min.) des flammefixierten Ausstriches bewShrt; die Gliederung und 
die Kornchen treten gut hervor. Die Oscillarien sind gramnegativ, 
jedoch enfOrben sich die Grenzlinien der Segmente langsamer, so daB 
sie als blSuliche Striche sich abheben konnen. Sie sind nicht saurefest 
(Tb-F&rbung). Jod (Lugolsche L6sung 37 a Std.) fSrbt sie dunkelgelb 
bis braun auf hellgelbem Grund. Diese Dunkelfarbung konnte, wie bei 
freilebenden Oscillarien, auf Glykogengehalt zurflckgefuhrt werden; da 
aber bei der Bestschen KarminfSrbung die Oscillarien gar kein Kalium- 
Karmin annahmen, bleibt dies fraglich, da sich Glykogen mit Kalium- 
Karmin rot f&rbt. Sudan fdrbt nicht; also enthalten sie wohl kein 
Fett. Bei den Farbungen nach Giemsa, Manson und Pappenheim 
werden die Oscillarien blau, zeigen besonders deutlich nach Giemsa 
die Gliederung, aber keine KQrnchen. 

Als schfinste Farbungen, bei denen sowohl die Gliederung wie auch 
die Kdrnchen aufs schonste hervortreten, fand ich Metbylgrtin-Pyronin 
(24 Std.) mit dunkelroten Kbrnchen in hellem Rot, HSmatoxylin-Eosin 
mit dunkelblauen Kdrnern in rotem Grund; und die NeiBersche KSrn- 
chenfarbung. Bei der von mir benutzten Modifikation dieser Kornchen- 
fSrbung (5 Min. Borax-Methylenblau, 10 Sek. Chrysoidin) treten die 
dunkeln Kornchen besonders scharf in grOnlich-gelbem Grund hervor; 
auch treten die Oscillarien besonders deutlich in der schwach gef&rbten 
Umgebung hervor. — Zur besseren Feststellung der Natur dieser Kbrner, 
deren Zahl und GrdBe in Segmenten wechselt, benutzte ich die Schu- 
machersche Phosphinfarbung, bei der sich Nukleine und Nukleoproteide 
gelb f&rben, freie NukleinsSure aber gran. Da sich hierbei in den gelb- 
lichen Oscillarien dunkle, griine Kornchen zeigten, durfte freie nuklein- 
saure in Simonsiella Mulleri vorhanden sein. 

Literatur: zitiert bei H. Simons, CentralbL f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. 1922. 
S. 501. 

_ \ 


Nachdruck verbolen. 

Ueber die Immunisierung gegen Rausclibrand mit Kultur- 

flltraten. 

[Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten Bern (Direktor: 
Prof. Dr. G. Sobernheim).J 

Von Seiichi Nishiura. 

Zur Schutzimpfung von Rindern gegen den Rauschbrand stehen 
schon seit langer Zeit verschiedene Verfahren zur VerfOgung. 

Seitdem zuerst Arloing, Cornevin und Thomas fClr dieseu Zweck die intra- 
venose und intratracheale Injektion virulenter Hauschbrandbaktenen angewendet haben, 
ist man weiter um eine praktisehe Ausgestaltung des Prinzips bemiiht gewesen, und 
wenn auch die Irnpfstoffe immer wieder nach dieser oder jener Richtung modifiziert 
worden sind, so liefen doch die gebrauchlichen Impfrnethoden bei Rauschbrand darauf 
hinaus, daB der lebende Erreger in irgendeiner Form den Tieren einverleibt wird. 
Die Resultate waren nicht ganz befriedigend. Es zeigte sich imuier wieder, daB bei 
Verwendung virulenten Materials die Dosierung nicht mit der wiinschenswerten 
Genauigkeit vorgenommen werden kann, dnB Impfverluste sich nicht sicher vermeiden 
lassen, und daB auch der erstrebte Schutz ofters ausbleibt. Durch abgeschwachte 
Er»tc Abt. Orig. Bd. 91. Heft B. 26 


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402 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Rauschbrandimpfstoffe lassen sich zwar Impfverlusle einigermafien vermeiden, daffirist 
aber auch der lmpfsehutz weniger stark. 

Es bedeutete daher einen grofien Fortschritt, als es gelang, den Nachweis zn 
fiihren, dafi man auch unter Ausschaltung des lebenden Erregers, namlich durch Ver- 
wendung keimfreier Filtrate von Rauschbrandkulturen, Tieren einen wirksamen 
und dauerhaften lmpfsehutz zu verleihen verrnag. Schon vor langerer Zeit hatte man 
nach dieser Richtung hin Versuche angestellt, die aber zu keinen giinstigen Ergebnissen 
geffihrt hatten. Die Immunisierung mit Toxineu des Rauschbrandbazillus, wie sie von 
Grafiberger und Schattenfroh versucht worden ist, hatte sich nicht bewahrt. 
Erst neuerdings sind Naoshi Nitta, sowie Graub und Zschokke dazu gelangt, 
die ungiftigen Filtrate von Rauschbrandkulturen zu Schutzimpfungen zu verwenden. 
Derartige Filtrate werden sowohl von Laboratoriumstieren, Meerschweinchen und Mausen. 
als auch von Rindern und Schafen selbst in grofieren Mengen glatt vertragen und 
rufen hochstens unbedeutende Lokalinfiltrationen hervor. In aer Praxis hat sich nach 
den bisher vorliegenden Erfahrungen das Verfahren der ungiftigen keimfreien Rausch- 
brandfiltrate gleichfalls zur Schutzimpfung von Rindern bewahrt; Impfverluste sind 
ausgeschlossen, die Immunitat erweist sich als zuverlassig und scheint '/, Jahr oder 
noch langer anzudauern (vgl. Naoshi Nitta, Graub und Zschokke, Eichhorn, 
Gerlach u. a.). 

Von Interesse ist es nun, dafi iiber das Prinzip dieses Verfahrens Zweifel aufge- 
taucht sind. In einer kritischen Besprechung der Methode erhebt Foth den Einvrand, 
dafi es sich bei den „keimfreien“ Rauschbrandfiltraten in Wirklichkeit gar nicht uni 
keimfreies Material liandele. sondern nur um eine sehr keimarme Kulturflfissigkeit. 
Er stiitzt sich dabei zugleich auf eigene Experimente, durch die er den Nachweis er- 
bracht zu haben glaubt, dafi es mit Hilfe unserer gebrauchlichen Bakterienfilter fiber- 
haupt nicht mit Sicherheit gelingt, Rauschbrandbakterien (Rauschbrandsporen) aus der 
Bouillonkultur zuriickzuhalten. Es ist ihm mehrfach gelungen, durch Verarbeitung 
grofierer Mengen B keimfreier“ Filtrate (mittels Einengung und Alkoholfallung) una 
Verimpfung des so gewonnenen Materials auf Meerschweinchen bei diesen Tieren 
Rauschbrand hervorzurufen. Foth neigt demgemafi der Ansicht zu, dafi die Schutz- 
wirkung der Rauschbrandfiltrate nicht auf irgendwelchen loslichen Stoffen oder Stoff- 
wechselprodukten der Rauschbrandbakterien (Toxoide, Aggressine) beruhe, sondern dafi 
es sich einfach um eine Immunisierung mit sehr geringen Mengen von Rauschbrand¬ 
sporen handele. Danach ware also auch die Rauschbraudimmunisierung mit Filtraten 
im Prinzip von iilteren Methoden nicht unterschieden. 

Von vornherein erscheinen die von Foth vorgebrachten Argumente und Experi¬ 
mente nicht ganz iiberzeugend. Denn einmal ist ihm der Nachweis von lebenden 
Rauschbrandbakterien (Spoien) keineswegs in alien Filtratproben gelungen, und auBer- 
dera bedurfte es auch in den positiven Fallen immer sehr betrachtlicher Filtratmengen 
von 30 —60 ccm, wiihrend fiir Schutzimpfungszwecke bei Meeischweinchen und auch 
Rindern schon 2—3 ccm des Filtrate vollkommen genugen. Auch ist. darauf hinzu- 
weisen, dafi die direkte kulturelle Priifung der Filtrate auf Keimgehalt in den 
Versuc.hen von Graub und Zschokke u. a. stets ein negatives Ergebnis gelieferthat. 
Immerhin bot es Interesse, den Beobachtungen von Foth weiter nachzugehen und zu 
untersuchen, inwieweit die durch Bakterienfilter geschickten Rauschbrandkulturen tat- 
sachlich noch keimhaltig sind, und ob sich etwa weitere Anhaltspunkte dafiir gewinnen 
lassen, dafi die immunisierende Wirkung der P'iltrate durch ihren Gehalt an Rausch¬ 
brandsporen bedingt sein kounte. Dieser Frage kommt ja eine fiber den Spezialfall 
der Rauschbrandimpfung hinausgehende allgemcine biologische Bedeutung zu. 

Ich habe mich dieser Aufgabe auf Veranlassung von Herrn Prof- 
Sobernheim unterzogen. Die Experimente erstreckten sich nach 
mehreren Richtungen. Einmal wurden Rauschbrandfiltrate verschiedener 
Herkunft auf Keimfreiheit untersucht, und zwar sowohl kulturell als 
durch Verimpfung in konzentrierter Form, nach dem Vorgehen Foths. 
auf Meerschweinchen. Sodann wurde die immunisierende Wirkung 
einiger Filtrate gepruft und endlich in einer 3. Reihe von Versuchen 
ermittelt, welclie geringsten Mengen lebender Rauschbrandbakterien 
iiberhaupt imstande und ausreichend sind, um Meerschweinchen gegen 
eine folgende Infektion mit virulenter Rauschbrandkultur sicher zu 
schutzen. 

Rauschbrandfiltrate sind mir in einer Reihe von Probeii durch 
Herrn Privatdozenten Dr. Graub zur Verfiigung gestellt worden. Ich 


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Niehiura, Immunisierung gegen Rauschbrand rait Kulturfiltraten. 403 


mochte auch an dieser Stelle Gelegenheit nehmen, ihm hierfiir meinen 
Dank auszusprechen. Die Filtrate waren teils ganz frisch bereitet und 
ohne jeden Zusatz, teils handelte es sich um altere karbolisierte Filtrate. 
Alle Filtrate waren von dem Stamm „P“ gewonnen. Die Kulturen, die 
ich selbst verwendete. sowohl zur Infektion der Tiere, als auch zur Her- 
stellung der stark verdtinnten Impfstoffe, sind ebenfalls von dem Stamm 
P angelegt worden. Somit bestand die Moglichkeit, alle Versuche mit 
dem homologen Stamm durchzuftihren und damit namentlich bei den 
Immunisierungsversuchen alle Zufalligkeiten auszuschalten, die sich etwa 
durch biologische Besonderheiten verschiedener Kulturen h&tten ergeben 
konnen. Der Stamm P, der auch zu frtiheren Experimenten im hiesigen 
Institut gedient hatte (vgl. Gr&ub und Zschokke, Uchimura), 
stellt einen Vertreter des typischen Rauschbrandbazillus dar. Er zeigt 
alle charakteristischen morphologischen und kulturellen Eigenschaften, 
wie sie dem echten Rauschbrandbazillus zukommen (vgl. auch hieriiber 
Uchimura, sowie Sobernheim). 

I. Prttitmg der Filtrate auf Keimfreiheit. 

Es war ohne weiteres klar, daB, wenn die durch Bakterienfilter, und 
zwar Berkefeld- und Chamber land-Filter, geschickten Rausch- 
brandkulturen wirklich noch Keime enthalten sollten, iiberhaupt nur mit 
einer ganz geringen Keimzahl gerechnet werden konnte. Hierftir sprach 
schon die Tatsache, daB die Verimpfung von 2—3 ccm der Filtrate auf 
Meerschweinchen nach frtiheren Versuchen so gut wie reaktionslos ver- 
tragen wurde, und daB selbst groBere Mengen von 10 und 20 ccm hocli- 
stens vortibergehend lokale Infiltration, niemals aber den Tod der Tiere 
hervorgerufen hatten. Auch waren wiederholt Filtratmengen von 2, 5, 
10 ccm, ja von 40—50 ccm durch Aussaat in Leberbouillon auf Keim¬ 
freiheit geprtift worden, mit dem Resultat, daB keine lebenden Keime 
darin nachgewiesen werden konnten. Speziell die mir von Herrn Dr. 
Grtiub tiberlassenen frischen Rauschbrandfiltrate wurden zuntichst 
mittels Kulturverfahrens auf Keimfreiheit untersucht und in jedem Falle 
als keimfrei befunden. Es kann nattirlich sehr wohl einmal vorkommen, 
daB bei Benutzung eines nicht einwandfreien Filters vereinzelte Rausch - 
brandsporen in das Filtrat tibergehen, aber solche Filtrate wurden dann 
entweder nochmals filtriert oder iiberhaupt ausgeschaltet. Jedenfalls 
darf aus den bisherigen, im hiesigen Institut gemachten Erfahrungen 
geschlossen werden, daB es in der Regel gelingt, Filtrate zu gewinnen, 
in denen mit Hilfe des Kulturverfahrens (Verimpfung auf Leberbouillon) 
auch in groBeren Mengen lebende Rauschbrandkeime nicht nachgewiesen 
werden konnen. 

Ich habe daher von einer weiteren Anwendung dieser Prtifungs- 
methode abgesehen und mich darauf beschrankt, nach dem Vorgehen 
von Fotli groBere Filtratmengen einzuengen und alsdann auf Meer¬ 
schweinchen zu verimpfen. 

Das Verfahren wurde so gehandhabt, daB das frische, nicht karboli¬ 
sierte Filtrat zuntichst bei 40° auf dem Wasserbade auf den 10. Teil 
eingeengt wurde. Dann erfolgte der Zusatz der 25fachen Menge von 
absolutem Alkohol, der Niederschlag wurde abfiltriert und getrocknet, 
das erhaltene Pulver schlieBlich mit sterilem Aq. dest. aufgenommen, 
die Gesamtmenge in 2 gleiche Teile geteilt und auf 2 Meerschweinchen 
subkutan verimpft. In dem ersten Versuch wurden 50 ccm Filtrat ver- 
arbeitet, in einem zweiten 100 ccm Filtrat. 

26 * 


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404 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


Die beiden Meerschweinchen, die mit dem Prazipitat des ersten 
Filtrates geimpft worden waren, von denen jedes also eine dem Quantum 
von 25 ccm entsprechende Dosis erhalten hatte, blieben am Leben. 
Beide Tiere waren nach der Impfung andauernd munter und zeigten 
nur eine lokale Infiltration, die bei dem einen ganz gering, bei dem 
anderen etwas starker war und in beiden Fallen nach einigen Tagen 
wieder zuruckging und nur an der Injektionsstelle eine kleine demar- 
kierende Nekrose zur Entwicklung gelangen lieB. Von den beiden an¬ 
deren Tieren, die je 50 ccm Filtrat in konzentrierter Form injiziert 
bekommen hatten, kam eines ebenfalls mit dem Leben davon, und zeigte 
nur Lokalerscheinungen, in Form von starkerer Infiltration und Druck- 
empfindlichkeit in der Umgebung der Injektionsstelle, blieb aber dabei 
vollkommen munter. Das 2. Tier ging nach 2 Tagen unter Rausch- 
branderscheinungen zugrunde. Es fand sich bei der Sektion eine ode- 
matose Infiltration ohne Gasbildung, die mikroskopische Untersuchung 
liefi schon im Klatschpraparat von der Leber Rauschbrandbazillen er- 
kennen. 

Was lehren uns diese Versuche? Zunachst hat sich ergeben, daB 
von dem Filtrat I, das sich bei direkter kultureller Priifung als keimfrei 
erwiesen hatte, auch groBere Mengen von 25 ccm bei Meerschweinchen 
keinerlei Krankheitserscheinungen hervorriefen. Die Verimpfung des 
nach der Methode Foth konzentrierten Praparates bewirkte nur eine 
unbedeutende lokale Infiltration. Man kann somit wohl sagen, daB dieses 
Filtrat keimfrei gewesen ist und zura mindesten in den Dosen, die bei 
den spater zu berichtenden Immunisierungsversuchen zur Anwendung 
gelangten, keine Rauschbrandkeime enthalten hat. Anders steht es 
mit dem zweiten Filtrat. Auch dieses hatte sich kulturell als keim¬ 
frei erwiesen. Dagegen war eines der beiden mit 50 ccm geimpften 
Meerschweinchen an Rauschbrand zugrunde gegangen. Die Zahl 
der Rauschbrandkeime, die selbst in diesem auBerordentlichen Quan¬ 


tum enthalten gewesen ist, kann aber nur eine auBerst geringe ge¬ 
wesen sein. Einmal war das 2., mit der gleichen Dosis geimpfte 
Meerschweinchen ohne nennenswerte Krankheitserscheinungen mit dem 
Leben davongekommen, und dann war ja eben nach Uebertragung 
kleinerer Filtratmengen (5 ccm) in sterile Leberbouillon kein Wachstum 
erfolgt. Inwieweit dieser Befund fur die Frage nach dem Wesen der 
Schutzwirkung der Filtrate zu verwerten ist, bleibe zunachst unerortert. 
Etwas anderes sei indessen schon hier betont. Wie wir sehen werden, 
ist das Kulturverfahren entschieden das feinere Reagens zum Nachweis 
lebender Rauschbrandkeime. Das ergibt sich eigentlich schon darans, 
daB man auch bei Verwendung virulenter Rauschbrandsttnnme iinmer 
einer nicht zu geringen Dosis von mindestens 0,1—0,2 ccm bedarf, selten 


weniger, urn Meerschweinchen auf subkutanem Wege todlich zu infizieren. 
Wenn nun in dem vorliegenden Falle gerade das Umgekehrte eintrat 
und, bei negativem Ausfall der kulturellen Priifung, das Tierexperiment 
die in dem Filtrat vorhandenen, sicherlich auBerst spSrlichen Rauscb- 
brandkeime aufdeckte, indem diese den Tod des betreflenden Meer- 
schweinchens herbeifiihrten, so ist hier offenbar noch etwas Besonderes mit 
im Spiele. Es ist kaum zu bezweifeln, daB in dem durchAlkohol- 
fallung aus dem Filtrate gewonnenen Niederschlag nicht 
nur Rauschbrandsporen als einzig wirksamerFaktor ent¬ 
halten sind, son der n zugleich auch Stoffe, die die Wirk- 
samkeit (Virulenz) dieser Sporen steigern. Mit anderen 


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Nishiura, Immunisierung gegen Rauschbrand mit Kulturfiltraten. 405 


Worten, die loslichen und gelflsten Stoflwechselprodukte, die in den 
Filtraten enthalten sind und ebenfalls in den Alkoholniederscblag fiber- 
gehen, konnten nach Art der Aggressine das Zustandekommen der 
todlichen Infektion begflnstigen. Das ware fiir die uns besch&ftigende 
Frage nach der Keimfreiheit der Rauschbrandfiltrate zwar ohne Belang, 
wflrde uns aber das eigentflmliche Resultat der Tierimpfung erklSren 
und zugleich geeignet sein, die Deutung der Immunisierungs- 
versuche zu beeinflussen. 

II. Infektion mit stark rerdfinnten Ranschbrandkulturen. 

In den weiteren Experimented die ich anstellte, hatte ich es mir 
zur Aufgabe gemacht, zu ermitteln, inwieweit mit stark verdtinnten, sehr 
keimarmen Rauschbrandkulturen eine Infektion von Meerschweinchen 
moglich, der Tierversuch also zum Nachweis einzelner Keime ge¬ 
eignet ist. 

Zu diesem Zwecke benutzte ich Rauschbrandkulturen in Leber- 
bouillon, die 48 Std. bei 37° gGziichtet worden waren. Die Kulturen 
wurden zunflchst mikroskopisch auf Reinheit gepruft und alsdann in 
verschiedenen Graden verdflnnt. Als Verdtinnungsflfissigkeit benutzte 
ich sterile Leberbouillon, die zuvor durch steriles Papierfilter von alien 
grflberen suspendierten Bestandteilen befreit worden war. Die Wahl 
der Leberbouillon griindete sich darauf, daB ich im Hinblick auf die 
folgenden Immunitatsprufungen die Verhaitnisse nachahmen wollte, wie 
sie sich bei der Verwendung von Rauschbrandfiltraten darstellen. 

Die Verdunnungen wurden alsdann auf Keimgehalt gepruft, wobei 
ich auf eine exakte Feststellung der Keimzahl verzichtete. Es kam mir 
nur darauf an, zu sehen, inwieweit die Verdflnnung flberhaupt noch 
Rauschbrandkeime enthielt. Es wurde daher von jeder Verdunnung 
immer eine Menge von 1 und 2 ccm in ein Rohrchen mit Leberbouillon 
fibertragen. 

Hand in Hand mit dem Reagenzglasversuch ging der Tierversuch. 
Die Verdflnnungen wurden hierbei in Mengen von 3—5 ccm auf Meer¬ 
schweinchen subkutan verimpft, und zwar so, daB immer je 2—3 Tiere 
fur die einzelnen Verdunnungen benutzt wurden. 

In einer 1. Serie wurden Verdflnnungen 1:100, 1:1000, 1:10 000 
hergestellt. Sie enthielten sSmtlich nach Ausweis des Kulturverfahrens 
noch Rauschbrandkeime; die mit den Probeu beimpften Kulturrohrchen 
zeigten nach 24 Std. gutes Wachstum. Die Tierimpfungen ergaben nur 
bei Verwendung der Verdflnnung 1 :100 ein durchweg positives Re¬ 
sultat, indem alle 3 mit je 5 ccm geimpften Meerschweinchen nach 
2 Tagen an todlichem Rauschbrand eingingen. Von den mit 1 :1000 
Kultur, ebenfalls in der Dosis von 5 ccm, geimpften 3 Tieren starb nur 
eines nach 3 Tagen und zeigte bei der Sektion typischen Rauschbrand- 
befund. Die beiden anderen Tiere der gleichen Gruppe blieben dagegen 
am Leben, waren dauernd munter und reagierten gar nicht bzw. nur 
ganz leicht mit lokaler Infiltration. Das gleiche gilt von den 3 Meer¬ 
schweinchen, die 5 ccm von der Verdflnnung 1:10 000 erhalten hatten; 
auch sie tiberstanden die Impfung ohne Lokal- Oder Allgemeinerschei- 
nungen. 

Diese Ergebnisse lehren, was bereits frflher angedeutet worden ist, 
daB das Kulturverfahren dem Tierversuch entschieden 
uberlegen ist, wenn es sich um den Nachweis von Rausch- 
brandkeimen handelt. 


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406 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Fast ganz in dem gleichen Sinne fiel ein 2. Versuch aus, bei dem 
noch starkere Verdiinnungen zur Anwendung gelangten. Die 2-tSg. 
Rauschbrandkultur wurde in der oben beschriebenen Weise behandelt 
und auf 1:50 000 und 1:100000 mit steriler Leberbouillon verdiinnt. 
Auch in diesen Verdiinnungen waren noch Rauschbrandkeime enthalten, 
offenbar aber in ziemlich geringer Zahl, denn die mit den Proben be- 
schickten KulturrShrchen lieBen erst nach 48 Std. deutliches Wachstum 
erkennen. Auch hier blieben die mit der Verdunnnng 1:50 000 sub- 
kutan infizierten 3 Meerschweinchen, die je 3 ccm erhalten hatten, ge- 
sund und am Leben; nur 2 von ihnen zeigten vorubergehend eine leichte 
Infiltration in der Umgebung der Impfstelle. Eigentiimlicherweise ging 
von der anderen Serie, die mit je 3 ccm der Verdiinnung 1 :100 000 
geimpft worden war, eines der Tiere nach 3 Tagen zugrunde, und zwar 
an sicher konstatiertem Rauschbrand. Die beiden anderen Meerschwein¬ 
chen dieser Serie blieben am Leben. Derartige UnregelmaBigkeiten im 
Tierexperiment kommen bei experimenteller Rauschbrandinfektion immer 
wieder einmal vor. Ich glaube daher nicht, daB irgendein Versuchs- 
fehler vorliegt, sondern bin tiberzeugt, daB nur die erhohte individuelle 
Empfanglichkeit des betreffenden Tieres den todlichen Verlauf der In- 
fektion veranlaBt hat. Aber wie dem auch sei, es zeigt sich wiederum, 
daB das Kulturverfahren die besseren Resultate liefert, und daB trotz 
des erwiesenen Gehaltes an Rauschbrandbakterien die Verimpfung von 
3 ccm verdunnter Kulturfliissigkeit nur in einem Falle Rauschbrand her- 
vorrief. 

III. Imniunislerung mit Ranschbrandfiltraten und yerdiinnter 

Rauschbrandkultur. 

Von besonderem Interesse war nun die Frage, inwieweit die Vor- 
behandlung einerseits mit Rauschbrandfiltraten, andererseits mit stark 
verdiinnten Rauschbrandkulturen einen Impfschutz gegen die Infektion 
mit virulenter Rauschbrandkultur zu verleihen vermag. Es wurden fur 
diese Versuche die aus den friiheren Reihen uberlebenden Tiere ver- 
wendet. Zur Kontrolle dienten Meerschweinchen, die teils ohne jede 
Vorbehandlung geblieben waren, teils sterile Leberbouillon subkutan 
erhalten hatten. Es sollte durch die letztere Gruppe von Tieren kon- 
statiert werden, daB nicht etwa schon diese Flussigkeit unter den ge- 
gebenen Versuchsbedingungen resistenzsteigernde Wirkung auBert. 

Die Immunitatspriifung wurde in 3 Reihen ausgefiihrt, die in der Ta- 
belle (S. 407) ubersichtlich zusammeugestellt sind. Die 1. Reihe umfaBt 
die mit je 5 ccm der Kulturverdiinnungen 1:1000 und 1:10000 subkutan 
geimpften Meerschweinchen. Wie erinnerlich, blieben die mit 1 :10000 
Kultur infizierten 3 Tiere samtlich am Leben, von den mit 1 :1000 ge- 
spritzten 2 Tiere ebenfalls, wahrend das 3. an Rauschbrand zugrunde 
ging. Diese 5 Tiere wurden 14 Tage spater mit virulenter Rausch¬ 
brandkultur infiziert. Die 48-stiind. Leberbouillonkultur wurde durch 
steriles Papierfilter geschickt, von groberen Partikelchen befreit und 
dann mit NaCl-Losung auf Vioo verdiinnt; hiervon erhielten die Tiere 
je 5 ccm subkutan injiziert. Die Infektionsdosis betrug also, auf die 
unverdiinnte Kultur berechnet, pro Tier 0,05 ccm. Wir wahlten ab- 
sichtlich zunachst diese geringe Menge und injizierten sie nach Ver- 
diinnung in dem groBen Fliissigkeitsquantura von 5 ccm, weil uns ge; 
wisse Beobachtungen zu der Ueberzeugung gefiihrt hatten, daB bei 
groBerem Flussigkeitsquantuin die Infektion sicherer gelingt. Gleichzeitig 


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Nishiura, Immunisierung gegen Rauschbrand mit Kulturfiltraten. 4Q7 


I mmunisierungsversuch mit Rausc h brand fil tr aten und verdunnter 
Rauschbrandkultur(Meerschweinchen). 







Infektion 


Nr. 

Gew. 

VorbehandluDg 

Zeit 

)unkt nach 
er Vor- 

Dosis 

Ergebnis 




behandlung 





15 ccm 48-stiindige 




] 5 ccm 1:100 ver- 


1 

380 

1 Rauschbrandkul- 

14 Tage spater 

1 diinnter Rausch- 

lebt 

2 

300 

tur, 1 : 1000 ver- 

14 



I brandkultur sub- 




J d u n n t 




J kutan 


3 

4 

220 

3^0 

)5 ccm der gleichen Kultur, 

14 

II 

II 

dgl. 

II 

5 

3b0 

J Verdiinnudg 1:10 (XX) 

14 

II 

II 

II 

II 

6 

400 

15 ccm keimfreies Rausch- 

14 





7 

320 

J brandfiltrat (frisch) 

14 

II 




8 

420 

— 


— 


II 

t 3 Tage 

9 

330 

— 


— 


II 

+ 3 Tage 

10 

11 

12 

470 

290 

330 

(3 ccm 48-stiind. Kultur, 

1 1: 50000 verdunnt 

18 Tage spater 

„ „ 

18 ,, „ 

10,5 ccm un verd iin n - 
> ter Rauschbrand- 
I kultur subkutan 

lebt 

>1 

13 

qm 

J3 ccm der gleichen Kul- 

18 

II 

II 

dgl. 


14 

350 

!• tur, 1:100 000 ver- 

1 diinnt 

18 

»l 

II 

II 

II 

15 

320 

|3 ccm keimfreies Rausch- 

18 





16 

500 

> brandfiltrat, karboli- 

18 





17 

390 

| siert 

18 





18 

300 

\3 ccm sterile Leberbouil- 





+ 4 Tage 

19 

340 

( Ion 


— 



+ 4 » 

20 

300 

— 


— 



t 4 „ 

21 

210 

— 


— 


II 

+ 4 „ 



25 ccm keimfreies 




1 0,7 ccm unverdunn- 
[ ter Rausch brand - 
| kultur (48 Std.) 


22 

23 

380 

330 

Rauschbrandfiltrat, 

1 durch Alkoholf&llung 
etc. auf 2,5 ccm einge- 
engt 

50 ccm Filtrat, einge- 

44 Tage spater 
44 „ 

lebt 

II 

24 

250 

24 

II 

II 

dgl. 

»I 



engt auf 2,5 ccm 





25 

300 



— 


II 

t 2 Tage 
(Rauschbrd.) 


mit diesen 5 Meerschweinchen wurden 2 andere Tiere iu der nSmlichen 
Weise iufiziert, die ebenfalls 14 Tage vorher 5 ccm frisches, karbolfreies 
Rauschbrandfiltrat erhalten hatten. Dieses Filtrat hatte sich kulturell 
als keimfrei erwiesen und war von den beiden Meerschweinchen gut 
vertragen worden, ohne Storung des Allgemeinbefindens und mit nur 
unbedeutender lokaler Infiltration. Zu diesen vorbehandelten Tieren 
kamen endlich noch 2 neue Meerschweinchen als Kontrolle hinzu. 

Das Ergebnis war eindeutig: Die beiden Kontrollen waren nach 
3 Tagen tot und boten bei der Sektion das typische Rauschbrandbild, 
wiihrend alle vorbehandelten Meerschweinchen die Infek- 
tion ziemlich glatt iiberstanden. Somit hat die Einverleibung 
geringer Bakterienmengen den Tieren einen sicheren Impfschutz zu ver- 
leihen vermocht, denn durch das Kulturverfahren war sichergestellt, daB 
die Verdiinnungen von 1 : 1000 und 1 :10 000 noch Rauschbrandbakterien 
enthielten. Andererseits hat aber auch das Filtrat, entsprechend den 
Erfahrungen von Nitta, Graub und Zschokke, Uchimura u. a., 
m gleicher Weise immunisierend gewirkt, ohne daB in diesem Fil- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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trat bei der gewoknlichen Art der Prtifung Rauschbrand- 
keime nachgewiesen werden konnten. 

Eine 2. Versuchsreihe unterschied sich von der 1. in Einzelheiten 
der Anordnung, lief aber im Prinzip auf das gleiehe hinaus. Die Vor- 
behandlung der Meerschweinchen war hier mit noch geringeren Kultur- 
mengen erfolgt. Sie batten Kulturverdflnnungen von 1:50 000 und 
1:100 000 erhalten und hiervon nur je 3 ccm. Die Impfung mit 
1:50 000 Kultur war von den 3 betreffenden Tieren ziemlich glatt ver- 
tragen worden, die Verdtinnung 1:100 000 katte 1 Tier getbtet (Rausch¬ 
brand), die beiden anderen hatten die Infektion mit geringfiigigen 
Lokalerscheinungen ilberstanden. Nach 18 Tagen wurden diese 5 Meer¬ 
schweinchen subkutan infiziert, und zwar mit 0,5 ccm einer 48-stund 
virulenten Rauschbrandkultur, die vorher nur durch steriles Papierfilter 
geschickt worden war. Daneben wurden 3 Meerschweinchen, die 3 ccm 
alteres, karbolisiertes Rauschbrandfiltrat 18Tage vorher erhalten hatten. 
in der Dosis von 3 ccm in gleicher Weise infiziert. Von 4 Kontroll- 
tieren waren 2 vollig unbehandelt, 2 andere waren 18 Tage vorher mit 
je 3 ccm steriler Leberbouillon subkutan geimpft worden. 

Die Kontrolltiere gingen nach 3—4 Tagen an typischem Rausch¬ 
brand zugrunde. Alle ubrigen Meerschweinchen (8) kamen mit dem 
Leben davon und zeigten bei ungestortem Allgemeinbefinden nur die 
bekannten geringfiigigen Lokalerscheinungen, in Form von Infiltration 
in der Umgebung der Impfstelle, sowie vereinzelt leichte Druckempfind- 
lichkeit in den ersten Tagen nach der Impfung. Wiederum schutzt also 
sowohl das Filtrat als auch die stark verdiiante Rauschbrandkultur. Wenn 
auch von deu Kulturverdiinnungen eine groGere Dosis, 3 ccm, verimpft 
wurde, so ist doch offenbar schon eine recht geringe Keimzahl von 
Rauschbrandbakterien imstande, immunisierend zu wirken. 

Endlich wurden auch noch in einer 3. und letzten Versuchsreihe 
die 3 Meerschweinchen auf Immunitat gepriift, die aus den Versuchen 
mit den durch Alkoholfailung eingeengten Filtraten am Leben geblieben 
waren. Es waren dies 2 Tiere, die je 25 ccm in konzentrierter Form 
erhalten hatten und ohue nennenswerte Storungen am Leben geblieben 
waren, sowie ein Meerschweinchen, das 50 ccm eines anderen Filtrates 
als Alkoholprazipitat erhalten hatte; das Paralleltier dieses letzteren war 
an Rauschbrand eingegangen. Diese 3 Tiere wurden zugleich mit einem 
neuen Kontrolltier einer scharfen ImmunitStsprufung unterworfen. Sie 
erhielten nach 44 bzw. 24 Tagen 0,7 ccm virulenter Rauschbrandkultur. 
Es wurde also der Zwischenraum zwischen Vorbehandlung und Infektion 
nicht unerheblich verl&ngert, auGerdem die Kulturdosis erhoht. Trotz- 
dem erwiesen sich auch diese 3 Tiere als vollkommenim- 
muu. Sie reagierten nur rein lokal und unbedeutend, zeigten keinerlei 
Allgemeinerscheinungen und kamen mit dem Leben davon. Das Kon¬ 
trolltier ging nach 2 Tagen zugrunde. Hier hat also zum mindesten 
bei Filtrat I durch keimfreies Material sichere Immunitat erzielt werden 
kbnnen, denn in diesem Filtrat waren weder kulturell Rauschbrandkeime 
nachgewiesen worden, noch hatte der alkoholische Niederschlag von 
25 ccm im Tierversuch Anhaltspunkte fiir die Anwesenheit von Rausch¬ 
brandbakterien ergeben. Filtrat II hatte zwar in dem Quantum yon 
50 ccm wohl noch ganz minimale Mengen von Rauschbrandbakterien 
enthalten, da ein Meerschweinchen nach der Impfung mit dem ent- 
sprechenden alkoholischen Prazipitat an Rauschbrand eingegangen w«r. 
es bleibt aber die Frage often, ob hierauf, d. h. auf diesen fast ver- 



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JJRBANA-CHAMPAI^^-- 



Nishiura, Immuni6ierung gegen Rauschbrand mit Kulturfiltraten. 409 


schwindend geringen Keiragehalt die bei dem Paralleltier nach Ueber- 
steben der Impfung vorhandene Immunitat zuriickgefflhrt werden kann. 
Damit kommen wir zur Deutung unserer Versuche und zur Besprechung 
der aus ihnen abzuleitenden Schlufifolgerungen. 

Schlufifolgerungen. 

Sicher ist, dafi bei der von uns gewahlten Versuchsanordnung durch 
recht geringe Mengen von Rauschbrandkeimen Meer- 
schweinchen immunisiert werden kon nen. Diese Immunitat 
ist stark und ziemlich dauerhaft. Unsere Versuche sind zwar nicht allzu 
zahlreich, dennoch aber war das Resultat eindeutig. Alle unsere Meer- 
schweinchen, die mit st&rker verdunnten Rauschbrandkulturen vorbehan- 
delt worden sind und diese Impfung iiberstanden, haben sich gegenuber 
einer spateren Infektion als immun erwiesen, auch dann, wenn zur In- 
fektion groBere Mengen einer virulenten Kultur benutzt wurden und 
die Prufung auf Immunitat erst nach 3—6 Wochen erfolgte. Man muB 
hier allerdings folgendes berOcksichtigen: Es wurde in unseren Experi- 
menten aus besonderen Grunden zur Verdiinnung der Kultur sterile 
Leberbouillon benutzt, auch wurden grSBere Mengen dieser Verdiin- 
nungen, 3—5 ccm, den Tieren einverleibt. Es ware nun denkbar, daB 
unter diesen Verhaitnissen eine nachtragliche Vermehrung der sparlichen 
Rauschbrandkeime in dem subkutanen Gewebe besonders begflnstigt 
worden ist, dadurch, daB das Fliissigkeitsquantum nur langsam resor- 
biert wurde und die Flussigkeit selbst als Kulturmedium filr diese Ver¬ 
mehrung geeignet war. Es wiirde daher wohl zweckmaBig sein, die 
Versuchsanordnung in weiteren Experimenten so zu treffen, daB als 
Verdiinnungsfliissigkeit nicht ein Kulturmedium (Leberbouillon), sondern 
physiologische NaCl-L6sung gewahlt wird. Leider bin ich nicht mehr 
in der Lage gewesen, die Versuche nach dieser Richtung hin zu erganzen 
und zu vervollstandigen. 

Diese Feststellungen scheinen mir aber nichts zu beweisen fur die 
Frage nach der Wir kungs weise derRauschbrandfiltrate. Ich 
habe zwar gefunden, daB die durch Bakterienlilter (Berkefeld-Filter) 
geschickteji Kulturen ganz ausnahmsweise einmal vereinzelte Rausch¬ 
brandkeime enthalten konnen, andererseits aber so gut wie regelmSBig 
die Keimfreiheit verschiedener von mir geprflfter Filtrate erweisen konnen. 
Mengen von 5 ccm und mehr lieBen in geeignetem Kulturmedium (Leber¬ 
bouillon) keine Entwicklung von Rauschbrandkeimen erkennen, und auch 
die Verimpfung konzentrierter Filtratmengen von 25 ccm auf Meer- 
schweinchen erzeugte keinen Rauschbrand. MitHilfe dieser sicher 
keimfreien Filtrate konnten aber Meerschweinchen wirk- 
sam immunisiert werden, ganz im Sinne der Beobachtungen von 
Gr&ub und Zschokke, sowie Uchimura. Es ergibt sich hieraus 
unzweifelhaft, daB das immunisierende Prinzip der Rauschbrandfiltrate 
nicht auf einem Gehalt der Filtrate an vereinzelten entwicklungsfahigen 


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410 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 


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Keimen beruht, sondern eigener Art ist. Die Filtrate wirken allein 
durch geloste Stoffe nach Art der Toxoide oder Aggres- 
sine, worauf auch noch eine andere Beobachtung hindeutet. Es hat 
sich namlich mehrfach zeigen lassen, daB das Kulturverfahren dem Tier- 
versuch weit iiberlegen ist, wenn es sich um den Nachweis lebender 
Rauschbrandkeime handelt. Andererseits konnte mit dem nach der Me- 
thode Foth (mittels Alkoholfailung) konzentrierten Filtrat in eineni 
Falle bei einem Meerschweinchen todlicher Rauschbrand erzeugt werden, 
obwohl dieses Filtrat nach Ausweis des Kulturverfahrens nur so wenig 
lebende Rauschbrandkeime enthielt, wie sie bei unserem Stamme sonst 
niemals auch nur zu einer krankmachenden Wirkung ausreichen. Das 
beweist wohl, daB in dem eingeengten Filtrat neben den verschwindend 
geringen Rauschbrandkeimen noch infektionssteigernde Stoffe enthalten 
gewesen sein miissen, also Substanzen, die wir als Aggressine zu be- 
zeichuen pflegen. 


Literator. 

Arloing, Cornevin et Thomas, Le charbon symptom, du boeuf. Paris 
(Asselin & Honzeau) 1887. — Eichhorn, Journ. Americ. Vet. med. Associat. 1918. 
— Foth, Ztschr. f. Infektiooskrankh. d. Haustiere. Bd. 23. 1922. — Grafiberger 
u. Schat tenfroh, Handb. v. Krau s - Le vad i ti. — Graub u. Zschokke, 
Schweiz. Arch. f. Tierheilk. Bd. 62. 1920. — Gerlach, DtschSsterr. tierarztl. WocL 
1922. — Naoshi Nitta, Bull. Central-Vet.-med. Associat. of Japon. 1918. — Sobern- 
heim, Berl. klin. Wochenschr. 1921. — Uchimura, Ztschr. f. Hyg. Bd. 92. 1921. 


Nachdruck verboten. 

Agglutinationsversuche mit dem Bacillus paratyphus 

abortus equi 1 ). 

[Aus dem Serumlaboratorium der Gesellschaft fur SeuchenbekSmpfung 
A.-G. Frankfurt a. M. — Niederrad.] 

Von Dr. Alexander Lusztig. 

Es ist wohl langst bekannt, daB die auf die Paratyphus abor¬ 
tus-Bazillen wirkenden Agglutinine auch im Normalpferdeserhm in ganz 
erheblicher Menge vorhanden sind, und die demgemaB die FShigkeit 
besitzen, die genannten Bakterien in einer Verdunnung von 1:50 bis 
1 :300 zu agglutinieren. Es wird allgemein die Agglutination zwischen 
1:400—1:800 als zweifelhaft, dariiber als positiv bezeichnet. Liitje 
beobachtete oft bei den mit Paratyphus abortus infizierten Pferden 
einen Agglutinationstiter bis 1 :2000—1:4000, in anderen Fallen hin- 
gegen waren trotz der heftigeu Infektion agglutinierende Imraunkorper 
in nennenswerter Menge nicht nachzuweisen. 

Ich habe im Serumlaboratorium der Gesellschaft fur Seuchenbe- 
kampfung in Frankfurt a. M. Versuche in der Richtung vorgenomnien, 
ob Immunsera, zu deren Herstellung Paratyphusstamme nicht abortie- 

1) Ausztig aus dem Original: Allotorvosi Kozlonv, Budapest, Mai 1923. 


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Lusztig, Agglutinationsversuche tuit dem Bac. parat. abortus equi. 411 


render Herkunft benutzt wurden, eine agglutinierende Wirkung auf 
Abortus paratyphus-Bazillen ausuben und welche Hohe im be- 
jahenden Falle die Titergrenze erreichen kann. 

Zu meinen Untersuchungen benutzte ich dreierlei Immunsera, und 
zwar ein monovalentes Rinderserura, hyperimmunisiert mit einem K&lber- 
paratyphusstamm (Stamm Kpt) und 2 quinquevalente Sera, das eine aus 
Pferd, das andere aus Rind hergestellt, zu deren Hyperimmunisierung 
je 1 Hundeparatyphusstamm (Hpt) und 4 Schweinetyphusst&rame benutzt 
wurden. Die 3 Tiere waren gleich hoch immunisiert und erhielten be- 
reits je 25 ccm einer 24-stflnd. Bouillonkultur der oben erw&hnten Bak- 
terienstamme in die Blutbabn. 

Meine Untersuchungen bezogen sich einerseits auf die Feststellung 
des Grenztiters der Paratyphussera gegenflber 11 Abortusstfimmen, an- 
dererseits versuchte ich gleichzeitig, die eventuellen Differenzen in dem 
Wirkungsradius zwischen Pferde- und Rinderserumagglutininen zu er- 
grttnden. 

Den Grenztiter erreichte ich in der Weise, daB die Emulsion 6 Std. 
lang im Brutschrank gehalten wurde, wobei das Ablesen erst in 48 Std. 
erfolgte. 

Untenstehende Tabelle zeigt die agglutinierende Wirkung der dreierlei 
Immunsera auf die 11 Paratyphus abortus-SttLmme. 


Bac. para- 

Rinderserum, mono- 

Rinderserum, quin- 1 
que valent. Hyper¬ 
immunisiert mit Para¬ 
ty phusstam men: Sp, 
Sp34,Spl31,SpK,SpH 

Pferdeserum quin- 

typhus abor¬ 
tus equi- 
Stamme 

valent. Hyper¬ 
immunisiert mit Kiil- 
bertyphus Stamm Kpt 

1 

quevalent mit Para- 
typhusstammen: Sp, 
Sp34. Sp 131, SpK SpH 

1 

2 

— 

— 

1 =4000 

3 

1:200 

1:400 

1 :800 

4 

1:200 

1:400 

1:800 

• 5 

1 :200 

1:200 

1 :4000 

6 

1:200 

1 = 64 000 

1 :16000 

7 

1 :64 000 

1 =2000 

1 : 128 000 

8 

1 :800 

1 =64 000 

1 :128 000 

9 

1:32 000 

1 :4,000 

1 : 128000 

10 

1:64 000 

1: 2 048 000 

1: 2 04 8000 

11 

1:2 048 000 

• 

1 =2048 000 


Zum Vergleiche will ich gleichzeitig die agglutinierende Wirkung 
dieser 3 Immunsera auf die eigene, zur Impfung benutzten, nicht- 
abortus paratyphus-Stamme angeben. 


Paratyphus- 

Rinderserum 

Rinderserum 

Pferdeserum 

stamme 

monovalent 

quinquevalent 

Kpt 

1:256 000 

i 

1:800 

1:256 000 

Sp 

1:200 

1: 1000 

1:256 000 

Sp 34 

— 

1:80 J 

1:8000 

Sp 131 

— 

— 

1:1 027 000 

SpK 

1:8 000 

1:8000 

1:256 000 

Hpt 

1:512 000 

1:512000 

1:515 000 


Immunisierung 


(Mit dem Stamm geimpft: 
j Rind monovalent 

| Mit den 5 Stammen ge- 
v im pit: Rind und Pferd 
i quinquevalent 


Aus den Tabellen geht vorerst das aufierst abweichende Agglu- 
tinationsvermogen der Immunsera gegeniiber den Abortustyphusstammen 
hervor, welche Agglutinationsvariabilitiit eine Schwankung von der Hypo- 


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412 


Centralbl. f. B&kt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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agglutinabilitat bis zum Millionentiter zeigt. Wahrend die Pt. abort.- 
Stamme 3, 4 und 5 eine sehr geringe Agglutinabilitat besitzen, ja sogar 
Stamm 1 flberhaupt nicht agglutiniert werden konnte, wurde Stamm 11 
sowohl durch das monovalente wie das polyvalente, sowohl vom Rinder- 
wie vom Pferdeserum auch in einer 2-millionenfachen Verdflnnung noch 
agglutiniert. Da samtliche Stamme alt und vielfach flberimpft waren. 
kann der Grund dieses verschiedenen Verhaltens nicht in der nahe- 
stehenden Vermutung zu suchen sein, daB einzelne, wenig Oder gar nicht 
agglutinierbare Stamme direkt aus den Organen stammten, in welchem 
Falle die Bakterien den Agglutininen gegenuber gewohnlich eine groBere 
Resistenz aufweisen konnen, wahrend andere Stamme durch mehrmaliges 
Ueberimpfen auf kflnstliche Nahrbflden ihre diesbezfigliche Resistenz ver- 
loren batten und hierdurch eine Verbindung mit den Agglutininen leichter 
zustande kommen konnte. Da also die untersuchten Bakterienstamme 
alle durch viele Generationen auf Nahrboden gezuchtet wurden und nicht 
von dem Organismus herstammten, kann das auBerst variable Verhalten 
der Paratyphusabortusstamme gegenuber den Agglutininen der Immun- 
sera ausschlieBlich auf die spezifische, individuelleEigena rtigkeit 
der einzelnen Stamme zurflckzuffihren sein. 

Durch Vergleiche beider Tabellen lassen sich folgende Ergebnisse 
feststellen: 

Die Abortstamme werden im allgemeinen durch P a - 
raty-Immunsera nicht abortierenderHerkunft in gleicher 
Hohe agglutiniert, wie die zur Herstellung der Immun- 
sera benutztenParatyphusstamme. Es lassen sich sogar Abort¬ 
stamme vorfinden, z. B. St. 11, denen gegenuber die agglutinierende 
Wirkung des Paratyphusserums sich erheblich hoher stellt, als den zur 
Serumherstellung benutzten Stammen gegenuber. 

Beziiglich des Agglutinationsvermogens der Normalsera steht nach 
Burgis Untersuchungen das Rinderserum am 1. Platze, danach folgt 
das Normalpferdeserum. Bei den Paratyphusseren hingegen andert sich, 
wie aus den Tabellen ersichtlich. das Verhaltnis in der Weise, daB das 
spezifische Pferdeserum eine bedeutend groBere aggluti¬ 
nierende Wirkung auf die Abortstamme aufweisen kann wie das 
Rinderimmunserum. Dieser Satz findet in den Agglutinationsergebnissen 
mit den Stammen 2, 3, 4, 6, 7, 10, noch mehr 9, besonders auffallend 
jedoch in dem Abortusstamm 8 seine Bestatigung. Dieser letztere Stamm 
mag ein Prototypus der regelrechten Agglutination sein, da derselbe 
vom monovalenten Rinderserum bis zu einem Titer von 800, von dem 
polyvalenten Rinderserum bis 2000 agglutiniert werden konnte, wahrend 
es durch das polyvalente Pferdeserum in einer Verdflnnung von 1 :128 000 
der Fall war. 

Die wesentlich hohere agglutinierende Wirkungsbreite des Pferde- 
immunserums wird auch in Tab. II durch die Versuche mit verschie¬ 
denen Schweineparatyphusstammen: Sp, Sp 34, noch mehr mit SpK. sehr 
auffallend jedoch mit Spl31, bestatigt. Letztgenannter Stamm war mit 
keinem der Rindersera agglutinierbar, nicht einmal mit dem polyvalenten 
Rinderserum, bei deren Herstellung der Stamm verwendet wurde, da- 
hingegen konnte mit dem polyvalenten Pferdeserum ein millionenfacher 
Agglutinationstiter erzielt werden. 

Das Pferdeimmunserum besitzt also ein groBeres Agglutinations- 
vermogen den verschiedenen Paratyphusstammen gegentiber, wie das 
gleich hoch immunisierte Rinderserum dagegen tritt aber das Aggl u ‘ 


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Matsu mo to, Versuche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 413 


tinationsphanomen bei der Verwendung des Rinderserums rascher ein. 
Es erfolgt z. B. rnit dera Stamm 11 in dem Rinderserum schon in der 
3. Std. des Versuches bei einer Verdiinnung von 1:64000 ein Nieder- 
schlag, w&hrend das Pferdeserum in dieser Zeit nur einen Bruchteil 
dieses hohen Titers, namlich 1:16000, erreichte und erst in 24 Std. 
das Pferdeserum auf die Hohe der Rinderserumwirkungsbreite gelangte. 
urn schlieBlich den Titer des ersteren weit zu iiberholen. Ein Beweis, 
daB auch eine 24-stiind. Beobachtungsfrist oft zu kurz bemessen ist! 

Unter den zweierlei Rinderseris zeigte das polyvalente im allge- 
m einen eine groBere Wirkungsbreite, wie aus dem Verhalten gegenuber 
den 3, 4, 8 ParatyphusstSmmen ersichtlich ist, doch ist hier die Wir- 
kungsdifferenz auffallend gering und kann dieser Umstand moglicher- 
weise auf die gute agglutinogene Fahigkeit des zur Herstellung des 
monovalenten Rinderserums benutzten Kalberparatyphusstammes Kpt 
zuruckgefQhrt werden. Diese spezifische agglutininbildende Eigenschaft 
kommt insbesondere dem Stamme Nr. 10 gegenuber zum Ausdruck, 
welcher durch das monovalente Rinderserum in einer groBeren Ver¬ 
diinnung (1:64 000) agglutiniert wurde, wie durch das quinquevalente 
Serum (1 : 4 000). 

Aus den angefiihrten Versuchen laBt sich also eine auBerst variable 
Agglutinabilitat der Paratyphus abortus-Stamme gegenuber der Schweine-, 
Kalber- und -Hundeparatyphusimmunseris feststellen: Wahrendeine groBe 
Gruppe der Stamme sich auBerst leicht mit den Agglutininen vereinigt, 
so daB bei einer millionenfachen Verdiinnung Ausfallung erfolgt, kann 
mit dem anderen Teile der Bakterienstamme iiberhaupt keine Agglu¬ 
tination erzielt werden. Die auf die Abortusparatyphusstamme wirken- 
den Agglutinine sind in dem Pferdeimmunserum in groBeren Mengen 
vorhanden als in dem Rinderimmunserum, dagegen kommt aber das 
Agglutinationsphanomen mit dem Rinderserum etwas rascher zum Vor- 
schein, als mit dem gleichhochwertigen Pferdeserum. 


Nachdruclc verbolen. 

Versuche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 

[Aus dem Hygienischen Institut der deutschen Universitat in Prag 

(Vorstand: Prof. Bail).] 

Von Dr. Takirna Matsumoto. 

Die Vermehrung von Bakteriophagen, die nach den Ergebnissen 
der Untersuchungen von Bail, Bordet und Ciuka, Dorr von der 
Anwesenheit lebender und sich selbst vermehrender Bakterien abhangt, 
zeigt noch manche der Aufkiarung bediirftige Verlmltnisse, die aber, 
sobald man im Besitze von reinen Bakteriophagen ist, einer genauen 
Bearbeitung zuganglich werden. Hierher gehort unter anderem die 
Frage, ob eine Vermehrung von Bakteriophagen nur mit jenen Bak¬ 
terien moglich ist, welche der Wirkung dieser Bakteriophagen unter- 
liegen. Im allgemeinen trifft dies zu, wenngleich bereits Andeutungen 
von Ausnahraen vorliegen. Wirkt z. B. ein Shiga-Bakteriophage des 


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414 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 

Typus y (nach Bail) auf Shiga-Bazillen, nicht aber auf Typhus, so 
ist er nur mit deni ersteren vermehrbar und dauernd weiterzufuhren, 
nicht aber mit dem letzteren. 

Nun besitzen die Bakterien die Fahigkeit, gegen die meisten Bak- 
teriophagen, denen sie unterliegen, bakteriophagenfeste St&mme auszu- 
bilden, deren Studium nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch vou 
Wichtigkeit ist. Denn da die erlangte Bakteriophagenfestigkeit im all- 
gemeinen eine ausgesprochen spezifische ist und sich nur gegen jene 
Bakteriophagen richtet, mit dem sie erzeugt wurde, so bietet sie ein 
Hilfsmittel dar, das mit Vorteil zur Erkennung und Wiedererkennung 
von Bakteriophagen selbst verwendet werden kann. Die von Bail 
studierten, biologisch iiberaus interessanten Ausnahmsfalle von dieser 
Spezifit&tsregel, die sich durch „Deckung u und „Koppelung“ der fur die 
Bakteriophagen geeigneten Gruppen des Bakterienleibes erklSren lassen 
(Arch. f. Hyg. 1923), konnen hier vorlSufig auBer Betracht bleiben. Es 
ist bereits gelegentlich ermittelt worden, daB bakteriophagenfeste Bak¬ 
terien eine Vermehrung der zugehorigen Bakteriophagen, die mit den 
Normalstammen in groBtem AusmaBe und der fur jeden Einzelbakterio- 
phagen zu ermittelnden, meist sehr bedeutenden Schnelligkeit eintritt. 
nicht zulassen. Dies genauer zu ermitteln, war der Zweck der folgenden 
Untersuchungen, fiir welche sehr verschiedene Bakteriophagen heran- 
gezogen wurden, welche zum Teil schon bekannt, zum Teil neu gezuchtet 
sind und die nach MaGgabe der heutigen Kenntnisse als rein, d. h. als 
einheitlich und dabei als erblich bestandig angesehen werden mfissen. 

Die Technik schloB sich eng an die fiir Versuche der Bakteriophagen- 
vermehrung iibliche an. In Fleischbruhe wurde eine Bakteriophagen- 
verdflnnung angelegt, l / 2 Std. auf 56° erhitzt und ihre Bakteriophagen- 
zahl auf der Platte genau bestimmt. In diese erfolgte reichliche, aber 
nicht trubende Einsaat von jungen Briihezuchten der zu prufenden 
Bakterien. Zu bestimmten Zeiten wurde hierauf der Bakteriophagen- 
gehalt der bei genau 37° gehaltenen Proben neuerlich bestimmt. Bei 
den verwendeten Bakteriophagen ist im allgemeinen eine Zeit von 8 bis 
9 Std. die.jenige, innerhalb derer der Zuwachs der Bakteriophagen er- 
folgt. Mitunter ist schon nach 4—5 Std. die Hochstzahl erreicht, fiber 
welche hinaus eine weitere Vermehrung nicht stattfindet. 

Die Gewinnung bakteriophagenfester Stamme erfolgt in der Weise. 
daB verhaltnismaBig starke, bakteriologisch sterile Bakteriophagenkon- 
zentrationen mit den Versucbsbakterien reichlich beimpft und 24 Std. 
bei 37° gehalten wurden. Aus den danach meist leicht getrfibten 
Fliissigkeiten wurden die Kolonien der festen Bakterien auf Agarplatte 
isoliert und mindestens 5 Generationen hindurch immer von Einzel- 
kolonien aus auf Agar fortgeziichtet. Man erreicht auf diese Weise der 
„ultrareinen Ziichtung u (vgl. Flu, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. 
Nr. 5), daB die von der Gewinnung den Kulturen anhaftenden Bakterio¬ 
phagen mit Sicherheit entfernt werden. Ueberdies erhalt man auf diesem 
Wege von vornherein den Beweis der Erblichkeit der Bakteriophagen- 
festigung. 

Die verwendeten Bakteriophagen sind teils aus friiheren Unter¬ 
suchungen bekannt, teils sind sie neu aus menschlichen oder tierischen 
Entleerungen gezlichtet und mit aller heute moglichen Sorgfalt rein ge- 
ziichtet. Da dieses fiir genaue Versuche unbedingte Erfordernis am 
leichtesten fiir Dysenteriebakteriophagen zu erfiillen ist, wurden solche 
fiir die nachfolgenden Ermittlungen verwendet. 


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Matsumoto, Versuche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 415 


Die Shiga-Bakteriophagen Lauda y und Lauda k, sowie 
Krato k sind von Bail eingehend beschrieben. Sie sind seither sehr 
hSufig aus anderen, tierischen und menschlichen Stiihlen gezfichiet worden 
und stellen wahrscheinlich mit dem Typus g die gewohnlichsten Typen 
der Oberhaupt gegen Shiga gerichteten Bakteriophagen vor. 

Die f-Bakteriophagen bilden mit Shiga auf wenig konzentriertem 
(ca. 0,9-proz.) Agar grofie Locher aus. Briihe lassen sie nach reich- 
licher Shiga-Einsaat lange klar, vermogen auch schon getrubte wieder 
aufzuhellen, geben aber nach 24 Std. so gut wie regelmfillig Trubung, 
die auf die Ausbildung fester Bazillen zurfickzuffihren ist. 

Die k-Bakteriophagen bilden viel kleinere Locher auf Agar aus, 
deren GrfiBe auf 1V 2 —2-proz. Agar sehr gering ist, auf 0,9-proz. aber 
ansteigt und dann gewisse Schwankungen zeigt. Sie lassen reichlich 
mit Shiga geimpfte Brfihe langere Zeit klar, nach 24 Std. tritt auch 
bei ihnen regelmaBig Trubung durch feste BazilleD ein. 

Der Typus Krato k unterscheidet sich von ihnen durch Bildung 
deutlich groBerer Locher, die auf 2-proz. Agar noch als klein, auf 
0,9-proz. aber als mittel zu bezeichnen sind. 

Die gegen diese Bakteriophagen gebildeten festen Shiga-StSmme 
weichen in ihrem Wachstum auf Agar kaum von den normalen Bazillen 
ab. Auch in Briihe behalten sie ihr trfibendes Wachstum bei, das nur 
in den ersten Generationen etwas zarter zu sein schien. Der gegen 
Krato k feste Shiga zeigt aber sehr oft eine neue Eigentflmlichkeit 
darin, daB er bei geringer Trfibung der Briihe Bodensatzbildung auf- 
weist. Das Hauptmerkmal, in dem diese festen Stamme von dem 
Shiga-Ausgangsstamme abweichen, bildet ihre vollige Unempfindlich- 
keit gegen die zugehorigen Bakteriophagen. Man iiberzeugt sich leicht 
davon, daB diese Festigkeit eine ausgesprochen spezitische ist. 

Die Festigkeitsprfifung erfolgt am einfachsten in der Weise, daB 
man 1 Tropfen junger Briihekulturen der festen Bazillen (mindestens 
6 Generationen nach deren Gewinnung) mit ebensoviel einer konzen- 
trierten Bakteriophagenaufschwemmung auf steriler Agarplatte mischt 
und fiber einen Teil ihrer Flfiche ausstreicht. Wahrend Kontrollaus- 
striche mit empfindlichen Normal- oder andersartigfesten Stammen voll- 
kommenes Ausbleiben des Wachstums zeigen x ) (in den nachfolgenden 
Versuchsbeschreibungen kurz als „leer“ bezeichnet), entwickelt sich mit 
den festen Bazillen ein ungestorter Rasen. Es ergab: 

Bphg Ly mit Ly fest: Rasen; m. Lk feet: leer; m. Kratok test: leer; m.Shigaleer 

n L k n n it l®® 1 " I n it it RaS. | „ „ „ n » » K 

» Kratok B B , leer; » , » Ras.; , , 

wbh it n it it v v » it leer, n „ 

Der Bakteriophage Lauda g gehort dem Typus der Bakteriophagen 
gegen Shiga an, der in der Form der auf Agar gebildeten Locher dem 
Typus y fihnelt, sich aber sonst von ihm bestimmt unterscheidet. Bail 
hatte in zahlreichen Versuchen gegen diesen Typus feste Bazillen nicht 
erzeugen konnen; auch die eigenen Untersuchungen fiihrten nur zu 
MiBerfolgen. Wenngleich man durchaus nicht beim MiBlingen eines 
Festigungsversuches schlieBen darf, daB eine Festigung gegen den be- 
treffenden g-Bakteriophagen fiberhaupt unmfiglich sei, so sind doch alle 
Bemflhungen, gegen g-Bakteriophagen des Shiga-Bazillus feste StSmme 
zu gewinnen, so erfolglos geblieben, daB es sehr wahrscheinlich ist, daB 

1) Abeesehen von den einzelnen Kolonien feeter Bakterien, die sich nach langerer 
Zeit auf solchen Stellen der Agarplatten einzustellen pflegen. 


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416 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 

sich gegen diesen Bakteriophagentypus Festigkeit flberhaupt nicht aus- 
bilden kann. 

Im iibrigen ergibt die Uebersicht auf den ersten Blick die strenge 
SpezifitSt der Festigkeit bei den einzelnen Stammen, die bei diesen 
Bakteriophagentypen durch nichts beeinfluBt wird. Die Vermehrungs- 
versuche ergaben mit aller Sicherheit, dafi bakteriophagenfeste Bakterien 
den zugehorigen Bakteriophagen nicht zur Entwicklung gelassen, welche 
mit den normalen Ausgangsbazillen, wie mit anderen festen Stammen 
derselben, in hochstem Grade und in typischer Weise erfolgt. 

Fur die folgenden Ausfiihrungen ist im AnschluB an die bereits 
oben wiedergegebene Schilderung der Technik zu bemerken, daft die 
Zahlen immer die Anzahl der Bakteriophagen in 1 Oese einer Ver- 
dunnung angeben, welche hergestellt wurde, indem 1 Oese der Ver- 
suchsprobe in 1 ccm steriler Fleischbrxihe eingebracht wurde. Diese 
Verdiinnung wurde 1 / 2 Std. auf 56° erw&rmt und sodann mit junger 
Bruhezucht des hochemplindlichen Ausgangsstammes von Shiga auf 
der Platte ausgestrichen. Da 1 ccm Fliissigkeit etwa 60 Oesen ent- 
hielt, miifiten die angegebenen Zahlen mit 60 multipliziert werden, urn 
den Bakteriophagengehalt von 1 Oese der Versuchsfliissigkeit zu ergeben. 





Sofort 

Nach 1 >/, Std. 

Nach 3 Std. 

Nach 9 Std. 

Bphge L;' 

Einsaat: 

Shiga j 


leer 

leer 

leer 


jt 

L y feet 1 

17 im 

22 

29 

30 


fj 

L k fest i 

Mittel 

leer 

leer 

leer 


yy 

Krato fest J 


yy 

yy 

>’ 

Bphge L k 

Einsaat: 

Shiga ] 


ca. 600 

leer 

leer 

JJ 

yy 

L y fest i 

l 19 im 

ca. 600 

yy 

yy 

}} 

yi 

L k fest 

| Mittel 

17 

12 

17 

yy 

yy 

K r a t o fest J 


ca. 600 

leer 

leer 

Bphge K r 

ato k Eins.: Shiga ] 

| 

leer 

leer 

leer 

yy 

yy 

„ L/ fest 

l 55 im 


yy 

yy 

yi 

yy 

„ L k fest 

I Mittel 

It 

yy 

yy 

yy 

yy 

„ Krato k, 

1 

52 

47 

46 



fest 






Der Versuch gibt vollen AufschluB und bedarf keiner weiteren Er- 
liiuterung. 

Ira AnschluB seien aber kurz einige Versuche wiedergegeben, welche 
an der Hand solcher Erfahrungen ein Beispiel fur die Bestimmung und 
Ideutifizierung von Bakteriophagen liefern konnen. Im Laufe der Unter- 
suchungen sind im Institute ineist aus menschlichen Entleerungen eine 
Reihe von Shiga-Bakteriophagen gefunden und isoliert worden, die 
samtlich mit Shiga groBe Locher ergaben, aber einer genaueren Unter- 
suchung bisher meist nicht unterzogen wurden. Von diesen wurden im 
Vergleich mit Lauda g und y folgende gepriift: Hsg aus Hiihnerkot. 
von Bail (Arch. f. Hyg. 1923) bearbeitet, Msg ebenfalls aus Hiihnerkot 
frisch gezuchtet, Dsg, Gsg, Losg und Wsg, samtlich aus menschlichen 
Entleerungen. 

Von diesen wurde zuerst die Wirkungsbreite bestimmt, d. h. fest- 
gestellt, auf welche Bakterien sie iiberhaupt eiuzuwirken vermogen. Eine 
derartige Bestimmung wird selbstverstandlich stets mangelhaft sein 
mussen, da die Auswahl der zur Untersuchnng genommenen Bakterien- 
arten und Stiimme einer Art eine rein willkurliche sein muB. Verwendet 
wurden: je 1 Stamm von Shiga, Flexner und y-Dysenterie, Typhus, 
die Coli-Stiimme „Cord“, „Kraus“, „Pferd“ und „Paratyphus B u . 

Eine eigentliche und hochgradige Wirkung iibten alle diese 8 Bak¬ 
teriophagen nur auf Shiga aus; die anderen Bakterien wurden nur 


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Matsumoto, Vereuche uber die Vermehrung von Bakteriophagen. 417 


gelegentlich und immer nur in Form sehr kleiner, wenig scharfer, oft 
flberhaupt unsicherer Locher von sehr starken Bakteriophagenkonzen- 
trationen beeinfluBt. Dabei kam es sehr oft vor, daB, wenn z. B. die 
eine Untersuchung eine solche schwache Wirkung auf Coli Kraus er- 
gab, die Wiederholung derselben nichts davon auswies. Beobachtet 
wurde sie am Sftesten mit Coli Kraus, wo sie unsicher bei Lauda g 
und y, starker bei Hsg und Msg auftrat, dann bei Flexner, der ofter 
durch Hsg, Dsg und Msg beeinfluBt wurde. 'Theoretisch konnen solche 
ganz geringfilgige, unter besonderen Umstanden nachweisbare Neben- 
wirkungen Bedeutung erlangen; fiir die praktische Arbeit der Bakterio- 
phagenbestimmung sind sie belanglos. Demnach erscheinen alle er- 
wahnten Bakteriophagen als praktisch wirkungsspezifisch fQr Shiga. 
Die Untersuchung ihrer Wirkung auf gefestigte Bazillen ergab sofort 
Anhaltspunkte dafur, ob sie zum g- oder y-Typus gehbrten. Die Prtifung 
■wurde in der iiblichen Weise so vorgenommen, daB starke Konzen- 
trationen der Bakteriophagen auf 2 Shiga-Stamme einwirkten, die 
gegen L y und Hsg gefestigt waren, (iberdies zur Kontrolle auf Shiga, 
Lauda k fest und Kratok fest. 

Die Bakteriophagen Lauda y, Hsg, Gsg, Msg und Wsg wirkten 
weder auf Lauda y fest noch auf Hsg fest, wahrend sie auf die Kon- 
trollbakterien starkste Wirkung ausflbten; hingegen wirkten Lauda g, 
Dsg und Losg ohne Unterschied alle Bakterien beeinflussend. 

War damit schon hochst wahrscheinlich, daB die 1. Gruppe mit 
Lauda y, die 2. mit Lauda g identisch sei, so ergab der Vermehrungs- 
versuch den weiteren Beweis dafur. Denn Lauda g, Dsg und Losg 
vermehrten sich mit Lauda y fest und Hsg fest gerade so gut wie mit 
Shiga, wahrend Lauda y, Hsg, Gsg, Msg und Wsg mit Lauda y fest 
und Hsg fest innerhalb 9 Std. sich nicht zu vermehren vermochten. 

Dieser Befund, daB 8 Bakteriophagen verschiedener Herkunft*) sich 
ohne Schwierigkeit identifizieren und innerhalb zweier bekannter Typen 
einordnen lieBen, erweckt die Hoffnung, daB die Aufstellung einer Bak- 
teriophagensystematik nicht nur moglich, sondern fQr gewisse Falle nicht 
einmal besonders schwierig sein durfte. Bisher ist wenigstens im In¬ 
stitute kein groBer Bakteriophage mit echter Shi ga-Wirkung auf- 
gefunden worden, der nicht entweder dem g- oder y-Typus entsprochen 
hatte. DaB eine weitere Bestatigung dieser Befunde die Bearbeitung 
des Bakteriophagenproblems wesentlich erleichtern wurde, braucht nicht 
erst begrundet zu werden. 

Die Schwierigkeiten der Systematik beginnen aber bei alien jenen 
Bakteriophagen, die mit Nebenwirkung auf andere Bakterien ausgestattet 
sind. Hierher gehSren schon die als „kleine Shiga-Bakteriophagen u 
beschriebenen Typen des Lauda k und Kratok, vor allem aber die 
groBe Zalil von C ol i - Bakteriophagen, wo eine Uebersicht derzeit noch 
nicht zu gewinnen ist. 

Am Beispiele des Bakteriophagen Krato k sei dies dargelegt: 
Dieser wirkt nicht nur auf Shiga, sondern Qberdies in kleinen bis 
sehr kleinen Lochern mit Coli Cord und mit truben, leicht uber- 
wachsenden Lfichern auf Paratyphus B, nicht auf Flexner und Y-Dysen- 
terie und die anderen der angewendeten Bakterien. 


1) Hierher gehoren ferner die schon friiher beschriebenen Bakteriophagen „d’He- 
relle“, „Krato“, „Meier‘‘, ,,Link“, „Dusch“ (vgl Bail, Wien. klin. Wochenschr. 
1922. Nr. 8 u. 35/39). 

Erste Abt. Orig. Bd. 91. lleft 6. 27 


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418 


Centr&lbl. f. JBakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Der Vermehrungsversuch ergab: 



Sofort 

Nach 2 Std. 

Nach 8 Std. 

Nach 24 

mit Shiga 

64 

ca. 350 

leer 

leer 

„ Kratok fest 

51 

0 

2 

0 

„ Lauda k fest 

38 

ca. 400 

leer 

leer 

„ Flexner 

40 

0 

1 

1 

,, Y 

41 

0 

2 

2 

„ Coli Cord 

41 

• 

dichtest kl. 
Locher 

leer 

leer 

„ Coli Pferd 

39 

0 

1 

0 

„ Coli Kraus 

36 

0 

0 

2 

„ Typhus 

36 

0 

0 

1 

„ Paraty B 

48 

65 

leer 

leer 


Die Vermehrung von Kratok ist also gleich gut mit Shiga. 
Coli Cord und Paratyphus B moglich, und es ist danach ebensowenig 
wie nach der Wirkungsbreite zu bestimmen, ob ein Shiga, Coli oder 
Paratyphusbakteriophage vorliegt. Ganz offenbar ist, daB diese 3 ver- 
schiedenen Bakterien etwas Gemeinsames haben mflssen, auf das das 
grundsatzlich gleiche Verhalten gegeniiber Kratok zuruckzuffihren ist. 
Den tibrigen fremden Bakterien, aber auch dem gegen Kratok 
gefestigten Shiga-Bazillus fehlt diese Gemeinsamkeit. Bail er- 
klSrt solche Befunde damit, daB er als Angriffspunkt (und auch Ent- 
stehungsquelle) der Bakteriophagen eine besondere Gruppe der generativen 
Substanz (Erbniasse) der Bakterien ansieht, welche von anderen Gruppen 
der gleichen Erbmasse unabhangig ist. Haben Bakterien trotz sonstiger 
Verschiedenheiten diese Gruppe gemeinsam, so werden sie auch dem 
gleichen Bakteriophagen erliegen und zu seiner Vermehrung AnlaB 
geben miissen. Kein Bazillus hingegen, dem diese Gruppe fehlt, wird 
von dem Bakteriophagen Kato k angegriffen werden und ihn vermehren 
lassen. Flexner oder y-Dysenterie miissen sich also von Shiga da- 
durch unterscheiden, daB ihnen eine Gruppe ihrer generativen Substanz 
und damit auch die Gruppe ihres vegetativen Leibes, die von dieser 
aufgebaut wird, fehlt, oder daB sie durch eine andere ersetzt ist. 

Wenn nun ein gegen Krato k gefestigter Shiga sich gegen 
Krato k nicht anders wie Flexner oder y-Dysenterie verh&lt, so muB 
auch ihm die generative Gruppe fehlen, auf die Kratok einzuwirken 
vermag. Tats&chlich erklart auch Bail das Festwerden von Bakterien 
gegen Bakteriophagen als echte Mutation, bei der ein Teil der gene¬ 
rativen Substanz verloren geht, womit naturgemaB auch ein Teil (eine 
Gruppe) des vegetativen Bakterienleibes ausfallt. 

Was fur Shiga-Bakteriophagen festgestellt wurde, gilt in ganz 
entsprechender Weise auch fiir Flexner und y-Bakteriophagen. Auch 
fur diese ist das Vorkommen solcher, welche auf den Agarrasen groBe 
und kleine Lbcher bilden, sichergestellt. Es wurden 2 auf y-Dysenterie 
wirkende, groBe Locher bildende Bakteriophagen als Hyg und Myg aus 
verschiedenen Proben normalen Hiihnerkotes geprflft, ferner die daneben 
aus den Proben mitisolierten, nur kleine bis sehr kleine Locher bildenden 
Hyk und Myk. 

Die Bestimmung der Wirkungsbreite ergab, daB beide groBen Bak 
teriophagen ausschlieBlich auf Dysenteriebazillen wirkten, und zwar auf 
y immer in Form groBer und sehr groBer, ziemlich gleichmSBiger Locher. 
Auf Shiga trat zwar regelmaBig, aber deutlich schwiichere Wirkungein. 
was sich auBer an der Zahl auch an der Form der gebildeten Lflcher 
erkennen lieB, die in der GroBe stark schwankten und unscharf erschienen. 



Origirval from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 




Matsumoto, Versuche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 


419 


Mit Flexner waren die Locher bei sonst starker Wirkung ebenfalls 
von schwankender GrbBe. 

Die in Hyg und Myg gefestigten y-Bazillen erwiesen sich sofort als 
wechselseitig unempfindlich, w&hrend sie gegen die kleinen Bakterio¬ 
phagen Hyk und Myk gefestigten ganz normal empfindlich blieben. Der 
ungeschlossene Vermehrungsversuch bestatigte sofort den daraus ge- 
zogenen SchluB der Uebereinstimmung beider groBer Bakteriophagen. 
Er ergab folgende Vermehrung: 




Sofort 

Nach 2 Std. 

Nach 8 Std. 

Nach 24 

Bphge Hyg mit y 

8 

leer 

leer 

leer 

tt ft 

» Hyg fest 

6 

0 

0 

0 

ft ft 

„ Myg fest 

8 

0 

0 

0 

tt tt 

„ Hyk fest 

4 

2 

leer 

leer 

aTyg 

„ Myk fest 

11 

9 

leer 

leer 

fi y 

35 

leer 

leer 

leer 

ii if 

„ Hyg fest 

34 

1 

0 

0 

tt tt 

„ Myg fest 

40 

0 

0 

0 

tt tt 

„ Hyk fest 

35 

2 

leer 

leer 

tt tt 

„ Myk fest 

50 

1 

leer 

leer 


Zu diesem Versuche ist zu bemerken, daB die anf&ngliche Bakterio- 
phagenzahl („sofort“) durch Untersuchen von 1 Oese der Versuchs- 
tiussigkeiten selbst, vor Einsaat der Bakterien ermittelt wurde, wShrend 
fur die nach 2, 8 und 24 Std. vorgenommene Prttfung 1 Oese der Ver- 
suchsproben in 1 ccm Briihe gebracht, ^ Std. auf 56° erhitzt und daraus 
in 1 Oese der Bakteriophagengehalt bestimmt wurde. Die Zahlen, die 
nach 2 Std. erhalten wurden, mussen also mit etwa 60 multipliziert 
werden, um denen der 1. Reihe zu entsprechen. 

Die beiden kleinen Bakteriophagen zeigten eine viel umfangreichere 
Wirkungsbreite. Hyk wirkte in kleinen und sehr kleinen Ldchern auBer 
auf y auch auf Flexner und Coli Pferd, Myk auf die gleichen Bak¬ 
terien, tiberdies aber auch noch regelm&Big in starker Konzentration 
auf Shiga. Zeigte sich hierin bereits ein Unterschied der beiden Bak¬ 
teriophagen, der nicht zu vernachlassigen ist, so ergab sich ein weiterer 
in dem kulturellen Verhalten der gegen sie gefestigten y-Bazillen. Die 
Hykfesten zeigen sich sehr auffallig verSndert, indem 3ie in Fleischbrflhe 
klar oder fast klar unter Bodensatzbildung wachsen (vgl. Bail und 
Ohuda, Arch. f. Hyg. 1923), wShrend die Mykfesten das trtlbe Wachs- 
tum der normalen y-Dysenterie beibehalten. 

Dennoch deutet das sonstige Verhalten der gefestigten Bazillen auf 
eine engere Beziehung beider Bakteriophagen zueinander; denn der 
gegen Hyk gefestigte y war fest gegen Hyk und Myk, der gegen Myk 
gefestigte aber nur gegen Myk, wfihrend Hyk, wenigstens in starker 
Konzentration, ihn nocb auf der Agarplatte in Gestalt kleiner Locher 
zu beeinflussen vermochte. Ein ganz entsprechend eigentiimliches Ver¬ 
halten zeigte sich im Vermehrungsversuche (s. Tabelle S. 420). 

Der ziemlich ausfiihrlich wiedergegebene Versuch, beziiglich dessen 
zahlenm&Biger Darstellung das am Schlusse des vorigen Gesagte gilt, 
zeigt zunachst, daB die gegen Hyk gefestigten y-Bazillen eine Vermeh¬ 
rung weder von Hyk noch von Myk zulassen. Die gegen Mykfesten 
aber fflhren zwar fur diesen Bakteriophagen selbst zu keiner Vermehrung, 
lassen aber eine solche beschrSnkten Grades fflr Hyk zu. Es scheint 
somit wohl eine gegenseitige Festigung von y Dysenterie durch Hyk und 
Myk vorzuliegen, aber diese ist keine vollstBndige: Hyk festigt gegen 
sich wie gegen Myk vdllig, Myk hat aber nur eine sozusagen minder- 

27* 


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Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 






420 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Sofort 

Bphge Hyk mit 

II II II 

iTykfest 

32 

36 

II 


1 ' 

Mykfest 

33 

» 

n 

II 

Hygfest 

28 

I* 

?» 

i» 

yy 

II 

II 

Mygfest 

Shiga 

36 

52 

|| 

ii 

II 

Flexner 

56 

1| 

i» 

|| 

Coli Cord 

65 

II 

li 

|| 

Coli Pferd 

42 

II 

n 

II 

Coli Kraus 

58 

«l 

Myk 

II 

II 

y 

101 

II 

II 

Hykfest 

96 

II 

II 

II 

Mykfest 

107 

II 

II 

II 

Hygfest 

112 

ft 

II 

II 

Mygfest 

106 

11 

II 

II 

Shiga 

108 

ii 

}| 

}| 

Flexner 

95 

ii 

|| 

|| 

Coli Cord 

116 

ii 

}| 

|| 

Coli Pferd 

127 

ii 

II 

II 

Coli Kraus 

121 


Nach 2 Std. 

Nach 8 Std. 

Nach 24 Std. 

586 

leer 

leer 

0 

0 

0 

2 

ca. 3000 

ca- 3000 

78 

leer 

leer 

126 

leer 

leer 

1 

0 

0 

250 

leer 

leer 

0 

0 

0 

ca. 600 

leer 

leer 

23 

250 

670 

835 

leer 

leer 

2 

0 

0 

0 

0 

0 

101 

leer 

leer 

25 

leer 

leer 

0 

0 

0 

149 

leer 

leer 

0 

0 

0 

ca. 2000 

leer 

leer 

254 

leer 

f. leer 


wertige Festigkeit erzeugt, die gegen den scbwacher erscheinenden 
Bakteriophagen Myk ausreicht, nicht aber gegen den starkeren Hyk. 

Der Befund beriihrt die schwierige Frage, ob es verschiedene Grade 
von Bakteriophagenfestigkeit geben konne, wofur schon Anzeichen vor- 
liegen. Befriedigend diirfte dieselbe mit den heutigen Kenntnissen noch 
nicht zu beantworten sein. 

Auch in anderer Hinsicht bietet dieser Versuch Interesse: Zun&chst 
sieht man, dafi die Bakteriophagen sich nicht nur mit y, sondern auch 
mit FIexner-Dysenterie zu vermehren vermogen und iiberdies noch 
mit dem Col i-Stamm Pferd. Ja mit diesem scheint sogar die rascheste 
Zunahme zu erfolgen. Es ist danach gar nicht mit Sicherheit zu sagen, 
was fur Bakteriophagen eigentlich vorliegen. Man konnte Hyk und Myk 
ganz gut als Col i-Bakteriophagen mit Nebenwirkung auf y bezeichnen. 

Jedenfalls miissen nach der oben gegebenen Vorstellungsweise Bails 
y- und Flexner-Dysenterie eine gemeinsame generative Gruppe mit 
Coli Pferd haben, die ganz verschieden ist von derjenigen in y, auf 
welche die fruher besprochenen grofien Bakteriophagen Hyg und Myg 
wirken. Denn die Hyg- und Mygfesten Bazillen lassen Hyk und Myk 
ohne Schwierigkeit vermehren. 

Ivurz sei noch auf zwei Besonderheiten hingewiesen: Dafi Hyk. 
welches auf Shiga nicht wirkt, sich damit nicht vermehrt, erscheint 
begreiflich, aber Myk, das wenigstens in starkerer Konzentration auf 
der Platte immer mit Shiga reagiert, vermag sich mit diesem Bazillus 
nicht zu vermehren. Liegt hier — wenigstens anscheinend — ein Fall 
von Bakteriophagenwirkung ohne Vermehrung vor, so scheint fur Colt 
Kraus das Umgekehrte zu gelten. Es ist bisher nicht beobachtet, dafi 
dieser Stamm durch Hyk Oder Myk merklich beeinflufit wurde, und doch 
haben sich beide Bakteriophagen damit vermehren konnen, Myk sogar 
recht gut. Falle ahnlicher Art sind bereits bekannt; am auffallig s , ten 
ist in dieser Hinsicht die Wirkung organischer Kolloide, z. B. Gelatine- 
welche die sichtbare Wirkung, nicht aber die Vermehrung von Bakterio¬ 
phagen hemmen, hochstens veriindern konnen (Dorr, Nakamura. 
Arch. f. Hyg. Bd. 92. S. 61; Dorr und Berger, Zeitschr. f. Hyg 
Bd. 97. S. 422). Es fehlt noch an einer genaueren Analyse solcher Er- 
scheiuungen ; dennoch diirfte der Schlufi verfriiht sein, dafi das Vor- 


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URBANA-CHAMPAIGN 







Mataumoto, Verauche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 421 


kommen von Bakteriophagenvermehrung ohne Bakteriophagenwirkung, 
ebenso wie das Umgekehrte einer Wirkung ohne Vermehrung, absolut 
gegen die Entstehung von Bakteriophagen aus den Bakterien spreche. 
Es ist vielmehr zu bedenken, daB das, was wir von den Bakteriophagen 
sinnlich wahrnehmen konnen (also Beeinflussung des Wachstums von 
Bakterien in Fleischbriihe oder auf Agar), nicht die einzige Wirkung 
sein muB, welche sie austiben. Neben der sichtbaren kann eine an sich 
unsichtbare bestehen, die zur Vermehrung ausreicht. Andererseits ist 
eine Einwirkung von Bakteriophagen auf Bakterien denkbar, die so weit 
geht, daB auch deren generative Substanz, die sonst nach der Vorstellung 
von Bail die Bakteriophagen liefert, vollig zugrunde geht. Diese Mog- 
lichkeiten miissen eingehend gepriift werden, woruber Versuche schon 
weit vorgeschritten sind. 

Von FI exner-Bakteriophagen wurden die ebenfalls aus normalem 
Hflhnerkot stammenden Hfg, Hfk, Mfg und Mfk gepriift. Hfg und Mfg 
bilden mit Flexner groBe Locher auf der Agarplatte; Hfg ist aber in 
seiner Wirkung ganz allein auf Flexner beschr&nkt, wahrend Mfg auch 
mit Shiga und y-Dysenterie Locher bildet, welche sich durch eine 
deutlich geringere GroBe auszeichnen. Auf Typhus, Paratyphus und 
die Coli-StSmme wirkt keiner dieser Bakteriophagen. DaB beide ver- 
schieden sind, geht, abgesehen von ihrer verschiedenen Wirkungsbreite, 
aus dem Verhalten der gegen sie gefestigten Bazillen klar hervor. Denn 
gegen Mfg gefestigte Bakterien sind nur fur Mfg unempfindlich, nicht 
aber gegen Hfg und umgekehrt. 

Bei diesen Untersuchungen stellte sich iibrigens heraus, daB der als 
Flexn er- Bakteriophage aus Hiihnerkot isolierte Mfg identisch sein 
miisse mit dem aus dem gleichen Material als y-Bakteriophagen isolierte 
Myg. Dementsprechend ist ein gegen Mfg gefestigter Flexner nicht 
nur gegen Mfg, sondern auch gegen Myg unempfindlich. Auch laBt 
sich Flexner gegen Myg festigen, und ein solcher Stamm wird von 
Mfg nicht mehr angegriffen. 

Diesen Befundenentsprechen die Ergebnisse des Vermehrungsversuches: 




Sofort 

Nach 2 Std. 

Nach 8 Std. 

Bphge Mfg 

mit Flexner 

150 

leer 

leer 

>> 11 

„ Mfgfesten Fleexner 

130 

0 

0 

a a 

„ Hfgfesten „ 

132 

leer 

leer 

11 11 

„ Mfkfesten „ 

130 

leer 

leer 

ii ii 

„ Hfkfesten „ 

152 

leer 

leer 

it ii 

„ Mygfesten „ 

158 

0 

0 

„ Hfg 

„ Flexner 

5 

leer 

leer 

>» 11 

„ Mfgfesten „ 

14 

leer 

leer 

11 11 

„ Hfgfesten „ 

7 

0 

0 

11 11 

„ Mfkfesten „ 

8 

leer 

leer 

11 11 

„ Hfkfesten „ 

14 

leer 

leer 

11 11 

„ Mygfesten 

10 

leer 

leer 

Beziiglich der Zahlenbezeichuung gilt 

hier und in 

den folgenden 


Versuchen das friiher Gesagte. 

Der Bakteriophage Mfg vermehrt sich also mit alien Stammen, 
auBer mit den gegen ihn selbst und gegen Myg gefestigten, Hfg zeigt 
nur mit dem gegen ihn selbst festen Flexner-Bazilluskeine Vermehrung. 

Die kleinen FI ex ner-Bakteriophagen Hfk und Mfk, die mit 
Flexner ausschlieBlich kleine bis sehr kleine Locher bilden, zeigen 
sich in ihrer Wirkung nicht auf dieses Bakterium beschrankt. Hfk wirkt 
aufierdem noch sehr gut auf y, Mfk auf S h i g a - Dysenterie, (iberdies 
auch auf Coli Cord, Typhus und Paratyphus B, verdient also den 


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URBANA-CHAMPAIGN 








422 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Namen eines Polyphagen. Die weit abweichende Wirkungsbreite der 
beiden Bakteriophagen laBt bereits den SchluB auf ihre Verschiedenheit 
zu, der durch die Ergebnisse der Untersuchung der gegen sie gefestigten 
Bakterien sofort bestfltigt wird. Denn Flexner, gegen Hfk gefestigt, ist 
fOr diesen Bakteriophagen, nicht aber fflr Mfk unempfindlich und umgekehrt. 

Vermehrungsversuche ergaben: 


Flexner 

Sofort 

2 

Nach 2 Std. 

4 

Nach 8 Std. 
leer 

Nach 24 
leer 

Mfkfest Flexner 

4 

0 

0 

0 

Hfkfest „ 

3 

2 

leer 

leer 

Mygfest „ 

Shiga 

3 

4 

leer 

leer 

5 

0 

3 

0 

y 

6 

1 

leer 

leer 

Coli Cord 

2 

1 

leer 

leer 

Coli Kraus 

5 

0 

0 

0 

Coli Pferd 

4 

0 

0 

0 

Typhus 

7 

2 

0 

0 

Paratyphus B 

3 

2 

leer 

leer 


Im ganzen gilt fflr diesen Bakteriophagen, dessen bevorzugte Zu- 
gehflrigkeit zu F lexn er-Dysenterie nicht unbestreitbar ist, das frfiher 
fiber den Bakteriophagen Hfk Gesagte. Zunflchst wichtig ist, daB die 
erlangte Festigkeit gegen Mfk gleichzeitig die Vermehrung von Mfk mit 
diesem Stamme verhindert, wahrend sie mit den empfindlich bleibenden 
St&mmen, die gegen die anderen Flexner-Bakteriophagen gefestigt 
sind, so wie mit dem normalen Ausgangsstamme erfolgt. 

Genau entsprechend vermehrte sich der Bakteriophage Hfk nicht 
mit dem gegen ihn gefestigten Stamme, wShrend mit den gegen Mfk, 
Hfg und Mfg unempfindlich gemachten St&mmen der normale Bakterio- 
phagenzuwachs erzielt wurde. Von einigem Interesse sind Doppel- 
festigungen eines Bazillus gegen 2 verschiedene Bakteriophagen, wie sie 
zuerst von Bail unternommen worden waren. Sie wurden an Flexner 
mit den Bakteriophagen Mfg und Mfk, und an y-Desenterie mit Hyg 
und Hyk durchgefflhrt. 

Der Wirkungsversuch auf der Agarplatte mit starken Bakterio¬ 
phagen ergab: 




Bphge mit Flexner Mfkfest 

Mfgfest 

Mfg + kfest 




Mf 

g „ leer leer 

0 

0 




Mf 

k „ leer 0 

leer 

0 




Bphge „ y Hykfest 

Hygfest 

Hvg+ kfest 




Hyg „ leer leer 

0 

0 




Hyk „ leer 0 

leer 

0 



Der Vermehrungsversuch zeigte: 








Sofort Nach 2 Std. 

Nach 8 Std. 

Bphge Mfg 

mit 

Flexner 

150 

leer 

leer 

tt 

ft 

tt 

Mfgfest Flexner 

130 

0 

0 

tt 

tt 


Mfkfest „ 

130 

leer 

leer 

tt 

tt 

tt 

Mfg -f kfest „ 

145 

0 

0 


Mfk 

tt 

Flexner 

21 

20 

leer 

ft 

ft 

tt 

Mfgfest „ 

19 

4 

fast leer 

ft 

ft 

tt 

Mfkfest „ 

4 

0 

0 

ft 

ft 

It 

Mfg + kfest „ 

19 

0 

0 

ft 

Hyg 

It 

y 

16 

leer 

leer 

ft 

l) 

It 

Hygfest y 

20 

e 

e 

ft 

tt 

It 

Hykfest y 

15 

leer 

leer 

ft 

tt 

tt 

Hyg 4- kfest y 

18 

0 

0 

ft 

Hyk 

tt 

y 

450 

500 

leer 

ft 

tt 

tt 

Hygfest y 

425 

250 

leer 

ft 



Hykfest y 

360 

5 

0 

ft 

11 

tt 

Hyg -f kfest y 

410 

42 

0 


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URBANA-CHAMPAIGN 



Matsumoto, Versuche iiber die Vermehrung von Bakteriophagen. 423 


Das Ergebnis stimmt also vollstfindig mit der Erwartung fiberein: eine 
Festigung gegen 2 verschiedene Bakteriophagen ist moglich und die Dop- 
pelfestigkeit SuBert sich im Verraehrungsversuche so, daB eine Zunahrae 
keines dieser Bakteriophagen mit dem doppelfesten Stamme mehr erfolgt. 

Abgesehen von dem indirekten Beweise, welchen diese Versuche 
fur die Vielheit von Bakteriophagen, die gegen dieselbe Bakterienart 
gerichtet sind, erbringen, best&tigen sie zun&chst neuerlich die Brauch- 
barkeit der bakteriophagenfesten Bakterien ftlr die Erkennung und 
Wiedererkennung von Bakteriophagen. Denn diese Festigkeit zeigt, von 
besonderen, hier nicht aufgetretenen Besonderheiten abgesehen, eine 
vollkommene Spezifitat. Daraus lSBt sich im allgemeinen mit groBer 
Sicherheit schlieBen, daB 2 Bakteriophagen verschiedener Herkunft, welche 
einen gegen einen von ihnen gefestigten Bakterienstamm nicht zu be- 
einflussen vermfigen, untereinander identisch sind. 

Weiter hat sich mit aller Sicherheit ergeben, daB bakteriophagen- 
feste Bakterien nicht nur gegen ihren Bakteriophagen unempfindlich 
sind, sondern auch zu seiner Vermehrung keine Gelegenheit mehr geben. 
Sie verhalten sich in dieser Hinsicht wie vollig fremde Bakterienarten, 
auf welche der Bakteriophage von vornherein nicht zu wirken vermag. 
Hingegen lassen sie die Vermehrung von alien auf den Ausgangsstamm 
wirkenden anderen Bakteriophagen, so wie dieser selbst zu. Es gelingt 
aber auch, einen und denselben Bazillus gegen 2 verschiedene Bakterio¬ 
phagen widerstandsf&hig zu machen. In diesem Falle vermogen sich 
auch diese beiden Bakteriophagen nicht mehr mit ihm zu vermehren. 

Die Befunde weisen neuerlich auf den Zusammenhang zwischen 
Bakteriophagenwirkung und Vermehrung hin, der so innig sein muB, 
daB die nicht zu bestreitenden Falle, wo die eine ohne die andere vor- 
kommt, in ganz besonderen Verhaltnissen begrfindet sein mfissen. Die 
eigentiimlicheu Erscheinungen der Bakteriophagenfestigkeit sind durch 
die meisten der bisherigen Anschauungen fiber das Wesen der Bakterio¬ 
phagen nicht recht erklarbar. Ob man in diesen ein eigenes belebtes 
Virus sieht, oder die Wirkung eines Fermentes, so bleibt ffir die Festig¬ 
keit, die so regelm&Big und meist leicht eintritt, nur die Annahme einer 
„Selbstimmunisierung u der Bakterien; selbstverstfindlich ist dies keine 
Erklfirung einer Tatsache, sondern streng genommen nur ein kurzer 
Ausdruck ffir dieselbe. Hingegen vermag die Annahme, welche in der 
Bakteriophagenwirkung eine Beeinflussung der normalen generativen 
Vorgfinge eines Bakteriums sieht und in den Bakteriophagen selbst einen 
Abkommling von dessen generativer Substanz, den ermittelten Befunden 
vollauf gerecht zu werden. Ffir diese Auffassung ist der bakterio- 
phagenfeste Bazillus eine echte Mutation. Der Bakteriophage wirkt auf 
die Erbmasse des Bakteriums und verfindert einen bestimmten, ver- 
hfiltnismSBig selbstandigen Anted derselben, der sonst eine bestimmte 
„Gruppe“ des vegetativen Zelleibes aufbauen wfirde. Dieser Eingriff 
wird von der Mehrzahl der befallenen Bakterien nicht ertragen, sie 
gehen zugrunde. Einzelne Individuen aber fiberleben, indem sie die 
von Bakteriophagen befallene Gruppe ihrer generativen Substanz aus- 
fallen lassen. Sie sind jetzt unempfindlich, weil der Bakteriophage 
keinen Angriffspunkt mehr an ihnen vorfindet und sich naturgemiiB 
auch selbst nicht mehr mit ihnen vermehren kann. 

Solche Bakterien sind aber auch vegetative Verlustmutanten, weil 
sie mindestens eine Gruppe des Zelleibes, den die unveranderte Erb¬ 
masse aufbauen wfirde, nicht mehr besitzen. 


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424 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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NachdruSc verbolen. 

Ueber Schadigung der Leukozyten beim d’Herelleschen 

Phanomen. 

[Aus dem Hygiene-Institut der Universitat Greifswald (stellv. Direktor: 

Prof. Dr. Carl Prausnitz).J 

Von Ille Vallen, cand. phil. 

Mit 1 AbbilduDg im Text. 

In einer fruheren Arbeit wurde von Friedberger und mir be- 
schrieben, daB bei der Bakteriolyse des d’Herelleschen Phanomens 
daneben vorhandene Erythrozyten hamolysiert wurden. Diese Hamo- 
lyse tritt nur ein, wenn gleichzeitig Bakterien (Typhus- oder Flexner- 
Ruhrbazillen) mit dem homologen Lysin und den Blutkorperchen zu- 
sammen aufeinander einwirken, nicht wenn das Lysin allein mit den 
Blutkorperchen gemischt wird. Im AnschluB an diese Versuche habe ieh 
auf Anregung von Herrn Prof. Prausnitz festzustellen getrachtet, ob 
bei den Leukozyten tihnliche Verhaltnisse vorliegen. 

Die Versuchstechnik gestaltete sich, wie folgt: Die Leukozyten 
wurden gewonnen, indent Meerschweinchen mit 10 cent Bouillon intra- 
peritoneal oder Kaninchen mit 5 ccm Aleuronatbrei in die rechte Pleura- 
hohle injiziert wurden; das Exsudat wurde 24 Stunden spater mit steriler 
Kapillare entnommen und zur Vermeidung der Gerinnung sofort zu 
gleichen Teilen mit 1 Proz. oxalsaurem Natrium versetzt. Von dieser 
Aufschwemmung wurden gleiche Mengen in 4 Rohrchen gefiillt: 
Rohrchen I Typhusbazillen -f- Typhuslysin + Leukozyten; Rohrchen II 
Typhusbazillen + Leukozyten; Rohrchen III Lysin + Leukozyten: 
Rohrchen IV Bouillon + Leukozyten. 

Zum Nachweis einer Leukozytenschadigung erwies sich 
die bioskopische Methode von Neisser und Wechsberg nicht als 
geeignet: Da namlic.h das Lysin allein die Leukozyten nicht schadigte, 
zeigte das Rohrchen III keine Herabsetzung der Methylenblaureduktion. 
Dagegen bewirkten die lebenden Typhusbazillen allein (Rohrchen II) 
schon eine starke Reduktion; bei Mischung von Bazillen und homologent 
Lysin (Rohrchen I) ist die Reduktion uaturgemaB geringer, da die 
Typhusbazillen durch das Lysin rasch und weitgehend zerstort werden. 

Andere Verfahren ergaben indessen ein deutliches Bild von der 
Schadigung der Leukozyten durch die d ’ H e r e 11 e sche Bakteriolyse. 

A. Hangende Tropfen voin Bodensatz der nach dem Neisser- 
Wechsbergschen Verfahren angelegten Gemische zeigten ausge- 
sprochene Unterschiede in dem Grade der von den Leukozyten ange- 
nommenen Methylenblaufiirbung: 

Rohrchen I (Typhusbazillen + Lysin) fast die Halfte der Leukozyten violett: 

„ II (Typhusbazillen allein) hochstens ‘/ 10 schwach gefarbt; 

„ III (Lysin allein) etwa '/s nl ' t schwach gefarbtem Kern und ganz 
echwacher Plasraafarbung; 

„ IV (Bouillon allein) iihnlich wie III. 

B. Die Vitalfarbung nach Nakanishi. 

Ilier wurde ein durchaus gleichsinniges Verhalten im gefarbten 
Praparat erhalten: im Rohrchen I gut farbbare, in der Kontrolle nnr 
ganz vereinzelt und andeutungsweise kerngefSrbte Leukozyten. 



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V a lien, Schadigung der Leukozyten beim d’Herelleschen Phanomen. 425 


Rohrchen ' 

Inhalt: 

Phagozytose 

Nr. 

Leukozyten und 

stark 

angedeutet fehlend 


1. K ar m i n vers uch. 


I 

Typhusbazillen + Lysin 

3 

28 

II 

Typhusbazillen 

27 

36 

III 

Lysin 

26 

42 

IV 

Bouillon 

31 

36 

V 

1 Tropfen Formalin 

0 

0 


2. Tuscheversuch. 


1 

Typhusbazillen + Lysin 

0 

26 

II 

Typhusbazillen 

26 

52 

III 

Lysin 

17 

70 

IV 

Bouillon 

14 

68 

V 

1 Tropfen Formalin 

0 

0 

VI 

In dest. Wasser geschiittelte Typhus¬ 
bazillen 

26 

51 


69 

37 

32 

33 
100 


74 

22 

13 

18 

100 

23 


C. Phagozytoseversuche. 

Den wie oben angesetzten Rohrchen wurde zur Ermittelung der 
Phagozytose steriler Karminbrei oder sterile Tuscheaufschwemmung zu- 
gefiigt; die Beobachtung erfolgte bei genauer Einhaltung der Tempe- 
ratur von 37° im Brutraum. Nach 10 Std. erfolgte die Auszahlung 
wieviel Prozent der Leuko¬ 
zyten starke, angedeutete 
und keine Phagozytose 
zeigten. 

Der Grad der Schadi¬ 
gung der Leukozyten ira 
Rohrchen I wird noch klarer 
zum Ausdruck gebracht 
durch graphische Darstel- 
lung, wobei fehlende Leuko- 
zytose durch das leere Feld, 
angedeutete durch Schraffie- 
rung, starke durch Schwar- 
ZUng angegeben wird (vgl. Fig. 1. Diagramm der Tuscheversuche. 

Abb.). 

Die Versuche haben also gezeigt, daB bei der Bakteriolyse des 
d’Herelleschen Phanomens eine starke Schadigung der Leukozyten 
erfolgt. Das Lysin allein ist fiir die Leukozyten harmlos. Man muB 
also zur Erklarung des Befundes zundchst annehmen, daB im Verlauf 
der Bakterienzerstorung Abbauprodukte entstehen, welche fur die Leuko¬ 
zyten, ebenso wie fiir die roten Blutkorperchen, schadlich sind. 

Literatnr. 

Friedberger u. Vallen, Klin. Wochenschr. 1923. S. 1649. — Nakanishi, 
Miinchener med. Wochenschr. 1900. S. 187. — Neisser u. Wechsberg, Zeitschr. 
f. Hvg. Bd. 36. 1901. 8. 299. 



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426 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Nachdruck verboten. 

Reagenzglasstudien zur bakteriziden Wirksamkeit des 
Hexals und Neohexals 1 ). 

[Aus der Medizinischen Klinik (Dir.: Geh. Rat Prof. Dr. Stint zing) 
und dem Hygienischen Institut (Dir.: Geh. Rat Prof. Dr. Abel) der 

Universitat Jena.] 

Von Dr. J. Brinkinann, Assistenten der Klinik. 

Mit 2 Kurven im Text. 

VerhaltnismaBig bald, nachdem Loew(l) und Trillat (2) ziemlich 
gleichzeitig um das Jahr 1890 auf die keimwidrige Wirkung des Forrn- 
aldehyds aufmerksam gemacht hatten, ging man auch zu dessen An- 
wendung als inneres Desinfiziens iiber [Jacobson (3)], und zwar wurde 
er zunachst in seiner Verbindung mit Milchzucker verwendet, in Form 
der sogenannten Formaminttabletten [Ro s en b e r g (4)], die je 0,01 Form- 
aldehyd enthalten. 

Zweifellos ist das Formamint aber spkter vom Urotropin in Schatten 
gestellt worden. Zuerst von Butlerow dargestellt, wurde es von Ni¬ 
colai er in die Therapie eingefiihrt, und zwar urspriinglich als ausge- 
sprochenes Harndesinfiziens. Nach Richardsons (5) Vorgang aber 
suchte man es sich sehr bald auch beim Typhus und n&chst dera bei alien 
iibrigen Infektionskrankheiten zunutze zu machen [Crowe (6), Zak(7), 
Sachs (8), Plaschkes und Benkovic (9), Coglievina (10)]. Die 
gleichen Anwendungsgebiete wurden durch die Veroffentlichungen von 
Schnizers (11) und Weifl’(12) auch den sulfosalizylsauren Abkomm- 
lingen des Urotropins, dem Hexal und Neohexal, erschlossen. 

Wie es aber hinsichtlich der innerdesinfektorischen Wirkung des 
Urotropins empfindlich an geniigender Breite der experimentellen Unter- 
lagen mangelt, so erst recht bei diesen. Wenn man sich aber iiber die 
Wirkung des Hexals (Neohexals) bei Infektionskrankheiten miteinander 
auseinandersetzen wili, so bedarf es meines Erachtens als Grundlage 
jeder weiteren Debatte Untersuchungen iiber dessen bakterizide Wir¬ 
kung. Diese habe ich mich bemiiht nachzuholen. Reagenzglasversucbe 
sind natiirlich immer nur ein Notbehelf. Die wirklichen Vorg&nge im 
menschlichen Korper spiegeln sie nur hochst unvollkommen wider. 
Aber nicht einmal Tierversuche bringen uns ja immer in dieser Hinsicht 
weiter. Morgenroth (13) hat einmal auf die zuweilen klaffende Dis- 
krepanz zwischen Reagenzglas- und Tierversuch aufmerksam gemacht. 
Solange wir aber keine anderen, den natiirlichen Verhaltnissen ent- 
sprechenderen Methoden habeu, konnen wir diese zu gewissermaflen in- 
formatorischen Studien nicht entbehren. 

Es ware reizvoll, sich hier auf eine eingehende kritisehe Analyse der bisher yor- 
liegenden bakteriologischen Untersuchungen iiber die Wirkung des Urotropins und seiner 
einzelnen Abkorumlinge einzulassen. Ich kann aber nur kurz an die Arbeiten von 


1) Als Fortsetzung der Arbeit vgl. auch: „Studien zur keimwidrigen Wirksamkeit 
des Hexals und Neohexals im lebenden Organismus". (Ztschr. f. d. ges. exper. Median- 
1924. und ,,Hexal- (Neohexal)wirkung bei Infektionskrankheiten". (Miinchen. med. 
Wochenschr. 1924.) 


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Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirkaamk. d. Hexals ubw. 427 

Nicolaier (13a), Suter (14), Wannier(15), Reche (16), Sachs (17), Muller 
[Helmitol] (18), Bruck [Neu-Urotropin] (19), Fries [Hetralin] (20), Forcart [Hippol 
und Borovertin] (21), Esch [Mvrmalid] (22) erinnern. Im groBen und ganzen beruhen 
alio diese Arbeiten auf einer schon aus der Vor-Urotropmara stammenden Methodik 
[vgl. z. B. Krause (22)]; der Harn eines Menschen, der genugend groBe Dosen des 
zu untersuchenden Mittels, z. B. 1—2 g Urotropin erhalten hat, wird aufgefaDgen, bei 
Zimmer- oder Brutschranktemperatur steheu gelassen und iiberdies noch nachtraglich 
mit Reinkulturen, z. B. vom Bact. coli, beimpft. 

Zweifellos hat diese altere Versuchsanorduung etwas Bestechendes, scheinen doch 
die im Korper obwaltenden Bedingungen weitgehend gewahrt. Insofern ist Suter (24) 
beizustimmen. Woriiber sie aber nichts aussagen konnte, war die jeweils wirksame 
Konzentration. l)enn natiirlich kann die Menge des Harns, spezieli auch des Nacht- 
urins, in erheblichen Grenzen schwanken und somit die verabreichten Mittel in ganz 
auBerordentlich verschiedener Konzentration enthalten. Was wir aber noch wissen 
miissen, und woriiber diese altere Methodik ebenfalls nichts aussagen kann, ist vor 
allem die Verdiinnung, bei der die erste angedeulete oder vollkommene desinfektorische 
Wirkung festgestellt werden kann. 

Ausgesprochene bakteriologische Untersuchungen uber die Wirksamkeit des Hexals 
und Neohexals finde ich, soweit ich die Literatur iibersehen kann, nur bei Frank (25) 
und Seegers (26). AuBerdem liegen solche noch vor in einem Gutachten, das Dr. 
O. Makowka (27) fur die I. D. Riedel A. G. ausgefertigt hat, und das mir von der 
Firma bereitwilligst zur Verfugung gestellt wurde. Der verwendeten Methodik haften 
aber mancherlei Mangel an, besonders der, daB keine Versuche iiber den EinfluB eiweiB- 
haltiger Medien auf die Hcxalwirkung angestcllt worden sind. 

Zur Priifung der desinfektorischen Wirkung eines Medikaments 
stehen uns zwei Wege often, die sogenannte Suspensions- und die 
Keimtragermethode. Die letztere hat z. B. Breitenstein (28) bei 
seinen Studien iiber die Wirkung des Yatrens gewahlt. In unserein 
Falle schien sie mir nicht besonders zweckinaBig, weil ich ja nicht etwa 
die Wirkung des Hexals und Neohexals bei tier Unschadlichmachung 
infektioser Ausscheidungen, sondern bei den Infektionskrankheiten selbst 
studieren wollte. Diese Wirkung rniiQte in den mit Bakteriamien eiu- 
hergehenden Infektionskrankheiten ain idealsten zur Geltung kommeu, 
also bei solchen, bei denen es sich gewissermaBen uni Aufschwemmungen 
von Keimen im stromenden Blute handelt. Die Suspensionsmethode 
erschien mir deshalb der gegebene Modellversuch, obwohl wir hierbei 
freilich immer mit Keimmengen arbeiten, wie sie im lebenden Blute nie 
vorkommen. Hieran hat auch schon Buzello (29) einmal erinnert. 

Bei der Auswertung eines inneren Desinfiziens liegt uns besonders 
an einem Urteil iiber die Konzentration, die selbst die resistentesten 
Keime vernichtet und uns so vor unliebsamen Rezidiven oder weiteren 
InfektionsUbertragungen bewahrt. Ein solches verschaffen wir uns an 
Hand der sogenannten Endmethode, zu deren Verwendung ich mich 
auch im vorliegenden Falle entschlossen habe. 

Endlich habe ich mit dem sogenannten Abtotungsversuch gearbeitet, 
denn es sollte ja die Wirkung des Hexals und Neohexals bei Infektions¬ 
krankheiten studiert werden, bei Zustanden also, bei denen bereits Keime 
in groBen Mengen im Korper vorhanden sind, und bei denen es sich 
darum handelt, diese chemo-therapeutisch zu vernichten. 

Meine experimentelle Arbeitsweise bestand also, um es noch 
einmal kurz zu priizisieren, im Abtotungsversuch bei gleichzeitiger An- 
wendung der Suspensions- und Endmethode. 

Geprflft wurde der EinfluB auf Coli, Bac. typhi, Shiga-Kruse, 
Staphylococcus aureus, Streptococcus haemolyt., Pneumo¬ 
coccus, Diplococcus pleom. Wiesner, Diphtheriebazillen. Im 
groBen und ganzen sind immer dieselben St&mme benutzt worden. Das 
ist zweifellos eine empfindliche Einschrankung der Versuche [vgl. z. B. 


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428 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Hailer (30)]. Es waren aber von vornherein verschiedene Vergleichs- 
versuche mit anderen Formaldehyd abspaltenden Mitteln, zum Teil auch 
mit ganz anders charakterisierten Desinfizientien geplant. Ich muBte die 
Beschr&nkung wohl gelten lassen, wenn ich nicht eine gar zu groBe An- 
zahl von Versuchen anzustellen gezwungen sein wollte. Die einzelnen 
Stamme riihrten zum Teil von Eingangen des hiesigen Bakt. Unter- 
suchungsamtes her, zum Teil von selbst beobachteten klinischen Fallen, 
fiber die anderen Orts noch zu berichten sein wird. 

Im vorhinein zielte ich darauf hin, Hexal und Neohexal nicht nur 
gegen Bazillenaufschwemmungen in physiol. NaCl-Losung, sondern aueh 
in eiweiBhaltigen Medien verschiedenster Herkunft zu prufen, also in 
Bouillon, Harn, Ascitesflfissigkeit, Serum, defibriniertem Blute. Es 
wurden, ausgehend von 24-stiind. Kulturen in Schragagarrohrchen mit 
dem fiir die betreffenden Keime spezifischen Substrate, also Agar, 
Loeffler - Serum, Blutagar, Bazillenaufschwemmungen unmittelbar mit 
der betreffenden Losungsflussigkeit hergestellt, so zwar, wie man es auch 
bei der Bereitung von Vakzinen zu fiben gewohnt ist, daB durch die 
maBig triibe Fliissigkeit eben noch ein Fensterkreuz einigermaBen deut- 
lich zu erkennen war. Mit diesen Aufschwemmungen wurde das Reagens- 
glaschen beschickt und dazu Hexal bzw. Neohexal, von einer 10-proz. 
Losung ausgehend, zupipettiert, so daB das Mittel jeweils zu 1—0,1 Proz. 
in den Glaschen enthalten war. Es wurden nun zundchst einmal die 
Veriinderungen der Aufschwemmungen selbst beobachtet, protokolliert 
und nach 24 Std. eine Normalose auf Platten aus Spezialndhrboden 
verimpft. Nach wieder 24 Std. wurde das erreichte Bakterienwachstum 
abgelesen. 

Diese Versuchsanordming hat eine Fehlerquelle, die zugegeben werden muB: es 
ist dabei nicht geniigend beriicksichtigt, daB beira Abimpfen der mit Hexal und Neo¬ 
hexal versetzten Bakterienaufschwemmungen mit den Bakterien zugleich auch die des- 
infektorischen Agentien mit auf die zu beimpfende Nahrstoffplatte iibertragen werden, 
und daB sich hier eine entwicklungshemmende Wirkung entfalten kann, die gewohnlich 
sehon bei sehr feinen Verdiinnungen Platz greift. Ich erinnere an die diesbeziiglichen 
Arbeiten von Geppert (31) und Hailer (32). In unserem Korper aber spielen sich 
zweifellos nebeneinander Abtotungs- und Hemmungswirkungen ab, bo daB die Ver- 
suchsanordnung, wenn sie auch nicht ganz den strengen Regeln der fiir die Prufnng 
eigentlicher Desinfektionsmittel geltenden Lehrc entsprechen sollte, doch einigermaBen 
den im Korper obwnltenden Verhaltnissen gerecht wird. Zudem ist ein mit chemischera 
Dcsinfiziens imbibierter und in seiner Entwicklung gehemmter Keim fiir deu infizierten 
Korper so gut wie kampfunfahig, iiber den die natiirlichen Abwehrkrafte der Blut-uni 
Gewebszellen iiber kurz oder lang obsiegen miissen. 

Von einer ausfiihrlichen Wiedergabe der einzelnen Versuchsproto- 
kolle sehe ich der Kiirze halber ab und fasse die gewounenen Ergeb- 
nisse tabellarisch zusammen. 

Ueber die bakterizide Wirkung von Hexal und Neohexal Bakterien- 
aufschwemmungen in physiol. NaCl-Losung gegenuber gibt uns die 
folgende Tab. I Auskunft. Die Bezeichnung ist dabei so gewahlt, daB 
— kein Wachstum, -j- einzelne, -(—\- zahlreichere Kolonien, +++ 
reichliches, oo so kraftiges Wachstum bedeutet, daB man eine einzelne 
Kolonie kaum oder gar nicht mehr erkennen kann. 

Was in die Tabelle nicht mit aufgenommen wurde, ist die kleine 
Diskrepanz zwischen 2 Prfifungen Coli gegenuber, denen zufolge sich 
das eine Mai namlich bei 0,1 Proz. Neohexal einzelne Kolonien fanden, 
das andere Mai schon bei 0,25 Proz. unendlich uppiges Wachstum. 
Aehnliche Unterschiede baben sich dann auch spiiter bei anderen Pru- 
fungen gefunden. Am zwanglosesten erklaren sie sich wohl mit Schwan- 


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Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 429 


T a belle I. 


Aufschwem- 
mung in phys. 
Kochsalzlosung 
von 


Neohexal 


1% 10,75 %!0,5% 0,25°/, 


0,1 •/„ 


Coli 

Typhusbazill. 
Shiga-Kruse 
Staphyl. aur. 
Strept. haem. 




+ 

+ 


+ + 


Hexal 


1 °/, 


0,75 % 0,5 V, 


0,25 V, 


0,1 v. 


+ + 
+ + 


— i + 


c 

o 

fad 


oo 

oo 

+ 

oo 

++ 


£ „ 
•&= 

.11 

J§ 


kungen der Resistenz ein und desselben Stammes an verschiedenen 
Tagen. Es sei hierbei an die Arbeiten von Sam ter (33) und Hailer 
(34) erinnert. 

Den NShrmedien, wie sie im tierischen Korper gegeben sind, stelit 
am n&chsten die Bouillon. Anfanglich wurde solche benutzt, wie sie 
nach landl&ufigem Rezept in alien Instituten anniihernd gleich hergestellt 
i wird, sp&ter solche aus sogenannter Hottinger-Briihe. Die Bakterien- 
aufschwemmungen wurden, wie schon gesagt, unmittelbar mit der Bouillon 
selbst hergestellt. Es wurden aber auch Hexal und Neohexal in der 
Bouillon selbst gelost. Der Gedanke dabei war, daB ja die Mittel im 
Korper auch in die Bakterien enthaltenden Medien unmittelbar iibergehen. 
Es sollte also auch im Reagenzglasversuch den beiden Mitteln ausreichend 
Zeit gegeben werden, sich mit dem etwaigen Eiweifigehalt der Bouillon 
auseinanderzusetzen. Bei der Durchsicht meiner Protokolle f&llt mir auf, 
daB bei den spateren Versuchen fur das Hexal eine feine milchige Aut- 
losung in der Bouillon notiert worden ist, w&hrend ein derartiger Ein- 
trag bei den ersten Experimenten fehlt. Das muB notwendigerweise 
mit dem Uebergang von gewohnlicher Bouillon zu solcher aus Hot- 
tinger-Bruhe zusammenhiingen. Ueber die bakteriologischen Ergeb- 
nisse belehrt uns Tab. II. 


Tabelle II. 


Aufschwem- 
mung in Bouil¬ 
lon von 



Neohexal 




Hexal 


O 

o 

lx 

c 

V 

ME 

'X a 
•S o 

l°/„ 

0,75 V„j 

0 °/ 

/o| 

0,25 % 

0,1 # /« 

l°/o| 

0,75 % 0,5% 

0,25 % 

j 

10.1 Vo 

fl 

o 

Coli 

___ 

_ 


oo 

OO 

_ 

_ 

_ 

oo 


oo 

_ 

Typhusbazill. 

Shiga-Kruse 

— 

— 

_ 

+++ 

+++ 

— 

— 

— 

+++ 

+++ 

oo ' 

— 

— 

— 

— 

+ 

+ + 

— 

— 

— 

— 

+ 

oo 

— 

Sta phy 1. aur. 

- ' 

— 

— 

+ + 

++ 

— 

— 

— 

++ 

+ + 

oo 

— 

Strept. haem. 

- 1 

— 

— 

— 

oo 

— 

— 

— 

— 

++ 

oo 

— 

Pneumococc. 

— 

— 

— 

— 

+ + 

— 

— 

— 

— 

— 

++ 

— 

Diplococcus 

Wiesner 





oo 

_ 

_ 

_ 

__ 

+ + ' 

oo 

- 

Diphtherie 

— 

— 


— 

++ 

— 

— 

— 

— 

— 

oo 

— 


Das, was beim Anblick der Tabelle ohne weiteres auff&llt, ist, daB 
zum Teil schon hbhere Konzentrationen zum Abtoten der Keime not- 
wendig sind. Auch hier wieder wie oben gleitende Unterschiede in der 
Resistenz der Stamme. Bei diesem wie beim ersten Versuch lieB sich 
eine spezifische Wirkung gegeniiber einer der gewahlten Bakterienarten 
nicht erkennen. 


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430 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 

Von den tierischen NShrmedien steht der Bouillon wohl am nachsteu 
der Ham. Wahrend der ganzen Versuchsreihe wurde als Aufschwem- 
mungssubstrat Harn von einer und derselben gesunden mannlichen 
Person benutzt, der im freien Strahl aufgefangen wurde. Die Losung 
von Hexal und Neohexal erfolgte in ihm prompt. Die erzielten Versuchs- 
ergebnisse stimmen mit denen der Tab. II annahernd uberein, so dafi wir 
uns eine ausfiihrliche tabellarische Wiedergabe ersparen konnen. 

Urn nunmehr die Versuche zu so eiweiBhaltigen Medien uberzuffibren. 
wie sie im Blute und Blutserura gegeben sind, wurden zunAchst solche 
mit Ascitesflussigkeit angestellt. Diese war lange gehaltener Labora- 
toriumsvorrat. Das Chloroform, das ihm zur Konservierung zugesetzt 
war, wurde verdampft. Neohexal, 10-proz. der Ascitesflussigkeit zuge¬ 
setzt, loste sich darin vollkommen. 1 g Hexal dagegen auf 20 ccm 
Ascitesflussigkeit gab eine milchige Triibung mit mehr weniger fein- 
flockigem Niederschlag. Die bakteriologische Untersuchung ergab fol- 
gende Verhaltnisse: 


Tabelle III. 


Aufschwem- 

Neohexal 

Hexal 

Kontrolle 

i •. 

t! 

J! 

III III III AH* 1 

citesfliissigkeit i<%o,75 %jo,5 % 

0.25% 0,1"/, 

1 °l 
/u , 

0,75% 0,5 °/ 0 

0,25 % 

0,1 % 

Coli 

_ _ 

+ i + + 

1 _ 

_ ! — 

_ 

+ + 

oo 

— 

Typhusbazill.l — 

- - 1 

+ + j + + 

— 

— — 

— 

+ + 

oo 

— 

Staphy 1. anr. — 

I 1 

+ i + + 

— 

— 1 — 

— 

+ + 

+++ 

— 


Der durch Hexalzusatz erfolgende Niederschlag war zu auffallend. 
uni fur die bakterizide Wirkung bedeutungslos sein zu konnen. Es war 
zu vermuten, dafi die abtdtende Kraft hierdurch abnehmen miiBte; denn 
es mufiten, urn zun&chst einmal gar nichts vorwegzunehmen, im Nieder¬ 
schlag wirksame Bestandteile des Mittels gebunden sein. Ein einfacher 
Versuch miiBte uns hieruber Aufklarung bringen kbnnen: wenn wir der 
Bakterienaufschwemmung einmal Hexal, 10-proz. in Aq. dest. gelost, zu- 
setzen wurden, miiBte irgendein Unterschied in der Wirkungsweise 
deutlich werden. In der Tat ergab sich, wie Tab. IV zeigt, eine auf- 

Tabelle IV. 


Aufschwemmung in 
Ascitesfliigsigkeit von 

Hexal in Aq. dest. gelost 

1 °l 
lu 

0,75 % 

0,5% 

| 0,25 % 

0,1 % 

Coli 



_ 

_ 


Typhusbazillen 

— 

— 

— 

— 

+ + 

Staphylococcus aur. 

— 

— 

— 

— 

— 


fallend starkere bakterizide Wirkung, wenn das Hexal, statt in der 
Ascitesflussigkeit, in Aq. dest. gelost und so den Bakterienaufschwem- 
mungen zugesetzt wurde. 

Nunmehr konnte daran gegangen werden, zu studieren, wie sich 
die Wirkung der beiden Mittel im Serum gestalten wiirde. Ich benutzte 
hierzu Pferdeserum, das mir in der entgegenkommendsten Weise von 
der hiesigen tierarztlichen Klinik zur Verfiigung gestellt wurde. Auch 
hierin loste sich das Neohexal glatt, wahrend das Hexal wieder nach 



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Brink maun, Reagen zglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 431 


anffinglicher Zusammenklurapung die milchige Triibung ergab, das Serum 
hierbei zu einer z&hfliissigen Masse machend. Nacb 24 Std. war es 
bereits ein gleichmUBig dicker, weiBer Brei ohne einen Tropfen dariiber 
stehender pipettierbarer Fliissigkeit. Nach 48 Std. war auch die anfangs 
klare Neohexalserumlfisung milchig getriibt. Es miissen also weitgehende 
chemische Prozesse zwischen den beiden Mitteln und dem Serum statt- 
haben. 

Ihr EinfluB auf die bakterizide Wirkung durfte im vornherein als 
bedeutend eingeschatzt werden. Und diese Voraussetzung wurde, wie 
Tab. V zeigt, durch den Ausfall der Versuche vollkommen bestatigt. 


Tabelle V. 


Aufschwem- 


lining in 


Pferdeserum 

_ 

von 

l°/.j 

Coli 

_ 

Typhusbaz. 

— 

Staph, aur. 

+ + 


0,75% 


+ 

+ + 


Neohexal 


0,5 % jO,25 % t 0,1 % 


OO 

oo 

oo 

++ 

oo 

oo 

oo 

oo 

oo 


Hexal 


1 0 /ojO,75 
- + 



0,25 % ; 0,1 % 



+ | oo 

+ + +1 + + + 
+ + |. + + 


oo 

oo 

oo 


. . 

Auch hier wurden wieder Parallelversuche angestellt, bei denen 
Hexal und Neohexal in Aq. dest. gelost und dann den Bakterienauf- 
schwemmungen zugesetzt wurden, und die wieder ebenso fiberzeugend 
wie der Vergleich der Tab. Ill und IV lehrten, wie umfangreich die 
chemische Bindung zwischen den wirksamen Bestandteilen der beiden 
Mittel und den Serumkorpern sein muB. 

Menschliclies Serum stand mir aus leicht ersichtlichen Griinden nicht 
in den Mengen zur Verfiigung, wie sie notig gewesen waren, urn damit 
gleich umfangreiche Untersuchungen wie mit dem Pferdeserum anzu- 
stellen. Ein AderlaB aber, der sich bei einem UrUmiker notig machte, 
lieferte mir dock wenigstens so viel Serum, daB ich einen Versuch in 
kleinerem Umfange mit Typhusbazillen als Testobjekt durchfuhren konnte. 
Die erzielten Ergebnisse stimmen mit den in Tab. II niedergelegten 
Resultaten nahezu vollig iiberein. 

Reagenzglasversuche nur mit Serum schienen mir die im strbmenden 
Blut sich abspielenden VerhSltnisse nicht gentigend widerzuspiegeln. Es 
war sehr wohl anzunehmen, daB die chemisch wirksamen Stofte der 
beiden Mittel nicht nur Verbindungen mit Serumbestandteilen, sondern 
auch mit denen der Blutkbrperchen eingehen kQnnten. In erster Linie 
war dabei an den Formaldehyd zu denken, dessen groBe Reaktionsfahig- 
keit bekannt ist. Seine Befahigung, mit EiweiB Verbindungen einzu- 
gehen, hat Gegenbauer (35) besonders studiert. K Ur ten (36) hat 
an die chemische Verbindung zwischen Formaldehyd und Aminosauren 
erinnert. Der groBere Anteil an diesen entf&llt aber eben auf die Form- 
elemente des Blutes, besonders auf die roten Blutkorperchen, denen die 
Aufgabe des Transposes der EiweiBbausteine bei dem „Aminosaurestoff- 
wechsel“ (Abderhalden) zuzukommen scheint. Abderhalden und 
K Ur ten (37) konnten jedenfalls zeigen, daB die roten Blutkfirperchen 
in vitro gelbste AminosBuren adsorptiv und somit reversibel zu binden 
vermbgen. 

Bei den zum Studium dieser VerhSltnisse angesetzten Versuchen 
arbeitete ich mit defibriniertem Pferdeblut, das mir ebenfalls von der 
tierSrztlichen Klinik zur VerfUgung gestellt wurde. Neohexal loste sich 


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432 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originate. Bd. 91. Heft 1 


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in ihra anstandslos. Indem man es dem Blut zusetzte, er 
hellrote Flflssigkeit. Hexal dagegen verursachte einen Nie 
dunklen groben Kliimpchen. Das mit Neohexal versetzt 
aber innerhalb 24 Std. einen tiefschwarzen Farbton an. Z 
ein grbber, festhaftender Bodensatz niedergeschlagen, iil 
diinnflOssige schwarze Lbsung steht. Die Blutprobe dage$ 
zugesetzt war, stellte sich nach 24 Std. als dicke, schv 
Masse dar. Es ist interessant, auch hier wieder zu beoba 
chemischen Reaktionen zwischen den wirksamen Bestandte 
hexals und Hexals mit entsprechenden organischen Stoffi 
elemente des Blutes zur vollen Auswirkung eine gewisse Ze 
Gegenbauer (38) zeigte, wie die voile BindungsgroBe der 
aldehydverbindung erst nach lingerer Zeit der Beruhrung ( 
2 Tagen) erreicht wird, und wie bei kurzerer Bertihrung 
dungsgroBe von der Konzentration des Formaldehyds ablu 
Wie oben schon ausgefuhrt, ging auch hier die Techn 
Bakterien in dem defibrinierten Blute aufzuschwemmen, Re 
mit entsprechenden Mengen von diesen Aufschwemmungen 
und dann Neohexal-, bzw. Hexallosung hinzuzupipettieren. 
folgte kraftige Umschflttelung, zum Teil unter Ruhrbewegur 
ausgeglfihten Platinnadel. Sehr bald aber setzten sich doi 
roten Blutkorperchen, immer kraftiger zusammensinternc 
Dieser Vorgang legte es nahe, die beiden deutlich voneinand 
Bestandteile des Inhaltes der Reagierglaschen auch geson 
logisch zu untersuchen. Ich will einmal, nichts vorwegn 
Sediment und Fliissigkeit reden. Die sich ergebenden 
werden durch Tab. VI illustriert. 


Tabelle VI. 


Aufschwemmung in 
defibriniertem Pferde- 

N eohexal 

Hexal 

blut 

von 

l°/„ 

[0,75 % 

0,5 % 

jo,25 7o 

0,1% 

1% 

0,75 % 

0,5 % 0,2 

Coli 

Fliissigkeit 

+ + 

I-+- 4- 4- 

4-4-4- 

+ + + 

+++ 1 

+ + 

+ + 

++ 

-1 


Sediment 

oo 

OO 

oo 

oo 

oo 

OO 

OC 

OO 

< 

Typhusbaz. 

Fliissigkeit 

+ 

+ i 

4-4- 

+++' 

++ + 

+ 

+ + 

+ + 

+ 


Sediment 

+ 

+ 

4- 

+ + 

oc 

+ 

+ 

+ + 

4 

Staph, aur. 

Fliissigkeit 

— 

+ 

+ + 

++ 

+++ 

+ 

+ + 

+ + 

4 

jSediment | 

4- 

4-4-4- 

4* ■+■ *4" 

oo 

oo 

oo ; 

OO 

OO 

( 


In Parallele hierzu zeigt Tab. VII die Wirksamkeit v 
jungfraulichen Neohexal- und Hexallbsungen, jungfraulichen 


Tabelle VII. 


Aufschwemmung in 
defibriniertem Pterde- 
blut von 


Coli Fliissigkeit 

Sediment 

Typhasbaz. Fliissigkeit 
Sediment 

I 

Staph, aur. Fliissigkeit 
[Sediment | 


Neohexal 

in Aq. dest. gelost 

Hexal in Aq. des 

1% 

jo,75% 

[0,5% 

0,25% 

| °,i% 

|t% 

0,75% 

1 o 

I O' 

_o 

o' 

i0,2 


— 

— 

4- 

4-4- 

_ 

— 


n 

— 

— 

— 

4-4- 

4-4- 

— 

— 

OO 

c 



4 - 4 - 4 -; 

4-4-4- 

4-4-4- 

— 

— 

4-4- 

4 

4- 

+ 

+ + 

4-4- 

4-4- 

+ 


4-4- 

4- 

4-4- 

+ + + 

4-4-4- 

4-4-4- 

4- + + 1 

— 

— 

4- 


oc 

OO 

oo 

oc 

OO 

4* 4- 

4-4-4- 

oc 

c 



Original from 

UNIVERSITY OF ILLINOIS AT 
URBANA-CHAMPAIGN 



Brinkman n, Reagenzglaestudien z. bakteriziden Wirksaoik. d. Hexals usw. 433 


sie bis zur Zupipettierung keine Gelegenheit zur Verbindung mit EiweiB- 
korpern hatten. Die groBere Wirksamkeit von Hexal und Neohexal bei 
dieser Versuchsanordnung fallt ohne weiteres in die Augen. Was ferner- 
hin ebenfalls ohne weiteres deutlich wird, ist der groBere Schutz, den 
die Bakterien ira Bereich der sediinentierten Formbestandteile des Blutcs 
tinden. Dies ware nach deni, was schon oben auseinandergesetzt wurde, 
vielleicht auch chemisch zu erklaren auf Grund des groBeren Gehaltes 
der roten Blutkbrperchen an Aminosauren. Der Vorgang diirfte aber 
auch noch seine mechanische Seite haben insofern, als die Sedimeutierung 
so rasch und energisch erfolgte, daB die Desinfizientieu trotz der Auf- 
schflttelung nicht bis zu den tief am Boden des Reagenzglases fest 
zwischen rote Blutkbrperchen gebetteten Bakterien gelangen konnten. 
Insofern konnte uns auch der Versuch gleichzeitig die ungeheuren 
Schwierigkeiten illustrieren, die sich dem Vorhaben entgegenstellen, von 
der Blutbahn aus — bei stomachaler und intravenoser Gabe — einen 
irgendwo im Gewebe versteckt liegenden Bazillenherd wirksam mit 
inneren Desinfektionsmitteln zu bekamfen. 

Wenn wir die bisherigen Versuche noch einmal kurz iiberblicken, 
so zeigte sich eine mehr und mehr zunehmende Abschw3chung der 
bakteriziden Kraft des Hexals und Neohexals, je eiweiBreicher das Medium 
wurde, in dem wir die Bakterien aufschwemmten. Cahn - Bronner (39) 
hat einmal die Wirkung von Chinin, Salizylsaure, Trypaflavin, Karbol, 
Sublimat gegen Bakterienaufschwemmungen in verschiedenen Nahrmedien 
studiert. In einfachen Nahrmedien wirkten sie starker hemmend als in 
Bouillon. Zusatz von Traubenzucker zum einfachen Nahrboden konnte 
diese starkere Wirkung nicht aufheben, dagegen ein solcher von Amino¬ 
sauren oder Pepton. Diese Dinge mogen bei unseren Versuchen auch 
mitsprechen. Ausschlaggebend schienen mir aber die chemischen Ver- 
bindungen, die offenbar eingegangen wurden. Dafur sprechen die Parallel- 
versuche mit Neohexal und Hexal, einmal in eiweiBhaltigem Medium und 
das andere Mai in Aq. dest. gelost. Beide Agentien miissen hierbei eine 
Rolle spielen. Die Sulfosalizylsaure ist seit langem als Reagens auf 
EiweiB in klinischem Gebrauche. Neuerdings macht Kaufmann (40) 
darauf aufmerksam, daB man sich auch des Formalins zu dem gleichon 
Zwecke bedienen konne. Ein einfacher Versuch belehrt uns dartiber, 
daB der Niederschlag ein ganz wesentlich deutlicherer ist, wenn wir Sulfo¬ 
salizylsaure, als wenn wir Formaldehyd zu Bouillon, Harn, Ascitesflussig- 
keit, Serum, ungeronnenem Blute zusetzen. Man darf wohl die bei 
Ascitesfliissigkeit, Serum, defibriniertem Blute sowohl bei Neohexal- wie 
ganz besonders bei Hexalzusatz innerhalb 24 Std. immer starker werdende 
Zusammenbackung auf die allm&hlich ausreifende Formaldehydwirkung 
zurflckfuhren. Ich denke dabei an die G egen bauer schen Versuchs- 
ergebnisse. Man konnte sich aber auch mit Reiner und Mar ton (41) 
eine schlieBliche Gerbung durch den Formaldehyd vorstellen, wobei die 
EiweiBsulfosalizylsaureverbindungen die Gerbungskeime (Reiner) ab- 
geben wurden. Uebrigens spricht filr die Ueberwertigkeit der Sulfo¬ 
salizylsaure bei der sofortigen Niederschlagsbildung der Umstand, daB 
sie beim Hexal, das doch prozentual viel mehr Salizylsaure enthalt als 
das Neohexal, auch eine sehr viel starkere ist. 

Schon friihzeitig ist der Formaldehyd von Nicolaier selbst als das 
wirksame Moment bei der Urotropinwirkung erkannt worden. Ftir uns 
Spatere ist es reizvoll zu sehen, wie alles das, was uns heute fast banal 
scheinen will, erst einmal durch intensive Beobachtung erarbeitet werden 

Erste Abt. Orig. Bd. 91. Heft <>. 28 


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434 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


Tabelle 


Auf- 

schwemmung 
in Bouillon 
von 

1% 

0,75 % 

0,5% 

0,25% 

0,1% 

1% 10,75% 

0,5% 

0,25% 

0,1% 

Neohexal entsprechend: 

H exam ethy leu tetram in 

Neohexal entsprechend: 
Sulfosalizylsaure 

i 

0,6 % |0,45 °/ 0 

0,3% 

0,15 % 

0,06 % 

0,4% 

0,3% 

0,2% 

0.1% 

0,04 %l 

Coli 

Ty phusbaz. 
Staphyl. aur. 

oo 

++ ! 

OO 

+++ 

OO 

+++ 

1 oo ! 

' + + + 

oo 

+++ 

OO 

++ 1 

oo 

oo 1 

+ + 

oo 

oo 

++ 

oo 

oc 

oo 

1 i 

oo 

1 ++ 

1 00 


muBte. Beim Hexal und Neohexal ist die Sache insofern erschwert, als 
neben detn Formaldehyd auch die Sulfosalizyls&ure bakterizide Wirkung 
ausuben konnte; ist doch friiher die SalizylsSure als mildes Desinfiziens 
geschatzt gewesen, und wird sie doch auch heute noch von uns ge- 
legenthch bei Darmstorungen offenbar infektiosen Charakters gern be- 
nutzt. 

Nach den von Kowanitz (42) gemachten Angaben ist das pro- 
zentuale -Verhaltnis von Hexamethylentetramin zur Sulfosalizylsaure ira 
Hexal 39,1:60,9, im Neohexal 56,7:43,3. Um die Versuche einiger- 
maBen zu erleichtern, darf man wohl, ohne dieses Verhaltnis zu sehr 
zu verschieben, nach oben und unten auf ganze Zehner abrunden. Man 
wiirde dann sagen diirfeu, im Hexal verhalt sich das Hexamethylente¬ 
tramin zur Sulfosalizylsaure wie 4:6, im Neohexal genau umgekehrt wie 
6:4. Wir wiirden dann die Versuche so anstellen konnen, dafi wir mit 
Hexamethylentetramin- und Sulfosalizylsauredosen operieren konnten. 
die jeweils 4 /i 0 hzw. 6 /io der bisher benutzten Hexal- und Neohexal- 
mengen betragen wiirden. Die Tab. VIII enthalt die solcherweise ge- 
wonnenen Daten, und zwar sind wir bei den Versuchen von 10-proz. 
Hexamethylentetramin- und 10-proz. Sulfosalizyls&urelosung ausgegangen. 

Das Ergebnis ist auBerordentlich auffallend. Mittel, deren bakteri¬ 
zide Kraft in zahlreichen Versuchen erprobt wurde, zerlegen wir in ihre 
Komponenten und stellen mit diesen in Mengenverhaltnissen, die an- 
nahernd ihren eigentlichen prozentualen Verhiiltnissen entsprechen, Ab- 
totungsversuche an und finden in keinem einzigen eine auch nur an- 
nahernd befriedigende bakterizide Wirkung. Fur sich allein ist also 
keine der Komponenten, weder das Hexamethylentetramin noch die 
Sulfosalizylsaure, wirksam. Erst im Zusammenspiel der Krafte erw&chst 
orteubar die sonst stets beobachtete bakterizide Wirkung. 

Wie ist nun aber der Vorgang zu deuten? Verst&rken sich die 
beiden Komponenten gegenseitig? Oder wird die eine durch die andere 
gewissermaBen aktiviert? 

Zur Beantwortung dieser Fragen war ein Vorversuch notig. Schon 
oben wurde angedeutet, daB man seit langem als das eigentlich wirk- 
same Moment im Hexamethylentetramin den Formaldehyd ansieht Wie 
fallen die Ergebnisse aus, wenn wir einmal mit Formaldehyd allein ope¬ 
rieren? Es ist schwer zu sagen, wieviel Formaldehyd jeweils aus deni 
Urotropin wirksam wird. Ich habe deshalb im Versuche den Form¬ 
aldehyd in solchen Mengen eingesetzt, als ob sich der im Hexal Oder 
Neohexal enthaltene Hexamethylentetraminanteil immer vollst&ndig zu 
Formaldehyd umsetzen wiirde. Bei Trendelenburg (43) findet sich 
die Angabe, daB 1 g Hexamethylentetramin maximal 1 g Formaldehyd 


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URBANA-CHAMPAIGN - - 



Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 436 


VIII. 


1 7. 

0,75 % 

0,5% 

0,25% 0,1% 

i% 

0,75% 

I 0,5% 

0,25 % 

0,1 % 

Hexal entsprechend: 
Hexamethylentetramin 

Hexal entsprechend: 
Sulfosalizylsaure 

0,4% 

0,3% 

0,2 % 

0.1% 

0,04% 

0,6% 

0,45% 

0,3% 

0,15% 

1 

0,06% 

oo 

+++ 

OO 

+++ 

oo 

+++ 

OO 

+++ 1 

OO 

+ + 4- 

oo 

+ 

+++ 

oo 

++ 

1 +++ 

OO 

4-4- 

oo 

oo 

++ 

oo 

OO 

+ + 
OO 


(genauer 1,28 g) bildet. Ich habe also statt rait 0,6 usw. Proz. Hexa¬ 
methylentetramin mit 0,6 usw. Proz. Formaldehyd gearbeitet. Der Be- 
und ist in Tab. IX eingetragen. 


Tabelle IX. 


Aufschwemmung 
in Bouillon von 

Formaldehyd 
an ritelle des im Neohexal 
enthaltenen Hexamethy¬ 
lentetramins 

Formaldehyd 
an Stelle des im Hexal 
enthaltenen Hexamethy¬ 
lentetramins 

Kontrolle 

Un- 

beimpfte 

Kontrolle 

.c 

o' 

SO 

o' 

1 

o' 

to 

<P 1 

o 

o' 

OO 

o' 

.© 

o 

in 

o' 


I 

i 

i 


o 

o 

o' 

Coli 

T y p h u 8 b a z i 11. 

Staphyl. aur. 

z 

_ ! 



— 

— 

— 

1 — 

— 


OO 

4-4-4- 

oo 

1 1 1 


Ein Versuch, den Formaldehyd in ganz denselben Mengenverha.lt- 
nissen auf eine Staphylokokkenaufschwemmung im Harn wirken zu lassen, 
fiel genau in demselben Sinne aus. Wir sehen also, der Formaldehyd 
entfaltet schon seine Wirksamkeit und sogar so stark, daB wir ohne 
weiteres schlieBen durfen, daB er es auch in den Mengen tun wiirde, die 
sich in Wirklichkeit im besten Falle aus dem im Hexal wie Neohexal 
enthaltenen Anteile von Hexamethylentetramin entwickeln konnten. 

Die Aufgabe ist nur die, ihn aus dem Hexamethylentetramin frei- 
zumachen. Und diese Aufgabe wird offenbar von der SulfosalizylsSure 
gelbst. Schon Nicolai er (13) beobachtete den EintiuB der Harns&ure 
und von Minerals&uren (44) auf die Zersetzung des Hexamethylentetramins 
in Formaldehyd und Ammoniak. Die letzten SchluBfolgerungen aber 
zog Nicolaier aus diesen eigenen Befunden selbst nicht, sondern lehnte 
das Helmitol (anhydromethylenzitronensaures Hexamethylentetramin) in 
besonderer Koutroverse gegen Muller (18) ab. 

Die Beobachtung, daB Saure in Verbindung mit Hexamethylen¬ 
tetramin bei Auflosung in Qberlegener Weise Formaldehyd abspaltet. 
konnte aber nicht wieder verloren gehen. Die Industrie griff den Ge- 
danken weiterhin auf. War bei der Reaktionsfahigkeit des Urotropins 
die Zahl seiner Additionsprodukte bis dahin schon betrachtlich, so folgte 
nunmehr rasch ein Mittel dem anderen, das Urotropin mit Saure kop- 
pelte, in der Absicht, deren Wirkung auf intensivere Abspaltung des 
Formaldehyds auszunutzen. Helmitol [1902] (45), Iletralin [1903] (46), 
Borovertin [1906] (47), Cystopurin [1907] (48), Saliformin [1910 (49), 
allerdings in Mercks Bericht schon 1896], Myrmalid [1911] (50), Am- 

28* 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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photropin [1912] (51), Allotropin [1914] (52), Hexal [1912] (53), Neo- 
hexal [1913] (42). 

Hexal und Neohexal bilden also nicht etwas absolut Neues. Es 
fragt sich nur, ob sie den Gedanken, der auch der Herstellung der 
iibrigen Pr&parate zugrunde liegt, glucklicher und erfolgreicher ver- 
wirklichen. 

Nachdem schon vor ihm Salkowski (54) und besonders auch 
ainerikanische Forscher [Han z lie u. Collins (55), Fr. H in man (56)] 
die Formaldehydabspaltung als an die saure Reaktion des Losungsmittels 
gebunden nachgewiesen hatten, ging Trendelenburg (57) dieser Frage 
nocli einmal mit quantitativer Methodik nach. Seine Befunde legte er 
in iiberzeugenden Kurven nieder, aus denen der groBe EinfluB der 
Wasserstoffionenkonzentration auf die Formaldehydabspaltung ohne wei- 
teres ersichtlich ist. 

Wenn Hexal und Neohexal wirklich den anderen Pr&paraten iiber- 
legen sind, so miissen sie auch die Wasserstoffionenkonzentration des 
Harnes z. B. starker als die anderen beeinflussen. Ich habe nun deu 
EinfluB auf den p H -Wert des Harnes gemessen, den die einzelnen Pra- 
parate ausiibten, wenn ich je 0,1 g zu 10 ccm Harn gab, wenn ich also 
1-proz. Losungen im Harn darstellte. Wie zum Teil weitgehend der 
p H -Wert des Harnes umgestimmt wurde, ist ohne weiteres aus der 
Tab. X zu entnehmen. Die Messungen erfolgten mit der sogenannten 
M ichaelisschen Indikatorenreihe. Und zwar durfte ich sie anfanglich 
mit giitiger Erlaubnis des Herrn Prof. Dr. Kionka und mit freund- 
licher Unterstiitzung des Herrn Prof. Dr. Hirsch im hiesigen Pharma- 
kologischen Institute ausfiihren, bis wir uns selbst die Reihen her- 
stellten. 


Tabelle X. 


[_ Ph 

| 

PH 

Harn 6,5 

Harn + Amphotropin 

5,3 

„ + Urotropin 6,75 

„ + Allotropin 

5,2 

„ + Mvrmalid 1 6,7 

,, + Saliformin 

5,1 

„ + Borovertin 1 6,6 

„ + Neohexal 

4,7 

„ + Cyetopurin 6,6 

„ + Helmitol 

4,6 

,, -j- Forruamint | 6,5 

„ + Hexal 

4,5 


In der Tat sind also Hexal und Neohexal nach dieser Aufstellung 
alien iibrigen Mitteln in dieser Beziehung iiberlegen. Nur das Helmitol 
kommt ihnen annahernd gleich, steht gar zwischen ihnen beiden. Das 
Hexal aber ist von den beiden wieder das iiberlegenere, wie ja auch 
nach dem in ihnen obwaltenden prozentualen Verhaltnissen zwischen 
Hexamethylentetramin und Sulfosalizylsaure (vgl. oben) gar nicht anders 
zu erwarten war. 

Die tief greifende Wirkung des Hexals und Neohexals auf die Azi- 
ditatsverhaltnisse kommt in alien Medien zur Geltung. Ich habe hierzu 
Messungen in Aq. dest., Norniosal, Harn, Bouillon, Serum angestellt. 
Die Versuche wurden ein wenig anders angeordnet als die oben tabel- 
larisch wiedergegebenen, und zwar insofern, als ich zum Teil verschiedene 
Mengen Hexal und Neohexal zu je 6 ccm des betreffenden Mediums gab, 
bei solchen mit starker Eigenfarbe wie z. B. Serum, zu 1,0 ccm + 5,0 ccm 
NaCl. Dabei erhielt, ich folgende Werte: 



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Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 437 


Tabelle XL 


Aq. dest. 

PH 

Normosal 

PH 

Bouillon 

PH 

Serum 

PH 

Ausgangswert 
nachZuaatz von 
0,1 Neohexal 


i Ausgangswert 

1 7,2 

Ausgangswert 

7,0 

Ausgangswert 

7,8 

3,6 

nach Zusatz von 
0,1 Neohexal 

4,0 

nach Zusatz von 
0,1 Neohexal 

4,6 

nach Zusatz von 
0.002 Neohexal 

7,6 

0,025 Hexal 

2,8 

0,05 Hexal 

3,6 

0,05 „ 

0,002 Hexal 
0,025 „ 

4,8 

7,5 

5,3 


Bedeutungsvoll ist besonders die Wirkung auf den p H -Wert des Serums. 
Es sind ja natiirlich nur Reagenzglasversuche, die uns von dem sofort 
einsetzenden, auBerordentlich fein ineinander greifenden Spiel der Re- 
gulationsvorrichtungen des lebenden Organismus, der Lungen und Nieren. 
auch nicht ann&hernd eine Vorstellung geben konnen. Aber wir be- 
kommen doch solcherweise wenigstens einen Begriff von den Aufgaben, 
vor die der Organismus bei intravenoser Injektion der Mittel, wie sie 
z. B. Coglievina (58) bei Fleckfieber empfahl, gestellt wird. 

Sehr bald nach Auflosung von Hexal und Neohexal in den be- 
treffenden Fliissigkeiten sehen wir den p H -Wert sich wieder mehr und 
niehr nach der alkalischen Seite zu verschieben. Die Erklfirung des 
Vorganges liegt in dem Zerfall des Hexamethylentetramins in seine 
beiden Komponenten, den Formaldehyd und das Ammoniak, und zwar 
wird dies Zerfallen gerade durch die Saurewirkung bedingt. Das sich 
bildende Ammoniak gewinnt nun seinerseits EinfluB auf den p H -Wert 
und verschiebt ihn im umgekehrten Sinne. Wenn wir Stunden und 
p H -Werte in ein Koordinatensystem eintragen, so bekommen wir bei 
der oben ausgefuhrten Versuchsanordnung fur die Wirksamkeit des Neo- 
hexals folgende Kurve 1: 

P-H. 



Wir sehen also den n H -Wert sich anfangs mehr oder weniger rasch, 
spater gleichmaBig langsam nach dem alkalischen Pol zu verschieben. 
Diese mehr oder weniger rasche Formaldehydentwicklung unter dem Ein¬ 
fluB der Sulfosalizylsaure muBte sich ubrigens auch im bakteriziden 
Versuch verfolgen lassen. Es war anzunehmen, daB die keimtStende 
Wirkung mit der Zeit zunehmen muBte. Hierzu wurde ein Versuch an- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


gesetzt, der eine Hexal-(Neohexal-)Losung, die unmittelbar vor deni 
Versuch angesetzt wurde, mit einer 2V 2 Std. und einer 5 Tage alten 
Losung vergleichen sollte. Als Testfliissigkeit wurde eine Coli-Auf- 
schwemmung in Bouillon benutzt. Ueber den Ausfall des Vergleiches 
gibt uns Tab. XII Auskunft, und zwar sehen wir in der Tat eine deut- 


Tabelle XII. 


Losung angesetzt 

Neohexal 

1 

Hexal 

O l 

o ; 
£ 
c 
o 
fed 

! 5^ 

ill 
3 -l s 

0,5 % 

|0,4 7o 

0,3 % 

0,2 % 

0,1% 

0,5 % 

0.4% 

0,3% 

0,2% 

0,1% 

unmittelbar vor clem 







r 





1 

Zupipettieren 

+ + + 

+++ 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+ + + 

+++ 

+ 4* 4" 

+ + + 

+ + + 

oo 

— 

2‘/» Std. vor dem 













Versuch 

+ 

++ 

+ + + 

+ + + , 

+ + + 

+ + 

++ 

+ + 

+ + + I 

+ + + 



5 l'age vor dem Ver-' 













such 

— 

++ 

+ 4- 

+ + 1 

+ + + 

— 

4* 

+ 

+ + 

+ + 




liche Zunahme der bakteriziden Kraft, entsprechend der Zunahme des 
Alters der Hexal(Neohexal)losung. Der Status nascendi, der sonst, z. B. 
beim Wasserstoffsuperoxyd, eine so groBe Rolle spielt, ist hier also voll- 

kommen bedeutungslos. In 
diesem Versuch bekam ich 
auch die nachtragliche Auf- 
klarung fiir MiBerfolge, die 
ich bei meinen alierersten 
bakteriziden Versuchen mit 
dern Hexal und Neohexal er- 
litten hatte. Bei ihnen war 
ich namlich so vorgegangen, 
daB ich die Gewichtsmengeu 
Hexal (Neohexal), die ich zur 
Herstellung einer 1-, 0,75- 
usw. proz. Losung in den 
Reagenzglaschen brauchte, mit 
der analytischen Wage be- 
stimmte und dann den Bak- 
terienaufschwemmungen in 
Substanz zusetzte. Undferner- 
hin diirfte in diesem Ver- 
suche eine weitere Erkl&rung 
fiir die schon bei Tab. I einmal erorterte Beobachtung zu finden sein, 
daB nSmlich bei wiederholten Bestimmungen die bakterizide Kraft des 
Hexals (Neohexals) einzelnen Bakterienarten gegeniiber um etwa 0,1 Proz. 



Kurve 2. 


Tabelle 


Aufschwemmung 
in Bouillon von 


Helmitol 



Saliformin 

Allotropin 

Amphotropin 

_c 

o 

O 

C 

c 

»o 

..o 

.© 

o 

t a 

o 

o 

o'* 

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o 

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Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 439 


schwanken kann. Es wfirde sich also beim Zustandekommen dieser 
Schwankungen nicht nur um auch sonst beobachtete t&gliche Resistenz- 
verschiebungen bei den Bakterieustammen, sondern auch um Zustands- 
anderungen in den Losungen selbst handeln. Moglich ist ferner, daB 
sich beide Momente in der Wirkung kombinieren. Bei der Zunahme 
der bakteriziden Kraft mit dem Alter der L6sung spielt aber wohl nicht 
nur die Formaldehydentwicklung unter dem Einflufi der Saurewirkung 
allein eine Rolle, nebenher lauft auch noch die Spaltung des polymeren 
in einfachen Formaldehyd, die bei alternden Formaldehydlosungen be- 
kannt ist [HailerJ (19), und die die schwachere Wirksamkeit frisch 
hergestellter Losungen erklart. 

Was fur Hexal und Neohexal gilt, muBte auch fur die tibrigen 
gleichsinnig hergestellten Praparate zutretfen. In der Tat linden wir 
bei alien die gleiche Erscheinung. Die Ergebnisse lassen sich auch hier 
graphisch wiedergeben (Kurve 2). 

Die Kurve stellt sehr instruktiv die, wenn ich so sagen darf, H6hen- 
lage der Saurewirkung des jeweiligen Mittels im p H -System dar. Wir 
sehen, wie die mehr im alkalischcn Bereich liegenden Mittel eine viel 
gestrecktere Wirkungskurve haben. Die saurekraftigeren dagegen zeigen 
die anfanglich scharfere, spater sanftere Umbiegung ihrer p, r Linie. Mit 
anderen Worten, je kraftiger die Saurewirkung eines Mittels ist, um so 
mehr und starker wird Formaldehyd und Ammoniak abgespalten. 

Mit dieser Beobachtung miiBte auch die bakterizide Wirkung der 
einzelnen Mittel iibereinstimmen. Ich habe hierzu vergleichende Unter- 
suchungen angestellt. Die angewandte Technik war die gleiche wie bei 
den Abtotungsversuchen mit Hexal und Neohexal. Gepriift wurden alle 
Mittel, die mir von den Fabriken zur Verfugung gestellt wurden. Die 
meisten gingen auf meine Bitte bereitwilligst ein, mit Ausnahme 
des Hetralins, fiir das aber groBere experimentelle Untersuchungen vor- 
liegen (20). Die bei den Vergleichsuntersuchungen erzielten Ergebnisse 
mogen in Tabelle XIII Platz finden, wobei allerdings zu bemerken ist, 
daB Formamint und Cystopurin durch Beimischung von Milchzucker den 
anderen Praparaten gegenuber etwas benachteiligt sind. 

In der Tabelle sind die Mittel nach ihrem pH-Wert geordnet: Je 
weiter rechts, um so hoher ph, um so weniger sauer also die Losung. 
Wenn wir oben auseinandersetzten, daB (lie Saurewirkung und die 
bakterizide Kraft in ganz bestimmter Relation stehen miiBten, so finden 
wir diese Annahme durch die Tabelle durchaus bestatigt. Je weiter 
links, um so niedriger ph, um so groBer also die Saurewirkung, um so 
nachhaltiger auch die bakterizide Kraft. Helmitol und Amphotropin er- 
reichen Hexal und Neohexal, wie ein Vergleich mit Tab. II zeigt, durch¬ 
aus. Als nur wenig schwkcher erwiesen sich Saliformin und Allotro- 
pin, obwohl ihr pH-Wert niedriger, wenn auch unbedeutend niedriger 


XIII. 


Formamint 

Cystopurin 

Borovertin 




Kon- 

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440 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 


ist als der des Amphotropins. Das Allotropin lag mir nur in Tabletten 
vor, nicht, wie ich von der Fabrik erbeten hatte, in Pulverform. Es 
enthielt also infolge der Zumischung von tablettenfahigen Snbstanzen 
auf die gleichen Gewichtsmengen doch weniger wirksame Substanzen als 
die iibrigen Mittel. Das konnte zur Klarung sicherlich beitragen. Es 
ist aber andererseits klar, daB die bakterizide Wirkung nicht allein vom 
Sauregehalt abh&ngig sein kann. Gleich wichtig ist durchaus der Gehalt 
an Urotropin. Wenn die Saure ihre wesentlichste Wirkung, die Ent- 
wicklung des Formaldehyds entfalten konnen soil, so muB auch etwas 
da sein, woraus der Formaldehyd frei gemacht werden kann. 

Wir konnen uns die vorliegenden Verhaltnisse ohne weiteres an- 
schaulich machen, indem wir die diesbeziiglichen Zahlen in eine Tab. XIV 


Tabelle XIV. 


Gehalt an 

Hexamethylentetramin 

Saure 

Dissoziationskonstante 

Myrmalid 

83,0 Proz. 

17.0 Proz. 

Phosphorsaure 

9-10-3 

Hexal 

00,9 „ 

39,1 „ 

Salizylsaure 

1,06-10- 3 

Allotropin 

60,0 „ 

40,0 „ 

Ameisensaure 

2,14-10—4 

Amphotropin 

53,0 „ 

42,0 „ 

Kamphorsaure 

2,29 • 10— p 

Neohexal 

56,7 „ 

51,0 „ 

43,3 „ 

Essigsaure 

1,8-10-a 

Borovertin 

49,0 „ 

Zitronensaure 

0,7-10-7 

Sal i form in 
Cystopurin 
Helmitol 

50,0 

50,0 „ 

40,0 

50,0 „ 

50,0 „ 

60,0 „ 

Borsaure 

6,6-10-10 


eintragen und einmal die Mittel nach ihrem Urotropingehalt und das 
andere Mai die entsprechenden Sauren nach ihrer Dissoziationskonstante 
anordnen. 

Fur den prozentualen Urotropingehalt finden sich schon bei Bo- 
ruttau (60) ganz entsprechende Zahlen. Die Werte fur die Disso- 
ziationskonstanten wurden den „Tabellen u von Landolt-Bornstein- 
Roth entnommen. Die jeweilige S&urewirkung erwachst naturlich aus 
dem Zusamraenspiel von Dissoziationskonstante und Konzentration. 
Beides konnen wir aus der Tabelle ablesen. Selbstverstandlich muB 
man bei alledem erwagen, wie stark bei der bakteriziden Wirkung der 
Mittel der Sauregehalt als solcher ohne seine Befahigung zur Form- 
aldehydspaltung mitspricht. Bei Michaelis (61) z. B. findet sich die 
Angabe, daB eine [H'J von 2.10 -5 (entsprechend Ph 4,7) aufwarts Coli 
sicher totet, Typhusbazillen eine solche von 1.10 -5 (entsprechend 
Ph 5,0). Auch sonstist der EinduB von Veranderungen der Wasserstoffionen- 
konzentration vielfach bearbeitet. So zeigte S cheer (62) die Wirkung 
von ph 4,6 und ph 9,4 als Gegenpole auf das Bacterium coli. In 
diesem Zusammenliange erinnere ich auch an Seli g m an n s (63) Unter- 
suchungen fiber die Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration im 
Desinfektionsversuch. Wenn wir die Zahlen vergleichen, die Dernby 
und Naslund (64) geben, so sehen wir die Keime doch in ziemlich 
breiten pn-Zonen gedeihen, wobei ihr Wachstumsoptimum freilich in 
etwas engeren Grenzen liegt. Fur Bact. coli wiirde z. B. die Zone 
Ph 4,5—9,0 (Optimum 6,6—7,6), fiir Bac. typhi ph 4,5—8,0 (Op¬ 
timum 6,5 — 7,2) betragen. Dernby und Naslund miissen aber 
nachlassen, daB Wachstum auch auBerhalb dieser Grenzen eintreten 
kann. Nach Tab. X warden wir mit Hexal, in einer Dose von 0,1 g 


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Brinkmann, Reagenzglasstudien z. bakterizideu Wirkeamk. d. Hexals usw. 441 


zu 10 ccm Harn gegeben, gerade ph 4.5 erreichen, mit anderen 
Worten: die von Dernby und Ntislund fur Coli wie fur Typhus- 
bazillen angegebene unterste Grenze. Mit alien anderen Mitteln wird 
diese, wie Tab. X und Kurve 2 ausweisen, nicht erreicht. Bei Uro- 
tropin, Myrmalid, Borovertin, Cystopurin, Formamint wiirden wir uns 
ira Gegenteil durchaus im Bereiche des Wachstumsoptimums bewegen. 
Es ist eben nicht die Saurewirkung als solche, in der die bakterizide 
Kraft des Mittels liegt. Sonst htitten wir ja auch schon in Tab. VIII 
ganz andere Befunde haben mtissen. Die bakterizide Wirksamkeit kann 
nur in der durch die Stiure ausgelosten Formaldehydabspaltung ruhen. 

DaB der Formaldehyd der Wirkungstriiger bei der Urotropinmedi- 
kation ist, wurde schon von Nicolaier erkannt. Seitdem ist diese 
Erkltirung der Urotropinwirkung von den meisten Forschern iibernommen, 
und es sind zu ihrer Begrtindung auch allerlei experimentelle Befunde 
zusammengetragen worden. Hanzlic und Collins (55), deren Ori- 
ginalarbeit mir leider nicht zugtinglich war, „konnten (nach Trendelen¬ 
burg (57) zitiert) in ausfiihrlichen Versuchsreihen zeigen, daB das 
Hexalmethylentetramin selbst in mehrprozentiger Losung jatsachlich 
nicht keimtotend wirkt, solange nur durch Alkalizusatz die Formalde- 
hydabspaltung verhindert wird, und daB diese an die saure Reaktion 
des Losungsinittels gebunden ist“. Es hat aber immer eine Reihe von 
Autoren gegeben, die auch dera Urotropin als solchem bakterizide Wir- 
kung zugeschrieben wissen mochten. Solche Ueberlegungen gehen ge- 
wohnlich aus von Beobachtungen, die schon Cohn (65) z. B. und 
Grosglik (66) machten, namlich, daB es zuweilen schwer f&llt, selbst 
mit der so empfindlichen Jorissenschen Probe freien Formaldehyd 
nachzuweisen. Goetzl und Sal us (67) beimpften Flatten strichformig. 
Die beiden vertikal aufeinander stehenden mittleren Striche wurden mit 
fein verteiltem Urotropinpulver bestreut und blieben bei sonst iippigem 
Wachstum leer. Dabei rechnen Goetzl und Sal us damit, daB das 
Urotropin unzersetzt als solches gewirkt habe, was aber zweifelhaft sein 
diirfte. Auf einer Platte zeigt die Oberfliiche immer eine gewisse Feuchtig- 
keit, in der sich das Urotropin unter alien Umst&nden zersetzt. Selbst 
wenn wir in der Obertl&chenfeuchtigkeit einen pn-Wert voraussetzen, 
der im alkalischen Bereich liegt, so wurde doch, wie Host (68) und 
Trendelenburg (57) zeigen konnten, eine gewisse Menge Form¬ 
aldehyd abgespalten. Und diese wiirde dann bei der geringen ober- 
flachlichen Feuchtigkeit in sogar hohem Prozentsatz in dieser ent- 
halten sein mtissen. Ebensowenig dtirften Ohiras (69) experimentell 
gesttitzte Beweise absolut schltissig sein. Neuerdings hat Crohn 
(70) erst wieder unter dem Eindruck der versagenden Formaldehyd- 
reaktionen dessen Abspaltung geleugnet. DaB die Formaldehyd- 
reaktionen zum Teil versagen konnen, muB zugegeben werden. Wie 
wenig wir bislang noch eine exakte quantitative Methode zu dessen Be- 
stimmung haben, hat Voit (70) gezeigt. Gleichwohl, wenn die Form- 
aldehydreaktionen versagen, so muB das vielmehr auf deren Unzuliing- 
lichkeit als auf fehlenden Formaldehyd bezogen werden. Schon Nico¬ 
laier (44) hat einmal als den besten Weg zum Nachweis freien 
Formaldehyds den des bakteriziden Versuches bezeichnet und damit 
seinen Nachweis aus dem rein chemischen mehr auf das biologische 
Gebiet verschoben. Wenn nicht auch sonst in der Literatur Beweis- 
material ftir die Formaldehydabspaltung und die dadurch ausgeloste 
bakterizide Wirkung, speziell in den schonen Trendelenburgschen 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 6. 


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Kurven und den Hanzlic-Collinsschen Befunden niedergelegt wSre, 
so mfiBten raeine in Tab. VIII und IX wiedergegebenen Versuche bei 
der Entscheidung der Frage, ob bakterizide Wirkung durch Urotropin 
an sich oder abgespaltenen Formaldehyd, die Wagschale zugunsten der 
letzteren beeinflussen. 

Die Tab. IX bringt auch gleichzeitig den bei alien Desinfektions- 
versucben absolut notigen Vergleich mit einem Desinfiziens von bekannter 
Wirkung, hier also mit dem Formaldehyd. Wir sehen, daB die Bak- 
terienstamme, die wir zu unseren Versuchen mit Hexal und Neohexal 
benutzten, auf so erprobte Mittel wie den Formaldehyd gerade aufier- 
ordentlich fein reagieren. Ein weiterer Vergleich sollte durch Versuch 
an den gleichen Stammen mit Sublimat gewonnen werden. Auf dieses 
sprachen sie ganz besonders an. Schon in 1 Std. waren Bact. coli, 
Typhusbazillen, Staphylococcus aureus und Diphtherie- 
bazillen selbst durch eine Verdiinnung von 1:1000 abgetStet. Das 
entspricht aber durchaus Befunden dlterer Arbeiten, wie sie Lauben- 
heimer (72) einmal zusammengestellt hat. Es sind also, was zu be- 
weisen war und fiir die Einschatzung der bakteriziden Wirkung des Hexals 
und Neohexals so auBerordentlich wichtig ist, die verwendeten Bakterien- 
stamme von durchaus iiblicher Resistenz gewesen. 

Eine weitere kleine Unterfrage war noch zu beantworten. Waren 
bei der von mir gewahlten Versuchsanordnung die vakzineartigen Auf- 
schwemmungen nicht doch zu diinn gewesen, so daB wir f&lschlich auf 
eine hohere bakterizide Kraft des Hexals und Neohexals geschlossen 
h&tten, als sie iiberhaupt in Wirklichkeit vorliegt? Reichenbach (78) 
hat erst kiirzlich wieder auf den EinfluB der Dichte der Aufschwemmung 
auf den Desinfektionsversuch hingewiesen. Fiir den Formaldehyd spe- 
ziell ist Abel (74) diesen Dingen mit besonderen Versuchen nachge- 
gangen. Ich habe mir zu dem gleichen Endzweck Aufschwemmungen 
von Staphylococcus aur. und Typhusbazillen hergestellt, die so 
triibe waren, daB von einer Durcksichtigkeit iiberhaupt nicht mehr die 
Rede sein konnte, und daB man sicher sein durfte, daB es Hexal und 
Neohexal praktisch im kranken Kbrper niemals mit auch nur ann&hernd 
gleich dichten Bakterienaufschwemmungen zu tun haben wurden. Die 
bakterizide Wirkung entsprach den bereits tabellarisch niedergelegten 
Befunden absolut. Die beiden Mittel geniigen also im Rahmen der ihnen 
einmal innewohnenden bakteriziden Bef&higung alien praktisch an sie 
zu stellenden Anforderungen. 

Ein fast sofort wirkendes Desinfiziens etwa wie das Sublimat ist 
der Formaldehyd zweifellos nicht. Er braucht zur Entfaltung seiner 
bakteriziden Kraft eine immerhin nicht unbetrSchtliche Zeit. Das durfen 
wir unter sonst gleichen Bedingungen auch fiir Hexal und Neohexal 
voraussetzen. Aufschwemmungen von Typhusbazillen in Bouillon wurden 
zu 0,5—0,1 Proz. mit Hexal und Neohexal versetzt und nach bestimmten 
Zeitabstanden abgeimpft. Das Weitere fflhrt am bequemsten Tab. XV ans. 

Wiederholt angestellt, gibt der Versuch durchaus dieselben Werte. 
Wir sehen also, daB Hexal und Neohexal sogar sehr langsam ihre bak¬ 
terizide Kraft entwickeln. Erst nach 10 Std. zeigen sich die ersten 
Anzeichen bakterizider Wirkung. Hierin ist ihnen reiner Formaldehyd 
immerhin iiberlegen. So totet 0,75-proz. wasseriger Formaldehyd Para- 
typhus B an Granaten in 60‘, an Battist in 150' [Hailer (75)]. Aus 
der langsamen Wirkung wiirde fiir unser therapeutisches Handeln zu 
schlieBen sein, daB wir nicht hoflfen durfen, mit einzelnen groBen Gaben 


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Brinkraann, Reagenzglasstudien z. bakteriziden Wirksamk. d. Hexals usw. 443 


Tabelle XV. 


j 


Neohexal 

Hexal 

Kontrolle 

U cberirapfte 
Kontrolle 

0,5°/. 

0,4 7. 

0,3 7. 

0,2 7. 

0 , 1 7. 

0,5 7. 

04 0/ 

10 

0,3 7. 

0,2 7. 

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24 Staph, aur. 

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+++ 




Coli 

— 

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++ 

+++ 

— 

— 


++ 

+ + + 




zura Ziele zu kommen, sondern gezwungen sein werden, den Organismus 
durch dauernde gleichmSBige Darreichung unter stetig fortschreitendem 
FormaldehydeinfluB zu halten. Was wir hier fiir Hexal- und Neohexal- 
medikation als Forderung aufstellten, gilt natflrlich ceteris paribus fiir 
alle Formaldehyd abspaltenden Medikamente. Bei der bloBen Betrach- 
tung der Reagiergl&schen fiel aber, und insofern geben die in der Ta- 
belle niedergelegten Befunde die Beobachtungen nur unvollkommen 
wieder, schon nach 4 Std. ein deutlicher Unterschied zwischen deni 
beimpften Kontrollrohrchen und den ubrigen auf, so zwar, daB es be- 
deutend triiber als diese war. Nach 10 Std. wurde der gleiche, wenn 
auch nicht so scharf ausgesprochene Unterschied auch zwischen den 
Rohrchen mit 0,5 u. 0,4 Proz. Hexal (Neohexal) und denen mit 0,2 bis 
0,1 Proz., die ihrerseits nun wieder triiber als die ersteren waren, deut- 
lich. Die Entwicklungshemmung spricht sich also schon nach 4 Std. 
und damit viel fruher als die eigentliche bakterizide Wirkung aus. 

Wenn wir einmal die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen 
kurz zusammenfassen wollen, so fanden wir: 

1) Hexal und Neohexal zeigen in Reagenzglasversuchen eine mittlere 
bakterizide Wirkung, die aber bei einer Aufschwemmung in phys. Kocli- 
salzlflsung schon bei einer Verdiinnung 0,1:100 versagt, und die in 
eiweiBhaltigen Medien noch schwficher ist. 

2 ) Diese Abschw&chung beruht auf chemischer Bindung der beiden 
wirksamen Komponenten, des Formaldehyds und der Sulfosalizylsaure, 
und zwar bindet sich diese rascher an die EiweiBkorper als jener. 

3) Eine spezifische Wirkung gegen eine der gepriiften Bakterien- 
arten lieB sich nicht feststellen. 

4) Trager der bakteriziden Wirkung ist der Formaldehyd. Seine 
Abspaltung erfolgt aus dem Hexalmethylentetramin unter besonderem 
EinfluB der Sulfosalizylsaure. 

5) Diesen Vorgang haben Hexal und Neohexal mit verschiedenen anderen 
Urotropinpraparaten gemeinsam, die sie aber im allgemeinen hinsichtlich 
der Saurewirkung und ebenso auch der bakteriziden Kraft iibetreffen. 

6) Diese kommt freilich erst nach Stunden zur vollen Auswirkung. 


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(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 


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Literatnr. 

1) Ber. d. Ges. f. Morph, u. Phys. Miinchen 1888. — 2) Compt. rend. l’Acad. d. 
Sc. T. 144. 1892. p. 1278. - 3) Ther. d. Gegenw. 11. 1904. — 4) ebenda. 11. 1904. - 
5) Journ. Massaeh. Assoc, of Boards of Health. 1899. — 6) Johns Hopkins Hosp. Bull. 

1909. April. — 7) Wien. klin. Wochenschr. 1912. 4. — 8) ebenda. 1912. 4; 1916. 32. 

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1901/02. — 15) Dissert. Basel. 1901. — 16) Dissert. Breslau. 1902. — 17) Wien. klin. 
Wochenschr. 1902. 17—18. — 18) Dtsch. Aerzteztg. 1903. 8. — 19) Dies. Breslau. 1903. 

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1911. 1. — 23) Diss. Wurzburg. 1892. — 24) Korrbl. f. schw. Aerzte. 1907. 11. — 
25) Miinchen. med. Wochenschr. 1912. 38. — 26) Klin. Wochenschr. 1912. 38. — 
27) Gutachten vom 11. Jan. 1915. n. G. N. 3035. — 28) (Jentralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Orig. Bd. 89. 7—8. — 29) Dtsch. Ztschr. f. Chir. 1922. l68. — 30) „Die Desinfektion 11 
in Weyls Handb. d. Hyg. — 31) Berl. klin. Wochenschr. 1889.36—37; ebenda. 1890. 
11. — 32) Biochem. Ztschr. 125. 69. 1921. — 33) Arb. a. d. Inst. f. Inf. Bern. 2. 29. 
1918. — 34) Arb. a. d. Reichsges. 52. 1920. 253 u. 670. — 35) Arch. f. Hyg. Bd. 90. 

1922. 239. — 36) Biochem. Ztschr. 133. 1 — 3. — 37) Arch. f. d. ges. Phys. 189. 311—322. 

— 38) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. S9. 1—3. — 39) Ztschr. f. Immunitatsf. 1921. 
33. — 40) Dtsch. med. Wochenschr. 49, 6. 190. — 41) Ztschr. f. Immunitatsf. 36.2—3. 

— 42) Riedel-Arch. 1913. 10. — 43) Miinch. med. Wocheuschr. 1919. 24. — 44) Dtsch. 
Arch. f. klin. Med. Bd. 81. 1904. 1—2. — 45) Rosenthal, Ther. d. G. 1902. 12. - 
46) Ledermann, Derm.Ztbl. 1903. 12. — 47) Marki ewicz, Berl. kl. Wochenschr. 1906. 
49. — 48) Bergel, Dtsch. med. Wochenschr. 1907.2. — 49) Eichler, Ther. d. GegeDB. 

1910. 4. — 50) Casper u. Citron, Ztschr. f. Urol. 1911. 4. — 51) Fischer, Fol. 
Urol. 1912. 3. — 52) Bachem, Med. Kl. 1914. 41. — 53) Boss, Dtsch. med. Wocheu- 
schrift. 1912. 36. — 54) Biochem. Ztschr. 87. — 55) Arch, of int. Med. 1913. 12. — 
56) ebenda. 1914. 13. — 57) Biochem. Ztschr. 95. u. Munch, med. Wochenschr. 1919. 
24. — 58) Riedel-Arch. 1917. — 59) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 89. 1 — 3. — 
60) Ztschr. f. exp. Path. u. Ther. XVI, 3. — 61) „Die Wasserstoffionenkonzentratioir*. 
(J. Springer) 1914. — 62) Biochem. Ztschr. 1922. 130. — 63) Berlin. Ges. f. Mikrobiol. 
Sitzungsber. v. 13. Nov. 1922. — 64) Ztschr. f. Immf. Orig. 35. 5—6. — 65) Berlin, 
klin. Wochenschr. 1897. 4/5. — 66) Ctbl. f. Kr. d. Harn- u. Sexualorg. 1900. 225. — 
67) Ztschr. f. klin. Med. 45. 5—6. 1902. — 68) ebenda. 81. 272. 1915. — 69) Centralbl. 
f. Bakt. I. Orig. 1921. 85. 63. — 70) Med. Kl. 1923. 19. — 71) Arch. f. exp. Pathol 
u. Pharm. 95. 1—2. — 72) B Allg. Bakt. u. Sterilisationslehre“. Jena (G. Fiscner) 1915. 

— 73) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 89. 1-3. — 74) ebenda. Bd. 12 1894. 41. - 
75) Biochem. Ztschr. 125. 1921. 69. 


Nachdruck xerbolen. 

Die Rolle der Haut bei der Bildung von Antitorpem. 

1. Agglutinine und Bakteriolysine. 

[Aus dem Hygieneinstitut der Universitat Greifswald (stellv. Direktor: 
Prof. Dr. Carl Prausnitz).] 

Von Carl Neuliaus und Carl Prausnitz. 

Als Bildungsstatte der Bakteriolysine und Agglutinine kominen nach 
den Untersuchungen von R. Pfeiffer und Marx Milz und Knocheu- 
mark, daneben die Lyniphdriisen und vielleicht die Lungen in Betracht. 
Im Blutseruin erscheinen die Antikorper erst spater als in den genannten 
Organen; es ist also anzunehmen, daB sie von diesen Organen her in 
das Serum abgesondert werden. Negative Ergebnisse lieferten beim 
Kaninchen Leber, Galle, Niere, Nebenniere, Speicheldriise, Muskulatur. 
Thymus, Ovarien, Gehirn und Riickeninark. Aehnliche Ergebnisse er- 
liielt mit Typhusbazillen A. Wassermann und bei ahnlicher Technik 
Deutsch. 



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Neuhaus u. Prauanitz, Die Rolle d. Haut bei d. Bildung v. Antikorpern. 445 

Die Frage, unter welchen Umstanden eine ortliche Immunkbrper- 
bildung statt hat, ist noch keineswegs genugend gekl&rt. Die grund- 
legenden Untersuchungen gehen auf P. Romer zuriick, der nach Ein- 
trilufelung von Abrin in die Konjunktiva eine ausgesprochen erhohte 
Immunit&t der Konjunktiva des behandelten Auges gegenflber deni un- 
behandelten fand. Y r on besonderera Interesse ist der Versuch von 
A. Wassermann und Citron, ahnliche Befunde ortlicher Immun- 
korperbildung bei intrapleuraler oder intraperitonealer Injektion zu er- 
zielen; dock konnte die von ihnen erhobene Feststellung, daB so erzielte 
Exsudate wirksamer waren als das Serum, in einer umfangreichen Nach- 
priifung von Paetsch nicht bestatigt werden. DaB lokale Prozesse 
unter Umstanden eine gewisse Rolle spielen konnen, scheint aus den 
allerdings nicht ohne weiteres vergleichbaren Versuchen von C. Praus- 
nitz und Ktistner hervorzugehen: Bei Untersuchungen an einer fiir 
FischeiweiB hoch empfindlichen Person wurden zahlreiche intrakutane 
Injektionen am linken Vorderarm gemacht, wobei es zu einer ausge- 
sprochenen, aber vorubergehenden ortlichen Desensibilisierung kam. DaB 
es nicht immer zu einem lokal verschiedenen Ansprechen des Gewebes 
zu kommen braucht, zeigen jedoch die zahlreichen Y'ersuche mit Pollen- 
eiweiB an heufieberempfindlichen Personen, welche trotz jahrelanger 
Fortfiihrung bisher keine ausgesprochene Desensibilisierung (oder Im¬ 
munisierung?) hervorgerufen haben. 

Eine andere Frage, die in letzter Zeit zunehmendes Interesse be- 
ansprucht, ist die, ob bei der allgemeinen Immunisierung eine beson- 
dere Rolle der Haut als Bildner der Immunkorper zukommt. Bogen- 
dorfer entnahm Personen mit negativer Schickreaktion 2—3 g Haut, 
die er nach der Entfernung der Subkutis mSglichst fein zerkleinerte, 
mit Kochsalzlosung auswusch und auspreBte; der Riickstand neutralisierte 
Diphtherietoxin im Schickversuch bei diphtherietoxin-einpfindlichen Men- 
schen und beim Meerschweinchen. — Diese neutralisierende Wirkung 
gegentiber Diphtherietoxin fehlte dagegen in der Haut von Personen mit 
positiver Schickreaktion. Soweit aus dieser summarischen Arbeit und 
ohne Kenntnis der eingehenden Protokolle geschlossen werden kann, 
ist es also wahrscheinlich, daB bei Personen, deren Serum Diphtherie- 
antitoxin enthalt, die Haut selber Antitoxin speichert. Es liegt nicht 
ganz fern zu vermuten, daB also hier die Haut selber an der Antitoxin- 
bildung aktiv beteiligt ist. DaB ahnliche Verh&ltnisse nicht ganz selten 
eintreten konnen, zeigen die im AnschluB an solche Beobachtungen 
Bessaus angestellten Versuche von Kohler und Heilmann: nach 
intrakutaner Sensibilisierung mit artfremdem Serum tritt beim Menschen 
durchschnittlich eine st&rkere Ueberempfindlichkeit der gesamten Haut 
auf als bei intravenoser Sensibilisierung. 

Urn der Frage nach der Entstehungsmoglichkeit von Antikorpern 
in der Haut systematisch naher zu kommen, haben wir als ersten Schritt 
festzustellen gesucht, ob nach intravenoser Injektion eines 
Antigens die Immunkorper in der Haut friiher auftreten 
als im Serum. 

Verauchstechnik. 

2 Kaninchen von etwa 2500 g Gewicht erhielten am 30. Nov. 23 intravenos jc 
1 l0t Oeae einer 24-stiind. Agarkultur von Vibrio El Tor nach Ahtfttung bei 60°. 
Es wurden Blut- und Hautproben bei beiden Tieren entnommen: 

1) 1 Woche vor Beginn der Immunisierung, 

2) am 3. Tage nach der Immunisierung, 

3 ) >, 4 . „ ,, ,, „ 

4) n 5. ,. ,, „ ,, 


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446 


Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. £d. 91. Heft 6. 


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Die Entnahme der Haut erfolgte an den Flanken, abwechselnd links und recht- 
nach Rasieren unter aseptischen Kautelen in leichter Aethernarkose; durch eehr sorg- 
faltiges Arbeiten mit tadellos scbarfen Messern gelang es, die Haut fast ohne Ver- 
letzung der Blutgefafie zu gewinnen, was unseres Eracntens fiir die vorliegende Frags 
von besonderer Wichtigkeit ist. Es wurde jedesmal ein etwa 3,5 X 1 cm grofies Lapp- 
chen entfernt, worauf die Wunde sorgfaltig vernaht wurde; sie verheilte stets reak- 
tionslos und rasch. Die Blutproben wurden teils durch Herzpunktion, teils von der 
Vene aus in Mengen von 4—5 ccm entnommen. Die Tiere vertrugen die Behandlung 
anstandslos, doch ging das eine Kaninchen nach der letzten Hautentnahme an Nar- 
kosentod ein. Sein Sektionsbefund bot keine Besonderheiten. 

Die entnommenen Hautstucke, welche nach sorgfaltiger Entfernung von Fett und 
Subkutis etwa 0,17 g wogen, wurden kurz in physiol. Kochsalzlosung gewaschen, mit 
stenlen Messern zerkleinert und mit sterilem Glaspulver im Achatmorser unter allmah- 
lichem Zusatz von 2 ccm physiol. Kochsalzlosung aufs feinste zermahlen. In dem 
resultierenden Brei waren mikroskopisch, auch auf Zusatz von etwas Loefflerschem 
Methylenblau, keine intakten Zellen zu erkennen. Der Brei blieb iiber Nacht im Eis- 
schrank stehen, wonach die aim der Haut ausgewaschene Fliissigkeit (der „Hant- 
extrakt“) abzentrifugiert wurde. 

Die vergleichende Prufung der je 4 Serum- und Hautextraktproben 
von jedem der beiden Kaninchen wurde am 1. oder 2. Tage nach der 
Entnahme im Pfeifferschen Versuch an Meerschweinchen von 185 bis 
210 g ausgefiihrt. Das Ergebnis der Prufung zeigt die nachstehende 
Tab. I. 


Tabelle 1. 

Bakteriolytischer Titer (Pfeifferscher Versuch). 



Kaninchen N 7 

Kaninchen N 8 


Serum 

Hautextrakt 

| Serum 

| Hautextraki 

1) Vor der Behandlung 

0,3 

0,4 

>0,2 

>0,3') 

2) 3TagenachderBehandluDg 

3) 4 j, tj i> i) 

4) 5 ,, 1f >, ») 

>0,1 

<0,1 

0,005 

>0,3 

>0,3 

>0,3 

>0.1 

<0,1 

<0,005 

>0,3 

>0,3 

0,2 

^ >» ii ii 

— 

Hautriickstand 

>0,2 

i 

Hautriickstand 

0,2 

| 

6) 5 „ „ ,, „ 

mitGlaspulver 

vorbehaudelt. 

Serum 

>0.005 
< 0,0075 


— 

— 


Aus dieser Versuchsreihe (Nr. 1—4) ergibt sich, dafi die Sera den 
normalen raschen Anstieg des bakteriolytischen Titers aufwiesen. Die 
Hautextrakte dagegen zeigten nur eine ganz geringfiigige und dem Se- 
rumanstieg nachfolgende Werterhohung; diese geringe Erhohung ist, da 
sie in der Grbllenordnung hochstens Vioo so stark ist wie die des Serums, 
ungezwungen durch Verunreinigung der Hautstucke mit Blutspuren 
wahrend der Operation zu erklaren. 

Nun war es noch denkbar, dafi ahnlich wie in den Versuchen von 
Bogendorfer die Antikorper trotz der griindlichen Zertrfimmerung 
der Zellen nicht in die Losung iibergegangen waren, sondern von den 
Zelltrummern festgehalten wurden. Um aucli diese Moglichkeit zu klaren, 

1) GroSere Fliissigkeitsmengen konnten nicht gepriift werden, doch ist es wahr- 
scheinlich, daS der Titer wie bei Nr. 7 um 0,4 ccm liegen diirfte. 



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Neuhaus u. Prauanitz, Die Rolle d. Haut bei d. BilduDg v. Antikorpern. 447 


'wurden die gesaraten Zentrifugenrflckstande der Hautproben des 5. Tages 
■von jedem von beiden Kaninchen mit je 1 ccm physiol. Kochsalzlosung 
■versetzt und kr&ltig urageriihrt. Um eine storende Reizung der Bauch- 
hShle durch die Glastriimmer zu vermeiden, suchten wir diese von den 
spezifisch leichteren Gewebstrummern durch 1 Min. langes Zentrifu- 
gieren zu trennen. Die so resultierenden durch Zelltriimmer getrflbten 
FlQssigkeiten waren jedoch, wie die Tab. I, Nr. 5 zeigt, ebenfalls un- 
wirksam. 

Als letzter Einwand gegen die GOltigkeit unserer Versuche bestand 
die Moglichkeit, daB durch das Glaspulver selber etwaige Antikorper 
adsorbiert wSren. Dies ist von vornherein wenig wahrscheinlich, da die 
Glastriimmer eine glatte und verhaltnismaBig kleine Oberflache besitzen; 
es muBte aber gepriift werden. Zu diesem Zwecke wurde von dem gut 
wirksamen Serum von Kaninchen Nr. 7 vom 5. Tage (bakteriolytischer 
Titer 0,005 ccm) 1 ccm tropfenweise zu der gleichen Menge Glaspulver, 
wie sie zu den Hautversuchen diente, im Acbatmorser zugesetzt, griind- 
lich verrieben und nach l-t&g. Stehen im Eisschranke abzentrifugiert. 
Die iiberstehende Fltissigkeit hatte fast noch denselben bakteriolytischen 
Titer wie das nicht mit Glaspulver behandelte Serum (Tab. I, Nr. 6). 

Die PrQfung der verschiedenen Haut- und Serumproben auf Agglu- 
tinine hatte ein entsprechendes Ergebnis, nur daB, wie zu erwarten 
war, die gefundenen Agglutinintiter bis zum 5. Tage nach der Impfung 
sich noch in bescheidenen Grenzen hielten (Tab. II). 


Tabelle II. 
Agglutinintiter. 



Kaninchen N 7 j Kaninchen N 8 


8enmi 

Hautextrakt Serum 

Hautextrakt 

1) Vor der Behandlung 

1:10 — 

1:10 — 

• 

2) 3 Tage nach der Behandiung 

^ » r n 11 

4) 5 „ „ „ „ 

1: lO- 
lr 10 + 

1:100 ± 

1:10- 
1:20 ± 

1:10— 1:200 + 

1:10 — 


Es war also festgestellt worden, daB bei intravenOser Injektion 
des Choleraantigens die Haut kein Agglutinin und kein Bakteriolysin 
bildet. — Man konnte aber daran denken, daB eine Antikorperbildung 
durch die Haut eintreten wiirde, wenn die Haut mit dem Antigen in 
stSrkerer Konzentration unmittelbar in Bertihrung k&me; das ist der 
Fall bei der intrakutanen Injektion des Antigens. 

Zu diesem Zwecke wurde einem weiteren Kaninchen von 2050 g 
V 100 Oese bei 60° abgetoteter El Tor-Vibrionen in 0,1 ccm phys. NaCl- 
LSsung streng intrakutan eingespritzt: es entstand eine deutliche Quaddel. 
Vor der Behandlung waren dem Tiere ein Hautstfick von 3,5 XI cm 
GroBe sowie eine Blutprobe entnommen worden. 5 Tage nach der In¬ 
jektion erfolgte die Entnahme einer Blutprobe und je eines ebenso groBen 
Hautstflckes (a), das die Injektionsstelle umgriff, und (b) von einer ent- 
fernten KOrperstelle. Die Titration erfolgte ebenso wie oben beschrieben 
wurde, und ergab auch bei dieser Technik den charakteristischen Gehalt 
des Serums an Agglutininen und Bakteriolysinen, dagegen ihr Fehlen in 
alien untersuchten Hautstticken. 


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448 


Centrulbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 6. 


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Tabelle III. 


Iutrakutane Injektion des Antigens. 



Bakteriolvt. Titer 

Agglntinintitcr 

Serum vor der Behandlung 
„ nach der „ 

llaut vor der Behandlung 

nach der 1 a ) In J'ektionsort 

” atn aer ” | b) fern davon 

> 0,25, < 0,3 
>0,0025, <0,005 

0,3 

>0,2 

>0,2 

1:10 — 

1:100 ± 

1:10 — 

1:10 — 

1:10 — 


Zusammenfassung. 

Nach intravenoser wie nach intrakutaner Injektion abgetoteter Cho- 
leravibrionen an Kaninchen findet bis zum 5. Tage ein starker Anstieg 
des bakteriolytischen und Agglutinintiters im Serum statt; zu dieser 
Zeit sind in entsprechenden Mengen Haut hochstens Spuren dieser Anti- 
korper nachweisbar. Die Haut kommt daher bei intravenoser 
oder intrakutaner Injektion des Antigens als Bildungs- 
st&tte der Bakteriolysine und Agglutinine nicht in Be- 
t r a c h t. 

Literator. 

Bogendorfer, L., Centralbl. f. allg. Path. u. path. Anat. Bd. 33. 1923. S. 196. 

— Deutsch, Ann. de l’lnst. Pasteur T. 13. i 899. p. 689. — Kohler, Otto, u. 
Heilmann, Georg, dies. Centralbl. Abt. I. Orig. Bd. 91. 1923. 8. 112. — Paetsch, 
ebenda. Abt. I. Orig. Bd. 60. 1911. 8. 255. — Pfei ffer, R., u. M arx, Ztschr. f. Hvg. 
Bd. 27. 1898. S. 272. — Prausnitz, C., u. Kiistn'er, H., dies. Centralbl. Abt. I. 
Orig. Bd. 86. 1921. 8. 160. — ffassermann, A.. Berl. IHin. Wochenschr. 1898. S. 209. 

— Dere. u. Citron, Ztschr. f. Hyg. Bd. 50. 1905. 8. 33^ 


Inhalt. 


Anigstein, Ludwik, u. Miliriksa, Z., 

tJntersuchungen iiber die Gelbsucht bak- 
teriellen Ursprungg, S. 3S3. 

Brinkmann, J., Reagenzglasstudien zur 
bakteriziden Wirksamkeit des Hexals 
und Neohexals. Mit 2 Kurven im Text, 
8. 426. 

Bellinger, Berta, UntersuchuDgen iiber 

I' die Mundoscillarien des Menschen, S. 398. 

Ginsburg, A. N., u. Schuwalow, W. Th., 
Serodiagnostik der aktiven Tuberkulose 
mittels Kompleinentbindung mit den 
Antigenen Besredkas sowie von Nb- 
gre und Boquet, S. 363. 

Hartenfels, Helmuth, Erfahrungen mit 
Mei nicke - Extrakten zur Serodia¬ 
gnostik der Lues, S. 388. 

Isabolinsky, M., u. Gitowitsch, W„ 

* Ueber die Sachs-Georgi-Svphilis- 
reaktion, 8. 393. 

Isabolinsky, M., Ueber die Sterilitat des 
Virus fixe, 8. 396. 

Jannschke, E,, Kasuistische Beitriige zur 
Bakteriologie der Aerogenes-Gruppe. 
Mit 4 Abbilduugen im Text, 8. 366. 


Jeney, A. v., AendiTt sich der Para- 
typhus A-Bazillus tilurch Tierpassage? 
Beitriige zur Theorie u^er Agglutination. 
S. 366. 

Lubinski, Herbert, Statisi ische Betrach- 
tungen zur GrippepandemVe in Breslau 
1918—22. Mit 4 Kurven im Text, S. 372. 

Lusztig, Alexander, Agglufinationsver- 
suche mit dem Bacillus patatyphus 
abortus equi, S. 410. 

Matsumoto, Takima, Versucltf uber die 
Vermehruug von Bakteriophag’ n > S. 413. 

Neuhaus, Carl, u. Prausnitz, Carl, Die 
Rolle der Haut bei der Bilcung von 
Antikorpern. 1. Agglutinine i D d Bak¬ 
teriolysine, 8. 444. 

Nishiura, Seiichi, Ueber die pmuni- 
sierung gegen Rauschbrand mit^ultur- 
filtraten, S. 401. 

Flasaj. S., Ueber das Wesen r- r Bak- 
terienkapseln, S. 353. 

Vallen, Ille, Ueber Schiidigung df Reuko- 
zvten beim d’Herelleschen panomen. 
Mit 1 Abbildung im Text, S. 24. 


Fromraannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena 


Gougle 


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Central, f. BakL etc. I. AbL Originate. Bd. 91. Heft 7|8. 

Ausgegeben am 30. April 1924. 


Nachdruck verboien. 

Eine „Trockenmetliode“ und ihre Bedeutung fiir die bak- 
teriologiscbe Typhusdiagnose. 

|Aus der Bakteriologischen Untersuchungsanstalt fiir die Typhus- 
bekampfung beim Hygienischen Institut der University Jena (Leiter: 

Marine-Generaloberarzt a. D. Dr. Hage).] 

Von Dr. Bering. 

Der Wunsch nach zuverl&ssigeren Methoden zur ZQchtung der 
Typhusbazillen aus Stuhlproben, als es das einfache Plattenausstrich- 
verfahren darstellt, hat zur Angabe einer Reihe von sogenannten An- 
reicherungsmethoden (z. B. die Anreicherung der Untersuchungsprobe 
mit Peptonwasser-BrillantgrunlOsung nach Loeffler; das Lentz-Tietz- 
sche Abschwemmungsverfahren des auf MalachitgrQnagar verarbeiteten 
Materiales u. a. m.) gefuhrt, die sich in der bakteriologischen Praxis 
fast alle als mehr oder weniger brauchbar erwiesen haben, ohne daB 
jedoch irgendeine von ihnen eine wesentliche Verbesserung unserer 
Untersuchungsmethodik bedeutet h&tte. Trotz sorgf&ltigster AusQbung 
der Untersuchungstechnik, insbesondere auch bei genauester PrUfung 
and Einstellung der NShrboden, gelingt in einer Anzahl von sicher 
positiven Fallen der Typhusbazillennachweis im Stuhl nicht. DaB in 
diesen Fallen trotzdem eine Bazillenausscheidung anzunehmen ist, be- 
weisen einige von uns beobachtete Faile von positivem Typhusbazillen- 
befund im Duodenalinhalt bei fehlendem Bazillennachweis im Stuhl, 
selbst bei mehrfacher genauester Untersuchung. Die Hervorhebung 
dieser Tatsache, die dem Bakteriologen als bekannt wohl iiberfliissig 
erscheinen konnte, ist wichtig, da in den Kreisen der Praktiker dem 
negativen Untersuchung?.ergebnis einer Stuhlprobe h&ufig zu groBer 
Wert sowohl hinsichtlicn der Stellung der Diagnose „Typhus abdomi- 
nalis“ als auch bei der Entscheidung der bakteriologischen Genesung 
ni. beigeniessen wird. 

a) Fragen wir uns nach den Grundeu fiir dies Versagen unserer ZOch- 

rlu- tungsmethoden, so miissen wir fiir den grSBten Teil dieser scheinbar 
P* negativen Faile annehmen, daB in der auBerst kleinen Menge von Unter- 
suchungsmaterial, die wir im gewohnlichen Plattenausstrich oder auch 
hac' ^ er Abschwemmungsmethode verarbeiten konnen, flberhaupt keine 
t , Typhusbazillen enthalten sind. Hauptsachlich handelt es sich hierbei 
gild uin Stiihle von harter Konsistenz (z. B. von Bazillentragern), in denen 
ine u die Verteilung der Typhusbazillen keine so gleichmaBige ist wie in 
ddnnbreiigen bzw. flflssigen Stuhlen. Wollte man jedoch diesem Mangel 
die jt durch Verarbeiten einer groBeren Menge des Materiales auf einer Platte 
1 ® abhelfen. so warden die dann vielleicht mit zur Aussaat gelangten Ty- 
e0 phusbazillen von den Begleitbakterien (in erster Linie Bact. coli, 

Schimmelpilze und bei Verwendung von nicht karbolisierten Nahrboden 
Bact proteus) Qberwuchert und dadurch dem Auge des Untersuchers 
unauffindbar gemacht. 

Ente Abt. Orig. Bd. 91 Heft 7/8. 29 


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450 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Die von Kister 1 ) beobachtete Hemmung des Schwfirmvermogens 
der Proteus - Bazillen durch den gewfihnlichen Endo - N&hrboden 
konnen wir nicht bestatigen. Auf dem von uns benutzten Endo-Agar 
fand das hauchartige Schwarmen der Proteus-H-Formen nach 16 bis 
18-stflnd. Bebriitung stets in der bei den einzelnen Stfimmen allerdings 
sehr verschieden stark ausgepragten Weise statt. Da wir den Endo- 
Agar nach Originalvorschrift herstellen, ist es anzunehmen, daB die 
Erfolge Kisters auf der besseren Abstimmung des Nfihrbodens hin- 
sichtlich seines Gehaltes an Fuchsin und Natriumsulfit beruhen. Es 
erscheint jedoch fraglich, ob es auf diese Weise ohne EinbuBe an der 
Giite des Nfihrbodens gelingt, das Schwarmen derart zu unterdrflcken, 
daB man die Platten eine geniigend lange Zeit beobachten kann, wie es 
fur die Typhus-, insbesondere die Paratyphus B-Diagnose oft wiinschens- 
wert ist. 

Dieser zweite Uebelstand ist der Grund fiir das Versagen der 
meisten Anreicherungsmethoden, da eine ausreichende Hemmung der 
Begleitbakterien durch die die verschiedenen Anreicherungsverfahren 
kennzeichnenden chemischen Agentien nicht stattfindet. Lediglich fur 
die Zuchtung des Paratyphus B (Schottmtiller) und des Bact. en¬ 
ter it id is Breslau lassen sich mittels der Lentz-Tie tzschen Methode 
Bedingungen von optimaler Bedeutung herbeifiihren, die ein Verarbeiten 
relativ groBer Mengen von Material auf einer Platte ermoglichen und 
uns in den Stand setzen, ein negatives Untersuchungsergebnis als ein 
den wirklichen Verhaltnissen entsprechendes zu bewerten. Fur die Dar- 
stellung des Typhusbazillus sind dagegen die Bedingungen weit un- 
giinstiger. 

Zur Behebung dieser Mangel muB es also unser Bestreben sein, 
eine Untersuchungsmethodik zu finden, die uns gestattet, mehr Material, 
als es bisher moglich war, auf derselben Nahrbodeumenge zu verarbeiten 
und uns gleichzeitig hinreichend davor sichert, daB die Typhusbazillen 
von anderen Bakterien iiberwuchert werden. Es ist also unser Ziel, die 
in einer relativ groBen Untersuchungsprobe enthaltenen Keime moglichst 
in Einzelkolonien darzustellen. 

Ein Weg, um diesem Ziele n&herzukommen, bedeutet die Anwendung 
der von L. S. Dudgeon (1) in die bakteriologische Untersuchungs- 
technik eingefiihrten Trockenmethode. Sie besteht darin, daB das zu 
untersuchende Material (Sputum, Schleim, Faeces) auf unglasierten, ge- 
brannten Tonplatten ausgestrichen und einige Zeit (V*—2 Std.) bei 
Zimmertemperatur getrocknet wird. Danach wird die vollig eingetrock- 
nete Menge mit einem Messer abgekratzt, man erh&lt dadurch ein absolut 
trockenes, feines Pulver. Mittels eines Glasspatels wird ein Teil dieses 
Pulvers auf einer Nahrbodenplatte verrieben. Dudgeon bediente sich 
dieses Verfahrens zur Untersuchung der Stiihle ruhrkranker bzw. -ver- 
d&chtiger Soldaten an der englischen mazedonischen Front. An Stelle 
von Tonplatten benutzte er gewohnliche Ziegelsteine. Die Erfolge, die 
er mit dieser einfachen Methode erzielte, waren durchaus zufrieden- 
stellend, so daB er die Anwendung des Verfahrens weiter empfahl, zu- 
mal im Hinblick auf die nach Verbesserung der primitiven Methodik 
und Beschaffung geeigneteren Materials zu erwartenden noch glinstigeren 
Untersuchungsergebnisse. Die Erwartungen Dudgeons wurden in der 


1) Endo-Nahrboden bei der Peetdiagnose. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 91. 1924.) 


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Go gle 



.Bering, „Trockenmethode“ u. ihre Bedeutung fiir d. bakt. Typhusdiagnoee. 451 

Folgezeit durch die Untersuchungen Wordleys (2, 3) best&tigt. 
W ordley priifte die Trockenmethode an Stuhlproben von Typhus- bzw. 
Paratyphus B-Kranken und an Fallen von Enteritis nach. Parallel zu 
dieser Untersuchungsreihe wandte er die Anreicherungsmethode mittels 
Peptonwasser-Brillantgrunlosung an. AuBerdem arbeitete W. noch mit 
kflnstlich mit Typhus- und Ruhrbazillen infizierten Faeces und verwandte 
die Trockenmethode zum besonderen Studium der in verschiedenen 
Fallen durch den Darm ausgeschiedenen h&molytischen Streptokokken. 
Gute Erfolge erzielte W. weiterhin bei der Anwendung dieses Verfahrens 
zur Ziichtung von Pneumokokken aus Pneumonikersputis. VV. hebt ins- 
besondere die auBerordentlich prfignante Darstellung von Einzelkolonien 
hervor und rfit hauptsachlich aus diesem Grunde zur Heranziehung der 
Alethode filr die kulturelle Sputum- und Stuhluntersuchung. Unter den 
iusgesamt 64 Untersuchungen von Stuhlproben, Typhus-, bzw. Para¬ 
typhus B- und Enteritiskranker war von 21 positiven Befunden in 
9 FSllen die Trockenmethode die einzige, mittels welcher das positive 
Resultat erzielt wurde, w&hrend die Pepton-Brillantgriinmethode nur in 
2 Fallen allein zum Ziele fiihrte. Die Ergebnisse der Qbrigen Unter¬ 
suchungen Wordleys ahneln im wesentlichen denen dieser ersten 
Untersuchungsreihe, so daB auf die Wiedergabe von Einzelheiten ver- 
zichtet werden kann. Die Trockenmethode erwies sich hinsichtlich der 
Ausbeute an positiven Befunden alien anderen Anreicherungs- und 
direkten Methoden nicht unerheblich iiberlegen. Es ist zu beachten, 
daB W. gerade bei den Ziichtungsversuchen von Ruhr- bzw. Pseudo- 
ruhrbazillen und Pneumokokken so gute Resultate erzielte, ein Beweis, * 
daB das Trocknen keinen schadigenden EinfluB auf diese sonst so leicht 
vulnerablen Mikroorganismen ausgeubt hat. Es findet also eine Ab- 
tfitung von Bakterien durch das Trocknen in irgendwie nennenswerter 
Zahl kaum statt. Jedenfalls erscheint es im hbchsten Grade unwahr- 
scheinlich, daB infolge des Trocknungsvorganges ubiquitfire Oder para- 
sitische Organismen geschftdigt. pathogene Arten jedoch sozusagen elektiv 
verschont werden. Die Erfolge des Trockenverfahrens beruhen also 
nicht auf einer bakteriologischen oder chemisch bedingten Anreicherung, 
wie bei den tiblichen Anreicherungsmethoden, sondern mehr in einer 
gflnstigeren Ausnfltzung des durch die Trocknung eingeengten Ausgangs- 
materials, wobei zu beachten ist, daB insbesondere auch die Darstellung 
der Keime auf der Platte eine distinktere ist, als wenn ein mehr oder 
weniger stark wasserhaltiges Material verwendet wird, das eine Ver- 
schmierung der Kolonien zulaBt. 

Als Referat war mir noch die Arbeit von Pane (4) zugSnglich, der 
ebenfalls flber giinstige Untersuchungsergebnisse mittels der Trocken¬ 
methode berichtet. 

Die Technik, deren wir uns bei der Prufung des Verfahrens be- 
dienten, gestaltete sich folgendermaBen: 

Von dem zur Untersuchung eingesandten Material (Faeces) wurde 
ungefahr die 6—Sfache Menge von derjenigen, die gewbhnlich auf einer 
kleinen Malachitgriinplatte verarbeitet wird (annahemd also etwa ein 
gestrichener Teeloffel voll) auf einer Tonplatte von 10 cm Radius und 
etwa 1 — 1,5 cm Dicke mittels Glasspatels verrieben. Diese Tonplatten 
sind in jeder Topferei leicht erh&ltlich. Nach vdlliger Trocknung des 
ausgestrichenen Materials kratzten wir dasselbe mit einem sterilen Skal- 
pell ab und verarbeiteten das Streupulver auf einer, gelegentlich in 
besonderen Fallen auch auf 2 und 3 mittelgroBen En do-Flatten, die 

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in der ublichen Weise dann etwa 24 Std. bei 37° bebrfitet wurden. 
Ich mdchte schon hier bemerken, daB wir in den Fallen, in denen das 
Pulver auf mehreren Nahrbodenplatten verarbeitet wurde, niemals Diffe- 
renzen in den Untersuchungsergebnissen der einzelnen Platten zu ver- 
zeichnen hatten, so daB wir spater stets nur mit einer Endo-Platte 
arbeiteten. Lediglich bei dQnnbreiigen, sehr bakterienreichen Stuhlproben 
ist die Zuhilfenahme mehrerer Platten angezeigt. Bei dem Abkratzen 
des getrockneten Materials schiitzten wir uns durch eine vorgehaltene 
Glasplatte, die nach ihrer Verwendung leicht in einer Desinfektions- 
lbsung zu desinfizieren ist, vor verstreuten Stuhlpulverteilchen. Die 
gebrauchten Tonplatten werden am besten in einem grSBeren GefaB im 
Dampf sterilisiert, dann gewaschen und vor erneuter Verwendung im 
Trockensterilisator keimfrei gemacht. Die von uns mit dem Trocken- 
verfahren untersuchten Proben wurden auBerdem nach der in den meisten 
Laboratorien geflbten Weise verarbeitet (Ausstreichen auf Malachitgrun- 
agar mittels Glasspatels, mit dem anhaftenden Rest wird eine grbBere 
Spezialagarplatte bestrichen — wir benutzten Endo-Agar — nach 24- 
stfind. BebrQtung Abschwemmen der Malachitgriinplatte mit einigen 
Kubikzentimetern Kochsalzlosung und Abimpfen auf Endo- oder Shnlichen 
Agar). Dudgeon und Word ley geben in ihren Arbeiten an, daB 
das Untersuchungsmaterial zunacbst auf einer Tonplatte vorgetrocknet 
werden soli — etwa bis zur Konsistenz einer steifen Paste — urn da- 
nach auf einer 2. Platte nach nochmaliger Verreibung vollig eingetrocknet 
zu werden. Wir halten diese die Untersuchung unnotig komplizierende 
Anordnung fur iiberflussig und begnfigen uns mit dem einmaligen Aus¬ 
streichen. Von einem Vorteil der ^zweizeitigen 44 Originalvorschrift 
haben wir uns nicht uberzeugen konnen. Eine besondere Auswahl der 
Proben, die zur Untersuchung mittels der Trockenmethode gelangten, 
fand nicht statt; wir waren jedoch bemiiht, moglichst Stuhlproben von 
Bazillentragern bzw. der Bazillentragerschaft verdachtigen Personen heran- 
zuziehen. Leider war in einer nicht unbetrSchtlichen Zahl der F&lle die 
Stuhlmenge, die fur die Verarbeitung mittels der Trockenmethode ver- 
fflgbar war, so gering, daB auf den groBen Vorteil der Methode, n&mlich 
die Verarbeitungsmoglichkeit erheblicher Materialmengen, von vornherein 
Verzicht geleistet werden muBte. Auf diesen Umstand, der das Ge- 
samtergebnis der Untersuchungen naturlich ungiinstig beeinflussen 
muBte, ist bei der Beurteilung unserer Befunde Riicksicht zu nehmen. 

Insgesamt untersuchten wir 112 Stuhlproben, von 102 verscbie- 
denen Personen, von denen 41 ein positives Resultat ergaben. Von 
diesen 41 positiven Fallen wurden 10 a lie in durch das Trockenver- 
fahren erhalten, wahrend die restlichen 31 Falle auch mittels der ub¬ 
lichen Laboratoriumsmethode positiv ausfielen. Der Fall, das einem 
positiven Laboratoriumsergebnis ein negatives Resultat der Trocken¬ 
methode entgegengestanden hatte, wurde von uns nicht beobachtet. Die 
10 Falle stellen demnach eine absolute Ueberlegenheit der Trocken¬ 
methode iiber das bisher geiibte Verfahren dar. Die wenigsten positiven 
Befunde wurden durch das Abschwemmungsverfahren erzielt. Im ein¬ 
zelnen verteilen sich die Falle auf folgende Gruppen (s. Tab. S. 453). 

Unter den 21 Stuhlproben von sicheren TyphusbazillentrSgern konnte 
der Bazillenbefund 16mal durch das Trockenverfahren, darunter I2mal 
auch durch die Laboratoriumsmethode erbracht werden. In einem 
weiteren Falle wurde der Verdacht der Bazillentragerschaft durch die 
Untersuchung mittels der Trockenmethode bestatigt, ein zweiter in diese 



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Bering, „ Trockenmethode “ u. ihre Bedeutung fur d. bakt. Typhusdiagnose. 453 



21 

Bazillen¬ 

trager 

22 

mutmallliche 

Bazillen¬ 

trager 

33 

Typhus- 

kranke 

10 

Bakterio- 
logisch ge- 
nesen? 

26 

Typhus¬ 

verdacht 

112 

ins- 

gesamt 

Positiv im Labora- 




I 

1 


tori urns verfahren 
Positiv im Trocken- 

12 

1 

17 

1 

e 

31 

verfahren 

lb 

2 

21 

1 

1 

41 

T. V. > L. V. 

! 

4 

1 

4 

e 

1 

10 


Gruppe gehoriger Fall konnte mit beiden Methoden festgestellt werden, 
So klein an und fur sich diese Zahlenangaben sind, so rechtfertigen 
unsere Untersuchungsergebnisse trotzdem die Empfehlung, das Trocken- 
verfahren besonders zur Untersuchung von BazillentrSgern bzw. mut- 
mafilichen Bazillentragem heranzuziehen. Da die Auffindung oder Be- 
statigung der Bazillentrager durch die Stuhluntersuchung eine der 
wichtigsten Aufgaben der planmafiigen Typhusbek&mpfung darstellt, 
erscheint es im Hinblick darauf geboten, jede — auch nur geringe — 
Verbesserung unserer Untersuchungstechnik zur Losung dieser oft 
schwierigen Aufgabe mit zu verwerten. 

Von geringerer Bedeutung sind die 33 F&lle von klinisch sicherem 
Typhus abdominalis. Auch in dieser Gruppe iiberwiegt das Trocken- 
verfahren mit 21:17 positiven Ziichtungsergebnissen tiber die Labora- 
toriumsmethode. Die Mehrzahl dieser F&lle ist jedoch durch eine positive 
Blutkultur oder eine eindeutige Widalsche Reaktion schon bakterio- 
logisch-serologisch als Typhus bestatigt. Wir sehen aber aus diesen 
Befunden recht deutlich, daB bei alleiniger Anwendung der Labora- 
toriumsmethode bestimmt eine Reihe von Typhusbazillen ausscheidenden 
Kranken dem bakteriologischen Nachweis entgeht, ein weiterer Beweis 
fur unsere oben ge&uBerte Ansicht, dafi die bisher zur Untersuchung 
iiblichen Stuhlmengen fflr viele Faile nicht ausreichen. Die Frage nach 
der bakteriologischen Genesung konnte in 10 Fallen einmal auf Grund 
des in beiden Verfahren positiven Befundes verneint werden. Unter 
den Fallen von Typhusverdacht gelang in einem derselben mittels der 
Trockenmethode die Ziichtung von Typhusbazillen, wodurch die Diagnose 
gekiart war. Dieser, sowie zwei andere Faile, in denen sich uns das 
Trockenverfahren besonders bewahrte, mogen aus der Reihe der einzelnen 
Faile naher geschildert sein. 

Fall 1. 27-jahr. Schutzpolizist. Seit ca. 3—4 Wochen Fieber unklarer Herkunft. 
Diagnose: Fieberhafter Darmkatarrh. Typhus abdominalis? Auf den positiven Widal 
(1:200 fur Typhus, 1:50 fur Para B) kann wegen haufig stattgefundener Schutz- 
mipfungen kein diagnostisch bindender Wert gelegt werden. Blutkultur negativ. Stuhl¬ 
untersuchung: Laboratoriumsverfahren negativ, Trockenverfahren positiv. Eine noch- 
malige Untersuchung nach 2 Wochen war in beiden Verfahren negativ, wahrscheinlich 
aus clem Grunde, dau der inzwischen eingetretenen klinischen auch die bakteriologische 
Genesung gefolgt war. Da der Fall klinisch aufierst leicht verlief und nicht mit 
Sicherheit zu diagnostizieren war (Schutzimpfung!), ermoglichte hier das Trockenver¬ 
fahren allein die Oiagnosestellung. 

Fall 2. 38-jahr. Typhusbazillentragerin. Vor 8 Jahren Typhus. Nach den bisher 
vorliegenden Untersuchungsergebnissen besteht eine unregelmalsige und nur sparliche 
Bazillenansscheidung. Im Duodenalsaft fanden sich reichiich Typhusbazillen. Erneute 
Stuhluntersuchung ergab: Laboratoriumsmethode negativ, Trockenmethode positiv. Eine 
Wiederholung nach ca. 14 Tagen hatte dasselbe Ergebnis! 

Fall 3. 22-jahr. Typhusbazillentragerin. Seit etwa einem Jahre Gallensteinbe- 
schwerden. Exstirpation der Gallenblase (Chirurgische Klinik Jena). Die ersten beiden 
Stuhle nach der Operation ergaben sowohl mittels des Laboratoriumsverfahrens als auch 


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der Trockenmethode positiven Typhuebazillenbefund, in der 3. Stuhlprobe konnten Dur 
noch durch daa Trockenverfahren Typhusbazillen festgestellt werden. Weitere Stuhl- 
proben waren dann iibereinstimmend negativ. Dieser Fall zeigt ganz eindeutig, dad 
un6 das Trockenverfahren durch die Moglichkeit, grofiere Stuhlmengen zu untersuchen, 
in den Stand setzt, auch relativ geringe Grade der Ausscheidung von Typhusbazillen 
(wie im vorliegenden Falle nach Entfernung des Bazillendepots) feetzustellen. 


Neben dem schon des ofteren betonten Vorteil des Trockenver- 
fahrens, namlich dem Arbeiten mit grdBeren Mengen, kdnnen auch wir den 
von Dudgeon und Wordley besondershervorgehobenen zweiten Vorzug 
der Methode, die in der groBen Mehrzahl der Untersuchungen beob- 
achtete vorziigliche Darstellung von Einzelkolonien, best&tigen. Die 
Erfolge des Trockenverfahrens basieren zu einem nicht geringen Teil 
auf dieser, durch keine andere Methode (abgesehen von den VerdfiD- 
nungsmethoden) in so vollkommener Weise zu erzielenden Isolierung 
der Keime. Das Trocknen bringt das Untersuchungsmaterial infolge 
der Wasserentziehung in den fur die kulturelle Bearbeitung am besten 
geeigneten Zustand. 

Ein Mangel des Trockenverfahrens besteht jedoch darin, daB in 
manchen F&llen — es handelt sich dabei einerseits um Stiihle mit ex- 
trem hohem, andererseits um solche mit auBerordentlich geringem Keim- 
gehalt — die „Dosierung“ des Stuhlpulvers eine schwierige ist. Im 
Anfang wird man sich am besten so behelfen, daB man mehrere N§hr- 
bodenplatten (Endo) benutzt, auf denen man verschiedene Mengen des 
Pulvers verarbeitet. Nach wenigen Versuchen wird man zu einem fur 
die meisten Falle zutreffenden durchschnittlichen MaBe gelangen. Von 
flussigen Stiihlen muB man naturlich ziemlich betr&chtliche Mengen zum 
Trocknen verwenden, um iiberhaupt eine ausreichende Menge von Stuhl- 
pulver zu erhalten. Trotzdem laBt es sich nicht mit Sicherheit ver- 
meiden, daB einmal die ganze Platte von einem einzigen, dichten Bak- 
terienrasen von dann naturlich nicht rnehr zu differenzierenden Kolonien 
bewachsen ist, wabrend ein andermal sich das Wachstum auf einige 
wenige auf die Platte verstreute Kolonien beschrankt. Diese durch die 
Extreme des Keimgehalts einzelner Stuhlproben bedingten Versager der 
Trockenmethode lassen die Grenzen erkennen. die dem am Anfang dieser 
Arbeit geSuBerten Ziele gesteckt sind. Trotz Anwendung der Trocken¬ 
methode batten wir in verschiedenen Fallen den Eindruck, daB uns der 
Bazillennachweis im Stuhle nicht gelungen war. Wir versuchten daher. 
durch Vorbehandlung der zu untersuchenden Stuhlproben mit bestimmten 
chemischen Mitteln, die unter Schonung der Typhusbazillen das iibrige 
Bakterienwachstum hemmen, eine gewisse Auswahl der Keime schon 
vor dem Trocknen der Stuhle herbeizufiihren. Die Versuche haben 
jedoch vorlaufig kein praktisch verwertbares Resultat gezeitigt. Die 
weitere Bearbeitung dieser Frage, die ja verschiedene Modifikationen 
zulaBt, wird von uns fortgefiihrt. Auch durch das Trockenverfahren 
werden eben nicht alle Schwierigkeiten behoben, die einer idealen Me¬ 
thode der kulturellen Stuhluntersuchung im Wege stehen. Die nicht 
zu leugnenden Vorziige des Verfahrens rechtfertigen jedoch die Empfeh- 
lung der Methode. Ihrer allgemeinen Anwendung steht die gewisse 
Kompliziertheit entgegen. Zu Massenuntersuchungen ist das Trocken- 
verfahren kaum geeignet. Seine Heranziehung zur Untersuchung be- 
stimmter, besonders wichtiger Proben wird sich dagegen in jedem La- 
boratorium ermdglichen lassen. 



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Koliath u. Lubinski, Zur Differentialdiagnose zwischen Vibrionen usw. 455 


Literatur. 

1) Dudgeon, L. 8., Studies of Bacillary Dysentery occurring in the British Forces 
in Macedonia. (Med. Res. Council, Special Report. Ser. N. 40.1919. p. 19.) — 2) Word- 
ley, E., A new method for the isolation of organisms from faeces and sputum, with 
some observations on haemolytic streptococci in faeces obtained by this method. (Journ. 
Hyg- Vol. 20. p. 60.) — 3) Ders., Further results on the isolation of organisms from 
faeces by a new method. (Ibid. p. 360.) — 4) Pane, Rif. med. 1921. Nr. 49; Ref. 
Med. Klin. 1922. Nr. 43. 


Nachdruck verboten. 

Zur Differentialdiagnose zwischen Vibrionen und 
Bacillus faecalis alcaligenes. 

[Aus der Untersuchungsabteilung (stellvertret. Leiter: Dr. Lubinski) 
des Hygienischen Instituts der Universitfit Breslau (Dir.: Geh. Rat 

Prof. Pfeiffer).] 

Yon Werner Kollath, Assistent, und Herbert Lnbinski, Abt.-Leiter. 

Wir hatten in letzter Zeit Gelegenheit, uns anl&Blich eines Falles 
mit der Frage der Unterscheidung von Vibrionen und Bacillus fae¬ 
calis alcaligenes zu beschaftigen. 

Im Laufe des September erkrankte in der Psychiatrischen Univer- 
sitatsklinik eine bereits seit mehreren Monaten dort befindliche Patientin, 
P. Th., die sckon vorher zeitweise an Durchfallen gelitten hatte, nach 
einer langeren Pause abermals an heftigen Durchf&llen und starkem Er- 
brechen. Wenige Tage vorher waren unter ahnlichen Erscheinungen 
2 Patientinnen der gleichen Station ad exitum gekommen, von denen 
die eine sich erst wenige Tage in der Klinik befand. WShrend man 
bei den beiden ersten Fallen, trotz negativer serologischer und bakterio- 
logischer Befunde, eher an eine Ruhr oder ruhranliche Erkrankung 
dachte, war der klinische Verlauf im Falle P. Th. derart, daB der Ver- 
dacht auf Cholera nicht von der Hand zu weisen war. Es erfolgte des- 
wegen Verlegung nach der medizinischen Klinik, aus deren uns freund- 
lichst zur Verfugung gestellten Krankengeschichte wir folgendes ent- 
nehmen. 

Aufnahmebefund: Gesicht blaB, verfallen; Puls nicht zu fiihlen; Arme und Beine 
fiihlen sich kiihl an; Zunge etwas himbeerfarben; Stimme nicht tonlos, abgehobene 
Hautfalten bleiben nicht stehen. Sonstiger Befund o. B. Behandlung: Kochsalzin- 
fusionen und Excitantien. Enterale Einverleibung von Kaffee und Kognak riefen Er- 
brechen hervor. Am 2. Krankheitstage horte zwar das Erbrechen auf, in der nachsten 
Nacht trat aber unter zunehmender Herzschwache und weiteren profusen Durchfallen 
der Tod ein. 

Die wenige Stunden nach dem Tode vorgenommene Autopsie ergab 
folgenden Befund: 

Hypostasis pulmonum, The. lymphoglandularum hili sin., Lien septicum, Chole¬ 
lithiasis, Enteritis levis und Anaemia hepatis. Die Milz war weich und zerflieBlich, die 
Darmschlingen liegen geblaht vor. Durch die Darmwand hindurch erkennt man eine 
leichte Injektion der GeftiBe. Sonst fallt an der Serosa und auch an der Mucosa nichts 
Abnormes auf. Der Darrainhalt ist gallig gefarbt, im Dickdarm fakulent, auBerdem 
enthalt er reichlich Gas. Sonstiger Befund: o. B. (Auszug aus dem Protokoll des 
Pathologischen Instituts der Universitat.) 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Onginale. Bd. 91. Heft 7/8. 


Bakteriologische Untersuchung: Der uns am 1. Tage des Aufent- 
halts in der med. Klinik mit dem Vermerk „Choleraverdacht“ einge- 
sandte Stuhl war diinnfliissig, von leicht gelblicher Farbung und enthielt 
zahlreiche kleine Flocken. Die Verarbeitung erfolgte den Vorschriften 
gemaB. 

Im AusstrichprSparat fanden sich neben anderen Bakterien zahl¬ 
reiche gekriimmte, gram negative Stabchen mit deutlicher Vibrionenform. 
darunter solche, die sich von echter Cholera kaum unterscheiden lieBen. 
Es fehlte allerdings die fischzugartige Anordnung. 

Nach 6-stiind. Bebriitung zeigten sich in den von der Oberfl&che 
der Peptonkdlbchen hergestellten hangenden Tropfen kommaahnliclie, 
lebhaft bewegliche Gebilde, deren Zahl nach 12 Std. betrachtlich zuge- 
nommen hatte. Die Untersuchung am nachsten Morgen ergab sowohl 
auf den originaliter mit Material beschickten, wie auch auf den von 
Peptonwasser aus beimpften Platten zahlreiche, bzw. massenhafte, dem 
Aussehen nach der Cholera ahnliche Kolonien fast in Reinkultur, die 
aus deutlich gekrummten Mikroorganismen vom Aussehen der Vibrionen 
bestanden. Eine sofort vorgenommene orientierende Agglutination im 
hSngenden Tropfen war aber ebenso negativ wie der daraufhin ange- 
stellte Agglutinationsversuch, der mit einem Choleraeselserum vom Titer 
1:1600 vorgenommen wurde. Auch der Pfeiffersche Versuch zeigte 
ein vollkommen negatives Resultat. Es war innerhalb der 1. Std. bei 
mehrfacher Entnahme fast nichts von einer Bakteriolyse zu bemerken. 
jedenfalls war sie nicht starker als im Kontrollversuch. 

Der Verdacht, daB es sich urn Cholera handeln kdnnte, hatte somit 
durch den Ausfall der serologischen Untersuchung keine Bestatigung 
erfahren. 

Unterdessen war Patientin verstorben. Bei der Sektion, deren 
wichtigste Ergebnisse oben mitgeteilt sind, wurden zu weiterer Ver¬ 
arbeitung abgebundene Darmschlingeu aus dem oberen, mittleren und 
unteren Diinndarm entnommen, auBerdem Stucke von Leber, Milz und 
Gallenblase. In den von den genannten Leichenteilen angelegten Ori- 
ginalausstrichen fanden sich nur auf der Mucosa des mittleren Darm- 
teiles verdachtige Gebilde. Bei der Zuchtung aus Peptonwasser gelang 
es aber, auch aus den anderen Teilen die bereits im Stuhl gefundenen. 
oben beschriebenen Bakterien zu isolieren. Die isolierten Stamme 
zeigten zwischen den einzelnen Individuen leichte Verschiedenheiten; 
neben mittelgroBen, durch Fuchsin gleichmaBig gefarbten Formen, fanden 
sich auch deutlich gekriimmte Stabchen, die langer oder kiirzer als die 
eben genannten waren und teilweise eine segmentare Farbung aufwiesen. 
Bei Pep pier seller GeiBelfarbung zeigten alle Stamme eine endstandige 
GeiBel; nur bei wenigen Exemplaren waren zwei nebeneinandersitzende 
endstandige GeiBeln zu sehen. Amphitriche BegeiBelung wurde ebenso- 
wenig wie peritriche beobachtet. 

War somit der Choleraverdacht ganzlich beseitigt, so interessierte 
uns doch die Frage, um was fiir Mikroorganismen es sich im vorliegen- 
den Falle handeln und in welcher Beziehung sie zur Aetiologie der Er- 
krankung standen. Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe weiterer Unter- 
suchungen angestellt, die bald zu einem befriedigenden Ergebnis fiibrten. 

Klarung brachte die Verimpfung der Kultur auf die bei der Typhus- 
diagnose gebrauchlichen Differenziernahrboden, die aus einer Nutrose- 
lackmuslosung bestehen, der verschiedene Zuckerarten zugesetzt sind. 


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Kollath u. Lubinski, Zur Differentialdiagnose zwischen Vibrionen usw. 457 


Wir verwendeten Traubenzucker, Milchzucker, Mannit, Maltose und 
Saccharose. In diesen N&hrb5den riefen sfimtliche echten Cholerast&mme 
wie auch 6 St&mme choleraShnliche Vibrionen binnen 24 Std. auBer in 
dem mit Milchzucker versetzten Rflhrchen S&uerung und Gerinnung 
hervor, w&hrend alle aus dem vorliegenden Falle isolierten SttLmme eine 
intensive Bliuung, also Alkalisierung, bewirkten. Allein auf Grund 
dieses Verhaltens halten wir uns fflr berechtigt, die gefundenen Mikro- 
organismen als zur Gruppe des Bacillus faecalis alcaligenes 
gehflrig zu betrachten. Diese Annahme fand eine weitere Bestatigung 
in dem Verhalten auf den flbrigen, zur Prflfung herangezogenen N&hr- 
bdden, die zum Vergleich mit einem Alcaligenes-Stamm unserer 
Sammlung gleichzeitig beimpft wurden. Unsere Beobachtungen ent- 
sprachen zum grflfiten Teile den von anderer Seite (Baerthlein, 
Poliak) bereits beschriebenen. Nur bei der Prflfung der HSmolyse- 
bildung auf Kaninchenblutagar zeigte sich nach 36 Std. deutliche H&- 
molyse im Gegensatz zu den Angaben von Baerthlein. Einer be- 
sonderen Besprechung wert scheint uns das Verhalten auf Dieudon n6- 
Agar, auf dem unser Stamm ebenso kr&ftig wie echte Vibrionen wuchs. 
Bei den ersten Ueberimpfungen zeigten die Kolonien ein Aussehen, das 
sie fast gar nicht von Vibrionen abgrenzen lieB. Nach einigen Wochen der 
Weiterzflchtung jedoch zeigten sie einen dunkelgrflnen Schimmer und 
leichte Trflbung, wodurch sie sich von Cholerakolonien deutlich unter- 
schieden. Sie glichen jetzt vollkommen den Kolonien eines Alcali- 
genes - Stammes unserer Sammlung. Die im Anfacg vorhandene 
Vibrionenform ver&nderte sich im Laufe der Zflchtung insofern, als die 
Mehrzahl der Bakterien ein mehr gestrecktes Aussehen aufwies und nur 
noch wenige Individuen eine deutliche Krflmmung zeigten. Diese Krflm- 
mung konnten wir im Gegensatz zu Poliak nicht nur bei Zflchtung 
auf Dieudonn6 - Agar beobachten, sondern fanden sie auch in Bouillon- 
und Peptonwasserkulturen. 

Zur weiteren Identifizierung stellten wir uns sowohl von dem aus 
dem Stuhl gezflchteten Stamm, wie von einem in unserer Sammlung 
befindlichen echten Choleravibrio agglutinierendes Kaninchenserum her. 
Nach 3maliger Injektion lebender Kulturen ergab die Agglutination fol- 
gende Resultate: 

gegen Choleraeeruni Woitas Serum 799 *) 

Stamm Woitas 1:1600 (3200) 1: 50 (schwach) 

Stamm 799 — 1:6400 

Faecalis alcaligenes 

(Sammlungsstamm) — — 

Die Prflfung der beiden Sera mit weiteren echten Cholerastflmmen 
hatte beim Serum Woitas ein positives Ergebnis, beim Serum 799 
war auch in der starksten Konzentration keine Spur von Agglutination 
zu entdecken. Die choleraahnlichen Vibrionen wurden ebenso wie der 
Faecalis alcali genes-Stamm unserer Sammlung von keinem der 
beiden Seren beeinfluBt. Dagegen wurden die aus den verschiedenen 
Leichenteilen gezflchteten Stflmme vom Serum 799 bis zu einer Ver- 
dtinnung von 1: 800 agglutiniert. 

Unser Stamm erwies sich als fflr Meerschweinchen pathogen bei 
Verimpfung von 1 / s Oese einer 18-stund. Kultur in das Peritoneum. 


1) Scrum 799 ist mit dem aus dem Stuhle der Pat. hergeatellten Stamm her- 
geetellt. 


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458 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Intraperitoneale Verimpfung von Vio Oese, intramuskulare einer ganzen 
Oese auf Meerschweinchen hatte ebenso wie die enterale Infektion 
s&ugender Meerschweinchen und die Verimpfung in den Brustmuskel 
von Tauben keinen Erfolg. 

Eine PathogenitSt des Alcaligenes fflr Menschen ist im Allge- 
meinen wohl kauin anzunehmen. Vereinzelte Beobachtungen, in denen 
der Faecal is aus dem Blute (Baerthlein) und aus Roseolen (Pe- 
truschky) geziichtet wurde, lassen zwar eine gewisse Pathogenit&t als 
moglich erscheinen. Derartige vereinzelte Befunde aber kann man je- 
doch bei sehr vielen saprophytBr im menschlichen Korper vorkommenden 
Bakterien erheben. Es handelt sich dann, wie wir uns ausdrucken 
mbchten, um eine Zufallspathogenitat unter besonderen Bedingungen. 
Ob der Faecal is bei den Erkrankungen des Darmes, bei denen er so 
hSufig gefunden worden ist, irgendeine atiologische Rolle spielt, rauB 
dahingestellt bleiben. Beweise sind bisher dafiir nicht erbracht worden. 
Auch fur unseren Fall miissen wir die Frage der Aetiologie vollkommen 
offen lassen. 

Die Durchsicht der Literatur zeigte uns, daB Shnliche FSlle bereits 
mehrfach beschrieben sind. Poliak isolierte aus dem Darminbalt 
mehrerer an Brechdurchfall erkrankter und auch gestorbener Personen 
auf Dieudonnd-Agar Kolonien, die anfangs echten Cholerakolonien 
vollig ahnlich waren, auch aus gekrummten Stabchen bestanden und des- 
halb zunachst als Vibrionen angesprochen wurden. Bei Verbringung 
auf Agarplatten jedoch und nach mehreren Monaten der WeiterzQchtung 
bestanden diese Kolonien vorzugsweise aus Stabchen und zeigten nur 
noch einzelne gebogene Individuen. Bei Riickimpfung aufDieudonn6 
wurden die gebogenen Formen wieder zahlreicher. Das Verhalten dieser 
Mikroorganismen in den Zuckerdifferenziernahrboden ergab, daB es sich 
um den Bacillus faecalis alcaligenes handelte. Diese Formver- 
anderungen beobachteten wir auch auf alien anderen Nahrboden (Agar, 
Peptonwasser, Bouillon) und nicht nur auf Dieudonn6, wodurch 
unser Stamm den Vibrionen viel ahnlicher wird. 

Weitere ausfflhrliche Untersuchungen sind angestellt von Baerth¬ 
lein, der neben einer Zusammenfassung und Kritik der von Petruschky 
angegebenen Charakteristika des Faecalis und einer Kritik der Lite¬ 
ratur, auf die wir hier verweisen inochten, seine eigenen Erfahrungen 
mitteilt. Er stellt sich auf den Standpunkt, daB der Faecalis alcali¬ 
genes charakterisiert wird durch sein Verhalten auf den Differenzier- 
nahrboden (Alkalibildung), und daB demgegenuber alle anderen be- 
schriebenen Kennzeichen nicht konstant sind. So kann man auch bei 
scheinbaren Vibrionen einen Faecalis vor sich haben. Eine Stabchen- 
form ist nicht Bedingung. Dagegen ist in der Diskussion zu Baerth- 
leins Vortrag von Lentz der Einwand erhoben worden, es sei nicht 
angBngig, auf diese Weise derartige vibrionenahnliche Mikroorganismen 
nur auf Grund ihres biologischen Verhaltens in den Differenziernahr- 
boden unter Hintansetzung ihrer Form zu klassifizieren. Wir inochten 
uns aber mit Handel und Neufeld (Diskussionsbemerkungeu) auf 
Baerthleins Standpunkt stellen, zur Gruppe der choleratihnlichen 
Vibrionen nur diejenigen zu rechnen, die nicht mit dem Bacillus fae¬ 
calis alcaligenes in bezug auf die Alkalibildung gleiche biologische 
Eigenschaften haben. Bekanntlich sind die einzelnen StSmme ja nicht 
nur kulturell und ihrer Form nach verschieden, sondern auch in sero- 
logischer Hinsicht sind sie oft so different, daB ein Faecalis-Serum 



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Czickeli, Biologisches iiber den Erreger der Coli-Pyelocystitis. 


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meist nur seinen homologen Stamm, nicht aber einen heterologen beein- 
fluBt. Wahrscheinlich haben wir es mit ahnlichen Verh&ltnissen zu tun, 
wie sie beim Coli, Proteus u. a. vorliegen. Als Beispiele fiir die 
Verschiedenheit der einzelnen St&mme mbchten wir noch besonders auf 
die bei unserem Stamme gefundene Fahigkeit der Hamolysebildung und 
die Tierpathogenitat hinweisen. Nach Baerthlein soli Hamolyse nie 
beim Faecalis vorkommen. Die von uns beobachtete Tierpathogenitat 
ist bisher nur lmal von Petruschky beschrieben worden, wahrend 
andere eine solche nicht beobachten konnten. 

Die Haufigkeit des Vorkommens von vibrionenahnlichen Formen 
des Bacillus faecalis alcaligenes beleuchtet die Angabe von 
Stutzer, daB unter 15 wahrend der Choleraepidemie in Woronesh iso- 
lierten „choleraahnlichen Vibrionen u 14! Alkalisierung der Differenzier- 
n&hrboden bewirkten und deshalb zur Faecalis-Gruppe gerechnet 
wurden. Vielleicht erfahren durch ausgedehntere Anwendung der Diffe- 
renziem&hrbdden manche Faile von Vibrionen, die nicht agglutiniert 
wurden, eine einfache Aufkiarung. 

Benutste Literatur. 

1) Baerthlein, Ueber choleraahnliche Vibrionen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 67. 1912. 8. 321.) — Ders., Ueber die Differentialdiagnose der choleraahnlichen 
Vibrionen. (Berl. klin. Wochenschr. 1912. S. 156.) — 3) Ders., Diskussionsbemer- 
kungen zu vorstehendem Vortrage von Lentz, Handel u. Neufeld. (Ebenda. 1912. 
8. 181/2.) — 4) Stutzer, Die biologischen Eigenschaften der in Woronesh wahrend 
der Choleraepidemie des Jahres 1911 beobachteten choleraiihnlichen Vibrionen. (6. all- 
mss. Bakt.- u. Epidemiologenkongrefi; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 74. 1923. 8. 31.) 
— 5) Petruschky, Bakteriochemische Untereuchungen. (Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. 
1889. 8. 625, 657.) — 6) Ders., Bacillus faecalis alcaligenes (n. sp.) (Ebenda. 
Abt. I. Bd. 19. 1896. S. 187.) — 7) Ders., Versuche zur spezifischen Behandlung des 
Typhus abdominalis. (Ztschr. f. Hyg. Bd. 11. 1902. 8. 573.) — 8) Poliak, Ueber 
Formenwechsel bei dem Bacillus faecalis alcaligenes. (Ebenda. Abt. I. Orig. 
Bd. 68. 8.288.) — 9) Ders., Ueber den klinischen Nachweis des Typhusbazillus. (Hyg. 
Rundsch. 1897. S. 22; Centralbl. f. klin. Med. 1896. 8. 786.) — 10) Ders., Ueber 
vibrionenahnliche Formen des Bacillus faecalis alcaligenes. (Berlin, klin. Wo¬ 
chenschr. 1912. 8. 399.) 


Nachdruck verboten. 

Biologisches iiber den Erreger der Coli-Pyelocystitis. 

I. Mitteilung: Agglutinationen mit den Patientenseris. 

[Aus der Universitatskinderklinik Graz (Prof. Franz Hamburger.] 
Von Dr. Hermann Czickeli, Assistenten der Klinik. 

Der Zweck vorliegender Arbeit ist die Klirung der Frage, gibt es 
ein durch besondere biologische Eigenschaften ausgezeichnetes Bac¬ 
terium coli, welches die Coli-Pyelocystitis verursacht? 

Die bestehenden ErklSrungsversuche fiber den Modus der Infektion 
der Blase bzw. des Nierenbeckens, mag nun eine Aszendierung durch 
die Harnrohre, h&matogene Infektion, also konsekutive Cystitis als Folge 
der Pyelitis, lymphogene Infektion, Durchwanderung durch die Darm- 


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Centr&lbl. f. B&kt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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wand oder sonst eine Theorie herangezogen werden, kfinnen das Zn- 
standekommen der Pyelocystitis nicht restlos erklaren. 

Wenn wir nun bedenken, dafi von der groBen Zahl der Kinder, die 
eine Darmstbrung durchmachen, nur einige wenige an Pyelocystitis er- 
kranken, und daB weiter von vielen Kindern, welche unter den gleichen 
hygienischen Verhaltnissen leben und keinen Darmkatarrh haben, a nr 
ein geringer Bruchteil eine Pyelocystitis aquiriert, so mussen wir eine 
besondere Disposition bei den Erkrankten annehmen. 

Es war der Gedanke naheliegend, ob nicht am Ende die Ursaehe 
im Erreger selbst gelegen sei, also ahnlich, wie es z. B. von der Spiro- 
chaeta pallida berichtet wird, daB neurotrope Stamme gefunden 
wurden, eine die Pyelocystitis verursachende „urotrope“ Coli-Abaj-t 
vorhanden sei, welche sich durch eine besondere Affinitat zum Urogeni- 
talsystem auszeichnet. 

Die KlSrung dieser Frage hoffte ich mit Hilte der Agglutination 
zu erbringen. Zu diesem Zwecke wurde aus jedem Falle von Coli- 
Pyelocystitis ein Coli-Stamm durch das hygienische Institut heraus- 
gezuchtet 1 ). Als Kriterien, ob das betreffende Bacterium wirklich 
ein Coli ist, wurde untersucht: 

1) F&rbbarkeit — gramnegatives, plumpes Stabchen; 2) Trauben- 
zuckeragar — Verg&rung; 3) Milchzucker — Saurebildung; 4) Neutralrot- 
agar — Fluoreszenz; 5) Milch — Gerinnung; 6) Indolreaktion — positiv. 

Was die Beweglichkeit anbelangt, so waren von 16 „Cystitis-Coli“- 
St&mmen 11 unbeweglich und 5 schwach beweglich. Die gut-aggluti- 
nablen Stamme 2 und 4 waren unbeweglich, wahrend die niemals 
agglutinablen Stamme 1, 8, 11, sowie die Stamme 14 und 17 schwache 
Beweglichkeit zeigten. Von den 8 Darm-Coli-Stammen waren 5 un¬ 
beweglich, 3 schwach beweglich (bewegliche Stamme 18, 34, 37). 

Als Kriterium, ob das betreffende Bakterium ein Coli ist, wurde 
die Beweglichkeit bzw. Unbeweglichkeit nicht verwertet, da nach den 
Befunden von Stochlin, der unter 300 Coli-Stammen 116 beweg¬ 
liche und 184 unbewegliche fand, und desgleichen nach den Befunden 
von R. Jaffb, Venema u. a. die Inkonstanz der Beweglichkeit als 
erwiesen gelten muB. 

Die Hoffnung, mit Hilfe der Agglutination die Frage, ob es ein 
„Cystitis Coli 11 gibt, zu klaren, war keine sehr groBe. Die Unter- 
suchungen von Achard-Bensaude, van der Velde, Wolf, Rot- 
tenberger, Jatta, Durham, sowie die neueren Untersuchungen 
von E. Meyer, Klieneberger u. a. haben ergeben, daB die Agglu¬ 
tination nicht zur Identifizierung oder Zugehbrigkeitsbestimmung zu 
verwerten sei, und zwar auch nicht mit Hilfe eines polyvalenten Serums. 
Zugehorigkeit zur Coli-Gruppe konne man bei positivem Ausfall be- 
haupten, bei negativem nicht ausschlieBen. Die schon von Escherich 
aufgestellte Hypothese, daB die Anpassung der infizierenden Coli- 
Stamme an den Organismus geradezu personliche C o 1 i - Rassen hervor- 
gehen laBt, fand durch die Ergebnisse der Agglutination voile Bestati- 
gung (Pfaundler, Wolf, Jehle u. a.). 

Die Methodik, welche wir anwendeten, war folgende: Es wurden 
Verdfinnungen von 1:10, 1:40, 1:160, 1:640 usw. hergestellt, und 
zwar betrug die ganze Menge der Serumkochsalzlosungmischung 0,6 ccm. 

1) An dieser Stelle mochte ich deni Grazer Hygienischen Institute (Direktor 
Hofrat Dr. Prausnitz) und speziell Herrn Prof. Hammerschmidt fur die groBe 
geleistete Arbeit meinen besten Dank aussprechen. 


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Agglutination dee Serums cystitiekranker Kinder mit deni aus dein Ham der Kranken geziichteten 


Czickeli, Biologisches fiber den Erreger der Coli-Pyelocyatitie. 461 


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Dazu warden 3 Tropfen einer 24 Std. alten, frisch abgeschwemmten 
Coli-Kultur zugesetzt. Anfangs wurden die Rohrchen 12 Std. im 
Brutschrank and dann noch 3—6 Std. bei Zimmertemperatur stehen 
gelassen. Das lange Stehen im Brutschrank hatte den Nachteil, daB 
oftmals eine diffuse Triibung des Rohrcheninhalts eintrat, welche TrQbung 
das Ablesen der Reaktion wesentlich erschwerte. Im Laufe der Zeit 
stellte sich heraus, dafi ein 3-stund. Verweilen im Brutschrank und das 
12-stiind. Stehenlassen bei Zimmertemperatur vollauf gentige. Wenn 
nach 3-stund. Aufenthalt im Brutschrank keine Agglutination eingetreten 
war, trat eine solche nach unseren Erfahrungen auch nach 12—18-stflnd. 
Aufenthalt nicht ein. Die 1. Ablesung erfolgte nach 15—18 Std., die 
2. 24 Std. nach der 1. In Betracht kommende Unterschiede zwischen 
beiden Ablesungen wurden nicht bemerkt. 

Agglutinationen wurden angestellt: 

1) Mit den Seris Cystitiskranker Kinder und alien fallweise vor- 
handenen „Cystitis-Coli“-St&mmen. 2) Mit den Seris von mehr als 
100 Kindern, welche wegen der verschiedenartigsten Krankheiten auf- 
genommen worden waren, jedoch keine Pyelocystitis hatten, wurden 
Kontrollagglutinationen vorgenommen. 

Ueber die zur Kontrolle der beobachteten Agglutinationen vorge- 
nommenen Tierversuche und ihre Ergebnisse werde ich in der n&chsten 
Mitteilung berichten. 

Bevor ich nun die Ergebnisse der Agglutinationen berichte, mSchte 
ich klarlegen, was ich unter positiver Agglutination verstehe. Die For- 
derung, welche bei Dysenterie und Typhus gestellt wird, dafi namlich 
eine grobflockige Zusammenballung und Ausfailung der Keime eintrete, 
kann auch bei der Coli-Agglutination ebensowenig aufrecht erhalten 
werden wie bei Typhus und Dysenterie (Widowitz). Als positive 
Agglutination werte ich jede, auch feiner flockige Verklumpung und 
Ausfailung der Bakterien, welche sich dann beim Stehen in mehr oder 
weniger ausgesprochener Sternfigur am Boden des Giaschens nieder- 
setzen und beim Wiederaufschiitteln deutliche Flockenbildung aufweist. 
Bei Fallen von spurweiser Agglutination ist der Vergleich mit der 
Kontrolle sowie der Befund unter dem Agglutinoskop ausschlaggebend. 
Bei negativem Ausfall der Reaktion senken sich die Bakterien in einem 
Punkte an die tiefste Stelle des Giaschens, oder es bleibt eine diffuse 
Triibung bestehen. 

Die Ergebnisse der Agglutination des Serums pyelocystitiskranker 
Kinder mit den aus dem Harn geziichteten Coli-Stammen bringt 
nachfolgende Tabelle. 

Bei Betrachtung der Tabelle fallt als augenfailigste Tatsache auf, 
das samtliche Sera den Coli-Stamm 2 und 4 agglutinieren, und zwar 
wird im allgemeinen der Stamm 2 besser agglutiniert als der Stamm 4 
und es tritt die Agglutination in alien Fallen ein, wahrend beim Stamm 4 
eine fragliche Reaktion vorkommt. 

Der erreichte Agglutinationstiter ist im allgemeinen kein hoher; von 
den 17 gepriiften Seris agglutinieren den Stamm 2 eins (13) nur bei 
1 : 10 sicher, 8 bis 1 : 40, weitere 2 bis 40 und fraglich bis 1: 160, 3 bis 
1 :160 und nur 3 bis 1:640. Auffallend ist, daB der Stamm 2 von 
dem Serum des Patienten 2 nur bis 1:160 agglutiniert wird, wahrend 
das Serum anderer cystitiskranker Kinder den fur sie fremden Stamm 
bis 1:640 agglutiniert. Zu betonen ist jedenfalls die Tatsache, dafi 
samtliche zur Verfiigung stehenden Sera den Stamm 2 und auch bis 


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Czickeli, Biologisches iiber den Erreger der Co 1 i-Pyelocystitis. 463 

auf eine Ausnabme den Stamm 4 agglutinieren, wShrend z. 6. Kle- 
mens and Mahler, die, ebenso wie Zupnik, fflr eine Gattungsspe- 
zifit&t des Serums bei Coli-Infektionen eintraten, nur lmal in einem 
Falle von Coli-Sepsis ein Serum fanden, daB von 32 Stammen 12 in 
der Verdunnung 1:40—1:400 agglutinierte, bemerkenswerterweise den 
eigenen Stamm nur in der Verdtinnung 1:80. Diese Beobachtung ist 
der unserigen in bezug auf die relativ niedrige Agglutination des eigenen 
Stammes analog. 

Eg ist nun die Frage zu erdrtern, kann eine Agglutination von 1:10 
Oder 1:40 als positiv gewertet werden, sind das nicht die ganz unbe- 
rechenbaren Normalagglutinine, welche nach Beobachtungen verschie- 
dener Autoren (Klieneberger, GeiBe u. a.) noch in Verdiinnungen 
von 1:2560 wirksam sein konnen, oder handelt es sich um „Restim- 
munagglutinine“ (Widowitz). 

Zur Entscheidung dieser Frage wurden bei mehr als 100 Kindern 
Agglutinationen ihres Serums mit dem am besten agglutinablen Stamm 2 
vorgenommen, und nur in 3 Fallen positive Ergebnisse erzielt (2 X 
1 :10, 1 X 1 : 40), eine Zahl von der man wohl annehmen kann, daB die 
Kinder vor kiirzerer oder langerer Zeit eine Coli-Pyelocystitis durch- 
gemacht haben, um so mehr, da alle 3 Madchen waren (Alter 6 Wochen, 
5 und 8 Monate). Ebenso findet Kramer, daB die in den ersten Lebens- 
wochen fiir das Bacterium coli gefundenen Normalagglutinine stetig 
abnehmen, um in dem 2.—3. Monat vollkommen zu schwinden. In einem 
4. Falle, und zwar dem Kinde 39 unserer Tabelle, wurde bei der Agglu¬ 
tination ein Titer von 1:40 bzw. 1:160? erreicht. Das war auffallig, 
da der Patient ein ca. 10-jahr. Knabe war. Es wurde daraufhin der 
frisch gelassene Ham des Knaben sofort nochmals untersucht, und 
man fand im Zentrifugat sparliche Coli-Bakterien und Leukozyten. 

Nach all diesem komme ich zu dem SchluB, daB unsere Aggluti¬ 
nationen, selbst wenn sie nur den Titer von 1: 1—1:40 erreichen, als 
etwas spezifisches angesehen werden miissen. Es ware doch ein hbchst 
sonderbarer Zufall, wenn unter mehr als 100 Kontrolluntersuchungen 
nur 3 positiv ausfielen, wahrend in 17 Fallen nachweisbarer Coli- 
Krankheiten samtliche die Stamme 2 und 4 agglutinierten. 

Kurz zusammengefaBt, sind die Ergebnisse der auf der Tab. I zu- 
sammengefaBten Agglutinationen: 1) Das Serum von 17 an Pyelocystitis 
erkrankten Kindern agglutiniert ausnahmsweise den Stamm 2, in 16 Fallen 
auch den Stamm 4. — 2) Bei 100 Kontrollagglutinationen des Serums 
nicht pyelocystitiskranker Kinder agglutinieren nur 3 Sera von Madchen 
den Stamm 2. 

Die widersprechenden Ergebnisse, welche die verschiedenen Autoren 
bei der Agglutination des Bact. coli fanden, sind wohl am besten 
damit zu erklaren, daB man nur sehr selten Stamme findet, welche eine 
solch gute Agglutinabilitat aufweisen, daB sie durch das Serum jedes 
an Pyelocystitis erkrankten Kindes agglutiniert werden. Auch kam mir 
das Gluck zur Hilfe, denn ebensogut wie in diesem Falle der gut agglu- 
tinable Stamm der 2. zur Untersuchung gekommene ist, hatte er auch 
der 37. oder 100. sein kdnnen. 


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CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Nachdruck verboten. 

InfluenzabaziUen als Eitererreger. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitfit Breslau (Direktor: Geh. 

Med.-Rat Prof. Dr. R. Pfeiffer).J 

Von Dr. Herbert Lublnski, Abteilungsleiter am Institut. 

Im Gefolge der Grippe treten eine Reihe von Komplikationen auf, 
die als mit ihr in ursfichlichem Zusammenhang stebend angesehen 
werden miissen. Die Literatur bietet hierfiir eine Unzahl von Beispielen, 
die zu erw&hnen weit fiber den Rahmen dieser Arbeit gehen wfirde. 
Geringer schon ist die Zahl derjenigen Veroflentlichungen, bei denen es 
gelungen ist, den zwar noch umstritteneD, aber doch von sehr vielen als 
Erreger der pandemischen Grippe angesprochenen Influenzabazillus nach- 
zuweisen und so den urs&chlichen Zusammenhang sicherzustellen. 

Im Verlaufe der letzten Jabre sind nun im biesigen Institut eine 
gauze Reihe von Influenzabazillenbefunden erhoben worden, die zum 
Teil eine so atypische Lokalisation zeigten, dafi ich mich entscblossen 
habe, sie einer weiteren Oeffentlichkeit zu unterbreiten. Sind sie doch 
geeignet, die Anschauung von dem „harmlosen Saprophyten“ zu wider- 
legen und eine Stfltze fur die Pfeiffersche Anschauung zu geben. 

Dafi derartige Befunde nicht hfiufiger erhoben werden, liegt wohl 
daran, dafi 1) Dur in einem geringen Prozentsatze eine bakteriologische 
Untersuchung des Eiters erfolgt, 2) aber in den Laboratorien nicht syste- 
matisch auf InfluenzabaziUen gefahndet wird. 

Seitdem im hiesigen Institut jeder eingehende Eiter auch auf Le¬ 
vi ntal-Agar ausgestrichen wird, der sich uns als ein ausgezeichneter 
Nfihrboden erwiesen hat, haben wir eine gauze Reihe von Influenza- 
bazilleninfektionen feststellen konnen, die sonst wohl kaum zur Beob- 
achtung gekommen wfiren. Ich bin fiberzeugt, dafi so mancher Fall, 
der dem Influenzabazillus zuzuschreiben ist, mit dem Vermerk nSteril 11 
das Labor verlafit, besonders dann, wenn die Zahl der Keime gering ist. 
so dafi sie im Originalpr&parat fibersehen werden kSnnen. 

Dafi der Influenzabazillus Eiterungen an alien nur moglichen Stellen 
des Korpers hervorrufen kann, ist eine lfingst bekannte Tatsache und 
gleich nach der Entdeckung der Bazillen durch Pfeiffer festgestellt 
worden. Eine umfassende Zusammenstellung aller dieser Falle bis zum 
Beginn dieses Jahrhundcrts stammt von Perez. 

Ich will mich daher nur mit der Literatur befassen, die nach der Perezschen 
Arbeit erschienen ist und verzichte weiterhin auf alle die Falle, bei denen der Nach 
weis der InfluenzabaziUen nicht einwandfrei gefiihrt ist, wobei ich diesen ale erbracht 
ansehe, wenn es sich um gramnegative Stabchen von typischem Aussehen und strenger 
Haraoglobinophilie handelt. Bei den von mir beschnebenen Fallen ist die Diagnose 
im letzten Jahre aufierdem noch durch Agglutination mit spezifischen Sera erhartet. 

Eintrittspforte und Hauptsitz des Influenzabazillus im menschlichen Korper sind 
die Respirationsorgane, zu welchen sie wohl ausschliefilich auf dem Wege der Tropf- 
cheninfektion gelangen. Da erscheint es auch nicht weiter verwunderlich, wenn sie aus 
den eitrigen Prozessen der Lunge durch Nekrotisierung der eine Scheidewand bildenden 
Pleura in die Brusthohle gelangen und dort ihre Wirkung entfalten. 

Der Nachweis im Empyemeiter ist haufig gelungen, und auch ich konnte eine 
Reihe derartiger Falle beobachten, hauptsachlich in der Zeit. in der die Pandemie noch 
wutete. Auf diese Falle einzeln einzugehen, eriibrigt sich, sie stellen nichts Besonderes 
dar. Nur ganz kurz mochte ich Folgendes erwiihnen: Abgesehen von zahlreichen Be- 
funden an Leichenmaterial, konnten wir in 7 Fallen InfluenzabaziUen teils in Reinkultur. 
teils vergesellschaftet mit Strepto-, Staphylo- und Pneumokokken aus dem eingesandteo 


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Lubinski, Influenzabazillen als Eitererreger. 


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Eiter herausziichten. Bis auf einen kamen alle Falle mit dem bereits ausgebildeten 
Empyem zur Behandlung, betrafen noch in kindlichem Alter stebende Personen und 
fallen in die Zeit der Pandemie. Der eine Ausnahmefall betraf einen 36-jahr. Mann, 
der seit 2 Jahren an einer Tbc. litt. Es mufl dahingestellt bleiben, ob die Tuberkulose 
im Gefolge einer Grippe aufgetreten ist, oder ob die Influenzabazillen zu der bereits 
bestehenden Tbc. hinzugetreten und den todlicben Ausgang besehleunigen balfen. 

Allgemein bekannt ist auch die Moglichkeit einer Erkrankuug der Meningen durcb 
Influenzabazillen. Hierliber hat aus dem biesigen Institut anlafllich zweier von ibm 
beobachteter Falle bereits Bender ausfiihrlich oerichtet, auf dessen Arbeit besonders 
bezuglich Literaturangaben verwiesen wird. Ich beschranke mich daher auf die Er- 
wahnung derjenigen Publikationcn, die nach Erscbeinen der genannten Arbeit veroffent- 
licht worden sind. 

So bericbtet Kotz iiber 2 Falle von Meningitis mit Influenzabefunden in Reiu- 
kultur: in dem einen Falle fanden sie sich aufier in dem Eiter der Hirnhaut noch in 
der Pleura, in den Bronchien und im Mittelohr, in dem anderen auBerdem noch im 
Liquor. Ferner berichten Rivers und Kohn iiber 13 Falle von Influenzabazillen- 
Meningitis, Oeller iiber einen gleicben Befund bei einer 38-jahr. Frau, die gebeilt 
wurde. Feer sah 2 Falle eitriger Meningitis mit einem Reinkulturbefund von In¬ 
fluenzabazillen und Man son schildert den Fall eines 7 Mon. alten Sauglings, der 
gleicbfalls an Hirnhautentzundung derselben Aetiologie zugrunde ging. 

Als ecbte Influenzabazillen sind wohl auch die von Engering in 4 Fallen ge- 
fundenen Stabchen anzusehen, die er als Influenza-ahnliche bezeichnet, da sie serologisch 
eine Sonderstellung einnehmen, d. h. von einem spezifischen Serum nicht agglutiniert 
warden. Nun ist aber die Frage der Agglutination der Influenzabazillen noch nicht 
so weit geklart, daB man aus dem Versagen der Reaktion derartige Schlusse ziehen 
kann. Ich selbst habe mich mit der Serologie der Influeuza befaBt, und es ist mir, 
wie ich glaube, gelungen, eine Methode zu finden, durch die es gelingt, fast alle auf 
Grund der sonstigen Kriterien als Influenzabazillen anzusprechende Sliibchen zur Agglu¬ 
tination zu bringen. Auf die gewdhnliche Art und Weise geht es meist nur mit den 
homologen Sera. Austuhrliches daruber werde ich in Balde veroffentlichen. 

Endlich mochte ich noch die Arbeit von Reiche einer eingehenden Besprechung 
unterziehen. R. hat wahrend der Pandemie 1918/19 die Lumbalfliissigkeit von 38 Pa- 
tienten, die eine schwere Grippepneumonie batten und von denen 29 meningeale, 
9 echte meningitische Reizerscheinungen aufwiesen, untersucht. Von diesen 38 Pa- 
tienten waren 2 Kinder unter 3 Jahren, 32 standen zwischen 14 und 29, 4 zwischen 
30 und 52 Jahren. 21 Falle verliefen letal. Er fand im Lumbalpuuktat 2mal Pneumo- 
kokken und lmal Streptokokken, in den restlichen 36 Fallen war der Liquor steril. 
Dahingegen hatte er in 2 Fallen aus dem Jahre 1917 — 10 Mon. alter Knabe und 
22 Jahre altes Madchen — reine Influenzabazillenmeningitis feststellen konnen. 

Auf Grund dieser Befunde kommt er zu folgenden Schliissen: „Diese beiden 
Falle bestatigen die pathogene und eitererregende Eigenschaft der Influenzabazillen. 
Sie ereigneten sich in epidemiefreier Zeit. Dieser Umstand mit deni, daft bei unsereu 
meningitisch verlaufenden echten Grippeerkrankungen bei schwer nerrschender Epi¬ 
demic niemnls der Pfeiffersche Bazillus nachgewiesen werden konnte, spricht, ohne 
daB es noch weiterer Beweise bedurfte, ebenso sehr gegen den lnfluenzabazillus als 
Erreger der epidemischen Grippe wie das Vorkommeu der reinen Influenzameningitis 
fast ausschlieBlich bei Kindern, insonderheit bei Sauglingen, wo doch die Neigung ge- 
rade der jugendlichen Erwachsenen, am starksten der Infektion zu erliegen, zum min- 
desten den letzten Ausbruchen das Geprilge gab.“ 

Nun, es bedarf wohl noch weiterer Beweise, und zwar am besten positiver, die bis 
jetzt meines Wissens noch nicht erbracht sind. Eine ganze Reihe Autoren konnte 
wahrend der Pandemie Influenzabazillen in den Meningen teils noch intra vitam teils 
bei der Sektion feststellen. DaB diese Belunde nicht mit 100-proz. Genauigkeit er- 
hoben werden, diese Tatsache trifft nicht allein den lnfluenzabazillus, sondern das hat 
er wohl mit alien pathogenen Keimeu gemeinsam. Ich erinnere nur an die Schwierig- 
keit der Meningokokkendiagnose. Des weitercn aber muB man besonders bei den nur 
mit leichten meningealen Reizerscheinungen einhergehenden Fallen auch an reine Toxin- 
wirkung denken. Was nun die Haufigkeit der raeningealen Infektion gerade bei Kin¬ 
dern gegeniiber der Predisposition des Mannesalters fur die gewohnliche Form der 
Grippe angeht, die ebenfalls als ein Beweis gegen die atiologische Bedeutung des In- 
fluenzabazillus angefuhrt wird, so ist dem eutgegenzuhalten, daB wenigstens in bezug 
auf die Mortalitat nach von mir in Breslau angeslellten statistischen Untersuchungen 
die Beteiligung des jiingsten Alters hoher ist, ads die irgendeiner anderen Altersstufe. 
Und warum sollten die Meningen im kindlichen Alter nicht besonders fur den In- 
fluenzabazillus empfanglich sein? Mir scheinen die ISchluBfolgerungen auf bedenklich 
schwachen FuBen zu stehen. 

t-ute Abt. Orig. Bd. 91. Heft 7/8. 30 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Meine eigenen Beobachtungen erstrecken sich auf 5 Falle, von denen 
4 SSuglinge betrafen und wShrend der Pandemie zur Beobachtung kamen. 

Fall I. 

5 Mon. alter Knabe kommt, am 4. Tage der Erkrankung, zur Beobachtung. 
Schwache meningitische Erscheinungen, Fontanelle gespannt, nicht vorgewolbt. Lumbal- 
punktion ergibt keine Druckerhohung. Liquor sehr triibe, Pandy ++, Nonne 

Bakteriologischer Befund: Zahlreiche polynukleare Leukozyten, massenhaft In- 
fluenzabazillen in Reinkultur. 

Fall II. 

8 Mon. altes, bisher glanzend entwickeltes Brustkind kommt in schwer krankem 
Zustande in die Klinik. 

Untersuchung ergibt einen interlobaren Prozefi. Terminale Krampfe geben Ver- 
anlassung zu einer Lumbalpunktion, obne dafi meningitische Erscheinungen vorliegen. 
Bei starkem Druck wird triiher Liquor entleert, der denselben Befund wie Fall I aufweist. 

Fall III. 

6 Mon. altes schwachliches Madchen, das mit meningitischen Erscheinungen zur 
Aufnahme gelangt. Es findet sich auSerdem eine Schwellung des rechten Oberschenkele. 
Die Untersuchung der Lungen ergibt maSige Bronchitis. Eine am 2. Tage vorgenom- 
mene Untersuchung des Lumbalpunktates zeigt die Anwesenheit von Influenzabazillen, 
die auch im Eiter eines tief liegenden Abszesses der rechten Gesafiseite, der beim Ein- 
spritzen von Serum angeslochen wird, in Reinkultur gefunden werden. 

Das Befinden des Kindes versch lech ter t sich zusenends. 2 Tage vor dem Tode tritt 
eine Schwellung des rechten Handgelenks auf, die bakteriologisch nicht untersucht ist. 

Fall IV. 

Nahere klinische Daten waren nicht zu erlangen. 

Die Untersuchung des eingesandten Lumbalpunktates zeitigte folgendes Ergebnis: 
Im Originalausstrich polynukleare Leukozyten, Lymphozyten, gram negative, zarte Slab- 
chen. Kulturell influenzaverdachtige Stabchen, die ausschliefihch auf Levintal-Agar 
wachsen, aber nur in einer Generation fortgeziichtet werden konnen. 

Samtliche Falle endeten letal. 

Aus dem Rahmen der geschilderteu 4 Falle fallt der letzte heraus, 
der im Laufe dieses Herbstes zur Beobachtung kam. Es handelt sich 
um einen 16jahr. Jungen, der wegen einer durch Hufschlag erfolgten 
schweren Sch&delverletzung in die chirurgische Klinik eingeliefert wurde. 
Die Verwundung geht bis auf die Dura, die ein grofies Loch aufweist 
Die ersten 2 Wochen verlaufen reaktionslos. Ganz plotzlich treten eines 
Morgens schwere meningitische Erscheinungen auf. Lumbalpunktion 
ergibt stark getrubten Liquor. Es erfolgt eine eingehende Revision der 
Wunde, tSglich wird lumbalpunktiert und Urotropin intravenbs gegeben. 
6 Tage nach Beginn der Meningitis wird der Liquor zur bakteriologi- 
schen Untersuchung eingesandt. Es finden sich niassenhaft polynukleare 
Leukozyten und morphologisch als Influenzabazillen imponierende Stab¬ 
chen, die sich nicht ziichten lassen (Wirkung des Urotropins?). Zur 
Sicherung der Diagnose wird mit dem Serum des Patienten ein Widal 
angestellt, der ein positives Ergebnis hat. 5 Stationsstamme werden 
bis zu einer Serumverdiinnung von 1:160 agglutiniert. Die meningiti¬ 
schen Erscheinungen gingen im Laufe der nachsten Tage zuriick. Pa¬ 
tient wurde von seiner Meningitis vollig wiederhergestellt. Wegen der 
Wunden befindet er sich noch in Behandlung. 

In diesem Falle diirften die Erreger vermutlich, wenn auch eine 
Iufektion von auBen her nicht von der Hand zu weisen ist, vom Nasen- 
Rachenraum des Patienten aus im Gefolge der Lymphbahnen zu den 
Hirnhauten gelangt sein und dort einen Locus ininoris resistentiae ge¬ 
funden haben, der ihneu Gelegenheit zu pathogener Wirksamkeit bot. 

Wenn ich, abgesehen von Fall 5, die Hauptmomente meiner Beob¬ 
achtung zusammenfasse, so kann folgendes gesagt werden: 

Es findet sich in alien Fallen in der Vorgeschichte oder im Beginn 
der Erkrankung eine grippale Infektion der Lungen: von dort aus sind 


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Lubinski, Influenzabazillen als Eitererreger. 


467 


die Erreger vermutlich auf metastatischem Wege ins Gehirn gelangt, 
eine Tatsache, die besonders bei Kindern im jQngsten Alter vorzu- 
koramen scheint und von iibelster Vorbedeutung filr den Ausgang der 
Erkrankung ist. 

Von diesen Fallen unterscheidet sich der 5. in folgenden Punkten: 

1) durch das Alter des Patienten, 2) durch den Zeitpunkt der Er¬ 
krankung (epideraiefreie Zeit), 3) durch den Modus der Infektion und 
das Fehlen der Erscheinungen von seiten der Lungen und 4) durch den 
Ausgang in Heilung, der bei den seltenen Fallen einer Erkrankung 
aiterer Personen h&ufiger zu sein scheint als bei Kindern. 

Eine weitere Gruppe von Beobachtungen erstreckte sich auf In- 
fektionen des Sehorgans und zwar beschrankt auf eine Beteiligung der 
Conjunctiva. 

Ich raochte an dieser Stelle nicht auf die Streitfrage der Identitat 
von Influenzabazillus und Koch-Weeks-Bazillus eingehen, die in der 
neueren Literatur wieder aufgerollt worden ist (Nestlinger, Pesch, 
Schmidt). Mir scheint ein Hauptdifferenzierungsmerkmal darin zu 
liegen, daB der K.-W.-B. nicht als streng hamoglobinophil anzusehen 
ist. Alle anderen Unterscheidungsmerkmale scheinen mir nicht zuver- 
lassig genug zu sein, urn darauf einen Beweis aufbauen zu konnen: 
insbesondere ist die Variabilit&t der Morphologie des Influenzabazillus 
nach unseren neueren Erfahrungen so betrachtlich, daB auf Unterschiede 
im mikroskopischen Aussehen dieser Bazillen eine Unterscheidung mit 
Sicherheit nicht mbglich ist. Es will mir scheinen, als ob mancher einen 
K.-W.-B. vor sich zu haben geglaubt hat, der in Wirklichkeit ein In¬ 
fluenzabazillus war. 

Ich habe den Influenzabazillus als vorliegend erachtet, wenn es nach 
mehrfachen Ueberimpfungen nicht mbglich war, den fraglichen Bazillus 
auf Nahrboden mit nativem EiweiBgehalt zum Wachstum zu bringen. 

Die Zahl der von mir beobachteten Faile betragt 18, die ausschlieB- 
lich Sauglinge und Kleinkinder betrafen, eine Tatsache, die mit der von 
Lindner geSufierten Anschauung, daB hauptsSchlich das jugendliche 
Alter befallen ware, ubereinstimmt. Die Erkrankungen sind samtliche 
ohne weitere Komplikationen zur Ausheilung gekommen. Zeitlich fallen 
sie bis in die jiingste Zeit, in der ich Gelegenheit hatte,-ein endemisches 
Auftreten in einem Zimmer des Sauglingsheims zu beobachten. 

Infektionen des Augapfels selbst sind nicht zu meiner Beobachtung 
gelangt: daB sie vorkommen, steht auBer allem Zweifel. Eine ganze 
Reihe derartiger F&lle beschreibt Tschirkowsky (Keratitis, Orbital- 
phlegmone), Doetsch (Ulcus serpens), Rosenhauch (Keratitis), 
Kitagatu (Ilornhautgeschwiir), Axenfeld sowie Messerschmidt 
(Panophthalmie). 

Die interessantesten Befunde aber dflrften sich in der folgenden 
Zusammenstellung finden, die ich unter dem Namen chirurgische Kom¬ 
plikationen, zu denen allerdings auch die anfangs beschriebenea Empyeme 
gehbren, zusammenfassen mochte, da sie samtlich Veranlassung zu 
chirurgischen Eingriffen gegeben haben. Derartige Befunde sind ja 
auch schon des ofteren erhoben worden. So kamen mehrfach Erkran¬ 
kungen der Gelenke und AbszeBbildungen zur Beobachtung. Ein Fall 
ist bereits weiter oben bei den Meningitiden aufgefuhrt. Der zweite kam 
mit einer Schwellung in der linken Huftgegend in Behandlung. Durch 
Punktion wurde massenhaft gelber Eiter gewonnen, der zahlreiche In¬ 
fluenzabazillen aufwies. Rontgenologisch wurde ein ErguB im linken Hiift- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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gelenk und eine Subluxation festgestellt. Auf Inzision des Abszesees 
zeigte sich eine gute Heilungstendenz. Hiuzutretende Streptokokken- 
sepsis bei Erysipel fiihrte Exitus herbei. Die Sektion ergab: Broncho- 
pneumonische Herde in beiden Unterlappen. Bei Erfiffnung des Huft- 
gelenks entleeren sich reichliche Mengen blutig-seroser Flfissigkeit. Die 
Pfanne ist abgeflacht, der Knorpel des Femurkfipfchens zerfasert, der 
Knochen entziindlich gerotet. Das Knochenmark zeigt im Originalao s- 
strich Influenzabazillen und Streptokokken. Ich glaube, in der Annahme 
nicht fehl zu geben, wenn ich die Arthritis auf die Anwesenheit der 
Influenzabazillen zuriickfiihre, da ja die Streptokokken erst spfiter wohl 
hinzugetreten sind. 

Gelenkaffektionen im Gefolge der Grippe sind ja sehr hilufig, meistens 
klingen sie bald ab. Positive Influenzabazillenbefunde werden ange- 
geben von Fraser (eitrige Entzfindung des Kniegelenks bei einem 
6 Mon. alten M&dchen ohne sonstige Komplikationen) und von Pacchioni 
und Lon go. 

Reine Weichteilabszesse konnten 2mal auf Influenzabazillen zurfick- 
gefiihrt werden. Der eine Fall ist bereits von Schmeil aus der 
chirurgischen Klinik publiziert worden. Sitz der Abszesse war in der 
rechten und linken Orbita fiber dem Bulbus. Der 2. Fall betraf ein 
1 Jahr altes Kind mit einem AbszeB an der linken Schulter, der inzi- 
diert wurde. In einem weiteren Falle wurden Influenzabazillen aus 
einem parotitischen AbszeB gezfichtet, der nach Spaltung glatt verheilte. 

Weiterhin kam noch ein Fall von Cholecystitis zur Beobachtung: 
wegen der groBen Seltenheit lasse ich die genaue Krankengeschichte 
folgen: 

37-jahr. Frau, die im vergangenen Jahre eine schwere Grippe durchgemacht hat, 
an der mehrere Familienmitglieder gestorben sind. Im darauffolgenden letzten Winter 
litt sie an Gelenkrheumatismus. Vor mebreren Wochen hatte sie mehrfach heftige 
Schmerzanfalie, die mit Gelbfarbung einhergingen, im ganzen bisher 6—7mal. Der letzte 
Anfall war wenige Tage vor der Aufnahme in die Klinik. 

Befund: MittelgroBe, kraftige Frau in gutem Ernahrungszustande, Haut und 
Schleimhaute zeigen lkterische Verfarbung. 

Dicht unter dem rechten Kippenbogen sehr starke Druckempfindlichkeit. Man 
fiihlt eine unklare, sehr schmerzhafte Resistenz, die der Leber anzugehoren scheint; von 
letzterer ist jedoch kaum der Rand zu palpieren. Nach einige Tage lang dauernder Be¬ 
obachtung, wahread der abermals ein Gallensteinanfall auftritt, wird operiert. Die 
Gallenblase tragt Zeichen chronischer Entzundung und ist prall mit Steinen gefullt. 
Nach Unterbindung des Ductus cysticus wird die Blase entfernt und der Inhalt zur 
bakteriologischen L’ntersuchung ubersandt. Diese ergibt eine Reinkultur von Intluenza- 
bazillen. Die mit dem Serum der Patientin angestellte Agglutination hatte mit dem 
Eigeustamm in einer Verdiinnung bis zu 1: 320 mit 5 verschiedenen Stationsstammen 
bis 1:160 ein positives Resultat. Nach normalem Wundverlauf wird die Patientin ge- 
heilt entlassen. 

Der Fall zeigt in schoner Weise den Zusammenhang einer gewohnlichen 
Grippe mit einer spat auftretenden seltenen Komplikation. Die im K6rper 
verbliebenen Bazillen, denen ich auch die Schuld an den rheumatischen 
Erscheinungen zuschreiben mijchte, haben sich in der Gallenblase fest- 
gesetzt und durch chronische Reizung den AnlaB zur Bildung von Gallen- 
steinen gegeben. Es wfire allerdings auch moglich, daB die Influenza¬ 
bazillen in der bereits entzfindeten Gallenblase eine gute Moglichkeit 
ihrer Ansiedelung gefunden haben. Da aber in der Vorgeschichte keinerlei 
Angaben fiber diesbeztigliche Erscheinungen vor der Grippeerkrankung 
zu finden sind, so glaube ich doch einen ursachlichen Zusammenhang 
zwischen der Cholecystitis und den Influenzabazillen annehmen zu dfirfen. 
der durch den serologischen Befund noch erhartet ist. 


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L u b i n s k i, Influenzabazillen als Eitererreger. 469 

Ein Jlhnlicher Befund ist raeines Wissens bisher nur von Kliene- 
berger, Knina, Heyrowski und Weil erhoben worden. 

Ich hatte dann weiter die Moglichkeit, einmal Influenzabazillen aus 
dem Blute ziichten zu konnen. Da aber dieser Befund kurz ante exitum 
erhoben wurde, so glaube ich, daB es sich urn eine agonale Erscheinung 
handelt, wie sie des fifteren beobachtet worden ist. 

Einen Influenzabazillenbefund im Urin mfichte ich nur erw&hnen, 
da dieser Fall von anderer Seite eingehender besprochen werden wird. 

Diese meine Beobachtungen bieten nun zwar nichts grunds&tzlich 
Neues, sie sind aber doch wohl geeignet, mit zur Klarheit fiber die Be- 
deutung des Influenzabazillus beizutragen. Wir haben gesehen, daB das 
Pfeiffersche St&bchen vielleicht hfiufiger, als man im allgemeinen 
glaubt, in der Lage ist, auch ohne die Mithilfe der gewfihnlichen Eiter- 
spaltpilze Entzfindungen und Eiterungen zu erregen in den verschie- 
densten Teilen des menschlichen Korpers. Wenn auch nicht in alien 
Fallen eine vorangegangene Grippe mit Sicherheit festgestellt werden 
konnte, so ist sie doch mit einer groBen Wahrscheinlichkeit anzunehmen. 
Vom Respirationstraktus, ihrer Pradilektionsstelle, sind dann die Ba- 
zillen auf metastatischem Wege an die verschiedenen Punkte ihrer Auf- 
findung gelangt. Diese metastatische Verschleppung tritt besonders 
deutlich bei dem in der Reihe der Meningitiden geschilderten Fall 3 
hervor. 

Es bestatigt sich also der von Perez auf Grund seiner klinischen 
und experimentellen Studien aufgestellte Satz: „Der Bazillus Pfeiffer 
behait unter den eitererregenden Mikroorganismen eine der hervorragend- 
sten Stellen.“ 

Zum SchluB ist es mir eine angenehme Pflicht, all den Kollegen 
meinen Dank auszusprechen, die mir durch Uebermittelung der klini¬ 
schen Daten ihre Unterstfitzung in liebenswflrdigster Weise haben zu 
teil werden lassen. 

Literaturangaben. 

1) Axenfeld, Ref. nach Tschirkowsky. — 2) Bender, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 87. — 3) Doetsch, Ref. nach Tschirkowsky. — 4) Engering, 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. — 0) Feer, Korrespondenzbl. f. Schweizer 
Aerzte. 1919. Nr. 30. — 6) Fraser, Lancet 1911; Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Ref. Bd. 53. — 7) Kitagatu, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 53. — 8) Kliene- 
berger, Dtsch. med. Wochenschr. 1905. Nr. 15. — 9) Knina, Ref. nach Scheller 
in Kolle-Wassermann. — 10) Kotz, Berlin, klin. Wochenschr. 1921. 8. 413. — 
11) Levintal, Ergebn. d. allg. Pathol, usw. Jahrg. 19. — 12) Lindner, Arch. f. 
Ophthalm. Bd. 105. — 13) Lubinski, Unveroffentl. Arb. (erscheinen im Centralbl. f. 
Bakt.) — 14) Man son, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 75. — 15) Messer - 
achmidt, Hundshagen u. Scheer, Ztschr. f. Hyg. Bd. 88. — 16) Nestlinger, 
Kl. Mon. f. Augenh. Bd. 61. — 17) Oeller, Med. Klin. 1918. Nr. 44. — 18) Pac¬ 
chioni u. Longo, Ref. nach Spath, Berlin, klin. Wochenschr. 1907. — 19) Perez, 
Dtach. Ztschr. f. Chir. Bd. 59 ff. — 20) Pesch, Munch, med. Wochenschr. 1921. 
Nr. 13. — 21) Reiche, Dtsch. Ztschr. f. Nervenheilk. Bd. 68/69. — 22) Rivers u. 
Kohn, Journ. of exp. Med. 1921. — 23) Rosenhauch, Ref. nach Tschirkowsky. 
— 24) Schmeil, Dissert, a. d. chir. Universitatsklin. Breslau. — 25) Schneider, 
Arch. f. Hyg. Bd. 93. — 26) Tschirkowsky, Monatsbl. f. Augenhcilk. Bd. 49. — 
27) Weil, Ref. nach Scheller in Kolle-Wassermann, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Nachdruck verboten. 

Zur Frage der Pathogenitat des Diplococcus mucosus 

Lingelsheim. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitfit Breslau (Direktor: Geh. 

Med.-Rat. Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Dr. Herbert Lubinski, Abteilungsleiter am Institut. 

Die bakteriologische Erforschung der Meningitiden hat uns die Er- 
kenntnis gebracht, daB das klinisch einheitliche Bild der Meningitis durch 
die verschiedenartigsten Erreger hervorgerufen werden kann. AuBer den 
epidemisch auftretenden Meningokokken und den Tuberkelbazillen sind 
im Laufe der letzten Jahre noch zahlreiche andere Erreger der Hirn- 
kautentzundung nachgewiesen worden, die zum Teil bereits als pathogen 
bekannt sind, wie Pneumokokken, Streptokokken, Stapbylokokken, In- 
fluenzabazillen, zum Teil aber als Saprophyten gelten und nur unter 
besonderen Umst&nden zu pathogener Wirkung gelangen: Micro¬ 
coccus catarrhalis, Diplococcus flavus, Micrococcus tetra¬ 
gon u s u. a. 

Gelegentlich der Genickstarre-Epidemie in Oberschlesien hat Lingelsheim 190b 
bei der Untersuchung von Rachenabstrichen einen dem Meningococcus morpho- 
logisch ahnlichen Diplococcus gefunden, den er wegen der zahschleimigen Be- 
schaffenheit seiner Kolonien Diplococcus mucosus nannte. Einmal wurde er von 
ihm im Lumbalpunktat eines Pneumonikers gefunden; iiber die atiologische Be- 
deutung dieses Befundes auflert sich L. in seiuem Berichte nicht. 

In den folgenden Jahren, in denen mit der weiten Verbreitung der Lumbal- 
punktionstechnik auch die bakteriologische Untersuchung des Liquors an Haufigkeit 
stark zunahm, sind dann mehrere Veroffentlichungen erlolgt, in denen diesem Diplo¬ 
coccus mucosus, teilweise unter anderem Namen, die Rolle eines Krankheitserregers 
zugesprochen wurde. 

Lingelsheim gibt in seiner 1. Veroffentlichung folgende Beschreibung: 

Der Coccus ist gramnegativ und tritt im Originalpraparat in Form von feinen 
Diplokokken und Tetraden auf, die denen des Meningococcus auQerordentlich ahn- 
licn sind. Doch tritt bei Benutzung der Blende eine deutliche Kapsel auf. Innerhalb 
der Eiterzellen wurde er nie bemerkt. 

Auf den gewohnlichen Niihrboden wiichst er in iippigen 3—4 mm breiten, runden, 
leicht konfluierenden Kolonien, die grau durchscheinend und von saftig-viszider Be- 
sehaffenheit sind. 

Weitere Veroffentlichungen von anderer Seite folgten. die sich mit den Eigen- 
schaften dieses Mikroorganismus niiher befaSten und seine Bedeutung als Krankheits- 
erreger feststellten. Stephan berichtete als erster iiber eine grofiere Zahl von Er- 
krankungen, die er im Felde geseheu hat und auf Grund des gleichen klinischen Krank- 
heitsbildes und des gleichen E regers, den er ziichten konnte, als Endemie ansieht. 
Der Krankheitsverlauf wird folgendermaBen geschildert: akuter Beginn mit heftigen 
Kopfschmerzen, hochgradige Empfindlichkeit gegen Beriihrung und passive Bewegung, 
Nackensteifigkeit, Herpes labialis und Schiittelfroste. In einer groSen Anzahl der 
Falle trat auch eine hiimorrhagische Nephritis auf. Die Untersuchung des Liquors, 
die bei den ersten untersuchten Fallen erst im spiiteren Verlauf der Lrkrankung er- 
folgte, zeigte eine aufierordentliche Druckerhohung, die Anwesenheit sparlicher zellu- 
larer Elemente und das Fehlen von Mikroorganismen. Bei 19 Fallen hingegen, die 
bereits kurz nach Auftreten der ersten Erscheinungen in Behandlung des Beobachters 
kamen, fauden sich im Liquor teils intra-, teils extrazellular gelagerte Kokken. Die 
zellularen Elemente traten hinter den Bakterien an Zahl sehr stark zuriick. 16mal 
war der Liquor klar, 3mal war er durch die Menge der darin entbaltenen Kokken ge- 
triibt. Die Krankheit charakterisierte sich also klinisch als akut fieberhafte Allgemein- 
erkrankung mit Meningisinus ohue entziindliche Beteiligung der Meningen. Sie wird 
von Stephan aufgefaBt als Bakteriamie mit Metastasen in Nieren, Haut und Meningen. 
Die weitere bakteriologische Differenzierung, ausgefiihrt von Harzer und Langer, 



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Lubinski, Die Pathogenitat des Diplococcus mucosus Lingelsheim. 471 


lafit nach der von ihm gegebenen Scbilderung die Identitat dieser Kokken mit dem 
Diplococcus mucosus annehmen. 2 Jnhre spater fand Stephan bei einer klinisch 
als Influenza imponierenden Endemic in Leipzig Kokken, die er als mit den eben ge- 
schilderten zwar nicht identisch, aber doch verwandt bezeichnet. Er fiihrt fur diese 
den Namen Diplococcus mucosus Leipzig ein. Unter den zahlreichen Fallen, 
die er beobachtete, waren 6, bei denen eine hamorrhagische Nephritis auftrat; 3 and ere 
wiesen einen ausgesprochenen Meningismus auf, und bei 9 geiang eine ZiichtUDg aus 
dem Liquor. In alien Fallen konnte der Coccus aus dem Blut, in zahlreichen aufler- 
dem aus Sputum wie von den Schleimhauten der oberen Luftwege kulturell gewonnen 
werden. Stephan halt ihn fur einen neuen Infektionserreger bei epidemischer In¬ 
fluenza (?). l)as klinische Bild wurde bei den Kindern beherrscht von einer ausge- 
breiteten Bronchitis, wahrend bei Erwachsenen starker Schnupfen im Vordergrund der 
Erscheinungen stand. Der Verlauf der Erkrankung war bei alien Patienten gutartig. 

Noch in demselben Jahre berichtete Pollag liber einen Fall, der zuerst als In¬ 
fluenza angesprochen — auch die iibrigen Familienmitglieder waren gleichzeitig an 
„Influenza“ erkrankt — unter dem Bilde einer schweren Meningitis rasch zum Tode 
fuhrte. Auch hier konnten aus dem Liquor, der unter erhohtem Druck — 300 mm 
Wasser — stand, blutig tingiert war und eine auffallend giofie Zahl neutrophiler Leuko- 
zvten und Kokken aufwies, Mikroorganismen geziichtet werden, die mit dem Mucosus 
identisch zu sein scheinen. P. berichtet weiter fiber einen Fall von tuberkuloser Menin¬ 
gitis, bei dem durch Hinzutreten des Diplococcus mucosus ganz akut eine rasch 
zum Tode fiihrende Verschlechterung des Befindens eintrat. In einem 3. Fall, dessen 
klinische Symptome hauptsachlich in Kopfschmerzen bestanden, ergab die nach kurzem 
Krankheitsverlauf ausgefiihrte Sektion eine eitrige Meningitis cerebri. Die Riicken- 
markshaute zeigten normale Beschaffenheit. Der Liquor war vermehrt und getriibt. 
Im Lungensaft, Meningeal- und Kieferhohleneiler wurde der Diplococcus mucosus 
ebenfalls festgestellt. P. halt ihn in alien 3 Fallen fur das atiologische Agens. 

Weitere Beobachtungen stammten von Liidke, der in 4 klinisch als Meningitis 
angesprochenen Fallen, bei denen mit Sieherheit Kontaktinfektion anzunehmen war, 
den Mucosus in Eeinkultur aus dem Liquor ziichten konnte. Die Lumbaltliissigkeit 
war in alien Fallen klar, ohne zellulare Beimengungen. L. schreibt dem Diplo¬ 
coccus eine besondere Affinitat zur Haut, den Meningen und den Nieren zu. 

Ferner schildert ReuB den Fall eines 8jahrigen Knaben, bei dem es im An- 
schlufi an ein Kopftrauma zu einer Meningitis kam. Die letzte Veroffentlichung, die 
ich in der mir zuganglichen Literatur finden konnte, ist von Frenzel. Hier handelte 
es sich um eine Meningitis, die im AnschluB an eine intralumbale Tetanusantitoxin- 
injektion entstand. Der Liquor war eitrig und enthielt auBer sehr zahlreichen poly- 
nuklearen Leukozyten viele Kokken, die als Diplo- und kurze Kettenkokken meist 
extrazellular gelagert waren. Auch in den letztgenannten Fallen ist der Diplococcus 
mucosus nachgewiesen worden. 

Eigene Beobachtung. 

Die bisher verhaltnismaBig geringe Zahl von Verdffentlichungen 
laBt es gerechtfertigt erscheinen, liber 3 FiLlle zu berichten, die ich in 
jOngster Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte. 

Fall I (Stat. Nr. 3032). 

Nach den mir vom behandelnden Kollegen gemachten Angaben handelte es sich 
um ein 2'L Jahre altes, sehr elendes Kind, das in stark benommenem Zustande in Be- 
handlung kam. Es wurde zunachst eine alimentare Intoxikation angenommen und 
wegen Durchfall unter anderem mit Eiweifimilch behandelt. Da die Frage, ob Menin- 

S 'tis oder Intoxikation zu entscheiden war, wurde von einem zugezogenen Spezialarzt 
jmbalpunktion ausgefiihrt. In der darauffolgenden Nacht starb das Kind. Er¬ 
scheinungen von seiten des Kespirationstraktus wurden nicht beobachtet. Auch waren 
in der Familie des Kiudes Erkrankungen nicht festzustellen. 

Die von mir ausgefiihrte Untersuchung des Lumbalpunktates ergab 
folgenden Befund: Liquor wasserklar; das durch scharfes Zentrifugieren 
gewonnene Sediment zeigt in nach Gram gefarbtem AusstrichprSparat 
fast gar keine zellularen Beimengungen, dagegen zahlreiche Kokken, 
einzeln als Diplokokken und Tetraden gelagert; deutlich ist besonders 
bei Abblendung, eine Kapsel zu sehen. GroBe und Form der Gebilde 
waren recht verschieden und erinnerten an die Involutionsformen der 
Meningokokken. Die GroBenunterschiede betrugen bis zum 6fachen der 


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(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originals. Bd. 91. Heft 7/8. 


kleinsten Individuen, manche machten den Eindruck plumper, ovoider 
Kurzstabchen. Die F&rbbarkeit nach Gram war nicht einheitlich; neben 
vollig entfarbten waren auch solcbe Kokken zu sehen, die der Ein- 
wirkung des Alkohols st&rkeren Widerstand geleistet batten. 

Die kulturelle Untersuchung zeitigte auf samtlichen benutzten N5hr- 
bdden tippiges Wachstum der im Originalpraparat gefundenen Kokken. 
Weitere Untersuchungen konnten nicht vorgenommen werden, da Patient 
verstarb und Sektion nicht gestattet wurde. 

Fall II (Stat. Nr. 3133, 3145-47). 

Auch in diesem Falle handelte es sich urn ein Kind. Die mir von 
Herrn Prof. Mann freundlichst zur Verfiigung gestellte Krankengeschichte 
ist folgende: 

Der 4 Jahre alte Knabe Gerhard I. wurde am 11. Sept. 1923 in bewufltlosem 
Zimtand in die Nervenabteilung des St. Georg Krankenhauses eingeliefert. Nach An- 
gabe der Eltern war das Kind friiher schwachlich, bis jetzt aber nnmer gesund. Vor 
14 Tagen erkrankte es an Kopfschmerzen, Mattigkeit und Appetitlosigkeit, vor 8 Tagen 
trat wiederholt heftigee Erbrechen ein, zunehmende Schwache, seit gestern friih be- 
wufitlos. Fieberhafte, katarrhalische Erkrankungen in der Umgebung sind nicht bekannt. 

Befund bei der Einlieferung: Mage res, blasses Kind, Leib stark eingezogen, Augen 
geoffnet, Pupillen reagieren, keine Reaktion auf Nadelstiche, starke Spasmen an aileD 
Extremitaten, Unterarme gebeugt, beide Beine an den Korper angezogen, erheblicher 
Widerstand bei passiven Bewegungen, Sehnenreflexe gesteigert, beiaerseits Flufiklonue, 
links Babinski positiv, Kernigsches Phanomen beiderseits vorhanden, aber keine 
Nackensteifigkeit. Puls sehr stark beschleunigt und klein, jagcnd, 160—180 in der 
Minute. Ueber den Lungen einige diffuse und bronchitische Gerausche; keine Haut- 
erscheinungen, kein Exanthem, kein Herpes. 

12. Sept. Lumbalpunktion: Es wird ca. 10 cem klare Fliissigkeit entleert, die 
unter mafiigem Druck abfliefit, Sensorium nachher voriibergehend etwas aulgehellt, 
reagiert auf Anruf, spricht einige unverstiindliche Worte, Abendtemperatur wie am 
vorigen Tage 38°. 

13. Sept, wieder vollig bewuBtlos, schluckt aber in den Mund gebrachte Flussig- 
keiten. Es Ireten fast dauernd tonisch klonische Krampfe samtlicher Extremitaten auf, 
nur mit kurzen freien Intervallen; keuchende Atmung, gerotetes Geeicht. Temperatur 
abends 39,5. Keinerlei Reaktion auf Anrufen oder Nadelstiche, starkes Anheben der 
Beine erschwert, dabei stohnende Laute; keine Nackensteifigkeit. 

14. Sept. Unveriinderter Zustand. Abendtemperatur 39°. 

15. Sept. Die tonisch-klonischen Krampfe sind wieder sehr heftig; starker Trismus, 
so daB die Mundoffnung nur mittels Heisterscher Klemme moglich ist. Trismus 
verschwindet im Laufe des Nachmittags. Nackensteifigkeit ist heute angedeutet, auch 
Opisthotonus. Nochmalige Lumbalpunktion, Liquor wiederum vollig klar, stark be- 
scnleunigte Atmung, zeitweise an Cheyne- Stockessches Atmen erinnernd; sehr starke 
Pulsbeschleunigung, Temperatur bis 39 ansteigend; abends erfolgt Exitus. 

Bakteriologisch untersucht wurde 2mal die LumbalflQssigkeit, ein Ab- 
strich von der hinteren Rachenwand und den Tonsillen und Venenblut. 
Weitere Untersuchungen waren unmoglich, da Sektion verboten wurde. 

Der beziiglich des Lumbalpunktates erhobene Befund deckt sich mit 
dem oben geschilderten. Allerdings handelte es sich hier nicht um eine 
Reinkultur des Diplococcus mucosus, sondern es fanden sich da- 
neben noch vereinzelte Staphylokokken und gram positive Stabchen vom 
Typ der Pseudodiphtheriebazillen. Ob es sich um eine Mischinfektion 
oder um bei der Lumbalpunktion von der Haut der Einstichstelle in 
den Liquor hineingelangte Verunreiuigungen handelt, kann mit Sicher- 
heit nicht gesagt werden. Fur letztere Annahme spricht die geringe 
Zahl der gefundenen Keime, die erst durch das Kulturverfahren nach- 
gewiesen werden konnten, und der Umstand, daC sie sich nur bei der 
Untersuchung des zuerst iibersandten Liquors fanden. Besonders aus 
diesem Grunde mSchte ich daher dieser Ansicht zuneigen. Es ist aber 
auch die Moglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daC diese Keime 
gleichzeitig mit dem Erreger in die Hirnhaut gelangt sind. 


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Lubinski, Die Pathogenitat des Diplococcus mucosus Lingelsheim. 473 


Dieselben gramnegativen Kokken konnten dann im Abstrich von 
der hinteren Rachenwand und den Tonsillen nachgewiesen werden. Die 
Untersuchung des Blutes ergab vollige Sterilitat. Dagegen agglutinierte 
das Patientenserum rait samtlichen zur Verffigung stehenden Stammen 
— 1 Stamm Fall 3032, 3 St&mme aus vorliegendem Fall (2 aus Liquor, 
1 aus Rachen) — bis zu einer Verdiinnung von 1 :80, wahrend die Prii- 
fung init mehreren Meningokokkenstammen vollig negativ verlief. 

Fall III (Stat. Nr. 2361 ff.). 

Dieser Fall konnte einer eingehenderen Untersuchung unterzogen 
werden, da er sich in stationarer Behandlung der chirurgischen Uni- 
versitatsklinik befand, die mir in dankenswerter Weise folgenden Auszug 
aus der Krankengeschichte (iberlassen hat. 

Anamnese o. B. 

Status: 46 Jahre alter, in gutem Ernahruugszustande befindlicher Mann, der 
wegen eines Kleinbirntumors am 6. und 13. Okt. operiert wird. Wenige Tage nach der 
2. Operation tritt infolge Facialislahmung Lagophthalmus ein, auf dessen Grundlage 
sich ein perforierendes Ulcus corneae bildet, das weiterhin zur Panophthalmie fiihrt. 
Am Raude der Operationswunde entsteht allmahlich eine Liquorfistel. 

In den ersten Tagen nach der Operation war das Allgemeinbefinden des Pat. 
verhaltnismafiig gut; nach 10 Tagen jedoch kommt es zu dauernden Temperatur- 
erhohungen mit Erscheinungen von Meningismus (Nackensteifigkeit und Benommenheit); 
Lumbalpunktion ergibt gelblich-xanthochromes, triib-eitriges Punktat, dessen letzte 
Tropfen blutig sind. 

Die von mir vorgenommene Untersuchung des Punktates zeigte im 
Originalausstrich massenhaft polymorphkernige Leukozyten und das 
schon bekannte Bild gramlabiler Kokken, teils extra-, teils intrazellular 
gelagert. Kulturell: Reinkultur des Diplococcus mucosus. Eine 
48 Std. spater vorgenommene Wiederholung der Liquoruntersuchung 
zeigt eine leicht getrubte, blutige Fliissigkeit, in der in der Hauptsache 
Erythrozyten und Diplokokken zu finden sind, die sich zum grofien Teil 
im Zerfallsstadium befanden. Die kulturelle Untersuchung ergab Steri- 
litat. Als Grund hierfflr stellten sich unterdessen reichlich verabfolgte 
intravenose Urotropingaben heraus. Das letzte Punktat, am folgenden 
Tage wenige Std. ante exitum entnommen, war vbllig klar, zeigte gar 
keine zellulSren Beimengungen und dasselbe Bakterienbild, wie eben 
geschildert. Kulturell ebenfalls Sterilitat. 

Die Untersuchung des Blutes, vorgenommen 8 Tage nach Beginn 
der meningitischen Erscheinungen, hatte kulturell und serologisch ein 
negatives Ergebnis. Dagegen land sich im Abstrich von der Tonsille 
und der hinteren Rachenwand auBer anderen Bakterien reichlich Diplo¬ 
coccus mucosus. 

Die Sektion zeitigte insofern ein Qberraschendes Resultat, als makro- 
skopisch und mikroskopisch nichts von einer Meningitis festzustellen 
war. Fast die ganze linke Kleinhirnhemisphare ist im Zerfall begriffen. 
In der Nahe der Operationswunde erscheinen die Zerfallsmassen schmierig- 
eitrig belegt. Im ubrigen zeigten sich keine Belage auf der Pia. Die 
Sektion des Gehirns IMBt keine Besonderheiten erkennen. Die histologisclie 
Untersuchung der liDken Kleinhirnhemisphare zeigt einen Gewebszerfall, 
der bis in das Brachium pontis hineinreicht. In den Grenzgebieten nach 
dem Gesunden zu finden sich perivaskuiare Zellinfiltrate, sonst keine 
entzundlichen Veranderungen. Der librige Sektionsbefund 0 . B. 

Bakteriologisch konnte in den Zerfallsmassen der Diplococcus 
mucosus gleichfalls nachgewiesen werden. 

Betrachtet man die in der Literatur veroffentlichten und die von 
mir beobachteten Faile vom klinischen Standpunkte, namentlich unter 


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474 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

BerOcksichtigung der Liquorbefunde, so fallt besonders auf, daB in einem 
Teil (Reuss, Frenzel, Pollag) das klinische Bild mit den ffir ent- 
ziindliche Vorg&nge sprechenden Lumbalbefunden iibereinstimmt und 
bestatigt wird durch das Sektionsergebnis. Dagegen ist die Beschaffen- 
heit des Liquors in chemischer und zytologischer Hinsicht in den Fallen 
von Liidke und Stephan beinahe normal. Auf pathologische Ver- 
anderungen weist auBer dem bakteriologischen Befund nur der mehr 
Oder, minder erhohte starke Druck hin. Allerdings unterscheiden sich 
die Faile von Liidke und Stephan von den erstgenannten auch durch 
ihren giinstigen Verlauf. 

Die von mir beobachteten Faile stimmen beziiglich des Liquor- 
befundes mit den von Liidke und Stephan bekannt gegebenen iiber- 
ein, unterscheiden sich aber von ihnen durch den letalen Ausgang. 
Klinisch wurden die beiden Kinderfalle als Meningitiden aufgefaBt; 
leider sind Untersuchungen iiber die chemische Beschaffenheit des Liquors 
hier ebensowenig angestellt worden, wie in dem dritten Fall. Da auch 
keine Sektion ausgefuhrt worden ist, kann eine sichere Entscheidung nicht 
gefailt werden. Den merkwiirdigsten Befund aber bietet Fall Nr. 3. 
Wahrend das zuerst entnommene Punktat triib-eitrig war, und zahlreiche 
polynukleare Leukozyten enthait, erweist es sich bei der 2. und 3. Unter- 
suchung als klar, bei Fehlen jeglicher pathologischer Zellvermehrung. 
Die Sektion laBt nichts von einer Meningitis erkennen. Ich mochte da- 
her die Leukozytose als eine post-operative Reizerscheinung auffassen. 
Mit dieser Annahme kann man den Unterschied zwischen den Ergebnissen 
der linken Lumbalpunktion einerseits und der 2. und 3. andererseits 
einigermaBen erklaren und unter dieser Voraussetzung stimmt auch 
dieser Fall mit den beiden anderen beziigl. der Lumbalbefunde iiberein. 

Wir haben also eine intralumbale Infektion mit ausgesprochenen 
klinischen Entziindungserscheinungen und Fehlen der sonst bei puru- 
lenter Meningitis (Ausnahme Tuberkulose) doch fast immer zu beobachten- 
den schweren entziindlichen Veranderungen. 

Hatte das mikroskopische Bild der aus dem Zentrifugat der Lumbal- 
punktate angefertigten Originalpraparate den Verdacht, daB es sich urn 
Meningokokken handelt, aufkommen lassen, so wurde dieser durch das 
kulturelle Verhalten bald beseitigt. Das Wachstum war, wie schon ge- 
sagt, auf samtlichen Nahrboden, auch den von nativem EiweiB freien, 
auBerst iippig. Der Kulturrasen zeigte ein weiBlich gl&nzendes Aus- 
sehen. Die Einzelkolonie ist tlach, mit glattem kreisruuden Rand. Bei 
mikroskopischer Betrachtung sieht man ein braunliches Zentrum, das 
von einem hellen glasigen Saum umgeben ist. Bei l&ngerem Bebrflten 
koramt es zu einem Konfluieren der zunachst einzelnen Kolonien, wobei 
die starke Schleimbildung besonders gut in Erscheinung tritt. Die von 
den Kulturen angefertigten Praparate zeigten, besonders nach mehrfacher 
Ueberiinpfung, eine Abnahme der morphologischen Unterschiede; vor allem 
wurde das Verhalten gegeniiber der Gramfarbung einheitlich negativ. 

Bei Ziichtung in Bouillon wurde diese gleichmaBig getriibt. All- 
mahlich bildete sich ein dicker Bodensatz, der sich beim Schiitteln nicht 
verteilt, sonderu in Form einer Spirale erhebt. 

Gelatine wurde nicht verfliissigt (im Gegensatz zu den Angaben 
von Harzer und von Liidke). In der Stichkultur findet ein gutes 
Wachstum nur in den obersten Schichten statt. In Gelatineplatten zeigte 
ein Teil der Oberfi&chenkulturen eine stark gezackte, polypenartige 
Form, die an GriiBe die runden Kolonien um ein Vielfaches iibertraf. 


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Lubinski, Die Pathogenitat des Diplococcue mucoaus Lingelsheim. 475 


Bei Betrachtung im durchfallenden Licbt zeigten diese Kolonien eine 
starke Opaleszenz. 

Gaskildung und Hamolyse waren nicht zu beobachten. 

Die Priifung auf die F&higkeit der Zuckerverg&rung wurde sowobl 
auf festen wie in fliissigen N&hrbdden vorgenoramen, da sich gelegent- 
lich zwischen diesen beiden Arten der NShrmedien dabei Unterschiede 
ergeben. Die festen Nahrbdden wurden nach der Li n gelsh ei m scben 
Vorschrift hergestellt. Es fand sich, daB von den gepriiften Zucker- 
arten (Glukose, Fruktose, Galaktose, Saccharose, Laktose, Maltose) kein 
einziger auch nach mehrtagigem Aufenthalt im Brutschrank angegriffen 
wurde. Die Herstellung der fliissigen Nahrbdden geschah in der Weise, 
daB zu 100 ccm 1-proz. Nutroseldsung 1 g der verschiedenen Zucker- 
arten in 6 ccm Lackmusldsung (Kubel-Thiemann) gelost zugesetzt 
wurden. Im Gegensatz zu den festen N&hrboden konnte hier eine 
Sdurebildung bei den Monosacchariden beobachtet werden. 

Die serologische Untersuchung mit polyvalentem Meningokokken- 
serum hatte ein v611ig negatives Resultat. Keiner der StSmme zeigte 
eine Agglutination sowohl bei einer Bebriitung von 37° wie auch 56°. 

Beztiglich der Tierpathogenit&t sind die in der Literatur vorhande- 
nen Angaben nicht einheitlich. Wahrend Harzer und Lange bei 
subkutaner Verimpfung auf Mause, Meerschweinchen und Kaninchen 
keinen Erfolg erzielten, gelang es Frenzel, ein Meerschweinchen durch 
intraperitoneale Injektion von 2 ccm einer 24-stfindigen Bouillonkultur 
zu intizieren. 

Mit dem frisch herausgeziichteten Stamm konnte ich durch sub- 
kutane Verimpfung von '^50 Normalose eine Maus wie auch ein Meer¬ 
schweinchen t5ten. Die Maus, die nach 18 Std. tot war, wies im Blut 
wie in samtlichen Organen die Erreger in groBer Menge auf. Das 
Meerschweinchen wurde nach 48 Std. tot aufgefunden. Bei der Wieder- 
holung des Versuches nach mehrfacher Ueberimpfung auf kilnstlichen 
NahrbOden war die Virulenz stark zuriickgegangen. Subkutane Ver¬ 
impfung von Ve Oese hatte keinen Erfolg. Erst durch intraperitoneale 
Injektion gelang es, eine Wirkung hervorzurufen; die zur Infektion 
notige Menge steigerte sich, je langer die Weiterztichtung auf Nahr- 
boden dauerte. 

Der erhobeue Befund war in alien Versuchen der gleiche: Abdomen 
stark aufgetriebeu. Bei Eroffnung der BauchhOhle fand sich reichlich 
mfiBig triibes Exsudat, starke Injektion der Darme und des Mesenteriums. 
Das Netz lag zusainmengerollt an der groBen Kurvatur des Magens. 
Milz und Leber waren mit fibrinosen Auflagerungen bedeckt, die zahl- 
reiche Leukozyten und massenhaft ausschlieBlich extrazellular gelagerte 
Kokken enthielten. Diese fanden sich auch in samtlichen Organen der 
Bauch- und Brusthohle, sowie im Herzblut. Eine makroskopisch sicht- 
bare VerSnderung der Brustorgane hingegen war nicht festzustellen. 

Das Aussehen der Kokken in den Ausstrichpr&paraten der Organe 
war das gleiche wie in denen der Liquorsedimente. Durch Kultur- 
verfahren konnte tiberall der Coccus in Reinkultur gewonnen werden. 
Nach dem geschilderten Verhalten ist die Annahme, daB es sich urn 
Meningokokken handeln konnte, hinf&llig. Zwar sind von verschiedenen 
Autoren Meningokokkenstamme beschrieben worden, die betrkchtliche 
Abweichungen im kulturellen und serologischen Verhalten gegeniiber 
dem normalen aufweisen und Mutationsformen darstellen. Aber auch 
diese kommen fiir den vorliegenden Fall nicht in Betracht, da es sich 


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476 


(Jentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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bei den atypischen Stammen immer nur um Abweichungen in der einen 
oder anderen Hinsicht handelt, sei es daB sie in ihrem Zuckervergarungs- 
vermogen sich von echten Meningokokken unterscheiden, sei es daB sie 
an die Qualitfit des NShrbodens geringere Ansprfiche stellen, und von 
vornherein auch auf Nahrboden wachsen, die von nativem EiweiB frei 
sind, oder daB sie serologisch sich anders verhalten. 

Im vorliegenden Falle aber sind die Abweichungen vom Verhalten des 
Meningococcus in jeder Hinsicht so groB, daB es sich nur um einen 
von diesem artverscliiedenen Coccu s handeln kann. Als Sitz des sonst 
harmlosen Saprophyten ist, wie schon Lingelsheim gezeigt hat, die 
Schleimhaut des Rachens anzusehen, wo er auch in zweien der vor¬ 
liegenden F&lle nachgewiesen werden konnte. 

Wir haben es also mit einem nach Gotschlich unfertigen In- 
fektionserreger zu tun, der gelegentlich aus seiner saprophytfiren Rolle 
ins Pathogene hiniiber wechselt. Auch die von Stephan und Lfidke 
gemachten Beobachtungen fiber KontagiositSt lassen sich mit dieser 
Auffassung in Einklaug bringen, da es immerhin moglich ist, dafl ein 
Stamm zuweilen eine starkere Virulenz gewinnt und in der Lage ist, 
eine groBere Reihe von Infektionen zustande zu bringen. Im allgemeinen 
aber wird es sich wohl immer nur um vereinzelte Falle handeln, denen 
vom epidemiologischen Standpunkte aus keine groBere Bedeutung zuzu- 
messen ist, als den gelegentlicben Infektionen durchColi und Shnliche. 

SchlieBlich mochte ich noch zu dem von Pollag gemachten Vor- 
schlage der Benennung: Para-Meningococcus Stellung nehmen. Pollag 
begrfindet diesen Namen unter Hinweis auf Typhus und Paratyphus 
damit, daB der Diplococcus aussieht wie ein Meningococcus, 
die meisten seiner vitalen Eigenschaften besitzt und ein fihnliches 
Krankheitsbild erzeugen kann, wahrend der Name Diplococcus 
mucosus nur die morphologischen und kulturellen Eigenschaften aus- 
drfickt; dem Kliniker wtirde die von ihm vorgeschlagene Bezeichnung 
stets willkommener sein und mehr sagen als eine Bezeichnung, die sich 
nur auf die Physiologie bezieht. Ich halte die Begrflndung nicht ffir 
ausreichend, da auBer einer morphologischen Aehnlichkeit kaum eine 
Uebereinstimmung mit dem Meningococcus vorhanden ist und die 
Bezeichnung Parameningococcus zu leicht Verwirrung anrichten konnte. 
Der Hinweis auf Typhus und Paratyphus scheint mir nicht am Platze 
zn sein, da zwischen diesen beiden Erregern doch ein weit hoherer 
Grad der Verwandtschaft besteht, so wohl was die Epidemiologie als 
auch die Biologie angeht. Unter Parameningokokken verstehen wir 
Meningokokken, die sich in der einen oder anderen Art von den typi- 
schen Stammen unterscheiden und nur eine Abart der echten darstellen, 
was fur den hier in Frage stehenden Mikroorganismus nicht ange- 
nommen werden kann. Es dtirfte deshalb angebracht erscheinen, es bei 
dem von Lingelsheim vorgeschlagenen Namen Diplococcus mu¬ 
cosus zu belassen. 

Literatur. 

1) Eichhoff, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 84. — 2) Frenzel, ebenda, 
Bd. 88. — 3) Hazer u. Lange, Munch, med. Wochenschr. 1916. Nr. 50. — 
4) Lingelsheim, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 59. — 5) Derselbe, Dtsch. med. Wochen- 
schrift 1917. Nr. 18. — 6) Liidke, ebenda. 1918. Nr. 50. — 7) Pollag, Miinch. med. 
Wochenschr. 1917. S. 771. — 8) Reuss, Centralbl. f. Bakt. 1. Abt. Orig. Bd. 87. — 
9) Stephan, Miinch. med. Wochenschr. 1916. S. 670. — 10) Derselbe, ebenda. 
1917. Nr. 8. 


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Tada, 1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gebunden? 


477 


Nachdruck verboten. 

1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gebunden? 

[Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten Bern (Direktor: 

Prof. Dr. G. Sobernheim).] 

Von Dr. Shigern Tada. 

Iramer mehr lenkt sich die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dafi 
das Hautorgan fiir die Immunit&t und die Immunit&tsreaktionen offenbar 
eine besondere Bedeutung hat. Bei einer ganzen Reihe von Infektionen 
hat man, wie bekannt, schon seit langerer Zeit die eigentliche Haut- 
impfung in ihrer kutanen Oder intrakutanen Form zu diagnostischen und 
therapeutischen Zwecken zur Anwendung gebracht. Es braucht hier nur 
auf die Tuberkulose, auf Diphtherie, Trichophytie, Gonorrhoe u. a. ver- 
wiesen und namentlich an die Pocken erinnert zu werden, wo die viel- 
umstrittene Rolle der Haut bei der Entstehung der Immunitat noch 
immer den Gegenstand experimenteller Forschungsarbeit bildet. 

Freilich beatehen uber die Art und Weiae, wie das Hautorgan sich in immuni- 
satoriecher Hinaicht zu dem Gesamtorganiamua verhalt, noch mancherlei Meinunga- 
verachiedenheiten. Die letzte Zeit hat hier zu interesaanten Erorurungen und Experi- 
menten Anlafl gegeben (vgl. Fellinger, E. F. Muller, v. Waasermann, Klem¬ 
perer und Peach ic, Volk, W. Jadassohn, Martenstein und Schapirou.v.a.). 

Bei dem Milzbrand lat nun durch Beared ka der Haut eine geradezu beherrachende 
Bedeutung zuerkannt und die Haut auaschlieBlich fiir das Zuatandekommen der in- 
fektion und der Immunitat verantwortlich gemaeht worden. Durch eine Reihe 
von Experimenten hat er den Nachweis zu erbringen veraucht, daB bei empfanglichen 
Tieren, apeziell bei Meerachweinchen, aber auch bei Kaninchen die Infektion mit voll- 
virulenter Milzbrandkultur iiberhaupt nur dann haftet, wenn dem Erreger in irgend- 
einer Weiae Gelegeuheit gegeben wird, eich in der Haut anzuaiedeln und von hier aua 
zu wirken. Gelingt ea, eine Infektion ao vorzunehmen, • daB die Haut von jeder Be- 
riihrung mit dem Infektionaerreger sicher frei gehalten wird, ao bleiben die Tiere geaund, 
aie iiberwinden die Krankheit ohne nennenawerte Krankheitaeracheinungen. Ea iat acbon 
aua alteren Unterauchungen bekannt, daB die subkutane Impfung aicherer totet ala 
andere Infektionaweiaen, und daB Meerachweinchen und Kaninchen z. B. von der Blut- 
bahn oder vom Peritoneum aua aelbat groBere Mengen virulenter Milzbrandkultur ver- 
tragen (vgl. Noetzel, van Leent, Roger und Gamier u. a.). Auch gegeniiber 
der Inhalation und Verfiitterung virulenten Milzbrandmateriala beateht, wie man weiB, 
eine erhohte Wideratandafahigkeit der aonat hochempfanglichen Verauchatiere, und die 
Conjunctiva acheint nach den Beobachtungen von Braunschweig, die neuerdinga 
durch Aitoff beatatigt worden aind, ebenfalla nur wenig oder gar nicht ala Eintritts- 

S forte geeignet zu sein. Man darf also wohl das eine ala Tatsache hinnehmen daB die 
lilzbrandmfektion von der Haut aua am aicheraten angeht. Wie dies zu erklaren aein 
kounte, bleibe zunachst unerortert. Beared ka geht aber noch weiter. Er iat der 
Anaicht, daB die Haut iiberhaupt daa einzige Organ aei, in dem die Milzbrandinfek- 
tion zu fortachreitender Entwicklung gelange; alle iibrigen Organe der milzbrand- 
empfanehchen Laboratoriumatiere aeien in Wirklichkeit fiir Milzbrand unempfanglich. 
80 fand Besredka die intratracheale, intraperitoneale und intravenoae lnjektion viru¬ 
lenter Milzbrandkultur fiir Meerachweinchen vollig indifferent, aobald eine Infektion 
der Haut bei der Einapritzung vermieden wurde. 

Der Milzbrand wiinle also nach dieaen Ergebnissen eine reine Hautinfektione- 
krankhcit daretellen, indem daa Hautorgan der eigentliche Sitz der Erkrankung iat, 
und die Weiterverbreitung dea Milzbrandbazillus und seine Anaiedlung in den ver- 
achiedenaten inneren Organen wurde aich lediglich ala Sekundareraiheinung daratellen. 

In Uebereinstimmung mit dieaen Experimenten und Anschauungen soil aich nach 
Bearedka auch die Immunitat bei Milzbrand immer nur von der Haut aua erzielen 
laasen. Er betont, wie achwer es iat, bei kleinen Laboratoriumatieren mittels der ge- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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wohnlichen Art der Verimpfung des Kulturmaterials eine aktive Immunisierung durch- 
zufiihren, und halt es bei Meerschweinchen uberhaupt kaum fur moglich, trotz 
schonendsten Vorgehens, auf subkutanem, intraperitonealem Oder intravenosem Wege 
Immunitat zu erzielen. Damit bestaligt er die aligemeine Erfahrung (cf. Sobernheimi. 
Dagegen gelingt ea nach seinen Angaben ohne weiteres, Meerschweinchen durch Ku- 
tan impfung bei systematischer Vorbehandlung gegen die sonst unfehlbar tddliche 
Infektion mit virulen t er Milzbrandkultur zu immunisieren. Der Autor geht zu diesem 
Zwecke so vor, dad er die Kutanimpfungen zunachst mit abgeschwachten Milzbrand- 
stammen, dem Pasteurschen Vakzin 1 und II, vornimmt und schliefilich virulente 
Bakterien verwendet. Dabei erwies es sich als unwesentlich, wie die Verimpfung iu 
die Haut erfolgte. In einer 1. Versuchsreihe wurde ein Wattebausch mit der Milz¬ 
brandkultur getrankt und auf der frisch rasierten Bauchhaut verrieben, in andereu 
Versuchen wurde die Kultur intrakutan injiziert. 

Balteano, der Untersuchungen ahnlicher Art an Meerschweinchen und Kanin- 
chen ausgefiihrt hat, kommt zu Ergebnissen, welche die Angaben Besredkas in alleu 
Punkten bestatigen und dafiir sprechen, daS eine Infektion gegen Milzbrand nur von 
der Haut aus zu erzielen Bei und eine Immunisierung von Meerschweinchen nur durch 
Kutanimpfung, nicht aber auf subkutanem Wege gelinge. Auch Brocq- Rousseau 
und Urbain, sowie Combiesco bestatigen im wesentlichen die Angaben Besredkas , 
letzterer freilich mit der Einschriinkung, dafi die Milzbrandinfektion bei Meerschwein¬ 
chen und Kaninchen nach subkutaner, intraperitonealer und intravendser impfung nur 
dann resultatlos bleibe, weun die Zahl der verimpften Bakterien nicht eine gewisse 
Grenze iiberschreite. 

Da, wie erwahnt, mit den gewohnlichen Methoden eine aktive Immunisierung von 
Meerschweinchen gegen Milzbrand iiberhaupt nur aufierordentlich schwer und unregel* 
maQig zu erzielen ist, so sind die eben kurz angefuhrten Experimente sicherlich von 
groSem Interesse. Freilich miissen schon von vornherein groSe Bedenken gegen die 
entscheidende Bedeutung des Hautorgans fur Milzbiandiufektion und Milzbraudimmu- 
nitat geltend gemacht werden. Man wird unwillkiirlich crinnert an die seiuerzeit sehr 
bekannten und auch heute immer noch eindrucksvollen Experimente von Schimmel- 
busch, der Mause am Schwanz mit Milzbrand infizierte und kurze Zeit nach der In¬ 
fektion den Schwanz amputierte, ohne dafi es auf diese Weise moglich war, die Tiere 
zu retten. Sie gingen an Milzbrand zugrunde. Hier war also die Infektionsstelle der 
Haut vollkommen entfernt und troLzdem nahm die Infektion unbeeinfluftt ihren Ver- 
lauf. Auch bei Immunisierungsversuchen, bei denen man die Kulturen, abgeschwiichte 
und virulente, Meerschweinchen oder Kaninchen subkutan injiziert, wird ja der Stich- 
kanal in der Kegel mitinfiziert, so dafi man neben der subkutanen zugleich eine 
kutane Impfung vornimmt. Das wird auch von Besredka anerkannt. Trotzdem 
liefert die Immunisierung auf subkutanem Wege, speziell bei Meerschweinchen, nur 
wenig befriedigende Resultate. Gewifl ist bei dieser Art unfreiwilliger kutaner Ver¬ 
impfung der Bakterien die Zahl der in die Haul gelangenden Infektionserreger nur 
sehr gering, geringer als man sie bei beabsichtigter Kutan- oder Intrakutanimpfung 
von der Haut aus zur Wirkung zu bringen vermag. Immerhin scheint uns ein ge- 
wisser Widerspruch darin zu liegen, wenn Besredka die kutane Verimpfung der 
Milzbrandbakterien als conditio sine qua non fur das Angehen der Infektion und die 
Ausbildung einer Immunitat anspricht, dann aber eine Immunisierung z. B. auf sub¬ 
kutanem Wege fur unmbglich erklart, obgleich hierbei nach seinen eigenen Worten 
eine Verletzung und Infektion der Haut meist unvermeidlich ist. Er nimmt folge- 
richtig an, daft die Verimpfung viruleuter Milzbrandbakterien in irgendeiner Form 
deshalb gewohnlich den Tod der Tiere herbeifiihre, weil gleichzeitig immer die Haut 
verletzt werde. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb nach subkutaner Infektion oder 
auch nach intraperitonealer und intravenoeer, wenn die Haut zugleich mitinfiziert 
wird, nun nicht auch eine Immunisierung moglich sein sollte. 

Ich habe es auf Anregung von Herrn Prof. Sobernheim unter- 
nommen, durch eigene Experimente dieser Frage weiter nachzugehen 
und insbesondere zu untersuchen, inwieweit man imstande ist, Meer- 
schweinchen durch kutane Vorbehandlung sicherer als auf andere 
Weise gegen Milzbrand zu immunisieren. 

Hinsichtlich der Versuchstechnik habe ich mich im wesent¬ 
lichen an die Angaben von Besredka gehalten und zur kutanen In¬ 
fektion den von ihm zuerst angewandten Infektionsmodus des Ein- 
reibens der Bakterien in die frisch rasierte Haut gewS.hlt. 
Als Versuchstiere wurden ausschlieClich Meerschweinchen benutzt. Die 



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Tad a, 1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gcbunden? 


479 


Verimpfung der Kultur erfolgte so, daB die Bauchhaut zunachst in 
weitem Umkreise rasiert und dann mit steriler NaCl-Losung griindlich 
abgewaschen wurde. Hierauf wurde ein mit Pinzette gefaBter steriler 
Wattebausch mit der Milzbrandkultur gut durchtr&nkt und kraftig auf 
der rasierten Hautstelle verrieben. Zur Vermeidung von Mischinfek- 
tionen erhielten die Tiere hinterher einen Schutzverband mit steriler 
Mullbinde. Vor jeder neuen Impfung wurde die Bauchhaut immer wieder 
frisch rasiert. Die Milzbrandkulturen, die zur Verimpfung gelangten, 
waren ausnahmslos junge, ca. 20-stund. Agarkulturen, deren Rasen mit 
phys. NaCl-Losung zu einer dichten Emulsion abgeschwemmt wurde. 

Der Immunisierungsgang war im allgemeinen der gleiche. Zuerst 
wurde Vakzin I verimpft, nach ca. 7 Tagen Vakzin II, nach einer weiteren 
Woche nochmals Vakzin II, worauf dann nach 8—10 Tagen die Infek- 
tion mit virulenter Kultur folgte. In anderen Versuchen wurde die 
Vorbehandlung noch langer durchgefQhrt und eine 3. Impfung mit 
Vakzin II eingeschaltet. 

Zusammen mit den kutan infizierten Tieren wurde stets eine gleiche 
Zahl von Meerschweinchen auf andere Weise vorbehandelt, und zwar in 
einer 1. Versuchsreihe subkutan, in einer 2. intramuskulfir. 
Dabei waren die verwendeten Kulturen, sowie die Termine und zeit- 
lichen Intervalle genau die gleichen wie bei den anderen Tieren. Die 
Dosierung war so getroffen, daB zuerst Vio Oese Vakzin I, dann Vak¬ 
zin II in der Menge von Vio und Vj Oese injiziert wurde und die 
Prflfung auf Immunitat mittels subkutaner Injektion von Viooo Oese 
virulenter Milzbrandkultur erfolgte. 

In jedem Falle wurden auBerdem bei der Verimpfung virulenter 
Kultur die notigen Kontrollen vorgenommen und einige unbehandelte 
Meerschweinchen in gleicher Weise infiziert. 

Ich lasse zunachst 2 Versuchsreihen folgen, die je 6 Tiere und 
3 Kontrollen umfassen. Die eine Reihe betrifft Versuche mit kutaner 
Immunisierung und Infektion, die andere solche mit subkutaner Ver¬ 
impfung der Kulturen. Die Versuche sind in Tabellenform zusammen- 
gestellt (Tab. I und II). 

Das Ergebnis ist klar und eindeutig. Auf kutanem Wege lieB 
sich eine Immunisierung bei 3 von 6 Tieren erreichen, so daB nach 
AbschluB der Vorbehandlung die Einreibung virulenter Milzbrandkultur 
in die BauchhShle glatt vertragen wurde. Die Kontrolltiere starben 
bei der gleichen Infektionsweise nach 2 Tagen. In 2 Fallen waren 
Vakzin I und II zur Immunisierung verwendet worden, bei einem Tier 
nur Vakzin I. Das letztere hatte auf die Einreibung mit Vakzin I eine 
so starke und lang andauernde Lokalreaktion gezeigt, daB von weiterer 
Kutanbehandlung zunachst abgesehen werden muBte und spaterhin gleich 
zur Probeinfektion geschritten wurde. Auch dieses Tier erwies sich als 
immun. Demgegenuber sind nun aber die 3 tibrigen Meerschweinchen 
dieser Versuchsreihe der Infektion mit virulenter Kultur fast genau wie 
die Kontrolltiere erlegen. Sie starben um ein geringes (10—20 Std.) 
spater, es ist aber wohl fraglich, ob diese unbedeutende Verzogerung 
des Infektionsverlaufs als Ausdruck einer schwachen Immunitat ange- 
sehen werden darf. Jedenfalls fallt der Unterschied zwischen diesen 
3 Tieren und den 3 anderen, die eine virulente Infektion uberstanden, 
deutlich in die Augen. Auch der Sektionsbefund ergab nichts Besou- 
deres, es fanden sich die gleichen charakteristischen Veranderungen und 
die gleiche Verbreitung der Milzbrandbazillen in groBer Zahl, wie bei 


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Tabelle I. Kutane I in m u nieierung (Meerschweinchon). 





Tad a, 1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gebunden? 


481 


den Kontrolltieren. Wir stehen somit vor der Tatsache, daB die Ein- 
reibung von abgeSchwachten Milzbrandbakterien in die Haut nur 50 Proz. 
der vorbehandelten Tiere, 3 von 6, zu immunisieren vermochte, in der 
Halfte der Faile aber vollst&ndig versagte, obwohl die Behandlung der 
Tiere durchweg die gleiche gewesen ist. Schon hieraus geht hervor, 
daB das Verfahren der kutanen Impfung einen Erfolg durchaus nicht 
mit der Sicherheit gewahrleistet, wie man nach den Angaben Besredkas 
hatte erwarten sollen, vielmehr laBt schon diese erste Versuchsreihe er- 
kennen, dab weniger die Immnnisierungsmethode als das individuelle 
Verhalten der einzelnen Versuchstiere fiber das Zustandekommen einer 
Immunitat entscheidet. Das wird aber noch deutlicher erwiesen und 
bestatigt durch die in Tab. II wiedergegebenen Experimente mit sub- 
kutaner Verimpfung des Bakterienmaterials. 

Die Versuche der Tab. II zeigen in ihren Ergebnissen eine weit- 
gehende Uebereinstimmung mit denen der 1. Versuchsreihe. Auch hier 
sind von 6 Tieren 3 der Probeinfektion erlegen und 3 erwiesen sich als 
immun. Also auch mittels subkutaner Injektion der Vakzine lieB sich 
bei der Halfte der Tiere Immunitat erzielen. Dabei rief die Verimpfung 
der abgeschwachten Stamme keinerlei erkennbare Lokalreaktion hervor, 
was insofern von Bedeutung ist, als damit jedes auBere Anzeichen fehlte, 
dafi die Haut an dem immunisierenden Eingriffe irgendeinen besonderen 
Anteil nimmt. Nur 1 Tier ging nach der 2. Impfung mit Vakzin II 
(Vs Oese) an Milzbrand ein, war also durch die ersten beiden Injektionen 
von Vakzin I und II nicht einmal gegen eine starkere Dosis des Vak- 
zins II geschfitzt worden. Wir sehen somit in dieser Versuchsreihe 
wieder genau die gleichen UnregelmaBigkeiten wie bei den Kutanver- 
suchen; bei vQllig gleicher Art der Vorbehandlung wird die eine Halfte 
der Tiere immun, die andere nicht. Ein Unterschied zwischen kutaner 
und subkutaner Immunisierung besteht anscheinend nicht, beide Methoden 
leisten das gleiche, wobei hbchstens auffallen konnte, daB auch auf sub- 
kutanem Wege Erfolge erreicht wurden, wie man sic bei Meerschwein- 
chen nur selten und schwer erzielt. Denn daB 3 von 6 Tieren gegen 
Milzbrand immun geworden sind, darf als ein auBergewohnlich gutes 
Resultat bezeichnet werden. 

Nach frfiheren Darlegungen konnte man nun gegen diese Versuche 
den Einwand erheben, daB bei den subkutanen Injektionen eben doch 
auch die Haut selbst mitinfiziert worden ist, so daB auf die Hauptfrage, 
namlich die nach der Bedeutung des Hautorgans ftir das Zustandekommen 
der Immunitat, durch die bisher angeffihrten Experimente keine ent- 
scheidende Antwort erteilt. wurde. Freilich waren auch die Resultate 
der kutanen Immunisierung keineswegs so sehr gut und fiberzeugend. 
In einer weiteren Reihe von Versuchen wurde daher die Anordnung so 
getroffen, daB parallel zu den kutan vorbehandelten Tieren eine gleiche 
Anzahl von Meerschweinchen intramuskular geimpft wurde, unter 
sorgfaitiger Vermeidung jeder Hautinfektion. Die Injek¬ 
tionen wurden teils in den Bauchmuskel (M. rectus abd.), teils in den 
M. glutaeus, abwechselnd links und rechts, vorgenommen. Zu diesem 
Zwecke wurde zunfichst in die rasierte und desinfizierte Hautstelle ein 
Schnitt von ca. 1 cm gelegt; hierauf wurde bei gut auseinander gehal- 
tenen Wundrandern die Kultur direkt in den Muskel injiziert und die 
Injektionsstelle mit Hilfe eines gluhenden Glasstabes kauterisiert und 
grfindlich verschorft. Die Hautwunde wurde dann mit Kollodium be- 
pinselt und durch einen Verband geschfitzt. Die Prfifung auf Immunitat 

Urate Abt. Orig. Bd. 91. Heft 7/8. 31 


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Tada, 1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gebunden? 4^3 

erfolgte mittels subkutaner Infektion. Eine Aenderung gegenuber den 
beiden ersten Versuchsreihen bestand sodann noch darin, daB die Vor- 
behandlung verlangert wurde und die Meerschweinchen, sowohl die kutan 
als auch die intramuskul&r immunisierten, 3mal Vakzin II erhielten. 

Das Resultat ist in den beiden vorstehenden Tabellen verzeichnet 
(Tab. Ill und IV). 

Wiederum stimmen die Ergebnisse der beiden Immunisierungs- 
methoden in einer Weise liberein, daB man geradezu iiberrascht sein 
konnte. Nicht nur untereinander, sondern auch bei Vergleich mit den 
frflheren, in Tab. I und II wiedergegebenen Versuchen besteht eine 
weitgehende Uebereinstimmung. Sowohl von den kutan vorbehandelten, 
als auch von den rein intramuskulSr geimpften Tieren konnten, ganz 
wie in den ersten Versuchsgruppen, je 3 (50 Proz.) so weit gebracht 
werden, daB sie bei der Immunitfitsprfifung mit virulenter Kultur sich 
als immun erwiesen. Von einem Unterschiede zwischen der kutanen 
und der intramuskul&ren Immunisierungsmethode konnte also schon 
hiernach nicht wohl die Rede sein, eine Ueberlegenheit der Kutan- 
impfung war nicht ersichtlicb. Aber auch in den weiteren Einzelheiten 
IfiBt sich ein sehr ausgesprochener Parallelismus beider Versuchsreihen 
erkennen. Von den 6 Tieren jeder Reihe konnten namlich nur 4 in der 
beabsichtigten Weise bis zu Ende immunisiert werden, w&hrend je 2 
schon bei der Vorbehandlung an Milzbrand zugrunde gingen, von diesen 
auch wieder je 1 nach der Impfung mit Vakzin I bzw. Vakzin II. Die 
intramuskuiare und kutane Impfung sind also hinsichtlich der Gef&hr- 
lichkeit und Sicherheit des Vorgehens ganz gleich zu bewerten, und auch 
das Endresultat zeigt in der Sicherheit des Erfolges genau die gleichen 
Verhaltnisse, indem von den 4 bis zu Ende immunisierten Tieren jeder 
Reihe schlieBlich nur 3 tats&chlich immun waren, das vierte der Probe- 
infektion erlag. Dabei konnte man den Ausfall noch eher zugunsten 
der intramuskulSren Immunisierung deuten, da das Tier (Nr. 20), -das 
sich als nicht immun erwies, als einziges nur 3 Vakzininjektionen (statt 4) 
erhalten hatte, doch wird man im Zusammenhang mit den Qbrigen Ver- 
suchsergebnissen auf diesen Umstand allein kaum entscheidendes Ge- 
wicht legen diirfen. Jedenfalls aber steht das eine fest, daB 
durch rein intramuskul&re Verimpfung von Milzbrand- 
vakzins ebensogut eine Immunitaterreicht werden konnte, 
wie durch die Kutanimpfung in Form von Einreibungen 
der Kulturen in die Haut. DaB die von mir getibte Technik in 
der Tat die Bakterien nur in den Muskel einfiihrte, unter sicherer Ver- 
meidung einer Hautinfektion, kann wohl ohne weiteres angenommen 
werden; eine Hautreaktion, die auf eine kutane Infektion zu beziehen 
gewesen ware, wurde bei keinem Tiere beobachtet. 

Nachdem die besprochenen Experimente gezeigt batten, daB es m6g- 
lich ist, Meerschweinchen durch geeignete Vorbehandlung so weit gegen 
Milzbrand zu immunisieren, daB sie die Infektion mit virulenter Kultur 
glatt flberstehen, war es notig, die so erzeugte Immunitat auf ihre Be- 
stSndigkeit und Starke zu priifen. Es war ja, wie schon angedeutet, 
einigermaBen auffallend, daB durch subkutane und auch intramuskul&re 
Impfungen iiberhaupt ein Erfolg erzielt werden konnte, denn die bisher 
vorliegenden Erfahrungen bei Meerschweinchen hattep eine aktive Im¬ 
munisierung dieser Tiere als ein ziemlich aussichtsloses Unternehmen 
erscheinen lassen. FOr die Annahme, daB der von mir zur Infektion 
benutzte Milzbrandstamm etwa keine voile Virulenz besaB, boten sich 

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484 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


keine Anhaltspunkte; die Kontrolltiere sind durchweg in der zu erwar- 
tenden Zeit und mit den charakteristischen Ver&nderungen eingegangen. 
Wohl kommt es bekanntlich vor, daB Meerschweinchen nach langerer 
Immunisierung einmal eine virulente Infektion fiberstehen, dann aber 
einer erneuten Infektion erliegen, so daB man es hier offenbar mit Er- 
scheinungen der erhdhten Resistenz zu tun hat, die fQr einige Zeit und 
innerhalb enger Grenzen einer Immunitat gleichen kann, dennoch aber 
keine echte Immunitat darstellt. Hieran war auch in meinen Experi- 
menten zu denken. Ich habe daher die 6 aus den beiden letzten Ver- 
suchsreihen tiberlebenden Tiere noch wiederholt mit virulenter Kultur 
infiziert, und zwar ohne Riicksicht auf die Art der Vorbehandlung und 
der ersten Infektion, durchweg durch subkutane Verimpfung der 
Bakterien. Die erste Neuinfektion erfolgte zunachst nach 16—23 Tagen, 
dann wurden die iiberlebenden Tiere 7—9 Tage spater abermals mit 
virulenter Milzbrandkultur infiziert. Die Infektionsdosen betrugen Viooo 
bzw. Vsoo Oese. Jedesmal wurde ein unbehandeltes Kontrolltier mit- 
geimpft, auBerdem nahm ich noch ein weiteres Meerschweinchen mit in 
den Versuch, das nach intramuskuiarer Immunisierung die erste virulente 
Infektion ebenfalls intramuskuiar erhalten und flberstanden hatte (Tab. V). 


Tabelle V. Wiederholte Nachimpfung der immunisierten Meerschweinchen mit 

virulenter Milzbrandkultur. 


u 

Ge- 

wicht 

Immunisierungs- 

methode 

I. Infektion 

II. Infektion 

III. Infektion 

Resultat 

14 

360 

kutan (Einreibung 
in die Bauchhaut 

19. Mai kutan 

4. Juni 7,000 Oese 
virulenter Kultur 
subkutan 

11. Juni Vsoo Gese 
virulente Kultur 
subkutan 

lebt 

15 

350 

desgl. 

desgl. 

— 

— 

f 14. Juni 
Milzbrand 

16 

340 

» 

• 

fJ 

11. Juni desgl. 

20. Juni 7 Oese 
virulenter Kultur 
subkutan 

lebt 

19 

430 

intramuskuiar 

19. Mai 7 1(500 Oese 
virulenter Kultur 
subkutan 

4. Juni desgl. 

11. Juni desgl. 

M 

21 

490 

desgl. 

desgl. 

11. Juni desgl. 

20. Juni desgl. 

♦ J 

22 

360 : 


it 

desgl. 

desgl. 

»? 

25 

400 

< 

I 

1 

| 

3. Mai VioOese Vak- 
zin I intramuskuiar 
ll.Mai'/uOeseVak- 
zin II intramuskul. 
18. Mai 7 2 0ese Vak- 
zin II intramuskul. 

26. Mai 7 , 000 Oese 
virulenter Kultur 
intramuskuiar 

« 

4. Juni desgl. 

11. Juni desgl. 


1 

510 1 


— 

4. Juni 7,000 Oese 
virulenter Kultur 
subkutan 

— 

f 6 . Juni 
Milzbrand 

m 

410 


— 

11. Juni desgl. 

— 

+ 14. Juni 
Milzbrand 

n 

420 

— 

— 

11. Juni 7 S oo Gese 
subkutan 

— 

f 13. Juni 
Milzbrand 

0 

380 


“ 

20. Juni desgl. 


f 22. Juni 
Milzbrand 


Wie Tab. V lehrt, erwiesen sich die immunisierten Meer¬ 
schweinchen, ’mit einer einzigen Ausnahme, auch bei den 
wiederholten Infektionen als immun. Die Ausnahme betraf 
eigentiimlicherweise ein Tier, das urspriinglich mit Hauteinreibungen 
kutan vorbehandelt worden war und bei der 2. Infektion, ohne jedes 


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Tad a, 1st die Milzbrandimmunitat an das Hautorgan gebunden? 


485 


Zeichen erhohter Widerstandsfahigkeit genau wie das Kontrolltier zu- 
grunde ging. Die Immunitat der iibrigen 6 Tiere war dagegen bestandig 
and hochgradig, denn die Dosis von 1 I 500 Oese virulenter Kultur bedeutet 
schon eine recht starke Milzbrandinfektion. 

Das Gesamtresultat meiner Versuche laBt sich somit kurz da- 
hin zusammenfassen, daB die Immunisierung von Meerschweinchen gegen 
eine Infektion mit virulenter Milzbrandkultur in 50 Proz. der F&lle ge- 
lungen ist, wobei es keinen Unterschied machte, ob die Vorbehandlung 
der Tiere auf kutanem, subkutanem Oder intramuskuiarem Wege erfolgte. 
Auch wenn jede Hautinfektion bei der Injektion der abgeschwachten 
Kolturen sicher vermieden wurde, wie dies bei den Immunisierungs- 
versuchen mit intramusknlkrer Impfmethode geschah, konnten genau die 
gleichen Erfolge erzielt werden, wie mit der rein kutanen Immunisierung. 
Eine Stfltze fur die Auffassung, daft die Milzbrandimmunitat immer nur 
anf der Grundlage einer vorausgegangenen Hautinfektion sich entwickeln 
konne, bringen somit meine Experimente nicht. Sie sprechen vielmehr 
gegen eine bevorzugte Stellung des Hautorgans und zeigen, dafi die 
Milzbrandimmunitat in ihrer Entwicklung unabhangig ist 
von einer direktenVerimpfung derBakterien in dieHaut. 

Schluftsatze. 

1) In 2 Parallelreihen, in denen 6 Meerschweinchen mit abge- 
schwachter Milzbrandkultur (Vakzin I und II) subkutan und kutan 
vorbehandelt wurden, ergaben sich hinsichtlich des Immunisierungs- 
effektes die gleichen Resultate; 3 Tiere jeder Reihe erwarben Immunitat 
gegen die Infektion mit virulenter Kultur. 

2) 2 Parallelreihen von je 6 Meerschweinchen mit kutaner und 
intramuskularer Immunisierung lieferten ebenfalls genau iiberein- 
stimmende Ergebnisse; je 3 Tiere erwarben Immunitat. Bei den intra- 
muskuiaren Impfungen war jede Hautinfektion vermieden worden. 

3) Die auf intramuskuiarem oder kutanem Wege erworbene Im¬ 
munitat erwies sich als bestandig und stark, indem auch wieder- 
holte Neuinfektionen mit virulenter Kultur fast von alien Tieren glatt 
vertragen wurden. 

4) Die Versuche sprechen dagegen, daB das Hautorgan bei der 
Milzbrandimmunitat eine bevorzugte Rolle spielt. Auch unter Ver- 
meidung jeder direkten Hautinfektion lafit sich Immu¬ 
nitat erzielen. 


Iaiteratur. 

Aitoff, Ann. Pasteur. 1922. — Balteano, Compt. rend. soc. Biol. T. 87. 1922. 
— Besredka, Ann. Pasteur. 1921. u. Bull. Pasteur. T. 20. 1922. — Braunschweig, 
Fort8chr. d. Med. 1889. — Brocq-Rousseau et Urbain, Compt. rend. soc. Biol. 
T. 89. 1923. Nr. 23 u. 25. — Combiesco, ibid. T. 89. 1923. — Fellner, Wien. klin. 
Wochenschr. 1919. — Jadassohn, W., Klin. Wochenschr. 1923. — Klemperer u. 
Peschic, Dtsch. med. Wochenschr. 1923. Nr. 13. — van Leent, Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Bd. 28. 1900. — Martenstein u. Schapiro, Dtsch. med. Wochenschr. 1923. 
Nr. 29. — Muller,E. F., fieri, klin. Wochenschr. 1919. Nr. 34; Munch, med. Wochenschr. 
1921. Nr. 29; Dtsch. med. Wochenschr. 1923. Nr. 23. — Noetzel, Arch. f. klin. Chir. 
Bd. 57. 1898. — Roger etGarnier, Compt. rend. soc. Biol. T. 58. 1905. —Sobern- 
heim, vgl. Kol le-Wasser m an n, Hanab. Bd. 3. 1913. — Volk, Wien. klin. 
Wochenschr. 1923. Nr. 27. — v. Wassermann, Miinch. med. Wochenschr. 1922. 
Nr. 16. 


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Centxalbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Nachdruck verboten. 

Einige Bemerkungen zur Pallida-Diagnose. 

[Aus der Universitfits-Hautklinik in Bonn a. Rh. (Direktor: Prof. Dr. 

Erich Hoffmann).J 

Von Edmund Hofmann. 

Wenn man die sich mehrenden Befunde von Spirochaten liest, 
welche morphologisch von der Spirochaeta pallida in keiner Weise 
zu unterscheiden sind, ohne jedoch irgendwelche fur den Menschen pa- 
thogene Bedeutung zu haben, so konnte man an der Moglichkeit, die 
Syphilis aus dem mikroskopischen Bilde mit Sicherheit feststellen zu 
konnen, irre werden. In jfingster Zeit hat z. B. F. Neumann (1) auf 
Grund seiner Experimente an Kaninchen die Frage aufgeworfen: „Ge- 
nugt das Vorhandensein von Spirochaten des Pallida-Typ, um den 
Verdacht auf Syphilis auszusprechen ?“ Gerade die zahlreichen Ver- 
dffentlichungen fiber die origin fire K a n i n c h e n spirochfitose weisen 
immer wieder und meist ganz eindeutig darauf hin, dafi morphologische 
Differenzen zwischen der dieses Leiden verursachenden Spirochaeta 
cuniculi und der Spirochaeta pallida tatsfichlich nicht mit aus- 
reichender Deutlichkeit nachzuweisen sind. Auch Kolle, Ruppert 
und Mobus, die den Nachweis der Artenverschiedenheit von Sp. cuni¬ 
culi und pallida ffihren, geben die morphologischen Unterschiede nur 
recht vorsichtig an, indem sie schreiben: „Wir betonen, daB die Unter¬ 
schiede zwischen den beiden Erregern allerdings sehr geringe sind, und 
dafi sie nicht so charakteristisch konstant sind, daB sie eine sichere 
Trennung von Treponema pallidum uDd cuniculi ohne weiteres 
zulassen“. Bei geeigneter Technik also und genfigender Erfahrung linden 
diese Autoren ganz geringe Verschiedenheiten, die aber auch ihnen nicht 
so groB erscheinen, daB darauf eine morphologische Artdiagnose aufge- 
baut werden konnte. Nun ist dies aber keineswegs etwas Neues, worauf 
erst das Studium der Spirochaeta cuniculi uns aufmerksam gemacht 
hat, vielmehr hat es uns nur in der lfingst gewonnenen Erkenntnis be- 
starkt, daB es Spirochaten gibt, die morphologisch groBe Aehnlichkeit 
mit den Syphiliserregern besitzen. Bekannt ist ja schon 18 Jahre die 
schwere U nterscheidbarkeit der Spirochaetapallidula, des Erregers 
der Framboesie, von der Pallida. Die Prowazeksche Beschrei- 
bung „etwas dicker“ „weniger starre und regelmaBige Windungen, einen 
nicht so elastischen und formbestfindigen Faden“ usw. lfiBt schon er- 
kennen, daB die Unterschiede weit weniger ausgesprochen sind, als wir 
sie z. B. bei Individuen der Pallida sehen, die durch das Medium 
(Kultur) verfindert sind; auch die ofters nahe den Enden vorhandenen 
knotchenformigen Anschwellungen des Fadens sind beiden gemeinsam. 

Diese Spirochaten aber und die beim Ulcus tropicum gefundenen 
kommen trotz ihrer Aehnlichkeit mit der Pallida in unseren Gegenden 
fur die Differentialdiagnose kaum in Frage. Dagegen bereiten fifters 
Schwierigkeiten solche Formen, die, ohne irgendwelche fitiologische Be¬ 
deutung zu besitzen, beim Menschen an Genitalien, im Munde, auf Ge- 
schwfiren, Erosionen und bei Karzinomen saprophytisch vorkommen. 
Wie schwerwiegend solche Tauschungen sein konnen, beweisen uns 
mancherlei unliebsame Erfahrungen fiber Falle, in denen selbst gewiegte 
Mikroskopiker sich griindlich irreffihren lieBen. Um auf diese kliniscli 


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Hofmann, Einige Beruerkungen zur Pallida-Diagnose. 


487 


ungemein wichtige TfiuschungsmSglichkeit schon durch die Nomenklatur 
aufmerksam zu machen, hat E. Hoffmann (vgl. 3a, S. 829) mit P. 
Mulzer bereits 1905/06 den Namen „Spirochaeta pseudopal- 
lida u geprfigt und die lange Zeit zu wenig beachtete „Hoffmann- 
sche Regel“ aufgestellt, wonach Prfiparate, die nicht lediglich den 
Typus Pallida, sondern auch abweichende und grobere Spirochaten- 
formen enthalten, ffir die Entscheidung der so bedeutungsvollen Dia¬ 
gnose Lues nicht verwandt werden durfen, womit naturlich auch gesagt 
sein soil, daB aus dem Befunde eines Oder ganz weniger Exemplare des 
Pallida-Typs die Diagnose, zumal in klinisch zweifelhaften und eigen- 
artig liegenden Fallen, nicht gemacht werden darf. Nur 2 Ffille aus 
Prof. E. Hoffmanns Privatpraxis seien zur Illustrierung kurz er- 
wahnt. Der 1. (3b) betraf eine umschriebene balanitische Erosion 
mit so zahlreichen pallid a-Shnlichen Spirochaten neben abweichenden 
Formen, daB ein erfahrener Assistent glaubte, einen Primaraffekt an- 
nehmen zu miissen, der 2. ein ganz oberflachliches beginnendes 
Cancroid der Kranzfurche des Penis, bei dem infolge suspekter 
Anamnese ein Primaraffekt yon einem erfahrenen Arzte diagnostiziert 
worden war (Pseudopallidae ++). In beiden Fallen konnte ein 
verhangnisvoller Irrtum verraieden werden; denn es handelte sich, wie 
auch die weitere Beobachtung und der histologische Befund lehrten, nur 
um „Pseudopallidae“, namlich oberflachlich schmarotzende Balanitis- 
bzw. Karzinomspirochaten, bei denen erneute und saubere Abnahme des 
Materials unter sorgsamer Beachtung der Hoffmannschen Regel 
Kiarung zu bringen vermochten. 

Nun hat F. Neumann die Behauptung aufgestellt, daB es beim 
Kaninchen bei kiinstlich gesetzten Verletzungen in verschmutzten Kafigen 
geiange, Spirochaten vom Pallida-Typus auf diesen Erosionen und 
Ulcera gewissermaBen heranzuziichten. Diese von ihm in seiner Disser¬ 
tation (4) naher beschriebenen Experimente habe ich auf Veranlassung 
von Prof. Hoffmann nachzupriifen versucht, indem ich Kaninchen an 
der Vulva-Analgegend Erosionen gesetzt und sie dann langere Zeit in 
ungesaubertem Kafig habe leben lassen. Dabei habe ich aber niemals 
in den Erosionen Spirochaten vom Pallida-Typ entdecken kQnnen, 
was natflrlich nichts gegen die Richtigkeit des Neumannschen Fundes 
beweisen soli. Die Neumann sche Beobachtung erkiart sich am ein- 
fachsten, daB er spontane Kaninchenspirochatose durch die Verletzung 
und die Verschmutzung der Kafige manifest gemacht hat. Das Vor- 
handensein dieser Befunde deutet wohl ebenso wie die Pseudopal¬ 
lida-Befunde am Menschen die Schwierigkeiten der morphologischen 
Pallida-Diagnose an, weist aber zugleich auf die zu beachtenden 
Kunstgriife hin. die notig sind, um die Diagnose einwandfrei zu gestalten: 
Die Abnahme des Materials und die sogenannte Hoffmannsche Regel. 

Durch seine Kultivierung der verschiedenen Spirochatenarten hat 
Noguchi gezeigt, daB die eigentlich unterscheidbaren Charaktere keines- 
wegs die morphologischen Eigentflmlichkeiten einer Art sind, daB wir 
vielmehr zum Teil in der Biologie der Organismen die Dififerenzen 
entdecken konnen, die erst eine Unterscheidung der morphologisch nicht 
zu differenzierenden Formen ermoglichen. Die Noguchischen Arten, 
Treponema mucosum und ganz besonders microdentium sind 
nicht nur in der Kultur, in der sich die Formen ja leicht verandern, 
sondern auch sonst sehr ahnlich, so daB Noguchi (5) zu dem SchluB 
kommt, die Unterscheidung durch morphologische und farberische Eigeni- 


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488 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate Bd. 91. Heft 7/8. 

tflmlichkeiten allein nicht treffen zu konnen, sondern nur durch die 
Reinkultur. 

Wenn schon der Vergleich mit ahnlichen Arten die groBen Schwierig- 
keiten, auf morphologischem Wege verschiedene Spezies zu isolieren 
(und ebenso die Diagnose Spirochaeta pallida zu stellen) erkennen 
lafit, so erscheinen die Schwierigkeiten zunachst noch viel grofler, wenn 
man die abweichenden Formen betrachtet, die in einwandfreien Pallida- 
Reinkulturen auftreten kbnnen. 

Schon die ersten Autoren, denen die Kultivierung der Pallida 
gelang, beschreiben die abgeanderten Formen, die in Kulturrbhrchen 
gefunden werden. Manche Autoren haben zuweilen Refringens-ahn- 
liche Formen in den Kulturen auftreten sehen, und zwar die einen zu 
Beginn der Kultivierung, wahrend die anderen zuerst Pallida-Typen 
feststellen konnten, neben denen erst spater grobere Formen folgten. 
Etwas eingehender findet sich diese Frage in meinen „Untersuchungen 
an Kulturspirochaten“ erortert. Dort ist auch ausgefuhrt, daB die Be- 
zeichnung Refrin gen s-Typ durchaus nicht das Vorhandensein von 
wirklicher Spirochaeta refringens bedeuten muB, sondern viel- 
mehr nur eine gewisse Auflockerung in der Windungsart und allenfalls 
grbberen Ban andeutet. „Die typische, schiangelnde und lebhaft aktive 
Ortsbewegung der Refringen s-Spirochaten ist nirgends beschrieben ; 
und darum werden wir mit der Vermutung nicht fehlgehen, daB es sich 
hier um durch die Kultur entartete Pallidae und nicht um wirkliche 
Refringentes handelte“ (S. 313). Zahlreiche Abbildungen, die in 
meiner erwahnten Arbeit wiedergegeben sind, legen Zeugnis von der 
Vielgestaltigkeit der Pallida in Kulturen ab. Veranderte, eventuell 
verschlechterte Lebensbedingungen sind die Ursache fflr diese Gestalts- 
veranderung, und je nach der Konstanz des Mediums linden wir die 
Spirochaeta pallida in der typischen Spiralform, wie wir sie vom 
menschlicheu Gewebe her zu sehen gewohnt sind, oder in jener aufge- 
lockerten und groberen Form der spateren Kulturpassagen. 

Im menschlichen Organismus werden ja solche Schwankungen der 
Lebensbedingungen nicht vorhanden sein, wie wir sie von der Kultur 
her kennen. Insbesondere ist die Konsistenz des Mediums, in dem sich 
die Spirochaeta pallida bewegt, wohl meist eine gleich bleibende. 
Und doch ist es denkbar, daB betrachtlichere Formveranderungen ein- 
treten konnen, wenn die Lebensenergie der Spirochaten selbst nachiaBt 
und die Pallida sich nicht in der Tiefe des Gewebes aufhait, sondern 
unter ganz anderen Luft- und Sauerstoffverhaitnissen an der Oberflache 
einer syphilitischen Effloreszenz vorkommt. 

Ob also unter den zahlreichen Formen, die z. B. in dem Belag 
syphilitischer Papeln beobachtet sind, auBer den wirklich saprophytaren 
Organismen, die in die Gruppe der Refringens gehoren, auch eine 
Anzahl von veranderten Gewebs-Pallidae vorkommen, welche vielleicht 
durch Degeneration usw. eine von der urspriinglichen abweichende Form 
angenommen haben, bleibt zu entscheiden. Jedenfalls miissen die an der 
Oberflache syphilitischer Effloreszenzen schmarotzenden vom Typus ab¬ 
weichenden Formen vorher entfernt werden, da sie zu Fehlschlussen leicht 
AnlaB geben konnen. Auf die Bedeutung der richtigen Art der Spiro- 
chatenabnahme ist in zahlreichen Publikationen hingewiesen worden und 
als Konsequenz daraus auf die Unzulanglichkeit der syphilitischen Fern- 
diagnose aus (in Kapillaren oder Pnlparaten) tibersandtem Sekret. Einer 
Unterschatzung dieser Fehlerquelle begegnet man in der Praxis leider 



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Hofmann, Einige Bemerkungen zur P a 11 i d a - Diagnose. 


489 


nicht selten; und es muB imraer wieder betont werden, daB die sichere 
Erkennung der Spirochaeta pallida nur dann gewahrleistet ist, wenn 
alle angegebenen VorsichtsmaBregeln beachtet werden. 

Und doch hat Neumann nicht recht, wenn er glaubt, daB 
seine Ausfflhrungen iiber die Spirochaeta cuniculi — auch wenn 
sie durch die vorstehenden Erwagungen zum Teil unterstrichen werden 
— die praktische Syphilisdiagnose am Menschen irgendwie in Frage 
stellen wflrden. Bedingung ist nur, daB eben alle Hilfsmittel angewandt 
werden, die dazu dienen, oberflachlich lebende und saprophytare Formen 
zu vermeiden. Neben der kunstgerechten Abnahme ist bei der 
Untersuchung des Praparates deshalb besonders darauf zu achten, daB 
nur typische Spirochaten vom Pallida-Typ vorhanden sind. 
Nur dann, aber dann auch sicher, dfirfte die Diagnose Syphilis 
aus der Morphologie ihres Erregers ohne Bedenken zu stellen sein. 

Die Technik der Spirochatenuntersuchung hat sich immer weiter 
vervollkommnet und besonders die Dunkelfeldapparatur hat gerade in 
letzter Zeit manche Verbesserung zu verzeichnen. Bei der Untersuchung 
der Pallida mit dem Wechselkondensor (Leuchtbildmethode) ent- 
stehen oft dadurch Schwierigkeiten, daB die Immersion mit Trichter- 
blende, die zur Betrachtung im Dunkelfeld dient, bei der Hellfeldunter- 
suchung nicht benutzt werden kann. Die Herabsetzung der numerischen 
Apertur des Objektivs, die fflrs Dunkelfeld dringend notwendig ist, 
vermindert die Auflosungsfahigkeit bei Hellfeldbetrachtung so bedeutend, 
daB oft kein brauchbares Bild zustande kommt. Es muB also dann, 
wenn der oft notwendige Vergleich zwischen Dunkel- und Hellfeld ge- 
wfinscht wird, eine zweite Immersion zur Hand sein, Oder aber die 
Trichterblende aus der fflr das Leuchtbild benutzten Immersion ent- 
fernt werden. Zum mindesten maclit dies dann einige Handgriffe und 
eine neue EinstelluDg notwendig. Der Vorteil des Helldunkelfeldkon- 
densors, Leuchtbild und Hellfeldbild miteinander direkt und beliebig oft 
zu vergleichen, fallt auf diese Weise fort. Darum war der Gedanke 
auBerordentlich Erfolg versprechend, eine Immersion herzustellen, die 
fflr beide Zwecke brauchbar ist, ohne daB die Immersion herausgeschraubt 
Oder sonstwie in ihrer Stellung zum Objekt verflndert zu werden braucht. 

Eine solche Immersion ist nun neuerdings von der Firma Reichert 
konstruiert und in den Handel gebracht worden. Hier wird die Rand- 
blende durch einfaches Bewegen eines Stellringes leicht ein und ausge- 
schaltet, so daB tatsachlich beides, eine Immersion mit Randblende fflr 
Dunkelfeld- und eine ohne diese Blende fflr Hellfeldbeleuchtung, vor¬ 
handen ist und jederzeit nach Bedarf benutzt werden kann. 

Hierdurch gewinnt das Leuchtbildverfahren, dessen Wert ja vor 
allem in dem Auffinden sparlicher Spirochaten (und natflrlich eventuell 
auch anderer Organismen) auch in schlecht gefflrbten Prflparaten be- 
steht, noch mehr an Wert. Es wird ermoglicht, mit derselben Apparatur 
die Spirochaten im Dunkelfeld zu suchen und dann ohne weiteres im 
Hellfeld ihre morphologischen Feinheiten zu studieren. 

Literaturverzeichnis. 

1) Neumann, Franz, Klin. Wochenschr. Jahrg. 2. Nr. 6; Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 90. 1923. S. 100. — 2) Kolle, Ruppert u. Mobus, Arch. f. Derm, 
u. Syph. Bd. 135. — 3) Hoffmann, Erich, a) Handb. d. Geschlechtakrankh. Bd. 2. 
1901. 8. 827 u. folg.; b) Dtsch. med. Wochenschr. 1919. Nr. 36. — 4) Neumann, 
Franz, Vet. med. Diai-ert. Dresden-Leipzig 1922. — 5) Noguchi, Hideyo, Ztachr. 
f. Immuniiatsforsch. Orig. Bd. 14. 1912. — 6) Hofmann, Edmund, Arch. f. Derm, 
u. Syph. 1923. H. 2. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Nachdruck verboten. 

Eine neue intrazerebrale Methode der Impfung des 

Tollwutvirus 1 ). 

[Aus dem Moskauer Metschnikow-Institut (Direktor Prof. S. W. 

K o r s c h u n).] 

Von M. D. Utenkow. 

Mit 1 Abbildung im Text. 

Beim Impfen des Tollwutvirus in den SchSdel gibt es zwei Methoden, 
und zwar eine subdurale und eine intrazerebrale. 

Fflr die Praxis sind beide gleich wertvoll und bei vollkommener 
Technik gleich erfolgreich. 

Die subdurale Methode, die im Zusammenhang mit der Trepana¬ 
tion stebt, wurde zum ersten Mai von Roux-Pasteur (1881) ange- 
wandt und genieGt noch jetzt allgemeine Anerkennung. Bei alien ihren 
Vorzflgen hat sie aber doch folgende Unvollkommenheiten: 1) die Not- 
wendigkeit spezieller Instruraente (z. B. Trepan, Haken, Spritze mit 
einer angebogenen Nadel usw.), 2) Kenntnis der Trepanationstechnik, 
3) Dauer und Kompliziertheit der Operation, 4) Gefahr fflr den Tre- 
panierenden, 5) der unvermeidliche Prozentsatz des MiBlingens infolge 
der Unvollkommenheit der Technik und der sekundflren Komplikation. 

Von intrazerebralen Methoden der Impfung unterscheiden wir 
als die wichtigsten folgende: 1) die von Leclainche-Morel, 2) von 
Dawson-Oschida, und 3) die von Galli-Valerio. 

Als Vorzfige der ersten Methode sind die dabei gebrauchten ein- 
facheren Instrumente (statt des Trepan der Knochenbohrer) zu be- 
trachten, doch leidet. sie im ganzen an denselben Unvollkommenheiten, 
wie die Methode von Roux-Pasteur. AuBerdem wird das operierte 
Tier nicht selten von der Jacks on schen Epilepsie befallen. 

Weniger erfolgreich erscheint die durch das Auge ausgefflhrte 
Methode von Dawson-Oschida, fur dcren Ausfflhrung spezielle 
Instrumente nicht notig sind, da man sich einer einfachen Spritze be- 
dienen kann. Doch gibt die Einfuhrung der Spritze durch das Foramen 
opticum keine voile Sicherheit, daB die Impfung des Virus ins Gehirn 
erfolgt, da man ohne Kontrolle arbeiten muB (d. h. ohne zu sehen und 
zu fflhlen). Zu den vielen miBlungenen Operationen konnen noch die 
Schadigungen des Auges des Versuchstieres. 

Sehr einfach ist dagegen die Methode von Galli-Valerio, bei 
welcher man die Spritze durch das Foramen occipitale magnum ffihrt 
Leider beeintrachtigt die unvermeidliche BeschSdigung des verlangerten 
Markes mit ihrem todlichen Ausgang auf dem Operationstische die 
Moglichkeit ihrer Anwendung. 

Die vielen anderen Methoden, die nur eine Variation der oben be- 
schriebenen darstellen, leiden auch an denselben Uebelstanden, wie z. B. 
Benutzung der Bohrmaschine als Bohrer bei Einfuhrung des Virus durch 
die Nasenhbhle u. dgl. 

Unsere Methode aber basiert auf anatomischen Eigentflmlichkeiten: 
Bei Untersuchung des Schadels des Kaninchens wenden wir unsere Auf- 
merksamkeit dem Schuppenteile des Hiuterhauptbeins zu, und zwar hat 

1) Vortrag, gehalten auf dem VII. allrussischen Bakteriologenkongrefi den 26.5.1923- 



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Utenkow, Neue intrazerebrale Methode der impfung des Tollwutvirus. 491 


uns die Feinheit und Schwamraartigkeit der Knochensubstanz veranlaBt, 
diese Eigenschaften auszunutzen. Die ganze Technik unserer intra- 
zerebralen Methode besteht ira folgenden: 

Das Tier wird mit abgezogenen Ohren und vorgebeugtem Kopfe 
fixiert und der Erkennungspunkt, der Hinterhauptshocker (Protuberantia 
occipitalis externa) aufgesucht, das ist der hervorragendste Punkt in dem 
Schuppenteil des Hinterbauptbeins. 

In der Gegend dieses Hockers werden die Haare rasiert und die 
genannte Stelle mit einer desinfizierenden Fliissigkeit benetzt, worauf 
mit einer gewShnlichen 1,0 ccm-Spritze, in die vorher das Impfmaterial 
angesaugt war, die angegebene Fiache senkrecht durchstochen wird. 
Nachdem man durch Befiihlen sicb iiberzeugt hat, daB kein Hindernis 
besteht, und die Nadel so bewegend, daB die Knochensubstanz wirklich 
durchgestochen ist, wird dann der Inhalt der Spritze in die Schadelhbhle 
eingefiihrt, dann die Spritze schnell herausgenommen und die Stelle des 
Durchbruchs mit einer desinfizierenden Fliissigkeit benetzt. 

Fflr die intrazerebralen Impfungen ist Cat-Box sehr anwendbar, da 
in diesem Falle das Tier gut fixiert wird und die ganze Operation ohne 
Gehtilfen vollzogen werden kann, indem man 
das Tier an den Ohren halt. Dieser Cat-Box 
ist ein Kasten mit einer runden Oeffnung 
fur den Hals des Tieres (0) mit verscbieb- 
barem Deckel (A) in der Haifte der Quer- 
seite (B). Das Tier wird in den offenen 
Kasten gesetzt in der Weise, daB sein Hals 
in die Einkerbung (C), die in der Querseite 
ausgeschnitten ist, kommt. Danach wird 
von oben die verschiebbare Haifte der Quer¬ 
seite und der Kasten mit dem Deckel (A) 
geschlossen. Auf diese Weise wird der 
Hals des Tieres fest umfaBt und sein Kopf 
in unbewegliche Lage gebracht. 

Das den Durchstich des Hinterhaupts- 
hbckers zuweilen, infolge der vorkommenden individuellen Harte und 
Dicke erschwerende Hindernis ist leicht durch starkeren und tieferen 
Einstich der Nadel zu tiberwinden. Auch kann man in diesen Fallen mit 
gleichem Erfolg die den Hinterhauptshocker umgebende Fiache benutzen. 

Die Fiache des Hinterhauptshockers schwankt je nach der Gattung, 
dem Geschlechte, Alter und der Individualitat und hat im Durchschnitt 
einem Radius von 4—8 mm beim Kaninchen. Die ist besonders fur die 
Operation vorzuziehen, weil unter dem Hinterhauptshocker das Klein- 
hirn oder richtiger der wurmartige Teil desselben liegt, welches in 
funktioneller Beziehung wichtiger als das Grofihirn oder das veriangerte 
Mark ist, weniger auf Trauma reagiert. 

Wahrend die Ausschaltung des ganzen Kleinhirns zu Hypotonie, 
Ataxie und choreischen Krampfen fiihrt und die Ansschaltung des wurm- 
artigen Teils eine schwachere Wirkung erzeugt (und zwar tonisches Zu- 
sammenziehen der Hinterhauptsmuskeln und Vorderpfoten mit darauf 
folgender Parese der Hinterpfoten), hat der experimentelle Durchstich keine 
Folgen, wie unsere Versuche mit dem Eindringen der Nadel in die Substanz 
des Kleinhirns in verschiedene Tiefe (einige mit vitaler Farbung des Klein¬ 
hirns mit Methylenblau) uns gelehrt haben und da das Trauma der Haut 
durch den Durchstich unbedeutend ist und keine Komplikationenhervorruft. 



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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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AuBerdem hat der Hinterhauptshocker noch den Vorzug, daB keine 
wichtigen Blutgef&Be unter ihm liegen und der Durchgang der Nadel in 
die Dura mater und ins Kleinhirn keine merkbaren Blutergflsse hervor- 
ruft. Tritt man aber aus dem Umkreise des Hinterhauptshockers ein 
wenig n&her zu den Grenzen der Hinter- und Vorderhauptsknochen 
hinaus, so ist bier das Eindringen in die Sinus sagittalis oder trans- 
versus moglich, was BluterguB zur Folge hat. 

Erfolgt der Durchstich des Hinterhauptbeins auBerhalb der Grenzen 
des Hinterhauptshdckers und unterhalb der Protuberantia occipitalis 
externa, so kann eine todlich wirkende Besch&digung des verlSngerten 
Marks erfolgen. Dagegen kann man bei seitiichen Abweichungen, z. B. 
langs der Linea nuchae superior, beim Einstich auf betrachtliche Muskel- 
schichten stoBen, wogegen der eigentliche Hinterhauptshbcker keine 
Muskeldecke hat. 

Der Erfolg unserer Methode hkngt davon ab, ob die Knochen- 
substanz durchstochen ist, oder nicht. Wie schon erw&hnt, braucht man 
ein tieferes Eindringen der Nadel nicht zu fiirchten. Im gegebenen 
Falle ist es besser zu tiet, als nicht genugend tief einzudringen, da das 
Kleinhirn das Eindringen der Nadel bis zum Corpus medullare zulSJBt. 

Zum SchluB sei noch gesagt, daB unsere Methode bei Prflfung auf 
der Pasteurschen Abteilungsstation des Metschnikowschen Instituts 
erfolgreiche Resultate ergeben hat. Sie kann, dank ihrer Einfachheit 
und Sicherheit, keiner der oben angefiihrten intrazerebralen Methoden 
gleichgestellt werden, auch steht sie keinesfalls der klassischen Methode 
von Roux-Pasteur nach. Ja man kann sogar behaupten, daB unsere 
Methode der subduralen vorzuziehen ist, und zwar wegen ihrer Einfach¬ 
heit wie auch durch das Erzielen einer besseren Aseptik und eines 
kleineren Trauma beim Tiere. 

Unsere weiteren Versuche haben gezeigt, daB unsere Methode nicht 
nur an Kaninchen mit Tollwutvirus angewendet werden kann, sondern auch 
an kleinen Versuchstieren und Vogeln mit beliebigem Infektionsmaterial. 

Es ist daher die von uns vorgeschlagene intrazerebrale Methode 
auBerordentlich einfach, leicht durchtuhrbar und sicher und verdiente 
infolgedessen groBe Aufmerksamkeit und eingehende Priifnng. 


. Nachdruck verboten. 

Beitrag zur Diagnostic des Bac. pyocyaneus. 

[Aus der VeterinBr-bakteriologischen Untersuchungsstelle bei der Pro- 
sektur in Troppau, Cechoslov. Rep.J 

Von Dr. E. Janusclike. 

AuBer den bekannten Eigentiimlichkeiten zeigt der Bac. pjo¬ 
ey aneus folgendes, meines Wissens unbeschriebenes Verhalten in einigen 
Spezialnahrboden, das, wenn es sich auch zum Teil aus schon bekannten 
Eigenschaften ableiten laBt, hier kurz erwahnt sei: Barsiekow I: 
Rotung und Gerinnung in 24 Std. — Barsiekow II, Rohr- und 
Malzzucker-Lackmus-Nutroselosung: BlSuung in 24 Std. — 
Hetsch-Losung: Nach 36—72 Std. in den unteren 2 /„ gelb, im 
oberen Vs grtin gefSrbt; nach einigen Tagen die oberen 2 /s blaugrfln, 
das untere Vs dunkelrot; spater einheitlich blaugriine F&rbung. 



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Koose, Eine Laboratoriumsmfektion mit Maltafieber. 


493 


Fur die Diaguostik sind also charakteristisch: die Beweglichkeit, die 
Produktion ernes griinen Farbstoffes und von Alkali (Ammoniak nach 
NeiBer), von proteolytischen und hkmolytischen Fermenten; das Fehlen 
der Indolbildung, die Aufspaltung von Traubenzucker und Farbumscblag 
in Hetsch-L8sung. Beimpft man nebeneinander Bouillon, Hetsch- 
und Barsiekow I- und II-L5sung, so erhklt man in 2—3 Tagen die 
Farbenreihe griin, gelb, rot, blau. 

Das morphologisch, kulturell und biochemisch sonst gleiche Bact. 
fluorescens liquefaciens lSBt dagegen in bunter Reihe sowohl 
die Grflnf&rbung der Bouillon als auch die Gelbf&rbung der Mannitlosung 
vermissen; erstere bleibt in der Farbe unverkndert, letztere weist eine 
MiBf&rbung mit blaulichen und gelblichen Tonen auf. 


Nachdruck verboten. 

Eine Laboratoriumsmfektion mit Maltafieber. 

[Aus der Bakteriologischen Untersuchungsabteilung (Leiter: Prof. Dr. 
C. Prausnitz) des Hygienischen Instituts der Universitkt Breslau 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Pfeiffer).] 

Von Dr. Werner Koose, Volontarassistent am Institut. 

Mit 1 Kurve im Text. 

Trotz aller VorsichtsmaBregeln kommen gelegentlich Laboratoriums- 
infektionen beim Arbeiten im bakteriologischen Laboratorium vor. Die 
Mehrzahl von ihnen ist durch Unvorsichtigkeit bedingt, bei manchen 
handelt es sich aber um Zufalligkeiten, die nicht vorhergesehen werden 
konnten. In der Reihe der Infektionen stehen wohl an erster Stelle 
solche mit Typhus, Diphtherie, dann folgen Rotz, Pest, Cholera, Malta¬ 
fieber, Fleckfieber und andere. Es ist das groBe Verdienst von KiBkalt 
gewesen, diese Fragen eingehend zu bearbeiten und die Ergebnisse seiner 
Untersuchungen zu veroffentlichen. Es kann wohl auch keinem Zweifel 
unterliegen, daB mancher Fall von Tuberkulose bei Laboratoriumsarbeitern 
eine Shnliche Ursache gehabt hat. Die Veroffentlichung eines jeden der- 
artigen Falles erscheint geboten sowohl aus theoretischem Interesse wie 
auch besonders, um die im Laboratorium Arbeitenden immer wieder an die 
Notwendigkeit peinlichster Befolgung aller VorsichtsmaBregeln zuerinnern. 

Ueber Laboratoriumsinfektionen mit Maltafieber ist noch nicht viel 
bekannt. Doch kann an der hohen InfektiositSt dieser Erreger nicht 
gezweifelt werden. Soweit aus der sparlichen Literatur ersichtlich ist 
und durch personliche Nachforschung von Herrn Prof. Prausnitz 
festgestellt werden konnte, kommen teils Infektionen vom Munde aus 
(durch Verschlucken des Infektionsmaterials), teils wahrscheinlich durch 
Inhalation, teils auch durch Hautwunden vor. Am bekanntesten ist wohl 
der tragische Fall des englischen Forschers Allan Macfadyen: Zur 
Gewinnung eines mbglichst ungeschkdigten Endotoxins wurden Me- 
li ten sis- Bakterien mit fliissiger Luft gefroren, feinst vermahlen und 
dann zentrifugiert. Bei diesem MahlprozeB erfolgte durch die Nach- 
lassigkeit eines Gehilfen eine Verspriihung des Bakterienmaterials, das 
noch dazu durch Tierpassage dauernd auf hochster Virulenz gehalten 
wurde. Macfadyen und zwei seiner Gehilfen erkrankten, der Forscher 
selber starb. Von einer Selbstinfektion vom Munde her berichtet B a s- 


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Kurye 1. 


494 


Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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3 




400000001 
Melitensisvaccinfil 

—-t-— 


100000000 
elitensisvaccinfr:! 


30 00000 09 | a | 

Melilen9i3vac cin | 5| 




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1300000000 ]sf| 
“Melitensisv^ccinjyj 



3 $ & 8 


sett-Smith (Inkubation 6 Tage). Die Mund- 
infektion wird natflrlich am hfiufigsten durch Pi- 
pettieren bei der Agglutinationspriifung von Kran- 
kenseren usw. erfolgen. Diese Infektionsart lfiBt 
sich jedoch, wie Ronchfcse und andere gezeigt 
haben, ohne Beeintrfichtigung der Untersuchungs- 
ergebnisse durch Verwendung formalinisierter Kul- 
turen zur Widalschen Reaktion vermeiden. In 
einem anderen Falle erfolgte die Infektion von der 
Conjunctiva aus (Inkubation 5 Tage). Dann liegen 
noch einige Berichte fiber Einimpfung des Krank- 
heitserregers durch die Haut vor: Birt und Lamb 
sahen eine Infektion nach versehentlichem Stich 
mit infizierter Kanfile (Inkubation 15 Tage), einen 
weiteren Fall, wo die Schutzwirkung einer vorher- 
gegangenen Meliten sis - Schutzimpfung durch 
Nachinfektion von lebendem virulenten Material 
geprfift werden sollte — und nach 16 Tagen zur 
Erkrankung ffihrte. Pollaci berichtet fiber ex- 
perimentelle transkutane Infektion beim Menscheu 
mit 20-tfig. Inkubation. 

Eine weitere todliche Infektion, bei der die 
Eintrittspforte allerdings nicht festgestellt werden 
konnte, betraf einen Arzt in einem Londoner La- 
boratorium, der eine Meliten si s-Kultur durch 
Tierpassage in der Virulenz zu steigern versuchte. 
Endlich sei die todliche Selbstinfektion des For- 
schers Carbone erwahnt, fiber die mir keine 
Einzelheiten bekannt sind. 

Ich lasse nunmehr den Bericht fiber meine 
Infektion folgen, die interessanterweise nicht mit 
einer frisch durch Tiere passierten Kultur erfolgte, 
sondern mit einem Stamm aus der Kr&lschen 
Sammlung, der nach liebenswfirdiger Mitteilung 
von Herrn Prof. Pribram wahrend des Krieges 
auf der Balkanhalbinsel herausgezfichtet und seit- 
dem dauernd auf kfinstlichen Nfihrbfiden gehalten 
worden war. 

Zur Priifung des Agglutinationsvermogens einiger Sera 
schwcmmte ich am 19. MSrz 1923 ein gut bcwachsenes 3-tag. 
Schragagarrohrchea mit 0,8-proz. Kocnsalzlosung ab. Beim 
Quirleu des senkrecht gehaltenen Rohrchens zwischen beiden 
Handflachen zerbrach das diinnwandige Reagenzglas, und 
4 Glassplitterchen drangen wenige Millimeter tief in die 
linke Hohlhand ein; die kleinen Wunden wurden so fort von 
der Bakterienaufschwemmung benetzt. Unmittelbar danach 
desinfizierte ich mich griindlich in 1-prom. Quecksilberoxyd- 
cyanatlosung, wobei ich die Wunden griindlich ausbluten 
und die Desinfektionsfliissigkeit langere Zeit einwirken liefi; 
die kleinen Wunden heilten in wenigen Tagen glatt. Schon 
am 24. und 25. Marz zeigten sich die ersten Eracheinungen 
in einem starken Miidigkeitsgefiihl (Kurve 1). Am 28. Marz, 
d. h. 9 Tage nach der Infektion, begann die eigentliche Er¬ 
krankung mit Fieber, allgemeinem Krankheitsgefiihl und 
rasch zunchmender Schwiiche, die zur Bettruhe zwang. 
Wahrend der ersten Tage des Fiebera waren 
einige Lymphdriisen der linken Achselhohle 



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Koose, Eine Labors tori urns infektion mit Maltafieber. 


495 


etwa bohnengroB geschwollen und empfindlich. Von sonstigen Erschei- 
uungen waren nur eine Herzarhythmie (Aussetzen etwa jedes 4. Pulses) und eine leichte 
subikterische Farbung der Augenbindehaut zu nennen, die in wenigen Tagen ver- 
schwanden. Ueber den wellenartigen Fieberverlauf, der erst nach fiber 2 Mon. abklang, 
unterrichtet die beigeffigte Kurve. Wie man sieht, folgte auf die erste, 12 Tage wah- 
rende, Periode ein subfebriler Zwischenraum von einer Woche, dann trat eine erneute 
Erhohung von etwa 1-wochiger Dauer auf, und schliefilich folgten noch 5 etwas un- 
regelmafiige kleinere Wellen, die letzte am 31. Mai, d. h. etwas fiber 2 Wochen nach 
der vorletzten Welle. Wahrend des 2. 8chubes war die Milz schmerzhaft und vorfiber- 
gehend tastbar, man horte perisplenitisches Reiben. Die ffir Maltafieber sonst als 
tygisch beschriebenen Gliederschmerzen, neuritischen Beschwerden und Schweifiaus- 
bruche traten nicht auf. 

Ein Teil der spater beobachteten Temperatursteigerungen ist wohl auf die Vak- 
zinebehandlung zurfickzuffihren, die auf den Rat von Herrn Prof. Rosenthal ausge- 
ffihrt wurde. Verwendet wurde die durch Erhitzen auf 56° abgetfitete Kultur, mit der 
die Infektion erfolgt war. Nach Abklingen der 3. und noch in der 4. Fieberwelle 
wurden 10 Mill, gespritzt: erneuter Temperaturanstieg auf 38,2°. Dann folgten am 
4. Tage 20 Mill., am 8. Tage 40 Mill., am 11. Tage 100 Mill., am 15. Tage 300 Mill, 
und am 24. Tage nochmal 300 Mill. Auf die Injektion von 100 Mill, trat ein Anstieg 
auf 37,7° ein, auf die 1. Injektion von 300 Mill, ein Anstieg auf 38 0 mit handfliichen- 
grofler Lokalreaktion. Die fibrigen Einspritzungen riefen keine ortlichcn oder Allge- 
meinerscheinungen hervor. Die letzte Fieberwelle trat 1 Woche nach der letzten 
Vakzineeinspritzung, 73 Tage nach Beginn der Erkrankung, auf; sie schloB sich un- 
mittelbar an einen schweren Sturz mit dem Fahrrade an; ob sie die Folge davon war, 
sei dahingestellt. Beit fiber 6 Mon. bin ich nunmehr gesund geblieben. Den Herren 
Privatdozent Dr. MeiBner, Prof. Dr. Rosenthal und Dr. Seeliger sage ich an 
dieser Stello ffir ihre sorgfaltige und liebenswfirdige Behandlung den herzlicbsten Dank. 

Die bakteriologische Diagnose wurde durch den Nachweis 
des Bacterium melitense im stromenden Blute wahrend der 
1. Fieberwelle gesichert. Wiederholte sp&tere Untersuchungen des 
Blutes, des Harns, sowie auch des Stuhles waren negativ. Mein Serum 
zeigte am 10. April, d. h. am 12. Krankheitstage, den hochsten Agglu- 
tinationstiter von 1:320; das ist ein Titer, wie er auch bei normalen 
Personen gegeniiber diesem Stamm von mir gelegentlich gefunden 
worden ist. 

An dieser Stelle sei auf die bemerkenswerte Beobachtung hinge- 
wiesen, daB bei dem Versuch der Herstellung eines agglutinierenden 
Serums fiir diesen Stamm ein Kaninchen 4 Tage nach der intravenosen 
Einspritzung von Vs Oese bei 58° abgetoteter Kultur eine Lahmung der 
Hinterbeine zeigte, die nach weiteren 5 Tagen unter aufsteigender L&h- 
mung zum Tode fflhrte. Aehnliche Erscheinungen wurden von Don- 
zello und DeNunno nach Injektion lebender Melitensis-Kulturen 
bei Kaninchen beobachtet. Doch traten bei dem letzten Forscher, der 
mit einer wenig virulenten Kultur arbeitete, die Symptome erst 2 Mon. 
spater auf. Eine neurotrope Wirkung des Bacterium melitense 
oder seiner Endotoxine, wie sie u. a. De Nunno und Donzello 
bei ihren Tierversuchen regelmaBig feststellten, ist auch nach klinischen 
Beobachtungen anzunehmen. Sie wurde' die fiir Maltafieber charakte- 
ristischen rheumatischen Schmerzen und Neuritiden erkiaren. Grocco 
hat einen bulbSren Typ der Krankheit beobachtet, Samut stellte bei 
einer Landryschen Paralyse die Anwesenheit von Bacterium meli¬ 
tense fest. 

Nach dem Vorhergehenden diirfte an der Aetiologie meiner Er¬ 
krankung kein Zweifel sein. Es fragt sich nur, ob die Infektion durch 
eine Ungeschicklichkeit beim Pipettieren der Kulturaufschwemmung bei 
Gelegenheit der zahlreich von mir ausgefiihrten Serumagglutinations- 
prfifungen erfolgt sein kann, oder ob die Krankheitskeime von den 
Hautwunden her eingedrungen sind. Gegen die erste Moglichkeit spricht 


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496 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 7/8. 

der Umstand, daB ich bei gleichzeitig ausgeffihrten grofien Untersuchungs- 
reihen mit Typhus- und Ruhrkulturen keine Iufektion erlitten und mit 
Rtlcksicht auf die Gefahr dieser Arbeiten dauemd mit groBter Vorsicht 
gearbeitet habe. Die Pipetten waren stets mit einem am Mundende 
eingefflhrten Wattestopfen gesichert. Ffir die Auffassung, daB die In- 
fektion von den Hautwunden aus erfolgte, spricht mit 
groBterWahrscheinlichkeit die gleichzeitig mit der ers ten 
Fieberwelle eingetretene entzflndliche Schwellung der 
regionfiren Lymphdriisen. Es wurde noch der Versuch gemacht, 
das Krankheitsbild kiinstlich nacbzuahmen, indem einem Meerschweinchen 
in die enthaarte und skarifizierte Bauchhaut kleinere Mengen der ver- 
wendeten lebenden Kultur kraftig eingerieben wurden. Doch traten 
keine Krankheitserscheinungen und im Serum keine Agglutinine gegen 
Bacterium melitense auf. Aus den Organen des 10 Wochen sp&ter 
getoteten Tieres waren die Bakterien nicht zu ziichten. Diese negative 
Beobachtung, die wegen der Gef&hrlichkeit der Versuche nicht wiederholt 
wurde, kann jedoch an der Moglichkeit der perkutanen Infektion des 
Menschen nach den gemachten Beobachtungen nichts Sndern. 

Zusammenfassung. 

Es wird fiber eine Laboratoriumsinfektion mit Bacterium meli¬ 
tense berichtet, bei der die Erreger mit groBter Wahrscheinlichkeit 
durch kleine Hautwunden eingedrungen sind. Der Fall verlief typisch. 
aber gutartig. 

Literatnr. 

Babes, Kolle-Wassermasn, 1. Aufl. Bd. 3. 1903. S. 440. — Bassett- 
Smith, Menses Handb. d. Tropenkrankh. Bd. 3. 1914. 6. 349. — Birt and Lamb, 
Lancet. Vol. 2. 1899. p. 701. (zit. nach Babes). — Donzello, V. Riun. d. Soc. Ital. 
di Patol. 1908. (Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 42. 1909. S. 677). — Kill - 
kalt, Ztschr. f. Hyg. Bd. 80. 1915. S. 145. — Kolle-Hetsch, Exp. Bakteriol. 6. Aufl. 
Bd. 1. 1922. S. 456. — Luger, Dtsch. med. Wochenschr. 1921. 8. 321. — Pollaci, 
V. Riun. d. Soc. Ital. di Patol. 1908. (Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 42. 1909. 
S. 676.) — Ronch&se, Compt. rend. Soc. de Biol. T. 89. 1913. p. 210. — Samut, 
Journ. Roy. Army med. Corps. Vol. 16. 1911. p. 77. 


Nachdruck verboten. 

TJeber Paratyphus und Typhus bei Vogeln. 

[Aus dem Bakteriologischen Laboratorium des Petersburger landwirtschaftl. 
wissenschaftl. Instituts (Leiter Prof. M. Tartakowsky).] 

Von Prof. Dr. B. Ebert und O. Schulgina. 

Die Erkrankungen der V5gel nehmen unser Interesse schon seit 
langem aus verschiedenen Griinden in Anspruch. Abgesehen von der 
Vogelzucht, die eine groBe Bedeutung ffir das Wirtschaftsleben ver- 
schiedener Lander hat, und der die Vogelseuchen einen groBen Schaden 
bringen, spielen die an einer ffir den Menschen ansteckenden Krankheit 
leidenden Vfigel eiue wichtige Rolle in epideraiologischer Hinsicht. Die 
Fahigkeit der Vogel, mit ungeheuerer Geschwindigkeit grofie Ent- 
fernungen zu durchfliegen, ihr Aufenthalt in der Nfihe des Menschen. 
die Schwierigkeit, Abfallstoffe, die den Vogeln manchmal als Nahrung 
dienen, vor ihnen zu schiitzen, macht die kranken Vogel unvergleichbar 



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Ebert u. Schulgina, Ueber Paratyphus und Typhus bei Vfigeln. 497 


geffihrlicher in bezug auf die Seuchenverbreitung, als irgendwelche 
anderen Tiere, den Menschen inbegriffen. 

Das ist aber noch nicht alles: nach den neuesten Untersuchungen 
von A. Maximoff und S. Mjassoj edoff, die im histologischen La- 
boratoriura des obengenannten Instituts ausgefflhrt wurden, hat das 
lenkopoetische System der V8gel scharf ausgesprochene Baueigenheiten 
vom anatomischen und histologischen Standpunkt aus. Dieser Umstand 
begrfindet seinerseits die Annahme, daB bei den Vogeln sowohl die 
Leukopoese als auch die mit ihr nahe verbundenen Prozesse der In- 
fektion und der Immunitfit, etwas Spezifisches in ihrem Verlaufe und 
ihrer Entwicklung haben konnen. 

Im Zusammenhang mit den oben erwfihnten Ueberlegungen haben 
wir uns entschlossen, die Untersuchung der infektiosen bakteriellen Er- 
krankungen bei den V8geln durchzuffihren — eine Aufgabe, auf die 
unser Laboratorium schon langst die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. 

Zunfichst beschfiftigten wir uns mit der serologischen Untersuchung 
des B. loxiacid., welches von M. Tartakowsky (1898) aus kranken 
Kreuzschnabeln (Loxia curviorostra) geziichtet wurde, bezilglich 
seines Verhaltens zum B. psittacosis, B. paratyphi A und B 
und B. enteritidis Gartner; ferner wollten wir feststellen, wie haufig 
man bei den Vfigeln Infektionen trifft, welche durch die verschiedenen 
Erreger aus der Coli-Typhus-Gruppe verursacht werden. Wir be- 
nutzten als Material eine Sammlung lebender Bakterienkulturen, die 
von M. Tartakowsky aus Vogeln geziichtet wurden, die an septischen 
Darmentzfindungen litten. Wir miissen darauf aufmerksam machen, daB 
bei der Untersuchung der Garungsfahigkeit der Bakterien weder Dulzit 
noch Sorbit noch Arabinose angewandt wurde, wie aus unseren Er- 
gebnissen zu ersehen ist, da es uns unmfiglich war, diese Stoffe zu be- 
schaffen. Wir erwabnen Dulzit, Sorbit und Arabinose, weil gerade diese 
Stoffe von W. Pfeiler und E. Rfipke zur Differenzierung der Er¬ 
reger des Hfihner- und Ferkeltyphus vom B. typhi abdom. empfohlen 
wurden; doch werden diese sogenannten „Typhen“ schon serologisch 
vom Typh. abdom. unterschieden. 

Andererseits geben uns die Untersuchungen Tworts (fiber die 
Milchzuckergfirung, die durch das Bact. typhi abdom. unter ge- 
wissen Bedingungen hervorgerufen wird), und Pechams (die Fahigkeit 
desselben Bact. typhi abdom., unter bestimmten Umstfinden Indol 
zu bilden) AnlaB zu behaupten, daB man allein auf Grund des Vor- 
handenseins oder Fehlens von Zucker- und Alkoholgfirungsfahigkeit noch 
keine Diagnose stellen darf. In dieser Hinsicht muB man mit Nieter 
fibereinstimmen in bezug auf die Untersuchungen Mandelbaums, 
der es ffir moglich hielt, die Unterarten des B. typhi (B. metatyphi) 
festzustellen auf Grund der Fahigkeit des von ihm isolierten Stammes, 
Glyzeringarung unter Saurebildung hervorzurufen. Wir nehmen des- 
halb an, daB auch in den Ergebnissen der von uns gemachten Unter¬ 
suchungen fiber die biologischen Eigenschaften der Bakterien auch 
gentigend Material zu differentialdiagnostischen Zwecken vorhanden ist. 

Die Untersuchungen wurden in folgender Reihenfolge gemacht: 
alle zur Untersuchung bestimmten Kulturen wurden auf Agar und 
Gelatine ausgesfit; die die Gelatine nicht verflfissigenden Bakterien 
wurden der Probeagglutination mit B. paratyphi A und B, Typhi- und 
Gfirtn er-Seren ausgesetzt. Diejenigen Kulturen, die schon im Vor- 
versuch einen positiven Erfolg gaben, wurden eingehend bis zum Titer 

Erste Abt. Orig. Bd. 91. Heft 7/8. 32 


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498 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


ausgewertet uud im Komplementbindungsversuch geprfift mit Ergfinzung 
beider Reaktionen durch den Castellanischen Absorptionsversuch. 

Unsere Arbeit zerf&llt somit in zwei Teile: 1) in Untersuchungen 
fiber die B. loxiacida und 2) in Untersuchungen fiber die Erkrankung 
der Vogel an septischen Darmentzfindungen infolge einer Infektion 
durch Bakterien aus der Co li-Typhus - Gruppe. Und da wir als Er- 
reger der septischen Darmentzundungen die B. paratyphi B und B. 
typhi a b do in. fanden, so zerfiel auch der zweite Teil in zwei Unter- 
abteilungen: a) fiber den Paratyphus, b) fiber den Typhus bei den Vfigeln. 
Vorausgeschickt sei ein kurzer Ueberblick fiber die bisher in der Literatur 
zu dieser Frage vorliegenden Arbeiten. 

I. Ueber die B. loxiacida. 

1898 hielt M. Tartakowsky in der Biologischen Sektion der „Gesellschaft zum 
Schutze der Volksgesundheit u einen Vortrag „Ueber eine Infektionskrankheit der 
Kreuzschnabel und der anderen Zimmer- und Singv6gel“. Dieser Vortrag enthielt eine 
Mitteilung fiber eine Seuche, die er unter den Kreuzschnabeln, Tannenmeisen, Stieg- 
litzen, Zeisigen und seltener bei den Kanarienvogeln beobachtet hatte. Die von dem 
genannten Autor aus den Organen der kranken und gefallenen Kreuzschnabel isolierten 
Kulturen waren ffir diese Vogel auch bei der Ffitterung per os virulent und zeigten 
cine groBe Aehnlichkeit mit dem B. psittacosis, allerdings bestanden einige, wenn 
auch unbedeutende Differenzen , die seiner Meinung nach die B. loxiacida vom 
B. psittacosis unterscheiden lassen. Gleichzeitig weist er auf eine Aehnlichkeit 
zwischen dem Bild der Papageienpsittacosis und der von ihm beobachteten Krankheit 
der Kreuzschnabel hin und erortert schlieGlich, unter welchen Voraussetzungen eine 
Uebertragung der Infektionskrankheiten der Vogel, auGer der Psittacosis, die bereits 
fruher erwahnt wurde, moglich ist. 

Wie wir schon in der Einleitung erwahnten, war unsere erste Aufgabe, das Ver- 
haltnis des B. loxiac. zum B. psitt. festzustellen. Zunachst sei es gestattet, das 
Verhaltnis des B. psitt. zu der Gruppe der Paratyphusbakterien nach den Literatur- 
augaben zu besprechen. Wir finden nierfiber Angaben bei Eckersdorf, Durham, 
de Nobele, Saquep6e. Nach dem ersten Autor wird der B. psittacosis durch 
Psittacosisserum, aber nicht durch Paratyphusserum agglutiniert, d. h. er erscheint 
vom serologischen Standpunkte aus als eine abgesonderte Art. Durham und Nobele 
nehmen eine sehr nahe Verwandtschaft des B. psittacosis mit dem Fleischver- 
giftungsbazillus Typus Aertryk an, weil: 1) B. psittacos. in hohen Verdfinnungen 
durch das Serum von Menschen agglutiniert wird, aie eine Fleischvergiftung fiberstanaen 
haben, 2) das kfinstlich mit Hilfe der Immunisierung durch Bakterien erhaltene Im- 
niunserum den B. psittacosis bis zu hohen Titern agglutiniert. 

Sa<juep6e kam auf Grund von Komplementbinaungsversuchen zu dem SchluG, 
daG eine auBerste Verwandtschaft, vielleicht sogar Identitat zwischen dem B.psittacosis 
und den anderen Bakterien der Paratyphusgruppe besteht. Abgesehen von Eckers¬ 
dorf, der scheinbar mit einem wenigstens im Siune der antigenen Eigenschaften 
atypischen Stamme des B. paratyphi zu tun hatte, sind alle Autoren eimg in bezug 
auf die Stellung B. psitt. im System der Mikroorganismen, und es ist kein Zufall, 
daG Achard und Bensaude 1 ) geneigt waren, den ersten vonihnen beschriebenen Fall 
des Paratyphus beim Menschen zur Psittakose zu rechnen. 

Nach all dem Gesagten ist es begreiflich, daG Uhlenhuth und Hfibener 
keinen Grund zur Absonderung des B. psitt. finden und ihn in biologischer Hinsicht 
fur identisch mit dem B. pa rat. B halten. 

Eigene Untersuchungen. 

Zunfichst bestimmten wir die Titer der agglutinierenden Loxiacida- 
und P sitt acosis-Sera, die wir selbst hergestellt hatten, .und die die 
uns zur Verffigung stehenden Paratyphus- und Gfirtner-Sera gegen 
B.B. paratyphi B, loxiac. und psittacosis; mit Gfirtner- 
Serum bekam man keine Agglutination (auBer winzigen positiven Reak- 


1) Zit. nach Handb. d. pathog. Mikroorg. 1913. Bd. 3. S. 1092 (Kolle und 
Wassermann). 


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Ebert u. Schulgina, Ueber Paratvphus und Typhus bei Vbgeln. 499 

tionen, die einen Grappencharakter hatten), weder mit B. paratyphi B, 
noch mit B. loxiac., noch mit B. psittac. Alle anderen Sera 
reagierten mit alien Stammen agglutinatorisch ungefalir gleich; es 
liefien sich also auf diese Weise die B. loxiac. und B. psittac. so¬ 
wohl voneinander, als auch vom B. paratyphi B nicht unterscheiden 
(Tabelle I). Anderes ergab sich bei der Komplementbindungsreaktion 1 ): 
wkhrend hier sowohl B. psittac. als auch B. loxiac. sowohl mit den 
homologen als auch den gekreuzten Sera identisch reagierten, war die 
Reaktion derselben St&mme mit dem Paratyphus-B-Serum unvergleich- 
lich weniger scharf; die Kultur des B. paratyphi B reagierte am 


Tabelle I. 


Folgende Sera wurden 
untersucht: 

I 

Agglutinationstiter gegeniiber 

B. psittacosis 

B. loxiacida 

B. paratyphi 

Psittacosis-Serum 

12 000 

14 000 

12 000 

Loxiacida-Serum 

10 000 

9000 

10 000 

Paratyphus B-Serum 

10000 

8000 

9000 


Tabelle II. 


Folgende Sera wurden 
untersucht: 

Bezeichnung des Antigens 

B. 

psittacosis 


B. 

oxiacida 

B. 

paratyphi B 

B. 

typhi abd. 

B. psittacosis-Serum 

4 

4 

2 

_ 

4 

4 

1 


3 1 1 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

B. coxiacida-Serum 

4 

1 

4 

3 

4 

4 

4 

3 

2 1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

B. paratyphi B-Serum 

2 

4 

— 

— 

3 

1 

— 

— 

— 1 

3 

— 

+ 

— 

— 

— 

Normalserum 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 1 — 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


(Ergebnisse der Komplementbindungsreaktion mit Psittacosis-, Loxiacida- 

und Paratyphi B-Sera) 


Tabelle III. 


Bezeichnung der zur 
Absattigung des Psittacose- 
Serums gebrauchten Kul- 
turen 

Das abgesattigte Serum wurde ausgewertet mit: 

B. psittacosis B. loxiacida 

B. paratyphi R 




Verdiinnungsgrad des Serums 



7, OO 

7*00 

1/ 

/1000 

7sooo| Vjoo 

V»o» 

VlUOO 

1/ 

'2000 

7*00 

7soo 

71000 

1/ 

/ 200O 

B. psittacosis 

++ 

+ 

_ 

-I + 

_ 

_ 

+ 

+ 

_ 

_ 

_ 

B. loxiacida 



— 


— 

— 




— 

— 

B. paratyphi B 

+ 

+ 

+ 

+ + 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

Normalserum 

++ 

+ + 

+ + 

+ -H+ + 

+ + 

++ 

+ + 

++! + + 

++ 

+ + 


1) Bei der Komplementbindungsreaktion wurden die Antigene folgenderweise vor- 
bereitet: 1—2 Oesen der 24-std. Agarkultur der entsprechenaen Bakterienart wurden 
an der Wand des Probierglases, das 4,5 ccm destillierten Wassers enthielt, zerrieben, das 
Probierglas wurde 1 Stunde bei 56° im Wasserbad erwarmt und nachher in den 
Thennostaten fiir 24 Stunden gestellt. Unmittelbar vor der Arbeit wurde in ein jedes 
Probierglas je 0,5 ccm 8,5 Proz. NaCl zugefiihrt. Dem Vereuch ging das Austitrieren 
der Antigene und der Sera voraus. Dabei 1 st zu bemerken, dab wir nut fallenden Dosen 
dee Antigens und mit einer bestimmten Dose des Serums arbeiteten. Die erste und gr6bte 
Dose des Antigens war im Vorversuch, wie gesagt, austitriert. Jede folgende Dose dos 
Antigens war zweimal geringer als die vorhergehende. Ein jeder Vereuch enthielt eine 
Kontrolle aller Antigendosen mit Normalserum. Die Antigene aller Arten waren fast 
identisch in bezug auf ihre selbsthemmenden. Wirkungen, unter der Bedingung, dab 
alle Emulsionen gleichmaSig dick vorbereitet wurden. Die Zahlcn in der zweiten, 
dritten, wie auch in den anderen Tabellen bedeuten die Zahl der Kreuze (+), d. h 
<len Hemmungsgrad. 

32* 


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500 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Tabelle IV. 


Bezeichnung der zur 
AbsiUtigung des Loxiacida- 
Serums gebrauchten Kul¬ 
turen 


Das abgesattigte Serum wurde ausgewertet mit: 


B. loxiacida 

| B. psittacosis 

| B. paratyphi B 

Verdiinnungsgrad des Serums 

V1000 

Vsooo j 

V 4000 

Vsooo 

V 1000 

V 20 0<J 

V 4000 

Vsooo 

V1000 

1/ 

1*000 

11/ 

I /4000 

Vsooo 

B. loxiacida 

_ 


I _ 

_ 

_ 

1 _ 

_ 

_ 

_ 

- j 

_ 

_ 

B. psittacosis 

— 

— 

— 

— 

+ 

— 

_ 

— 

+ 

_ 1 

_ 

_ 

B. paratyphi B 

++ 

+ 

— 

— 

+ + 

++ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

Das native Serum 

+ + 

+ + 

+ 

— 

+ “f, 

+ + 

++ 

+ 

++ 

++ 

+ 

— 


Tabelle V. 


Kulturen, mit denen das 
Paratyphus B-Serum ab¬ 
gesattigt wurde 

Das abgesattigte Serum wurde ausgewertet mit: 

B. paratyphi B 

B. psittacosis 

B. loxiacida 



Verdiinnungsgrad des Serums 




V600 

V1000 

1 11000 

V 4000 

Vooo 

V1000 

Vaooo 

V 4000 

Vooo 

Vl 000 

Vsooo 

*/ «000 

B. paratyphi B 

B. loxiacida 

_ 

_ 

_ 


+ 

_ 

_ 


+ 


_ 


+ + 

+ + 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

+ 

— 

— 

— 

B. psittacosis 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ 


_ 

_ 

+ 

— 

— 

— 

Das native Serum 

+ + 

++ 

+ 

+ 

++ 

+ 

+ 

+ 

++ 

4- + 

+ 

+ 


Tabelle VI. 


Kulturen, mit denen das 
Psittacose-Serum abge¬ 
sattigt wurde 

Das abgesattigte Serum wurde im Korn piemen tbind lings- 
versuch mit folgenden Kulturen gepriift: 

B 

i. psittacosis 

| B. loxiacida 

I B. paratyphi B. 

B- psittacosis 

B. loxiacida 

B. paratyphi B 

Das native Serum 

| 1 

3 ; - 

4 ' 4 

■H 1 1 

| J 

4 

4 

[- 

4 

4 

3 

4 

1 + 1 v 

1 + 1 

4 

3 


sch&rfsten mit dem homologen Serum und weniger deutlich mit dem 
Psittacosis- und Loxiacida-Serum. 

Die Tabellen III, IV, V und VI enthalten die Ergebnisse der Ab- 
sSttigungs- und der Komplementbindungsversuche mit Par at. B, 
Loxiac. und Psittac. 

Bei den Seren, die zun&chst mit den homologen und alsdann mit 
den heterologen Kulturen abgesattigt wurden, ergeben sich wieder die 
Unterschiede zwischen dem B. psit tac. und dem B. loxiac. einerseits 
und dem B. paratyphi B andererseits, und zwar haben die durch 
Kulturen von B. psittac. Oder B. loxiac. abgesattigten Psittac.- 
und Loxiac.-Sera ganz oder fast ganz ihre Agglutinine nicht nur gegen 
dieselben Kulturen, sondern auch gegen den B. par at. B verloren: 
wahrend die gleichen Sera, wenn sie durch B. paratyphi B-Kultur 
abgesattigt wurden, nur den B. par at. B nicht, dagegen B. loxiac id a 
sowohl wie B. psittac. deutlich agglutinierten. 

Wie aus der entsprechenden Tabelle V zu ersehen ist, reagierte das 
Paratyphus B - Serum mit denselben Bakterienarten mutatis mutandis 
ganz analog. Die Komplementbindungsreaktion, die nach Absorption 
der spezifischen Antikorper ausgefiihrt wurde, bestatigte nur die Resultate 
der Agglutinationsuntersuchungen (Tabelle VI). 

Wir sehen aus diesem Versuche, daB auf Grund ihrer antigenen 
Eigenschaften die Kulturen des B. loxiac. und des B. psittac. und 


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Ebert u. Schulgina, Deber Paratyphus und Typhus bei Vogeln. 501 

der bei uns vorhandenen Kultur des B. paratyphi B in zwei Gruppen 
eingeteilt werden konnen: zu der einen gehdren die B.B. psitt. and 
loxiac., zu der anderen der B. par at. B. Weiteren Untersuchungen 
muB es vorbehalten bleiben, inwiefern das Gesagte sich auf alle 
Paratyphusstamme bezieht. Wir sprechen hier nur von einer Ab- 
sonderung des B. loxiac. und des B. psittac. von einem be- 
stimmten Stamme, und zwar vom B. paratyphi B (Thot) 1 ). 

II. Ueber Paratyphus und Typhus bei Ybgeln. 

1) Ueber die Paratyphusinfektion unter den Vbgeln. 

Es mufi als eine feststehende Tatsache angesehen werden, daB die 
Paratyphuserreger unter den Vogeln oft gefunden werden. Sogar bei 
ganz gesunden Vogeln (Ganse) wurden Paratyphusbakterien gefunden, 
doch ist diese Beobachtung bis jetzt durch Nachuntersuchungen nicht 
bestatigt worden. DaB Paratyphusbakterien als Infektionserreger unter 
den V6geln vorkommen kSnnen, geht aus vielen und eingehenden Unter¬ 
suchungen mit Sicherheit hervor. Wir wollen hier noch bemerken, daB 
wir in der frflhesten bakteriologischen Aera Beschreibungen von In- 
fektionserkrankungen bei VOgeln treffen, deren Erreger auf Grund 
ihrer biologischen und morphologischen Eigenschaften zu keiner von 
den allgemeinen anerkannten Bakterienarten mit Bestimmtheit gerechnet 
werden konnen, wie z. B. die Seuchen unter den Kanarienvogeln Kerns 
(1896) und Riecks (1899). 

Es ist auch interessant, daB es sich in den beschriebenen Seuchen 
um die Vogel handelt, die in einer unmittelbaren Nahe vom Menschen 
und seiner Wohnung leben: Kanarienvogel, Papageien, Tauben. Unserer 
Ansicht nach kann man dies erkiaren: 1) durch die grofiere Neigung 
der Vogel, die in der unmittelbaren Nahe zum Menschen und seiner 
Wohnung leben, zur Infektion mit Paratyphusbazillen, und 2) dadurch, 
daB diese Vogel fur Untersuchungszwecke leichter erreichbar sind. Als 
Erreger von Vogelseuchen kommen hauptsachlich in Frage: 1) der B. 
septic, haemorrh. und 2) die Paratyphusbakterien. Letztere sind 
als Erreger von Seuchen unter den Vbgeln beschrieben worden von 
Drews (bei Papageien), von Pfeiler (bei Kanarienvogeln) und von 
Adam und Meder (bei Kanarienvogeln). 

Wenn auch die Frage, ob Paratyphusbakterien bei Vogeln Seuchen 
hervorrufen kbnnen, ohne Zweifel ira positiven Sinne entschieden werden 
kann, bleibt doch der Grad der Verbreitung der Paratyphusbakterien 
unter ihnen nicht aufgeklart; deswegen haben wir uns, wie oben er- 
w&hnt, entschlossen zu untersuchen, wie haufig die Bakterien der Coli- 
Typhusgruppe, im gegebenen Falle die Paratyphusbakterien, als Erreger 
septischer Darmentziindungen vorkommen. Wie bereits erwahnt, be- 
nutzten wir als Material dazu die Kulturensammlung von M. Tarta- 
kowsky. Letzterer hatte diese Kulturen aus Vogeln geztlchtet, die 
ihm zur Untersuchung gebracht oder auf den Marktpl&tzen und bei 
Jagern gekauft waren. 

Es stellte sich heraus, daB bei der Untersuchung von 84 Kulturen 
(Gesamtzahl) in 13 Fallen Paratyphus B-Kulturen, d. h. in 15,4 Proz., 
gefunden wurden. Nach den Vogelarten ist dieser Befund folgender- 
maBen zu verteilen: bei Tauben 3mal, bei Kanarienvbgeln 6mal, bei 

1) Leider erwies es sich, dad dieser Stamm wahrend der weiteren Untersuchung 
seiner kulturellen Eigenschaften (s. S. 18) sich von den ubrigen Paratyphus B-Kulturen 
menschlicher Herkunft wesentlich unterschied. 


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502 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Origin ale. Bd. 91. Heft 7/8. 


Zeisigen 2mal, beim Dompfaff lmal, beim Stieglitz lmal. Wie aus Ta- 
belle VII zu ersehen ist, wurden die Bakterien aus verschiedenen Or- 
ganen und aus dem Blute gezfichtet, woraus hervorgeht, daS die para- 
typhSsen Darmentzfindungen der V5gel in Wirklichkeit einen septischen 
Verlauf haben. 

Alle Kulturen wurden bei mehr oder weniger hohen Titern agglu- 
tiniert, sowohl mit dem Paratyphus B- als auch mit dem Loxiac.-Serum. 
Um die Frage zu Ibsen, ob alle diese aus Vogeln gewonnenen St&mme 
sich vom B. paratyphi B (Thot.) menschlicher Abstammung unter - 
scheiden, wurden wiederholte Absorptionsversuche mit Loxiac.- und 
Parat.-B-Sera gemacht. 


Tabelle VII. 

Uebersicht fiber die Kulturen, die aus Vogeln isoliert wurden. 


Nr. 

Benennung 
der Vogel 

Isoliert hub 

Agglutination 
durch Parat. 
B.-Serum 

Agglutination 
durch Loxia- 
cida-Serum 

1 

Taube 

Lunge 

6000 

4 000 

2 


Dtinndarm 

8000 

6000 

3 

Kanarienvogel 

Herz 

12 000 

6 000 

4 



10000 

8 000 

5 

Taube 

Niere 

8000 

16800 

6 



8000 

8 000 

7 

Zeisig 

Milz 

8000 

4 000 

8 

Kanarienvogel 

Leber 

10000 

12000 

9 

Dompfaff 

Milz 

10000 

4000 

10 

Kanarienvogel 


12 000 

4000 

11 

Zeisig 


12 000 

10000 

12 

Stieglitz 


14 000 

10000 

13 

Kanarienvogel 


12 000 

6000 

14 

n 

" 

14000 

12 000 


Es stellte sich hierbei heraus, daC das durch B. pa rat. B absor- 
bierte Loxiac.-Serum unter diesen Bedingungen seine agglutinierenden 
Eigenschaften gegenflber B. paratyphus B des Menschen verloren hatte, 
aber alle Paratyphusstamme der Vogel, B. loxiac. und B. psitt. mit- 
inbegriffen, agglutinierte; wahrend durch B. psitt. absorbiertes Para¬ 
typhus B-Serum alle Vogelstamme unbeeinfluBt liefi und nur den B. 
parat. B des Menschen agglutinierte. 

Hieraus folgert, daB man alles, was in bezug auf den B. loxiac. 
und B. psitt. gesagt wurde, auch auf alle Paratyphuskulturen, die aus 
Vbgeln stammen, ubertragen kann: sie lassen sich alle mit Hilfe des 
Castellanischen Absattigungsversuches von einem Paratyphusstamme 
menschlicher Herkunft differenzieren. Wir konncn allerdings nicht sagen, 
ob diese Folgerung Gultigkeit hat fiir alle anderen aus dem Menschen 
oder den Tieren gewonnenen Paratyphuskulturen. 

Zusammenfassung: 1) Paratyphose Infektionen kommen unter 
den verschiedenen Zimmer- und Zugvogcln haufig vor und haben dabei 
das klinische Bild der Enteritis mit Neigung zu septik&mischem Verlauf. 
2) Die serologischen Reaktionen geben keine MSglichkeit, den B. psitt. 
vom B. loxiac. und auch von den anderen aus Vogeln gezflchteten 
Paratyphusbakterienstammen abzusondern. Dagegen lieB sie diese ganze 
Gruppe der Vogelparatyphusst&mme von einem B. paratyphus B-Stamm 
menschlicher Herkunft serologisch differenzieren. 


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Ebert u. Schulgina, Ueber Paratyphus und Typhus bei Vogeln. 503 

II. Ueber den Typhus bet Vflgeln. 

Zunfichst sei betont, daB das Wort „Typhus“ in bezug auf die Er- 
krankungen der Tiere haufig als klinischer beschreibender Ausdruck 
ohne jeden Zusamraenhang rait der Aetiologie der Erkrankung Anwen- 
dung findet; so treffen wir in der Literatur den Hfihnertyphus (Pfeiler), 
den Ferkeltyphus (Moor) usw. In dieser Arbeit, in der fiber die Ty- 
phaserkrankung bei Vogeln gesprochen werden soil, verwenden wir das 
Wort zur Bezeichnung der Krankheit, die durch die Bakterien hervor- 
gerufen wird, die serologisch und, wie wir weiter ersehen werden, auch 
morphologisch und kulturell von dem B. typhi abdom. sich nicht 
unterscheiden lassen. 

Die Frage fiber das VerhSltnis des B. typhi abdom. zum Tier- 
organismus rief groBe Meinungsverschiedenheiten schon bald nach der 
Entdeckung dieses Erregers hervor: die einen Autoren hielten die Ty- 
phusbakterien nur ffir toxisch ffir den Organismus der Tiere und fflr 
unfahig, sich darin zu vermehren (Gaffky, Sirotinin, Beumerund 
Peiper, Baumgarten und sein Schuler Wolfowitsch), wfihrend 
die anderen (E. Frfinkel und Simmonds, A. Frankel, Chante- 
messe und Widal, Gilbert und Girode, Sanarelli, Scordo 
u. a.) in einer Reihe von experimentellen Beobachtungen unbestreitbar 
bewiesen, daB die Tvphusbakterien nicht allein wfihrend einer langeren 
Zeit ihre LebensfShigkeit im tierischen Organismus erhalten konnen, 
sondern sich darin vermehren, indem sie die pathologischen Vorg&nge 
sowohl im klinischen als auch im pathologisch-anatomischen Sinne her- 
vorrufen, die das Bild eines Typhus abdom. des Menschen darbieten, 
und auch eine Infektion durch Darreichung per os bewirken. 

Typhusbakterien wurden unter natfirlichen Bedingungen als Krank- 
heitserreger bei Tieren nur lmal festgestellt, und zwar durch Trapp 
in StraBburg im Mfirz 1910 in der Milz und der Leber eines Stieres, 
der im Schlachthause geschlachtet wurde. 

Von Interesse dfirfte ein Hinweis auf 2 Epidemien sein, die in 
einem zweifellosen Zusammenhang mit Fleischvergiftungen standen: in 
Adelfingen (1839) und in Kloten (1878). Sie sind deshalb von Interesse, 
weil die Erkrankten ein Bild darboten, welches klinisch ganz identisch 
mit dem Bauchtyphus war. Diese Epidemien riefen eine groBe Lite¬ 
ratur hervor, wobei die Mehrzahl der Kliniker es ffir moglich zu be- 
haupten fand, daB es sich eben um die Infektion der Menschen mit 
Typh. abdom. durch die Tiere handelte. Heute kann man selbstver- 
stfindlich das klinische Krankheitsbild zu Zwecken der Beurteilung der 
Aetiologie der Krankheit erst unter vielen Einschrfinkungen verwenden 
und muB feststellen, daB es als allgemein anerkannte Tatsache gilt, daB 
man unter natfirlichen Bedingungen den B. typhi abdom. als Krank- 
heitserreger bei Tieren nicht antrifft. Mit dieser Behauptung fangt 
auch Kutscher sein Kapitel fiber die Pathogenitfit der B. typhi 
abdom. ffir die Tiere im Handb. d. pathogen. Mikroorganism. (Kolle 
und Wasserman n) an. 

Trotz dieser kategorischen Behauptungen hatten wir rein theoreti- 
sche Grfinde, die uns veranlaBten, den B. typhi abdom. als Krank- 
heitserreger bei den Vogeln zu suchen, und zwar aus folgenden Grunden: 
1) Wenn man unter den Vogeln paratyphfise Infektionen antrifft, die 
den Erregern des Bauchtyphus nahe stehen, so ist die Moglichkeit, daB 
Vogelerkrankungen, die durch eine Infektion mit Bauchtyphusbakterien 
bedingt sind, vorkommen konnen, nicht von der Hand zu weisen; 2) 


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504 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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als Erreger der Vogelkrankheiten sind Bazillen beschrieben, die an der 
Grenze zwischen dera Typhus und Paratyphus (Hflhner typhus, Fowl- 
typhus stehen; die Oberaus reichliche Entwicklung des lymphatischen 
Gewebes bei den Vogeln begriindete auch unsere Bestrebungen, einen 
solchen Erreger der Erkrankung des lymphatischen Systems par excel¬ 
lence, wie ihn der B. typhi abdom. darstellt, zu finden. 

Tatskchlich ist es uns geluDgen, in 4 Fallen unserer Sammlung 
Bazillen festzustellen, die serologisch und auch in den anderen Be- 
ziehungen identisch mit dem B. typhi abdom. sind. 

Ihre serologische Untersuchung wurde nach der Methode der Kreuz- 
immunisierung der Tiere mit einem der von uns differenzierten Stamme 
(Nr. 39) parallel mit der Immunisierung mit einer Bauchtyphuskultur, 
die aus dem Museum unseres Laboratoriums stammte, gefuhrt. Als 
Kontrolltyphusstamme wurden in einzelnen Versuchen auch solche Kul- 
turen, wie z. B. der Stamm Leishmans verwendet, der wahrscheinlich 
noch jetzt zur Vakzinebereitung fur die Armee des ganzen britischen 
Reiches diente. Die gewonnenen Sera reagierten sowohl in der Agglu- 
tinationsreaktion als auch in der Komplementbindungsreaktion ganz 
identisch, sowohl mit humanen Typhuskulturen als auch mit den Kul- 
turen, die aus Vogeln isoliert wurden (s. die Tab. Nr. VIII—XI). Diese 
Kulturen wurden aus 3 Tauben und 1 Hahn gezfichtet, wobei, wie 
in den Notizen von M. Tartakowsky steht, einer von den Vogeln 
unter den Erscheinungen von einem choleraartigen Anfall zugrunde ging. 
Auch hier hatten die Erkrankungen den Charakter einer Septik&mie. 

Es gelang uns nicht, den B. typhi abd. des Menschen vom B. 
typhi der Vogel mit Hilfe des Castellanischen Versuches zu diffe- 
renzieren. 

Wir glauben also zu der Behauptung berechtigt zu sein, daB die 
Erkrankungen der Vogel an septischen Enteritiden auch durch Typhus- 


Tabelle VIII. 


Typhuaaerura (B. typhi 
abd. dea Menschen) 

Bezeichnung der ausgewerteten Kultur. 

Nr. 39 

Nr. 42 

Nr. 48 

Nr. 49 

B. ty|)h. abd. 

B. parat. B. 
Thot. 

1:500 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + 

4- + 

— 

1:1000 

4* + 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + 

— 

1:2000 

4" + 

+ 

+ + 

+ 

+ + 

— 

1:3000 

+ 

+ 

+ 

+ 

4- + 

— 

1 :4000 

+ 

— 

— 

— 

+ 

— 

1:5000 

1 + 

— 

— 

— 

+ 

— 


Tabelle IX. 


Immunaerum Vogel- 
a tan ini Nr. 39 

Bezeichnung 

der ausgewerteten Stamme. 

St. Nr. 39 

St. Nr. 42 

St. Nr. 48 

St. Nr 49 

B. typhi abd. 
(Leishman) 

1: 4000 

+ -1- 

4- 4" 

+ + 

+ + 

+ + 

1 : 6000 

4" 4- 

+ + 

+ + 

+ + 

+ + 

1: 8 000 

+ + 

+ 

+ 

+ 

+ 

1:12000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

1 : 16000 

+ 

— 

— 

— 

— 

1: 2000 


— 

— 

— 

— 

Ser. nor. 


— 

— 

— 

— 


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Ebert u. Schulgin a, Ueber Paratyphus und Typhus bei Vogeln. 505 


Tabelle X. 

Komplementbindungsversuche. 


BezeichnuDg 

Bezeichnung des Stammes, der als Antigen diente 

Bemerkungen 

i 

des Serums 

Nr. 39 

Nr. 42 

| Nr. 48 

| Nr. 49 

1 

Vogels tamm 
Nr. 39 

B. typhi abd. 
Kr4l 

Normalser. 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

DieSerumdosen sind 
so austitriert, daS 
die Doppeldose Ha- 
molyse gab, aufier 
dem Normalserum, 
weirdies eine linhe- 

Bezeichnung 
des Serums 

Bezeichnung des Stammes, der als Antigen diente 

deutend.Hemmung 
gab. DieAntigend. 
sind auch i. Vorvers. 
nachgepriift. Die 
Doppeldose aller 
Antigene (—) aufier 
dem B. ent. Gartn. 
( + +) und dem B. 

[ psitt. (+). 

B. typh. abd. 
Kr&l 

B. typhi abd. 
Leishman 

B. enterit. 
(Gartner) j 

B. psitt. 
(Nocard) 

Vogels tamm 
Nr. 39 

B. typhi abd. 
Normalser. 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

4 4 4 4 

2 1- 



bakterien hervorgerufen werden konnen, die serologisch sich vom B. 
typhi abd. des Menschen nicht unterscheiden — eine Tatsache, die 
Bedeutung und Interesse sowohl in bezug auf die vergleichende Patho¬ 
logic, als auch auf die praktische Epidemiologie darbietet. 

Auf Grund der weiter angefiihrten Untersuchungen tiber die mor- 
phologischen und kulturellen Eigenschaften der (vom serologischen Stand- 
punkte aus) paratyphosen und typhosen Bakterienkulturen der V6gel 
kann man sich flberzeugen, daB diese Bakterien in bezug auf die rein 
bakteriologischen Methoden zweifellos als typhos, resp. paratyphos an- 
erkannt werden miissen. Ich gehe zur Auseinandersetzung der in dieser 
Beziehung gewonnenen Ergebnisse iiber. 

Die oben genannten aus Vogeln gezflchteten Bakterienst&mme wur- 
den morphologisch und kulturell untersucht in bezug auf a) die Fahig- 
keit, Milch- und Traubenzucker zu vergflren, b) Wachstumscharakter: 
1) auf Gelatine, 2) auf Milch, 3) auf der Endo-Platte, 4) auf Neutral- 
rotagar nach 01 d e k o p, 5) Malachitgriinagar (nach B u c h h o 1 z), 6) Lack- 
musmolke nach Petr us chky, 7) auf Barsieko w-Nahrboden (1— mit 
Milchzucker, 2— mit Traubenzucker), 8) auf flussigen Malachitgrfinnahr- 
boden nach Loeffler (1— mit Milch- und Traubenzucker, 2— mit 
Milchzucker, 3— mit Traubenzucker). c) auf Indolbildung. Es stellte 
sich heraus, daB ein Teil der untersuchten Kulturen, und zwar: B. 
loxiac., B. psitt. und auch alle anderen serologisch als Vogelparat. B. 
(14 Stamme) anerkannten Kulturen, nach den Ergebnissen des Wachs- 
tums auf den obengenannten Nahrboden identisch mit den Kontroll- 
bakterien der Coli-Typhusgruppe — [B. par at. (Busse), B. par at. B. 
(Thot.), B. enter. (Gartner) und B. Danysz] waren. Bemerkt sei 
hier, daB der als Kontrolle dienende B. pa rat. B. Thot. durch Malachit- 
grfln in den Nahrboden von Buchholz und Loeffler eine stark hem- 
mende Wirkung erfuhr, die sich im Fehlen von irgend welchen Ver- 
anderungen in den Nahrboden im Verlaufe von einigen Wochen auBerte. 

Der andere Teil der untersuchten Kulturen, zu dem die serologisch 
vom Bact. typhi abdom. sic-h nicht unterscheidender Bakterienstamme 
Nr. 39, 42, 48, 49 gehflrten, waren durchaus identisch mit drei regel- 
rechten TyphusstSmmen menschlichen Ursprungs sowohl bezfiglich des 
Wachstums auf den verschiedenen Nahrboden als auch bezuglich des 
Fehlens von Indolbildung. 


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506 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

Wir halten es ffir erwahnenswert, daB von den fibrigen unter- 
suchten Standardkontrollkulturen der B. typhi spermoph. Meresh- 
kowsky eine interessante Sonderheit im Wachstumscharakter auf dem 
Agar nach Oldekopp und nach Buchholz aufwies. Wahrend dieser 
Bazillus sich kulturell auf den sonstigen Nahrboden vom B. typhi 
abdom. nicht unterscheiden liefi, gab er auf dem Agar nach Olde¬ 
kopp eine Fluoreszenz, entfarbte spater den Narboden und naherte 
sich in dieser Beziehung dem B. par at. A.; doch begann die Ent- 
farbung bei ihm nicht von unten, wie bei alien anderen von uns 
untersuchten Bakterien, die diese Farbe reduzierten, sondern von 
oben. Eine gleiche Erscheinung konnte man auch auf dem Agar nach 
Buchholz, jedoch nach einer viel langeren Zeit, beobachten. 

Die erwahnte Tatsache wurde bis jetzt, soweit uns bekannt, von 
niemandem notiert, und hat sowohl ein allgemeines Interesse, als auch 
eine spezielle Bedeutung fur die Charakteristik des B. typhi spermo¬ 
ph il.; letzterer Mikroorganismus ist auch in anderen Hinsichten vom 
Standpunkt der Bakteriensystematik sehr interessant. 

Morphologisch lieBen sich alle Kulturen, die aus V6geln gezuchtet 
wurden, von den anderen Bakterien der Coli-Typhusgruppe nicht 
unterscheiden, indem sie im allgemeinen als kleine Stabchen mit abge- 
rundeten Enden, beweglich, peritrich begeiBelt erschienen und sich nach 
Gram entfarbten. 

Alle diese Auseinandersetzungen geben uns die Mbglichkeit, folgende 
SchluBfolgerungen zu machen: 

SchluBfolgerungen. 

1) Bei der von uns ausgefdhrten genauen Untersuchung von 84 Bak- 
terienkulturen, die zu verschiedenen Zeiten von M. Tartakowsky aus 
wilden und Hausvogeln, die an septischen Darmentzflndungen litten, 
isoliert wurden, fauden wir in 15,9 Proz. (14 Faile) Bakterien der Gruppe 
des B. paratyphi B. und in 4,7 Proz. (4 Faile) Bakterien, die kulturell. 
biologisch und serologisch identisch mit dem B. typhi abdom. waren. 

2) Der B. psittacosis zeichnet sich in bezug auf seine sowohl 
morphologischen, als auch biologischen und serologischen Haupteigen- 
schaften durch nichts vom B. loxiacida und von den anderen von 
Tartakowsky aus Vogeln geziichteten Kulturen der Paratyphusgruppe 
aus; es besteht also im atiologischen Sinne kein Grund, aus der Psitta- 
kose eine besondere nosologische Einheit zu machen. 

3) Es gelang uns, die aus Vogeln geziichteten Kulturen der Gruppe 
des B. paratyphi B mit Hilfe der Komplementbindungsreaktion und 
auch des Castellanischen Absattigungsversuches, von einer Kultur des 
B. pa rat. B (Thot.), die vom Menschen gewonnen wurde, abzusondern. 
Leider, wie oben erwahnt, stellte es sich bei spateren Untersuchungen 
heraus, daB der letztere Stamm sich in mehrfacher Hinsicht von anderen 
Stammen des B. paratyphi B menschlicher Herkunft unterschied. 

4) Die typhosen und paratyphosen Erkrankungen der Vogel, die als 
Enteritiden verlaufen, hatten in alien unseren Fallen den Charakter von 
Septikamien. 

5) Die starke Verbreitung der Paratyphus-Infektion und der zuerst 


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Ebert u. Schulgina, Ueber Paratyphus und Typhus bei Vogeln. 


507 


von uns festgestellten Typhusinfektion unter den Vfigeln muB bei ver- 
schiedenen epidemiologischen und hygienischen Fragen beachtet werden, 
besonders mit Rflcksicht auf den Aufenthalt zahlreicher Vogelarten in 
der N&he des Menschen, seiner Wohnung und menschlicher Abfallstoffe. 
Die Schwierigkeit, die Abfallstoffe vor den Vogeln zu schfitzen, und ihre 
F&higkeit, groBe Strecken zu durchfliegen, erhbht die Bedeutung der kranken 
V6gel als Tr&ger und Verbreiter von Paratyphus- und Typhusinfektionen. 

Nachtrag. Nach Beendigung dieser Arbeit hat einer von uns 
<B. Ebert) folgenden Erganzungsversuch angestellt: 4 Meerschweinchen 
wurden mit steigenden Dosen (%, % und */ 3 Oese) von Agarkulturen 
der StILmme Nr. 39, 42, 48 und 49 ip. immunisiert; 10 Tage darauf 
wurden ihre Blutsera, die durch Herzpunktion gewonnen wurden, aul 
agglutinierende und komplementbindende Eigenschaften untersucht. Die 
Ergebnisse der Untersuchung sind in den Tab. Nr. 11 und 12 dargestellt. 

Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, ergab sich auch bei dieser 
Untersuchung die Identit&t all der oben erwahnten Kulturen mit dem 
B. typhi abdom. 

AuBerdem wurde ein Infektionsversuch an zwei H&hnen mit dem 
Stamm 39 gemacht, es wurden je 6 Oesen einer lebenden 24stfind. 


Tabelle 11. 


Das ange- 
wandte Serum 

Stamm 39 
Serum 

Stamm 42 
Serum 

Stamm 48 
Serum 

Stamm 49 
Serum 

Typh. 

Serum 

gepruft am 
Stamm 

St. 39 

B. typhi 

St. 42 

B. typhi 

St. 48 B. typhi 

St. 49 

B. typhi 

B. 

typhi 

1: 200 

+ + 

+ + 

+ 

+ + 

— + 

+ + 

+ -h 

+ + 

1: 400 

+ + 

+ + 

+ 

+ + 

— + 

+ + 

++ 

+ + 

1: 800 

+ + 

+ + 

+ 

+ + 

- - 

+ + 

+ 

+ + 

1:1600 

— 

+ + 

+ 

+ + 

- - 

+ + 

+ 

+ + 

1:3200 

— 

+ 

— 

— 

- - 

+ + 

— 

+ + 

1:6400 

— 

+ 

— 

— 

- — 

+ 

— 

+ + 


Diese Tabelle enthalt die ErgebDisse der Agglutination mit den Sera der Meer¬ 
schweinchen, die mit verschiedenen Vogeltyphusstammen immunisiert wurden. Agglu- 
tiniert wurden homologe Stiimme und B. typhi abd. 

Tabelle 12. 


Antigene 


Sera 


Bakterienkulturen, die als Antigene dienten 


Suunm 39 Serum 
Typhus-Serum 
Stamm 42 Serum 
Typhus-Serum 
Stamm 48 Serum 
Typhus-Serum 
Stamm 49 Serum 
Typhus-Serum 


Die den Seren homologen Stamme 


4 4 3 - 
4 4 3 - 
4 4 4 3 
4 4 4 3 
4 4 3 — 
4 4 4 — 
4 4 4 1 
4 4 1 


B. typhi abdominalis (Krai.) 

4 4 4 — 

4 4 3 — 

4 4 3 2 

4 4 3 — 

4 4 1 — 


Diese Tabelle enthalt die Resultate, welche wir bei der Anwendung der Komple- 
mentbindungsreaktion erhalten haben. 


Agarkultur mit negativem Erfolg in den Brustmuskel injiziert. Es 
erwies sich somit diese Kultur als apathogen fur Vogel, doch spricht 
dieser Umstand keinesfalls gegen die Identitiit des Stammes 39 mit dem 


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f)08 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 7/8. 

B. typhi abdom. und gegen seine atiologische Bedeutung. Wahr- 
scheinlich haben diese Bakterien, die seinerzeit die Ursache der sep- 
tischen Erkrankung des Vogels waren und aus diesem Grunde bei 
parenteraler Einffihrung stark pathogen h&tten wirken mflssen, durch 
lange Aufbewahrung ihre Virnlenz eingebiiBt. Der Verlust der Virulenz 
eines Mikroorganismus ist indes kein Hindernis, wie auch Kolle mit 
Recht betont, die entsprechenden Bakterien zu der einen oder anderen 
Art zu rechnen (Kolle u. Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg. 
Bd. I. S. 807). Infolgedessen behaupten wir, daB der negative Erfolg 
des Infektionsversuches bei Vogeln nicht gegen unsere vorhergehenden 
SchluBfolgerungen spricht. 


Literaturverzeichnis. 

Tartakowsky, M., Ueber eine Infektionskrankheit der Kreuzschnabel und der 
anderen Zimmer- und Singvogel. (Mitteil. in d. biolog. Sekt. d. Gesellschaft z. Schutze 
der Volksgesundh. 12. April 1898. [Russisch].) — Pfeileru. Roepke. II. Mitteil. 
iiber das Auftreten des Hiihnertyphus und die Eigenschaften seines Erregers (Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 79. 1917. S. 125.) — Twert, Die Vergarung von Glykosiden 
durch Bakterien der Typhus-Coli-Gruppe und der Erwerbung neuer Vergarungsfahig- 
keiten seitens des Bac. dysenteriae und anderer Mikroorganismen. (Ebenda. Abt. I. 
Orig. Bd. 40. 1907. 8. 508.) — Pecham, The influence of environment upon teleo¬ 
logical processus of the various members of the colon group of Bacilli. (Journ. exper. 
Med. Vol. 2. 1897. p. 549.) — Nieter, Zur Metatyphus-Frage. (Munch, med. 
Wochenschr. 1908. Nr. 42. S. 898.) — Mandelbaum, Veranderungen zweier Nahr- 
boden Rosolsaure und Blutagar durch Saure- bzw. alkalibildende Bakterien. (Ebenda. 
1909. S. 2475.)— Bachem, Selter u. Finkler, Die von Ziilpich im Sommer 190!* 
ausgehende Epidemie von Lungenerkrankungen und der heutige Stand der Psittacose- 
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enteritis associated with the presence of a variety of the Bac. enteritidis Gartner. 
(Brit. med. Joum. Nr. 1966. 1898. p. 600.) — Saquep^e, Sur les salmonelloses: les 
sensibilisatrices. (Compt. rend. Soc. Biol. T. 63. 1907. p. 421.) — Kern, Dtsch. 
Ztschr. f. Tiermed. Bd. 22. 1896. S. 171. Zit. nach Pfaff. — Rieck, ebenda. Bd. 15. 
1899. — Drews, Zur Aetiologie des PB. (Ztschr. f. Med.-Beamte. Bd. 43. 1908. S. 183.) 

— Gibrut, Diseases of canary. (Vet. Journ. 1910. p. 655.) — Pfeiler, Ueber ein 
seuchenhaftes, durch Bakt. aus der Parat.-Gruppe verursachtes Kanariensterben. (Berl. 
Tierarztl. Wochenschr. 1911. S. 953.) — Adam u. Meder, Ueber Parat. B-Infekt. 
bei Kanarienvogeln. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 62. 1912.) — Weidleich, 
Beitrag zum Ferkeltyphus. (Berl. Tierarztl. Wochenschr. Bd. 30. 1914. S. 73. — 
Smith u. Broeck, Agglutination affinities of a pathog. bacillus from fowls (fowls- 
typhoid) with the typhoid bacillus of man. (Journ. Med. Res. Vol. 31. 1915. p. 503.> 

— Gatfky, Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. (Mitt. a. d. Kais. Ges.-Amt. Bd. 2. 
1884; zit. nach Chantemesse u. Widal.) — Sirotinin, Die Uebertragung von 
Typhusbazillen auf Versuchstiere. (Ztschr. f. Hyg. Bd. 1. 1886. S. 465.) — Beumer 
u. Pfeiffer, Bakteriologische Studien iiber die atiologische Bedeutung des Typhusbaz. 
(Ebenda. Bd. 2. 1887. S. 110.) — Baumgarten, Ueber Infektionsversuche mit 
Typhusbazillen. (Centralbl. f. klin. Med. 1887. Nr. 4. S. 57.) — Fraenkel u. Sim¬ 
mon ds, Zur Aetiologie des Abdominaltyphus. (Ebenda. 1885. Nr. 6. S. 757.) — 
Fraenkel, Zur Lehre von den pathogenen Eigenschaften der Typhusbazillen. (Ebenda. 
1886. Nr. 10. S. 169.) — Chantemesse et Widal, Recherches sur le bacille typhi- 
<iue. (Arch, de physiol, norm, et pathol. T. 9. 1887. p. 217.) — Gilbert et Girode, 
Fifevre typhoide expOrimentale. (Gaz. mdd. de Paris. 1891. p. 241.) — Sanarelli, 
Etudes sur la fifcvre typhoide expOr. (Ann. Pasteur T. 6. 1892. p. 721.) — Scordo, 
Ueber die exper. Infektion der Ziege mit dem Eberthschen Bazillus. (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 57. 1910. S. 290.) — Levy u. Jacobsthal, Fleischvergiftung 
und Typhus. (Arch. f. Hyg. Bd. 44. 1902. S. 113.) — Pfaff, Eine infektiose Er¬ 
krankung der Kanarienvogel. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. 1905. S. 275.) 

— Ebert, B., Ueber das Verhiiltnis der Bouillon- und EiweiBrasse des Bazillus des 
Zieselmaustyphus (B. typhi spermophilorum) Mereschkowsky, zu einigeu 
Bakterien der Coli-Gruppe. (Arb. d. Landwirtsch. Labor. Bd. 5. 1914. S. 3.) [Russ.] 

— Ders., Ueber die systematische Stellung des Bac. Mereschkowsky und Danysz 
unter den Bakterien der Coli-Typhus-Gruppe. (Dies. Petersburg. 1908.) [Russisch.] 


X 



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van der Lingen, Eigenschaften d. Acridinverbindung des Flavins usw. 509 


Nachdruck verboten. 

Ueber die antiseptischen Eigenschaften der Acridinver¬ 
bindung des Flavins im Licht und Dunkeln. 

Von J. Steph. ran der Lingen in Kapstadt. 

Es ist wohlbekannt, daB die Acridinverbindung des Flavins in hohem 
Made fluoresziert; die Farbe des Fluoreszenzlichtes ist grunlich-gelb. 

Das Absorptionsspektrum der Verbindung reicht von der Gegend 
des Ultravioletts bis zum sichtbaren Rot. Die Fluoreszenz kann durch 
sichtbares Licht erregt werden, das keine pathologische Wirkung auf das 
lebende Gewebe hat, und dessen Strahlen durchdringender sind als die 
violetten Oder ultravioletten. Die Verbindung kann daher nach sub- 
kutaner Einspritzung unter der Haut fluoreszent gemacht werden, vor- 
ansgesetzt, daB ihre Fluoreszenz nicht durch Korperllilssigkeiten zer- 
stort wird. Mit einer Untersuchung hieriiber bin ich beschaftigt. 

Um die Giftigkeit der Verbindung im Lichte und im Dunkeln fest- 
zustellen, wurden Lbsungen von Viono bis zu Vmooo abw&rts benutzt. 

2 Probierrohrchen wurden mit gleichen Mengen jeder Lbsung gefflllt 
und dann mit V10 ccm von Staphylococcus aur. oder B. pyocyan. 
geimpft, so daB etwa 1000 000 Organismen auf 1 ccm Flavin entfielen. 

Ein Satz Probierrbhrchen wurde dem gleichmaBigen Lichte einer 
Wolframlampe ausgesetzt, ein zweiter Satz wurde in einer Dunkelkammer 
aufbewahrt; beide Satze wurden auf der Temp, von 37° C gehalten. Nach 
1, 2 usw. Std. wurden Kulturen auf Agar hergestellt, die im Dunkeln 
in demselben Brutofen untergebracht wurden. 

Die Resultate zeigen deutlich, daB dies Antiseptikum im Lichte wirksamer 
ist als im Dunkeln. Die Kontrollkulturen, welche mit reinem Wasser im 
Lichtfelde angesetzt waren, wuchsen durchaus gut auf dem Agamahrboden. 

Die Resultate zeigen ferner, daB die Differenzierung zwischen dunkel 
und hell mit der Verdiinnung zunimmt, wahrscheinlich weil die Fluore¬ 
szenz sich tiefer in die Rohre ausbreitet. Die abtotende Wirkung wird 
vergrbBert, wenn die Rohrchen von Zeit zu Zeit geschiittelt werden. 
Dies dfirfte auf die Gegenwart von Sauerstoff zurilckzufiihren sein, • 
weniger darauf, daB die Organismen im Fluoreszenzfelde geschflttelt 
werden. Daraus folgt, daB die abtotende Wirkung der Fluoreszenz auf 
Organismen durch Gegenwart von Sauerstoff erhoht wird. 

Ferner wurde getunden, daB Losungen von Vznoo und Vsooo nicht so 
wirksara waren wie Losungen von V4000 oder Vsooo- 

In diesem Falle neige ich zu der Ansicht, daB die Ionisation der 
Lbsung einen entscheidenden EinfluB auf ihre Giftigkeit hat. 

DaB die Wirkung sicher nicht allein auf das Licht zuruckzufiihren ist, 
geht klar nicht nur aus den Kontrollversuchen hervor, sondern auch aus 
der Tatsache, daB beide untersuchten Organismen ganz gut in dem Spek- 
tralteile wuchsen, welcher dem Fluoreszenzspektrum des Flavins entspricht. 

Die Versuche zeigen, daB Flavin als Antiseptikum wirksamer ist, 
wenn es durch eine gewohnliche Wolframlampe beleuchtet ist, als wenn 
es im Dunkeln bereitet und benutzt wird. 


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510 


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Nachdrudc verboten. 

Zur Frage der Einwirkung von Kochsalzlosung 

auf Bakterien. 

[Aus dem Institut ffir experiraentelle Therapie „Emil von Behring". 

Marburg. (Leiter: Prof. Dold.)] 

Von Priv.-Doz. Dr. Hans Schmidt, Abteilungsleiter. 

In einer Reihe von Arbeiten 1 ) fiber die Einwirkung von Na-Chlorid 
auf verschiedene Mikroben hat A. Duthoit festgestellt, daB Auf- 
schwemmungen gewisser Bakterien in physiologischer Kochsalzlosung 
bereits nach 7 Std. steril sind, daB aber ein Zusatz von CaCl 2 (0,04 Proz.) 
die LebensfShigkeit je nach Art der Bakterien bis zu 2 Tagen verlfingert. 
Nimmt man Ringersche Losung als Aufschwemmungsmittel, dann 
bleiben die Bakterien eine betrfichtlich langere Zeit lebend. Duthoit 
gab in 5 ccm einer 0,9-proz. NaCl-Losung 5—20 Millionen lebende Bak¬ 
terien und fand, daB gegenfiber der NaCl-Lfisung Staphylococcus 
aureus am widerstandsffihigsten ist, dann folgen Typhus-, Paratyphus 
A- und B-, Coli- und Pneumobazillen. 

Bestehen diese Angaben zu Recht, dann hStte man ffir zahlreiche 
Vakzine ein einfaches Mittel, sie steril zu machen. 

Ein Stehenlassen in NaCl-Lfisung fiber 24 Std. bei Zimmertemperatur 
dfirfte genfigen, da ja nach Duthoit die meisten Keime im Mittel 
innerhalb der ersten 6 Stunden sterben sollen. Dieses Verfahren hfitte 
neben seiner Einfachheit den groBen Vorteil, die Abtfitung durch Er- 
hitzen zu vermeiden, die stets mit einer ZustandsSnderuDg des Bakterien- 
protoplasmas einhergeht, die die antigene Wirkung beeintrfichtigt. Ferner 
wfire der Zusatz eines Antiseptikums entbehrlich. Zwar besitzen wh¬ 
im Yatren ein Mittel 2 ) ein Mittel, Bakterien schonend und sicher ab- 
zutfiten, das dazu noch durch seine unspezifische Wirkung auf den Reiz- 
zustand der Zellen dem Vakzin eine potenzierte Wirkung gibt. Aber 
es bleiben FSlle fibrig, wo es wfinschenswert ist, ein Vakzin ohne 
irgendwelche Zutaten zu geben. Nun ist es klar, daB jedes Bakterium. 
das nicht Dauerformen, d. h. Sporen, bilden kann, auf die Dauer ab- 
stirbt, wenn es in einem Milieu ist, dessen Mangel an Nahrmaterial eine 
Vermehrung verhindert. Diese Tatsache mag teilweise den Feststellungen 
von Duthoit zugrunde liegen, teilweise mag auch eine unmittelbar 
schfidigende Wirkung der NaCl-Lfisung vorliegen, wie sie schon seit 
langem ffir Bakterien bekannt ist. 

Ich habe daher mit besonderer Berficksichtigung der praktischen 
Bedeutung ffir die Vakzinsterilisierung untersucht, wie schnell einge- 
brachte Keime in einer NaCl-Losung abgetotet sind, zugleich wurde auch 
der EinfluB geringer Zusatze von CaCl 2 , sowie Hypotonie untersucht 
und die Wirkung der 0,9-proz. NaCl-Losung mit der der Ringer- 
Losung verglichen. 

Die Versuchsanordnung war folgende: 

1) Corapt. rend. Soc. Biol., T. 89, 1923, p. 548, 550, 553. 

2) Yatren ist ein von den Behringwerken, Marburg, hergestelltes Praparat. Ee 
ist das Na-Salz der Jodverbindung der o.oxv-chinolinsulfosaure. 


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Schmidt, Zur Frage der Einwirkung von Kochsalzlbaung auf Bakterien. 511 


Von den znr Aufachwemmung der Bakterien dienenden Losungen wurden je 
300 ccm in einer Flasche aterihsiert und fiir die Dauer des Versuches vorratig gehalten, 
una bo stetfl gleiche Bedingungen zu gewahrleisten. Die Bakterien wurden auf featen 
Nahrboden (Agar, Aaciteaagar, Lbffler-Serum) geziichtet und 12-stiindige Kulturen 
benutzt. Mit 1 mm-Oese — die gleiche Oeae wurde fiir den pianzen Verauch benutzt 
— wurde eine Oeae voraichtig, um keine Spur Nahrboden mitzunehmen, der Eultur 
entnommen und in je 5 ccm der betreffenaen Salzloaung verteilt und bei Zimmer- 
temperatur atehen gelaaaen. Von dieaer Aufschwemmung wurde in beetimmten Zeit- 
abstanden (3, 5, 7, 10, 24 Std., 2, 3, 5, 10 Tg.) zwei grofie (4 mm) Oeaen (gleiche Oeae 
fur den ganzen Verauch) in Bouillon iibertragen, die aem jeweiligen Baktenum optimal 
angepaBt war. Die Bouillon wurde bei 37° oebrutet und die definitive Ablesung nach 
4 Tagen vorgenommen. Ala Kontrolle wurden auch von den unbeimpften Salzloaungen, 
aowie von den verachiedenen Bouillonnahrboden Sterilitataproben gemacht, die aamtlich 
ateril blieben. Durch dieae Verauchsanordnung war moglichat Sorge getragen, dafi 
etwa uberlebende Keime mit Sicherheit nachgewieaen werden konnten. 

Das Ergebnis der Versuche ist in folgender Tabelle zusammen- 
gestellt, aus der auch die Art der geprflften Keime, sowie die ver- 
wendeten Salzlosungen ersichtlich sind. 




Aqua 

deat. 

Proz. NaCl-Losung 

0,9 Proz. NaCl 


J 

0,3 

0,6 

0,9 

I* 

0,02 Proz. 
CaCl, 

0,1 Proz. 
CaCl, 

Ringer 

Staphylococcus aur. 

— 

— 

— 

— 

+ 3 

— 

— 

+ 7 


ato. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Streptococcus 


+ 2 

+ 1 

+ ^ 

+ 3 

+ 1 

+ 2 

+ 2 

+ 2 k 

Pneumococcus 


+ 3 

+ y, h 

+ y. h 

+ 6 

+ 7 

+ 2 

+ 2 

— 

Gonococcus 


+ 1 

+1 

+ 1 

+ 1 

+ 1 

+ 1 

+ 2 

+ 1 

Meningococcus 


+ 4 

+ 1 

+ 2 

+ 2 

+ 4 

+ 2 

+ 3 

+ 8 

Diphtheric 


+ 1 

+ 7, h 

+ 2 

+ 2 

+ 1 

+ 1 

+ 3 

+ 2 

Flexner 


— 


— 

— 

+ 10 

— 

— 

— 

Shiga 

Y 


— 

— 

— 

— 

+ 10 


_ 

I 

— 

Typhus 









I 

Paratyphus A 

» B 
Coli 1 











— = nach 10 Tagen waren noch lebende Keime nachweiabar. 

+ = Eultur war ateril; die Zahlen bedeuten, nach wieviel Tagen (Stunden aind 
mit h bezeichnet) nach Beimpfung der Salzloaung die nachfolgende Eultur ateril war. 


Obwohl von den meisten Keimen mehrere Stamme untersucht 
warden,, sind natOrlich die vorliegenden Ergebnisse nicht ausreichend, 
der groBen individuellen Verschiedenheit der Bakterien Rechnung zu 
tragen, doch gestatten die Beobachtungen immerhin einige Schlflsse zu 
ziehen. 

Zunflchst zeigte innerhalb der Grenzen des Versuches die Hypotonie 
keinen EinfluB auf eine etwaige Verkflrzung der Lebensdauer der Bak¬ 
terien. Im Gegenteil schien.die 0,3-proz. NaCl-Losung fflr Gono-, 
Pneumo-, Streptokokken und Diphtheriebazillen schfldlicher zu sein als 
Aqua dest. Auch der EinfluB der schwachen Hypertonie war so gering, 
daB seine Wirkung noch in die Breite der Variability der einzelnen 
Stamme fallen dflrfte. Das gleiche gilt auch fflr den Zusatz geringer 
Mengen CaCl 2 . Einen die Lebensdauer verlSngernden EinfluB der 
Ringerschen Losung im Vergleich mit der 0,9-proz. NaCl-Losung kam 
nur bei Pneumo- und Meningokokken zum Ausdruck. 

Legt man eine Einwirkung von 24 Std. der Beurteilung zugrunde, 
ob nach dieser Zeit eine Vakzine steril ist, dann kflnnte dies nur fflr 
Gonokokken in Frage kommen, deren Empfindlichkeit auBeren Einflussen 


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gegenilber ja hinlanglich bekannt ist. Aber bereits die Meningokokken 
und Diphtheriebazillen bedurften eines mehrtagigen Aufenthaltes in 
reiner Salzlbsung, um vollstandig abgetotet zu sein. Dagegen waxen 
Staphylokokken und alle gepriiften Bakterien der Typhus - Ruhr - C o 1 i - 
Gruppe noch nach 10 Tagen vermehrungsfdhig. 

Nach diesem Ergebnis kanu man also nicht wagen, eine Bakterien- 
aufschwemmung in NaCl-L5sung, mit Ausnahme der Gonokokken, zur 
Sterilisierung einige Tage sich selbst zu fiberlassen zwecks Herstellung 
eines Vakzins. 


Zusammenfassung. 

Die von Duthoit gemachten Angaben fiber die FShigkeit gewohn- 
licher physiologischer NaCl-Losung, innerhalb 7 Stunden die meisten 
Bakterien abzutoten, erwiesen sich als unhaltbar. 

Nachtrag. Ficker (Zeitschr. f. Hyg. 29. I.) hat bereits gezeigt, 
daB die meisten Spaltpilze in reinstem destillierten Wasser rasch, in 
ca. 1 Std. absterben, aber daB die kleinsten Spuren NShrmaterial, das 
mit den Keimen iibertragen wird, die Lebensdauer betrSchtlich ver- 
l&ngert. Das gleiche gilt fiir dichte Aufschwemmungen, in denen die 
groBe Menge der absterbenden Individuen bis zu einem gewissen Grade 
den Ueberlebenden als Nahrungsquelle dient. 

Bei Gonokokken hat kurzlich P. Engering (Zeitschr. f. Hyg. 
1923. p. 100. 314) nachgewiesen, daB es resistente SttLmme gibt, die 
sogar im Wasser einer stadtischen Badeanstalt erst nach 14 Std. ab- 
starben. 


Nachdruck verboten. 

Tuberkulinreaktion und C-Vitamin. 

[Aus dem Hygiene-Institut der Universitat Greifswald (stellv. Direktor: 

Prof. Dr. Carl Prausnitz).] 

Von Dr. Friedrich Schilf. Assistenten am Institut. 

Mit 4 Kurven im Text und 1 Tafel. 

Die Bedeutung der Vitamine liegt in der Rolle, die ihned fiir die 
Funktion der Korperzellen zukommt. Sie sind notwendige Nahrungs- 
bestandteile fQr den gesunden Organismus und gewinnen bei drohenden 
Erkrankungen vermehrt an Unentbehrlichkeit, da sie iiber deren Beginn, 
Verlauf und Ausgang entscheidend sein konnen. Bekannt ist der schwere 
Verlauf von Krankheiten bei unzureicliender Ernahrung, wie wir ihn 
besonders wahrend der letzten Jahre erlebt haben. DaB dabei die 
Vitamine eine Rolle spielen, gewinnt nach neueren Forschungen mehr 
und mehr an Wahrscheinlichkeit, Die drei bekannten Vitamine A, B, C, 
von denen man neuerdings noch ein 4. Vitamin D unterscheidet, ver- 
ursachen bei Mangel in der Nahrung jeweils bestimmte Krankheits- 
symptome. Doch ist es bis heute nur bei einzelnen Krankheiten mit 
Sicherheit gelungen, sie auf das Fehlen eines bestimmten Vitamins 
zuriickzufiihren. Das ist der Skorbut, der bei Mangel an antiskorbuti- 
schem oder C-Vitamin in der Nahrung entsteht, und die Beri-Beri- 



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Schilf, Tuberkulinreaktion und C-Vitamin. 


513 


Krankheit, die auf Fehlen von antineuritischem Oder B-Vitamin zurfick- 
zufiihren ist. DaB ungeniigende Zufuhr von Vitamin A bei der Ent- 
stehung der Rachitis eine wichtige Rolle spielt, ist wohl zweifellos, nur 
gehen die Ansichten fiber seine ausschlieBliche Bedeutung auseinander. 
Viel haufiger wird es jedoch der Fall sein, daB zu gleicher Zeit unge- 
niigende Zufuhr an mehreren dieser Vitamine stattfindet, so daB dann 
die Krankheitssymptome ganz verschieden sein kdnnen. 

Eine Frage nun hat besonderes Interesse erweckt. Wie Sndert sich 
die Infektionsbereitschaft des Korpers bei Vitaminmangel, beziehungs- 
weise wie verhalten sich dann seine Abwehrkr&fte? Es ist bekannt, 
daB Kinder mit NShrschSden besonders stark durch Infektionen ge- 
fahrdet sind. In solchen Fallen wird der Zusammenbruch des mangel- 
haft, und sicher auch in bezug auf seinen Vitaminbedarf falsch ernShrten 
Organismus durch eine hinzutretende Infektion herbeigefflhrt. Stolte (2) 
erkiart diesen Vorgang so, daB *der bereits verminderte Gehalt des Or¬ 
ganismus an Vitaminen, die ja nur in geringer Menge im Korper ge- 
speichert werden konnen, durch die Infektion in vermehrtem MaBe ver- 
braucht wird. Auch die EmpfSnglichkeit ffir Diphtherie und Tuberkulose 
soil durch Vitaminmangel der Nahrung erhdht sein. So ist es jeden- 
falls bemerkenswert, daB diese Krankheiten sich haufig an einen Skorbut 
anschlieBen, wie Stepp (3) mitteilt. Abderhalden (4) hat an vita- 
minfrei ernahrten Tauben eine verminderte Resistenz gegenGber der Di- 
phtherieinfektion festgestellt. Besonders auslandische Forscher (5, 6, 7, 8) 
haben sich experimentell mit der Frage der Resistenzverminderung bei 
Vitaminmangel besch&ftigt. Sie fanden sie bei Ratten, Kaninchen und 
Tauben gegeniiber Milzbrand, Pneumo-, Meningokokken und Schweinerot- 
lauf. Gleiche Ergebnisse hatten andere auslandische Forscher (9) bei 
Hunden und Tauben. Umgekehrt konnten Nassau und Scherzer 
(18) an Meerschweinchen zeigen, daB eine Infektion bei gleichzeitiger 
vitaminfreier Kost den Verlauf des Skorbut beschleunigt. Von Interesse 
im Hinblick auf die vorliegenden Versuche sind die Feststellungen Re¬ 
no ns (10), nach denen eine Resistenzverminderung gegeniiber der Tu¬ 
berkulose bei vitaminarmer Futterung eintritt. Auch Mutha (11) glaubt 
an die Bedeutung der Vitamine bei der Tuberkulose. Leider waren mir 
die Originalarbeiten beider nicht zuganglich, so daB ich nicht feststellen 
konnte, wie diese Forscher zu ihren Ergebnissen gelangt sind. 

Die Frage, in welcher Weise die Widerstandskraft des Korpers ver- 
andert wird, ist mehrfach untersucht worden. Man hat den Gehalt des 
Blutes an verschiedenen Antikorpern festgestellt, wie Agglutininen, Pra- 
zipitinen, Hamolysinen, Bakteriolysinen (12, 13, 14, 15), sowie von Opso- 
ninen, bzw. Tropinen (16). Die teilweise sich widersprechenden Ergeb¬ 
nisse dieser Versuche lassen sich dahin zusammenfassen, daB bei Vitamin¬ 
mangel die Bildung von Agglutininen, Prazipitinen, HSmolysinen und 
Bakteriolysinen kaum, die der Opsonine unwesentlich vermindert ist. 

Welcher Art die AbwehrkrSfte bei der Tuberkulose sind, steht heute 
noch nicht eindeutig fest. Trotzdera dflrfte es von Interesse sein, zu 
erfahren, wie sich der Korper bei dieser Krankheit im vitaminarmen 
Zustande verhalt. Als MaBstab fur die Starke der AbwehrkrSfte beim 
Menschen dient uns die Tuberkulinreaktion. Auf Anregung von Herrn 
Prof. Prausnitz habe ich diese Frage mit der Tuberkulinreaktion an 
tuberkulosen Meerschweinchen gepriift. Es wurden zu diesem Zwecke 
Meerschweinchen im Gewicht von 250 —350 g bei einer Kost bestehend 
aus Hafer, Kleie, Wasser und Milch, die 1 Std. im stromenden Dampf 

Erste Abt. Orig. Bd. 91 . Heft 7/8, 33 


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Centr&lbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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erhitzt worden war, C-vitaminfrei ernShrt. Nach etwa 3 Wochen zeigten 
sich manifesto Symptome des Skorbut. Die Tiere lieBen verminderte 
FreBlust erkennen, die bei einzelnen schon sehr friihzeitig einsetzte. 
Der kSrperliche Befund entsprach dem von Holst und Frbhlich 1 ) an- 
gegebenen, so daB sich hier eine eingehende Schildernng erubrigt. 

Die wichtigsten Erscheinungen am lebenden Tiere waren: livide 
VerfSrbung des Zahnfleisches, Blutungen in die Zahnfleischrander des 
Unterkiefers, Lockerung der Backenzfihne, Durchfalle, zuweilen mit Blut- 
streifen; an den Extremitaten, besonders den Hinterbeinen, eigenartig 
Starke Pronation, die an die Stellung der Vorderbeine des Maulwurfs 
erinnert (offenbar bedingt durch schmerzhafte Muskelblutungen). Bei 
der Sektion fanden sich zahlreiche mehr Oder weniger ausgedehnte 


5 _ 10 _ 15 _20_ IS _50_55 


I / fiOSm6rTiiK^rl/ol Razillpn!_1_ 


















































reie iuiierun§ 























N, 










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2 

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A 



































5 















i7ubcrkul.0,02%r. 
















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s 

2 

_ 

_ 


— 




























Z 






A 




























2 









L 



































A 


























Tubcrkul Reaktion 


A 






— 




















aT 

■V 

6^ 





Kurve 1. Nr. 81. Skorbutig-tuberkulos. 


i CrVit - freie Futterung 











































2 




























V 


A 





vj 




71 

Z 




















A 

7 






A 



i 


A 


z 




























T 







\ 
































\ 


































\, 



Tuberkulin 0,02 $r 





















A] 


























L 































s. 

r 
































x 
































A 

































'A 

































\ 






















































Tuberkul - Reakt. 

























0 

0 

0 



















j 



'rr mi it 










Kurve 2. Nr. 90. Skorbutig, nicht tuberkulos. 


BIntungen in die Weichteile und das Periost der langen Rohrenknochen, 
besonders in der Kniegegend, Verbreiterung der Knorpelknochengrenzen 
der Rippen mit subperiostalen Blutungen, Epiphysenlosungen, Darm-, 
zuweilen Blasenblutungen. Selten sail ich Oedeme und subkutane 
Blutungen. HSufig fand sich auch geringe VergroBerung der Milz und 
Nebennieren, sowie Schwellung der mesenterialen Lymphdrilsen. Be¬ 
sonders erwahnen mochte ich noch das starker rote Durchscheinen der 
Zehennagel bei den meisten skorbutigen Tieren als bei den normalen. 
Die Figg. 1 — 4 geben einige charakteristische Symptome wieder, wie 
man sie an ineinen Versuchstieren beobachten konnte. Der histologische 


1) Funk, Die Vitamine. 



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516 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

gleichm&fiig, geht zum Teil sogar fiber das Anfangsgewicht hinaus. Was hier aber vor 
allem interessiert, ist der Ausfall der Tuberkulinreaktion. Wahrend bei dem skorbut- 
und tuberkulosekranken Tiere der Reaktionsherd in der grollten Ausdehnung 10,5 mm 
betrug, haben wir hier einen Bezirk von 20 —30 mm Durchmesser. Wir sehen eine 
typische kraftige Reaktion. 

In dieser Weise verlief nun die Reaktion in alien Versuchsreihen. 
Tab. I gibt eine Uebersicht fiber einen kleinen Vorversuch rait 2 skor- 
butig tuberkulosen und 2 normal ernShrten tuberkulfisen Tieren. Sie 
zeigt den Verlauf der lokalen Hauterscheinungen an den beiden auf die 
Tuberkulininjektion folgenden Tagen. Man sieht bei den normal er- 

Tabelle I. 

Mittlerer Durchmesser der Tuberkulinkutanreaktion. 

Meerschweinchen Nr. nach 24 Std. nach 48 Std. 

Skorbutig und tuberkulds 

32 10,5 mm 0 

35 8,5 „ 0 

Normal ernahrt, tuberkulos. 

37 19 mm 18,5 mm 

38 16 „ 15 „ 

nahrten tuberkulosen Tieren eine deutlich positive Kutanreaktion, die 
nach 48 Std. beginnt abzuklingen. Bei den skorbutigen Tieren dagegen 
zeigt sich nur ein schwaches Aufleuchten einer Reaktion, die am 2. Tage 
wieder verschwunden ist. Das ist jedenfalls ein bemerkenswertes Re- 
sultat, und es bestfirkte die Annahme, daB bei den skorbutigen Tieren 
die Reaktionsfahigkeit auf den Tuberkulinreiz herabgesetzt ist. 

Die weiteren Versuche ergaben dann auch durchaus die Berechtigung 
dieser Vermutung. Die Tab. II gibt ziflernmSBig das Protokoll einer 
ganzen Versuchsreihe wieder. A) Bei 3 skorbutkranken tuberkulose- 

Tabelle 11. 


• 

Tuberkulinkutr 

mreaktion. 




A) Skorbutig uni 

I tuberkulos 



Meerschweinchen 

Nr. nach 24 Std. 

nach 48 Std. Temperaturreaktion 

76 

+ + + 

+ + + 


-0,1 

81 

+ + 

+ 


— 0,6 

87 

+ 

— 


-1,4 




mittel: 

-0,7 


B) Normal erniihr 

t, tuberkulos 



82 

+ + + + 

+ + + + 


+ 0,8 

83 

+ + + 

+ + + 


+ 0,3 

84 

+ + + + 

+ + + + 


+ 1,4 

85 

+ + + + 

+ + + + 


+ 0,4 




mittel: 

+ 0,7 


C) Skorbutig, ni 

cht infiziert 



88 

— 

— 


— 0,5 

89 

— 

— 


-0i8 

90 

— 

— 


-1,6 

91 


— 


-1,1 




mittel: 

-1,0 


D) Normal ernahrt 

, nicht infiziert 



105 

i 

— 


— 0,4 

106 


— 


+ 0,2 

107 


— 


+ 0,4 

108 

+ 

— 


+ 0,6 j 




mittel: 

+ 0,2* 




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Schilf, Tuberkulinreaktion und C-Vitamin. 


517 


Bezeichnung der Kutanreaktionen: 

+ + + + Papel fiber 28 mm Durchmesser, deutlicbe Area 

+ + + » 19—26 „ „ , „ „ 

+ + „ 8—10 „ „ , keine Area 

+ »» ^ »> » i fi ti 

infizierten Tieren zeigte sich eine in der St&rke verschiedene Kutan- 
reaktion, die bei 2 Tieren nach 48 Std. kleiner oder null war, bei dem 3. 
(Nr. 76), das von vornherein mittelstark reagiert hatte, blieb sie auch 
am 2. Tage gleich stark. Es ist bemerkenswert, daB die Sektion bei 
diesem Tiere nur sehr geringe Erscheinungen von Skorbut ergab. B) 
Demgegeniiber lieBen die normal ernahrten tuberkulosekranken Tiere in 
alien Fallen starke Reaktionen erkennen. Zu beachten ist bei diesen 
Tieren auch gleichzeitig die Temperaturdifferenz, woranf noch naher ein- 
gegangen werden soil. In dem zweiten Teile der Tabelle sind die zuge- 
horigen Kontrollen verzeichnet, die erste Gruppe C) skorbutkranke nicht- 
infizierte Tiere, die zweite D) normalernahrte nichtinfizierte Tiere. Bei 
alien fand sich entweder keine oder eine ganz unbedeutende Reaktion. 

Zur Uebersicht ist das Ergebnis dieser Versuchsreihe in Tab. Ill 
zusammengefaBt. Es zeigt sich also bei 3 skorbutkrankentuber- 
kuldsen Tieren nach 24 Std. lraal eine schwache Reak¬ 
tion, lmal eine mittlere und 1 mal eine starke Reaktion. 
Bei 4 normal ernahrten tuberkulbsen 4mal starke Reak- 


Tabelle III. 


Tuberkulinkutan reaktion. 


Behandlung Zahld.Versuchstiere 

Skorbutig, tuberkulos 3 

Normal ernahrt, tuberkulos 4 

Skorbutig, nicht infiziert 4 

Normal ernahrt, nicht infiziert 4 


negativ od. schwach mittel stark 

Nach 24 Stunden 
1 1 1 

— — 4 

4 — — 

4 — — 


Skorbutig, tuberkulSs 3 

Normal ernahrt, tuberkulos 4 

Skorbutig, nicht infiziert 4 

Normal ernahrt, nicht infiziert 4 


Nach 48 Stunden 
2 — 1 

— — 4 

4 — - 

4 — - 


tionen. Von 4 skorbutigen nichttuberkulosen Vergleichstieren zeigen 
3 keine, 1 eine schwache Reaktion, von 4 ganz normalen 1 keine, 
3 schwache Reaktionen. Nach 48 Std. haben sich in alien Gruppen die 
Erscheinungen im Sinne einer Verminderung verschoben mit Ausnahme 
der normal ernahrten tuberkulosen Tiere. 

Wir sehen also, daB durch die C-vitaminfreie Ftltterung die Reak- 
tionsfkhigkeit auf die Tuberkulinimpfung betrkchtlich herabgesetzt wird. 
Wie auch der Vorgang sich abspielen mag, eins tritt deutlich hervor: 
die Abwehrkraft der Zellen ist so vermindert, daB der Tuberkulinreiz 
zu fast keinem Effekt mehr fiihrt. Die Schadigung der Zellen durch 
den Vitaminmangel wird dadurch deutlich erkennbar. 

Sie zeigt sich aber auch noch in anderer Beziehung. Die mitt¬ 
lere Temperaturdifferenz wahrend des Ablaufs der Tuberkulin¬ 
reaktion ist bei den einzelnen Gruppen nach Tab. II sehr charakteristisch. 
Die normal ernahrten Tiere reagieren in der gewohnten Weise mit einem 
Temperaturanstieg, die tuberkulosen mit 0,7°, die nichttuberkulosen 
mit 0,2°. Die Skorbuttiere dagegen zeigen nicht nur keine Zu- 
nahme der Temperatur, sondern im Gegenteil einen Temperatur- 


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CentralbL f. Bakt. etc. 1. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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abfall, der bei den nicht infizierten Tieren (—1,0) noch groBer ist als 
bei den tuberkulosen (—0,7). Diese Tatsache ist sehr interessant und 
diirfte sich vielleicht so erkl&ren, daB die infolge der Vitaminarmut 
offenbar vorhandene Neigung zu Untertemperaturen beim tuberkulosen 
Tiere wfihrend der Tuberkulinreaktion nicht voll in die Erscheinung 
treten kann, da das an sich temperatursteigernd wirkende Tnberkulin 
zu einem gewissen Ausgleich der Noxen fiihrt. Fur eine allgemeine 
Neigung zur Verminderung der Kfirpertemperatur infolge Vitamin- 
mangels sprechen die Befunde Workmans, der eine solche bei Ratten 
wfihrend der Ftttterung feststellen konnte und aucli anderen Autoren 
ist die Temperaturherabsetzung bei vitaminarm ern&hrten Tieren bekannt. 
Ich habe bei meinen Tieren die Temperatur nicht w&hrend der ganzen 
Dauer des Versuchs gemessen, doch sprechen die kurz vor der Tuber- 
kulinimpfung angestellten Messungen nicht fiir eine standig vorhandene 
Temperaturverminderung. Sie tritt bei meinen Tieren erst unter der 
Einwirkung des Tuberkulinreizes ein, das die Warmebildung der Zelle 
gewissermaBen schockartig zu lahmen scheint. Dagegen lieB sich an 
Vitamin-B-arm ernahrten Tauben 1 ) schon friihzeitig eine Temperatur- 
senkung feststellen. DaB hier Beziehungen zur Resistenzverminderung 
vitaminarmer Tiere gegenflber akuten Infektionen bestehen, kann mit 
groBer Wahrscheinlichkeit angenommen werden. 

Die bereits erwahnten Feststellungen von Nassau und Scherzer, 
nach denen der Verlauf des Skorbut durch die Infektion beschleunigt 
wird, konnte ich bei meinen Versuchen bestatigen. Nach Tab. IV be- 
trug die mittlere Lebensdauer: 

Tabelle IV. 

Mittlere Lebensdauer. 

Skorbutig und tuberkulos 17,2 Tage 

Normal ernahrt tuberkulos uber 32 „ 

Skorbutig, nicht infiziert 24 „ 

Hungerfiitterung, nicht infiziert*) 32,3 „ 

Zusammenfassung. 

C-vitaminfrei ernahrte tuberkulose Meerschweinchen verlieren die 
normale Reaktionsfahigkeit der Haut auf Tuberkulin, sie ist entweder 
deutlich abgeschwacht oder tritt iiberhaupt nicht in Erscheinung. Gleich- 
zeitig findet sich an Stelle des Temperaturanstieges bei normal ernahrten 
tuberkulosen Kontrolltieren kein Fieber, sondem sogar Temperatur- 
abfall. Bei den infizierten und vitaminfrei ernahrten Tieren ist die mitt¬ 
lere Lebensdauer geringer als bei den nicht infizierten. 

Literator. 

1) Funk, Die Vitamine. Miinchen u. Wiesbaden (Bergmann) 1922. — 2) Stolte, 
Dtsch. med. Wochenschr. 1923. S. 1036. — 3) Stepp, Volkswohlfahrt. 1922. S. 422. 

— 4) Abderhalden, Pfliigere Arch. Bd. 193. S. 329. — 5) Workman, Journ. Inf. 
Dis. Vol. 32. 1923. p. 247. — 6) Setti, Biochim. et terap. sperim. 1922. p. 197. 

— 7) Cramer, Lancet. Vol. 201. 1921. p. 1202. — 8) Guerini, Pathologica. Vol. 13. 
1921. p. 447; Ann. d’ig. Jahrg. 31. 1921. p. 597. — 9) d’Asaro Bionao, Policcli- 
nico sec. prat. 1922. p. 3. — 10) Renon, Bull. g<5n. de tlterap. 1914. p. 91. — 11) 
Muthu, Brit. med. Journ. 1920. p. 160. — 12) Zilva, Bioch. Journ. 1919. p. 172. 

— 13) Kleinschmidt, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1913. S. 423. — 14) Hektoen, 

1) lu einem anderen meiner Versuche. 

2) Diese Gruppe von Tieren erhielt ein normales Futter, das nur quantitativ ver- 
mindert war, so dad ein entsprechender Gewichtsabt'all wie bei den vitaminfrei ernahrten 
Tieren erzielt wurde. 



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Centralblatt f Baklmnlnqie Abt.l Orig Bd 91. 


Si h ilf, TnbtrkuUnrenJct ion 



Yertaq von (iiistav Fischer in Jena 


P Weise, i.ith . Jena 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bei prazipitier. Eiweifiantiseren. 519 

Journ. Inf. Die. 1914. p. 279. — 15) Findlay, Bioch. Journ. 1922. p. 574. — 16) 
Arkin, Journ. Inf. Die. 1913. p. 418. — 17) Findley, Marehall, G., Journ. path. a. 
bacteriol. 1923. p. 485. — 18) Nassau u. Scherzer, Kl. Wochenechr. 1924. p. 314. 

Erkl&rang der Tafelabbildangen. 

Fig. 1. Bkorbutigee Meerechweinchen. Zahnfleiech der unteren Schneidezahne 
aufgelockert, gequollen, purpuren. Normalee Meerech weinchen. 

Fig. 2. Zehe einee ekorbutigen und einee normalen Meerachweinchene im durch- 
fallenden Lichte. Starke RStung beim ekorbutigen Tier (links). 

Fig. 3. Skorbutigee Meerschweinchen mit eigenartiger Zwangehaltung dee linken 
Hinterbeinee (Abduktion, Pronation, Einkrallung aer Zehen). 

Fig. 4. Skorbutigee Meerschweinchen, abnorme Stellung dee linken VorderfuBes, 
beruhend auf Epiphyeenloeung. 


jNachdruck verboten. 

Versuche zur Beseitigung der heterologen Triibungen bei 
prazipitierenden Eiweissantiseren. 

{Aus dem Serologischen Laboratorium der Bakteriologischen Abteilung 

des Reichsgesundheitsamtes.] 

Von Dr. H. Beger, Berlin-Dahlem. 

Bekanntlich geben manche pr&zipitierende Antisera neben den Ver- 
wandtschaftsreaktionen, der Mitpr&zipitation verwandter EiweiBarten, 
auch mit nicht verwandten EiweiBlQsungen F&llungen, die von Uhlen- 
huth(l) als „heterologe Triibungen“ bezeichnet werden. Solche „iiber- 
greifende“ Antisera sind, sofern eine Mitprdzipitation auch in den bei 
der praktischen EiweiBdifferenzierung in Anwendung kommenden starken 
Verdflnnungen des Antigens (1:1000 und mehr) auftritt, unbrauchbar, 
und nach dem Vorschlage von Uhlenhuth von der Verwendung in 
der Praxis auszuschlieBen. Nach den Erfahrungen von Manteufel 
und Beger (2) kamen derartige starke heterologe Triibungen bei den 
prSzipitierenden Antiseren in ca. 13 Proz. der Fdlle vor, berechnet auf 
die Gesamtzahl der Antisera, die eine praktisch brauchbare TiterhQhe 
erreichen; weitere 24 Proz. gaben mit einzelnen Antigenverdiinnungen 
1:100 und 1:200 geringe Reaktionen. Die letztgenannten Antisera w&ren 
also zwar nicht absolut spezifisch, aber doch praktisch brauchbar. Da- 
gegen fanden die Autoren niemals ein Uebergreifen der heterologen Trfl- 
bungen bis zur homologen TiterhQhe des Antiserums. Demgegeniiber 
haben Friedberger und Meifiner (3) bei ihren Untersuchungen 
47 Proz. Gbergreifende prBzipitierende Antisera beobachtet, und zwar 
bei 13,5 Proz. bis zur Titerhohe fiir das Antigen der Vorbehandlung. 
Aehnliche Zahlen gibt Gertrud MeiBner(4) an, die 44,2 Proz. flber- 
greifende Antisera hatte, von denen 11,7 Proz. mit dem „heterogeneti- 
schen tt Antigen etwa gleich stark wie mit dem Antigen der Vorbehandlung 
reagierten. Zur Beseitigung der heterologen TrUbungen und Brauch- 
barmachung dieser iibergreifenden Antisera fiir diagnostische Zwecke 
haben Friedberger und seine Mitarbeiter neuerdings die Absfittigung 
mit Blutzellen als praktisch brauchbare Methode empfohleu. 


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520 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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I. Abshttigungsvcrsuche. 

Absattigungsversuche bei prfizipitierenden Antiseren sind zuerst voq 
Ascoli (5) ausgefuhrt worden. Nach den Untersuchungen von Ober- 
mayer und Pick (6), Rostosky (7), Umber (8), Michaelis und 
Oppenheimer (9), Michaelis (10), Landsteiner und Calvo (ll) r 
sowie von Fuhrmann (12), mit den verschiedenen auf chemischem 
Wege getrennten Fraktionen des SerumeiweiBes spezifische PrSzipitine 
ftir die einzelnen EiweiBkfirper zu erhalten, wird nicht nur die zur Im- 
munisierung verwendete EiweiBfraktion, sondern auch das EiweiB der 
anderen Fraktionen derselben Spezies ausgeffillt. Von diesen Beobach- 
tungen ausgehend, versuchte Ascoli auf dem Wege der elektiven Ab- 
sattigung die Vielheit und Spezifitfit der dabei in Reaktion tretenden 
EiweiBkorper nachzuweisen. Ascoli verwendete zur Behandlung der 
Versuchskaninchen teils Pferdevollblut, teils isolierte EiweiBfraktionen 
desselben, und zwar Losungen von Euglobulin, Pseudoglobulin und 
2 Albuminen. Die mit den einzelnen Fraktionen gewonnenen Antisera 
erzeugten alle einen Niederschlag in samtlichen erwahnten EiweiBlfisungen. 
Beim Absfittigen jedoch ergab sich, daB in alien Fallen, in denen die 
Antisera durch die homologe Fraktion erschbpft worden waren, ein 
spfiterer Zusatz der heterologen keine Prazipitation mehr hervorrief. 
wahrend ein durch die heterologe Fraktion quantitativ ausgefalltes Anti¬ 
serum mit der homologen Fraktion immer noch reichlich NiederschlSge 
gab. Michaelis (13) berichtete fiber ganz entsprechende Resultate. 
Auch Bertarelli (14) konnte durch die Methode der elektiven Ab¬ 
sorption spezifische Unterschiede zwischen den PrSzipitinen ffir Serum- 
globulin und Serumalbumin nachweisen. Diesen positiven Resultaten 
stehen durchaus negative Befunde von Obermayer und Pick (15) 
gegenfiber. Kister und Weichardt (16) haben 1902 das Absfitti- 
gungsverfahren bei fibergreifenden Antiseren angewandt, um dieselben 
spezifisch zu machen, indem sie die Antisera mit dem EiweiB, auf das 
sie Qbergriffen, absattigten. Sie setzten zu diesem Zwecke z. B. zu 
Pferdeantiserum, das auch auf Menschenblut einwirkte, Menschenblut im 
Verhaltnis 1:10 zu, zentrifugierten das Prfizipitat und die Blutzellen ab 
und versetzten die abgegossene klare Flfissigkeit nochmals mit Menschen¬ 
blut im Verhfiltnis 1:10, wobei wiederum eine Trfibung entstand. Es 
muBte noch zweimal Menschenblut hinzugeffigt werden, um zu erreichen, 
daB das Pferdeantiserum nicht mehr mit Menschenblutlosungen reagierte. 
Zusatz von Pferdeblut zu diesem nicht mehr auf Menschenblut fiber - 
greifenden Pferdeantiserum bewirkte dagegen eine sofortige Trfibung. 

Eine Bestatigung haben die Versuche Ascolis auch in Unter¬ 
suchungen Weichardts (17) gefunden, der mittels dieser Absfitti- 
gungsmethode das Blut nahe verwandter Arten z. B. Mensch und Affe, 
ja sogaT artgleicher Individuen voneinander unterscheiden zu konnen 
glaubte. Die Befunde sind aber bisher von keiner Seite bestfitigt und 
auch von Weichardt selbst nicht weiter verfolgt worden, so daB sie 
mit der gebotenen Zurtickhaltung zu bewerten sind. 

Mit Hilfe der elektiven Absattigung war es dann weiterhin moglich. 
Antisera herzustellen, die nur mit den homologen, nicht aber mit an¬ 
deren Organextrakten eines und desselben Individuums Prfizipitate 
lieferten. Solche Versuche sind ebenfalls zuerst von Weichardt (17) 
ausgeffihrt worden. Auch Li e pm an n (18) berichtet in Uebereinstim- 
mung mit Weichardt fiber ein Antiserum, das durch Vorbehandlung 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bei prazipitier. Eiweiflantiseren. 521 

mit menschlichem PlazentarzotteneiweiB hergestellt war und nach Ab- 
s&ttigung mit menschlichem Blutserum nur in PlazentarzotteneiweiB- 
losungen einen Niederschlag erzeugte. Mertens (19) versuchte mit 
Hilfe des Absattigungsverfahrens das Serum von Gesunden und Kar- 
zinomatosen zu unterscheiden, ohne jedoch mit seiner allerdings anfecht- 
baren Versuchsanordnung positive Resultate zu erzielen. Dagegen 
gelang es Maragliano (20) auf dem Wege der Absattigung karzino- 
matoses Gewebe und Blut zu unterscheiden. 

Eine weitere Bestatigung fiir die Moglichkeit, BluteiweiB und Or- 
ganeiweiB der gleichen Tierart serologisch zu unterscheiden, brachte die 
interessante Arbeit von Forssner (21), dem eine Unterscheidung von 
Leber-, Nieren- und BluteiweiB des Meerschweinchens gelang. Forssner 
benutzte zur Immunisierung seiner Kaninchen Organaufschwemmungen 
eines durch Durchspiilen mit physiologischer Kochsalzlosung moglichst 
stark entbluteten Meerschweinchens. Die mit Leberemulsion hergestellten 
Leberantisera wurden beim Absfittigungsversuch durch den homologen 
Leberauszug vollkommen erschopft, dagegen zeigten sie nach AbsBttigen 
mit Nierenauszug noch Pr&zipitation mit Leberauszuglfisungen, jedoch 
keinen weiteren Niederschlag mit Milzauszug und Meerschweinchenserum. 
Andererseits traten nach dem AbsSttigen mit Milzauszug bzw. Meer¬ 
schweinchenserum noch immer Fallungen sowohl mit Leber- als auch 
mit Nierenauszuglosungen auf. Ganz entsprechende Ergebnisse zeigten 
die Absattigungsversuche bei den mit Nierenemulsion hergestellten 
Nierenantiseren. Forssner folgert deshalb aus seinen Versuchen, daB 
durch Injektion von Organextrakten des Meerschweinchens im Serum 
von Kaninchen verschiedene Partialprazipitine erzeugt werden: Ein Teil 
ist fiir alle EiweiBlosungen der benutzten Tierart gemeinsam, ein anderer 
Teil fiir das Leber- und Nierengewebe gemeinsam, ein 3. Teil aber ist 
fiir die einzelnen Extrakte strong spezifisch. Die Untersuchungen von 
Grund(22) bestatigten im wesentlichen die Resultate von Forssner. 
Grund spritzte die Organe als PreBsafte ein, die er nach Verreiben 
mit Kieselgur unter einem Druck von 300 Atmospharen in der Buch- 
nerschen Presse gewann. Mit Hilfe der spezifischen Absattigung war 
er imstande, Blut- und OrganeiweiB spezifisch voneinander zu trennen. 

Zu widersprechenden Resultaten kam Strube (23) bei seinen Ver¬ 
suchen, menschliches Sperma durch elektive Absattigung zu identifizieren. 
Diese Untersuchungen konnen jedoch nicht als beweisend angesprochen 
werden, da Strube die Spermalosungen zuerst mit Blutantiserum er- 
schopfte und dann sein Spermaantiserum zusetzte. Strube ist der 
gleiche Eiwand einer unzweckmaBigen Versuchsanordnung wie der oben 
genannten Arbeit von Mertens zu machen. Der richtigere Weg ware 
gewesen, das Spermaantiserum durch elektive Absattigung mit anderen 
EiweiBkorpern derselben Spezies spezifisch zu machen. Ferner ist ein- 
zuwenden, daB Strube zu seinen Imraunisierungsversuchen nicht aus- 
schlieBlich Sperma, sondern „Hodenextrakte u benutzte. H. Pfeiffer 
(24), der zu seinen Versuchen reine Spermatozoen verwendete, kam zu 
analogen Resultaten, wie sie Forssner und Grund verfiffentlicht 
haben. Pfeiffer injizierte Kaninchen Spermatozoen des Rindes, die 
durch Waschen und Trocknen nach Moglichkeit von anhaftendem Blute 
und Gewebssaft befreit waren und stellte auf diesem Wege Antisera her, 
die in Spermalosungen und Hodenausziigen fast momentane starke PrB- 
zipitate ergaben. Auf andere Organausziige vom Rinde reagierten diese 
Spermaantisera erst nach lBngerer Zeit mehr Oder minder schwach. Auf 


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Gentralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


dem Wege der elektiven AbsSttigung mit artgleicher Nierenauszuglosung 
gelang es, diese Antisera streng spezifisch fur Spermalosungen zu machen, 
so daB sie nur mit Spermalflsungen und Hodenauszflgen reagierten, da- 
gegen nicht mit Blut, Serum, Eiter, Niere, Milz, Pankreas, Muskel und 
Genitalschleim vom Rinde. Pfeiffer vermochte mit solchen Seren 
auch in Gemischen von Sperma und anderen Organextrakten das homo- 
loge EiweiB nachzuweisen. Hektoen (42) berichtete, daB Antisera, die 
er von Kaninchen durch Einspritzen von menschlichem oder tierischem 
Samen erhielt und die sowohl das Blutserum wie Samen flflssigkeit der 
betreffenden Art prSzipitierten, nach dem AbsSttigen mit Blutserum 
allein gegen Samen wirksam blieben. Fur Sperma spezifische Antisera 
erzielten Hektoen und Manly (25) auch durch AbsSttigen von 
Antiseren, die sie durch intramuskulSre Injektionen von filtriertem 
Spermaextrakt in Kochsalzlosung bei Kaninchen gewonnen batten. Um 
die gegen Menschenserum vorhandenen PrSzipitine zu entfernen, wurde 
das Antiserum mit der gleichen Menge Menschenserum in der Verdfin- 
nung 1:200 gemischt und nach 1 Tage Stehen im Eisschrank der ent- 
standene Niederschlag abzentrifugiert. 

Hektoen und Schulhof (26) konnten durch Einspritzen beson- 
ders hergestellter reiner HSmoglobinextrakte Antisera gewinnen, die in 
den meisten FSllen nur PrSzipitine fur das HSmoglobin enthielten, nicht 
jedoch fOr das entsprechende BlutserumeiweiB. Beim AbsSttigen eines 
solchen auf Mensch- und SchafhSmoglobin flbergreifenden RinderhSmo- 
globinantiserums gelang es ihnen, durch Schaf- oder MenschenhSmo- 
globin die flbergreifenden PrSzipitine zu entfernen, wShrend das homologe 
RinderhSmoglobin unverandert blieb. Durch Einwirkung von Rinder¬ 
hSmoglobin wurden alle PrSzipitine entfernt. 

Neuerdings hat Friedberger mit seinen Mitarbeitern Collier 
(27), Jarre (28) und MeiBner (3) das AbsSttigungsverfahren wieder 
empfohlen, um aus flbergreifenden Antiseren die „heterogenetischen“ 
PrSzipitine zu entfernen. Unter „heterogenetiscben“ PrSzipitinen wollten 
Friedberger und seine anfSnglichen Mitarbeiter (Collier und Jarre) 
zuerst solche verstanden wissen, die auf die Antigene nicht verwandter 
EiweiBarten Qbergreifen und dabei Shnlichen Gesetzen folgen, wie sie 
Forssman (29) und andere bei den heterogenetischen Hamolysinen er- 
mittelt haben. Solche HSmolysine entstehen bekanntlich, wenn man z. B. 
Kaninchen mit Organaufschwemmungen von Meerschweinchen oderPferden 
vorbehandelt; in diesem Falle treten heterogenetische HSmolysine fflr 
Hammelblut auf, und in Shnlicher Weise sollte sich bei der Gewinnung 
prSzipitierender Pferdeantisera nach der Ansicht dieser Autoren das 
Auftreten von heterogenetischen PrSzipitinen erklSren, die an HSufigkeit 
und StSrke den isogenetischen gleichkommen oder sie tibertreffen. In 
der spateren Arbeit von Friedberger und MeiBner (3) ist dann 
von Friedberger der Begriff der heterogenetischen PrSzipitine ge- 
Sndert und damit einem Teile der EinwSnde, die Manteufel und 
Beger (2) auf Grund ihrer Untersuchungen zu machen hatten, der 
Boden entzogen worden. Friedberger hat diese taktische Schwenkung 
zwar zu einer Polemik gegen die Ergebnisse von Manteufel und 
Beger benntzt, aber damit doch zugegeben, daB er an einer dem Forss¬ 
man schen Gesetz folgenden Entstehung heterogenetischer SchafprSzi- 
pitine bei der Immunisierung mit Pferdeserum nicht mehr festhSlt. In 
einer gemeinsamen Arbeit berichteten zunSchst Friedberger und 
Collier (27), daB es ihnen gelungen sei, bei flbergreifenden Pferde. 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bei prazipitier. Eiweifiantiseren. 523 

antiseren durch Ausfailen mit gewaschenen Hammelblutkorperchen 
alle heterologen Prazipitine (also nicht nur die fur Schaf und seine 
Verwandtschafl) zu entiernen, ohne dab das isogenetische Hauptprazipitin 
beeinflufit worden sei. Diese Ausfailung erfolgte sowohl mit gewaschenen 
frischen als auch mit gewaschenen auf 100° C erhitzten Hammelblut¬ 
korperchen. Friedberger und Jarre (28) haben diese Untersuchungen 
fortgesetzt und die verschiedensten Antisera mit gewaschenen nativen 
bzw. auf 100° C erhitzten Hammelblutkorperchen sowie mit Kaninchen- 
und Meerschweinchenblutkorperchen und auch mit verschiedenen fein 
verriebenen und gewaschenen Organzellenaufschwemmungen dieser Tiere 
ausgefallt. Dabei zeigte sich, dafieskeineswegsregelmabig 
gelang, mit gewaschenen Hammelblutkorperchen die 
Qbergreifenden Prazipitine zu entfernen. Wahrend bei ein- 
zelnen Antiseren die Ausfailung der Qbergreifenden Prazipitine relativ 
leicht durch Absattigen mit Hammelblutkorperchen erfolgte, war bei 
anderen Antiseren der verschiedensten Tierarten irgendeine Einwirkung 
auf die heterologen Prazipitine durch Ausfailungsversuche mit Blut¬ 
korperchen von Hammel, Rind, Meerschweinchen, Kaninchen und Mensch, 
sowie durch Organzellenaufschwemmungen von Meerschweinchen und 
Kaninchen nicht zu erzielen. Auch das homologe Hauptprazipitin dieser 
Antisera verhielt sich gegenQber den Absattigungsversuchen wechselnd, 
indem es zuweilen keine Beeinflussung, mitunter jedoch auch eine wesent- 
liche Abschwachung erfuhr. Mauteufel und Beger (2) ist eine 
praktisch brauchbare Absattigung Qbergreifender Anti¬ 
sera durch gewascheneHammelblutzellennichtgelungen. 
Als Absaitigungsmittel haben sie neben gewaschenen Blutkorperchen von 
Hammel, Ziege, Rind, Meerschweinchen, Kaninchen und Mensch Organ- 
zellen von Kaninchen und Meerschweinchen sowie getrocknete auf 100° C 
erhitzte Sera und frisches gewaschenes Fibrin der verschiedensten Tier¬ 
arten verwendet. Die Absattigungsversuche wurden daraufhin, ent- 
sprechend den Erfahrungen bei dem Castellanischen Versuch mit 
agglutinierenden Seren, an Verdunnungen der Antisera vorgenommen, 
weil bei verdunnten Iinmunseren die Bedingungen der Absattigung ja 
gQnstiger liegen. Aber auch bei dieser Versuchsanordnung gelang es 
nicht, durch Absattigen mit dem homologen gewaschenen Blut alle Haupt- 
prazipitine zu entfernen; ebensowenig war es moglich, die Verwandt- 
schaftsreaktionen durch Absattigen mit dem verwandten Antigen zu 
beseitigen, Oder ubergreifende Antisera von den heterologen Trubungen 
zu befreien. Friedberger und Meifiner (3) versuchen zwar, die 
unbefriedigenden Ergebnisse von Man teufel und Beger auf technische 
Unzulanglichkeiten zuruckzufiihren, haben aber bei FortlQhrung der 
Versuche dann selbst an Stelle gewaschener Blutkorperchen gut zentri- 
fugierte ungewaschene Erythrozyten verwendet. Wurde ein uber- 
greifendes Antiserum mit den betreffenden heterologen ungewaschenen 
Blutzellen ausgefallt, so ging das heterogenetische Prazipitin verloren, 
das isogenetische blieb quantitativ nahezu vollstandig erhalten, so dafi 
ein derartiges Antiserum streng spezifisch wurde. Wurde dagegen ein 
Qbergreifendes Antiserum mit dem isogenetischen ungewaschenen Blute 
ausgefallt, so wurden sowohl die isogenetischen als auch die hetero- 
genetischen Prazipitine herausgenommen. Bei Ausfailung mit gekochten 
Blutzellen wurde sowohl durch das isogenetische wie durch das hetero¬ 
genetische Antigen nur das heterogenetische Prazipitin entzogen. Fried¬ 
berger und Mei finer glauben, mit dieser Absattigungdurch 


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524 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 7/8. 


gekochteungewascheneBlutzelleneinepraktischbrauch- 
bareMethode zurBeseitigungderheterologenTriibungen 
gefunden zu haben. 

Wahrend Friedberger und seine Mitarbeiter, sowie Manteufel 
und Beger keine Verwandtschaftsdifferenzierung rait dem Absattigungs- 
versuch zu erreichen vermochten, erzielte Fiirth (30) nach seiner in 
jiingster Zeit veroffentlichten Arbeit bei Rinderantiseren durch Absatti- 
gung positive Ergebnisse. Die verwendeten Rinderantisera wurden mit 
gleichen Mengen nativen Serumantigens, beide in 5-facher Verdiinnung, 
abgesattigt. Dabei zeigte sich, daB die mit Rinderserum behandelten 
Rinderantisera, die vorher auch Hammel- und Ziegensera gleich hoch 
prazipitierten, ihre Wirksamkeit ffir Rinder-, wie Hammel- und Ziegen- 
eiweifi vollkommen verloreD hatten und keine Prazipitation mehr gaben. 
Hingegen erwiesen sich die mit Ziegenserum behandelten Rinderantisera 
jetzt als spezifisch fiir Rind; sie beeinfluBten weder Ziegen- noch Ham- 
melserum, gaben aber mit Rinderserum noch deutliche PrSzipitation. 
Die daraus ersichtliche Gleichheit der Nebenrezeptoren fur Hammel- und 
Ziegenserum lieB auch bei den auf dieselbe Weise durchgefflhrten Ab- 
sattigungsversuchen mit Hammel- und Ziegenantiserum keine Differen- 
zierung zu. Die Hammel- und Ziegenantisera, die unbehandelt Ham¬ 
mel- und Ziegenserum ungefahr gleich stark, Rinderserum deutlich 
schw&cher prazipitierten, verloren nach der Behandlung mit Hammel- 
und Ziegenserum vollstandig ihre pr&zipitierenden Eigenschaften. 

Aus dieser Zusammenstellung der Literatur ergibt sich, daB aufier 
den von Friedberger und seinen Mitarbeitern angezogenen bereits 
ldngere Zeit zuriickliegenden Arbeiten von Ascoli und Weichardt 
auch eine ganze Reihe weiterer Autoren sich vor Friedberger bereits 
mit Abs&ttigungsversuchen beschaftigt haben. Kister und Weichardt 
(16) haben sie sogar schon zur Beseitigung der heterologen Trubungen 
benutzt, die ja nichts anderes sind als die Auswirkung der heterogene- 
tischen Pr&zipitine im Sinne von Friedberger. Wie aus obiger Zu¬ 
sammenstellung hervorgeht, sind die Ergebnisse der einzelnen Autoren 
sehr wechselnd: Den Untersuchern, denen rait dem Absattigungsver- 
fahren eine weitgehende Organdifferenzierung, ja sogar eine Blutdiffe- 
r enzierung artgleicher Individuen gelang, wobei allerdings Bestatigungen 

Ta 

Pferdeanti 


Konzentriertes Antiserum 



Pferd 

Hammel 

Ziege 

Rind 

Mensch 

Schwein 


r-i 

10000 

o 

CM 

8 

rH 

0001 

8 

i-H 

0001 

8 

1000 

8 

1000 

8 

1000 

Unabgesattigt 

Abgesattigt mit ungewaschenen 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

Hamm elblutkor perchen 
Abgesattigt mit ungewaschenen 
Haninielblutkorperehen, ge- 
kocht 10 Min. bei 100° C 

+ 

+ 

A 











+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

Abgesattigt mit ungewaschenen 
Menscbhenlutkorperchen 

+ 

+ 

+ 


A 

A 

A 

A 

A 

i 

A 

A 

A 

Abgesattigt mit ungewaschenen 














Menschenblutkorperchen, ge- 
kocht 10 Min. bei 100° C 


+ 

+ 

+ 

A 

+ 

A 

A 

A 

A 

A 

A 

A 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bei prazipitier. Eiweiflantiaeren. 525 


darch andere Forscher fehleD, stehen andere gegenuber, die gegenteilige 
Befunde erhoben haben. Es erschien daher angezeigt, mit Hilfe der 
AbsSttigungsmethode an einem groKeren Material von pr&zipitierenden 
Antiseren Untersuchungen vorzunehmen. 

Die im folgenden beschriebenen Versuche wurden im Serologischen 
Laboratorium der Bakteriologischen Abteilung des Reichsgsundheitsarates 
in Fortsetzung fruherer von Manteufel und Beger veroffentlichter 
Untersuchungen an prfizipitierenden Antiseren ausgefflhrt, die zur Abgabe 
an andere Dienststellen hergestellt waren, sich aber infolge Auftretens 
heterologer Triibungen bis zur Antigenverdiinnung 1:1000 als ungeeignet 
fOr die Abgabe erwiesen hatten. Bei diesen Versuchen war erstens der 
Gedanke leitend, fur praktische Zwecke eine brauchbare Methode zur 
Beseitigung der heterologen Triibungen bei iibergreifenden Antiseren zu 
erhalten und zweitens, durch Ausschaltung der Verwandtschaftsreaktionen 
artspezifische Antisera darzustellen, die es bekanntlich in diesem MaBe 
zur Unterscheidung z. B. von Pferd und Esel, Rind, Schaf, Ziege oder 
Rehwild noch nicht gibt. 

Das aus der Ohrvene oder durch Herzpunktion gewonnene Serum 
der Kaninchen wurde klar zentrifugiert und unfiltriert dem Abs&tti- 
gungsverfahren unterworfen. Die AbsSttigung selbst wurde in der 
Regel mit unverdunnten Seren, meist auch noch mit Serumverdtinnungen 
vorgenommen. Als Absdttigungsmittel wurden nach dem Vorschlage 
von Friedberger und MeiBner ungewaschene native, sowie 
10 Min. auf 100° erhitzte rote Blutkbrperchen von Hammel, Ziege, Rind, 
Mensch, Pferd und Kaninchen verwendet. Von den durch scharfes Aus- 
schleudern, AbgieBen und Absaugen des Restserums gewonnenen roten 
Blutkbrperchen wurde 0,1 ccm nach der Angabe von Friedberger 
nnd MeiBner auf je 1,0 ccm des abzusSttigenden Antiserums durch 
wiederholtes Umschiitteln zur Einwirkung gebracht und das Gemisch 
2 Std. im Brutschrank bei 37 0 C belassen. In einzelnen Versuchen 
wurden nach der Angabe von Friedberger und MeiBner statt un- 
gewaschener nativer 10 Min. bei 100° C gekochte ungewaschene rote 
Blutkbrperchen genommen. Von der mit einem Platinspatel zerkleinerten 
brOckligen schwarzbraunen Masse wurde 0,1 g in je 1,0 ccm Antiserum 
aufgeschwemmt. Nach dem Binden wurde scharf zentrifugiert und der 

belle I. 

serum Nr. 5 70. 


Antiserumverdunnung 1:3 



Pferd 

Hammel 

Ziege 

Rind 

[ Mensch 

j Schwein 



10 000 

20000 

8 

1000 

8 

»-H 

rH 

8 


8 

f-H 

1000 

8 

^ 1 

i 

Unabgesattigt 

Abgesattigt mit ungewaschenen 

+ j 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

Hammelblutkorperchen 

+ 

+ 

± 

— 

— 

— 

— 

— 

1 — 

— 

— 

— 

— 

Abgesattigt mit ungewaschenen 
Hammelblutkorperchen, ge- 














kocht 10 Min. bei 100° C 

+ 

+ 

+ 


± 



+ 

+ 

— 

— 

± 


Abgesattigt mit ungewaschenen 
Menschenblutkorperchen 
Abgesattigt mit ungewaschenen 
Menschenblutkorperchen, ge- 

+ 

db. 

— 

1 

— 

— 




— 

— 

— 

— 

kocht 10 Min. bei 100° C 

+ 

+ 

+ 



i 

i 




± 


± 


0 

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526 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate.] Bd. 91. Heft 7/8. 


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klare AbguB zur Anstellung der PrBzipitinreaktion nach der Original - 
methode von Uhlenhuth verwendet. Das Ergebnis der eingetretenen 
Reaktion wurde grunds&tzlich nach 10 Min. abgelesen. 

Aus den zahlreicben von mir vorgenomraenen Untersuchungen lassen 
sich folgende Schlflsse ziehen: 

1) Die AbsSttigung mit gekochten Blutkorperchen ist mir nicht 
gelungen. Als Beispiel zahlreicher derartiger Versuche sei ein Pferde- 
antiserum Nr. 570 angefiihrt (siehe Tab. I), das beim Anstitrieren neben 
dem homologen Titer von 20 000+ ein Uebergreifen auf Hammel-, 
Ziegen-, Kinder-, Menschen- und Schweineeiweifilosungen bis zur Ver- 
diinnung 1:1000+ zeigte. Dieses Antiserum lieB durch Behandeln mit 
gekochten Hammel- oder Menscbenblutkorperchen keine Beeinflussung 
seines Prazipitingehaltes erkennen, obwohl nach Friedberger und 
Meifiner dadurch die heterologen Trubungen sich hatten beseitigen 
lassen miissen. Ebenso negativ verlief der Absattigungsversuch bei dem 
mit NaCl-Losung im Verhaltnis 1:3 verdflnnten Antiserum. DaB die 
Beseitigung der ilbergreifenden Prazipitine in diesem Falle tatsSchlich 
moglich war, ergab die AbsSttigung mit nativen ungewaschenen 
HammelblutkSrperchen, wodurch das Antiserum streng spezifisch wurde. 

2) Die AbsSttigung mit nativen Blutkorperchen ist mir nicht regel- 
mafiig gelungen. 

Aus der Zahl der bei diesen Versuchen einwanfrei abgesSttigten 
Antisera sei das Schweineantiserum Nr. 543 erwahnt (siehe Tab. II), 


Ta 

Sch weinean ti 


Konzentriertes Antiserum 



Schwein 

Mensch 

Pferd 

Rind 


0001 

10 000 

o 

<M 

8 
t—i 

0001 

8 

0001 

8 

1000 

Unabgesattigt 

+ 

+ 

+ 

+ 

± 

+ 


+ 

± 

Abgesattigt mit ungewaschenen Hammel- 
blutkorperchen 

Abgesatiigt mit ungewaschenen Hammel- 
blutkorperchen, gekocht 10 Min. bei 

+ 

+ 

+ 

± 

— 

— 

— 

— 

— 

100° 0 

Abgesattigt mit ungewaschenen Menschen- 

+ 

+ 

db 

+ 


+ 

± 

+ 

db 

blutkorperchen 

Abgesattigt mit ungewaschenen Menschen- 
blutkorperchen, gekocht 10 Min. bei 

+ 

+ 




± 




100" C 

+ 

+ 

± 

+ 

± 

+ 


+ 

± 


dessen heterologe PrUzipitate f(ir Menschen-, Pferde- und RindereiweiB- 
losungen bis 1:1000 durch Absattigen mit ungewaschenen Hammelblut- 
korperchen vollst&ndig entfernt wurden. Auch bei dem oben erw&hnten 
Pferdeantiserum Nr. 570 lieBen sich durch Absiittigen mit nativen Hammel- 
blutkorperchen die heterologen Prazipitate restlos beseitigen. Etwas anders 
verhielt sich das Pferdeantiserum Nr. 723, das bei der Auswertung neben 
dem homologen Titer von 20 000 +, auf MeuscheneiweiB bis 1:200 +, auf 
Schweine- und Rindereiweifi bis 1 : 1000 + iibergriff. Da Pferde- und 
Rinderblutkorperchen nicht zur Verfiigung standen, wurde es der Behand- 
lung mit nativen Menscbenblutkorperchen unterworfen, wodurch nach 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Trubungen bei prazipitier. Eiweifiantiaeren. 527 

F r i e d b e r g e r und M e i B n e r alle iibergreifenden Prflzipitine sich h&tten 
beseitigen lassen mflssen. Es gelang in der Tat, das heterologe Prazipitin 
fflr MenscheneiweiB zu entfernen, wShrend Rinder- und Schweineeiweifl 
auch weiterhin in unverminderter Starke ausgefailt wurden. Andere 
Antisera zeigten sich beim Absattigen vollkommen unbeeinflufibar, so 
daB den positiven Ergebnissen an Zahl mindestens ebensoviele negative 
gegenuberstehen. Ein Uebelstand, der beim Absattigen mit nativen 
Blutkorperchen sehr haufiig eintritt, besteht darin, daB die Antisera beim 
Binden die Blutzellen h&ufig mehr oder weniger stark losen und h&mo- 
globinhaltig werden. Der als Ursache in Betracht kommende Gehalt 
der Antisera an Normalhflmolysinen wurde durch Zerstbren des Kom- 
plementes auszuschalten versucht, indem sowohl die Antisera als auch 
die zum Absattigen bestimmten Blutkorperchen vorher 1 Std. bei 56° C. 
inaktiviert wurden 1 ). Auch bei dieser VorsichtsmaBnahme lieB sich die 
Hamolyse nicht mit einer fflr die praktische Verwertung notigen Sicher- 
heit ausschalten. Man lfluft vielmehr bei jedem Absattigungsversuch 
mit nativen Blutkorperchen Gefahr, daB das Antiserum hamolytisch und 
dadurch fur die Abgabe zu praktischen Zwecken unbrauchbar wird. 

3) Die Verwandtschaftsdifferenzierung nach Ffirth gelingt nicht. 
Die nach dem von Fflrth (30) angegebenen Verfahren angestellten 
Versuche wurden nach der Angabe des Autors mit Antiseren und frisch 
entnommenen Serumantigenen vorgenommen, die beide mit isotonischer 
Kochsalzlosung 5-fach verdflnnt waren, wobei gleiche Teile Antiserum 


belle II. 

lerum Nr. 543. 


Antiserumverdiinnung 1:3 


Unabgesattigt 

Abgesattigt mit ungewaschenen Hammel- 
blutkorperchen 

Abgesattigt mit ungewaschenen Hammel- 
blutkorperchen, gekocht 10 Min. bei 
100° C 

Abgesattigt mit ungewaschenen Menschen- 
blutkorperchen 

Abgesattigt mit ungewaschenen Menschen- 
blutkorperchen, gekocht 10 Min. bei 
100° C 


Schwei 

in 

Mensch 

Pferd 

Rind 

1000 

000 01 

000 OS 

8 

1000 

8 

r-d 

0001 

100 

1000 

+ 

+ j 

± 


— 

± 

—1 

± 

— 

+ 

+ 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

1 + 



— 


— 

± 

— 

+ 

i + 

db 

— 

— 


— 

— 

— 

+ 

1 + 


i ± 

— 

1 

— 


— 


und Antigenserum zur Einwirkung gebracht wurden. Zur Kontrolle 
wurden auch Versuche mit konzentriertem Antiserum an unverdflnnten 
Antigenseren ausgefuhrt. Als Beispiel fflhre ich ein Rinderantiserum 
Nr. 740 an (siehe Tab. III). Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen 
konnte die Moglichkeit einer Differenzierung zwischen RindereiweiB einer- 
seits und Hammel- und ZiegeneiweiB andererseits, wie Fflrth es angibt, 

1) Dabei sei bemerkt, dafi das Inaktivieren der prazipitierenden Antisera nach 
den gemachten Erfahrungen durchaus keinen belanglosen Eingriff darstellt, da die Pra- 
zipitine sich gegeniiber der Erwarmung auf 56° C anscheinend weit empfindlicher zeigen 
als z. B. die Agglutinine. 


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528 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Ta 

Rinderan t i 


Konzentriertes Antiserum 


CJnabgesattigt 

Abgeeattigt mit konzentriertem 
Rindersemm 

Abgesattigt mit konzentriertem 
Hammelserum 

^Abgeeattigt mit konzentriertem 
Ziegen serum 

nicht entnommen werden, da sowohl Binder- wie Hammel- and Ziegen- 
serum die Antisera vollst&ndig erschopften. Fiir praktische Zwecke dflrfte 
das Fflrthsche Verfahren zudem in seiner Anwcndbarkeit dadurch be- 
schr&nkt sein, daB man derartig abges&ttigte verdflnnte Antisera nicht 
in den Verkehr bringen kann. Abgesehen yon dem Nachteil, der mit 
der praktischen Verwendung schwachwertiger Antisera an sich verkniipft 
ist, steht dem auch die Erfahrungstatsache entgegen, daB alle Immun- 
sera, z. B. agglutinierende Sera, Ambozeptoren in Verdfinnungen ihren 
Titer meist rasch verlieren und unbrauchbar werden. 

11. Immnnisiernngsyersnche mit gekochtem SerumeiweiB. 

Da die Herstellung spezifischer Antisera aus ubergreifenden, bzw. 
verwandte EiweiBarten stark mitprazipitierenden Antiseren durch Abs&tti- 
gung nach meinen Erfahrungen erheblichen Schwierigkeiten begegnet 
und an und fiir sich fQr praktische Zwecke wenig aussichtsvoll erscheint, 
wurde von weiteren Versuchen in dieser Richtung abgesehen. Rat- 
samer als die nachtragliche Beseitigung der heterologen Triibungen 
erschien es von vornherein, durch Injektion besonders vorbehandelter 
und ausgew&hlter Antigene auf die Erhdhung einer strengen Artspezifitat 
der Antisera hinzuwirken. In diesem Sinne gaben die neuerdings von 
Fujiwara (31) verdffentlichten Untersuchungen, als Injektionsmaterial 
zur Herstellung prSzipitierender Menschenantisera durch Hitze koagu- 
liertes SerumeiweiB zu verwenden, Gelegenheit zu weiteren Untersuch¬ 
ungen. Ohne genauer auf die theoretischen Grundlagen der Verwendung 
gekochter Antigene zur Herstellung von Immunsera einzugehen, be- 
zeichnet Fujiwara als Vorzug seiner Methode den Umstand, daB es 
mit Leichtigkeit gelingt, bei voller Wahrung der Spezifitat hochwertige 
Menschenantisera mit einem Titer von 1:20 000—50 000 zu gewinnen. 
Zur Herstellung des Antigens verdUnnt Fujiwara das Serum mit dem 
10-fachen Volumen destillierten Wassers, fflgt Vs Volumen ges&ttigte 
NaCl-L5sung sowie einige Tropfen Essigsaure hinzu und kocht das Ganze 
auf dem Wasserbade, bis das Eiweifi vollst£ndig koaguliert ist. Das 
ausgefallte EiweiB wird auf einem Filter gesammelt, von der anhaftenden 
Fliissigkeit nach Moglichkeit durch Auspressen befreit und unter Toluol 
aufbewahrt. Zur Injektion werden ca. 0,02 g dieses kochkoagulierten 
EiweiBes in einem Morser unter tropfenweisem Hinzufiigen von 2,0 ccm 
physiologischer Kochsalzlosung zu einer gleichmaBig feinen Aufschwem- 
mung verrieben und in die Ohrvene bei Kaninchen lOmal an jedem 2. 


| Rind 

Hammel 

Ziege 

Mensch 

Pferd 

Schwfin j 

§ 

O 

o 

§ 

o 

o 

§ 

o 

o 

8 

8 

8 | 

; - 


CM 

r—< 

rH 

CM 

r—1 

T—< 

CM 

rH 


f-H 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

± 

+ 

+ 


+ 

+ 

+ ' 

+ 

— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

— 

_ 

— 

— 


— 

— 

— 

_ 

— 

— 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bci prfizipitier. EiweiBantiseren. 529 


belle III. 
serum Nr. 740. 


Antisermnverdiinnnng 1:5 



Rind 

Hammel 

Ziege 

Mensch 

Pferd 

Schwein 

1000 

00001 


1000 

o 

*—i 1 

20 000 

r—i 

10000 

O 

1M 

8 

8 

T—i 

8 

»—< 

Unabgeeattigt 

Abgesattigt mit verdiinntem 1:5 
Rinderserum 

Abgesattigt mit verdiinntem 1:5 
Hammeiserum 

Abgesattigt mit verdiinntem 1:5 
Ziegen serum 

+ 

+ 

±1 

± 

+ 

± 

±1 

+ 

db 

zt 

— 

— 

— 


oder 3. Tage eingespritzt. Nach den veroffentlichten Tabellen zeigten 
von 10 Menschenantiseren 4 mit einem Titer von 50000 keine Mitprfi- 
zipitation in Affenserum, wahrend bei den flbrigen 6 Antiseren der 
Titerunterschied zwischen Menschen- und Affeneiweifi iramerhin noch so 
erheblich war, daB sich damit eine Differentialdiagnose zwischen Men¬ 
schen- und Affeneiweifi ermOglichen liefi (1:20000—50000 fOr Men- 
scheneiweifi gegenflber 1:1000—10000 fflr Affeneiweifi). Bei 3 zur 
Kontrolle mit genuinem Menschenserum vorbehandelten Kaninchen be- 
trug der Titer fiir das homologe Eiweifi Mensch 10 000, fflr Affeneiweifi 
2mal 10000, lmal 1000. 

Ueber die Verwendung gekochter Antigene zur Herstellung von 
Immnnseren sind schon friiher Untersuchungen vorgenommen worden. 
Durch Forssman (29) wissen wir, daB es gelingt, durch Vorbehandeln 
von Kaninchen mit den Organen des Meerschweinchens und gewisser 
anderer Tierarten HammelbluiMmolysine zu erzeugen. Die durch Meer- 
schweinchenorganimmunisierung gewonnenen Antisera wirken nach 
Orudschiew (32) aufier auf Hammelblut auch auf Ziegenblut, w&hrend 
Rinderblutkflrperchen, wie das bereits Forssman angegeben hatte, 
durch dieselben nicht gelflst werden. Die Meerschweinchenorganantisera 
unterscheiden sich also von den Hammelblutimmunseren durch das 
Fehlen der hamolytischen Wirkung auf Rinderblut. Nach den Versuchen 
von Do err und Pick (33) gelingt die Immunisierung in gleicher Weise 
auch nach vielstiindigem Kochen der zur Erzeugung von Hammelblut- 
ambozeptoren brauchbaren Organe. Ebenso erweisen sich die gekochten 
Organe zu Bindungsversuchen geeignet: wfihrend nflmlich die nativen 
Hammelblutkorperchen die Hammelblutambozeptoren sowohl der ge- 
wohnlichen Hammelblutimmunsera, wie auch der Meerschweinchenorgan¬ 
antisera vollstandig absattigen, binden gekochte Hammelblutkorperchen 
nur die Hammelblutambozeptoren der Organantisera. Daraus folgern 
Do err und Pick, daB die gekochten HammelblutkQrperchen nur noch 
diejenigen Rezeptoren enthalten, welche das Hammelblut mit den Or¬ 
ganen anderer Tierarten gemeinsam hat, wahrend die fflr Hammelblut 
artspezifischen Rezeptoren durch Eiweifi koagulierende Einflfisse ihrer 
Funktion beraubt werden. Sachs und Nathan (34) haben dann durch 
Immunisierung mit gekochten Hammelblutkorperchen Antisera erzeugt, 
die in gleicher Weise auf Hammel- wie auf ZiegenblutkSrperchen wirkten, 
dagegen fur Rinder- und Pferdeerythrozyten unwirksam waren. Die 
durch Immunisierung mit gekochten Hammelblutkorperchen dargestellten 

Krite Abt. Orig. Bd. 91. Heft 7/8. 34 


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530 


CentralbL f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Antisera verhalten sich also in dieser Hinsicht genau ebenso wie die 
Meerschweinchenorganantisera. Kudicke und Sachs (35) haben das 
Verhalten roher und gekochter Milch gegenuber dem homologen Serum 
im Komplementbinduugsversuch untersucht und dabei gefunden, daB die 
durch immunisierung mit roher Milch gewonnenen „Rohlaktosera“ 
auch mit Rinderserum mehr Oder weniger deutlich reagieren, w&hrend 
die Antisera der gekochten Milch, „Coctolaktosera“, nur mit Milch, 
aber nicht mit Blutserum Komplementbindung bewirken. Die Prazipi- 
tationsversuche gaben gleichsinnige Resultate. Die durch Immunisieren 
mit roher Milch gewonnenen Rohlaktosera prazipitierten in Bestatigung 
der Angaben von Hamburger (36), Hal ban und Lands te in er (37), 
Schutze (38), Klein (39) und anderen Autoren Rinderserum mehr 
Oder weniger stark, wahrend die Coctolaktosera mit Rinderserum meist 
gar keine Reaktion ergaben, Oder in Ausnahmefallen nur eine spat ein- 
tretende Prazipitatbildung bei starken Antigenkonzentrationen erkennen 
lieBen. Im Zusammenhang hiermit sei auf die Untersuchungen von 
Weil und Felix (40), sowie von Weil, Felix und Mitzenmacher 
(41) hingewiesen, die durch Immunisierung mit auf 100° C erhitzten 
Bakterien von Typhuskulturen und Gartner-Kulturen agglutinierende 
Sera herstellten, mit denen sich eine DifFerentialdiagnose zwischen diesen 
beiden eng verwandten Mikroorganismen erzielen lieB. 

Die von mir mit kochkoaguliertem Antigen ange- 
stellten Versuche bestatigen, daB man nach dieser Me- 
thode verhaltnismaBig leicht hochwertige Antisera her- 
zustellen vermag; allerdings ist es nicht gelungen, soab- 
solut artspezifische Antisera zu gewinnen. wie sie Fuji- 
waraerhaltenhat (siehe Tab. IV). Zunachst ging ich streng nach der 

Tabelle IV. 


Zusammenstellung mit kochkoaguliertem Serumeiweifi bergestellter 

praz i pi t i er end er Antisera. 


Nr. 

Antiserumart 

Injektionsmaterial 

Injektions- 

dosis 

Wertigkeit 

Nr. 178 

Schweineantiserum 

kochkoag. Schweine- 
serumeiweiU 

10X0,02 g 

20000 + 

„ 68o 

dgl. 

dgl. 


20 000 + 

„ 709 

Pferdeantiserum 

kochkoag. Pferde- 
serumeiweiB 

8X0,02 g 

20 000 +; Esel 20 000 + 

„ 169 

Rinderantiserum 

kochkoag. Rinder- 
serumeiweifi 

8X0,02 g 

20000 + ; Hammel 1000+, 
Ziege 1000 + 

„ 693 

dgl. 

dgl. 

ft 

20000+;Hammel 10000+; 
Ziege 1000 + 

„ 694 

dgl. 

dgl. 

Ti 

20000+; Hammel 10000+; 

Ziege 10000 ± 

20 000 + ; Affen 20000 + 

„ 671 

Menschenantiserum 

kochkoag. Men- 
schenserumeiweiS 

6X0,5 g 

* 686 

Pferdeantiserum 

kochkoag. Pferde- 
serumeiweiB 

4XL0 g 

20 000+ ; Esel 20000 + 


Vorschrift des Autors vor und immunisierte die Versuchstiere mit hBufigen 
Einspritzungen von geringen Mengen kochkoagulierten SerumeiweiBes. 
Die Schweineantisera Nr. 178 und 685 sind auf diese Weise gewonnen: 
Die beiden Kaninchen erhielten lOinal in Zwischenraumen von 2 bis 
3 Tagen 0,02 g kochkoaguliertes SchweineserumeiweiB intravends inji- 
ziert und lieferten am 10. Tage nach der letzten Injektion Antisera, die 
einen homologen Titer von 20 000 -f- zeigten, mit alien gepriiften 


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Beger, Beseitigung d. heterol. Triibungen bei prazipitier. Eiweifiantiseren. 531 


heterologen EiweiBlosungen aber (Hammel, Ziege, Rind, Pferd, Mensch) 
vollkoramen negativ reagierten. Auf dieselbe Weise wurde ein Pferde- 
antiserum Nr. 709, hergestellt; nach 8 intravenosen Injektionen von je 
0,02 g kochkoagulierten PferdeserumeiweiBes zeigte das Serum dieses 
Kaninchens bei der Probeentnahme einen Titer von 20000 + mit Pferde- 
eiweiB. Die Erwartung, daB dieses Antiserum, entsprechend den An- 
gaben von Fuji war a bei Menschenantiseren, keine Oder mindestens 
eine wesentlich geringere Reaktion in EseleiweiBlosungen hervorrufen 
wfirde, bestatigte sich aber nicbt, denn es zeigte mit Eselserum noch 
FSlIungen bis zu der Antigenverdiinnung von 1: 20 000. In alien iibrigen 
gepriiften heterologen EiweiBlosungen war jedoch keine Reaktion wahr- 
nehmbar. 

Zur Kl&rung der Frage, ob es gelingt, mit Hilfe kochkoagulierten 
Antigens die Verwandtschaftsreaktionen bei Rinderantiseren zu ver- 
meiden bzw. Antisera herzustellen, mit denen eine Differenzierung gegen- 
tiber Hammel- und ZiegeneiweiB moglich ist, wurden die Kaninchen 
Nr. 169, 693 und 694 mit 8 intravenosen Injektionen von 0,02 g koch¬ 
koagulierten RinderserumeiweiBes vorbehandelt. Das erzielte Antiserum 
von Kaninchen Nr. 169 zeigte bei der Austitrierung einen Titer von 
20 000 4-, w&hrend die FSlIungen in den verwandten EiweiBlosungen 
von Hammel und Ziege nicht fiber die Verdfinnungen 1: 1000 hinaus- 
gingen. Das Rinderantiserum Nr. 693 zeigte einen Endtiter von 20000 + 
gegenfiber der homologen EiweiBlosung, hingegen reagierte es mit Ham- 
meleiweiBlosungen noch bis zu einer Verdfinnung von 1:10 000, mit 
ZiegeneiweiBlosungen bis 1:1000. Der Titer des Rinderantiserums 
Nr. 694 wies dieselben Zahlen auf, nur zeigte sich mit ZiegeneiweiB¬ 
losungen auch noch in der Verdfinnung 1:10 000 eine geringe Reaktion. 
Heterologe Triibungen traten bei alien 3 Antiseren nicht in Erschei- 
nung. Von weiteren Versuchen in dieser Richtung wurde Abstand ge- 
nommen, da diese Ergebnisse gegentiber den mit genuinem Rinderserum 
hergestellten Antiseren keine wesentliche Verbesserung darstellen. 

Eine Bestatigung ftir die Angaben Fujiwaras, daB man durch 
Vermehrung der Injektionsdosis z. B. bis auf 0.5 g schon durch 5malige 
Einspritzungen hochwertige Antisera erzielen kann, ergab das Menschen- 
antiserum Nr.671, dessen Endtiter nach 6 intravenosen Injektionen von0,5g 
kochkoagulierten MenschenserumeiweiBes 20000+ betrug. Auch dieses 
Antiserum entsprach indes im iibrigen nicht den Angaben Fujiwaras, 
denn es reagierte nicht nur mit MenscheneiweiB, sondern gab auch mit 
AffeneiweiB Pr&zipitationen bis zur Verdfinnung 1:20 000. Im weiteren 
Verlaufe der Untersuchungen wurde mit der Injektionsmenge noch 
weiter heraufgegangen, und zwar gelang es schon mit 4 Injektionen von 
je ca. 1,0 g kochkoagulierten EiweiBes ein hochwertiges Antiserum von 
den Versuchstieren zu gewinnen. Das Kaninchen Nr. 686 wurde in 
Abstanden von 5 Tagen mit 4 intravenfisen Injektionen von 1,0 g koch¬ 
koagulierten PferdeserumeiweiBes in 5,0 NaCl-L8sung vorbehandelt und 
zeigte nach der Entblutung einen Titer von 20 000+. Zur Kontrolle 
wurde ein Kaninchen, Nr. 688, an den gleichen Tagen in denselben 
ZwischenrSumen mit je 2,0 ccm genuinen Pferdeserums gespritzt, dessen 
Serum nach AbschluB der Behandlung denselben Titer aufwies. Bei der 
Austitrierung dieser beiden Antisera gegenfiber EseleiweiBlfisungen er¬ 
gab sich kein Unterschied; beide Antisera reagierten bis zu den gleichen 
Verdfinnungen wie mit dem homologen EiweiB Pferd. 

Ich kann auf Grund meiner Versuche die Immuni- 

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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


sierung von Kaninchen mit kochkoaguliertem EiweiB 
zwecks Gewinnung prkzipitierender Antisera durchaus 
empfehlen. — Fflr die Verwendung derartigen kochkoagulierten Anti¬ 
gens spricht entschieden der Umstand, daB bei den auf diese Weise 
hergestellten Antiseren ein Uebergreifen auf heterologe EiweiBarten fast 
gar nicht beobachtet wurde. Bisher befand sich unter den mit 
kochkoaguliertem EiweiB hergestellten Antiseren kein 
einziges, das wegen MitprSzipitation in heterologen Ei- 
weiBlosungen sich nicht zur Abgabe an andere Dienst- 
stellen geeignet hatte und ausgeschieden werden mufite. 
Einen weiteren Vorteil der Methode muB man mit Fuji- 
wara auch darin erblicken, daB man der Sorge um jeder- 
zeit frische und wirksame Antigene zur Injektion, wiesie 
nach den Erfahrungen von Manteufel und Beger zur Ge¬ 
winnung hochwertiger und spezifischer Antisera erwunscht 
sind (in der heutigenZeiteineschwerdurchfiihrbareMafi- 
nahme) enthoben ist, da man leicht in der Lage ist, sich eine 
groBere Menge Antigen herzustellen, das unter Toluol anscheinend un- 
beschrankte Zeit haltbar ist. Bei der Einspritzung selbst muB man sich 
hfiten, grobere Partikelchen, die leicht beim schlechten Verreiben des 
kochkoagulierten EiweiBes zuriickbleiben konnen, zu injizieren, da man 
sonst TodesfSlle durch Gef&Bembolie erlebt. Auch emptiehlt es sich, wie 
bereits Fujiwara angibt, die Ohrvene nach der Injektion kardialwarts 
auszustreichen und so eine mechanische Entfernung an der GefSBwand 
h&ngenbleibender EiweiBpartikelchen zu bewirken. Trotz dieser Vor- 
sichtsmaBregel verstopfen sich 5fters die Ohrvenen durch GefaBthrombo- 
sierungen, so daB man bei haufigen Einspritzungen Schwierigkeiten 
begegnet. Was schlieBlich die Pr&zipitinreaktion selbst anlangt, die mit 
solchen Antiseren angestellt wird, so erscheint das Volumen des PrS- 
zipitats geringer als bei einem hochwertigen Antiserum, das mit genuinem 
EiweiB hergestellt ist, doch zeichnet sich der Reaktionsring sehr scharf 
ab und erscheint zwar mehr strichfdrmig, aber deshalb nicht weniger 
deutlich. 


Zusammenfassung. 

1) Die Beseitigung der heterologen Trtibungen bei prazipitierenden 
Antiseren mit dem von Friedberger und Meifiner angegebenen 
Absattigungsverfahren 

a) mit gekochten ungewaschenen Blutkorperchen ist mir uberhaupt 
nicht gelungen; 

b) mit nativen ungewaschenen Blutkorperchen hat andererseits Nach- 
teile, so dafi die praktische Brauchbarkeit in Frage gestellt scheint. 

2) Die Verwandtschaftsdifferenzierung nach dem von Fiirth ange¬ 
gebenen Absattigungsverfahren hat sich mir nicht bewShrt. 

3) Die Immunisierung von Kaninchen mit kochkoaguliertem Serum- 
eiweifi nach Fujiwara zur Erzielung nicht iibergreifender pr&zipi- 
tierender Antisera hat sich bewahrt. 

Eine Verwandtschaftsdifferenzierung bei nahe verwandten Arten mit 
diesem Verfaliren ist mir jedoch nicht gelungen. Die Herstellung des 
Antigens ist einfach, das Antigen anscheinend unbegrenzt haltbar. 


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Konrich, Normalisierung cl. Blutaufschwemmung fiir Komplementbindung. 533 


lateratnrrerieichnia. 

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1903. S. 755—759; Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. III. Folge. Bd. 29. 1905. 8. 19 
bis 27; Hyg. Rundsch. Bd. 13. 1903. S. 491—495. — 18) Liepmann, Dtsch. med. 
Wochenschr. 1903. S. 383—385. — 19) Mertens, ebenda. 1904. 8. 203 u. 204. — 
20) Maragliano, Berlin, klin. Wochenschr. 1904. 8. 724—726. — 21) Forssnor, 
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Ztschr. f. Immunitatsforsch. Bd. 16. 1913. S. 268—388. — 33) Doerr u. Pick, 
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Immunitatsforsch. Bd. 19, 1913. S. 235—250. — 35) Kudicke u. 8achs, ebenda. 
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Vol. 78. 1922. p. 704 and 705. 


Nachdruck -oerboten. 

Untersuchungen tiber Normalisierung der Blutaufschwem¬ 
mung fiir Komplementbindung und zur Wa.-Reaktion. 

| Aus dem Reichsgesundheitsamte, Zweigstatte ScharnhorststraBe, frfihere 

Kaiser Wilhelms-Akademie.] 

Von F. Konrich. 

Fiir die Herstellung einer stets gleiclimSBig dichten Aufschweimnung 
gewaschener Erythrozyten fur die Komplementbindung sind erst kiirzlich 
2 Verfahren angegeben worden. Man hat diese Reaktion viele Jahre 
lang benutzt, ohne nach der Standardisierung der Blutemulsion starkeres 
Verlangen zu haben. Das ist durchaus erklarlich, da ja das verander- 
liche Gefiige: Blutaufschwemmung—hiimolytischer Ambozeptor — Kom- 
plement jeweils f(ir 1 Tag festgelegt wird, was dem praktischen Be- 
diirfnis genugt. Man wird es aber trotzdem fiir niitzlich halten miissen, 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


wenn die Blutemulsion einfach und sicher stets gleichm&Big dicht her- 
gestellt werden kann, um so mehr, als die W assermannsche Reaktion 
seit Jahren bei uns wenigstens nach behordlicher Vorscbrift und groBten- 
teils mit staatlich gepriiiten Extrakten und Ambozeptoren ausgeluhrt 
wird. Je gleichformiger alle Einzelstoffe bei der Reaktion sind, um so 
besser werden die Ergebnisse sich vergleichen lassen. 

Das 1. Verfahren zur Standardisierung der Blutemulsion stammt von 
Reichert 1 ). Es beruht auf kolorimetrischer Grundlage, flhnlich wie die 
klinischen HSmoglobinometer. Man stellt sich Testrobrcben her, die so 
viel H&moglobin enthalten, wie im Wasserman nschen Versuch fiblich 
ist, und verwandelt es in salzsaures H&matin. Von dem Bodensatz der 
gewaschenen Erythrozyten stellt man sich jeweils mittels destill. Wassers 
und Salzsaure Verdfinnungen von gleicher Farbe her und kann aus dem 
Verbrauch an H 2 0 und HC1 dann berechnen, wie weit man den Blut- 
korperchenbodensatz mit physiol. Kocbsalzlosung verdfinnen muB. 

Das andere Verfahren, von mir angegeben und von Wilier din g*) 
beschrieben, geht von der Ueberlegung aus, daB im gesunden Hammel 
die Zahl der roten Blutscheiben und ihr HSmoglobingehalt immer gleich 
ist und daB die H&lfte des Blutes aus Erythrozyten besteht. Um hierauf 
fuBend, beispielsweise 100 ccm einer immer gleich dichten 5-proz. Blut- 
aufschwemmung herzustellen, w&scht man 10 ccm defibrinierten Blutes, 
nimmt den ganzen Bodensatz — das sind rund 5 ccm Erythrozyten — 
in NaCl-Losung auf und bringt damit auch die ganze Flussigkeitsmenge 
auf 100 ccm. Das Verfahren verlangt also nur je eine Messung der 
gewaschenen Erythrozyten und der Kochsalzlosung, genau wie bei der 
allgemein iiblichen Methode. Bei dem Reichertschen Verfahren be- 
dingt dagegen schon die Herstellung des Proberbhrchens mehrere Mes- 
sungen, dann muB man etwa 3 / 4 Std. warten und meistens die Zusammen- 
setzung des Proberohrchens andern, da es nachdunkelt. Dann erst 
kann man nach erfolgter Rechnung die beiden Messungen vornehmen, 
nach denen man sich die Gebrauchsaufschwemmung des Blutes herstellt. 
Das Verfahren kostet also mehr Zeit und ist weniger einfach. Das 
wiirde keine Rolle spielen diirfen, wenn es genauer ware als das hier 
benutzte. Im folgenden seien Vergleichsuntersuchungen fiber die Frage 
mitgeteilt, welche von beiden Methoden zuverlassiger ist. 

Zunachst stellte sich heraus, daB in den gleich nach der Herstellung 
zugeschmolzenen Testrohrchen fur das Verfahren R. nach einigen Tagen 
sich ein Bodensatz bildete, und die darfiber stehende Fliissigkeit heller 
wurde. Der Niederschlag lieB sich zwar durch Schiitteln stets leicht 
wieder verteilen, dann sail aber die Fliissigkeit immer etwas triibe aus, 
wShrend die frisch hergestellten Vergleichsrohrchen vollig klar waren. 
Dadurch wird der Farbenvergleich erschwert. Fiir das Testrbhrchen be- 
nutzten wir 0,1 ccm des Blutkorperchenbodensatzes. Dabei zeigte sich, 
daB der braune Farbton in gewissem Grade von der Menge der Salz- 
sSure abhangt, wie folgender Versuch zeigt: 

Es werden je 0.1 vom Blutzentrifugat in je 2,0 ccm dest. Wasser 
hamolysiert. Nun fiigt man 2-proz. Salzsaure hinzu, und zwar 0.1, 
0,2 usf. Zuletzt wird mit destill. Wasser in alien Rbhrchen das gleiche 
Volumen hergestellt, hierauf die Reihe in Unordnung gebracht und nun 
nach der Farbe neu geordnet. (Links hellste, rechts dunkelste Farbe. 
Ziflfern bedeuten Gehalt an HC1.) 

0,1 0,2 0,9 0,3 0,7 0,4 0,5 0,6 0,8. 

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. 

2 ) Ebenda Bd. 88. 


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Eon rich, Normalisierung d. Blutaufschwemmung fur Komplementbindung. 535 


Wiederholte Versuch ergaben stets das gleiche Bild: bei wenig und 
bei viel Salzsaure ist die Farbe heller als bei mittlerem Sauregehalt. 
Die Unterschiede waren aber bei diesen letzteren Rohrchen so klein, daB 
mehrere Untersucher die Rbhrchen von 0,2—0.8 ccm SSure niemals in 
ann&hernd gleiche Reihe brachten. Hieraus zogen wir uns die Lehre, 
zu 0,1 vom Blutkorperchenbodensatz — bei weniger leidet die Genauig- 
keit der Messung, mehr ist zwecklos — eine feststehende Menge von 
0,3 ccm der 2-proz. Salzsaure zuzusetzen. Das ist die Mindestmenge, 
mit der man schon eine maximale BraunfSrbung der verwendeten H&mo- 
globinmenge erzielt. 

Nun wurde versucht, festzustellen, bis zu welcher Genauigkeit der 
Farbvergleich in Versuchen geht, die der praktischen Handhabung des 
Reichertschen Verfahrens entsprechen. In gleich weite Rbhrchen 
kommen: 0,1 ccm Blutkorperchenbodensatz, 2,0 ccm dest. Wasser, 0,3 ccm 
2-proz. Salzsaure. In das 1. Rohrchen kommen weiterhin 10 ccm dest. 
Wasser, in das 2. 10,5 ccm usf., bis 14,0 ccm. Die Rohrchen werden 
willklirlich vertauscht und hierauf nach der Farbe geordnet. (Links 
hellste, rechts dunkelste Farbe, Ziffern bedeuten die Menge H 2 0.) 
Wirkliche Reihe 10,0 10,5 11.0 11,5 12,0 12,5 13,0 13,5 14,0 
Gefundene „ 10,01 10,07 11,33 11,77 12,33 12,39 12,72 13,33 13,55 

Die gefundenen Werte sind der Durchschnitt aus je 3 Versuchen 
dreier Personen. Weitere Versuche best&tigten dies Ergebnis. Bei 
Einzelversuchen fanden sich st&rkere Abweichungen, doch waren sie 
selten groBer als 2,0. Das ist der bei kolorimetrischen Methoden ubliche 
hohe Genauigkeitsgrad. Von dem Michaelisschen Komparator, den 
auch Reichert empfiehlt, haben wir keinen nennenswerten Vorteil ge- 
sehen und ihn daher bald fortgelassen. 

Wir haben nun in groBeren Reihen von Versuchen eine 5-proz. 
Blutaufschwemmung nach Reichert und nach unserem Verfahren her- 
gestellt, und jedesmal die Zahl der roten Blutkbrperchen gezahlt. Dabei 
wurde beobachtet, daB es notig ist, die Blutaufschwemmung ganz be- 
sonders sorgfaltig zu mischen, wenn man sie mit den iiblichen, beim 
serologiscben Arbeiten benutzten Pipetten herstellt. Sonst sind die Er- 
gebnisse sehr ungleich. Das Blut stammte stets von dem gleichen 
Hammel. Ein derartiger Versuch m5ge Platz finden; die iibrigen ver- 
liefen nicht nennenswert anders. 

Erythrozytenzahl in ccm 

rVerfahren R. 1,05 1,05 1,00 1,06 1,01 

„ K. 1,07 1,18 1,13 1,08 1,01 

Die Blutkorperchenzahl nach unserem Verfahren entsprach natur- 
gemaB einem Zehntel der Dichte im stromenden Blute, da ja 10 ccm 
Blut mit physiologischer Kochsalzlbsung auf 100 ccm aufgeffillt werden, 
nachdem das Serum entfernt ist. 

Dabei ist nicht die Moglichkeit berilcksichtigt, daB der Gehalt der 
Erythrozyten an Hamoglobin verschieden sein kann. Man darf aber 
diesen Punkt wohl unbedenklich vernachl&ssigen, da wir es ja mit ge- 
sunden Tieren zu tun haben. 

Wie aus diesen Versuchen sich ergibt, fflhren beide Verfahren prak- 
tisch zu gleich dichten Blutaufschwemmungen. sind also als leistungs- 
gleich anzusehen. Verschieden sind sie nur hinsichtlich Schnelligkeit 
and Einfachheit, die bei unserer Methode grbBer ist, so daB sie aus 
diesem Grunde den Vorzug verdient. Will man gleich wohl das kolori- 
metrische Verfahren benutzen, so wurde man es zweckm&Bigerweise 


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536 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

dadurch vereinfachen, daB man den Umweg der Ueberffihrung des 
Hamoglobins in salzsaures Hamatin vermeidet und statt dessen un- 
raittelbar das mit dest. Wasser geloste HSmoglobin nach dem Prinzip 
der klinischen Hamoglobinometer vergleicht. Diese selbst sind dazu 
allerdings nicht zu gebrauchen, da ihre Skala unterhalb 10 Proz. auf- 
hdrt und wir es bei unseren Blutaufschwemmungen mit etwas schw&che- 
rem als 10-proz. Hemoglobin zu tun haben. Man konnte sich aber leicht 
Testrohrchen mit einer unveranderlichen roten Farbe herstellen. Da¬ 
durch wiirde man immerhin Zeit sparen, weii man auf das Nachdunkeln 
nicht mehr zu warten brauchte, aber einen Vorteil bdte die Methode 
vor der im hiesigen Laboratorium benutzten auch dann nicht. 


Naclu]ruck verboten. 

Ein Lampenagglutinoskop. 

[Aus der Bakteriologischen Abteilung (Bakteriologisches Laboratorium) 

des Reichsgesundheitsamts.] 

Von Prof. Dr. E. GUldemcister und Dr. Kart Herzberg. 

Mit 3 Abbildungen im Text. 

Die Beobachtung von Bakterienagglutinationen erfolgt bekanntlich 
in der Weise, daB das die agglutinierten Bakterien enthaltende Reagenz- 
glas schrag gehalten und sein Inhalt bei durchfallendem Lichte entweder 
mit unbewaffnetem Auge oder unter Zuhilfenahme einer schwach ver- 
groBernden Lupe betrachtet wird. Urn das Ablesen der Agglutination 
sicherer zu gestalten und Vergleiche zwischen mehreren Rohrchen zu 
ermdglichen, sind im Laufe der Zeit verschiedene Apparaturen kon- 
struiert worden, von denen das Agglutinoskop nach Kuhn und Woithe 
das bekannteste und bewahrteste sein diirfte. Eine Modifikation dieses 
Apparates stellt das von Korach neuerdings angegebene Polyagglu- 
tinoskop dar. 

Als Lichtquelle wird fiir die Beobachtung der Agglutination entweder 
Tageslicht oder eine kiinstliche Beleuchtung benutzt. Das Tageslicht 
hat den groBen Nachteil, daB es erheblichen Schwankungen ausgesetzt 
ist, je nachdem klares oder triibes Wetter herrscht. Derartige Schwan¬ 
kungen in der Intensitat des Tageslichtes konnen besonders bei ver- 
gleichenden Untersuchungen storend wirken. Die Ergebnisse werden 
bei klarem Wetter bessere sein, d. h. feinste Agglutinationen werden eher 
erkannt werden als bei triibem, nebligem Novemberwetter. Das gilt 
sowohl fiir die Beobachtung mit unbewatfnetem Auge wie fiir die Lupen- 
betrachtung. Auch die Verwendung einer kiinstlichen Lichtquelle ver- 
biirgt — wenigstens unter den bislier iiblichen Versuchsbedingungen — 
keine gleichmaBigeu Beobachtuugen, selbst nicht bei Verwendung des 
Agglutinoskops nach Kuhn und W T oithe, da Einfall des Lichtes in 
den Apparat und Stellung des Apparates zur Lichtquelle nicht immer 
mit der gleichen Genauigkeit moglich sein werden. 

Aus dem Gesagten geht hervor, daB eine gleichmaBige Beurteilung 
von Agglutinationsproben nur unter gleichen Beobachtungsbedingungen 
erzielt werden kann. Dazu ware eine Apparatur erforderlich, die mit 
einer bestimmten Lichtquelle eine Einheit bildet. Diese Forderung 
glauben wir mit einem von uns konstruierten kleinen Apparat, der in 


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Gildemeister u. Herzberg, Ein Lampenagglutinoakop. 


537 


Fig. 1. Fig. 3. 

Die Falkenthal-Lampe, die in unserem Laboratorium seit mehr als 3 Jahren 
im Gebrauch ist und sich bestens bewahrt bat, eignet sich nicht nur fur Dunkelfeld-, 
sondern auch ebenso gut fur Hellfelduntersuchungen und kann gleiehfalla fur mikro- 
photographische Aufnanmen Verwendung finden. Ferner kann der verhaltnismaftig 
kleine, aber aufierst wirksame Lichtkegel der Falken thal-Lampe, wie uns die Er- 
fahrung gezeigt hat, ausgezeichnet zur Durchmuaterung von Agarplattenoberflachen- 
ausstrichen benutzt weraen. Die einzelnen Kolonien treten in dem Lichtkegel der 
Lampe so deutlich in die Erecheinung, dafi feinere Strukturen, inabesondere Varianten- 
bildungen, miiheloa zu erkennen sind. Auch zur Auszahlung von d’Herelle-Lyain- 
teilchen nach unserer Tropfenplattenmethode bedienen wir una mit Vorteil dea Licht- 
kegela der Lampe. 

Die Vorziige der Falkenthal- Lampe aind — kurz zusanimengefaBt — folgende: 

1) Sehr geringer Stromverbrauch bei Vorhandenaein von Wechselatrom; er ist in 
dieaem Falle nicht grofler als der einer gewohnlichen Zimmerlampe. Die Unkosten fiir 
Stromverbrauch aina also wesentlich gennger ala bei jeder anderen Mikroskopierlampe. 

2) Die Lampe arbeitet geruch- und gerauschloa und erfordert keine Nachregulierung. 

3) Daa Licnt ahnelt sehr dem der Bogenlampe. Die Lichtintensitat steht der der 
Bogenlampe nur wenig nach. 

4) Die Lampe ist sehr stabil; inabesondere ist die Gliihbirne infolge der Dicke 
de8 Fadens sehr lange haltbar im Gegenaatz zu den Gliihbirnen fiir hohe Spannungen. 

Es lag nun nahe, den scharfen Lichtkegel der Falken thal-Lampe 
zur Beobachtung noch anderer Dinge heranzuziehen. Als geeignetes 
Objekt erschien uns die Bakterienagglutination. In der Tat lieB sich 
zeigen, dafi sie in dem Lichte dieser Lampe unter gewissen Bedingungen 
leicht und sicher zu erkennen ist. Aus diesen Versuchen ist alsdann 



Verbindung mit der von Falkenthal angegebenen Dunkelfeldlampe 
zu verwenden ist, erffillt zu haben. 

Die Falkenthalache Dunkelfeldlampe (a. Fig. 1), deren Besonderheiten und Vor- 
ziige hier zunachat kurz angefiihrt aeien, verwendet eine Gliihlampe, bei der der geaamte 
Gluhdraht zu einer nur wenige Millimeter messenden Spirale zusammengerollt iat. In¬ 
folge dieser Zusammendrangung dea lichtspendenden Gluhfadena erreicht man mit ganz 
klewen Energien von ca. 40 Kerzen im Mikroskop den gleichen Effekt wie mit kleinen 
Bogenlampen oder den hochwertigen, grofien Starkatromgliihlampen, deren Stromver¬ 
brauch 5—lOmal so grofl iat. Da Gliihlampen mit derartig eng zusammengerollten 
kurzen und dicken Faden zweckmafiig fiir ganz kleine Spannungen von 2—12 Volt 
hergeetellt werden, beaitzt die Lampe, um ihren Anschlufi auch an Starkstromnetze zu 
ermbglichen, einen Spannungatranaformator, der in 
das Lampengehause eingebaut ist. Dieser wandelt, 
wenn Wechselatrom vorbanden iat, die Netzapannung 
von beiapieleweiae 220 Volt praktiach ohne Verluate 
in die eigentliche Lampenapannung von 12 Volt um. 

Falla die Lampe an Gleichatrom angeschloaaen wer¬ 
den soil, erfolgt die Umwandlung der Netzapannung 
in die Lampenapannung durch Einschaltung eines 
Wideratandes, wobei allerdinga der Vorteil der Strom- 
ersparnia verloren geht. 


O.R.G.M. 

Paul Altmann 


Fig. 2. 


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538 Centralbl. L fiakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

die kleine Apparatur (s. Fig. 3) entstanden, deren Beschreibung wir 
nachstehend geben. 

Zur Beobachtung der Bakterienagglutination wird dieFalkenthal- 
Lampe auf den Riicken gestellt, so dab der Lichtkegel senkrecht nach 
oben fSllt. Auf den fernrohrartigen Fortsatz der Lampe wird ein kleiner 
Aufsatz gestellt, an dessen Boden zwei scbmale Ausscbnitte von be- 
stimmter Lange und Breite sicb befinden, durch die das durch eine Linse 
konzentrierte Licbt der Lampe f&llt Die Bodenplatte trSgt ein nach 
alien Seiten auBer nacb oben gescblossenes GehSuse, dessen linke und 
rechte Wand Einrichtungen zum Durchstecken und Halten von 2 Re- 
agenzglasern besitzen. Die Lage der Reagenzgl&ser in dem Apparate 
ist leicht schrfig geneigt. Ueber die beiden Schlitze der Bodenplatte 
wird eine Mattscheibe von bestimmter Intensity gelegt, da es sich her- 
ausstellte, daB die Verwendung des vollen Lampenlichtes nicht moglich 
ist, weil in diesem Falle auch in vollig klaren Serumverdflnnungen leicbte 
Kornelungen zu erkennen sind, die feinste Agglutinationen vort&uschen 
kbnnen. Die Beobachtung der Agglutination in unserem Apparate (siehe 
Fig. 2), der handbreit unter Augenhohe zu stehen hat, erfolgt zun&chst 
mit unbewaffnetem Auge, indem man von schr&g oben nach unten in 
den Apparat und auf den Rohrcheninhalt sieht. Starkere Agglutinationen 
sind auf diese Weise miihelos zu erkennen. Bei schw&cheren Agglu¬ 
tinationen ist Lupenbetrachtung erforderlich. Vergleiche sind zwischen 
zwei Rohrchen ohne weiteres moglich. Unser Agglutinoskop gestattet 
also das, was wir eingangs als wunschenswertes Ziel bezeichnet haben, 
n&mlich Beobachtung der Bakterienagglutination unter stets gleichen 
Lichtverhaltnissen. 

AuBer far Bakterienagglutination eignet sich der kleine Apparat 
auch zum Ablesen von Flockungsreaktionen fflr die Syphilisdiagnose. 
Wie bei der Bakterienagglutination kommen auch hier die gleichen Licht- 
verh&ltnisse vorteilhaft zur Geltung. 

Voraussetzung fiir die Verwendbarkeit des Agglutinoskops ist na- 
tiirlich das Vorhandensein einer Falkenthal-Lampe, auf deren mannig- 
fache Vorztige, insbesondere den der groBen Haltbarkeit und der geringen 
Betriebskosten, wir oben eingehend hingewiesen haben. Unser Agglutino¬ 
skop, dem wir den Namen „Lampenagglutinoskop a gegeben haben. 
ist ebenso wie die Falkenthal - Lampe bei der Firma PaulAltmann 
in Berlin NW 6, Luisenstr. 47, erhfiltlich. 


Nachdrudk rerboten. 

Ueber die Bestimmung 

der p H -Werte in der bakteriologischen Technik. 

[Aus dem Hvgienisch-bakteriologischen Institut der eidgenossischen Tech- 
nischen Hochschule in Ziirich. (Vorstand: Prof. v. Gonzenbach.)] 

Von Oskar Acklin. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

Die grundlegenden Anschauungen von van t'Hoff und Arrhenius 
iiber die elektrolytische Dissoziation wiisseriger Losungen haben in der 
experimentell biologischeu Forschung relativ rasche und fruchtbare An- 
wendung gefunden. Dies gilt vor allem fur das biochemische Arbeits- 


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Acklin, Bestimmung der pH-Werte in der bakteriologischen Technik. 539 


gebiet, wo von den physikalisch-cheraischen Arbeitsmethoden im Verlauf 
der letzten beiden Dezennien besonders ausgiebig Gebrauch gemacht 
wnrde. Insbesondere wurde hier zur Messung der SSure- und Alkali- 
wirkung eine derartige Methode iibernommen, die mit grofier Genauig- 
keit und entsprechenden Erfolgen angewendet wird. Die Berficksichti- 
gung und die genane Bestimmung der sog. p H -Werte ist daher heute, 
anch bei den einfachsten biochemischen Prozessen, zu einem Faktor von 
ansschlaggebender Bedeutung geworden. 

Ein fluchtiger Blick in die einschlfigige Literatnr der verschiedenen 
Arbeitsgebiete dfirfte das Gesagte bestfitigen. Ganz besonders zeigt dies 
aber die Literatur fiber die Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels, 
diejenige fiber die sog. Gfirungsphysiologie und Enzymforschung und 
neuerdings auch fiber die serologische Forschung. Sehr spfirlich da- 
gegen ist die entsprechende Literatur aus der Bakteriologie vertreten. 

Es gibt allerdings auch hier recht umfangreiche Arbeiten. Sie sind 
aber beinahe ausschliefilich amerikanischen Ursprungs, und erst die 
Nachkriegsperiode hat vereinzelt solche aus dem deutschen Sprachgebiet 
geliefert. Eine allseitige Berficksichtigung der physiko-chemischen Me- 
thoden, insbesondere der p H -Werte, dfirftein der bakteriologischen Technik 
auf deutschem Sprachgebiet, wohl auch auf franzosischem 1 ), bis heute nicht 
vorliegen 2 3 ), im Gegensatz zu den anderen Disziplinen auf dem Gebiete 
biochemischer Forschung, und vor allem im Gegensatz zur bakteriolo¬ 
gischen Technik in Amerika®). 

Es konnte interessant sein, die Ursachen dieses Sachverhaltes kennen 
zu lernen. Ich halte es jedoch vorerst ffir zweckmfiBiger, nach den 
Methoden zu fragen, welche uns zur Bestimmung der p H -Werte fiber- 
haupt zur Verffigung stehen. Es sind dies: 

1) die elektrometrische Methode, 

2) die Indikatorenmethode. 

1) Abt, G., La mesure de la reaction (p. 4) par la methode colorimetrique dans 
les melieux de culture et les milieux biologiques, beschreibt die Sfirensen-Olark- 
sche Methode in der Revue d’Hygifene. T. 45. p. 1. Paris, Mossau 1923. 

2) Abel, R., Bakteriologisches Taschenbuch. Leipzig (Kurt Kbbitzsch). Die 
wichtigsten Vorschriften zur bakteriologischen Laboratoriumsarbeit. Konnen als eine 
der verbreitetsten Sammlung fiber bakteriologische Technik gelten. Das Bfichlein er- 
scheint jedes Jahr in neuer Auflage oder im Neudruck. In der 25. Auflage (1922) 
wird zur Einstellung der Reaktion aer Nahrsubstrate die Tfipfelmethode auf Lackmus- 

O ier verwendet (siehe S. 10) oder dann die Neutralisation mit Phenolphthalein als 
ikator unter nachheriger Zugabe von Saure oder Alkali auf das Gesamtvolumen 
des Nahrsubstrates berechnet. Da aber diese auf den Lackmusneutralpunkt eingestellt 
werden sollen, wird nach eingetretener Phenolphthaleinneutralitat ein Zusatz von Saure 
bis zu 2,5 Proz. als geeignet vorgeschrieben (siehe S. 14). 

Heim, L., Lehrbuch der Bakteriologie, unter besonderer Berficksichtigung der 
Untersuchungsmethoden, Diagnostik und Immunitatslehre, Stuttgart (Fera. Enke). 
Ein umfangreiches und zuverlassiges Buch, das ebenfalls starke Verbreitung gefunden 
hat, bringt in seiner 5. Auflage (1918) prinzipiell nichts Neues, sondern die Methode 
bei Abel wird entsprechend ausffihrlicher und genauer beschrieben. Die 6. und 7. Auf¬ 
lage (1922) dagegen enthalt in einem kurzen Abschnitt „Die Wasserstoffionenkonzen- 
tration“ das Allernotigste hierfiber ausgeffihrt. AuBerdem sind einige diesbezfigliche 
Literaturangaben vorhanden. Auf die technische Seite der Frage wird nur andeutungs- 
weise eingetreten und im fibrigen auf die Michaelissche Darstellung der p H -Be- 
stimmung mit Indikatoren in der Dtsch. med. Wochenschr. (1921) verwiesen, so daB 
praktisch die bisherigen Methoden Anwendung finden. 

3) Man beachte daraufhin die Arbeiten im Journ. of Bact., Joum. of exp. Med., 
Journ. of Infect. Dis. u. a., insbesondere auch die aus dem Rockefeller-Institut 
stammenden Arbeiten, welche haufig Abdrficke aus anderen Zeitschriften sind und in 
den Studies from the Rockefeller-Institute for Medical Research veroffentlicht 
werden. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Die elektrometrische Methode. Sie kann leider ffir die 
bakteriologische Laboratoriumstechnik nur insofern in Betracht koramen. 
als sie zur Standardisierung der Indikatorenmethode dient. Die Grunde 
dafur liegen offensichtlich darin, daB ihre Anwendung, besonders bei 
Serienuntersuchungen erhebliche Anspriiche an die technische Leistungs- 
fahigkeit des Laboratoriums stellen, ganz abgesehen davon, dafi bei 
Serienuntersuchungen, wo kuBerst rasches Arbeiten Bedingung werden 
kann, es sich mit dieser Methode zu Iangsam arbeiten laBt. Ich begnfige 
mich daher hier mit dem Verweis auf die entsprechende Literatur und 
glaube hiervon nach meinen Erfahrungen besonders zwei Praktika fur 
die bakteriologische Laboratoriumsarbeit empfehlen zu konnen 1 ). 

Die Indikatorenmethode. Die von Sorensen 1909 in seinen 
Enzymstudien 2 ) erstmals bekannt gegebene und in verschiedenen Ar¬ 
beiten von Michaelis iibernommene, weiter bearbeitete und, was die 
Indikatoren betrifft, verbesserte Methode zur Bestimmung der Wasser- 
stoffionenkonzentration mit Indikatoren ist zweifellos zum Teil heute 
noch, besonders im deutschen Sprachgebiet, die einzige Methode, welche 
in der bakteriologischen Technik Anwendung gefunden hat. 

Ich habe mich seinerzeit ebenfalls dieser Methode bedient, und zwar 
nach den Angaben von Sorensen 3 ) und zum Teil nach denen von 
Michaelis 4 ). Dabei hatte ich vorwiegend mit zum Teil stark und 
verschieden gefkrbten Nahrlosungen zu arbeiten, wozu noch starke 
Trubungen kamen. Ebenso waren die Nkhrsubstrate hSufig stark eiweiB- 
und salzhaltig. Es war notig, darin die Ver&nderungen der p H -Werte 
in ganz kurzen Intervallen zu bestimmen, so daB die Inkubierung keinen 
Unterbrechung erleiden durfte. Die Indikatoren muBten demnach den 
betreffenden Garversuchen von Anfang an beigegeben und mitbebriitet 
werden. Auch die festen N&hrsubstrate, wie Agar und Gelatine, wurden 
auf die notwendigen p H -Werte einzustellen versucht. 

Leider muBte ich feststellen, dafi der Methode, speziell aber den 
Indikatoren, zum Teil solche Mangel anhaften, welche die Bestimmungen 
ofter nur ungenau, in einzelnen Fallen iiberhaupt nicht ausfiihren lieBen. 
Ganz kurz mbgen hier die Unzuianglichkeiten und Fehler, die ich als 
besonders schwerwiegend empfand, angefiihrt sein 5 ). 

1) Clark, W. M., The Determination of Hydrogen Ions. 2. edit. Baltimore 
(Williams & Wilkins Co.) 1922. In der 2. Halfte dieses 480 SS. starken ausgezeichneten 
Buches wird die elektrometrische Methode sowohl theoretisch als vor allem aber prak- 
tisch fiir die bakteriologischen Verhaltnisse ebenso eingehend als umfassend und klar 
behandelt. Ebenso ist die gesamte Literatur sorgfaltig naehgefiihrt. 

Michaelis, L,, Praktikum der physikalischen Chemie, insbesondere der Kolloid- 
chemie, fur Mediziner und Biologen. Berlin (Springer) 1921. In diesem teilweise nicht 
minder brauchbaren, ausschliefilich praktisch gehaltenen kleinen Werk wird im 14. Kapitel, 
Messungen elektromotorischer Krarte, besonders in den Uebungen 67—70 die elektro¬ 
metrische Methode behandelt. Aufier diesem Kapitel enthiilt das Praktikum noch eine 
Reihe Darstellungen von physiko-chemischen Methoden, die zweifellos die bakterio¬ 
logische Technik nur vorteilhaft bereichern durften. 

2) Sorensen, S. P. L., Enzymstudien. II. Ueber die Messung und die Be- 
deutung der Wasserstoffionenkonzentration bei enzymatischen Prozessen. Biochem. 
Ztschr. Bd. 21. 1909. S. 131. 201. 

3) Sorensen, S. P. L., Ueber die Messung und die Bedeutung der Wasserstoff¬ 
ionenkonzentration bei biologischen Prozessen. Erg. d. Physiol. Bd. 12. 1912. S. 393. 

4) Michaelis, Praktikum 1. c. S. 24 ff. 

5) Ich verzichte hier grundsatzlich auf jede theoretische Erorterung, in der Meinung. 
daB solche nicht in den Rahmen dieser technischen Mitteilung gehort, und daB 
theoretische Erorterungen iiber die einschlagigen Fragen in den Deiden Biichern von 
L. Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzentration. Teil I. 1922, und W. M. Clark. 
Determination of Hydrogen Ions. 2. ed. 1922, nachgelesen werden konnen. 


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Acklin, Bestimmung der pH-Werte in der bakteriologischen Technik. 541 


Apparatur. Die „Batterie u von 6—7 Titrierapparaten als Auf- 
bewahrungsgefSBe der verschiedenen Stammlosungen samt den Trocken- 
turmen koramen heute im Preise sehr hoch zu stehen, da Pr&zisions- 
buretten unumganglich sind. Die „Batterie w selbst braucht zu ihrer 
Aufstellung und Benutzung relativ viel und einen lichtreichen Platz, 
der auch heute noch in vielen Laboratorien mangeln diirfte. 

Stammlosungen. Diese waren zum Teil bereits nach 2 Monaten 
deutlich zersetzt, wofur neben anderen Faktoren Schimmelpilze verant- 
wortlich gemacht werden muBten (M/15-Losungen!). 

Anwendung der Methode. Die fur jede Bestimmung not- 
wendige besondere Herstellung der geeigneten Pufferlosung und ebenso 
die vorausgehende umstandliche Auswahl der passenden Indikatoren 
hindern ein rasches Arbeiten. 

Indikatoren. Ich halte daffir, daB die Indikatoren zur Haupt- 
sache fflr die Unzul&nglichkeiten und Fehlerquellen der Methode ver- 
antwortlich gemacht werden mtissen. Ganz abgesehen von der beinahe 
fur jeden Indikator verschiedenen Herstellungsvorschrift und den ebenso 
variierenden Konzentrationen, in welchen die Indikatoren zu gebrauchen 
sind, hemmt deren unflbersichtliche Anzahl (20Stflck!) ein rasches und 
sicheres Arbeiten, und es braucht geraume Zeit, um mit alien Besonder* 
heiten der verschiedenen Indikatoren vertraut zu werden. 

In den reinen Pufferlosungen erhielt ich im wesentlichen mit den 
meisten Indikatoren brauchbare Farbnuancen, wenn auch zu sagen ist, 
daB von den nicht auf Farbuberg&nge, sondern auf Umschlag der 
Nuance eingestellten Indikatoren farbkraftigere und pr&gnantere Re- 
sultate wfinschbar wurden. GroBtenteils unbrauchbar aber wurden die 
Indikatoren, besonders Methylorange, Neutralrot und Naphtolorange in 
gefarbten oder bakteriengetriibten flflssigen, besonders aber in festen 
N&hrsubstraten. Wurden diese Indikatoren den Giirversuchen direkt 
beigefiigt, erlitten sie regelmaBig Zersetzungen. Letzteres muBte leider 
auch an dem sonst ausgezeichneten Methylrot beobachtet werden. Die 
anderen Indikatoren erschienen mit einigen Ausnahmen, z. B. Nitro- 
phenol, entweder in ihrer Farbekraft zu schwach, als daB sie die Eigen- 
farbe der Nahrsubstrate zu iiberdecken vermocht hatten, oder dann 
war ihre Empfindlichkeit auf veranderte Dissoziationszustande durch 
Salze, vor allem aber nachgewiesenermaBen durch Proteine derart be- 
einfluBt bzw. vermindert, daB keine differenzierten Farbnuancen mehr 
zu beobachten waren. wodurch die mit diesen Indikatoren ermittelten 
p H -Werte unbrauchbar wurden oder gflnstigenfalls zur oberfl&chlichen 
Orientierung verwendet werden konnten. 

Diese wenig erfreulichen Erfahrungen mit der Indikatoren methode 
nach Sorensen-Michaelis veranlaBten mich, der einschlagigen 
Literatur auf diesem Gebiete vermehrte - Aufmerksamkeit zu schenken. 
Nach den Angaben von Michaelis in seinem Praktikum 1 ) waren mir 
die Arbeiten von Clark und L u b s und besonders deren nach 
Michaelis „schone Indikatoren fur die Sorensensche Methode mit 
prachtvollen Farbiibergangen u wohlbekannt. Aber weder die amerika- 
nische Literatur, noch die Indikatoren selbst waren mir zuganglich. 
Einem gliicklichen Zufall habe ich es zu verdanken, daB im Herbst 1922 
Herr Dr. K. F. Meyer, Professor of Research Medicine, George 
William Hooper Foundation for Medical Research an der Universitat 

1) 1. c. S. 29/30. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Or' inal Bd. 91. Heft 7/8. 


von San Francisco, in unserem Institut arbeitete und mir sowohl die 
mangelnde Literatur als auch die Indikatoren von Clark und Lubs 
zur Verfflgung stellte. Prof. Meyer teilte mir die vorzflglichen Er- 
fahrungen mit, die er in seinem Institut mit einer Indikatorenmethode 
gemacht hatte, welche in dem bereits erwahnten Buch von Clark be- 
schrieben wird. Daraufhin habe ich diese verbesserte Sorensensche 
Indikatorenmethode im hiesigen Institut ebenfalls erprobt. Die Er- 
fahrungen mit ihr sind bis heute iiberaus gute gewesen. Sie hat die 
auf sie gesetzten Erwartungen nicht nur bestfltigt, sondern sie hat sich 
im allgemeinen in der bakteriologischen Technik als die Methode er- 
wiesen, die fur die Bestimmung der p H -Werte praktisch in Frage kommt 1 ). 
Nachdem ich die Methode in einer solchen Form ausprobiert habe, daB 
sie vor allem fttr kleinere, finanziell nicht besonders leistungsf&hige In¬ 
stitute mit groBem Vorteil anwendbar ist, erachten wir es als eine Not- 
wendigkeit, fflr die Einfflhrung bzw. die Verbreitung dieser Methode in 
der bakteriologischen Technik bemflht zu sein. Unseres Wissens sind 
aber die notwendigen Voraussetzungen im deutschen Forschungsgebiet 
kaum vorhanden 2 ). Es erscheint uns daher begrflndet zu sein, wenn 
ich im folgenden die Indikatorenmethode nach S5rensen-Clark tech- 
nisch genau beschreibe unter Verwendung der in unserem Institut ge- 
machten Erfahrungen. 

I. Herstellung der Stammlftsungen. 

Allgemeines. 

1) Wasser. Das gewohnliche destillierte Wasser muB in einer Jenaer 
Retorte unter Zusatz von Ba(OH) 2 destilliert werden. Die ersten An- 
teile des Destillates werden nicht gesammelt. Hierauf versieht man den 
Kfihler mit einem sog. VorstoB, entleert das Kflhlwasser und jagt wah- 
rend ca. 5—10 Min. Wasserdampf durch den Kuhler (Abtotung der 
Schimmelsporen). Vorsichtig wird das Kflhlwasser wieder flieBen ge- 
lassen, und das Destillat kann nunmehr in einer Flasche mit Glasstopfen 
aufgefangen werden. Diese Flasche wird mit dem VorstoB vermittelst 
steriler Watte luftdicht abgeschlossen (Verhinderung der Infektion). Die 
Flasche selbst muB vor Verwendung mit Bichromat-Schwefelsaure und 
Soda gereinigt, mit zweifach destilliertem Wasser gespfllt und dann 
unter WatteverschluB ca. 1 J 2 Std. im Dampftopf gehalten worden sein. 
Nach Erkaltenlassen daselbst ist sie zur Aufnahme des destillierten 
Wassers gebrauchsfertig, wobei darauf zu achten ist, daB die Flaschen 
stets gefflllt sind und hochstens 2 Tage altes Wasser enthalten. Es ist 
zweckmflBig, den Stopfen -f Hals der verschlossenen Flasche mit Stanniol 
zu flberziehen (Verhfltung der Infektion). 

2) Flaschen zur Aufnahme der Stammlosungen. Es werden 6 min- 
destens 1 1 fassende Flaschen aus gutem Glas, ohne Schliff, mit Bichro- 
mat Schwefelsaure und Soda gereinigt, mit dem doppelt destillierten 
Wasser gespfllt und hemach unter WatteverschluB ca. 1 / 2 Std. im Dampf¬ 
topf gehalten, worauf sie ausparaffiniert werden. Dies geschieht, wie 
folgt: Reines Paraffin mit einem Schmelzpunkt von ca. 60—65° wird 
durch Kochen mit reinem dest. Wasser auf seine Reinheit geprflft, und 
zwar mit den Indikatoren Bromthymolblau und Phenolrot. Das Wasch- 
wasser muB neutral sein und in der Platinschale verdampft keinen Rflck- 
stand aufweisen. Die Entmischung von Paraffin und Wasser tritt durch 

1) Nach den amerikanischen Erfahrungen. 

2) Siehe friiher. 


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Acklin, Beatiramung .• > p» ,vVerte in der bakteriologischen Technik. 543 

Stehenlassen bei Zimmevtomperatur rasch ein. Das Paraffin darf kein 
Wasser in sich eingeschlossen halten. Es mufi daher in dfinner Schicht 
im Trockenschrank bei 100—105° getrocknet werden. Nunmehr wird 
dieses Paraffin in geniigender Menge heiB in die verschiedenen, von 
der Sterilisation her noch warmen Flaschen gegossen, diese sofort mit 
dem Wattepfropf wieder verschlossen, und unter best&ndigem Drehen 
werden die Flaschen sorgf&ltig mit einer ea. 1—2 mm dicken Paraffin- 
schicht flberzogen. 

3) Stopfen und Pipetten. Zum VerschlieBen der Stammlfisungen 
werden auf die Flaschen gut passende Stopfen aus bestem Kautschuk 
mit einer Bohrung gew&hlt. Diese Stopfen werden ca. 20 Minuten in 
destilliertem Wasser, das eine Spur Soda enthalt, gekocht. Jeder Stopfen 
wird unter Verwendung einer neuen Handbfirste (Nagelbiirste) sorg¬ 
f&ltig gereinigt, mit reinem destillierten Wasser gespiilt und auf reinem 
Filtrierpapier staubfrei trocknen gelasseu. 

Zur Entnahme der Stammlosungen dienen 25 ccm Pr&zisionspipetten 
auf Auslauf und in Vio ccm geeicht. Nach erfolgter Reinigung dieser 
Pipetten, wie fur Glaswaren bisher fiblich, wird in jede Pipette in ihrem 
oberen Ende etwas gewohnliche Watte als Filter eingestoBen. Durch 
jeden Kautschukstopfen wird eine Pipette getrieben, wobei zu beachten 
ist, daB die Ziffer 12,5 auf der Pipette gut lesbar bleibt. Stopfen und 
Pipetten werden hochstens 10 Min. bei 108° im Autoklav sterilisiert 
und an einem staubfreien Orte trocknen gelassen. Vor ihrer Verwendung 
stfilpt man fiber deren oberes Ende ca. 5—6 cm gut haftenden Gummi- 
schlauch und verschliefit ihn bzw. die Pipette mit einem passend kleinen, 
aber tadellosen Quetschhahn. (Bei der C0 2 -freien NaOH-Stammlosung 
wird auBerdem in passender Weise ein Natronkalkfilter vorgeschaltet, 
welcher bei der Entnahme der Natronlauge an der Pipette bleibt, wahrend 
bei den anderen Stammlosungen das Schlauchstflck entfernt wird.) 

Die Stammlosungen 1 ). 

M/5 Kaliumchloridlfisung (ist nur notwendig zur Herstellung der 
sauersten Puffergemische). Kaliumchlorid „zur Analyse 14 von Kahl- 
baum wird bei 120° in dfinner Schicht w&hrend 24 Std. getrocknet, 
und nach dem Erkalten fiber Schwefels&ure werden 14,912 g bei 15° C 
zu 1 1 gelost 2 ). 

M/5 saure Kaliumphthalatlosung. Dieses Salz wird nach Dodge 
(1915), wie folgt, hergestellt: 60 g reines Kaliumhydroxyd werden mit 
50 g sublimiertem Anhydrid der Orthophthalsaure in ca. 400 ccm ge- 
wohnlichem dest. Wasser gelfist. Die abgekfihlte Losung wird mit 
Phenolphthalein geprfift. Durch Zugabe von KOH-L6sung oder Phthal- 
saure wird die Lfisung neutralisiert (in verdfinnter Lfisung auf ein 
leichtes Nelkenrot einzustellen). Hierauf wird die insgesamt verbrauchte 
Menge Phthalsaureanhydrid (50 -f x) 3 ) nochmals zugesetzt und unter 
Erw&rmen auf dem Wasserbad vollstSndig in Losung gebracht, heiB 
durch Papier filtriert und im 22er Brutschrank 4 ) auskristallisieren ge¬ 
lassen. Die Kristalle, meist noch etwas graulich gef&rbt, werden abge- 


1) Man vergleiche hierza das Kapitel VI des zitierten Buches von Clark. 

2) Es ist notwendig, die reinen PrazisionsmaSkolben mit Watteverschlufi in den 
kalten Dampftopf zu stellen, und ca. 15—20 Min. bei stromendem Dampf zu halten. 

3) x = g Phthalsaureanhydrid, die zur Neutralisation verbraucht werden. 

4) Unter 20° kristalliaiert nach Dodge ein 8alz von der Formel 2 KHC 8 H 4 0 4 
C 8 H i 0 4 aus. 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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nutscht und in moglichst wenig heiBera, gereinigtem dest. Wasser ge¬ 
lost und wiederum wie oben zur Kristallisation gebracht. Die Mutter- 
lauge wird auf dem Wasserbade eingeengt und ebenfalls bei 22° der 
Kristallisation tiberlassen. Ebenso wird bier die Reinigung der Kristalle 
mit wenig Wasser ausgefiihrt. Diese Reinigung wird so lange fortge- 
setzt, bis die Kristalle rein weiB erscheinen, was nach 3—4maligem 
Umkristallisieren der Fall ist. Die Ausbeute betragt etwa 85—90 Proz. 
Das so gewonnene Salz wird auf reinem Filtrierpapier trocknen ge- 
lassen, pulverisiert und bei 110—115° zur Gewichtskonstanz getrocknet. 
Es wird in n/10-Losung mit n/10-NaOH-Losung gegen Phenolphthalein 
titriert und mull davon exakt equilavente Mengen verbrauchen. Von 
diesem so hergestellten Salze werden nach dem Erkalten fiber Schwefel- 
sSure 40,836 g bei 15° C zu 1 1 gelost. 

M/5 saure Kaliumphosphatlosung. KH 2 P0 4 „zur Analyse" von 
Kahlbaum wird in dfinner Schicht wfihrend 24 Std. bei 110—115° 
getrocknet, und nach dem Erkalten iiber SchwefelsSure werden 27,232 g 
bei 15° C zu 1 1 gelbst. Die Losung muB gegen Bromphenolblau deut- 
lich blau und gegen Methylrot deutlich rot reagieren. 

M/5 Borsaure-, M/5 Kaliumchloridlosung. Borsaure „zur Analyse" 
von Kahlbaum wird gewogen und in diinner Schicht ca. 2—3 Wochen 
fiber Kalziumchlorid aufbewahrt. Vor Verwendung der S&ure wird sie 
wiederum gewogen. Von der gewichtskonstanten Saure werden 12,4048 g 
bei 15° C zu 11 gelbst. Zu demselben Liter werden auBerdem 14,912 g 
Kaliumchlorid von friiher eingewogen. 

M/5 Natronlauge, C0 2 -frei. Die Herstellung dieser LSsung macht 
einige Schwierigkeiten. Nach den Angaben von Clark kommt man 
bei sorgfaltigem Arbeiten sicher, wenn auch etwas langsam, zum Ziel. 
Verftigt man iiber eine gute Zentrifuge mit mechanischem Antrieb, so 
kann man schneller und bedeutend einfacher arbeiten. Ich kann folgen- 
des Vorgehen empfehlen: In einem JenaerErlenmeyer-Kolben werden 
100 g Natriumhydroxyd in Stangen „zur Analyse" von Kahlbaum mit 
100 ccm dest. Wasser zusammengebracht. Der Kolben wird mit Stanniol 
verschlossen, und das vollige Auflosen und Abkiihlen der konzentrierten, 
stark getriibten Lauge abgewartet. Diese wird jetzt in gut gereinigten 
Zentrifugenglasern bei einer Tourenzahl von etwa 3000 pro Minute 
w&hrend 10—15 Min. zentrifugiert. Von der vollig klaren Lauge werden 
10 ccm bei 15° zu 1 1 verdiinnt und davon 10 ccm mit N-Salzsaure 
titriert. Hieraus wird der eventuelle Wasserzusatz berechnet und die nun- 
mehr grob eingestellte M/5-Lauge sofort in die paraffinierte Flasche mit dem 
Natronkalkfilter gegossen. Zur Titerstellung dieser Losung wird nach 
Dodge (1915), wie folgt, verfahren: Einige Proben des sauren Phthalates 
(siehe friiher) werden zu ungefahr 1,6 g auf 4 Stellen genau abgewogen, 
in 20 ccm gereinigtem dest. Wasser gelost und je 4 Tropfen Phenolphtha¬ 
lein zugesetzt. Hierauf wird ein C0 2 -freier Luftstrom (Natronkalkrohre) 
durch die verschiedenen Proben geleitet und mit M/5 NaOH titriert 1 ). 

24,487 ccm M/5 NaOH-Losung —1,0000 g KH-Phthalat. Hieraus 
wird der Titer fur die Lauge berechnet und auf einer kleinen Etikette 
der Flasche angehangt. Auf dieser. Etikette wird zweckmaBig das Her- 
stellungsdatum wie auch die Bezeichnung der Stammlosung hier und 
ebenso bei den anderen notiert. 

1) Es geniigt vollkommen, beim Entfernen der Pipette bzw. des Stopfens die 
Flasche wahrend dieser Zeit mit einem Kautschukstopfen verschlossen zu halten. Man 
bindet diesen zweckmilSig an der Flasche an. 


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Acklin, Bestimmung der pH-Werte in der bakteriologischen Technik. 545 


M/5 Salzsaure. Reine 20-proz. Salzsaure s = 1,110 wird destilliert, 
von dieser werden 34 ccm bei 15° C zu 1 1 gelost und mit M/5 NaOH 
oder mit Soda wird der Titer bestimmt. 1st eine weitere Verdtinnung 
notwendig, wird diese vorgenommen und hernach wird mit M/5 AgNO s - 
Losung der endgiiltige Titer mit Kaliumchromat als Indikator ermittelt 

H. Herstellnng der Pnffergemische. 

Durch zweckmaBige Mischung der beschriebenen Stammlbsungen 
stellt Clark 1 ) Pnffergemische mit den pH-Werten von 1,2—10,0 bei 
Intervallen von 0,2 her. Dabei wird fur jeden Intervallwert ein Vorrat 
von 200 ccm hergestellt. Von diesen Vorr&ten werden fur die kolori- 
metrischen Messungen je 10 ccm in Reagenzglaser nach Bedarf einmal 
oder fur eine Serie von Bestimmungen verwendet. Bei konsequent 
steril hergestellten Puffergemischen gelang es mir, die einmal hergstellten 
Pufferlosungen in Reagenzglasern a 10 ccm immer wieder zu verwenden. 
Dabei fallen die ungefahr 70 Vorratsflaschen k 200 ccm weg, und auBer- 
dem hat man jederzeit jeden pH-Wert mit den verschiedenen uber- 
einandergreifenden Indikatoren zur Verfflgung. AuBerdem hat man es, 
wie unten ersichtlich wird, sehr leicht, sich 2, ja sogar 5 „Parallel- 
pufferserien“ anzulegen. Ich ging hierzu, wie folgt, vor: 

Allgemeines. ZweckmaBig werden mindestens 10 PrazisionsmaB- 
kolben k 50 ccm sorgfaltig gereinigt (Ausspiilen mit gereinigtem dest. 
Wasser), dann unter WatteverschluB fur ca. V 2 Std. im Dampftopf ge- 
halten und dort erkalten gelassen. Ebenso werden 10 Auslaufpipetten 
a 10 ccm gereinigt und unter Einlegen eines Wattefilters in das obere 
Ende behandelt. Nun besorgt man sich zur Herstellung je einer Serie 
der Puffergemische ungefahr 80—90 Jenaer Reagenzglaser. Diese 
mussen so ausgew&hlt werden, daB sie alle den gleichen auBeren Durch- 
messer haben. Es wird zweckmaBig ein solcher von 16—18 mm 2 * * * * * ) ge- 
wShlt bei einer Lange der RQhrchen von 16 cm. Diese Rohrchen mussen 
einige Tage mit konz. Salzsaure stehen gelassen, mit Biirste und Wasser 
behandelt und dann mit gereinigtem dest. Wasser gespiilt werden, 
worauf sie unter WatteverschluB, am besten im Autoklaven, sterilisiert 
werden. Vor Staub geschtitzt, laBt man sie freistehend trocknen. 

Aus bestem Kautschuk hergestellte, die Rohrchen absolut dicht ver- 
schlieBende Stopfen sind nun noch notwendig. Dieselben werden mit Biirste 
und heiBem Sodawasser gereinigt und nachher so lange in gereinigtem 
dest. Wasser gekocht, bis dieses, mit Phenolrot oder Bromthymolblau 
versetzt, neutrale Reaktion gibt. Die Stopfen werden in sterilen Doppel- 
schalen, die mit ebensolchem Filtrierpapier belegt sind, aufbewahrt. 

ZweckmaBig schreibt man sich jetzt noch fiir jedes Rohrchen gum- 
mierte Papieretiketten, auf welchen aufier dem betreffenden pH-Wert, 
die Puffermischung und der zugegebene Indikator vermerkt sind. 

Die Puffermischungen. In den folgenden Mengenverhaltnissen 
werden die verschiedenen Stammlosungen gemischt und bei 15° C mit 
gereinigtem dest. Wasser zu .50 ccm aufgefullt 8 ). 


1) 1. c. Taf. 21. 

2) Es ist dies nicht nur notwendig, damit immer die gleiche Sichttiefe (Farb- 

■ntensitat) vorhanden ist. sondern auch, damit die Rohrchen leicht und doch genau in 

den Komparator hineingehen. 

_ 3) Werden zweckmaSigerweise auf einmal eine Serie von 10 verschiedenen Puffer¬ 

gemischen hergestellt, so mussen die MaSkolben vor ihrer Verwendung fur die nachste 

Serie selbstverstandlich wieder sterilisiert werden. 

Erite Abt. Orig. Bd 91. Heft 7 8. 35 


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546 


CentraJbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 7/8. 


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oh bei 20° C. 


KCl-HCl-Mischung. 


1,4 

II 

ii ii ii 10,4 

1,6 

II 

i» ii ii 0,6 

1,8 

II 

i> n *i 4,2 

2,0 

II 

ii ii ii 2,7 

2,2 

II 

ii ii ii 1|7 


pH bei 20° C. 


Phthalat-HCl-Mischung. 


2,4 

11 

11 

n 

11 

, 9,9 „ 

11 ,1 

2,6 

11 

II 

ii 

II 

8,2 ,. 

11 II 

2,8 

II 

11 

ii 

11 

, 6,6 „ 

11 11 

3,0 

11 

!» 

ii 

11 

, 5,1 ,, 

II II 

3,2 

11 

11 

ii 

11 

, 3,7 „ 

11 11 

3,4 

11 

11 

ii 

11 

, 2,5 „ 

11 11 

3,6 

11 

>1 

ii 

II 

, 1,5 „ 

,1 II 

3,8 

II 

11 

ii 

11 

, 0,7 „ 

II II 





Phthalat-NaOH-Mischune. 

4,0 12,5 

ccm 

M/5 KH-Phthalat 0,1 ccm 

M/5 NaOH 

4,2 

11 

ii 

11 

11 

i 0,9 ,, 

II 11 

4,4 

11 

ii 

11 

11 

, 1,9 ,, 

o n 

11 11 

4,6 

11 

ii 

11 

11 

, 3,0 „ 

n 11 

4,8 

11 

ii 

11 

'I 

, 4,4 „ 

,1 11 

5,0 

11 

ii 

11 

11 

, 6,0 „ 

11 11 

5,2 

II 

n 

II 

11 

, 7,5 „ 

11 11 

5,4 

11 

n 

11 

II 

, 8,9 „ 

11 11 

5,6 

11 

n 

II 

II 

, io,o „ 

1, li 

5,8 

11 

ii 

11 

11 

, 10,7 „ 

11 11 

6,0 

11 

ii 

II 

II 

, H,4 „ 

11 11 

6,2 

11 

ii 

11 

11 

, 11,7 „ 

11 11 


pH bei 20° C. 


KH.PO.-NaOH-Mischung. 


6,0 „ „ 

i a 

11 1’ 

1,4 „ 

H 11 11 

II 

)I 

CJ 

ii 


6,2 „ „ 


2,1 „ 

II 11 II 

11 

II 


ii 


6,4 „ „ 

11 11 

3,1 „ 

11 11 11 

11 

11 


ii 


6,6 „ „ 

11 I* 

4,4 „ 

II II II 

II 

II 


ii 


6,8 ., „ 

H 11 

5,9 „ 

11 11 11 

11 

11 


n 


7,0 „ „ 

11 11 

7,4 „ 

11 11 » 

|1 

1* 


n 


7,2 ,, ,, 

n 11 

8,7 „ 

»! 11 11 

11 

11 


ii 


7,4 „ 

ii Ii 

9,9 „ 

11 II II 

11 

II 


ii 


7,6 „ „ 

ii 11 

10,7 

li 11 11 

11 

11 


n 


7,8 „ „ 

II ii 

11,3 „ 

11 II H 

l| 

11 


n 


8,0 „ „ 

>1 il 

11,5 „ 

11 11 11 

11 

11 


ii 



Borsaure, 

KCl-NaOH-Mischune. 





7,8 12,5 ccm 

M/5 (H,BO s , 

KC1) 0,4 

ccm M/5 NaOH 

zu 

50 

ccm 

geloet 

8.0 „ „ 

»! 11 

„ i,o 

>1 11 11 

11 

11 

?i 


if 

8,2 „ „ 

11 11 

,, 1,5 

11 11 li 

?! 

II 

ii 


l| 

8,4 „ ,. 

i» 11 

,, 2,1 

11 11 »l 

11 

11 

ii 


11 

8,6 „ „ 

11 11 

„ 3,0 

11 11 11 

•1 

II 

n 


11 

8,8 „ „ 

11 11 

,, 4,1 

11 11 11 

11 

li 

ii 


II 

9,0 „ „ 

11 »’ 

,, 5,3 

11 11 11 

II 

11 

ii 


II 

9,2 ,. „ 

11 11 

„ 6,7 

11 11 il 

11 

?| 

ii 


II 

9,4 „ „ 

11 11 

„ 8,0 

’1 11 !> 

11 

11 



11 

9,6 „ 

11 11 

„ 9,2 

11 11 1’ 

li 

11 

ii 


11 

9,8 „ 


„ 10,2 


11 


ii 


|| 

10,0 „ „ 

11 11 

„ n,o 

II 11 11 

11 

II 

n 


11 


Vermittels der sterilisierten Pipetten werden diese Puffergemische 
a 10 com in die entsprechenden Reagenzrohrchen abgefullt, mit den 



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Acklin, Bestimmung der pH-Werte in der bakteriologischen Tecknik 547 


passenden Indikatoren 1 ) (je 5 Tropfen) versetzt und sofort mit einem 
sterilen Kautschukstopfen sorgfaltig verschlossen 2 ). 

Die verschiedenen Indikatoren verteilen sich auf die verschiedenen 
Puffergemische, wie folgt: 

pu Indikator 

1.2— 2,8 Thymolblau (saure Phase) 

3.0— 4,6 Bromphenolblau 

4.4— 6,0 Methylrot 

5.4— 7,0 Bromkresolpurpur 

6,0— 7,6 Bromthymolblau 

6,6— 8,2 Phenolrot 

8.2— 10,0 Thymolblau (alkalische Phase). 

Alle so erhaltenen PufferlSsungen inkl. die aus den verschiedenen 
Stammlbsungen zusammengesetzten gleichwertigen Mischungen halten 
wir ubersichtlich, leicht und sicher 
transportierbar (Bruchgefahr) in 
einem Holzblock aufbewahrt. 

Fig. 1 zeigt schematisch einen 
solchen Block. Er wird am besten 
aus wohlfeilem Hartholz (Buchs- 
baum) angefertigt. Wie die Figur 
zeigt, besteht er aus einer Grund- 
platte, auf der die Rohrchen in Fi g> j (Schema), 

den Lochem einer Parallelplatte, 

die 2,5 cm iiber der Grundplatte fest mit dieser verbunden ist, steht. 
Die MaBe sind in der Fig. I in Zentimetern angegeben und betragen: 
Grundplatte und gelochte Platte: je 22X38. Die letztere trSgt 6 Loch- 
reihen, aus je 12 Lochern bestehend. Der Durchmesser der Locher 
betragt 1,8. Ein solcher Block faBt somit 72 Rohrchen. 

111. Herstellung der Indlbatorenltfsungen s ). 

Die Indikatoren, welche Clark verwendet, hat er in Taf. 6 „C larks 
und Lubs’ Indikatorenliste u 4 ) kurz und ubersichtlich charakterisiert. 
Diese Tafel sei hier wiedergegeben. 



Clarks und Lubs’ Indikatoren. 


Chemischer Name 

Gewohnliche Be- 
zeichnung 

Konzen- 

tration(Proz.) 

Farb- 

umschlag 

pH-Bereich 

Thymolsulfophthalei n 


1 . 



(saure Phase) 
Tetrabromphenolsulfo- 

Thymolblau 

0,04 

Rot-gel b 

1,2-2,8 

phthalein 

Orthocarboxybenzolazo- 

Bromphenolblau 

0,04 

Gelb-blau 

3,0-4,6 

dimethylanilin 

Dibromorthokresolsulfo- 

Methylrot 

0,02 

Rot-gelb 

4,4-6,0 

phthalein 

Dibromthy molsul fo- 

Bromkresolpurpur 

0,04 

Gelb-purpur 

5,2—6,8 

phthalein 

Bromthymolblau 

0,04 

Gelb-blau 

6,0-7,6 

6,8-^-8,4 

Phenolsulfophthalein 

Phenolrot 

0,02 

Gelb-rot 

Orthokresolsulfophthalein 
Thymolsulfophthalein (al¬ 
kalische Phase) 

Kresolrot 

0,02 

Gelb-rot 

7,2—8,8 

Thymolblau 

0,04 

Gelb-blau 

8,0-9,6 

Orthokresolphthalein 

Kresolphthalein 

0,02 

Farblos-rot 

8,2-9,8 

1) Siehe spiiter. 





2) Im Dunkeln an einem kiihlen Ort. aber nicht im Eisschrank, aufbewahren. 

3) Vgl. hierzu das Kap. V des zitierten Buches von Clark. 


4) s. Clark, 1. c. S. 

80. 


35* 

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548 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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Von diesen Farbstoffen x ) haben mir fur alle bisberigen Zwecke 
6 geniigt 2 ), nur fur ganz spezielle wird es notwendig sein, auch die 
anderen zu beniitzen. 

Es werden von alien Indikatoren, ausgenommen Methylrot 0,4-proz. 
Stammlosungen, in Form ihrer Alkalisalze, wie folgt, hergestellt: 0,1 g 
der im Achatmorser fein pulverisierten Farbstoffe werden mit den fol- 
genden Mengen N/20Na0H 3 ) verrieben. Nach volliger Losung wird mit 
gereinigtem destillierten Wasser auf 25 ccm Wasser aufgeftillt. 

Molekulargewicht Indikator N/20 NaOH per 0,1 g 


354 Phenolrot 

669 Bromphenolblau 

540 Bromkresolpurpur 

466 Thymolblau 

624 Brom thymolbldu 


5.7 ccm 
3,0 „ 

3.7 „ 
4,3 „ 
3,2 „ 


Methylrot wird in alkoholisch-wasseriger 0,05-proz. Losung, wie folgt, 
hergestellt: 0,1 g Farbstoff werden in 100 ccm 95-proz. reinen Alkohol 
gelost und mit reinem destillierten Wasser auf 200 ccm aufgeftillt 4 ). 

Die 0,4-proz. Stammlosungen der 5 Indikatoren werden zweckmaBig 
in entsprechend kleinen braunen Glasflaschen mit eingeschliffenem Stopfen 
aufbewahrt. Von diesen Stammlosungen stellt man sich wasserige 
0,04-proz. Losungen her, welche in braunen Farbstoffflaschen 
a 50 ccm (Lamprechts Normaltropfflaschen) als Indikatoren zur Ver- 
wendung kommen. 

Die 6 gebrauchsfertigen Indikatoren inkl. Methylrot stellt man sich 
mit Vorteil in einem Holzblock 5 ) zusammen, etikettiert die Indikatoren- 
losungen nach ihren pH-Werten, vermerkt Konzentration und Datum 
ihrer Herstellung und verwendet ganz allgemein pro 10 ccm zu messende 
Medien 5 Tropfen Indikatorenlosung. 5 Tropfen = 0,25 ccm, folglich ist 
die Konzentration der Farbstoffe 0,001 Proz., Methylrot 0,00725 Proz. 


IV. Kolorinietrlschc Vergleichung. 

Die kolorimetrische Vergleichung geschieht im Walpoleschen Kom- 
parator, den ich, wie Fig. 2 in natiirlicher GroBe zeigt, zweckmaBig ab- 
geandert habe. Urn die Vergleichung sowohl im durchfallenden, als auch 
im auffallenden Lichte 6 ) vornehmen zu konnen, wird der Komparator 
auf seine 45° abgeschragte Kante gestellt. Ein Umkippen wird dadurch 
verhiudert, daB an der hinteren Wand des Komparators, genau in der 
Mitte zwischen den beiden mittleren Sichtlochern, ein rechtwinklig-gleich- 
schenkliges diinnes Brettchen mit seiner Hypotenuse an diese Wand 
geleimt wird. Der Komparator besteht im Uebrigen aus einem hart- 
holzernen Block (billiges Holz) von 10X?X4 cm langen Kanten. Die 
Rechteckflache 4X10 (oben) trBgt 2 Reihen mit je 4 Lochern von 
1,8 cm Durchmesser und einer Tiefe von 5 cm. Die Rechteckflache 
7X10 (vorn) tr&gt in halber Hohe 4 sogenannte Sichtlocher von 1,2 cm 
Durchmesser. Diese gehen wagrecht durch den ganzen Block hindurch 

1) Sie werden in 0,1 g-Packungen von der Firma Hynson, Westcott & Dun¬ 
ning, Baltimore U. S. A. hergestellt und in den Handel gebracht. Neuerdings stellt 
die Firma C. A. F. Kahlbaum, Adlershof bei Berlin, diese Farbstoffe ebenfalls her 
und bringt sie in 10 g-Packungen in den Handel. 

2) Prof. Meyer berichtet hieriiber in gleichem Sinne. 

3) Eingestellte Lauge! 

4) Die Alkalisalzlosung dient nur fiir ganz spezielle Zwecke. 

5) Wie solche Blocke fiir Reagentienkombinationen viel gebraucht werden. 

6) Welches ich bei Tageslicht vorziehe. 


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Acklin, Bestimmung dcr pn-Werte in der bakteriologischen Technik. 549 


and schneiden je 2 der hintereinander liegenden senkrechten Lbcher 
rechtwinklig an 1 ). Alles Qbrige darf aus der Walpoleschen Beschrei- 
bong 2 ) als bekannt vorausgesetzt werden oder aus Fig. 2 hervorgehen. 


Die Bestimmung der pH-Werte. 

Allgemeines. Die Temperatur, bei der die Vergleichung 
stattfindet, soli vorschriftsgemaB 20° C betragen. Dies wird aber ohne 
weiteres nicht moglich sein (besonders im Winter!). Auf alle Falle 
mussen die Pufferlbsungen und die zu bestimmenden Media gleich tem- 
periert sein, und zwar dtirfen sie nicht unter 17° C betragen. Man 
bringe die Serie der Pufferlosungen rechtzeitig in den betreffenden 
Arbeitsraum. Sehr scharfe Vergleichungen konnen bei gutem Tages- 
licht (nicht direktes Sonnenlicht) gemacht werden, wenn der Komparator 
auf rein weiBes, 
glanzloses Pa¬ 
pier (engporiges 
Filtrierpapier) 
gestellt wird. 

Auchkunstliches 
Licht ist zu ge- 
brauchen, wenn 
eine starke Mat- 
tierung der 
Lichtquelle er- 
folgt, sei es ver- 
mittels eines 
stark mattierten 
Gliihkorpers 
oder eines vor- 
geschalteten 
Mattglases. Das co' 

Aufsuchen 
des passen- 
den Indika- 
tors geschieht ^ 
rasch und spar- 
sam ftir diesen 
und ebenso ftir 

das betreflfende Medium, wie folgt: Reine und kleine, enge Reagenz- 
rohrchen werden mit 1—2 ccm des betreffenden Mediums gefullt, und 
von 2—3 verschiedenen Indikatoren wird je 1 Tropfen in ein Rohrchen 
gegeben. Die infolge der hohen Konzentration des Indikators vor allem 
beim Einfallen des Tropfens vortibergehend auftretende intensive Farb- 
nuance laBt sofort und deutlich erkennen, innerhalb welchen pn-Bereichs 
das fragliche Medium liegt bzw. welcher Indikator in Frage kommt. 



Fig. 2 (natiirl. Grofie). 


a) Ablesung bei farblosen und klaren Medien.' 

Mindestens 2 reine trockene Reagenzglaser werden mit je 10 ccm 
des betreffenden Mediums gefullt, je 5 Tropfen des passenden Indi- 

1) Je niiher die Rohrchen seitlich und von hinten zusammenkominen, desto giin- 
stiger sind die Lichtverhiiltnisse, insbesondere wenn eine Komplementierung de^ Farb- 
nuancen notwendig wird. 

2) Michael is, Praktikum, 1. c. S. 39. 


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550 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 91. Heft 7/8.| 

kators 1 ) zugegeben und gut gemischt. Die R8hrchen werden in den 
Komparator gestellt. Nun sucht man sich das passende Puffergemisch 
bzw. beide mit den entsprechenden Indikatoren heraus und stellt sie 
neben die entsprechenden Rohrchen in den Komparator. Die Puffer- 
gemische werden so lange ausgewechselt, bis ihre Farbnuance mit der 
des Mediums vollig flbereinstimmt oder ihre Abweichung innerhalb von 
0,2 liegt 2 3 ). Der pH-Wert des hierzu gebrauchten Puffergemisches ent- 
spricht dem des betreffenden Mediums, vorausgesetzt, daB die Resultate 
mit den beiden Indikatoren nicht mehr als um 0,1 differieren. Bestim- 
mungen dieser Art erfordern bei einiger Uebung ca. 3—5 Min. 


b) Ablesung bei gefarbten bis getrubten Medien. 

Eine auBerordentlich stark deckende Farbung kann durch Ver- 
diinnen des Mediums auf das 3-fache seines Volumens mit einer Neutral- 
salzlosung, z. B. NaCI von ungefahr gleicher Konzentration behoben 
werden 8 ). Eine storende Triibung konnte ich jedesmal durch starkes 
Zentrifugieren ausgezeichnet entfernen. Es sei jedoch bemerkt, daB 
obige Verhaltnisse Ausnahmen sind und daB man in 95 Proz. der F&lle 
unter Verwendung des Walpoleschen Prinzips 4 ) vSllig befriedigende 
Resultate erhalt. 

Nachdem die unter a) beschriebenen Vorbereitungen getroffen sind, 
wird in die zweite Reihe des Komparators hinter die Standard-Puffer - 
mischung ein Jenaer Reagenzrohrcben gestellt, welches 10 ccm des zu 
messenden Mediums enthait 5 ). Neben die Puffermischung, also in die 
erste Reihe, kommt ein Rohrchen mit 10 ccm Medium, dem 5 Tropfen 
des passenden Indikators zugesetzt sind. Die Farbnuance der Puffer¬ 
mischung erscheint nun komplementiert durch die Farbnuance des Me¬ 
diums. Die Puffermischungen werden so lange ausgewechselt, bis man 
die Farbnuance hergestellt hat, welche das Medium mit dem Indikator 
aufweist. Der endgiiltige pH-Wert ist auch hier wiederum durch den- 
jenigen der hierzu notigen Puffermischung gegeben, und die Bestimmung 
erfolgt mit ebensolcher Genauigkeit unter Verwendung des hier uner- 
laBlichen Kontrollindikators in ca. 5 Min. wie bei farblos-klaren Medien. 


c) Herstellung eines bestimmten pH-Wertes. 

Es tritt haufig der Fall ein, daB in einem in bezug auf seine Disso- 
ziationsverhaltnisse nicht naher bekannten Medium ein bestimmter ph- 
Wert herzustellen ist. Dies ist vor allem bei den verschiedenen Nahr- 
substraten der Fall. Es sei daher beispielsweise die Einstellung des 
Nahragars beschrieben 6 * ). 


1) Es erhoht die Sieherheit der Bestimmung, besonders bei Medien, die eine Kom- 
plementierung ihrer Farbnuance erfordern, wenn man 2 in ihren pH-Werten ineinander 
ubergreifende Indikatoren gebraucht. 

2) Der pH-Wert kann demgemafi sehatzungsweise auf 0,1 genau angegeben werden. 

3) Vorausgesetzt, dati das betreffende System gepuffert ist. 

4) Walpole, G. S., Biochem. Journ. Vol. 5. 1910. p. 207. 

5) Bei ganz leicht getrubten Medien kann es von Bedeutung werden, wenn durch 
Zusatz von 5 Tropfen destillierten Wassers an Stelle des Indikators dieselben Verdiin- 
nungsvcrhiiltnisse geschaffen werden, wie solche in der Puffermischung vorliegen. 

6) Es ist notwendig, dafl in diesem Zusammenhange auf die Herstellung des Nahr¬ 

agars eingegangen wird. 


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Acklin, Bestimmung der pH-Werte in der bakteriologischen Technik. 55 [ 


Liebigs Fleischextrakt, Pepton, Kochsalz und der fein zerkleinerte 
Agar werden in den gehorigen Gewichtsverh&ltnissen in das entsprechende 
Quantum destillierten Wassers gegeben und ca. 20 Min. im Autoklav 
gehalten. Nachdem sich dieser so weit abgekiihlt hat, dafi er nicht mehr 
unter Druck steht, wird das noch heifie dfinnfliissige Agargemisch her- 
ausgenommen. Es stellt eine beinahe klare Losung dar, an deren Grunde 
sich die nicht quellfahigen Bestandteile ausgeschieden haben. Von der 
klaren Fliissigkeit werden in einige Jenaer Reagenzrohrchen je 10 ccm 
abpipettiert und diese im Wasserbade von 60—70° aufbewahrt. Ein 
solches Rohrchen wird mit 5 Tropfen Bromthymolblau versetzt und gut 
gemischt. Es weist eine gelbbraune Farbnuance auf. Dieses Rohrchen 
wird in den Komparator neben die Bromthymolblau - Standardpuffer- 
mischung vom pH-Wert 7,4*) gestellt. Hinter diese kommt ein Rohr¬ 
chen mit 10' ccm Nahragar zu stehen, wodurch die Farbnuance des 
ersteren komplementiert wird. Nun wird zu den beiden Rdhrchen mit 
Nkhragar aus einer Tropfflasche (5 Tropfen = 0,1 ccm) 1 2 ) unter gutem 
Durchmischen vorsichtig je die gleiche Tropfenzahl n^NajCOg-LSsung 
zugegeben 3 ). 1st der Agar so endlich auf die Farbnuance der komple- 
mentierten Standardpuffermischung eingestellt, wird derselbe Versuch 
unter Verwendung von Phenolrot wiederholt. Aus der zur Alkalisierung 
verbrauchten Menge n/2Na 2 C0 3 -Losung pro 10 ccm wird die fur das 
Gesamtvolumen notwendige Menge berechnet und diese in Form einer 
n/1 Sodalosung zugegeben. 

Angenommen, es waren 12 Tropfen n/^Na^Og-Losung zur Einstel- 
stellung von 10 ccm Agarfltissigkeit verbraucht worden, ergibt dies 
0,24 ccm n/2Na 2 CO s = 12,0 ccm, n/1 Na 2 C0 8 -Losung pro Liter Nahragar 
von ph = 7,4. Der so alkalisierte Nahragar wird nach guter Durch- 
mischung durch Watte filtriert, in Rohrchen abgefullt und im Auto- 
klaven bei 108° wahrend 10 Min. sterilisiert. Der nunmehr gebrauchs- 
fertige Nahragar wird auf seine End-pH-Reaktion, wie folgt, nochmals 
gepruft: 

Vom flussigen oder verflussigten Nahragar, der auf 50° zurfickge- 
kuhlt wurde, werden mit vorgewarmter Pipette in 3 Jenaer Reagenz¬ 
rohrchen je 10 ccm abpipettiert, und so rasch als mbglich wird ein 
RShrchen mit 5 Tropfen Bromthymolblau und ein zweites mit 5 Tropfen 
Phenolrot versetzt, gleichmaBig durchmischt und auf Laboratoriums- 
temperatur abgekiihlt. Nicht unter 17° wird unter Verwendung des 
3. Agarrohrchens als Komplementagar in bekannter Weise der pH-Wert 
festgestellt. Es wurde mit groKer Genauigkeit fast ausnahmslos ein p H - 
Wert zwischen 7,1—7,3 gefunden 4 ). 

1) Wenn der Nahrboden einen End-pH-Wert von 7,2 haben soil, da erfahrungs- 
gemiifi die nachfolgende Behandlungsweise diesen um 0,2 erniedrigt. 

3) Es entspricht dabei jeder Tropfen = 1,0 ccm N-Alkalilosung pro Liter Nahr- 
substrat. 

2) Der Laugenzusatz mufi auch im Komplementagar erfolgen, damit dieselben 
Konzentrationsverniiltnisse, vor allem aber dieselben Eigenfarbverhaltnisse wie im Agar 

mit Indikator, vorhanden sind. 

4) Zur Einstellung von Niihrsubstraten fur den Massenverbrauch geniigt es in 
folgender vereinfachter Weise zu arbeiten. Man notiert sich die im Laufe der Zeit bei 
der Herstellung der verschiedenen Nahrsubstrate jeweils zur Einstellung auf den pH- 
Wert 7,4 gebrauchte Anzahl Kubikzentimeter Alkalilosung. Im geeigneten Zeitpunkt 
bei der Herstellung der Nahrsubstrate versetzt man dieses mit der gcfundenen Anzahl 
Kubikzentimeter Alkalilosung und kontrolliert nunmehr das gebrauchsfertige Nahrsub- 
strat in der angegebenen Weise auf seinen End-pH-Wert. 


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552 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/a. 


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Es mag zum SchluB noch erwkhnt sein, daB obige Art der Her- 
stellung des Nahragars auch fur Bouillon und Gelatine x ) unter denselben 
wesentlich vereinfachten Bedingungen mit gutem Erfolg vorgenommen 
werden kann. 


Nachdruck verbal ev. 

Einzeitige Karbolfuchsin-Methylenblaufarbung. Hire Ver- 
wendbarkeit ftir dlagnostiscbe Zwecke, speziell fur den 
Nachweis der Negriscben Korpercben. 

[Aus der Station ftir Tierseuchendiagnostik an der Staatl. Tierimpfstoff- 
gewinnungsanstalt in Modling bei Wien.] 

Von Direktor Dr. F. Gerlach. 

Mit dem in Heft Nr. 7 des IV. Jahrganges der Wiener Tierarzt- 
lichen Monatsschrift (1917) von mir veroffentlichten Beitrage zur F&rbung 
der Negrischen Korperchen im Abklatschpraparate beabsichtigte ich, 
die den von van Gieson und Frottingham ftir die Schnelldiagnose 
der Lyssa angegebenen Methoden anhaftenden Mangel mdglichst zu be- 
seitigen. Dies ist vorerst mit dem von mir verwendeten Farbgemisch 
insofern nicht vollends gelungen, als den wahrend des Krieges aus den 
verschiedensten Quellen bezogenen Farbstoffen die notige Verlafilichkeit 
mangelte, da sie sich infolge ihrer ungleichmaBigen Zusammensetzung 
in sehr verschiedenem Grade wirksam erwiesen. Als mit der Riickkehr 
geordneter Verh&ltnisse nach dem Kriege auch die Beschaffung der im 
bakteriologischen Laboratorium wohlbewahrten Farbstoffe wieder moglich 
geworden war, unterzog ich deshalb das von mir fiir die Diagnose der 
Lyssa geiibte Verfahren der einzeitigen Farbung mit einem Gemisch von 
Karbolfuchsin und Loefflerschem Methylenblau einer Revision und 
erzielte seither gleichmafiige und gute Resultate, sofern unter Einhal- 
tung nachstehender Vorschriften fiir die Herstellung des Karbolfuchsins 
Grublers „Fuchsin f. Bac.“ und fiir die Bereitung von Loefflers 
Methylenblau „Methylenblau medicinale purum (Hochst)“ oder Dr. Griib- 
lers ^Methylenblau Koch f. Bac.“ verwendet wurden. 

I. Die Stammlosungen: 

1) Karbolfuchsin. Aqua dest. 100,0 ccm, Acid, carbol. liquefact. 
5,0 ccm (Schutteln!), gesattigte alkoholische Losung von Fuchsin 
10,0 ccm. 

2) Basisches Methylenblau: Gesattigte alkoholische 
Losung von Methylenblau 30,0 ccm, Aqua dest. 100,0.ccm, 1-proz. Kali- 
lauge 1,0 ccm. 

1) Zusatze irgendwelcher Art erfolgen zweckiniifiig iiumer vor der letzten Filtra¬ 
tion und der darauffolgenden Sterilisation in Rohrchen im x\utoklav. Zur „Einstel- 
lung“ der Gelatine mag es eventuell zweckmaBig erecheinen, eine 2/n Na,CO,,-Losung 
zu verwenden. Fiir besondere Zwecke werden entsprechend andere Elektrolyte ge- 
braucht. 


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Oerlach, Einzeitige Karbolfuchsin-Methylenblaufarbung usw. 


553 


II. Die zur Farbung dienende Mischung: 

Aqua dest. 50,0 ccm, Karbolfuchsin 3,0 ccm, basisches Methylenblau 
6,0 ccm. Die fertige Mischung muB in der Durchsicht blau erscheinen 
mit einem deutlichen Stich ins Rote. Trotz langerer Haltbarkeit der 
Farbmischung ist ihre Aufbewahrung iiber 24 Std. nicht zu empfehlen. 

Die einzelnen Fliissigkeitsmengen sind mittels Pipetten, die gut ge- 
reinigt in Alkohol aufbewahrt werden und nach Durchspulen mit Wasser 
jederzeit gebrauchsfertig sind, abzumessen. 

III. Die Farbung: 

1) Fixieren der lufttrockenen Ausstrich- oder Abklatschpraparate 
des Ammonshornes einige Minuten in Methylalkohol oder absolutem 
Alkohol. 

2) Abspiilen unter dem Wasserstrahl, Abschwenken der anhaftenden 
Wasserreste. (Nicht abtrocknen!) 

3) Bedecken des Objekttr&gers mit der Farbmischung und Erhitzen 
bis zur Dampfbildung. Schaukeln des Objekttragers mit der warmen 
Farbmischung. AbgieBen der FSrbefliissigkeit. Dieser Vorgang wird 
noch zweimal wiederholt unter jedesmaliger Erneuerung der F&rbe- 
flflssigkeit. 

4) Abspiilen unter dem Wasserstrahl. 

5) Abtrocknen und Untersuchen ohne oder mit DeckglaseinschluB. 
Ganglienzellen blau, Negrische Korperchen rot mit blauer Innen- 
struktur. Rote Blutkorperchen ungefarbt oder blafirot, als solche keines- 
falls zu verkennen. 

Diese F&rbemethode zum Nachweis der Negrischen Korperchen 
ist inzwischen nicht nur in meinem Institute, sondern auch anderw&rts 
erprobt worden und wird nunmehr, wie mir teils miindlich, teils schrift- 
lich mitgeteilt wurde, von mehreren Untersuchungsstellen wegen ihrer 
Einfachheit, Raschheit und Sicherheit fur diese Zwecke ausschliefilich 
angewendet. 

In Nr. 10 der „Feldtierarztlichen Mitteilungen“ der k. u. k. 2. Arraee 
(Marz 1918) hat Jarmai iiber giinstige Erfahrungen mit der „Ger- 
lachschen Farbungsmethode bei Wut“ berichtet, die er als eine Ver- 
vollkommnung der van Giesonschen Wutfarbung und als nutzliche 
Bereicherung der histologiseh-diagnostischen Technik bezeichnet. 

Schon in meiner 1. Veroffentlichung habe ich darauf hingewieseu, 
daB mit Hilfe dieser Methode auch der Nachweis der „Staupekorperchen“ 
in Ausstrichen aus dem Sekrete der Augen- und Nasenschleimhaute und 
aus katarrhalpneumonischen Herden staupekranker Hunde mit Leichtig- 
keit zu erbringen ist. In dieser Hinsicht hat sich dieses Verfahren auch 
schon in einer groBeren Zahl von Fallen praktisch bewahrt, wo Hunde- 
kopfe mit dem Ersuchen auf Stellung einer Differentialdiagnose zwischen 
nervoser Staupe und Wut eingesendet worden sind. Die Staupekorperchen 
sind hier ebenso wie bei Anwendung der komplizierteren Lentzschen 
oder Mannschen Farbung als homogene rote, zuweilen auch mit m. o. w. 
zahlreichen und verschieden angeordneten, ungefarbten, vakuolenahn- 
lichen Innenstrukturen versehene Gebilde zu erkennen. 

Haufig konnte ferner die Wahrnehmung gemacht werden, daB so- 
wohl die in Ausstrichen aus Konjunktival- und Nasensekret staupekranker 
Hunde als auch die in Abklatschpraparaten aus faulig zersetzten Ge- 


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Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


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hirnen oft in groBen Mengen vorhandenen Bakterien bei dieser Ffirbe- 
methode besonders gut geffirbt und vortrefflich differenziert erscheinen. 

Es war daher naheliegend, die eiDzeitige Ffirbung mit Karbolfuchsin- 
Methylenblau auch hinsichtlich ihrer Tauglichkeit fur die Farbung ver- 
schiedenartiger mikroskopischer Praparate sowohl an Bakterien als aueh 
an Protozoenmaterial zu erproben. Wie im Verlaufe diesbezflglicher, 
langw&hrender Untersuchungen ermittelt werden konnte, ist dieses Ver- 
fahren sehr wohl geeignet, die verschiedensten Arten von Mikroorganismen 
in mikroskopischen Ausstrichpraparaten gut geffirbt und differenziert zur 
Darstellung zu bringen, manche von ihnen sogar klarer und besser dif¬ 
ferenziert, als dies sonst in Uebersichtsprfiparaten unter Zuhilfenahme 
der fur die Deckglasmethoden gebrfiuchlichen Anilinfarbstofflosungen 
mfiglich ist. Diagnostisch besonders wertvoll erweist sich die einzeitige 
Farbung von Uebersichtsprfiparaten mit Karbolfuchsin-Methylenblau 
namentlich fiir den Nachweis von Bakterien der hamorrhagischen Septik- 
amie (Gefliigelcholera, Schweineseuche), Bangschen Abortusbazillen, 
Eiterstreptokokken, Rauschbrandbazillen, anaeroben Sporenbildnern fiber- 
haupt u. dgl. m. Geflfigelspirochfiten und Trypanqsomen von der Ratte 
konnten auf diese Weise ebensogut wie mit Giem sa-Losung zur An- 
schauung gebracht werden. 

Fiir die Darstellung von Mikroorganismen mit Hilfe der einzeitigen 
Karbolfuchsin-Methylenblaufarbung ist auch eine Vereinfachung in der 
Behandlung der mikroskopischen Praparate insofern zul&ssig, als an Stelle 
der Alkoholfixierung die Fixierung der Ausstriche uber der Flamme des 
B un sen-Brenners treten kann und daB mit einmaligem AufgieBen der 
FSrbefliissigkeit und dreimaligem Erhitzen bis zur Dampfbildung, also 
ohne Erneuerung der Farbmischung, das Auslangen zu finden ist. 

Die Bakterien erscheinen blau, das sie umgebende Medium, je nach 
seiner Beschafifenheit, rot bis blauviolett. 

Selbstverstandlich kann die von mir angegebene Fkrbemethode dia¬ 
gnostisch nur in solchen Fallen Anwendung finden, wo auf die Fest- 
stellung der Gram - Festigkeit verzichtet werden kann. Bei Studien 
fiber die Zahl, Verteilung und Struktur von Mikroorganismen dflrften 
sich ihr weitere Anwendungsgebiete eroffnen. 


Nachdruck verboten. 

Studien liber Bakteriophagenwirkung. 

[Aus der Biologischen Abteilung des Staatl. Serotherapeutischen Institutes 

in Wien.] 

Von Torahiko Ikorna (Nagoya, Japan). 

I. VermSgen durch Bakteriophaeen abgebaute Bakterien Agglntlnin 

zu binden l 

Die folgende Untersuchung beschaftigt sich mit der im Titel ange- 
fuhrten Frage, ob der Bakteriophage bei seiner Wirkung auf Bakterien 
ihre Agglutinin - bindenden Eigenschaften zerstfirt, wodurch wir einen 
Anhaltspunkt ffir die Tiefe des EiweiBabbaues gewinnen kfinnen. Wenn 


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Ikoma, Studien iiber Bakteriophagenwirkung. 


555 


namlich das arteigene EiweiB der Bakterien bei der Bakteriophagen¬ 
wirkung unversehrt bleibt, so mull auch die agglutininbindende Kraft 
erhalten bleiben, w&hrend wir aus dem Verschwinden dieser Eigenschaft 
auf eine Zerstorung des arteigenen Eiweifies schlieBen konnen. 

Die Untersuchungen wurden aus einem aus Taubenkot hergestellten 
(d’Herelle, Der Bakteriophage, 1922), auf B. dysenteriae Shiga 
kr&ftig wirkenden Bakteriophagen ausgefiihrt, von welchem 1 Tropfen 
geniigte, um eine mit einer Oese beimpfte Agarkultur vollkommen zu 
sterilisieren. Dieser Bakteriophage wurde in eine mit B. dysenteriae 
Shiga beimpfte Bouillonkultur eingetragen und nach 24 Std. die Kultur 
zur Halfte keimfrei filtriert, zur H&lfte durch Erhitzen auf 56 0 sterilisiert. 
Es wurde nun geprflft, ob durch diese Kultur ein agglutinierendes Serum 
in seiner Wirkung gehemmt wird Oder nicht, ob also die durch den 
Bakteriophagen gelOsten Bakterien imstande waren, den Agglutinations- 
titer herabzudriicken oder nicht. 


Versuchsanordnung: 


1. /1 ccm I. 
II./I „ 

III. /I „ 

IV. /I „ 

V. /1 „ 

VI./l „ 
VII./I „ 
VIII./I „ 
IX. /1 „ 


s. 

Sh. (1:100) -t- 0,5 

ccm 

Bouillon / + 0,5 

ccm 

B. Sh. Agglut. 

>1 

(1:500) + 0,5 

tt 

) 

1 + 0,5 

tt 

»» it 

it 

(1:1000) + 0,5 

tt 

>> 

1 + 0,5 

tt 

tt ft 

•it 

(1 :100) + 0,5 

it 

L56 

/ + 0,5 

tt 

it tt 

It 

(1: 600) + 0,5 

tt 

tt 

/ + 0,5 

tt 

tt tt 

ff 

(1:1000) + 0,5 

tt 

t % 

/ + 0,5 

tt 

it a 

n 

(1:100) + 0,5 

tt 

Lf 

/ + 0,5 

tt 

i■ a 

it 

(1 : 500) + 0,5 

it 

It 

/ + 0,5 

tt 

tt tt 

tt 

(1:1000) + 0,5 

tt 

tt 

/ + 0,5 

tt 

it tt 


Zeichenerklarung: I.-S. Sh. = agglutinierendes Immunserum f. B. dysenteriae 
Shiga; B. Sh. = Aufschwemmung von B. dysent. Shiga in Bouillon; L56 = durch 
Bakteriophagenwirkung geloste Kultur von B. dysent. Shiga bei 56° abgetotet; Lf = 
durch Bakteriophagenwirkung geloste Kultur von B. dysent. Shiga keimfrei filtriert; 
/ / r= 1 Std. bei 37° (zwecks Bindung). 


Es zeigte sich, daB weder die erhitzten noch die durch Filtration 
von Bakterienleibern befreiten, der Bakteriophagenwirkung unterworfenen 
Bakterien eine Hemmung der Bakterienwirkung herbeizufiihren imstande 
sind. Es vermogen also die durch Bakteriophagen aufgelosten Bakterien 
kein Agglutinin zu binden. 

Dagegen vermag, wie d’Herelle angibt, das Lysin in Gegenwart 
einer Bakterienaufschwemmung komplementbindend zu wirken (d’He¬ 
relle, Der Bakteriophage und seine Bedeutung fiir die Immunitat, 1922, 
S. 92). Nach diesen Ergebnissen hat also das Lysin, d. h. die durch 
Bakteriophagen aufgelosten Bakterienleiber, denen wieder lytische F&hig- 
keit innewohnt, in Gegenwart der Bakterien, welchen sie entstammen, 
wohl komplementbindende, aber nicht agglutininbindende Eigenschaft. 
Vom biochemischen Standpunkte aus kann das bedeuten, daB der Abbau 
durch den Bakteriophagen ziemlich tiefgreifend erfolgt, da wir wissen, 
daB die agglutinogene, nicht aber die komplementbindende Eigenschaft 
an EiweiBkorper gebunden ist. 


II. Werden bei der Bakteriolyse Bakteriophagen frei ? 

Die Frage, ob bei der Bakteriolyse Bakteriophagen frei werden, 
wurde in der Weise gepriift, daB Choleravibrionen der Bakteriolyse 
unterworfen wurden und in der Fliissigkeit nach Bakteriophagen ge- 
sucht wurde. Zu diesem Zwecke wurde der bekannte Pfeiffersche 
Versuch angestellt: Injektion von Choleravibrionen gleichzeitig mit einem 


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556 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 

hochwirksamen Immunserum in die Bauchhohle von Meerschweinchen. 
Nach l /i Std. wurde das Peritonealexsudat entnommen und versucht, in 
diesem Exsudat Bakteriophagen fGr Choleravibrionen zu erhalten, indem 
in der von d’Herelle angegebenen Weise mehrere Rohrchen mit 
fallenden Mengen von Choleravibrionen beimpft und das Peritoneal¬ 
exsudat tropfenweise hinzugefiigt wurde. Nach 1 Std. wurden SchrSg- 
agarrohrchen beimpft. Weder diese noch die Bouillonrohrchen zeigten 
eine Spur von Bakteriophagenwirkung. Der Versuch wurde fortgesetzt, 
am eine Anreicherung der etwa vorhandenen Bakteriophagen zu erzielen. 
Auch dieser Versuch war vergeblich. Das praktische Ergebnis war also, 
daB es nicht gelang, Bakteriophagen durch die Bakteriolyse oder, vor- 
sichtiger ausgedrflckt, bei der Anstellung des Pfeifferschen Versuchs, 
zu erhalten. 

Bei diesen Versuchen ging ich von der Annahme aus, daB bei dem 
Pfeifferschen Versuch eine Bakteriolyse, also eine Auflosung der 
Bakterienleiber, erfolge, eine Annahme, welche allerdings durch die 
Versuche d’Herelles (Der Bakteriophage und seine Bedeutung ffir 
die ImmunitSt, S. 118) in Frage gestellt erscheint. Immerhin scheinen 
mir die von dem genannten Autor angefiihrten Tatsachen durchaus nicht 
daffir zu sprechen, daB flberhaupt keine Bakteriolyse erfolge, vielmehr 
lassen sich seine Versuche darait erklaren, daB wohl ein Teil der Vibrionen 
durch das agglutinierende Serum, auch in Gegenwart von bakteriolyti- 
schem Komplement, geschfltzt wird, doch beweist der Versuch durchaus 
nicht, daB nicht etwa ein anderer Teil der Vibrionen gelost wird, also 
der Bakteriolyse unterliegt. Wie sollte man sich sonst das Auftreten 
der Bakteriengranula und vor allem das zweifellose Verschwinden der 
weitaus groBten Zahl der Keirae erklaren? Auch wenn sich die Zahl 
der Granula, wie d’Herelle angibt, nicht verringert, so spricht das 
nicht gegen die Auffassung, daB die Granula nur Reste von Vibrionen 
sind, daB also eine Bakteriolyse vorangegangen und zur Bildung der 
Granula beigetragen hat. In vitro, das wird auch von Pfeiffer an- 
gegeben, wird stets nur das Granulastadium erreicht, in vivo konnen 
die Vibrionen vollkommen aufgelost werden (Pfeiffer, Dtsch. med. 
Wochenschr. 1896. S. 99). Es mufi also zunachst unbedingt an der 
Pfeifferschen Vorstellung festgehalten werden, daB das PhSnomen. 
gleichgultig, ob es nur bis zur Granulabildung oder bis zur gSnzlichen 
Auflosung fuhrt, ein Ausdruck der Bakteriolyse ist. 

Wir konnten also durch Bakteriolyse keine Bakteriophagen frei 
machen, oder, anders ausgedriickt, eine Fliissigkeit, welche durch Bak¬ 
teriolyse aufgeloste Bakterien enth&lt, vermag keine bakteriolytische 
Wirkung auf die Bakterien gleicher Art zu entfalten. Ein Moment muB 
freilich noch erwahnt werden. Wie aus d'Herelies Arbeiten hervor- 
geht, gelingt es nur schwer, Bakteriophagen fiir Choleravibrionen zu 
erhalten; doch wurden gerade diese Vibrionen gewShlt, weil der Ein- 
wand wegfiel, es seien bereits im Ausgangsmaterial Bakteriophagen vor- 
handen gewesen. 


Zusammenfassung. 

1) Durch Bakteriophagen aufgeloste Bakterien binden kein Agglu¬ 
tinin. — 2) Bei der AuflSsung von Choleravibrionen im Pfeifferschen 
Versuche werden keine Bakteriophagen frei. 

Abgeschlossen 1. Januar 1924. 


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Hilgers, Haushaltungsvakuumapparate in d. Technik d. Anaerobenzuchtung. 557 


Nachdruck verboten. 

Die Verwendung der Haushaltungsvakuumapparate in der 
Technik der Anaerobenzuchtung. 

[Aus dera Hygienischen Institut der Universitat Kbnigsberg (Pr.) 

(Direktor: Prof. Dr. Selter).] 

Von Privatdozent Dr. W. E. Hilgers. 

Die Plattenkultur zur Gewinnung isolierter Kolonien anaerober 
Sporenbildner ist dadurch in ihrer technischen Ausfflhrung erschwert, 
daB zur Herstellung des sauerstoffarmen Raumes ausgedehnte teure 
Nebenapparate (Kippscher Apparat, Kohlensaurebombe, Wasserstrahl- 
pumpe usw.) notig sind, deren Anschaffung heutzutage fast unmoglich 
ist. Die Lentz-Platte mit dem Plastilinring ebenso wie deren Modi- 
fikationen leiden unter dem Uebelstande, daB im Brutschrank durch die 
W&rmedehnung das Plastilin nicht immer luftdicht abschlieBt und der 
Bedarf an dem teuren Pyrogallol fiir jede Platte unverh&ltnismaBig groB 
ist. Hierdurch eignen sich diese Methoden nicht zur Serienzflchtung 
mit groBen Plattenraengen. 

Zwar geniigt im groBen und ganzen zur Kultur luftscheuer Bazillen 
bei entsprechender Ausgangsverdiinnung die Schflttelkultur in hoher 
Traubenzuckeragarschicht mit nachtraglicher Reinziichtung der gewach- 
senen Einzelkolonien im Stich, doch ist die Methode dann nicht aus- 
reichend, wenn das Aussehen und das Wachstum der anaeroben Bazillen 
auf der Oberflache optirnaler Nahrboden, z. B. der Zeifilerschen Blut- 
traubenzuckeragarplatte, zur Identifizierung im wesentlichen ahnlicher 
sporenbildender Anaerobier herangezogen werden soli. 

Ein erheblicher Fortschritt in der anaeroben Plattenkultur bedeutet 
die Benutzung der Bluttraubenzuckeragarplatte nach ZeiBler 1 ), deren 
Bebrutung in dem sogenannten MaaBenschen Apparate geschieht, 
dessen Sauerstoff teils physikalisch durch Luftabsaugung. teils chemisch 
durch Pyrogallolalkali entfernt ist. Die GroBe des luftverdunnten Raumes 
gestattet die gleichzeitige Aufstellung einer ganzen Reihe von Platten 
und Rohrchen, die Luftverdiinnung bedeutet eine erhebliche Ersparnis 
an Pyrogallol. 

ZeiBler 2 ) hat in einem derartig luftverdtinnten Apparate auf Grund 
der Wachstumsverschiedenheit auf der Traubenzuckeragarplatte eine 
systematische Differenzierung der anaeroben Sporenbildner vorgenommen, 
die nach den hier im hygienischen Institut gemachten Nachpriifungen 
recht brauchbar zu sein scheint. 

Da hierbei groBere Mengen von Plattenkulturen unter anaeroben 
Verhaitnissen anzulegen waren und mir ein MaaBenscher Apparat 

1) ZeiBler, Dtsch. med. VVochenBchr. 1917. Nr. 28. 

2) Vortrag auf dem Mikrobiologentage Wurzburg 1922; vgl. auch das Kapitel 
von ZeiBler „Die Technik der Anaerobenziichtung“. (Handb. d. mikrobiolog. Techn. 
v. Krauu-Uhlenhuth. Bd. 2. S. 961 ff. [Urban u. Schwarzenberg]. Berlin 1923. 


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558 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


nicht zur Verffigung stand, muBte ich mich nach einem Ersatze umsehen. 
Hierzu habe ich den bereits seit langerer Zeit in den Handel gebrachten 
und in vielen Haushaltungen benutzten Vakuumapparat zur Kon- 
servier un g von Nahrungsmitteln in Weckglfisern als Er¬ 
satz desMaaBenschen Apparates herangezogen. (Ich benutzte 
<ien von der Firma Sirokl u-Leipzig, freundlichst zur Verfflgung ge- 
stellten Siroklu-Apparat, der mit FuBpumpe und Pumpschlauch ge- 
liefert wird. Als Extraanschaffung ist nur eine Garnitur von moglichst 
weiten Weckglasern zur Aufnahme von P e t r i - Schalen passend, er- 
forderlich. 


Die Bedienung des Apparates ist auBerordentlich einfach. Die fertig 
beimpften Petri-Schalen kommen in genfigend weite Weckgiaser, auf 
deren Boden eine entsprechende Menge Pyrogallol niedergelegt ist. 
Gleichzeitig wird ein mit 50-proz. Kalilauge geffllltes Rfihrchen inittels 
eines Pappkragens auf dem Boden des Weckglases schrag aufgestellt, aus 
dessen enger Oeffnung spater durch Neigen des durch den Luftdruck ver- 
schlossenen Weckglases die Kalilauge ausflieBt und die Mischung von 
Pyrogallol und Kali nach der Luftverdfinnung vor sich geht. Nach etwa 
3 Dutzend Ziigen der FuBpumpe ist ein Luftdruck von 10—20 mg Queck- 
silber, wie an dem auBen angebrachten Vakuummeter jederzeit abgelesen 
werdeii kauu, cr^aiahl^gfljtfinnen eine Anzahl Weckgiaser schnell hinter- 
einander gefiillt und versCiTlSS^a, werden, wobei die Weckgiaser ohne 
vorspringende Ecken und Kanten, ofcue Hahne und andere sperrige Ver- 
schlusse leicht in jedem Brutschrauk Platz finden. Soweit bis jetzt 
unsere Erfahrungen reichen, wuchsen di^ anaeroben Sporenbildner gut 
und typisch. In der Herstellung der Nahrk’iden und den ubrigen tech- 
nischen Einzelheiten folgten wir den Angaber. von ZeiBler. Die von 
ihm beobachtete starke Reduktion des Hamoglolf.ns der Traubenzucker- 
agarplatte trat auch bei Benutzung des S ir o k 1 u O.pparates deutlich in 
Erscheinung. Unsere Erfahrungen mit diesem Apj^rate, dessen An- 
schaffung alle ubrigen teuren Nebenapparate auBer eine^Anzahl Weck¬ 
glasern iiberfllissig macht, sind so giinstig, daB er besomfrs fur kleine 
Laboratories die fiber eine Wasserstrahlpumpe nicht verffiten, geeignet 
sein dfirfte. Bei Benutzung der von ZeiBler in der \chnik der 
Anaerobenzfichtung eingeffihrten Traubenzuckeragarplatte belputet die 
Verwendung eines solchen leicht zu handhabenden, verhan-usinfiBig 
billigen Vakuumapparates mit einer Garnitur von Weckglaso-ji eine 
erhebliche technische und wirtschaftliche Erleichterung. 


Nachdrurk verbote 

Bemerkungen 

zu dem vorstehenden Aufsatze von Prlvatdozent Dr. Hllgers iil er 
die Verwendung der Haushaltsvakuumapparate in der I ecu a r 

AnaSrobenziichtung. 

[Aus dem Hygienischen Institut der Universitfit Jena.J 


Von Prof. Dr. Abel. 


Der Aufsatz von Dr. Hilgers bi ® te ^ uns T ^f e e r guchungen fiber f/?’ 
daB wir vor einigen Jahren im AnschluB a “ ken Winkler & d ,e 
Brauchbarkeit des von den Anhalter Me o., 


; 


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Abel, Bemerk. zu dem vorstehenden Aufsatze von Privatdoz. Dr. Hilgers. 559 


Dessau, hergestellten Vakuumapparates Hermetisator fur die Kon- 
servierung von Nahrungsmitteln im Haushalt ebenfalls den Gedanken 
verfolgt haben, diesen Apparat fflr die Anaerobierziichtung zu ver- 
wenden. 

Der Hermetisator stellt ein eimerartiges BlechgefaB dar, mit dem eine einfache 
Ventilpumpe fest verbunden ist. Die dunm Vakuumwirkung zu verschliefienden Ge- 
iafie, Grlanaosen von Week, Rex usw., werden mit Gummiring- und MetallbiigelverschluB 
zwischen verstellbare Haltbleche unverriickbar in den Apparat eingesetzt. Dann wird 
dieser bis oben mit Wasser gefullt und ein Blechdeekel, der nur in der Mitte eine 
kleine Durchbohrung hat, auf einen starken Gummiring in den oberen Teil des Apparate* 
gelegt. VerechlieBt man nun die Bohrung im Apparatdeckel mit dem Finger, driickt 
den Deckel fest auf seine Gummiunterlage und pumpt Wasser aus dem Apparate, so 
tritt Luft aus den Konservenglasern in den Apparat aus, und es entsteht in aen Glfisern 
wie im Apparate eine Luftverdiinnung, deren Starke von der Zahl der PumpeDhiibe 
abhangt. Wenn man schliefilich die mit dem Finger verschlossene Bohrung im Appa- 
ratdecbel wieder freigibt, stromt durch sie Luft in den Apparat, nicht aber in die 
Glaser ein, vielmehr schlieBen diese infolge des Vakuuras in ihnen sehr fest. 

Der Hermetisator scheint uns noch einfacher gebaut und verwend- 
bar zu sein, als der erst spater in den Handel gebrachte, von Dr. Hilgers 
benutzte, uns tibrigens nur nach Abbildungen bekannte „Siroclu-Moment“. 
Unsere anf&nglich gehegte Hoffnung, mit dem Hermetisator die Luft so 
vollstandig aus den Konservenglasern auspumpen zu kbnnen, daB die 
Anaerobier ohne weiteres darin wachsen wtirden, hat sich freilich nicht 
erfflllt. Wir konnten der Absorption des noch in den Gl&sern ver- 
bleibenden Sauerstoffrestes nicht entraten und sind, Shnlich wie Dr. 
Hilgers, so vorgegangen, daB wir auf den Boden der Konserven- 
glSser Pyrogallol und Kali causticum in Substanz brachten, neben den 
Kulturgeraten ein leicht kippbares Gefafi mit Wasser in die Glaser 
stellten und dies GefaB nach dem Auspumpen umkippten, worauf die 
entstehende alkalische Pyrogallollosung rasch den Rest des Sauerstoffes 
in den Konservenglasern absorbierte. Als KulturgerSte haben wir 
Agarplatten, ferner Agar- und Bouillonrbhrchen mit WatteverschluB 
oder Schillschen Glaskappen benutzt, als Kulturen Tetanus-, Gasbrand- 
und Buttersaurebazillen. Ein Sprengen der KonservenglSser durch den 
auBeren Luftdruck ist uns nie vorgekommen. Fur die Messung des 
Vakuums hatten wir uns seinerzeit von der den Hermetisator her- 
stellenden Fabrik einen Aufsatz auf die Durchbohrung des Deckels 
fertigen lassen, der mit einein Manometer verbunden werden konnte. 
Wir haben aber praktisch von der Vakuummessung abgesehen, weil 
vollige Luftleere doch nicht zu erzielen war, und die Erfahrung bald 
lehrte, wie viele Pumpenhflbe jeweils notig waren. 

Wir konnen also nach unseren Erfahrongen mit dem Hermetisator 
die Angaben von Dr. Hilgers ganz best&tigen und auch unsererseits 
die Haushaltsvakuumapparate, speziell den Hermatisator, als ein ein- 
faches, sauberes und erfolgreiches Hilfsmittel fiir die Anagrobierztichtung 
empfehlen. Ihre Anwendung wird besonders dann in Frage kommen 
konnen, wenn eine groBere Zahl anaerober Schalen- oder gewohnlicher 
Rohrchenkulturen (also nicht in holier Schicht oder als Koksbouillon 
usw.) gleichzeitig angelegt werden soil. Der Vorteil liegt dann in dem 
schnellen und sicheren VerschluB der als Aufnahmebehalter dienenden 
Konservenglaser. Ob eine Ersparnis an Pyrogallolverbrauch dabei er- 
zielt wird, z. B. gegeniiber den fur Einzelkulturen gem von uns ver- 


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wendeten K ti s t e r schen Schalen mit der Lentz schen Plastilinabdichtung. 
haben wir nicht gepriift. Grofi wird die Ersparnis trotz der vorherigen 
Luftverdiinnung in den KonservenglSsern kaum sein kbnnen, weil der 
Rauminhalt dieser Glaser betrachtlich ist und man ja mit einem Sicher- 
heitsflberschuB von alkalischer Pyrogallolldsung zur Verbiirgung des Er- 
folges arbeiten mufi. ' 

Der Hermetisator eignet sich ubrigens auch sehr gut, um sterile 
oder bes&te Kulturrohrchen vor dem Eintrocknen zu bewahren. Die 
RShrchen werden dazu in Konservengl&ser gestellt und diese im Va- 
kuum zugezogen, — hier natiirlich ohne Kalilauge- und Pyrogallolver- 
wendung. 


Inhalt. 


Abel, Bemerkungen zu dem vorstehenden 
Aufsatze von Privatdozent Dr. Hilgers 
iiber die Verwendung der Haushalts- 
vakuumapparate in der Technik der 
Anaerobenziichtung, S. 558. 

Acklin, Oskar, Ueber die Bestimmung der 
pH-Werte in der bakteriologischen Tech¬ 
nik. Mit 2 Abbildungen im Text, S. 538. 

Beger, H., Versuche zur Beseitigung der 
heterologen Trtibungen bei prazipitieren- 
den Eiweifiantiseren, 8. 519. 

Bering, Eine „Trockenmethode“ und ihre 
Bedeutung fur die bakteriologische Ty- 
phusdiagnose, 8. 449. 

Czickeli, Hermann, Biologischea fiber den 
Erreger der C o 1 i - Pyelocystitis. I. Mit- 
teilung: Agglutinationen mit den Pa- 
tientenseris, S. 459. 

Ebert, B., u. Schnlgina, O., Ueber Para- 
typhus und Typhus bei Vogeln, S. 496. 

Gerlach, F. , Einzeitige Karbolfuchsin- 
Methylenblaufarbung. Ihre Verwend- 
barkeit fur diagnostische Zwecke, speziell 
ffir den Nachweis der N egrischen Kor- 
perchen, S. 552. 

Gildemeister, E., u. Herzberg, Kurt, 

Ein Lampenaggiutinoskop. Mit 3 Ab¬ 
bildungen im Text, S. 530. 

Hilgers, W. E., Die Verwendung der 
Haushaltungsvakuumapparate in der 
Technik der Anaerobenziichtung, 8. 557. 

Hofmann, Edmond, Einige Bemerkungen 
zur P a 11 i d a - Diagnose, S. 486. 

Ikoma, Torahiko, Studien fiber Bakterio- 
phagenwirkung, S. 554. 


Jannschke, £., Beitrag zur Diagnostik des 
Bac. pyocyaueus, 8. 492. 

Kollath, Werner, u. Lnbinski, Herbert, 
Zur Differentialdiagnose zwischen Vi- 
brionen und Bacillus faecalis al- 
caligenes, S. 455. 

Konrich, F., Untersuchungen fiber Nor- 
malisierung der Blutaufscnwemmung ffir 
Komplementbindung und zur Wa.-Re- 
aktion, 8. 533. 

Koose, Werner, Eine Laboratoriumsinfek- 
tion mit Maltafieber. Mit 1 Kurve im 
Text, S. 493. 

Lnbinski, Herbert, Zur Frage der Patho- 

f enitat des Diplococcus mucosus 
.ingelsheim, 8. 470. 

— —, Influenzabazillen als Eitererreger, 
S. 464. 

Schilf, Friedrich, Tuberkulinreaktion und 
C-Vitamin. Mit 4 Kurven im Text und 
1 Tafel, 8. 512. 

Schmidt, Hans, Zur Frage der Einwir- 
kung von Kochsalzlosung auf Bakterien, 
S. 510. 

Tada, Shigeru, Ist die Milzbrandimmu- 
nitat an das Hautorgan gebunden ? 
S. 477. 

Utenkow, M. D., Eine neue intrazerebrale 
Methode der lmpfung des Tollwutvirus. 
Mit 1 Abbildung im Text, S. 490. 
van der Lingen, J. Steph., Ueber die 
antiseptischen Eigenschaften der Acridin- 
verbindung des Flavins im Licht und 
Dunkeln, S. 509. 


Frommannsche Hnchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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V, 3 


Inhaltsverzeichnis. 


I. Verzeichnis der in Band 91 enthaltenen Arbeiten. 


Abe, T., Zur Frage der Fleckfieberatio- I 
logie. 217 

Abel, Bemerkungen zu dem vorstehenden 
Aufsatze von Privatdozent Dr. Hilge rs 1 
fiber die Verwendung der Haushalts- 
▼akuumapparate in der Technik der An- 
aerobenzuchtung. 558 I 

Aeklin, Oskar, Ueber die Bestimmung der 
PH-Werte in der bakteriologischen Tech¬ 
nik. 538 

Anlgsteln, Ludwik, a. Miliiiska, Unter- 
euchungen fiber die Qelbsucht bakteri- 
ellen Ursprungs. 383 

Arlstowsky, W., u. Hiiltzer, IL, Bemer- 
kungen zur Morphologie der Spirochaeta 
Obermeieri. * 175 

Batisweller, Johann, Ueber einen Fall 
von StreptothrixpySmie. 81 

Becker, Kndolf, Zur Nomenklatur der 
Pferdebandwfirmer (Anoplocephalidae). 

63 

Beger, H., Ueber aktive Immunisierung 
mit „gekupferten“ Spirochatenkulturen 
bei der W eilschen Krankheit. 90 
—, Versuche zur Beseitigung der hetero- 
logen Trfibungen bei prazipitierenden 
EiweiBantiseren. 519 

Bering, Eine „Trockenmethode“ und ihre 
Bedeutung ffir die bakteriologische Ty- 
phusdiagnose. 449 

Braun, H., u. Lowenstein, P., Ueber den 
Bacillus inconstans. Zugleich ein Bei- 
trag zur Bedeutung der Ztichtungstem- 
peiatur ffir die Entwicklung der Geifleln 
und des antigenen Apparates. 1 

Brekenfeld, Zur Technik der Anaeroben- 
zfichtung. I. Verwertung des Pyrogallol- 
Vakuumprinzips ffir Einzelplattenkul- 
turen. 338 

Brinkmann, J., Reagenzglasstudien zur 
bakteriziden Wirksamkeit des Hexals 
und Neohexals. 426 

Biirgers u. Herz, H., Ueber das Vor- 
koinmen der verschiedenen Pneumo- 
kokkentypen. 42 

Carrn, Jos6, Die Aminosauren in ihrer 
Beziehung zur Pigmentbildung des Ba¬ 
cillus pyocyaneus. 154 

Erste Abt. Orig. Bd. 91. Ifefl 


Czlckeli, Hermann, Biologisches fiber deu 
Erreger der Ooli-Pyelocystitis. I. Mit- 
teilung: Agglutinationen mit den Pa- 
tientenseris. 459 

Dack, Gall, M. s. Tanner, Fred W. 

Dold, H., B eitrage zur Frage der Wirkung 
des Harnstoffes auf Bakterien. 268 
—, Ein neues Verfahren zur Isolierung 
von Bakteriensporen aus Bakterienge- 
mischen. 350 

Donges, Ueber Streptokokkenfunde und 
Streptokokkenzuchtung aus dem Blute 
von Masernkranken. Vorlaufige Mit- 
teilung. 45 

Ebert, B., u. Schulgina, 0., Ueber Para- 
typhus und Typhus bei Vogeln. 496 
FelUnger, Berta, Untersuchungen fiber 
die Mundoscillarien des Menschen. 398 
Galll-Yalerio, B.. Parasitologische Unter¬ 
suchungen und Beitrage zur parasito- 
logischen Technik. 120 

Gerlacb, F., Einzeitige Karbolfuchsin-Me- 
thylenblaufarbung. Ihre Verwendbar- 
keit ffir diagnostische Zwecke, speziell 
ffir den Nachweis der Negrischen Kor- 
perchen. 552 

Giemsa, G., Zur Praxis der Giemsa- 
Farbung. 343 

Giidemeister, E., u. Herzberg, Kurt, Ein 
Lampenagglutinaskop. 536 

— —, Ueber das d’Herellesche Phii- 

nomen. III. Mitteilung. 12 

— —, Ueber das d'Herellesche Pha- 

nomen. IV. Mitteilung- 228 

Ginsburg, A. N., u. Sehuwalow, W. Th., 
Serodiagnostik der aktiven Tuberkulose 
mittels Komplementbindung mit den 
Antigenen Besredkas sowie von Nfc- 
gre und Boquet. 363 

Gitowltsch.W. s. Isabollnsky, M. 
Gluehow, K., u. Rosenbaum, Z., Ueber 
die Bakterien des Blutes beim Typhus 
exanthematicus. 29 

Gutfeld, Fritz v., Ueber den Wert der 
Garungsprobe bei 46° (Eijkman) und 
der Indolreaktion zur Begutachtung von 
Wasserproben. 346 

7/8. 36 


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562 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Hage, Erfolge mit Blutkulturen beim Ty¬ 
phus durch langere Bebriitung. 25 
Hartenfels, Helninth, Erfahrungen mit 
M ei nicke - Extrakten zur Serodia- 

S nostik der Lues. 388 

lmann, Georg s. Kohler, Otto. 

Herz, H. s. BUrgers. 

Herzberg, Kurt s. Gildemeister, E. 
Hilgers, W. E., Die Verwendung der 
Hausnaltungsvakuumapparate in der 
Technik der Anaerobenzuchtung. 557 
Hifltzer, R. s. Aristowsky, W. 

Hofmann, Edmond, Einige Bemerkungen 
zur Pallida-Diagnose. 486 

Huntemilller. 0., Ein neues Verfahren 
zur Anammenzucht. 125 

Ikoma, Torahlko, Studien iiber Bakterio- 
phagenwirkung. 554 

Isabollnsky, M., Ueber die Sterilitat des 
Virus fixe. 396 

— u. Gitowltsch, W., Ueber die Sachs- 
Geor gi-Syphilisreaktion. 393 

Januschke, E., Beitrag zur Diagnostik des 
Bac. pyocyaneus. 492 

—, Kasuistische Beitrage zur Bakteriologie 
der Aerogenes-Gruppe. 356 

Jeney, A. v., Aendert sich der Para- 
typhus A-Bazillus durch Tierpassage? 
Beitrage zurTheorie d. Agglutination. 366 
Kadisch, Ernst, Beitrage zur Anaeroben- 
techuik. 330 

Kersten, H. E. s. Lange, L. 

Kirehner, Otto, Zur Technik der An¬ 
aerobenzuchtung. II. 340- 

Kister, E n d o - Nahrboden bei der Pest- 
diagnose. 280 

Ktfhler, Otto, u. Hellmann, Georg, Ueber 
vergleichende intrakutane und intra- 
venose Sensibilisierung des Menschen mit 
Kaninchenserum. 112 

Kollath, Werner, u. Lubiuski, Herbert, 
Zur Differentialdiagnose zwischen Vi- 
brionen und Bacillus faecalis alcaligenes. 

455 

Konrlcb, F., Untersuchungen iiber Nor- 
malisierung der Blutaufscnwemmung fur 
Komplementbindung und Wa.-Reaktion. 

533 

Koose, Werner, Eine Laboratoriumsinfek- 
tion mit Maltafieber. 493 

Lange, L., u. Kersten. H. E„ Weitere 
Untersuchungen iiber „Bayer 205“. 323 
Laubenheimer, K., Zur Fifibung der Tu- 
berkelbazillen nach Konrich. 78 

Lauda, E. s. Luger, A. 

Lauda, Ernst, Zur Histopathologie der 
herpelischen Meningoencephalitis des 
Kaninchens. 159 

LSwensicin, P. s. Braun, H. 

Lubinski, Herbert, Influenzabazillen als 
Eitererreger. 464 

—, Statistische Betrachtungen zur Grippe- 
pandemie in Breslau 1918—22. 372 

—, Zur Frage der Pathogenitat des Diplo- 
coccus niucosus Lingelsheim. 470 

— — s. Kollath, Werner. 


Luger, A., u. Lauda, E., Zur Aetiologie 
des Herpes zoster. Ein Beitrag zum 
Herpes- und Eneephalitisproblem. 205 
Lnsztig, Alexander, Agglutinationsver- 
suche mit dem Bacillus paratyphus abor¬ 
tus equi. • 410 

Manteufel, P., u. Tomioka, Y., Ueber 
die Benutzung von Fleisch an Stelle von 
Serum als Antigen bei der Herstellung 
von prazipitierenden Antiseren fiir die 
biologische Nahrungsmitteluntersuchung. 

317 

Matsumoto, Takima, Versuche fiber die 
Vermehrung von Bakteriophagen. 413 
McGowan, J. P., Bradsot or Braxv. 54 
Meiliner, Gertrud, Ueber Bakteriophagen 
egen Choleravibrionen. 149 

in'ska, Z. s. Anigstein, Ludwik. 
Mirone. Giuseppe, Weitere Anwendungen 
des Entfarbungsvermogens der chinesi- 
schen Tusche in der bakteriologischen 
Technik. 300 

Mutussis, Constantin, Eine Blastomyces- 
Art aus einer Hautaffektion. 78 

Nesmelow, Z., Untersuchungen iiber 
Amoben. Erster Teil. 182 

Neuhaus, Carl, u. Pransnitz, Carl, Die 
Rolle der Haut bei der Bildung von 
Antikorpern. 1. Agglutinine und Bak- 
teriolysine. 444 

Nishiura, Seiichi, Ueber die Immuni- 
sierung gegen Rauschbrand mit Kultur- 
filtraten. 401 

Oba, Shiro- s. Zuelzer, Margarete. 

Pfeiler, W., SedimentierflaBche zur Auf- 
bewahrung von prazipitierenden Seren 
bzw. anderen klaren Fliissigkeiten. 143 
I’lasaj, 8., Ueber das Wesen der Bak- 
terienkapseln. 353 

Prausnitz, Carl, u. Preuss, Max, Der 
Rezeptorenapparat der in Asciteskultur 
geziichteten Tvphusbazillen. 145 

Prausnitz, Carl’s. Neuhaus, Carl. 
Preusse, Max s. Prausnitz, Carl. 
Rabinowitsch, Marcus, Zur Serodia- 
gnostik des Echinokokkus. 102 

Radice, Leonardo, Beitrag zur Kenntnis 
der Wunddiphtherie. 20 

Reichert, Fr., Untersuchungen fiber das 
d’Herellesche Phanomen. 235 

Rosenbaum, 8. s. Gluchow, K. 

Saphir, Otto, Berichtigung einer von 
M. Knorr im Centralblatt fur Hygiene 
und deren Grenzgebiete Bd. 4. 1923. 
Heft 2 gemachten Bemerkung fiber ein 
von mir in diesem Blatte angegebenes 
neues anaerobes Plattenverfahren. 351 
Scliilf, Friedrich, Tuberkulinreaktion und 
C-Vitamin. 512 

Schiller, Ignaz, Ueber „erzwungene“ Ant- 
agonisten. I. Mitteilung. 68 

Schmidt, Hans, Zur Frage der Einwirkung 
von Kochsalzlosung auf Bakterien. 510 
—, Ludwig, Ueber eine durch Leberegel 
bedingte Seuche beim Meerschweinchen. 

315 



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Inhaltsverzeichnis. 


563 


Scholz. W., Ueber die Brauchbarkeit der 
Floekungsreaktion fiir die Auswertung 
antitoxischer Sera (insbesondere des Di- 
phtherieantitoxins). 72 

Sehuckmann, W. y., Zur Biologie von 
Dictyostelium mucoroides Bref. 302 
Schulglna, 0. s. Ebert, B. 

Sehuwalow, W. Th. s. Ginsburg, A. N. 
Seki, Tadahide, Ueber einen eigenartigen 
Ruhrerreger. 101 

Semenow, W. P., Ueber ein neues Far- 
bungsverfahren der Tuberkeibazillen im 
Sputum. 140 

Silber, L, Ueber die Herkunft der X- 
Proteen und ihr Zusammenhang mit der 
Weil-Felixschen Reaktion. 191 
Simon, M., Ueber die Haufigkeit der 
Lamnlieninfektion im Rheinlande. 309 
Stntzer, M. J., Zur Frage iiber die Faulnis- 
bakterien im Darm. 87 

Tada, Shigeru, 1st die Milzbrandimmunitat 
an das Hautorgan gebunden? 477 


Tanner, Fred W., and Daek, Gail M., 
A Study of Yeasts from Sore Throats. 

282 

Tomioka, Y. s. Manteufel, P. 

Utenkow, M. D., Eine neue intrazerebrale 
Methode der Impfung des Tollwutvirus. 

490 

Fallen, Use, Ueber Schadigung der Leuko- 
zyten beim d ’ H e r e 11 e schen Phanomen. 

424 

ran der Lingen, J. Steph., Ueber die anti- 
septischen Eigenschaften der Acridin- 
verbindung des Flavins im Licht und 
Dunkeln. 509 

Tan Riemsdijk, M., Ueber eine verbesserte 
Optik der Ausflockungsreaktionen und 
die Teehnik der serologischen Reaktionen 
im allgemeinen. 128 

Weintraub, A. ; Ueber Glukosidspaltung 
durch Bakterien der Coli-Gruppe. 273 

Zuelzer, Margarete, und Oba, Shiro, Bei- 
trag zur Kenntnis saprophytischer Spiro- 
chaten. 95 


II. Sachrerzeiclinis 


Aerogenes-Gruppe, Bakteriologie. 356 

Agglutinoskop, Lampen- 536 

Akridinverbindung des Flavins. 509 

Amoben. 182 


Anaerobenkultur. 125, 330, 338, 340, 351, 

557, 558 

Anaphylaxie, Sensibilisierung des Menschen. 

112 

Anoplocephalidae. b3 

Antagonisten, erzwungene. 68 

Antikorper, Rolle der Haut. 444 

Antitoxische Sera, Floekungsreaktion fiir 
die Auswertung. 72 

Ausflockungsreaktionen s. Flockungsreak- 
tionen. 

Bac. faecalis alcaligenes, Differentialdia- 
gnose. 455 

— inconstans, kulturelles und serologisches 

Verhalten. 1 

— influenzae als Eitererreger. 464 

— paratyphi A, Aenderung durch Tier- 

passage. 366 

— paratyphosus abortus equi, Agglutina¬ 
tion. 410 

— pyocyaneuB, Diagnostik. 492 

-Pigmentbildung. 154 


Bact. coli, Erreger der Pyelocystitis. 459 
-Glukosidspaltung. 273 

— lactis aerogenes. 356 

Bakterien, Einwirkung von Kochsalz- 

losung. 510 

— Faulnis-, im Darm. 87 

Bakterienkapseln. 353 

Bakteriophagen s. a. d’Herellesches Pha¬ 
nomen. 

Bakteriophagen gegenCholeravibrionen. 149 

— Studien fiber — 454 

— Vermehrung. 413 

Bandwtirmer der Pferde. 63 

„Bayer 205“. 323 

Blastomyces-Art aus Hautaffektion. 51 
Blutaufschwemmung, Normalisierung. 533 
Blutkultur bei Typhus. 25 

Bradsot. 54 

Braxy. 54 

Choleravibrionen, d’Herellesches Phanomen. 

149 

Coli-Gruppe, Glukosidspaltung. 273 

Coli-Pyelocystitis. 459 

Cystitis, Pyelo-, verursacht durch Bact. 
coli. 459 


36* 


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564 


Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originate. Bd. 91. Heft 7/8. 


Dictyostelium mucoroides Bref., Biologie. 302 
Diphtherie, Wund- 20 

Diphtherieanti toxin, Auswertung. 72 
Diplococcus mucosus Lingelsheim. 470 
Distomum hepaticum s. Fasciola hepatica. 


Meningoencephalitis, herpetische, des Ka- 
ninchens. 159 

Milzbrand, Immunitat. 477 

Monilia bei Halsentzundungen. 282 

Mundoscillarien. 398 


Echinokokkus, Serodiagnostik. 102 

Encephalitis und Herpes zoster. 205 

— Meningo-, des Kaninchens. 159 

Endo-Nahrboden fiir Pestdiagnose. 280 
Endomyces bei Halsentzundungen. 282 
Entfarbung mittels chinesischer Tusche. 300 

Farbung der Tuberkelbazillen. 78, 140 
—, einzeitige Karbolfuchsin-Methylenblau-. 

552 

Farbung nach Giemsa. 343 

Fasciola hepatica bei Meerschweinchen. 315 
Faulnisbakterien im Darm. 87 

Flavin, Akridinverbindung des —, anti- 
septische Eigenschaften. 509 

Fleckfieber, Aetiologie. 217 

— Bakterien des Blutes bei — 29 


Flockungsreaktion fiir Diphtherieserum. 72 
Flockungsreaktionen, veroesserte Technik. 

128 


Garungsprobe bei Wasserbegutachtung. 346 
Gelbsucht bakteriellen Ussprungs. 383 

Geschwulste s. Tumoren. 

Giemsa-Farbung. :543 

Grippe, Pandemie 1918—1922. 372 


Harnstoff, Wirkung auf Bakterien. 268 

— zur Isolierung von Sporen. 350 

Haut, Rolle bei der Bildung von Anti- 

korpern. 444 

Hefe bei Halsentzundungen. 232 

d’Herellesches Phanomen. 12, 149, 228, 

235, 413, 424, 554 
Herpes. 159 

— zoster, Aetiologie. 205 

Hexal, bakterizide Wirkung. 426 

Huhner, Tumoren. 124 


Indolreaktion bei Wasserbegutachtung. 346 
Influenzabazillen als Eitererreger. 464 


Kapseln der Bakterien. 353 

Kochsalzlosung, Einwirkung auf Bakterien. 

510 

Komplementbindung bei Tuberkulose. 363 
—, Normalisierung der Blutaufschwem- 
mung. 533 

Konrich-Farbung. 78 

Lamblia intestinalis, Haufigkeit der In- 
fektion. 309 

Lampenagglutinoskop. 536 

Leberegel beirn Meerschweinchen. 315 
Lyssa s. Wut. 

Maltafieber, Laboratoriumsinfektion. 493 
Masern, Streptokokkenfunde und Ziichtung. 

45 

Meinicke-Reaktion. 338 


Negrische Korperchen, Nachweis. 552 

Neohexal, bakterizide Wirkung. 426 

Oscillarien des Mundes. 398 


Parasiten, geographische Verbreitung. 120 

— Untersychungen und Technik. 120 

Paratyphus bei Vogeln. 496 

— A-Bazillen, Aenderung durch Tier- 

passage. 366 

Pest, Diagnose. 280 

Pferdebandwiirmer. 63 

Pn-Werte, Bestimmung in der bakterio- 
logischen Technik. 538 

Phytoparasiten. 121 

Pneumokokken, Vorkommen verschiedener 
Typen. 42 

Prazipitation, Aufbewahrung der Sera. 143 

— Beseitigung heterologer Trubungen. 519 

— HersteTlung von Seren. 317 

Proteus X-Stamme, Herkunft. 191 

Pyocyaneus, Diagnostik. 492 

— Pigmentbindung. 154 

Pyelocystitis, Coli als Erreger. 459 

Rauschbrand, Immunisierung. 401 

Rekurrens, Morphologie des Erregers. 175 
Ruhr, Erreger. 101 


Sachs-Georgi-Reaktion. 393 

Sedimentierflasche. 143 

Serodiagnostik der Syphilis. 388, 393 

— der Tuberkulose. 363 

Serologische Reaktionen, Technik. 128 

Simonsiella Miilleri. 398 

Spirochaeta Obermeieri, Morphologie. 175 

— pallida, Diagnose. 486 

Spirochaten, saprophytische. 95 

Spirochatenkulturen, Immunisierung bei 

Weilscher Krankheit. 90 

Sporen, Bakterien-, Isolierung. 350 

Streptokokken bei Masern. 45 

Streptothrix-Pyamie. 81 

Syphilis, Serodiagnostik. . 388, 393 


Technik, bakteriologische. 538 

Tollwut s. Wut. 

Tuberkelbazillen, Farbung nach Konrich. 

78 

— neues Fiirbungsverfahren. 140 

Tuberkulinreaktion. 512 

Tuberkulose, Serodiagnostik. 363 

Tumoren bei Hiihnern. 124 

Tusche, chinesische, zur Entfarbung. 300 

Typhus, bakteriologische Diagnose. 449 

— bei Vogeln. 496 

— Blutkultur. 25 

— exanthematicus s. Fleckfieber. 


Typhusbazillen, in Ascites geziichtete. 145 


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Inhalts verzeichnis. 


565 


Ueberempfindlichkeit s. Anaphylaxie. 


Vibrionen, Differentialdiagnose. 455 

Virus fixe, Sterilitat. 396 

Vitanaine und Tuberkulinreaktion. 512 

Wasserbegutachtung. 346 

Wa8sermann-Reaktion. 533 

Weil-Felixsche Reaktion. 191 


Weilsche Krankheit, Immunisierung. 90 


Wunddiphtherie. 20 

Wut, Nachweis der Negrischen Korperchen. 

552 

— neue zerebrale Methode der Impfung. 

490 

— Sterilitat des Virus fixe. 396 

X-Stamme, Herkunft. 191 

Zooparasiten. 122 


4 


III. Yerzeichnis der Abbildungen. 


Anaerobentechnik. 126, 334, 337, 339 
Bact. lactis aerogenes. 357 

Cholerabakteriophagen. 151 

Darmparasiten von Arctomis marmota. 123 
Demodex folliculorum var. caprae. 123 
Dictyostelium mucoroides Bref. 302 

Falkenthal-Lampe. 537 

Flockungsreaktionen. 129, 130, 132, 133 

—139 

Herpes zoster. 206 

Komparator. 549 


Lampenagglutinoskop. 537 

Meningoencephalitis des Kaninchens (Taf. I, 
II). 174, 175 


Sediraentierflasche. 

Spirochaeta Obermeieri (Taf.). 
Spirochaten, saprophytische (Taf.) 
Streptokokken bei Maseru. 
Tuberkulinreaktion und Vitamine 

Wut, neue Impfmethode. 


143 
181 
100 
46, 47 
(Taf.). 
519 
491 


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